Löwe-Rosenberg. Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz: Band 6 §§ 212-255a [27th newly revised edition] 9783110274943, 9783110274776

Volume 6 addresses the sections on preparation for the main hearing (§§ 212 to 225a StPO) and the first part of the proc

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Table of contents :
Vorwort
Hinweise für die Benutzung des Löwe-Rosenberg
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Strafprozessordnung
ZWEITES BUCH Verfahren im ersten Rechtszug
FÜNFTER ABSCHNITT Vorbereitung der Hauptverhandlung
Vorbemerkung zu § 212
§ 212 Erörterung des Verfahrensstands mit den Verfahrensbeteiligten
§ 213 Bestimmung eines Termins zur Hauptverhandlung
§ 214 Ladung durch den Vorsitzenden; Herbeischaffung der Beweismittel
§ 215 Zustellung des Eröffnungsbeschlusses
§ 216 Ladung des Angeklagten
§ 217 Ladungsfrist
§ 218 Ladung des Verteidigers
§ 219 Beweisanträge des Angeklagten
§ 220 Unmittelbare Ladung durch den Angeklagten
§ 221 Herbeischaffung von Beweismitteln von Amts wegen
§ 222 Namhaftmachung von Zeugen und Sachverständigen
§ 222a Mitteilung der Besetzung des Gerichts
§ 222b Besetzungseinwand
§ 223 Vernehmungen durch beauftragte oder ersuchte Richter
§ 224 Benachrichtigung der Beteiligten über den Termin
§ 225 Einnahme des richterlichen Augenscheins durch beauftragte oder ersuchte Richter
§ 225a Zuständigkeitsänderung vor der Hauptverhandlung
SECHSTER ABSCHNITT Hauptverhandlung
Vorbemerkung zu § 226
§ 226 Ununterbrochene Gegenwart
§ 227 Mehrere Staatsanwälte und Verteidiger
§ 228 Aussetzung und Unterbrechung
§ 229 Höchstdauer einer Unterbrechung
§ 230 Ausbleiben des Angeklagten
§ 231 Anwesenheitspflicht des Angeklagten
§ 231a Herbeiführung der Verhandlungsunfähigkeit durch den Angeklagten
§ 231b Fortsetzung nach Entfernung des Angeklagten zur Aufrechterhaltung der Ordnung
§ 231c Beurlaubung einzelner Angeklagter und ihrer Pflichtverteidiger
§ 232 Durchführung der Hauptverhandlung trotz Ausbleibens des Angeklagten
§ 233 Entbindung des Angeklagten von der Pflicht zum Erscheinen
§ 234 Vertretung des Angeklagten
§ 234a Befugnisse des Verteidigers bei Vertretung des abwesenden Angeklagten
§ 235 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Verhandlung ohne den Angeklagten
§ 236 Anordnung des persönlichen Erscheinens des Angeklagten
§ 237 Verbindung mehrerer Strafsachen
§ 238 Verhandlungsleitung
§ 239 Kreuzverhör
§ 240 Fragerecht
§ 241 Zurückweisung von Fragen durch den Vorsitzenden
§ 241a Vernehmung minderjähriger Zeugen durch den Vorsitzenden
§ 242 Entscheidung über die Zulässigkeit von Fragen
§ 243 Gang der Hauptverhandlung
§ 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen
§ 245 Umfang der Beweisaufnahme; präsente Beweismittel
§ 246 Ablehnung von Beweisanträgen wegen Verspätung
§ 246a Vernehmung eines Sachverständigen vor Entscheidung über eine Unterbringung
§ 247 Entfernung des Angeklagten bei Vernehmung von Mitangeklagten und Zeugen
§ 247a Anordnung einer audiovisuellen Vernehmung von Zeugen
§ 248 Entlassung der Zeugen und Sachverständigen
§ 249 Führung des Urkundenbeweises durch Verlesung; Selbstleseverfahren
§ 250 Grundsatz der persönlichen Vernehmung
§ 251 Urkundenbeweis durch Verlesung von Protokollen
§ 252 Verbot der Protokollverlesung nach Zeugnisverweigerung
§ 253 Protokollverlesung zur Gedächtnisstützung
§ 254 Verlesung eines richterlichen Protokolls bei Geständnis und Widersprüchen
§ 255 Protokollierung der Verlesung
§ 255a Vorführung einer aufgezeichneten Zeugenvernehmung
Sachregister
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Löwe-Rosenberg. Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz: Band 6 §§ 212-255a [27th newly revised edition]
 9783110274943, 9783110274776

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Großkommentare der Praxis

I

II

Löwe-Rosenberg

Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz | Großkommentar

27., neu bearbeitete Auflage herausgegeben von Jörg-Peter Becker, Volker Erb, Robert Esser, Kirsten Graalmann-Scheerer, Hans Hilger, Alexander Ignor Sechster Band §§ 212–255a

Bearbeiter: §§ 212–225a: Christian Jäger §§ 226–248: Jörg-Peter Becker §§ 249, 253–255a: Andreas Mosbacher §§ 250–252: Gabriele Cirener/Günther M. Sander Sachregister: Christian Klie

III

ISBN 978-3-11-027477-6 e-ISBN (PDF) 978-3-11-027494-3 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-038117-7 Library of Congress Control Number: 2016295880 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Datenkonvertierung und Satz: jürgen ullrich typosatz, 86720 Nördlingen Druck und Bindung: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza www.degruyter.com

IV

Bearbeiterverzeichnis

Die Bearbeiter der 27. Auflage Bearbeiterverzeichnis Bearbeiterverzeichnis https://doi.org/10.1515/9783110274943-202 Jörg-Peter Becker, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof a.D. Obernburg Dr. Johannes Berg, Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Camilla Bertheau, Rechtsanwältin in Berlin Gabriele Cirener, Richterin am Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Volker Erb, Professor an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Dr. Robert Esser, Professor an der Universität Passau Dr. Karsten Gaede, Professor an der Bucerius Law School, Hamburg Dr. Klaus Ferdinand Gärditz, Professor an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Richter am OVG Nordrhein-Westfalen im Nebenamt, stellvertretender Richter am VerfGH Nordrhein-Westfalen Kerstin Gärtner, Richterin am Kammergericht Berlin Dr. Dirk Gittermann, Richter am Oberlandesgericht Celle Dr. Sabine Gleß, Professorin an der Universität Basel Dr. Dr. h.c. Karl Heinz Gössel, em. Professor an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht a.D., München Dr. Kirsten Graalmann-Scheerer, Generalstaatsanwältin in Bremen, Honorarprofessorin an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Bremen Klaus-Peter Hanschke, Richter am Kammergericht Berlin Dr. Pierre Hauck, Professor an der Universität Gießen Dr. Hans Hilger, Ministerialdirektor im Bundesministerium der Justiz a.D., Bad Honnef Dr. Dr. Alexander Ignor, Rechtsanwalt in Berlin, Apl. Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin Dr. Christian Jäger, Professor an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Dr. Matthias Jahn, Professor an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, Richter am Oberlandesgericht Frankfurt a.M. Dr. Björn Jesse, Richter am Landgericht Berlin Dr. Pascal Johann, Rechtsanwalt in Frankfurt a.M. Dr. Daniel M. Krause, Rechtsanwalt in Berlin Dr. Matthias Krauß, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Heiner Kühne, em. Professor an der Universität Trier Detlef Lind, Richter am Kammergericht Berlin Dr. Holger Matt, Rechtsanwalt in Frankfurt am Main, Honorarprofessor an der Goethe-Universität Frankfurt am Main Dr. Markus Mavany, Landgericht Trier Dr. Eva Menges, Richterin am Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Andreas Mosbacher, Richter am Bundesgerichtshof, Leipzig, Honorarprofessor an der Universität Leipzig Dr. Ali B. Norouzi, Rechtsanwalt in Berlin Dr. Günther M. Sander, Richter am Bundesgerichtshof, Honorarprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin Dr. Frank Peter Schuster, Professor an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg Dr. Wolfgang Siolek, Vors. Richter am Oberlandesgericht Celle a.D. Dr. Carl-Friedrich Stuckenberg, Professor an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Dr. Michael Tsambikakis, Rechtsanwalt in Köln, Honorarprofessor an der Universität Passau Dr. Brian Valerius, Professor an der Universität Bayreuth Marc Wenske, Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Raik Werner, Richter am Oberlandesgericht München

V https://doi.org/10.1515/9783110274943-202

Bearbeiterverzeichnis

VI https://doi.org/10.1515/9783110274943-202

Vorwort

Vorwort Vorwort Vorwort https://doi.org/10.1515/9783110274943-203 Der LÖWE-ROSENBERG feierte im Jahr 2014 seinen 135. Geburtstag und ist damit das älteste weiterhin aktuelle Erläuterungswerk zur Strafprozessordnung und der mit ihr verbundenen Gesetze. Ein Großkommentar hat die Aufgabe, den Erkenntnisstand und die rechtlichen Probleme des Strafverfahrensrechts möglichst vollständig darzustellen und Wege zur Lösung auch entlegener Fragen aufzuzeigen. In einem an Praxis und Wissenschaft gleichermaßen gerichteten Werk müssen dabei der Praxisbezug theoretischer Streitfragen und die historische Entwicklung heute gültiger Normen deutlich werden. Die Entwicklungsgeschichte der Strafprozessordnung und der Strafgerichtsverfassung seit dem Inkrafttreten der Reichsjustizgesetze, nebst dem Strafverfahrensrecht der DDR und dem Recht der Vereinigung Deutschlands, sowie die Entstehungsgeschichte der einzelnen Vorschriften sind sorgfältig darzustellen – gerade vor dem Hintergrund einer 2017 in die Wege geleiteten, von einer Expertenkommission des BMJV vorbereiteten Reform des deutschen Strafprozessrechts. Die fast 140-jährige Entwicklung des Strafprozessrechts in Deutschland, die fortlaufenden Änderungen sowie eine sich zunehmend verfeinernde und immer stärker ausdifferenzierende wissenschaftliche Entwicklung und Rechtsprechung bilden eine stetige Herausforderung. Ein Großkommentar muss sowohl den Rückgriff auf die Grundprinzipien ermöglichen als auch die Ausdifferenzierung dokumentieren und soweit erforderlich bewerten und systematisieren. Inhaltlich wird die Konzeption des LÖWE-ROSENBERG auch in der 27. Auflage im Wesentlichen beibehalten. Zudem werden der Einfluss der Menschenrechte, des Rechts der Europäischen Union und der Rechtsprechung internationaler und europäischer Gerichte auf das Strafverfahrensrecht und das Recht der Strafgerichtsverfassung sowie die Rechtsprechung nationaler Gerichte hierzu eingehend berücksichtigt. Die gesonderte Kommentierung der für das Strafverfahren bedeutsamen Vorschriften der EMRK und des IPBPR wird weitergeführt. Auf der Grundlage dieser Konzeption ist jeder Autor für den Inhalt seiner Kommentierung verantwortlich. Die zunehmende Flut der Veröffentlichungen hat inzwischen einen Umfang erreicht, der es nicht mehr in allen Bereichen möglich macht, den Grundsatz der vollständigen Dokumentation des Materials uneingeschränkt zu erfüllen. Es bleibt daher der Verantwortung eines jeden Autors überlassen, ob und in welchem Umfang er eine Auswahl trifft. Für die 27. Auflage sind derzeit zwölf Bände geplant, insgesamt voraussichtlich 13.000 Seiten. Das Werk wird bandweise erscheinen und soll im Jahre 2021 abgeschlossen werden. Sechs Herausgeber werden den Kommentar weiterhin betreuen, jeweils zwei Herausgeber sind als Bandredakteure verantwortlich. Die Autoren werden im Autorenverzeichnis eines Bandes genannt; ergänzend wird auf die Verzeichnisse im Nachtrag der 26. Auflage verwiesen. Verlag, Herausgeber und Autoren werden bemüht sein, die hohen Erwartungen zu erfüllen, die sich mit dem LÖWE-ROSENBERG seit jeher verbinden. Der hiermit vorgelegte Band 6 hat weitgehend den Bearbeitungsstand Januar 2019; teilweise – insbesondere bei der Kommentierung der einzelnen Vorschriften – konnten auch noch später erschienene Rechtsprechung und Literatur berücksichtigt werden. Band 6 bespricht den Abschnitt zur Vorbereitung der Hauptverhandlung (§§ 212 bis 225a StPO) und den ersten Teil der Vorschriften zur Durchführung der Hauptverhandlung (§§ 226 bis 255a StPO) – der zweite Teil wird im Band 7 (§§ 256 bis 275 StPO) folgen. Durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des StrafverfahVII https://doi.org/10.1515/9783110274943-203

Vorwort

rens vom 17.8.2017 (BGBl. I S. 3202) sind u.a. die §§ 213, 243, 244, 251 und 254 geändert worden; zu diesen Änderungen enthält der vorliegende Band die ersten umfassenden Erläuterungen in einem Großkommentar. Berlin, im August 2019

Die Herausgeber

VIII

Hinweise für die Benutzung des Löwe-Rosenberg

Hinweise für die Benutzung des Löwe-Rosenberg Hinweise für die Benutzung des Löwe-Rosenberg Hinweise für die Benutzung des Löwe-Rosenberg 1. Inhalt der Kommentierung https://doi.org/10.1515/9783110274943-204

Der LÖWE-ROSENBERG kommentiert die StPO, das EGStPO, das GVG und das EGGVG mit Ausnahme der nur den Zivilprozess betreffenden Teile, sowie – mit dem Schwerpunkt auf den strafverfahrensrechtlich besonders bedeutsamen Regelungen – die EMRK und den IPBPR. Wenig bekannte oder schwer auffindbare strafverfahrensrechtliche Nebengesetze, deren Wortlaut für die Kommentierung erforderlich ist, werden bei den einschlägigen Erläuterungen im Kleindruck wiedergegeben. 2. Erscheinungsweise und Stand der Bearbeitung Die 27. Auflage des LÖWE-ROSENBERG erscheint in Bänden, deren ErscheinungsReihenfolge von der des Gesetzes abweichen kann. Die Bände werden in der vom Gesetz vorgegebenen Reihenfolge durchnumeriert. Der Stand der Bearbeitung ist dem Vorwort jedes Bandes zu entnehmen. Die Autoren sind bemüht, besonders wichtige Änderungen und Entwicklungen auch noch nach diesem Stichtag bis zur Drucklegung des Bandes zu berücksichtigen. 3. Bearbeiter Jeder Bearbeiter (in der Fußzeile angegeben) trägt für seinen Teil die alleinige inhaltliche Verantwortung. Die Stellungnahmen zu Rechtsfragen, die an mehreren Stellen des Kommentars behandelt werden, können daher voneinander abweichen. Auf solche Abweichungen wird nach Möglichkeit hingewiesen. 4. Aufbau der Kommentierung Neben der umfassenden Einleitung zum Gesamtwerk sind den Untereinheiten der kommentierten Gesetze (Bücher, Abschnitte, Titel), soweit erforderlich, Vorbemerkungen vorangestellt, die das für die jeweilige Untereinheit Gemeinsame erläutern. Der den Vorbemerkungen und den Kommentierungen der einzelnen Vorschriften erforderlichenfalls vorangestellte Abschnitt Geltungsbereich enthält Hinweise auf zeitliche und örtliche Besonderheiten. Der Abschnitt Entstehungsgeschichte gibt, abgesehen von ganz unwesentlichen Änderungen, die Entwicklung der geltenden Fassung der Vorschrift vom Erlass des jeweiligen Gesetzes an wieder. Fehlt er, so kann davon ausgegangen werden, dass die Vorschrift unverändert ist. Der Hinweis auf geplante Änderungen verzeichnet Änderungsvorschläge, die sich beim Abschlusszeitpunkt der Lieferung im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren befinden. Die Erläuterungen sind nach systematischen Gesichtspunkten gegliedert, die durch Überschriften oder Stichworte hervorgehoben sind. In der Regel ist den Erläuterungen eine systematische Übersicht vorangestellt. Soweit angebracht wird sie bei besonders umfangreichen Erläuterungen durch eine alphabetische Übersicht ergänzt. Bei den Erläuterungen selbst werden für jede Vorschrift (zur Erleichterung des Zitierens) durchlaufende Randnummern verwendet.

IX https://doi.org/10.1515/9783110274943-204

Hinweise für die Benutzung des Löwe-Rosenberg

5. Schrifttum Der Kommentar enthält am Anfang jedes Bandes ein allgemeines Literaturverzeichnis, das nur die häufiger verwendete oder allgemeine Literatur enthält. Den Vorbemerkungen und den Kommentierungen der einzelnen Vorschriften sind Schrifttumsverzeichnisse vorangestellt, die einen Überblick über das wesentliche Schrifttum zu dem jeweils behandelten Thema geben. 6. Zitierweise Literatur, die in diesen Schrifttumsverzeichnissen enthalten ist, wird im laufenden Text im allgemeinen nur mit dem Namen des Verfassers (ggfs. mit einer unterscheidenden Kurzbezeichnung) oder der sonstigen im Schrifttumsverzeichnis angegebenen Kurzbezeichnung zitiert, doch wird bei Veröffentlichungen in Zeitschriften vielfach auch die genaue Fundstelle nachgewiesen. Sonst sind selbständige Werke mit (gelegentlich verkürztem) Titel und Jahreszahl, unselbständige Veröffentlichungen (auch Beiträge in Festschriften u.ä.) mit der Fundstelle angegeben. Auflagen sind durch hochgestellte Zahlen gekennzeichnet; fehlt eine solche Angabe, so wird aus der Auflage zitiert, die im allgemeinen Schrifttumsverzeichnis angegeben ist. Hat ein Werk Randnummern, so wird nach diesen, sonst nach Seitenzahl oder Gliederungspunkten zitiert. Befindet sich beim Zitat anderer Kommentare die in Bezug genommene Stelle im gleichen Paragraphen, so wird nur die Randnummer oder (bei deren Fehlen) der Gliederungspunkt angegeben; wird auf die Erläuterungen bei einem anderen Paragraphen Bezug genommen, so wird dieser genannt. Entsprechend wird auch im LÖWE-ROSENBERG selbst verwiesen. Bei diesem wird, wenn nichts anderes angegeben ist, auf die gegenwärtige 27. Auflage verwiesen. Ist der Band mit den Erläuterungen, auf die verwiesen werden soll, noch nicht erschienen, so ist, soweit dies sachdienlich erschien, in Klammern ergänzend die genaue Fundstelle in der 26. Auflage angegeben. Zeitschriften werden regelmäßig mit dem Jahrgang zitiert. Ausnahmen (Bandangabe) bilden namentlich ZStW, GA (bis 1933) und VRS; hier ist regelmäßig die Jahreszahl zusätzlich angegeben. Bei der Angabe der Fundstelle eines amtlichen Verkündungsblattes wird die Jahreszahl nur angegeben, wenn sie von der Jahreszahl der Rechtsvorschrift abweicht. Entscheidungen werden im allgemeinen nur mit einer Fundstelle angegeben. Dabei hat die amtliche Sammlung eines obersten Bundesgerichtes den Vorrang, sonst die Fundstelle, die die Entscheidung mit Anmerkung oder am ausführlichsten wiedergibt. 7. Abkürzungen Die verwendeten Abkürzungen, namentlich von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften, Entscheidungssammlungen, Zeitschriften usw. sind im Abkürzungsverzeichnis nachgewiesen.

X

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Bearbeiterverzeichnis | V Vorwort | VII Hinweise für die Benutzung des Löwe-Rosenberg | IX Abkürzungsverzeichnis | XIII Literaturverzeichnis | XLVII

Strafprozessordnung ZWEITES BUCH Verfahren im ersten Rechtszug (Vor § 212–255a) FÜNFTER ABSCHNITT Vorbereitung der Hauptverhandlung Vorbemerkung zu § 212 | 1 § 212 Erörterung des Verfahrensstands mit den Verfahrensbeteiligten | 15 § 213 Bestimmung eines Termins zur Hauptverhandlung | 22 § 214 Ladung durch den Vorsitzenden; Herbeischaffung der Beweismittel | 33 § 215 Zustellung des Eröffnungsbeschlusses | 44 § 216 Ladung des Angeklagten | 47 § 217 Ladungsfrist | 55 § 218 Ladung des Verteidigers | 61 § 219 Beweisanträge des Angeklagten | 73 § 220 Unmittelbare Ladung durch den Angeklagten | 86 § 221 Herbeischaffung von Beweismitteln von Amts wegen | 101 § 222 Namhaftmachung von Zeugen und Sachverständigen | 104 § 222a Mitteilung der Besetzung des Gerichts | 113 § 222b Besetzungseinwand | 126 § 223 Vernehmungen durch beauftragte oder ersuchte Richter | 145 § 224 Benachrichtigung der Beteiligten über den Termin | 164 § 225 Einnahme des richterlichen Augenscheins durch beauftragte oder ersuchte Richter | 176 § 225a Zuständigkeitsänderung vor der Hauptverhandlung | 180 SECHSTER ABSCHNITT Hauptverhandlung Vorbemerkung zu § 226 | 200 § 226 Ununterbrochene Gegenwart | 235 § 227 Mehrere Staatsanwälte und Verteidiger | 247 § 228 Aussetzung und Unterbrechung | 251 § 229 Höchstdauer einer Unterbrechung | 272 § 230 Ausbleiben des Angeklagten | 297 § 231 Anwesenheitspflicht des Angeklagten | 323 § 231a Herbeiführung der Verhandlungsunfähigkeit durch den Angeklagten | 342 § 231b Fortsetzung nach Entfernung des Angeklagten zur Aufrechterhaltung der Ordnung | 361 XI

Inhaltsverzeichnis

§ 231c § 232 § 233 § 234 § 234a § 235 § 236 § 237 § 238 § 239 § 240 § 241 § 241a § 242 § 243 § 244 § 245 § 246 § 246a § 247 § 247a § 248 § 249 § 250 § 251 § 252 § 253 § 254 § 255 § 255a

Beurlaubung einzelner Angeklagter und ihrer Pflichtverteidiger | 368 Durchführung der Hauptverhandlung trotz Ausbleibens des Angeklagten | 379 Entbindung des Angeklagten von der Pflicht zum Erscheinen | 393 Vertretung des Angeklagten | 414 Befugnisse des Verteidigers bei Vertretung des abwesenden Angeklagten | 424 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Verhandlung ohne den Angeklagten | 433 Anordnung des persönlichen Erscheinens des Angeklagten | 438 Verbindung mehrerer Strafsachen | 444 Verhandlungsleitung | 456 Kreuzverhör | 489 Fragerecht | 494 Zurückweisung von Fragen durch den Vorsitzenden | 504 Vernehmung minderjähriger Zeugen durch den Vorsitzenden | 519 Entscheidung über die Zulässigkeit von Fragen | 524 Gang der Hauptverhandlung | 527 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen | 596 Umfang der Beweisaufnahme; präsente Beweismittel | 883 Ablehnung von Beweisanträgen wegen Verspätung | 919 Vernehmung eines Sachverständigen vor Entscheidung über eine Unterbringung | 928 Entfernung des Angeklagten bei Vernehmung von Mitangeklagten und Zeugen | 944 Anordnung einer audiovisuellen Vernehmung von Zeugen | 977 Entlassung der Zeugen und Sachverständigen | 1007 Führung des Urkundenbeweises durch Verlesung; Selbstleseverfahren | 1012 Grundsatz der persönlichen Vernehmung | 1080 Urkundenbeweis durch Verlesung von Protokollen | 1109 Verbot der Protokollverlesung nach Zeugnisverweigerung | 1169 Protokollverlesung zur Gedächtnisstützung | 1209 Verlesung eines richterlichen Protokolls bei Geständnis und Widersprüchen | 1220 Protokollierung der Verlesung | 1235 Vorführung einer aufgezeichneten Zeugenvernehmung | 1237

Sachregister | 1255

XII

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis https://doi.org/10.1515/9783110274943-206 AA a.A. aaO Abg. AbgG abl. ABl. ABlEG ABlEU ABMG Abs. Abschn. abw. AChRMV AcP AdoptG AdVermiG a.E. AEPC ÄndG ÄndVO a.F. AfkKR AfP AG AGIS

AGGewVerbrG AGGVG AGS AGStPO AHK AIDP AJIL AktG AktO allg. M. Alsb.E Alt. a.M. AMRK amtl.

Auswärtiges Amt anderer Ansicht am angegebenen Orte Abgeordneter Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz – AbgG) vom 18.2.1977 i.d.F. der Bek. vom 21.2.1996 (BGBl. I S. 326) ablehnend Amtsblatt Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften; Ausgabe C: Mitteilungen und Bekanntmachungen; Ausgabe L: Rechtsvorschriften (zit.: ABlEG Nr. L … /(Seite) vom …) Amtsblatt der Europäischen Union (ab 2003); Ausgabe C: Mitteilungen und Bekanntmachungen; Ausgabe L: Rechtsvorschriften (zit.: ABlEU Nr. L …/(Seite) vom …) Autobahnmautgesetz für schwere Nutzfahrzeuge vom 5.4.2002 (BGBl. I S. 1234) Absatz Abschnitt abweichend Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker vom 26.6.1981, deutsche Übersetzung EuGRZ 1990, 348 Archiv für die civilistische Praxis Adoptionsgesetz vom 2.7.1976 (BGBl. I S. 1749) Adoptionsvermittlungsgesetz vom 27.11.1989 (BGBl. I S. 2014) i.d.F. der Bek. vom 22.12.2001 (BGBl. 2002 I S. 354) am Ende Association of European Police Colleges Änderungsgesetz Änderungsverordnung alte Fassung Archiv für katholisches Kirchenrecht Archiv für Presserecht, Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht Amtsgericht; in Verbindung mit einem Gesetz: Ausführungsgesetz Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 22.7.2002 über ein Rahmenprogramm für die polizeiliche und justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen – AGIS (ABlEG Nr. C 203 vom 1.8.2002, S. 5) Ausführungsgesetz zum Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24.11.1933 (RGBl. I S. 1000) Gesetz zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes (Landesrecht) Zeitschrift für das gesamte Gebührenrecht und Anwaltsmanagement Ausführungsgesetz zur Strafprozessordnung (Landesrecht) Alliierte Hohe Kommission Association Internationale de Droit Pénal American Journal of International Law Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) vom 6.9.1965 (BGBl. I S. 1089) Anweisung für die Verwaltung des Schriftguts bei den Geschäftsstellen der Gerichte und der Staatsanwaltschaften (Aktenordnung) allgemeine Meinung Die strafprozessualen Entscheidungen der Oberlandesgerichte, herausgegeben von Alsberg und Friedrich (1927), 3 Bände Alternative anderer Meinung Amerikanische Menschenrechtskonvention vom 22.11.1969 (Pact of San José), deutsche Übersetzung EuGRZ 1980, 435 amtlich

XIII https://doi.org/10.1515/9783110274943-206

Abkürzungsverzeichnis

amtl. Begr. Anh. AnhRügG Anl. Anm. AnwBl. AöR AO AOStrÄndG apf APR APuZ ArbGG ArchKrim. ArchPF ArchVR arg. Art. ASIL AsylVfG ATDG

AtomG

AufenthG

aufg. Aufl. AUILR AUR AuR ausf. AuslG AusnVO

AV AVG AVR AWG Az

amtliche Begründung Anhang Gesetz über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Anhörungsrügengesetz) vom 9.12.2004 (BGBl. I S. 3220) Anlage Anmerkung Anwaltsblatt Archiv des öffentlichen Rechts Abgabenordnung vom 16.3.1976 (BGBl. I S. 613) i.d.F. der Bek. vom 1.10.2002 (BGBl. I S. 3866) Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze vom 10.8.1967 (BGBl. I S. 877) Ausbildung Prüfung Praxis – Zeitschrift für die staatliche und kommunale Verwaltung Allgemeines Persönlichkeitsrecht Aus Politik und Zeitgeschichte (Zeitschrift) Arbeitsgerichtsgesetz vom 3.9.1953 i.d.F. der Bek. vom 2.7.1979 (BGBl. I S. 853) Archiv für Kriminologie Archiv für das Post- und Fernmeldewesen Archiv des Völkerrechts argumentum Artikel The American Society of International Law Gesetz über das Asylverfahren i.d.F. der Bek. vom 2.9.2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 4.12.2018 (BGBl. I S. 2250) Gesetz zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern (Antiterrordateigesetz – ATDG) v vom . 22.12.2006 Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) vom 31.10.1976 (BGBl. I S. 3053) i.d.F. der Bek. vom 15.7.1985 (BGBl. I S. 1565) Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG), neugefasst durch Bek. vom 25.2.2008 (BGBl. I S. 162); zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 12.7.2018 (BGBl. I S. 1147) aufgehoben Auflage American University International Law Review Agrar- und Umweltrecht Arbeit und Recht (Zeitschrift) ausführlich Gesetz über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet (Ausländergesetz) vom 9.7.1990 (BGBl. I S. 1354), außer Kraft getreten am 31.12.2004 Ausnahme-(Not-)Verordnung (1) VO zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 1.12.1930 (RGBl. I S. 517) (2) VO zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 6.10.1931 (RGBl. I S. 537, 563) (3) VO zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zum Schutz des inneren Friedens vom 8.12.1931 (RGBl. I S. 743) (4) VO über Maßnahmen auf dem Gebiet der Rechtspflege und Verwaltung vom 14.6.1932 (RGBl. I S. 285) Allgemeine Verfügung Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (Österreich) Archiv des Völkerrechts Außenwirtschaftsgesetz vom 28.4.1961 (BGBl. I S. 481) Aktenzeichen

XIV

Abkürzungsverzeichnis

AZR-Gesetz

Gesetz über das Ausländerzentralregister (AZR-Gesetz) vom 2.9.1994 (BGBl. I S. 2265) i.d.F. der Bek. vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848)

BAFin BAG BAGE BÄO

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbeitsgericht Sammlung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bundesärzteordnung, neugefasst durch Bek. vom 16.4.1987 (BGBl. I S. 1218); zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3191) Blutalkoholkonzentration Bundesanzeiger Baden-Württemberg Bayern, bayerisch Bayerisches Gesetz zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes vom 23.6.1981 (BayGVBl. S. 188) Bereinigte Sammlung des Bayerischen Landesrechts (1802 bis 1956) Bayerisches Oberstes Landesgericht Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz – PAG) i.d.F. d. Bek. vom 14.9.1990 (GVBl. S. 397), zuletzt geändert durch § 1 des Gesetzes vom 18.5.2018 (GVBl. S. 301, 434) Bayerische Rechtssammlung (ab 1.1.1983) Bayerisches Strafvollzugsgesetz Verfassung des Freistaates Bayern vom 2.12.1946 (BayBS. I 3) Bayerischer Verfassungsgerichtshof s. BayVGHE Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes, des Bayerischen Dienststrafhofs und des Bayerischen Gerichtshofs für Kompetenzkonflikte Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern (1905–34) Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bundesbeamtengesetz vom 14.7.1953 (BGBl. I S. 551) i.d.F. der Bek. vom 31.3.1999 (BGBl. I S. 675) Brandenburg Brandenburgisches Verfassungsgericht Business Compliance (Zeitschrift) Band Bundesdisziplinargesetz vom 9.7.2001 (BGBl. I S. 1510) Bundesdisziplinarhof (jetzt Bundesverwaltungsgericht) Bundesdatenschutzgesetz i.d.F. der Bek. vom 14.1.2003 (BGBl. I S. 66) besonderes elektronisches Anwaltspostfach Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) vom 17.6.2008 (BGBl. I S. 1010) Begründung Verordnung über die Begrenzung der Geschäfte des Rechtspflegers bei der Vollstreckung in Straf- und Bußgeldsachen vom 26.6.1970 (BGBl. I S. 992) i.d.F. der Bek. vom 16.2.1982 (BGBl. I S. 188) Zweites Gesetz zur Änderung des Bundesentschädigungsgesetzes vom 14.9.1965 (BGBl. I S. 1315) Bekanntmachung Strafprozeßordnung i.d.F. der Bek. vom 22.3.1924 (RGBl. I S. 299, 322) Strafprozeßordnung i.d.F. der Bek. vom 12.9.1950 (BGBl. I S. 629) Strafprozeßordnung i.d.F. der Bek. vom 17.9.1965 (BGBl. I S. 1373)

BAK BAnz. BaWü. Bay. BayAGGVG BayBS BayObLG BayObLGSt BayPAG

BayRS BayStVollzG BayVerf. BayVerfGH BayVerfGHE BayVerwBl. BayVGH BayVGHE

BayZ BB BBG Bbg. BbgVerfG BC Bd. BDG BDH BDSG beA BeamtStG Begr. BegrenzungsVO

BEG-SchlußG Bek. Bek. 1924 Bek. 1950 Bek. 1965

XV

Abkürzungsverzeichnis

Bek. 1975 Bek. 1987 ber. BerathG BerlVerfGH BerRehaG

Beschl. Bespr. BeurkG BewHi. BezG Bf. BFH BFHE BfJG

BGB BGBl. I, II, III BGer BGH BGH-DAT BGH (ER) BGHE Strafs. BGHGrS BGHR BGHRZ BGHSt BGHZ BGSG BGSNeuRegG BHRJ BinnSchiffG BinSchiffVfG BJM BJOG BKA BKAG

Bln. Bln.GVBl.Sb. Blutalkohol

Strafprozeßordnung i.d.F. der Bek. vom 7.1.1975 (BGBl. I S. 129) Strafprozeßordnung i.d.F. der Bek. vom 7.4.1987 (BGBl. I S. 1074) berichtigt Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz) vom 18.6.1980 (BGBl. I S. 689) Berliner Verfassungsgerichtshof Gesetz über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet (Berufliches Rehabilitierungsgesetz – BerRehaG) vom 23.6.1994 (BGBl. I S. 1314) Beschluss Besprechung Beurkundungsgesetz vom 28.8.1969 (BGBl. I S. 1513) Bewährungshilfe (Zeitschrift) Bezirksgericht Beschwerdeführer Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) Gesetz über die Errichtung des Bundesamtes für Justiz = Art. 1 des Gesetzes zur Errichtung und zur Regelung der Aufgaben des Bundesamtes für Justiz vom 17.12.2006 (BGBl. I S. 3171) Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.8.1896 (RGBl. S. 195) i.d.F. der Bek. vom 2.1.2002 (BGBl. I S. 42, ber. S. 2909 und BGBl. 2003 I S. 738). Bundesgesetzblatt Teil I, II und III Schweizerisches Bundesgericht Bundesgerichtshof Datenbank der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf CD-ROM, herausgegeben von Werner Theune Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen auf CD-ROM, herausgegeben von Mitgliedern des Gerichts Bundesgerichtshof, Großer Senat (hier in Strafsachen) BGH-Rechtsprechung in Strafsachen (Loseblattsammlung) BGH-Rechtsprechung in Zivilsachen (Loseblattsammlung) Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Gesetz über den Bundesgrenzschutz (Bundesgrenzschutzgesetz – BGSG) vom 19.10.1994 (BGBl. I S. 2978) Gesetz zur Neuregelung der Vorschriften über den Bundesgrenzschutz (Bundesgrenzschutzneuregelungsgesetz – BGSNeuRegG) vom 19.10.1994 (BGBl. I S. 2978) Business and Human Rights Journal Gesetz betr. die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt (Binnenschifffahrtsgesetz) vom 15.6.1895 i.d.F. der Bek. vom 15.6.1898 (RGBl. S. 868) Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrts- und Rheinschiffahrtssachen vom 27.9.1952 (BGBl. I S. 641) Basler Juristische Mitteilungen An International Journal of Obstetrics and Gynaecology Bundeskriminalamt Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (Bundeskriminalamtgesetz – BKAG) vom 7.7.1997 (BGBl. I S. 1650) Berlin Sammlung des bereinigten Berliner Landesrechts, Sonderband I (1806 bis 1945) und II (1945 bis 1967) Blutalkohol, Wissenschaftliche Zeitschrift für die medizinische und juristische Praxis

XVI

Abkürzungsverzeichnis

BMI BMinG BMJV BNDG Bonn.Komm. BORA BPolBG BR BRAGO BRAK BRAK-Mitt. BranntWMonG BRAO BRat BRDrucks. BReg. Brem. BRJ BRProt. BS BSG Bsp. BT BTDrucks. BtG BtMG BTProt. BTRAussch. BTVerh. BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerfGK BVerfSchG

BVerwG BVerwGE BV-G BW BWahlG bzgl. BZRG

2. BZRÄndG bzw.

XVII

Bundesminister(-ium) des Innern Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung (Bundesministergesetz) vom 17.6.1953 (BGBl. I S. 407) i.d.F. der Bek. vom 27.7.1971 (BGBl. I S. 1166) Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Gesetz über den Bundesnachrichtendienst vom 20.12.1990 (BGBl. I S. 2979) i.d.F. der Bek. vom 9.1.2002 (BGBl. I S. 361 ff.) Kommentar zum Bonner Grundgesetz (Loseblattausgabe) Berufsordnung für Rechtsanwälte i.d.F. der Bek. vom 1.11.2001 Bundespolizeibeamtengesetz i.d.F. der Bek. vom 3.6.1976 (BGBl. I S. 1357) s. BRat Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte vom 26.7.1957 (BGBl. I S. 907); ersetzt durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) Bundesrechtsanwaltskammer Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer Branntweinmonopolgesetz vom 8.4.1922 (RGBl. I S. 405; BGBl. III 612-7) Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1.8.1959 (BGBl. I S. 565); zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 30.10.2017 (BGBl. I S. 3618) Bundesrat Drucksachen des Bundesrats Bundesregierung Bremen Bonner Rechtsjournal Protokolle des Bundesrates Sammlung des bereinigten Landesrechts Bundessozialgericht Beispiel Bundestag Drucksachen des Bundestags Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (Betreuungsgesetz – BtG) vom 12.9.1990 (BGBl. I S. 2002) Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz) vom 28.7.1981 (BGBl. I S. 681) i.d.F. der Bek. vom 1.3.1994 (BGBl. I S. 358) s. BTVerh. Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags Verhandlungen des Deutschen Bundestags Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Gesetz über das Bundesverfassungsgericht vom 12.3.1951 i.d.F. der Bek. vom 11.8.1993 (BGBl. I S. 1473) Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz) vom 20.12.1990 (BGBl. I S. 2954) Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bundesverfassungsgesetz (österreichische Verfassung) Baden-Württemberg Bundeswahlgesetz neugefasst durch Bek. vom 23.7.1993 BGBl. I S. 1288, 1594 bezüglich Gesetz über das Zentralregister und das Erziehungsregister (Bundeszentralregistergesetz), neugefasst durch Bek. vom 21.9.1984 (BGBl. I S. 1229, 1985 I S. 195); zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 18.7.2017 (BGBl. I S. 2732) Zweites Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes (2. BZRÄndG) vom 17.7.1984 (BGBl. I S. 990) beziehungsweise

Abkürzungsverzeichnis

CAT Causa Sport CCBE CCC CCJE CCPR CCZ CD

siehe UN-CAT Die Sport-Zeitschrift für nationales und internationales Recht sowie für Wirtschaft Council of the Bars and Law Societies of the European Union Constitutio Criminalis Carolina Consultative Council of European Judges siehe HRC Corporate Compliance Zeitschrift Collection of Decisions Bd. 1 bis 46 (1960 bis 1974), Entscheidungen der Europäischen Kommission für Menschenrechte über die Zulässigkeit von Beschwerden CDDH Steering Committee for Human Rights (Europarat) CDE Cahiers de droit européen (Zeitschrift) CDPC European Committee on Crime Problems CEAS Common European Asylum System CELJ China-EU Law Journal CEPEJ European Commission on the Efficiency of Justice CEPOL European Police College (Budapest) CERD Internationales Übereinkommen zur Beseitigung von jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD) vom 7.3.1966 CERT Computer Emergency Response Team CETS (vgl. CTS) ChE Chiemsee-Entwurf (Verfassungsausschuß der Ministerpräsidentenkonferenz der Westlichen Besatzungszonen. Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 23.8.1948) (1948) ChemG Chemikaliengesetz i.d.F. der Bek. vom 20.6.2002 (BGBl. I S. 2090) CJ Corpus Juris CJEL Columbia Journal of European Law CMLRev Common Market Law Review COSI Ständiger Ausschuss für die operative Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit (EU) CPP Code de procédure pénale CPS Crown Prosecution Service CPT Committee for the Prevention of Torture – Europäischer Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (Europarat) CR Computer und Recht (Zeitschrift) CRC Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20.11.1989 (BGBl. 1992 II S. 122) Crim.L.R. Criminal Law Review CrimeLawSocChange Crime, Law and Social Change (Zeitschrift) CSW Cross-Border Surveillance Working Group CWÜAG Ausführungsgesetz zum Chemiewaffenübereinkommen vom 2.8.1994 (BGBl. I S. 1954) DA DAG DAJV-Newsletter DAR DAV DB DDevR DDR ders. DERechtsmittelG DG Die Justiz

Dienstanweisung Deutsches Auslieferungsgesetz vom 23.12.1929 (BGBl. I S. 239), aufgehoben durch IRG vom 23.12.1982 (BGBl. I S. 2071) Zeitschrift der Deutsch-Amerikanischen Juristen-Vereinigung e.V. Deutsches Autorecht (Zeitschrift) DeutscherAnwaltVerein Der Betrieb (Zeitschrift) Deutsche Devisen-Rundschau (1951–59) Deutsche Demokratische Republik derselbe Diskussionsentwurf für ein Gesetz über die Rechtsmittel in Strafsachen, im Auftrag der JMK vorgelegt von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Strafverfahrensreform (1975) Disziplinargesetz (der Länder) Die Justiz, Amtsblatt des Justizministeriums Baden-Württemberg

XVIII

Abkürzungsverzeichnis

Die Polizei dies. Diss. DiszO DJ DJT DJZ DNA-AnalyseG

DVP DVR DWiR

Die Polizei (seit 1955: Die Polizei – Polizeipraxis) dieselbe Dissertation Disziplinarordnung (der Länder) Deutsche Justiz, Rechtspflege und Rechtspolitik (1933–45) Deutscher Juristentag (s. auch VerhDJT) Deutsche Juristenzeitung (1896–1936) Gesetz zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse vom 12.8.2005 (BGBl. I S. 2360) DNA-Identitätsfeststellungsgesetz vom 7.9.1998 (BGBl. I S. 2646; 1999 I S. 1242) Die Neue Polizei Gesetz zur effektiveren Nutzung von Dateien im Bereich der Staatsanwaltschaften vom 10.9.2004 (BGBl. I S. 2318) Der Öffentliche Dienst Die Öffentliche Verwaltung Entscheidungen des Deutschen Obergerichts für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet Deutsches Patentamt Deutsches Recht (1931 bis 1945) Decisions and Reports (ab 1975): Entscheidungen über die Zulässigkeit von Beschwerden; Berichte der Europäischen Kommission für Menschenrechte; Resolutionen des Ministerkomitees des Europarates Deutsche Rechtswissenschaft (1936–43) Deutsches Richtergesetz, neugefasst durch Bek. vom 19.4.1972 (BGBl. I S. 713); zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes vom 8.6.2017 (BGBl. I S. 1570) Deutsche Richterzeitung Deutsche Rechtspflege (1936–1939) Deutsche Rechtsprechung, herausgegeben von Feuerhake (Loseblattsammlung) Drucksache Deutsche Rechts-Zeitschrift (1946 bis 1950) Datenschutz-Berater Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Strafrecht (1934 bis 1944) Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst (Zeitschrift) Deutsche Strafrechts-Zeitung (1914 bis 1922) Deutsche Steuer-Zeitung deutsch Das Deutsche Bundesrecht, Gesetzessammlung mit Erläuterungen (Loseblattausgabe) Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift Datenschutz und Datensicherheit (Zeitschrift) Demokratie und Recht (Zeitschrift) Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Durchführungsverordnung Dienst- und Vollzugsordnung Verordnung zur Durchführung der Verordnung über Maßnahmen auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung und der Rechtspflege vom 8.9.1939 (RGBl. I S. 1703) Verordnung zur Durchführung der Verordnung über die Zuständigkeit der Strafgerichte, die Sonderstrafgerichte sowie sonstige strafverfahrensrechtliche Vorschriften vom 13.3.1940 (RGBl. I S. 489) Deutsche Verwaltungspraxis – Fachzeitschrift für die öffentliche Verwaltung Datenverarbeitung im Recht (Zeitschrift) Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

E E. & P. ebda. EA

Entwurf International Journal of Evidence & Proof Ebenda Vertrag über Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft i.d.F. nach dem 1.5.1999

DNA-IFG DNP DNutzG DÖD DÖV DOGE DPA DR

DRechtsw. DRiG DRiZ DRpfl. DRsp. Drucks. DRZ DSB DSteuerR DStR DStRE DStrZ DStZ dt. DtBR DtZ DuD DuR DVBl. DVO DVollzO DVOVereinf.VO DVOZust.VO

XIX

Abkürzungsverzeichnis

EAG EAGV EAJLG EAkte EAkteJEG EAW EB EBA EBAO ECBA ECG ECJ ECLAN ECOSOC ECPI ECPT

ECRI ECRIS EDS/EDU EDV EEA EFG EG EGBGB EGFaxÜbk

EGFinSchÜbk

EGFinSchG

EGG EGGVG EGH EGInsO EGKS EGKSV EGMR EGMR (GK) EGMR (K) EGMR Serie A/B; Reports EGMRVerfO

Europäische Atomgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft vom 25.3.1957, Ges. vom 27.7.1957 (BGBl. II S. 753), Bek. vom 27.12. 1957 (BGBl. 1958 II S. 1) European-Asian Journal of Law and Governance Elektronische Akte Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5.7.2017 (BGBl. I S. 2208) European Arrest Warrant, siehe EuHb Ergänzungsband Europäische Beweisanordnung Einforderungs- und Beitreibungsanordnung i.d.F. der Bek. vom 1.4.2001 European Criminal Bar Association European Cooperation Group on Undercover Activities (ECG) siehe EuGH (European Court of Justice) European Criminal Law Academic Network Wirtschafts- und Sozialrat (UN) European Criminal Policy Initiative Europäisches Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe vom 26.11.1987 (ETS 126; BGBl. 1989 II S. 946) European Commission against Racism and Intolerance/Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz European Criminal Records Information System Europäische Drogeneinheit (Vorläufer von Europol)/European Drug Unit Elektronische Datenverarbeitung Europäische Ermittlungsanordnung/European Investigation Order (EIO) Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift) Vertrag zur Gründung einer Europäischen Gemeinschaft i.d.F. nach dem 1.5.1999 (vor dem 1.5.1999: EGV); Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 18.8.1896 (RGBl. S. 604) i.d.F. der Bek. vom 21.9.1994 (BGBl. I S. 2494) Abkommen vom 26.5.1989 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über die Vereinfachung und Modernisierung der Verfahren zur Übermittlung von Auslieferungsersuchen (BGBl. 1995 II S. 969) Übereinkommen vom 26.7.1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (PIF-Übereinkommen; ABlEG Nr. C 316 vom 27.11.1995, S. 49 Gesetz zu dem Übereinkommen vom 26. Juli 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (EG-Finanzschutzgesetz – EGFinSchG) vom 10.9.1998 (BGBl. II S. 2322) Gesetz über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz – EGG) vom 14.12.2001 (BGBl. I S. 3721) Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 27.1.1877 (RGBl. S. 77) Ehrengerichtshof in Anwaltssachen Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung vom 5.10.1994 (BGBl. I S. 2911) Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag über die Gründung der EGKS vom 18.4.1951 (BGBl. II S. 447) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (Große Kammer) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (Kammer) Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Sammlung in deutscher Übersetzung, Band, Seite; ab 1996: Reports of Judgments and Decisions) Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Rules of Court) i.d.F. der Bek. vom 14.11.2016 (www.echr.coe.int)

XX

Abkürzungsverzeichnis

EG-ne bis in idem-Übk EGOWiG EGStGB 1870 EGStGB 1974 EGStPO EGV EGVollstrÜbk EGZPO EhrenGHE EHRLR EhrRiVG Einf. EinigungsV

EinigungsVG

Einl. EIO EIS EJB

EJF EJG

EJKoV EJN EJTAnV

EJTN EKMR EKMRVerfO EL eIDAS eIDASDG

ELJ

XXI

Übereinkommen vom 25.5.1987 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über das Verbot der doppelten Strafverfolgung – EG-ne bis in idem-Übk (BGBl. 1998 II S. 2227) Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24.5.1968 (BGBl. I S. 503) Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 31.5.1870 (RGBl. S.195) Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2.3.1974 (BGBl. I S.469) Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung vom 1.2.1877 Vertrag zur Gründung einer Europäischen Gemeinschaft i.d.F. vor dem 1.5.1999 (nach dem 1.5.1999: EG) Übereinkommen vom 13.11.1991 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft über die Vollstreckung ausländischer strafrechtlicher Verurteilungen Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung vom 30.1.1877 (RGBl. S. 244) Ehrengerichtliche Entscheidungen (der Ehrengerichtshöfe der Rechtsanwaltschaft des Bundesgebietes und des Landes Berlin) European Human Rights Law Review Gesetz zur Vereinfachung und Vereinheitlichung der Verfahrensvorschriften zur Wahl und Berufung ehrenamtlicher Richter vom 21.12.2004 (BGBl. I S. 3599) Einführung Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (BGBl. II S. 889) Gesetz zu dem Vertrag vom 31.8.1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertragsgesetz – und der Vereinbarung vom 18.9.1990 vom 23.9.1990 (BGBl. II S. 885) Einleitung siehe EEA Europol-Informationssystem Beschluss des Rates (2002/187/JI) vom 28.2.2002 über die Errichtung von Eurojust zur Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität (ABlEG Nr. L 63 vom 6.3.2002, S. 1), geändert durch Beschluss 2003/659/JI des Rates vom 18.6.2003 (ABlEU Nr. L 245 vom 23.9.2003, S. 44) und den Beschluss 2009/426/JI des Rates vom 16.12.2008 zur Stärkung von Eurojust (ABlEU Nr. L 138 vom 4.6.2009, S. 14 Entscheidungen aus dem Jugend- und Familienrecht (1951–1969) Gesetz zur Umsetzung des Beschlusses (2002/187/JI) des Rates vom 28. Februar 2002 über die Errichtung von Eurojust zur Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität (Eurojust-Gesetz – EJG) vom 12.5.2004 (BGBl. I S. 902) Verordnung über die Koordinierung der Zusammenarbeit mit Eurojust (EurojustKoordinierungs-Verordnung –) vom 26.9.2012 (BGBl. I S. 2093) Europäisches Justitielles Netz/European Judicial Network Verordnung über die Benennung und Einrichtung der nationalen EurojustAnlaufstelle für Terrorismusfragen (Eurojust-Anlaufstellen-Verordnung –) vom 17.12.2004 (BGBl. I S. 3520) European Judicial Training Network Europäische Kommission für Menschenrechte Verfahrensordnung der Europäischen Kommission für Menschenrechte i.d.F. der Bek. vom 29.5.1991 (BGBl. II S. 838) Ergänzungslieferung elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (eIDAS-Durchführungsgesetz) vom 18.7.2017 (BGBl. I S. 2745) European Law Journal

Abkürzungsverzeichnis

ELRev EMCDDA EmmingerVO EMöGG

EMRK

ENeuOG ENFSI EntlG Entsch. entspr. Entw. Entw. 1908 Entw. 1909

Entw. 1919/1920

Entw. 1930

Entw. 1939 EP EPA EPO EPPO EPZ ERA

European Law Review European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction Verordnung über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege vom 4.1.1924 (RGBl. I S. 23) Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Menschen mit Sprach- und Hörbehinderungen (Gesetz über die Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren – EMöGG) vom 8.10.2017 (BGBl. I S. 3546) Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 (BGBl. II S. 685, 953) i.d.F. der Bek. vom 22.10.2010 (BGBl. II S. 1198) 1. ZP-EMRK vom 20.3.1952 (BGBl. 1956 II S. 1880) 2. P-EMRK vom 6.5.1963 (BGBl. 1968 II S. 1112) 3. P-EMRK vom 6.5.1963 (BGBl. 1968 II S. 1116) 4. ZP-EMRK vom 16.9.1963 (BGBl. 1968 II S. 423) 5. P-EMRK vom 20.1.1966 (BGBl. 1968 II S. 1120) 6. ZP-EMRK vom 28.4.1983 (BGBl. 1988 II S. 662) 7. ZP-EMRK vom 22.11.1984 8. P-EMRK vom 19.3.1985 (BGBl. 1989 II S. 547) 9. P-EMRK vom 6.11.1990 (BGBl. 1994 II S. 490) 10. P-EMRK vom 25.3.1992 (BGBl. 1994 II S. 490) 11. P-EMRK vom 11.5.1994 (BGBl. 1995 II S. 578) 12. ZP-EMRK vom 4.11.2000 13. ZP-EMRK vom 3.5.2002 (BGBl. 2004 II S. 982) 14. P-EMRK vom 13.5.2004 (BGBl. 2006 II S. 138) 14bis P-EMRK vom 27.5.2009 15. P-EMRK vom 24.6.2013 (BGBl. 2014 II S. 1034) 16. P-EMRK vom 2.10.2013 Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (Eisenbahnneuordnungsgesetz – ENeuOG) vom 27.12.1993 (BGBl. I S. 2378) European Network of Forensic Institute Gesetz zur Entlastung der Gerichte vom 11.3.1921 (RGBl. S. 229) Entscheidung entsprechend Entwurf Entwurf einer Strafprozeßordnung und Novelle zum Gerichtsverfassungsgesetz nebst Begründung (1908), E 1908, MatStrR-Ref. Bd. 11 Entwürfe 1. eines Gesetzes, betreffend Änderungen des Gerichtsverfassungsgesetzes, 2. der Strafprozeßordnung (1909), E 1909 RT-Verhandl. Bd. 254 Drucks. Nr. 1310 = MatStrRRef Bd. 12; Bericht der 7. Kommission des Reichstags 1909 bis 1911 zur Vorbereitung der Entwürfe 1. eines Gesetzes betreffend die Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes, 2. einer Strafprozeßordnung, 3. eines zu beiden Gesetzen gehörenden Einführungsgesetzes = MatStrRRef. Bd. 13 Entwürfe 1. eines Gesetzes zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes (1919), 2. eines Gesetzes über den Rechtsgang in Strafsachen (1920), E 1919/1920, MatStrRRef. Bd. 14 Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuch und zum Strafvollzugsgesetz 1930, EGStGB-Entw. 1930, RT-Drucks. Nr. 2070 = MatStrRRef. Bd. 7 Entwurf einer Strafverfahrensordnung und einer Friedens- und Schiedsmannsordnung (1939), StPO-Entw. 1939, Nachdruck 1954 Europäisches Parlament Europäisches Patentamt siehe ESA European Public Prosecutor's Office / Europäische Staatsanwaltschaft Europäische Politische Zusammenarbeit Europäische Rechtsakademie (Trier)

XXII

Abkürzungsverzeichnis

ERA-Forum ErbR erg. Erg. ErgBd. Erl. ESA EStG ETS EU EuAbgG EuAlÜbk

EUAlÜbk

EuArch EUBestG

EUC EUCARIS EuCLR eucrim EuDrogenÜbk

EuG EuGeldwÜbk EuGH EuGH Slg. EuGHG

EuGRAG

EuGRZ EuHb EuHbG

EuJCCCJ EuKonv EUMC EuOEÜbk EuR

XXIII

ERA-Forum (Zeitschrift) Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis ergänzend Ergänzung; Ergebnis Ergänzungsband Erlass; Erläuterung(en) Europäische Schutzanordnung/European Protection Order (EPO) Einkommensteuergesetz European Treaty Series; Übereinkommen des Europarates (fortlaufend nummeriert; www.coe.int; ab 1949) Vertrag über die Europäische Union Europaabgeordnetengesetz vom 6.4.1979 (BGBl. I S. 413) Europäisches Auslieferungsübereinkommen vom 13.12.1957 (ETS 024; BGBl. 1964 II S. 1369); 2. ZP EuAlÜbk vom 17.3.1978 (ETS 098; BGBl. 1990 II S. 118; 1991 II S. 874) Übereinkommen vom 27.9.1996 aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABlEG Nr. C 313/11 vom 23.10.1996; BGBl. 1998 II S. 2253) Europa-Archiv Gesetz zu dem Protokoll vom 27. September 1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (EUBestechungsgesetz – EUBestG) vom 10.9.1998 (BGBl. II S. 2340) Charta der Grundrechte der Europäischen Union Vertrag über ein Europäisches Fahrzeug- und Führerscheininformationssystem European Criminal Law Review (Zeitschrift) Journal for the Protection of the Financial Interests of the European Communities Übereinkommen vom 31.1.1995 über den unerlaubten Verkehr mit Drogen auf hoher See zur Durchführung des Art. 17 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20.12.1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen (ETS 156; BGBl. 2000 II S. 1313) Europäisches Gericht erster Instanz (Luxemburg) Übereinkommen vom 8.11.1990 über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten (ETS 141; BGBl. 1998 II S. 519) Gerichtshof der Europäischen Union Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) – Amtliche Sammlung Gesetz vom 6.8.1998 betreffend die Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens auf dem Gebiet der polizeilichen Zusammenarbeit und der justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen nach Art. 35 des EU-Vertrages – EuGHG (BGBl. 1998 I S. 2035; 1999 II S. 728) Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates der EG vom 22.3.1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte vom 16.8.1980 (BGBl. I S. 1453) Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europäischer Haftbefehl/European Arrest Warrant (EAW) Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Europäisches Haftbefehlsgesetz – EuHbG) vom 21.7.2004 (BGBl. I S. 1748) und vom 20.7.2006 (BGBl. I S. 1721) European Journal of Crime, Criminal Law and Criminal Justice (Zeitschrift) Europäischer Konvent siehe ECRI Europäisches Übereinkommen vom 24.11.1983 über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (ETS 116; BGBl. 2000 II S. 1209) Europarecht (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis

EuRAG EuRhÜbk

EURhÜbk

EurJCrimeCrLJ EURODAC Eurojust Europol EuropolG EuropolÜbk EuropolVO

EuroPris EuStA EuTerrÜbk EUV EUVEntw

EUVereinfAlÜbk

EuVKonv

EuZ EuZA EuZW evt. EWG EWGV EWiR EWR-Abk. EYHR EZAR EzSt

f., ff. FamFG

Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland vom 9.3.2000 (BGBl. I S. 182) Europäisches Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20.4.1959 (ETS 30; BGBl. 1964 II S. 1369; 1976 II S. 1799); ZP EuRhÜbk vom 17.3.1978 (ETS 99; BGBl. 1990 II S. 124; 1991 II S. 909); 2. ZP EuRHÜbk vom 8.11.2001 (ETS 182) Rechtshilfeübereinkommen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 29.5.2000, ABlEG Nr. C 197 vom 12.7.2000, S. 1; ZP EURHÜbk vom 16.10.2001 (ABlEG Nr. C 326 vom 21.11.2001, S. 1) European Journal of Crime, Criminal Law and Criminal Justice Daktyloskopische Datenbank im Rahmen von Asylantragsverfahren Europäische Justitielle Clearing- und Dokumentationsstelle (Den Haag) Europäisches Polizeiamt (Den Haag) Europolgesetz vom 16.12.1997 (BGBl. II S. 2150) Übereinkommen vom 26.7.1995 auf Grund von Artikel K.3 des EUV über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes, ABlEG Nr. C 316 vom 27.11.1995, S. 1 Verordnung (EU) 2016/794 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) und zur Ersetzung und Aufhebung der Beschlüsse 2009/371/JI, 2009/934/JI, 2009/935/JI, 2009/936/JI und 2009/968/JI des Rates, ABlEU Nr. L 135 vom 23.5.2016, S. 53 European Organisation of Prison and Correctional Services Europäische Staatsanwaltschaft Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27.1.1977 (ETS 90; BGBl. 1978 II S. 321, 907) Vertrag über die Europäische Union Entwurf einer Europäischen Verfassung i.d.F des am 18.6.2004 zwischen den Staatsund Regierungschefs erzielten Konsenses (Dokument der Regierungskonferenz CIG 86/04 vom 25.6.2004) Übereinkommen vom 10.3.1995 aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABlEG Nr. C 78 vom 30.3.1995, S. 1; BGBl. 1998 II S. 2229) Entwurf eines Vertrags über eine Verfassung für Europa – vom Europäischen Konvent im Konsensverfahren angenommen am 13.6. und 10.7.2003 – dem Präsidenten des Europäischen Rates in Rom überreicht am 18.7.2003 Zeitschrift für Europarecht (Schweiz) Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eventuell Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25.3.1957 (BGBl. II S. 766) Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Gesetz zu dem Abkommen vom 2.5.1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum European Yearbook on Human Rights Entscheidungssammlung zum Zuwanderungs-, Asyl- und Freizügigkeitsrecht Entscheidungssammlung zum Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, 1983 bis 1990 (Loseblattausgabe) folgende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), Artikel 1 des Gesetzes vom 17.12.2008 (BGBl. I S. 2586, 2009 I S. 1102); zuletzt geändert durch Art. 13 des Gesetzes vom 18.12.2018 (BGBl. I S. 2639)

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

FAG FamPLG FamRZ FAO FG FGG FGO

FGPrax 1. FiMaNoG 2. FiMaNoG

FinB FinVerwG FLF FlRG

FIU Fn. FN A FN B FO FoR FP-IPBPR 2. FP-IPBPR FPR FRA FRONTEX FS FS (Name) FuR G 10

GA GASP GBA GBl. GBl./DDR I, II GedS

XXV

Gesetz über Fernmeldeanlagen vom 6.4.1892 i.d.F. der Bek. vom 3.7.1989 (BGBl. I S. 1455); ersetzt durch das TKG Gesetz über Aufklärung, Verhütung, Familienplanung und Beratung vom 27.7.1992 (BGBl. I S. 1398) Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fachanwaltsordnung i.d.F. der Bek. vom 1.3.2016, zuletzt geändert durch Beschluss der Satzungsversammlung vom 7.12.2017 (BRAK-Mitt. 2018 S. 29) Finanzgericht/Festgabe Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17.5.1898 i.d.F. der Bek. vom 20.5.1898 (RGBl. S. 771) Finanzgerichtsordnung, neugefasst durch Bek. vom 28.3.2001 (BGBl. I S. 442, 2262, 2002 I S. 679); zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 12.7.2018 (BGBl. I S. 1151) Praxis der freiwilligen Gerichtsbarkeit Erstes Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Erstes Finanzmarktnovellierungsgesetz) vom 30.6.2016 (BGBl. I S. 1514) Zweites Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz) vom 23.6.2017 (BGBl. I S. 1693) Finanzbehörde Gesetz über die Finanzverwaltung vom 6.9.1950 (BGBl. I S. 448) i.d.F. der Bek. vom 30.8.1971 (BGBl. I S. 1426) Finanzierung Leasing Factoring (Zeitschrift) Gesetz über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe (Flaggenrechtsgesetz) vom 8.2.1951 i.d.F. der Bek. vom 29.10.1994 (BGBl. I S. 3140) Financial Intelligence Unit Fußnote Fundstellennachweis des Deutschen Bundesrechts, Bundesrecht ohne völkerrechtliche Vereinbarungen und Verträge mit der DDR Fundstellennachweis des Deutschen Bundesrechts, Völkerrechtliche Vereinbarungen und Verträge mit der DDR Fernmeldeordnung i.d.F. der Bek. vom 5.5.1971 (BGBl. I S. 541) Forum Recht (Zeitschrift) (1.) Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (BGBl. 1992 II S. 1247) 2. Fakultativprotokoll zu dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe vom 15.12. 1989 (BGBl. 1992 II S. 390) Familie Partnerschaft Recht Agentur der Europäischen Union für Grundrechte/Agency for Fundamental Rights Europäische Grenzschutzagentur Forum Strafvollzug – Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe (früher ZfStrV) Festschrift, auch Festgabe usw. (angefügt Name des Geehrten) Familie und Recht Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 26.6.2001 (BGBl. I S. 1254), zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 17.8.2017 (BGBl. I S. 3202), (Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz) Goltdammer’s Archiv für Strafrecht, zitiert nach Jahr und Seite (bis 1933: Archiv für Strafrecht und Strafpolitik, zitiert nach Band und Seite) Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Generalbundesanwalt Gesetzblatt Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, Teil I und II (1949 bis 1990) Gedächtnisschrift (angefügt Name des Geehrten)

Abkürzungsverzeichnis

gem. GemDatG

GemProt. GenG

GenStA GerS Ges. GeschlkrG GeschO GETZ GewO GewSchG

GewVerbrG GG ggf. GKG GKI GKÖD GLY GmbH GmbHG

GMBl. GmS-OGB GnO GNotKG GoJIL GoltdA GRC grds. GRECO GreifRecht GRETA GREVIO GrSSt Gruchot GRUR GRURInt GS GSNW GSSchlH GStA GSZ

gemäß Gesetz zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder vom 22.12.2006 (Gemeinsame-Dateien-Gesetz) (BGBl. I S. 3409) Gemeinsames Protokoll Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 1.5.1889, neugefasst durch Bek. vom 16.10.2006 (BGBl. I S. 2230); zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 17.7.2017 (BGBl. I S. 2541) Generalstaatsanwaltschaft Der Gerichtssaal (1849–1942) Gesetz Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 23.7.1953 (BGBl. I S. 700) Geschäftsordnung Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum Gewerbeordnung vom 21.6.1869, neugefasst durch Bek. vom 22.2.1999 (BGBl. I S. 202); zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 29.11.2018 (BGBl. I S. 2666) Gesetz vom 11.12.2001 zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung (Gewaltschutzgesetz – GewSchG; BGBl. I S. 3513) Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24.11.1933 (RGBl. I S. 995) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.5.1949 (BGBl. S. 1) gegebenenfalls Gerichtskostengesetz vom 5.5.2004 (BGBl. I S. 718); zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 12.7.2018 (BGBl. I S. 1151) Gemeinsame Kontrollinstanz (jeweils eingerichtet bei Europol und Eurojust) Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht German Law Journal (Internet-Zeitschrift; www.germanlawjournal.de) Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 20.4.1892 (RGBl. S. 477); zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 17.7.2017 (BGBl. I S. 2446) Gemeinsames Ministerialblatt Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Gnadenordnung Gesetz über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare (Gerichtsund Notarkostengesetz) vom 23.7.2013 Göttingen Journal of International Law (Online-Zeitschrift) s. GA Europäische Grundrechtecharta grundsätzlich Group of States against Corruption Greifswalder Halbjahresschrift für Rechtswissenschaft Group of Experts on Action against Trafficking in Human Beings Expertengruppe zur Überwachung des Übereinkommens zum Schutz von Frauen vor Gewalt und häuslicher Gewalt (CETS 210) Großer Senat in Strafsachen Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, begründet von Gruchot Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht International (Zeitschrift) Gesetzessammlung Sammlung des bereinigten Landesrechts Nordrhein-Westfalen (1945–56) Sammlung des schleswig-holsteinischen Landesrechts, 2 Bände (1963) Generalstaatsanwalt Zeitschrift für das Gesamte Sicherheitsrecht

XXVI

Abkürzungsverzeichnis

GÜG

GuP GÜV GV GVBl. GVBl. II GVG GVGA GVGÄG 1971 GVGÄG 1974 GVG/DDR

GVO GVVG-ÄndG GVVO

GWB GwG GWR GYIL Haager Abk. HalbleiterschutzG Hamb. HambJVBl. Hans. HansGZ HansJVBl. HansOLGSt HansRGZ HansRZ HbStrVf/Verfasser HdR Hess. HESt HGB HKÜ h.M. HmbStVollzG HRC

XXVII

Gesetz zur Überwachung des Verkehrs mit Grundstoffen, die für die unerlaubte Herstellung von Betäubungsmitteln mißbraucht werden können (Grundstoffüberwachungsgesetz – GÜG) vom 7.10.1994 (BGBl. I S. 2835) Gesundheit und Pflege (Zeitschrift) Gesetz zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote vom 24.5.1961 (BGBl. I S. 607) Gemeinsame Verfügung (mehrerer Ministerien) Gesetz- und Verordnungsblatt Sammlung des bereinigten Hessischen Landesrechts Gerichtsverfassungsgesetz vom 27.1.1877 i.d.F. der Bek. vom 9.5.1975 (BGBl. I S. 1077) Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher Gesetz zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 8.9.1971 (BGBl. I S. 1513) Gesetz zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 25.3.1974 (BGBl. I S. 761) Gesetz über die Verfassung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik – Gerichtsverfassungsgesetz – vom 27.9.1974 (GBl. I S. 457), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5.7.1990 (GBl. I S. 595) Gerichtsvollzieherordnung Gesetz zur Änderung der Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten vom 12.6.2015 (BGBl. I S. 926) Verordnung zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20.3.1935 (RGBl. I S. 403) in der im BGBl. III Gliederungsnummer 300-5 veröffentlichten bereinigten Fassung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27.7.1957 i.d.F. der Bek. vom 26.8.1998 (BGBl. I S. 2546) Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz – GwG) vom 25.10.1993 (BGBl. I S. 1770) Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) German Yearbook of International Law (Zeitschrift) Haager Abkommen über den Zivilprozeß vom 17.7.1905 (RGBl. 1909 S. 409) Gesetz über den Schutz der Topographien von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen (Halbleiterschutzgesetz) vom 22.10.1987 (BGBl. I S. 2294) Hamburg Hamburgisches Justizverwaltungsblatt Hanseatisch Hanseatische Gerichtszeitung (1880 bis 1927) Hanseatisches Justizverwaltungsblatt (bis 1946/47) Entscheidungen des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Strafsachen (1879 bis 1932/33) Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitschrift (1928–43), vorher: Hanseatische Rechtszeitschrift für Handel, Schiff-Fahrt und Versicherung, Kolonialund Auslandsbeziehungen sowie für Hansestädtisches Recht (1918 bis 1927) Handbuch zum Strafverfahren, hrsg. von Heghmanns/Scheffler Handwörterbuch der Rechtswissenschaft, herausgegeben von Stier-Somlo und Elster (1926 bis 1937) Hessen Höchstrichterliche Entscheidungen, Sammlung von Entscheidungen der Oberlandesgerichte und der Obersten Gerichte in Strafsachen (1948–49) Handelsgesetzbuch vom 10.5.1897 (RGBl. S. 219) Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 herrschende Meinung Hamburgisches Strafvollzugsgesetz Human Rights Committee – UN-Menschenrechtsausschuss

Abkürzungsverzeichnis

HRLR HRN HRR HRRS HRSt HRLJ Hs. HSOG HStVollzG HUDOC HuV-I HV IAGMR ICC ICC-Statut ICJ ICLQ ICLR ICPA ICTR ICTY i.d.F. i.d.R. i.e.S. IFCCLGE IGH i.H.v. IKV ILEA ILO InfAuslR INPOL INTERPA InsO IPBPR IPBPRG IPWSKR IRG

i.S. i.S.d. IStR i.S.v. IStGH IStGHG

Human Rights Law Review Hamburger Rechtsnotizen (Zeitschrift) Höchstrichterliche Rechtsprechung (1928 bis 1942) Online-Zeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht (www.hrr-strafrecht.de) Entscheidungen zum Strafrecht, Strafverfahrensrecht und zu den Nebengebieten (Höchstrichterliche Rechtsprechung) (ab 1996) Human Rights Law Journal Halbsatz Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung Hessisches Strafvollzugsgesetz Human Rights Documentation des Europarates Humanitäres Völkerrecht – Informationsschriften Hauptverhandlung Interamerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte siehe IStGH siehe IStGH-Statut siehe IGH The International and Cooperative Law Quarterly International Criminal Law Review International Corrections and Prisons Association Internationaler Strafgerichtshof für Ruanda Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in der Fassung in der Regel im engeren Sinne International Forum on Crime and Criminal Law in the Global Era (Peking) Internationaler Gerichtshof ICJ (Den Haag) in Höhe von Internationale Kriminalistische Vereinigung International Law Enforcement Academy International Labour Organization (Internationale Arbeitsorganisation) Informationsbrief Ausländerrecht Informationssystem der Polizei International Association of Police Academies Insolvenzordnung vom 5.10.1994 (BGBl. I S. 2866); zuletzt geändert durch Art. 24 Abs. 3 des Gesetzes vom 23.6.2017 (BGBl. I S. 1693; 2446) Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (BGBl. 1973 II S. 1534) Zustimmungsgesetz zu dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 15.11.1973 (BGBl. II S. 1533) Internationaler Pakt über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte vom 19.12.1966 (BGBl. 1973 II S. 1570) Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen i.d.F. der Bek. vom 27.6.1994 (BGBl. I S. 1537); zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 27.8.2017 (BGBl. I S. 3295) im Sinne im Sinne des/der Internationales Steuerrecht – Zeitschrift für europäische und internationale Wirtschaftsberatung im Sinne von Internationaler Strafgerichtshof ICC (Den Haag) Gesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof vom 21.6.2002 (BGBl. I S. 2144)

XXVIII

Abkürzungsverzeichnis

IStGHSt ITRB Iurratio i.V.m. IWG i.w.S. JA JahrbÖR JahrbPostw. JAVollzO

Gesetz vom 4.12.2000 zum Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 – IStGH-Statutgesetz (BGBl. II S. 1393) IT-Rechts-Berater Zeitschrift für Stud. Iur und junge Juristen in Verbindung mit International Working Group on Police Undercover Activities im weiteren Sinne

Juristische Arbeitsblätter für Ausbildung und Examen Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Jahrbuch des Postwesens (1937 bis 1941/42) Jugendarrestvollzugsordnung vom 12.8.1966 i.d.F. der Bek. vom 30.11.1976 (BGBl. I S. 3270) JBeitrO Justizbeitreibungsordnung vom 11.3.1937 (RGBl. I S. 298) JBl. Justizblatt/Juristische Blätter (Österreich) JBlRhPf. Justizblatt Rheinland-Pfalz JBlSaar Justizblatt des Saarlandes JGG Jugendgerichtsgesetz vom 4.8.1953 i.d.F. der Bek. vom 11.12.1974 (BGBl. I S. 3427) JICJ Journal of International Criminal Justice JIR Jahrbuch für internationales Recht JK Jura-Kartei JKassO Justizkassenordnung JKomG Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JKomG) vom 22.3.2005 (BGBl. I S. 832) JKostG Justizkostengesetz (Landesrecht) JLCJ Journal of Law and Criminal Justice jM juris – Die Monatsschrift JMBl. Justizministerialblatt JMBlNRW, JMBlNW Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen JMK Justizministerkonferenz (Konferenz der Landesjustizministerinnen und -minister) JoJZG Journal der Juristischen Zeitgeschichte JOR Jahrbuch für Ostrecht JöR Jahrbuch des öffentlichen Rechts JP Juristische Person JR Juristische Rundschau JRP Journal für Rechtspolitik JSt Journal für Strafrecht JugG Jugendgericht JugK Jugendkammer JugSchG Jugendschöffengericht JugStrafgG Gesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (Jugoslawien-Strafgerichtshof-Gesetz) vom 10.4.1995 (BGBl. I S. 485) Jura Juristische Ausbildung (Zeitschrift) JUFIL Journal on the Use of Force and International Law JurBüro Das juristische Büro (Zeitschrift) JurJahrb. Juristen-Jahrbuch JuS Juristische Schulung (Zeitschrift) Justiz Die Justiz, Amtsblatt des Justizministeriums Baden-Württemberg JV Justizverwaltung JVA Justizvollzugsanstalt JVBl. Justizverwaltungsblatt JVEG Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen

XXIX

Abkürzungsverzeichnis

JVerwA JverwB JVKostG JVKostO JVollz. JVollzGB JW JZ 1. JuMoG 2. JuMoG

Kap. KAS kes KFZ KG KGJ KJ KO KoDD KOM KonsG KostÄndG KostRMoG 2. KostRMoG KostMaßnG KostO

KostRÄndG 1994 KostRspr. KostVfg. K&R KrG Kriminalist Kriminalistik KrimJ KrimPäd. KriPoZ Krit. KritV/CritQ/RCrit

Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz) vom 5.5.2004 (BGBl. I S. 718) Justizverwaltungsakt Justizverwaltungsbehörde Gesetz über Kosten in Angelegenheiten der Justizverwaltung vom 23.7.2013 (BGBl. I S. 2586) Verordnung über Kosten im Bereich der Justizverwaltung vom 14.2.1940 (RGBl. I S. 357) – ersetzt durch das JVKostG mit Wirkung zum 1.8.2013 Jugendstrafvollzugsordnung: s. auch JAVollzO Gesetzbuch über den Justizvollzug in Baden-Württemberg Juristische Wochenschrift Juristen-Zeitung Erstes Gesetz zur Modernisierung der Justiz (1. Justizmodernisierungsgesetz) vom 24.8.2004 (BGBl. I S. 2198) Zweites Gesetz zur Modernisierung der Justiz (2. Justizmodernisierungsgesetz) vom 22.10.2006 (BGBl. I S. 3416) Kapitel Konrad-Adenauer-Stiftung Zeitschrift für Informations-Sicherheit Kraftfahrzeug Kammergericht/Kommanditgesellschaft Jahrbuch der Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in Kosten-, Stempel- und Strafsachen (1881–1922) Kritische Justiz (Zeitschrift) Konkursordnung vom 10.2.1877 i.d.F. der Bek. vom 20.5.1898 (RGBl. S. 612) Koordinierungsdauerdienst (Eurojust) Dokument(e) der Europäischen Kommission Gesetz über die Konsularbeamten, ihre Aufgaben und Befugnisse (Konsulargesetz) vom 1.9.1974 (BGBl. I S. 2317) Gesetz zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften vom 26.7.1957 (BGBl. I S. 861) Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5.5.2004 – Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (BGBl. I S. 718) Zweites Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts vom 23.7.2013 – 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (BGBl. I S. 2586) Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiet des Kostenrechts vom 7.8.1952 (BGBl. I S. 401) Gesetz über die Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit i.d.F. der Bek. vom 26.7.1957 (BGBl. I S. 861) – ersetzt durch das GNotKG mit Wirkung zum 1.8.2013 Gesetz zur Änderung von Kostengesetzen und anderen Gesetzen (Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 – KostRÄndG 1994) vom 24.6.1994 (BGBl. I S. 1325) Kostenrechtsprechung (Loseblattsammlung) Kostenverfügung, Durchführungsbestimmungen zu den Kostengesetzen Kommunikation und Recht (Zeitschrift) Kreisgericht Der Kriminalist (Zeitschrift) Kriminalistik, Zeitschrift für die gesamte kriminalistische Wissenschaft und Praxis Kriminologisches Journal Kriminalpädagogische Praxis (Zeitschrift) Kriminalpolitische Zeitschrift Kritisch Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft/Critical Quarterly for Legislation and Law/Revue critique trimestrielle de jurisprudence et de législation

XXX

Abkürzungsverzeichnis

KronzG KronzVerlG

2. KronzVerlG

KSI KSZE KSzW KUG KUP KuR KUR k+v KVGKG KWKG

LegPer. Lfg. LFGB LG LJV LKA LKV LM LMBG

LMG (1936) LPartG LPG LRE Ls. LuftFzgG LuftVG LuftVO LV LVerf. LVG LZ MABl. MarkenG

Mat.

XXXI

Gesetz zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Art. 4 des StGBÄndG 1989) vom 9.6.1989 (BGBl. I S. 1059) Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Kronzeugen-Verlängerungs-Gesetz) vom 16.2.1993 (BGBl. I S. 238) Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (2. Kronzeugen-Verlängerungs-Gesetz) vom 19.1.1996 (BGBl. I S. 58) Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung (Zeitschrift) Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht Gesetz über das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Fotografie vom 9.1.1907 (RGBl. S. 7) Kriminologie und Praxis (Schriftenreihe der Kriminologischen Zentralstelle) Kirche und Recht (Zeitschrift) Kunst und Recht (Zeitschrift) Kraftfahrt und Verkehrsrecht, Zeitschrift der Akademie für Verkehrswissenschaft Kostenverzeichnis (Anlage 1 zum GKG) Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen i.d.F. der Bek. vom 22.11.1990 (BGBl. I S. 2506) Legislaturperiode Lieferung Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch Landgericht Landesjustizverwaltung Landeskriminalamt Landes- und Kommunalverwaltung (Zeitschrift) Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs (Loseblattsammlung), hrsg. von Lindenmaier/Möhring u.a. Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen (Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz) i.d.F. der Bek. vom 9.9.1997 (BGBl. I S. 2297) Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen (Lebensmittelgesetz) vom 5.7.1927 i.d.F. der Bek. vom 17.1.1936 (RGBl. I S. 17) Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz) vom 16.2.2001 (BGBl. I S. 266) Landespressegesetz Sammlung lebensmittelrechtlicher Entscheidungen Leitsatz Gesetz über Rechte an Luftfahrzeugen vom 26.2.1959 (BGBl. I 57) Luftverkehrsgesetz i.d.F. der Bek. vom 27.3.1999 (BGBl. I S. 550) Luftverkehrs-Ordnung i.d.F. der Bek. vom 27.3.1999 (BGBl. I S. 580) Literaturverzeichnis, Schrifttumsverzeichnis Landesverfassung Landesverwaltungsgericht Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht (1907 bis 1933) Ministerialamtsblatt Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz – MarkenG) vom 25.10.1994 (BGBl. I S. 3082, 1995 I S. 156, 1996 I S. 682); zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 11.12.2018 (BGBl. I S. 2357) s. Hahn

Abkürzungsverzeichnis

MatStrRRef. MBl. MDR MedR medstra MEPA MiStra. MittKV MMR MOG MONEYVAL Mot. MR MRG MSchrKrim. MSchrKrimPsych. MStGO Muster-Entw. MV m.w.B. m.w.N. NachtrSichVG NATO-Truppenstatut Nds. NdsAGGVG NdsRpfl. n.F. N.F. Nieders. GVBl. Sb. I, II NJ NJECL NJOZ NJVollzG NJW NKrimpol. NLMR noeP NordÖR NotVO NPA NRO

Materialien zur Strafrechtsreform, herausgegeben vom BMJ, Bd. 1–15 (1954–1960) (s. auch Entw.) Ministerialblatt Monatsschrift für Deutsches Recht Medizinrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für Medizinstrafrecht Mitteleuropäische Polizeiakademie Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen vom 15.3.1985 i.d.F. der Bek. vom 29.4.1998, bundeseinheitlich Mitteilungen der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung (1889 bis 1914; 1926 bis 1933) MultiMedia und Recht (Zeitschrift) Gesetz zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisation vom 31.8.1972 (BGBl. I S. 1617) Committee of Experts on the Evaluation of Anti-Money Laundering Measures and the Financing of Terrorism Begründung zur Strafprozeßordnung bei Hahn (s. dort) Medien und Recht (Österreich) Militärregierungsgesetz Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform (1904/05 bis 1936) Militärstrafgerichtsordnung i.d.F. der Bek. vom 29.9.1936 (RGBl. I S. 755) Muster-Entwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, verabschiedet von der JMK am 10./11.6.1976, geändert durch Beschluss der JMK vom 25.11.1977 Mecklenburg-Vorpommern mit weiteren Beispielen mit weiteren Nachweisen Gesetz zur Einführung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23.7.2004 (BGBl. I S. 1838) Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags vom 19.6.1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen (BGBl. 1961 II S. 1183, 1190), Bek. vom 16.6.1963 (BGBl. II S. 745) Niedersachsen Niedersächsisches Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 5.4.1963 (GVBl. S. 225) Niedersächsische Rechtspflege neue Fassung Neue Folge Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt, Sonderband I und II, Sammlung des bereinigten niedersächsischen Rechts Neue Justiz (bis 1990 DDR) New Journal of European Criminal Law Neue Juristische Online-Zeitschrift (nur über beck-online abrufbar) Niedersächsisches Justizvollzugsgesetz Neue Juristische Wochenschrift Neue Kriminalpolitik (Zeitschrift) Newsletter Menschenrechte Nicht offen ermittelnder Polizeibeamter Zeitschrift für Öffentliches Recht in Norddeutschland s. Ausn. VO Neues Polizei-Archiv Nichtregierungsorganisation

XXXII

Abkürzungsverzeichnis

NRW NRWO NStE NStZ NStZ-RR NuR NVwZ NWB NWVBl. NZA NZA-RR NZI NZM NZS NZV NZWehrr NZWiSt OASG OBLG OECD OEG OER OG OGH OGHSt ÖJZ OLAF OLG OLG-NL OLGR OLGSt OLGSt N. F OLGVertrÄndG OPCAT OpferRRG 2. OpferRRG 3. OpferRRG OpferschutzG OrgKG OrgStA ÖRiZ ÖRZ

XXXIII

Nordrhein-Westfalen (österreichisches) Bundesgesetz über die Wahl des Nationalrates (NationalratsWahlordnung 1992) Neue Entscheidungssammlung für Strafrecht Neue Zeitschrift für Strafrecht NStZ – Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift, ab 1996) Natur und Recht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NWB Steuer- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Nordrheinwestfälische Verwaltungsblätter Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZA-Rechtsprechungs-Report Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenzrecht Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht Neue Zeitschrift für Wehrrecht Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht Gesetz zur Sicherung der zivilrechtlichen Ansprüche der Opfer von Straftaten (Opferanspruchsicherungsgesetz) vom 8.5.1998 (BGBl. I S. 905) Oberstes Landesgericht Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten vom 11.5.1976 (BGBl. I S. 1181) i.d.F. der Bek. vom 7.1.1985 (BGBl. I S. 1) Osteuropa-Recht Oberstes Gericht der DDR Oberster Gerichtshof (Österreich) Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone in Strafsachen (1949/50) Österreichische Juristen-Zeitung Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung (Office Européen de Lutte Anti-Fraude) Oberlandesgericht OLG-Report Neue Länder OLG-Report Entscheidungen der Oberlandesgerichte zum Straf- und Strafverfahrensrecht (Loseblattausgabe, bis 1983) Entscheidungen der Oberlandesgerichte zum Straf- und Strafverfahrensrecht, Neue Folge (Loseblattausgabe, ab 1983) Gesetz zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten vom 23.7.2002 (BGBl. I S. 2850) siehe UNCAT Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Verletzten im Strafverfahren (Opferrechtsreformgesetz – OpferRRG) vom 24.6.2004 (BGBl. I S. 1354) Gesetz zur Stärkung der Rechte von Verletzten und Zeugen im Strafverfahren (2. Opferrechtsreformgesetz) vom 29.7.2009 (BGBl. I S. 2280) Gesetz zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren (3. Opferrechtsreformgesetz) vom 21.12.2015 (BGBl. I S. 2525) Erstes Gesetz zur Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren (Opferschutzgesetz) vom 18.12.1986 (BGBl. I S. 2496) Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG) vom 15.7.1992 (BGBl. I S. 1302) Anordnung über Organisation und Dienstbetrieb der Staatsanwaltschaften Österreichische Richterzeitung Österreichische Raiffeisen-Zeitung

Abkürzungsverzeichnis

OStA ÖstAnwBl. öStVG ÖStZ OSZE ÖVerfG OVG OWG/DDR

OWiG

OWiGÄndG

PaO ParlStG PartG PaßG PatG PAuswG PD-I PD-IM PD-JS PD-RfA PD-SEF PD-WP PflVG PJZS PKH PKHÄndG PlenProt. PNR POGNW PolGBW Polizei PostG PostO PostStruktG Pr. prALR PräsLG PräsOLG PräsVerfG

Oberstaatsanwalt Österreichisches Anwaltsblatt Österreichisches Strafvollzugsgesetz Österreichische Steuerzeitung Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Österreichischer Verfassungsgerichtshof Oberverwaltungsgericht Gesetz zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten (der Deutschen Demokratischen Republik) vom 12.1.1968 (GBl. I S. 101), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29.6.1990 (GBl. I S. 526) Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, neugefasst durch Bek. vom 19.2.1987 (BGBl. I S. 602); zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 17.12.2018 (BGBl. I S. 2571) Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze vom 7.7.1986 (BGBl. I S. 977) Patentanwaltsordnung vom 7.9.1966 (BGBl. I S. 557); zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 30.10.2017 (BGBl. I S. 3618) Gesetz über die Rechtsverhältnisse der parlamentarischen Staatssekretäre vom 24.7.1974 (BGBl. I S. 1538) Gesetz über die politischen Parteien (Parteiengesetz) neugefasst durch Bek. vom 31.1.1994, BGBl. I S. 149 Paßgesetz vom 19.4.1986 (BGBl. I S. 537) Patentgesetz, neugefasst durch Bek. vom 16.12.1980 (BGBl. 1981 I S. 1); zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 8.10.2017 (BGBl. I S. 3546) Gesetz über Personalausweise vom 19.12.1950 (BGBl. I S. 807) i.d.F. der Bek. vom 21.4.1986 (BGBl. I S. 548) Practice Direction – Institution of Proceedings (EGMR) Practice Direction – Interim Measures (EGMR) Practice Direction – Just Satisfaction Claims (EGMR) Practice Direction – Request for Anonymity (EGMR) Practice Direction – Secured Electronic Filing (EGMR) Practice Direction – Written Pleadings (EGMR) Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter i.d.F. der Bek. vom 5.4.1965 (BGBl. I S. 213) Polizeiliche und Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen Prozesskostenhilfe Gesetz zur Änderung von Vorschriften über die Prozeßkostenhilfe (Prozeßkostenhilfeänderungsgesetz – PKHÄndG) vom 10.10.1994 (BGBl. I S. 2954) Plenarprotokoll, Stenographische Berichte der Sitzungen des Deutschen Bundestages Passenger Name Record Polizeiorganisationsgesetz (des Landes NRW) i.d.F. der Bek. vom 22.10.1994 (GVNW S. 852) Polizeigesetz (des Landes BW) i.d.F. der Bek. vom 13.1.1992 (GBl. S. 1) s. Die Polizei Gesetz über das Postwesen i.d.F. der Bek. vom 3.7.1989 (BGBl. I S. 1449) Postordnung vom 16.5.1963 (BGBl. I S. 341) Gesetz zur Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens und der Deutschen Bundespost (Poststrukturgesetz – PoststruktG) vom 8.6.1989 (BGBl. I S. 1026) Preußen Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten Präsident des Landgerichts Präsident des Oberlandesgerichts Gesetz über die Änderung der Bezeichnungen der Richter und ehrenamtlichen Richter und der Präsidialverfassungen der Gerichte vom 26.5.1972 (BGBl. I S. 841)

XXXIV

Abkürzungsverzeichnis

PrGS PrG Prot. ProzeßkostenhG Pro-Eurojust PrPG PrZeugnVerwG PStR PTNeuOG PUAG PV PVG PVR RA RabelsZ RAG/DDR RAHG RANotz.PrG RAO RAussch. RB RBEuHb

RBerG

RdA RdErl. RDG RDH RDIDC RdJB RdK RdM RDStH RDStO RDV Recht recht RefE Reg. RegBl. RegE RegE TKÜ

XXXV

Preußische Gesetzessammlung (1810–1945) Pressegesetz (Landesrecht) Protokoll Gesetz über die Prozeßkostenhilfe vom 13.6.1980 (BGBl. I S. 677) Vorgänger- und Gründungseinheit von Eurojust Gesetz zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie (PrPG) vom 7.3.1990 (BGBl. I S. 422) Gesetz über das Zeugnisverweigerungsrecht der Mitarbeiter von Presse und Rundfunk vom 25.7.1975 (BGBl. I S. 1973) Praxis Steuerstrafrecht Gesetz zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz – PTNeuOG) vom 14.9.1994 (BGBl. I S. 2325) Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz – PUAG) vom 19.6.2001 (BGBl. I S. 1142) Personenvereinigung Polizeiverwaltungsgesetz Praxis Verkehrsrecht Rechtsanwalt Rabels-Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Rechtsanwaltsgesetz der Deutschen Demokratischen Republik vom 13.9.1990 (GBl. I S. 1504) s. RHG Gesetz zur Prüfung von Rechtsanwaltszulassungen, Notarbestellungen und Berufungen ehrenamtlicher Richter vom 24.6.1992 (BGBl. I S. 1386) Reichsabgabenordnung vom 13.12.1919, aufgehoben durch AO vom 16.3.1976 Rechtsausschuss Rahmenbeschluss (Art. 34 EU) Rahmenbeschluss des Rates (2002/584/JI) vom 13.6.2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABlEU Nr. L 190 vom 18.7.2002, S. 1) Gesetz zur Verhütung von Mißbrauch auf dem Gebiet der Rechtsberatung vom 13.12.1935 (RGBl. I S. 1478); aufgehoben durch Art. 20 des Gesetzes vom 12.12.2007 (BGBl. I S. 2840) Recht der Arbeit Runderlass Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (Rechtsdienstleistungsgesetz – RDG) vom 12.12.2007 (BGBl. I. S. 2840) Revue des Droits de l’Homme Revue de droit international et de droit comparé Recht der Jugend und des Bildungswesens (Zeitschrift) Das Recht des Kraftfahrers (1926–43, 1949–55) Recht der Medizin Entscheidungen des Reichsdienststrafhofs (1939–41) Reichsdienststrafordnung vom 26.1.1937 (RGBl. I S. 71) Recht der Datenverarbeitung Das Recht, begründet von Soergel (1897 bis 1944) Information des Bundesministers der Justiz Referentenentwurf Regierung Regierungsblatt Regierungsentwurf Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/EG vom 18.4.2007

Abkürzungsverzeichnis

RehabG Res. RevMC Rev.trim.dr.h. RG RGBl., RGBl. I, II RGRspr. RGSt RGZ RheinSchA RHG RHGDVO RhPf. RiA RichtlRA RiG/DDR RiJGG RiStBV

RiVASt RIW RKG(E) RL RMBl. RMilGE Rn. ROW RpflAnpG RpflAnpÄndG Rpfleger RpflEntlG RpflG RpflVereinfG RPsych Rspr. RT RTDE RTDrucks. RTh

RTVerh. RuP RVerf. RVG

Rehabilitierungsgesetz (der Deutschen Demokratischen Republik) vom 6.9.1990 (GBl. I S. 1459), aufgehoben durch StrRehaG Resolution Revue du Marché commun et de l’Union européenne Revue trimestrielle des droits de l’homme Reichsgericht Reichsgesetzblatt, von 1922 bis 1945 Teil I und II Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen (1879 bis 1888) Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Revidierte Rheinschiffahrtsakte (Mannheimer Akte) i.d.F. der Bek. vom 11.3.1969 (BGBl. II S. 597) Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen vom 2.5.1953 (BGBl. I S. 161) Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen vom 23.12.1953 (BGBl. I S. 1569) Rheinland-Pfalz Recht im Amt Grundsätze des anwaltlichen Standesrechts – Richtlinien gem. § 177 Abs. 2 Satz 2 BRAO vom 21.6.1973 Richtergesetz der Deutschen Demokratischen Republik vom 5.7.1990 (GBl. I S. 637) Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren vom 1.12.1970 (BAnz. Nr. 17/1971), i.d.F. der Bek. vom 1.2.1997 mit spät. Änderungen, bundeseinheitlich Richtlinien für den Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Reichskriegsgericht (Entscheidungen des RKG) Richtlinie Reichsministerialblatt, Zentralblatt für das Deutsche Reich (1923–45) Entscheidungen des Reichsmilitärgerichts Randnummer Recht in Ost und West (Zeitschrift) Gesetz zur Anpassung der Rechtspflege im Beitrittsgebiet (RechtspflegeAnpassungsgesetz – RpflAnpG) vom 26.6.1992 (BGBl. I S. 1147) Gesetz zur Änderung des Rechtspflege-Anpassungsgesetzes – RpflAnpG vom 7.12.1995 (BGBl. I S. 1590) Der Deutsche Rechtspfleger Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.1.1993 (BGBl. I S. 50) Rechtspflegergesetz vom 5.11.1969 (BGBl. I S. 2065) Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz vom 17.12.1990 (BGBl. I S. 2847) Rechtspsychologie (Zeitschrift) Rechtsprechung Reichstag Revue trimestrielle de droit européen Drucksachen des Reichstags Zeitschrift für Logik und Juristische Methodenlehre, Rechtsinformatik, Kommunikationsforschung, Normen- und Handlungstheorie, Soziologie und Philosophie des Rechts – eJournal Verhandlungen des Reichstags Recht und Politik (Zeitschrift) s. WeimVerf. Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte – Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vom 5.5.2004 (BGBl. I S. 718)

XXXVI

Abkürzungsverzeichnis

RVO RW RZ R&P r+s

Reichsversicherungsordnung vom 19.7.1911 i.d.F. der Bek. vom 15.12.1924 (RGBl. I S. 779) Rechtswissenschaft – Zeitschrift für rechtswissenschaftliche Forschung siehe: ÖRiZ Recht und Psychiatrie (Zeitschrift) Recht und Schaden (Zeitschrift)

S. Sa. SaAnh. SaBremR SächsArch.

Satz, Seite Sachsen Sachsen-Anhalt Sammlung des bremischen Rechts (1964) Sächsisches Archiv für Rechtspflege, seit 1924 (bis 1941/42) Archiv für Rechtspflege in Sachsen, Thüringen und Anhalt Annalen des Sächsischen Oberlandesgerichts zu Dresden (1880 bis 1920) Steueranwaltsmagazin Schiedsamtszeitung Schiedsmannszeitung (1926 bis 1945), seit 1950 Der Schiedsmann Gesetz (der Deutschen Demokratischen Republik) über die Schiedsstellen in den Gemeinden vom 13.9.1990 (GBl. I S. 1527) Schleswig-Holstein Schleswig-Holsteinische Anzeigen Schriftenreihe Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht im Deutschen Anwaltverein Gesetz über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken vom 15.11.1940 (RGBl. I S. 1499) Schriftenreihe der Bundesrechtsanwaltskammer Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung vom 23.7.2004 (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz – SchwarzArbG), BGBl. I S. 1842 Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche und Steuerhinterziehung vom 28.4.2011 (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz), BGBl. I S. 676 Schweizerische Juristenzeitung Schweizer Zeitschrift für Strafrecht Übereinkommen vom 19.6.1990 zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg und dem Königreich der Niederlande zur Durchführung des am 14.6.1985 in Schengen unterzeichneten Übereinkommens betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (Schengener Durchführungsübereinkommen; ABlEG Nr. L 239 vom 22.9.2000, S. 19) Erstes Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht (Erstes SED-Unrechtsbereinigungsgesetz – 1. SED-UnberG) vom 29.10.1992 (BGBl. I S. 1814) Zweites Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht (Zweites SED-Unrechtsbereinigungsgesetz – 2. SED–UnBerG) vom 23.6.1994 (BGBl. I S. 1311) Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt (Seeaufgabengesetz – SeeAufgG) vom 24.5.1965 i.d.F. der Bek. vom 27.9.1994 (BGBl. I S. 2802) Seemannsgesetz vom 26.7.1957 (BGBl. II S. 713) Seufferts Blätter für Rechtsanwendung (1836–1913) Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz (SFHÄndG) vom 21.8.1995 (BGBl. I S. 1050) Gesetz zum Schutz des vorgeburtlichen/werdenden Lebens, zur Förderung einer kinderfreundlicheren Gesellschaft, für Hilfe im Schwangerschaftskonflikt und zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs (Schwangeren- und Familienhilfegesetz) vom 27.7.1992 (BGBl. I S. 1398) Die Sozialgerichtsbarkeit (Zeitschrift) Sozialgesetzbuch SGB I – Sozialgesetzbuch, Allgemeiner Teil (1. Buch), vom 27.12. 2003 (BGBl. I S. 3022)

SächsOLG SAM SchAZtg SchiedsmZ SchiedsstG SchlH SchlHA SchrR SchrRAGStrafR SchRG SchrRBRAK SchwarzArbG SchwGBG SchwJZ SchwZStr SDÜ

1. SED-UnberG 2. SED-UnberG SeeAufgG SeemG SeuffBl. SFHÄndG SFHG

SGb SGB

XXXVII

Abkürzungsverzeichnis

SGG SGV.NW SIAK SichVG SIRENE SIS SJIR SJZ SkAufG

s.o. SortSchG SozVw SprengG SprengstG SpuRt SR SRÜ StA StAG/DDR StaatsGH StaatsschStrafsG

SGB II – Sozialgesetzbuch, Grundsicherung für Arbeitsuchende (2. Buch), vom 24.12.2003 (BGBl. I S. 2954), SGB III – Sozialgesetzbuch, Arbeitsförderung (3. Buch), vom 27.12. 2003 (BGBl. I S. 3022), SGB IV – Sozialgesetzbuch, Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (4. Buch) vom 24.7.2003 (BGBl. I S. 1526), SGB V – Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Krankenversicherung (5. Buch) vom 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022), SGB VI – Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Rentenversicherung (6. Buch) vom 29.4.2004 (BGBl. I S. 678), SGB VII – Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Unfallversicherung (7. Buch) vom 27.12.2003 (BGBl. I S. 3019), SGB VIII – Sozialgesetzbuch, Kinder- und Jugendhilfe (8. Buch) vom 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022), SGB IX – Sozialgesetzbuch, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (9. Buch) vom 23.4.2004 (BGBl. I S. 606), SGB X – Sozialgesetzbuch, Verwaltungsverfahren (10. Buch) vom 5.4.2004 (BGBl. I S. 718), SGB XI – Sozialgesetzbuch, Soziale Pflegeversicherung (11. Buch) vom 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022), SGB XII – Sozialgesetzbuch, Sozialhilfe (12. Buch) vom 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) Sozialgerichtsgesetz, neugefasst durch Bek. vom 23.9.1975 (BGBl. I S. 2535); zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes vom 12.7.2018 (BGBl. I S. 1151) Sammlung des bereinigten Gesetz- und Verordnungsblatts für das Land NordrheinWestfalen (Loseblattsammlung) Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis (Österreich) Gesetz zur Rechtsvereinheitlichung der Sicherungsverwahrung (SichVG) vom 16.6.1995 (BGBl. I S. 818) Supplementary Information Request at the National Entry (nationale Kontaktstelle des SIS) Schengener Informationssystem Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht Schweizerische Juristen-Zeitung/Süddeutsche Juristenzeitung (1946–50), dann Juristenzeitung Gesetz über dieRechtsstellung ausländischer Streitkräfte bei vorübergehenden Aufenthalten in der Bundesrepublik Deutschland (Streitkräfteaufenthaltsgesetz – SkAufG) vom 20.7.1995 (BGBl. II S. 554) siehe oben Gesetz über den Schutz von Pflanzensorten (Sortenschutzgesetz) vom 20.5.1968 i.d.F. der Bek. vom 4.1.1977 (BGBl. I S. 105) Die Sozialverwaltung (Zeitschrift) Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz – SprengG) vom 13.9.1976 (BGBl. I S. 2737) i.d.F. der Bek. vom 17.4. 1986 (BGBl. I S. 577) Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) vom 25.8.1969 (BGBl. I S. 1358, ber. BGBl. 1970 I S. 224), aufgehoben durch SprengG vom 13.9.1976 Sport und Recht (Zeitschrift) Soziales Recht (Zeitschrift) Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 (BGBl. 1994 II S. 1799) Staatsanwalt, Staatsanwaltschaft Gesetz über die Staatsanwaltschaft der Deutschen Demokratischen Republik vom 7.4.1977 (GBl. I S. 93), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5.7.1990 (GBl. I S. 635) Staatsgerichtshof Gesetz zur allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in StaatsschutzStrafsachen vom 8.9.1969 (BGBl. I S. 1582)

XXXVIII

Abkürzungsverzeichnis

StÄG StAZ StBerG StGB StGB/DDR

StGBÄndG 1976

StGBÄndG 1989

StORMG StPÄG 1964 StPÄG 1972 StPÄG 1978 StPÄG 1986 StPÄG 1988 StPO StPO/DDR StraFo StrafrAbh. StraftVVG StRÄndG

XXXIX

s. StRÄndG Das Standesamt (Zeitschrift) Steuerberatungsgesetz, neugefasst durch Bek. vom 4.11.1975 (BGBl. I S. 2735); zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 30.10.2017 (BGBl. I S. 3618) Strafgesetzbuch, neugefasst durch Bek. vom 13.11.1998 (BGBl. I S. 3322); zuletzt geändert durch Art. 14 des Gesetzes vom 18.12.2018 (BGBl. I S. 2639) Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik vom 12.1.1968 in der Neufassung vom 14.12.1988 (GBl. I S. 93), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29.6.1990 (GBl. I S. 526) Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Bundesrechtsanwaltsordnung und des Strafvollzugsgesetzes vom 18.8.1976 (BGBl. I S. 218l) Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten vom 9.6.1989 (BGBl. I S. 1059) Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs vom 26.6.2013 (BGBl. I S. 1805) Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 19.12.1964 (BGBl. I S. 1067) Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 7.8.1972 (BGBl. I S. 1361) Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 14.4.1978 (BGBl. I S. 497) Paßgesetz und Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 19.4.1986 (BGBl. I S. 537) Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 17.5.1988 (BGBl. I S. 606) Strafprozeßordnung vom 1.2.1877 i.d.F. der Bek. vom 7.4.1987 (BGBl. I S. 1074) Strafprozeßordnung der Deutschen Demokratischen Republik vom 12.1.1968 in der Neufassung vom 19.12.1974 (GBl. 1975 I S. 61) Strafverteidiger Forum (Zeitschrift) Strafrechtliche Abhandlungen, herausgegeben von Bennecke, dann von Beling, v. Lilienthal und Schoetensack Gesetz zur Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten vom 30.7.2009 (BGBl. I S. 2437) Strafrechtsänderungsgesetz 1. ~ vom 30.8.1951 (BGBl. I S. 739) 2. ~ vom 6.3.1953 (BGBl. I S. 42) 3. ~ vom 4.8.1953 (BGBl. I S. 735) 4. ~ vom 11.6.1957 (BGBl. I S. 597) 5. ~ vom 24.6.1960 (BGBl. I S. 477) 6. ~ vom 30.6.1960 (BGBl. I S. 478) 7. ~ vom 1.6.1964 (BGBl. I S. 337) 8. ~ vom 25.6.1968 (BGBl. I S. 741) 9. ~ vom 4.8.1969 (BGBl. I S. 1065) 10. ~ vom 7.4.1970 (BGBl. I S. 313) 11. ~ vom 16.12.1971 (BGBl. I S. 1977) 12. ~ vom 16.12.1971 (BGBl. I S. 1779) 13. ~ vom 13.6.1975 (BGBl. I S. 1349) 14. ~ vom 22.4.1976 (BGBl. I S. 1056) 15. ~ vom 18.5.1976 (BGBl. I S. 1213) 16. ~ vom 16.7.1979 (BGBl. I S. 1078) 17. ~ vom 21.12.1979 (BGBl. I S. 2324) 18. ~ vom 28.3.1980 (BGBl. I S. 379) – Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität 19. ~ vom 7.8.1981 (BGBl. I S. 808) 20. ~ vom 8.12.1981 (BGBl. I S. 1329) 21. ~ vom 13.6.1985 (BGBl. I S. 963)

Abkürzungsverzeichnis

StraßenVSichG

StREG

22. ~ vom 18.7.1985 (BGBl. I S. 1510) 23. ~ vom 13.4.1986 (BGBl. I S. 1986) 24. ~ vom 13.1.1987 (BGBl. I S. 141) 25. ~ vom 20.8.1990 – § 201 StG – (BGBl. I S. 1764) 26. ~ vom 24.7.1992 – Menschenhandel – (BGBl. I S. 1255) 27. ~ vom 23.7.1993 – Kinderpornographie – (BGBl. I S. 1346) 28. ~ vom 13.1.1994 – Abgeordnetenbestechung – (BGBl. I S. 84) 29. ~ vom 31.5.1994 – §§ 175, 182 StGB – (BGBl. I S. 1168) 30. ~ vom 23.6.1994 – Verjährung von Sexualstraftaten an Kindern und Jugendlichen – BGBl. I S. 1310) 31. ~ vom 27.6.1994 – 2. Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität – (BGBl. I S. 1440) 32. ~ vom 1.6.1995 – §§ 44, 69b StGB – (BGBl. I S. 747) 33. ~ vom 1.7.1997 – §§ 177, 178 StGB (BGBl. I S. 1607) 34. ~ vom 22.8.2002 – § 129b StGB (BGBl. I S. 3390) 35. ~ vom 22.12.2003 – Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln (BGBl. I S. 2838) 36. ~ vom 30.7.2004 – § 201a StGB (BGBl. I S. 2012) 37. ~ vom 18.2.2005 – §§ 180b, 181 StGB (BGBl. I S. 239) 40. ~ vom 22.3.2007 – Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen (Anti-Stalking-Gesetz) (BGBl. I S. 354) 41. ~ vom 7.8.2007 – Bekämpfung der Computerkriminalität (BGBl. I S. 1786) 42. ~ vom 29.6.2009 – Anhebung der Höchstgrenze des Tagessatzes bei Geldstrafen (BGBl. I S. 1658) 43. ~ vom 29.7.2009 – Strafzumessung bei Aufklärungs- und Präventionshilfe (BGBl. I S. 2288) 44. ~ vom 1.11.2011 – Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (BGBl. I S. 2130) 45. ~ vom 6.12.2011 – Umsetzung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt (BGBl. I S. 2557) 46. ~ vom 10.6.2013 – Beschränkung der Möglichkeit zur Strafmilderung bei Aufklärungs- und Präventionshilfe (BGBl. I S. 1497) 47. ~vom 24.9.2013 – Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien (BGBl. I S. 3671) 48. ~ vom 23.4.2014 – Erweiterung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung (BGBl. I S. 410) 49. ~ vom 21.1.2015 – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht (BGBl. I S. 10) 50. ~ vom 4.11.2016 – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung (BGBl. I S. 2460) 51. ~ vom 11.4.2017 – Strafbarkeit von Sportwettbetrug und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben (BGBl. I S. 815) 52. ~ vom 23.5.2017 – Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften (BGBl. I S. 1226) 53. ~ vom 11.6.2017 – Ausweitung des Maßregelrechts bei extremistischen Straftätern (BGBl. I S. 1612) 54. ~ vom 17.7.2017 – Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (BGBl. I S. 2440) 55. ~ vom 17.7.2017 – Wohnungseinbruchdiebstahl (BGBl. I S. 2442) 56. ~ vom 30.9.2017 – Strafbarkeit nicht genehmigter Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr vom (BGBl. I S. 3532) 1. Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs (Straßenverkehrssicherungsgesetz) vom 19.12.1952 (BGBl. I S. 832) 2. Zweites ~ vom 26.11.1964 (BGBl. I S. 921) Gesetz über ergänzende Maßnahmen zum 5. StrRG (Strafrechtsreformergänzungsgesetz) vom 28.8.1975 (BGBl. I S. 2289)

XL

Abkürzungsverzeichnis

StrEG STREIT StrFG

StRG

StRR StrRehaG

st.Rspr. StudZR StUG

StuR StuW StV StVÄG 1979 StVÄG 1987 StVÄG 1999 StVG StVO StVollstrO StVollzG

StVollzGK StVollzK 1. StVRErgG 1. StVRG StVZO s.u. SubvG SVR SZ SZIER TerrorismusG TerrorBekG TerrorBekErgG

XLI

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen vom 8.3.1971 (BGBl. I S. 157) Feministische Rechtszeitschrift Straffreiheitsgesetz – 1949 vom 31.12.1949 (BGBl. I S. 37) – 1954 vom 17.7.1954 (BGBl. I S. 203) – 1968 vom 9.7.1968 (BGBl. I S. 773) – 1970 vom 20.5.1970 (BGBl. I S. 509) Gesetz zur Reform des Strafrechts 1. ~ vom 25.6.1969 (BGBl. I S. 645) 2. ~ vom 4.7.1969 (BGBl. I S. 717) 3. ~ vom 20.5.1970 (BGBl. I S. 505) 4. ~ vom 23.11.1973 (BGBl. I S. 1725) 5. ~ vom 18.6.1974 (BGBl. I S. 1297) 6. ~ vom 26.1.1998 (BGBl. I S. 164) StrafRechtsReport – Arbeitszeitschrift für das gesamte Strafrecht Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz – StrRehaG) vom 29.10.1992 (BGBl. I S. 1814) i.d.F. der Bek. vom 17.12.1999 (BGBl. I S. 2664) ständige Rechtsprechung Studentische Zeitschrift für Rechtswissenschaft Heidelberg Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Stasi-Unterlagen-Gesetz – StUG) vom 20.12.1991 (BGBl. I S. 2272) Staat und Recht (Zeitschrift DDR, 1950 bis 1990) Steuern und Wirtschaft (Zeitschrift) Strafverteidiger (Zeitschrift) Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 vom 5.10.1978 (BGBl. I S. 1645) Strafverfahrensänderungsgesetz 1987 vom 27.1.1987 (BGBl. I S. 475) Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 vom 2.8.2000 (BGBl. I S. 1253) Straßenverkehrsgesetz vom 3.5.1909 i.d.F. der Bek. vom 19.12.1952 (BGBl. I S. 837) Straßenverkehrsordnung vom 16.11.1970 (BGBl. I S. 1565, ber. 1971, S. 38) Strafvollstreckungsordnung vom 1.4.2001 (BAnz. Nr. 87) bundeseinheitlich Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung – Strafvollzugsgesetz – vom 16.3.1976 (BGBl. I S. 581) Strafvollzugsgesetz-Kommissionsentwurf, herausgegeben vom Bundesministerium der Justiz Blätter für Strafvollzugskunde (Beilage zur Zeitschrift „Der Vollzugsdienst“) Gesetz zur Ergänzung des 1. StVRG vom 20.12.1974 (BGBl. I S. 3686) Erstes Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts vom 9.12.1974 (BGBl. I S. 3393) Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 13.11.1937 i.d.F. der Bek. vom 28.9.1988 (BGBl. I S. 1793) siehe unten Subventionsgesetz vom 29.7.1976 (BGBl. I S. 2034) Straßenverkehrsrecht (Zeitschrift) Süddeutsche Zeitung Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus vom 19.12.1986 (BGBl. I S. 2566) Gesetz vom 9.1.2002 zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) (BGBl. I S. 361) Gesetz zur Ergänzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes (Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz) vom 5.1.2007 (BGBl. I S. 2)

Abkürzungsverzeichnis

TFTP ThUG Thür. TiefseebergbauG TierschG TKG TKÜG

TKO TMG TREVI TVöD TV/L Tz. UCLAF UdG ÜAG

ÜberlG ÜberstÜbk

Übk ÜF UFITA UHaftÄndG UN UNCAT

UN-CAT UN-FoltKonv. UNHCR UNO-Pakt UnterbrSichG UrhG UVollzO UZwG UZwGBw

Terrorist Finance Tracking Program Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (Therapieunterbringungsgesetz) vom 22.12.2010 (BGBl. I S. 2300, 2305) Thüringen Gesetz zur vorläufigen Regelung des Tiefseebergbaus vom 16.8.1980 (BGBl. I S. 1457) Tierschutzgesetz vom 24.7.1972 (BGBl. I S. 1277) Telekommunikationsgesetz (TKG) vom 25.7.1996 (BGBl. I S. 1120) Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21.12.2007 (BGBl. I S. 3198) Telekommunikationsordnung vom 16.7.1987 (BGBl. I S. 1761) Telemediengesetz vom 26.2.2007 (BGBl. I S. 179) Terrorisme, Radicalisme, Extremisme et Violence Internationale (1975) – Koordinierungsgruppe Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder Teilziffer Unité de Coordination de la Lutte Anti-Fraude Urkundsbeamter der Geschäftsstelle Gesetz vom 26.9.1991 zur Ausführung des Übereinkommens über die Überstellung verurteilter Personen vom 21.3.1983 – Überstellungsausführungsgesetz (BGBl. 1991 I S. 1954) Gesetz zur Überleitung von Bundesrecht nach Berlin (West) (Sechstes Überleitungsgesetz) vom 25.9.1990 (BGBl. I S. 2106) Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen vom 21.3.1983 (ETS 112; BGBl. 1991 II S. 1006; 1992 II S. 98); ZP ÜberstÜbk vom 18.12.1997 (ETS 167) Übereinkommen Übergangsfassung Archiv für Medienrecht und Medienwissenschaft Gesetz zur Abänderung der Untersuchungshaft vom 27.12.1926 (RGBl. I S. 529) Vereinte Nationen Übereinkommen (der Vereinten Nationen) gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10.12.1984 (BGBl. 1990 II S. 246) OPCAT – Fakultativprotokoll vom 18.12.2002 zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe; Gesetz vom 26.8.2008 (BGBl. 2008 II S. 854) United Nations Committee against Torture – UN-Anti-Folter-Ausschuss Siehe UNCAT United Nations High Commissioner for Refugees – Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen s. IPBPR Gesetz zur Reform des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.7.2007 (BGBl. I S. 1327) Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) vom 9.9.1965 (BGBl. I S. 1273) Untersuchungshaftvollzugsordnung vom 12.2.1953 i.d.F. der Bek. vom 15.12.1976, bundeseinheitlich Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes vom 10.3.1961 (BGBl. I S. 165) Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie zivile Wachpersonen vom 12.8.1965 (BGBl. I S. 796)

XLII

Abkürzungsverzeichnis

VA VBlBW VDA

Vorzeitige Anwendung (internationaler Übereinkommen) Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg (Zeitschrift) Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, Allgemeiner Teil, Bd. 1 bis 6 (1908) VDB Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, Besonderer Teil, Bd. 1 bis 9 (1906) VerbrbekG Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und anderer Gesetz (Verbrechensbekämpfungsgesetz) vom 28.10.1994 (BGBl. I S. 3186) VerbringungsverbG Gesetz zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote vom 24.5.1961 (BGBl. I S. 607) VereinfVO Vereinfachungsverordnung 1. ~, VO über Maßnahmen auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung und Rechtspflege vom 1.9.1939 (RGBl. I S. 1658) 2. ~, VO zur weiteren Vereinfachung der Strafrechtspflege vom 13.8.1942 (RGBl. I S. 508) 3. ~, Dritte VO zur Vereinfachung der Strafrechtspflege vom 29.5.1943 (RGBl. I S. 342) 4. ~, Vierte VO zur Vereinfachung der Strafrechtspflege vom 13.12.1944 (RGBl. I S. 339) VereinhG Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts vom 12.9.1950 (BGBl. I S. 455) VereinsG Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) vom 5.8.1964 (BGBl. I S. 593) VerfGH Verfassungsgerichtshof VerfO Verfahrensordnung (siehe EGMRVerfO) Verh. Verhandlungen des Deutschen Bundestages (BT), des Deutschen Juristentages (DJT) usw. 1. VerjährungsG Gesetz über das Ruhen der Verjährung bei SED-Unrechtstaten vom 26.3.1993 (BGBl. I S. 392) 2. VerjährungsG Gesetz zur Verlängerung strafrechtlicher Verjährungsfristen vom 27.9.1993 (BGBl. I S. 1657) VerkMitt. Verkehrsrechtliche Mitteilungen VerpflichtG Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen (Verpflichtungsgesetz) vom 2.3.1974 (BGBl. I S. 469) VerschG Verschollenheitsgesetz vom 15.1.1951 (BGBl. I S. 59) VersR Versicherungsrecht, Juristische Rundschau für die Individualversicherung VerständigungsG Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29.7.2009 (BGBl. I S. 2353) VerwArch Verwaltungsarchiv VG Verwaltungsgericht VGH Verfassungsgerichtshof; Verwaltungsgerichtshof vgl. vergleiche Vhdlgen s. Verh. VIS Visa-Informations-System VIZ Vermögens- und Immobilienrecht (Zeitschrift) VO Verordnung; s. auch AusnVO VOBl. Verordnungsblatt VOR Zeitschrift für Verkehrs- und Ordnungswidrigkeitenrecht VR Verwaltungsrundschau VRR VerkehrsRechtsReport VRS Verkehrsrechts-Sammlung VRÜ Verfassung und Recht in Übersee VStGB Völkerstrafgesetzbuch VStGBG Gesetz vom 26.6.2002 zur Einführung des Völkerstrafgesetzbuches (BGBl. I S. 2254) VVDStRL Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

XLIII

Abkürzungsverzeichnis

VVStVollzG VwGO VwRehaG

VwVfG VwZG WDO WehrbeauftrG WeinG Wiener Übereinkommen

WiJ 1. WiKG 2. WiKG WiStG WisteV wistra WLR WoÜbG WRV WStG WM WuV WuW WÜD WÜK WVK WWSUV

WWSUVG WZG

Verwaltungsvorschriften zum Strafvollzugsgesetz (bundeseinheitlich) vom 1.7.1976 Verwaltungsgerichtsordnung, neugefasst durch Bek. vom 19.3.1991 (BGBl. I S. 686); zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 12.7.2018 (BGBl. I S. 1151) Gesetz über die Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche (Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz – VwRehaG) vom 23.6.1994 (BGBl. I S. 1311) Verwaltungsverfahrensgesetz vom 25.5.1976 (BGBl. I S. 1253) Verwaltungszustellungsgesetz vom 3.7.1952 (BGBl. I S. 379) Wehrdisziplinarordnung vom 15.3.1957 i.d.F. der Bek. vom 9.6.1961 (BGBl. I S. 697) Gesetz über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages i.d.F. der Bek. vom 16.6.1982 (BGBl. I S. 673) Gesetz über Wein, Likörwein, Schaumwein, weinhaltige Getränke und Branntwein aus Wein (Weingesetz) vom 14.1.1971 (BGBl. I S. 893) 1. Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18.4.1961 (Zustimmungsgesetz vom 6.8.1964, BGBl. II S. 957) 2. Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24.4.1963 (Zustimmungsgesetz vom 26.8.1969, BGBl. II S. 1585) Journal der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung e.V. Erstes Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vom 29.7.1976 (BGBl. I S. 2034) Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vom 15.5.1986 (BGBl. I S. 721) Gesetz zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (Wirtschaftsstrafgesetz 1954) vom 9.7.1954 i.d.F. der Bek. vom 3.6.1975 (BGBl. I S. 1313) Wirtschaftsstrafrechtliche Vereinigung e.V. Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Weekly Law Reports (Zeitschrift) Gesetz zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 (akustische Wohnraumüberwachung) vom 24.6.2005 (BGBl. I S. 1841) Weimarer Verfassung, Verfassung des Deutschen Reichs vom 11.8.1919 (RGBl. S. 1383) Wehrstrafgesetz vom 30.3.1957 i.d.F. der Bek. vom 24.5.1974 (BGBl. I S. 1213) Wertpapiermitteilungen (Zeitschrift) Wirtschaft und Verwaltung (Zeitschrift) Entscheidungssammlung der Zeitschrift Wirtschaft und Wettbewerb s. 1. Wiener Übereinkommen s. 2. Wiener Übereinkommen Wiener Vertragsrechtskonvention vom 23.5.1969 (BGBl. 1985 II S. 926) Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18.5.1990 (BGBl. II S. 537) Gesetz zu dem Vertrag vom 18.5.1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion … vom 25.6.1990 (BGBl. II S. 518) Warenzeichengesetz vom 5.5.1936 i.d.F. der Bek. vom 2.1.1968 (BGBl. I S. 29)

YEL YB

Yearbook of European Law Yearbook of the European Convention of the Human Rights, the European Commission and the European Court of Human Rights/Annuaire de la Convention Européenne des Droits de l’Homme; Commission et Cour Européenne des Droits de l’Homme, hrsg. vom Europarat

ZAG ZahlVGJG

Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz Gesetz über den Zahlungsverkehr mit Gerichten und Justizbehörden vom 22.12.2006 = Art. 2 des 2. Justizmodernisierungsgesetzes (BGBl. 2006 I S. 3416)

XLIV

Abkürzungsverzeichnis

ZAkDR ZaöRV ZAP ZAR ZBJV ZBlJugR ZBR ZCG ZD ZDRW ZER ZESAR ZEUP ZEuS ZEV ZfBR ZfC ZfDG ZfJ ZfL ZfRV ZfS ZFSH SGB ZfStrVo ZfWG ZfZ ZG ZInsO ZIP ZIR ZIS ZJJ ZJS ZKA ZKJ ZLR ZOV ZÖR ZollG. ZP ZPO ZRFC ZRP ZSchG

ZSE ZSEG ZSHG ZSR ZST

XLV

Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht (1934–44) Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für die Anwaltspraxis Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für Corporate Governance Zeitschrift für Datenschutz Zeitschrift für Didaktik der Rechtswissenschaft Zeitschrift für Europarecht (Österreich)ZERP Zentrum für europäische Rechtspolitik (Universität Bremen) Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Zeitschrift für europäisches Privatrecht Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht Zeitschrift für Compliance Gesetz über das Zollkriminalamt und die Zollfahndungsämter (Zollfahndungsdienstgesetz) vom 16.8.2002 (BGBl. I S. 3202) Zentralblatt für Jugendrecht Zeitschrift für Lebensrecht Zeitschrift für Europarecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung Zeitschrift für Schadensrecht Zeitschrift für die sozialrechtliche Praxis Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe (jetzt: FS – Forum Strafvollzug) Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht Zeitschrift für Zölle und Verbrauchssteuern Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Interne Revision Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (Online-Zeitschrift) Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe Zeitschrift für das Juristische Studium (Online-Zeitschrift) Zollkriminalinstitut Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe Zeitschrift für Lebensmittelrecht Zeitschrift für offene Vermögensfragen Zeitschrift für öffentliches Recht Zollgesetz vom 14.6.1961 i.d.F. der Bek. vom 18.5.1970 (BGBl. I S. 529) Zusatzprotokoll Zivilprozeßordnung vom 30.1.1877 i.d.F. der Bek. vom 12.9.1950 (BGBl. I S. 533) Zeitschrift für Risk, Fraud & Compliance Zeitschrift für Rechtspolitik Gesetz vom 30.4.1998 zum Schutz von Zeugen bei Vernehmungen im Strafverfahren und zur Verbesserung des Opferschutzes (Zeugenschutzgesetz – ZSchG) (BGBl. I S. 820) Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen vom 26.7.1957 i.d.F. der Bek. vom 1.10.1969 (BGBl. I S. 1756); abgelöst durch das JVEG vom 5.5.2004 Gesetz zur Harmonisierung des Schutzes gefährdeter Zeugen (ZeugenschutzHarmonisierungsgesetz) vom 11.12.2001 (BGBl. I S. 3510) Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zeitschrift für Schweizer Recht

Abkürzungsverzeichnis

ZStW ZTR ZUM ZUM-RD ZUR ZusatzAbk. Zusatzvereinb.

ZuSEntschG zust. ZustErgG

ZustG ZustRG ZustVO Zuwanderungsgesetz ZVG ZWehrR ZWH ZwHeiratBekG

ZZP

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für Tarif-, Arbeits- und Sozialrecht des öffentlichen Dienstes Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht – Rechtssprechungsdienst Zeitschrift für Umweltrecht Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut vom 3.8.1959 (BGBl. 1961 II S. 1183, 1218) Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Durchführung und Auslegung des am 31.8.1990 in Berlin unterzeichneten Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 18.9.1990 (BGBl. II S. 1239) Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen zustimmend Gesetz zur Ergänzung von Zuständigkeiten auf den Gebieten des Bürgerlichen Rechts, des Handelsrechts und des Strafrechts (Zuständigkeitsergänzungsgesetz) vom 7.8.1952 (BGBl. I S. 407) Gesetz über die Zuständigkeit der Gerichte bei Änderung der Gerichtseinteilung vom 6.12.1933 (RGBl. I S. 1037) Gesetz zur Reform des Verfahrens bei Zustellung im gerichtlichen Verfahren (Zustellungsreformgesetz – ZustRG) vom 25.6.2001 (BGBl. I S. 1206) Verordnung über die Zuständigkeit der Strafgerichte, die Sondergerichte und sonstige strafverfahrensrechtliche Vorschriften vom 21.2.1940 (RGBl. I S. 405) Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern vom 30.7.2004 (BGBl. I S. 1950) Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (Zwangsversteigerungsgesetz) vom 24.3.1897 i.d.F. der Bek. vom 20.5.1898 (RGBl. S. 369, 713) Zeitschrift für Wehrrecht (1936/37–44) Zeitschrift für Wirtschaftsstrafrecht und Haftung im Unternehmen Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften vom 23.6.2011 (BGBl. I S. 1266) Zeitschrift für Zivilprozeß

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Literaturverzeichnis

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Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis https://doi.org/10.1515/9783110274943-207 Achenbach/Ransiek/Rönnau

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XLVII https://doi.org/10.1515/9783110274943-207

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Benfer/Bialon Bernsmann/Gatzweiler Berz/Burmann Beulke/Swoboda Beulke/Ruhmannseder Birkenstock Birkmeyer Bock Bockemühl Bohnert Bohnert/Bülte Bonn.Komm. Booß Bosbach Bouska/Laeverenz Böhm/Feuerhelm Böhm (Strafvollzug) Böse Brandstetter Brenner Brettel/Schneider Breyer/Mehle/Osnabrügge/ Schaefer von Briel/Ehlscheid Bringewat

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XLVIII

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Esser, EuStR Fahl Feest/Lesting/Lindemann Fehn/Wamers Feisenberger Ferner Feuerich/Weyland Fezer FG Beulke Fischer Flore/Tsambikakis Franke/Wienroeder Freyschmidt/Krumm Fromm Frowein/Peukert FS 45. DJT FS Achenbach FS Adamovich FS AG Strafrecht DAV FS Amelung FS Androulakis FS Augsburg FS Baudenbacher FS Baumann FS Baumgärtel FS BayVerfGH FS Bemmann FS Bernhardt FS Beulke FS Binding FS BGH

FS II BGH FS Blau FS Bockelmann FS Böhm FS Böttcher

Esser, Europäisches und Internationales Strafrecht, 2. Aufl. (2018) Fahl, Rechtsmißbrauch im Strafprozeß (2004) Feest/Lesting/Lindemann (Hrsg.), Kommentar zum Strafvollzugsgesetz (AK-StVollzG), 7. Aufl. (2017) Fehn/Wamers, ZfdG – Zollfahndungsdienstgesetz – Handkommentar (2003) Feisenberger, Strafprozeßordnung und Gerichtsverfassungsgesetz (1926) Ferner, Strafzumessung (2005) Feuerich/Weyland, Bundesrechtsanwaltsordnung, Kommentar, 9. Aufl. (2016) Fezer, Strafprozeßrecht, 2. Aufl. (1995) Strafverteidigung – Grundlagen und Stolpersteine: Symposion für Werner Beulke (2012) Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, Kommentar, 66. Aufl. (2019) Flore/Tsambikakis (Hrsg.), Steuerstrafrecht, 2. Aufl. (2016) Franke/Wienroeder, BtMG, 3. Aufl. (2007) Freyschmidt/Krumm, Verteidigung in Straßenverkehrssachen, 10. Aufl. (2013) Fromm, Verteidigung in Straßenverkehrs- und Ordnungswidrigkeitenverfahren, 2. Aufl. (2015) Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRKKommentar, 3. Aufl. (2009) Festschrift für den 45. Deutschen Juristentag (1964) Festschrift für Hans Achenbach zum 70. Geburtstag (2011) Staatsrecht und Staatswissenschaften in Zeiten des Wandels – Festschrift für Ludwig Adamovich zum 60. Geburtstag (1992) Strafverteidigung im Rechtsstaat – 25 Jahre Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des Deutschen Anwaltvereins (2009) Grundlagen des Straf- und Strafverfahrensrechts – Festschrift für Knut Amelung zum 70. Geburtstag (2009) Festschrift für Nikolaos Androulakis zum 70. Geburtstag (2003) Recht in Europa – Festgabe zum 30-jährigen Bestehen der Juristischen Fakultät Augsburg (2002) Economic law and justice in times of globalisation – Festschrift für Carl Baudenbacher (2007) Festschrift für Jürgen Baumann zum 70. Geburtstag (1992) Festschrift für Gottfried Baumgärtel zum 70. Geburtstag (1990) Festschrift zum 50-jährigen Bestehen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (1997) Festschrift für Günther Bemmann zum 70. Geburtstag (1997) Recht zwischen Umbruch und Bewahrung – Festschrift für Rudolf Bernhardt (1995) Ein menschengerechtes Strafrecht als Lebensaufgabe –Festschrift für Werner Beulke zum 70. Geburtstag (2015) Festschrift für Karl Binding zum 4. Juni 1911 Festschrift aus Anlass des 50-jährigen Bestehens von Bundesgerichtshof, Bundesanwaltschaft und Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof (2000) 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft, hrsg. von Roxin/Widmaier, Bd. IV: Strafrecht (2000) Festschrift für Günter Blau zum 70. Geburtstag (1985) Festschrift für Paul Bockelmann zum 70. Geburtstag (1979) Festschrift für Alexander Böhm zum 70. Geburtstag (1999) Recht gestalten – dem Recht dienen, Festschrift für Reinhard Böttcher zum 70. Geburtstag (2007)

L

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FS Boujong FS BRAK FS Brauneck FS Breidling FS Bruns FS Burgstaller FS Carstens FS Dahs FS Damaska FS Delbrück FS Dencker FS Doehring FS Dreher FS Dünnebier FS Eide FS Eisenberg FS Eisenberg II FS Engisch FS Ermacora FS Eser FS Eser II FS Europa-Institut FS Everling FS Faller FS Fezer FS Fiedler FS Fischer FS Flume FS Friauf FS Friebertshäuser FS Frisch FS Fuchs FS Gallas FS Geerds FS Geiger FS Geiß FS Geppert FS Gollwitzer FS Gössel FS Graf-Schlicker

LI

Verantwortung und Gestaltung, Festschrift für Karlheinz Boujong zum 65. Geburtstag (1996) Festschrift zu Ehren des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer (2006) Ehrengabe für Anne-Eva Brauneck (1999) Festschrift für Ottmar Breidling zum 70. Geburtstag (2017) Festschrift für Hans-Jürgen Bruns zum 70. Geburtstag (1978) Festschrift für Manfred Burgstaller zum 65. Geburtstag (2004) Einigkeit und Recht und Freiheit, Festschrift für Karl Carstens zum 70. Geburtstag (1984) Festschrift für Hans Dahs zum 70. Geburtstag (2005) Festschrift for Mirjan Damaska (2008) Liber Amicorum Jost Delbrück (2005) Festschrift für Friedrich Dencker zum 70. Geburtstag (2012) Staat und Völkerrechtsordnung – Festschrift für Karl Doehring; Beiträge zum ausländischen Recht und Völkerrecht Bd. 98 (1989) Festschrift für Eduard Dreher zum 70. Geburtstag (1977) Festschrift für Hanns Dünnebier zum 75. Geburtstag (1982) Human rights and criminal justice for the downtrodden; Essays in honour of Asbjørn Eide (2003) Festschrift für Ulrich Eisenberg zum 70. Geburtstag (2009) Für die Sache – Kriminalwissenschaften aus unabhängiger Perspektive – Festschrift für Ulrich Eisenberg zum 80. Geburtstag (2019) Festschrift für Karl Engisch zum 70. Geburtstag (1969) Fortschritt im Bewußtsein der Grund- und Menschenrechte, Festschrift für Felix Ermacora zum 65. Geburtstag (1988) Menschengerechtes Strafrecht, Festschrift für Albin Eser zum 70. Geburtstag (2005) Scripta amicitiae – Freundschaftsgabe für Albin Eser zum 80. Geburtstag (2015) Europäische Integration und Globalisierung, Festschrift zum 60-jährigen Bestehen des Europa-Instituts (2011) Festschrift für Ulrich Everling (1993) Festschrift für Hans Joachim Faller (1984) Festschrift für Gerhard Fezer zum 70. Geburtstag (2008) Verfassung – Völkerrecht – Kulturgüterschutz, Festschrift für Wilfried Fiedler zum 70. Geburtstag (2011) Festschrift für Thomas Fischer (2018) Festgabe für Werner Flume zum 90. Geburtstag (1998) Festschrift für Karl Heinrich Friauf (1996) Festgabe für den Strafverteidiger Dr. Heino Friebertshäuser (1997) Grundlagen und Dogmatik des gesamten Strafrechtssystems – Festschrift für Wolfgang Frisch zum 70. Geburtstag (2013) Festschrift für Helmut Fuchs zum 65. Geburtstag (2014) Festschrift für Wilhelm Gallas zum 70. Geburtstag (1973) Kriminalistik und Strafrecht, Festschrift für Friedrich Geerds zum 70. Geburtstag (1995) Verantwortlichkeit und Freiheit. Die Verfassung als wertbestimmende Ordnung; Festschrift für Willi Geiger zum 80. Geburtstag (1989) Festschrift für Karlmann Geiß zum 65. Geburtstag (2000) Festschrift für Klaus Geppert zum 70. Geburtstag (2011) Verfassungsrecht – Menschenrechte – Strafrecht, Kolloquium für Dr. Walter Gollwitzer zum 80. Geburtstag (2004) Festschrift für Karl Heinz Gössel zum 70. Geburtstag (2002) Festschrift zu Ehren von Marie Luise Graf-Schlicker (2018)

Literaturverzeichnis

FS Graßhoff FS Grünwald FS Grützner FS Hacker FS Haffke FS Hamm FS Hanack FS Hassemer FS Heinitz FS Heintschel-Heinegg FS Heinz FS Heldrich FS Helmrich FS Henkel FS Herzberg FS Heusinger FS Hilger FS Hirsch FS B. Hirsch FS H. J. Hirsch FS Höpfel FS HU Berlin FS Hubmann FS Huber FS Imme Roxin FS Ismayr FS Jahrreiß FS II Jahrreiß FS Jakobs FS Jescheck FS Jung FS JurGes. Berlin FS Kaiser FS Kargl FS Katoh FS Arthur Kaufmann FS Kern FS Kerner

Der verfasste Rechtsstaat, Festgabe für Karin Graßhoff (1998) Festschrift für Gerald Grünwald zum 70. Geburtstag (1999) Aktuelle Probleme des Internationalen Strafrechts, Festschrift für Heinrich Grützner zum 65. Geburtstag (1970) Wandel durch Beständigkeit, Festschrift für Jens Hacker (1998) Das Dilemma des rechtsstaatlichen Strafrechts: Symposium für Bernhard Haffke zum 65. Geburtstag (2009) Festschrift für Rainer Hamm zum 65. Geburtstag (2008) Festschrift für Ernst-Walter Hanack zum 70. Geburtstag (1999) Festschrift für Winfried Hassemer zum 70. Geburtstag (2010) Festschrift für Ernst Heinitz zum 70. Geburtstag (1972) Festschrift für Bernd von Heintschel-Heinegg zum 70. Geburtstag (2015) Festschrift für Wolfgang Heinz zum 70. Geburtstag (2012) Festschrift für Andreas Heldrich zum 70. Geburtstag (2005) Für Staat und Recht, Festschrift für Herbert Helmrich zum 60. Geburtstag (1994) Grundfragen der gesamten Strafrechtswissenschaft, Festschrift für Heinrich Henkel zum 70. Geburtstag (1974) Strafrecht zwischen System und Telos, Festschrift für Rolf Dietrich Herzberg zum 70. Geburtstag (2008) Ehrengabe für Bruno Heusinger (1968) Datenübermittlungen und Vorermittlungen, Festgabe für Hans Hilger (2003) Berliner Festschrift für Ernst E. Hirsch (1968) Mit Recht für Menschenwürde und Verfassungsstaat, Festgabe für Burkhard Hirsch (2007) Festschrift Hans Joachim Hirsch zum 70. Geburtstag (1999) Vielfalt des Strafrechts im internationalen Kontext – Festschrift für Frank Höpfel zum 65. Geburtstag (2018) Festschrift 200 Jahre Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin (2010) Beiträge zum Schutz der Persönlichkeit und ihrer schöpferischen Leistung, Festschrift für Heinrich Hubmann zum 70. Geburtstag (1985) Recht als Prozess und Gefüge, Festschrift für Hans Huber zum 80. Geburtstag (1981) Festschrift für Imme Roxin zum 75. Geburtstag (2012) Analyse demokratischer Regierungssysteme, Festschrift für Wolfgang Ismayr zum 65. Geburtstag (2010) Festschrift für Hermann Jahrreiß zum 70. Geburtstag (1964) Festschrift für Hermann Jahrreiß zum 80. Geburtstag (1974) Festschrift für Günther Jakobs zum 70. Geburtstag (2007) Festschrift für Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag (1985) Festschrift für Heike Jung zum 65. Geburtstag (2007) Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin (1984) Internationale Perspektiven in Kriminologie und Strafrecht, Festschrift für Günther Kaiser zum 70. Geburtstag (1998) Festschrift für Walter Kargl zum 70. Geburtstag (2015) Blick über den Tellerrand, Festschrift für Hisao Katoh (2008) Strafgerechtigkeit, Festschrift für Arthur Kaufmann zum 70. Geburtstag (1993) Tübinger Festschrift für Eduard Kern (1968) Kriminologie – Kriminalpolitik – Strafrecht, Festschrift für Hans-Jürgen Kerner zum 70. Geburtstag (2013)

LII

Literaturverzeichnis

FS Kielwein FS Kirchberg FS Klecatsky FS Klein FS Kleinknecht FS Klug FS Koch FS Kohlmann FS Kralik FS Krause FS Krauss FS Kreuzer FS Kriele FS Krey FS Kunert FS Kühl FS Kühne FS Küper FS Lackner FS Lampe FS Landau FS Lange FS Leferenz FS Lenckner FS Lerche FS Loebenstein FS Loewenstein FS von Lübtow FS Lüderssen FS Machacek und Matscher FS Maelicke FS Maihofer FS Maiwald FS Maiwald II FS Mangakis FS Manoledakis FS Maurach

LIII

Dogmatik und Praxis des Strafverfahrens, Beiträge anläßlich des Colloquiums zum 65. Geburtstag von Gerhard Kielwein (1989) Festschrift für Christian Kirchberg zum 70. Geburtstag (2017) Auf dem Weg zur Menschenwürde und Gerechtigkeit, Festschrift für Hans Klecatsky zum 60. Geburtstag (1980) Festschrift für Franz Klein zum 60. Geburtstag (1914) Strafverfahren im Rechtsstaat, Festschrift für Theodor Kleinknecht zum 75. Geburtstag (1985) Festschrift für Ulrich Klug zum 70. Geburtstag (1983) Strafverteidigung und Strafprozeß, Festgabe für Ludwig Koch (1989) Festschrift für Günter Kohlmann zum 70. Geburtstag (2003) Festschrift für Winfried Kralik zum 65. Geburtstag (1986) Festschrift für Friedrich-Wihelm Krause zum 70. Geburtstag (1990) Prozessuales Denken als Innovationsanreiz für das materielle Strafrecht, Kolloquium zum 70. Geburtstag von Detlef Krauss (2006) Mittler zwischen Recht und Wirklichkeit – Festschrift für Arthur Kreuzer zum 80. Geburtstag (2018) Staatsphilosophie und Rechtspolitik, Festschrift für Martin Kriele zum 65. Geburtstag (1997) Festschrift für Volker Krey zum 70. Geburtstag (2010) Freiheit, Gesetz und Toleranz, Symposium zum 75. Geburtstag von Karl Heinz Kunert (2006) Festschrift für Kristian Kühl zum 70. Geburtstag (2014) Festschrift für Hans-Heiner Kühne zum 70. Geburtstag (2013) Festschrift für Wilfried Küper zum 70. Geburtstag (2007) Festschrift für Karl Lackner zum 70. Geburtstag (1987) Jus humanum: Grundlagen des Rechts und Strafrechts, Festschrift für Ernst-Joachim Lampe zum 70. Geburtstag (2003) Grundgesetz und Europa – Liber Amicorum für Herbert Landau zum Ausscheiden aus dem Bundesverfassungsgericht (2016) Festschrift für Richard Lange zum 70. Geburtstag (1976) Kriminologie – Psychiatrie – Strafrecht, Festschrift für Heinz Leferenz zum 70. Geburtstag (1983) Festschrift für Theodor Lenckner zum 70. Geburtstag (1998) Wege und Verfahren des Verfassungslebens, Festschrift für Peter Lerche zum 65. Geburtstag (1993) Der Rechtsstaat in der Krise – Festschrift für Edwin Loebenstein zum 80. Geburtstag (1991) Festschrift für Karl Loewenstein zum 80. Geburtstag (1971) De iustitia et iure – Festschrift für Ulrich von Lübtow zum 80. Geburtstag (1980) Festschrift für Klaus Lüderssen zum 70. Geburtstag (2002) Rechtsschutz gestern – heute – morgen, Festgabe zum 80. Geburtstag für Rudolf Machacek und Franz Matscher (2008) Wertschöpfung durch Wertschätzung, Festschrift für Bernd Maelicke zum 70. Geburtstag (2011) Festschrift für Werner Maihofer zum 70. Geburtstag (1988) Fragmentarisches Strafrecht, Für Manfred Maiwald aus Anlass seiner Emeritierung (2003) Gerechte Strafe und legitimes Strafen, Festschrift für Manfred Maiwald zum 75. Geburtstag (2010) Festschrift für Georgios Mangakis (1999) Festschrift für Ioannis Manoledakis (2005) Festschrift für Reinhard Maurach zum 70. Geburtstag (1972)

Literaturverzeichnis

FS Mayer FS Mehle FS Meyer-Goßner FS Mezger FS Middendorf FS Miebach FS Miklau FS Miyazawa FS Möhring FS Mosler FS E. Müller FS E. Müller II FS Müller-Dietz FS Nehm FS Neumann FS Nishihara FS Odersky FS Oehler FS Ostendorf FS Otto FS Paarhammer FS Paeffgen FS Partsch FS Paulus

FS Pavisic FS Peters FS Peters II FS Chr. Pfeiffer FS Pfeiffer

FS Pfenniger FS Platzgummer FS Pöttering FS Puppe FS Rebmann

Beiträge zur gesamten Strafrechtswissenschaft, Festschrift für Hellmuth Mayer zum 70. Geburtstag (1966) Festschrift für Volkmar Mehle zum 65. Geburtstag (2009) Festschrift für Lutz Meyer-Goßner zum 65. Geburtstag (2001) Festschrift für Edmund Mezger zum 70. Geburtstag (1954) Festschrift für Wolf Middendorf zum 70. Geburtstag (1986) NStZ-Sonderheft – Zum Eintritt in den Ruhestand für Klaus Miebach (2009) Strafprozessrecht im Wandel, Festschrift für Roland Miklau zum 65. Geburtstag (2006) Festschrift für Koichi Miyazawa (1995) Festschrift für Philipp Möhring zum 65. Geburtstag (1965) Völkerrecht als Rechtsordnung, Internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte; Festschrift für Hermann Mosler zum 70. Geburtstag (1983) Opuscula Honoraria, Egon Müller zum 65. Geburtstag (2003) Festschrift für Egon Müller zum 70. Geburtstag (2008) Grundlagen staatlichen Strafens, Festschrift für Heinz Müller-Dietz zum 70. Geburtstag (2001) Strafrecht und Justizgewährung, Festschrift für Kay Nehm zum 65. Geburtstag (2006) Rechtsstaatliches Strafrecht, Festschrift für Ulfrid Neumann zum 70. Geburtstag (2017) Festschrift für Harua Nishihara zum 70. Geburtstag (1998) Festschrift für Walter Odersky zum 65. Geburtstag (1996) Festschrift für Dietrich Oehler zum 70. Geburtstag (1985) Strafrecht – Jugendstrafrecht – Kriminalprävention in Wissenschaft und Praxis – Festschrift für Heribert Ostendorf zum 70. Geburtstag (2015) Festschrift für Harro Otto zum 70. Geburtstag (2007) In mandatis meditari, Festschrift für Hans Paarhammer zum 65. Geburtstag (2012) Strafe und Prozess im freiheitlichen Rechtsstaat – Festschrift für HansUllrich Paeffgen zum 70. Geburtstag (2015) Des Menschen Recht zwischen Freiheit und Verantwortung, Festschrift für Karl Josef Partsch zum 75. Geburtstag (1989) Festgabe des Instituts für Strafrecht und Kriminologie der Juristischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg für Rainer Paulus zum 70. Geburtstag (2009) Kazneno Pravo, Kazneno Postupovno I Kriminalistika, Festschrift für Berislav Pavisic zum 70. Geburtstag (2014) Einheit und Vielfalt des Strafrechts, Festschrift für Karl Peters zum 70. Geburtstag (1974) Wahrheit und Gerechtigkeit im Strafverfahren, Festgabe für Karl Peters zum 80. Geburtstag (1984) Kriminologie ist Gesellschaftswissenschaft, Festschrift für Christian Pfeiffer zum 70. Geburtstag (2014) Strafrecht, Unternehmensrecht, Anwaltsrecht, Festschrift für Gerd Pfeiffer zum Abschied aus dem Amt als Präsident des Bundesgerichtshofes (1988) Strafprozeß und Rechtsstaat, Festschrift zum 70. Geburtstag von H. F. Pfenniger (1976) Festschrift für Winfried Platzgummer zum 65. Geburtstag (1995) Processus Criminalis Europeus, Festschrift für Hans-Gert Pöttering (2008) Strafrechtswissenschaft als Analyse und Konstruktion, Festschrift für Ingeborg Puppe zum 70. Geburtstag (2011) Festschrift für Kurt Rebmann zum 65. Geburtstag (1989)

LIV

Literaturverzeichnis

FS Reichsgericht

FS Reichsjustizamt FS Remmers FS Rengier FS Ress FS Richter FS Rieß FS Rill FS Rissing-van Saan FS Rittler FS Rogall FS Rolinski FS Rosenfeld FS Rowedder FS Roxin FS Roxin II FS Rössner Rudolphi-Symp. FS Rudolphi FS Rüping FS Rüter FS Salger

FS Samson FS Sarstedt FS Sauer FS G. Schäfer FS Schäfer FS W. Schiller FS Schindler FS Schmidt FS Schlochauer FS Schlothauer FS Schlüchter

FS H. Schmidt FS Schmidt-Leichner FS Schmitt-Glaeser

LV

Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts, Bd. 5, Strafrecht und Strafprozeß (1929) Vom Reichsjustizamt zum Bundesministerium der Justiz, Festschrift zum 100jährigen Gründungstag des Reichsjustizamtes am 1.1.1877 (1977) Vertrauen in den Rechtsstaat, Beiträge zur deutschen Einheit im Recht, Festschrift für Walter Remmers (1995) Festschrift für Rudolf Rengier zum 70. Geburtstag (2018) Internationale Gemeinschaft und Menschenrechte, Festschrift für Georg Ress zum 70. Geburtstag (2005) Verstehen und Widerstehen, Festschrift für Christian Richter II zum 65. Geburtstag (2006) Festschrift für Peter Rieß zum 70. Geburtstag (2002) Grundfragen und aktuelle Probleme des öffentlichen Rechts – Festschrift für Heinz Peter Rill zum 60. Geburtstag (1995) Festschrift für Ruth Rissing-van Saan zum 65. Geburtstag (2011) Festschrift für Theodor Rittler zu seinem achtzigsten Geburtstag (1957) Systematik in Strafrechtswissenschaft und Gesetzgebung – Festschrift für Klaus Rogall zum 70. Geburtstag (2018) Festschrift für Klaus Rolinski zum 70. Geburtstag (2002) Festschrift für Ernst Heinrich Rosenfeld zu seinem 80. Geburtstag (1949) Festschrift für Heinz Rowedder zum 75. Geburtstag (1994) Festschrift für Claus Roxin zum 70. Geburtstag (2001) Festschrift für Claus Roxin zum 80. Geburtstag (2011) Über allem: Menschlichkeit – Festschrift für Dieter Rössner zum 70. Geburtstag (2015) Zur Theorie und Systematik des Strafprozeßrechts, Symposium zu Ehren von Hans-Joachim Rudolphi zum 60. Geburtstag (1995) Festschrift für Hans-Joachim Rudolphi zum 70. Geburtstag (2004) Recht und Macht: zur Theorie und Praxis von Strafe, Festschrift für Hinrich Rüping zum 65. Geburtstag (2008) Festschrift für C. F. Rüter zum 65. Geburtstag (2003) Straf- und Strafverfahrensrecht, Recht und Verkehr, Recht und Medizin, Festschrift für Hannskarl Salger zum Abschied aus dem Amt als Vizepräsident des Bundesgerichtshofes (1995) Festschrift für Erich Samson zum 70. Geburtstag (2010) Festschrift für Werner Sarstedt zum 70. Geburtstag (1981) Festschrift für Wilhelm Sauer zu seinem 70. Geburtstag (1949) NJW-Sonderheft für Gerhard Schäfer zum 65. Geburtstag (2002) Festschrift für Karl Schäfer zum 80. Geburtstag (1980) Festschrift für Wolf Schiller zum 65. Geburtstag (2014) Im Dienst an der Gemeinschaft, Festschrift für Dietrich Schindler zum 65. Geburtstag (1989) Festschrift für Eberhard Schmidt zum 70. Geburtstag (1961) Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht, Festschrift für Hans Jürgen Schlochauer (1981) Festschrift für Reinhold Schlothauer zum 70. Geburtstag (2018) Freiheit und Verantwortung in schwieriger Zeit, Kritische Studien aus vorwiegend straf(prozess-)rechtlicher Sicht zum 60. Geburtstag von Ellen Schlüchter (1998) Kostenerstattung und Streitwert, Festschrift für Herbert Schmidt (1981) Festschrift für Erich Schmidt-Leichner zum 65. Geburtstag (1975) Recht im Pluralismus, Festschrift für Walter Schmitt-Glaeser zum 70. Geburtstag (2003)

Literaturverzeichnis

FS Schneider FS Schomburg FS Schöch FS Schreiber FS Schroeder FS Schüler-Springorum FS Schünemann FS Schultz FS Schwind FS Seebode FS Seidl-Hohenveldern FS Sendler FS Spendel FS Spinellis FS StA Schleswig-Holstein FS Steinberger FS Steinhilper FS Stober FS Stock FS Stöckel FS Strauda FS Stree/Wessels FS Streng FS Szwarc FS Tepperwien FS Tiedemann FS Tondorf FS Trechsel FS Triffterer FS Tröndle FS Trusen FS Verdross FS Verdross II FS Verosta FS Volk FS von Simson

Kriminologie an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, Festschrift für Hans Joachim Schneider zum 70. Geburtstag (1998) Justice Without Borders – Essays in Honour of Wolfgang Schomburg (2018) Festschrift für Heinz Schöch zum 70. Geburtstag (2010) Strafrecht, Biorecht, Rechtsphilosophie, Festschrift für Hans-Ludwig Schreiber zum 70. Geburtstag (2003) Festschrift für Friedrich-Christian Schroeder zum 70. Geburtstag (2006) Festschrift für Horst Schüler-Springorum zum 65. Geburtstag (1993) Festschrift für Bernd Schünemann zum 70. Geburtstag (2014) Lebendiges Strafrecht. Festgabe zum 65. Geburtstag von Hans Schultz (1977) Kriminalpolitik und ihre wissenschaftlichen Grundlagen, Festschrift für Hans-Dieter Schwind zum 70. Geburtstag (2006) Festschrift für Manfred Seebode zum 70. Geburtstag (2008) Völkerrecht, Recht der Internationalen Organisationen, Weltwirtschaftsrecht; Festschrift für Ignaz Seidl-Hohenveldern zum 70. Geburtstag (1988) Bürger-Richter-Staat, Festschrift für Horst Sendler zum Abschied aus seinem Amt (1991) Festschrift für Günter Spendel zum 70. Geburtstag (1992) Festschrift für Dionysios Spinellis zum 70. Geburtstag (1999–2003) Strafverfolgung und Strafverzicht, Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Staatsanwaltschaft Schleswig-Holstein (1992) Tradition und Weltoffenheit des Rechts, Festschrift für Helmut Steinberger (2002) Kriminologie und Medizinrecht, Festschrift für Gernot Steinhilper zum 70. Geburtstag (2013) Festschrift für Rolf Stober, Wirtschaft – Verwaltung – Recht (2008) Studien zur Strafrechtswissenschaft, Festgabe für Ulrich Stock zum 70. Geburtstag (1966) Strafrechtspraxis und Reform, Festschrift für Heinz Stöckel zum 70. Geburtstag (2010) Festschrift zu Ehren des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer anlässlich seiner 196. Tagung vom 13.–15.10.2006 in Münster (2006) Beiträge zur Rechtswissenschaft, Festschrift für Walter Stree und Johannes Wessels zum 70. Geburtstag (1993) Festschrift für Franz Streng zum 70. Geburtstag (2017) Vergleichende Strafrechtswissenschaft, Frankfurter Festschrift für Andrzej J. Szwarc zum 70. Geburtstag (2009) NJW-Festheft zum 65. Geburtstag von Ingeborg Tepperwien (2010) Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht, Festschrift für Klaus Tiedemann zum 70. Geburtstag (2008) Festschrift für Günter Tondorf zum 70. Geburtstag (2004) Strafrecht, Strafprozessrecht und Menschenrechte, Festschrift für Stefan Trechsel zum 65. Geburtstag (2002) Festschrift für Otto Triffterer zum 65. Geburtstag (1996) Festschrift für Herbert Tröndle zum 70. Geburtstag (1989) Festschrift für Winfried Trusen zum 70. Geburtstag (1994) Völkerrecht und zeitliches Weltbild, Festschrift für Alfred Verdross zum 70. Geburtstag (1960) Ius humanitas, Festschrift für Alfred Verdross zum 90. Geburtstag (1980) Völkerrecht und Rechtsphilosophie, Internationale Festschrift für Stephan Verosta zum 70. Geburtstag (1980) In dubio pro libertate, Festschrift für Klaus Volk zum 65. Geburtstag (2009) Grundrechtsschutz im nationalen und internationalen Recht – Festschrift für Werner von Simson zum 75. Geburtstag (1983)

LVI

Literaturverzeichnis

FS Vormbaum FS Wassermann FS v. Weber FS Weber FS Weißauer FS Welp FS Welzel FS Wessing FS Widmaier FS Winkler FS Wolff FS Wolter FS Würtenberger FS Würtenberger II FS Würzburger Juristenfakultät FS Yamanaka FS Zeidler FS Zoll Full/Möhl/Rüth Gaede Gaier/Wolf/Göcken GedS Bleckmann GedS Blomeyer GedS Blumenwitz GedS Bruns GedS Eckert GedS Geck GedS Heine GedS Joecks GedS A. Kaufmann GedS H. Kaufmann GedS Keller GedS Küchenhoff GedS Lisken

GedS Meurer

LVII

Strafrecht und Juristische Zeitgeschichte – Symposium anlässlich des 70. Geburtstages von Thomas Vormbaum Festschrift für Rudolf Wassermann zum 60. Geburtstag (1985) Festschrift für Hellmuth von Weber zum 70. Geburtstag (1963) Festschrift für Ulrich Weber zum 70. Geburtstag (2004) Ärztliches Handeln – Verrechtlichung eines Berufsstandes; Festschrift für Walther Weißauer zum 65. Geburtstag (1986) Strafverteidigung in Forschung und Praxis, Kriminalwissenschaftliches Kolloquium aus Anlaß des 70. Geburtstages von Jügen Welp (2006) Festschrift für Hans Welzel zum 70. Geburtstag (1974) Unternehmensstrafrecht – Festschrift für Jürgen Wessing zum 65. Geburtstag (2015) Strafverteidigung, Revision und die gesamten Strafrechtswissenschaften – Festschrift für Gunter Widmaier zum 70. Geburtstag (2008) Beiträge zum Verfassungs- und Wirtschaftsrecht, Festschrift für Günther Winkler (1989) Festschrift für Ernst Amadeus Wolff zum 70. Geburtstag (1998) Festschrift für Jürgen Wolter zum 70. Geburtstag (2013) Kultur, Kriminalität, Strafrecht, Festschrift für Thomas Würtenberger zum 70. Geburtstag (1977) Verfassungsstaatlichkeit im Wandel, Festschrift für Thomas Würtenberger zum 70. Geburtstag (2013) Raum und Recht, Festschrift 600 Jahre Würzburger Juristenfakultät (2002) Rechtsstaatliches Strafen, Festschrift für Keiichi Yamanaka zum 70. Geburtstag (2017) Festschrift für Wolfgang Zeidler (1987) Rechtsstaat und Strafrecht, Festschrift für Andrzej Zoll zum 70. Geburtstag (2012) s. Rüth/Berr/Berz Gaede, Fairness als Teilhabe – das Recht auf konkrete und wirksame Teilhabe durch Verteidigung gemäß Art. 6 EMRK (2007) Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl. (2014) Rechtsstaatliche Ordnung Europas – Gedächtnisschrift für Albert Bleckmann (2007) Recht der Wirtschaft und Arbeit in Europa. Gedächtnisschrift für Wolfgang Blomeyer (2004) Iustitia et Pax, Gedächtnisschrift für Dieter Blumenwitz (2008) Gedächtnisschrift für Rudolf Bruns (1980) Gedächtnisschrift für Jörn Eckert (2008) Verfassungsrecht und Völkerrecht, Gedächtnisschrift für Wilhelm Karl Geck (1989) Strafrecht als ultima ratio – Gießener Gedächtnisschrift für Günter Heine (2015) Strafrecht – Wirtschaftsstrafrecht – Steuerrecht – Gedächtnisschrift für Wolfgang Joecks (2018) Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann (1986) Gedächtnisschrift für Hilde Kaufmann (1986) Gedächtnisschrift für Rolf Keller (2003) Recht und Rechtsbesinnung, Gedächtnisschrift für Günter Küchenhoff (1987) Lauschen im Rechtsstaat – Zu den Konsequenzen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum großen Lauschangriff, Gedächtnisschrift für Hans Lisken (2004) Gedächtnisschrift für Dieter Meurer (2002)

Literaturverzeichnis

GedS Meyer GedS Noll GedS H. Peters GedS Ryssdal

GedS Schlüchter GedS Schröder GedS Seebode GedS Trzaskalik GedS Walter GedS Weßlau GedS Vogler GedS Zipf Geerds Geiger/Khan/Kotzur Gerland Gerold/Schmidt/v. Eicken/ Madert/Müller-Rabe Glaser Göbel Göhler Götz/Tolzmann Gössel Gössel/Dölling Goldschmidt Grabenwarter/Pabel Grabitz/Hilf/Nettesheim Graf Graf/Goers (BGH Jahr) Graf/Jäger/Wittig Graf zu Dohna Greeve/Leipold Grote/Marauhn/Dörr Grunau/Tiesler Grützner/Pötz/Kreß/Gazeas Guradze Gürtner Habschick Hackner/Schierholt Hahn

Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer (1990) Gedächtnisschrift für Peter Noll (1984) Gedächtnisschrift für Hans Peters (1967) Protection des droits de l’homme: la perspective européenne/Protecting Human Rights: The European Perspective, Gedächtnisschrift für Rolv Ryssdal (2000) Gedächtnisschrift für Ellen Schlüchter (2002) Gedächtnisschrift für Horst Schröder (1978) Im Zweifel für die Freiheit – Gedächtnisschrift für Manfred Seebode (2015) Gedächtnisschrift für Christoph Trzaskalik (2005) Kriminologie – Jugendkriminalrecht – Strafvollzug, Gedächtnisschrift für Michael Walter (2014) Rechtsstaatlicher Strafprozess und Bürgerrechte – Gedächtnisschrift für Edda Weßlau (2016) Gedächtnisschrift für Theo Vogler (2004) Gedächtnisschrift für Heinz Zipf (1999) Handbuch der Kriminalistik, begr. von H. Groß, neubearbeitet von Geerds, 10. Aufl. (Bd. I 1977, Bd. II 1978) Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Kommentar, 6. Aufl. (2017) Gerland, Der Deutsche Strafprozeß (1927) Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Kommentar, 23. Aufl. (2017) Glaser, Handbuch des Strafprozesses, in Binding, Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft (Bd. I 1883, Bd. II 1885) Göbel, Strafprozess, 8. Aufl. (2013) Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, Kurzkommentar erläutert von Erich Göhler, fortgef. von Peter König und Helmut Seitz, 17. Aufl. (2017) Götz/Tolzmann, Bundeszentralregistergesetz, Kommentar, 4. Aufl. (2000); Nachtrag zur 4. Auflage (2003) Gössel, Strafverfahrensrecht, Studienbuch (1977) Gössel/Dölling, Strafrecht, Besonderer Teil 1, 2. Aufl. (2004) Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage (1925) Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 6. Aufl. (2016) Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, begr. von Grabitz, Loseblattausgabe, 65. Aufl. (2018) Graf, Strafprozessordnung, 3. Aufl. (2018) Graf, BGH-Rechtsprechung Strafrecht 2010 (2011); 2011 (2012); 2012/2013 (2013); 2014 (2014); 2015 (2015); 2016 (2016); 2017 (2017) Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl. (2017) Graf zu Dohna, Das Strafprozeßrecht, 3. Aufl. (1929) Greeve/Leipold, Handbuch des Baustrafrechts (2004) Grote/Marauhn/Dörr, EMRK/GG, Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz, 2. Aufl. (2013) Grunau/Tiesler, Strafvollzugsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. (1982) Grützner/Pötz/Kreß/Gazeas, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, Loseblattausgabe, 3. Aufl. (ab 2008) Guradze, Die Europäische Menschenrechtskonvention, 1968 Das kommende deutsche Strafverfahren, Bericht der amtlichen Strafprozeßkommission, hrsg. von Gürtner (1938) Habschick, Erfolgreich Vernehmen, 4. Aufl. (2016) Hackner/Schierholt, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 3. Aufl. (2017) Hahn, Die gesamten Materialien zur Strafprozeßordnung und dem Einführungsgesetz, Bd. I (1880), Bd. II (1881)

LVIII

Literaturverzeichnis

Haller/Conzen Hamm/Hassemer/Pauly Hamm Hanack-Symp. Hansens Hartmann Hartung/Schons/Enders Haupt/Weber/Bürner/ Frankfurth/Luxemburger/ Marth HdbStR HdbVerfR Hecker Heghmanns/Herrmann Heghmanns, Verteidigung Heghmanns/Scheffler Hellebrand Hellmann Henkel Henssler/Prütting Hentschel Hentschel/König/Dauer Herrmann Heselhaus/Nowak Herzog/Mülhausen von Hippel HK HK-GS Höflich/Schriever/Bartmeier Hömig/Wolff Hofmann von Holtzendorff HRRS-FG Fezer Ignor/Mosbacher IK-EMRK

Ipsen Isele Jacobs/White/Ovey Jahn/Krehl/Löffelmann/ Güntge Jahn/Nack (I)

LIX

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LXVI

5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung

Vor § 212

Strafprozessordnung Vom 1. Februar 1877 in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319)

ZWEITES BUCH Verfahren im ersten Rechtszug FÜNFTER ABSCHNITT Vorbereitung der Hauptverhandlung Vor § 212 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung Jäger https://doi.org/10.1515/9783110274943-001

Vorbemerkung zu § 212 Schrifttum Allgemeines: Grossmann Die Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses und der Anspruch des Angeklagten auf Freispruch, Diss. Tübingen 1986; Hahn Staatsanwaltschaftliche Ermittlungstätigkeit während des Hauptverfahrens, GA 1978 331; Hülle Die technische Vorbereitung der Hauptverhandlung in Strafsachen durch den Vorsitzenden, DRiZ 1956 148; König Wege und Grenzen eigener Ermittlungstätigkeit des Strafverteidigers, StraFo 1996 98; Leipold Verdunkelungsgefahr bei eigenen Ermittlungen des Verteidigers?, NJW-Spezial 2005 375; Meyer-Goßner Die Zulässigkeit richterlicher Beweiserhebungen im Strafprozeß nach Zulassung der Anklage, NJW 1970 415; Middendorf Legale und illegale Methoden der Prozeßvereitelung, Kriminalstrategie und Kriminaltaktik 1993 363 ff.; E. Müller Terminsanberaumung, Terminsverlegung und Strafverteidigung, FS Widmaier (2008) 357; Nagler Das Zwischenverfahren, GerS 111 (1938) 343; Odenthal Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nach Eröffnung des Hauptverfahrens, StV 1991 441; Schlothauer Vorbereitung der Hauptverhandlung durch den Verteidiger2 (1998); Schlüchter Wider die Verwirkung der Verfahrensrügen im Strafprozeß, GedS Meyer (1990) 445; Schwenk Das Recht des Beschuldigten auf alsbaldige Hauptverhandlung, ZStW 79 (1967) 721; Stein/Schumann/Winter Organisatorische Probleme des Strafprozesses, Der Prozeß der Kriminalisierung (1973) 112 ff.; Strate Zur Kompetenzordnung im Hauptverfahren, StV 1985 337; Vogler Die Spruchpraxis der Europäischen Kommission und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und ihre Bedeutung für das deutsche Straf- und Verfahrensrecht, ZStW 82 (1970) 743; 89 (1977) 761; Wächtler Informationsgewinnung durch die Verteidigung, StraFo 2007 141; Warda Dogmatische Grundlagen des richterlichen Ermessens im Strafrecht (1962); Weiland Das Hauptverfahren in Strafsachen, JuS 1986 290. Zur Verfahrensbeschleunigung: Asbrock Strafjustizreform statt „kurzer Prozess“, NJ 1995 341; Baumanns Der Beschleunigungsgrundsatz im Strafverfahren (2011); Barton Rechtstatsachen zur Dauer von Strafverfahren und zu deren Gründen, StV 1996 690; Benz Möglichkeiten und Grenzen einer Beschleunigung des Strafverfahrens, NJW 1982 731; Beukelmann Beschleunigungsgebot versus freie Verteidigerwahl, NJW-Spezial 2007 279; Dury Das beschleunigte Strafverfahren, DRiZ 2001 207; Falk/Schütz Entschädigung wegen überlanger Verfahren – mehr Chance als Bedrohung, FS Rössner (2015) 753; Garde Verfahrensbeschleunigung im Spannungsfeld der Interessen verschiedener Prozessbeteiligter, DRiZ 1997 251; Gössel Überlegungen zur Beschleunigung des Strafverfahrens, GA 1979 241; Guckelberger Der neue staatshaftungsrechtliche Entschädigungsanspruch bei überlangen Gerichtsverfahren, DÖV 2012 296; Hanack Prozeßhindernis des überlangen Strafverfahrens? JZ 1971 705; Herzler Das beschleunigte Strafverfahren – ein notwendiger Schritt auf dem richtigen Weg, NJ 2000 399; Huber Möglichkeiten der Beschleunigung von Wirtschaftsstrafverfahren, NStZ 1996 530; Ignor/Bertheau Die so genannte Vollstreckungslösung des Großen Senats für Strafsachen – wirklich eine „Lösung”?, NJW 2008 2209; Kasten Die „Terminshoheit“ des Gerichts und das Recht auf Verteidigung (2017); Katzorke Die Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs (1989); Kloepfer Verfahrensdauer und Verfassungsrecht, JZ 1979 209; Kohlmann „Überlange Strafverfahren“ – bekannt, bedenklich aber nicht zu vermeiden? FS Pfeiffer (1988) 203; Kolleck-Feser Verfahrensverzögerungen im Strafverfahren und die Untätigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft (2015); Kraatz Gedanken zur Strafzumessungslösung bei rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung, JR 2006, 403; ders. Die neue Vollstreckungslösung und ihre Auswirkungen – Zugleich eine Besprechung von BGH GSSt. 1/07, JR 2008

1 https://doi.org/10.1515/9783110274943-001

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189; Krehl Das Gebot der Verfahrensbeschleunigung – zur Bedeutung von Verfahrensverzögerung bei erfolgreichem Rechtsmittel und Einlegung einer Verfassungsbeschwerde, ZIS 2006 168; ders./Eidam Die überlange Dauer von Strafverfahren, NStZ 2006 1; Leipold Das strafprozessuale Beschleunigungsgebot, FS Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des Deutschen Anwaltvereins (2009) 636; Lemke/Rothstein-Schubert Effektivierung von Strafverfahren im Bereich der einfachen und mittleren Kriminalität nach geltendem Recht, ZRP 1997 488; Peters Beschleunigung des Strafverfahrens und die Grenzen der Verfahrensbeschleunigung, in: Schreiber Strafprozeß und Reform (1971) 82; Peukert Die überlange Verfahrensdauer (Art. 6 Abs. 1 EMRK) in der Rechtsprechung der Straßburger Instanzen, EuGRZ 1979 261; Pfeiffer Das strafrechtliche Beschleunigungsgebot, FS Baumann (1992) 329; Pohlit Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Vollstreckungsmodell (BGHSt 52,124), FS Rissing-van Saan (2011) 453; Priebe Die Dauer von Gerichtsverfahren im Lichte der Europäischen Menschenrechtskonvention und des Grundgesetzes, FS v. Simson (1983) 287; Röttgen Beschleunigte Justiz, ZRP 2003 345; I. Roxin Die Rechtsfolgen schwerwiegender Rechtsstaatsverstöße in der Strafrechtspflege (2006); dies. Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes als Verfahrenshindernis, StV 2003 377; dies. Anmerkung zum Vorlagenbeschluss des BGH vom 23.8.2007 (3 StR 50/07, StV 2007, 532), StV 2008 14; dies. Die Entwicklung der Rechtsprechung zum überlangen Strafverfahren, FS Volk (2009) 617; Sack Beschleunigung des Strafverfahrens durch Aufteilung und Beschränkung des Prozeßstoffes, NJW 1976 604; Scharf/Kropp Strafverfahrensbeschleunigung durch Rechtsmittelbeschränkung, NJ 2002 73; Scheffler Die überlange Dauer von Strafverfahren (1991); ders. Rechtsstaatswidrigkeit und Einstellung von Strafverfahren, JZ 1992 131; ders. Verkürzung durch Verlängerung, ZIS 2007 386; ders. Systemwechsel ohne System – Eine Besprechung des Beschlusses des Großen Senats vom 17.1.2008, ZIS 2008 269; Schlothauer Gesetzesrecht – Richterrecht, StraFo 2011 467; Schmitt Die überlange Verfahrensdauer und das Beschleunigungsgebot in Strafsachen, StraFo 2008 313; Schroth Strafrechtliche und strafprozessuale Konsequenzen aus der Überlänge von Strafverfahren, NJW 1990 29; Streng Strafabschlag oder Anrechnung als Strafersatz? – Überlegungen zur Reichweite der Vollstreckungslösung des Großen Strafsenats, JZ 2008 979; Schwenk Das Recht des Beschuldigten auf alsbaldige Hauptverhandlung, ZStW 79 (1967) 721; Trurnit/Schroth Das Beschleunigungsgebot und die Konsequenzen einer überlangen Verfahrensdauer im Strafprozess, StraFo 2005 358; Ulsamer Art. 6 MRK und die Dauer von Strafverfahren, FS Faller (1984) 373; Ulsenheimer Zur Problematik überlanger Verfahrensdauer und richterlicher Aufklärungspflicht im Strafprozeß sowie zur Frage der Steuerhinterziehung durch Steuerumgehung, wistra 1983 12; Weiler Irreparable Verletzung des Rechts des Beschuldigten auf ein faires Verfahren als Verfahrenshindernis, GA 1994 561; Wohlers Rechtsfolgen prozeßordnungswidriger Untätigkeit von Strafverfolgungsorganen, JR 1994 138; Ziegert Die überlange Verfahrensdauer – Strafzumessungs- vs. Strafvollstreckungslösung, StraFo 2008, 321; Vgl. ferner die Gutachten, Verhandlungen und Aufsätze zum 60. DJT (Münster 1994). Weitere Nachweise finden sich bei den Erläuterungen zu Art. 6 Abs. 1 EMRK (Art. 14 Abs. 1 IPBPR).

1. 2. 3. 4. 5. 6.

Übersicht Inhalt des Abschnitts | 1 Rechtshängigkeit und Erledigung der Sache | 2 Grundsätzliches zur Vorbereitung der Hauptverhandlung | 7 Medien und Gerichtsöffentlichkeit | 10 Eigene Ermittlungen des Vorsitzenden | 11 Ermittlungen der Staatsanwaltschaft | 18

Alphabetische Übersicht Anhörung des Angeklagten 14 Arbeitsüberlastung des Gerichts 23 Aufgabenverteilung Vorsitzender/Gericht 20 Augenschein 8, 11, 16 Aussagegenehmigung 8 Befangenheit, Vermeiden des Anscheins 10, 15 Beiziehung von Urkunden 8

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7. 8.

Verteilung der Geschäfte zwischen Gericht und Vorsitzendem | 20 Beschleunigung des Verfahrens | 21 a) Beschleunigungsgebot | 21 b) Überschreitung der angemessenen Verfahrensdauer | 23 c) Ausgleich im Strafverfahren – Vollstreckungslösung | 24 d) Konsequenzen außerhalb des Strafverfahrens | 28

Bericht über unstreitige Tatsachen 10 Berichterstatter 7 Beschleunigung des Verfahrens 21 ff. Beschluss des Gerichts 3, 7, 20 Dienstaufsichtliche Maßnahmen 28 Dolmetscher 8 Eigene Ermittlungen des Vorsitzenden 11 ff., 17

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5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung

Erledigung des Verfahrens 2 Ersatzansprüche bei Verfahrensverzögerung 28 Gerichtsöffentlichkeit 10 Haftsachen, Beschleunigung 21 Informelle Tatortbesichtigung 16 Konzentrationsmaxime 12 Ladungsplan 7 Medien 10 Prozessvoraussetzungen 17, 20, 27 Rechtsfolgenbemessung bei Verfahrensverzögerung 24 Reisekostenvorschuss 9 Sicheres Geleit 8 Staatsanwaltschaft 2, 15 Staatsanwaltschaft, Ermittlungen 18 Strengbeweis 12 Terminabstimmung 9

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Tod des Angeklagten 4 Unterlagen, Anregung, sie mitzubringen 9 Vereinfachung des Prozessstoffes 2, 23 Verfahrensdauer, unangemessen lange 23 Verfahrenseinstellung 2, 3, 5, 24 Verfahrensherrschaft des Gerichts 19 Verhandlungsunfähigkeit 5, 6, 17, 20 Verhinderung von Zeugen 7, 8, 17 Verkehr mit Verfahrensbeteiligten 9 Verteidiger 18 Vollstreckungslösung 25 Vorbereitung der Hauptverhandlung 7, 20 Vorsitzender, Aufgaben 7, 9, 15, 20 Vorwegnahme der Hauptverhandlung 12 Zeitplan 7 Zeuge im Ausland 8, 23 Zeugeneinvernahme, kommissarische 8

1. Inhalt des Abschnitts. Der Ausdruck „Vorbereitung der Hauptverhandlung“ um- 1 fasst nach den Motiven (176) den Inbegriff der Handlungen des Gerichts, des Staatsanwalts und des Angeklagten, die in den Zeitraum zwischen dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses und dem Beginn der Hauptverhandlung fallen. Der Abschnitt enthält aber keine abschließende Regelung. So handeln auch die §§ 205, 206a, 230 Abs. 2, § 231a, § 232 Abs. 1 und §§ 233, 236, 237 von der Vorbereitung der Hauptverhandlung. Der von Dencker ins Spiel gebrachten Möglichkeit, wonach der Vorsitzende dem Prozessbeteiligten vor der Hauptverhandlung einen Bericht zukommen lassen kann, in dem das aus der Aktenlage erkennbar Unstreitige dargelegt wird, wird heute angesichts der Möglichkeiten von mündlichen Vorgesprächen nach § 212 kaum noch Bedeutung haben.1 Gerade in sogenannten Umfangsverfahren, vor allem in Wirtschaft-, Steuer- und Umweltstrafsachen, wird sich vielfach eine mündliche „Planung- und Erörterungssitzung“ anbieten.2 2. Rechtshängigkeit und Erledigung der Sache. Durch den Eröffnungsbeschluss 2 (§ 203) ist die Sache so bei Gericht anhängig geworden, dass diesem von nun an die Entscheidung über das weitere Schicksal des Verfahrens zusteht.3 Die Staatsanwaltschaft kann, von Ausnahmen abgesehen (vgl. etwa § 411 Abs. 3, § 71 OWiG), nicht mehr allein über das Verfahren verfügen, vor allem die Klage nicht mehr zurücknehmen (§ 156).4 Der Angeklagte hat grundsätzlich ein Recht darauf, dass der in der zugelassenen Anklage aufrechterhaltene Verdacht in öffentlicher Hauptverhandlung geklärt wird.5 Die Vereinfachung des Prozessstoffes durch Ausscheiden nicht beträchtlich ins Gewicht fallender Taten, Tatteile oder Gesetzesverletzungen (§§ 154, 154a) wird dadurch nicht ausgeschlossen, desgleichen nicht die Ahndung durch Strafbefehl in den Fällen des § 408a. Der nachträgliche Übergang in das beschleunigte Verfahren (§§ 417 ff.) dürfte weiterhin nicht zulässig sein.6

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1 So auch Meyer-Goßner/Schmitt, 3; zu Dencker StV 1994 503. 2 ERST/Knierim, vor 212–225a, 11 StPO. 3 Vgl. Einleitung und bei § 206a. 4 Vgl. OLG Frankfurt StV 1986 330 mit abl. Anm. Temming, ferner bei § 156. 5 Die Zulässigkeit der Einstellung wegen Änderung der Beweislage, so LG Nürnberg-Fürth NJW 1983 584 = JR 1983 257 mit abl. Anm. Meyer wird überwiegend abgelehnt, etwa LG Lüneburg NStZ 1985 41; Hohendorf NStZ 1985 399; Rieß NStZ 1983 247; Ulsenheimer NStZ 1984 440; vgl. bei § 207. 6 BayObLGSt 1987 55 = MDR 1988 77 (zu den früheren §§ 212 ff.).

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Zur Erledigung des Verfahrens bedarf es in der Regel eines auf Grund der Hauptverhandlung ergehenden Urteils, das aber nicht notwendig (vgl. die Verweisungsmöglichkeiten nach §§ 225a, 270, 328) von dem Spruchkörper erlassen werden muss, vor dem das Verfahren zunächst eröffnet worden ist. Unter gewissen Umständen kann das Verfahren auch außerhalb der Hauptverhandlung durch einen Beschluss eingestellt werden (vgl. etwa § 153 Abs. 2, § 153a Abs. 2, § 153b Abs. 2. Vgl. § 199, 5). 4 Der Tod des Angeklagten beendet das Verfahren. Eine Sachentscheidung des Gerichts gegen ihn ist nicht mehr möglich. Ob es einer die formale Erledigung feststellenden Entscheidung des Gerichts bedarf, ist strittig.7 Der Tod eines Mitangeklagten hindert den Fortgang des Verfahrens gegen die anderen nicht. Die dauernde Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten8 führt, da eine Prozess5 voraussetzung fehlt, außerhalb der Hauptverhandlung zur Einstellung nach § 206a, sonst zur Einstellung nach § 260 Abs. 3. Bei drohender Gefahr einer irreparablen schweren gesundheitlichen Schädigung oder des Todes des Angeklagten steht dem Strafverfolgungsanspruch des Staates unter Umständen die Schutzpflicht aus Art. 1, Art. 2 GG entgegen.9 Bei vorübergehender Verhandlungsunfähigkeit oder bei Vorliegen eines sonsti6 gen zeitlich begrenzten Verfahrenshindernisses stellt das Gericht das Verfahren vorläufig ein (§ 205) oder setzt die Hauptverhandlung aus,10 sofern es nicht ausnahmsweise ohne den Angeklagten verhandeln darf (§ 231 Abs. 2; § 231a). 7

3. Grundsätzliches zur Vorbereitung der Hauptverhandlung. Die sorgfältige und überlegte Vorbereitung der Hauptverhandlung ist eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, dass sie später konzentriert und ohne vermeidbare Belastungen für alle Beteiligten zügig durchgeführt werden kann und dass von der Wahrheitsfindung ablenkende Störungen und Unterbrechungen möglichst vermieden werden.11 Der Vorsitzende, gegebenenfalls auch der von ihm bestellte Berichterstatter,12 müssen die Akten gründlich kennen. Sie müssen darüber hinaus den dort gesammelten Prozessstoff unter Berücksichtigung des Vortrags in einer eingereichten Verteidigungsschrift13 und des sonstigen bekannt gewordenen oder nach der Sachlage zu erwartenden Vorbringens so ordnen und aufbereiten, dass einer zügigen Durchführung der Hauptverhandlung nichts im Wege steht. Dies setzt ein möglichst realistisches Bild von Dauer und voraussichtlichem Verlauf der Hauptverhandlung voraus, auf dem auch die bei größeren Verfahren notwendigen Zeit- und Ladungspläne (§ 214 Abs. 2) aufbauen müssen. Diese sind späteren Veränderungen anzupassen, etwa wenn die Ladung weiterer Zeugen (§§ 220, 222) oder die Verhinderung eines Zeugen oder Sachverständigen an einem bestimmten Verhandlungstag mitgeteilt wird. Vorhersehbare Hindernisse für den reibungslosen Ablauf der Verhandlung sind nach Möglichkeit vorher auszuräumen. Dazu müssen die zu erwartenden Sach- und Beweisprobleme rechtlich durchdacht und die technische Verfahrensabwicklung und die dabei möglicherweise auftauchenden Friktionen und ihr zusätzlicher Zeitbedarf realistisch eingeschätzt werden.

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7 Vgl. bei § 206a mit Nachw. 8 Dazu näher bei § 205. 9 BVerfGE 51 343; wegen weit. Nachw. vgl. bei § 205; vgl. aber auch BGH NJW 1995 1973; BVerfG NJW 1995 1951; NJW 2005 2382. 10 Dazu bei § 205. 11 Eb. Schmidt Vor § 213, 7; § 213, 5, 9; zu den Vorüberlegungen des Vorsitzenden vgl. Schellenberg 2 ff. 12 RGSt 40 155. 13 Dazu ausführlich etwa AK/Schlothauer Vor § 213, 131 ff.

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5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung

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Die Maßnahmen, die zur Vorbereitung der Hauptverhandlung rechtlich zulässig 8 sind, werden in den Vorschriften dieses Abschnitts nicht erschöpfend umschrieben. Sie ergeben sich auch aus anderen Verfahrensvorschriften sowie auch daraus, dass sich die StPO mit der Regelung einiger wichtiger Einzelfragen begnügt und es im Übrigen schon wegen der sehr unterschiedlichen Erfordernisse der einzelnen Verfahren dem Vorsitzenden überlässt, auf welchem Weg er seine Aufgabe, die Hauptverhandlung zweckmäßig vorzubereiten, erfüllen will. So sind zum Beispiel die Voraussetzungen für die Verwendbarkeit der Beweismittel möglichst schon vor der Hauptverhandlung zu klären. Liegen z.B. verlesbare Urkunden in Abschriften vor, so muss geprüft werden, ob die Beiziehung des Originals oder einer beglaubigten Abschrift notwendig ist (§ 249). Bei Zeugen, die im Ausland wohnen, ist zu klären, ob und unter welchen Voraussetzungen (evtl. sicheres Geleit nach § 295; Hinweis auf freies Geleit nach den Rechtshilfeübereinkommen usw.) sie bereit sind, zur Hauptverhandlung zu erscheinen. Hält der ersuchende Staat das persönliche Erscheinen für besonders notwendig, so ist dies in dem Ersuchen um Zustellung der Vorladung zu erwähnen (siehe hierzu Art. 10 EURhÜbk). Wenn zu befürchten ist, dass benötigte Zeugen in der Hauptverhandlung möglicherweise nicht zur Verfügung stehen, ist die Anordnung ihrer kommissarischen Einvernahme nach §§ 223, 224 durch das Gericht in die Wege zu leiten, desgleichen bei Bedarf ein Augenschein nach § 225. Benötigt ein Zeuge eine Aussagegenehmigung, ist festzustellen, ob diese erteilt wird. Bei ihrer Verweigerung nach § 54 müssen unter Umständen deren Gründe hinterfragt werden, gegebenenfalls auch, ob ein solcher Zeuge nicht wenigstens für eine kommissarische Vernehmung zur Verfügung gestellt werden kann. Zu prüfen ist auch, ob aufgrund der sich fortentwickelnden Verfahrenslage, insbesondere bei Berücksichtigung des Vortrags in einer Verteidigungsschrift oder angekündigter Anträge, weitere Zeugen oder Sachverständige oder sächliche Beweismittel (§ 221) zuzuziehen sind, sowie, ob ein Dolmetscher zu bestellen ist. Zu prüfen ist ferner, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen zum Schutz geladener Zeugen und zur Sicherung der Hauptverhandlung vor Störungen getroffen werden müssen. Maßnahmen der Sitzungspolizei sind rechtzeitig anzuordnen, ihr Vollzug und sonstige eventuell erforderliche Vorkehrungen sind mit der Justizverwaltung und der Polizei abzusprechen.14 Der Verkehr mit den Verfahrensbeteiligten, vor allem Staatsanwaltschaft, Vertei- 9 diger, Angeklagten, Zeugen und Sachverständigen, ist dem Vorsitzenden nicht verwehrt. Er oder auf seine Weisung die Geschäftsstelle darf mit ihnen in Verbindung treten,15 um Einzelheiten des technischen Verfahrensablaufes abzuklären, so z.B. Verhinderungen, die neue Anschrift verzogener Zeugen oder sonstige für die Verhandlungsplanung wichtige Umstände. Rechtzeitig zu klären ist auch, ob ein Reisekostenvorschuss vom Gericht nach § 3 JVEG für Zeugen und Sachverständige oder nach den einschlägigen Verwaltungsvorschriften für einen mittellosen Angeklagten bewilligt werden muss.16 Alle für die Gestaltung der Hauptverhandlung wichtigen Verfahrensfragen können vorweg angesprochen werden, so, ob voraussichtlich das Einverständnis mit der Verlesung von Niederschriften usw. erklärt werden wird oder ob mit der Ausübung eines Zeugnisverweigerungsrechtes zu rechnen ist. Zulässig ist auch die Frage nach eventuell vorhandenen Unterlagen verbunden mit der Anregung, diese mitzubringen. Werden in der Hauptver-

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14 Vgl. etwa BGHSt 24 239; 27 13; 28 341; 30 350; OLG Karlsruhe JR 1976 383; OLG Koblenz NJW 1975 1333; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1979 203; BVerfG NJW 1998 296; KK/Gmel 5; näher hierzu auch KMR/Eschelbach 13; ferner bei § 176 GVG. 15 BGH NStZ 1985 37; StV 1996 354; bei Miebach NStZ 1989 14; Peters JR 1979 40; ferner etwa MeyerGoßner/Schmitt 1; Meyer-Goßner NJW 1970 415. 16 KK/Gmel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 4.

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handlung zu klärende Sachfragen angesprochen, sollte dies unter dem Hinweis auf die Vorläufigkeit mit der gebotenen Zurückhaltung geschehen, um jedem Anschein einer Voreingenommenheit vorzubeugen. Die Offenheit für das Ergebnis der Hauptverhandlung darf nicht durch vorzeitige Festlegungen in Frage gestellt werden.17 Denn eine Grenze für alle Maßnahmen ergibt sich daraus, dass in diesem Verfahrensabschnitt grundsätzlich nichts geschehen darf, was dem Wesen nach in die Hauptverhandlung gehört.18 Zu der Frage, inwieweit zur Verkürzung der Hauptverhandlung auch Absprachen über sachliche Inhalte zulässig sind und welche Formen dabei eingehalten werden müssen, vgl. Erläuterungen zu § 212 und § 257c. 10

4. Medien und Gerichtsöffentlichkeit. Der Vorsitzende hat bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung insbesondere auch die Ermöglichung der Anwesenheit von Pressevertretern im Sitzungssaal im Auge zu behalten. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet insoweit nicht nur das Recht auf Anwesenheit von Journalisten, sondern räumt auch die Befugnis zur Fertigung von Film- und Tonaufnahmen vor und nach der Verhandlung ein. Daher hat der Vorsitzende darauf zu achten, inwieweit eine Kontingentierung von Sitzplätzen für Pressevertreter aus dem In- und Ausland notwendig ist.19 Eine weitere Besonderheit hat der durch das Gesetz vom 18.10.201720 eingeführte § 169 Abs. 1 Satz 3 GVG mit sich gebracht. Dieser ermöglicht nunmehr die Tonübertragung in einen Arbeitsraum für Medienvertreter. Damit soll für Prozesse, in denen ein besonderes Informationsbedürfnis der Allgemeinheit besteht, Kapazitätsengpässen innerhalb des Verhandlungssaals Rechnung getragen werden können.21 Diesbezügliche erforderliche Maßnahmen sind bereits in der Vorbereitungsphase zu berücksichtigen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass durch das soeben genannte Gesetz in § 169 Abs. 2 GVG nunmehr die Möglichkeit eingeräumt wurde, Tonaufnahmen der Verhandlung einschließlich der Verkündung der Entscheidung zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken zuzulassen, sofern es sich um ein Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland handelt. Auch hier sind gegebenenfalls entsprechende Vorbereitungen zu veranlassen.

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5. Eigene Ermittlungen des Vorsitzenden. Mit Zulassung der Anklage hat das Gericht das Hauptverfahren eröffnet mit der Folge, dass die Entscheidung über Schuld oder Unschuld des Angeklagten nunmehr grundsätzlich in der Hauptverhandlung unter Beachtung der dafür geltenden Prinzipien (Unmittelbarkeit, Mündlichkeit usw.) und unter Wahrung der dafür vorgeschriebenen Formen zu treffen ist. Im vorangehenden Verfahrensabschnitt ist es Aufgabe des Vorsitzenden, die Hauptverhandlung vorzubereiten, nicht aber, einer der Hauptverhandlung vorbehaltenen Meinungsbildung des Gerichts über Schuld und Unschuld des Angeklagten durch Beweiserhebungen vorzugreifen.22 Nur für im Gesetz festgelegte Ausnahmefälle ist eine an besondere Formen gebundene Vorwegnahme eines eigentlich in die Hauptverhandlung gehörenden Verfahrensteils vorgesehen, wie etwa die Vernehmung des an der Hauptverhandlung nicht teilnehmen-

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17 Der die Verfahrensbeschleunigung bezweckende Vorschlag von Dencker StV 1994 503, dass der Vorsitzende in einem Bericht die unstreitigen Tatsachen zusammenfasst und den Verfahrensbeteiligten mitteilt, würde eine teilweise Abkehr von diesem Grundsatz bedeuten. Vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt 3. 18 RG HRR 1939 Nr. 667. 19 ERST/Knierim, vor 212–225a, 42 StPO. 20 BGBl. I 3546. 21 BTDrucks. 18 10144, S. 12, 24. 22 Vgl. Niethammer JZ 1951 652.

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den Angeklagten zur Sache (§§ 231a, 233 Abs. 2) oder die Einvernahme einer verhinderten Beweisperson (§§ 223, 224) oder die Einnahme des Augenscheins (§ 225). Im Übrigen ist eine eigene Beweiserhebung durch das erkennende Gericht oder den Vorsitzenden in diesem Verfahrensabschnitt nicht vorgesehen, was auch schon daraus folgt, dass eine dem § 202 entsprechende Vorschrift hier fehlt und dass nur bei Abgabe nach § 225a Abs. 2, § 270 Abs. 2 die Anordnung einzelner Beweiserhebungen vorgesehen ist.23 Alle dem Strengbeweisrecht unterliegenden Beweismittel, also alle Beweismittel, die die Schuldfrage und die daran anknüpfenden Rechtsfolgen betreffen, müssen in der Hauptverhandlung dem Gericht in seiner Gesamtheit zur Kenntnis gebracht werden. Es ist unzulässig, gleichsam im Vorgriff auf die Hauptverhandlung einen aus ihr herausgebrochenen Verhandlungsteil vor dem gesamten erkennenden Gericht vorwegzunehmen und so unter Verletzung der Konzentrationsmaxime die für die Hauptverhandlung gültigen Vorschriften zu unterlaufen.24 Nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen lässt die Rechtsprechung die Vernehmung von Beweispersonen oder die Anhörung des Angeklagten zur Sache durch den Vorsitzenden oder durch Mitglieder des erkennenden Gerichts zu. Voraussetzung ist immer, dass diese ungewöhnlichen Maßnahmen durch außergewöhnliche Umstände (etwa nachträglich unklar gewordener oder widersprüchlicher Sachverhalt) gerechtfertigt werden25 und dass sie auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt bleiben, das unerlässlich ist, um dem Vorsitzenden den Überblick und die Kenntnis zu beschaffen, derer er bedarf, um die Hauptverhandlung so vorzubereiten, dass in ihr alles dargeboten wird, was zur Erforschung der Wahrheit beitragen kann. Erweist sich, was nur in besonderen Ausnahmefällen vertretbar erscheint, eine Anhörung des Angeklagten zur Sache als unerlässlich, so darf sie nur unter Wahrung aller Rechte des Angeklagten, insbesondere auch seines Rechtes auf Zuziehung eines Verteidigers, durchgeführt werden.26 Der Vorsitzende muss sich stets bewusst sein, dass eigene Ermittlungen leicht den Anschein der Befangenheit erwecken. Schon deshalb hat er sie auf das unbedingt Notwendige zu beschränken und im Übrigen etwa erforderliche Maßnahmen der Staatsanwaltschaft zu überlassen.27 Er darf diese grundsätzlich auch um die Vermittlung polizeilicher Erhebungen ersuchen.28 Dies schließt eine informelle Besichtigung des Tatorts oder der Beweisgegenstände durch ein oder mehrere Mitglieder des Gerichts29 nicht aus. Die hierdurch erworbene private Sachkenntnis erleichtert die Entscheidung über die spätere Beweisverwendung im Wege des förmlichen Augenscheins und eine sachkundige Verhandlungsführung auch durch Vorhalte; sie ist aber selbst kein Beweismittel, das als Grundlage des Urteils herangezogen werden darf (vgl. § 225, 9). Für die Klärung von Verfahrensfragen und Prozessvoraussetzungen, die nicht dem Strengbeweisrecht unterliegen (§§ 244; 251) gelten diese Einschränkungen nicht. Es ist zweckmäßig und mitunter zur Entlastung der Hauptverhandlung unerlässlich, die erfor-

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23 Meyer-Goßner/Schmitt, 5. 24 RG HRR 1939 Nr. 667; Meyer-Goßner NJW 1970 415; a.A. bezüglich der Anordnung von Nachermittlungen durch den Vorsitzenden zu Unrecht LG Nürnberg-Fürth JR 1983 257 m. abl. Anm. Meyer. 25 RGSt 65 322 unter Ablehnung von RGSt 60 336; BGH MDR 1966 427; OLG Hamm MDR 1974 419. 26 OLG Hamm MDR 1974 419. 27 Vgl. KG JR 1966 231 mit Anm. Kleinknecht; Dallinger zu BGH MDR 1966 427. 28 LG Münster JR 1979 40 mit zust. Anm. Peters; vgl. Odenthal StV 1991 444; § 221, 6; bei § 244 und bei § 150 GVG. 29 Auch des ganzen Gerichts; vgl. BGH MDR 1966 383; Meyer-Goßner/Schmitt § 86, 6; KMR/Eschelbach 28; SK/Deiters § 225, 3.

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derlichen Feststellungen vor der Hauptverhandlung zu treffen. Der Vorsitzende ist nicht gehindert, hier eigene Erhebungen anzuordnen oder auch selbst vorzunehmen, etwa um festzustellen, ob ein Zeuge unerreichbar ist oder ob die Verhinderung eines Zeugen tatsächlich gegeben ist oder ob ein Angeklagter verhandlungsfähig ist. 6. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zur Beweissammlung und Sicherung sind auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens zulässig.30 Der Übergang der Verfahrensherrschaft auf das Gericht entbindet sie nicht von ihrer Aufgabe, weiterhin auf die bestmögliche Sachaufklärung hinzuwirken und allen ihr nachträglich bekannt werdenden Anhaltspunkten nachzugehen, die neue Beweismittel oder aber Erkenntnisse über den Wert bereits benannter Beweismittel (vgl. § 246 Abs. 2) erwarten lassen. So muss sie etwa auch Hinweisen nachgehen, die aus Anlass des Prozesses an sie herangetragen werden. Ebenso wie auch der Verteidiger31 übt sie diese Befugnisse unabhängig vom Gericht aus. Sie kann Personen selbst vernehmen oder von der Polizei vernehmen lassen, um festzustellen, ob sie ein Sachwissen haben, das ihre Benennung als Zeugen für die Hauptverhandlung erfordert. Die ihr primär, und nicht etwa ausschließlich nur zur Vorbereitung der Entscheidung über die Anklage verliehenen Eingriffsbefugnisse, bestehen mit den nachstehend erörterten Modifikationen32 grundsätzlich fort, nicht nur zur Beweissicherung in Eilfällen. Einschränkungen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsbefugnis ergeben sich 19 aus der Verfahrensherrschaft des Gerichts der Hauptsache. Diesem sind – abgesehen von Eilfällen – alle erforderlich werdenden gerichtlichen Entscheidungen vorbehalten.33 Die Staatsanwaltschaft muss ferner auf das anhängige gerichtliche Verfahren Rücksicht nehmen, dessen Verfahrensgang nicht gestört werden darf.34 So ist es im Regelfall unzulässig, dass sie einer vom Gericht vorgesehenen Einvernahme eines Zeugen in der Hauptverhandlung durch dessen vorherige Befragung zur Sache vorgreift.35 Etwas anderes mag für eine informatorische Frage nach anderen Beweismitteln gelten oder aber für eine Befragung, die klären soll, ob die nochmalige Einvernahme des bereits in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen beantragt werden muss.36 Um alle Friktionen zu vermeiden, soll die Staatsanwaltschaft tunlichst alle Ermittlungsmaßnahmen im Einvernehmen mit dem Gericht anordnen. Diese und ihr Ergebnis sind dem Gericht ohnehin offenzulegen,37 und zwar selbst dann, wenn die Staatsanwaltschaft der Ansicht ist, dass sie ergebnislos verlaufen sind, weil dadurch weder neue Beweismittel noch ein sonstiger Aufklärungsgewinn erzielt wurde. Das Gebot eines fairen Verfahrens erfordert zumindest in der Regel auch die Unterrichtung der Verteidigung.38

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30 Meyer-Goßner/Schmitt 6. 31 Zu dessen Befugnis zu eigenen Ermittlungen vgl. Schlothauer Vorbereitung der Hauptverhandlung 36 ff.; ders. AK, 7 ff.; ERST/Knierim, vor 212–225a, 41; König StraFo 1996 98 ff.; Wächtler StraFo 2007 41 ff. Zu Fragen der in diesem Zusammenhang bestehenden Verdunkelungsgefahr Leipold NJW-Spezial 2005 375. 32 OLG Stuttgart MDR 1983 955; LG Münster JR 1979 40 mit Anm. Peters; ferner mit Einschränkungen Odenthal StV 1991 441; enger Hahn GA 1981 331; Strate StV 1991 441 (keine generelle gesetzliche Ermächtigung, ausgenommen §§ 222, 246 und bei drohendem Beweisverlust, § 160 Abs. 2). 33 OLG Stuttgart MDR 1983 955; LG Coburg MDR 1953 120 mit zust. Anm. Kleinknecht; Eb. Schmidt 9; h.M. 34 OLG Stuttgart MDR 1983 955; Hahn GA 1978 331; Odenthal StV 1991 441. 35 Odenthal StV 1991 445 (auch nicht mit Billigung des Gerichts). 36 Odenthal StV 1991 445. 37 Vgl. BGH StV 1990 49; Odenthal StV 1991 446. 38 Vgl. BGH NJW 1990 584; Odenthal StV 1991 441.

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7. Verteilung der Geschäfte zwischen Gericht und Vorsitzendem. Die Maßnah- 20 men, die im Abschnitt zwischen der Eröffnung des Hauptverfahrens und dem Beginn der Hauptverhandlung zu treffen sind, stehen teils dem Vorsitzenden zu, der insoweit selbstständig kraft eigenen Rechts, aber für den gesamten Spruchkörper entscheidet, teils sind sie dem erkennenden Gericht vorbehalten. Es bedarf nach den §§ 223, 225 stets eines Gerichtsbeschlusses, um eine Beweisaufnahme herbeizuführen, deren Ergebnis in der Hauptverhandlung verwertet werden soll, oder um eine Hauptverhandlung ohne den Angeklagten zuzulassen (§§ 231a, 233). Ein Gerichtsbeschluss ist auch erforderlich, wenn das Verfahren vorläufig oder endgültig eingestellt (§§ 205, 206a, 153 ff.) oder der Verfahrensstoff beschränkt (§ 154a) werden soll. Gleiches gilt für die Abgabe an ein anderes Gericht (§ 225a) oder wenn sich das Gericht auf Grund des Einwands des Angeklagten für sachlich oder örtlich unzuständig erklären will (§§ 6a, 16). Wegen der Aufteilung der Zuständigkeit bei Haftentscheidungen vgl. §§ 125, 126, bei Beschlagnahme von Sachen § 98, bei Bestellung des Verteidigers vgl. § 141 und die Erl. dazu. Der Vorsitzende kann andererseits Beweiserhebungen über Tatsachen, von denen die Zulässigkeit oder Durchführbarkeit des Verfahrens abhängt, also insbesondere über die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten, ohne Gerichtsbeschluss anordnen.39 Reicht das im Wege des Freibeweises zu würdigende Ergebnis dieser Ermittlungen nicht aus, um alle Zweifel hinsichtlich des Vorliegens der Verfahrensvoraussetzungen zu beseitigen, so führt der Vorsitzende die Entscheidung des Gerichts herbei. Im Übrigen ist die Tätigkeit des Vorsitzenden im Gesetz nur insoweit geregelt, als sie die Terminbestimmung (§ 213), die Ladung der Verfahrensbeteiligten, vor allem des Angeklagten und seines Verteidigers, sowie der Zeugen und Sachverständigen (§§ 214, 216 bis 218), die Anordnung der erforderlichen Mitteilungen und Zustellungen (§§ 222, 222a, 224), die Entscheidung über Beweisanträge nach § 219 und die Herbeischaffung der Beweismittel (§ 221) betrifft. Darüber hinaus muss er von sich aus alles tun, was ihm zur Vorbereitung der Hauptverhandlung und zur Förderung der Wahrheitsfindung in dieser angezeigt erscheint. 8. Beschleunigung des Verfahrens a) Beschleunigungsgebot. Es ist ein wichtiges kriminalpolitisches Anliegen, dass die 21 Strafe der Tat auf dem Fuße folgen soll. Das Rechtsstaatsprinzip verlangt zur Bestätigung der Rechtsordnung eine effektive Durchsetzung des Rechts; andernfalls kann die Rechtspflege die ihr von der Verfassung zugewiesenen Aufgaben der Bewahrung der Rechtsordnung, der Gewährleistung der Gerechtigkeit und des Rechtsfriedens nur ungenügend erfüllen. Es gehört daher zu den schon im öffentlichen Interesse40 gebotenen Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege, dass gerichtliche Verfahren zügig und ohne jede vermeidbare Verzögerung durchgeführt werden.41 Auch die Beeinträchtigungen, die die Wahrheitserforschung durch einen längeren Zeitablauf erleidet, sind sonst mitunter nicht mehr auszugleichen.42 Für die Strafrechtspflege gilt dies im besonderen Maße. Dem Angeklagten erwächst aus seinem Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren der subjektive verfassungsrechtliche Anspruch darauf, dass dieses ohne vermeidbare Verzögerungen

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39 Beling 370. 40 Etwa BGHSt 35 139; BGH NStZ 1992 229. 41 Zum Beschleunigungsgebot auch Kasten 165 ff.; Baumanns 413 ff.; Falk/Schütz FS Rössner 753; Kolleck-Feser 146 f. 42 Vgl. etwa BGHSt 26 1; zur „wahrheitssichernden Funktion“ auch BVerfGE 57 279; Albrecht NJW 1994 396; Hanack JZ 1971 710; Pfeiffer FS Baumann 329; KMR/Eschelbach Vor § 226, 54; SK/Rogall Vor § 133, 119; ferner die Gutachten und Materialien zum 60. DJT (Münster 1994).

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durchgeführt wird.43 Die Achtung seiner Menschenwürde und der Schutz seiner Grundrechte erfordert, dass die Eingriffe und Belastungen, die für ihn mit einem Strafverfahren verbunden sind, so kurz wie möglich gehalten werden.44 Art. 6 Abs. 1 EMRK45 garantiert ausdrücklich als Menschenrecht,46 dass das Strafverfahren in angemessener Frist von der Bekanntgabe des Schuldvorwurfs bis zur Rechtskraft47 abgeschlossen wird, damit der Beschuldigte nicht während eines zu langen Zeitraums unter der Last der Anschuldigung bleibt.48 In Haftsachen erlangt das Beschleunigungsgebot wegen des zusätzlichen Eingriffs in das Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verstärkte Bedeutung.49 Art. 5 Abs. 3 EMRK und Art. 9 Abs. 3 IPBPR enthalten hierfür besondere Garantien.50 Die Regelungen in §§ 112 ff., vor allem auch § 122, tragen dem Rechnung, so dass insoweit auf die dortigen Erläuterungen verwiesen werden kann. Auch sonstige vorläufige Eingriffe in grundrechtlich geschützte Positionen des Angeklagten können durch eine zu lange Verfahrensdauer unverhältnismäßig und damit unzulässig werden.51 Im Verfahren nach dem Eröffnungsbeschluss wirkt bereits der Gesetzgeber durch 22 die Festlegung bestimmter Fristen der verzögerlichen Sachbehandlung entgegen. Das Beschleunigungsgebot ist auch sonst bei allen die Verfahrensvorbereitung und den Verfahrensgang betreffenden richterlichen Entscheidungen mitzuberücksichtigen. Das befasste Gericht muss – ebenso wie die anderen Justizorgane – auch in diesem Verfahrensabschnitt alles tun, um dafür zu sorgen, dass das Verfahren ohne jede unangemessene Verzögerung durchgeführt werden kann. Eröffnet das Verfahrensrecht verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten, ist grundsätzlich diejenige zu wählen, die dem Fortgang des Verfahrens am förderlichsten ist, es sei denn, dass dem andere Verfahrensgrundsätze entgegenstehen, wie etwa das Gebot der umfassenden Sachaufklärung52 oder die Verpflichtung, eine ausreichende Vorbereitung der Verteidigung zu ermöglichen.53 Dann ist

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43 BVerfG (Vorprüfungsausschuss bzw. Kammer) NStZ 1984 128; NJW 1992 2472; 1993 3254; 1994 967; 1995 1277; BGHSt 24 240; 26 1; Hanack JZ 1971 711; Hillenkamp JR 1975 135; Klöpfer JZ 1979 214; Niemöller/ Schuppert AöR 107 (1982) 467; I. Roxin 153 ff.; Schroth NJW 1990 29; wegen der weit. Nachw. vgl. die bei den nachfolgenden Erläuterungen angeführten Entscheidungen. 44 BGHSt 26 6; Gössel 166; KK/Fischer Einl. 29; Einl. 133 sieht diesen Aspekt eines fairen, die zeitliche Dauer der unvermeintlichen Grundrechtseingriffe nicht unverhältnismäßig ausdehnenden rechtsstaatlichen Verfahrens unter dem Blickwinkel einer besonderen Fürsorgepflicht. 45 Ähnlich (für das Strafverfahren) Art. 14 Abs. 3 lit. c IPBPR; für Jugendliche noch besonders Art. 10 Abs. 2 lit. b IPBPR; vgl. ferner Art. VII Abs. 9 lit. a Nato-Truppenstatut (right of speedy trial); dazu BGHSt 21 61; Schenk JZ 1976 583. 46 Zu den Verfahrensgewährleistungen als Menschenrechte vgl. LR/Gollwitzer25 Art. 6, 1 ff. EMRK. 47 Etwa EGMR EuGRZ 1978 417; 1980 667; 1983 346; NJW 1986 647; BGHSt 35 137; NStZ 1982 291; StV 1988 487; NJW 1990 56; BayObLGSt 1994 115; OLG Düsseldorf MDR 1992 1078; StV 1995 400; Peukert EuGRZ 1979 270; Ulsamer FS Faller 374; Vogler ZStW 89 (1977) 780; KK/Fischer Einl. 31; Meyer-Goßner/ Schmitt Art. 6, 8 EMRK; SK/Rogall Vor § 134, 118; ferner LR/Esser26 Art. 6, 81 EMRK m.w.N.; zur nicht geradlinig verlaufenden Entwicklung von Rechtsprechung und Schrifttum vgl. Scheffler 23 ff. 48 Etwa EGMR Wemhoff v. Deutschland, 2122/64 Urt. v. 27.6.1968, JR 1968 463; BVerfG (Kammer) NJW 1992 2472; BGHSt 26 238; OLG Stuttgart NJW 1974 284; Klöpfer JZ 1979 214; Kohlmann FS Pfeiffer 205; KK/Fischer Einl. 33; SK/Rogall Vor § 134, 119; vgl. LR/Gollwitzer26 Art. 6, 76 EMRK m.w.N. 49 Vgl. etwa BVerfGE 20 45; 36 272; 53 152 158 f.; BVerfG (Kammer) StV 1992 522; BVerfG NStZ 2004 82 f.; BVerfG StraFo 2005 152; BGHSt 38 43, 46; OLG Bamberg StV 1994 141 f.; OLG Bremen StV 1994 666; OLG Dresden StV 2000 495; OLG Koblenz StV 2004 329; KG StV 1992 523; OLG Düsseldorf NJW 1991 2302; Stuttgart Justiz 1989 401 (Überhaft), weit. Nachw. bei § 121; vgl. ferner § 72 Abs. 5 JGG. 50 Wegen der Einzelheiten der mit einem Entschädigungsanspruch gekoppelten Garantien in Art. 5 EMRK bzw. Art. 9 IPBPR vgl. LR/Esser26 Art. 5, 234 ff., 375 ff. EMRK. 51 OLG Bremen StV 1997 9 für vorläufiges Berufsverbot. 52 Vgl. LR/Gollwitzer25 Art. 6, 79 EMRK. 53 Art. 6 Abs. 3 lit. b EMRK; Art. 14 Abs. 3 lit. b IPBPR; dazu etwa SK/Rogall Vor § 133, 119; vgl. LR/Esser26 Art. 6, 570 ff., 626 ff. EMRK.

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das Erfordernis einer zügigen Verfahrenserledigung mit den anderen, oft gegenläufigen rechtsstaatlichen Erfordernissen in Einklang zu bringen. b) Eine Überschreitung der angemessenen Verfahrensdauer, die nicht an der bei 23 größtmöglicher Beschleunigung erreichbaren Minimaldauer gemessen werden darf, sondern daran, welche Zeit für die sachgerechte Erledigung im normalen Verfahrensbetrieb erforderlich ist,54 ergibt sich nur in extremen Ausnahmefällen allein schon daraus, dass das Verfahren so lange anhängig ist, dass dies offensichtlich unter keinem vertretbaren Gesichtspunkt mehr mit einem vernünftigen, dem Gesetz entsprechenden Verfahrensbetrieb gerechtfertigt werden kann.55 In aller Regel ist die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Erfordernissen des Einzelfalls, nach seiner Bedeutung, seinem Umfang und seinen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten zu beurteilen.56 Der Zeitbedarf, den die durch Beweislage, Prozessverhalten des Angeklagten und Schwere des erhobenen Vorwurfs gebotene Sachaufklärung erfordert, etwa eine ausgedehnte Beweisaufnahme im Ausland, ist dabei zu berücksichtigen. Unnötige Verzögerungen, die durch das (vorzugsweise) Prozessverhalten des Angeklagten verursacht wurden, sind den staatlichen Organen nur anzulasten, wenn sie es versäumt haben, alle gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten auszuschöpfen, um das Verfahren trotzdem zeitgerecht abzuschließen.57 Unangemessen lange wird die Verfahrensdauer erst dadurch, dass ein objektiv dem Staat und seinen Strafverfolgungsorganen anzulastendes Verhalten den Fortgang des Verfahrens ohne sachlich gerechtfertigten Grund erheblich länger als nötig verzögert hat. Ob die Gründe der Verzögerung sachgerecht oder unvertretbar waren, ist dabei ex ante aus der Sicht der handelnden Organe unter Zubilligung eines hinreichenden Gestaltungsfreiraums zu beurteilen. Nicht lediglich kurzfristige Arbeitsüberlastung und Personalschwierigkeiten58 beseitigen die staatliche Verantwortung für die dadurch bedingten Verfahrensverzögerungen aber ebenso wenig wie Organisationsmängel oder das zeitraubende Ausermitteln von erkennbar unwesentlichen Nebendelikten.59 Dagegen wird die Verfahrensdauer nicht dadurch unangemessen lang, dass ein zeitweilig bestehendes gesetzliches Verfolgungshindernis beachtet wurde.60 c) Der Ausgleich der zusätzlichen Belastung des Angeklagten durch eine von den 24 Staatsorganen zu vertretende überlange Verfahrensdauer ist nach Möglichkeit noch im laufenden Verfahren von den mit der Sache befassten Gerichten unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten des Straf- und Strafverfahrensrechtes durchzuführen, auch noch im Revisionsverfahren.61

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54 Vgl. LR/Esser26 Art. 6, 316 EMRK. 55 EGMR EuGRZ 1983 346; 1990 209; BVerfG NJW 1993 3255; BayObLGSt 1989 85 = StV 1989 394 (außerhalb der Bandbreite üblicher Verfahrensführung); BGH NJW 2006 1073. 56 Etwa EKMR NJW 1986 647; EGMR EuGRZ 1985 548; Peukert EuGRZ 1979 261; I. Roxin 87; Scheffler StV 1993 568; Ulsamer FS Faller 378; Wohlers JR 1994 139; KK/Fischer Einl. 32; Meyer-Goßner/Schmitt Art. 6, 7 EMRK; SK/Rogall Vor § 134, 119; LR/Esser26 Art. 6, 314, 319 ff. EMRK. Vgl. aber auch I. Roxin 236 ff., die den Regelstrafrahmen als Maß heranziehen will; ebenso wohl Schroth NJW 1990 29. 57 LR/Esser26 Art. 6, 332 EMRK. 58 EGMR Zimmermann u. Steiner v. Schweiz, 8737/79 Urt. v. 13.7.1983, NJW 1984 2749; Niebler FS Kleinknecht 311; Scheffler 114 ff.; LR/Gollwitzer25 Art. 6, 79 EMRK. 59 Vgl. BGH NStZ 1997 29 mit Anm. Scheffler; Scheffler 114 ff. 60 BGHSt 36 372 (Immunität). 61 Grundsätzlich ist der Verfahrensverstoß mit der Verfahrensrüge unter Darlegung der Tatsachen, in denen die den Staatsorganen anzulastende ungerechtfertigte Verfahrensverzögerung gesehen wird, geltend zu machen, eventuell auch verbunden mit der Aufklärungsrüge (bei Unterlassen der Aufklärung der Verzögerungsgründe). Vgl. etwa BGH StV 1992 542; 1994 652; BayObLGSt 1994 115; Meyer-

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Eine Kompensation der Rechtsverletzung nahm die Rechtsprechung lange Zeit im Rahmen der Bemessung der Rechtsfolgen vor (sog. Strafabschlagslösung). Die Rechtsverletzung fiel dann zusätzlich zu dem allgemeinen Gesichtspunkt des langen Zeitraums zwischen Tat und Aburteilung strafmildernd ins Gewicht.62 Neben dem Ausgleich durch Milderung der an sich schuldangemessenen Strafe63 konnten auch Absehen von Strafe, Verwarnung mit Strafvorbehalt64 oder Strafaussetzung zur Bewährung in Betracht kommen,65 ferner die Einstellung des Strafverfahrens nach §§ 153, 153a66 oder – um einen alsbaldigen Verfahrensabschluss zu erreichen – auch die Beschränkung der Strafverfolgung nach §§ 154, 154a.67 In einer Entscheidung aus dem Jahr 2008 hat der Große Senat für Strafsachen des 25 BGH jedoch der sog. Vollstreckungslösung den Vorzug gegeben.68 Danach sei in entsprechender Anwendung des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB die gebotene Kompensation für den Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in der Weise vorzunehmen, dass auf die übliche angemessene Strafe zu erkennen und in der Urteilsformel gleichzeitig auszusprechen sei, dass ein bestimmter Teil der Strafe, der dem gebotenen Ausmaß der Kompensation entspricht, bereits als vollstreckt gelte. Zur Begründung führte der Große Senat an, dass die bisher vertretene Strafabschlagslösung in Fällen, in denen eine Kompensation nur durch Unterschreitung der gesetzlichen Mindeststrafen – etwa bei der zwingend vorgeschriebenen lebenslangen Freiheitsstrafe nach § 211 StGB – möglich wäre, an ihre Grenzen stoße und Gefahr laufe, das Rechtsfolgensystem des StGB in Frage zu stellen. Auch entspreche das Vollstreckungsmodell dem Rechtsgedanken des § 51 Abs. 1, Abs. 4 Satz 2 StGB, weil es sich bei den Belastungen, denen sich der Angeklagte durch die rechtsstaatswidrige Verzögerung des Verfahrens ausgesetzt sieht, wie bei der Untersuchungshaft in erster Linie um immaterielle Nachteile handle, die allein in der Durchführung des Verfahrens wurzelten.69 Als Folgen der Vollstreckungslösung nennt der BGH vor allem drei Gesichtspunkte: Erstens werde durch die Anrechnung die Halbstrafe bzw. der ZweiDrittel-Zeitpunkt regelmäßig schneller erreicht, so dass es früher als bisher möglich sei,

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Goßner/Schmitt Art. 6, 9c EMRK. BGH NStZ 1997 29 mit Anm. Scheffler hat von Amts wegen berücksichtigt, dass das Verfahren nach dem tatrichterlichen Urteil unvertretbar verzögert wurde. Vgl. Scheffler 260 (analog § 354a); BGH NStZ 2004 504. 62 Etwa BGH NStZ 1986 217; 1987 232; 1988 552; 1992 78; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 213; bei Kusch NStZ 1996 327; bei Detter NStZ 1990 222; 1992 171; wistra 1992 180; BGHSt 45 308 und 321, 339; 46 159; vgl. auch BVerfG NJW 1984 967; 2003 2225; zur Belastung durch Verfahrensdauer als Strafzumessungsfaktor Scheffler 319 ff. m.w.N. 63 Etwa BGHSt 24 239; BGH NStZ 1982 292; 1983 167; 1986 217; 1987 233; 1992 229; NJW 1990 56; StV 1992 452 mit Anm. Scheffler; 1993 568; Kühne EuGRZ 1983 356; Mösl NStZ 1983 162. Kritisch gegen die Annahme einer Strafzumessungsrelevanz etwa Wohlers JR 1994 141; Scheffler 201 ff.; 228 ff. je m.w.N. Wegen der Einzelheiten vgl. die Erläuterungen zu § 46 StGB, etwa Fischer § 46, 35; ferner wegen der strittigen Bindung an Sanktionsart und Strafuntergrenzen bei der kompensatorischen Strafmilderung Wohlers JR 1994 142; ferner auch LR/Esser26 Art. 6, 354 EMRK. 64 BGHSt 27 274 (nur wenn Voraussetzungen des § 59 StGB vorliegen). Zur Problematik Scheffler 203, 230 ff. 65 Vgl. etwa BVerfG StV 1993 352; BGHSt 24 239; 27 274; BGH GA 1977 275; NStZ 1982 291; 1983 167; StV 1983 502; 1985 322; 411; 1988 295; 1995 130; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 18; bei Kusch NStZ 1996 23; bei Holtz MDR 1984 89. 66 Vgl. BGHSt 35 137; BGH NJW 1996 2739; BGH bei Kusch NStZ 1996 21. 67 Vgl. dazu insgesamt BVerfG NJW 1984 967. 68 BGHSt (GrS) 52 124 = NStZ 2008 234 m. Anm. Bußmann; krit. dazu Gaede JZ 2008 422; vgl. auch Ignor/Bertheau NJW 2008 2209; Kraatz JR 2008 189; Leipold FS DAV 636; Pohlit FS Rissing-van Saan 453; I. Roxin StV 2008 14; dies. FS Volk 617; Salditt StraFo 2007 513; Scheffler ZIS 2008 269; Schlothauer StraFo 2011 467; Streng JZ 2008 979; Ziegert StraFo 2008, 321 bereits zuvor BGH NJW 2007 3294 (Vorlagebeschluss des 3. Strafsenats); auch BGH NJW 2018 2062. 69 Vgl. Kraatz JR 2006 204, 206; LK/Theune § 46, 244; siehe auch Scheffler 224 ff.

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einen Strafrest nach § 57 Abs. 1, 2 und 4 StGB zur Bewährung auszusetzen.70 Zweitens ändere sich die Rechtslage gegenüber der bisherigen Praxis nicht, wenn die Strafe von vornherein zur Bewährung ausgesetzt werde, da in diesem Fall nach beiden Kompensationsmodellen die Entschädigung erst wirksam werde, wenn die Strafe nach einem Bewährungswiderruf vollstreckt werden müsse.71 Komme schließlich drittens die Verhängung einer Geldstrafe in Betracht, so sei diese – anders als bisher – nicht mehr um einen bezifferten Abschlag zu ermäßigen, sondern die schuldangemessene Geldstrafe auszusprechen und zugleich festzusetzen, dass ein bezifferter Teil der zugemessenen Tagessätze als bereits vollstreckt gelte; lediglich in Fällen, in denen das gebotene Maß der Kompensation die schuldangemessene Strafe erreiche oder übersteige, sei – wie bisher – die Anwendung der §§ 59, 60 StGB oder die (teilweise) Einstellung des Verfahrens nach Opportunitätsgrundsätzen (§§ 153, 153a, 154, 154a) bzw. wegen eines aus der Verfassung abzuleitenden Verfahrenshindernisses in Erwägung zu ziehen (vgl. sogleich Rn. 27). Mit diesen wenigen Hinweisen des BGH zu den praktischen Folgerungen wird der 26 eigentliche Nachteil, den die neue Vollstreckungslösung für den Angeklagten birgt, freilich verdeckt. Er besteht darin, dass trotz rechtsstaatswidriger Verzögerung vor allem eine Bewährungsstrafe in vielen Fällen nicht mehr verhängt werden kann und daher häufiger die Folgen der §§ 24 BeamtStG 32, 46 BZRG und 66, 66b StGB (Beendigung des Beamtenverhältnisses, Eintragung ins Führungszeugnis mit entsprechender Tilgungsfrist sowie mögliche Anordnung der Sicherungsverwahrung wegen Schwere der Vortat) eintreten werden. Ein Verfahrenshindernis begründet die vom Staat zu vertretende überlange Ver- 27 fahrensdauer, die in der Regel erst durch eine an keine festen Konturen gebundene nachträgliche Wertung72 festgestellt wird, nach der vorherrschenden Meinung nicht.73 Die unangemessen lange Dauer hindert grundsätzlich nicht den Abschluss des Verfahrens durch ein Sachurteil. Dieses muss allerdings die fehlerhafte Sachbehandlung bei der Vollstreckungsentscheidung berücksichtigen (vgl. oben Rn. 24; dort auch zur früheren Strafabschlagslösung). Nur in Extremfällen kann eine dem Staat anzulastende, unvertretbar lange Verfahrensdauer jede Fortsetzung des Verfahrens unzulässig machen. Voraussetzung ist, dass die dadurch erlittene Belastung des Angeklagten weder durch Maßnahmen nach §§ 153 ff. noch durch Kompensationen im Sanktionsbereich auszugleichen („irreparabel“) ist und bei Berücksichtigung des durch den Zeitablauf reduzierten Strafbedürfnisses außer Verhältnis zu der im weiteren Verfahren allenfalls noch zu er-

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70 BGHSt 52 124, 144 f. 71 BGHSt 52 124, 145. 72 Zur grundsätzlichen Bewertbarkeit etwa KMR/Eschelbach 47; ferner zu den Fragen konkreterer Abgrenzungskriterien Kohlmann FS Pfeiffer 203; Scheffler 271; Schroth NJW 1990 29; Wohlers JR 1994 139; wegen der Einzelheiten vgl. bei § 206a. 73 BGHSt 21 81; 24 239; 27 274 = JZ 1978 246 mit abl. Anm. Peters; 35 140; 42 239; 52 124 = NStZ 2008 234; BGH GA 1977 275; NStZ 1982 291; 1983 135; 1992 229; NJW 1990 56; StV 1995 19; wistra 1982 108; 2017 108; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1987 19; bei Kusch 1994 230; BGH StV 1995 19; BayObLGSt 1994 115; OLG Hamm NJW 1975 703; OLG Karlsruhe NJW 1972 1907; OLG Koblenz NJW 1994 1887, dazu Vogelgesang NJW 1994 1845; Hanack JZ 1971 705; Heubel 117; Kohlmann FS Pfeiffer 211; Kühne EuGRZ 1983 383; Müller-Dietz ZStW 93 (1981) 1245; Pfeiffer FS Baumann 336; Volk Prozeßvoraussetzungen 227; Meyer-Goßner/Schmitt Art. 6, 9 EMRK; SK/Rogall Vor § 134, 121; Ein Verfahrenshindernis wird nach der Rspr. auch nicht nach Art. 54 SDÜ begründet, wenn ein Verfahren im Ausland als Kompensation einer überlangen Verfahrensdauer eingestellt wurde, vgl. BGH NStZ 2017 174. Ein Prozesshindernis nehmen an: OLG Koblenz NJW 1972 404; LG Frankfurt JZ 1971 234; LG Krefeld JZ 1971 732; Albrecht NJ 1994 296; Baumann FS Eb. Schmidt 541; Hillenkamp JR 1975 133; NJW 1989 2845; Schwenk ZStW 79 (1967) 736; v. Stackelberg FS Bockelmann 769; Ulsenheimer wistra 1983 13. Weit. Nachw. zum Streitstand vgl. bei § 206a sowie Scheffler 162 ff.

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wartenden Sanktion steht. In solchen seltenen Ausnahmefällen halten auch Gerichte, die sonst ein Verfahrenshindernis ablehnen, ungeachtet der ungeklärten Dogmatik74 den „Abbruch des Verfahrens wegen schwerwiegender Rechtsstaatswidrigkeit“75 für angebracht oder – was praktisch auf das gleiche hinausläuft – stellen dieses ein,76 weil sie keine andere Möglichkeit sehen, das für unzulässig erachtete weitere Verfahren zu beenden und eine nicht mehr anderweitig behebbare Verletzung der Menschenrechtskonventionen noch innerstaatlich auszugleichen. Besondere Schwierigkeiten ergaben sich in der Vergangenheit für den Fall eines Freispruchs. In Deutschland existierte diesbezüglich lange Zeit keine gesetzliche Regelung, die nach einem Freispruch auf Ausgleich des durch die überlange Verfahrensdauer erlittenen immateriellen Schadens gerichtet war. Der EGMR hat jedoch einen solchen Anspruch auf Entschädigung in Geld nach Art 41 EMRK zugestanden.77 Darüber hinaus mahnte er mit Blick auf Art. 13 EMRK (Recht auf wirksame Beschwerde) wiederholt die Schaffung eines Rechtsbehelfs an, der zumindest nachträglich eine finanzielle Kompensation erlaubt.78 Im Jahre 2011 ist der deutsche Gesetzgeber seiner Verpflichtung zur Schaffung einer entsprechenden Regelung durch das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nachgekommen.79 § 198 Abs. 1, Abs. 2 GVG normieren nun der Sache nach einen staatshaftungsrechtlichen Anspruch sui generis, der auf Ausgleich materieller und immaterieller Nachteile in Folge überlanger Verfahrensdauer gerichtet ist. § 198 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 GVG sieht insoweit grundsätzlich eine Entschädigung in Höhe von 1200 € für jedes Jahr der Verzögerung vor (vgl. zu Abweichungen § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG).80 Bedeutsam ist allerdings, dass eine Geltendmachung der Entschädigung nur möglich ist, wenn kein anderweitiger Ausgleich für die Verfahrensverzögerung gewährt wird. § 199 Abs. 3 GVG macht diesbezüglich deutlich, dass die von der Rechtsprechung angewandte Vollstreckungslösung (vgl. soeben Rn. 25) eine Kompensation darstellt, die einen Entschädigungsausgleich ausschließt. Dies hat zur Folge, dass ein Anspruch auf finanzielle Kompensation grundsätzlich nur im Falle des Freispruchs oder bei Einstellung aus sonstigen Gründen zur Entstehung gelangen kann. 28

d) Außerhalb des Strafverfahrens kann die Verletzung des von der Verfassung gewährleisteten subjektiven Rechts (vgl. Rn. 21) mit der Verfassungsbeschwerde geltend

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74 Vgl. dazu etwa Pfeiffer FS Baumann 343; KK/Fischer Einl. 36 (Schuldprinzip, Übermaßverbot); SK/Rogall Vor § 133, 121; ferner etwa I. Roxin 230 ff.; Wohlers JR 1994 138; Scheffler 220 ff. (maßgebend Erfolgsunwert der Verfahrensbelastung); wegen der strittigen Einzelheiten vgl. bei § 206a. 75 Rieß JR 1985 48; vgl. KK/Fischer Einl. 36.; Meyer-Goßner/Schmitt Art. 6, 9a EMRK; SK/Rogall Vor § 133, 121. 76 BVerfG NStZ 1984 86, 128; NJW 1993 3255; 1995 1278; 2003 2897; BGHSt 35 137; 37 137 (dazu krit. Kühne EuGRZ 1988 305); 46 171 f. (dazu Kempf StV 2001 134); BGH StV 1995 20; OLG Koblenz StraFo 2018 23; LG Bremen StV 2014 334; BayObLG StV 2003 375 m. Anm. I. Roxin; OLG Saarlouis StV 2007 178; OLG Düsseldorf NStZ 1988 427; StV 1995 400 mit Anm. Baumschulte/Drees; OLG Koblenz NJW 1994 1887; OLG Stuttgart JR 1994 81 mit krit. Anm. Meurer; OLG Zweibrücken NStZ 1989 134; LG Bad Kreuznach NJW 1993 1775; LG Berlin JZ 1992 159; dazu Scheffler JZ 1992 131; LG Düsseldorf NStZ 1988 427; LG Memmingen StV 1995 403; EGH-BW StV 1986 377; ferner KK/Fischer Einl. 36; KMR/Eschelbach 50; SK/Rogall Vor § 133, 121; I. Roxin 236 ff.; Roxin/Schünemann § 16, 6; Schroth NJW 1990 31; Weiler GA 1994 566, 584; a.A. MeyerGoßner/Schmitt Art. 6, 9 EMRK; Wohlers JR 1994 140 m.w.N. 77 EGMR Ommer v. Deutschland, 26073/03 Urt. v. 13.11.2008, StV 2009 519. 78 EGMR Sürmeli v. Deutschland, 75529/01 Urt. v. 8.6.2006, NJW 2006 2389; Rumpf v. Deutschland, 46344/06 Urt. v. 2.9.2010, NJW 2010 3355. 79 BGBl 2011 I, 2302. 80 Der EGMR hält bei einer Verfahrensverzögerung von über zehn Jahren grundsätzlich eine Entschädigung von 1500 € pro Jahr für angemessen; vgl. Guckelberger DÖV 2012 296.

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gemacht werden. Die Kompensation eines durch die Überlänge des Verfahrens erlittenen und in diesem nicht ausgeglichenen Nachteils ist innerstaatlich auch noch im Gnadenwege81 möglich. Im Übrigen können dienstaufsichtliche Maßnahmen82 und bei schuldhaftem Handeln der Strafverfolgungsorgane auch Ansprüche wegen Amtspflichtverletzung in Betracht kommen83 (vgl. auch soeben Rn. 25) Bei unzulässig langer Haft können sich ferner Schadensersatzansprüche aus Art. 5 Abs. 5 EMRK bzw. Art. 9 Abs. 5 IPBPR84 ergeben. Innerstaatlich nicht ausgeglichene Folgen einer unangemessen langen Verfahrensdauer eröffnen den Weg zur Anrufung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.85 81 82 83 84 85

§ 212 Erörterung des Verfahrensstands mit den Verfahrensbeteiligten § 212 5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung Jäger https://doi.org/10.1515/9783110274943-002

Nach Eröffnung des Hauptverfahrens gilt § 202a entsprechend. Schrifttum Jahn/Müller Das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren – Legitimation und Reglementierung der Absprachenpraxis, NJW 2009 2625; Knauer/Lickleder Die obergerichtliche Rechtsprechung zu Verfahrensabsprachen nach der gesetzlichen Regelung – ein kritischer Überblick, NStZ 2012 366; Murmann Reform ohne Wiederkehr? – Die gesetzliche Regelung der Absprachen in Strafverfahren, ZIS 2009 526; Schlothauer/Weider Das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 3. August 2009, StV 2009 600; Wenske Das Verständigungsgesetz und das Rechtsmittel der Berufung, NStZ 2015 137.

1. 2. 3.

Übersicht Änderung | 1 Gründe | 2 Einzelheiten | 3

a) b)

Vorbereitung der Verfahrensbeendigung | 4 Erzeugung von Aktenkundigkeit | 10

1. Änderung. Die Vorschrift wurde durch Art. 1 des Gesetzes zur Regelung der Ver- 1 ständigung im Strafverfahren vom 29.7.2009 (BGBl. I S. 2353) mit Wirkung vom 4.8.2009 in die Strafprozessordnung eingefügt.1 2. Gründe. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu: „Diese Vorschrift transfe- 2 riert den Inhalt des § 202a auch in das Stadium nach Eröffnung des Hauptverfahrens. Da der 5. Abschnitt ‚Vorbereitung der Hauptverhandlung‘ nicht ausdrücklich auf das Stadium vor dem ersten Hauptverhandlungstermin beschränkt ist, gilt diese Vorschrift auch

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81 Vgl. BGHSt 24 250; Hanack JZ 1971 715. 82 Nicht jedoch eine Anfechtung nach §§ 23 ff. EGGVG; SK/Rogall Vor § 133, 121; anders aber Kohlmann FS Maurach 501. 83 Hanack JZ 1971 715; Wohlers JR 1994 143; Meyer-Goßner/Schmitt Art. 6, 9 EMRK; SK/Rogall Vor § 133, 120; vgl. Scheffler 265, auch zur analogen Anwendung des StrEG. 84 Vgl. LR/Esser26 Art. 5, 375 ff. EMRK. 85 Vgl. LR/Esser26 Art. 6, 343 f. EMRK. 1 Näher zur Entstehungsgeschichte Niemöller/Schlothauer/Weider, S. 223 ff.; Murmann ZIS 2009 526 ff. Kritisch zur Rechtsprechungsentwicklung auf der Grundlage der Neuregelung Knauer/Lickleder NStZ 2012 366 ff.

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für Erörterungen, die nach Beginn der Hauptverhandlung, aber außerhalb dieser stattfinden“.2 In der Literatur wird hierzu teilweise die Auffassung vertreten, dass die Funktion der Vorschrift nur in zweiter Linie darin bestehe, zu Vorgesprächen zu ermächtigen (§ 212 i.V.m. § 202a Satz 1), während sie primär darauf abziele, den wesentlichen Inhalt dieser Gespräche aus Gründen der Verfahrensklarheit aktenkundig zu machen (§ 212 i.V.m. § 202a Satz 2).3 Noch weitergehend wird sogar bezweifelt, dass es einer Ermächtigung zu verfahrensfördernden Erörterungen in diesem Stadium überhaupt bedurft hätte, weil die Berechtigung zur Verfahrensbeendigung durch Absprache deren Vorbereitung außerhalb der Hauptverhandlung mit einschließe.4 Jedoch ist diese Auffassung insofern problematisch, als der Gesetzgeber sich zur Regelung der Möglichkeiten einer Vorbereitung von Verfahrensabsprachen gerade deshalb entschlossen hat, weil er Einzelheiten des Konsensualverfahrens rechtsstaatlich absichern und auf diese Weise dem Vorbehalt des Gesetzes Rechnung tragen wollte. Vor diesem Hintergrund ist die gesetzgeberische Klarstellung zu begrüßen, dass auch in frühen Verfahrensstadien bereits auf eine einverständliche Verfahrensbeendigung hingewirkt werden kann. Denn gerade angesichts der mit Verfahrensabsprachen einhergehenden Gefahr einer Verkürzung der Wahrheitsermittlung ist die gesetzgeberische Entscheidung, dass auf Absprachen zielende Erörterungen frühzeitig erfolgen können, keine Selbstverständlichkeit. Dies gilt umso mehr, als es im Schrifttum immer wieder explizite Einwände gegen übereilte abspracheorientierte Erörterungen gegeben hat.5 Bedenken dieser Art ist der Gesetzgeber durch die §§ 160b, 202a, 212 entgegengetreten.6 Insofern handelt es sich bei den §§ 160b, 202a, 212 und 257b um panoramahaft miteinander verbundene Vorschriften, „die nicht zuletzt darauf zielen, dass sich die Verfahrensbeteiligten nicht voneinander abschotten, sondern da, wo es für das Verfahren geeignet erscheint, eine gemeinsame Aussprache suchen“.7 3

3. Einzelheiten. Das Gesetz bezeichnet mit dem Ausdruck „Vorbereitung der Hauptverhandlung“ (§§ 212–225a) den Inbegriff all derjenigen Handlungen des Gerichts, der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten und ggfls. des Nebenklägers,8 welche in den Zeitraum zwischen dem Erlass der das Hauptverfahren eröffnenden Entscheidung und dem Beginn der Hauptverhandlung selbst fallen.

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a) Mit Einführung der Verständigung als gesetzlich normierter Möglichkeit der Verfahrensbeendigung war es nur folgerichtig in den fünften Abschnitt eine Norm aufzunehmen, die die Möglichkeit der Vorbereitung einer konsensualen Verfahrensbeendigung zwischen den Verfahrensbeteiligten anordnet. § 212 soll daher gewährleisten, dass außerhalb der Hauptverhandlung Gespräche mit dem Ziel einer Urteilsabsprache geführt werden können, um frühzeitig klären zu können, ob zur Beschleunigung der Hauptverhandlung eine Verständigung in Frage kommt. § 243 Abs. 4 ist insoweit zu ent-

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2 Vgl. BTDrucks. 16 12310, S. 11. 3 SK/Deiters 3. 4 SK/Deiters 2; vgl. auch Jahn/Müller NJW 2009 2627 m.w.N. 5 Vgl. nur Schünemann FS Rieß 543; Weigend NStZ 1999 59. 6 Dies bedeutet freilich nicht, dass der Streit um die Berechtigung früher Verfahrensabsprachen damit beendet wäre, vgl. nur SK/Paeffgen § 202, 6. 7 BRDrucks. 65 09, S. 9; vgl. auch Radtke/Hohmann/Britz 3. Vgl. im Übrigen Fromm NJW 2012 2939 sowie ders. NZV 2010 550 zur Anwendbarkeit der §§ 160b, 202a, 212 im Bußgeldverfahren über §§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG. 8 Vgl. aber näher zum Nebenkläger als möglichem Verfahrensbeteiligten im Sinne der §§ 202a, 212 bei Jahn/Müller NJW 2009 2627.

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nehmen, „dass die Erörterungen zur Verfahrensförderung im Stadium des Zwischenverfahrens und des Hauptverfahrens bereits auf eine Verständigung zielen können, ohne dass dies explizit in §§ 202a, 212 zum Ausdruck kommt“.9 Dabei lässt § 212 i.V.m. § 202a nicht nur (persönliche oder fernmündliche)10 Gespräche zwischen den Verfahrensbeteiligten über ihre Verständigungsbereitschaft zu, sondern es können auch bereits die Konditionen, unter denen eine Absprache stattfinden soll, vorab erörtert werden. Sofern in den Vorgesprächen der Wille zur Erledigung des Strafverfahrens im Wege der Urteilsabsprache von allen Verfahrensbeteiligten signalisiert wurde, besteht die Möglichkeit, nach Verlesung der Anklage und der Mitteilung des Vorsitzenden über die Erörterungen (vgl. § 243 Abs. 4 Satz 1) das Abspracheverfahren in der Hauptverhandlung in Gang zu setzen. Auf diese Weise kann durch das Gespräch vor Beginn der Hauptverhandlung die spätere Hauptverhandlung als solche erheblich verkürzt werden.11 § 212 ist im Übrigen nicht nur im Zeitraum vor der eigentlichen Hauptverhandlung 5 anwendbar. Vielmehr hat er auch „nach Beginn der Hauptverhandlung für die Abschnitte zwischen einzelnen Verhandlungstagen und für die Zeit nach einer ausgesetzten Hauptverhandlung und vor dem neuen Hauptverhandlungstermin“ Gültigkeit,12 da § 212 die Vorschrift des § 202a nach Eröffnung des Hauptverfahrens ohne zeitliche Limitierung für entsprechend anwendbar erklärt und mit ihm daher trotz seiner systematischen Stellung keine Geltungsbeschränkung auf den Zeitraum der Vorbereitung der Hauptverhandlung verbunden ist.13 § 323 Abs. 1 verweist für das Berufungsverfahren nicht auf § 212, sodass eine direkte 6 Anwendung der Vorschrift im Berufungsverfahren nicht möglich ist. Jedoch wird in Rechtsprechung und Literatur überwiegend für eine entsprechende Anwendung plädiert, um einen „Gleichlauf mit dem erstinstanzlichen Erkenntnisverfahren und damit eine umfassende Anwendung des verständigungsrechtlichen Schutzkonzepts auch im Berufungsrechtszug“ zu ermöglichen.14 Allerdings wird zum Teil auch vertreten, der Umstand, dass der Gesetzgeber bei Einführung der Regelungen zur Verständigung im Strafverfahren § 323 Abs. 1 unverändert gelassen hat, spreche gegen eine Anwendbarkeit von § 212 i.V.m. § 202a im Berufungsverfahren.15 Daran ist richtig, dass keine Informationspflicht des Berufungsgerichts bezüglich Gesprächen bestehen kann, an denen dieses nicht teilgenommen hat. Daher muss im Berufungsverfahren sicherlich nicht über die Erörterungen unter Mitwirkung des erstinstanzlich mit dem Fall befassten Amtsgerichts berichtet werden. Dies entspricht auch der – soweit ersichtlich – einhelligen Auffassung.16 Einem weitergehenden Ausschluss des § 212 für eigene Vorerörterungen des Berufungsgerichts widerspricht aber das durch diese Vorschrift intendierte Transparenz- und Kontrollgebot. Daher ist insoweit die entsprechende Anwendbarkeit dieser Vorschriften

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9 Vgl. dazu Murmann ZIS 2009 530 unter Hinweis auf RegE vom 18.3.2009, BTDrucks. 16 12310, S. 9. 10 Jahn/Müller NJW 2009 2627. 11 Vgl. insoweit auch OLG Nürnberg StV 2011 750, wonach der Erörterungstermin ohnehin so zu gestalten ist, dass im Anschluss umgehend über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden und die Hauptverhandlung anberaumt werden kann. Siehe dazu auch den Vorschlag des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer vom September 2005 (BRAK-Stellungnahme-Nr. 25/2005 zu Art. 1 Nr. 1). 12 Vgl. RegE vom 18.3.2009, BTDrucks. 16 12310; Meyer-Goßner/Schmitt 1; BeckOK/Ritscher 1; Schlothauer/Weider StV 2009 601 m. Fn. 29; AnwK/Krekeler/Löffelmann/Sommer § 212. 13 So im Ergebnis auch MüKo/Kudlich 3. 14 Vgl. Wenske NStZ 2015 137 m.w.N.; im Anschluss daran auch OLG Hamburg NStZ 2016 182 m. Anm. Moldenhauer. 15 BeckOK/Ritscher § 212, 1.1. 16 OLG Hamburg NStZ 2016 182 m. Anm. Moldenhauer; letztlich beschränkt wohl auch BeckOK/Ritscher 212, 1.1 den Ausschluss der Anwendbarkeit im Berufungsverfahren auf diesen Gesichtspunkt.

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im Berufungsverfahren zu befürworten. Insoweit hat der Gesetzgeber selbst deutlich gemacht, dass er auch für die Berufungsinstanz einen uneingeschränkten Rechtsschutz erstrebt, sodass sich die diesbezüglich fehlende Anpassung des § 323 Abs. 1 als planwidrig erweist. Das Urteil des BVerfG vom 19.3.2013 (2 BvR 2628/10),17 das sich mit der Verfassungs7 konformität der Absprachen im Strafprozess befasst, hat keine Auswirkungen auf § 212. Das BVerfG hat zwar darauf hingewiesen, dass informelle Absprachen ausgeschlossen sind.18 Dies ändert jedoch nichts an der grundsätzlichen Zulässigkeit von Vorerörterungen i.S.v. § 212 i.V.m. § 202a. Das BVerfG greift die Gesetzesbegründung19 auf, wonach auch außerhalb der Hauptverhandlung Gespräche über die Möglichkeit und Umstände einer Verständigung geführt werden können.20 Die Absprache selbst kann jedoch nur in der Hauptverhandlung unter Berücksichtigung der materiell- und formalrechtlichen Voraussetzungen des § 257c getroffen werden.21 Insbesondere ist zu beachten, dass die Verständigung niemals als solche Grundlage des Urteils sein kann, sondern weiterhin allein und ausschließlich die – ausreichend fundierte – Überzeugung des Gerichts von dem von ihm festzustellenden Sachverhalt maßgeblich bleibt.22 Das Gericht hat die materielle Wahrheit zu erforschen und sich im Wege eigener Sachverhaltsaufklärung von der Richtigkeit eines Geständnisses zu überzeugen.23 Zudem sind vielfältige Transparenzund Dokumentationspflichten sowie die nach § 257c Abs. 5 erforderliche Belehrung einzuhalten.24 Im hier interessierenden Zusammenhang trägt diesem Transparenz- und Dokumentationsgebot § 212 i.V.m. § 202a Satz 2 auch außerhalb der Hauptverhandlung Rechnung (näher dazu Rn. 10 f.). Allerdings können sondierende Äußerungen des Vorsitzenden nicht ohne Weiteres 8 als Erörterungen des Gerichts25 i.S.d. §§ 202a, 212 verstanden werden. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass das Gesetz zwischen den Aufgaben des Gerichts (§§ 202a, 212) und des Vorsitzenden (§ 243 Abs. 4) unterscheidet.26 Zwar muss an den Erörterungen gemäß §§ 202a, 212 das Gericht nicht immer in der vollen Besetzung teilnehmen, sondern es kann sich auch über eines seiner Mitglieder, in der Regel durch den Vorsitzenden als beauftragten Richter,27 äußern. Dann aber muss gewährleistet sein und auch nach außen deutlich werden, dass den Äußerungen des Vorsitzenden eine entsprechende aktenkundig zu machende (§ 202a Abs. 2) und in der Hauptverhandlung nach Verlesung des Anklagesatzes mitzuteilende (§ 243 Abs. 4 Satz 1) Beratung bzw. ein ausdrücklicher Auftrag des Gerichts zugrunde liegt.28 In der Hauptverhandlung gem. § 243 Abs. 4 mitteilungspflichtige Erörterungen des Gerichts mit den Verfahrensbeteiligten gem. §§ 202a, 212 sind

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17 BVerfG NJW 2013 1058 mit Bespr. Beulke/Stoffer JZ 2013 662; Caspari DRiZ 2013 160; Fezer HRRS 2013 117; Heintschel-Heinegg JA 2013 474; Jahn JuS 2013 659; Knauer NStZ 2013 433; König/Harrendorf AnwBl 2013 321; Kudlich NStZ 2013 379; Leipold NJW-Spezial 2013 248; Leitner DRiZ 2013 162; Löffelmann JR 2013 333; Meyer NJW 2013 1850; Mosbacher NZWiSt 2013 201; Neumann NJ 2013 240; Niemöller StV 2013 420; Scheinfeld ZJS 2013 296; Stuckenberg ZIS 2013 212; Trück ZWH 2013 169; Tsambikakis ZWH 2013 209; Weigend StV 2013 424; Wußler DRiZ 2013 161. 18 BVerfG NJW 2013 1064. 19 BTDrucks. 16 12310, S. 9, 12. 20 BVerfG NJW 2013 1065. 21 BVerfG NJW 2013 1065. 22 Vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks. 16 12310, S. 13. 23 BVerfG NJW 2013 1063. 24 Eingehend zu den Voraussetzungen der Absprache vgl. SK/Velten, § 257c, 9 ff. 25 Mit „Gericht“ meinen die §§ 202a, 212 nur die Berufsrichter, vgl. Jahn/Müller NJW 2009 2627. 26 BGH NStZ 2011 593. 27 BGH NStZ 2011, 592 m. Anm. Schlothauer StV 2011 203; a.A. KMR/Seidl 202a, 14. 28 BGH aaO.

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daher nur solche, die seitens des Gerichts in voller Besetzung oder durch eines seiner Mitglieder stattfinden, das hierzu nach entsprechender Beratung ausdrücklich beauftragt wurde.29 Im Übrigen ist aus Transparenzgründen grundsätzlich die Kontaktaufnahme mit allen Verfahrensbeteiligten empfehlenswert.30 Insbesondere gilt dies bei Verfahren, die sich gegen mehrere Angeklagte richten, da hier Einzelgespräche mit dem Verteidiger eines einzelnen Angeklagten leicht die Besorgnis der Befangenheit begründen können.31 Zu beachten ist, dass Gespräche nach §§ 212, 202a keinerlei formelle Bindung des 9 Gerichts auslösen, etwa bezüglich in Aussicht gestellter Strafober- oder -untergrenzen.32 Auch ein telefonischer Hinweis des Strafkammervorsitzenden, der Angeklagte könne im Falle eines Geständnisses mit einer Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung rechnen, führt weder zu einer Bindung der Strafkammer, noch vermag er ein Vertrauen des Angeklagten dahingehend zu begründen, dass von dieser Einschätzung der Bewährungsfrage nicht ohne Erteilung eines entsprechenden Hinweises abgewichen werde.33 Verbindliche Absprachen können vielmehr prinzipiell erst in der Hauptverhandlung mit Zustimmung der Schöffen getroffen werden.34 Freilich darf aus dieser fehlenden formellen Bindungswirkung nicht auf die Bedeutungslosigkeit von Erörterungen nach §§ 202a, 212 geschlossen werden, da sie sowohl für die Verfahrensbeteiligten als auch für ein Revisionsverfahren relevant werden können.35 Dies ist auch der Grund dafür, dass der Gesetzgeber die Verpflichtung geschaffen hat, den Inhalt der Erörterungen aktenkundig zu machen (vgl. dazu sogleich). b) § 212 verweist vollständig auf § 202a und statuiert damit auch die Pflicht, den we- 10 sentlichen Inhalt der vor Beginn der Hauptverhandlung geführten Gespräche aktenkundig zu machen,36 und zwar vorzugsweise durch einen zu den Akten gebrachten Vermerk.37 Die Pflicht, die Gespräche aktenkundig zu machen, hat zum Ziel, dass die Mitteilung des wesentlichen Inhalts in der Hauptverhandlung nach Verlesung der Anklage erleichtert wird. Dies kann gegebenenfalls auch durch bloße Verlesung des Vermerks geschehen.38 Auf diese Weise erhalten Personen, die nicht an den Gesprächen teilgenommen haben, jederzeit einen zuverlässigen Einblick. Die Bestimmung hat daher Transparenz- und Informationsfunktion und dient damit vor allem auch dem Schutz des Angeklagten.39 Von Bedeutung ist diese Transparenz- und Informationsfunktion etwa dann, wenn der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft nicht identisch mit dem Vertreter der Staatsanwaltschaft ist, der die Gespräche geführt hat. Gleiches gilt im Falle eines Verteidigerwechsels bzw. für Verfahrensbeteiligte, die an den Gesprächen aus sonstigen Gründen nicht teilgenommen haben. § 212 steht insoweit in unauflöslicher Verbindung mit der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 1. Sobald darüber gespro-

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29 BGH aaO. 30 Zutreffend Knauer/Lickleder NStZ 2012 370. 31 Vgl. BGH StV 2010 72; Niemöller NZWiSt 2012 290 m.w.N. 32 Vgl. BGH StV 2011 74; 645; 728; BGH NStZ 2011 107. 33 Vgl. einerseits BGH NStZ-RR 2012 148 und andererseits BGH NJW 2011 3463, wo eine solche Verpflichtung zur Erteilung eines Hinweises nicht ausgeschlossen wurde. 34 Näher Meyer-Goßner/Schmitt 202a, 4; ders. § 257c, 23. 35 Zutreffend Schlothauer/Weider StV 2009 603. 36 Allgemein kritisch hierzu Fischer StraFo 2009 186. 37 Jahn/Müller NJW 2009 2627. Vgl. auch Leipold NJW-Spezial 2009 520. 38 Vgl. hierzu den Vorschlag des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer vom September 2005 (BRAK-Stellungnahme-Nr. 25/2005 zu Art. 1 Nr. 1). 39 Vgl. hierzu auch SK/Deiters 3 unter Hinweis auf Niemöller/Schlothauer/Weider § 212, 7 i.V.m. § 160b, 24; ebenso Schlothauer/Weider StV 2009 603. Vgl. auch Jahn/Müller NJW 2009 2626.

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chen wird, ob der Gesprächspartner an einer Verständigung interessiert ist oder wenn die Möglichkeit einer Verständigung konkludent im Raum steht, muss von diesen Gesprächen in der Hauptverhandlung berichtet werden, gegebenenfalls in Form einer Negativmitteilung.40 Was die Mitteilungspflicht im Übrigen anbelangt, so geht die Rechtsprechung davon aus, dass es den Informationspflichten des § 243 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. §§ 202a, 212 nicht genügt, wenn vom Gericht nur das Ergebnis eines Vorgesprächs mitgeteilt wird, nicht aber der anfängliche Vorschlag und der hierzu vertretene (ablehnende) Standpunkt der StA.41 Die Pflicht zur Mitteilung der mit dem Ziel einer Verständigung über den Verfahrensausgang geführten Gespräche erstreckt sich deshalb auch auf die Darlegung, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde, welche Standpunkte gegebenenfalls vertreten wurden und auf welche Resonanz dies bei den anderen am Gespräch Beteiligten jeweils gestoßen ist.42 Verständigungsbezogene Erörterungen, die nach § 243 Abs. 4 Satz 1 eine Mitteilungspflicht auslösen, liegen dabei schon dann vor, wenn bei im Vorfeld der Hauptverhandlung geführten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände einer Verständigung im Raum stehen.43 Ein diesbezüglicher Rechtsfehler bildet zwar keinen absoluten Revisionsgrund nach § 338 Nr. 6,44 führt aber grundsätzlich zur Aufhebung des Urteils, da regelmäßig davon auszugehen ist, dass das Urteil darauf beruht.45 Um die Aufhebung materiellrechtlich fehlerfreier Urteile allein wegen einer Verletzung der Mitteilungspflichten nach § 243 Abs. 4 Satz 1 zu vermeiden, empfiehlt es sich daher nach Auffassung des 5. Senats, den über ein Verständigungsgespräch (alsbald) zu fertigenden, den Erfordernissen des § 243 Abs. 4 Satz 1 genügenden Aktenvermerk (§§ 202a Satz 2, 212) in der Hauptverhandlung zu verlesen und als Anlage zum Sitzungsprotokoll zu nehmen.46 Aus diesen hohen formalen Anforderungen an die Mitteilungspflicht ergibt sich daher denknotwendig die Erforderlichkeit, den Inhalt der Vorgespräche in diesem Umfang aktenkundig zu machen. Einer immer wieder geforderten Einschränkung der Dokumentationspflichten ist daher vor diesem praktischen Hintergrund zu widersprechen (vgl. auch sogleich Rn. 11). Denn die in § 212 i.V.m. § 202a gesetzlich verankerte Transparenz- und Informationsfunktion dient der späteren durch § 243 Abs. 4 umzusetzenden Herstellung von Informationsgleichstand zwischen den Verfahrensbeteiligten und soll im Übrigen auch eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit ermöglichen.47 Da der Vorsitzende nach § 243 Abs. 4 Satz 2 ver-

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40 OLG Düsseldorf BeckRS 2016 18225 m. Anm. Lilie-Hutz FD-StrafR 2016 382447. 41 BGH NStZ-RR 2018 355 m. Anm. Müller-Metz sowie Krug FD-StrafR 2018 407991; vgl. auch KK/Schneider 2. 42 BVerfGE 133 168, 215 f.; BGHSt 60 150, 152; BGH BeckRS 2016 02772; BGH NStZ 2014 601, 602; StV 2011 72, 73; NStZ 2014 219 und NStZ 2014 416, 417. 43 BGH NStZ 2017 52 m. Anm. Claus; dazu auch Deutscher StRR 2017 11. 44 Vgl. BGH NStZ 2013 724, wonach § 338 Nr. 6 allein auf den Grundsatz der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung i.S.d. § 169 GVG Bezug nimmt, während die Pflichten aus § 243 Abs. 4 vorrangig den Informationsgleichstand sämtlicher Verfahrensbeteiligten sichern soll. 45 BVerfG NStZ 2015 172; BGH NStZ 2018 363 m. Anm. Bittmann. Anders nur dann, wenn feststeht, dass es keinerlei Gespräche gegeben hat, in denen die Möglichkeit einer Verständigung im Raum stand, oder wenn bei normativer Betrachtung keine relevanten Informationsdefizite zu verzeichnen sind, vgl. BGHSt 58 315; BGH NStZ-RR 2014 115; BGH NStZ 2015 352 (bloßer Hinweis, dass Geständnis Auswirkungen auf Strafmaß hat, ist Verständigungsvorschlag); BGH NStZ-RR 2015 118 m. Anm. Magnus NJW 2015 1260; BGH NStZ -RR 2015 379; BGH NStZ 2016 221 m. Anm. Allgeyer; OLG Düsseldorf BeckRS 2016 16225. Der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 unterfallen im Übrigen lediglich Erörterungen des Gerichts mit den Verfahrensbeteiligten. Gespräche zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung über die Möglichkeit einer Verständigung fallen nicht in den Regelungsbereich dieser Vorschrift, vgl. BGH NStZ 2015 232; 2016 362 m. Anm. Arnoldi sowie Deutscher StRR 2016 10. 46 BGH NStZ-RR 2018 355. 47 BGH NStZ 2015 233; OLG Hamburg NStZ 2016 182.

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pflichtet ist, auch nach Beginn der Hauptverhandlung mitzuteilen, wenn es außerhalb der Hauptverhandlung zu Gesprächen gekommen ist, die eine mögliche Verständigung zum Inhalt hatten, hat die Verpflichtung, diesbezügliche Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung aktenkundig zu machen, eine besondere Bedeutung. Denn „erfahrungsgemäß entsteht die Bereitschaft des Gerichts bzw. der Verfahrensbeteiligten, eine Hauptverhandlung im Wege einer Verständigung zu beenden, vielfach erst während der Hauptverhandlung, wenn sich dort unerwartete Komplikationen oder Änderungen im Zusammenhang mit der Rechts- oder Sachbeurteilung oder der Verfahrensgestaltung ergeben. Erörterungen über die Möglichkeit und Umstände einer Verständigung finden in solchen Situation häufig zunächst außerhalb der Hauptverhandlung und regelmäßig ohne Beteiligung von Schöffen und Angeklagten statt. Sowohl aus Gründen der Transparenz als auch zum Schutz des Angeklagten ist der Inhalt dieser Erörterungen unverzüglich aktenkundig zu machen und nach Fortsetzung der Hauptverhandlung öffentlich mitzuteilen.“48 Auch bei einem Wechsel des Spruchkörpers oder des Vorsitzenden kann die Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 leichter erfüllt werden, wenn zuvor die Pflicht besteht, den Inhalt der Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung aktenkundig zu machen. Kontrovers wird in der Literatur die Frage erörtert, ob die Pflicht zur Aktenkundig- 11 machung bei lediglich substanzlosen Erörterungen entfallen kann.49 Vor allem in Fällen, in denen die Vorgespräche ergebnislos verlaufen, wird gefordert, von einer Pflicht zur Aktenkundigmachung abzusehen, zumal es dann im Interesse des Angeklagten liegen könne, dass Gespräche dieser Art nicht bekannt werden.50 Dem ist jedoch zu widersprechen, da sich dem Gesetzestext für eine einschränkende Auslegung dieser Art keinerlei Anhaltspunkte entnehmen lassen.51 Im Gegenteil: Aus § 243 Abs. 4 Satz 1 ergibt sich, dass das „Ob“ von Vorerörterungen in jedem Fall aktenkundig zu machen ist, weil eine diesbezügliche Mitteilungspflicht in der Hauptverhandlung auch dann besteht, wenn die Gespräche ergebnislos verlaufen sind.52 Die in der Literatur vertretenen Einschränkungsansätze übersehen daher die transparenzbezogene Einbettung der §§ 212, 202a in die Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 1. Die Frage, ob durch die Mitwirkung eines Verteidigers am Erörterungstermin ein An- 12 spruch auf Terminsgebühr begründet wird, wird von den Gerichten unterschiedlich beurteilt.53 Richtigerweise wird man einen solchen Anspruch verneinen müssen, da die Teilnahme an den außerhalb der Hauptverhandlung stattfindenden Terminen ersichtlich nicht unter einen der Gebührentatbestände der Nummer 4102 Ziffer 1–5 VV RVG fällt und auch eine analoge Anwendung ausscheidet, da es sich hierbei um eine abschließende Auflistung handelt.54 Gegen die Durchführung und die Nichtdurchführung einer Erörterung stehen keine 13 förmlichen Rechtsbehelfe zur Verfügung. Dies folgt bereits daraus, dass Durchführung und Ausgestaltung der Erörterung im Ermessen des Gerichts stehen.55 Daher wird im Fal-

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48 Niemöller/Schlothauer/Weider § 212, 6. 49 Vgl. dazu Bittmann wistra 2009 414; Kudlich Gutachten C zum 68. Deutschen Juristentag, 2010, C 45. 50 Näher Bittmann wistra 2009 414. 51 Vgl. Leipold NJW-Spezial 2009, 521. 52 Zutreffend Dießner StV 2011 43 unter Verweis auf Meyer-Goßner/Schmitt § 160, 8 und § 243, 18a. 53 Gegen einen derartigen Anspruch OLG Saarbrücken BeckRS 2011 22474; dafür aber AG Freiburg NJWSpezial 2011 92 (jeweils zu § 202a). 54 So im Ergebnis auch OLG Saarbrücken aaO. 55 Hier und im Folgenden MüKo/Kudlich 8.

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le der Nichtdurchführung auch nur selten eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit begründet sein. Die Einflussnahme des Angeklagten, der das Ziel einer Erörterung verfolgt, beschränkt sich daher regelmäßig auf die Möglichkeit einer Aussageverweigerung im Falle eines fehlenden Entgegenkommens des Gerichts. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall, in dem der Vorsitzende auf Abgabe bestimmter Erklärungen hinwirkt. Auch hier wird man grundsätzlich nicht von einer Befangenheit des Richters ausgehen können. Erst dort, wo ein vehementes Drängen erkennbar wird, kann im Einzelfall eine Besorgnis der Befangenheit begründet sein.56 Hinzu kommt, dass Vorerörterungen nach § 212 grundsätzlich keine Bindungswirkung entfalten, sodass Verletzungen des § 212 grundsätzlich auch keinen Revisionsgrund erzeugen, zumal ein Beruhen des Urteils auf dem Fehler kaum vorstellbar ist. Zu Recht weist Kudlich in diesem Zusammenhang darauf hin, dass revisible Verstöße in diesem Bereich meist schon unter andere Vorschriften fallen werden, so etwa wenn auf den Angeschuldigten unzulässiger Druck ausgeübt wird, sodass bereits ein Verstoß gegen § 136a, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG etc. anzunehmen ist.57 Aber selbst dort, wo ein unmittelbarer Verstoß gegen § 212 i.V.m. § 202a Satz 2 etwa wegen fehlender Mitteilung einer Verständigung infrage kommt, ist für die Erhebung einer Verfahrensrüge die Schilderung darüber erforderlich, dass eine Verständigung überhaupt stattgefunden hat. Anderenfalls entbehrt die Rüge fehlender Mitteilung der notwendigen revisionsrechtlichen Grundlage.58

§ 213 Bestimmung eines Termins zur Hauptverhandlung § 213 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung Jäger https://doi.org/10.1515/9783110274943-003

(1) Der Termin zur Hauptverhandlung wird von dem Vorsitzenden des Gerichts anberaumt. (2) In besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landoder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, soll der Vorsitzende den äußeren Ablauf der Hauptverhandlung vor der Terminbestimmung mit dem Verteidiger, der Staatsanwaltschaft und dem Nebenklägervertreter abstimmen. RiStBV Nr. 116 Schrifttum Fromm Strafverteidigung in Umfangsverfahren, NJW 2013 982; Hilger Anmerkung zu BVerfG, Beschluss vom 2.3.2006, StV 2006 451; Kasten Die „Terminshoheit“ des Gerichts und das Recht auf Verteidigung (2017); Kropp Zur Überprüfung von Terminsbestimmungen des Vorsitzenden in Strafsachen, NStZ 2005 668; Krumm Terminierung, Verhinderung und Terminsverlegung, StV 2012 177; E. Müller Terminsanberaumung, Terminsverlegung und Strafverteidigung, FS Widmaier (2008) 357; Neuhaus Terminsbestimmung, Terminsverlegung und das Recht auf Beistand durch den Verteidiger des Vertrauens, StraFo 1998 84; Schwenk Das Recht des Beschuldigten auf alsbaldige Hauptverhandlung, ZStW 79 (1967) 721.

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SK/Paeffgen § 202a Rn. 37; MüKo/Kudlich 1. MüKo/Kudlich 9. BGH NJW 2013 2045; vgl. aber auch einschränkend BVerfG NStZ 2014 592.

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Entstehungsgeschichte Art. 2 Abs. 1 der zweiten VereinfVO hob die Vorschrift auf. Sie wurde ersetzt durch § 202 Abs. 1 und § 203 Abs. 5 in der damals maßgebenden Fassung. Art. 3 Nr. 96 VereinhG stellte den früheren Rechtszustand wieder her. Durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17.8.2017 wurde mit Wirkung zum 24.8.2017 Abs. 2 eingefügt.1 Bezeichnung bis 1924: § 212.

1.

2.

Übersicht Hauptverhandlungstermin a) Termin zur Hauptverhandlung | 1 b) Verhandlungsort | 2 c) Tag und Stunde | 5 Anberaumung durch den Vorsitzenden a) Vorsitzender | 8 b) Unverzügliche Terminsbestimmung | 9 c) Terminsbestimmung nach pflichtgemäßem Ermessen | 10

3.

4. 5.

Abstimmungsgebot nach Absatz 2 a) Neueinführung der (Soll)Vorschrift | 15 b) Gesetzeszweck | 16 Terminsverlegung | 17 Rechtsbehelfe a) Beschwerde | 18 b) Andere Rechtsbehelfe | 20 c) Revision | 21 d) Dienstaufsichtsbeschwerde | 22

1. Hauptverhandlungstermin a) Der Termin zur Hauptverhandlung ist der Ort und die Zeit, von der an mit der 1 Behandlung der Sache vor Gericht begonnen werden soll. Beides wird vom Vorsitzenden von Amts wegen durch eine schriftliche Verfügung angeordnet,2 meist zugleich mit den Ladungen (§ 214, 2, 8). Termine zur Fortsetzung einer Hauptverhandlung können auch in der Hauptverhandlung verkündet werden (vgl. § 228, 6). Eine Terminsbestimmung durch die Geschäftsstelle ist hingegen nicht ausreichend und vermag die Verfolgungsverjährung nicht zu unterbrechen.3 Die Reihenfolge der Terminsbestimmungen durch den Vorsitzenden erfolgt unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten und nicht notwendigerweise nach dem zeitlichen Eingang der Sachen.4 b) Verhandlungsort ist in der Regel ein von der Justizverwaltung allgemein oder für 2 den Einzelfall dazu bestimmter Raum im Gerichtsgebäude, der durch seine Ausstattung einen angemessenen Rahmen für die Rechtspflege bieten soll.5 Im Amtszimmer des Richters soll im Allgemeinen keine Hauptverhandlung abgehalten werden, auch wegen der Schwierigkeit, unter diesen Umständen die Öffentlichkeit der Verhandlung zu gewährleisten;6 unzulässig ist dies jedoch nicht. Der Vorsitzende kann, wenn sachliche Gründe dafür sprechen, anordnen, dass die Hauptverhandlung an einem anderen Ort stattfindet,7 etwa am Tatort, am Aufenthaltsort eines reiseunfähigen Angeklagten oder Zeugen,8 im Krankenhaus9 oder in einer Justizvollzugsanstalt10 oder sonst einem Gebäude, das die

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BGBl. I, S. 3202 (3209). Ausführlich zu Auslegung und Inhalt des § 213 Kasten 257 ff. OLG Bamberg NStZ-RR 2015 289. BGHSt 15 393; Kühne Rn. 632. Zur Vergabe von Sitzplätzen für Medienvertreter im NSU-Verfahren siehe BVerfG NJW 2013 1293. Vgl. OLG Hamburg VRS 24 (1968) 437; OLG Köln VRS 62 (1982) 195; NStZ 1984 282. RGSt 11 352; 22 396; 39 348. RG GA 71 (1931) 171. Vgl. BGHSt 24 154; § 231, 19. OLG Hamm NJW 1974 1780.

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im Einzelfall notwendigen Sicherheitsvorkehrungen erlaubt. In privaten Räumen kann nur nach vorheriger Einwilligung der über die Räume verfügungsberechtigten Personen verhandelt werden. Auch als Angeklagte oder Zeugen sind diese nicht verpflichtet, die Durchführung einer – meist öffentlichen – Verhandlung in ihren Räumen zu dulden.11 Ob die jeweils Verfügungsberechtigten ihre Räume für eine Verhandlung zur Verfügung stellen, hat der Vorsitzende aber auch sonst vor jeder Ladung zu einem außerhalb des Gerichtsgebäudes liegenden Verhandlungsort, gegebenenfalls unter Einschaltung der Justizverwaltung, zu klären. Stimmt der Verfügungsberechtigte der Durchführung in seinen Räumen nur mit Einschränkungen zu, etwa, dass er – wie in dem Fall von BGHSt 40 191 – nur den Verfahrensbeteiligten, nicht aber der Öffentlichkeit den Zutritt gestattet, darf allenfalls der Teil der Verhandlung dort durchgeführt werden, bei dem dies, wie etwa bei einem Augenschein, im Interesse der Wahrheitsfindung unerlässlich ist. Die anderen Teile der Verhandlung sind an einem Ort abzuhalten, an dem den gesetzlichen Erfordernissen ohne Abstriche genügt werden kann. Der Vorsitzende kann bestimmen, dass nur ein Teil der Hauptverhandlung im Gerichtsgebäude, der andere aber an einem anderen Ort abzuhalten ist.12 Teile der Hauptverhandlung können dabei auch an einem Ort außerhalb des Bezirks des erkennenden Gerichts abgehalten werden, bei sachlich rechtfertigenden Gründen auch die ganze Hauptverhandlung.13 Ist vorgesehen, dass die Hauptverhandlung ganz oder zum Teil außerhalb des Ge3 richtsgebäudes stattfinden soll, ist durch geeignete Maßnahmen (Aushang am Sitzungssaal usw.) dafür zu sorgen, dass die Öffentlichkeit in einer für jedermann verständlichen Form und ohne dass zusätzliche Erkundigungen notwendig werden, sichere Kenntnis von Ort und Zeit der Hauptverhandlung erlangen und sich Zutritt zu ihr verschaffen kann.14 Gleiches gilt bei Verlegung in einen anderen Sitzungssaal.15 4 Kann wegen besonderer Umstände aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen die Hauptverhandlung weder am Sitz des Gerichts noch an einem anderen Ort vom erkennenden Gericht durchgeführt werden, so ist nach § 15 zu verfahren. Wegen der Einzelheiten vgl. dort. 5

c) Tag und Stunde des Termins sind so zu legen, dass ein reibungsloser Ablauf der Hauptverhandlung und regelmäßig (außer bei größeren Sachen) ihr Abschluss noch am gleichen Tag gewährleistet ist. Die örtlichen und konfessionellen Verhältnisse, besonders die ortsüblichen Feiertage, auch wenn sie gesetzlich nicht anerkannt sind, sind dabei mit in Betracht zu ziehen, ebenso, soweit bekannt, besondere religiöse Pflichten des Angeklagten oder Zeugen. Ein Termin an einem nichtstaatlichen Feiertag, an dem dem Angeklagten aus religiösen Gründen jede Einlassung verboten ist, kann sogar eine Versagung des rechtlichen Gehörs bedeuten.16 Das Rechtsstaatsprinzip schließt dagegen

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11 OLG Hamburg JR 1987 78 mit Anm. Foth; Nelles StV 1991 488. Ob aufgrund einer allgemeinen Staatsbürgerpflicht der Hausrechtsinhaber trotz Art. 13 GG einzelne öffentliche Beweisaufnahmen kraft richterlicher Anordnung dulden muss, ist strittig. Verneinend BGHSt 40 191; Foth JR 1979 262; bejahend Lilie NStZ 1993 121; vgl. ferner die Kommentare zu § 169 GVG m.w.N. Die Durchführung der ganzen Hauptverhandlung gegen dessen Willen könnte damit nicht gerechtfertigt werden. 12 OLG Königsberg JW 1930 1109. 13 BGHSt 22 250; KK/Gmel 3; KMR/Eschelbach 15; SK/Deiters 13. Durch die Neufassung des § 166 GVG ist der frühere Streit gegenstandslos geworden. 14 BGH NStZ 1981 311; BayObLGSt 1980 2 = VRS 58 (1980) 426; BayObLG bei Rüth DAR 1985 247; OLG Celle StV 1987 287; OLG Düsseldorf NJW 1983 2514; OLG Hamm NJW 1974 1780; VRS 64 (1983) 451; OLG Köln StV 1992 222; Thym NStZ 1981 293; a.A. OLG Köln StV 1987 275 mit abl. Anm. Fezer; wegen der Einzelheiten vgl. Erläuterungen zu § 169 GVG. 15 BayObLGSt 1994 41. 16 BGHSt 13 123; OLG Köln NJW 1993 1345 (aber nur bei praktizierendem Mitglied); Hanack JZ 1971 169.

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nicht aus, dass zwei Hauptverhandlungen gegen denselben Angeklagten parallel laufen, sofern dem Angeklagten die Teilnahme daran ohne Überforderung örtlich und zeitlich möglich ist und sein Recht auf Gehör und Verteidigung (Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 3 lit. b, c EMRK) nicht beeinträchtigt wird.17 Wegen der sonst bei der Terminsbestimmung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte vgl. Rn. 10 ff. Der Vorsitzende darf den Termin bei genügendem Anlass auch außerhalb der 6 Dienststunden, z.B. zur Nachtzeit18 oder am Wochenende,19 anberaumen. Er muss aber dann besonders darauf achten, dass dadurch die freie Willensbestimmung der Verfahrensbeteiligten nicht beeinträchtigt wird (Übermüdung!). In aller Regel dürfte es sachgerecht sein, nur einen Teil der Hauptverhandlung nachts durchzuführen und dann am anderen Tag am Gerichtsort zu Ende zu verhandeln.20 Die Festsetzung der Terminstunde hat die Bedeutung, dass sich der Angeklagte 7 und die anderen zum Terminbeginn geladenen Verfahrensbeteiligten von der bestimmten Zeit an bereit halten müssen. Da der Terminplan des Gerichts – vor allem, wenn mehrere Sachen am gleichen Tag verhandelt werden – nicht immer pünktlich eingehalten werden kann, haben sie auch eine Verspätung des Terminbeginns von vornherein in Rechnung zu stellen.21 Sie dürfen sich deshalb nicht nach kurzer Wartezeit wieder entfernen, sondern müssen sich – sofern die Gründe der Verzögerung nicht ohnehin offenkundig sind – bei der Geschäftsstelle oder dem Gerichtswachtmeister erkundigen. Bei einem Ortstermin außerhalb des Gerichtsgebäudes brauchen sie nur eine angemessen begrenzte Zeit auf das Gericht zu warten,22 sofern nicht aus den Umständen (Verkehrsstau usw.) ersichtlich oder durch eine Rückfrage feststellbar ist, dass das Gericht in absehbarer Zeit erscheinen wird. Andererseits ist das Gericht, vor allem der Vorsitzende, gehalten, für eine alsbaldige Verständigung der erschienenen Verfahrensbeteiligten zu sorgen, wenn erkennbar ist, dass sich der Verfahrensbeginn verzögert. Unter Umständen ist eine neue Stunde für den Verhandlungsbeginn förmlich festzusetzen oder aber die Sache überhaupt zu vertagen. Wie zu verfahren ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere auch danach, auf welche Verfahrensdauer die Verfahrensbeteiligten sich nach Art der Sache einstellen mussten. Die Verzögerung des Terminbeginns gibt grundsätzlich kein Recht, die Verlegung des Termins oder die Aussetzung zu verlangen.23 Im Einzelfall kann eine erhebliche Verspätung über das vorhersehbare Maß hinaus zur Folge haben, dass der verspäteten Durchführung der Hauptverhandlung Hinderungsgründe von Gewicht (vgl. § 228, 10) entgegenstehen. Es kann zweckmäßig sein, wenn der Vorsitzende – etwa in Unterbrechung einer noch nicht abgeschlossenen anderen Sache – dies mit den Verfahrensbeteiligten alsbald klärt. Vor der festgesetzten Zeit darf der Termin nicht beginnen, es sei denn, alle Verfahrensbeteiligten sind schon vorher anwesend und mit dem früheren Beginn einverstanden.24 Trifft der Vorsitzende jedoch nur eine Anordnung hinsichtlich des Termintags, ohne auch die Uhrzeit zu bestimmen, so fehlt es an einer hinreichend konkretisierten Anordnung.25

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BGH NStZ 1984 274; Meyer-Goßner/Schmitt 5; kritisch hierzu SK/Deiters 11. BGHSt 12 232. BVerfG NJW 2006 668. Hanack JZ 1971 170. Vgl. BayObLG GA 1984 126; § 228, 10. OLG Düsseldorf VRS 64 (1983) 276; zur Wartepflicht des Gerichts vgl. § 228, 22, 30; § 230, 18. RG GA 28 (1880) 252; vgl. § 228, 10. OLG Köln VRS 69 (1985) 45; Eb. Schmidt 2. OLG Karlsruhe NStZ-RR 2015 385; SK/Deiters 2.

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2. Anberaumung durch den Vorsitzenden 8

a) Vorsitzender ist der Richter, der im Zeitpunkt der Terminsbestimmung den Vorsitz in dem erkennenden Spruchkörper führt, vor dem das Verfahren eröffnet ist. Beim Schöffengericht ist es der Strafrichter. Der Vorsitzende handelt insoweit kraft eigenen Rechts, aber für das erkennende Gericht.26

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b) Unverzügliche Terminsbestimmung. Der Vorsitzende hat den Termin sogleich nach Eröffnung des Hauptverfahrens anzuberaumen, falls nicht besondere Gründe entgegenstehen. Solche Gründe sind beispielsweise: eine neue Anklageschrift ist einzureichen (§ 207 Abs. 3); gegen den Eröffnungsbeschluss ist Beschwerde zulässig (§ 210 Abs. 2); kommissarische Vernehmungen nach §§ 223 oder 233 sind notwendig. Die Überlastung des Gerichts berechtigt ihn dagegen nicht, von der Terminsanberaumung auf unbestimmte Zeit abzusehen.27

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c) Der Vorsitzende bestimmt Ort und Zeit des Termins in eigener richterlicher Verantwortung nach pflichtgemäßem Ermessen.28 Ihm obliegt es, jede anfallende Sache so auf die zur Verfügung stehenden Sitzungstage (§§ 45, 77 GVG) zu verteilen, wie es ihm für ihre ordnungsgemäße Erledigung bei Berücksichtigung der Gesamtarbeitsplanung des Gerichts als zweckdienlich erscheint.29 Hierbei darf er nicht schematisch allein nach der Reihenfolge des Eingangs verfahren;30 vielmehr muss er die unterschiedliche Eilbedürftigkeit berücksichtigen. Unerlässlich ist eine möglichst konkrete Einschätzung der Erfordernisse des jeweiligen Verfahrens, der zur Vorbereitung der Hauptverhandlung benötigten Zeit (vgl. Rn. 9) und deren voraussichtlicher Dauer (Zeitplan, vgl. § 214, 10). Dabei ist der Zeitbedarf der Beweisaufnahme ebenso in Betracht zu ziehen wie Beschränkungen der Verhandlungsdauer durch einen angegriffenen Gesundheitszustand des Angeklagten.31 Die beschränkte Verhandlungsfähigkeit eines Verfahrensbeteiligten kann dazu führen, dass durchschnittlich nicht an (mindestens) zwei Tagen wöchentlich verhandelt werden kann. Zu denken ist ferner an die Anordnung eines Selbstleseverfahrens i.S.v. § 249 Abs. 2. Eine solche Vorgehensweise entlastet regelmäßig die Hauptverhandlung und dient damit der Verfahrenskonzentration.32 Auf erkennbare Belange der Verfahrensbeteiligten ist Rücksicht zu nehmen, wie etwa auf mitgeteilte Verhinderungen eines Zeugen oder Sachverständigen oder des Verteidigers. Zwar hat der Verteidiger keinen Anspruch auf eine vorherige Terminabsprache, jedoch fällt die Ermessensentscheidung des Richters hinsichtlich der Terminbestimmung fehlerhaft aus, wenn das Recht des Angeklagten auf freie Wahl des Verteidigers dadurch eingeschränkt wird, dass der Verteidiger das Mandat wegen terminlicher Verhinderung nicht wahrnehmen kann, weil er keinen Einfluss auf die Terminsanberaumung nehmen

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26 KMR/Eschelbach 17. 27 Vgl. OLG Hamm DRiZ 1974 28 zu § 216 ZPO; ferner LG Hamburg StV 1996 658. 28 BGHSt 12 232; 15 392; BGH GA 1981 37; OLG Stuttgart VRS 59 (1980) 360; KMR/Eschelbach 18; Hellmann Rn. 617; HK-GS/Schulz 2; SK/Deiters 2; HbStrVf/Heghmanns VI.; AK/Keller 2 (aber keine „unbegrenzte Terminshoheit“, vgl. OLG Frankfurt StV 1989 384). 29 BGHSt 15 392; OLG Stuttgart VRS 59 (1980) 360. 30 OLG Karlsruhe Justiz 1986 28. 31 OLG Celle NdsRpfl. 1983 125. 32 Vgl. MüKo/Arnoldi 10; zur Berücksichtigung beschränkter Verhandlungsfähigkeit vgl. näher bei § 205 und § 231a, 3.

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konnte.33 Die Nichtberücksichtigung eines – im Hinblick auf die Anreisedauer des Verteidigers berechtigten Terminverlegungsantrags – kann sogar die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn der Richter bereits im Vorhinein eine weitere Terminsverlegung kategorisch ablehnt.34 In das Recht des Angeklagten auf Beistand durch den Verteidiger seiner Wahl (Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK, § 137 StPO) darf nur aus schwerwiegenden Gründen eingegriffen werden.35 Der Vorsitzende muss sich daher ernsthaft bemühen, dem Recht des Angeklagten, sich von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen, soweit wie möglich Geltung zu verschaffen.36 Dies gilt vor allem dann, wenn der Versuch einer vorherigen Terminsabsprache nicht stattgefunden hat. Die Gründe müssen daher aus der die Terminsverlegung ablehnenden Entscheidung klar hervorgehen. Formelhafte Wendungen wie etwa der Hinweis auf die „angespannte Geschäftslage“ genügen nicht. Bedenklich ist es, dass das LG Frankfurt formelhafte Ablehnungen offenbar zulassen will, wenn der Verlegungsantrag selbst nur allgemein mit einer Verhinderung oder in sonstiger Weise pauschal begründet ist.37 Dies dürfte schon deshalb abzulehnen sein, weil Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK dem Verteidigungsrecht des Angeklagten dient und nicht unter Hinweis auf Verteidigerverfehlungen verkürzt werden sollte. Die Möglichkeiten des Gerichts zu einer erschöpfenden Verbescheidung werden durch die Form der Antragstellung von Seiten des Verteidigers nicht beeinflusst. Ob die Geschäftsbelastung des Gerichts es erfordert, eine außerordentliche Sitzung einzuschieben (§ 47 GVG) – vor allem zur beschleunigten Erledigung der Haftsachen38 – und für wann eine solche vorzusehen ist, muss der Vorsitzende ebenfalls nach pflichtgemäßem Ermessen aufgrund der Umstände, so wie sie sich im Zeitpunkt der Terminbestimmung darstellen, entscheiden.39 Er darf jedoch keine außerordentliche Sitzung anberaumen, wenn in dem in Frage kommenden Zeitraum noch ein ordentlicher Sitzungstag frei ist.40 Der Ermessensspielraum des Vorsitzenden bei Abwägung aller hereinspielenden, 11 einander mitunter widersprechenden Gesichtspunkte (Gesamtbelastung des Gerichts, Bedeutung des Verfahrens, Gebot der Verfahrensbeschleunigung, Verhinderung von Verfahrensbeteiligten; vgl. auch drohende Verjährung eines Teils der angeklagten Taten; Notwendigkeit der durch die Verlegung unmöglich werdenden Verteidigung; Vertrautheit des verhinderten Verteidigers mit dem Fall)41 ist bei der erstmaligen Terminbestimmung weit. Es ist ihm auch nicht verwehrt, Verfahrensbeteiligte formlos zu für die Ter-

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33 LG Koblenz StV 1999 593; OLG Frankfurt StV 2001 157 f.; LG Berlin StV 2003 441 f.; OLG Hamm StV 2004 642; OLG Dresden NJW 2004 3196 f.; LG Düsseldorf NStZ 2004 168; HK/Julius/Reichling 5 f.; zur Zusendung des Terminkalenders Neuhaus StraFo 1998 84; BGH NStZ 2011 235. 34 OLG Bamberg StV 2006 683 f.; vgl. zur Besorgnis der Befangenheit bei ermessensfehlerhafter Terminierung auch LG Krefeld StraFo 1995 59; LG M’Gladbach StV 1998 533; HK/Julius/Reichling 6, 14; Neuhaus StraFo 1998 88. 35 BGH JZ 1988 472; BayObLG StV 1995 10; OLG Düsseldorf JMBlNW 1995 248; LG Bremen StV 1994 11; LG Hamburg StV 1988 195; LG Koblenz StV 1996 254; LG Tübingen StV 1996 658; LG Verden StV 1996 255; Neuhaus StraFo 1998 86 f.; AK/Keller 5; Pfeiffer/Fischer 3; SK/Deiters 7 f. m.w.N.; siehe auch E. Müller FS Widmaier 362; vgl. ferner bei § 228, 21 und bei LR/Gollwitzer25 Art. 6, 195 ff. EMRK. 36 BGH NJW 2018 1698; Fromm NJW 2013 982. 37 LG Frankfurt StV 2004 420. 38 Vgl. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 EMRK; Art. 9 Abs. 3 IPBPR; die straffe Terminierung umfasst nach Auffassung der Rspr durchschnittlich mehr als einen Hauptverhandlungstermin die Woche, hierzu BGH BeckRS 2012 24422; SK/Deiters 4. 39 BGHSt 12 161; 16 65; vgl. OLG Stuttgart NStZ 1984 231 mit Anm. Katholnigg (auf einen anderen Wochentag verlegte Sitzung ist keine außerordentliche). 40 BGH NStZ 1991 349; vgl. Kunkis DRiZ 1993 187. 41 BGH bei Holtz MDR 1980 815; KK/Gmel 4; BGH NStZ 2011 235.

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minsfestsetzung bedeutsamen Umständen zu hören, etwa um Verhinderungen vorweg zu klären. Dies ist vor allem bei größeren Sachen zweckmäßig und auch üblich; verpflichtet ist er dazu nicht.42 Die Terminfestsetzung ist insbesondere keine Entscheidung, vor der rechtliches Gehör gewährt werden muss.43 Ob Schöffen verhindert sind, kann unberücksichtigt bleiben, da im Verhinderungsfalle Hilfsschöffen als gesetzliche Richter berufen sind.44 12 Zeitlich muss der Termin so weit hinausgesetzt werden, dass sich alle Verfahrensbeteiligten ausreichend auf die Hauptverhandlung vorbereiten können und ausreichende Zeit für die Beibringung der Beweismittel (Ladung von Zeugen im Ausland, Überstellung in Haft befindlicher Zeugen aus dem Ausland nach § 69 IRG, Einholung der Aussagegenehmigung nach § 54, usw.) besteht. Eine zu kurze Vorbereitungszeit kann zur Vertagung führen. Bei besonders gelagerten Fällen könnte sogar trotz Wahrung der Frist des § 217 das Recht auf ausreichende Zeit zur Vorbereitung der Verteidigung (Art. 6 Abs. 3 lit. b EMRK) und das rechtliche Gehör beeinträchtigt sein. Andererseits hat der Angeklagte Anspruch darauf, dass seine Sache „innerhalb angemessener Frist“ vor Gericht verhandelt (Art. 6 Abs. 1 EMRK) und jede nicht sachlich gerechtfertigte Verzögerung vermieden wird. Zudem erfordert das Beschleunigungsgebot, dass an den jeweiligen Sitzungstagen zeitlich ausreichend verhandelt und dadurch das Verfahren entscheidend gefördert wird.45 Haftsachen sind wegen der Notwendigkeit, die Dauer der Untersuchungshaft kurz 13 zu halten (dazu BVerfGE 36 264 und die Rechtsprechung zu § 121; ferner Art. 5 Abs. 3 EMRK), nach Möglichkeit vorrangig anzusetzen. Deshalb sollte nicht nur bei länger andauernden Verfahren (Abs. 2), sondern grundsätzlich auch bei Haftsachen bereits im Eröffnungsverfahren eine Terminsabsprache erfolgen.46 Im Rahmen der Gerichtsausstattung sind alle personellen und sachlichen Mittel auszuschöpfen, um sicherzustellen, dass Haftsachen in angemessener Frist erledigt werden können.47 Grundsätzlich soll die Hauptverhandlung innerhalb von drei Monaten nach der Eröffnung des Hauptverfahrens beginnen;48 eine starre Frist ist dies aber nicht.49 Eine ungerechtfertigte Verzögerung des Verfahrens kann die Fortdauer der Haft unzulässig machen (vgl. § 121) und Entschädigungsansprüche gegen den Staat auslösen. 14 Die Terminstunden sollen, insbesondere wenn mehrere Termine am gleichen Tag anberaumt sind, so festgelegt werden, dass den Beteiligten längere Wartezeiten erspart bleiben (vgl. § 214 Abs. 2). Bei auswärtigen Beteiligten sind möglichst auch die Ankunftszeiten der öffentlichen Verkehrsmittel zu berücksichtigen. 3. Abstimmungsgebot nach Absatz 2 15

a) Die neue – durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17.8.2017 (BGBl. I 3202, 3209) eingeführte – (Soll-)Vorschrift bildet die schon bisher geltende Rechtsprechung für länger andauernde Verfahren ab, Be-

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42 BGH GA 1981 37; BVerfG StV 2008 198; KK/Gmel 4; Meyer-Goßner/Schmitt 6; KMR/Eschelbach 18; SK/Deiters 6. 43 Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Deiters 6. 44 BGH GA 1981 37; Brause NJW 1992 2866; KK/Gmel 4; SK/Deiters 4. 45 SSW/Grube 12; BVerfG StV 2013 640. 46 Hilger StV 2006 453; HbStrVf/Heghmanns VI. 383. 47 OLG Karlsruhe Justiz 1975 193; vgl. OLG Köln MDR 1996 1284 (Vorrang vor Jugendsachen); auch BVerfGE 20 45 und zur organisatorischen Einplanung der Haftsachen Schellenberg 8. 48 BVerfG NJW 2013 513; SSW/Grube 11; Meyer-Goßner/Schmitt 6 m.w.N. 49 BGH NStZ 2014 226.

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lange der Verfahrensbeteiligten in der Ermessensausübung zu berücksichtigen. Sie entspricht daher weitgehend der Praxis in solchen Verfahren.50 Hiernach soll sich der Vorsitzende bei erstinstanzlichen Verfahren vor dem LG oder OLG mit besonderem Umfang über den äußeren Ablauf der Hauptverhandlung mit dem Verteidiger, der Staatsanwaltschaft und dem Nebenklägervertreter absprechen. Eine Verhandlungslänge von voraussichtlich mehr als zehn Tagen indiziert nach dem Gesetzeswortlaut einen besonderen Umfang des Verfahrens.51 Jedoch sind auch andere Konstellationen denkbar, die zu einer hohen Zahl von Verhandlungstagen führen, aber nach der Gesetzbegründung nicht von Absatz 2 erfasst sein sollen, bspw. bei der eingeschränkten Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten oder der Verhinderung mehrerer Zeugen.52 Sinn und Zweck ist es, die frühzeitige Kommunikation zwischen den Verfahrensbe- 16 teiligten zu fördern und damit zu einer effizienten Durchführung komplexer Hauptverhandlungen wesentlich beizutragen. Das Gericht erhält somit frühzeitig eine genauere Vorstellung von Art und Umfang der zu erwartenden Beweisaufnahme. Damit kann eine bessere zeitliche und inhaltliche Planung der Hauptverhandlung vorgenommen und auf die Vermeidung späterer Verzögerungen hingewirkt werden. Inhaltlich sind die Gespräche auf den äußeren Ablauf der Hauptverhandlung beschränkt. Dieser Begriff sollte gemäß der gesetzgeberischen Zielsetzung weit interpretiert werden, um den Zweck der Verfahrensförderung weitestgehend verwirklichen zu können.53 Dazu gehören beispielsweise die Planung des Gerichts zu Reihenfolge und Umfang der Beweisaufnahme, zu erforderlichen sitzungspolizeilichen Maßnahmen sowie zum Umgang mit der (Medien)Öffentlichkeit.54 In welcher Form diese Abstimmungen durchgeführt werden, bleibt dem Vorsitzenden überlassen.55 Häufig wird sich hierfür die Durchführung eines gemeinsamen Abstimmungstermins anbieten. Es soll jedoch der Einschätzung des Vorsitzenden überlassen bleiben, ob im Einzelfall die notwendigen Abstimmungen beispielsweise auch telefonisch mit den Beteiligten geführt werden können.56 Zur Dokumentation sollte das Ergebnis der Abstimmung allerdings in einem Aktenvermerk festgehalten werden.57 4. Terminsverlegung. Die Befugnis des Vorsitzenden, den Termin anzuberaumen, 17 umfasst auch die Befugnis, den Termin auf Antrag oder von Amts wegen zu verlegen oder einen Antrag auf Terminsverlegung abzulehnen. Die Verlegung eines Termins von Amts wegen kann z.B. angebracht sein, wenn sich die Erledigung der vorhergehenden Sache erkennbar erheblich verzögert. Über die Terminsverlegung entscheidet der Vorsitzende ebenfalls nach pflichtgemäßem Ermessen unter Abwägung aller hereinspielenden Gesichtspunkte, insbesondere der Belange der Beteiligten, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der Terminplanung des Gerichts.58 In Ausnahmefällen kann sich allerdings der Ermessensspielraum auf Null reduzieren, so wenn erkennbar ist, dass die Hauptverhandlung an dem anberaumten Termin nicht durchgeführt werden kann.59 Eine

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50 Singelnstein/Derin Das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens NJW 2017 2646; LG Magdeburg BeckRS 2012; BeckOK/Ritscher 4; BGH NStZ-RR 2010 312; SK/Deiters 6. 51 BTDrucks. 18 11277, S. 32. 52 BTDrucks. 18 11277, S. 32 f. 53 Meyer-Goßner/Schmitt 11. 54 Meyer-Goßner/Schmitt 11. 55 SSW/Grube 26. 56 BTDrucks. 18 11277, S. 33. 57 SSW/Grube 26. 58 BGH NStZ-RR 2007 81; OLG München NStZ-RR 2006 21. 59 LG Hamburg StV 1988 195; vgl. Krumm StV 2012 177.

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vor Terminansetzung gebuchte Urlaubsreise des Angeklagten bzw. Verteidigers wird i.d.R. zur Terminsverlegung führen.60 Der Angeklagte kann die Verlegung des Termins sowohl wegen persönlicher Verhinderungen als auch unter dem Gesichtspunkt beantragen, dass wegen außergewöhnlicher Umstände die Ladungsfrist (§ 217 Abs. 1) zur Vorbereitung seiner Verteidigung nicht ausreicht (§ 217, 1). 5. Rechtsbehelfe 18

a) Beschwerde. Nach der vorherrschenden Meinung, 61 der beizupflichten ist, schließt § 305 die Beschwerde grundsätzlich aus,62 wobei die Ausschlusswirkung dieser Bestimmung unterschiedlich weit ausgelegt wird. § 305 lässt die Beschwerde zu, wenn der Gehalt der Entscheidung über die Vorbereitung der Urteilsfindung hinausgeht und die Beschwer nicht mit der Revision geltend gemacht werden kann, wie etwa bei einer durch Sachaufklärung nicht zu rechtfertigenden und damit das Beschleunigungsgebot63 verletzenden Verfahrensverzögerung, oder, wenn der Anlass der Entscheidung in überhaupt keinem inneren Zusammenhang zur Urteilsfindung steht, weil die Vertagung wegen eines privaten, nicht verfahrensbezogenen Grundes begehrt wird.64 Demnach ist eine Beschwerde gegen die Terminanberaumung auch dann zulässig, wenn kein Rechtsmittel gegen ein Instanz abschließendes Urteil gegeben ist und folglich keine „Konkurrenzsituation” zwischen dem Rechtsmittel in der Hauptsache und der Beschwerde besteht, die deren Ausschluss rechtfertigen könnte.65 Nach anderer Meinung ist die Beschwerde grundsätzlich nicht statthaft,66 soweit das Gesetz mit dem Aussetzungsantrag nach § 228 Abs. 1 einen anderen Rechtsbehelf vorgesehen hat. Auch diese Ansicht lässt aber die Beschwerde zur Behebung einer mit dem Aussetzungsantrag nicht oder nicht mehr zu beseitigenden Beschwer in nicht verfahrensbezogenen Belangen zu.67 Verschiedentlich wird in dem Bestreben, Rechtsfehler noch vor Beginn der Hauptverhandlung zu beseitigen, die Beschwerde im weitergehenden Umfang als statthaft behandelt.68 In der neue-

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60 MüKo/Arnoldi 13; OLG Hamm NStZ 2010 231: wohingegen Urlaubreisen, die der Angeklagte in Kenntnis des laufenden Verfahrens gebucht hat, zurückzustehen haben. Zur Frage, wieweit die berufliche Verhinderung des Wahlverteidigers die Terminsverlegung rechtfertigt, vgl. Fromm NJW 2013 982, OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 2014 250 sowie auch bei § 228, 18 ff. und bei § 265; zur Verhinderung des Pflichtverteidigers bei § 145. 61 Vgl. zum Streitstand Kropp NStZ 2004 668 ff.; HK-GS/Schulz 4. 62 OLG Celle NdsRpfl. 1984 72; OLG Dresden Beschl. v. 30.6.1999 – 1 Ws 143/99; OLG Düsseldorf JMBlNW 1966 153; 1995 248; OLG Hamm NStZ 1989 133; OLG Karlsruhe StV 1982 560 mit abl. Anm. Moos; StV 1991 509; OLG Koblenz OLGSt 7; OLG Stuttgart MDR 1976 510; 1980 954; OLG Hamm NStZ-RR 2010 283; KK/Gmel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 8; für eingeschränkte Anwendung des § 305 AK/Keller 6; Kühne Rn. 632; auch SK/Deiters 15 (der zwischen verfahrensverzögernder und interessenverletzender Terminsbestimmung unterscheidet); offen lassend OLG Hamm BeckRS 2015 8165; OLG Hamm NStZ 2010 231 (ausführlich zum Streitstand). 63 LG Hildesheim NJW 1989 1174 (weit hinausgeschobene Terminierung). 64 OLG Karlsruhe StV 1991 509 (Hochzeit des Bruders); vgl. AK/Keller 9, der abwägt, ob die Belastung außer Verhältnis steht zum Interesse an der Beibehaltung des festgesetzten Termins. 65 Vgl. OLG Koblenz NStZ-RR 2012 21: wenn gegen das Berufungsurteil gem. § 55 Abs. 2 JGG kein Rechtsmittel mehr statthaft ist. 66 Eb. Schmidt 2 (Rückgriff auf § 305 entbehrlich); siehe auch HbStrVf/Heghmanns VI.389. 67 OLG Schleswig bei Lorenzen/Thamm SchlHA 1991 125; ablehnend KMR/Eschelbach 24; ferner AK/Keller 5, 9 (§ 228 Abs. 2 deckt nicht alle Fälle; außerdem muss aus prozessökonomischen Gründen sein Maßstab strenger sein als bei der Entscheidung über eine Verlegung nach § 213). 68 OLG Frankfurt StV 1990 201; 1992 151; 1993 6; OLG Hamm MDR 1975 245; OLG München NStZ 1994 451 mit Anm. Plähn; OLG Oldenburg StV 1991 152; OLG Stuttgart Justiz 1973 357; LG Hamburg StV 1988 195; LG Oldenburg StV 1990 299; siehe dazu auch E. Müller FS Widmaier 360.

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ren obergerichtlichen Rspr. wird die Beschwerde daher für zulässig gehalten, wenn mit ihr die Rechtswidrigkeit der Terminierung geltend gemacht wird.69 Da aber auch nach dieser Ansicht der Prüfgegenstand inhaltlich auf eine Rechtswidrigkeitsprüfung einschließlich der rechtsmissbräuchlichen Ermessensausübung beschränkt ist, führen die verschiedenen Meinungen in ihren Varianten meist zu dem insoweit gleichen Ergebnis, dass die Beschwerde nur bei rechtsfehlerhaften und ermessensmissbräuchlichen Terminsbestimmungen oder Vertagungen Erfolg haben kann (vgl. Rn. 12), so auch dann, wenn die Verfügung des Vorsitzenden in Wirklichkeit eine Entscheidung ist, die dem Gericht vorbehalten ist (etwa Aussetzung).70 Wo die Beschwerde nicht ausgeschlossen ist, kann sie nach übereinstimmender Ansicht nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung des Vorsitzenden das Recht verletzt; dazu gehört auch, dass das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt wurde,71 also sich der Vorsitzende bei der Ablehnung der beantragten Terminsverlegung von sachfremden und willkürlichen Beweggründen hat leiten lassen.72 Die Zweckmäßigkeit der Terminsbestimmung einschließlich der Möglichkeit einer anderen Terminsplanung und Terminierung ist der Nachprüfung des Beschwerdegerichts entzogen.73 Dies folgt aus der Dispositionsfreiheit des Vorsitzenden bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung sowie daraus, dass eine Festsetzung des Termins, die sich im Rahmen des alle zu berücksichtigenden Belange abwägenden Ermessens des Vorsitzenden hält, keine geschützte Rechtsposition der Verfahrensbeteiligten beeinträchtigt.74 Erst eine in der Überschreitung dieser Grenzen liegende Rechtsverletzung kann eine Beschwer enthalten. Dies ist etwa der Fall, wenn das Recht des Angeklagten auf freie Wahl des Verteidigers dadurch eingeschränkt wird, dass der Verteidiger die Termine wegen anderer Verteidigungen nicht wahrnehmen kann, ohne dass er auch nur Einfluss auf die Terminanberaumung hätte nehmen können.75 Die Terminierung ist dagegen trotz Verhinderung des Wahlverteidigers zulässig, wenn der Vorsitzende dem Angeklagten einen Pflichtverteidiger beiordnet, der den entsprechenden Termin wahrnehmen kann und eine Vermeidung der Kollision nur durch eine unabsehbare Verlängerung der Hauptverhandlung möglich gewesen wäre.76 Dies gilt im Hinblick auf den Beschleunigungsgrundsatz erst recht, wenn außer dem von der Terminbestimmung Betroffenen weitere Personen angeklagt sind, die sich in Untersuchungshaft befinden.77 Wird der mit der Sache bisher nicht vertraute Verteidiger erst nach der Terminsladung und relativ kurzfristig vor dem Termin neu mandatiert, ist es dem Angeklagten zuzumuten, sicherzustellen, dass dieser Verteidiger den Termin auch wahrnehmen kann. Ist dies

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69 OLG Celle NJW 2012 246; LG Magdeburg BeckRS 2012 25440; OLG Hamm BeckRS 2012 24464 m.w.N. 70 OLG Frankfurt NJW 1964 181; OLG Stuttgart Justiz 1973 357; KK/Gmel 7. 71 OLG Hamm MDR 1975 245; h.M.; zu Ermessensfehlern etwa OLG Frankfurt StV 1990 201; 1995 11; LG Bremen StV 1994 11; LG Hamburg StV 1988 195; LG Koblenz StV 1999 593; OLG Frankfurt StV 2001 157 f.; LG Berlin StV 2003 441 f.; OLG Hamm StV 2004 642 f.; OLG Dresden NJW 2004 3196 f.; LG Düsseldorf NStZ 2004, 168; HK/Julius/Reichling 12. 72 LG Trier NZV 2018 375. 73 H.M.; etwa OLG Frankfurt StV 1990 201; 1992 151; OLG Hamm MDR 1975 245; OLG Stuttgart VRS 59 (1980) 360; LG Hamburg StV 1996 659; LG Hildesheim NJW 1989 1174; LG Tübingen StV 1996 658; OLG Frankfurt StV 2001 158; KK/Gmel 6; SK/Deiters; OLG Rostock BeckRS 2016 20474 (die „Untätigskeitsbeschwerde“ der StA wurde verworfen, weil die Entscheidung des Vorsitzenden nur eingeschränkt mit Bezug auf Ermessensfehler überprüft werden kann). 74 Vgl. OLG Frankfurt NJW 1974 1715. 75 OLG Nürnberg StV 2005 491 f.; vgl. auch OLG Dresden NJW 2004 195 f.; ferner HbStrVf/Heghmanns VI.385; OLG Saarbrücken BeckRS 2015 11166. 76 BGH StV 2006 625 f. 77 BGH StV 2006 680; vgl. zur Abwägung bei Verteidigerverhinderung und Verfahrensbeschleunigung auch OLG Hamm StV 2006 482 ff.

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nicht der Fall bleibt die Beschwerde gegen die Nichtabhilfeentscheidung des Vorsitzenden, der der zügigen Erledigung des Verfahrens den Vorrang eingeräumt hat, in der Regel erfolglos.78 Das Beschwerdegericht kann nicht an Stelle des Vorsitzenden selbst einen Termin für die Hauptverhandlung bestimmen. Es kann lediglich eine Verfügung, die es für rechtswidrig hält, aufheben. Zeugen haben kein Beschwerderecht, da ihnen § 51 einen besonderen Rechtsbehelf 19 eröffnet.79 20

b) Andere Rechtsbehelfe. Die Beschwerde hilft dem Antragsteller auch dort, wo sie zulässig ist, in der Regel kaum weiter. Bei Ablehnung einer beantragten Terminverlegung hat er deshalb meist nur die Möglichkeit, Gegenvorstellungen beim Vorsitzenden zu erheben und, wenn diese erfolglos bleiben, in der Hauptverhandlung unter Darlegung der Gründe die Aussetzung zu beantragen und damit einen Beschluss des Gerichts nach § 228 Abs. 1, § 265 Abs. 4 herbeizuführen.80 Eine Anrufung des Gerichts vor der Hauptverhandlung in entsprechender Anwendung des § 238 Abs. 2 ist nicht möglich.81 Soweit der Vorsitzende eine Terminierung generell unterlässt, ist die „Untätigkeitsbeschwerde“ statthaft,82 die auch auf ungefähre Terminierung gerichtet sein kann.83

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c) Die Revision kann nicht allein darauf gestützt werden, dass der Vorsitzende außerhalb der Hauptverhandlung einen Terminverlegungsantrag abgelehnt hat.84 Erst die Ablehnung eines deswegen in der Hauptverhandlung gestellten Aussetzungsantrags ist mit der Revision angreifbar (§ 338 Nr. 8). Der Inhalt des Verlegungsgesuchs muss im Revisionsvorbringen grundsätzlich vollständig wiedergegeben werden.85 Wird allerdings die rechtzeitig vorgetragene Bitte um Terminverlegung so spät abgelehnt, dass weder der Angeklagte noch sein Verteidiger den Termin wahrnehmen können, so kann darin eine Verletzung des Anwesenheitsrechts des Angeklagten liegen.86 Gleiches gilt, wenn der Vorsitzende die Verlegung zugesagt, sich daran aber nicht gehalten hat,87 oder wenn das Ausbleiben durch das Nichtbescheiden eines rechtzeitig gestellten Verlegungsantrags veranlasst war.88 Ein revisibler Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK und § 137 Abs. 1 Satz 1 kann auch darin liegen, dass das Gericht den Versuch unterlässt, einen Ausweichtermin bei Verhinderung des Wahlverteidigers zu finden.89 Die Zweckmäßigkeit der Verteilung der Termine auf die festgelegten Sitzungstage kann vom Revisionsgericht nicht nachgeprüft werden,90 auch wenn die Besetzung des Gerichts an den einzelnen in Frage kommenden Terminen verschieden ist. Etwas anderes würde dann gelten, wenn der Vorsitzende die ihm eingeräumte Ermessensfreiheit bewusst zu

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78 OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 2014 250. 79 OLG Düsseldorf JZ 1986 864; Meyer-Goßner/Schmitt 8. 80 OLG Stuttgart NJW 1976 510; Justiz 1980 361. 81 OLG Frankfurt OLGSt 1; KMR/Eschelbach 22; SK/Deiters 14. 82 OLG Braunschweig NStZ-RR 1996 172; HK/Julius/Reichling 13; HbStrVf/Heghmanns VI. 394. 83 LG Hamburg StV 1996 659. 84 H.M. etwa OLG Koblenz VRS 45 (1973) 284; Julius StV 1990 56; a.A. HK-GS/Schulz 6. 85 OLG Bamberg NStZ-RR 2012 58. 86 OLG Hamm JR 1971 472 mit Anm. Kohlhaas; HK-GS/Schulz 6. 87 OLG Koblenz VRS 61 (1981) 364 (Verstoß gegen Gebot der fairen Verfahrensgestaltung). 88 BGH NStZ 2018 607 m. Anm. Arnoldi (der allerdings zumindest einen konkludenten Aussetzungsantrag verlangt); BayObLGSt 1996 95; OLG Frankfurt StV 1998 14; OLG Düsseldorf VRS 88 (1995) 137. 89 BGH StV 1999 542; OLG Oldenburg StV 2015 156; HK/Julius/Reichling 15. 90 Vgl. BGH NJW 1961 1077.

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dem Zweck missbrauchen würde, den Angeklagten einem bestimmten Richter zu entziehen.91 Die Missachtung des in Absatz 2 eingefügten Abstimmungsgebots stellt keinen hinreichenden Grund für eine Revision dar, weil es sich dabei um eine reine Ordnungsvorschrift handelt (BTDrucks 18 11277, S. 33). d) Der Vorsitzende entscheidet über die Termine in richterlicher Unabhängigkeit. 22 Gegen seine Entscheidung oder gegen die Verzögerung der Terminsbestimmung ist die Dienstaufsichtsbeschwerde nur in den Grenzen des § 26 Abs. 2 DRiG möglich.92 Eine Dienstaufsichtsbeschwerde kann nur greifen, wenn bei der Terminierung verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden, beispielsweise bei einer reinen „Erziehungsmaßnahme“.93 Der Dienstvorgesetzte kann deshalb niemals an Stelle des Vorsitzenden selbst einen Termin bestimmen oder zur Bestimmung eines Termins anweisen.94

§ 214 Ladung durch den Vorsitzenden; Herbeischaffung der Beweismittel § 214 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung Jäger https://doi.org/10.1515/9783110274943-004

(1) 1 Die zur Hauptverhandlung erforderlichen Ladungen ordnet der Vorsitzende an. 2 Zugleich veranlasst er die nach § 397 Absatz 2 Satz 3, § 406d Absatz 1 und § 406h Absatz 2 Satz 2 erforderlichen Benachrichtigungen vom Termin; § 406d Absatz 4 gilt entsprechend. 3 Die Geschäftsstelle sorgt dafür, dass die Ladungen bewirkt und die Mitteilungen versandt werden. (2) Ist anzunehmen, daß sich die Hauptverhandlung auf längere Zeit erstreckt, so soll der Vorsitzende die Ladung sämtlicher oder einzelner Zeugen und Sachverständigen zu einem späteren Zeitpunkt als dem Beginn der Hauptverhandlung anordnen. (3) Der Staatsanwaltschaft steht das Recht der unmittelbaren Ladung weiterer Personen zu. (4) 1 Die Staatsanwaltschaft bewirkt die Herbeischaffung der als Beweismittel dienenden Gegenstände. 2 Diese kann auch vom Gericht bewirkt werden. RiStBV Nr. 116, 117 Schrifttum Arnoldi Präsente Beweismittel in der Praxis, NStZ 2018 305; Barton Die Reform der Nebenklage: Opferschutz als Herausforderung für das Strafverfahren; Bittmann Perspektiven zum Opferschutz – Reform der Reform, ZRP 2009 212; Marenbach Aktuelle Probleme des Nato-Truppenstatuts, NJW 1974 1070; Odenthal Die Vernehmung von Zeugen an hierfür nicht vorgesehenen Terminstagen, NStZ 1988 540; Rose Die Ladung von Auslandszeugen im Strafprozeß, wistra 1998 11; Schnigula Probleme der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen bei ausgehenden deutschen Ersuchen im Bereich der „sonstigen“ Rechtshilfe, DRiZ 1984 177; Schweckendieck Die ordnungsgemäße Ladung von jugendlichen Angeklagten und minderjährigen Zeugen zur Hauptverhandlung, NStZ 1989 170; Scupin Die Folgen beim Ausbleiben eines kindlichen oder jugendlichen Zeugen im Strafverfahren, MDR 1965 865.

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91 BGHSt 15 392; KMR/Eschelbach 10, 29. 92 BGH DRiZ 1969 125; KG NJW 1995 2115; vgl. BGHZ 25 162; Rudolph DRiZ 1985 351; Steckert DRiZ 1967 193; SSW/Grube 36. 93 Krumm StV 2012 177. 94 KK/Gmel 8; Krumm StV 2012 177. Zu den Einwendungen gegen die behördeninterne Zuweisung eines bestimmten Sitzungssaals vgl. OLG Hamburg JR 1979 349 mit Anm. Holch; ferner die Erl. zu § 23 EGGVG.

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Entstehungsgeschichte Nach der ursprünglichen Fassung, die die Bezeichnung § 213 trug, hatte die Staatsanwaltschaft die Ladungen zu bewirken. Durch Art. 9 § 1 der 2. VereinfVO erhielt das Gericht diese Befugnis zusätzlich. Die geänderte Fassung durch Art. 1 Nr. 71 des 1. StVRG übertrug zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens die Ladung zur Hauptverhandlung grundsätzlich der Geschäftsstelle des Gerichts. Übergangsweise konnten die Justizverwaltungen anordnen, dass bis zum 31.12.1976 die Ladungen noch von der Staatsanwaltschaft bewirkt wurden (Art. 10 Nr. 1 des 1. StVRG). Der jetzige Absatz 4, der die Herbeischaffung der Beweisgegenstände regelt, hat das früher allgemein geltende Regelungsprinzip beibehalten. Absatz 2, der die Ladung der Beweispersonen zu unterschiedlichen Zeitpunkten vorsieht, beruht auf § 30 der Verordnung vom 4.1.1924 und wurde durch das OpferRRG vom 24.6.2004 zur Soll-Vorschrift umgestaltet. § 214 Abs. 1 hat durch Art. 1 Nr. 22 des am 1.10.2009 in Kraft getretenen Zweiten Opferrechtsreformgesetzes vom 29.7.2009 (BGBl. I S. 2280, 2282) Änderungen erfahren, die auf Modifizierungen der Vorschriften im Bereich der Nebenklage zurückzuführen sind.1 § 214 Abs. 1 Satz 1 ist im Vergleich zur bisherigen Fassung unverändert geblieben. Geändert haben sich jedoch § 214 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3, in denen bislang geregelt war, in welchen Fällen Nebenklagebefugte von Hauptverhandlungsterminen zu benachrichtigen sind. Da diese Benachrichtigungspflicht nun in § 406g Abs. 1 Satz 4 geregelt ist, hat sich der Gesetzgeber zu einer entsprechenden Änderung veranlasst gesehen. Eine letzte Änderung des Abs. 1 Satz 2 erfolgte anlässlich des Gesetzes zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren vom 21.12.2015 (BGBl. I S. 2525), wobei es sich hierbei nur um Folgeänderungen handelte, da der ursprüngliche § 406g zu § 406h und Abs. 1 Satz 4 aufgehoben wurde.

1.

2.

3. 4.

Übersicht Ladung zur Hauptverhandlung a) Begriff, Inhalt und Form der Ladung | 1 b) Ladungsadressat | 3 c) Sondervorschriften | 4 Anordnung der Ladung a) Verfügung des Vorsitzenden | 5 b) Form der Ladungsanordnung | 8 Ladung zu verschiedenen Zeitpunkten | 10 Ausführung der Ladung | 11

5.

6. 7.

8.

Vorführung aus der Haft a) Anordnung der Vorführung | 12 b) Gewährung von Ausgang | 14 c) Durchführung | 15 Unmittelbare Ladung durch die Staatsanwaltschaft | 16 Beibringen der Beweisgegenstände a) Staatsanwaltschaft | 18 b) Gericht | 24 Rechtsbehelfe a) Beschwerde | 26 b) Revision | 28

1. Ladung zur Hauptverhandlung 1

a) Begriff, Inhalt und Form der Ladung. Die Ladung zur Hauptverhandlung ist die Aufforderung einer bestimmten Person, zu der nach Ort (Stadt, Straße, Gebäude und Zimmernummer) und Zeit (Datum, Uhrzeit) genau bezeichneten Verhandlung zu erscheinen. Das Gericht und die Sache, die verhandelt wird, müssen ersichtlich sein, ferner

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1 Vgl. zu den Änderungen der Vorschriften im Bereich der Nebenklage durch das zweite Opferrechtsreformgesetz vom 29.7.2009 (BGBl. I, S. 2280) Barton JA 2009 753 ff.; Baumhöfener StraFo 2012 2 ff.; Bittmann ZRP 2009 112; ders. JuS 2010 221 f.; Bung StV 2009 430 ff.; Celebi ZRP 2009 110 ff.; Hilger GA 2009 657 ff.; Schiemann KritV 2012 161 ff.; K. Schroth NJW 2009 2916 ff.

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die Eigenschaft, in der die geladene Person an der Verhandlung teilnehmen soll. Geht aus der Ladung nicht hervor, in welcher Sache verhandelt werden soll und bleibt der Betroffene im Hauptverhandlungstermin aus, so dürfen ihm daraus angesichts der Verletzung seines rechtlichen Gehörs keine Nachteile erwachsen. So hat etwa das OLG Hamburg der Beschwerde in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren stattgegeben, weil das Ausgangsgericht in der Ladung nicht mitgeteilt hatte, dass in der Hauptverhandlung, in der der Betroffene ausblieb, drei Ordnungswidrigkeitenverfahren und nicht nur ein Verfahren verhandelt werden.2 Wer zu laden ist und ob der Ladung sonstige Belehrungen oder Hinweise beizufügen sind, beurteilt sich nicht nach § 214, sondern nach den jeweiligen Vorschriften für die einzelnen Verfahrensbeteiligten (z.B. §§ 48, 77, 216, 218, 232, 323, 398 Abs. 2, 439, 444; § 50 Abs. 2 JGG). Eine Ladung ist nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen zulässig. Die öffentlich-rechtliche Pflicht, vor Gericht zu erscheinen, besteht nur für die vom Gesetzgeber festgelegten Zwecke, nicht aber für eine dort nicht vorgesehene Verfahrensrolle.3 Die Mitteilung des Hauptverhandlungstermins (vgl. etwa §§ 149, 397 Abs. 2 Satz 3, 406h Abs. 2 Satz 2, 429; §§ 50 Abs. 3, 67 Abs. 2, 109 Abs. 1 Satz 1 JGG; § 76 Abs. 1 Satz 3 OWiG; § 407 Abs. 1 Satz 3 AO) unterscheidet sich von der Ladung dadurch, dass sie nur Ort und Zeit der Hauptverhandlung zur Kenntnis gibt, aber keine Aufforderung enthält, vor Gericht zu erscheinen. Auch ist dem Verletzten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, auf Antrag Ort und Zeit der Hauptverhandlung in einer ihm verständlichen Sprache mitzuteilen; § 406d Abs. 1 Satz 2. Die jeweils erforderlichen Mitteilungen ordnet der Vorsitzende zweckmäßigerweise gleichzeitig mit der Ladung an. Wenn Sondervorschriften, wie etwa § 216, nicht anderes vorschreiben, ist die La- 2 dung an keine bestimmte Form gebunden.4 Sie kann auch mündlich oder fernmündlich ergehen, in der Regel wird aber Schriftform angezeigt sein.5 Das Wort Ladung braucht nicht verwendet zu werden. Für die geladene Person muss jedoch unmissverständlich zu erkennen sein, dass, wann und wo sie vor Gericht erscheinen muss. Die Ladung ist grundsätzlich in deutscher Sprache abzufassen (§ 184 GVG).6 Bei Ausländern, die die deutsche Sprache nicht zureichend beherrschen, ist eine Übersetzung beizufügen (Nr. 181 RiStBV); dies ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Ladung7. Ob eine Ladung noch „ordnungsgemäß“ im Sinne der jeweiligen Regelung ist und wie sich eine unzulängliche Ladung auf den Verfahrensgang auswirkt, beurteilt sich nach den jeweiligen Vorschriften. b) Ladungsadressat ist grundsätzlich die zu ladende Person. Nur bei „prozessunfä- 3 higen“ Zeugen ist ihre Ladung an den gesetzlichen Vertreter zu richten. Für die Ladung von Kindern und Jugendlichen (über 14 Jahre) fehlt eine besondere gesetzliche Regelung. Für die Ladung als Angeklagter gilt § 216 (vgl. dort Rn. 1). Die Ladung als Zeuge ist bei Kindern an den gesetzlichen Vertreter zu adressieren, der dabei, auch wenn eine Sanktionsbewehrung fehlt, aufzufordern ist, für das Erscheinen des Kindes zu sorgen;8 zweck-

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2 OLG Hamburg NStZ-RR 1998 183; vgl. dazu auch Rn. 27. 3 Strittig; Koffka ZStW 81 (1969) 960; Rogall NJW 1978 2536; SK/Deiters 3; a.A. Montenbruck ZStW 89 (1977) 878. 4 BGH bei Miebach NStZ 1990 226; dazu Julius StV 1990 484; KK/Gmel 9; SK/Deiters 9; vgl. bei § 48. 5 Nach Nr. 117 Abs. 1 RiStBV sollen die Ladungen zur Hauptverhandlung zugestellt werden, damit sie nachweisbar sind. Vgl. dazu auch HK-GS/Schulz 1. 6 BGH NJW 1984 2050; BayObLG NStZ 1996 248; Haller/Conzen 346. 7 OLG Hamm JMBlNW 1981 166; OLG Köln NStZ-RR 2015 317. 8 OLG Hamm NJW 1965 1613; Eisenberg (Beweisrecht) 1059; Schellenberg 19; Schweckendieck NStZ 1990 171; Scupin MDR 1965 866; Meier JZ 1991 638; KK/Gmel 3; KMR/Neubeck § 48, 8; vgl. bei § 48.

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mäßigerweise wird hierbei auch auf den Anspruch auf Entschädigung als Begleitperson nach § 7 Abs. 1 Satz 2 JVEG hingewiesen. Strittig ist, ob die Ladung jugendlicher Zeugen über 14 Jahre an ihren gesetzlichen Vertreter oder aber an sie persönlich zu richten ist, weil sie in der Regel verfahrensfähig und daher in der Lage sind, die Bedeutung der Zeugenaussage zu erkennen und der Ladung zu folgen.9 Ist dies nicht der Fall, sind sie über den gesetzlichen Vertreter zu laden.10 Wenn die „Ladungsreife“ nicht sicher feststellbar ist, kann es sich aus praktischen Gründen empfehlen, die Ladung sowohl an den Jugendlichen persönlich als auch an den gesetzlichen Vertreter zu richten. Wegen der Einzelheiten vgl. bei § 48; wegen der Rechtsfolgen bei § 51.11 Der gesetzliche Vertreter muss auch selbst geladen werden, wenn der minderjährige Zeuge seine Einwilligung zur Aussage nach § 52 Abs. 2 benötigt.12 Strittig ist, ob davon abgesehen werden darf, wenn seine Zustimmung zur Aussage endgültig feststeht.13 4

c) Sondervorschriften können die Ladung zur Hauptverhandlung für bestimmte Personengruppen ausschließen oder an bestimmte Voraussetzungen oder an die Einhaltung eines bestimmten Ladungswegs binden. Beispiele: Bundespräsident (§ 49), Mitglieder der Bundes- und der Landesregierungen und der Gesetzgebungsorgane (§ 50), Diplomaten und andere exterritoriale Personen (§§ 18 bis 20 GVG). 14 Die Ladung der Angehörigen der Bundeswehr ist durch besondere Verwaltungsvorschriften geregelt, für die Mitglieder der in der Bundesrepublik stationierten ausländischen Streitkräfte und ihre Angehörigen sehen NATO-Truppenstatut und das Zusatzabkommen (Art. 37 NTS-ZA) einen besonderen Ladungsweg vor.15 Besonderheiten gelten auch für die Ladung von Seeleuten und Binnenschiffern.16 Bei Ladungen im Ausland sind die dafür jeweils vorgeschriebenen Formen und Ladungswege, die zum Teil auch nebeneinander zulässig sind, zu beachten, ferner etwaige Besonderheiten, die sich aus den internationalen Vereinbarungen ergeben.17 Bei Zeugen, die nach Art. 7 ff. EURhÜbk geladen werden, ist ein Hinweis auf das freie Geleit nach Art. 12 EURhÜbk zweckdienlich und mitunter unerlässlich.18 2. Anordnung der Ladung

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a) Verfügung des Vorsitzenden. Der Vorsitzende des erkennenden Gerichts ordnet, wie Absatz 1 Satz 1 klarstellt, die Ladungen der Personen (Angeklagter, Verteidiger, gesetzlicher Vertreter, Zeugen, Sachverständige, Nebenklagevertreter, sonstige Verfahrensbeteiligte usw.) an und verfügt, wem der Termin der Hauptverhandlung außerdem

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9 Für letztgenannte Auffassung KK/Gmel 3; Schweckendieck NStZ 1990 170 (§ 171 Satz 1 ZPO nicht entsprechend anwendbar); a.A. SK/Deiters 19 (Ladung von Jugendlichem und Erziehungsberechtigtem bzw. Vertreter, § 50 Abs. 2 Satz 1 JGG; dort geht es aber nicht um den jugendlichen Zeugen, sondern um den jugendlichen Angeklagten); vgl. ferner OLG Frankfurt NStZ-RR 2005 268, demzufolge Zeugen, die mindestens 14 Jahre alt sind, unmittelbar geladen werden können. 10 Meyer-Goßner/Schmitt § 48, 7; Scupin MDR 1965 866. 11 Vgl. auch Eisenberg (Beweisrecht) 1056 ff. 12 Etwa KK/Gmel 3; Meyer-Goßner/Schmitt 3. 13 Vgl. bei § 52. 14 Dazu RiStBV Nr. 196 ff. 15 Schwenk NJW 1963 1425; Marenbach NJW 1974 1071. 16 Vgl. die Erl. bei § 48. 17 Vgl. die RiVASt. 18 BGH GA 1981 264; 1982 374; zur Ladung von Zeugen im Ausland vgl. Schnigula DRiZ 1984 180; Rose wistra 1998 11; ferner bei § 251.

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mitzuteilen ist. Früher war in § 214 Abs. 1 Satz 2 und 3 selbst geregelt, in welchen Fällen Nebenklagebefugte von Hauptverhandlungsterminen zu benachrichtigen sind. Dies ist mit dem Zweiten Opferrechtsreformgesetz vom 29.7.2009 geändert worden, indem die Benachrichtigungspflicht in § 406g Abs. 1 Satz 4 a.F. verankert wurde. Dies erschien sachgerecht, weil § 406g a.F. auch die übrigen Rechte der Nebenklagebefugten regelte. Zudem wurde dadurch auch ein systematischer Zusammenhang mit der Regelung der Ladung des Nebenklägers in § 397 Abs. 1 Satz 2 hergestellt. § 214 Abs. 1 wurde damit wesentlich vereinfacht. Diese Vereinfachung des § 214 Abs. 1 führt daher dazu, dass die einschlägigen Mitteilungspflichten im Zusammenhang mit den Regelungen der Nebenklage zu finden sind. Durch das Gesetz zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren vom 21.12.2015 (BGBl. I S. 2525) wurde der bisherige § 406g zu § 406h und Abs. 1 Satz 4 aufgehoben. Dementsprechend wurden die Verweise in § 214 Abs. 1 Satz 2 neu gefasst, sodass nunmehr auf die neuen Regelungen der § 406d Abs. 1 und § 406 Abs. 2 Satz 2 Bezug genommen wird. Jedoch ist mit dieser Gesetzesänderung eine Ladungspflicht des Nebenklägers selbst (§ 406g Abs. 1 Satz 4 a.F.) entfallen. Durch die Neuverweisung in § 214 Abs. 1 Satz 2 sind nur noch dem Rechtsanwalt des Nebenklägers (§ 397 Abs. 3 Satz 2) bzw. des Nebenklagebefugten (§ 406h Abs.2 Satz 2) und dem Verletzten, soweit er dies beantragt hat (§ 406d Abs. 1), der Termin der Hauptverhandlung mitzuteilen. Dies dürfte darauf beruhen, dass dem Gesetzgeber bei der Neuanordnung der §§ 406 ff. ein redaktioneller Fehler unterlaufen ist. Denn da der Verletzte und der Nebenkläger nicht zwangsläufig zusammenfallen, könnte bei einem Nebenklagebefugten nach § 395 Abs. 2 die Benachrichtigung unterbleiben, weil das Gesetz die dort genannten Personen – wie der Wortlaut des § 395 Abs. 2 im Gegensatz zu § 395 Abs. 1 zeigt – nicht als Verletzte betrachtet. Dass eine Benachrichtigung dieser Personen unterbleibt, war jedoch vom Gesetzgeber, wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt, ersichtlich nicht gewollt.19 Für die Praxis ist jedoch eine Ladung der Nebenklagebefugten – gerade weil es sich um ein redaktionelles Versehen handeln dürfte – in jedem Fall anzuraten.20 Der Vorsitzende entscheidet im Übrigen nach pflichtgemäßem Ermessen, welche Beweispersonen für die Hauptverhandlung benötigt werden. Er ist nicht daran gebunden, ob sie von der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift als Beweismittel bezeichnet wurden (§ 200 Abs. 1) oder ob der Angeklagte die Ladung beantragt hat (§ 219). Er kann von der Ladung vorgeschlagener Zeugen absehen, wenn er sie für entbehrlich hält, wobei er allerdings das Recht des Angeklagten auf Ladung von Entlastungszeugen nach Maßgabe von Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK, Art. 14 Abs. 3 lit. e IPBPR21 zu berücksichtigen hat. Er kann vor allem nicht benannte Beweispersonen laden lassen. Die Anordnung der Ladung ist Aufgabe des Vorsitzenden, nicht des Gerichts. Bei 6 Verhinderung obliegt dies seinem nach § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG bestellten Vertreter. Ordnet ein anderes Mitglied des Gerichts die Ladung an, ist dies in entsprechender Anwendung des § 177 Abs. 1 BGB durch eine ausdrückliche oder konkludente Genehmigung des Vorsitzenden heilbar.22 Diese Aufgabenzuweisung schließt bei Kollegialgerichten nicht aus, dass der Vorsitzende diese für den Prozessverlauf mitunter entscheidenden Fragen vor Erlass seiner Verfügung mit den anderen Mitgliedern des Kollegiums bespricht. Wel-

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19 Vgl. BTDrucks. 56 15, S. 11, wo ersichtlich von einer Inhaltsgleichheit der jetztigen Regelungen mit der früheren Norm des § 406g Abs. 1 Satz 4 a.F. ausgegangen wird. SSW/Grube 2 bejaht dagegen ohne Problematisierung weiterhin das Ladungserfordernis des Nebenklagebefugten unter Verweis auf § 397 Abs. 1; damit wird aber übersehen, dass § 214 Abs. 1 Satz auf diese Vorschrift nicht rekurriert. 20 A.A. KK/Gmel 4a, der den Nebenklagebefugten überhaupt nicht mehr erwähnt. 21 Zur (begrenzten) Tragweite dieses Anspruchs vgl. LR/Esser26 Art. 6, 801 ff. EMRK. 22 KMR/Eschelbach 12; SK/Deiters 4.

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che Beweismittel benötigt werden, entscheidet in der Hauptverhandlung letztlich das Gericht. Die dem Vorsitzenden zur Vorbereitung des Verfahrens übertragene Entscheidung nach § 214 ist nur vorläufiger Art, sie präjudiziert das erkennende Gericht in der Hauptverhandlung nicht. Aus diesem Verhältnis folgt, dass der Grundsatz von der eigenen Entscheidungsbefugnis des Vorsitzenden dort eine Ausnahme erfährt, wo das Gericht die Hauptverhandlung ausgesetzt oder unterbrochen hat, weil es die Anhörung einer bestimmten Beweisperson für erforderlich hielt. In diesen Fällen ist der Vorsitzende bei der Vorbereitung der erneuerten Hauptverhandlung verpflichtet, die vom Gericht bezeichneten Beweispersonen laden zu lassen. Beim Amtsgericht führt die Ladung durch einen nach den Geschäftsverteilungsplan unzuständigen Richter nicht zur Unwirksamkeit (vgl. § 22d GVG).23 Trotz des veränderten Wortlauts des § 214 dürfte es weiterhin zulässig sein, zur neu7 en Hauptverhandlung durch einen Beschluss des Gerichts zu laden, der in Gegenwart der zu ladenden Personen in der alten Hauptverhandlung verkündet wird.24 Andernfalls erfordert ein solcher Beschluss zu seiner Umsetzung eine förmliche Ladung. 8

b) Eine besondere Form der Ladungsanordnung schreibt Absatz 1 nicht vor. In der Regel wird der Vorsitzende zugleich mit der Terminsbestimmung nach § 213 in den Akten schriftlich verfügen, welche Personen zu welchem Zeitpunkt (s. Rn. 10) zu laden sind. Dabei kann, sofern dies nicht zu Unklarheiten führt, auf die in der Anklageschrift aufgeführten Beweispersonen Bezug genommen werden. Die Verfügung muss für die ausführende Geschäftsstelle die zu ladenden Personen eindeutig bezeichnen. In der Verfügung ist anzugeben, wenn eine Ladung mit besonderen Hinweisen oder Belehrungen (z.B. nach §§ 216, 232 Abs. 1) zu verbinden ist oder wenn die Ladung in einer vom Gesetz nicht vorgeschriebenen besonderen Form durchgeführt werden soll oder wenn die Androhung von Zwangsmitteln zu unterbleiben hat. Erfordert die Ladung die Beachtung besonderer Formen, wie etwa ein besonderes Schreiben des Vorsitzenden (bei der Ladung von exterritorialen Personen oder im Ausland),25 so kann die Ausführung der Ladung nicht allein der Geschäftsstelle überlassen werden. Dies ist in der Verfügung nötigenfalls klarzustellen. Verfügt der Vorsitzende – was besonders in Eilfällen vorkommen kann – die Ladung mündlich, so ist dies wegen der besonderen Bedeutung der Anordnung (s. Rn. 11) aktenkundig zu machen. Rechtlich unerheblich ist, ob alle Ladungsanordnungen in einer einzigen Verfügung zusammengefasst werden oder ob mehrere zeitlich aufeinanderfolgende Verfügungen ergehen. Der besseren Übersichtlichkeit wegen und auch zur Verringerung des Aktenumlaufs empfiehlt es sich jedoch, alle Ladungsanordnungen möglichst in einer Verfügung zusammenzufassen. Auch wenn man vom Sonderfall des § 219 absieht, sind nachträgliche Anordnungen nicht immer vermeidbar. Mitunter ist es notwendig, die bereits angeordnete Ladung einer Person hinsichtlich der angeordneten Modalitäten zu ändern oder sie auch ganz aufzuheben. Bei nachträglicher Ladung oder Abladung einer Beweisperson darf die Benachrichtigungspflicht nach § 224 Abs. 1 nicht übersehen werden.

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c) Ohne Anordnung des Vorsitzenden löst eine allein von der Geschäftsstelle bewirkte Ladung nicht die Rechtsfolgen aus, die die Strafprozessordnung an die Ladung knüpft (etwa §§ 51, 77, 230 Abs. 2, 232, 329, 412). Der Anspruch des Zeugen oder Sachver-

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23 24 25

Vgl. SK/Deiters 4. RGSt 35 233; OLG Hamm NJW 1957 1330; vgl. bei § 48. Vgl. Nr. 197 RiStBV; ferner die RiVASt. KMR/Eschelbach 30; ferner §§ 18 ff. GVG.

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ständigen auf Entschädigung (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 JVEG) besteht aber auch bei einer solchen Ladung.26 3. Ladung zu verschiedenen Zeitpunkten. Absatz 2 ermöglicht dem Vorsitzenden, 10 die Verhandlung wirksam vorzubereiten. Die verständnisvolle Handhabung dieser Vorschrift durch eine realistische Terminplanung fördert nicht nur den äußeren Ablauf der Verhandlung sondern auch die Wahrheitsfindung; denn ein Zeuge, der lange auf die Vernehmung warten muss, kann dadurch leicht ermüdet oder verärgert werden. Der Aufenthalt im Warteraum kann ihn auch Einflüssen aussetzen, die das Gericht nur schwer nachprüfen kann. Ob der Vorsitzende bei einem Sachverständigen von der Möglichkeit des Absatzes 2 Gebrauch machen darf, wird davon abhängen, in welchem Umfang ihm seine Anwesenheit während der sonstigen Beweisaufnahme tatsächliche Grundlagen für sein Gutachten vermitteln kann. Bei psychiatrischen und psychologischen Sachverständigen wird es oft zweckmäßig, wenn nicht gar erforderlich sein, dass sie bereits der Vernehmung derjenigen Personen beiwohnen, über die sie sich gutachtlich äußern sollen. Mehrere Zeugen und Sachverständige können zu verschiedenen Zeiten geladen werden. Zulässig ist auch die Anordnung, mehrere Zeugen oder Sachverständige auf verschiedene Tage zu laden.27 In geeigneten Fällen ist auch eine Ladung auf Abruf (Nr. 116 Abs. 4 RiStBV) möglich. Verschiebt sich der Zeitplan, kann die Umladung der Beweispersonen notwendig werden; Staatsanwaltschaft und Angeklagter sind hiervon zu verständigen, damit sie sich bei Vorbereitung der Prozessführung darauf einstellen können.28 4. Die Ausführung der vom Vorsitzenden angeordneten Ladung obliegt der Ge- 11 schäftsstelle des Gerichts. Sie hat dafür zu sorgen, dass die Ladungen in der gesetzlich vorgeschriebenen oder im Einzelfall vom Vorsitzenden angeordneten Form mit allen erforderlichen Hinweisen (Rn. 8) bewirkt werden. Dabei hat sie in eigener Verantwortung alles zu veranlassen, was für die ordnungsgemäße Durchführung der Ladung einschließlich der Kontrolle der Ausführung – wichtig bei Einschaltung besonderer Ladungskanzleien – erforderlich ist. Dazu gehört, dass die Ladungen so zeitig hinausgehen, dass etwaige Ladungsfristen mit Sicherheit gewahrt werden und die zu ladende Person sich auf den Termin einrichten kann. Zur Förderung der reibungslosen Abwicklung der Hauptverhandlung kann es zweckmäßig sein, der Ladung Informationen über Verkehrsverbindungen, Parkmöglichkeiten usw. beizufügen, um vor allem auswärts anreisenden Personen die Erfüllung ihrer Erscheinungspflicht zu erleichtern.29 Ist eine Ladung nicht ausführbar oder werden Umstände ersichtlich, welche das Erscheinen der geladenen Person in der Hauptversammlung bezweifeln lassen (Verhaftung in anderer Sache, Krankenhausaufenthalt, Niederlegung der Ladung bei der Post usw.), so ist der Vorsitzende unverzüglich von der Geschäftsstelle zu benachrichtigen, nicht etwa erst unmittelbar vor dem Termin der Hauptverhandlung. Die Pflicht, die geladenen Beweispersonen dem Angeklagten und der Staatsanwaltschaft namhaft zu machen, ist in § 222 besonders geregelt. Für eine selbstständige Ausführung der Ladung durch die Geschäftsstelle ist dort kein Raum, wo der Vorsitzende selbst tätig werden muss (vgl. Rn. 8), wie etwa bei Ladung einer Person mit diplomatischem Sonderstatus.30

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26 Meyer-Goßner/Schmitt 7; SK/Deiters 4. 27 RG GA 73 (1929) 290; OLG Hamburg GA 1983 419; zu den Vor- und Nachteilen zeitversetzter Ladungen Schellenberg 11. 28 Dazu Odenthal NStZ 1988 540; ferner § 222, 16. 29 Wulf DRiZ 1981 377. 30 H.M.; vgl. Meyer-Goßner/Schmitt 5; SK/Deiters 11.

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5. Vorführung aus der Haft a) Anordnung der Vorführung. Bei einem im Zeitpunkt der Hauptverhandlung voraussichtlich nicht auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten (§ 35, 25) oder Zeugen ordnet der Vorsitzende zugleich mit der Ladung die Vorführung zum Termin an. Diese dem Vollzug der Ladung dienende Verfügung ersetzt nicht die Ladung, ist aber Teil des Ladungsvorgangs.31 Dass sie gleichzeitig mit der eigentlichen Ladung (Rn. 1) ergeht, ist nicht zwingend erforderlich, in der Regel aber angezeigt, schon weil andernfalls der Ladung eine Belehrung über die Folgen des Ausbleibens (vgl. etwa §§ 48, 216) beizufügen ist; zudem kann so eine etwaige Verschiebung an den Verhandlungsort ohne Zeitdruck in die Wege geleitet werden. Die Befugnis zur Anordnung der Vorführung folgt aus der dem Vorsitzenden mit 13 der Ladungspflicht übertragenen Aufgabe, für die Anwesenheit aller zur Hauptverhandlung benötigten Personen zu sorgen. Können diese der Ladung nicht von sich aus nachkommen, weil ihnen die Freiheit entzogen ist, muss der Vorsitzende durch ein entsprechendes Vorführungsersuchen die Vorführung in die Wege leiten. Anders als etwa bei § 230 Abs. 2 bewirkt seine Anordnung keinen Entzug der persönlichen Freiheit.32 Durch die Anordnung des Vorsitzenden wird der Vollzug der auf einer anderen Rechtsgrundlage beruhenden Freiheitsentziehung33 nur mit der bei Angeklagten und Zeugen durch die Ladung konkretisierten Staatsbürgerpflicht zur Teilnahme an der Verhandlung in Übereinstimmung gebracht.34 Bei Strafgefangenen erkennen die Strafvollzugsregelungen der Länder diese Befugnis an und tragen ihr durch eine korrespondierende Verpflichtung der Anstaltsleitung Rechnung. Auch für Untersuchungsgefangene sind auf Länderebene entsprechende Regelungen geschaffen worden (vgl. beispielhaft Art. 24 BayUVollzG, § 49 Abs. 5 ThürJVollzGB und § 48 Abs. 5 LJVollzG Rheinl.-Pfalz). Auch ohne diese Normen würde die Befugnis zur Vorführung schon aus dem Zweck der Untersuchungshaft folgen. Diese soll sichern, dass der Angeklagte vor Gericht gestellt werden kann; das schließt notwendig seine Vorführung zur Hauptverhandlung ein. Es wäre widersinnig, wollte man annehmen, dass der Angeklagte wegen dieses Zweckes zwar die Haft erdulden muss, sich aber der Vorführung zur Hauptverhandlung durch eine Weigerung so lange entziehen könnte, bis das Gericht nach seinem (unentschuldigten?) Ausbleiben eine Anordnung nach § 230 Abs. 2 erlassen hat.35 Die an sich an keine Form gebundene und keine Begründung erfordernde Anordnung, deren Adressat die ver-

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31 KK/Gmel, 7; Meyer-Goßner/Schmitt 8; Pfeiffer 5; a.A. SK/Deiters 12 sowie OLG Düsseldorf NJW 1981 2768 (bei einem als Zeuge geladenen Untersuchungsgefangenen unter Hinweis auf Art. 104 GG und die – jedoch nicht einschlägige – Unschuldsvermutung, Art. 6 Abs. 2 EMRK). 32 Diese Anordnung ist kein Vorführungsbefehl im Sinne etwa der §§ 48, 134, 230 Abs. 2 u.a., der gegen eine auf freiem Fuß befindliche Person ergeht, sondern eine Ergänzung des die Anwesenheitspflicht begründenden Hoheitsaktes der Ladung durch einen Vollzugsakt, der die Erfüllung dieser Pflicht bei einer bereits aus anderem Grunde amtlich verwahrten Person durch ein Überstellungsersuchen an eine andere Behörde im Wege der Amtshilfe sichert (vgl. OLG Koblenz NStZ 1989 93). 33 Bei Beendigung der Haft bietet die Vorführungsanordnung keine Rechtsgrundlage für ein weiteres Festhalten des Geladenen. 34 Ein Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit könnte deshalb allenfalls darin liegen, dass der Vollzug einer bereits bestehenden Freiheitsentziehung durch eine zusätzliche Belastung modifiziert wird. Dafür dürfte aber die durch die Ladung begründete Erscheinenspflicht eine ausreichende Rechtsgrundlage bieten. 35 Insoweit könnte auch auf die eigene Anordnungskompetenz des Vorsitzenden nach § 119 Abs. 6, § 126 Abs. 2 zurückgegriffen werden. Bei einem in anderer Sache in Haft befindlichen Zeugen bleibt insoweit nur das Vorführungsersuchen im Wege der Amtshilfe.

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wahrende Stelle ist, ergeht zweckmäßigerweise schriftlich. Über die Anordnung ist auch der Angeklagte zu unterrichten, da diese, ebenso wie die Belehrungen und Hinweise, zur Ladung gehört; eine Voraussetzung für deren Wirksamkeit ist sie aber nicht.36 b) Gewährung von Ausgang. Bei einer in Strafhaft befindlichen Person kann der 14 Vorsitzende in geeigneten Fällen statt der Anordnung der Vorführung nach § 36 Abs. 2 StVollzG auch die verwahrende Anstalt ersuchen, dem Häftling das Erscheinen zum Termin nach § 36 Abs. 1 StVollzG zu ermöglichen. Da die Beurlaubung oder Ausführung nach dieser Vorschrift aber nur mit Einwilligung des Inhaftierten zulässig ist, müssen der Ladung in solchen Fällen die gleichen Hinweise auf die Folgen des Fernbleibens beigefügt werden wie bei einer auf freiem Fuß befindlichen Person. Dies schließt nicht aus, dass der Vorsitzende die Vorführung anordnen kann, wenn die Vollzugsanstalt ihm von der Weigerung des Gefangenen oder sonstigen Hinderungsgründen für die Anwendung des § 36 Abs. 1 StVollzG Kenntnis gibt. c) Zur Durchführung der Vorführungsanordnung veranlasst die Geschäftsstelle 15 des Gerichts37 ihre Weiterleitung an die für die Vorführung zuständige Stelle (Vorführdienst, Polizei, Vollzugsanstalt). Obliegt einer anderen Stelle die Vorführung, ist auch der Leiter der Vollzugsanstalt von der Anordnung zu benachrichtigen. Die vorübergehende Überstellung eines im Ausland inhaftierten Zeugen ist nach § 68 IRG in Verbindung mit den entsprechenden internationalen Abkommen möglich. Sie ist von dem mit der Sache befassten Gericht zu veranlassen. Die Vorbereitung der Überstellung obliegt der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht.38 6. Unmittelbare Ladung durch die Staatsanwaltschaft. Unabhängig von der La- 16 dung der Beweispersonen durch das Gericht hat die Staatsanwaltschaft das Recht, weitere Personen selbst zur Hauptverhandlung zu laden (Absatz 3).39 Dies gilt sowohl für Beweispersonen, die sie in der Anklageschrift benannt hat, deren Ladung der Vorsitzende jedoch ablehnte, als auch für Zeugen und Sachverständige, deren Beiziehung sie nachträglich für erforderlich hält. Die Staatsanwaltschaft muss, wenn sie die Mitteilung der vom Gericht geladenen Beweispersonen (§ 222) erhält, prüfen, ob zusätzlich zu den vom Gericht geladenen Personen noch die Zuziehung weiterer Personen zur Sachaufklärung angezeigt ist. Da die von ihr geladenen Zeugen in der Hauptverhandlung in der Regel auf ihren Antrag unter den Voraussetzungen des § 245 Abs. 2 vernommen werden müssen, kann die Staatsanwaltschaft durch eine überlegte Ausübung ihres Ladungsrechts den Umfang der Beweisaufnahme und damit den entscheidenden Teil der Hauptverhandlung eigenverantwortlich mitgestalten. Die Berechtigung der Staatsanwaltschaft zur unmittelbaren Ladung von Zeugen im Ausland richtet sich danach, ob die ausländischen Stellen sie als ersuchende Behörde akzeptiert.40 Ausgeführt werden die von der Staatsanwaltschaft angeordneten Ladungen von ih- 17 rer eigenen Geschäftsstelle, nicht von der des Gerichts. Die Staatsanwaltschaft ist zur

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36 OLG Düsseldorf NJW 1981 2768. 37 Meyer-Goßner/Schmitt 9; KMR/Eschelbach 53. 38 § 69 Abs. 2, § 63 Abs. 2 IRG bzw. § 69 Abs. 3, § 62 Abs. 2 Satz 1 IRG. Eine Überstellung ist in Art. 11 EURhÜbk vorgesehen. 39 HbStrVf/Heghmanns VI.455. 40 Rose wistra 1998 16; HK/Julius/Reichling 8.

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Mitteilung nach § 222 Abs. 1 Satz 2 verpflichtet.41 Sie kann auch von sich aus die Vorführung eines nicht auf freien Fuß befindlichen Zeugen anordnen.42 § 161a ist insoweit nicht anwendbar. 7. Beibringen der Beweisgegenstände 18

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a) Die Staatsanwaltschaft hat nach Absatz 4 grundsätzlich die Gegenstände, die als Beweismittel dienen (dazu § 94, 3 ff.), zur Hauptverhandlung herbeizuschaffen. Dies gilt insbesondere für die Gegenstände, die die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift als Beweismittel benannt hat, die bei ihr asserviert sind, ferner alle sonstigen sachlichen Beweismittel, auch wenn sie erst im Wege der Amtshilfe von anderen amtlichen Stellen oder von privaten Besitzern beigebracht werden müssen. Dies gilt auch für Beweismittel, die das Gericht oder der Vorsitzende angefordert haben, wie etwa einen neuen Auszug aus dem Zentralregister. Sind die Beweismittel Bestandteil der Akten, weil sie sich in den Akten befinden, ihnen beigebunden sind oder weil sie trotz ihrer anderweitigen Aufbewahrung rechtlich zu den Akten gehören43 oder in der gleichen Sache schon bei Gericht asserviert sind,44 so gehen sie mit Vorlage der Akten (§ 199 Abs. 2 Satz 2) in die Verfügungsgewalt des Gerichts über. Die Staatsanwaltschaft hat damit ihrer Herbeischaffungspflicht genügt. Das Gericht muss dann selbst durch entsprechende Anordnungen dafür sorgen, dass ihm die betreffenden Beweismittel am Ort der Hauptverhandlung zur Verfügung stehen. Bei anderen im Gewahrsam des Gerichts befindlichen Beweismitteln, etwa den in einer anderen Sache beschlagnahmten Gegenständen (vgl. § 98 Abs. 3), sorgt, unabhängig davon, ob sie bereits als herbeigeschafft gelten,45 zweckmäßigerweise der Vorsitzende durch eine eigene Anordnung nach § 214 Abs. 4 Satz 2, § 221 dafür, dass sie zur Hauptverhandlung vorliegen. In Zweifelsfällen ist zwischen Vorsitzenden und Staatsanwaltschaft abzusprechen, welche Stelle Beweisgegenstände beibringt. Welche Anordnungen die Staatsanwaltschaft zu treffen hat, um zu bewirken, dass die Beweisgegenstände dem Gericht zu Beginn der Hauptverhandlung (§ 243 Abs. 1) vorliegen, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Gegenstände, welche ihrer Beschaffenheit nach nicht in den Gerichtssaal gebracht werden können, sind an geeigneter Stelle für das Gericht bereitzuhalten. Befinden sich die Beweismittel noch im Gewahrsam der Staatsanwaltschaft oder bei einer ihren Weisungen unterliegenden Stelle, so genügt eine entsprechende Weisung. Andere Behörden sind im Wege der Amtshilfe rechtzeitig um Übersendung der Beweismittel zu ersuchen. Im Ausland befindliche Gegenstände können im Wege der internationalen Rechtshilfe nach Maßgabe der bestehenden Vereinbarungen beigebracht werden, so etwa nach Art. 3 ff. EURhÜbk, oder Beweismittel aus dem Bereich der Stationierungsstreitkräfte nach Art. VII Abs. 6 Nato-Truppenstatut. Haben Privatpersonen die Gegenstände in Besitz, so sind sie in geeigneter Form darum zu ersuchen, die Gegenstände zur Hauptverhandlung zur Verfügung zu stellen. Für die rechtzeitige Abholung ist Sorge zu tragen, sofern sich die Privatpersonen nicht bereit erklären, die Gegenstände (z.B. Urkunden) zur Hauptverhandlung mitzubringen. Bei Weigerung ist die Beschlagnahme (§§ 95 ff.) zu veranlassen.

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41 SK/Deiters 19; Arnoldi NStZ 2018 305 (308). 42 AK/Keller 6; Meyer-Goßner/Schmitt 13; KMR/Eschelbach 50. 43 Vgl. die Erl. zu § 147 und zu § 199 (Spurenakten). 44 Meyer-Goßner/Schmitt 14; SK/Deiters 20. 45 Nach AK/Keller 6 sind die bei Gericht asservierten Gegenstände bereits herbeigeschafft. Dies dürfte aber nur für die in der gleichen Sache verwahrten Gegenstände gelten.

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Die Staatsanwaltschaft erlässt die erforderlichen Anordnungen im eigenen Namen, 23 selbst wenn sie insoweit eine richterliche Anordnung (§ 221) ausführt.46 b) Das Gericht kann nach Absatz 4 Satz 2 ebenfalls die Herbeischaffung von Be- 24 weisgegenständen anordnen. Diese Doppelzuständigkeit für die Herbeischaffung erleichtert die Vorbereitung der Hauptverhandlung.47 Die Bereitstellung der für die Sachaufklärung für erforderlich gehaltenen Beweismittel soll nicht durch eine starre Kompetenzverteilung zwischen Gericht und Staatsanwaltschaft beengt werden. Sie dient – vernünftig gehandhabt – der Prozessbeschleunigung und der Prozesswirtschaftlichkeit. Bei Gegenständen, die ohnehin vom Gericht verwahrt werden oder deren Beibringung das Gericht plötzlich für erforderlich hält, wäre es beispielsweise ein mit unnötigem Zeitverlust und vermeidbarem Verwaltungsaufwand verbundener Umweg, wenn das Gericht erst auf eine Anordnung der Staatsanwaltschaft hinwirken müsste. Umgekehrt gilt Gleiches. Absatz 4 Satz 2 versteht Gericht als Funktionseinheit im Gegensatz zur Staatsan- 25 waltschaft. Er regelt nicht, wer für das Gericht handelt. Diese Vorschrift darf nicht dahin ausgelegt werden, dass, weil nur Absatz 1 ausdrücklich den Vorsitzenden erwähnt, nicht dieser, sondern das Gericht als Spruchkörper die Anordnung nach Absatz 4 Satz 2 zu treffen habe. Wie § 221 und die Begründung des Regierungsentwurfs48 zeigen, ändert sich nichts daran, dass regelmäßig der Vorsitzende für das Gericht diese Anordnung erlässt.49 Im Übrigen wird auf die Erläuterungen zu § 221 verwiesen. 8. Rechtsbehelfe a) Beschwerde. Die Anordnung des Vorsitzenden, eine Beweisperson zu laden oder 26 entgegen einem Vorschlag nicht zu laden, ist nicht mit der Beschwerde (§ 304) anfechtbar.50 Dies folgt aus § 305 Satz 1 sowie aus der mangelnden prozessualen Beschwer bei einer Ablehnung, da § 214 Abs. 3, § 220 Abs. 1 dem Angeklagten und den ihm gleichgestellten Personen sowie der Staatsanwaltschaft bei Ablehnung das Recht einräumen, die Beweispersonen selbst zu laden. Im Übrigen können sie durch Ausübung ihres Beweisantragsrechts in der Hauptverhandlung auf die Zuziehung weiterer Beweispersonen hinwirken.51 Auch Zeugen und Sachverständige haben kein Beschwerderecht gegen ihre Ladung, die eine kraft Gesetzes bestehende Verpflichtung konkretisiert.52 Sie können Hinderungsgründe im Wege der §§ 51 Abs. 2, 72 geltend machen. Anfechtbar mit Beschwerde nach § 304 ist dagegen die Verfügung des Vorsitzenden, 27 mit der er über die Gewährung eines Reisekostenvorschusses an einen auswärts wohnenden, mittellosen Angeklagten entscheidet.53 Der Reisekostenvorschuss des Angeklagten richtet sich nach der VwV Reiseentschädigung. Bei den entsprechenden Anträgen eines Zeugen oder Sachverständigen ist die Beschwerde nach Maßgabe des § 4 JVEG gegeben.54

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46 RGSt 18 76 für Ladungen. 47 HK-GS/Schulz 4. 48 BTDrucks. 7 551, S. 79. 49 AK/Keller 7; KK/Gmel 5; SK/Deiters 23. 50 HK/Julius/Reichling 11; KK/Gmel 13; HK-GS/Schulz 5. 51 AK/Keller 8; Meyer-Goßner/Schmitt 15; KMR/Eschelbach 56. 52 OLG Hamm MDR 1978 690; OLG Köln NJW 1981 2480. 53 OLG Bremen NJW 1965 1617; OLG Düsseldorf MDR 1983 689; OLG Stuttgart NJW 1978 1120; HK/Julius/Reichling 11. 54 KK/Gmel 13; Meyer-Goßner/Schmitt Vor § 212, 4.

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Die Verfahrensbeschwerde gem. § 304 greift auch dann, wenn eine Terminsladung nicht erkennen lässt, in welcher Sache verhandelt werden soll.55 28

b) Die Revision kann auf eine unterlassene oder fehlerhafte Ladung oder Mitteilung allein nicht gestützt werden. Gerügt werden kann nur ihre Auswirkung, sofern der Ladungsfehler oder die zu Unrecht unterlassene Mitteilung die weitere Verfahrensgestaltung beeinflusst hat, vor allem, wenn durch die Abwesenheit der zu ladenden Person oder Stelle zwingendes Verfahrensrecht oder die Aufklärungspflicht verletzt worden ist, wie etwa wenn die Jugendgerichtshilfe nicht vom Termin benachrichtigt wurde.56 Ob eine wirksame Ladung vorlag, kann das Revisionsgericht im Freibeweis klären. Nichtaufklärbare Zweifel an einer wirksamen Ladung gehen zu Lasten des Ladenden.57

§ 215 Zustellung des Eröffnungsbeschlusses § 215 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung Jäger https://doi.org/10.1515/9783110274943-005

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Der Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist dem Angeklagten spätestens mit der Ladung zuzustellen. 2 Entsprechendes gilt in den Fällen des § 207 Abs. 3 für die nachgereichte Anklageschrift. Entstehungsgeschichte Art. 2 der 2. VereinfVO beseitigte mit dem Eröffnungsbeschluss auch den dadurch gegenstandslos gewordenen § 215. Art. 3 Nr. 98 VereinhG stellte den früheren Zustand wieder her. Satz 2 wurde durch Art. 7 Nr. 8 StPÄG 1964 angefügt. Art. 1 Nr. 69 des 1. StVRG hat dann in Satz 2 die gegenstandslos gewordene Erwähnung des § 208 Abs. 2 gestrichen. Bezeichnung bis 1924: § 214.

1. 2. 3. 4. 5.

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Übersicht Allgemeines | 1 Zustellung | 2 Zeitpunkt der Zustellung | 3 Nachgereichte Anklageschrift | 5 Folgen eines Verstoßes gegen § 215

a) b) c) d)

Wirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses | 6 Verzicht | 7 Aussetzung | 8 Revision | 9

1. Allgemeines. Die Zustellung des Eröffnungsbeschlusses und gegebenenfalls einer nachgereichten Anklageschrift (die eigentliche Anklage ist bereits nach § 201 Abs. 1 zugestellt) wird durch § 215 nur hinsichtlich des Endzeitpunktes („spätestens mit der Ladung“) geregelt. Wie die Zustellung auszuführen ist, bestimmt sich genauso nach den allgemeinen Vorschriften wie die Zustellung bzw. formlose Mitteilung des Eröffnungsbeschlusses und der nachgereichten Anklageschrift an die anderen Verfahrensbeteiligten. § 215 regelt nur die Zustellung des Eröffnungsbeschlusses an den Angeklagten. Die Benachrichtigung sonstiger Verfahrensbeteiligter ist in anderen Vorschriften geregelt. § 215 Satz 2 erstreckt die Regelung auf die nachgereichte Anklageschrift. Die in der Literatur gestellte Frage, ob es sinnvoll sein kann, in diesen Fällen den Eröffnungsbeschluss ge-

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OLG Hamburg NStZ-RR 1998 183; vgl. dazu auch Rn. 1. BGH MDR 1977 1029; weit. Nachw. bei § 244 und Vor § 226, 47. OLG Stuttgart NStZ 1989 91; vgl. bei §§ 230, 261, 329.

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meinsam mit der nachträglichen Anklage zuzustellen und damit ausnahmsweise mit der Zustellung des Eröffnungsbeschlusses zuzuwarten, bis die geänderte nachträgliche Anklageschrift vorliegt,1 ist klar zu verneinen. Aus der Bedeutung der Informationsfunktion des Eröffnungsbeschlusses ist die eindeutige Folgerung abzuleiten, dass letzterer möglichst frühzeitig zuzustellen ist. Daran können auch eventuell auftauchende Missverständnisse bei Divergenz zwischen Anklageschrift und Eröffnungsbeschluss nichts ändern.2 2. Zustellung i.S.d. § 215 ist stets die förmliche Zustellung (§ 35 Abs. 2 Satz 1, §§ 36 ff., 2 145a), auch wenn sie nicht gleichzeitig mit der Ladung vorgenommen wird. Sie ist vom Vorsitzenden anzuordnen (§ 36 Abs. 1 Satz 1) und von der Geschäftsstelle auszuführen (§ 36 Abs. 1 Satz 2). Die bloße Ladungsanordnung ersetzt die Anordnung der Zustellung des Eröffnungsbeschlusses nicht.3 Es kommt aber nicht auf den Wortlaut der Anordnung an, sondern darauf, dass für die Geschäftsstelle erkenntlich ist, dass auch der Eröffnungsbeschluss zugestellt werden soll. Zur Vermeidung jedes Zweifels sollte dies aber stets ausdrücklich angeordnet werden. 3. Zeitpunkt der Zustellung. Die Zustellung des Eröffnungsbeschlusses und der 3 nachgereichten Anklageschrift ist schon vor der Ladung zulässig. Die vorherige Zustellung ist insbesondere dann angezeigt, wenn die Terminsbestimmung nicht alsbald möglich ist. Es wird für zulässig erachtet, dem Angeklagten den Eröffnungsbeschluss erst zu- 4 sammen mit einer nachgereichten Anklage (§ 207 Abs. 3) zuzustellen.4 Es kann jedoch angezeigt sein, mit der Zustellung des Eröffnungsbeschlusses nicht bis zur Nachreichung der Anklageschrift zu warten. Sind mit dem Eröffnungsbeschluss Entscheidungen verbunden, die angefochten werden können (§ 210 Abs. 2), gebietet es die Prozessökonomie, den Eröffnungsbeschluss möglichst schnell hinauszugeben, um rasch Klarheit über den weiteren Gang des Verfahrens zu schaffen. Zwar ist nicht der Angeklagte, sondern allein die Staatsanwaltschaft oder der Nebenkläger beschwerdeberechtigt. Etwa bei einem zum Teil eröffnenden, zum Teil die Eröffnung ablehnenden Beschluss ist jedoch die Kenntnis des ganzen Beschlusses Voraussetzung für die sachgerechte Anhörung des Angeklagten im Beschwerdeverfahren. 4. Nachgereichte Anklageschrift. Die nachgereichte Anklageschrift, für die § 201 5 nicht gilt, kann ebenfalls schon vor der Ladung zugestellt werden. Entspricht die nachgereichte Anklageschrift nicht dem Eröffnungsbeschluss und kann dies nicht formlos dadurch bereinigt werden, dass die Staatsanwaltschaft auf Hinweis des Vorsitzenden in Befolgung ihrer gesetzlichen Pflicht (§ 207 Abs. 3 Satz 1) die Divergenz beseitigt, dann hat das Gericht, wenn es die Ansicht des Vorsitzenden teilt, die Zustellung der Anklage durch Beschluss abzulehnen, der in entsprechender Anwendung des § 210 Abs. 2 mit sofortiger Beschwerde angefochten werden kann.5 Der ablehnende Beschluss und die ihm zugrunde liegende (abgelehnte) Anklage sind dem Angeklagten mitzuteilen. Gegen die Ansicht, dass auch in diesem Fall die nachgereichte Anklage zuzustellen und nur in der Hauptverhandlung vom Vorsitzenden auf die bestehende Divergenz hinzuweisen

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Vgl. SK/Deiters 4. So im Ergebnis auch Deiters selbst, vgl. aaO. Meyer-Goßner/Schmitt 4; KMR/Eschelbach 6 f.; SK/Deiters 5; KK/Gmel 1. Eb. Schmidt Nachtr. I 2. SK/Deiters 8.

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ist,6 spricht, dass sie den schnelleren Fortgang des Verfahrens damit erkauft, dass die Hauptverhandlung von Beginn an mit Unklarheiten über die zu verhandelnden Anschuldigungen belastet wird. Etwas anderes gilt, wenn der Eröffnungsbeschluss mit oder (gesetzwidrig) ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Verfolgung auf einzelne abtrennbare Teile einer Tat beschränkt hatte (§ 207 Abs. 2 Nr. 2) und diese von der Staatsanwaltschaft erneut in die Anklageschrift aufgenommen worden sind. Da das Gericht diese Teile auf Antrag der Staatsanwaltschaft wieder einbeziehen muss (§ 154a Abs. 3 Satz 2), darf es in diesem Fall die Zustellung der nachträglichen Anklageschrift nicht verweigern. Es muss diese zustellen und den Eröffnungsbeschluss nach Anhörung des Angeklagten unter Umständen ergänzen. 5. Folgen eines Verstoßes gegen § 215 6

a) Wirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses. Der Eröffnungsbeschluss ist – auch wenn er sich jetzt auf die Zulassung der Anklage beschränkt – weiterhin die Grundlage der Hauptverhandlung und der vom Gericht zu treffenden Entscheidung. Sein wirksamer Erlass,7 nicht aber seine ordnungsgemäße Zustellung an den Angeklagten, ist eine Verfahrensvoraussetzung,8 sodass die im Widerspruch zu § 215 unterbliebene Zustellung kein Verfahrenshindernis zur Folge hat.

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b) Verzicht. Der Angeklagte kann auf die Zustellung wirksam verzichten.9 Ein solcher Verzicht braucht nicht ausdrücklich erklärt zu werden. Es hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, ob er schon darin gesehen werden kann, dass der im Eröffnungsbeschluss zugelassene Anklagesatz in der Hauptverhandlung verlesen wird, ohne dass der Angeklagte die mangelnde Zustellung rügt und die Aussetzung beantragt.10 Bei einem unverteidigten Angeklagten, der seine Rechte nicht kennt, wird man dies nicht ohne Weiteres annehmen können.11 Die unterlassene Zustellung kann durch Bekanntgabe des Eröffnungsbeschlusses in der Hauptverhandlung geheilt werden.12

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c) Die Aussetzung nach § 228 Abs. 1, § 265 Abs. 4 kann der Angeklagte beantragen, sofern er ausnahmsweise (vgl. Rn. 10) durch die unterbliebene Zustellung in seiner Verteidigung beeinträchtigt worden ist.13 Wenn wegen der unterlassenen Zustellung noch eine Anfechtungsfrist läuft (§ 210 Abs. 2) und der anfechtungsberechtigte Verfahrens-

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6 KK/Gmel 3; KMR/Eschelbach 11. 7 Vgl. Einl. und bei § 207. 8 BGHSt 33 186; BGH bei Dallinger MDR 1975 197; OLG Karlsruhe MDR 1970 438; Meyer-Goßner/Schmitt 5; HbStrVf/Heghmanns VI.316; a.A. Oetker JW 1929 1044. 9 HK/Julius/Reichling 5; SK/Deiters 10; Schmid Verwirkung 183; HK-GS/Schulz 1; a.M. OLG Karlsruhe MDR 1970 438; Meyer-Goßner/Schmitt 6; h.M.; zum (nicht anzuerkennenden) Verzicht auf den Eröffnungsbeschluss selbst vgl. bei § 207. 10 So aber die vorherrschende Ansicht RG JW 1929 1044 mit Anm. Oetker; OLG Karlsruhe MDR 1970 438; Eb. Schmidt Nachtr. I 4; AK/Keller 2; KK/Gmel 2; Meyer-Goßner/Schmitt 6; KMR/Eschelbach 8 (nur bei Kenntnis der prozessualen Rechte). 11 Noch weitergehend hält Deiters es grundsätzlich für ausgeschlosssen, im Unterlassen der Stellung eines Aussetzungsantrages bei inhaltlicher Übereinstimmung von Anklage und Eröffnungsbeschluss einen Verzicht zu sehen, vgl. SK/Deiters 10. 12 BGH LM Nr. 1 zu § 215; OLG Karlsruhe MDR 1970 438; Meyer-Goßner/Schmitt 5; KK/Gmel 2; KMR/ Eschelbach 8; vgl. bei § 207; a.A. SK/Deiters 9 (keine Heilung, Fehlerbeseitigung nur bei Verzicht des Angeklagten auf Zustellung und auf Aussetzungsantrag). 13 KMR/Eschelbach 14.

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beteiligte nicht darauf verzichtet, ist ebenfalls auszusetzen. Einen unbedingten Aussetzungsanspruch, wie ihn etwa § 217 Abs. 2 gewährt, hat der Angeklagte nicht.14 d) Mit der Revision kann nach § 338 Nr. 8 gerügt werden, wenn das Gericht einen 9 Aussetzungsantrag zu Unrecht abgelehnt hat. Im Übrigen kann die Revision nicht mit Erfolg allein auf die unterbliebene Zustellung des Eröffnungsbeschlusses gestützt werden. Die Ablehnung des Aussetzungsantrags begründet jedoch dann keinen Rechtsfehler, wenn der nicht zugestellte Eröffnungsbeschluss mit der ordnungsgemäß zugestellten Anklage inhaltlich identisch ist.15 Nach vorherrschender Ansicht beruht das Urteil schon dann nicht auf der unterlassenen Zustellung, wenn der Angeklagte diesen Fehler nicht in der Hauptverhandlung gerügt und die Aussetzung beantragt hat.16 Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. Bei Vorliegen besonderer Umstände kann der Verfahrensfehler trotz unterbliebenen Aussetzungsantrags fortwirken und die Revision nach §§ 336, 337 begründen.17 Allerdings beruht das Urteil nicht auf der unterbliebenen oder unwirksamen Zustellung, wenn der Angeklagte dadurch in der Vorbereitung seiner Verteidigung gegen die ihm bereits bekannten Vorwürfe nicht behindert werden konnte, so etwa, wenn der Eröffnungsbeschluss dem Angeklagten nur formlos mitgeteilt wurde oder wenn der Eröffnungsbeschluss die dem Angeklagten zugestellte Anklage ohne Änderungen zugelassen hat oder wenn dem Angeklagten die erhobenen Beschuldigungen durch eine ihm zugestellte, nachgereichte Anklage bekannt waren.18 Wird die nachgereichte Anklageschrift nicht zugestellt, gelten grundsätzlich die 10 gleichen Gesichtspunkte. Ein Beruhen der Entscheidung auf dem Verfahrensfehler, wie er für § 338 Nr. 8 verlangt wird, ist auch hier trotz der Bedeutung der Anklageschrift (§ 243 Abs. 3) dann ausgeschlossen, wenn der Inhalt der zugelassenen Anklage vom Angeklagten bereits zweifelsfrei dem Eröffnungsbeschluss und der ursprünglichen Anklageschrift entnommen werden konnte und daher davon ausgegangen werden kann, dass dem Angeklagten die Tatvorwürfe ohnehin bereits bekannt waren.19

§ 216 Ladung des Angeklagten § 216 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung Jäger https://doi.org/10.1515/9783110274943-006

(1) 1 Die Ladung eines auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten geschieht schriftlich unter der Warnung, daß im Falle seines unentschuldigten Ausbleibens seine Verhaftung oder Vorführung erfolgen werde. 2 Die Warnung kann in den Fällen des § 232 unterbleiben.

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14 BGH LM Nr. 1; Schmid Verwirkung 184; Meyer-Goßner/Schmitt 8; SK/Deiters 11; a.A. RG JW 1921 1324. Auch Eb. Schmidt Nachtr. I § 203, 11 scheint ein Recht auf Aussetzung anzunehmen. 15 Wie hier Meyer-Goßner/Schmitt 8; a.A. SK/Deiters 12; Eb. Schmidt Nachtr. I zu § 203 Rn. 11. 16 RGSt 55 159; RG GA 46 (1898/99) 216; RG JW 1921 1324; 1929 1044; BGHSt 15 40; BGH LM Nr. 1; Schmid Verwirkung 184; KK/Gmel 4; KMR/Eschelbach 14; HKGS/Schulz 2. 17 Meyer-Goßner/Schmitt 8 m.w.N; KK/Gmel 4; BeckOK/Ritscher 8. 18 RG GA 46 (1898/99) 216; BGH LM Nr. 1; Eb. Schmidt Nachtr. I 4; KK/Gmel 4; KMR/Eschelbach 14; HK-GS/Schulz 2; a.A. für den Fall der Identität von Anklageschrift und Eröffnungsbeschluss SK/Deiters 10 und 12, der auf die Bedeutung der möglichst frühzeitigen Kenntnis der inhaltlichen Übereinstimmung hinweist. 19 So jetzt auch BGH BeckRS 2016 15074; ebenso BeckOK/Ritscher, 8.

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(2) 1 Der nicht auf freiem Fuß befindliche Angeklagte wird durch Bekanntmachung des Termins zur Hauptverhandlung gemäß § 35 geladen. 2 Dabei ist der Angeklagte zu befragen, ob und welche Anträge er zu seiner Verteidigung für die Hauptverhandlung zu stellen habe. RiStBV Nr. 117, 120 Bezeichnung bis 1924: § 215.

1. 2.

3.

Übersicht Allgemeines | 1 Ladung des in Freiheit befindlichen Angeklagten (Absatz 1) a) Schriftform | 4 b) Zustellung | 5 c) Warnung | 7 Ladung des behördlich verwahrten Angeklagten (Absatz 2) a) Bekanntgabe nach § 35 | 8 b) Zustellung | 9

4.

5. 6.

c) Befragung | 11 d) Warnung | 13 Mängel der Ladung a) Wirksamkeit | 14 b) Erscheinen trotz Ladungsfehler | 16 Verzicht | 17 Revision | 18

1. Allgemeines. § 216 regelt die Ladung des Angeklagten zur Hauptverhandlung; soll der Angeschuldigte im Zwischenverfahren zu einer Gegenüberstellung mit einem Zeugen geladen werden, so gilt nicht § 216, sondern § 133.1 Auch ein von der Verpflichtung zum Erscheinen entbundener Angeklagter (§ 233) ist zur Hauptverhandlung zu laden.2 Jugendliche Angeklagte sind – mangels Sondervorschriften – persönlich zu laden.3 Daneben sollen nach § 50 Abs. 2 JGG auch der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter geladen werden. Schon dem Wortlaut nach betrifft § 216 nur die Ladung zum Neubeginn einer 2 Hauptverhandlung. Er gilt auch, wenn die Hauptverhandlung nach einer Aussetzung neu begonnen wird. Einer neuen, förmlichen Ladung nach § 216 bedarf es dagegen nach der vorherrschenden Meinung nicht, wenn die Hauptverhandlung nach einer Unterbrechung fortgesetzt wird.4 Da die Ladungsfrist nicht mehr zu wahren ist, genügt es, wenn der Termin, an dem die Verhandlung fortgesetzt werden soll, in der Hauptverhandlung bekanntgegeben wird und zwar auch dann, wenn sich der Angeklagte eigenmächtig entfernt hat (§ 230 Abs. 2)5 oder wenn in dieser nach Ausbleiben des Angeklagten ein weiterer Fortsetzungstermin bestimmt wird.6 Wird der Fortsetzungstermin außerhalb der Hauptverhandlung anberaumt, genügt die formlose Mitteilung an den Angeklagten nach § 35 Abs. 2 Satz 2;7 es ist wegen des Nachweises zweckmäßig, aber nicht zwingend not1

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1 OLG Schleswig SchlHA 1958 290; KK/Gmel 1. 2 Vgl. § 233, 29; Haller/Conzen Rn. 348. 3 Schweckendieck NStZ 1990 171; vgl. § 214, 3. 4 BGHSt 38 271; BGH JZ 1957 673; NStZ 1988 422 mit insoweit zust. Anm. Meurer; OLG Karlsruhe JR 1985 31 mit Anm. Meyer; AK/Keller 1; KK/Gmel 9; Meyer-Goßner/Schmitt § 229, 12; SK/Deiters 2; HK-GS/Schulz 2; vgl. aber auch KMR/Eschelbach 2. 5 OLG Karlsruhe JR 1985 31 mit Anm. Meyer (zum Teil in Abkehr von OLG Karlsruhe Justiz 1981 934); AK/Keller 1; einschränkend SK/Deiters 2 (wenn Angeklagter anderweitig vom neuen Termin zuverlässig unterrichtet). 6 OLG Karlsruhe JR 1985 31 mit Anm. Meyer; KK/Gmel 9. 7 Etwa OLG Zweibrücken NStZ 1996 239; a.A. KMR/Eschelbach 2 (förmliche neue Ladung nach § 216, wenn Termin außerhalb der Hauptverhandlung bestimmt); Eb. Schmidt 4.

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wendig, dass dies schriftlich geschieht.8 Bei einer mündlichen (meist fernmündlichen) Ladung ist diese aktenkundig zu machen. Der Angeklagte kann bei Vorliegen einer entsprechenden Vollmacht nach § 145a auch fernmündlich über seinen Verteidiger geladen werden.9 Es kann allerdings angebracht sein, einen ausgebliebenen Angeklagten zu einem Fortsetzungstermin förmlich mit Warnung zu laden, wenn das Gericht nunmehr die für erforderlich gehaltene Anwesenheit notfalls zwangsweise sicherstellen will. Sondervorschriften über die Benachrichtigung des abwesenden Angeklagten ent- 3 halten die §§ 287, 288, für die Ladung des Privatbeklagten § 387 Abs. 3, für die Ladung einer juristischen Person oder einer Personenvereinigung § 444 Abs. 2 Satz 1, für die Ladung eines Mitglieds der Stationierungsstreitkräfte Art. 37 NTS-ZA. 2. Ladung des in Freiheit befindlichen Angeklagten (Absatz 1) a) Schriftform. Der auf freiem Fuß befindliche Angeklagte muss schriftlich und – 4 soweit nicht ein Ausnahmefall vorliegt – unter Beifügung der Warnung geladen werden. Die Schriftform soll dem Angeklagten ermöglichen, sich durch ein in seinem Besitz befindliches Schriftstück jederzeit über Ort und Zeit der Hauptverhandlung zu vergewissern. Sie ist nur gewahrt, wenn das Schriftstück, das diese Angaben enthält, dem Angeklagten ausgehändigt und belassen wird. Eine schriftliche Terminsbenachrichtigung, die der Angeklagte unterschrieben zurückreichen muss, genügt diesem Erfordernis nicht.10 Soweit eine Warnung notwendig ist, muss sie im Schriftstück enthalten sein. Auch bei einem der deutschen Sprache nicht mächtigen Ausländer ist die Ladung wirksam, wenn sie ihm entgegen Nr. 181 Abs. 2 RiStBV ohne Übersetzung zugestellt wurde. Die überwiegende Auffassung in Rspr. und Lit. steht auf dem Standpunkt, dass die Wirksamkeit einer Terminsladung von der fehlenden Übersetzung in eine dem Angeklagten verständliche Sprache nicht berührt wird.11 Das LG Heilbronn sowie eine Mindermeinung in der Lit. gehen demgegenüber davon aus, dass eine fehlende Übersetzung der Terminsladung deren Wirksamkeit entgegenstehe.12 Zur Begründung wird angeführt, dass die nicht übersetzte Ladung der Nichtladung gleichstehe. Jedoch ist dem entgegenzuhalten, dass die Wirksamkeit nicht von den Deutschkenntnissen des Angeklagten abhängen kann. Die fehlende Übersetzung betrifft den Ladungsempfänger anders als bei vollständig fehlender Ladung nicht absolut, sondern stets nur relativ zu seinen Sprachkenntnissen. Auch das Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte des Beschuldigten im Strafverfahren vom 2.7.2013 (BGBl. I S. 1938) hat an dieser Beurteilung nichts geändert. Der durch dieses Gesetz neu eingefügte § 187 Abs. 2 GVG erwähnt Ladungen gerade nicht und auch der

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8 Wie hier im Ergebnis auch BGHSt 38 272; KK/Gmel 9 unter Hinweis auf die ZPO; Meyer-Goßner/Schmitt § 229; SK/Deiters 2; a.A. BGH NStZ 1984 41 m. abl. Anm. Hilger; vgl. auch § 35, 17. 9 BGHSt 38 271; dazu BVerfG (Kammer) NStZ 1993 90 (Nichtvorlage an GS verstößt nicht gegen Art. 101 Abs. 1 GG); ferner KK/Gmel 9; SK/Deiters 2. 10 BayObLGSt 1962 99 = NJW 1962 1928; OLG Düsseldorf NStE Nr. 1; KMR/Eschelbach 9. 11 BayObLG NJW 1996 1836; OLG Hamm JMBlNW 1984 78; OLG Hamm JMBl NW 1984 78 und JMBl NW 1981 166, 167; BayObLG NStZ 1996 248, 249; OLG Saarbrücken NStZ-RR 2010 286; OLG Köln NStZ-RR 2015 317; MüKo/Arnoldi 6; Meyer-Goßner/Schmitt 1; SK/Frisch § 329, 15; KMR/Eschelbach § 214, 32; vgl. BVerfGE 64 155; HK/Julius/Reichling 9 f. und bei § 184 GVG. Zur Begründung der Rüge der Verletzung des Rechts auf Gehör und auf ein faires Verfahren, die dann möglicherweise gegeben sein kann, vgl. BayObLG aaO; vgl. aber allgemein zur Übersetzungspflicht im Hinblick auf die EGMR-Rechtsprechung BGH NJW 2001 311. 12 So LG Heilbronn StV 2011 406 (dieses nimmt auch OLG Bremen NStZ 2005 527 und OLG Dresden StV 2009 348 für seine Position in Anspruch; jedoch befassen sich beide Gerichte in den zitierten Entscheidungen nur mit der Haftfrage und nicht mit den Säuminisfolgen einer nur in in deutscher Sprache erfolgten Terminsladung); SK/Deiters § 214, 10; ohne nähere Begründung auch KK/Paul § 329, 3 und HK/Julius/Reichling 12.

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Gesetzesbegründung (BTDrucks. 17 12578) lässt sich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber im Falle einer fehlenden Übersetzung der Ladung von deren Unwirksamkeit ausgeht. Jedoch ist dem Betroffenen gegebenenfalls das Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.13 b) Zustellung. Die Verfügung, die die Ladung enthält, ist dem Angeklagten zum Nachweis der Ladungsfrist (§ 217) förmlich zuzustellen (§ 35 Abs. 2 Satz 1). Braucht diese Frist nicht beachtet zu werden (§ 217, 4 f.), genügt die formlose Übermittlung des die Ladung enthaltenden Schriftstücks (§ 35 Abs. 2 Satz 2).14 Für den behördlicherseits zu erbringenden Nachweis der ordnungsgemäßen schriftlichen Ladung empfiehlt sich jedoch auch in diesen Fällen die förmliche Zustellung.15 Die förmliche Zustellung der Ladung richtet sich nach § 37. Sie kann auch an einen 6 Zustellungsbevollmächtigten des Angeklagten bewirkt werden.16 Der Zustellungsbevollmächtigte tritt nämlich nach dem mit den §§ 116a, 127 wie auch § 132 verfolgten Zweck für die gesamte Dauer des Verfahrens für alle Zustellungen an die Stelle des Angeklagten. Die Zustellungsvollmacht kann daher weder durch Widerruf des Betroffenen noch durch einseitige Verzichtserklärung des Bevollmächtigten vor Abschluss des Verfahrens zum Erlöschen gebracht werden. Wer umfassende Zustellungsvollmacht erteilt hat, muss also dafür Sorge tragen, dass er durch den Zustellungsbevollmächtigten über den Verfahrensfortgang unterrichtet werden kann.17 Für die Zustellungsvollmacht des Verteidigers gilt § 145a Abs. 2.18 Eine Zustellung der Ladung an einen sonstigen Bevollmächtigten ist unwirksam.19 Eine Ersatzzustellung ist zulässig.20 Hat aber der durch eine Ersatzzustellung ordnungsgemäß geladene Angeklagte von dem Termin erst so spät erfahren, dass er seine Verteidigung nicht mehr ausreichend vorbereiten konnte, so kann er nach § 228 die Aussetzung beantragen.21 Für die Zustellung der Ladung im Ausland sind die jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen maßgebend, etwa Art. 7 Abs. 3 EURhÜbk. 5

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c) Die Warnung, für die ebenfalls die Schriftform gilt (Rn. 4), soll dem Angeklagten die möglichen Folgen eines unentschuldigten Fernbleibens vor Augen halten. Sie ist Voraussetzung für die Anwendung von Zwangsmitteln gem. § 230 Abs. 2 (§ 230, 20). Ist der im Inland lebende Angeklagte der deutschen Sprache nicht mächtig, so setzt der Erlass eines Haftbefehls voraus, dass die mit der Ladung verbundene Warnung in eine dem Ausländer verständliche Sprache übersetzt worden ist. Dass der Verteidiger des Angeklagten der Gerichtssprache mächtig ist, genügt nicht, da maßgeblich allein der Angeklagte ist.22 Sie ist entbehrlich, wenn das Gericht ohne den Angeklagten verhandeln

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13 Zutreffend OLG Köln NStZ-RR 2015 317 mit Verweis auf BVerfG StV 1995 394, das ebenfalls Wirksamkeit der Ladung angenommen und lediglich die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingeräumt hat. 14 BayObLGSt 1962 99 = NJW 1962 1928; OLG Zweibrücken NStZ 1996 239; KK/Gmel 3; KMR/Eschelbach 11; offen gelassen in OLG Karlsruhe MDR 1974 774. 15 OLG Karlsruhe MDR 1974 774; SK/Deiters 4. 16 RGSt 43 321; 66 79; OLG Düsseldorf StV 1990 536; KK/Gmel 4; SK/Deiters 3. 17 OLG Koblenz NStZ-RR 2004 373 ff. 18 OLG Köln 1993 402 (eng auszulegen); OLG Stuttgart NStZ-RR 2005 319; vgl. BGH NStZ 1996 97 und bei § 145a. 19 OLG Dresden StV 2006 8. 20 Meyer-Goßner/Schmitt 2; KMR/Eschelbach 12; vgl. auch den Sonderfall einer unwirksamen Zustellung OLG Köln StV 1992 457. 21 OLG Celle NJW 1961 1319; KK/Gmel 4; SK/Schlüchter 4; a.A. Koeniger 176 (Aussetzung nach § 217 Abs. 2). 22 OLG Bremen StV 2005 433; SK/Paeffgen Art. 6, 169 EMRK.

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kann und will. Im Falle des § 232 treten an die Stelle der Warnung die dort in Absatz 1 Satz 1 vorgesehenen Hinweise. Bei der Ladung zur Hauptverhandlung nach Einspruch gegen den Strafbefehl und bei der Ladung zur Verhandlung über die Berufung ersetzt der Hinweis auf die Folgen des Ausbleibens (§§ 329, 412) die Warnung (vgl. § 323 Abs. 1 Satz 2).23 Bei Ladung im Ausland hat die Androhung der Zwangsmittel zu unterbleiben.24 Denn weder kann der deutsche Staat im Ausland zu Zwangsmaßnahmen schreiten, noch sind diese in der Regel seitens des betroffenen Auslands im Rahmen internationaler Rechtshilfe vorgesehen.25 Jedoch ist eine dem § 216 genügende modifizierte Warnung i.S.d. Nr. 116 Abs. 1 Satz 2 RiVASt über die Folgen des Nichterscheinens des im Ausland auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten dann zulässig, wenn diese den eindeutigen einschränkenden Hinweis enthält, dass die Vollstreckung der angedrohten Zwangsmaßnahme ausschließlich im Geltungsbereich der StPO, also im Inland, erfolgt.26 Zur Begründung wird zu Recht angeführt, dass es sich bei einer „Warnung“ vor der drohenden Verhaftung in Deutschland in der Sache nicht um eine völkerrechtswidrige „Androhung“ eines Zwangsmittels, sondern um lediglich die gesetzlich vorgeschriebene Darstellung der deutschen Rechtslage zum Schutz des im Ausland aufhältigen Ladungsempfängers handele.27 Die Gegenansicht ist durch die inzwischen erfolgte Rechtsentwicklung in Europa überholt und mit den Grundgedanken des Schengener Übereinkommens vom 19.6.1990 nicht zu vereinbaren, das eine Vielzahl von Einschränkungen der Hoheitsrechte der Vertragsstaaten insbesondere auf dem Gebiet der Strafverfolgung vorsieht. Dieses verlangt allein für Zeugen und Sachverständige, die in einem anderen Vertragsstaat auf postalischem Wege vorgeladen werden, dass sie selbst dann nicht bestraft oder einer Zwangsmaßnahme unterworfen werden, wenn die Vorladung Zwangsandrohungen enthält (vgl. Art. 52 Abs. 3 SDÜ in der vom 26.3.1995 bis zum 1.2.2006 gültigen Fassung). Aus dieser weitgehend europarechtlichen Begründung hat der 1. Senat des KG28 abgeleitet, dass dass eine derartige Warnung jedenfalls nicht im Falle der Ladung eines Angeklagten zulässig sei, bei dem der durchgeführte Rechtshilfeverkehr vertragslos erfolgt (im konkreten Fall handelte es sich um einen dauerhaft in der Mongolei lebenden Angeklagten). Diese Einschränkung ist allerdings fraglich, weil das Argument einer jederzeit möglichen Aufklärung über die bestehende deutsche Rechtslage auch in einem solchen Fall Geltung beansprucht. Sofern die Ladung zum Hauptverhandlungstermin nicht den Hinweis enthält, dass die angedrohten Zwangsmaßnahmen nur auf deutschem Hoheitsgebiet vollstreckt werden können, ist die Anordnung der Haft gem. §§ 329 Abs. 4, 230 Abs. 2 unzulässig, da die Anordnung der Haft nach diesen Vorschriften eine ordnungsgemäße Ladung voraussetzt, die aber gerade nicht gegeben ist, wenn der Hinweis auf die fehlende Vollstreckbarkeit im Ausland fehlt.29 Ergibt sich aus dem Verhalten des Angeklagten jedoch, dass er sich dem deutschen Strafverfahren nicht stellen wird, kommt der Erlass eines Untersuchungshaftbefehls gem. § 112 in Betracht.30 Im Privatklageverfahren enthält die Warnung nur die Androhung der Vorführung (§ 387 Abs. 3).

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23 BayObLGSt 1962 7. 24 Vgl. RiVASt. Nr. 151 Abs. 4; vgl. nur OLG Frankfurt NStZ-RR 1999 18 ff.; OLG Brandenburg StV 2009 348; MüKo/Arnoldi 7. 25 OLG Karlsruhe StV 2015 346 m. Anm. Rinklin; OLG Frankfurt NStZ-RR 1999 18 ff. 26 OLG Karlsruhe StV 2015 346; KG (3. Senat) NStZ 2011 653; OLG Saarbrücken NStZ-RR 2010 49; OLG Rostock NStZ 2010 412; SSW/Grube 13. 27 OLG Rostock NStZ 2010 412. 28 KG StV 2014 204. 29 OLG Brandenburg NStZ 2015 235. 30 OLG Köln NStZ-RR 2006 22 f.

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3. Ladung des behördlich verwahrten Angeklagten (Absatz 2) 8

a) Bekanntgabe nach § 35. Einem nicht auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten (zur Tragweite dieses Begriffs vgl. § 35, 28) ist der Termin der Hauptverhandlung nach § 35 bekanntzugeben. Einem Untersuchungshaftgefangenen ist die schriftliche Ladung zur Hauptverhandlung deshalb in der Justizvollzugsanstalt förmlich zuzustellen, wobei es für die Frage einer ordnungsgemäßen Ladung ohne Bedeutung ist, ob dem Gericht die Inhaftierung des Betroffenen bekannt war oder nicht.31

b) Zustellung. Sofern nicht ausnahmsweise § 35 Abs. 1 Platz greift, ist die förmliche Zustellung des die Festsetzung des Termins enthaltenden Schriftstücks durch Übergabe und – wenn beantragt – durch Vorlesen (s. § 35 Abs. 3) notwendig. Es genügt nicht, wenn der Termin dem Angeklagten, der bei der Verkündung nicht anwesend war, durch den Urkundsbeamten zur Niederschrift der Geschäftsstelle bekanntgemacht wird. Es muss eine neue Ladung zugestellt werden.32 Die Zustellung kann durch einen zum Zustellungsbeamten bestellten Bediensteten der Vollzugsanstalt unmittelbar an den Gefangenen bewirkt werden. Absatz 2 schließt die Ersatzzustellung an eine außerhalb des Gefängnisses befind10 liche Person aus.33 Die Ersatzzustellung an den Gefängnisvorstand oder seinen Vertreter als Hauswirt des Angeklagten ist dagegen wirksam (§ 37, 52).34 Die Ladung über den Verteidiger nach § 145a Abs. 2 ist auch im Falle des Absatzes 2 zulässig, sofern der Angeklagte dem Verteidiger Ladungsvollmacht erteilt hat.35 9

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c) Die Befragung des Angeklagten nach Absatz 2 soll dem durch die Haft in seiner Verteidigung möglicherweise behinderten Angeklagten Gelegenheit geben, rechtzeitig vor der Hauptverhandlung Anträge zu seiner Verteidigung zu stellen.36 Sie ist bei oder unverzüglich nach Zustellung der Ladung vorzunehmen. Sie muss trotz des Wortlauts („dabei“) nicht gleichzeitig mit der Zustellung geschehen.37 Bei der Ersatzzustellung an den Gefängnisvorstand als Hauswirt wäre dies auch gar nicht möglich. Doch ist dafür zu sorgen, dass der Angeklagte alsbald befragt wird und dass er, wenn er eine Erklärung abgeben will, unverzüglich dazu Gelegenheit erhält. Die Befragung und die Entgegennahme von Anträgen muss nicht notwendig durch den Zustellungsbeamten geschehen. Sie kann auch einem anderen, dazu besonders bestellten Anstaltsbediensteten übertragen werden. Soweit die Anträge keiner besonderen Form bedürfen, ist es unschädlich, wenn dieser nicht die Befugnisse eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle hat. Können Anträge nur bei einem solchen Beamten wirksam gestellt werden, kann der Angeklagte verlangen, dass der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle sie zu Protokoll nimmt.38 Die Befragung und die hierauf abgegebene Erklärung des Angeklagten sind zu beurkunden.39 Die Niederschrift wird zweckmäßigerweise der Zustellungsurkunde beigefügt.

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31 OLG Jena VRS 2007 328. 32 RG HRR 1938 Nr. 1215. 33 BGH NJW 1951 931; BayObLG JW 1929 1488; OLG Saarbrücken VRS 43 (1972) 39. 34 HK/Julius/Reichling 6; KK/Gmel 6; a.A. Koeniger (LV Vor § 226) 177. 35 KK/Gmel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 7; SK/Deiters 7. 36 BGH NJW 2008 1604; SSW/Grube 19. 37 BGH NJW 2008 1604. 38 Wie hier SK/Deiters 8; KMR/Eschelbach 22; KK/Gmel 7. Bei Meyer-Goßner/Schmitt 7 wird ein solcher allgemeiner Anspruch verneint und nur dann für gegeben erachtet, wenn die erfragten Anträge dieser Form bedürfen. 39 RGSt 48 386; BayObLG JW 1929 1488; KK/Gmel 7; KMR/Eschelbach 22.

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Fehlt es an einer entsprechenden Beurkundung, so entfaltet die Ladung keine Rechtswirkung mit der Folge, dass die Hauptverhandlung auf Antrag des Angeklagten auszusetzen ist.40 Die Befragung wird nicht dadurch entbehrlich, dass sich der Angeklagte bereits zur 12 Anklage erklärt und Anträge gestellt hat (vgl. § 201) oder dass er einen Verteidiger mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragt hat. Eine bloß schriftliche Befragung genügt nicht.41 Einer Befragung bedarf es dagegen nach dem Zweck der Regelung nicht, wenn der Angeklagte durch Zustellung der Ladung an seinen nach § 145a Abs. 2 besonders bevollmächtigten Verteidiger geladen wird.42 In der Erteilung der Ladungsvollmacht liegt ein Verzicht auf eigene Ladung einschließlich Befragung.43 d) Einer Warnung nach § 216 Abs. 1 Satz 1 bedarf es nicht, wenn der in Haft befindli- 13 che Angeklagte von Amts wegen zum Termin vorgeführt wird (vgl. § 214, 12); wohl aber, wenn durch Gewährung von Ausgang oder Urlaub das Erscheinen zum Termin seiner eigenen Entscheidung überlassen ist (§ 214, 14). Die Warnung ist auch entbehrlich, wenn er vom Erscheinen entbunden ist. Wird der nach Absatz 2 geladene Angeklagte aus der Haft entlassen, so muss die Warnung nachgeholt werden. Sie kann ihm bei der Freilassung durch Übergabe eines entsprechenden Schriftstücks oder nachher durch Zustellung zur Kenntnis gebracht werden. Auch eine neue Ladung nach Absatz 1 ist zulässig. 4. Mängel der Ladung a) Wirksamkeit. Eine Ladung, die den Erfordernissen des § 216 nicht genügt, entfal- 14 tet keine Rechtswirkung, soweit sich der Ladungsfehler zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt haben kann. Sie jedoch auch wegen eines nicht zur Auswirkung gekommenen Fehlers als unwirksam anzusehen,44 ist vom Gesetzeszweck her nicht geboten.45 Es genügt, wenn die Rechtsfolgen zu Lasten des Angeklagten ausgeschlossen werden, die an den fehlerhaften Ladungsinhalt anknüpfen (Säumnisfolgen).46 Erscheint der zu einer falschen Zeit oder an einen falschen Ort geladene Angeklagte nicht zum Termin, so darf, auch wenn sonst die Voraussetzungen gegeben wären, nicht ohne den Angeklagten verhandelt oder sein Rechtsbehelf wegen des unentschuldigten Ausbleibens verworfen werden. Dies gilt selbst dann, wenn nur der Sitzungssaal falsch bezeichnet ist und der Angeklagte den richtigen Saal jederzeit hätte erfragen können.47 Ob die Ladung ordnungsgemäß ist, insbesondere, ob nach Absatz 1 oder Absatz 2 zu 15 laden war, bestimmt sich nach den Verhältnissen zur Zeit der Ladung. Ändern sich diese später – etwa weil der nach Absatz 1 geladene Angeklagte nachträglich in Haft genommen wird –, dann lässt dies die Wirksamkeit der Ladung unberührt. Dies gilt auch bei der Entlassung eines nach Absatz 2 Geladenen aus der Haft (Rn. 13). Wenn die Nachholung der Warnung unterbleibt, ist die Ladung wirksam. Der unentschuldigt ausbleibende Angeklagte darf aber nicht nach § 230 Abs. 2 verhaftet oder vorgeführt werden, denn die Maßnahmen nach § 230 Abs. 2 setzen die vorherige Androhung voraus.

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LG Potsdam StV 2006 574. Eb. Schmidt 8, 9. BGHSt 38 274 = NJW 1992 2039; KK/Gmel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 7; SK/Deiters 9. BGH NJW 2008 1604; SSW/Grube 20; HK/Julius/Reichling 11. BayObLG JW 1929 1488; OLG Stuttgart OLGSt 1; HK-GS/Schulz 5. BGHSt 24 149; KG GA 1975 148; KK/Gmel 10; Meyer-Goßner/Schmitt 8. KK/Gmel 10; Meyer-Goßner/Schmitt 4; KMR/Eschelbach 26. BayObLGSt 1969 104 = VRS 38 (1970) 292.

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b) Erscheint der Angeklagte trotz unterbliebener oder mangelhafter Ladung zum Termin, dann kann gegen ihn verhandelt werden, wenn er nicht nach § 217 Abs. 2 die Aussetzung beantragt (die Ladungsfrist kann bei unrichtiger Terminsangabe noch laufen, vgl. § 217, 3). Unterlässt der Angeklagte diesen Antrag, kann er die Revision später nicht auf den Mangel stützen (§ 217, 16). Greift § 217 Abs. 2 nicht Platz, kann der Angeklagte wegen der fehlerhaften Ladung nur die Aussetzung nach § 228 beantragen, sofern der Ladungsfehler ihn in der Vorbereitung seiner Verteidigung behindert hat.

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5. Verzicht. Auch wenn die ordnungsgemäße Ladung als Voraussetzung der Säumnisfolgen nicht nur Verteidigungsinteressen sichert, kann der Angeklagte nach h.M. auf die Zustellung der Ladung – ebenso wie auf die Einhaltung der Ladungsfrist (§ 217 Abs. 3) – wirksam verzichten, etwa, wenn er vom Termin bereits anderweitig zuverlässige Kenntnis erlangt hat.48 Der Verzicht kann auch durch eine konkludente Handlung zum Ausdruck kommen, so etwa, wenn der mit einem Verteidiger erschienene Angeklagte sich auf die Verhandlung einlässt. Bei einem ohne Verteidiger erschienenen Angeklagten kann dies nicht ohne weiteres (maßgebend ist die Würdigung des Einzelfalls) aus der Tatsache der Einlassung geschlossen werden.49 Vor allem, wenn der Ladungsfehler die Verteidigung beeinträchtigt haben kann, sollte in der Hauptverhandlung durch eine Frage geklärt werden, ob der Angeklagte verzichten will.

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6. Revision. Nach § 338 Nr. 8 kann gerügt werden, wenn ein Aussetzungsantrag, der auf den Ladungsmangel und die dadurch bewirkte Behinderung der Verteidigung gestützt worden ist (vgl. Rn. 16), in der Hauptverhandlung vom Gericht rechtsfehlerhaft abgelehnt wurde. Da nur bei Nichteinhaltung der Ladungsfrist ein absoluter Anspruch auf Aussetzung besteht (§ 217 Abs. 2), muss in den anderen Fällen dargelegt werden, wodurch die Ablehnung das Urteil beeinflusst hat. Gerügt werden kann nach § 337 auch, wenn das Gericht trotz eines Ladungsmangels in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt und entschieden hat.50 Ob der behauptete Ladungsmangel vorlag, stellt das Revisionsgericht im Wege des Freibeweises fest.51 Wenn dagegen der anwesende Angeklagte den Ladungsmangel weder in der Hauptverhandlung geltend machte noch deswegen einen Aussetzungsantrag stellte, bleibt der auf § 337 gestützten Revision in der Regel der Erfolg versagt,52 wobei in früheren Entscheidungen mitunter offenblieb, ob dies auf Grund eines stillschweigenden Verzichts, Verwirkung53 durch Nichtgebrauch des vorgesehenen Rechtsbehelfes der Aussetzung oder nur deshalb angenommen wurde, weil das Urteil nicht auf dem Verstoß beruhte. Eine bis zum Urteil fortwirkende Behinderung der Verteidigung durch einen nicht durch Verzicht (vgl. Rn. 17) erledigten Ladungsfehler ist jedoch nur in Ausnahmefällen denkbar. In der Regel ist ein Beruhen auszuschließen, denn ein formeller Ladungsmangel kann für sich allein den Angeklagten nicht in seiner Verteidigung behindert haben,54 zumal Fehler, die den Ablauf der La-

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48 Paulus NStZ 1986 523; KMR/Eschelbach 27; HK-GS/Schulz 4. 49 Vgl. aber Schmid Verwirkung 219, 221 (Indiz, dass Angeklagter in seiner Verteidigung nicht behindert). 50 HK/Julius/Reichling 12, 14; zur Rüge vgl. BayObLG NJW 1996 1837; NStZ-RR 1997 40. 51 OLG Stuttgart NStZ 1989 91 (Unwirksamkeit bei nicht behebbarem Zweifel); vgl. bei § 261; ferner zur Verletzung des Anwesenheitsrechts durch unterbliebene Ladung BayObLGSt 1996 37 = NStZ 1997 40. 52 RGRspr. 1 229; 5 629; RGSt 48 368; RG JW 1921 1323; KG GA 76 (1932) 169; KK/Gmel 11 unter Hinweis auf BGH; Meyer-Goßner/Schmitt 12; HK-GS/Schulz 6; ferner die Zusammenstellung bei Schmid Verwirkung 203 ff.; 219 ff. 53 Gegen die Konstruktion der Verwirkung SK/Deiters 14, der darin eine Beruhensfrage sieht. 54 RGRspr. 5 629; SK/Deiters 14.

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dungsfrist verhindern, unter § 217 fallen. Das Gleiche gilt, wenn die Befragung nach Absatz 2 unterblieben ist. Der Angeklagte ist dadurch nicht gehindert, in der Hauptverhandlung alle zu seiner Verteidigung notwendigen Anträge zu stellen. Hat der Angeklagte auf Grund einer fehlerhaften Ladung (zum Schöffengericht statt zur Strafkammer) irrtümlich angenommen, eine zweite Tatsacheninstanz zu haben, und deshalb sein Verteidigungsvorbringen zurückgehalten, dann kann er darauf die Revision nicht stützen.55 55

§ 217 Ladungsfrist § 217 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung Jäger https://doi.org/10.1515/9783110274943-007

(1) Zwischen der Zustellung der Ladung (§ 216) und dem Tag der Hauptverhandlung muß eine Frist von mindestens einer Woche liegen. (2) Ist die Frist nicht eingehalten worden, so kann der Angeklagte bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache die Aussetzung der Verhandlung verlangen. (3) Der Angeklagte kann auf die Einhaltung der Frist verzichten. Entstehungsgeschichte Während die Ladungsfrist unverändert blieb, hat der Zeitpunkt, bis zu dem der Angeklagte die Aussetzung der Hauptverhandlung verlangen kann, mehrfach gewechselt. Zunächst – und dann wieder seit dem VereinhG – stellte die Strafprozessordnung auf den Beginn der Verlesung des Eröffnungsbeschlusses ab. Die auf Art. 2 Abs. 2 der VO vom 13.8.1942 beruhende Fassung des Absatzes 2 bestimmte ebenso wie die jetzt aufgrund des Art. 7 Nr. 9 StPÄG 1964 geltende Fassung den Beginn der Vernehmung des Angeklagten zur Sache als den maßgebenden Zeitpunkt. Absatz 3 ist durch Art. 3 Nr. 99 VereinhG eingefügt worden. Bezeichnung bis 1924: § 216.

1. 2. 3. 4. 5.

Übersicht Zweck der Ladungsfrist | 1 Berechnung der Ladungsfrist | 3 Änderung des Termins | 4 Aussetzungsantrag | 6 Verzicht des Angeklagten | 9

6.

Folgen der Nichteinhaltung der Ladungsfrist a) Pflicht zum Erscheinen | 13 b) Beschwerde | 15 c) Revision | 16

1. Zweck der Ladungsfrist. Die Mindestfrist von einer Woche soll dem Angeklag- 1 ten genügend Zeit für die Vorbereitung seiner Verteidigung gewähren (vgl. Art. 6 Abs. 3 lit. b EMRK).1 Er musste zwar schon die Zeit ab Kenntnis der Beschuldigung – insbesondere nach deren Konkretisierung in der ihm zugestellten Anklage – hierfür nutzen,2 etwa, um nach weiteren Beweismitteln zu forschen, zweckdienliche Unterlagen beizubringen, Erkundigungen einzuziehen (vgl. §§ 222, 246), Anträge zu stellen (§ 219) oder sich den Beistand eines Verteidigers zusichern. Mit der Ladung wird ihm hierfür aber

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55 BGHSt 16 389; KK/Gmel 11; a.A. SK/Deiters 22 (Irrtum schränkte Verteidigungsmittel ein), der allerdings zu Recht darauf hinweist, dass ein solcher Fall heute kaum mehr vorkommen wird, da dem Angeklagten vor dem LG ein Pflichtverteidiger nach § 140 Abs. 1 Nr. 1 beizuordnen ist. 1 2

RG JW 1930 931; BGHSt 24 146; HK-GS/Schulz 1. Vgl. LR/Esser26 Art. 6, 535, 540 EMRK.

55 https://doi.org/10.1515/9783110274943-007

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noch eine letzte Mindestfrist gesichert, die er auch für die erst nach Terminsbestimmung mögliche Ausübung seiner Rechte wie sein eigenes Ladungsrecht (§ 220) oder das Recht aus § 222a benötigt. Die Abstimmung außerprozessualer Verpflichtungen mit dem Hauptverhandlungstermin dürfte dagegen nicht Zweck der dafür ohnehin zu kurzen Wochenfrist sein.3 Insgesamt muss dem Angeklagten ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zur Verfügung stehen. Dies fordern Art. 6 Abs. 3 lit. b EMRK und Art. 14 Abs. 3 lit. b IPBPR ausdrücklich, und dies ergibt sich auch aus seinem Recht auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).4 Kann der Angeklagte die Wochenfrist wegen Erkrankung oder wegen mehrerer in sie fallender Feiertage nicht nutzen5 oder reicht sie wegen neu hervortretender Umstände oder wegen Schwierigkeit und Umfang der Sache auch unter Berücksichtigung der seit der Zustellung der Anklage verflossenen Zeit nicht aus, kann der Angeklagte unter Glaubhaftmachung seiner Gründe die Verlegung des Termins zur Wahrung einer angemessenen Vorbereitungszeit beantragen.6 Er kann ihn auch in der Hauptverhandlung mit dem Aussetzungsantrag geltend machen. Die Frist des § 217 ist auch in der Berufungsinstanz und dann zu beachten, wenn das Revisionsgericht eine Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen hat;7 für das Verfahren vor dem Revisionsgericht gilt sie nicht.8 Ebenso findet die Norm bei bloßen Anhörungsterminen weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung.9 Bei einer außergewöhnlich langen Ladungsfrist ist es angezeigt, den Angeklagten nochmals an den Termin zu erinnern, andernfalls könnte sein Ausbleiben unter Umständen genügend entschuldigt sein.10 Nach Ansicht des KG11 ist die Ladungsfrist erneut einzuhalten, wenn sich die Verfahrenslage des Angeklagten vor der Hauptverhandlung so grundlegend ändert, dass er dadurch der erneuten Vorbereitung auf den Termin bedarf. Die Ladungsfrist ist eine Frist zugunsten des Angeklagten. Sie gilt auch für den Verteidiger (§ 218). Die anderen Prozessbeteiligten haben keinen Anspruch darauf, dass sie eingehalten wird.12 Sondervorschrift. Im beschleunigten Verfahren ist die Ladungsfrist auf vierund2 zwanzig Stunden verkürzt (§ 418 Abs. 2). 3

2. Berechnung der Ladungsfrist. Der Tag, an dem die Ladung zugestellt worden ist, und der Tag, der für die Hauptverhandlung bestimmt ist, sind nicht mit einzurechnen.13 Dies hat zur Konsequenz, dass sich der Fristbeginn – der Natur einer Zwischenfrist entsprechend – auf den folgenden Tag (nach der Zustellung) verschiebt und das Fristende somit auf den Tag fällt, der durch seine Benennung dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat (§ 43 Abs. 1). Beispiel: Wird die Ladung an einem Mittwoch zugestellt, darf die Hauptverhandlung – auf Grundlage der einwöchigen Zwischenfrist des Abs. 1 – frühestens am Freitag der folgenden Woche beginnen.14 Anders als eine Auffassung in

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3 4 5 6 7 8 9 10 11 4. 12 13 14

LGSt 1978 98 = MDR 1979 158; dagegen SK/Deiters 1. Dahs Rechtl. Gehör 86; Rüping ZStW 91 (1979) 355; AK/Keller 1; SK/Deiters 1; SSW/Grube 2. KK/Gmel 1; KMR/Eschelbach 3; SK/Deiters 1, 6. So schon Mot. 177; h.M. RGSt 42 409; KK/Gmel 2; KMR/Eschelbach 13; SK/Deiters 3. Vgl. bei § 350. KG NStZ-RR 2014 191; MüKo/Arnoldi 3. OLG Saarbrücken NStZ 1991 147; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996 169; AK/Keller 1; KK/Gmel 2. VRS 42 (1972) 213; ähnlich OLG Hamm VRS 50 (1976) 307; AK/Keller 1; KMR/Eschelbach 3; SK/Deiters KK/Gmel 1; KMR/Eschelbach 24; SK/Deiters 3a. BayObLG DRiZ 1930 Nr. 154; HK/Julius/Reichling 4; SK/Deiters 6. Vgl. zutreffend AG Freiberg 1 OWi 530 Js 24156/13; SSW/Grube 11.

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der Literatur behauptet,15 muss nämlich „zwischen“ dem Ereignistag und dem Tag der Verhandlung eine volle Woche liegen, sodass die Verhandlung folgerichtig frühestens am neunten Tag ab der Zustellung der Ladung anberaumt werden darf. Eine andere Berechnung würde den Charakter der „Zwischen“frist hingegen verkennen. Denn der Sinn der Zwischenfrist liegt gerade darin, dass eine volle Woche, die im Beispielsfall wegen der Maßgeblichkeit der Benennung des Tages (§ 43 Abs. 1) von Donnerstag bis Donnerstag läuft, zwischen Zustellungstag (Mittwoch) und frühestem Prozessbeginn (Freitag) liegen muss. Feiertage, die in ihren Lauf fallen, verlängern die Wochenfrist nicht. Auch gilt § 43 Abs. 2 für die Ladungsfrist nicht,16 da kein Bedürfnis für eine derartige Erweiterung besteht, weil ein Prozessbeginn an Sonntagen oder Sonnabenden allgemein möglich ist17 (vgl. näher § 213, 6). Die Ladungsfrist läuft auch, wenn der Angeklagte eine fehlerhafte Ladung erhalten hat.18 Wird er auf einen falschen Tag geladen, so ist er, wenn er die Kenntnis vom richtigen Termin erlangt, so zu stellen, wie wenn er sie durch eine förmliche Änderungsmitteilung erhalten hätte (Rn. 4). 3. Änderung des Termins. Wird die Hauptverhandlung vorverlegt, so muss die 4 Frist, auch wenn sie von der alten Ladung bis zur neu bestimmten Zeit der Hauptverhandlung gewahrt wäre, bei der neuen Ladung um deswillen eingehalten werden, weil der Angeklagte wegen der früher gesetzten längeren Frist mit der Vorbereitung seiner Verteidigung zugewartet haben kann.19 Findet der Termin am gleichen Tag nur einige Stunden früher statt, berührt dies die Ladungsfrist nicht.20 Wird die Hauptverhandlung auf einen späteren Zeitpunkt verlegt, muss die Ladungsfrist nicht nochmals eingehalten werden.21 Die Ladungsfrist ist nur bei der Ladung zum ersten Hauptverhandlungstermin zu 5 wahren. Für spätere Termine in der gleichen Instanz gilt sie grundsätzlich nicht. Dies ist weitgehend unstreitig,22 so wenn der Angeklagte zur Fortsetzung der unterbrochenen Hauptverhandlung nach § 229 nochmals geladen oder nach § 230 Abs. 2 vorgeführt wird. Strittig ist, ob nach einer Aussetzung erneut die Ladungsfrist einzuhalten ist, weil die Vorbereitungsarbeit immer neu anfällt.23 Hatte der Angeklagte dagegen keine Kenntnis vom ersten Termin, muss die Ladungsfrist beim späteren Termin gewahrt werden;24 ebenso nach einer Zurückverweisung durch das Rechtsmittelgericht.25 Wenn die veränderte Verfahrenslage ein anderes Verteidigungskonzept erfordert, rechtfertigt dies

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15 MüKo/Arnoldi 6. 16 Eb. Schmidt Nachtr. 3; KK/Gmel 5; KMR/Eschelbach 16; SSW/Grube 11; a.A. SK/Deiters 6. 17 BVerfG NJW 2006 668. 18 KMR/Eschelbach 17. 19 RGSt 25 74; 65 113; RG DRiZ 1928 Nr. 829; RG HRR 1940 Nr. 132; AK/Keller 2; KK/Gmel 4; KMR/Eschelbach 19; SSW/Grube 6. 20 OLG Zweibrücken NStZ 1996 239; KK/Gmel 4; Meyer-Goßner/Schmitt 5; KMR/Eschelbach 20; SK/Deiters 5; a.A. RG JW 1928 2250 mit abl. Anm. Mamroth. 21 RGSt 15 113; BayObLGSt 32 40 = JW 1932 2892; AK/Keller 2; KK/Gmel 4; Meyer-Goßner/Schmitt 5; KMR/Eschelbach 21; SK/Deiters 5. 22 RGRspr. 3 113; 9 177; RGSt 15 113; 42 409; RG DJZ 1914 441; RG JW 1930 931; 1934 844; BayObLG JW 1932 2892; BGHSt 24 143 = LM Nr. 2 mit Anm. Willms; BGH NJW 1982 248; JZ 1957 673 mit Anm. Eb. Schmidt; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1977 182; OLG Zweibrücken NStZ 1996 239; a.A. RG JW 1928 2250 mit abl. Anm. Mamroth. 23 Verneinend BGHSt 24 143; OLG Hamm JMBlNW 1982 19; AK/Keller 2; KK/Gmel 3; KMR/Eschelbach 7 ff.; a.A. BayObLGSt 1978 98 = VRS 55 (1978) 435; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Koeniger (LV Vor § 226) 177; Hafner JW 1934 844; SK/Deiters 4; Stern JW 1930 931. 24 BGHSt 24 143 = LM Nr. 2 mit Anm. Willms. 25 RGSt 42 407; KK/Gmel 3; Meyer-Goßner/Schmitt 3; KMR/Eschelbach 12; SK/Deiters 3.

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keine Ausnahme vom Grundsatz, dass die Ladungsfrist in jeder Instanz nur einmal einzuhalten ist.26 Bei der hierdurch gebotenen Aussetzung nach § 265 Abs. 4 wird dem Verteidigungsinteresse besser dadurch Rechnung getragen, dass der neue Termin so festgesetzt wird, dass die konkret erforderliche Zeit für die Vorbereitung der neuen Verteidigung verbleibt. 6

4. Aussetzungsantrag. Ist die Frist nach Absatz 1 nicht eingehalten, kann der Angeklagte die Aussetzung der Verhandlung beantragen. Das Recht, die Aussetzung der Verhandlung zu verlangen, steht auch dem gewählten Verteidiger zu, der seine Wahl zu dem Zeitpunkt, zu dem die Ladungsfrist für den Betroffenen beginnt, bereits angezeigt hat.27 Das Gericht (§ 228 Abs. 1 Satz 1), das über den Antrag durch Beschluss28 entscheidet, muss diesem Antrag entsprechen.29 Der Vorsitzende soll den Angeklagten auf dieses Recht hinweisen (§ 228 Abs. 3). Ein Aussetzungsantrag liegt auch vor, wenn der Angeklagte in der Hauptverhandlung wegen der Nichteinhaltung der Ladungsfrist die Verlegung des Termins verlangt oder sonst zum Ausdruck bringt, dass er mit der Durchführung der Hauptverhandlung an dem festgelegten Termin nicht einverstanden ist.30 Der Antrag kann nur bis zur Vernehmung des Angeklagten zur Sache (§ 243 7 Abs. 5 Satz 2) gestellt werden, wobei für jeden Angeklagten seine eigene Vernehmung zur Sache maßgebend ist.31 Wird der Antrag erst später gestellt, zwingt er das Gericht nicht mehr zur Aussetzung nach Absatz 2. Das Gericht hat jedoch zu prüfen, ob nach allgemeinen Grundsätzen ein begründeter Anlass besteht, das Verfahren nach § 265 Abs. 4 auszusetzen, etwa weil für die Verteidigung wichtige Umstände neu hervorgetreten sind.32 Zur Präklusionswirkung des Absatzes 2 vgl. Rn. 10 und 16. Der Angeklagte kann den Aussetzungsantrag schon vor Beginn der Hauptver8 handlung stellen. Er ist nicht verpflichtet, nur zum Zwecke der Antragstellung zum Hauptverhandlungstermin zu erscheinen.33 Ein solcher Aussetzungsantrag ist formal zugleich auch ein Antrag auf Terminsverlegung,34 sodass der Vorsitzende aufgrund der ihm nach § 213 zustehenden „Terminshoheit“ ohne weiteres berechtigt, den Termin durch schlichte Verfügung aufzuheben.35 Hat der Betroffene durch einen rechtzeitig bei Gericht eingelaufenen Schriftsatz wegen Nichteinhaltung der Ladungsfrist die Aufhebung des Hauptverhandlungstermins beantragt, so begründet die gleichwohl in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführte Hauptverhandlung selbst dann einen Verfahrensverstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, wenn dem Richter der Antrag auf Aussetzung der Verhandlung nicht bekannt war.36 9

5. Verzicht des Angeklagten. Der nachträglich eingefügte Absatz 3 stellt klar, dass der Angeklagte rechtswirksam auf die Einhaltung der Ladungsfrist verzichten kann. Es

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26 So aber OLG Hamm VRS 50 (1976) 307; KG VRS 42 (1972) 213; SK/Deiters 4. 27 KG vom 4.9.2000 – 2 Ss 167/00. 28 BayObLGSt 1987 55; HK-GS/Schulz 2. 29 KG NStZ-RR 2003 89; KG Berlin NZV 2003 586. 30 BayObLGSt 1978 98 = VRS 55 (1978) 435. 31 H.M. etwa KK/Gmel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 8; SK/Deiters 8. 32 KK/Gmel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 8; KMR/Eschelbach 32; KG vom 21.9.2000 – 2 Ss 163/00. 33 BGHSt 24 151; BayObLG bei Rüth DAR 1982 253; Cramer JR 1972 162; Koffka JR 1967 192; MeyerGoßner/Schmitt 7; KMR/Eschelbach 26; SK/Deiters 9; MüKo/Arnoldi 10; a.A. OLG Köln NJW 1955 1243; BayObLGSt 1993 102 = NJW 1994 1748 (zu § 329) lässt dies offen; OLG Düsseldorf VRS 97 (1999) 139 ff.; KK/Gmel 9 lässt dies ebenfalls offen. 34 KMR/Eschelbach 26; vgl. Rn. 13. 35 MüKo/Arnoldi 36 KG NZV 2003 586 f.

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kann gegenüber einem verhafteten Angeklagten in dessen wohlverstandenem Interesse angebracht sein, ihn zu befragen, ob er verzichten wolle.37 Der Verzicht, dessen ausdrückliche Erklärung in der Sitzungsniederschrift zu beurkunden ist (§ 273 Abs. 1),38 ist unwiderruflich;39 doch muss dem im Widerruf enthaltenen Antrag auf Aufschub der Hauptverhandlung stattgegeben werden, wenn sachliche Gründe hierfür vorliegen. Vor Einfügen des Absatzes 3 wurde angenommen, der Angeklagte verzichte still- 10 schweigend auf die Einhaltung der Ladungsfrist, wenn er in der Hauptverhandlung keinen Antrag auf Aussetzung der Verhandlung stelle;40 das gelte selbst dann, wenn der Vorsitzende entgegen dem § 228 Abs. 3 den Angeklagten nicht auf die Befugnis hingewiesen habe, dass er Aussetzung der Verhandlung verlangen könne. Diese Ausweitung des stillschweigenden Verzichts, durch die der Unterschied zwischen Absatz 2 und 3 verwischt wird,41 ist überzogen. BGHSt 24 14142 verzichtet zu Recht darauf, stellt aber stattdessen auf die Verwirkung des Aussetzungsrechts ab.43 Zur Kritik an der Heranziehung des Verwirkungsgedankens vgl. Rn. 16. Absatz 3 fordert einen echten, vom Angeklagten bewusst gewollten Verzicht auf 11 die Einhaltung der Ladungsfrist. Dieser ist auch durch konkludente Handlung möglich; in dem bloßen Unterlassen der Antragstellung liegt aber nicht notwendig schon ein stillschweigender Verzicht. Ein solcher setzt voraus, dass der Angeklagte sein Recht kennt, er also weiß, dass die Frist nicht gewahrt ist und dass er berechtigt ist, die Aussetzung zu beantragen.44 Dies wird angenommen, wenn der Angeklagte nach einem Hinweis des Vorsitzenden nach § 228 Abs. 3 keinen Aussetzungsantrag stellt oder wenn aus seiner sonstigen Antragstellung, etwa einem Antrag nach § 233,45 oder anderen Verfahrensumständen erkennbar wird, dass er die beschleunigte Fortführung des Verfahrens will;46 ferner auch, wenn dem Angeklagten in der Hauptverhandlung ein Verteidiger zur Seite steht.47 Unwirksam ist eine Verzichtserklärung jedoch etwa, wenn ein der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtiger und mit deutschem Strafverfahrensrecht gänzlich unvertrauter ausländischer Beschuldigter in einem ohne Benachrichtigung seines Verteidigers eigens zu diesem Zwecke anberaumten „Haftprüfungstermin“ auf die Einhaltung der der Gewährung rechtlichen Gehörs dienenden §§ 201, 217 Abs. 1 sowie auf die Beiziehung seines Verteidigers verzichtet und der Durchführung der Hauptverhandlung zustimmt.48 Der Verteidiger, dessen eigene Rechte in § 218 geregelt werden, kann namens des 12 Angeklagten nur dann auf dessen Recht auf Wahrung der Ladungsfrist wirksam verzich-

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37 BGHSt 29 225. 38 SK/Deiters 12; vgl. bei § 273. 39 BGH vom 29.4.1976 – 4 StR 117/76; KK/Gmel 8. 40 RGRspr. 1 262; 1 299; 1 376; 1 743; RG LZ 1918 285; 1922 416; SSW/Grube 25; ähnlich BGH bei Dallinger MDR 1952 532. Nach Bohnert 156 war aber auch damals schon der Gedanke maßgebend, dass § 217 Abs. 2 die Folgen der Fristverletzung abschließend regelt. 41 Bohnert 156 und NStZ 1983 344 unterscheidet zwischen dem willensgetragenen echten Verzicht und dem nur an die unterlassene Antragstellung anknüpfenden Verlust des Rechts auf Aussetzung. Gegen Einebnung des Unterschieds auch AK/Keller 5; vgl. auch HK-GS/Schulz 3. 42 BGHSt 24 141 = LM Nr. 2 mit Anm. Willms. 43 OLG Hamburg JR 1967 193 mit Anm. Koffka; Koeniger (LV Vor § 226) 178; AK/Keller 5; MeyerGoßner/Schmitt 10; Eb. Schmidt 9; vgl. auch Bohnert NStZ 1983 344. 44 OLG Hamburg NJW 1967 456 = JR 1967 193 mit zust. Anm. Koffka; KK/Gmel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 10. 45 KK/Gmel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 10. 46 KK/Gmel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 10; KMR/Eschelbach 39; SK/Deiters 12. 47 Vgl. BGH bei Dallinger MDR 1952 532; Meyer-Goßner/Schmitt 10; a.A. Eb. Schmidt Nachtr. 11. 48 KG vom 20.1.1999 – 1 AR 1551/98.

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ten, wenn er zu dieser Erklärung besonders ermächtigt ist.49 Ein eigenes Recht zum Verzicht hat er nicht; ob er durch seinen Widerspruch einen wirksamen Verzicht des Angeklagten verhindern kann, erscheint fraglich.50 6. Folgen der Nichteinhaltung der Ladungsfrist 13

a) Pflicht zum Erscheinen. Die Nichteinhaltung der Ladungsfrist gibt dem Angeklagten nur das Recht, die Aussetzung gemäß Absatz 2 zu verlangen, sie entbindet ihn aber nicht von der Verpflichtung, zum Termin zu erscheinen; bleibt er fern, so kann seine Vorführung oder Verhaftung gem. § 230 Abs. 2 angeordnet, gegen ihn unter den Voraussetzungen des § 232 verhandelt und sein Einspruch (§ 412) oder seine Berufung (§ 329 Abs.1: wenn weder der Angeklagte noch sein Verteidiger erschienen ist) sofort verworfen werden,51 sofern er nicht unter Würdigung aller Umstände – wozu auch die Nichteinhaltung der Ladungsfrist und ein bereits vor der Hauptverhandlung gestellter Aussetzungsantrag (Rn. 8) gehören – genügend entschuldigt ist. Eine Mindermeinung52 sieht dagegen die Einhaltung der Frist als Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Ladung an, mit der Folge, dass die obengenannten Rechtsfolgen nicht zulässig sind, wenn die Frist nicht gewahrt ist. 14 Selbst wenn man mit der vorherrschenden Meinung die Einhaltung der Ladungsfrist nicht als Bestandteil einer ordnungsgemäßen Ladung ansieht, müssen bei Nichteinhaltung der Ladungsfrist Zwangsmaßnahmen nach § 230 Abs. 2 nach den ihre Zulässigkeit einschränkenden Grundsätzen der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit (vgl. § 230, 26) unterbleiben, wenn ihr Ziel, die Durchführung der Hauptverhandlung in Gegenwart des Angeklagten zu ermöglichen, nicht erreichbar ist, weil dies der Angeklagte durch den Aussetzungsantrag verhindern kann.53 15

b) Die Beschwerde gegen den Beschluss, der die Aussetzung ablehnt, scheitert an § 305 Satz 1 (vgl. § 228, 40).

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c) Mit der Revision kann die Nichteinhaltung der Ladungsfrist allein nicht gerügt werden. § 217 sieht als alleinigen Rechtsbehelf gegen die Verletzung der Ladungsfrist den Antrag nach Absatz 2 vor. Für die abschließende Regelung der Anfechtung spricht die zeitliche Begrenzung des Antragsrechts, mit der der Gesetzgeber erreichen wollte, dass von einem bestimmten Zeitpunkt an die Durchführung der Hauptverhandlung wegen der Verletzung der Ladungsfrist im weiteren Verfahren nicht mehr in Frage gestellt werden kann, wenn der unter Verletzung dieser Frist Geladene sich in der Hauptverhandlung nicht gegen deren Durchführung gewandt hat,54 und zwar auch dann, wenn die Beleh-

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49 RG JW 1930 3325; OLG Hamm NJW 1954 1856; ferner etwa KK/Gmel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 10; KMR/Eschelbach 40; BGH NStZ 2014 351; MüKO/Arnoldi 13. 50 So Rieß NJW 1977 883; a.A. AK/Keller 4; KMR/Eschelbach 40. 51 RG DJZ 1931 501; BGHSt 24 150; BayObLGSt 1993 102 = NJW 1994 1748; mit abl. Anm. Koffka; ferner BayObLG DRiZ 1930 Nr. 154; JR 1967 190; KG VRS 17 (1959) 139; OLG Bremen DAR 1959 302; OLG Köln NJW 1955 1243; Ordemann MDR 1960 190; KK/Gmel 9; Meyer-Goßner/Schmitt 11; KMR/Eschelbach 43 ff. 52 OLG Dresden GA 71 (1927) 29; Cramer JR 1972 164; Koeniger 178; AK/Keller 6; SK/Deiters 11; Eb. Schmidt Nachtr. 1, 2. 53 Roxin/Schünemann § 43, 2; KMR/Eschelbach 46; zum Streitstand vgl. etwa SK/Deiters 10; ferner bei Fn. 48. 54 Vorherrschende Meinung BayObLG JR 1967 190; OLG Bremen DAR 1959 302; OLG Celle NJW 1975 1258; KG VRS 17 (1959) 139; OLG Köln NJW 1955 1243; RG LZ 1918 285; Gössel § 17 B; Roxin/Schünemann § 43, 2; KK/Gmel 10; im Ergebnis auch Schlüchter 427.2 (Unterbrechung des normativen Zusammenhangs

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rung nach § 228 Abs. 3 unterblieben ist und der Angeklagte sein Recht nicht gekannt hat.55 Für dieses aus der Gesetzessystematik abzuleitende Ergebnis bedarf es entgegen BGHSt 24 145 nicht des Rückgriffs auf den umstrittenen und bei Unterlassen der Antragstellung aus Gesetzesunkenntnis auch nicht passenden Begriff der Verwirkung.56 Die Gegenmeinung, nach der der Verstoß gegen § 217 Abs. 1 wie jeder andere Verfah- 17 rensfehler die Revision eröffnet,57 sofern nicht ein in Kenntnis des Rechts auf Aussetzung erklärter Verzicht vorliegt, würde die Frist des § 217 Abs. 2 weitgehend wertlos machen, denn dass das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruhen kann, lässt sich nicht immer ausschließen. Eine vermittelnde Ansicht nimmt nur eine begrenzte Präklusionswirkung an. Sie 18 lässt die Revision zu, wenn ein Angeklagter ohne Verteidiger und Belehrung nach § 228 Abs. 3 in Unkenntnis seines Rechtes den Antrag nicht stellt und dadurch in seiner Verteidigung behindert ist.58 Zu dieser Lösung kommt man aber auch, wenn man diese (in der Revision nach § 344 Abs. 2 darzulegende) konkrete Behinderung im Recht auf Verteidigung59 durch eine verfrühte Terminierung unabhängig von der abstrakten Frist des Absatzes 1 als einen nach § 337 (bei Gerichtsbeschluss auch nach § 338 Nr. 8) zu rügenden Rechtsfehler behandelt.60 Die Ablehnung des Aussetzungsantrags, etwa weil die Frist des Absatzes 1 ge- 19 wahrt ist oder ein Verzicht auf ihre Einhaltung angenommen wird, ist mit der Revision nachprüfbar (§ 338 Nr. 8).61 Ist die Aussetzung zu Unrecht abgelehnt worden, lässt sich das Beruhen des Urteils auf diesem die Verteidigungsmöglichkeiten einschränkenden Verstoß meist nicht ausschließen.62

§ 218 Ladung des Verteidigers § 218 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung Jäger https://doi.org/10.1515/9783110274943-008

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Neben dem Angeklagten ist der bestellte Verteidiger stets, der gewählte Verteidiger dann zu laden, wenn die Wahl dem Gericht angezeigt worden ist. 2 § 217 gilt entsprechend.

_____ zwischen Rechtsfehler und Urteil durch den Zwischenrechtsbehelf); ähnlich Bohnert 156 und NStZ 1983 344. 55 BGHSt 24 145 = LM Nr. 2 mit Anm. Willms = JR 1972 159 mit Anm. Koffka; BGH bei Dallinger MDR 1952 532; vgl. auch die vorstehende Rn.; MüKo/Arnoldi 15; so nun auch SK/Deiters 15, der die Revision zwar nicht unmittelbar wegen Verstoßes gegen Absatz 1, aber wegen des Versäumnisses der Belehrung gem. § 228 Abs. 3 als begründet ansieht (vermittelnde Ansicht). 56 Vgl. Bohnert 157 („Wer Zwischenrechtsbehelfe nicht wahrnimmt, verwirkt sie nicht, sondern verliert sie“); Bohnert NStZ 1983 344; ; ferner generell gegen die Rechtsfigur der Verwirkung: Schlüchter GedS Meyer 445. 57 OLG Hamburg JR 1967 193 mit zust. Anm. Koffka; OLG Hamm NJW 1954 1856; Peters § 59 I 1a; Eb. Schmidt Nachtr. I 13. 58 AK/Keller 7; KMR/Eschelbach 54; Maatz NStZ 1992 516; im Ergebnis auch SK/Deiters 15 (schon bei Möglichkeit der Behinderung in der Verteidigung, da Verletzung der Sollvorschrift des Absatzes 3 dann ein Rechtsfehler); Schlüchter 427.2; vgl. ferner Kindhäuser NStZ 1987 535. 59 Art. 6 Abs. 3 lit. b EMRK; Art. 14 Abs. 3 lit. b IPBPR; vgl. Rn. 1. 60 Ein Verzicht (Rn. 11) schließt auch diese Rüge aus. 61 BGH NStZ 1985 222; dazu Sieg StV 1986 3; BayObLG 1987 55; AK/Keller 8; KK/Gmel 10; KMR/Eschelbach 53; Meyer-Goßner/Schmitt 12; SK/Deiters 13; HK-GS/Schulz 5. 62 BayObLG NStZ 1982 172 (Ls.); Meyer-Goßner/Schmitt 12.

61 https://doi.org/10.1515/9783110274943-008

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Entstehungsgeschichte Die Vorschrift bestand bis 1924 nur aus dem Satz 1. Das Gesetz vom 26.12.1926 fügte den Satz 2 an. Die Verordnung über die Vereinfachung von Zustellungen vom 17.6.1973 brachte einen Absatz 2, der die Zustellung an einen Verteidiger regelte, der mehrere Angeklagte vertrat. Dieser Absatz ist durch Art. 1 Nr. 9 des 1. StVRErgG wieder entfallen. Bezeichnung bis 1924: § 217.

1. 2. 3.

4. 5. 6. 7.

Übersicht Zweck, Anwendungsbereich | 1 Ladung des bestellten Verteidigers | 2 Ladung des gewählten Verteidigers a) Gewählter Verteidiger | 3 b) Ladung von Amts wegen | 4 c) Anzeige | 5 d) Mehrere Verteidiger | 9 e) Keine Benachrichtigungspflicht des Angeklagten | 12 Ausführung der Ladung | 13 Wegfall der Ladungspflicht | 14 Ladungsfrist | 15 Verzicht a) Verteidiger | 17 b) Angeklagter | 18

8.

9. 10.

Aussetzung a) Antragsberechtigte | 21 b) Belehrung des Angeklagten | 23 c) Antragstellung vor der Hauptverhandlung | 24 d) Entscheidung des Gerichts | 26 Beschwerde | 27 Revision a) Nichteinhaltung der Ladungsfrist | 28 b) Unterlassen der Ladung | 30 c) Sonstiges | 34 d) Ablehnung eines Aussetzungsantrags | 36

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1. Zweck, Anwendungsbereich. § 218 trägt dem Recht des Angeklagten auf Beistand eines Verteidigers seiner Wahl, gegebenenfalls auch eines Pflichtverteidigers (Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK; Art. 14 Abs. 3 lit. d IPBPR), durch eine förmliche Ladungspflicht des Gerichtes Rechnung, die das Mitwirkungsrecht des Verteidigers sichert. Er gilt für die Ladung des bestellten und des gewählten Verteidigers. Beide sind neben dem Angeklagten zu laden, so auch, wenn der Angeklagte nach § 233 von der Verpflichtung zum Erscheinen entbunden ist.1 § 218 gilt nicht im sog. Abwesenheitsverfahren (§ 287).2 § 218 ist auch anwendbar auf die Ladung der Vertreter der Personen, die in der Hauptverhandlung die Befugnisse des Angeklagten haben, so Einziehungsbeteiligte (§ 428), Verfahrensbeteiligte (§ 438), juristische Personen oder Personenvereinigungen (§ 444). Der Vertreter oder Beistand eines Nebenklägers ist hingegen seit dem am 1.10.2009 in Kraft getretenen 2.OpferRRG nach § 397 Abs. 2 Satz 3 nur noch vom Termin zur Hauptverhandlung zu benachrichtigen.3 Für den Beistand und den gesetzlichen Vertreter eines Angeklagten gilt § 218 ebenfalls nicht; diese sind vom Termin zu benachrichtigen (§ 149 Abs. 1, 2). Nach § 50 Abs. 2 JGG sollen sie geladen werden. Im Bußgeldverfahren ist § 218 anwendbar (§ 71 Abs. 1 OWiG).

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2. Ladung des bestellten Verteidigers. Dieser ist zu laden, solange seine Bestellung nicht zurückgenommen worden ist, auch wenn der Grund für seine Bestellung entfallen sein sollte.4

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1 Etwa OLG Köln NJW 1960 736; Meyer-Goßner/Schmitt 4; SK/Deiters 3; vgl. bei § 233. 2 SK/Deiters 3; vgl. bei § 286 bis § 288. 3 SK/Deiters 2; SSW/Grube 2. 4 RGSt 19 373; 21 266; 37 23; Haller/Conzen 354; KK/Gmel 2; Meyer-Goßner/Schmitt 3; KMR/Eschelbach 8; SK/Deiters 4; SSW/Grube 3.

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3. Ladung des gewählten Verteidigers a) Der gewählte Verteidiger (§ 138) ist nur zu laden, wenn seine Wahl dem Gericht 3 rechtzeitig vor der Hauptverhandlung angezeigt worden ist. Gewählt ist der Verteidiger, wenn er die ihm übertragene Verteidigung angenommen hat.5 Benennt der Angeklagte den Verteidiger, kann der Vorsitzende in der Regel dessen Ladung anordnen, ohne die Annahme prüfen zu müssen. Die Ladungsanordnung unterbleibt jedoch, wenn bekannt ist, dass der Verteidiger das ihm angetragene Mandat nicht übernimmt oder wenn ersichtlich ist, dass der Benannte als Verteidiger nicht tätig werden darf (§ 138 Abs. 2, §§ 138a, 146). In solchen Fällen ist die Bestellung zurückzuweisen, damit der Angeklagte Gelegenheit zur Bestellung eines anderen Verteidigers erhält. Zur Bestellung mehrerer Verteidiger entgegen § 137 Abs. 1 Satz 2 vgl. Rn. 10. Die Ladung des gewählten Verteidigers wird nicht dadurch hinfällig, dass ein bestellter Verteidiger geladen ist.6 Wird nach der Ladung eines gewählten Verteidigers angezeigt, dass der Angeklagte einen weiteren oder einen anderen Verteidiger gewählt habe, so ist, soweit möglich, auch dieser noch zu laden.7 Dies gilt auch für den Verteidiger, den der gesetzliche Vertreter nach § 137 Abs. 2 gewählt hat, und zwar selbst dann, wenn der Angeklagte die Wahl eines anderen Verteidigers angezeigt hat.8 Im Übrigen vgl. Rn. 9 ff. b) Die Ladung hat der Vorsitzende von Amts wegen anzuordnen. Eines besonderen 4 Antrags des Angeklagten oder des Verteidigers bedarf es nicht. Bei einer unklaren oder ersichtlich fehlerhaften Anzeige muss er von sich aus alles Zumutbare tun, um die Ladung möglichst noch rechtzeitig durchführen zu können (vgl. Rn. 5 und 15). c) Anzeige. Der Angeklagte hat die Wahl seines Verteidigers so rechtzeitig anzuzei- 5 gen, dass der Verteidiger unter Wahrung der Ladungsfrist zur Hauptverhandlung geladen werden kann. Unterlässt er die rechtzeitige Anzeige oder erstattet er sie unrichtig, unvollständig oder unklar, so dass die Ladung des Verteidigers nicht oder nur nach Rückfragen möglich ist, so wird im Interesse der Verfahrensbeschleunigung der Fortgang des Verfahrens dadurch nicht aufgehalten. § 218 soll die sachgemäße Verteidigung erleichtern, er soll aber dem Angeklagten nicht ermöglichen, durch eine verspätete Mitteilung eine Terminsverlegung zu erzwingen.9 Damit trägt er das Risiko, dass die Anzeige so rechtzeitig bei Gericht eingeht, dass der Verteidiger noch zum Termin geladen werden kann.10 An eine bestimmte Form ist die Anzeige von der Wahl eines Verteidigers nicht ge- 6 bunden. Die Vorlage einer eindeutigen11 schriftlichen Vollmacht ist zweckmäßig (vgl. etwa §§ 145a, 234, 411), aber nicht zwingend geboten.12 Die Anzeige muss aber eindeutig erkennen lassen, dass ein Verteidiger vom Angeklagten oder einer sonst dazu befugten Person gewählt worden ist. In der Regel wird deshalb eine ausdrückliche schriftliche Mitteilung erforderlich sein, jedoch kann in Ausnahmefällen auch in einer schlüssigen

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5 RG GA 60 (1913) 71; vgl. auch BVerfGE 43 94; SK/Deiters 5. 6 RGSt 53 264; RG Recht 1920 Nr. 239a. 7 RGSt 64 244; BGH bei Dallinger MDR 1956 11; BGH StV 1985 133; OLG Karlsruhe NJW 1968 855; MeyerGoßner/Schmitt 5; SK/Deiters 9. 8 RGSt 36 316 . 9 BGH NJW 1963 114; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 209; BayObLGSt 1984 133 = StV 1984 140; Meyer-Goßner/Schmitt 11; KMR/Eschelbach 17; SK/Deiters 11. 10 OLG Braunschweig StraFo 2009 520; SSW/Grube 6. 11 OLG Hamburg HESt 1 165; vgl. aber auch RG GA 48 (1901) 118 (zwei getrennt anhängige Verfahren). 12 RGSt 25 152; BGHSt 36 259; BayObLGSt 1984 133 = StV 1985 140 mit Anm. Sieg StV 1986 2; AK/Keller 1; KK/Gmel 3; Meyer-Goßner/Schmitt Vor § 137, 4; KMR/Eschelbach 13 f.; SK/Deiters 6.

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Handlung eine solche Anzeige erblickt werden,13 etwa darin, dass der Verteidiger in Gegenwart des Angeklagten vor Gericht für ihn tätig geworden ist, ohne dass dieser widersprochen hat,14 oder dass er ein Schriftstück, das ersichtlich vom Angeklagten stammt, dem Gericht vorgelegt hat.15 Tritt im Beisein des Angeklagten in der Hauptverhandlung ein anderer Verteidiger auf als derjenige, dessen Wahl der Angeklagte zuvor angezeigt hat, so kann hieraus für eine künftige Ladung gefolgert werden, dass jener an die Stelle des zuerst benannten Verteidigers getreten sei.16 In Zweifelsfällen wird sich für das Gericht eine Rückfrage empfehlen. Die Anzeige muss vom Angeklagten, seinem gesetzlichen Vertreter oder von einer 7 von diesen bevollmächtigten Person ausgehen.17 Die Vollmacht des Vertreters ist dem Gericht nachzuweisen. Teilt der Verteidiger selbst seine Beauftragung mit, so liegt darin auch ohne Beifügung einer Vollmacht in der Regel eine die Ladungspflicht auslösende Anzeige seiner Beauftragung.18 Diese kann unter Umständen auch daraus ersehen werden, dass der Verteidiger in der gleichen Sache für den Angeklagten bereits tätig geworden ist. Legt ein Verteidiger anlässlich der Akteneinsicht eine schriftliche Vollmacht ohne weitere Mitteilung an das Gericht in die Akten, so wird das Gericht darin eine Anzeige nach § 218 Satz 1 zu sehen haben, sofern es die Vollmacht zu Gesicht bekommt.19 Es besteht aber keine Verpflichtung, vorsorglich die Akten daraufhin durchzusehen. 8 Adressat der Anzeige ist das Gericht, also der Spruchkörper, der die Sache verhandelt. Eine Ausnahme gilt nur, wenn im Zeitpunkt der Anzeige noch nicht ersichtlich ist, ob und gegebenenfalls welches Gericht mit der Sache befasst werden wird. Dann genügt die Anzeige bei der Stelle, bei der das Verfahren anhängig ist (Staatsanwaltschaft;20 Verwaltungsbehörde bei Bußgeldverfahren),21 und zwar auch dann noch, wenn diese Stelle die Sache bereits abgegeben hat.22 Voraussetzung ist allerdings, dass dem Angeklagten oder seinem Bevollmächtigten bei Absenden der Anzeige das zuständige Gericht noch unbekannt ist.23 Erst bei einer nach Kenntnis vom zuständigen Gericht abgesandten Anzeige fällt es dem Angeklagten allein zur Last, wenn eine nicht an das Gericht adressierte Anzeige dort nicht mehr rechtzeitig eingeht.24 Im Übrigen ist eine falsch adressierte Anzeige für das Gericht genauso zu beachten wie eine richtig adressierte.

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13 RGSt 25 152; ferner die Nachw. in der vorhergehenden Fußnote. 14 RGSt 25 152; OLG Düsseldorf VRS 6 (1954) 385. 15 OLG Düsseldorf VRS 6 (1954) 385. 16 RG GA 41 (1903) 262. 17 RGSt 2 375; RG HRR 1927 Nr. 991. 18 BGHSt 36 259; OLG Bamberg NJW 2007 393; AK/Keller 1; KK/Gmel 3; SK/Deiters 6; enger früher RGRspr. 3 516; 9 4; RGSt 2 375; 25 152; 41 72; RG Recht 1937 Nr. 1103. 19 Eb. Schmidt 2; a.A. RG Recht 1910 Nr. 622. 20 BGH VRS 41 (1971) 133. 21 BayObLG bei Rüth DAR 1984 244; 1986 247; OLG Koblenz VRS 41 (1971) 208; OLG Schleswig bei Ernesti/Lorenzen SchlHA 1986 106. 22 OLG Bamberg NJW 2007 393; OLG Koblenz VRS 94 (1998) 219. 23 OLG Celle VRS 41 (1971) 299; 58 (1980) 327; OLG Frankfurt VRS 48 (1975) 376; OLG Hamm VRS 38 (1970) 203; OLG Koblenz VRS 51 (1976) 133. Dagegen stellen OLG Hamm VRS 41 (1971) 133 und OLG Karlsruhe Justiz 1974 134 zusätzlich darauf ab, ob der Verteidiger vom Gericht noch rechtzeitig hätte geladen werden können, wenn die Verwaltungsbehörde die Anzeige unverzüglich weitergeleitet hätte. Darauf kann es jedoch in diesem Zusammenhang nicht ankommen. Solange der Angeklagte das zuständige Gericht noch nicht kennt, muss er ohne Nachteil die Verteidigerbestellung der Verwaltungsbehörde anzeigen können. Hat er dagegen diese Kenntnis, dann geht es zu seinen Lasten, wenn er sich an die falsche Stelle wendet, und zwar auch dann, wenn dort die Anzeige nicht oder nur mit Verspätung weitergeleitet werden sollte. Für die Rechtzeitigkeit der Anzeige ist dann allein der Eingang beim zuständigen Gericht maßgebend. 24 BayObLGSt 1978 63 = NJW 1978 1968; OLG Stuttgart NJW 2006 3796 ff.

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d) Sind dem Gericht mehrere Verteidiger benannt worden, so ist grundsätzlich je- 9 der von ihnen zu laden,25 sofern sich nicht aus der Anzeige etwas anderes ergibt.26 Dies gilt auch für Fortsetzungstermine.27 Maßgebend ist immer der Inhalt der Anzeige. Ist in ihr ausdrücklich nur ein Verteidiger benannt, so ist nur dieser zu laden, auch wenn die angeschlossene Vollmacht auf mehrere Verteidiger lautet und – wenn sich die Vollmacht auf mehrere Sachen bezieht – auch nur in der Sache, zu der die Anzeige eingereicht ist.28 Lässt die Anzeige allerdings nicht eindeutig erkennen, wer als Verteidiger benannt werden soll, so können der Inhalt der Vollmacht oder sonstige, der Anzeige beigefügte Schriftstücke zur Ermittlung des Gewollten ergänzend herangezogen werden. Zweckmäßiger ist allerdings, dies in einer meist unschwer möglichen Rückfrage zu klären. Dies kann auch statt der Zurückweisung zur Bereinigung eines Verstoßes gegen das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146) angebracht sein.29 Bei der Benennung mehrerer zur Berufsausübung verbundener Anwälte (Sozietät) 10 als Verteidiger ist in der Regel anzunehmen, dass nur einer von ihnen mit der Verteidigung beauftragt werden soll, auch wenn eine auf alle lautende Vollmacht vorgelegt wird.30 Dann genügt es, wenn die Ladung an einen von ihnen gerichtet wird, und zwar im Zweifel an denjenigen, der die Anzeige unterschrieben hat.31 Es dürfte aber auch genügen, wenn die Ladung an die Sozietät gerichtet wird.32 Fraglich ist, ob dies auch gilt, wenn die Sozietät aus mehr als drei Anwälten bestehen sollte. Sofern nicht ohnehin ersichtlich ist, dass nur einer der Anwälte die Verteidigung übernehmen soll, kann es sich empfehlen, im Interesse der Verfahrensförderung die Sozietät auf den Termin und die Notwendigkeit einer Zurückweisung nach § 137 Abs. 1 Satz 2, § 146a Abs. 133 hinzuweisen und die Klarstellung anzuregen, welcher der Anwälte nun als Verteidiger gewählt worden ist. Etwaige Schwierigkeiten, die sich aus der Unklarheit der Anzeige ergeben, gehen auch hier zu Lasten des Angeklagten, der vor allem nicht geltend machen kann, dass ein bestimmter Anwalt aus der Sozietät hätte geladen werden müssen. Im Übrigen macht die bloße Möglichkeit eines Verstoßes nach § 137 Abs. 1 Satz 2 die Anzeige der Verteidigerbestellung als solche für das Gericht nicht unbeachtlich. Bestellt sich nachträglich ein vierter Verteidiger, so ist er nach § 146a Abs. 1 zurückzuweisen;34 einer Ladung bedarf es nicht. Für die Rechtsanwälte einer Bürogemeinschaft gelten die gleichen Grundsätze wie bei einer Sozietät. Kein Unterschied besteht vor allem in dem für die Zurechnung der Ladung bei Sozietäten entscheidenden Punkt der gemeinsamen Büroorganisation, bei der Räume, Personal und sonstige Betriebsmittel gemeinsam genutzt werden und alle Mitglieder der Bürogemeinschaft freien Zugang zu allen Mandantendaten haben. 35

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25 RGSt 64 244; RG GA 68 (1920) 355; BGHSt 36 259; BGH bei Dallinger MDR 1956 11; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 209; OLG Karlsruhe NJW 1968 855; h.M. 26 KMR/Eschelbach 11. 27 BGH StV 2001 663 ff. 28 RG GA 47 (1900) 156; 48 (1901) 118. 29 Vgl. OLG Celle StV 1989 471. 30 BVerfGE 43 94; OLG Hamm MDR 1980 513; vgl. BGH NJW 1994 2302; Dahs JR 1986 349; HK-GS/Schulz 2; ferner Rn. 3. 31 RGSt 48 377; 66 76; BGH bei Dallinger MDR 1956 11; OLG Hamm MDR 1980 513; MeyerGoßner/Schmitt 5; KMR/Eschelbach 11; SK/Deiters 9; SSW/Grube 5; a.A. Eb. Schmidt Nachtr. 3. 32 OLG Hamm MDR 1980 513; Kogel MDR 1976 373; KMR/Eschelbach 11; SK/Deiters 9; BGHR § 218 Rn. 3; BayObLG NStZ-RR 2001 337 ff. 33 SK/Deiters 9; vgl. andererseits AK/Keller 3 (Recht auf Ladung entfällt wegen § 146a Abs. 3 erst nach Zurückweisung); vgl. dazu bei § 146a. 34 Wegen der Einzelheiten vgl. bei § 146a. 35 BGH NStZ 2007 348.

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Scheidet ein Allein- oder Mitverteidiger aus einer Anwaltskanzlei aus, so ist er nach Mitteilung seiner neuen Kanzleianschrift unter dieser gesondert zur Hauptverhandlung zu laden.36 Zeigt ein Verteidiger an, dass er Untervollmacht von einem Verteidiger habe, des11 sen Wahl dem Gericht nicht mitgeteilt worden ist, so hat weder der eine noch der andere Anspruch auf Ladung.37 Es empfiehlt sich, dass das Gericht dies dem Unterbevollmächtigten alsbald mitteilt oder sonst auf eine Klärung hinwirkt. 12

e) Keine Benachrichtigungspflicht des Angeklagten. Der Angeklagte, der dem Gericht die Bestellung eines Verteidigers rechtzeitig angezeigt hat, darf sich darauf verlassen, dass das Gericht diesen zur Hauptverhandlung laden wird.38 Er ist nicht verpflichtet, den Verteidiger vom Termin zu verständigen.

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4. Ausführung der Ladung. Die vom Vorsitzenden angeordnete Ladung führt die Geschäftsstelle aus (§ 214 Abs. 1 Satz 2). § 218 Satz 1 fordert die förmliche Ladung des Verteidigers; ihm ist – ohne Rücksicht auf die Wahrung der Ladungsfrist – genügt, wenn die Ladung den Verteidiger zu Beginn der Hauptverhandlung erreicht hat.39 Wird er von vornherein auf zwei nicht aufeinanderfolgende Tage geladen, so bedarf es in der Regel keiner besonderen Ladung mehr, wenn am ersten Tag in seiner Gegenwart beschlossen und verkündet wird, dass die Verhandlung auch am nächsten Tag fortgesetzt werden soll.40 Bestellt sich der Verteidiger erst im Laufe der Hauptverhandlung, so ist er, wenn er bisher nicht teilgenommen hatte, zum nächsten Fortsetzungstermin zu laden.41 Die Ladung ist dem Verteidiger – auch zum Nachweis der Fristwahrung – grundsätzlich zuzustellen. Ein Ladungsersatz oder der Vermerk der Geschäftsstelle, die Ladung sei zur Post gegeben worden, genügt nicht, um die Einhaltung dieser Frist zu beweisen.42

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5. Wegfall der Ladungspflicht. Die zwingend vorgeschriebene förmliche Ladung des Verteidigers wird nicht dadurch entbehrlich, dass dem Verteidiger der Termin formlos bekanntgegeben wird43 oder dass er den Termin anderweitig erfahren hat, etwa von seinem Mandanten,44 oder dass dem Akteninhalt zu entnehmen ist, dass der Verteidiger oder sein Büro Kenntnis vom Termin hat.45 Die gegenteilige Ansicht, dass sich die Ladung erübrigt, wenn die anderweitig erlangte sichere Kenntnis des Verteidigers vom Termin aktenmäßig feststeht,46 findet im Wortlaut des § 218 keine Stütze. Gesetzlich vor-

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36 BayObLG NStZ-RR 2001 377 f.; SSW/Grube 5. 37 RG GA 67 (1919) 447. 38 BayObLG DAR 1960 237. 39 BGH bei Dallinger MDR 1975 369; Meyer-Goßner/Schmitt 7; KMR/Eschelbach 27; SK/Deiters 12. 40 RG GA 73 (1929) 290; BGHR § 218, Rn. 4. 41 OLG Karlsruhe GA 1979 347. 42 BayObLG bei Rüth DAR 1974 186; OLG Köln DAR 1985 125; OLG Zweibrücken NStZ 1981 355; KK/Gmel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 7; SK/Deiters 13. 43 OLG Hamm MDR 1971 320; Meyer-Goßner/Schmitt 8; SK/Deiters 13. 44 OLG Hamm VRS 45 (1973) 442; OLG Köln VRS 44 (1973) 110. 45 RG JW 1931 1601; BGH StV 1885 133; BayObLGSt 1984 133 = StV 1985 140; zu beiden Sieg StV 1986 2; OLG Celle VRS 47 (1974) 299; OLG Hamm NJW 1955 233; OLG Köln MDR 1973 70; OLG Schleswig SchlHA 1978 587; OLG München NJW 2005 2470; NJW 2006 1366; AK/Keller 5; KK/Gmel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 8; KMR/Eschelbach 25. 46 OLG Celle MDR 1972 168; NJW 1974 1258; OLG Hamburg VRS 40 (1971) 38; MDR 1972 168; OLG Hamm NJW 1955 233; 1969 705; KG VRS 28 (1965) 439; OLG Karlsruhe NJW 1968 855; GA 1979 347; OLG Koblenz VRS 41 (1971) 208; OLG Schleswig SchlHA 1970 198; OLG Naumburg StraFo 2009 332.

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geschriebene Formvorschriften können nicht durch formlose Mitteilungen wirksam ersetzt werden. Dies gilt auch, wenn die Wochenfrist wegen einer verspäteten Anzeige nicht mehr gewahrt zu werden braucht;47 die Ladungspflicht nach Satz 1 endet erst, wenn die förmliche Ladung zeitlich nicht mehr möglich (vgl. Rn. 15) ist. Bei einer dagegen verstoßenden formlosen Ladung wird die Revision allerdings, ebenso wie bei der mangels Tätigwerden des Gerichts einer Ladung ohnehin nicht gleichzusetzenden anderweitig erlangten sicheren Kenntnis vom Termin, meist daran scheitern, dass das Urteil nicht auf dem Formverstoß beruht.48 Anders ist es, wenn nicht die sichere Kenntnis, sondern nur die Möglichkeit der Kenntnisnahme vom Termin feststeht, so, wenn der Verteidiger diesen aus den ihm zur Einsicht überlassenen Akten ersehen konnte.49 Der Verteidiger muss bei Akteneinsicht auch nicht prüfen, ob die ihm mitgeteilte Ladung inhaltlich mit der Urschrift der Terminsbestimmung übereinstimmt.50 6. Ladungsfrist. Bei der Ladung des Verteidigers muss die entsprechend (§ 218 15 Satz 2) geltende Ladungsfrist des § 217 Abs. 1 grundsätzlich eingehalten werden,51 selbst wenn der Verteidiger vom Termin schon vorher Kenntnis hatte.52 Die Frist ist unbeachtlich, wenn die Wahl eines Verteidigers dem Gericht erst so spät mitgeteilt wird oder ein Pflichtverteidiger gesetzmäßig – also nicht etwa nur aus Versehen oder sonst einer dem Gericht zuzurechnenden Verzögerung53 – so spät bestellt wird, dass ihre Wahrung bis zu dem bereits bestimmten Termin der Hauptverhandlung nicht mehr möglich ist.54 Dasselbe gilt, wenn die Anzeige unrichtig oder so unvollständig ist, dass das Gericht nicht ohne Rückfrage erkennen kann, wer als Verteidiger gewählt worden ist. Sobald die Zweifel geklärt sind und die Ladung möglich wird, ist sie mit tunlichster Beschleunigung nachzuholen.55 Die Pflicht zur förmlichen Ladung des Verteidigers entfällt nur, wenn sie wegen 16 der Kürze der bis zum Termin verbleibenden Zeit überhaupt nicht mehr auszuführen ist.56 In diesen Fällen ist eine formlose telefonische Benachrichtigung des Verteidigers angebracht,57 die vom Ausführenden (Geschäftsstelle, evtl. auch Richter) aktenkundig zu machen ist.58 Das Gericht ist nicht verpflichtet, einen Verteidiger, dessen Wahl erst bei Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt worden ist, fernmündlich herbeizurufen.59 Die Pflicht der förmlichen Ladung entfällt zudem für den Fortsetzungstermin.60

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47 BayObLGSt 1984 133 = StV 1985 140; Meyer-Goßner/Schmitt 7; vgl. KK/Gmel 5 (förmliche Ladung, falls noch sinnvoll); a.A. SK/Deiters 13 (keine förmliche Ladung nötig, wenn Fristwahrung nicht mehr nachgewiesen werden muss). 48 SK/Deiters 13, 22; vgl. Rn. 32. 49 BGH NStZ 1985 229; BayObLGSt 1984 133 = StV 1985 140; OLG Karlsruhe NJW 1968 855; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1970 198; 1973 180; 1978 187; weit. Nachw. bei Rn. 14. 50 BayObLG 1958 6 = GA 1958 372. 51 Vgl. HK/Julius/Reichling 5; Hegler GerS 94 (1927) 246. 52 BayObLGSt 1984 133; OLG Celle VRS 47 (1974) 299; weit. Nachw. bei Rn. 14; zum Verzicht vgl. Rn. 17. 53 RGSt 20 38; KK/Gmel 5; Meyer-Goßner/Schmitt 11; SK/Deiters 11. 54 BGH NJW 1963 1114; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 209; BayObLGSt 1984 133 = StV 1985 140; Nötzel DJZ 1927 292. 55 OLG Hamm MDR 1971 320; OLG Karlsruhe GA 1979 347. 56 Dies entspricht der h.M., vgl. nur OLG Hamm MDR 1971 320; KK/Gmel 5; Meyer-Goßner/Schmitt 7; a.A. aber SK/Deiters 13, der eine formlose Ladung weitergehend für zulässig hält. 57 KK/Gmel 5; Meyer-Goßner/Schmitt 7. 58 Vgl. Hilger NStZ 1984 41; SK/Deiters 13. 59 OLG Hamburg HESt 1 165. 60 Für den Fall der Abwesenheit des Verteidigers jedoch BGH StV 2001 663.

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7. Verzicht 17

a) Der Verteidiger kann auf seine förmliche Ladung und auf die Einhaltung der Ladungsfrist ausdrücklich oder stillschweigend verzichten.61 Ein solcher Verzicht kann darin liegen, dass er dem Gericht bei Anzeige seiner Bestellung mitteilt, er habe vom Termin Kenntnis, sofern offensichtlich ist, dass er eine besondere Ladung nicht mehr erwartet.62 Gleiches gilt bei einem Vertagungsantrag, unter Umständen auch in der Übernahme der Aufgaben des wegen eines Ladungsmangels ausgebliebenen Verteidigers durch einen anwesenden.63 Einer Zustimmung des Angeklagten zum Verzicht bedarf der Verteidiger nicht.64 Da er aber dessen objektives Verteidigungsinteresse vor Erklärung des Verzichts mitberücksichtigen65 muss, ist es in der Regel zweckmäßig, dass er sich mit ihm vorher abspricht.

b) Der Angeklagte kann vor der Hauptverhandlung auf die Ladung seines Verteidigers nicht wirksam verzichten, da die förmliche Ladung und die Einhaltung der Ladungsfrist bei einem rechtzeitig dem Gericht namhaft gemachten Verteidiger nur diesem gegenüber die ausreichende Vorbereitung der Verteidigung gewährleisten soll. Der Angeklagte kann auch bei einem gewählten Verteidiger nicht über dessen eigene Verfahrensrechte verfügen.66 Gleiches gilt auch in der Hauptverhandlung, wenn der Verteidiger erschienen ist. Ist in der Hauptverhandlung der Verteidiger nicht erschienen, kann der Ange19 klagte auf diesen verzichten; sofern es sich nicht um eine notwendige Verteidigung handelt, kann er frei bestimmen, ob er sich verteidigen lassen will.67 Wird der Verzicht aus anderen Gründen als der unterbliebenen Ladung erklärt, wird er allgemein als wirksam angesehen;68 während andernfalls darauf abgestellt wird, ob der Angeklagte wusste, dass die Ladung unterblieben oder die Ladungsfrist nicht gewahrt ist.69 Der Beweggrund für den eindeutig gewollten und erklärten Verzicht ist jedoch unerheblich.70 Bei Nichtladung des Verteidigers oder bei Nichtwahrung der Ladungsfrist wird allerdings die Fürsorgepflicht in der Regel vom Gericht fordern, dass es den Angeklagten auf seine andernfalls bestehenden Befugnisse hinweist, bevor es den ausdrücklichen Verzicht auf den Verteidiger entgegennimmt.71 Der Angeklagte sollte sich aber im Klaren sein, dass er

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61 BGH NStZ 2005 646; OLG Jena vom 10.5.2007 – 1 Ss 54/07; HK/Julius/Reichling 6; Schmid Verwirkung 223; h.M. 62 OLG Hamm JMBlNW 1953 260; NJW 1953 233; OLG Jena vom 10.5.2007 – 1 Ss 54/07; AK/Keller 5; KK/Gmel 7; Meyer-Goßner/Schmitt 9; KMR/Eschelbach 30; SK/Deiters 18. 63 SK/Deiters 18; anders BGH bei Dallinger MDR 1956 11. Es kommt wohl auf die Umstände des Einzelfalls an. 64 Schmid Verwirkung 223; jetzt h.M.; a.A. OLG Hamm NJW 1954 1856. 65 Vgl. BGHSt 18 369. 66 BGHSt 18 396 mit Anm. Hanack JZ 1971 220; OLG Zweibrücken StV 1988 425. 67 BGHSt 36 259; OLG Schleswig SchlHA 1953 269; OLG Koblenz MDR 1968 944; VRS 41 (1971) 208; Schmid Verwirkung 224, 226; AK/Keller 6; KK/Gmel 7; Meyer-Goßner/Schmitt 9; KMR/Eschelbach 32; SK/Deiters 20. 68 Etwa OLG Köln MDR 1973 70; SK/Deiters 18. 69 OLG Dresden JW 1930 2594 mit Anm. Löwenstein; OLG Düsseldorf VRS 6 (1954) 368; OLG Brandenburg StV 1996 368 (Ls.); Schmid Verwirkung 224; SK/Deiters 20, wohl auch Meyer-Goßner/Schmitt 9. 70 OLG Köln MDR 1973 70. 71 Praktisch kommt man damit zum gleichen Ergebnis wie die oben unter Fn. 67 angeführte Ansicht, vermeidet aber die mit der eigenen Entscheidungsbefugnis des Angeklagten schlecht zu vereinbarende Erforschung der Motive einer eindeutigen Prozesserklärung.

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mit dem Verzicht auch das Recht auf Aussetzung des Verfahrens verliert.72 Die Fürsorgepflicht kann auch im Übrigen der besonderen Umstände wegen (etwa Ausländer mit mangelhaften deutschen Sprachkenntnissen)73 gebieten, dass das Gericht trotz des Verzichts nicht ohne Verteidiger verhandelt. Besteht der Angeklagte trotz Belehrung auf dem Verzicht, ist das Gericht nicht befugt, diesen als unwirksam zu behandeln; es muss gegebenenfalls einen Pflichtverteidiger bestellen. Ein stillschweigender Verzicht kann nur angenommen werden, wenn dem Ange- 20 klagten bekannt ist, dass sein Verteidiger nicht ordnungsgemäß geladen worden ist und dass er deswegen die Aussetzung beantragen kann,74 wenn er verhindern will, dass das Gericht ohne Verteidiger gegen ihn verhandeln wird. Darin allein, dass der Angeklagte sich rügelos zur Sache einlässt, liegt noch kein Verzicht.75 Ein solcher kann aber vorliegen, wenn der Angeklagte trotz der Belehrung über sein Recht, Aussetzung zu verlangen, in die Verhandlung einwilligt, oder wenn er das Gericht bittet, weiter zu verhandeln, obwohl sein Verteidiger bei der Fortsetzung der unterbrochenen Hauptverhandlung ausgeblieben ist,76 oder wenn der Angeklagte erklärt, sein Verteidiger werde nicht erscheinen, weil er ihn nicht bezahlen könne.77 Einen Verzicht durch schlüssiges Verhalten hat der BGH ferner dann angenommen, wenn der Pflichtverteidiger neben der Wahlverteidigung ersichtlich nur bei der Vernehmung bestimmter Zeugen auftreten möchte und auch der Angeklagte durch sein Verhalten zu erkennen gegeben hat, dass der Pflichtverteidiger lediglich bei einzelnen Zeugenbefragungen tätig sein und die Verteidigung im Übrigen von der stets anwesenden Wahlverteidigerin übernommen werden soll.78 8. Aussetzung a) Antragsberechtigte. Der in der Hauptverhandlung erschienene Verteidiger, 21 der trotz rechtzeitiger Anzeige oder Bestellung nicht oder nicht unter Einhaltung der Frist geladen worden ist, hat zu entscheiden, ob er wegen der in beiden Fällen nicht eingehaltenen Frist die Aussetzung beantragen oder darauf verzichten will.79 Nur er – und nicht der Angeklagte – kann beurteilen, ob er zur sachgerechten Verteidigung noch zusätzlicher Vorbereitung bedarf.80 Er hat dieses Recht auch dann, wenn ein weiterer Verteidiger ordnungsgemäß geladen und erschienen war.81 Ist der Verteidiger von Anfang

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72 SSW/Grube 13. 73 OLG Zweibrücken StV 1988 425; KK/Gmel 7; SK/Deiters 20. 74 BGHSt 36 259; BGH NStZ 1985 229; 2005 114; RG GA 68 (1920) 35; OLG Hamm NJW 1955 233; 1969 705; JZ 1956 258; OLG Karlsruhe Justiz 1974 134; OLG Koblenz VRS 41 (1971) 208; OLG Köln MDR 1973 70; OLG Oldenburg VRS 40 (1971) 203; OLG Brandenburg StV 1996 368 (Ls.); AK/Keller 6; KK/Gmel 7; MeyerGoßner/Schmitt 9; SK/Deiters 20. 75 RGSt 19 436; 27 425; 43 162; RG GA 69 (1925) 87; JW 1926 2736; HRR 1939 Nr. 63; BayObLGSt 1958 6 = GA 1958 372; KG StV 1996 10; OLG Karlsruhe NJW 1968 855; Justiz 1974 134; 151; GA 1979 347; OLG Hamm JZ 1956 258; NJW 1969 705; OLG Oldenburg VRS 40 (1971) 203; OLG Koblenz VRS 41 (1971) 208; OLG Schleswig SchlHA 1969 151; h.M.; vgl. auch vorstehende Fußnote. 76 OLG Koblenz MDR 1968 944. 77 OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1974 182. 78 BGH NStZ 2005 646 ff. 79 AK/Keller 6; KK/Gmel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 12; KMR/Eschelbach 34; SK/Deiters 14; a.A. die frühere Rechtsprechung, z.B. RGSt 27 425; vgl. auch RGSt 43 161; RG JW 1902 578; OLG Hamm NJW 1954 1856; JZ 1956 258. Hanack JZ 1971 220 geht davon aus, dass die Ladungsfrist auch dem Schutz des Angeklagten dient, so dass auch dieser und nicht nur der zur Hauptverhandlung erschienene Verteidiger die Aussetzung verlangen kann. 80 Ebenso OLG Celle MDR 1966 256 für Anwalt des Nebenklägers. 81 BGH StV 1985 133 mit Anm. Sieg StV 1986 2; KK/Gmel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 12; SK/Deiters 14.

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an anwesend, muss er den Aussetzungsantrag bis zum Beginn der Vernehmung des von ihm vertretenen Angeklagten zur Sache stellen (§ 217 Abs. 2). Er kann dies aber auch schon vor der Hauptverhandlung schriftlich beantragen.82 Für einen nach Verhandlungsbeginn erscheinenden Verteidiger gilt die Begrenzung des Antragsrechts in § 217 Abs. 2 nicht. Er kann den Aussetzungsantrag bis zur Urteilsverkündung stellen, muss dies aber, wie aus dem Sinn des § 217 Abs. 2 folgt, unverzüglich nach seinem Erscheinen tun.83 Es wäre mit der entsprechenden Anwendung des § 217 Abs. 2 unvereinbar, wollte man annehmen, dass der Verteidiger den Aussetzungsantrag auch erst nach längerer Teilnahme an der Hauptverhandlung stellen könne, weil § 217 Abs. 2 nicht gelte. 22 Ist der zu Unrecht nicht geladene Verteidiger nicht erschienen, so ist der Angeklagte berechtigt, seinerseits den Aussetzungsantrag zu stellen.84 Durch die Folgen des Ladungsfehlers ist auch sein Recht auf Verteidigung unmittelbar beeinträchtigt. Hat der Verteidiger allerdings schon vorher auf die Ladung oder die Einhaltung der Ladungsfrist verzichtet, scheitert der Aussetzungsantrag des Angeklagten an diesem Verzicht.85 Die Verhandlung ohne Verteidiger ist nicht statthaft, wenn sich aus den Akten ergibt, dass dieser trotz Anzeige seiner Bestellung nicht geladen worden ist.86 23

b) Die Belehrung des Angeklagten über sein Recht, wegen des Ausbleibens seines nicht ordnungsgemäß geladenen Verteidigers die Aussetzung beantragen zu können, ist zwar nicht Gegenstand der Sollvorschrift des § 228 Abs. 3, die unmittelbar nur die Nichteinhaltung der Ladungsfrist beim Angeklagten betrifft; sie gilt aber entsprechend.87 Die Fürsorgepflicht des Gerichts fordert hier in der Regel im Interesse eines fairen Verfahrens aus den gleichen Gründen wie bei § 228 Abs. 3 eine Belehrung des rechtsunkundigen Angeklagten über seine Befugnis. Dass eine Belehrung angebracht ist, folgt auch schon daraus, dass der Verfahrensfehler andernfalls die Revision begründen kann, weil ohne Belehrung ein wirksamer Verzicht des Angeklagten auf die Anwesenheit seines Verteidigers nicht anzunehmen ist (Rn. 19). Die Ausschlusswirkung des § 217 Abs. 2 entzieht nur die unzulässige Verkürzung der Ladungsfrist der Revision (Rn. 30 ff.).

c) Antragstellung vor der Hauptverhandlung. Schon vor der Hauptverhandlung kann der mit Nichteinhaltung der Ladungsfrist begründete Aussetzungsantrag bei Gericht schriftlich gestellt werden.88 In der vor Verhandlungsbeginn an den Vorsitzenden gerichteten mündlichen Bitte, den Termin zu vertagen, liegt jedoch noch kein ordnungsgemäßer Aussetzungsantrag.89 Braucht die Ladungsfrist nicht eingehalten zu werden, weil dem Gericht die Wahl 25 des Verteidigers nicht oder nur verspätet mitgeteilt wurde oder weil der Verteidiger – ohne dass das Gericht es zu vertreten hat – erst kurz vor dem Termin bestellt wurde, dann hat der Verteidiger nicht den unbedingten Aussetzungsanspruch nach § 218 Satz 2,

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82 OLG Köln VRS 71 (1986) 449; vgl. § 217, 8. 83 OLG Celle MDR 1966 256; OLG Hamm JZ 1956 258; KK/Gmel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 14; SK/Deiters 15; a.A. Eb. Schmidt Nachtr. 6. 84 OLG Celle NJW 1974 1258; AK/Keller 6; KK/Gmel 9; Meyer-Goßner/Schmitt 13; KMR/Eschelbach 34; SK/Deiters 14; vgl. auch OLG Köln VRS 71 (1986) 449 (Verteidiger hat bereits Aussetzung beantragt). 85 OLG Celle NJW 1974 1258; KMR/Eschelbach 33 ff. 86 BayObLGSt 1980 35 = VRS 59 (1980) 207. 87 KK/Gmel 9; Meyer-Goßner/Schmitt 13; SK/Deiters 20; vgl. auch OLG Celle NJW 1974 1258; OLG Köln MDR 1973 70; Plötz Fürsorgepflicht 265. 88 Vgl. § 217, 8. 89 BGH NJW 1978 1278; OLG Celle NJW 1974 1258; VRS 58 (1980) 372; KK/Gmel 10; Meyer-Goßner/Schmitt 12; SK/Deiters 15.

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§ 217 Abs. 2. Je nach Lage des Falls kann jedoch die Aussetzung oder Unterbrechung nach den §§ 228, 229, 265 Abs. 4 in Frage kommen.90 Im Falle einer notwendigen Verteidigung ist § 145 Abs. 2 und 3 entsprechend anwendbar.91 d) Entscheidung des Gerichts. Dieses muss dem auf die Nichteinhaltung der La- 26 dungsfrist gestützten, rechtzeitig gestellten Aussetzungsantrag nach § 218 Satz 2, § 217 Abs. 2 entsprechen. Die Aussetzung ist insoweit zwingend.92 Anders als bei den auch bei verspäteter Anzeige möglichen Aussetzungsanträgen nach §§ 228, 265 Abs. 4 wegen Behinderung der Verteidigung steht sie nicht in dem an Sacherfordernissen orientierten pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Nur wo für eine Ermessensentscheidung Raum ist, nicht aber bei dem auf Nichteinhaltung der Ladungsfrist gestützten Aussetzungsantrag, kann die Aussetzung mit der Begründung abgelehnt werden, der Verteidiger habe im Laufe der langen Hauptverhandlung an den sitzungsfreien Tagen noch genügend Zeit zu einer ergänzenden Vorbereitung93 oder der Verteidiger habe schon länger, als die Ladungsfrist erfordert, sichere Kenntnis vom Termin gehabt.94 Muss wegen des unentschuldigten Ausbleibens eines zum Erscheinen verpflichteten Angeklagten ein verwerfendes Prozessurteil ergehen, ist für eine Aussetzung wegen Nichteinhaltung der Ladungsfrist kein Raum.95 Anders als die unterbliebene Ladung96 hindert die Nichteinhaltung der Ladungsfrist die Verwerfung nicht. Dies ist auch sachlich gerechtfertigt, denn Zweck der Aussetzung ist, die Vorbereitung der Verteidigung bei der Sachverhandlung zu sichern; bei einer reinen Prozessentscheidung entfällt dieser Grund. Im verwerfenden Urteil liegt auch die Ablehnung des Aussetzungsantrags. Soweit dagegen eine Sachverhandlung möglich ist, weil der Verteidiger den ausgebliebenen Angeklagten in der Hauptverhandlung vertreten darf, ist seinem Aussetzungsantrag wegen Nichteinhaltung der Ladungsfrist zu entsprechen. 9. Beschwerde. Der Beschluss, der die Aussetzung ablehnt, kann nicht mit Be- 27 schwerde angefochten werden (§ 305). Wegen der Anfechtbarkeit der Aussetzung der Hauptverhandlung vgl. die Erläuterungen zu § 228. 10. Revision a) Nichteinhaltung der Ladungsfrist. Auf die nicht fristgerechte Ladung des Ver- 28 teidigers kann die Revision für sich allein ebenso wenig gestützt werden wie auf die nicht fristgerechte Ladung des Angeklagten.97 Entsprechend dem Grundgedanken des § 217, wonach die Nichteinhaltung der Ladungsfrist nur die Möglichkeit eröffnet, unverzüglich die Aussetzung zu verlangen oder von der Rüge endgültig Abstand zu nehmen,98

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90 Vgl. bei § 228, 21 ff., § 265; ferner etwa KK/Gmel 11. 91 BGH NJW 1963 1114. 92 Vgl. § 217, 6. 93 Vgl. BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 209; Meyer-Goßner/Schmitt 12. 94 Vgl. BGH StV 1985 133 mit Anm. Sieg StV 1986 2; BHG StV 1995 57; KK/Gmel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 12; wie hier SK/Deiters 22 (Lösung im Rahmen der Revision). 95 KG VRS 63 (1982) 126; Meyer-Goßner/Schmitt 12; SK/Deiters 17. 96 BayObLGSt 1984 133 = StV 1985 140. 97 Wie bei § 217 ist es letztlich gleich, ob man dies mit präsumtivem Verzicht, mit Verwirkung oder entsprechend der hier vertretenen Auffassung mit der Präklusionswirkung der abschließenden Regelung der Beanstandung begründet oder mit der Unterbrechung des normativen Zusammenhangs zwischen Rechtsfehler und Urteil durch die Korrekturmöglichkeit – Schlüchter 429; SK/Deiters 22. 98 BGHSt 18 309; vgl. § 217, 16.

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ist auch hier davon auszugehen, dass dieser Verfahrensverstoß vom Verteidiger nur in der Hauptverhandlung durch einen alsbald gestellten Aussetzungsantrag geltend gemacht werden kann. Gleiches gilt, wenn nur bei einem von mehreren Verteidigern eines Angeklagten die Ladungsfrist nicht gewahrt ist.99 Ist der geladene Verteidiger ausgeblieben, so muss, wenn die Ladungsfrist nicht ge29 wahrt ist, der Angeklagte entscheiden, ob er deswegen die Aussetzung beantragen oder auf den Verteidiger verzichten will. Stellt er keinen Aussetzungsantrag, kann die Revision nur darauf gestützt werden, dass das Gericht durch Unterlassen der Belehrung (vgl. Rn. 23) entsprechend § 228 Abs. 3 seine Fürsorgepflicht verletzt hat.100 b) Unterlassen der Ladung. Unterbleibt die Ladung eines notwendigen Verteidigers, so ist der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 gegeben. Wurde ein rechtzeitig benannter Verteidiger nicht geladen, so kann die Verletzung des Rechts auf Verteidiger nach § 337 gerügt werden, wenn dieser Verfahrensfehler nicht durch Verzicht (Rn. 19) nachträglich geheilt ist.101 Ob das Gericht die Nichtladung verschuldet hat, ist unerheblich.102 Dies gilt auch, wenn nur einer von mehreren Verteidigern nicht geladen worden ist, sofern nicht der anwesende Verteidiger mit Willen des Angeklagten die Aufgabe des Nichterschienenen mit übernimmt.103 Ist der Angeklagte nicht anwesend, begründet die Nichtladung seines Verteidi31 gers die Revision, ganz gleich, ob der Angeklagte von der Pflicht zum Erscheinen entbunden war104 oder ob er trotz Anordnung seines persönlichen Erscheinens ausgeblieben ist.105 Das Urteil muss – soweit § 338 Nr. 5 nicht greift – auf dem Verfahrensverstoß beru32 hen.106 Da die Abwesenheit des Verteidigers stets die Verteidigung beeinträchtigen kann, lässt sich dies in der Regel nicht ausschließen,107 es sei denn, es steht fest, dass der Verteidiger auch bei ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen wäre. Dass sein Ausbleiben andere Gründe hatte, wird, sofern nicht die Umstände des Einzelfalls etwas anderes ergeben, dann angenommen werden können, wenn aufgrund der Akten oder sonstiger

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99 BGHSt 36 259; vgl. Rn. 9. 100 Vgl. Rn. 24; SK/Deiters 23. 101 BGHSt 36 259; BGH StV 1985 133 mit Anm. Sieg StV 1986 2; BayObLGSt 1976 42; 1980 35; 1984 133 = NJW 1976 1547; BayObLGSt 1996 37 = NStZ 1997 40; VRS 59 (1980) 207; BayObLG StV 1985 140; OLG Düsseldorf OLGSt NF 1; OLG Hamburg VRS 40 (1971) 38; OLG Hamm VRS 53 (1977) 451; OLG Karlsruhe GA 1979 347; OLG Oldenburg VRS 40 (1971) 39; 203; OLG München NJW 2006 1366; AK/Keller 6; KK/Gmel 12; Meyer-Goßner/Schmitt 15; KMR/Eschelbach 42; SK/Deiters 22. 102 OLG Köln MDR 1980 688; KG StV 1996 10; vgl. auch OLG Bamberg NJW 2007 393. Dort handelte es sich allerdings um ein Ordnungswidrigkeitenverfahren. Der Verstoß gegen § 218 Satz 1 i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG begründete dort die Rechtsbeschwerde. 103 BGHSt 36 259; BGH StV 1985 133 mit Anm. Sieg StV 1986 2; RG GA 68 (1920) 355; OLG Karlsruhe NJW 1968 855. 104 OLG Köln NJW 1960 688; KK/Gmel 12; KMR/Eschelbach 43. 105 OLG Hamburg MDR 1972 168; KK/Gmel 12. 106 RGSt 1 405; 2 233; RGRspr. 3 472; RG LZ 1916 697; JW 1917 50; 1930 2563; 1931 1601; Recht 1920 Nr. 808; BayObLGSt 1976 42; OLG Düsseldorf VRS 64 (1983) 276; OLG Hamburg MDR 1971 71; OLG Hamm NJW 1969 705; VRS 53 (1977) 451; KG VRS 28 (1965) 438; OLG Karlsruhe Justiz 1979 347; OLG Köln DAR 1962 268; OLG Zweibrücken NStZ 1981 355. 107 Vgl. etwa BGHSt 36 259; BayObLGSt 1984 133 = StV 1985 140; KG StV 1996 10; SK/Deiters 22; ferner die Entscheidungen in der vorhergehenden Fußnote; anders dagegen BayOblG NStZ-RR 2001 374 f. in einem Fall, in dem die Revisionsbegründung jeden Vortrag dazu vermissen ließ, dass der Verteidiger die Entscheidung des Gerichts hätte beeinflussen können, wenn er ordnungsgemäß geladen worden wäre. Zu beachten ist jedoch, dass das BayObLG die Anforderungen an die Substantiierung der Verfahrensrüge im Hinblick auf die Beruhensfrage bedenklich verschärft hat.

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5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung

§ 219

Umstände ersichtlich ist, dass der Verteidiger sichere Kenntnis vom Termin hatte,108 etwa, wenn ihm der Termin nur nicht in der vorgeschriebenen Form (Rn. 14) mitgeteilt worden ist. Ist der nicht geladene Verteidiger trotzdem anwesend, so beruht die in seiner Ge- 33 genwart durchgeführte Verhandlung nicht auf dem Unterlassen der förmlichen Ladung.109 Die gleichzeitig vorliegende Nichteinhaltung der Ladungsfrist muss der Verteidiger mit dem Aussetzungsantrag geltend machen. Unterlässt er dies, kann er den Verfahrensfehler später nicht unter diesem Gesichtspunkt mit der Revision angreifen. c) Sonstiges. § 218 kann auch dadurch verletzt sein, dass zu einer früheren Zeit, als 34 in der Ladung angegeben, verhandelt worden ist.110 Hat der in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte einen Verteidiger gewählt und ihm Tag und Stunde der Hauptverhandlung mitgeteilt, dem Gericht aber die Wahl des Verteidigers nicht angezeigt, so kann – auch wenn § 218 dadurch nicht verletzt ist – die Verhandlung zu einer früheren Stunde die Revision begründen, wenn der Angeklagte auf die zeitliche Änderung nicht hingewiesen worden ist. Zur Begründung der Verfahrensrüge müssen nach § 344 Abs. 2 alle Tatsachen so 35 vollständig vorgetragen werden, dass das Revisionsgericht allein aufgrund des Vortrags prüfen kann, ob der Verfahrensfehler vorliegt. Bei der Behauptung eines Ladungsfehlers gehören dazu alle Tatsachen, die diesen zweifelsfrei dartun.111 Ein Vortrag des Angeklagten über einen unterbliebenen Verzicht auf die Ladung seines Verteidigers ist nicht erforderlich.112 d) Bei Ablehnung eines Aussetzungsantrags durch das Gericht kann die in der un- 36 richtigen Sachbehandlung liegende Beschränkung der Verteidigung mit der Revision nach § 338 Nr. 8 beanstandet werden.113 Gleiches gilt, wenn ein bei Gericht eingegangener, begründeter Aussetzungsantrag nicht vor der Hauptverhandlung beschieden wurde, ohne Rücksicht darauf, ob er dem Richter bekannt war.114

§ 219 Beweisanträge des Angeklagten § 219 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung Jäger https://doi.org/10.1515/9783110274943-009

(1) 1 Verlangt der Angeklagte die Ladung von Zeugen oder Sachverständigen oder die Herbeischaffung anderer Beweismittel zur Hauptverhandlung, so hat er unter Angabe der Tatsachen, über die der Beweis erhoben werden soll, seine Anträge bei dem Vorsitzenden des Gerichts zu stellen. 2 Die hierauf ergehende Verfügung ist ihm bekanntzumachen.

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108 BGH StV 1995 57; JMBlNW 1974 22. Schlüchter 429 Fn. 43 hält diese Annahme für bedenklich. Vgl. ferner etwa BGH StV 1985 133 mit Anm. Sieg StV 1986 2; SK/Deiters 22. 109 SK/Deiters 23. 110 RGSt 41 73; RG GA 39 (1891) 340; Recht 1911 340; OLG Koblenz DAR 1981 227 (Nichtbeachtung einer vereinbarten Terminsverschiebung); SK/Deiters 21. 111 Vgl. etwa OLG Karlsruhe VRS 90 (1996) 438; wegen der Einzelheiten s. bei § 344 Abs. 2. 112 OLG Köln NStZ-RR 2001 140 f. 113 BGH StV 1985 133 mit Anm. Sieg StV 1986 2; BayObLG bei Rüth DAR 1974 186; KG StV 1996 10; OLG Koblenz VRS 53 (1977) 357; HK/Julius/Reichling 11; KK/Gmel 13; Meyer-Goßner/Schmitt 17; KMR/Eschelbach 44; SK/Deiters 22. 114 BayObLG bei Rüth DAR 1974 186; OLG Koblenz VRS 53 (1977) 357.

73 https://doi.org/10.1515/9783110274943-009

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§ 219

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(2) Beweisanträge des Angeklagten sind, soweit ihnen stattgegeben ist, der Staatsanwaltschaft mitzuteilen. Schrifttum Barton Der Zeitpunkt des Beweisantrages unter Berücksichtigung des Inertia-Effektes, StraFo 1993 11; Deiters Kritik der gegenwärtigen Deutung des § 219 StPO, Festschrift für Dencker 2012 53; Krekeler Strafverteidigung mit einem und gegen einen Sachverständigen, StraFo 1996 5; Kretschmer Begriff und Bedeutung des Beweisantrags außerhalb der Hauptverhandlung, StraFo 2013 184; Mosbacher Zur Bescheidung auf Beweiserhebung gerichteter Aufträge, NStZ 2009 (Sonderheft) 20; Oske Die Entscheidung von Beweisanträgen vor der Hauptverhandlung (§ 219 StPO), MDR 1971 797; Quedenfeld Beweisantrag und Verteidigung in den Abschnitten des Strafverfahrens bis zum erstinstanzlichen Urteil, FS II Peters 1984 215; Schreiber/Rosenau Der Sachverständige im Verfahren und in der Verhandlung, Psychiatrische Begutachtung 2004 126; Steffen Die Verletzung des § 219 StPO als Revisionsgrund 1963; Traub Die Behandlung übergangener, nach § 219 StPO gestellter Beweisanträge, NJW 1957 1095.

Bezeichnung bis 1924: § 218.

1. 2.

3. 4. 5. 6.

7.

1

Übersicht Bedeutung | 1 Beweisantrag a) Begriff | 2 b) Antragsberechtigte | 3 Form und Inhalt | 4 Zuständigkeit des Vorsitzenden | 6 Anhörung der Staatsanwaltschaft | 7 Entscheidung des Vorsitzenden a) Pflicht zur Entscheidung vor der Hauptverhandlung | 8 b) Vorläufigkeit der Entscheidung | 10 c) Entscheidungskriterien | 11 d) Begründung der Entscheidung | 16 Bekanntmachung der Entscheidung a) Bekanntmachung an den Angeklagten | 18

b)

8.

9.

Mitteilung an die Staatsanwaltschaft | 20 Auswirkung der Entscheidung a) Keine Bindung des Vorsitzenden | 23 b) Erneuerung des Antrags | 24 c) Hinweispflicht in der Hauptverhandlung | 25 d) Verzicht | 28 Rechtsbehelfe a) Recht, selbst zu laden | 31 b) Entscheidung des Gerichts | 32 c) Beschwerde | 33 d) Revision | 35

1. Bedeutung. § 219 gehört – ebenso wie die §§ 201, 220, 244, 245 und die Sonderfälle betreffenden § 216 Abs. 2 Satz 2, § 225a Abs. 2, § 270 Abs. 4 – zu dem Regelungssystem, das das Recht des Angeklagten sichert, aktiv den Umfang der Beweisaufnahme mitzubestimmen. Dies entspricht seiner in der Verfassung verankerten Stellung als Subjekt des Verfahrens1 und den Menschenrechtspakten, die fordern, dass der Angeklagte zu seiner Entlastung die Ladung und Einvernahme von Zeugen und Sachverständigen unter im wesentlichen gleichen Bedingungen erreichen kann, wie sie für Belastungszeugen gelten (Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK).2 In Verbindung mit § 245 eröffnet § 219 dem Angeklagten früh-

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1 Das aus Rechtsstaatsprinzip, den Freiheitsrechten und der Verpflichtung zur Achtung der Menschenwürde abgeleitete Recht auf ein faires, in den gegenseitigen Rechten ausgewogenes Verfahren umschließt das Recht des Angeklagten, im gleichen Umfang wie die anderen Verfahrensbeteiligten aktiv auf Gang und Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen; etwa BVerfGE 78 126; vgl. LR/Gollwitzer25 Art. 6, 7 Fn. 9 EMRK je m.w.N.; Vor § 226, 16; 25; 38. 2 Inhaltlich gleich Art. 14 Abs. 3 lit. e IPBPR; enger Art. 7 Abs. IX lit. d Nato-Truppenstatut. Vgl. LR/Esser26 Art. 6, 758 ff. EMRK.

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zeitig die Möglichkeit, die Gestaltung der Beweisaufnahme zu beeinflussen.3 Er und sein Verteidiger können dadurch schon vor der Hauptverhandlung auf die Beiziehung der von ihnen für erforderlich gehaltenen Beweismittel hinwirken; sie erhalten gleichzeitig Klarheit darüber, ob sie Beweispersonen nach § 220 selbst laden müssen. Die Möglichkeit, frühzeitig Beweismittel benennen zu können, fördert außerdem die zügige Durchführung der Hauptverhandlung und beugt Aussetzungen vor. § 219 ist auch im Bußgeldverfahren anwendbar.4 2. Beweisantrag a) Der Begriff des Beweisantrages ist den §§ 201, 219, 244 und 245 gemeinsam. 2 Auch für das Verfahren nach § 219 kommen nur Anträge in Betracht, durch die vom Angeklagten oder für ihn verlangt wird, dass Beweis über eine bestimmt bezeichnete Tatsache durch den Gebrauch eines bestimmt bezeichneten Beweismittels erhoben werde.5 Der Unterschied der Beweisanträge liegt im Zweck, den sie verfolgen, in den Grenzen, die ihrem Inhalt gezogen sind, in der Verfahrenslage, in der sie vorgebracht werden, und darin, dass die Entscheidung über sie im Falle des § 219 dem Vorsitzenden, in den Fällen der §§ 201 und 244 aber dem Gericht zugewiesen ist. Die in § 201 vorgesehenen Beweisanträge dienen nämlich allein dem Schutz des Angeschuldigten davor, dass die Hauptverhandlung gegen ihn angeordnet wird; für sie folgt aus § 203, dass die Erheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatsachen eng begrenzt ist (vgl. § 202, 2). Die Beweisanträge nach den §§ 219 und 244 richten sich gleichermaßen ohne sachliche Begrenzung auf die Beweisaufnahme über Tat und Schuld in der Hauptverhandlung; mit dem Unterschied, dass der Angeklagte im Fall des § 219 schon in dem der Vorbereitung der Hauptverhandlung gewidmeten Verfahren, im Fall des § 244 dagegen erst in der Hauptverhandlung mit dem Verlangen nach Beweiserhebung hervortritt. Daraus ergeben sich die unterschiedliche Zuständigkeit, die Vorläufigkeit der Entscheidung, sowie einige Besonderheiten, denen die Entscheidung des Vorsitzenden Rechnung tragen muss. b) Antragsberechtigt sind neben dem Angeklagten auch die Personen, die in der 3 Hauptverhandlung Angeklagtenbefugnisse haben, wie etwa die Nebenbeteiligten (§§ 427 Abs. 1 Satz 1, 439, 444 Abs. 2 Satz 2). Voraussetzung ist allerdings, dass sie mit dem Antrag eigene Verfahrensinteressen verfolgen. Für den Angeklagten kann dessen Verteidiger, für einen Nebenbeteiligten dessen Anwalt den Antrag stellen. Der Verteidiger ist dazu auch – unabhängig vom Willen des Angeklagten – kraft eigenen Rechts befugt.6 Die anderen Verfahrensbeteiligten – vor allem der Nebenkläger – haben diese Befugnis nicht. Sie sind deswegen aber nicht gehindert, beim Vorsitzenden die Beiziehung bestimmter Beweismittel anzuregen. § 219 gilt auch, wenn der vom Erscheinen in der Hauptverhandlung entbundene Angeklagte nach seiner kommissarischen Vernehmung (§ 233) schriftlich einen Beweisantrag stellt.7

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3 Alsberg/Tsambikakis 638; Oske MDR 1971 797; zu den Vor- und Nachteilen des Antrags aus der Sicht des Angeklagten ferner AK/Schlothauer Vor § 213, 138. 4 KG StV 1990 255; Göhler NStZ 1990 74. 5 BGHSt 6 128; Alsberg/Tsambikakis 636; vgl. § 244, 95 ff. 6 Wie auch sonst bei Beweisanträgen vgl. bei § 244. Ebenso Alsberg/Tsambikakis 640; HK/Julius/Reichling 5; Kretschmer StraFo 2013 184; Spendel JZ 1959 741. 7 BayObLG NJW 1956 1042; MüKo/Arnoldi 6.

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3. Form und Inhalt des Antrags. Eine bestimmte Form ist nicht vorgeschrieben; da der Antrag aktenkundig zu machen ist, muss er – zumindest auf Verlangen des Vorsitzenden – schriftlich eingereicht oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle erklärt werden.8 Ebenso wie beim Beweisantrag in der Hauptverhandlung sind Beweismittel und Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll, bestimmt zu bezeichnen. Im Übrigen reicht es aus, dass sich das Verlangen des Angeklagten, die benannten Beweismittel zur Hauptverhandlung beizuziehen, aus dem Sinn seiner Ausführungen ergibt. Beweisanregungen und Beweisermittlungsanträge unterfallen nicht dem § 219.9 Bedingte Beweisanträge sind zulässig (vgl. Rn. 14). Der Antrag muss die Beweiserhebung in der Hauptverhandlung bezwecken, dazu gehört auch der Antrag, bestimmte Beweisgegenstände herbeizuschaffen, damit sie in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen werden können. Anders ist es dagegen bei dem Antrag, vor der Hauptverhandlung einen richterlichen Augenschein nach § 225 einzunehmen10 oder vor der Hauptverhandlung eine richterliche Vernehmung nach § 223 in die Wege zu leiten oder einen Zeugen durch die Polizei vernehmen zu lassen.11 5 Entspricht das Begehren nicht den Erfordernissen eines Beweisantrags, lässt es insbesondere nicht erkennen, über welche Tatsachen Beweis erhoben werden soll, oder ist zweifelhaft, was der Antragsteller will, so hat der Vorsitzende in Erfüllung seiner Aufklärungs- und Fürsorgepflicht auf eine Klärung oder Vervollständigung hinzuwirken. Er kann dem Angeklagten Gelegenheit zu einer ergänzenden Äußerung geben,12 er kann aber auch den Antrag sofort ablehnen und dabei die Fehler oder Mängel des Antrages näher bezeichnen.13 Dem Angeklagten ist es dann überlassen, einen neuen Antrag zu stellen, der die gerügten Fehler und Mängel vermeidet. Der Vorsitzende darf aber nicht von sich aus einen ernsthaft gestellten Antrag in einen Beweisermittlungsantrag umdeuten.14

6

4. Zuständigkeit des Vorsitzenden. Wenn § 219 ausspricht, dass der Angeklagte seine Anträge beim Vorsitzenden des Gerichts zu stellen habe, bestimmt er dessen Zuständigkeit zur Entscheidung über die Anträge.15 Diesem – und nicht dem Gericht – obliegt auch sonst die Vorbereitung der Hauptverhandlung und die Ladung der Beweispersonen und die Beiziehung der sächlichen Beweismittel, die er aufgrund seiner Kenntnis der Aktenlage für erforderlich hält (vgl. §§ 214, 221). Abgesehen vom Strafrichter und den im ersten Rechtszuge entscheidenden Senaten der OLG ist vor der Hauptverhandlung auch kein Gericht vorhanden, das der Zusammensetzung des Gerichts in der Hauptverhandlung entspricht. Die Zuständigkeit des Vorsitzenden zur Entscheidung über Beweisanträge, die vor der Hauptverhandlung gestellt werden, entspricht dem notwendigerweise vorläufigen Charakter seiner Entscheidung.16 Es ist deshalb unzulässig, dass der

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8 Alsberg/Tsambikakis 641; KK/Gmel 2; Meyer-Goßner/Schmitt 1; SK/Deiters 9; MüKo/Arnoldi 5; nach KMR/Eschelbach 15 f. ist schriftliche und mündliche Antragstellung zulässig. 9 Alsberg/Tsambikakis 644; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Eb. Schmidt 2. 10 OLG Celle NJW 1957 1812; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Quedenfeld FS II Peters 223; h.M. 11 BGH vom 21.10.1975 –1 StR 414/75 nach KK/Gmel 2; SK/Deiters 11 (die Aufklärungspflicht aktualisierende Beweisanregung, kein Beweisermittlungsantrag). 12 AK/Keller 2; KK/Gmel 2. 13 Nach Alsberg/Tsambikakis 649 verdient der Hinweis im Rahmen einer ablehnenden Verfügung den Vorzug, da der Antrag dann nicht in der Schwebe bleibt und in mangelfreier Form wiederholt werden kann. Hierauf sollte der Angeklagte allerdings hingewiesen werden; ebenso Meyer-Goßner/Schmitt 3. 14 BGH bei Pfeiffer NStZ 1982 189; AK/Keller 2; KK/Gmel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 2. 15 RGSt 75 166; BGHSt 1, 287; OLG Köln MDR 1953 376; HK-GS/Schulz 2; HK/Julius/Reichling 7; SSW/Grube. 16 Eb. Schmidt 3; h.M.; vgl. Rn. 10.

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Vorsitzende einen förmlichen Beschluss des Gerichts in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung herbeiführt; er könnte nur Verwirrung und Unklarheit bei den Betroffenen hervorrufen.17 Intern steht es ihm frei, die als Mitglieder des erkennenden Gerichts vorgesehenen Richter zu hören, bevor er eine Verfügung erlässt.18 5. Eine Anhörung der Staatsanwaltschaft vor der Entscheidung über den Antrag 7 nach § 219 ist möglich und unter Umständen auch zweckmäßig. Zwingend vorgeschrieben ist sie aber nicht.19 Dies zeigen auch Absatz 2 und die Neuregelung des Ladungsrechts in § 214. § 35 Abs. 2 ist auf die prozessleitende Verfügung des Vorsitzenden, mit der er die Hauptverhandlung vorbereitet, nicht anwendbar.20 6. Entscheidung des Vorsitzenden a) Pflicht zur Entscheidung vor der Hauptverhandlung. Der Vorsitzende muss 8 noch vor der Hauptverhandlung dem Antrag entweder stattgeben oder ihn ablehnen. Er ist nicht befugt, von einer Verfügung abzusehen oder die Entscheidung dem erkennenden Gericht in der Hauptverhandlung vorzubehalten.21 Wird der Antrag dennoch nicht vor der Hauptverhandlung beschieden, so erwächst hieraus für den Vorsitzenden die Verpflichtung, sich zumindest in der Hauptverhandlung mit dem Antrag zu befassen. Diese Verpflichtung entfällt nur dann, wenn das Verhalten des Verteidigers in der Hauptverhandlung als stillschweigender Verzicht auf den ursprünglich gestellten Antrag anzusehen ist. Bei der Annahme eines solchen Verzichts ist aber Vorsicht geboten. Er kann nicht schon darin gesehen werden, dass der Verteidiger den Antrag in der Hauptverhandlung nicht erneut gestellt hat. Jedenfalls hat das KG es bereits als hinreichend für ein Festhalten des Verteidigers am Antrag gesehen, wenn er in der Hauptverhandlung die Frage aufgeworfen hat, ob sein Antrag zu den Gerichtsakten gelangt ist.22 Der Antrag darf auch dann nicht ohne Bescheid bleiben, wenn der Vorsitzende in ihm keinen zulässigen Antrag nach § 219 sieht, ihn als Beweisanregung oder als Beweisermittlungsantrag wertet oder wenn er den Angeklagten ergebnislos zu einer Klarstellung (vgl. Rn. 5, 17) aufgefordert hatte. Wegen seines eigenen Ladungsrechts nach § 220 muss der Angeklagte schon vor der Hauptverhandlung wissen, ob das Gericht das von ihm geforderte Beweismittel beizieht. Etwas Anderes kann allenfalls dann gelten, wenn sich aus dem Schreiben des Angeklagten eindeutig ergibt, dass dieser keinen Bescheid erwartet. Eine Ausnahme greift nur dann Platz, wenn der Antrag so spät bei Gericht eingeht, 9 dass es nicht möglich ist, noch vor der Hauptverhandlung über ihn zu entscheiden und alle dadurch notwendig werdenden Ladungen und Benachrichtigungen durchzuführen. In diesem Fall muss der Vorsitzende den Antrag in der Hauptverhandlung zur Sprache bringen (vgl. Rn. 26).

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17 OLG Köln MDR 1953 376; Alsberg/Tsambikakis 645; KK/Gmel 3; Meyer-Goßner/Schmitt 2; KMR/Eschelbach 29; SK/Deiters 14; a.A. AK/Keller 3 (Beschluss macht Entscheidung nicht fehlerhaft); vgl. Rn. 37. 18 OLG Köln DRiZ 1931 Nr. 452; Oske MDR 1971 797; h.M. 19 Traub NJW 1957 1096; Eb. Schmidt 4; KK/Gmel 4; Meyer-Goßner/Schmitt 2; KMR/Eschelbach 31; SK/Deiters 13. 20 Alsberg/Tsambikakis 646; Traub NJW 1957 1096; Oske MDR 1971 797. 21 RGSt 61 376; 72 231; 75 166; BGHSt 1 286; Kretschmer StraFo 2013 184; Alsberg/Tsambikakis 647. 22 KG vom 20.2.1998 – 2 Ss 374/97.

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b) Vorläufigkeit der Entscheidung. Die Entscheidung nach § 219 ist immer nur eine vorläufige. Sie bindet das erkennende Gericht nicht, das aufgrund der Hauptverhandlung im Rahmen der Aufklärungspflicht von Amts wegen und im Übrigen aufgrund eines neuen Beweisantrags erneut darüber zu befinden hat, ob die unter Beweis gestellte Tatsache erheblich und das angegebene Beweismittel brauchbar ist.23 In der ablehnenden Verfügung nach § 219 darf der Vorsitzende deshalb nicht den Anschein erwecken, dass damit eine bestimmte Sachbehandlung des Gerichts in Aussicht gestellt werde, wie etwa bei der Wahrunterstellung (dazu Rn. 13).

11

c) Entscheidungskriterien. Der Vorsitzende muss – wie sonst bei der Entscheidung über die Herbeischaffung weiterer Beweismittel (§ 221) – aufgrund seiner aus den Akten gewonnenen Kenntnis beurteilen, ob bei vorläufiger Einschätzung der Beweislage die Aufklärungspflicht sowie die für die Behandlung der Beweisanträge maßgebenden Grundsätze des § 244 Abs. 3 bis 524 die beantragte Beiziehung der Beweismittel angezeigt erscheinen lassen. Kann er dies nicht, weil der Antrag unvollständig oder unklar geblieben ist, muss er den Antrag ablehnen (vgl. Rn. 5). Gleiches gilt für unzulässige Anträge (vgl. § 244 Abs. 3). Einschränkungen ergeben sich aus der Vorläufigkeit der, die Hauptverhandlung 12 lediglich vorbereitenden, Verfügung. In ihr kann und darf keine Entscheidung ergehen oder in Aussicht gestellt werden, die nur das erkennende Gericht aufgrund der Beweiserhebung in der Hauptverhandlung treffen kann. So darf der Vorsitzende dem noch offenen Ergebnis der Beweisaufnahme nicht dadurch vorgreifen, dass er den Wert des benannten Beweismittels allein deshalb in Frage stellt, weil die unter Beweis gestellte Tatsache dem aus den Akten ersichtlichen vorläufigen Ermittlungsergebnis widerspricht.25 Vor allem aber darf der Vorsitzende den Antrag nicht mit der Begründung ablehnen, 13 die behauptete Tatsache könne als wahr unterstellt werden. Dies ist dem erkennenden Gericht vorbehalten. Der Vorsitzende kann dessen späterer Beweiswürdigung nicht vorgreifen.26 Allerdings widerspricht dem Deiters, der § 219 in sachlicher Orientierung an den in der Hauptverhandlung geltenden Maßstäben des § 244 Abs. 3, 4 und 5 Satz 2 so auslegen will, dass die Entscheidung dem Vorsitzenden im Vorfeld übertragen werde. Er begründet dies damit, dass die Regelung des § 219 aufgrund des notwendigerweise vorläufigen Charakters der Entscheidung des Vorsitzenden nicht den Zweck haben könne, dem Angeklagten die Möglichkeit einzuräumen, das Gericht zu einer, nach seiner Einschätzung auch unter Beobachtung der Amtsaufklärungspflicht des § 244 Abs. 2, nicht erforderlichen Beweiserhebung zu zwingen.27 Auch sieht Deiters für ein vorgelagertes Beweisantragsrecht in diesem Sinne angesichts des von einer Antragstellung vor der Hauptverhandlung nicht berührten Beweisantragsrecht in der Hauptverhandlung kein Bedürfnis, zumal bei einer solchen Deutung des § 219 nicht zu erklären wäre, weshalb

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23 RGSt 75 166; HK-GS/Schulz 2. 24 OLG Köln MDR 1953 376; h.M.; Alsberg/Tsambikakis 652; AK/Keller 4; KK/Gmel 6; MeyerGoßner/Schmitt 3; SSW/Grube 11; KMR/Eschelbach 33; Nierwetberg Jura 1984 633; a.A. SK/Deiters 17 (für einen grundsätzlich anderen Maßstab als in der Hauptverhandlung); Peters § 38 IV (wegen der Möglichkeit der Nachholung ist der Vorsitzende an die Ablehnungsschranken des § 244 Abs. 3, 4 nicht gebunden). 25 RGSt 63 332; OLG Koblenz OLGSt 1. 26 Jetzt h.M.; etwa RGSt 73 193; 75 167; BGHSt 1 51; Alsberg/Tsambikakis 669 m.w.N.; KK/Gmel 6; MeyerGoßner/Schmitt 3; KMR/Eschelbach 36; Eb. Schmidt 12; Kretschmer StraFo 2013 184; Nierwetberg Jura 1984 633; Oske MDR 1971 797; Traub NJW 1957 1097; a.A. OLG Hamburg HESt 1 166; SK/Deiters 21. 27 Hier und im Folgenden Deiters FS für Dencker 60 f. im Anschluss an Steffen 1963 7; ebenso SK/Deiters 15 ff.

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vor der Hauptverhandlung allein der Vorsitzende (und nicht das in der Hauptverhandlung hierfür zuständige Gericht) entscheidet. Schließlich, so Deiters, wäre auch unverständlich, weshalb der Antrag auf Einnahme eines Augenscheins in der Hauptverhandlung von § 219 nicht erfasst wird; hätte der Gesetzgeber dem Angeklagten ein Beweisantragsrecht im engeren Sinne vor und in der Hauptverhandlung einräumen wollen, so wäre zu erwarten gewesen, dass er ein solches Recht in beiden Verfahrensstadien auch vollumfänglich gewährt. Diese von Deiters für eine Erweiterung des Ermessensspielraums des Vorsitzenden vorgebrachten Gründe sind beachtlich. Dennoch spricht gegen sie die Tatsache, dass der Vorsitzende im Vorfeld nicht in der Lage sein wird, mit der erforderlichen Zuverlässigkeit vorherzusehen, was die künftige Beweisaufnahme ergeben wird. Die Möglichkeit einer Wahrunterstellung ist daher aufgrund der nur summarischen Prüfungsmöglichkeiten im Vorfeld grundsätzlich abzulehnen. Zu vielfältig sind die Möglichkeiten eines Verlaufs der späteren Hauptverhandlung, durch die die Wahrunterstellung entkräftet werden könnte. Zur Hinweispflicht des Vorsitzenden bei einer fehlerhaften Ablehnung des Antrags nach § 219 vgl. Rn. 25. Auch ein bedingter (hilfsweise gestellter) Beweisantrag, in dem die Beiziehung 14 eines Beweismittels nur für den Fall gefordert wird, dass das Gericht nicht von einem bestimmten Sachverhalt oder einer bestimmten Beweislage ausgeht, ist vor der Hauptverhandlung zu bescheiden. Sofern der Vorsitzende nicht die Beiziehung des beantragten Beweismittels verfügt, weil nach seiner Einschätzung der Aktenlage die Bedingung gegeben ist oder weil die Aufklärungspflicht dies nahelegt, ist in der Regel ein solcher Antrag schon deshalb abzulehnen, weil nach der Aktenlage nicht zu beurteilen ist, ob die Voraussetzungen, von denen der Hilfsantrag die Beiziehung des Beweismittels abhängig macht, vom erkennenden Gericht für gegeben erachtet werden.28 In diesem Fall muss es zulässig sein, die Ablehnung damit zu begründen und dem Antragsteller anheimzugeben, den Antrag gegebenenfalls in der Hauptverhandlung erneut zu stellen. Wird der Hilfsantrag vor der Hauptverhandlung nicht beschieden, ist er, ebenso wie andere unerledigte Anträge, in ihr vom Vorsitzenden zur Sprache zu bringen (vgl. Rn. 25). Hat der Angeklagte die Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen bean- 15 tragt, muss der Vorsitzende am Maßstab des § 244 Abs. 4 beurteilen, ob die Sachkunde des Gerichts voraussichtlich ausreichen wird. Auch wenn letztlich hierüber das erkennende Gericht zu befinden hat, kann er den Antrag mit dem Hinweis auf die voraussichtlich ausreichende Sachkunde des Gerichts ablehnen;29 andernfalls kann er zur Vorbereitung der Hauptverhandlung vorsorglich einen Sachverständigen zum Termin laden oder ihn mit der Fertigung eines schriftlichen Gutachtens beauftragen. Wird die Zuziehung eines weiteren Sachverständigen beantragt, kann er dies ablehnen, wenn nach seiner Einschätzung die Voraussetzungen des § 244 Abs. 4 Satz 2 Hs. 2 nicht gegeben sind.30 Auf die Vorläufigkeit dieser das erkennende Gericht nicht präjudizierenden Beurteilung ist hinzuweisen.

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28 OLG Celle VRS 17 (1959) 281; Alsberg/Tsambikakis 643; Meyer-Goßner/Schmitt 1; SK/Deiters 12. Vgl. auch Pfeiffer/Fischer 2 (Hilfsbeweisantrag zulässig, wenn Eintritt der Bedingung schon vor der Hauptverhandlung beurteilt werden kann). 29 Alsberg/Tsambikakis 651; KK/Gmel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 3; KMR/Eschelbach 47; frühere Entscheidungen sprechen vom pflichtgemäßen Ermessen, so RGSt 47 108; 49 437; 51 42; 52 61; 57 158; 61 114, 273; 64 160. 30 Alsberg/Tsambikakis 651; KK/Gmel 6.

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d) Begründung der Entscheidung. Gibt der Vorsitzende dem Antrag statt, braucht er seine Verfügung nicht zu begründen. Er ordnet die Ladung der benannten Beweispersonen (§ 214 Abs. 1) und die Herbeischaffung der Beweisgegenstände an. Die Ablehnung muss jedoch, wie es § 34 und die Fürsorgepflicht erfordern,31 be17 gründet werden, wobei die Begründung erkennen lassen muss, dass die Entscheidung des Vorsitzenden eine vorläufige ist.32 Da der Vorsitzende über einen Beweisantrag nicht nach freiem Ermessen befinden darf, sondern ihn grundsätzlich so zu behandeln hat, wie ihn das erkennende Gericht behandeln müsste, wenn er in der Hauptverhandlung gestellt worden wäre, spricht manches dafür, dass auch die Begründung einer ablehnenden Verfügung den maßgeblichen Ablehnungsgrund in seinen Grundzügen erkennbar machen muss. Wegen der vorläufigen Natur der Entscheidung reicht jedoch eine knappere Begründung, wenn sie keinen Zweifel darüber aufkommen lässt, dass und warum der Antrag abgelehnt wird.33 Lässt sich die Ablehnungsbegründung auf mehrere Normen stützen, so genügt die Angabe dieser Normen, auch wenn sich der Begründung nicht eindeutig entnehmen lässt, welche von ihnen das Gericht angewandt hat.34 Nach anderer Ansicht35 genügt der Hinweis, dass die Beweiserhebung entbehrlich erscheint. Der Antragsteller muss auf jeden Fall erkennen, dass damit sein Antrag nach § 219 endgültig erledigt ist. Er kann sich schlüssig machen, ob er nach § 220 verfahren oder den Antrag in der Hauptverhandlung wiederholen will.36 Eine Belehrung über diese Rechtslage ist nicht vorgeschrieben,37 es kann jedoch zweckmäßig sein, den Antragsteller in der ablehnenden Verfügung darauf hinzuweisen.38 7. Bekanntmachung der Entscheidung

a) Bekanntmachung an den Angeklagten. Absatz 1 Satz 2 schreibt dies zwingend vor.39 Die Verfügung des Vorsitzenden muss dem Angeklagten sowohl dann mitgeteilt werden, wenn dem Antrag stattgegeben wurde, als auch dann, wenn der Antrag abgelehnt wurde. Für die Art der Bekanntgabe sind die §§ 35 und 37 maßgebend. Es genügt eine formlose Mitteilung nach § 35 Abs. 2 Satz 2,40 die jedoch unverzüglich erfolgen sollte, damit der Angeklagte seine Verteidigung danach einrichten kann, etwa Ladung nach § 220.41 Die Mitteilung an Mitangeklagte, die nicht Antragsteller sind, ist nicht vorgeschrie19 ben. Sie kann angebracht sein, wenn die Verfügung, insbesondere eine ablehnende Verfügung, auch für ihre Verteidigung von Bedeutung ist.42 Wird dem Antrag stattgegeben, müssen die geladenen Beweispersonen ohnehin nach § 222 Abs. 1 auch den Mitangeklag-

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31 Oske MDR 1971 798; KK/Gmel 5; Meyer-Goßner/Schmitt 4; KMR/Eschelbach 49; SK/Deiters 26; Eb. Schmidt 7. 32 BGHSt 1 51; HK/Julius/Reichling 8; h.M. 33 SK/Deiters 26; SSW/Grube 14. 34 OLG Hamm NZV 1998 425 f. 35 KK/Gmel 5; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Eb. Schmidt 5; zweifelnd Pfeiffer/Fischer 4. 36 Vgl. Rn. 24. 37 Alsberg/Tsambikakis 684; Meyer-Goßner/Schmitt 4; SK/Deiters 27; KK/Gmel 5; a.A. KMR/Eschelbach 50. 38 KK/Gmel 5; KMR/Eschelbach 50; SK/Deiters 27; W. Schmid Verwirkung 208. 39 OLG Köln JMBlNW 1962 201. 40 Alsberg/Tsambikakis 653; HK/Julius/Reichling 8; Oske MDR 1971 797; KK/Gmel 7; KMR/Eschelbach 55; SSW/Grube 15; SK/Deiters 28. 41 Meyer-Goßner/Schmitt 4; SK/Deiters 20; MüKo/Arnoldi 10. 42 Oske MDR 1971 797; KK/Gmel 9; KMR/Eschelbach 59; SK/Deiters 29; Alsberg/Tsambikakis 653; differenzierend zwischen Mitangeklagten und anderen Beteiligten Meyer-Goßner/Schmitt 4.

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ten namhaft gemacht werden.43 Für die ernannten Sachverständigen folgt die Namhaftmachung außerdem auch aus § 74 Abs. 2. b) Mitteilung an die Staatsanwaltschaft (Absatz 2). Nur die Beweisanträge, denen 20 der Vorsitzende stattgibt, sind der Staatsanwaltschaft mitzuteilen. Diese Mitteilung muss den in § 222 Abs. 1 vorgeschriebenen Mindestinhalt (Name, Adresse) haben, damit sie gleichzeitig auch den Anforderungen dieser Vorschrift genügt. Darüber hinaus ist – sofern dies nicht schon vorher geschehen ist (vgl. Rn. 7) – auch der Inhalt des Beweisantrags der Staatsanwaltschaft zur Kenntnis zu bringen; es genügt also – anders als bei den vom Gericht aus eigenem Entschluss geladenen Zeugen und Sachverständigen – nicht, dass nur die geladene Person namhaft gemacht wird. Zweck des Absatzes 2 ist, der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Prüfung zu ge- 21 ben, ob ein Anlass zu weiteren Erhebungen und zur Beiziehung weiterer Beweismittel besteht. Soweit vom Vorsitzenden die Beiziehung von Beweisgegenständen angeordnet worden ist, ist die Mitteilung auch deshalb notwendig, weil der Staatsanwaltschaft deren Herbeischaffung zur Hauptverhandlung obliegt; sofern dies nicht durch das Gericht bewirkt wird (§ 214 Abs. 4). Der Nebenkläger ist in gleicher Weise zu benachrichtigen wie die Staatsanwalt- 22 schaft.44 8. Auswirkung der Entscheidung a) Keine Bindung des Vorsitzenden. Dieser ist an seine Entscheidung nicht ge- 23 bunden. Er kann einem abgelehnten Antrag nachträglich doch noch entsprechen (auch aus Anlass einer unzulässigen Beschwerde) und er kann auch umgekehrt eine bereits angeordnete Beiziehung des beantragten Beweismittels wieder aufheben. Er muss den Antragsteller jedoch hierauf noch vor der Hauptverhandlung hinweisen, damit dieser sich auf die veränderte Verfahrenslage bei der Vorbereitung seiner Verteidigung einrichten kann.45 b) Erneuerung des Antrags. Abgelehnte Anträge nach § 219 können in der Haupt- 24 verhandlung neu gestellt werden. Dies ist Sache des Antragstellers. Der Vorsitzende oder das Gericht müssen grundsätzlich von sich aus auf den durch Bescheid erledigten Antrag nicht mehr zurückkommen,46 es sei denn, dass die Aufklärungspflicht aufgrund der Beweislage der Hauptverhandlung dazu drängt, oder dass dies notwendig ist, um eine fehlerhafte oder irreführende Sachbehandlung zu korrigieren. c) Hinweispflicht in der Hauptverhandlung. Einen wegen verspäteten Eingangs 25 unerledigten Beweisantrag muss der Vorsitzende kraft seiner Fürsorgepflicht zur Wahrung eines fairen Verfahrens47 zur Sprache bringen. Hält der Angeklagte ihn aufrecht,

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43 Vgl. § 222, 10. 44 Eb. Schmidt 5; vgl. die Erl. zu § 397 Abs. 1. 45 Alsberg/Tsambikakis 658; h.M. 46 RG GA 65 (1918) 366; Alsberg/Tsambikakis 658; Plötz Fürsorgepflicht 243 hält zur Vermeidung von Fehlvorstellungen des Angeklagten den Hinweis auf die Möglichkeit erneuter Antragstellung im Regelfall für erforderlich. 47 Vgl. BGHSt 32 47 = JR 1984 172 mit abl. Anm. Meyer; KMR/Eschelbach 60. Der Rechtsgrund der Hinweispflicht ist strittig. Im Ergebnis besteht aber weitgehende Übereinstimmung, dass das Verteidigungsrecht des Angeklagten nicht durch Unkenntnis beeinträchtigt werden soll. Zum Wandel der früheren Rechtsprechung vgl. Alsberg/Tsambikakis 661.

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dann ist dieser nunmehr auch in der Hauptverhandlung gestellte Beweisantrag vom Gericht zu bescheiden.48 Gleiches gilt zur Heilung einer fehlerhaften Sachbehandlung, so wenn die Bescheidung eines rechtzeitig gestellten Antrags vor der Hauptverhandlung versehentlich unterblieben ist,49 oder die vom Vorsitzenden verfügte Ladung nicht ausgeführt oder die ablehnende Verfügung dem Angeklagten versehentlich nicht mitgeteilt wurde.50 Ist etwa der ordnungsgemäß geladene Zeuge in der Hauptverhandlung nicht erschienen, so darf sich das Gericht nicht einfach mit dessen Nichterscheinen zufrieden geben, sondern muss entweder seine Vernehmung in der Hauptverhandlung herbeiführen oder klären, ob der Betroffene auf die Vernehmung dieses Zeugen verzichten will. Von einem solchen Verzicht ist aber jedenfalls dann auszugehen, wenn der Verteidiger des Betroffenen in der Hauptverhandlung einen anderen Beweisantrag wiederholt, ohne den nichtausgeführten Antrag erneut zu erwähnen.51 Diese Rechtsprechung macht deutlich, dass auch den Strafverteidiger eine gewisse Fürsorgepflicht im Hinblick auf eine ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens trifft und zweideutiges Verhalten zu seinen Lasten ausgelegt werden kann. Ist der Angeklagte vom Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden (§ 233), muss der Vorsitzende dafür sorgen, dass der Hinweis bei seiner kommissarischen Einvernahme erteilt wird, anderenfalls muss er den Beweisantrag zur gerichtlichen Entscheidung bringen.52 Gleiches gilt in den sonstigen Fällen einer Verhandlung ohne den Angeklagten.53 Erteilt der Vorsitzende fälschlich den Bescheid, dass die Entscheidung über den 26 Beweisantrag dem Gericht vorbehalten werde, so erwächst aus dieser Zusicherung für ihn die Pflicht, den Antrag in der Hauptverhandlung dem erkennenden Gericht zu unterbreiten. Das Gericht muss sich mit dem Antrag befassen.54 Dies gilt auch, wenn nicht der Angeklagte, sondern sein Verteidiger den Antrag eingereicht hat.55 Eine förmliche Bescheidung des Antrags in der Hauptverhandlung ist aber nur notwendig, wenn der Angeklagte oder der Verteidiger den Antrag aufrechterhalten. Sie deswegen zu befragen oder ihnen anheimzugeben, den Antrag in der Hauptverhandlung neu zu stellen, ist eine aus der vorausgegangenen Zusicherung erwachsene Rechtspflicht,56 selbst wenn die Zusicherung einen Antrag auf Einnahme eines Augenscheins (Rn. 4, § 225, 4) betraf. 27 Hat der Vorsitzende den früheren Antrag mit einer unzulässigen Begründung, etwa der Zusage der Wahrunterstellung (vgl. Rn. 13), abgelehnt, so ist er verpflichtet, zur Behebung des Fehlers und eines daraus möglicherweise beim Angeklagten entstandenen Irrtums auf die Rechtslage, vor allem aber darauf hinzuweisen, dass der frühere Antrag nicht fortwirkt. Die erneute Antragstellung in der Hauptverhandlung ist anheimzugeben.57 Die Pflicht zur Korrektur des vom Vorsitzenden fälschlich geschaffenen Ver-

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48 BayObLGSt 1955 267 = NJW 1956 1042; MüKo/Arnoldi 11. 49 Vgl. dazu auch Rn. 8 sowie BayObLGSt 1964 26 = GA 1964 334; BayObLG bei Bär DAR 1987 312; KG JR 1950 567; StV 1990 265; OLG Bremen VRS 36 (1969) 180; Alsberg/Tsambikakis 661. 50 Alsberg/Tsambikakis 661; Dahs 248; vgl. OLG Braunschweig HRR 1928 Nr. 1676; Meyer-Goßner/ Schmitt 5. 51 OLG Hamm NZV 1998 425. 52 BayObLGSt 1955 267 = NJW 1956 1042; Alsberg/Tsambikakis 662; Oske MDR 1971 798. 53 KK/Gmel 10; Meyer-Goßner/Schmitt 5. 54 BGHSt 1 286 = JZ 1951 725 mit Anm. Oehler; h.M.; vgl. Alsberg/Tsambikakis 664 m.w.N. 55 RG JW 1931 1602; 1938 2736; HRR 1939 Nr. 64; Alsberg/Tsambikakis 668. 56 OLG Düsseldorf JMBlNW 1987 101; KG StV 1990 255; OLG Köln JMBlNW 1963 11 (Fürsorgepflicht); vgl. RGSt 61 376; RG JW 1931 1602; 1932 16690; HRR 1927 Nr. 2165; KG Recht 1927 Nr. 511; KG JR 1950 567; OLG Köln NJW 1954 46; OLG Hamburg JR 1956 28 mit Anm. Nüse; OLG Celle NdsRpfl. 1959 89; BayObLGSt 1964 26 = GA 1964 334; Oehler JZ 1951 725; AK/Keller 2; Meyer-Goßner/Schmitt 5. 57 BGHSt 1 51; RGSt 73 193; 75 167; h.M.; m.w.N. Alsberg/Tsambikakis 669; 24. Aufl. § 219 Fn. 19.

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trauenstatbestandes durch einen Hinweis58 besteht grundsätzlich auch, wenn dem Antragsteller ein Verteidiger zur Seite steht. Sie kommt nur dann nicht zum Tragen, wenn durch den Verlauf der Hauptverhandlung offensichtlich wird, dass der ehemalige Antrag nicht mehr fortwirkt (vgl. Rn. 29, 30). Unterlässt der Vorsitzende in der Hauptverhandlung den richtigstellenden Hinweis, kann dies die Revision begründen (vgl. Rn. 29; 35). d) Ein Verzicht des Antragstellers auf einen Beweisantrag, der ausnahmsweise (vgl. 28 Rn. 25 bis 27) in die Hauptverhandlung hineinwirkt, ist möglich. Ein Verzicht kann aber nicht schon darin gesehen werden, dass der Angeklagte oder sein Verteidiger den Antrag in der Hauptverhandlung nicht von sich aus neu stellen.59 Es kann ihnen nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie aufgrund der Zusicherung des Vorsitzenden davon ausgehen, dass das Gericht von sich aus den vor der Hauptverhandlung gestellten Antrag aufgreifen oder sich an die in Aussicht gestellte Wahrunterstellung halten wird. Ob ein stillschweigender Verzicht dann angenommen werden kann, wenn ein 29 Verteidiger auf den von ihm selbst gestellten Beweisantrag in der Hauptverhandlung nicht mehr zurückkommt, hängt von den Besonderheiten des Einzelfalles ab.60 Die Rechtsprechung nahm ursprünglich an, dass auf Beweisanträge, die der Vorsitzende vor der Hauptverhandlung fehlerhaft oder überhaupt nicht beschieden hatte, die Revisionsgrundsätze nicht anwendbar seien. Als sie später anerkannte, dass solche Fehler des Vorsitzenden fortwirken und die Revision begründen können, machte sie einen deutlichen Unterschied, je nachdem, ob der Antrag vom rechtsunkundigen Angeklagten oder seinem Verteidiger gestellt war,61 weil man von einem Verteidiger im Allgemeinen erwarten könne, dass er einen Beweisantrag, den der Vorsitzende nicht beschieden oder entgegen seiner Zusage in der Hauptverhandlung nicht zur Sprache gebracht habe, in der Hauptverhandlung erneut stelle. Dieser Auffassung ist mit guten Gründen entgegen gehalten worden, dass am Anfang die verletzte Rechtspflicht des Vorsitzenden steht, der entgegen § 219 den Beweisantrag nicht beschieden und die Entscheidung darüber dem erkennenden Gericht vorbehalten hat. Übersieht er, den Antrag in der Hauptverhandlung zur Sprache zu bringen, so muss dieses Versehen zu Lasten des Gerichts gehen und kann auch durch ein hinzutretendes Versäumnis des Angeklagten oder seines Verteidigers nicht ausgeglichen werden.62 Nur wenn zweifelsfrei aus den Umständen ersichtlich wird, dass Angeklagter oder 30 Verteidiger den unerledigten Antrag nach § 219 nicht weiterverfolgt sehen wollen, ist die Annahme eines stillschweigenden Verzichts auf den Antrag gerechtfertigt. Solche Umstände können darin zu sehen sein, dass der Verteidiger einen anderen Beweisantrag mit ähnlicher Zielrichtung gestellt hat63 oder dass der Vorsitzende die Unerheblichkeit des Beweismittels mit dem Verteidiger erörtert und dieser dann keinen Beweisantrag stellt.64

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58 BGHSt 32 47 begründet dies mit dem Gebot eines fairen Verfahrens (vgl. LR/Esser Art. 6, 72 EMRK; Vor § 226, 15, 16), Alsberg/Tsambikakis 1603 entsprechend der früheren Rechtsprechung (auch BGHSt 1 51) mit der Aufklärungspflicht, aus der auch die Hinweispflichten abgeleitet wurden. 59 RGSt 61 376; 75 166; RG Recht 1928 Nr. 222; JW 1930 3774; 1931 1602; OLG Köln NJW 1954 46; BayObLG GA 1964 334; KG StV 1990 255; Oske MDR 1971 799; KK/Gmel 10; KMR/Eschelbach 63; zur Verzichtsproblematik ferner Bohnert NStZ 1983 344; SK/Deiters 37; a.A. OLG München StV 2011 401. 60 Vgl. etwa RGSt 75 167; RG JW 1932 1660; BGHSt 1 286 = JZ 1951 725 mit Anm. Oehler; Alsberg/Tsambikakis 1603 (differenzierend) m.w.N. 61 Vgl. die Übersichten bei Oehler JZ 1951 725; Traub NJW 1957 1095. 62 Vgl. oben Fn. 59; OLG Düsseldorf JMBlNW 1987 101; Koeniger (LV Vor § 226) 181; AK/Keller 5; Eb. Schmidt Nachtrag I, 2; Oehler JZ 1951 725; Oske MDR 1971 799; nach SK/Deiters 43. 63 BGHSt 1 296; Oske MDR 1971 799; vgl. Fn. 59. 64 RG JW 1931 1602.

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Aber selbst wenn solche besonderen Umstände vorzuliegen scheinen, ist es ratsam, durch eine entsprechende Frage in der Hauptverhandlung ausdrücklich zu klären, ob sich ein vor der Hauptverhandlung gestellter und nicht beschiedener Beweisantrag erledigt hat. 9. Rechtsbehelfe 31

a) Das Recht, die Beweispersonen selbst zu laden, gewährt § 220 Abs. 1 Satz 1 dem Angeklagten gerade auch für den Fall der Ablehnung des Antrags nach § 219.

32

b) Durch neue Antragstellung in der Hauptverhandlung kann der Angeklagte eine Entscheidung des Gerichts nach § 244 Abs. 6 über den vom Vorsitzenden abgelehnten Beweisantrag herbeiführen. Die Verfügung des Vorsitzenden steht wegen ihres vorläufigen Charakters dem nicht entgegen. Dagegen hat der Angeklagte nicht die Möglichkeit, schon vor der Hauptverhandlung das Gericht nach § 238 Abs. 2 gegen die Verfügung des Vorsitzenden anzurufen.65 Die Entscheidung des erkennenden Gerichts über den in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrag ist vom Revisionsgericht voll nachprüfbar.

c) Beschwerde (§ 304) ist gegen die Verfügung des Vorsitzenden nicht zulässig. Ebenso wenig wie die Ablehnung des Beweisantrags in der Hauptverhandlung mit Beschwerde anfechtbar ist (§ 305), kann die vorläufige Ablehnung der Beschwerde zugänglich sein.66 Es besteht auch kein Bedürfnis dafür, da dem Angeklagten anderweitige Abhilfe möglich ist. § 220 Abs. 1 Satz 1 sieht ausdrücklich für diesen Fall die Möglichkeit vor, Beweispersonen selbst zu laden und damit über § 245 Abs. 2 ihre Einvernahme zu erzwingen. Außerdem kann der Beweisantrag in der Hauptverhandlung erneut gestellt werden (Rn. 24). Ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG liegt nicht vor, da durch diese Norm kein Instanzenzug garantiert wird.67 Dem Vorsitzenden ist es unbenommen, eine unzulässige Beschwerde als Gegenvor34 stellung zu behandeln oder sie zumindest zum Anlass zu nehmen, nachträglich von Amts wegen die benannten Beweispersonen nach § 214 zu laden oder andere Beweismittel nach § 221 beizuziehen,68 wenn ihm dies sachlich angebracht erscheint. 33

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d) Die Revision kann grundsätzlich nicht allein auf die Ablehnung eines Antrags nach § 219 gestützt werden,69 weil diese wegen ihres vorläufigen Charakters und wegen der Möglichkeiten des Antragstellers nach §§ 220, 245 Abs. 2 bzw. § 244 (Rn. 1; 24; 31; 32) die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung nicht präjudiziert. 70 Nur wenn ausnahmsweise eine gegen § 219 verstoßende Sachbehandlung in der Hauptverhandlung weiterwirkt, weil der Angeklagte nicht anwesend war (vgl. Rn. 25) oder weil bei einem anwesenden Angeklagten der gebotene klarstellende Hinweis (Rn. 27) unterblieb, kann dies mit der Revision gerügt werden. Nicht der Verstoß gegen § 219 als solcher, sondern

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65 Alsberg/Tsambikakis 671; h.M. 66 Alsberg/Tsambikakis 672; KK/Gmel 11; Meyer-Goßner/Schmitt 6; KMR/Eschelbach 66; SK/Deiters 41. 67 BVerfGE 96 38. 68 Oske MDR 1971 797. 69 RGSt 75 166; Dahs 248; HK/Julius/Reichling 14; KK/Gmel 12; KMR/Eschelbach 69; MeyerGoßner/Schmitt 7; SSW/Grube 17; MüKo/Arnoldi 14; für eine grundsätzliche Folgenlosigkeit auch Deiters FS Dencker 63. 70 Gegen den Gesichtspunkt des § 220, nach dem es dem Antragsteller freisteht, von seinem Recht der unmittelbaren Ladung Gebrauch zu machen, jedoch SK/Deiters 32.

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erst eine daraus resultierende falsche Sachbehandlung in der Hauptverhandlung, die das Prozessverhalten des Antragstellers beeinflusst haben kann, vermag die Revision zu begründen,71 so, wenn der Vorsitzende den Antrag nicht sachlich beschieden oder eine bestimmte Sachbehandlung durch das Gericht in Aussicht gestellt hat. Vor allem bei der nicht eingehaltenen Zusage der Wahrunterstellung durch das Gericht kann das Urteil darauf beruhen, dass der Antragsteller im Vertrauen darauf keinen neuen Beweisantrag in der Hauptverhandlung gestellt hat.72 Voraussetzung ist aber stets, dass das Fortwirken des Fehlers nicht durch den gebotenen Hinweis beseitigt oder durch ausdrücklichen oder stillschweigenden Verzicht des Antragstellers oder seines Verteidigers (Rn. 28 bis 30) gegenstandslos geworden ist. Dass der Vorsitzende einen solchen Hinweis erteilt hat, muss aber nicht aus den Urteilsgründen ersichtlich sein.73 Zur Begründung einer solchen auf die Verletzung des § 219 in Verbindung mit der Sachbehandlung in der Hauptverhandlung gestützten Verfahrensrüge müssen nach § 344 Abs. 2 alle den revisiblen Verfahrensverstoß kennzeichnenden Tatsachen in der Revisionsbegründungsschrift angeführt werden. Hierzu gehören der Inhalt des Beweisantrags, die Ablehnung durch den Vorsitzenden nebst Begründung oder aber die Nichtbescheidung, ferner die einschlägigen Vorkommnisse in der Hauptverhandlung einschließlich der Angabe, ob und welche Belehrung in der Hauptverhandlung erteilt und ob der Antrag in der Hauptverhandlung wiederholt wurde.74 Hat fälschlicherweise das Gericht statt des Vorsitzenden den Beweisantrag abgelehnt, so vermag dieser Fehler für sich allein die Revision nicht zu begründen;75 der vorläufige Charakter dieser Entscheidung wird zumeist aus ihrer Begründung zu ersehen sein (vgl. Rn. 6, 17). Wird die vom Vorsitzenden nach § 219 verfügte Ladung einer Beweisperson versehentlich nicht ausgeführt und erscheint diese deshalb nicht zum Termin, dann kann es die Revision begründen, wenn der Vorsitzende den Beweisantrag in der Hauptverhandlung übergeht.76 Die Aufklärungspflicht kann, unabhängig davon, ob ein vor der Hauptverhandlung gestellter Beweisantrag zu Recht oder Unrecht abgelehnt worden ist, je nach Sachlage zur Beiziehung des Beweismittels drängen. Ihre Verletzung begründet dann, sofern ordnungsgemäß gerügt, die Revision.77 Die vor allem in der früheren Rechtsprechung vertretene Ansicht, dass auch die Verletzung der Fürsorgepflicht durch Unterlassung der Belehrung mit der Aufklärungsrüge geltend zu machen ist,78 entspricht nicht mehr der

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71 OLG Düsseldorf JMBlNW 1987 101; KG StV 1990 255; AK/Keller 6; SSW/Grube 17; KMR/Eschelbach 69. Dabei macht es letztlich keinen großen Unterschied, ob man den die Revision begründenden Verstoß nur in der Verletzung der Belehrungspflicht sieht, so etwa Meyer-Goßner/Schmitt 7; SK/Deiters 44, oder ob man undifferenziert in einer Zusammenschau auch den Verstoß gegen § 219 als revisionsbegründende Rechtsverletzung mit anführt, da erst durch ihn die Belehrungspflicht ausgelöst wird; vgl. etwa OLG Düsseldorf JMBlNW 1987 101; KG StV 1990 225; AK/Keller 6; KMR/Eschelbach 69; ferner etwa Alsberg/Güntge 1600 f. 72 Etwa BGHSt 1 51; AK/Keller 6; KK/Gmel 12; KMR/Eschelbach 69; BGHSt 32 47 = JR 1984 172 mit abl. Anm. Meyer begründet dies mit dem Gebot eines fairen Verfahrens (vgl. LR/Esser26 Art. 6, 72 EMRK). 73 Im Freibeweisverfahren zu klären, da auch keine wesentliche Förmlichkeit (§ 273). 74 Wegen der Einzelheiten vgl. BayObLGSt 1964 26 = GA 1964 334; OLG Bremen VRS 36 (1969) 181 (Angabe, ob dem Angeklagten in der Hauptverhandlung ein Verteidiger zur Seite stand); ferner OLG Düsseldorf JMBlNW 1987 101. 75 A.A. OLG Köln MDR 1953 376; dagegen Alsberg/Tsambikakis 645; vgl. Rn. 6. 76 OLG Braunschweig HRR 1928 Nr. 1676; Dahs 248; Oske MDR 1971 798. 77 OLG Koblenz OLGSt 2; OLG Köln NJW 1954 46; OLG Hamm, NStZ-RR 1998 340; Dahs 248; HK/Julius/Reichling 15; SK/Deiters 42. 78 Vgl. etwa BGHSt 1 51; ferner Alsberg/Güntge 1600 m.w.N.

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heutigen Auffassung von der Rechtsnatur dieser auf anderen Prozessprinzipien beruhenden Pflichten, die im Interesse eines die Verteidigungsrechte wahrenden Verfahrens auch Platz greifen, wenn die Sachaufklärung dies nicht erfordert.

§ 220 Unmittelbare Ladung durch den Angeklagten § 220 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung Jäger https://doi.org/10.1515/9783110274943-010

(1) 1 Lehnt der Vorsitzende den Antrag auf Ladung einer Person ab, so kann der Angeklagte sie unmittelbar laden lassen. 2 Hierzu ist er auch ohne vorgängigen Antrag befugt. (2) Eine unmittelbar geladene Person ist nur dann zum Erscheinen verpflichtet, wenn ihr bei der Ladung die gesetzliche Entschädigung für Reisekosten und Versäumnis bar dargeboten oder deren Hinterlegung bei der Geschäftsstelle nachgewiesen wird. (3) Ergibt sich in der Hauptverhandlung, daß die Vernehmung einer unmittelbar geladenen Person zur Aufklärung der Sache dienlich war, so hat das Gericht auf Antrag anzuordnen, daß ihr die gesetzliche Entschädigung aus der Staatskasse zu gewähren ist. Schrifttum Arnoldi Präsente Beweismittel in der Praxis, NStZ 2018 306; Bockemühl Ein stiefmütterliches „Zwangsmittel“ einer aktiven Verteidigung, FS Breidling (2017) 31; Detter Der von der Verteidigung geladene Sachverständige (Probleme des § 245 Abs. 2 StPO), FS Salger (1995) 231; Hartwig Die Selbstladung von Auslandszeugen, StV 1996 626; Jessnitzer Reformbedürftigkeit des § 220 Abs. 2 StPO, NJW 1974 1311; D. Meyer Ordnungsmittel auch gegen einen nach § 220 StPO geladenen Zeugen (Sachverständigen), wenn dieser wegen § 245 Abs. 2 Satz 2, 3 StPO nicht benötigt würde?, MDR 1979 814; ders. Wann können die von einem nichtverurteilten Angeklagten verauslagten Entschädigungen für unmittelbar geladene (§ 220 StPO) oder gestellte (§ 222 StPO) Beweispersonen im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 464b, 446a StPO zur Erstattung festgesetzt werden?, JurBüro 1984 655; Müller/Fleck Der arme Angeklagte und § 245 StPO, ZRP 1969 174; Pauka/Daners Das Selbstladungsrecht des Angeklagten – eine Blume, die im Verborgenen blüht, StraFo 2015 397; Rose Die Ladung von Auslandszeugen im Strafprozeß, wistra 1998 11; H. Schmidt Die Entschädigung der unmittelbar geladenen Zeugen und Sachverständigen (Zur Auslegung des § 220 Abs. 3 StPO), MDR 1967 966; Wagner Der Missbrauch des Selbstladungsrechts des Angeklagten, JuS 1972 315; Widmaier Zur Rechtsstellung des nach §§ 220, 38 StPO vom Verteidiger geladenen Sachverständigen, StV 1985 528.

Entstehungsgeschichte § 220 war durch Art. 9 Nr. 3 der 2. VereinfVO aufgehoben worden. Art. 3 Nr. 101 VereinhG stellte den früheren Rechtszustand wieder her. Bezeichnung bis 1924: § 219.

I.

II.

Übersicht Bedeutung und Geltungsraum 1. Zweck der unmittelbaren Ladung von Beweispersonen | 1 2. Andere Beweismittel | 3 3. Gestellte Zeugen | 5 4. Vereinbarkeit mit anderem Recht | 6 Unmittelbare Ladung

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1. 2. 3.

Verhältnis zum Gericht | 7 Ausführung | 8 Erscheinenspflicht a) Keine weitergehenden Pflichten als bei amtlicher Ladung | 9 b) Missbrauch des Ladungsrechts | 10

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c)

III.

Unentschuldigtes Ausbleiben | 12 4. Entschädigung durch den Angeklagten a) Sicherung der Entschädigung | 13 b) Darbieten der Entschädigung | 15 c) Höhe der Entschädigung | 18 d) Mehrmalige Ladung | 23 Entschädigung aus der Staatskasse 1. Rechtsverhältnis zwischen Zeugen und Staatskasse | 24 2. Entschädigung aus der Staatskasse bei Stellung | 26 3. Dienlichkeit der Aussage zur Sachaufklärung | 28 4. Ausschluss der Entschädigung

Alphabetische Übersicht Antrag auf Entschädigung durch Staatskasse 36, 41 ff. Augenschein 2 Ausbleiben, unentschuldigtes 12 Auslagenvorschuss 8, 13, 25 Ausland, dort wohnender Zeuge 7, 30 Bargeld 13 – Höhe 18 ff. – Sicherung 10 – unzureichende Entschädigung 13, 21, 35 – Zurückweisung 13, 35 Befriedigung aus hinterlegtem Betrag 42 Beschwerde 39 Beweisantrag in Hauptverhandlung 4 Beweisgegenstände 3 Doppelzahlung 42 Entschädigung 13ff. Erlöschen des Entschädigungsanspruchs 31 ff., 38 Erscheinenspflicht 9 Gerichtskasse 16 Geschäftsstelle 13, 16 Gestellte Zeugen 5, 25 Hinterlegung 15, 32 Hinweis auf Folgen des Ausbleibens 7, 8

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a)

IV.

Erfüllung des Anspruchs; Hinterlegung | 31 b) Nichtannahme der Entschädigung | 34 c) Unvollständige Entschädigung | 35 5. Antrag a) Antragsberechtigte | 36 b) Zeitpunkt der Antragstellung | 37 Sonstige Fragen 1. Rechtsbehelfe a) Beschwerde | 39 b) Antragstellung in der Hauptverhandlung | 41 2. Befriedigung aus dem hinterlegten Betrag | 42 3. Rückforderung der Entschädigung | 43

Kommissarische Beweisaufnahme 1 Ladung – Anfechtbarkeit 39 – im Ausland 7 – mehrmalige 23 – zu späterem Zeitpunkt 7 Missbrauch des Ladungsrechts 10 Notwendige Auslagen 33, 43 Reisekosten 19 Revision 41 Rückforderung der Entschädigung 43 Sachdienlichkeit der Aussage 24, 28 ff. Sachrüge eines Gutachtens 41 Sachverständige 2, 9, 29, 43 Sachverständigenentschädigung 20 ff., 35 Staatskasse – Verhältnis zum Angeklagten 25 – Verhältnis zur Beweisperson 24, 40 Terminplanung des Vorsitzenden 7 Vereinbarkeit mit EMRK 6 Verzicht auf Entschädigung 14 Waffengleichheit 6 Zeuge im Ausland 7, 30 Zustellung der Ladung 15 Zweck der unmittelbaren Ladung 1

I. Bedeutung und Geltungsraum 1. Zweck der unmittelbaren Ladung der Beweispersonen. Für eine wirksame 1 Führung der Verteidigung ist das Recht, Zeugen und Sachverständige selbst zu laden, 87

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§ 220

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von nicht zu unterschätzender Bedeutung.1 Da das Gericht die Einvernahme eines vom Angeklagten geladenen und erschienenen Zeugen oder Sachverständigen nur unter weit engeren Voraussetzungen ablehnen kann (§ 245 Abs. 2) als aufgrund eines Beweisantrags nach § 244 und der Angeklagte außerdem durch sein Fragerecht in der Hauptverhandlung (§ 240) das Wissen des Zeugen unabhängig vom Gericht für seine Verteidigung voll nutzen kann, ist es dem Angeklagten möglich, den Umfang der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung mitzubestimmen. Diese günstigere Verfahrensposition wird durch die eigene Ladung auch dann begründet, wenn der Angeklagte dem Geladenen keine Entschädigung angeboten hat, dieser aber trotzdem zur Hauptverhandlung kommt. Natürlich steht nicht nur dem Angeklagten, sondern auch dessen Verteidiger das Recht zur unmittelbaren Ladung zu. Im Gegensatz zum Verzicht auf die Ladungsfrist gemäß § 217 Abs. 3 oder dem Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen gemäß § 233 Abs. 1, dient das Ladungsrecht der unmittelbaren Verteidigung, sodass hierfür keine besondere Vertretungsmacht erteilt werden muss.2 Wenn von § 220 in der Praxis nur selten Gebrauch gemacht wird, so liegt dies neben den technischen Schwierigkeiten, die seiner Verwirklichung entgegenstehen,3 vor allem daran, dass die sinnvolle Handhabung dieses Rechts voraussetzt, dass sich eine ins Detail gehende Kenntnis des tatsächlichen Geschehensverlaufs mit genauer Aktenkenntnis vereint, um noch nicht ausgeschöpfte Beweismöglichkeiten erfassen und für die Verteidigung des Angeklagten nutzen zu können. Für kommissarische Beweisaufnahmen außerhalb der Hauptverhandlung (§§ 223, 224) gilt § 220 nicht.4 Auch anderen Verfahrensbeteiligten steht das Recht zur unmittelbaren Ladung im Rahmen ihrer Beteiligungsbefugnisse zu, insbesondere dem Nebenkläger (§ 397) und dem Einziehungsbeteiligten (§ 427 Abs. 1).5 Die Ladung von Sachverständigen ist nur innerhalb beschränkter Grenzen von 2 Wert. Kann der Sachverständige nicht sein Gutachten unmittelbar aufgrund der Hauptverhandlung erstatten, weil es umfangreiche Informationen und Vorarbeiten erfordert, ist der zu einem bestimmten Termin meist sehr kurzfristig geladene Sachverständige dazu mangels Zeit und ausreichender Unterrichtung gar nicht in der Lage. Der Sachverständige kann sich allerdings aufgrund einer Anfrage des Angeklagten oder seines Verteidigers zu solchen Vorarbeiten bereit erklären.6 Die Ladung allein verpflichtet ihn auch dann, wenn sie den Gegenstand des Gutachtens bezeichnet, nicht zu Vorarbeiten.7 Wegen der Ladung zu einem Augenschein außerhalb der Hauptverhandlung vgl. § 168d Abs. 2. Sofern der Sachverständige weitere Vorbereitungszeit für die Erstattung des Gutachtens benötigt, besteht grundsätzlich kein Recht auf Beweiserhebung durch Vernehmung des Sachverständigen.8

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1 Zur Bedeutung dieses Rechts für die Garantien der Verfassung und in Art. 6 Abs. 3 EMRK; Art. 14 Abs. 3 IPBPR vgl. 219, 1 Fn. 1. Vgl. zur Ladung eines zusätzlichen Sachverständigen durch einen in U-Haft befindlichen Angeklagten BGH StV 1997 562 und Wittig StV 1998 174. 2 BGH NStZ 2014 351; Bockemühl FS Breidling 31. 3 Dahs Hdb. 475 ff.; vgl. Rn. 8, 13; zur Reformbedürftigkeit der antiquierten Regelung des Absatzes 2 Jessnitzer NJW 1974 1311; Müller/Fleck ZRP 1969 174; HbStrVf/Heghmanns VI. 453 f. 4 Meyer-Goßner/Schmitt 1. 5 Meyer-Goßner/Schmitt 2. 6 Im Einzelnen dazu Widmaier StV 1985 526; ferner zur Notwendigkeit, so früh wie möglich mit dem Sachverständigen Kontakt aufzunehmen Detter FS Salger 238. 7 Müller Der Sachverständige im gerichtlichen Verfahren 63; Pauka/Daners StraFo 2015 397. 8 KK-Gmel 1; anders jedoch, wenn eine solche Untersuchung ohne Verzögerung möglich ist, BGH NStZ 1993 395; BGH NJW 1998 2458.

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2. Für andere Beweismittel als Zeugen und Sachverständige gilt § 220 nicht. Lehnt 3 der Vorsitzende ihre Herbeischaffung nach § 219 ab, ist es dem Angeklagten unbenommen, sich jedes geeigneten und zulässigen Mittels zu bedienen, durch das erreicht werden kann, dass das gewünschte Beweismittel in der Hauptverhandlung präsent (dazu § 245) ist. Er kann das Beweismittel selbst mitbringen, er kann aber auch den Verfügungsberechtigten veranlassen, dafür zu sorgen, dass der Beweisgegenstand dem Gericht zum Termin vorgelegt wird. Entscheidend ist letztlich immer nur, ob der Gegenstand tatsächlich präsent ist. Fehlt dem Angeklagten die unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit auf den Gegen- 4 stand, muss er einen entsprechenden Beweisantrag in der Hauptverhandlung stellen. 3. Gestellte Zeugen. Dass der Angeklagte (wie jeder Prozessbeteiligte) Zeugen und 5 Sachverständige, statt sie laden zu lassen, zur Sitzung mitbringen kann, ist als selbstverständlich nicht ausdrücklich geregelt.9 Der Anspruch des Angeklagten auf Vernehmung geht, wenn er gemäß § 220 unmittelbar geladen hat, weiter, als wenn er sich mit der Gestellung begnügt hat.10 4. Vereinbarkeit mit anderem Recht. Mit Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK, Art. 14 Abs. 3 6 lit. e IPBPR ist § 220 Abs. 2 auch unter dem Blickwinkel der Waffengleichheit mit der Staatsanwaltschaft vereinbar.11 Es verletzt auch nicht den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG), dass nach Absatz 3 nur eine nachträgliche Übernahme der Kosten auf die Staatskasse möglich ist.12 II. Unmittelbare Ladung 1. Verhältnis zum Gericht. Das Selbstladerecht des Angeklagten hängt nicht davon 7 ab, dass die Ladung nach § 219 vorher beim Vorsitzenden ohne Erfolg beantragt worden war. In der Regel empfiehlt es sich zwar, zunächst diesen sichereren und einfacheren Weg einzuschlagen. Notwendig ist dies jedoch nicht (Absatz 1 Satz 2). Das in Aussicht genommene Beweisthema braucht dem Geladenen nicht mitgeteilt zu werden. Die Bekanntgabe kann jedoch der Vorbereitung auf die Aussage förderlich sein.13 Die erforderliche Ladungsmitteilung nach § 222 Abs. 2 erstreckt sich darauf nicht.14 Die Ladung ist auch zu einem späteren Zeitpunkt als dem Beginn der Hauptverhandlung möglich. In diesem Fall trägt der Ladende allerdings das Risiko, dass die Hauptverhandlung zu dem in der Ladung angegebenen Zeitpunkt noch andauert. Dies sollte daher zweckmäßigerweise mit der Terminplanung des Vorsitzenden abgestimmt werden (vgl. § 222, 16). Eine Ladung im Ausland, bei der ohnehin die Androhung von Zwang unterbleiben müsste, dürfte nicht möglich sein; da der Angeklagte nur nach § 38 laden kann, ist § 37 Abs. 2 grundsätzlich nicht anwendbar.15 Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung kann die Ladung daher nicht – wie von § 38 verlangt – vom Gerichtsvollzieher vorge-

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9 Mot. S. 179; Prot. S. 337; vgl. § 222 Abs. 2. 10 Vgl. bei § 245. AK/Schlothauer Vor § 213, 61 weist deshalb auf die Möglichkeit hin, mitgebrachte Beweispersonen unmittelbar vor dem Sitzungssaal durch den Gerichtsvollzieher noch laden zu lassen. Wegen der Anwendbarkeit von Absatz 3 vgl. Rn. 2 f. 11 Schorn DRiZ 1963 340; Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Deiters 2; LR/Esser26 Art. 6, 804 EMRK. Krit. Dahs Hdb. 477; HK/Julius/Reichling 2. 12 BGH bei Holtz MDR 1976 814. 13 SK/Deiters 9, ferner für Sachverständigen Widmaier StV 1985 526, vgl. Rn. 2. 14 Meyer-Goßner/Schmitt 1. 15 Vgl. bei § 37; Fezer StV 1995 266; Siegismund/Wickern wistra 1993 83, 86.

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nommen werden.16 Statt des Versuchs einer Ladung über den Vorsitzenden nach § 219 (wie es eine andere Ansicht vorschlägt) kann es zweckmäßiger sein, wenn der Angeklagte oder sein Verteidiger mit der im Ausland befindlichen Beweisperson unmittelbar in Verbindung tritt und versucht, auf privatem Weg ihr Erscheinen zum Gerichtstermin und die Modalitäten ihrer Entschädigung zu vereinbaren (vgl. Rn. 30). Eine Ladung durch Einschreiben mit Rückschein ist jedoch in Staaten möglich (§ 37 Abs. 2 i.V.m. § 183 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), die Art. 48 ff. SDÜ unterfallen; eine Zwangsandrohung hat aber in einem solchen Fall ebenso wegen Art. 52 Abs. 3 SDÜ zu unterbleiben.17 Ergänzend könnte hierfür eine Zustellung unter Einschaltung der insoweit im Ausland zuständigen Justizbehörden im Wege der (vertraglichen) Rechtshilfe erwogen werden.18 8

2. Die Ausführung der unmittelbaren Ladung ist in § 38 geregelt. Dort ist auch der Begriff erläutert (§ 38, 1). Zur Ladung gehört an sich der Hinweis auf die Folgen des Ausbleibens.19 Gleichzeitig mit der Ladung muss die durch Absatz 2 vorgeschriebene Entschädigung in bar angeboten oder ihre Hinterlegung zugunsten des Geladenen nachgewiesen werden (Rn. 13, 15). Anderenfalls wird keine Pflicht zum Erscheinen begründet und der Hinweis auf die Folgen des Ausbleibens muss unterbleiben.20 Ein trotzdem erschienener Zeuge gilt aber als „geladen“ i.S. von § 245 Abs. 2 (vgl. Rn. 17). Der Gerichtsvollzieher hat dem ihm erteilten Antrag auch dann nachzukommen, wenn eine Entschädigung nicht angeboten wird. Die Beweiserbringung einer erfolgten förmlichen Ladung durch den Gerichtsvollzieher obliegt dem Angeklagten, sofern diese nicht aktenkundig ist.21 3. Erscheinenspflicht

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a) Keine weitergehenden Pflichten als bei amtlicher Ladung. Vom Angeklagten unmittelbar geladene Zeugen oder Sachverständige sind, abgesehen von der Erfüllung der Voraussetzungen des Absatzes 2, zum Erscheinen in der Hauptverhandlung nur verpflichtet, wenn sie auch auf Ladung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts erscheinen müssten. Zeugen, die nicht in der Hauptverhandlung zu erscheinen brauchen (vgl. §§ 49, 59), oder Sachverständige, die zur Erstattung eines Gutachtens nicht verpflichtet (§ 75) oder weigerungsberechtigt (§ 76) sind, können auch vom Angeklagten nicht durch eine Ladung zum Erscheinen gezwungen werden.22

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b) Der Missbrauch des Ladungsrechts für verfahrensfremde Zwecke23 begründet für den geladenen Zeugen nach Ansicht des Kammergerichts24 keine Erscheinenspflicht. Eine Ladung nur zu dem Zweck, eine politische Kampagne gegen den Zeugen fortzusetzen, sei keine ordnungsgemäße Ladung i.S.d. § 51.

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16 Ausführlich zum Streitstand SK/Deiters 10 ff. 17 Meyer-Goßner/Schmitt 4a; str., näher hierzu Pauka/Daners StraFo 2015 397. 18 SK/Deiters 10 und 14 ff. 19 KK/Gmel 4; SSW/Grube 2; nach SK/Deiters 8 Hinweis grds. obligatorisch, im Falle einer Ladung im Ausland hat er hingegen zu unterbleiben. Zum Problem der Selbstladung eines inhaftierten Zeugen durch den Angeklagten vgl. Pauka/Daners StrafFo 2015 397. 20 Arnoldi NStZ 2018 305 (309); Dahs Hdb. 477, auch zur Zweckmäßigkeit einer Ladung ohne Androhung. 21 BGH NStZ 2012 346; Bockemühl FS Breidling 31. 22 Eb. Schmidt 1; Pauka/Daners StraFo 2015 397; SSW/Grube 6. 23 Dazu Einl. J II und bei § 244. 24 KG JR 1971 338 mit zust. Anm. Peters.

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Eigene Meinung. So sehr ein Schutz des Zeugen gerade in diesen Fällen angebracht 11 ist, so wenig hilft diese Lösung allgemein weiter. Dogmatisch erscheint es zweifelhaft, ob der Missbrauch die Ladung unwirksam macht.25 Von Ausnahmefällen abgesehen, bringt diese Lösung auch praktisch nicht viel, weil der ohne Angabe des Beweisthemas geladene Zeuge im Vorhinein nicht sicher feststellen kann, dass die Ladung nur sachfremde Zwecke verfolgt und deshalb unzulässig ist. Grundsätzlich wird deshalb jeder Zeuge gehalten sein, einer formal ordnungsmäßigen Ladung nachzukommen, um die Ungehorsamsfolgen zu vermeiden, sofern ihn nicht das Gericht vorweg auf seinen Antrag von der Pflicht zum Erscheinen entbindet (vgl. Rn. 12).26 Die seit 1979 geltende Fassung des § 245 verringert die Gefahr eines Missbrauchs;27 zwar besteht die Pflicht zum Erscheinen fort, das Gericht braucht aber die geladene Beweisperson nur aufgrund eines Beweisantrags und nach Prüfung der Ablehnungsgründe des § 245 Abs. 2 zu vernehmen.28 Im Übrigen ist es Sache des Gerichts, den Zeugen in der Hauptverhandlung zu schützen, wenn sonst ein Missbrauch zutage tritt. Bei den im Nachhinein zu treffenden verfahrensrechtlichen Entscheidungen hat das Gericht zu berücksichtigen, dass eine Ladung missbräuchlich war. c) Unentschuldigtes Ausbleiben eines zum Erscheinen verpflichteten Zeugen oder 12 Sachverständigen zieht bei entsprechendem Hinweis (§ 48) die in §§ 51, 72 bestimmten Folgen nach sich. Zur Verhängung dieser Folgen bedarf es keines Antrags des Angeklagten, von dem die Ladung ausgegangen ist. Wohl aber muss der Angeklagte die ordnungsgemäße Ladung und das Anbieten einer dem Absatz 2 entsprechenden Entschädigung urkundlich nachweisen. Die Verhängung von Ordnungsmitteln hängt nicht davon ab, ob das Gericht dem Beweisantrag nach § 245 hätte entsprechen müssen.29 Auch ein unmittelbar geladener Zeuge kann, ohne dass es der Zustimmung des Angeklagten bedarf, unter den gleichen Voraussetzungen wie ein vom Gericht Geladener von diesem vom Erscheinen entbunden oder hinsichtlich des Ausbleibens für entschuldigt erachtet werden (vgl. die Erläuterungen bei § 51). Eine darüber hinausgehende Befugnis zum Eingriff in das eigenständige Beweisbeibringungsrecht des Angeklagten hat das Gericht aber nicht. 4. Entschädigung durch den Angeklagten a) Die Sicherung der Entschädigung des Zeugen oder Sachverständigen ist Sache 13 des Angeklagten.30 Er muss die Mittel dafür aufbringen, einen Vorschuss aus der Staatskasse kann er dafür nicht erhalten (Rn. 25). Wenn die gesetzliche Entschädigung nicht bar angeboten wird oder ihre Hinterlegung bei der Geschäftsstelle nachgewiesen ist, begründet die unmittelbare Ladung keine Verpflichtung für den Geladenen. Nicht erforderlich ist, dass dieser die Entschädigung angenommen hat. Niemand kann sich willkürlich seiner Erscheinenspflicht dadurch entziehen, dass er die Entschädigung zurück-

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25 Wagner JuS 1972 315. 26 So auch KMR/Eschelbach 25; Pauka/Daners StraFo 2015 397. 27 Meyer-Goßner/Schmitt 9; BGHSt 44 32. 28 AK/Keller 3; SK/Deiters 17; Meyer-Goßner/Schmitt 9 und KK/Gmel 7 halten den Streit durch die Neufassung des § 245 für erledigt. 29 KK/Gmel 10; Meyer-Goßner/Schmitt 8; KMR/Eschelbach 26; MüKo/Arnoldi 17; a.A. Meyer MDR 1979 814. 30 Vgl. Rn. 22. Vgl. auch Kühne Rn. 634, der verfassungsrechtliche Bedenken äußert hinsichtlich wirtschaftlich nicht leistungsfähiger Personen, für die das Kostenrecht eine faktische Sperre der Rechtsverfolgung sein könne.

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weist,31 es sei denn, sie ist als Entschädigung ersichtlich unzureichend. Weist er sie aber nicht aus diesem Grunde zurück, ist er auch bei einem unzureichenden Betrag verpflichtet, der Ladung zu folgen.32 Er kann nur – sofern eine Anordnung nach Absatz 3 ergeht – von der Staatskasse den zur gesetzlichen Entschädigung fehlenden Differenzbetrag verlangen (vgl. Rn. 35). Ob er sich andernfalls an den Angeklagten halten kann, beurteilt sich nach bürgerlichem Recht.33 14 Der vorläufige oder endgültige Verzicht auf Entschädigung entbindet nicht von der Pflicht zum Erscheinen. Die Verzichtserklärung ist, falls das Ausbleiben des Geladenen rechtliche Folgen nach sich ziehen soll (Rn. 12), dem Gericht nachzuweisen. b) Darbieten der Entschädigung. Sie hat durch den mit der Zustellung der Ladung beauftragten Beamten zu geschehen (Mot. 178); ihm muss der Angeklagte den Geldbetrag übergeben. Hat eine Hinterlegung bei der Geschäftsstelle stattgefunden, so ist die über sie ausgestellte Bescheinigung durch den zustellenden Beamten dem Geladenen bei der Zustellung auszuhändigen.34 Bei der Hinterlegung dürfte die Auszahlung an den Geladenen davon abhängig gemacht werden können, dass dieser sich bereit erklärt, der Ladung nachzukommen. § 373 BGB dürfte, ebenso wie §§ 376 ff. BGB, auf das die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht bezweckende gesetzliche Schuldverhältnis entsprechend anwendbar sein und nicht der nur die Sicherheitsleistung durch ein Pfandrecht betreffende § 233 BGB. Entscheidend sind allerdings die bei der Hinterlegung getroffenen Bestimmungen. Ein bürgerlich-rechtlicher Vertrag zwischen Geladenem und Angeklagtem dürfte in aller Regel durch die Amtshandlung des Gerichtsvollziehers allein nicht zustande kommen, auch nicht durch die Annahme der Barentschädigung für die Kosten der durch die Ladung ausgelösten öffentlich-rechtlichen Pflicht. Dem Geladenen wird im Normalfall schon der Wille fehlen, sich gegenüber dem Angeklagten auch noch vertraglich zum Erscheinen zu verpflichten und seine in der Höhe noch nicht übersehbaren Entschädigungsansprüche endgültig auf den angebotenen Betrag zu begrenzen. Möglich – und bei Ladung von Sachverständigen ratsam – ist aber der Abschluss einer die Entschädigung regelnden Vereinbarung (vgl. Rn. 22). Geschäftsstelle ist in Absatz 2 nicht im technischen Sinn zu verstehen, sondern als 16 Gegensatz zum Richter. Die Hinterlegung bei der Gerichtskasse oder bei einer Zahlstelle erfüllt die Voraussetzung des Absatzes 2.35 Die Pflicht des Gerichts, einen geladenen und erschienenen Zeugen bei Vorliegen 17 der Voraussetzungen des § 245 Abs. 2 zu vernehmen, besteht unabhängig davon, ob die Entschädigung in bar angeboten oder ihre Hinterlegung nachgewiesen ist.36 15

c) Höhe der Entschädigung. Nur die gesetzliche Entschädigung für die Reisekosten und Versäumnis muss angeboten werden, nicht aber eine weitergehende Entschädigung, auch wenn das für die gesetzliche Entschädigung der amtlich geladenen Zeugen und Sachverständigen geltende Recht eine solche vorsieht. Zu den Reisekosten zählen sowohl Fahrtkosten und Wegegeld, als auch der durch 19 die Reise bedingte sonstige Aufwand (vgl. §§ 5 ff. JVEG). Die Entschädigung für Versäum-

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31 KMR/Eschelbach 24. 32 KK/Gmel 9; Meyer-Goßner/Schmitt 7. 33 Die Rechtslage nach bürgerlichem Recht ist, soweit ersichtlich, noch kaum untersucht, ihre Beurteilung dürfte weitgehend von den Modalitäten des Einzelfalls abhängen. Vgl. auch Rn. 15a. 34 Mot. S. 178; etwa AK/Schlothauer Vor § 213, 162. 35 KK/Gmel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Deiters 16. 36 SK/Deiters 19.

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nis soll den Schaden, insbes. den Verdienstausfall, den der Zeuge oder Sachverständige durch den Zeitverlust erleidet, abgelten (für den Zeugen vgl. §§ 19 f. JVEG). Die Berechnung der dem Sachverständigen anzubietenden Entschädigung ist zwei- 20 felhaft. Der Wortlaut des Absatzes 2 stellt auf die frühere Fassung der §§ 71 und 84 ab.37 Seit diese nur auf das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 JVEG) verweisen und dieses die Entschädigung des Sachverständigen nach der Leistung bemisst, also nicht mehr zwischen der Entschädigung für Versäumnis und Vergütung unterscheidet, ist die Berechnung des anzubietenden Betrags zweifelhaft geworden. Die an sich zutreffende Auslegung, wonach dem Sachverständigen nur die Entschädigung für die Versäumnis, nicht aber eine Vergütung für seine Mühewaltung angeboten werden muss,38 hilft nicht mehr weiter. Da die Leistung des Sachverständigen nach der für sie erforderlichen Zeit bemessen wird, dürfte es mit dem Sinn des Absatzes 2 noch am besten vereinbar sein, wenn dem Sachverständigen eine Entschädigung angeboten wird, die die voraussichtliche Zeitversäumnis, die er durch die Teilnahme an der Hauptverhandlung erleidet, mit dem nach § 9 JVEG anzuwendenden Stundensatz abgilt,39 zumal dieser grundsätzlich leistungsorientierte Stundensatz in der Regel auch dem Betrag entspricht, den der Sachverständige anderweitig verdient hätte.40 Für den Angeklagten, der das Risiko trägt, dass der Sachverständige eine zu geringe Entschädigung zurückweist und der Ladung nicht folgt, dürfte es jedenfalls nicht ratsam sein, einen geringeren Betrag anzubieten. Eine weitere Schwierigkeit für die Anwendung der Bestimmung erwächst daraus, 21 dass die Höhe der gesetzlichen Entschädigung im Voraus nicht genau feststellbar ist. Sie hängt sowohl von dem zu schätzenden Zeitaufwand des Geladenen ab sowie davon, welcher Betrag innerhalb der im Gesetz festgelegten Rahmensätze für angemessen gehalten wird. Genau lässt sich die gesetzliche Entschädigung jeweils nur im Nachhinein für den konkreten Fall ermitteln. Die Darbietung oder Hinterlegung eines zu geringen Betrages verpflichtet den Geladenen nicht zum Erscheinen (vgl. Rn. 13). Dies kann jedoch nur mit der Einschränkung gelten, dass der angebotene Betrag nicht wesentlich hinter der nach den Umständen des Falles voraussichtlich anfallenden Entschädigung zurückbleiben darf. Wird dem Zeugen oder Sachverständigen ein Betrag angeboten, der nach vernünftigem Ermessen seine Reisekosten und seine voraussichtliche Zeitversäumnis in etwa ausgleichen wird, so wird er – eventuell unter ausdrücklichem Vorbehalt einer Nachforderung gegenüber dem Angeklagten – der Ladung Folge zu leisten haben, wenn er sich nicht den Folgen eines unentschuldigten Ausbleibens aussetzen will.41 Leistungen, die der Sachverständige vor seiner Ladung bereits erbracht hat (etwa ein im Auftrag des Angeklagten ausgearbeitetes schriftliches Gutachten), brauchen bei der anzubietenden Entschädigung nicht berücksichtigt zu werden.42 Es ist Sache des Angeklagten, sich darüber zu unterrichten, welchen Betrag er dar- 22 zubieten oder zu hinterlegen hat. Eine Berechnung der Zeugengebühren durch den Beamten der Geschäftsstelle oder eine Prüfung, ob der hinterlegte Betrag den gesetzlichen Vorschriften entspricht, findet nicht statt. Zahlt der Angeklagte dem Zeugen oder Sach-

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37 Jessnitzer NJW 1974 1311. 38 So etwa Eb. Schmidt 2; Dahs Hdb. 477. 39 Wie hier Jessnitzer NJW 1974 1311; AK/Keller 4; KK/Gmel 9; Meyer-Goßner/Schmitt 7; KMR/Eschelbach 35; SK/Deiters 18. Zum Streitstand, ob die Entschädigung die Leistung des Sachverständigen abdecken muss, vgl. auch Jessnitzer7 155. 40 Vgl. Jessnitzer NJW 1974 1311. 41 KK/Gmel 9, 10. 42 Vgl. OLG München MDR 1981 1037; Rn. 35.

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verständigen zu viel, kann er nicht verlangen, dass ihm der Staat bei Erstattung seiner notwendigen Auslagen den Mehrbetrag ersetzt.43 Vor allem bei Sachverständigen kann es zweckmäßig sein, wenn sich der Angeklagte oder sein Verteidiger mit ihnen vorweg über die Entschädigung einigt und dies wegen des urkundlichen Nachweises schriftlich festlegt. 23

d) Mehrmalige Ladung. Lädt der Angeklagte den Zeugen oder Sachverständigen mehrmals, etwa weil die Hauptverhandlung, zu der der Zeuge oder Sachverständige erschienen war, ausgesetzt worden ist, so muss er erneut Entschädigung anbieten oder hinterlegen, soweit der früher angebotene Betrag nicht ausreicht, um auch die Reisekosten und die Zeitversäumnis zu entschädigen, die aus der neuen Ladung voraussichtlich erwachsen werden. III. Entschädigung aus der Staatskasse

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1. Rechtsverhältnis zwischen Zeugen und Staatskasse. Absatz 3, der erst von der Reichstagskommission aufgenommen wurde, berührt nicht das Rechtsverhältnis zwischen dem Angeklagten und der Staatskasse, sondern gibt nur dem Zeugen usw., der nach § 1 JVEG keinen Anspruch auf Entschädigung gegen den Staat hat, unter gewissen Voraussetzungen einen Anspruch an diesen.44 Den Grund dafür sah man in der Erwägung, dass auf diese Weise der Unterschied zwischen dem armen und dem reichen Angeklagten einigermaßen ausgeglichen werde, indem mancher Zeuge oder Sachverständige, der für die Sache Erhebliches wisse, im Hinblick auf jenen Anspruch sich werde bereit finden lassen, ohne Kostenvorschuss vor Gericht zu erscheinen (Prot. 327). Der Sinn der Bestimmung ist also der, dass die Entschädigung des erschienenen Zeugen oder Sachverständigen bei Sachdienlichkeit der Aussage von der Staatskasse im gleichen Umfang übernommen werden soll wie bei einer Ladung durch das Gericht, und zwar im Verhältnis zum Zeugen endgültig, im Verhältnis zum Angeklagten aber nur vorläufig. Für das Rechtsverhältnis zwischen dem Angeklagten und der Staatskasse sind im 25 Wesentlichen nur die §§ 465, 467 maßgebend.45 Werden dem Angeklagten in dem Urteil die Kosten auferlegt, so hat er auch den ausgelegten Betrag zu erstatten, während dieser im Fall der Freisprechung des Angeklagten der Staatskasse zur Last bleibt, gleich den übrigen Verfahrenskosten.46 Wird der Angeklagte freigesprochen und fällt die Entscheidung nach Absatz 3, was allerdings nicht notwendig der Fall zu sein braucht, mit der endgültigen Kostenentscheidung wie in RGSt 16 212 zusammen, kann die Entschädigung „der Staatskasse auferlegt werden“.47 Einen Anspruch auf Auslagenvorschuss kann der Angeklagte aus Absatz 3 nicht herleiten.48 Ohne Entscheidung nach Absatz 3 kann der Angeklagte seine Auslagen nur im Kostenfestsetzungsverfahren (§ 464b) ersetzt verlangen.49

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43 KG Alsb. E 2 Nr. 78; Eb. Schmidt 3; KK/Gmel 9; Jessnitzer NJW 1974 1311. 44 Näher hierzu KG Berlin NStZ 1999 476 ff. 45 RGSt 16 212; OLG Düsseldorf MDR 1994 521; OLG Karlsruhe MDR 1985 694; HK-GS/Schulz 3; Pauka/Daners StraFo 2015 397. 46 RGSt 16 212; KK/Gmel 12; Meyer-Goßner/Schmitt 13; SK/Deiters 20. 47 Eb. Schmidt 5; KK/Gmel 12; KMR/Eschelbach 27; vgl. auch KG Berlin NStZ 1999 476 ff. 48 SSW/Grube 3; BGH bei Holtz MDR 1976 814; vgl. Rn. 13. 49 KG Berlin NStZ 1999 476 ff.; OLG Düsseldorf RPfleger 1985 324; MüKo/Arnoldi 21; vgl. D. Meyer JurBüro 1984 655.

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2. Entschädigung aus der Staatskasse bei Stellung. Mit Rücksicht auf den zuvor 26 bezeichneten Grund der Bestimmung müssen die Personen, die der Angeklagte ohne Ladung zur Verhandlung gestellt hat, gleich den unmittelbar geladenen behandelt werden, vorausgesetzt, dass sie nur zum Zweck ihrer Vernehmung zum Gerichtsort oder zur Gerichtsstelle gekommen sind.50 Das Vorhandensein jener Voraussetzung muss zur Begründung des Anspruchs glaubhaft gemacht werden. LG Limburg NJW 1957 72251 will die vom Angeklagten gestellten Zeugen und Sachverständigen, deren Vernehmung das Gericht beschließt, wie die vom Gericht geladenen Zeugen und Sachverständigen behandeln und auf jeden Fall entschädigen, § 220 Abs. 3 also auf sie nicht anwenden. Dem steht entgegen: In aller Regel wird sich ein Gericht eher entschließen, einen gestellten Zeugen zu vernehmen, als die Ladung eines nicht anwesenden Zeugen anzuordnen und zu diesem Zweck die Hauptverhandlung zu unterbrechen, sei es auch nur, um dem Angeklagten das Bewusstsein zu nehmen, dass „seine“ Zeugen nicht vernommen worden seien. Die Vernehmung eines gestellten Zeugen oder Sachverständigen beansprucht nicht selten geringere Zeit als die Ablehnung eines Antrages auf Vernehmung unter Beachtung der strengen Grundsätze des § 244 Abs. 3, 4. Es besteht kein Grund, diese Praxis zu missbilligen. Da gestellte Zeugen oder Sachverständige oft auch dann vernommen werden, wenn ein Antrag auf Ladung abgelehnt werden könnte, besteht kein Grund, sie wegen ihres Anspruchs auf Entschädigung aus der Staatskasse den vom Gericht geladenen Zeugen und Sachverständigen gleichzustellen. Ist die vom Angeklagten beantragte (§ 219) Vernehmung einer Person zwar nicht ab- 27 gelehnt, jedoch wegen großer Entfernung (§ 223 Abs. 2) durch einen beauftragten oder ersuchten Richter bewirkt worden, und hat der Angeklagte trotz dieser Vernehmung den Vernommenen zur Hauptverhandlung unmittelbar laden lassen, so steht diesem – sofern er erscheint – der in § 220 bestimmte Anspruch jedenfalls dann zu, wenn infolge eines Wechsels des Aufenthaltsortes des Geladenen die Annahme einer großen Entfernung nicht mehr zutrifft oder wenn vom Gericht anerkannt wird, dass die mündliche Vernehmung die Aufklärung der Sache in höherem Grad gefördert habe, als dies durch die Verlesung des aufgenommenen Protokolls (§ 251) geschehen sein würde.52 3. Dienlichkeit der Aussage zur Sachaufklärung. Der Anspruch an die Staatskasse 28 ist dadurch bedingt, dass der Zeuge oder Sachverständige etwas ausgesagt hat, was „zur Aufklärung der Sache dienlich“ war. Ob diese Voraussetzung, mit der einem Missbrauch des Ladungsrechts vorgebeugt werden soll,53 zutrifft, hat das Gericht in tatrichterlicher Würdigung von Aussage und Verfahrenslage einschließlich Verlauf und Ergebnis der Hauptverhandlung unter Anlegung eines von den Vorstellungen des Angeklagten und des Verteidigers unabhängigen objektiven Maßstabs zu entscheiden.54 Maßgebend für diese Gesamtwürdigung ist der Zeitpunkt der Anordnung nach Absatz 3, nicht etwa der des Urteils. Der Ansicht, die auf den Verfahrensstand bei Abschluss der Vernehmung abstellt,55 ist zwar insoweit zuzustimmen, als eine zu diesem Zeitpunkt gegebene Sachdienlichkeit auch dann nicht mehr entfällt, wenn sie durch die spätere Prozessentwick-

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50 OLG Celle NJW 1927 1658; Eb. Schmidt 8; AK/Keller 9; KK/Gmel 13; Meyer-Goßner/Schmitt 14; KMR/Eschelbach 27; a.A. Stenglein 8. 51 So im Ergebnis auch SK/Deiters 21. 52 SK/Deiters 28. 53 BGH bei Holtz MDR 1976 814; OLG Düsseldorf MDR 1985 1050; Pauka/Daners StraFo 2015 397; SSW/Grube 9. 54 OLG Düsseldorf MDR 1985 1050; Meyer-Goßner/Schmitt 11; Widmaier StV 1990 518. 55 OLG Hamburg MDR 1978 952; AK/Keller 7.

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lung bedeutungslos wird.56 Dies schließt aber nicht aus, im umgekehrten Fall mit zu berücksichtigen, wenn erst der spätere Prozessverlauf die Sachdienlichkeit der Aussage erhellen sollte. 29 Zur Begründung des Anspruchs genügt es nicht, dass dem Beweisantrag nach § 245 Abs. 2 stattgegeben und etwas zur Sache Gehöriges bekundet wurde. Präsente Beweismittel können nur in den engen Grenzen des § 245 Abs. 2 wegen Unerheblichkeit abgelehnt werden. Sachdienlich ist aber nicht gleichzusetzen mit entscheidungserheblich. Zur Aufklärung dienlich ist jede Beweiserhebung, die das Verfahren fördert, die also das zu fällende Urteil oder den weiteren Verfahrensgang beeinflusst hat,57 etwa dadurch, dass sie das Gericht zu weiteren Maßnahmen der Sachaufklärung veranlasste,58 ferner, wenn ein im Ergebnis abgelehntes Gutachten dazu beitrug, Kenntnisstand oder Problembewusstsein bei einem schwierigen und abgelegenen Fachgebiet zu fördern und damit die Entscheidungsgrundlagen zu vertiefen.59 Bei der Anhörung eines Sachverständigen ist es für die Sachdienlichkeit ausreichend, dass dessen Ausführungen die Diskussionsbasis in der Hauptverhandlung verbreitern, auch wenn seine gutachterlichen Feststellungen im Ergebnis die des gerichtlich bestellten Sachverständigen bestätigen.60 Ein Gutachten ist jedoch in jedem Falle nicht als sachdienlich einzustufen, wenn der Sachverständige keine Gewähr dafür bietet, seinen gesetzlichen Pflichten entsprechen zu wollen.61 Eine Aussage, die in den Entscheidungsgründen verwendet wird, war in der Regel sachdienlich.62 Ob dazu notwendig gehört, dass die Aussage glaubwürdig ist, mag zweifelhaft sein.63 Es ist wohl eher eine vom Einzelfall abhängige Tatfrage. Auf den Inhalt der Bekundungen kommt es im Übrigen nicht an. Es ist unerheblich, ob die Aussage den Angeklagten belastete oder entlastete, oder ob sie für die Entscheidung der Schuldfrage oder nur für die Strafzumessung von Bedeutung war. Der Anspruch des Zeugen oder Sachverständigen ist auch nicht davon abhängig, ob der Angeklagte verurteilt oder freigesprochen wird (Prot. 338, 340). Die „Dienlichkeit“ einer Aussage kann nicht schon deshalb verneint werden, weil für die gleiche Frage bereits andere Beweismittel zugezogen waren; sie ist aber dann nicht gegeben, wenn sie über die Grenzen einer sinnvollen, sachgerechten Verteidigung hinaus nur dazu diente, ein Beweisergebnis zu bestätigen, das nach der Verfahrenslage von Anfang an durch mehrere nichtangezweifelte Beweismittel gesichert war. Völlig überflüssige Beweisaufnahmen sind nicht sachdienlich. Dieser Ansicht steht nicht entgegen, dass die RTK (Prot. 945) es abgelehnt hat, das Wort „dienlich“ durch „erforderlich“ zu ersetzen, denn die Bekundungen der unmittelbar geladenen Zeugen oder Sachverständigen müssen zur weiteren Aufklärung der Sache dienlich gewesen sein. Damit ist ersichtlich ein objektiver Maßstab gemeint. Wohnt ein Zeuge im Ausland und kann er nicht vor das erkennende Gericht gela30 den werden, erklärt aber das Gericht dem Angeklagten, es müsse ihm überlassen blei-

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56 Vgl. KMR/Eschelbach 31 (Beurteilung ex ante). 57 OLG Düsseldorf MDR 1985 1050; OLG Hamburg MDR 1978 952; Meyer-Goßner/Schmitt 11; KMR/Eschelbach 32; SK/Deiters 24; Pauka/Daners StraFo 2015 397; weiter Widmaier StV 1990 528. 58 OLG Stuttgart MDR 1981 1038. 59 LG München StV 1988 350 (abgelegenes Sachgebiet); StV 1996 491 mit Anm. Degenhard; Widmaier StV 1990 528 (Verbreiterung der Diskussionsgrundlage); zw. KK/Gmel 14; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt 11; KMR/Eschelbach 32 und HK/Julius/Reichling 10, die Sachdienlichkeit an den Kriterien, die sich aus § 245 Abs. 2 Satz 3 ergeben, messen wollen. 60 KG Berlin NStZ 1999 476 ff; SSW/Grube 10. 61 OLG Hamm StRR 2015 66. 62 OLG Schleswig SchlHA 1957 276; SK/Deiters 24; KMR/Eschelbach 32 („ist regelmäßig davon auszugehen“). 63 Bejahend Eb. Schmidt 9; verneinend KK/Gmel 14; Meyer-Goßner/Schmitt 11;

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ben, den Zeugen herbeizuschaffen, übernimmt damit das Gericht das Risiko der Sachdienlichkeit. Die Herbeischaffung des Zeugen durch den Angeklagten ist in einem solchen Fall nur ein Ersatz für die vom Gericht gewollte, aber nicht durchführbare Ladung.64 4. Ausschluss der Entschädigung a) Erfüllung des Anspruchs, Hinterlegung. Nach der vorherrschenden Meinung 31 besteht ein Anspruch auf Entschädigung nach Absatz 3 nur insoweit, als der Sachverständige oder Zeuge nicht bereits vom Angeklagten voll entschädigt ist; denn andernfalls ist der Entschädigungsanspruch im Zeitpunkt der Einvernahme bereits erfüllt und erloschen.65 Ob schon die Hinterlegung des Entschädigungsbetrags zugunsten des Zeugen 32 oder Sachverständigen die Anordnung der Entschädigung durch den Staat ausschließt, weil dieser sich aus dem hinterlegten Betrag voll befriedigen kann,66 ist strittig. Die Ansicht, die dies bejaht,67 beruft sich auf die im Wortlaut nicht zum Ausdruck gekommene Entstehungsgeschichte. Danach sollte die Entschädigung der sachdienlichen Zeugen oder Sachverständigen durch Einräumung eines Anspruchs gegen den Staat gesichert werden; dazu bestehe aber kein Anlass, solange und soweit der Angeklagte selbst die Entschädigung durch Vorauszahlung oder Hinterlegung gewährleistet habe; insbesondere bestehe der Sinn dieser im Verhältnis zwischen Angeklagtem und Staat nur vorläufigen Entscheidung nicht darin, dass der Zeuge dem Angeklagten eine bereits empfangene Entschädigung zurückerstatte, um statt dessen die Staatskasse in Anspruch zu nehmen. Nach der vorzuziehenden Gegenmeinung steht die bloße Hinterlegung der Fest- 33 stellung der Entschädigungspflicht des Staates nicht entgegen.68 Sobald diese festgestellt ist, darf der hinterlegte Betrag nicht mehr in Anspruch genommen werden;69 er ist dem Hinterleger zurückzuzahlen. Die vom Wortlaut nicht gedeckte restriktive Auslegung lässt unberücksichtigt, dass die Entscheidung nach Absatz 3 keinesfalls nur vorläufigen Charakter hat. Sie wird durch die Kostenentscheidung des Urteils nicht gegenstandlos, sondern wirkt sich auch in deren Rahmen auf den Umfang der endgültigen Kostentragungspflicht aus. Eine von der Staatskasse zu tragende Entschädigung gehört zu den Verfahrenskosten,70 während eine vom Angeklagten gewährte Entschädigung nur unter dem Gesichtspunkt des Ersatzes der notwendigen Auslagen vom Staat zu erstatten ist.71 Dieser Unterschied erlangt praktische Bedeutung, wenn der Staat nach der Kostenentscheidung zwar die Verfahrenskosten, nicht aber die notwendigen Auslagen zu tragen hat (§ 467 Abs. 3, 4). Aber auch wenn die Staatskasse verpflichtet ist, die notwendi-

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64 Umfassend zur unmittelbaren Ladung im Ausland SK/Deiters 10 ff. 65 OLG Breslau ZStW 43 (1922) 256; OLG Hamburg JW 1920 917; OLG Düsseldorf MDR 1994 521; Eb. Schmidt 6; KK/Gmel 15; Meyer-Goßner/Schmitt 12; SK/Deiters 30; MüKo/Arnoldi 18. a.A. Schmidt MDR 1967 917; Werthauer JW 1920 917. 66 Wollte man darauf abstellen, könnte dies der Angeklagte bei der Hinterlegung dadurch abwenden, dass er bestimmt, dass der hinterlegte Betrag nur dann an den Begünstigten auszuzahlen ist, wenn seine Entschädigung durch die Staatskasse abgelehnt wurde; eine solche Bestimmung wäre mit dem Zweck, die Entschädigung des Zeugen sicherzustellen, nicht unvereinbar. 67 OLG Bremen GA 1955 60; Pentz NJW 1960 735; Eb. Schmidt 6; SK/Deiters 31. 68 Schmidt MDR 1967 966; KK/Gmel 15; Meyer-Goßner/Schmitt 12; MüKo/Arnoldi 18. 69 OLG Stuttgart Alsb. E 2 Nr. 77; Eb. Schmidt 6 (Kostenentscheidung des Urteils); vgl. Rn. 26; 42. 70 RGSt 16 212; Schmidt MDR 1967 966; vgl. bei § 464. 71 BayObLG Alsb. E 2 Nr. 78; OLG Dresden Alsb. E 2 Nr. 74a¸ vgl. auch BGH bei Holtz MDR 1976 814.

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gen Auslagen zu tragen, ist die Entscheidung nach Absatz 3 für den Angeklagten von Bedeutung, weil er anderenfalls die Sachdienlichkeit der Vernehmung bei der Kostenfestsetzung (§ 464b) geltend machen muss. Dazu kommt, dass über die Anordnung nach Absatz 3 auch zu befinden ist, wenn die gezahlte oder hinterlegte Entschädigung geringer ist als die kraft Gesetzes zu gewährende Entschädigung (vgl. Rn. 35). Sofern der Zeuge oder Sachverständige dann nicht erklärt, dass er trotzdem keine Ansprüche mehr stellen werde, hat das Gericht auf Antrag über die Entschädigung aus der Staatskasse nach Absatz 3 zu entscheiden. Folgt man der herrschenden Meinung, muss es dann vorab zur Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags nach Absatz 3 prüfen, ob wirklich noch ein ungedeckter Restbetrag offensteht und dazu die Höhe der gesetzlichen Entschädigungsansprüche berechnen, bevor es seiner primär richterlichen Aufgabe der Entscheidung über die Sachdienlichkeit72 nachkommen kann. Im Beschluss wäre dann gegebenenfalls festzustellen, dass sich die Entschädigungspflicht der Staatskasse auf den noch offenen Restbetrag beschränkt. Alle diese Komplikationen erübrigen sich, wenn man entsprechend dem Wortlaut des Absatzes 3 das Gericht für befugt hält, auf Antrag die gesetzliche Entschädigung aus der Staatskasse bei Sachdienlichkeit anzuordnen, ohne Rücksicht darauf, ob der Anspruch des Geladenen durch eine Barzahlung ganz oder teilweise erfüllt oder durch eine Hinterlegung wenigstens gesichert ist. Die jeden tiefen Grundes entbehrenden Ungleichheiten, zu denen die vorherrschende Meinung führt,73 lassen sich verringern, wenn man es in Einklang mit dem Wortlaut der Vorschrift in jedem Fall für zulässig hält, eine Entscheidung des Gerichts nach Absatz 3 herbeizuführen und wenn man zumindest dann, wenn der Entschädigungsanspruch noch nicht durch vollständige Erfüllung erloschen ist, einen Anspruch gegen den Staat zuerkennt. 34

b) Nichtannahme der Entschädigung. Unabhängig davon, welcher Auffassung man folgt, wird einem Zeugen oder Sachverständigen, dem die Entschädigung in bar angeboten wurde, der sie aber nicht angenommen hat, ein Anspruch auf Entschädigung aus der Staatskasse nach Absatz 3 nicht verweigert werden können. Es besteht kein Grund, ihn anders zu stellen, als wenn er der Ladung ohne ein solches Anerbieten gefolgt wäre.74

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c) Unvollständige Entschädigung. Ist der Zeuge oder Sachverständige nicht vollständig entschädigt worden, etwa weil der von ihm empfangene oder zu seinen Gunsten hinterlegte Betrag zu einer vollen gesetzlichen Entschädigung nicht ausreicht (was beim Sachverständigen leicht eintreten kann, s. Rn. 20, 21), so hat er Anspruch, zumindest wegen des Restes aus der Staatskasse entschädigt zu werden. Ein Sachverständiger kann nach Absatz 3 nur für den nach der Ladung angefallenen Aufwand entschädigt werden, nicht aber für Leistungen, die er vorher aus anderem Rechtsgrund, etwa Ausarbeitung eines schriftlichen Gutachtens im Auftrag des Angeklagten, erbracht hat.75

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72 Die auch vom OLG Düsseldorf MDR 1994 521 übernommene Ansicht, das erkennende Gericht dürfe bei der Beurteilung der Sachdienlichkeit das Kostenfestsetzungsverfahren nicht präjudizieren, stellt die primären Zuständigkeiten auf den Kopf. 73 Vgl. Schmidt MDR 1967 966. 74 Schmidt MDR 1967 966; AK/Keller 8. 75 OLG München MDR 1981 1037; KK/Gmel 11.

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5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung

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5. Antrag a) Antragsberechtigte. Die Entscheidung nach Absatz 3 ergeht nur auf Antrag: 36 Ohne Antrag erfolgt keine Entschädigung aus der Staatskasse. Den Antrag kann sowohl der Vernommene wie auch der Angeklagte oder der Staatsanwalt stellen. b) Zeitpunkt der Antragstellung. Der Antrag kann in der Hauptverhandlung ge- 37 stellt, er kann aber auch noch nach der Hauptverhandlung bei Gericht eingereicht werden. Die früher vertretene Auffassung, wonach der Antrag nur in der Hauptverhandlung anzubringen ist, damit das erkennende Gericht im Zusammenhang mit der Urteilsfällung über ihn befinden kann,76 wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum zu Recht abgelehnt.77 Ob eine Vernehmung sachdienlich ist, kann zwar am besten das erkennende Gericht beurteilen, eine Entscheidung dieser Frage ist jedoch auch nachträglich möglich, zumal sie möglicherweise schon aus den Urteilsgründen, im Übrigen aber aufgrund dienstlicher Äußerungen der beteiligten Richter zu beantworten ist. Wird der Antrag nicht gestellt, muss die gleiche Frage übrigens unter Umständen vom Kostenbeamten beurteilt werden, wenn er nach § 464 über die Erstattung der notwendigen Auslagen zu befinden hat. Obwohl das Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz an sich nur für die Ent- 38 schädigung der vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft herangezogenen Zeugen oder Sachverständigen gilt (vgl. § 1 JVEG), wird die Auffassung vertreten, dass der Antrag nicht mehr gestellt werden kann, wenn der Anspruch auf Entschädigung erloschen ist.78 Dem ist beizutreten; denn der Anspruch auf gesetzliche Entschädigung wird nach Absatz 3 nur in dem Umfange gewährt, wie er den von Amts wegen geladenen Personen zusteht. Ist die für die Zeugenentschädigung geltende Dreimonatsfrist nach § 2 Abs. 1 JVEG abgelaufen, ist ein Antrag nach Absatz 3 bezüglich dieser Zeugen nicht mehr zulässig. IV. Sonstige Fragen 1. Rechtsbehelfe a) Beschwerde. Die Ladung können die nach § 220 geladenen Personen nicht mit 39 der Beschwerde anfechten, sie können dagegen nur nach § 51 Abs. 2 vorgehen. Die Entscheidung des Gerichts über den Antrag nach Absatz 3 ist mit der Beschwerde anfechtbar. Beschwerdeberechtigt ist bei einer ablehnenden Entscheidung vor allem der Zeuge oder Sachverständige; aber auch Angeklagter und Staatsanwalt können Beschwerde einlegen, soweit sie die Entscheidung beschwert; dies ist nicht der Fall, wenn nach dem Urteil Kosten und Auslagen der Staatskasse zur Last fallen. Ein ablehnender Beschluss beschwert den Angeklagten ferner nicht, wenn dieser aufgrund des rechtskräftigen Urteils ohnehin die Verfahrenskosten zu tragen hat.79 Ein der Urteilsfällung vorausgegan-

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76 BayObLGSt 18 30; DRiZ 1929 Nr. 310; OLG Celle GA 63 (1916/17) 150; OLG Dresden Alsb. E 2 Nrn. 74a und b; vgl. ferner KG LZ 1916 901. 77 OLG Köln MDR 1958 622; OLG Schleswig SchlHA 1957 276; LG Mainz NJW 1956 1848; LG Aachen NJW 1960 735 mit Anm. Pentz; früher schon BayObLGSt 10 274; OLG Celle JW 1927 1658 mit Anm. Jonas; OLG Düsseldorf GA 70 (1926) 249; Eb. Schmidt Nachtr. I 7; KK/Gmel 11; Meyer-Goßner/Schmitt 10; KMR/Eschelbach 28; SK/Deiters 23. 78 OLG Köln MDR 1958 622; OLG Schleswig SchlHA 1957 276; KK/Gmel 11; KMR/Eschelbach 29; MüKo/Arnoldi 19; SK/Deiters 23. 79 OLG Karlsruhe MDR 1985 694; KMR/Eschelbach 41; SK/Deiters 32; SSW/Grube 11; HK-GS/Schulz 4.

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gener Beschluss kann vom Angeklagten nach Auffassung des OLG Bremen80 wegen § 305 nicht angefochten werde. Dies würde jedoch nur zutreffen, wenn der Beschluss für das Verhältnis zwischen Angeklagtem und Staatskasse tatsächlich ohne endgültige Bedeutung wäre. Dies ist aber nicht immer der Fall (Rn. 33). Wird die Entscheidung nach Absatz 3 in die Kostenentscheidung des Urteils mit einbezogen (Rn. 25), so gilt für ihre Anfechtung § 464 Abs. 3 entsprechend. 40 Hat das Gericht die Entschädigung nach Absatz 3 angeordnet, ist es Sache des Vernommenen, seinen Anspruch gegen die Staatskasse zu betreiben; der Angeklagte ist nicht befugt, durch Prozessbeschwerde darauf hinzuwirken, dass der Beschluss des Gerichts ausgeführt wird und der Vernommene die Entschädigung aus der Staatskasse auch tatsächlich erhält.81 41

b) Antragstellung in der Hauptverhandlung. Das Ladungsrecht nach § 220 dient der Vorbereitung der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung. Bleibt eine unmittelbar geladene Beweisperson entschuldigt oder unentschuldigt aus, dann muss der Angeklagte – ungeachtet der Möglichkeit eines Bestrafungsantrags nach § 51 – die in ihr Wissen gestellten Tatsachen zum Gegenstand eines Beweisantrags nach § 244 machen, um zu verhindern, dass das Gericht sie übergeht. Anderenfalls braucht das Gericht den Ausgebliebenen weder selbst laden zu lassen noch muss es das Ergebnis eines neuen Ladungsversuches abwarten. Letzteres ist nur bei einer noch länger andauernden Hauptverhandlung sinnvoll. Ist die Beweisperson erschienen, muss er einen Beweisantrag nach § 245 Abs. 2 stellen. Auf die unrichtige Anwendung des § 220 allein kann die Revision nicht gestützt werden. Ferner kann der Revisionsführer das Ergebnis eines erstatteten Gutachtens nicht mit der Sachrüge angreifen, dass ein am Verfahren nicht beteiligter Sachverständiger zu den entscheidenden Beweisfragen eine abweichende Auffassung vertritt. Der Verteidigung hätte es nämlich in einem solchen Fall offengestanden, den betreffenden Sachverständigen nach Ablehnung des Beweisantrags als eigenes Beweismittel gem. §§ 220, 245 Abs. 2 in die Hauptverhandlung einzuführen.82

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2. Befriedigung aus dem hinterlegten Betrag. Ob der Vernommene trotz einer Entscheidung nach Absatz 3 seinen Entschädigungsanspruch noch aus dem vom Angeklagten zu seinen Gunsten hinterlegten Betrag befriedigen kann, hängt von den Bestimmungen ab, die bei der Hinterlegung getroffen wurden. Das OLG Stuttgart83 hält eine Befriedigung aus dem hinterlegten Betrag für unzulässig, da der Vernommene sich an den Staat zu halten habe. Dies muss jedoch nicht immer zutreffen, denn die Rechtsbeziehungen zwischen dem Angeklagten und den Geladenen (eventuell vertragliche Entschädigungsvereinbarung) und auch die Bedingungen der Hinterlegung können zu einem abweichenden Ergebnis führen. Ist die Staatskasse nach den bei der Hinterlegung getroffenen Bestimmungen uneingeschränkt berechtigt, dem Vernommenen den hinterlegten Betrag voll auszuzahlen,84 und hat sie dies getan, dann kann der Angeklagte, dem Verfahrenskosten und Auslagen nicht zur Last fallen, diesen Betrag innerhalb der Grenzen der gesetzlichen Entschädigung zumindest als notwendige Aufwendungen vom Staat ersetzt verlangen.

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80 81 82 83 84

OLG Bremen GA 1955 60; zustimmend wohl KK/Gmel 16; KMR/Eschelbach 41; SK/Deiters 32. KG JW 1929 1503. BGH StV 1999, 408 f. Alsb. E 2 Nr. 77; vgl. Fn. 61. Vgl. KG Alsb. E 2 Nr. 78.

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3. Rückforderung der Entschädigung. Ist der Zeuge oder Sachverständige, der 43 bei der Ladung den angebotenen Betrag angenommen hat, der Hauptverhandlung entschuldigt oder unentschuldigt ferngeblieben, kann der Angeklagte die geleistete Entschädigung unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zurückverlangen. Gleiches gilt bei Doppelzahlungen, wenn sowohl die staatliche Entschädigung nach Absatz 3 als auch der hinterlegte Betrag in Anspruch genommen worden sind. Ob daneben vertragliche Ansprüche bestehen, hängt vom Einzelfall ab. Die Ladung nach § 220 löst nur die öffentlich-rechtliche Pflicht aus, vor Gericht zu erscheinen. Durch die bloße Annahme der dafür angebotenen Entschädigung wird in der Regel noch kein bürgerlich-rechtlicher Vertrag zustande kommen. Es können aber auch vertragliche Ansprüche bestehen, so, wenn mit dem Sachverständigen Vereinbarungen über das Honorar für seine Gutachtentätigkeit getroffen oder mit einem auswärtigen Zeugen Einzelheiten über seine Reise und den Ersatz seiner Aufwendungen vereinbart worden sind.

§ 221 Herbeischaffung von Beweismitteln von Amts wegen § 221 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung Jäger https://doi.org/10.1515/9783110274943-011

Der Vorsitzende des Gerichts kann auch von Amts wegen die Herbeischaffung weiterer als Beweismittel dienender Gegenstände anordnen. Entstehungsgeschichte Die jetzige, auf Beweisgegenstände beschränkte Fassung beruht auf Art. 1 Nr. 71 des 1. StVRG. Die frühere Fassung, die auch die Beweispersonen mit einschloss, ist durch den Übergang der Ladungen auf das Gericht (§ 214) insoweit gegenstandslos geworden. Bezeichnung bis 1924: § 220.

1. 2. 3.

Übersicht Zweck und Gegenstand der Vorschrift | 1 Anordnung des Vorsitzenden | 3 Ausführung der Anordnung | 6

4. 5.

Antrag auf Aussetzung | 7 Rechtsbehelfe a) Beschwerde | 8 b) Revision | 9

1. Zweck und Gegenstand der Vorschrift. § 221 ergänzt § 214 Abs. 4,1 der die Her- 1 beischaffung der als Beweismittel dienenden Gegenstände in Satz 1 primär der Staatsanwaltschaft überträgt, der aber in Satz 2 auch dem Gericht diese Befugnis einräumt (§ 214, 18 ff.). § 221 stellt klar, dass der Vorsitzende diese Befugnis für das Gericht ausübt und dass er hierbei von Amts wegen tätig werden kann.2 Er muss also keinen Antrag eines Prozessbeteiligten abwarten.3 § 221 gilt zunächst für die Fälle, in denen es der Vorsitzende aus Gründen der Pro- 2 zesswirtschaftlichkeit übernimmt, an Stelle der Staatsanwaltschaft einen von dieser benannten Beweisgegenstand herbeizuschaffen (§ 214, 20). Seine eigentliche Bedeutung

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1 A.A. SK/Deiters 2a ff., der § 221 gegenüber § 214 keine eigenständige Bedeutung beimisst. 2 Vgl. auch Kühne Rn. 636, der Zweifel äußert, dass § 221 jede eigene Ermittlungstätigkeit des Gerichtes deckt. 3 Vgl. HK/Julius/Reichling 1; KMR/Eschelbach 5; HK-GS/Schulz 1.

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liegt aber in den Fällen, in denen zusätzlich von der Staatsanwaltschaft nicht als Beweismittel bezeichnete Gegenstände zur Hauptverhandlung beigebracht werden sollen. Vor allem zur Vorbereitung des Urkundenbeweises kann der Vorsitzende die Beiziehung weiterer Urkunden anordnen; liegen dem Gericht nur Kopien vor, kann er darauf hinwirken, dass sie öffentlich beglaubigt oder aber an ihrer Stelle die Originale vorgelegt werden.4 2. Anordnung des Vorsitzenden. Dieser hat nach pflichtgemäßem Ermessen aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, ob zur Förderung des Verfahrens eine solche Anordnung angezeigt ist. Der beizubringende Gegenstand ist in der Anordnung so hinreichend bestimmt zu bezeichnen, dass er bei Vollzug der Anordnung sicher identifiziert werden kann. Will der Vorsitzende ohne Einschaltung der Staatsanwaltschaft ein bereits benanntes Beweismittel beiziehen, ist regelmäßig eine vorherige Abstimmung mit dieser ratsam, um doppelte Anordnungen zu vermeiden. Bei zusätzlichen Beweisgegenständen ist für den Erlass einer solchen Anordnung dagegen allein maßgebend, ob der betreffende Gegenstand zur Erforschung der Wahrheit durch das Gericht in der Hauptverhandlung beitragen kann. Der Vorsitzende muss bei dieser Entscheidung auch berücksichtigen, wie das Gericht die Beweiserheblichkeit des herbeizuschaffenden Gegenstands beurteilt. Für die vorherige Abstimmung zwischen Vorsitzendem und Gericht gelten die Ausführungen bei § 214, 20. Vor Erlass der Anordnung ist zu prüfen, ob sie sich nicht dadurch erübrigt, dass einem Zeugen oder Sachverständigen aufgegeben werden kann, den Gegenstand zu seiner Einvernahme mitzubringen, oder ob andererseits zur sofortigen Sicherstellung des Beweismittels die Beschlagnahme (§§ 94, 98) notwendig ist. 4 Der Vorsitzende hat diese Befugnis auch noch während der Hauptverhandlung. Sie ist ein Teil seiner Sachleitungsbefugnis nach § 238.5 Die Zurücknahme der Anordnung durch den Vorsitzenden ist grundsätzlich zuläs5 sig, sofern nicht die Aufklärungspflicht oder die prozessuale Lage, insbesondere nach Beginn der Hauptverhandlung § 245, entgegenstehen. 3

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3. Die Ausführung der Anordnung. Der Vorsitzende kann die Ausführung seiner Anordnung nach seinem Ermessen ohne Einschaltung der Staatsanwaltschaft der Geschäftsstelle des Gerichts (§ 214 Abs. 4 Satz 2) übertragen. Er kann jedoch auch die Staatsanwaltschaft, die die Herbeischaffung der Beweisgegenstände zu bewirken hat (§ 214 Abs. 4 Satz 1), um die Beibringung ersuchen. Gegenstände, die sie selbst in Gewahrsam hat, muss sie vorlegen, in Gewahrsam von dritten Personen befindliche Gegenstände hat sie in Vollzug der richterlichen Anordnung (§ 36 Abs. 2 Satz 1) beizubringen.6 Ob sie durch die Anordnung auch verpflichtet wird, in deren Vollzug den unbekannten Verwahrungsort des bezeichneten Gegenstands zu ermitteln, ist strittig.7 Das 1. StVRG hat die früher anerkannte Rechtslage unberührt gelassen, wonach die Staatsanwaltschaft ein solches Ersuchen nur ablehnen darf, wenn sie die Anordnung für unzulässig, nicht aber, wenn sie sie nur für unzweckmäßig hält.8 Wird die Herausgabe des Gegenstandes verwei-

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4 Wömper MDR 1980 889; vgl. bei § 249. 5 KK/Gmel 2; Meyer-Goßner/Schmitt 1; differenzierend KMR/Eschelbach 5. 6 SSW/Grube 3. 7 KG JR 1966 231 mit krit Anm. Kleinknecht; Geißer GA 1983 400. 8 OLG Hamm DJZ 1911 1432; OLG Frankfurt NJW 1982 1408; OLG Stuttgart Justiz 1982 408; AK/Keller 2; KK/Gmel 3; Meyer-Goßner/Schmitt 2.

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gert, ist es Sache des Gerichts, Ordnungsmittel nach § 95 Abs. 2 zu verhängen oder den Gegenstand zu beschlagnahmen (§§ 94, 98). Behörden können die Herausgabe nur unter den Voraussetzungen des § 96 ablehnen; dies gilt auch für Gegenstände, die sich im Gewahrsam der Staatsanwaltschaft befinden.9 Für die Anordnung, nach noch unbekannten, möglicherweise aber vorhandenen Beweisgegenständen zu forschen, bietet § 221 dagegen keine Rechtsgrundlage. 4. Antrag auf Aussetzung. Das Gesetz schreibt – anders als bei den von § 222 erfass- 7 ten Beweispersonen – nicht vor, dass die Anordnung des Vorsitzenden dem Angeklagten oder der Staatsanwaltschaft mitzuteilen ist. § 246 Abs. 2, 3 gilt für sie ebenfalls nicht.10 Ob die Fürsorgepflicht eine Benachrichtigung gebietet,11 hängt von den Umständen des Einzelfalls ab;12 zweckmäßig ist eine solche Benachrichtigung jedoch immer (vgl. § 222, 2). Andernfalls kommt eine Aussetzung wegen des neu beigebrachten Beweisgegenstandes nach § 265 Abs. 4 in Betracht, wenn die veränderte Sachlage dies zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder Verteidigung erfordern sollte. 5. Rechtsbehelfe a) Die Beschwerde gegen die Anordnung des Vorsitzenden ist nur in den engen 8 Grenzen des § 305 möglich. Die Staatsanwaltschaft kann mit der Beschwerde die Verletzung der Rechte Dritter oder ihrer Verfolgungsinteressen im Hinblick auf eine andere Person geltend machen.13 Auch ein durch die Anordnung beschwerter und in seinen Rechten verletzter Dritter hat die Beschwerde (§ 305 Satz 2).14 Bei einer Weigerung der Staatsanwaltschaft, der Anordnung nachzukommen, hat der Vorsitzende die Aufsichtsbeschwerde.15 b) Mit der Revision können die Maßnahmen des Vorsitzenden zur Vorbereitung der 9 Hauptverhandlung für sich allein grundsätzlich nicht angegriffen werden.16 Maßgebend ist allein, ob die Beweismittel, auf die sich die Anordnung bezog, in der Hauptverhandlung verfahrenswidrig verwendet wurden (§ 337) oder ob die Verwertung unter Verletzung der Aufklärungspflicht oder sonst zu Unrecht (§ 244 Abs. 2, § 245 Abs. 1) unterblieb. Unbehelflich ist auch die Rüge, der Vorsitzende habe eine solche Anordnung zu Unrecht unterlassen, denn den Verfahrensbeteiligten steht es frei, durch eine eigene Ladung der Beweisperson oder durch eigenes Beibringen eines Beweisgegenstandes oder aber durch einen entsprechenden Beweisantrag darauf hinzuwirken, dass das betreffende Beweismittel in der Hauptverhandlung verwendet werden kann.

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9 OLG Frankfurt NJW 1982 1408. 10 A.A. noch KMR/Paulus (4. Erg. Lfg.), der §§ 222, 246 Abs. 2 für anwendbar hält; anders hingegen KMR/Eschelbach 24. 11 So KK/Gmel 4; Meyer-Goßner/Schmitt 3; vgl. KMR/Eschelbach 24; SSW/Grube 4 a.A. SK/Deiters 4. 12 AK/Keller 3. 13 OLG Frankfurt NJW 1982 1408; SK/Deiters 5. 14 SK/Deiters 5. 15 OLG Stuttgart Justiz 1982 408; KK/Gmel 5; SK/Deiters 5. 16 OLG Koblenz OLGSt NF Nr. 1; KK/Gmel 5; Meyer-Goßner/Schmitt 4; MüKo/Arnoldi 9; SK/Deiters 5; SSW/Grube 5.

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§ 222 Namhaftmachung von Zeugen und Sachverständigen § 222 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung Jäger https://doi.org/10.1515/9783110274943-012

(1) 1 Das Gericht hat die geladenen Zeugen und Sachverständigen der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten rechtzeitig namhaft zu machen und ihren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. 2 Macht die Staatsanwaltschaft von ihrem Recht nach § 214 Abs. 3 Gebrauch, so hat sie die geladenen Zeugen und Sachverständigen dem Gericht und dem Angeklagten rechtzeitig namhaft zu machen und deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. 3 § 200 Abs. 1 Satz 3 bis 5 gilt sinngemäß. (2) Der Angeklagte hat die von ihm unmittelbar geladenen oder zur Hauptverhandlung zu stellenden Zeugen und Sachverständigen rechtzeitig dem Gericht und der Staatsanwaltschaft namhaft zu machen und ihren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. RiStBV Nr. 118 Schrifttum Fromm Die Selbstladung im Ordnungswidrigkeitenverfahren, SVR 2011 132; Krey Probleme des Zeugenschutzes im Strafverfahrensrecht, GedS Meyer (1990) 239; Krey/Haubrich Zeugenschutz, Rasterfahndung, Lauschangriff, Verdeckte Ermittler, JR 1992 309; Leineweber Die Entbindung von der Wohnortangabe bei der Vernehmung eines Zeugen zur Person gem. § 68 Abs. 2 StPO, MDR 1985 635; Soine Juristische und kriminalistische Aspekte beim Schutz gefährdeter Zeugen im Strafverfahren, ArchKrim. 200 (1997), 172; Steinke Wirksamer Zeugenschutz de lege ferenda, ZRP 1993 253. Wegen weiterer Nachweise vgl. bei § 68.

Entstehungsgeschichte Art. 1 Nr. 47 des 1. StVRG, das die Ladungen grundsätzlich dem Gericht überträgt, hat Absatz 1 neu gefasst. Während vorher nur die Ladung von nicht in der Anklageschrift benannten Beweispersonen dem Angeklagten mitzuteilen war, müssen nunmehr alle geladenen Beweispersonen dem Angeklagten namhaft gemacht werden. Die gleiche Verpflichtung besteht wechselseitig zwischen Gericht und Staatsanwaltschaft. Ursprünglich waren nur Angeklagter und Staatsanwaltschaft verpflichtet, sich gegenseitig die nachträglich bzw. die unmittelbar geladenen Personen zu benennen. Art. 9 § 1 Nr. 5 der 2. VereinfVO beseitigte das Recht des Angeklagten zur unmittelbaren Ladung. Er schied deshalb als Verpflichteter aus. Wegen der Einführung des § 214 Abs. 1 Satz 2 wurde das Gericht neu als Verpflichteter aufgenommen. Art. 3 Nr. 96 VereinhG hat den früheren Rechtszustand wiederhergestellt, wegen der Beibehaltung des § 214 Abs. 1 Satz 2 aber das Gericht als Verpflichteten beibehalten. Art. 3 Nr. 14 OrgKG vom 15.7.1992 hat in Absatz 1 den Satz 3 angefügt, um die Mitteilungspflicht an die durch das gleiche Gesetz erweiterten Bestimmungen über den Zeugenschutz (§ 68, mit Folgeänderungen u.a. in den in Bezug genommenen § 200 Abs. 1, Satz 3, 4) anzupassen.1 Durch Art. 1 Nr. 23 des am 1.10.2009 in Kraft getretenen Zweiten Opferrechtsreformgesetzes vom 29.7.2009 (BGBl. I, S. 2280, 2282) wurde § 222 Abs. 1 Satz 3 geändert. Statt bisher „§ 200 Abs. 1 Satz 3 und 4 gilt sinngemäß“ lautet der Wortlaut nunmehr „§ 200 Abs. 1 Satz 3 bis 5 gilt sinngemäß“. Bezeichnung bis 1924: § 221.

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1 Zu der Gesetzesänderung vgl. Eisenberg NJW 1993 1033; Hilger NStZ 1992 457; Krey/Haubrich JR 1992 309.

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5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung

1. 2. 3. 4. 5. 6.

Übersicht Zweck der Vorschrift | 1 Anwendbarkeit auf sächliche Beweismittel? | 2 Mitteilungspflicht des Gerichts | 4 Mitteilungspflicht der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten | 5 Abladen eines Zeugen oder Sachverständigen | 6 Empfänger der Mitteilungen a) Mitteilungen nach Absatz 1 (Gericht, Staatsanwaltschaft) | 7 b) Mitteilungen des Angeklagten | 9

7.

8. 9. 10. 11. 12.

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Form und Inhalt der Mitteilung a) Keine besondere Form | 11 b) Inhalt | 12 Rechtzeitigkeit | 14 Verzicht | 15 Zeitpunkt der voraussichtlichen Einvernahme | 16 Aussetzung der Hauptverhandlung | 17 Revision a) Revision des Angeklagten | 22 b) Revision der Staatsanwaltschaft | 25 c) Aussetzungsantrag | 26

1. Zweck der Vorschrift. Für die Vorbereitung der Hauptverhandlung ist es förder- 1 lich, wenn Gericht, Staatsanwaltschaft und Angeklagter rechtzeitig erfahren, welche Beweispersonen zur Hauptverhandlung geladen worden sind oder zu ihr ohne Ladung bestellt werden. Dadurch wird dem Vorsitzenden und auch den anderen Beteiligten die Planung der Hauptverhandlung, insbesondere eine zutreffendere Einschätzung ihrer Dauer, erleichtert.2 Es dient auch der Prozesswirtschaftlichkeit und der beschleunigten Verfahrensabwicklung, wenn die Verfahrensbeteiligten nicht durch unbekannte Beweispersonen in der Hauptverhandlung überrascht und zu Aussetzungsanträgen nach § 246 Abs. 2 oder wegen der veränderten Sachlage nach § 265 Abs. 3 veranlasst werden.3 Nur wenn sie rechtzeitig vor der Hauptverhandlung erfahren, welche Zeugen und Sachverständigen auftreten werden, können sie vorher Erkundigungen über die Beweispersonen einziehen4 und beurteilen, ob es notwendig ist, weitere Personen in Ausübung des eigenen Ladungsrechts (§ 214 Abs. 3, § 220) zu laden oder sonstige Beweismittel beizubringen. Dieses für die Wahrung der Verfahrensbelange wichtige Informationsrecht erfährt durch die verfassungsrechtlich verankerten Grundrechte der Beweispersonen auf Schutz ihrer Privatsphäre und noch mehr auf Schutz vor schwerwiegenden Gefahren für Leib und Leben eine Einschränkung, der der Gesetzgeber in einer die kollidierenden Interessen berücksichtigenden abgestuften Regelung (§ 68) Rechnung trägt. Auf Grund der Verweisung auf § 200 Abs. 1 Satz 3, 4 und der dortigen Weiterverweisung sind die Einschränkungen in § 68 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 auch bei den Mitteilungen nach § 222 anwendbar.5 Zur Begründung für die geänderte Verweisung des Abs. 1 Satz 3 auf § 200 Abs. 1 Satz 1 bis 5 führt der Gesetzgeber folgendes aus: „Im Interesse des Zeugenschutzes sollte die Nichtaufnahme der ladungsfähigen Anschrift eines Zeugen in Anklageschriften, Strafbefehlen und Antragsschriften als ausdrückliche gesetzliche Regelung aufgenommen werden. Durch Angabe lediglich des Vor- und Zunamens eines Zeugen, seines Wohnorts, gegebenenfalls noch des Stadtbezirks sowie der Fundstellen der Vernehmungen und der Fundstelle der ladungsfähigen Anschrift in den Akten kann den Rechten von Angeschuldigten ausreichend Rechnung getragen werden“.6 Die Änderung entsprach einer Bitte des Bundesrats, im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob im Rahmen von § 200 Abs. 1 StPO-E eine Möglichkeit geschaffen werden könne, dass

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2 OLG Stuttgart Justiz 1971 312; AK/Keller 1; Meyer-Goßner/Schmitt 1; HK-GS/Schulz 1. 3 OLG Hamm MDR 1971 1029. 4 BGHSt 23 244; Odenthal NStZ 1988 540. 5 Die Rechtsprechung hat dies früher verneint, vgl. etwa BGHSt 37 1; BGH StV 1990 197 mit Anm. Odenthal; OLG Stuttgart NStZ 1990 356; ferner Fn. 1. 6 BTDrucks. 16 12812, S. 12.

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es in der Anklageschrift der Angabe der ladungsfähigen Anschrift der Zeugen nicht bedarf.7 Der Gesetzgeber hat diesem Wunsch in § 200 Abs. 1 Satz 3 bis 5 Rechnung getragen. Logische Folge dieser Änderung war daher eine Anpassung des § 222 Abs. 1 Satz 3 bezüglich der sinngemäßen Anwendung des § 200 Abs. 1 Satz 3 bis 5. Der Gesetzgeber hat sich damit zu einer längst überfälligen Regelung durchgerungen. Bisher waren die Beweispersonen mit ihrem Wohnort, d.h. grundsätzlich mit ihrer vollen Adresse eindeutig zu bezeichnen, damit sie identifizierbar waren und gegebenenfalls Erkundigungen über sie eingeholt werden konnten.8 Hingewiesen wurde in diesem Zusammenhang vor allem auch auf § 68 Abs. 2 Satz 1, in dem sich der Wortlaut „andere ladungsfähige Anschrift“ findet.9 Allerdings war diese Notwendigkeit insbesondere im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seit jeher kontrovers diskutiert. So wurde zum Teil angenommen, dass eine genaue Angabe nur dann notwendig sei, wenn dies zur Identifizierung10 oder durch ein substantiiert geltend gemachtes Verteidigungsinteresse11 veranlasst sei. Einschränkungen dieser Art blieben jedoch stets unbefriedigend, weil sich ein besonderes Identifizierungs- bzw. Verteidigungsinteresse jederzeit ohne weiteres begründen ließ. 2. Anwendbarkeit bei gegenständlichen Beweismitteln. Auf andere Beweismittel als die in § 222 ausdrücklich genannten Beweispersonen ist § 222 nicht unmittelbar anwendbar. Ob er entsprechend angewendet werden muss, ist zweifelhaft.12 Nach seinem Grundgedanken wird es sich jedoch empfehlen, auch die Herbeischaffung anderer Beweismittel (Sachen, verlesbare Urkunden usw.) mitzuteilen. Nur so kann der Gefahr vorgebeugt werden, dass in der Hauptverhandlung die Verwendung des unbekannten Beweismittels einen Aussetzungsantrag nach § 246 Abs. 2, 3 oder § 265 Abs. 3, 4 auslöst. 3 Auf die Herbeischaffung verlesbarer Gutachten hat das BayObLG13 den § 222 entsprechend angewendet, da hier Erkundigungen genauso veranlasst sind, wie wenn der Sachverständige in der Hauptverhandlung anwesend gewesen wäre.14 Eine entsprechende Anwendung kommt zudem für Urkunden in Betracht, die den Personalbeweis ersetzen und nach §§ 251, 256 in der Hauptverhandlung verlesbar sind.15 Auch im Bußgeldverfahren gilt § 222 über die Verweisung in § 71 Abs. 1 OWiG;16 dort erlangt § 222 in Abwesenheitsverfahren nach § 74 Abs. 1 OWiG besondere Bedeutung.17 2

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3. Mitteilungspflicht des Gerichts. Das Gericht hat alle Zeugen und Sachverständigen, die der Vorsitzende laden lässt, also auch die bereits in der Anklageschrift bezeichneten Personen, der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten namhaft zu machen. Dies

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7 Vgl. auch hierzu BTDrucks. 16 12812, S. 12. 8 Vgl. hierzu bereits BGH StV 1990 197 m. Anm. Odenthal; OLG Stuttgart NStZ 1991 298; HK/Julius/ Reichling 6; AK/Keller 8; KK/Gmel 7. 9 So vor allem KK/Gmel 7. 10 Vgl. SK/Schlüchter 12. Ergänzungslieferung 1994, Rn. 4. 11 Vgl. BGH NJW 1990 1126. 12 Bejahend HbStrVf/Heghmanns VI.435; KMR/Eschelbach § 221, 3; Nr. 118 Abs. 3 RiStBV spricht nur davon, dass die als Beweismittel dienenden Gegenstände mitgeteilt werden sollen. Dass dies zweckmäßig ist, betonen auch Meyer-Goßner/Schmitt 2; SK/Deiters 4, bei Urkunden, die eine in der Hauptverhandlung verlesbare Zeugenaussage enthalten, bejaht letzterer allerdings die entsprechende Anwendung. 13 BayObLGSt 1954 156. 14 Ebenso SK/Deiters 4. 15 SSW/Grube 2; SK/Deiters 2. 16 KMR/Eschelbach 6; SSW/Grube 3; hierzu auch Fromm SVR 2011 132. 17 MüKo/Arnoldi 3; OLG Karlsruhe vom 9.4.2015 – 2 (7) SsRr 76/15; MüKo/Arnoldi 19; OLG Bamberg vom 14.1.2014 – 3 Ss Owi 1608/13.

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ist vor allem bei einer nachträglichen Ladung weiterer Personen zu bedenken. Unter dem Aspekt des rechtlichen Gehörs muss dem Angeklagten nämlich Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit den heranzuziehenden Beweismitteln gegeben werden. Das in Abwesenheit ergehende Urteil darf sich daher nur auf Aussagen von Zeugen und Sachverständigen stützen, die dem Angeklagten zuvor in der Ladung bekannt gemacht wurden. Beabsichtigt der Richter die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, ohne den Angeklagten zuvor in der Ladung darüber informiert zu haben, so muss er die Verhandlung unterbrechen oder aussetzen18 und den Angeklagten und gegebenenfalls seinen Verteidiger entsprechend unterrichten. Dies gilt auch für den befugt nicht erschienenen Angeklagten.19 Gericht ist hier als Behörde, nicht als einzelner Spruchkörper zu verstehen. Der Vorsitzende kann für das Gericht tätig werden. Die Mitteilung ist aber kein dem zuständigen Richter vorbehaltenes Amtsgeschäft. Ihre Erledigung kann durch innerdienstliche Anordnung generell anderen Bediensteten, in der Regel der Geschäftsstelle, übertragen werden.20 Anders als bei der Ladung bedarf es dann zu ihrer Ausführung keiner besonderen Anordnung des Vorsitzenden im Einzelfall. Eine solche kann aber trotzdem zweckmäßig sein, um die ordnungsgemäße und rechtzeitige Erfüllung dieser Pflicht sicherzustellen, insbesondere in Eilfällen oder bei nachträglicher Ladung einer weiteren Beweisperson. 4. Mitteilungspflicht der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten. Staatsan- 5 waltschaft und Angeklagten trifft eine Mitteilungspflicht dann, wenn sie von ihrem Recht zur eigenen Ladung (§ 214 Abs. 3, § 220 Abs. 1) selbst Gebrauch machen. Sie müssen davon das Gericht und sich wechselseitig unterrichten. Die Mitteilungspflicht des Angeklagten erstreckt sich ferner auf die Zeugen und Sachverständigen, die er ohne förmliche Ladung zur Hauptverhandlung zu stellen beabsichtigt; denn auch für diese gilt § 246 Abs. 2. Soweit andere Verfahrensbeteiligte Zeugen und Sachverständige unmittelbar laden oder stellen dürfen, trifft auch sie die Mitteilungspflicht. 5. Abladen eines Zeugen oder Sachverständigen. Wird ein vom Gericht oder von 6 der Staatsanwaltschaft geladener Zeuge oder Sachverständiger wieder abgeladen, nachdem seine Ladung bereits mitgeteilt worden war, so ist es – auch wenn § 222 dies nicht fordert – in der Regel angebracht, die anderen Verfahrensbeteiligten davon zu unterrichten. Vor allem der Angeklagte kann seine Verteidigung darauf aufgebaut haben, dass der betreffende Zeuge oder Sachverständige in der Hauptverhandlung aussagen wird.21 Durch die Mitteilung der Abladung erhält er die Möglichkeit, den Zeugen selbst zu laden oder sich sonst in seiner Verteidigung umzustellen. Erfährt er die Ablehnung erst in der Hauptverhandlung, kann dies zu einer Aussetzung der Hauptverhandlung (eventuell in Verbindung mit einem entsprechenden Beweisantrag)22 führen und das Verfahren verzögern. 6. Empfänger der Mitteilungen a) Adressaten der Mitteilungen nach Absatz 1 sind bei Mitteilungen des Gerichts 7 Staatsanwaltschaft und Angeklagter und die ihnen befugnismäßig gleichgestellten Per-

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18 Vgl. auch Rn. 17. 19 Thüringer OLG VRS 107 (2005) 348 ff. 20 KK/Gmel 2; Meyer-Goßner/Schmitt 4; KMR/Eschelbach 8; SK/Deiters 18. 21 Odenthal NStZ 1988 540; KMR/Eschelbach 21. 22 Nach Odenthal NStZ 1988 540 soll dieser zum Ausgleich für das Selbstladungsrecht nur unter den Voraussetzungen des § 245 Abs. 2 abgelehnt werden dürfen.

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sonen wie Nebenkläger und Nebenbeteiligte; bei Mitteilungen der Staatsanwaltschaft Gericht und Angeklagter (Nebenbeteiligte). Die Mitteilung an den Angeklagten kann auch durch die Mitteilung an einen zur Entgegennahme nach § 145a Abs. 1 ermächtigten Verteidiger erfüllt werden,23 die Mitteilung an Nebenkläger und Nebenbeteiligte auch an einen beauftragten Rechtsanwalt. Eine besondere Mitteilung an den Verteidiger wird durch § 222 nicht vorgeschrieben. Sie ist aber in der Regel angezeigt, um eine Aussetzung der Hauptverhandlung zu vermeiden. Bei mehreren Angeklagten muss die Mitteilung nach Absatz 1 grundsätzlich jedem 8 von ihnen gemacht werden. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn ein Zeuge oder Sachverständiger zu einem Vorgang gehört werden soll, bei dem der Mitangeklagte weder beteiligt war24 noch sonst in seinen Verteidigungsinteressen berührt wird. Da dies oft nicht sicher ex ante beurteilt werden kann, ist im Zweifel die Mitteilung an alle Mitangeklagten zu senden.25 b) Die Mitteilungen des Angeklagten nach Absatz 2 sind an Gericht und Staatsanwaltschaft zu richten. Teilt er die Namen nur dem Gericht mit, so ist dieses im Interesse der Förderung des Verfahrens gehalten, die Mitteilung auch der Staatsanwaltschaft zur Kenntnis zu bringen. Umgekehrt gilt gleiches. 10 Eine Benachrichtigung der Mitangeklagten schreibt Absatz 2 nicht vor. Da jedoch auch diese unter Umständen die Aussetzung beantragen können, wenn die Aussage sie berührt, kann auch die Unterrichtung der betroffenen Mitangeklagten zweckmäßig sein. Sie kann auch vom Gericht veranlasst werden.26 9

7. Form und Inhalt der Mitteilung 11

a) Eine besondere Form ist für die Mitteilung nicht vorgeschrieben, in aller Regel hat sie schriftlich zu geschehen. Hierdurch wird sogleich für das spätere Verfahren festgehalten, dass sie die erforderlichen Angaben (Rn. 12) enthält. Im Übrigen kann die Benachrichtigung durch Übersendung einer Aufstellung der geladenen Beweispersonen vorgenommen werden, es kann aber auch der Hinweis genügen, dass die in der Anklage aufgeführten Zeugen und Sachverständigen geladen wurden.27 In Eilfällen ist auch eine mündliche oder fernmündliche Mitteilung möglich. 28 Ihr Inhalt wird dann jedoch zweckmäßigerweise sofort aktenkundig gemacht.29

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b) Der Inhalt der Benachrichtigung ergibt sich aus ihrem Zweck, die Empfänger zuverlässig und unmissverständlich davon in Kenntnis zu setzen, welche Beweispersonen zur Hauptverhandlung geladen worden sind. Die Beweispersonen sind dabei mit ihrem Namen (in der Regel Vor- und Familiennamen) und ihrem Wohnort so eindeutig zu bezeichnen, dass sie identifizierbar und Erkundigungen über sie möglich sind. Der Aufenthaltsort darf nur dann an der Stelle des Wohnorts angegeben werden, wenn die be-

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23 OLG Hamm NStZ-RR 2004 307; KK/Gmel 3; Meyer-Goßner/Schmitt 6; KMR/Eschelbach 10; SK/Deiters 7; Eb. Schmidt 2. 24 KK/Gmel 4; KMR/Eschelbach 9; a.A. SSW/Grube 4; SK/Deiters 7. 25 Gollwitzer FS Sarstedt 30, 33; dort wird nur der Regelfall angesprochen, nicht der Fall, dass ausnahmsweise ersichtlich ist, dass der Mitangeklagte nicht betroffen sein kann. HK/Julius/Reichling 9; Meyer-Goßner/Schmitt 6. 26 Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Deiters 8. 27 Rieß NJW 1975 86; Nr. 118 Abs. 1 RiStBV. 28 KK/Gmel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 8; KMR/Eschelbach 13; MüKo/Arnoldi 16. 29 SK/Deiters 9.

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nannte Person keinen Wohnort hat oder dieser nicht bekannt ist.30 Die Angabe eines Pseudonyms (Künstlername usw.) kann diesen Anforderungen genügen, wenn die Person, die gemeint ist, unter diesem Namen allgemein oder zumindest allen Beteiligten bekannt ist, nicht aber ein Deckname, der die wahren Personalien seines Trägers verhüllen soll.31 Letzteres ist zum Schutze des Zeugen oder gefährdeter Dritter nur unter den engen Voraussetzungen des § 68 Abs. 3 zulässig. Durch die Ergänzung des § 200 Abs. 1 und die Verweisung auf diesen in Absatz 1 Satz 3 wird klargestellt, dass entsprechend § 68 Abs. 1 Satz 2 bei Zeugen, die ihre Wahrnehmung in amtlicher Eigenschaft gemacht haben, statt des Wohnorts auch ihr Dienstort (Sitz der Behörde) angegeben werden darf.32 Wenn dies zur Verhütung einer Gefährdung des Zeugen oder einer anderen Person notwendig ist, darf nach § 68 Abs. 2 Satz 1 auch eine andere ladungsfähige Anschrift angegeben werden. Wird der Wohn- oder Aufenthaltsort des Zeugen geheim gehalten, ist nach § 200 Abs. 1 Satz 5 in der Mitteilung ausdrücklich darauf hinzuweisen. Da der Gesetzgeber in § 222 die sinngemäße Anwendung des § 200 Abs. 1 Satz 3 bis 5 anordnet, gilt auch für § 222 die Trennung von Wohnort und Anschrift. Nur der Wohn- oder Aufenthaltsort eines Zeugen ist anzugeben, nicht dagegen die Anschrift. Dass auf diese Weise der ursprünglich verfolgte Zweck – die mögliche Einholung von Erkundigungen – insbesondere bei größeren Gemeinden nicht mehr erfüllbar ist, ist hinzunehmen und entspricht der vom Gesetzgeber als vorrangig angesehenen Intention des Zeugenschutzes.33 Zu Recht weist auch Deiters34 darauf hin, dass die Angabe der Wohnanschrift nunmehr mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstoßen würde. Gericht und Staatsanwaltschaft haben daher auf die Begrenzung der Mitteilungspflichten durch § 222 zu achten: „Die Angabe der Wohnanschrift des Zeugen darf deshalb nicht nur, sie muss unterbleiben, wenn die Beweisperson einer entsprechenden Mitteilung nicht ausdrücklich zugestimmt hat“.35 Jede andere Rechtsfassung ist mit den Grundsätzen der DSGVO unvereinbar. Der darüber hinausgehende Verweis in § 222 Abs. 1 Satz 3 auf die sinngemäße Anwendung des § 200 Abs. 1 Satz 4 und 5 kann zu einer noch weitergehenden Einschränkung der Mitteilungspflichten führen. So beschränkt sich die Mitteilungspflicht bei Zeugen, die in amtlicher Eigenschaft vernommen werden sollen, nach § 222 i.V.m. §§ 200 Abs. 1 Satz 4, 68 Abs. 1 Satz 2 oder bei Gefährdung von Rechtsgütern des Zeugen oder anderer Personen bzw. bei Besorgnis der unlauteren Beeinflussung nach § 222 i.V.m. §§ 200 Abs. 1 Satz 4, 68 Abs. 2 Satz 1 auf die bloße Angabe des Vor- und Nachnamens der Zeugenperson, während auf die Mitteilung des Wohn- bzw. Aufenthaltsortes sowie auf die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift verzichtet werden kann.36 Die weitestgehende Beschränkung sieht § 222 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. §§ 200 Abs. 1 Satz 5, 68 Abs. 3 im Falle der Gefährdung von Leben, Leib oder Freiheit des Zeugen bzw. anderer Personen vor. In einem solchen Fall besteht sogar die Pflicht, je nach den Umständen des Einzelfalls auf eine Namhaftmachung der Zeugenperson zu verzichten. Allerdings muss der Angeklagte dann darüber aufgeklärt werden, dass es sich bei dem geladenen Zeugen um eine Person handelt, deren Identität

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30 BGHSt 37 1; KK/Gmel 7. 31 Die frühere gegenteilige Meinung, vgl. etwa BGHSt 37 1; BGH StV 1990 197 mit Anm. Odenthal ist damit überholt. Vgl. auch KK/Gmel 7. 32 BGHSt 23 244; h.M. 33 Dazu auch BTDrucks. 16 12812, S. 12; allgemein auch Meyer-Goßner/Schmitt 9; HKGS/Schulz 2; Radtke/Hohmann 5; Graf/Ritscher 9. Vgl. zur vom Gesetzgeber beabsichtigten Stärkung des Zeugenschutzes auch SK/Paeffgen § 200, 1 u. 16a. 34 SK/Deiters 5. 35 Auch dazu SK/Deiters 5. 36 Vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt 9.

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nach § 68 Abs. 3 der Geheimhaltung unterliegt. Auch dies ist eine Folge der sinngemäßen Anwendung des § 200 Abs. 1 Satz 5.37 Der Gegenstand der Vernehmung, das Beweisthema, zu dem sich der Zeuge oder 13 Sachverständige äußern soll, braucht nicht bekanntgegeben zu werden.38 In der Regel ist die Angabe aber zweckmäßig, um eine Aussetzung der Hauptverhandlung zu vermeiden (§ 246, 4; 7). Gleiches gilt für den Hinweis, dass ein Zeuge aufgefordert wurde, bestimmte Unterlagen mitzubringen. Der Zeitpunkt der beabsichtigten Vernehmung braucht nicht mitgeteilt zu werden.39 Bei Großverfahren, bei denen die Zeugen und Sachverständigen zu verschiedenen Zeiten geladen werden, kann aber dessen Mitteilung sachdienlich sein, die Verfahrensbeteiligten können sich dann bei ihrer Prozessvorbereitung (Mitbringen von Gegenzeugen und vor allem weiterer Sachverständiger) besser darauf einstellen (vgl. Rn. 16). 14

8. Rechtzeitigkeit. Ob ein Zeuge oder Sachverständiger rechtzeitig namhaft gemacht ist, beurteilt sich nach dem Zweck der Vorschrift, insbesondere nach § 246 Abs. 2, der die Aussetzung vorsieht, wenn ein Beweismittel so spät benannt wird, dass es an der zur Einziehung von Erkundigungen notwendigen Zeit fehlt. Welche Zeit vor der Hauptverhandlung für die Erkundigungen zur Verfügung stehen muss, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Die gleichzeitige Absendung von Ladung und Mitteilung trägt dem Erfordernis der rechtzeitigen Benachrichtigung am besten Rechnung;40 auch prozesswirtschaftlich ist es meist die zweckmäßigste Verfahrensweise.

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9. Verzicht. Angeklagter und Staatsanwaltschaft können auf die Einhaltung des § 222 verzichten. Dies kann auch stillschweigend durch ein konkludentes Verhalten geschehen, setzt aber regelmäßig voraus, dass der Verzichtende den Verfahrensverstoß und das ihm daraus erwachsende Recht kennt. Wenn ein nicht rechtskundiger Angeklagter, der über die Möglichkeit eines Aussetzungsantrags vom Gericht nicht belehrt wurde, diesen nicht stellt, so liegt darin kein stillschweigender Verzicht.41

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10. Der Zeitpunkt der voraussichtlichen Einvernahme kann auch bei den nicht vom Gericht geladenen Zeugen bei länger dauernden Verhandlungen zur Verringerung der Wartezeit vom Vorsitzenden entsprechend seinem Verhandlungsplan im voraus festgelegt werden. Sofern der Ladende den Zeitpunkt der Ladung nicht bereits vorher mit dem Vorsitzenden abgesprochen hat, kann der Vorsitzende entsprechend dem Grundgedanken des § 214 Abs. 2 von sich aus den geladenen Zeugen mitteilen lassen, dass sie, unbeschadet der Ladung, erst zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Gericht erscheinen müssen. Der Ladende ist von einer solchen Anordnung zweckmäßigerweise zu verständigen. Sind Sachverständige unmittelbar geladen worden, gilt grundsätzlich nichts anderes. Der Vorsitzende muss sich aber vorher vergewissern, dass der Ladende nicht die Anwesenheit des Sachverständigen während der ganzen Hauptverhandlung erstrebt.

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11. Aussetzung der Hauptverhandlung. Wird der geladene oder gestellte Zeuge oder Sachverständige nicht oder nicht mehr rechtzeitig vor der Hauptverhandlung den

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Wie hier auch SK/Deiters 6. RGSt 67 182; Meyer-Goßner/Schmitt 9. Odenthal NStZ 1988 540; Pfeiffer/Fischer 2. Vgl. Nr. 118 Abs. 1 RiStBV; Meyer-Goßner/Schmitt 4, 7; SK/Deiters 9; MüKo/Arnoldi 15. Vgl. OLG Dresden HRR 1938 Nr. 935; Schmid Verwirkung 232; KMR/Eschelbach 32; SSW/Grube 10.

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anderen Prozessbeteiligten namhaft gemacht, so können diese die Aussetzung beantragen. Dies gilt sowohl für den Angeklagten, wenn ihm ein von Gericht oder Staatsanwaltschaft geladener Zeuge nicht ordnungsgemäß benannt wurde, als auch für die Staatsanwaltschaft, wenn Gericht oder Angeklagter die Mitteilung unterlassen haben. Der Aussetzungsantrag nach § 246 Abs. 2, 3 kann nicht darauf gestützt werden, dass die Ladung von Zeugen nur in einer nach Absatz 1 Satz 4 zulässigen eingeschränkten Form (Rn. 12) mitgeteilt wurde. Er kann jedoch gestellt werden, wenn wegen einer zunächst irrigen Bejahung der Voraussetzungen dieser Einschränkungen die vorenthaltenen Angaben erst in der Hauptverhandlung bei Einvernahme des betreffenden Zeugen bekannt werden, unter Umständen auch, wenn einer der in § 200 Abs. 1 Satz 4 geforderten Hinweise zu Unrecht unterblieben ist. Bleibt dagegen der betreffende Zeuge von den im Normalfall zu fordernden Angaben nach § 68 Abs. 1 Satz 2; Abs. 2, Abs. 3 weiterhin entbunden, so kann gegen diese Entscheidung das Gericht nach § 238 Abs. 2 angerufen werden. Nur wenn diese Angaben dann nachgeholt, nicht aber, wenn sie verweigert werden, hat ein Aussetzungsantrag nach § 246 Abs. 2, 3 Sinn. Beide Anträge können aber trotzdem gleichzeitig gestellt und auch vom Gericht, das über den Mitteilungsanspruch nach Rechtsgründen und nur über den Aussetzungsantrag nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat, gemeinsam verbeschieden werden.42 Der Aussetzungsantrag nach § 246 selbst kann und muss in allen Fällen zum Ziele haben, ernsthaft gewollte Erkundigungen43 über die Beweisperson zu ermöglichen (vgl. bei § 246).44 Der Aussetzungsantrag kann bis zum Schluss der Beweisaufnahme (§ 246 Abs. 2, 3) 18 gestellt werden. Es wird vielfach zweckmäßig sein, erst die Einvernahme abzuwarten. Die Notwendigkeit von Erkundigungen kann dann besser beurteilt werden. Ob sich hinter einer bloßen Beanstandung der unterlassenen Mitteilung ein Aussetzungsantrag verbirgt, muss das Gericht gegebenenfalls durch eine Frage klären.45 Eine Belehrung über das Recht, wegen der Nichteinhaltung des § 222 die Aussetzung 19 zu beantragen, ist im Gesetz nicht vorgeschrieben. Gegenüber der Staatsanwaltschaft und bei Anwesenheit eines rechtskundigen Verteidigers in der Hauptverhandlung ist sie nicht notwendig. Lediglich bei einem Angeklagten, der ohne Verteidiger zur Hauptverhandlung erschienen ist, kann die Fürsorgepflicht die Belehrung über das ihm möglicherweise unbekannte Recht und über die Folgen der Unterlassung eines solchen Antrags (Rn. 22) gebieten;46 vor allem wenn der Angeklagte durch eine sachlich bedeutsame Einvernahme überrascht wird. Ob das Gebot des „fairen Verfahrens“ auf jeden Fall einen Hinweis an den ohne Verteidiger erschienenen Angeklagten fordert, erscheint fraglich. Eine Rechtspflicht zur Belehrung besteht aber immer dann, wenn Besonderheiten des Verfahrensverlaufs dies zum Schutze des Angeklagten vor Überrumpelung erfordern.47 Die Aussetzung von Amts wegen kann angebracht sein, wenn § 222 nicht eingehal- 20 ten werden kann und der Angeklagte im Termin nicht anwesend und auch nicht vertreten ist. Dies kann notwendig sein, damit der Angeklagte rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erhält und sich genügend verteidigen kann.48

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42 Dies kann zweckmäßig sein, solange strittig ist, ob der Informationsanspruch nur mit dem Aussetzungsantrag oder unabhängig davon geltend gemacht werden kann, dazu etwa BGH StV 1990 1997; Odenthal StV 1990 199; AK/Keller 14; vgl. ferner die Erläuterungen zu § 68 und § 246. 43 BGHSt 37 1; BGH StV 1990 196 mit Anm. Odenthal; OLG Stuttgart NStZ 1990 356; 1991 297. 44 Wegen des Aussetzungsantrags nach § 265 Abs. 4 vgl. dort. 45 KK/Gmel 11. 46 Meyer-Goßner/Schmitt 10; KMR/Eschelbach 30; a.A. KK/Gmel 11; differenzierend Plötz Die gerichtliche Fürsorgepflicht im Strafverfahren 269 f.; OLG Naumburg vom 10.5.2007 – 1 Ss 54/07. 47 OLG Köln OLGSt 5. 48 OLG München HRR 1940 Nr. 848; vgl. § 246.

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§ 222

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Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

Die Entscheidung des erkennenden Gerichts über den Aussetzungsantrag ist zu begründen (§ 34) und in der Hauptverhandlung zu verkünden (§ 35). Die Entscheidung kann, muss aber nicht immer unmittelbar nach der Antragstellung ergehen. So kann es zweckmäßig sein, erst die Beweisperson zu hören, bevor das Gericht über den Aussetzungsantrag entscheidet; denn es hängt auch vom sachlichen Gewicht der Aussage ab, ob die Aussetzung geboten ist. Vor allem kann das Gericht einem Aussetzungsantrag dadurch den Boden entziehen, dass es – sofern die Aufklärungspflicht dies zulässt – auf die Verwertung des Beweismittels überhaupt verzichtet.49 12. Revision

a) Revision des Angeklagten. War der Angeklagte oder sein Verteidiger in der Hauptverhandlung anwesend, kann nach der herrschenden Meinung die Revision nicht auf die Verletzung des § 222 gestützt werden, wenn der Aussetzungsantrag nach § 246 Abs. 2, 3 nicht gestellt worden ist.50 Dieses Ergebnis lässt sich damit begründen, dass die Strafprozessordnung in § 246 Abs. 2, 3 die Rechtsfolgen der Verletzung das § 222 abschließend geregelt hat, so dass eine Geltendmachung dieses Verfahrensverstoßes durch ein späteres Rechtsmittel nicht mehr möglich ist.51 Es lässt sich nicht schon aus der Erwägung herleiten, das Urteil beruhe nur auf der Verhandlung und nicht auf der unterbliebenen Benachrichtigung. Die Namhaftmachung dient der Vorbereitung der Hauptverhandlung; unterbleibt sie, so lässt sich nicht allgemein ausschließen, dass der Verfahrensgang ohne diesen Fehler anders verlaufen wäre, der Angeklagte insbesondere seine Verteidigungsmöglichkeit besser genutzt hätte.52 Ob das Beruhen ausgeschlossen werden kann, hängt immer vom Einzelfall ab (Rn. 24), ebenso wie die Frage, ob der Verfahrensfehler durch einen stillschweigenden Verzicht geheilt ist. Letzterer kann allerdings nur angenommen werden, wenn der Angeklagte sein Recht auf Aussetzung kannte, etwa weil er vom Vorsitzenden darauf hingewiesen wurde. Bei einem Angeklagten ohne Verteidiger, der aus Unkenntnis keinen Aussetzungsantrag stellte, kann die Revision darauf gestützt werden, dass der Vorsitzende unter Verletzung seiner Fürsorgepflicht (Rn. 19) die nach den Umständen gebotene Belehrung über dieses Recht unterließ.53 Es muss allerdings aufgezeigt werden, dass dadurch konkrete Verteidigungsmöglichkeiten beeinträchtigt wurden. Ein Beweiserhebungsverbot folgt aus dem Unterlassen der Mitteilung nicht.54 Ist in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers verhandelt worden, 23 dann stand dem Angeklagten der Rechtsbehelf des Aussetzungsantrags nach § 246 Abs. 2, 3 nicht zur Verfügung. Die Revision ist dann nicht ausgeschlossen. Mit ihr kann nach § 337 geltend gemacht werden, dass Zeugen oder Sachverständige vernommen worden sind, deren Ladung dem Angeklagten entgegen § 222 nicht oder nicht mit dem rechtlich gebotenen Inhalt (vgl. Rn. 12) mitgeteilt worden war.55 22

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49 BayObLGSt 1954 157. 50 RG JW 1891 292; BGHSt 1 284; 37 1; BGH StV 1982 457; 1990 197 mit Anm. Odenthal; 1990 294; OLG Düsseldorf JMBlNW 1951 20; OLG Frankfurt NJW 1948 395; OLG Hamm MDR 1971 1029; OLG Koblenz VRS 44 (1973) 433; OLG Köln JMBlNW 1962 201; OLG Stuttgart NStZ 1990 356; SSW/Grube 11; MüKo/Arnoldi 18. 51 KK/Gmel 11; Meyer-Goßner/Schmitt 10; SK/Deiters 11; einschränkend AK/Keller 13; KMR/Eschelbach 33 f. 52 Schmid Verwirkung 231. 53 OLG Hamm MDR 1971 1029; AK/Keller 13; Meyer-Goßner/Schmitt 10; SK/Deiters 11; vgl. KMR/Eschelbach 34; a.A. KK/Gmel 11. 54 OLG Stuttgart NStZ 1990 356. 55 OLG Hamm NJW 1996 534; OLG Hamburg JW 1928 2292; OLG Koblenz VRS 46 (1974) 447; vgl. BayObLG bei Rüth DAR 1986 247; KK/Gmel 12; Meyer-Goßner/Schmitt 10; SK/Deiters 12.

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5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung

§ 222a

Ob das Urteil auf dem Verfahrensverstoß beruht, ist unter Heranziehung aller Um- 24 stände des Einzelfalls zu prüfen.56 Ein Beruhen wird dann verneint werden können, wenn die Aussage des Zeugen für die Urteilsfindung völlig unerheblich war oder wenn ersichtlich ist, dass ohnehin keine erfolgversprechenden Nachforschungen möglich waren oder dass der Angeklagte den Zeugen, der ihm nicht benannt wurde, so gut kannte, dass er zu seiner Verteidigung keiner Erkundigungen über die Person dieses Zeugen mehr bedurfte. Auch soll nach neuerer Rechtsprechung ein Beruhen nicht in Betracht kommen, wenn der abwesende Angeklagte nicht darlegt, dass er – hätte er Kenntnis von der Ladung der Zeugen gehabt – erschienen wäre und die Zeugen befragt hätte.57 Gleiches gilt, wenn der Sachverständige bereits früher im Verfahren als Gutachter tätig war.58 b) Für die Revision der Staatsanwaltschaft wegen einer Verletzung des § 222 Abs. 2 25 gelten grundsätzlich die gleichen Erwägungen. Die Revision ist ausgeschlossen, wenn der Sitzungsvertreter in der Hauptverhandlung keinen Aussetzungsantrag nach § 246 Abs. 2, 3 stellt. Darauf, dass die Mitteilungspflicht gegenüber dem Angeklagten nicht eingehalten wurde, kann eine zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft nicht gestützt werden (§ 339). c) Die Entscheidung des Gerichts über den Aussetzungsantrag oder das Übergehen 26 dieses Antrags ist der Revision zugänglich (§§ 337, 338 Nr. 8). Bei entsprechender Rüge (§ 344 Abs. 2) prüft das Revisionsgericht, ob ein Verstoß gegen § 222 vorlag und ob deswegen die Aussetzung geboten gewesen wäre. Dazu gehört auch, ob der unbestimmte Rechtsbegriff der „rechtzeitigen Namhaftmachung“ vom Gericht zutreffend ausgelegt worden ist59 und das Gericht die Ermessensentscheidung nach § 246 Abs. 4 unbeeinflusst von Rechtsfehlern und frei von Willkür getroffen hat.60 Vgl. im Übrigen die Erläuterungen zu § 246 sowie wegen der unrichtigen Anwendung des § 68 in der Hauptverhandlung die Erläuterungen zu § 68.61

§ 222a Mitteilung der Besetzung des Gerichts § 222a Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung Jäger https://doi.org/10.1515/9783110274943-013

(1) 1 Findet die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Landgericht oder dem Oberlandesgericht statt, so ist spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung die Besetzung des Gerichts unter Hervorhebung des Vorsitzenden und hinzugezogener Ergänzungsrichter und Ergänzungsschöffen mitzuteilen. 2 Die Besetzung kann auf Anordnung des Vorsitzenden schon vor der Hauptverhandlung mitgeteilt werden; für den Angeklagten ist die Mitteilung an seinen Verteidiger zu richten. 3 Ändert sich die mitgeteilte Besetzung, so ist dies spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung mitzuteilen. (2) Ist die Mitteilung der Besetzung oder einer Besetzungsänderung später als eine Woche vor Beginn der Hauptverhandlung zugegangen, so kann das Gericht

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56 Für das Bußgeldverfahren OLG Hamm NStZ 2004 307. 57 OLG Hamm VRS 107 (2005) 127 ff.; vgl. dazu Rn. 4. 58 BGH StV 1982 457; OLG Köln JMBlNW 1962 202. 59 Etwa KK/Gmel 13. 60 BGHSt 1 284; 371; BGH StV 1990 196 mit Anm. Odenthal; BayObLGSt 1954 156; OLG Hamm JMBlNW 1968 236; MDR 1975 422. 61 Zu den strittigen Fragen vgl. auch Rn. 17, AK/Keller 14 (§ 246 nicht einschlägig; die Rüge nach § 222 tritt hinter die Rüge des Verstoßes gegen § 68 zurück).

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auf Antrag des Angeklagten, des Verteidigers oder der Staatsanwaltschaft die Hauptverhandlung zur Prüfung der Besetzung unterbrechen, wenn dies spätestens bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache verlangt wird. (3) In die für die Besetzung maßgebenden Unterlagen kann für den Angeklagten nur sein Verteidiger oder ein Rechtsanwalt, für den Nebenkläger nur ein Rechtsanwalt Einsicht nehmen. Schrifttum zu den §§ 222a, 222b Basdorf Formelle und informelle Präklusion im Strafverfahren – Mitwirkungspflichten und gesteigerte Verantwortung des Verteidigers, StV 1997 488 ff.; ders. Reform des Instanzenzuges in Strafsachen, FS Geiß (2000) 31; Boergen Bindung an die Entscheidung über die Besetzungsrüge und Aussetzung, MDR 1980 619; Brauns Die Besetzungsrüge und ihre Präklusion im Strafprozeß, Diss. Köln, 1983; Dallmeyer Reformbedarf im Recht der Befangenheitsanträge, Besetzungsrügen und Beweisanträge?, StV 2018 533; Hamm Die Besetzungsrüge nach dem Strafverfahrensänderungsgesetz, NJW 1979 135; Niemöller Besetzungsrüge und Willkürformel, StV 1987 311; Ranft Die Präklusion der Besetzungsrüge gemäß der Strafprozeßnovelle 1979 und das Recht auf den gesetzlichen Richter, NJW 1981 1473; Riedel Zur geplanten Einführung der vorgezogenen Besetzungsrüge im Strafverfahren, JZ 1978 374; Rieß Die Besetzungsrügepräklusion (§§ 222a, 222b StPO) auf dem Prüfstand der Rechtsprechung, JR 1981 89; Wagner Vorverlegung der Besetzungsrüge nach § 222a StPO und die Folgen, JR 1980 50.

Entstehungsgeschichte Durch Art. 1 Nr. 17 StVÄG 1979 wurden die §§ 222a, 222b neu eingefügt. Sie stehen in Verbindung mit dem durch Art. 1 Nr. 30 StVÄG 1979 neugefassten § 338 Nr. 1 und sehen bei den erstinstanzlichen Verfahren der Landgerichte und Oberlandesgerichte eine vorgezogene Prüfung der ordnungsgemäßen Zusammensetzung des Gerichts mit Präklusionswirkung vor. Der Bundestag folgte im Wesentlichen dem Konzept des Regierungsentwurfs, vereinfachte diesen aber erheblich (Rechtsausschußbericht BTDrucks. 8 1844, S. 31; ferner Riedel JZ 1978 374; zur Vorgeschichte Bohnert 45 ff.; Brauns 36 ff.).

I.

II.

III.

Übersicht Zweck und Geltungsbereich 1. Zweck | 1 2. Anwendungsbereich | 2 Besetzungsmitteilung 1. Benennung der Richter | 3 2. Zeit und Form der Mitteilung | 4 a) Zu Beginn der Hauptverhandlung | 4 b) Vor der Hauptverhandlung | 6 c) Belehrung | 10 3. Änderungsmitteilung a) Für jede Hauptverhandlung | 11 b) Wechsel in der Zusammensetzung des Gerichts | 12 4. Adressaten der Mitteilung | 14 5. Prüfung der Besetzung | 16 6. Einsicht in die Besetzungsunterlagen (Absatz 3) | 17 Unterbrechung der Hauptverhandlung (Absatz 2)

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1.

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Antrag a) Antragsberechtigte | 19 b) Voraussetzungen des Unterbrechungsantrags | 20 c) Zeitpunkt der Antragstellung | 21 Entscheidung über den Unterbrechungsantrag a) Gerichtsbeschluss | 22 b) Ablehnung als unzulässig | 23 c) Ermessensentscheidung | 24 d) Dauer der Unterbrechung | 25 e) Nachträgliche Verlängerung | 26 Sonstige verfahrensrechtliche Fragen a) Wesentliche Förmlichkeiten | 27 b) Abschließende Sonderregelung | 28 c) Rechtsbehelfe | 29

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5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung

Alphabetische Übersicht Adhäsionsverfahren, Antragsteller 15 Amtsgericht, Verfahren vor 2 Anordnung des Vorsitzenden 9, 13 Anwendungsbereich 2 Auskunftsanspruch 17 Belehrung der Verfahrensbeteiligten 10, 28 Berufsgerichtliche Verfahren 2 Berufungsinstanz 2 Besetzungsmangel 1, 17, 24, 25 – in Person des Richters 2 Besetzungsprüfung, Obliegenheit 1, 16, 25, 26 Besetzungsunterlagen, Einsicht 17, 25 Bußgeldsachen 2 Entscheidung des Gerichts 22, 24 Ermessens des Gerichts 24 Fürsorgepflicht 28 Geschäftsstelle 9 Geschäftsverteilung 17 Justizverwaltung 17 Kartellordnungswidrigkeiten 2 Ladung 7 Landgericht 2 Mitteilung – Form 4 – Zeit 4 – von Änderungen 11 – vor der Hauptverhandlung 6 ff.

§ 222a

Mitteilungsadressaten 14 Nebenbeteiligte 15, 18, 19 Nebenkläger 15, 18, 19 Oberlandesgericht, Verfahren vor dem 2 Präklusionswirkung 4, 8, 25 Rechtsbehelfe 29 Richter – Anzahl 3 – Benennung 3, 5 – gesetzlicher 1 Schöffen 3, 17, 21 Schöffenliste 17 Schöffenwahl, Unterlagen 17 Strafrichter 1, 2 Unterbrechung 19, 28 – Sonderregelung 26 Unterbrechungsdauer 25 – Begrenzung durch § 229 28 – Verlängerung 26 Unterbrechungsantrag 19 ff Unterbrechungsantrag, Zulässigkeit 23 Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache 21 Verteidiger 2, 5, 10, 15, 18, 19 Verzicht 23, 26 Wesentliche Förmlichkeit 5, 27 Wochenfrist 5, 20 Wiederholung der Hauptverhandlung 4

I. Zweck und Geltungsbereich 1. Der prozessökonomische Zweck des § 222a erhellt sich aus seinem Zusammen- 1 hang mit den §§ 222b, 338 Nr. 1, die die nachträgliche Erhebung der Besetzungsrüge in der Revision einschränken. Die Regelung soll dazu beitragen, den „unnützen Aufwand“ und die „erhebliche Verfahrensverzögerung“ zu vermeiden,1 die entstehen, wenn das Revisionsgericht wegen eines in aller Regel nur auf Irrtum beruhenden Besetzungsfehlers ein Urteil aufheben und das Verfahren an die Vorinstanz zurückverweisen muss.2 Als Ausgleich für den Wegfall der unbeschränkten Möglichkeit zur Beanstandung einer fehlerhaften Besetzung wird den Verfahrensbeteiligten durch die Mitteilung der Zusammensetzung des Gerichts von Amts wegen deren alsbaldige Überprüfung erleichtert. Sie werden zur sofortigen Prüfung angehalten (verfahrensrechtliche Obliegenheit); denn bei ordnungsgemäßer Mitteilung kann eine fehlerhafte Zusammensetzung des Gerichts nur bis zu Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache beanstandet werden.

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1 Ausschussbericht BTDrucks. 8 1844, S. 31; vgl. Rieß DRiZ 1977 296; zur Entwicklung der Besetzungsrüge Bohnert 45 ff. 2 Notwendigkeit und Sachgerechtheit der Änderung sind umstritten; dazu Benz ZRP 1977 250; Ehrig StV 1981 7; Katholnigg NJW 1978 2377; Krekeler AnwBl. 1979 216; Kießling DRiZ 1977 326; Meyer JR 1978 361; Müller JR 1978 361; Ranft NJW 1981 1473; Riedel JZ 1978 374; Rieß DRiZ 1977 289; JR 1977 302; NJW 1978 2269; Rudolphi JuS 1978 867; Schroeder NJW 1979 1529; Wagner 50; ferner Grünwald Gutachten für den 50. DJT; Peters § 75 II 6; Peters Gutachten für den 52. DJT, S. 63; Peters JR 1980 266.

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Die Verfassungsgarantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) wird nicht angetastet. Der früher durch den Ablauf der Rechtsmittelfrist bestimmte Endtermin für die Beanstandung einer gesetzwidrig besetzten Richterbank wird dadurch an den Anfang der Hauptverhandlung vorverlegt und damit unabhängig von deren Ergebnis.3 Der Regelungszweck greift auch bei evidenten Besetzungsmängeln.4 2

2. Der Anwendungsbereich der §§ 222a, 222b betrifft nur die organisatorischen Besetzungsmängel, nicht in der Person der Richter begründete Mängel (vgl. § 222b, 39). Er wurde vom Gesetzgeber wegen des mit den Mitteilungen und der Aussetzungsmöglichkeit verbundenen Verwaltungsaufwands auf die Verfahren beschränkt, die in erster Instanz vor dem Landgericht oder dem Oberlandesgericht verhandelt werden, auch wenn das Berufungsverfahren nach § 328 Abs. 2 in ein Verfahren erster Instanz übergeleitet wird.5 Strittig ist, ob die §§ 222a, 222b bei Bußgeldsachen, die in erster Instanz vor dem Oberlandesgericht verhandelt werden (Kartellordnungswidrigkeiten) entsprechend anwendbar sind, für Beschlussentscheidungen hat der BGH dies verneint.6 Bei berufsund ehrengerichtlichen Verfahren scheidet eine analoge Anwendung aus.7 Unanwendbar sind die §§ 222a, 222b im Verfahren vor dem Amtsgericht (Strafrichter, Schöffengericht). Der Gesetzgeber hielt hier die Einschränkung der Besetzungsrüge für entbehrlich, da die Urteile dieser Gerichte in aller Regel mit der Berufung angefochten werden, bei der – ohne Rücksicht auf die ordnungsgemäße Besetzung der ersten Instanz – eine neue Tatsachenverhandlung stattfindet.8 Für die Berufungsverfahren vor den Landgerichten greift diese Erwägung nicht Platz. Der Gesetzgeber hielt die Einbeziehung dieser Verfahren für entbehrlich, weil es sich hier um kleinere Verfahren handle, bei denen das Bedürfnis, die Urteilsaufhebung wegen eines Besetzungsfehlers zu vermeiden, weniger dringlich sei, und vor allem, weil der Angeklagte in diesen Verfahren nicht immer einen Verteidiger habe, ohne den bei der Kompliziertheit der Besetzungsfragen eine faire Chance des Angeklagten bei der Überprüfung der Besetzung nicht gewährleistet sei.9 Bei diesen Verfahren bleibt es also bei der bisherigen Regelung, dass die Namen der Richter den Verfahrensbeteiligten auf Verlangen (§ 24 Abs. 3 Satz 2), nicht aber von Amts wegen bekanntgegeben werden müssen (vgl. auch bei § 243). In ehren- und berufsgerichtlichen Verfahren finden §§ 222a, 222b keine Anwendung.10

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3 Nach BVerfG (Vorprüfungsausschuss) MDR 1984 731 sind die Vorverlegung der Besetzungsrüge und die damit verbundene Rügepräklusion verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ebenso BVerfG NJW 2003 3545; BGHSt 33 126; BGH StV 1996 3; Boergen 619; ferner AK/Keller 1; KK/Gmel 2; Meyer-Goßner/ Schmitt 1; MüKo/Arnoldi 4; KMR/Eschelbach 12 ff.; verfassungsrechtliche Bedenken finden sich vor allem im älteren Schrifttum Ranft NJW 1981 1473; Kießling DRiZ 1977 330; Kratzsch JA 1982 617; Sarstedt/Hamm 195. Nach Brauns 255 ff. liegt die Verfassungswidrigkeit nicht in der Rügepräklusion als solcher, sondern in den Modalitäten der Regelung (keine Mitteilungs- und Belehrungspflichten gegenüber dem allein auf den Verteidiger angewiesenen Angeklagten); träfe dies zu, wäre mit Beachtung dieser Pflichten in verfassungskonformer Auslegung abzuhelfen; näher dazu SK/Deiters/Albrecht 2 f. 4 BVerfG NJW 2003 3545; BGHSt 48 293; KK/Gmel 1. 5 AK/Keller 2; KK/Gmel 3; Meyer-Goßner/Schmitt 2; SK/Deiters/Albrecht 4. 6 BGH NStZ 1986 518; bejahend hinsichtlich der Kartellordnungswidrigkeiten SK/Deiters/Albrecht 4; wohl allgemein verneinend AK/Keller 2; KK/Gmel 3, bejahend Meyer-Goßner/Schmitt 2. 7 Begr. BTDrucks. 8 975, S. 45; KK/Gmel 3; Meyer-Goßner/Schmitt 2; KMR/Eschelbach 23; SK/Deiters/ Albrecht 4. 8 Begr. BTDrucks. 8 976, S. 45. 9 Begr. BTDrucks. 8 976, S. 45. 10 HK/Julius/Reichling 18; MüKo/Arnoldi 5; vgl. Begr. BTDrucks. 8 976, S. 45.

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5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung

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II. Besetzungsmitteilung 1. Benennung der Richter. Die Namen (Vor- und Nachnamen)11 aller Richter (Be- 3 rufsrichter, Schöffen) einschließlich der zugezogenen Ergänzungsrichter und Ergänzungsschöffen (Absatz 1 Satz 1) sind mitzuteilen. Dabei ist die Eigenschaft, in der sie mitwirken (Berufsrichter, Schöffe, Ergänzungsrichter usw.), kenntlich zu machen; beim Berufsrichter genügt hierfür die Amtsbezeichnung. Besonders hervorzuheben ist – wegen der besonderen Regeln für seine Bestellung (§ 21f GVG) – der Richter, der den Vorsitz führt. Weitere Angaben, wie etwa von Beruf oder Anschrift der Schöffen, bedarf es nicht. Gibt es beim Gericht mehrere Richter gleichen Namens, empfiehlt sich die Beifügung eines die Verwechslung ausschließenden Zusatzes. Nicht notwendig ist die Anführung des Grundes, aus dem die Richter jeweils zur Mitwirkung berufen sind. Dieser ergibt sich aus den Unterlagen.12 Sofern eine Beschlussfassung gem. § 76 Abs. 2 GVG zur Frage der Anzahl der Berufsrichter versehentlich unterblieben ist, ist § 76 Abs. 1 Satz 1 GVG anzuwenden, der die gesetzlich vorgeschriebene Normalbesetzung regelt. Eine nachträgliche Reduzierung der Anzahl der Berufsrichter noch vor Beginn der Hauptverhandlung ist also nicht möglich, weil die Besetzung des Gerichts bei Eröffnung der Hauptverhandlung feststehen muss.13 In Bezug auf Hilfsschöffen gilt, dass deren Mitwirkung nach § 47 GVG i.V.m. § 77 Abs. 1 GVG nur für außerordentliche Sitzungen vorgesehen ist. Nehmen sie statt der ausgelosten Hauptschöffen an einem ordentlichen Sitzungstag teil, hat dies eine gesetzeswidrige Besetzung des Gerichts zur Folge.14 Vorschriftswidrig besetzt ist das Gericht ferner dann, wenn die Bestimmung eines Ergänzungsrichters im Wege einer Einzelfallentscheidung erfolgte, weil der Geschäftsverteilungsplan keine allgemeine Regelung für die Heranziehung und Bestimmung von spruchkörperfremden Ergänzungsrichtern enthielt. Denn auch der Ergänzungsrichter ist bei Eintritt des Ergänzungsfalles ein zur Entscheidung berufener Richter, für dessen Bestimmung die zu Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entwickelten Grundsätze zur Anwendung gelangen, wie für jedes andere zur Entscheidung berufene Mitglied eines erkennenden Gerichts.15 2. Zeit und Form der Mitteilung a) Die Mitteilung hat spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung zu ergehen, 4 also nach Aufruf der Sache (vgl. bei § 243); zweckmäßigerweise wird sie erst nach der Präsenzfeststellung vorgenommen, da dann feststeht, ob alle Mitteilungsadressaten anwesend sind.16 Die Mitteilung muss vor der Vernehmung des Angeklagten zur Person durchgeführt sein. Dies schließt allerdings nicht aus, dass die Mitteilung später nochmals wiederholt werden kann und muss, wenn ein Mitteilungsempfänger, dessen Abwesenheit die Hauptverhandlung nicht hindert, befugt oder unbefugt erst verspätet erscheint.17 Voraussetzung ist allerdings, dass er noch die Aussetzung beantragen kann. Mit der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache darf noch nicht begonnen wor-

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11 KK/Gmel 5; SK/Deiters/Albrecht 5. 12 KK/Gmel 5; Meyer-Goßner/Schmitt 7; SK/Deiters/Albrecht 5; SSW/Grube 7; KMR/Eschelbach 32 (zur Verfahrensbeschleunigung Mitteilung der Verhinderung zweckmäßig). 13 LG Bremen StV 2004 251. 14 BGH StV 2005 538 f. 15 LG Halle StV 2005 208 ff. 16 BVerfG NJW 2003 3545; BGH NJW 2001 3062; BGH bei Holtz MDR 1980 631; KK/Gmel 6; MeyerGoßner/Schmitt 5; SK/Deiters/Albrecht 7. 17 SK/Deiters/Albrecht 6; a.A. Meyer-Goßner/Schmitt 6.

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den sein. Nach diesem Zeitpunkt kann eine unterlassene Besetzungsmitteilung nicht mehr mit der Folge der Rügepräklusion nachgeholt werden. Selbst eine Wiederholung des bereits durchgeführten Teils der Hauptverhandlung könnte dies nicht bewirken. Sie erübrigt sich auch sonst, da insoweit kein den Verfahrensgang als solchen betreffender Verfahrensfehler geheilt werden muss.18 Ein trotz ordnungsgemäßer Ladung erst nach Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache erscheinender Verfahrensbeteiligter muss ohnehin die Präklusionswirkung der Mitteilung gegen sich gelten lassen.19 Die Bekanntgabe der Namen der Richter in der Hauptverhandlung obliegt dem Vor5 sitzenden; sie ist mündlich vorzunehmen und als wesentliche Förmlichkeit des Verfahrens (§ 273) in der Sitzungsniederschrift festzuhalten.20 Der Anschlag der Namen an der Tafel vor dem Sitzungssaal genügt nicht.21 Eine Mitteilung in der Hauptverhandlung erübrigt sich nur dann, wenn die Mitteilung bereits vorher allen Verfahrensbeteiligten zugegangen ist, auf die Wahrung der Wochenfrist des Absatzes 2 kommt es insoweit nicht an. Hat aber auch nur ein Adressat sie nicht erhalten, muss sie zu Beginn der Hauptverhandlung diesem gegenüber nochmals ergehen. b) Vor der Hauptverhandlung kann der Vorsitzende die Mitteilung hinausgeben, wenn er dies nach pflichtgemäßem Ermessen für angezeigt hält. Die vorherige Mitteilung, die so rechtzeitig zugeht, dass eine Verfahrensunterbrechung nach Absatz 2 nicht erforderlich ist, entspricht an sich dem Regelungszweck am besten und sollte angestrebt werden, auch wenn der Gesetzgeber um der Flexibilität der Verfahrensgestaltung willen bewusst darauf verzichtet hat, sie zwingend vorzuschreiben. Absatz 1 Satz 2 stellt die vorherige Besetzungsmitteilung und den Zeitpunkt, zu dem sie vorzunehmen ist, in das pflichtgemäße Ermessen des Vorsitzenden. Er hat unter Berücksichtigung des Regelungszwecks zu entscheiden, ob er die vorherige Mitteilung anordnen oder aber davon absehen will, etwa weil eine Änderung der voraussichtlichen Besetzung wahrscheinlich ist, beispielsweise weil noch offen ist, ob ein erkrankter Berufsrichter bis zur Hauptverhandlung wieder gesund ist oder weil die Zusammensetzung der Richterbank von der Dauer eines anderen Verfahrens abhängt. In solchen Fällen kann es der Verfahrensklarheit förderlicher sein, mit der vorherigen Mitteilung noch zuzuwarten oder aber ganz auf sie zu verzichten, statt die Verfahrensbeteiligten durch mehrfache Änderungsmitteilungen zu verwirren und zu im Ergebnis dann überflüssigen Prüfungen zu veranlassen.22 Verlangt allerdings ein Verfahrensbeteiligter schon vor der Hauptverhandlung nach § 24 Abs. 3 Satz 2, § 31 die Namhaftmachung der mitwirkenden Gerichtspersonen, dann muss der Vorsitzende diesem Verlangen in einer auch dem § 222a genügenden Form entsprechen. 7 Die Mitteilung kann mit der Ladung zur Hauptverhandlung verbunden werden. Dies ist jedoch nur dann zweckmäßig, wenn zwischen der Ladung und dem Termin der Hauptverhandlung keine zu große Zeitspanne liegt. Andernfalls ist die Wahrscheinlichkeit späterer Änderungen zu groß. Eine vorgezogene Mitteilung ist aber auch ratsam, wenn die Wochenfrist des Absatzes 2 nicht mehr gewahrt werden kann. Da die Verfah-

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18 BGH DAR 1998 175; KK/Gmel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 6; vgl. SK/Deiters/Albrecht 8; früher strittig, vgl. Brauns 116 und 24. Auflage. 19 Meyer-Goßner/Schmitt 6; differenzierend Brauns 116. 20 Begr. BTDrucks. 8 976, S. 46; AK/Keller 4; KK/Gmel 7; Meyer-Goßner/Schmitt 4; KMR/Eschelbach 45; zweifelnd G. Schäfer § 54 II 1. 21 BGHSt 29 162; Hamm NJW 1979 136; KK/Gmel 7; Meyer-Goßner/Schmitt 4; MüKo/Arnoldi 15; SK/Deiters/Albrecht 10. 22 Hamm NJW 1979 135; KK/Gmel 7; Meyer-Goßner/Schmitt 9; SK/Deiters/Albrecht 9.

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rensbeteiligten vom Zugang der Mitteilung an Zeit haben, die dem Recht entsprechende Zusammensetzung der Richterbank zu prüfen, fällt die Dauer einer vorherigen Kenntnis für die Bemessung der Unterbrechungsfrist nach Absatz 2 ins Gewicht (Rn. 25). Die Mitteilung vor der Hauptverhandlung bedarf der Schriftform (vgl. § 35 Abs. 2). 8 Die bloße mündliche Bekanntgabe durch den Vorsitzenden oder die Geschäftsstelle, etwa im Rahmen eines Ferngesprächs, genügt nicht.23 Die vorgezogene Mitteilung ersetzt eine wesentliche Förmlichkeit der Hauptverhandlung (Rn. 5), ihr Inhalt hat wegen des Unterbrechungsantrags (Absatz 2), der Präklusionswirkung des § 222b Abs. 1 Satz 1 und wegen § 338 Nr. 1 erhebliche verfahrensrechtliche Bedeutung. Ihr Zweck, als Grundlage für die vorherige Nachprüfung der Besetzung der Richterbank zu dienen, wird ferner dadurch erleichtert, dass jeder dazu berechtigte Verfahrensbeteiligte eine Schrift in den Händen hat, aus der die genauen Namen jederzeit festgestellt werden können (vgl. die ähnlichen Überlegungen bei der Ladung – § 216, 4). Die vorherige Mitteilung ist auf Anordnung des Vorsitzenden (Absatz 1 Satz 2) von 9 der Geschäftstelle durchzuführen.24 Die Anordnung des Vorsitzenden wird zweckmäßigerweise aktenkundig gemacht, zwingend notwendig ist dies jedoch nicht. Die Mitteilung ist wegen der Frist des § 222a Abs. 2 den Mitteilungsadressaten (Rn. 14) zuzustellen, dem Verteidiger (vgl. Rn. 15) gegebenenfalls gegen Empfangsbekenntnis. Auch ein eingeschriebener Brief mit Rückschein kann für den Nachweis ausreichen.25 c) Eine Belehrung über die Bedeutung der Mitteilung, über das Recht auf Einsicht in 10 die Besetzungsunterlagen und über die für den Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung maßgebenden Fristen und Formen ist nicht vorgeschrieben. Der Gesetzgeber hat abweichend vom Regierungsentwurf bewusst davon abgesehen, mit der erstmaligen Besetzungsmitteilung eine solche Belehrung zu verbinden, da er sie für entbehrlich hielt und dem Angeklagten ohnehin ein rechtskundiger Verteidiger zur Seite steht, der auch die Mitteilung empfängt.26 3. Änderungsmitteilung a) Für jede Hauptverhandlung ist die Besetzung mitzuteilen, also auch bei Verta- 11 gung oder für den Neubeginn der Hauptverhandlung nach einer Aussetzung oder Zurückverweisung. Dies gilt selbst dann, wenn sich im konkreten Fall die Zusammensetzung des Gerichts nicht geändert haben sollte. Letzteres trifft nur in Ausnahmefällen zu, da in der Regel zumindest die Schöffen wechseln werden. Bei einer unveränderten Zusammensetzung des Gerichts kann sich allerdings die erneute Mitteilung auf den Hinweis beschränken, dass sich die bereits bekanntgegebene Besetzung des Gerichts nicht ändern werde.27 Im Sonderfall des § 222b Abs. 2 Satz 3 entfällt eine Besetzungsmitteilung bezüglich der neuen Hauptverhandlung (vgl. § 222b, 35).

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23 OLG Celle NStZ 1991 553; AK/Keller 4; KK/Gmel 7; Meyer-Goßner/Schmitt 10; SSW/Grube 10; SK/Deiters/Albrecht 11. 24 § 222a Abs. 4 Satz 1 des Regierungsentwurfs – BTDrucks. 8 976, S. 9; h.M. 25 KK/Gmel 7; Brauns 108. 26 Rechtsausschuss BTDrucks. 8 1844, S. 32; KK/Gmel 5; Meyer-Goßner/Schmitt 7; MüKo/Arnoldi 8; SK/Deiters/Albrecht 5; KMR/Eschelbach 31; nach Brauns ist es verfassungsrechtlich (Art. 101 Abs. 1 Satz 2, Art. 103 Abs. 1 GG) und aus Gründen des fair trial bedenklich, dass keine Belehrung des Angeklagten und der Verfahrensbeteiligten vorgesehen ist, vgl. Rn. 28. 27 Begr. BTDrucks. 8 976, S. 46.

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b) Eine Änderungsmitteilung wird notwendig, wenn nach der förmlichen Besetzungsmitteilung ein Wechsel in der Zusammensetzung des Gerichts eintritt. In der Änderungsmitteilung ist nur auf die eingetretene Veränderung hinzuweisen. Der Grund für die Änderung braucht nicht bekanntgegeben zu werden.28 Bei größeren oder wiederholten Veränderungen kann es allerdings zweckmäßig sein, zur Klarstellung die nunmehrige Zusammensetzung des Gerichts nochmals vollständig mitzuteilen.29 Die ursprüngliche Mitteilung und die Änderungsmitteilung müssen insgesamt jedenfalls eindeutig und ohne Zweifeln Raum zu lassen die Besetzung des Gerichts in der Hauptverhandlung erkennbar machen; nur dann erfüllen sie ihren Zweck als verlässliche Unterlage für die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Besetzung. Auf Anordnung des Vorsitzenden (Rn. 9) kann die Änderungsmitteilung ebenfalls 13 bereits vor der Hauptverhandlung schriftlich hinausgehen. Ist dies unterblieben, so ist es notwendig, aber auch ausreichend, wenn die Änderung spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung (Absatz 1 Satz 1) bekanntgegeben wird. Welcher Weg der zweckmäßigere ist, entscheidet der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen. Eine frühzeitige Mitteilung ist jedoch zur Vermeidung von späteren Verfahrensverzögerungen anzustreben. 4. Die Adressaten der Mitteilung werden in Absatz 1 nicht abschließend aufgezählt. Nach dem Regelungszweck des vorgezogenen Prüfungsverfahrens ist die Mitteilung an alle zu richten, die einen andernfalls mit der Revision durchsetzbaren Anspruch darauf haben, dass die sie betreffende Entscheidung von dem durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG garantierten gesetzlichen Richter erlassen wird.30 Für den Angeklagten als Mitteilungsadressaten legt Absatz 1 fest, dass die für ihn 15 bestimmte Mitteilung nicht an ihn persönlich, sondern an seinen Verteidiger zu richten ist. Einer zusätzlichen Mitteilung an den Verteidiger bedarf es daneben nicht, desgleichen ist eine Unterrichtung des Angeklagten über die Mitteilung an den Verteidiger nicht vorgesehen; § 145a Abs. 3 ist nicht anwendbar. Hat der Angeklagte mehrere Verteidiger, so hat jeder Anspruch auf die Mitteilung. Ein Verteidigerwechsel erfordert dagegen keine Wiederholung der Mitteilung.31 Mitteilungsadressaten sind ferner die Staatsanwaltschaft (als Behörde, nicht ein einzelner Referent)32 sowie die Personen, die ihr oder dem Angeklagten in ihren Befugnissen verfahrensrechtlich gleichgestellt sind, wie etwa Nebenkläger (§ 397 Abs. 1, § 385 Abs. 1) oder der Einziehungs- oder sonstige Nebenbetroffene (§§ 427 Abs. 1 Satz 1, 439, 444 Abs. 2), der, soweit das Verfahren ihn betrifft, ebenfalls die fehlerhafte Besetzung der Richterbank rügen kann. Hat der Einziehungsbeteiligte einen Vertreter (§ 428), so wird die Mitteilung entsprechend dem Sinn des Absatzes 1 Satz 2 an letzteren zu richten sein. Gleiches gilt, wenn eine juristische Person oder eine Personenvereinigung nach § 444 am Verfahren beteiligt ist. Zeugen, Sachverständige und andere Personen, gegen die sich das Strafverfahren nicht richtet, scheiden als Mitteilungsadressaten aus, ebenso wohl auch der Antragsteller im Adhäsionsverfahren.33

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28 Rechtsausschuss BTDrucks. 8 1844, S. 32; KK/Gmel 9; SK/Deiters/Albrecht 11; vgl. Rn. 3. 29 HK/Julius/Reichling 7. 30 Ranft NJW 1981 1473; AK/Keller 5; KK/Gmel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 11; KMR/Eschelbach 33; SK/Deiters/Albrecht 6; Brauns 199 (wer das Recht auf gesetzlichen Richter mit der Revision geltend machen kann). 31 KK/Gmel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 13; KMR/Eschelbach 34; zweifelnd aber SK/Deiters/Albrecht 6. 32 Meyer-Goßner/Schmitt 13; SK/Deiters/Albrecht 6. 33 Brauns 100; KK/Gmel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 15; KMR/Eschelbach 36; SK/Deiters/Albrecht 6;vgl. bei § 406a.

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5. Prüfung der Besetzung. Die Mitteilung ermöglicht dem Empfänger, alsbald zu 16 prüfen, ob die Zusammensetzung des Gerichts dem Gesetz entspricht. Eine Rechtspflicht zur Prüfung wird dadurch nicht begründet, die Verfahrensbeteiligten können dies den zuständigen Gerichtsorganen überlassen. Der nur befristet mögliche Einwand, das Gericht sei nicht ordnungsgemäß besetzt (§ 222b Abs. 1), verlangt für seine sachgerechte Erhebung in der Regel zwar eine solche Prüfung, ist aber rechtlich nicht davon abhängig. Es genügt, wenn der Beanstandende die nach § 222b Abs. 1 Satz 2 erforderlichen Tatsachen angeben kann. Im Übrigen geht es zu Lasten des Verfahrensbeteiligten, wenn er die ihm eingeräumte Prüfungsmöglichkeit nicht oder nicht genügend wahrnimmt.34 6. Einsicht in die Besetzungsunterlagen (Absatz 3). Sofern nicht im Einzelfall be- 17 reits eine mündliche Auskunft der zuständigen Stelle der Justizverwaltung genügt, ist zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Besetzung des Gerichts in der Regel die Einsicht in alle dafür maßgebenden Unterlagen des Gerichts unerlässlich. Diese Unterlagen, vor allem der Geschäftsverteilungsplan, die Unterlagen über die Bestimmung des Vorsitzenden, die interne Geschäftsverteilung des Spruchkörpers, die Schöffen- und Hilfsschöffenlisten, die Unterlagen über die Schöffenwahl,35 die Unterlagen über Verhinderungen und Vertreterbestellung u.a. sind zur Einsicht offenzulegen.36 Die Unterlagen sind nicht Bestandteil der Prozessakten. Über die Art und Weise, wie dem Rechtsanspruch auf Einsichtnahme zu entsprechen ist, vor allem, ob Ablichtungen gefertigt werden dürfen, hat gegebenenfalls der Präsident des Gerichts zu entscheiden.37 Das Recht auf Einsicht schließt auch das Recht auf die erforderlichen Auskünfte von den jeweils zuständigen Organen der Gerichtsverwaltung über unklare oder nicht aktenkundige Vorgänge ein, etwa über eine nicht aktenkundige Verhinderung. Um Verfahrensverzögerungen zu vermeiden, hat die Justizverwaltung dafür zu sorgen, dass alle Besetzungsunterlagen übersichtlich und vollständig geführt werden, wobei es sich empfiehlt, alle die Besetzung betreffenden Vorgänge schriftlich festzuhalten, auch wo dies nicht vorgeschrieben ist. Die Überprüfung kann auch den zuständigen Stellen Anlass geben, unvollständige Unterlagen zu ergänzen oder fehlende Entscheidungen noch während der Prüfung nachzuholen.38 Verweigert die Justizverwaltung die umfassende Einsicht in alle für die Besetzungsprüfung möglicherweise relevanten Unterlagen oder gewährt sie sie nur unvollständig oder nur für eine nicht ausreichende Zeit, ist dies nicht gesondert anfechtbar. Die Besetzungsrüge bleibt dann aber erhalten,39 ebenso die Möglichkeit, dies in der Hauptverhandlung zum Gegenstand eines neuen Aussetzungsantrags zu machen. Nach Absatz 3 kann das Einsichtsrecht neben dem Staatsanwalt nur durch den 18 Verteidiger oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt, nicht aber durch einen Angeklagten, Nebenbeteiligten oder Nebenkläger persönlich ausgeübt werden; die Beurteilung der mitunter komplizierten Besetzungsregeln erfordert Rechtskenntnisse, die dem Laien in der Regel fehlen, zudem muss der Einwand der fehlerhaften Besetzung ebenso wie bei der Revision durch Angaben aller den Verstoß belegenden Tatsachen erhoben

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34 Vgl. § 222b, 18. 35 BGHSt 33 126; Ranft NJW 1981 1475. Dazu gehört auch das Protokoll des Schöffenwahlausschusses, vgl. BGHSt 48 293 = NStZ 2004 98 f. 36 KK/Gmel 13; Meyer-Goßner/Schmitt 23; KMR/Eschelbach 64; SK/Deiters/Albrecht 24. 37 OLG Düsseldorf MDR 1979 1043; Ranft NJW 1981 1474; G. Schäfer § 54 II 2; SK/Deiters/Albrecht 25; a.A. OLG Hamm NJW 1980 1009; Brauns 144 (Verschaffungsanspruch gegen Vorsitzenden). 38 BGHSt 30 268 = LM StPO 1975 Nr. 1 mit Anm. Pelchen = NStZ 1982 295 mit Anm. Rieß; BGH NStZ 1988 325; Hilger NStZ 1983 338; vgl. § 222b, 30. 39 KK/Gmel 14; Meyer-Goßner/Schmitt 23; aber auch SK/Deiters/Albrecht 26, die den Rechtsweg gem. § 23 EGGVG als eröffnet ansehen.

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werden. Der Verteidiger kann mit Zustimmung seines Mandanten auch einen anderen Rechtsanwalt mit der Einsichtnahme betrauen.40 III. Unterbrechung der Hauptverhandlung (Absatz 2) 1. Antrag auf Unterbrechung zur Besetzungsprüfung 19

a) Antragsberechtigt sind Staatsanwalt, Verteidiger und – unabhängig davon – auch der Angeklagte selbst, ferner der Nebenkläger und die dem Angeklagten in den Verfahrensbefugnissen gleichgestellten Personen.41 Der Antrag kann in der Hauptverhandlung mündlich, er kann aber vorher auch schon schriftlich gestellt werden (vgl. Rn. 21).

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b) Voraussetzung des Unterbrechungsantrags ist, dass die Besetzung dem Antragsteller später als eine Woche vor Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt worden ist oder erst in der Hauptverhandlung bekanntgegeben wird. Maßgebend für die nach § 43 Abs. 1 zu berechnende Frist,42 die für jeden Mitteilungsberechtigten gesondert läuft, ist der Zugang der Mitteilung. Bei Besetzungsänderungen läuft die Frist erst vom Zugang der letzten Änderungsmitteilung an. Ist die Wochenfrist eingehalten, so besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Unterbrechung. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass die Wochenfrist für eine sorgfältige Prüfung der Besetzung ausreicht. Sollte dies aus dem Gericht zurechenbaren Umständen ausnahmsweise nicht der Fall sein, etwa weil die einschlägigen Unterlagen dem Verteidiger oder Rechtsanwalt in der Zeit bis zum Beginn der Hauptverhandlung nicht, nicht vollständig oder nicht für eine zur Prüfung ausreichende Zeitspanne zugänglich waren, so ist dieser auch bei Wahrung der Wochenfrist berechtigt, den Unterbrechungsantrag zu stellen. Ob die Voraussetzungen für diese Ausnahme vorliegen, muss das Gericht notfalls durch Einholung dienstlicher Äußerungen klären.43

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c) Zeitpunkt der Antragstellung. Nur bis zu Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache kann der Antrag auf Unterbrechung der Hauptverhandlung gestellt werden. Dieser Endtermin gilt für alle Antragsberechtigten, für den Staatsanwalt ebenso wie für einen Mitangeklagten, der erst später vernommen werden soll. Letzterer darf mit dem Antrag nicht zuwarten, bis er selbst an die Reihe kommt. Vernehmung zur Sache ist die Vernehmung nach § 243 Abs. 5 Satz 2. Die Belehrung des Angeklagten über sein Recht, die Einlassung zu verweigern (§ 243 Abs. 5 Satz 1), gehört noch nicht zur Vernehmung zur Sache; der Antrag muss aber spätestens unmittelbar im Anschluss an die Erklärung zur Aussagebereitschaft gestellt werden.44 Absatz 2 legt nur den Endtermin für den Unterbrechungsantrag fest. Der Antrag kann auch schon vor der Hauptverhandlung schriftlich gestellt werden. Ein solcher vorgezogener Unterbrechungsantrag ist – gleich wie er bezeichnet wird – kein Antrag auf Terminsverlegung i.S.d. § 213, der möglicherweise eine Besetzungsänderung (vor allem andere Schöffen)45 auslösen würde,

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40 KK/Gmel 14; Meyer-Goßner/Schmitt 24; KMR/Eschelbach 72; SSW/Grube 27; SK/Deiters/Albrecht 25. 41 Vgl. Rn. 15; ferner etwa Begr. BTDrucks. 8 967, S. 47; Meyer-Goßner/Schmitt 18; SK/Deiters/Albrecht 15; 9; 10; HK-GS/Schulz 2. 42 Meyer-Goßner/Schmitt 18; KMR/Eschelbach 49. 43 Meyer-Goßner/Schmitt 21; KMR/Eschelbach 49; SK/Deiters/Albrecht 14; MüKo/Arnoldi 18; a.A. Bohnert 59 (Gesetzgeber hat keine Ausnahme von der Wochenfrist vorgesehen). 44 BGH StV 1994 141; SK/Deiters/Albrecht 16. 45 Vgl. Hamm NJW 1979 135.

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sondern ein aufgrund der Sonderregelung des § 222a vom Gericht (vgl. Rn. 22) nach freiem Ermessen (vgl. Rn. 24) zu bescheidender Antrag auf alsbaldige Unterbrechung der an sich zum festgesetzten Termin mit der mitgeteilten Besetzung beginnenden Hauptverhandlung.46 Er könnte dort sofort bei deren Beginn gestellt werden; es entspricht aber der Prozesswirtschaftlichkeit, einen solchen Antrag schon vorher zuzulassen. Werden allerdings mit einem solchen Antrag auch andere Gründe für eine Verlegung des Termins geltend gemacht, muss der Vorsitzende hierüber nach den dafür maßgebenden Gesichtspunkten47 vorab entscheiden, es sei denn, diese anderen Gründe würden sich durch die beantragte Unterbrechung erledigen. Die vorherige Stellung des Unterbrechungsantrags entbindet den Antragsteller nicht von der Pflicht, zum festgesetzten Termin zu erscheinen. 2. Entscheidung über den Unterbrechungsantrag a) Gerichtsbeschluss. Das erkennende Gericht – nicht der Vorsitzende nach § 228 22 Abs. 1 Satz 2 – entscheidet über den Antrag durch Beschluss, der in der Hauptverhandlung zu verkünden ist (§ 35 Abs. 1). Die Schöffen wirken an der Entscheidung mit, da das Gericht diese Entscheidung in der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung trifft.48 Wenn schon vor der Hauptverhandlung ein Unterbrechungsantrag gestellt wurde (Rn. 21), kann das Gericht – was unpraktisch, aber rechtlich unproblematisch ist – mit dieser Entscheidung bis nach Beginn der Hauptverhandlung warten.49 Es muss dann dort allerdings den Antrag von sich aus ansprechen. Ob es schon vorher und damit in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung geltenden Besetzung beschließen kann, dass entsprechend dem vorgezogenen Unterbrechungsantrag mit der Hauptverhandlung erst zu einem späteren Zeitpunkt begonnen wird, was in der Sache einer sofort nach deren Beginn beschlossenen Unterbrechung gleichkommt, mag bei formaler Betrachtung anzweifelbar sein;50 von der Sache her ist es vertretbar, da hierdurch ein beträchtlicher Aufwand für alle zum Termin unnötig erscheinenden Beteiligten vermieden wird. Praktische Bedeutung dürfte die Frage allerdings nur selten haben. Der vorgezogene Aussetzungsantrag ist nur möglich, wenn zwischen Zugang der Besetzungsmitteilung und dem Termin weniger als eine Woche liegt, eine Zeitspanne, die selbst bei sofortiger Stellung des Antrags und seiner unverzüglichen (aber Anhörungspflicht nach § 33) Bescheidung durch das Gericht vielfach nicht mehr ausreichen dürfte, den Beteiligten die Entscheidung und die Verschiebung des Verhandlungsbeginns so rechtzeitig mitzuteilen, dass der Leerlauf eines nur formalen Beginns vermieden werden kann. b) Als unzulässig lehnt das Gericht den Antrag ab, wenn die Zulässigkeitsvoraus- 23 setzungen fehlen, etwa weil das Gericht die Wochenfrist des § 222a Abs. 2 gewahrt hat. Eine solche Formalentscheidung wird sich durch einen entsprechenden Hinweis des Vorsitzenden oft vermeiden lassen. Der Unterbrechungsantrag wird nicht dadurch unzu-

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46 Meyer-Goßner/Schmitt 19; Schroeder NJW 1979 1529; im Ergebnis auch KMR/Paulus Voraufl. 31; 36, der einen die Gerichtsbesetzung nicht mehr veränderten und vom Gericht zu bescheidenden Verlegungsantrag annimmt; dagegen KMR/Eschelbach 52; SK/Deiters/Albrecht 17. 47 Vgl. § 213, 15. 48 AK/Keller 9; KK/Gmel 12; Meyer-Goßner/Schmitt 20; KMR/Eschelbach 54; SK/Deiters/Albrecht 16; a.A. Rieß NJW 1978 2269 (Entscheidung durch den Vorsitzenden). 49 Vgl. Brauns 153; Meyer-Goßner/Schmitt 19, die bei einem vorherigen Hinausschieben des Verhandlungsbeginns den Eintritt einer Besetzungsänderung für möglich halten. 50 Strittig; vgl. vorhergehende Fußnote; bejahend Schroeder NJW 1979 1529.

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lässig, dass bereits ein anderer Verfahrensbeteiligter die Unterbrechung beantragt hat.51 Selbst wenn aufgrund eines anderen Antrags unterbrochen worden ist, schließt das eine auf Verlängerung der Unterbrechung abzielende Antragstellung nicht aus. Der spätere Antragsteller muss sich allerdings bei Bemessung der Frist anrechnen lassen, dass er die Zeit einer bereits bewilligten Unterbrechung auch für seine Besetzungsprüfung hätte nutzen können und müssen. Der Unterbrechungsantrag wird auch nicht dadurch unzulässig, dass bereits ein zulässiger Besetzungseinwand eines anderen Verfahrensbeteiligten die Besetzungsprüfung ausgelöst hat.52 Wegen der Formalisierung des Einwands (vgl. § 222b, 17) kann der Prüfungsgegenstand schon wegen eines unterschiedlichen Tatsachenvortrags unterschiedlich sein;53 zudem ist wegen der Verfügungsbefugnis des fremden Antragstellers über seinen eigenen Einwand letztlich nicht einmal sicher, dass über ihn auch tatsächlich entschieden wird. Ein Unterbrechungsantrag ist unzulässig, wenn der Antragsteller vorher bereits wirksam darauf verzichtet hatte.54 Die unzulässige Unterbrechung (etwa weil die Frist des § 222a durch das Gericht gewahrt war) führt in Haftsachen zu einem Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot und zwingt damit zu einer Aufhebung des Haftbefehls, da die Unterbrechung keinen wichtigen Grund zur Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft i.S.v. § 121 Abs. 1 darstellt.55 24

c) Sind die gesetzlichen Voraussetzungen für den Antrag gegeben, so liegt es im Ermessen des Gerichts („kann“), ob es dem Unterbrechungsantrag entsprechen will. Es entscheidet hierüber nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten (§ 33) spätestens bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache.56 Bei der Anhörung wird zweckmäßigerweise gleich mitgeklärt, ob auch die anderen Verfahrensbeteiligten einen Unterbrechungsantrag beabsichtigen. Der Gesetzgeber hat bewusst keine Pflicht zur Unterbrechung festgelegt, weil er dem Gericht die Möglichkeit erhalten wollte, Aussetzungsanträge abzulehnen, wenn diese nur das Verfahren verzögern, obwohl an der vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts keine Zweifel bestehen. 57 Auch sonstige prozessökonomische Erwägungen oder Rücksichten auf wichtige Belange der anderen Prozessbeteiligten können die Ablehnung der Unterbrechung angezeigt erscheinen lassen. Der Aussetzungsantrag ist ausdrücklich durch Beschluss zu bescheiden.58 Die Anordnung der Aussetzung bedarf keiner Begründung; wird der Aussetzungsantrag abgelehnt, genügt der Hinweis, aus welchem Grund der Antrag unzulässig ist, bzw., dass das Gericht die Aussetzung nicht für erforderlich hält. Einer näheren Begründung dieser Ermessensentscheidung bedarf es nicht,59 insbesondere keines Eingehens auf Besetzungsfragen. Die Möglichkeit, Besetzungsfehler mit der Revision zu rügen, bleibt dem Antragsteller erhalten, ganz gleich, ob und aus welchen Gründen sein Antrag abgelehnt oder überhaupt nicht beschieden wird (§ 338 Nr. 1c).

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51 Meyer-Goßner/Schmitt 18; SK/Deiters/Albrecht 15. 52 Brauns 153; KMR/Eschelbach 58; SK/Deiters/Albrecht 15. 53 Zur Bedeutung der mit der eigenen Beanstandung vorgetragenen Tatsachen für die Revision vgl. § 222b, 50 und bei § 338 Nr. 1. 54 KMR/Eschelbach 58. 55 Vgl. auch §§ 112 ff. 56 Meyer-Goßner/Schmitt 20; KMR/Eschelbach 56; SSW/Grube 23; SK/Deiters/Albrecht 18. 57 Begr. BTDrucks. 8 976, S. 47; OLG Bremen StV 1986 540; AK/Keller 9; KK/Gmel 12; MeyerGoßner/Schmitt 21; SK/Deiters/Albrecht 18. Von der Möglichkeit, nicht auszusetzen, machen die Gerichte Gebrauch; vgl. BGHSt 30 255; BGH GA 1982 324; ferner bei § 338 Nr. 1c. 58 A.A. Hamm NJW 1979 135 (ausdrückliche Ablehnung entbehrlich). 59 Vgl. OLG Bremen StV 1986 540; Meyer-Goßner/Schmitt 21 (keine Begründung nötig). Nach SK/Deiters/Albrecht 23 muss wegen § 34 die ablehnende Entscheidung begründet werden.

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d) Die Dauer der Unterbrechung bestimmt das Gericht nach dem Zeitbedarf, der 25 für eine in jeder Hinsicht umfassende60 ordnungsgemäße Überprüfung im konkreten Einzelfall erforderlich ist. Dabei ist davon auszugehen, dass der Antragsteller die Zeit der Unterbrechung ausschließlich hierfür und nicht zu anderen Zwecken benützen wird; denn die Unterbrechung wird nur „zur Prüfung der Besetzung“ gewährt. Die Dauer der Unterbrechung soll im Regelfall eine Woche betragen müssen,61 sofern nicht aufgrund besonderer Umstände ein kürzerer Zeitbedarf sicher abschätzbar ist oder der Antragsteller sich mit einer kürzeren Frist einverstanden erklärt. Diese Orientierung an der Maximalfrist beugt zwar Verfahrensrügen vor, führt aber meist zu vermeidbaren Verzögerungen. Sie findet keine Stütze im Sinn und Wortlaut des Gesetzes. Wie die Begründung des Regierungsentwurfes hervorhebt, soll die Frist so bemessen werden, dass dem Antragsteller wegen der Präklusionswirkung eine faire Überprüfungsmöglichkeit eingeräumt werde; eine allgemeingültige Frist lasse sich dafür nicht bestimmen.62 Stehen die Besetzungsunterlagen vollständig und übersichtlich zur Verfügung und sind keine umfangreichen Untersuchungen erforderlich, weil es sich um die Regelbesetzung handelt oder weil nur eine einzelne Veränderung noch zur Prüfung ansteht, so kann eine kurze Unterbrechung, die eine Fortsetzung der Hauptverhandlung noch am gleichen Tage oder am darauffolgenden Tage erlaubt, genügen. Wenn dagegen die Unterlagen nicht sofort greifbar, unübersichtlich oder unvollständig sind, so dass Rückfragen erforderlich werden, oder wenn komplizierte Verhinderungsfälle vorliegen, kann für die Prüfung auch ein längerer Zeitraum erforderlich sein. Eine zu kurz bemessene Unterbrechung ist einer Ablehnung der Unterbrechung gleichzustellen.63 Da dann die Revision erhalten bleibt, dürfte es zweckmäßig sein, wenn sich das Gericht vor seiner Entscheidung über die Vollständigkeit und Verfügbarkeit der Besetzungsunterlagen unterrichtet und darauf hinwirkt, dass sie dem nach Absatz 3 zur Einsicht Berechtigten ohne bürokratische Hemmnisse alsbald zugänglich gemacht werden. Ob und wie er die eingeräumte Frist für die Besetzungsprüfung nutzt, ist dagegen allein Sache des Antragstellers, der sich zurechnen lassen muss, wenn er objektiv erkennbare Besetzungsfehler unbeanstandet lässt (§ 222b, 18). e) Die nachträgliche Verlängerung der Unterbrechungsdauer durch das Gericht ist 26 zulässig64 und meist auch angezeigt, wenn der Antragsteller geltend macht, dass und warum aus nicht von ihm zu vertretenden Gründen eine ausreichende Prüfung innerhalb der bewilligten Zeit nicht möglich war. Unterlässt er dies bei Fortsetzung der Hauptverhandlung, so kann – je nach Lage des Einzelfalls65 – im rügelosen Weiterverhandeln ein Verzicht auf die volle Ausschöpfung der an sich notwendigen Unterbrechungsfrist gesehen werden, mit der Folge, dass § 338 Nr. 1c die Revision nicht mehr eröffnet. Der Beschluss, der die Unterbrechung verlängert, kann nach Ablauf der ursprünglichen Dauer beim Wiedereintritt in die Hauptverhandlung verkündet werden; es erscheint aber auch zulässig, wenn er zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens schon vor-

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60 BGH NStZ 1988 36. 61 BGHSt 29 283 = NStZ 1981 32 mit krit. Anm. Katholnigg = StV 1981 6 mit Anm. Ehrig; zustimmend Brauns 157; vgl. auch Dallmeyer StV 2018 533; nach Ranft NJW 1981 1473 ist die Wochenfrist immer einzuhalten, ähnlich Hamm NJW 1979 135; für die Wochenfrist auch Bohnert 59. 62 BTDrucks. 8 976, S. 47; ebenso Rieß JR 1981 91; Schäfer § 54 II 2; Schlüchter 435; AK/Keller 10; KK/Gmel 12; Meyer-Goßner/Schmitt 22; KMR/Eschelbach 62; MüKo/Arnoldi 22; SK/Deiters/Albrecht 20. 63 BGHSt 29 283 = NStZ 1981 32 mit Anm. Katholnigg = StV 1981 6 mit Anm. Ehrig; BGH NStZ 1986 36; Rieß JR 1981 91; NJW 1978 2269; h.M. 64 Katholnigg NStZ 1981 32; Rieß JR 1981 93; KK/Gmel 12; Meyer-Goßner/Schmitt 22. 65 Vgl. etwa BGHR § 222a Abs. 1, Unterbrechung 1; BGH NStZ 1986 36.

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§ 222b

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her den Verfahrensbeteiligten außerhalb der Hauptverhandlung bekanntgemacht (§ 35 Abs. 2) wird. 3. Sonstige verfahrensrechtliche Fragen 27

a) Wesentliche Förmlichkeiten des Verfahrens (§ 273 Abs. 1) sind die Bekanntgabe der Besetzung in der Hauptverhandlung, der Unterbrechungsantrag und der die Unterbrechung bewilligende oder ablehnende Beschluss. Sie müssen in der Sitzungsniederschrift beurkundet werden.

28

b) Absatz 2 enthält eine abschließende Sonderregelung für die Unterbrechung des Verfahrens zur Besetzungsprüfung, die es ausschließt, das Verfahren zu diesem Zweckaufgrund anderer Vorschriften zu unterbrechen. Auch wenn die Wochenfrist ausnahmsweise zur Prüfung nicht ausreicht (vgl. Rn. 20), richtet sich die Unterbrechung im Übrigen nach Absatz 2 (Ermessensentscheidung). Nach Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache kann zur Besetzungsprüfung weder durch den Vorsitzenden nach § 228 Abs. 1 Satz 2 unterbrochen werden, noch ist § 265 Abs. 4 anwendbar. Die Fristbegrenzung des § 229 gilt auch für die Unterbrechung nach Absatz 2. Eine besondere Belehrung der Verfahrensbeteiligten über das Recht, die Unterbrechung zur Besetzungsprüfung zu beantragen, ähnlich § 228 Abs. 3, ist nicht vorgesehen. Sie ist auch entbehrlich. Allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen kann die Fürsorgepflicht bei einem nicht anwaltschaftlich vertretenen Verfahrensbeteiligten einen solchen Hinweis erfordern.66

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c) Die Rechtsbehelfe, die bei Verstößen gegen § 222a gegeben sind, werden bei § 222b (Rn. 40 ff.) mit erörtert.

§ 222b Besetzungseinwand § 222b Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung Jäger https://doi.org/10.1515/9783110274943-014

(1) 1 Ist die Besetzung des Gerichts nach § 222a mitgeteilt worden, so kann der Einwand, daß das Gericht vorschriftswidrig besetzt sei, nur bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache in der Hauptverhandlung geltend gemacht werden. 2 Die Tatsachen, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung ergeben soll, sind dabei anzugeben. 3 Alle Beanstandungen sind gleichzeitig vorzubringen. 4 Außerhalb der Hauptverhandlung ist der Einwand schriftlich geltend zu machen; § 345 Abs. 2 und für den Nebenkläger § 390 Abs. 2 gelten entsprechend. (2) 1 Über den Einwand entscheidet das Gericht in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung. 2 Hält es den Einwand für begründet, so stellt es fest, daß es nicht vorschriftsmäßig besetzt ist. 3 Führt ein Einwand zu einer Änderung der Besetzung, so ist auf die neue Besetzung § 222a nicht anzuwenden. Schrifttum Dallmeyer Reformbedarf im Recht der Befangenheitsanträge, Besetzungsrügen und Beweisanträge?, StV 2018 533; Katholnigg Mitwirkung der ausgelosten Schöffen bei Beginn einer neuen Hauptverhandlung nach begründetem Besetzungseinwand, JR 2003 30; weiteres Schrifttum bei § 222a.

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Schroeder NJW 1979 1529 nimmt dies für Ausnahmefälle an; vgl. Rn. 10 und Fn. 25.

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5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung

§ 222b

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift ist zusammen mit § 222a unter gleichzeitiger Änderung von § 338 Nr. 1 durch Art. 1 Nr. 17 StVÄG 1979 in das Gesetz eingefügt worden. Der Grund dieser Ergänzung ist bei § 222a geschildert.

I.

II.

III.

Übersicht Zweck und Anwendungsbereich 1. Zweck | 1 2. Anwendungsbereich | 2 Einwand der fehlerhaften Besetzung (Absatz 1) 1. Beanstandungsberechtigte | 3 2. Endzeitpunkt für den Einwand a) Nur bis zur Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache | 5 b) Abwesende Verfahrensbeteiligte | 8 c) Verbindung mehrerer Verfahren | 9 d) Zusammentreffen von Einwand und Aussetzungsantrag | 10 3. Form des Einwands a) In der Hauptverhandlung mündlich | 11 b) Außerhalb der Hauptverhandlung schriftlich | 12 4. Begründung des Einwands | 17 5. Konzentration der Beanstandungen a) Zweck des Konzentrationsgebots | 18 b) Ausschlusswirkung | 20 Entscheidung des Gerichts (Absatz 2) 1. Beschlussbesetzung | 22 2. Zwischenverfahren

Alphabetische Übersicht Abwesende Verfahrensbeteiligte 8 Anrufung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 40 Anwendungsbereich 2 Aussetzungsbeschluss, zusätzlicher 34 Beanstandungsberechtigte 3 Beschwerde 40 Besetzungseinwand 5 – anderweitige Erledigung 32 – Anschluss 11 – Begründung 17, 18 – Form 11 f. – übergangener 45 – unzulässiger 21, 45 – bei Verfahrensverbindung 9 – Verlust 6, 7

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Gegenstand | 25 Anhörung der Verfahrensbeteiligten | 26 3. Entscheidung über den Einwand a) Beschluss | 29 b) Gegenstand der Entscheidung | 30 c) Zeitpunkt der Entscheidung | 31 d) Inhalt des Beschlusses | 32 Verfahren nach der Entscheidung 1. Auswirkung der Entscheidung a) Fortsetzung des Verfahrens | 33 b) Neue Hauptverhandlung | 34 2. Bindung an die Entscheidung | 37 Rechtsbehelfe 1. Beschwerde a) Besetzungsmitteilung | 40 b) Beschluss nach § 222b Abs. 2 | 41 2. Revision a) Rüge der vorschriftswidrigen Besetzung | 43 b) Sonstige Verstöße gegen § 222a und § 222b | 51 c) Zwischenverfahren | 52 a) b)

IV.

V.

Besetzungsmängel – nachträgliche Behebung 30 – nachträglich eintretende 39, 48 – nicht erkennbare 39, 48 – in Person des Richters 39 Besetzungsprüfung 7 Beschluss des Gerichts 29 ff. Beschwerde 40 ff. Bindung an Entscheidung 37 Dienstliche Erklärungen 25 Ergänzungsrichter 4, 6 Fehlerhafte Besetzungsmitteilung 19 Freibeweis 25 Gesetzlicher Richter Gericht, Beschlussbesetzung 3, 29, 38 Gesetzlicher Richter 22

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§ 222b

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Konzentrationsgebot 18, 20 ff., 28 Nebenkläger 11, 14 Neubeginn der Hauptverhandlung 34 Obliegenheit 1, 18, 35 Revision 43 ff. – Rügebegründung 50 Rügepräklusion 1, 6, 18, 36, 38, 45 ff. Schöffen, Ausschluss von Besetzungsprüfung 24

Unterbrechung 10, 46 Unterbrechungsfrist zu kurz 46 Verfahren erster Instanz 1 Verfahrensbeteiligte, Anhörung 26 Verzicht 46 Wesentliche Förmlichkeit 11 Wiedereinsetzung 15 Zweck 1 Zwischenverfahren 25

I. Zweck und Anwendungsbereich 1

1. Zweck. Die Neuregelung soll den verfahrensrechtlichen Leerlauf verhindern, der entsteht, wenn ein nachträglich mit Revision gerügter Besetzungsfehler zur Wiederholung des mitunter umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren zwingt (§ 222a, 1). Die Prüfung der ordnungsgemäßen Zusammensetzung des Gerichts ist bereits zu Beginn des Verfahrens durchführbar und den Verfahrensbeteiligten, die insoweit Zweifel haben, in diesem Zeitpunkt auch zuzumuten. Die bisherige Übung, erst nach der Hauptverhandlung Besetzungsfehlern nachzuspüren, um ein missliebiges Urteil zu Fall zu bringen, soll für die größeren Verfahren vor den Land- und Oberlandesgerichten unterbunden werden. Deshalb verbindet § 222b mit der Einführung eines förmlichen Beanstandungsverfahrens (Absatz 1) zugleich die Beschränkung dieses Einwands auf den vor der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache liegenden Verfahrensabschnitt. § 338 Nr. 1 schließt in konsequenter Fortführung dieser Beschränkung die Rüge eines nicht rechtzeitig beanstandeten Besetzungsfehlers mit der Revision aus, sofern vorher ordnungsgemäß verfahren wurde. Die Pflicht aller beteiligten Staatsorgane, von Amts wegen dafür zu sorgen, dass die Besetzung des Gerichts dem Gesetz entspricht, wird durch die §§ 222a, 222b nicht aufgehoben. Ihr Anwendungsbereich wird aber modifiziert; vor allem wird sie dadurch ergänzt, dass es nunmehr auch eine Obliegenheit (Last) der Verfahrensbeteiligten ist, dies schon zu Verfahrensbeginn zu prüfen und Besetzungsfehler rechtzeitig zu beanstanden, wenn sie die Rüge nicht endgültig verlieren wollen. Ob das Gericht auch nach Eintritt der Rügepräklusion für die Verfahrensbeteiligten weiterhin von Amts wegen verpflichtet ist, die Richtigkeit seiner Zusammensetzung zu überprüfen und verneinendenfalls die Hauptverhandlung auszusetzen, ist strittig (vgl. Rn. 38).

2

2. Anwendungsbereich. Ebenso wie der zugehörige § 222a gilt § 222b nur für das Verfahren erster Instanz vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten (vgl. § 222a, 2). Bei den anderen Gerichten und in der Rechtsmittelinstanz findet kein Zwischenverfahren zur Besetzungsprüfung statt. Das erkennende Gericht muss ihm bekannt werdende Mängel der Besetzung von Amts wegen bis zum Abschluss des Verfahrens beachten. II. Einwand der fehlerhaften Besetzung (Absatz 1)

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1. Beanstandungsberechtigte. Befugt zur Erhebung des Einwands, auf den auch durch eindeutige Erklärung verzichtet werden kann (Rn. 46),1 ist jeder der in § 222a genannten Verfahrensbeteiligten, also Staatsanwalt, Verteidiger und – trotz des fehlenden

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BGH NStZ 2011 294; SSW/Grube 5.

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5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung

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Rechts auf eigene Einsicht in die Besetzungsunterlagen – auch der Angeklagte persönlich; ferner der Nebenkläger (Absatz 1 Satz 4) und die dem Angeklagten verfahrensrechtlich gleichstehenden Personen (§ 222a, 15), im Grunde also jeder, der als Verfahrensbeteiligter den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf den gesetzlichen Richter mit der Revision geltend machen kann (vgl. § 222a, 15). Die Annahme eines Verzichts bzw. eine Rücknahme eines Einwands liegt nahe, wenn sich der Angeklagte gem. § 257c mit dem Gericht verständigt hat.2 Mit dem Verzicht geht der Verlust des Rechts zur Erhebung der Besetzungsrüge einher, sodass der Verzicht zu protokollieren ist. Auch bei unterbliebener oder fehlerhafter Mitteilung nach § 222a kann der Ein- 4 wand erhoben werden. Dass die Besetzung des Gerichts (richtig) mitgeteilt worden ist (Absatz 1 Satz 1), hat nur Bedeutung für die Beschränkung der Revisionsrüge nach § 338 Nr. 1. Die Befugnis, schon in der Hauptverhandlung auf die Beseitigung eines den Bestand des weiteren Verfahrens in Frage stellenden Besetzungsfehlers hinzuwirken, kann durch eine falsche Sachbehandlung nicht verkürzt werden. Der Endzeitpunkt, bis zu dem über Besetzungsbeanstandungen in der Hauptverhandlung in einem förmlichen Zwischenverfahren entschieden wird (Rn. 25), gilt aber nach dem Zweck der Regelung auch bei fehlerhaften Mitteilungen (Rn. 6). Obschon § 222b sich auf § 222a bezieht und also den Fall einer Mitteilung der Gerichtsbesetzung betrifft, gilt die Norm aus Gründen der Prozessökonomie nicht nur für die Bestimmung der konkreten Richterpersonen, sondern ist analog auch anwendbar auf die Festlegung des Besetzungsumfangs in der Hauptverhandlung gem. § 76 GVG. Ein Verstoß gegen § 76 Abs. 2 GVG gleicht insoweit einem organisatorischen Besetzungsmangel wie er von den §§ 222a, 222b erfasst wird,3 selbst wenn die Gerichtsbesetzung nach § 222a nicht mitgeteilt worden ist.4 2. Endzeitpunkt für den Einwand a) Nur bis zur Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache kann der Einwand 5 erhoben werden; gemeint ist damit ebenso wie in § 222a Abs. 2 der Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten nach § 243 Abs. 5 Satz 2.5 Der Ausschluss des Einwands tritt für alle Verfahrensbeteiligten einheitlich mit der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache ein6 und nicht, wie etwa bei § 6a oder § 16, erst mit der Vernehmung des jeweiligen Angeklagten. Der Ausschluss des Einwands ist unabhängig davon, ob und wann die Besetzung 6 des Gerichts mitgeteilt wurde und ob die Mitteilung vollständig und richtig war.7 Der Wortlaut des § 222b könnte an sich dahin ausgelegt werden, dass dieser Endtermin nur bei einer ordnungsgemäßen Mitteilung eingreift. Der Sinn der Beschränkung des Einwands auf das Anfangsstadium der Hauptverhandlung spricht jedoch dafür, dass mit dem weiteren Fortgang der Hauptverhandlung das förmliche Beanstandungsverfahren ausnahmslos entfallen soll. Bei fehlender oder ungenügender Mitteilung besteht umso weniger Grund für das Zwischenverfahren, als dem Betroffenen die Revisionsrüge erhalten bleibt (§ 338 Nr. 1a), die unterlassene Beanstandung also ohnehin keine Präklusions-

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2 MüKo/Arnoldi 18; SSW/Grube 5. 3 BGH NJW 1999 1644, 1645 mit Anm. Rieß NStZ 1999 369 sowie Katholnigg JR 1999 304; BGH NJW 1999 1724 ff.; BGH StV 2005 204; LG Aschaffenburg StV 2007 522 f.; HK/Julius/Reichling 2. 4 BGH NStZ 2005 465. 5 HK/Julius/Reichling 5; HK-GS/Schulz 1. Vgl. § 222a, 21. 6 BGH StV 2005 204, der § 222b analog anwendet, wenn die namentliche Mitteilung der beteiligten Richter nicht entsprechend § 222a erfolgt ist. 7 KK/Gmel 4; Meyer-Goßner/Schmitt 3.

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wirkung hat. Der Betroffene erleidet keine Verkürzung seiner Rechte, wenn er im Interesse der Verfahrensbeschleunigung das Zwischenverfahren nach Überschreiten des dafür vorgesehenen Verfahrensabschnittes nicht mehr herbeiführen kann. Seine Befugnis, vorher die förmliche Beanstandung zu erheben (Rn. 4), bleibt ebenso unberührt wie die allen Beteiligten offene Möglichkeit, das Gericht auf Bedenken gegen die Besetzung formlos aufmerksam zu machen. Zu den Grenzen für die Behebung von Besetzungsmängeln von Amts wegen vgl. Rn. 37, 38. Der Verlust des Beanstandungsrechts tritt auch unabhängig davon ein, ob von der 7 Befugnis, die Aussetzung nach § 222a zu beantragen, Gebrauch gemacht wurde. Bei einer nach der Frist des § 222a Abs. 2 durchgeführten Besetzungsmitteilung wird zwar meist der Aussetzungsantrag der Erhebung des Einwands vorausgehen, da das Konzentrationsgebot des Absatzes 1 Satz 3 eine umfassende Prüfung vor Erhebung des Einwands voraussetzt; rechtlich notwendig ist dies jedoch nicht. Hat das Gericht antragsgemäß ausgesetzt, so ist, wenn der Aussetzungsantrag erst unmittelbar vor der Vernehmung des Angeklagten zur Sache gestellt wurde, wegen der Ausschlussfrist darauf zu achten, dass der Einwand unmittelbar nach Wiedereintritt in die Hauptverhandlung gestellt werden muss, damit er nicht verlorengeht. 8

b) Abwesende Verfahrensbeteiligte werden ebenfalls mit Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache mit dem Einwand ausgeschlossen. Ist kein Angeklagter anwesend, so tritt der Ausschluss mit Beginn der Verlesung der Äußerung des Angeklagten ein, die die Vernehmung zur Sache ersetzt.8 Unerheblich ist insoweit, ob der betreffende Angeklagte befugt oder unbefugt der Hauptverhandlung fernbleibt. Es ist seine Sache, eine eventuelle Beanstandung rechtzeitig zu erheben. Wollte man Absatz 1 Satz 1 anders auslegen, wäre der Zweck der Regelung in diesen Fällen in Frage gestellt. Der Ausschluss tritt selbst dann mit der ersten Vernehmung eines Angeklagten zur Sache ein, wenn das Gericht in einer Punktesache den Erheber des Einwands von der Teilnahme an der Hauptverhandlung von deren Beginn an nach § 231c beurlaubt hat, weil es den ihn betreffenden Teil der Anklage erst später verhandeln will.9 Der abwesende Angeklagte trägt das Risiko der Fristwahrung. Er muss dafür sorgen, dass der Einwand dem erkennenden Gericht rechtzeitig zur Kenntnis kommt, sei es, dass er ihn schriftlich vorbringt (zur Form vgl. Rn. 12) oder dass er zu diesem Zweck kurzfristig trotz der Beurlaubung an der Hauptverhandlung teilnimmt.10

9

c) Bei einer Verbindung mehrerer Verfahren (§ 237), die erst während der Hauptverhandlung beschlossen wird (§ 237, 5), ist dagegen für jedes der verbundenen Verfahren getrennt zu beurteilen, ob der Einwand noch möglich ist.11 Ein noch möglicher Einwand kann nicht dadurch verloren gehen, dass das Verfahren mit einem anderen verbunden wird, in dem der erste Angeklagte bereits zur Sache vernommen worden ist.

10

d) Beim Zusammentreffen des Einwands mit dem Unterbrechungsantrag eines anderen Verfahrensbeteiligten sollte das Gericht zweckmäßigerweise erst dem Antrag entsprechen, damit es dann gegebenenfalls alle Beanstandungen der Besetzung gemein-

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8 KK/Gmel 4; Meyer-Goßner/Schmitt 4; SSW/Grube 8; SK/Deiters/Albrecht 4; vgl. auch bei § 231a, 27; § 232, 26; § 233, 33. 9 KK/Gmel 4; SK/Deiters/Albrecht 4; vgl. bei § 231c, 17. 10 Vgl. § 231c, 4; 5. 11 KK/Gmel 4; SK/Deiters/Albrecht 4.

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5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung

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sam prüfen und bescheiden kann. Dies erscheint auch deshalb erforderlich, weil ein Verfahrensbeteiligter sich zum Einwand in der Regel erst sachgerecht äußern kann, wenn er die eigene Besetzungsprüfung abgeschlossen hat. 3. Form des Einwands a) In der Hauptverhandlung ist der Einwand mündlich zu erheben. Dies gilt für 11 Staatsanwalt und Verteidiger ebenso wie für den Angeklagten, den Nebenkläger und die sonst dazu befugten Personen (Rn. 3). Der Einwand ist eine wesentliche Förmlichkeit des Verfahrens, die in der Sitzungsniederschrift festzuhalten ist. Dabei ist nicht nur anzugeben, dass der Einwand erhoben wurde, sondern auch, auf welchen Richter er sich bezieht und aufgrund welcher Tatsachen (Rn. 17) dessen Mitwirkungsbefugnis bestritten wird. Wegen der strengen Anforderungen an den Tatsachenvortrag der Beanstandung ist es allerdings zweckmäßig, wenn gleichzeitig eine schriftliche Fassung des Einwands und der ihn begründenden Tatsachen übergeben wird, die dann als Anlage zum Protokoll genommen werden kann.12 Der Einwand kann auch dadurch erhoben werden, dass sich ein dazu berechtigter Verfahrensbeteiligter bei seiner Anhörung (Rn. 26) dem Einwand eines anderen anschließt.13 Findet die Anhörung außerhalb der Hauptverhandlung statt, ist dabei die Form des Absatzes 1 Satz 4 zu wahren. Die bloße mündliche Erklärung in einem Anhörungstermin des Zwischenverfahrens dürfte nach dem bei Formvorschriften besonders ins Gewicht fallenden Wortlaut des Gesetzes nicht genügen. b) Außerhalb der Hauptverhandlung kann der Einwand schriftlich in der Form 12 der § 345 Abs. 2, § 390 Abs. 2 erhoben werden (Absatz 1 Satz 4). Insoweit gelten die bei diesen Vorschriften erörterten Grundsätze.14 Der Angeklagte und die ihm insoweit gleichgestellten Personen können – ebenso 13 wie bei der Revisionsbegründung nach § 345 Abs. 2 – den Einwand nur durch eine von einem Verteidiger oder von einem Rechtsanwalt unterzeichnete Schrift (vgl. bei § 345) oder aber zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts geltend machen. Zuständig ist die Geschäftsstelle des Gerichts, vor dem die Hauptverhandlung stattfindet (Absatz 1 Satz 4 i.V.m. § 345 Abs. 2). Bei dem nicht auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten wird man § 299 für entsprechend anwendbar halten müssen.15 Dies folgt, selbst wenn man den Einwand nicht als eine Erklärung ansieht, die sich auf ein Rechtsmittel bezieht (§ 299 Abs. 1), aus der vom Gesetzgeber bewusst durchgeführten Unterstellung dieses Rechtsbehelfs unter die für die Revisionsbegründung geltenden Formvorschriften. Nach dem Zweck der Regelung sollten an die vorgezogene Besetzungsrüge auch insoweit keine strengeren Formerfordernisse gestellt werden als an die Revisionsbegründung. Der Urkundsbeamte muss bei der Aufnahme des Protokolls auf einen entsprechenden sachgerechten, den gesetzlichen Erfordernissen genügenden Tatsachenvortrag (Rn. 17) hinwirken (vgl. bei § 345). Er kann zur Erleichterung dieser Aufgabe wohl auch die Besetzungsunterlagen des Gerichts zu Rate ziehen. Dagegen dürfte er nicht verpflichtet sein, auf die nicht näher begründete Behauptung des erschienenen Angeklagten, das Gericht sei unrichtig besetzt, diese Unterlagen beizuziehen und von sich aus dahin zu

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12 Meyer-Goßner/Schmitt 5; KMR/Eschelbach 33; SK/Deiters/Albrecht 8; SSW/Grube 15; demgegenüber halten KK/Gmel 6; Brauns 167; Dahs Hdb. 517 auch in der Hauptverhandlung eine schriftliche Antragstellung für zulässig. 13 Meyer-Goßner/Schmitt 5; KMR/Eschelbach 34; SK/Deiters/Albrecht 8; SSW/Grube 17. 14 Meyer-Goßner/Schmitt 5; BGH NStZ-RR 2013 352. 15 Brauns 168; KK/Gmel 7; SK/Deiters/Albrecht 7; SSW/Grube 16.

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überprüfen, ob sich ein Besetzungsfehler findet. Denn damit würde § 222a Abs. 3 umgangen. Der Nebenkläger kann nach Absatz 1 Satz 4 in Verbindung mit § 390 Abs. 2 den 14 Einwand außerhalb der Hauptverhandlung nur durch einen von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schriftsatz erheben. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechend den bei § 345 Abs. 2 15 entwickelten Grundsätzen ist nach dem Sinn der Regelung (Ausschlussfrist) ausgeschlossen, weil der Einwand nicht mehr erhoben werden kann, wenn mit der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache begonnen worden ist.16 Eine andere Frage ist, ob sich das Gericht bei einer ersichtlich unzulänglichen Protokollierung des Einwands damit begnügen darf, diesen als unzulässig zu verwerfen, oder ob es in der Hauptverhandlung dem Angeklagten Gelegenheit geben muss, seine Rüge substantiiert rechtzeitig zu wiederholen, bevor es den ersten Angeklagten zur Sache vernimmt. Die Möglichkeit, den Einwand außerhalb der Hauptverhandlung zu erheben, endet 16 nicht mit Beginn der Hauptverhandlung. Zwar liegt der verfahrensökonomische Zweck dieser Regelung darin, dass die Besetzung des Gerichts schon vor der Hauptverhandlung zur Prüfung gestellt werden kann. Wortlaut und Sinn der Vorschrift sprechen dafür, dass auch nach ihrem Beginn, etwa während einer Unterbrechung oder von einem nicht zur Anwesenheit verpflichteten Verfahrensbeteiligten, den Einwand schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle zulässig ist. Vor allem, wenn die Hauptverhandlung nach § 222a Abs. 2 unterbrochen worden ist, kann es für den Fortgang des Verfahrens förderlich sein, den Einwand noch während der Dauer der Unterbrechung zu erheben, damit das Gericht, das über den Einwand im Zwischenverfahren in anderer Besetzung zu entscheiden hat, dieses Zwischenverfahren noch während der Dauer der Unterbrechung einleiten oder vorbereiten kann. Es können dann die Besetzungsunterlagen beigebracht und eventuell erforderliche Auskünfte eingeholt werden, so dass der zur Fortsetzung der Hauptverhandlung bestimmte Termin gleichzeitig zur Anhörung der Beteiligten im Zwischenverfahren benutzt und die Hauptverhandlung bei einer Verwerfung des Einwands ohne nochmalige Verzögerung fortgesetzt werden kann. 17

4. Begründung des Einwands. Dafür genügt nach Absatz 1 Satz 2 nicht die unsubstantiierte Behauptung der vorschriftswidrigen Besetzung. Ebenso wie bei der Verfahrensrüge der Revision (§ 344 Abs. 2) müssen alle Tatsachen angeführt werden, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit der Zusammensetzung des Gerichts ergibt. Auch bei evidenten Besetzungsmängeln, die allen Beteiligten ohne weiteres erkennbar oder bekannt sind, müssen zur Erhaltung der Verfahrensrüge alle den Besetzungsfehler begründenden Tatsachen im Einzelnen rechtzeitig und vollständig vorgebracht werden; die Begründungsanforderungen entsprechen weitgehend denjenigen des § 344 Abs. 2.17 Der Name des nicht mitwirkungsbefugten Richters und unter Umständen auch der Name desjenigen, der an seiner Stelle dazu berufen war,18 müssen ebenso angegeben werden wie die Tatsachen, aus denen sich dies ergibt, wie etwa der Inhalt der fehlenden Feststellung der Verhinderung; hingegen bedarf es grds. keiner Vorlage des Geschäftsverteilungsplans

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16 KK/Gmel 5; Meyer-Goßner/Schmitt 4; KMR/Eschelbach 16; MüKo/Arnoldi 11; SSW/Grube 9; Schroeder NJW 1976 1529; Brauns 173; a.A. Hamm NJW 1979 137; Riedel JZ 1978 378. 17 BGH NStZ 2007 536 f.; MüKo/Arnoldi 13. 18 BGH NZWiSt 2017 74; KMR/Eschelbach 21 f.; einschränkend SK/Deiters/Albrecht 5 und auch SSW/ Grube 12; a.A. Brauns 169; vgl. BGH GA 1983 180 mit Anm. Katholnigg sowie die Anforderungen an die Revisionsbegründung bei § 338 Nr. 1, § 344 Abs. 2; ferner Rd. 45, 50.

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des Gerichts.19 Allerdings ist eine Feststellung der Verhinderung im Falle der Offenkundigkeit entbehrlich, auch wenn sie sich auf andere Kammern auswirkt.20 Welche Tatsachen im Einzelnen anzugeben sind, richtet sich nach dem Inhalt der jeweiligen Regeln, deren Verletzung behauptet wird.21 Sind die Beschwerdeführer etwa der Ansicht, die Voraussetzungen für die Änderungen eines Geschäftsverteilungsplanes nach § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG seinen nicht erfüllt, so müssen sie all die Tatsachen vortragen, die zur Beurteilung der Frage notwendig sind, ob zum Zeitpunkt des Präsidiumsbeschlusses eine Überbelastung vorgelegen hat.22 Der Einwand wurde jedoch unzulässig erhoben, wenn die den Verfahrensbeteiligten mögliche und erforderliche Begründung fehlt; das Gericht ist in diesem Fall zwar nicht verpflichtet, aber dennoch befugt, die Vorschriftswidrigkeit der Besetzung zu prüfen.23 Wegen der Einzelheiten wird auf die Erläuterungen zu § 338 Nr. 1, zu § 344 und auf die für die jeweiligen Besetzungsfragen maßgebenden Vorschriften des GVG (vor allem §§ 21e ff. GVG) verwiesen. 5. Konzentration der Beanstandungen a) Zweck des Konzentrationsgebots (Absatz 1 Satz 3) ist die Straffung des Verfah- 18 rens. Die Verpflichtung, alle Beanstandungen gleichzeitig vorzubringen, soll, ähnlich wie die gleichartige Regelung in § 25 Abs. 1 Satz 2, verhindern, dass das Gericht durch das Nachschieben neuer Beanstandungen gezwungen werden kann, mehrmals über Besetzungseinwände des gleichen Verfahrensbeteiligten zu entscheiden. Wer den Einwand einer vorschriftswidrigen Besetzung des Gerichts erhebt, muss hinsichtlich aller Richter, einschließlich der Ergänzungsrichter und Ergänzungsschöffen, alle Beanstandungsgründe, die er hat, gleichzeitig darlegen. Dies gilt auch für solche Einwände, die nur hilfsweise in Betracht kommen, wenn eine in erster Linie erhobene Beanstandung nicht durchgreifen sollte. Wer den Einwand in zulässiger Form erhoben hat, kann weder weitere Gründe nachschieben noch die erhobene Beanstandung auf die Mitwirkung eines anderen Richters ausdehnen, auch wenn ein solcher Einwand an sich noch möglich wäre, weil die Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache noch nicht begonnen hat.24 Unerheblich ist, ob der zusätzliche Grund für die fehlerhafte Besetzung des Gerichts dem Betreffenden bei Erhebung des Einwands bereits bekannt war oder ihm erst nachträglich zur Kenntnis gelangte.25 Anders als bei § 25 Abs. 1 kommt es bei der Besetzungsrüge nicht allein auf die Kenntnis an. Es geht zu Lasten des Beanstandenden, wenn er seiner Obliegenheit zur Prüfung der ordnungsgemäßen Besetzung des Gerichts vor Erhebung des Einwands nur ungenügend nachgekommen ist. Nur objektiv nicht erkennbare Mängel, die für den Antragsteller auch bei sorgfältiger Prüfung, die auch die Nachfrage bei unklaren oder erkennbar lückenhaften Unterlagen mit einschließt, nicht feststellbar waren,26 unterfal-

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19 BGH StV 2016 623; Meyer-Goßner/Schmitt 6. 20 BGHSt 18 162; BGH NStZ 2001 491. 21 BGH NStZ 2018 110; BGH NStZ 2007 536; zur Rüge einer vorschriftswidrigen Schöffenbesetzung BGH StV 2016 622. 22 BGH NJW 1999 154 ff. 23 Meyer-Goßner/Schmitt 6; BGH NZWiSt 2017 74. 24 KK/Gmel 9; Meyer-Goßner/Schmitt 7; KMR/Eschelbach 25; HK-GS/Schulz 1; SK/Deiters/Albrecht 6. 25 KK/Gmel 9; Meyer-Goßner/Schmitt 7; differenzierend SK/Deiters/Albrecht 6, die zwischen Einwänden, die dem Angeklagten nachträglich bekannt werden und für ihn nachträglich erkennbar werden, unterscheiden; a.A. Hamm NJW 1979 137; Ranft NJW 1981 1476; Brauns 169. 26 Ob auf die objektive Erkennbarkeit (so etwa Brauns 172, ferner nachf. Fn.) oder die Nichterkennbarkeit bei sorgfältiger Prüfung abzustellen ist, läuft weitgehend auf das Gleiche hinaus, da objektiv erkennbare relevante Tatsachen ebenso wie Lücken in den Unterlagen bei sorgfältiger Prüfung und Würdigung nicht unbeachtet bleiben können und dürfen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt 7).

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len nicht der Präklusionswirkung.27 Gleiches gilt für erst nachträglich eingetretene Mängel. Sie können deshalb auch noch später ohne jede Präklusion geltend gemacht werden.28 Auch hinsichtlich der Ergänzungsrichter und Ergänzungsschöffen muss ein et19 waiger Einwand gleich erhoben werden und nicht etwa erst im Zeitpunkt ihres Eintritts. Dies folgt aus dem Zweck der Regelung sowie daraus, dass § 222a Abs. 1 Satz 1 Ergänzungsrichter und Ergänzungsschöffen in die Mitteilungspflicht uneingeschränkt einbezogen hat.29 20

b) Ausschlusswirkung. Das Konzentrationsgebot gilt nur für die Beanstandungen des jeweiligen Verfahrensbeteiligten. Es hindert die anderen Verfahrensbeteiligten nicht, unter Ausnützung der ihnen eingeräumten Zeitspanne für die Prüfung ihren Einwand erst später zu erheben und auf andere Beanstandungen zu stützen. Nachdem der Angeklagte neben dem Verteidiger ein selbständiges Beanstandungsrecht hat (Rn. 3), wird man auch ihm zubilligen müssen, dass er ungehindert vom Inhalt des bereits erhobenen Einwandes seines Verteidigers seinerseits nachträglich andere Beanstandungen erheben kann, solange mit der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache noch nicht begonnen worden ist. Umgekehrt gilt gleiches.30 Hat der Angeklagte mehrere Verteidiger, so steht jedem von ihnen ein eigenständiges Rügerecht zu und jeder kann die gesetzliche Frist ausnützen. Sobald ein Verteidiger von diesem Recht Gebrauch gemacht hat, sind seine späteren Einwendungen unzulässig.31 Das Konzentrationsgebot hat zur Folge, dass jeder dazu berechtigte Verfahrensbetei21 ligte den Einwand der fehlerhaften Besetzung nur einmal erheben kann. Hiervon wird nur dann eine Ausnahme zu machen sein, wenn der erste Einwand als unzulässig zurückgewiesen worden ist, etwa, weil er nicht der Form des Absatzes 1 Satz 2 genügte. In diesen Fällen schließt das Konzentrationsgebot nach seinem Sinn nicht die erneute Erhebung von Beanstandungen innerhalb der Ausschlussfrist aus.32 Die förmliche Zurückweisung als unzulässig wird sich aber meist dadurch vermeiden lassen, dass der Vorsitzende in der Hauptverhandlung auf die formalen Mängel hinweist und dadurch die Möglichkeit eröffnet, den Einwand in zulässiger Form zu erheben. III. Entscheidung des Gerichts (Absatz 2)

1. Beschlussbesetzung. Die Entscheidung über den Einwand der fehlerhaften Besetzung ist zur Vereinfachung und Verfahrensbeschleunigung entsprechend dem Regierungsentwurf dem gleichen Gericht übertragen worden, das die Hauptverhandlung durchführt und dessen Zusammensetzung beanstandet wird. Es entscheidet allerdings in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhand23 lung geltenden Besetzung, beim LG also nach § 76 Abs. 1 GVG mit drei Berufsrichtern ohne Schöffen, auch wenn für die Hauptverhandlung eine Besetzung mit nur zwei Berufsrichtern beschlossen wurde (§ 76 Abs. 2 GVG). Beim OLG entscheiden nach § 122 22

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27 BVerfG (Vorprüfungsausschuss) MDR 1984 731; BGH NStZ 1986 48; NJW 1997 403; Vogt/Kurth NJW 1985 105; SSW/Grube 13; MüKo/Arnoldi 8; KMR/Eschelbach 27. Nach Ranft NJW 1981 1476 ist ein Mangel nicht erkennbar, der weder aus den Besetzungsunterlagen zu ersehen oder offensichtlich ist. 28 Vgl. dazu Rn. 39. 29 H.M.; etwa KK/Gmel 9; Meyer-Goßner/Schmitt 7; SSW/Grube 2. 30 Meyer-Goßner/Schmitt 3; KMR/Eschelbach 30 f.; SK/Deiters/Albrecht 6; MüKo/Arnoldi 16. 31 BGH NJW 1999 1644, 1646. 32 KK/Gmel 9; Meyer-Goßner/Schmitt 7; SK/Deiters/Albrecht 6.

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Abs. 1 GVG drei und nicht nach § 122 Abs. 2 GVG fünf Berufsrichter.33 Die Berufsrichter des Spruchkörpers, vor dem die Hauptverhandlung stattfindet, sind somit zwar meist, aber nicht notwendigerweise zur Entscheidung über den Einwand berufen. Maßgebend ist die Geschäftsverteilung, die vor allem dann auseinandergehen kann, wenn auswärtigen Strafkammern (§ 78 Abs. 1 GVG) und auswärtigen Strafsenaten (§ 116 Abs. 2 GVG) nur die Hauptverhandlung zugewiesen ist. Anders als nach § 27 Abs. 1 ist ein Berufsrichter nicht dadurch von der Entscheidung ausgeschlossen, dass sich der Einwand gegen seine eigene Mitwirkung an der Hauptverhandlung richtet.34 Der Gesetzgeber hat im Interesse der Verfahrensbeschleunigung die Selbstprüfung bewusst in Kauf genommen. Der Beschleunigungseffekt kann allerdings nur voll wirksam werden, wenn der Spruchkörper, der über den Einwand in einem Zwischenverfahren außerhalb der Hauptverhandlung entscheiden muss, geschäftsordnungsmäßig so gebildet wird, dass er sich aus den Berufsrichtern des erkennenden Gerichts zusammensetzt. Andernfalls ist selbst bei einer offensichtlich fehlgehenden Beanstandung eine längere Unterbrechung der Hauptverhandlung kaum zu vermeiden. Der Ausschluss der Schöffen entspricht dem Verfahren bei der Richterablehnung 24 (§ 27 Abs. 2). Der Gesetzgeber will damit dem Umstand Rechnung tragen, dass Entscheidungen über Besetzungsfragen sich wenig für die Mitwirkung von Laien eignen; ferner soll dadurch erreicht werden, dass das Gericht über den Einwand stets in der gleichen Besetzung entscheidet ohne Rücksicht darauf, ob er in der Hauptverhandlung oder schon vorher erhoben worden ist.35 Andernfalls wären wegen der Mitwirkung verschiedener Richter unterschiedliche Entscheidungen nicht auszuschließen, da die gleiche Beanstandung von verschiedenen Verfahrensbeteiligten teils vor, teils in der Hauptverhandlung erhoben werden kann. 2. Zwischenverfahren a) Der Gegenstand des Zwischenverfahrens zur Vorbereitung der Entscheidung 25 über den Einwand ist, wie seine Bindung an den revisionsähnlich ausgestalteten Einwand zeigt, eng begrenzt. Sein Ziel ist nur die Prüfung der sachlichen Richtigkeit und rechtlichen Erheblichkeit der zur Begründung des Einwands formgerecht angeführten Tatsachen. Nur hierauf erstrecken sich die Ermittlungen des Gerichts. Sonstige Tatsachen, die aus den Besetzungsunterlagen ersichtlich sind oder die von den anderen Verfahrensbeteiligten bei ihrer Anhörung vorgetragen wurden, darf das Gericht nur insoweit berücksichtigen, als sie für eine sich in den oben genannten Grenzen haltende Entscheidung von (eventuell indizieller) Bedeutung sind. Sie dürfen nicht dazu verwendet werden, den Einwand auf eine völlig neue Tatsachengrundlage zu stellen. Im Übrigen gelten für das im Gesetz nicht näher geregelte Verfahren die allgemeinen Grundsätze. Wo sie nicht eingreifen, ist das Gericht in seiner Verfahrensgestaltung frei. Es gilt Freibeweis, in dessen Rahmen die Besetzungsunterlagen auch in tatsächlicher Hinsicht überprüft und dienstliche Erklärungen eingeholt werden können. Ob die den Einwand tragenden Tatsachen zutreffen, entscheidet das Gericht in freier Beweiswürdigung.

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33 HK/Julius/Reichling 9; KK/Gmel 10; KMR/Eschelbach 40; MüKo/Arnoldi 20; a.A. Meyer-Goßner/ Schmitt 9; SSW/Grube 18. Zur strittigen Frage vgl. auch bei 122 GVG. 34 AK/Keller 5; KK/Gmel 10; Meyer-Goßner/Schmitt 9; KMR/Eschelbach 42. 35 Begr. BTDrucks. 8 976, S. 47.

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b) Die Anhörung der Verfahrensbeteiligten richtet sich nach § 33.36 Da es sich um ein Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung handelt, sind die Staatsanwaltschaft und die anderen Verfahrensbeteiligten, deren Recht auf den gesetzlichen Richter ebenfalls betroffen ist, nach Maßgabe von § 33 Abs. 2, 3 anzuhören. Dies kann schriftlich oder mündlich geschehen. Wird der Einwand in der Hauptverhandlung erhoben, so ist es – zumal wenn die 27 gleichen Berufsrichter über den Einwand entscheiden – unbedenklich, wenn noch im Rahmen der Hauptverhandlung die anwesenden Beteiligten zu dem Einwand gehört werden,37 obwohl dies kein Teil der Hauptverhandlung, sondern ein Teil eines besonderen Zwischenverfahrens ist, bei dem keine Pflicht zur mündlichen Verhandlung besteht. Die mündliche Erörterung mit allen Beteiligten ist aber, weil Zeit und Aufwand sparend, meist zweckmäßig. Der Vorsitzende kann auch den in der Hauptverhandlung anwesenden Verfahrensbeteiligten anheimgeben, sich binnen einer von ihm bestimmten Frist zu dem Einwand und den Tatsachen, mit denen er begründet wird (vgl. Absatz 1 Satz 2, 3), schriftlich zu äußern. Selbst die Anhörung durch einen beauftragten Richter des zur Entscheidung über den Einwand berufenen Spruchkörpers dürfte zulässig sein, wie ja überhaupt das Verfahren weitgehend einer freien Gestaltung offen ist, sofern nur die Erfordernisse des ausreichenden rechtlichen Gehörs der Beteiligten gewahrt bleiben. Nur bei einer flexiblen Verfahrensgestaltung lassen sich die Schwierigkeiten vermeiden, die sich ergeben, wenn dem Spruchkörper, der über den Einwand entscheidet, andere Richter angehören als die an der Hauptverhandlung beteiligten Berufsrichter. 28 Die Äußerung zum Einwand steht im Belieben der anderen Verfahrensbeteiligten; die Staatsanwaltschaft sollte grundsätzlich durch ihre Stellungnahme an der Erarbeitung einer sachgerechten Entscheidung mitwirken. Wird der Einwand eines anderen Verfahrensbeteiligten für berechtigt erklärt, so liegt in der Regel darin noch nicht die Erklärung, dass der Einwand nunmehr auch im eigenen Namen geltend gemacht wird. Auslegungszweifel sind wegen der Formvorschriften (Rn. 11) und wegen der Folgen (Konzentrationsgebot, Rn. 18) durch Rückfragen zu klären. 26

3. Entscheidung über den Einwand 29

a) Die Entscheidung über den Einwand ergeht durch Beschluss, der als solcher nicht Teil der Hauptverhandlung ist. Er kann – auch im Rahmen der Hauptverhandlung – nach § 35 Abs. 1 Satz 1 in Anwesenheit der betroffenen Personen verkündet werden.38 Dies geschieht zweckmäßigerweise bei Beginn des zur Fortsetzung der Hauptverhandlung bestimmten Termins. Sie kann aber auch in einem Termin außerhalb der Hauptverhandlung verkündet werden, etwa wenn der über den Einwand entscheidende Spruchkörper mit den Verfahrensbeteiligten mündlich den Einwand erörtert hatte. Bei einer Bekanntgabe zu Beginn der Hauptverhandlung brauchen nicht alle Mitglieder des Spruchkörpers anwesend sein, der über den Einwand entschieden hat. Es genügt die Eröffnung durch den Vorsitzenden des erkennenden Gerichts. Schriftlich kann die Entscheidung über den Einwand formlos (§ 35 Abs. 2 Satz 2) allen Betroffenen mitgeteilt werden, da sie keine Frist in Lauf setzt. Sie ist nicht nur dem Antragsteller sondern allen einwandberechtigten Verfahrensbeteiligten mitzuteilen;39 denn auch wenn sie sich dem Einwand nicht angeschlossen haben, ist ihr Recht auf den gesetzlichen Richter mitbe-

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KK/Gmel 11; Meyer-Goßner/Schmitt 10; SK/Deiters/Albrecht 9; MüKo/Arnoldi 19. SK/Deiters/Albrecht 9. Etwa Meyer-Goßner/Schmitt 14; SK/Deiters/Albrecht 12. Strittig, wie hier KK/Gmel 13; a.A. Meyer-Goßner/Schmitt 14 (nur den Antragstellern).

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troffen; bei einer stattgebenden Entscheidung folgt dies auch daraus, dass damit die anhängige Hauptverhandlung beendet wird. b) Gegenstand der Entscheidung ist entsprechend der beschränkten Prüfungsbe- 30 fugnis (Rn. 25) nur die Zulässigkeit und Begründetheit des jeweiligen Einwands, nicht etwa die Ordnungsmäßigkeit der Besetzung des Spruchkörpers insgesamt. Die Entscheidung hindert die anderen Verfahrensbeteiligten nicht, die Mitwirkung eines anderen Richters oder des gleichen Richters aufgrund anderer Tatsachen zu beanstanden. Lediglich hinsichtlich der gleichen Tatsachen dürfte der Beschluss auch den möglichen Einwand anderer Verfahrensbeteiligter mitverbrauchen, da das Gericht nicht gehalten sein kann, das Zwischenverfahren wegen des gleichen Einwands mehrfach zu wiederholen.40 Es kann den Einwand unter Hinweis auf den früheren Beschluss sogleich ablehnen. Maßgebend ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung,41 bis dahin ist es den Gerichtsorganen möglich, nicht formgebundene Entscheidungen zur Besetzung aktenkundig zu machen oder zutage getretene formale Mängel noch zu beheben. So kann etwa die fehlende Feststellung einer nicht offenkundigen Verhinderung noch nachgeholt werden.42 c) Ein bestimmter Zeitpunkt für die Entscheidung wird durch das Gesetz nicht 31 vorgeschrieben. Wie die Begründung des Regierungsentwurfs zeigt, hielt man dies nicht für notwendig, denn es verstehe sich von selbst, dass ein Gericht, dessen ordnungsgemäße Besetzung in Frage gestellt sei, sich rechtzeitig vor weiterer Förderung der Sache hierüber Klarheit verschaffe und seine Auffassung bekanntgebe.43 Es liegt in der Tat nahe, dass das Gericht sich bemüht, über einen vor der Hauptverhandlung erhobenen Einwand so rechtzeitig zu entscheiden, dass der Beginn der Hauptverhandlung nicht in Frage gestellt wird, ferner, dass es die Hauptverhandlung alsbald unterbricht, wenn der Einwand in dieser erhoben wird. Es ist jedoch zulässig, wenn das Gericht zur Vermeidung einer Verfahrensverzögerung aus prozesswirtschaftlichen Überlegungen – auch, um nicht mehrmals wegen verschiedener Besetzungsrügen unterbrechen zu müssen – die Hauptverhandlung zunächst noch analog § 29 Abs. 2 fortsetzt.44 Im Interesse der Verfahrensklarheit sollte aber vor der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache die Besetzungsprüfung vorgenommen werden.45 d) Der Inhalt des Beschlusses, der nach § 34 zu begründen ist, folgt, soweit er nicht 32 durch Absatz 2 Satz 2 festgelegt ist, aus seinem Zweck. Ein den Frist- und Formerfordernissen des Absatzes 1 nicht genügender Einwand ist als unzulässig zu verwerfen, ein sachlich unberechtigter Einwand ist als unbegründet zurückzuweisen.46 Hält das Gericht dagegen den Einwand für begründet, so muss es sich nach Absatz 2 Satz 2 im Tenor auf die Feststellung beschränken, dass es nicht vorschriftsmäßig besetzt ist. Weshalb die Besetzung fehlerhaft ist, ist in den Gründen darzulegen. Eine bindende Feststellung darüber, wer statt des fehlerhaft mitwirkenden Richters zur Entscheidung berufen ist, kann das Gericht nicht treffen.47 Diese Entscheidung obliegt in der Regel anderen Gerichtsor-

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AK/Keller 7; KK/Gmel 14. Wegen ähnlicher Fragen vgl. bei §§ 6a, 16. BGHSt 30 268 = NStZ 1982 295 mit Anm. Rieß; BGHSt 33 234. AK/Keller 8; Meyer-Goßner/Schmitt 12; vgl. Niemöller StV 1987 314; a.A. Kissel FS Rebmann 73. BTDrucks. 8 976, S. 47; SK/Deiters/Albrecht 10. Siehe hierzu auch Dallmeyer StV 2018 533. Meyer-Goßner/Schmitt 10. Siehe auch BGH NStZ 2018 668; dazu auch SSW/Grube 23 f. KK/Gmel 14; Meyer-Goßner/Schmitt 12; KMR/Eschelbach 50; SK/Deiters/Albrecht 12.

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ganen, außerdem ist im Zeitpunkt der Entscheidung, die die Fehlerhaftigkeit der bisherigen Besetzung feststellt, meist noch nicht vorhersehbar, wann und in welcher Besetzung die erneute Hauptverhandlung stattfinden kann. Scheidet der Richter, gegen den sich der Einwand richtet, während des Zwischenverfahrens aus anderen Gründen aus (Krankheit, erfolgreiche Ablehnung), so erledigt sich das Zwischenverfahren. Da es zu keiner Sachentscheidung über den Einwand kommt, gilt Absatz 2 Satz 3 für das weitere Verfahren nicht. IV. Verfahren nach der Entscheidung 1. Auswirkungen der Entscheidung 33

a) Fortsetzung des Verfahrens. Wird der Einwand als unzulässig oder als unbegründet verworfen, dann wird die zur Entscheidung über den Einwand meist unterbrochene Hauptverhandlung zu dem vom Vorsitzenden des erkennenden Gerichts zweckmäßigerweise bereits bei der Unterbrechung bestimmten Termin fortgesetzt. Die Dauer der Unterbrechung darf die Frist des § 229 jedoch nicht überschritten haben.

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b) Neue Hauptverhandlung. Wenn im Zwischenverfahren festgestellt wird, dass das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt ist, ist die Hauptverhandlung beendet, ohne dass es noch eines zusätzlichen Beschlusses des erkennenden Gerichts in der für die Hauptverhandlung vorgesehenen, als regelwidrig erkannten Besetzung bedarf.48 Die Hauptverhandlung ist in anderer Besetzung neu zu beginnen; denn nach § 226 muss die ganze Hauptverhandlung in Anwesenheit der zur Urteilsfindung berufenen Personen durchgeführt werden. Kann das Gericht in seiner neuen Besetzung sogleich zusammentreten, so ist der Neubeginn der Hauptverhandlung im Anschluss an die Bekanntgabe des Beschlusses ohne erneute Ladung möglich. Andernfalls muss die Hauptverhandlung auf einen späteren Termin vertagt werden.49 Für das neubegonnene Verfahren schließt Absatz 2 Satz 3 eine erneute Beset35 zungsmitteilung nach § 222a ausdrücklich aus, selbst wenn die neue Hauptverhandlung nach erneuter Ladung erst Monate später stattfinden sollte. Bei den Verfahren, bei denen der Einwand zu einer Änderung der Besetzung geführt hat, besteht – anders als bei den von Amts wegen zu berücksichtigenden Besetzungsfehlern50 – nach dem Willen des Gesetzgebers keine Obliegenheit der Verfahrensbeteiligten zur rechtzeitigen Besetzungsprüfung mehr, deshalb entfällt auch die Unterbrechung nach § 222a Abs. 2 und die Verpflichtung, zur Erhaltung der Revision Besetzungsfehler rechtzeitig zu beanstanden. Da keine Präklusion eintritt, können Fehler der Besetzung uneingeschränkt mit der Revision nach § 338 Nr. 1 gerügt werden. Ein mit der Revision angreifbarer Besetzungsfehler liegt etwa vor, wenn statt der für den Tag des neuen Sitzungsbeginns ausgelosten Schöffen die für den ursprünglichen Prozessbeginn ausgewählten Schöffen zur Mitwirkung beru-

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48 KK/Gmel 14; SK/Deiters/Albrecht 12. Da es sich um zwei verschiedene Spruchkörper handelt, könnte der Wortlaut des Absatzes 2 dahin verstanden werden, dass im Zwischenverfahren nur die Regelwidrigkeit der Besetzung festgestellt wird, während die Hauptverhandlung durch einen zusätzlichen Beschluss des erkennenden Gerichts auszusetzen ist (so Rieß JR 1981 95; Meyer-Goßner/Schmitt 12; wohl auch AK/Keller 8). Ein solcher Beschluss ist zwar unschädlich, ihn zu fordern wäre jedoch eine das Verfahren nur verzögernde, leerlaufende Formalität, sofern man nicht annimmt, dass sich das erkennende Gericht über die Entscheidung, es sei unrichtig besetzt, hinwegsetzen darf; vgl. Rn. 37. A.A. HK/Julius/Reichling 12. 49 Meyer-Goßner/Schmitt 12; SSW/Grube 27. 50 Rieß JR 1981 91; Meyer-Goßner/Schmitt 15; a.A. Bohnert 65.

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fen werden. Das gilt selbst dann, wenn die neue Hauptverhandlung an einem Tag beginnt, der von Anfang an als (Fortsetzungs-)Sitzungstag bestimmt war. Schöffen werden nämlich nicht für bestimmte Strafverfahren, sondern für bestimmte Sitzungstage ausgelost, so dass die ursprünglich ausgewählten Schöffen nicht zuständig bleiben.51 Die Prozessbeteiligten sind in der neuen Hauptverhandlung zwar nach § 24 Abs. 3 36 Satz 2 befugt, die Namen der Richter zu erfragen, und sie sind auch nicht gehindert, formlos Bedenken gegen die Besetzung geltend zu machen. Das Gericht – und zwar in der für die Durchführung der Hauptverhandlung maßgebenden und nicht in der von Absatz 2 Satz 1 vorgeschriebenen Besetzung52 – muss dann wie auch sonst in den nicht der Präklusionsregelung unterstellten Verfahren von Amts wegen prüfen, ob es vorschriftsmäßig besetzt ist.53 Dies geschieht jedoch nicht im Zwischenverfahren nach § 222b und schließt die Rüge eines Besetzungsfehlers mit der Revision nicht aus. 2. Bindung an die Entscheidung. Das erkennende Gericht der Hauptverhandlung 37 ist an die Feststellung, es sei unvorschriftsmäßig besetzt, gebunden.54 Auch wenn es anderer Rechtsauffassung sein sollte, muss es aus diesem Beschluss die notwendigen Folgerungen für die anhängige Hauptverhandlung ziehen (Rn. 34). Eine Bindung besteht auch für die Justizorgane, die bei einer dem Einwand stattgebenden Entscheidung über die Neubesetzung befinden müssen. Sie müssen der Entscheidung Rechnung tragen, soweit darin eine vorschriftswidrige Besetzung festgestellt worden ist.55 Voraussetzung ist allerdings, dass die für die Entscheidung maßgebenden Tatsachen bis zum Neubeginn der Hauptverhandlung unverändert geblieben sind. Haben sich diese verändert, besteht insoweit keine Bindung. Meist werden nach den für die Besetzung des Gerichts bei der neuen Hauptverhandlung geltenden Regeln ohnehin zum Teil andere Richter, vor allem andere Schöffen, zur Mitwirkung berufen sein. Wird der Einwand als unbegründet verworfen, ist strittig, ob das erkennende Ge- 38 richt für das weitere Verfahren daran gebunden ist, oder ob es, wie in den nicht den §§ 222a, 222b unterfallenden Verfahren, berechtigt und verpflichtet bleibt, trotz des Eintritts der Präklusionswirkung nachträglich erkannte Mängel seiner Besetzung von Amts wegen zu berücksichtigen. Die vorherrschende Meinung56 nimmt an, dass das erkennende Gericht ungeachtet der eingetretenen Präklusion der Besetzungsrüge weiterhin verpflichtet bleibt, die Rechtmäßigkeit seiner Besetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und bei einem erkannten Besetzungsfehler das Verfahren einzustellen. Demgemäß sollen auch die Verfahrensbeteiligten weiterhin befugt bleiben, das Gericht auf einen solchen Fehler hinzuweisen57 und eine Prüfung durch das erkennende Gericht anzuregen, ohne freilich eine Verletzung dieser Prüfungspflicht später mit

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51 BGH NJW 2002 2963. 52 Wagner JR 1980, 53; Boergen MDR 1980, 619. A.A. HK/Julius/Reichling 13. 53 KK/Gmel 14; Meyer-Goßner/Schmitt 15; SK/Deiters/Albrecht 13. 54 Meyer-Goßner/Schmitt 12; vgl. auch Bohnert 61. Eine Bindung des erkennenden Gerichts verneinen KK/Gericke § 338, 14, KK/Gmel 14; Brauns 191. Wieso dann der Gesetzgeber die Entscheidung einem besonderen Spruchkörper vorbehalten hat, wenn das erkennende Gericht in der für die Hauptverhandlung maßgebenden Besetzung die gleiche Frage anders entscheiden dürfte, ist nicht einzusehen (vgl. auch Rn. 23). 55 Bohnert 59; AK/Keller 8; KK/Gmel 16; Meyer-Goßner/Schmitt 12; KMR/Eschelbach 57. Die Ansicht, das Gericht müsse in einer als fehlerhaft festgestellten Besetzung verhandeln, wenn die für die Besetzung zuständigen Organe der Gerichtsverwaltung anderer Auffassung seien (Brauns 191), ist mit der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) unvereinbar. 56 BGH NStZ 1986 48; KG MDR 1980 688; Bohnert 64; Brauns 197; Vogt/Kurth NJW 1985 105; Rieß JR 1981 94; KK/Gmel 14; Meyer-Goßner/Schmitt 2; KMR/Eschelbach 55; 15; SSW/Grube 3; MüKo/Arnoldi 2. 57 Brauns 194.

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der Revision geltend machen zu können.58 Demgegenüber ist mit der Mindermeinung59 daran festzuhalten, dass die vom Gesetzgeber gewählte Konstruktion eines vorgezogenen und formalisierten Besetzungseinwands und die Zuweisung der Entscheidung dafür an einen aus der Hauptverhandlung ausgegliederten besonderen Spruchkörper, der nicht einmal hinsichtlich der Berufsrichter mit dem erkennenden Gericht personengleich sein muss (Rn. 23), dafür spricht, dass das erkennende Gericht die Rechtmäßigkeit seiner Besetzung insoweit nicht mehr zu prüfen hat. Diese Prüfung ist kraft Gesetzes mit präkludierender Wirkung auf einen besonderen Verfahrensabschnitt beschränkt und einem besonderen Spruchkörper zugewiesen. Bejaht dieser die Rechtmäßigkeit der Besetzung, ist dies für das erkennende Gericht bindend. Bei einer fortbestehenden Pflicht zur Amtsprüfung in diesem Bereich wäre die Formalisierung des Einwands in § 222b Abs. 1 sinnlos; denn dann müsste das erkennende Gericht in Konkurrenz zum besonderen Spruchkörper von Amts wegen auch die ausdrücklich nicht gerügten Tatsachen aufgreifen und zur Grundlage einer eigenen, eventuell widersprüchlichen Entscheidung60 machen. Besetzungsfehler könnten dann – entgegen dem Regelungszweck der §§ 222a, 222b – auch trotz des Wegfalls der Revisionsrüge dazu verwendet werden, eine Hauptverhandlung, die ein unliebsames Ergebnis erwarten lässt, aus den Angeln zu heben; das erkennende Gericht könnte auch an einem ihn kurz vor dem Urteil aufgezeigten Besetzungsmangel nicht vorübergehen.61 Mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist der Wegfall der Prüfungskompetenz des erkennenden Gerichts vereinbar, denn das Gericht in der Besetzung des § 222b Abs. 2 Satz 1 ist der gesetzliche Richter für die Nachprüfung der Besetzung der Richterbank. Bejaht es deren Ordnungsgemäßheit nach Prüfung der Unterlagen, kann in aller Regel nicht von einer zumindest objektiv nicht zu rechtfertigenden, grob fehlerhaften und damit willkürlichen Fehlbesetzung des erkennenden Gerichts gesprochen werden; das Fortbestehen seiner Prüfungskompetenz erscheint deshalb auch nicht unter dem Gesichtspunkt der baldigen Behebung eines Verfassungsverstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG geboten. Gleiches gilt wegen etwaiger im Zwischenverfahren nicht ordnungsgemäß gerügter Besetzungsmängel; diese können später nicht mehr mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden, weil insoweit der Rechtsweg nicht erschöpft wurde.62 Die an sich denkbare Lösung, auch alle späteren Entscheidungen über die Besetzung dem besonderen Spruchkörper vorzubehalten, 63 beruht letztlich ebenfalls auf der Annahme einer Verlagerung der Entscheidungskompetenz und damit einer Bindung des erkennenden Gerichts durch die Entscheidung des besonderen Spruchkörpers. Gegen die Zulassung eines späteren, von Amts wegen einzuleitenden Zwischenverfahrens spricht jedoch, dass es im Gesetz nicht vorgesehen ist und die Stringenz der Regelung, die die Besetzungsprüfung bewusst nur zu Beginn der Hauptverhandlung vorgesehen hat, in Frage stellen würde.64

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58 BGH StV 1996 3; Bohnert 65. 59 OLG Celle NStZ 1991 553; Boergen MDR 1980 619; Wagner JR 1980 53; Roxin/Schünemann § 43, 8. 60 Widersprüchliche Entscheidungen sind schon wegen der unterschiedlichen Besetzung und der unterschiedlichen Quoren denkbar. 61 Diese Gefahr wiegt schwerer als der Einwand gegen die Bindungswirkung von Bohnert 65, dass das erkennende Gericht dann trotz eines nach seiner Ansicht bestehenden Besetzungsfehlers weiterverhandeln muss; insoweit hat es auch keine Entscheidungskompetenz mehr. 62 AK/Keller 9; KMR/Eschelbach 89; SK/Deiters/Albrecht 16; Rieß NJW 1978 2269 Fn. 85. 63 Rieß JR 1981 95; a.A. Brauns 196; vgl. Fn. 40. 64 Die praktikable Lösung des Sonderfalls durch KG MDR 1980 688 = JR 1981 124 mit Bespr. Rieß JR 1981 93 darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine trotz Verwerfung des Besetzungseinwands fortbestehende Amtspflicht, die ordnungsgemäße Zusammensetzung des Gerichts weiterhin zu prüfen, wegen des vom Gesetzgeber gewollten Ausschlusses der Revision („kann nur“) unter dem Gesichtspunkt des willkürlichen Entzugs des gesetzlichen Richters mehr Anfechtungsprobleme aufwirft als löst.

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5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung

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Bei nicht der Präklusion unterfallenden Besetzungsmängel bestehen das Recht 39 und die Pflicht des erkennenden Gerichts zur Prüfung von Amts wegen im vollen Umfang fort. Das gilt für die Mängel, die erst nach Vernehmung der ersten Angeklagten zur Sache eingetreten sind, etwa durch den fehlerhaften Eintritt eines Ersatzrichters, ferner für solche Besetzungsmängel, die für die Rügeberechtigten zu der Zeit, zu der sie den Besetzungseinwand erhoben haben oder hätten erheben müssen, objektiv nicht erkennbar waren.65 Von Amts wegen nachzuprüfen sind ferner alle Mängel, die in der Person eines mitwirkenden Richters begründet sind, wie etwa bei einem Schöffen, der schläft oder der wegen eines anhängigen Strafverfahrens zur Ausführung seines Amtes unfähig ist66 oder etwa die Fragen der Mitwirkung eines blinden Richters.67 V. Rechtsbehelfe 1. Beschwerde a) Besetzungsmitteilung. Die Beschwerde ist weder gegen eine die Mitteilung ver- 40 fügende noch gegen eine die Mitteilung vor der Hauptverhandlung ablehnende Anordnung des Vorsitzenden zulässig;68 auch ein Beschluss des Gerichts nach § 238 Abs. 2 kann nicht herbeigeführt werden.69 Der Beschluss, der die Unterbrechung nach § 222a Abs. 2 anordnet oder einen dahin zielenden Antrag ablehnt, ist ebenfalls der Beschwerde entzogen.70 Die Handhabung des § 222a ist für sich allein nicht anfechtbar. Sie hat für das weitere Verfahren nur insoweit Bedeutung, als dadurch unter Umständen die Möglichkeit erhalten bleibt, mit der Revision eine fehlerhafte Gerichtsbesetzung zu rügen. b) Der Beschluss nach § 222b Abs. 2, mit dem das Gericht den Einwand der fehler- 41 haften Besetzung zurückweist, unterliegt nicht der Beschwerde.71 Der im Zwischenverfahren über den Einwand entscheidende Spruchkörper ist ein Organ des erkennenden Gerichts i.S.v. § 305, auch wenn er in anderer personeller Zusammensetzung entscheidet als das Gericht in der Hauptverhandlung. Bei einer dem Einwand stattgebenden Entscheidung entfällt die Beschwerde 42 ebenfalls. Ein ausdrücklicher Ausschluss der Beschwerde wie etwa in § 28 Abs. 1 fehlt. Da die stattgebende Entscheidung das Recht der anderen Verfahrensbeteiligten auf den gesetzlichen Richter berührt, scheitert deren Beschwerde auch nicht bereits an der mangelnden Beschwer. Es kommt also darauf an, ob man die Entscheidung als allein der Vorbereitung der Urteilsfällung dienend und damit der ratio des § 305 unterfallend an-

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65 Vgl. Rn. 18; ferner die Nachw. Fn. 21. 66 Vgl. bei § 32 GVG. 67 BGHSt 34 236 = NStZ 1987 335 mit Anm. Fezer; BGHSt 35 28; vgl. bei § 261. 68 HK/Julius/Reichling 14; KK/Gmel § 222a, 15; Meyer-Goßner/Schmitt § 222a, 22; SSW/Grube 30; SK/Deiters/Albrecht § 222a, 26. Im Ergebnis auch Brauns 198, der bei einer verfahrensrechtlich nicht gebotenen Mitteilung jede prozessuale Beschwer verneint und bei falscher, unvollständiger oder ganz unterbliebener Mitteilung Überholung der Beschwerde durch den Verfahrensfortgang annimmt. 69 Meyer-Goßner/Schmitt § 222a, 25; SK/Deiters/Albrecht § 222a, 26. 70 AK/Keller 9; KK/Gmel § 222a, 15; Meyer-Goßner/Schmitt § 222a, 15; KMR/Eschelbach § 222a, 46; Roxin/ Schünemann § 43, 8. Brauns 200 nimmt an, dass eine Beschwerde des Gegners des Antragstellers gegen die Unterbrechung mit dem Regelungszweck unvereinbar wäre und sich überdies durch Überholung alsbald erledigen würde. Gegen die Anwendbarkeit des § 305 Satz 1 Bohnert 64 (kein Raum, da Beschluss vom Revisionsgericht nicht geprüft wird). 71 KK/Gmel 17; Meyer-Goßner/Schmitt 15; Brauns 190, 197. Bohnert 63 legt dar, dass der ablehnende Beschluss keine prozessuale Beschwer enthält, da er die Besetzungsprüfung nicht präjudiziert.

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§ 222b

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sieht72 oder ob man dies verneint, weil der Beschluss zunächst rein faktisch den Fortgang des Verfahrens hindert, vor allem, wenn das Gericht in der geänderten Besetzung erst später zusammentreten kann. Er dient aber zugleich der Vorbereitung der Hauptverhandlung in der neuen Besetzung, die nach § 222b Abs. 2 Satz 3, § 338 Nr. 1 uneingeschränkt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterfällt. Nur eine die Zusammensetzung des neuen Spruchkörpers nicht (mehr) beeinflussende stattgebende Entscheidung kann die Revision nach §§ 336, 337 nicht begründen, weil das Urteil nicht darauf beruht, etwa wenn bei der erneuten Hauptverhandlung ohnehin andere als die mit Erfolg beanstandeten Schöffen zur Mitwirkung berufen sind. In solchen Fällen würde aber auch eine Beschwerde als vom Verfahrensgang überholt entfallen.73 Es erscheint sachgerecht, § 305 Satz 1 auch auf solche Beschlüsse anzuwenden, die den Weg zum Neubeginn der Hauptverhandlung weisen. 2. Revision 43

a) Die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts kann in den Verfahren, auf die §§ 222a, 222b anwendbar sind, nach § 338 Nr. 1 nur gerügt werden, wenn zusätzlich eine oder auch mehrere der dort aufgeführten Zulassungsvoraussetzungen gegeben sind;74 nämlich:75 § 338 Nr. 1a. Die Besetzung ist dem Revisionsführer nicht, nicht richtig oder nicht 44 vollständig oder verspätet (erst nach Beginn der Hauptverhandlung, vgl. § 222a, 4) mitgeteilt worden. Werden ihm die Besetzungsunterlagen nicht, nicht vollständig oder in einer für die Nachprüfung unzureichenden Form zugänglich gemacht, etwa weil dort für die Nachprüfung wichtige Vorgänge nicht enthalten sind, so liegt darin ebenfalls eine Verletzung der Vorschriften über die Mitteilung.76 Die Revisionsrüge hängt nicht davon ab, ob ein Besetzungseinwand erhoben wurde.77 Sie ist aber immer nur hinsichtlich des Richters gegeben, bei dem ein Verstoß gegen die Mitteilungspflichten vorliegt. § 338 Nr. 1b. Ein rechtzeitiger und formgerecht erhobener Einwand des Revisions45 führers nach § 222b Abs. 1 ist übergangen oder als unbegründet oder zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen worden. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn eine Zurückweisung erfolgt, obwohl der nachträglich dem Quorum beigetretene Ergänzungsschöffe entgegen der zwingenden Vorschrift des § 226 am ersten Hauptverhandlungstag nicht mitgewirkt hat.78 Unter Buchst. b fällt grundsätzlich auch die Zurückweisung einer Rüge,

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72 So KK/Gmel 17; Meyer-Goßner/Schmitt 15; KMR/Eschelbach 59; ferner Brauns 197; a.A. KG MDR 1980 688 = JR 1981 124; dazu Rieß JR 1981 93; OLG Celle NStZ 1991 553; AK/Keller 9. Bohnert 61 lehnt die Heranziehung von § 305 ab; er sieht die praktikabelste Lösung in der analogen Anwendung von § 28 Abs. 1. 73 Rieß JR 1981 93. 74 Eine Besetzungsrüge ist wegen widersprüchlichen Prozessverhaltens auch dann nicht statthaft, wenn der Beschwerdeführer, nachdem dieser in der Hauptverhandlung vor dem Tatrichter erfolgreich einen Besetzungseinwand erhoben hatte und darauf sofort mit der Hauptverhandlung neu begonnen worden war, nunmehr mit der Revision eben diese von ihm bewirkte Besetzung rügt; vgl. BGH StV 2009 66. 75 Zu den Voraussetzungen an die Revisionsrüge vgl. auch BGH NStZ 2006 512; BGH bei Sander NStZ-RR 2003 38 und NStZ 2007 103. 76 Rieß NJW 1978 2269; Schlüchter 7292; Brauns 146. 77 Vgl. etwa BGH StV 1986 6; NStZ 1988 36; bei Miebach NStZ 1988 449; Meyer-Goßner/Schmitt 3. 78 Hierzu BVerfG NJW 2003 3545; allerdings wurde die Verfassungsbeschwerde, mittels derer der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch die Präklusionsvorschriften geltend machte, nicht zur Entscheidung angenommen: einerseits seien die Präklusionsregelungen der §§ 338 Nr. 1 Hs. 2, 222b Abs. 1 mit dem GG vereinbar; andererseits sei die von BGH im konkreten Fall vorgenommene Auslegung der Normen unter Annahme einer Präklusion nicht zu beanstanden. Vgl. hierzu auch BGH NJW 2001 3062; LG Halle StV 2006 208.

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mit der geltend gemacht wird, dass einer der Schöffen nicht vereidigt wurde.79 Ein unzulässiger Einwand schließt die Präklusionswirkung nicht aus, ebenso wenig der Einwand eines anderen Verfahrensbeteiligten.80 Die Revision kann sich im Rahmen des Buchst. b auch immer nur auf die Tatsachen stützen, die bereits mit dem Einwand geltend gemacht worden sind, nicht dagegen auf andere Tatsachen, selbst wenn sie den gleichen Richter betreffen.81 § 338 Nr. 1c. Die Hauptverhandlung ist nicht zur Prüfung der Besetzung unterbro- 46 chen worden.82 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Angeklagte sich in der Revision nicht darauf berufen kann, er hätte für seinen Besetzungseinwand in der Hauptverhandlung mehr Zeit benötigt. Denn in einem solchen Fall wäre entweder ein Antrag auf Unterbrechung der Hauptverhandlung nach § 222a Abs. 2 oder bei evidentem Besetzungsverstoß eine vorsorgliche Erhebung des Besetzungseinwands in Betracht gekommen. Hat der Angeklagte beides nicht getan und den Besetzungseinwand i.S.v. §§ 222a Abs. 1, 338 Abs. 1 Nr. 1 erst verspätet erhoben, so kann er im Hinblick auf die Präklusionsnormen der §§ 338 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2b, 222b die Besetzung nicht mehr mit der Revision rügen.83 Ein zulässiger, rechtzeitig (also bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache) gestellter Antrag des Revisionsführers auf Unterbrechung zur Prüfung der Besetzung nach § 222a Abs. 2 muss abgelehnt oder nicht fristgerecht beschieden worden sein. Ist die Wochenfrist des § 222a Abs. 2 dagegen gewahrt, so hindert ein trotzdem gestellter Unterbrechungsantrag die Präklusion der Besetzungsrüge grundsätzlich nicht, es sei denn, dass geltend gemacht werden kann, dass in der vor der Hauptverhandlung zur Verfügung stehenden Zeitspanne eine Prüfung der Besetzungsunterlagen aus vom Gericht zu vertretenden Umständen nicht durchführbar war (vgl. § 222a, 20). Einer Ablehnung der Unterbrechung steht es gleich, wenn die Unterbrechungsfrist so kurz bemessen war, dass sie im konkreten Einzelfall eine ordnungsgemäße Prüfung der Besetzungsunterlagen nicht ermöglicht hat.84 Hierzu rechnet auch, wenn nicht alle Besetzungsunterlagen dem Revisionsführer innerhalb dieser Frist zugänglich waren (§ 222a, 25). Man wird in diesem Fall allerdings fordern müssen, dass er beim Gericht unter Hinweis auf diesen Umstand um Verlängerung der Unterbrechungsfrist nachgesucht hat. Sind die Besetzungsunterlagen unvollständig, so kann unabhängig davon aber auch die Rüge nach § 338 Nr. 1a zulässig sein.85 Bei einem Verzicht auf den bereits gestellten Unterbrechungsantrag ist der Verzichtende so zu behandeln, wie wenn er den Antrag nicht gestellt hätte; die Präklusion wird dann durch Buchst. c nicht ausgeschlossen.86 § 338 Nr. 1d. Das Gericht hat ungeachtet der Feststellung seiner fehlerhaften Be- 47 setzung weiterverhandelt und das Urteil erlassen. Auch für diesen Fall, der allenfalls denkbar ist, wenn das erkennende Gericht nachträglich die Ordnungsgemäßheit seiner

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79 BGH NJW 2003 2545 f.; die Revision konnte allerdings deshalb nicht auf den Besetzungsfehler gestützt werden, weil der Angeklagte den Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung nicht rechtzeitig gem. § 222b Abs. 1 Satz 1 erhoben hat. 80 Etwa BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 495; vgl. bei § 338 Nr. 1. 81 G. Schäfer § 54 II 4a; KMR/Eschelbach 67. 82 Vgl. hierzu BGH StV 2001 155 f.; BGH NStZ-RR 2001 244 f.; vgl. zur Kritik an dieser Norm Brauns 158 ff. 83 Vgl. BVerfG NJW 2003 3545 ff. 84 BGHSt 29 283; BGH NStZ 1988 36; BGH auch bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1986 209; Rieß NJW 1978 2269; vgl. § 222a, 25. 85 KK/Gericke § 338, 11; Meyer-Goßner/Schmitt § 338, 10; Rieß NJW 1978 2269. 86 Ein solcher Verzicht ist möglich, wenn auch wenig wahrscheinlich. Bedenken gegen Wirksamkeit äußert Brauns 159.

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Besetzung bejaht oder wenn die für die Gerichtsbesetzung zuständigen Organe dieser Auffassung sind,87 musste der Gesetzgeber bei dem von ihm gewählten System die Präklusionswirkung ausdrücklich ausschließen, da § 338 Nr. 1b nicht den Fall erfasst, in dem der Einwand Erfolg hat. Unabhängig vom Streit um die Bindungswirkung (Rn. 37) wäre ein Ausschluss der Revision hier unvertretbar. Ist die Revision nach dieser Vorschrift zulässig, dürfte sich auch hier, ebenso wie im Falle des § 338 Nr. 1b, die Nachprüfbarkeit durch das Revisionsgericht auf die Richter und die Tatsachen beschränken, die Gegenstand des Besetzungseinwands und der Entscheidung nach § 222b Abs. 2 waren.88 48 Mit der absoluten Revisionsrüge nach § 338 Nr. 1 gerügt werden können dagegen im vollen Umfang Verstöße gegen die vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts, wenn diese erst nach der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache eingetreten sind (vgl. Rn. 39) oder bis zu diesem Zeitpunkt für die Verfahrensbeteiligten objektiv nicht erkennbar waren und die deshalb auch bei sorgfältiger Nachprüfung nicht zum Gegenstand eines Einwands gemacht werden konnten (vgl. Rn. 18). 49 Nach § 222b Abs. 2 Satz 3 ist die Besetzung des Gerichts unabhängig von einer vorgängigen Rüge in vollem Umfang mit der Revision nachprüfbar, wenn das Gericht nach einem erfolgreichen Besetzungseinwand die Sache erneut verhandelt.89 Die ordnungsgemäße Begründung der Revisionsrüge erfordert nach § 344 Abs. 2, 50 dass der Revisionsführer in der Begründungsschrift alle Tatsachen konkret – und nicht nur im Wege einer pauschalen allgemeinen Behauptung – anführt, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit der Besetzung des Gerichts und die Zulässigkeit ihrer Beanstandung mit der Revision unter den oben angeführten Gesichtspunkten ergibt.90 Welche Tatsachen jeweils anzuführen sind, richtet sich nach der Art des jeweiligen Besetzungsfehlers sowie danach, welche der oben genannten Voraussetzungen die Rügepräklusion entfallen lässt. Einzelheiten der Darlegungspflicht sind bei § 334 Abs. 2 und für die Besetzungsrügen bei § 338 Nr. 1 und den jeweiligen Vorschriften des GVG mit erläutert. Um darzutun, dass keine Rügepräklusion eingetreten ist, müssen zusätzlich die tatsächlichen Grundlagen der Zulassungsvoraussetzungen des § 338 Nr. 1a bis d angegeben werden. Je nach Art der erhobenen Rüge gehören dazu beispielsweise der Umstand, dass die Besetzungsmitteilung unterblieben ist, oder die Tatsachen, aus denen sich ihre Fehlerhaftigkeit ergibt, wozu auch die Angabe des Inhalts der Mitteilung erforderlich ist. Durch Tatsachen ist zu belegen, dass die Unterbrechung der Hauptverhandlung beantragt wurde, dass die Voraussetzungen für eine Unterbrechung gegeben waren und dass sie nicht oder – aufgrund der geschilderten Umstände – nicht ausreichend lange unterbrochen wurde, dabei sind alle für die Berechnung der jeweiligen Fristen erforderlichen Daten konkret aufzuführen. Wird gerügt, dass ein Besetzungseinwand zu Unrecht verworfen wurde, ist durch Tatsachen aufzuzeigen, dass der Einwand rechtzeitig erhoben wurde;91 der Einwand ist am besten wörtlich wiederzugeben.92 Ob neben dem Tenor auch der Inhalt einer den Einwand verwerfenden Entscheidung anzugeben ist, wie der BGH ange-

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87 Vgl. KK/Gericke § 338, 16; Rieß JR 1981 94. 88 Nach Bohnert 63 wird die Richterbank ohne Rücksicht auf die Vorentscheidung überprüft. 89 Hamm NJW 1979 137; Rieß NJW 1978 2269; Schlüchter 729.2; Meyer-Goßner/Schmitt 15. 90 BGH JR 1981 122; bei Kusch NStZ 1995 221; BayObLG StV 1984 414; Rieß JR 1981 91; ob die Voraussetzungen des § 338 Nr. 1a bis d vorliegen, wird nicht von Amts wegen, sondern nur bei entsprechendem Tatsachenvortrag geprüft; vgl. Hilger NStZ 1983 337 ff. 91 BGH StV 1986 516 (Ls.); JR 1981 122; KK/Gmel 18. 92 Dazu Rn. 17; Brauns 169; 202.

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nommen hat, ist strittig;93 solange diese Rechtsprechung aber besteht, wird ihr zur Vermeidung von Rechtsnachteilen Rechnung zu tragen sein. b) Auf Verstöße gegen die §§ 222a und 222b allein kann die Revision nicht ge- 51 stützt werden, da diese sich nur bei einer fehlerhaften Besetzung auf das Ergebnis des Verfahrens auswirken können. Dass eine beantragte Unterbrechung nach § 222 Abs. 2 nicht bewilligt wurde, kann überdies schon deshalb nicht für sich allein gerügt werden, weil die Ablehnung keine Gesetzesverletzung bedeutet94 und nur insoweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung ist, als dadurch die Rügepräklusion nicht eintritt. c) Wieweit mit der Revision geltend gemacht werden kann, das Gericht habe im 52 Zwischenverfahren über den Einwand in einer falschen Besetzung entschieden, richtet sich nicht nach § 338 Nr. 1, sondern nach §§ 336, 337.95 Ist das Gericht der Hauptverhandlung ordnungsgemäß besetzt, kann eine falsche Besetzung der Kammer im Zwischenverfahren den Bestand seines Urteils nicht berühren.96 Auch sonstige Verfahrensfehler des Zwischenverfahrens begründen für sich allein die Revision nicht, da das Urteil im Hauptverfahren darauf nicht beruht.

§ 223 Vernehmungen durch beauftragte oder ersuchte Richter § 223 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung Jäger https://doi.org/10.1515/9783110274943-015

(1) Wenn dem Erscheinen eines Zeugen oder Sachverständigen in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit oder Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen, so kann das Gericht seine Vernehmung durch einen beauftragten oder ersuchten Richter anordnen. (2) Dasselbe gilt, wenn einem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen wegen großer Entfernung nicht zugemutet werden kann. RiStBV Nr. 121; RiVASt Nr. 117 Schrifttum Beulke Empirische und normative Probleme der Verwendung neuer Medien in der Hauptverhandlung, ZStW 113 (2001) 708; Böse Die Europäische Ermittlungsanordnung – Beweistransfer nach neuen Regeln?, ZIS 2014 152; Daamen Zur Verwertbarkeit ausländischer Vernehmungsniederschriften (2004); Eisenberg Vernehmung und Aussage (insbesondere im Strafverfahren) aus empirischer Sicht, JZ 1984 912, 961; Foth Wie sind die Beobachtungen des beauftragten Richters zur Glaubwürdigkeit des kommissarisch vernommenen Zeugen in die Hauptverhandlung einzuführen?, MDR 1983 716; Goeckenjan/Eisenberg Eingang von die Schuldfrage betreffenden Wahrnehmungen des beauftragten Richters in die Hauptverhandlung, JR 2001, 123; Grünewald Der Niedergang des Prinzips der unmittelbaren Zeugenvernehmung, FS Dünnebier (1982) 347; Jansen Kein Recht auf Auskunftsverweigerung wegen anderer Gefahren als strafund bußgeldrechtliche Verfolgung, juris PR-StrafR 19/2009 Anm. 3; Krause Einzelfragen zum Anwesenheitsrecht des Verteidigers im Strafverfahren, StV 1984 169; Linke Aktuelle Fragen der Rechtshilfe in Straf-

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93 BGH JR 1981 122; Brauns 204; dagegen Rieß JR 1981 912; vgl. bei § 338 Nr. 1. 94 Rieß NJW 1978 2269 Fn. 89; Bohnert 63. 95 KK/Gmel 12. 96 Vgl. BGHSt 18 200 zu § 338 Nr. 3 und die dortigen Erläuterungen; ferner LG Bochum NStZ 1986 317 (prophylaktische Besetzungsrüge).

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sachen, NStZ 1982 416; Rieß Das neue Zeugenschutzgesetz, insbesondere Video-Aufzeichnungen von Aussagen im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung, StraFo 1999 1; Rose Zur Anwendbarkeit deutschen Verfahrensrechts bei Zeugenvernehmung durch ausländische Gerichte, NStZ 1998 154; Schnigula Probleme der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen bei ausgehenden deutschen Ersuchen im Bereich der sonstigen Rechtshilfe, DRiZ 1984 178; Schuster Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise im deutschen Strafprozess (2006); Swoboda Videotechnik im Strafverfahren (2002); ders. Die Pflicht zur rahmenbeschlusskonformen Auslegung im deutschen Strafverfahren HRRS 2013 10; ter Veen Das unerreichbare Beweismittel und seine prozessualen Folgen – eine Übersicht zur Rechtsprechung des BGH und anderer Obergerichte, StV 1985 295; Thien Zeugenvernehmung im Ausland: Zur Problematik der Verwertbarkeit im deutschen Prozeß (1979); Tiedemann Privatdienstliche Ermittlungen im Ausland – strafprozessuales Verwertungsverbot?, FS Bockelmann (1979) 819; Unger Vernehmung per Bildschirmtelefon, NJW 1984 415; v. Ungern-Sternberg Zur Frage des Anwesenheitsrechts des Beschuldigten und Verteidigers bei Zeugenvernehmungen dur ch ausländische Gerichte vor der Hauptverhandlung, ZStW 87 (1975) 925; Vogler Deutsch als Amtssprache für Rechtshilfeersuchen, NJW 1985 1764; v. Weber Internationale Rechtshilfe zur Beweisaufnahme im Ausland, FS Mayer (1966) 571; Velten Der Auslandszeuge als Einbruchstelle für den Abbau von Verteidigungsrechten und Unmittelbarkeitsgrundsatz im Namen der Prozeßökonomie, StV 2007 97; Welp Anwesenheitsrechte und Benachrichtigungspflichten, JZ 1980 134; Zöller Anm. zu BGH 2 StR 397/09, ZJS 2010 441; weiteres Schrifttum bei § 168c; sowie wegen der Verdeckten Ermittler und VMänner auch bei §§ 68, 110a und 250.

Entstehungsgeschichte Das Gesetz über die Einschränkung der Eide im Strafverfahren v. 24.11.1933 gestaltete den Absatz 2 neu und verwies die Vorschrift über die Vereidigung, die bis dahin in Absatz 1 Satz 2 ihren Platz hatte, in den neuen Absatz 3. Dieser wurde durch Art. 4 Nr. 4 der VO v. 29.5.1943 (RGBl. I 341) mit Rücksicht auf die Änderung des § 59 gestrichen. Art. 3 Nr. 102 VereinhG kehrte, abgesehen von einer anderen Fassung des Absatz 2, zum Rechtszustand des Gesetzes v. 24.11.1933 zurück. Bezeichnung bis 1924: § 222. § 223 Abs. 3, der grundsätzlich eine eidliche Vernehmung des Zeugen vorsah, wurde durch das erste Justizmodernisierungsgesetz vom 24.8.2008 ersatzlos gestrichen.

I.

II.

III.

Übersicht Zweck und Geltungsraum der Vorschrift 1. Zweck | 1 2. Anwendungsbereich a) Nur Zeugen und Sachverständige | 6 b) Zeitlich | 7 Sachliche Voraussetzungen 1. Krankheit, Gebrechlichkeit und andere Hindernisse nach Absatz 1 a) Keine erschöpfende Aufzählung | 9 b) Einzelne Hinderungsgründe | 10 c) Zeitliches Erfordernis | 15 2. Unzumutbarkeit wegen großer Entfernung | 17 Verfahren 1. Gerichtliche Anordnung a) Beschluss des Gerichts | 21 b) Tenor | 23

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Begründung | 24 Hinweise für den vernehmenden Richter | 26 e) Bekanntgabe des Beschlusses | 27 Vernehmung durch einen beauftragten Richter | 29 Vernehmung durch einen ersuchten Richter a) Amtsgericht | 30 b) Unterrichtung | 31 c) Bindung | 32 Verfahren bei der Vernehmung a) Allgemeine Bestimmungen | 33 b) Vernehmungsniederschrift | 36 Vernehmung im Ausland a) Konsularbeamter | 37 b) Innerhalb der Europäischen Union | 38 c) d)

2. 3.

4.

5.

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5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung

c)

6.

Außerhalb der Europäischen Union | 41 d) Teilnahme der Richter des erkennenden Gerichts | 42 Ladung zur Hauptverhandlung | 43

Alphabetische Übersicht Alter 18 Amtsgericht, grenznahes 30 Anschrift, ladungsfähige 23 Aufklärungspflicht 4, 5, 15, 18, 44, 42, 47 Ausländisches Verfahrensrecht 41 Auslandsaufenthalt 11 Beauftragter Richter 29 – Vernehmung im Ausland 37 ff. Bekanntgabe des Beschlusses 27 Beobachtungen bei Vernehmung 35, 44 Berufspflichten 18 f. Beschluss des Gerichts 21 ff. Beschwerde 45 Beweisthema 23 Einvernahme in der Hauptverhandlung 5, 21 Entfernung, große 17 ff. Entwicklungsschäden bei Kindern 14 Eröffnungsverfahren 7 Ersuchter Richter 30 ff. – Bindung 32 Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen 39 f. Fragen an Beweisperson 23, 26, 34 Freibeweis 9, 14, 44 Gebrechlichkeit 9, 10 Gefährdung des Zeugen 14 Gegenüberstellung 9, 36 Gerichtskundigkeit 44 Geschäftsbelastung des Gerichts 15 Glaubwürdigkeit 9 Haft 11 Hindernis für Vernehmung 9 ff. – Dauer 15 f. Hinweise an ersuchten Richter 26 Identifizierung 36 Konsularbeamter 37 Krankheit 9, 10, 15, 16 Lichtbilder 36

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7.

IV.

Verwertung in der Hauptverhandlung | 44 Rechtsbehelfe 1. Beschwerde | 45 2. Revision | 46

Mitangeklagter 6 Mündlichkeitsgrundsatz 1 Nochmalige Vernehmung 4 Ordensregeln 12 Reise 11 Repressalien, drohende für Zeugen 14 Reisekosten 18, 19 Rechtshilfe ausländischer Stellen 38 ff. Revision 46 ff. Richtlinie EEA 39 f. Schwangerschaft 10 Sperrung des Zeugen 13 Unmittelbarkeitsgrundsatz 1 Unterschrift der Beweisperson 35, 36 Unzumutbarkeit des Erscheinens 17, 24 Urlaub 12, 20 Verfahrenslage der Hauptverhandlung 44 Verkehrsverhältnisse 18 f. Vereidigung 36, 38, 46 Vernehmung im Ausland 37 ff. – Teilnahme von Richtern des erkennenden Gerichts 42 – außerhalb der Europäischen Union 41 – innerhalb der Europäischen Union 38 – durch ersuchten Richter 33 ff. Vernehmungsfähigkeit des Zeugen 32 Vernehmungsniederschrift, anderweitige 3 – über kommissarische Vernehmung 36 Verschlechterung der Beweislage 15 Verwertungsverbot 13, 14, 21, 39, 40 Videoübertragung 8, 39 Vorführung durch Polizei 18 Vorwegnahme der Beweiswürdigung 5, 35 Weigerung des Zeugen 11 Zeit, längere oder ungewisse 15 Zeugenschutz, Maßnahmen zum 13, 14 Zuleitungsschreiben des Vorsitzenden 26, 28

I. Zweck und Geltungsraum der Vorschrift 1. Zweck. Der Grundsatz der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit der Beweisaufnah- 1 me (§ 250) erfährt durch § 251 gewisse Ausnahmen. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung oder der umfassenden Sachaufklärung wird dort unter bestimmten Voraussetzungen die Verlesung von Aussagen zugelassen, die Beweispersonen außerhalb der Hauptverhandlung abgegeben haben (vgl. § 251, 1). Mit dieser Vorschrift hängt § 223 zusammen. Er gestattet dem Gericht, bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung die 147

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Beweise vorsorglich vorweg erheben zu lassen, wenn zu befürchten ist, dass Beweispersonen aus den in den Absätzen 1 und 2 angeführten Gründen für die an sich gebotene unmittelbare Einvernahme in der Hauptverhandlung voraussichtlich nicht zur Verfügung stehen werden.1 Die Anordnung nach § 223 ist eine vorsorgliche, vorläufige Maßnahme, die dem erkennenden Gericht wenigstens den Rückgriff auf eine verfahrensrechtlich verwertbare Niederschrift ermöglichen soll, wenn sich dies wegen Fortdauer des Hinderungsgrundes in der Hauptverhandlung als notwendig erweisen sollte. Ob ein Grund vorliegt, der die Verlesung der Niederschrift rechtfertigt, entscheidet erst das erkennende Gericht aufgrund der Verfahrenslage der Hauptverhandlung nach § 251 in Einzelabwägungen aller kollidierenden Verfahrensbelange.2 Erst diese ist auch maßgebend dafür, ob die Einvernahme einer Beweisperson in der Hauptverhandlung zur Erforschung der Wahrheit unerlässlich ist (vgl. Rn. 4). Die Möglichkeit einer anderen Beurteilung in der Hauptverhandlung schließt die Zulässigkeit der Anordnung einer kommissarischen Einvernahme nicht aus. Für sie genügt die Prognose, dass nach dem gegenwärtigen Sachstand zu befürchten ist, der Zeuge oder Sachverständige stehe für die Hauptverhandlung nicht zur Verfügung. Entbehrlich ist die Vernehmung nach § 223, wenn der Zeuge oder Sachverständige schon im Verfahren von einem Richter so vernommen worden ist, dass die Niederschrift seiner Aussage nach § 251 Abs. 2 Nr. 1, 2 verlesen werden kann. Insoweit besteht auch eine Verbindung mit §§ 162, 168 ff., 202, da das Gericht vor Anordnung der kommissarischen Vernehmung regelmäßig zu prüfen hat, ob nicht bereits eine in der Hauptverhandlung verwertbare Niederschrift vorliegt, die auch inhaltlich den unter dem Gesichtspunkt der Sachaufklärung an sie zu stellenden Anforderungen genügt. Selbst wenn eine Niederschrift nach Form und Inhalt allen Anforderungen entspricht, kann eine nochmalige Vernehmung nach §§ 223, 224 notwendig werden, wenn es der abermaligen Befragung des Zeugen oder Sachverständigen wegen des Vorbringens einer neuen Tatsache oder wegen der Besorgnis eines bei der früheren Vernehmung unterlaufenen Missverständnisses oder einer unzulänglichen Protokollierung bedarf oder wenn dies zur Gewährleistung des Fragerechts oder sachlich fundierter Vorhalte eines Verfahrensbeteiligten nötig ist.3 Die Wiederholung einer auf den § 223 gestützten Vernehmung ist dagegen nicht erforderlich, wenn die Sache gemäß § 270 Abs. 1 an ein Gericht höherer Ordnung verwiesen wird. Eine kommissarische Einvernahme entfällt, wenn das Gericht in (vorläufiger) Gesamtwürdigung der Beweislage nach pflichtgemäßem Ermessen zu der Überzeugung kommt, dass sie ohne jeden Beweiswert wäre, weil zur Erforschung der Wahrheit die Einvernahme der Beweisperson in der Hauptverhandlung unerlässlich ist.4 Diese Prognose schließt eine Vorwegnahme der Beweiswürdigung in sich. Sie sollte nur auf-

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1 Ob man das Wesen des § 223 darin sieht, dass er sichern soll, dass das Wissen der Beweisperson wenigstens im Wege des Urkundenbeweises für die Hauptverhandlung eingebracht werden kann – so etwa KMR/Eschelbach 2; AK/Keller 1; HbStrVf/Heghmanns VI.437 – oder ob man mit BGHSt 9 24 ihn als Vorwegnahme eines Teiles der Hauptverhandlung versteht – etwa KK/Gmel 1; HK-GS/Schulz 1; MeyerGoßner/Schmitt 1 –, ist nur ein Herausstellen unterschiedlicher Aspekte. Sachliche Auswirkungen haben diese verschiedenen Blickwinkel nicht, solange unstreitig bleibt, dass die kommissarische Einvernahme selbst kein Teil der Hauptverhandlung ist; vgl. auch Swoboda 204. Zu diesen Fragen auch SK/Deiters 7; Schellenberg NStZ 1993 373. 2 BGHSt 32 51; wegen weit. Nachw. vgl. bei § 251. 3 Vgl. etwa BGH StV 1985 222. 4 Nach Nr. 121 Abs. 1 RiStBV soll in solchen Fällen die kommissarische Einvernahme unterbleiben; vgl. etwa BGH StV 1981 601; 1993 232; bei Miebach NStZ 1990 27; SK/Deiters 12, ferner bei § 244.

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grund fundierter tatsächlicher Anhaltspunkte5 getroffen werden; andernfalls besteht die Gefahr von Verfahrensverzögerungen, wenn später die Beweislage der Hauptverhandlung ergibt, dass die kommissarische Einvernahme doch nicht ohne jeden Beweiswert und deshalb zur weiteren Sachaufklärung oder aufgrund eines Beweisantrages geboten ist.6 2. Anwendungsbereich a) Nur Zeugen und Sachverständige, nicht aber ein Angeklagter oder Mitange- 6 klagter dürfen aufgrund der §§ 223, 224 kommissarisch vernommen werden.7 b) Zeitlich wird die Vernehmung nach § 223 in der Regel alsbald nach Eröffnung 7 des Hauptverfahrens angeordnet. Sie kann aber auch in jedem späteren Stand des Verfahrens, insbesondere noch in der Hauptverhandlung, beschlossen werden.8 Die Anordnung der Vernehmung nach § 223 ist schon im Eröffnungsverfahren zulässig.9 Ob eine kommissarische Vernehmung unmittelbar mit einer Videoübertragung in 8 die laufende Hauptverhandlung kombiniert werden kann, erscheint zweifelhaft; eine Bild- und Tonübertragung ist nach § 247a Absatz 1 Satz 1 eindeutig Teil der Hauptverhandlung und kann daher nicht ein ihr vorgelagertes, eigenständiges Rechtsinstitut der Beweissicherung darstellen.10 Keinesfalls kann eine solche Vernehmung jedenfalls durch den beauftragten Richter erfolgen; dieser ist Mitglied des erkennenden Gerichts und muss also bei einer Kombination von kommissarischer und audiovisueller Vernehmung selbst unmittelbar persönlich in der Hauptverhandlung, d.h. unmittelbar im Verhandlungssaal anwesend sein.11 II. Sachliche Voraussetzungen 1. Krankheit, Gebrechlichkeit und andere Hindernisse nach Absatz 1 a) Der Gesetzgeber, der keine erschöpfende Aufzählung der Hinderungsgründe 9 für möglich hielt, begnügte sich damit, Krankheit und Gebrechlichkeit als die häufigsten Gründe zu nennen und im übrigen „die Anwendung dieser Ausnahmevorschrift dem verständigen Ermessen des Richters zu überlassen, von welchem vorausgesetzt werden muss, dass er sich überall des Wertes der mündlichen und unmittelbaren Vernehmung, im Gegensatz zur Verlesung einer zu Protokoll genommenen Aussage, bewusst sein werde“ (Mot. 179). Es geben stets die im Wege des Freibeweises zu klärenden Umstände des einzelnen Falls den Ausschlag. Es ist deshalb kein Rechtsfehler, wenn das Gericht in Fällen, in denen die Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen entscheidend vom

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5 Vgl. LG Frankfurt a.M. StV 1987 143. 6 Zum Fall einer unzureichenden Ablehnung vgl. BGH StV 1993 232. 7 RGSt 16 232; BGH bei Holtz MDR 1976 989; Eb. Schmid 4; Meyer-Goßner/Schmitt 1; KMR/Eschelbach 4; SK/Deiters 10. 8 BGHSt 31 236; AK/Keller 1; KK/Gmel 2; KMR/Eschelbach 23 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt 10; SK/Deiters 9. 9 RGSt 66 213; OLG Schleswig SchlHA 1958 290 (entsprechend); BGH VRS 36 (1969) 356 (unmittelbar); vgl. SK/Deiters 9, ferner bei § 202. 10 Meyer-Goßner/Schmitt 20; Rieß StraFo 1999 7 und NJW 1998 3242; näher hierzu auch Swoboda 204 f.; a.A. KMR/Lesch § 247a Rn. 5, der die Kombination aus kommissarischer und audiovisueller Vernehmung während der Hauptverhandlung mit dem Argument zulassen will, diese sei „ihrem Wesen nach“ ein Teil der Hauptverhandlung; ebenso HK-GS/Schulz 3; vgl. auch BGHSt 9 24, 27. 11 Swoboda 205 f.

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unmittelbaren Eindruck seiner Person, der Gegenüberstellung mit dem Angeklagten oder anderen Zeugen abhängt, von der Möglichkeit, nach § 223 zu verfahren, zurückhaltender Gebrauch macht als in Fällen, in denen es darauf voraussichtlich weniger ankommt. b) Einzelne Hinderungsgründe. Krankheit und Gebrechlichkeit können physische oder psychische Ursachen haben. Auch hochgradige Nervosität oder eine fortgerückte Schwangerschaft12 rechnen dazu. Nicht notwendig ist, dass der Zustand des Zeugen oder Sachverständigen sein Erscheinen vor Gericht schlechterdings unmöglich macht; es genügt, wenn das Erscheinen eine bei der Vernehmung durch den ersuchten Richter voraussichtlich vermeidbare erhebliche Verschlimmerung eines ernstlichen Leidens bringen würde.13 Gleiches gilt bei Gebrechlichkeit. Sie liegt vor, wenn die Beweisperson zwar nicht krank, ihr körperlicher oder geistiger Zustand aber so reduziert ist, dass eine Einvernahme unter den Bedingungen der Hauptverhandlung nicht möglich ist oder aber mit der Gefahr einer nicht nur unerheblichen Verschlechterung des Allgemeinzustandes verbunden wäre.14 Wegen der fließenden Übergänge und Überschneidungen ist eine klare Unterscheidung zwischen Krankheit und Gebrechlichkeit mitunter weder möglich noch wegen der gleichen Rechtsfolgen nötig. Entscheidend ist immer, ob der Zustand die Einvernahme durch das erkennende Gericht erlaubt. Dies kann unter Umständen auch zu verneinen sein, wenn der Zeuge bei der Hauptverhandlung anwesend ist.15 Zur Gefährdung von Leib und Leben des Zeugen durch Dritte vgl. Rn. 14. Als andere Hindernisse i.S.d. Absatzes 1 kommen alle sonstigen Umstände in Be11 tracht, die einer Einvernahme des Zeugen in der Hauptverhandlung voraussichtlich entgegenstehen werden, wie etwa unter den Verhältnissen der ersten Nachkriegszeit die Verhaftung des Zeugen durch die Militärregierung16 oder Haft im Ausland,17 aber auch eine unmittelbar bevorstehende längere Auslandsreise.18 Im Übrigen ist der Aufenthalt im Ausland in der Regel kein nicht zu beseitigendes Hindernis.19 Ob ein im Ausland wohnender Zeuge kommissarisch vernommen werden darf, richtet sich deshalb nach den Grundsätzen des Absatzes 2. Etwas anderes gilt nur, wenn der Zeuge aus anderen Gründen nicht kommen kann, etwa, weil er keine Reisegenehmigung erhält.20 Weigert sich ein im Ausland lebender Zeuge hartnäckig, zur Hauptverhandlung zu kommen, begründet dies ein nicht zu beseitigendes Hindernis nur dann, wenn das Gericht sein Erscheinen nicht erzwingen kann und wenn es vorher alle der Schwere der Anklage und der Bedeutung der Aussage angemessenen Anstrengungen erfolglos unternommen hat, um ihn zum Erscheinen zu bewegen.21

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12 RGRspr. 10 451. 13 RG JW 1933 852; BGHSt 9 300; Kohlhaas NJW 1954 537; Alsberg/Dallmeyer 464. 14 Vgl. AK/Keller 5; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SSW/Grube 6; Eb. Schmid 7. 15 BGHSt 9 297. 16 OGHSt 1 95. 17 Aber nur, sofern eine Überstellung zur Vernehmung nach Art. 11 Abs. 1 EURhÜbk nicht möglich ist; SK/Deiters 10 unter Verweis auf SK/Velten § 251, 34. 18 RGSt 66 213; KK/Gmel 5; Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Deiters 10 zu den möglichen Hindernissen grds. verweisend auf SK/Velten § 251 32 ff.; Eb. Schmid 9. 19 OLG Schleswig SchlHA 1956 331; OLG Hamm VRS 24 (1963) 391. 20 BGH ROW 1961 251; OLG Hamm DAR 1959 192; LG Frankfurt a.M. StV 1987 143. 21 BGHSt 7 15; 13 300; 22 118; 32 72 = JR 1984 514 mit Anm. Schlüchter; BGH GA 1955 300; NJW 1953 1522; 1979 788; MDR 1969 234; OLG Hamm DAR 1959 192; OLG Karlsruhe VRS 51 (1976) 61; OLG Koblenz GA 1974 121; Julius NStZ 1986 61. Wegen der Einzelheiten, insbesondere der vom Gericht zu fordernden Anstrengungen, vgl. bei § 251 und zur Unerreichbarkeit bei § 244 Abs. 3.

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Keine Hindernisse sind in der Regel (es kommt aber immer auf die Abwägung im 12 Einzelfall an) die Anspruchnahme durch den Beruf,22 Ordensregeln oder Lebensgewohnheiten,23 Urlaub24 oder die Verhinderung des Sachverständigen an einem bestimmten Tag25 oder der ausländische Wohnsitz eines Zeugen, der sich zur Zeit der Hauptverhandlung im Urlaub in der Bundesrepublik Deutschland aufhält.26 Rechtliche Hindernisse, welche die Vernehmung eines Zeugen in der Hauptver- 13 handlung ausschließen, wie etwa §§ 49, 50, fallen ebenfalls unter Absatz 1.27 Ein die kommissarische Einvernahme rechtfertigendes Hindernis liegt auch vor, wenn die zuständige Behörde den Zeugen ungeachtet der nach § 68 Abs. 2 bis 4 möglichen Schutzmaßnahmen für eine Einvernahme in der Hauptverhandlung nach § 54 gesperrt hat und ihn nur für eine kommissarische Einvernahme zur Verfügung stellt.28 Das Gericht muss sich allerdings vorher bemüht haben, alle der Vernehmung in der Hauptverhandlung entgegenstehenden Hindernisse sowie eine ihm ungerechtfertigt erscheinenden Sperre zu beseitigen.29 Die Zulässigkeit der kommissarischen Einvernahme scheitert aber nicht daran, dass noch offen ist, ob eine so gewonnene Aussage tatsächlich in der Hauptverhandlung verwertet werden kann.30 Über die Verwertbarkeit als Beweismittel kann endgültig erst aufgrund der Verfahrenslage der Hauptverhandlung entschieden werden, sie hängt mitunter auch vom Verhalten der Verfahrensbeteiligten (Einwilligung in Verwertung usw.) ab. Die Anordnung der Vernehmung scheidet dagegen aus, wenn bereits ersichtlich ist, dass der Verwertung der Aussage ein Beweiserhebungs- oder Verwertungsverbot entgegensteht.31 Die persönliche Gefährdung eines Zeugen durch sein Erscheinen in der Hauptver- 14 handlung ist meist kein die kommissarische Vernehmung rechtfertigendes Hindernis. Das Gericht muss versuchen, die Gefahr in anderer Weise (Verlegung des Termins, zeitweiliges Verhandeln an einem anderen Ort, Maßnahmen nach § 68 Abs. 2 bis 4; Ausschluss des Angeklagten während der Vernehmung nach § 247; Ausschluss der Öffentlichkeit usw.) zu bannen. 32 Nur wenn dies nicht möglich ist, kann die ernsthafte Gefährdung von Leben, Gesundheit oder Freiheit des Zeugen oder seiner Angehörigen durch Dritte in besonderen Ausnahmefällen die Vernehmung in der Hauptverhandlung ausschließen und deshalb die kommissarische Vernehmung rechtfertigen.33 Ein Hindernis für die Vernehmung in der Hauptverhandlung wurde auch angenommen, wenn einem Zeugen nach seiner Rückkehr in die Heimat wegen seiner Aussage willkürliche, rechtsstaatswidrige Repressalien drohen.34 Die ernsthafte Gefahr drohender Erziehungs-

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22 OLG Dresden DRiZ 1929 Nr. 1163. 23 RG JW 1914 430. 24 OLG Dresden HRR 1928 Nr. 396. 25 Vgl. BGH NJW 1952 1345. 26 BGH StV 1981 164. 27 AK/Keller 6, 9; Meyer-Goßner/Schmitt 6; KMR/Eschelbach 55 f.; a.A. LG Düsseldorf MDR 1981 249 (nur bei Hindernissen tatsächlicher Art). 28 BGHSt 29 390; 32 115 (GSSt) = NStZ 1984 36 m. Anm. Frenzel; KK/Gmel 9; Meyer-Goßner/Schmitt 6. Wegen der Einzelheiten vgl. die Erläuterungen zu §§ 54, 68, 96 und 251; ferner zu den strittigen Fragen etwa Bruns MDR 1984 77; Fezer JZ 1984 434; Grünwald StV 1984 56; FS Dünnebier 364; Herdegen NStZ 1984 97; Lüderssen FS Klug 527; Schmid DRiZ 1983 474; Seelmann StV 1984 477. 29 Vgl. BGHSt 36 159, ferner zu den Beweisverboten Einleitung K. 30 A.A. HK/Julius/Reichling 8. 31 KMR/Eschelbach 56; vgl. Einleitung K (Beweisverbote). 32 BGHSt 22 311 = LM Nr. 4 mit Anm. Kohlhaas; krit. Hanack JZ 1972 237; ferner etwa BGHSt 3 344; 16 113; 29 113; 32 37; 115; Geerds JZ 1984 46; Hilger NStZ 1992 457; Rieß NJ 1992 494; so auch OLG Köln Urt. v. 6.3.2009 – 2 Ws 87/09. Vgl. insbes. bei §§ 68, 247; 251; und bei § 172 GVG. 33 BGHSt 29 113; KK/Gmel 6; KMR/Eschelbach 51; SK/Deiters 15; vgl. bei § 251. 34 BGHSt 17 349 (Zeuge aus der ehem. DDR); MüKo/Arnoldi 5; AK/Keller 6, vgl. dazu bei § 244.

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und Entwicklungsschäden eines als Zeuge benötigten Kindes, die die Eltern veranlasst, einer Vernehmung in der Hauptverhandlung zu widersprechen, kann ebenfalls ein solches Hindernis sein,35 wenn sie nicht durch anderweitige Maßnahmen des Gerichts ausgeräumt werden kann.36 Ob eine solche Gefährdung, die mehr ist als die bloße subjektive Besorgnis, nach der konkreten Sachlage zu befürchten ist, hat das Gericht gegebenenfalls im Wege des Freibeweises zu klären. c) Zeitliches Erfordernis. Das Hindernis muss dem Erscheinen des Zeugen oder Sachverständigen in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit entgegenstehen. Trifft diese Voraussetzung nicht zu, so muss die Hauptverhandlung mangels eines ausreichenden Grundes zur Abweichung vom Grundsatz der Unmittelbarkeit aufgeschoben werden, damit die Vernehmung vor Gericht in einer nach Beseitigung des Hindernisses abzuhaltenden Verhandlung erfolge. Demnach ist für die Anwendung des § 223 kein Raum, wenn die Genesung eines erkrankten oder die Abkömmlichkeit eines unabkömmlichen Zeugen nahe bevorsteht,37 selbst wenn dann die Frist des § 229 nicht gewahrt werden kann.38 Ob die Voraussetzungen des Absatzes 1 auch dann gegeben sind, wenn zwar die Beseitigung des Hindernisses demnächst zu erwarten ist, das Gericht aber wegen seiner Geschäftsbelastung die Hauptverhandlung für längere Zeit aufschieben müsste, wenn sie nicht noch während des Bestehens des Hindernisses abgehalten wird (so RGSt 62 318), mag fraglich sein, da es primär auf die Verfügbarkeit des Zeugen und nicht die Belastung des Gerichts ankommt. Hier ist die Bedeutung des unmittelbaren Zeugenbeweises abzuwägen, gegenüber der Auswirkung auf die Beweislage bei einer erheblich späteren Hauptverhandlung, bei der eventuell andere wichtige Zeugen ausfallen. Nur wenn das Interesse an der besseren Sachaufklärung durch unmittelbare Einvernahme des betreffenden Zeugen im Einzelfall geringer wiegt als eine zu befürchtende Verschlechterung der späteren Beweislage und die sonstigen Nachteile der Verfahrensverzögerung erscheint es gerechtfertigt, auch in diesem Fall eine die kommissarische Zeugeneinvernahme rechtfertigende Verhinderung anzunehmen.39 Welche Zeit bis zu der Beseitigung des Hindernisses als länger zu gelten hat, beur16 teilt sich nach den gesamten Umständen, insbesondere auch nach der Bedeutung und dem Beschleunigungsbedürfnis des jeweiligen Verfahrens und der Bedeutung der Zeugenaussage. Soweit es um die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „längeren oder ungewissen Zeit“ geht, handelt es sich nicht um eine Frage des reinen tatrichterlichen Ermessens.40 Ist die Erkrankung ihrer Art nach nur von kurzer Dauer, so bedarf es der näheren Begründung, warum trotzdem eine Verhinderung für längere oder ungewisse Zeit angenommen wurde.41 15

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2. Unzumutbarkeit wegen großer Entfernung. Nach den Motiven lag der Regelung des Absatzes 2 die Absicht zugrunde, eine zu große Härte gegen die Zeugen und gegen die zur Kostenerstattung verpflichteten Angeklagten zu vermeiden; die dem Zeu-

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35 OLG Saarbrücken NJW 1974 1959 mit Anm. Eschke NJW 1975 354; Meier JZ 1991 641; KK/Gmel 7; Meyer-Goßner/Schmitt 6; KMR/Eschelbach 52; ferner zur seelischen Schädigung durch wiederholte Vernehmung Peters § 39 III 2b. 36 Vgl. die Bestrebungen zur Verbesserung des Zeugenschutzes bei Kindern § 241a. 37 RGRspr. 5 737; BGH bei Herlan MDR 1955 529; Alsberg/Dallmeyer 465; KK/Gmel 10; MeyerGoßner/Schmitt 7; SSW/Grube 10. 38 BGH NStZ 1982 341; BGH nach KK/Gmel 10; KG StV 1983 95. 39 KMR/Eschelbach 61. 40 So aber RGRspr. 10 451; OLG Kiel JW 1930 1109; KK/Gmel 10; KMR/Eschelbach 62. 41 BGH bei Herlan MDR 1955 529; KMR/Eschelbach 61.

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gen zugemutete Mühe und der hierdurch erwachsende Kostenaufwand sollten nicht in einem Missverhältnis zum Gegenstand der Untersuchung stehen; das Verfahren nach § 223 Abs. 2 sollte, wenn eine geringfügige Verfehlung abzuurteilen war, offenstehen, während die Ladung vor das erkennende Gericht bei im übrigen gleichen Verhältnissen des Zeugen oder Sachverständigen als unumgänglich angesehen werden musste, falls es die Bedeutung der Sache erforderte. Entscheidend ist, ob bei Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls der 18 Beweisperson das Erscheinen objektiv unzumutbar ist, nicht, ob sie es als unzumutbar empfindet.42 Es kommt somit auf die besonderen Verhältnisse des zu vernehmenden Zeugen oder Sachverständigen, wie sein Alter, seinen Gesundheitszustand43 und seine Berufspflichten, auf den Grad der Wichtigkeit seiner Vernehmung, auf das Wesen und die Bedeutung der Strafsache, auf die voraussichtliche Dauer der Hauptverhandlung und auf die jeweilige Beschaffenheit der Verkehrsverbindungen44 an. Es müssen immer die persönlichen Verhältnisse des Zeugen oder Sachverständigen und die Belastungen und Nachteile, die er durch die Teilnahme an der Hauptverhandlung erleiden würde, gegen die Belange der Strafverfolgung, insbesondere auch die Erfordernisse der Sachaufklärung, abgewogen werden.45 Je schwerwiegender die Strafsache und je wichtiger die Aussage des Zeugen für deren Aufklärung ist desto weniger fallen die Belange des Zeugen und seine Belastungen durch die Reise ins Gewicht. Unerheblich sind dagegen rein verfahrenstechnische Belange, so, ob bei einem ausgebliebenen Zeugen der Polizei die rechtzeitige Vorführung möglich oder zumutbar ist.46 Beispielsweise kann bei einem als Sachverständigen häufig herangezogenen Spe- 19 zialarzt die kommissarische Vernehmung statthaft sein, wenn das Verfahren oder der Gegenstand der Aussage keine so große Bedeutung hat, dass ihm die Reise und der damit verbundene Zeitverlust von einem Tag zugemutet werden könnte.47 Maßgebend sind aber immer die jeweiligen Umstände des einzelnen Falles, so dass keine Entscheidung verallgemeinert werden darf. Bei günstigen Verkehrsverhältnissen fällt die geographische Entfernung als solche allenfalls noch wegen der Reisekosten ins Gewicht. So kann bei einer schwerwiegenden Anklage (Aussageerpressung) auch dem in Kanada lebenden einzigen Tatzeugen die Reise zumutbar sein.48 Bei Strafsachen von einigem Gewicht und einer nicht nur nebensächlichen Bedeutung der Aussage49 ist die Überwindung mittlerer Strecken bei einigermaßen günstigen Verkehrsverbindungen fast immer zumutbar;50 nicht immer dagegen eine wiederholte Anreise aus dem Ausland.51 Das zeitliche Erfordernis des Absatzes 1 gilt auch für Absatz 2. Das Erscheinen in 20 der Hauptverhandlung muss „für eine längere oder ungewisse Zeit“ unzumutbar sein. Die Anordnung der Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen durch einen be-

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42 Vgl. KMR/Eschelbach 58 (kein Anspruch, an Gerichtsort aussagen zu dürfen); ist aber ein Zeuge trotz widriger Umstände freiwillig bereit, zur Hauptverhandlung zu kommen, wird man dies unter Hinweis auf die objektive Unzumutbarkeit nur unter ganz besonderen Umständen, wie unverhältnismäßig hohe Reisekosten, ablehnen können. 43 BGH bei Kusch NStZ 1994 228. 44 OLG Köln GA 1953 186, Alsberg/Dallmeyer 466; h.M.; vgl. zur alten Fassung des Absatzes 2: RGRspr. 4 120; 10 675; RGSt 18 261; 44 9; RG JW 1893 417; 1916 500; Recht 1920 3519; HRR 1934 Nr. 99. 45 BGHSt 9 230; BGH GA 1964 275; BGH StV 1989 468; NStZ 1981 271; OLG Hamm StV 2014 329; bei Kusch 1984 228; bei Holtz MDR 1979 989; VRS 41 (1971) 203; AK/Keller 7; KK/Gmel 11; KMR/Eschelbach 59. 46 BGH GA 1970 183; Alsberg/Dallmeyer 467. 47 BGH GA 1964 275. 48 Vgl. ferner BGH StV 1983 444 (Anreise aus Südfrankreich); BGHSt 9 230. 49 Anders bei einer unwesentlichen Bedeutung der Aussage OLG Köln VRS 70 (1986) 149. 50 OLG Neustadt VRS 9 (1955) 469; OLG Hamm JMBlNW 1963 214. Vgl. die Rspr. zu § 251 Abs. 1 Nr. 3. 51 Vgl. aber BGH NJW 1986 1999 (mehrfache Anreise zumutbar).

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auftragten oder ersuchten Richter ist nicht gerechtfertigt, wenn damit gerechnet werden kann, dass sich die Verhältnisse, die das Erscheinen des zu Vernehmenden in der Hauptverhandlung erschweren, in Bälde ändern werden, so dass keine unbillige Zumutung mehr in der Ladung zur Hauptverhandlung liegt.52 Ist dem Zeugen die Urlaubsunterbrechung nicht zumutbar, kann es angezeigt sein, die Hauptverhandlung um ein oder zwei Sitzungstage zu verlängern.53 III. Verfahren 1. Gerichtliche Anordnung a) Eine Vernehmung nach § 223 kann nicht durch Verfügung des Vorsitzenden, sondern nur durch Beschluss des Gerichts angeordnet werden. Ergeht er erst in der Hauptverhandlung, wirken die Schöffen mit. Der Beschluss kann von Amts wegen oder auf Antrag ergehen. Der Vorsitzende führt ihn von Amts wegen schon vor der Hauptverhandlung herbei, wenn er erkennt, dass eine zu ladende Beweisperson bei der Hauptverhandlung voraussichtlich nicht zur Verfügung steht. Antragsberechtigt sind der Staatsanwalt, der Angeklagte und die sonstigen Verfahrensbeteiligten, aber auch ein zur Hauptverhandlung geladener Zeuge oder Sachverständiger.54 Ein Anspruch auf Befolgung der Anregung besteht nicht.55 Das Gericht lehnt den Antrag ab, wenn die Voraussetzungen des § 223 nicht gegeben sind oder wenn der Einvernahme ein Beweisverbot (§ 244 Abs. 3 Satz 1) entgegensteht oder wenn sie ohne jeden Beweiswert wäre, weil die Vernehmung in der Hauptverhandlung zur Erforschung der Wahrheit unerlässlich ist (Rn. 5). Hat der beauftragte oder ersuchte Richter bei Erledigung seines Auftrags einen Zeu22 gen vernommen, dessen Vernehmung nicht durch Gerichtsbeschluss angeordnet war, so kann das Gericht diese Vernehmung nachträglich ausdrücklich oder durch eine schlüssige Handlung, insbesondere dadurch genehmigen, dass es die Verlesung der Niederschrift über die Vernehmung des Zeugen anordnet.56 21

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b) Im Tenor des Beschlusses, der die kommissarische Vernehmung anordnet, ist die zu vernehmende Beweisperson eindeutig zu bezeichnen; ihre ladungsfähige Anschrift anzugeben, ist zweckmäßig,57 aber nicht zwingend notwendig, wenn sie an Hand der beigefügten Unterlagen feststellbar ist. Das Beweisthema ist zumindest in groben Umrissen aufzuzeigen, sofern es sich nicht bereits eindeutig aus mitübersandten früheren Vernehmungsprotokollen ergibt.58 Hinsichtlich der Einzelheiten genügt es, wenn diese den Unterlagen, die dem Ersuchen um Vernehmung beigefügt werden, unschwer zu entnehmen sind. Wird die kommissarische Vernehmung durch ein Mitglied des Gerichts durchgeführt, das die Akten kennt, sind nähere Angaben meist entbehrlich, während sie bei einem ersuchten Richter für den schnellen Vernehmungserfolg unerlässlich sein können. Auf Fragen, die der Beweisperson gestellt werden sollen, kann schon im Tenor des Beschlusses hingewiesen werden (vgl. Rn. 26).

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52 RGRspr. 2 602; OLG Kiel JW 1930 1109; Meyer-Goßner/Schmitt 9; vgl. Rn. 14. 53 BGH StV 1983 444; Meyer-Goßner/Schmitt 8. 54 Eb. Schmid 14; Meyer-Goßner/Schmitt 11; SK/Deiters 16. 55 KG vom 29.7.1998 – 1 AR 650/98. 56 RGSt 58 100; KK/Gmel 13; SK/Deiters 16. 57 SK/Deiters 17 („eindeutig zu benennen“); Name und Anschrift fordern: KK/Gmel 14; MeyerGoßner/Schmitt 12. 58 BGH NStZ 1983 421; KK/Gmel 14; Meyer-Goßner/Schmitt 12; KMR/Eschelbach 66; SK/Deiters 17.

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c) Eine Begründung des die kommissarische Vernehmung anzuordnenden Be- 24 schlusses wird durch § 34 nicht vorgeschrieben. In der Regel ist jedoch eine kurze Begründung am Platze, die im Hinblick auf § 251 Abs. 4 darlegt, welche der in § 223 aufgeführten Voraussetzungen das Gericht für gegeben erachtet. Dies ist vor allem angebracht, wenn das Vorliegen eines Hinderungsgrundes nur durch Darlegung der näheren Umstände des Einzelfalls aufgezeigt werden kann59 oder wenn die Umstände dargetan werden sollen, die nach Absatz 2 die Unzumutbarkeit des Erscheinens in der Hauptverhandlung begründen.60 Der einen Antrag nach § 223 ablehnende Beschluss ist nach § 34 zu begründen.61 25 d) Der die Vernehmung anordnende Beschluss kann durch Hinweise an den ver- 26 nehmenden Richter in der Zuleitungsverfügung ergänzt werden, um diesem die Umstände darzulegen, auf die er bei der Vernehmung sein besonderes Augenmerk zu richten hat. Vor allem, wenn ein ersuchter Richter mit einem umfangreichen und verwickelten Sachverhalt befasst wird, kann dies zur Sicherung einer erschöpfenden Einvernahme der Beweisperson angezeigt sein.62 Es ist zulässig, wenn – entsprechend einer Übung der Praxis – gewünschte Vorhalte oder Fragen, die nach Ansicht des Gerichts klärungsbedürftig sind, nicht in den Tenor des Beschlusses (eventuell in Verbindung mit einer Anlage) aufgenommen, sondern im Zuleitungsschreiben des Vorsitzenden oder in einer Anlage dazu dem ersuchten Richter übermittelt werden.63 Gleiches gilt für (zulässige) Fragen, die auf Verlangen eines Verfahrensbeteiligten der Beweisperson gestellt werden müssen,64 vor allem auch Fragen, die ein an der Vernehmung nicht teilnehmender Verfahrensbeteiligter, vor allem der Verteidiger, beim erkennenden Gericht zu diesem Zweck schriftlich eingereicht hat. Solche Fragen sind nicht vorher in der Hauptverhandlung zu erörtern.65 e) Zur Bekanntgabe des Beschlusses genügt die Verkündung in der Hauptver- 27 handlung (§ 35 Abs. 1). Ergeht er, wie es die Regel ist, bereits vor der Hauptverhandlung, ist er den Verfahrensbeteiligten nach § 35 Abs. 2 Satz 2 mitzuteilen.66 Dies ordnet der Vorsitzende an. Der Beschluss ist keine Entscheidung, die von der Staatsanwaltschaft nach § 36 28 Abs. 2 zu vollstrecken ist. Die zum Vollzug des Beschlusses erforderlichen Zuleitungsschreiben an das in- oder ausländische Gericht erlässt der Vorsitzende.67 Die in § 224 vorgeschriebene Benachrichtigung vom Termin ist jedoch dem ersuchten Richter, der den Termin bestimmen kann, überlassen. Nur wenn der beauftragte Richter den Termin sogleich bestimmen kann, ist es möglich, zur Verfahrensvereinfachung die Benachrichtigung nach § 224 mit der Zustellung des Beschlusses nach § 223 zu verbinden. Bei der Vernehmung mehrerer Personen durch verschiedene Richter dient es der Verfahrensbeschleunigung, wenn die Ersuchen unter Beifügung der erforderlichen Aktenauszüge (Ablichtungen) gleichzeitig hinausgehen (Nr. 121 Abs. 2 RiStBV).

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59 BGH bei Herlan MDR 1955 529; KK/Gmel 14; SK/Deiters 17. 60 RGSt 18 264; RG JW 1914 431; DStrZ 1915 463; LZ 1919 386; OLG Kiel JW 1930 1109; KK/Gmel 14; Meyer-Goßner/Schmitt 12; SK/Deiters 17. 61 KMR/Eschelbach 67; SK/Deiters 17. 62 Nach Nr. 121 Abs. 3 RiStBV sollen in umfangreichen Sachen dem ersuchten Richter die Teile der Akten bezeichnet werden, die für die Vernehmung wichtig sind. 63 AK/Keller 12; KK/Gmel 14; Meyer-Goßner/Schmitt 13; KMR/Eschelbach 69; SK/Deiters 18. 64 BGH NStZ 1983 421; bei Holtz MDR 1978 460. 65 BGH NStZ 1983 421; KK/Gmel 20; Meyer-Goßner/Schmitt 22; vgl. § 224, 26. 66 KK/Gmel 15; Meyer-Goßner/Schmitt 12; MüKo/Arnoldi 10; KMR/Eschelbach 68; SK/Deiters 18. 67 BayObLGSt 3 103 = Alsb. E 2 Nr. 80; h.M.

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2. Vernehmung durch einen beauftragten Richter. Erlässt eine Kammer oder ein Senat den Beschluss, so mag es in der Regel zweckmäßig sein, dass das Gericht den als Berichterstatter tätigen Richter mit der Vernehmung beauftragt. Auch der Vorsitzende kann beauftragt werden, wenn diese Anordnung auch wenig üblich ist. Zulässig ist es auch, die drei richterlichen Mitglieder der Kammer mit der Vernehmung zu beauftragen.68 Der beauftragte Richter braucht nicht notwendig bei der späteren Hauptverhandlung mitzuwirken, er ist davon aber auch nicht ausgeschlossen.69 Führt eine Strafkammer allerdings die kommissarische Einvernahme in voller Besetzung einschließlich der Schöffen durch, dann liegt nach Ansicht des BGH70 in Wirklichkeit ein Teil der Hauptverhandlung vor, bei dem Staatsanwalt, Angeklagter und Verteidiger grundsätzlich anwesend sein müssen und für die der Öffentlichkeitsgrundsatz gilt. 3. Vernehmung durch einen ersuchten Richter

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a) Wird ein nicht dem erkennenden Gericht angehörender Richter um die Durchführung der Vernehmung ersucht, so ist dieses Ersuchen vom Vorsitzenden des Gerichts nach § 157 GVG an das Amtsgericht zu richten, in dessen Bezirk die Vernehmung durchgeführt werden soll. Zunächst kommt das Amtsgericht des Orts in Betracht, in dessen Bezirk der zu vernehmende Zeuge wohnt oder sich aufhält; bei einem im Ausland lebenden Zeugen auch ein grenznahes Amtsgericht.71

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b) Unterrichtung. Damit der ersuchte Richter, der die Sache sonst nicht kennt, zu einer sachgerechten Vernehmung imstande ist, empfiehlt es sich, ihn über die Zusammenhänge durch Beifügung der Akten, durch Übersendung von Abschriften der Anklageschrift, des Eröffnungsbeschlusses und der bisher vorliegenden Vernehmungsniederschriften des Angeklagten und des zu vernehmenden Zeugen oder sonst in geeigneter Weise zu unterrichten.72

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c) Bindung. Der ersuchte Richter ist an den im Beschluss festgelegten Vernehmungsgegenstand gebunden; er darf aber davon abweichen, wenn andernfalls der Untersuchungszweck gefährdet wäre. Das erkennende Gericht kann die Überschreitung des Auftrags nachträglich genehmigen (Rn. 22). Das Ersuchen um Vernehmung eines Zeugen darf er nicht ablehnen, wenn er der Ansicht ist, der ersuchende Richter müsste bei richtiger Ausübung seines Ermessens die Handlung selbst vornehmen oder die Voraussetzungen des § 223 seien nicht gegeben.73 Er kann allenfalls Änderung oder Aufhebung des

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68 BGHSt 31 236; BGH NJW 1956 600 (L); NStZ 1983 182; 421; AK/Keller 13; KK/Gmel 18; Meyer-Goßner/ Schmitt 15; KMR/Eschelbach 75; a.A. Peters § 59 II 2. 69 BGHSt 2 1; vgl. Foth MDR 1983 716; SSW/Grube 18. 70 BGHSt 31 236 = LM Nr. 2 mit Anm. Mösl = JR 1983 475 mit Anm. J. Meyer (zweifelhaft); AK/Keller 13; KK/Gmel 17; Meyer-Goßner/Schmitt 15; KMR/Eschelbach 75. BGH MDR 1983 948 lässt dies dahingestellt. Die Grenze zwischen kommissarischer Vernehmung und Hauptverhandlung sollte jedenfalls nicht verwischt werden, ganz gleich, ob man in der Bestellung der ganzen Strafkammer einschließlich der Schöffen zum ersuchten Richter einen unzulässigen Formenmissbrauch sieht. 71 OLG Schleswig SchlHA 1989 75. Vgl. zum Überblick Schlothauer Vorbereitung der Hauptverhandlung, Rn. 145 ff. 72 Vgl. Rn. 25; ferner Nr. 121 Abs. 3 RiStBV. 73 Vgl. bei § 158 GVG; ferner etwa OLG Frankfurt NStZ-RR 2004 50; OLG Düsseldorf NStZ 1989 39; OLG Frankfurt NJW 1974 430; OLG Hamburg MDR 1973 953; Seetzen NJW 1972 1190; dagegen verneint AG Höxter MDR 1992 893 Bindung bei willkürlichem Ersuchen; ähnlich OLG Köln GA 1953 186. Zu den vergleichbaren Fragen bei § 162 Abs. 3 vgl. dort.

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Beschlusses anregen. Nur die Ausführung eines rechtlich schlechthin unzulässigen Ersuchens könnte verweigert werden.74 Bedenken gegen die Vernehmungsfähigkeit des Zeugen muss der ersuchte Richter selbst klären.75 4. Verfahren bei der Vernehmung a) Für die Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen gelten die allgemei- 33 nen Be-stimmungen. Der ersuchte oder beauftragte Richter muss sie ebenso beachten wie das erkennende Gericht. Dies gilt insbesondere auch für die Beweisverbote (§§ 52 ff.), Belehrungspflichten (§§ 52 Abs. 3, 63) für die Beeidigungsverbote (Rn. 36) und auch für § 68.76 Unanwendbar ist dagegen der Grundsatz der Öffentlichkeit.77 Bei der Vernehmung darf sich der Richter nicht darauf beschränken, dem Zeu- 34 gen frühere Aussagen vorzulesen und ihre Richtigkeit bestätigen zu lassen. Er muss den Zeugen vielmehr nach der zwingenden Vorschrift des § 69 zunächst zu einer eigenen zusammenhängenden Darstellung veranlassen; ergibt sich dabei, dass die neue Aussage mit der früheren übereinstimmt, so ist es, soweit die Übereinstimmung reicht, zulässig, sich in der Niederschrift auf die letztere zu beziehen, um so das Verfahren zu vereinfachen und die Beurkundung gleichlautender Aussagen zu vermeiden.78 Über die Zulässigkeit von Fragen der anwesenden Verfahrensbeteiligten79 (§ 224, 5) hat der ersuchte oder beauftragte Richter zu entscheiden, in Zweifelsfällen kann er die Entscheidung des erkennenden Gerichts herbeiführen.80 Gleiches gilt für die Frage, die ein zur Anwesenheit berechtigter, aber nicht teilnehmender Verfahrensbeteiligter dem ersuchten Richter unmittelbar zugeleitet hat. Bei den eigenen Fragen des ersuchenden Gerichts, die Teil des Vernehmungsersuchens (Rn. 26) sind, hat er dagegen von deren Zulässigkeit auszugehen, ebenso in der Regel wohl auch, wenn ihm das ersuchende Gericht den Fragenkatalog eines Verfahrensbeteiligten mit der Aufforderung übermittelt, diese Fragen der Beweisperson zu stellen.81 Bei Fragen der Verfahrensbeteiligten kann er nicht verlangen, dass das Gericht vorher darüber in der Hauptverhandlung entscheidet.82 Beobachtungen über das Verhalten des Zeugen bei der Aussage, etwa dass der 35 Zeuge seine Bekundungen zusammenhängend und fließend oder nur stockend und auf eindringlichen Vorhalt gemacht habe, darf der vernehmende Richter in der Niederschrift beurkunden. Sie sind verlesbar, wenn sie einen Teil der Niederschrift bilden und durch die Unterschrift gedeckt werden.83 Strittig ist, ob auch die aufgrund dieser Beobachtun-

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74 AK/Keller 14; SK/Deiters 19; siehe auch OLG Köln NStZ-RR 2013 57; Wegen der Einzelheiten vgl. bei § 158 GVG. 75 OLG Düsseldorf NStZ 1989 39. 76 BGHSt 32 128; Bruns MDR 1984 177; MüKo/Arnoldi 14; Meyer-Goßner/Schmitt 21. 77 OLG Koblenz VRS 61 (1981) 270; h.M.; vgl. bei § 169 GVG. 78 RGSt 74 35; BGH NJW 1963 35; GA 1964 275; KK/Gmel 21; 79 Das Fragerecht der Verfahrensbeteiligten folgt aus dem Zweck des Teilnahmerechts (§ 224, 5); ferner auch daraus, dass es bei der kommissarischen Vernehmung das sonst leerlaufende Recht ersetzen muss, nach § 240 Abs. 2 in der Hauptverhandlung Fragen zu stellen. Bei der kommissarischen Vernehmung ist es an keine Form gebunden und kann auch schriftlich ausgeübt werden. Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK; Art. 14 Abs. 3 lit. e IPBPR gewährleisten ausdrücklich das Recht, Fragen an Belastungszeugen zu stellen, vgl. dazu LR/Esser Art. 6, 219 ff. EMRK; ferner Gollwitzer GedS Meyer 163. 80 BGH bei Holtz MDR 1983 796; OLG Frankfurt NJW 1947/48 395; vgl. § 242, 7. 81 Hier kommt es aber im Einzelfall auf das Zuleitungsschreiben an. 82 Vgl. die Nachw. Rn. 26. 83 RGSt 37 212; RG HRR 1936 Nr. 316; BGHSt 2 1; 45 360, mit Anm. Goeckenjan/Eisenberg JR 2001 123; BGH bei Holtz MDR 1977 108; BGH NStZ 1983 182; 1989 382 mit Anm. Itzel.

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gen gewonnenen persönlichen Eindrücke und Wertungen in die Niederschrift aufgenommen und verwertet werden dürfen.84 Dafür spricht, dass der Richter diese Eindrücke auch als Zeuge bekunden könnte; eine Vorwegnahme der allein dem erkennenden Gericht vorbehaltenen endgültigen Beweiswürdigung liegt darin nicht. Das Einrücken des vernehmenden Richters in die Zeugenrolle bedürfte jedoch andererseits nicht zwingend durch § 250 Satz 1 geboten sein. Die bei der kommissarischen Einvernahme gemachten Beobachtungen und die unter Umständen sich dem vernehmenden Richter aufdrängenden Schlüsse sind unselbständige, aber auch untrennbare Teile des Gesamtvorgangs der auf Gewinnung einer in der Hauptverhandlung verlesbaren Niederschrift gerichteten richterlichen Beweiserhebung, die ja der alleinige Zweck des § 223 ist.85 Wenn § 251 anstelle der Vernehmung durch das erkennende Gericht den Rückgriff auf die frühere richterliche Vernehmung gestattet, lässt er damit hinsichtlich des Gesamtvorgangs der Vernehmung einschließlich der dabei gemachten Beobachtungen eine Ausnahme von der Grundsatzregelung des § 250 zu.86 36

b) Die Vernehmungsniederschrift, die über die kommissarische Einvernahme eines Zeugen oder Sachverständigen zu fertigen ist (vgl. § 224 Abs. 1 Satz 3), muss den Anforderungen des § 168a entsprechen.87 Dient die Einvernahme auch der Identifizierung einer Person an Hand von Lichtbildern oder durch eine Gegenüberstellung, muss das Protokoll sowohl den Vorgang als solchen als auch die Reaktionen und Aussagen genau festhalten.88 Das Protokoll muss sich ferner über die Vereidigung aussprechen, sofern eine solche stattgefunden hat. Es ist grundsätzlich von der Beweisperson zu genehmigen und zu unterschreiben (§ 168a Abs. 3 Satz 3). Dies erschwert die Protokollberichtigung.89 5. Vernehmung im Ausland

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a) Sie kann, sofern der ausländische Staat dies zulässt, nach § 15 Abs. 3 KonsG durch einen besonders ermächtigten (§ 19 Abs. 2 KonsG) deutschen Konsularbeamten vorgenommen werden,90 der die für die Vernehmung geltenden verfahrensrechtlichen Vorschriften der Strafprozessordnung sinngemäß anzuwenden hat, aber keine Zwangsmittel anordnen darf.91 Unter den gleichen Voraussetzungen kann mit Einverständnis der Bun-

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84 So RGSt 37 212; RG HRR 1936 Nr. 316; BGHSt 2 3; BGH NStZ 1983 182; NStZ 1989 382; bei Holtz MDR 1977 108; vgl. auch OLG Koblenz MDR 1980 689; ferner OLG Stuttgart MDR 1980 692; KK/Gmel 22; MeyerGoßner/Schmitt 24; SSW/Grube 26; KMR/Eschelbach 88; wohl auch SK/Deiters 31 unter Hinweis auf die gebotene Sorgfalt des erkennenden Gerichts; a.A.; AK/Keller 17; zur Problematik ferner Foth MDR 1983 716 und (auch zur Schwierigkeit, Wertungen zu protokollieren) Itzel NStZ 1989 383; Peters § 59 II 2 (Gewinnung eines eigenen Eindrucks nicht Gegenstand der kommissarischen Vernehmung); Ranft § 56 B IV 2 (Verwertungsverbot); eingehend Schuster Verwertbarkeit 196 ff.; Beulke ZStW 113 (2001) 709 ff. 85 Die u.a. auch in BGHSt 2 2 wiederholte Ansicht, die kommissarische Vernehmung habe nicht den Zweck, dass der vernehmende Richter persönliche Eindrücke weitergebe, ist zu eng, vgl. Foth MDR 1983 716. 86 Meyer-Goßner/Schmitt § 251, 17; vgl. bei § 251. 87 Früher wurde der zwischenzeitlich aufgehobene § 188 für anwendbar gehalten, so BGHSt 9 301; RGSt 55 4. 88 Vgl. etwa OLG Karlsruhe NStZ 1985 435 mit Anm. Odenthal; LG Frankfurt StV 1986 13; siehe auch bei §§ 58, 168a. 89 OLG Dresden Alsb. E 2 Nr. 82; Eb. Schmid 23. 90 RGRspr. 4 697; BGH NStZ 1984 128; HK/Julius/Reichling 12; MüKo/Arnoldi 19; KK/Gmel 25; vgl. bei § 251. 91 Vgl. Schnigula DRiZ 1984 181; AK/Keller 18; KMR/Eschelbach 91; SK/Deiters 24; vgl. bei § 251.

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desregierung und Zustimmung des ausländischen Staates sogar ein Mitglied des Gerichts als beauftragter Richter Zeugen im Ausland selbst vernehmen.92 b) Innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union genügte bis zum In- 38 krafttreten des Übereinkommens vom 29.5.2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedsstaaten der EU am 2.2.2006 (EURhÜbk) für die Art der Vernehmung und der Vereidigung die Wahrung der im örtlichen ausländischen Recht vorgeschriebenen Form (locus regit actum), sofern die Niederschriften am Vernehmungsort eine vergleichbare Beweisfunktion erfüllten und grundsätzlichen rechtsstaatlichen Maßstäben entsprachen.93 Dies galt auch, wenn ein deutscher Generalkonsul sich bei Erfüllung des Ersuchens um Ermittlungen im Ausland, das der Vorsitzende des deutschen Gerichts ihm zugesandt hat, der Hilfe eines ausländischen Beauftragten bediente oder eine ausländische Behörde dafür in Anspruch nahm.94 Seit Inkrafttreten des EURhÜbk gilt nach dessen Art. 4 Abs. 1 jedoch der Grundsatz, dass Rechtshilfeangelegenheiten nach dem Recht des ersuchenden Staates zu behandeln sind (forum regit actum).95 Der vernehmende ausländische Richter hat daher innerhalb des Geltungsbereichs dieses Übereinkommens die Benachrichtigungspflicht des § 168c einzuhalten, wenn die Niederschrift der Vernehmung verwertbar sein soll.96 Ist dies nicht geschehen, so ist die Verlesung nur als nichtrichterliche Vernehmung zulässig, auf die nach § 265 Abs. 1 hingewiesen werden und über dessen geminderte Beweiskraft sich der Richter im Klaren sein muss.97 Für die Praxis wurde zumindest kurz nach Änderung der Rechtslage empfohlen, im Vernehmungsersuchen einen Hinweis auf die Rechtshilfegrundsätze aufzunehmen.98 Die Umsetzung dieser Empfehlung erscheint aber auch heute noch sinnvoll. Auch die von den Mitgliedstaaten bis spätestens zum 22.5.2017 umzusetzende Richt- 39 linie (in Deutschland am 13.4.2017 umgesetzt, vgl. BGBl. I Nr. 22, 872) über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (RL EEA) vom 3.4.2014 behält die Prinzipien des EURhÜbk aus dem Jahre 200099 bei. Auch danach gilt grundsätzlich das Recht des ersuchenden Staates, sofern die Formvorschriften und Verfahren des ersuchenden Staates nicht im Widerspruch zu den wesentlichen Rechtsgrundsätzen des Vollstreckungsstaates stehen (Art. 9 Abs. 2 RL EEA); dies entspricht der bereits nach dem EURhÜbk geltenden Rechtslage. Zu beachten ist allerdings, dass Art. 24 RL EEA auch die Vernehmung per Videokonferenz oder sonstiger audiovisueller Übertragung zulässt. Für diesen Fall ordnet Art. 24 Abs. 5 lit. e eine Ausnahme von dem Grundsatz an, wonach grundsätzlich allein das Recht des Anordnungsstaates den Ausschlag gibt. Denn danach können sich Zeugen und Sachverständige auf das Aussageverweigerungsrecht berufen, das ihnen nach dem Recht des Vollstreckungs- oder des Anordnungsstaates zusteht, und sie sind vor der Vernehmung über dieses Recht zu belehren. Unterbleibt

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92 Vgl. Nr. 140, 142 RiVASt; KK/Gmel 24; MüKo/Arnoldi 18; KMR/Eschelbach 93. 93 Vgl. BGHSt 7 15 ff. = NJW 1955, 32; BGH NStZ 1983 181; 1994 595 mit Anm. Wohlers NStZ 1995 45 und Britz NStZ 1995 607; Daamen Zur Verwertbarkeit, 31 ff.; Schuster Verwertbarkeit, 171 ff.; siehe auch Böse ZStW 114 (2002) 148 ff. 94 RG HRR 1938 Nr. 191; BGH bei Holtz MDR 1981 632. 95 Vgl. Gleß in Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Art. 4 EURhÜbk, 1 f. 96 BGHSt 58 32, 37 f.; BGH NJW 2007 417; vgl. zur Möglichkeit von Verwertungsverboten im Falle der Nichtbeachtung auch Schuster StV 2008 398. 97 BGH NStZ 1998 312 m. Anm. Wönne; krit. Velten StV 2007 102. 98 Vgl. zu Recht KK/Gmel 25. 99 Dort für die Videoübertragung zwingend Art. 10 Abs. 5 lit. e EURhÜbk und fakultativ für die Telefonübertragung Art. 11 Abs. 5 Satz 3 EURhÜbk.

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eine solche Belehrung, so kann dies ein Verwertungsverbot zur Folge haben,100 da sich nach Auffassung des BGH ein Verwertungsverbot auch aus einem Verstoß gegen ein völkerrechtliches Rechtshilfeübereinkommen ergeben kann.101 Deiters weist zu Recht darauf hin, dass die unterschiedliche Behandlung von ein40 facher kommissarischer Vernehmung (mit ausschließlicher Geltung der Verfahrensvorschriften des Anordnungsstaates) und kommissarischer Vernehmungen im Wege der Video- oder Telefonkonferenz (mit Anwendung der Aussageverweigerungsrechte sowohl des Anordnungs- als auch des Vollstreckungsstaates) schwer nachvollziehbar ist.102 Deiters erklärt den Widerspruch formal damit, dass der einfachen kommissarischen Vernehmung keine eigenständigen Regelungen gewidmet wurden und es dem Richtliniengeber offenbar nicht auf die Erzeugung von Widerspruchsfreiheit angekommen sei. Dementsprechend mahnt Deiters mit Blick auf die Umsetzung der RL EEA durch die Mitgliedstaaten die Geltung der Aussageverweigerungsrechte von Anordnungs- und Vollstreckungsstaat sowie einer diesbezüglichen Belehrungspflicht in gleicher Weise für die einfache kommissarische Vernehmung an. Auch bei dieser hält er daher im Falle der Missachtung eines ausländischen Aussageverweigerungsrechts ein unselbstständiges Verwertungsverbot für denkbar. Dem widerspricht allerdings die Auffassung des BGH, wonach es nicht Aufgabe der nationalen Gerichte sein kann, „die Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung im Ausland am Maßstab der lex loci zu überprüfen und das Ergebnis dieser Prüfung der Entscheidung über die Verwertbarkeit zu Grunde zu legen.“103 Dem wird man zustimmen müssen, zumal es problematisch erscheint, ein Verwertungsverbot ohne entsprechende Grundlage in der Richtlinie zu postulieren.104 41

c) Wird um die Vernehmung ein ausländisches Gericht oder eine sonstige ausländische Stelle außerhalb der Europäischen Union ersucht, so richten sich Zuständigkeit und Verfahren bei der Vernehmung grundsätzlich weiter nach dem am Vernehmungsort geltenden ausländischen Verfahrensrecht,105 das jedoch für diesen Akt der Rechtshilfe durch bilaterale oder multilaterale Abkommen modifiziert sein kann.106 Das um die Vernehmung ersuchende deutsche Gericht hat lediglich im Rahmen seiner Möglichkeiten darauf hinzuwirken, dass die Vorschriften des deutschen Verfahrensrechts beobachtet werden, soweit dies nach dem ausländischen Recht zulässig und nach den Umständen erreichbar ist; keinesfalls darf das deutsche Gericht selbst den Anlass dazu bieten, dass diese Vorschriften nicht eingehalten werden, obwohl dies nach dem für die Vernehmung geltenden ausländischen Recht (einschließlich anwendbarem Vertragsrecht) möglich gewesen wäre.107 So muss es darauf hinwirken, dass die danach zulässige Teilnahme der Verfahrensbeteiligten an der Vernehmung auch tatsächlich ermöglicht wird

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100 Böse ZIS 2014 161; ihm folgend auch SK/Deiters 26a. 101 BGHSt 58 32; dazu auch Swoboda HRRS 2014 10. 102 Hier und im Folgenden SK/Deiters 26b. 103 So zutreffend Böse ZIS 2014 163 unter Hinweis auf BGHSt 58, 32. 104 Wie hier wohl auch Böse ZIS 2014 163. 105 Vgl. Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner Art. 4 EURhÜbk, 3. Wegen weiterer Einzelheiten und wegen der Verwertbarkeit der Niederschriften über die ausländische Vernehmung vgl. bei § 251; ferner Vogler ZStW 96 (1984) 544. 106 Etwa BayObLGSt 1984 107 = JR 1985 477 mit Anm. Gollwitzer; BGHSt 35 82; BGH NStZ 1996 609 (Vernehmung durch deutschen Richter unter Anwendung deutschen Rechts). 107 RG HRR 1983 Nr. 647; BGHSt 35 82 = NStZ 1988 563 mit Anm. Naucke; dazu Taschke StV 1988 137; BGH JZ 1997 45 mit Anm. Lagodny; BGH bei Spiegel DAR 1977 170; BayObLGSt 1949/51 115; 1984 107 = JR 1985 177 mit Anm. Gollwitzer; AK/Keller 18; KK/Gmel § 224, 1; Meyer-Goßner/Schmitt § 251, 21; SK/Deiters 25; Schlothauer 174 ff. Vgl. aber auch BGHR StPO § 251 Abs. 1 Nr. 2 Auslandsvernehmung 1 (keine Pflicht, nach ausl. Recht bestehende Möglichkeiten auszuwählen).

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und zu diesem Zweck auch von allen in den Rechtshilfevereinbarungen vorgesehenen Befugnissen Gebrauch machen. So steht etwa bei einer Zeugenvernehmung in der Schweiz dem Angeklagten und seinem Verteidiger ein Anwesenheitsrecht zu.108 Verstöße gegen ausländische Verfahrensvorschriften hindern allerdings eine Verwertung nicht, sofern sie nicht deutschem Recht widersprechen.109 Widersprechen sie dagegen auch deutschem Recht, so steht die Nichtbeachtung einer Verlesung zumindest als richterliches Vernehmungsprotokoll entgegen110 (zur Verlesung als nichtrichterliches Protokoll näher oben Rn. 38). d) Teilnahme der Richter des erkennenden Gerichts. Ihre Anwesenheit bei einer 42 kommissarischen Vernehmung durch ein ausländisches Gericht oder eine ausländische Behörde ist wegen ihres Erkenntniswertes mitunter zweckmäßig; sie geht aber über die nur zu Amtshandlungen im Inland verpflichtende Aufklärungspflicht hinaus.111 Sie ist nur zulässig, wenn das ausländische Recht und die grundsätzlich vorher im Rechtshilfeweg um Zustimmung zu ersuchenden zuständigen ausländischen Behörden dies gestatten.112 Wird ihnen die Anwesenheit gestattet, dürfen sie – nach Maßgabe des jeweiligen ausländischen Rechts – dabei auf sachgerechte Fragen und auf die Aufnahme aller wesentlichen Umstände in die über die Vernehmung zu fertigende Niederschrift hinwirken.113 Ihre Beobachtungen über das Aussageverhalten und der persönliche Eindruck, den sie bei der Vernehmung vom Zeugen gewonnen haben, ist nach einer sich auf § 261 berufenden Ansicht in der Hauptverhandlung nicht verwertbar.114 Dieses Ergebnis befriedigt nicht (vgl. Rn. 44). 6. Ladung zur Hauptverhandlung. Staatsanwalt und Angeklagter sind nicht ge- 43 hindert, einen vom Gericht kommissarisch vernommenen Zeugen trotzdem zur Hauptverhandlung zu laden (§ 214 Abs. 3, 220). Leistet der Zeuge dieser Ladung keine Folge, und entschuldigt er sich mit den Gründen, die das Gericht dazu bestimmt haben, ihn kommissarisch zu vernehmen, wird er in aller Regel damit rechnen dürfen, dass das Gericht sein Ausbleiben als genügend entschuldigt ansehen wird (§ 51 Abs. 2). 7. Verwertung in der Hauptverhandlung. Die Anordnung der kommissarischen 44 Vernehmung vor der Hauptverhandlung beruht auf der Prognoseentscheidung, dass der Zeuge oder Sachverständige für die Hauptverhandlung voraussichtlich nicht zur Verfü-

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108 BGHSt 42 91 = NStZ 1996 596 mit Anm. Nagel NStZ 1998 148 und Lagodny JZ 1997 46; BGH NStZ 1987 132 f.; 1996 609 f. 109 Vgl. BGH NStZ 1985 376. 110 Vgl. BGH StV 2005 255 m. Bspr. Velten StV 2007 97. 111 BGH bei Miebach NStZ 1990 27; BGHR StPO § 244 II Auslandsreise 1; § 251 Abs. 1 Nr. 2 Auslandsvernehmung 1. 112 In der Regel ist auf diplomatischem Weg unter Einschaltung der Landesjustizverwaltung um die Genehmigung nachzusuchen (vgl. Art. 4 EURhÜbk). Die Entscheidung der Bundesregierung (Art. 32 Abs. 1 GG) über deren Einholung ist – ebenso wie die Genehmigungspflicht für die Auslandsdienstreise – mit der richterlichen Unabhängigkeit vereinbar; BGHZ 71 9; BGH MDR 1983 931; BVerfG DRiZ 1979 219; OLG Hamm NStZ 1982 215; LG Düsseldorf (Dienstgericht) JMBlNW 1985 94. Vgl. ferner Schnigula DRiZ 1984 182. 113 SK/Deiters 27. Zu den verschiedenen Möglichkeiten vgl. Weber FS Mayer 523; Linke NStZ 1982 418. 114 Wenn man den Sinn der kommissarischen Vernehmung und der Teilnahme von Richtern des erkennenden Gerichts bei der ausländischen Vernehmung nicht auch darin sieht, dass diese einen persönlichen Eindruck gewinnen, besteht kein Anlass, dass alle Berufsrichter daran teilnehmen, obwohl dies der Wahrheitsfindung förderlich sein kann (vgl. Corves/Bartsch ZStW 96 (1984) 519). Auch hier sollte man Gerichtskundigkeit annehmen; vgl. Foth MDR 1983 716; Itzel NStZ 1989 383; Rn. 42.

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gung stehen wird und dass seine Anwesenheit für die Sachaufklärung nicht unerlässlich ist. Ob die so gewonnene Niederschrift über die Bekundungen der Beweisperson nach § 251 deren Einvernahme in der Hauptverhandlung ersetzen kann und darf, lässt sich immer erst aufgrund der Verfahrenslage der Hauptverhandlung beurteilen.115 Neben den Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse können dabei auch andere Bewertungen zu einem anderen Ergebnis führen. Unter besonderen Umständen darf der Richter daher die nur kommissarisch erfolgte Vernehmung eines ausländischen Zeugen wegen Wertlosigkeit auch unberücksichtigt lassen, weil nur die unmittelbare Vernehmung der Wahrheitsermittlung dient.116 Die Niederschrift über die kommissarische Vernehmung ersetzt in der Hauptverhandlung die unmittelbare Einvernahme nur, wenn dann die Voraussetzungen des § 251 Abs. 2, gegebenenfalls auch die des § 251 Abs. 1 gegeben sind.117 Verlesbar sind auch die in der Niederschrift vermerkten Beobachtungen des vernehmenden Richters (zur Streitfrage vgl. Rn. 35). Der Richter, der die Einvernahme durchgeführt hat, kann darüber unter Umständen auch als Zeuge vernommen werden; bei einem beauftragten Richter hat dies aber zur Folge, dass er als Mitglied des erkennenden Gerichts ausscheiden muss.118 Im Protokoll nicht festgehaltene Beobachtungen können nur auf diesem Weg in die Hauptverhandlung eingeführt und damit für die Urteilsfindung verwertbar gemacht werden. Die vorherrschende Meinung119 nimmt dies unter Verneinung der Gerichtskundigkeit auch bei den Beobachtungen an, die ein dem erkennenden Gericht angehörender beauftragter Richter bei der von ihm durchgeführten Einvernahme selbst gemacht hat.120 Zu dieser Auffassung hat sich auch der BGH bekannt.121 Dort hatte der beauftragte Richter die Schuldfrage betreffende Wahrnehmungen im Wege der dienstlichen Erklärung in die Hauptverhandlung eingeführt. Laut BGH handelt es sich jedoch bei dem persönlichen Eindruck, den ein beauftragter Richter bei einer kommissarischen Zeugenvernehmung von den Zeugen gewinnt, nicht um eine gerichtsbekannte Tatsache, die einer förmlichen Beweiserhebung in der Hauptverhandlung nicht mehr bedürfte und den Prozessbeteiligten in der Hauptverhandlung lediglich mitgeteilt werden müsste. Das Ergebnis der Vernehmung müsse daher im Wege der Beweiserhebung ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Da die Feststellung schuldrelevanter Tatsachen nicht dem Freibeweis zugänglich sei, sondern den in §§ 244 bis 256 festgelegten Regeln des Strengbeweises unterliege, stelle die Verwertung des persönlichen Eindrucks des Berichterstatters durch mündlichen Bericht einen Verstoß gegen § 261 dar, der mit der Revision angreifbar sei. Eine Mindermeinung bejaht dagegen im Gegensatz zur h.M. die Gerichtskundigkeit solcher Beobachtungen.122 Angeführt wird dabei vor allem folgende Überlegung: Hätte

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115 Vgl. Rn. 2 und die Erl. zu §§ 251, 261. 116 Vgl. BGHSt 13 300 = NJW 1960 54; BGHSt 22 118, 122 = NJW 1968 1485; BGH NJW 1991 186; StV 1992 548. 117 Vgl. bei § 251. 118 Wegen § 22 Nr. 5; h.M. 119 Vgl. BGH NJW 2000 1204 ff.; NStZ 1983 182; bei Holtz MDR 1977 108; AK/Keller 17; KMR/Eschelbach 98; BGH NStZ 1989 470 konnte dies offenlassen. 120 Gegen Gerichtskundigkeit etwa BGH StV 1983 92; AK/Keller 17 (nur für Hintergrundtatsachen, nicht für Beweisergebnisse im laufenden Verfahren), Keller ZStW 101 (1989) 405; KMR/Eschelbach 98. Hier spielt auch die Streitfrage mit herein, ob die Gerichtskundigkeit bei allen Richtern gegeben sein muss (vgl. dazu bei §§ 244, 261). KK/Gmel 22 (Gericht in voller Besetzung). 121 BGHSt 45, 354 ff. = BGH NJW 2000 1204 ff. 122 So Foth MDR 1983 716; Gollwitzer in der Voraufl.; Itzel NStZ 1989 383. Vgl. ferner Rissing-van Saan MDR 1993 310 (fraglich, ob Richter bei Wahrnehmungen im Prozess Zeuge); Roxin/Schünemann § 43, 10 (Richter nicht Zeuge).

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5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung

§ 223

die Einvernahme nicht der besonderen Gründe wegen aus der Hauptverhandlung herausgenommen werden müssen, wären diese Beobachtungen als zum Inbegriff der Hauptverhandlung gehörend ohnehin unmittelbar verwertbar gewesen, selbst wenn sie nicht allen teilnehmenden Richtern aufgefallen wären. Daher sei es wenig sinnvoll, einerseits mit der Rechtsfigur des beauftragten Richters einem Mitglied des erkennenden Gerichts zu ermöglichen, außerhalb der Hauptverhandlung die Beweise zu erheben, andererseits aber zu fordern, dass er später als Zeuge aus dem erkennenden Gericht ausscheidet, wenn dieses die gewonnenen Erkenntnisse verwerten will oder aber, dass er später bei Würdigung der vor ihm abgegebenen Zeugenaussage den dabei gewonnenen persönlichen Eindruck völlig verdrängen muss, obwohl dadurch – und nicht nur wegen der besseren Sachkunde des Vernehmenden – die Einvernahme durch den beauftragten Richter zur besseren Erkenntnisquelle wird.123 Trotz dieser gewichtigen Bedenken wird man mit der h.M. die Gerichtskundigkeit aus dogmatischen Gründen ablehnen müssen. Denn der in § 261 enthaltene Grundsatz, wonach die Hauptverhandlung die alleinige Erkenntnisquelle des Tatrichters zu sein hat, darf nicht durch ein zu weitreichendes Verständnis der Gerichtskundigkeit in seinem Kern angetastet werden.124 IV. Rechtsbehelfe 1. Beschwerde. Der Beschluss, mit dem das Gericht die kommissarische Verneh- 45 mung anordnet oder einen dahin gehenden Antrag ablehnt, ist nach § 305 nicht mit der Beschwerde anfechtbar.125 Auch die Beweisperson, die dies für sich selbst beantragt hat, hat kein Beschwerderecht; sie hat kein Recht auf kommissarische Vernehmung und ist deshalb durch den ablehnenden Beschluss in ihren Rechten nicht verletzt.126 Vorzugswürdig ist allerdings eine differenzierende Ansicht,127 wonach die Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss trotz § 305 dann zulässig ist, wenn dessen Wirkung ausnahmsweise über die Vorbereitung der Hauptverhandlung hinausreicht, weil die Gefahr besteht, dass das Beweismittel bis zur Hauptverhandlung endgültig verlorengeht.128 2. Revision. Der Verstoß gegen § 223 ist an sich nicht mit der Revision nachprüf- 46 bar. Wird die Niederschrift gem. § 251 in der Hauptverhandlung verlesen und im Urteil verwertet, dann kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen für eine kommissarische Vernehmung nach § 223 gegeben waren, sondern darauf, ob die Verlesung zu Recht angeordnet wurde, worüber in der Hauptverhandlung nach § 251 neu zu entscheiden ist. Die richtige oder falsche Entscheidung nach § 251 bzw. das Einverständnis aller Beteiligten mit der Verlesung nach § 251 Abs. 2 Nr. 3 überholt somit einen etwaigen früheren Verfahrensfehler.129 Wegen der Entscheidung über die Vereidigung vgl. bei § 251 Abs. 4 Satz 3, 4; wegen der Verstöße gegen § 224 s. dort Rn. 31 ff.

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123 So Gollwitzer in der Voraufl. m.w.N. 124 So zutreffend BGHSt 45, 360 = NJW 2000 1206 f. 125 OLG Darmstadt Alsb. E 2 Nr. 85; Eb. Schmid 14; AK/Keller 21; Meyer-Goßner/Schmitt 25; SSW/Grube 35; KK/Gmel 26. 126 OLG Rostock Alsb. E 2 Nr. 85; LG Düsseldorf NStZ 1983 44; KK/Gmel 26; Meyer-Goßner/Schmitt 25; KMR/Eschelbach 104; SK/Deiters 33. 127 LG Düsseldorf NStZ 1983 42; SK/Deiters 33; etwas enger wohl AK/Keller 25 (unabwendbarer Verlust eines Beweismittels von besonderer Bedeutung). 128 A.A. noch Gollwitzer in der Voraufl. 129 Schmid Verwirkung 233; AK/Keller 21; KK/Gmel 27; Meyer-Goßner/Schmitt 26; KMR/Eschelbach 106; SSW/Grube 36. Wegen der Einzelheiten vgl. bei § 251.

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§ 224

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Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2) kann dagegen gerügt werden, dass die mögliche kommissarische Einvernahme eines für die Hauptverhandlung nicht verfügbaren Zeugen zu Unrecht unterblieben ist oder dass das Gericht nicht alle der Sache nach gebotenen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um die Anwesenheit eines wichtigen Zeugen in der Hauptverhandlung zu erreichen.130 Die Aufklärungspflicht ist allerdings in aller Regel nicht verletzt, wenn die Verfahrensbeteiligten mit der Verlesung der Aussage nach § 251 Abs. 2 Nr. 3 einverstanden waren.131 Sofern eine Nachprüfung des Beschlusses nach § 223 durch das Revisionsgericht 48 überhaupt noch in Betracht kommt,132 kann es nur nachprüfen, ob die vom Tatrichter für gegeben erachteten Umstände rechtlich richtig gewürdigt sind, ob die Pflicht zur erschöpfenden Sachprüfung erfüllt und ob die Beurteilung der Voraussetzungen des § 223 frei von Rechtsirrtümern ausgeübt worden ist.133

§ 224 Benachrichtigung der Beteiligten über den Termin § 224 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung Jäger https://doi.org/10.1515/9783110274943-016

(1) 1 Von den zum Zweck dieser Vernehmung anberaumten Terminen sind die Staatsanwaltschaft, der Angeklagte und der Verteidiger vorher zu benachrichtigen; ihrer Anwesenheit bei der Vernehmung bedarf es nicht. 2 Die Benachrichtigung unterbleibt, wenn sie den Untersuchungserfolg gefährden würde. 3 Das aufgenommene Protokoll ist der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger vorzulegen. (2) Hat ein nicht in Freiheit befindlicher Angeklagter einen Verteidiger, so steht ihm ein Anspruch auf Anwesenheit nur bei solchen Terminen zu, die an der Gerichtsstelle des Ortes abgehalten werden, wo er in Haft ist. RiStBV 121 Abs. 4 Schrifttum Siehe bei § 223.

Entstehungsgeschichte Mit Art. 1 Nr. 73 des 1. StVRG wurde § 224 im Jahre 1974 neu gefasst. Neben einigen redaktionellen Änderungen wurden die Voraussetzungen geändert, unter denen die Benachrichtigung unterbleiben kann („Gefährdung des Untersuchungserfolgs“ statt „Gefahr in Verzug“). Das Recht des inhaftierten Angeklagten auf Anwesenheit bei einer auswärtigen Vernehmung entfällt seither in Übereinstimmung mit der Neufassung des

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130 HK/Julius/Reichling 17; vgl. bei §§ 244 und 251. 131 OLG Köln VRS 60 (1981) 441. 132 Seit der Änderung des § 251 kommt es an sich nur auf die Entscheidungen in der Hauptverhandlung nach § 251 an; nur wo für diese jede Grundlage entfallen ist, bleibt ein unmittelbarer Rückgriff auf die Entscheidung nach § 223 noch denkbar, etwa wenn der endgültige Verlust eines Zeugen eingetreten ist, dessen mögliche kommissarische Einvernahme nach § 223 zu Unrecht (Beurteilung dann ex tunc) abgelehnt und dadurch die Aufklärungspflicht verletzt wurde. 133 RGSt 44 9; 46 115; 52 87; RG HRR 1935 Nr. 553; 1571 BGH bei Herlan MDR 1955 529; bei Dallinger MDR 1974 369; OLG Neustadt VRS 9 (1955) 105. Vgl. auch OLG Hamburg MDR 1973 953; OLG Köln GA 1953 39. Eb. Schmid 13; AK/Keller 21 (nur Vertretbarkeit der Anwendung konkretisierungsbedürftiger Rechtsbegriffe).

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5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung

§ 224

§ 168c Abs. 4 nur, wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat. Bezeichnung bis 1924: § 223.

1.

2. 3. 4.

5.

Übersicht Geltungsbereich a) Vernehmungen im Inland | 1 b) Nato-Truppenstatut | 2 c) Vernehmungen im Ausland | 3 Zweck der Vorschrift | 4 Anwesenheitsrecht | 5 Benachrichtigung a) Durch den beauftragten oder ersuchten Richter | 7 b) Formlose Mitteilung | 8 Zu benachrichtigende Personen a) Angeklagter | 2 b) Staatsanwaltschaft | 13 c) Verteidiger | 14 d) Privatkläger und Nebenkläger | 15 e) Behörden | 16

Alphabetische Übersicht Anwendbarkeit des § 247 5 Anwesenheitspflicht 6 Aufklärungspflicht 6, 36 Behörden, Benachrichtigung 16 Belehrung 10 Benachrichtigung – Absehen von 5 – Form 8 – rechtzeitige 11 Benachrichtigung vom Termin 7 ff., 21 Beweismittelverlust 20 Erziehungsberechtigte 18 Faires Verhalten 37 Fragerecht 2, 3, 4, 24, 26, 36 Freibeweis 22 Gefährdung des Untersuchungserfolgs 19 ff., 35 Gefahr im Verzug 20 Gegenüberstellung mit Belastungszeugen 2, 24 Gesetzlicher Vertreter 18 Haft 12, 24 ff., 35 Heilung 34 Jugendsachen 18 Kreuzverhör 4 Mitangeklagte 1, 12 Nato-Truppenstatut 2 Nebenbeteiligte 17

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f)

6. 7. 8.

9. 10. 11.

Einziehungsbeteiligte, Nebenbeteiligte | 7 g) Jugendsachen | 18 Wegfall der Benachrichtigungspflicht | 19 Verzicht auf Benachrichtigung | 23 Einschränkung des Anwesenheitsrechts des inhaftierten Angeklagten | 24 Schriftliche Fragen | 26 Vorlegung der Niederschrift | 27 Folgen der Verletzung der Benachrichtigungspflicht a) Verlesbarkeit in Hauptverhandlung | 31 b) Heilung | 34 c) Sonstiges zur Revision | 35

Nebenkläger 15, 24 Notwendige Verteidigung 6 Rechtshilfeersuchen 3 Reisekostenvorschuss 6 Revision 31 ff. Teilnahmerecht 2, 3, 5 Terminsverlegung, kein Recht auf 6 Verlesbarkeit in Hauptverhandlung 31 Verletzter als Zeuge, Benachrichtigung seines Anwalts 15 Vernehmungen im Ausland 3 Vernehmungsniederschrift, Vorlegung 27 Verteidiger – Anwesenheitsrecht 5 – Benachrichtigung 14 Verwirkung 30, 33 Verzicht – auf Benachrichtigung 23 – auf Gegenüberstellung 2 – auf Teilnahme 23, 32 – auf Vorlegung der Niederschrift 30 Verzögerung des Verfahrens 20 Vorführung des Angeklagten 25 Vorlegen der Niederschrift 27 ff., 34, 35 Wohnungswechsel 8 Zeugenschutz 5 Zweck der Vorschrift 4

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§ 224

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1. Geltungsbereich 1

a) Vernehmungen im Inland. § 224 gilt grundsätzlich für alle nach § 223 angeordneten Vernehmungen von Beweispersonen, nicht dagegen nach dem von § 251 abweichenden Wortlaut bei der Vernehmung eines Mitangeklagten.1 Umstritten ist hingegen, inwiefern sich der Geltungsbereich auch auf die kommissarische Vernehmung des Angeklagten erstreckt.2 Richtigerweise wird man eine Erstreckung bejahen müssen, da der Wortlaut für eine einschränkende Auslegung nichts hergibt. Gewisse Einschränkungen können sich dagegen aus Sonderrecht ergeben.

2

b) Personen, die unter das Nato-Truppenstatut fallen, haben das Recht, den Belastungszeugen gegenübergestellt zu werden (Art. VII Abs. 9 lit. c). Dies muss nicht notwendig in der Hauptverhandlung geschehen.3 Erhält der Angeklagte keine Gelegenheit zur Teilnahme an der Vernehmung, so ist auch bei Beachtung des § 224 strittig, ob die kommissarische Vernehmung eines Zeugen dessen Einvernahme in der Hauptverhandlung ersetzen kann,4 sofern nicht der Angeklagte von sich aus auf die Gegenüberstellung verzichtet.5 Insbesondere in den Fällen des Absatzes 2 empfiehlt es sich daher, auch einem durch einen Verteidiger vertretenen inhaftierten Angeklagten die Teilnahme an auswärtigen Vernehmungen zu ermöglichen.

3

c) Vernehmungen im Ausland. § 224 gilt grundsätzlich auch bei konsularischen Vernehmungen sowie bei Vernehmungen durch ausländische Stellen, soweit das maßgebende Recht seine Anwendung zulässt. Dazu sowie zur Pflicht des deutschen Gerichts, alles zu tun, dass den Erfordernissen des § 224 genügt werde, vgl. die Erl. zu § 251 und § 223, 37 bis 39. Ist nach dem Recht des ersuchten ausländischen Staates die Anwesenheit der in Absatz 1 bezeichneten Personen unzulässig, so ist die Nichtbeachtung des § 224 unschädlich.6 Soweit sie aber nach den zwischenstaatlichen Vereinbarungen oder nach der Übung des anderen Landes möglich ist, muss der Vorsitzende von sich aus bei Zuleitung des Rechtshilfeersuchen alles dafür Erforderliche tun. So muss er gegebenenfalls nach Art. 4 EuRhÜbk um Mitteilung des Vernehmungstermins nachsuchen, damit er die Benachrichtigung der Teilnahmeberechtigten in die Wege leiten kann.7 Keinesfalls darf durch ein Verhalten des deutschen Gerichts die Durchsetzung des Teilnahmerechts verkürzt werden;8 ebenso wenig andere Verteidigungsrechte, wie etwa die Möglichkeit, der vernehmenden ausländischen Stelle schriftliche Fragen an den Zeugen zu übermitteln.9

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1 BGH bei Holtz MDR 1976 989; BGHSt 42 391 = NStZ 1997 351 mit Anm. Rieß (zu § 168c); AK/Keller 1; KK/Gmel 1; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Gründler MDR 1986 903; a.A. (zu § 168c): OLG Karlsruhe StV 1996 302 mit Anm. Rieß; Krause NJW 1975 2283; StV 1984 171; Sieg MDR 1986 285. Zur Streitfrage vgl. die weit. Nachw. bei § 168c. 2 Für eine Einbeziehung etwa Meyer-Goßner/Schmitt 1 mit Verweis auf OLG Hamm MDR 1974 419; a.A. SK/Deiters 4; MüKo/Arnoldi 2. 3 BGHSt 26 18; vgl. Gollwitzer GedS Meyer 151, 153. 4 Verneinend BGH bei Dallinger MDR 1973 729; Marenbach NJW 1974 1071; BGHSt 26 18 lässt dies unter Hinweis auf eine bejahende, unveröffentlichte Entscheidung des BGH offen. 5 Auf das Recht auf Gegenüberstellung kann der Angeklagte verzichten: AK/Keller 1. 6 OLG Hamm JMBlNW 1962 223; AK/Keller 5; KK/Gmel 1; Meyer-Goßner/Schmitt 1; KMR/Eschelbach 11; MüKo/Arnoldi 3; SK/Deiters 5. 7 BGH JZ 1997 45 mit Anm. Lagodny; weit. Nachw. bei § 223, 39 und bei § 251. 8 Etwa BGHSt 35 82 = NStZ 1988 563 mit Anm. Naucke; BayObLGSt 1984 107 = JR 1985 478; vgl. § 223, 39. 9 Etwa BayObLGSt 1950/51 113; vgl. BGH bei Holtz MDR 1984 444; OLG Düsseldorf StV 1992 558 mit Anm. Walther; ferner Rn. 26 und § 223, 25.

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§ 224

2. Zweck der Vorschrift. § 224 ergänzt § 223. Die Vernehmung von Beweispersonen 4 nach § 223 soll – unter den Voraussetzungen des § 251 – die Vernehmung vor dem erkennenden Gericht ersetzen. Die teilnehmenden Prozessbeteiligten müssen deshalb in der Lage sein, auch bei ihr die Verfahrensrechte auszuüben, die sie bei einer Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung haben. Dazu gehört das Recht, Vorhalte zu machen und vor allem das Fragerecht entsprechend § 240 Abs. 2,10 das auch durch Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK, Art. 14 Abs. 3 lit. e IPBPR ausdrücklich gewährleistet ist.11 Ein Kreuzverhör nach § 239 ist dagegen mit der Struktur der kommissarischen Zeugeneinvernahme schlecht vereinbar. Damit die Prozessbeteiligten ihre Rechte wahrnehmen können, müssen sie rechtzeitig vorher benachrichtigt werden. 3. Anwesenheitsrecht. Das Recht zur Teilnahme an der Vernehmung wird auch 5 ohne nochmalige ausdrückliche Regelung (vgl. § 168c Abs. 2) als bestehend vorausgesetzt, wie u.a. seine Einschränkung durch Absatz 2 zeigt.12 Es besteht unabhängig von der Benachrichtigung. Der Angeklagte kann aber kein weitergehendes Anwesenheitsrecht haben als bei einer Zeugeneinvernahme in der Hauptverhandlung. Soweit er dort von der Teilnahme an einer Zeugeneinvernahme ausgeschlossen werden darf, muss dies auch bei der kommissarischen Vernehmung möglich sein. Der Angeklagte kann daher bei ordnungswidrigem Benehmen nach § 177 GVG entfernt werden, und er kann vor allem bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 247 von der Anwesenheit bei der Einvernahme einer Beweisperson ausgeschlossen werden.13 Wegen des unmittelbaren Bezugs zur Beweisaufnahme der Hauptverhandlung dürfte die Anwendung des § 247 der mitunter vertretenen analogen Anwendung des § 168c Abs. 3 vorgehen.14 Wenn die Benachrichtigung nach Absatz 1 Satz 2 wegen Gefährdung des Untersuchungserfolges zu Recht unterbleibt, lässt dies entgegen der früher vorherrschenden Meinung15 nach der Entscheidung des Großen Senats des BGH16 das Anwesenheitsrecht des Verteidigers und wohl auch des Angeklagten unberührt. Die früher die Diskussion über den Ausschluss des Angeklagten und seines Verteidigers von der Vernehmung bestimmende Problematik des Zeugenschutzes (V-Mann, usw.), die trotz § 68 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 fortbe-

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10 H.M.; vgl. Gollwitzer GedS Meyer 163. 11 Vgl. LR/Esser26 Art. 6, 773 EMRK; ferner, zur Befugnis bei Verhinderung schriftliche Fragen zu stellen Rn. 26. 12 So auch HK-GS/Schulz 2. 13 AK/Keller 3; KK/Gmel 4; Meyer-Goßner/Schmitt § 223, 20; KMR/Eschelbach 26; SK/Deiters 12. Auch BGHSt 32 32 = JR 1984 45 mit Anm. Geerds geht von der Anwendbarkeit des § 247 aus. 14 BGH GA 1967 371; vgl. auch die Nachw. in der vorhergehenden Fn. und bei § 247; ferner BGH NStZ 1982 42; Grünwald FS Dünnebier 360; mitunter werden auch beide Vorschriften, die sich in ihren Voraussetzungen nur zum Teil decken, analog herangezogen, vgl. etwa BayObLGSt 1977 130 = JR 1978 174 mit Anm. Peters. 15 BGHSt 29 109; Vorlagebeschluss BGH NStZ 1984 32 mit Anm. Günther, dazu Bruns StV 1983 382; ferner BGH NJW 1980 2088; 1981 770; bei Holtz MDR 1983 796; OLG Frankfurt NStZ 1983 231 mit abl. Anm. Franzheim; Geißer GA 1983 398; BVerfGE 57 250 = NStZ 1981 357 = StV 1981 591 mit Anm. Kotz; dazu Grünwald FS Dünnebier 347 hatte gegen diese Auslegung keine verfassungsrechtlichen Bedenken. 16 BGHSt 32 115 = NStZ 1984 36 mit Anm. Frenzel = JZ 1984 431 mit Anm. Fezer = StV 1984 56 mit Anm. Grünwald; dazu Herdegen NStZ 1984 97, 200; Miebach ZRP 1984 81; Bruns MDR 1984 77; ähnlich schon BGHSt 31 149 = NStZ 1983 229 mit Anm. Franzheim; dazu Engels NJW 1983 1531; ferner BGH NStZ 1984 178; AG Heidelberg StV 1982 162; Grünwald FS Dünnebier 361; Welp JZ 1980 134 gegen BGHSt 29 1 (zu § 168c); zur Streitfrage ferner Bruns StV 1983 382; ders., Neue Wege zur Lösung des strafprozessualen V-MannProblems (1982); Lüderssen FS Klug 527; Gribbohm NStZ 1981 305; Fröhlich NStZ 1981 220; Preuß StV 1981 312; Weider StV 1981 151; 1983 227; Rebmann NStZ 1982 315; Rengier Jura 1981 309; Schmid DRiZ 1983 474; Schoreit MDR 1983 617; vgl. ferner bei § 168c.

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steht, dürfte nicht mehr durch Beschränkung des Anwesenheitsrechts zu lösen sein.17 Entfällt die Benachrichtigung nur wegen der Eilbedürftigkeit der Durchführung der Vernehmung (Rn. 20), so war bisher schon unstreitig, dass dies das Teilnahmerecht eines trotzdem erschienenen Angeklagten oder Verteidigers nicht berührt. Eine Anwesenheitspflicht korrespondiert mit dem Teilnahmerecht nicht (Absatz 1 6 Satz 1 letzter Halbsatz). Es steht im freien Belieben des Benachrichtigten, ob er der Vernehmung beiwohnen will,18 selbst im Falle einer notwendigen Verteidigung.19 Im Übrigen kann die Vernehmung auch bei Nichterscheinen der benachrichtigten Personen durchgeführt werden.20 Dabei ist unerheblich, auf welchen Gründen das Fernbleiben beruht.21 Die Beteiligten haben, wie § 168c Abs. 5 Satz 3 zeigt, kein Recht, die Verlegung des Termins zu beantragen, weil sie zu diesem Zeitpunkt an der Wahrnehmung des Termins verhindert sind.22 Ist es allerdings möglich, durch eine das Verfahren nicht verzögernde und verfahrenstechnisch problemlose Terminsverlegung dem Anwesenheitswunsch vor allem des Angeklagten oder Verteidigers Rechnung zu tragen, so sollte dem entsprochen werden.23 Das Gericht ist nicht verpflichtet, dem Angeklagten durch einen Reisekostenvorschuss die Teilnahme an einem auswärtigen Termin zu ermöglichen oder ihm dafür – eventuell am Ort des ersuchten Gerichts – einen Pflichtverteidiger zu bestellen.24 Aufklärungs- oder Fürsorgepflicht erfordern solche Maßnahmen nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen. 4. Benachrichtigung 7

a) Die Benachrichtigung von Ort und Zeit der Vernehmung obliegt regelmäßig dem beauftragten oder ersuchten Richter, der Ort und Zeit der Vernehmung bestimmt. Steht beides jedoch schon bei Anordnung der Vernehmung nach § 223 fest, kann sie, was im Interesse der Verfahrensbeschleunigung zweckmäßig ist, auch schon vom Gericht zugleich mit dem Beschluss nach § 223 angeordnet werden. Insbesondere kann die Benachrichtigung auch dadurch bewirkt werden, dass der Beschluss, der alle wesentlichen Angaben über Ort und Zeit des Termins enthält, in der Hauptverhandlung in Gegenwart der zu benachrichtigenden Personen verkündet wird.25 Bei einer Vernehmung im Ausland kann sich die Pflicht des Vorsitzenden ergeben, von einem ihm mitgeteilten Vernehmungstermin die Verfahrensbeteiligten zu benachrichtigen, sofern nicht ersichtlich ist, dass dies bereits durch die ausländische Stelle geschehen ist.26

8

b) In der Regel erfolgt die Benachrichtigung schriftlich. Nach § 35 Abs. 2 Satz 2 genügt eine formlose Mitteilung.27 Die Rechtsprechung des RG, die aus der Zeit vor Einfügung des § 35 Abs. 2 Satz 2 stammt (vgl. die Erläuterungen zu § 35), forderte in der

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17 Vgl. die Nachw. in der vorhergehenden Fn., aber auch Herdegen NStZ 1984 203; Miebach ZRP 1984 83. 18 BGHSt 1 284. 19 BGH NJW 1952 1426; Meyer-Goßner/Schmitt 9; SK/Deiters 2. 20 BGH NJW 1972 1426. 21 RGSt 59 301; BGH VRS 26 (1964) 211. 22 BGHSt 1 284; BGH NJW 1952 1426 = LM Nr. 5 mit Anm. Neumann (Zusammenfallen mehrerer Termine); Welp JZ 1980 134; KK/Gmel 3; Meyer-Goßner/Schmitt 9; KMR/Eschelbach 21; MüKo/Arnoldi 6. 23 KMR/Eschelbach 22. 24 KMR/Eschelbach 20; vgl. aber auch v. Ungern-Sternberg ZStW 87 (1975) 925. 25 BGH VRS 26 (1964) 211; KK/Gmel 5; KMR/Eschelbach 32; vgl. § 223, 27. 26 Vgl. § 223, 39. 27 BayObLGSt 1953 62 = NJW 1953 1316; OLG Bremen OLGSt § 224, 1; SSW/Grube 4.

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Regel Zustellung.28 Sie ließ jedoch – insbesondere bei kurzfristiger Anberaumung der Vernehmung – jede Form der Mitteilung, etwa eine Drahtnachricht29 oder eine telefonische Verständigung, zu. Die Benachrichtigung muss zugegangen, nicht nur abgesandt sein.30 Da dies im Zweifel amtlicherseits nachzuweisen ist, empfiehlt sich die Zustellung der Benachrichtigung, sofern der Nachweis des Zugangs nicht in einer anderen Form (Empfangsbestätigung) gesichert ist.31 Bei einer fernmündlichen Mitteilung sind zum Nachweis des Zugangs Zeit, Inhalt des Gesprächs und der Gesprächspartner in einem Aktenvermerk festzuhalten.32 Weiß der Angeklagte, dass seine Benachrichtigung bevorsteht, so muss er u.U. seinen Wohnungswechsel anzeigen; versäumt er dies, so ist der Richter nicht verpflichtet, die Vernehmung auf einen späteren Tag zu verlegen.33 Der notwendige Inhalt der Benachrichtigung ergibt sich aus ihrem Zweck. Neben 9 der zu vernehmenden Beweisperson müssen Ort und Zeit der Vernehmung eindeutig bezeichnet werden. Eine Belehrung über die Bedeutung der Vernehmung vor der Hauptverhandlung ist 10 in die Benachrichtigung nicht aufzunehmen.34 Desgleichen bedarf es keiner Belehrung darüber, dass der Angeklagte berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, der Vernehmung beizuwohnen.35 Die Benachrichtigung ist nur dann ordnungsgemäß, wenn sie so rechtzeitig erfolgt, 11 dass den Beteiligten eine angemessene Frist verbleibt, die es ihnen ermöglicht, ihre Anwesenheit oder Vertretung bei der Vernehmung, insbesondere auch eine etwa notwendige Reise, vorzubereiten.36 5. Zu benachrichtigende Personen a) Bei mehreren Angeklagten ist grundsätzlich jeder einzelne zu benachrichtigen, 12 auch wenn nur einer von ihnen die Vernehmung veranlasst hat.37 Die Benachrichtigung kann nur bei dem Mitangeklagten unterbleiben, bei dem ausgeschlossen werden kann, dass ihn die Vernehmung in irgendeiner Form betrifft; da dies meist nicht mit Sicherheit vorhersehbar ist, werden zweckmäßigerweise alle verständigt.38 Zu benachrichtigen ist auch ein in Haft befindlicher Angeklagter, der kein Recht hat, selbst am Termin teilzunehmen, denn er muss die Möglichkeit haben, einen Verteidiger zu entsenden oder schriftlich Fragen zu stellen.39 Die Mitteilung an den Angeklagten kann auch nach § 145a an den Verteidiger gesandt werden.40 Die Benachrichtigungspflicht reicht aber nicht

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28 Vgl. RG JW 1893 416. 29 RG Recht 1914 1769. 30 BayObLGSt 1953 62 = NJW 1953 1316; OLG Kiel HESt 1 168; OLG Frankfurt NJW 1952 1068; OLG Bremen OLGSt 1; Krause StV 1984 173. 31 KK/Gmel 5; Meyer-Goßner/Schmitt 6; KMR/Eschelbach 38; MüKo/Arnoldi 10; SK/Deiters 6. 32 SK/Deiters 7. 33 RG HRR 1933 Nr. 451; SK/Deiters 6. 34 RGSt 4 264. 35 BGHSt 9 24; BGH VRS 26 (1964) 211. 36 RGSt 59 280; RG JW 1925 2611; BGH GA 1976 242; BayObLGSt 1949/51 113 = HESt 3 29; KK/Gmel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 5; KMR/Eschelbach 37; MüKo/Arnoldi 10. 37 RGSt 1 210; KK/Gmel 7; KMR/Eschelbach 33. 38 Gollwitzer FS Sarstedt 24; a.A. SK/Deiters 8. 39 BGH bei Holtz MDR 1976 814; MüKo/Arnoldi 9; vgl. Rn. 25. 40 KK/Gmel 7 (keine Ladung; keine Entscheidung, so dass § 145a Abs. 2, 3 nicht gelten); Meyer-Goßner/ Schmitt 4; SK/Deiters 9.

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über das Verfahren hinaus; sie erstreckt sich nicht auf einen Mittäter, der wegen der gleichen Tat in einem anderen Verfahren angeklagt ist.41 13

b) Die Staatsanwaltschaft ist zu benachrichtigen, da die Ladungen zur Vernehmung nach § 223 vom Gericht selbst bewirkt werden.

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c) Der Verteidiger, auch der bestellte, muss neben dem Angeklagten besonders benachrichtigt werden.42 Das gilt auch, wenn der Angeklagte auf die Benachrichtigung verzichtet hat. Dabei ist im Falle der notwendigen Verteidigung darauf zu achten, dass dem Angeklagten im Zeitpunkt der kommissarischen Vernehmung auch tatsächlich ein Verteidiger zur Seite steht.43 Wird die Mitteilung nach § 145a Abs. 1 an den Verteidiger gerichtet (vgl. Rn. 12), so liegt darin neben der Benachrichtigung des Verteidigers auch die Benachrichtigung des Angeklagten.44

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d) Privatkläger und Nebenkläger sind in § 224 Abs. 1 nicht unter denjenigen Personen genannt, die benachrichtigt werden müssen. Die Pflicht zu ihrer Benachrichtigung folgt aus den § 385 Abs. 1 Satz 1, § 397, würde sich aber auch daraus ergeben, dass die kommissarische Vernehmung der Hauptverhandlung vorgreift, so dass keinem Verfahrensbeteiligten Rechte beschnitten werden dürfen, die er in der Hauptverhandlung zur Wahrung seiner Verfahrensinteressen hätte.45 Zu benachrichtigen ist auch der Anwalt des zur Nebenklage Berechtigten, der nach § 406h Abs. 2 Satz 3 ein Anwesenheitsrecht hat; ferner, wenn der Verletzte als Zeuge kommissarisch vernommen werden soll, auch dessen zur Anwesenheit berechtigter Rechtsanwalt (§ 406f Abs. 2).46

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e) Soweit Behörden berechtigt sind, durch einen Vertreter mit eigenen Rechten an der Hauptverhandlung teilzunehmen (vgl. Vor § 226, 70, wie etwa im Steuerstrafverfahren die Steuerbehörden nach § 407 AO), sind diese aus dem gleichen Grund zu benachrichtigen.

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f) Einziehungsbeteiligte und sonstige Nebenbeteiligte haben die Befugnisse des Angeklagten (§ 427 Abs. 1 Satz 1, § 439). Sie sind deshalb ebenfalls zu benachrichtigen, sofern nicht auszuschließen ist, dass die Vernehmung einen ihre Prozessinteressen (z.B. Einziehung) berührenden Teil des Verfahrens betrifft.47

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g) In Jugendsachen sind auch die Erziehungsberechtigten und der gesetzliche Vertreter zu benachrichtigen (§ 67 Abs. JGG).

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6. Wegfall der Benachrichtigungspflicht. Die Benachrichtigungspflicht entfällt, wenn dadurch der Untersuchungserfolg gefährdet würde (Abs. 1 Satz 2). Die Voraussetzungen für diese Ausnahmevorschrift sind die gleichen wie bei § 168c Abs. 5 Satz 2. Nach der einen Ansicht muss zu befürchten sein, dass der Zeuge in Gegenwart des Angeklagten nicht die Wahrheit sagen werde (§ 168c Abs. 3 Satz 2, § 247 analog) oder unter

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41 BGH NStZ 1986 231; Meyer-Goßner/Schmitt 4; SK/Deiters 8. 42 RGRspr. 2 562; 8 731; HK/Julius/Reichling 3; KK/Gmel 7; Meyer-Goßner/Schmitt 4; KMR/Eschelbach 34; SK/Deiters 9. Vgl. auch Rn. 12 (Mitteilung nach § 145a Abs. 1). 43 RGSt 47 303; SK/Deiters 9. 44 OLG Hamm NJW 1991 1317; Meyer-Goßner/Schmitt 4; KMR/Eschelbach 34; SK/Deiters 9. 45 H.M. etwa Eb. Schmid 1; SSW/Grube 6; Gollwitzer FS Schäfer 77. 46 Vgl. auch Schaal/Eisenberg NStZ 1988 49. 47 KMR/Eschelbach 35.

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dem Druck des Angeklagten die Aussage verweigern werde oder der Angeklagte oder sein Verteidiger die durch die Benachrichtigung erlangte Kenntnis zum Zweck der Verdunkelung ausnützen würde.48 Es müssen allerdings konkrete Anhaltspunkte für eine solche Gefahr vorliegen. Nach anderer Ansicht49 entfällt die Benachrichtigungspflicht dagegen nur dann, wenn die mit einer ordnungsgemäßen Benachrichtigung verbundene zeitliche Verzögerung den Untersuchungserfolg gefährden würde (vgl. Rn. 20), nicht aber in den Fällen einer materiellen Gefährdung, wie Druck auf den Zeugen oder Gefahr von Verdunkelungsmaßnahmen; wegen des jetzt anerkannten50 grundsätzlichen Anwesenheitsrechts des Angeklagten und vor allem seines Verteidigers habe das Unterlassen der Benachrichtigung auch kaum noch Sinn.51 Wegen der Einzelheiten wird auf die Erläuterungen zu § 168c und die dort angeführten Nachweise verwiesen. Eine Gefährdung des Untersuchungserfolgs liegt unstreitig vor, wenn Gefahr in 20 Verzug besteht (so die frühere Fassung des Absatzes 1 Satz 1). Der Verlust des Beweismittels oder die erhebliche Minderung seines Wertes52 muss zu befürchten sein, wenn die Vernehmung erst nach ordnungsgemäßer Benachrichtigung durchgeführt würde, etwa, wenn ein Zeuge lebensgefährlich erkrankt ist oder auf unabsehbare Zeit für die Justiz nicht erreichbar sein wird.53 Letzteres ist allerdings bei der Rückkehr eines Zeugen an seinen Wohnsitz in Österreich noch nicht der Fall.54 Die mit der ordnungsgemäßen Benachrichtigung verbundene Verzögerung des Verfahrens ist in der Regel für sich allein keine Gefährdung des Untersuchungszwecks.55 Vor allem rechtfertigt der nahe bevorstehende Termin der Hauptverhandlung nicht, die Vernehmung so kurzfristig durchzuführen, dass eine rechtzeitige Benachrichtigung der Beteiligten unmöglich wird, erforderlichenfalls muss die Hauptverhandlung verlegt werden. 56 Nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen, wie beim Verlust später nicht mehr verfügbarer Beweismittel, kann die bei ordnungsgemäßer Abwicklung der kommissarischen Einvernahme notwendig werdende Verlegung des Hauptverhandlungstermins den Untersuchungserfolg gefährden.57 Die Einschränkung der Benachrichtigungspflicht reicht nicht weiter als nach dem 21 Sinn der Regelung notwendig ist. Liegt die Gefährdung des Untersuchungserfolgs allein in der Zeitnot, so wird beispielsweise nicht von vornherein jede Verständigung von dem kurzfristig anberaumten Termin unterbleiben dürfen. Aus diesem Zweck der Vorschrift ist vielmehr zu folgern, dass alle üblichen und nach der Bedeutung der Sache auch zumutbaren Möglichkeiten einer kurzfristigen Benachrichtigung zumindest versucht werden (Telefon, Telefax usw.).

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48 BGHSt 29 1 = JR 1980 252 mit Anm. Meyer-Goßner; BGHSt 32 115; 128 = JZ 1984 431 mit Anm. Fezer; BGH NJW 1980 2088; BayObLGSt 1977 130 = JR 1978 174 mit abl. Anm. Peters; Ernesti JR 1982 222; Krey GedS Meyer 255; KK/Gmel 9; Meyer-Goßner/Schmitt 8; MüKo/Arnoldi 11; SSW/Grube 10; HK-GS/Schulz 3; a.A. SK/Deiters 13. 49 Welp JZ 1980 134; Grünwald FS Dünnebier 361; Krause StV 1984 172; Nelles StV 1986 75; Rengier Jura 1981 306; Zaczyk NStZ 1987 535; SK/Deiters 14; AK/Keller 3; KMR/Eschelbach 39 f.; wegen weit. Nachw. zum Streitstand vgl. bei § 168c. 50 Vgl. die Nachw. bei Rn. 5. 51 Dies trifft beim Verteidiger zu. Auch ein Angeklagter, der nach § 247 ausgeschlossen wird, braucht die Benachrichtigung wegen seines Rechts, schriftliche Fragen zu stellen oder sich durch einen Verteidiger vertreten zu lassen. 52 BTDrucks. 7 551, S. 76; Meyer-Goßner/Schmitt 8; SK/Deiters 11. 53 BGH NJW 1980 2088; OLG Hamm JMBlNW 1962 223; KMR/Eschelbach 40. 54 OLG Hamm VRS 24 (1963) 391; SK/Deiters 15. 55 BayObLGSt 1949/51 113 = HESt 3 29; RGSt 1 219; RGRspr. 1 655; RG Recht 1903 Nr. 2614. 56 Meyer-Goßner JR 1977 258; Peters § 59 II 2; Eb. Schmid 8. 57 RGSt 43 337; BayObLGSt 1949/51 113; KK/Gmel 9.

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Die Gründe, aus denen die Benachrichtigung unterbleibt oder nicht mehr rechtzeitig durchgeführt wird, sind zweckmäßigerweise aktenkundig zu machen,58 um später Einwendungen gegen die Verlesung der Aussage besser begegnen zu können und um die Hauptverhandlung zu entlasten, in der diese Gründe im Wege des Freibeweises festgestellt werden müssen.59 Das über die Verlesungsvoraussetzungen nach § 251 entscheidende Gericht ist an diese Auffassung weder tatsächlich noch rechtlich gebunden;60 es kann auch weitere Gründe heranziehen.61 Die Beurteilung der zeitgebundenen Elemente, wie Gefährdung des Untersuchungserfolgs, richtet sich aber nach der Verfahrenslage bei Anordnung der kommissarischen Vernehmung und nicht nach der späteren, möglicherweise veränderten Sicht der Hauptverhandlung.

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7. Verzicht auf Benachrichtigung. Die Beteiligten können auf ihr Recht auf Benachrichtigung von der kommissarischen Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen verzichten,62 weil diese ihr – verzichtbares – Recht auf Anwesenheit sichern soll. Der Verzicht kann vor der Vernehmung des Zeugen oder Sachverständigen ausgesprochen werden – in der Praxis gibt die Staatsanwaltschaft nicht selten eine solche Erklärung ab, wenn sie die kommissarische Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen beantragt oder anregt63 –; er kann aber auch nachträglich erklärt werden, wenn Beteiligte zu Unrecht nicht benachrichtigt wurden.

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8. Einschränkung des Anwesenheitsrechts des inhaftierten Angeklagten. Auch der nicht auf freiem Fuß befindliche Angeklagte (§ 35, 24 ff.) hat grundsätzlich ein Recht auf Teilnahme bei den Vernehmungen. Sofern er nicht darauf verzichtet, hat das Gericht seine Anwesenheit durch rechtzeitige Anordnung der Vorführung sicherzustellen. Dies gilt jetzt grundsätzlich auch, wenn die Vernehmung nicht an der Gerichtsstelle des Verwahrungsortes durchgeführt wird. Absatz 2 lässt für diesen Fall nur noch dann eine Ausnahme zu, wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat, was allerdings im Hinblick auf § 140 sehr oft der Fall sein dürfte. Die Ausnahme des Absatzes 2 greift auch Platz, wenn eine Vernehmung zwar am Verwahrungsort, aber nicht an der Gerichtsstelle (Gerichtsgebäude) stattfindet.64 Die Auswirkung des Rechts auf Gegenüberstellung nach Art. VII Abs. 9 lit. c Nato-Truppenstatut auf Absatz 2 ist oben (Rn. 2) erörtert. Das Anwesenheitsrecht ist entsprechend Absatz 2 auch eingeschränkt, wenn ein Angeklagter an einem Termin im Ausland nicht teilnehmen kann, weil ihm die Auflagen eines außer Vollzug gesetzten Haftbefehls nicht gestatten, die Bundesrepublik zu verlassen.65 Zu benachrichtigen von Ort und Zeit der Vernehmung ist ein inhaftierter Angeklagter aber auch dann, wenn er kein Recht auf Teilnahme hat;66 andernfalls würde seine Befugnis verkürzt, einen Verteidiger zu entsenden oder schriftlich Fragen zu stellen (Rn. 26).

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58 AK/Keller 4; KK/Gmel 9; Meyer-Goßner/Schmitt 8; SK/Deiters 16; SSW/Grube 10. Zwingend notwendig ist dies nicht, BGH NStZ 1990 136. 59 BGHSt 29 1. 60 BGHSt 29 1; 31 143 = JZ 1983 354 mit Anm. Fezer; KK/Gmel 9; KMR/Eschelbach 47. 61 KK/Gmel 9. Vgl. bei § 251. 62 RGSt 58 100; BGHSt 1 284; 9 28; NJW 1984 65; OLG Bremen StV 1992 59; Bohnert NStZ 1983 345; AK/Keller 2; HK/Julius/Reichling 15; KK/Gmel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 7; KMR/Eschelbach 31. 63 Dazu Nr. 121 Abs. 4 RiStBV. 64 BGHSt 1 271. 65 OLG Bamberg MDR 1984 604; v. Ungern-Sternberg ZStW 87 (1975) 925; Meyer-Goßner/Schmitt 10; SK/Deiters 19. 66 Vgl. Rn. 12.

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Die zwangsweise Vorführung eines nicht auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten 25 zum Vernehmungstermin scheidet in der Regel aus, denn der Angeklagte hat nur ein verzichtbares Anwesenheitsrecht, nicht aber eine Anwesenheitspflicht. Hierauf wird die mit der Vorführung beauftragte Stelle zweckmäßigerweise zugleich mit der Vorführungsanordnung hingewiesen. Ausnahmsweise kann die Vorführung gegen den Willen des Angeklagten zulässig sein, wenn das erkennende Gericht im Interesse der Sachaufklärung die Gegenüberstellung angeordnet hat. 9. Schriftliche Fragen. Können der Angeklagte und sein Verteidiger das Recht, den 26 Zeugen im Zusammenhang mit seiner Einvernahme selbst zu befragen,67 nicht wahrnehmen, weil sie an der kommissarischen Einvernahme – aus welchen Gründen auch immer – nicht teilnehmen, so haben sie das Recht, dem mit der Einvernahme des Zeugen betrauten Richter ihre Fragen schriftlich mitzuteilen.68 Dieser hat unzulässige Fragen i.S.d. § 241 Abs. 2 zurückzuweisen, im Übrigen muss er dem Zeugen die schriftlich vorliegenden Fragen stellen. Die Fragen können auch schon beim erkennenden Gericht nach Anordnung der kommissarischen Vernehmung eingereicht werden. Dieses kann jedoch nicht darauf bestehen, dass die Erforderlichkeit der Fragen vorher in der Hauptverhandlung erörtert wird, da hierdurch der Zeuge vorzeitig vom Inhalt der Fragen Kenntnis erlangen und sich darauf einstellen könnte. Die Lage der Verteidigung würde dadurch gegenüber einer unmittelbaren Befragung in der Hauptverhandlung unnötig verschlechtert werden.69 10. Vorlegung der Niederschrift. Die Niederschrift (wegen Inhalt und Form vgl. 27 § 223, 35) ist dem Staatsanwalt und dem Verteidiger vorzulegen, ohne Rücksicht darauf, ob sie in dem Termin anwesend waren70 oder von ihm Kenntnis hatten. Die Vorlage ist vom Vorsitzenden des erkennenden Gerichts zu verfügen.71 Es 28 genügt, wenn mitgeteilt wird, dass die Niederschrift zur Einsicht bei Gericht bereit liegt.72 Stattdessen können jedoch auch der Staatsanwaltschaft die Akten oder die Niederschrift allein zur Einsichtnahme zugeleitet werden, dem Verteidiger kann auch eine Abschrift oder Ablichtung der Niederschrift zugesandt werden. Einen Anspruch darauf hat er jedoch nicht.73 Die Anordnung des Vorsitzenden erübrigt sich, wenn ersichtlich ist, dass Staatsanwalt oder Verteidiger bereits vom ersuchten oder beauftragten Richter Protokollabschriften erhalten haben.74 Das allgemeine Recht des Verteidigers, die Akten einzusehen (§ 147), wird durch den Anspruch auf Vorlage der Niederschrift nicht berührt.

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67 Dem durch Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK, Art. 14 Abs. 3 lit. e IPBPR verbürgten Fragerecht des Angeklagten ist in der Regel auch genügt, wenn er oder sein Verteidiger Gelegenheit hatte, dem Zeugen schriftlich alle ihm erforderlich erscheinenden Fragen zu stellen; vgl. LR/Esser26 Art. 6, 774 f. EMRK. 68 Vgl. Rn. 4; § 223, 25; 33. 69 BGH StV 1983 355; Schoreit MDR 1983 619. 70 H.M. seit BGHSt 25 357 = LM Nr. 5 mit Anm. Willms. Die Entscheidung erging auf Vorlagebeschluss des OLG Koblenz NJW 1974 1104. Die 21. Auflage hatte in Übereinstimmung mit einem großen Teil des Schrifttums die sich auf die Entstehungsgeschichte stützende Auffassung vertreten, dass die Vorlage nur bei dem Staatsanwalt oder Verteidiger notwendig sei, der an der Vernehmung nicht teilgenommen habe. Die gegenteilige Einschränkung (nur an die Teilnehmer) war von Kleinknecht und ihm folgend vom BGH bei Dallinger MDR 1972 753 vertreten worden. 71 Meyer-Goßner/Schmitt 11; KMR/Eschelbach 56; SSW/Grube 14; SK/Deiters 17. 72 BGHSt 25 357; MüKo/Arnoldi 15. 73 Eb. Schmid 8. 74 KMR/Eschelbach 56.

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Der Angeklagte hat kein Recht auf Vorlage der Vernehmungsniederschrift; dies gilt auch für einen angeklagten Rechtsanwalt, der sich selbst verteidigt.75 Auf die Vorlegung der Niederschrift kann verzichtet werden. Widerspricht weder 30 der Verteidiger noch der Angeklagte der Verlesung der Niederschrift in der Hauptverhandlung, obwohl die Vorlegung unterblieben war, so kann hierin ein stillschweigender Verzicht liegen.76 Auch eine Verwirkung des Anspruchs aufgrund des späteren Prozessverhaltens wird mitunter angenommen.77 11. Folgen der Verletzung der Benachrichtigungspflicht a) Verlesbarkeit in Hauptverhandlung. Die Verlesung und Verwertung der Niederschrift über die kommissarische Vernehmung in der Hauptverhandlung hängt seit der Änderung des § 251 im Jahre 1943 nicht mehr ausdrücklich davon ab, dass die Benachrichtigungspflicht des § 224 beachtet wurde.78 Dessen Verletzung begründet nur dann noch die Revision, wenn und soweit dadurch die Verlesbarkeit nach § 251 entfällt.79 Grundsätzlich ist die Niederschrift über die kommissarische Vernehmung nach § 251 nur verlesbar, wenn bei ihrem Zustandekommen die Rechte der Verfahrensbeteiligten gewahrt wurden, diese also, sofern nicht die von § 224 vorgesehenen Ausnahmen Platz greifen, Gelegenheit hatten, an der Vernehmung mitzuwirken. Ist dies nicht der Fall, kann der Verlesung ausdrücklich widersprochen werden. Hat der von einer Verletzung des § 224 Abs. 1 betroffene Verfahrensbeteiligte der Verwertung des Protokolls widersprochen, so darf das Urteil nicht auf eine Verlesung nach § 251 Abs. 1 gestützt werden.80 Verlesbar und verwertbar ist eine solche Niederschrift jedenfalls, wenn die Berech32 tigten auf Anwesenheit und Teilnahme an der kommissarischen Vernehmung verzichtet (Rn. 23) haben oder wenn – ohne besondere Erklärung des Verzichts seitens des Betroffenen – alle Beteiligten der Verlesung und damit der Verwertung gem. § 251 Abs. 1 Nr. 1 zustimmen und damit zum Ausdruck bringen, dass sie gegen die Verwertung des Beweismittels wegen der Art seines Zustandekommens keine Bedenken haben.81 Verzicht und Zustimmung können an sich durch konkludentes Verhalten erklärt werden. Dies setzt aber voraus, dass die von dem Verstoß betroffenen Verfahrensbeteiligten den Verstoß und ihre Rechte kennen, was bei einem rechtsunkundigen, nicht durch einen Verteidiger vertretenen Angeklagten in der Regel nur dann anzunehmen ist, wenn das Gericht auf den Verstoß und die aus ihm erwachsenden Rechte hingewiesen hat.82 33 Die Rüge der Verletzung des § 224 Abs. 1 wird nicht allein durch widerspruchslose Hinnahme der Verlesung verwirkt.83 Eine häufiger vertretene Meinung nimmt eine Ver31

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75 RGSt 4 351; vgl. BGH NJW 1954 1415; KK/Gmel 10; KMR/Eschelbach 53. 76 RGRspr. 2 156; RG LZ 1917 280; BGHSt 25 357; vgl. Rn. 32. 77 Vgl. BGHSt 25 357. Die Frage ist strittig, dazu Rn. 33. 78 RGSt 50 364; 58 100; RG HRR 1938 Nr. 191; BGHSt 1 219; 272; 286; 9 24; BGH NJW 1952 1426; OLG Köln VRS 60 (1981) 441. 79 Vgl. etwa BGHSt 1 284; 9 24; 25 357; BGH NStZ 1987 132; KK/Gmel 12; Meyer-Goßner/Schmitt 12; vgl. auch SK/Deiters 20 ff. Weitere Nachw. bei § 251. 80 BGH NStZ 1998 312 mit Anm. Wönne bzgl. der Verlesbarkeit gemäß § 251 Abs. 2 a.F. Man kann aus diesem Urteil die Notwendigkeit eines Widerspruchs ablesen; anders noch KMR/Paulus. Grundsätzlich anders Maul/Eschelbach StraFo 1996 66, die anstatt der Annahme eines Verwertungsverbots die Berücksichtigungsfähigkeit – wenn auch mit eingeschränktem Beweiswert – in Erwägung ziehen. 81 Etwa OLG Bremen StV 1992 59; AK/Keller 6; Meyer-Goßner/Schmitt 12; einschränkend Alsberg/Güntge 1017. 82 BGH NJW 1984 65; OLG Stuttgart JR 1977 343 mit Anm. Gollwitzer; Dahs 249a; Eb. Schmid 9; MeyerGoßner/Schmitt 12; 83 Vgl. Schlüchter GedS Meyer 464.

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wirkung der Revisionsrüge dagegen schon an, wenn der Angeklagte oder sein Verteidiger in der Hauptverhandlung der Verlesung der Niederschrift nicht widersprochen haben,84 wobei ein Widerspruch in 2. Instanz nicht genüge.85 Zur Verwirkung einer Verfahrensrüge gehört mehr als das bloße Unterlassen eines Widerspruchs.86 Bei einem rechtsunkundigen Angeklagten wird in der Regel das bloße Unterlassen des Widerspruchs nicht zur Verwirkung der Rüge führen. Gleiches gilt auch, wenn ein entgegen Absatz 2 nicht vorgeführter inhaftierter Angeklagter es unterlassen hat, in der Hauptverhandlung die Wiederholung der Vernehmung zu beantragen.87 b) Heilung. Geheilt werden kann der Verstoß gegen die Benachrichtigungspflicht 34 durch Wiederholung der kommissarischen Vernehmung unter Benachrichtigung und Ermöglichung der Teilnahme aller dazu Beteiligten.88 Geheilt werden kann auch die unterbliebene Vorlage des Vernehmungsprotokolls durch dessen Aushändigung in der Hauptverhandlung, eventuell mit einer Unterbrechung, um die Auswertung des Protokolls für die weitere Prozessführung zu ermöglichen.89 c) Sonstiges zur Revision. Die Verlesung und Verwertung eines fehlerhaft zu- 35 stande gekommenen Vernehmungsprotokolls kann, wenn der Verstoß gegen § 224 nicht nachträglich geheilt oder durch Verzicht gegenstandslos geworden ist, die Revision nach § 337 begründen. Es ist meist nicht auszuschließen, dass das Urteil auf dem Verstoß beruht,90 etwa, dass der von dem Verstoß Betroffene bei ordnungsgemäßer Benachrichtigung am Vernehmungstermin selbst oder durch einen dazu ermächtigten Vertreter teilgenommen und durch Ausübung seines Fragerechts den Inhalt der Aussage beeinflusst hätte. Der Verfahrensverstoß, der in der Verwendung eines Beweismittels liegt, das hinsichtlich seines Zustandekommens den gesetzlichen Anforderungen zur Sicherung seines Beweiswertes nicht genügt, kann das Urteil beeinflusst haben.91 Dies gilt auch, wenn ein in Haft befindlicher Angeklagter, der nach Absatz 2 keinen Anspruch auf persönliche Teilnahme hat, vom Termin nicht benachrichtigt wurde.92 Hat der Tatrichter die Gefährdung des Untersuchungserfolgs (Rn. 19) unter Würdigung aller Umstände bejaht, so ist das Revisionsgericht auf die Prüfung beschränkt, ob ihm dabei Rechtsfehler unterlaufen oder die seinem Ermessen gesetzten Schranken überschritten sind.93 Die Verletzung der Pflicht zur Protokollvorlage nach Absatz 1 Satz 3 kann mit der Revision gerügt werden.94 Zur Möglichkeit der Heilung vgl. Rn. 34. Unabhängig vom Verhalten der Prozessbeteiligten kann bei Vorliegen besonderer 36 Umstände auch die Aufklärungspflicht dem Gericht gebieten, die Vernehmung einer Beweisperson, bei der die Parteiöffentlichkeit wegen der unterbliebenen Benachrichtigung nicht gesichert war, zur besseren Aufklärung der Sache oder zur besseren Beurtei-

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84 So RGSt 50 100; BGHSt 9 24; BGH NJW 1952 12; VRS 27 (1964) 109; StV 1992 403; OLG Köln VRS 60 (1981) 441; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1972 159; KK/Gmel 11; KMR/Eschelbach 79. 85 Meyer-Goßner/Schmitt 12; a.A. LG Bremen StV 1992 59; Schlothauer StV 2006 398. 86 Vgl. die Erläuterungen bei § 337; Schlüchter GedS Meyer 461. 87 A.A. RG LZ 1916 885. 88 KMR/Eschelbach 57; Schlüchter 433. 89 SK/Deiters 24; SSW/Grube 19; ähnlich MüKo/Arnoldi 14. 90 SSW/Grube 18; zum Beruhen KMR/Eschelbach 79. 91 BGHSt 9 24; BGH VRS 27 (1964) 109; BayObLGSt 1949/51 115 = HESt 3 29; Schmid Verwirkung 234. 92 BGH bei Holtz MDR 1976 814; KK/Gmel 12. 93 BGHSt 29 1; 31 140 = JZ 1983 354 mit Anm. Fezer; KK/Gmel 13. 94 RG-Recht 2 156; RG LZ 1917 280; BGHSt 25 357; SK/Deiters 20, sofern die Niederschrift ohne erneute Vernehmung der Beweisperson zum Bestandteil der Beweisaufnahme gemacht wurde.

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lung der Glaubwürdigkeit zu wiederholen. Die Aufklärungspflicht ist auch verletzt, wenn es das erkennende Gericht unterlassen hat, die schriftlichen Fragen, die der Verteidiger des Angeklagten gestellt wissen wollte, dem mit der Vernehmung beauftragten Richter zuzuleiten.95 Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verhalten 37 kann nach einer umstrittenen Entscheidung des BGH gerügt werden, dass eine Niederschrift über eine Einvernahme verwertet wurde, bei der der Angeklagte oder sein Verteidiger zu Unrecht ausgeschlossen war.96 Ob diese Rüge zusätzlich oder statt der Rüge eines Verstoßes gegen §§ 224, 251 erhoben wird, soll von der Begründung der Revision (§ 344 Abs. 2) abhängen. Statt des pauschalen Rückgriffs auf dieses keine festen Einzelgebote vorgebende, sondern stets eine Gesamtwürdigung des Verfahrens fordernde Wertungsprinzip97 ist in aller Regel Revisionsgrund dessen Ausformung durch das einfache Verfahrensrecht, also der Verstoß gegen §§ 224, 251, ferner, sofern dem Angeklagten im Verfahren insgesamt die Möglichkeit genommen wurde, ihn belastende Zeugen mindestens einmal zu fragen oder fragen zu lassen, der Verstoß gegen Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK, Art. 14 Abs. 3 lit. e IPBPR.98 Wird in einem anderen Verfahren, das gegen einen anderen Angeklagten wegen 38 seiner Beteiligung an der gleichen Tat geführt wird, die Vernehmungsniederschrift verwendet, kann die Revision nicht auf einen Verstoß gegen § 224 gestützt werden.99

§ 225 Einnahme des richterlichen Augenscheins durch beauftragte oder ersuchte Richter § 225 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung Jäger https://doi.org/10.1515/9783110274943-017

Ist zur Vorbereitung der Hauptverhandlung noch ein richterlicher Augenschein einzunehmen, so sind die Vorschriften des § 224 anzuwenden. Schrifttum Lilie Augenscheinseinnahme und Öffentlichkeit der Hauptverhandlung, NStZ 1993 121; Rogall Der Augenscheinsgehilfe im Strafprozeß, GedS Meyer (1990) 391; Wenskat Der richterliche Augenschein im deutschen Strafprozeß (1988). Wegen weiterer Nachweise vgl. bei § 86.

Bezeichnung bis 1924: § 224.

1. 2.

3. 4.

Übersicht Zweck der Vorschrift | 1 Anordnung des Gerichts a) Beschluss | 4 b) Pflichtgemäßes Ermessen | 5 Durchführung des Augenscheins | 6 Informatorische Besichtigung | 9

5. 6. 7.

Verwertung in der Hauptverhandlung | 10 Außerhalb des Gerichtsbezirks | 12 Rechtsbehelfe a) Beschwerde | 13 b) Revision | 14

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95 BGH NStZ 1983 421. 96 BGHSt 31 149; abl. Meyer JR 1984 173; FS Kleinknecht 267; Herdegen NStZ 1984 343; ferner auch Zöller ZJS 2010 441; zum Streitstand vgl. etwa KK/Fischer Einl. 135 ff.; SK/Rogall Vor § 133, 102; ferner die weit. Nachw. Vor § 226, und bei Art. 6 Abs. 1 EMRK. 97 Vgl. etwa BVerfGE 70 308; SK/Rogall Vor § 133; 101; LR/Esser26 Art. 6, 188 EMRK. 98 Vgl. LR/Esser26 Art. 6, 219 ff. EMRK. 99 BGH StV 1986 137 mit abl. Anm. Fezer StV 1986 372; Meyer-Goßner/Schmitt 12; SSW/Grube 21.

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§ 225

1. Zweck der Vorschrift. Ebenso wie § 223 zur Förderung des Verfahrens die kom- 1 missarische Einvernahme von Beweispersonen vor der Hauptverhandlung unter gewissen Voraussetzungen zulässt, gestattet § 225 zum gleichen Zweck die Anordnung eines Augenscheins1 vor der Hauptverhandlung. Neben der Sicherung des Beweises, die notwendig werden kann, wenn eine Veränderung des Augenscheinobjekts bis zur Hauptverhandlung zu befürchten ist, können auch Zweckmäßigkeitsgründe dafür sprechen, dass der Augenschein kommissarisch außerhalb der Hauptverhandlung eingenommen wird, so auch, wenn die öffentliche Einnahme des Augenscheins als Teil der Hauptverhandlung wegen der räumlichen Gegebenheiten oder auch aus rechtlichen Gründen, wie die mangelnde allgemeine Zutrittsbefugnis zum Augenscheinsobjekt,2 nicht durchsetzbar ist. Beauftragt das Gericht einen Augenscheinsgehilfen3 mit dem Augenschein, ist § 225 nicht anwendbar,4 ebenso, wenn ein Sachverständiger im Rahmen seines Gutachtenauftrags einen Augenschein vornimmt. Die Vorschrift hat damit in der Praxis nur eine geringe Bedeutung, da der Einsatz eines Augenscheinsgehilfen oft den einfacheren Weg darstellt, dem Gericht in den Akten schon Fotografien bzw. Zeichnungen der Augenscheinsobjekte zur Verfügung stehen oder durch im Internet verfügbare Bilddienste Örtlichkeiten jederzeit „online“ in Augenschein genommen werden können.5 Der ohnehin im Ermessen des Gerichts (§ 244 Abs. 5) stehende Augenschein ist nicht 2 notwendig dem erkennenden Gericht vorbehalten. Bewegliche Gegenstände können zwar in den meisten Fällen unschwer in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen werden, eine Verfahrensmodalität, die dann auch den Vorzug verdient. Dagegen kann die Besichtigung von entfernteren Örtlichkeiten durch das ganze Gericht den Gang der Hauptverhandlung zerreißen und organisatorisch und zeitlich sehr aufwendig sein. Hier ist es oft zweckmäßig, wenn ein ersuchter oder beauftragter Richter den Augenschein bereits vor der Hauptverhandlung einnimmt. Gericht und Verfahrensbeteiligte können dann an Hand des Protokolls in der Hauptverhandlung sicherer beurteilen, ob es zur besseren Sachaufklärung geboten ist, den Augenschein in der Hauptverhandlung zu wiederholen. Zeitraubende und zur Sachaufklärung im Endergebnis nur wenig beitragende Augenscheinseinnahmen in der Hauptverhandlung lassen sich dadurch vermeiden. Der Gesetzgeber hatte § 225 seinerzeit wohl auch deshalb eingeführt, weil er den 3 Augenschein der örtlichen Gegebenheiten durch das erkennende Gericht nur ausnahmsweise für ausführbar hielt.6 Dies trifft bei den heutigen Verkehrsverhältnissen nur noch in Ausnahmefällen zu. Ein Gericht, das die Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Aufklärung des Sachverhalts (§ 244 Abs. 2) ernst nimmt, wird dies bei der Entscheidung berücksichtigen, ob es den Augenschein einem beauftragten oder ersuchten Richter

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1 Zum Begriff des Augenscheins vgl. bei § 86. 2 Zur Notwendigkeit der Einwilligung der Verfügungsberechtigten zum Betreten ihrer nicht allgemein zugänglichen Grundstücke und Räume vgl. BGHSt 40 191; OLG Hamburg JR 1987 78 mit Anm. Foth; Nelles StV 1991 488; Schulte NJW 1988 1009; AK/Keller 2; KMR/Eschelbach 2; ferner § 213, 2 m.w.N. zum Streitstand. 3 Zum Begriff vgl. bei § 86. 4 Alsberg/Dallmeyer 403; Rogall GedS Meyer 406; SK/Deiters 1. 5 MüKo/Arnoldi 3; SSW/Grube 1. 6 Die Motive (180) führten aus: Das Gesetz erachtet „es keineswegs für unzulässig, dass das erkennende Gericht sich, in Begleitung der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten, selbst an Ort und Stelle begebe, um unmittelbar den Augenschein einzunehmen, und, wo eine solche Maßregel ausführbar ist, wird sie sogar, der Unmittelbarkeit der Anschauung wegen, vor der Augenscheinseinnahme durch einen beauftragten Richter den Vorzug verdienen. Sie wird indes nur dann, wenn der zu besichtigende Ort oder Gegenstand sich in der Nähe des Orts des Gerichts befindet, und folglich nur selten ausführbar sein“.

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übertragen soll oder ob dies wegen der Entscheidungserheblichkeit der örtlichen Verhältnisse dem erkennenden Gericht vorzubehalten ist, weil selbst das beste Protokoll, insbesondere bei Laienrichtern, die unmittelbare sinnliche Wahrnehmung nur unvollkommen ersetzt. 2. Anordnung des Gerichts 4

a) Der Beschluss des Gerichts kann auch noch in der Hauptverhandlung ergehen. Dann entscheidet darüber das erkennende Gericht einschließlich der Schöffen. Außerhalb der Hauptverhandlung entscheidet darüber das Gericht in seiner Beschlussbesetzung.7 Der Vorsitzende allein kann den Augenschein weder nach § 219 noch nach § 238 Abs. 1 anordnen. Im Beschluss kann um die Vornahme des Augenscheins ein Richter, im Ausland auch eine ihm gleichstehende andere Stelle,8 ersucht werden. Das Gericht kann ebenso wie bei § 223 aber auch eines seiner Mitglieder oder auch alle seine Berufsrichter damit beauftragen; die Einschränkung, dass der Unterschied zur Hauptverhandlung nicht durch Beauftragung des ganzen erkennenden Gerichts einschließlich der Schöffen verwischt werden darf,9 gilt auch hier.

5

b) Das Gericht entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob es einen Augenschein zur Vorbereitung der Hauptverhandlung anordnen will. Anders als bei § 223 ist die Anordnung nicht davon abhängig, dass der Augenschein nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten in der Hauptverhandlung durchführbar wäre. Wie bereits bei Rn. 1, 2 ausgeführt, kann sich das Gericht unbeschadet seiner Aufklärungspflicht von Zweckmäßigkeitsgründen leiten lassen,10 sofern nicht Gründe der Beweissicherung die unverzügliche Durchführung gebieten. Die Voraussetzungen des § 223 müssen dagegen insoweit vorliegen, als mit dem Augenschein eine kommissarische Zeugenvernahme verbunden werden soll.11

3. Zur Durchführung des Augenscheins leitet der Vorsitzende den Beschluss mit den erforderlichen Unterlagen dem ersuchten oder beauftragten Richter (§ 63) zu, wobei er in einem Begleitschreiben auch die Punkte hervorheben kann, auf die nach Auffassung des Gerichts oder eines der Verfahrensbeteiligten besonderes Augenmerk zu richten ist.12 7 Damit die Rechte der Verfahrensbeteiligten bei diesem aus der Hauptverhandlung herausgenommenen Teil der Beweiserhebung nicht verkürzt werden, bestimmt § 225 ausdrücklich, dass § 224 anzuwenden ist. Die dort in Absatz 1 vorgesehenen Benachrichtigungspflichten einschließlich der Pflicht zur Vorlage des Protokolls greifen ebenfalls Platz. Das Recht auf Anwesenheit beim Augenschein wird auch bei § 225 vorausgesetzt,13 wie die Verweisung auf § 224 zeigt; es wird nur bei einem in Haft befindlichen

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7 OLG Celle NJW 1957 1812; ferner etwa KK/Gmel 3; Meyer-Goßner/Schmitt 1; KMR/Eschelbach 11; HK/Julius/Reichling 2. 8 RGSt 20 149; vgl. § 223, 37 f. 9 BGH StV 1989 187; weit. Nachw. § 223, 28. 10 Eb. Schmidt 2; AK/Keller 2; KK/Gmel 3; KMR/Eschelbach 2; MüKo/Arnoldi 4; vgl. Alsberg/Dallmeyer 398. Enger Wenskat 196 (Grundsatz der formellen Unmittelbarkeit gestattet Ausnahme nur, wenn Augenschein in der Hauptverhandlung Schwierigkeiten entgegenstehen). Einschränkend hingegen SK/Deiters 2. 11 A.A. wohl MüKo/Arnoldi 1. 12 Vgl. § 223, 25. 13 Es ergibt sich auch aus § 168d.

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§ 225

Angeklagten durch § 224 Abs. 2 eingeschränkt. Der Angeklagte kann nach Maßgabe von § 168d Abs. 2 verlangen, dass das Gericht einen von ihm vorgeschlagenen Sachverständigen zum Augenscheinstermin lädt,14 und er ist berechtigt, ihn im Weigerungsfall selbst laden zu lassen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Erläuterungen zu diesen Vorschriften verwiesen. Das über den Augenschein aufzunehmende Protokoll muss den Anforderungen der 8 §§ 86 und 168a genügen. Es können auch erläuternde Angaben einer Person zum besseren Verständnis des Augenscheinsgegenstandes aufgenommen werden.15 Das Protokoll ist den Verfahrensbeteiligten gemäß § 224 Abs. 1 Satz 3 vorzulegen.16 4. Informatorische Besichtigung durch ein Mitglied des erkennenden Gerichts. 9 Hat sich ein Mitglied des erkennenden Gerichts, ohne vom Gericht nach § 225 beauftragt zu sein, privat Kenntnis von den örtlichen Gegebenheiten oder der Beschaffenheit eines sonstigen, für einen Augenschein in Betracht kommenden Gegenstandes verschafft, so kann es diese zulässig gewonnene private Kenntnis in der Hauptverhandlung für sachgerechte Vorhalte oder Fragen verwenden.17 Dieses private Wissen kann aber – anders als das Protokoll eines gerichtlich angeordneten Augenscheins – auch durch einen Bericht nicht etwa als gerichtskundig zu Beweiszwecken in die Hauptverhandlung eingeführt werden und als unmittelbare Urteilsgrundlage dienen.18 5. Verwertung des Ergebnisses in der Hauptverhandlung. Die über den kommis- 10 sarischen Augenschein aufgenommene Niederschrift ist durch Verlesen in die Hauptverhandlung einzuführen (§ 249 Abs. 1 Satz 2). § 250 steht insoweit nicht entgegen. Die in das Protokoll zum Zwecke des besseren Verständnisses des Augenscheins aufgenommenen Erläuterungen (vgl. Rn. 8) dürfen mitverlesen werden; als eigenständiger Beweisstoff sind sie jedoch nur verwertbar, wenn gleichzeitig die Auskunftsperson als Zeuge oder Sachverständiger einvernommen wird.19 Unterlaufen bei der Einnahme des Augenscheins durch den beauftragten oder ersuchten Richter Fehler, werden insbesondere die Benachrichtigungspflichten des § 224 versäumt, so gilt für die Frage der Heilung solcher Mängel durch Verzicht oder nachträgliches Einverständnis das Gleiche wie bei § 224. Ist der Mangel nicht geheilt, steht er der Verwertung der Niederschrift entgegen. Wird wegen solcher Mängel die Wiederholung des Augenscheins beantragt, wird ein solcher Antrag nur schwer nach § 244 Abs. 5 ablehnbar sein, sofern nicht – eventuell auch aufgrund der veränderten Verfahrenslage – ersichtlich ist, dass der Augenschein nichts Wesentliches zur Aufklärung beitragen kann. Ein vor der Hauptverhandlung ordnungsgemäß durchgeführter Augenschein wird 11 dagegen meist erlauben, einen darauf gerichteten Antrag gemäß § 244 Abs. 5 abzulehnen;20 nur selten wird die Aufklärungspflicht die Wiederholung des Augenscheins durch das erkennende Gericht gebieten.

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14 Meyer-Goßner/Schmitt 2; SK/Deiters 4; SSW/Grube 4. 15 Vgl. dazu Rn. 10. 16 KK/Gmel 4; Meyer-Goßner/Schmitt 3; KMR/Eschelbach 26; SK/Deiters 4. 17 RGSt 26 272; AK/Keller 2; KMR/Eschelbach 27; SK/Deiters 3. 18 RG DRiZ 1927 Nr. 835; BGH bei Dallinger MDR 1966 383; OLG Celle GA 1954 316; OLG Hamburg NJW 1952 1271; KMR/Eschelbach 27; SK/Deiters 3; SSW/Grube 2; vgl. auch BGHSt 2 3; 3 187; ferner die Erl. zu § 261. 19 BGHSt 33 220 = NStZ 1985 468 mit abl. Anm. Danckert; KMR/Eschelbach 30; SK/Deiters 4. 20 Eb. Schmid 2.

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§ 225a

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6. Außerhalb des Gerichtsbezirks bedarf die Einnahme des Augenscheins keiner Zustimmung des örtlich zuständigen Amtsrichters mehr (§ 166 GVG). Wie und von wem ein Augenschein im Ausland durchgeführt werden kann, richtet sich nach den jeweils einschlägigen Rechtshilfeübereinkommen (vgl. auch § 223, 37 bis 40). 7. Rechtsbehelfe

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a) Der Beschwerde gegen den Beschluss, der die Einnahme eines kommissarischen Augenscheins nach § 225 anordnet, steht § 305 entgegen: Gleiches gilt in der Regel auch für den ablehnenden Beschluss; eine Ausnahme ist allenfalls bei drohendem Beweismittelverlust zu machen (vgl. § 223 Rn. 45).

b) Mit der Revision kann unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Aufklärungspflicht die Ablehnung eines beantragten kommissarischen Augenscheins nur gerügt werden, wenn dieser in der Hauptverhandlung nicht mehr nachholbar ist. Umgekehrt kann in besonders gelagerten Fällen die Aufklärungspflicht auch dadurch verletzt worden sein, dass sich das Gericht mit dem Ergebnis des kommissarischen Augenscheins begnügt hat, obwohl die Umstände zu einer Wiederholung drängten.21 Haben allerdings die Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung keinen Antrag nach § 244 Abs. 5 gestellt, wird man in der Regel kaum annehmen können, dass das Gericht von sich aus einen nochmaligen Augenschein in der Hauptverhandlung hätte durchführen müssen. Die Verletzung der Benachrichtigungspflicht und des Anwesenheitsrechts beim 15 Augenschein sowie die Nichtvorlage des Augenscheinprotokolls durch das erkennende Gericht kann im gleichen Umfang gerügt werden wie bei § 224 (vgl. dort Rn. 31 ff.).

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§ 225a Zuständigkeitsänderung vor der Hauptverhandlung § 225a Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung Jäger https://doi.org/10.1515/9783110274943-018

(1) 1 Hält ein Gericht vor Beginn einer Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet, so legt es die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft diesem vor; § 209a Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend. 2 Das Gericht, dem die Sache vorgelegt worden ist, entscheidet durch Beschluß darüber, ob es die Sache übernimmt. (2) 1 Werden die Akten von einem Strafrichter oder einem Schöffengericht einem Gericht höherer Ordnung vorgelegt, so kann der Angeklagte innerhalb einer bei der Vorlage zu bestimmenden Frist die Vornahme einzelner Beweiserhebungen beantragen. 2 Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, dem die Sache vorgelegt worden ist. (3) 1 In dem Übernahmebeschluß sind der Angeklagte und das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, zu bezeichnen. 2 § 207 Abs. 2 Nr. 2 bis 4, Abs. 3 und 4 gilt entsprechend. 3 Die Anfechtbarkeit des Beschlusses bestimmt sich nach § 210. (4) 1 Nach den Absätzen 1 bis 3 ist auch zu verfahren, wenn das Gericht vor Beginn der Hauptverhandlung einen Einwand des Angeklagten nach § 6a für begründet hält und eine besondere Strafkammer zuständig wäre, der nach § 74e des

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Gerichtsverfassungsgesetzes der Vorrang zukommt. 2 Kommt dem Gericht, das die Zuständigkeit einer anderen Strafkammer für begründet hält, vor dieser nach § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes der Vorrang zu, so verweist es die Sache an diese mit bindender Wirkung; die Anfechtbarkeit des Verweisungsbeschlusses bestimmt sich nach § 210. Schrifttum Hegmann Zuständigkeitsänderung im strafrechtlichen Berufungsverfahren, NStZ 2000 574: Hohendorf § 225a StPO im Spannungsfeld zwischen Strafrichter und Schöffengericht, NStZ 1987 389; Lampe Keine Zuständigkeitsperpetuierung bei Zuständigkeitsbegründung durch Gesetzesänderung nach Eröffnungsbeschluss, jurisPR-StrafR 2/2008 Anm. 3; Meyer-Goßner Die Behandlung von Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen allgemeinen und Spezialstrafkammern beim Landgericht, NStZ 1981 168. Wegen weiterer Nachweise vgl. bei § 6 und wegen der Zuständigkeit von Strafrichtern und Schöffengericht bei §§ 24, 25 GVG; ferner wegen der Auswirkungen der jeweiligen Änderungsgesetze zur StPO und GVG die in der Einleitung unter E dazu jeweils aufgeführten Abhandlungen.

Entstehungsgeschichte § 225a ist durch Art. 1 Nr. 18 StVÄG 1979 eingefügt worden. Die aus dem Regierungsentwurf (BTDrucks. 8 976) unverändert übernommene Vorschrift bildet einen Teil der mit diesem Gesetz erstrebten Neuregelung der Zuständigkeitskonflikte, vor allem der Abgabe bei fehlender sachlicher Zuständigkeit, bei Zuständigkeit der Jugendgerichte oder bei Zuständigkeit eines Spezialspruchkörpers (vgl. §§ 6a, 209, 209a, 270 Abs. 1; §§ 74 ff. GVG; §§ 39, 40, 41, 47a, 102, 103 Abs. 2, 109 JGG).

I.

II.

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Übersicht Zweck und Anwendungsbereich 1. Zweck | 1 2. Anwendungsbereich a) Abgabe nach Eröffnung | 4 b) Unanwendbarkeit mit Beginn der Hauptverhandlung | 5 c) Berufungsverfahren | 6 d) Unanwendbarkeit bei anderen Zuständigkeitsmängeln | 7 Abgabe an ein Gericht höherer Ordnung (Absatz 1) 1. Voraussetzung | 8 2. Vorlagebeschluss | 13 3. Vorlage über Staatsanwaltschaft | 17 4. Entscheidung über die Übernahme a) Zuständigkeit | 19 b) Übernahmebeschluss | 21 c) Ablehnender Beschluss | 25 d) Bekanntgabe | 26 e) Haftentscheidung | 29 5. Wirkung des Übernahmebeschlusses a) Übergang des Verfahrens | 30 b) Bindung | 32

6.

III.

IV.

Einzelne Beweiserhebungen (Absatz 2) | 34 a) Recht des Angeklagten | 34 b) Bestimmung der Frist | 37 c) Anhörung der Staatsanwaltschaft | 42 d) Entscheidung des Vorsitzenden | 43 e) Durchführung der Beweiserhebung | 47 f) Sonderfall der Beweissicherung, § 223 | 48 g) Sonstige Erledigung | 49 Abgabe bei Einwand der Zuständigkeit einer besonderen Strafkammer 1. Einwand des Angeklagten | 50 2. Vorlage beim vorrangigen Gericht | 51 3. Verweisung an das nachrangige Gericht a) Bindende Verweisung | 52 b) Zustellung des Verweisungsbeschlusses | 55 Sonstige verfahrensrechtliche Fragen 1. Keine Aufspaltung der Tat | 56 2. Zuständigkeit für Nebenentscheidungen | 57

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§ 225a

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3.

V.

Bescheidung unbegründeter Anträge | 59 Rechtsbehelfe 1. Beschwerde a) Entscheidung über Übernahme; Sonderregelung | 60 b) Staatsanwaltschaft | 61

Alphabetische Übersicht Abgabe – nach Abschluss der Hauptverhandlung 5 – vor Beginn der Hauptverhandlung 4, 5 Ablehnender Beschluss 25 Aktenvorlage 17, 18, 68 Amtsgericht 6 Anhörung der Verfahrensbeteiligten 16, 20, 53 Anklageschrift, neue 24, 27 Antrag – für Abgabe nicht erforderlich 9 – auf Erhebung einzelner Beweise 36 – auf Erhebung einzelner Beweise, Bescheidung 45 ff. Anrufung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 70 Aufklärungspflicht 34, 36, 43, 49 Aufspaltung einer Tat 56 Bekanntgabe der Entscheidungen 15, 26 ff., 55 Berufungsverfahren 6 Beschwerde, sofortige 61 ff. Beschwerdeverfahren 6 Besondere Strafkammer 2, 4, 32, 50 ff., 71 Beweiserhebung vor der Hauptverhandlung 34, 47, 51 Beweissicherung nach § 223 45, 48 Bindung an Übernahmeentscheidung 32 Einstellung, Zuständigkeit 56 Einwand des Angeklagten nach § 6a 4, 50, 59, 67 Eröffnungsbeschluss 2, 21 Frist für Anträge auf Beweiserhebung 37 ff. Geschäftsplanmäßige Zuständigkeit 7 Haftentscheidungen 29, 31, 57, 69 Hinreichender Tatverdacht 22 Hinweis nach § 265 31 Jugendgerichte 2, 11, 32, 35, 71 Jugendschutzkammer 2, 12 Kartellbußgeldverfahren 7

2.

3.

c) Angeklagter | 66 d) Aktenvorlage | 68 e) Nebenentscheidungen | 69 Anrufung des Gerichts gegen Entscheidungen des Vorsitzenden | 70 Revision | 71

Ladungsrecht nach § 220 45 Nebenentscheidungen 31, 57, 69 Nebenkläger 26, 65 Normative Zuständigkeitsmerkmale 10 Örtliche Zuständigkeit 7 Rechtliche Würdigung 22 Rechtsfolgenkompetenz 10 Revision 71 Schöffengericht 34, 35 Staatsanwaltschaft – Aktenvorlage über die 13, 17 ff., 46, 55 – Anhörung 20, 53 – Mitteilung an 15, 26, 28, 55 – sofortige Beschwerde 61 ff. – weitere Ermittlungen 47 Staatsschutzstrafkammer 11 Strafbefehlsverfahren 4 Strafrichter 34, 35 Trennung des Verfahrens 32, 56, 57 Übernahmebeschluss 19, 57 Übernahme, stillschweigende 19 Übergang des Verfahrens 30 ff., 57 Unterbrechung der Verhandlung 5 Verweisung an nachrangiges Gericht 2, 52 Verweisungsbeschluss 54 Vorlagebeschluss 13, 51 Vorsitzender-Entscheidung über Beweiserhebung 43 ff. – Fristbestimmung 38 – Vorlageverfügung 13 Wahrunterstellung des Beweisthemas 46 Weiterverweisung 32 Wirtschaftsstrafsachen 6 Wirtschaftsstrafkammer 11 Zustellung 15, 26, 55

I. Zweck und Anwendungsbereich 1

1. Zweck. § 225a stellt klar, dass nach Eröffnung des Hauptverfahrens die Abgabe des Verfahrens an das zuständige Gericht höherer Ordnung nicht nur in der Hauptverhandlung nach § 270, sondern auch außerhalb dieser möglich ist. Das Gesetz übernimmt Jäger

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5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung

§ 225a

damit die Rechtsprechung des BGH,1 der aus Gründen der Verfahrensökonomie eine solche Abgabe praeter legem und entgegen der früher h.M.2 zugelassen hatte. Die Regelung betrifft nur die sachliche Zuständigkeit. Sie gilt für die Abgabe an die 2 Gerichte höherer sachlicher Zuständigkeit, die Abgabe an Jugendgerichte und an die besonderen Strafkammern nach § 74 Abs. 2, §§ 74a, 74c GVG. Sie soll in Verbindung mit anderen Vorschriften (insbes. §§ 6a, 209, 209a, 270; § 74 GVG; §§ 47a, 103 Abs. 2 Satz 3 JGG) eine schnelle Bereinigung der Zuständigkeitszweifel ermöglichen.3 Den Grundsatz, dass nach Eröffnung des Hauptverfahrens die Sache nicht mehr an ein Gericht niederer Ordnung abgegeben werden darf (§ 269), behält § 225a Abs. 1 bei. Er gestattet nur die Vorlage bei Gerichten höherer Ordnung und bei den kraft der Fiktion des § 209a Nr. 2 Buchst. a diesen gleichgestellten gleichrangigen Jugendgerichten, nicht aber die Verweisung an die Jugendschutzkammer (dazu Rn. 12) oder an ein Gericht niedrigerer Ordnung. Eine Ausnahme macht insoweit lediglich Absatz 4, der bei entsprechendem Einwand auch die Verweisung an eine nach § 74e GVG nachrangige Strafkammer zulässt. Gleichzeitig regelt § 225a Verfahren und Wirkung der Abgabe. Insoweit hatte die in 3 richterlicher Rechtsfortbildung entstandene Rechtslage früher einigen Zweifeln Raum gelassen.4 Inhaltlich lehnt sich die Regelung eng an § 270 Abs. 1 an, sie entspricht ihm jedoch wegen der anderen Verfahrenslage nicht in allen Punkten. 2. Anwendungsbereich a) Abgabe nach Eröffnung. § 225a schließt die Lücke zwischen der vor Eröffnung 4 der Hauptverhandlung bestehenden Möglichkeit der Abgabe nach §§ 209, 209a und der Abgabe nach Beginn der Hauptverhandlung nach § 270.5 Das Gericht kann nach § 225a verfahren, wenn sich nach der Eröffnung des Hauptverfahrens außerhalb der Hauptverhandlung die nach § 6 in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachtende sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung oder eines Jugendgerichts ergibt oder wenn nach § 6a Satz 3 der Einwand des Angeklagten durchgreift, dass für das Verfahren eine besondere Strafkammer (§ 74 Abs. 2, §§ 74a, 74c GVG) zuständig oder deren Zuständigkeit zu Unrecht angenommen worden ist6. Im Strafbefehlsverfahren gilt die Sonderregelung des § 408 Abs. 1 Satz 1. § 225a ist aber nach Einspruch oder nach Anberaumung der Hauptverhandlung gemäß § 408 Abs. 3 Satz 2 anwendbar.7 b) Mit Beginn der Hauptverhandlung, also mit dem Aufruf der Sache (§ 243 Abs. 1 5 Satz 1), wird § 225a unanwendbar. Das Verfahren kann dann nur nach § 270 an ein Gericht höherer Ordnung, ein Jugendgericht oder an eine Spezialstrafkammer (§ 74e GVG) verwiesen werden. Dies gilt auch während einer Unterbrechung der Verhandlung. Auch wenn nach Aufruf der Sache gegen den ausgebliebenen Angeklagten nicht verhandelt werden kann (§ 230 Abs. 2), ist im Termin selbst § 225a nicht anwendbar.8 Erst nach Abschluss der Hauptverhandlung wird die Abgabe nach § 225a wieder zulässig, wenn das Verfahren in ihr nicht für die Instanz erledigt wird, sondern aufgrund einer Aussetzung

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BGHSt 18 290; 25 309. BGHSt 6 109; RGSt 52 306; 62 271; zum Problem vgl. Rieß GA 1976 15. Katholnigg NJW 1978 2375; Rieß NJW 1978 2266. Begr. BTDrucks. 8 976, S. 48. LG Zweibrücken NStZ-RR 2002 307 ff. Ein verspäteter oder sachlich ungerechtfertigter Antrag ist abzulehnen, vgl. § 6a, 10 ff. Hohendorf NStZ 1987 395; vgl. bei § 408. OLG Hamm MDR 1993 1002; MüKo/Arnoldi 3; a.A. OLG Düsseldorf NStZ 1986 426.

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anhängig bleibt. Absatz 1 Satz 1 bringt dies dadurch zum Ausdruck, dass er die Abgabe vor Beginn einer Hauptverhandlung zulässt.9 Eine Abgabe ist selbst dann noch möglich, wenn das Verfahren nach Aufhebung des Urteils vom Rechtsmittelgericht in die Instanz zurückverwiesen worden ist. 6

c) Im Berufungsverfahren ist § 225a nach vorherrschender Ansicht10 im Verhältnis zwischen den Berufungskammern entsprechend anwendbar, auch wenn er in § 323 Abs. 1 Satz 1 – wohl aus Versehen – nicht eingefügt wurde. Zwingend ist eine solche Analogie freilich nicht. Wenn § 225a im Berufungsverfahren nicht anwendbar wäre, bliebe es allerdings bei der Grundregel des Einstellungsgebots mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen: Da kein Strafklageverbrauch eingetreten ist und sich die Rechtskraft eines Einstellungsbeschlusses wegen eines Verfahrenshindernisses immer nur darauf beziehen kann, dass es im Zeitpunkt des Beschlusserlasses an einer Verfahrensvoraussetzung fehlte, müsste die Staatsanwaltschaft – sofern sie nicht beim OLG sofortige Beschwerde einlegt – eine neue Anklage zum zuständigen Gericht erheben und damit das bisher bestehende Verfahrenshindernis beseitigen. Das fehlerhaft gerichtliche Verfahren würde in diesem Fall beendet und ein neues könnte erst nach der Schaffung der Prozessvoraussetzungen begonnen werden.11 Für die analoge Anwendung spricht, dass damit die soeben geschilderten Komplikationen vermieden werden und Zuständigkeitszweifel (zwischen Straf- und Wirtschaftskammer) auf einfachem Weg behoben werden können. Bei Wirtschaftsstrafsachen, für die beim AG keine Spezialspruchkörper bestehen, kann § 225a erst in der Berufungsinstanz zum Tragen kommen. Hat dagegen das Erstgericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen, muss das Berufungsgericht unter Aufhebung des Ersturteils die Sache an das zuständige Gericht verweisen (§ 328 Abs. 2).12 Im Beschwerdeverfahren ist § 225a analog anwendbar.13

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d) § 225a ist weder bei Fehlen der örtlichen Zuständigkeit anwendbar noch bei geschäftsplanmäßiger Zuständigkeit eines gleichartigen Spruchkörpers.14 Wegen des Verfahrens nach Erhebung des Einwands der örtlichen Unzuständigkeit vgl. § 16, 9 ff.; wegen der Abgabe an den nach dem Geschäftsplan zuständigen Spruchkörper vgl. die Erläuterungen bei §§ 209, 8 ff. und 270. Unanwendbar ist § 225a auch im Kartellbußverfahren zwischen OLG und den Strafgerichten.15 II. Abgabe an ein Gericht höherer Ordnung (Absatz 1)

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1. Voraussetzung für die Abgabe ist, dass sich die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung (zur Rangfolge vgl. § 209, 12 f.) ergibt. Unerheblich ist inso-

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9 Begr. BTDrucks. 8 976, S. 48; Hohendorf NStZ 1987 393; AK/Keller 2; KK/Gmel 3; Meyer-Goßner/ Schmitt 4; MüKo/Arnoldi 3; KMR/Eschelbach 5. 10 BGH NStZ 2017 240; BGH NStZ 2003 320; OLG Celle NdsRpfl. 1987 257; OLG Düsseldorf JR 1982 514 mit Anm. Rieß; JMBlNW 1995 153 (unter Aufgabe von JMBlNW 1990 155); OLG Stuttgart MDR 1982 252; Hegmann NStZ 2000 575; Meyer-Goßner NStZ 1981 172; Rieß JR 1980 81; AK/Keller 3; KK/Gmel 4; SK/Deiters/Albrecht 3; SSW/Grube 4; MüKo/Arnoldi 4; HK-GS/Schulz 1; BGH NJW 2003 1404 f.; offen gelassen von BGH StV 2016 621; a.A. OLG München JR 1980 77 mit abl. Anm. Rieß; Meyer-Goßner/ Schmitt 2. Vgl. auch bei § 6a, 21 ff. 11 Hegmann NStZ 2000 574 ff., die allerdings einräumt, dass eine solche Analogie prozessökonomisch sinnvoll ist. 12 A.A. Meyer-Goßner/Schmitt 2. 13 LG Köln wistra 1982 279; KK/Gmel 4; SSW/Grube 5. 14 AK/Keller 1; Meyer-Goßner/Schmitt 3; KMR/Eschelbach 6; SK/Deiters/Albrecht 2; SSW/Grube 3. 15 BGHSt 39 207.

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weit, ob bei Erlass des Eröffnungsbeschlusses die fehlende sachliche Zuständigkeit übersehen wurde oder ob sie erst nachträglich durch neu zutage getretene Umstände oder aufgrund einer geänderten Rechtsauffassung erkannt worden ist. Die Vorlage beim Gericht höherer Ordnung nach Absatz 1 setzt keinen Antrag voraus. Weder muss die Staatsanwaltschaft ihren in der Anklage enthaltenen Antrag auf Eröffnung vor einem bestimmten Gericht ändern, noch muss der Angeklagte – anders als in den Fällen des Absatzes 4 – den Einwand der Unzuständigkeit erheben. Die fehlende sachliche Zuständigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (§ 6). Dies unter Hinweis auf aufgetretene Zweifel anzuregen, steht allen Verfahrensbeteiligten, vor allem der Staatsanwaltschaft, frei. Die Aburteilung ist dem Gericht höherer Ordnung vorbehalten, wenn der hinreichende Verdacht besteht, dass die angeklagte prozessuale Tat – d.h. der historische Vorgang im Sinn des § 264 – den Tatbestand einer in seine Zuständigkeit fallenden Straftat erfüllt, sofern die Verurteilung wegen dieser Tat mit der von § 203 vorausgesetzten Wahrscheinlichkeit (vgl. bei § 203) zu erwarten ist oder wenn die Rechtsfolgenkompetenz des Gerichts nicht ausreicht. Die Kognitionsbefugnis des mit der Sache befassten Gerichts entfällt erst bei Überschreiten dieser Verdachtsschwelle. Soweit normative Zuständigkeitsmerkmale, wie die besondere oder mindere Bedeutung einer Sache oder die Straferwartung nach § 25 Nr. 2 nur bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens zu prüfen sind, rechtfertigt deren spätere andere Beurteilung die Vorlage nicht; der Strafrichter kann nicht deswegen die Sache beim Schöffengericht zur Übernahme vorlegen.16 Wegen der Einzelheiten wird auf die Erläuterungen zu § 270 verwiesen. Bei Zuständigkeit des Jugendgerichts ist von den für die allgemeinen Strafsachen zuständigen Gerichten in gleicher Weise zu verfahren. Dies zeigt die Verweisung auf § 209a Nr. 2 Buchst. a, der die Jugendgerichte hinsichtlich der Entscheidung, ob Sachen nach § 33 Abs. 1, § 103 Abs. 2 Satz 1 und § 107 JGG vor die Jugendgerichte gehören, den Gerichten höherer Ordnung gleichstellt (vgl. bei § 209a). Eine Vorlage zur Entscheidung über die Übernahme ist in diesen Fällen also nicht nur bei den Jugendgerichten möglich, die schon ihrer gerichtsverfassungsmäßigen Einordnung nach Gerichte höherer Ordnung sind, sondern auch bei Jugendgerichten gleicher Ordnung, also etwa vom Schöffengericht an das Jugendschöffengericht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Erläuterungen zu § 209a Nr. 2 Buchst. a verwiesen. Für die Jugendgerichte besteht im umgekehrten Falle nach der Eröffnung grundsätzlich keine Abgabemöglichkeit mehr (§ 47a JGG).17 Werden Verfahren gegen Jugendliche und Erwachsene verbunden, sind grundsätzlich die Jugendgerichte zuständig, es sei denn, die Erwachsenensache gehört zur Zuständigkeit der Wirtschafts- oder Staatsschutzstrafkammer (§ 103 JGG; wegen der Einzelheiten vgl. bei § 209, 7, 48; § 209a, 20 ff.). Soweit § 209a Nr. 2 Buchst. b auch eine Abgabe bei Jugendschutzsachen ermöglicht, ist er bei § 225a nicht anwendbar.18 Absatz 1 Satz 1 verweist hierauf nicht. Angesichts der gleichwertigen Zuständigkeit von Jugendgerichten und Erwachsenengerichten in diesen Sachen besteht nach der Eröffnung des Hauptverfahrens kein Grund, eine

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16 OLG Düsseldorf NStZ-RR 2001 222; Rieß NJW 1878 2265; KK/Gmel 5; Meyer-Goßner/Schmitt 5; MüKo/Arnoldi 8; a.A. Hohendorf NStZ 1987 393; Paeffgen NStZ 2002 195; vgl. auch AG Höxter NStZ 1984 474 (zu § 25 GVG a.F.). Zu den Auswirkungen der Neuabgrenzung der Zuständigkeiten in §§ 24, 25 GVG und zur strittigen Frage, ob die mindere Bedeutung einer Sache noch die Zuständigkeit des Strafrichters begrenzt, vgl. die dortigen Nachw.; ferner etwa Böttcher/Meyer NStZ 1993 157; OLG Köln StV 1996 298; Rieß NStZ 1995 376 m.w.N. 17 Vgl. bei § 209a, 20 ff.; AK/Keller 3; KK/Gmel 5. 18 BGHSt 42 39 f. = NStZ 1996 346; MüKo/Arnoldi 9.

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Zuständigkeitsveränderung zuzulassen,19 selbst wenn die als Jugendschutzgericht befasste Jugendkammer an Stelle der Schwurgerichtskammer entscheiden muss.20 2. Vorlagebeschluss. Die Vorlage bei dem zuständigen Gericht höherer Ordnung bzw. bei dem zuständigen Jugendgericht beschließt das Gericht, vor dem das Verfahren eröffnet ist, in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung geltenden Besetzung.21 Es handelt sich trotz Fehlens einer unmittelbar verfahrensändernden Wirkung (vgl. Rn. 19, 30) um eine auch sonst (vgl. §§ 209a, 270) dem Gericht vorbehaltene Entscheidung, mit der es seine Unzuständigkeit bejaht und zum Ausdruck bringt, dass es an der Ansicht des Eröffnungsbeschlusses, es sei zur Durchführung der Hauptverhandlung zuständig (§ 270 Abs. 1), nicht mehr festhalten will. Dagegen kann der Vorsitzende allein die Verfügung unterschreiben, mit der der Vorlagebeschluss ausgeführt, die Benachrichtigung der Verfahrensbeteiligten angeordnet und die Akten über die Staatsanwaltschaft dem um die Übernahme ersuchten Gericht vorgelegt werden. An Form und Inhalt des Vorlagebeschlusses stellt § 225a keine besonderen Anforde14 rungen, da er keine die Zuständigkeit verändernde Bedeutung hat (vgl. Rn. 16, 30). Der Beschluss ist zu begründen; dies folgt zwar nicht aus § 34, wohl aber daraus, dass das vorlegende Gericht dem um Übernahme ersuchten Gericht und den Verfahrensbeteiligten aufzeigen muss, dass und warum es nunmehr seine Zuständigkeit verneint und die des anderen Gerichts für gegeben hält.22 Der Beschluss ist den Verfahrensbeteiligten formlos mitzuteilen, da hierdurch 15 keine Frist in Lauf gesetzt wird (§ 35 Abs. 2). Lediglich wenn dem Angeklagten im Beschluss zugleich eine Frist für Beweisanträge nach Absatz 2 Satz 1 gesetzt wird, ist deswegen die Zustellung notwendig.23 Für die Mitteilung an die Staatsanwaltschaft genügt es, dass diese die Entscheidung zur Kenntnis erhält, wenn ihr die Akten zur Weiterleitung an das um Übernahme ersuchte Gericht zugeleitet werden. Die Anhörung der Verfahrensbeteiligten schon vor Erlass des Vorlagebeschlusses 16 ist nicht notwendig, da dieser keine Entscheidung i.S.d. § 33 Absatz 1 und 2 ist (vgl. Rn. 13).24 Sie kann angezeigt sein, damit das Gericht deren Sachvortrag bei seiner Entscheidung mit berücksichtigen kann. Der Vorlagebeschluss ist jedoch noch nicht die Entscheidung über die Übernahme, sondern nur ein darauf gerichteter Antrag des zunächst mit der Sache befassten Gerichts. Den Erfordernissen des rechtlichen Gehörs genügt es, wenn die Verfahrensbeteiligten vor der Entscheidung über die Übernahme nach Absatz 1 Satz 2 Gelegenheit zur Äußerung erhalten. Es ist zweckmäßig, wenn bereits der Vorsitzende des um Übernahme nachsuchenden Gerichts im Rahmen seiner Leitungsbefugnisse auch hierfür eine Frist setzt, die angemessen sein muss, um eine der Verfahrenslage entsprechende Äußerung zu ermöglichen. 13

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3. Die Vorlage der Akten über die Staatsanwaltschaft schreibt Absatz 1 Satz 1 ausdrücklich vor. Damit sichert der Gesetzgeber die rechtzeitige Einschaltung der Staatsanwaltschaft in das sich zwischen den Gerichten abspielende Verfahren und gibt ihr Gelegenheit, gegenüber dem Gericht, das über die Übernahme entscheidet, zur Zustän-

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19 Begr. BTDrucks. 8 976, S. 68; BGH StV 1996 247; Schlüchter JR 1982 513; AK/Keller 3; KK/Gmel 2; Meyer-Goßner/Schmitt 2; KMR/Eschelbach 6. 20 BGH NStZ 1996 346 mit abl. Anm. Katholnigg. 21 KK/Gmel 6; SK/Deiters/Albrecht 9; Meyer-Goßner/Schmitt 6; SSW/Grube 9. 22 KK/Gmel 7; Meyer-Goßner/Schmitt 6; MüKo/Arnoldi 12; SK/Deiters/Albrecht 7; SSW/Grube 10. 23 SK/Deiters/Albrecht 9. 24 Meyer-Goßner/Schmitt 6; MüKo/Arnoldi 12.

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digkeitsfrage Stellung zu nehmen. Ist für das Gericht, das das Verfahren übernehmen soll, eine andere Staatsanwaltschaft zuständig, so sendet die für das abgebende Gericht und damit für das Verfahren zunächst noch zuständige Staatsanwaltschaft die Akten an diese und nicht unmittelbar an das um Übernahme ersuchte Gericht. Die Stellungnahme gegenüber dem ersuchten Gericht ist dann Sache dieser Staatsanwaltschaft.25 Zur Vorlage in Staatsschutzsachen vgl. bei § 209. Die Staatsanwaltschaft muss die Akten dem um Übernahme ersuchten Gericht vor- 18 legen, auch wenn sie die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts nicht teilt und ein anderes Gericht für zuständig hält.26 Sie ist allerdings nicht gehindert, ihre abweichende Auffassung aktenkundig zu machen und entsprechende Anträge zu stellen. Eine ausdrückliche Antragstellung ist nicht zwingend vorgeschrieben, sie kann aber zur Eröffnung des Beschwerdeweges unter Umständen angezeigt sein (vgl. Rn. 61). 4. Entscheidung über die Übernahme (Absatz 3) a) Zuständigkeit. Die Entscheidung über die Übernahme obliegt dem Gericht hö- 19 herer Ordnung in der für die Entscheidung außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung,27 dem die Sache vorgelegt wird. Auch ein Vorlagebeschluss, der an schwersten Mängeln leidet, begründet diese Zuständigkeit.28 Dabei haben kraft Fiktion des § 209a Nr. 2 Buchst. a auch die gleichrangigen Jugendgerichte die Prüfungskompetenz der Gerichte höherer Ordnung. Die Entscheidung über die Übernahme ergeht grundsätzlich durch schriftlichen Beschluss des Gerichts in der für die Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgesehenen Besetzung, § 225a Abs. 1 Satz 2.29 Aber auch eine stillschweigende Übernahme durch Verlesung der zugelassenen Anklage und des Vorlagebeschlusses in der vom übernehmenden Gericht angeordneten Hauptverhandlung ist noch möglich.30 Vor dem Erlass des Übernahmebeschlusses sind die Verfahrensbeteiligten zu hö- 20 ren (§ 33 Abs. 2, 3); vgl. Rn. 16. Dies ist bei der Staatsanwaltschaft in der Regel schon durch deren bei der Aktenvorlage abgegebene Stellungnahme geschehen. Eine Anhörung des Angeklagten erübrigt sich allenfalls dann, wenn die Übernahme abgelehnt wird, da dadurch dessen Rechtsstellung nicht beeinträchtigt wird. b) Übernahmebeschluss. Wird das Verfahren übernommen, so muss dieser – 21 schriftlich abzufassende31 – Beschluss gemäß Absatz 3 Satz 1 den Angeklagten und das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung nunmehr stattfinden soll, bezeichnen; denn nur insoweit wird der in seiner Wirkung fortbestehende Eröffnungsbeschluss nach § 207 Abs. 1 abgewandelt. Es bedarf keiner nochmaligen Entscheidung über die Zulassung der Anklage, keiner neuen Eröffnung vor dem übernehmenden Gericht. Das Hauptverfahren ist vielmehr bereits mit der Zulassung der ursprünglichen Anklage eröffnet und der an-

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25 KK/Gmel 9; Meyer-Goßner/Schmitt 7. 26 Meyer-Goßner/Schmitt 7; SK/Deiters/Albrecht 9. 27 BGH NStZ-RR 2015 250; Meyer-Goßner/Schmitt 14. 28 BGH NStZ 2009 579; SSW/Grube 12. 29 BGHSt 29 341; KK/Gmel 12; Meyer-Goßner/Schmitt 14; KMR/Eschelbach 42; SK/Deiters/Albrecht 17; zur Übernahme einer vom LG dem OLG nach Eröffnung des Hauptverfahrens vorgelegten Staatsschutzsache, die nach Änderung des § 120 Abs. 2 Nr. 4 GVG in dessen Zuständigkeit fällt: OLG Stuttgart Die Justiz 2008 94. 30 Ebenso MüKo/Arnoldi 18; a.A. Meyer-Goßner/Schmitt 14; SK/Deiters/Albrecht 20; SSW/Grube 14; in der Entscheidung offen gelassen von BGH NStZ 2012 46. 31 BGH NStZ 2017 55; SSW/Grube 14.

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geklagte Lebenssachverhalt der richterlichen Kognition unterstellt worden. Daran ändert die Übernahme nichts.32 Der Übernahmebeschluss kann deshalb einen fehlenden Eröffnungsbeschluss auch nicht ersetzen.33 Er ist auch nicht zwingend von dem erlassenden Richter zu unterzeichnen.34 Das übernehmende Gericht darf den hinreichenden Tatverdacht hinsichtlich der 22 zugelassenen Anklage nicht mehr verneinen;35 nur hinsichtlich der zusätzlichen Umstände, die seine Zuständigkeit begründen sollen, muss es prüfen, ob sich der hinreichende Verdacht auch hierauf erstreckt.36 In der rechtlichen Würdigung des angeklagten Lebenssachverhalts (Tat i.S.d. § 264) ist das übernehmende Gericht dagegen frei. Es kann den Eröffnungsbeschluss im Übernahmebeschluss in entsprechender Anwendung des § 207 Abs. 2 Nr. 3 ändern oder auch die Verfolgung nach § 207 Abs. 2 Nr. 2 und 4 beschränken oder wieder erweitern. 23 Die Begründung des Übernahmebeschlusses muss deutlich ergeben, wieweit hinsichtlich des Verfahrensgegenstands durch die Übernahme Änderungen eintreten. Soweit nunmehr Tatsachen für die Beurteilung der angeklagten Tat (§ 264) in den Vordergrund treten, die der Anklagesatz nicht herausstellt, muss der Übernahmebeschluss diese ebenso hervorheben wie eine vom Eröffnungsbeschluss abweichende rechtliche Würdigung. „Beide Beschlüsse müssen zusammen in zweifelsfreier Form erkennen lassen, welches Gericht welchen Tatvorwurf mit welcher (vorläufigen) rechtlichen Würdigung abzuurteilen hat“.37 Im Übrigen muss die Begründung des Übernahmebeschlusses insoweit den glei24 chen Anforderungen genügen wie ein Eröffnungsbeschluss in den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 (vgl. dazu bei § 207). Absatz 3 Satz 2 erklärt ausdrücklich § 207 Abs. 2 Nr. 2 bis 4, Abs. 3 und 4 für entsprechend anwendbar. Im Falle des § 207 Abs. 2 Nr. 2 kann das übernehmende Gericht die Staatsanwaltschaft auch auffordern, eine neue Anklageschrift einzureichen.38 25

c) Ablehnender Beschluss. Lehnt das Gericht die Übernahme ab, muss es in der Begründung des ablehnenden Beschlusses dartun, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Erwägungen es seine vom vorlegenden Gericht angenommene Zuständigkeit verneint. Das Gericht muss die Übernahme auch ablehnen, wenn es ein drittes Gericht für zuständig hält; keinesfalls darf es die Sache von sich aus dorthin weiterleiten.39 Im ablehnenden Beschluss kann es allerdings auf die Zuständigkeit des dritten Gerichts hinweisen.40

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d) Bekanntgabe. Der Übernahmebeschluss ist dem Angeklagten zuzustellen, weil er ein anderes Gericht für zuständig erklärt und in der Regel den Eröffnungsbeschluss auch materiell-rechtlich ändert (vgl. bei § 270).41 § 215 erscheint insoweit analog anwendbar. Die Zustellung kann auch zu Händen des Verteidigers nach § 145a Abs. 1 ge-

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32 Rieß GA 1976 15; KMR/Eschelbach 48 f. 33 BGH NStZ 1984 520; AK/Keller 6; Meyer-Goßner/Schmitt 14; SSW/Grube 12. 34 BGH NStZ 2014 400; SSW/Grube 14. 35 LG Zweibrücken NStZ 2002 307; Begr. BTDrucks. 8 976, S. 48; AK/Keller 6; KK/Gmel 10; MeyerGoßner/Schmitt 15; KMR/Eschelbach 48. 36 BGHSt 29 348. 37 Begr. BTDrucks. 8 976, S. 49. 38 KK/Gmel 13. 39 KK/Gmel 14; Meyer-Goßner/Schmitt 19; SK/Deiters/Albrecht 23. 40 AK/Keller 8; SK/Deiters/Albrecht 23. 41 BGHSt 44 121 = NJW 1999 157; HK/Julius/Reichling 12; SSW/Grube 18.

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schehen. Der Staatsanwaltschaft ist er mitzuteilen (§ 35 Abs. 2); einer Zustellung bedarf es insoweit nur, wenn die Staatsanwaltschaft wegen einer ihrem Antrag widersprechenden Übernahme ein Beschwerderecht (Rn. 61) hat. Dem Nebenkläger kann er formlos mitgeteilt werden.42 Wenn die Staatsanwaltschaft zugleich mit der Übernahme aufgefordert wurde, eine 27 neue Anklageschrift nachzureichen, ist diese nach Eingang dem Angeklagten ebenfalls zuzustellen. Der die Übernahme ablehnende Beschluss ist den Verfahrensbeteiligten formlos 28 mitzuteilen (§ 35 Abs. 2 Satz 2); hat jedoch die Staatsanwaltschaft die Übernahme beantragt, so ist er ihr zuzustellen (§ 35 Abs. 2 Satz 1), da sie dann die sofortige Beschwerde hat (Rn. 64). e) Haftentscheidung. Zugleich mit der Übernahme muss das übernehmende Ge- 29 richt nach dem entsprechend anwendbaren § 207 Abs. 4 über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der vorläufigen Unterbringung von Amts wegen neu entscheiden und diese Entscheidung ebenso wie bei § 207 Abs. 4 im gleichen Umfang wie sonstige Entscheidungen über die Haftprüfung begründen. 5. Wirkung des Übernahmebeschlusses a) Übergang des Verfahrens. Mit Erlass des Übernahmebeschlusses – und nicht 30 etwa erst mit der nach Ablauf einer etwaigen Anfechtungsfrist (vgl. Rn. 60 ff.) eintretenden Bestandskraft dieses Beschlusses – geht das Verfahren im ganzen Umfang auf das übernehmende Gericht über. Grundsätzlich werden alle Entscheidungen im Strafverfahren bereits mit Erlass wirksam (vgl. bei § 307); dass der Übernahmebeschluss keine Ausnahme macht, zeigt der Übergang der Zuständigkeit für die Haftentscheidung nach Absatz 3 Satz 2, § 207 Abs. 4. Mit der Übernahme wird das Hauptverfahren bei dem übernehmenden Gericht im 31 vollen Umfang anhängig.43 Dieses wird für Vorbereitung und Durchführung der Hauptverhandlung sowie für alle im Verfahren anfallenden Nebenentscheidungen, wie etwa die Entscheidungen über Haft und Beschlagnahme, statt des abgebenden Gerichts zuständig (vgl. Rn. 57). Es handelt sich dabei um die Weiterführung des gleichen Hauptverfahrens (vgl. bei § 270); der ursprüngliche Eröffnungsbeschluss bestimmt, wenn auch in der Abwandlung, die er durch den Übernahmebeschluss erfahren hat, weiterhin den Gegenstand des Verfahrens (vgl. Rn. 22). Dagegen legt der Übernahmebeschluss meist die rechtliche Würdigung, unter der die angeklagte Tat untersucht werden soll, neu fest. Will das übernehmende Gericht später davon abweichen, bedarf es eines Hinweises nach § 265 selbst dann, wenn es zur ursprünglichen Auffassung des Eröffnungsbeschlusses zurückkehren will (vgl. bei § 265). b) Eine Bindung für das weitere Verfahren tritt durch die Übernahmeentschei- 32 dung nur insoweit ein, als § 225a Abs. 1, § 269 eine Verweisung an ein nachrangiges Gericht ausschließen (vgl. bei § 270). Eine Weiterverweisung gemäß § 225a oder § 270 an ein Gericht höherer Ordnung oder an ein diesem gleichgestelltes vorrangiges Gericht ist jedoch möglich, ebenso bei entsprechendem Einwand eine nicht dem Rechtsgedanken des § 269 unterfallende, bindende Verweisung an eine nachrangige Spezialstrafkammer

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SK/Deiters/Albrecht 21; SSW/Grube 18. KK/Gmel 17; KMR/Eschelbach 55; SSW/Grube 17; BGHSt 44 121 = NJW 1999 157 f.

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(Absatz 4 Satz 2; § 74e GVG).44 Im Übrigen ist die Rechtslage nicht anders zu beurteilen als beim Verweisungsbeschluss nach § 270. Bei den Jugendgerichten steht § 47a JGG der späteren Rückverweisung selbst bei Trennung der Verfahren entgegen;45 wegen der Ausnahmen vgl. bei § 209a. Ein Beschluss, der die Übernahme ablehnt, schließt zwar aus, dass das Verfahren 33 bei unverändertem Sachstand nochmals dem gleichen Gericht zur Entscheidung über die Übernahme nach § 225a vorgelegt wird, denn insoweit hat das dafür zuständige Gericht bereits negativ entschieden. Im Übrigen aber verleiht das Gesetz, anders als bei Absatz 4 Satz 2, dem ablehnenden Beschluss keine bindende Wirkung für das weitere Verfahren. Die Entscheidung über die Übernahme nach § 225a Abs. 1 Satz 2 ist ebenso wie die Bestimmung des zuständigen Gerichts bei der Eröffnung eine auf einer noch nicht gesicherten Tatsachengrundlage getroffene vorläufige Entscheidung, die spätere Zuständigkeitskorrekturen bei veränderter Sachlage zulässt. Sie hindert das Gericht nicht, das Verfahren aufgrund der in der Hauptverhandlung gewonnenen neuen Erkenntnisse nach § 270 erneut an das Gericht zu verweisen, das die Übernahme nach Absatz 1 Satz 2 abgelehnt hat.46 Noch weniger schließt sie eine entsprechende Verweisung durch das Rechtsmittelgericht §§ 328 Abs. 3, 355) aus. Der Abgabe an ein anderes Gericht – etwa aufgrund des Absatzes 4 nach Erhebung eines begründeten Einwands nach § 6a – steht die ablehnende Entscheidung nach Absatz 1 Satz 2 ohnehin nicht entgegen. 6. Einzelne Beweiserhebungen (Absatz 2) a) Das Recht des Angeklagten, wegen der Veränderung der Verfahrenslage auf die Erhebung einzelner Beweise noch vor der Hauptverhandlung hinzuwirken, bringt Absatz 2 dadurch zum Tragen, dass er in Anlehnung an § 270 Abs. 4 hierfür die Bestimmungen einer Frist vorschreibt. Er kann damit noch vor der Entscheidung über die Übernahme unter dem Blickwinkel einer schwereren Anschuldigung Beweisanträge nachholen, die er wegen der ursprünglichen Anklage nach § 201 Abs. 1 nicht gestellt hatte.47 Diese Verteidigungsmöglichkeit dient einem doppelten Zweck: Wie ihre Beschränkung auf die Anklagen zum Strafrichter und zum Schöffengericht (vgl. Rn. 35) zeigt, soll sie zum einen dem Angeklagten die Möglichkeit eröffnen, eventuelle Defizite einer zu eng auf die frühere Anschuldigung beschränkten Sachaufklärung durch eigene Beweisanträge auszugleichen und ihn so in die Lage versetzen, die Ausgangsposition seiner Verteidigung in der Hauptverhandlung zu verbessern und der neuen Verfahrenslage anzupassen.48 Insoweit beruht die Regelung auf ähnlichen Überlegungen wie etwa § 265 Abs. 3, 4. Zum anderen eröffnet sie mit der Gewährung des Beweisantragsrechts vor der Entscheidung über die Übernahme auch die Möglichkeit, diese durch neubenannte Beweismittel abzuwenden.49 Die Regelung ist in Anlehnung an § 270 Abs. 4 auf die Anklagen zum Strafrichter 35 und zum Schöffengericht beschränkt, also auf die Sachen von ursprünglich geringerer

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44 Begr. BTDrucks. 8 976, S. 57; KK/Gmel 18; Meyer-Goßner/Schmitt 18. 45 BGHSt 30 260; BayObLGSt 1980 46 = NJW 1980 2090; Meyer-Goßner/Schmitt 19; vgl. bei § 209a. 46 Vgl. OLG Stuttgart JR 1995 517 mit Anm. Wendisch; KK/Gmel 19; Meyer-Goßner/Schmitt 21; SK/Deiters/ Albrecht 23. 47 Alsberg/Tsambikakis 675; Meyer-Goßner/Schmitt 9. 48 Alsberg/Tsambikakis 675; Meyer-Goßner/Schmitt 9 sehen darin den alleinigen Zweck des Beweisantragsrechts. 49 AK/Keller 9; KK/Gmel 20; KMR/Eschelbach 27 und MüKo/Arnoldi 14 sehen den Zweck ausschließlich in der Einflussnahme auf die Übernahmeentscheidung, ebenso kritisch SK/Deiters/Albrecht 10a f.

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Bedeutung. Bei diesen erscheint es nicht durchweg gesichert, dass der angeklagte Sachverhalt auch unter den für die Verweisung an das höhere Gericht maßgebenden Gesichtspunkten bereits voll und umfassend aufgeklärt ist. Der nunmehr auftretende Verdacht einer bisher in der Anklage nicht angesprochenen schwereren Straftat, der in der Regel die Abgabe veranlassen wird, kann dem Angeklagten erstmalig Anlass zu Beweisanträgen bieten, die er wegen des in der Anklage erhobenen Vorwurfes für entbehrlich halten durfte und die er deshalb nach § 201 Abs. 1 vor der Eröffnung nicht gestellt hat.50 Ob Absatz 2 auch gilt, wenn der Strafrichter an den Jugendrichter oder das Schöffengericht an das Jugendschöffengericht abgeben will, könnte trotz der Gleichstellung der Jugendgerichte mit Gerichten höherer Ordnung (§ 209a Nr. 2 Buchst. a) zweifelhaft sein, ist aber vom Regelungszweck her zu bejahen.51 Die Behandlung als Jugendsache und die nunmehr in Frage kommende Anwendung des Jugendstrafrechts sind neue Gesichtspunkte, die ebenfalls Anlass zu vorgezogenen Beweiserhebungen geben können, etwa, ob ein Heranwachsender einem Jugendlichen gleich zu achten ist. Im Übrigen ist es dem Angeklagten unbenommen, in allen Fällen einer Vorlage zur Übernahme auch ohne Fristsetzung unter Hinweis auf die veränderte Sachlage die Erhebung einzelner Beweise vor der Entscheidung über die Übernahme anzuregen.52 Den Antrag des Angeklagten auf vorzeitige Erhebung einzelner Beweise bindet das 36 Gesetz an keine besondere Form. Wegen der Anforderungen, denen sein Inhalt genügen muss und wegen der weiteren Sachbehandlung ist es jedoch in der Regel (Ausnahme Aktennotiz) geboten, ihn schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle zu stellen.53 Er ist an den Vorsitzenden des um Übernahme ersuchten Gerichts zur richten. Wird er beim vorlegenden Gericht eingereicht, etwa weil das Aktenzeichen des ersuchten Gerichts noch nicht bekannt ist, ist er an dieses weiterzuleiten.54 Der Antrag muss nicht notwendig bereits den Anforderungen eines Beweisantrages im Sinne des § 244 voll entsprechen, auch wenn es ratsam ist, dass in ihm Beweisthema und Beweismittel genau bezeichnet werden. Anregungen zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts durch Verwendung bestimmter Beweismittel sind ebenfalls möglich und für die Entscheidung über die Beweiserhebung beachtlich.55 Zweckmäßig, aber nicht erforderlich, ist ferner, dass zur Begründung des Antrags zusätzlich zur Beweiserheblichkeit auch dargetan wird, warum eine Beweiserhebung schon jetzt geboten erscheint. b) Die Bestimmung der Frist für den Antrag auf Erhebung einzelner Beweise ist be- 37 reits dem vorlegenden Gericht aufgetragen worden, obwohl in diesem Zeitpunkt die Übernahme noch offen ist. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung sollte dies nicht erst dem Vorsitzenden des übernehmenden Gerichts überlassen bleiben.56

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50 Alsberg/Tsambikakis 675; KMR/Eschelbach 27. 51 KK/Gmel 20; KMR/Eschelbach 28; SK/Deiters/Albrecht 12; SSW/Grube 24; Alsberg/Tsambikakis 676 a.A. Meyer-Goßner/Schmitt 9; 22 (keine Zuständigkeitsänderung aufgrund neuer Gesichtspunkte). 52 SK/Deiters/Albrecht 11. 53 Meyer-Goßner/Schmitt 11; SK/Deiters/Albrecht 14. 54 Etwa Alsberg/Tsambikakis 680; Meyer-Goßner/Schmitt 11. 55 SK/Deiters/Albrecht 14; SSW/Grube 27; Alsberg/Tsambikakis 679; a.A. Meyer-Goßner/Schmitt 11. Es handelt sich jedoch nicht um eine Beweiserhebung ins Blaue hinein, sondern um Nachermittlungen zur besseren Vorbereitung der Entscheidung über die Übernahme und der Hauptverhandlung. Wird das Gericht auf hierfür relevante Umstände oder Beweismittel hingewiesen, kann es vom Zweck her nicht entscheidend sein, ob dies in Form eines Beweis- oder nur eines Beweisermittlungsantrags geschieht, sondern nur, ob die weitere Sachaufklärung für die genannten Zwecke förderlich ist. 56 Begr. BTDrucks. 8 976, S. 48.

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Die Frist ist bei der Vorlage (Absatz 2 Satz 1) vom Vorsitzenden57 zu bestimmen, also nicht notwendig in dem die Vorlage anordnenden Beschluss selbst. Letzteres ist jedoch zweckmäßig, da dann nur ein einziger Beschluss dem Angeklagten zuzustellen ist. Andernfalls muss die Anordnung, die die Fristbestimmung enthält, gesondert förmlich zugestellt werden.58 Ein besonderer Hinweis, dass die Beweisanträge an den Vorsitzenden des um Übernahme ersuchten Gerichts zu richten sind, ist bei Fristsetzung nicht vorgeschrieben;59 in der Regel wird er zweckmäßig sein. Die Erklärungsfrist muss angemessen sein. Der Angeklagte muss entsprechend dem 39 Umfang und der gestiegenen Bedeutung der Sache sowie unter Berücksichtigung seiner Verhältnisse (Haft, auswärtiger Wohnsitz usw.) ausreichend Zeit haben, anhand der Ausführungen des Vorlagebeschlusses, insbesondere der dort aufgegriffenen neuen Gesichtspunkte, zu prüfen und zu entscheiden, wieweit eine Beweiserhebung vor der Hauptverhandlung seiner Verteidigung förderlich ist.60 Die Benennung der zu erhebenden Beweise kann im Übrigen im Zusammenhang mit der Äußerung geschehen, mit der zur Übernahme des Verfahrens Stellung genommen wird (vgl. Rn. 16). 40 Die Frist des Absatzes 2 Satz 1 ist eine richterliche Frist, die auf Antrag des Angeklagten verlängert werden kann. Ihre Überschreitung entbindet den Vorsitzenden nicht von der Verpflichtung, die dort geforderten Beweise zu erheben, wenn dies für das weitere Verfahren förderlich ist. Ob das Gericht mit der Entscheidung betreffend die Übernahme des Verfahrens bis 41 zum Ablauf einer etwaigen Frist für die Beweisbenennung zuzuwarten hat und ob der Vorsitzende mit der Beweiserhebung erst nach Erlass der Übernahmeentscheidung beginnen darf,61 hängt von der Streitfrage ab, ob Zweck der Beweiserhebung die Entscheidung über die Übernahme oder aber die Förderung der Vorbereitung der Hauptverhandlung vor dem übernehmenden Gericht ist (Rn. 34). Betrifft die beantragte Beweiserhebung einen auch für die Entscheidung über die Übernahme relevanten Gesichtspunkt, ist sie nach der hier vertretenen Auffassung (vgl. Rn. 44) vor der Entscheidung über die Übernahme durchzuführen.62 Scheitert die Übernahme dagegen schon aus Rechtsgründen, dient es der Verfahrensbeschleunigung, wenn die Übernahme schon vor Ablauf der Frist abgelehnt wird (vgl. Rn. 49). Schließt allerdings die Frist für die Beantragung einzelner Beweiserhebungen zugleich eine für die Äußerung zur Übernahme nach § 33 Abs. 3 allgemein gesetzte richterliche Frist mit ein (Rn. 16), dann muss deren Ablauf abgewartet werden, bevor über die Übernahme entschieden wird. 38

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c) Anhörung der Staatsanwaltschaft. Diese ist zu den Anträgen auf Vornahme einzelner Beweiserhebungen zu hören (§ 33 Abs. 2).63

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d) Entscheidung. Der Vorsitzende des Gerichts, dem die Sache zur Entscheidung über die Übernahme vorliegt, befindet über die beantragte Beweiserhebung nach pflicht-

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57 BGH NStZ 1981 151 mit Anm. Dünnebier; Alsberg/Tsambikakis 677; AK/Keller 10; MüKo/Arnoldi 15; SK/Deiters/Albrecht 13. 58 Alsberg/Tsambikakis 677; KK/Gmel 21. 59 Meyer-Goßner/Schmitt 10; SSW/Grube 25; SK/Deiters/Albrecht 13; vgl. die Erl. zu § 270. 60 Alsberg/Tsambikakis 678; Meyer-Goßner/Schmitt 10; SK/Deiters/Albrecht 13. 61 Alsberg/Tsambikakis 684; HK/Julius/Reichling 12. 62 AK/Keller 9. Wenn man dagegen den Zweck der Beweiserhebung ausschließlich in der Vorbereitung der Hauptverhandlung sieht, ist sie erst nach der Übernahmeentscheidung anzuordnen, so etwa MeyerGoßner/Schmitt 13. 63 KK/Gmel 22; Meyer-Goßner/Schmitt 12; SK/Deiters/Albrecht 15; Alsberg/Tsambikakis 684; zum strittigen Begriff Entscheidungen vgl. § 33, 4 ff.

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gemäßem Ermessen, das sich daran zu orientieren hat, ob die beantragte vorherige Beweiserhebung für die Entscheidung über die Übernahme bedeutsam oder sonst zur Vorbereitung der Hauptverhandlung sachdienlich ist, etwa, indem sie Klarheit darüber verschafft, welche weiteren Beweismittel für die Hauptverhandlung verfügbar sind, wenn diese unter den für die Übernahme des Verfahrens maßgebenden Gesichtspunkten durchgeführt werden soll. Die Beweiserhebung nach Absatz 2 ist ihrer Zielsetzung nach keine umfassende, sie soll insbesondere nicht die Beweisaufnahme der durch die Eröffnung notwendig gewordenen Hauptverhandlung vorwegnehmen, sondern sie nur vorbereiten. Es kommt also wie bei § 270 nicht nur auf die Beweiserheblichkeit der einzelnen Behauptung an, sondern vor allem darauf, ob die Beweiserhebung der Hauptverhandlung vorbehalten werden kann oder ob es für deren Durchführung förderlich ist, sie schon vorher durchzuführen, etwa um den Beweis zu sichern oder um die Möglichkeiten weiterer Sachaufklärung zu erforschen und so einer etwaigen Aussetzung der Hauptverhandlung vorzubeugen (vgl. bei § 270). Die beantragte Beweiserhebung kann – auch wenn man hierin nicht ihren eigentli- 44 chen Zweck sieht – für die Vorbereitung der Entscheidung über die Übernahme mitverwendet werden. Da sich die Beweisanträge meist auf die neu hervorgetretenen Gesichtspunkte beziehen werden, die auch für die Entscheidung über die Übernahme ins Gewicht fallen, lässt sich beides ohnehin nicht immer trennen. Das um Übernahme ersuchte Gericht hat die Voraussetzungen für die Übernahme (vgl. Rn. 22) in dem dafür erforderlichen Umfang von Amts wegen aufzuklären. Auch wenn es erst mit Erlass des Übernahmebeschlusses für das Verfahren als solches zuständig wird (Rn. 30), muss es für die zur Prüfung der Übernahme erforderlichen Erhebungen schon vorher als befugt gelten. Eine Beweiserhebung vor der Übernahme ist allerdings auf das unbedingt Notwendige zu beschränken, damit die für den Fortgang des Verfahrens wichtige Entscheidung über die Übernahme nicht unnötig verzögert wird. Der Antrag auf vorherige Beweiserhebung muss ausdrücklich beschieden werden, 45 und zwar so rechtzeitig vor der Hauptverhandlung, dass der Angeklagte sein weiteres Prozessverhalten darauf einrichten, also die Ladung von Beweispersonen nach § 219 beantragen oder von seinem unmittelbaren Ladungsrecht nach § 220 Gebrauch machen kann. Dem Vorsitzenden ist es allerdings unbenommen, zugleich mit der Ablehnung der Beweiserhebung nach Absatz 2 die benannten Beweispersonen zur Hauptverhandlung zu laden oder die dort bezeichneten Beweisgegenstände herbeischaffen zu lassen (§§ 214, 221); ein Antrag nach § 219 liegt wegen der anderen Zielsetzung (Beweiserhebung vor der Hauptverhandlung) in der Regel im Antrag nach Absatz 2 nicht, er kann jedoch – eventuell auch hilfsweise – damit verbunden werden.64 Zu prüfen ist jedoch immer, ob der Beweisantrag zur Sicherung des Beweises in der Hauptverhandlung nicht nach §§ 223, 225 zu behandeln ist (dazu Rn. 48). Einer Begründung bedarf nur die ablehnende Entscheidung (§ 34). Dann müssen 46 die dafür maßgebenden rechtlichen oder tatsächlichen Gründe aufgezeigt werden. Die Ablehnung kann nach § 244 Abs. 3 darauf gestützt werden, das Beweismittel sei ungeeignet oder unerreichbar oder die Beweiserhebung ohne Bedeutung. Sie kann vor allem aber damit gerechtfertigt werden, dass die Beweiserhebung vor der Hauptverhandlung unter den gegebenen Umständen zu deren Vorbereitung nicht erforderlich ist65 und dass

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64 KK/Gmel 22; SK/Deiters/Albrecht 15 nehmen dagegen an, dass Anträge, die nicht die Übernahme des Verfahrens, sondern die Hauptverhandlung betreffen, nach § 219 zu behandeln sind. KMR/Eschelbach 33 nimmt dies für nicht fristgerecht eingereichte Anträge an. Vgl. auch AK/Keller 10 (Umdeutung). 65 Alsberg/Tsambikakis 684; KK/Gmel 22; Meyer-Goßner/Schmitt 12; MüKo/Arnoldi 16; SK/Deiters/ Albrecht 15.

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es dem Angeklagten unbenommen bleibt, in der Hauptverhandlung entsprechende Beweisanträge zu stellen oder nach § 220 zu verfahren. Soweit der Vorsitzende von sich aus die Ladung der benannten Beweispersonen zur Hauptverhandlung oder die Beibringung der Beweisgegenstände anordnet (§§ 214, 221), kann in der Ablehnung auch darauf hingewiesen werden. Im Übrigen aber ist hier – ähnlich wie bei der Ablehnung eines Antrags nach § 219 – alles zu vermeiden, was bei dem Angeklagten den Eindruck erwecken könnte, dass der Vorsitzende eine bestimmte Sachbehandlung in der Hauptverhandlung zusichere. Eine Wahrunterstellung des Beweisthemas darf der Vorsitzende deshalb ebenso wenig zusagen wie bei der Entscheidung nach § 201 oder § 219; auch sonst hat jede Vorwegnahme der Beweiswürdigung zu unterbleiben.66 Im Übrigen aber können für die Ablehnung mangels Beweiserheblichkeit die Ablehnungsgründe des § 244 entsprechend angewendet werden. 47

e) Die Durchführung der Beweiserhebung ist dem Ermessen des Vorsitzenden überlassen. Er kann die Beibringung von Beweisgegenständen anordnen und er kann auch Beweispersonen selbst vernehmen. In der Regel wird er allerdings im Wege der Rechtshilfe (§§ 156 ff. GVG) das zuständige Amtsgericht darum ersuchen oder aber die Staatsanwaltschaft um die Durchführung der von ihm noch für erforderlich gehaltenen Erhebungen bitten; diese ist trotz der Eröffnung des Hauptverfahrens dazu noch befugt.67

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f) Im Sonderfall der Beweissicherung nach § 223 gilt dagegen etwas anderes. Sind dessen Voraussetzungen gegeben, so ordnet das Gericht – nicht der Vorsitzende nach § 225a Abs. 2 Satz 2 – die kommissarische Vernehmung des verhinderten Zeugen oder Sachverständigen an.68 Der Vorrang des § 223 gilt auch dann, wenn ein Antrag des Angeklagten nach § 225a Abs. 2 die kommissarische Einvernahme einer voraussichtlich in der Hauptverhandlung nicht zur Verfügung stehenden Beweisperson auslöst. Dann geht es nicht nur um die Prüfung, ob diese wegen ihres Sachwissens zur Hauptverhandlung zu laden ist, sondern um eine die Einvernahme in der Hauptverhandlung ersetzende Vernehmung. Gleiches gilt für die Anordnung des richterlichen Augenscheins nach § 225.

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g) Sonstige Erledigung. Lehnt das Gericht die Übernahme ab, wird der nur für den Fall der Übernahme gestellte Antrag auf Erhebung einzelner Beweise gegenstandslos, ein besonderer ablehnender Bescheid erübrigt sich.69 Das mit der Sache weiterhin befasste Gericht ist allerdings gehalten, das Vorbringen im Rahmen seiner Aufklärungspflicht bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung zu beachten. Im Übrigen ist es Sache des Angeklagten und seines Verteidigers, nach dem Scheitern der Übernahme auf diese Beweise zurückzukommen und entsprechende Anträge zu stellen, wenn sie die Beweise trotz der Ablehnung der Übernahme noch für wichtig halten. III. Abgabe bei Einwand der Zuständigkeit einer besonderen Strafkammer (Absatz 4)

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1. Einwand des Angeklagten. Nach Eröffnung des Hauptverfahrens darf das Gericht nur noch auf Einwand des Angeklagten beachten (§ 6a), dass es wegen der Zustän-

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Alsberg/Tsambikakis 682; Meyer-Goßner/Schmitt 12; vgl. § 219, 13. Vgl. die Erl. zu §§ 161, 202 und Vor 212, 18. Alsberg/Tsambikakis 680; KK/Gmel 22; Meyer-Goßner/Schmitt 12; SSW/Grube 31. Alsberg/Tsambikakis 685; KK/Gmel 22; Meyer-Goßner/Schmitt 19.

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digkeit einer besonderen Strafkammer für das Verfahren an sich nicht zuständig ist. Wird dieser Einwand außerhalb der Hauptverhandlung erhoben, so muss das Gericht, wenn es ihn für begründet hält (vgl. § 6a, 7 f., 13; bei § 209a), das Verfahren nach § 225a Abs. 4 abgeben. Das Verfahren ist unterschiedlich, je nachdem, ob der um Übernahme ersuchten besonderen Strafkammer der Vorrang vor dem abgebenden Gericht zukommt oder ob sie ihm im Range nachsteht (§ 74e GVG). 2. Vorlage beim vorrangigen Gericht. Die Vorlage der Akten zur Prüfung der 51 Übernahme nach Absatz 1 ist zu beschließen, wenn die besondere Strafkammer ohnehin das höherrangige Gericht ist oder wenn ihr, wie bei einer Abgabe zwischen Strafkammern nach § 74e GVG, der Vorrang zukommt. In beiden Fällen richtet sich das Verfahren nach den Absätzen 1 bis 3. Dass in Absatz 4 Satz 1 auf Absatz 2 verwiesen wird, dürfte sachgerecht sein, da der Angeklagte dadurch Gelegenheit erhält, auf die Beiziehung der für seine Verteidigung unter den neuen Gesichtspunkten geeigneten Beweismittel hinzuwirken.70 Im Übrigen gelten keine Besonderheiten. Das abgebende Gericht legt die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft der um Übernahme ersuchten besonderen Strafkammer vor, die durch Beschluss darüber entscheidet, ob sie das Verfahren übernimmt. Wegen der Einzelheiten gelten die Erläuterungen zu den Absätzen 1 bis 3. 3. Verweisung an das nachrangige Gericht a) Die bindende Verweisung an eine nachrangige Strafkammer ist dagegen vom 52 abgebenden Gericht nach Absatz 4 Satz 2 zu beschließen, wenn es den Einwand nach § 6a insoweit für begründet erachtet. Die Befugnis zur bindenden Verweisung erklärt sich daraus, dass der nach § 74e GVG vorrangigen Strafkammer nach § 209a die Kompetenz zur Eröffnung zukommt.71 Die Anhörung der Staatsanwaltschaft und – soweit erforderlich – der anderen Ver- 53 fahrensbeteiligten vor Erlass des Verweisungsbeschlusses nach Absatz 2 Satz 2 richtet sich nach § 33 Abs. 2, 3. Der Angeklagte, dessen Einwand durchgreift, braucht deshalb in der Regel nicht nochmals dazu gehört werden.72 Der Verweisungsbeschluss muss, auch wenn das Gesetz insoweit keine besonde- 54 ren Vorschriften aufstellt, ebenso wie der Übernahmebeschluss nach Absatz 3 in seinem Tenor den Angeklagten und das Gericht73 bezeichnen, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll. Soweit die verwiesene Tat (§ 264) rechtlich anders gewürdigt wird, ist auch dies entsprechend deutlich zu machen, wobei die Tatsachen hervorzuheben sind, die abweichend vom ursprünglichen Anklagesatz nunmehr aufgrund der anderen rechtlichen Würdigung entscheidungserheblich werden. Im Übrigen muss die Begründung stets aufzeigen, woraus sich die Zuständigkeit der nachrangigen Strafkammer ergibt. b) Der Verweisungsbeschluss ist der Staatsanwaltschaft zuzustellen, sofern diese 55 ein Anfechtungsrecht hat (Rn. 61 ff.). Dem Angeklagten ist er trotz fehlender Anfech-

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70 HK/Julius/Reichling 10; KK/Gmel 20; SSW/Grube 24; im Ergebnis ebenso: MüKo/Arnoldi 22; Alsberg/Tsambikakis 676; a.A. KMR/Eschelbach 60; Meyer-Goßner NStZ 1981 169; Meyer-Goßner/Schmitt 22. 71 Begr. BTDrucks. 8 976, S. 49. 72 KK/Gmel 25; SK/Deiters/Albrecht 26. 73 Der Art nach, etwa „allgemeine Strafkammer“ und nicht Zuweisung an eine bestimmte allgemeine Strafkammer; BGH StV 1990 97 (Ls.).

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tungsmöglichkeit zuzustellen,74 weil er die im Eröffnungsbeschluss festgelegte Zuständigkeit abändert (vgl. Rn. 26). Der nachrangigen Strafkammer, an die das Verfahren mit bindender Wirkung verwiesen ist, wird der Beschluss in der Regel zugleich mit der Übersendung der Akten zur Kenntnis gebracht. Die Einschaltung der Staatsanwaltschaft bei der Übermittlung der Akten schreibt Absatz 4 Satz 2 nicht vor, da er, anders als bei Absatz 4 Satz 1, nicht auf Absatz 1 Satz 1 verweist. Sie ist jedoch nicht verboten und – sofern nicht ein Grund zur besonderen Eile (z.B. anstehende Haftentscheidung) vorliegt – auch zweckmäßig. IV. Sonstige verfahrensrechtliche Fragen 56

1. Keine Aufspaltung der Tat. Die Übernahme des Verfahrens durch ein höheres Gericht nach Absatz 1 oder durch eine besondere Strafkammer nach Absatz 4 Satz 1 sowie die bindende Verweisung an eine nachrangige Strafkammer nach Absatz 4 Satz 2 sind immer nur hinsichtlich der ganzen Tat i.S.d. § 264 möglich.75 Teile ein- und derselben Tat können nicht abgegeben werden, auch wenn sie materiell-rechtlich verschiedene, rechtlich selbständige Straftatbestände betreffen. Soweit das Verfahren vom abgebenden Gericht nach § 154 Abs. 2 wegen einer anderen Tat eingestellt worden ist, wird diese von der Abgabe nicht erfasst; anders ist es bei einer Einstellung hinsichtlich abtrennbarer Teile der gleichen Tat nach § 154a. Ein Verfahren, in dem mehrere Taten i.S.d. § 264 verbunden sind, kann dagegen auch nur wegen einer Tat zur Übernahme vorgelegt oder im Falles des Absatzes 4 Satz 2 bindend verwiesen werden. Insoweit gilt das gleiche wie bei § 270. Notwendig ist allerdings die Trennung des Verfahrens vor Übernahme oder Verweisung. Bei der Vorlage zur Übernahme sollte zwar grundsätzlich bereits das vorlegende Gericht die Verfahren trennen, jedoch wird man auch das übernehmende Gericht für befugt ansehen müssen, bei Vorlage des ganzen Verfahrens zur Übernahme dieses zu trennen und nur eine Tat (§ 264) zu übernehmen, im Übrigen aber die Übernahme abzulehnen, wenn es die gleichzeitige Aburteilung der verbundenen Taten nicht für erforderlich hält. Ob das um Übernahme ersuchte Gericht seinerseits die Verfolgung nach § 154a Abs. 2 beschränken und dann wegen der verbleibenden Straftaten die Übernahme ablehnen kann, ist strittig. Im Schrifttum76 wird diese Möglichkeit zu Recht verneint, da nur das Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, in dieser Weise über den Verfahrensgegenstand verfügen kann und weil bei Ablehnung der Übernahme das weiterhin mit der Sache befasste Gericht die Verfolgungsbeschränkung jederzeit wieder rückgängig machen könnte. Nach der Übernahme kann das übernehmende Gericht § 154a anwenden, § 269 schließt dann eine Zurückverweisung aus. Nach anderer Ansicht,77 die sich auch auf die prozessökonomische Zweckmäßigkeit beruft, ist das um Übernahme ersuchte Gericht analog § 209 Abs. 1 befugt, § 154a Abs. 2 anzuwenden und dann die Übernahme abzulehnen. Vor einer bindenden Verweisung an das nachrangige Gericht ist das verweisende Gericht dagegen befugt, die Gesetzesverletzungen, die seine Zuständigkeit begründet haben, nach § 154a Abs. 2 auszuscheiden und dann die Sache an ein nachrangiges Gericht zu verweisen.78

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74 KK/Gmel 26; Meyer-Goßner/Schmitt 23; MüKo/Arnoldi 23; SK/Deiters/Albrecht 26. 75 Vgl. die Erl. zu § 264 und § 270. 76 AK/Keller 7; Meyer-Goßner/Schmitt 20; vgl. auch SK/Deiters/Albrecht 18. 77 Ablehnend KK/Gmel 11 unter Berufung auf BGHSt 29 34 = NStZ 1981 151 mit Anm. Dünnebier. Vgl. bei § 154a. 78 Meyer-Goßner/Schmitt 23.

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2. Zuständigkeit für Nebenentscheidungen. Für diese bleibt das vorlegende Ge- 57 richt auch dann noch zuständig, wenn die Akten bereits dem um Übernahme ersuchten Gericht vorliegen. Dies gilt auch für die Haftkontrolle und für die mit dem Vollzug der Untersuchungshaft verbundenen Anordnungen. Es wird sich deshalb empfehlen, dass das Gericht bei der Vorlage dafür vorsorgt, dass es voraussichtlich anfallende Entscheidungen ohne Verzögerung treffen kann (Zurückbehaltung von Doppelstücken der Akten, Hinweis bei Vorlage usw.). Erst mit Erlass des Übernahmebeschlusses (Rn. 30) tritt das übernehmende Gericht auch hinsichtlich der Nebenentscheidungen an die Stelle des abgebenden. Soweit eine Änderung früherer Entscheidungen in Frage kommt, hat es von diesem Zeitpunkt an die gleichen Befugnisse wie das Gericht, vor dem ursprünglich eröffnet wurde. Bei einer Trennung eines verschiedene Taten im Sinne des § 264 umfassenden Verfahrens (Rn. 56) ist, sofern sich dies nicht aus dem Haftbefehl ergibt, klarzustellen, für welches der getrennten Verfahren die Untersuchungshaft besteht. Bei der bindenden Verweisung nach Absatz 4 Satz 2 dürfte das Verfahren auf das 58 neue Gericht noch nicht mit Erlass des Beschlusses, sondern erst mit dessen Eingang beim neu zuständigen Gericht übergehen.79 3. Bescheidung unbegründeter Anträge. Unbegründete Anträge auf Vorlage nach 59 Absatz 1 sowie den Einwand der Zuständigkeit einer besonderen Strafkammer nach Absatz 4 braucht das Gericht vor der Hauptverhandlung nicht formal zu bescheiden. § 225a eröffnet dem Gericht die Möglichkeit einer Abgabe schon vor Beginn der Hauptverhandlung, er zwingt das Gericht aber nicht dazu, seine Zuständigkeit in einer Art Zwischenverfahren nochmals förmlich festzustellen. Da die Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung oder eines Jugendgerichts ohnehin während des ganzen Verfahrens ohne Bindung an frühere Entscheidungen von Amts wegen zu beachten ist und auch der vor der Hauptverhandlung erhobene Einwand nach § 6a in dieser fortwirkt80, erleiden die Antragsteller keinen Nachteil, wenn das Gericht die Unbegründetheit des Antrags vor der Hauptverhandlung nicht besonders feststellt. V. Rechtsbehelfe 1. Beschwerde a) Die Entscheidungen über die Übernahme nach Absatz 1 Satz 2 und die Verwei- 60 sung an eine nachrangige Strafkammer im Sonderfall des Absatzes 4 Satz 2 sind nur nach Maßgabe des § 210 anfechtbar (Absatz 3 Satz 3, Absatz 4 Satz 2 letzter Halbsatz). Es handelt sich hier, ähnlich wie bei § 210 und bei § 270 Abs. 3 Satz 2 um eine Sonderregelung; die den Eröffnungsbeschluss ergänzenden Entscheidungen werden hinsichtlich der Anfechtung den für diesen geltenden Regeln unterstellt. Dies schließt die Anwendung der allgemeinen Vorschriften über die Zulässigkeit der Beschwerde in §§ 304, 305 aus.81 Ein gesetzlich geregeltes Rechtsmittel, dass allein auf die Anfechtung des Übernahmebeschlusses gerichtet ist, existiert mithin ebenso wenig wie die Möglichkeit einer „außerordentlichen Beschwerde“. Eine etwaige willkürliche Kompetenzannahme muss im Interesse einer zügigen Durchführung des Strafverfahrens im Rahmen der Anfechtung einer Entscheidung in der Hauptsache erfolgen. Es ist daher untunlich, die Regel

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Vgl. bei § 270. Vgl. § 6a, 10 ff. KK/Gmel 29; Meyer-Goßner/Schmitt 24; KMR/Eschelbach 64; SK/Deiters/Albrecht 28; Bohnert 37 ff.

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des § 210 dadurch zu unterbrechen, dass Zuständigkeitsstreitigkeiten bereits in das Zwischenverfahren ausgelagert werden.82 61

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b) Die Staatsanwaltschaft hat in Anwendung des § 210 Abs. 2 das Recht zur sofortigen Beschwerde nur, wenn ihrem Antrag nicht entsprochen wurde. Sie muss also im Verfahren nach § 225a einen neuen Antrag zur Zuständigkeit entweder beim abgebenden oder bei dem um Übernahme ersuchten Gericht gestellt haben, obwohl es für das Verfahren keines solchen Antrags bedarf. Der schon mit der Anklageerhebung verbundene Antrag, das Hauptverfahren vor dem dort genannten Gericht zu eröffnen (§ 200 Abs. 1), genügt dagegen nicht. Er ist durch die Eröffnung des Hauptverfahrens erledigt.83 Aus der entsprechenden Anwendung des § 210 Abs. 2 folgt, dass die Staatsanwaltschaft weder die rechtliche Würdigung des Übernahmebeschlusses angreifen noch sich gegen die Übernahme durch ein Gericht höherer Ordnung wenden kann.84 Gegen den Beschluss, der die Übernahme anordnet, hat die Staatsanwaltschaft nur dann die sofortige Beschwerde, wenn entgegen ihrem Antrag ein niedrigeres oder nachrangiges Gericht die Sache verhandeln soll.85 Das Beschwerderecht besteht also nur, wenn sie im Zusammenhang mit der Vorlage die Übernahme durch ein Gericht beantragt hatte, das dem übernehmenden Gericht der Ordnung oder dem Rang nach vorgeht. Dabei stellt § 209a klar, dass die dort festgelegte Vorrangregelung auch für § 210 Abs. 2 gilt. Bei einer bindenden Verweisung nach Absatz 4 Satz 2 hat die Staatsanwaltschaft nach § 210 Abs. 2 die sofortige Beschwerde, wenn sie der Verweisung entgegengetreten ist oder wenn sie die Verweisung an ein anderes Gericht (mit höherem Rang) oder die Vorlage bei einem vorrangigen Gericht zur Übernahme beantragt hatte.86 Wird die Übernahme abgelehnt, hat die Staatsanwaltschaft dagegen die sofortige Beschwerde, wenn sie sich für die Zuständigkeit des um Übernahme ersuchten Gerichts ausgesprochen hatte.87 Gegen die Ablehnung der Verweisung an ein nachrangiges Gericht steht dagegen der Staatsanwaltschaft die sofortige Beschwerde selbst dann nicht zu, wenn sie den Einwand nach § 6a für berechtigt erklärt hatte.88 Soweit ein Nebenkläger am Verfahren beteiligt ist, hat er kein Anfechtungsrecht.89 c) Der Angeklagte kann den Beschluss, der die Übernahme anordnet, ebenso wenig anfechten wie die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens.90 Soweit mit der Übernahme seinem Einwand nach § 6a, § 225a Abs. 4 entsprochen wird, ist er ohnehin nicht beschwert. Der Beschluss, der die Übernahme ablehnt, ist entsprechend

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82 LG Bochum ZfS 2003 470 f. 83 KK/Gmel 29; a.A. MüKo/Arnoldi 25. 84 Vgl. die Erl. bei § 210: Bohnert 39 ff. hält § 210 nur für sinngemäß (eingeschränkt) anwendbar, eine neue Antragstellung sei eine entbehrliche Förmlichkeit. § 269 passe auf die Rangfolge des § 74e GVG nicht; die Differenzierung nach höher und nieder müsse entfallen. 85 KK/Gmel 29; Meyer-Goßner/Schmitt 24; SK/Deiters/Albrecht 28. 86 Etwa Meyer-Goßner/Schmitt 24; MüKo/Arnoldi 24; vgl. § 6a, 25. 87 OLG Stuttgart MDR 1982 252; AK/Keller 11; KK/Gmel 30; SK/Deiters/Albrecht 29; a.A. OLG Zweibrücken NStZ 1998 211; Meyer-Goßner NStZ 1981 169; OLG Celle NStZ-RR 2011 281; Meyer-Goßner/ Schmitt 24; HK/Julius/Reichling 15; vgl. auch Giesler 280. 88 KK/Gmel 29. 89 OLG Zweibrücken MDR 1992 1072; MüKo/Arnoldi 25; SK/Deiters/Albrecht 29; vgl. bei § 400. 90 Vgl. die Erl. zu § 210 und zu § 270.

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5. Abschnitt. Vorbereitung der Hauptverhandlung

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dem Grundgedanken des § 210 ebenfalls jeder Anfechtung durch den Angeklagten entzogen.91 Trägt das Gericht einem Einwand des Beklagten nach § 6a keine Rechnung, weil es 67 die mit dem Einwand geltend gemachte Zuständigkeit einer besonderen Strafkammer verneint, und unterlässt es deshalb die Vorlage nach Absatz 4 Satz 1 oder die bindende Verweisung nach Absatz 4 Satz 2, so hat der Angeklagte hiergegen keine Beschwerde. Dabei ist es unerheblich, ob der Einwand ausdrücklich abgelehnt wurde oder ob das Gericht ihn stillschweigend übergangen hat (vgl. Rn. 59). d) Die Entscheidung, mit der das Gericht die Akten zur Übernahme nach Absatz 1 68 (Rn. 13 ff.) oder Absatz 4 Satz 1 vorlegt, unterliegt nicht der Beschwerde. Dies folgt aus der Sonderregelung der Anfechtbarkeit (Rn. 60) ebenso wie aus der Rechtsnatur der Vorlage (Rn. 14, 30), die als solche noch keine Rechtsänderung bewirkt. Andernfalls würde auch § 305 einer Beschwerde entgegenstehen.92 e) Die Anfechtbarkeit der Nebenentscheidungen, die das Gericht bei Gelegenheit 69 der Übernahme erlässt, richtet sich dagegen nach den allgemeinen Vorschriften. Insbesondere die Haftentscheidung, die das übernehmende Gericht nach § 225a Abs. 3 Satz 2, § 207 Abs. 4 trifft, ist nach Maßgabe der §§ 304, 310 mit Beschwerde anfechtbar93 (vgl. die Erl. zu § 270). 2. Anrufung des Gerichts bei Entscheidungen des Vorsitzenden. Das Gericht 70 kann nach § 238 Abs. 2 gegen die Verfügung des Vorsitzenden, mit der dieser nach Absatz 2 Satz 2 die Erhebung einzelner Beweise anordnet oder ablehnt, nicht angerufen werden.94 Insoweit schließt § 305 auch jede Beschwerde gegen die Anordnung oder Unterlassung einer solchen vorbereitenden Maßnahme aus. 3. Revision. Mit der Revision kann nicht gerügt werden, dass die Vorlage unterblie- 71 ben oder die Übernahme abgelehnt oder der Übernahmebeschluss oder die Verweisung nach Absatz 4 Satz 2 zu Unrecht ergangen sind (§ 336 Satz 2).95 Geltend gemacht werden kann, dass das Gericht ein Urteil erlassen hat, obwohl hierfür ein höherrangiges Gericht oder ein Jugendgericht96 sachlich zuständig gewesen wäre oder eine Spezialstrafkammer, sofern in letzterem Falle ein entsprechender Einwand nach § 6a rechtzeitig erhoben worden war und nicht oder erst im Urteil beschieden worden ist. Das Fehlen eines Übernahmebeschlusses begründet ebenfalls die Revision.97 Wegen der Einzelheiten wird auf die Erläuterungen zu § 6a und zu § 338 Nr. 4 verwiesen.98

anhängen

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91 KK/Gmel 29; 30; Meyer-Goßner/Schmitt 24; KMR/Eschelbach 64; a.A. SK/Deiters/Albrecht 29. 92 KK/Gmel 28; Meyer-Goßner/Schmitt 24. Bohnert 38, der § 305 Satz 1 für nicht einschlägig ansieht, hält den Vorlegungsbeschluss aufgrund der Gesamtkonstruktion des Gesetzes für unanfechtbar. 93 Vgl. bei §§ 207, 210. 94 Alsberg/Tsambikakis 686; AK/Keller 11; KK/Gmel 28; Meyer-Goßner/Schmitt 24; SSW/Grube 37. 95 KK/Gmel 31; Meyer-Goßner/Schmitt 25; KMR/Eschelbach 66; HK-GS/Schulz 5; siehe auch BGH StV 2009 58 f. 96 Etwa BGHSt 30 210; BGH bei Holtz MDR 1981 269. 97 Vgl. BGHSt 44 121 = NJW 1999 157. 98 Vgl. § 6a, 26 ff.; ferner die Erl. zu § 209a und zu § 336.

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SECHSTER ABSCHNITT Hauptverhandlung Vor § 226 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-019

Vorbemerkung zu § 226 Schrifttum Abdallah Die Problematik des Rechtsmissbrauchs im Strafverfahren (2002); Ambos Zum heutigen Verständnis von Akkusationsprinzip und -verfahren aus historischer Sicht, Jura 2008 586; Amelung Informationsbeherrschungsrechte im Strafprozeß (1990); Basdorf Formelle und informelle Präklusion im Strafverfahren, StV 1997 488; Baumann Die Situation des deutschen Strafprozesses, FS Klug (1983) Bd. 2, 459; Barth Das formale Strafverfahren in der Hauptverhandlung (2005); Bernsmann Wider eine Vereinfachung der Hauptverhandlung, ZRP 1994 329; Beulke Die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung, JA 2008 758; Blum Gerichtliche Zeugenbetreuung im Zeichen des Opferschutzes (2005); Börner Legitimation durch Strafverfahren (2014); Bötticher Gleichbehandlung und Waffengleichheit (1979); Böttcher Die Hauptverhandlung als pädagogische Veranstaltung, Aktuelle Probleme der Strafrechtspflege (1991) 21; Bohnert Die Behandlung des Verzichts im Strafprozeß, NStZ 1983 344; ders. Ordnungsvorschriften im Strafverfahren, NStZ 1982 5; Bottke Materielle und formelle Verfahrensgerechtigkeit im demokratischen Rechtsstaat (1991); Brause Faires Verfahren und Effektivität im Strafprozeß, NJW 1992 2865; Bruns Der Verdächtige als schweigeberechtigte Auskunftsperson und als selbständiger Prozeßbeteiligter neben dem Beschuldigten, FS Schmidt-Leichner (1975) 1; Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (Hrsg.) Bericht der Expertenkommission zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des allgemeinen Strafverfahrens und des jugendgerichtlichen Verfahrens (2015); Burhoff Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung (2019); Corstens Strafprozeßrecht unter dem Einfluß allgemeiner Rechtsprinzipien, FS Stree/Wessels (1993) 643; Deckers „Mißbrauch“ von Anwaltsrechten zur Prozeßsabotage, AnwBl. 1981 316; Dornach Ist der Strafverteidiger aufgrund seiner Stellung als „Organ der Rechtspflege“ Mitgarant eines justizförmigen Strafverfahrens? NStZ 1995 57; Dörr Faires Verfahren (1984); Dreher Staatsanwalt und Verteidiger, FS Kleinknecht (1985) 91; Eisenberg Zeugenschutzprogramme und Wahrheitsermittlung im Strafprozess, FS Fezer (2008) 293; Greiser Störungen und Sabotageversuche in der Hauptverhandlung, JA 1983 429; Greiser/Artkämper Die „gestörte“ Hauptverhandlung (2001); Eschelbach Gehör vor Gericht, GA 2004 228; Esser Auf dem Weg zu einem europäischen Strafverfahrensrecht (2002); Fahl Rechtsmissbrauch im Strafprozeß (2004); Ferber Das Opferrechtsreformgesetz, NJW 2004 2562; Fezer Die Funktion der mündlichen Verhandlung im Zivilprozeß und im Strafprozeß (1970); ders. Der Beschleunigungsgrundsatz als allgemeine Auslegungsmaxime im Strafverfahrensrecht? FS Widmaier (2008) 177; Föhrig Kleines Strafrichter-Brevier (2008); Frister Plädoyer für die Streichung der Vorschriften über die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, FS Fezer (2008) 211; ders. Die persönliche Gewissheit als Verurteilungsvoraussetzung im Strafprozeß, FS Grünwald (1999) 169; Gaede Fairness als Teilhabe – das Recht auf konkrete und wirksame Teilhabe durch Verteidigung gemäß Art. 6 EMRK (2007); Gau Die rechtswidrige Beweiserhebung nach § 136a als Verfahrenshindernis (2006); Geerds Maximen des Strafprozesses, SchlHA 1962 181; Geppert Grundsatz der Unmittelbarkeit im deutschen Strafverfahren (1979); Gollwitzer Die Befugnisse des Mitangeklagten in der Hauptverhandlung, FS Sarstedt (1981) 15; Großkopf Beweissurrogate und Unmittelbarkeit der Hauptverhandlung (2007); Grüner Über den Missbrauch (2000); Grunst Prozeßhandlungen im Strafprozeß (2002); Hamm Die Entdeckung des „fair trial“ im deutschen Strafprozeß? FS Salger (1995) 273; Hartmann/Apfel Das Grundrecht auf ein faires Strafverfahren, Jura 2008 495; Hassemer Die „Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege“ – ein neuer Rechtsbegriff? StV 1982 275; Hauer Geständnis und Absprache (2007); Heger Die Rolle des Opfers im Strafverfahren, JA 2007 244; Heinrich Verhandlungsverantwortung und Verhandlungsleitung im Kollegialgericht (2015); Heldmann Ausländer und Strafjustiz, StV 1981 251; Heller Das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren – No big deal? (2012); Henschel „Konfliktverteidigung“ und strafprozessuale Gegenmaßnahmen, Diss. Berlin 2011; Hess Die Zulässigkeit aufgedrängter Fürsorge gegenüber dem Beschuldigten im Strafprozeß (1989); Heubel Der „fair trial“, ein Grundsatz des Strafverfahrens (1981); Hirtz/Sommer 1. Justizmodernisierungsgesetz (2004); Hübner Allgemeine Verfahrensgrundsätze, Fürsorgepflicht oder fair trial (1983); Ignor/Matt Integration und Offenheit im Strafprozeß – Vorschläge zu einer Reform des Strafverfahrens, StV 2002 102; Jahn Konfliktverteidigung und Inquisitionsmaxime (1998); ders. Die Konsensmaxime in der Hauptverhandlung, ZStW

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118 (2006) 427; Kielwein Die prozessuale Fürsorgepflicht im Strafverfahren (1985); Knauer/Wolf Zivilprozessuale und strafprozessuale Änderungen durch das Erste Justizmodernisierungsgesetz – Teil 2: Änderungen der StPO, NJW 2004 2932; Kneule Transfer von Beweisen aus dem Ermittlungsverfahren in die Hauptverhandlung (2008); Koch Die gescheiterte Reform des reformierten Strafprozesses, ZIS 2009 542; König Die Hauptverhandlung – noch Kerngeschehen im Strafprozess? AnwBl 2010 382; Koeniger Die Hauptverhandlung in Strafsachen (1966); Krauß Der Schutz der Intimsphäre im Strafprozeß, FS Gallas (1973) 365; ders. Das Prinzip der materiellen Wahrheit im Strafprozeß, FS Schaffstein (1975) 411; Kudlich Strafprozeßrecht und allgemeines Missbrauchsverbot (1998); ders. StPO-Reform: Die Ergebnisse der Expertenkommission und der Referentenentwurf des BMJV, JR 2016 514; Kühne Opferrechte im Strafprozeß: Ein europäischer Vergleich (1988); ders. Strafverfahrensrecht als Kommunikationsproblem (1978); Kumlehn Die gerichtliche Fürsorgepflicht im Strafverfahren (1976); Lankisch Der Dolmetscher in der Hauptverhandlung (2004); Laue Das öffentliche Interesse an der Beschleunigung des Strafverfahrens, GA 2005 648; von Löbbecke Fürsorgepflichten im Strafprozeß? GA 1973 200; Löhr Zur Mitwirkung der Laienrichter im Strafprozeß (2008); Lorenz Grundrechte und Verfahrensordnungen, NJW 1977 865; Maatz Mitwirkungspflicht des Verteidigers in der Hauptverhandlung und Rügeverlust, NStZ 1992 513; Maiwald Zur gerichtlichen Fürsorgepflicht im Strafprozeß und ihren Grenzen, FS Lange (1976) 745; Malek Verteidigung in der Hauptverhandlung (1997); Marczak Das Fairneßgebot im Prozeß (2000); Martin Der Mißbrauch rechtsstaatlicher Einrichtungen im Strafverfahren, ZfRV 1976 109; Marx Aufgaben der Staatsanwaltschaft in der strafrechtlichen Hauptverhandlung, GA 1978 365; Mattil Treu und Glauben im Strafprozeß, GA 77 (1933) 1; Meyer Notwendigkeit und Grenzen der Heilung von Grundrechtsverletzungen durch die Strafgerichte, FS Kleinknecht (1985) 267; Meyer-Goßner Rechtsprechung durch Staatsanwaltschaft und Angeklagten? – Urteilsabsprachen im Rechtsstaat des Grundgesetzes, NStZ 2007 425; Michel Richterliche Hinweis- und Protokollierungspflicht, MDR 1996 773; Milger Sitzungsgewalt und Ordnungsmittel in der strafrechtlichen Hauptverhandlung, NStZ 2006 121; H. Müller Zum Problem der Verzichtbarkeit und Unverzichtbarkeit von Verfahrensnormen im Strafprozeß (1984); Müller-Dietz Die Stellung der Beschuldigten im Strafprozeß, ZStW 93 (1981) 1177; B. Neuhaus Kommunikation im kontradiktorischen Strafverfahren, StraFo 2003 121; R. Neuhaus Die Änderungen der StPO durch das Erste Justizmodernisierungsgesetz vom 24.8.2004, StV 2005 47; Niedling Strafprozessualer Opferschutz am Beispiel der Nebenklage (2004); Niemöller/Schuppert Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Strafverfahrensrecht, AöR 107 (1982) 387; Nix Erkenntnisse und Gegenreform – Am Beispiel der strafprozessualen Hauptverhandlung, StraFo 1996 37; Peters Der Strafprozeß in der Fortentwicklung (1970); ders. Der neue Strafprozeß (1975); ders. Justizgewährungspflicht und Abblocken von Verteidigungsvorbringen, FS Dünnebier (1982) 53; Pieck Der Anspruch auf ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren: Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention in seiner Bedeutung für das deutsche Verfahrensrecht (1966); Prittwitz Der Mitbeschuldigte im Strafprozeß (1984); Radtke Wahrheitsermittlung im Strafverfahren, GA 2012 187; Rieß Die Hauptverhandlung in Strafverfahren, Rpfl.JB. 48 (1982) 311; ders. Zur aktuellen Entwicklung des Strafverfahrensrechts – Zwischenbilanz und Ausblick, StraFo 2006 4; ders. Entwicklungstendenzen in der deutschen Strafprozessgesetzgebung seit 1959, ZIS 2009 466; Rogall Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst (1977); Römer Kooperatives Verhalten der Rechtspflegeorgane im Strafverfahren, FS Schmidt-Leichner (1975) 133; Rudolphi Strafprozeß im Umbruch, ZRP 1976 165; Rüping Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs und seine Bedeutung im Strafverfahren (1976); ders. Der Schutz der Menschenrechte im Strafverfahren, ZStW 91 (1979) 351; Rüping/Dornseifer Dysfunktionales Verhalten im Prozeß, JZ 1977 417; Rzepka Zur Fairness im deutschen Strafverfahren (2000); Schellenberg Die Hauptverhandlung im Strafverfahren (2000); Scheuerle Vierzehn Tugenden für Vorsitzende Richter (1983); Schild Der Strafrichter in der Hauptverhandlung (1983); ders. Der Richter in der Hauptverhandlung, ZStW 94 (1982) 37; Schmid Zur Heilung gerichtlicher Verfahrensfehler durch den Instanzrichter, JZ 1969 757; ders. Zur Korrektur von Vereidigungsfehlern im Strafprozeß, FS Maurach (1972) 535; ders. Bedingte Prozeßhandlungen im Strafprozeß? GA 1982 95; ders. Über den Zugang strafprozessualer Willenserklärungen, FS Dünnebier (1982) 101; Schmidhäuser Zur Frage nach dem Ziel des Strafprozesses, FS Eb. Schmidt (1961) 511; Schmitt Die überlange Verfahrensdauer und das Beschleunigungsgebot in Strafsachen, StraFo 2008 313; Schöch Urteilsabsprachen in der Strafrechtspraxis (2007); Schorn Der Strafrichter (1960); ders. Schutz der Menschenwürde im Strafverfahren (1963); ders. Der Strafverteidiger (1966); Schroeder Grenzen der Rationalisierung des Strafverfahrens, NJW 1983 137; Schünemann Wohin treibt der deutsche Strafprozess? ZStW 114 (2002) 1; ders. Ein Linsengericht zum Tausch für den Strafprozess von 1877? StraFo 2004 293; ders. Der Ausbau der Opferstellung im Strafverfahren – Fluch oder Segen? FS Hamm (2008) 687; ders. Die Hauptverhandlung im Strafverfahren – Was sie leistet, wo sie

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versagt und in welcher Form sie bewahrt werden muss, StraFo 2010 90; Schumacher Die Hauptverhandlung als gruppendynamischer Prozeß, StV 1995 442; Singelnstein/Derin Das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens – Was aus der StPO-Reform geworden ist, NJW 2017 2646; Sommer Moderne Strafverteidigung – Strafprozessuale Änderungen des Justizmodernisierungsgesetzes, StraFo 2004 295; Steiner Das Fairneßprinzip im Strafprozeß (1995); Stüber Die Entwicklung des Prinzips der Unmittelbarkeit im deutschen Strafverfahren (2004); Tettinger Fairneß und Waffengleichheit (1984); Tiedemann 13 Thesen zu einem modernen, menschenrechtsorientierten Strafprozeß, ZRP 1992 107; Tondorf Gruppendynamische Prozesse in der Hauptverhandlung, Entwicklungen und Probleme des Strafrechts an der Schwelle zum 21. Jahrhundert (2004) 117; Vogel/Matt Gemeinsame Standards für Strafverfahren in der Europäischen Union, StV 2007 206; Vogler Die Spruchpraxis der Europäischen Kommission und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und ihre Bedeutung für das deutsche Straf- und Verfahrensrecht, ZStW 82 (1970) 743; 89 (1977) 761; Volk Prozeßprinzipien und das Chaos, FS SchülerSpringorum (1993) 505; Wachsmuth Das Recht des Angeklagten auf Orientierung – Hinweispflichten und das Rechtsgespräch in der Hauptverhandlung (2008); Walther Strafprozessuales Konfrontationsrecht – ade? JZ 2004 1107; Warda Dogmatische Grundlagen des richterlichen Ermessens im Strafrecht (1962); Weber Der Mißbrauch prozessualer Rechte im Strafverfahren, GA 1975 289; Weigend Unverzichtbares im Strafverfahrensrecht, ZStW 113 (2001) 271; ders. Unmittelbare Beweisaufnahme – ein Konzept für das Strafverfahren des 21. Jahrhunderts? FS Eisenberg (2009) 657; Weiland Das Hauptverfahren in Strafsachen, JuS 1986 290; Weißmann Die Stellung des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung (1982); Widmaier Mitwirkungspflicht des Verteidigers in der Hauptverhandlung und Rügeverlust? NStZ 1992 519; Wolter Menschenwürde und Freiheit im Strafprozeß, GedS Meyer (1990) 493; Weiß Mißbrauch von Anwaltsrechten zur Prozeßsabotage? AnwBl 1981 321; Zypries Neue Entwicklungen im Strafrecht und im Strafverfahrensrecht, StraFo 2004 221. Vor § 226 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker Weitere Hinweise: Vgl. ferner das nachgewiesene Schrifttum zu den Prozessmaximen bei Einl. I; zum Grundsatz des fairen Verfahrens, zur überlangen Verfahrensdauer und zur Unschuldsvermutung ferner bei Art. 6 EMRK; zu den Grundlagen des Strafverfahrens einschließlich des Rechtsmissbrauchs bei Einl. H; zu Verfahrensabsprachen bei Einl. G und bei § 257c; zu den Verfahrensbeteiligten bei Einl. J; zur Anwesenheitspflicht des Angeklagten und zur Verhandlung ohne ihn bei §§ 230, 231a; zur Reform der Hauptverhandlung bei Einl. F.

Entstehungsgeschichte Die Regelung der Hauptverhandlung im 6. Abschnitt des 2. Buches hat zwar wiederholt tiefgreifende Änderungen erfahren. Unverändert blieb jedoch ihre Grundkonzeption als einheitliches, auf unmittelbare Beweiserhebung ausgerichtetes, mündliches Verfahren zur Feststellung und Sanktionierung der angeklagten Tat und damit als Kernstück des Strafverfahrens. Der Wegfall des 7. Abschnitts im Jahre 1924, der in §§ 276 bis 307 a.F. die Besonderheiten der Hauptverhandlung vor dem durch 12 Geschworene entscheidenden Schwurgericht geregelt hatte, änderte daran ebenso wenig etwas wie wechselnde Zuständigkeiten und Änderungen der Gerichtsverfassung (vgl. Einl. F; die oft mehrfache Umgestaltung der einzelnen Vorschriften ist bei deren Entstehungsgeschichte aufgeführt). Von den Änderungen, die vor allem das äußere Bild der Hauptverhandlung verwandelten, soll hier nur der Wegfall des Eröffnungsbeschlusses in den Jahren 1942 bis 1950 (vgl. Entstehungsgeschichte vor § 198) und die Ersetzung seines Vortrags in der Hauptverhandlung durch die Verlesung der zugelassenen Anklage 1964 (vgl. Entstehungsgeschichte § 243) erwähnt werden, ferner die Abschaffung des Voreids im Jahr 1933 und Änderungen bei der Zusammensetzung und Zuständigkeit der gerichtlichen Spruchkörper. Von großer Bedeutung war zudem die zunehmende Kodifizierung des Rechts der Beweisaufnahme. Die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Gründe für die Ablehnung eines Beweisantrags wurden zunächst durch die Notverordnung vom 14.6.1932 und dann durch das Gesetz vom 28.6.1935 (Einl. F 61) für die Verfahren mit nur einer Tatsacheninstanz in das Gesetz (damals § 245) übernommen. Gleichzeitig wurBecker

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de die Aufklärungspflicht in § 244 Abs. 2 verankert. Nach einer mit Kriegsbeginn durch die 1. VereinfVO vorübergehend angeordneten Auflockerung der Beweiserhebungspflicht (Einl. F 69 f.) setzte das Vereinheitlichungsgesetz 1950 die Kodifizierung des Beweisrechts fort durch die Aufzählung der Ablehnungsgründe in § 244 Abs. 3 und durch die Übernahme der Rechtsprechung zur Ablehnung des Sachverständigenbeweises in § 244 Abs. 4 (vgl. Entstehungsgeschichte § 244). Gleichzeitig erweiterte es das Fragerecht nach § 240. Das Recht des Staatsanwalts und des Verteidigers zur Abgabe von Erklärungen wurde 1964 durch den damals neu eingefügten § 257a im Gesetz festgelegt und 1974 in modifizierter Form in die Neufassung des § 257 übernommen. Das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28.10.1994 brachte wieder einen neuen § 257a, der es dem Gericht ermöglicht, eine schriftliche Fixierung der Verfahrensanträge zu verlangen. Die Reform- und Entlastungsgesetze von 1974 (EGStGB, 1. StVRG und 1. StVRGErgG, vgl. Einl. F 110 ff. und die Darstellung 24. Aufl. Einl. Kap. 5, 1 ff.), die u.a. das Schwurgericht als einen besonders zusammengesetzten Spruchkörper abschafften, brachten vor allem die Verlängerungen der Fristen für die Unterbrechung der Hauptverhandlung und die Absetzung der Urteile bei Großverfahren und erweiterte Möglichkeiten für eine Durchführung der Hauptverhandlung ohne Angeklagten (§ 231a). Das StVÄG 1979 (vgl. Einl. F 120 ff. und die Darstellung 24. Aufl. Einl. Kap. 5, 95 ff.) führte zu weiteren Änderungen, die vor allem die Verhütung von Missbräuchen und die Vermeidung von Verfahrensleerlauf zum Ziel hatten. Neben den Regelungen über die Abgabe des bereits eröffneten Verfahrens an einen anderen Spruchkörper ist hier vor allem das Verfahren zur vorgezogenen Besetzungsprüfung (§§ 222a, 222b), die Möglichkeit der Beurlaubung eines Mitangeklagten (§ 231c), die Einschränkung der Pflicht zur Erstreckung der Beweisaufnahme auf präsente Beweismittel (§ 245), die Auflockerung des Zwangs zur Verlesung der als Beweismittel verwendeten Urkunden durch das sog. Selbstleseverfahren (§ 249 Abs. 2) sowie die erweiterten Möglichkeiten zur Begrenzung des Verfahrensstoffes bei nicht erheblich ins Gewicht fallenden Straftaten (§§ 154, 154a) zu nennen. Das RPflEntlG vom 11.1.1993 (vgl. Einl. F 143 ff.) verfolgte das Ziel der Ressourceneinsparung vornehmlich durch die (zunächst) befristete Möglichkeit der Reduzierung der Besetzung der erstinstanzlichen Strafkammern (mit Ausnahme des Schwurgerichts) in wenig umfangreichen oder schwierigen Verfahren auf zwei Berufsrichter und zwei Schöffen (§ 76 Abs. 2 GVG). Zudem erleichterte es durch eine Änderung des § 244 Abs. 5 bei im Ausland zu ladenden Zeugen die Ablehnung von Beweisanträgen. Die im 1. JuMoG 2004 (vgl. Einl. F 159 ff.) enthaltenen punktuellen Änderungen umfassen die Abschaffung der Regelvereidigung (§ 59), eine weitere Verlängerung der Unterbrechungsfristen (§ 229; s. dort Rn. 3) sowie eine Erweiterung der Verlesungsmöglichkeiten (§§ 251, 256). Die Stellung des Verletzten in der Hauptverhandlung wurde durch das Opferschutzgesetz 1987, das Zeugenschutzgesetz 1998, die Opferrechtsreformgesetze 2004, 2009 und 2015 sowie das Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs 2013 schrittweise gestärkt: erweiterte Möglichkeit der Entfernung des Angeklagten (§ 247 Satz 2) und des Ausschlusses der Öffentlichkeit (§ 171b GVG); Bestellung eines anwaltlichen Zeugenbeistandes (§ 68b); Aufzeichnung von Zeugenaussagen auf (Bild-)Ton-Träger außer- (§ 58a) und innerhalb (§ 273 Abs. 2, § 323 Abs. 2) der Hauptverhandlung; Neuregelung der Nebenklage (§§ 395 ff.); Ausweitung des Adhäsionsverfahrens (§§ 403 ff.); Bestellung eines psychosozialen Prozessbegleiters (§ 406g); Erweiterung der Informationsrechte (§ 406d) und Hinweispflichten (§ 406i bis § 406k); vgl. hierzu Rn. 64 ff., Rn. 67a und Rn. 76. Durch das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29.7.2009 (vgl. Einl. F 175) wurden die Voraussetzungen für eine Verständigung über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens in 203

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Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

§ 257c festgelegt, ferner wurden Vorschriften zur Erörterung des Verfahrensstandes mit den Verfahrensbeteiligten vor und nach der Eröffnung des Hauptverfahrens (§§ 202a, 212) sowie in der Hauptverhandlung (§ 257b) eingefügt. Das Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren vom 25.4.2013 (vgl. Einl. F 183) brachte die Möglichkeit der Vernehmung des Angeklagten (§ 233 Abs. 2) und des Sachverständigen (§ 247a Abs. 2) mittels Bild-Ton-Technik an einem anderen Ort. Das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5.7.2017 bestimmte durch den neu eingefügten § 229 Abs. 5 die Verlängerung der Unterbrechungsfrist bei einer vorübergehenden technischen Störung, die die Fortsetzung der Hauptverhandlung hindert, und fügte mit § 244 Abs. 5 Satz 3 die Möglichkeit ein, Beweisanträge auf Verlesung eines Ausgangsdokuments unter erleichterten Voraussetzungen abzulehnen. Das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17.8.2017 führte das Recht des Verteidigers auf eine Eingangserklärung in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- und Oberlandesgericht (§ 243 Abs. 5 Sätze 3 und 4) sowie die Möglichkeit der Fristsetzung zum Stellen von Beweisanträgen sowie die Ablehnung verfristeter Beweisanträge erst in den Urteilsgründen ein (§ 244 Abs. 6 Sätze 2 bis 4). Das Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren (EMöGG) vom 8.10.2017 erweiterte insbesondere die Vorschrift des § 169 GVG dahin, dass die Tonübertragung in einen Arbeitsraum für Personen, die für Presse, Hörfunk, Fernsehen oder für andere Medien berichten, grundsätzlich zugelassen werden kann (§ 169 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 GVG), ferner dass unter bestimmten Voraussetzungen Tonaufnahmen der Verhandlung zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken möglich sind (§ 169 Abs. 2 GVG). Zuletzt fügte das Gesetz zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Anwesenheit in der Verhandlung vom 17.12.2018 in § 231 Abs. 2 die Verpflichtung ein, den Angeklagten in der Ladung auf die Möglichkeit der Abwesenheitsverhandlung bei seinem Ausbleiben hinzuweisen.

I.

II.

Übersicht Anliegen der Hauptverhandlung 1. Begriff | 1 2. Zweck | 2 3. Kernstück des Strafverfahrens | 3 4. Förmlichkeit | 4 Verfahrensgrundsätze 1. Quellen | 5 a) Klassische Verfahrensgrundsätze | 6 b) Verfassungsrecht | 7 c) Internationale Kodifikationen | 8 2. Einzelne Verfahrensgrundsätze a) Akkusationsprinzip | 9 b) Instruktionsmaxime/Amtsaufklärungsgrundsatz | 10 c) Grundsätze der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit | 11 d) Grundsatz der freien Beweiswürdigung | 12 e) Beschleunigungsgrundsatz/ Konzentrationsmaxime | 13 f) Rechtliches Gehör | 16

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g)

III.

Grundsatz des fairen Verfahrens | 17 h) Fürsorgepflicht | 23 i) Grundsatz der Öffentlichkeit | 25 3. Funktion der Verfahrensgrundsätze | 26 4. Verfahrensgrundsätze und Verfahrensabsprachen | 27 Gang der Hauptverhandlung 1. Ablauf a) Ort und Zeit, Aufruf der Sache, Präsenzfeststellung, Besetzungsmitteilung | 28 b) Vernehmung des Angeklagten zur Person | 30 c) Verlesung des Anklagesatzes | 31 d) Mitteilung von Erörterungen über eine Verständigung | 32 e) Belehrung, Vernehmung des Angeklagten zur Sache | 33

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

Beweisaufnahme | 35 Schlussvorträge und letztes Wort des Angeklagten | 36 2. Entscheidungen a) Zwischenentscheidungen | 37 b) Urteilsberatung und verkündung | 38 c) Belehrungen | 39 3. Verhandlungsleitung und Sitzungspolizei | 40 4. Sitzungsniederschrift | 42 Stellung der am Verfahren Beteiligten 1. Rechtsgrundlagen | 44 2. Prozesshandlungen | 45 3. Verhältnis der Verfahrensbeteiligten zueinander a) Unabhängigkeit und wechselseitige Bindung | 46 b) Waffengleichheit | 48 c) Mehrere Verfahrensbeteiligte in gleicher Prozessrolle | 49 4. Die Teilnehmer der Hauptverhandlung a) Richter | 53 b) Urkundsbeamter | 54 f) g)

IV.

Vor § 226

Anklagevertreter | 55 Nebenkläger | 56 Angeklagter | 57 Beteiligte mit Angeklagtenbefugnissen | 59 g) Verteidiger | 60 h) Beistand | 61 i) Zeugen und Sachverständige | 62 j) Verletzter | 64 k) Zeugenbeistand/Psychosozialer Prozessbegleiter | 67 l) Gerichtshilfe | 68 m) Jugendgerichtshilfe | 69 n) Vertreter beteiligter Behörden | 70 o) Dolmetscher | 71 Heilung von Verfahrensmängeln 1. Aufgabe des Gerichts | 72 2. Rügeobliegenheit der Verfahrensbeteiligten | 74 c) d) e) f)

V.

I. Anliegen der Hauptverhandlung 1. Begriff. Die Hauptverhandlung ist die umfassende mündliche Verhandlung des 1 Gegenstands der Anklage vor dem erkennenden Gericht. Die in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse sollen es dem Gericht ermöglichen, die Sache durch Urteil und/oder Beschluss (§§ 153 f.; 154) umfassend und instanzabschließend zu erledigen.1 Die daran teilnehmenden Personen, ihre Verfahrensbefugnisse und der äußere Gang der Hauptverhandlung sind im Sechsten Abschnitt des zweiten Buchs (§§ 226 bis 275) für das Verfahren der ersten Instanz geregelt. Weitere einschlägige Vorschriften finden sich aber auch in anderen Teilen der StPO sowie im GVG (Besetzung des Gerichts, Öffentlichkeit der Hauptverhandlung, Gerichtssprache, sitzungspolizeiliche Befugnisse). 2. Zweck. Die Aufgabe einer an rechtsstaatlichen Grundsätzen orientierten funk- 2 tionstüchtigen Strafrechtspflege ist die „Verwirklichung von Gerechtigkeit“.2 Die hierbei der Hauptverhandlung zukommende Aufgabe ist die bestmögliche Erforschung der Wahrheit bei zugleich zu gewährleistender bestmöglicher Verteidigung des Angeklagten; die Aufklärung des wahren Sachverhalts ist das zentrale Anliegen des Strafprozesses und Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips.3 Maßgebend für das zu fällende Urteil ist

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1 Als nicht das Verfahren, wohl aber die jeweilige Hauptverhandlung beendende Beschlüsse kommen in Betracht: die Aussetzung der Hauptverhandlung (§ 228 Abs. 1 Satz 1, § 265 Abs. 3 und 4), die vorläufige Einstellung (§ 205) sowie die Verweisung an das sachlich zuständige höherrangige Gericht (§ 270). 2 BVerfGE 33 367, 383; BVerfG NJW 2001 507 f.; hierzu Gusy StV 2002 154 f.; Rieß JR 2006 269 ff.; Roxin/Schünemann § 1, 2 ff.; Weigend ZStW 113 (2001) 271. 3 BVerfGE 57 250, 275; 74 358, 372; 133 168, 199 ff.; s. auch BVerfGE 33 367, 383; 63 45, 61; BVerfG NStZ 1984 228; 1987 419; NJW 2003 2444, 2445; BGHSt 1 94, 96; 10 116, 118; 23 176, 187; 50 40, 48; Lammers FS Rieß 292 f.; Rieß JR 2006 273; KMR/Eschelbach 4; Meyer-Goßner/Schmitt 1; starke Zweifel, ob die

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ausschließlich die als Ergebnis der Hauptverhandlung (§ 261) gewonnene prozessuale Wahrheit im Sinne einer begründeten Überzeugung des Gerichts.4 Die ausgewogene Anwendung der Verfahrensgrundsätze sowie die subjektiven Rechte des Angeklagten sollen gewährleisten, dass deren Erforschung nicht um jeden Preis erfolgt (vgl. Einl. H 23 ff., 29).5 3

3. Kernstück des Strafverfahrens. Ungeachtet der gestiegenen Bedeutung des Ermittlungsverfahrens, der zunehmenden Erledigung von Strafverfahren nach Opportunitätsgrundsätzen (§§ 153 ff.) und im Strafbefehlswege (§§ 407 ff.) sowie der nahezu durchgehend außerhalb der Hauptverhandlung vorbereiteten Verfahrensabsprachen ist die Hauptverhandlung – jedenfalls nach ihrem materiellen Gehalt – weiterhin das Kernstück des Strafverfahrens.6 Die ihr vorausgehenden Verfahrensabschnitte bereiten sie nur insoweit vor, als sie das Material beizubringen haben, durch das das Gericht in der Hauptverhandlung in dem dafür vorgeschriebenen justizförmigen Verfahren die sichere Kenntnis der Tatsachen erlangt, auf die allein ein gerechtes Urteil gegründet werden kann. Maßgebend für das Urteil ist allein das Ergebnis der Hauptverhandlung (§ 261), nicht aber eine außerhalb der Hauptverhandlung gewonnene Erkenntnis.7 Die Gesamtheit der Hauptverhandlung ist auch dann die einheitliche Erkenntnisquelle für das Urteil, wenn gleichzeitig gegen mehrere Angeklagte, Nebenbeteiligte oder Betroffene nach zum Teil unterschiedlichen Verfahrensregeln verhandelt worden ist.

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4. Förmlichkeit (s. näher Einl. H 19 ff.). Die Justizförmigkeit der Hauptverhandlung bindet den grundsätzlich freien, individuellen Vorgang der richterlichen Wahrheitsfindung in einen geordneten rechtsstaatlichen Verfahrensgang ein.8 Sie unterwirft alle Personen, die an diesem Verfahren beteiligt sind und auf die Bildung der richterlichen Überzeugung einwirken wollen, festen Regeln. Diese sollen als fehlerträchtig angesehene Verfahrensweisen ausscheiden und den Verfahrensgang durch Einbindung in einen festen Rahmen ordnen und für alle Beteiligten überschaubar machen. Förmlichkeit und Ordnung des Verfahrensablaufs sichern allen Verfahrensbeteiligten den notwendigen Raum für die effektive Wahrnehmung ihrer Verfahrensrechte; vor allem aber ermöglichen sie dem Angeklagten die eigenverantwortliche Ausübung seines Rechts auf Verteidigung. Die Verfahrensregeln sind nicht Selbstzweck. Ihr Ziel ist es, durch ein ausgewogenes Nebeneinander von zwingenden Förmlichkeiten des Verfahrensgangs und Freiheit der Verfahrensbeteiligten bei der Vornahme der einzelnen Verfahrensmaßnahmen die bestmöglichen Voraussetzungen für ein um Sachaufklärung bemühtes, in den Einwirkungsmöglichkeiten ausgewogenes und damit faires Verfahren zu schaffen. Dies wirkt auch der in der freien Beweiswürdigung liegenden Gefahr einer vorschnellen, nicht alle objektiven Tatsachen abwägenden Urteilsfindung entgegen und schafft die bestmögli-

_____ Hauptverhandlung in ihrer heutigen Ausgestaltung diesem Anliegen noch gerecht wird, bei Schünemann StraFo 2010 93 ff. 4 Paulus FS Fezer 244 ff., 250 ff.; zu Grundlagen und Bedeutung der Wahrheitserforschung s. Einl. H 23 ff.; zum Wahrheitsbegriff ferner etwa Grasnick FS Pötz 55; Meurer FS Tröndle 533; Volk FS Salger 411. 5 BGHSt 14 358, 365; 31 304, 309; 38 214, 220; 38 372, 374; 44 243, 249; BGH NJW 1978 1425, 1426; KMR/Eschelbach 4. 6 BVerfGE 74 358, 372; 86 288, 318; Kühne 714; Roxin/Schünemann § 44, 1 (relativierend); kritisch auch Heller 91 (im Hinblick auf Verfahrensabsprachen); König AnwBl 2010 382 ff. 7 Zum Transfer von Beweisen aus dem Ermittlungsverfahren in die Hauptverhandlung eingehend Großkopf Beweissurrogate und Unmittelbarkeit der Hauptverhandlung (2007) und Kneule Transfer von Beweisen aus dem Ermittlungsverfahren in die Hauptverhandlung (2008). 8 BVerfG NStZ 1984 82; Trüg/Kerner FS Böttcher 194.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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chen Voraussetzungen dafür, dass das Gericht in freier Würdigung des Verfahrensergebnisses ein zutreffendes Bild vom tatsächlichen Geschehen gewinnen und ein gerechtes Urteil fällen kann. II. Verfahrensgrundsätze 1. Quellen. Grundstruktur und Ablauf der Hauptverhandlung werden maßgeblich 5 von den Prozessmaximen geprägt. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass der Gesetzgeber die aus den abstrakten Verfahrensgrundsätzen herleitbaren konkreten Folgerungen weitgehend in verfahrensrechtlichen Einzelregelungen verbindlich festgelegt hat (vgl. §§ 243, 244, 257, 258, 260; zur Funktion der Verfahrensgrundsätze s.u. Rn. 26). Die einzelnen Prozessmaximen ergeben sich aus unterschiedlichen Quellen, die rechtshistorisch verschiedenen Ursprungs sind und oft nur mittelbar miteinander in Beziehung stehen. a) Klassische Verfahrensgrundsätze (vgl. vertiefend Einl. I 5, 9 ff.). Die klassischen 6 Prozessmaximen (z.B. Anklagegrundsatz, Mündlichkeit, Unmittelbarkeit, Öffentlichkeit) prägen das Bild des deutschen Strafprozesses seit Mitte des 19. Jahrhunderts. In ihrer historischen Entwicklung gehen sie überwiegend auf die Beschreibung prinzipieller Gegenpositionen zur Überwindung des gemeinrechtlichen Inquisitionsprozesses zurück und sind eher der damaligen rechtspolitischen Zielsetzung auf der Ebene des einfachen Rechts entsprungen als verfassungsrechtlich fundiert gewesen.9 Erst im Rahmen der neueren Entwicklung hat ein Teil dieser klassischen Maximen auch eine verfassungsrechtliche Verankerung erfahren. b) Verfassungsrecht (vgl. vertiefend Einl. I 71 ff.). Neben den klassischen Verfah- 7 rensgrundsätzen ist die Hauptverhandlung auch durch wichtige verfassungsrechtliche Grundsätze vorgezeichnet. Vor allem die Verfassungsrechtsprechung hat aus der Pflicht zur Achtung der Menschenwürde (Art. 1 GG), der Freiheitsgewährleistung des Art. 2 GG und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) richtungsgebende Grundsätze entwickelt, die, wie die Unschuldsvermutung10 oder die Pflicht zur fairen Verfahrensgestaltung, 11 die Stellung und Befugnisse der verschiedenen Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung maßgeblich mitbestimmen. Dazu kommen noch einige in der Verfassung ausdrücklich verbürgten Einzelgarantien, wie das Recht auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) oder das Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG). c) Internationale Kodifikationen (vgl. vertiefend Einl. D sowie bei EMRK/IPBPR 8 Einf. und Art. 6). Darüber hinaus ist ein mit den klassischen Verfahrensgrundsätzen und verfassungsrechtlichen Vorgaben zu weiten Teilen übereinstimmender Mindeststandard an Verfahrensbefugnissen Gegenstand internationaler Kodifikationen und Vereinbarun-

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9 Näher Eb. Schmidt I 347, 352 m.w.N.; ferner von Hippel 333; Rieß FS K. Schäfer 188 ff.; LR/K. Schäfer 23 Einl. 13 1, 3; s. auch KMR/Eschelbach 159 ff. (für den Grundsatz der Unmittelbarkeit). 10 Zur Verfassungsgarantie der Unschuldsvermutung durch das Grundgesetz BVerfGE 19 342, 347; 22 254, 265; 25 327, 331; 35 311, 320; 74 358, 370; 82 106, 114; 110 1, 22 f.; 133 168, 202; SK/Rogall Vor § 133, 74 ff.; einzelne Landesverfassungen garantieren sie ausdrücklich, ferner Art. 6 Abs. 2 EMRK; Art. 14 Abs. 2 IPBPR. 11 Der Anspruch des Angeklagten auf ein – im Ganzen (BVerfG NJW 2001 2245, 2246 f.) – fair geführtes Verfahren wird verfassungsrechtlich hergeleitet aus Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG; siehe Rn. 17 ff.

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gen, die, wie die Europäische Menschenrechtskonvention oder der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte, innerstaatlich im Range eines einfachen Bundesgesetzes unmittelbar für das Strafverfahren gelten.12 Deren Auslegung durch den EGMR ist bei der Anwendung des nationalen Rechts zu berücksichtigen.13 Für einzelne Bereiche (Beschleunigungsgebot, Grundsatz des fairen Verfahrens) stellen die Verfahrensrechte der Art. 6 EMRK/Art. 14 IPBPR wesentliche Begründungsparameter dar. In der Europäischen Union ist durch Art. 50 EUC, im sog. „Schengenraum“ außerdem durch Art. 54 SDÜ das Verbot der Doppelbestrafung international abgesichert.14 Darüber hinaus werden durch Richtlinien der Europäischen Union Mindestverfahrensrechte festgelegt, die, soweit über das schon geltende Recht der Mitgliedsstaaten hinausgehend, von diesen in ihrem nationalen Recht umzusetzen sind. 2. Einzelne Verfahrensgrundsätze 9

a) Akkusationsprinzip (s. näher Einl. I 9 ff.). Nach dem Anklagegrundsatz (§ 151) beginnt das in den §§ 199 ff. geregelte gerichtliche Verfahren niemals von Amts wegen, sondern wird stets durch den Antrag eines Dritten – regelmäßig der Staatsanwaltschaft – eingeleitet.15 Die durch die Staatsanwaltschaft erhobene öffentliche Klage ist Verfahrensvoraussetzung, der in ihr enthaltene Anklagesatz umschreibt den Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens in persönlicher und sachlicher Beziehung und dient zugleich der Information der Verfahrensbeteiligten.

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b) Instruktionsmaxime/Amtsaufklärungsgrundsatz (s. näher Einl. I 30 ff. sowie § 244, 39 ff.). Das Gebot zur Erforschung der Wahrheit, d.h. zur Aufklärung aller entscheidungserheblichen Tatsachen von Amts wegen (Untersuchungsgrundsatz), ist das beherrschende Prinzip des Strafverfahrens. Alle für die Gestaltung der Hauptverhandlung maßgebenden Vorschriften werden durch die Amtspflicht des Gerichts geprägt, unabhängig von dem, was Staatsanwalt, Angeklagter und Verteidiger verlangen oder anregen, alle tauglichen und zulässigen Mittel anzuwenden, um den zu beurteilenden Lebensvorgang in allen entscheidungserheblichen Aspekten soweit als möglich aufzuklären.16 Allerdings ist die Wahrheit „nicht um jeden Preis“ zu erforschen, sondern die

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12 Zur EMRK: BVerfGE 74 358, 370; BVerfG NJW 2004 3407, 3408; BGH NJW 2001 309, 311; Britz NVwZ 2004 173; Herzog AöR 86 (1961) 237; ders. EuGRZ 1990 486; Kühl ZStW 100 (1988) 408; Weigend StV 2000 386 f.; Meyer-Goßner/Schmitt EMRK vor Art. 1, 3; vgl. dazu auch LR/Esser26 EMRK Einf. 85. 13 BVerfGE 111 307, 315 f.; weitergehend Klein JZ 2005 1176; ebenso Kühne GA 2005 207 ff.; MeyerGoßner/Schmitt Vor Art. 1, 3 ff. EMRK m.w.N. 14 EuGH NJW 2003 1173 (Strafklageverbrauch bei Einstellung durch die Staatsanwaltschaft) m. Anm. Stein NJW 2003 1162; Radtke/Busch NStZ 2003 281; Thym NStZ 2003 334; Vogel/Norouzi JuS 2003 1059; Streinz JuS 2003 1211; Kühne JZ 2003 303; Mansdörfer StV 2003 314; EuGH NJW 2005 1337(Einstellung des Strafverfahrens ohne Sachprüfung); 2006 1781 (Ein- und Ausfuhr derselben Betäubungsmittel); 2006 3403 (Freispruch nach Verjährung); 2006 3406 (Freispruch aus Mangel an Beweisen); 2007 3416 (Objektiver Tatidentitätsbegriff); EuZW 2009 118 (Doppelbestrafungsverbot auch bei unvollstreckbarer Erstverurteilung); BGHSt 52 275 (einheitliche Schmuggelfahrt durch mehrere EU-Mitgliedstaaten) m. Anm. Rübenstahl NJW 2008 2934 und Anm. Kretschmer JR 2009 390; BGHSt 59 120 (Geiselnahme durch mehrere EU-Mitgliedstaaten); s. auch den Vorlagebeschluss BGH NStZ 2006 106 m. Anm. Lagodny; LG Mannheim NStZ-RR 1996 147; ferner Degenhard StraFo 2005 65 ff. 15 Vgl. aus rechtshistorischer Sicht Ambos Jura 2008 586 ff. 16 BGHSt 32 115, 122 f.; KK/Fischer Einl. 12 ff.; Gössel FS Bockelmann 432; Herdegen StV 1992 533; Maul FS II Peters 48; zum Wahrheitsbegriff ferner etwa Grasnick FS Pötz 55; Meurer FS Tröndle 533; Paulus FS Fezer 244 ff., 250 ff.; Radtke GA 2012 187 ff.; Volk FS Salger 411; vgl. ferner bei § 244, 39 und die Erl. zu § 261.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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Wahrheitsermittlung durch rechtsstaatliche Grundsätze sowie Beweiserhebungs- und Verwertungsverbote eingeschränkt.17 Der Amtsaufklärungsgrundsatz steht nicht zur Disposition der Verfahrensbeteiligten. Dass Beweisanträge von Staatsanwaltschaft und Angeklagtem nicht gestellt werden, entbindet das Gericht nicht von der Pflicht zu weiterer Sachaufklärung, insbesondere auch zur Überprüfung eines Geständnisses, sei dieses nach vorheriger Verfahrensabsprache abgegeben worden oder nicht.18 c) Grundsätze der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit (zu Inhalt und Bedeutung 11 vgl. Einl. I 58 ff., 63 ff.; ferner bei §§ 250 ff.). Die Verfahrensgrundsätze der formellen Unmittelbarkeit19 und der Mündlichkeit20 sollen durch den unmittelbaren Eindruck von allen für das Urteil maßgebenden Vorgängen möglichst günstige Voraussetzungen für die Wahrheitsfindung schaffen. Gleichzeitig sichert die unmittelbare Wahrnehmung aller Verfahrensvorgänge die Rechte der Verfahrensbeteiligten auf Gehör und auf effektive Geltendmachung ihrer Verfahrensinteressen. Der so verstandene Grundsatz der formellen Unmittelbarkeit findet sich insbesondere in den §§ 226, 229 und 261 wieder. Eine weitere Ausprägung erfährt der Grundsatz der Unmittelbarkeit im Sinne einer materiellen Unmittelbarkeit in den §§ 250 bis 256; danach kommt hinsichtlich des jeweils gleichen Beweisthemas dem Personalbeweis Vorrang vor dem ihn ersetzenden Urkunden- oder Augenscheinsbeweis zu;21 der Beweis soll in der bestmöglichen Form erhoben werden.22 Die §§ 249, 251, 253, 254, 255a und 256 sehen Modifizierungen und Ausnahmen vom Grundsatz des § 250 vor.23 Die Beteiligten können auf die Beachtung dieses Grundsatzes nicht rechtswirksam verzichten.24 d) Grundsatz der freien Beweiswürdigung (s. näher Einl. I 39 ff. sowie bei § 261). 12 Der in der StPO für das gerichtliche Erkenntnisverfahren in § 261 verankerte Grundsatz der freien Beweiswürdigung besagt, dass das Gericht nach seiner freien Überzeugung entscheidet, ohne an gesetzliche Beweisregeln gebunden zu sein.25 Die Freiheit findet ihre Grenzen lediglich in der Pflicht zur Beachtung der Denkgesetze und gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie in der revisionsrechtlich in Grenzen überprüfbaren Pflicht zur Logik und Rationalität. e) Beschleunigungsgrundsatz/Konzentrationsmaxime (s. näher Einl. I 67 ff. so- 13 wie bei § 229). Der in der StPO nicht ausdrücklich geregelte Beschleunigungsgrundsatz entspringt dem Rechtsstaatsprinzip; gesetzlich ist er in Art. 5 Abs. 3 Halbsatz 2 und Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK verankert.26 Die Beschleunigung des Verfahrens dient dem Schutz des

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17 BVerfG NStZ 1984 82; BGHSt 14 358; 31 304, 309; 38 214, 220; 38 372, 374; s. auch § 244, 44 und 187 ff. 18 BVerfG NJW 1987 2662, 2663; BGHSt 43 195, 204; 48 161, 167; 50 40, 47 ff.; vgl. auch § 244, 9 ff. sowie die Nachw. bei § 244, 50; a.A. Jahn ZStW 118 (2006) 427 ff., der eine Dispositionsbefugnis der Verfahrensbeteiligten über den Umfang der Beweisaufnahme sieht; zu Recht ablehnend Weßlau StraFo 2007 4 Fn. 26; s. auch SK/Frister § 244, 27 ff. 19 S. Roxin/Schünemann § 46, 3 ff.; Weigend FS Eisenberg 659 ff. 20 Kühne 708 ff.; Roxin/Schünemann § 46, 1 ff. 21 KMR/Eschelbach 185; Weigend FS Eisenberg 659; vgl. auch BGHSt 15 253, 254. 22 BVerfGE 57 250, 276 ff. 23 Vgl. KK/Fischer Einl. 25; für eine gesetzliche Neufassung Frister FS Fezer 213 ff.; Weigend FS Eisenberg 669 ff. Kritisch gegenüber den Beschränkungen der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, insbesondere durch § 255a, Fischer JZ 1998 820; Walther JZ 2004 1110 ff. 24 RGSt 40 54; vgl. bei § 250. 25 BGHSt 39 291, 295; ausführlich KK/Fischer Einl. 48 ff. 26 BVerfGE 63 45, 69; BVerfG NStZ 2006 680; BGHSt 52 124, 129; Kühne 268 ff.; Roxin/Schünemann § 16, 3 ff.; Piel FS Widmaier 430 ff.

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Beschuldigten vor den aus einer langen Verfahrensdauer resultierenden Belastungen; maßvoll umgesetzt hat er zudem eine wahrheitssichernde Funktion.27 Das Beschleunigungsgebot ist als Handlungsanweisung primär an die staatlichen Verfahrensbeteiligten gerichtet und beansprucht Geltung vom Ermittlungsverfahren über die Terminierung der Hauptverhandlung, die Absetzung des Urteils, das Rechtsmittelverfahren bis hin zur Vollstreckung. Zudem ist der Beschleunigungsgrundsatz aber auch als allgemeine Auslegungsmaxime zu verstehen, so dass er einerseits ein subjektives Recht des Beschuldigten darstellt, andererseits aber – weil er auch dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege dient – nicht zu dessen Disposition steht, sondern auch zur (Mit-)Begründung einer ihn belastenden Gesetzesauslegung herangezogen werden kann.28 Konkrete Rechtsfolgen aus dem Beschleunigungsgrundsatz bzw. seiner Verletzung 14 ergeben sich bei der Prüfung der Fortdauer von Untersuchungshaft (§§ 121, 122)29 sowie in den Fällen, in denen die Verfahrensverzögerung einen rechtsstaatswidrigen Charakter annimmt. Sofern deren bloße Feststellung zur Kompensation nicht ausreicht, ist ein zu beziffernder Strafabschlag vorzunehmen.30 Anstelle der nach früherer Rechtsprechung im Rahmen der Strafzumessung31 vorzunehmenden Strafabschläge ist nach dem vom BGH postulierten Vollstreckungsmodell ein im Urteilstenor zu beziffernder Teil der Strafe für vollstreckt zu erklären.32 In außergewöhnlichen Einzelfällen kann als ultima ratio auch die Einstellung des Verfahrens bzw. die Annahme eines Verfahrenshindernisses in Betracht kommen.33 Auf eine Verletzung des Beschleunigungsgebots kann sich aber derjenige Angeklagte nicht berufen, der selbst das gegenteilige Ziel, nämlich die Prozessverschleppung, verfolgt.34 Im Rahmen der Hauptverhandlung konkretisiert sich das Beschleunigungsgebot in 15 der Konzentrationsmaxime, nach der die gesamte Hauptverhandlung möglichst in einem Zug durchgeführt werden soll. Im Zusammenspiel mit den Grundsätzen der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit soll dem Gericht ein frischer und unverfälschter Eindruck der urteilsbildenden Tatsachen verschafft und verhindert werden, dass beim Urteilsspruch die Ergebnisse der Verhandlung aus den Akten oder anderen Aufzeichnungen entnommen

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27 BVerfGE 57 250, 279; KK/Fischer Einl. 35 f.; kritisch Tepperwien NStZ 2009 1 ff. 28 Vgl. BGHSt 26 228, 232; 50 40, 54; 51 298, 310 f.; BGH NJW 2005 2466; NStZ 2007 716; s. auch BVerfG NJW 2009 1469, 1474; BVerfG (Kammer) Beschl. v. 6.10.2009 – 2 BvR 2580/08. S. hierzu Kissel/Mayer § 16, 84 GVG; Laue GA 2005 649 ff.; kritisch Hassemer StV 1982 277; Fezer FS Widmaier 177 ff., 188 ff.; Piel FS Widmaier 436 ff. 29 Vgl. BGH StV 2008 633, 634 f.; Schlothauer/Weider Untersuchungshaft 888 ff.; vgl. bei LR/Esser26 Art. 5, 234 ff. EMRK. 30 EGMR EuGRZ 1983 371; NJW 1997 2809; 2002 2856; Art und Weise des Strafabschlags bleiben dem innerstaatlichen Recht vorbehalten; s. auch Trurnit/Schroth StraFo 2005 361 f. 31 Zur früheren ständigen Rechtsprechung von BVerfG, BGH und aller OLGe s. BVerfG NJW 1984 967; 1993 3254; NStZ 1997 591; NJW 2003 2897; BGHSt 45 308; 46 159; BGH StV 2003 148, 149; NJW 1999 1198 f.; BayObLG NStZ-RR 2003 119, 120. 32 BGHSt 52 124; hierzu Kraatz JR 2008 189; krit. Roxin/Schünemann § 16, 12; Ziegert StraFo 2008 321 ff.; Ignor/Bertheau NJW 2008 2209 (für gesetzgeberische Lösung). 33 Einstellung nach § 153 (BGH NJW 1996 2739) oder § 154 (BGHSt 35 137, 142 f.: „Zurückverweisungsverbot“); BGH NJW 1990 1000); vorgeschlagen wurde auch ein Vorgehen nach § 59 StGB (BVerfG NStZ 2004 335 m. krit. Anm. Foth). Die Annahme eines Verfahrenshindernisses wird auf Einzelfälle beschränkt bleiben; vgl. BGHSt 35 137, 139 ff.; 46 159. Zur Frage der finanziellen Kompensation in den nicht durch einen Strafabschlag zu kompensierenden Fällen (z.B. bei Freispruch nach überlangem Verfahren oder einer erzieherisch gebotenen Jugendstrafe) s. Volkmer NStZ 2008 608 ff.; s. auch § 199 GVG. 34 BGH NJW 2005 2791.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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werden.35 Von der durch das 1. JuMoG eröffneten Möglichkeit, nach jedem Hauptverhandlungstag eine bis zu dreiwöchige Unterbrechung (§ 229) anzuordnen, sollte daher nur behutsam und zumindest nicht willkürlich Gebrauch gemacht werden.36 f) Rechtliches Gehör (s. näher Einl. I 75 ff.). Der Anspruch der an einem gerichtli- 16 chen Verfahren Beteiligten, insbesondere des Angeklagten im Strafverfahren, auf rechtliches Gehör ist ein unerlässlicher Grundpfeiler des aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Rechts auf ein rechtsstaatliches faires Verfahren.37 Die ausdrückliche Garantie als Verfahrensgrundrecht in Art. 103 Abs. 1 GG verdeutlicht seinen Rang. Es gewährt den von der Entscheidung betroffenen Verfahrensbeteiligten das Recht, sich über den Verfahrensstoff zu informieren (Akteneinsicht, Informationsfunktion der Anklageschrift), sich im Verfahren hinreichend äußern zu können und mit ihrem Vorbringen bei der Entscheidungsfindung insoweit berücksichtigt zu werden, als sich das Gericht mit allem wesentlichen Vorbringen auseinandersetzen muss. Seine Beachtung und Verwirklichung im Zusammenspiel mit den Grundsätzen der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit steht ebenfalls im Dienste der dem Gericht gestellten Aufgabe, auf allen rechtlich zulässigen Wegen die Wahrheit zu ergründen. g) Grundsatz des fairen Verfahrens (s. näher Einl. I 103 ff.). Das im Grundgesetz 17 und in den Landesverfassungen verankerte Rechtsstaatsprinzip fordert in Verbindung mit der Gewährleistung des allgemeinen Freiheitsrechts und der Achtung der Menschenwürde (Art. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) nicht nur ein justizförmiges, d.h. ein an formale Regeln des Verfahrensgangs gebundenes Verfahren, sondern auch dessen materielle Ausrichtung an den Grundsätzen der Gerechtigkeit und Billigkeit;38 inhaltlich deckt es sich weitgehend mit dem Gedanken der „Fairness“ i.S.d. Art. 6 Abs. 1 EMRK/Art. 14 Abs. 1 IPBPR.39 aa) Inhalt. Der Inhalt des Grundsatzes des fairen Verfahrens lässt sich aufgrund 18 seiner Offenheit nicht abschließend umschreiben. Allgemein gehört zu einem fairen Verfahren eine Verfahrensgestaltung, die jede nicht durch vorrangige Prozessinteressen gebotene Einengung der sachlichen Verhandlungsführung vermeidet, die den Einzelnen nicht zum bloßen Objekt des Verfahrens herabwürdigt, sondern ihm einen Mindestbestand an aktiven Befugnissen garantiert;40 vor allem muss der Angeklagte die Möglichkeit haben, sich gegen die erhobenen Beschuldigungen selbst – oder mit Hilfe eines möglichst von ihm selbst zu wählenden Verteidigers seines Vertrauens41 – wirksam weh-

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35 BGH JR 1970 309 m. zust. Anm. Eb. Schmidt; BGH NJW 1996 3019. 36 BGH NJW 2006 3077, 3078; vgl. Meyer-Goßner/Schmitt § 229, 2; Knauer/Wolf NJW 2004 2934; Neuhaus StV 2005 51; Sommer StraFo 2004 297; ders. AnwBl. 2004 507; Keller/Meyer-Mews StraFo 2005 355 f. 37 BVerfGE 7 53, 57; BGHSt 19 7, 14 f.; Kühne 264 ff., 717 ff.; Rüping 13 ff.; Eschelbach GA 2004 230 ff. 38 BGHSt 24 125, 131, ebenso etwa BVerfGE 26 66, 71; 38 105, 111; 46 202, 210; 57 250, 275; 70 297, 308; 86 288, 317; ständ. Rspr. 39 EMRK und IPBPR fordern aber, abgesehen von den Mindestvorgaben in ihren Absätzen 3, vom nationalen Recht kein bestimmtes Verfahren; ihnen kann durch verschiedene Gestaltungen genügt werden, sofern nur das jeweilige Verfahren in seiner Gesamtheit fair ist; dies ist auch der Prüfungsmaßstab des EGMR: EGMR NStZ 2008 699, 700 f. (insgesamt faires Verfahren trotz Folterandrohung im Ermittlungsverfahren); s. auch Nack FS Rieß 371 f.; ders. FS G. Schäfer 50; Roxin/Schünemann § 11, 4 ff; vgl. LR/Esser26 Art. 6, 179 EMRK. Ebenfalls auf die faire Ausgestaltung des Verfahrens in seiner Gesamtheit abstellend: BVerfG NJW 2001 2245, 2247. 40 BVerfGE 57 250, 275 f.; BVerfG NJW 1987 2662; BGHSt 50 40, 48. 41 BVerfGE 26 66, 71; 34 293, 302 f.; 39 156, 163; 68 237, 256.

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ren zu können. Die Verfahrensbeteiligten müssen in der Hauptverhandlung die gleichen Chancen haben, die Entscheidung des Gerichts durch Argumente und Beweismittel zu beeinflussen. Insoweit muss „Waffengleichheit“ für Anklage und Verteidigung bestehen.42 Hinweis- und Belehrungspflichten, die über die in der StPO ausdrücklich geregel19 ten hinausgehen, erwachsen dem Gericht, vor allem dem die Verhandlung leitenden Vorsitzenden, zur Sicherung eines fairen Verfahrens nur bei Vorliegen besonderer Umstände. Ein grundsätzlicher Anspruch auf ein Rechtsgespräch oder einen Hinweis auf die gerichtliche Rechts- oder Tatsachenauffassung besteht nicht (s. den als Ermessensvorschrift ausgestalteten § 257b). Droht jedoch ein ungewöhnlicher Verfahrensgang die Prozessrechte eines Verfahrensbeteiligten zu verkürzen oder ihn in seiner Prozessführung zu verwirren, so muss das Gericht entgegenwirken. Vor allem muss es verhüten, dass der Angeklagte durch einen unvorhergesehenen Verfahrensverlauf oder durch das Abweichen von einer in Aussicht gestellten Sachbehandlung überrumpelt wird und aus Unkenntnis eine ihm vom Gesetz eingeräumte Verteidigungsmöglichkeit endgültig verliert. Eine überraschende Verfahrensgestaltung darf die Verteidigungsmöglichkeiten nicht schmälern.43 Aus denselben Gründen schreibt die StPO zum Schutze des Angeklagten, aber auch zum Schutze anderer Verfahrensbeteiligter, in bestimmten Fällen Hinweisund Belehrungspflichten allgemein vor.44 Wo sie schweigt, schließt das nicht aus, dass zum Schutz vor Überraschungsentscheidungen in besonders gelagerten Einzelfällen sich Hinweispflichten entsprechend § 265 ergeben können, damit der Angeklagte das durch das Rechtsstaatsprinzip, die Prozessgrundsätze und durch Art. 6 Abs. 1 EMRK gebotene „faire Verfahren“ erhält und die Möglichkeiten für eine sachgerechte Verteidigung nicht ungenützt lässt.45 Nicht erforderlich ist allerdings, dass das Gericht – quasi in einem Zwischenverfahren – sich regelmäßig zu Inhalt und Ergebnis einzelner Beweiserhebungen oder über das Bestehen eines Beweisverwertungsverbotes erklärt.46 Welche Maßnahmen erforderlich werden können, beurteilt sich nach dem Schutzzweck der genannten Prozessmaximen und den Umständen des Einzelfalles. Bei der Ableitung einzelner Konkretisierungen ist grundsätzlich Zurückhaltung 20 geboten, da es Sache des Gesetzgebers ist zu entscheiden, durch welche Regelungen er die Gerechtigkeit und Billigkeit des gesamten Verfahrens zu verwirklichen gedenkt;47 insbesondere darf der Grundsatz des fairen Verfahrens nicht an die Stelle der Vorschriften der StPO oder von Verfahrensgrundsätzen gesetzt werden, die sich aus ihnen ergeben. In der Rechtsprechung wurden u.a. folgende, (auch) für die Hauptverhandlung geltende Konkretisierungen abgeleitet, auch wenn diese teilweise positiv-rechtlich normiert sind: das Recht zu schweigen und das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen;48 das

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42 BVerfGE 38 105, 111; 63 45, 61; Safferling NStZ 2004 184 f.; wegen der weit. Nachw. zu diesem keine originären Verfahrensbefugnisse begründenden Strukturprinzip vgl. unten Rn. 48, Einl. I 117 ff. sowie LR/Esser26 Art. 6, 202 ff. EMRK. 43 Vgl. etwa BGH NJW 2011 3463 (Keine Strafaussetzung zur Bewährung trotz entsprechender Ankündigung außerhalb der Hauptverhandlung unter Ablehnung von Verständigungsgesprächen); OLG Hamm StV 1996 422 (Überrumpelung durch weiteren Sachverständigen). 44 Schorn JR 1967 203; Plötz Fürsorgepflicht 155 ff.; Rüping 408 (Mit Rücksicht auf die Effektivität der Verteidigung im Vorfeld des Rechts auf Gehör liegende Pflicht). 45 BGHSt 48 221, 228 f. 46 BGHSt 43 212 m. Anm. Herdegen JZ 1998 54, König StV 1998 113; BGHSt 48 221, 228; BGH NStZ 2007 719 – bestätigt durch BVerfG (Kammer) Beschl. v. 18.3.2009 – 2 BvR 2025/07. 47 BVerfGE 57 250, 275 f.; BGH NStZ 1984 274; KK/Fischer Einl. 135. 48 EGMR NJW 2002 499, 501; JR 2005 423 m. Anm. Gaede; s. auch BGHSt 42 139, 151 ff.; BGH NStZ 2007 714, 715; NJW 2009 1427, 1428 m. Anm. Gless/Wennekers JR 2009 383.

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Anrecht auf materielle Beweisteilhabe, also auf Zugang zu den Quellen der Sachverhaltsfeststellung;49 das Recht des Angeklagten auf Vertretung durch einen Verteidiger seines Vertrauens.50 bb) Bedeutung. Die sich nach dem Grundsatz eines fairen Verfahrens als notwendig 21 erweisenden Maßnahmen sind revisible Rechtspflicht des Gerichts und nicht etwa nur ein nobile officium.51 Ihre Bedeutung darf nicht unterschätzt werden. Sie dienen der sachgerechten Verfahrensgestaltung und wirken sich gegenüber dem Angeklagten als notwendiges Regulativ der Inquisitionsmaxime aus. Die Unparteilichkeit der Verhandlungsführung und ihre Ausrichtung auf Wahrheitsfindung und Gerechtigkeit werden hierdurch besonders augenfällig. Dass diese Zielsetzung in der Verhandlungsführung deutlich wird, ist sehr wichtig und für die innere Bereitschaft des Angeklagten, ein gegen ihn ergangenes Urteil als gerecht anzunehmen, meist entscheidend. Nur ein Urteil, das in einem als gerecht empfundenen Verfahren ergeht, überzeugt. cc) Rechtsfolgen (s. Einl. I 114 ff.). Sofern der Grundsatz des fairen Verfahrens eine 22 einfachrechtliche Konkretisierung erfahren hat, richten sich die Rechtsfolgen eines Verstoßes nach diesen Vorschriften bzw. einer in deren Kontext durchzuführenden Abwägung;52 ein Rückgriff auf das Fairnessgebot ist nicht erforderlich. Regelmäßig begründet ein Verstoß gegen das Gebot eines fairen Verfahrens für sich allein noch kein Verfahrenshindernis.53 Bereits vor der Hauptverhandlung im Ermittlungs- oder Zwischenverfahren begangene Verstöße sind spätestens in der Hauptverhandlung zu heilen (s. dazu unten Rn. 72 f.). Bei schwerwiegenden irreparablen Verletzungen des Fairnessgebots, die nicht auf anderem Wege ausgleichbar sind, kann der Verstoß – ohne dass eine dahingehende Zwangsläufigkeit bestünde – ein Verwertungsverbot begründen.54 In Einzelfällen ist als „ultima ratio“ auch ein umfassendes Verfahrenshindernis denkbar.55 Falls jede andere prozessuale Reaktion ausscheidet, ist eine Kompensation im Urteil im Rahmen der Rechtsfolgenentscheidung in Betracht zu ziehen.56 h) Fürsorgepflicht (s. näher Einl. I 121 ff. m.w.N.). Unter der Sammelbezeichnung 23 Fürsorgepflicht fasst die heute herrschende Auffassung in Schrifttum und Rechtsprechung verschiedene, aus der Pflicht zur fairen Verfahrensgestaltung und dem Bekenntnis zum sozialen Rechtsstaat (Art. 20 Abs. 1, 28 GG) abzuleitende Maßnahmen, vor allem

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49 BVerfG NJW 2001 2245, 2246. 50 BVerfGE 68 237, 256; die Beiordnung eines bestimmten Verteidigers kann jedoch versagt werden, wenn dadurch das in Haftsachen geltende Beschleunigungsgebot insbesondere im Hinblick auf Mitangeklagte nicht gewahrt werden kann, BVerfG NStZ 2006 460; zum Konflikt zwischen Verteidigerwahl und Beschleunigungsgebot s. auch Rahlf FS Widmaier 447 ff., 460 ff. 51 Plötz Fürsorgepflicht 67 ff., weit. Nachw. Einl. I 103 ff. 52 BGHSt 38 214; 53 112, 116 m. Anm. Gless/Wennekers JR 2009 383; BGH NJW 2007 2706, 2709 (jeweils Belehrung über Beschuldigtenrechte); BVerfG NJW 2007 499, 503 f.; BGHSt 52 48, 54; 52 110, 114 ff. m. Anm. Esser JR 2008 271 ff. (jeweils Belehrung über Wiener Konsularrechtsübereinkommen); s. auch Roxin/Schünemann § 11, 8 ff. 53 BGHSt 32 345; 33 283; 37 10, 13; 42 191, 193. 54 BVerfG NStZ 2006 46; BGHSt 42 191, 193; 52 11, 23 f. m. zust. Anm. Renzikowski JR 2008 164; MeyerMews NJW 2007 3142; s. auch Duttge JZ 2008 211. 55 BGHSt 46 159, 171; 60 276 = NStZ 2016 52 m. Anm. Mitsch; BGH NJW 2008 1752; strittig, grundsätzlich zurückhaltend BGHSt 32 345, 350 ff.; 35 137, 140; 45 321, 333; 51 202, 205 f.; 60 238, 239 ff.; Volk StV 1986 36; bei schweren oder irreparablen Verstößen befürwortend Gau 21; Weiler GA 1994 561; wegen der Einzelheiten und weit. Nachw. vgl. bei § 206a sowie § 136a. 56 BGHSt 37 10 (Strafmilderung bei nicht eingehaltener Zusage der Nichtverfolgung durch Staatsanwalt) m. zust. Anm. Weigend JR 1991 257; BGHSt 45 321; 47 44, 51 f. (Strafabschlag bei Lockspitzeleinsatz).

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Hinweis-, Klarstellungs- und Belehrungspflichten zum Schutze des Angeklagten zusammen;57 ähnliche Pflichten können auch gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten bestehen.58 Zum Teil lassen sich diese Pflichten nicht nur aus den oben erwähnten Anforderungen eines rechtsstaatlichen, justizförmigen und fairen Verfahrens herleiten, sondern auch aus anderen Grundsätzen des Verfahrens, wie etwa aus den Anforderungen der Aufklärungspflicht und des rechtlichen Gehörs. Sie wurzeln letztlich in der Verpflichtung aller Staatsgewalt, die Würde des Menschen zu achten (Art. 1 Abs. 1 GG) und ihn nicht zum bloßen Objekt der staatlichen Machtausübung zu degradieren.59 Das von der Strafprozessordnung vorgesehene Mitwirkungsrecht des Angeklagten, sein Recht, als eigenständiges Prozesssubjekt autonom darüber zu entscheiden, wie er seine prozessualen Belange wahrnehmen will, kann aber nur dann voll zum Tragen kommen, wenn er die ihn betreffenden Vorgänge in ihrer prozessualen Bedeutung (insbesondere in ihren Auswirkungen auf spätere Verfahrensabschnitte) wenigstens in den Grundzügen versteht. Erkennt das Gericht, dass das Prozessverhalten des Angeklagten oder eines anderen Verfahrensbeteiligten durch verfahrensrelevante Irrtümer oder Missverständnisse beeinflusst wird, muss es dem durch entsprechende Hinweise entgegenwirken.60 Ob und welche Maßnahmen des Gerichts durch die Fürsorgepflicht geboten sind, 24 richtet sich immer nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls und ist deshalb im Zusammenhang mit den einzelnen Verfahrensregelungen (insbesondere bei § 228 Abs. 3, § 265 Abs. 4) zu erörtern, zumal dies nicht unabhängig von der übrigen Verfahrenslage entschieden werden kann. Beispielsweise wird ein Verhalten des Angeklagten, das zu einem endgültigen Verlust einer prozessualen Gestaltungsmöglichkeit führt, viel eher eine Belehrung erfordern als ein Verhalten, dessen Folgen nötigenfalls noch in einem späteren Verfahrensabschnitt wieder rückgängig zu machen sind. Letztlich muss aber immer auf Basis der oben aufgezeigten Grundgedanken entschieden werden, ob und welche Maßnahmen des Gerichts (in der Regel handelt es sich um Hinweise, Belehrungen oder klarstellende Fragen) notwendig sind, um die sachgerechte Führung der Verteidigung zu ermöglichen und um insbesondere zu verhüten, dass der Angeklagte durch Unkenntnis seiner Verfahrensrechte und durch Überrumpelung einen verfahrensrechtlichen Nachteil erleidet. Dabei kann es auch von Bedeutung sein, ob dem Angeklagten ein rechtskundiger Verteidiger zur Seite steht, dem es das Gericht meist ohne Belehrung überlassen kann zu entscheiden, was für die Verteidigung am dienlichsten ist. Fehlerhaftes (Nicht-)Agieren des Verteidigers geht daher in der Regel zu Lasten des Angeklagten; eine gerichtliche Fürsorgepflicht zur Vermeidung von Verteidigerfehlern gibt es nicht.61 Lediglich bei der Bestellung eines Verteidigers gebietet es die Fürsorgepflicht, einen Rechtsanwalt auszuwählen, der Gewähr für eine sachgerechte und ordnungsgemäße Verteidigung des Angeklagten bietet.62 25

i) Grundsatz der Öffentlichkeit (vgl. auch Einl. I 70 sowie bei §§ 169 ff. GVG). Der Grundsatz der Öffentlichkeit, der als Menschenrecht anerkannt ist (Art. 6 Abs. 1 EMRK,

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57 BGHSt 22 118, 122; BGH NJW 1991 3289; Kühne 286 ff.; Plötz Fürsorgepflicht 60, 66; Roxin/Schünemann § 11, 11 und § 44, 26; KK/Fischer Einl. 165 f.; krit. von Löbbecke GA 1973 204 ff. 58 Zur besonderen Fürsorgepflicht gegenüber Zeugen und insb. dem Tatopfer BGH NJW 2005 1519; 2005 2791; s.u. Rn. 66. 59 Zur Ableitung der Fürsorgepflicht aus Verfassungsgrundsätzen und Prozessprinzipien vgl. etwa SK/ Rogall Vor § 133, 110 ff.; Hamm FS Salger 273; Plötz Fürsorgepflicht 81 ff., 100 f. 60 BGH StV 1994 411, 412; vgl. auch BGH bei Kusch NStZ 1993 228. 61 Widmaier NStZ 1992 519. 62 Vgl. BGH StraFo 2016 382; NStZ-RR 2018 84; Beschl. v. 15.8.2007 – 1 StR 341/07 – insoweit in NStZ 2008 231 nicht abgedruckt.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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Art. 14 IPBPR), gilt für die gesamte Hauptverhandlung einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse. Er hat eine wesentliche Bedeutung für das Rechtsbewusstsein der Bevölkerung und für die Kontrolle der sachlichen und unvoreingenommenen Verfahrensführung und damit für das Strafverfahren, den Rechtsstaat und die Demokratie.63 Eine Einschränkung erfährt die grundsätzlich öffentliche Durchführung der Hauptverhandlung auf der Grundlage von Schutzpflichten gegenüber Verfahrensbeteiligten entweder umfassend (§ 48 Abs. 1 JGG für Strafverfahren gegen Jugendliche) oder hinsichtlich einzelner Verfahrensabschnitte in Folge einer die Öffentlichkeit ausschließenden Anordnung des Gerichts.64 Die moderne Art der Berichterstattung in den verschiedenartigen Medien führt zu einer erweiterten Öffentlichkeit, die Auswirkungen auf die grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechte von Angeklagten oder Zeugen haben können.65 Mit § 169 Abs. 3 GVG hat der Gesetzgeber einen bedenklichen Schritt zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit unternommen, indem er es ermöglicht, Ton- und Filmaufnahmen von Urteilsverkündungen des BGH zum Zwecke der Veröffentlichung zu gestatten. Er ist dringend davor zu warnen, den (teils rein wirtschaftlich motivierten) Pressionen der Medien nachzugeben und auf diesem Weg weiterzugehen, etwa auch Aufnahmen von Hauptverhandlungen – gar in Tatsacheninstanzen – gesetzlich zu erlauben. 3. Funktion der Verfahrensgrundsätze. Wegen ihrer Leitbildfunktion sind diese 26 Maximen bei der Auslegung der einzelnen Bestimmungen heranzuziehen, wenn es gilt, deren Sinn und Tragweite zu bestimmen und gegenüber dem Zweck anderer Verfahrensregeln abzuwägen und abzugrenzen. Während sich die aus der rechtspolitischen Grundaussage ergebende rechtsgestaltende Funktion primär an den Gesetzgeber wendet, richten sich die systematisierenden und interpretatorischen Funktionen bei der Anwendung, Auslegung und Fortentwicklung des geltenden Rechts damit unmittelbar an die Gerichte.66 Die Gesamtschau aller sich wechselseitig ergänzenden oder begrenzenden Verfahrensgrundsätze mit dem Ziel, im Interesse einer sachgerechten Lösung Widersprüche durch Verzicht auf Extrempositionen zu einer sinnvollen, den Kerngehalt aller Grundsätze wahrenden, praktischen Konkordanz zu bringen, bildet die Grundlage für die Auslegung des Verfahrensrechts. Würde ein einzelner Grundsatz für sich allein verabsolutiert, bestünde die Gefahr einer wirklichkeitsfernen Verfahrensgestaltung, die sich in Prinzipienreitereien erschöpft und das Ziel der Strafrechtspflege, ein sachlich und rechtlich richtiges Urteil zu finden, nur noch auf Umwegen oder überhaupt nicht mehr erreicht. Erst im Zusammenspiel aller Prozessgrundsätze entfaltet sich ihr Sinn als tragende und tragfähige Konstruktion eines prozessökonomischen, zugleich aber rechtsstaatlichen (fairen) Verfahrens, das sich bemüht, den von der Verfassung an die Strafrechtspflege gestellten gegenläufigen Zielsetzungen in ausgewogener Weise Rechnung zu tragen.67 Eine Gesamtschau der Maximen ist auch deshalb notwendig, weil sich die aus ihnen für den einzelnen Fall abzuleitenden Folgerungen vielfach decken. Die konkrete Antwort auf eine bestimmte Verfahrensfrage kann mitunter mühelos aus verschiedenen, unterschiedlichen Zielen dienenden Prozessmaximen hergeleitet werden. So soll

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63 BVerfG NJW 2001 1633, 1635 („Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips“); BGHSt 1 334, 335 („Grundlage des Strafverfahrens“); 22 297, 301 („grundlegende Einrichtung des Rechtsstaats“); KK/Fischer Einl. 66 ff.; KMR/Eschelbach 116 ff.; Kühne 695 ff.; Roxin/Schünemann § 47, 1 ff. 64 Ausführlich hierzu KK/Diemer §§ 169, 171b, 172 GVG. 65 Roxin/Schünemann § 18, 20 ff. 66 BVerfGE 57 250, 276; 63 45, 61; Rieß FS Rebmann 382 f.; Safferling NStZ 2004 184; vgl. Einl. I 2. 67 Geerds SchlHA 1962 181.

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beispielsweise das Recht auf Gehör primär die Verfahrensinteressen der einzelnen Verfahrensbeteiligten schützen; deren Anhörung zu neuen Tatsachen ist aber andererseits auch unerlässlich für eine umfassende Sachaufklärung. Beide Ziele sind Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips, das die Sicherung der Rechtsordnung durch eine effektive Strafrechtspflege ebenso verlangt wie andererseits ein faires justizförmiges Verfahren, das das Recht des Angeklagten auf eine wirksame Verteidigung achtet. Unter letzterem Gesichtspunkt können sich in besonders gelagerten Einzelfällen Mitwirkungs- oder Hinweispflichten ergeben, die wiederum über das hinausgehen, was das Recht auf Gehör fordert.68 27

4. Verfahrensgrundsätze und Verfahrensabsprachen (siehe näher Einl. G 58 ff. sowie bei §§ 257b, 257c; ferner die Erläuterung zu §§ 202a, 212, 243 Abs. 4, § 267 Abs. 3 Satz 5, § 273 Abs. 1 Satz 2, Abs. 1a und § 302 Abs. 1 Satz 2). Das zunächst von der Rechtsprechung69 akzeptierte und gewissen Regularien unterworfene Phänomen der Verfahrensabsprachen hat der Gesetzgeber mit Gesetz vom 29.7.2009 (s. Entstehungsgeschichte) in die StPO zu integrieren gesucht, obwohl nicht zu verkennen ist, dass diese Praxis der Verfahrensverschlankung bzw. -erledigung in mehrfacher Hinsicht zu den Verfahrensmaximen der StPO in einem Spannungsverhältnis steht bzw. ihnen widerspricht. Dieser Versuch, die Verfahrensabsprache in das System der StPO einzubauen, muss – unabhängig davon, in welchem Umfang die vorgesehenen Regelungen in der tatgerichtlichen Wirklichkeit eingehalten oder (einverständlich) umgangen werden – als gescheitert angesehen werden. Dazu hat maßgeblich auch das Urteil des BVerfG vom 19.3.201370 zum „Verständigungsgesetz“ beigetragen, mit dem es die dort enthaltenen Regelungen zwar für verfassungsgemäß erklärt, ihre einfachgesetzliche Anwendung aber einer vermeintlich „verfassungsorientierten“ bzw. „präzisierenden“ Auslegung zu unterwerfen gesucht hat, die unter verschiedenen Gesichtspunkten mit den hergebrachten Maximen des Strafprozessrechts unvereinbar ist. Es hat damit den Charakter der Verständigung als Fremdkörper in der StPO noch verstärkt und eine Flutwelle höchst- und obergerichtlicher Entscheidungen ausgelöst, die teils den Vorgaben des genannten Urteils eng zu folgen suchen, diese teils aber auch offen kritisieren und (als nicht bindend) ablehnen, um allgemein geltende strafprozessuale Grundsätze für den Bereich der Verfahrensabsprachen nicht außer Kraft setzen zu müssen. Als Konsequenz all dessen ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber an sich gut beraten (gewesen) wäre, entweder Verfahrensabsprachen gänzlich zu verbieten oder sie in einem Gesetzeswerk außerhalb der StPO zu regeln und dort von den Verfahrensgrundsätzen der StPO in mehr oder weniger großem Umfang freizustellen. Solange indes das BVerfG das Prinzip der „materiellen Wahrheitssuche“ deutscher Rechtstradition verfassungsrechtlich verabsolutiert – und damit indirekt auch demokratisch verfasste Gemeinwesen westlicher Prägung, die in der ein oder anderen Form ein „plea bargaining“ kennen, insoweit einer rechtsstaatwidrigen Verfahrensweise bezichtigt –, hat ein derartiges Gesetzeswerk keine Chance auf Verwirklichung. Die Rechtspraxis wird sich daher auf Sicht mit der derzeitigen verunglückten Gesetzeslage und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auseinanderzusetzen haben.

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Vgl. etwa BVerfG NJW 1983 2762, 2763; BGHSt 32 44, 46 f. m. abl. Anm. Meyer JR 1984 173. S. namentlich BGHSt 43 195 und 50 40. BVerfGE 133 168.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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III. Gang der Hauptverhandlung 1. Ablauf a) Ort und Zeit, Aufruf der Sache, Präsenzfeststellung, Besetzungsmitteilung. 28 Der Vorsitzende legt gemäß § 213 Ort und Zeit der Hauptverhandlung fest; in deren Verlauf kann aber auch das Gericht diese Bestimmung treffen, etwa, wenn es einen Augenschein an einem bestimmten Ort vornehmen will. Die Hauptverhandlung wird regelmäßig am Gerichtssitz abgehalten, sie kann aber an einem anderen Ort oder nacheinander an verschiedenen Orten stattfinden (s. bei § 213). Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache (s. näher § 243, 14). Von 29 diesem Zeitpunkt an zählen alle Vorgänge zu dem für die Urteilsfindung maßgeblichen Inbegriff der Hauptverhandlung (§ 261), beginnt die Anwesenheitspflicht (§§ 226, 230 ff.) und kann das Nichterscheinen Rechtsfolgen auslösen. Die wegen der Einheitlichkeit der Hauptverhandlung geforderte Kontinuität der Gerichtsbesetzung knüpft ebenfalls an diesen Zeitpunkt an. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte (dessen Identität ggf. zu überprüfen ist), der Verteidiger sowie die sonstigen Verfahrensbeteiligten wie Dolmetscher, Nebenkläger, gesetzliche Vertreter, Beistände usw. (vgl. § 272 Nr. 4) anwesend sind.71 Die Namen der Richter sowie des Vertreters der Staatsanwaltschaft müssen lediglich im Protokoll vermerkt werden (§ 272 Nr. 2), sofern nicht die Bekanntgabe der Richter durch § 222a Abs. 1 geboten ist. Namentlich festzustellen sind dagegen die für den Beginn der Hauptverhandlung geladenen und erschienenen Zeugen und Sachverständigen (s. näheres § 243, 16).72 b) Vernehmung des Angeklagten zur Person. Nachdem die Identität des Ange- 30 klagten bereits bei der Präsenzfeststellung geklärt wurde, fragt der Vorsitzende an dieser Stelle nur die zur weiteren Individualisierung des Angeklagten erforderlichen Angaben ab, zu deren Offenbarung dieser auch sonst gegenüber einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Amtsträger verpflichtet ist, also seinen Vor-, Familien- oder Geburtsnamen, den Tag und den Ort seiner Geburt, seinen Familienstand, seinen Wohnort und seine Staatsangehörigkeit (vgl. § 111 Abs. 1 OWiG). Ferner verschafft er sich – in der Regel durch einfache Nachfrage – einen Eindruck über die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten. Die für die Strafzumessung relevanten sonstigen persönlichen Verhältnisse werden erst nach Verlesung des Anklagesatzes und Belehrung des Angeklagten über sein Schweigerecht erhoben (s. näher § 243, 30 ff.). c) Verlesung des Anklagesatzes (s. näher § 243, 38 ff.). Mit ihr wird allen Verfah- 31 rensbeteiligten, die die Akten nicht kennen, sowie der Öffentlichkeit der Verhandlungsund Urteilsgegenstand kundgetan.73 Dem Angeklagten wird nochmals vor Augen geführt, was ihm rechtlich und tatsächlich zur Last gelegt wird und wogegen er sich zu verteidigen hat.74 Abschriften des Anklagesatzes dürfen den Schöffen zur besseren In-

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71 KK/Schneider § 243, 9; Meyer-Goßner/Schmitt § 243, 5; SK/Frister § 243, 9. 72 BGHSt 24 280, 282; AK/Schöch § 243, 12; KK/Schneider § 243, 9; Meyer-Goßner/Schmitt § 243, 5. 73 BGH NJW 1982 1057; NStZ 1984 133; 2006 649, 650; Britz FS II E. Müller 111 f.; Wilhelm NStZ 2007 359; AK/Schöch 23; KK/Schneider § 243, 20; KMR/Paulus § 243, 46; Meyer-Goßner/Schmitt § 243, 13; SK/Frister § 243, 29; vgl. BGHSt 8 283 (für Eröffnungsbeschluss). 74 BGH NJW 1982 1057; 2006 3582, 3586; vgl. Krekeler NStZ 1995 299; SK/Frister § 243, 29. Die von Art. 6 Abs. 3 lit. a EMRK, Art. 14 Abs. 3 lit. b IPBPR geforderte Unterrichtung über den Gegenstand der Anklage wird damit nochmals wiederholt, auch wenn sie, um die Vorbereitung der Verteidigung zu ermöglichen, schon früher vorgenommen werden muss. Wegen der Tragweite dieser Verbürgung vgl. bei Art. 6 EMRK.

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formation überlassen werden.75 Anschließend wird die Entscheidung über die Zulassung der Anklage sowie die Eröffnung des Hauptverfahrens mitgeteilt. Die Verlesung des Eröffnungsbeschlusses ist nicht (mehr) notwendig, aber auch nicht verboten.76 Sofern im Eröffnungsbeschluss nur ein Teil der Anklage zugelassen (§ 207 Abs. 2 Nr. 1 und 2) oder das Verfahren unter einer von der Anklage abweichenden rechtlichen Würdigung (§ 207 Abs. 2 Nr. 3 und 4) eröffnet wurde, ist nach § 243 Abs. 3 Satz 2 bis 4 zu verfahren (vgl. hierzu § 243, 44 ff.). 32

d) Mitteilung von Erörterungen über eine Verständigung (s. näher § 243, 55 ff.). Unmittelbar nach der Verlesung des Anklagesatzes und vor der Einlassung des Angeklagten zur Sache hat der Vorsitzende bekannt zu geben, ob im Zuge des Zwischenverfahrens (§ 202a) oder nach Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 212) die Möglichkeit einer Verständigung schriftlich oder mündlich erörtert wurde (§ 243 Abs. 4 Satz 1). Wesentlicher Ablauf, Inhalt und ggf. Ergebnis der Erörterungen sind bekannt zu geben und in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen (§ 273 Abs. 1a Satz 2). Wurden außerhalb einer bereits begonnenen, aber unterbrochenen Hauptverhandlung Gespräche über eine mögliche Verständigung geführt, so hat der Vorsitzende dies unmittelbar zu Beginn der Fortsetzung der Hauptverhandlung mitzuteilen (§ 243 Abs. 4 Satz 2). Nichts anderes gilt nach der Aussetzung oder sonstigen erneuten Durchführung der Hauptverhandlung.

e) Belehrung, Vernehmung des Angeklagten zur Sache (s. näher § 243, 62 ff., 73 ff.). Nach Belehrung des Angeklagten über sein Schweigerecht (§ 243 Abs. 5 Satz 1) folgt die Vernehmung zur Sache (§ 243 Abs. 5 Satz 2), der in den Fällen des § 243 Abs. 5 Satz 3 eine Eingangserklärung des Verteidigers (ggf. mit Sacheinlassungscharakter für den Angeklagten) vorausgehen kann. All dies gewährleistet zum einen, dass der Angeklagte vor Beginn der Beweisaufnahme rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und damit Gelegenheit erhält, sich zu verteidigen, ihn entlastende Umstände darzutun und ihn belastende Umstände zu widerlegen, damit das Gericht bei der Beweisaufnahme sein Augenmerk auch auf die vom Angeklagten geltend gemachten Gesichtspunkte richten kann. Diese Möglichkeit geht hinsichtlich der Verteidigungsinteressen des Angeklagten weit über das hinaus, was die späteren Gelegenheiten, nach einzelnen Beweiserhebungen (§ 257 Abs. 1) und nach Abschluss der Beweisaufnahme (§ 258) Erklärungen abzugeben, zu gewährleisten vermögen und kann daher nicht durch diese Erklärungsrechte ersetzt werden.77 Zum anderen dient die Vernehmung des Angeklagten zur Sache – ohne Teil der Be34 weisaufnahme zu sein – auch der Sachaufklärung.78 Seine Einlassung zählt zum Inbegriff der Hauptverhandlung (§ 261) und ist daher vom Gericht bei seiner Überzeugungsbildung zu berücksichtigen;79 insbesondere kann ein glaubhaftes und substantiiertes 33

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75 Häger GedS Meyer 172 f.; KK/Schneider § 243, 21; Meyer-Goßner/Schmitt § 243, 13. Dass ihnen das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen nicht zugänglich gemacht werden darf (so RGSt 69 120, 124; BGHSt 5 261; 13 73), wird nunmehr in Zweifel gezogen (BGHSt 43 36, 39; 43 360, 364; offengelassen von BGH JR 1987 389 m. Anm. Rieß); wegen der Einzelheiten s. Löhr 194 ff., sowie bei § 243, 39 f. und § 261. 76 BGHSt 43 360, 362; Meyer-Goßner/Schmitt § 243, 15. 77 BGHSt 13 358, 360 f.; BGH NJW 1957 1527; NStZ 1981 111; 1986 370; KG StV 1982 10; vgl. BayObLGSt 1953 130; Rieß JA 1980 299. 78 RGSt 68 110; OGHSt 3 141, 147; Lesch ZStW 111 (1999) 625 ff.; Roxin/Schünemann § 25, 4; einschränkend Eisenberg/Pincus JZ 2003 397 (Sachaufklärung tritt zurück); a.A. – nur rechtliches Gehör – etwa Degener GA 1992 462; Meyer-Mews JR 2003 361; Schlösser NStZ 2008 312. 79 BGH NJW 2008 2356 f.; Meyer-Goßner/Schmitt § 261, 5; SK/Frister § 243, 59.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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Geständnis eine Beweisaufnahme weitgehend überflüssig machen. Mit inhaltslosen formalen Erklärungen (etwa: „Dem Anklagevorwurf wird nicht mehr entgegengetreten“), abgegeben gar allein vom Verteidiger und vom Angeklagten lediglich gebilligt, darf sich das Gericht – auch dann, wenn das Geständnis nach vorherigen verfahrensabkürzenden Absprachen abgelegt wird – nicht zufrieden geben;80 denn es darf seine Überzeugung vom Vorliegen der belastenden Tatsachen nur aus der Hauptverhandlung, nicht aber aus dem Akteninhalt schöpfen.81 Daher muss das Gericht in Erfüllung seiner Aufklärungspflicht die Glaubwürdigkeit des Geständnisses anhand der Aktenlage kritisch prüfen.82 Hält es das Geständnis für glaubhaft und enthält dieses bereits alle für die Subsumtion unter den objektiven und subjektiven Tatbestand notwendigen Tatsachen, kann die Beweisaufnahme meist wesentlich eingeschränkt werden.83 f) Beweisaufnahme (s. näher § 244, 3 ff.). Unter Beweisaufnahme im engeren, 35 formellen Sinn des § 244 Abs. 1 ist der durch §§ 244 bis 257 geregelte Teil der Hauptverhandlung zu verstehen, in dem das Gericht unter Beteiligung der insoweit mitwirkungsberechtigten anderen Verfahrenssubjekte die tatsächlichen Grundlagen seiner Entscheidung über Schuld- und Rechtsfolgenausspruch im Strengbeweis mit den für diesen allein zulässigen Beweismitteln Zeugen, Sachverständige, Urkunden und Augenschein erarbeitet. Darüber hinausgehend erfasst die Beweisaufnahme im weiteren, „materiellen“ Sinn auch die Nutzung jeder sonstigen zulässigen Erkenntnisquelle, mit der sich das Gericht Gewissheit über den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu verschaffen sucht. g) Schlussvorträge und letztes Wort des Angeklagten (s. näher die Erläuterungen 36 bei § 258). Nach Schluss der Beweisaufnahme durch den Vorsitzenden folgen die Plädoyers des Staatsanwaltes sowie der Verteidigung, ggf. des Nebenklägers (§ 397 Abs. 1 Satz 2, § 385 Abs. 1), Privatklägers (§ 385 Abs. 1), Einziehungsbeteiligten (§§ 424, 427 Abs. 1), Nebenbetroffenen (§ 438 Abs. 3, § 427 Abs. 1) oder des Erziehungsberechtigten/gesetzlichen Vertreters (§ 67 Abs. 1, § 104 Abs. 1 Nr. 9 JGG). Das letzte Wort gebührt dem Angeklagten (§ 258 Abs. 2 Halbsatz 2). War er zuvor wegen ordnungswidrigen Benehmens (§ 231b) aus dem Sitzungssaal entfernt worden, muss der Versuch gemacht werden, ihn für die Gewährung des letzten Wortes wieder hinzuzuziehen, sofern dies nicht von vorneherein aussichtslos erscheint.84 Im Falle des Wiedereintritts in die Verhandlung ist ihm erneut das Wort zu erteilen.85 Im Verfahren gegen Jugendliche ist auch den Erziehungsberechtigten/gesetzlichen Vertretern – von Amts wegen und nicht nur auf Verlangen – das letzte Wort zu erteilen (§ 67 Abs. 1 JGG).86

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80 BGHSt 50 40, 49; BGH NStZ 2006 634; NStZ-RR 2006 187; 2007 307, 309; vgl. aber auch BGH NStZ 1999 92; dazu krit. Fezer FS II BGH 4 879 m.w.N.; für eine weitgehende Dispositionsbefugnis der Verfahrensbeteiligten Jahn ZStW 118 (2006) 427. 81 RGSt 1 81. 82 S. näher § 244, 9 ff. 83 Für präsente Beweismittel ist allerdings § 245 Abs. 1 Satz 2 zu beachten. Ein im Ermittlungsverfahren abgegebenes, in der Hauptverhandlung nicht wiederholtes Geständnis, ist lediglich eine ihn belastende Tatsache, die ihrerseits – gegebenenfalls nach § 254 – Gegenstand der (formellen) Beweisaufnahme sein kann; BGHSt 14 310; 21 285; Eisenberg (Beweisrecht) 16; KK/Krehl § 244, 2. 84 BGHSt 9 77, 81; BGH NJW 2005 2466, 2469; Meyer-Goßner/Schmitt § 258, 20. 85 Zu den Kriterien eines u.U. konkludenten Wiedereintritts s. etwa BGH NStZ 2004 505, 507. 86 BGH NStZ 2000 553; NStZ-RR 2008 291; OLG Hamm NStZ-RR 2007 123.

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2. Entscheidungen 37

a) Zwischenentscheidungen. Im Beschlusswege ergehende Zwischenentscheidungen über Verfahrensfragen sind in der Hauptverhandlung durch Verkündung bekannt zu machen (§ 35). Die vorherige schriftliche Abfassung und Verlesung ist nur für den Urteilstenor vorgeschrieben (§ 268 Abs. 2), nicht aber für die in der Hauptverhandlung zu verkündenden Beschlüsse.87 Diese sind jedoch in der Sitzungsniederschrift (§ 273 Abs. 1) festzuhalten; die Betroffenen können eine Abschrift der Entscheidung verlangen (§ 35 Abs. 1 Satz 2). Der gebotene Zeitpunkt der Verkündung richtet sich nach dem Inhalt der Entscheidung und der ggf. bestehenden Notwendigkeit, auf diese zu reagieren und das weitere Prozessverhalten darauf abzustimmen (vgl. § 238, 34 ff.).88

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b) Urteilsberatung und -verkündung. Nach dem letzten Wort des Angeklagten berät das Gericht geheim (§§ 43, 45 Abs. 1 Satz 2 DRiG) unter Leitung des Vorsitzenden (§ 194 GVG) und stimmt, sofern sich nicht Einstimmigkeit herausstellt, nach Maßgabe der §§ 195 ff. GVG gesondert ab über Prozessvoraussetzungen, Schuldfrage, Rechtsfolgenausspruch sowie sonstige Punkte (Verfahrensfragen, Kosten, Entschädigung); für den Schuld- und den Rechtsfolgenausspruch ist jeweils Zweidrittelmehrheit erforderlich (§ 263 Abs. 1), für die übrigen Fragen genügt die einfache Mehrheit.89 Anschließend verkündet der Vorsitzende das Urteil (§ 260 Abs. 1, § 268) nebst etwaiger Nebenentscheidungen (Bewährungsbeschluss, § 268a; Fortdauer der Untersuchungshaft, § 268b). Das Urteil hat die öffentliche Klage der Staatsanwaltschaft erschöpfend zu erledigen, Teilund Zwischenurteile sind nicht zulässig, auch nicht zur Schuldfrage (sog. Schuldinterlokut).90 Nach der Verlesung der zuvor niederzuschreibenden Urteilsformel, die als wesentlicher Teil der Urteilsverkündung Voraussetzung dessen Wirksamkeit ist,91 folgt die mündliche Bekanntgabe der Urteilsgründe (§ 268 Abs. 2).92

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c) Belehrungen. Über die gegen das Urteil und die Kostenentscheidung zulässigen Rechtsmittel ist der Angeklagte zu belehren (§ 35a), ferner über die Bedeutung einer etwaigen Strafaussetzung zur Bewährung (§ 268a Abs. 3), die Rechtsmittel gegen die Fortdauer der Untersuchungshaft93 sowie über den Beginn eines Fahrverbotes (§ 268c).

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3. Verhandlungsleitung und Sitzungspolizei (s. näher bei § 238, 3 ff., 12 f., 19 ff. und § 176 GVG). Die Leitung der Verhandlung durch den Vorsitzenden ist umfassend zu verstehen. Hierunter fallen alle Maßnahmen, die dieser für die Durchführung der Hauptverhandlung trifft; er eröffnet, unterbricht94 und schließt die Verhandlung (§ 243 Abs. 1, § 228 Abs. 1 Satz 2, § 258). Bei der Verhandlungsleitung im engeren Sinn hat er die vom Gesetz vorgeschriebene Reihenfolge der Verhandlungsvorgänge einzuhalten (§§ 243, 244 Abs. 1, §§ 257, 258), im Übrigen kann er nach seinem Ermessen bestimmen,

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87 RGSt 44 54. 88 RGSt 57 261, 263; RG Recht 1929 Nr. 2534; OLG Frankfurt NJW 1947/48 395; Erker 100; Schmid FS Mayer 561; HK/Julius § 238, 7. 89 Zum Abstimmungsverfahren s. Mellinghoff Fragestellung, Abstimmungsverfahren und Abstimmungsergebnis im Strafverfahren (1988). 90 Schäfer § 85 I 3c. 91 BGHSt 8 41. 92 Zum Ganzen Schäfer § 90; sie kann in freier Rede oder durch Verlesung eines vorbereiteten Textes geschehen, vgl. BGH wistra 2005 110. 93 S. die Erl. zu § 268b; KK/Kuckein § 268b, 6. 94 BGH bei Becker NStZ-RR 2003 2.

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wie er die Verhandlung entwickeln will.95 Er muss sich hierbei an den Verfahrensmaximen orientieren, d.h. das Verfahren zweckmäßig und zügig gestalten und sich vom Ziel der bestmöglichen Sachaufklärung und einer unparteiischen, unvoreingenommenen und fairen Verhandlungsführung leiten lassen, die den Verfahrensbeteiligten Raum für die sachgerechte Wahrnehmung ihrer Verfahrensbefugnisse lässt.96 Er hat alle Verfahrensbeteiligte in genügender Weise zu Wort kommen zu lassen, ist aber befugt, die Sprechenden zu unterbrechen, um unzulässige Äußerungen, Weitschweifigkeiten und nutzlose Wiederholungen abzumahnen. Falls die Verfahrenslage dies angezeigt erscheinen lässt, vor allem aber bei Missbrauch, kann er einstweilen das Wort entziehen.97 Auf die Dauer darf er das Wort allerdings nicht verweigern, da er nicht den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör und insbesondere die Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten nicht verkürzen darf. Der Vorsitzende hat dafür zu sorgen, dass in jeder Hinsicht das Verfahren in einer rechtsstaatlichen, der Billigkeit entsprechenden, fairen Weise durchgeführt wird und dass alles zur Sachaufklärung Erforderliche geschieht. Ihm obliegt es auch, bei der Beweisaufnahme die Interessen des Opferzeugen und insbesondere dessen Menschenwürde zu schützen, indem er ihn vor einem Verteidigungsverhalten des Angeklagten bewahrt, das durch rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze nicht gedeckt ist.98 Dem Vorsitzenden ist ferner die Sitzungspolizei (§ 176 GVG) während der Gerichts- 41 verhandlung übertragen, so dass es ihm – und nicht dem Sitzungsstaatsanwalt oder dem Inhaber des Hausrechts – obliegt, die Ruhe und Ordnung in der Sitzung aufrechtzuerhalten und allen Störungen vorzubeugen und gegebenenfalls abzuwehren, welche die ordnungsgemäße Durchführung der Hauptverhandlung gefährden könnten.99 Angeordnete Maßnahmen kann er selbst vollstrecken (§ 36, 27). Welche Anordnungen – gegebenenfalls im Vorfeld – zu treffen sind, hat er nach pflichtgemäßem Ermessen selbst zu entscheiden, soweit nicht einzelne Maßnahmen dem Gericht vorbehalten sind (vgl. §§ 177, 178 GVG). Nach § 231 Abs. 1 Satz 2 kann der Vorsitzende die Anordnungen treffen, die ein Verbleiben des Angeklagten im staatlichen Gewahrsam sichern, z.B. durch Anordnung, dass dieser auch während der Hauptverhandlung gefesselt bleibt100 oder zusätzlich von Polizeibeamten bewacht wird. Er kann – auch präventiv – Maßnahmen gegen Zuhörer anordnen, von denen eine Störung zu befürchten ist,101 wobei er nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, ob er gegen eine Störung überhaupt einschreiten oder nichts dagegen unternehmen will, etwa weil ein Einschreiten den Fortgang der Hauptverhandlung noch weit stärker beeinträchtigen würde als die Störung oder weil diese der Wahr-

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95 Vgl. BGH MDR 1957 53 (Worterteilung an den Adhäsionskläger); AK/Schöch § 238, 5; KK/Schneider § 238, 3; Meyer-Goßner/Schmitt § 238, 5; krit. Hammerstein FS Rudolf Schmitt 323; zur Aufteilung der Verhandlung in mehrere Sachkomplexe § 243, 4. 96 Vgl. Hammerstein FS Rudolf Schmitt 327. 97 RGSt 30 216; 41 259, 260 f.; 64 57, 58; RGRspr. 4 151; 8 271; RG Recht 1909 Nr. 183; 1911 Nr. 3885; HRR 1939 Nr. 210; BGHSt 3 368, 369; BGH MDR 1964 72; BGH NStZ 1995 143 (Abbruch der Zeugenbefragung); Kern JW 1925 900; Meves GA 39 (1891) 297; Meyer-Goßner/Schmitt § 238, 5; näher zum Missbrauch des Fragerechts § 241, 24. 98 BGHSt 48 372; BGH NJW 2005 1519, 1520 f.; NStZ 2005 579, 580; Rieß Verh. des 55. DJT (1984) Bd. I C 162 f.; vgl. § 68a sowie § 238, 6. 99 BVerfG NJW 2001 1633, 1635; BGHSt 44 23, 24; Fuhrmann GA 1963 68; Lehr NStZ 2001 66; Meves GA 39 (1891) 297 f.; Schlüchter 451.1; KK/Schneider § 238, 4; Meyer-Goßner/Schmitt § 238, 5; zur Abgrenzung der Befugnisse des Vorsitzenden von den Befugnissen des Inhabers des Hausrechts vgl. bei § 176 GVG. 100 BGH MDR 1957 243; vgl. OLG Hamm NJW 1972 1246. 101 BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 18; OLG Schleswig bei Ernesti/Lorenzen SchlHA 1982 113; vgl. die Erl. zu § 176 GVG.

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heitsfindung im konkreten Fall dienlich war.102 Der Vorsitzende darf es allerdings nicht dazu kommen lassen, dass durch die Zulassung turbulenter Szenen in der Hauptverhandlung der Rechtsgang gefährdet, insbesondere die Sachaufklärung beeinträchtigt, die Verteidigung des Angeklagten behindert103 oder ein Zeuge gefährdet wird. 4. Sitzungsniederschrift (vgl. näher bei §§ 271 ff.). Dem urkundlichen Nachweis der wichtigsten Vorgänge in der Hauptverhandlung dient das Sitzungsprotokoll, das vom Vorsitzenden und dem Urkundsbeamten zu erstellen ist und in dem neben dem Gang der Hauptverhandlung unter Beachtung der wesentlichen Förmlichkeiten auch die Ergebnisse und verkündeten Entscheidungen festzuhalten sind.104 Die Bedeutung des Protokolls ergibt sich aus seiner – positiven wie negativen – Beweiskraft: im Protokoll beurkundete wesentliche Förmlichkeiten gelten als beachtet, selbst wenn dies nicht zutrifft; umgekehrt gelten all jene wesentlichen Förmlichkeiten und Verfahrenshandlungen als nicht geschehen, die sich nicht aus dem Protokoll ergeben.105 Die Berichtigung des Protokolls ist grundsätzlich in jedem Verfahrensstadium zu43 lässig.106 Nach früherer Rechtsprechung war sie nur dann ausnahmsweise unzulässig, wenn durch die Protokollberichtigung einer bereits zulässig erhobenen Verfahrensrüge die tatsächliche Grundlage entzogen wurde.107 Diese Rechtsprechung hat der Große Senat für Strafsachen des BGH gegen vielfache Bedenken in der Literatur108 aufgegeben.109 Vorsitzender und Urkundsbeamter haben in einem solchen Fall vor der beabsichtigten Protokollberichtigung zunächst den Revisionsführer anzuhören. Widerspricht dieser der beabsichtigten Berichtigung substantiiert, so sind weitere Verfahrensbeteiligte zu befragen. Halten die Urkundspersonen trotz des Widerspruchs an der Protokollberichtigung fest, haben sie ihre Entscheidung hierüber mit Gründen zu versehen. Die Beachtlichkeit der Protokollberichtigung unterliegt im Rahmen der erhobenen Verfahrensrüge der Überprüfung durch das Revisionsgericht, das im Wege des Freibeweises weitere Erkundigungen einziehen kann. Verbleiben Zweifel am wahren Verfahrensablauf, gilt insoweit das Protokoll in der nicht berichtigten Fassung. 42

IV. Stellung der am Verfahren Beteiligten 44

1. Rechtsgrundlagen. Die an der Hauptverhandlung teilnehmenden Personen, ihre unterschiedlichen Aufgaben und wechselseitigen Befugnisse und Obliegenheiten sind in der StPO – auch außerhalb des Sechsten Abschnitts – und im GVG festgelegt. Für bestimmte Verfahren finden sich Sonderregelungen in den einschlägigen Spezialgesetzen,110 wie etwa im JGG, in § 407 AO, § 13 Abs. 2 WiStG, §§ 75, 76, 83 Abs. 1 OWiG, § 22 Abs. 2 und 3 AWG. Das Gesetz verwendet keinen einheitlichen Begriff der Verfahrensbe-

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102 RG DRiZ 1927 Nr. 829; BGH NJW 1962 260; Greiser JA 1983 430; Schwind JR 1973 133; AK/Schöch § 238, 12. 103 BGH NJW 1962 260. 104 Vgl. näher bei § 273; zur Rechtsgeschichte des Protokolls Leitner FS Hamm 405. 105 BGHSt 22 278, 280 (letztes Wort); BGH NStZ 2002 219 (Beweiserhebung). 106 BGHSt 1 259, 261; vgl. BGH NStZ 2005 281, 282. 107 BGHSt 34 11, 12; BGH NStZ 1995 200, 201; vgl. BGH NStZ 2005 281, 282. 108 Beulke FS Böttcher 17; Fezer StV 2006 290; Gaede HRRS 2006 409; Jahn/Widmaier JR 2006 166; Krawczyk HRRS 2006 344. 109 BGHSt 51 298 m. zust. Anm. Fahl JR 2007 345; abl. Hamm NJW 2007 3166; Schumann JZ 2007 927; kritisch auch Momsen FS II E. Müller 457; Knauer FS Widmaier 295 ff. Die gegen diese Rechtsprechung angestrengte Verfassungsbeschwerde blieb erfolglos: BVerfG NJW 2009 1469. 110 Zum Teilnahmerecht der Vertreter der betroffenen Behörden an der Hauptverhandlung vgl. Rn. 70.

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teiligten, auch der engere Begriff der Prozesssubjekte wird nicht einheitlich ausgelegt, vielmehr ist der Adressatenkreis jeder Vorschrift gesondert zu ermitteln – sachliche Fragen sind von der terminologischen Einordnung nicht abhängig (vgl. Einl. Abschn. J 1 ff.). 2. Prozesshandlungen (zu den Einzelheiten s. bei Einl. Abschn. K 5 ff.). Unter dem 45 von der StPO nicht verwendeten Begriff der Prozesshandlung ist jede prozessgestaltende Betätigung des Gerichts, der Staatsanwaltschaft oder eines anderen Verfahrensbeteiligten unabhängig von deren rechtlicher Form zu verstehen (Entscheidung, Antrag, Erklärung oder Realakt, nicht aber reine Wissenserklärungen).111 Adressaten der Prozesshandlung sind die davon betroffenen Verfahrensbeteiligten. Zu Fragen der Unwirksamkeit/Nichtigkeit, Widerruflichkeit, Anfechtbarkeit oder Bedingungsfeindlichkeit von Prozesshandlungen sind generalisierende Aussagen weder möglich noch weiterführend; vielmehr kommt es auf die Art der Prozesshandlung, ihren verfahrensrechtlichen Kontext sowie etwaige Sonderregelungen an (s. Einl. K 23 ff., 64 ff., 102 ff., 105 ff.).112 3. Verhältnis der Verfahrensbeteiligten zueinander a) Unabhängigkeit und wechselseitige Bindung. Die Hauptverhandlung ist ein 46 sich fortentwickelnder (dynamischer) Vorgang miteinander interagierender Verfahrensbeteiligter113 mit dem Ziel festzustellen, wie sich der zu untersuchende Lebenssachverhalt in Wirklichkeit zugetragen hat und ob und welche Sanktionen gegen den Angeklagten zu verhängen sind. Die an der Hauptverhandlung teilnehmenden Personen sind entsprechend der unterschiedlichen Funktion diesem Ziel in unterschiedlichem Maße verpflichtet. Während das Gericht, vor allem der Vorsitzende, sowie die Staatsanwaltschaft aktiv das Verfahren im Interesse einer möglichst erschöpfenden Sachaufklärung nach Kräften fördern müssen, trifft den Angeklagten zwar keine aktive Förderungspflicht, jedoch eine – in ihrem Umfang strittige – Mitwirkungspflicht; er kann die ihm zustehenden Verfahrensbefugnisse zur aktiven Einwirkung auf den Gang der Verhandlung benutzen, er kann sich aber auch – gegebenenfalls unter Verlust einer späteren Rügemöglichkeit im Revisionsverfahren (vgl. Rn. 74 sowie bei § 238, 43 ff.) – völlig passiv verhalten.114 Die Ausrichtung der Hauptverhandlung auf die Aufklärung des zu untersuchenden Sachverhalts ist aber auch für den Angeklagten insoweit verbindlich, als seine Verfahrensbefugnisse – ebenso wie die der anderen Verfahrensbeteiligten – trotz eines weit gespannten Spielraums für die Verteidigung letztlich im Hinblick auf dieses Ziel ausgeübt werden müssen. Verfahrensbefugnisse stehen allen Verfahrensbeteiligten nur zur Wahrung ihrer auf dieses Ziel bezogenen Verfahrensinteressen zu, nicht aber für andere, verfahrensfremde Zwecke (zum Rechtsmissbrauch s. Einl. H 40 ff. sowie bei § 337). Die Unabhängigkeit, mit der die einzelnen Verfahrensbeteiligten ihre Verfah- 47 rensbefugnisse eigenverantwortlich verfolgen, wird durch die Verfahrensregeln in ein System gegenseitiger Zustimmungserfordernisse und wechselseitiger Einwirkungs-

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111 KK/Fischer Einl. 398; Meyer-Goßner/Schmitt Einl. 95; Kühne 670 ff. 112 S. umfassend Grunst Prozesshandlungen im Strafprozeß (2002); ferner Roxin/Schünemann § 22, 1 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt Einl. 104 ff. (zur Unwirksamkeit), 112 ff. (zur Widerruflichkeit), 118 (zur Bedingungsfeindlichkeit). 113 Zur Interaktion als strukturgebender Grundlage des Strafprozesses Schlüchter 1 ff.; s. auch Tondorf 117 ff. 114 Vgl. Schreiner NJW 1977 2303 gegen Laier NJW 1977 1139; ferner zur Rollenambivalenz des Angeklagten als Prozesssubjekt, Auskunftsperson und Objekt der Untersuchung etwa Müller-Dietz ZStW 93 (1981) 1216; Schreiber ZStW 88 (1976) 132; SK/Rogall Vor § 133, 62.

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und Erklärungsbefugnisse eingebettet, das für die Interaktionsstruktur der Hauptverhandlung115 kennzeichnend ist. Das schließt ein Mindestmaß an gegenseitiger Rücksichtnahme ein. Diese kann allerdings niemals so weit gehen, dass dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der beteiligten staatlichen Organe und die Wahrnehmung der eigenen legitimen Verfahrensinteressen der anderen Verfahrensbeteiligten beeinträchtigt werden.116 48

b) Waffengleichheit. (s. hierzu auch Einl. I 117 ff. sowie die Erl. zu Art. 6 EMRK). In der Hauptverhandlung müssen die Befugnisse zur Mitgestaltung des Verfahrensgangs so ausgewogen verteilt sein, dass kein Prozesssubjekt die prozessbeendende Entscheidung nur aus seiner Sicht einseitig beeinflussen kann. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gilt grundsätzlich auch für die Handhabung des Verfahrensrechts.117 Differenzierungen der Befugnisse sind zulässig und unumgänglich, soweit sie sich aus der unterschiedlichen Verfahrensrolle ergeben.118 Die Waffengleichheit zwischen Staatsanwalt einerseits und Angeklagtem sowie Verteidiger andererseits bedeutet keine die Unterschiede ihrer Aufgaben und Pflichten missachtende Gleichstellung in allen prozessualen Befugnissen der Hauptverhandlung. Der Strafprozess ist kein Parteiprozess. Die Waffengleichheit im Sinne gegeneinander ausgewogener (gleichwertiger) Verfahrensbefugnisse ist dort geboten, wo nicht die von der Sache vorgegebenen Strukturunterschiede der Ankläger- und Verteidigerrolle dominieren, sondern die (partiell) kontradiktorische Komponente der Hauptverhandlung zum Tragen kommt, weil es um die Gleichbehandlung bei der Information über entscheidungsrelevante Umstände geht (Parität des Wissens) sowie darum, auf die Hauptverhandlung durch Anträge oder Einwilligungen gestaltend einzuwirken und vor allem die Beweisaufnahme durch Beweisanträge, Fragen an Zeugen und Sachverständigen mitzubestimmen sowie auf den Urteilsfindungsprozess durch eigene Ausführungen einzuwirken. Es gehört zu den Erfordernissen eines rechtsstaatlichen fairen Verfahrens, dass Anklage und Verteidigung diese Befugnisse in der Hauptverhandlung mit gleicher Effektivität ausüben können.119

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c) Mehrere Verfahrensbeteiligte in gleicher Prozessrolle. Die Bestimmungen der StPO sprechen zwar in der Regel von den einzelnen Verfahrensbeteiligten nur in der Einzahl, sie gehen aber davon aus, dass mehrere Personen in der gleichen Verfahrensrolle an der Hauptverhandlung teilnehmen können, vor allem, dass in einer Hauptverhandlung gegen mehrere Angeklagte verhandelt werden kann. Die Auswirkungen dieses Nebeneinanders auf die Verfahrensgestaltung ist nur in wenigen Fällen (z. B. §§ 231c, 240 Abs. 2 Satz 2; §§ 247, 257) ausdrücklich geregelt; im Übrigen muss aus dem Zweck der jeweils einschlägigen Verfahrensvorschriften erschlossen werden, welche Modifikationen des Verfahrens sich daraus ergeben. Bei Äußerungsbefugnissen kann es genügen, dass mehrere in gleicher Rolle Beteiligte nacheinander zu Wort kommen, wobei die Rei-

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115 Schlüchter 1 ff. 116 Römer FS Schmidt-Leichner 133. 117 Art. 14 Abs. 1 Satz 1 IPBPR stellt die Gleichheit aller Menschen vor Gericht ausdrücklich heraus, bei Art. 6 EMRK folgt sie aus dem Erfordernis eines fairen Verfahrens; s. auch Safferling NStZ 2004 181 ff. 118 Zur Unabweislichkeit rollenspezifischer Differenzierungen vgl. BVerfGE 63 45, 66 f.; BGHSt 18 369, 371; Fischer NStZ 1997 217; Hamm FS Salger 290 f.; Marczak 83; Rieß FS Schäfer 174; Rogall Der Beschuldigte als Beweismittel 111; Roxin/Schünemann § 11, 7. 119 BVerfGE 38 105, 111; EKMR NJW 1963 2247; StV 1981 379; ferner etwa BGHSt 15 155, 159; 24 170; BGH NJW 1984 1907; E. Müller NJW 1976 1063; Rüping ZStW 91 (1979) 359; Schünemann StV 1993 607; Vogler ZStW 82 (1970) 764; 89 (1977) 778; Meyer-Goßner/Schmitt Einl. 88; SK/Rogall Vor § 133, 107.

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henfolge vom Vorsitzenden nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten bestimmt werden kann; es kann aber – wie beim letzten Wort (§ 258 Abs. 2) – auch notwendig sein, einem Angeklagten, der bereits das letzte Wort hatte, nochmals Gelegenheit zu geben, zu sachlich neuen Ausführungen eines Mitangeklagten, die ihn betreffen, Stellung zu nehmen.120 Mehrere in gleicher Eigenschaft Beteiligte sind bei Ausübung ihrer Befugnisse von- 50 einander unabhängig. Sie können widersprechende Erklärungen abgeben und unterschiedliche Anträge stellen. Die Eigenständigkeit der Erklärungen und Anträge besteht allerdings dort nicht, wo mehrere Personen als Vertreter ein und derselben Behörde deren Verfahrensbefugnisse ausüben oder ein Verteidiger eine Erklärung nicht kraft eigenen Rechts als Beistand, sondern als Vertreter des Angeklagten abgibt (vgl. die Erl. zu § 227). Eine Aufteilung der Ausübung der Verfahrensbefugnisse ist zulässig, wenn diese zu 51 einer Verfahrensfunktion gehören, die nicht ihrer Natur nach an eine bestimmte Person als solche gebunden ist. Mehrere Staatsanwälte oder mehrere Verteidiger eines Angeklagten können sich ihre Aufgaben teilen.121 Personengebundene Verfahrensbefugnisse, wie sie beispielsweise beim Angeklagten oder Einziehungsbeteiligten bestehen, müssen – sofern nicht eine Vertretung (§§ 234, 234a) zulässig ist – von dem jeweiligen Verfahrensbeteiligten selbst ausgeübt werden; ein anwesender Angeklagter kann sich dabei jedoch seines Verteidigers (als Vertreter in der Erklärung) bedienen. Soweit es um seine eigenen Verfahrensbefugnisse geht, bleibt der Wille des Angeklagten entscheidend. Der Verteidiger ist hieran gebunden. Frei ist er dagegen, wenn er eigene Verteidigerbefugnisse ausübt; insoweit sind unterschiedliche Erklärungen möglich und verfahrensrechtlich beachtlich (wegen Einzelheiten vgl. Vor § 137 und bei §§ 234, 234a). Abgesehen von der Staatsanwaltschaft, die auch zu Gunsten des Angeklagten tätig 52 werden muss,122 können die anderen Prozesssubjekte ihre Verfahrensbefugnisse immer nur zur Wahrnehmung eigener Verfahrensinteressen ausüben. Wo ein Betroffensein in den eigenen Verfahrensinteressen auszuschließen ist, haben sie trotz der Einheit der Hauptverhandlung keine Einwirkungsmöglichkeit auf den betreffenden Verfahrensvorgang.123 Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass der Inbegriff der gesamten Hauptverhandlung zur einheitlichen Entscheidungsgrundlage wird und umgekehrt daher jeder auch diesen Inbegriff für die eigene Interessenvertretung nutzen kann. Das Betroffensein in den eigenen Interessen ist deshalb weit auszulegen, um im Interesse einer auch für unvorhergesehene Argumente offenen Verhandlungsführung keinem Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit zu verbauen, einen Bezug zwischen der eigenen Sache und einem ihn dem ersten Anschein nach nicht berührenden Verfahrensvorgang herzustellen. Wer aber einen solchen Sachbezug nicht aufzeigen kann, hat auch keine Befugnis, auf den ihn nicht berührenden Verfahrensvorgang einzuwirken.124 4. Die Teilnehmer der Hauptverhandlung a) Richter (s. auch Einl. J 6 ff., zum Verhältnis zwischen dem Vorsitzenden und den 53 übrigen Richtern sowie zur Möglichkeit, gegen Anordnungen des Vorsitzenden das Ge-

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120 Gollwitzer FS Sarstedt 18, 25. 121 Wegen Einzelheiten vgl. bei § 227. Zum Verhältnis zwischen Staatsanwalt und Nebenkläger vgl. bei § 397; ferner Gollwitzer FS Schäfer 66, 72. 122 Kelker ZStW 118 (2006) 395; einschränkend Marx GA 1978 365; vgl. Einl. J 39 ff. und Vor § 141 GVG. 123 Vgl. die Erl. zu § 231c; Gollwitzer FS Sarstedt 17 ff., 22; ders. FS Schäfer 67. 124 Gollwitzer FS Sarstedt 22.

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richt anzurufen s. die Erl. zu § 238). Die Berufs- und Laienrichter125 des Gerichts, dessen Zusammensetzung sich nach den Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes bestimmt, haben in der Hauptverhandlung als Beisitzer grundsätzlich die gleichen Befugnisse. Der Vorsitzende nimmt eine Doppelstellung ein: Soweit er die Verhandlung leitet und die sonst ihm übertragenen Rechte ausübt (z.B. § 228 Abs. 1 Satz 2, § 231 Abs. 1 Satz 2), die Sitzungspolizei wahrnimmt (§ 176 GVG) und die Vorgänge in der Verhandlung beurkundet (§ 271), wird er kraft eigenen Rechts tätig. Im Übrigen handelt er für das Gericht; insoweit bereitet er nur dessen Entscheidungen vor, auch wenn er selbständig tätig wird, denn die Verantwortung für Sachaufklärung und Urteilsfindung obliegt letztlich dem gesamten Gericht.126 54

b) Urkundsbeamter (vgl. dazu Einl. J 38 sowie die Erl. zu §§ 226, 271 ff. und bei § 153 GVG). Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat als eigenverantwortliche Urkundsperson gemeinsam mit dem Vorsitzenden dafür zu sorgen, dass die Vorgänge in der Hauptverhandlung dem Gesetz entsprechend in der Sitzungsniederschrift festgehalten werden.

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c) Anklagevertreter (s. ausführlich hierzu Einl. J 39 ff., Vor § 213 sowie Vor § 141 GVG). Aufgrund des umfassenden Amtsaufklärungsgrundsatzes hat die Staatsanwaltschaft im Rahmen der Hauptverhandlung formal keine prozesstragende Rolle inne, was sich auch daran zeigt, dass dem Vorsitzenden nach § 238 Abs. 1 die Prozessleitung zusteht, während Staatsanwaltschaft und Angeklagter sowie dessen Verteidiger lediglich das Fragerecht gemäß § 240 Abs. 2 zukommt. Aufgrund der aus dem Ermittlungsverfahren stammenden umfassenden Kenntnis des Verfahrens kann ihr allerdings rein faktisch eine substantiell ähnlich starke Position wie dem Gericht erwachsen. In der Hauptverhandlung muss sie ununterbrochen anwesend sein; gemäß § 33 ist ihr stets Gelegenheit zur Äußerung zu geben.127 Die Bindung der Staatsanwaltschaft an Wahrheit und Objektivität auch in der Hauptverhandlung ergibt sich mittelbar aus der inquisitorischen Ausgestaltung des Hauptverfahrens sowie aus der Befugnis, auch zugunsten des Angeklagten Rechtsmittel einlegen zu können (§ 296 Abs. 2).128

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d) Nebenkläger (s. auch bei § 397). Der Nebenkläger ist nicht zur Wahrung des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung berufen, er nimmt, wie der Privatkläger, nur sein persönliches Interesse auf Genugtuung wahr; dabei ist er an Anträge und Erklärungen der Staatsanwaltschaft nicht gebunden.129 Er ist in der Wahrnehmung seiner Prozessbefugnisse selbständig und kann insbesondere auch von der Staatsanwaltschaft abweichende Anträge stellen. Soweit er es unterlässt, seine Rechte auf Teilnahme am Verfahren auszuüben, nimmt dieses ohne Rücksicht auf ihn seinen Fortgang (§ 398 Abs. 1). Sein Recht, selbst oder durch einen mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragten bzw. als Beistand bestellten (§ 397a) Anwalt130 auf den Verfahrensgang einzuwirken, ist auf die Wahrnehmung der von ihm verfolgten Verfahrensinteressen be-

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125 Dazu etwa Jescheck FS Schultz 229; Schild ZStW 94 (1982) 37; Volk FS Dünnebier 373, 382; Dölling FS Böttcher 41; Löhr 185 ff. 126 So schon RGSt 3 46; 19 354, 355; 44 65; vgl. bei § 238, 16, 32 f. 127 Zu dem Erfordernis der ständigen Anwesenheit, zur Möglichkeit, die Befugnisse aufzuteilen oder mit der Wahrnehmung der Anklagevertretung Referendare oder örtliche Sitzungsvertreter zu betrauen, vgl. § 226, 6 ff. sowie die Erl. zu §§ 227, 258. 128 Kelker ZStW 118 (2006) 395. 129 BGHSt 28 272, 273. 130 Vgl. etwa Fabricius NStZ 1994 257 ff.; weit. Nachw. bei §§ 397, 397a.

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schränkt. Auch wenn er – anders als beim Privatkläger zulässig – als Zeuge vernommen werden soll, ist er von Anbeginn der Hauptverhandlung an zur Anwesenheit berechtigt; lediglich aus Gründen des Beweiswertes seiner Aussage kann es angezeigt sein, dass er bis zu seiner zeugenschaftlichen Vernehmung auf sein Anwesenheitsrecht verzichtet (vgl. § 243, 22). Die Rechte des Nebenklägers in der Hauptverhandlung zählt § 397 Abs. 1 Satz 3 auf: er kann Richter sowie Sachverständige ablehnen (§§ 24, 31, 74), Beweisanträge stellen (§ 244 Abs. 3 bis 6), Fragen an den Angeklagten, die Zeugen und die Sachverständigen richten (§ 240 Abs. 2), eine auf die Sachleitung bezogene Anordnung des Vorsitzenden oder die Zulässigkeit einer Frage beanstanden (§ 238 Abs. 2, § 242), Erklärungen zu den Beweismitteln abgeben (§ 257 Abs. 2), einen Schlussvortrag halten (§ 258 Abs. 1) und auf die Ausführungen des Angeklagten erwidern (§ 258 Abs. 2), wenn auch seinem Recht auf Erwiderung verfahrensrechtlich nicht dasselbe Gewicht wie dem letzten Wort des Angeklagten zukommt.131 e) Der Angeklagte, für den die Unschuldsvermutung gilt (vgl. Einl. J 74 ff.), ist nicht 57 lediglich das Objekt des gegen ihn betriebenen Strafverfahrens. Er hat das Recht, sich zu verteidigen oder verteidigen zu lassen und auf den Gang des Verfahrens durch eigene Stellungnahmen, Fragen und Anträge einzuwirken. Eine über die Pflicht zur Duldung des Verfahrens hinausreichende Pflicht zu dessen aktiver Förderung trifft ihn nicht; allerdings legt die Rechtsprechung dem verteidigten Angeklagten verschiedentlich Rügeobliegenheiten auf, so dass er im Falle rein passiven Prozessverhaltens in der Revisionsinstanz mit Einwendungen präkludiert sein kann (s. Rn. 74). Seine verfassungsrechtlich gesicherte (Art. 1 Abs. 2, Art. 2, Art. 103 Abs. 1 GG) Stellung als Prozesssubjekt hat der Gesetzgeber im nachfolgenden Abschnitt für die Hauptverhandlung näher geregelt. Für das Verhältnis der Befugnisse mehrerer Mitangeklagter zueinander ist ent- 58 scheidend, dass die Hauptverhandlung gegen alle eine Einheit bildet, deren gesamter Inbegriff für die Urteilsfindung verwertbar ist; dies ist zu berücksichtigen, wenn geprüft wird, ob ein Verfahrensvorgang einen Mitangeklagten betrifft (s. Rn. 52). Aus der Einheit der Hauptverhandlung erwachsen dem Angeklagten keine Einwirkungsbefugnisse auf die Teile der Hauptverhandlung, die ausschließlich Mitangeklagte betreffen und bei denen ausgeschlossen werden kann, dass durch sie seine eigenen Verfahrensinteressen in irgendeiner Weise berührt werden. Nur insoweit ist auch Raum für die Beurlaubung nach § 231c. f) Beteiligte mit Angeklagtenbefugnissen. Die Einziehungsbeteiligten (§ 424) und 59 Nebenbetroffenen (§ 438) haben – begrenzt auf den Umfang ihrer Beteiligung – in der Hauptverhandlung ebenfalls die Befugnisse des Angeklagten (§ 427 Abs. 1; zu ihrer anwaltlichen Vertretung s. § 428). Angeklagtenbefugnisse haben ferner die Vertreter einer juristischen Person oder Personenvereinigung nach § 444 (wegen Einzelheiten siehe die dortigen Erl.). g) Verteidiger (wegen der Einzelheiten s. Einl. J 101 ff. sowie die Erl. zu den §§ 137 60 bis 149, 227 und 234). Der Verteidiger ist Prozesssubjekt mit eigenen, nicht vom Angeklagten hergeleiteten Verfahrensbefugnissen.132 Wenn er Vertretungsvollmacht hat, ver-

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131 BGHSt 28 272, 274; BGH NJW 2001 3137 m.w.N. (ein Beruhen im konkreten Fall verneinend); KK/Ott § 258, 13; KK/Senge § 397, 5; Meyer-Goßner/Schmitt § 397, 5; vgl. zur Verfahrensstellung auch die rechtsempirische Untersuchung von Niedling 83 ff., 173 ff. 132 KK/Fischer Einl. 244; Peters 103; Roxin/Schünemann § 19, 7; vgl. auch Einl. J 106; a.A. Eb. Schmidt I 73: Prozesssubjektsgehilfe.

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tritt er den Angeklagten hinsichtlich aller Anträge und Verfahrenserklärungen (vgl. § 234, 13). Hinsichtlich der Einlassung zur Sache ist er – ohne dass ein Fall der Vertretung vorliegt133 – befugt, dem Gericht die Einlassung seines Mandanten zu übermitteln (sog. Übermittlungslösung).134 Ebenfalls als Sacheinlassung anzusehen ist das Erklärungsrecht des Angeklagten nach § 257 Abs. 1, so dass der vertretungsberechtigte Verteidiger dem Gericht auch insoweit eine Erklärung des Angeklagten übermitteln darf. Lediglich beim letzten Wort (§ 258 Abs. 2 Halbsatz 2, Abs. 3) ist ein Vertretungsrecht, da es sich hier um ein höchstpersönliches Recht des Angeklagten handelt, zu verneinen (wegen der Einzelheiten vgl. § 234, 14 ff.).135 Derart übermittelte Einlassungen und Erklärungen gehören zum Inbegriff der Hauptverhandlung (§ 261) und müssen vom Gericht bei der Urteilsfindung beachtet werden. Darüber hinaus ist dem Verteidiger nach § 243 Abs. 5 Satz 3 in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landund Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, auf seinen Antrag hin Gelegenheit zu geben, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben (wegen der Einzelheiten vgl. § 243, 92 ff.). 61

h) Beistand (vgl. bei § 149). Deutlich beschränkter in seinen Befugnissen ist der Beistand eines Angeklagten, dem § 149, anders als die §§ 67, 69 JGG, nur geringe Beratungsund Mitwirkungsmöglichkeiten eröffnet. Der Beistand ist immer zu hören, wenn der Angeklagte ein Äußerungsrecht hat, ist aber nicht Vertreter und kann keine prozessualen Rechte wahrnehmen und keine Rechtsmittel einlegen. Zeit und Ort der Hauptverhandlung sollen ihm, ohne dass eine förmliche Ladung erforderlich ist, rechtzeitig mitgeteilt werden; seine Anwesenheit kann aus Gründen des § 247 Satz 1 eingeschränkt werden.136

i) Zeugen und Sachverständige (s. hierzu auch Einl. J 125 ff. sowie die Erl. zu §§ 48 ff. und §§ 72 ff.). Diese sind keine Prozesssubjekte in dem Sinn, dass sie Verfahrensbefugnisse hinsichtlich des Ziels der Hauptverhandlung beanspruchen könnten. Ihre aktive Teilnahme am Prozessgeschehen und ihre Befugnisse beschränken sich auf die Fragen, die ihre eigene Zuziehung als Auskunftsperson betreffen. Ungeachtet seiner prozessualen Funktion als Beweismittel darf der Zeuge jedoch nicht zum bloßen Objekt des Verfahrens gemacht werden.137 Tatverdächtige nehmen, wenn sie als Zeugen zur Hauptverhandlung zugezogen 63 werden, keine über die §§ 55, 60 Nr. 2 hinausreichende Sonderstellung ein. Sie erlangen nach herrschender Rechtsprechung nicht die Stellung einer aus der Zeugenrolle herausgenommenen Auskunftsperson sui generis.138 Ist der Tatverdächtige Mitangeklagter der gleichen Hauptverhandlung, so kann er nach herrschender Meinung nicht Zeuge sein; strittig ist, ob entgegen der formell auf die prozessuale Gemeinsamkeit im Zeitpunkt der 62

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133 So aber die herrschende Vertretungslösung: BayObLGSt 1970 228, 230 f.; 1974 35 f.; 1982 156; 1995 202; OLG Frankfurt bei Göhler NStZ 1994 74; OLG Hamm JR 1980 82 m. abl. Anm. Fezer; 1985 343, 344; Beulke FS Strauda 89 f.; Dencker FS Fezer 134; Meyer-Mews JR 2003 362; Olk JZ 2006 205; G. Schäfer FS Dahs 451; AK/Keller § 234, 4; KK/Gmel § 234, 5; Meyer-Goßner/Schmitt § 234, 10; Eb. Schmidt 4. 134 Eisenberg/Pincus JZ 2003 402 f.; Geppert FS Rudolphi 656 f. 135 BGH bei Holtz MDR 1978 460; BayObLG VRS 61 (1981) 128; KK/Ott § 258, 14; Meyer-Goßner/Schmitt § 258, 20. 136 BGHSt 44 82; 47 62, 66; OLG Düsseldorf NJW 1997 2553; Roxin/Schünemann § 19, 80; Meyer-Goßner/ Schmitt § 149, 3; KK/Laufhütte/Willnow § 149, 6. 137 BVerfGE 27 1, 6; 38 105, 114 f. 138 Bringewat JZ 1981 289; Grünwald FS Klug Bd II 493; Prittwitz NStZ 1981 463; ders. NStZ 1986 64; ferner die Erl. Vor § 48, 35.

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Aussage abstellenden Rechtsprechung139 die Zeugeneigenschaft auch entfällt, wenn der Mitbeschuldigte in einem getrennten Verfahren verfolgt wird (formell/materiell-rechtliche Betrachtungsweise), eventuell schon dann, wenn die Auskunftsperson nach der materiellen Rechtslage als Mitbeschuldigter zu betrachten ist.140 Wegen der Einzelheiten und der Probleme der sog. Rollenvertauschung vgl. Vor § 48, 35 f. j) Verletzter (s. dazu näher Einl. J 111 ff. sowie bei §§ 374 ff. und §§ 395 ff.). Der Ver- 64 letzte im weit verstandenen Sinn als derjenige, der durch die abzuurteilende Tat beeinträchtigt worden ist, ist in dieser Eigenschaft kein Verfahrensbeteiligter.141 Ein Recht auf Teilnahme an der Hauptverhandlung erwächst ihm nur dann, wenn er berechtigt ist, sich dem Verfahren als Nebenkläger (§§ 395 ff.) anzuschließen (§ 406h Abs. 1 Satz 2) oder wenn er das Privatklageverfahren (§§ 374 ff.) beschreitet (§ 378 Satz 1). In beiden Fällen kann er sich des Beistands eines Rechtsanwalts bedienen, der – anders als der Zeugenbeistand (§ 406f) – an der ganzen Hauptverhandlung teilnehmen darf (§ 378 Satz 1 bzw. § 406h Abs. 2 Satz 1). Privat- und Nebenkläger können für die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes Prozesskostenhilfe erhalten (§ 379 Abs. 3 bzw. § 397a Abs. 2), dem Nebenkläger kann zudem – unabhängig von den wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe – in den in § 397a Abs. 1 genannten Fällen ein Rechtsanwalt bestellt werden. Als Nebenkläger kann der Verletzte in der Hauptverhandlung als Zeuge auftreten, was dem Privatkläger aufgrund seiner Stellung versagt ist.142 Ferner kann der Verletzte, auch ohne Nebenkläger oder Privatkläger zu sein, zur 65 Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche im Adhäsionsverfahren (§§ 403 ff.) an der Hauptverhandlung mit eigenen, auf die Wahrnehmung der jeweiligen Verfahrensinteressen beschränkten Befugnissen teilnehmen (vgl. die Erl. zu §§ 403 ff.). Die Zulässigkeit von Grund- und Teilurteilen (§ 406 Abs. 1 Satz 2), Feststellungsurteilen143 sowie nunmehr auch Anerkenntnisurteilen (§ 406 Abs. 2) und Vergleichen (§ 405)144 lassen allerdings die – für den Angeklagten wie Verletzten gleichermaßen bestehende – Gefahr unverändert bestehen, dass die zivilrechtlichen Fragen nicht mit derselben Gründlichkeit wie in einem Zivilprozess behandelt werden.145 Ganz gleich, in welcher Funktion der Verletzte an der Hauptverhandlung teilnimmt, 66 bedarf er der besonderen Rücksichtnahme, damit der Schaden, den er durch die Straftat erlitten hat, nicht durch das Verfahren zu ihrer Ahndung noch vertieft wird. Auch im Rahmen der vorrangigen Verpflichtung zur Wahrheitsermittlung sind Opferzeugen davor zu schützen, zum bloßen Objekt eines Verfahrens gemacht zu werden.146 Insbesondere

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139 BGHSt 3 149, 151 f.; 10 8, 11; BGH NJW 1985 76; ebenso KK/Senge vor § 48, 7; Meyer-Goßner/Schmitt Vor § 48, 21. 140 Dünnebier JR 1975 1 ff.; Montenbruck ZStW 89 (1977) 878; von Gerlach JR 1969 149; Lenckner FS Peters 333; Müller-Dietz ZStW 93 (1981) 1227; Roxin/Schünemann § 26, 5. 141 Zur Stellung des Verletzten vgl. Geerds JZ 1984 786; Granderath MDR 1983 797; ders. NStZ 1984 399; Jung ZStW 93 (1981) 1147; ders. JR 1984 309; Schöch NStZ 1984 385; Werner NStZ 1984 401; sowie umfassend Rieß Die Rechtsstellung des Verletzten im Strafverfahren, Gutachten für den 55. DJT (1984); Höynck Das Opfer zwischen Parteirechten und Zeugenpflichten (2005); Schroth Die Rechte des Opfers im Strafprozess (2005). 142 BayObLG MDR 1953 377; NJW 1961 2318; KK/Senge § 384, 2; Meyer-Goßner/Schmitt Vor § 374, 6; a.A. Gössel 205; Lorenz JR 1950 106. 143 BGHSt 47 378 m. zust. Anm. Groß JR 2003 257; vgl. auch Loos GA 2006 209. 144 Der Streit über die Zulässigkeit von Anerkenntnisurteilen und Vergleichen wurde durch das Opferrechtsreformgesetz beseitigt; BGHSt 37 263, 264 hatte die Zulässigkeit von Anerkenntnisurteilen noch abgelehnt und die Zulässigkeit von Vergleichen offengelassen. 145 Meyer-Goßner/Schmitt Vor § 403, 3; Krey/Wilhelmi FS Otto 933; Volckart JR 2005 185. 146 BVerfGE 38 105, 114 f.; BGHSt 50 40, 55.

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bei der Entscheidung über den Umfang einer Beweisaufnahme ist auf die Achtung ihrer menschlichen Würde Bedacht zu nehmen. Beweiserhebungen zum Privat- und Intimleben sind nur nach sorgfältiger Prüfung ihrer Unerlässlichkeit statthaft. Vor einem Verteidigungsverhalten des Angeklagten, das durch rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze nicht gedeckt ist, ist das Opfer zu schützen; dem Gericht obliegt hier eine besondere Schutz- und Fürsorgepflicht.147 Der besonderen Schutzwürdigkeit von Opferzeugen hat der Gesetzgeber nun auch dadurch Rechnung getragen, dass den Ermittlungsbehörden und Gerichten mit der im Rahmen des 3. Opferrechtsreformgesetzes neu eingefügten Vorschrift des § 48 Abs. 3 die Pflicht auferlegt worden ist, die Schutzbedürftigkeit dieser Zeugen insbesondere mit Blick auf die möglichen Verfahrensgestaltungen und rechtlichen Regelungen der §§ 168e, 247a, 68a Abs. 1 sowie des § 171b GVG zu prüfen.148 Zudem besteht für den Opferzeugen die Möglichkeit, zum Zwecke der emotionalen und psychologischen Unterstützung einen psychosozialen Prozessbegleiter in Anspruch zu nehmen (s. Rn. 67a). Andererseits ist schon im Interesse der Wahrheitsfindung dafür Sorge zu tragen, dass legitime Verteidigungsinteressen des Angeklagten einschließlich seines Konfrontationsrechtes nicht in Folge eines weitgehenden, durch „vorsichtige“ Beweiswürdigung nur unzureichend kompensierbaren Opferschutzes Schaden nehmen; die für den Angeklagten streitende Unschuldsvermutung und dessen Recht auf eine effektive Verteidigung stellen ein Gegengewicht gegenüber der Fürsorgepflicht in Bezug auf das – mutmaßliche – Opfer dar.149 67

k) Zeugenbeistand/Psychosozialer Prozessbegleiter (vgl. Vor § 48, 25 sowie bei § 68b und §§ 406f bis 406h). Aus dem auch gegenüber einem Zeugen bestehenden Gebot fairer Verfahrensgestaltung ergibt sich dessen Recht, zu allen Vernehmungen – auch in der Hauptverhandlung – einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen, insbesondere zur sachgemäßen Ausübung von Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechten (§ 68b Abs. 1 Satz 1 und 2); die Verfahrensbefugnisse des Anwalts sind auf die Befugnisse des von ihm unterstützten Zeugen beschränkt; eine Aussagevertretung ist nicht zulässig.150 Soweit ein Zeuge zugleich Verletzter ist, ergeben sich die Befugnisse seines Rechtsbeistandes aus §§ 406f, 406h. 67a Darüber hinaus besteht für den Verletzten die Möglichkeit, sich des Beistands eines psychosozialen Prozessbegleiters zu bedienen (§ 406g).151 Im Gegensatz zur rechtlichen Vertretung durch einen Zeugenbeistand oder Nebenklägervertreter kommt dem psychosozialen Prozessbegleiter die nicht rechtlich geprägte Aufgabe der emotionalen und psychologischen Unterstützung des Verletzten zu.152 Er soll Belastungen und Ängste des Verletzten im Zusammenhang mit dem Strafverfahren abbauen und eine Sekundär-

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147 EuGH EuZW 2005 433, 436; BGHSt 48 372; BGH NJW 2005 1591; 2005 2791; NStZ-RR 2009 247; Jung ZStW 93 (1981) 1153, 1173; allgemein zum Opferschutz vgl. etwa Kilchling NStZ 2002 57 ff.; Kühne Opferrechte im Strafprozeß: Ein europäischer Vergleich (1988); Schneider JZ 2002 231; Schroth Die Rechte des Opfers im Strafprozess (2005); zum Opferrechtsreformgesetz 2004 Ferber NJW 2004 2562 ff.; ferner die Erl. Vor § 406d m.w.N. 148 Hierbei dürfte es sich um einen Akt symbolischer Gesetzgebung mit lediglich klarstellender Wirkung handeln, da die nunmehr kodifizierten Pflichten bereits vorher zu beachten waren (so auch LR/Ignor/Bertheau, § 48, 22; Meyer-Goßner/Schmitt 12; Burhoff ZAP Fach 22 862; Ferber NJW 2016 279). 149 Vgl. Fischer JZ 1998 820; Schädler StraFo 2008 234; Schünemann StV 1998 391; Walther JZ 2004 1107. 150 BVerfGE 38 105, 116; BGH bei Miebach NStZ 1990 25; Hammerstein NStZ 1981 125; Thomas NStZ 1982 489; Wagner DRiZ 1983 21. Ein Ausschluss des Zeugenbeistandes ist mangels gesetzlicher Grundlage nicht zulässig, BVerfG NStZ 2000 434. 151 Näher hierzu Lyndian StraFo 2018 6; Wenske JR 2017 457. 152 BTDrucks. 18 4621 S. 19, 29 f.

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viktimisierung vermeiden.153 Hierzu ist es ihm nach § 406g Abs. 1 Satz 2 gestattet, bei Vernehmungen des Verletzten und während der Hauptverhandlung gemeinsam mit diesem anwesend zu sein (zu Ausnahmen s. § 406g Abs. 4). Ferner soll er den Verletzten umfangreich über den Ablauf des Verfahrens informieren und ihm bei organisatorischen Fragen behilflich sein.154 Im Übrigen ist die psychosoziale Prozessbegleitung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 PsychPbG von Neutralität gegenüber dem Strafverfahren und der Trennung von Beratung und Begleitung geprägt. Sie umfasst weder die rechtliche Beratung noch die Aufklärung des Sachverhalts und darf nicht zu einer Beeinflussung des Zeugen oder einer Beeinträchtigung der Zeugenaussage führen (§ 2 Abs. 2 Satz 2 PsychPbG).155 Daher steht dem psychosozialen Prozessbegleiter auch kein Zeugnisverweigerungsrecht zu, worüber der Verletzte nach § 2 Abs. 2 Satz 3 PsychPbG zu Beginn der Prozessbegleitung zu informieren ist. Unter den in § 406g Abs. 3 genannten Voraussetzungen ist dem Verletzten auf seinen Antrag hin ein psychosozialer Prozessbegleiter beizuordnen. l) Gerichtshilfe (wegen der Einzelheiten s. bei § 160). Die Gerichtshilfe ist ein un- 68 selbständiges Ermittlungsorgan zur Unterstützung der Staatsanwaltschaft und des Gerichts bei der Sachverhaltsaufklärung im Bereich der persönlichen Verhältnisse und des sozialen Umfelds des Angeklagten (vgl. § 160 Abs. 3 Satz 2, § 463d); eigene Verfahrensbefugnisse in der Hauptverhandlung hat sie nicht, ihr Vertreter hat weder Frage- noch Antragsbefugnisse.156 Mangels eines eigenen – § 50 Abs. 3 Satz 2 JGG entsprechenden – Äußerungsrechts in der Hauptverhandlung ist es im Strengbeweisverfahren nicht zulässig, den Gerichtshelfer „formlos“ anzuhören. Gebietet es die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2), den Gerichtshilfebericht in die Hauptverhandlung einzuführen und kann dies nicht im Wege des Vorhalts an den Angeklagten oder an Zeugen aus seinem sozialen Umfeld geschehen, kann der Gerichtshelfer – ebenso wie ein Bewährungshelfer – als (sachverständiger) Zeuge, ausnahmsweise auch als Sachverständiger, persönlich vernommen werden. Er kann dabei auf den von ihm verfassten schriftlichen Bericht zurückgreifen. Aus dem Aufgabenbereich und der rechtlichen Stellung der Gerichtshilfe im Strafverfahren ergibt sich die Möglichkeit der Einführung von Gerichtshilfeberichten im Wege des Urkundenbeweises unter den Voraussetzungen des § 251 Abs. 1,157 nicht aber deren Verlesung nach § 256.158 m) Dem Vertreter der Jugendgerichtshilfe (§§ 38, 50 Abs. 3 JGG) ist dagegen in Ver- 69 fahren gegen Jugendliche und Heranwachsende (§ 109 Abs. 1 JGG) auch vor Erwachsenengerichten auf Verlangen das Wort zu erteilen (§ 50 Abs. 3 Satz 2 JGG).159 Das Recht, Fragen oder Beweisanträge zu stellen, hat er aber ebenfalls nicht. Der Beitrag der Jugendgerichtshilfe soll es ermöglichen, ein möglichst vollständiges Bild von der Persönlichkeit, der Entwicklung und der Umwelt des Angeklagten zu erlangen (§ 38 Abs. 2 JGG). Dies hat nicht nur für die Frage Bedeutung, ob gegen den Angeklagten Jugend- oder Er-

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153 BTDrucks. 18 4621 S. 19, 29 f. 154 Lyndian StraFo 2018 10. 155 Kritisch hierzu Graf/Weiner 28 f.; Neuhaus StV 2017 60 ff.; Roxin/Schünemann § 65, 18a. 156 Hörster JZ 1982 92 (kein Prozesssubjekt); Rahn NJW 1976 838; Rüping 201; Sonntag NJW 1976 1436; Stöckel FS Bruns 301 f. 157 Vgl. KK/Fischer Einl. 297; Meyer-Goßner/Schmitt § 160, 26. 158 Rüping 201, Schöch FS Leferenz 140; Sonntag NJW 1976 1437; vgl. Bottke MSchKrim 1981 72 f.; offenlassend BGH NStZ 2008 709 (§ 256 Abs. 1 Nr. 1 Bst. a oder Nr. 5); weit. Nachw. bei § 160, 101. 159 Zur Stellung der Jugendgerichtshilfe vgl. z.B. Eisenberg JGG § 38, 23 ff., § 50, 33 ff.; Schaffstein FS Dünnebier 673; ferner BGH MDR 1984 682; StV 1993 536.

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wachsenenstrafrecht anzuwenden ist. Der Vertreter der Jugendgerichtshilfe hat darüber hinaus zum persönlichen Umfeld des Angeklagten gewonnene Tatsachen vorzutragen, die auch bei der Anwendung von Erwachsenenstrafrecht für die Strafzumessung von Bedeutung sind. Werden die Vorschriften über die Beiziehung der Jugendgerichtshilfe nicht beachtet, wird dies regelmäßig die Revision begründen, wenn nicht in Ausnahmefällen160 auszuschließen ist, dass das Urteil auch nicht im Rechtsfolgenausspruch darauf beruhen kann.161 Unter Umständen kann in der fehlenden Beiziehung auch eine Verletzung der Aufklärungspflicht liegen.162 Wird statt der Jugendgerichthilfe (versehentlich) die Gerichtshilfe benachrichtigt und dieser Fehler nicht im Laufe der Hauptverhandlung behoben, führt dies zu keiner anderen Beurteilung, da die regelmäßig der Staatsanwaltschaft angeschlossene Gerichtshilfe (Ermittlungshilfe) eine andere Aufgabe hat als die Jugendgerichtshilfe (Sozialhilfe).163 70

n) Die Vertreter beteiligter Behörden haben nach Maßgabe der jeweiligen spezialgesetzlichen Regelung im Verfahren wegen bestimmter Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten das Recht zur Teilnahme an der Hauptverhandlung. In Steuerstrafsachen ist dem Vertreter des Finanzamts nach § 407 AO Gelegenheit zur Äußerung zu geben, ihm ist auf Verlangen das Wort zu erteilen; er ist auch berechtigt, Fragen an Angeklagte, Zeugen und Sachverständige zu stellen (§ 407 Abs. 1 Satz 5 AO). Ein eigenes Beweisantragsrecht hat er nicht. Dass dem Vertreter der Verwaltungsbehörde das Wort zu erteilen ist, sehen auch § 83 Abs. 1, § 76 Abs. 1 Satz 4 OWiG, § 13 Abs. 2 WiStG i.V.m. § 76 Abs. 1 Satz 4 OWiG und § 22 Abs. 2 AWG i.V.m. § 76 Abs. 1 Satz 4 OWiG vor.

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o) Dolmetscher (vgl. bei § 259, §§ 185 bis 191 GVG sowie Art. 6 EMRK).164 Die Hauptverhandlung wird in deutscher Sprache geführt (§ 184 GVG), so dass, wenn nicht alle Beteiligten dieser mächtig sind, ein Dolmetscher hinzuziehen ist (§ 185 GVG). Die Nichtzuziehung eines Dolmetschers ist ein absoluter Revisionsgrund (§ 338 Nr. 5), dessen unzureichender Einsatz oder dessen Nichtvereidigung sind relative Revisionsgründe, auf denen das Urteil i.d.R. beruhen wird;165 ein Anspruch auf dessen unentgeltliche Beiziehung ergibt sich aus Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK. Ferner wurde mit dem am 6.7.2013 in Kraft getretenen Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren in Umsetzung der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.10.2010 insbesondere die Heranziehung eines Dolmetschers nach § 187 Abs. 1 GVG neu geregelt und um die Pflicht zur schriftlichen Übersetzung verfahrensrelevanter Dokumente erweitert (§ 187 Abs. 2 GVG).166 Gemäß § 397 Abs. 3 findet die Vorschrift des § 187 Abs. 2 GVG auch auf den Nebenkläger Anwendung; nach § 187 Abs. 4 GVG gilt dessen Absatz 1 auch für den gemäß § 395 Nebenklagebefugten.

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160 Vgl. BGH Beschl. v. 15.6.1999 – 1 StR 271/99. 161 BGHSt 27 250, 251; BGH StV 1982 27; 1982 336 m. Anm. Gatzweiler; 1985 153; BGHR JGG § 50 Abs. 3 Heranziehung 1; BayObLGSt 1994 169; OLG Köln NStZ 1986 569, 570 f. 162 BGH MDR 1977 1029 f.; StraFo 2003 379; BayObLGSt 1994 169; weit. Nachw. s. bei § 244. 163 BGH NStZ-RR 2001 27; KK/Griesbaum § 160, 33. 164 Umfassend Lankisch Der Dolmetscher in der Hauptverhandlung (2004); vgl. ferner KK/Fischer Einl. 318 ff. 165 BVerfGE 64 135, 149; bei teilweiser Sprachkompetenz ist dem Gericht ein Ermessen eröffnet, BGHSt 3 285; kritisch hierzu Lankisch 78 ff.; bei Verteidigungsfähigkeit des Angeklagten in deutscher Sprache ist die Abwesenheit eines Dolmetschers unschädlich, BGH NStZ 2002 275. 166 Näher hierzu Christl NStZ 2014 376.

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V. Heilung von Verfahrensmängeln 1. Aufgabe des Gerichts. Die Heilung von Verfahrensmängeln ist bis zum Abschluss 72 der Urteilsverkündung zulässig und meist auch möglich.167 Es ist die Pflicht des Gerichts,168 alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um erkannte Verfahrensfehler ressourcenschonend noch in der Hauptverhandlung ausdrücklich zu beheben, damit jeder Einfluss des Fehlers auf das Urteil für alle Verfahrensbeteiligten ersichtlich eindeutig ausgeschaltet wird. Dies ist auch ein Gebot der Prozessökonomie und der Verfahrensbeschleunigung.169 Das Gericht darf einen erkannten Rechtsfehler nicht etwa deshalb unbereinigt lassen, weil es der Ansicht ist, das Urteil werde von ihm ohnehin nicht beeinflusst; ob das Urteil auf einem nicht geheilten Fehler beruht, beurteilt letztlich nur das Revisionsgericht.170 Unerheblich ist dabei, ob ein Verfahrensvorgang bereits im Zeitpunkt seiner Vornahme fehlerhaft war oder ob er dies erst nachträglich wurde, weil der Fortgang des Verfahrens seine Grundlagen beseitigte, etwa weil er zu einer Änderung in der Beurteilung der maßgebenden Tatsachen führte.171 Ob im konkreten Fall ein Verfahrensfehler geheilt werden kann und welche Maßnahmen des Gerichts dazu erforderlich sind, hängt vom Verfahrensstand und der Art des Fehlers ab.172 In Frage kommen vor allem die Rücknahme einer fehlerhaften Entscheidung, die Nachholung einer zu Unrecht unterlassenen Verfahrenshandlung oder die fehlerfreie Wiederholung eines fehlerhaften Verfahrensvorgangs.173 Im Falle der Mitwirkung eines befangenen Richters ergibt sich die Notwendigkeit einer Wiederholung – sofern möglich – aus dem Gesetz (§ 29 Abs. 2 Satz 2). Soll die Wirkung eines fehlerhaften Verfahrensvorgangs beseitigt werden, hinsichtlich dessen eine fehlerfreie Wiederholung nicht möglich ist, kann auch ein ausdrücklicher Hinweis des Vorsitzenden auf dessen Nichtberücksichtigung bei der Urteilsfindung zur Heilung ausreichen.174 Der Schutz- und Regelungszweck der verletzten Vorschrift muss nachträglich so 73 verwirklicht werden, dass durch den Verfahrensfehler kein nennenswerter Nachteil mehr zurückbleibt.175 „Wohlerworbene Rechte“ der Verfahrensbeteiligten stehen der Heilung nicht entgegen, auch wenn die Behebung des Fehlers für einen Verfahrensbeteiligten zu einem ungünstigeren Ergebnis führt. Die Verfahrensbeteiligten, die ihr Verhalten auf die durch den Fehler geschaffene Verfahrenslage eingerichtet haben, müssen aber über den Fehler und über die zu seiner Heilung notwendigen Maßnahmen ausreichend

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167 BayObLGSt 1965 2; Hamm 545; Roxin/Schünemann § 44, 34; Schmid JZ 1969 757; ders. FS Maurach 535; Meyer-Goßner/Schmitt Einl. 159 sowie § 337, 39; zur Heilung von Fehlern bei der Urteilsverkündung vgl. bei § 268 und bei § 337. 168 Gössel § 20 B I c; Herdegen NStZ 1990 519; Rogall NStZ 1988 388 f.; Schmid FS Maurach 535; MeyerGoßner/Schmitt Einl. 159 (aus der Fürsorgepflicht hergeleitet); vgl. auch bei § 337. 169 KMR/Eschelbach § 226, 94; Gollwitzer FS Kleinknecht 155; Walther 87 f. 170 RGSt 41 404, 405; BGH NStZ 1986 518, 519; Herdegen NStZ 1990 519; Odenthal StV 1990 199. 171 Zur Notwendigkeit des Einklangs von prozessualen Entscheidungen und Urteil vgl. Schmid FS Maurach 535. 172 RGSt 32 378, 379; 33 75; 35 353, 355; 38 216, 217; 41 217, 218; RG GA 58 (1911) 198. 173 RGSt 35 353, 355; BGHSt 30 74 (Wiederholung des fehlerhaft in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführten Teils der Hauptverhandlung); BGHSt 33 99 (wiederholte Vernehmung eines Zeugen nunmehr in öffentlicher Sitzung bzw. einvernehmlicher Verzicht auf erneute Vernehmung nach Feststellung des Verfahrensfehlers). Nach OLG Hamm JMBlNW 1976 225 soll die Wiederholung der wesentlichen Verhandlungsteile genügen, die der Klärung der Schuld- und Rechtsfolgenfrage dienen; dies erscheint zweifelhaft. Wegen der weit. Nachw. vgl. bei den jeweils einschlägigen Einzelvorschriften und bei § 337. 174 RGSt 47 216, 217 f.; BGHSt 30 74, 76. Zur Behebung der Folgen einer fehlerhaften Vereidigung Schmid FS Maurach 539 ff. 175 BGHSt 33 99, 100; BayObLGSt 1965 2; vgl. § 247, 41a f.

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belehrt werden. Ihre Zustimmung ist zur Behebung des Fehlers grundsätzlich nicht erforderlich.176 Sie müssen aber hinreichende Gelegenheit haben, sich zu dem Vorgang zu äußern und ihr Prozessverhalten auf die neue Verfahrenslage einzustellen. Soweit der Verfahrensfehler in die Sitzungsniederschrift aufgenommene Vorgänge betrifft, sind auch die zur Heilung vorgenommenen Vorgänge zu protokollieren, etwa die Wiederholung eines Teils der Hauptverhandlung.177 2. Rügeobliegenheit der Verfahrensbeteiligten? Wird ein Verfahrensmangel nicht von Amts wegen durch das Gericht geheilt, so stellt sich die Frage, ob der durch die fehlerhafte Prozessführung belastete Verfahrensbeteiligte den Mangel noch in der Instanz aktiv rügen und auf seine Behebung hinwirken muss oder ob er den Verfahrensfehler erstmals in der Revision geltend machen kann.178 Nach verbreiteter Auffassung begründet die Stellung des Verteidigers eine aktive Mitverantwortung hinsichtlich der prozessordnungsgemäßen Durchführung der Hauptverhandlung und damit eine Mitwirkungspflicht an der Heilung heilbarer Verfahrensmängel noch in der Tatsacheninstanz; die Untätigkeit gegenüber erkannten Verfahrensfehlern führe zu einem Rügeverlust, die Revision diene nicht dem Ausgleich verpasster Abhilfemöglichkeiten; ein Rügeverlust durch die Nichtgeltendmachung von Verfahrensfehlern sei der StPO auch sonst nicht fremd (s. §§ 16, 25, 217 Abs. 2, § 222b i.V.m. § 338 Nr. 1, § 246 Abs. 2 sowie § 238 Abs. 2).179 Die Gegenposition führt an, dass die genannten Vorschriften nicht analogiefähige Ausnahmevorschriften darstellten und der StPO eine generelle Präklusionsvorschrift (wie etwa § 295 ZPO) fremd sei.180 Dem ist dahingehend zuzustimmen, dass die teilweise zur Begründung einer Rügeobliegenheit herangezogenen Rechtsinstitute der Verwirkung und des Verzichts keine dogmatisch tragfähige Grundlage bilden. Insbesondere durch Verzicht der am Verfahren Beteiligten – entweder nachträglich auf die Einhaltung der einschlägigen Verfahrensnorm oder auf die künftige Geltendmachung des Verstoßes181 – kann der Fehler nur geheilt werden, soweit kein zwingendes Recht verletzt ist,182 die Verfahrensgestaltung zur Disposition des Verzichtenden steht und der Verzichtende weiß, dass und welche Rechtsposition er aufgibt.183 Eine Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zwischen Gericht und sonstigen Ver75 fahrensbeteiligten für die Justizförmigkeit des Verfahrens wird sich an § 238 Abs. 2 zu orientieren haben. Nach dessen zentralem Zweck soll durch die Anrufung des Gerichts eine verfahrensfehlerhafte Verhandlungsführung des Vorsitzenden instanzintern korri-

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176 Schmid JZ 1969 758. 177 OLG Köln NStZ 1987 244; KMR/Eschelbach § 226, 96; Roxin/Schünemann § 51, 3. 178 Vgl. hierzu Heinrich ZStW 112 (2000) 400 ff. 179 Die Positionen und Argumente entsprechen denen aus der Diskussion um die Widerspruchslösung sowie die allgemeine Beanstandungspflicht nach § 238 Abs. 2, vgl. Basdorf StV 1997 490 („informelle Präklusion“); Becker Referat L zum 67. DJT 2008, 51 ff., 56 ff.; Bohnert 174 ff. („Beanstandungslast infolge der Qualifizierung als förmlicher Zwischenrechtsbehelf“); Kindhäuser NStZ 1987 529 ff. („prozessuale Obliegenheit“); Maatz NStZ 1992 516 („Mitwirkungspflicht des Verteidigers“); s. die weit. Nachw. bei § 238, 43 ff. 180 Erker 151 ff.; Fezer StV 1997 58 f.; Herdegen NStZ 2000 6; Roxin FS Hanack 11, 21 f. (Für die Justizförmigkeit des Verfahrens ist das Gericht in erster Linie selbst verantwortlich.); Widmaier NStZ 1992 522. 181 Vgl. zu den unterschiedlichen Ansätzen RGSt 4 301 f.; 50 364, 365; 58 100, 101; hierzu Becker Referat L zum 67. DJT 2008, 47. 182 RGSt 64 308. 183 Zur Problematik der auf das objektive Prozessverhalten abstellenden Rechtsprechung zum Verzicht vgl. Becker Referat L zum 67. DJT 2008, 52; Bohnert NStZ 1983 344; Herdegen NStZ 2000 6; Tolksdorf FS Graßhof 261.

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giert und hierdurch der unnötige und prozessunökonomische Weg über die Revision vermieden werden.184 Dann ist es aber zumindest in den Fällen, in denen der Vorsitzende aufgrund eines ihm zustehenden Entscheidungsspielraums entscheidet,185 als rechtsmissbräuchliches Verhalten anzusehen, wenn der Staatsanwalt, der verteidigte Angeklagte oder ein sonstiger rechtskundiger Verfahrensbeteiligter, der um die Beanstandungsmöglichkeit nach § 238 Abs. 2 weiß, diese ungenutzt lässt, um später die Revision auf die unbeanstandet gelassene Anordnung des Vorsitzenden zu stützen; denn durch das Schweigen in der Hauptverhandlung hat der betroffene Verfahrensbeteiligte zu erkennen gegeben, dass er den Entscheidungsspielraum des Vorsitzenden nicht als überschritten und damit sich selbst in seinen Verfahrensrechten nicht in unzulässiger Weise eingeschränkt sieht.186

§ 226 Ununterbrochene Gegenwart § 226 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-020

(1) Die Hauptverhandlung erfolgt in ununterbrochener Gegenwart der zur Urteilsfindung berufenen Personen sowie der Staatsanwaltschaft und eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. (2) 1 Der Strafrichter kann in der Hauptverhandlung von der Hinzuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle absehen. 2 Die Entscheidung ist unanfechtbar. Schrifttum Günther Judex dormiens, MDR 1990 875; Landau/Globuschütz Rechtsstellung und Kompetenzen der als Sitzungsvertreter eingesetzten Rechtsreferendare und örtlichen Sitzungsvertreter, NStZ 1992 68; Reichenbach Die Mitwirkung blinder Richter im Strafverfahren, NJW 2004 3160; Schulze Zur Mitwirkung blinder Richter, MDR 1988 736; ders. Blinde Richter – aktueller Stand von Diskussion und Rechtsprechung, MDR 1995 670; Seibert Der verhandlungsunfähige oder unaufmerksame Richter im Strafverfahren, NJW 1963 1044.

Entstehungsgeschichte Bezeichnung bis 1924: § 225. Gegenüber der ursprünglichen Fassung wurde das Wort „Gerichtsschreiber“ durch „Urkundsbeamter der Geschäftsstelle“ ersetzt (Art. 2 des Gesetzes vom 9.7.1927 – RGBl. I S. 175). Die zweite VereinfVO sah vorübergehend vor, dass im Verfahren vor dem Amtsrichter der Staatsanwalt auf die Teilnahme an der Hauptverhandlung verzichten konnte (Art. 5) und ein Schriftführer nur noch mitwirken sollte, wenn es der Vorsitzende für erforderlich hielt (Art. 6). Art. 8 Abs. 2 Nr. 22 VereinhG stellte den ursprünglichen Rechtszustand wieder her. Durch Art. 3 Nr. 8 des 1. JuMoG wurde mit dem neu eingefügten Absatz 2 für den Strafrichter erneut die Möglichkeit geschaffen, von der Zuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abzusehen.

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184 Krey II 687; Gollwitzer FS Kleinknecht 155; Mosbacher FS Widmaier 348 ff. (fehlendes Rechtsschutzbedürfnis); Ranft 1454; Walther 87 f.; KK/Schneider § 238, 33 f.; vgl. auch Ebert NStZ 1997 566. 185 Ob die Rügepräklusion auf Fälle eines Entscheidungsspielraums zu begrenzen ist, wird ausdrücklich offen gelassen von BGHSt 51 144, 148; insoweit krit. Mosbacher JR 2007 388; ders. FS Widmaier 353 f.; KK/Schneider § 238, 34. 186 S. auch Basdorf StV 1997 490 (stillschweigender Konsens zwischen den Verfahrensbeteiligten); ablehnend Hamm 1198.

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1. 2.

3. 4.

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Übersicht Zweck der Vorschrift | 1 Die Anwesenheitspflichtigen a) Gegenwart der zur Urteilsfindung berufenen Personen | 4 b) Gegenwart der Staatsanwaltschaft | 6 c) Gegenwart eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle | 9 Ununterbrochene Gegenwart | 11 Andere Verfahrensbeteiligte | 15 a) Verteidiger | 16 b) Sonstige Beteiligte | 17

c)

5. 6. 7. 8.

Dolmetscher; Sprachmittler | 18 d) Sachverständiger | 19 Gleichzeitige Gegenwart | 22 Verzicht auf Urkundsbeamten (Absatz 2 Satz 1) | 23 Sitzungsniederschrift | 25 Rechtsmittel a) Verzicht auf Urkundsbeamten | 26 b) Verstöße gegen die Anwesenheitspflicht | 27

1. Zweck der Vorschrift. Das durch § 226 Abs. 1 bestimmte Anwesenheitsgebot beruht für die von der Vorschrift erfassten Verfahrensbeteiligten auf unterschiedlichen Gründen. Für die zur Entscheidung berufenen Richter folgt es aus § 261. Danach haben sie sich ihre Überzeugung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung zu verschaffen. Dies ist nur möglich, wenn sie während deren gesamter Dauer, also vom Aufruf der Sache (§ 243 Abs. 1 Satz 1) bis zur Urteilsverkündung (§ 260 Abs. 1, § 268 Abs. 2 und 3), präsent sind. Das wird durch § 226 Abs. 1 sichergestellt. Die Vorschrift steht daher insoweit in einem engen inhaltlichen Zusammenhang mit den Grundsätzen der Mündlichkeit und der formellen Unmittelbarkeit,1 die garantieren sollen, dass die Grundlagen der Urteilsfindung allein durch die Vorgänge in der Hauptverhandlung gelegt werden. Sie gewährleistet darüber hinaus die Einheitlichkeit der Hauptverhandlung,2 indem sie für deren Dauer einen, in anderen Verfahrensordnungen möglichen3 Richterwechsel ausschließt (vgl. auch § 229). Damit sichert sie letztlich auch den Anspruch des Angeklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).4 Die ununterbrochene Gegenwart der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung 2 ist in den Grundprinzipien des Strafprozesses zwar nicht in gleichem Maße zwingend angelegt (vgl. § 377 Abs. 1 Satz 1 für das Privatklageverfahren, § 75 Abs. 1 Satz 1 OWiG für das Bußgeldverfahren, § 78 Abs. 2 Satz 1 JGG für das vereinfachte Jugendverfahren).5 Jedoch gebietet ihre Stellung als dem Gericht gleichgeordnetes, unabhängiges (§ 150 GVG) Organ der Strafrechtspflege,6 dem es auch obliegt, im Rahmen der Gewaltenteilung die gerichtliche Tätigkeit zu kontrollieren,7 dass im Regelstrafverfahren die Staatsanwaltschaft ständig in der Hauptverhandlung präsent ist. Die Anwesenheitspflicht des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gewährleistet 3 die Aufnahme eines ordnungsgemäßen Sitzungsprotokolls (§§ 271 ff.). Diesem kommt wegen seiner Beweiskraft für die Beobachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten der Hauptverhandlung (§ 274 Satz 1) erhebliche Bedeutung zu, insbesondere für das Revisionsverfahren. 1

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1 Mat. Hahn I 127; s. dazu LR/Kühne Einl. I Rn. 58 ff. 2 BGHSt 53 99, 103; KK/Gmel 1; KMR/Eschelbach 1; Meyer-Goßner/Schmitt 1; SK/Deiters 1. 3 Vgl. BGHZ 11 27, 30; 32 233, 244; 53 245, 256 f.; 61 369, 370; ferner BGHSt 18 51, 52. 4 KMR/Eschelbach 3 f., 6. 5 HK/Julius 1. 6 Vgl. BGHSt 24 170, 171; Häger GedS Meyer 182. 7 Wohlers Entstehung und Funktion der Staatsanwaltschaft (1994) 33 ff.; KMR/Eschelbach 10, 49; SK/Deiters 1.

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2. Die Anwesenheitspflichtigen a) Gegenwart der zur Urteilsfindung berufenen Personen. Dies sind die Berufs- 4 richter und – je nach Spruchkörper – die Schöffen (vgl. §§ 1, 45a DRiG; im Folgenden nur: Richter), die das Urteil zu fällen haben. Wird ein Richter während des Laufs der Hauptverhandlung durch einen Ergänzungsrichter (§ 192 Abs. 2 und 3 GVG) ersetzt, so ist er nicht mehr zur Urteilsfindung berufen. War er vor seinem Ausscheiden in der Hauptverhandlung teilweise abwesend, liegt somit kein Verstoß gegen § 226 Abs. 1 vor.8 Gleiches gilt für den Ergänzungsrichter, der nicht in das Quorum eintritt.9 Die Vorschrift betrifft entsprechend ihrer Zwecksetzung (s. Rn. 1) allein die körper- 5 liche und geistige Anwesenheit (s. im Einzelnen unten Rn. 11 ff.) der Richter. Obwohl ihr Wortlaut („zur Urteilsfindung berufene Personen“) darauf hindeuten könnte, sichert sie nicht die Einhaltung der Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).10 Zwar sind, wenn die Verhandlung etwa vor einem sachlich oder örtlich bzw. geschäftsplanmäßig unzuständigen Spruchkörper durchgeführt wird, wenn die Strafkammer bzw. der erstinstanzliche OLG-Strafsenat unter Verstoß gegen § 76 Abs. 2 Satz 3, Abs. 4 bzw. § 122 Abs. 2 Satz 3 GVG mit gesetzwidrig unterbesetzter Richterbank verhandelt11 oder wenn ein teilnehmender Richter nach der gerichtlichen bzw. spruchkörperinternen Geschäftsverteilung, der Schöffenliste oder sonst aus einem rechtlichen Grund nicht zur Mitwirkung berufen ist, stets einer oder mehrere der an sich zuständigen Richter in der Hauptverhandlung nicht gegenwärtig. Hierdurch wird indes § 226 Abs. 1 nicht verletzt; denn dieser soll allein die Mündlichkeit, Unmittelbarkeit und Einheitlichkeit der Verhandlung gewährleisten (zu den Folgen für die Revision s. unten Rn. 27). Dies bedeutet: Ein Verstoß gegen § 226 Abs. 1 liegt nur dann vor, wenn einer der am Urteil mitwirkenden Richter wegen zeitweiser physischer oder psychischer Abwesenheit oder generell vorhandener physischer oder psychischer Einschränkungen nicht in der Lage ist, den Inbegriff der Hauptverhandlung umfassend oder zumindest in einem wesentlichen Verfahrensteil wahrzunehmen und/oder geistig zu verarbeiten. Ist er dagegen aus rechtlichen Gründen von vornherein nicht zur Tätigkeit in der konkreten Hauptverhandlung berufen, so ist § 226 Abs. 1 nicht betroffen. Demgemäß ist etwa die fehlende Vereidigung eines Schöffen (§ 45 Abs. 2 Satz 1 DRiG)12 ein reines Besetzungsproblem; denn die Vereidigung ist rechtliche Voraussetzung der Ausübung des Schöffenamtes. Wird sie nachgeholt, dient die anschließende Erneuerung der Hauptverhandlung in ihren bis dahin bereits durchgeführten Teilen nicht der Heilung eines Verstoßes gegen § 226 Abs. 1. Anders ist es dagegen, wenn ein Richter ersetzt werden muss, weil er während der Hauptverhandlung erkrankt13 oder erfolgreich abgelehnt14 wird. Hier muss die Verhandlung mit dem neu eintretenden Richter wiederholt werden, um § 226 Abs. 1 zu genügen. Dies erübrigt sich nur dann, wenn der Eintretende als Ergänzungsrichter bereits an der bisherigen Hauptverhandlung von Beginn an teilgenommen hat. Ist er hingegen erst nachträglich zugezogen worden, so ist § 226 Abs. 1 verletzt15 und es muss zur Heilung dieses Man-

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8 Vgl. BGHSt 47 220, 221 f. 9 Vgl. BGHSt 47 220, 222, auch zu der Frage, ob aus der Mitwirkung der nicht (mehr) zur Entscheidung berufenen Richter in der Hauptverhandlung ein relativer Revisionsgrund hergeleitet werden kann. 10 KMR/Eschelbach 7. 11 Vgl. BGHSt 44 361, 365. 12 S. hierzu etwa RGSt 64 308, 309; 67 362, 364 f.; BGHSt 3 175, 176; 4 158, 161; 48 290. 13 Vgl. RGSt 62 198. 14 Vgl. BGH NJW 2001 3062. 15 BGH NJW 2001 3062, wo hieraus allerdings ein Besetzungsmangel abgeleitet wird; so auch HK/Julius 4; SK/Deiters 6; SSW/Grube 7; s. dazu unten Rn. 27.

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gels die Hauptverhandlung in ihren bis zur Zuziehung des Ergänzungsrichters absolvierten Teilen wiederholt werden. Gleiches muss gelten, wenn er zwar von Beginn an zugezogen war, aber vor seinem Eintritt in das Quorum in Teilen der Hauptverhandlung nicht gegenwärtig war. b) Gegenwart der Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft als Behörde muss anwesend sein, nicht jedoch ein bestimmter Staatsanwalt den Sitzungsdienst wahrnehmen.16 Auch wenn es in schwierigeren Sachen wegen seiner besonderen Sachkenntnis vorzugswürdig ist, dass der Staatsanwalt, der die Ermittlungen geführt hat, an der Hauptverhandlung teilnimmt, ist dies rechtlich nicht geboten.17 Da der Staatsanwalt, der den Sitzungsdienst ausübt, die Staatsanwaltschaft repräsentiert, muss er für diese vertretungsberechtigt sein. Ist er es nicht, ist die Staatsanwaltschaft nicht anwesend.18 Vor den Landgerichten und vor allen höheren Gerichten kann die Staatsanwalt7 schaft nach § 142 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GVG nur durch einen zum Richteramt befähigten Beamten (§ 122 Abs. 1 DRiG) vertreten werden. Die Vertretung durch Referendare ist dort nur zulässig, soweit § 142 Abs. 3 GVG dies gestattet, also nur im Einzelfall und unter Aufsicht eines Staatsanwalts.19 Vor den Amtsgerichten können Amtsanwälte das Amt des Staatsanwalts ausüben (§ 142 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 GVG), aber auch Referendare (§ 142 Abs. 3 GVG). Mit der Wahrnehmung ihrer Aufgaben können nach Maßgabe des Landesrechts auch Beamte des gehobenen Dienstes als örtliche Sitzungsvertreter betraut werden;20 letzteres verstößt nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip.21 Die Justizverwaltung kann einen Staatsanwalt für mehrere Gerichte bestellen22 oder einen zur Staatsanwaltschaft abgeordneten Regierungsrat mit der Wahrnehmung staatsanwaltschaftlicher Aufgaben betrauen.23 Ein sonst nicht zuständiger Staatsanwalt kann mit der Vertretung der Anklage in einer einzelnen Sache beauftragt werden.24 Vertritt er ohne einen solchen Auftrag die Anklage, so ist die Staatsanwaltschaft zwar durch einen örtlich unzuständigen Beamten in der Hauptverhandlung vertreten; doch macht dieser Verstoß gegen die Regelung der örtlichen Zuständigkeit das Urteil nicht revisibel.25 Ohne Einfluss auf die Vertretungsbefugnis ist es grundsätzlich, wenn der Staats8 anwalt in der gleichen Sache früher bereits als Richter tätig war.26 Einige Länder haben ein Tätigwerden in einem solchen Fall allerdings ausgeschlossen.27 Wird der Staatsanwalt jedoch in der Hauptverhandlung als Zeuge oder Sachverständiger vernommen, so kann er nicht gleichzeitig die Staatsanwaltschaft vertreten; denn er übt während dieser 6

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16 Vgl. BGHSt 21 85, 89 = BGH JR 1967 227, 229 m. Anm. Hanack. 17 BGHSt 21 85, 90 = BGH JR 1967 227, 229 m. Anm. Hanack; KMR/Eschelbach 50. 18 SK/Deiters 9; SSW/Grube 9. Dies gilt allerdings nicht bei nur örtlicher Unzuständigkeit des Staatsanwalts; s. sogleich unten Rn. 7. 19 Vgl. RGSt 48 237; Landau/Globuschütz NStZ 1992 68 ff.; wegen der Einzelheiten und Nachw. vgl. bei § 142 GVG; ferner die OrgStA (bundeseinheitlich erlassene Anordnung der Landesjustizverwaltungen über Organisation und Betrieb der Staatsanwaltschaft). 20 Vgl. Landau/Globuschütz NStZ 1992 68 ff. 21 BVerfGE 56 128. 22 RGSt 58 105; vgl. bei § 143 GVG. 23 KG NStZ 1995 148. 24 RGSt 44 75; BGH NStZ 1995 204; ferner zum Fortbestehen der Kompetenz der örtlichen Staatsanwaltschaft am Gerichtssitz (§ 143 Abs. 1 GVG) bei an eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft nach § 143 Abs. 4 GVG zugewiesenen Sachen: OLG Zweibrücken NStZ 1984 233 m. Anm. Schoreit. 25 RGSt 73 86; KK/Gmel 5; KMR/Eschelbach 52; SK/Deiters 9. 26 BGH NStZ 1991 595. 27 So etwa § 11 Nr. 4 BW AGGVG; vgl. ferner OLG Stuttgart MDR 1974 622; zur Regelungskompetenz des Gesetzgebers Wendisch FS Schäfer 247.

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Zeit eine andere Verfahrensrolle aus.28 Wird in einem solchen Fall kein anderer Staatsanwalt beigezogen, so ist § 226 Abs. 1 verletzt und die Rüge nach § 338 Nr. 5 eröffnet. Dagegen ist die Frage, ob der Staatsanwalt nach seiner Vernehmung wieder für die Staatsanwaltschaft auftreten darf, keine solche der Vertretungsbefugnis. Vielmehr geht es hier um die Einhaltung allgemeiner strafprozessualer Grundsätze,29 die für den Staatsanwalt – anders als für den Richter (§ 22 Nr. 5) – gesetzlich nicht geregelt sind.30 Ist seine weitere Mitwirkung in der Hauptverhandlung mit diesen Grundsätzen nicht vereinbar, mag dies daher einen Revisionsgrund nach § 337 schaffen. Ein Verstoß gegen § 226 Abs. 1 mit der Folge zwingender Urteilsaufhebung nach § 338 Nr. 5 liegt hierin dagegen nicht.31 Gleiches gilt für die Mitwirkung eines befangenen Staatsanwalts.32 Wegen der Einzelheiten wird auf die Erläuterungen bei LR/Siolek Vor § 22, 8 ff. verwiesen. c) Gegenwart eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. Wer Urkundsbeamter 9 sein kann, richtet sich nach § 153 GVG in Verbindung mit den einschlägigen Vorschriften des Bundes und der Länder.33 Die Bestellung zum Urkundsbeamten muss vor Aufnahme der Tätigkeit als Protokollführer liegen.34 Der Urkundsbeamte braucht kein Beamter im Sinne des Beamtenrechts zu sein. Auch Angestellte, die zu Urkundsbeamten bestellt sind, können diese Aufgabe wahrnehmen. Ihre Vereidigung ist nirgends vorgeschrieben.35 Umgekehrt macht eine Vereidigung nach § 168 Satz 3 einen Verwaltungsangestellten, der als Schriftführer zu einer außerhalb des Gerichtssitzes durchgeführten Hauptverhandlung zugezogen wurde, nicht zum Urkundsbeamten der Geschäftsstelle; § 168 ist auf die Hauptverhandlung nicht anwendbar.36 Es muss aber nicht notwendig der Urkundsbeamte des erkennenden Gerichts tätig werden. Protokollführer kann vielmehr auch der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle eines ordentlichen Gerichts am Verhandlungsort sein.37 Auch ein Rechtsreferendar kann damit beauftragt werden,38 soweit das jeweilige Landesrecht keine entsprechende Beschränkung enthält, auch ein Referendar, der dem Spruchkörper nicht als „Stationsreferendar“ zugewiesen ist;39 es ist auch nicht relevant, in welchem Ausbildungsabschnitt er sich befindet.40 Wer zur Erteilung des Auftrags zuständig ist, richtet sich nach Landesrecht.41

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28 Vgl. BGHSt 21 85, 89; Kretschmer Jura 2004 457; KMR/Eschelbach 51. 29 Vgl. BGHSt 14 265, 266 f.; BGH StV 1983 497 m. Anm. Müllerhoff; NStZ 2018 482, 483; KMR/Eschelbach § 227, 19. 30 S. aber HK/Julius 4, 7: Der vernommene Staatsanwalt ist für den Rest der Verhandlung abzulösen; sehr weit auch SK/Deiters 9: Der Staatsanwalt kann an der weiteren Hauptverhandlung in der Regel nicht mehr als Anklagevertreter teilnehmen. 31 BGHSt 14 265, 267 f.; BGH NStZ 2008 353 m. Bspr. Kelker StV 2008 381; vgl. auch BGHSt 21 85, 89 f.; BGH NJW 1987 3088, 3090; NStZ 1983 135; 1989 583; 2018 482, 483; NStZ-RR 2001 107; OLG Naumburg StraFo 2007 64; HK/Julius 7, 9; Meyer-Goßner/Schmitt Vor § 22, 6 f. und Vor § 48, 17; ferner Brüggemann Richter und Staatsanwalt als Zeugen im Strafverfahren (2001) 61 ff., 68 ff. m. umfangreichen Nachw. 32 Kretschmer Jura 2004 455 ff.; Schairer Der befangene Staatsanwalt (1983) 181 ff.; Tolksdorf Mitwirkungsverbot für den befangenen Staatsanwalt (1989) 130 ff. 33 BGH NJW 2017 1126. 34 OLG Bremen StV 1984 109 m. Anm. Katholnigg. 35 OLG Celle NdsRpfl. 1969 22, 23; vgl. BGH StV 1982 155; OLG Bremen StV 1984 109 m. Anm. Katholnigg. 36 BGH NStZ 1981 31 Ls. 37 BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 213. 38 BGH NStZ 1984 327; MDR 1985 862; OLG Hamburg MDR 1984 337; OLG Koblenz Rpfleger 1985 77. 39 BGH NJW 2017 1126 f. 40 BGH Beschl. v. 7.3.2017 – 5 StR 493/16, insoweit in NStZ 2017 424 nicht abgedruckt. 41 BGH NStZ 1984 327.

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§ 226 Abs. 1 schreibt die persönliche ununterbrochene Gegenwart nur für die Richter vor, die das Urteil fällen. Dagegen wird lediglich die Anwesenheit „eines Urkundsbeamten“ verlangt. Obwohl § 227 nur die Mitwirkung mehrerer Beamter der Staatsanwaltschaft und Verteidiger in der Hauptverhandlung vorsieht, ist daher anerkannt, dass auch mehrere Urkundsbeamte nicht nur nebeneinander, sondern auch im Wechsel den Protokolldienst in der Hauptverhandlung versehen können.42 Dies entspricht der Sicht des historischen Gesetzgebers.43 Durch den Wechsel wird das von § 226 Abs. 1 verfolgte Ziel, die zuverlässige Protokollierung der wesentlichen Förmlichkeiten der Hauptverhandlung sicherzustellen, nicht beeinträchtigt.44 Gerade in umfangreichen Verfahren ist es zweckmäßig, von vornherein mehrere Urkundsbeamte einzuteilen, die sich während der Verhandlung ablösen. Jeder von ihnen hat dann den Teil der Niederschrift zu unterschreiben, den er angefertigt hat.45 Ordnet der Vorsitzende die wörtliche Protokollierung gemäß § 273 Abs. 3 an, so kann diese im Beratungszimmer niedergeschrieben, muss aber in der Hauptverhandlung verlesen und genehmigt werden.46

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3. Ununterbrochene Gegenwart. Hierunter ist, entsprechend dem Regelungsziel der Vorschrift, nicht nur die körperliche, sondern auch die geistige Präsenz zu verstehen. Das entspricht heute allgemeiner Ansicht.47 Ausgehend vom Wortlaut – auch der geistig Abwesende ist gegenwärtig – wird jedoch regelmäßig zwischen den Anforderungen an die beiden Aspekte der Anwesenheit differenziert. Die körperliche Anwesenheit keines der drei erfassten Prozessbeteiligten der Justiz soll auch nur für noch so kurze Zeit während selbst unwesentlicher Verhandlungsteile unterbrochen werden dürfen.48 Dagegen sollen psychische Absenzen erst dann zu einer Unterbrechung der Anwesenheit führen, wenn sie ein solches Ausmaß annehmen, dass der jeweilige Prozessbeteiligte einen wesentlichen Vorgang der Hauptverhandlung nicht mehr aufnehmen kann.49 Diese Unterscheidung ist nicht überzeugend. Ein den Normzweck in den Mittelpunkt der Betrachtung rückendes Verständnis muss vielmehr zu dem Ergebnis führen, dass auch die körperliche Abwesenheit nur dann als Verstoß gegen § 226 Abs. 1 zu bewerten ist, wenn während ihrer Dauer wesentliche Verhandlungsteile stattfinden50 (zum Begriff des wesentlichen Verhandlungsteils s. die Erl. zu § 338 Nr. 5). Da nach hier vertretener Ansicht bei körperlicher wie bei geistiger Abwesenheit während eines unwesentlichen Verfahrensteils bereits kein Verstoß gegen § 226 Abs. 1 gegeben ist, kann hierin weder ein absoluter (§ 338 Nr. 5) noch ein relativer (§ 337) Revisionsgrund liegen.51 Die herrschende Ansicht bejaht dagegen einen Rechtsfehler und differenziert erst hinsichtlich der revisionsrechtlichen Auswirkungen. § 338 Nr. 5 (bzw. Nr. 1; s. dazu unten Rn. 27) greife nur ein, wenn ein wesentlicher Verhandlungsteil versäumt worden sei; denn ansonsten sei

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42 RG LZ 1914 1207; JW 1930 3404, 3405; BGHSt 21 85, 89; KK/Gmel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 7. 43 Mat. Hahn I 127. 44 KMR/Eschelbach 58; SK/Deiters 11. 45 BGH wistra 1991 272; OLG Braunschweig NdsRPfl. 1947 89. 46 OLG Königsberg DRiZ 1932 Nr. 451. 47 Vgl. nur BGHSt 2 14, 15 f.; 4 191, 193; 11 74, 77; BGH NStZ 1982 41; Laubenthal JZ 1996 343; Seibert NJW 1963 1044 ff.; KK/Gmel 3; KMR/Eschelbach 26; Meyer-Goßner/Schmitt 3; SK/Deiters 4; SSW/Grube 4; a.A. noch RGSt 22 106, 107 f.: nicht anfechtbar. 48 Vgl. BGH NJW 1999 3062; KMR/Eschelbach 32; Meyer-Goßner/Schmitt 2; MüKo/Arnoldi 7; SK/Deiters 5. 49 KMR/Eschelbach 31; SK/Deiters 4. 50 Ähnlich KMR/Eschelbach 33, der zwar einen Ordnungsverstoß bejaht, einen revisiblen Rechtsfehler dagegen verneint. 51 Ebenso im Ergebnis KMR/Eschelbach 33, 93.

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ein Beruhen des Urteils auf der Abwesenheit denkgesetzlich ausgeschlossen.52 Dann kann der Fehler aber auch nicht über § 337 zur Urteilsaufhebung führen.53 Während die körperliche Anwesenheit unschwer festzustellen ist (zu deren Nach- 12 weis s. Rn. 25), bedarf das Erfordernis geistiger Präsenz näherer Betrachtung. Diese setzt im Grundsatz voraus, dass der jeweilige justizangehörige Prozessbeteiligte in der Lage ist, die Vorgänge in der Hauptverhandlung wahrzunehmen, sie geistig zu verarbeiten und angemessen hierauf zu reagieren. Mit anderen Worten, er muss fähig sein, diejenigen Aufgaben zu erfüllen, zu denen er verfahrensrechtlich berufen ist.54 Hierbei kann je nach der Funktion des Beteiligten eine differenzierende Betrachtung geboten sein.55 Auf dieser Grundlage gilt: Die Konzentrationsfähigkeit unterliegt natürlichen Schwankungen. Allein vorüber- 13 gehende Unaufmerksamkeiten begründen daher noch keine für § 226 Abs. 1 relevante geistige Abwesenheit.56 Gleiches gilt für Ablenkungen, etwa durch das Studium verfahrensfremder Akten oder das Durchsehen von Gefangenenpost.57 Rechtliche Erheblichkeit erlangen derartige Aufmerksamkeitsdefizite erst, wenn sie den Betreffenden an einer ordnungsgemäßen Amtsausübung hindern.58 Dies bemisst sich nicht nach der Dauer der Unaufmerksamkeit. Diese hat allenfalls indizielle Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr der Inhalt des zwischenzeitlichen Verfahrensgeschehens. Kann dieses abstrakt für die Entscheidungsfindung relevant werden, so ist der unaufmerksame Richter oder Staatsanwalt geistig abwesend.59 Das gilt entsprechend für den schlafenden Richter60 oder Staatsanwalt.61 Für den Urkundsbeamten ist in solchen Fällen Abwesenheit hingegen nur dann anzunehmen, wenn der Vorgang protokolliert werden muss, und er dies wegen seiner mangelnden Aufmerksamkeit verabsäumt. An der geistigen Gegenwart fehlt es dagegen im Rechtssinne von vornherein bei Per- 14 sonen, die aufgrund geistiger oder körperlicher Behinderungen oder Erkrankungen in einem allgemeinen Sinne als verhandlungsunfähig einzustufen sind.62 Hierunter fällt auch der gehörlose Richter; da er den Inhalt des Prozessablaufs akustisch nicht wahrnimmt, kann er den Grundsatz der Mündlichkeit der Hauptverhandlung nicht wahren.63 Nichts anderes gilt für den tauben Staatsanwalt oder Urkundsbeamten, denn auch sie vermögen die ihnen obliegenden Aufgaben nicht zu erfüllen. Ebenso muss jedenfalls in den Tatsacheninstanzen ein blinder Richter als im Rechtssinne abwesend angesehen werden; denn er vermag den Inbegriff der Hauptverhandlung, zu dem auch die allein

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52 Etwa BGHSt 15 263; 26 84, 91; BGH NJW 1994 3364, 3366; NStZ 1982 41; 1983 36; 1998 476, 477; 2001 48; 2011 233, 234; OLG Köln NStZ 1987 244; Meyer-Goßner/Schmitt § 338, 14 f.; SK/Deiters 5. Hamm 406 will dagegen nur solche Verfahrenshandlungen von der Abwesenheitsrüge ausschließen, die auch außerhalb der Hauptverhandlung stattfinden können. 53 S. aber KK/Gmel 10; Pfeiffer 4. 54 BGHSt 4 191, 193; 18 51, 55. 55 KMR/Eschelbach 31. 56 BGHSt 5 354, 356 f.; SK/Deiters 4. 57 BGH NJW 1962 2212 m. Anm. Marr NJW 1963 309 = JR 1963 228 m. Anm. Eb. Schmidt; OLG Schleswig bei Ernesti/Lorenzen SchlHA 1982 125. 58 Zur Nutzung eines Mobiltelefons durch einen Richter während laufender Beweisaufnahme vgl. BGH NJW 2015 2986. 59 KMR/Eschelbach 31; kritisch Hamm 416. 60 BGHSt 2 14, 15 f.; 11 74, 77; BGH NStZ 1982 41; Günther MDR 1990 878; Roxin/Schünemann § 46, 38; kritisch zur Rspr. Eisenberg (Beweisrecht) 70; Hamm 414 f.; Kühne 718. 61 OLG Hamm NJW 2006 1449. 62 Vgl. BGHSt 4 191, 193; 18 51, 55; 47 220, 221 f.; Roxin/Schünemann § 46, 36; KMR/Eschelbach 27. 63 Eisenberg (Beweisrecht) 67; Geppert (Unmittelbarkeit) 147; Roxin/Schünemann § 46, 36; KMR/ Eschelbach 28; KMR/Stuckenberg § 261, 10.

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optisch wahrnehmbaren Vorgänge zählen, nicht vollständig zu erfassen. Die Frage ist strittig. Der BGH hat zunächst – anders als noch das RG64 – die Mitwirkung eines blinden Richters in der Hauptverhandlung der Tatsacheninstanz nicht generell beanstandet; sie sei jedoch unzulässig, wenn dem Tatgericht, wie bei der Augenscheinseinnahme oder bei der Erläuterung von Sachverständigengutachten oder Zeugenaussagen anhand von Zeichnungen und Skizzen, visuelle Erkenntnisse vermittelt würden, zu deren Wahrnehmung der blinde Richter nicht in der Lage sei.65 In späteren Entscheidungen zeigt sich der BGH deutlich kritischer; er sieht eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes jedenfalls darin, dass ein blinder Richter den Vorsitz in einer erstinstanzlichen Strafkammer führt.66 Richtigerweise wird man die Mitwirkung eines blinden Richters in der Hauptverhandlung der Tatsacheninstanz stets für unzulässig halten müssen.67 Denn für die Überzeugungsbildung können immer auch in der Hauptverhandlung gewonnene optische Eindrücke von Bedeutung sein. Der Gehörsinn eines blinden Richters ist zwar regelmäßig geschärft. Die Zulässigkeit der Mitwirkung davon abhängig zu machen, inwieweit der einzelne blinde Richter in jeder konkreten Verhandlungssituation dazu in der Lage ist, seine Unfähigkeit zur optischen Wahrnehmung mittels seines geschärften Gehörsinns zu kompensieren, ist jedoch weder objektivierbar noch praktikabel; eine vollständige Kompensation bei jedem blinden Richter für alle Erkenntnisse ausnahmslos zu vermuten, dürfte hingegen eher gut gemeintem Wunschdenken entsprechen. Auch ist es bedenklich, wenn die Prozessbeteiligten durch Beweisanträge, die auf die Beweisaufnahme mittels visueller Erkenntnisse gerichtet sind, Einfluss auf die Gerichtsbesetzung nehmen könnten (s. näher die Erl. zu § 261 und § 338 Nr. 1). 15

4. Andere Verfahrensbeteiligte. Ob andere, in § 226 Abs. 1 nicht erwähnte Verfahrensbeteiligte in der Hauptverhandlung ununterbrochen anwesend sein müssen, richtet sich nach den für sie geltenden Sondervorschriften. Nach diesen bestimmt sich auch, inwieweit ein Recht auf Anwesenheit besteht.

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a) Verteidiger. Nur in den Fällen der notwendigen Verteidigung (§ 140) muss ein Verteidiger (i.S.v. § 138)68 ununterbrochen anwesend sein.69 Ergibt sich die Notwendigkeit der Verteidigung erst während der Hauptverhandlung – mag sie vorher nicht bestanden haben oder nur nicht erkannt worden sein – und wird nunmehr nach § 141 Abs. 2 ein Verteidiger bestellt, so muss die Hauptverhandlung in Anwesenheit des Verteidigers in ihren wesentlichen Teilen wiederholt werden (s. auch § 145 Abs. 2).70 Wird nach § 145 Abs. 1 Satz 1 ein Pflichtverteidiger neu bestellt, kann die Verhandlung im Grundsatz ohne Wiederholung einzelner Teile fortgeführt werden (s. auch § 145 Abs. 3).71

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64 RGSt 60 63, 64; RG JW 1928 821 m. zust. Anm. Heilberg. 65 BGHSt 4 191; 5 354; 11 74, 78; 18 51; BGH StV 1989 143. 66 BGHSt 35 164 = NStZ 1988 374 m. zust. Anm. Fezer; BGHR StPO § 338 Nr. 1 Richter, blinder 3; ferner BGHSt 34 236, 237 f. (nichttragend) = NStZ 1987 335 m. zust. Anm. Fezer; a.A. OLG Zweibrücken MDR 1991 1083 m. zust. Anm. Schulze; NStZ 1992 50 für den Vorsitzenden einer Berufungsstrafkammer. 67 So BGH bei Miebach/Kusch NStZ 1991 122 (nichttragend); Eisenberg (Beweisrecht) 69; Geppert (Unmittelbarkeit) 148 f.; a.A. Reichenbach NJW 2004 3160; Schulze MDR 1988 736; 1995 670; Wolf ZRP 1992 15. Hamm 363 sieht in der Mitwirkung eines blinden Richters einen Besetzungsfehler und daher die Rüge nach § 338 Nr. 1 eröffnet; ebenso Roxin/Schünemann § 46, 37. Nach BVerfG (Kammer) NJW 2004 2150 verletzt der Umstand, dass es einer blinden Person verwehrt wird, das Schöffenamt zu bekleiden, diese nicht in ihren Grundrechten. 68 BGHSt 26 319; BGH bei Kusch NStZ 1993 30; BayObLG StV 1992 99. 69 BGHSt 15 306; vgl. bei § 140. 70 BGHSt 9 243. 71 BGHSt 13 337, 340 f.; Meyer-Goßner/Schmitt § 145, 3 m.w.N.

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Die Einzelheiten sind bei §§ 140 ff., die Auswirkungen eines Verstoßes bei § 338 Nr. 5 erläutert. b) Sonstige Beteiligte. Nebenkläger, Verletzte, Nebenklagebefugte, Vertreter 17 beteiligter Behörden, Einziehungsbeteiligte, Nebenbetroffene oder Vertreter juristischer Personen oder von Personenvereinigungen brauchen in der Hauptverhandlung nicht ununterbrochen zugegen sein. Wegen der Einzelheiten vgl. die Erl. zu den jeweils einschlägigen Vorschriften. c) Die Anwesenheit eines Dolmetschers, der nicht in jedem Fall zwingend während 18 der ganzen Hauptverhandlung anwesend sein muss,72 bestimmt sich nach § 185 GVG, diejenige eines Sprachmittlers für eine hör-oder sprachbehinderte Person nach § 186 GVG. d) Der Sachverständige gehört – obwohl Gehilfe des Richters – nicht zu den zur Ur- 19 teilsfindung berufenen Personen. § 226 Abs. 1 schreibt seine ununterbrochene Anwesenheit deshalb nicht vor.73 Er ist auch nicht kraft eigenen Rechts zur Anwesenheit befugt. Er muss grundsätzlich selbst beurteilen, wieweit seine Anwesenheit für die Erstattung seines Gutachtens förderlich ist74 und dies mit dem Vorsitzenden absprechen. Der Vorsitzende kann im Rahmen der Sachleitung anordnen, dass der Sachver- 20 ständige bei bestimmten Teilen der Hauptverhandlung anwesend sein soll.75 Eine solche Anordnung sollte aber erst nach Rücksprache mit dem Sachverständigen ergehen. Die Anwesenheit des Sachverständigen bei der gesamten Hauptverhandlung ist entbehrlich, soweit ihre Vorgänge für die Gutachtertätigkeit unerheblich sind (etwa bei Gutachten über das Ergebnis chemischer oder physikalischer Untersuchungen). Wenn jedoch die Kenntnis von Vorgängen in der Hauptverhandlung für die Erstattung des Gutachtens notwendig oder doch zweckdienlich ist (vgl. das Fragerecht nach § 80 Abs. 2) und die Unterrichtung des Sachverständigen über die Ergebnisse des in seiner Abwesenheit Verhandelten (s. Rn. 21) nicht ausreichend erscheint, so kann die Aufklärungspflicht die Teilnahme des Sachverständigen an der ganzen Hauptverhandlung oder zumindest an den für die Begutachtung wesentlichen Teilen erfordern.76 Vor allem bei der psychologischen oder psychiatrischen Begutachtung des Angeklagten oder eines Zeugen kann dies angezeigt sein (s. auch § 247a, 15 f., 19 zur Vernehmung des Sachverständigen im Wege der Videokonferenztechnik).77 Andererseits kann aber in besonders gelagerten Einzelfällen die ständige Beobachtung durch einen Sachverständigen auch das Aussageverhalten eines Zeugen und vor allem die Aussagebereitschaft des ohnehin schweigeberechtigten Angeklagten so beeinträchtigen, dass das Interesse an der bestmöglichen Sachaufklärung der ständigen Anwesenheit des Sachverständigen entgegensteht.78

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72 Vgl. BGHSt 3 285; BGH NStZ 1984 328; bei Miebach/Kusch NStZ 1991 230; aber auch BayObLG NStZ-RR 2005 178; vgl. ferner bei §§ 259, 338 Nr. 5 und bei § 185 GVG sowie bei Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK. 73 BGH NStZ 1985 455; 2002 275; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 207; OLG Schleswig SchlHA 1974 181. 74 BGH bei Pfeiffer NStZ 1981 297. 75 KK/Gmel 9. 76 BGHSt 19 367, 370; BGH StV 1999 470; Dünhaupt NdsRpfl. 1969 131; KK/Gmel 9; MeyerGoßner/Schmitt § 80, 5; SK/Deiters 14; s. auch § 246a, 23. 77 S. etwa BGHSt 27 166, 167. 78 Loos GedS H. Kaufmann 961, der die ständige Anwesenheit eines solchen Sachverständigen gegen den Willen des Angeklagten auch unter dem Blickwinkel der Beschränkung der Verteidigung als bedenklich ansieht.

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Hat der Sachverständige einem für die Erstattung seines Gutachtens bedeutsamen Teil der Hauptverhandlung nicht beigewohnt, genügt es, wenn er von den für sein Gutachten wesentlichen Ergebnissen der Hauptverhandlung unterrichtet wird; einer Wiederholung dieser Teile der Hauptverhandlung bedarf es regelmäßig nicht.79 Wenn die Unterrichtung auch nicht notwendigerweise in Gegenwart des Verteidigers oder des Angeklagten geschehen muss,80 so ist es doch in der Regel angezeigt, dass sie der Vorsitzende in der Hauptverhandlung in Gegenwart aller Beteiligter vornimmt. In besonders gelagerten Ausnahmefällen kann die Aufklärungspflicht eine Wiederholung eines Teils der Hauptverhandlung (etwa die Einvernahme eines Zeugen) in Gegenwart des Sachverständigen gebieten.

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5. Gleichzeitige Gegenwart. Das Erfordernis ständiger Anwesenheit aller notwendigen Mitwirkenden findet bei einer Beweisaufnahme, insbesondere bei Einnahme des Augenscheins am Tatort, seine Grenze in dem, was möglich ist.81 Lassen die Raumverhältnisse oder andere zwingende Gründe es nicht zu, an einer Beweisaufnahme alle bei der Verhandlung Mitwirkenden und Beteiligten gleichzeitig teilnehmen zu lassen, so ist es zulässig, dass die zunächst nur vor einem Teil der Mitwirkenden oder Beteiligten vorgenommene Beweiserhebung danach vor dem anderen Teil wiederholt und ihr Ergebnis auf diese Weise allen Mitwirkenden und Beteiligten gleichermaßen zugänglich gemacht wird. Das trifft vornehmlich auf die Einnahme eines Augenscheins zu, bei dem der Angeklagte den Vorgang dort schildert, wo er sich zugetragen hat,82 oder bei einer Probefahrt mit einem Kraftwagen, die nur eine beschränkte Teilnehmerzahl zulässt.83 Die so gewonnenen Erkenntnisse müssen dann aber in Gegenwart aller Verfahrensbeteiligten erörtert werden.84 Die Ausnahmen von der gleichzeitigen Anwesenheit aller Verfahrensbeteiligter sind auf das unbedingt Notwendige zu beschränken; sie dürfen nicht mit Beweiserhebungen verbunden werden, die auch ohne eine solche Einschränkung möglich sind.85 Andererseits obliegt die Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse anlässlich eines Augenscheins und die Entscheidung darüber, inwieweit diese Ausnahmen von der gleichzeitigen Anwesenheit erforderlich machen, dem Vorsitzenden. Der revisionsrechtliche Prüfungsmaßstab ist dabei auf Rechtsfehler bei der Ermessensausübung beschränkt.86 Die Urteilsberatung einer Strafkammer am Tatort ist nicht zulässig, wenn sie ermöglicht, dass die Gerichtsmitglieder die Örtlichkeit neu betrachten, was einem Augenschein in Abwesenheit der anderen Verfahrensbeteiligten gleichkäme.87 Dagegen verstößt die Urteilsverkündung durch den Einzelrichter am Unfallort, bei der alle Beteiligten anwesend sind, nicht gegen § 226.88

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79 BGHSt 2 25; BGH bei Spiegel DAR 1985 195; vgl. BGH NStZ 1995 201; KK/Gmel 9; MeyerGoßner/Schmitt § 80, 5; SK/Deiters 14. 80 BGHSt 2 25; Koeniger (Hauptverhandlung) 392. 81 RG HRR 1937 Nr. 489; KK/Gmel 2; KMR/Eschelbach 38; Meyer-Goßner/Schmitt 4; SK/Deiters 3. 82 RG Recht 1911 Nr. 1247. 83 OLG Köln VRS 6 (1954) 461. 84 OLG Köln VRS 6 (1954) 461; KK/Gmel 2; Meyer-Goßner/Schmitt 4; SK/Deiters 3. 85 A.A. OLG Braunschweig NJW 1963 1322 m. abl. Anm. Kleinknecht. 86 Entsprechend für die Gewährleistung der Öffentlichkeit (§ 169 Satz 1 GVG) BGH JR 2006 389 m. Anm. Humberg. 87 RGSt 66 28; OLG Hamm NJW 1959 1192; vgl. auch BGH NStZ 2013 357; OLG Hamburg GA 1961 177; s. § 230, 6. 88 OLG Hamm VRS 19 (1960) 54.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 226

6. Verzicht auf Urkundsbeamten (Absatz 2 Satz 1). Wie seit dem OWiGÄndG zu- 23 nächst im Ordnungswidrigkeitenverfahren (§ 78 Abs. 5 Satz 1 a.F. OWiG) wird es dem Strafrichter (§ 25 GVG) durch den mit dem 1. JuMoG eingeführten § 226 Abs. 2 Satz 1 nunmehr auch im Strafverfahren ermöglicht, von der Hinzuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abzusehen. Der Gesetzesbegründung zum OWiGÄndG zufolge legte der Rechtsausschuss des Bundestags seinerzeit noch „Wert auf die Feststellung, dass er diese Erleichterung nur für das Bußgeldverfahren, aber keineswegs für das Strafverfahren als angemessen ansieht“.89 Dies schien dem Gesetzgeber schon sechs Jahre später überholt.90 Von der Regelung, die aus finanzpolitischen Gründen das Erfordernis einer konzentrierten Verhandlungsführung durch den Strafrichter hintanstellt und ihm seiner Stellung und Aufgabe in der Hauptverhandlung abträgliche Zusatzaufgaben ansinnt, sollte allenfalls in einfachen Sachen Gebrauch gemacht werden, in denen sich die Protokollführung durch den Strafrichter ohne größere Hemmung und Zerstückelung des Verhandlungsablaufs und insbesondere der Beweisaufnahme bewerkstelligen lässt.91 Zu denken ist dabei insbesondere an Verfahren, in denen von vornherein feststeht, dass kein Inhaltsprotokoll nach § 273 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 zu erstellen sein wird (vgl. § 78 Abs. 2 Halbsatz 2 OWiG). Bedrängnissen der Justizverwaltungen, weitgehend ohne die Zuziehung eines Urkundsbeamten zu verhandeln, sollte der Strafrichter möglichst nicht nachgeben; denn es handelt sich hierbei um Versuche, Einfluss auf eine Entscheidung zu nehmen, die er in richterlicher Unabhängigkeit nach eigenem Dafürhalten zu treffen hat.92 Die Entscheidung, auf die Zuziehung eines Urkundsbeamten zu verzichten, muss 24 nicht ausdrücklich gefasst werden. Sie kann auch konkludent ergehen, etwa indem der Strafrichter ohne Protokollführer in der Hauptverhandlung erscheint und dessen Abwesenheit in der von ihm geführten Sitzungsniederschrift kenntlich macht.93 Mit der Entscheidung gehen die Aufgaben des Urkundsbeamten auf den Strafrichter über. Dieser hat ein vollständiges Protokoll unter Beachtung der §§ 272, 273 zu erstellen.94 Das muss jedoch nicht schon in der Hauptverhandlung in der endgültigen Form (Langschrift) geschehen. Vielmehr kann es der Strafrichter dort auch zunächst vorläufig aufzeichnen, etwa in Kurzschrift oder durch Diktat auf ein technisches Speichermedium (vgl. § 160a ZPO). Das Erstellen der Langfassung des Protokolls kann dann einer Schreibkraft überlassen werden, wobei es in den Fällen des § 273 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 nicht erforderlich ist, auch das wesentliche Ergebnis der Vernehmungen von Zeugen und Sachverständigen in die Langfassung aufzunehmen. Die Aufnahme des wesentlichen Ergebnisses einer Vernehmung in das Protokoll unterbleibt auch dann, wenn der Strafrichter gemäß § 273 Abs. 2 Satz 2 anordnet, dass diese im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen wird; zum weiteren Umgang mit der Tonaufzeichnung s. § 273 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6. Erstellt der Strafrichter die Langfassung der Sit-

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89 BTDrucks. 13 8655 S. 13. 90 KMR/Eschelbach 61. 91 Krit. auch Engelbrecht DAR 2004 496; Hirtz/Sommer 1. Justizmodernisierungsgesetz (2004) 82; Knauer/Wolf NJW 2004 2938; Neuhaus StV 2005 50; Rieß StraFo 2006 9; Sommer StraFo 2004 297; KMR/ Eschelbach 62 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt 7a; MüKo/Arnoldi 16; Radtke/Hohmann/Britz 17; SK/Deiters 12; SSW/Grube 14. 92 Göhler/Seitz/Bauer § 71, 28 OWiG; KK-OWiG/Senge § 78, 10. So auch die Gesetzesbegründung zu § 78 Abs. 5 a.F. OWiG (BTDrucks. 13 8655 S. 13), wonach die „Justizverwaltung … den Richter nicht unter Druck setzen“ dürfe. 93 SK/Deiters 12; vgl. BayObLGSt 2001 103 zu § 78 Abs. 5 Satz 1 a.F. OWiG, obwohl in § 78 Abs. 5 Satz 2 a.F. OWiG von einem Beschluss die Rede war, während § 226 Abs. 2 Satz 2 lediglich von einer Entscheidung spricht; a.A. für § 78 Abs. 5 Satz 1 a.F. OWiG daher wohl Katholnigg GA 2001 340. 94 Vgl. OLG Hamm NStZ 2001 220, 221; Göhler/Seitz/Bauer § 71, 28 OWiG; KK-OWiG/Senge § 78, 9.

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§ 226

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zungsniederschrift allein, wird diese gemäß § 271 Abs. 1 Satz 1 auch nur von ihm unterzeichnet; wird eine Schreibkraft eingeschaltet, sollte diese analog § 168a Abs. 4 Satz 2 und 3 mit unterschreiben und die Richtigkeit der Übertragung bestätigen.95 Stellt sich nach Beginn der Hauptverhandlung heraus, dass die Protokollführung durch einen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle entgegen vorheriger Einschätzung doch erforderlich ist, kann er nachträglich zugezogen werden.96 25

7. Sitzungsniederschrift. Die ununterbrochene Gegenwart der in § 226 Abs. 1 genannten Personen wird ausschließlich durch das Hauptverhandlungsprotokoll bewiesen (§ 273 Abs. 1), nicht etwa durch das Rubrum des Urteils.97 Gleiches gilt für die Anwesenheit des notwendigen Verteidigers (§§ 140, 231a Abs. 4), während ein nicht notwendiger dort zwar nach § 272 Nr. 4 anzuführen ist, aber nicht der auf die wesentlichen Förmlichkeiten beschränkten Beweiskraft des § 274 unterfällt.98 Als wesentliche Förmlichkeit zu protokollieren ist auch die Anwesenheit eines Dolmetschers oder Sprachmittlers, soweit seine Zuziehung durch §§ 185, 186 GVG geboten ist. Die Anwesenheit der Zeugen oder Sachverständigen als solche ist dagegen keine im Protokoll festzuhaltende und nur durch dieses zu beweisende wesentliche Förmlichkeit.99 8. Rechtsmittel

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a) Der Verzicht des Strafrichters auf die Heranziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (Absatz 2 Satz 1) ist gemäß Absatz 2 Satz 2 unanfechtbar. Er kann daher weder mit der Beschwerde (§ 304 Abs. 1 a.E.) noch mit der Revision (§ 336 Satz 2) angegriffen werden.

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b) Verstöße gegen die Anwesenheitspflicht des Absatz 1 (in dem oben Rn. 5 und 11 bis 14 dargestellten Sinne) begründen die Revision nach § 338 Nr. 5. Dies gilt auch dann, wenn ein Richter während eines wesentlichen Teils der Hauptverhandlung abwesend war. Demgegenüber will die vorherrschende Ansicht,100 ohne dies allerdings näher zu begründen,101 auch im Fall der physischen oder psychischen Abwesenheit eines an der Entscheidung mitwirkenden Richters allein § 338 Nr. 1 zur Anwendung bringen. Diese Auffassung mag zwar verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein,102 ist jedoch mit dem Regelungszweck des § 226 Abs. 1 (s. oben Rn. 1 und 5) nicht vereinbar103 und wohl vornehmlich von dem Bemühen geleitet, die Präklusionsregelungen des § 338 Nr. 1 fruchtbar zu machen.104

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95 KK/Gmel 6a; Meyer-Goßner/Schmitt 7a. 96 BRDrucks. 378/03 S. 56; Fleindl JA 2005 373; Knauer/Wolf NJW 2004 2938; Neuhaus StV 2005 50; KK/Gmel 6a; KMR/Eschelbach 76; Meyer-Goßner/Schmitt 7a. 97 BGH NStZ 1994 47 f.; vgl. bei § 273. 98 SK/Deiters 16. 99 So etwa für Zeugen: BGHSt 24 280; für Sachverständige: BGH NStZ 1985 455; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 207; weitere Nachw. bei § 273. 100 BGHSt 48 290, 291; BGH NJW 2001 3062; NStZ 1982 41; Roxin/Schünemann § 44, 37, § 46, 36 f.; HK/Julius 8; KK/Gericke § 338, 71; Meyer-Goßner/Schmitt § 338, 10; MüKo/Arnoldi 20. 101 Roxin/Schünemann § 44, 37 meinen, § 338 Nr. 5 betreffe nicht das Gericht. 102 BVerfG NJW 2003 3545 f. 103 Ablehnend daher auch Günther MDR 1990 875, 876 f.; Hamm 362, 365, 409 ff.; KMR/Eschelbach 102 ff.; ebenso SK/Deiters 1 und SSW/Grube 22, die jedoch (jeweils Rn. 6) im Falle eines erst nach Beginn der Hauptverhandlung zugezogenen Ergänzungsrichters oder -schöffen unter Berufung auf BGH NJW 2001 3062 § 338 Nr. 1 für anwendbar halten; offen gelassen, aber hiesiger Ansicht zuneigend: BGH NJW 2017 181, 183. 104 Vgl. BGH NJW 2001 3062.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 227

Vertritt ein Staatsanwalt, der als Zeuge vernommen wurde, die Staatsanwaltschaft 28 unzulässigerweise weiter, so ist nach der Rechtsprechung nicht der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 gegeben; der Verfahrensverstoß führt nach § 337 zur Aufhebung, wenn das Urteil darauf beruht.105 Die Revisionsrüge nach § 338 Nr. 5 greift auch durch, wenn alle Beteiligten dem Ver- 29 stoß zugestimmt haben.106 Der Verzicht auf die Wiederholung eines unter Verstoß gegen § 226 Abs. 1 durchgeführten Teils der Hauptverhandlung schließt es nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen aus, dass der Verzichtende seine Revision später auf diesen Verstoß stützt,107 etwa wenn sein Vorgehen von Anfang arglistig auf die Provokation eines Verfahrensfehlers angelegt war.108 Gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 muss die Revisionsbegründung vortragen, welcher not- 30 wendige Verfahrensbeteiligte bei welchem – genau zu bezeichnenden – Teil der Hauptverhandlung nicht anwesend war.109 Macht die Revision geltend, das Protokoll sei nicht durch einen hiermit betrauten Justizangestellten als Urkundsbeamten der Geschäftsstelle geführt worden, so muss sie darlegen, dass dem Justizangestellten diese Aufgabe jedenfalls nicht nach den rechtlich vorgesehenen Modalitäten übertragen war, die hierfür nach den Umständen des Falles nahe liegend in Betracht kamen.110 Dass der Hauptverhandlungsteil, bei dem ein Verfahrensbeteiligter physisch oder psychisch abwesend war, nicht wiederholt wurde, soll ebenfalls zum notwendigen Inhalt des Rügevorbringens gehören;111 dies kann aber allenfalls dann gefordert werden, wenn nach dem sonstigen Vortrag der Revision eine derartige Heilung des Verfahrensfehlers in Betracht kommt.112 Dabei ist aber auch zu beachten, dass kein Sachvortrag zum Inhalt von Beweiserhebungen verlangt werden kann, den das Revisionsgericht ohnehin nicht rekonstruiert (s. § 230, 47).113

§ 227 Mehrere Staatsanwälte und Verteidiger § 227 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-021

Es können mehrere Beamte der Staatsanwaltschaft und mehrere Verteidiger in der Hauptverhandlung mitwirken und ihre Verrichtungen unter sich teilen. Bezeichnung bis 1924: § 226.

1. 2. 3.

Übersicht Zweck der Vorschrift | 1 Mitwirkung mehrerer Beamter der Staatsanwaltschaft | 2 Mitwirkung mehrerer Verteidiger | 4

4.

Teilung der Verrichtungen a) Staatsanwaltschaft | 9 b) Verteidiger | 10

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105 Nr. 5. 106 107 108 109 110 111 112 113

BGH NStZ 1983 135; OLG Düsseldorf StV 1991 59; weitere Nachw. bei Rn. 8 und bei §§ 337, 338 OLG Hamm JMBlNW 1982 155. OLG Bremen GA 1953 87 m. abl. Anm. Jescheck. Schmid (Verwirkung) 324 ff.; ferner die Erl. zu § 337. S. etwa BGHSt 26 84, 91; BGHR § 344 Abs. 2 Satz 2 Abwesenheit 1. BGH NStZ 2015 473 f.; NStZ-RR 2014 378. OLG Hamm NJW 2006 1449 (zw.). BGHR § 344 Abs. 2 Satz 2 Abwesenheit 2. Dies wird von BGHR § 344 Abs. 2 Satz 2 Abwesenheit 2 nicht beachtet.

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§ 227

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1. Zweck der Vorschrift. § 227 eröffnet die Möglichkeit, die Aufgaben der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung unter mehreren Personen aufzuteilen. Dies ist insbesondere in Großverfahren sinnvoll, in denen ein Einzelner durch die Fülle und Komplexität des Verfahrensstoffs an die Grenzen seiner Kapazitäten stoßen kann. Dem wird durch die gleichzeitige oder aufeinander folgende1 Mitwirkung mehrerer Staatsanwälte bzw. Verteidiger vorgebeugt und damit die funktionsgerechte Ausübung der jeweiligen Aufgaben in der Hauptverhandlung gewährleistet.2 Gleichzeitig wird in gewissem Umfange eine verfahrenssichernde Wirkung erzielt, indem bei Ausfall eines Staatsanwalts oder Verteidigers, etwa wegen Erkrankung oder sonstiger Verhinderung, ein anderer dessen Aufgaben übernehmen und das Verfahren damit seinen Fortgang nehmen kann.3 Zu denken ist insbesondere auch an die Fälle, in denen ein Wechsel in der Person des Staatsanwalts vorgenommen werden muss, weil der zunächst auftretende Sitzungsstaatsanwalt als Zeuge vernommen wird.4

2. Mitwirkung mehrerer Beamter der Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft als Behörde kann in der Hauptverhandlung durch mehrere Staatsanwälte vertreten werden. Sie können während der ganzen Verhandlung oder während eines Teils gleichzeitig nebeneinander auftreten,5 sich aber auch im Laufe der Hauptverhandlung ablösen und nacheinander oder abwechselnd tätig werden.6 Eine Aussetzung oder Unterbrechung der Hauptverhandlung bei Wechsel des 3 Staatsanwalts ähnlich der Regelung bei einem neu bestellten Verteidiger in § 145 Abs. 3 sieht die StPO nicht ausdrücklich vor. Aber auch der Staatsanwalt kann die ihm gestellten Aufgaben in der Hauptverhandlung sachgerecht nur wahrnehmen, wenn er hinreichend unterrichtet ist. Dazu muss ihm das Gericht die erforderliche Zeit gewähren.7 Wegen des Beschleunigungsgebots wird allerdings regelmäßig nur die Unterbrechung der Hauptverhandlung in Betracht kommen, nicht ihre Aussetzung. Wenn der Wechsel des Staatsanwalts dazu führt, dass der neu eintretende Staatsanwalt wegen Unkenntnis der bisherigen Verfahrensvorgänge nicht in der Lage ist, seine Aufgabe zu erfüllen, und das Gericht ihm nicht durch Unterbrechung der Hauptverhandlung die erforderliche Zeit zur Vorbereitung einräumt, so kann der Aussetzungsantrag nach § 265 Abs. 4 gerechtfertigt sein. Durch Verlassen der Sitzung darf der Staatsanwalt die Unterbrechung der Hauptverhandlung nicht erzwingen.8 Tut er dies trotzdem, muss das Gericht die Hauptverhandlung dennoch unterbrechen, da die Voraussetzungen für ihre Durchführung nach § 226 Abs. 1 nicht mehr gegeben sind. 2

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3. Die Mitwirkung mehrerer Verteidiger für denselben Angeklagten lässt § 227 ausdrücklich zu. Nur hierfür gilt die Regelung nach ihrem Sachzusammenhang, nicht dagegen ist die Mitwirkung mehrerer Verteidiger für mehrere Angeklagte angesprochen. Es ist grundsätzlich der freien Entscheidung des Angeklagten überlassen, ob er mehr als einen Verteidiger bestellen will. Die Zahl der gewählten Verteidiger darf jedoch drei

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1 Vgl. Hahn I 183 (Motive 127). 2 KMR/Eschelbach 3. 3 Vgl. KMR/Eschelbach 9. 4 Vgl. BGHSt 21 85, 88 ff. = JR 1967 227 m. Anm. Hanack = LM Nr. 1 Ls. m. Anm. Kohlhaas; BGH StV 1983 53 sowie im Einzelnen Vor § 48 sowie § 226, 8. 5 Vgl. BGH bei Dallinger MDR 1966 200, 201 (für Verteidiger); SK/Deiters 1. 6 RGSt 16 180, 181; BGHSt 13 337, 341; 21 85, 89 = JR 1967 227 m. Anm. Hanack = LM Nr. 1 Ls. m. Anm. Kohlhaas; BGH Urt. v. 18.12.1975 – 4 StR 475/75; Roxin/Schünemann § 44, 39. 7 KK/Gmel 1; SK/Deiters 3. 8 Vgl. OLG Köln NJW 2005 3588 für den Verteidiger.

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nicht überschreiten (§ 137 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2). Dass von mehreren Angeklagten jeder einen besonderen Verteidiger haben muss, folgt aus § 146. Die Einzelheiten sind bei §§ 137 und 146 erläutert. Mehrere Verteidiger eines Angeklagten müssen nicht gleichzeitig anwesend sein;9 dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Wahl- oder Pflichtverteidiger handelt. Auch sie können neben- oder auch nacheinander auftreten10 oder sich abwechseln. Beim Wechsel in der Verteidigung muss, auch wenn es sich um eine notwendige Verteidigung handelt, die Hauptverhandlung nicht in ihren wesentlichen Teilen wiederholt werden.11 Die notwendige Verteidigung kann jedoch nur führen, wer den Prozessstoff sicher beherrscht.12 Dem Antrag des neu bestellten Verteidigers, die Verhandlung auszusetzen, damit er sich informieren könne, muss das Gericht allerdings keine Folge leisten, wenn der Verteidiger in der Lage ist, sich in der Zeitspanne einer Unterbrechung (§ 229 Abs. 1 und 2) genügend vorzubereiten.13 Dazu gehört nicht nur die Erarbeitung des Prozessstoffes, sondern auch die Unterrichtung über den bisherigen Verlauf der Hauptverhandlung und ihre Ergebnisse. Die Einzelheiten sind bei § 145 Abs. 3 erläutert. Die eventuelle Aussetzungspflicht nach § 265 Abs. 4 (vgl. die dortigen Ausführungen) besteht daneben selbständig. Bei nicht notwendiger Verteidigung wird die Sach- und Rechtslage regelmäßig so einfach sein, dass eine längere Unterbrechung oder gar Aussetzung zur ordnungsgemäßen Vorbereitung des neuen Verteidigers entbehrlich ist. Dies muss im Einzelfall nach den bei § 228 Abs. 2, § 265 Abs. 4 dargelegten Grundsätzen geprüft werden. Der Wegfall eines von mehreren Verteidigern hindert in der Regel den Fortgang der Hauptverhandlung nicht. In schwierigen Fällen kann jedoch die Unterbrechung oder Aussetzung erforderlich werden; vor allem, wenn wegen der verabredeten Arbeitsteilung der verbliebene Verteidiger die Aufgabe des ausscheidenden nicht ohne weiteres mit übernehmen kann. Auch hier ist der Antrag nach § 265 Abs. 4 eröffnet.

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4. Teilung der Verrichtungen a) Die Staatsanwaltschaft steht dem Gericht auch dann, wenn sie durch mehrere 9 Beamte gleichzeitig vertreten wird, stets als eine Einheit gegenüber (vgl. § 144 Halbsatz 1 GVG). Deshalb ist es zwar nicht unstatthaft, jedoch unangebracht, wenn jeder mitwirkende Staatsanwalt ohne Rücksicht auf die Mitwirkung des anderen zur ganzen Sache oder bei jedem Anlass sprechen wollte. Werden von den Staatsanwälten inhaltlich identische Anträge mehrfach gestellt, so sind sie nur einmal zu verbescheiden.14 Bereits beantwortete Fragen an Zeugen oder Sachverständige können im Fall ihrer Wiederholung als ungeeignet zurückgewiesen werden.15 Widersprüchliche Erklärungen mehrerer Staatsanwälte sind so zu behandeln wie widersprüchliche Erklärungen einer einzelnen Person. Solange die frühere Erklärung nicht bindend geworden ist, kann sie durch die spätere Erklärung eines anderen Staatsanwalts zurückgenommen werden; andernfalls

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9 BGH bei Dallinger MDR 1966 200, 201; bei Holtz MDR 1981 457; KK/Gmel 2; Meyer-Goßner/Schmitt 2. 10 OLG Frankfurt StV 1988 210, 211; Roxin/Schünemann § 19, 23. 11 BGHSt 13 337, 340 f.; Roxin/Schünemann § 19, 26; krit. Eb. Schmidt § 145, 11. 12 RGSt 71 353, 354; BGHSt 13 337, 343 f.; BGH NStZ 2000 212; vgl. auch BGHSt 58 296; BGH NJW 2000 1350. 13 Vgl. demgegenüber im Hinblick auf die Zehntagesfrist des § 229 Abs. 1 a.F.: RGSt 71 353, 354; BGH NJW 1965 2164 m. Anm. Schmidt-Leichner. 14 KMR/Eschelbach 11. 15 Für den Verteidiger RGSt 18 365, 367; BGHSt 2 284, 289; BGH NStZ 1981 71; KMR/Eschelbach 11; s. § 241, 13.

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ist die spätere Erklärung unwirksam.16 Wenn allerdings widersprüchliche Erklärungen nebeneinander stehen, muss versucht werden, die Entscheidung des vorgesetzten Staatsanwalts (vgl. § 146 GVG) einzuholen.17 Bleibt eine Klärung auf diesem Wege aus, fehlt es an einer wirksamen Äußerung.18 b) Das Verhältnis mehrerer Verteidiger eines Angeklagten19 zum Gericht und zueinander ist dagegen anders zu beurteilen. Auch wenn es sich um den Vorwurf nur einer Tat desselben Angeklagten handelt, nimmt jeder Verteidiger seine Aufgabe selbständig und ohne rechtliche Bindung durch Erklärungen seines Mitverteidigers wahr.20 Über den von einem Verteidiger gestellten Antrag ist daher auch dann zu entscheiden, wenn der andere Verteidiger sich dem Antrag nicht anschließt oder ihm widerspricht.21 Der Vorsitzende muss jedem Verteidiger Erklärungen nach § 257, einen alles umfassenden Schlussvortrag und das Wort auf die Erwiderung des Staatsanwalts gestatten (§ 258). Das gilt allgemein, erst recht aber dann, wenn der eine Verteidiger vom Angeklagten selbst, der andere von seinem gesetzlichen Vertreter gewählt ist (§ 137 Abs. 2), ebenso dann, wenn im Fall des § 138 Abs. 2 neben dem gewählten und vom Gericht genehmigten noch ein zusätzlicher Verteidiger hinzugezogen werden muss oder wenn zur Sicherung des Verfahrens ausnahmsweise neben dem Wahl- ein Pflichtverteidiger bestellt ist (s. dazu bei § 141). Nur wenn dem Gericht bekannt gegeben wird, dass sich die Verteidiger auf eine gewisse Aufgabenteilung geeinigt haben, darf dieses sich grundsätzlich damit begnügen, jeweils nur dem Verteidiger das Wort zu erteilen, der entsprechend dieser Rollenverteilung die Aufgabe der Verteidigung wahrnimmt. Die umfassenden Rechte jedes Verteidigers werden dadurch zwar nicht eingeschränkt; das Gericht darf aber bei der Verhandlungsführung davon ausgehen, dass die anderen Verteidiger, sofern sie sich nicht von sich aus zu Wort melden, entsprechend der Arbeitsteilung keine eigenen Erklärungen abgeben wollen. Aus der internen Arbeitsteilung folgt auch nicht, dass bei einer notwendigen Verteidigung stets der Verteidiger anwesend sein muss, der diese Aufgabe für den betreffenden Verfahrensteil übernommen hat. Es genügt, wenn ein Verteidiger anwesend ist.22 Für den Fall, dass mehrere Verteidiger eines Angeklagten widersprüchliche Erklä11 rungen abgeben, enthält das Verfahrensrecht keine allgemeinen Bestimmungen. Solche sind auch kaum möglich, weil es für die sich daraus ergebenden Folgen jeweils auf die Art der Erklärung ankommt. Soweit ein Prozessvorgang von der Zustimmung aller Prozesssubjekte abhängt, scheitert er bereits am Widerspruch nur eines Verteidigers, auch wenn der Angeklagte und die anderen Verteidiger zustimmen, so etwa die Verlesung einer Vernehmungsniederschrift nach § 251 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 3.23 Von solchen Fällen abgesehen, lässt sich allgemein nur sagen, dass der Vorsitzende durch Befragung der Beteiligten, insbesondere des Angeklagten auf die Behebung widersprüchlicher Erklärungen hinwirken muss.24 Da die Führung der Verteidigung nicht an den Willen des An-

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16 SK/Deiters 2. 17 KMR/Eschelbach 12; SK/Deiters 2. 18 Etwa an einer Zustimmung nach § 251 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 3; KMR/Eschelbach 13; vgl. KK/Gmel 3. 19 Zum gegenseitigen Verhältnis der Verteidiger mehrerer Angeklagter vgl. bei § 146; ferner etwa Richter NJW 1993 2152. 20 BGH NStZ 2000 212, 213; JR 1998 251 m. Anm. Rogat; bei Holtz MDR 1979 108; KMR/Eschelbach 25; SK/Deiters 4. 21 Meyer-Goßner/Schmitt 3. 22 BGH bei Dallinger MDR 1966 200, 201; bei Holtz MDR 1981 457; SK/Deiters 4. 23 KK/Gmel 3; KMR/Eschelbach 31; Meyer-Goßner/Schmitt 3; SK/Deiters 5. 24 Eb. Schmidt 4; SK/Deiters 5.

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geklagten gebunden ist,25 steht diesem aber auch nicht die endgültige Entscheidung zu.26 Ist eine Übereinstimmung nicht zu erzielen, folgt aus der Selbständigkeit jedes Verteidigers, dass die für die Verteidigung des Angeklagten prozessual günstigste Erklärung zum Tragen kommt,27 falls sich überhaupt feststellen lässt, welche die für den Angeklagten vorteilhafteste ist.28 Ist dies nicht möglich, so ist für das Gericht die Erklärung maßgebend, die zur weitreichendsten Verteidigung gegen den Schuldvorwurf führt.

§ 228 Aussetzung und Unterbrechung § 228 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-022 1

(1) Über die Aussetzung einer Hauptverhandlung oder deren Unterbrechung nach § 229 Abs. 2 entscheidet das Gericht. 2 Kürzere Unterbrechungen ordnet der Vorsitzende an. (2) Eine Verhinderung des Verteidigers gibt, unbeschadet der Vorschrift des § 145, dem Angeklagten kein Recht, die Aussetzung der Verhandlung zu verlangen. (3) Ist die Frist des § 217 Abs. 1 nicht eingehalten worden, so soll der Vorsitzende den Angeklagten mit der Befugnis, Aussetzung der Verhandlung zu verlangen, bekanntmachen. Schrifttum Behn/Wesemann Die neue Frist des § 229 Abs. 1 StPO und welche Probleme sich daraus ergeben, StraFo 2006 354; Bertram Mitwirkung von Schöffen während unterbrochener Hauptverhandlung? NJW 1998 2934; Bock Die Entscheidung des Gerichts über eine Unterbrechung der Hauptverhandlung bis zu einem Monat (§§ 228 I 1, 229 II StPO), FS Beulke (2012) 633; Deutscher Sachverhandlung versus „Schiebetermin“, StRR 2012 44; Gehb/Drange Unterbrechung der Hauptverhandlung, ZRP 2003 231; Heubel Die Verschiebung der Hauptverhandlung wegen Verspätung des Verteidigers, NJW 1981 2678; Kasten Die „Terminshoheit“ des Gerichts und das Recht auf Verteidigung (2017); Lilie Die Zehn-Tage-Frist als Widerspruch zur Konzentrationsmaxime, FS Meyer-Goßner (2001) 483; Mandla Die Unterbrechung der strafrechtlichen Hauptverhandlung (2005); ders. „Wesentliche Förderung“ und „Verhandlung zur Sache“ – Probleme des § 229 StPO, NStZ 2011 1; Michel Zur wirksamen Unterbrechung einer Hauptverhandlung, ZfS 2000 373; Momsen/Willumat Ergänzungsrichter, der Grundsatz des gesetzlichen Richters und das Beschleunigungsgebot – Sind Ergänzungsrichter und -schöffen zum Urteil berufene Personen i.S.d. § 229 III 1 Alt. 2 StPO? NStZ 2018 369; Neuhaus Terminsbestimmung, Terminsverlegung und das Recht auf Beistand durch den Verteidiger des Vertrauens, StraFo 1998 84; Rottland Verlängerte Unterbrechung der Hauptverhandlung, ZRP 1971 56; Scheffler Verkürzung durch Verlängerung, ZIS 2007 386; Schlothauer Eintritt des Ergänzungsrichters in die Hauptverhandlung oder Hemmung der Unterbrechungsfrist, FS Egon Müller II (2008) 641; Schmitz Erkrankungen während laufender Hauptverhandlung, NStZ 2010 128; Wölfl Der Schiebetermin – legaler Ausweg oder unzulässiger Kunstgriff? JuS 2000 277; Zieschang Die Problematik der wiederholten Anwendung des § 229 Abs. 3 StPO, StV 1996 115.

Entstehungsgeschichte Bezeichnung bis 1924: § 227. Art. 1 Nr. 73 des 1. StVRG hat Absatz 1 Satz 1 neu gefasst. Der Wortlaut stellt seither nicht mehr nur auf Anträge anderer Prozessbeteiligter ab und

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25 Vgl. BGHSt 13 337, 343; Meyer-Goßner/Schmitt Vor § 137, 1. 26 A.A. wohl HK/Julius 3. 27 AK/Keller 3. 28 Vgl. KMR/Eschelbach 32 für den Fall, dass ein Verteidiger der Verwertung eines Beweises widerspricht, ein anderer – wegen abweichender Verteidigungskonzeption – die Verwertung gerade wünscht.

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betrifft somit auch die Aussetzung bzw. Unterbrechung der Hauptverhandlung von Amts wegen. Im Übrigen wurde Satz 1 dahin ergänzt, dass über die Unterbrechung nach dem gleichzeitig neu eingefügten § 229 Abs. 2 das Gericht und nicht der Vorsitzende entscheidet. Die späteren Änderungen des § 229 durch das StVÄG 1987 und das 1. JuMoG sind ohne Einfluss auf § 228 geblieben.

1. 2. 3.

4.

5. 6.

Übersicht Zweck der Vorschrift | 1 Begriff der Aussetzung und der Unterbrechung | 2 Zuständigkeit für Unterbrechung und Aussetzung (Absatz 1) a) Gericht | 3 b) Vorsitzender | 4 c) Abänderung der Entscheidung | 5 Gründe für Unterbrechung und Aussetzung a) Unterbrechung | 6 b) Aussetzung | 9 Aussetzungs- und Unterbrechungsanträge | 15 Entscheidung über Unterbrechung oder Aussetzung a) Bescheidung | 16 b) Unterbrechung durch den Vorsitzenden | 17

Alphabetische Übersicht Akteneinsicht 11 Angeklagte, mehrere 10 Angeklagter, Anwesenheitsrecht 11 Anrufung des Gerichts (§ 238 Abs. 2) 34, 38 Aufklärungspflicht 8, 10 f., 25, 40 Augenscheinstermin 14 Aussetzung – Begriff 2 – Gründe 9 ff., 25 ff. – nach Vorlagebeschluss 41 – Pflicht zur 9, 11 Aussetzungsantrag 10, 15, 22, 31 – hilfsweise gestellt 16 – vor Hauptverhandlung 15 Bedeutung der Sache 26 Begründung der Entscheidung 16, 17 Belehrung des Angeklagten 31 f. Beschleunigungsgebot 10, 25, 34, 40 Beschluss – Begründung 16, 19, 43 Beschränkung der Verteidigung 16, 36, 38, 43 Beschwerde 35, 37, 38, 40, 41, 43, 45 Beweiserhebung, weitere 11 Beweismittelverlust 34, 35 Entscheidung von Amts wegen 6, 9, 19, 21 f., 29, 38 Erholungspausen 7

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c)

7.

8. 9. 10.

Unterbrechung oder Aussetzung durch das Gericht | 19 Verhinderung des Verteidigers (Absatz 2) a) Regelungsgehalt | 21 b) Regelungszweck | 23 c) Einzelfälle | 26 d) Verspätung des Verteidigers | 30 Belehrung bei Nichteinhaltung der Ladungsfrist (Absatz 3) | 31 Sitzungsniederschrift | 33 Rechtsbehelfe a) Anordnung der Unterbrechung | 34 b) Ablehnung der Unterbrechung | 38 c) Anordnung der Aussetzung | 40 d) Ablehnung der Aussetzung | 43 e) Verstöße gegen Absatz 2 oder 3 | 44

Ermessen, richterliches 6, 7, 8, 9, 10, 12, 15, 19, 25, 26, 43 Faires Verfahren 8, 10, 23, 25, 30, 31, 38, 43, 44 Förderung des Verfahrens 8 Fortsetzungstermin 5, 18, 20, 26, 27 Fürsorgepflicht 8, 10, 15, 25, 30, 31, 38, 43, 44 Gericht 3 – Entscheidung 19 Heilung 4 Hinweise 18 Konzentrationsmaxime 10, 34 Ladung, neue 18, 20 Ladungsfrist 31 f. Menschenrechtspakte 23 Nebenkläger – Verhinderung 21 Organisatorische Schwierigkeiten 13, 40 Pflichtverteidiger 6, 11, 29 Prozesswirtschaftlichkeit 10 Revision 16, 36, 37, 38, 42, 43, 44, 46 Schöffen 3 Stillschweigender Ablehnungsbeschluss 16, 43 Taten, mehrere 10 Terminsverlegungsantrag 15, 24, 27 Tod des Verteidigers 26 Trennung der Verfahren 10

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

Übermüdung 7, 38 Unterbrechung – Begriff 2 – Gründe 6 ff., 11 – zeitliche Grenze 2, 4, 5 Urteilsgründe 16 Verfahrensrügen 7 Verhinderung des Angeklagten 11 Verhinderung des Verteidigers 1, 11, 15, 21 ff. Verkündung 17 f.

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Verspätung des Verteidigers 30 Vertagung 2, 17 Verteidigung, notwendige 21 Verteidigungsinteressen 25 Verzögerung des Verhandlungsbeginns 14, 26 Vorsitzender – Befugnisse 4, 5, 34, 38 Wartepflicht 14, 30, 44 Wiederholung der Hauptverhandlung 2

1. Zweck der Vorschrift. § 228 umfasst in seinen drei Absätzen in systematisch 1 nicht recht einleuchtender Weise höchst unterschiedliche Regelungen im Zusammenhang mit der Unterbrechung bzw. Aussetzung der Hauptverhandlung. Absatz 1 enthält eine reine Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen dem Vorsitzenden und dem Gericht; er gehört nach seinem Regelungsgehalt zu § 229. Mit den Voraussetzungen für die Aussetzung oder Unterbrechung der Hauptverhandlung befasst er sich nicht.1 Absatz 2, der an sich in den Kontext des § 137 Abs. 1 Satz 1 fällt, schränkt das Recht des Angeklagten, Aussetzung der Hauptverhandlung zu verlangen, für die spezifische Situation der Verhinderung seines Verteidigers ein. Dagegen steht die Belehrungsobliegenheit des Absatzes 3 in systematischem Zusammenhang mit § 217 Abs. 2 (s. etwa auch § 266 Abs. 3 Satz 2). 2. Begriff der Aussetzung und der Unterbrechung. In § 228 ist – ebenso wie in 2 § 138c Abs. 4 Satz 1, § 145 Abs. 2 und 3, § 217 Abs. 2, § 218 Satz 2 i.V.m. § 217 Abs. 2, § 246 Abs. 2 und 3, § 265 Abs. 3 und 4, § 416 Abs. 2 Satz 2 – unter Aussetzung das Abbrechen der bereits (mit dem Aufruf der Sache; § 243 Abs. 1 Satz 1) begonnenen Hauptverhandlung mit der Folge zu verstehen, dass eine neue selbständige Verhandlung stattzufinden hat (§ 229 Abs. 4 Satz 1; s. näher § 229, 38 f.). Dagegen bedeutet Unterbrechung das Einfügen eines verhandlungsfreien zeitlichen Zwischenraums zwischen mehrere Teile einer in sich zusammenhängenden Verhandlung,2 deren Einheit hierdurch unberührt bleibt (s. im Einzelnen § 229, 6 ff.). Nach bisher herrschender – und zutreffender – Ansicht entscheidet sich die Frage, ob eine abgebrochene Verhandlung fortgesetzt werden darf oder erneuert werden muss, gemäß § 229 Abs. 4 allein nach der tatsächlichen Dauer der verhandlungsfreien Zeit und nicht danach, ob bei der Beendigung eines Hauptverhandlungstages der – gegebenenfalls rechtlich fehlerhafte – Ausdruck „Unterbrechung“, „Aussetzung“ oder „Vertagung“ gebraucht und was hiermit beabsichtigt wurde.3 Danach kann eine Wiederholung des schon Verhandelten nötig werden, obwohl eine bloße Unterbrechung beabsichtigt war; sie kann sich erübrigen, wenn es möglich ist, die „ausgesetzte“ Verhandlung so fortzusetzen, dass die zeitlichen Grenzen des § 229 Abs. 1 oder 2 eingehalten sind. Diese eindeutige Grenzziehung, die im Hinblick auf die Gewährleistung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) keine Zweideutigkeiten aufkommen lässt (s. auch § 243, 16), hat der BGH in neueren Entscheidungen aufgeweicht.4

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1 Vgl. BGH JR 1996 473 m. Anm. Gollwitzer; HK/Julius 1. 2 H.M.; so schon Beling 376; v. Hippel 522; Eb. Schmidt 2. 3 RGSt 58 357, 358; BGH NJW 1982 248; OLG Koblenz VRS 52 (1977) 478; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Roxin/ Schünemann § 44, 11. 4 BGHSt 52 24; BGH Beschl. v. 2.11.2010 – 1 StR 544/09, in NStZ 2011 294, StraFo 2011 92 und NZWiSt 2012 75 insoweit nicht abgedruckt (Diese Entscheidung erscheint nicht frei von Widersprüchen, wenn die

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Danach soll es dem Gericht jedenfalls dann freistehen, eine begonnene Hauptverhandlung trotz möglicher Unterbrechung sogleich auszusetzen, wenn bis zu dem Aussetzungsbeschluss noch keine Erträge für die Urteilsfindung erzielt worden sind, die bei einer Unterbrechung fortwirken würden, im Falle der Aussetzung aber neu gewonnen werden müssten; zu beachten sei lediglich das Willkürverbot. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen.5 Zum einen schafft sie ohne Not Abgrenzungsprobleme. Zum anderen weist sie der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des gesetzlichen Richters einen zu geringen Wert zu, indem sie sie lediglich als Willkürausschlussklausel versteht. Der Gehalt dieser Gewährleistung kann nicht mit dem Maßstab gleichgesetzt werden, der bei Prüfung der Frage gilt, ob die geschäftsplanmäßige Zuweisung einer Sache an einen bestimmten Spruchkörper oder die Mitwirkung eines bestimmten Richters an deren Entscheidung vor § 101 Abs. 1 Satz 2 GG Bestand hat. Gegenteiliges lässt sich auch nicht aus § 217 Abs. 2, § 246 Abs. 2, § 265 Abs. 3 und 4 herleiten.6 In § 217 Abs. 2, § 265 Abs. 3 wird dem Angeklagten durch das Gesetz ein Anspruch auf Aussetzung der Hauptverhandlung eingeräumt, den das Gericht auch dann zu erfüllen hat, wenn es die Hauptverhandlung innerhalb der Unterbrechungsfrist fortsetzen könnte.7 Soweit dem Gericht für die Entscheidung, welche Konsequenz aus der neuen Verfahrenssituation zu ziehen ist, ein Ermessen zusteht (§ 246 Abs. 4, § 265 Abs. 4), ist es im Hinblick auf die genannten Grundsätze, die Gewährleistung des gesetzlichen Richters, aber auch den Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung, ermessensfehlerhaft, eine Verhandlung auszusetzen, die innerhalb der Unterbrechungsfrist hätte fortgesetzt werden können (s. Rn. 10). 3. Zuständigkeit für Unterbrechung und Aussetzung (Absatz 1) 3

a) Das Gericht entscheidet gemäß § 228 Abs. 1 Satz 1 über die Aussetzung sowie über die drei Wochen übersteigende Unterbrechung nach § 229 Abs. 2.8 Die Überantwortung der Entscheidung an das Gericht soll nicht Erinnerungsverlusten der Richter vorbeugen. Vielmehr liegt dem die Überlegung zugrunde, dass solch gewichtige Eingriffe in den Verfahrensablauf nicht allein dem Ermessen des Vorsitzenden überlassen werden sollen.9 Über die Unterbrechung entscheidet das Gericht in der Hauptverhandlung unter Beteiligung der Schöffen, außerhalb der Hauptverhandlung in der Beschlussbesetzung ohne

_____ Hauptverhandlung, die „noch keinen Ertrag“ erbracht hat, einerseits ohne weiteres ausgesetzt werden kann, andererseits der Ergänzungsrichter, der an dieser Hauptverhandlung teilgenommen hat, allein schon mit dem Aufruf der Sache gemäß § 243 Abs. 1 Satz 1 in dieser Funktion herangezogen worden und daher nach der gerichtlichen Geschäftsverteilung für die später neu begonnene Hauptverhandlung nicht mehr als Ergänzungsrichter in Betracht gekommen sein soll.); wie der BGH Roxin/Schünemann § 44, 13; Graf/Gorf 2; HK/Julius 3 sowie Vor §§ 228 f., 1; KK/Gmel 1; MüKo/Arnoldi 5; SK/Deiters/Albrecht 4 f.; SSW/ Grube 3; s. auch KMR/Eschelbach 7. 5 Ablehnend auch Meyer-Goßner/Schmitt 2; Radtke/Hohmann/Britz 5; Burhoff (Hauptv.) 464 und 2703. 6 So aber BGH Beschl. v. 2.11.2010 – 1 StR 544/09, in NStZ 2011 295, StraFo 2011 92 und NZWiSt 2012 75 insoweit nicht abgedruckt. 7 BGHSt 48 183 (zu § 265 Abs. 3); KG NZV 2003 586; OLG Köln VRS 71 (1986) 449, 451 f.; Meyer-Goßner/ Schmitt § 217, 7. 8 Vgl. auch die spezielle Zuständigkeitsregelung in § 138c Abs. 4 Satz 1. 9 BGHSt 33 217. Mit der Neuregelung der Unterbrechungsfristen in § 229 Abs. 1 und 2 durch das 1. JuMoG ist dieses Argument weitgehend obsolet geworden; denn der Unterbrechungszeitraum, auf den sich die Anordnungsbefugnis des Vorsitzenden bezieht, unterschreitet nunmehr denjenigen, der in die Entscheidungskompetenz des Gerichts fällt, nur unwesentlich; so auch KK/Gmel 2; MüKo/Arnoldi 2; Radtke/Hohmann/Britz 7; Deutscher StRR 2012 44. Bock 637 f. sieht die Gründe für die Zuständigkeit des Gesamtspruchkörpers dagegen in einer damit verbundenen höheren Richtigkeitsgewähr und in dem Gewicht, mit dem die Anordnung in die Rechte des Angeklagten eingreife.

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Schöffen.10 Für die Aussetzung kann nichts anderes gelten.11 Die – auch vom BGH vertretene – Gegenansicht12 führt nicht zu sinnvollen Ergebnissen. Nach ihr müsste, wenn sich bei unterbrochener Hauptverhandlung nachträglich die Notwendigkeit der Aussetzung ergibt, nur zum Zwecke entsprechender Beschlussfassung nochmals formal in die Hauptverhandlung eingetreten werden, obwohl die zunächst beschlossene Unterbrechung gemäß § 229 Abs. 4 Satz 1 automatisch zur Aussetzung wird, wenn die Höchstfristen der Unterbrechung überschritten werden (s. Rn. 2). b) Der Vorsitzende ordnet alle kürzeren Unterbrechungen bis zu drei Wochen an 4 (Absatz 1 Satz 2). Hat er fälschlich die Hauptverhandlung für eine längere Zeit unterbrochen, wird der Zuständigkeitsmangel dadurch geheilt, dass die Hauptverhandlung innerhalb der Dreiwochenfrist fortgesetzt oder – so die Voraussetzungen des § 229 Abs. 2 vorliegen – ein entsprechender Beschluss des Gerichts nachgeholt und die Verhandlung innerhalb der Monatsfrist weitergeführt wird.13 c) Abänderung der Entscheidung. Ergibt sich außerhalb der Hauptverhandlung 5 die Notwendigkeit, den Beschluss des Gerichts oder die Anordnung des Vorsitzenden zu ändern, etwa um den Beginn der Fortsetzungsverhandlung weiter hinauszuschieben, so bestimmt sich die Zuständigkeit für diese Anordnung ebenfalls nach obigen Grundsätzen. Maßgebend ist dabei die Gesamtdauer der Unterbrechung und nicht etwa nur die Dauer der neuen Verlängerung. Hat die ursprüngliche Unterbrechungsanordnung des Vorsitzenden die Frist des § 229 Abs. 1 nicht erschöpft, obliegt es daher ihm, den zunächst vorgesehenen Fortsetzungstermin auf einen späteren Verhandlungstag zu verschieben, wenn dieser noch innerhalb der Dreiwochenfrist liegt. Kann diese dagegen nicht gewahrt werden, kommt jedoch wegen vorheriger zehntägiger Hauptverhandlung ein Fortsetzungstermin innerhalb der Monatsfrist des § 229 Abs. 2 in Betracht, so muss das Gericht einen entsprechenden Unterbrechungsbeschluss fassen. Dies kann auch noch nach Ablauf der Frist des § 229 Abs. 1 geschehen.14 Ist auch die Frist des § 229 Abs. 2 verstrichen, so kann der Gerichtsbeschluss jedoch nicht mehr nachgeholt werden.15 Dabei ist für den Fristenlauf aber gegebenenfalls § 229 Abs. 3 Satz 1 oder § 229 Abs. 5 Satz 1 zu beachten.16 4. Gründe für Unterbrechung und Aussetzung a) Unterbrechung. Die Unterbrechung der Hauptverhandlung ist für bestimmte 6 Verfahrenslagen gesetzlich vorgesehen. Hierbei sind unterschiedliche Regelungsmodelle vorhanden. In § 231a Abs. 3 Satz 4 ist die Unterbrechung zwingend vorgeschrieben und

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10 BGHSt 34 154, 155 f. = JR 1988 36 m. Anm. Böttcher; OLG Stuttgart NStZ-RR 2009 243, 244; LG Berlin StV 2014 403; Meyer-Goßner/Schmitt 8; SK/Deiters/Albrecht 14; Bock 636; a.A. Radtke/Hohmann/Britz 11; vgl. auch OLG Düsseldorf JMBlNW 1995 225 zu dem Fall, dass – vor Fertigstellung des Gesamtprotokolls – die in einem Teilprotokoll vermerkte Anordnung des Vorsitzenden bei vorheriger Einigung der Gerichtsmitglieder als Verkündung des Gerichtsbeschlusses auszulegen ist. 11 So auch KK/Gmel 2; KMR/Eschelbach 9; Meyer-Goßner/Schmitt 8; SK/Deiters/Albrecht 12. 12 BGHSt 38 312, 314 f.; HK/Julius 2; Radtke/Hohmann/Britz 9. 13 KMR/Eschelbach 12; Meyer-Goßner/Schmitt 9; Pfeiffer 2; SK/Deiters/Albrecht 14. 14 Vgl. BGHSt 34 154, 156 = JR 1988 36, 37 m. Anm. Böttcher. 15 Nach Böttcher JR 1988 38 sowie Bock 640 soll es im Hinblick auf § 229 Abs. 4 auch noch ausreichen, wenn der Beschluss am ersten Tag nach Fristablauf bzw. – wenn dieser auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt – am nächsten Werktag zu Beginn der fortgesetzten Hauptverhandlung gefasst wird. 16 LG Düsseldorf StV 1997 284, 285 m. Anm. Zieschang; Meyer-Goßner/Schmitt 8; offen gelassen in BGH NStZ 1992 550.

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gleichzeitig ihre Höchstfrist gesondert festgelegt. Ebenso zwingend ist die Unterbrechung nach § 138c Abs. 4 Satz 1 (mit gesonderter Höchstfrist nach Satz 2) und – wenn der neue Pflichtverteidiger erklärt, nicht die erforderliche Zeit zur Vorbereitung der Verteidigung zu haben – nach § 145 Abs. 3; alternativ ist in diesen Fällen die Aussetzung des Verfahrens anzuordnen. Die Ermessensausübung (s. dazu Rn. 2 und 10) beschränkt sich hier auf die Wahl zwischen diesen beiden Möglichkeiten.17 § 266 Abs. 3 Satz 1 sieht die Unterbrechung von Amts wegen oder auf Antrag des Angeklagten vor, wobei die Unterbrechung von Amts wegen nach pflichtgemäßem Ermessen anzuordnen ist, während dem Antrag des Angeklagten gefolgt werden muss, es sei denn, er wurde mutwillig oder zur Verzögerung des Verfahrens gestellt. § 222a Abs. 2 dagegen eröffnet auf Antrag die Unterbrechung nach pflichtgemäßem Ermessen. Siehe dazu im Einzelnen die Erläuterungen bei den genannten Vorschriften. 7 Im Übrigen entscheidet, soweit nicht gemäß § 228 Abs. 1 Satz 1, § 229 Abs. 2 der gesamte Spruchkörper hierzu berufen ist, der Vorsitzende im Rahmen der ihm übertragenen Leitungsbefugnis (§ 238 Abs. 1) nach pflichtgemäßem Ermessen,18 ob, wann und für wie lange die fortlaufende Verhandlung unterbrochen wird. Bei einer längeren Verhandlung, die sich über den ganzen Tag oder aber über mehrere Tage erstreckt, sind solche Pausen zur Ruhe und Erholung für alle Verfahrensbeteiligten unerlässlich.19 Ihre völlige Verweigerung kann ermessensmissbräuchlich sein und außerdem die Gefahr von Verfahrensrügen unter zusätzlichen Gesichtspunkten (schlafender Schöffe, übermüdeter Angeklagter usw.) begründen. 8 Der Vorsitzende hat die Verhandlung aber auch zu unterbrechen, wenn dies zur Förderung des Verfahrens sachdienlich ist, etwa um das Beibringen weiteren Beweismaterials,20 eine kommissarische Vernehmung oder eine vorher nicht durchführbare Einsicht in Unterlagen zu ermöglichen, um einer Beweisperson eine Überlegungspause einzuräumen oder auch um einem erregten bzw. sich prozessordnungswidrig verhaltenden Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Beruhigung und Sammlung zu geben. Maßstab für die Ermessensentscheidung ist die Fürsorgepflicht des Gerichts und der Grundsatz fairer Verfahrensgestaltung. 21 Zu dem Sonderfall des nicht erschienenen oder verspäteten Verteidigers vgl. unten Rn. 21 ff. Auch wenn in der Praxis regelmäßig so verfahren wird,22 erscheint es fraglich, ob eine Hauptverhandlung allein zu dem Zweck unterbrochen werden darf, Gespräche nach § 212 i.V.m. § 202a zur Vorbereitung einer Verständigung zu führen. Zwar findet § 212 auch nach dem Beginn der Hauptverhandlung für die Zeiträume zwischen einzelnen Hauptverhandlungsterminen oder nach ausgesetzter Hauptverhandlung bis zu deren Neubeginn Anwendung.23 Dies bedeutet indes nicht, dass derartige Gespräche, zu denen die Beteiligten nach dem Gang der Hauptverhandlung Anlass sehen, ohne weiteres dem Licht der Öffentlichkeit entzogen und in ein stilles Hinterzimmer verlegt werden dürfen. Nach der Konzeption des § 257c haben sie vielmehr in der öffentlichen Hauptverhandlung stattzufinden;24 § 257b eröffnet entsprechende

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17 BGH NStZ 2000 212 m. Anm. Hammerstein 327 = StV 2000 402 m. Anm. Stern; vgl. BGHSt 13 337, 342 ff.: kein Wahlrecht des Verteidigers im Fall des § 145 Abs. 3; so aber Peters JR 1974 249. 18 SK/Deiters/Albrecht 14 f.; vgl. für die Terminierung BGH bei Holtz MDR 1980 815. 19 KK/Gmel 2; zur Abgrenzung vgl. BGH bei Kusch NStZ-RR 2000 34. 20 Vgl. etwa OLG Zweibrücken OLGSt § 244 Nr. 12 m. Anm. Julius: Ermittlung der Anschrift eines Zeugen. 21 OLG Zweibrücken OLGSt § 244 Nr. 12 m. Anm. Julius; Meyer-Goßner/Schmitt 9; vgl. auch BGH NStZ 2005 650. 22 Befürwortend auch SSW/Grube 9; über die maßgeblichen Gründe hierfür soll an dieser Stelle nicht räsoniert werden. 23 Meyer-Goßner/Schmitt § 212, 1; vgl. § 243 Abs. 4 Satz 2. 24 Vgl. BVerfGE 133 168, 215 ff.

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Möglichkeiten. Halten sich die Gespräche innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens, so müssen sie die Öffentlichkeit nicht scheuen!25 b) Aussetzung. Auch die Aussetzung der Hauptverhandlung ist für bestimmte Ver- 9 fahrenslagen gesetzlich vorgesehen, wobei hier ebenfalls verschiedene Regelungsmodelle anzutreffen sind. In den Fällen des § 138c Abs. 4 Satz 1, des § 145 Abs. 3, des § 217 Abs. 2, des § 218 Satz 226 i.V.m. § 217 Abs. 2, des § 265 Abs. 327 und des § 416 Abs. 2 Satz 2 ist die Aussetzung unter den dort jeweils bestimmten Voraussetzungen, teils jedoch nur auf Antrag, zwingend.28 Soweit alternativ die Unterbrechung der Hauptverhandlung vorgesehen ist, beschränkt sich die Ermessensausübung auf die Wahl zwischen dieser und der Aussetzung.29 Dagegen stellen § 145 Abs. 1 Satz 2,30 Abs. 2, § 246 Abs. 2 bis 4,31 § 262 Abs. 2 und § 265 Abs. 4 die – beantragte bzw. von Amts wegen anzuordnende – Aussetzung in das gerichtliche Ermessen (zur Ermessensausübung s. Rn. 2 und 10). Wegen der Einzelheiten wird auf die Erläuterungen zu den genannten Vorschriften verwiesen. Das Gesetz regelt die Gründe, aus denen auf Antrag oder von Amts wegen das Ver- 10 fahren auszusetzen ist oder ausgesetzt werden kann, jedoch nicht abschließend. Auch bei anderen prozessualen Lagen können sich vor allem aus dem Gebot der Sachaufklärung oder aus der Fürsorgepflicht und den Erfordernissen eines justizförmigen („fairen“) Verfahrens32 weitere Aussetzungsgründe ergeben. Andererseits erfordern jedoch das Gebot der Verfahrensbeschleunigung ebenso wie Konzentrationsmaxime, Prozesswirtschaftlichkeit und Rücksichtnahme auf die Belastung aller zu der Hauptverhandlung zugezogenen Personen, dass das Gericht die einmal begonnene Hauptverhandlung – unter Vermeidung jeder unnötigen Verzögerung – zu Ende führt.33 Umfasst das Strafverfahren mehrere selbständige Taten i.S.d. § 264 Abs. 1, dann kann es angezeigt sein, das Verfahren hinsichtlich einer Tat, für die die Aussetzung notwendig wird, abzutrennen und die Verhandlung nur insoweit auszusetzen, sie im Übrigen aber fortzuführen.34 Gleiches gilt bei einem Verfahren gegen mehrere Angeklagte, wenn lediglich bei einem von ihnen eine Aussetzung notwendig wird. Die im Ermessen des Gerichts stehende Aussetzung der Hauptverhandlung darf jedenfalls nicht ohne triftigen prozessualen Grund angeordnet werden35 und nur dann, wenn eine Unterbrechung nicht ausreicht.36 Im Hinblick auf die weitgehenden Unterbrechungsmöglichkeiten, die § 229 Abs. 1 und 2 i.d.F

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25 Vgl. BGHSt 61 92, 99. 26 Vgl. KG StV 1996 10; OLG Köln VRS 71 (1986) 449; s. auch OLG München NJW 2005 2470 für den Fall, dass die Ladung des Verteidigers völlig unterbleibt. 27 S. dazu BGHSt 48 183 m. Anm. Kästner JuS 2003 849, Kudlich/Kraemer JA 2004 108 und Mitsch NStZ 2004 395. 28 Vgl. KG VRS 87 (1994) 129, 131; NZV 2003 586. 29 BGH NStZ 2000 212 m. Anm. Hammerstein S. 327 = StV 2000 402 m. Anm. Stern. 30 BGHSt 58 296, 297 ff. 31 S. dazu LG Koblenz StV 1997 239. 32 Vgl. etwa OLG Celle NJW 1961 1319; OLG Düsseldorf StV 1995 69; VRS 63 (1982) 458; OLG Hamburg MDR 1964 524; OLG Hamm VRS 41 (1971) 45; OLG Koblenz VRS 60 (1981) 119; KK/Gmel 4; KMR/Eschelbach 2, 4, 26; Meyer-Goßner/Schmitt 3; SK/Deiters/Albrecht 8 f. 33 BGH StV 2016 774. 34 BGH bei Dallinger MDR 1975 23; KK/Gmel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 4; SK/Deiters/Albrecht 5. 35 OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996 142; StV 1997 282 m. Anm. Zieschang 286; OLG Frankfurt MDR 1983 253; OLG Karlsruhe GA 1974 285; KG JR 1966 230, 231 m. Anm. Kleinknecht; KMR/Eschelbach 2 f. (Schutzbereich des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG berührt); ferner etwa Peters JR 1974 248; Meyer-Goßner/ Schmitt 4. 36 OLG Düsseldorf StV 1997 282 m. Anm. Zieschang 286; OLG Frankfurt MDR 1983 253; LG Berlin StV 2014 403, 404; KK/Gmel 3; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Radtke/Hohmann/Britz 16; vgl. SK/Deiters/Albrecht 5: „regelmäßig“.

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des 1. JuMoG bieten, wird dies nur noch ausnahmsweise der Fall sein. Maßgebend für die Ermessensausübung bleiben stets die jeweiligen Umstände des Einzelfalls,37 die in einer Gesamtwürdigung der genannten Verfahrensmaximen zu bewerten sind. Danach gilt:38 Die Aussetzung kann insbesondere geboten sein, wenn die Aufklärungspflicht die 11 Zuziehung weiterer Beweismittel erfordert, die während einer Unterbrechung der Hauptverhandlung nicht beigebracht werden können.39 Dies wird in Betracht kommen, wenn Rechtshilfe im Ausland in Anspruch genommen werden muss40 oder nach erfolgreicher Ablehnung eines Sachverständigen ein neuer Gutachter zuzuziehen ist, der eine längere Vorbereitungszeit benötigt.41 Ebenso kann die Aussetzung erforderlich werden, um die rechtskräftige Entscheidung über die Aussagegenehmigung für einen beamteten Zeugen42 oder Angeklagten43 abzuwarten oder auch den rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens gegen einen Zeugen, mit dem dessen Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 entfiele.44 Sie ist des Weiteren in Betracht zu ziehen, wenn dem Angeklagten unter Verstoß gegen § 201 Abs. 1 die Anklageschrift nicht mitgeteilt worden ist45 oder er Anklage, Eröffnungsbeschluss und Terminsladung, die seiner Ehefrau im Wege der Ersatzzustellung ausgehändigt worden waren, von dieser erst am Morgen des Terminstages übergeben erhält, so dass er sich erst jetzt um einen Verteidiger kümmern kann.46 Ähnlich liegt es, wenn der Verteidiger sich nicht genügend vorbereiten konnte, weil ihm die dafür notwendige Akteneinsicht nicht bzw. zu spät gewährt wurde,47 oder wenn nachträglich umfangreiche Beiakten beigezogen werden, die zunächst durchgearbeitet werden müssen.48 Die Aussetzung kann auch geboten sein, wenn die Ermittlungsbehörden während laufender Hauptverhandlung immer wieder neue Beweismittel nachschieben 49 oder wenn das Gericht den Angeklagten in der Hauptverhandlung mit einem kurzfristig zugezogenen, nur durch flüchtige Akteneinsicht vorbereiteten Gutachter konfrontiert, nachdem es zwei vor der Verhandlung gestellte Anträge auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zurückgewiesen hatte.50 Sie kann weiterhin nötig werden, wenn eine

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37 Vgl. BGH StV 1996 298. 38 Soweit sich die nachfolgend zitierten Entscheidungen auf die Rechtslage vor dem 1.9.2004 beziehen, ist zu beachten, dass wegen der durch das 1. JuMoG eingeführten großzügigeren Unterbrechungsmöglichkeiten des § 229 Abs. 1 und 2 n.F. nach neuerer Rechtslage gegebenenfalls eine abweichende Beurteilung der Aussetzungsfrage veranlasst wäre. 39 Vgl. etwa OLG Bremen MDR 1976 777; OLG Karlsruhe Justiz 1977 277; OLG Köln MDR 1991 1080; OLG Zweibrücken OLGSt § 244 Nr. 12 m. Anm. Julius; ferner bei § 244 Abs. 2. 40 OLG Düsseldorf MDR 1993 461. 41 KG JR 1959 350. 42 OLG Stuttgart NJW 1973 2309, 2310; s. auch BGH NStZ 1985 466; Meyer-Goßner/Schmitt § 54, 29; vgl. zu dieser strittigen Frage die Erl. zu § 54. 43 BGH NJW 2007 3010, 3012. 44 Vgl. BGH StV 2016 774 f. 45 BGH NStZ 1982 125; bei Holtz MDR 1978 111; OLG Celle StV 1998 531; vgl. auch – zur unterbliebenen Übersendung einer schriftlichen Übersetzung für einen fremdsprachigen Angeklagten – BGH NStZ 2014 725 f. (zu § 187 Abs. 2 GVG i.d.F. des Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren v. 2.7.2013); außerdem: OLG Celle StraFo 2005 30 m. Anm. Rübenstahl; OLG Düsseldorf NJW 2003 2766; OLG Hamm bei E. Müller/Schmidt NStZ-RR 2006 99; OLG Stuttgart StV 2003 490; Burhoff (Hauptv.) 496 f. m.w.N.; ferner § 201, 16. 46 OLG Celle NJW 1961 1319. 47 So etwa BayObLG NStZ-RR 2002 83; OLG Düsseldorf StV 1992 100; KG StV 1982 10; OLG Karlsruhe StV 1991 199; Justiz 1980 417; LG Hannover StV 2013 79 f.; SK/Deiters/Albrecht 10. 48 Vgl. Krack JR 1996 172 f.; s. auch BGH NStZ 1998 369; LG Hamburg StV 2014 406 f. 49 OLG München NStZ 2005 706; LG Koblenz StraFo 1996 156 m. Anm. Münchhalffen; LG Leipzig StV 2008 514 ff.; Beschl. v. 23.6.2015 – 8 KLs 100 Js 15970/14; Petri NJW-Spezial 2015 504; vgl. auch LG Berlin StV 2014 403, 404 ff. 50 OLG Koblenz VRS 60 (1981) 119.

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Person, deren Anwesenheit notwendig ist, innerhalb der Unterbrechungsfrist nicht mehr teilnehmen kann. Es ist jedoch stets der Versuch zu unternehmen, mit den Verfahrensbeteiligten einen Fortsetzungstermin abzustimmen, der innerhalb der Unterbrechungsfristen des § 229 Abs. 1 oder 2 liegt. Ist der Pflichtverteidiger verhindert, so ist zu prüfen, ob sein allgemeiner Vertreter einspringen kann (vgl. § 53 Abs. 7 BRAO).51 Weigert sich der Pflichtverteidiger, die Verteidigung weiterzuführen, muss unterbrochen oder ausgesetzt52 und ein anderer Pflichtverteidiger bestellt werden.53 Eine Verhinderung des Angeklagten am Erscheinen zum Hauptverhandlungstermin, die dieser nicht zu vertreten hat, kann das Gericht auch dann zur Aussetzung zwingen, wenn es an sich ohne den Angeklagten weiterverhandeln dürfte; denn der Wegfall der Pflicht zur Anwesenheit berührt das Recht auf Anwesenheit nicht.54 Eine veränderte Sachlage i.S.d. § 265 Abs. 4 kann beim Wechsel in der Person 12 des Verteidigers eintreten.55 Ein unbedingter Anspruch auf Aussetzung der Hauptverhandlung ergibt sich hieraus indes nicht.56 Ob die Hauptverhandlung ausgesetzt oder gegebenenfalls unterbrochen werden muss, wie bei Unterbrechung der neu eintretende Verteidiger über den bisherigen Verhandlungsgang zu unterrichten ist und ob gegebenenfalls Teile der Beweisaufnahme zu wiederholen sind, beurteilt sich nach den jeweiligen Umständen, über die das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat.57 Wegen der Einzelheiten wird auf die Erläuterungen zu § 265 Abs. 4 verwiesen. Dagegen ist die Aussetzung nicht gerechtfertigt, um durch die Staatsanwaltschaft 13 Beweiserhebungen durchführen zu lassen, die ebenso gut während der laufenden Hauptverhandlung durchgeführt werden können.58 Desgleichen kommt sie nicht in Betracht, um wenig aussichtsreiche Bemühungen zur Beibringung weiterer Beweismittel zu ermöglichen.59 Auch rein organisatorische Schwierigkeiten können die Aussetzung nicht rechtfertigen, so etwa Probleme bei der Beschaffung eines geeigneten Sitzungssaals,60 dessen technischer Ausrüstung61 oder – nach Maßgabe der Zumutbarkeit – die vorübergehende Abordnung eines beisitzenden Richters.62 Nicht in Betracht kommt die Aussetzung auch, um dem Angeklagten die Möglichkeit zu geben, sich in einem Arbeitsverhältnis gut zu führen, und die Staatsanwaltschaft später auf dieser Grundlage zu bewegen, einer Verfahrenseinstellung nach § 153 Abs. 2 Satz 1 zuzustimmen.63 Ebenso ist sie unzulässig, um die Entscheidung des BVerfG oder des EuGH in einem Vorlageverfah-

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51 OLG Frankfurt StV 1988 195. 52 Zu einem derartigen Fall und der Kostenfolge nach § 145 Abs. 4 s. OLG Köln NJW 2005 3588. 53 OLG Karlsruhe StV 2003 152; s. näher die Erl. zu § 145. 54 KK/Gmel 5; SK/Deiters/Albrecht 9; vgl. für das Ordnungswidrigkeitenverfahren OLG Hamm NJW 1972 1063; VRS 39 (1970) 69. 55 BGH NJW 1965 2164, 2165; NStZ 2013 122, 123 m.w.N. 56 BGH NJW 1991 1622, 1623 f.; vgl. auch BGH NStZ-RR 2006 272. 57 Vgl. etwa BGHSt 13 337, 340; BGH NJW 2000 1350; NStZ 1983 281; 2000 212 m. Anm. Hammerstein 327 = StV 2000 402 m. Anm. Stern; 2004 637; 2013 122, 123; NStZ-RR 2002 270; 2006 272; JR 1998 251 m. Anm. Rogat. 58 KG JR 1966 230, 231 m. Anm. Kleinknecht; vgl. auch OLG Frankfurt GA 1973 51, 52. 59 Vgl. OLG Koblenz VRS 49 (1975) 355 (unbekannter Aufenthalt eines Zeugen); ferner BGH bei Becker NStZ-RR 2008 65 (Herausgabe ungeschwärzter Protokolle des Bundesamtes für Verfassungsschutz). 60 OLG Frankfurt MDR 1983 253. 61 Vgl. aber noch OLG Braunschweig StV 1987 332. 62 OLG Düsseldorf JMBlNW 1995 225, 226. 63 OLG Karlsruhe GA 1974 285; s. dagegen für das Jugendgerichtsverfahren OLG Hamm StV 2002 404: Aussetzung der Hauptverhandlung für acht Monate, um die Grundlagen für die Rechtsfolgenentscheidung zu ermitteln.

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ren abzuwarten, das von demselben oder einem anderen Gericht in einer gleichgelagerten Sache eingeleitet worden ist.64 Die Verzögerung des Verhandlungsbeginns über die festgesetzte Stunde hinaus 14 gibt dem Angeklagten in der Regel kein Recht auf Aussetzung; denn eine solche Verzögerung muss, wenn sie sich in vernünftigen Grenzen hält, von ihm und seinem Verteidiger von vornherein bei der zeitlichen Terminplanung in Rechnung gestellt werden. In Ausnahmefällen kann jedoch aufgrund einer durch den verspäteten Beginn verursachten Kollision mit einer unaufschiebbaren anderweitigen Verpflichtung des Verteidigers die Terminverlegung geboten sein.65 Verspätet sich das Gericht bei einem Augenscheintermin, so braucht der davon nicht benachrichtigte Verteidiger am verabredeten Ort auch nicht länger zu warten, als üblicherweise das Gericht wegen einer Verspätung des Verteidigers bei Verhandlungsbeginn warten muss.66 15

5. Aussetzungs- und Unterbrechungsanträge. Anträge, mit denen ein Beteiligter die Aussetzung oder Unterbrechung der Verhandlung begehrt, müssen nicht ausdrücklich so bezeichnet sein. So mag etwa ein Antrag auf weitere Beweiserhebung konkludent auch auf die Unterbrechung oder Aussetzung der Verhandlung gerichtet sein.67 Insbesondere das Vorbringen von rechtsunkundigen, nicht durch einen Verteidiger unterstützten Angeklagten kann auch ohne ein hierauf gerichtetes ausdrückliches Begehren dem Sinn nach einen Unterbrechungs- oder Aussetzungsantrag enthalten, so etwa die Darlegung der plötzlichen Verhinderung des Verteidigers.68 Ist dies zweifelhaft, muss das Gericht kraft seiner Fürsorgepflicht klarstellen, was gewollt ist. Eine nähere Begründung des Antrags mag zwar nicht zwingend vorgeschrieben sein;69 wenn aber der Unterbrechungs- oder Aussetzungsgrund nicht offensichtlich ist und die Entscheidung im Ermessen des Gerichts steht, muss der Antragsteller, wenn er Erfolg haben will, aufzeigen, warum er die Unterbrechung oder Aussetzung für nötig hält. Der Antrag auf Aussetzung oder Verlängerung einer Unterbrechung kann auch außerhalb der Hauptverhandlung gestellt werden. Wird er vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt, handelt es sich der Sache nach um einen Terminverlegungsantrag. Wird hierüber vor (Wieder-) Eintritt in die Hauptverhandlung nicht ausdrücklich entschieden, muss das Gericht in dieser klären, ob der Antrag (der Terminverlegungsantrag nunmehr als solcher auf Unterbrechung oder Aussetzung) aufrechterhalten wird.70 6. Entscheidung über Unterbrechung oder Aussetzung

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a) Bescheidung. Der Antrag auf Aussetzung oder Unterbrechung muss vor der Urteilsverkündung ausdrücklich beschieden werden. Dies gilt auch dann, wenn der An-

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64 Vgl. OLG Frankfurt MDR 1956 232 Ls. (für § 148 ZPO); OLG Köln NJW 1961 2269, 2271; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1976 178; LG Osnabrück MDR 1986 517; Höhn NJW 1961 443; Millgramm Jura 1983 354; KK/Gmel 4; SK/Deiters/Albrecht 11; aber auch BVerfGE 3 58, 74 f.; offen gelassen von BGH NJW 1993 1279, 1280. 65 BayObLG StV 1984 13; OLG Hamburg MDR 1964 524; vgl. aber noch RGSt 1 235; 11 173; RG JW 1932 1151. 66 OLG Düsseldorf VRS 64 (1983) 276; OLG Hamm VRS 55 (1978) 438. 67 Vgl. OLG Zweibrücken OLGSt § 244 Nr. 12 m. Anm. Julius. 68 OLG Hamburg GA 1965 60. 69 RGSt 23 136, 137; Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Deiters/Albrecht 7. 70 OLG Bremen GA 1964 211; KK/Gmel 7; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Eb. Schmidt Nachtr. I 1; s. aber auch BGH NStZ 2018 607 m. Anm. Arnoldi.

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trag nicht begründet wurde.71 Die Prozessbeteiligten müssen Gelegenheit haben, weitere Ausführungen zu machen und andere Anträge zu stellen.72 Unterlässt das Gericht die ausdrückliche Bescheidung, so kann die stillschweigende Ablehnung der Aussetzung mit der Revision unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung genauso gerügt werden wie ein förmlicher Beschluss.73 Ein nur hilfsweise gestellter Aussetzungsantrag kann dagegen in den Urteilsgründen abgelehnt werden.74 Einer vorherigen Entscheidung über den Aussetzungsantrag bedarf es auch dann nicht, wenn die Berufung des Angeklagten nach § 329 Abs. 1 Satz 1 oder 2 bzw. Abs. 4 Satz 2 verworfen werden muss. Da hier kein Raum für eine Sachentscheidung ist, kann der Aussetzungsantrag in den Urteilsgründen mit abgelehnt werden.75 b) Unterbrechung durch den Vorsitzenden. Über die Unterbrechung der Verhand- 17 lung entscheidet der Vorsitzende durch Verfügung, die regelmäßig in der Hauptverhandlung ergeht und durch Verkündung bekannt gemacht wird (§ 35 Abs. 1 Satz 1). Für deren Anordnung ist es ohne Belang, ob der Vorsitzende ausdrücklich den Begriff Unterbrechung gebraucht oder einen anderen Ausdruck verwendet, etwa Vertagung oder Aussetzung, bzw. lediglich einen Fortsetzungstermin bestimmt. Es kommt nur darauf an, dass die zeitlichen Erfordernisse des § 229 Abs. 1 erfüllt sind.76 Die Unterbrechungsanordnung des Vorsitzenden bedarf grundsätzlich keiner Begründung; erst wenn sie beanstandet (§ 238 Abs. 2) und die Beanstandung zurückgewiesen wird, ist der entsprechende Gerichtsbeschluss mit Gründen zu versehen (s. auch unten Rn. 34). Wird ein Unterbrechungsantrag abgelehnt, so ist die Verfügung dagegen (kurz) zu begründen (§ 34); ohne eine derartige Begründung kann der Antragsteller im Übrigen nicht sachgerecht darüber befinden, ob er auf Entscheidung des Gerichts (§ 238 Abs. 2) antragen soll. Mit der Unterbrechung wird der Vorsitzende in der Regel den Termin für die Fort- 18 setzung der Hauptverhandlung, für den die Ladungsfrist des § 217 Abs. 1 nicht gilt (s. bei § 217), bestimmen und auch diesen in der Hauptverhandlung bekannt geben.77 Dies ist für die Ladung zum Fortsetzungstermin grundsätzlich ausreichend,78 aber auch notwendig. Ist der Angeklagte nicht anwesend, genügt die Bekanntgabe in der Hauptverhandlung nur dann, wenn er ihr eigenmächtig ferngeblieben ist.79 Der Vorsitzende soll nach Nr. 137 Abs. 1 RiStBV darauf hinweisen, dass weitere Ladungen nicht ergehen. Der Angeklagte muss bei der Ladung nicht erneut auf die Folgen unentschuldigten Ausbleibens nach § 230 Abs. 2 hingewiesen werden. Ist er bereits bei der schriftlichen Ladung zum ersten Hauptverhandlungstermin (§ 216) gemäß § 231 Abs. 2 auch auf die Möglichkeit hingewiesen worden, dass im Falle seines eigenmächtigem Fernbleibens gegebe-

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71 RGSt 23 136, 137. 72 RGSt 23 136, 137; RG HRR 1938 Nr. 193; OLG Bremen GA 1964 211, 212; OLG Köln StV 1992 567, 568; OLG Schleswig SchlHA 1956 298, 299; KK/Gmel 7; KMR/Eschelbach 10 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Deiters/Albrecht 13. 73 RGSt 57 261, 263; OLG Hamburg GA 1965 60; OLG Saarbrücken NJW 1975 1613, 1615. 74 BGH JR 1996 473 m. Anm. Gollwitzer; OLG Schleswig SchlHA 1956 298, 299; KK/Gmel 7; KMR/ Eschelbach 14; SK/Deiters/Albrecht 13. 75 Vgl. BayObLGSt 1999 69, 71; OLG Saarbrücken NJW 1975 1613, 1615; OLG Stuttgart GA 1962 92; KK/Gmel 7 (auch durch „schlüssiges Verhalten“); Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Deiters/Albrecht 13. 76 RGSt 58 357, 358; 60 163; BGH NJW 1982 248; vgl. Rn. 2. 77 BGH JZ 1957 673 m. zust. Anm. Eb. Schmidt (insoweit in BGHSt 10 304 nicht abgedruckt). 78 BGH JZ 1957 673 m. zust. Anm. Eb. Schmidt (insoweit in BGHSt 10 304 nicht abgedruckt); NStZ 1984 41 m. Anm. Hilger; 1988 421, 422 m. Anm. Meurer; OLG Düsseldorf NJW 1970 1889; OLG Hamburg NJW 1953 235. 79 BayObLG NZV 1999 306; OLG Hamm NStZ 1992 498, 499; OLG Karlsruhe JR 1985 31 m. Anm. Meyer; OLG Köln NStZ 1991 92.

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nenfalls gemäß § 231 Abs. 2 in seiner Abwesenheit weiterverhandelt werden kann, so muss dieser Hinweis jetzt nicht wiederholt werden (s. § 231, 10). Andernfalls ist der Hinweis jetzt zu erteilen. Befindet sich der Angeklagte nicht auf freiem Fuß, so ist die Vorführung sicherzustellen.80 Zeugen und Sachverständige sind auf die Folgen ihres Ausbleibens nach § 48 Abs. 2 (i.V.m. § 72) hinzuweisen, was aber auch durch Bezugnahme auf den früheren erteilten Hinweis geschehen kann.81 Wird dagegen der Fortsetzungstermin außerhalb der Hauptverhandlung bestimmt oder verlegt, so sind die Beteiligten formlos von dem neuen Termin zu unterrichten (§ 35 Abs. 2 Satz 2). Schriftform ist hierfür, da § 216 Abs. 1 Satz 1 für die Ladung zu Fortsetzungsterminen nicht gilt,82 nicht geboten.83 Sofern es zeitlich möglich ist, kann aber vor allem bei längeren Unterbrechungen oder einer Verlegung des Fortsetzungstermins zur Klarstellung und auch wegen der Verbindung mit etwaigen Belehrungen die schriftliche Mitteilung des Fortsetzungstermins, bei Androhung von Zwangsmitteln zum sicheren Nachweis auch die förmliche Zustellung, vorzuziehen sein. 19

c) Unterbrechung oder Aussetzung durch das Gericht. Über die Unterbrechung der Hauptverhandlung nach § 229 Abs. 2 bzw. deren Aussetzung entscheidet das Gericht durch Beschluss. Dieser ist stets zu begründen. Wird ein Unterbrechungs- oder Aussetzungsantrag zurückgewiesen, so folgt dies aus § 34. Aber auch wenn dem Antrag stattgegeben oder von Amts wegen unterbrochen oder ausgesetzt wird, ist die Entscheidung gemäß § 34 mit Gründen zu versehen;84 denn es kommt sowohl ihre Anfechtung im Beschwerdewege (s. dazu unten Rn. 35, 37, 40) als auch ihre Überprüfung im Revisionsverfahren (§ 336 Satz 1)85 in Betracht (s. dazu unten Rn. 36 f., 42). Die Gründe müssen grundsätzlich – eventuell im Zusammenhang mit den für den Antrag vorgebrachten Umständen – erkennen lassen, dass das Gericht die vorgetragenen oder von Amts wegen zu beachtenden Tatsachen rechtlich richtig gewürdigt und ein ihm eingeräumtes Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt hat.86 Hierfür kann es, insbesondere wenn die Unterbrechung oder Aussetzung angeordnet wird, gegebenenfalls genügen, den hierfür maßgeblichen Grund mitzuteilen. Selbst dies mag im Einzelfall entbehrlich sein, wenn dieser sich – wie bei einer zwingend gebotenen Aussetzung – bereits eindeutig aus der Verfahrenslage ergibt. Auch reine Ermessensentscheidungen müssen jedenfalls soweit begründet werden, dass überprüft werden kann, ob das Ermessen fehlerfrei ausgeübt wurde.87 Bei Unterbrechung der Verhandlung nach § 229 Abs. 2 gilt für die Bekanntgabe des 20 Fortsetzungstermins das unter Rn. 18 Gesagte entsprechend. Für die Neuladung nach Aussetzung vgl. § 229, 39 sowie die Erläuterungen zu §§ 216, 217.

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80 Meyer-Goßner/Schmitt § 229, 12. 81 KK/Gmel § 229, 9. 82 Meurer NStZ 1988 423; KMR/Eschelbach § 216, 3 f. 83 KK/Gmel § 229, 9; Meyer-Goßner/Schmitt § 229, 12; BGHSt 38 271 für die Konstellation, dass der Angeklagte im Fall des § 145a über seinen Verteidiger telefonisch benachrichtigt wird; s. dazu BVerfG (Kammer) NStZ 1993 90; a.A. bei unmittelbarer telefonischer Benachrichtigung des Angeklagten unter Herleitung des Schriftformerfordernisses aus § 35 Abs. 2 Satz 2: BGH NStZ 1984 41 m. Anm. Hilger; HK/Julius § 229, 10. 84 OLG Frankfurt GA 1973 51, 52; SK/Deiters/Albrecht 12; SSW/Grube 15; Bock 641 (der sich darüber hinaus ausdrücklich gegen Tendenzen zur Entformalisierung der Beschlussfassung ausspricht); a.A. KMR/Eschelbach 11. 85 Vgl. KK/Maul § 34, 2; Meyer-Goßner/Schmitt § 34, 2. 86 Meyer-Goßner/Schmitt 7. 87 KMR/Eschelbach 11; wohl auch AK/Keller 4; a.A RG JW 1914 891, 892; OLG Celle NJW 1961 1319; KK/Gmel 8; Eb. Schmidt 5 sowie Meyer-Goßner/Schmitt 7, s. dort aber auch § 34, 5.

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7. Verhinderung des Verteidigers (Absatz 2) a) Regelungsgehalt. § 228 Abs. 2 regelt die Verfahrenssituation des nicht zur 21 Hauptverhandlung erschienenen Verteidigers nur in einem engen Teilaspekt. Er ist, wie sein ausdrücklicher Hinweis auf die vorrangige Bestimmung des § 145 klarstellt, nicht in den Fällen notwendiger Verteidigung (§ 140 Abs. 1 und 2) anwendbar, soweit die Verhinderung des Verteidigers dazu führt, dass der Angeklagte unverteidigt bleibt.88 § 228 Abs. 2 erlangt daher in erster Linie für die erstinstanzliche Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht und die Berufungshauptverhandlung vor dem Landgericht Bedeutung (vgl. § 140 Abs. 1 Nr. 1). Da die Vorschrift ein Recht des Angeklagten auf Aussetzung der Verhandlung ausschließt, ist sie nur anwendbar, wenn die Hauptverhandlung durch Aufruf der Sache am ersten Terminstag begonnen hat (§ 243 Abs. 1 Satz 1) und sich bei der Feststellung der anwesenden Personen durch den Vorsitzenden (§ 243 Abs. 1 Satz 2) oder in einem späteren Fortsetzungstermin herausstellt, dass der Verteidiger nicht (mehr) erschienen ist.89 Wird dagegen wegen des Fehlens des Verteidigers nicht in die Verhandlung eingetreten und mit dem Angeklagten erörtert, ob diese dennoch an diesem Tag oder erst an einem späteren Termin durchgeführt werden soll, geht es nicht um die Aussetzung, die begrifflich den Beginn der Verhandlung voraussetzt, sondern um die Verlegung des Hauptverhandlungstermins. Diese Unterscheidung hat nicht nur theoretische Bedeutung: Wird vor Beginn der Hauptverhandlung der Verhandlungstermin verlegt, so sind im Fall der Beteiligung von Laienrichtern die Schöffen zur Mitwirkung an dem neuen Termin berufen, die für diesen Sitzungstag ausgelost sind. Ist die Sache dagegen aufgerufen und wird nunmehr die Verhandlung wegen Fehlens des Verteidigers zwar nicht ausgesetzt, aber unterbrochen (§ 229 Abs. 1), so haben die in der eröffneten Hauptverhandlung beteiligten Schöffen weiter mitzuwirken, da am nächsten Hauptverhandlungstag ein Fortsetzungstermin stattfindet.90 Weiterhin betrifft § 228 Abs. 2 nur den Fall des verhinderten Verteidigers.91 Hiervon ist dessen Verspätung zu unterscheiden.92 Für diese gelten besondere Verfahrensgrundsätze (s.u. Rn. 30). Letztlich schließt die Bestimmung lediglich den Anspruch des Angeklagten auf Aussetzung der Verhandlung aus. Ob er deren Unterbrechung verlangen kann, lässt sie hingegen offen. Ebenso wenig verbietet sie es, dass das Gericht das Ausbleiben des Verteidigers von Amts wegen oder auf Antrag des Angeklagten zum Anlass nimmt, die Hauptverhandlung auszusetzen oder zu unterbrechen. § 228 Abs. 2 steht in einem scheinbaren Gegensatz zu § 265 Abs. 4, wonach bei 22 veränderter Sachlage die Hauptverhandlung auf Antrag oder von Amts wegen auszusetzen ist, falls dies zur genügenden Vorbereitung der Verteidigung angemessen erscheint;93 denn als veränderte Sachlage in diesem Sinne kann auch das Ausbleiben des

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88 Vgl. OLG Düsseldorf HESt 3 72; OLG Karlsruhe StV 1991 199; zur Frage der Anwendbarkeit von § 145 in den Fällen, in denen der Angeklagte – nebeneinander oder nacheinander – mehrere Verteidiger hat, s. bei § 145. 89 So jetzt auch Kasten 66 f., 270 f., 281 f., indes mit der unzutreffenden, den gesetzlich vorgegebenen Verfahrensgang (§ 243 Abs. 1 Satz 1 und 2) missachtenden Folgerung, dass bei Nichterscheinen des Verteidigers die Hauptverhandlung nicht eröffnet werden dürfe und daher für § 228 Abs. 2 nur ein Anwendungsbereich bleibe, wenn sich der Verteidiger nachträglich entferne oder zu einem Fortsetzungstermin nicht erscheine. 90 S. demgegenüber aber die unter Rn. 2 dargestellte neuere Rechtsprechung des BGH. 91 Der Nebenkläger hat kein Recht, die Aussetzung zu verlangen, wenn er oder sein Bevollmächtigter verhindert ist: RG SeuffBl. 71 (1906) 628, 629. 92 SK/Deiters/Albrecht 17a. 93 Vgl. dazu Heubel NJW 1981 2678.

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Verteidigers anzusehen sein.94 Tatsächlich liegen jedoch keine konträren Regelungen vor. Vielmehr sind beide Vorschriften unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Regelungszwecks in ein stimmiges Verhältnis zu bringen, wobei die Reaktionsmöglichkeiten des Gerichts auf das Nichterscheinen des Verteidigers umfassend in Betracht zu nehmen sind. 23

b) Regelungszweck. § 228 Abs. 2 beruht auf dem Gedanken, dass im Fall nicht notwendiger Verteidigung der rechtzeitig geladene Angeklagte (bei Nichteinhaltung der Ladungsfrist gelten ohnehin § 217 Abs. 2, § 228 Abs. 3) selbst dafür zu sorgen hat, dass ihm, sofern er dies wünscht, in der Hauptverhandlung ein Verteidiger zur Seite steht. Einlassungs- (§ 201 Abs. 1 Satz 1) bzw. Einspruchsfrist (§ 410 Abs. 1 Satz 1) in Verbindung mit der Ladungsfrist (§ 217 Abs. 1) geben ihm in aller Regel ausreichend Zeit, sich den Beistand eines Verteidigers zu sichern.95 Gelingt ihm dies nicht, so geht das grundsätzlich zu seinen Lasten.96 § 228 Abs. 2 begrenzt somit das Recht des Angeklagten, sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistands eines Verteidigers zu bedienen (§ 137 Abs. 1 Satz 1), wie es auch Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK und Art. 14 Abs. 3 lit. d IPBPR dem Grunde nach gewähren,97 und begrenzt zugleich das dem Gericht in Absatz 1 Satz 1 eingeräumte Ermessen zur Aussetzung der Hauptverhandlung.98 Hierin liegt weder eine Verletzung des Rechts des Angeklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) noch – bei sachgerechter Handhabung in Abwägung mit dem Rechtsgedanken des § 265 Abs. 4 – ein Verstoß gegen das rechtsstaatliche Gebot fairer Verfahrensführung.99 24 § 228 Abs. 2 betrifft nach dem Gesagten die Fälle, in denen das Nichterscheinen des Verteidigers in die Verantwortungssphäre des Angeklagten fällt,100 etwa weil er sich nicht rechtzeitig um anwaltlichen Beistand bemüht,101 er bis zum Hauptverhandlungstermin keinen Rechtsanwalt findet, der bereit ist, ihn zu vertreten, oder weil er einen Verteidiger auswählt, bei dessen Mandatierung schon feststeht, dass er an der Wahrnehmung des bereits anberaumten Verhandlungstermins verhindert sein wird.102 Ob im letztgenannten Fall eventuell einem rechtzeitig vor Beginn der Hauptverhandlung gestellten Terminverlegungsantrag stattzugeben gewesen wäre, steht auf einem anderen Blatt. Hierzu wird auf die Kommentierung zu § 213 verwiesen (s. auch unten Rn. 26 ff.). 25 Beruht die Verhinderung des Verteidigers dagegen auf Gründen, die nicht dem Regelungszweck des Absatzes 2 unterfallen, begründet sein Ausbleiben im Allgemeinen eine veränderte Sachlage im Sinne des § 265 Abs. 4. Diese Vorschrift, die das Gebot fairer Verfahrensgestaltung und die Fürsorgepflicht des Gerichts gegenüber dem Angeklag-

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94 S. etwa BayObLG StV 1983 270 m. Anm. Weider; OLG Celle NJW 1965 2264; NdsRPfl. 1964 234; OLG Frankfurt NStZ-RR 1996 304, 305; Meyer-Goßner/Schmitt § 265, 42a; SK/Deiters/Albrecht 17. 95 OLG Celle NJW 1965 2264; OLG Hamm MDR 1972 255. 96 BGH NJW 1973 1985, 1986; OLG Düsseldorf GA 1979 226, 227; OLG Hamm NJW 2006 2199, 2200; OLG Stuttgart NJW 1967 944, 945; StV 1988 145, 146; Koch JR 1961 420; KK/Gmel 11; Meyer-Goßner/Schmitt 10; SK/Deiters/Albrecht 17. 97 KMR/Eschelbach 28; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt Art. 6, 20 EMRK; SK/Paeffgen Art. 6, 138 EMRK. 98 Kasten 275 f. 99 BVerfG NJW 1984 862. 100 Laut Petri NJW 2018 3347 soll § 228 Abs. 2 nur Anwendung finden dürfen, wenn „das Ausbleiben des Verteidigers in der Hand des Angeklagten liegt und von ihm willkürlich herbeigeführt wurde“. Damit liefe die Norm letztlich leer. 101 BGH NJW 1973 1985, 1986; OLG Düsseldorf GA 1979 226, 227; OLG Hamm MDR 1972 255; OLG Stuttgart NJW 1967 944, 945; StV 1988 145, 146. 102 Vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2014 250, 251; OLG Hamm NJW 2006 2199, 2200; OLG Köln VRS 92 (1997) 261, 262; OLG Naumburg Beschl. v. 8.10.2012 – 2 Ss (B) 101/12.

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ten konkretisiert,103 knüpft an das Ausbleiben des Verteidigers indessen nicht die starre Folge zwingender Aussetzung der Hauptverhandlung. Vielmehr ist diese Konsequenz nur geboten, wenn sie zur genügenden Vorbereitung der Verteidigung angemessen erscheint. Damit ist dem Gericht ein Spektrum von Reaktionsmöglichkeiten eröffnet, das von der sofortigen Fortführung der Hauptverhandlung über deren kürzere oder längere Unterbrechung (§ 229 Abs. 1 sowie gegebenenfalls Abs. 2) bis zu deren Aussetzung reicht. Von welcher dieser Möglichkeiten nach pflichtgemäßem Ermessen Gebrauch zu machen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Diese sind unter Abwägung der für die Entscheidung in Betracht zu ziehenden, mitunter gegenläufigen Verfahrensprinzipien, so insbesondere des Beschleunigungsgebots, der Aufklärungspflicht und des Rechts des Angeklagten auf effektive Verteidigung, und orientiert an dem übergeordneten Leitbild fairer Verfahrensgestaltung zu bewerten.104 In der Rechtsprechung ist hierbei eine deutliche Entwicklung dahin erkennbar, dem Gedanken des § 137 Abs. 1 Satz 1 bzw. Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK im Hinblick auf die legitimen Verteidigungsinteressen des Angeklagten den Vorzug vor den mit § 228 Abs. 2 verfolgten Verfahrenszwecken einzuräumen.105 Dem ist zuzustimmen. Ein Verhandeln ohne den vom Angeklagten gewählten Verteidiger ist grundsätzlich nur noch in engen, dem Regelungskern des § 228 Abs. 2 entsprechenden Ausnahmefällen als zulässig zu erachten. Diese Entwicklung darf bei der Heranziehung älterer Entscheidungen, die teilweise noch einen großzügigeren Maßstab angelegt haben, nicht außer Betracht bleiben. Eine gegenläufige Tendenz zu dieser Entwicklung könnte sich allerdings daraus ergeben, dass dem Beschleunigungsgebot in jüngerer Zeit ein ganz besonderes Gewicht beigemessen wird. Dies kann dazu führen, dass andere Rechte des Angeklagten überlagert werden. So gilt nach der neueren Kammerrechtsprechung des BVerfG für Großverfahren insbesondere in Haftsachen,106 dass, um die verfassungsrechtlich gebotene straffe Terminierung zu ermöglichen, bei Terminskollisionen gegebenenfalls das Recht des Angeklagten auf rechtliche Vertretung durch einen Verteidiger seines Vertrauens zurückstehen muss, wenn die Verteidigung anderweitig – insbesondere durch Beiordnung eines weiteren (Pflicht-)Verteidigers – gewährleistet ist.107 c) Einzelfälle. Maßgeblich für die Ermessensentscheidung des Gerichts ist, ob dem 26 Angeklagten im Hinblick auf die Bedeutung der Sache sowie die Schwierigkeit der Sach-

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103 Vgl. BGH bei Holtz MDR 1976 988; BGH NStZ 1992 247; OLG Hamm VRS 47 (1974) 358, 359; 55 (1978) 438, 439; OLG Köln VRS 42 (1972) 284, 285; KMR/Eschelbach 28; SK/Deiters/Albrecht 17; Heubel („fair trial“) 107; ders. NJW 1981 2679; Plötz (Fürsorgepflicht) 249 ff. 104 Vgl. etwa BGH NStZ 1999 527; BayObLGSt 1988 179; 1998 144; BayObLG DAR 2001 83 m. Anm. Heinrich; OLG Braunschweig StV 2008 293; OLG Frankfurt StV 1998 13; OLG Hamm NStZ-RR 2001 107, 109; StV 1989 100; VRS 41 (1971) 45; OLG Koblenz StV 2010 476, 477; 2010 477, 478; OLG Oldenburg StV 1991 152; OLG Zweibrücken NZV 1996 162; LG Koblenz StV 1996 254; LG Verden StV 1996 255; Burmann NZV 1996 166; Neuhaus StraFo 1998 87 (Terminverlegungsantrag). 105 Kritisch Arnoldi NStZ 2018 609. 106 S. nur BVerfG (Kammer) NJW 2006 668; 2006 672; 2006 1336; StV 2006 703; StraFo 2007 18; NStZRR 2008 18 sowie nachst. Fn.; krit. Schmidt NStZ 2006 313; KMR/Eschelbach § 229, 5: „zunehmend engherzige Verfahrenskontrolle … anhand abstrakter Zahlen ohne Rücksicht auf verfahrensübergreifende Querbezüge, Verfahrensgegenstände und Verhandlungsinhalte“. 107 BVerfG (Kammer) StV 2006 451 m. Anm. Hilger; 2008 198, 199; NStZ-RR 2007 311, 314; BGH NJW 2006 3077, 3078; NStZ-RR 2006 271, 272; JR 2007 209 m. zust. Anm. Eidam; StV 2006 680; OLG Hamburg NJW 2006 2792, 2793; OLG Hamm NJW 2006 2788, 2790 f.; OLG Köln StV 2006 143; 2006 145, 146; 2006 463. Das BVerfG (Kammerbeschl. v. 17.7.2006 – 2 BvR 1190/06 – Rn. 9 = StV 2006 645 Ls.) hat die „Frage (aufgeworfen), inwieweit … Verteidiger mit Blick auf das Beschleunigungsgebot verpflichtet werden können, andere – weniger dringliche – Termine zu verschieben“.

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und Rechtslage, den Verfahrensstand bei Eintritt der Verhinderung, sowie den Anlass und die voraussichtliche Dauer der Verhinderung zugemutet werden kann, sich selbst zu verteidigen.108 Selbst in einfacheren Sachen wird dies regelmäßig dann nicht der Fall sein, wenn er durch eine unvorhersehbare Entwicklung in die für ihn unabwendbare Lage gerät, in der Hauptverhandlung auf den Beistand des Verteidigers seiner Wahl verzichten zu müssen. So liegt es etwa, wenn der Verteidiger kurz vor der Hauptverhandlung verstirbt,109 erkrankt,110 einen Unfall erleidet111 oder eine Panne mit seinem Fahrzeug hat.112 Dasselbe gilt, wenn er nicht erscheint, weil ihm die Geschäftsstelle versehentlich mitgeteilt hatte, dass der Termin aufgehoben worden sei,113 oder das Gericht in einem zunächst nur zur Urteilsverkündung anberaumten Fortsetzungstermin erneut in die Sachverhandlung eintritt.114 Verzögert sich der Beginn der Hauptverhandlung erheblich, so dass sich der Verteidiger wegen anderweitiger Termine entfernen muss, ist grundsätzlich ebenfalls auszusetzen oder zu unterbrechen,115 ebenso wenn der Wahlverteidiger in der Hauptverhandlung unvorhersehbar das Mandat niederlegt,116 es sei denn, der Angeklagte hat dies durch sein Verhalten provoziert. 27 Die Aussetzung oder Unterbrechung der Verhandlung kann aber auch dann geboten sein, wenn dem Angeklagten schon längere Zeit vor dem Termin bekannt war oder er damit rechnen musste, dass sein Verteidiger zu der Hauptverhandlung nicht erscheinen wird. Zu nennen sind hier insbesondere die Fälle, in denen ein rechtzeitig gestellter Terminverlegungsantrag des Verteidigers ermessenfehlerhaft (s. dazu im Einzelnen die Erläuterungen zu § 213) zurückgewiesen worden war117 oder über einen solchen Antrag nicht rechtzeitig entschieden wurde.118 Kann der Verteidiger einen nach der ursprünglichen Terminplanung nicht vorgesehenen Fortsetzungstermin nicht wahrnehmen, ist ebenfalls die Aussetzung oder weitere Unterbrechung in Betracht zu ziehen;119 dies kann selbst dann gelten, wenn die Verhinderung des Verteidigers auf einem vorgeplanten Urlaub beruht120 oder wenn für den Wahlverteidiger dessen Sozius auftritt, dieser aber nicht in der Lage ist, die Verteidigung zu führen.121 Andererseits kann der Verteidiger durch sein Ausbleiben die Aussetzung der Ver28 handlung nicht erzwingen. Hatte der Angeklagte ausreichend Gelegenheit, sich um

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108 BVerfG NJW 1984 862, 863; BayObLGSt 1988 179; OLG Celle NJW 1965 2264; ZfS 1997 152; OLG Düsseldorf StV 1995 454; OLG Frankfurt NStZ-RR 1996 304, 305 f.; OLG Hamm NJW 1973 2311, 2312; 2006 2199, 2200; VRS 41 (1971) 45; ZfS 2009 470; OLG Köln VRS 92 (1997) 261, 262; OLG Thüringen VRS 113 (2007) 322; OLG Zweibrücken NZV 1996 162; zur Unzumutbarkeit der Verhandlung ohne den Verteidiger, nachdem ein Befangenheitsantrag erfolglos geblieben war: OLG Hamm StV 1996 11. 109 BayObLG StV 1983 270 m. Anm. Weider. 110 BayObLG wistra 2002 40; OLG Celle NJW 1965 2264; OLG Düsseldorf StV 1995 69; OLG Koblenz StV 2010 476, 477; OLG Schleswig bei Ernesti/Lorenzen SchlHA 1983 111; OLG Thüringen VRS 113 (2007) 322. 111 BayObLGSt 1995 61; OLG Düsseldorf MDR 1983 341 Ls. 112 BayObLGSt 1988 179. 113 OLG Düsseldorf GA 1958 54. 114 BayObLGSt 1962 226. 115 BayObLG StV 1984 13; OLG Hamburg MDR 1964 524. 116 OLG Celle NdsRPfl. 1964 234 (Mandatsniederlegung aufgrund von Spannungen zwischen dem Verteidiger und dem Vorsitzenden). 117 Zur Vorbereitung eines vom Angeklagten in diesen Fällen in der Hauptverhandlung zu stellenden Aussetzungsantrages vgl. Neuhaus StraFo 1998 85. 118 OLG Düsseldorf VRS 63 (1982) 458; OLG Koblenz StV 2010 477, 478; vgl. OLG Oldenburg StV 2015 156, 157. 119 Vgl. OLG Hamm NJW 1954 933. 120 Vgl. OLG Celle StV 1984 503; OLG Frankfurt StV 1997 402; OLG Hamm StV 1989 100; NZV 1997 90, 91; NStZ-RR 2001 107, 109; OLG München NStZ 1994 451; s. aber auch OLG Koblenz VRS 52 (1977) 428. 121 OLG Hamm GA 1977 310.

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einen anderen Verteidiger zu bemühen,122 oder war für ihn vorhersehbar, dass der Verteidiger – ohne vorher rechtzeitig einen Verlegungsantrag gestellt zu haben – den Termin nicht wahrnehmen werde,123 darf die Hauptverhandlung, insbesondere bei einfacher Sach- und Rechtslage, auch gegen den unverteidigten Angeklagten durchgeführt werden. Dieser ist nicht von jeder eigenen Obliegenheit und jedem Fehlverhalten seines Verteidigers freizustellen. Liegt ein vom Regelungszweck des § 228 Abs. 2 nicht erfasster Fall der Verhinderung 29 des Verteidigers vor, so ist das Gericht gehalten, den Angeklagten auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Unterbrechung oder Aussetzung zu beantragen,124 und diese entsprechend dem Antrag oder von Amts wegen anzuordnen, wenn dies für eine angemessene Verteidigung erforderlich erscheint. Es gilt § 265 Abs. 4.125 Auch wenn der neben dem Wahlverteidiger bestellte Pflichtverteidiger anwesend ist, kann in diesen Fällen die Aussetzung oder Unterbrechung geboten sein.126 d) Verspätung des Verteidigers. Ist der Verteidiger zur angesetzten Terminstunde 30 ausgeblieben, so hat das Gericht kraft der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Pflicht zu einer fairen und fürsorglichen Verfahrensgestaltung und wegen des Rechts des Angeklagten auf Beistand eines Verteidigers seiner Wahl mit dem Beginn der Hauptverhandlung zunächst eine angemessene Zeit abzuwarten, da stets mit einer unverschuldeten Unpünktlichkeit (Verkehrsverhältnisse; Dauer anderer Termine etc.) zu rechnen ist. § 228 Abs. 2 steht dem nicht entgegen, da er ein Zuwarten mit dem Verhandlungsbeginn nicht ausschließt. Im Allgemeinen wird eine Wartezeit von mindestens 15 Minuten angezeigt sein.127 Bei einem auswärtigen Anwalt kann auch ein längeres Abwarten geboten sein.128 Gleiches gilt, wenn der Verteidiger telefonisch mitteilt, dass er sich verspäten werde bzw. schon auf dem Wege sei,129 oder ein Anruf bei ihm oder seiner Kanzlei entsprechendes ergibt.130 Auch wenn insoweit keine Pflicht des Gerichts besteht,131 sollte eine derartige fernmündliche Erkundigung stets vorgenommen werden; denn sie kann meist rasch Klarheit darüber schaffen, ob weiteres Zuwarten angezeigt ist. Trotz Ankündigung einer Verspätung muss jedoch nicht über den Zeitpunkt hinaus gewartet werden, zu dem unter Berücksichtigung der mitgeteilten Hinderungsgründe spätestens mit dem Eintreffen des Verteidigers zu rechnen war.132 Nach Ablauf der angemessenen Wartezeit

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122 BGH NStZ-RR 2006 272 f.; OLG Koblenz VRS 45 (1973) 284. 123 OLG Düsseldorf GA 1979 226; OLG Hamm VRS 41 (1971) 45. 124 BayObLGSt 1962 226; dazu Plötz (Fürsorgepflicht) 264 ff.; KK/Gmel 11. 125 BGH NJW 1965 2164 m. Anm. Schmidt-Leichner; OLG Düsseldorf GA 1979 226, 227; OLG Hamm GA 1977 310; KK/Gmel 11; Meyer-Goßner/Schmitt 12. 126 BGH NStZ 1987 34; 1998 530, 531; 1999 527; 2018 607 f. m. Anm. Arnoldi; vgl. aber auch BGH NStZ 1998 311, 312; bei Kusch NStZ-RR 2000 289; BayObLGSt 1996 94. 127 BayObLGSt 1959 250 (jedenfalls länger als sieben Minuten); BayObLG AnwBl. 1978 154; OLG Düsseldorf VRS 64 (1983) 276, 277; OLG Frankfurt NJW 1978 285 Ls.; OLG Hamm NStZ-RR 1997 179, 180; VRS 47 (1974) 303; 55 (1978) 368, 369; 59 (1980) 449; 66 (1984) 32, 33; JMBlNW 1980 72; OLG Koblenz VRS 45 (1973) 455; OLG Köln StV 1984 147; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1976 172 (allgemein Wartezeit von 15 Minuten ausreichend); vgl. auch BbgVerfG NJW 2003 2009; s. dagegen aber OLG Hamm NJW 1973 2311. 128 OLG Düsseldorf StV 1995 454, 455; OLG Frankfurt AnwBl. 1984 108. 129 VerfGH Berlin JR 2002 11, 13; BayObLG VRS 60 (1981) 304; OLG Düsseldorf StV 1995 454; OLG Hamburg MDR 1981 165; OLG Hamm NJW 1969 943; NStZ-RR 1997 179, 180; 2007 120; GA 1974 346; VRS 68 (1985) 49; OLG Köln VRS 42 (1972) 284; NZV 1997 494 (Anruf bei der Geschäftsstelle, von dem der Richter keine Mitteilung erhält); StV 2014 209 Ls. 130 BayObLG VRS 67 (1984) 438. 131 OLG Hamm NStZ-RR 1997 179, 180; AnwK-StPO/Kirchhof 3; Radtke/Hohmann/Britz 22. 132 OLG Karlsruhe Justiz 1979 307.

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ist nach den oben dargelegten Maßstäben darüber zu entscheiden, ob dem Angeklagten die Verhandlung in Abwesenheit seines Verteidigers zugemutet werden kann oder diese verlegt bzw. unterbrochen oder ausgesetzt werden muss. 8. Die Belehrung bei Nichteinhaltung der Ladungsfrist (Absatz 3) trägt dem § 217 Abs. 2 Rechnung, der dem Angeklagten bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache das Recht gewährt, die Aussetzung der Verhandlung zu verlangen. Aus der Fassung des § 228 Abs. 3 als Sollvorschrift folgt, dass die Belehrung nicht für alle Fälle zwingend notwendig ist. Der unverteidigte Angeklagte wird aber stets zu belehren sein. Ansonsten hängt es von den Umständen des jeweiligen Falls ab, ob der Vorsitzende davon absehen darf, etwa weil davon auszugehen ist, dass der mit einem Verteidiger erschienene Angeklagte sein Recht aus § 217 Abs. 2 ohnehin kennt. Verzichtet der Angeklagte von sich aus in Kenntnis seines Aussetzungsrechts auf die Einhaltung der Frist des § 217 Abs. 1, dann bedarf es in der Regel keiner Belehrung nach Absatz 3 mehr. Im Zweifel erfordern aber Fürsorgepflicht und Pflicht zur fairen Verfahrensgestaltung die ausdrückliche Belehrung. Die Vorschrift gilt entsprechend, wenn die Ladungsfrist gegenüber dem Verteidi32 ger nicht eingehalten wurde (§ 218 Satz 2 i.V.m. § 217 Abs. 2) und dieser nicht in der Hauptverhandlung erschienen ist. In diesem Fall ist der Angeklagte darüber zu belehren, dass er anstelle des Verteidigers die Aussetzung der Verhandlung verlangen kann.133 31

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9. Sitzungsniederschrift. Der Hinweis an den Angeklagten nach Absatz 3 ist in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen; ebenso die eventuelle Erklärung des Angeklagten, dass er mit der sofortigen Weiterführung der Hauptverhandlung einverstanden ist.134 Zur Protokollierung der sonstigen Verfahrensvorgänge im Zusammenhang mit der Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung vgl. § 229, 40. 10. Rechtsbehelfe

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a) Anordnung der Unterbrechung. Die Anordnung der Unterbrechung der Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden (Absatz 1 Satz 2) ist eine Maßnahme der Verhandlungsleitung i.S.d. § 238 Abs. 1. Hiergegen kann, wenn sie sachleitenden Charakter hat,135 gemäß § 238 Abs. 2 die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.136 Der Antrag wird aber, wenn sich die Unterbrechung nur auf die äußere Verfahrensgestaltung auswirkt, in aller Regel in der Sache keinen Erfolg haben. Anders kann es beispielsweise dann liegen, wenn während der Unterbrechung ein Beweismittelverlust droht, die Kürze der Unterbrechungsfrist ansonsten Verfahrensrechte des Antragstellers beeinträchtigt oder der Vorsitzende Unterbrechungen anordnet, die mit Konzentrationsmaxime und Beschleunigungsgebot nicht zu vereinbaren sind. In all diesen Fällen muss grundsätzlich (im Einzelnen s. § 238, 43 ff.) das Gericht gemäß § 238 Abs. 2 angerufen werden, wenn später hierauf in der Revision eine zulässige Verfahrensrüge gestützt werden soll. Anders liegt es, wenn der Vorsitzende unter Überschreitung seiner Kompetenz aus Ab-

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133 Vgl. OLG Celle NJW 1974 1258; OLG Köln MDR 1973 70; Schlüchter 430. 134 Meyer-Goßner/Appl 930; SK/Deiters/Albrecht 19. 135 S. dazu näher § 238, 19 f. 136 KK/Gmel 13; Radtke/Hohmann/Britz 28; eher einschränkend Meyer-Goßner/Schmitt 15: in der Regel mangels Beschwer unzulässig; ebenso KMR/Eschelbach 31; MüKo/Arnoldi 18: nur formelle Verhandlungsleitung; AK/Keller: in der Regel formelle Verhandlungsleitung; a.A. SK/Deiters/Albrecht 20: Beanstandung stets zulässig.

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satz 1 Satz 2 eine Unterbrechung von mehr als drei Wochen verfügt; denn ihm steht weder ein Beurteilungsspielraum noch Ermessen zu, eine derartige Entscheidung entgegen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut an sich zu ziehen (s. § 238, 47).137 Gemäß § 305 Satz 1 ist die Beschwerde gegen die Anordnung der Unterbrechung 35 durch den Vorsitzenden grundsätzlich ausgeschlossen (s. näher § 238, 40). Nach dieser Vorschrift ist demgemäß auch eine Beschwerde gegen den Beschluss nach § 238 Abs. 2 unzulässig, durch den das Gericht die Beanstandung gegen die Verfügung des Vorsitzenden zurückweist. Es wird jedoch zu erwägen sein, ob bei längerfristigen Unterbrechungen ausnahmsweise Verfahrenssituationen eintreten können, in denen ähnlich wie bei der Aussetzung (s. Rn. 40) die Beschwerde als statthaft anzusehen ist (etwa drohender Beweismittelverlust). Mit der Revision ist die Anordnung oder zu kurze Bemessung einer Unterbrechung 36 nicht als Verstoß gegen Absatz 1 Satz 2 angreifbar; denn dieser gewährt für sich keinen Anspruch auf Unterbrechung der Verhandlung (s. Rn. 1). Gerügt werden kann vielmehr allein, dass ein anderweitig gewährleistetes Verfahrensrecht des Anfechtenden verletzt wurde; zu denken ist namentlich an eine Beschränkung der Verteidigung (§ 338 Nr.8) durch zu kurze Unterbrechung. Hat der Vorsitzende anstelle des nach Absatz 1 Satz 1 zuständigen Gerichts eine Unterbrechung von mehr als drei Wochen verfügt, liegt zwar eine Gesetzesverletzung i.S.d. § 337 vor. Hierauf wird das Urteil im Allgemeinen aber nicht beruhen,138 insbesondere nachdem nunmehr das Gericht nach § 229 Abs. 2 keine wesentlich längere Unterbrechung mehr anordnen kann als der Vorsitzende gemäß § 229 Abs. 1. Es bedarf daher spezifischen Sachvortrags der Revision, inwieweit der Revisionsführer durch die Kompetenzüberschreitung des Vorsitzenden in seinen Verfahrensrechten beschränkt worden sein soll;139 allein mögliche Erinnerungsverluste der beteiligten Richter genügen nicht.140 Für die Anordnung der Unterbrechung der Hauptverhandlung durch das Gericht 37 (Absatz 1 Satz 1, § 229 Abs. 2) gelten die Ausführungen in Rn. 35 f. zu Beschwerde und Revision entsprechend. Es entfällt das Zwischenverfahren nach § 238 Abs. 2. b) Ablehnung der Unterbrechung. Weist der Vorsitzende einen Antrag auf Unter- 38 brechung der Hauptverhandlung zurück, so kann hiergegen zunächst wieder auf gerichtliche Entscheidung angetragen werden (§ 238 Abs. 2). Die Beanstandung muss Erfolg haben, wenn die Ablehnung der Unterbrechung nicht nur den äußeren Ablauf der Verhandlung, sondern den sachlichen Gang des Verfahrens beeinflusst und die Unterbrechung der Verhandlung aus verfahrensrechtlichen Gründen geboten ist. Dies kann der Fall sein, wenn die Hauptverhandlung nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift von Amts wegen (vgl. § 138c Abs. 4) oder auf Antrag (vgl. § 145 Abs. 3) – zumindest – unterbrochen werden muss, ihre Fortführung aus sonstigen gesetzlichen Gründen nicht möglich ist (etwa Sichentfernen eines notwendigen Verfahrensbeteiligten; Übermüdung des Angeklagten, vgl. § 136a) oder jede andere Entscheidung als die Unterbrechung ermessenfehlerhaft wäre, weil sie mit der Fürsorgepflicht des Gerichts bzw. dem Anspruch auf faire Verfahrensführung unvereinbar wäre. Die Beschwerde ist unzulässig (§ 305

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137 S. BGHSt 33 217, 219 f., wonach der fehlende Widerspruch lediglich Anhaltspunkt dafür ist, dass dem Revisionsführer aus der Kompetenzüberschreitung des Vorsitzenden kein Nachteil entstanden ist; ferner BGH NStZ-RR 2002 270; a.A. MüKo/Arnoldi 21; Radtke/Hohmann/Britz 25 unter unzutreffender Bezugnahme auf BGHSt 33 217, 219 f.; zum Ganzen auch Born 643. 138 Vgl. BGH NStZ-RR 2002 270; kritisch Born 644. 139 BGH Urt. v. 4.5.1976 – 1 StR 824/75. 140 Vgl. BGHSt 33 217, 219 f.; BGH NStZ-RR 2002 270.

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Satz 1; s. Rn. 35); jedoch kann der Beschluss, durch den das Gericht die Verfügung des Vorsitzenden bestätigt hat, mit der Revision zur Überprüfung gestellt werden. Auch die Ablehnung der Unterbrechung kann nicht als Verstoß gegen Absatz 1 Satz 2, sondern nur als Verletzung sonstigen spezifischen Verfahrensrechts gerügt werden, etwa die Missachtung eines gesetzlich bestimmten Anspruchs auf Unterbrechung (s. Rn. 36), aber auch die unzulässige Beschränkung der Verteidigung im Sinne des § 338 Nr. 8. 39 Weist das Gericht einen Antrag zurück, die Verhandlung nach § 229 Abs. 2 zu unterbrechen, gelten die Ausführungen in Rn. 38 entsprechend. Es entfällt wiederum das Zwischenverfahren nach § 238 Abs. 2. 40

c) Anordnung der Aussetzung. Gegen den Beschluss, durch den das Gericht die Hauptverhandlung aussetzt, ist die Beschwerde gemäß § 305 Satz 1 unzulässig, wenn die Anordnung allein der Vorbereitung der zu erneuernden Hauptverhandlung und dem dort zu fällenden Urteil dient. So liegt es etwa, wenn die Verhandlung ausgesetzt wird, weil es das Gericht durch die Aufklärungspflicht geboten erachtet, weitere Beweismittel beizuziehen, die während des zulässigen Unterbrechungszeitraums nicht beigebracht werden können. Hier darf das Beschwerdegericht nicht in die Verhandlungshoheit des erkennenden Gerichts und dessen Bewertung des Umfangs der gebotenen Sachaufklärung eingreifen.141 Hat die Aussetzung dagegen keine das Verfahren fördernde Wirkung oder enthält sie eine nicht in Bezug zur eigentlichen Urteilsfindung stehende Beschwer, so ist die Beschwerde zulässig.142 Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Aussetzung das Verfahren in nicht mehr zu rechtfertigender Weise hemmt und daher das Urteil überflüssig, d.h. unter Missachtung des Beschleunigungsgebots, verzögert;143 so liegt es etwa, wenn sie allein wegen des angeblichen Fehlens eines geeigneten Sitzungssaals angeordnet wird.144 Letztlich wird hier die Begründetheits- in die Zulässigkeitsprüfung vorverlagert. Deshalb kommt die Gegenmeinung, die die Beschwerde stets für zulässig erachtet,145 zu keinen anderen Ergebnissen. Sie will die Aussetzungsentscheidung des erkennenden Gerichts ebenso wenig einer umfassenden Überprüfung durch das Beschwerdegericht unterstellen und diesem beispielsweise gestatten, die Beurteilung der Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung durch das erkennende Gericht durch seine eigene zu ersetzen. So unterzieht beispielsweise das OLG Frankfurt146 die vom erkennenden Gericht angenommene Notwendigkeit weiterer Beweiserhebungen keiner eigenen Überprüfung, son-

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141 Vgl. OLG Brandenburg NStZ 2014 176; OLG Braunschweig NJW 1955 565; StV 1987 332; OLG Celle NJW 1953 1933; OLG Dresden JR 2008 304 m. zust. Anm. Gössel; OLG Düsseldorf MDR 1993 461; KG JR 1959 350; 1966 230 m. Anm. Kleinknecht; OLG Köln StV 1991 551; 1991 552, jeweils m. Anm. Müller; OLG Stuttgart Justiz 1973 357; 2000 91, 92; NStZ-RR 2011 281 Ls.; KK/Gmel 14; Meyer-Goßner/Schmitt 16; SSW/Grube 28; a.A. KMR/Eschelbach 32a: stets unzulässig. 142 Nicht beschwerdebefugt, da nicht beschwert, ist indes der Nebenkläger: OLG Karlsruhe BeckRS 2016 03105. 143 BayObLGSt 1953 86, 87; OLG Brandenburg NStZ 2014 176; OLG Braunschweig StV 1987 332; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996 142; StV 1997 282 m. Anm. Zieschang 286; JMBlNW 1995 225; OLG Frankfurt StV 1988 195; MDR 1983 253; OLG Hamm NJW 1978 283; StV 2002 404 (für das Jugendgerichtsverfahren); KG JR 1966 231 m. Anm. Kleinknecht; OLG Karlsruhe NStZ 1985 227; GA 1974 285; OLG Köln JMBlNW 1956 116; OLG Stuttgart Justiz 1973 357; 2000 91; NStZ-RR 2011 281 Ls. 144 OLG Frankfurt MDR 1983 253; vgl. auch LG Duisburg StRR 2010 469 (Kurzwiedergabe): vermeintlich unzulässige Vertretung der Staatsanwaltschaft durch Rechtsreferendar. 145 OLG Frankfurt NJW 1954 1012; GA 1973 51; OLG Schleswig SchlHA 1958 116; Ellersiek Die Beschwerde im Strafprozeß (1981) 126; Zieschang StV 1997 286; SK/Deiters/Albrecht 21; wohl auch OLG Neustadt HESt 3 61; Müller StV 1991 552; HK/Julius 11. 146 GA 1973 51, 52.

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dern untersucht ausschließlich, ob auf dieser Basis ein vernünftiger Grund für die Aussetzung der Hauptverhandlung vorlag.147 Die Aussetzungsanordnung, die mit einem Vorlagebeschluss verbunden ist (z.B. 41 Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 GG), ist der Beschwerde entzogen. Zur Anfechtbarkeit von Aussetzungsbeschlüssen nach § 262 Abs. 2 wird auf die dortigen Erläuterungen verwiesen. Mit der Revision gegen das Urteil, das nach der Erneuerung der Hauptverhandlung 42 gefällt wird, kann in aller Regel nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, die Aussetzung der früheren Verhandlung sei rechtsfehlerhaft gewesen; denn das Urteil beruht auf der neuen Hauptverhandlung und es sind kaum Fälle denkbar, in denen sich die Aussetzung auf das Urteil, etwa in der Form eines Beweismittelverlustes, noch ausgewirkt haben kann. d) Ablehnung der Aussetzung. Die Beschwerde gegen die Zurückweisung eines 43 Aussetzungsantrags ist unzulässig (§ 305 Satz 1).148 Es ist allein die Revision eröffnet. Hat das Gericht keine Norm verletzt, die die Aussetzung zwingend vorschreibt (z.B. § 217 Abs. 2), kann der Angeklagte nur geltend machen, durch das Unterlassen der Aussetzung in seiner Verteidigung unzulässig beschränkt worden zu sein (§ 338 Nr. 8).149 Dies ist der Fall, wenn das Gericht das ihm durch eine Verfahrensnorm ausdrücklich eingeräumte bzw. im Rahmen der Verhandlungsführung allgemein eingeräumte Ermessen, die Hauptverhandlung auszusetzen, rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, namentlich weil dem Gebot fairer Verfahrensführung bzw. der dem Angeklagten gegenüber bestehenden Fürsorgepflicht nicht angemessen Rechnung getragen wurde.150 Lässt eine bloß formelhafte Begründung des Beschlusses die Überprüfung der Ermessensentscheidung auf Rechtsfehler nicht zu, kann dies die Revision ebenfalls begründen,151 zumindest dann, wenn ersichtlich besondere Umstände von Gewicht zu berücksichtigen gewesen wären. Die Revision setzt nicht voraus, dass der Aussetzungsantrag ausdrücklich zurückgewiesen wurde; sie ist vielmehr ebenso möglich, wenn das Gericht den Antrag übergangen oder stillschweigend – durch Fortsetzung der Verhandlung – abgelehnt hat.152 Das Beruhen des Urteils auf einem solchen Verstoß wird in der Regel nicht verneint werden können, weil nicht auszuschließen ist, dass der Angeklagte oder Verteidiger bei einer ausdrücklichen Ablehnung weitere, das Verfahren beeinflussende Erklärungen hätte abgeben können.153 Zur Darlegung des Rechtsfehlers (§ 344 Abs. 2 Satz 2) müssen vorgetragen werden der Inhalt des Aussetzungsantrags, der diesen ablehnende Beschluss sowie die konkreten Tatsachen, aus denen sich etwa die Beschränkung der Verteidigung ergibt;154 dazu gehört bei einem im Schlussplädoyer gestellten Aussetzungsantrag auch sein Verhältnis zu den anderen Anträgen.155 Beanstandet die Staatsanwaltschaft, ihr Hilfsantrag, das

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147 S. auch OLG Schleswig SchlHA 1958 116. 148 OLG Hamm NJW 1978 283, 284; KG JR 1959 350; OLG Köln NJW 1956 803 Ls. 149 Vgl. BGH JR 1996 473 m. Anm. Gollwitzer; BayObLGSt 1998 144; KG StV 1982 10. 150 S. etwa BayObLGSt 1995 61; 1998 144; OLG Düsseldorf StV 1995 69; KG StV 1982 10; im Übrigen vgl. die Nachw. bei Rn. 23 ff. 151 BGH NStZ 1987 34. 152 OLG Celle StV 1984 503; OLG Hamburg MDR 1967 608; Meyer-Goßner/Schmitt 17; SK/Deiters/Albrecht 22. 153 OLG Schleswig SchlHA 1956 298. 154 Etwa BGH NStZ 1996 99; 1998 311, 312; 1998 369; StV 1990 532 Ls.; BayObLGSt 1998 144; OLG Koblenz VRS 49 (1975) 278; Meyer-Goßner/Schmitt 17; SK/Deiters/Albrecht 22; wegen der Einzelheiten vgl. bei § 344. 155 BGH JR 1996 473 m. Anm. Gollwitzer.

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Verfahren auszusetzen, um den rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens gegen einen Zeugen abzuwarten, mit dem dessen Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 Abs. 1 entfiele, sei rechtsfehlerhaft abgelehnt worden, so hat sie den Stand jenes Verfahrens zu dem Zeitpunkt vorzutragen, in dem das von ihr angefochtene Urteil verkündet wurde; denn nur dann ist die Zurückweisung des Aussetzungsantrags nach Maßstab der in Rn. 10 genannten Abwägungsparameter auf Ermessensfehler prüfbar.156 e) Verstöße gegen Absatz 2 und 3. Durch Absatz 2 wird dem Angeklagten für den Fall, dass sein Verteidiger verhindert ist, ein Anspruch auf Aussetzung der Verhandlung ausdrücklich versagt. Er kann daher, wenn unberechtigt ohne seinen Verteidiger verhandelt wurde, seine Revision nicht auf die Verletzung dieser Vorschrift stützen. Zu rügen ist vielmehr ein Verstoß gegen § 265 Abs. 4, gegebenenfalls i.V.m. § 338 Nr. 8, falls ein vom Angeklagten in der Hauptverhandlung gestellter Aussetzungsantrag durch Beschluss zurückgewiesen wurde.157 Es gelten die in Rn. 43 dargelegten Grundsätze, die in gleicher Weise auch Anwendung finden, wenn die Revision rügen will, das Gericht habe die Grundsätze fairer Verfahrensführung bzw. seine Fürsorgepflicht verletzt, weil es nicht die erforderliche Zeit auf das Eintreffen des verspäteten Verteidigers gewartet habe.158 45 Eine Verletzung von Absatz 2 ist allein in der Form denkbar, dass das Gericht in der irrigen Annahme, die Verhinderung auch des nicht notwendigen Verteidigers mache auf Antrag des Angeklagten die Aussetzung zwingend notwendig, die in Rn. 23 ff. dargestellten Reaktionsmöglichkeiten auf das Ausbleiben des Verteidigers nicht in seine Überlegungen einbezieht. Gegen den Aussetzungsbeschluss ist die Beschwerde anderer Beteiligter in einem solchen Fall nicht schon deswegen unstatthaft, weil sie aus Absatz 2 keine Rechte herleiten können. Vielmehr ist die Beschwerde in aller Regel gemäß § 305 Satz 1 ausgeschlossen, weil die Entscheidung, die Verhandlung auszusetzen, um dem Angeklagten den Beistand seines Verteidigers zu ermöglichen, stets der Vorbereitung der neuen Hauptverhandlung dient und kaum ein Fall denkbar ist, in dem die Aussetzung für einen anderen Verfahrensbeteiligten eine über die hinzunehmende Verzögerung hinausgehende besondere Beschwer begründet. 46 Auf einen Verstoß gegen Absatz 3 kann die Revision nicht gestützt werden; denn er ist als bloße Sollvorschrift in das Gesetz aufgenommen worden.159

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§ 229 Höchstdauer einer Unterbrechung § 229 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-023

(1) Eine Hauptverhandlung darf bis zu drei Wochen unterbrochen werden. (2) Eine Hauptverhandlung darf auch bis zu einem Monat unterbrochen werden, wenn sie davor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat. (3) 1 Kann ein Angeklagter oder eine zur Urteilsfindung berufene Person zu einer Hauptverhandlung, die bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat,

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156 BGH StV 2016 774 f. 157 BGH NStZ 1998 311, 312; OLG Braunschweig StV 2008 293; vgl. auch BayObLGSt 1998 144 (zum erforderlichen Revisionsvortrag). 158 Zu den Rügeanforderungen in einem solchen Fall: OLG Hamm NStZ-RR 1997 179. 159 Vgl. BGHSt 24 143, 146 f.; BGH bei Dallinger MDR 1952 532; KK/Gmel 15; Meyer-Goßner/Schmitt 17; MüKo/Arnoldi 22; a.A. HK/Julius 14 sowie § 217, 11; SK/Deiters/Albrecht 24; SSW/Grube 32; s. auch AK/Keller 14; AnwK-StPO/Kirchhof 6; KMR/Eschelbach 30.

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wegen Krankheit nicht erscheinen, so ist der Lauf der in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen während der Dauer der Verhinderung, längstens jedoch für sechs Wochen, gehemmt; diese Fristen enden frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung. 2 Beginn und Ende der Hemmung stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluß fest. (4) 1 Wird die Hauptverhandlung nicht spätestens am Tage nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist fortgesetzt, so ist mit ihr von neuem zu beginnen. 2 Ist der Tag nach Ablauf der Frist ein Sonntag, ein allgemeiner Feiertag oder ein Sonnabend, so kann die Hauptverhandlung am nächsten Werktag fortgesetzt werden. (5) 1 Ist dem Gericht wegen einer vorübergehenden technischen Störung die Fortsetzung der Hauptverhandlung am Tag nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist oder im Falle des Absatzes 4 Satz 2 am nächsten Werktag unmöglich, ist es abweichend von Absatz 4 Satz 1 zulässig, die Hauptverhandlung unverzüglich nach der technischen Störung, spätestens aber innerhalb von zehn Taten nach Fristablauf fortzusetzen. 2 Das Vorliegen einer technischen Störung im Sinne des Satzes 1 stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluss fest. Schrifttum Siehe bei § 228.

Entstehungsgeschichte Bezeichnung bis 1924: § 228. Die ursprünglich aus einem einzigen Satz bestehende Vorschrift sah vor, dass eine unterbrochene Hauptverhandlung spätestens am vierten Tag nach der Unterbrechung fortzusetzen, widrigenfalls mit ihr von neuem zu beginnen war. Art. 6 § 1 der Verordnung vom 14.6.1932 erweiterte die Zwischenfrist auf zehn Tage, Art. 9 § 5 der 2. VereinfVO auf eine Gesamtdauer von 30 Tagen, wobei Unterbrechungen von weniger als drei Tagen nicht mitgerechnet wurden. Art. 3 Nr. 103 VereinhG kehrte 1950 zu einer Zwischenfrist von zehn Tagen zurück. Art. 1 Nr. 74 des 1. StVRG ließ durch Einfügung von Absatz 2 bei länger dauernden Verfahren nach jeweils zehn Verhandlungstagen zwei Unterbrechungen von bis zu 30 Tagen zu und brachte mit Absatz 3 Satz 2 eine ergänzende Regelung für die Fälle, in denen die Zwischenfrist unmittelbar vor einem Sonnabend, Sonntag oder allgemeinen Feiertag endet. Die Regelung über die Verpflichtung zum Neubeginn bei Fristüberschreitung wurde für sämtliche Zwischenfristen in Absatz 3 Satz 1 neu gefasst. Art. 1 Nr. 13 StVÄG 1987 fügte dem Absatz 2 einen weiteren Satz an, der es erlaubte, eine Hauptverhandlung, die länger als ein Jahr dauerte, jeweils innerhalb weiterer zwölf Monate für weitere 30 Tage zu unterbrechen („Jahresurlaub“). Der gleichzeitig neu eingefügte Absatz 3 bestimmte die Hemmung der Unterbrechungsfristen für höchstens sechs Wochen für den Fall, dass der Angeklagte wegen Erkrankung nicht in der Hauptverhandlung erscheinen kann. Der bisherige Absatz 3 wurde sachlich unverändert zu Absatz 4; sein Wortlaut wurde lediglich dahin angepasst, dass er für alle drei vorausgehenden Absätze gilt. Angepasst wurde auch § 268 Abs. 3 Satz 3 (Art. 1 Nr. 21 StVÄG 1987).1

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1 Zu den wechselnden Fristen Lilie FS Meyer-Goßner 489 f.; Mandla (Unterbrechung) 125 ff.; ders. NStZ 2011 2 f.; Scheffler ZIS 2007 386.

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Art. 3 Nr. 2 des 1. JuMoG dehnte die Zwischenfrist nach Absatz 1 auf drei Wochen aus und eröffnete durch den grundlegend neu gestalteten Absatz 2 die Möglichkeit, unabhängig von der Gesamtdauer des Verfahrens jeweils nach zehn Verhandlungstagen die Hauptverhandlung beliebig oft bis zu einem Monat zu unterbrechen. Die weitergehenden Einschränkungen des bisherigen Absatzes 2 Satz 2 und 3 entfielen. Gleichzeitig wurde die Fristenhemmung nach Absatz 3 Satz 1 auf die Fälle der Erkrankung eines erkennenden Berufs- oder Laienrichters erstreckt. Art. 1 Nr. 20 des Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5.7.20172 fügte Absatz 5 an.

1.

2.

3.

4.

Übersicht Zweck der Vorschrift a) Konzentrationsmaxime | 1 b) Großverfahren | 2 c) 1. JuMoG | 3 d) Beschleunigungsmaxime | 4 Unterbrechung a) Anwendungsbereich | 5 b) Bedeutung | 6 c) Keine absolute Grenze | 7 d) Anordnung der Unterbrechung; Bestimmung des Fortsetzungstermins; Ladung | 8 e) Fortsetzung der Hauptverhandlung | 9 Die Unterbrechungsfristen a) Dreiwochenfrist (Absatz 1) | 14 b) Monatsfrist (Absatz 2) | 15 Hemmung der Unterbrechungsfrist (Absatz 3 Satz 1) a) Zweck und Geltungsbereich | 17 b) Krankheit | 19 c) Hemmung | 24 d) Beginn und Ende der Hemmung | 27

Alphabetische Übersicht Amtsärztliche Untersuchung 31, 32 Anordnung der Unterbrechung 8 Attest, ärztliches 31 Aufklärungspflicht 1, 39 Augenschein 10, 20 Ausbleiben des Angeklagten 30 Aussetzung 3, 17, 39, 40 Berechnung des Unterbrechungszeitraums 6 Beschleunigungsgebot 1, 2, 4, 14, 15 Beschwerde 41 Beurlaubung von der Hauptverhandlung 13 Beweisantrag 12, 39 Ergänzungsrichter 9, 21 Erinnerungsbild von Verhandlung 1, 2, 42

_____ 2

e)

5.

6.

7. 8. 9.

Zehntagesfrist des Absatzes 3 Satz 1 Halbsatz 2 | 28 Feststellung der Hemmung a) Rechtsnatur des Beschlusses | 29 b) Prüfungspflicht des Gerichts | 30 c) Beschluss des Gerichts | 33 d) Bekanntgabe des Beschlusses | 37 Technische Störung (Absatz 5) a) Gesetzeskonzeption | 37a b) Art der Störung | 37b c) Unmöglichkeit der Fortsetzung der Hauptverhandlung | 37c d) Fortsetzung der Hauptverhandlung | 37d e) Feststellung der Störung (Absatz 5 Satz 2) | 37e Erneuerung der Hauptverhandlung (Absatz 4 Satz 1) | 38 Sitzungsniederschrift | 40 Rechtsbehelfe a) Beschwerde | 41 b) Revision | 42

Förderung des Verfahrens 10 ff. Formalverhandlung 12, 42 Fortsetzung der Hauptverhandlung 9 ff., 20, 21, 27, 28, 37 Freibeweis 11, 31, 43 Gericht – Prüfungspflicht 30 Gerichtsbesetzung 9, 33, 39, 42 Großverfahren 2, 3, 15, 17, 42 Haft des Angeklagten 32 Hemmung der Unterbrechungsfrist 17 ff., 29 ff., 40, 41, 43 – Beginn 27, 29, 33, 34, 35, 43 – Beschluss 29, 33 ff., 43 – Änderung des Beschlusses 36

BGBl. I S. 2208.

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– Bekanntgabe des Beschlusses 37 – Dauer 32 – Ende 25, 27 f., 29, 43 – Feststellung 29 ff., 43 Hinweise 40 Konzentrationsmaxime 1, 2, 3, 4, 21, 22 Krankheit – des Angeklagten 17, 19, 20, 22, 23, 24 ff., 29 ff., 43 – des Richters 9, 17, 19, 21, 22, 24 ff., 29 ff., 43 – sonstiger Verfahrensbeteiligter 18 Ladung 8, 39 Ladungsfrist 39 Mehrere Angeklagte 13, 23, 27 Mündlichkeit 1 Nebenbeteiligte 18 Protokoll 40 Prozessökonomie 2, 3, 17, 22 Prüfungspflicht des Gerichts 30 ff. Revision 42 f. Richterablehnung 11 Sachverständiger 10, 11, 31, 39, 40 Schiebetermin 3, 4, 12, 42 Schöffen 17, 33 Sonn- und Feiertage 6 Technische Störung 37a ff. – Begriff 37b – Feststellung 37e Trennung der Verfahren 23

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Überwachungspflicht des Gerichts 32 Unterbrechungsbeschluss 16, 40 Unterbrechungsfrist – Beginn 6, 27 – Berechnung 6 – Dauer 7, 14 f. – Ende 25, 28 – Überschreitung 7, 42 – verbrauchte 24 – Verlängerung 16 Urkundsbeweis 10, 12 Urteilsverkündung, Frist zur 5 Verfahrensplanung 4 Verfahrensvoraussetzungen 11 Verhandeln zur Sache 10 Verhandlungs(un)fähigkeit des Angeklagten 11, 19, 30 Verhandlungsfreie Zeit 6, 7, 15 Verhinderung eines Richters 9 Verzicht 38 Vorsitzender 16, 17, 24, 39, 40 Wiederholung der Hauptverhandlung 2, 6, 17 Zeugen 2, 10, 11, 12, 39, 40 Zwangsmaßnahmen gegen Angeklagten 11, 30 Zwischenberatung 4

1. Zweck der Vorschrift a) Konzentrationsmaxime. Der Grundsatz der Mündlichkeit macht es nicht nur er- 1 forderlich, dass die Hauptverhandlung vor den Richtern stattfindet, die berufen sind, das Urteil zu sprechen, sondern auch, dass sie ein zusammenhängendes Ganzes bildet, so dass die Richter – einschließlich der Laienrichter – unter dem lebendigen Eindruck des vor ihnen Verhandelten ihre Entscheidung treffen (Grundsatz der Konzentration der Hauptverhandlung).3 Eine längere Unterbrechung der Hauptverhandlung schwächt diesen Eindruck ab, beeinträchtigt die Zuverlässigkeit der Erinnerung und kann die Richter leicht dazu veranlassen, „bei der Fällung des Urtheils das Ergebnis … aus den Akten zu schöpfen, mithin (werden sie) zu einem Verfahren genöthigt, welches mit dem Grundprinzip der mündlichen Verhandlung im Widerspruche steht“.4 Aufgabe des Gesetzes ist es, den ernsten Gefahren für die Aufklärung des Sachverhalts, die sich daraus ergeben können, dass die Richter den Verhandlungsstoff geistig nicht mehr beherrschen, tun-

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3 Vgl. BGHSt 23 224, 225 f.; BGH NJW 1952 1149 m. Anm. Linnenbrink; 1996 3019 m. Anm. Wölfl NStZ 1999 43; StV 2014 2, 3; OLG Düsseldorf StV 1994 362; OLG Karlsruhe Justiz 1988 72, 73; Behm/Wesemann StraFo 2006 355; Bock 633; Deutscher StRR 2012 44; Kühne 712 f.; Lilie FS Meyer-Goßner 485; Mandla (Unterbrechung) 159 ff.; Roxin/Schünemann § 16, 3 ff. und § 44, 7; Scheffler ZIS 2007 391 ff.; Wölfl JuS 2000 277; Eb. Schmidt § 228, 1; relativierend BGH NStZ 2009 225, 226. 4 Hahn I 185 (Motive 128); RGSt 57 266, 267; 60 163 f.; 69 18, 23; BGH NJW 1996 3019 m. Anm. Wölfl NStZ 1999 43; StV 2014 2, 3; Bock 633.

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Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

lichst vorzubeugen5 und damit gleichzeitig dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden sowie in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK verankerten Gebot beschleunigter Verfahrenserledigung Vorschub zu leisten.6 2

b) Großverfahren. Langdauernde Hauptverhandlungen, die Wochen, Monate oder gar Jahre in Anspruch nehmen, sind mit der Konzentrationsmaxime kaum vereinbar. Sie belasten nicht nur Gericht, Angeklagten und die übrigen Verfahrensbeteiligten in einem bis an die Grenzen des Vertretbaren reichenden Ausmaß, sondern erhöhen mit zunehmender Dauer die Gefahren für die Wahrheitsfindung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung. Dennoch sind sie mitunter unvermeidbar. Das Leitbild einer konzentrierten, durch keine längeren Pausen unterbrochenen Hauptverhandlung passt für derartige Großverfahren nicht. Ordnung und Übersicht in solchen Verhandlungen können vielmehr nur gewahrt werden, wenn das Gericht sie hin und wieder auch für längere Zeit unterbricht, um ihr bisheriges Ergebnis in der sitzungsfreien Zeit durchzuarbeiten und – nicht endgültig, aber vorläufig – festzulegen, damit die Verlässlichkeit des Erinnerungsbildes nicht überfordert wird.7 Auch zur Verringerung der mit der Prozessdauer ansteigenden physischen und psychischen Belastungen durch eine monatelange Hauptverhandlung sind für alle Beteiligten längere Prozesspausen notwendig.8 Unter diesem Aspekt kann eine einmalige mehrwöchige Unterbrechung der Wahrheitsfindung weniger abträglich sein als eine Reihe kürzerer Unterbrechungen, zwischen denen sich die Verhandlung hinschleppt.9 Es widerspricht auch allen Grundsätzen der Prozessökonomie, eine lange andauernde Hauptverhandlung abbrechen und neu beginnen zu müssen, nur weil etwa ein benötigter Zeuge nicht kurzfristig herbeigeschafft werden kann oder ein Beteiligter, dessen Anwesenheit unverzichtbar ist, für längere Zeit erkrankt.10 Das Gesetz muss daher auch diesen Notwendigkeiten gerecht werden und für die Bewältigung derartiger Großverfahren angemessene Unterbrechungsmöglichkeiten eröffnen. Es darf dabei jedoch die Zwecke der Verfahrenskonzentration und das Beschleunigungsgebot nicht aus dem Auge verlieren.

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c) 1. JuMoG. § 229 in seiner bis zum Inkrafttreten des 1. JuMoG geltenden Fassung hatte den widerstreitenden Prinzipien durch die bei der Entstehungsgeschichte im Einzelnen dargestellte, in Teilen unübersichtliche Regelung zu genügen gesucht, die deutlich zwischen Normalverfahren (bis zehn Verhandlungstage) und Großverfahren (mehr als zehn Verhandlungstage) unterschied. Dieses ausdifferenzierte System der Unterbrechungsmöglichkeiten, das einen noch vertretbaren Kompromiss zwischen den heterogenen Verfahrensmaximen darstellte,11 in dem aber auch bereits latente Gefahren für die Wahrheitsfindung gesehen worden waren,12 hat das 1. JuMoG13 weitgehend eingeebnet. Das in großen Teilen allein von Einspargesichtspunkten beherrschte und verschiedent-

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5 Vgl. BGHSt 33 217, 218 = StV 1986 185 m. Anm. Kühl; v. Hippel MSchrKrimPsych. 1935 246; zur Kritik an der Rechtslage vor Inkrafttreten des 1. JuMoG vgl. Peters Der neue Strafprozeß (1975) 162 ff.; Peters 552 f.; ferner Bertram NJW 1994 2187 f.; Bode DRiZ 1982 455 ff.; Schlüchter GA 1994 419 ff.; zusammenfassend und kritisch Mandla (Unterbrechung) 193 ff.; ders. NStZ 2011 7 ff. 6 Diesen Aspekt – insbesondere de lege ferenda – in den Mittelpunkt stellend Mandla NStZ 2011 8 f. 7 Zur Notwendigkeit, den Verhandlungsstoff zu fixieren, Grünwald Gutachten 50. DJT C 60. 8 Grünwald Gutachten 50. DJT C 67; KK/Gmel 1; Meyer-Goßner/Schmitt 1. 9 Schmidt JR 1974 324. Krit. zu § 229 Abs. 2 a.F. aber etwa schon Berz FS Blau 61; Kempf StV 1987 221. 10 Vgl. Bernsmann ZRP 1994 330; Herrmann ZStW 85 (1973) 284 f. 11 Rieß NJW 1975 86. 12 Rottland ZRP 1971 56; Schmidt-Leichner NJW 1975 418. 13 Zur Gesetzgebungsgeschichte kritisch Scheffler ZIS 2007 386 ff.

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lich strafprozessuale Grundprinzipien vernachlässigende Gesetz hat einseitig dem Gedanken der Prozessökonomie den Vorrang vor der Verfahrenskonzentration gegeben. In dem Bestreben, unwirtschaftliche Aussetzungen so weit wie möglich auszuschließen14 und die sog. Schiebetermine, die zur Wahrung der Zehntagesfrist des § 229 Abs. 1 a.F. oftmals nötig wurden,15 möglichst entbehrlich zu machen,16 hat es die Unterbrechungsfrist für das Normalverfahren ohne Begrenzung der Zahl der Unterbrechungen auf drei Wochen ausgedehnt (§ 229 Abs. 1) und damit der neuen Unterbrechungsfrist von einem Monat für Großverfahren (nach jeweils mindestens zehn vorausgegangenen Verhandlungstagen; § 229 Abs. 2) stark angenähert. Hiermit ist es weit über das Ziel hinausgeschossen.17 Nicht nur ist die Differenzierung zwischen § 229 Abs. 1 und 2 nebst der daran anknüpfenden Zuweisung der Anordnungskompetenz (§ 228 Abs. 1) angesichts der maximal nur zehn Tage längeren Unterbrechungsmöglichkeit des § 229 Abs. 2 kaum mehr plausibel; vor allem ist durch die formell unbeschränkte Möglichkeit beliebig vieler dreiwöchiger Verhandlungspausen nicht nur der mit der Konzentrationsmaxime verfolgte Zweck bestmöglicher Wahrheitsfindung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung, sondern auch das Gebot beschleunigter Verfahrenserledigung massiv in Frage gestellt.18 Die Gesetzesänderung hat bereits dazu geführt, dass insbesondere umfangreiche Hauptverhandlungen noch länger dauern.19 Verschärft wird die Problematik zusätzlich dadurch, dass die Rechtsprechung teilweise geringfügigste Minimalia, die den Prozess dem abschließenden Urteil inhaltlich kaum bis gar nicht näher bringen, als Fortsetzung der Sachverhandlung i.S.v. Absatz 4 Satz 1 ausreichen lässt (s. Rn. 9 ff.). Sie geht zwischenzeitlich sogar so weit, dass sie keine Sachverhandlung mehr verlangt, wenn der für den entsprechenden Terminstag vorgesehene Verfahrensabschnitt aus unvorhersehbaren Gründen nicht durchgeführt werden kann; in derartigen Fällen soll es genügen, wenn der Vorsitzende den Grund für die Unmöglichkeit der Fortsetzung der Hauptverhandlung an diesem Terminstag mitteilt, Maßnahmen ankündigt, um die Durchführung des vorgesehenen Verfahrensabschnitts in einem Folgetermin sicherzustellen, und dann die „Hauptverhandlung“ bis zu diesem Folgetermin erneut unterbricht.20 Mit dem ursprüng-

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14 Ganz vermeiden lassen sie sich nie, wenn Höchstfristen für die Unterbrechung beibehalten werden; vgl. etwa Gössel Gutachten 60. DJT C 71; Schlüchter GA 1994 419. 15 Krit. hierzu Bertram NJW 1994 2187; Bode DRiZ 1982 456 f. 16 BTDrucks. 15 1508 S. 13; so schon Bundesratsentwurf v. 12.1.1995, BTDrucks. 13 197 S. 5; Gehb/Drange ZRP 2003 231; vgl. auch Lilie FS Meyer-Goßner 492 ff. 17 Zur Kritik s. Knauer/Wolf NJW 2004 2934; Kühne 270, 272; Neuhaus StV 2005 51; Rieß StraFo 2006 9; Roxin/Schünemann § 44, 8 f. (Dem Gesetzgeber ist das Verständnis für die gebotene Verfahrensbalance abhandengekommen.); Schünemann StraFo 2010 93; Sommer StraFo 2004 297; ders. AnwBl. 2004 507; KMR/Eschelbach 31; vgl. auch HK/Julius 1 (Konzentrationsgedanke bloße Fiktion); Meyer-Goßner/Schmitt 1 (nicht unbedenklich); Radtke/Hohmann/Britz 1; Fleindl JA 2005 373; Huber JuS 2004 971; demgegenüber s. aber AnwK-StPO/Kirchhof 1: „praktisch nicht ausreichend“; KK/Gmel 1 („hinzunehmen“); Erhard StV 2013 658: „über eine weitere moderate Ausweitung“ nachzudenken. Laut MüKo/Arnoldi 5 hat die Neuregelung statistisch zu keiner wesentlichen Verlängerung erstinstanzlicher Hauptverhandlungen vor den Landgerichten geführt. 18 Knauer/Wolf, Neuhaus und Sommer, alle wie Fn. 17; s. auch Keller/Meyer-Mews StraFo 2005 355 f.; Scheffler ZIS 2007 391 ff.; KMR/Eschelbach 2 ff.; SK/Deiters/Albrecht 1; aber auch Gössel JR 2007 41 f.: Der Beschleunigungsmaxime ist dann am wenigsten gedient, wenn nach monatelanger Verhandlungsdauer die Unterbrechungsfrist nicht mehr eingehalten werden kann, so dass die Verhandlung ausgesetzt werden muss. 19 BGH JR 2007 38 m. Anm. Gössel, m. Anm. Dietmeier NStZ 2007 657, m. Anm. Knauer StV 2007 340, m. Bspr. Scheffler ZIS 2007 386; Behm/Wesemann StraFo 2006 354 f. 20 BGH JR 2009 347 m. Anm. Peglau; NStZ 2018 297 ff. m. abl. Anm. Gubitz; mit Recht abl. zu dieser Rechtsprechung Burhoff StRR 2009 223; ders. (Hauptv.) 2712; Deutscher StRR 2012 46, 48; Mandla NStZ 2011 6 f.; KK/Gmel 6; unklar SK/Deiters/Albrecht 4, wo sowohl zustimmend als auch ablehnend kommentiert wird.

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lichen Sinn der Vorschrift, aufgrund der Konzentration der Hauptverhandlung eine Urteilsfindung aus deren Inbegriff zu gewährleisten (Rn. 1), hat all dies nichts mehr zu tun. Ausgeblendet wird auch, dass § 229 Abs. 3 und 5 für besondere Konstellationen, in denen die Hauptverhandlung aus unvorhersehbaren Gründen nicht wie vorgesehen fortgesetzt werden kann, ausdrückliche Regelungen enthält, die als abschließend anzusehen sind und durch die Rechtsprechung nicht nach Belieben erweitert werden können. Dieser geht es demgegenüber unverhohlen allein noch um die Prozessökonomie, die durch die Aussetzung einer Hauptverhandlung nicht gewahrt werde. Vor diesem Hintergrund wäre es de lege ferenda sinnvoller, die Unterbrechungsfristen ganz abzuschaffen,21 als Regulativ gegen eine unverhältnismäßige, durch Sachzwänge nicht gerechtfertigte Überdehnung der Verfahrensdauer den Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK; s. auch Rn. 4) fruchtbar zu machen22 und den mit der Konzentrationsmaxime ursprünglich verfolgten Zweck durch die umfassende Dokumentation des Inbegriffs der Hauptverhandlung zu sichern, auf die das Gericht bei seiner Entscheidungsfindung zurückgreifen könnte, soweit es in der abschließenden Beratung den Verlauf der Hauptverhandlung nicht mehr in aktueller Erinnerung hat.23 4

d) Beschleunigungsmaxime. Den durch die Neufassung des § 229 Abs. 1 und 2 geschaffenen Gefahren für Verfahrenskonzentration und -beschleunigung muss durch restriktive Handhabung der Vorschrift begegnet werden.24 Das Risiko, dass sich die Eindrücke der mündlichen Verhandlung verwischen und die Richter ihr Urteil nicht mehr in Abwägung ihrer unmittelbaren Eindrücke vom gesamten Verhandlungsstoff finden, nimmt mit der Dauer der Verhandlung zu, ganz gleich, wie oft und wie lange diese unterbrochen wurde. Es ist Pflicht des Gerichts, ihr dadurch entgegenzuwirken, dass die Hauptverhandlung sorgfältig vorbereitet und dass straff verhandelt wird, ferner dass Einzelfragen in Zwischenberatungen vorweg geklärt und intern dokumentiert werden. Die revisionsrechtliche Praxis zeigt, dass diesen Erfordernissen vielfach nicht hinreichend Rechnung getragen wird. Zwar liegt hierin nicht ohne weiteres ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot des Art. 5 Abs. 3 Satz 1, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK.25 Doch kann eine gestreckte Terminierung unter weitgehender Ausnutzung der Unterbrechungsmöglichkeiten und mit womöglich nur kurzen Verhandlungstagen je nach den Umständen

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21 So schon – allerdings ohne ausgleichende Maßnahmen vorzuschlagen – Bertram NJW 1994 2187 f.; ablehnend Deutscher StRR 2012 49. 22 Vgl. Mandla (Unterbrechung) 214 ff. unter Befürwortung eines Beschwerderechts; ders. NStZ 2011 9. 23 S. Roxin/Schünemann § 44, 8; vgl. auch den Bericht der Expertenkommission zur effektiveren Ausgestaltung des allgemeinen Strafverfahrens und des jugendgerichtlichen Verfahrens (2015) S. 128 ff.; außerdem Bartel StV 2018 678 ff.; Mosbacher StV 2018 182 ff.; Schmitt NStZ 2019 1 ff.; Wehowski StV 2018 685 ff., der durch die audiovisuelle Dokumentation die Möglichkeit eines sog. Austauschrichters eröffnet sieht, der während laufender Hauptverhandlung anstelle eines an der Teilnahme an der weiteren Verhandlung gehinderten Richters in das Quorum eintritt und sich über das vorherige Prozessgeschehen anhand der audiovisuellen Dokumentation kundig macht (zurecht ablehnend hierzu Bartel aaO S. 684 f.). 24 Vgl. BGH JR 2007 38 m. Anm. Gössel, m. Anm. Dietmeier NStZ 2007 657, m. Anm. Knauer StV 2007 340, m. Bspr. Scheffler ZIS 2007 386; OLG Hamm StraFo 2006 25, 26; s. auch die Entwurfsbegründung BTDrucks. 15 1508 S. 25. 25 Vgl. OLG Köln StV 2006 145; weitergehend BGH NStZ 2006 296, wonach ein Ausschöpfen der Unterbrechungsfristen des § 229 nur in außergewöhnlichen Fällen eine zu beanstandende Verfahrensverzögerung begründen kann; zust. Dietmeier NStZ 2007 658; ähnlich SSW/Grube 1: „in NichtHaftsachen i.d.R. unbedenklich“.

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des Einzelfalles zu einer mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht mehr vereinbaren Verzögerung des Verfahrens führen.26 2. Unterbrechung a) Anwendungsbereich. Obwohl § 229 von der Unterbrechung der Hauptverhand- 5 lung spricht und diese gemäß § 260 Abs. 1, § 268 Abs. 3 Satz 1 erst mit der Urteilsverkündung endet, gilt § 229 nur bis zum Ende der Beweisaufnahme.27 Dies folgt aus den Sonderregelungen in § 268 Abs. 3 Satz 2 und 3 für die Frist zur Urteilsverkündung. Soweit der 5. Strafsenat des BGH in einem obiter dictum ausgeführt hat, es liege nahe, dass nach Inkrafttreten des 1. JuMoG auch für die Urteilsverkündung nur eine Fristüberschreitung nach § 229 Abs. 1 revisibel sei, wohingegen § 268 Abs. 3 Satz 2 eine bloße Ordnungsvorschrift darstelle,28 sind dem der 1., 2. und 4. Strafsenat zutreffend entgegengetreten.29 In § 268 Abs. 3 Satz 3 werden lediglich Absatz 3 und Absatz 4 Satz 2 für entsprechend anwendbar erklärt; wegen der Einzelheiten s. die Erläuterungen zu § 268. Tritt das Gericht vor der Urteilsverkündung allerdings nochmals in die mündliche Sachverhandlung ein, gilt nicht nur Absatz 3 wieder unmittelbar, sondern auch die Absätze 1 und 2 finden wieder Anwendung.30 b) Bedeutung. Unterbrechung bedeutet das Einschieben eines verhandlungsfreien 6 Zwischenraums zwischen mehrere Teile einer einheitlichen Hauptverhandlung (vgl. Absatz 4 Satz 1: „spätestens am Tag nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist“; s. auch § 228, 2). Es handelt sich daher nicht um eine Frist i.S.d. §§ 42, 43.31 Für die Berechnung des zulässigen Unterbrechungszeitraums bedeutet dies: Weder der Tag, an dem die Unterbrechung angeordnet, noch derjenige, an dem die Verhandlung wieder aufgenommen wird, sind in den Unterbrechungszeitraum einzurechnen.32 Handelt es sich bei dem Tag nach Ende der Zwischenfrist um einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so gestattet es Absatz 4 Satz 2, der den Gedanken des § 43 Abs. 2 aufnimmt, die Hauptverhandlung erst am nächsten Werktag fortzusetzen. Die innerhalb der Frist liegenden Samstage sowie Sonn- und Feiertage dürfen dagegen nicht abgerechnet werden.33 Die zeitlichen Grenzen, innerhalb derer auf dieser Grundlage die Fortsetzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung zulässig ist, ergeben sich aus den Absätzen 1 bis 3. Werden sie nicht eingehalten, muss die ganze Hauptverhandlung nach Absatz 4 Satz 1 wiederholt werden.

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26 Vgl. BGH StV 2004 241 m. Anm. Wattenberg; OLG Celle NdsRpfl. 2001 196; OLG Hamburg NJW 2006 2792; OLG Hamm StV 2006 191; OLG Köln StV 2006 143; Behm/Wesemann StraFo 2006 356 f.; Bock 634; Burhoff (Hauptv.) 2706; Radtke/Hohmann/Britz 26. 27 BGH StV 1982 4, 5 m. Anm. Peters; StraFo 1999 339; NStZ 2004 52; Rieß NJW 1975 86; SK/Deiters/ Albrecht 2. 28 BGH StV 2007 340 m. abl. Anm. Knauer. 29 BGH NJW 2007 448; NStZ-RR 2007 278; 2007 279; StV 2015 280; vgl. auch BGH (5. Strafsenat) StV 2006 516; ferner Behm/Wesemann StraFo 2006 357; Knauer StV 2007 341 f.; SK/Deiters/Albrecht 2; SSW/ Grube 2. 30 Vgl. RGSt 37 365; 53 332, 333; BGH StV 1982 4, 5 m. Anm. Peters. 31 RGSt 57 266, 267; BGH NStZ 2014 469 und NStZ-RR 2016 178 mit unzutreffender Fristberechnung im konkreten Einzelfall; StraFo 2017 69; KK/Gmel 7; Meyer-Goßner/Schmitt 9; a.A. KMR/Eschelbach 20 f.; SSW/Grube 6. 32 HK/Julius 3. 33 Peters 492.

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c) Keine absolute Grenze. Ebenso wenig wie die StPO der Gesamtdauer einer Hauptverhandlung eine zeitliche Obergrenze setzt, ergibt sich aus § 229 eine Begrenzung der Gesamtzahl der dazwischen geschobenen verhandlungsfreien Tage. Das Gericht ist durch § 229 theoretisch nicht gehindert, mit unbegrenzt vielen Unterbrechungen zu verhandeln. Es ist daher denkbar, eine auf 15 Terminstage angesetzte Verhandlung auf nahezu ein Jahr auszudehnen.34 Die verhandlungsfreien Zeiträume zwischen den einzelnen Teilen der Hauptverhandlung dürfen nur je für sich die in § 229 festgelegten Höchstfristen nicht überschreiten.35 Ob dies beachtet und ob gegebenenfalls eine Frist nach Absatz 2 in Anspruch genommen wurde, beurteilt sich stets ausschließlich nach der Gesamtzeit, die tatsächlich bis zur Fortsetzung der Hauptverhandlung verstrichen ist (§ 228, 2 und 5).

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d) Zur Anordnung der Unterbrechung, der Bestimmung des Fortsetzungstermins und der Ladung zu diesem s. § 228, 3 bis 5 und 17 bis 20.

e) Fortsetzung der Hauptverhandlung bedeutet Weiterführung derselben Hauptverhandlung durch das Gericht in derselben Zusammensetzung in Gegenwart aller Verfahrensbeteiligten, deren Anwesenheit vorgeschrieben ist. Ob bei Ausbleiben eines Verfahrensbeteiligten die Hauptverhandlung ohne ihn fortgeführt werden kann, beurteilt sich nach den auch sonst für die Hauptverhandlung geltenden Vorschriften. Bleibt beispielsweise der Angeklagte dem Fortsetzungstermin eigenmächtig fern, kann die Fortsetzungsverhandlung ohne ihn unter den Voraussetzungen des § 231 Abs. 2 durchgeführt werden. Es kommt insoweit nur darauf an, dass tatsächlich weiter zur Sache verhandelt wird.36 Bei Verhinderung eines Richters kann der Fortsetzungstermin innerhalb der Grenzen des § 229 verlegt werden, es kann aber, vor allem, wenn die Dauer der Verhinderung nicht absehbar ist, auch ein vorhandener Ergänzungsrichter eintreten.37 Für Fälle der Erkrankung eines Richters gilt jetzt aber vorrangig Absatz 3 Satz 1 (vgl. Rn. 17 ff.). Wird eine unterbrochene Hauptverhandlung innerhalb der Frist des § 229 im neuen Geschäftsjahr fortgesetzt, so sind auch bei einer Änderung der Geschäftsverteilung die bisher in der Hauptverhandlung mitwirkenden Berufs- und Laienrichter (die letztgenannten nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 50 GVG) zur Fortführung der Verhandlung berufen.38 Zur Fortsetzung geeignet ist jedoch nur eine das Verfahren weiterführende Ver10 handlung. Die lediglich formelle Fortsetzung der Hauptverhandlung genügt daher nicht. Erforderlich ist vielmehr ein Vorgang, der die Sache vor dem erkennenden Gericht in Richtung auf das Urteil hin potentiell fördert,39 so die Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen, die Vornahme eines Augenscheins, die Verlesung einer Urkunde – 9

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34 Eine restriktive Handhabung – insb. mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK – verlangen Behm/Wesemann StraFo 2006 354 ff.; Keller/Meyer-Mews StraFo 2005 355 f.; Knauer StV 2007 341; Knauer/Wolf NJW 2004 2934; Neuhaus StV 2005 51; Meyer-Goßner/Schmitt 2; vgl. aber auch BGH JR 2007 38 m. Anm. Gössel, m. Anm. Dietmeier NStZ 2007 657, m. Anm. Knauer StV 2007 340, m. Bspr. Scheffler ZIS 2007 386, wo einerseits eine gegenüber dem Gesetzeswortlaut einschränkende Auslegung abgelehnt, andererseits aber darauf hingewiesen wird, dass der Beschleunigungsgrundsatz namentlich bei der Planung der Hauptverhandlung zu beachten ist; s. auch OLG Hamm StraFo 2006 25 f. 35 RGSt 60 163. 36 Für „konturlos“ und damit zur Abgrenzung unbrauchbar halten den Begriff der Sachverhandlung: Mandla (Unterbrechung) 88 f.; ders. NStZ 2011 7; Neuhaus StV 2005 51. 37 BGHSt 61 160, 161 f.; vgl. BGH NStZ 1986 518 zur früheren Rechtslage bei erkranktem Richter. 38 BGHSt 8 250; KK/Gmel 8; entgegen BGHSt 19 382 kann es aber nur auf den Beginn, nicht auf die Dauer der Verhandlung im alten Geschäftsjahr ankommen. 39 Deutscher StRR 2012 47; kritisch zu der diesbezüglichen Einzelfallrechtsprechung Radtke/ Hohmann/Britz 22 f.

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insbesondere auch eines Strafregisterauszugs – im Rahmen des Urkundenbeweises40 oder die Feststellung, dass das Selbstleseverfahren vollzogen ist (§ 249 Abs. 2 Satz 3),41 denn hierdurch wird der Urkundsinhalt zum Inbegriff der Hauptverhandlung und damit für die Urteilsfindung verwertbar.42 Eine Sachverhandlung liegt auch dann vor, wenn der fragliche Verhandlungsteil an einem Verfahrensmangel leidet, etwa weil die Voraussetzungen des § 231 Abs. 2 für ein Verhandeln in Abwesenheit des Angeklagten irrig angenommen werden,43 das Verfahren unter Verstoß gegen § 145 Abs. 3 fortgeführt wird44 oder bei der Beweisaufnahme der erforderliche Dolmetscher fehlt.45 Wird ein verfahrensfördernder Verhandlungsteil vorgenommen, schadet es grundsätzlich (s. aber Rn. 12) auch nicht, wenn am selben Hauptverhandlungstag noch weitere die Sache fördernde Handlungen möglich gewesen wären und der Termin wesentlich auch der Wahrung der Zwischenfrist dient.46 Verfahrensfördernd in diesem Sinne ist auch die Behandlung allein von Verfah- 11 rensfragen;47 so etwa die Feststellung verfahrensrelevanter Tatsachen im Wege des Freibeweises und deren Besprechung, wie beispielsweise die Anhörung eines Sachverständigen zur Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten48 oder die Erörterung eines Ablehnungsgesuchs.49 Die Verhandlung über die prozessualen Konsequenzen, die – über das Erfordernis der erneuten Unterbrechung der Hauptverhandlung hinaus (s. dazu Rn. 3) – aus dem Nichterscheinen des Angeklagten (kann gemäß § 231 Abs. 2 in seiner Abwesenheit verhandelt werden?)50 oder eines Zeugen51 zu ziehen sind, kann ebenso

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40 BGH JR 2007 38 m. Anm. Gössel, m. Anm. Dietmeier NStZ 2007 657, m. Anm. Knauer StV 2007 340, m. Bspr. Scheffler ZIS 2007 386; BGH NStZ 2000 212, 214 m. Anm. Hammerstein 327 = StV 2000 402 m. Anm. Stern; NStZ 2012 343; StraFo 2011 395, 396; BGHR § 229 Abs. 1 Sachverhandlung 9; Michel ZfS 2000 373; Meyer-Goßner 11. 41 BGHSt 58 59, 61 (nicht entscheidungstragend) m. zust. Anm. Arnoldi NStZ 2013 474 und Trück ZWH 2013 249 f.; Ventzke StV 2014 119; a.A. BGH NStZ 2008 115; KK/Gmel 6; LR/Becker26 10; MeyerGoßner/Schmitt 11; Deutscher StRR 2012 48; zur Anordnung des Selbstleseverfahren s. demgegenüber Rn. 12. 42 BGH NJW 2010 3382, 3383. 43 Vgl. BGH NStZ 1984 466 (zu § 275 Abs. 1). 44 BGH NStZ 2000 212, 214 m. Anm. Hammerstein 327 = StV 2000 402 m. Anm. Stern. 45 BGH NStZ-RR 2004 270 Ls. 46 BGH JR 2007 38 m. Anm. Gössel, m. Anm. Dietmeier NStZ 2007 657, m. Anm. Knauer StV 2007 340, m. Bspr. Scheffler ZIS 2007 386; NStZ 2011 532; 2012 343; NStZ-RR 1998 335; BGHR § 229 Abs. 1 Sachverhandlung 4; Michel ZfS 2000 374; AnwK-StPO/Kirchhof 3; SK/Deiters/Albrecht 4; a.A. Kühne 272; Wölfl NStZ 1999 44; ders. JuS 2000 278; krit. hierzu Lilie FS Meyer-Goßner 491. 47 Mandla NStZ 2011 7; Peglau JR 2009 349; Wölfl NStZ 1999 43. Ob es allerdings genügt, die nicht bindenden Rechtsausführungen des OLG als Haftbeschwerdegericht zu entscheidungsrelevanten Verfahrensfragen zu verlesen (so BGH NStZ 2009 225, 226), erscheint eher zweifelhaft; abl. Mandla aaO 5 f.; KK/Gmel 6; SK/Deiters/Albrecht 4. 48 BGHR § 229 Abs. 1 Sachverhandlung 1; BGH Urt. v. 7.11.1978 – 1 StR 470/78; OLG Düsseldorf StV 1997 282 m. Anm. Zieschang 286; SK/Deiters/Albrecht 4; Deutscher StRR 2012 47; zweifelnd KK/Gmel 6; MeyerGoßner/Schmitt 11; differenzierend LG Düsseldorf StV 1997 284, 285 m. zust. Anm. Zieschang: nur, falls Verhandlungsfähigkeit bestätigt wird, da ansonsten § 229 durch wiederholte Feststellung der Verhandlungsunfähigkeit umgehbar; ebenso HK/Julius 11. Offen gelassen von BGH NJW 2006 3077, 3078. 49 BGH Urt. v. 7.11.1978 – 1 StR 470/78; Deutscher StRR 2012 48; Michel ZfS 2000 373; SK/Deiters/Albrecht 4; zweifelnd Meyer-Goßner/Schmitt 11; a.A. KK/Gmel 6; Knauer/Wolf NJW 2004 2934; offen gelassen von BGH NJW 2006 3077, 3078. 50 BGH NStZ 2014 220 f. 51 BGH NStZ 2000 606, 607; Urt. v. 15.5.1956 – 5 StR 105/56 (Verzicht auf den nicht erschienenen Zeugen nach längerer Erörterung); Deutscher StRR 2012 48; Michel ZfS 2000 373; a.A. BGH NJW 1996 3019, 3020 (nichttragend) m. Anm. Wölfl NStZ 1999 43; OLG Celle StV 1992 101; KK/Gmel 6; Roxin/Schünemann § 44, 10.

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genügen wie die Anordnung von Zwangsmitteln gegen einen sonstigen ausgebliebenen Verfahrensbeteiligten.52 Eine das Verfahren fördernde Verhandlung zur Sache liegt dagegen nicht vor, wenn 12 die Hauptverhandlung nur formal bzw. zum Schein fortgesetzt und hierdurch § 229 umgangen wird (sog. Schiebetermine).53 Es ist allerdings verfehlt, im Hinblick auf die – durch das 1. JuMoG geschaffenen (s. Rn. 3) – nunmehr weitreichenden Unterbrechungsmöglichkeiten des § 229 insoweit gegenüber der bisherigen Rechtsprechung strengere Maßstäbe anzulegen.54 Denn dies widerspricht dem gesetzgeberischen Anliegen, zumal andere gleichermaßen sachgerechte wie handhabbare Maßstäbe nicht ersichtlich sind.55 Im Einzelnen gilt: Zur Verfahrensförderung genügt es von vornherein nicht, dass das Gericht lediglich die Präsenz und die sonstigen Formalien feststellt und nur einen nicht weiterführenden Umstand bespricht, wie etwa die Notwendigkeit einer weiteren Unterbrechung, auch wenn es dabei mit den Verfahrensbeteiligten erörtert, wann die Hauptverhandlung fortgesetzt werden kann.56 Aber auch die bloße Entgegennahme eines Verteidigerantrags stellt keine hinreichende Verfahrensförderung dar,57 es sei denn, es wird über den Antrag verhandelt und gegebenenfalls auch entschieden. Ebenso zu bewerten ist eine Verhandlung, in der der Vorsitzende lediglich mitteilt, dass Beweisanträgen nachgegangen werde und Zeugen geladen worden seien, oder einen Sachverständigen beauftragt,58 die ausschließlich dazu dient, den nicht erschienenen Pflichtverteidiger zu entpflichten und einen neuen Pflichtverteidiger zu bestellen,59 in der lediglich Haftverhältnisse und Haftdaten festgestellt werden60 oder in der der Vorsitzende lediglich eine Anordnung nach § 29 Abs. 2 Satz 1 trifft.61 Gleiches gilt, wenn der Vorsitzende nur das Selbstleseverfahren anordnet (§ 249 Abs. 2 Satz 1), denn ähnlich der Mitteilung, dass Zeugen geladen worden sind, oder der Beauftragung eines Sachverständigen (s. oben) liegt hierin keine hinreichende Verfahrensförderung.62 Hinzu kommen die Fälle, in de-

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52 Michel ZfS 2000 374. 53 BGH NJW 1996 3019 m. Anm. Wölfl NStZ 1999 43; NStZ 2008 115; 2012 343; NStZ-RR 1998 335; Beschl. v. 11.4.2007 – 3 StR 114/07 – Rn. 11 (insoweit in StraFo 2007 331 nicht abgedruckt); Wölfl JuS 2000 374; KK/Gmel 6a; krit. Mandla (Unterbrechung) 56 ff., insb. 80 ff.; Erhard StV 2013 658. Allein aus der Bezeichnung eines Hauptverhandlungstermins als „Schiebetermin“ kann jedoch nicht gefolgert werden, dass dort keine Sachverhandlung stattgefunden hat: BGH StraFo 2011 395, 396. 54 Deutscher StRR 2012 46 f.; SK/Deiters/Albrecht 4; a.A. Keller/Meyer-Mews StraFo 2005 355 f.; Knauer StV 2007 341; Knauer/Wolf NJW 2004 2934; Neuhaus StV 2005 51; Meyer-Goßner/Schmitt 11. 55 BGH JR 2007 38 m. Anm. Gössel, m. Anm. Dietmeier NStZ 2007 657, m. Anm. Knauer StV 2007 340, m. Bspr. Scheffler ZIS 2007 386; BGHR § 229 Abs. 1 Sachverhandlung 9; vgl. auch BGH Beschl. v. 27.7.2006 – 1 StR 147/06 (insoweit in StraFo 2006 454 nicht abgedruckt); s. SK/Deiters/Albrecht 4; SSW/Grube 30. 56 RGSt 62 263; BGH NJW 1952 1149 m. Anm. Linnenbrink; NStZ 2016 171; Urt. v. 4.5.1976 – 1 StR 824/75; KK/Gmel 6; KMR/Eschelbach 32; unklar Meyer-Goßner/Schmitt 11. S. aber auch die Entscheidungen BGH NJW 2009 384 sowie NStZ 2018 297 ff. m abl. Anm. Gubitz; dazu näher Rn. 3. 57 BGH NStZ 1986 182 (zu § 258); Knauer/Wolf NJW 2004 2934; Wölfl NStZ 1999 43; a.A. BGH NStZ 2000 606 (nichttragend); KK/Gmel 6; SK/Deiters/Albrecht 4; Deutscher StRR 2012 48; s. auch BGH StV 2011 211, 212 m. Anm. Kudlich zu § 230 Abs. 1, § 338 Nr. 5: die Entgegennahme eines Beweisantrags ist hinreichende Verfahrensförderung, aber kein wesentlicher Teil der Verhandlung, sodass bei Abwesenheit des Angeklagten der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 nicht greift. 58 Das Verfahren wird nur durch die Beweisaufnahme als solche vorangebracht, nicht aber durch deren bloße Anordnung oder der Mitteilung, dass deren Durchführung beabsichtigt sei, was zwanglos auch außerhalb der Hauptverhandlung durch Ladung oder Beauftragung der Beweispersonen und Unterrichtung der Verfahrensbeteiligten geschehen kann; s. Neuhaus StV 2005 51; KK/Gmel 6; a.A. BGHSt 58 59, 62 m. zust. Anm. Arnoldi NStZ 2013 474; BGH NStZ 2011 229; bei Kusch NStZ 1995 19. 59 BGH NStZ 1999 521; 2008 115; StV 1982 4, 5 m. Anm. Peters. 60 KMR/Eschelbach 32; a.A. BGHR § 229 Abs. 1 Sachverhandlung 4; SK/Deiters/Albrecht 4. 61 BGH NStZ 2008 115. 62 A.A. BGHSt 58 59, 62 m. zust. Anm. Arnoldi NStZ 2013 474 und Trück ZWH 2013 249; KK/Gmel 6.

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nen Prozessstoff willkürlich aufgeteilt, wiederholt oder vorgezogen wird, allein um der Form halber fristgerechte Fortsetzungstermine nachweisen zu können, während die Verfahrensförderung völlig in den Hintergrund tritt.63 So liegt es, wenn die Verlesung eines Zentralregisterauszuges, der nur drei Einträge enthält, auf drei Verhandlungstermine aufgeteilt64 oder ein zweiseitiger Brief in Abschnitten von je eins bis vier Sätzen an 20 Hauptverhandlungstagen verlesen wird, wobei vier Termine nur aus derartigen Teilverlesungen bestehen.65 Auch die Aufspaltung der Verlesung eines Jugendamtsberichts auf zwei Verhandlungstermine kann hier einzuordnen sein.66 Keine hinreichende Verfahrensförderung liegt des Weiteren vor, wenn in der Verhandlung lediglich ein Pflichtverteidiger für diesen Termin bestellt und der bereits verlesene Zentralregisterauszug nochmals in die Hauptverhandlung eingeführt67 oder eine Urkunde verlesen wird, die offensichtlich später in Anwesenheit eines Sachverständigen erneut verlesen werden muss68 oder deren Einführung in die Hauptverhandlung nach zunächst bereits geschlossener Beweisaufnahme unter keinem denkbaren Gesichtspunkt für die Urteilsfindung von Relevanz ist, sondern erkennbar allein die Aussetzung des Verfahrens verhindern soll.69 Bei einem Verfahren gegen mehrere Angeklagte genügt es, wenn in der fortgesetz- 13 ten Hauptverhandlung die gegen einen von ihnen erhobenen Vorwürfe erörtert werden,70 selbst wenn ein Angeklagter nach § 231c beurlaubt ist.71 3. Die Unterbrechungsfristen a) Dreiwochenfrist (Absatz 1). Im Normalverfahren mit bis zu zehn Verhand- 14 lungstagen kann die Hauptverhandlung, ganz gleich, wie lange sie vorher gedauert hat, beliebig oft jeweils bis zu drei Wochen unterbrochen werden. Spätestens nach drei Wochen ist sie fortzusetzen (Rn. 6, 7). Nur die notwendige Beachtung des Beschleunigungsgebots setzt hier einer extensiven Unterbrechungsmechanik Grenzen (s. Rn. 4).72 Eine Terminierung nach dem Motto „ein Tag Verhandlung, drei Wochen Pause“ hat daher zu unterbleiben. b) Monatsfrist (Absatz 2). In Großverfahren, also solchen mit mehr als zehn Ver- 15 handlungstagen, darf die Verhandlung unabhängig davon, wie lange das Verfahren bereits nach Absatz 1 unterbrochen worden war, nach je zehn Verhandlungstagen73 auch bis zu einem Monat unterbrochen werden. Im Gegensatz zur Fassung vor dem 1. JuMoG fehlt nunmehr jede zusätzliche zeitliche Begrenzung (vgl. Entstehungsgeschichte). Auch eine Höchstzahl möglicher Unterbrechungen nach Absatz 2 ist nicht vorgesehen.74 Das Gebot restriktiver Handhabung auch dieser Vorschrift ist vielmehr wiederum allein aus

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63 Vgl. BGH NStZ 2008 115; 2012 343; NStZ-RR 1998 335; Deutscher StRR 2012 47 f.; Michel ZfS 2000 374. 64 BGH NJW 1996 3019 m. Anm. Wölfl NStZ 1999 43; Wölfl JuS 2000 278. 65 BGH StV 1998 359. 66 Vgl. BGH NStZ-RR 1998 335 (offen). 67 BGH NStZ 1999 521. 68 OLG Koblenz StV 1997 288. 69 BGH NStZ 2011 532; 2012 343; KK/Gmel 6a. 70 BGH bei Dallinger MDR 1975 23; KK/Gmel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 11. 71 SK/Deiters/Albrecht 5. 72 SK/Deiters/Albrecht 6. 73 BGH StV 2014 2, 3; Bock 636. 74 BGH StV 2014 2, 3; KK/Gmel 4; Meyer-Goßner/Schmitt 3; SK/Deiters/Albrecht 7; kritisch und einschränkend Knauer/Wolf NJW 2004 2934: i.d.R. nicht mehr als dreimal zulässig.

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dem Grundsatz herzuleiten, dass das Verfahren nicht ohne sachlichen Grund zögerlich betrieben werden darf (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK).75 Hat zunächst der Vorsitzende die Hauptverhandlung nach Absatz 1 unterbrochen, so 16 kann das Gericht unter der Voraussetzung des Absatzes 2 noch nach Ablauf der vom Vorsitzenden angeordneten Unterbrechung und auch nach Verstreichen der Höchstfrist des Absatzes 1 beschließen, dass die Unterbrechung auf bis zu einen Monat verlängert wird, sofern dies noch innerhalb von einem Monat nach der Unterbrechungsentscheidung des Vorsitzenden geschieht.76 Der Lauf der Frist nach Absatz 2 beginnt in einem solchen Fall aber mit der Unterbrechung nach Absatz 1.77 4. Hemmung der Unterbrechungsfrist (Absatz 3 Satz 1) 17

a) Zweck und Geltungsbereich. Absatz 3 Satz 1 will nur in Großverfahren, die bereits mit einem bestimmten Verhandlungsaufwand betrieben worden sind, verhindern, dass eine längere Erkrankung des Angeklagten bzw. eines Berufsrichters oder Schöffen (im Folgenden nur: Richter)78 zur Aussetzung sowie zur kostenträchtigen und für alle Verfahrensbeteiligten belastenden Wiederholung der bisherigen Hauptverhandlung zwingt. Er setzt daher voraus, dass vor dem Termin, zu welchem der Angeklagte oder Richter wegen seiner Erkrankung nicht erscheinen kann, die Hauptverhandlung an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat. War dies nicht der Fall, so rechtfertigt es die Prozessökonomie wegen des angefallenen geringeren Verfahrensstoffs nicht, durch eine längerfristige Hemmung der Unterbrechungsfrist dem Gericht die Möglichkeit der Fortsetzung der Hauptverhandlung offen zu halten79 und die hierdurch entstehenden Gefahren für die Wahrheitsfindung in Kauf zu nehmen. Es gelten dann die allgemeinen Grundsätze; der Vorsitzende kann wegen der Erkrankung nur nach Absatz 1 (Absatz 2 scheidet aus) unterbrechen. Ist es nicht möglich, die Hauptverhandlung nach Ablauf der dreiwöchigen Unterbrechungsfrist fortzusetzen, ist sie auszusetzen und später neu zu beginnen. Die Erkrankung anderer Verfahrensbeteiligter bewirkt keine Hemmung der Un18 terbrechungsfristen. Eine analoge Anwendung des Absatzes 3 scheidet insofern aus.80 Dies gilt auch bei Nebenbeteiligten, die mit Angeklagtenbefugnissen an der Hauptverhandlung teilnehmen; denn der Fortgang der Hauptverhandlung wird durch deren Fehlen rechtlich nicht behindert.81 Wie Absatz 3 Satz 1 ausdrücklich klarstellt, gilt die Vorschrift nur für die Unterbrechungsfristen der Absätze 1 und 2. Auf andere Unterbrechungsfristen findet sie daher nur entsprechende Anwendung, wenn dies ausdrücklich angeordnet ist. Das ist allein in § 268 Abs. 3 Satz 3 für die Frist zur Verkündung des Urteils nach § 268 Abs. 3 Satz 2 der Fall. Sie gilt daher beispielsweise nicht für die Unterbrechungsfristen nach § 138c Abs. 4, § 231a Abs. 3 oder § 34 Abs. 3 Nr. 6 EGGVG.82 Zum Zu-

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75 BGH StV 2014 2, 3; Knauer/Wolf NJW 2004 2934; KK/Gmel 3; SK/Deiters/Albrecht 7. 76 Vgl. BGHSt 34 154, 156 = JR 1988 36, 37 m. Anm. Böttcher; KK/Gmel 4; KMR/Eschelbach 21; MeyerGoßner/Schmitt 3; SK/Deiters/Albrecht 7. Vgl. § 228, 5. 77 Meyer-Goßner/Schmitt 3. 78 Nicht aber auch eines noch nicht in das Quorum eingetretenen Ergänzungsrichters oder -schöffen: KMR/Eschelbach 25; SK/Deiters/Albrecht 8; Momsen/Willumat NStZ 2018 369 ff. 79 BTDrucks. 10 1313 S. 25. 80 Meyer-Goßner/Schmitt 6a; SK/Deiters/Albrecht 2; vgl. zur früheren Rechtslage bzgl. Richter und Schöffen: BGH NStZ 1986 518; 1997 503. 81 Vgl. etwa § 424 Abs. 1, § 429 Abs. 3 Nr. 1, § 430 Abs. 1; SK/Deiters/Albrecht 2. 82 SK/Deiters/Albrecht 2.

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sammentreffen dieser Fristen mit einer Erkrankung des Angeklagten oder eines Richters s.u. Rn. 26. b) Krankheit. Der Begriff der Krankheit ist für Angeklagte und Richter83 nahezu de- 19 ckungsgleich. Für den Angeklagten gilt: Krankheit ist nicht gleichzusetzen mit Verhandlungsunfähigkeit.84 Während diese erst anzunehmen ist, wenn dem Angeklagten die Fähigkeit ermangelt, seine Interessen in vernünftiger Weise wahrzunehmen, also seine Verteidigung verständig und verständlich zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben und entgegenzunehmen,85 liegt eine Krankheit i.S.d. Absatzes 3 Satz 1 bereits dann vor, wenn dem Angeklagten nach der Art seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung unter Berücksichtigung seiner individuellen Konstitution aus medizinischer Sicht nicht zugemutet werden kann, zur Hauptverhandlung zu erscheinen und an ihr teilzunehmen. Dies ist noch nicht der Fall, wenn der Gesundheitszustand des Angeklagten diesem erlaubt, an zeitlich begrenzten Verhandlungsterminen, die den zulässigen Unterbrechungsrhythmus einhalten, teilzunehmen, so dass die Möglichkeit besteht, die Hauptverhandlung, sei es auch mit Einschränkungen, fortzusetzen.86 Andererseits genügt es für den Eintritt der Fristenhemmung, wenn das Gericht die 20 Hauptverhandlung nicht fortführen kann, weil es dem Angeklagten krankheitsbedingt nicht möglich ist, an dem zu deren Fortsetzung vorgesehenen Ort – in der Regel die Gerichtsstelle, gegebenenfalls aber auch der Ort eines außerhalb hiervon anberaumten Augenscheins – zu erscheinen. Es ist daher ohne Belang, ob die Verhandlung am Krankenbett des Angeklagten fortgesetzt werden könnte.87 Dies ist zwar zulässig.88 Abgesehen davon, dass sich der Angeklagte hierauf nicht einlassen muss,89 ist das Gericht aber auch dann, wenn dieser einverstanden wäre, hierzu nicht verpflichtet. Es entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen.90 Macht es von dieser Möglichkeit Gebrauch, so tritt die Hemmung nach Absatz 3 Satz 1 nicht ein.91 Gleiches gilt, wenn das Gericht auf der Grundlage von § 231 Abs. 2 oder § 231a Abs. 1 ohne den Angeklagten verhandelt (s. dazu näher unten Rn. 30). Auch der Richter ist nicht erst dann krank i.S.v. Absatz 3 Satz 1, wenn er aufgrund 21 seines Gesundheitszustandes nicht mehr in der Lage wäre, die Vorgänge in der Hauptverhandlung wahrzunehmen, sie geistig zu verarbeiten und angemessen hierauf zu reagieren, er also trotz physischer Präsenz nicht als anwesend i.S.d. § 226 Abs. 1 anzusehen wäre.92 Vielmehr ist bei ihm ebenfalls die Frage zu stellen, ob es ihm trotz seines Gesundheitszustandes zumutbar ist, zur Hauptverhandlung zu erscheinen und an ihr teilzunehmen. Hierzu kann – wie beim Angeklagten – gegebenenfalls durch eine Reduzierung des Verhandlungsstoffs an den Terminstagen während der Erkrankung der ein-

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83 Eine entsprechende Anwendung des § 229 Abs. 3 für den Fall der Schwangerschaft einer Richterin und dem Beschäftigungsverbot nach der Entbindung gemäß MuSchG ist nicht möglich: Arnoldi StRR 2017 9; Norouzi FS von Heintschel-Heinegg 356; a.A. LG Bremen Beschl. v. 28.4.2010 – 22 Ks 210 Js 2251/09. 84 BTDrucks. 10 1313 S. 26; KMR/Eschelbach 26; KK/Gmel 11; Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Deiters/ Albrecht 10. 85 Vgl. etwa BVerfG (Kammer) NJW 1995 1951; BGHSt 41 16, 18; BGH NStZ 1996 242; im Einzelnen s. § 231a, 3 sowie die Erl. bei § 205. 86 SK/Deiters/Albrecht 10; SSW/Grube 10. 87 Rieß/Hilger NStZ 1987 149; Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Deiters/Albrecht 10. 88 Vgl. BTDrucks. 10 1313 S. 25. 89 Vgl. § 231, 7; KK/Gmel 11. 90 Kempf StV 1987 221; SK/Deiters/Albrecht 10; enger wohl KMR/Eschelbach 26. 91 SK/Deiters/Albrecht 10. 92 Vgl. § 226, 5, 11 ff.

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geschränkten Gesundheit des Richters Rechnung getragen werden. Auch die Fortsetzung der Hauptverhandlung am Krankenbett des Richters ist in Betracht zu ziehen.93 Diese Möglichkeiten sind im Sinne der Verfahrenskonzentration auszuschöpfen, um den Eintritt der Fristenhemmung nach Absatz 3 Satz 1 zu vermeiden. Vor allem bei den Berufsrichtern werden dabei aufgrund ihrer Amtsstellung strengere Zumutbarkeitskriterien anzuwenden sein als beim Angeklagten. Muss Absatz 3 Satz 1 dennoch eingreifen, kommt der Eintritt eines zugezogenen Ergänzungsrichters (§ 192 Abs. 2 und 3 GVG) in das Quorum nach der neuen Rechtslage jedenfalls erst dann in Betracht, wenn absehbar ist, dass auch nach Ablauf der maximalen Fristenhemmung der erkrankte Richter zu dem ersten notwendigen Fortsetzungstermin nicht wird erscheinen können. Ansonsten läge ein Verstoß gegen die Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) vor.94 Bei demselben Angeklagten oder Richter kann die krankheitsbedingte Teilnah22 meunfähigkeit während einer längeren Hauptverhandlung wiederholt zu einer Hemmung der Unterbrechungsfrist führen.95 Hierbei kommt es nur auf die Tatsache des erneuten Eintritts der Teilnahmeunfähigkeit an, nicht dagegen darauf, ob Ursache dieselbe oder aber eine neue Erkrankung ist. Die Höchstdauer von sechs Wochen begrenzt nur den Zeitraum der Hemmung während der jeweiligen Unterbrechungsperiode. Wird danach zur Sache verhandelt, und sei es auch nur ein Tag,96 dann kann später bei erneuter Verhinderung desselben Angeklagten oder Richters auch wegen derselben Erkrankung erneut der Ablauf einer Unterbrechungsfrist bis zu sechs Wochen gehemmt sein. 23 Bei mehreren Angeklagten genügt es, wenn die Voraussetzungen für die Hemmung der Unterbrechungsfrist bei einem von ihnen vorliegen („ein Angeklagter“).97 Sie endet allerdings für den gesunden Angeklagten, wenn das Verfahren gegen ihn abgetrennt und fortgesetzt wird, mit dem Trennungsbeschluss; denn von diesem Zeitpunkt an verhindert die Erkrankung des früheren Mitangeklagten die Weiterführung des abgetrennten Verfahrens nicht mehr. Die Zweckmäßigkeit der Verfahrenstrennung hängt von der Verfahrenslage, nicht zuletzt auch vom Umfang der noch offenen gemeinsamen Beweisaufnahme ab. Sie wird sich vor allem dann empfehlen, wenn das Verfahren gegen die gesunden Angeklagten alsbald abgeschlossen werden kann.98 24

c) Hemmung. Mit der Erkrankung eines Angeklagten oder Richters wird die Unterbrechungsfrist kraft Gesetzes gehemmt.99 Dies gilt für die Fristen des Absatzes 1 und des Absatzes 2, wie Absatz 3 ausdrücklich herausstellt. Es sind zwei Fallgruppen zu unter-

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93 Angesichts der fortgeschrittenen technischen Möglichkeiten sollte de lege ferenda auch erwogen werden, eine Bild-Ton-Übertragung der Verhandlung zu dem erkrankten Richter und von diesem zurück in den Sitzungssaal zu gestatten. 94 BGHSt 61 160 = NStZ 2016 557 m. Anm. Ventzke = JR 2017 38 m. abl. Anm. Schäfer; Meyer-Goßner/ Schmitt 7a; s. dazu auch Börner JR 2017 16 sowie Burhoff ZAP Fach 22R 955; KK/Gmel 11; SSW/Grube 8; a.A. Schlothauer FS II E. Müller 647 f.; SK/Deiters/Albrecht 18: Vorrang des § 192 Abs. 2 GVG. 95 Rieß/Hilger NStZ 1987 149; SK/Deiters/Albrecht 11. 96 Rieß/Hilger NStZ 1987 149; KK/Gmel 11; KMR/Eschelbach 23; Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Deiters/ Albrecht 11; a.A. Zieschang StV 1996 119, der Absatz 2 a.F. in vollem Umfang analog anwenden wollte, so dass nach zehn Verhandlungstagen nur noch eine zweite Hemmung und erst nach einem Jahr eine weitere zulässig gewesen wäre. 97 BTDrucks. 10 1313 S. 26; Meyer-Goßner NJW 1987 1163; Rieß/Hilger NStZ 1987 149; KK/Gmel 11; MeyerGoßner/Schmitt 6; SK/Deiters/Albrecht 11. 98 Vgl. Meyer-Goßner NJW 1987 1163; SK/Deiters/Albrecht 11. KK/Gmel 11 hält eine Trennung bei besonders umfangreichen Großverfahren nur in Ausnahmefällen für angezeigt. 99 BGH NStZ 1992 550, 551; 1998 633; NStZ-RR 2016 178; KK/Gmel 12; Meyer-Goßner/Schmitt 7; SK/Deiters/Albrecht 13; vgl. aber auch KMR/Eschelbach 27.

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scheiden: Erkrankt der Angeklagte oder Richter während der laufenden Hauptverhandlung, so ist diese in der Regel durch den Vorsitzenden nach Absatz 1 zu unterbrechen.100 Das Gericht (§ 228 Abs. 1) kann aber auch – sofern die sonstigen Voraussetzungen vorliegen – sofort eine längere Unterbrechung nach Absatz 2 beschließen. Zweckmäßig ist es aber nicht, die Monatsfrist bereits von vorneherein zu verbrauchen. Nach Ablauf der Hemmung kann die Dreiwochenfrist immer noch in die Monatsfrist umgewandelt werden, wenn dies notwendig sein sollte, um die Genesung des Richters oder Angeklagten abzuwarten.101 Gleichzeitig mit der Unterbrechung tritt die Hemmung des Ablaufs der Unterbrechungsfrist ein,102 es sei denn, der Angeklagte oder Richter kann vor Ablauf der ungehemmten – eventuell auch verlängerten – Unterbrechungsfrist an der Fortsetzung der Hauptverhandlung teilnehmen.103 Dies ist erst retrospektiv feststellbar. Die Hemmung dauert bis zur Wiederherstellung der Teilnahmefähigkeit oder bis zum Ende der Sechswochenfrist. Daran schließt sich eine Unterbrechungsfrist von mindestens zehn Tagen (Absatz 3 Satz 1 Halbsatz 2) bzw. die nach Absatz 1 oder 2 angeordnete längere Unterbrechungsfrist an. Wird der Angeklagte oder Richter während einer bereits angeordneten Unterbre- 25 chung krank und kann er deshalb zum vorgesehenen Fortsetzungstermin nicht erscheinen, so wird die laufende Unterbrechungsfrist automatisch gehemmt. Sie läuft erst mit der Gesundung oder nach Ablauf der sechs Wochen weiter, endet jedoch frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung (Absatz 3 Satz 1 Halbsatz 2). Hindert die Krankheit den Angeklagten oder Richter dagegen nicht, in dem – gegebenenfalls nach Verlängerung der Unterbrechungsfrist – anberaumten Fortsetzungstermin zu erscheinen, führt die zwischenzeitliche Erkrankung auch hier nicht zur Fristenhemmung.104 Ist die Verhandlung nach anderen Bestimmungen, etwa § 138c Abs. 4, § 231a 26 Abs. 3 Satz 4 oder § 34 Abs. 3 Nr. 6 EGGVG unterbrochen und trifft diese Unterbrechung mit einer Erkrankung des Angeklagten oder eines Richters zusammen, so ist der Vorsitzende bzw. das Gericht nicht gehindert, bei Ablauf der 30-Tage-Frist dieser Vorschriften die Hauptverhandlung nunmehr wegen der fortdauernden Erkrankung nach § 229 Abs. 1 oder 2 zu unterbrechen mit der Wirkung, dass die Hemmung nach Absatz 3 Satz 1 eintritt. Die Frage wird sich für § 34 Abs. 3 Nr. 6 EGGVG und § 231a Abs. 3 in der Praxis aber kaum stellen. d) Beginn und Ende der Hemmung. Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 3 27 vor, beginnt die Hemmung nicht schon mit dem Ausbruch der Krankheit, sondern mit Beginn des Tages, in dessen Verlauf erkennbar wird, dass die Erkrankung der Teilnahme des Angeklagten oder Richters am folgenden Hauptverhandlungstermin entgegensteht.105 Dies wird vielfach eine retrospektive Beurteilung erforderlich machen, deren Unwägbarkeiten jedoch durch die bindende Feststellung nach Absatz 3 Satz 2 abgeholfen wird. Der Begriff Hemmung ist im gleichen Sinne zu verstehen wie im BGB, so dass

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100 Rieß/Hilger NStZ 1987 149; Meyer-Goßner/Schmitt 7. 101 Vgl. BGHSt 34 154 = JR 1988 36 m. Anm. Böttcher; BGH NStZ 1992 550. 102 BGH NStZ 1998 633. 103 Vgl. BGH NStZ 1992 550; StV 1994 5; LG Düsseldorf StV 1997 284 m. Anm. Zieschang; SK/Deiters/Albrecht 8; a.A. Schmitz NStZ 2010 128 f. 104 BGH NStZ 1992 550; StV 1994 5; KK/Gmel 12; Meyer-Goßner/Schmitt 7 und 8; SK/Deiters/Albrecht 8; a.A. Schmitz NStZ 2010 128 f. 105 Ähnlich SK/Deiters/Albrecht 9, 12: wenn Verhinderung überwiegend wahrscheinlich; vgl. demgegenüber LG Düsseldorf StV 1997 284 m. Anm. Zieschang, wonach es darauf ankommen soll, wann die Verhinderung feststeht.

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der Tag, an dem der Hemmungsgrund eintritt, ebenso mitzählt wie der Tag, an dem er entfällt.106 War die Hauptverhandlung zu Beginn der Erkrankung noch nicht unterbrochen, so beginnt die Hemmung erst mit dem Tag der Anordnung der Unterbrechung. Die Unterbrechungsfrist beginnt dann insgesamt erst mit Wegfall der Hemmung zu laufen,107 also mit dem Tag, der dem Tag folgt, an dem die Teilnahmefähigkeit des Angeklagten oder Richters wieder hergestellt ist, bzw. mit dem Tag, der dem Ablauf der Sechswochenfrist folgt. Bei Erkrankung eines von mehreren Angeklagten endet die Hemmung für die Mitangeklagten auch mit dem Tag, an dem eine Teilnahmeunfähigkeit des erkrankten Angeklagten der Fortsetzung der Hauptverhandlung gegen die anderen nicht mehr im Wege steht, etwa, weil das Verfahren abgetrennt wird (Rn. 23), aber auch, wenn der teilnahmeunfähige Angeklagte verstirbt. 28

e) Die Zehntagesfrist des Absatzes 3 Satz 1 Halbsatz 2 beginnt am Tag nach Ablauf der Hemmung. Im Interesse einer geordneten Vorbereitung der Fortsetzung der Hauptverhandlung durch das Gericht und die Verfahrensbeteiligten schiebt sie den Ablauf der Unterbrechungsfristen immer um diese Zeitspanne hinaus, ganz gleich, wie lange sie vor Eintritt der Hemmung schon gedauert haben. Wird der Angeklagte oder Richter allerdings vor Ablauf der Unterbrechungsfrist gesund, so dass keine Hemmung eintritt (Rn. 24 f.), ist auch diese Zehntagesfrist nicht anwendbar. Die Hauptverhandlung muss dann zu dem ursprünglich festgesetzten Termin fortgesetzt werden, auch wenn seit der Genesung nur ein oder zwei Tage vergangen sind. 5. Feststellung der Hemmung (Absatz 3 Satz 2)

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a) Rechtsnatur des Beschlusses. Obwohl der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Hemmung der Unterbrechungsfristen kraft Gesetzes eintritt und endet (s. Rn. 24), fordert er im Interesse der Verfahrensklarheit eine ausdrückliche Entscheidung des Gerichts. Dies erscheint auch notwendig. Die Frage, ab wann der erkrankte Angeklagte oder Richter erkennbar nicht mehr in der Lage war, an der Hauptverhandlung teilzunehmen und ab wann seine Teilnahmefähigkeit wieder hergestellt war, erfordert wegen der hier hereinspielenden medizinischen Wertungen (s. Rn. 19, 21) und der fließenden Übergänge eine die Gesetzesfolge konkretisierende richterliche Entscheidung, auf der das weitere Verfahren aufbauen kann. Der Beschluss stellt nachträglich fest, ab wann die gesetzlich angeordnete Hemmung eingetreten war. Er ist also für den Beginn der Hemmung insoweit deklaratorisch, als ihr Eintritt nicht von einer vorgängigen Beschlussfassung abhängt; er enthält aber gleichzeitig eine unanfechtbare und damit endgültig für das Verfahren verbindliche Feststellung darüber, dass und ab wann die Unterbrechungsfrist gehemmt war.108 Für diese Auslegung spricht der Sinn der Regelung. Die Begründung des Gesetzentwurfs,109 die den Beschluss als „lediglich deklaratorisch“ bezeichnet, will wohl nichts anderes sagen. Vor allem soll damit nicht in Frage gestellt werden, dass das Gericht eine für das weitere Verfahren verbindliche Entscheidung trifft. Die gleichen Überlegungen gelten für den Beschluss, der das Ende der Hemmung deklaratorisch ex post feststellt, der aber gleichzeitig ebenfalls für das weitere Verfahren bindend festlegt, von welchem Zeitpunkt an die Unterbrechungsfristen wieder zu laufen begonnen haben.

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Analog § 209 BGB; AK/Keller 4; KK/Gmel 12; SK/Deiters/Albrecht 12. Rieß/Hilger NStZ 1987 149; KK/Gmel 12; Meyer-Goßner/Schmitt 7. Vgl. BGH NStZ 1992 550, 551 („nur insofern konstitutive Bedeutung“). BTDrucks. 10 1313 S. 26; vgl. Rieß/Hilger NStZ 1987 149.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 229

Bei dieser Auslegung verliert der Streit, ob die Entscheidung im Übrigen deklaratorischen oder konstitutiven Charakter hat,110 an Bedeutung. b) Prüfungspflicht des Gerichts. Erkrankt ein Richter oder erfährt das Gericht von 30 der Erkrankung des Angeklagten, muss es von Amts wegen prüfen, ob hierdurch die Fähigkeit des Betroffenen zur Teilnahme an der Verhandlung entfallen und dadurch die Frist einer aus diesem Grunde anzuordnenden oder möglicherweise bereits aus einem anderen Anlass angeordneten Unterbrechung gehemmt ist. Bei einer Erkrankung des Angeklagten kann diese Prüfung allerdings mit derjenigen zusammenfallen, ob das Ausbleiben des Angeklagten zu einem Fortsetzungstermin genügend entschuldigt ist oder ob seine Teilnahme durch Zwangsmaßnahmen sicherzustellen bzw. die Hauptverhandlung nach § 231 Abs. 2 oder gegebenenfalls gemäß § 231a Abs. 1 ohne ihn fortzusetzen ist. Die Prüfung geht zwar in die gleiche Richtung; die Voraussetzungen der einzelnen Vorschriften decken sich aber nicht. So kann eine kurzfristige Erkrankung des Angeklagten sein Ausbleiben genügend entschuldigen, ohne dass dadurch seine Teilnahmefähigkeit an dem deswegen hinauszuschiebenden Fortsetzungstermin in Frage gestellt ist. Andererseits ist es für die Anwendbarkeit des Absatzes 3 unerheblich, ob der Angeklagte die tatsächlich bestehende Teilnahmeunfähigkeit verschuldet hat und ob ihre Herbeiführung ihm als eigenmächtiges Ausbleiben bzw. vorsätzliches und schuldhaftes Verursachen der Verhandlungsunfähigkeit anzulasten ist. Auch die zur Verfahrenssabotage bewusst herbeigeführte Erkrankung hat, wenn das Gericht nicht nach § 231 Abs. 2 oder § 231a Abs. 1 weiterverhandelt, sondern unterbricht, weil es die Anwesenheit des Angeklagten für erforderlich bzw. unerlässlich hält, die Hemmung zur Folge. Macht das Gericht jedoch von § 231 Abs. 2111 oder § 231a Abs. 1112 Gebrauch, so gehen diese Vorschriften dem Absatz 3 Satz 1 vor; nicht etwa sind zunächst alle Unterbrechungsmöglichkeiten nebst Fristenhemmung auszuschöpfen. Da ihre Anwendung die Einhaltung der zulässigen Unterbrechungsfristen sicherstellt, ist für deren Hemmung kraft Gesetzes vielmehr kein Raum. Absatz 3 Satz 1 greift aber wieder, wenn der selbstverschuldeten Verhandlungsunfähigkeit bzw. Erkrankung eine Krankheit nachfolgt, die der Angeklagte nicht willentlich herbeigeführt hat.113 Ob und wann die Teilnahmefähigkeit entfallen ist, hat das Gericht im Freibeweis- 31 verfahren114 festzustellen. Es kann dazu alle verfügbaren Erkenntnisquellen nutzen, vom Inhalt der Akten über telefonische und schriftliche Auskünfte bis zur Begutachtung durch einen Sachverständigen. Welche Nachweise ausreichen, hängt vom Einzelfall ab. Die Teilnahmeunfähigkeit kann offen zu Tage liegen, wie etwa bei einer Krankenhauseinweisung zur Vornahme einer unaufschiebbaren Operation oder einem die Gehfähigkeit aufhebenden Beinbruch; zum Nachweis kann ein Attest des Hausarztes ausreichen, es können aber auch – insbesondere bei Erkrankung des Angeklagten – eine amtsärztliche Untersuchung oder die Begutachtung durch einen Sachverständigen notwendig sein.115 Um die Dauer der Hemmung feststellen zu können, muss das Gericht auch nach 32 deren Eintritt die weitere Entwicklung des Krankheitszustandes des Angeklagten oder

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110 Deklaratorisch: Jung JuS 1987 247; Kempf StV 1987 215, 221; Kühne 272; Meyer-Goßner NJW 1987 1163; KK/Gmel 13; Meyer-Goßner/Schmitt 8. Konstitutiv: KMR/Eschelbach 26. 111 OLG Düsseldorf StV 1997 282 m. Anm. Zieschang 286. 112 KK/Gmel 11. 113 OLG Düsseldorf StV 1997 282 m. Anm. Zieschang 286. 114 KK/Gmel 13; KMR/Eschelbach 26; Meyer-Goßner/Schmitt 8; SK/Deiters/Albrecht 13. 115 Vgl. BTDrucks. 10 1313 S. 26; KK/Gmel 13; Meyer-Goßner/Schmitt 8; SK/Deiters/Albrecht 13.

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§ 229

Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

Richters überwachen. Dies wird beim erkrankten Richter in der Regel keines besonderen Aufwandes bedürfen. Bei einer Erkrankung des Angeklagten sind alle nach Lage des Falles angezeigten Vorkehrungen zu treffen, um rechtzeitig den Zeitpunkt zu erkennen, von dem an diesem die Teilnahme an der Verhandlung wieder möglich ist. Auch wenn deren Dauer mitunter wegen der Art der Erkrankung abschätzbar ist, muss sich das Gericht zumindest am Ende dieses Zeitraums durch Rückfragen beim Verteidiger und Angeklagten sowie – mit Zustimmung des letzteren – auch unmittelbar beim behandelnden Arzt darüber vergewissern. Ist dies nicht möglich oder reichen die hierdurch erlangten Informationen nicht aus, so ist eine amtsärztliche Untersuchung angezeigt, die mitunter wiederholt angeordnet werden muss. Bei einem in Haft befindlichen Angeklagten kann auch der Vollzugsanstalt aufgegeben werden, das Gericht von der Wiederherstellung der Teilnahmefähigkeit zu unterrichten. c) Durch Beschluss des Gerichts, nicht etwa durch eine Anordnung des Vorsitzenden, werden Beginn und Ende der Hemmung festgestellt (Absatz 3 Satz 2). Wird er, wie meist, außerhalb der Hauptverhandlung gefasst, so wirken die Schöffen nicht mit (§ 30 Abs. 2, § 76 Abs. 1 Satz 2 GVG).116 Bei reduzierter Richterbank (§ 76 Abs. 2 Satz 4 GVG) ist folglich der in der Hauptverhandlung nicht mitwirkende Richter zu beteiligen.117 Auch das OLG beschließt in erstinstanzlichen Sachen in derartigen Fällen mit der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgesehenen Besetzung von drei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden selbst dann, wenn es in der Hauptverhandlung gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 GVG mit fünf Berufsrichtern besetzt ist (vgl. § 122 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 3 GVG).118 Ist ein Berufsrichter verhindert, so hat bei der Beschlussfassung sein zuständiger Vertreter mitzuwirken.119 Die Feststellung, dass die Hemmung nicht eintritt, braucht von Amts wegen nicht getroffen zu werden; dies ergibt sich meist aus dem weiteren Verfahrensverlauf. Hat allerdings ein Verfahrensbeteiligter ausdrücklich beantragt, festzustellen, dass eine laufende Unterbrechungsfrist gehemmt ist, kann auch ein die Hemmung verneinender Beschluss geboten sein; die Ablehnung des Antrags ist dann nach § 34 zu begründen.120 Im Tenor des Beschlusses, der die Hemmung feststellt, sind Beginn und Ende ge34 nau, am besten unter Angabe des Datums, festzulegen. Anzugeben ist ferner bei mehreren Angeklagten, wessen Erkrankung die Hemmung ausgelöst hat. Gleiches gilt bei der Erkrankung eines Richters eines Kollegialgerichts („wegen Erkrankung des Angeklagten/Richters A seit … gehemmt“). Einer Begründung des nicht anfechtbaren Beschlusses bedarf es nicht (§ 34), es sei denn, dass damit zugleich der Antrag abgelehnt wurde, den Eintritt der Hemmung zu verneinen.121 33

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116 Rieß/Hilger NStZ 1987 149 Fn. 100; KK/Gmel 13; KMR/Eschelbach 28; Meyer-Goßner/Schmitt 8; SSW/ Grube 19. 117 Kissel/Mayer § 76, 21 GVG; KK/Diemer § 76, 9 GVG; KMR/Eschelbach 28; Meyer-Goßner/Schmitt § 76, 16 GVG; vgl. auch BGHSt 50 267. 118 Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt § 122, 4 GVG; SK/Frister § 122, 9 GVG m.w.N. Der Beschluss BGHSt 43 91 (= NStZ 1997 606 m. Anm. Dehn = JR 1998 33 m. Anm. Katholnigg, m. Anm. Bertram NJW 1998 2934, m. Anm. Foth NStZ 1998 262 und 1998 420, m. Anm. Siegert NStZ 1998 421), wonach das OLG nach begonnener Hauptverhandlung Haftentscheidungen stets in der Hauptverhandlungsbesetzung trifft, ist jedenfalls auf § 229 Abs. 3 nicht übertragbar; a.A. Katholnigg § 122, 5 GVG; LR/Becker26 33. 119 Meyer-Goßner/Schmitt 8; SK/Deiters/Albrecht 14; a.A. AnwK-StPO/Kirchhof 5: Besetzung ohne den erkrankten Richter. 120 SK/Deiters/Albrecht 14. 121 SK/Deiters/Albrecht 14; SSW/Grube 21.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 229

Das Gericht kann die Entscheidung über Beginn und Ende der Hemmung in einem 35 Beschluss zusammenfassen, etwa, wenn bei einer kurzfristigen Erkrankung die Hemmung bereits bei Beschlussfassung beendet ist und feststeht, dass die Hauptverhandlung fortgesetzt werden kann. Die Aufteilung auf zwei Beschlüsse ist zulässig.122 Sie ist vor allem dann angezeigt, wenn die Dauer der Erkrankung und damit das Ende der Hemmung zunächst nicht vorhersehbar sind. Das Gericht kann zwar mit beiden Feststellungen bis kurz vor Ende der laufenden Unterbrechungsfrist zuwarten, um die bis dahin erlangten Kenntnisse über Auswirkungen und Dauer der Erkrankung bei seiner Entscheidung verwerten zu können. Zweckmäßig ist dies vielfach jedoch nicht. Für die Verfahrensbeteiligten muss alsbald Klarheit darüber geschaffen werden, ob das Gericht eine Hemmung der Unterbrechungsfrist annimmt, da das weitere Schicksal der Hauptverhandlung davon abhängt und sie sich mit ihren Dispositionen darauf einstellen müssen. Hat das Gericht den Beginn der Hemmung festgestellt, so kann es zunächst die weitere Krankheitsentwicklung abwarten und erst später das Ende der Hemmung feststellen, weil der Angeklagte oder Richter wieder an der Verhandlung teilnehmen kann oder weil die auf sechs Wochen begrenzte Höchstdauer der Hemmung abgelaufen ist. Eine rückwirkende Änderung der Beschlüsse ist grundsätzlich ausgeschlossen. Da 36 der Beschluss des Gerichts die kraft Gesetzes eingetretene Rechtslage bindend feststellt und damit eine Lage schafft, von der die Verfahrensbeteiligten ausgehen können und müssen, kann das Gericht bei nachträglichem Bekanntwerden neuer Tatsachen eine bereits festgestellte Hemmung nicht mehr rückwirkend zum Wegfall bringen. Für die Zukunft wird es jedoch durch frühere Beschlüsse an einer neuen, inhaltlich abweichenden Feststellung nicht gehindert. So kann es aufgrund neuer Erkenntnisse in einem weiteren Beschluss feststellen, dass das Ende der Hemmung entgegen der Feststellung eines früheren Beschlusses nicht eingetreten ist, weil die Erkrankung noch andauert. Die Sechswochenfrist setzt allerdings auch hier der krankheitsbedingten Hemmung eine Obergrenze. d) Bekanntgabe des Beschlusses. Wird der Beschluss nicht in der Hauptverhand- 37 lung verkündet, was wohl nur ausnahmsweise in Betracht kommt, wenn dem Gericht bereits vor der Unterbrechung bekannt ist, dass es wegen einer bevorstehenden krankheitsbedingten Verhinderung des Angeklagten für längere Zeit unterbrechen muss, so ist er den Verfahrensbeteiligten mitzuteilen. Formlose Mitteilung genügt (§ 35 Abs. 2 Satz 2). Wird zugleich mit der Mitteilung des Endes der Hemmung der Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung bestimmt, so sind die für die Mitteilung des Fortsetzungstermins allgemein geltenden Grundsätze maßgebend.123 6. Technische Störung (Absatz 5) a) Gesetzeskonzeption. Gemäß § 229 Abs. 5 Satz 1 muss die Hauptverhandlung 37a nicht nach § 229 Abs. 4 Satz 1 ausgesetzt und neu begonnen werden, wenn sie am ersten Werktag nach Ablauf der durch die Absätze 1 bis 3 bezeichneten Fristen wegen einer „vorübergehenden technischen Störung“ nicht fortgesetzt werden kann. Es genügt in einem solchen Fall, wenn sie „unverzüglich“ nach Beseitigung der Störung, spätestens aber innerhalb von zehn Tagen nach Fristablauf fortgesetzt wird. Danach hat die technische Störung keine Fristenhemmung zur Folge, wie sie Absatz 3 Satz 1 für bestimmte

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122 BTDrucks. 10 1313 S. 26; Meyer-Goßner NJW 1987 1163; AK/Keller 5; KK/Gmel 13; KMR/Eschelbach 27; Meyer-Goßner/Schmitt 8. 123 Vgl. § 228, 18, 20.

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Krankheitsfälle vorsieht. Sie verlängert vielmehr die Unterbrechungsfrist um maximal zehn Tage. Nach dem Wortlaut der Vorschrift knüpft diese Fristverlängerung nicht an den Ablauf der ursprünglich vom Vorsitzenden oder dem Gericht (§ 228 Abs. 1) angeordneten Unterbrechungsfrist an, sondern an die „in den vorgenannten Absätzen“ bezeichneten Fristen. Dies bedeutet, dass es dem Vorsitzenden oder dem Gericht unbenommen ist, die ursprünglich bestimmte Unterbrechungsfrist wegen der bei ihrem Ablauf vorliegenden technischen Störung zunächst bis zur möglichen Höchstfrist zu verlängern (§ 228, 5). Ist die Störung auch bis zu deren Ablauf nicht behoben, so schließt sich erst daran die gesetzliche Fristverlängerung nach Absatz 5 Satz 1 an. Man wird es auch als zulässig erachten müssen, dass während des Laufs der Frist nach Absatz 5 Satz 1 der Vorsitzende oder das Gericht eine nach Absatz 1 oder 2 angeordnete Unterbrechung der Hauptverhandlung, die die dort vorgesehene Höchstfrist nicht erreicht, während des Laufs der Frist nach Absatz 5 Satz 1 nachträglich bis zur Höchstfrist des Absatzes 1 oder 2 verlängert mit der Folge, dass der Rest der Frist nach Absatz 5 Satz 1 erst nach der verlängerten Unterbrechungsfrist zu laufen beginnt. Erkrankt während des Laufs der Frist nach Absatz 5 Satz 1 der Angeklagte oder eine zur Urteilsfindung berufene Person, so tritt jedoch keine Fristenhemmung nach Absatz 3 Satz 1 ein; denn dieser bezieht sich ausdrücklich nur auf die Fristen der Absätze 1 und 2, nicht dagegen auf die Frist des Absatz 5 Satz 1. 37b

b) Art der Störung. Absatz 5 Satz 1 erfasst „technische Störungen“. Damit ist klargestellt, dass sonstige, nicht im technischen Bereich wurzelnde Hinderungsgründe, die die Fortsetzung der Hauptverhandlung unmöglich machen, den Anwendungsbereich der Norm nicht eröffnen. So ist beispielsweise ein unvorhersehbarer Personalmangel etwa im Protokollführer- oder Wachtmeisterbereich nicht einbezogen, ebenso wenig die Erkrankung eines Prozessbeteiligten, für die Absatz 3 eine abschließende Sonderregelung enthält. Der Begriff der „technischen Störung“ ist indes für sich nicht näher eingegrenzt. § 229 Abs. 5 ist zwar im Zusammenhang mit den Regelungen zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen in die StPO eingestellt worden. Obwohl es daher nahegelegen hätte, die Vorschrift auf solche technischen Störungen zu beschränken, die die für die Fortführung der Hauptverhandlung erforderliche Nutzung der elektronischen Akte verhindern, hat der Gesetzgeber eine derartige Begrenzung nicht vorgenommen. Damit ist der Gesetzeswortlaut offen und erlaubt für sich genommen grundsätzlich die Einbeziehung jeglicher technischen Störung, die die Fortsetzung der Hauptverhandlung hindert. So hat es der Gesetzgeber aber auch nicht gemeint. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt,124 sollen lediglich erfasst werden „technische Gründe, die das Gericht an der Fortsetzung hindern, nicht aber technische Gründe, die nur die Verfahrensbeteiligten daran hindern, am Fortsetzungstermin teilzuhaben oder teilzunehmen“. Was damit gemeint sein könnte, wird zwar durch das neben der Nichtverfügbarkeit der elektronischen Akte genannte Beispiel des Ausfalls einer Videokonferenzanlage bei einer geplanten Vernehmung etwas erhellt. Dennoch verbleiben erhebliche Interpretationsspielräume. Vor allem aber hat die Vorstellung des Gesetzgebers im Gesetzeswortlaut keinen Ausdruck gefunden. Es kann daher schon jetzt prognostiziert werden, dass die Rechtsprechung in ihrem Bemühen, die Aussetzung von Hauptverhandlungen so weit wie nur irgend möglich (und sei es mit der gesetzesinterpretatorischen Brechstange; s. Rn. 3) zu vermeiden, auch insoweit wieder auf kreative Lösungen verfallen wird, um der Vorschrift einen möglichst weiten Anwendungsbereich zu verschaffen.

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Gesetzes-Begr. der BReg., BTDrucks. 18 9316 S. 61.

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c) Unmöglichkeit der Fortsetzung der Hauptverhandlung. Nach der Gesetzes- 37c begründung125 soll die Fortsetzung der Hauptverhandlung aufgrund einer technischen Störung nur dann unmöglich sein, wenn diese keinerlei Prozesshandlungen oder Erörterungen zur Sache zulässt, die geeignet wären, das Verfahren seinem Abschluss in irgendeiner Form substantiell näher zu bringen. Angesichts der Minimalia, die die Rechtsprechung als auf die Endentscheidung bezogene Sachverhandlung anerkennt (s. Rn. 3, 10 ff.), dürfte dies eigentlich nur höchst selten der Fall sein. Dies insbesondere auch deshalb, weil damit der Auffassung der Boden entzogen sein dürfte, das Gericht sei jedenfalls nicht gehalten, andere als die ursprünglich für den vorgesehenen Terminstag geplante Verfahrenshandlungen vorzunehmen, wenn diese bei der abschließenden Beratung für die endgültige Entscheidung eventuell nicht mehr von Bedeutung sein könnten.126 Auch insoweit wird mit Interesse zu verfolgen sein, ob das Pendel der Rechtsprechung in diesem Punkt nicht in die gegenteilige Richtung ausschlagen wird. d) Fortsetzung der Hauptverhandlung. Ist die technische Störung beseitigt, so 37d muss die Hauptverhandlung unverzüglich fortgesetzt werden, also ohne schuldhafte Verzögerung durch das Gericht. Die von Satz 1 eröffnete Maximalfrist von zehn Tagen nach Störungsbehebung darf also nicht von vornherein ohne weiteres ausgeschöpft werden. Andererseits wird sich angesichts der oft fehlenden Voraussehbarkeit des Zeitpunkts der Behebung der Störung und der Terminschwierigkeiten der Verfahrensbeteiligten, die sich infolge ursprünglich nicht vorgesehener Hauptverhandlungstage häufig ergeben werden, schon die Einhaltung der Zehntagesfrist vielfach als nicht einfach erweisen. Gegebenenfalls kann in einem solchen Fall eine Verlängerung der ursprünglichen Unterbrechungsfrist weiteren zeitlichen Spielraum verschaffen (s. Rn. 37a). e) Feststellung der Störung (Absatz 5 Satz 2). Das Gericht stellt „das Vorliegen ei- 37e ner technischen Störung“ durch unanfechtbaren Beschluss fest. Nimmt man dies beim reinen Wortlaut, so könnte der Eindruck entstehen, der Feststellungsgehalt des Beschlusses beschränke sich auf den Eintritt der technischen Störung, erfasse aber nicht den Zeitpunkt der Beseitigung der Störung i.S.d. Absatz 5 Satz 1. Auch ein Vergleich mit Absatz 3 Satz 2 könnte hierfür sprechen, da dort ausdrücklich auch das Ende der krankheitsbedingten Fristenhemmung durch den Gerichtsbeschluss festzustellen ist. Andererseits liegt eine technische Störung nicht nur bei deren Eintritt vor, sondern so lange, bis sie behoben ist. Die Gesetzesmaterialien geben keinen Aufschluss, was gemeint ist. Der Gesetzeszweck dürfte wohl dafür sprechen, dass sich der Beschluss auch auf den Zeitpunkt der Behebung der Störung zu beziehen hat. Da damit aufgrund der Unanfechtbarkeit des Beschlusses die Anwendung des Absatzes 5 Satz 1 weitestgehend revisionsgerichtlicher Kontrolle entzogen ist, dürfte schon jetzt abzusehen sein, dass einer ausufernden Anwendung der Vorschrift (s. Rn. 3) keine besonderen Hindernisse im Weg stehen werden. 7. Erneuerung der Hauptverhandlung (Absatz 4 Satz 1). Kann die Hauptverhand- 38 lung innerhalb der Fristen der Absätze 1, 2 oder 5 nicht fortgesetzt werden, so ist sie, wie Absatz 4 Satz 1 ausdrücklich feststellt, von neuem zu beginnen. Unerheblich ist dabei, ob sich die Unmöglichkeit einer fristgerechten Weiterführung von Anfang an ergeben und

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Gesetzes-Begr. der BReg., BTDrucks. 18 9316 S. 61. So aber BGH NStZ 2018 297 ff. m abl. Anm. Gubitz.

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Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

das Gericht deshalb die Verhandlung ausgesetzt hat oder ob eine vom Vorsitzenden angeordnete oder vom Gericht beschlossene Unterbrechung zur Überschreitung der jeweiligen Höchstfristen führte. Auf die Gründe der Fristüberschreitung, die von der Unmöglichkeit einer fristgerechten Fortsetzung bis zur falschen Berechnung der Unterbrechungsfrist reichen können, kommt es dabei nicht an. Desgleichen ist unerheblich, ob alle Verfahrensbeteiligten mit der Überschreitung einverstanden sind; denn ein Verzicht auf die Einhaltung dieser Fristen ist nicht möglich. Die erneuerte Hauptverhandlung ist – im Gegensatz zu der Fortsetzung der nur un39 terbrochenen – eine völlig neue Verhandlung, für die gegebenenfalls eine neue Gerichtsbesetzung gilt127 und zu der neu geladen werden muss. Verteidiger und Angeklagter sind stets schriftlich zu laden, wobei jedoch die Ladungsfrist des § 217 Abs. 1 in der Regel nicht nochmals eingehalten werden muss.128 Zeugen und Sachverständige können jedoch vom Vorsitzenden bereits bei Anordnung der Aussetzung mit den erforderlichen Belehrungen mündlich geladen werden.129 Die neue Hauptverhandlung hat – mit der durch den § 67 begründeten Einschränkung hinsichtlich der Vereidigung der Zeugen – so stattzufinden, wie wenn die frühere Verhandlung nicht vorausgegangen wäre.130 Der Umfang der Beweisaufnahme ist von der früheren Verhandlung unabhängig, das Gericht an Beweisbeschlüsse, die in dieser erlassen worden waren, nicht gebunden.131 Beweisanträge müssen in der neuen Hauptverhandlung neu gestellt werden; andernfalls braucht das Gericht – sofern die Aufklärungspflicht nicht entgegensteht – in der Regel nicht darauf zurückzukommen.132 In Sonderfällen kann die Pflicht zur fairen Verhandlungsführung jedoch erfordern, einen ohne Verteidiger erschienenen Angeklagten hierauf hinzuweisen oder ihn zu befragen, ob er frühere Anträge erneut stellen will.133 Auf die fälschliche Ablehnung eines Beweisantrags in der abgebrochenen Hauptverhandlung kann die Revision gegen das aufgrund einer späteren Verhandlung ergangene Urteil nicht gestützt werden.134 Gleiches gilt für andere Verfahrensfehler in der früheren Verhandlung,135 es sei denn, sie wirken – wie die Verwerfung eines Ablehnungsgesuches – in der neuen Hauptverhandlung weiter.136 Ob ein in der abgebrochenen Hauptverhandlung unterlassener oder verspäteter Widerspruch gegen die Verwertbarkeit von verfahrensfehlerhaft erhobenen Beweisen (sog. Widerspruchslösung)137 in der neuen Hauptverhandlung nunmehr rechtzeitig geltend gemacht werden kann, ist noch nicht abschließend geklärt. Nach der – freilich umstrittenen – Rechtsprechung kann ein versäumter Widerspruch nach Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht

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127 KMR/Eschelbach 34. 128 RGSt 15 113; BGHSt 24 143, 145; BGH JZ 1957 673 m. Anm. Eb. Schmidt; OLG Köln NStZ 1991 92; AK/Keller § 217, 2; a.A. BayObLGSt 1978 98; KK/Gmel § 217, 3; KMR/Eschelbach § 217, 7 ff.; Meyer-Goßner/ Schmitt 14 und § 217, 4; s. im Einzelnen die Erl. zu § 217. 129 Vgl. Nr. 137 Abs. 2 RiStBV; KK/Gmel 14; Meyer-Goßner/Schmitt 14; Eb. Schmidt 7. 130 RGSt 31 137, 138; RG JW 1932 3099 m. Anm. Bohne. 131 RGSt 2 109; 31 137. 132 RGSt 2 109; RGRspr. 7 356; Alsberg/Güntge 737. 133 BayObLG bei Rüth DAR 1964 242; weitergehend für generelle Hinweispflicht wohl SK/Deiters/ Albrecht § 228, 2. 134 OLG Saarbrücken VRS 46 (1974) 46, 48. 135 OLG Koblenz VRS 62 (1982) 287. 136 Vgl. BGHSt 31 15. 137 BGHSt 38 214; 42 15, 22 m. zust. Anm. Müller StV 1996 358; BGH NJW 2006 1361, 1362; NStZ 1997 502; Basdorf StV 1997 490 ff.; Meyer-Goßner/Appl StraFo 1998 258; Widmaier NStZ 1992 521; krit. Maul/ Eschelbach StraFo 1996 66; abl. Dahs StraFo 1998 253; Fahl Rechtsmißbrauch im Strafprozeß (2004) 171; Fezer StV 1997 57; Heinrich ZStW 112 (2000) 415 ff.; Weßlau FS Lüderssen 800 f.; s. dazu Einl. L 53 ff. und § 136, 82 ff. m.w.N.

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nicht mehr wirksam erhoben werden;138 dementsprechend dürfte dies auch im Fall einer ausgesetzten Verhandlung ausgeschlossen sein.139 Umgekehrt soll ein einmal erhobener Widerspruch im Fall der Aussetzung fortwirken, so dass er nicht wiederholt werden muss.140 8. Sitzungsniederschrift. Die Verfügungen des Vorsitzenden und die Beschlüsse 40 des Gerichts, mit denen die Hauptverhandlung unterbrochen wird, sind, wenn sie in der Hauptverhandlung ergehen, nach § 273 Abs. 1 im Sitzungsprotokoll zu beurkunden.141 Gleiches gilt für die Aussetzungsbeschlüsse des Gerichts sowie feststellende Beschlüsse des Gerichts nach Absatz 5 Satz 2. Zu beurkunden sind desgleichen die in der Hauptverhandlung gestellten Anträge, mit denen die Unterbrechung oder Aussetzung142 bzw. das Absehen hiervon begehrt wird. In die Sitzungsniederschrift aufzunehmen ist auch der in der Hauptverhandlung verkündete Beschluss, der Eintritt oder Ende der Hemmung der Unterbrechung nach Absatz 3 feststellt, sowie die hierzu gegebenenfalls gestellten Anträge der Verfahrensbeteiligten.143 Vielfach wird das Protokoll allerdings zu beidem schweigen, da sich die Anwendung des Absatzes 3 meist außerhalb der Hauptverhandlung vollzieht. Das Schweigen des Protokolls beweist dann nur, dass in der Hauptverhandlung kein Antrag gestellt und kein Beschluss nach Absatz 3 verkündet wurde. Lädt der Vorsitzende in der Verhandlung Zeugen oder Sachverständige mündlich zum neuen Termin, so ist dies nebst den dabei erteilten Hinweisen auf die Folgen des Ausbleibens in der Sitzungsniederschrift zu vermerken.144 9. Rechtsbehelfe a) Beschwerde. Der Beschluss, der Beginn und Ende der Hemmung feststellt, ist 41 unanfechtbar (§ 229 Abs. 3 Satz 2). Dies gilt auch für den Beschluss, der eine solche Feststellung ablehnt; der Beschwerde würde auch § 305 Satz 1 entgegenstehen.145 In gleicher Weise der Beschwerde entzogen ist der Beschluss, der das Vorliegen einer technischen Störung feststellt oder eine solche Feststellung ablehnt (§ 229 Abs. 5 Satz 2). Im Übrigen sind die Fragen der Anfechtbarkeit der Entscheidungen über Aussetzung und Unterbrechung bei § 228, 34 bis 43 erläutert. b) Revision. Mit der Revision kann nach § 337 gerügt werden, dass das Gericht unter 42 Überschreiten der jeweils maßgebenden Höchstfrist für die Dauer der Unterbrechung das Verfahren entgegen Absatz 4 Satz 1 fortgesetzt hat.146 Der absolute Revisionsgrund des

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138 BGHSt 50 272 = StV 2006 396 m. abl. Anm. Schlothauer = JZ 2006 473 m. abl. Anm. Fezer; BayObLG NJW 1997 404; OLG Celle StV 1997 68; OLG Oldenburg StV 1996 416; KK/Diemer § 136, 28; Meyer-Goßner/ Schmitt § 136, 25; krit. Basdorf StV 1997 492; a.A. Burhoff StraFo 2003 271; Hartwig JR 1998 359; Herdegen NStZ 2000 4. 139 KK/Gmel 14; KMR/Eschelbach § 228, 6. 140 OLG Stuttgart StV 2001 388; Meyer-Goßner/Schmitt § 136, 25. 141 OLG Köln StraFo 2002 325, 326. 142 OLG Frankfurt NStZ-RR 1996 304, 305. 143 SK/Deiters/Albrecht 15. 144 S. Rn. 39 und § 228, 18; vgl. auch Nr. 137 Abs. 1, 2 RiStBV. 145 Rieß/Hilger NStZ 1987 149 Fn. 102; SK/Deiters/Albrecht 16. 146 Der 5. Strafsenat des BGH (NStZ 2009 225, 226) hat allerdings die Frage aufgeworfen, ob – entgegen allg.M. (s. Fn. 149) – ein revisibler Verstoß gegen § 229 Abs. 1 nur bei einer insgesamt im Blick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK nachhaltigen Vernachlässigung der Konzentrationsmaxime angenommen werden sollte, ohne dass es allein auf eine einzelne Fristüberschreitung ankäme; denn nach der Verlängerung der regelmäßigen Unterbrechungsfrist auf drei Wochen könne es schwerlich in erster Linie Zweck des § 229

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§ 338 Nr. 1 greift dagegen nicht.147 Da die Hauptverhandlung eine Einheit bildet, kann das Gericht, das diese mit der richtigen Besetzung begonnen hatte, durch das fehlerhafte Weiterverhandeln nach der Fristüberschreitung nicht zum falsch besetzten Gericht für den nach der Unterbrechung liegenden Verfahrensteil werden.148 Das Beruhen des Urteils auf einer Überschreitung der höchstzulässigen Unterbrechungsfrist kann in der Regel nicht ausgeschlossen werden.149 Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen, in denen die Fristüberschreitung ersichtlich weder den Eindruck von der Hauptverhandlung abgeschwächt noch die Zuverlässigkeit der Erinnerung beeinträchtigt hat, wie dies vor allem bei lange andauernden Großverfahren durch die Intensivierung der Eindrücke und die besonderen Vorkehrungen zur Fixierung des Erinnerungsbildes der Fall sein kann, wird die Bedeutungslosigkeit der Fristüberschreitung für die Urteilsfindung angenommen werden können.150 Maßgebend ist insoweit aber immer nur die aufgrund des Verfahrensablaufs und der Urteilsbegründung zu treffende eigene Beurteilung des Revisionsgerichts. Das Tatgericht kann diese nicht dadurch beeinflussen, dass es selbst die Fristüberschreitung als für seine Überzeugungsbildung unbehelflich erklärt.151 Weist das Protokoll für sich zwar eine Überschreitung der zulässigen Unterbrechungsfristen aus, während zum Protokoll genommene Anlagen darauf hindeuten, dass tatsächlich ein rechtzeitiger Fortsetzungstermin stattgefunden hat, so darf der Vortrag der Revision (§ 344 Abs. 2 Satz 2) diese Anlagen nicht verschweigen.152 Will die Revision rügen, in einem Fortsetzungstermin sei nur zum Schein verhandelt worden, um die Unterbrechungsfrist formal zu wahren, muss sie die Tatsachen im Einzelnen vortragen, die den Missbrauch belegen.153 Wurde eine solche Scheinverhandlung allein auf Betreiben des Verteidigers mit Rücksicht auf dessen Terminschwierigkeiten durchgeführt, so kann die vom Angeklagten erhobene, diesen Mangel beanstandende Verfahrensrüge im Einzelfall infolge Verwirkung unzulässig sein.154 Der unanfechtbare Beschluss nach Absatz 3 Satz 2 ist dagegen der Nachprüfung 43 durch das Revisionsgericht entzogen (§ 336 Satz 2).155 Die Annahmen des Tatgerichts über

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Abs. 1 sein, die Erhaltung der Erinnerung an den Prozessstoff zu garantieren. Dies kann – abgesehen von sonstigen Bedenken – schon deswegen nicht überzeugen, weil die gesetzlichen Maßstäbe durch Wertungen ersetzt würden, die keine hinreichend klaren Konturen aufwiesen; abl. auch KK/Gmel 15. 147 BGHSt 23 224, 225 = JR 1970 309 m. Anm. Eb. Schmidt = LM Nr. 3 m. Anm. Willms; BGH NJW 1952 1149 m. Anm. Linnenbrink; OLG Karlsruhe StV 1993 66. 148 SK/Deiters/Albrecht 17; vgl. BGHSt 23 224, 225; BGH NJW 1952 1149; OLG Hamm VRS 47 (1974) 46, 48; a.A. BGH NStZ 1986 518, 519 (bei verfahrensfehlerhaftem Nichteintritt eines Ergänzungsrichters in das Quorum); s. auch KMR/Eschelbach 36. 149 RGSt 53 332, 334; 57 266; 62 263, 264; 69 18, 23 f.; BGHSt 23 224, 225 = JR 1970 309 m. Anm. Eb. Schmidt = LM Nr. 3 m. Anm. Willms; BGH NJW 1952 1149 m. Anm. Linnenbrink; 1996 3019, 3020 m. Anm. Wölfl NStZ 1999 43; NStZ 1992 550, 551; 2008 115; StV 1990 52; 1997 282; 2014 2, 3; Beschl. v. 24.10.2013 – 5 StR 333/13; OLG Celle StV 1992 101; OLG Düsseldorf StV 1994 362; OLG Hamm VRS 47 (1974) 46, 48; OLG Karlsruhe StV 1993 66; Justiz 1988 72, 73; OLG Koblenz StV 1997 288, 289; AK/Keller 7; KK/Gmel 15; SK/Deiters/Albrecht 19. 150 RGSt 69 18, 23 f.; RG JW 1935 3634; BGHSt 23 224, 225 f. = JR 1970 309 m. Anm. Eb. Schmidt = LM Nr. 3 m. Anm. Willms; BGH StV 1982 4, 5 m. Anm. Peters; 1994 5; NStZ 2000 606, 607; ferner die Nachw. in der vorstehenden Fn. Nach KMR/Eschelbach 36 beruht das Urteil nur dann nicht auf dem Verstoß, wenn in einer neuen Hauptverhandlung kein abweichendes Prozessergebnis zu erwarten sei, wovon nur bei einem glaubhaften Geständnis ausgegangen werden könne; mit Recht kritisch dazu SK/Deiters/Albrecht 19. 151 BGH NStZ 1986 518, 519; 1997 503. 152 BGH wistra 2000 459, 460. 153 BGH NStZ-RR 1998 335; 2009 288. 154 Offen gelassen von BGH NStZ 2000 606; BGHR § 229 Abs. 1 Sachverhandlung 9; befürwortend KMR/Eschelbach 35. 155 BGH Beschl. v. 27.11.2014 – 3 StR 488/14; s. demgegenüber aber BGH NStZ 2016 688 (5. Strafsenat: Prüfung anhand Willkürmaßstab).

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 230

die Auswirkungen der Erkrankung des Angeklagten oder Richters auf dessen Fähigkeit, zur Hauptverhandlung zu erscheinen und an ihr teilzunehmen, sowie über den Eintritt von Beginn und Ende der Hemmung können mit der Revision nicht nachgeprüft werden; denn dies ist nach dem Sinn von Absatz 3 Satz 2 der nicht revisiblen Beurteilung durch den Tatrichter unterstellt.156 Gerügt werden kann allenfalls, dass die rechtlichen Voraussetzungen für einen Beschluss über die Hemmung – für das Tatgericht erkennbar – überhaupt nicht vorlagen,157 etwa weil der Angeklagte gar nicht krank, sondern verreist war. Hat das Tatgericht dagegen über die Hemmung überhaupt nicht entschieden, so ist das Revisionsgericht nicht gehindert, im Freibeweisverfahren selbst zu klären, ob und wie lange diese kraft Gesetzes eintretende Rechtsfolge158 den Lauf der Unterbrechungsfrist gehemmt hat;159 dies gilt auch dann, wenn versehentlich nur der Beschluss über das Ende der Hemmung unterblieben ist. Dieselben Grundsätze gelten für den unanfechtbaren Beschluss nach Absatz 5 Satz 2.

§ 230 Ausbleiben des Angeklagten § 230 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-024

(1) Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt. (2) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist. Schrifttum zu den §§ 230, 231, 231a, 231b Ast Vom Recht auf Verteidigung zum Recht auf Vertretung? JZ 2013 780; Baumann Strafprozeßreform in Raten, ZRP 1975 38; Baxhenrich Die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten, Diss. Münster 1979; Beining Zwangsmittel gegen den ausgebliebenen Angeklagten gem. § 230 II StPO, JuS 2016 515; Bernsmann Hauptverhandlung ohne den Angeklagten, FS Kriele (1997) 697; Böse Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK und die Verteidigung des abwesenden Angeklagten in der Berufung, FS Paeffgen (2015) 567; Denz Zulässigkeit und Umfang des Verfahrens gegen Abwesende (1969); Dünnebier Das Kontumazialverfahren ist abgeschafft, FS Heinitz (1972) 669; Eisenberg Sich-Entfernen bzw. Fernbleiben während der Hauptverhandlung (§ 231 II StPO), NStZ 2012 63; Enzian Wesen und Wirken des Vorführungsbefehls, NJW 1957 450; Franz Die Zwangsmittel des § 230 Abs. 2 StPO und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, NJW 1963 2264; Franzheim Die prozessualen Folgen des Selbstmordversuchs des Angeklagten während der Unterbrechung der Hauptverhandlung, GA 1961 108; Frisch Zum Recht des abwesenden Angeklagten auf Verteidigung, insbesondere in der Berufungsinstanz, FS Paeffgen (2015) 589; Gerst Die Konventionsgarantie des Art. 6 IIIc und die Abwesenheitsverwerfung gemäß § 329 I 1 StPO – Ein kleiner Schritt für Straßburg, ein zu großer für Deutschland? NStZ 2013 310; Gollwitzer Die Befugnisse des Mitangeklagten in der Hauptverhandlung, FS Sarstedt (1981) 15; ders. Die Verfahrensstellung des in der Hauptverhandlung nicht anwesenden Angeklagten, FS Tröndle (1989) 455; ders. Die Erzwingung der Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung, FS Hanack (1999) 145; Grünwald Die Verfahrensrolle des Mitbeschuldigten, FS Klug (1983) Bd. 2 493; Hermann Die Strafprozeßreform vom 1.1.1975 – Ein kritischer Rückblick, JuS 1976 413; Hüls/Reichling Der

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156 AK/Keller 7; KK/Gmel 15; Meyer-Goßner/Schmitt 16; SK/Deiters/Albrecht 20. 157 Rieß/Hilger NStZ 1987 149; Kühne 272; AnwK-StPO/Kirchhof 7; KK/Gmel 15; Meyer-Goßner/Schmitt 16; SK/Deiters/Albrecht 20. 158 Vgl. Rn. 24; bei Annahme einer auf die positiven Feststellungen über die Hemmung beschränkten konstitutiven Wirkung würde es zu weit gehen, auch einer nicht ergangenen Entscheidung eine bindende negative Feststellungswirkung beizumessen. 159 BGH NStZ-RR 2016 178; KK/Gmel 15; SK/Deiters/Albrecht 20; a.A. wohl Kempf StV 1987 221.

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abwesende Angeklagte in der (Berufungs-)Hauptverhandlung nach der EGMR-Entscheidung Neziraj vs. Deutschland, StV 2014 242; Jäger Die Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung, Diss. Göttingen 2004; Julius Zur Disponibilität des strafprozessualen Anwesenheitsgebots, GA 1992 295; Justenhoven Die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung (2016); Kaiser Zur Wartepflicht des Gerichts bei Unpünktlichkeit von Beteiligten in Straf- und Bußgeldsachen, NJW 1977 1955; Kamp Der Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO aus der Sicht der Praxis, FS Rudolphi (2004) 661; Kolbe Vorführung und Haftbefehl im vereinfachten Jugendverfahren zulässig? MDR 1978 800; Krause Zum Ausbleiben des Angeklagten, DRiZ 1971 196; Kropp Der Haftbefehl nach § 230 StPO, JA 1998 328; Küper Zum Begriff des „eigenmächtigen“ Ausbleibens in § 231 Abs. 2 StPO, NJW 1974 2218; ders. Zwangsvorführung eines inhaftierten Angeklagten, NJW 1978 251; Laier Mitwirkungspflicht des Angeklagten zur Vermeidung einer Verfahrensaussetzung? NJW 1977 1139; Lampe Grenzen des Festhalterechts gegenüber vorgeführten Beschuldigten und Zeugen im Ermittlungsverfahren, MDR 1974 535; ders. Abwesenheitsrecht des Angeklagten? Änderungsnotwendigkeit des § 329 StPO? in: Vom Bedeutungsverlust der Hauptverhandlung (2015) 73; Lemke Rechtmäßigkeitserfordernisse des strafrichterlichen Vorführungsbefehls, NJW 1980 1494; Löffler Zur Frage der Nichtanrechnung der erlittenen Haft im Falle der Haftanordnung gemäß § 230 Abs. 2 StPO, MDR 1978 726; Lüderssen Der gefesselte Angeklagte, GedS Meyer (1990) 269; Maatz Die Fortsetzung der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten, DRiZ 1991 200; Meyer-Goßner Der „falsche“ Angeklagte, ZIS 2009 519; ders. Personenverwechslung: Der Fall Waller/Walther – Nichtigkeit von Strafurteilen? FS Neumann (2017) 1349; Neuhaus Der Grundsatz der ständigen Anwesenheit des Angeklagten in der strafprozessualen Hauptverhandlung 1. Instanz unter besonderer Berücksichtigung des § 231a StPO, Diss. Köln 2000; Niethammer Die Hauptverhandlung ohne den Angeklagten, FS Rosenfeld (1949) 119; Paul Das Abwesenheitsverfahren als rechtsstaatliches Problem (2007); Pöschl Recht des Angeklagten auf Vertretung (2015); Poppe Urteilsverkündung in Abwesenheit notwendiger Prozeßbeteiligter im Strafprozeß, NJW 1954 1914; Rieß Die Durchführung der Hauptverhandlung ohne den Angeklagten – Zugleich ein Beitrag zum neuen § 231a, JZ 1975 265; ders. Zur Entwicklung der Vorschriften über die Anwesenheitspflicht des Angeklagten in der Hauptverhandlung, FS Mehle (2009) 549; Röhmel Die Hauptverhandlung ohne den Angeklagten (Die vorsätzlich herbeigeführte Verhandlungsunfähigkeit), JA 1976 587; ders. Verhandlung ohne den sich ordnungswidrig verhaltenden Angeklagten, § 231b StPO, JA 1976 663; Rudolphi Die Gesetzgebung zur Bekämpfung des Terrorismus – Versuch einer kritischen Würdigung, JA 1979 1; Rupp Haftbefehl gemäß § 230 II StPO im Rahmen von Großverfahren, NStZ 1990 576; Scharf/Kropp Zeitliche Grenzen beim Haftbefehl nach § 230 StPO, NStZ 2000 297; Schreiner Mitwirkungspflicht des Angeklagten zur Vermeidung einer Verfahrensaussetzung? NJW 1977 2303; Seetzen Zur Verhandlungs(un)fähigkeit, DRiZ 1974 259; Sommer Gespenstergeschichten – Wann ist die Anwesenheit eines Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung „erforderlich“? StV 2016 55; Stein Die Anwesenheitspflicht des Angeklagten – Versuch einer verfassungskonformen Auslegung der §§ 230, 231, 232–236 StPO, ZStW 97 (1985) 303; Triltsch Die Zwangsmittel des § 230 Abs. 2 StPO unter besonderer Berücksichtigung des Haftbefehls (2009); Vogel Strafverfahrensrecht und Terrorismus – eine Bilanz, NJW 1978 1217; Ullenboom Untersuchungs- oder Sitzungshaftbefehl? Die Sicherstellung der Anwesenheit eines im EU-Ausland befindlichen Angeklagten in der Hauptverhandlung, NJW 2018 2671; Volk Die Anwesenheitspflicht des Angeklagten – ein Anachronismus, FS Böttcher (2007) 213; Warda Hauptverhandlung mit dem verhandlungsunfähigen, aber verhandlungswilligen Angeklagten? FS Bruns (1978) 415; Weigend „Das erledigt mein Anwalt für mich.“ – Hat der Angeklagte ein Recht darauf, sich in der Hauptverhandlung vertreten zu lassen? FS Kühl (2014) 947; Welp Die Gestellung des verhandlungsfähigen Angeklagten, JR 1991 265; Weßlau Kann das Revisionsgericht an tatrichterliche Feststellungen zum „eigenmächtigen Ausbleiben“ (§ 231 Abs. 2 StPO) gebunden sein? StV 2014 236.

Entstehungsgeschichte Bezeichnung bis 1924: § 229. Durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes vom 17.7.20151 wurde in Absatz 2 der letzte Halbsatz angefügt.

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1 Gesetz zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Vertretung in Berufungsverhandlungen und über die Anerkennung von Abwesenheitsentscheidungen in der Rechtshilfe, BGBl. I S. 1332.

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I.

II.

Übersicht Anwesenheit des Angeklagten (Absatz 1) 1. Zweck | 1 2. Ausnahmen | 3 3. Recht auf Anwesenheit | 4 4. Dauernde Anwesenheit | 5 5. Keine bloß körperliche Anwesenheit | 7 6. Angeklagter in Haft | 8 7. Personenverwechslung | 9 8. Hauptverhandlung gegen mehrere Angeklagte a) Abgetrennte Verhandlung gegen erschienene Angeklagte | 10 b) Verfahrenstrennung | 11 9. Heilung von Verstößen | 13 Zwangsweise Sicherstellung der Anwesenheit (Absatz 2) 1. Zweck | 14 2. Gesetzliche Voraussetzungen a) Ordnungsgemäße Ladung | 15 b) Ausbleiben des Angeklagten | 17

Alphabetische Übersicht Androhung von Zwangsmitteln 15 Anordnung außerhalb der Hauptverhandlung 39 f. Anrechnung der Haft auf Strafe 43 Anwesenheit, körperliche 7 Anwesenheitspflicht – des Angeklagten 1 ff. – Ausnahmen 3, 5 Anwesenheitsrecht des Angeklagten 1, 4 Aufhebung der Anordnung 41 Aufklärungspflicht 1 Ausbleiben des Angeklagten 17 ff. Ausfertigung des Haft- oder Vollstreckungsbefehls 33, 38 Aussetzung der Verhandlung 42 Auswahl der Zwangsmittel 25 Bekanntgabe der Anordnung 28 Beratung am Tatort 6 Beschleunigtes Verfahren 27 Beschwerde 44 f. – weitere 46 Beurlaubung nach § 231c 10 Beweissicherung 3 Deutsche Gerichtsbarkeit 3 Einziehungsbeteiligte 27 Entbindung von Anwesenheitspflicht 2 Entschuldigung, genügende 20 f. Erforderlichkeit des Zwangs 22 Fortsetzungstermin 19 Freibeweis 21 Freispruch, zu erwartender 2, 24

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c)

III.

Keine genügende Entschuldigung | 20 3. Grundrechtskonforme Auslegung | 22 4. Auswahl des Zwangsmittels | 25 5. Überwachung | 26 6. Sonderregelungen | 27 7. Die einzelnen Zwangsmittel a) Vorführungsbefehl | 28 b) Haftbefehl | 32 8. Anordnung durch das Gericht a) Zuständigkeit | 38 b) Zeitpunkt der Anordnung | 39 c) Aufhebung der Maßnahme | 41 9. Nachträgliches Erscheinen des Angeklagten | 42 10. Anrechnung auf Strafe | 43 Rechtsbehelfe 1. Beschwerde | 44 2. Revision | 47

Gericht – Zuständigkeit 38 Großverfahren 10 Haft in anderer Sache 8 Haftbefehl, bedingter 34 – Begründung 33 – Geltungsdauer 37 Haftfähigkeit 25 Haftprüfung 35 Hauptverhandlungshaft 14, 27 Heilung 13 Jugendstrafverfahren 27 Kommissarische Einvernahme nach § 233 34 Ladung, wiederholte 15 Ladungsfrist 16 Mehrere Angeklagte 10, 48 Mildeste Mittel 22, 25 Nachträgliches Erscheinen 42 Nebenkläger 49 Organe juristischer Personen 27 Parkmöglichkeit 18 Personenverwechslung 9 Polizei 29, 36 Präventivzweck der Zwangsmittel 14 Privatklageverfahren 27 Recht auf Gehör 1 Revision 47 ff. Schriftform – Haftbefehl 33 – Vorführungsbefehl 28

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Sicherheitsleistung 35, 37, 45 Sitzungsprotokoll 38 Tatortbesichtigung 6 Tatverdacht, dringender 32 Teilnahmerecht des Angeklagten 1, 4 Trennung der Verfahren 10 ff., 48 Trunkenheit 17 Übermüdung 7 Unmittelbarer Zwang 29, 36 Unterbrechung des Verfahrens 37 Unterbringungsbefehl 25 Urteilsverkündung 5 Verfahrensvoraussetzung 47 Verhältnismäßigkeit 22, 25, 26, 32 Verhandlung im Krankenzimmer 7 Verhandlung ohne Angeklagten 3, 4, 23

Verhandlungsfähigkeit, begrenzte 7 Verhandlungsunfähigkeit 17, 25 Vermögensbeschlagnahme 3 Verschubung 30 Verzicht auf Anwesenheit 2, 4, 13 Vollstreckung – Haftbefehl 36 – Vorführungsbefehl 29 f. Vorbehalt der Entscheidung 39 Wartepflicht 18 Wiederholung von Verhandlungsteilen 13 Zwangsmittel 14 – Auswahl 25 – Aufhebung 41 Zweck der Regelung 1 Zweifel am Entschuldigungsgrund 20 f., 39

I. Anwesenheit des Angeklagten (Absatz 1) 1

1. Zweck. Die persönliche Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung ist das Recht2 und, soweit nicht Ausnahmeregeln Platz greifen, auch die Pflicht des Angeklagten.3 Die Vorschriften der StPO über die Anwesenheit des Angeklagten stellen diesen als selbstverantwortlichen Menschen mit eigenen Verteidigungsrechten bewusst in den Mittelpunkt der Hauptverhandlung.4 Sie sind auf dem durch Erfahrung begründeten Rechtsgedanken aufgebaut, dass der Angeklagte nicht ungehört verurteilt werden darf und das Gericht seiner Pflicht zur Erforschung der Wahrheit und zu einer gerechten Zumessung der Rechtsfolgen vollständig nur genügt, wenn es den Angeklagten vor sich sieht und ihn mit seiner Verteidigung hört.5 Damit wird dem durch Art. 103 Abs. 1 GG verbürgten Anspruch auf rechtliches Gehör6 in der bestmöglichen Form genügt. Auch die von den Menschenrechtskonventionen garantierten Verteidigungsrechte umfassen das grundsätzliche Recht auf Anwesenheit.7 Die Anwesenheitspflicht soll aber auch der Wahrheitsfindung dienen, wie etwa die Vorbehalte bei § 231 Abs. 2, § 231a Abs. 1 Satz 1 und § 231b Abs. 1 Satz 1 bestätigen. Schon die Möglichkeit eines persönlichen Eindrucks vom Angeklagten kann der Urteilsfindung des Gerichts – insbesondere auf der Rechts-

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2 BGHSt 19 144, 147; 26 84, 90; 55 87, 89; 56 298, 306; OLG Karlsruhe StV 1986 289; Rieß JZ 1975 266; s. auch Rn. 4. 3 BGHSt 26 84, 90; 55 87, 89; 56 298, 306; BGH NStZ 1991 246; zur Entwicklung der Vorschriften über die Anwesenheitspflicht s. Rieß FS Mehle 549 ff. 4 Zur Verfassungsgarantie der Subjektstellung des Angeklagten BVerfG StraFo 2007 190 m.w.N.; vgl. LR/Kühne Einl. I 71 ff. 5 Mot. 182; BGHSt 3 187, 190; 26 84, 90; 55 87, 89; BGH NStZ 2011 233, 234. 6 BGHSt 55 87, 89; 56 298, 306; BGH NStZ-RR 2008 285; OLG Hamm VRS 113 (2007) 293, 295; OLG Thüringen VRS 110 (2006) 14, 15; Bung HRRS 2010 50; Jäger 109 ff.; Kamp FS Rudolphi 664; Lampe MDR 1974 539; Rieß JZ 1975 267; kritisch Eisenberg NStZ 2012 63 f.; nach Justenhoven 51 ff. und Neuhaus 51 ff. ist die Anwesenheitspflicht des Angeklagten nur unter dem Aspekt der Fürsorge zur Absicherung des Rechts auf rechtliches Gehör legitimierbar; ähnlich Baxhenrich 13 ff. 7 Ausdrücklich Art. 14 Abs. 3 lit. d IPBPR; sie folgt bei der EMRK u.a. aus dem Recht, sich selbst zu verteidigen, vgl. bei Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK; s. Bung HRRS 2010 50; Jäger 34 ff., 127 f. Die RL 2016/343/EU v. 9.3.2016 über die Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafsachen (ABlEU Nr. L 65/1) ist daher für das deutsche Strafverfahrensrecht insoweit ohne Belang.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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folgenseite – dienlich sein,8 selbst in den Fällen, in denen er schweigt und jede aktive Mitwirkung verweigert. Gegenteilige, sich auf den nemo-tenetur-Grundsatz berufende Erwägungen,9 die zwischen der Pflicht des Gerichts zur Sicherstellung der Anwesenheit des Angeklagten und einer ausschließlichen „Duldungspflicht“ bzw. „passiven Verhaltenspflicht“ des Angeklagten unterscheiden wollen, wirken gekünstelt, haben für die praktische Handhabung der §§ 230 ff. kaum Auswirkungen und sind mit dem geltenden Recht nicht vereinbar. Wenn der Angeklagte unter Hinweis auf die Folgen unentschuldigten Ausbleibens zum Termin geladen wird (§ 216 Abs. 1 Satz 1), wenn bei verschuldeter Nichtbefolgung dieser Ladung sein Erscheinen durch Vorführung oder Verhaftung sicherzustellen ist (§ 230 Abs. 2) und wenn er sich aus der Hauptverhandlung nicht entfernen darf (§ 231 Abs. 1 Satz 1; s. auch den Wortlaut von § 233 Abs. 1 Satz 1 und jetzt auch die gesetzlichen Überschriften zu §§ 231, 233), so ergibt sich aus der derzeitigen Gesetzeslage zwanglos10 seine Pflicht zum Erscheinen und zur Anwesenheit und nicht nur die Pflicht des Gerichts diese sicherzustellen;11 denn wie soll das von § 230 Abs. 2 vorausgesetzte Verschulden begründbar sein, wenn schon objektiv überhaupt keine aktiv zu befolgende Pflicht zum Erscheinen verletzt sein kann? Mit der Selbstbelastungsfreiheit hat all dies unmittelbar nichts zu tun;12 ebenso wenig kann aus dem Umstand, dass § 230 Abs. 2 keine Ungehorsamsfolgen regelt (s. Rn. 14), sondern der Wahrheitsfindung dient, etwas gegen die Pflicht des Angeklagten zum Erscheinen hergeleitet werden.13 Die Auslegung des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK (Recht des Angeklagten, sich durch einen Verteidiger seiner Wahl verteidigen zu lassen) in der Rechtsprechung des EGMR14 besagt insoweit nichts Gegenteiliges, sondern sieht es ebenfalls als gerechtfertigt an, die Anwesenheit des Angeklagten zur Sicherung der Wahrheitsfindung durchzusetzen.15 Ob de lege feren-

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8 RGSt 29 44, 48; 60 179, 180; BGHSt 26 84, 90; 29 318, 320; 57 123, 127; ferner etwa BVerfGE 118 212, 233; BVerfG StraFo 2007 190, 191 f.; BGH NStZ 1991 246; 2011 233, 234; OLG Celle StV 2013 41, 42; OLG Hamburg JR 1987 78 m. Anm. Foth; OLG Hamm StV 1997 346; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2004 20, 21; Dünnebier FS Heinitz 678; Kamp FS Rudolphi 662 f.; Lampe MDR 1974 539; ders. (Bedeutungsverlust) 73 ff.; Niethammer FS Rosenfeld 120; Paul 69 ff. (mit weitergehenden Begründungsansätzen); Rieß JZ 1975 267; Roxin/Schünemann § 44, 42; AK/Keller 5; KMR/Eschelbach 1; Meyer-Goßner/Schmitt 3; a.A. Stein ZStW 97 (1985) 303, 321 f.: nur zur Vermeidung nachteilig unrichtiger Urteile; einschränkend SK/Deiters 1g (Anwesenheit des Angeklagten kann in Einzelfällen der Wahrheitsforschung förderlich sein); kritisch auch Dahs FS Widmaier 95 ff. (zu § 247); Eisenberg NStZ 2012 64; Julius GA 1992 295; Pöschl 255 ff.; Püschel StraFo 2012 495; HK/Julius 5; ähnlich Bernsmann FS Kriele 697; für eine Anwesenheitspflicht von Fall zu Fall: Volk FS Böttcher 219 ff.; vgl. auch Weigend FS Kühl 951, 959 (der eine Beweisregel postulieren will, wonach aus der Kenntnisnahme von der Person des Angeklagten keine rationalen und zulässigen Schlüsse auf verfahrensrelevante Fragen gezogen werden könnten); ähnlich Sommer StV 2016 57 f.; Wohlers FS Paeffgen 628 ff. 9 Vgl. SK/Deiters 1a ff. 10 Baxhenrich 13 f.; Justenhoven 39 („eindeutig“). 11 Dies entspricht auch weiterhin dem Willen des Gesetzgebers: s. BTDrucks. 18 3562 S. 47 ff. 12 Zu dem Meinungsstreit, ob das Gericht aus dem non-verbalen Verhalten und sonstigen Reaktionen des schweigenden Angeklagten in der Hauptverhandlung Schlüsse (gemeint natürlich nur: zu dessen Nachteil) ziehen darf, s. Pöschl 261 ff. m. zahlr. Nachw.; soweit dies vielfach auch unter Bezugnahme auf BGH StV 1993 458 (abgedruckt mit irreführendem redaktionellem Leitsatz) verneint wird, ist darauf hinzuweisen, dass sich Derartiges aus den Gründen dieser Entscheidung jedenfalls nicht entnehmen lässt. 13 So aber SK/Deiters 1c. 14 EGMR Urt. v. 8.11.2012 – 30804/07 (Neziraj vs. Deutschland) mwN zu früheren einschlägigen Entscheidungen (Zusammenfassung in StraFo 2012 490 ff. m. Anm. Püschel; zur Rezeption dieses Urteils in Rechtsprechung und Schrifttum, sowie zu dessen Umsetzung durch § 329 n.F. s. die Kommentierungen zu § 329 sowie Art. 6 EMRK); zur berechtigten Kritik an der Entscheidung des EGMR s. etwa: Bartel DRiZ 2015 176 f.; Frisch FS Paeffgen 601 ff.; Hüls/Reichling StV 2014 244; Mosbacher NStZ 2013 313; Weigend FS Kühl 953 ff.; SK/Paeffgen Art. 6 EMRK, 138a; SK/Frisch4 § 329, 3. 15 S. nur Rn. 47, 51, 54 ff. des vorgenannten Urteils; s. dazu Pöschl 140 ff., 356 f.; kritisch Frisch FS Paeffgen 612 f.: vor dem Hintergrund der „verunglückten Thesen“ des EGMR unbedacht und inkonsistent;

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da über die in Rn. 3 genannten Fälle hinaus weitere Ausnahmen von der Anwesenheitspflicht angebracht wären, hat der Gesetzgeber zu entscheiden; aus dem geltenden Recht lassen sie sich jedenfalls nicht ableiten. 2 Das Verbot einer Hauptverhandlung gegen den ausgebliebenen Angeklagten in Absatz 1 ist zwingend. Das Gericht kann den Angeklagten nicht von der Anwesenheitspflicht entbinden16 und es darf selbst dann nicht gegen den abwesenden Angeklagten verhandeln, wenn es voraussieht, dass es ihn nicht verurteilen, sondern freisprechen wird.17 Der Angeklagte kann auf die Einhaltung des Absatzes 1 nicht verzichten.18 Rein faktisch kann der Angeklagte allerdings in den Fällen, in denen das Gericht auch ohne ihn verhandeln darf, durch unerlaubtes Fernbleiben meist erreichen, dass das Gericht seine Anwesenheit nicht nach Absatz 2 erzwingt, sondern die Hauptverhandlung ohne ihn durchführt.19 Ein Recht hierauf hat er jedoch nicht; er kann lediglich verlangen, dass das Gericht sein Ermessen sachgerecht ausübt. 3

2. Ausnahmen vom Verbot, trotz Ausbleibens des Angeklagten zu verhandeln, sind nur dort und nur insoweit zulässig, als sie das Gesetz ausdrücklich bestimmt. Solche Ausnahmevorschriften finden sich in § 231 Abs. 2, in §§ 231a, 231b, 231c, 232, 233, 247, 329 Abs. 2 Satz 1, § 350 Abs. 2, § 387 Abs. 1, § 411 Abs. 2, für das Sicherungsverfahren in § 415.20 Eine echte Hauptverhandlung gegen Abwesende im Sinne von § 276, also gegen Angeklagte, die für die deutsche Gerichtsbarkeit nicht erreichbar sind, weil sie sich verborgen halten oder im Ausland befinden, sieht die StPO dagegen nicht mehr vor (§ 285 Abs. 1 Satz 1). Gestattet ist lediglich die Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens (§ 285 Abs. 1 Satz 2) und – als Mittel des Gestellungszwangs – in bestimmten Grenzen die Vermögensbeschlagnahme (§ 290).21

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3. Das Recht auf Anwesenheit in der Hauptverhandlung steht dem Angeklagten grundsätzlich auch dann zu, wenn die Pflicht hierzu ausnahmsweise nicht besteht,22 wie etwa nach §§ 233, 411 Abs. 2. Auch wenn die rechtlichen Voraussetzungen für ein Ver-

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nach Weigend FS Kühl 958 vermag dies „im Lichte der EMRK“ nicht zu überzeugen; s. auch Ast JZ 2013 784 („argumentative Sackgasse“); weitergehend in Anknüpfung an den EGMR, aber ohne hinreichende Grundlage in dessen Rechtsprechung etwa Gerst NStZ 2013 311 (Durchsetzung der Anwesenheit nur zulässig, wenn diese „zwingend erforderlich“ ist); Zehetgruber HRRS 2013 400 (wenn „unentbehrlich“); noch radikaler und die Verbindlichkeit der Terminsladung zur strafrechtlichen Hauptverhandlung für den Angeklagten auf das Niveau der Verpflichtung zur Einhaltung eines Friseurtermins herunterfabulierend: Sommer StV 2016 57 ff.; Einschränkungen vor allem de lege ferenda fordern: Hüls/Reichling StV 2014 246 f.; Pöschl 358 f.; Püschel StraFo 2012 495; wie hier dagegen Beining JuS 2016 518; Böse FS Paeffgen 571 f.; Mosbacher NStZ 2013 314; SK/Deiters 1i; vgl. auch Ast JZ 2013 783; unentschieden Esser StV 2013 339. 16 BGHSt 22 18, 20; 25 317, 318; BGH NJW 1973 522; NStZ 1991 246; KG StV 1985 52; vgl. auch KG StV 2017 809 f.; OLG Celle StV 2017 810 Ls. (Angeklagter begibt sich in Nebenraum und verfolgt Hauptverhandlung durch geöffnete Tür). 17 A.A. Franz NJW 1963 2264; vgl. LG Kaiserslautern StV 1999 13; s. auch unten Rn. 4. 18 RGSt 42 197, 198; 58 149, 150; BGHSt 3 187, 191; 22 18, 20; 25 317, 318; BGH NJW 1973 522; 1976 1108; NStZ 1993 198; OLG Hamburg GA 1961 177; OLG Hamm StV 2007 571; OLG Karlsruhe Justiz 1969 127; KG JR 1992 304, 305; vgl. auch KG StV 2017 809 f.; OLG Celle StV 2017 810 Ls. (Angeklagter begibt sich in Nebenraum und verfolgt Hauptverhandlung durch geöffnete Tür). 19 AK/Keller 3; zum „gestatteten Fernbleiben“ vgl. Rn. 10 und § 231, 11 sowie die Erläuterungen zu § 233. 20 Liegen dessen Voraussetzungen nicht vor, so ist nach § 230 Abs. 2, nicht nach § 126a zu verfahren: OLG Hamburg StraFo 2012 266. 21 Vgl. LR/Stuckenberg26 Vor § 276. 22 BGHSt 26 228, 234; 28 35, 37 (zur Hauptverhandlung nach § 134 BRAO a.F.); BGH bei Holtz MDR 1980 631; BGH StV 1981 510; OLG Hamm VRS 50 (1976) 132; 56 (1979) 42; OLG Karlsruhe Justiz 1981 23.

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handeln ohne ihn gegeben sind, darf das Gericht ihn nicht von der Teilnahme abhalten.23 Es darf nicht ohne ihn verhandeln, wenn er durch eine genügende Entschuldigung zu erkennen gibt, dass er die Teilnahme ernsthaft beabsichtigt hat, aber ohne sein Verschulden daran gehindert ist.24 Das Recht, sich vertreten zu lassen (§§ 234, 411 Abs. 2 Satz 1, § 329 Abs. 2 Satz 1) lässt das Recht auf persönliche Teilnahme ebenfalls unberührt.25 Dieses Recht verliert ein teilnahmebereiter Angeklagter jedoch bei schuldhaftem prozesswidrigen Verhalten (§ 231 Abs. 2, §§ 231a, 231b, 232) sowie in den Fällen des § 247, wo es gegenüber höherrangigen Verfahrensinteressen zurücktreten muss.26 Soweit keine Anwesenheitspflicht besteht, kann der Angeklagte auf sein Anwesenheitsrecht verzichten. Dies kann auch durch eine konkludente Handlung geschehen.27 4. Dauernde Anwesenheit. Soweit nicht Ausnahmevorschriften es gestatten, zeit- 5 weilig in Abwesenheit des Angeklagten zu verhandeln (vgl. insb. § 231 Abs. 2, §§ 231b, 231c, 247; § 51 JGG), ist die ununterbrochene Anwesenheit des Angeklagten während der ganzen Dauer der Hauptverhandlung notwendig. Dies gilt für alle Teile der Hauptverhandlung, von der Präsenzfeststellung bis zum Ende der Schlussvorträge, und zwar ganz gleich, ob über die eigene Tat des Angeklagten oder über die eines Mitangeklagten verhandelt wird. Auch für die Urteilsverkündung ist die Anwesenheit des Angeklagten vorgeschrieben. Er muss sowohl bei der Verkündung der Urteilsformel zugegen sein als auch bei der Eröffnung der Urteilsgründe (vgl. § 268 Abs. 2), da beides noch zur Hauptverhandlung gehört.28 Danach ist § 230 Abs. 1 etwa verletzt, wenn die Richter bei der Beratung am Tatort 6 den Augenschein wiederholen29 oder während der Hauptverhandlung ohne den Angeklagten einen Augenschein einnehmen,30 selbst wenn dieser nur für eine Hilfstatsache von Bedeutung ist, oder wenn sie eine „informatorische“ Tatortbesichtigung vornehmen.31 Fahren die Gerichtsmitglieder und die Verfahrensbeteiligten in mehreren Wagen zum Zwecke des Augenscheins eine bestimmte Wegstrecke oder führt der Angeklagte am Unfallort bei einem Augenschein seine Fahrweise vor und begibt er sich dabei außer Hörweite der übrigen Verfahrensbeteiligten, so wird dadurch sein Recht und seine Pflicht, anwesend zu sein, nicht verletzt, sofern während dieser Zeit ausschließlich das vom Angeklagten vorgeführte Unfallgeschehen beobachtet wird.32 Vernimmt das Gericht allerdings währenddessen einen Zeugen, dann liegt ein die Revision begründeter Verstoß gegen § 230 vor.33 Das Recht des Angeklagten auf Anwesenheit ist ferner verletzt,

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23 BGH bei Pfeiffer NStZ 1981 297; Gollwitzer FS Tröndle 457. 24 BGHSt 28 35, 40 f.; OLG Hamm VRS 50 (1976) 132; OLG Karlsruhe Justiz 1981 23; für das OWi-Verfahren vgl. auch BayObLG NStZ-RR 2000 149; OLG Brandenburg NZV 2003 587. 25 BayObLGSt 1975 77. 26 Vgl. die dortigen Erl. 27 OLG Düsseldorf JMBlNW 1982 179. 28 RGSt 31 398, 399; 42 244, 246; BGHSt 15 263; OLG Düsseldorf GA 1957 417. 29 RGSt 47 197; 66 28 f.; BGHSt 25 317, 318; BGH NStZ 1989 218; 1998 476; BGHR StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 15; OLG Hamm NJW 1959 1192; vgl. § 226, 22. 30 Etwa weil der private Eigentümer dem Angeklagten den Zutritt verwehrt, vgl. BGH NStZ 2013 357 (Verstoß gegen § 261); OLG Hamburg JR 1987 78 m. Anm. Foth (Beauftragung eines Augenscheinsgehilfen); OLG Hamburg GA 1961 177. 31 BGHSt 3 187; BGH StV 1981 510. 32 BGH Urt. v. 17.2.1976 – 1 StR 863/75 (insoweit in BGHSt 26 281 und NJW 1976 812 nicht abgedruckt); Kleinknecht NJW 1963 1322; KK/Gmel 4. 33 A.A. OLG Braunschweig NJW 1963 1322 m. abl. Anm. Kleinknecht; dazu Eb. Schmidt Nachtr. I 3. Ebenso bei freiwilliger, aber nicht eigenmächtiger Abwesenheit während einer Zeugenvernehmung, ohne dass das Gericht dies nach § 247 beschlossen hat, OLG Hamm StraFo 2009 287.

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wenn während eines Verhandlungsteils, der befugt in seiner Abwesenheit stattfindet, Verfahrenshandlungen vorgenommen werden, die von der jeweiligen Ausnahmevorschrift nicht mit umfasst sind.34 So kann es etwa § 247 nicht rechtfertigen, deshalb einen Augenschein in Abwesenheit des Angeklagten einzunehmen, weil die zuständige Behörde entsprechend § 96 eine Sperrerklärung dahin abgegeben hat, dass ein zur Verfügung gestelltes Augenscheinsobjekt nur ohne den Angeklagten betrachtet werden darf.35 Anders liegt es dagegen, wenn der Angeklagte nach § 247 während der Dauer der Vernehmung eines Zeugen aus dem Sitzungssaal entfernt ist und die Vornahme anderer Beweisvorgänge, etwa einer Augenscheinseinnahme, unmittelbar am Körper des Zeugen erfolgt und mit dessen Vernehmung in einem untrennbaren Zusammenhang steht.36 7

5. Keine bloße körperliche Anwesenheit. Anwesend ist der Angeklagte nicht schon, wenn er körperlich im Sitzungssaal anwesend ist, sondern nur, wenn er auch psychisch so präsent ist, dass er verhandeln kann. Er darf nicht durch Krankheit, Übermüdung, Berauschung oder ähnliches gehindert sein, seine Belange zu vertreten, seine Rechte zu wahren und sich in verständlicher und verständiger Weise zu verteidigen (s. auch Rn. 17).37 Bestehen insoweit Zweifel, darf das Gericht nicht verhandeln;38 es muss versuchen, diese Zweifel zu klären. Ist der Angeklagte wegen seines Gesundheitszustandes nur begrenzt verhandlungsfähig, so muss das Gericht Ort, Zeit und Dauer der Hauptverhandlung so einrichten, dass er ihr folgen kann, etwa durch Beschränkung der täglichen Verhandlungsdauer auf eine dem Zustand des Angeklagten angemessene Zeit oder Verhandlung in Anwesenheit eines Arztes.39 Auch ein Verhandeln außerhalb des Gerichtssaals, etwa in der Wohnung oder im Krankenzimmer des Angeklagten, kann unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht kommen. 40 Es verstößt gegen § 230 Abs. 1, wenn das Gericht mit der Urteilsverkündung fortfährt, obwohl der Angeklagte ohnmächtig zusammengebrochen ist.41 Hat der Angeklagte die Beeinträchtigung seiner Verhandlungsfähigkeit selbst herbeigeführt, so hat das Gericht zu entscheiden, ob es zulässig und angezeigt ist, nach § 231 Abs. 2, § 231a ohne ihn zu verhandeln. Ein Angeklagter, der zwar im Sitzungssaal zugegen ist, sich aber nicht zu erkennen gibt, ist nicht anwesend i.S.d. § 230 Abs. 1.42

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6. Ein in Haft befindlicher Angeklagter muss zur Hauptverhandlung vorgeführt werden, sofern er für diese keinen Hafturlaub erhält.43 Dies zu klären und gegebenenfalls die Vorführung anzuordnen, ist Aufgabe des Vorsitzenden (vgl. die Erl. zu § 214). Ansonsten gelten die allgemeinen Grundsätze: Soweit nach § 230 Abs. 1 die Hauptverhandlung nur in Anwesenheit des Angeklagten durchgeführt werden darf, kann dieser nicht

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34 Vgl. die Erl. zu § 247. 35 OLG Karlsruhe NStZ-RR 2008 315. 36 BGH StV 2008 230. 37 RGSt 57 373; OGHSt 2 375, 377; BVerfGE 51 324, 344; BGHSt 2 300, 304 f.; 23 331, 334; vgl. BGH bei Dallinger MDR 1953 598; BGH NStZ 1984 520; OLG Düsseldorf NStZ 1990 295; OLG Frankfurt NStZ-RR 2005 174, 175; KK/Gmel 3; Meyer-Goßner/Schmitt 8; SSW/Grube 7 und 14; Baxhenrich 12, 19 ff., 164 ff. („Analogie“); Rieß JZ 1975 267; a.A. KMR/Eschelbach 25 ff.; SK/Deiters 7 ff.; Beining JuS 2016 516; Welp JR 1991 266 (keine Gleichstellung mit körperlicher Anwesenheit). Vgl. auch bei § 205. 38 BGH NStZ 1984 520; KK/Gmel 3; Meyer-Goßner/Schmitt 8. 39 Seetzen DRiZ 1974 259; KK/Gmel 3. 40 Vgl. § 229, 20. 41 RG JW 1938 1644; Poppe NJW 1954 1915; Eb. Schmidt 6; vgl. § 231, 16. 42 KK/Gmel 3; SK/Deiters 5. 43 Vgl. OLG Düsseldorf VRS 91 (1996) 38 (offener Vollzug). Zwangsmaßnahmen nach Absatz 2 gegen den anderweitig Inhaftierten scheiden aus: vgl. OLG Celle NStZ-RR 2009 157; SK/Deiters 22.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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wirksam auf die Anwesenheit verzichten.44 Eine Vorführung gegen den Willen des inhaftierten Angeklagten scheidet nur dort aus, wo der Angeklagte zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung nicht verpflichtet ist und auch auf sein Anwesenheitsrecht ausdrücklich verzichtet hat. Wird die Verkündung des Urteils auf einen gesonderten Terminstag gelegt, so muss der in Haft befindliche Angeklagte auch zur Verkündung des Urteils vor Gericht gebracht werden.45 Verliert der Angeklagte durch eine verspätete Vorführung die Möglichkeit, einem Teil der Verhandlung beizuwohnen, so kann der begangene Verstoß nicht dadurch geheilt werden, dass der Angeklagte die Verspätung der Vorführung nachträglich gutheißt, sondern nur dadurch, dass der fehlerhafte Teil der Hauptverhandlung in Anwesenheit des Angeklagten wiederholt wird.46 7. Personenverwechslung. Erscheint in der Hauptverhandlung nicht der Angeklag- 9 te, der in der Anklageschrift und im Eröffnungsbeschluss der Straftat beschuldigt wird47 und mit dem deshalb die Hauptverhandlung durchgeführt werden muss, sondern eine andere Person, ohne dass das Gericht diesen Umstand bemerkt, und wird das Verfahren bis zum Urteil durchgeführt,48 so wirkt es nicht gegen den Erschienenen, sondern allein gegen den tatsächlich Angeklagten.49 Dieser kann es anfechten; in der Revision steht ihm die Rüge nach § 230 Abs. 1, § 338 Nr. 5 offen. Dabei ist zu beachten, dass die Rechtsmittelfristen erst mit der Zustellung des vollständigen Urteils an ihn zu laufen beginnen (§ 314 Abs. 2, § 341 Abs. 2).50 Lässt er danach die Rechtsmittelfrist verstreichen oder verzichtet er auf Rechtsmittel, so ist das Urteil vollstreckbar.51 Er kann jedoch gemäß § 458 Abs. 1 Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung erheben, aber auch ein Wiederaufnahmeverfahren nach § 359 Nr. 5 betreiben.52 Ein eventueller Rechtsmittelverzicht des in der Hauptverhandlung Erschienenen hat für den wirklichen Angeklagten keine Wirkung. Nimmt andererseits der richtige Angeklagte unter falschem Namen an der Hauptverhandlung teil, so ist weder § 230 Abs. 1 verletzt noch wird die Wirksamkeit des Urteils dadurch berührt.53 Der echte Namensträger kann das scheinbar gegen ihn ergangene Urteil jedoch mit dem Ziel der Richtigstellung anfechten,54 jedoch nur, solange das Urteil nicht berichtigt ist.55

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44 BGHSt 25 317, 318; BGH StV 1993 285, 286; OLG Hamburg GA 1967 177; vgl. Rn. 2. 45 RGSt 31 398, 399; RG Recht 1922 Nr. 696. 46 Zur Heilung des Verfahrensfehlers vgl. Rn. 13. 47 S. dazu BGH NStZ 1990 290; für das OWi-Verfahren OLG Bamberg NStZ 2007 292. 48 Vgl. LG Lüneburg MDR 1949 767, 768 m. abl. Anm. Grobler. 49 OLG Bamberg NStZ 2007 292 (für das OWi-Verfahren); LG Lüneburg MDR 1949 767, 768 m. abl. Anm. Grobler; Meyer-Goßner ZIS 2009 522; ders. FS Neumann 1350 f.; AK/Keller 10; KMR/Eschelbach 22; MeyerGoßner/Schmitt 27; SK/Deiters 38; SSW/Grube 10; a.A. Peters § 55 I; KK/Gmel 7; LR/Becker26 9; Radtke/ Hohmann/Britz 13; Eb. Schmidt I 252 ff.; vgl. Grünwald ZStW 76 (1964) 255 ff.; Sarstedt JR 1955 351 f.; s. zum Streitstand auch LR/Kühne Einl. K 122. 50 Zum Sonderfall des in der Hauptverhandlung nur als Zuhörer erschienen Angeklagten s. OLG Bamberg NStZ 2007 292 (für das OWi-Verfahren). 51 LG Lüneburg MDR 1949 767, 768 m. abl. Anm. Grobler. 52 BVerfG Beschl. v. 10.9.2010 – 2 BvR 2242/09 m. Bespr. Jahn JuS 2011 83. 53 BGH NStZ 1990 290, 291; NStZ-RR 1996 9; OLG Düsseldorf NStZ 1994 355; KG NStZ-RR 2004 240; OLG Köln MDR 1983 865; KK/Gmel 7; SK/Deiters 38; Peters § 55 I. 54 OLG Köln MDR 1983 865; KK/Gmel 7; a.A. KG NStZ-RR 2004 240, 241; Meyer-Goßner/Schmitt Einl. 174; SSW/Grube 11. 55 BGH NStZ-RR 1996 9; OLG Köln MDR 1983 865; s. auch OLG Düsseldorf NStZ 1994 355.

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8. Hauptverhandlung gegen mehrere Angeklagte 10

a) Abgetrennte Verhandlung gegen erschienene Angeklagte. Wird gegen mehrere Angeklagte verhandelt, so sind sie grundsätzlich alle zur Anwesenheit während der ganzen Hauptverhandlung verpflichtet. Dies gilt, da die Hauptverhandlung gegen alle Angeklagten eine Einheit bildet, auch dann, wenn während der Abwesenheit eines Angeklagten ausschließlich über Taten von Mitangeklagten verhandelt wird, die ihm nicht zur Last gelegt sind und die ihn auch sonst nicht betreffen.56 Bleibt einer der Angeklagten aus, so ist es im Allgemeinen in das Ermessen des Gerichts gestellt, ob es nach Trennung der Verfahren gegen die erschienenen Angeklagten verhandeln oder die Verhandlung auch gegen sie unterbrechen oder aussetzen will. Die Umstände des einzelnen Falles57 geben den Ausschlag dafür, ob unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte wie Aufklärungspflicht, Prozesswirtschaftlichkeit, Verfahrensbeschleunigung etc. der Aussetzung bzw. Unterbrechung der gesamten Hauptverhandlung oder der Abtrennung und Durchführung der Hauptverhandlung gegen die erschienenen Angeklagten der Vorzug zu geben ist. Insbesondere bei Großverfahren, in denen über einen umfangreichen Verfahrensstoff und mehrere Angeklagte geurteilt werden muss, wirkt es sich besonders belastend aus, dass sich die Anwesenheitspflicht jedes einzelnen Mitangeklagten auch auf die Teile der Hauptverhandlung erstreckt, die ihn sachlich nicht betreffen. Um die damit verbundenen Belastungen für Angeklagte und Verteidiger zu verringern, eröffnet § 231c dem Gericht die Möglichkeit, einem Angeklagten und – im Falle notwendiger Verteidigung – auch dessen Verteidiger zu gestatten, den Teilen der Hauptverhandlung fernzubleiben, von denen sie nicht betroffen sind. Die Einzelheiten sind bei § 231c erläutert.

b) Verfahrenstrennung. Statt der Beurlaubung eines Angeklagten nach § 231c ist an sich auch die förmliche Trennung der Verfahren möglich (s. § 231c, 3). Selbst eine vorübergehende Abtrennung, bei der das abgetrennte Verfahren innerhalb der Fristen des § 229 fortgesetzt und später wieder mit dem unmittelbar weitergeführten Verfahren verbunden werden soll, ist nicht ausgeschlossen. Sie ist aber nur dann unbedenklich, wenn im abgetrennten Verfahrensteil ausschließlich Vorgänge verhandelt werden, die in keinem sachlichen Zusammenhang mit den im anderen Verfahren verhandelten Vorwürfen gegen einen Mitangeklagten stehen; denn die vorübergehende Trennung darf nicht dazu benutzt werden, das Anwesenheitsgebot des § 230 Abs. 1 zu umgehen58 oder die Sondervorschrift des § 231c auszuschalten, der die Beurlaubung von Angeklagtem und Verteidiger an deren ausdrückliche Antragstellung bindet. Da die vorübergehende Trennung die Gefahr in sich birgt, dass Erkenntnisse aus der abgetrennten Verhandlung auch das Urteil gegen einen insoweit nicht am Verfahren beteiligten Mitangeklagten beeinflussen, hat der BGH wiederholt vor dieser Verfahrensgestaltung gewarnt.59 12 Unter der Voraussetzung, dass sich die Verfahrensvorgänge nicht sachlich berühren, kann es auch zulässig sein, die Verhandlung gegen zwei Angeklagte zunächst getrennt zu beginnen und bis zu einem bestimmten Punkte durchzuführen und dann bei11

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56 BGHR StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 4; SK/Deiters 12; vgl. BGH StV 1985 354 m. Anm. Rogall für den notwendigen Verteidiger; offengelassen BGHR StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 13, 17. 57 RGSt 38 272, 275. 58 Zu den revisionsrechtlichen Folgen s. Rn. 48. 59 BGHSt 30 74, 76; KK/Gmel 5. Zur Verwertbarkeit der Ergebnisse der Hauptverhandlung bei Mitangeklagten und zu den Grenzen des wechselseitigen Berührtseins Gollwitzer FS Sarstedt 17 ff.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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de Verfahren miteinander zu verbinden.60 Erkenntnisse aus den getrennt durchgeführten Verhandlungsteilen dürfen aber nach § 261 nicht bei der Urteilsfindung gegen den nicht beteiligten späteren Mitangeklagten verwertet werden.61 Wird ein Verfahren abgetrennt, weil es durch Urteil gegen einen Mitangeklagten beendet werden soll, so liegt darin auch dann keine unter Umständen problematische vorübergehende Abtrennung, wenn die Beendigung sich danach als nicht möglich erweist und die Verfahren deshalb später wieder verbunden werden.62 9. Heilung von Verstößen. Eine Verletzung des § 230 Abs. 1 kann nicht dadurch 13 geheilt werden, dass der Angeklagte nachträglich auf sein Anwesenheitsrecht verzichtet; denn hierzu ist er nicht befugt (Rn. 2). Ein Verzicht – eventuell verbunden mit einer Unterrichtung über die wesentlichen Ergebnisse des in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführten Verhandlungsteiles – reicht nur dort zur Heilung aus, wo der Angeklagte zur Anwesenheit berechtigt, aber nicht verpflichtet ist. Grundsätzlich ist zur Heilung eines Verfahrensverstoßes nach § 230 Abs. 1 die Wiederholung des fehlerhaften Teils der Hauptverhandlung erforderlich.63 Eine Zeugeneinvernahme muss nochmals durchgeführt werden; es genügt nicht, dass ihr Inhalt bekannt gegeben wird und dem Angeklagten Fragen an den Zeugen ermöglicht werden. Ebenso wenig reicht es aus, wenn sich der Angeklagte nach Unterrichtung auf Befragen nochmals zur Sache äußert.64 II. Zwangsweise Sicherstellung der Anwesenheit (Absatz 2) 1. Zweck. Die Zwangsbefugnisse des Absatzes 2 sind eine verfahrensnotwendige Er- 14 gänzung des Verbots des Absatzes 1, ohne den Angeklagten zu verhandeln.65 Das Gericht erhält damit die Befugnis sicherzustellen, dass ein zur Anwesenheit verpflichteter Angeklagter die Durchführung der Hauptverhandlung nicht allein durch sein Ausbleiben auf Dauer verhindern kann.66 Dies dient demselben Zweck wie die Befugnis des Vorsitzenden, die Anwesenheit des erschienenen Angeklagten während der ganzen Hauptverhandlung zu erzwingen (§ 231 Abs. 1 Satz 2). Dagegen geht es nicht um die Ahndung des Ungehorsams, der im unentschuldigten Ausbleiben eines anwesenheitspflichtigen Angeklagten liegt;67 das unentschuldigte Ausbleiben ist nur die notwendige Voraussetzung dafür, dass zur Sicherung der künftigen Durchführung der Hauptverhandlung Zwangsmittel eingesetzt werden dürfen. Liegen diese gesetzlichen Voraussetzungen nicht vor, so kann das Gericht zur Verhinderung eines befürchteten Ausbleibens des Angeklagten keine Zwangsmittel nach Absatz 2 anordnen; in diesem Fall bleibt nur der an strengere Voraussetzungen gebundene Haftbefehl nach §§ 112 ff. 68 Nur beim beschleunigten Verfahren (§§ 417 ff.) erlaubt § 127b, schon bei der Befürchtung des Ausbleibens einen zeitlich beschränkten Haftbefehl zu erlassen (vgl. Rn. 27 und die Erl. zu

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60 BGH NJW 1953 836. 61 RGSt 67 417. 62 BGHSt 33 119; BGH bei Kusch NStZ-RR 1998 259; Meyer-Goßner/Schmitt 11; SK/Deiters 42; zur Revision s. Rn. 48. 63 BGHSt 30 74 = JR 1982 33 m. Anm. Maiwald; BGH bei Pfeiffer NStZ 1981 93, 95; BGH StV 1991 97. 64 BGH bei Miebach/Kusch NStZ 1991 228. 65 Welp JR 1991 265; Gollwitzer FS Hanack 145 f. 66 BVerfGE 32 87, 93; BVerfG NJW 2007 2318, 2319. 67 OLG Frankfurt NStZ-RR 1999 18, 19; KG NJW 2007 2345; Jäger 42; Eb. Schmidt Nachtr. I 12. 68 SK/Deiters 14; s demgegenüber LR/Stuckenberg § 203, 14, der nach der Eröffnung des Hauptverfahrens als dringenden Tatverdacht i.S.d. § 112 Abs. 1 Satz 1 den hinreichenden Tatverdacht i.S.d § 203 genügen lassen will.

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§ 127b). Liegen die Voraussetzungen des § 230 Abs. 2 vor (Rn. 15 ff.), so muss das Gericht nach dessen Wortlaut die Zwangsmittel anordnen. 2. Gesetzliche Voraussetzungen a) Ordnungsgemäße Ladung. Die Zwangsmaßnahmen des Absatzes 2 dürfen nur angeordnet werden, wenn der Angeklagte zu dem Termin, in dem er ausgeblieben ist, ordnungsgemäß geladen wurde.69 Die Ladung des auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten zum ersten Hauptverhandlungstermin muss nach § 216 Abs. 1 Satz 1 schriftlich unter der – gegebenenfalls in eine dem Angeklagten verständliche Sprache zu übersetzenden70 – Warnung geschehen sein, dass im Fall seines unentschuldigten Ausbleibens seine Verhaftung oder Vorführung angeordnet werde.71 Ist die Terminsladung dem in Haft befindlichen Angeklagten gemäß § 216 Abs. 2 Satz 1 ohne diese Warnung bekannt gemacht, der Angeklagte aber vor dem Hauptverhandlungstermin aus der Haft entlassen worden, so darf seine Vorführung oder Verhaftung nur angeordnet werden, wenn die unterlassene Warnung nachgeholt worden ist.72 Bei einer wiederholten Ladung nach ausgesetzter Hauptverhandlung genügt es nicht, wenn die Ladung lediglich auf die entsprechenden Hinweise in der ersten Ladung zu der früheren Hauptverhandlung Bezug nimmt.73 Kann ein ordnungsgemäß ergangener Vorführungsbefehl, ohne dass dies staatlichen Stellen anzulasten ist (s. Rn. 25), nicht vollzogen werden, so darf unmittelbar Haftbefehl erlassen werden; einer erneuten Ladung bedarf es nicht.74 Ein besonderer Hinweis in der Ladung, dass die Zwangsmittel auch bei Erscheinen in einem Zustand schuldhaft herbeigeführter Verhandlungsunfähigkeit angeordnet werden können, ist nicht erforderlich.75 16 Ist nur die Ladungsfrist des § 217 Abs. 1 nicht gewahrt, so berührt dies an sich die Pflicht des Angeklagten zum Erscheinen nicht; Maßnahmen nach Absatz 2 sind deshalb nicht ausgeschlossen.76 Jedoch kann der erschienene Angeklagte sofort Aussetzung der 15

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69 BVerfG NJW 2007 2318, 2319; BGH NStZ 1984 41; OLG Celle NdsRpfl. 1963 238; OLG Hamburg StraFo 2012 60, 61; OLG Karlsruhe MDR 1980 868; NJW 1981 934; StV 2007 571 (unwirksame Zustellungsvollmacht); OLG Köln NStZ-RR 2006 22; StraFo 2008 29; OLG Naumburg StV 2014 205 Ls. (unwirksame Zustellungsvollmacht); LG Görlitz StraFo 2004 422 (Ladung an falschen Verhandlungsort); KK/Gmel 10; zu den Einzelheiten vgl. bei §§ 216, 217. 70 OLG Bremen NStZ 2005 527 (es genügt nicht, dass der Verteidiger des Deutschen mächtig ist); OLG Dresden StV 2009 348; OLG Saarbrücken NStZ-RR 2010 49, 50; a.A. BayObLG NStZ 1996 248 f. (zu § 329); AnwK-StPO/Kirchhof 5. 71 OLG Dresden StV 2009 348; unzulässig ist die Warnung, wenn die Ladung im Ausland zuzustellen ist: OLG Brandenburg StV 2009 348 Ls.; OLG Frankfurt NStZ-RR 1999 18; OLG Köln NStZ-RR 2006 22; LG Münster NStZ-RR 2005 382; Grau NStZ 2007 12; dies gilt auch dann, wenn der dauerhaft im Ausland lebende Angeklagte gemäß § 145a Abs. 2 Satz 1 über seinen Verteidiger geladen wird: LG Saarbrücken StV 2011 90 f.; nach OLG Brandenburg NStZ 2015 235, OLG Karlsruhe StV 2015 346 m. krit. Anm. Rinklin, KG NStZ 2011 653, 654, OLG Rostock NStZ 2010 412, 413 = StRR 2008 310 Ls. und Kurzwiedergabe m. Anm. Stephan, OLG Saarbrücken NStZ-RR 2010 49, 50, LG Saarbrücken StV 2011 90, MüKo/Arnoldi 12 und Ullenboom NJW 2018 2672 ist die Warnung indes zulässig, wenn sie mit der Einschränkung verbunden wird, dass die Verhaftung nur innerhalb der Bundesrepublik in Betracht kommt; ebenso SK/Deiters 16 und § 216, 6a f. unter Hinweis auf Nr. 116 Abs. 1 Satz 2 RiVASt; a.A. jedenfalls für Fälle, in denen der Angeklagte nicht im Hoheitsgebiet eines Staates des Schengen-Abkommens zu laden ist: KG StraFo 2013 425, 426; s. zur Auslandszustellung auch OLG Brandenburg StV 2003 324; OLG Oldenburg StV 2005 432. 72 OLG Köln StV 2014 205. 73 OLG Hamm NStZ-RR 2009 89; OLG Zweibrücken StV 1992 101; KK/Gmel 10. 74 Meyer-Goßner/Schmitt 19; MüKo/Arnoldi 16; a.A. LG Zweibrücken StraFo 2006 289. 75 KK/Gmel 10; a.A. Welp JR 1991 268. 76 Kamp FS Rudolphi 675 f.; KK/Gmel 10; Meyer-Goßner/Schmitt 18; a.A. SK/Deiters 17 und § 217, 11; Ranft § 56, 1398; Roxin/Schünemann § 43, 2.

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Hauptverhandlung verlangen (§ 217 Abs. 2) und muss über dieses Recht auch belehrt werden (§ 228 Abs. 3). Die Anordnung der Vorführung oder der Erlass eines Haftbefehls sind daher in der Regel rechtsmissbräuchlich.77 Sie können nur dann in Betracht kommen, wenn nach den Umständen feststeht, dass der Angeklagte auch bei Einhaltung der Ladungsfrist nicht erschienen wäre und dies auch künftig von ihm nicht zu erwarten ist.78 b) Ausbleiben des Angeklagten. Ausgeblieben ist der Angeklagte, wenn er zum Er- 17 scheinen verpflichtet war79 und bei Beginn der Verhandlung (Präsenzfeststellung nach § 243 Abs. 1 Satz 2) sowie nach Ablauf der gebotenen Wartefrist (Rn. 18) im Sitzungssaal nicht anwesend ist oder seine Anwesenheit nicht zu erkennen gibt.80 Auch der im verhandlungsunfähigen Zustand (insb. Alkohol- oder Drogenrausch) erschienene Angeklagte ist ausgeblieben i.S.v. § 230 Abs. 1.81 Gegen ihn darf – anders als bei einem krankheitsbedingt nur begrenzt Verhandlungsfähigen (vgl. Rn. 7) – nicht verhandelt werden. Zwangsmittel nach Absatz 2 dürfen gegen ihn aber nur angeordnet werden, wenn er seinen Zustand in vorwerfbarer Weise herbeigeführt hat.82 Weigert sich ein außerhalb des Sitzungssaals stehender Angeklagter, diesen zu betreten, so ist er, wenn gutes Zureden fruchtlos bleibt, als ausgeblieben zu behandeln und seine Vorführung durch Gerichtsbeschluss nach § 230 Abs. 2 anzuordnen.83 Der Zweck der Vorschrift – sicherzustellen, dass der Angeklagte sich der Hauptverhandlung stellt – kann nur durch dessen Anwesenheit im Sitzungssaal selbst erreicht werden. Wer dort nicht erscheint, kann weder physisch noch psychisch an der Hauptverhandlung teilnehmen. Er ist nicht anwesend, ganz gleich, ob er sich vor dem Sitzungssaal, vor dem Gerichtsgebäude oder sonst in der Nähe aufhält. Eine abgestufte Anwesenheit gibt es nicht. Deshalb kann der Ansicht nicht gefolgt werden, die ihn bei einem Aufenthalt vor dem Sitzungssaal als erschienen behandeln will, so dass der Vorsitzende ihn durch eine Anordnung entsprechend § 231 Abs. 1 Satz 2 zwangsweise hereinbringen lassen darf,84 auch wenn diese Lösung praktikabler sein mag. Ausgeblieben ist der Angeklagte erst, wenn er nicht alsbald nach der festgesetzten 18 Terminsstunde erscheint.85 Das Gericht hat daher zunächst eine Wartepflicht. Bevor es

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77 OLG Frankfurt NStZ-RR 1999 18 f.; vgl. auch BGHSt 24 143, 151; KMR/Eschelbach 31. 78 Vgl. BayObLGSt 1966 121; Radtke/Hohmann/Britz 17; SK/Deiters 17 weist zutreffend darauf hin, dass der Unterschied darin besteht, dass nach der vorherrschenden Meinung dem Gericht ein Beurteilungsspielraum verbleibt, während der Angeklagte nach der anderen Ansicht ohne Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalls genügend entschuldigt ist. 79 Vgl. OLG Hamburg NJW 1968 1687. 80 Daher liegt kein Ausbleiben vor, wenn der Hauptverhandlungstermin wieder aufgehoben worden war, nachdem der Verteidiger mitgeteilt hatte, der Angeklagte sei erkrankt; dies gilt selbst dann, wenn der Angeklagte die Erkrankung nur vortäuscht: OLG Frankfurt StV 2016 163, 165. 81 Vgl. Rn. 7 m.w.N.; a.A. KMR/Eschelbach 25 ff. unter Berufung auf Welp JR 1991 268, der unter Hinweis auf BVerfGE 29 183 in der Einbeziehung der Verhandlungsunfähigkeit in den Begriff des Ausbleibens eine bei Freiheitsentziehungen verfassungsrechtlich unzulässige Analogie sieht; SK/Deiters 7 ff.; s. dazu aber BVerfGE 51, 324, 344 f.; a.A. ferner OLG Köln MDR 1981 162; einschränkend auch Eisenberg (Beweisrecht) 760 (nur bei intentionaler Verhinderung der Verfahrensfortführung und entsprechender vorheriger Belehrung). 82 OLG Düsseldorf NStZ 1990 295; OLG Köln MDR 1981 162; vgl. auch BGHSt 23 331; Meyer-Goßner/ Schmitt § 231a, 8. 83 Lemke NJW 1980 1495; SSW/Grube 14. 84 Kamp FS Rudolphi 668 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 14, der aber § 230 Abs. 2 jedenfalls subsidiär für anwendbar hält; Radtke/Hohmann/Britz 11; SK/Deiters 5, der den Angeklagten zwar als ausgeblieben ansieht, jedoch analog § 231 Abs. 1 Satz 2 „regelmäßig“ mildere Maßnahmen als Vorführung oder Verhaftung für ausreichend ansieht. 85 Vgl. KG StV 2002 607.

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Maßnahmen nach Absatz 2 ergreift, muss es nach der Präsenzfeststellung eine angemessene Zeit zuwarten, wenn eine Verspätung möglich erscheint. Die gebotene Zeitspanne bemisst sich nach den örtlichen Gegebenheiten (Verkehrsverhältnisse, Parkmöglichkeiten) und den Umständen des Einzelfalls.86 Die umfangreiche, ausdifferenzierte Rechtsprechung ist vor allem bei den §§ 329, 412 dargestellt.87 Dem Ausbleiben bei Beginn der Verhandlung steht gleich, wenn der Angeklagte zu 19 einem Fortsetzungstermin ausbleibt, sofern dieser in seiner Gegenwart verkündet oder ihm sonst bekannt gemacht worden war.88 Entfernt er sich eigenmächtig aus der Hauptverhandlung und sind Maßnahmen nach § 231 Abs. 1 nicht mehr möglich, so kann das Gericht zur Fortsetzung der Hauptverhandlung Maßnahmen nach Absatz 2 anordnen.89 c) Keine genügende Entschuldigung. Sie fehlt nicht schon, wenn der Angeklagte es versäumt hat, für sein Ausbleiben einen ausreichenden Entschuldigungsgrund geltend zu machen. Es kommt nicht darauf an, ob er sich entschuldigt hat, sondern ob sein Ausbleiben nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, zu denen auch die Bedeutung der zu verhandelnden Strafsache zählt, entschuldigt ist.90 Um dies zu prüfen, muss das Gericht alle erkennbaren Umstände in Erwägung ziehen und – sofern konkrete Anhaltspunkte für einen Entschuldigungsgrund dazu Anlass geben – diese durch eigene Ermittlungen (Erkundigung auch beim Angeklagten) aufzuklären versuchen. Zwangsmaßnahmen nach § 230 Abs. 2 scheiden auch aus, wenn ein Entschuldigungsgrund durch einen Zeugen oder einen unbeteiligten Dritten, der dazu keiner Vollmacht des Angeklagten bedarf, dargetan wird oder sonst zur Kenntnis des Gerichts kommt. Zur Entschuldigung des Angeklagten dient jeder Umstand, der ihn – wie beispielsweise Krankheit oder Gefangenschaft – am Erscheinen vor Gericht gegen seinen Willen hindert91 oder der bei Abwägen aller Gesichtspunkte ergibt, dass dem Angeklagten aus seinem Fernbleiben billigerweise kein Vorwurf gemacht werden kann.92 Liegt danach eine an sich hinreichende Entschuldigung vor, so entfällt sie auch nicht deswegen, weil das Gericht in einem früheren Termin nach § 230 Abs. 2 vorgehen musste.93 Zu den in Betracht kommenden Entschuldigungsgründen und den sonstigen Einzelheiten wird auf die Erläuterungen zu §§ 329, 412 und die dort wiedergegebene Rechtsprechung verwiesen. Glaubhaft zu machen braucht der Angeklagte den Entschuldigungsgrund nicht; 21 denn das Gericht muss auch Tatsachen berücksichtigen, von denen es ohne Zutun des Angeklagten erfährt. Jedoch steht dem Angeklagten die Möglichkeit der Glaubhaftmachung offen. Sie ist ihm sogar zu empfehlen, weil das Gericht von Amts wegen im Frei-

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86 SK/Deiters 11; vgl. OLG Hamm NStZ-RR 2007 184 (verlängerte Wartefrist bei Ankündigung des Erscheinens durch den Angeklagten). 87 Vgl. auch § 228, 30 (Wartepflicht auf Verteidiger) und bei § 51 (Zeuge). 88 Zur Streitfrage, ob der Angeklagte schriftlich geladen werden muss, wenn der Fortsetzungstermin nicht in seiner Gegenwart verkündet wurde, vgl. § 228, 18 und die Erl. zu § 216. 89 Meyer-Goßner/Schmitt 15; SSW/Grube 14; a.A. SK/Deiters 24 (weil der Angeklagte nicht „ausgeblieben“ sei). 90 BGHSt 17 391, 396; BGH StV 1982 153; OLG Köln StraFo 2008 29; OLG Schleswig SchlHA 2007 490; OLG Stuttgart NStZ-RR 2006 313; wegen weiterer Nachweise vgl. vor allem die Erl. zu §§ 329, 412. 91 RGSt 22 247, 248 f.; 31 398, 399; 42 244, 246; vgl. ferner OLG Stuttgart Justiz 1978 116; OLG Köln StraFo 2008 248 und die Erl. zu §§ 329, 412. 92 Kamp FS Rudolphi 671; KK/Gmel 11; Meyer-Goßner/Schmitt 16; vgl. BVerfG NJW 2007 2318, 2319; OLG Brandenburg NJW 1998 842; OLG Köln StraFo 2008 29; OLG München StraFo 2013 208 (Vertrauen des Angeklagten auf ärztliches Attest, das ihm Reiseunfähigkeit bescheinigt); LG Kiel StraFo 2005 417; LG München StraFo 2011 95 (Pilgerreise nach Mekka). 93 BGH NStZ 1986 422 f.; SK/Deiters 20.

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beweisverfahren94 zu prüfen hat, ob der ihm bekannt gewordene Grund auch wirklich zutrifft. Ein Vorbringen des Angeklagten darf nicht unsubstantiiert als unwahr abgetan werden.95 Ob aus der Verhinderung einer amtsärztlichen Untersuchung durch den Angeklagten geschlossen werden kann, dass das privatärztliche Attest zur genügenden Entschuldigung nicht ausreicht, ist eine Tatfrage, die generalisierender Betrachtung nicht zugänglich ist.96 Verbleiben Zweifel daran, ob das Ausbleiben entschuldigt ist, so dürfen die Zwangsmittel nicht angeordnet werden.97 3. Grundrechtskonforme Auslegung. Die Verpflichtung des Gerichts, beim unent- 22 schuldigten Ausbleiben des Angeklagten zu versuchen, seine künftige Teilnahme durch Zwangsmittel sicherzustellen, wird durch die jede Anwendung staatlichen Zwangs eingrenzenden rechtsstaatlichen Erfordernisse der Geeignetheit, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Zwangsmaßnahme begrenzt.98 Dies hat der Gesetzgeber durch die Einfügung des letzten Halbsatzes in Absatz 2 bekräftigt, ohne damit eine inhaltliche Änderung der Norm zu bezwecken.99 In das hohe Rechtsgut der persönlichen Freiheit darf der Staat nur dann und nur insoweit eingreifen, als dies unerlässlich ist, um die künftige Teilnahme des Angeklagten mit Sicherheit zu erreichen.100 Ist nach den bekannt gewordenen Umständen zu erwarten, dass der Angeklagte zum neuen Hauptverhandlungstermin von selbst erscheinen wird, etwa, weil der für sein Ausbleiben angeführte Grund sich nur auf den gegenwärtigen Termin bezog (etwa bei ungenügender Entschuldigung mit geschäftlicher Verhinderung oder Urlaubsreise u.a.), so ist es meist nicht erforderlich, und damit auch nicht zulässig, präventiv die Teilnahme an dem künftigen Termin durch Zwangsmittel sicherzustellen.101 Gleiches gilt, wenn das Erscheinen des Angeklagten mit der erforderlichen Sicherheit durch ein milderes Mittel (etwa glaubhaftes Versprechen des Verteidigers, ihn mitzubringen) erreichbar ist,102 ferner, wenn die Hauptverhandlung ohne den Angeklagten durchgeführt werden kann (Rn. 23). Für Zwangsmittel ist auch kein Raum, wenn der angestrebte Zweck, die alsbaldige Durchführung der Hauptverhandlung, auch bei ihrer Anordnung ersichtlich nicht erreichbar ist. So liegt es, wenn mit einer Wiederherstellung der Verhandlungsfähigkeit in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist,103 wenn der Hauptverhandlung andere Gründe langfristig entgegenstehen oder wenn offensichtlich ist, dass der Angeklagte auch durch Anordnung der Zwangsmittel nicht vor Gericht gebracht werden kann, etwa, weil er mit unbekanntem Aufenthalt ins Ausland verzogen ist oder sein Aufenthaltsort im Ausland zwar bekannt ist, die Zwangs-

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94 H.M., vgl. etwa KK/Gmel 11; Eb. Schmidt 19; SK/Deiters 19. 95 OLG Düsseldorf StV 1987 9, 10; LG Essen StraFo 2005 466; LG Gera NStZ-RR 1996 239, 240; SK/Deiters 19. 96 Vgl. etwa OLG Düsseldorf JMBlNW 1983 41; OLG Hamm NJW 1965 1090 m. abl. Anm. Lechleitner; OLG Karlsruhe MDR 1994 87 Ls.; OLG Köln NJW 1982 2617; Burgard DRiZ 1980 388; Eb. Schmidt Nachtr. I 8; ferner die bei §§ 329, 412 nachgewiesene Rechtsprechung. 97 OLG Schleswig SchlHA 2007 490, 491; MüKo/Arnoldi 14; a.A. OLG Düsseldorf NStZ 1990 295; Lechleitner NJW 1965 1091; SSW/Grube 15. 98 BVerfGE 32 87, 93; BVerfG NJW 2007 2318, 2319; NStZ 2001 209, 210; OLG Hamburg MDR 1987 78; StraFo 2012 60, 61; Becker SchlHA 1977 164; Grabitz AöR 98 (1973) 614; Rupp NStZ 1990 577; Welp JR 1991 269; SK/Deiters 21. 99 BTDrucks. 18 3562 S. 66. 100 SK/Deiters 21. 101 BVerfGE 32 87, 94; BVerfG NJW 2007 2318, 2319; NStZ 2001 209, 210; OLG Düsseldorf StV 2001 331 f. Ls. 102 OLG Frankfurt StV 2005 432; Gollwitzer FS Hanack 151. 103 Zu den Fällen einer kurzfristigen Verhandlungsunfähigkeit vgl. Rn. 17.

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mittel nach Absatz 2 dort aber nicht vollstreckt werden können.104 Dann kommt nur der allerdings an schärfere Voraussetzungen gebundene Erlass eines Haftbefehls nach §§ 112 ff. in Betracht. Die rechtliche Möglichkeit, das Verfahren ohne den Angeklagten zu erledigen, 23 schließt es nicht grundsätzlich aus, die Anwesenheit des Angeklagten nach Absatz 2 zu erzwingen.105 Jedoch erfordert hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine an den Umständen des Einzelfalls orientierte Abwägung des Interesses an der Anwesenheit des Angeklagten im Termin (Sachaufklärung!) mit dem Gewicht des in der Zwangsmaßnahme liegenden Eingriffs.106 Daher darf gegen den Angeklagten, dessen persönliches Erscheinen zu der nach Einspruch gegen den Strafbefehl anberaumten Hauptverhandlung angeordnet wurde (§ 236), Vorführungs- oder Haftbefehl nur ergehen, wenn mit dem nach § 411 Abs. 2 Satz 1 bevollmächtigten Verteidiger eine ordnungsgemäße Sachverhandlung nicht möglich ist.107 Ist der Einspruch oder die Berufung des Angeklagten bei Nichterscheinen sofort zu verwerfen (§ 412 Satz 1, § 329 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 2), so darf kein Zwangsmittel nach Absatz 2 angeordnet werden.108 Ist mit einem Freispruch des ausgebliebenen Angeklagten zu rechnen, so schließt 24 es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht schlechthin aus, das Erscheinen des Angeklagten zu erzwingen.109 Der Zweck des § 230 Abs. 2, die Weiterführung und den Abschluss des Strafverfahrens – und nicht etwa die Bestrafung – zu sichern, kann selbst in einem solchen Fall eine Vorführung rechtfertigen.110 Jedoch sind hier an die Notwendigkeit eines Eingriffs in die Freiheit der Person besonders strenge Anforderungen zu stellen. Das Gericht muss vor allem prüfen, ob es die Hauptverhandlung nicht ohne den Angeklagten durchführen kann (§§ 232, 233).111 Ist dagegen ein Verfahrenshindernis – etwa Verfolgungsverjährung – eingetreten, so dass das Verfahren im Beschlusswege (§ 206a Abs. 1) eingestellt werden kann, dann darf nicht die Anwesenheit des Angeklagten in einer Hauptverhandlung erzwungen werden, die mit einem Urteil nach § 260 Abs. 3 abgeschlossen werden müsste.112 25

4. Auswahl des Zwangsmittels. Der Grundsatz, dass das mildeste Mittel anzuwenden ist, gilt auch für die Auswahl der in Absatz 2 nebeneinander angedrohten Zwangsmittel. Dem an erster Stelle genannten Vorführungsbefehl gebührt als dem weniger einschneidenden Eingriff in die persönliche Freiheit stets der Vorrang vor dem Haftbefehl.113 Letzterer darf nur angeordnet werden, wenn nach Würdigung aller Um-

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104 OLG Frankfurt NJW-RR 1999 18, 19; OLG Köln NStZ-RR 2006 22; s. aber auch Rn. 15. 105 RGSt 69 18, 20; SK/Deiters 21 hält in diesem Fall zumindest den Erlass eines Haftbefehls für unverhältnismäßig. 106 KG NJW 2007 2345. 107 OLG Düsseldorf NStZ-RR 1998 180; KG NJW 2007 2345; StraFo 2014 512; LG Essen StraFo 2010 28. 108 BVerfGE 32 87, 94; BVerfG NStZ 2001 209, 210; OLG Brandenburg wistra 2012 43; LG Zweibrücken VRS 112 (2007) 40; vgl. bei §§ 329, 412. 109 So aber Franz NJW 1963 2264. 110 Meyer-Goßner/Schmitt 19; Eb. Schmidt Nachtr. I 12; SSW/Grube 16; a.A. KMR/Eschelbach 31. 111 Kamp FS Rudolphi 680; nach LG Kaiserslautern StV 1999 13 soll zur Vermeidung von Maßnahmen nach Absatz 2 in derartigen Fällen ausnahmsweise die Rücknahme der Anklage auch noch nach Eröffnung des Hauptverfahrens zulässig sein. 112 OLG Hamburg StraFo 2012 60, 61. 113 BVerfGE 32 87, 93; BVerfG NJW 2007 2318, 2320; OLG Braunschweig NStZ-RR 2012 385 Ls.; OLG Düsseldorf MDR 1980 512; JMBlNW 1983 41, 42; NStZ 1990 295, 296; StV 2001 332; StraFo 2001 398; OLG Frankfurt NStZ-RR 2007 349, 350; OLG Köln JMBlNW 1959 114; LG Gera NStZ-RR 1996 239, 240; StV 1997 294; LG Kiel StV 2014 213; LG Koblenz StraFo 2010 150; LG Köln MDR 1959 682 Ls.; LG Zweibrücken NJW 1996 737; SK/Deiters 21; s. auch BTDrucks. 18 3562 S. 66.

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stände der Zweck des Absatzes 2, die Durchführung der Hauptverhandlung in Gegenwart des Angeklagten zu ermöglichen, andernfalls nicht oder nicht mit der erforderlichen Sicherheit erreichbar wäre.114 So liegt es etwa, wenn zu befürchten ist, dass der Angeklagte sich einer Vorführung durch Fernbleiben von seiner Wohnung entziehen würde, wenn bei mehrtägiger Hauptverhandlung bereits wiederholt die Vorführung angeordnet werden musste oder wenn die Haft notwendig ist, um zu verhindern, dass der Angeklagte sich vor der neuen Verhandlung wiederum in einen seine Verhandlungsunfähigkeit bewirkenden Rauschzustand versetzt.115 Aber auch in den letztgenannten Fällen ist stets zu prüfen, ob das erstrebte Ziel nicht auch durch einen Vorführungsbefehl erreicht werden kann.116 Ein Haftbefehl darf nicht ergehen, wenn die zunächst angeordnete Vorführung wegen organisatorischer Pannen bei der Polizei nicht vollzogen werden konnte.117 Ein Unterbringungsbefehl nach § 126a kann auf § 230 Abs. 2 nicht gestützt werden. § 230 Abs. 2 lässt auch bei Schuldunfähigen nur Vorführungs- und Haftbefehl zu,118 nicht die an andere und strengere Voraussetzungen geknüpfte einstweilige Unterbringung. Ob bei dem dafür in Frage kommenden Personenkreis ein Vorführungs- oder Haftbefehl erlassen werden kann, bedarf der besonderen Prüfung; dies gilt vor allem auch für die Haftfähigkeit. 5. Überwachung. Auch nach Anordnung eines Zwangsmittels ist von Amts wegen 26 laufend zu prüfen, ob dieses nach dem aktuellen Kenntnisstand des Gerichts weiterhin zur Sicherung der künftigen Hauptverhandlung notwendig und verhältnismäßig ist oder ob wegen möglicherweise geänderter Umstände mildere Mittel ausreichen. So kann es geboten sein, nachträglich einen Haftbefehl in einen Vorführungsbefehl umzuwandeln119 oder ihn aufzuheben, weil er nicht mehr notwendig ist, um die Durchführung der Hauptverhandlung zu sichern, etwa weil damit zu rechnen ist, dass der Angeklagte von selbst zum neuen Termin erscheinen wird. Dies kann der Fall sein, wenn der Angeklagte nach anwaltlicher Beratung bei Gericht erscheint und erklärt, er werde zum nächsten Hauptverhandlungstermin kommen.120 6. Sonderregelungen. Wird im beschleunigten Verfahren (§§ 417 ff.) der Ange- 27 klagte nicht ohnehin auf Grund anderer Vorschriften vorgeführt (vgl. § 418 Abs. 2 Satz 1; § 127b), so kann bei seinem unentschuldigten Ausbleiben die Vorführung nach § 230 Abs. 2 angeordnet und – wohl nur unter besonderen Umständen – sogar ein Haftbefehl erlassen werden, sofern dann noch am beschleunigten Verfahren festgehalten wird. § 127b steht dem schon wegen seines begrenzten Anwendungsbereichs (nur bei Festnahme auf frischer Tat) nicht entgegen. Seine Höchstfrist für die Haft kann allenfalls als Anhaltspunkt für die Verhältnismäßigkeit der Haftdauer im Bereich der kleineren Kriminalität dienen. Im Privatklageverfahren ist nach § 387 Abs. 3 nur die Vorführung, nicht aber ein Haftbefehl zulässig. Gegen Einziehungsbeteiligte (§ 424), Nebenbetroffene (§ 438) und die Organe einer juristischen Person oder einer Personenvereinigung

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114 OLG Düsseldorf MDR 1980 512; NStZ 1990 295; OLG Köln JMBlNW 1959 114, 115; vgl. OLG Celle StraFo 2009 151 (Strafhaft in anderer Sache). 115 OLG Düsseldorf JR 1991 294; krit. Roxin/Schünemann § 31, 26; Welp JR 1991 270. 116 OLG Düsseldorf NStZ-RR 2001 382. 117 LG Gera StV 1997 294. 118 OLG Hamburg StraFo 2012 266 f.; OLG Hamm NJW 1958 2125; KG NStZ-RR 1997 75; AK/Keller 30; Meyer-Goßner/Schmitt 21; Eb. Schmidt Nachtr. I 7; SK/Deiters 13. 119 OLG Köln JMBlNW 1959 114. 120 OLG Düsseldorf StV 2001 331.

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(§ 444) darf kein Haftbefehl erlassen werden und auch ein Vorführungsbefehl nur dann, wenn das Gericht das persönliche Erscheinen angeordnet hatte (§ 427 Abs. 2; § 438 Abs. 3, 444 Abs. 2 Satz. 2).121 Im Jugendstrafverfahren ist § 230 Abs. 2 anwendbar (§ 2 JGG), für die mündlichen Verhandlung im vereinfachten Jugendverfahren ist jedoch nur die Vorführung zulässig (§ 78 Abs. 3 Satz 3 JGG). 7. Die einzelnen Zwangsmittel a) Vorführungsbefehl. Der Vorführungsbefehl ist – ohne vorherige Anhörung des Angeklagten (§ 33 Abs. 4 Satz 1) – schriftlich auszufertigen. Für seinen Inhalt gilt § 134 Abs. 2 entsprechend.122 Neben der genauen Bezeichnung der Person des Angeklagten muss die Straftat (= gesetzliche Bezeichnung der Tat)123 angeführt werden, die Gegenstand der Hauptverhandlung ist. Ferner ist der Vorführungsgrund des unentschuldigten Ausbleibens trotz ordnungsgemäßer Ladung zum Hauptverhandlungstermin zu bezeichnen, eventuell verbunden mit der Darlegung, warum vorgetragene oder sonst ersichtliche Gründe als Entschuldigung nicht ausreichen. Wird die Vorführung nicht sofort zum selben Termin angeordnet, so ist der neue Termin, zu dem der Angeklagte vorgeführt werden soll, nach Ort und Zeit anzugeben. Gegebenenfalls ist auch der Zeitpunkt festzulegen, ab dem der Vorführungsbefehl vollstreckt werden darf.124 Bekanntzugeben ist der Vorführungsbefehl dem Angeklagten nach § 35 Abs. 2 Satz 2. Dies wird in aller Regel erst durch den Vollzugsbeamten unmittelbar vor Beginn der Vollstreckung der Vorführung geschehen, um deren Zweck nicht zu gefährden.125 Neben dem Vorführungsbefehl bedarf es keiner besonderen neuen Ladung,126 da Ort und Zeit der neuen Verhandlung aus diesem zu entnehmen sind. Wird der Angeklagte zum neuen Termin trotzdem noch gesondert geladen, hängt die angeordnete Vorführung nicht von einer nochmaligen Warnung nach § 216 ab.127 Diese kann aber als Voraussetzung für einen späteren neuen Vorführungsbefehl bedeutsam sein, wenn die Vorführung scheitert und der Angeklagte auch beim neuen Termin ausgeblieben ist.128 Vollstreckt wird der Vorführungsbefehl von der Staatsanwaltschaft (§ 36 Abs. 2 29 Satz 1) mit Hilfe der Polizei (§ 152 GVG). Der Vorsitzende kann aber auch selbst die Vollstreckung bei der Polizei veranlassen (vgl. bei § 36). Dies ist auch fernmündlich, per Fax oder E-Mail möglich, um die Vorführung noch zum gleichen Termin zu erreichen. Der Vorführungsbefehl ist Grundlage für die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegenüber dem Angeklagten sowie für sonstige Zwangseingriffe, die zum Ergreifen notwendig sind, wie etwa Betreten der Wohnung des Angeklagten.129 Wegen der Einzelheiten vgl. bei § 134.

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121 Vgl. die dortigen Erl. 122 KMR/Eschelbach 44; Meyer-Goßner/Schmitt 20; Lemke NJW 1980 1496 lehnt die analoge Anwendung des § 134 Abs. 2 ab, fordert aber ebenfalls eine vergleichbare Begründung. 123 Vgl. bei § 134. 124 Zum Inhalt des Vorführungsbefehls s. auch OLG Frankfurt StV 1995 237; Gollwitzer StV 1996 255. 125 KMR/Eschelbach 39; Meyer-Goßner/Schmitt 20; SK/Deiters 27; a.A. Eb. Schmidt 14, sofern der Vorführungsbefehl nicht unmittelbar nach seinem Erlass vollzogen wird. Wegen weiterer Einzelheiten vgl. die Erl. zu § 134. 126 RG JW 1898 322; KMR/Eschelbach 39; Meyer-Goßner/Schmitt 20; Eb. Schmidt 14. 127 Vgl. Rasehorn DRiZ 1956 269. 128 Vgl. Rn. 15; Rupp NStZ 1990 577. 129 BGH NStZ 1981 22, 23 (Aufbrechen der Wohnungstür); Kaiser NJW 1964 759 (Betreten der Wohnung eines Dritten); ders. NJW 1965 1217 (Anlegen von Fesseln); KMR/Eschelbach 39; SK/Rogall § 134, 14; vgl. bei § 134.

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Der Zeitpunkt der Vollstreckung ist so zu wählen, dass der Angeklagte pünktlich 30 zum neuen Verhandlungstermin vorgeführt werden kann. Er darf, da es sich um einen einschneidenden Eingriff in seine Freiheitsrechte handelt, zur Vorführung aber auch nicht früher in Gewahrsam genommen werden, als es zur Erreichung dieses Zwecks notwendig ist.130 Der nach den Verkehrsverhältnissen letztmögliche Zeitpunkt braucht jedoch dann nicht gewählt zu werden, wenn triftige Gründe die Festnahme zu einem früheren Zeitpunkt erfordern, etwa wenn bestimmte Tatsachen dafür sprechen, dass der Angeklagte sich der Vorführung unmittelbar vor der Verhandlung entziehen würde. Sofern keine diesbezügliche Anordnung vorliegt, haben die mit dem Vollzug beauftragten Polizeibeamten den Zeitpunkt der Festnahme zum Zwecke der Vorführung nach pflichtgemäßem Ermessen selbst auszuwählen. Deshalb kann bei der Anordnung der Hinweis angebracht sein, dass eine verfrühte Vollstreckung unzulässig ist. Sinnvoll und in der Regel zulässig ist die Vollstreckung am frühen Morgen des Verhandlungstages.131 § 135 Satz 2 ist entsprechend anwendbar.132 Wollte man § 230 Abs. 2 auch insoweit als ausschließliche Sonderregelung gegenüber § 135 verstehen,133 so würde sich nichts daran ändern, dass dem Eingriff in die persönliche Freiheit, die jede Vorführung bedeutet, schon vom Begriff her und von Verfassungs wegen enge zeitliche Grenzen gesetzt sind. Auch dann wäre § 135 Satz 2 ebenso wie die vergleichbaren Zeitgrenzen der polizeirechtlichen Vorführung ein Anhaltspunkt für die höchstzulässige Dauer dieses Eingriffs, der nicht zur Haft ohne deren Verfahrensgarantien ausarten darf. Eine Vorführung, die im Wege einer mehrere Tage erfordernden Verschubung an den Gerichtsort durchgeführt wird, wäre eine bei den heutigen Verkehrsverhältnissen nicht nötige, vom Vorführungszweck her nicht gedeckte und damit unzulässige Freiheitsentziehung. Erscheint es technisch nicht möglich, den Angeklagten zügig und in angemessener Zeit zur Hauptverhandlung vorzuführen, muss ein Haftbefehl erlassen werden. Mit der Vorführung zur Hauptverhandlung und deren Beginn ist der Vorführungsbe- 31 fehl vollstreckt und verliert jede Wirkung.134 Die Befugnis, den Angeklagten festzuhalten, bestimmt sich von diesem Zeitpunkt an nach § 231 Abs. 1.135 Entfernt sich der Angeklagte eigenmächtig, so muss ein neuer Vorführungsbefehl erlassen werden, der alte Vorführungsbefehl ist verbraucht. b) Haftbefehl. Der Haftbefehl setzt wegen seines alleinigen Zwecks, die Durchfüh- 32 rung der Hauptverhandlung zu sichern (vgl. Rn. 14), weder dringenden Tatverdacht noch einen Haftgrund nach §§ 112 ff. voraus.136 Es ist auch nicht notwendig, dass der Angeklagte schuldfähig ist.137 Er muss aber verhandlungsfähig sein. Ein Haftbefehl darf nur ergehen, wenn ein Vorführungsbefehl nicht ausreicht (Rn. 30). Die dafür maßgeblichen Gründe können auch solche sein, die an sich einen Haftbefehl wegen Fluchtgefahr nach

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130 KK/Gmel 12; Meyer-Goßner/Schmitt 20; SK/Deiters 27; LG Berlin MDR 1995 191 sieht in der Anordnung einer unnötig frühen Vollstreckung der Vorführung eine Rechtsbeugung. 131 OLG Düsseldorf NStZ 1990 295. 132 LG Kiel StV 2014 213; KMR/Eschelbach 40; Meyer-Goßner/Schmitt 20; Eb. Schmidt 14; Welp JR 1991 270. 133 Vgl. etwa SK/Rogall § 135, 1, der allerdings auf das Problem des Satzes 2 nicht ausdrücklich eingeht. 134 OLG Düsseldorf JMBINW 1983 41, 42; Gollwitzer FS Hanack 153. 135 Enzian NJW 1957 451; Meyer-Goßner/Schmitt 20; SK/Deiters 29; a.A. Rasehorn DRiZ 1956 270. 136 BVerfGE 32 87, 93; BVerfG NJW 2007 2318, 2319; OLG Düsseldorf JMBlNW 1983 41, 42; OLG Karlsruhe MDR 1980 868; Justiz 1982 438; OLG Oldenburg NJW 1972 1585 m. Anm. Güldenpfennig S. 2008; ferner zum Verhältnis zwischen § 230 Abs. 2 und §§ 112 ff.: KG NStZ-RR 1997 75. 137 OLG Hamburg StraFo 2012 266 f.; OLG Hamm NJW 1958 2125; KG NStZ-RR 1997 75; KK/Gmel 13; Meyer-Goßner/Schmitt 21; Eb. Schmidt Nachtr. I 7. Zur Unanwendbarkeit von § 126a vgl. Rn. 25.

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§ 112 Abs. 2 Nr. 2 rechtfertigen würden. Die Wiederinvollzugsetzung eines außer Vollzug gesetzten Haftbefehls gemäß § 116 Abs. 4 Nr. 2 geht dem Erlass eines Haftbefehls nach Absatz 2 aber vor.138 Der Haftbefehl bedarf der Schriftform (analog § 114 Abs. 1).139 Ergeht er in der 33 Hauptverhandlung, so muss er mit seinem Wortlaut in das Protokoll aufgenommen werden (§ 273 Abs. 1); auch dann ist es aber angezeigt, eine getrennte schriftliche Ausfertigung zu erstellen (vgl. § 114a Satz 1 Halbsatz 1). Inhaltlich muss er die ausdrückliche Anordnung enthalten, dass der mit seinen Personalien genau und verwechslungsfrei zu bezeichnende Angeklagte in Haft zu nehmen ist.140 Darzutun ist ferner das unentschuldigte Ausbleiben bei dem genau zu bezeichnenden Hauptverhandlungstermin, eventuell auch, warum vorgetragene oder sonst ersichtliche Gründe dieses nicht entschuldigen.141 Die dem Angeklagten angelastete Tat ist mit der rechtlichen Bezeichnung und einer Kurzbeschreibung des angeklagten Sachverhalts anzugeben. Da der in der Anklage bejahte Tatverdacht aber – anders als bei § 114 Abs. 2 Nr. 2 – im weiteren Verfahren nicht nachgeprüft wird, sondern Art und Umfang der angeklagten Tat nur ein bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung und den sonstigen Entscheidungen (Sicherheitsleistung nach § 116 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4) zu gewichtender Faktor ist, genügt insoweit eine diese Zwecke berücksichtigende kursorische Beschreibung.142 Je nach Sachlage bedarf es auch der Begründung, warum ein milderes Mittel, insbesondere ein Vorführungsbefehl dem Gericht nicht als ausreichend erschien, oder auch, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. 34 Zur Begrenzung der Freiheitsentziehung kann angeordnet werden, dass der Haftbefehl erst eine bestimmte, relativ kurze Zeit vor Beginn der Hauptverhandlung (meist werden zur Sicherstellung der Anwesenheit ein bis drei Wochen genügen) vollstreckt werden darf.143 Da die Haftdauer an sich zeitlich nur durch den Schluss der Hauptverhandlung begrenzt wird (Rn. 37), besteht andernfalls die Gefahr, dass der Eingriff in die persönliche Freiheit außer Verhältnis zur Bedeutung der Strafsache gerät, weil die Hauptverhandlung nicht in angemessener Zeit nach der Verhaftung durchgeführt wird.144 Auch nach Art. 5 Abs. 3 Satz 2 EMRK, Art. 9 Abs. 3 IPBPR hat jeder, der wegen des Vorwurfs einer strafbaren Handlung in Haft gehalten wird, Anspruch auf Aburteilung innerhalb einer angemessenen Frist.145 Der Haftbefehl kann auch sonst die Haft an Be-

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138 Meyer-Goßner/Schmitt 21. 139 Vgl. OLG Hamburg StraFo 2012 60, 61. 140 Vgl. die Erl. zu § 114. 141 LG Zweibrücken NJW 2009 1828; KMR/Eschelbach 45. 142 Strittig: während zum Teil eine den Anforderungen des analog anzuwendenden § 114 Abs. 2 Nr. 2 voll entsprechende Beschreibung der Tat gefordert wird (etwa OLG Frankfurt StV 1995 237; LG Zweibrücken NJW 2009 1828, 1829; Meyer-Goßner/Schmitt 21; wohl auch SK/Deiters 26a, der dies indes aus einer entsprechenden Anwendung des § 134 Abs. 2 herleiten will), genügt nach KMR/Eschelbach 45 die gesetzliche Bezeichnung der Tat; LG Chemnitz StV 1996 255 m. insoweit abl. Anm. Gollwitzer hält Angaben über die angeklagte Tat für nicht zwingend geboten; so auch SSW/Grube 25. 143 OLG Düsseldorf NStZ 1990 295; OLG Frankfurt StV 2005 432, 433; KK/Gmel 13; KMR/Eschelbach 46; Meyer-Goßner/Schmitt 21; SK/Deiters 22. 144 BVerfG NJW 2007 2318, 2320 (10 Tage unverhältnismäßig); OLG Celle NStZ-RR 2009 157 f. (keine Terminierung; nur Überhaft notiert); OLG Hamburg MDR 1987 78; OLG Köln OLGSt § 230 Nr. 6 (in angemessener Zeit nach Festnahme); OLG Thüringen OLGSt § 230 Nr. 5 (keine Terminierung; nur Überhaft notiert); LG Berlin StV 1994 422 (keine Terminierung; nur Überhaft notiert); LG Dortmund StV 1987 335 (höchstens 7 Wochen); LG Kiel StV 2014 213, 214 (zwei Wochen nach Verhaftung unverhältnismäßig, wenn Haftverschonung ohne nähere Begründung abgelehnt wird); LG Koblenz StraFo 2010 150 (keine Terminierung); LG Saarbrücken StV 2001 344, 345 (Verstoß gegen Beschleunigungsgebot); Gollwitzer FS Hanack 157; Roxin/Schünemann § 44, 43; Welp JR 1991 270; vgl. Rn. 22. 145 Vgl. Gollwitzer StV 1996 257 sowie die Erl. zu Art. 5 EMRK.

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dingungen knüpfen, so etwa, dass er nicht zu vollziehen ist, wenn der Angeklagte seine Verhandlungsunfähigkeit durch amtsärztliches Zeugnis nachweist. Hingewiesen werden kann in geeigneten Fällen auch darauf, dass es möglich ist, den Haftbefehl bei Leistung einer Sicherheit außer Vollzug zu setzen. Bei einem entfernt wohnenden Angeklagten wird es für zulässig erachtet, schon im Haftbefehl vorzusehen, dass dieser außer Vollzug gesetzt werden kann, wenn der Angeklagte den Antrag nach § 233 stellt und dann kommissarisch vernommen ist.146 Die Vorschriften des formellen Haftrechts (§§ 114a ff.) sind nach der Verhaftung 35 entsprechend anzuwenden. Dem Angeklagten ist der Haftbefehl nach § 114a Satz 1 bei der Festnahme grundsätzlich (zu Ausnahmen s. § 114a Satz 2 und 3) durch Aushändigung einer Abschrift bekanntzumachen. Er ist entsprechend § 114b zu belehren, soweit die dortigen Regelungen auf den Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 übertragbar sind. Für die Benachrichtigung von der Verhaftung gilt § 114c. Die Vorführung vor dem zuständigen Richter, das ist hier das erkennende Gericht, das den Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 erlassen hat, richtet sich nach § 115,147 die Vorführung vor dem nächsten Richter nach § 115a. Die Frist des § 121 gilt nach der vorherrschenden Meinung nicht.148 Der Vollzug des Haftbefehls kann gegen Sicherheitsleistung nach § 116 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 116a ausgesetzt werden.149 Dies kann auch der Angeklagte beantragen. Eine geleistete Sicherheit verfällt, wenn der Angeklagte zum Termin nicht erscheint, da dies dem Sichentziehen i.S.v. § 124 Abs. 1 gleichsteht.150 Wegen der Einzelheiten wird auf die Erläuterungen zu den jeweiligen Vorschriften des Haftrechts verwiesen. Vollstreckt wird der Haftbefehl nach § 36 Abs. 2 von der Staatsanwaltschaft, die 36 sich dabei in der Regel der Hilfe der Polizei bedienen wird (vgl. Rn. 29). Die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch die Polizei richtet sich nach dem jeweiligen Polizeirecht. Beim Vollzug der Haft ist § 119 entsprechend anwendbar. Da Zweck der Haft lediglich die Sicherung der Teilnahme an der Hauptverhandlung ist, dürfen dem Angeklagten nach § 119 Abs. 1 nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die die Ordnung der Vollzugsanstalt erfordert. Die notwendigen richterlichen Entscheidungen nach § 119 Abs. 1 Satz 3 obliegen nach § 126 Abs. 2 Satz 3 dem Vorsitzenden des erkennenden Gerichts, das den Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 erlassen hat. Die Geltungsdauer des Haftbefehls endet mit Abschluss der Hauptverhandlung, zu 37 deren Durchführung er erlassen ist. Dann wird er von selbst gegenstandslos.151 Wenn die Haft als Untersuchungshaft darüber hinaus andauern soll, so muss es das Gericht nach §§ 268b, 112 ff. ausdrücklich anordnen. Eine bloße Unterbrechung des Verfahrens lässt den Haftbefehl fortbestehen,152 auch wenn sie längere Zeit andauert. Bei lange währenden Großverfahren muss das zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verpflichtete Gericht von sich aus laufend prüfen, ob und wie lange es notwendig ist, den

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146 Krause DRiZ 1971 196. 147 OLG Stuttgart MDR 1990 75. 148 OLG Karlsruhe Justiz 1982 438; KG NStZ-RR 1997 75; OLG Oldenburg NJW 1972 1585 m. Anm. Güldenpfennig S. 2008; OLG Thüringen OLGSt § 230 Nr. 5; Rupp NStZ 1990 577; Meyer-Goßner/Schmitt 23; SK/Deiters 30. 149 OLG Düsseldorf JMBlNW 1983 41, 42; OLG Frankfurt StV 2005 432; KG GA 1972 127, 128. 150 Krause DRiZ 1971 196; KK/Gmel 14; Meyer-Goßner/Schmitt 22; SK/Deiters 28. 151 OLG Düsseldorf JMBlNW 1983 41, 42; OLG Karlsruhe MDR 1980 868; OLG Saarbrücken NJW 1975 791; KK/Gmel 15; Meyer-Goßner/Schmitt 23; Eb. Schmidt 20 hält die ausdrückliche Aufhebung des Haftbefehls für erforderlich, sofern er nicht von vornherein auf die Verhandlungsdauer beschränkt war. Dies mag zur Vermeidung von Irrtümern zweckmäßig sein, ist aber an sich nicht nötig, da diese Beschränkung jedem Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 innewohnt. 152 OLG Düsseldorf JMBlNW 1983 41, 42; Meyer-Goßner/Schmitt 23; SK/Deiters 30; Beining JuS 2016 518; a.A. Rupp NStZ 1990 577, der den Haftbefehl auf die Dauer eines Verhandlungstages beschränken will.

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Haftbefehl zur Sicherung des Verfahrensfortgangs aufrechtzuerhalten, vor allem, ob er nicht gegen Sicherheitsleistung außer Vollzug gesetzt oder aufgehoben werden kann, weil künftig eine freiwillige Teilnahme des Angeklagten zu erwarten ist. Gegebenenfalls ist es auch möglich, das Verfahren in Abwesenheit des Angeklagten zu Ende zu führen.153 Wird das Verfahren ausgesetzt, so muss das Gericht erneut entscheiden, ob und welche Maßnahmen zur Sicherung der erneuten Hauptverhandlung zu treffen sind; gegebenenfalls muss es Haftbefehl nach § 112 erlassen. Gleiches gilt im Falle der vorläufigen Einstellung des Verfahrens nach § 205.154 8. Anordnung durch das Gericht 38

a) Zuständigkeit. Die nach § 230 Abs. 2 anzuordnenden Entscheidungen hat nicht der Vorsitzende,155 sondern das Gericht durch Beschluss zu treffen.156 Das erkennende Gericht entscheidet in der nach § 243 Abs. 1 begonnenen Hauptverhandlung unter Mitwirkung der Schöffen.157 Sofern die Hauptverhandlung nicht nur unterbrochen und nach Vorführung des Angeklagten fortgesetzt werden kann, hat es durch Beschluss nach § 228 Abs. 1 Satz 1 das Verfahren auszusetzen. Der Beschluss über die Anordnung eines Zwangsmittels kann, muss aber nicht gleichzeitig mit diesem Beschluss ergehen. Er ist mit seinen Gründen nach § 273 Abs. 1 in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen.158 Seine spätere Ausfertigung (nötig für den Vollzug und wegen des analog anzuwendenden § 114a Satz 1) braucht von den Schöffen nicht mit unterschrieben zu werden.159

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b) Zeitpunkt der Anordnung. Sind die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt, so können die dort vorgesehenen Maßnahmen sofort verhängt werden. Wird gegen einen Mitangeklagten verhandelt, so braucht mit ihrer Anordnung nicht bis zur Beendigung der Hauptverhandlung gewartet zu werden. Strittig ist, ob die Zwangsmittel nur in der Hauptverhandlung beschlossen werden können,160 ob es zulässig ist, in dieser durch Beschluss die Anordnung einer späteren Entscheidung des Gerichts außerhalb der Hauptverhandlung (dann in der Beschlussbesetzung ohne Schöffen)161 vorzubehalten, wenn zunächst eine vorgebrachte Entschuldigung überprüft bzw. der glaubhaft angekündigte Nachweis einer Entschuldigung abgewartet werden soll,162 oder ob das Gericht in der Beschlussbesetzung auch ohne einen solchen Vorbehalt die Entscheidung noch

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153 Vgl. dazu Rupp NStZ 1990 578; SK/Deiters 22, 30; Scharf/Kropp NStZ 2000 297 halten den Vollzug eines Haftbefehls nach Absatz 2 im Normalfall beim Amtsgericht für höchstens drei und beim Landgericht für höchstens sechs Monate für gerechtfertigt; s. auch Kropp ZRP 2001 405; Morgenstern JR 2016 240 fordert der lege ferenda eine gesetzliche Befristung auf zwei Wochen. 154 OLG Hamm NStZ-RR 2009 89, 90; a.A. OLG Nürnberg NStZ-RR 2016 285; NJ 2016 351 (Kurzwiedergabe); Ullenboom NJW 2018 2673. 155 So aber Erker (LV zu § 238) 48. 156 Heinrich (LV Vor § 226) 35 f. 157 OLG Bremen MDR 1960 244; OLG Köln StV 2005 433. 158 SK/Deiters 34; vgl. bei § 273. 159 OLG Bremen MDR 1960 244, 245; h.M. 160 So OLG Bremen MDR 1960 244, 245; zuneigend auch LG Gera NStZ-RR 1996 239; Eb. Schmidt Nachtr. I 12. 161 Beining JuS 2016 517 vertritt unter Berufung auf BGH NStZ 2011 356 und OLG Köln NStZ 2009 589 die Auffassung, dass das Gericht stets in der Beschlussbesetzung zu entscheiden habe, verkennt dabei aber, dass sich die genannten Entscheidungen auf Haftbefehle nach § 112 beziehen. 162 OLG Hamm GA 1959 314; OLG Köln StV 2005 433; LG Zweibrücken StV 1995 404; NStZ-RR 1998 112; Meyer-Goßner/Schmitt 24; MüKo/Arnoldi 18; SK/Deiters 25; SSW/Grube 20; Eisenberg (Beweisrecht) 764; zum Streitstand LG Gera NStZ-RR 1996 239.

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außerhalb der Hauptverhandlung treffen darf.163 Der letztgenannten Ansicht ist zuzustimmen. Die Entscheidung ist zwar eine Reaktion des erkennenden Gerichts auf das Ausbleiben des Angeklagten. Abgesehen von den wohl selten gewordenen Fällen, in denen der Angeklagte noch zum selben Hauptverhandlungstermin vorgeführt werden kann, dient sie präventiv der Sicherung der künftigen Hauptverhandlung. Sie ist also im Regelfall keine Entscheidung, die aus der inneren Sachlogik des Verfahrens heraus nur vom erkennenden Gericht in der Hauptverhandlung beschlossen werden kann. Wäre sie das, könnte sie auch nicht durch einen Vorbehalt auf die Beschlussbesetzung delegiert werden. Dass die Anbindung an die nur formal, nicht aber sachlich (vgl. § 230 Abs. 1) begonnene Hauptverhandlung in Absatz 2 keine ausschließliche Zuständigkeit des erkennenden Gerichts begründet, zeigt sich schon darin, dass nach herrschender Meinung auch alle weiteren Sachentscheidungen über Fortbestand oder Änderung der angeordneten Maßnahme dem Gericht in seiner Beschlussbesetzung obliegen. Eine Einengung der Zuständigkeit ist weder sinnvoll noch sachgerecht. Der Kenntnisstand des Gerichts über die Gründe des Ausbleibens ist bei Verhandlungsbeginn mitunter unzulänglich. Es muss zwar nicht ohne hinreichende Anhaltspunkte von sich aus nachforschen, ob ein Entschuldigungsgrund vorliegt. Kommt dies aber nach dem ihm bekannten Sachverhalt in Betracht, etwa, weil die Übersendung eines Nachweises für den Hinderungsgrund angekündigt wurde, muss es diesen vor der Entscheidung abwarten. Auch sonst ist von Amts wegen aufzuklären, ob ein behaupteter Entschuldigungsgrund vorliegt und stichhaltig ist. Denn bei nicht behebbaren Zweifeln am Vorliegen eines unentschuldigten Ausbleibens darf ein in die Freiheit eingreifendes Zwangsmittel nicht angeordnet werden.164 Die Lösung, auch in solchen Fällen über die Zwangsmaßnahmen auf Grund des unsicheren Kenntnisstands der Hauptverhandlung zu entscheiden und diese Entscheidung dann später in der Beschlussbesetzung zu korrigieren und angeordnete Zwangsmaßnahmen wieder aufzuheben oder zu modifizieren, wird zum einen der Bedeutung des an das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gebundenen Eingriffs in die Freiheit des Angeklagten nicht gerecht, zum anderen versagt sie in den Fällen, in denen die Anordnung eines Zwangsmittels unterbleibt und erst die späteren Ermittlungen ergeben, dass ein Entschuldigungsgrund in Wirklichkeit nur vorgetäuscht war. Dieser Leerlauf lässt sich vermeiden, wenn man das Gericht, das auch sonst außerhalb der Hauptverhandlung Anordnungen treffen darf, die eine kommende Hauptverhandlung vorbereiten (vgl. § 236), für befugt hält, auch die Maßnahmen nach § 230 Abs. 2 nach Aufklärung des Sachverhalts in der Beschlussbesetzung anzuordnen. Sich diese Möglichkeit durch einen entsprechenden Beschluss in der Hauptverhandlung ausdrücklich vorzubehalten, ist zwar nach der hier vertretenen Auffassung nicht nötig, im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung kann dadurch aber überflüssigen Kontroversen vorgebeugt werden. Wäre dagegen der Gegenmeinung zu folgen, dass die Zwangsmaßnahmen nur von 40 dem erkennenden Gericht in der für die betreffende Sitzung maßgebenden Besetzung angeordnet werden dürfen, hätte dies zur Folge, dass nach deren Beendigung gegen den Angeklagten keine solche Anordnung mehr möglich wäre und dessen Anwesenheit im nächsten Hauptverhandlungstermin nur noch über den an strengere Voraussetzungen

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163 OLG Schleswig bei Döllel/Güntge SchlHA 2013 316; LG Berlin MDR 1995 191, 192; Gollwitzer FS Hanack 172; Rasehorn DRiZ 1956 270; Welp JR 1991 271 f.; HK/Julius 7; KK/Gmel 17 (unter Bezugnahme auf BGH NStZ 2011 356 zu § 126 Abs. 2 Satz 1; bei der Prüfung, ob ein Haftbefehl zu erlassen ist, besteht jedoch gegenüber § 230 Abs. 2 die Besonderheit, dass eine Beurteilung des Tatverdachts vorausgesetzt wird, die den Rückgriff auf den den Schöffen nicht zugänglichen Akteninhalt erforderlich machen kann); KMR/Eschelbach 38. 164 Vgl. Rn 20 f.

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gebundenen Haftbefehl nach §§ 112 ff. erzwungen werden könnte. Ob es möglich wäre, die Vorführung dann nach § 134 anzuordnen, erscheint zweifelhaft. Näher liegt, dass § 230 Abs. 2 die gesetzlichen Eingriffsvoraussetzungen hierfür abschließend festlegt. 41

c) Aufhebung der Maßnahme. Die Anordnung ist von Amts wegen aufzuheben, wenn sich nachträglich ergibt, dass das Ausbleiben des Angeklagten genügend entschuldigt war. Die Aufhebung kann das erkennende Gericht auch außerhalb der Hauptverhandlung beschließen.165

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9. Nachträgliches Erscheinen des Angeklagten. Die Anordnung von Zwangsmitteln nach Absatz 2 und die Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung hindern das Gericht nicht, im Falle nachträglichen Erscheinens doch noch den vorgesehenen Verhandlungstermin durchzuführen, wenn es dies bei Berücksichtigung der Sachlage und seiner sonstigen Geschäftsbelastung für angezeigt hält. Der Beschluss, der die Unterbrechung oder Aussetzung anordnet, ist dann zweckmäßigerweise zur Klarstellung förmlich aufzuheben, desgleichen die angeordneten Zwangsmittel, auch wenn dies nicht unbedingt erforderlich ist, da sie mit Wegfall des Termins, dessen Durchführung sie gewährleisten sollten, von selbst gegenstandslos werden. Hat das Gericht nach Trennung der Verfahren bereits gegen andere Angeklagte in der gleichen Sache verhandelt, so ist – anders als nach § 232 (s. dort Rn. 27) – nach einer Wiederverbindung die ganze Hauptverhandlung, soweit sie den zunächst ausgebliebenen Angeklagten betrifft, zu wiederholen.166

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10. Anrechnung auf Strafe. Die auf Grund eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 erlittene Haft ist eine auf die Strafe nach § 51 StGB anzurechnende Freiheitsentziehung.167 Beim Vorführungsbefehl wird dies teilweise verneint.168 Richtigerweise ist eine Anrechnung jedoch jedenfalls dann vorzunehmen, wenn die Freiheitsentziehung aufgrund des Vorführungsbefehls die Frist des § 115 Abs. 2 bzw. § 128 Abs. 1 überschritten hat.169 Dafür spricht auch das Mindestmaß an Freiheitsentzug von einem Tag, das gemäß § 51 Abs. 4 Satz 1 StGB für die Anrechnung auf eine Geldstrafe erforderlich ist.170 III. Rechtsbehelfe

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1. Beschwerde. Der Beschluss, der eine Zwangsmaßnahme nach Absatz 2 anordnet, ist mit der Beschwerde (§ 304) anfechtbar (§ 305 Satz 2).171 Dies gilt auch dann, wenn der Haftbefehl zur Zeit der Beschwerdeeinlegung nicht vollzogen wird.172 Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt auch nicht dadurch, dass sich die Maßnahme nach Absatz 2 vor der Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht erledigt hat, etwa weil die Vorführung voll-

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165 Meyer-Goßner/Schmitt 16 sowie SK/Deiters 23 wenden insoweit § 51 Abs. 2 Satz 3 entsprechend an. Die Befugnis zum actus contrarius folgt nach der hier vertretenen Auffassung jedoch schon aus § 230 Abs. 2. 166 BGHSt 30 74; vgl. Rn. 13. 167 Vgl. AG Nienburg NdsRpfl. 1962 263 (zur früheren Rechtslage); Löffler MDR 1978 727; KK/Gmel 16; Meyer-Goßner/Schmitt 23; SK/Deiters 31. 168 KK/Gmel 16; Meyer-Goßner/Schmitt 23; Radtke/Hohmann/Britz 27. 169 SK/Deiters 31; SSW/Grube 30; Pohlmann/Jabel/Wolf § 39, 74; unter Verweis auf die Anrechnung einer Vorführung nach § 81a im Ergebnis auch KMR/Eschelbach 48. 170 Vgl. BGHSt 27 287 m.w.N. 171 Dazu SK/Deiters 35. 172 OLG Celle NStZ-RR 2009 157 f.; KG NJW 2007 2345; OLG Zweibrücken StV 1992 101.

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zogen oder der Haftbefehl aufgehoben wurde. Die Rechtsprechung des BVerfG zum nachträglichen Rechtsschutz gegen Maßnahmen, die erheblich in Grundrechte des Betroffenen eingreifen, ist auch hier zu beachten.173 Hierbei ist auch nicht darauf abzustellen, ob bei früherer Rechtsmitteleinlegung eine Entscheidung des Beschwerdegerichts vor Erledigung der Maßnahme möglich gewesen wäre.174 Das Beschwerdegericht hat in vollem Umfang auch in tatsächlicher Hinsicht in der 45 Sache selbst zu entscheiden.175 Es prüft nicht nur nach, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung vorlagen, sondern auch, ob diese im Zeitpunkt seiner eigenen Entscheidung noch verhältnismäßig und zur Sicherung der Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung erforderlich ist. Eine unzureichende Begründung des Vorführungs- oder Haftbefehls muss es ergänzen;176 eine sachlich fehlerhafte richtigstellen. Das Beschwerdegericht kann selbst den Vollzug des Haftbefehls gegen Sicherheitsleistung aussetzen und es kann den Haftbefehl in einen Vorführungsbefehl umwandeln.177 Dagegen ist es ihm wegen der Erstzuständigkeit nach § 125 Abs. 2 verwehrt, den Haftbefehl nach § 230 in einen solchen nach den §§ 112 ff. umzuändern.178 Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist beim Haftbefehl – nicht jedoch 46 beim Vorführungsbefehl179 – gemäß § 310 Abs. 1 Nr. 1 die weitere Beschwerde zulässig.180 Dies gilt auch dann, wenn der Haftbefehl nach der Entscheidung des Beschwerdegerichts und vor Einlegung der weiteren Beschwerde aufgehoben worden ist.181 2. Revision. Die Anwesenheit des Angeklagten ist keine Verfahrensvorausset- 47 zung;182 sein Fehlen ändert auch nichts daran, dass mit dem Aufruf der Sache die Hauptverhandlung beginnt.183 Ist der Angeklagte in der Hauptverhandlung nicht anwesend, so greift vielmehr, soweit dies nicht auf dauernder Verhandlungsunfähigkeit beruht184 oder nicht Ausnahmevorschriften die Abwesenheitsverhandlung gestatten (vgl. Rn. 3), der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 durch. Nach zutreffender Ansicht gilt dies aber nur, wenn wesentliche Teile der Hauptverhandlung ohne den Angeklagten durchgeführt wurden (wegen der Einzelheiten wird auf die Erläuterungen zu § 338 Nr. 5 verwie-

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173 BVerfGE 96 27; BVerfG StV 2000 465, 466; 2002 348; NStZ-RR 2005 203, 204, 2017 379; Beschl. v. 21.9.2017 – 2 BvR 1071/15; OLG Braunschweig NStZ-RR 2012 385 Ls.; OLG Celle NStZ-RR 2003 177 Ls.; StV 2012 524, 525; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2001 382; LG Kiel StV 2014 213; KK/Gmel 18; SK/Deiters 35; a.A. OLG Frankfurt NStZ-RR 2005 349; OLG Hamm NJW 1999 229. 174 BVerfG NStZ-RR 2017 381, 382; Beschl. v. 21.9.2017 – 2 BvR 1071/15; vgl. OLG Celle NStZ-RR 2003 177 Ls. 175 Vgl. die Erl. zu § 309. 176 OLG Stuttgart Justiz 1985 217 (zum Untersuchungshaftbefehl); vgl. Gollwitzer StV 1996 256 f. 177 OLG Köln JMBlNW 1959 114; h.M.; vgl. OLG Celle NJW 1957 393. 178 OLG Hamm NStZ-RR 2009 89, 90; OLG Karlsruhe MDR 1980 868; OLG Köln NStZ-RR 2006 22, 23; KK/Gmel 18; KMR/Eschelbach 49; Meyer-Goßner/Schmitt 25; SK/Deiters 36; a.A. OLG Celle NdsRpfl. 1963 238, das nur die Gewährung des rechtlichen Gehörs verlangt. 179 OLG Celle MDR 1966 1022; OLG Köln MDR 1952 378. 180 OLG Celle NJW 1957 393; MDR 1966 1022; OLG Hamburg NJW 1963 1167; OLG Karlsruhe NJW 1969 1546; KG StraFo 2014 512. 181 BVerfG NJW 2018 2469 Ls.; Beschl. v. 21.9.2017 – 2 BvR 1071/15; OLG Schleswig bei Döllel/Güntge SchlHA 2013 316. 182 BGHSt 26 84; BayObLG VRS 46 (1974) 356; OLG Düsseldorf VRS 88 (1995) 63; OLG Hamm NJW 1973 2308; Eisenberg (Beweisrecht) 757; Meyer-Goßner/Schmitt 26; SK/Deiters 37a; a.A. früher OLG Düsseldorf GA 1957 417; OLG Hamburg JR 1969 310 m. zust. Anm. Eb. Schmidt; OLG Karlsruhe Justiz 1969 127; OLG Köln GA 1971 27; a.A. auch Baxhenrich 91 ff.; Roxin/Schünemann § 21, 18. 183 BGH NStZ 2014 220. 184 In diesem Fall besteht ein Verfahrenshindernis: Meyer-Goßner/Schmitt § 338, 40; SK/Deiters 37a; SK/Frisch § 338, 109.

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sen). Zur formgerechten Rüge (§ 344 Abs. 2 Satz 2) des Verstoßes ist es daher erforderlich, dass im Falle zeitweiser Abwesenheit des Angeklagten genau angegeben wird, welche Teile der Hauptverhandlung ohne ihn stattfanden.185 Dagegen muss nicht mitgeteilt werden, worüber in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt wurde und was gegebenenfalls in seiner Abwesenheit vernommene Zeugen ausgesagt haben.186 Ob etwas anderes zu gelten hat, wenn es um Angaben eines Mitangeklagten geht, die dieser eventuell später – mit der Folge einer möglichen Heilung des Verfahrensverstoßes – in Anwesenheit des Angeklagten wiederholt hat,187 erscheint zweifelhaft; denn da das Revisionsgericht den Inhalt der einzelnen Teile der Hauptverhandlung nicht freibeweislich rekonstruiert, ist der entsprechende Vortrag für die revisionsrechtliche Prüfung ohne Belang. Kann nach dem Inhalt der Sitzungsniederschrift nicht ausgeschlossen werden, dass der Mitangeklagte seine Angaben in Anwesenheit des Angeklagten wiederholt hat, ist die Rüge nach § 338 Nr. 5 vielmehr unbegründet. Wird die Hauptverhandlung gegen mehrere Angeklagte durchgeführt und bleibt 48 einer von ihnen ohne Beurlaubung nach § 231c einem wesentlichen Teil der Hauptverhandlung fern, so liegt hierin – wenn sein Nichterscheinen vom Gericht nicht zum Anlass genommen wird, das Verfahren gegen ihn vor Fortführung der Hauptverhandlung (vorübergehend) abzutrennen – auch dann ein Verstoß gegen § 230 Abs. 1, wenn der fragliche Teil der Verhandlung sich nur auf Tatvorwürfe gegen den oder die anderen Mitangeklagten bezieht, durch die der Abwesende auch nicht indirekt betroffen wird.188 Der abwesende Mitangeklagte kann daher den absoluten Revisionsgrund nach § 338 Nr. 5 geltend machen. Aber auch dann, wenn bei einer als nur vorübergehend gedachten Trennung der Verfahren in der Hauptverhandlung gegen den oder die übrigen Mitangeklagten Vorgänge behandelt werden, die auch den Angeklagten des abgetrennten Verfahrens betreffen, nimmt der BGH eine Umgehung des durch § 338 Nr. 5 besonders abgesicherten Anwesenheitsgebots an und lässt trotz der formalen Trennung die absolute Revisionsrüge nach dieser Vorschrift durchgreifen189 und nicht etwa nur die Inbegriffsrüge nach §§ 261, 337, die nur Erfolg haben kann, wenn das Urteil auf den Verfahrensvorgängen beruht, die in Abwesenheit des Angeklagten stattfanden.190 Wird dagegen das Verfahren gegen einen Mitangeklagten als vermeintlich entscheidungsreif und damit aus der ursprünglichen Sicht des Gerichts endgültig abgetrennt, so soll, wenn ein Urteil dann doch nicht ergehen kann und die Verfahren wieder verbunden werden, nur ein Verstoß gegen § 261 in Betracht kommen, nicht jedoch der absolute Revisionsgrund nach § 230 Abs. 1, § 338 Nr. 5, wenn im Urteil gegen den Mitangeklagten, dessen Verfahren vorübergehend abgetrennt war, Beweisergebnisse verwertet werden, die während der

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185 BGHSt 26 84, 91; BGH GA 1963 19; BGH bei Holtz MDR 1981 457; BGH NStZ 1983 36; OLG Hamm StV 2010 65. 186 BGH NStZ 1983 36; HK/Julius 11; Meyer-Goßner/Schmitt 26; SSW/Grube 35; s. demgegenüber aber BGH NStZ 2008 644. 187 So BGHR § 344 Abs. 2 Satz 2 Abwesenheit 2. 188 BGHR StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 4; vgl. BGH StV 1985 354 m. Anm. Rogall für den notwendigen Verteidiger; offengelassen von BGHR StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 13. 189 BGHSt 24 257, 259; 30 74 = JR 1982 33 m. Anm. Maiwald; 32 100, 101 = JA 1984 263 m. Anm. Kratzsch; BGH StV 1982 252; 1984 186; 1986 465; 1992 501; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 209; 1987 16; bei Miebach NStZ 1989 219; bei Miebach/Kusch NStZ 1991 228; ablehnend Schlothauer FS Koch 250; SK/Deiters § 231c, 22. 190 So aber noch RGSt 69 360, 361; 70 65, 67 und auch BGH NJW 1984 2172, 2173; BGHSt 32 270 relativiert demgegenüber § 338 Nr. 5, indem dort dessen Anwendbarkeit nur bejaht wird, wenn die Verhandlungen im abgetrennten Teil der Hauptverhandlung die Verteidigungsinteressen des Angeklagten berührt haben können, was auf eine Beruhensprüfung hinausläuft; so auch BGH StV 1991 97.

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Abtrennung seines Verfahrens in der Hauptverhandlung gegen den oder die übrigen Mitangeklagten gewonnen wurden.191 Stimmig erscheint das nicht. Ist die Abtrennung des Verfahrens gegen den Angeklagten nicht verfahrensfehlerhaft, so kann es für die Frage, ob § 230 Abs. 1 verletzt ist, nicht darauf ankommen, ob die Abtrennung als nur vorübergehend oder als endgültig gedacht war. Der Angeklagte hat in dem ohne ihn weitergeführten Verfahren keine Angeklagtenrechte oder -pflichten; er kann – selbst bei nur vorübergehender Abtrennung – zu Tatvorwürfen gegen (frühere) Mitangeklagte, die ihn nicht selbst betreffen, vielmehr als Zeuge vernommen werden.192 Seine Abwesenheit verstößt daher nicht gegen § 230 Abs. 1; vielmehr ist allein § 261 verletzt, wenn das Gericht im Urteil gegen den Angeklagten Erkenntnisse aus Teilen der Hauptverhandlung verwertet, die nach Abtrennung des Verfahrens gegen den Angeklagten (und vor dessen Wiederhinzuverbindung) gewonnen wurden (s. dazu auch § 231c, 25). Ein Verstoß gegen § 230 Abs. 1 und damit die Revisionsrüge nach § 338 Nr. 5 kommen demgemäß nur in Betracht, wenn schon die vorübergehende Abtrennung des Verfahrens rechtswidrig war, weil sie keinen prozessrechtlich zulässigen Zwecken diente. Die Abwesenheit eines Mitangeklagten kann der andere Angeklagte nicht unter 49 dem Gesichtspunkt eines Verstoßes nach §§ 230, 338 Nr. 5 rügen,193 sondern allenfalls als Verletzung der Aufklärungspflicht, sofern er darzutun vermag, aus welchen Umständen in seiner Sache die Anwesenheit des Mitangeklagten zur Sachaufklärung erforderlich gewesen wäre.194 Dagegen ist der Nebenkläger stets befugt, die unberechtigte Abwesenheit des Angeklagten zu beanstanden; § 339, der für den Nebenkläger entsprechend gilt, steht nicht entgegen, da § 230 Abs. 1 keine Vorschrift ist, die allein zu Gunsten des Angeklagten wirkt.195

§ 231 Anwesenheitspflicht des Angeklagten § 231 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-025

(1) 1 Der erschienene Angeklagte darf sich aus der Verhandlung nicht entfernen. 2 Der Vorsitzende kann die geeigneten Maßregeln treffen, um die Entfernung zu verhindern; auch kann er den Angeklagten während einer Unterbrechung der Verhandlung in Gewahrsam halten lassen. (2) Entfernt der Angeklagte sich dennoch oder bleibt er bei der Fortsetzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung aus, so kann diese in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden, wenn er über die Anklage schon vernommen war, das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet und er in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass die Verhandlung in diesen Fällen in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden kann. Schrifttum Siehe bei § 230.

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191 BGHSt 33 119; BGH bei Kusch NStZ-RR 1998 259; KK/Gmel 5. 192 Meyer-Goßner/Schmitt Vor § 48, 22 mwN. 193 RGSt 67 417, 418; BGHSt 31 323, 331; BGH bei Pfeiffer NStZ 1981 297; KMR/Eschelbach 56; MeyerGoßner/Schmitt 26; SK/Deiters 41. 194 RGSt 29 294, 299; SK/Deiters 41. 195 BGHSt 37 249, 250.

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Entstehungsgeschichte Bezeichnung bis 1924: § 230. Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Anwesenheit der Verhandlung vom 17.12.20181 fügte in Absatz 2 als weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit der Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten ein, dass er in der Ladung auf diese mögliche Folge seines Ausbleibens hingewiesen worden ist.

I.

II.

Übersicht Das Anwesenheitsgebot und seine Absicherung (Absatz 1) 1. Zweck der Regelung | 1 2. Verhinderung der Entfernung (Absatz 1 Satz 2) a) Anordnung des Vorsitzenden | 2 b) Die einzelnen Maßnahmen | 3 c) Die Ingewahrsamnahme (Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2) | 4 d) Vollzug des Gewahrsams | 6 Verhandlung ohne den Angeklagten (Absatz 2) 1. Zweck und Reichweite der Regelung | 7 2. Voraussetzungen der Abwesenheitsverhandlung a) Sich-Entfernen oder Ausbleiben | 9 b) Ordnungsgemäße Ladung | 10

Alphabetische Übersicht Abhaltungen, private 20 Absehen von Zwangsmaßnahmen 2 Amtshilfe 6 Anrufung des Gerichts 40 Äußerung zur Sache 26 Anordnungskompetenz 31, 40 Anwesenheit, entbehrlich 27 ff. Anwesenheitspflicht 1, 7, 9 Aufklärungspflicht 27, 34 Augenschein – Teilnahme 25 Ausbleiben des Angeklagten 9 Ausnahmen von Anwesenheitspflicht 1 Aussetzung der Hauptverhandlung 8 Berufliche Verhinderung 20 Beschleunigungsgebot 2, 7 Beschwerde 41 f. Bewachung 6

Eigenmacht | 11 Vernehmung zur Sache | 26 e) Anwesenheit entbehrlich | 27 3. Ermessensausübung | 30 4. Form der Entscheidung | 31 5. Verteidigung | 32 6. Rückkehr in die Hauptverhandlung | 33 7. Sitzungsniederschrift | 36 8. Das Urteil und seine Bekanntmachung | 37 Rechtsbehelfe 1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand | 39 2. Anrufung des Gerichts (§ 238 Abs. 2) | 40 3. Beschwerde | 41 4. Revision | 43 c) d)

III.

Eigenmacht, fehlende 14 ff. Eigenmächtiges Fernbleiben 11 ff. Einverständnis des Gerichts 22 Entschuldigung 12 Entschuldigungsgründe 13 ff. Ermessen richterliches 2, 23, 30 Fernbleiben des Angeklagten 9 Fesselung 3, 25 Fortsetzungstermin 9 Freistellung des Angeklagten 22 Fürsorgepflicht 34 Gerichtsbeschluss 31 Gerichtswachtmeister 6 Gewahrsam – Dauer 5 – Vollzug 6 Haft des Angeklagten 24, 33 Haftbefehl 5

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1 BGBl. I S. 2571. Die Gesetzesänderung diente der Umsetzung der RL 2016/343/EU v. 9.3.2016 über die Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafsachen (ABlEU Nr. L 65/1).

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

Hinweis – auf Möglichkeit der Abwesenheitsverhandlung 10 – auf Teilnahmepflicht 23 – nach § 265 28 In-Gewahrsam-Halten 5 Irrtum des Angeklagten 14 Krankheit des Angeklagten 16 f., 19 Krankheit eines Angehörigen 20 Ladung des Angeklagten 10 Mitwirkungsrechte des Angeklagten 29 Polizei 6 Prüfungspflicht des Gerichts 12 Rechtliches Gehör 7, 34 Revision 43 ff. – Begründung 45 Rückkehr des Angeklagten 33 f. Selbstmordversuch 18 Sitzungspolizei 2 Trunkenheit 16 Unfall 14 Ungehorsam i.S.d. § 177 GVG 25

§ 231

Umgehung der Anwesenheitspflicht 46 Unterbrechung der Hauptverhandlung 5 Unterrichtung des Angeklagten 34 Urteil – Begründung 37 Verhältnismäßigkeit 2, 25 Verhandlung am Krankenbett 19 Verhandlungsunfähigkeit 2, 16 f. Verkehrsstörung 14 Vernehmung zur Anklage 27 Verschlafen 14 Verteidiger 28, 32 Verweigerung ärztlicher Behandlung 17 Vollzug des Gewahrsams 6 Vorsitzender – Anordnung 2 Vorstrafenerörterung 26 Wiedereinsetzung 39 Zwangsmaßnahmen nach § 230 Abs. 2 5, 8 Zweck der Regelung 1, 7 Zweifel an Eigenmacht 12

I. Das Anwesenheitsgebot und seine Absicherung (Absatz 1) 1. Zweck der Regelung. Das gegen den erschienenen Angeklagten in Absatz 1 Satz 1 1 gerichtete Verbot, sich aus der Hauptverhandlung zu entfernen, sowie die Zwangsbefugnisse des Vorsitzenden nach Absatz 1 Satz 2 sollen die Gegenwart des Angeklagten während der gesamten Hauptverhandlung sicherstellen. Absatz 1 dient damit wie § 230 Abs. 2 der Durchsetzung der Anwesenheitspflicht des Angeklagten. Während die dort vorgesehenen Maßnahmen die Anwesenheit des Angeklagten erst herbeiführen sollen, geht es hier darum, seine Anwesenheit aufrechtzuerhalten bzw. sein Wiedererscheinen nach Unterbrechung der Hauptverhandlung zu gewährleisten. Die Erläuterungen bei § 230 zur Anwesenheitspflicht des Angeklagten (§ 230, 1 f.), zu den Ausnahmen hiervon (§ 230, 3) sowie zu den Möglichkeiten geteilter Anwesenheit bei Verfahren gegen mehrere Angeklagte (§ 230, 10 bis 12) gelten daher auch für § 231. 2. Verhinderung der Entfernung (Absatz 1 Satz 2) a) Anordnung des Vorsitzenden. Absatz 1 Satz 2 ermächtigt den Vorsitzenden, die 2 Maßregeln zu treffen, die er nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich hält, um den Angeklagten zum Verbleiben in der Hauptverhandlung zu zwingen. Sie sind nur zulässig, wenn der Angeklagte verpflichtet ist, an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Ist dies der Fall, so stehen sie dem Vorsitzenden nicht nur zu Gebote, um die körperliche Präsenz des Angeklagten zu sichern, sondern auch, um ihn zu hindern, sich, etwa durch Alkohol- oder Drogenkonsum, in einen – der physischen Abwesenheit gleichstehenden – Zustand der Verhandlungsunfähigkeit zu versetzen.2 Der Vorsitzende handelt dabei in Ausübung seiner sitzungspolizeilichen Befugnisse (§ 176 GVG). Ob und welche Maß-

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2 BGHSt 16 178, 182; BGH NJW 1981 1052, 1053; Schlüchter 445; Radtke/Hohmann/Britz 3; a.A. SK/Deiters 3 (unzulässige Analogie); s. näher Rn. 16.

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nahmen er anordnet, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Die Ermessensausübung ist an dem Zweck der Regelung auszurichten, die Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung zu sichern und deren zügige Durchführung zu gewährleisten.3 Sie hat die für alle Zwangsmaßnahmen geltenden Grundsätze zu beachten: Die Maßnahme muss aus konkretem Anlass4 geboten,5 erforderlich sowie verhältnismäßig sein (vgl. § 230, 22) und darf die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) nicht verletzen. Ein Absehen von Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 ist bei einem Angeklagten, der sich entfernen will, auch wegen des Beschleunigungsgebotes allenfalls vertretbar, wenn die Hauptverhandlung ohne ihn zu Ende geführt werden kann, vor allem, wenn nach der vom Vorsitzenden formlos festzustellenden Ansicht des Gerichts der Anwendung des § 231 Abs. 2 nichts entgegensteht. 3

b) Die einzelnen Maßnahmen. Mit Ausnahme der Befugnis, den Angeklagten während einer Unterbrechung der Verhandlung in Gewahrsam zu halten, sind die möglichen Maßnahmen im Gesetz nicht näher festgelegt. Zulässig sind daher alle Vorkehrungen, die geeignet sind, die Anwesenheitspflicht durchzusetzen, sofern sie die in Rn. 2 aufgezeigten Grenzen nicht überschreiten. Von mehreren möglichen Mitteln ist dasjenige zu wählen, das die geringst mögliche Beeinträchtigung des Angeklagten mit sich bringt. Als solche Maßnahmen kommen vor allem die Verweisung in die umfriedete Anklagebank sowie ständige Bewachung durch Justizwachtmeister oder Polizeibeamte6 in Betracht.7 In Ausnahmefällen wird auch eine Fesselung für zulässig erachtet; jedoch ist dabei in besonderem Maße der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, insbesondere darf die Fesselung nicht durch andere Vorkehrungen vermeidbar sein.8

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c) Die Ingewahrsamnahme des Angeklagten während Unterbrechungen der Hauptverhandlung nach Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 ist ein Eingriff in das grundrechtlich gewährleistete Freiheitsrecht (Art. 2 GG), der wesentlich über die Beschränkungen hinausgeht, die mit den sonstigen Maßnahmen zur Sicherung der Anwesenheit des Angeklagten während der laufenden Hauptverhandlung verbunden sind. Es bedarf daher besonders kritischer Prüfung, ob ein derartiges Vorgehen unerlässlich ist, um das Wiedererscheinen des Angeklagten bei der Fortsetzung der Verhandlung zu gewährleisten, oder ob hierfür nicht mildere Mittel ausreichen. Gegebenenfalls kann auch schon durch die Verhandlungsführung einem Freiheitsentzug vorgebeugt werden, indem in Fällen, in denen die Anwendung des Absatzes 2 in Betracht kommen kann, die Vernehmung des Angeklagten zur Sache vor der ersten Unterbrechung der Hauptverhandlung abgeschlossen wird. Die Ingewahrsamnahme darf ausschließlich angeordnet werden, um die Anwesenheit des Angeklagten im Fortsetzungstermin zu sichern. Es ist daher unzuläs-

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3 Vgl. etwa AK/Keller 12; KMR/Eschelbach 3; für eine größere Dispositionsbefugnis Julius GA 1992 295 und bei Großverfahren Rupp NStZ 1990 578. 4 BGH StraFo 2012 499, 500. 5 OLG Oldenburg NdsRPfl. 1976 18. 6 Vgl. BGH NStZ 2006 650. 7 H.M., etwa KK/Gmel 2; Meyer-Goßner/Schmitt 2; SK/Deiters 4. Vgl. auch Nr. 125 Abs. 2 RiStBV. 8 BGH NJW 1957 271; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1976 18; OLG Dresden NStZ 2007 479; OLG Hamm NStZRR 2014 114 Ls. (Fluchtgefahr allein genügt nicht) = StRR 2014 144 m. Anm. Arnoldi; KK/Gmel 2; KMR/ Eschelbach 14; Meyer-Goßner/Schmitt 2; SK/Deiters 5; a.A. HK/Julius 3 sowie Eb. Schmidt 4 (nur zur Verhinderung von Gewalttätigkeiten); einschränkend auch AK/Keller 1; zur Fesselung vgl. auch Esser GedS Weßlau 116 ff.; Lüderssen GedS Meyer 269.

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sig, sie als Reaktion auf prozessverschleppendes Verhalten des regelmäßig zur Hauptverhandlung erscheinenden Angeklagten einzusetzen.9 Ist die Ingewahrsamnahme notwendig, so muss sie jedenfalls so kurz wie möglich 5 gehalten werden. Die Unterbrechung der Hauptverhandlung darf daher nicht länger als nötig ausgedehnt werden. Allerdings ist nach dem reinen Wortlaut der Vorschrift die Ingewahrsamnahme des Angeklagten für jede Unterbrechung der Hauptverhandlung zulässig, also im Extremfall auch für eine oder mehrere Unterbrechungen, die die durch das 1. JuMoG beträchtlich erweiterten Möglichkeiten des § 229 Abs. 1 und 2 nebst eventueller Fristenhemmung nach § 229 Abs. 3 bzw. möglicher Fristverlängerung nach § 229 Abs. 5 ausschöpfen.10 Nach überwiegender Ansicht ist daher die zeitliche Dauer der Unterbrechung grundsätzlich ohne Bedeutung, innerhalb der zulässigen Unterbrechungsfristen soll eine feste Höchstdauer des Gewahrsams nicht anzuerkennen sein.11 Die Notwendigkeit, zur Sicherung des Verfahrens einen an die strengeren Voraussetzungen der §§ 112 ff. geknüpften Haftbefehl zu erlassen, wurde danach vereinzelt erst bei Überschreitung der zulässigen Unterbrechungsfristen, also bei Aussetzung der Hauptverhandlung für erforderlich gehalten;12 nach anderer Auffassung vermag eine Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 den Freiheitsentzug des Angeklagten jedenfalls dann nicht zu rechtfertigen, wenn die Unterbrechung für mehrere Tage angeordnet wird.13 Abgesehen davon, dass letztgenannte Ansicht keine handhabbare Abgrenzung ermöglicht, wird die h.M. dem grundrechtlichen Freiheitsanspruch des Angeklagten und der Stellung des Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 im Gesamtgefüge der Bestimmungen der StPO nicht hinreichend gerecht, die Eingriffe in das Freiheitsrecht des Angeklagten zur Sicherung des Verfahrens ermöglichen. Gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1, § 129 Halbsatz 2 darf der Angeklagte nicht über den Tag hinaus festgehalten werden, der auf den Tag seiner Festnahme folgt, es sei denn, es wird Haftbefehl erlassen, weil einer der Haftgründe nach §§ 112 f. vorliegt. Nach § 230 Abs. 2 ist ein Haftbefehl gegen den Angeklagten nur zulässig, wenn er unentschuldigt der Hauptverhandlung ferngeblieben ist. Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 betrifft dagegen den Angeklagten, gegen den Haftgründe bzw. Haftvollzugsgründe (vgl. § 116 Abs. 4 Nr. 2) nicht vorliegen und der in der Hauptverhandlung erschienen ist, sei es auch nur im Wege der – gegenüber dem Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 milderen – Zwangsmaßnahme der Vorführung.14 Danach lässt es sich nicht rechtfertigen, in einer Situation, die nach den Gesamtumständen die vergleichsweise geringfügigsten Anhaltspunkte für eine künftige Verfahrensgefährdung durch ein Ausbleiben des Angeklagten birgt, freiheitsbeschränkende Maßnahmen in einem Umfang anzuordnen und zu vollziehen, die ansonsten an strengere Voraussetzungen geknüpft sind. Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 ermächtigt nicht zum Erlass eines Haftbefehls.15 Er ist daher in Anwendung des Rechtsgedankens von § 128 Abs. 1 Satz 1, § 129 Halbsatz 2 dahin auszulegen, dass er die Ingewahrsamnah-

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9 BGH NStZ 2004 637; OLG Frankfurt NStZ-RR 2003 329, 330. 10 SK/Deiters 9 leitet demgegenüber aus der Systematik der Vorschrift ab, dass die Ingewahrsamnahme jeweils nur für Unterbrechungen der Hauptverhandlung während eines Sitzungstages zulässig ist, sich dagegen nicht über diesen hinaus erstrecken darf; ebenso SSW/Grube 6. 11 Gollwitzer FS Hanack 163 ff.; KK/Gmel 2; KMR/Eschelbach 14; Meyer-Goßner/Schmitt 3. 12 KK/Tolksdorf 5 2 zur Rechtslage im Hinblick auf die kürzeren Unterbrechungsfristen vor dem 1. JuMoG; s. demgegenüber nunmehr KK/Gmel 2: „erscheint unverhältnismäßig“. 13 AK/Keller 1: nur bei kurzer Unterbrechung; KK/Gmel 2: Beschränkung auf das unbedingt Notwendige; KMR/Eschelbach 14; Pfeiffer 1: Haftbefehl nach §§ 112 ff. zu prüfen; vgl. auch OLG Frankfurt NStZ-RR 2003 329, 330 sowie Meyer-Goßner/Schmitt 3: jedenfalls nicht mehr bei mehrtägiger Unterbrechung. 14 Musste Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 erlassen werden, so sichert dieser die Anwesenheit des Angeklagten bis zum Ende der Hauptverhandlung, so dass Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 ohnehin ausscheiden; s. § 230, 37. 15 BVerfGE 21 184, 188; Wendisch StV 1990 166.

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me des Angeklagten nicht über den Tag hinaus zulässt, der auf den Tag der Anordnung durch den Vorsitzenden folgt.16 Wird die Hauptverhandlung für einen längeren Zeitraum unterbrochen, so kann der Angeklagte zur Verfahrenssicherung unmittelbar nur unter den Voraussetzungen der §§ 112 ff. in Untersuchungshaft genommen werden. Ansonsten ist der Fortsetzungstermin abzuwarten und, falls der Angeklagte tatsächlich ausbleibt, nach § 230 Abs. 2 zu verfahren. 6

d) Vollzug des Gewahrsams. Die Maßnahme wird dadurch vollzogen, dass der Angeklagte während der Unterbrechung im Sitzungssaal oder in einem anderen Zimmer bewacht oder eingeschlossen wird. Er kann auch in einer Justizvollzugsanstalt untergebracht werden. Der Vollzug der vom Vorsitzenden angeordneten Maßnahme17 obliegt den Gerichtswachtmeistern, anderen damit beauftragten Justizbediensteten18 oder der Polizei, sofern diese mit der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung im Gerichtssaal betraut ist oder im Rahmen der Amtshilfe (Art. 35 GG) herangezogen wird.19 II. Verhandlung ohne Angeklagten (Absatz 2)

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1. Zweck und Reichweite der Regelung. Zweck des Absatzes 2 ist es, dem Angeklagten die Möglichkeit abzuschneiden, die schon „begonnene und vielleicht dem Abschluss nahe Hauptverhandlung dadurch unwirksam und gleichsam ungeschehen zu machen, dass er sich entfernt oder bei ihrer Wiedereröffnung ausbleibt“.20 Bei einer bewussten Verfahrenssabotage, aber auch sonst bei einer wissentlichen Verletzung der Anwesenheitspflicht durch den Angeklagten soll es möglich sein, im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und der Prozesswirtschaftlichkeit die begonnene Hauptverhandlung zu Ende zu bringen, sofern der Angeklagte in ihr bereits voll zur Sache vernommen worden ist (Rn. 26). In diesem Fall ist sein Anspruch auf rechtliches Gehör in ausreichender Weise gewahrt, so dass es gerechtfertigt ist, den genannten gegenläufigen Verfahrensprinzipien den Vorrang einzuräumen.21 Dennoch ist nicht zu verkennen, dass die Weiterführung der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten dessen Rechtsstellung als Verfahrenssubjekt erheblich einschränkt. Dies darf nicht in stärkerem Maße geschehen, als durch das eigene verfahrenswidrige Verhalten des Angeklagten gerechtfertigt werden kann. Absatz 2 ist daher als Ausnahmevorschrift eng auszulegen.22 Jedoch ist, wenn sich der Angeklagte unerlaubt aus der Hauptverhandlung entfernt hat, die Anwendung des Absatz 2 nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Vorsitzende die be-

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16 HK/Julius 3; MüKo/Arnoldi 8; offen gelassen, wenn auch wohl befürwortend OLG Frankfurt NStZ-RR 2003 329, 330; 2005 96. 17 Die Vollstreckung kann der Vorsitzende ohne Einschaltung der Staatsanwaltschaft selbst in die Wege leiten, vgl. § 36 Abs. 2 Satz 2. 18 Vgl. Nr. 125 Abs. 1 RiStBV; auch Beamte der Justizvollzugsanstalten können damit beauftragt sein; vgl. Meyer-Goßner/Schmitt 3. Maßgebend sind die jeweils bestehenden Regelungen (Rechtsvorschriften der Länder, innerdienstliche Anordnungen). 19 KMR/Eschelbach 8; SK/Deiters 6. Welchen Personen diese Aufgabe obliegt, richtet sich nach den jeweils einschlägigen Rechtsvorschriften und den Verwaltungsanordnungen. 20 Mot. 182; vgl. RGSt 22 247, 249; BGHSt 19 144, 147; 25 317, 319; s. auch AK/Keller 3 (Sicherung der Effizienz). 21 BGHSt 25 317, 319; 56 298, 306 (im Interesse der Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege und zur Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs); zur späteren Änderung bzw. Ergänzung der Anklage s. Rn. 27 f. 22 RGSt 42 197; BGHSt 3 187, 190; 19 144, 148; 25 317, 320; BGH NJW 1977 1928; OLG Düsseldorf NJW 1970 1889; OLG Frankfurt NJW 1974 2065; KG StV 1985 52; Hanack JZ 1972 82; vgl. auch BVerfG NStZ 1993 589.

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stehende Möglichkeit nicht genutzt hat, die weitere Anwesenheit des Angeklagten nach Absatz 1 Satz 2 zu erzwingen.23 Ist der Angeklagte in der Hauptverhandlung noch nicht über die Anklage vernom- 8 men oder kommt die Anwendung des Absatzes 2 aus sonstigen Gründen nicht in Betracht, und kann auch nicht auf Grund einer anderen Vorschrift, insbesondere gemäß § 231a, ohne den Angeklagten weiterverhandelt werden (§ 230, 4), so muss dessen Anwesenheit durch Zwangsmaßnahmen nach § 230 Abs. 2 herbeigeführt werden, so sein Ausbleiben nicht genügend entschuldigt ist. Ansonsten ist die Hauptverhandlung zu unterbrechen oder auszusetzen. 2. Voraussetzungen der Abwesenheitsverhandlung a) Sich-Entfernen oder Ausbleiben. Der Angeklagte muss sich unter Verstoß gegen 9 seine Anwesenheitspflicht aus der Hauptverhandlung entfernt haben oder nach deren Unterbrechung zum festgesetzten Fortsetzungstermin nicht wieder erschienen sein. Unterbrechungen der Hauptverhandlung sind nur solche nach § 229 Abs. 1 und 2. Wird die Hauptverhandlung dagegen nach Aussetzung (§ 229 Abs. 4) neu begonnen, darf beim Ausbleiben des Angeklagten die Verhandlung gemäß § 230 Abs. 1 nicht ohne ihn durchgeführt werden. b) Ordnungsgemäße Ladung. Die Pflicht zum Wiedererscheinen im Fortsetzungs- 10 termin besteht jedoch nur dann, wenn der Angeklagte zu diesem ordnungsgemäß geladen wurde.24 Die Ladung muss entgegen früherer Rechtslage25 nunmehr (s. Entstehungsgeschichte) mit dem Hinweis an den Angeklagten verbunden werden, dass im Falle seines Ausbleibens die Hauptverhandlung gegebenenfalls nach Absatz 2 in seiner Abwesenheit weitergeführt werden kann. Dieser Hinweis ist tunlichst bereits in die schriftliche Ladung zum ersten Hauptverhandlungstermin (§ 216) für alle anberaumten oder zusätzlich erforderlich werdenden Fortsetzungstermine aufzunehmen. Damit ist er dokumentiert und gilt für alle Ladungen, die bei sämtlichen Unterbrechungen der Hauptverhandlung für den nächsten Fortsetzungstermin vorzunehmen sind. Insbesondere ist dadurch aber auch der Gefahr vorgebeugt, dass der Angeklagte aufgrund eines Hinweises, der erst im Zusammenhang mit der bei Unterbrechung der Hauptverhandlung (regelmäßig nur mündlich) ausgesprochenen Ladung zu dem Fortsetzungstermin erteilt wird, Fehlvorstellungen über seine Pflicht zur Anwesenheit in diesem Termin unterliegt.26 In dem Hinweis wird zum Ausdruck gebracht werden müssen, dass die Möglichkeit der Fortführung der Hauptverhandlung ohne den Angeklagten nur dann besteht, wenn dieser eigenmächtig nicht erscheint (s. Rn. 11 ff.). Ist der Angeklagte in einem Fortsetzungstermin, zu dem er ordnungsgemäß geladen war, unentschuldigt ausgeblieben und wird in diesem die Hauptverhandlung erneut unterbrochen, so steht es einer ordnungsgemäßen Ladung des Angeklagten zu dem nächsten Fortsetzungstermin nicht entgegen, dass dieser in Abwesenheit des Angeklagten bei Anordnung der Unterbrechung wiederum lediglich mündlich in der Hauptverhandlung bekannt gegeben wird.27

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23 Vgl. Rn. 2 (pflichtgemäßes Ermessen). 24 BGHSt 38 271, 273; BGH NStZ 1984 41 m. Anm. Hilger; OLG Karlsruhe NJW 1981 934; zu den Anforderungen s. zunächst § 228, 18 sowie die Erl. zu § 216. Abweichend und differenzierend SK/Deiters 25. 25 S. LR/Becker26 10 m.w.N. 26 S. dazu den Gesetz-Entw. der BReg., BTDrucks. 19 4467 S. 21 f. 27 OLG Karlsruhe JR 1985 31 m. Anm. Meyer; KK/Gmel 3; nach BGH NStZ 1988 421, 422 m. Anm. Meurer jedenfalls dann, wenn der Angeklagte durch einen Verteidiger vertreten ist; so auch KMR/Eschelbach

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Auch für diese Fälle ist es zumindest vorteilhaft, wenn der Hinweis auf die Möglichkeit der Abwesenheitsverhandlung schon mit der Ladung zum ersten Hauptverhandlungstermin verbunden war. Zur ordnungsgemäßen Ladung, wenn der Fortsetzungstermin außerhalb der Hauptverhandlung bestimmt wird, vgl. § 228, 18. c) Eigenmacht. Über den Wortlaut des Absatzes 2 hinaus setzt dessen Anwendung voraus, dass sich der Angeklagte eigenmächtig aus der Hauptverhandlung entfernt hat bzw. nach deren Unterbrechung im Fortsetzungstermin ausbleibt;28 denn nur dann ist die Beschränkung der Verfahrensstellung des Angeklagten, die mit der Abwesenheitsverhandlung verbunden ist, gerechtfertigt. Eigenmacht liegt nach neuerer Rechtsprechung des BGH nur vor, wenn der Angeklagte wissentlich seiner Anwesenheitspflicht nicht nachkommt, ohne dafür hinreichende Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe zu haben.29 Dies stimmt mit den Voraussetzungen einer Abwesenheitsverhandlung nach § 231a Abs. 1 überein (s. näher § 231a, 5).30 Absicht ist nicht erforderlich. Andererseits genügt ein Verschulden des Angeklagten an seiner Abwesenheit, das hinter Wissentlichkeit zurückbleibt, insbesondere ein nur fahrlässiges Verhalten, nicht.31 Der BGH will diese Definition der Eigenmacht lediglich als Klarstellung verstanden wissen, die in der praktischen Handhabung keine wesentliche Änderung gegenüber der früher von ihm32 und auch schon vom RG33 verwendeten Formel bedeute, wonach Eigenmacht darin liegt, dass der Angeklagte durch Missachtung seiner Anwesenheitspflicht dem Gang der Rechtspflege vorsätzlich entgegentritt. Jedoch ist nicht zu verkennen, dass ein gerade auf die Störung des Verfahrensfortgangs zielendes Willenselement nicht mehr erforderlich ist, Eigenmacht nunmehr also auch dann vorliegt, wenn der Angeklagte seine Anwesenheitspflicht wissentlich missachtet, ohne dass es ihm auf Verfahrensobstruktion ankommt.34 Die Voraussetzungen für die Eigenmacht müssen zur Überzeugung des Gerichts 12 feststehen. Lassen sich Zweifel durch Nachforschungen (Freibeweis) nicht beheben, darf es nicht nach Absatz 2 verfahren.35 Ebenso wenig kann das Vorliegen der Vorausset11

_____ § 216, 4; Radtke/Hohmann/Britz 9; a.A. OLG Karlsruhe NJW 1981 934, wenn das Gericht in dem Termin, in dem der Angeklagte ausgeblieben ist, dessen schriftliche Ladung anordnet. 28 BGHSt 10 304, 305 = JZ 1957 673 m. Anm. Eb. Schmidt; 25 317, 319 = JR 1975 75 m. Anm. Gollwitzer; 56 298, 306; BGH NJW 1973 522; 1977 1928; NStZ 1984 41; 2012 405; NStZ-RR 2008 285. 29 BGHSt 37 249; 46 81, 83; 56 298, 306 f.; BGH NStZ 1998 476; 1999 418; 2003 561, 562; 2010 585; BGH NStZ-RR 2001 333, 334; 2008 285; OLG Celle StraFo 2012 140 f.; OLG Hamm StraFo 2007 292; zustimmend KK/Gmel 3; KMR/Eschelbach 19; Meyer-Goßner/Schmitt 10; Meurer NStZ 1993 600; s. demgegenüber Julius GA 1992 305, der eine weitgehendere Disponibilität der Anwesenheitspflicht des Angeklagten befürwortet; ähnlich SK/Deiters 20 f. (freiwillige Abwesenheit des Angeklagten genügt; diese liegt vor, wenn der Angeklagte sein Anwesenheitsrecht kannte und ihm dessen Ausübung mangels genügender Entschuldigung i.S.d. § 230 Abs. 2 auch möglich und zumutbar war); so im Ansatz auch Putzke ZJS 2012 387 f. 30 AK/Keller 9 versteht den Begriff der Eigenmacht bei § 231 enger als bei § 231a; Eisenberg NStZ 2012 67 ff. differenziert hinsichtlich der Beurteilungskriterien für die Schuldhaftigkeit; s. auch ders. (Beweisrecht) 774a; ebenfalls a.A. Putzke ZJS 2012 386; wie hier dagegen Arnoldi NStZ 2012 109; KK/Gmel 5. 31 OLG Karlsruhe StraFo 2001 415. 32 BGHSt 3 189; 10 305 = JZ 1957 673 m. Anm. Eb. Schmidt; 16 178; 25 319 = LM Nr. 9 m. Anm. Börtzler; BGH NJW 1980 950; 1991 1367 (Nr. 18 und 19); NStZ 1988 421 m. Anm. Meurer; StV 1981 393; 1982 356; bei Holtz MDR 1979 281; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 209; bei Miebach/Kusch NStZ 1991 28. 33 RGSt 22 247; 29 294; 31 398; 40 230; 42 197; 42 246; 58 152; 69 18. 34 Vgl. KK/Gmel 3; Meyer-Goßner/Schmitt 10. 35 BGH NJW 1980 950, 951; StV 1981 393; BGH bei Holtz MDR 1979 281; 1979 989; OLG Celle StV 2014 206; OLG Karlsruhe StraFo 2001 415; OLG Koblenz NJW 1975 322; vgl. § 230, 20 f., 39.

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zungen des Absatzes 2 dadurch ersetzt werden, dass die erschienenen Verfahrensbeteiligten Übereinstimmung erzielen, in Abwesenheit des Angeklagten weiter zu verhandeln.36 Der Angeklagte ist nicht verpflichtet, das Fehlen der Eigenmacht darzutun oder gar glaubhaft zu machen.37 Es kommt auch nicht darauf an, ob das Gericht Grund zu der Annahme hatte, der Angeklagte sei eigenmächtig ferngeblieben, sondern nur darauf, ob nach den objektiven Gegebenheiten diese Eigenmächtigkeit tatsächlich vorlag und erwiesen ist.38 Mit Recht wird deshalb verlangt, dass das Gericht „dies so sorgfältig zu prüfen habe, dass eine nachträgliche Entschuldigung ausgeschlossen erscheint“.39 Die Rechtfertigungs- bzw. Entschuldigungsgründe sind mannigfaltig. Die Grund- 13 sätze, die die Rechtsprechung auch sonst zu dieser Frage entwickelt hat, gelten im Ausgangspunkt auch hier. Insoweit können die Erläuterungen zu § 230 Abs. 2, § 329 Abs. 1 und § 412 Satz 1 herangezogen werden. Zu beachten ist dabei jedoch stets, dass ein Verschulden an der Abwesenheit unterhalb der Wissentlichkeitsgrenze Eigenmacht nicht begründet. Hat der Angeklagte andererseits seiner Anwesenheitspflicht absichtlich nicht genügt, kann sich dies auf die Wertung auswirken, ob die für das Fernbleiben angeführten Gründe dieses genügend entschuldigen. Es muss sich immer um schwerwiegende Gründe handeln, welche die Pflicht zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung zurücktreten lassen. War der Angeklagte an einem Terminstag eigenmächtig ausgeblieben, so rechtfertigt allein dies nicht die Verhandlung in seiner Abwesenheit in einem späteren Hauptverhandlungstermin, zu dem er unverschuldet nicht erscheinen konnte.40 An der Eigenmacht fehlt es, wenn der Angeklagte durch nicht in seiner Macht ste- 14 hende Umstände gehindert wird, den Termin wahrzunehmen, etwa durch einen Unfall, eine Verkehrsstörung,41 Ausfall eines Verkehrsmittels,42 einen Streik und dergleichen,43 oder wenn er sich aus entschuldbaren Gründen verspätet.44 Ein Versehen, wie eine Verwechslung des Sitzungssaals, ein Irrtum über Ort und Zeit des Fortsetzungstermins,45 dessen Verschlafen46, Vergessen47 oder die durch eine falsche Auskunft des Verteidigers bedingte Annahme, bei der Urteilsverkündung nicht anwesend sein zu müssen,48 schließen die Eigenmacht ebenso aus wie sonstige vom Wissen und Willen des Angeklagten unabhängig eingetretenen Umstände.49

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36 OLG Hamm StV 2007 571. 37 BGH StV 1982 356; OLG Celle StV 2014 206; OLG Frankfurt StV 1987 380; OLG Karlsruhe NStE Nr. 9. 38 BGHSt 10 304; 16 178, 180; BGH NJW 1980 950; 1987 2592, 2593; NStZ 1988 421 m. Anm. Meurer; 1999 418; 2003 561, 562; NStZ-RR 2001 333, 334; StV 1981 393; 1982 356; GA 1969 281; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 209; 1983 355; 1984 209; bei Cierniak/Zimmermann NStZ-RR 2010 69; OLG Bremen StV 1985 50; OLG Frankfurt StV 1987 380; OLG Hamm StraFo 2007 292; OLG Karlsruhe StraFo 2001 415; OLG Schleswig SchlHA 1999 180; Eb. Schmidt JZ 1957 674; a.A. OLG Hamburg NJW 1953 235: Nach sorgfältiger Prüfung der Entschuldigungsgründe soll die berechtigte Annahme, der Angeklagte sei vorsätzlich der Verhandlung ferngeblieben, ausreichend sein. 39 BGH NStZ 2003 561, 562; OLG Hamburg NJW 1953 235. 40 BGH NStZ 1986 422. 41 BGH NStZ 2003 561: Zugverspätung. 42 BGH NStZ 1986 422: Autopanne; nicht aber, wenn alternative Anreise mit öffentlichem Verkehrsmittel möglich: BGHR StPO § 231 Abs. 2 Abwesenheit, eigenmächtige 1. 43 H.M.; etwa BGH bei Miebach/Kusch NStZ 1991 28; KK/Gmel 4; Eb. Schmidt 6; SK/Deiters 28. 44 OLG Oldenburg StV 1981 331: Schlechtwetter. 45 BGH StV 1981 393; NStZ 1998 476; NStZ-RR 2001 333, 334; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 209; BayObLGSt 1988 54; OLG Bremen StV 1985 50; vgl. auch OLG Karlsruhe NJW 1981 934. 46 BGH NJW 1991 1367 Nr. 18 und 19; StV 1988 185; AK/Keller 9; Meyer-Goßner/Schmitt 15; SK/Deiters 28. 47 Vgl. BGH NStZ 1999 418. 48 OLG Bremen StV 1992 558. 49 BGH bei Miebach/Kusch NStZ 1991 28.

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Nach § 231 Abs. 2 darf nicht verfahren werden, wenn ein vor dem Termin eingegangener Antrag auf Vertagung oder Entbindung des Angeklagten von der Verpflichtung zum Erscheinen (§ 233) noch nicht beschieden worden ist.50 Bei einer ernsthaften Erkrankung des Angeklagten51 scheidet Eigenmacht aus,52 16 wobei aber kleinere Unpässlichkeiten, die auch sonst jedermann ohne Unterbrechung seiner üblichen Tätigkeiten erträgt, oder Beschwerden, die zumindest die Teilnahme an einem kurzen Fortsetzungstermin zur Vermeidung der Verfahrensaussetzung nicht hindern, auszuklammern sind.53 Es kommt immer darauf an, wieweit im Einzelfall dem Angeklagten das Erscheinen zumutbar ist. Wird er bei Verkündung des Urteils ohnmächtig, so gestattet Absatz 2 nicht, die Verkündung fortzusetzen.54 Als eigenmächtiges Fernbleiben wird auch gewertet, wenn der Angeklagte sich schon vor einem Fortsetzungstermin wissentlich und ohne Not in eine Lage begibt, die für ihn vorhersehbar mit dem erheblichen Risiko verbunden ist, zum angesetzten Termin daran gehindert zu sein, zu der Hauptverhandlung zu erscheinen,55 oder wenn er vorsätzlich und schuldhaft seine Verhandlungsunfähigkeit herbeiführt,56 so durch Trunkenheit,57 Betäubungsmittelgenuss oder Tabletteneinnahme.58 Gleiches gilt, wenn er die Verhandlungsunfähigkeit dadurch herbeiführt, dass er sich gewollt in eine krankhafte seelische Erregung versetzt.59 Die Verhandlungsunfähigkeit muss keine andauernde sein. Es genügt, wenn die Zeiträume, in denen der Angeklagte verhandlungsfähig ist, so kurz sind, dass bei einer Fortführung der Verhandlung nur während dieser Zeiten das Verfahren in angemessener Frist nicht beendet werden könnte.60 Die Verhandlung darf so lange ohne den Angeklagten fortgeführt werden, wie die Umstände fortdauern, die die Anwendung des Absatzes 2 rechtfertigen, also die Verhandlungsunfähigkeit auf der vom Angeklagten willentlich gesetzten Ursache beruht. Dies hat das Gericht – mit sachverständiger Hilfe – zu prüfen.61 Weigert sich der kranke Angeklagte, seine unverschuldete Verhandlungsfähig17 keit durch Medikamenteneinnahme oder ärztliche Behandlung wiederherzustellen, so liegt in deren Ablehnung in aller Regel dann keine nachweisbare Eigenmacht, wenn er sich bisher derartigen Maßnahmen nicht unterworfen hat.62 Ob ein ernsthafter Selbstmordversuch, der den Angeklagten verhandlungsunfä18 hig macht und an der weiteren Teilnahme an der Hauptverhandlung (zeitweise) hindert, ein eigenmächtiges Ausbleiben i.S.d. Absatzes 2 begründet, ist umstritten. Der BGH hat

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50 Vgl. RG GA 46 (1898/99) 436; zu § 232: OLG Köln NJW 1952 637; zu § 411 Abs. 2: OLG Karlsruhe StV 1986 289; zu § 74 Abs. 2 OWiG: BayObLG VRS 62 (1982) 205, 206; OLG Frankfurt JZ 1984 756; LG Aachen NJW 1993 2326 f. 51 OLG Schleswig SchlHA 1999 180: fieberhafter grippaler Infekt. 52 Anders jedoch, wenn sich der Angeklagte schon vor der Erkrankung mit dem Ziel ins Ausland begeben hat, der Hauptverhandlung fernzubleiben: BGH NStZ 2012 405. 53 BGH NStZ 1988 421, 422 m. Anm. Meurer; OLG Stuttgart NJW 1967 944; Seetzen DRiZ 1974 260; KMR/Eschelbach 23; vgl. auch BVerfG NStZ 1993 598. 54 RGSt 42 244, 246; RG JW 1938 1644. 55 BGH NJW 1999 662 (Auslandsreise bei angegriffenem Gesundheitszustand); StV 2009 338 m. krit. Anm. Kühne (bekanntes Risiko einer Festnahme im Ausland). 56 BGHSt 16 178, 183; 56 298, 307 f.; BGH bei Holtz MDR 1980 631; bei Pfeiffer NStZ 1981 95; Baxhenrich 165 ff. (zulässige Analogie); a.A. KMR/Eschelbach 6 f.; SK/Deiters 3 f. (unzulässige Analogie unter Verstoß gegen Art. 104 Abs. 2 GG); wohl auch Esser GedS Weßlau 116 f.; s. auch § 230, 17. 57 BGH NStZ 1986 372. 58 BGH NStZ 2002 533, 535. 59 BGHSt 2 300, 304 f.; BGH bei Kusch NStZ 1992 27; KK/Gmel 3; Meyer-Goßner/Schmitt 17. 60 BGH NJW 1981 1052; vgl. BVerfGE 41 249; BVerfG StV 1992 620. 61 OLG Düsseldorf StV 1997 282 m. Anm. Zieschang. 62 S. näher § 231a, 6; vgl. aber auch OLG Nürnberg NJW 2000 1804, 1806.

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dies bejaht,63 im Schrifttum wird dies im Ergebnis – jedenfalls für den Regelfall – mit Recht verneint;64 denn dass ein Angeklagter mit einem ernstgemeinten65 Selbstmordversuch wissentlich auch die Fortsetzung der Hauptverhandlung verhindern will, wird nur ausnahmsweise feststellbar sein.66 Allein eine Art „sachgedankliches Mitbewusstsein“ genügt für Wissentlichkeit nicht. Eine Ausnahme kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn der Selbstmordversuch in einer inneren Beziehung zu dem laufenden Verfahren steht.67 Die Weigerung des Angeklagten, die Hauptverhandlung an seinem Kranken- 19 bett fortführen zu lassen, stellt keine die Abwesenheitsverhandlung rechtfertigende Eigenmacht des erkrankten und deshalb am Erscheinen im Gerichtssaal verhinderten Angeklagten dar.68 Eine Rechtspflicht, die öffentliche Hauptverhandlung in der eigenen Wohnung oder im Krankenhaus zu dulden, besteht nicht. Die Verweigerung der Zustimmung zu einem solchen – möglicherweise zweckmäßigen – Verfahren ist keine Eigenmacht. Private oder berufliche Umstände lassen nur in Ausnahmefällen die Pflicht des 20 Angeklagten zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zurücktreten,69 etwa wenn der Angeklagte wegen der plötzlichen schweren Erkrankung eines Familienangehörigen bei vernünftiger Beurteilung seiner Lage unabkömmlich ist70 und ihm das Erscheinen zum Termin nicht zugemutet werden kann. Auch der drohende Verlust des Arbeitsplatzes kann das Ausbleiben bei der Fortsetzungsverhandlung rechtfertigen,71 ebenso sonstige schwerwiegende berufliche Gründe.72 Ob diese das Ausbleiben zu entschuldigen vermögen, hängt aber immer vom Einzelfall ab, von ihrer Dringlichkeit und Unaufschiebbarkeit sowie ihrem Gewicht im Verhältnis zur Bedeutung der Straftat und zu dem noch unerledigten Teil der Hauptverhandlung. Unbequemlichkeiten, die aus der Anwesenheitspflicht erwachsen können, muss 21 der Angeklagte hinnehmen. Er darf beispielsweise einem Augenschein nicht deshalb

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63 BGHSt 16 178 = JR 1962 308 m. abl. Anm. Schneidewin; 56 298, 308 = NJW 2011 3249 m. Anm. Trüg = NStZ 2012 105 m. Anm. Arnoldi = ZJS 2012 383 Ls. m. Bspr. Putzke; ebenso RG DR 1944 836; KK/Gmel 5; Meyer-Goßner/Schmitt 17; Koeniger 223; s. auch Esser GedS Weßlau 116 f.; BGHSt 19 144, 146 lässt dies offen. 64 Baxhenrich 171 ff.; Eisenberg (Beweisrecht) 773; ders. NStZ 2012 67; Franzheim GA 1961 108; Hamm 419; Hanack JZ 1972 81; Küper NJW 1978 254 (in Fn. 15); Neuhaus 137 ff.; Roxin/Schünemann § 44, 46; Schneidewin JR 1962 309; KMR/Eschelbach 23; Eb. Schmidt Nachtr. I 8; SK/Deiters 28a (keine Pflicht des Angeklagten, sich für Zwecke der Strafverfolgung am Leben zu erhalten); differenzierend AK/Keller 10. 65 Das Kriterium der Ernsthaftigkeit wird von BGHSt 56 298, 310 für irrelevant gehalten. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass gerade dann, wenn der Angeklagte tatsächlich aus dem Leben scheiden will, der Nachweis, dass ihm hierbei die daraus resultierenden Folgen für die gegen ihn laufende Hauptverhandlung bewusst sind, kaum zu führen sein wird (vgl. Eisenberg NStZ 2012 67; Trüg NJW 2011 3256); vgl. auch SK/Deiters § 231a, 25a für den Fall des „Selbstmordversuchs“ mit lediglich bedingtem Selbsttötungsvorsatz, bei dem es dem Angeklagten maßgeblich um die Herbeiführung seiner Verhandlungsunfähigkeit geht. 66 OLG Koblenz NJW 1975 322; Rieß JZ 1975 269; Schlüchter 445; vgl. Eisenberg NStZ 2012 67; a.A. Arnoldi NStZ 2012 109 sowie MüKo/Arnoldi 17. 67 So in den in BGHSt 16 178; 56 298 entschiedenen Fällen. 68 Meurer NStZ 1988 423; Schreiner NJW 1977 2303; KK/Gmel 3; KMR/Eschelbach 23; Meyer-Goßner/ Schmitt 18; a.A. Laier NJW 1977 1139; BGH NStZ 1988 421 m. Anm. Meurer lässt dies offen. 69 BGH bei Schmidt MDR 1981 976; BGH NJW 1980 950; StV 1984 325; OLG Bremen StV 1992 558; KK/Gmel 4; vgl. die Erläuterungen zu §§ 329; 412. 70 OLG Stuttgart OLGSt (1983–1991) Nr. 1; Eb. Schmidt § 230, 18; SK/Deiters 28; vgl. näher die Erläuterungen zu §§ 329; 412. 71 BGH NJW 1980 950; StV 1984 325; KK/Gmel 4. 72 Weitgehend OLG Köln VRS 70 (1986) 16: Unaufschiebbare Sitzung des Betriebsrats; OLG Frankfurt NJW 1974 2065: Facharzt bei unerwartet langer Dauer der Hauptverhandlung.

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fernbleiben, weil es regnet. Eigenmacht liegt in einem solchen Verhalten aber nur, wenn der Angeklagte auf seine Anwesenheitspflicht hingewiesen und zur Teilnahme aufgefordert worden ist.73 Ein eigenmächtiges Fernbleiben scheidet ferner aus, wenn das Gericht den Ange22 klagten nach dessen Vernehmung aus der Hauptverhandlung abtreten lässt,74 ihn darum bittet, dem Fortsetzungstermin fernzubleiben,75 oder ihm die weitere Teilnahme an der Hauptverhandlung freistellt, so dass er sich mit gerichtlichem Einverständnis entfernt oder zum Fortsetzungstermin nicht erscheint.76 Gleiches gilt auch dann, wenn das Gericht nur den Eindruck erweckt, es billige wegen der Möglichkeit der Abwesenheitsverhandlung nach Absatz 2 das Fernbleiben des Angeklagten.77 Ein solcher Anschein wird aber nicht schon durch den – jetzt gebotenen (s. Rn. 10) – Hinweis auf die Möglichkeit der Abwesenheitsverhandlung erweckt, sofern er nur keinen Zweifel daran entstehen lässt, dass der Angeklagte zur weiteren Teilnahme an der Hauptverhandlung verpflichtet ist.78 Dann kann es auch unschädlich sein, wenn der Vorsitzende zu erkennen gibt, dass das Gericht keine Zwangsmittel nach § 230 Abs. 2 anwenden, sondern nach Absatz 2 weiterverhandeln werde.79 Um die Zulässigkeit der Abwesenheitsverhandlung nach Absatz 2 nicht zu gefährden, sollte bei derartigen Äußerungen stets eindeutig auf das uneingeschränkte Fortbestehen der Anwesenheitspflicht hingewiesen werden, um jedes Missverständnis auszuschließen.80 Gleiches gilt für den Fall, dass der Angeklagte sich anschickt, die Hauptverhandlung zu verlassen. Auch hier sollte der Vorsitzende auf die andauernde Präsenzpflicht hinweisen, auch wenn er keine Zwangsmittel nach Absatz 1 Satz 2 anzuwenden gedenkt.81 Hat das Gericht beim Angeklagten keine Fehlvorstellungen über seine Anwesen23 heitspflicht hervorgerufen und ist es seiner Hinweispflicht nach Absatz 2 nachgekommen, so steht allein der Umstand, dass der zur Urteilsverkündung nicht erschienene Angeklagte bei der Unterbrechung der Hauptverhandlung nicht gesondert darauf hingewiesen wurde, dass er auch zur Urteilsverkündung erscheinen muss, der Eigenmächtigkeit seines Fernbleibens nicht entgegen.82 Dies gilt auch dann, wenn im Fortsetzungstermin entgegen der ursprünglichen Intention des Gerichts nicht das Urteil verkündet, sondern erneut in die Beweisaufnahme eingetreten wird.83 In diesem Fall darf vielmehr regelmäßig deshalb nicht in Abwesenheit des Angeklagten weiterverhandelt werden, weil wegen der veränderten Sachlage die Hauptverhandlung von Amts wegen unterbrochen (vgl. § 265 Abs. 4) und der Angeklagte von der Fortführung der Beweisaufnahme unterrichtet werden muss (vgl. Rn. 27). Hier ist das dem Gericht durch § 231 Abs. 2 eingeräumte Ermessen auf Null reduziert.

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73 OLG Hamm OLGSt (1964–1983) S. 3: Angeklagter blieb bei Augenschein wegen Regenschauer im Auto sitzen. 74 BGH NStZ 1993 198: Abführen während der Anhörung eines Sachverständigen. 75 KG StV 2017 809 f.; vgl. OLG Celle StV 2017 810 Ls. (Angeklagter begibt sich in Nebenraum und verfolgt Hauptverhandlung durch geöffnete Tür). 76 RGSt 40 230; 58 149, 153; BGH NJW 1973 522; StV 1987 189; StraFo 2014 335; OLG Celle StV 2014 206; OLG Hamm StraFo 2007 292 f.; OLG Köln StV 1985 50; OLG Stuttgart NJW 1970 343; schon im Ausgangspunkt abweichend SK/Deiters 22 f. 77 BGHSt 37 249, 252; BGH NJW 1973 522; NStZ 1989 283, 284; StV 1990 245; OLG Köln StV 1985 50; KK/Gmel 4; Meyer-Goßner/Schmitt 15. 78 BGHSt 37 249, 253. 79 BGHSt 37 249, 252. 80 OLG Köln StV 1985 50, 51. 81 KG StV 1985 52: kein Hinweis trotz Aufforderung durch den Staatsanwalt. 82 A.A. OLG Düsseldorf GA 1957 417. 83 A.A. OLG Karlsruhe NJW 1981 934.

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Bei einem in Haft befindlichen Angeklagten scheidet ein eigenmächtiges Fernblei- 24 ben in der Regel schon deshalb aus, weil das Gericht die Pflicht und die Macht hat, bei einem zur Anwesenheit verpflichteten Angeklagten dessen Vorführung durchzusetzen.84 Nach h.M. ist Eigenmächtigkeit selbst dann zu verneinen, wenn das Gericht die Vorführung des Angeklagten in Unkenntnis von dessen Inhaftierung nicht veranlasst, weil dieser nach seiner Verhaftung nicht auf den anstehenden Verhandlungstermin und die Notwendigkeit seiner Vorführung hingewiesen hat; denn von dem Angeklagten könne nicht verlangt werden, dass er den Fortgang des gegen ihn gerichteten Verfahrens mitbetreibt.85 Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Auch der in Freiheit befindliche Angeklagte muss den Fortgang des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens dadurch fördern, dass er sich in der Hauptverhandlung einfindet. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum es dem inhaftierten Angeklagten unzumutbar sein könnte, dafür Sorge zu tragen, dass seine Vorführung zum Termin veranlasst wird.86 Erst wenn die Vorführung trotz seiner entsprechenden Hinweise unterbleibt, ist er nicht eigenmächtig in der Hauptverhandlung ausgeblieben.87 Danach versteht es sich von selbst, dass ein Gefangener im offenen Strafvollzug selbst für seine Teilnahme an der Hauptverhandlung zu sorgen hat.88 Die Verpflichtung, für die Anwesenheit des nicht in Freiheit befindlichen Ange- 25 klagten zu sorgen, besteht grundsätzlich auch, wenn der Angeklagte sich unberechtigt weigert, an der Verhandlung oder an bestimmten Verhandlungsabschnitten, wie etwa einem Augenschein, teilzunehmen; zum Beispiel, weil er dazu gefesselt werden müsste.89 Es steht nicht im Belieben des Gerichts, ob es wegen der Möglichkeit, nach § 231 Abs. 2 zu verfahren, von vornherein darauf verzichten will, die vom Gesetz geforderte Anwesenheit des Angeklagten zu erzwingen.90 Erst wenn das Gericht alle der Bedeutung der Sache angemessenen Mittel versucht hat und die Anwendung weiterer Zwangsmittel nach dem auch hier geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausscheidet, rechtfertigt die in der Weigerung des Angeklagten liegende Eigenmacht, die Verhandlung ohne ihn weiterzuführen.91 Sofern in der Weigerung und dem damit verbundenen Widerstand gegen eine Erzwingung der Anwesenheit ein Ungehorsam i.S.d. § 177 GVG liegt, kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 231b ohne den Angeklagten verhandeln.92 d) Vernehmung zur Anklage. Der Angeklagte muss zur Anklage vernommen wor- 26 den sein; er muss uneingeschränkte Gelegenheit erhalten haben, sich über den Gegenstand der Anklage in ihrem ganzen Umfang und alle ihn betreffenden Umstände auszu-

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84 RGSt 31 398; 58 149, 150; BGHSt 3 187, 190; 25 317, 319 = LM Nr. 9 m. Anm. Börtzler = NJW 1974 1290, 1291 m. abl. Anm. Küper S. 2218 = JR 1975 75 m. Anm. Gollwitzer; BGH GA 1969 281; NJW 1977 1928; NStZ 1993 446. Anders liegt es, wenn sich der Angeklagte im Ausland in Haft befindet und das deutsche Gericht seine Überstellung zur Hauptverhandlung nicht rechtzeitig bewirken kann (vgl. SK/Deiters 27); in einem solchen Fall soll dagegen Eigenmächtigkeit zu bejahen sein, wenn der Angeklagte seine Verhaftung im Ausland vorhersehen konnte: BGH StV 2009 338 m. krit. Anm. Kühne; abl. auch SK/Deiters aaO. 85 BGH GA 1969 281; OLG Frankfurt StV 1987 380; KK/Gmel 6; im Ergebnis ebenso, aber mit anderer Begründung: SK/Deiters 26; offengelassen von BGH NStZ 1997 295. 86 SSW/Grube 20; vgl. OLG Stuttgart Justiz 1978 116. 87 Vgl. BGH NStZ 1997 295. 88 OLG Düsseldorf VRS 91 (1996) 39. 89 BGHSt 25 317, 319; vgl. oben Fn. 7; OLG Hamburg GA 1961 177; a.A. Küper NJW 1974 2218; 1978 251. 90 So aber Küper NJW 1974 2218; Lüderssen GedS Meyer 276; KMR/Eschelbach 22. 91 BGHSt 25 317, 320; 59 187, 190 ff. (s. dazu auch den Vorlagebeschluss des KG OLGSt § 231 Nr. 3); BGH NJW 1977 1928; Schlüchter 445. 92 BGH NJW 1977 1928; Schlüchter 445.

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sprechen; nicht notwendig ist dagegen, dass er sich auch tatsächlich zur Beschuldigung erklärt hat.93 Dem Gebot des rechtlichen Gehörs ist genügt, wenn er die Möglichkeit dazu hatte. Seine Vernehmung zur Sache (§ 243 Abs. 5 Satz 2) muss abgeschlossen sein. Dafür genügt es, wenn der Angeklagte erklärt, sich nicht oder nicht jetzt zur Sache äußern zu wollen. Sein Vorbehalt, er wolle sich später zur Sache erklären, schiebt den Abschluss der Vernehmung zur Sache nicht hinaus.94 Zu dieser gehört nicht die Erörterung seiner Vorstrafen. Diese dürfen auch in Abwesenheit des Angeklagten festgestellt werden.95 In der Berufungshauptverhandlung erstreckt sich die Vernehmung zur Sache auf die angeklagten Taten nur noch in dem Umfang, wie sie Gegenstand der Verhandlung sind.96 e) Anwesenheit entbehrlich. Absatz 2 setzt schließlich voraus, dass das Gericht – nicht der Vorsitzende – die fernere Anwesenheit des Angeklagten nicht für erforderlich erachtet.97 Es muss also überzeugt sein, dass die Erforschung der Wahrheit und der konzentrierte Verfahrensablauf durch die Abwesenheit des Angeklagten nicht beeinträchtigt werden. Dies kann immer nur unter Berücksichtigung der Prozesslage nach dem Ausbleiben des Angeklagten – und nicht etwa schon im Voraus – beurteilt werden.98 Andererseits können es jedoch vor allem bei einer wesentlichen Änderung der Sach- oder Rechtslage der Anspruch des Angeklagten auf rechtliches Gehör99 sowie die Aufklärungspflicht zwingend fordern, die Hauptverhandlung nicht ohne ihn zu Ende zu führen. 28 § 231 Abs. 2 kann daher keine Anwendung finden, wenn ein Hinweis nach § 265 Abs. 1 oder 2 erforderlich oder nach § 265 Abs. 4 angezeigt ist.100 Ist jedoch ein Verteidiger des Angeklagten anwesend, so kann der Hinweis nach § 265 Abs. 1 oder 2 diesem erteilt werden (§ 234a), ohne dass es insoweit darauf ankommt, ob er zur Vertretung des Angeklagten ermächtigt ist.101 Die Abwesenheit des Angeklagten hindert andererseits nicht, in der Hauptverhand29 lung mit Zustimmung der übrigen Verfahrensbeteiligten auch Protokolle oder Urkunden nach § 251 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 3 zu verlesen, obwohl das Einverständnis des Angeklagten fehlt. Denn durch sein eigenmächtiges Fernbleiben verwirkt der Angeklagte die ihm sonst zustehende Befugnis zur Einwirkung auf das Verfahren, also auch die Möglichkeit, der Verlesung eines Protokolls bzw. einer Urkunde zuzustimmen oder zu 27

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93 RGRspr. 8 113; BGHSt 27 216, 218 f.; BGH bei Dallinger MDR 1972 18; BGH NJW 1987 2592; vgl. auch BGH bei Holtz MDR 1984 628 zur Behauptung, die Vernehmung sei noch nicht abgeschlossen gewesen. 94 BGH NJW 1987 2592; Meyer-Goßner/Schmitt 19; SK/Deiters 11. 95 BGHSt 27 216 = LM StPO 1975 Nr. 2 m. Anm. Schmidt unter Aufgabe von BGHSt 25 4 = LM Nr. 2 m. Anm. Kohlhaas; BGH NJW 1977 1888; KK/Gmel 7; KMR/Eschelbach 24; Meyer-Goßner/Schmitt 19; a.A. Eisenberg NStZ 2012 65; differenzierend: AK/Keller 5 (Erörterung der Vorstrafen Teil der Vernehmung zur Sache, wenn sie die Strafzumessung „erheblich“ beeinflussen); SK/Deiters 12 sowie SK/Frister § 243, 83 (Erörterung der Vorstrafen als Teil der Vernehmung zur Sache, wenn sie auch für den Schuldspruch bedeutsam sind). 96 OLG Bremen MDR 1979 864: Strafmaßberufung. 97 Heinrich 36 f. 98 RGSt 58 149, 153; KMR/Eschelbach 25; Meyer-Goßner/Schmitt 20; Poppe NJW 1954 1915. 99 Nach SK/Deiters 15 soll unter diesem Aspekt ein Weiterverhandeln in Abwesenheit – insb. des zunächst schweigenden – Angeklagten nur in Ausnahmefällen zulässig sein, wenn Grund zu der Annahme bestehe, er werde unter dem Eindruck der Beweisaufnahme sein Einlassungsverhalten ändern. Damit wäre Absatz 2 aber weitgehend bedeutungslos. 100 RGSt 32 96; 35 65, 66; RG JW 1930 2059; BGH bei Dallinger MDR 1969 360. 101 Einschränkend SK/Deiters 14: nur wenn der Verteidiger den Angeklagten informieren und die weitere Verteidigung mit ihm abstimmen kann.

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widersprechen;102 auch sein Einverständnis nach § 245 Abs. 1 Satz 2 ist entbehrlich. § 153 Abs. 2 Satz 2 bestimmt darüber hinaus ausdrücklich, dass bei einer Abwesenheitsverhandlung nach § 231 Abs. 2 der Angeklagte der Einstellung nach § 153 Abs. 2 Satz 1 nicht zustimmen muss; dies gilt auch dann, wenn der anwesende Verteidiger der Einstellung widerspricht.103 Die spätere Einfügung des § 234a hat daran nichts geändert; denn sie sollte die Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten erleichtern, nicht erschweren.104 Dies gilt auch für die sonstigen Mitwirkungs-, Frage- und Erklärungsrechte einschließlich des höchstpersönlichen Rechts auf das letzte Wort,105 und zwar unabhängig davon, ob für den Angeklagten ein Verteidiger anwesend ist.106 3. Ermessensausübung. Selbst wenn alle Voraussetzungen des Absatzes 2 für die 30 Fortführung der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten vorliegen, steht es im Ermessen des Gerichts, ob es von der Vorschrift Gebrauch machen oder nicht doch nach § 230 Abs. 2 vorgehen will. Besonderheiten bestehen allerdings dann, wenn das „eigenmächtige Ausbleiben“ des Angeklagten darin liegt, dass er sich in einen Zustand der Verhandlungsunfähigkeit versetzt hat, und er hierdurch die ordnungsgemäße Fortführung der Hauptverhandlung in seiner Gegenwart verhindert. In diesem Fall wird Absatz 2 durch § 231a Abs. 1 Satz 1 überwölbt, dessen verfahrenssichernde Zwecksetzung durch die Vernehmung des Angeklagten zur Sache, die den Anwendungsbereich des § 231a von demjenigen des § 231 Abs. 2 abgrenzt, nicht relativiert werden kann. Das Gericht muss daher ohne den Angeklagten weiterverhandeln, es sei denn, dessen Anwesenheit ist i.S.d. § 231a Abs. 1 Satz 1 unerlässlich. Das gerichtliche Ermessen ist daher insoweit auf Null reduziert.107 4. Form der Entscheidung. Das Gericht sollte seine Ansicht, dass es ohne den An- 31 geklagten weiterverhandeln könne und wolle, durch einen besonderen Beschluss bekanntgeben. Dies ist im Interesse der Verfahrensklarheit zumindest zweckmäßig,108 nach der vorherrschenden Meinung aber nicht notwendig. Danach genügt es, wenn das Gericht seine Auffassung durch die Fortsetzung der Hauptverhandlung schlüssig zum Ausdruck bringt.109 Hat der Vorsitzende kompetenzwidrig über die Fortsetzung allein entschieden, so liegt in der Mitwirkung der anderen Richter in aller Regel die stillschweigende Billigung dieser Entscheidung.110

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102 BGHSt 3 206, 210; Niese JZ 1953 597; Meyer-Goßner/Schmitt 21; vgl. auch BGH NJW 1987 2592, 2593; im Ergebnis ebenso Eisenberg NStZ 2012 64 (zwar keine Verwirkung, aber faktischer Verlust der Verfahrensrechte); a.A. SK/Deiters 33 ff.: keine Verwirkung, Angeklagter kann zwar seine Mitwirkungsbefugnisse nicht wahrnehmen, die gesetzlichen Zustimmungserfordernisse bleiben jedoch unberührt. 103 OLG Düsseldorf MDR 1992 1174; vgl. bei § 153. 104 KK/Gmel § 234a, 5; Meyer-Goßner/Schmitt 21; a.A. Pfeiffer 3; vgl. bei § 234a. 105 BGH bei Holtz MDR 1978 460; KK/Gmel 9; Eb. Schmidt 11; SK/Deiters 33; h.M. 106 Von BGHSt 3 206, 210 offengelassen. 107 Rieß JZ 1975 271; Röhmel JA 1976 592; a.A. SK/Deiters 3 und § 231a, 9: keine Überschneidung von § 231 mit § 231a möglich. 108 BGHSt 59 187, 192; Eisenberg (Beweisrecht) 771 („tunlichst“); Poppe NJW 1954 1915; Radtke/Hohmann/Britz 17; SK/Deiters 29; s. auch Rn. 37 und 44. 109 RGSt 9 341; BGH bei Dallinger MDR 1975 198; bei Pfeiffer NStZ 1981 95; 1981 297; OLG Hamburg NJW 1953 235; OLG Köln StV 1985 50, 51; KK/Gmel 11; Meyer-Goßner/Schmitt 22; SK/Deiters 29; a.A. Baxhenrich 213; Fuhrmann GA 1963 80; KMR/Eschelbach 26 jedenfalls für Kollegialgerichte; vgl. Rieß JZ 1975 271. 110 Schon deshalb dürfte die Frage, ob darauf die Revision gestützt werden könnte, kaum praktische Bedeutung erlangen; a.A. OLG Köln NStZ-RR 2012 178 (für Verfahren vor der Kleinen Strafkammer; absoluter Revisionsgrund nach § 338 Nr. 5); KMR/Eschelbach 26; Meyer-Goßner/Schmitt 22; SK/Deiters 29.

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5. Verteidigung. Für den abwesenden Angeklagten kann ein Verteidiger auftreten. Will er den Angeklagten in Erklärung und Willen auch vertreten, bedarf er dazu einer Vollmacht nach § 234 (s. näher dort).

6. Rückkehr in die Hauptverhandlung. Durch sein eigenmächtiges Fernbleiben verliert der Angeklagte sein Recht auf Anwesenheit nicht endgültig. Er kann daher jederzeit wieder an der ohne ihn fortgeführten Hauptverhandlung teilnehmen. Dies gilt auch für den in Haft befindlichen Angeklagten, gegen den die Verhandlung in seiner Abwesenheit fortgesetzt wurde, weil er sich schuldhaft in einen Zustand der Verhandlungsunfähigkeit versetzt hatte. Will er in die Hauptverhandlung zurückkehren, so muss das Gericht ihn dazu vorführen lassen, sofern nicht andere Gründe seinen Ausschluss rechtfertigen.111 Mit der Rückkehr in die Hauptverhandlung leben die Verfahrensrechte des Ange34 klagten wieder auf.112 Dies wirkt aber nicht auf die Teile der Hauptverhandlung zurück, die bereits ohne ihn verhandelt worden sind. Diese bleiben wirksam und sind vom Angeklagten hinzunehmen.113 Der Vorsitzende ist – anders als nach §§ 231a, 231b, 247 – nicht verpflichtet, ihn über das zwischenzeitliche Verhandlungsergebnis zu unterrichten.114 Auch Art. 103 Abs. 1 GG erfordert dies nicht.115 Rieß116 erwägt demgegenüber eine Unterrichtungspflicht des Angeklagten deshalb, weil kein Grund ersichtlich sei, den Angeklagten im Falle des § 231 Abs. 2 anders zu behandeln als bei §§ 231a, 231b. Auch wenn man eine solche generelle Pflicht verneint, kann im Einzelfall eine Unterrichtung des Angeklagten über das in seiner Abwesenheit Verhandelte geboten sein, sofern dies zur besseren Sachaufklärung oder in Erfüllung einer prozessualen Fürsorgepflicht für einen nichtverteidigten Angeklagten notwendig ist.117 Aber auch sonst kann eine kurze Information über das Verhandelte verfahrensfördernd sein.118 Mit der Rückkehr des Angeklagten verliert sein eigenmächtiges Fernbleiben jede 35 Wirkung für das weitere Verfahren. Bleibt er später erneut aus, so muss das Gericht unabhängig von dem früheren Vorfall prüfen, ob nunmehr wiederum die Voraussetzungen für eine Fortführung der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten gegeben sind.119 Der Ansicht von Pawlik,120 das Gericht dürfe in Fällen, in denen der Angeklagte der Hauptverhandlung nur zeitweise eigenmächtig fernbleibt, gleichwohl in seiner Abwesenheit weiterverhandeln, kann nicht gefolgt werden.121 Kommt der Ange33

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111 BGH bei Holtz MDR 1980 631; bei Pfeiffer NStZ 1981 297. 112 S. etwa zur Gewährung des letzten Worts: BGH NStZ 1986 372; 1990 291; OLG Hamm NStZ-RR 2001 334, 335; OLG Stuttgart NStZ-RR 2015 285, 286. 113 BGH NStZ 2002 533, 535. 114 RGSt 52 68, 69; BGHSt 3 187, 189; BGH NStZ 2002 533, 535; AK/Keller 18; KK/Gmel 12; Meyer-Goßner/ Schmitt 23; Pfeiffer 4; offengelassen von BGH NStZ 1999 256, 257. 115 BVerfGE 41 246, 249; Gollwitzer FS Tröndle 465. 116 JZ 1975 271; ähnlich Baxhenrich 213; Maatz DRiZ 1991 206; KMR/Eschelbach 30; SK/Deiters 38; SSW/Grube 26. 117 BGH NStZ 2002 533, 535; Eisenberg NStZ 2012 64 f. 118 BGH NStZ 1999 256; 2002 533, 535; KK/Gmel 12; Meyer-Goßner/Schmitt 23; Gollwitzer FS Tröndle 465. 119 BGHSt 19 144 m. abl. Anm. Pawlik NJW 1964 779; Meyer-Goßner/Schmitt 23; SK/Deiters 37. 120 NJW 1964 779. 121 Vgl. Eb. Schmidt Nachtr. I 8; der von Pawlik NJW 1964 779 gebildete Fall, dass der Angeklagte nach einer selbstverschuldeten Verhandlungsunfähigkeit infolge eines Suizidversuchs nur soweit genesen ist, dass gegen ihn für wenige Stunden verhandelt werden kann, ist nach dem erst 1975 in die StPO eingeführten § 231a zu lösen, vgl. dazu § 231a, 3 und 8.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 231

klagte erst unmittelbar vor der Urteilsverkündung zurück, so ist ihm unter Wiedereintritt in die Verhandlung das letzte Wort zu gewähren.122 7. Sitzungsniederschrift. Entfernt sich der Angeklagte aus der Hauptverhandlung, 36 so ist dies in der Sitzungsniederschrift zu beurkunden; denn die Anwesenheit oder Abwesenheit des Angeklagten zählt zu den wesentlichen Förmlichkeiten des Verfahrens im Sinne des § 273 Abs. 1 Satz 1. Anordnungen des Vorsitzenden nach § 231 Abs. 1 Satz 2 sind ebenfalls in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen.123 Obwohl ein förmlicher Beschluss über die Fortsetzung der Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231 Abs. 2) lediglich zweckmäßig, nicht aber geboten ist, muss er, wenn er dennoch gefasst wird, als in der Hauptverhandlung ergangene Entscheidung in das Protokoll aufgenommen werden. Ist der Hinweis nach § 231 Abs. 2 dem Angeklagten schon mit der schriftlichen Ladung zum ersten Hauptverhandlungstermin erteilt worden (s. Rn. 10), so bedarf es der Protokollierung eines eventuell zusätzlich bei der Unterbrechung der Hauptverhandlung i.V.m. der Ladung zum Fortsetzungstermin nochmals erteilten derartigen Hinweises nicht. Handelt es sich indessen um den ersten entsprechenden Hinweis, so ist er als wesentliche Verfahrensförmlichkeit i.S.d. § 273 Abs. 1 Satz 1 in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen. Nicht zu protokollieren ist eine eventuelle Unterrichtung des in die Hauptverhandlung zurückgekehrten Angeklagten über den Inhalt und das Ergebnis des in seiner Abwesenheit fortgeführten Teils der Verhandlung.124 8. Das Urteil und seine Bekanntmachung. Auch wenn das Gericht keinen formel- 37 len Beschluss über die Fortführung der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten gefasst hat (Rn. 31), muss es in der Urteilsbegründung nicht notwendig die Tatsachen angeben, aus denen sich die Anwendung des § 231 Abs. 2 ergibt;125 denn dies ist in § 267 nicht vorgesehen. Dennoch empfiehlt es sich für das Tatgericht, die Gründe, auf die es die Anwendung des § 231 Abs. 2 stützt, in einem gesonderten Beschluss oder zumindest im Urteil darzulegen; denn nach hier vertretener Auffassung ist das Revisionsgericht an die insoweit vom Tatgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen gebunden. Aber auch die herrschende Meinung, die eine derartige Bindung des Revisionsgerichts ablehnt, hält eine Darlegung der maßgeblichen Gründe für zweckmäßig, da das Revisionsgericht den vom Tatgericht ermittelten Sachverhalt jedenfalls dann zugrunde legen darf, wenn es selbst freibeweislich keine hiervon abweichenden Feststellungen zu treffen vermag (s. insg. Rn. 44). Ein Urteil, das nach § 231 Abs. 2 in Abwesenheit des Angeklagten verkündet wurde, 38 ist ihm mit den Gründen nach § 35 Abs. 2 Satz 1 zuzustellen. Die Rechtsmittelbelehrung nach § 35a ist schriftlich zu erteilen. Das Urteil kann auch dem Verteidiger nach § 145a Abs. 1 zugestellt werden.126 Die Streitfrage, ob § 232 Abs. 4 auf die Zustellung des im Verfahren nach § 231 Abs. 2 ergehenden Urteils anwendbar ist, ist hier ebenso zu verneinen wie bei § 233.127

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122 BGH NStZ 1986 372; 1990 291; OLG Hamm NStZ-RR 2001 334, 335; OLG Stuttgart NStZ-RR 2015 285, 286. 123 SK/Deiters 41. 124 BGH NStZ 2002 233, 235. 125 OLG Köln StV 1985 50, 51; KK/Gmel 13; Meyer-Goßner/Schmitt 22; SSW/Grube 28; auch KMR/ Eschelbach 26, der allerdings die Erforderlichkeit eines begründeten Beschlusses bejaht; a.A. SK/Deiters 29; Koeniger 224. 126 H.M.; etwa KK/Gmel 13; Meyer-Goßner/Schmitt 22; SK/Deiters 32. 127 KK/Gmel 13.

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§ 231

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III. Rechtsbehelfe 39

1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann der Angeklagte seit der Neufassung des § 235 durch das Vereinheitlichungsgesetz nicht mehr verlangen, wenn sich ergibt, dass er entgegen der Annahme des Gerichts der weiteren Verhandlung nicht eigenmächtig ferngeblieben ist. Wird dieser Umstand bekannt, bevor die Verhandlung beendet ist, dann müssen die in Abwesenheit des Angeklagten verhandelten Teile in seiner Gegenwart wiederholt werden; dies lässt sich nunmehr auch aus § 33a herleiten.128 Andernfalls ist ein Revisionsgrund (§ 338 Nr. 5) gegeben.129

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2. Anrufung des Gerichts (§ 238 Abs. 2). Maßregeln des Vorsitzenden nach § 231 Abs. 1 Satz 2 sind entgegen der herrschenden Auffassung130 in aller Regel solche der Sachleitung i.S.d. § 238 Abs. 2, gegen die die Entscheidung des Gerichts beantragt werden kann131 und zur Wahrung einer eventuellen Revisionsrüge nach § 338 Nr. 8 auch beantragt werden muss. Das Weiterverhandeln nach § 231 Abs. 2 beruht dagegen – auch wenn der Vorsitzende zunächst kompetenzwidrig die Fortsetzung der Hauptverhandlung verfügt (vgl. Rn. 31) – in aller Regel auf einer stillschweigenden Entscheidung des Gerichts, so dass dessen Anrufung nach § 238 Abs. 2 ausscheidet.132

3. Beschwerde. Die Anordnung des Vorsitzenden gemäß § 231 Abs. 1 Satz 2 bzw. der diese bestätigende Gerichtsbeschluss (§ 238 Abs. 2) sind gemäß § 304 Abs. 1, § 305 Satz 2 mit der Beschwerde anfechtbar.133 Das für die Beschwerde erforderliche Rechtsschutzbedürfnis entfällt nicht dadurch, dass sich die Maßnahme vor der Entscheidung des Beschwerdegerichts erledigt hat.134 Die weitere Beschwerde (§ 310) ist nicht statthaft. Nach allgemeiner Ansicht135 soll sie auch bei Ingewahrsamnahme nach § 231 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 nicht zulässig sein. Insbesondere wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung (Rn. 5) das Ingewahrsamnehmen grundsätzlich auch für Unterbrechungen der Hauptverhandlung als zulässig erachtet, die die Frist der § 128 Abs. 1 Satz 1, § 129 Halbsatz 2 überschreiten, dürfte jedoch eine Verhaftung i.S.d. § 310 Abs. 1 anzunehmen sein. Konsequenterweise müsste dann auch in Strafsachen, die erstinstanzlich vor dem OLG verhandelt werden, die Ingewahrsamnahme gemäß §304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 mit der Beschwerde zum BGH angegriffen werden können. Gegen die Fortführung der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten 42 nach § 231 Abs. 2 findet die Beschwerde nicht statt (§ 305 Satz 1). Für eine entsprechende Anwendung des § 231a Abs. 3 Satz 3 ist kein Raum.136 Dies gilt auch dann, wenn das Gericht in seiner Entscheidung ergänzend § 231a Abs. 1 in Bezug nimmt. Hierdurch wird die 41

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128 Weßlau StV 2014 241; Meyer-Goßner/Schmitt 23; SK/Deiters 44. 129 BGHSt 10 304 = JZ 1957 673 m. Anm. Eb. Schmidt; BGH bei Holtz MDR 1979 989; BGH StV 1988 447. 130 BGH NJW 1957 271; OLG Dresden NStZ 2007 479; Eb. Schmidt 2; für ausnahmsweisen Sachleitungscharakter im Einzelfall: AK/Keller 20; KMR/Eschelbach 34 (insb. bei Beschränkung der Verteidigung); Radtke/Hohmann/Britz 20. 131 KK/Gmel 2; Meyer-Goßner/Schmitt 24; SK/Deiters 42; SSW/Grube 30; s. näher § 238, 12. 132 SK/Deiters 43. 133 Im Ergebnis ebenso: OLG Dresden NStZ 2007 479; OLG Frankfurt NStZ-RR 2003 329. 134 Vgl. § 230, 44; dazu Pfeiffer 5, mit Hinweis auf eine entsprechende Anwendbarkeit des § 98 Abs. 2, was freilich nur in Betracht kommen kann, wenn nicht die Anordnung selbst, sondern die Art und Weise ihres Vollzuges angegriffen wird. 135 Etwa OLG Oldenburg NdsRPfl. 1954 193; Meyer-Goßner/Schmitt 24; SSW/Grube 31; vgl. auch SK/Deiters 42. 136 SK/Deiters 43.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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Beschwerdemöglichkeit nach § 231a Abs. 3 Satz 3 bzw. – für erstinstanzliche Verfahren vor dem OLG – nach § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 nicht eröffnet.137 4. Revision. In der Revision können Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 regelmäßig 43 nicht mit Erfolg angegriffen werden. Haben sie jedoch die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt beschränkt, ist die Rüge nach § 338 Nr. 8 eröffnet.138 Dies setzt jedoch voraus, dass gemäß § 238 Abs. 2 ein Gerichtsbeschluss erwirkt wurde. Verstöße gegen Absatz 2 begründen den absoluten Revisionsgrund des § 338 44 Nr. 5, sofern der Angeklagte während eines wesentlichen Teils der Hauptverhandlung abwesend war (s. dazu näher die Erl. zu § 338 Nr. 5).139 Die Rüge kann auch von der Staatsanwaltschaft und dem Nebenkläger erhoben werden; § 339 steht dem nicht entgegen.140 Dagegen führt die unberechtigte Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nicht zu einem Verfahrenshindernis.141 Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des Absatzes 2 zu Recht oder zu Unrecht bejaht wurden, ist das Revisionsgericht nach herrschender Ansicht nicht an die Feststellungen des Tatrichters zur Eigenmacht des Angeklagten gebunden. Es müsse selbständig nachprüfen, ob eine solche vorlag (Freibeweis).142 Unerheblich sei dabei, ob der Tatrichter nach den ihm bekannten Umständen eine solche annehmen durfte; denn Revisionsgrund sei nicht die mangelnde Prüfung dieser Frage durch den Tatrichter, sondern allein, ob die Eigenmächtigkeit tatsächlich vorlag und nachgewiesen ist.143 Werden die Feststellungen des Tatrichters nicht erschüttert bzw. ist eine weitere Klärung nicht möglich, gehe das Revisionsgericht aber von diesen aus.144 Dem ist nicht zu folgen. Sind die Feststellungen des Tatrichters, auf die er die Anwendung des § 231 Abs. 2 stützt, rechtsfehlerfrei getroffen, so ist das Revisionsgericht hieran gebunden.145 Es hat sie nicht im Freibeweis auf ihre Richtigkeit zu prüfen, sondern nur festzustellen, ob die zu Grunde liegende tatsächliche Würdigung der Ergebnisse der freibeweislichen Erhebungen des Tatgerichts rechtsfehlerfrei ist und die rechtliche Bewertung trägt, der Angeklagte sei unentschuldigt ausgeblieben. Nur aufgrund einer formgerechten (§ 344 Abs. 2 Satz 2) Verfahrensrüge nach § 244 Abs. 2 ist es gehalten, die tatrichterlichen Feststellungen auf ihre Vollständigkeit zu untersuchen. Es sind keine vernünftigen Gründe ersichtlich, warum nicht auch hier die Maßstäbe anwendbar sein sollen, die für die Revision gegen ein Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 Satz 1 aner-

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137 BGH bei Pfeiffer NStZ 1981 95; KK/Gmel 15. 138 BGH NJW 1957 271; NStZ 2004 637; KMR/Eschelbach 37; Meyer-Goßner/Schmitt 25; SK/Deiters 42. 139 OLG Celle StraFo 2012 140; OLG Köln NStZ-RR 2012 178. 140 BGHSt 37 249, 250; zweifelnd BGHSt 59 187, 189 f. 141 S. § 230, 47. 142 BGHSt 56 298, 310; BGH StV 1981 393; 1982 356; 1984 326; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 355; 1984 209; BGH NStZ 1988 421, 422 m. Anm. Meurer; 1989 283, 284; 1999 418; 2010 585; NStZ-RR 2001 333, 334; 2008 285, 286; 2014 318, 319; NZWiSt 2016 64, 68; OLG Celle StraFo 2012 140, 141; OLG Hamm StraFo 2007 292; Eisenberg (Beweisrecht) 775; ders. NStZ 2012 70; Hamm 417; s. auch BGH NJW 1987 1776 (offen, ob dies auch hinsichtlich der ordnungsgemäßen Ladung gilt); OLG Stuttgart NJW 1967 944, 946. 143 BGHSt 10 304; 16 178; BGH NStZ 1997 295; 2010 585; BGH StV 1981 393; 1984 326; BGH bei Holtz MDR 1979 281; 1979 989; KK/Gmel 16; Meyer-Goßner/Schmitt 25. Vgl. auch die Nachw. in der vorhergehenden Fn. 144 BGH NStZ 1999 418, 419; BGH bei Holtz MDR 1979 281; Meyer-Goßner/Schmitt 25. 145 Wie hier Maatz DRiZ 1991 205; s. auch § 244, 32; ähnlich, wenn auch von einem abweichenden rechtlichen Ausgangspunkt ausgehend: SK/Deiters 46 ff.; s. auch Berg StraFo 2018 335; ablehnend MeyerGoßner/Schmitt 25; Basdorf StV 1997 492 f.; Weßlau StV 2014 236 ff.: im Hinblick auf „allgemein anerkannte Grundsätze des Revisionsrechts“ bzw. das „Wesen der Revision“ (diese „Grundsätze“ bzw. dieses „Wesen“ müssen der StPO allerdings erst eingehaucht werden, um sie dann als Sachargument heranziehen zu können, während § 337 zwanglos in dem hier vertretenen Sinne verstanden werden kann); offen gelassen von BGH NJW 2017 1828, 1830; StV 2012 72, 73; s. auch BGHSt 54 69, 97; 55 314, 318.

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kannt sind.146 Das Vorliegen von Entschuldigungsgründen, die nicht zur Kenntnis des Tatgerichts gelangt sind und die erstmals mit der Revision geltend gemacht werden, hat das Revisionsgericht dagegen vollumfänglich im Freibeweis zu prüfen.147 Dagegen ist deren (alternative) nachträgliche Geltendmachung nach Urteilsverkündung bei dem Tatgericht nach § 33a nicht möglich,148 da ansonsten die für die Revision geltenden Fristen ausgehebelt würden.149 Die Ansicht der Vorinstanz, die weitere Anwesenheit des Angeklagten sei nicht erforderlich, kann das Revisionsgericht nur dahin nachprüfen, ob diese Beurteilung erkennbar durch einen Rechtsfehler beeinflusst ist (vgl. § 231b, 19). Zur Begründung der Revisionsrüge ist unter Anführung aller dazu erforderlichen 45 Tatsachen (§ 344 Abs. 2 Satz 2) konkret darzulegen, welche wesentlichen Teile der Hauptverhandlung ohne den Angeklagten stattfanden.150 Ob hierzu im Falle einer Zeugenvernehmung in Abwesenheit des Angeklagten auch die Mitteilung des Inhalts der Aussage gehört,151 erscheint allerdings zweifelhaft (s. § 230, 47). Aufzuführen sind jedoch die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass die Voraussetzungen des Absatzes 2 nicht vorlagen. Dies gilt auch für die Frage des eigenmächtigen Fernbleibens. Nach der hier vertretenen Ansicht (s. Rn. 44) versteht sich dies von selbst. Aber auch nach herrschender Auffassung, wonach das Revisionsgericht selbständig und ohne Bindungen an die Feststellungen des Tatrichters nachprüft, ob Eigenmacht erweislich vorlag, ist der Revisionsführer nicht von der Pflicht entbunden, als Ansatzpunkt für Gegenstand und Richtung der geforderten Nachprüfung die Tatsachen anzuführen, die konkret belegen, dass das Ausbleiben des Angeklagten nicht eigenmächtig war.152 Die unsubstantiierte Behauptung eines Irrtums über den Termin genügt nicht.153 Der Angeklagte verwirkt das Recht, das Weiterverhandeln in seiner Abwesenheit 46 zu rügen, nicht dadurch, dass er im Einvernehmen mit dem Gericht der Verhandlung ferngeblieben ist. Die zwingende Teilnahmepflicht kann nicht über den Umweg einer die Revisionsrüge ausschließenden einvernehmlichen Sachgestaltung zur Disposition des Gerichts oder der Verfahrensbeteiligten gestellt werden.154

§ 231a Herbeiführung der Verhandlungsunfähigkeit durch den Angeklagten § 231a Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-026

(1) 1 Hat sich der Angeklagte vorsätzlich und schuldhaft in einen seine Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt und verhindert er dadurch wissentlich die ordnungsmäßige Durchführung oder Fortsetzung der Hauptverhandlung in seiner Gegenwart, so wird die Hauptverhandlung, wenn er noch nicht über die Anklage vernommen war, in seiner Abwesenheit durchgeführt oder fort-

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146 Vgl. BGHSt 28 384; KK/Paul § 329, 14 m.w.N. 147 Vgl. SK/Deiters 47. 148 Anders aber Weßlau StV 2014 241. 149 SK/Deiters 44. 150 BGHSt 26 84, 91; BGH NStZ 1983 36. 151 So BGH NStZ 2008 644. 152 BGH StV 1981 393; 1984 326; 2012 72 f.; NJW 1999 662 m. Anm. Hamm S. 922; NZWiSt 2016 64, 68; OLG Schleswig bei Döllel/Dreeßen SchlHA 2012 296; Meyer-Goßner/Schmitt 25; SK/Deiters 48; a.A. OLG Köln StV 1985 50, 51: Berücksichtigung auch solcher Umstände, die die Revision nicht vorgetragen hat. 153 BGH StV 1984 326. 154 OLG Hamm StV 2010 65 (anders nur bei Arglist); Jescheck JZ 1952 402; Schmid Verwirkung 324; vgl. BGH NStZ 1993 198; a.A. wohl OLG Darmstadt JR 1949 515; s. auch OLG Celle OLGSt § 338 Nr. 6: Verwirkung der Rüge nach § 338 Nr. 5, wenn der Angeklagte einem Augenscheinstermin bewusst fernbleibt und dies dem Gericht nicht mitteilt, das seine Abwesenheit nicht erkennt.

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gesetzt, soweit das Gericht seine Anwesenheit nicht für unerläßlich hält. 2 Nach Satz 1 ist nur zu verfahren, wenn der Angeklagte nach Eröffnung des Hauptverfahrens Gelegenheit gehabt hat, sich vor dem Gericht oder einem beauftragten Richter zur Anklage zu äußern. (2) Sobald der Angeklagte wieder verhandlungsfähig ist, hat ihn der Vorsitzende, solange mit der Verkündung des Urteils noch nicht begonnen worden ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist. (3) 1 Die Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nach Absatz 1 beschließt das Gericht nach Anhörung eines Arztes als Sachverständigen. 2 Der Beschluß kann bereits vor Beginn der Hauptverhandlung gefaßt werden. 3 Gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde zulässig; sie hat aufschiebende Wirkung. 4 Eine bereits begonnene Hauptverhandlung ist bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu unterbrechen; die Unterbrechung darf, auch wenn die Voraussetzungen des § 229 Abs. 2 nicht vorliegen, bis zu dreißig Tagen dauern. (4) Dem Angeklagten, der keinen Verteidiger hat, ist ein Verteidiger zu bestellen, sobald eine Verhandlung ohne den Angeklagten nach Absatz 1 in Betracht kommt. Schrifttum Siehe bei § 230.

Entstehungsgeschichte § 231a ist durch Art. 1 Nr. 10 des 1. StVRErgG eingefügt worden.1 Obwohl das 1. JuMoG die in § 229 Abs. 2 vorgesehene Höchstdauer, für die das Gericht die Hauptverhandlung unterbrechen darf, von 30 Tagen auf einen Monat abgeändert hat, ist Absatz 3 Satz 4 Halbsatz 2 nicht angepasst worden.

I.

II.

Übersicht Zweck und Anwendungsbereich 1. Zweck der Regelung | 1 2. Anwendungsbereich | 2 Die Voraussetzungen der Abwesenheitsverhandlung 1. Materielle Voraussetzungen a) Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten | 3 b) Verantwortlichkeit des Angeklagten | 4 c) Verhinderung der ordnungsgemäßen Verhandlung | 8 d) Vor Abschluss der Vernehmung zur Anklage | 10 e) Anwesenheit des Angeklagten nicht unerlässlich | 11 2. Formelle Voraussetzungen

a)

III.

Gelegenheit zur Äußerung (Absatz 1 Satz 2) | 12 b) Bestellung eines Verteidigers (Absatz 4) | 18 c) Anhörung eines Arztes (Absatz 3 Satz 1) | 20 Entscheidung des Gerichts und deren Folgen 1. Anordnung der Abwesenheitsverhandlung a) Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen | 21 b) Gerichtsbeschluss | 22 c) Rechtsfolgen | 24 d) Zeitweilige Anwesenheit des Angeklagten | 26 2. Absehen von Abwesenheitsverhandlung | 29

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343

Zum historischen Hintergrund (sehr kritisch): SK/Deiters 1 ff.

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IV.

V. VI.

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Wiederherstellung der Verhandlungsfähigkeit 1. Feststellung der Verhandlungsfähigkeit | 30 2. Unterrichtung des Angeklagten (Absatz 2) | 32 Sitzungsniederschrift | 36 Rechtsbehelfe 1. Sofortige Beschwerde (Absatz 3 Satz 3)

Alphabetische Übersicht Angeklagter – Anhörung zur Anklage 12 ff., 21 – zeitweilige Teilnahme 26 ff. Anhörung der Verfahrensbeteiligten 13, 22 Anwendungsbereich 2 Anwesenheit unerlässlich 11, 21, 42 Anwesenheit, zeitweilige 11, 26 ff. Arzt als Sachverständiger 3, 20, 43 Ärztliche Behandlung 6 Aufklärungspflicht 11, 24, 42, 43 Aufschub der Hauptverhandlung 39 Äußerung zur Anklage 12, 24, 27 Beschleunigungsgebot 1, 8 Beschluss des Gerichts 22, 30, 45 f. Beschluss – ablehnender 29 – Begründung 23 – Bekanntgabe 23, 49 – gegenstandslos geworden 30, 43 Beschränkung der Verhandlungszeit 3 Beschwerde – aufschiebende Wirkung 39 – einfache 45 – sofortige 37 – Überholung 43 Beschwerdeberechtigte 38 Beweisanträge des Angeklagten 24 Erregungszustand, anormaler 6 Faires Verfahren 1 Freibeweis 21, 36 Gegenüberstellung 11 Gesundheitszustand des Angeklagten 3 Haft des Angeklagten 31 Hinweise nach § 265 25 Hungerstreik 6 Kenntnis von Wiederherstellung der Verhandlungsfähigkeit 30 Kontrollpflicht des Gerichts 31 Medikamentenmissbrauch 6 Mitangeklagte 38

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a)

2. 3.

Zulässigkeit und Zweck | 37 b) Aufschiebende Wirkung | 39 c) Unterbrechung der Hauptverhandlung (Absatz 3 Satz 4) | 40 d) Beschwerdeentscheidung | 42 Beschwerde | 45 Revision | 47

Oberlandesgericht im ersten Rechtszug 37, 45 Rechtliches Gehör 1, 11 f., 31, 36 Revision – Ausschluss 47 – zulässig 48 Richter – beauftragter 15, 43 – ersuchter 15 Schweigerecht des Angeklagten 17 Selbstbeschädigung 6 Sitzungsniederschrift 36 Selbstmordversuch 6 Trennung des Verfahrens 11 Trunkenheit 9 Unterbrechung der Verhandlung 39, 40, 48 Unterbrechungsfrist 40, 49 Unterrichtung des Angeklagten 28, 32 f., 36, 49 Urteil 35 Verfahrensverzögerung, kurzfristige 9 Verhandlungsfähigkeit 3, 6 ff., 30, 43 – künftige 3 – Wiederherstellung 19, 30 f., 43 – Zeitpunkt der Verursachung 7 – zeitweilige 26 Verhinderung der Verhandlung 5, 8 f. Vernehmung zur Anklage 3, 10 Vernehmungsfähigkeit 14 Vernehmungsniederschrift 16 Verteidiger – Aufgaben 24, 25 – Bestellung 18 f. – Eingangserklärung 16 Vertreter, gesetzlicher 38 Verzögerung, kurzfristige 9 Vorsatz, bedingter 4 f. Wiederholung der Hauptverhandlung 32, 40 Wissentliche Verhinderung 5, 12 Zweck der Regelung 1 Zweifel 21

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I. Zweck und Anwendungsbereich 1. Zweck der Regelung. § 231a ergänzt § 231 Abs. 2. Entzieht sich der Angeklagte ei- 1 genmächtig der weiteren Teilnahme an der Hauptverhandlung, was auch durch vorsätzliches Herbeiführen eines die Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustands geschehen kann (§ 231, 16), so darf nach § 231 Abs. 2 das Gericht die Verhandlung ohne ihn nur zu Ende führen, wenn er bereits über die Anklage vernommen war. Andernfalls muss es die nach § 230 Abs. 1 erforderliche Anwesenheit des Angeklagten sicherstellen, notfalls durch Zwangsmittel. Beide Möglichkeiten zur Fortführung des Verfahrens versagen jedoch, wenn sich der Angeklagte bereits vor seiner Vernehmung zur Anklage in einen Zustand versetzt, der seine Verhandlungsfähigkeit nicht nur vorübergehend ausschließt. Da dem Angeklagten nicht gestattet werden kann, das Anwesenheitsgebot des § 230 Abs. 1 dadurch missbräuchlich zu instrumentalisieren, dass er durch eigenes vorwerfbares Verhalten die Durchführung der Hauptverhandlung bewusst langfristig verzögert oder verhindert,2 lässt § 231a im Interesse einer wirksamen und schnellen Strafverfolgung auch insoweit die Abwesenheitsverhandlung zu. Dies entspricht dem Gebot, Strafverfahren in angemessener Frist zu erledigen (Art. 6 Abs. 1 EMRK; Art. 14 Abs. 1 IPBPR), und dem Rechtsstaatsprinzip, das die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege erfordert. § 231a ist verfassungsgemäß. Da allein der Angeklagte durch sein von ihm selbst zu verantwortendes Verhalten verhindert hat, dass die Hauptverhandlung ordnungsgemäß in seiner Anwesenheit durchgeführt wird, verletzt das Verhandeln ohne ihn weder sein Recht auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) noch das Recht auf ein faires Verfahren.3 2. Anwendungsbereich. § 231a ist gemäß der Einschränkung in Absatz 1 Satz 1 nur 2 anwendbar, wenn die Verhandlungsunfähigkeit eintritt, bevor der Angeklagte vollständig zur Anklage vernommen wurde (s. Rn. 10). Andernfalls ist für Zulässigkeit und Verfahren der Abwesenheitsverhandlung bei selbstverschuldeter Verhandlungsunfähigkeit allein § 231 Abs. 2 maßgebend, auch wenn alle sonstigen Voraussetzungen des § 231a Abs. 1 gegeben sind.4 Diese Abgrenzung ist wegen der verschiedenen Anforderungen an die Zulässigkeit der Abwesenheitsverhandlung, vor allem aber auch wegen der besonderen Verfahrensvorschriften in § 231a Abs. 2 bis 4 von erheblicher Bedeutung. II. Die Voraussetzungen der Abwesenheitsverhandlung 1. Materielle Voraussetzungen (Absatz 1 Satz 1) a) Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten. Der Angeklagte muss nach der 3 Überzeugung des Gerichts, die sich auf ein ärztliches Gutachten zu stützen hat (Absatz 3

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2 BTRAussch. BTDrucks. 7 2989 S. 5; Rieß JZ 1975 269. 3 BVerfGE 41 246, 249 = JZ 1976 766 m. abl. Anm. Grünwald; 51 324, 345; 89 120, 129 = NStZ 1993 598 m. Anm. Meurer; EKMR EuGRZ 1978 314, 324; Baumann ZRP 1975 43; Rüping Rn. 400; vgl. auch Martin FS Dreher 664; a.A. Grünwald JZ 1976 770 f. (Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG); Hamm 420; sehr kritisch auch SK/Deiters 3 f.; Baxhenrich 176 ff. 4 BGHSt 56 298, 307; BGH NJW 1981 1052, 1053; NStZ 2002 533, 535; bei Pfeiffer NStZ 1981 95; OLG Hamm JMBINW 1982 83; Baxhenrich 175; Rieß JZ 1975 269; Meyer-Goßner/Schmitt 1; SSW/Grube 1; a.A. SK/Deiters 7 ff., der im Wege „berichtigender Auslegung“ § 231a über dessen Wortlaut hinaus auch dann anwenden will, wenn sich der Angeklagte nach Vernehmung zur Anklage in den Zustand der Verhandlungsunfähigkeit versetzt, und der sich so aus dem Dilemma zu befreien versucht, dass nach seiner Ansicht (SK/Deiters § 230, 7 ff.; § 231, 3) § 230 Abs. 2, § 231 auf den zwar erschienenen, aber schuldhaft verhandlungsunfähigen Angeklagten nicht anwendbar sein sollen, er aber auch für diesen Fall die Notwendigkeit sieht, eine Verhandlung ohne den Angeklagten zu ermöglichen; überzeugend ist das nicht.

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Satz 1), verhandlungsunfähig sein.5 Dass er dies voraussichtlich im Laufe der Verhandlung werden wird, rechtfertigt die Anwendung des § 231a nicht. Wird dies befürchtet, so ist seine Vernehmung zur Anklage in der Hauptverhandlung möglichst vorzuziehen, um später, falls der Angeklagte seine eintretende Verhandlungsunfähigkeit zu verantworten hat (§ 231, 11, 16), nach § 231 Abs. 2 verfahren zu können. Verhandlungsunfähig ist auch ein Angeklagter, der zwar gelegentlich für kurze Zeit in der Lage wäre, an der Verhandlung teilzunehmen, dessen Zustand aber die ordnungsgemäße Durchführung der Hauptverhandlung insgesamt nicht erlaubt.6 Entscheidend sind die konkreten Umstände des jeweiligen Verfahrens, dessen gesamte Hauptverhandlung „in vernünftiger Frist“ entsprechend dem Zweck des § 231a zu Ende gebracht werden muss.7 Ein angegriffener Gesundheitszustand begründet noch keine Verhandlungsunfähigkeit i.S.d. § 231a, wenn während der Dauer der Hauptverhandlung durch ärztliche Kontrolle und durch Beschränkung der täglichen Verhandlungszeit dem Verschlechterungsrisiko vorgebeugt werden kann, sofern die Einschränkungen noch eine sinnvolle, hinreichend konzentrierte und in angemessener Zeit abschließbare Verhandlung erlauben.8 Ist dies jedoch nicht möglich, so kann es für die Zulässigkeit der Abwesenheitsverhandlung nach § 231a keinen Unterschied machen, ob der Angeklagte, der die ordnungsgemäße Verhandlung in seiner Gegenwart bewusst vereitelt hat, wegen seines selbst schuldhaft herbeigeführten Zustands überhaupt nicht oder nur in einem für die Verfahrenserledigung unzureichenden Maße teilnehmen kann.9 Zum Recht des Angeklagten, trotzdem in der Hauptverhandlung zeitweilig anwesend zu sein, vgl. Rn. 26 ff. 4

b) Verantwortlichkeit des Angeklagten. Dieser muss durch ein ihm zurechenbares Verhalten (Tun oder Unterlassen) den seine Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführt haben.10 Die Begriffe sind im Sinne des Strafrechts auszulegen. Der Angeklagte muss in Kenntnis der Folgen seine Verhandlungsfähigkeit beseitigt haben. Bedingter Vorsatz genügt hinsichtlich des Eintritts der Verhandlungsunfähigkeit als solcher,11 nicht aber Fahrlässigkeit. Ein schuldhaftes Verhalten im Sinne einer individuellen Vorwerfbarkeit ist regelmäßig nicht gegeben, wenn

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5 Die Verhandlungsunfähigkeit darf aber keine dauernde sein; denn ist sie unbehebbar, so muss das Verfahren nach § 206a oder § 260 Abs. 3 eingestellt werden: KMR/Eschelbach 7; SK/Deiters 12; a.A. KK/Gmel 3a; Meyer-Goßner/Schmitt 5; vgl. auch AK/Keller 13; Rieß JZ 1975 270. 6 Zum Begriff der Verhandlungsunfähigkeit vgl. die Erl. zu § 205 mit Nachw. 7 BVerfGE 41 246, 247 = JZ 1976, 766 m. abl. Anm. Grünwald; vgl. auch BVerfGE 51 324, 343; BGHSt 26 228, 234 f. = LM StPO 1975 Nr. 1 m. Anm. Meyer = JZ 1976 763 m. abl. Anm. Grünwald; BGH NJW 1981 1052; OLG Hamm NJW 1977 1739; OLG Karlsruhe GA 1978 155; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SSW/Grube 3 und 7. Nach a.A. ist die Anwendung des eng auszulegenden § 231a bei nur beschränkter Verhandlungsfähigkeit nicht gerechtfertigt: Grünwald JZ 1976 767; Hamm 421; Roxin/Schünemann § 44, 48; AK/Keller 6; HK/Julius 5; KMR/Eschelbach 12, der § 231a nur anwenden will, wenn die Leistungsfähigkeit des Angeklagten derart gering ist, dass das Ende der Hauptverhandlung unter allen realisierbaren Planungsgesichtspunkten endgültig unabsehbar wird; so auch SK/Deiters 10 f., 18. Vgl. auch Neuhaus 104 ff.; Rieß JZ 1975 269; Rudolphi JA 1979 7; ferner Rüping ZStW 91 (1979) 355; Warda FS Bruns 415; eingehend zum Streitstand im Hinblick auf den Missbrauch prozessualer Rechte auch Fahl 304 ff. m. zahlr. Nachw. 8 OLG Karlsruhe GA 1978 155; vgl. Rudolphi ZRP 1976 172. 9 BVerfG 41 246 = JZ 1976 766 m. abl. Anm. Grünwald; BGHSt 26 228 = JZ 1976 763 m. abl. Anm. Grünwald; KK/Gmel 2; Meyer-Goßner/Schmitt 5 und 9; strittig, wegen weiterer Nachw. vgl. oben Fn. 7. 10 Mitursächlichkeit seines Verhaltens genügt: vgl. BGHSt 26 228, 239 f.; a.A. SK/Deiters 15. 11 BGHSt 26 228, 239; AK/Keller 3; KK/Gmel 5; Meyer-Goßner/Schmitt 8; Neuhaus 127 ff.; direkten Vorsatz fordern KMR/Eschelbach 9; Roxin/Schünemann § 44, 48 (unter Hinweis auf BTDrucks. 7 2989 S. 6); Baxhenrich 189 ff.; SK/Deiters 19 f. verlangt Absicht, weil es ansonsten an einer hinreichenden Legitimation fehle, generell erlaubtes Verhalten und die darin liegende Grundrechtsausübung durch die Anwendung des § 231a zu sanktionieren.

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der Angeklagte im Zeitpunkt der Herbeiführung der Verhandlungsunfähigkeit schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB war,12 wobei jedoch beachtet werden muss, dass die dortigen Kriterien des materiellen Strafrechts nur mit erheblichen Einschränkungen und nicht ausschließlich für die Beurteilung der Schuldhaftigkeit eines allein prozessrelevanten Verhaltens fruchtbar gemacht werden können.13 Durch das (bedingt) vorsätzliche und schuldhafte Herbeiführen der Verhandlungs- 5 unfähigkeit muss der Angeklagte ferner wissentlich verhindert haben, dass das Gericht ordnungsgemäß verhandeln (Rn. 3) kann. Er muss sich dieser Folge seines Verhaltens im Ergebnis, nicht jedoch hinsichtlich der Einzelheiten des Kausalverlaufs, bewusst gewesen sein, als er den die Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand herbeigeführt hat.14 Nicht erforderlich ist, dass diese Folge das alleinige oder auch nur Hauptmotiv für sein Tun gewesen ist. Absicht wird nicht verlangt. Es genügt, wenn der Angeklagte vorausgesehen hat, dass seine Verhandlungsunfähigkeit das Gericht hindern werde, die anstehende15 Hauptverhandlung in seiner Gegenwart durchzuführen und dass er dies wollte. Wenn man wissentlich im Sinne des Sprachgebrauchs des Strafgesetzbuchs versteht, ist der bedingte Vorsatz ausgeschlossen.16 Die Mittel, mit denen der Angeklagte die Verhandlungsunfähigkeit herbeigeführt 6 hat, sind nur von sekundärer Bedeutung. Grundsätzlich kann jedes Mittel, das diese Folge hat, in Frage kommen; die physische oder psychische Selbstbeschädigung einschließlich der bewussten Hineinsteigerung in einen anormalen Erregungszustand ebenso wie die Einnahme von Medikamenten oder von Rauschgiften oder ein Hungerstreik.17 Entscheidend ist immer, dass das fragliche Verhalten objektiv für die Verhandlungsunfähigkeit ursächlich war und dass es im oben dargelegten Sinn dem Angeklagten subjektiv angelastet werden kann;18 zur Verhandlungsunfähigkeit aufgrund eines ernsthaften Selbstmordversuchs s. § 231, 18. Zuzurechnen ist dem Angeklagten auch, wenn er seine Verhandlungsunfähigkeit durch Unterlassen eines allgemein üblichen Verhaltens wie

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12 Baxhenrich 193; KMR/Eschelbach 18 mit dem Hinweis, dass die Grundsätze der actio libera in causa insoweit nicht gelten; Meyer-Goßner/Schmitt 8; SK/Deiters 24. 13 BGHSt 56 298, 308 ff. (zu § 231 Abs. 2); ablehnend zur Heranziehung des § 20 StGB (je zu § 231 Abs. 2): Arnoldi NStZ 2012 109 sowie MüKo/Arnoldi § 231, 17 (die Schuldhaftigkeit ist nach den Kriterien der Verhandlungsfähigkeit zu beurteilen); Eisenberg NStZ 2012 68 (strafprozessuale Vorwerfbarkeit erforderlich); Putzke ZJS 2012 387; Trüg NJW 2011 3256 (Zurechnung nach Verantwortungsbereichen); dagegen KK/Gmel 5; s. auch SSW/Grube 6. 14 OLG Hamm NJW 1977 1739; s. auch SK/Deiters 25b für den Fall, dass der Angeklagte nur eine kurzfristige (die Anwendbarkeit des § 231a nicht eröffnende) Verhandlungsunfähigkeit herbeiführen wollte, durch sein Verhalten aber fahrlässig eine längerfristige Verhandlungsunfähigkeit bewirkt hat. 15 S. dazu SK/Deiters 26. 16 BGHSt 26 228, 240; Rieß JZ 1975 269; ders. ZStW 90 (1978) Beih. 197; KK/Gmel 8 (direkter Vorsatz); ferner AK/Keller 5; KMR/Eschelbach 25; Meyer-Goßner/Schmitt 10; SK/Deiters 25. Der Bericht des BTRAussch. BTDrucks. 7 2989 S. 6 führt aus, die Verhinderung der Hauptverhandlung müsse nicht Ziel des Angeklagten sein, es genüge, wenn er wisse, dass sein Verhalten diese Folge habe. 17 BVerfGE 51 324, 344; BGHSt 26 228, 239 ff.; OLG Hamm NJW 1977 1739. 18 A.A. SK/Deiters 22 f., der die Beibehaltung des bisherigen (erlaubten oder unerlaubten) Lebensstils durch den Angeklagten (etwa Konsum von Alkohol oder auch illegaler Drogen), die absehbar zum Eintritt der Verhandlungsunfähigkeit führt, nicht ausreichen lässt, da sich der Angeklagte insoweit im Rahmen seiner allgemeinen Handlungsfreiheit bewege bzw. sein Tun nicht von der (nach SK/Deiters 20) erforderlichen Absicht zur Herbeiführung der Verhandlungsunfähigkeit getragen sei. Richtigerweise kann die allgemeine Handlungsfreiheit des Angeklagten aber nur dort Bedeutung erlangen, wo von ihm ein aktives Tun zur Erhaltung oder Herbeiführung seiner Verhandlungsfähigkeit gefordert wäre, das über die Befriedigung der alltäglichen Körperbedürfnisse hinausgeht (s. auch oben im Text; ähnlich Keller StV 2001 672); Alkohol- oder Drogensucht etc. kann erst bei der Frage Bedeutung erlangen, ob der Angeklagte eventuell nicht schuldhaft gehandelt hat.

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etwa Nahrungsaufnahme oder Körperpflege zumindest bedingt vorsätzlich (Rn. 4) herbeigeführt hat.19 Gleiches gilt für die durch keinen anderen Grund gerechtfertigte Weigerung, bisher genommene Medikamente einzunehmen oder eine allgemein übliche, schon begonnene ärztliche Behandlung fortzusetzen; denn hier dient die Änderung des bisherigen Verhaltens erkennbar allein dem Ziel der Verfahrensobstruktion. Anders liegt es indessen, wenn der Angeklagte die Medikamenteneinnahme oder ärztliche Behandlung erst beginnen müsste, um seine Verhandlungsfähigkeit zu erhalten oder wieder herzustellen. Allein die Tatsache, dass gegen ihn eine strafrechtliche Hauptverhandlung durchgeführt werden soll, verpflichtet den Angeklagten nicht, derartige Maßnahmen in Anspruch zu nehmen. Wenn er sie im Rahmen seiner allgemeinen Handlungsfreiheit unterlässt, ist dies vielmehr zu respektieren. Darauf, ob sie nach Auffassung des Gerichts risikolos oder risikoarm und damit zumutbar sind, kommt es nicht an.20 Der Zeitpunkt, in dem der Angeklagte die Ursache für seine Verhandlungsunfähig7 keit setzt, ist dagegen unerheblich. Die subjektiven Voraussetzungen, insbesondere sein Wissen (Rn. 5), dass er durch sein Verhalten die Durchführung einer gegen ihn gerichteten Hauptverhandlung vereiteln wird, können auch schon vor der Eröffnung des Hauptverfahrens vorliegen. Nach seinem Sinn und Zweck ist § 231a daher, obwohl er in Absatz 1 Satz 1 vom „Angeklagten“ spricht, nicht nur auf Fälle anwendbar, in denen der Angeklagte seine Verhandlungsunfähigkeit nach Eröffnung des Hauptverfahrens herbeiführt.21 8

c) Verhinderung der ordnungsgemäßen Verhandlung. Die Verhandlungsunfähigkeit muss zur Folge haben, dass die Hauptverhandlung in dem dafür vorgesehenen Zeitraum nicht ordnungsgemäß, also in einer vernünftigen, der Bedeutung der jeweiligen Sache und den Erfordernissen einer sachgerechten Verfahrensgestaltung Rechnung tragenden Zeitspanne nach § 230 Abs. 1 in Gegenwart des Angeklagten durchgeführt werden kann. Das Hinausschieben der Hauptverhandlung muss dem Beschleunigungsgebot widersprechen.22 Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Wiederherstellung der Verhandlungsfähigkeit nicht in absehbarer Zeit zu erwarten ist oder damit gerechnet werden muss, dass sich der Angeklagte erneut in einen verhandlungsunfähigen Zustand versetzt,23 und bei Berücksichtigung der bis zur voraussichtlichen Wiederherstellung der Verhandlungsfähigkeit verstreichenden Zeit und der Geschäftsbelastung des Gerichts die neue Hauptverhandlung erst erheblich später durchführbar wäre als die Verhandlung nach § 231a Abs. 1. Hat die Hauptverhandlung bereits begonnen, würde das Beschleunigungsgebot jedenfalls dann verletzt, wenn sie ausgesetzt werden müsste, weil die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten nicht innerhalb der Unterbrechungsfristen des § 229 wiederhergestellt werden kann.24 Im Hinblick auf die erhebliche Verlängerung dieser Fristen durch das 1. JuMoG ist es aber nicht notwendige Voraussetzung für die An-

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19 Neuhaus 114 f.; a.A. wohl KMR/Eschelbach 16 mit Ausnahme für den Hungerstreik, den er als aktives Tun ansieht. 20 LG Nürnberg-Fürth NJW 1999 1125; HK/Julius 3; KK/Gmel 3; KK/Schneider § 205, 12; Meyer-Goßner/ Schmitt 7; MüKo/Arnoldi § 231, 15; vgl. BGHSt 26 228, 234; Baxhenrich 187 f.; a.A. OLG Düsseldorf NStZ-RR 2001 274; OLG Hamm NJW 1977 1739; OLG Nürnberg StV 2001 668 m. abl. Anm. Keller = NStZ 2001 53 Ls. m. abl. Anm. Müller; LG Lüneburg NStZ-RR 2010 211; Neuhaus 115 ff.; Roxin/Schünemann § 44, 48; SSW/ Grube 5; offen gelassen von BVerfGE 89 120, 130 (§ 231a jedenfalls dann nicht anwendbar, wenn die Behandlung unzumutbar ist) = NStZ 1993 598, 599 m. Anm. Meurer. 21 Neuhaus 119 f.; SK/Deiters 26 f.; vgl. SSW/Grube 9; a.A. Baxhenrich 186; KMR/Eschelbach 15. 22 BGHSt 26 228, 232; BVerfGE 41 246, 247; Rieß JZ 1975 269; Schlüchter 444; vgl. Rn. 3 m.w.N. 23 Meyer-Goßner/Schmitt 9. 24 SK/Deiters 17; SSW/Grube 7.

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wendung des § 231a, dass durch das Abwarten der Wiederherstellung der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten der Abbruch der schon laufenden Hauptverhandlung unumgänglich wäre. Die ordnungsgemäße Durchführung der Hauptverhandlung i.S.d. § 231a Abs. 1 Satz 1 9 wird danach nur dann nicht verhindert, wenn die Verhandlungsunfähigkeit erkennbar von so kurzer Dauer ist, dass sich der Fortgang des Verfahrens nur kurzfristig verzögert. Erscheint der Angeklagte angetrunken zur Hauptverhandlung, so ist durch geeignete Maßnahmen für seine Ausnüchterung zu sorgen; ein Abwesenheitsverfahren nach § 231a wird durch diese vorübergehende Verhandlungsunfähigkeit nicht gerechtfertigt.25 d) Vor Abschluss der Vernehmung zur Anklage muss die Verhandlungsunfähig- 10 keit eingetreten sein. Richtet sich das Verfahren gegen mehrere Mitangeklagte, so ist für jeden von ihnen nur seine eigene Vernehmung zu dem ihm angelasteten Tatvorwurf maßgebend. Sie ist erst dann vollständig abgeschlossen, wenn er zu allen ihn betreffenden Punkten der zugelassenen Anklage gehört worden ist.26 Die Anhörung zu Vorstrafen gehört dazu nicht.27 Im Übrigen ist es unerheblich, ob die Verhandlungsunfähigkeit nach Beginn der Hauptverhandlung oder aber schon vorher herbeigeführt worden ist (s. Rn. 7). § 231a wird erst unanwendbar, wenn ein Verfahrensabschnitt erreicht ist, der es erlaubt, die Hauptverhandlung gegen den betreffenden Angeklagten nach § 231 Abs. 2 zu Ende zu führen (Rn. 2). e) Anwesenheit des Angeklagten nicht unerlässlich. Auch wenn die sonstigen 11 Voraussetzungen gegeben sind, darf das Gericht nicht in Abwesenheit des Angeklagten verhandeln, wenn es seine Anwesenheit in der Hauptverhandlung für unerlässlich hält. Das Gericht hat dies – auch wenn § 231a eine Muss- und keine Sollvorschrift ist – unter Berücksichtigung seiner Aufklärungspflicht in tatrichterlicher Würdigung aller Umstände zu entscheiden. Unerlässlich kann die Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung beispielsweise sein, wenn in einem die gesamte Entscheidung tragenden Punkt Widersprüche zu den Angaben von Zeugen oder anderer Angeklagter nur durch eine persönliche Gegenüberstellung aufgeklärt werden können. Dass die Abwesenheit des Angeklagten die Sachaufklärung bis zu einem gewissen Grad erschwert, macht dagegen seine Anwesenheit noch nicht unerlässlich. Gleiches gilt für die Beeinträchtigung, die der Angeklagte in seinen Verteidigungsmöglichkeiten, insbesondere in seinem Recht auf Gehör erleidet. Diese sind, da von ihm selbst verschuldet, hinzunehmen. Die Unerlässlichkeit der Anwesenheit des Angeklagten, die inhaltlich der „Erforderlichkeit“ bei § 231 Abs. 2 entsprechen dürfte, wird deshalb nur in seltenen Ausnahmefällen zu bejahen sein.28 Die Unerlässlichkeit der Anwesenheit des Angeklagten braucht nicht für den gesamten Gegenstand des Verfahrens einheitlich beurteilt zu werden („soweit“); dem Erfordernis ist mitunter durch zeitweilige Zuziehung des Angeklagten (Anwesenheit bei einer Gegenüberstellung) Genüge getan. Liegen dem Angeklagten mehrere Taten zur

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25 KK/Gmel 7; KMR/Eschelbach 2; SK/Deiters 6 Fn. 27; s. auch Fahl JuS 1997 841 f. 26 KMR/Eschelbach 27; Rieß JZ 1975 269. 27 BGHSt 27 216 = LM StPO 1975 Nr. 2 m. Anm. Schmidt. 28 KK/Gmel 11; Meyer-Goßner/Schmitt 14; Radtke/Hohmann/Britz 9; SSW/Grube 10; Neuhaus 143 ff.; Rieß JZ 1975 270; differenzierend KMR/Eschelbach 29; a.A. AK/Keller 8 (unerlässlich ist enger als erforderlich); noch weiter einschränkend SK/Deiters 34 (Unerlässlichkeit nur dann zu verneinen, wenn zusätzlich nicht zu erwarten ist, dass der Angeklagte bei wieder hergestellter Verhandlungsfähigkeit verfahrenskonform an der Verhandlung mitwirken würde).

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Last, kommt auch eine Verfahrensabtrennung bezüglich der Taten in Betracht, für deren Verhandlung die Anwesenheit des Angeklagten unerlässlich ist.29 2. Formelle Voraussetzungen a) Gelegenheit zur Äußerung (Absatz 1 Satz 2). Wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 erfüllt sind, setzt die Abwesenheitsverhandlung weiter voraus, dass der Angeklagte Gelegenheit hatte, sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Gericht oder vor einem beauftragten Richter zur Anklage zu äußern. Hierdurch soll dem Angeklagten ein Mindestmaß an rechtlichem Gehör auch dann gesichert werden, wenn er die ihm von der Prozessordnung eingeräumte Möglichkeit, dem Gericht in der Hauptverhandlung seinen Standpunkt vorzutragen, wissentlich vereitelt und daher verfassungsrechtlich keinen Anspruch auf Anhörung mehr hätte.30 Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 2 werden nur in seltenen Ausnahmefällen 13 bei Eintritt der Verhandlungsunfähigkeit bereits erfüllt sein. Nachdem § 231a nur anwendbar ist, wenn der Angeklagte in der Hauptverhandlung noch nicht nach § 243 Abs. 5 zur Sache vernommen worden ist und zwischen Eröffnungsbeschluss und Hauptverhandlung der Angeklagte normalerweise auch nicht von den Richtern des erkennenden Gerichts zur Anklage gehört wird, muss das Gericht in aller Regel die Anhörung erst veranlassen, wenn es auf Grund konkreter Anhaltspunkte befürchtet, dass der Angeklagte seine Verhandlungsunfähigkeit herbeiführen will oder wenn ein solcher Zustand schon eingetreten ist. Die Anhörung nach Absatz 1 Satz 2 soll möglichst frühzeitig stattfinden werden (s. Nr. 122 Abs. 1 Satz 1 RiStBV) und zweckmäßigerweise dem Beschluss des Gerichts nach Absatz 3 Satz 1 vorausgehen;31 sie kann dann mit der nach § 33 erforderlichen Anhörung des Angeklagten (Rn. 22) zu dem beabsichtigten Verfahren nach Absatz 1 Satz 1 verbunden werden. Die Anordnung der Anhörung erfordert in beiden Fällen keinen Beschluss des Gerichts; sie kann vom Vorsitzenden verfügt werden.32 Der Angeklagte muss trotz seines Zustands vernehmungsfähig sein. Dies ist weni14 ger als hauptverhandlungsfähig. Er muss lediglich in der Lage sein zu entscheiden, ob er sich äußern will, die gegen ihn in der Anklage erhobenen Vorwürfe und die im Zusammenhang damit gestellten Fragen und Vorhalte geistig zu erfassen und sich hierzu erklären zu können sowie fähig sein, den Inhalt seiner Aussage zu überblicken.33 Ob dies der Fall ist, wird zweckmäßigerweise durch den als Sachverständigen zuzuziehenden Arzt (Absatz 3 Satz 1) mit geklärt. Da die gesundheitliche Belastung durch die Vernehmung geringer ist als die Belastung durch die Hauptverhandlung, ihr Zeitpunkt außerdem dem Gesundheitszustand des Angeklagten angepasst werden kann, und auch eine Aufteilung auf mehrere Tage möglich ist,34 erscheint diese Differenzierung bei der Fähigkeit zur geistigen Aufnahme und zur Äußerung möglich und praktikabel.35 Solange allerdings die 12

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29 KK/Gmel 11; Meyer-Goßner/Schmitt 15; SK/Deiters 35; Rieß JZ 1975 269 Fn. 70; Warda FS Bruns 454 Fn. 89 versteht „soweit“ als eine Einschränkung, die die Trennung erfordert. 30 Baumann ZRP 1975 43; vgl. Rn. 1. 31 Meyer-Goßner/Schmitt 11. 32 A.A. SK/Deiters 29. 33 OLG Nürnberg StV 2001 668, 671 m. abl. Anm. Keller = NStZ 2001 53 Ls. m. abl. Anm. Müller; OLG Dresden NStE Nr. 1; Baxhenrich 199; Rieß JZ 1975 270; AK/Keller 7; KK/Gmel 15; Meyer-Goßner/Schmitt 12; SK/Deiters 28; zweifelnd KMR/Eschelbach 31, der bei einer Anhörung trotz bestehender Verhandlungsunfähigkeit keinen ernsthaften Erkenntnisgewinn erwartet und die Regelung insoweit für ein „rechtsstaatliches Feigenblatt“ hält; a.A. Neuhaus 150 f. (Verhandlungsfähigkeit notwendig). 34 BTRAussch. BTDrucks. 7 2989 S. 6; h.M. 35 Rieß JZ 1975 270; SK/Deiters 28.

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Vernehmung des Angeklagten daran scheitert, dass er sich in einem bewusstlosen oder willenlosen Zustand befindet, kann auch das Verfahren nach § 231a nicht in die Wege geleitet werden.36 Unschädlich ist dagegen, wenn seine Vernehmungsfähigkeit nach der Anhörung entfällt und er sie bis zum Abschluss des Verfahrens nicht wieder erlangt.37 Vor dem erkennenden Gericht oder einem beauftragten Richter muss, wie § 231a 15 ausdrücklich vorschreibt, die Stellungnahme zur Anklage abgegeben werden. Bei einer Anhörung außerhalb der Hauptverhandlung ist das erkennende Gericht in der Beschlussbesetzung hierzu berufen.38 Schöffen wirken daher nicht mit; eine bei der Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossene Besetzungsreduktion nach § 76 Abs. 2 oder § 122 Abs. 2 Satz 2 GVG bleibt außer Betracht. Das Gericht entscheidet in dieser Besetzung auch darüber, ob es eines seiner Mitglieder mit der Anhörung beauftragen will. Ergibt sich die Notwendigkeit der Anhörung dagegen erst in der bereits begonnenen Hauptverhandlung, so entscheidet darüber das erkennende Gericht in der für die Hauptverhandlung maßgebenden Besetzung, also einschließlich der Schöffen. Die Anhörung durch einen ersuchten Richter genügt, anders als etwa bei § 233, nicht. Noch weniger genügt es, wenn der Angeklagte sich nach der Eröffnung des Verfahrens schriftlich zur Anklage geäußert hat. Die Anhörung, die in der Regel ein beauftragter Richter durchführt, soll die Einver- 16 nahme des Angeklagten in der Hauptverhandlung ersetzen. Der Angeklagte ist deshalb nach § 243 Abs. 5 Satz 1 zu belehren. Sodann ist ihm Gelegenheit zu geben, zu allen Punkten der Anklage umfassend Stellung zu nehmen, die Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen (§ 243 Abs. 5 Satz 2, § 136 Abs. 2). Über die Anhörung ist eine Niederschrift zu fertigen, für die § 168a gilt. Staatsanwalt und Verteidiger des Angeklagten haben nach § 168c Abs. 1 das Recht, bei der Vernehmung anwesend zu sein39 und sind daher gemäß § 168c Abs. 5 Satz 1 vom Termin zu benachrichtigen. Die vorherige Abgabe einer Eingangserklärung durch den Verteidiger kommt trotz des Wortlauts des § 243 Abs. 5 Satz 3 nach dem Sinn dieser Vorschrift (s. bei § 243) jedoch nicht in Betracht. Sie ist der Hauptverhandlung vorbehalten und dort vor der Verlesung des Protokolls über die Vernehmung des Angeklagten (s. Rn. 24) möglich. Dem Angeklagten muss lediglich Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden. Ist 17 dies geschehen, hängt die Zuverlässigkeit der Abwesenheitsverhandlung nach § 231a nicht davon ab, ob er die Gelegenheit zu einer sachlichen Stellungnahme zur Anklage genutzt oder von seinem Schweigerecht Gebrauch macht hat. Die Anhörung kann beendet werden, wenn erkennbar wird, dass der Angeklagte nicht bereit ist, sich sachlich zu äußern.40

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36 Rieß JZ 1975 270; s. auch BTRAussch. BTDrucks. 7/2989 S. 6, wonach „namentlich“ in diesem Fall Vernehmungsunfähigkeit anzunehmen sein soll. 37 Vgl. BGHSt 39 110, 112 = JR 1994 342 m. Anm. Gollwitzer; demgegenüber hält Rieß JZ 1975 270 zur Gewährung eines Minimums von rechtlichem Gehör bei einem „irreparabel verhandlungsunfähig“ gewordenen Angeklagten die Fortführung der Verhandlung nur dann für zulässig, wenn dieser wenigstens in der Lage ist, deren Gang von außen zu verfolgen, sich mit seinem Verteidiger zu beraten und über diesen Anträge zu stellen; ähnlich AK/Keller 13; s. auch Baxhenrich 200. Ist der Angeklagte „irreparabel verhandlungsunfähig“ geworden, so muss das Verfahren indes eingestellt werden (s. Fn. 5). 38 KK/Gmel 13; KMR/Eschelbach 30; Meyer-Goßner/Schmitt 11; SK/Deiters 29. 39 Rieß JZ 1975 270; KK/Gmel 16; Meyer-Goßner/Schmitt 13; dagegen zieht KMR/Eschelbach 31 insoweit § 233 Abs. 3 heran; offen gelassen von SK/Deiters 30. 40 Meyer-Goßner/Schmitt 12.

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b) Bestellung eines Verteidigers (Absatz 4). Um den verhandlungsunfähigen Angeklagten durch die Abwesenheitsverhandlung in der Wahrnehmung seiner Verfahrensrechte möglichst wenig zu beeinträchtigen, schreibt Absatz 4 vor, dass ihm, auch wenn die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 oder 2 nicht vorliegen, wegen der besonderen Verfahrenslage ein Verteidiger zu bestellen ist, sofern er noch keinen Pflicht- oder Wahlverteidiger hat. Dies hat von Amts wegen durch den Vorsitzenden des Gerichts (§ 141 Abs. 4) zu geschehen,41 sobald erkennbar wird, dass ein Verhandeln ohne den Angeklagten nach Absatz 1 in Betracht kommt, also regelmäßig schon vor dem Beschluss, der die Abwesenheitsverhandlung nach Absatz 3 Satz 1 anordnet, vor der Beiziehung des Sachverständigen nach Absatz 3 Satz 142 und vor der Anhörung gemäß Absatz 1 Satz 2.43 Vor der Eröffnung des Hauptverfahrens ist die Anwendung des § 231a Abs. 4 auf Grund seiner Besonderheiten weder möglich noch nötig; die allgemeinen Vorschriften genügen.44 Der Verteidiger nach Absatz 4 hat die Stellung eines für die gesamte Instanz be19 stellten Pflichtverteidigers. Die Verteidigerbestellung ist zwar bei der Wahl eines anderen Verteidigers nach § 143 zurückzunehmen. Sie entfällt aber nicht schon deshalb, weil der Angeklagte nach Wiederherstellung seiner Verhandlungsfähigkeit an der Verhandlung selbst wieder teilnimmt.45

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c) Anhörung eines Arztes (Absatz 3 Satz 1). Die Hauptverhandlung ohne den Angeklagten darf erst angeordnet werden, wenn das Gericht einen Arzt als Sachverständigen zur Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten gehört hat. Dies kann, muss aber nicht notwendig ein Amtsarzt sein.46 Sobald ein Verfahren nach § 231a in Betracht kommen kann, ist der Sachverständige umgehend zu bestellen. Dabei hat das Gericht gegebenenfalls auch eine Anordnung nach § 81a zu treffen.47 III. Entscheidung des Gerichts und deren Folgen 1. Anordnung der Abwesenheitsverhandlung (Absatz 3 Satz 1)

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a) Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen. Ob die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 gegeben sind und ob der Angeklagte in einer dem Absatz 1 Satz 2 genügenden Weise zur Anklage gehört worden ist, prüft das Gericht – einschließlich der Anhörung des Arztes (Rn. 20) – im Wege des Freibeweises.48 Es hat hierbei, vor allem hinsichtlich der Frage, ob die Anwesenheit des Angeklagten unerlässlich ist (Rn. 11), einen gewissen Beurteilungsspielraum.49 Hat das Gericht nach Ausschöpfung aller ihm verfügbaren Erkenntnisquellen Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen des § 231a, so darf es die Abwesenheitsverhandlung nicht anordnen.50

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41 Heinrich 42 f. 42 KK/Gmel 17; SK/Deiters 36. 43 KK/Gmel 17; SK/Deiters 36. 44 KK/Gmel 17; Meyer-Goßner/Schmitt 16; MüKo/Arnoldi 11; SK/Deiters 36; a.A. HK/Julius 2: schon im Vorverfahren. 45 KK/Gmel 17; KMR/Eschelbach 40; Meyer-Goßner/Schmitt 16; SK/Deiters 36. 46 Meyer-Goßner/Schmitt 17. 47 OLG Schleswig NStZ 1982 81. 48 Welp JR 1991 265, 267 f.; KK/Gmel 20; Meyer-Goßner/Schmitt 17; SK/Deiters 38. 49 AK/Keller 9. 50 BGH NStZ 1984 520; KMR/Eschelbach 36.

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b) Gerichtsbeschluss. Sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 gegeben, ordnet 22 das Gericht die Abwesenheitsverhandlung durch förmlichen Beschluss an. Absatz 1 schreibt die Abwesenheitsverhandlung bei Vorliegen seiner Voraussetzungen zwingend vor, das Gericht hat also – anders als etwa bei § 231 Abs. 2, § 231b – keine Ermessensfreiheit.51 Bevor der Beschluss gefasst wird, sind alle Verfahrensbeteiligten nach § 33 zu hören. Dies kann beim Angeklagten anlässlich der Einvernahme nach Absatz 1 Satz 2, aber auch getrennt davon schriftlich geschehen, wobei in diesem Fall die Aufforderung nach § 145a Abs. 1 auch an den Verteidiger gerichtet werden kann.52 Dabei ist darauf zu achten, dass Angeklagter und Verteidiger auch Gelegenheit haben, sich zu der Stellungnahme des Arztes bezüglich der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten zu äußern.53 Der anordnende Beschluss kann nach Absatz 3 Satz 2 schon vor Beginn der Haupt- 23 verhandlung, nicht aber vor der Eröffnung des Hauptverfahrens (vgl. Absatz 1 Satz 2) ergehen. Er soll, um Verfahrensverzögerungen durch das Beschwerdeverfahren zu vermeiden, möglichst so frühzeitig erlassen werden, dass seine Rechtskraft noch vor Beginn der Hauptverhandlung eintreten kann und diese nicht nach Einlegung der sofortigen Beschwerde gemäß Absatz 3 Satz 4 unterbrochen werden muss. Der Beschluss ist zu begründen (§ 34) und nach § 35 Abs. 2 S. 1 mit Rechtsmittelbelehrung (§ 35a) im Wege der Zustellung bekannt zu machen. Vor allem dem Angeklagten ist er im Hinblick auf dessen eigenes Beschwerderecht unverzüglich bekannt zu geben. Für die Durchführung der Hauptverhandlung genügt jedoch die Bekanntgabe an den Verteidiger, wenn die Bekanntgabe an den Angeklagten selbst wegen dessen Gesundheitszustandes erst später möglich ist.54 c) Rechtsfolgen. § 231a stellt für die Abwesenheitsverhandlung keine besonde- 24 ren Regeln auf. Aus dem Zweck der in Absatz 1 Satz 2 vorgeschriebenen Anhörung des Angeklagten ist jedoch zu folgern, dass das hierüber aufzuzeichnende Protokoll anstelle der Vernehmung nach § 243 Abs. 5 Satz 2 zu verlesen ist, auch wenn eine ausdrückliche Regelung wie in § 232 Abs. 3, § 233 Abs. 3 fehlt.55 Soweit der Angeklagte bei seiner Anhörung Beweisanträge gestellt hat, sind sie vom Gericht im Rahmen der Aufklärungspflicht zu beachten; sie brauchen aber, falls ihnen nicht nachgegangen wird, ebenso wie bei der Abwesenheitsverhandlung nach § 232 (§ 232, 22) nicht förmlich abgelehnt zu werden. Es ist dem Verteidiger überlassen, ob er sie sich in der Hauptverhandlung zu Eigen machen will.56 Sind Hinweise nach § 265 Abs. 1 oder 2 erforderlich, genügt es, wenn sie dem Ver- 25 teidiger erteilt werden (§ 234a Halbsatz 1), der sich kraft eigenen Rechts und im Falle des § 234 auch als Vertreter des Angeklagten hierzu erklären kann. Wegen der Anwesenheit des Verteidigers bedarf es gemäß § 234a Halbsatz 2 des Einverständnisses des Angeklagten nach § 245 Abs. 1 Satz 2 bzw. nach § 251 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 3 nicht (s. näher § 231, 29 sowie die Erl. zu § 234a). Zum Recht des Angeklagten auf zeitweilige Teilnahme vgl. Rn. 26 ff.

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51 BGHSt 26 228, 234; Bohnert 160; Rieß JZ 1975 270; Warda FS Bruns 427 f.; SK/Deiters 39. 52 KK/Gmel 20; KMR/Eschelbach 35; Meyer-Goßner/Schmitt 17; SK/Deiters 38. 53 HK/Julius 2; SK/Deiters 38. 54 Vgl. BGHSt 39 110, 111 = JR 1994 342 m. Anm. Gollwitzer; Meyer-Goßner/Schmitt 17. 55 Rieß JZ 1975 270; Gollwitzer FS Tröndle 462, 463; KK/Gmel 16; Meyer-Goßner/Schmitt 13; MüKo/Arnoldi 14. 56 Neuhaus 152 f.; KK/Gmel 21; vgl. AK/Keller 10 (wie nach § 163a Abs. 2 zu berücksichtigen).

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d) Zeitweilige Anwesenheit des Angeklagten. Auch wenn das Gericht nach § 231a ohne den Angeklagten verhandeln darf, weil seine uneingeschränkte Verhandlungsfähigkeit (Rn. 3) noch nicht wiederhergestellt ist, bleibt es dem Angeklagten unbenommen, zeitweilig der Verhandlung beizuwohnen.57 Wieweit dies mit seinem Gesundheitszustand vereinbar ist, hat er grundsätzlich selbst zu entscheiden.58 Dies gilt auch, wenn ein in Haft befindlicher Angeklagte seine Vorführung verlangt.59 Der Beschluss nach Absatz 3 Satz 1 gestattet dem Gericht, ohne den Angeklagten zu verhandeln, er verleiht aber nicht das Recht, ihn von der Verhandlung fernzuhalten. Ein Ausschluss des Angeklagten nach § 177 GVG, §§ 231b, 247 ist dagegen möglich. Solange die volle Verhandlungsfähigkeit nicht wiederhergestellt ist, bleibt das Verfahren jedoch trotz der gelegentlichen Anwesenheit des Angeklagten ein solches nach § 231a. Dies gilt auch dann, wenn der Angeklagte seine innere Einstellung geändert hat und keine Verfahrensobstruktion mehr betreiben will. Solange die von ihm herbeigeführte Verhandlungsunfähigkeit fortbesteht, hat er auf Grund seines fortwirkenden früheren Verhaltens kein Recht, den Fortgang des Verfahrens aufzuhalten. Es kann auch dann nach § 231a in seiner Abwesenheit oder nur teilweisen Anwesenheit weiterverhandelt werden. Während seiner Anwesenheit kann der Angeklagte sich zur Sache äußern.60 Eine Be27 fugnis, trotz der Fortdauer der Abwesenheitsverhandlung selbst als Prozesssubjekt verfahrensgestaltende Erklärungen wirksam abzugeben oder wirksame Anträge zu stellen, hat er dagegen nicht.61 Da der Verteidiger nach Rücksprache mit dem anwesenden Angeklagten diese Prozesshandlungen wirksam vornehmen kann, liegt hierin kein Problem von größerer praktischer Bedeutung. Die Unterrichtung des Angeklagten über den wesentlichen Inhalt des in seiner Ab28 wesenheit Verhandelten ist in Absatz 2 erst bei Wiederherstellung der Verhandlungsfähigkeit vorgesehen (Rn. 32 ff.). Eine Pflicht auch vorher den noch nicht wieder voll verhandlungsfähigen und nur zeitweilig der Verhandlung beiwohnenden Angeklagten jeweils zu unterrichten, besteht nicht.62 Dem Vorsitzenden ist es aber unbenommen, den erschienenen Angeklagten im Interesse der besseren Sachaufklärung auf bestimmte Verhandlungsergebnisse hinzuweisen, damit dieser sich äußern oder seinen Verteidiger alsbald zu etwaigen Anträgen anregen kann. Ein solcher partieller Hinweis ersetzt aber die spätere umfassende Unterrichtung bei einer Wiederteilnahme am Verfahren nicht. 29

2. Absehen von Abwesenheitsverhandlung. Die Ablehnung einer Verhandlung ohne den Angeklagten nach § 231a bedarf keines besonderen Beschlusses, es sei denn, dass ein diesbezüglicher Antrag eines Verfahrensbeteiligten zurückgewiesen wird (§ 34).63 Das Gericht bzw. der Vorsitzende haben die nach der jeweiligen Verfahrenslage

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57 BGHSt 26 228, 234 = LM StPO 1975 Nr. 1 m. Anm. Meyer = JZ 1976 763 m. abl. Anm. Grünwald; BGH bei Holtz MDR 1980 631; AK/Keller 11; KK/Gmel 23; KMR/Eschelbach 42; Meyer-Goßner/Schmitt 18; SK/Deiters 45; vgl. auch BVerfGE 41 246 = JZ 1976 766 m. Anm. Grünwald; Roxin/Schünemann § 44, 48; a.A. Baxhenrich 201 ff.; Warda FS Bruns 415 ff.; Neuhaus 166 ff.; Rüping Kap. 6 III 2d (keine ausweitende Interpretation). 58 BGHSt 26 228, 234, bestätigt von BVerfGE 41 246. 59 SK/Deiters 45; vgl. BGHSt 26 228, 234; a.A. KMR/Eschelbach 42; Warda FS Bruns 429. 60 Meyer-Goßner/Schmitt 18; SK/Deiters 46. 61 Warda FS Bruns 450 (Prozesshandlungen unwirksam); ebenso AK/Keller 11; SSW/Grube 21; Fezer II Fall 11, 131; grundsätzlich auch KMR/Eschelbach 43, der allerdings eine begleitende ärztliche Überprüfung der Verhandlungsunfähigkeit für erforderlich hält; a.A. SK/Deiters 46, soweit der Angeklagte trotz seiner Verhandlungsunfähigkeit die Tragweite seiner Erklärung zweifelsfrei zutreffend abzuschätzen vermag. 62 KK/Gmel 25; Meyer-Goßner/Schmitt 21; a.A. HK/Julius 7. 63 KMR/Eschelbach 38; SK/Deiters 39.

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wegen der Verhandlungsunfähigkeit gebotenen Entscheidungen zu treffen. Ein anberaumter Verhandlungstermin ist abzusetzen, eine bereits begonnene Hauptverhandlung zu unterbrechen oder auszusetzen. Gegebenenfalls ist das Verfahren nach § 205 auch vorläufig einzustellen.64 Soweit diese Entscheidungen zu begründen sind, ist gegebenenfalls darzulegen, weshalb das Gericht § 231a nicht anwendet. IV. Wiederherstellung der Verhandlungsfähigkeit 1. Feststellung der Verhandlungsfähigkeit. Das Gericht darf in Abwesenheit des 30 Angeklagten an sich nur so lange verhandeln, wie dieser verhandlungsunfähig ist. Ist die Verhandlungsfähigkeit in dem für die ordentliche, zügige Durchführung der Hauptverhandlung notwendigen Umfang wiederhergestellt, muss nach § 230 Abs. 1 in seiner Anwesenheit weiterverhandelt werden. Rechtlich maßgebend hierfür kann jedoch nur der Zeitpunkt sein, in dem das Gericht von der Wiederherstellung der vollen Verhandlungsfähigkeit sichere Kenntnis erlangt oder bei Beachtung der nach der Sachlage von ihm zu fordernden Vorkehrungen (vgl. Rn. 31) hätte erlangen müssen.65 Ob der Angeklagte wieder voll verhandlungsfähig ist, muss das Gericht prüfen, sobald ihm ein konkreter Hinweis hierauf bekannt wird.66 Führt diese Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Verhandlungsfähigkeit wieder vorliegt, ist eine Aufhebung des für das weitere Verfahren überholten, weil gegenstandslos gewordenen Beschlusses nach § 231a Abs. 3 Satz 1 ebenso wenig erforderlich67 wie die förmliche Feststellung, dass die Verhandlung nun in Anwesenheit des Angeklagten fortgeführt wird. Auch wenn sich herausstellt, dass der Angeklagte immer noch verhandlungsunfähig ist, muss über die weitere Fortführung der Verhandlung in seiner Abwesenheit kein neuer Beschluss gefasst werden. Anders ist es nur, wenn ein Beteiligter beantragt hatte, die Verhandlung wegen der vermeintlich wiederhergestellten Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten nunmehr nur in dessen Gegenwart fortzusetzen (s. auch Rn. 46 zur Anfechtbarkeit). Ist bei einer längeren Verhandlung damit zu rechnen, dass der Angeklagte noch 31 während ihrer Dauer wieder verhandlungsfähig wird, so hat das Gericht bei einem in Haft befindlichen Angeklagten durch geeignete Maßnahmen (z.B. durch Einschalten der Vollzugsanstalt) sicherzustellen, dass es von der Wiederherstellung der vollen Verhandlungsfähigkeit unterrichtet wird.68 Bei einem in Freiheit befindlichen Angeklagten wird es in der Regel genügen, dass er zur Teilnahme an der Hauptverhandlung jederzeit erscheinen kann. Da ein Verteidiger seine Rechte wahrnimmt, ist insoweit ein vorsorglicher Hinweis des Gerichts nicht zwingend erforderlich. Er kann aber im Einzelfall zweckmäßig sein. Das Gericht ist auch bei einem in Freiheit befindlichen Angeklagten nicht gehindert, von Amts wegen die Verhandlungsfähigkeit überprüfen zu lassen und seine Anwesenheit in der Hauptverhandlung nach § 230 Abs. 2 zu erzwingen, wenn es von der Wiederherstellung seiner Verhandlungsfähigkeit sichere Kenntnis erlangt hat. Ob und in welchem Ausmaß in Ausnahmefällen das Gericht gehalten ist, sich durch Kontrollen über die Fortdauer der Verhandlungsunfähigkeit zu vergewissern, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls (u.a. Art der Verhandlungsunfähigkeit, Verhal-

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64 Vgl. OLG Celle NdsRpfl. 1983 125; LG Nürnberg-Fürth NJW 1999 1125; KMR/Eschelbach 38; vgl. die Erl. zu § 205. 65 OLG Düsseldorf StV 1997 282 m. Anm. Zieschang (zu § 231 Abs. 2); KK/Gmel 24; Meyer-Goßner/Schmitt 20. 66 Vgl. BGH NJW 1990 1613, 1614; Neuhaus 108 f. 67 KK/Gmel 24; Meyer-Goßner/Schmitt 19; SK/Deiters 47. 68 KK/Gmel 24; KMR/Eschelbach 44; Meyer-Goßner/Schmitt 20; Pfeiffer 6; SK/Deiters 48.

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ten des Angeklagten, Dauer der Hauptverhandlung). Die Anforderungen an etwaige Kontrollpflichten des Gerichts dürfen bei einem in Freiheit befindlichen Angeklagten nicht überspannt werden. Eine Pflicht zu einer laufenden Kontrolle besteht nicht.69 Der auf freiem Fuß befindliche Angeklagte hat die Möglichkeit, sich jederzeit durch seinen Verteidiger über den Stand des Verfahrens zu unterrichten. Es obliegt in erster Linie ihm selbst, sich bei Wiederherstellung seiner Verhandlungsfähigkeit durch eine entsprechende Mitteilung an das Gericht und durch Teilnahme an der Hauptverhandlung das umfassende rechtliche Gehör zu verschaffen.70 Entzieht sich der Angeklagte nach Wiederherstellung seiner Verhandlungsfähigkeit eigenmächtig der Teilnahme an der Hauptverhandlung, so kann diese nach § 231 Abs. 2 ohne ihn zu Ende geführt werden, da die Verlesung des Protokolls der Anhörung nach Absatz 1 Satz 2 entsprechend dem Sinn der Regelung der Vernehmung zur Anklage im Sinne des § 231 Abs. 2 gleichsteht. 2. Unterrichtung des Angeklagten (Absatz 2). Nimmt der Angeklagte wieder an der Verhandlung teil, so müssen nach dem Regelungszweck des § 231a die in seiner Abwesenheit verhandelten Verfahrensteile nicht wiederholt werden. Vielmehr hat ihm der Vorsitzende den wesentlichen Inhalt des in seiner Abwesenheit Verhandelten von Amts wegen mitzuteilen. Er kann dafür die ihm geeignet erscheinende Form wählen und entscheidet unter Berücksichtigung des Sinns der Vorschrift nach pflichtgemäßem Ermessen darüber, was im Einzelnen wesentlich ist; die spätere Urteilsbegründung darf jedoch die Akzente dann nicht anders setzen. 33 Wesentlich sind vor allem die Beweisergebnisse, der für die Entscheidung oder für das weitere Verfahren erhebliche Inhalt der Beweisaufnahme. Dazu gehören der Inhalt der Bekundungen der Zeugen und Sachverständigen und der verlesenen Urkunden ebenso wie die Einlassung der Mitangeklagten. Zum mitzuteilenden Inhalt der Abwesenheitsverhandlung gehören ferner die wesentlichen Verfahrensvorgänge, soweit sie die Verhandlung zur Sache betreffen oder beeinflussen können, insbesondere die gestellten Beweisanträge und ihre Bescheidung durch das Gericht usw. Die von der Rechtsprechung bei der gleichartigen Vorschrift des § 247 Satz 4 aufgezeigten Gesichtspunkte gelten auch hier.71 Die Unterrichtung ist unverzüglich („sobald“) nach dem Wiedererscheinen des An34 geklagten in der Hauptverhandlung vorzunehmen. Das Gericht braucht zwar zu diesem Zweck einen gerade in Gang befindlichen Verfahrensvorgang (Zeugenaussage, Plädoyer usw.) nicht sofort abzubrechen, es muss aber, sobald es der Verfahrensgang erlaubt, ohne jede Verzögerung dem Angeklagten die für sein weiteres Prozessverhalten möglicherweise wichtigen Informationen über den Inhalt des in seiner Abwesenheit Verhandelten geben.72 Ist allerdings bereits mit der Verkündung des Urteils, also mit der Verlesung der 35 Urteilsformel (§ 268 Abs. 2), begonnen worden, so entfällt die Unterrichtungspflicht. Das Gericht kann Formel und Gründe des Urteils bekannt geben und die eventuell sonst noch nötigen Beschlüsse verkünden sowie Belehrungen erteilen, ohne dass es den Angeklagten noch nach Absatz 2 informieren müsste. Bricht es aber die Verkündung des Urteils 32

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69 Vgl. Bohnert 165; SK/Deiters 48; a.A. Radtke/Hohmann/Britz 23. 70 KK/Gmel 24; Meyer-Goßner/Schmitt 20; SK/Deiters 48; nach KMR/Eschelbach 44 soll das Gericht auch bei dem auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten eine Erkundigungspflicht treffen, wenn es konkrete Anhaltspunkte für die Wiederherstellung seiner Verhandlungsfähigkeit hat. 71 BGH StV 2008 174, 175. 72 Meyer-Goßner/Schmitt 21; SK/Deiters 47.

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aus irgendwelchen Gründen ab, um nochmals in die Verhandlung einzutreten, dann lebt auch die Unterrichtungspflicht wieder auf.73 V. Sitzungsniederschrift In das Hauptverhandlungsprotokoll sind als wesentliche Förmlichkeiten nach § 273 36 alle im Zusammenhang mit einer Abwesenheitsverhandlung nach § 231a getroffenen Entscheidungen aufzunehmen, wenn sie in der Hauptverhandlung verkündet werden; so die Anordnung der Anhörung des Angeklagten nach Absatz 1 Satz 2, der Beschluss nach Absatz 3 Satz 1 und 2 sowie die Unterbrechung gemäß Absatz 3 Satz 4. Gleiches gilt, wenn erforderliche Anhörungen in der Hauptverhandlung durchgeführt werden, wie diejenige des Angeklagten nach Absatz 1 Satz 2 sowie die Gewährung rechtlichen Gehörs zu der beabsichtigten Verfahrensweise nach Absatz 1 Satz 1 (s. Rn. 22); auch die Tatsache der Anhörung des ärztlichen Sachverständigen ist im Protokoll festzuhalten, nicht jedoch der Inhalt seiner gutachtlichen Stellungnahme. In der Sitzungsniederschrift ist die Unterrichtung des Angeklagten (Absatz 2) zu beurkunden. Wesentliche Förmlichkeit i.S.d. § 273 ist aber auch hier nur die Tatsache der Unterrichtung, nicht ihr Gegenstand und Wortlaut.74 Ob die Unterrichtung ausreichend war (Rn. 32 f.), ist gegebenenfalls im Wege des Freibeweises zu klären. Ist der Angeklagte während der Verhandlung nach Absatz 1 Satz 1 teilweise anwesend, ist auch dies im Protokoll festzuhalten.75 VI. Rechtsbehelfe 1. Sofortige Beschwerde (Absatz 3 Satz 3) a) Zulässigkeit und Zweck. Der Beschluss, der die Abwesenheitsverhandlung 37 anordnet, ist gemäß Absatz 3 Satz 3 Halbsatz 1 mit der sofortigen Beschwerde (§ 311) anfechtbar, um im Interesse der Rechtssicherheit die Zulässigkeit der Abwesenheitsverhandlung schon vor dem Urteil rechtskräftig zu klären.76 § 305 ist nicht anwendbar. Die sofortige Beschwerde ist auch gegeben, wenn das OLG den Beschluss im ersten Rechtszug erlassen hat (§ 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3). Sie kann schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden (§ 306 Abs. 1), es ist aber auch möglich, sie in der Hauptverhandlung zu Protokoll zu erklären.77 Dies kann wegen der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels (Absatz 3 Satz 3 Halbsatz 3) zweckmäßig sein. Nach Erlass des Urteils ist die Einlegung der Beschwerde auch dann nicht mehr statthaft, wenn die Beschwerdefrist noch läuft; der Zweck dieses Zwischenrechtsbehelfs, die Anwendbarkeit des § 231a noch vor Abschluss der laufenden Hauptverhandlung zu überprüfen, kann nicht mehr erreicht werden.78 Beschwerdeberechtigt sind neben der Staatsanwaltschaft der durch den Beschluss 38 beschwerte Angeklagte, sein Verteidiger und eventuell auch sein gesetzlicher Vertreter, nicht aber Mitangeklagte.79

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73 SK/Deiters 48. 74 BGH StV 2008 174, 175. 75 SK/Deiters 49. 76 BGHSt 39 110 = JR 1994 341 m. Anm. Gollwitzer; Bohnert 161; Rieß JZ 1975 270; kritisch dazu Baxhenrich 209 ff. 77 Der Vorsitzende muss allerdings zur Protokollierung bereit sein, vgl. bei § 153 GVG. 78 BGHSt 39 110 = JR 1994 341 m. Anm. Gollwitzer; Roxin/Schünemann § 44, 48; Meyer-Goßner/Schmitt 23; SK/Deiters 50. 79 KK/Gmel 26; KMR/Eschelbach 47; Meyer-Goßner/Schmitt 23; SK/Deiters 40.

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b) Aufschiebende Wirkung. Die sofortige Beschwerde hat gemäß Absatz 3 Satz 3 Halbsatz 2 aufschiebende Wirkung. § 307 gilt nicht. Wird sie eingelegt, darf das Gericht bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel die Hauptverhandlung weder beginnen noch fortsetzen oder gar durch ein Urteil abschließen. Zweck dieser Regelung ist es, die Berechtigung zur Abwesenheitsverhandlung noch vor deren Durchführung durch eine zweite Instanz in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nachprüfen und endgültig entscheiden zu lassen. Eine noch nicht begonnene Hauptverhandlung ist auf einen späteren Termin zu verlegen, der so weit hinauszuschieben ist, dass bis dahin die Beschwerdeentscheidung vorliegt. Hatte die Hauptverhandlung bereits begonnen, so ist sie vom Gericht zu unterbrechen (Rn. 40).

c) Unterbrechung der Hauptverhandlung (Absatz 3 Satz 4). Eine bereits begonnene Hauptverhandlung muss nach Eingang der sofortigen Beschwerde unterbrochen werden. Unterbleibt dies, etwa weil das Gericht noch keine Kenntnis vom Eingang der Beschwerde hat, so müssen die danach verhandelten Verfahrensteile später wiederholt werden; denn aufgrund der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde ist die Befugnis des Gerichts zur Fortsetzung der Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten entfallen. Bis zu 30 Tagen darf die Unterbrechung nach Absatz 3 Satz 4 Halbsatz 2 dauern. Diese Sonderregelung gilt unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 229 Abs. 2 erfüllt sind,80 dessen Höchstunterbrechungsfrist aufgrund der Neufassung durch das 1. JuMoG nicht mehr mit derjenigen des Absatzes 3 Satz 4 Halbsatz 2 übereinstimmt. Die Dauer der Unterbrechungsfrist ist vor allem nach der für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens erforderlichen Zeit, aber auch nach den Möglichkeiten des Gerichts für die Weiterverhandlung zu bemessen; sie kann, falls zu kurz bemessen, auch nachträglich verlängert werden, insgesamt darf aber die Unterbrechung die Frist von 30 Tagen nicht überschreiten. Die Zuständigkeit für die Anordnung der Unterbrechung der Hauptverhandlung 41 gemäß Absatz 3 Satz 4 richtet sich nach § 228 Abs. 1.81 Unterbrechungen bis zu drei Wochen ordnet der Vorsitzende an. Längerfristige Unterbrechungen hat das Gericht zu beschließen, ebenso die Verlängerung einer vom Vorsitzenden angeordneten Unterbrechung über die Grenze von drei Wochen hinaus. Läuft die Frist an einem Sonnabend, einem Sonn- oder Feiertag ab, braucht in entsprechender Anwendung von § 229 Abs. 4 die Verhandlung erst am nächsten Werktag fortgesetzt werden.82 Die Frist rechnet vom Tag der Beschwerdeeinlegung bis zum Tag der Fortsetzung der Hauptverhandlung. Sie darf vom Gericht voll ausgeschöpft werden, auch wenn die Beschwerdeentscheidung schon früher ergeht.83 Kann die Hauptverhandlung nicht spätestens nach 30 Tagen fortgesetzt werden, so ist sie neu zu beginnen, auch wenn das Beschwerdegericht noch innerhalb der Frist entschieden hat.84 Eine bereits vor der Beschwerdeeinlegung laufende andere Unterbrechungsfrist, ist auf die Frist des Absatz 3 Satz 4 Halbsatz 2 nicht anzurechnen; denn diese soll ungekürzt für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zur Verfügung stehen.85

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80 Meyer-Goßner/Schmitt 24. Bohnert 164 hält die obligate Unterbrechung bei mittleren und kleineren Verfahren für wenig praktikabel und deshalb eine Derogation durch die Rechtsprechung für möglich. 81 A.A. KK/Gmel 26; Meyer-Goßner/Schmitt 24; Radtke/Hohmann/Britz 18: Unterbrechung stets durch das Gericht. 82 SK/Deiters 42. 83 KMR/Eschelbach 50; Meyer-Goßner/Schmitt 24; SK/Deiters 42. 84 SK/Deiters 42. 85 KK/Gmel 26; KMR/Eschelbach 50; Meyer-Goßner/Schmitt 24.

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d) Beschwerdeentscheidung. Das Beschwerdegericht überprüft die rechtlichen 42 und tatsächlichen Voraussetzungen des angefochtenen Beschlusses.86 Dies gilt auch, soweit in Absatz 1 unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet werden. Soweit allerdings Absatz 1 Satz 1 es der tatrichterlichen Beurteilung überlässt, ob die Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung unerlässlich ist, ist die darin liegende Wertung der Beweislage und der Erfordernisse der Aufklärungspflicht nur begrenzt vom Beschwerdegericht nachprüfbar. Soweit keine Rechtsfehler und auch kein Ermessensmissbrauch ersichtlich sind, darf das Beschwerdegericht in die tatrichterliche Würdigung nicht eingreifen.87 Die Entscheidung des Beschwerdegerichts kann wegen der besonderen Art des Be- 43 schlusses nach § 231a trotz § 309 Abs. 2 diesen nur bestätigen oder aufheben. Das Beschwerdegericht muss grundsätzlich die zur Klärung der Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 erforderlichen Erhebungen selbst vornehmen (§ 308 Abs. 2). Es ist berechtigt, ein fehlendes ärztliches Gutachten (Rn. 20) einzuholen oder eine etwa unterbliebene oder unzureichende Anhörung des Angeklagten nach Absatz 1 Satz 2 durch einen beauftragten Richter des erkennenden Gerichts (nicht des Beschwerdegerichts!) zu veranlassen, um Verfahrensverzögerungen durch eine formale Zurückverweisung wegen dieses behebbaren Mangels zu vermeiden. Wird der Angeklagte vor der Beschwerdeentscheidung wieder verhandlungsfähig, so wird die Beschwerde dadurch nur dann überholt, wenn noch nicht in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt worden war.88 Hat das Gericht bis zur Beschwerdeeinlegung zunächst ohne den Angeklagten verhandelt, besteht wegen des Ausschlusses der Revisionsrüge (§ 336 Satz 2) bei der nur ex nunc wirkenden Wiederherstellung der Verhandlungsfähigkeit das sachliche Bedürfnis fort, dass über die Zulässigkeit des davor liegenden und als Urteilsgrundlage fortwirkenden Verhandlungsteils vom Beschwerdegericht sachlich entschieden wird. Wieweit das erkennende Gericht durch die Aufhebung seines die Abwesenheits- 44 verhandlung anordnenden Beschlusses gebunden ist, hängt von der Tragweite der aufhebenden Entscheidung ab. Hat das Beschwerdegericht selbst abschließend geprüft, ob die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 gegeben sind (Rn. 43), kann das erkennende Gericht nur bei einer wesentlichen Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse die Abwesenheitsverhandlung erneut anordnen. 2. Beschwerde. Die ausdrückliche oder stillschweigende Entscheidung, nicht nach 45 § 231a zu verfahren (Rn. 29), unterliegt nicht der sofortigen Beschwerde des Absatzes 3 Satz 3. In der Regel ist sie Teil einer anderen Verfahrensentscheidung, bei der sie als Inzidentfrage mit geprüft wird; so etwa die Verlegung des noch nicht begonnenen Termins, die Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung, die vorläufige Verfahrenseinstellung nach § 205, aber auch der Entscheidung, die Hauptverhandlung auf Grund einer anderen Vorschrift ohne den Angeklagten durchzuführen. Wieweit diese einzelnen Entscheidungen mit der (einfachen) Beschwerde angefochten werden können, richtet sich nach den jeweils dafür geltenden Grundsätzen.89 Dies gilt auch für die strittige Frage, ob § 305 Satz 1 der Beschwerde entgegensteht.90 In den erstinstanzlichen Ver-

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86 KK/Gmel 26; SK/Deiters 43; vgl. Bohnert 165. 87 KMR/Eschelbach 52; KK/Gmel 26; Radtke/Hohmann/Britz 18; SK/Deiters 43. 88 KK/Gmel 26; KMR/Eschelbach 53; Radtke/Hohmann/Britz 20; SK/Deiters 50; SSW/Grube 25; strittig: Meyer-Goßner/Schmitt 23 hält die Beschwerde insgesamt für gegenstandslos, Bohnert 165 für unbegründet. 89 Vgl. zu § 205: OLG Düsseldorf NStZ-RR 2001 274; OLG Nürnberg StV 2001 668 m. Anm. Keller = NStZ 2001 53 Ls. m. Anm. Müller; im Übrigen s. die Erl. etwa zu § 213 und § 228, 34 ff. 90 Strittig ist, ob die Entscheidung, das Verfahren nicht nach § 231a fortzusetzen, wegen ihrer eigenständigen Bedeutung der Beschwerde zugänglich ist – so Rieß JZ 1975 271; KK/Gmel 27; Meyer-

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fahren der OLGe schließt § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 die Beschwerde aus, da die Rückausnahme in Halbsatz 2 Nr. 3 nur für die sofortige Beschwerde nach Absatz 3 Satz 3 gilt.91 Die Unterbrechungsanordnung gemäß Absatz 3 Satz 4 ist nicht mit der Beschwer46 de anfechtbar (§ 305 Satz 1). Gleiches gilt für den Beschluss, mit dem das Gericht einen Antrag zurückweist, die Hauptverhandlung mit dem – vermeintlich – wieder verhandlungsfähigen Angeklagten fortzusetzen (Rn. 30). Dies eröffnet auch nicht erneut die sofortige Beschwerde nach Absatz 3 Satz 3. 3. Revision. Der Beschluss nach Absatz 3 Satz 1, mit dem sich das Gericht für die Abwesenheitsverhandlung entschieden hat, ist nur mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar (Absatz 3 Satz 3). Diese Sonderregelung schließt es nach § 336 Satz 2 aus, die Revision darauf zu stützen, dass das Gericht die materiellen Voraussetzungen für die Abwesenheitsverhandlung zu Unrecht angenommen habe,92 und auch, dass der Beschluss formell fehlerhaft zustande gekommen sei. Im Übrigen kann mit der Revision nach § 338 Nr. 5 geltend gemacht werden, das 48 Gericht habe später die Voraussetzungen der Abwesenheitsverhandlung zu Unrecht als fortdauernd angesehen (vgl. Rn. 30 f.) und damit entgegen § 230 den wieder verhandlungsfähig gewordenen Angeklagten zur Hauptverhandlung nicht zugezogen.93 Gerügt werden kann nach §§ 230, 338 Nr. 5 auch, wenn das Gericht nach Einlegung der sofortigen Beschwerde weiterverhandelt hat, ohne die Hauptverhandlung zu unterbrechen (Rn. 40).94 Zur Begründung dieser Rügen müssen alle Tatsachen angeführt werden, aus denen sich ergibt, dass das Gericht nicht ohne den Angeklagten hat verhandeln dürfen, ferner, welche (wesentlichen; s. die Erl. zu § 338 Nr. 5) Teile der Hauptverhandlung ohne ihn stattgefunden haben.95 49 Beanstandet werden kann ferner nach § 337, dass das Gericht die höchstzulässige Unterbrechungsfrist überschritten (Rn. 40 f.) oder seine Unterrichtungspflicht (Rn. 32 ff.) nicht, unvollständig96 oder verspätet erfüllt hat und das Urteil auf diesem Fehler beruht.97 Ein nach § 337 zu rügender Verfahrensfehler kann auch darin liegen, dass dem Angeklagten der Beschluss nach Absatz 3 Satz 1 durch eine fehlerhafte Sachbehandlung erst so spät mitgeteilt wurde, dass er von seinem Recht, unabhängig von seinem Verteidiger sofortige Beschwerde mit aufschiebender Wirkung einzulegen, nicht mehr rechtzeitig vor dem Urteil Gebrauch machen konnte, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre.98 Ob das Urteil darauf beruhen kann, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. 47

_____ Goßner/Schmitt 22; Radtke/Hohmann/Britz 21; SK/Deiters 51; SSW/Grube 30 – oder ob sie als urteilsvorbereitende Entscheidung der Beschwerde wegen § 305 Satz 1 nicht unterliegt – so Bohnert 162; KMR/Eschelbach 46. 91 SK/Deiters 51; a.A. KMR/Eschelbach 46. 92 BTRAussch. BTDrucks. 7 2989 S. 6; Rieß JZ 1975 270 Fn. 87; ebenso Bohnert 161; Dünnebier FS Dreher 670; AK/Keller 14; KK/Gmel 28; KMR/Eschelbach 54; Meyer-Goßner/Schmitt 25; SK/Deiters 52; a.A. Gössel § 19 A IIb 4. 93 Rieß JZ 1975 271 Fn. 88; KK/Gmel 28; KMR/Eschelbach 55; SK/Deiters 52. 94 KMR/Eschelbach 55; SK/Deiters 52. 95 Wegen der Einzelheiten vgl. die Erl. zu § 338 Nr. 5 und § 344. 96 Zur Beanstandung nach § 238 Abs. 2 als Rügevoraussetzung vgl. § 247, 56. 97 KMR/Eschelbach 55; SK/Deiters 52; zur Beruhensfrage bei nochmaliger Vernehmung des Hauptbelastungszeugen in Abwesenheit des Angeklagten s. BGH NStZ-RR 2010 283 f. 98 Vgl. BGHSt 39 110, 111 = JR 1994 341, 342 m. Anm. Gollwitzer, wo diese Möglichkeit unter dem Blickwinkel der Beschränkung der Verteidigung nach § 338 Nr. 8 gesehen wird (obiter dictum); MeyerGoßner/Schmitt 25.

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§ 231b Fortsetzung nach Entfernung des Angeklagten zur Aufrechterhaltung der Ordnung § 231b Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-027

(1) 1 Wird der Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer entfernt oder zur Haft abgeführt (§ 177 des Gerichtsverfassungsgesetzes), so kann in seiner Abwesenheit verhandelt werden, wenn das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für unerläßlich hält und solange zu befürchten ist, daß die Anwesenheit des Angeklagten den Ablauf der Hauptverhandlung in schwerwiegender Weise beeinträchtigen würde. 2 Dem Angeklagten ist in jedem Fall Gelegenheit zu geben, sich zur Anklage zu äußern. (2) Sobald der Angeklagte wieder vorgelassen ist, ist nach § 231a Abs. 2 zu verfahren. Schrifttum Siehe bei § 230.

Entstehungsgeschichte Art. 1 Nr. 10 StVRErgG hat die bis dahin in § 247 Abs. 2 enthaltene Regelung dem ebenfalls neu eingefügten § 231a angepasst und als § 231b übernommen.

1. 2. 3.

Übersicht Zweck der Vorschrift | 1 Anwendungsbereich | 2 Voraussetzungen der Verhandlung ohne Angeklagten (Absatz 1 Satz 1) a) Beschluss nach § 177 GVG | 3 b) Befürchtung schwerwiegender Beeinträchtigung der Hauptverhandlung | 4 c) Anwesenheit nicht unerlässlich | 6

4. 5. 6. 7. 8. 9.

Gelegenheit, sich zur Anklage zu äußern (Absatz 1 Satz 2) | 7 Entscheidung des Gerichts | 10 Rechtsfolgen | 13 Unterrichtung des wieder vorgelassenen Angeklagten (Absatz 2) | 16 Sitzungsniederschrift | 17 Rechtsbehelfe a) Beschwerde | 18 b) Revision | 19

1. Zweck der Vorschrift ist es, die Durchführung der Hauptverhandlung auch dann 1 zu ermöglichen, wenn der Angeklagte nach § 177 GVG aus dem Sitzungszimmer entfernt werden muss, weil er die zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffenen Anordnungen missachtet. Dem Angeklagten kann nicht gestattet werden, durch dauerndes Stören den ordnungsgemäßen Ablauf der Hauptverhandlung zu verhindern. Er verwirkt sein Anwesenheitsrecht, wenn er es zu ihrer Störung missbraucht. § 231b ist eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift,1 die (präventiv) weiteren Störungen der Hauptverhandlung durch den Angeklagten vorbeugen soll. Sie dient daher wie § 230 Abs. 2 und § 231a der Sicherung der Durchführung der Hauptverhandlung. Dagegen ist sie keine verfahrensrechtliche Sanktion für die bereits stattgefundenen Störungen, die Anlass für die Anordnung nach § 177 GVG waren.2

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1 Vgl. BGH NJW 1976 1108: „formstrenge Handhabung“; HK/Julius 1. 2 Rieß JZ 1975 271; Vogel NJW 1978 1225; AK/Keller 1; KMR/Paulus 1; Meyer-Goßner/Schmitt 1; SK/ Deiters 1.

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2. Anwendungsbereich. § 231b ist in allen Strafverfahren ab dem Zeitpunkt anwendbar, in dem frühestens Maßnahmen nach § 177 GVG getroffen werden können. Da dies bereits ab Sitzungsbeginn möglich ist, kann der Angeklagte schon ausgeschlossen werden, bevor die Hauptverhandlung gegen ihn begonnen hat. Die Verhandlung ohne den Angeklagten kann sich grundsätzlich auf alle Teile der Hauptverhandlung einschließlich der Urteilsverkündung erstrecken,3 wenn die Anordnungsvoraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 nicht vorher entfallen (vgl. Rn. 13). § 231b kennt keine Unterschiede in der Person und beruflichen Stellung des Angeklagten. Daher kann auch gegen einen angeklagten Rechtsanwalt (Gleiches gilt für einen angeklagten Rechtslehrer i.S.d. § 138 Abs. 1), der sich selbst verteidigt, gemäß § 231b die Abwesenheitsverhandlung angeordnet werden, obwohl Maßnahmen nach § 177 GVG gegen einen Verteidiger nicht getroffen werden dürfen.4 3. Voraussetzungen der Verhandlung ohne Angeklagten (Absatz 1 Satz 1)

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a) Ein Beschluss nach § 177 GVG muss ergangen sein, durch den der Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer entfernt oder zur Haft abgeführt worden ist. Insoweit wird auf die Erläuterungen zu § 177 GVG verwiesen.

b) Die Befürchtung einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des weiteren Ablaufs der Hauptverhandlung durch den Angeklagten muss im Zeitpunkt der Entscheidung (maßgebend: Beurteilung ex ante) bestehen. Das ordnungswidrige Benehmen, das zur Entfernung des Angeklagten nach § 177 GVG führte, darf also nicht nur als eine einmalige Entgleisung zu werten sein.5 Das gesamte Verhalten des Angeklagten muss vielmehr ernsthaft befürchten lassen, dass er auch künftig durch ordnungswidriges Benehmen die ordnungsgemäße Durchführung der Hauptverhandlung oder bestimmter Teile davon schwerwiegend stören werde. Dass er eine Störung durch Dritte billigt oder veranlasst, genügt nicht, sofern nicht die zu erwartende Anstiftung Dritter als andauernde Störung durch den Angeklagten selbst zu werten ist.6 Es müssen voraussichtlich weitere Beeinträchtigungen der Hauptverhandlung von 5 erheblichem Gewicht zu erwarten sein. Die Gefahr kleinerer Ungehörigkeiten oder den Verfahrensablauf nur unwesentlich beeinträchtigender Störungen rechtfertigt eine Abwesenheitsverhandlung noch nicht. Der dem Rechtsstaatsprinzip immanente Grundsatz der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit gilt auch für Eingriffe in das Anwesenheitsrecht des Angeklagten.7 Das ungebührliche Verhalten des Angeklagten muss objektiv den Fortgang der Hauptverhandlung in Frage stellen. Nicht erforderlich ist, dass der Angeklagte dies mit seinem Verhalten bewusst schuldhaft herbeiführen will.8

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c) Die Anwesenheit des Angeklagten darf für die Weiterführung der Hauptverhandlung nicht unerlässlich sein. Dies ist hier, ebenso wie bei § 231a, nur anzunehmen, wenn und soweit ausnahmsweise die Aufklärungspflicht die Anwesenheit des Ange-

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3 Baumann ZRP 1975 43; Hermann JuS 1976 419; Röhmel JA 1976 663; KK/Gmel 2; Meyer-Goßner/Schmitt 2; SK/Deiters 2; vgl. RG DJZ 1922 697. 4 BVerfGE 53 207, 215. 5 Vgl. BGHSt 39 72, 74. 6 SK/Deiters 4; s. auch SSW/Grube 6. 7 KMR/Paulus 9; vgl. Rüping ZStW 91 (1979) 355. 8 AK/Keller 2; KMR/Paulus 8; KK/Gmel 5; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Rieß JZ 1975 271 Fn. 103; zweifelnd HK/Julius 4 unter Hinweis auf den Bericht BTRAussch. BTDrucks. 7 2989 S. 5, wonach § 231b ebenso wie § 231a dazu dient, „den Versuchen vorsätzlicher Verfahrensvereitelung“ entgegenzutreten.

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klagten bei einem bestimmten Verfahrensabschnitt, etwa bei der Einvernahme eines bestimmten Zeugen, zwingend fordert.9 Die bloße Erschwerung der Sachaufklärung, die darin liegt, dass das Gericht den Angeklagten nicht immer sofort zu einem Beweismittel hören kann, macht nach dem Zweck der Vorschrift die Anwesenheit des Angeklagten ebenso wenig unerlässlich wie die vom Angeklagten selbst verschuldete Beeinträchtigung seiner Verteidigungsmöglichkeit. 4. Die Gelegenheit, sich zur Anklage zu äußern, die der Angeklagte nach Absatz 1 7 Satz 2 haben muss, kann ihm das Gericht in jeder geeigneten Form geben. War seine Vernehmung zur Sache (§ 243 Abs. 5) bereits vor seiner Entfernung abgeschlossen, so bedarf es keiner Anhörung mehr. Gleiches gilt, wenn der Angeklagte erklärt hat, dass er nicht zur Sache aussagen wolle. Wurde er jedoch schon vorher aus der Hauptverhandlung entfernt, was auch schon vor Verlesung des Anklagesatzes möglich ist (Rn. 2), dann muss ihm das Gericht die Gelegenheit geben, sich zur zugelassenen Anklage zu äußern. Dies kann – je nach Verfahrensstand – im Anschluss an den seine Entfernung anordnenden Beschluss nach § 177 GVG, aber auch zu einem späteren Zeitpunkt geschehen.10 Wenn das Gericht im Hinblick auf Mitangeklagte vom ordnungsmäßigen Ablauf der Verhandlung nicht zu sehr abweichen will, dann liegt es nahe, dem Angeklagten die Gelegenheit zur Äußerung zu dem Zeitpunkt zu geben, zu dem er bei normalem Verlauf ohnehin zur Sache zu vernehmen gewesen wäre. Bei einem in Haft befindlichen Angeklagten ist die Anordnung seiner späteren Wiedervorführung zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht dem Angeklagten Gelegenheit zur Äußerung geben will, ohne Schwierigkeiten durchführbar. Ist der Angeklagte, der nach § 177 GVG lediglich aus dem Sitzungssaal gewiesen wurde, in Freiheit, muss das Gericht – zweckmäßigerweise bereits vor der Entfernung aus dem Sitzungssaal – die Zeit bestimmen, zu der sich der Angeklagte zum Zwecke seiner Anhörung wieder einzufinden hat. Bleibt er zu diesem Termin aus, so ist seine zwangsweise Vorführung zur Anhörung in der Regel entbehrlich; denn schon durch das Einräumen der Möglichkeit einer Äußerung ist das von Absatz 1 Satz 2 geforderte Mindestmaß rechtlichen Gehörs gewährt. Wird ein Hinweis auf die Veränderung eines rechtlichen Gesichtspunkts nach 8 § 265 erforderlich, so muss dem Angeklagten die Möglichkeit eingeräumt werden, sich auch dazu zu äußern. Auch wenn er sich zur zugelassenen Anklage bereits erklären konnte, ist ihm durch den Hinweis die Möglichkeit zu eröffnen, zu der eingetretenen Veränderung Stellung zu nehmen. Der Hinweis muss nicht notwendig in der Hauptverhandlung erteilt werden. Ist in dieser allerdings ein Verteidiger des Angeklagten anwesend, genügt es nach § 234a, dass diesem der Hinweis erteilt wird. Dies ändert aber nichts daran, dass dem Angeklagten Gelegenheit zur Stellungnahme auf den Hinweis in der in Rn. 9 beschriebenen Weise gegeben werden muss. Zur Verwirkung sonstiger Verfahrensrechte vgl. § 231, 29. Die Anhörung ist nach dem Willen des Gesetzgebers11 vor dem erkennenden Ge- 9 richt in der Hauptverhandlung durchzuführen. Die Anhörung durch einen ersuchten oder beauftragten Richter genügt demgemäß nicht.12 Dass sie unter Umständen nur neue

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9 Vgl. § 231, 27 ff.; § 231a, 11. SK/Deiters 3 verlangt auch hier zusätzlich, dass der Angeklagte im Falle seiner Anwesenheit nicht verfahrenskonform am Verfahren mitwirken würde, und will ggf. nach einzelnen Verhandlungsteilen differenzieren. 10 A.A. HK/Julius 3; Meyer-Goßner/Schmitt 8; SSW/Grube 11: Anhörung vor der Abwesenheitsverhandlung vorzunehmen; wohl auch SK/Deiters 5. 11 Bericht des BTRAussch. BTDrucks. 7 2989 S. 7. 12 Hermann JuS 1976 419; Rieß JZ 1975 271; KK/Gmel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 8; SK/Deiters 5.

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Störungen auslöst, wurde wegen der hohen Bedeutung des rechtlichen Gehörs in Kauf genommen. Verweigert der Angeklagte die Einlassung oder stört er die Verhandlung erneut, ändert dies nichts daran, dass die Verpflichtung aus Absatz 1 Satz 2 erfüllt ist. Das Gericht braucht dann nichts mehr tun, um ihm Gehör zu geben. Es ist zwar nicht gehindert, dem Angeklagten nach dem Scheitern der gebotenen Anhörung in der Hauptverhandlung im Interesse der besseren Sachaufklärung oder der fairen Verfahrensgestaltung nochmals auf andere Weise anzuhören, etwa dadurch, dass es ihn durch einen beauftragten oder ersuchten Richter vernehmen lässt oder ihm eine schriftliche Stellungnahme anheimgibt. Verpflichtet ist es dazu aber nicht.13 5. Entscheidung des Gerichts. Das Gericht, nicht der Vorsitzende, entscheidet darüber, ob in der konkreten Verfahrenslage die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 für eine Fortsetzung der Hauptverhandlung nach Entfernung des Angeklagten gegeben sind. Selbst wenn es dies bejaht, ist es zur Fortführung der Hauptverhandlung ohne den Angeklagten nicht verpflichtet; dies steht vielmehr in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Vor der Entscheidung sind die Verfahrensbeteiligten und – sofern möglich – der Angeklagte nach § 33 zu hören.14 Dies geschieht zweckmäßigerweise zusammen mit der Anhörung zu der beabsichtigten Maßnahme nach § 177 GVG. Zwar ist es für die Zulässigkeit der Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten 11 nicht zwingende Voraussetzung, dass die Entscheidung des Gerichts durch förmlichen Beschluss ergeht, der noch in Gegenwart des Angeklagten verkündet wird.15 Dennoch ist die förmliche Beschlussfassung geboten. Die Gegenmeinung16 überzeugt nicht. Sie stützt sich darauf, dass § 231b – anders als § 231a Absatz 3 – seinem Wortlaut nach einen förmlichen Gerichtsbeschluss nicht verlangt, die Abwesenheitsverhandlung unmittelbar an die Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungszimmer nach § 177 GVG anknüpft und durch die anschließende Fortführung der Hauptverhandlung durch das Gericht dessen Auffassung nach außen deutlich wird, es dürfe das Verfahren ohne den Angeklagten nach § 231b Abs. 1 fortsetzen. Dem ist entgegenzuhalten: Die förmliche Beschlussfassung, die § 231a Abs. 3 Satz 1 und 2 vorschreibt, ist schon deswegen notwendig, weil die gerichtliche Anordnung, nach § 231a Abs. 1 Satz 1 zu verfahren, mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist (§ 231a Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1), für die die Rechtsmittelfrist erst mit der förmlichen Verkündung oder Zustellung der Entscheidung zu laufen beginnt (§ 311 Abs. 2, § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1). Eine nur konkludente Entscheidung ist demgemäß hier überhaupt nicht denkbar. Für die gebotene Form der nicht mit der Beschwerde anfechtbaren Entscheidung nach § 231b Abs. 1 Satz 1 (Rn. 18) kann aus § 231a Abs. 3 Satz 1 und 2 daher nichts abgeleitet werden. Die Anwendung der verfahrensrechtlich eigenständigen Ermessensvorschrift des § 231b hat weitergehende sachliche Voraussetzungen als die Entscheidung nach § 177 GVG; es müssen über das Verhalten hinaus, das zur Anwendung des § 177 GVG führte, weitere erhebliche Störungen der Verhandlung durch den Angeklagten zu befürchten stehen, andererseits darf seine Anwesenheit

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13 KMR/Paulus 11; Meyer-Goßner/Schmitt 8. Nach HK/Julius 3 und SK/Deiters 5 kann das Gericht durch § 244 Abs. 2 und Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet sein, dem Angeklagten die Äußerung in anderer Weise zu ermöglichen, wenn eine Sacheinlassung naheliegend zu erwarten ist. Nach Röhmel JA 1976 664 ff. lässt der Wortlaut beide Auslegungen zu; allenfalls wenn die Anhörung in der Hauptverhandlung unmöglich ist, kann es angebracht sein, dem Angeklagten das Anhörungsrecht in abgeschwächter Form zu gewähren. 14 KMR/Paulus 13. 15 A.A. Röhmel JA 1976 666. 16 BGHSt 39 72; Roxin/Schünemann § 44, 49; KK/Gmel 7; Meyer-Goßner/Schmitt 9; MüKo/Arnoldi 8; BGH NJW 1976 1108 lässt dies offen, mahnt aber eine „formstrenge Handhabung“ an.

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nach der Beurteilung des Gerichts nicht unerlässlich sein. Dass das Gericht diese Voraussetzungen geprüft und mit tragfähigen Gründen bejaht hat, wird allein durch die für § 177 GVG vorgeschriebene Protokollierung nach § 182 GVG in aller Regel nur unzureichend belegt werden können. Ein förmlicher, mit Gründen versehener Beschluss ist daher auch deswegen angezeigt, um die revisionsgerichtliche Nachprüfbarkeit der Entscheidung sicherzustellen. Dass – und gegebenenfalls in welchem Umfang – das Gericht ohne Angeklagten weiterverhandeln will, muss den Verfahrensbeteiligten und vor allem dem Angeklagten letztlich auch eröffnet werden. Eine konkludente Beschlussfassung ist deshalb vor allem dann problematisch, wenn der Angeklagte vor Anordnung der Ordnungsmaßnahme nicht oder nicht zum Weiterverhandeln in seiner Abwesenheit gehört werden konnte. Musste er dann im Vollzug der Ordnungsmaßnahme sofort aus dem Sitzungssaal entfernt werden, wird für ihn – anders als für die im Sitzungssaal verbleibenden anderen Verfahrensbeteiligten – die konkludente Entscheidung des Gerichts weiterzuverhandeln, nicht erkennbar. All dies sowie der Grundsatz der Verfahrensklarheit sprechen daher dafür, dass die Entscheidung des Gerichts durch einen förmlichen Beschluss zu ergehen hat.17 Der Beschluss, die Hauptverhandlung künftig ohne den Angeklagten durchzufüh- 12 ren, kann mit dem Beschluss nach § 177 GVG verbunden werden, er kann aber auch später getrennt ergehen. Er muss erkennen lassen, dass das Gericht ohne den Angeklagten weiterverhandeln will, was die maßgeblichen Gründe hierfür sind (wobei für das befürchtete, die weitere Verhandlung beeinträchtigende Verhalten des Angeklagten auf seine gemäß § 182 GVG protokollierten Störungen verwiesen werden kann) und gegebenenfalls auch, auf welche Verfahrensabschnitte18 oder Zeit die Verhandlung ohne den Angeklagten zunächst beschränkt bleiben soll. Eine solche Beschränkung ist vor allem bei länger dauernden Verfahren angebracht, da das Gericht in angemessenen Zeitabständen prüfen muss, ob die von § 231b vorausgesetzte Gefahr weiterer Störungen noch fortbesteht (Rn. 13). Wird der Angeklagte vorzeitig wieder zugelassen, ist der Beschluss nach § 231b vom Gericht aufzuheben.19 Auch hier ist im Interesse der Verfahrensklarheit ein förmlicher Beschluss angezeigt, aber eher verzichtbar als bei der Anordnung der Abwesenheitsverhandlung. 6. Rechtsfolgen. Wurde der Angeklagte nach Absatz 1 Satz 1 ohne Beschränkung 13 auf bestimmte Verfahrensteile oder zeitlich Begrenzung ausgeschlossen, ist die Abwesenheitsverhandlung dennoch nur so lange zulässig, wie die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung fortbesteht.20 Das Gericht muss bei einer länger dauernden Verhandlung daher in angemessenen Abständen erneut prüfen, ob diese Gefahr nach der Verfahrenslage und nach den sonstigen Umständen weiterhin gegeben ist. In der Regel wird es angebracht sein, nach einiger Zeit versuchsweise den Angeklagten an der Hauptverhandlung wieder teilnehmen zu lassen;21 hierdurch kann am besten festgestellt werden, ob die Gefahr künftiger Störungen beseitigt ist.22 Wann und wie oft das Gericht den Versuch einer Rückkehr zur normalen Verhandlung machen muss, hängt von den

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17 Ebenso KMR/Paulus 6, 13; SK/Deiters 6; SSW/Grube 8; Eisenberg (Beweisrecht) 779; Schlüchter 446; auch AK/Keller 3; HK/Julius 6. 18 Vgl. BGH NStZ 2015 181: Ausschluss für die Dauer der Vernehmung einer Zeugin. 19 KMR/Paulus 13. 20 RGSt 54 110, 115. 21 RGSt 35 433, 435; KG StV 1987 519. 22 Röhmel JA 1976 664 hält einen solchen Versuch nur für erforderlich, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Angeklagte sein Verhalten ändert.

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jeweiligen Umständen ab. Nur in völlig aussichtslosen Fällen wird es hierauf verzichten dürfen.23 Von der Dauer der Ordnungshaft nach § 177 GVG ist die Dauer des Ausschlusses nicht abhängig. Hat das Gericht die Dauer der Abwesenheitsverhandlung von vornherein auf be14 stimmte Verfahrensteile oder eine bestimmte Zeit begrenzt, so ist der Angeklagte nach diesem Zeitraum grundsätzlich wieder in die Hauptverhandlung vorzulassen. Bestehen die Anordnungsvoraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 fort, muss das Gericht – nach Anhörung des Angeklagten und der weiteren Beteiligten (§ 33) – eine neue Entscheidung über den weiteren Ausschluss des Angeklagten treffen. Andererseits muss es ihn bereits vor dem Ende des ursprünglich festgesetzten Ausschlusszeitraums wieder die Anwesenheit gestatten, wenn die Gefahr weiterer Störungen der Hauptverhandlung den Umständen nach gebannt erscheint, so etwa, wenn der Angeklagte ernsthaft versichert, dass er sich künftig ordnungsgemäß verhalten werde. Der Ausschluss kann bis zum Ende der Hauptverhandlung einschließlich der Ur15 teilsverkündung andauern, wenn dies zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Durchführung der Hauptverhandlung notwendig ist (Rn. 2). Die in Absatz 2 vorgeschriebene Unterrichtung (Rn. 16) entfällt in diesen Ausnahmefällen dann ebenso wie das letzte Wort.24 Wegen der besonderen Bedeutung dieses Verfahrensteils für die Gewährung des rechtlichen Gehörs und für ein rechtsstaatliches („faires“) Verfahren überhaupt ist die Unerlässlichkeit einer derartigen Maßnahme aber besonders sorgfältig zu prüfen. Von dem Versuch, dem Angeklagten das letzte Wort zu erteilen, darf nur abgesehen werden, wenn dies von vornherein aussichtslos erscheint.25 16

7. Unterrichtung des wieder vorgelassenen Angeklagten (Absatz 2). „Sobald“ der Angeklagte wieder an der Hauptverhandlung teilnehmen darf, muss er nach Absatz 2 gemäß § 231a Abs. 2 unterrichtet werden. Ihm ist der wesentliche Inhalt dessen mitzuteilen, was in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist. Die Einzelheiten sind bei § 231a, 32 bis 35 erläutert. Die Unterrichtung kann abgebrochen werden, wenn sie der Angeklagte erneut zu schwerwiegenden Störungen missbraucht26 oder wenn er sich weigert, sie zur Kenntnis zu nehmen. Es kann dann erneut nach § 177 GVG und § 231b vorgegangen werden,27 das Gericht kann aber auch einfach in seiner Anwesenheit weiterverhandeln. Vor allem kann es, wenn der Angeklagte seine Unterrichtung vor Erteilung des letzten Wortes unmöglich macht, von dieser absehen und das Verfahren – egal ob der Angeklagte verteidigt wird oder nicht – zu Ende bringen.28

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8. Sitzungsniederschrift. Schon gemäß § 182 GVG zu protokollieren sind der Beschluss nach § 177 GVG und das zu dieser Entscheidung führende Verhalten des Angeklagten. Wesentliche Förmlichkeit im Sinne des § 273 ist darüber hinaus der Beschluss, der die Fortsetzung der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten anordnet. Des Weiteren ist die Tatsache der Unterrichtung des wieder zugelassenen Angeklagten, nicht ihr Inhalt, in der Sitzungsniederschrift festzuhalten.29 Zu protokollieren ist aber

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23 BGHSt 9 77, 81; BGH NJW 2005 2466, 2469; KG StV 1987 519; KK/Gmel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 7; SSW/Grube 10. 24 Zu § 247 Abs. 2 a.F.: RGSt 35 433, 435; 54 110, 115; BGHSt 9 77, 79 f.; BGH NJW 1957 1326, 1327. 25 RGSt 35 433, 435; BGHSt 9 77, 79 f.; BGH NJW 2005 2466, 2469; Roxin/Schünemann § 44, 6; KK/Gmel 6; KMR/Paulus 15; Meyer-Goßner/Schmitt § 258, 20; SK/Deiters 3; vgl. bei § 258. 26 Meyer-Goßner/Schmitt 10; SK/Deiters 9. 27 SK/Deiters 9. 28 BGH NJW 1957 1326 (für einen Angeklagten mit Verteidiger). 29 Vgl. BGHSt 1 346, 350; BGH StV 2008 174, 175; KK/Gmel 9; SK/Deiters 10.

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§ 231b

auch ihr vorzeitiger Abbruch, wobei zweckmäßigerweise auch der Grund dafür aufzunehmen ist. Ob auch die Nichterteilung des letzten Wortes ausdrücklich in das Protokoll aufgenommen werden muss,30 erscheint fraglich, da sich dieser Umstand schon aus der zu protokollierenden Nichtanwesenheit des Angeklagten bis zum Abschluss der Hauptverhandlung ergibt. 9. Rechtsbehelfe a) Beschwerde. Der Beschluss nach § 177 GVG ist ebenso wie ein förmlicher Be- 18 schluss, gemäß § 231b Abs. 1 Satz 1 ohne den Angeklagten zu verhandeln, nicht mit der Beschwerde anfechtbar. Dieser steht § 305 Satz 1 entgegen.31 b) Die Revision kann nach § 230 Abs. 1, § 338 Nr. 5 rügen, dass das Gericht die 19 Voraussetzungen für die Abwesenheitsverhandlung nach § 231b rechtsirrtümlich bejaht oder dass es ohne den Angeklagten weiterverhandelt hat, obwohl diese Voraussetzungen inzwischen entfallen waren. Soweit zu diesen Voraussetzungen eine Würdigung der Prozesslage gehört, die nur der Tatrichter auf Grund der Hauptverhandlung treffen kann, wie etwa die Frage, ob die Anwesenheit des Angeklagten nach der Sach- und Beweislage unerlässlich war, kann das Revisionsgericht allerdings nur nachprüfen, ob der Tatrichter den ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum überschritten oder ermessensmissbräuchlich gehandelt hat.32 Gerügt werden kann auch, dass kein ordnungsgemäßer Beschluss nach § 177 GVG vorlag und deshalb eine Voraussetzung für eine Abwesenheitsverhandlung nach § 231b fehlte. Ebenso kann beanstandet werden, dass, obwohl die Abwesenheitsverhandlung nur für einen bestimmten Verfahrensabschnitt angeordnet worden war, auch nach dessen Erledigung ohne den Angeklagten weiterverhandelt wurde. Gleiches gilt, wenn während dieses Verfahrensabschnitts weitere Verfahrenshandlungen vorgenommen wurden, auf die sich der Ausschluss nicht bezog.33 Dagegen liegt der absolute Revisionsgrund nach § 230 Abs. 1, § 338 Nr. 5 nicht allein deswegen vor, weil das Gericht ohne förmliche Beschlussfassung in Abwesenheit des gemäß § 177 GVG aus dem Sitzungssaal entfernten Angeklagten weiterverhandelt hat (Rn. 11). Es kommt vielmehr darauf an, ob die Voraussetzungen des Absatzes 1 tatsächlich vorlagen. Dies wird das Revisionsgericht mangels begründeten Beschlusses aber nur bei eindeutigen Fallgestaltungen allein anhand des Protokolls (§ 182 GVG) feststellen können. Ansonsten hat es über den Revisionsvortrag Freibeweis zu erheben. Da das Gericht ohne den Angeklagten weiterverhandelt hat, kann allerdings im Allgemeinen nicht davon ausgegangen werden, dass es bei einer förmlichen Beschlussfassung dessen Anwesenheit für unerlässlich gehalten hätte. Nach § 337 kann mit der Revision geltend gemacht werden, dass das Gericht seiner 20 Verpflichtung zur Anhörung des Angeklagten nach Absatz 1 Satz 2 oder nach § 33 (Rn. 10) nicht oder nur unvollständig genügt hat. Gerügt werden kann weiterhin, dem Angeklagten sei der Beschluss, ohne ihn weiterzuverhandeln, nicht bekanntgegeben worden, oder das Gericht habe nach Wiederzulassung des Angeklagten zur Hauptverhandlung seine Unterrichtungspflicht nach Absatz 2 nicht oder nicht in einer dem Gesetz entsprechenden Weise erfüllt. Ob das Urteil auf einem dieser Verfahrensmängel be-

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30 So aber SK/Deiters 10. 31 KK/Gmel 10; KMR/Paulus 18; Meyer-Goßner/Schmitt 11; SK/Deiters 11; Röhmel JA 1976 666. 32 BGHSt 39 72, 74; BGH NJW 2005 2466, 2469; KK/Gmel 11; Meyer-Goßner/Schmitt 12. 33 BGH NStZ 2015 181: Ausschluss für die Dauer der Vernehmung einer Zeugin; während der Vernehmung Einnahme eines Augenscheins.

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ruht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.34 Liegt der Verstoß gegen Absatz 2 nur in einer verspäteten Unterrichtung, wird man dies meist ausschließen können, sofern der Angeklagte nicht besondere Umstände vortragen kann, die aufzeigen, dass er dadurch in seiner Verteidigung behindert wurde.35 Hat dagegen das Gericht nicht einmal versucht, dem Angeklagten wenigstens das letzte Wort zu gewähren, obwohl dies nach den Umständen möglich und nicht von vornherein aussichtslos gewesen wäre (vgl. Rn. 15), so kann ein Beruhen des Urteils auf dem Verfahrensfehler meist nicht ausgeschlossen werden.

§ 231c Beurlaubung einzelner Angeklagter und ihrer Pflichtverteidiger § 231c Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-028 1 Findet die Hauptverhandlung gegen mehrere Angeklagte statt, so kann durch Gerichtsbeschluß einzelnen Angeklagten, im Falle der notwendigen Verteidigung auch ihren Verteidigern, auf Antrag gestattet werden, sich während einzelner Teile der Verhandlung zu entfernen, wenn sie von diesen Verhandlungsteilen nicht betroffen sind. 2 In dem Beschluß sind die Verhandlungsteile zu bezeichnen, für die die Erlaubnis gilt. 3 Die Erlaubnis kann jederzeit widerrufen werden.

Schrifttum Gollwitzer Die Befugnisse der Mitangeklagten in der Hauptverhandlung, FS Sarstedt (1981) 15; Prittwitz Der Mitbeschuldigte – ein unverzichtbarer Belastungszeuge? NStZ 1981 463; Schlothauer Abwesenheitsverhandlung wegen Beurlaubung oder vorübergehende Verfahrensabtrennung und Revision, FS Koch (1989) 241; weiteres Schrifttum bei § 230.

Entstehungsgeschichte Art. 1 Nr. 19 StVÄG 1979 hat § 231c eingefügt, um die Anwesenheitspflicht aufzulockern.

1. 2. 3.

4.

Übersicht Zweck der Vorschrift | 1 Verhältnis zu anderen Vorschriften | 2 Die Voraussetzungen für die Freistellung (Satz 1) a) Einzelne Teile der Verhandlung | 4 b) Nichtbetroffensein von dem Verhandlungsteil | 5 c) Antrag | 6 Entscheidung des Gerichts a) Erkennendes Gericht der Hauptverhandlung | 10 b) Ermessen des Gerichts | 11 c) Tenor des bewilligenden Beschlusses (Satz 2) | 12 d) Begründung | 13

5. 6.

7. 8. 9.

Widerruf (Satz 3) | 14 Rechtsfolgen der Freistellung a) Recht auf Teilnahme | 17 b) Keine Unterbrechung der Hauptverhandlung | 18 c) Mitwirkungsbefugnisse | 19 d) Unterrichtung | 20 Heilung unzulässiger Abwesenheit | 21 Sitzungsniederschrift | 22 Rechtsbehelfe a) Beschwerde | 23 b) Revision | 24

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34 Zur Beruhensfrage bei nochmaliger Vernehmung des Hauptbelastungszeugen in Abwesenheit des Angeklagten s. BGH NStZ-RR 2010 283 f. 35 Meyer-Goßner/Schmitt 12.

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1. Zweck der Vorschrift ist die Verfahrensvereinfachung. Durch eine behutsame 1 Lockerung der strengen Anwesenheitspflicht soll zum einen den Interessen der Angeklagten und ihrer Verteidiger Rechnung getragen, zum anderen eine zügigere Abwicklung umfangreicher Hauptverhandlungen erreicht werden.1 In zeitaufwendigen Strafprozessen gegen mehrere Angeklagte belastet die uneingeschränkte – für die ganze Hauptverhandlung geltende – Anwesenheitspflicht (§ 230 Abs. 1) und die damit verbundene Beeinträchtigung der persönlichen Bewegungs- und Dispositionsfreiheit jeden einzelnen Angeklagten erheblich. Gleiches gilt für den jeweiligen Verteidiger, der in Fällen notwendiger Verteidigung (§ 140) ununterbrochen anwesend sein muss (vgl. § 145 Abs. 1) und wegen des Verbotes der Mehrfachverteidigung (§ 146) seine Aufgabe auch nicht vorübergehend dem Verteidiger eines anderen Mitangeklagten übertragen kann. Dies hatte die zügige Erledigung von Großverfahren erschwert, da das Gericht bei seiner Verfahrensgestaltung auf unabwendbare Verhinderungen auch nur eines Angeklagten oder Verteidigers Rücksicht nehmen und deshalb das gesamte Verfahren unterbrechen musste. Diese Schwierigkeiten will § 231c dadurch verringern, dass das Gericht einen Angeklagten und seinen Verteidiger wenigstens insoweit von der Anwesenheitspflicht entbinden kann, als über Umstände verhandelt wird, die ihn auch nicht mittelbar betreffen. Die Begründung des Regierungsentwurfes wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die bisherige Rechtslage die Beurlaubung des Angeklagten und seines Verteidigers von sie nicht betreffenden Abschnitten der Hauptverhandlung nach herrschender Meinung nur durch eine förmliche Abtrennung, Unterbrechung und spätere Wiederverbindung des Verfahrens gestattete, wobei die Fristen des § 229 der Dauer der Abtrennung Grenzen setzten; demgegenüber könne es von der Sache her vertretbar sein, auch auf längere Zeit auf die Anwesenheit eines Angeklagten zu verzichten.2 Da jede Beurlaubung eine antizipierte Beurteilung des Nichtbetroffenseins durch die zu erwartenden Verhandlungsinhalte erfordert, erhöht sich wegen der Möglichkeit unvorhergesehener Verfahrensergebnisse die Gefahr von Revisionsgründen (§§ 230, 338 Nr. 5; § 261); der BGH hat deshalb wiederholt zur Vorsicht bei Anwendung der Vorschrift gemahnt.3 2. Verhältnis zu anderen Vorschriften. Die Möglichkeit, einen Angeklagten von 2 der Teilnahme an einem ihn nicht betreffenden Teil der Hauptverhandlung zu entbinden, tritt neben die weitergehende Befugnis, in den Fällen des § 231 Abs. 2, §§ 231a, 231b, 232 und 233 ohne den Angeklagten auch ihn betreffende Teile der Hauptverhandlung durchzuführen. Sind die jeweiligen Voraussetzungen gegeben, etwa weil der Angeklagte einem ihn nicht betreffenden Teil der Hauptverhandlung vor der Entscheidung über seinen Entbindungsantrag eigenmächtig fernbleibt, dann hat das Gericht die Wahl, nach welcher Vorschrift es verfahren will. Aus praktischen Gründen verdienen die Bestimmungen, die es gestatten, auch den Angeklagten betreffende Vorgänge in seiner Abwesenheit zu verhandeln, den Vorzug vor § 231c. Die Befugnis, in geeigneten Fällen das Verfahren gegen einen von mehreren Ange- 3 klagten vorübergehend abzutrennen (§ 4 Abs. 1), bleibt im Grundsatz ebenfalls unberührt.4 Jedoch schränkt § 231c den Ermessensspielraum des Gerichts ein. Soweit dieses

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1 BTDrucks. 8 976 S. 23. 2 BTDrucks. 8 976 S. 49. 3 Vgl. BGH NStZ 1981 111; 2010 227; 2010 289, 290; bei Holtz MDR 1979 807; bei Miebach NStZ 1989 219; BGHR § 231c Betroffensein 1; ferner etwa HK/Julius 1 (restriktive Auslegung); KMR/Paulus 3 (zweischneidig, im Zweifel nie); MüKo/Arnoldi 2 (mannigfaltige Unwägbarkeiten). 4 BGHSt 32 270, 272 f.; vgl. auch schon – ohne nähere Erörterung – BGHSt 30 74 = JR 1982 33 m. Anm. Maiwald; BGHSt 32 100 = JA 1984 263 m. Anm. Kratzsch; s. aber auch die möglicherweise gegenteilig zu verstehenden Formulierungen in BGHSt 31 323, 330 f.; 33 119, 121; offengelassen in BGH NStZ 1983 34.

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durch die vorübergehende Verfahrenstrennung allein einem Angeklagten und seinem Verteidiger die Teilnahme an sie nicht betreffenden Verfahrensteilen ersparen will, hat es nach § 231c zu verfahren.5 Denn wenn Angeklagter und Verteidiger mit der zeitweiligen Entbindung von der Anwesenheitspflicht einverstanden sind, ist der Umweg über eine von vornherein nur als vorübergehend gedachte Verfahrenstrennung nicht nötig und wegen der Fristen des § 229 auch gefährlich; die vorübergehende Verfahrenstrennung gegen den Willen des Angeklagten und seines Verteidigers bedeutet in diesen Fällen einen Formenmissbrauch, durch den das Antragserfordernis umgangen wird. Will das Gericht dagegen mit der vorübergehenden Abtrennung (auch) Verfahrenszwecke erreichen, die außerhalb der Interessen des betroffenen Angeklagten und seines Verteidigers liegen, so ist sie durch § 231c nicht von vornherein ausgeschlossen, kann aber auch hier nur bei Vorliegen eines zwingenden besonderen Verfahrenserfordernisses (etwa die Vermeidung einer sonst notwendigen Aussetzung der Hauptverhandlung) im Einzelfall gerechtfertigt werden.6 Denn es darf nicht übersehen werden, dass das Gericht zwar von sich aus seine Entscheidung gegenüber einem Mitangeklagten nicht auf Verfahrenserkenntnisse stützen darf, die es in einem Verfahrensteil gewonnen hat, an dem dieser nicht teilgenommen hat, dass aber andererseits für das Gericht nicht ex ante erkennbar ist, ob dieser nicht hofft, Verfahrensergebnisse, die unmittelbar nur einen anderen Mitangeklagten betreffen, für die eigene Verteidigung, und sei es auch nur wegen der dadurch eröffneten Vergleichs- und Wertungsmöglichkeiten, nutzen zu können.7 Ob er auf eine solche Chance verzichten will, hat allein der Angeklagte und sein Verteidiger zu entscheiden; dem trägt das Antragserfordernis des § 231c Rechnung. Dieses darf daher nicht ohne zwingenden Grund überspielt werden.8 3. Die Voraussetzungen für die Freistellung (Satz 1) 4

a) Einzelne Teile der Verhandlung. Die Freistellung des Angeklagten und/oder seines Verteidigers ist grundsätzlich für alle Teile der Verhandlung gegen einen Mitangeklagten möglich. Auch die einleitenden Vorgänge nach § 243 Abs. 1 bis 3, vor allem die Vernehmung eines Mitangeklagten zur Person9 und die zur Verhandlung zu rechnenden Schlussvorträge10 sind nach dem Zweck der Vorschrift nicht notwendig ausgenommen, wohl aber die Urteilsverkündung.11 Die eigentlichen Grenzen für die Anwendbarkeit des § 231c ergeben sich vielmehr aus den engen sachlichen Voraussetzungen, die eine Beurlaubung des Angeklagten und seines Verteidigers nur dort zulassen, wo durch die Verhandlung in seiner Abwesenheit seine eigenen Verfahrensinteressen nicht, auch nicht mittelbar, berührt werden. Eine erweiternde Auslegung ist nicht möglich.

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5 SK/Deiters 3. 6 Dagegen halten die vorübergehende Abtrennung (mit Ausnahme einer bewussten Umgehung des Antragserfordernisses) neben § 231c ohne weitere Einschränkungen für zulässig: KK/Gmel 2; KMR/Paulus 4; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Radtke/Hohmann/Britz 1; enger SK/Deiters 3: wenn prozessökonomisch geboten; a.A. Hamm 431 ff. und Schlothauer FS Koch 250, die eine vorübergehende Verfahrenstrennung stets für eine unzulässige Umgehung des § 231c halten. 7 Vgl. Gollwitzer FS Sarstedt 22; Schlothauer FS Koch 244; ferner zur mittelbaren Betroffenheit Rn. 5. 8 Weitergehend BGHSt 32 270, 272 f. (von Amts wegen zu berücksichtigendes Interesse an zügiger Förderung des Verfahrens). 9 BGHSt 31 323, 330 f.; KMR/Paulus 7; Meyer-Goßner/Schmitt 10; SK/Deiters 4. 10 Meyer-Goßner/Schmitt 10; vgl. auch BGH NStZ 1983 34, wo aber Betroffensein nicht auszuschließen war. 11 KMR/Paulus 7; Meyer-Goßner/Schmitt 10; SK/Deiters 4.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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b) Nichtbetroffensein von dem Verhandlungsteil. Es muss notwendigerweise ein 5 Verfahren mit mehreren Angeklagten vorliegen, bei dem sich die Hauptverhandlung so aufteilen lässt, dass bestimmte Verhandlungsteile ausschließlich einzelne Mitangeklagte betreffen. Die Urteilsfindung gegen den von der Teilnahme zu entbindenden Angeklagten darf also durch das aus dem Inbegriff dieser Verhandlungsteile gewonnene Ergebnis nicht beeinflusst werden können. Es muss sich um Verfahrensteile handeln, über die nach früherer Rechtsprechung ohne Verstoß gegen § 261 auch unter Abtrennung des Verfahrens gegen den betreffenden Angeklagten hätte weiterverhandelt werden können.12 Nicht betroffen von einem Verhandlungsteil ist in der Regel ein Angeklagter, wenn die Tat eines Mitangeklagten verhandelt wird, an der er in keiner Weise beteiligt war und wegen der ihm kein strafrechtlich irgendwie relevanter Vorwurf gemacht wird;13 anders ist es jedoch, wenn sie indizielle Bedeutung für eine ihm zur Last gelegte Tat haben kann.14 Bei der Tat des Mitangeklagten kann es sich um eine selbständige Tat im prozessualen Sinn, aber auch um einen Tatteil handeln, der nach § 154a aus der Verfolgung hinsichtlich des beurlaubten Angeklagten ausgeschieden worden ist. Eine Beurlaubung ist selbst für solche Verhandlungsteile denkbar, die sich innerhalb eines einheitlichen Vorwurfs ausschließlich mit persönlichen Umständen eines Mitangeklagten befassen, wie etwa das Vorliegen nur diesen betreffender Prozessvoraussetzungen,15 die Verhandlung über seine Schuldfähigkeit und die Anhörung von Sachverständigen zu dieser Frage,16 die Erörterung der persönlichen Verhältnisse17 oder sonstiger Umstände, die nur für die Bemessung der Rechtsfolgen bei diesem Angeklagten von Bedeutung sind.18 Ob die Voraussetzungen vorliegen, hängt vom Einzelfall ab.19 Vor allem bei den sogenannten Punktesachen, bei denen verschiedene selbständige Anklagepunkte gegen die einzelnen Mitangeklagten verhandelt werden, sind sie häufiger gegeben als bei einem verwickelten Tatgeschehen mit einem gemeinsamen Grundsachverhalt. Es muss stets ausgeschlossen werden können, dass die während der Abwesenheit des Angeklagten behandelten Umstände auch nur mittelbar die gegen ihn erhobenen Vorwürfe berühren und das Urteil gegen ihn beeinflussen. Ein solcher Einfluss liegt nahe, wenn es sich um ein einheitliches Geschehen handelt.20 Eine Verhandlungs(mit)betroffenheit des jeweiligen Angeklagten besteht beispielsweise: wenn auch ihn betreffende Beweise erhoben werden;21 wenn ein Mitangeklagter über sein Verhältnis zu ihm vernommen wird;22 wenn der Verteidiger eines Mitangeklagten sich in seinem Plädoyer mit der gemeinsamen Tat befasst;23 wenn ein Mitangeklagter ihn belastet hat und nun ein Zeuge zu dessen Glaubwürdigkeit vernommen wird;24 wenn über einen auch ihn berührenden

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12 Begr. BTDrucks. 8 976 S. 50; BGHSt 31 323, 330 f.; Gollwitzer FS Sarstedt 21. 13 BGHSt 32 100, 101. 14 AK/Keller 3; KMR/Paulus 8; s. etwa BGH NStZ 2010 227; 2010 289 f.: Beweisaufnahme zur Bandenmitgliedschaft und zu Bandentaten eines Mitangeklagten, der derselben Bande wie der beurlaubte Angeklagte angehört haben soll. 15 KMR/Paulus 8; SK/Deiters 5. 16 KMR/Paulus 8; Meyer-Goßner/Schmitt 12; SK/Deiters 5. 17 BGHSt 31 323, 330 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 12. 18 BGH NStZ 2009 400; SK/Deiters 5. 19 BGHSt 32 100, 101; SK/Deiters 5. 20 Vgl. etwa BGH NStZ 1983 34; BGH bei Holtz MDR 1979 807; KMR/Paulus 8; Meyer-Goßner/Schmitt 12; SK/Deiters 5. 21 BGH bei Holtz MDR 1979 989; BGH StV 1984 102. 22 BGH NStZ 1981 111. 23 BGH NStZ 1983 34. 24 BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 205; Schlothauer FS Koch 254.

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Beweisantrag eines Mitangeklagten entschieden wird;25 wenn über die Vereidigung eines Zeugen entschieden wird, der früher auch über einen den beurlaubten Angeklagten betreffenden Vorgang vernommen worden war;26 wenn der Widerspruch eines Mitangeklagten gegen die Verwertung von Erkenntnissen aus der Telekommunikationsüberwachung entgegengenommen und verbeschieden wird und diese Erkenntnisse auch für den Schuldspruch oder Rechtsfolgenausspruch gegen den Angeklagten relevant sind;27 wenn zwischen dem Gericht und einem Mitangeklagten in der Hauptverhandlung Erörterungen nach § 257b stattfinden, eine Verständigung nach § 257c getroffen wird oder der Vorsitzende gemäß § 243 Abs. 4 über außerhalb der Hauptverhandlung geführte Verständigungsgespräche bezüglich eines Mitangeklagten unterrichtet, denn selbst wenn es insoweit nur um Tatvorwürfe geht, die ausschließlich den Mitangeklagten betreffen, wird in aller Regel nicht auszuschließen sein, dass der Inhalt dieser Verfahrensvorgänge auch für die Prozessführung des Angeklagten von Belang ist.28 c) Antrag. Die Erlaubnis, bestimmten Teilen der Hauptverhandlung fernzubleiben, kann dem Angeklagten oder dem notwendigen Verteidiger nur auf Antrag gewährt werden, da die Vorschrift in erster Linie deren Interessen dient29 und das Gericht auch nicht sicher vorhersehen kann, ob sie einen den jeweiligen Angeklagten nicht unmittelbar betreffenden Verhandlungsteil auch zur eigenen Verteidigung nutzen wollen und können.30 Ist die Verteidigung nicht notwendig, braucht der Verteidiger, der fernbleiben will, keinen Antrag zu stellen, denn seine Abwesenheit hindert für sich den Fortgang des Verfahrens nicht. Das Gericht kann jedoch auch einem nicht notwendigen Verteidiger das Fernbleiben nach § 231c ausdrücklich gestatten.31 Das Antragsrecht des Angeklagten und des Verteidigers stehen unabhängig ne7 beneinander; der Angeklagte ist bei seiner Antragstellung nicht davon abhängig, dass auch sein Verteidiger den Antrag stellt und umgekehrt.32 Der Verteidiger muss allerdings für befugt erachtet werden, namens des Angeklagten auch für diesen den Antrag zu stellen. Dies gilt jedoch nur, wenn der Angeklagte dem nicht widerspricht; denn darüber, ob er auch den ihn nicht betreffenden Teilen der Hauptverhandlung beiwohnen will, hat letztlich nur er selbst zu befinden. Umgekehrt hindert ein Widerspruch des Angeklagten das Gericht nicht, einen notwendigen Verteidiger auf seinen Antrag zu beurlauben. Bei mehreren Verteidigern hat jeder getrennt für sich das Antragsrecht. Der Antrag kann sich im Übrigen auf verschiedene, nicht zusammenhängende Verhandlungsteile beziehen, die Beurlaubung kann in derselben Hauptverhandlung für denselben Angeklagten wiederholt und vom Angeklagten und Verteidiger auch für unterschiedliche Verhandlungsteile beantragt werden. 8 Die genaue Bezeichnung der Verhandlungsteile, für die die Erlaubnis zur Entfernung begehrt wird, muss der Antrag enthalten;33 denn das Gericht, das dem Antrag auch 6

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25 BGHR StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 17 (auch wenn dieser fehlerfrei abgelehnt wurde); BGH bei Kusch NStZ 1992 27 f. 26 BGH StV 1988 370; vgl. BGH bei Kusch NStZ 1992 27 f.; die nicht angegriffene Vorabentscheidung des Vorsitzenden über die Nichtvereidigung des Zeugen nach § 59 Abs. 1 Satz 1 i.d.F. des 1. JuMoG wird hiervon jedoch auszunehmen sein. 27 BGH NStZ 2012 463. 28 MüKo/Arnoldi 8. 29 Begr. BTDrucks. 8 976 S. 50; vgl. Rn. 1, 3. 30 Vgl. Gollwitzer FS Sarstedt 21 f. 31 Rieß NJW 1978 2270 Fn. 97; Meyer-Goßner/Schmitt 2. 32 KK/Gmel 6; KMR/Paulus 10; Meyer-Goßner/Schmitt 7; SK/Deiters 8; vgl. BGH StV 2014 3. 33 KK/Gmel 8; KMR/Paulus 10; Meyer-Goßner/Schmitt 8; SK/Deiters 9; Schlothauer FS Koch 246.

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nur zum Teil stattgeben kann, darf andererseits eine Beurlaubung nicht über den beantragten Umfang hinaus erteilen.34 Beantragt der Angeklagte, dass er „im weitestgehend möglichen Umfang“ freigestellt wird, so muss das Gericht auf eine präzisere Antragstellung hinwirken;35 es kann – eventuell an Hand eines Verhandlungsplans36 – auch Teile und Zeiten benennen, die dafür überhaupt in Betracht kommen können. Eine ungenaue Antragstellung ist jedoch unschädlich, wenn das Gericht im bewilligenden Beschluss die Teile konkret festlegt, für die es die Befreiung bewilligt und die Antragsteller dies durch ihr Fernbleiben billigen. Der Antrag ist in der Hauptverhandlung mündlich zu stellen. Nach dem Zweck der 9 Vorschrift ist es aber auch zulässig, den Antrag schon vor deren Beginn schriftlich bei Gericht einzureichen.37 Bei Großverfahren kann dies die Terminplanung des Vorsitzenden, aber auch des Angeklagten und des Verteidigers erleichtern. Vertagungsanträge, die sonst schon bei einer zeitweiligen Verhinderung gestellt werden müssten, können sich dadurch mitunter erübrigen. Auch eine konkludente, selbst nachträgliche Antragstellung ist denkbar, so etwa wenn das Gericht eine Beurlaubung ausspricht, ohne dass zunächst ein entsprechender Antrag gestellt worden war, der Betroffene dann aber von der Entscheidung Gebrauch macht und sich aus der Verhandlung entfernt.38 4. Entscheidung des Gerichts a) Das Gericht, und zwar das erkennende Gericht der Hauptverhandlung39 ein- 10 schließlich der Schöffen, entscheidet über den Antrag durch Beschluss. Eine prozessleitende Anordnung des Vorsitzenden ist wirkungslos.40 Der Gesetzgeber wollte gewährleisten, „dass die Anordnung von allen Prozessbeteiligten in ihrer Bedeutung erfasst wird und deshalb während der Dauer der Abwesenheit sorgfältig darauf geachtet wird, dass keine den befreiten Angeklagten betreffenden Umstände erörtert werden“.41 Deshalb ist nach der sich auf den Gesetzeswortlaut stützenden vorherrschenden Ansicht42 auch eine Beschlussfassung des Gerichts vor Beginn der Hauptverhandlung nicht zulässig. Die Entscheidung ergeht nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten (§ 33 Abs. 1), zu denen auch die in ihrer Prozessführung dadurch möglicherweise mitbetroffenen Mitangeklagten gehören.43 Wegen dieser Pflicht sprechen auch praktische Gründe dagegen, dass der Beschluss schon vor Beginn der Hauptverhandlung in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung maßgebenden Besetzung erlassen werden darf. Die Beurlaubung erfordert einen ausdrücklichen Gerichtsbeschluss, eine stillschweigende Freistellung von der Teilnahmepflicht ist nicht möglich.44

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34 BGH StV 1985 354 m. Anm. Rogall. 35 Schlothauer FS Koch 246; SK/Deiters 9. 36 Vgl. KMR/Paulus 10 (Mittel für Konkretisierung). 37 KK/Gmel 7; KMR/Paulus 10; Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Deiters 9. 38 BGHSt 31 323, 329 f.; BGH NJW 2002 2257, 2258, insoweit in BGHSt 47 260 nicht abgedruckt; KK/Gmel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Schlothauer FS Koch 246 Fn. 24; nach SK/Deiters 7 kann dies aber nicht für einen unverteidigten Angeklagten gelten; gegen eine generelle Nachholbarkeit des Antrags Radtke/ Hohmann/Britz 8; offen gelassen von BGH NStZ 1985 375. 39 BGH StV 1985 354 m. Anm. Rogall. 40 BGH StV 1985 354 m. Anm. Rogall. 41 Begr. BTDrucks. 8 976 S. 50; vgl. auch KMR/Paulus 11; Meyer-Goßner/Schmitt 13. 42 KK/Gmel 9; KMR/Paulus 11; Meyer-Goßner/Schmitt 13; a.A. SK/Deiters 10. 43 KK/Gmel 9; KMR/Paulus 11; Meyer-Goßner/Schmitt 13; Radtke/Hohmann/Britz 10; SK/Deiters 11; SSW/Grube 11; a.A. Graf/Gorf 7. 44 BGH StV 1985 354 m. Anm. Rogall; HK/Julius 6; KK/Gmel 10; Meyer-Goßner/Schmitt 13; Radtke/ Hohmann/Britz 12; SK/Deiters 11; a.A. KMR/Paulus 11; Pfeiffer 3 (nicht generell ausgeschlossen); ferner

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b) Die Entscheidung über den Antrag stellt Satz 1 in das Ermessen des Gerichts. Vor Ausübung dieses Ermessens muss das Gericht allerdings prüfen, ob die rechtlichen Voraussetzungen, von denen nach § 231c die Beurlaubung abhängt, gegeben sind. Es muss vor allem auf Grund seiner Aktenkenntnis und dem bisherigen Ergebnis der Hauptverhandlung im Voraus beurteilen, ob bei den Verhandlungsteilen, auf die sich der Befreiungsantrag bezieht, damit zu rechnen ist, dass Umstände zur Sprache kommen, die das Urteil – und sei es nur im Rechtsfolgenausspruch – auch in Richtung gegen den Antragsteller beeinflussen können. Nur wenn es dies verneint, darf es dem Antrag entsprechen, muss es jedoch nicht. Bei dieser Ermessensentscheidung soll das Gericht „die Bedeutung der für den Wunsch auf Abwesenheit sprechenden Gründe gegen die Gefahr abwägen“, dass „während dieser Verhandlungsteile doch Umstände zur Sprache kommen können, die, wenn auch nur mittelbar, den beurlaubten Angeklagten betreffen“.45 Bei der Ermessensentscheidung können aber auch Gründe der Prozesswirtschaftlichkeit und die Erfordernisse einer gestrafften und jeder Verzögerung vorbeugenden Verhandlungsführung mit zu berücksichtigen sein.46

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c) Der Tenor des bewilligenden Beschlusses muss die Verhandlungsteile, für die die Erlaubnis gilt, genau bezeichnen (Satz 2). Diesem Erfordernis der Verfahrensklarheit kann der Beschluss dadurch Rechnung tragen, dass er die betreffenden Verhandlungsteile nach ihrem Gegenstand eindeutig und verwechslungsfrei benennt, etwa die Einvernahme bestimmter Zeugen oder Sachverständiger, die Vornahme eines bestimmten Augenscheins, die Beweisaufnahme über einen bestimmten Tatsachenkomplex oder, bei Punktesachen, die Verhandlung über einen bestimmten Vorwurf der Anklage. Statt der Bezeichnung der einzelnen Verhandlungsvorgänge ist es aber auch zulässig, die Erlaubnis zeitlich zu begrenzen, etwa auf einen bestimmten Tag, an dem nur den Antragsteller nicht betreffende Vorgänge behandelt werden.47 Welche Angaben zur zweifelsfreien Kennzeichnung notwendig sind, richtet sich stets nach den Umständen des einzelnen Verfahrens. Soweit bereits die zugelassene Anklage die einzelnen Vorwürfe klar trennt, erscheint es auch zulässig, wenn im Beschluss zur näheren Kennzeichnung des betreffenden Vorwurfs auf die Anklage Bezug genommen wird.48 Um das Verfahren flexibel zu halten und wegen der Schwierigkeiten des Widerrufs (Rn. 15) kann es zweckmäßig sein, dass das Gericht die Freistellung zunächst auf einen festen Zeitraum und einen übersehbaren Verfahrensabschnitt begrenzt und einen darüber hinausgehenden Antrag ablehnt oder die Entscheidung darüber zurückstellt. Im letzteren Fall muss es dann aber von sich aus auf einen noch nicht völlig erledigten Antrag zurückkommen. Für zulässig ist es auch angesehen worden, dass das Gericht die Beurlaubung zunächst für einen bestimmten Tag bewilligt mit dem Zusatz, dass die Bewilligung weiter gilt, sofern der den Angeklagten nicht betreffende Teil der Hauptverhandlung länger dauern sollte und in diesem Fall der Angeklagte und sein Verteidiger davon rechtzeitig benachrichtigt werden.49

_____ BGH NStZ 1995 27, 29 für eine stillschweigende Verlängerung der Beurlaubung, wenn in dem ursprünglichen Beschluss bereits auf eine mögliche Erweiterung des Beurlaubungszeitraums hingewiesen worden war. 45 Begr. BTDrucks. 8 976 S. 50. 46 Meyer-Goßner/Schmitt 14. 47 Begr. BTDrucks. 8 976 S. 50; KK/Gmel 10; KMR/Paulus 11; Meyer-Goßner/Schmitt 15; a.A. HK/Julius 6; Radtke/Hohmann/Britz 11 (in der Regel nicht genügend); SK/Deiters 11 (problematisch); Schlothauer FS Koch 246. 48 KK/Gmel 10. 49 BGH NStZ 1995 27, 29. Wenn der Beschluss die Verhandlungsteile, für deren Durchführung er die Beurlaubung bewilligt, bereits sachlich eindeutig festgelegt hätte, wäre schon damit der Umfang der

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§ 231c

Auch die Person des Beurlaubten ist genau zu bezeichnen; indes ist der Beschluss insoweit auslegungsfähig.50 d) Einer Begründung bedarf der stattgebende Beschluss nicht. In der ablehnenden 13 Entscheidung ist dagegen erkennbar zu machen (§ 34), ob das Gericht den Antrag ablehnt, weil es der Ansicht ist, dass der betreffende Verhandlungsteil zumindest mittelbar auch den Angeklagten betreffen kann oder ob es in Ausübung seines Ermessens eine Beurlaubung nicht für angebracht hält.51 5. Widerruf (Satz 3). Die Erlaubnis ist frei widerruflich. Das Gericht soll die Mög- 14 lichkeit haben, die Befreiung bereits vor Ablauf ihrer Dauer nach seinem Ermessen zu widerrufen, wenn es dies auf Grund der Entwicklung der Hauptverhandlung für sachdienlich hält, vor allem aber, wenn es erkennt, dass es nicht weiterverhandeln darf, weil der Verhandlungsstoff auch die Urteilsfindung gegen den Angeklagten beeinflussen kann. Beantragt der Angeklagte selbst den Widerruf, muss das Gericht dem entsprechen. Der Beschluss des erkennenden Gerichts, der die Erlaubnis widerruft, ergeht grund- 15 sätzlich nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten (§ 33). Auch der beurlaubte Angeklagte und sein Verteidiger müssen in geeigneter Form vorher dazu gehört werden, können sie doch im Hinblick auf die ihnen bewilligte Befreiung anderweitige Verpflichtungen übernommen haben, die das Gericht bei seiner Entscheidung über den Widerruf und der Festlegung des Fortsetzungstermins mit in Betracht ziehen muss.52 Der Widerrufsbeschluss ist um der Verfahrensklarheit willen in der Hauptverhandlung den anwesenden Verfahrensbeteiligten zu verkünden, auch wenn weder der von der Anwesenheitspflicht entbundene Angeklagte noch sein ebenfalls beurlaubter Verteidiger anwesend sein sollten. Der Beschluss muss dann aber zusätzlich dem abwesenden Angeklagten und Verteidiger mitgeteilt werden; er ist wegen seiner verfahrensrechtlichen Bedeutung zweckmäßigerweise dem Angeklagten zuzustellen. 53 Zugleich ist dabei auch der Termin bekanntzugeben, an dem die Hauptverhandlung in Anwesenheit des Angeklagten und des notwendigen Verteidigers fortgesetzt werden soll. Eine förmliche Ladung oder die Einhaltung der Ladungsfrist (§ 216) ist nicht erforderlich,54 jedoch kann ein Hinweis auf die Pflicht zum Erscheinen und die Folgen des Ausbleibens beim Angeklagten zweckmäßig sein. Da ein solches Verfahren wenig praktikabel ist, kann das Gericht zur Verfahrensvereinfachung den abwesenden Angeklagten oder Verteidiger auch formlos wegen des beabsichtigten Widerrufs zur Hauptverhandlung herbeiholen und dann in ihrer Gegenwart den Widerrufsbeschluss verkünden.55 Mit Wirksamkeit des Widerrufsbeschlusses endet – sofern der Beschluss nicht da- 16 für einen späteren Termin festsetzt – das Recht des beurlaubten Angeklagten oder Ver-

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Befreiung eindeutig umrissen gewesen, so dass die Konkretisierung der dafür benötigten Beurlaubungszeit durch die schon im Voraus gebilligte mögliche Verlängerung keine Erweiterung der bewilligten Beurlaubung dargestellt hätte; die in der Entscheidung angesprochene Frage einer stillschweigenden Beschlussfassung hierüber (vgl. Rn. 10) hätte sich dann nicht gestellt. 50 Vgl. BGH NJW 2002 2257, 2258, insoweit in BGHSt 47 260 nicht abgedruckt. 51 HK/Julius 6; KK/Gmel 11; KMR/Paulus 11; Meyer-Goßner/Schmitt 16; SK/Deiters 13. 52 KK/Gmel 12; KMR/Paulus 12; Meyer-Goßner/Schmitt 21; SK/Deiters 18. 53 Zwingend geboten ist dies allerdings nach § 35 Abs. 2 nicht, vgl. KMR/Paulus 12: ohne sicheren Nachweis der Kenntnis des Angeklagten vom Wiederbeginn seiner Anwesenheitspflicht kann das Gericht aus einem unerlaubten Fernbleiben keine verfahrensrechtlichen Konsequenzen (§ 231 Abs. 2; bei erneuter Warnung auch § 230 Abs. 2) ziehen; SK/Deiters 18 (Zustellung „zweckmäßig“). 54 Rieß NJW 1978 2270 Fn. 101; KK/Gmel 12; KMR/Paulus 12; Meyer-Goßner/Schmitt 21; SK/Deiters 18; a.A. SSW/Grube 19 (mit förmlicher Ladung zustellen). 55 Dies ist nur bei Kooperationsbereitschaft von Angeklagtem und Verteidiger möglich: vgl. KK/Gmel 12.

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teidigers, der Hauptverhandlung fernzubleiben. Desgleichen ist das Gericht nicht mehr befugt, die Hauptverhandlung ohne den Angeklagten oder einen notwendigen Verteidiger fortzusetzen, es sei denn, dass dies andere Sondervorschriften gestatten. Unter Umständen muss deshalb das Verfahren bis zum Wiedererscheinen des Angeklagten oder des notwendigen Verteidigers unterbrochen werden. 6. Rechtsfolgen der Freistellung 17

a) Das Recht auf Teilnahme an der Hauptverhandlung wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass mit der Freistellung die Pflicht zur Anwesenheit entfällt. Der Angeklagte, der diese Rechtsstellung auch während der Beurlaubung beibehält, und nicht etwa Zeuge wird,56 ist auch während der Freistellung zur Teilnahme berechtigt, selbst wenn unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wird.57 Er kann sich dabei auch zur Verhandlung äußern, etwa zur Frage seiner mittelbaren Betroffenheit, und seine fortbestehenden Verfahrensrechte ausüben, sofern er solche bei einem ihn nicht betreffenden Verfahrensteil überhaupt hat.58 Ebenso darf aber das Gericht auch in Richtung gegen den beurlaubten Angeklagten ohne Einschränkungen weiterverhandeln; denn es handelt sich trotz der Beurlaubung weiterhin um die gegen den Angeklagten geführte Hauptverhandlung und § 230 Abs. 1 ist gewahrt.59 Gleiches gilt für den notwendigen Verteidiger. Die Anwesenheit von freigestelltem Angeklagten und/oder Verteidiger verpflichtet das Gericht nicht notwendig zum Widerruf der Befreiung. Deren Fortbestand kann trotz zeitweiliger Anwesenheit zweckmäßig sein, um dem Beurlaubten die zeitweilige Entfernung zur Wahrnehmung anderer Angelegenheiten zu ermöglichen. Wenn allerdings Angeklagter oder Verteidiger erklären, dass sie künftig wieder voll an der Hauptverhandlung teilnehmen wollen, dient der Widerruf des Beurlaubungsbeschlusses der Verfahrensklarheit.

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b) Die Freistellung von der Anwesenheitspflicht ist keine Unterbrechung der Hauptverhandlung i.S.d. § 229.60 Sie ist nicht an die dort festgelegten zeitlichen Grenzen gebunden und kann auch hinsichtlich des beurlaubten Angeklagten in die dort festgelegten Höchstfristen nicht mit eingerechnet werden.

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c) Mitwirkungsbefugnisse. Soweit Prozesshandlungen die Zustimmung des Angeklagten und/oder seines Verteidigers voraussetzen (z.B. § 245 Abs. 1 Satz 2, § 251 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 3), entfällt dieses Erfordernis, wenn diese nach § 231c Satz 1 beurlaubt sind. Ein Mitangeklagter hat solche Befugnisse ohnehin nicht, wenn er nicht aufzuzeigen vermag, dass er damit eigene Verteidigungsinteressen wahrnimmt.61 Da in Abwesenheit des Angeklagten nach § 231c nur solche Beweiserhebungen vorgenommen werden dürfen, die ihn nicht betreffen, verzichtete der Gesetzgeber auf die Klarstellung, dass dessen Zustimmung entbehrlich sei.62

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56 A.A. Alsberg/Dallmeyer 323. 57 Rieß NJW 1978 2270; KMR/Paulus 14; Meyer-Goßner/Schmitt 18. 58 Rieß NJW 1978 2270; KK/Gmel 14; KMR/Paulus 14; Meyer-Goßner/Schmitt 18; SK/Deiters 14. 59 SK/Deiters 14 und 17; SSW/Grube 16; a.A. HK-GS/Temming 16; KMR/Paulus 14; LR/Becker26 17. 60 BGH NJW 2003 446, 452, insoweit in BGHSt 48 52 nicht abgedruckt; Rieß NJW 1978 2270; MeyerGoßner/Schmitt 11 SK/Deiters 15. 61 Gollwitzer FS Sarstedt 25 ff.; KK/Gmel 14; Meyer-Goßner/Schmitt 19; SK/Deiters 14. 62 BTDrucks. 8 976 S. 50.

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§ 231c

d) Eine Unterrichtung des abwesenden Angeklagten und seines Verteidigers über 20 das in ihrer Abwesenheit Verhandelte ist nicht vorgesehen, da dieses ihre Verteidigungsinteressen nicht berührt. Es steht im Belieben des Vorsitzenden, ob er ihnen trotzdem einen Überblick geben will.63 7. Heilung unzulässiger Abwesenheit. Ergibt die während der Beurlaubung gegen 21 die Mitangeklagten weitergeführte Hauptverhandlung unvermutet Umstände, welche geeignet sind, das Urteil auch in Richtung gegen den abwesenden Angeklagten zu beeinflussen, so muss das Gericht dafür sorgen, dass die fraglichen Prozessteile in Gegenwart des Angeklagten und bei einer notwendigen Verteidigung auch des Verteidigers wiederholt werden, soweit sie auch ihn betreffen.64 Die Einvernahme eines Zeugen, dessen Aussage unerwartet auch den Angeklagten be- oder entlastet, muss also nochmals durchgeführt werden. Dies kann dadurch geschehen, dass das Gericht die Befreiung von der Anwesenheitspflicht widerruft und erforderlichenfalls die Hauptverhandlung bis zum Erscheinen des Beurlaubten unterbricht; es kann aber auch dadurch geschehen, dass das Gericht dafür sorgt, dass nach Beendigung der bewilligten Freistellung die betreffenden Verhandlungsteile wiederholt werden. Dafür benötigte Beweispersonen dürfen also unter Umständen nicht endgültig entlassen (§ 248) werden. Welcher Weg den Vorzug verdient, richtet sich nach der Verfahrenslage im Einzelfall. Eine Wiederholung ist zur Heilung allerdings dann entbehrlich, wenn der Angeklagte und sein Verteidiger trotz ihrer Freistellung bei der Verwendung des auch sie betreffenden Beweismittels zugegen waren und Gelegenheit hatten, dazu Stellung zu nehmen und Fragen und Anträge zu stellen.65 Im Übrigen wird die auf einer Prognoseentscheidung beruhende Freistellung nicht dadurch nachträglich unwirksam, dass während ihrer Dauer doch etwas angesprochen wird, was auch für den beurlaubten Angeklagten entscheidungsrelevant ist. Wird ein solcher Bezug vorher erkannt, so darf das Gericht nicht beurlauben, tritt er aber erst während der bereits angeordneten Beurlaubung zu Tage, bleibt die Freistellung wirksam, doch darf das Gericht eine solche Tatsache für die Urteilsfindung erst verwenden, wenn der fragliche Teil der Beweisaufnahme in Gegenwart des Angeklagten und seines – notwendigen – Verteidigers wiederholt worden ist. 8. Sitzungsniederschrift. Der Antrag auf Befreiung von der Anwesenheitspflicht, 22 der Beschluss des Gerichts, in dem über diesen Antrag entschieden wird, und der Widerrufsbeschluss sind wesentliche Förmlichkeiten, die im Protokoll zu beurkunden sind (§ 273) und die nur durch dieses bewiesen werden können.66 Gleiches gilt für die Anwesenheit des Angeklagten und des notwendigen Verteidigers. Der Zeitpunkt ihrer Entfernung und ihres Wiedererscheinens muss aus dem Protokoll eindeutig ersichtlich sein; dies gilt auch bei einer Teilnahme während der Freistellung. 9. Rechtsbehelfe a) Die Beschwerde gegen den Beschluss, der eine Beurlaubung ablehnt oder eine 23 bewilligte Freistellung von der Anwesenheitspflicht widerruft, ist gemäß § 305 Satz 1

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AK/Keller 5; KMR/Paulus 15; Meyer-Goßner/Schmitt 20; SK/Deiters 16. Vgl. BGHSt 30 74, 76; AK/Keller 5; KK/Gmel 14; KMR/Paulus 15; Meyer-Goßner/Schmitt 24. KK/Gmel 14; s.o. Rn. 17. KK/Gmel 13; KMR/Paulus 16; Meyer-Goßner/Schmitt 22; SK/Deiters 19.

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unzulässig.67 Gleiches gilt für die Anfechtung der bewilligenden Entscheidung. Bei letzterer würde überdies sowohl beim erfolgreichen Antragsteller als auch bei den in ihren Verfahrensrechten nicht betroffenen anderen Mitangeklagten jede Beschwer fehlen.68 24

b) Die Revision kann weder von dem betroffenen Angeklagten noch von einem anderen Mitangeklagten allein darauf gestützt werden, dass der Beurlaubungsbeschluss oder sein Widerruf formal mangelhaft zustande gekommen ist, dass er auf Ermessensmissbrauch oder einem sonstigen Rechtsfehler beruht,69 oder dass er Begründungsmängel aufweist.70 Gerügt werden kann nach § 338 Nr. 5 aber, dass entgegen § 230 Abs. 1 bzw. § 145 Abs. 1 ohne den Angeklagten oder einen notwendigen Verteidiger verhandelt wurde,71 weil ein wirksamer Freistellungsbeschluss des Gerichts nicht ergangen ist72 oder weil die in einem solchen Beschluss festgelegte inhaltliche Begrenzung des Verhandlungsgegenstandes nicht eingehalten wurde.73 Voraussetzung ist in diesen Fällen nur, dass ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung ohne den beurlaubten Angeklagten oder seinen notwendigen Verteidiger stattgefunden hat; ob diese Verfahrensvorgänge auch gegen den Angeklagten erhobene Vorwürfe betrafen, ist hingegen ohne Bedeutung.74 Denn der Verstoß gegen § 230 Abs. 1, § 145 Abs. 1, der sich aus der durch einen Beurlaubungsbeschluss nicht gedeckten Verhandlung ergibt, stellt gemäß § 338 Nr. 5 einen absoluten Revisionsgrund dar, der einer Beruhensprüfung gerade nicht zugänglich ist.75 Gerügt werden kann auch, dass zwar ein die Abwesenheit des beurlaubten Angeklagten oder seines notwendigen Verteidigers formell rechtfertigender Beschluss vorlag, gleichwohl aber Umstände verhandelt wurden, die diesen zumindest mittelbar betrafen;76 denn das Gericht hätte, sobald erkennbar war, dass ein Verfahrensvorgang den beurlaubten Angeklagten entgegen der ursprünglichen Annahme doch betraf, insoweit nicht ohne seine Anwesenheit und die seines Verteidigers weiterverhandeln dürfen. Der Verstoß darf aber nicht später durch Wiederholung des betreffenden Verhandlungsteils in deren Gegenwart geheilt worden sein (vgl. Rn. 21). Eine Verletzung von § 230 Abs. 1, § 145 Abs. 1 scheidet aus, wenn der Angeklagte und der Verteidiger trotz der Beurlaubung bei dem den Angeklagten betreffenden Verhandlungsteil anwesend waren.77 Dies gilt auch dann, wenn ihnen die Ausübung prozessualer Mitwirkungsbefugnisse (etwa Frage- oder Erklärungsrechte) im Hinblick auf die Beurlaubung vom Gericht ver-

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67 KK/Gmel 16; KMR/Paulus 18; Meyer-Goßner/Schmitt 23; SK/Deiters 20. 68 AK/Keller 6; SK/Deiters 20. 69 Vgl. BGHSt 31 323, 329; KMR/Paulus 19; Meyer-Goßner/Schmitt 24. 70 SK/Deiters 21. 71 Die Rüge ist auch dann zulässig, wenn der Angeklagte im späteren Verlauf der Hauptverhandlung einer Verfahrensabsprache zustimmt und sich daraufhin geständig einlässt: BGH NStZ 2010 289, 290. 72 BGH StV 1985 354 m. Anm. Rogall; Schlothauer FS Koch 247; KK/Gmel 17; KMR/Paulus 19; MeyerGoßner/Schmitt 24; SK/Deiters 21. 73 BGH NStZ 2009 400 f.; 2010 227; 2010 289, 290; 2012 463; StV 1986 418 Ls.; 1988 370; BGHR StPO § 231c Betroffensein 1; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 205; bei Kusch NStZ 1992 27; Schlothauer FS Koch 247. 74 BGH StV 1985 354 m. Anm. Rogall; KK/Gmel 17; KMR/Paulus 19; SK/Deiters 21; Schlothauer FS Koch 247; vgl. auch § 230, 48; offen gelassen von BGHR StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 13, 17; a.A. MüKo/Arnoldi 19 f. (Beruhen denkgesetzlich ausgeschlossen). 75 BGH StV 1985 354 m. Anm. Rogall; BGH StV 1984 102; KK/Gmel 17; KMR/Paulus 19; vgl. bei § 338 Nr. 5. 76 Vgl. BGH NStZ 1983 34; 2009 400; 2012 463; bei Kusch NStZ 1992 27 f.; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 205; BGH StV 1984 102; 1988 370; 1991 97; BGHR § 231c Betroffensein 1; KK/Gmel 17; Meyer-Goßner/Schmitt 24. Gleiches gilt, wenn die den Beschwerdeführer betreffenden Verhandlungsteile in seiner Abwesenheit durchgeführt wurden, weil der Beurlaubungsbeschluss einen zu weitreichenden Umfang hatte. 77 Schlothauer FS Koch 247 Fn. 27; SK/Deiters 21.

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sagt wurden; in diesem Fall kann zwar die Verletzung dieser Verfahrensrechte beanstandet, nicht aber eine Nichtanwesenheit i.S.d. § 338 Nr. 5 gerügt werden.78 Die Revision kann dagegen nicht auch auf einen Verstoß gegen § 261 gestützt wer- 25 den, wenn das Gericht eine Erkenntnis aus dem in Abwesenheit des Angeklagten verhandelten Verfahrensteil im Urteil zu dessen Lasten mitverwertet. Die Beurlaubung des Angeklagten (und/oder seines Verteidigers) ändert nichts daran, dass es sich um die gegen ihn geführte Hauptverhandlung handelt (s. Rn. 17 zu seinem Anwesenheitsrecht und den Folgen, wenn er dieses Anwesenheitsrecht wahrnimmt). Die dort gewonnenen Erkenntnisse stammen daher aus deren Inbegriff. § 261 ist nur verletzt, wenn das Verfahren gegen den Angeklagten abgetrennt wurde und die in seiner Abwesenheit durchgeführte Verhandlung daher nicht mehr Teil der gegen ihn geführten Hauptverhandlung war.79 Zur Begründung der Verfahrensrügen muss der Revisionsführer nach § 344 Abs. 2 26 Satz 2 alle den Rechtsverstoß belegenden Tatsachen anführen. Darzutun ist etwa (unter Berücksichtigung der Bindungskraft des Sitzungsprotokolls, § 274), aus welchen Tatsachen sich ergibt, dass eine wirksame Beurlaubung durch das Gericht nicht ergangen ist;80 für welche Verfahrensteile die Beurlaubung beantragt81 und im – am besten wörtlich wiederzugebenden – Beschluss bewilligt wurde. Wurde kein Antrag gestellt oder vom Gericht kein Beschluss erlassen, ist dies ebenfalls mitzuteilen.82 Vorzutragen ist, welche den Angeklagten betreffenden Verfahrensteile in seiner Abwesenheit verhandelt wurden;83 gegebenenfalls auch, woraus sich seine mittelbare Betroffenheit ergibt. Auch Angaben dazu, dass der Fehler nicht geheilt wurde, können ratsam84 und sollen je nach der Verfahrenslage sogar nötig sein.85 Nicht mitzuteilen ist dagegen der Inhalt der in Abwesenheit des Angeklagten oder seines Verteidigers fortgeführten Verhandlung, insbesondere nicht das Ergebnis der während dieser Zeit durchgeführten Beweisaufnahmen.86

§ 232 Durchführung der Hauptverhandlung trotz Ausbleibens des Angeklagten § 232 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-029

(1) 1 Die Hauptverhandlung kann ohne den Angeklagten durchgeführt werden, wenn er ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, daß in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann, und wenn nur Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen, Verwarnung mit Strafvorbehalt, Fahrverbot, Einziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung, allein oder nebenein-

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78 SK/Deiters 21; a.A. LR/Becker26 24. 79 SK/Deiters 22; a.A. KMR/Paulus 19; LR/Becker26 25; nach Schlothauer FS Koch 248 gebührt der absoluten Revisionsrüge nach § 338 Nr. 5 der Vorrang, er empfiehlt jedoch einen beide Rügen abdeckenden Sachvortrag. 80 Vgl. BGH NStZ 1995 27, 29 unter der Prämisse der Zulässigkeit einer stillschweigenden Verlängerung der Entbindung (vgl. Rn. 10): es ist auch vorzutragen, dass eine derartige Verlängerung nicht beschlossen wurde (zweifelhaft). 81 BGH NJW 1983 2335, 2337 (im Wortlaut wiederzugeben). 82 MüKo/Arnoldi 21. 83 Vgl. BGHSt 26 84, 91; Schlothauer FS Koch 254; MüKo/Arnoldi 21. 84 Schlothauer FS Koch 255. 85 BGH NJW 2002 2257, 2258, insoweit in BGHSt 47 260 nicht abgedruckt; BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Abwesenheit 2. 86 BGH NStZ 1983 36; StV 2014 3.

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ander, zu erwarten ist. 2 Eine höhere Strafe oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf in diesem Verfahren nicht verhängt werden. 3 Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist zulässig, wenn der Angeklagte in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist. (2) Auf Grund einer Ladung durch öffentliche Bekanntmachung findet die Hauptverhandlung ohne den Angeklagten nicht statt. (3) Das Protokoll über eine richterliche Vernehmung des Angeklagten wird in der Hauptverhandlung verlesen. (4) Das in Abwesenheit des Angeklagten ergehende Urteil muß ihm mit den Urteilsgründen durch Übergabe zugestellt werden, wenn es nicht nach § 145a Abs. 1 dem Verteidiger zugestellt wird. Schrifttum Dünnebier Das Kontumazialverfahren ist abgeschafft, FS Heinitz (1972) 669; Frössler Entscheidungsbefugnis des ersuchten Richters? NJW 1972 517; Gollwitzer Das Fragerecht des Angeklagten, GedS Meyer (1990) 147; Hausel Ungenutztes Beschleunigungspotential des Straf-(befehls)verfahrens? ZRP 1994 94; Julius Zur Disponibilität des strafprozessualen Anwesenheitsgebots, GA 1992 295; Küper Kontumazialverfahren, Anordnung des persönlichen Erscheinens und Abwesenheitsverhandlung, NJW 1969 493; ders. Zum strafprozessualen „Versäumnisurteil“ in sog. Bagatellsachen (§ 232 StPO), GA 1971 289; ders. Zur Entbindung von der Erscheinungspflicht in der Berufungsinstanz, JR 1971 325; ders. Befreiungsantrag nach § 233 Abs. 1 StPO und strafprozessuales „Versäumnisurteil“, NJW 1974 1927; ders. „Bagatellsachen“; Abwesenheitsverhandlung (§ 232 Abs. 1 S. 1 StPO), Vertretungsbefugnis (§ 234 StPO), Anordnung persönlichen Erscheinens (§ 236 StPO) und Verwerfung der Berufung (§ 329 Abs. 1 S. 1 StPO), FS Wolter (2013) 1019; Meyer-Goßner Das Strafverfahrensänderungsgesetz 1987, NJW 1987 1161; Oppe Das Abwesenheitsverfahren in der Strafprozeßreform, ZRP 1972 56; Oske Die Bescheidung von Beweisanträgen vor der Hauptverhandlung (§ 219 StPO), MDR 1971 797; Spendel Zur Vollmacht und Rechtsstellung des Strafverteidigers, JZ 1959 737; Stein Die Anwesenheitspflicht des Angeklagten in der Hauptverhandlung – Versuch einer verfassungskonformen Auslegung der §§ 230, 231, 232–236 StPO, ZStW 97 (1985) 303. Weiteres Schrifttum siehe bei § 230.

Entstehungsgeschichte der §§ 232 und 233 Beide Vorschriften knüpfen an die jeweiligen Rechtsfolgen des materiellen Strafrechts an. Sie sind mit diesen wiederholt geändert worden.1 Der jetzige Sanktionskatalog beruht auf der Fassung durch Art. 21 Nr. 62, 63 EGStGB 1974 sowie dem Art. 3 Nr. 4 des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017,2 durch das in Absatz 1 Satz 1 der im StGB jetzt durch die Regelungen der Einziehung miterfasste frühere „Verfall“ gestrichen wurde. Art. 1 Nr. 14 StVÄG 1987 fügte in Absatz 4 den letzten Halbsatz an, um die Zustellung an den Verteidiger zu ermöglichen; § 142 Abs. 2 a.F., der dies ausschloss, wurde gleichzeitig aufgehoben.3 Art. 1 Nr. 22 des Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5.7.20174 ersetzte in Absatz 3 die Worte „Die Niederschrift“ durch „Das Protokoll“.

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1 Die umfangreiche Geschichte der Änderungen der beiden Vorschriften (bis 1924 § 231 bzw. § 232) ist in der 23. und 25. Auflage dargestellt (jew. Fn. 1 zu § 232). 2 BGBl. I S. 872. 3 Zu den Schwierigkeiten, die früher der Ausschluss der Urteilszustellung an den Verteidiger verursachte, vgl. Meyer-Goßner NJW 1987 1162. 4 BGBl. I S. 2208.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

I.

II.

III.

Übersicht Zweck und Anwendungsbereich 1. Zweck | 1 2. Anwendungsbereich a) Ladungsmöglichkeit | 2 b) Strafbefehlsverfahren | 3 c) Berufungsverfahren | 4 d) Revisionsverfahren | 5 Voraussetzungen für das Abwesenheitsverfahren (Absatz 1 Satz 1) 1. Ordnungsgemäße Ladung | 6 2. Hinweis | 7 3. Zu erwartende Rechtsfolgen | 10 4. Eigenmächtiges Fernbleiben a) Eigenmacht | 14 b) Verzicht auf Anwesenheit | 15 c) Eigenmächtiges SichEntfernen | 16 Hauptverhandlung ohne den Angeklagten 1. Vorbereitung der Hauptverhandlung | 17

§ 232

Entscheidung des Gerichts | 19 Durchführung der Hauptverhandlung a) Allgemeines | 20 b) Einlassung des Angeklagten (Absatz 3) | 21 c) Abbruch der Hauptverhandlung | 25 4. Nachträgliches Erscheinen | 27 5. Urteil | 28 6. Zustellung des Urteils (Absatz 4) | 29 7. Rechtsbehelfsbelehrung | 32 8. Sitzungsniederschrift | 33 Rechtsbehelfe 1. Beschwerde | 34 2. Berufung | 35 3. Revision | 36 4. Wiedereinsetzung | 41 2. 3.

IV.

I. Zweck und Anwendungsbereich 1. Zweck. § 232 hat den Zweck, die zügige Erledigung der Strafsachen von geringer 1 Bedeutung nicht daran scheitern zu lassen, dass der Angeklagte der Hauptverhandlung eigenmächtig fernbleibt.5 Das Gericht soll in diesen Fällen nicht genötigt sein zu vertagen und die Anwesenheit des Angeklagten zu erzwingen.6 Das Verfahren ist als Ungehorsamsverfahren ausgestaltet; ein Recht, der Hauptverhandlung fernzubleiben, hat der Angeklagte nicht.7 Der Hinweis, dass die Verhandlung ohne ihn durchgeführt werden kann, stellt die Teilnahme zwar praktisch, aber nicht rechtlich in seine Disposition. 2. Anwendungsbereich a) Ladungsmöglichkeit. Wie schon das Erfordernis einer ordnungsgemäßen La- 2 dung und das Verbot des Absatzes 2 zeigen, setzt das Abwesenheitsverfahren des § 232 voraus, dass zur Zeit der Ladung der Aufenthalt des Angeklagten bekannt ist. Es wird nicht dadurch unzulässig, dass nach ordnungsgemäßer Ladung der Aufenthalt des Angeklagten unbekannt wird. Auch ein Wohnsitz oder Aufenthalt im Ausland schließt, sofern dort eine Ladung möglich ist,8 die Anwendbarkeit des § 232 nicht aus. §§ 276, 285 Abs. 1 Satz 1 finden insoweit keine Anwendung.9 Die früher vorherrschende gegenteilige

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5 Küper GA 1971 295; AK/Keller 2 (Effizienz des Strafverfahrens); Radtke/Hohmann/Britz 1 (Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes). 6 Zur geringen praktischen Bedeutung der Vorschrift s. MüKo/Arnoldi 2. 7 BGHSt 25 165, 167 = LM Nr. 3 m. Anm. Heldenberg = JR 1974 28 m. zust. Anm. Gollwitzer = NJW 1973 1006 m. (aus anderen Gründen) abl. Anm. Küper S. 1334; KK/Gmel 1, 9; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Eb. Schmidt 1; SSW/Grube 1; Küper GA 1971 296 ff.; a.A. Stein ZStW 97 (1985) 329; vgl. auch Rieß ZStW 90 (1978) Beiheft 201; HK/Julius 1; KMR/Paulus 2 (berechtigter Verzicht); SK/Deiters 9. 8 OLG Köln StV 1992 457 f.: Keine Zustellung im Wege der Niederlegung (§ 37 Abs. 1 i.V.m. §§ 181, 183 ZPO). 9 Oppe ZRP 1972 57; AK/Keller 1; KK/Greger § 285, 1; KMR/Paulus 3; Meyer-Goßner/Schmitt 2; a.A. SK/Deiters 8.

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Ansicht10 wurde mit Wegfall der Abwesenheitsverhandlung nach § 277 a.F. weitgehend aufgegeben. 3

b) Strafbefehlsverfahren. Für die Hauptverhandlung nach Einspruch gegen einen Strafbefehl findet § 232 keine Anwendung. Ist weder der Angeklagte noch ein vertretungsberechtigter (§ 411 Abs. 2 Satz 1, § 234) Verteidiger erschienen, so muss der Einspruch gemäß § 412 Satz 1, § 329 Abs. 1 Satz 1 verworfen werden, wenn das Nichterscheinen des Angeklagten nicht hinreichend entschuldigt ist. Die Möglichkeit einer Sachverhandlung ohne den Angeklagten besteht daneben nicht.11 Ein Hinweis nach § 232 Abs. 1 Satz 1 darf daher mit der Ladung nicht verbunden werden.12

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c) Berufungsverfahren. Im Berufungsverfahren gilt ähnliches. Erscheint der berufungsführende Angeklagte zur Berufungshauptverhandlung unentschuldigt nicht und tritt für ihn auch nicht ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht auf, so ist seine Berufung nach § 329 Abs. 1 Satz 1 zu verwerfen.13 Für eine Anwendung des § 232 ist daher kein Raum. Entgegen früherer Rechtslage14 kann sich der Angeklagte nach der Neufassung des § 32915 nunmehr allerdings unabhängig davon, ob das Verfahren durch Strafbefehl oder Anklage eingeleitet worden ist, stets durch einen Verteidiger vertreten lassen, soweit seine Anwesenheit nicht erforderlich ist (§ 329 Abs. 2 Satz 1). Dagegen bleibt § 232 im Falle des § 329 Abs. 1 Satz 4 ohne Einschränkungen anwendbar. Den Gesetzesmaterialien kann entnommen werden, dass neben § 329 Abs. 2 Satz 1 n.F. die allgemeinen Vorschriften der §§ 231 ff., soweit nicht durch Sonderregelungen für das Berufungsverfahren ausgeschlossen, weiter anwendbar bleiben sollen.16 Unter den Voraussetzungen des § 232 kann daher nach Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht über die Berufung des Angeklagten ohne diesen und auch ohne einen Verteidiger verhandelt werden. Für Berufungen der Staatsanwaltschaft ist die Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten durch § 329 Abs. 2 Satz 1 dagegen gesondert geregelt. Die Sanktionsgrenze des § 232 Abs. 1 gilt hier nicht.17

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d) Im Revisionsverfahren ist § 232 nicht anwendbar (vgl. § 350 Abs. 2). II. Voraussetzungen für das Abwesenheitsverfahren (Absatz 1 Satz 1)

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1. Ordnungsgemäße Ladung. Der Angeklagte muss zur Hauptverhandlung i.S.d. § 216 ordnungsgemäß geladen worden sein. Eine im Ausland formgerecht bewirkte Ladung erfüllt diese Voraussetzungen auch dann, wenn in ihr die – ohnehin entbehrliche (§ 216 Abs. 1 Satz 2) – Androhung von Zwangsmitteln unterbleiben musste.18 Eine Ladung durch öffentliche Bekanntmachung genügt jedoch nicht. Absatz 2 schließt die Verhandlung ohne den Angeklagten auf Grund einer solchen Ladung ausdrücklich aus (vgl.

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10 So etwa BGH NJW 1957 472; Eb. Schmidt 2; Kaiser NJW 1964 1554; Neu NJW 1964 2334; Oppe NJW 1966 2239; vgl. bei § 285. 11 BayObLGSt 2003 155; vgl. auch OLG Saarbrücken NStZ 1999 265 f. 12 BayObLGSt 2003 155. 13 S. zur früheren Rechtslage BGHSt 25 165 = LM Nr. 3 m. Anm. Heldenberg = JR 1974 28 m. zust. Anm. Gollwitzer = NJW 1973 1006 m. abl. Anm. Küper S. 1334. 14 S. dazu LR/Becker26 4. 15 Gesetz v. 17.7.2015, BGBl. I S. 1332. 16 BTDrucks. 18 3562 S. 72. 17 BGHSt 17 391, 394 ff. 18 OLG Frankfurt NJW 1972 1875; Oppe NJW 1966 2238; KMR/Paulus 6; Meyer-Goßner/Schmitt 4.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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Rn. 7). Die Ladung des Angeklagten zu Händen eines Zustellungsbevollmächtigten reicht aus.19 Die Nichteinhaltung der Ladungsfrist gefährdet die Ordnungsmäßigkeit der Ladung nicht.20 2. Der Hinweis, dass ohne den Angeklagten verhandelt werden kann, muss klar und 7 unmissverständlich21 in der Ladung enthalten oder ihr beigefügt sein. Wird der Angeklagte wegen einer Terminsverlegung umgeladen, muss der Hinweis wegen seiner Warnfunktion ausdrücklich wiederholt werden; ein Verweis auf den Hinweis in einer früheren Ladung genügt nicht.22 Der Hinweis auf diese Folge des Ausbleibens ist auch bei einer Ladung im Ausland zulässig und notwendig für die Anwendbarkeit des § 232. Zweck des Hinweises ist es, dem Angeklagten vor Augen zu führen, dass er bei unentschuldigtem Fernbleiben die Möglichkeit einbüßt, sich in der Hauptverhandlung persönlich zu der gegen ihn erhobenen Anschuldigung zu äußern. Dem Gebot des rechtlichen Gehörs ist damit genügt, dass dem Angeklagten durch Ladung und Hinweis ermöglicht wird, seine Rechte wahrzunehmen. Bei einer Ladung durch öffentliche Zustellung (§ 40) wäre dies nicht gewährleistet. Für diesen Fall schließt Absatz 2 deshalb die Verhandlung ohne den Angeklagten aus. Ist der Hinweis nach Absatz 1 Satz 1 unterblieben, darf das Gericht nicht ohne den Angeklagten verhandeln. Die vorherrschende Meinung sieht im Hinweis wegen seiner Schutzfunktion und weil er die im freien Ermessen des Gerichts stehende Erklärung enthält, gegebenenfalls ohne den Angeklagten verhandeln zu wollen, eine unverzichtbare Zulässigkeitsvoraussetzung für die Verhandlung nach § 232.23 Er ist auch dann nicht entbehrlich, wenn der Angeklagte mit der Verhandlung in seiner Abwesenheit einverstanden ist.24 Ohne einen vorangegangenen Hinweis darf daher gegen den nicht erschienenen Angeklagten auch dann nicht verhandelt werden, wenn für ihn ein nach § 234 zur Vertretung ermächtigter Verteidiger auftritt.25 Ein Hinweis auf die Vertretungsmöglichkeit nach § 234 ist neben dem Hinweis nach Absatz 1 Satz 1 nicht vorgeschrieben; er kann aber zweckmäßig sein.26 Für den Fall, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht kommt, fordert 8 Absatz 1 Satz 3 einen zusätzlichen Hinweis auf diese Möglichkeit. Ist er unterblieben, darf die Fahrerlaubnis nicht auf Grund einer ohne den Angeklagten durchgeführten Verhandlung entzogen werden. Im Berufungsverfahren nach Zurückverweisung durch das Revisionsgericht (§ 329 9 Abs. 1 Satz 4; s. Rn. 4) ist der Hinweis nach Absatz 1 Satz 1 in gleicher Weise erforderlich wie in erster Instanz. 3. Zu erwartende Rechtsfolgen. Für die abzuurteilende Tat darf keine höhere 10 Strafe als Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen, Verwarnung mit Strafvorbehalt, Fahrver-

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19 BGH NJW 1957 472. 20 Vgl. BGHSt 24 143, 150; KK/Gmel 3; Meyer-Goßner/Schmitt 4; die Rechtslage ist hier die gleiche wie bei § 329 Abs. 1 und § 412; a.A. SK/Deiters 6. 21 OLG Hamburg GA 74 (1930) 81; Meyer-Goßner/Schmitt 7. 22 OLG Köln StV 1996 12 (unter Verweis auf die vergleichbare Rechtsprechung zum Hinweis nach § 323 Abs. 1 und § 74 Abs. 3 OWiG). 23 RGSt 27 380, 381; BGHSt 25 165, 167; AK/Keller 4; KK/Gmel 4; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SK/Deiters 6. 24 OLG Frankfurt NJW 1952 1107; OLG Hamburg NStZ 1986 569; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SSW/Grube 4; a.A. OLG Zweibrücken JZ 1969 271 m. Anm. Küper; KMR/Paulus 7. 25 BGHSt 25 165, 166 = LM Nr. 3 m. Anm. Heldenberg = NJW 1973 1006 m. abl. Anm. Küper S. 1334 = JR 1974 28 m. zust. Anm. Gollwitzer; ferner BayObLGSt 1960 273, 274; BayObLG NJW 1970 1055 m. abl. Anm. Küper S. 1562; OLG Oldenburg NJW 1952 1151; Küper GA 1971 289 (Hinweis hat Schutz- und Warnfunktion, er ist keine Art gerichtliche Befreiungserklärung); KK/Gmel 4; Eb. Schmidt 5; SSW/Grube 6. 26 Meyer-Goßner/Schmitt 7; SK/Deiters 6.

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bot, Einziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung – allein oder nebeneinander – und keine andere Maßregel der Sicherung und Besserung als die Entziehung der Fahrerlaubnis (zur Hinweispflicht in diesem Fall s. Rn. 8) zu erwarten sein. Es kommt nur darauf an, mit welcher Strafe oder Maßregel nach den Umständen des Einzelfalls konkret zu rechnen ist, nicht, welche abstrakt im Gesetz angedroht wird.27 Im Berufungsverfahren nach § 329 Abs. 1 Satz 4 kann wegen des Verbots der Verschlechterung (§ 331) die zu erwartende Strafe mit der vom Erstgericht ausgeworfenen Strafe gleichgesetzt werden.28 Selbst wenn in einem früheren Urteil eine Freiheitsstrafe verhängt worden war, kann nach Aufhebung dieses Urteils in der Revisionsinstanz und Zurückverweisung der Sache für die nunmehr durchzuführende Tatsachenverhandlung eine Rechtsfolge in dem von Absatz 1 Satz 1 und 2 gesetzten Rahmen zu erwarten sein.29 Bei der Geldstrafe darf die voraussichtliche Gesamtstrafe die Obergrenze von 180 11 Tagessätzen nicht überschreiten.30 Das Ungehorsamsverfahren nach § 232 wird nicht dadurch von vornherein ausgeschlossen, dass die Geldstrafe nur an Stelle einer allein angedrohten Freiheitsstrafe nach § 47 StGB zu erwarten ist.31 Ob in diesen Fällen eine Freiheitsstrafe unter 6 Monaten unerlässlich ist, wird das Gericht allerdings oft nur beurteilen können, wenn es einen persönlichen Eindruck vom Angeklagten gewinnt; in diesen Fällen wird die Aufklärungspflicht einer Verhandlung ohne den Angeklagten entgegenstehen. Auch die von Absatz 1 vorausgesetzte Erwartung im Sinn eines mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhersehbaren Ergebnisses wird hier vielfach nicht bestehen. Nach § 232 kann auch verfahren werden, wenn die Anordnung von Einziehung, 12 Vernichtung oder Unbrauchbarmachung zu erwarten steht. Der voraussichtliche wirtschaftliche Wert dieser gegen den Angeklagten verhängten Nebenfolge spielt dabei keine Rolle. Erfasst ist auch die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73c StGB), Tatprodukten, Tatmitteln oder Tatobjekten (§ 74c StGB), da es sich hierbei um besondere Formen dieser Maßnahme handelt, die in der Aufzählung nicht besonders erwähnt zu werden brauchten. Gleiches gilt für die erweiterte Einziehung (§ 73a StGB), die entsprechend ihrer Bezeichnung und Einordnung im StGB als besondere Art dieser Nebenfolge anzusehen ist. Andere Nebenfolgen als die in Absatz 1 Satz 1 ausdrücklich erwähnten dürfen nicht 13 zu erwarten sein. Wegen des Ausnahmecharakters der Vorschrift gilt dies auch für die Bekanntmachung des Urteils.32 Eb. Schmidt (18) hält die Anordnung der Urteilsbekanntmachung im Verfahren nach § 232 nur insoweit für unzulässig, als sie Strafe ist, während sie – weil nicht durch Satz 2 ausgeschlossen – angeordnet werden dürfe, wenn sie eine Genugtuung für den Verletzten bedeutet, wie etwa in den Fällen der §§ 165, 200 StGB. Die Aufzählung erfasst jedoch alle Rechtsfolgen, ohne Rücksicht darauf, ob sie Strafcharakter haben. 4. Eigenmächtiges Fernbleiben 14

a) Eigenmacht. Das Verfahren nach § 232 ist – wie dasjenige nach § 231 Abs. 2 – über den Wortlaut der Vorschrift hinaus ferner nur zulässig, wenn der Angeklagte eigen-

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27 BayObLGSt 1960 273, 274; OLG Stuttgart NJW 1962 2023; Wolter GA 1985 51; vgl. auch OLG Hamm NJW 1954 1131; OLG Köln JMBlNW 1959 72; OLG Oldenburg NdsRpfl 1954 17, 18. 28 OLG Stuttgart NJW 1962 2023; Meyer-Goßner/Schmitt 9. 29 Eb. Schmidt 9; a.A. RGSt 61 278, 280. 30 Meyer-Goßner/Schmitt 9; vgl. OLG Düsseldorf NJW 1991 2781, 2782. 31 KK/Gmel 7; KMR/Paulus 9; Meyer-Goßner/Schmitt 9. 32 KK/Gmel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 10.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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mächtig der Hauptverhandlung fernbleibt. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach denselben Maßstäben, die auch für das eigenmächtige Ausbleiben bei § 231 Abs. 2 gelten.33 Nur wenn der Angeklagte wissentlich und schuldhaft (ohne Rechtfertigungs- oder hinreichende Entschuldigungsgründe) der Hauptverhandlung ferngeblieben ist,34 kann diese ohne ihn durchgeführt werden.35 Ebenso wie bei § 231 Abs. 2 und § 230 Abs. 2 kommt es auch hier nicht darauf an, ob sich der Angeklagte entschuldigt hat, sondern nur, ob sein Fernbleiben genügend entschuldigt ist.36 Soweit Anhaltspunkte dafür bestehen, muss das Gericht dies im Freibeweisverfahren nachprüfen. Wegen der Einzelheiten vgl. die Erläuterungen bei § 230, 20 f.; § 231, 12 ff. Zur Pflicht des Gerichts, unter Umständen eine angemessene Zeit mit dem Beginn der Hauptverhandlung zuzuwarten, vgl. § 228, 30; § 230, 18 und § 243, 21. b) Verzicht auf Anwesenheit. Weder der Angeklagte noch sein Verteidiger können 15 im Falle des § 232 wirksam auf die Teilnahme des Angeklagten an der Hauptverhandlung verzichten.37 Ein derartiger Verzicht entschuldigt das Fernbleiben nicht. In der mit dem Verzicht verbundenen, unbegründeten Weigerung, an der Hauptverhandlung teilzunehmen, liegt vielmehr eine die Abwesenheitsverhandlung rechtfertigende Eigenmacht. Unbeschadet der Möglichkeit, dass das Gericht in einem solchen Fall nach § 232 ohne den Angeklagten verhandelt, ist es immer befugt, das Erscheinen des Angeklagten nach § 230 Abs. 2 zu erzwingen. Erklärt der Angeklagte einen solchen Verzicht, so muss das Gericht gegebenenfalls durch Rückfrage klären, ob darin ein Antrag auf Entbindung vom Erscheinen nach § 233 zu sehen ist.38 Entspricht das Gericht diesem Antrag, so richtet sich das Abwesenheitsverfahren nach § 233, nicht nach § 232, während eine Ablehnung das Gericht nicht hindert, nach § 232 zu verfahren. c) Das eigenmächtige Sich-Entfernen des Angeklagten aus der Hauptverhandlung 16 ist dem eigenmächtigen Ausbleiben gleichzustellen.39 Sind die Voraussetzungen des § 232 gegeben, so ist das Gericht befugt, die Verhandlung ohne den Angeklagten nach § 232 fortzusetzen. Dies gilt auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 231 Abs. 2 nicht gegeben sein sollten, etwa weil der Angeklagte sich noch nicht zur Sache geäußert hatte. Beide Möglichkeiten stehen nebeneinander. § 231 Abs. 2 ist keine abschließende Regelung.40 III. Hauptverhandlung ohne Angeklagten 1. Vorbereitung der Hauptverhandlung. Zunächst ist es Sache der Staatsanwalt- 17 schaft, im vorbereitenden Verfahren die Vorarbeiten zu leisten, die die Anwendung des

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33 KK/Gmel 9; KMR/Paulus 10; Meyer-Goßner/Schmitt 11; SSW/Grube 10; a.A. SK/Deiters 9 f. (freiwilliges Nichterscheinen des Angeklagten in Kenntnis seines Anwesenheitsrechts und von dessen Tragweite genügt). 34 Vgl. BGHSt 37 249; § 231, 11 ff. 35 OLG Karlsruhe (1. Strafsenat) StraFo 2001 415; vgl. demgegenüber OLG Karlsruhe (3. Strafsenat) NStZ 1990 505, wo der Verschuldensmaßstab dem Regelungszusammenhang der §§ 235, 44 Satz 1 entnommen wurde, was jedoch auch bei einer nur fahrlässigen Terminsversäumung in Kenntnis der Ladung die Abwesenheitsverhandlung erlauben würde; vgl. auch OLG Düsseldorf NJW 1962 2022. 36 OLG Karlsruhe StraFo 2001 415; vgl. § 230, 20 f.; § 231, 12. 37 BGHSt 25 165, 167; OLG Frankfurt NJW 1952 637; AK/Keller 4; KK/Gmel 9; a.A. etwa BayObLGSt 1970 139, 141 (OWi-Verfahren); OLG Zweibrücken JZ 1969 271 m. Anm. Küper; KMR/Paulus 2 und 7; SK/Deiters 10. 38 AK/Keller 4; KK/Gmel 9 (vom Gericht aufzuklärende Tatfrage); SSW/Grube 4. 39 KK/Gmel 9; KMR/Paulus 10; Meyer-Goßner/Schmitt 12. 40 BayObLGSt 1972 17, 18 (zu § 74 Abs. 1 OWiG a.F.); SSW/Grube 12.

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§ 232 erleichtern. So kann sie eine richterliche Vernehmung des Angeklagten herbeiführen, um dem Gericht eine Grundlage für die Beurteilung zu liefern, ob die Aufklärungspflicht die Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung erfordert. Auch kann sie, wenn sie lediglich eine Rechtsfolgenerwartung in den Grenzen des Absatzes 1 hegt und eine Verhandlung in Gegenwart des Angeklagten für entbehrlich hält, bei Anklageerhebung anregen, den Angeklagten mit den nach Absatz 1 erforderlichen Hinweisen zu laden. Mit der Anberaumung der Hauptverhandlung muss der Vorsitzende im Rahmen 18 der Aufgaben, die ihm zur Vorbereitung der Hauptverhandlung obliegen, prüfen, ob der Sachverhalt genügend aufgeklärt werden kann, wenn der Angeklagte an der Hauptverhandlung nicht teilnimmt, und ob sich – im Fall des Schuldspruchs – der Rechtsfolgenausspruch voraussichtlich im Rahmen des Absatz 1 halten wird. Vom Ergebnis dieser vorläufigen Prüfung und von der darauf gestützten Entschließung des Vorsitzenden hängt es ab, ob in die Ladung des Angeklagten zur Hauptverhandlung die in § 216 Abs. 1 Satz 1 bestimmte Warnung oder der in § 232 Abs. 1 Satz 1 (und ggf. Satz 3) geforderte Hinweis oder – was zulässig ist – Warnung und Hinweis aufzunehmen sind. Der Vorsitzende kann ferner in geeigneten Fällen die Vernehmung des Angeklagten durch einen beauftragten oder ersuchten Richter anordnen, damit alles zur Erforschung der Wahrheit Notwendige getan wurde. 19

2. Entscheidung des Gerichts. Bleibt der Angeklagte bei Beginn der Hauptverhandlung aus, so hat das erkennende Gericht einschließlich der Schöffen darüber zu befinden, ob alle Voraussetzungen des § 232 vorliegen, wobei nunmehr hinsichtlich der zu verhängenden Rechtsfolgen seine Erwartung und nicht mehr die des Vorsitzenden maßgebend ist.41 Darf es danach ohne den Angeklagten verhandeln, steht es in seinem freien Ermessen, ob es dies tun will,42 es sei denn, dass ausnahmsweise die Anwesenheit des Angeklagten zur Sachaufklärung unerlässlich ist43 oder dass wegen einer veränderten Sach- und Beweislage das Erfordernis der Gewährung des rechtlichen Gehörs die Verhandlung ohne den Angeklagten zumindest zunächst nicht gestattet. Hierüber und über die anderen Voraussetzungen des § 232 muss sich ein Kollegialgericht intern verständigen. Ein förmlicher Gerichtsbeschluss ist nicht erforderlich, wenn das Gericht nach § 232 verhandeln will.44 Es kann die Hauptverhandlung daher ohne weiteres in Abwesenheit des Angeklagten durchführen, jedoch ist es ratsam, den Anwesenden, vor allem einem erschienenen Verteidiger, die interne Einigung auf die Durchführung der Abwesenheitsverhandlung formlos mitzuteilen. 3. Durchführung der Hauptverhandlung

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a) Allgemeines. Die Hauptverhandlung gegen den ferngebliebenen Angeklagten folgt den allgemeinen Regeln; an Stelle der Vernehmung des Angeklagten zur Sache ist jedoch dessen Verteidigungsvorbringen, soweit es für das Gericht ersichtlich ist, in die Hauptverhandlung einzuführen (Rn. 21 ff.). Soweit bestimmte Formen der Verfahrensgestaltung von Verzicht oder Zustimmung des Angeklagten abhängen (z.B. § 245 Abs.1

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41 Heinrich 36 f. 42 Vgl. etwa AK/Keller 6 (gleichrangige Wahlmöglichkeit). 43 Gollwitzer JR 1974 29; KK/Gmel 11; MüKo/Arnoldi 8. 44 Meyer-Goßner/Schmitt 13; Pfeiffer 3; SK/Deiters 11; vgl. KMR/Paulus 11 (förmlicher oder stillschweigender Beschluss).

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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Satz 2, § 251 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 3), entfällt diese Voraussetzung.45 Ist ein Verteidiger anwesend, folgt dies auch aus § 234a; die Notwendigkeit einer Zustimmung des Angeklagten entfällt aber auch dann, wenn für ihn kein Verteidiger teilnimmt.46 Hinweise auf eine Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts können einem anwesenden Verteidiger gegeben werden (§ 234a), andernfalls müssen sie jedoch dem abwesenden Angeklagten zur Kenntnis gebracht werden (vgl. Rn. 26). Der Verteidiger kann auch bei einer Befragung nach § 265a Satz 1 zu möglichen Weisungen gemäß § 59a Abs. 2 StGB Erklärungen für den Angeklagten abgeben,47 wenn er nach § 234 zur Vertretung ermächtigt ist. Im Übrigen muss sich das Gericht stets des tiefgreifenden Unterschieds zwischen dem Ungehorsamsverfahren des § 232 und dem Versäumnisverfahren bewusst bleiben, das im bürgerlichen Rechtsstreit gegen den nicht erschienenen Beklagten stattfindet. Das Ausbleiben des Angeklagten in dem Verfahren, auf das § 232 anzuwenden ist, darf nicht als Zugeständnis gewertet werden. Eine Verurteilung ist nur möglich, wenn der Nachweis für Täterschaft und Schuld des Angeklagten i.S.d. § 261 durch das Gesamtergebnis der Verhandlung erbracht ist. b) Die Einlassung des Angeklagten muss, soweit sie für das Gericht erkenntlich ist, 21 von diesem in der Hauptverhandlung zur Sprache gebracht und bei seiner Entscheidung mit in Erwägung gezogen werden. Niederschriften über eine richterliche Vernehmung muss das Gericht nach Absatz 3 an Stelle der in § 243 Abs. 5 Satz 2 vorgeschriebenen Vernehmung des Angeklagten zur Sache verlesen, nicht aber staatsanwaltschaftliche oder polizeiliche Vernehmungsprotokolle.48 Die Zulässigkeit des Verfahrens nach § 232 hängt jedoch nicht davon ab, dass eine solche Niederschrift vorliegt.49 Die Niederschrift muss in dem Verfahren entstanden sein, in dem jetzt ohne den Angeklagten verhandelt werden soll; sie muss seine Angaben als Beschuldigter zum Inhalt haben. Die Niederschrift über eine Vernehmung, die mit dem jetzigen Angeklagten als Zeuge durchgeführt wurde, ist nicht verlesbar.50 Zu verlesen sind dagegen Niederschriften über Vernehmungen im Ausland, wenn sie von einem deutschen Konsul durchgeführt wurden oder einer ausländischen Stelle, deren Protokolle einer richterlichen Einvernahme gleichstehen.51 Hat der Angeklagte in der protokollierten Vernehmung den Einwand der örtlichen 22 Unzuständigkeit erhoben, so ist dieser ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Verlesung zu beachten;52 denn der Angeklagte kann den Zeitpunkt nicht bestimmen, zu dem das Gericht seinen Einwand in der Hauptverhandlung zur Sprache bringt. Für einen anwesenden Verteidiger gilt dagegen § 16 Satz 3. Ein in der Niederschrift enthaltender Beweisantrag gilt (anders als bei § 233 Abs. 2) nicht als in der Hauptverhandlung gestellt. Er muss daher nicht nach § 244 Abs. 6 beschieden werden. Ob und inwieweit das Gericht ihm nachzugehen hat, bestimmt sich nach der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2).53

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45 S. auch die ausdrückliche Regelung in § 153 Abs. 2 Satz 2. 46 KK/Gmel 14; Meyer-Goßner/Schmitt 19; Gollwitzer FS Tröndle 467; vgl. bei § 234a; a.A. SK/Deiters 15. 47 Vgl. bei § 265a. 48 KK/Gmel 12; Meyer-Goßner/Schmitt 15; SK/Deiters 12. 49 BayObLGSt 1974 35, 37; OLG Köln JMBlNW 1959 72; OLG Schleswig SchlHA 1956 298; KK/Gmel 10; Meyer-Goßner/Schmitt 15; SK/Deiters 7. 50 KMR/Paulus 13; SK/Deiters 12. 51 Vgl. die Erl. zu §§ 223, 251. 52 RGSt 40 354, 356 (zum jetzigen § 233); KK/Gmel 13; KMR/Paulus 14; Meyer-Goßner/Schmitt 16; SK/Deiters 16. 53 OLG Hamm JMBlNW 1962 203; AK/Keller 8; KK/Gmel 13; KMR/Paulus 16; Meyer-Goßner/Schmitt 17; SK/Deiters 16; Gollwitzer FS Tröndle 466.

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Ist für den Angeklagten ein vertretungsberechtigter Verteidiger (§ 234) in der Hauptverhandlung anwesend, so hat das Gericht den Hinweis nach § 243 Abs. 5 Satz 1 an diesen zu richten. Trägt der Verteidiger daraufhin die Sachdarstellung des Angeklagten vor, so kann – sofern nicht die Aufklärungspflicht entgegensteht – nach Ansicht des BayObLG54 auf die Verlesung der früheren Einlassung des Angeklagten verzichtet werden, da Absatz 3 nicht für den Fall gelte, dass ein Vertreter erschienen ist, der berechtigt ist, für den Angeklagten Erklärungen abzugeben.55 Dies trifft so nicht zu; insbesondere führt die Anwesenheit eines vertretungsberechtigten Verteidigers nicht dazu, dass auch der Angeklagte als anwesend zu behandeln wäre und es daher schon an den Voraussetzungen des 232 mangelt.56 Die Verlesung ist in den Fällen des § 254 sogar unerlässlich, wenn ihr Inhalt bei der Beweiswürdigung zu Lasten des Angeklagten verwendet werden soll. Unabhängig davon muss eine vorhandene Niederschrift über eine richterliche Vernehmung des Angeklagten immer verlesen werden, wenn der erschienene Verteidiger keine Sachdarstellung für den Angeklagten vorträgt oder seine Vertretungsberechtigung nicht nachgewiesen hat. 24 Aus Absatz 3 wird im Umkehrschluss entnommen, dass Niederschriften über nichtrichterliche Vernehmungen, die die Einlassung des Angeklagten enthalten, nicht verlesen werden dürfen. Kommt es auf deren Inhalt an, müssen die Verhörspersonen als Zeugen vernommen werden.57 Dies gilt aber nur für die Verwendung als Beweismittel (im weiten Sinn). Eine absolute Ausschlusswirkung kann dem Absatz 3 nicht beigelegt werden. Er will dem Angeklagten ein Mindestmaß an rechtlichem Gehör gewähren, nicht aber das rechtliche Gehör beschränken, wenn die Niederschrift über eine richterliche Vernehmung des Angeklagten fehlt. Wenn zum Beweis über ein Geständnis des Angeklagten nach § 254 Abs. 1 nur eine richterliche Vernehmungsniederschrift verlesen werden darf, schließt das nicht aus, dass sich das Gericht – so wie es seine Aufklärungspflicht fordert – an Hand aller vorhandenen Unterlagen darüber orientiert, wie sich der Angeklagte zur Anklage eingelassen hat, vor allem aber, was er zu seiner Verteidigung vorbringt. Zu diesem Zweck – nicht etwa zu Beweiszwecken – kann bei Fehlen einer Niederschrift über eine richterliche Vernehmung auch auf andere Vernehmungsniederschriften zurückgegriffen werden.58 Es dürfen auch schriftliche Erklärungen des Angeklagten, in denen er sich zur Tat geäußert hat, in der Hauptverhandlung zur Sprache gebracht werden.59 25

c) Abbruch der Hauptverhandlung. Auch wenn die Voraussetzungen des § 232 vorliegen, kann das Gericht jederzeit von der Verhandlung ohne den Angeklagten absehen und nach § 236 verfahren. Das muss geschehen, wenn die Erforschung der Wahrheit oder auch nur Strafzumessungsfragen eine Erörterung der Sache mit dem Angeklagten gebie-

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54 BayObLGSt 1974 35, 37; so auch KK/Gmel 14; Meyer-Goßner/Schmitt 15; Pfeiffer 3; SSW/Grube 15. 55 Zur Streitfrage, wieweit der Verteidiger als Vertreter des Angeklagten sich zur Sache erklären kann, vgl. § 234, 14. 56 Olk Die Abgabe von Sacherklärungen des Angeklagten durch den Verteidiger (2006) S. 112 f.; a.A. SK/Deiters 13 f. 57 Pfeiffer 3; Eb. Schmidt 16; SSW/Grube 17; vgl. Rn. 21; a.A. KMR/Paulus 13 unter Hinweis auf Paulus JuS 1988 879. 58 AK/Keller 7; KK/Gmel 12; Meyer-Goßner/Schmitt 15; SK/Deiters 12; Gollwitzer FS Tröndle 464; weitergehend KMR/Paulus 13 (auch Beweisverwendung); vgl. auch HK/Julius 6 (Vernehmung der Verhörsperson hat Vorrang). 59 Vgl. KMR/Paulus 13; wieweit solche Schriftstücke auch zu Beweiszwecken verwendbar sind, richtet sich nach §§ 249 ff.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 232

ten.60 So kann etwa die erforderliche Klärung von Widersprüchen zwischen der nach Absatz 3 verlesenen Einlassung des Angeklagten und Erklärungen des Verteidigers oder Zeugenaussagen die Zuziehung des Angeklagten notwendig machen.61 Ergibt die Hauptverhandlung, dass der in Absatz 1 Satz 2 festgelegte Rahmen für eine schuldangemessene Strafe nicht ausreicht, dass eine dort nicht vorgesehene Nebenfolge auszusprechen ist oder dass die Entziehung der Fahrerlaubnis in Frage kommt, obwohl der Hinweis nach Absatz 1 Satz 3 unterblieben ist, dann muss die Hauptverhandlung ebenfalls abgebrochen werden. Dasselbe gilt, wenn ein Hinweis nach § 265 Abs. 1 oder 2 notwendig wird, es sei 26 denn, dass er bereits in der Ladung ausgesprochen worden ist62 oder einem Verteidiger (§ 234a) gegeben werden kann. In die Ladung zur neuen Hauptverhandlung können die unterbliebenen Hinweise aufgenommen werden, so dass, wenn der Angeklagte erneut ausbleibt, das Ungehorsamsverfahren wiederum durchgeführt werden kann. Es kann aber auch das persönliche Erscheinen nach § 236 angeordnet werden. 4. Nachträgliches Erscheinen. Erscheint der Angeklagte nachträglich während der 27 Verhandlung, so muss der Vorsitzende – ganz gleich, wieweit diese schon fortgeschritten ist – ihn über seine persönlichen Verhältnisse und zur Sache vernehmen. Eine Unterrichtungspflicht wie § 231a Abs. 2 und § 247 Satz 4 sieht § 232 nicht vor. Es ist jedoch sachdienlich und zur besseren Sachaufklärung vielfach auch geboten, dass der Vorsitzende den Angeklagten darüber unterrichtet, was die bisherige Verhandlung ergeben hat.63 Die Hauptverhandlung braucht jedoch nicht wiederholt zu werden.64 Für die im Urteil auszusprechenden Rechtsfolgen gilt weiterhin Absatz 1 Satz 2.65 Der Angeklagte kann aber auch sofort Wiedereinsetzung gem. § 235 beantragen. Wird diesem Antrag wegen genügender Entschuldigung des anfänglichen Fernbleibens stattgegeben, worüber das Gericht durch Beschluss, der nicht zur Hauptverhandlung gehört,66 zweckmäßigerweise unverzüglich entscheidet,67 dann ist mit der Hauptverhandlung neu zu beginnen.68 Die erneuerte Hauptverhandlung wird nach den allgemeinen Grundsätzen durchgeführt, § 232 Abs. 3 gilt nicht; desgleichen unterliegt das Gericht hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs nicht mehr der Bindung durch Absatz 1 Sätze 2 und 3.69 5. Urteil. Wird der Angeklagte im Verfahren nach § 232 verurteilt, so darf das Gericht 28 nur eine in Absatz 1 bezeichnete Strafe, Nebenfolge oder Maßregel aussprechen. Entgegen der herrschenden Ansicht70 muss im Urteil nicht dargelegt werden, dass und weshalb die Voraussetzungen für das Verfahren nach § 232 gegeben waren. Ebenso wenig muss auf Entschuldigungsgründe eingegangen werden, die der Angeklagte vorgebracht

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60 KK/Gmel 16; Meyer-Goßner/Schmitt 20; Eb. Schmidt 13. 61 OLG Karlsruhe StV 1986 289, 290. 62 RGSt 35 65, 66; RG JW 1930 2059; Kleinfeller GerS 46 (1891) 361; KK/Gmel 16; Meyer-Goßner/Schmitt 18. 63 Gollwitzer FS Tröndle 465; eine uneingeschränkte Rechtspflicht zur Unterrichtung bejahen demgegenüber KK/Gmel 15; KMR/Paulus 23; Meyer-Goßner/Schmitt 21; MüKo/Arnoldi 14; Pfeiffer 4; SK/Deiters 17; SSW/Grube 20. 64 Vgl. die Nachw. in der vorhergehenden Fn. 65 HK/Julius 7; SSW/Grube 20; a.A. Meyer-Goßner/Schmitt 21. 66 Meyer-Goßner/Schmitt 22. 67 Ein Abwarten bis nach Urteilsverkündung (vgl. § 235) wäre eine nutzlose Förmelei. 68 KK/Gmel 15; KMR/Paulus 24; Meyer-Goßner/Schmitt 22; SK/Deiters 17. 69 KK/Gmel 15; SK/Deiters 17. 70 RGSt 66 150, 151; OLG Hamburg NJW 1953 758; KK/Gmel 17; Meyer-Goßner/Schmitt 23; SK/Deiters 18.

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§ 232

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hat oder die sonst erkennbar geworden sind.71 Es gelten hier dieselben Grundsätze, die für das Urteil im Abwesenheitsverfahren nach § 231 Abs. 2 Anwendung finden (s. § 231, 37). Eine Sachentscheidung, deren notwendiger Inhalt sich nach § 267 richtet, braucht auf Verfahrensfragen im Allgemeinen nicht einzugehen. Sie unterscheidet sich insoweit von den reinen Prozessurteilen, wie etwa der Verwerfung der Berufung nach § 329 Abs. 1 Sätze 1 und 2 oder des Einspruchs gegen einen Strafbefehl gemäß § 412 Satz 1, § 329 Abs. 1 Sätze 1 und 2, die gemäß § 34 ihre verfahrensrechtlichen Voraussetzungen darzutun haben. Wie im Falle des § 231 Abs. 1 kann es sich aber auch hier empfehlen, in einem förmlichen Beschluss oder in den Urteilsgründen die Zulässigkeit des Abwesenheitsverfahrens zu begründen. Zur revisionsrechtlichen Prüfung s.u. Rn. 37. 6. Zustellung des Urteils (Absatz 4). Ergeht das Urteil in Abwesenheit des Angeklagten, so lässt Absatz 4 letzter Halbsatz dessen unmittelbare Zustellung nach § 145a Abs. 1 an einen bestellten Verteidiger oder an einen Wahlverteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befinden muss,72 ausdrücklich zu. Andernfalls muss dem Angeklagten selbst eine beglaubigte Ausfertigung oder Abschrift, die Urteilsspruch und Urteilsgründe umfasst, durch Übergabe zugestellt werden. Damit wird jedoch nur die Person bestimmt, an die zugestellt werden muss (Zustellungsadressat), nicht jedoch die Person dessen, der die Zustellung für den Zustellungsadressaten in Empfang nehmen darf. Absatz 4 schließt die Ersatzzustellung nach §§ 178 ff. ZPO nicht aus.73 Übergabe bedeutet nicht unbedingt Übergabe an den Angeklagten persönlich. Es genügt, wenn das zuzustellende Schriftstück dadurch in den unmittelbaren Herrschaftsbereich des Angeklagten gelangt, dass es einer der in § 178 Abs. 1 ZPO bezeichneten Personen übergeben wird.74 Eine Ersatzzustellung an den Verteidiger ist dagegen nicht möglich.75 Ebenso wenig genügt wegen des Merkmals der Übergabe die Zustellung durch Einlegen in den Briefkasten (§ 180 ZPO),76 durch Niederlegung (§ 181 ZPO)77 oder die öffentliche Zustellung (§ 40)78 den Erfordernissen des Absatzes 4. Die Zustellung durch eine deutsche diplomatische oder konsularische Vertretung im Ausland ist möglich.79 Die Zustellung des Urteils durch Übergabe an einen nach § 116a Abs. 3, § 127a Abs. 2 30 oder § 132 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 benannten Zustellungsbevollmächtigten wird durch Absatz 4 nicht ausgeschlossen, da ein nach dieser Sondervorschrift benannter Bevollmächtigter hinsichtlich aller Zustellungen an die Stelle des Angeklagten tritt.80 An sonstige 29

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71 So auch MüKo/Arnoldi 16; SSW/Grube 23. 72 BGH NStZ 1996 97; OLG Karlsruhe Justiz 1996 232 (Auftreten in Hauptverhandlung ersetzt Vollmacht nicht, Aufgabe von OLG Karlsruhe Justiz 1983 27). 73 RGSt 64 239, 243; BGHSt 11 152, 156; 22 52, 55; vgl. auch OLG Köln StV 1992 457, 458; a.A. OLG Düsseldorf NJW 1956 641, 642; OLG Stuttgart JZ 1953 415 Ls.; dagegen ausdrücklich OLG Hamm NJW 1956 1809. 74 BGHSt 22 52, 55; OLG Hamm JZ 1956 727; NJW 1956 1809; OLG Oldenburg JZ 1956 290; Oppe NJW 1961 1803; Peters JZ 1956 726; KK/Gmel 19; Meyer-Goßner/Schmitt 25; a.A. OLG Bremen NJW 1955 643; OLG Düsseldorf NJW 1956 641; OLG Koblenz JZ 1956 725; Janetzke NJW 1956 620. 75 BGHSt 11 152; OLG Köln MDR 1956 247; StV 1992 457, 458; OLG Oldenburg JZ 1956 290; Oppe NJW 1961 1801. 76 A.A. MüKo/Arnoldi 17. 77 BGHSt 11 152, 156; OLG Hamm NJW 1956 1809; OLG Köln MDR 1956 247; Oppe NJW 1961 1800; Peters JZ 1956 726; KK/Gmel 19; Meyer-Goßner/Schmitt 25. 78 OLG Stuttgart Justiz 1975 10; Peters JZ 1956 726; KK/Gmel 19; KMR/Paulus 20; offen gelassen von Oppe NJW 1961 1800. 79 BGHSt 26 140, 141. 80 RGSt 77 212; BayObLGSt 1995 94; 1995 99; OLG München MDR 1995 405; KK/Gmel 18; KMR/Paulus 20; Meyer-Goßner/Schmitt 24.

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§ 232

Zustellungsbevollmächtigte kann das Urteil dagegen nicht mit Wirkung gegen den Angeklagten zugestellt werden.81 Absatz 4 enthält eine Ausnahmevorschrift82 für die Zustellung der im Verfahren 31 nach § 232 ergangenen Urteile. Sie greift auch Platz, wenn ein Verteidiger den Angeklagten bei der Urteilsverkündung vertreten hat. Auf andere Urteile, die in Abwesenheit des Angeklagten ergangen sind, ist er nicht entsprechend anzuwenden; auch nicht im Verfahren nach § 233 (vgl. dort Rn. 48), nach § 74 OWiG,83 auf ein Urteil nach § 32984 oder auf Strafbefehle.85 7. Rechtsbehelfsbelehrung. Die mit dem Urteil zuzustellende Rechtsmittelbeleh- 32 rung (§ 35a) muss dahin gehen, dass neben Berufung/Revision auch die Wiedereinsetzung gemäß § 235 möglich ist (§ 35a; § 235 Satz 2). 8. Sitzungsniederschrift. Die Abwesenheit des Angeklagten muss als wesentliche 33 Förmlichkeit nach § 273 im Protokoll festgehalten werden, nicht aber die anderen Voraussetzungen der keinen förmlichen Beschluss erfordernden Verhandlung nach § 232. Ergeht allerdings ein förmlicher Beschuss, dann muss er auch protokolliert werden. Zu protokollieren ist ferner die Tatsache (nicht der Inhalt) der Verlesung der genau zu bezeichnenden Vernehmungsniederschrift nach Absatz 3.86 Erscheint der Angeklagte verspätet, so muss aus dem Protokoll neben dem Zeitpunkt seines Erscheinens auch ersichtlich sein, von welchem Verfahrensstand an er an der Verhandlung teilgenommen hat. Den Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 235 kann er in der Hauptverhandlung zu Protokoll erklären. IV. Rechtsbehelfe 1. Die Beschwerde gegen die Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten ist 34 durch § 305 Satz 1 ausgeschlossen. Gleiches gilt in der Regel auch für den auf tatrichterlichem Ermessen beruhenden Beschluss, mit dem die Durchführung der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten abgelehnt wird;87 wegen der Ausnahmen vgl. bei § 228, 35 ff. 2. Die Berufung gegen ein Urteil nach § 232 ist unter denselben Voraussetzungen 35 wie bei den anderen Urteilen gegeben. 3. Mit der Revision kann geltend gemacht werden, dass die Voraussetzungen des 36 § 232 nicht vorlagen, daher (wenn keine sonstige Ausnahmevorschrift die Abwesenheitsverhandlung erlaubte) gemäß § 230 Abs. 1 nicht ohne den Angeklagten verhandelt werden durfte und deshalb der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 gegeben ist.88 Dies kann der Fall sein, wenn der Angeklagte nicht ordnungsgemäß geladen worden war

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81 BGHSt 11 152, 156. 82 BGHSt 11 152, 158. 83 BayObLGSt 1971 49; OLG Celle NJW 1973 1709; OLG Düsseldorf NJW 1971 1576, 1578 m. Anm. Oppe; OLG Köln NJW 1973 2043 f.; KK/Gmel 20; vgl. die Kommentare zu § 74 OWiG. 84 BayObLGSt 1957 79; OLG Celle NJW 1960 930, 931; OLG Hamburg JR 1964 230; OLG Köln NJW 1980 2720; Meyer JR 1978 393; Meyer-Goßner/Schmitt 26; a.A. Janetzke NJW 1956 620; vgl. bei § 329. 85 BGHSt 13 182, 184. 86 SK/Deiters 20. 87 KK/Gmel 23; Meyer-Goßner/Schmitt 28; SSW/Grube 27; a.A. SK/Deiters 21. 88 OLG Karlsruhe StraFo 2001 415; OLG Köln StV 1996 12.

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§ 232

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(Rn. 6),89 der Hinweis nach Absatz 1 Satz 1 unterblieben ist (Rn. 7 f.), der Angeklagte der Hauptverhandlung nicht eigenmächtig ferngeblieben war (Rn. 14 ff.) oder das Gericht auf eine andere als nach Absatz 1 zulässige Rechtsfolge erkannt hat.90 Von Amts wegen prüft das Revisionsgericht die Voraussetzungen des § 232 nicht.91 Der Angeklagte hat daher in seiner Rüge alle Verfahrenstatsachen vollständig anzugeben (§ 344 Abs. 2 Satz 2), aus denen sich der Verfahrensfehler ergeben soll, es sei denn, diese können bereits dem angefochtenen Urteil entnommen werden. Die Rüge, das Gericht habe zu Unrecht angenommen, dass der Angeklagte eigen37 mächtig ausgeblieben sei, kann sich nach der vorherrschenden Meinung92 nur darauf stützen, dass das Gericht die von ihm festgestellten Tatsachen rechtlich fehlerhaft gewürdigt habe, etwa, dass es die Anforderungen an eine genügende Entschuldigung überspannt oder sich mit einer rein formalen oder unvollständigen Würdigung begnügt habe.93 Bleiben Entschuldigungsgründe im Urteil unerwähnt, obwohl sie für das Gericht erkennbar gewesen wären, muss dieses mit der Aufklärungsrüge beanstandet werden, die voraussetzt, dass die Umstände, die für das Gericht erkennbar waren, dieses zu weiteren Nachforschungen drängten.94 Dem Gericht unbekannte und im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht erkennbare Gründe können danach nur mit der Wiedereinsetzung nach § 235 geltend gemacht werden. Dieser Auffassung ist insoweit zuzustimmen, als das Revisionsgericht an die Feststellungen des Tatrichters zum eigenmächtigen Ausbleiben des Angeklagten gebunden ist, sofern diese rechtsfehlerfrei getroffen wurden (vgl. § 231, 44 und § 244, 32). Eine eigene Tatsachenprüfung im Wege des Freibeweises nimmt es nur auf eine formgerecht erhobene Verfahrensrüge vor.95 Soweit allerdings, ebenso wie bei § 329, die Verfahrensfrage der genügenden Entschuldigung wie eine Sachrüge behandelt werden soll,96 kann dem schon deswegen nicht gefolgt werden, weil das Tatgericht nicht verpflichtet ist, auf die Voraussetzungen der Abwesenheitsverhandlung nach § 232 in seinem Urteil einzugehen (s. Rn. 28). Der Rückgriff auf die Grundsätze der Sachrüge ist im Rahmen einer Rüge nach § 338 Nr. 5 zudem systemwidrig, auch wenn damit versucht wird zu verhindern, dass Revision und Wiedereinsetzung nach § 235 nebeneinander auf den gleichen Sachverhalt gestützt werden können. Gegen die herrschende Ansicht spricht ferner, dass sich die Voraussetzungen beider Rechtsbehelfe nicht nahtlos ergänzen, denn die Wiedereinsetzung kann nur auf Gründe gestützt werden, die dem Gericht ohne Verschulden des Angeklagten unbekannt geblieben sind, nicht aber auf neue Beweismittel für eine vom Gericht als nicht ausreichend erachtete Entschuldigung,97 obwohl auch in einem solchen Fall das Ausbleiben des Angeklagten tatsächlich genügend entschuldigt sein kann. Mit der Revision kann im Übrigen nach § 337 gerügt werden, dass das Gericht es un38 terlassen hat, die Einlassung des Angeklagten durch Verlesung der Niederschrift über

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89 MüKo/Arnoldi 22; a.A. Pfeiffer 6: Revision nach § 337. 90 SK/Deiters 23; a.A. HK/Julius 12; MüKo/Arnoldi 22; Pfeiffer 6: Revision nach § 337. 91 OLG Köln JMBlNW 1959 72; KMR/Paulus 27; Meyer-Goßner/Schmitt 29; vgl. auch OLG Hamm NStZ-RR 2006 212 Ls. (zu § 329). 92 OLG Düsseldorf NJW 1962 2022; KK/Gmel 24; KMR/Paulus 27; Meyer-Goßner/Schmitt 29; Radtke/Hohmann/Britz 30; SSW/Grube 28; zur Problematik vgl. auch Busch JZ 1963 457; ferner BGHSt 10 304 und die sonstige Rechtsprechung und das Schrifttum zur gleichen Streitfrage bei § 329. 93 Zur Begründungspflicht vgl. etwa OLG Hamburg NJW 1953 758; BayObLG NStZ 1991 43 (zu § 74 OWiG a.F.); ferner die Rechtsprechung zu §§ 329, 412 und § 74 OWiG. 94 Vgl. OLG Hamburg MDR 1991 469 f. (zu § 329). 95 Vgl. BGHSt 28 384, 386 f. (zu § 329). 96 Etwa BGHSt 28 384, 387 f.; OLG Düsseldorf NJW 1962 2022; vgl. bei § 329. 97 Etwa OLG Hamburg MDR 1991 469.

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§ 233

seine richterliche Vernehmung in die Hauptverhandlung einzuführen (§ 232 Abs. 3). Sofern die Einlassung des Angeklagten für die weitere Sachaufklärung von Bedeutung war, kann auch die Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2) darauf gestützt werden. Diese kann im Übrigen auch durchgreifen, wenn ein vom Angeklagten in einer polizeilichen oder staatsanwaltschaftlichen Vernehmung vorgetragener verfahrenserheblicher Umstand unberücksichtigt geblieben ist. Gleiches gilt, wenn der Angeklagte nicht herbeigeholt wurde, obwohl dies notwendig war, um Widersprüche zwischen seiner Einlassung und Zeugenaussagen zu klären.98 Ebenfalls nach § 337 kann – soweit es für das weitere Verfahren darauf ankam – gerügt werden, dass das Urteil dem Angeklagten entgegen Absatz 4 nicht ordnungsgemäß zugestellt worden war. Eine von Amts wegen zu berücksichtigende Voraussetzung für das weitere Verfahren ist die den Erfordernissen des Absatzes 4 entsprechende Zustellung hingegen nicht.99 Ist die Fahrerlaubnis entzogen worden, obwohl der Hinweis darauf nach Absatz 1 39 Satz 3 unterblieben ist, so führt dies, da es die Zulässigkeit der Abwesenheitsverhandlung nicht berührt, bei entsprechender Revisionsrüge (§ 337) zur Aufhebung des Urteils nur hinsichtlich des Fahrerlaubnisentzugs.100 Wird gegenüber einem von mehreren Mitangeklagten § 232 fehlerhaft angewendet, 40 so können die übrigen Mitangeklagten auf diesen Mangel allein die Revision nicht stützen.101 Anders kann es dann liegen, wenn sie darüber hinaus geltend machen können, dass die sie betreffenden Urteilsfeststellungen durch den Mangel beeinflusst sind.102 4. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann der Angeklagte nach § 235 41 gegen das Urteil begehren. Die Einzelheiten sind bei § 235 erläutert. Um die Wiedereinsetzung kann der Angeklagte unabhängig von der Einlegung der Berufung oder Revision nachsuchen. Die Rechtsbehelfe sind nebeneinander möglich (wegen der Einzelheiten vgl. §§ 315, 342). Die Einlegung von Berufung oder Revision ohne Verbindung mit einem Wiedereinsetzungsgesuch gilt aber als Verzicht auf letzteres (§ 315 Abs. 3, § 342 Abs. 3).

§ 233 Entbindung des Angeklagten von der Pflicht zum Erscheinen § 233 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-030

(1) 1 Der Angeklagte kann auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden werden, wenn nur Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten, Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen, Verwarnung mit Strafvorbehalt, Fahrverbot, Einziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung, allein oder nebeneinander, zu erwarten ist. 2 Eine höhere Strafe oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf in seiner Abwesenheit nicht verhängt werden. 3 Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist zulässig. (2) 1 Wird der Angeklagte von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden, so muß er durch einen beauftragten oder ersuchten Richter über die Anklage vernommen werden. 2 Dabei wird er über die bei Verhandlung

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98 OLG Karlsruhe StV 1986 289, 290. 99 Vgl. BayObLG NStZ-RR 1996 144. 100 OLG Hamm JZ 1958 574; SK/Deiters 24. 101 RGSt 38 272, 274; Meyer-Goßner/Schmitt 29. 102 RGSt 62 259, 260 f.

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§ 233

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in seiner Abwesenheit zulässigen Rechtsfolgen belehrt sowie befragt, ob er seinen Antrag auf Befreiung vom Erscheinen in der Hauptverhandlung aufrechterhalte. 3 Statt eines Ersuchens oder einer Beauftragung nach Satz 1 kann außerhalb der Hauptverhandlung auch das Gericht die Vernehmung über die Anklage in der Weise durchführen, dass sich der Angeklagte an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Vernehmung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Angeklagte aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. (3) 1 Von dem zum Zweck der Vernehmung anberaumten Termin sind die Staatsanwaltschaft und der Verteidiger zu benachrichtigen; ihrer Anwesenheit bei der Vernehmung bedarf es nicht. 2 Das Protokoll über die Vernehmung ist in der Hauptverhandlung zu verlesen. Schrifttum Siehe bei §§ 230 und 232.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift trug bis 1924 die Bezeichnung § 232. Die Entstehungsgeschichte im Einzelnen, insbesondere die Änderungen, denen der Sanktionenkatalog des Absatzes 1 mehrfach unterworfen wurde, ist in der 23. und 25. Auflage näher dargestellt (jeweils Fn. 1 zu § 232).1 Die jetzige Fassung beruht auf Art. 6 Nr. 5 VidVerfG, der dem Absatz 2 den Satz 3 anfügte, sowie Art. 3 Nr. 5 des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 (BGBl. I S. 872, 882), durch das in Absatz 1 Satz 1 der im StGB jetzt durch die Regelungen der Einziehung miterfasste frühere „Verfall“ gestrichen wurde. S. auch die Entstehungsgeschichte zu § 232.

I. II.

III.

IV. V. VI.

Übersicht Zweck der Vorschrift | 1 Anwendungsbereich 1. Erstinstanzliches Verfahren | 2 2. Berufungsverfahren | 4 3. Revisionsverfahren | 5 Voraussetzungen des Entbindungsbeschlusses (Absatz 1) 1. Rechtsfolgenerwartung | 6 2. Antrag des Angeklagten | 7 Entscheidung des Gerichts | 12 Bekanntmachung der Entscheidung | 16 Vorbereitung der Hauptverhandlung 1. Vernehmung des Angeklagten (Absätze 2 und 3) a) Zweck | 18 b) Vernehmung durch beauftragten oder ersuchten Richter (Absatz 2 Satz 1) aa) Zuständigkeit und Verfahrensfragen | 19 bb) Benachrichtigungen (Absatz 3 Satz 1) | 21

_____ 1

cc)

Inhalt der Vernehmung | 23 dd) Belehrungen | 25 ee) Protokollierung | 27 c) Vernehmung im Wege der BildTon-Übertragung (Absatz 2 Satz 3) aa) Zweck der Vorschrift; Kritik | 28 bb) Anordnung der audiovisuellen Vernehmung | 30 cc) Durchführung der audiovisuellen Vernehmung | 31 2. Ladung des Angeklagten zur Hauptverhandlung | 35 VII. Verfahren in der Hauptverhandlung 1. Verlesung des Vernehmungsprotokolls (Absatz 3 Satz 2) | 36 2. Anträge und Erklärungen des Angeklagten a) Beweisanträge | 39 b) Sonstige Anträge und Erklärungen | 40

S. auch SK/Deiters 2.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

3.

4.

Besondere Verfahrenslagen a) Hinweise | 42 b) Zustimmungserfordernisse, Widerspruch | 43 c) Notwendige Befragung des Angeklagten | 44 d) Teilnahme des Angeklagten | 46 Sitzungsniederschrift | 47

Alphabetische Übersicht Anhörung der Staatsanwaltschaft 7 Anordnung des persönlichen Erscheinens 8, 15, 37, 49 Anordnung der Vorführung 9, 11, 15, 19 f. Antrag auf Entbindung 3 f., 7 ff., 52, 55 Antrag auf Entbindung, unzulässiger 10, 12, 49 Anträge in Vernehmungsniederschrift 39 f. Aufenthalt in Ausland 2, 19 Aufklärungspflicht 1, 12, 15, 39, 49 f., 53 f. Befragung des Angeklagten 26 f., 44 f. Belehrung des Angeklagten 7, 25 ff., 30, 33, 53 Benachrichtigung vom Vernehmungstermin 21, 32 Berufung 4, 9, 18, 51, 55 Berufung des Staatsanwalts, Rechtsfolgenbegrenzung 4 Beschwerde 49 f. Beweisanträge des Angeklagten 39 Einwand der örtlichen Unzuständigkeit 40 Entbindungsbeschluss 12, 14, 46 – Aufhebung 11, 14 f., 45 f. – Begründung 14, 48 – Bekanntgabe 16, 17 – für Fall der Antragstellung 7, 30 Entbindungsgründe 1, 12 Entfernung, weite 1, 12 Ermessen des Gerichts 12, 14, 30, 49, 53 Finanzbehörde 21 Form des Entbindungsantrags 8 Fragerecht 22, 41 Gebrechlichkeit des Angeklagten 1, 12 Gegenüberstellung 12 Gegenvorstellung 50 Haft des Angeklagten 3 Hinweise an Angeklagten 20, 23, 27, 42 Konsularische Vernehmung 19 Ladung zur Hauptverhandlung 28, 53 Maßnahmen nach § 265a 24, 45 Mitangeklagte 21, 41, 54 Nachtragsanklage 43 Nebenbeteiligte 21, 32, 54

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VIII. Urteil | 48 IX. Rechtsbehelfe 1. Beschwerde, Gegenvorstellung | 49 2. Berufung | 51 3. Revision | 52 4. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand | 55

Nebenkläger 21 Neue Tatsachen und Beweismittel 44 Persönliche Verhältnisse des Angeklagten 24, 33 Recht auf Gehör 12, 18, 23, 44, 53 Rechtsfolgen, Belehrung über 26, 53 Rechtshilfe 20 Revision 5, 53 ff. Richter – ausländischer 19 – beauftragter 19, 37 – ersuchter 19, 37 Sachdarstellung, Vortrag durch Verteidiger 36, 47 Schweigerecht des Angeklagten 36 Sitzungsniederschrift 47 Strafbefehlsverfahren 2, 19 Straferwartung 6, 50 Teilnahme – an Hauptverhandlung 46 – an kommissarischer Vernehmung 21 f. – an Vernehmung mittels Videokonferenztechnik 32 Teilweise Entbindung von Hauptverhandlung 13 Urteil 14, 48 – Zustellung 48 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes 23, 27, 42 Verfahren nach § 232 9, 11, 20 Verfahrenshindernis 52 Verhältnismäßigkeit 12, 19 Verhinderung des Angeklagten an der Teilnahme an der Hauptverhandlung 46 Vernehmung, kommissarische 19 ff. Vernehmung mittels Videokonferenztechnik 28 ff. – Aufenthalt der sonstigen Verfahrensbeteiligten 32 – Dokumentation 34 – Einführung in die Hauptverhandlung 29, 38 – Ort der Vernehmung 31 Vernehmungsprotokoll 21, 27, 34, 36, 46, 53 – Verlesung 11, 21, 24, 36 ff., 46 f., 53 Verschubung 3

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Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

Verteidiger 10 ff., 16 f., 21 f., 32, 35 f., 39, 42 ff., 47 f. – Benachrichtigung 21, 32 – Ermächtigung zur Antragstellung 10, 11, 17 – Ermächtigung zur Antragstellung, fehlende 12, 14 Verzicht auf Antrag 11, 20, 46 – Benachrichtigung 21, 27 – Entbindung 11, 20, 46 Vorführung 9, 15, 19

Widerspruch gegen Selbstleseverfahren 43 Wiedereinsetzung 55 Wiederholung – der Hauptverhandlung 46 – der kommissarischen Einvernahme 37, 42 Zeugen, Ladung durch Vorsitzenden 39 Zustellung des Entbindungsbeschlusses 16 Zustimmungsrechte des Angeklagten 43 Zwangsmittel nach § 230 Abs. 2 9, 11, 15, 19 f.

I. Zweck der Vorschrift 1

Zweck der Vorschrift ist es, dem Gericht zu ermöglichen (Kann-Vorschrift), in Verfahren von geringerer Bedeutung den Angeklagten auf seinen Wunsch von der Pflicht zur Teilnahme an der Hauptverhandlung freizustellen. Mit dieser Einschränkung der Anwesenheitspflicht (§ 230) wird vor allem den Fällen Rechnung getragen, in denen der Angeklagte durch eine zur Sachaufklärung nicht zwingend gebotenen Teilnahme an der Hauptverhandlung erheblich belastet würde, sei es gesundheitlich, sei es aus sonstigen privaten oder beruflichen Gründen oder weil er weit entfernt vom Gerichtsort wohnt (Rn. 12). II. Anwendungsbereich

1. Erstinstanzliches Verfahren. § 233 kann grundsätzlich in allen erstinstanzlichen Verfahren Anwendung finden, auch nach Einspruch gegen einen Strafbefehl.2 Auch gegen Personen, die sich im Ausland aufhalten, kann nach § 233 verfahren werden (vgl. Rn. 19). Die Sonderregelungen der §§ 276 ff. greifen nicht ein, wenn ein im Ausland wohnender Angeklagter antragsgemäß von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden wurde.3 Andererseits braucht das Gericht, das die Anwesenheit des Angeklagten für erforderlich hält, dem Antrag selbst dann nicht zu entsprechen, wenn er sich weigert, zur Hauptverhandlung zu kommen.4 Auch Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK zwingt das Gericht in einem solchen Fall nicht dazu, entgegen seiner Überzeugung die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten durchzuführen (s. näher § 230, 1).5 § 233 ist auch anwendbar, wenn sich der Angeklagte in gleicher oder in anderer Sa3 che in Haft befindet. Will er aus einem einsichtigen Grund (etwa Vermeidung der Verschubung) der Hauptverhandlung fernbleiben,6 so kann er den Antrag auf Entbindung stellen. Wird ein inhaftierter Angeklagter über sein Antragsrecht nach § 233 belehrt, so empfiehlt es sich jedoch, alles zu vermeiden, was als eine Beeinflussung seiner freien Entscheidung ausgelegt werden könnte. Unzulässig ist es insbesondere, gegen den Angeklagten in diesem Zusammenhang irgendeinen Druck auszuüben.7 2

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2 OLG Hamm NJW 1969 1129 f. 3 KK/Gmel 1; KMR/Paulus 23; Meyer-Goßner/Schmitt 2; SK/Deiters 3; dies galt auch schon vor Wegfall des Abwesenheitsverfahrens: Kaiser NJW 1964 1553; Neu NJW 1964 2334; Oppe NJW 1966 2239. 4 Vgl. Radtke/Hohmann/Britz 1; a.A. HK-GS/Seebode 2. 5 OLG Hamburg MDR 1968 344, 345. 6 KMR/Paulus 11; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Eb. Schmidt 3. 7 Zur Unzulässigkeit einer nur zur Erwirkung der Antragstellung angeordneten Vorführung vgl. SK/Deiters 3; OLG Koblenz NStE 1.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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2. § 233 gilt auch im Berufungsverfahren.8 Der Beschluss, durch den das Amtsge- 4 richt den Angeklagten vom Erscheinen entbunden hat, wirkt aber nicht für die Berufungsinstanz. Es bedarf für diese eines neuen Antrags und einer Entscheidung des Berufungsgerichts.9 Solange kein Antrag gestellt und kein Beschluss des Berufungsgerichts ergangen ist, muss der Angeklagte, so er sich nicht zulässig von einem Verteidiger vertreten lässt (§ 329 Abs. 2 Satz 1), vor dem Berufungsgericht erscheinen, wenn er verhindern will, dass dieses nach § 329 Abs. 1 Satz 1 verfährt.10 Anders als im Falle unentschuldigten Fernbleibens des Angeklagten (§ 329 Abs. 2 Satz 1)11 muss auch auf eine Berufung der Staatsanwaltschaft der Rechtsfolgenkatalog des § 233 Abs. 1 Satz 1 und 3 eingehalten werden, wenn das Berufungsgericht den Angeklagten auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Berufungshauptverhandlung entbindet (Absatz 1 Satz 2). 3. Im Revisionsverfahren gilt die Sondervorschrift des § 350 Abs. 2. Demgemäß fin- 5 det § 233 keine Anwendung. III. Voraussetzungen des Entbindungsbeschlusses (Absatz 1) 1. Rechtsfolgenerwartung. Die Freistellung des Angeklagten setzt zunächst voraus, 6 dass keine anderen Rechtsfolgen als die in Absatz 1 Satz 1 und 3 genannten zu erwarten sind. Der dortige Katalog entspricht demjenigen des § 232 Abs. 1 Satz 1 und 3 mit der Ausnahme, dass nach § 233 Abs. 1 Satz 1 der Angeklagte von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung auch dann entbunden werden kann, wenn Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten zu erwarten ist.12 Wie bei § 232 kommt es auch hier nur auf die zu erwartende Strafe an, nicht auf die gesetzlich im Höchstmaß angedrohte.13 Die Vorschrift ist also auch bei Verbrechen anwendbar, wenn ausnahmsweise eine innerhalb der Grenzen des Absatzes 1 liegende Strafe in Betracht kommt. Im Falle einer vorzunehmenden Gesamtstrafenbildung ist die Höhe der zu erwartenden Gesamtstrafe maßgeblich. 2. Antrag des Angeklagten. Der Angeklagte darf grundsätzlich nur und erst dann 7 von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden werden, wenn er einen entsprechenden Antrag gestellt hat, zu dem die Staatsanwaltschaft gehört worden ist (§ 33 Abs. 2). Sofern die freie Entscheidungsbefugnis des Angeklagten gewahrt bleibt (vgl. Rn. 3), ist es jedoch nicht zu beanstanden, wenn das Gericht nach Anhörung der Staatsanwaltschaft die Entbindung schon vorher für den Fall beschließt, dass der Angeklagte bei der angeordneten Vernehmung durch den ersuchten oder beauftragten Richter (Absatz 2 Satz 1) oder durch den Tatrichter mittels Videokonferenztechnik (Absatz 2 Satz 3) nach entsprechender Belehrung einen solchen Antrag stellt;14 der Ent-

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8 RGSt 61 278; 62 259; 66 364, 365; BGHSt 25 281; BayObLG NJW 1970 1055; OLG Köln NJW 1969 705, 706; Küper JR 1971 325. 9 RGSt 62 259; 64 239, 244; 66 364 f.; RG JW 1931 1604, 1605; BayObLGSt 1956 20; OLG Schleswig NJW 1966 67, 68; Koeniger 224. 10 Vgl. etwa OLG Zweibrücken NJW 1965 1033 (Antragstellung allein entschuldigt Fernbleiben nicht); ferner bei § 329. 11 Vgl. BGHSt 17 391, 394. 12 Kritisch hierzu Julius GA 1992 299 sowie HK/Julius 1, insbesondere im Hinblick auf § 47 StGB, der die Anwesenheit des Angeklagten in besonderer Weise geboten erscheinen lasse. 13 KK/Gmel 4; Meyer-Goßner/Schmitt 8; § 232, 10 f. 14 BGHSt 25 42, 43; OLG Düsseldorf StraFo 1996 124 f. Vgl. auch OLG Frankfurt NJW 1974 430; NStZ-RR 2001 175 f. (zur Zulässigkeit eines Rechtshilfeersuchens auf Vernehmung des Angeklagten, ohne dass

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bindungsbeschluss wird dann erst nach Antragstellung des Angeklagten wirksam. Der andere Weg zur Vereinfachung, dass zunächst der Vorsitzende die richterliche Einvernahme des Angeklagten anordnet, dabei gleichzeitig die Antragstellung nach § 233 anregt und das Gericht erst danach – eine entsprechende Antragstellung vorausgesetzt – nach Anhörung der Staatsanwaltschaft über den Beschluss nach § 233 entscheidet, ist letztlich bedenklicher; die Vernehmung des Angeklagten liegt dann vor, nicht, wie an sich erforderlich,15 nach dem Beschluss, der erst ihre besondere verfahrensrechtliche Bedeutung für die spätere Hauptverhandlung (Absatz 3 Satz 2; s. Rn. 18 sowie 36 ff.) begründet. Eine besondere Form ist für den Antrag nicht vorgeschrieben; die in einem Akten8 vermerk festgehaltene mündliche Erklärung kann genügen. In der Regel ist es aber angezeigt, den Antrag schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle zu stellen. Die schriftliche Bitte des Angeklagten, das Gericht möge in seiner Abwesenheit verhandeln, ist als Antrag in diesem Sinne aufzufassen.16 Ob der Antrag, die Anordnung des persönlichen Erscheinens nach § 236 wieder aufzuheben, einen Antrag auf Entbindung gemäß § 233 Abs. 1 enthält, ist eine von den näheren Umständen abhängende Auslegungsfrage;17 sachdienlicher als der Versuch, durch Auslegung den vermutlichen Willen des Angeklagten zu klären, ist jedoch eine Rückfrage bei ihm, durch die das Gewollte in der Regel mühelos festgestellt werden kann. Einen Zeitpunkt für die Antragstellung schreibt das Gesetz nicht vor. Der Ange9 klagte, der nach § 120 Abs. 1 RiStBV in geeigneten Fällen auf die Möglichkeit des § 233 vom Gericht schon vor der Ladung hingewiesen werden soll, kann den Antrag auf Entbindung vom Erscheinen alsbald nach der Eröffnung des Hauptverfahrens stellen.18 Das Gericht muss auch einen erst in der Hauptverhandlung eingehenden Antrag sachlich prüfen;19 hält es ihn für begründet, so hat es ihm stattzugeben und darf die Vorführung oder Verhaftung (§ 230 Abs. 2) des nunmehr nicht mehr unentschuldigt ausgebliebenen Angeklagten nicht anordnen. Im Falle des § 232 kann das Gericht von dem Ungehorsamsverfahren absehen und zunächst die nach Absatz 2 erforderliche Vernehmung des Angeklagten verfügen, wenn diesem keine ungerechtfertigte Säumnis bei der Antragstellung vorzuwerfen ist. Finden in der Sache mehrere Hauptverhandlungstermine statt, kann der im ersten Termin erschienene Angeklagte von dem Erscheinen in späteren entbunden werden. Der Antrag kann auch noch zu Beginn der Berufungsverhandlung gestellt werden.20 Wird er allerdings abgelehnt, so darf sogleich nach § 329 Abs. 1 Satz 1 verfahren werden, sofern der Angeklagte dem Termin unentschuldigt ferngeblieben und auch nicht zulässig durch einen Verteidiger vertreten (§ 329 Abs. 2 Satz 1) ist; nicht etwa muss ihm der Ablehnungsbeschluss zuvor bekannt gemacht werden.21

_____ dieser bereits einen Entbindungsantrag gestellt hätte). Ferner KK/Gmel 6; KMR/Paulus 18; Meyer-Goßner/ Schmitt 9 und 17; SK/Deiters 9, 13; a.A. OLG Frankfurt NJW 1991 2849 (obiter) m. abl. Anm. Wendisch; SSW/Grube 10. 15 BayObLGSt 1974 35, 37. 16 BayObLG JW 1932 2892; SK/Deiters 6. 17 Verneinend wegen Fehlens weiterer Anhaltspunkte BayObLGSt 1972 47, 50; SK/Deiters 6; bejahend KMR/Paulus 12. 18 KMR/Paulus 13; Meyer-Goßner/Schmitt 4; SK/Deiters 7. 19 BGHSt 12 367, 369; BayObLGSt 1972 47, 50 f.; BayObLG NJW 1970 1055, 1056; OLG Hamm NJW 1969 1129; OLG Köln NJW 1969 705, 706. 20 BGHSt 25 281, 283 ff.; BayObLGSt 1972 47, 50; BayObLG NJW 1970 1055, 1056; OLG Hamm ZfS 2014 470; OLG Karlsruhe Justiz 1969 127; OLG Köln NJW 1969 705, 706; OLG Zweibrücken NJW 1965 1033; Küper JR 1971 325. 21 BGHSt 25 281; Küper JR 1971 325; ders. NJW 1974 1927.

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Die Antragstellung ist ein dem Angeklagten persönlich zustehendes Recht. Der Ver- 10 teidiger kann den Antrag nur stellen, wenn er dazu vom Angeklagten ermächtigt ist.22 Hierfür ist die allgemein erteilte Verteidigervollmacht nicht ausreichend.23 Eine ausdrückliche, speziell für diesen Antrag erteilte Vollmacht ist allerdings nicht notwendig.24 Es genügt vielmehr auch die über die Verteidigungsvollmacht hinausgehende nachgewiesene allgemeine Vertretungsvollmacht nach § 234; denn letztlich kann der Angeklagte nach Absatz 2 immer selbst entscheiden, ob er mit einer Hauptverhandlung in seiner Abwesenheit und der darin liegenden Minderung seiner Verteidigungsmöglichkeiten einverstanden ist.25 In der Erklärung, dass der Verteidiger den Angeklagten auch in seiner Abwesenheit vertreten darf, liegt eine ausreichende Ermächtigung des Verteidigers auch zur Antragstellung nach Absatz 1.26 Der Angeklagte ist an den einmal gestellten Antrag nicht gebunden. Er kann ihn 11 noch vor seiner Bescheidung widerrufen. Auch kann er nachträglich auf die ihm gewährte Befreiung von der Erscheinenspflicht wieder verzichten. Nach Eingang der Verzichtserklärung bei Gericht darf die Hauptverhandlung nicht mehr ohne den Angeklagten begonnen werden. Der Freistellungsbeschluss ist aufzuheben.27 Die Verpflichtung des Angeklagten, zur Hauptverhandlung zu erscheinen, lebt wieder auf und kann vom Gericht nach § 230 Abs. 2 erzwungen werden.28 Da der Angeklagte den Termin kennt, ist sein Ausbleiben als Eigenmacht zu werten; es gelten daher die sonstigen auf diesen Fall allgemein anzuwendenden gesetzlichen Regelungen. Eine bereits begonnene Hauptverhandlung darf unter den gleichen Voraussetzungen nach § 231 Abs. 2 zu Ende geführt werden, wobei die Verlesung der Niederschrift die Vernehmung zur Sache ersetzt.29 Der Verteidiger kann den Verzicht des Angeklagten nur aussprechen, wenn er ermächtigt ist, ihn auch insoweit zu vertreten.30

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22 BGHSt 12 367; OLG Hamm NJW 1969 1129, 1130; zur Problematik des Antrages aus der Sicht des Verteidigers vgl. Dahs Hdb. 482. 23 BGHSt 12 367, 370 f.; MüKo/Arnoldi 3; a.A. OLG Köln NJW 1957 153, 154 (allgemeine Verteidigervollmacht reicht aus). 24 A.A. früher RGSt 54 210 f.; 64 239, 245; OLG Bremen MDR 1956 313; OLG Düsseldorf NJW 1960 1921, 1922; OLG Frankfurt NJW 1952 1107; DAR 1963 24; OLG Schleswig SchlHA 1964 70; BGHSt 12 367, 373 f. lässt dies offen. 25 OLG Brandenburg VRS 116 (2009) 276, 278; OLG Hamm VRS 49 (1975) 207, 208; ZfS 2014 470; OLG Köln NJW 1969 705, 706; NStZ 2002 268, 269; NStZ-RR 2002 114, 116; Hanack JZ 1972 82; KK/Gmel 2; KMR/Paulus 11; Meyer-Goßner/Schmitt 5; MüKo/Arnoldi 3; SK/Deiters 8; vgl. demgegenüber Spendel JZ 1959 741, der die Verteidigervollmacht als allgemeine Vertretungsvollmacht ansieht, aber eine weitergehende besondere Ermächtigung zur Antragsstellung verlangt. 26 OLG Hamm VRS 49 (1975) 207; OLG Köln NJW 1969 705. 27 KK/Gmel 2; KMR/Paulus 14; Meyer-Goßner/Schmitt 7; SK/Deiters 9. Die an das Einverständnis des Angeklagten gebundene Befugnis zur Verhandlung nach § 233 entfällt mit dessen Widerruf. Es ist strittig, ob die dadurch veranlasste Aufhebung des freistellenden Beschlusses deklaratorisch oder konstitutiv wirkt. Für letzteres spricht die Verfahrensklarheit. Vor allem, wenn die Hauptverhandlung bereits begonnen hat, muss der Zeitpunkt verfahrensbezogen festgestellt werden, bis zu dem das Gericht nach § 233 verfahren durfte. Das Anwesenheitsrecht des Angeklagten wird dadurch ohnehin nicht berührt, wohl aber seine Möglichkeit, durch einen zur Unzeit und ohne Wissen des Gerichts eingegangenen Verzicht auf die Befreiung das Verfahren zu stören. Auch KMR/Paulus 14 und Meyer-Goßner/Schmitt 7 stellen auf den Beschluss ab. 28 OLG Köln NJW 1952 637; Meyer-Goßner/Schmitt 7. 29 Verzicht und Aufhebungsbeschluss beseitigen die Wirksamkeit des zulässig nach § 233 in Abwesenheit des Angeklagten verhandelten Verfahrensabschnitts nicht; sie leiten erst ex nunc in das Normalverfahren über. 30 OLG Frankfurt DAR 1963 24; KMR/Paulus 14; vgl. Rn. 10.

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IV. Entscheidung des Gerichts Das Gericht, nicht der Vorsitzende, entscheidet über den Antrag.31 Sofern dieser nicht schon aus Rechtsgründen als unzulässig zurückgewiesen werden muss, wie etwa der Antrag eines dazu nicht ermächtigten Verteidigers,32 entscheidet es darüber nach pflichtgemäßem Ermessen. Nach der ursprünglichen Fassung der Vorschrift konnte dem Antrag nur entsprochen werden, wenn das Erscheinen des Angeklagten wegen weiter Entfernung besonders erschwert war. Jetzt können auch andere Gründe berücksichtigt werden, wie Gebrechlichkeit, Unabkömmlichkeit, übermäßige Opfer an Zeit und Geld. Neben den Belangen des Angeklagten sind die Bedeutung der Sache und die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage, vor allem aber die Erfordernisse der Sachaufklärung in Betracht zu ziehen. So ist für die Befreiung kein Raum, wenn das Gericht die Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung für die Beurteilung von Zeugenaussagen, für eine Gegenüberstellung oder für die Gewinnung des persönlichen Eindrucks zur besseren Wahrheitserforschung für erforderlich hält.33 Dass auch das Recht auf Gehör bei Teilnahme an der Hauptverhandlung besser verwirklicht wird, fällt dagegen für sich allein nicht ins Gewicht, da der Angeklagte mit seinem Freistellungsantrag dessen Einschränkung als Folge seines Fernbleibens selbst in Kauf nimmt.34 Bei der Abwägung aller Gesichtspunkte hat das Gericht einen weiten Ermessensspielraum, der nur in seltenen Ausnahmefällen dadurch eingeengt ist, dass in Bagatellsachen die Ablehnung der Freistellung des Angeklagten und die Erzwingung einer bei der konkreten Verfahrenslage unter keinem Gesichtspunkt erforderlichen Anwesenheit außer Verhältnis zu den ihm daraus erwachsenden Belastungen stehen kann (vgl. § 236, 10). Die Freistellung wird nach dem Wortlaut des § 233 für die ganze Verhandlung ge13 währt. Nach dem Zweck des § 233 (Rücksichtnahme auf andere Belange des Angeklagten) ist es jedoch zulässig, sie auch nur für einen zeitlich oder örtlich begrenzten Teil der Hauptverhandlung zu bewilligen, so, wenn die Verhandlung teils an der Gerichtsstelle, teils an einem anderen Ort stattfindet.35 Nach vorherrschender Ansicht soll die Freistellung des – erschienenen36 – Angeklagten für einzelne sachliche Abschnitte der Hauptverhandlung (etwa die Einvernahme einzelner Zeugen) nicht zulässig sein.37 Dies erscheint indessen nicht folgerichtig. Sind die Voraussetzungen dafür gegeben, dass der Angeklagte von der gesamten Hauptverhandlung freigestellt werden könnte, so ist nicht erkennbar, aus welchem Grund seinem Antrag, nur zu einem bestimmten sachlich umrissenen Teil der Hauptverhandlung nicht erscheinen zu müssen, von vornherein nicht entsprochen werden dürfte.38 Die Entbindung erfordert einen förmlichen Beschluss, konkludentes Handeln des 14 Gerichts genügt nicht.39 Auch die Ablehnung des Antrags verlangt im Interesse der Ver12

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31 KK/Gmel 5; Eb. Schmidt 6; Heinrich 36 f. 32 KMR/Paulus 19. 33 KK/Gmel 5; KMR/Paulus 16; SK/Deiters 10. 34 AK/Keller 4 (keine aufgedrängte Fürsorge); a.A. SK/Deiters 10. 35 OLG Königsberg JW 1930 1109, 1110; Meyer-Goßner/Schmitt 11; SK/Deiters 9. 36 KMR/Paulus 19. 37 RG JW 1933 965; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1978 188; Meyer-Goßner/Schmitt 11; Radtke/Hohmann/Britz 7; zweifelnd an der Praktikabilität SK/Deiters 9. 38 Wie hier HK/Julius 11; MüKo/Arnoldi 8. Soweit RG JW 1933 965 darauf abstellt, dass die Vorschrift nicht die Fortführung der Hauptverhandlung gegen den erschienenen Angeklagten regele, dieser Fall vielmehr abschließend in § 231 normiert sei, wird nicht bedacht, dass der Entbindungsantrag noch in der Hauptverhandlung – auch von dem persönlich erschienen Angeklagten – gestellt werden kann (vgl. Rn. 9). 39 OLG Karlsruhe Justiz 1969 127; Meyer-Goßner/Schmitt 9.

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fahrensklarheit einen vor Erlass des Urteils ergehenden Beschluss.40 Gleiches gilt für die Aufhebung der Befreiung. Die Beschlüsse können innerhalb oder außerhalb der Hauptverhandlung in der jeweils dafür maßgebenden Besetzung ergehen.41 Die einem Antrag stattgebenden Beschlüsse sind nicht unmittelbar anfechtbar und bedürfen daher gemäß § 34 an sich keiner ausdrücklichen Begründung. Da jedoch auch das schriftliche Urteil nicht auf die Voraussetzungen der Abwesenheitsverhandlung eingehen muss (Rn. 48 sowie § 232, 28), erscheint es notwendig, dass das Gericht die für seine Ermessensausübung maßgeblichen Gründe kurz darstellt,42 um eine Grundlage für eine eventuelle revisionsrechtliche Prüfung zu schaffen. Der Beschluss, durch den der Antrag auf Freistellung des Angeklagten oder auf Aufhebung des Freistellungsbeschlusses abgelehnt wird, ist gemäß § 34 zu begründen. Beruht die Ablehnung auf reinen Rechtsgründen (etwa fehlende Ermächtigung des Verteidigers zur Antragsstellung), sind diese darzustellen; liegt ihr eine Ermessenentscheidung des Gerichts zugrunde, sind deren maßgeblichen Gründe kurz darzulegen. Hält das Gericht die persönliche Anwesenheit des Angeklagten nachträglich für 15 notwendig oder sachdienlich, kann es die Freistellung jederzeit aufheben und das persönliche Erscheinen (§ 236) anordnen (vgl. § 236, 9 ff.). Dies wird insbesondere dann notwendig, wenn sich die Rechtsfolgenerwartung ändert und sich als Folge hieraus die zu verhängenden Sanktionen voraussichtlich nicht mehr im Rahmen des Absatzes 1 halten werden.43 Unter den entsprechenden Voraussetzungen kann dann das Erscheinen des dennoch ausbleibenden Angeklagten durch Vorführungs- oder Haftbefehl erzwungen werden (§ 230 Abs. 2). V. Bekanntmachung der Entscheidung Ein außerhalb der Hauptverhandlung ergehender Beschluss ist den Verfahrensbe- 16 teiligten mitzuteilen. Auch wenn keine Frist in Lauf gesetzt wird (vgl. § 35 Abs. 2 Satz 2), erscheint als Form der Mitteilung die Zustellung an den Angeklagten sowohl beim stattgebenden wie beim ablehnenden Beschluss geboten, da er von dieser für den weiteren Verfahrensverlauf bedeutsamen Entscheidung sicher unterrichtet sein muss.44 Dass und wann der Beschluss zugegangen ist, bedarf auch deshalb eines sicheren Nachweises, weil dies für spätere Entscheidungen (Aussetzungsantrag, Frage der genügenden Entschuldigung des Fernbleibens usw.) bedeutsam werden kann. Früher wurde die Zustellung an den Angeklagten persönlich gefordert.45 Nach Einführung des § 145a Abs. 1 muss jedoch auch die Zustellung an den Verteidiger für zulässig erachtet werden, zumal die unmittelbare Unterrichtung des Angeklagten über die Bescheidung seines Antrags durch § 145a Abs. 3 gesichert ist.46 Der Beschluss soll dem Angeklagten so zeitig zugehen, dass er Zeit hat, sich über sein weiteres Verhalten schlüssig zu werden, insbesondere seine Verteidigung auf die durch den Beschluss geschaffene Verfahrenslage einzustellen.47

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40 OLG Schleswig bei Ernesti/Lorenzen SchlHA 1980 174; Küper JR 1971 326. 41 A.A. Radtke/Hohmann/Britz 14 („in der für die Hauptverhandlung vorgesehenen Besetzung“). 42 SSW/Grube 11; a.A. Meyer-Goßner/Schmitt 10; Radtke/Hohmann/Britz 14. 43 Vgl. OLG Hamburg MDR 1968 344. 44 Vgl. BayObLG NJW 1970 1055, 1056; Küper NJW 1974 1929; wie hier KK/Gmel 8; KMR/Paulus 20; Meyer-Goßner/Schmitt 13; SK/Deiters 11. 45 RGSt 44 47, 48; 62 259 f.; OLG Schleswig SchlHA 1964 70, 71. 46 KK/Gmel 9; KMR/Paulus 20; Meyer-Goßner/Schmitt 13; SK/Deiters 11; a.A. BayObLG NJW 1970 1055, das § 145a Abs. 1 aber nicht erörtert und daher möglicherweise übersehen hat. 47 RGSt 29 69, 70; BayObLG NJW 1970 1055, 1056; KK/Gmel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 13; SK/Deiters 11.

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Die Verkündung des Beschlusses in der Hauptverhandlung genügt, wenn der Angeklagte bei der Verkündung anwesend ist (§ 35 Abs. 1 Satz 1) oder wenn der dazu bevollmächtigte Verteidiger den Antrag in Abwesenheit des Angeklagten erst in der Hauptverhandlung gestellt hat. In diesem Fall ist der Verteidiger berechtigt, die Entscheidung des Gerichts über seinen Antrag entgegenzunehmen. Der Schutz des Angeklagten erfordert dann auch bei einer ablehnenden Entscheidung nicht die Zustellung, denn der Angeklagte muss in diesem Fall damit rechnen, dass das Gericht, soweit zulässig, die Hauptverhandlung in seiner Abwesenheit fortführt.48 Wird der Beschluss dagegen in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers verkündet, ist er ihnen wie ein außerhalb der Hauptverhandlung ergangener Beschluss zuzustellen.49 VI. Vorbereitung der Hauptverhandlung 1. Vernehmung des Angeklagten (Absätze 2 und 3)

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a) Zweck. Die Vernehmung nimmt einen wichtigen Teil der Hauptverhandlung vorweg, auch wenn sie kein vorgezogener Teil der Hauptverhandlung im technischen Sinn ist.50 Sie hat deshalb dem Angeklagten so weit wie möglich die Verteidigungsmöglichkeiten zu gewähren, die er sonst bei Teilnahme an der Hauptverhandlung hätte. Er muss sich deshalb zum ganzen Prozessstoff, zu allen erhobenen Vorwürfen, zu den vorhandenen Beweismitteln und zu den ihm drohenden Rechtsfolgen umfassend äußern können. Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs ist die Vernehmung nach Befreiung zwingend (Absatz 2 Satz 1) und zwar auch dann, wenn der Angeklagte bereits im Ermittlungsverfahren richterlich vernommen worden war.51 Wird dem Angeklagten im Berufungsrechtszug wiederum Befreiung von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung gewährt, gebietet es Art. 103 Abs. 1 GG wegen des zwischenzeitlich ergangenen erstinstanzlichen Urteils, die Vernehmung nach Absatz 2 Satz 1 auch dann zu wiederholen, wenn bereits in der ersten Instanz eine solche Vernehmung stattgefunden hat.52

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48 BGHSt 25 281, 284; dazu Küper NJW 1974 1931 sowie JR 1971 325, 326 f. Früher forderte die Rechtsprechung auch bei Antragstellung in der Hauptverhandlung die Zustellung an den Angeklagten: RGSt 44 47, 48; 62 259 f.; 63 10, 11 f.; BayObLG NJW 1970 1055, 1056; OLG Hamm NJW 1969 1129, 1130; OLG Schleswig SchlHA 1964 70, 71. Die Verkündung in der Hauptverhandlung in Gegenwart des Verteidigers wurde nur dann als ausreichend angesehen, wenn der Antrag mangels Vollmacht des Verteidigers unwirksam war oder auf Rechtsmissbrauch beruhte (BayObLGSt 1972 47, 50 f.). Wie hier KK/Gmel 10; KMR/Paulus 20; Meyer-Goßner/Schmitt 13; SK/Deiters 12. 49 KMR/Paulus 20; SK/Deiters 12. 50 Soweit Rechtsprechung und Schrifttum vom „vorweggenommenen Teil der Hauptverhandlung“ sprechen (etwa BGHSt 25 42, 43; BayObLGSt 1974 35, 37; OLG Hamburg GA 1968 375; NJW 1972 2322; OLG Karlsruhe Justiz 1979 447; KK/Gmel 12; Meyer-Goßner/Schmitt 15), kennzeichnen sie damit – in Abgrenzung zu sonstigen richterlichen Vernehmungen – die besondere Funktion dieser aus der Hauptverhandlung herausgenommenen richterlichen Anhörung des Angeklagten, die ihm möglichst alle Verteidigungsmöglichkeiten eröffnen soll, die er sonst in der Hauptverhandlung hätte; abweichend KMR/Paulus 4 (Urkundenbeweis vorbereitende Beweismittelbeschaffung); MüKo/Arnoldi 11 (Surrogat für das Recht des Angeklagten auf rechtliches Gehör in der mündlichen Verhandlung); SK/Deiters 15; SSW/Grube 16. 51 OLG Schleswig NJW 1966 67, 68; bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1971 216; KMR/Paulus 23. 52 OLG Schleswig NJW 1966 67, 68; KMR/Paulus 23; Meyer-Goßner/Schmitt 14; ferner die Nachw. Fn. 8 und 9. BayObLGSt 1956 20 lässt dies offen, sofern der Angeklagte sich nicht ergänzend äußern will; a.A. RG JW 1931 1604.

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b) Vernehmung durch beauftragten oder ersuchten Richter (Absatz 2 Satz 1) aa) Zuständigkeit und Verfahrensfragen. Die Vernehmung obliegt dem ersuch- 19 ten oder beauftragten Richter. Auch ein deutscher Konsul im Ausland (§ 15 Abs. 1 und 4 Konsulargesetz) oder ein ausländischer Richter kann darum ersucht werden.53 Erscheint der Angeklagte vor dem ersuchten oder beauftragten Richter nicht, so stehen diesem die Zwangsmittel des § 230 Abs. 2 zu.54 Der ersuchte Richter kann selbst im Verfahren nach Einspruch gegen einen Strafbefehl den unentschuldigt ausbleibenden Angeklagten vorführen lassen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwingt nicht dazu, in diesem Fall den Beschluss nach § 233 Abs. 1 aufzuheben und dann nach §§ 411, 412 zu verfahren.55 Ob das erkennende Gericht mit bindender Wirkung den ersuchten Richter anweisen kann, die Vorführung des Angeklagten bei Nichterscheinen anzuordnen, ist fraglich.56 Das Vernehmungsersuchen wird nicht dadurch unzulässig, dass der Angeklagte er- 20 klärt, er werde in der Hauptverhandlung erscheinen und sich selbst verteidigen.57 Der Angeklagte ist aber unter Hinweis auf seine dann bestehende Teilnahmepflicht zu befragen, ob er damit auf die Freistellung überhaupt verzichten will. Bei einem nachträglichen Verzicht auf Freistellung wird das Rechtshilfeersuchen gegenstandslos,58 sofern in ihm nicht auch vorsorglich darum ersucht wurde, den Angeklagten auf jeden Fall zur Anklage zu vernehmen, etwa, um bei Scheitern des Verfahrens nach § 233 über eine nach § 232 Abs. 3 verlesbare richterliche Vernehmungsniederschrift zu verfügen.59 Wenn das Gericht um die Vernehmung des Angeklagten für den Fall ersucht, dass er die Befreiung von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung beantragt, ist die Vernehmung durch den ersuchten Richter trotz Fehlen des Freistellungsantrags zulässig;60 um das Erscheinen des Angeklagten zu erreichen, darf der ersuchte Richter allerdings keine Zwangsmittel nach § 230 Abs. 2 anwenden.61 Teilt der hierzu befragte62 Angeklagte mit, er wolle seine Freistellung nicht beantragen, gilt das zum nachträglichen Verzicht auf die Freistellung Gesagte entsprechend. bb) Benachrichtigungen (Absatz 3 Satz 1). Von dem Termin zur Vernehmung des 21 Angeklagten sind nach Absatz 3 Satz 1 Halbsatz 1 Staatsanwaltschaft und Verteidiger zu benachrichtigen. Da die Vernehmung des Angeklagten einer solchen nach § 243 Abs. 5 Satz 2 gleichsteht, gilt dies aber auch für die Mitangeklagten63 sowie die anderen anwe-

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53 KMR/Paulus 23; Meyer-Goßner/Schmitt 17; zur Frage, wieweit eine Vernehmung durch eine andere ausländische Stelle einer richterlichen Vernehmung gleichzustellen ist, vgl. bei § 223 und § 251. 54 BGHSt 25 42, 43; OLG Bremen GA 1962 344, 345; OLG Frankfurt NJW 1974 430; OLG Hamburg GA 1968 375; NJW 1972 2322; KG GA 59 (1912) 473; 74 (1930) 213; 74 (1930) 306, 307; a.A. MüKo/Arnoldi 17; SK/Deiters 19. Nach HK/Julius 5 soll beim Nichterscheinen des Angeklagten zu erwägen sein, ob dessen Antrag auf Freistellung noch als aufrechterhalten angesehen werden kann. 55 OLG Hamburg GA 1962 375. 56 Dazu Frössler NJW 1972 517; vgl. bei § 158 GVG. 57 OLG Bremen GA 1962 344, 345; OLG Koblenz RPfleger 1973 61; KMR/Paulus 25; Meyer-Goßner/Schmitt 17; SK/Deiters 13. 58 KMR/Paulus 25; SK/Deiters 13. 59 Auch insoweit liegt kein schlechthin unzulässiges Ersuchen vor, das die Ablehnung der Rechtshilfe nach § 158 GVG rechtfertigen könnte (vgl. bei § 158 GVG). 60 Vgl. Rn. 7 m.w.N.; ferner bei § 158 GVG. 61 BGHSt 25 42, 43; OLG Frankfurt NJW 1974 430; OLG Hamburg NJW 1972 2322; OLG Hamm NdsRpfl. 1984 47, 48; KG GA 74 (1930) 213; 74 (1930) 306; KK/Gmel 14; Meyer-Goßner/Schmitt 17. 62 OLG Hamm NdsRPfl. 1984 47, 48. 63 RGSt 57 271, 272; AK/Keller 8; KK/Gmel 15; KMR/Paulus 26; Meyer-Goßner/Schmitt 18; Pfeiffer 4; SK/Deiters 16.

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senheitsberechtigten Verfahrensbeteiligten, etwa den Nebenkläger (§ 397 Abs. 1 Satz 1), den nebenklageberechtigten Verletzten (§ 406h Abs. 1 Satz 2, der insoweit § 406h Abs. 2 Satz 3 vorgeht), den sonstigen Verletzten (vgl. § 406g Abs. 1 Satz 2) samt den anwaltlichen Beiständen bzw. Vertretern (§ 397 Abs. 2 Satz 2; § 406h Abs. 2 Satz 1 und 2) sowie psychosozialen Prozessbegleitern (§ 406g Abs. 1 Satz 2),64 aber auch etwa den Vertreter der Finanzbehörde in Steuerstrafsachen.65 Sie können auf die Benachrichtigung ebenso verzichten wie im Falle des § 224. Die Staatsanwaltschaft soll dies in geeigneten Fällen tun.66 Unterbleibt die Benachrichtigung, so ist das Protokoll über die Vernehmung in der Hauptverhandlung nicht verlesbar, wenn der nicht verständigte Prozessbeteiligte der Verlesung widerspricht;67 dies gilt indes nur, soweit der Beteiligte über das Anwesenheitsrecht hinaus mit weiteren Verfahrensrechten ausgestattet ist, also etwa nicht für den nebenklageberechtigten Verletzten vor Anschluss als Nebenkläger und den sonstigen Verletzten. Eine Verpflichtung zur Teilnahme an der Vernehmung wird durch die Mitteilung 22 nicht begründet (Absatz 3 Satz 1 Halbsatz 2), auch nicht für den notwendigen Verteidiger.68 Die anwesenden Verfahrensbeteiligten haben – soweit ihnen die entsprechende Befugnis eingeräumt ist (etwa § 397 Abs. 1 Satz 3) – ebenso wie in der Hauptverhandlung das Fragerecht nach § 240 Abs. 2.69 Reichen sie statt der Teilnahme schriftlich Fragen ein, sind auch diese, soweit zulässig, dem Angeklagten zu stellen (s. bei § 223). cc) Inhalt der Vernehmung. Mit der Vernehmung über die Anklage ist die Vernehmung über die Anschuldigung gemeint, wie sie im Eröffnungsbeschluss zur Hauptverhandlung zugelassen ist (§ 243 Abs. 3 Satz 3 und 4), einschließlich des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen. Der Angeklagte muss über die in der Anklageschrift gegen ihn vorgebrachten Tatsachen und zu allen zur Verwendung in der Hauptverhandlung vorgesehenen persönlichen und sächlichen Beweismitteln gehört werden (vgl. § 257). Ist bereits bei Anordnung der Vernehmung erkennbar, dass gegenüber der zugelassenen Anklage die Veränderung eines rechtlichen Gesichtspunkts in Betracht kommt, kann der gebotene Hinweis nach § 265 Abs. 1 auf Ersuchen des Vorsitzenden bereits bei der Vernehmung erteilt werden, damit der Angeklagte auch dazu Stellung nehmen kann. Der vernehmende Richter kann aber auch von sich aus einen solchen Hinweis erteilen, wenn ihm dies auf Grund des Ergebnisses der Vernehmung angezeigt erscheint.70 Da die Verlesung des Protokolls in der Hauptverhandlung die mündliche Anhörung 24 des Angeklagten ersetzt, muss sich die Vernehmung des Angeklagten auch auf seine persönlichen Verhältnisse (§ 243 Abs. 2 Satz 2) erstrecken. Der Angeklagte muss ferner Gelegenheit haben, sich zu den in Betracht kommenden Rechtsfolgen71 und zu etwaigen Auflagen und Weisungen nach § 265a zu äußern. 23

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dd) Belehrungen. Die Vernehmung des Angeklagten steht seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung gleich. Deshalb ist er vor der Vernehmung zur Anklage in ent-

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64 Vgl. dazu auch die Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf für das 3. OpferRRG, BTDrucks. 18 4621 S. 30 f. 65 § 407 Abs. 1 Satz 3 AO schreibt die Benachrichtigung der Finanzbehörde vom Vernehmungstermin vor. 66 RiStBV Nr. 120 Abs. 2. 67 OLG Braunschweig DAR 1992 392; KK/Gmel 15; Meyer-Goßner/Schmitt 18; SK/Deiters 17. 68 KMR/Paulus 26; Eb. Schmidt 15. 69 AK/Keller 8; SK/Deiters 16. 70 KMR/Paulus 24. 71 KK/Gmel 13.

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sprechender Anwendung des § 243 Abs. 5 Satz 1 darauf hinzuweisen, dass es ihm freistehe, sich zur Anklage zu äußern oder nicht auszusagen.72 Die Belehrung des Angeklagten über die Rechtsfolgen, auf die nach Absatz 1 in sei- 26 ner Abwesenheit erkannt werden darf, schreibt Absatz 2 Satz 2 zwingend vor,73 desgleichen die Befragung, ob er seinen Befreiungsantrag aufrecht hält. Hierdurch soll der Angeklagte Gelegenheit erhalten, zu den rechtsfolgenrelevanten Umständen Stellung zu nehmen. Er soll vor den Folgen einer unbedachten, übereilten Antragstellung und vor Überraschungen bezüglich des Ergebnisses der Hauptverhandlung geschützt werden.74 Daher sollten Belehrung und Befragung erst am Ende der Vernehmung vorgenommen werden.75 Erklärt sich der Angeklagte nicht ausdrücklich zur Aufrechterhaltung seines Antrags, ist von dessen Fortbestand auszugehen; anders nur, wenn die Vernehmung bereits vor der Antragstellung angeordnet wurde (vgl. Rn. 7). ee) Protokollierung. In das Protokoll über die Vernehmung des Angeklagten 27 (§§ 168, 168a) ist zunächst der Hinweis nach § 243 Abs. 5 Satz 1 sowie der Inhalt der Einlassung des Angeklagten zur Person und zur Sache aufzunehmen. Ein eventuell nach § 265 erteilter Hinweis muss ebenso protokolliert werden wie Verfahrenserklärungen des Angeklagten, die für den Ablauf der späteren Hauptverhandlung relevant sind (vgl. Rn. 43). Festzuhalten sind weiterhin die Belehrung und Befragung nach Absatz 2 Satz 2 sowie das Ergebnis dieser Befragung. In das Protokoll aufzunehmen ist ferner, wenn der Angeklagte auf die Ladung zur Hauptverhandlung oder die Teilnahme an dieser ausdrücklich verzichtet. c) Vernehmung im Wege der Bild-Ton-Übertragung (Absatz 2 Satz 3) aa) Zweck der Vorschrift; Kritik. Die dem Gericht eingeräumte Befugnis, den An- 28 geklagten im Wege der Videokonferenztechnik selbst zur Anklage zu vernehmen, statt die Vernehmung durch einen beauftragten oder ersuchten Richter durchführen zu lassen, dient der Verfahrensbeschleunigung, da sie es ermöglicht, eine zeitaufwendige Versendung der Akten zu vermeiden. Damit verbunden ist der Vorteil, dass der in die Sache eingearbeitete „erkennende“ Richter die Vernehmung vornimmt,76 was deren Qualität steigern kann. Im Hintergrund steht das mit dem VidVerfG allgemein verfolgte Anliegen, die Belastung von Verfahrensbeteiligten durch Zeit- und Reiseaufwand im Wege des Einsatzes moderner Kommunikationstechniken zu reduzieren.77 Die mit § 233 schon bisher, jedoch allein mit Blick auf den Angeklagten, verbundene Intention (Rn. 1) soll somit verstärkt werden. Die Umsetzung dieses Anliegens durch den Gesetzgeber ist indes gründlich miss- 29 glückt. Während Wortlaut und Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrates dahin zu verstehen waren, dass die Vernehmung des Angeklagten über die Anklage Teil der Hauptverhandlung sein sollte,78 ist aufgrund der Beratungen im Rechtsausschuss aus-

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72 Meyer-Goßner/Schmitt 15; Eb. Schmidt Nachtr. I 4. 73 OLG Oldenburg NdsRPfl. 1955 140. 74 OLG Oldenburg NdsRpfl. 1955 140. 75 KMR/Paulus 25; Radtke/Hohmann/Britz 18; a.A. HK/Julius 5. 76 Gesetzentwurf des Bundesrates BTDrucks. 17 1224 S. 14; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses BTDrucks. 17 12418 S. 19. 77 Gesetzentwurf des Bundesrates BTDrucks. 17 1224 S. 1 f.; Stellungnahme der Bundesregierung BTDrucks. 17 1224 S. 16. 78 BTDrucks. 17 1224 S. 9, 11; die Regelung wäre dann allerdings systematisch stimmiger in § 243 Abs. 5 oder § 247a aufzunehmen gewesen.

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drücklich in den Wortlaut des § 233 Abs. 2 Satz 3 aufgenommen worden, dass diese Vernehmung „außerhalb der Hauptverhandlung“ durchgeführt wird.79 Dabei handelt es sich aber entgegen der Auffassung des Rechtsausschusses nicht nur um eine redaktionelle Änderung und den Versuch, das gesetzgeberische Anliegen stärker herauszuarbeiten. Vielmehr gewinnt die Vernehmung damit eine völlig andere Qualität; denn da sie nicht Teil der Hauptverhandlung ist, muss sie, um für das Urteil verwertbar zu sein, erst in diese eingeführt werden (§ 261). Wie dies geschehen soll, bleibt unerfindlich; ob der Gesetzgeber eine entsprechende Regelung schlicht vergessen oder mit Bedacht unterlassen hat, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Jedenfalls hat er damit ein von ihm mit der Vorschrift verfolgtes Ziel in weitem Umfang konterkariert (zu den Konsequenzen s. Rn. 38). 30

bb) Anordnung der audiovisuellen Vernehmung. Ob die Vernehmung des Angeklagten über die Anklage statt durch einen beauftragten oder ersuchten Richter im Wege der Videokonferenztechnik durchgeführt wird, hat das Gericht (vgl. Rn. 12) nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Da im Hinblick auf die nach § 233 Abs. 1 Satz 1 allein in Betracht kommenden Rechtsfolgen für ein Vorgehen nach § 233 in aller Regel nur Verfahren vor dem Strafrichter in Betracht kommen, wird sich insoweit die Besetzungsfrage im Allgemeinen nicht stellen; sollte dennoch ausnahmsweise das Verfahren vor einem Spruchkörper anhängig sein, so hat dieser seine Entscheidung in der jeweils maßgeblichen Besetzung (s. Rn. 14) zu treffen. Bei der Ausübung des Ermessens ist zu beachten, dass grundsätzlich die Vernehmung des Angeklagten durch das mit der Sache befasste Gericht unter dem Gesichtspunkt der Wahrheitserforschung (§ 244 Abs. 2) effektiver sein wird als die Anhörung durch einen beauftragten oder ersuchten Richter; steht die entsprechende technische Ausstattung zur Verfügung, so wird die audiovisuelle Vernehmung daher regelmäßig vorzugswürdig sein, zumal dies auch der Zwecksetzung des Gesetzgebers entspricht.80 Dem steht auch nicht entgegen, dass deren Ergebnis nach bisherigem Gesetzesstand nur in unzureichendem Maße in die Hauptverhandlung eingeführt werden kann (s. Rn. 38). Entsprechend der bisherigen Handhabung (Rn. 7) ist es als zulässig zu erachten, dass das Gericht schon vor einem Antrag des Angeklagten nach § 233 Abs. 1 Satz 1 dessen Entbindung von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung sowie dessen Videovernehmung für den Fall anordnet, dass dieser nach diesbezüglicher Belehrung während der audiovisuellen Vernehmung einen solchen Antrag stellt.

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cc) Durchführung der audiovisuellen Vernehmung. Die äußeren Umstände der Vernehmung legt das Gesetz lediglich dahin fest, dass sich der Angeklagte an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Vernehmung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Angeklagte aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. Wo genau sich der Angeklagte bei der Vernehmung zu befinden hat, ist indes nicht geregelt. Es versteht sich aber von selbst, dass – unabhängig von der Frage der technischen Ausstattung – nicht jede denkbare, auch private Örtlichkeit für die Durchführung der Vernehmung in Betracht kommt. Vielmehr muss gewährleistet sein, dass diese in rechtlich geordneten Bahnen und insbesondere ohne (unzulässige) äußere Einflüsse auf den Angeklagten abläuft. Dies wird regelmäßig allein der Fall sein, wenn sich der Angeklagte in einem Gerichtsgebäude aufhält, da nur dort die notwendigen organisatorischen Maßnahmen getroffen werden können.81 Dorthin ist er zu laden.

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BTDrucks. 17 12418 S. 9, 19. SSW/Grube 15. So auch MüKo/Arnoldi 15.

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Für die sonstigen Verfahrensbeteiligten bestehen keine besonderen Regelungen. 32 Es gilt daher zunächst Absatz 3 Satz 1. Staatsanwaltschaft und Verteidiger (sowie sonstige Anwesenheitsberechtigte, s. Rn. 21) sind von dem Vernehmungstermin zu benachrichtigen; anwesend sein müssen sie nicht. Nehmen sie teil, so stellt sich jedoch die Frage, wo sie sich während der Vernehmung aufhalten dürfen oder müssen. Da § 233 Abs. 2 Satz 3 vom „Sitzungszimmer“ spricht, könnte dies suggerieren, dass sich Staatsanwalt und Verteidiger an dem Ort aufzuhalten haben, von dem aus das Gericht die Vernehmung durchführt. Dies trifft aber nicht zu. Der Begriff des „Sitzungszimmers“ dürfte ein versehentliches Überbleibsel aus dem ursprünglichen Gesetzentwurf des Bundesrates sein, der die audiovisuelle Vernehmung des Angeklagten noch als Teil der Hauptverhandlung ansah (Rn. 29). Dies ist in der Gesetz gewordenen Fassung aber ausdrücklich anders geregelt. Da die Vernehmung des Angeklagten danach außerhalb der Hauptverhandlung stattfindet, steht es den Anwesenheitsberechtigten frei, ob sie an ihr an dem Ort, wo sich der Angeklagte befindet, oder am Aufenthaltsort des Gerichts teilnehmen wollen.82 Insbesondere für den Verteidiger wird es nahe liegen, sich bei dem Angeklagten aufzuhalten, da nur dort die unmittelbare, ungestörte und insbesondere auch vertrauliche Kommunikation mit diesem gewährleistet ist. Dementsprechend muss bei der Terminsbenachrichtigung nach § 233 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 sowohl mitgeteilt werden, von wo aus das Gericht die Vernehmung durchführt, als auch, wo sich der Angeklagte während der Vernehmung befindet. Für die inhaltliche Ausgestaltung der Vernehmung bestehen keine Besonderhei- 33 ten. Die Belehrungspflicht nach § 233 Abs. 2 Satz 2 gilt auch für die audiovisuelle Vernehmung nach Satz 3. Im Übrigen ist der Angeklagte zu seinen persönlichen Verhältnissen anzuhören (§ 243 Abs. 2 Satz 2), nach § 243 Abs. 5 Satz 1 zu belehren und im Falle seiner Aussagebereitschaft nach Maßgabe des § 243 Abs. 5 Satz 2 zur Sache zu vernehmen (zu den Einzelheiten s. Rn. 18 und 23 ff.). Die einzig sinnvolle Form der Dokumentation der audiovisuellen Vernehmung 34 des Angeklagten durch deren Aufzeichnung in Wort und Bild hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen.83 Er straft damit seine angebliche technische Fortschrittlichkeit selbst Lügen. Über die möglichen Gründe soll hier nicht räsoniert werden. Vielmehr ist festzuhalten, dass es auch im Falle der audiovisuellen Vernehmung des Angeklagten bei der Protokollierung nach §§ 168, 168a verbleibt (s. Rn. 27), wie sich auch aus dem unverändert gebliebenen § 233 Abs. 3 Satz 2 ergibt. 2. Ladung des Angeklagten zur Hauptverhandlung. Auch ein vom Erscheinen 35 entbundener Angeklagter muss zu dem Hauptverhandlungstermin geladen werden,84 da sein Recht zum Erscheinen bestehen bleibt;85 er kann sich auch veranlasst finden, einen Vertreter (§ 234) zu bestellen.86 Die Ladung des bestellten Verteidigers allein genügt nicht.87 Wenn die Voraussetzungen des § 145a Abs. 2 vorliegen, kann die Ladung auch dem Verteidiger zugestellt werden.88 Die Warnung gemäß § 216 fällt weg;89 zur Vermeidung eines Missverständnisses ist der Angeklagte nach Nr. 120 Abs. 3 Satz 2 RiStBV in

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Ebenso MüKo/Arnoldi 15. Kritisch auch MüKo/Arnoldi 15. OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1977 181; vgl. RiStBV Nr. 120 Abs. 3 Satz 1. Vgl. RGSt 21 100; BGHSt 12 367, 371. RGRspr. 4 230. RGSt 21 100. SK/Deiters 20. RGSt 21 100; KK/Gmel 16; KMR/Paulus 29; Meyer-Goßner/Schmitt 19; SK/Deiters 20.

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der Ladung darauf hinzuweisen, dass er nicht zu erscheinen brauche. Verzichtet der Angeklagte ausdrücklich auf die Ladung, so kann sie unterbleiben. VII. Verfahren in der Hauptverhandlung 1. Verlesung des Vernehmungsprotokolls (Absatz 3 Satz 2). Die Verlesung des Protokolls über die Vernehmung nach Absatz 2 soll die mündliche Anhörung des Angeklagten vollständig ersetzen. Das Protokoll ist deshalb zu dem in § 243 Abs. 5 Satz 2 bestimmten Zeitpunkt zu verlesen.90 Der Vorsitzende ordnet nach Absatz 3 Satz 2 die Verlesung an. Eines besonderen Gerichtsbeschlusses bedarf es nicht.91 Die Verlesung der Niederschrift nach Absatz 3 Satz 2 erübrigt sich, wenn der Angeklagte trotz seiner Freistellung erscheint und in der Hauptverhandlung zur Sache vernommen wird. Macht er von seinem Schweigerecht Gebrauch, kommt die Verlesung nach §§ 249, 254 Abs. 1 in Betracht (Rn. 46). Die Notwendigkeit der Verlesung nach § 233 Abs. 3 Satz 2 entfällt nicht schon deshalb, weil ein vertretungsberechtigter Verteidiger (§ 234) die Sachdarstellung des abwesenden Angeklagten vorträgt.92 Ergeben sich hierbei Widersprüche zwischen dem Inhalt des Protokolls und der Erklärung des Verteidigers, wird der Freistellungsbeschluss aufzuheben sein und der Angeklagte in der Hauptverhandlung erneut befragt werden müssen (Rn. 44). Erklärungen, auf die der Angeklagte bei der Vernehmung Bezug genommen hat, 37 wie schriftliche Äußerungen und Niederschriften über frühere Vernehmungen, sind mit zu verlesen, wenn auf sie in einer Weise Bezug genommen ist, dass sie zu Teilen des Protokolls geworden sind.93 Ob auch die Verlesung der Niederschrift über eine frühere richterliche Vernehmung an diese Voraussetzung zu knüpfen ist, kann zweifelhaft sein, weil § 254 die Verlesung solcher Niederschriften unter den dort genannten Voraussetzungen gestattet. Die Vorschrift geht jedoch von der Anwesenheit des Angeklagten aus und setzt deshalb voraus, dass der Angeklagte dazu Stellung nehmen kann. Man wird deshalb die Verlesung früherer, gerichtlicher Protokolle für zulässig halten dürfen, wenn sie der beauftragte oder ersuchte Richter ebenfalls gemäß § 254 verlesen hat und die von ihm aufgenommene Niederschrift erkennen lässt, wie der Angeklagte darauf reagiert, insbesondere welche Erklärungen er abgegeben hat.94 Fehlt es an dieser Voraussetzung, bestehen Bedenken gegen die Verlesbarkeit. Das Gericht müsste vielmehr die nochmalige kommissarische Vernehmung des Angeklagten anordnen, um Widersprüche zwischen verschiedenen Aussagen aufzuklären, oder nach § 236 verfahren, um selbst den Angeklagten dazu zu hören.95 Da eine Aufzeichnung der audiovisuellen Vernehmung nicht vorgesehen ist, fehlt 38 es konsequenterweise auch an einer Bestimmung, die es erlaubt, eine derartige Aufzeichnung in die Hauptverhandlung einzuführen und sie so zu deren Inbegriff zu machen (§ 261). Es muss daher bei der Protokollverlesung nach § 233 Abs. 3 Satz 2 sein Be36

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90 KMR/Paulus 29; Meyer-Goßner/Schmitt 20. 91 KMR/Paulus 29; Meyer-Goßner/Schmitt 20; Pfeiffer 5. 92 Spendel JZ 1959 739 f.; KK/Gmel 17; KMR/Paulus 29; Meyer-Goßner/Schmitt 20; Pfeiffer 5; SSW/Grube 25; in diesem Sinne auch BayObLGSt 1974 35, 37 (im Ergebnis allerdings offen gelassen); a.A. SK/Deiters 24. 93 AK/Keller 9; Meyer-Goßner/Schmitt 20. 94 S. demgegenüber SK/Deiters 22: Die Niederschrift über die frühere richterliche Vernehmung kann vom beauftragten oder ersuchten Richter nur als Vorhalt in sein Protokoll aufgenommen und mit diesem in der Hauptverhandlung verlesen werden; Grundlage der Beweiswürdigung können aber nur die protokollierten Angaben des Angeklagten zu diesem Vorhalt sein. 95 AK/Keller 9; Eb. Schmidt 18; a.A. RG JW 1928 2718, 2719.

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wenden haben. Anstelle einer wesentlich authentischeren Bild-Ton-Aufzeichnung der Vernehmung, die einen deutlich aussagekräftigeren, unmittelbareren und komplexeren Eindruck von deren Inhalt und Ablauf liefern könnte, bleibt dem erkennenden Gericht lediglich deren durch das Vernehmungsprotokoll gefilterte Verschriftlichung. Alles, was dort nicht enthalten ist, wird auch nicht zum Inbegriff der Hauptverhandlung und darf daher vom Gericht bei seiner Überzeugungsbildung nicht verwertet werden, mag es sich daran auch noch so gut aus der Durchführung der audiovisuellen Vernehmung erinnern. Damit ist ein wesentlicher Vorteil verspielt, den diese Form, den Angeklagten außerhalb der Hauptverhandlung zum Tatvorwurf anzuhören, für die Wahrheitsfindung hätte eröffnen können. 2. Anträge und Erklärungen des Angeklagten a) Beweisanträge. Die vom Angeklagten bei seiner Vernehmung nach Absatz 2 39 gestellten Beweisanträge werden dem Gericht mit Verlesung des Protokolls zur Kenntnis gebracht. Sie sind so zu behandeln, wie wenn sie in der Hauptverhandlung selbst gestellt wären.96 Das gilt auch dann, wenn sich der Angeklagte gemäß § 234 durch einen Verteidiger vertreten lässt und dieser es unterlässt, die Anträge zu wiederholen.97 Der vertretungsberechtigte Verteidiger ist aber befugt, den Antrag zurückzunehmen.98 Die Entscheidung des erkennenden Gerichts über einen solchen Antrag ergeht in der Hauptverhandlung.99 Sie braucht dem Angeklagten nicht bekannt gemacht zu werden.100 Dem Vorsitzenden ist es unbenommen, nach § 214 die Zeugen zur Hauptverhandlung zu laden, die in einem in der Vernehmungsniederschrift gestellten Beweisantrag benannt worden sind. Über den Antrag selbst entscheiden darf er nicht; eine vorzeitige Ablehnung wäre unbeachtlich und würde das Gericht nicht von der Verpflichtung entbinden, in der Hauptverhandlung über den Beweisantrag zu entscheiden.101 Nicht bei der Vernehmung zu Protokoll erklärte, sondern dem Gericht auf anderem Weg zugeleitete schriftliche Beweisanträge des Angeklagten sind dagegen nicht als solche i.S.d. § 244 Abs. 3 bis 6 anzusehen. Sie sind nach § 219 zu behandeln.102 Sind sie nicht vor der Hauptverhandlung beschieden worden, muss sie der Vorsitzende in der Hauptverhandlung zur Sprache bringen, damit das Gericht darüber entscheiden kann.103 Den Beweisanträgen ist nur stattzugeben, wenn es die Aufklärungspflicht erfordert. Anders liegt es, wenn der Vorsitzende die Bescheidung der Anträge in der Hauptverhandlung zugesagt hat. Dann ist aus Gründen des Vertrauensschutzes gemäß § 244 Abs. 3 bis 6 zu verfahren.104 b) Sonstige Anträge und Erklärungen, die mit der Vernehmungsniederschrift in 40 die Hauptverhandlung eingeführt werden, gelten ebenfalls als in der Hauptverhandlung

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96 RGSt 10 135, 137; 19 249; 40 354, 356; BayObLGSt 1955 267; BayObLG bei Rüth DAR 1964 243; KK/Gmel 18; KMR/Paulus 32; Meyer-Goßner/Schmitt 22; SK/Deiters 23; Alsberg/Güntge 738. 97 RGSt 10 135, 138 f.; RG JW 1916 1026 m. Anm. Alsberg; KMR/Paulus 32; Meyer-Goßner/Schmitt 22; Alsberg/Güntge 738. 98 KMR/Paulus 32; Meyer-Goßner/Schmitt 22; Alsberg/Güntge 738; offen gelassen in RGSt 10 135, 138. 99 A.A. HK/Julius 13: In der Regel im Urteil. 100 RGSt 19 249; Meyer-Goßner/Schmitt 22. 101 Alsberg/Güntge 738; Meyer-Goßner/Schmitt 22. 102 RG JW 1916 1026 m. insoweit abl. Anm. Alsberg; 1917 51; BayObLGSt 1955 267 f.; KK/Gmel 18; KMR/Paulus 32; Meyer-Goßner/Schmitt 22; Eb. Schmidt 14; SK/Deiters 23; ferner Oske MDR 1971 799; Alsberg/Güntge 739 m.w.N. zu dieser zumindest früher strittigen Frage. 103 Alsberg/Güntge 739. 104 RG JW 1930 2564; offengelassen (nur Pflicht, die Anträge überhaupt zu bescheiden) von BayObLGSt 1955 267, 268.

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gestellt.105 Der in das Protokoll aufgenommene Einwand der örtlichen Unzuständigkeit muss vom Vorsitzenden in der Hauptverhandlung bei Beginn der Verlesung des Protokolls zur Sprache gebracht werden (§ 16 Satz 3). Wird er erst verspätet bekannt gegeben, beseitigt dieser vom Angeklagten nicht zu vertretende Umstand die Rechtzeitigkeit seines Einwands nicht.106 Gleiches gilt für sonstige Anträge, die nur bis zu einem bestimmten Verfahrensabschnitt gestellt werden können (vgl. § 25 Abs. 1, § 222b Abs. 1 Satz 1). In die Vernehmungsniederschrift aufgenommene Fragen des Angeklagten, die die41 ser in der Hauptverhandlung an Zeugen, Sachverständige oder Mitangeklagte gerichtet wissen will, sind wie in der Hauptverhandlung gestellte Fragen zu behandeln. Der Vorsitzende muss sie den betreffenden Personen stellen.107 3. Besondere Verfahrenslagen 42

a) Hinweise. Die in § 265 vorgeschriebenen Hinweise an den Angeklagten dürfen auch bei der Abwesenheitsverhandlung nach § 233 nicht unterbleiben. Sofern der gebotene Hinweis nicht bereits vorsorglich bei der Vernehmung nach Absatz 2 erteilt wurde (Rn. 23), ist er dem ferngebliebenen Angeklagten in Verbindung mit der Anordnung einer erneuten Vernehmung durch einen ersuchten oder beauftragten Richter oder im Wege des Absatzes 2 Satz 3 zu erteilen, mit der Folge, dass die Hauptverhandlung ausgesetzt oder zumindest unterbrochen werden muss. Bei Hinweisen von geringer sachlicher Relevanz kann es nach den Umständen des Einzelfalls auch genügen, wenn dem Angeklagten zugleich mit der Ladung zum neuen Termin die Veränderung mitgeteilt wird, wobei der Hinweis zweckmäßig sein kann, dass er seine nochmalige Vernehmung beantragen oder zum Termin erscheinen müsse, wenn er sich hierzu noch äußern wolle.108 Gemäß § 234a Halbsatz 1 kann der Hinweis aber auch dem in der Hauptverhandlung anwesenden Verteidiger des Angeklagten erteilt werden, ohne dass es darauf ankommt, ob dieser nach § 234 auch zur Vertretung des Angeklagten ermächtigt ist (strittig; s. im Einzelnen § 234a, 5, 7, 9).

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b) Zustimmungserfordernisse, Widerspruch. Soweit bestimmte Verfahrensgestaltungen von der Zustimmung des Angeklagten abhängen, ist zu unterscheiden: Die Zustimmung zur Einbeziehung einer weiteren Straftat in das Verfahren im Wege der Nachtragsanklage nach § 266 Abs. 1 muss er persönlich erteilen, da sich weder sein Befreiungsantrag noch seine Anhörung auf die nachträglich angeklagte Tat erstrecken.109 Zustimmungsbedürftige Beweisanordnungen (§ 245 Abs. 1, § 251 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 3), die die Beweislage verändern, bedürfen, da er durch seine erlaubte Abwesenheit seine Rechte insoweit nicht verwirkt hat, anders als bei § 232 (§ 232, 20) weiterhin des Einverständnisses des Angeklagten.110 Die Zustimmung kann er bereits bei seiner Einvernahme nach Absatz 2 vorweg erteilen, sofern er deswegen vorsorglich befragt wird. Nimmt allerdings für ihn ein Verteidiger an der Hauptverhandlung teil, genügt es nach § 234a, wenn dieser zustimmt.111 Entbehrlich ist die Mitwirkung des Angeklagten

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105 Gollwitzer GedS Meyer 161. 106 RGSt 40 354, 356; Meyer-Goßner/Schmitt 21; SSW/Grube 27. 107 Gollwitzer GedS Meyer 161; SK/Deiters 23. 108 KK/Gmel 12 (nur bei einfacher Sach- und Rechtslage). 109 Gollwitzer FS Tröndle 470; HK/Julius 7; vgl. bei § 266. 110 BayObLG JZ 1964 328 m. Anm. Kleinknecht (zu § 245); KK/Gmel 18; KMR/Paulus 30; MeyerGoßner/Schmitt 23; Pfeiffer 5; SK/Deiters 25. 111 Vgl. bei § 234a, 11 und die Nachw. in der vorstehenden Fn.

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dagegen bei Maßnahmen, die nur die Art und Weise der Verwendung der Beweismittel betreffen. Den Widerspruch gegen die Anordnung des Selbstleseverfahrens durch den Vorsitzenden nach § 249 Abs. 2 Satz 2 können daher nur die anwesenden Verfahrensteilnehmer erheben; für den Angeklagten also nur ein anwesender Verteidiger. Zur Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit nach § 153 bedarf es der Zustimmung des Angeklagten nicht (§ 153 Abs. 2 Satz 2). c) Notwendige Befragung des Angeklagten. Tauchen neue Tatsachen oder Be- 44 weismittel auf, zu denen sich der Angeklagte bisher nicht äußern konnte, so dürfen sie nicht verwertet werden, solange er nicht dazu Stellung nehmen konnte.112 Geschieht dies dennoch, so ist sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, wenn ihm nicht nachträglich Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben wird; das Verfahren muss daher unter Umständen deswegen ausgesetzt werden. 113 Ein anwesender vertretungsberechtigter Verteidiger kann anstelle des Angeklagten gehört werden (vgl. § 234, 14 und 16). Sind Fragen nach § 265a dem Angeklagten nicht bereits bei seiner Vernehmung 45 nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 3 gestellt worden (Rn. 24, 33), so muss er erneut von einem beauftragten oder ersuchten Richter oder im audiovisuellen Weg gehört bzw. sein persönliches Erscheinen in der Hauptverhandlung angeordnet werden. Ein vertretungsberechtigter Verteidiger darf allerdings auch insoweit für den Angeklagten Stellung nehmen.114 Kommen indessen Maßnahmen nach § 265a Satz 2 in Betracht, wird in der Regel die persönliche Anhörung des Angeklagten, wenn nicht sogar dessen persönliche Anwesenheit in der Hauptverhandlung notwendig sein. Die Aufhebung des Freistellungsbeschlusses oder die nochmalige Vernehmung des Angeklagten durch den ersuchten oder beauftragten Richter sind ferner notwendig, wenn er seine früheren Angaben ergänzen oder berichtigen will.115 d) Teilnahme des Angeklagten. Nimmt der Angeklagte an der Hauptverhandlung 46 teil, so ist diese ungeachtet der Freistellung nach den Regeln des Normalverfahrens durchzuführen. Er ist nach § 243 zur Person und zur Sache zu vernehmen; für die dann nicht zwingend gebotene Verlesung des Vernehmungsprotokolls (Absatz 2) gelten nicht mehr Absatz 3 Satz 2, sondern die allgemeinen Grundsätze (§§ 249 ff., 254).116 Einer Aufhebung des Freistellungsbeschlusses bedarf es nicht. In der Wahrnehmung des fortbestehenden Rechts auf Teilnahme liegt nicht notwendig schon ein Verzicht auf die bewilligte Freistellung von der Teilnahmepflicht. Die Aufhebung des Freistellungsbeschlusses ist aber notwendig, wenn das Gericht die weitere Teilnahme notfalls zwangsweise (§ 231 Abs. 1) sichern will. Kommt der Angeklagte erst verspätet in die bereits begonnene Hauptverhandlung, brauchen die in seiner Abwesenheit befugt durchgeführten Verfahrensteile nicht wiederholt zu werden. Auch wenn das Vernehmungsprotokoll bereits verlesen ist, sollte der Angeklagte jedoch zur Person und Sache auch noch selbst gehört werden.117 Teilt der Angeklagte mit, dass er teilnehmen will, am Termin aber aus einem dies entschuldigenden Grund verhindert ist, dann muss zur Wahrung seines Teilnahme-

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112 RGSt 21 100; BayObLG bei Rüth DAR 1986 248; OLG Hamm VRS 19 (1960) 374; DAR 1994 410; OLG München HRR 1940 Nr. 484; OLG Schleswig bei Ernesti/Lorenzen SchlHA 1981 89; Kleinknecht JZ 1964 329; KK/Gmel 12; Meyer-Goßner/Schmitt 16; SK/Deiters 15. 113 Vgl. etwa KMR/Paulus 33. 114 KK/Kuckein § 265a, 3; KMR/Paulus § 265a, 8; Meyer-Goßner/Schmitt § 265a, 9. 115 RG HRR 1933 Nr. 85; BayObLGSt 1956 20, 21; Meyer-Goßner/Schmitt 16. 116 KMR/Paulus 35. 117 Vgl. die ähnliche Rechtslage bei § 232, 27.

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rechts der Termin verlegt werden;118 eine Aufhebung des Freistellungsbeschlusses kann dann angezeigt sein. 47

4. Sitzungsniederschrift. In die Sitzungsniederschrift über die Hauptverhandlung ist die Tatsache der Verlesung des Protokolls der kommissarischen bzw. der audiovisuellen Vernehmung des Angeklagten aufzunehmen. Sie tritt an die Stelle der Vernehmung des Angeklagten zur Sache und gehört ebenso wie diese zu den wesentlichen Förmlichkeiten der Hauptverhandlung.119 Das Gleiche wird angenommen, wenn zusätzlich der Verteidiger als Vertreter des Angeklagten dessen Einlassung vorträgt.120 Wenn die Freistellung von der Teilnahme in der Hauptverhandlung beantragt wird und der Beschluss darüber in der Hauptverhandlung ergeht, sind auch Antrag und Beschluss in der Sitzungsniederschrift festzuhalten.121 Soweit der Angeklagte trotz seiner Freistellung an der Hauptverhandlung zeitweise teilgenommen hat, muss das Protokoll die Verfahrensabschnitte kennzeichnen, die in Anwesenheit des Angeklagten stattfanden. VIII. Urteil

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Im Urteil dürfen keine anderen als durch Absatz 1 Satz 1 und 3 zugelassene Rechtsfolgen verhängt werden (Absatz 1 Satz 2). Die Urteilsgründe müssen sich mit den Voraussetzungen des § 233 nicht befassen.122 Allerdings kann dies zweckmäßig sein, sofern der Freistellungsbeschluss nicht – wie geboten – mit einer Begründung versehen war (vgl. Rn. 14). Für die Zustellung des Urteils an den Angeklagten gilt § 232 Abs. 4 nicht.123 Daher ist auch Ersatzzustellung ohne Übergabe zulässig (§ 37 StPO, §§ 180, 181 ZPO).124 Es kann gemäß § 145a Abs. 1 auch dem Verteidiger zugestellt werden. IX. Rechtsbehelfe

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1. Beschwerde, Gegenvorstellung. Gegen die Bewilligung wie gegen die Ablehnung des Antrags nach Absatz 1 Satz 1 findet, weil sie mit der Urteilsfindung zusammenhängen (§ 305 S. 1), keine Beschwerde statt.125 Dies gilt auch für den Beschluss, der die Freistellung aufhebt.126 Das Gericht, das die von ihm gewährte Befreiung jederzeit selbst widerrufen und sodann das persönliche Erscheinen des Angeklagten anordnen darf (§ 236), kann nicht durch das Beschwerdegericht angewiesen werden, auf die von ihm

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118 KMR/Paulus 33. 119 SK/Deiters 27; a.A. OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1969 151. 120 So OLG Hamm JMBlNW 1964 214, 215. 121 SK/Deiters 27. 122 Vgl. § 232, 28. 123 BGHSt 11 152, 157 f.; BayObLGSt 1967 101, 102; NJW 1957 1119; OLG Celle NJW 1960 930, 931; OLG Frankfurt NJW 1982 1297; OLG Köln NJW 1973 2043; KK/Gmel 19; KMR/Paulus 34; Meyer-Goßner/Schmitt 26; SK/Deiters 26; Peters JZ 1956 727; a.A. OLG Bremen NJW 1955 643, 644; OLG Düsseldorf NJW 1956 641, 642; OLG Koblenz JZ 1956 725, 726; OLG Stuttgart JZ 1953 415 Ls.; Janetzke NJW 1956 620; vgl. Kohlhaas NJW 1967 539 (die Zustellung des Urteils an den Angeklagten persönlich sei in allen Fällen, in denen in seiner Abwesenheit verhandelt worden sei, zumindest nobile officium des Gerichts). 124 KMR/Paulus 34; SK/Deiters 26. 125 Jetzt h.M.: KK/Gmel 20; KMR/Paulus 37; Meyer-Goßner/Schmitt 27; Eb. Schmidt 8; BayObLGSt 1952 116; OLG Celle NJW 1957 1163; OLG Hamburg MDR 1968 344; OLG Hamm NJW 1969 1129, 1130; OLG Köln NJW 1957 153; früher ebenso OLG Breslau HRR 1931 Nr. 1618; OLG Dresden JW 1932 3655, 3656; OLG Karlsruhe JW 1934 2501; KG JW 1928 3011; a.A. dagegen OLG Karlsruhe JW 1927 533; SK/Deiters 28 (für den ablehnenden Beschluss). 126 OLG Hamburg MDR 1968 344; KK/Gmel 20; KMR/Paulus 37.

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zur Sachaufklärung für erforderlich gehaltene Anwesenheit des Angeklagten zu verzichten. Die Beschwerde ist dagegen ausnahmsweise statthaft, wenn das Gericht ohne Ermessensausübung den Antrag wegen Verneinung einer rechtlichen Vorfrage als unzulässig ablehnt. Die Zulässigkeit der Beschwerde entfällt in diesem Fall aber dann, wenn sie verfahrensrechtlich überholt ist, etwa durch Verkündung des die Instanz abschließenden Urteils.127 Gegenvorstellungen gegen den Beschluss sind dagegen möglich. Sie bieten sich, 50 insbesondere von Seiten der Staatsanwaltschaft dann an, wenn Umstände (bessere Sachaufklärung, höhere Straferwartung) bekannt werden, die es zweifelhaft erscheinen lassen, ob die Hauptverhandlung ohne den Angeklagten durchgeführt werden kann.128 Auch eine nicht statthafte Beschwerde kann als Gegenvorstellung behandelt werden. 2. Für die Berufung gegen Urteile, die im Abwesenheitsverfahren nach § 233 ergan- 51 gen sind, gelten keine Besonderheiten. 3. Revision. Wendet das Gericht § 233 an, obwohl dessen Voraussetzungen nicht 52 gegeben sind (z.B. kein wirksamer Befreiungsantrag), so kann die unzulässige Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nach § 338 Nr. 5 als absoluter Revisionsgrund gerügt werden.129 Gleiches gilt, wenn das Urteil eine nach Absatz 1 nicht zugelassene Rechtsfolge ausspricht, da dann nicht ohne den Angeklagten hätte verhandelt werden dürfen.130 Dies ist aber nur auf entsprechende Verfahrensrüge hin zu beachten, ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis liegt darin nicht.131 Als relativer Revisionsgrund nach § 337 können Verstöße gegen die Vorschriften 53 der Absätze 2 und 3 beanstandet werden, so etwa, wenn die Vernehmung132 oder Belehrung133 des Angeklagten nach Absatz 2 oder die Verlesung des Vernehmungsprotokolls in der Hauptverhandlung (Absatz 3 Satz 2) mangelhaft war oder ganz unterlassen wurde.134 Nur nach § 337 gerügt werden kann auch, dass die Ladung des Angeklagten zur Hauptverhandlung unterblieben ist;135 denn da das Gesetz als Folge der Befreiung des Angeklagten von der Erscheinenspflicht dessen Anwesenheit in der Hauptverhandlung gerade nicht vorschreibt, liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 nicht vor. Die durch diese Verfahrensfehler meist ebenfalls bewirkte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann nur in Zusammenhang mit der Rüge des Verstoßes gegen die entsprechende einfachgesetzliche Vorschrift mit dementsprechendem Sachvortrag (§ 344 Abs. 2 Satz 2) beanstandet werden. Dass das Urteil auf derartigen Verstößen beruht, ist in der Regel kaum auszuschließen.136 Unter dem Blickwinkel der Verletzung der Aufklä-

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127 OLG Köln NJW 1957 153; KK/Gmel 20; KMR/Paulus 37; Meyer-Goßner/Schmitt 27. 128 KMR/Paulus 37. 129 RGSt 62 259; KK/Gmel 22; KMR/Paulus 39; Meyer-Goßner/Schmitt 28; SK/Deiters 30. 130 Treier NStZ 1983 234; KK/Gmel 22; KMR/Paulus 39; Meyer-Goßner/Schmitt 28; SK/Deiters 30; a.A. MüKo/Arnoldi 25. 131 Treier NStZ 1983 234; KK/Gmel 22; Meyer-Goßner/Schmitt 28; a.A. OLG Köln GA 1971 27 (Verfahrenshindernis); vgl. auch OLG Hamm JR 1978 120 (zur Überschreitung der eingeschränkten Strafgewalt im beschleunigten Verfahren nach § 212b a.F.) m. abl. Anm. Meyer-Goßner. 132 OLG Schleswig NJW 1966 67, 68. 133 OLG Oldenburg NdsRPfl. 1955 140. 134 Meyer-Goßner/Schmitt 28; SK/Deiters 31. BGHSt 26 84, 87 hat offen gelassen, ob Verstöße gegen Absatz 2 oder 3 den Anwesenheitsgrundsatz deswegen betreffen, weil die Verhandlung ohne den Angeklagten nur bei Erfüllung aller Voraussetzungen des § 233 zulässig sei. 135 KMR/Paulus 40; SK/Deiters 31. 136 KK/Gmel 22; Radtke/Hohmann/Britz 32.

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rungspflicht könnte an sich auch gerügt werden, dass das Gericht in Fehlgebrauch seines Ermessens nach § 233 ohne den Angeklagten verhandelt hat, obwohl dessen Teilnahme an der Hauptverhandlung zur Aufklärung des Sachverhalts geboten war.137 Da in diesem Fall aber die Abwesenheitsverhandlung unzulässig war, geht die Rüge nach § 338 Nr. 5 vor. Neben dem betroffenen Angeklagten können auch die Staatsanwaltschaft und die 54 anderen Verfahrensbeteiligten ihre Verfahrensrechte beeinträchtigende Verstöße rügen, vor allem, wenn sie von der Vernehmung nach Absatz 2 nicht benachrichtigt wurden.138 Ein Mitangeklagter kann in der Regel die Revision nicht darauf stützen, dass § 233 bezüglich eines von der Hauptverhandlung entbundenen anderen Angeklagten fehlerhaft angewendet worden ist. Anders liegt es aber, wenn ausnahmsweise hierdurch auch das Urteil gegen ihn sachlich beeinflusst wurde.139 Sofern dies der Fall ist, kann er den Verstoß gegen § 233 auch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Aufklärungspflicht rügen, wobei er die Tatsachen dartun muss, die ergeben, dass hierdurch auch die Sachaufklärung hinsichtlich des gegen ihn betriebenen Verfahrens gelitten hat. 55

4. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. § 235 ist nicht unmittelbar anwendbar. Auch eine entsprechende Anwendung kommt nicht in Betracht. Dies gilt sowohl, wenn der Angeklagte sich trotz des Antrags auf Entbindung von der Verpflichtung zum Erscheinen vorbehält, an der Hauptverhandlung teilzunehmen, und zum Termin nicht geladen wird, als auch dann, wenn entgegen dem Antrag des vom Erscheinen entbundenen Angeklagten sein Verteidiger keine Ladung zur Abwesenheitsverhandlung erhält. Auch in derartigen Fällen sind allein Berufung oder Revision die in Betracht kommenden Rechtsmittel.140

§ 234 Vertretung des Angeklagten § 234 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-031

Soweit die Hauptverhandlung ohne Anwesenheit des Angeklagten stattfinden kann, ist er befugt, sich durch einen Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht vertreten zu lassen. Schrifttum Baumann Informationsloser Verteidiger als Vertreter des Angeklagten nach § 411 Abs. 2 StPO, NJW 1962 2337; Beulke Äußerungen des Strafverteidigers in der Hauptverhandlung als Einlassung des Angeklagten? FS Strauda (2006) 87; Bucher Wiederbelebung der Stellvertretung in der Erklärung, JZ 1954 22; Dencker Die Form der Vernehmung des Angeklagten zur Sache, FS Fezer (2008) 123; Ebert Der Nachweis von Vollmachten im Straf- und Bußgeldverfahren, DRiZ 1984 237; Geppert Schriftliche oder mündliche Erklärungen des Verteidigers als Einlassung des Angeklagten selbst? FS Rudolphi (2004) 643; Gössel Die Stellung des Strafverteidigers im rechtsstaatlichen Strafverfahren, ZStW 94 (1982) 4; Küper Kontumazialverfahren, Anordnung des persönlichen Erscheinens und Abwesenheitsverhandlung, NJW 1969 493; Michel Einlassung durch den Anwalt? MDR 1994 648; Olk Die Abgabe von Sacherklärungen des Angeklagten

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137 KMR/Paulus 40; SK/Deiters 32. 138 KMR/Paulus 40; SK/Deiters 32. 139 RGSt 62 259, 261; SK/Deiters 32. 140 KK/Gmel 21; Radtke/Hohmann/Britz 33; SK/Deiters 29; ferner zu § 235: KMR/Paulus 3. A.A. LG Frankfurt NJW 1954 167; LG Köln DAR 1988 429 (zu § 74 Abs. 2 OWiG); Eb. Schmidt 21; s. bei § 235, 2.

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durch den Verteidiger (2006); Pöschl Das Recht des Angeklagten auf Vertretung (2015); W. Schmid Bevollmächtigte des Beschuldigten im Strafprozeß, SchlHA 1981 105; Schnarr Das Schicksal der Vollmacht nach Beiordnung des gewählten Verteidigers, NStZ 1986 488; Schorn Verteidigung und Vertretung im Strafverfahren, JR 1966 7; Spendel Zur Vollmacht und Rechtsstellung des Strafverteidigers, JZ 1959 737; Weber Der Verteidiger als Vertreter in der Hauptverhandlung, Diss. Augsburg 1982; Weiß Die „Verteidigervollmacht“ – ein tückischer Sprachgebrauch, NJW 1983 89; Welp Die Rechtsstellung des Strafverteidigers, ZStW 90 (1978) 804. Weiteres Schrifttum siehe Vor § 137.

Entstehungsgeschichte Bezeichnung bis 1924: § 233. Die in der ursprünglichen Fassung enthaltene Wendung „mit schriftlicher Vollmacht versehener Verteidiger“ wurde durch Art. 1 Nr. 12 des Gesetzes vom 17.7.20151 durch die Worte „Verteidiger mit schriftlicher Vertretungsvollmacht“ ersetzt. An die Stelle der Worte „schriftlicher Vertretungsvollmacht“ trat sodann aufgrund Art. 1 Nr. 49 des Gesetzes vom 5.7.20172 die Formulierung „nachgewiesener Vertretungsvollmacht“.

I. II.

III.

IV.

Übersicht Zweck der Vorschrift | 1 Anwendungsbereich 1. Hauptverhandlung ohne Anwesenheit des Angeklagten | 3 2. Sondervorschriften | 5 3. Erklärungen außerhalb der Hauptverhandlung | 6 Die Vertretungsvollmacht 1. Nachweis | 7 2. Beschränkbarkeit | 9 3. Gerichtliche Genehmigung | 10 Wirkung der Vertretungsbefugnis 1. Allgemeine Bedeutung | 11 2. Verfahrensbefugnisse des vertretungsberechtigten Verteidigers a) Ausübung der Verfahrensrechte des Angeklagten | 12

b)

V. VI.

Anträge; Einwände; Verfahrenserklärungen; Ablehnung | 13 c) Einlassungen zur Sache | 14 d) Erklärungsrecht; letztes Wort | 17 e) Keine Äußerungspflicht | 18 f) Hinweise; Belehrungen; Mitteilungen; Verkündungen | 19 g) Vorrangige Bestimmungen | 20 Sitzungsniederschrift | 22 Rechtsbehelfe 1. Anrufung des Gerichts (§ 238 Abs. 2) | 23 2. Revision | 24

I. Zweck der Vorschrift Rechtsprechung und Rechtslehre unterscheiden deutlich zwischen der Verteidi- 1 gung des Angeklagten und dessen Vertretung. Die vorherrschende Meinung3 sieht im Verteidiger keinen Vertreter des Angeklagten, sondern einen Beistand besonderer Art, der als selbständiges Organ der Rechtspflege die zur Erfüllung seiner Aufgabe erforderlichen Befugnisse kraft eigenen Rechts und, soweit keine Sonderregelungen bestehen, auch unabhängig vom Willen des Angeklagten ausüben kann. In Vertretung des Ange-

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1 Gesetz zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Vertretung in Berufungsverhandlungen und über die Anerkennung von Abwesenheitsentscheidungen in der Rechtshilfe, BGBl. I S. 1332. 2 Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs, BGBl. I S. 2208. 3 BGHSt 9 356, 357 = LM Nr. 1 m. Anm. Krumme; eine Gegenmeinung – etwa Spendel JZ 1959 737 – betrachtet den Verteidiger als Vertreter des Angeklagten. Zum Meinungsstreit s. auch Beulke FS Strauda 87 f.; Weber 30 ff. sowie Einl. J 107 ff. und Vor § 137, 33 ff.

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klagten handelt der Verteidiger jedoch dann, wenn er – zusätzlich zu seinen eigenen Befugnissen als Verteidiger – Verfahrensbefugnisse des Angeklagten für diesen wahrnimmt, wenn er also an dessen Stelle als Prozesssubjekt im Verfahren Erklärungen abgibt oder entgegennimmt.4 Da diese Vertretung nicht von der Verteidigerbestellung mit umfasst ist, benötigt der Verteidiger dazu zusätzlich eine besondere Ermächtigung durch den Angeklagten, die beschränkt für eine einzelne Prozesshandlung oder auch generell erteilt werden kann. Grundsätzlich bedarf es dafür keiner besonderen Form; die Ermächtigung zur Vertretung kann auch stillschweigend oder durch konkludentes Verhalten erteilt werden.5 Im Interesse eines eindeutigen Belegs und aus Gründen prozessualer Rechtssicherheit6 verlangte die StPO in mehreren Vorschriften, dass die Vertretungsvollmacht in schriftlicher Form vorzuliegen hat, so auch in § 234 für die Verhandlung ohne den Angeklagten. Dieses Schriftformerfordernis ist jetzt aufgegeben; nunmehr muss die Vertretungsvollmacht lediglich „nachgewiesen“ sein; s. näher Rn. 7. Der Angeklagte darf sich nach § 137 in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes ei2 nes Verteidigers bedienen,7 erst recht, wenn er an der Hauptverhandlung nicht teilnimmt. Dies gilt unabhängig davon, ob er eigenmächtig oder im Fall des § 233 mit Genehmigung des Gerichts der Verhandlung fernbleibt. Das Bedürfnis, sich durch einen Verteidiger beistehen zu lassen, ist hier, wie § 231a Abs. 4 anerkennt, eher größer als im Normalfall. Es versteht sich von selbst, dass einem in der Hauptverhandlung für den nicht anwesenden Angeklagten auftretenden Verteidiger, der keine Vertretungsvollmacht i.S.d. § 234 hat, nur diejenigen Befugnisse zustehen, die sich aus seiner Stellung als Verteidiger ergeben.8 Er kann deshalb „für“ den Angeklagten keine Erklärungen abgeben, zu denen er nicht aus eigenem Recht kraft seiner Stellung als Verteidiger befugt ist. Er darf insbesondere im Namen des Angeklagten keine Zugeständnisse machen. An ihn können auch keine Erklärungen mit Wirkung für oder gegen den Angeklagten gerichtet werden, sofern nicht Sondervorschriften – etwa § 234a – dies erlauben. Dies gilt gleichermaßen für den Wahl- wie für den Pflichtverteidiger.9 II. Anwendungsbereich 3

1. Hauptverhandlung ohne Anwesenheit des Angeklagten. § 234 vermeidet den Ausdruck „Abwesenheit“, weil das Gesetz als „abwesend“ nur den Beschuldigten bezeichnet, der die Voraussetzungen des § 276 erfüllt. Ist der Angeklagte in der Hauptverhandlung nicht anwesend und verhandelt das Gericht in den Fällen, in denen das möglich ist, ohne ihn, so darf für ihn ein Verteidiger auftreten, den er mit seiner Vertretung beauftragen kann und in einigen Sonderfällen (vgl. Rn. 5) auch muss, wenn er Rechtsnachteile vermeiden will. § 234 gilt für § 231 Abs. 2, §§ 231a, 231b, 232 und 233, nicht jedoch bei § 247.10 Durch die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Angeklagten (§ 236) wird 4 die Befugnis, sich von seinem Verteidiger vertreten zu lassen (§ 234), – anders als die

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4 Die Einzelheiten sind bei § 137 erläutert. 5 Weber 26 f.; Weiß NJW 1983 91; vgl. etwa KMR/Paulus 6 (zur Vertretung außerhalb der Hauptverhandlung); ferner bei § 138. 6 KMR/Paulus 3; SK/Deiters 1. 7 Ebenso Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK; Art. 14 Abs. 3 lit. d IPBPR. 8 BayObLGSt 1980 69, 70; KK/Gmel 1, 7; KMR/Paulus 12; Meyer-Goßner/Schmitt 3; SK/Deiters 1. 9 OLG Brandenburg wistra 2012 43, 44; OLG Hamm ZfS 2014 470. 10 RGSt 18 138, 141; Fezer JR 1980 84; Olk (Sacherklärungen) 81 f.; Strate NJW 1979 910; KMR/Paulus 4; s. auch § 247, 3.

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Vertretungsmöglichkeit im Strafbefehls- (§ 411 Abs. 2 Satz 1) und Berufungsverfahren (§ 329 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1) – suspendiert.11 Demgegenüber wird bei an sich zulässiger Abwesenheitsverhandlung das Recht des Angeklagten, in der Hauptverhandlung persönlich anwesend zu sein, durch die Erteilung einer Vertretungsvollmacht nicht berührt.12 Macht er von diesem Recht Gebrauch, entfallen die Wirkungen der Vollmacht nicht, so dass er sich gleichwohl von seinem Verteidiger vertreten lassen kann.13 Darauf deutet schon der Wortlaut der Vorschrift („Soweit … stattfinden kann …“) hin, der gerade nicht an das tatsächliche Nichterscheinen anknüpft.14 Entscheidend ist jedoch, dass kein Grund ersichtlich ist, den abwesenden Angeklagten besser als den anwesenden zu stellen.15 Bei an sich zulässiger Abwesenheitsverhandlung zwingt ihn seine Anwesenheit also nicht dazu, seine originären Verfahrensrechte selbst wahrzunehmen. In derartigen Fällen sind Erklärungen des Verteidigers dem Angeklagten daher zuzurechnen, soweit dieser ihnen nicht widerspricht.16 S. auch die Erläuterungen zu § 243 Abs. 5 Satz 2 (dort insb. Rn. 82 f.). 2. Sondervorschriften. Die Vertretung des Angeklagten in der Hauptverhandlung 5 nach rechtzeitigem Einspruch gegen einen Strafbefehl regelt § 411 Abs. 2 Satz 1; für die Berufungshauptverhandlung gilt § 329 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, für die Hauptverhandlung in der Revisionsinstanz § 350 Abs. 2 Satz 1. § 329 Abs. 1 Satz 1 und § 412 i.V.m. § 329 Abs. 1 Satz 1 bestimmen, dass beim Nichterscheinen des Angeklagten ohne die Anwesenheit eines vertretungsberechtigten Verteidigers eine Verhandlung zur Sache nicht stattfindet und die Berufung bzw. der Einspruch durch Prozessurteil zu verwerfen ist. Im Privatklageverfahren findet § 387 Abs. 1 Anwendung. Die Vertretung des Einziehungsbeteiligten (§ 424), des Nebenbetroffenen (§ 438) sowie die Vertretung einer juristischen Person oder Personenvereinigung (§ 444) regelt § 428. 3. Für Erklärungen, die der Verteidiger außerhalb der Hauptverhandlung für den 6 Angeklagten abgibt, mag es sich dabei um Erklärungen tatsächlicher Art handeln, die sich auf den Gegenstand des Verfahrens beziehen, um Anträge oder die Einlegung von Rechtsmitteln bzw. Rechtsbehelfen (vgl. die Sonderbestimmungen in §§ 297, 302 Abs. 2), gilt § 234 nicht. In der Regel bestehen keine Formvorschriften für die Erteilung einer hierauf bezogenen Vertretungsvollmacht. Es genügt, dass sie im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung bestanden hat; der Nachweis kann auch nachträglich erbracht werden.17 III. Die Vertretungsvollmacht 1. Nachweis. Eine nachgewiesene Vertretungsvollmacht ist die Voraussetzung da- 7 für, dass der Verteidiger in Abwesenheit des Angeklagten als dessen Vertreter an der Hauptverhandlung teilnehmen kann. Die gewöhnliche Verteidigungsvollmacht reicht

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11 Str.; s. dazu näher § 236, 3 f. 12 BayObLGSt 1975 52, 53; 1975 77 (jew. für § 74 Abs. 1 OWiG); KK/Gmel 1. 13 Eisenberg/Pincus JZ 2003 402; Radtke/Hohmann/Britz 3; a.A. Beulke FS Strauda 90 ff.; Olk (Sacherklärungen) 108 f.; Olk JZ 2006 207; AK/Keller 1; KK/Gmel 1; KMR/Paulus 5; Meyer-Goßner/Schmitt 4; MüKo/Arnoldi 2; SK/Deiters 3; SSW/Grube 2; vgl. auch OLG Saarbrücken NStZ 2006 182, 183. 14 A.A. Eisenberg/Pincus JZ 2003 402. 15 Eisenberg/Pincus JZ 2003 402; Park StV 2001 594; Radtke/Hohmann/Britz 3. 16 Radtke/Hohmann/Britz 3. 17 RGSt 66 209.

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dazu nicht aus,18 ebenso wenig die Bestellung eines Pflichtverteidigers.19 Dies sollte mit der sprachlichen Neufassung der Vorschrift durch Gesetz vom 15.7.2015 (s. Entstehungsgeschichte) nochmals verdeutlicht werden.20 Auch nach dieser Fassung der Vorschrift ließ sie Zweifel an der Form, in der das Bestehen der Vertretungsvollmacht nachzuweisen war, nicht aufkommen: Sie musste in Schriftform vorliegen.21 Damit war, von kleineren Randproblemen abgesehen (s. Rn. 8), die durch die Vorschrift bezweckte Rechtssicherheit darüber, welche Befugnisse dem erschienenen Verteidiger in der Hauptverhandlung zustehen, in recht hohem Maße gewährleistet. Diese hat der Gesetzgeber nunmehr ohne Not aufgegeben. In vermeintlicher Modernisierung des Gesetzes lässt er nunmehr (s. Entstehungsgeschichte) „medienneutral …ausdrücklich andere Möglichkeiten“ zu, um „das Bestehen der Vollmacht sicher nachzuweisen“.22 Was er damit, abgesehen von der in der Gesetzesbegründung ausdrücklich genannten qualifizierten elektronischen Signatur, meint, bleibt ebenso offen, wie das Maß an Sicherheit, das die anderen „Medien“ dafür bieten müssen, dass die abgegebene Vollmachterklärung tatsächlich von dem Angeklagten stammt. Irgendwelche Einschränkungen enthält der Gesetzeswortlaut jedenfalls nicht. Es steht daher zu erwarten, dass sich alsbald ein munterer Meinungsstreit zu den zulässigen Formen des Nachweises der Vertretungsvollmacht entwickeln wird und sich die Gesetzesänderung so in die Reihe der Verschlimmbesserungen einreiht, mit denen der Gesetzgeber den Gesetzesanwender in den letzten Jahren mit zunehmender Frequenz konfrontiert. Die Vollmacht muss regelmäßig zu Beginn der Hauptverhandlung vorliegen.23 7a Wird sie erst später nachgewiesen, so begründet sie die Vertretungsbefugnis des Verteidigers erst von diesem Zeitpunkt an.24 Die Vollmacht nach § 234 muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass der Verteidiger auch ermächtigt ist, den Angeklagten zu vertreten, also an seiner Stelle Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen.25 Sie kann zusammen mit der allgemeinen Verteidigervollmacht erteilt werden.26 Die Formel „zu verteidigen und zu vertreten“ wird als genügend angesehen, obwohl ein rechtsunkundiger Angeklagter ihre Tragweite nicht ohne weiteres erkennen wird.27 Es ist jedoch

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18 BayObLGSt 1956 32; OLG Köln StV 1981 119; OLG Stuttgart NJW 1968 1733 (jew. zu § 411 Abs. 2). 19 OLG Brandenburg wistra 2012 43, 44; OLG Hamm StV 1997 404 Ls.; Schnarr NStZ 1986 488; s. auch OLG Hamm ZfS 2014 470: mit der Bestellung des bisherigen Wahlverteidigers zum Pflichtverteidiger erlischt dessen Vertretungsvollmacht. 20 BTDrucks. 18/3562 S. 68 und 77. 21 Soweit in überzogener Interpretation der Urteile des EGMR vom 22.9.1994 (Nr. 14861/89 Lala ./. Niederlande – auszugsweise Übersetzung abgedruckt in ÖJZ 1995 196; Nr. 16737/90 Pelladoah ./. Niederlande) vertreten wurde, das Schriftformerfordernis stelle einen ungebührlichen, mit Art. 6 Abs. 1, Abs. 3 lit. c EMRK unvereinbaren Formalismus dar (Esser StV 2013 336 f; ders. StraFo 2013 256; ders. (zurückhaltender) Strafverteidigung bei Abwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung der Berufungsinstanz – Die menschenrechtliche Perspektive, in: Vom Bedeutungsverlust der Hauptverhandlung [2015] 57, 62: „höchst zweifelhaft“; Pöschl 153 ff.; Zehetgruber HRRS 2013 404), kann dem nicht gefolgt werden. Vielmehr muss es schon erstaunen, dass das, namentlich auch dem Schutz des Angeklagten dienende (Mosbacher NStZ 2013 314; s. auch Pollähne GedS Weßlau 239, 243), Erfordernis einer schriftlichen, Rechtssicherheit schaffenden (s. auch OLG Köln StraFo 2017 237 f.; Frisch NStZ 2015 71) Vollmachtserteilung, mit den grundlegenden Menschenrechten nicht vereinbar sein sollte. 22 S. den Gesetz-Entw. der Bundesregierung, BTDrucks. 18 9416 S. 70. 23 OLG Koblenz MDR 1972 801; OLG Köln MDR 1964 435; OLG Saarbrücken NStZ 1999 265 (jew. zu § 411 Abs. 2); Meyer-Goßner/Schmitt 5. 24 Vgl. HK/Julius 4; KMR/Paulus 9. 25 BayObLGSt 1956 32, 34. 26 BGHSt 9 356 = LM Nr. 1 m. Anm. Krumme. 27 BGHSt 9 356, 357 = LM Nr. 1 m. Anm. Krumme; OLG Düsseldorf VRS 81 (1991) 292; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1954 17; StV 2018 148, 149 f.; OLG Zweibrücken StV 1981 539; Ebert DRiZ 1984 237; KK/Gmel 4; KMR/Paulus 10; Radtke/Hohmann/Britz 5 („nicht unbedenklich“); a.A. Spendel JZ 1959 741.

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Sache des Verteidigers, ihn hierüber vor Erteilung der Vollmacht aufzuklären. Dem Erfordernis des § 234 ist mit der nachgewiesenen Bevollmächtigung zur Vertretung genügt. Eine Spezialvollmacht, welche den Verteidiger zur Vertretung „bei Abwesenheit“ des Angeklagten ermächtigt, erfordert der Schutzzweck des § 234 nicht.28 Andererseits wird auch die Ermächtigung „in Abwesenheit des Angeklagten zu verhandeln“ als genügend angesehen.29 Die Vollmacht nach § 234 kann der Angeklagte auch bei seiner kommissarischen 8 oder audiovisuellen Einvernahme nach § 233 Abs. 2 Satz 1 oder Satz 3 zu Protokoll erklären;30 desgleichen genügt eine andere schriftliche bzw. anderweitig nachgewiesene Erklärung des Angeklagten gegenüber dem Gericht, sofern aus ihr nur deutlich genug hervorgeht, dass der Verteidiger ihn auch vertreten soll.31 Nach früher herrschender Ansicht konnte die Vollmacht auch von einem Vertreter des Angeklagten, sogar durch den zu bevollmächtigenden Verteidiger selbst unterschrieben werden, ohne dass dieser seinerseits zum Nachweis seiner Bevollmächtigung einer besonderen schriftlichen Vollmacht des Angeklagten bedurfte.32 Dem ist der Gesetzgeber bei Neufassung der Vorschrift durch das Gesetz vom 17.7.2015 (s. Entstehungsgeschichte) ausdrücklich entgegen getreten,33 so dass sich der Streit im Sinne der früheren Mindermeinung erledigt haben dürfte.34 Auch aus der jetzigen Fassung des § 234, die nach Ansicht des Gesetzgebers weiterhin zumindest eine „mediengebundene“ Vollmachterklärung des Angeklagten voraussetzt (s. Rn. 7), kann nichts Abweichendes abgeleitet werden. Die Untervollmacht, mit der ein schriftlich oder in anderer Form nachweislich zur Vertretung ermächtigter Verteidiger einem Dritten Verteidigung und Vertretung überträgt, braucht dagegen, da die Erklärung des Angeklagten in gesetzlicher Form belegt ist, nicht ihrerseits in Schriftform vorzuliegen.35 Der Nachweis kann auch in anderer Form erbracht werden.36 2. Beschränkbarkeit. Der Angeklagte kann die Vertretungsbefugnis des Verteidi- 9 gers beschränken. Er kann vor allem die Vertretung im Willen für einzelne Prozesshandlungen ausschließen oder gegenständlich – etwa auf eine von mehreren angeklagten Taten – begrenzen.37 Die Beschränkung muss sich aber, um nach außen wirksam zu sein, eindeutig aus der nachgewiesenen Vollmacht ersehen lassen. Ist sie so unklar abgefasst, dass nicht sicher erkennbar ist, welche Erklärungen der Verteidiger in Vertretung des Angeklagten abgeben darf, so liegt unter Umständen überhaupt keine wirksame Vertretungsvollmacht i.S.d. § 234 vor.38 Soweit die Durchführung einer Hauptverhandlung zur

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28 BGHSt 9 356 = LM Nr. 1 m. Anm. Krumme; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1954 17, 18; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1968 232; Meyer-Goßner/Schmitt 5; vgl. auch KMR/Paulus 10 (in der Regel). HK/Julius 2 rät eine derartige eindeutige Formulierung an. 29 OLG Hamm NJW 1963 1793; KMR/Paulus 10. 30 OLG Hamm NJW 1954 1856; KK/Gmel 3; KMR/Paulus 9; Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Deiters 4. 31 OLG Düsseldorf NStZ 1984 524; OLG Hamburg NJW 1968 1687, 1688; OLG Köln MDR 1964 435 (jew. zu § 411 Abs. 2); Weiß NJW 1983 89; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Eb. Schmidt 3. 32 BayObLGSt 1962 282; 2001 153; OLG Dresden StRR 2013 26; OLG Jena VRS 111 (2006) 200; KMR/Paulus 9; Meyer-Goßner/Schmitt60 5; Radtke/Hohmann/Britz 5; SSW/Grube 6; Püschel StraFo 2012 494; a.A. schon zum alten Rechtszustand Mosbacher NStZ 2013 314; KK/Gmel 3; LR/Becker26 8; SK/Deiters 4. 33 S. die Begründung zum Gesetz-Entw. BTDrucks. 18 3562 S. 68. 34 OLG Hamburg StraFo 2017 371; KG StraFo 2018 71; Mosbacher NStZ 2016 235; Pollähne GedS Weßlau 244 (ausdrückliche Klarstellung im Gesetzestext wäre hilfreich gewesen); Spitzer StV 2016 49; MeyerGoßner/Schmitt 5; MüKo/Arnoldi 7. 35 BayObLGSt 1991 41 (zu § 73 OWiG); OLG Hamm NJW 1963 1793, 1794; MDR 1985 957; OLG Karlsruhe NStZ 1983 43 (jew. zu § 411 Abs. 2); OLG Köln VRS 60 (1981) 441, 442 (zu § 73 OWiG). 36 OLG Hamm MDR 1985 957 (zu § 411 Abs. 2); Meyer-Goßner/Schmitt 7. 37 KK/Gmel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 9. 38 Vgl. OLG Stuttgart NJW 1968 1733.

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Sache davon abhängt, dass für den Angeklagten ein vertretungsberechtigter Verteidiger erschienen ist (s. Rn. 5), kann eine zu weitgehende Beschränkung diese Voraussetzung in Frage stellen. 10

3. Gerichtliche Genehmigung. Wer nach § 138 Abs. 2 nur mit Genehmigung des Gerichts als Verteidiger auftreten kann, bedarf dieser Genehmigung auch, wenn er zur Vertretung ermächtigt ist. Entsendet der Angeklagte jemanden, auf den § 138 Abs. 2 zutrifft, als Vertreter in die Hauptverhandlung, so tut er dies auf die Gefahr hin, dass der Entsandte nicht zugelassen wird und dass er – der Angeklagte – demzufolge unvertreten bleibt. Doch wird das Gericht in der Regel die Nichtzulassung des Verteidigers zum Anlass nehmen, die Hauptverhandlung auszusetzen. IV. Wirkung der Vertretungsbefugnis

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1. Allgemeine Bedeutung. Der Begriff der Vertretung wird in § 234 nicht näher umschrieben.39 Er bringt nach dem Sinn des § 234 und ähnlicher Bestimmungen zum Ausdruck, dass der Verteidiger durch die Vertreterbestellung in der Hauptverhandlung zusätzlich zu seinen eigenen Befugnissen als Beistand auch die Befugnisse des nicht anwesenden Angeklagten erlangt. Er tritt hinsichtlich der Prozessführung an dessen Stelle und kann als Vertreter im Willen und in der Erklärung dabei mit bindender Wirkung für den Angeklagten verfahrenserhebliche Erklärungen abgeben und entgegennehmen.40 Diese Befugnis wird durch einige Sondervorschriften, wie etwa § 297 und § 302 Abs. 2 modifiziert. Sie kann nicht Platz greifen, wo Zweck und Struktur des Strafverfahrens jede Vertretung ausschließen,41 etwa, weil es nicht um die Durchführung des Verfahrens geht, für das die Vertretungsvollmacht erteilt wurde, sondern um dessen Erweiterung durch die Einbeziehung einer anderen Straftat im Wege der Nachtragsanklage (§ 266 Abs. 1);42 ob bei einer höchstpersönlichen Erklärung jede Vertretung ausgeschlossen ist, ist strittig.43 2. Verfahrensbefugnisse des vertretungsberechtigten Verteidigers

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a) Grundsätzlich darf der vertretungsberechtigte Verteidiger alle Verfahrensrechte, die der Angeklagte als Prozesssubjekt hat, an dessen Stelle für diesen ausüben, unabhängig davon, ob ihm als Verteidiger selbst gleichartige Befugnisse zustehen. Bei parallelen Befugnissen ist dies deshalb von Bedeutung, weil der Verteidiger als Vertreter auch bereits abgegebene Prozesserklärungen des Angeklagten widerrufen bzw. zurücknehmen kann. Der vertretungsberechtigte Verteidiger tritt auch passiv an die Stelle des Angeklagten, der sich das Verhalten seines Verteidigers in der Hauptverhandlung auch insoweit zurechnen lassen muss, als dieser geschwiegen und verfahrensrechtlich mögliche Erklärungen, Fragen oder Beanstandungen unterlassen hat.44

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39 RGSt 66 209, 211; Weber 76. 40 BGHSt 9 356, 357 = LM Nr. 1 m. Anm. Krumme; BayObLGSt 1970 228, 229; 1982 156, 157 f.; Weber 70; KK/Gmel 5; KMR/Paulus 12; Meyer-Goßner/Schmitt 9; Eb. Schmidt 4; SK/Deiters 5. 41 RGSt 66 209, 210 f. 42 KMR/Paulus 7; Radtke/Hohmann/Britz 10; Eb. Schmidt Nachtr. II 15; a.A. Beling 152; Weber 162 ff., der aber ein Weiterverhandeln ohne den Angeklagten nach Einbeziehung ausschließt. 43 Vgl. Rn. 14 und bei § 258. 44 Vgl. etwa OLG Köln VRS 60 (1981) 441; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1972 159.

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b) Der Vertreter darf alle dem Angeklagten vom Gesetz zugebilligten Anträge stel- 13 len, etwa die Erhebung bestimmter Beweise oder die Aussetzung bzw. Unterbrechung der Verhandlung verlangen, und alle dem Angeklagten zustehenden Einwände (etwa nach §§ 6a, 16, 222b) erheben oder zurücknehmen.45 Er kann auf die Geltendmachung von Verteidigungsmitteln, wie beispielsweise das Recht auf Einhaltung der Ladungsfrist (§ 217 Abs. 3)46 oder das Aussetzungsverlangen nach § 217 Abs. 2, verzichten und er ist auch befugt, für den Angeklagten dessen Entbindung von der Teilnahme an der Hauptverhandlung zu beantragen.47 Auch bei den Verfahrenserklärungen nach § 153a Abs. 2, § 153b Abs. 2 oder § 303 Satz 1 ist eine Vertretung möglich,48 ebenso bei den Erklärungen zur Entlassung von Zeugen und Sachverständigen (§ 248 Satz 2),49 bei der Stellungnahme zu möglichen Bewährungsauflagen oder -weisungen nach § 265a50 oder bei der Ablehnung eines Sachverständigen (§ 74) oder Richters (§ 24 Abs. 3).51 c) Darüber, dass Einlassungen zur Sache vom vertretungsberechtigten Verteidiger 14 mit Wirkung für den abwesenden Angeklagten abgegeben werden dürfen, besteht heute im Ergebnis Einigkeit. Strittig ist lediglich, ob insoweit ein Fall der Vertretung vorliegt. Die wohl vorherrschende Meinung52 bejaht dies unter Hinweis auf die Motive (sog. Vertretungslösung). Nach diesen sollen die Erklärungen des Vertreters als Erklärungen des Angeklagten behandelt werden, „und zwar auch insoweit, als sie Zugeständnisse enthalten“.53 Nach der Gegenmeinung ist jede Vertretung des Angeklagten bei der Erklärung zur Sache ausgeschlossen, da dieser zwar in seiner Eigenschaft als Prozesssubjekt, nicht aber in seiner Eigenschaft als Auskunftsperson vertreten werden könne.54 Eine Vertretung bei der Sachdarstellung sei zudem unvereinbar mit der Stellung als Verteidiger.55 Dem ist zuzustimmen, weil der Verteidiger den Angeklagten wegen des höchstpersönlichen Charakters einer Sacheinlassung nicht in dem Sinne in der Willensbildung vertreten kann, dass er für ihn auch entscheidet, welchen Inhalt die Erklärung haben soll. Die Konsequenz, es sei selbst bei Vorliegen der Vollmacht nach § 234 nicht möglich, den Verteidiger an Stelle des Angeklagten zur Sache zu hören (§ 243 Abs. 5), ist freilich daraus nicht zu ziehen und wird auch von den Vertretern der Gegenmeinung heute nicht mehr gezogen. Der vertretungsberechtigte Verteidiger ist vielmehr befugt, die Einlassung seines Mandanten dem Gericht zu übermitteln (sog. Übermittlungslösung);56 denn es be-

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45 KMR/Paulus 14; Meyer-Goßner/Schmitt 9. 46 OLG Hamm NJW 1954 1856. 47 RGSt 54 210; vgl. auch § 233, 10 m.w.N. 48 KMR/Paulus 14; Meyer-Goßner/Schmitt 9. 49 KMR/Paulus 14. 50 Meyer-Goßner/Schmitt 9. 51 Weber 70 f.; KMR/Paulus 14; a.A. Rabe NJW 1976 173. 52 BayObLGSt 1970 228, 230 f.; 1974 35 f.; 1982 156; 1995 202; OLG Frankfurt bei Göhler NStZ 1994 74; OLG Hamm JR 1980 82 m. abl. Anm. Fezer; 1985 343, 344; JMBlNW 1964 214 (unter Aufgabe von JMBlNW 1953 276); Beulke FS Strauda 89 f.; Dencker FS Fezer 134; Meyer-Mews JR 2003 362; Olk (Sacherklärungen) 101 ff.; Olk JZ 2006 205; G. Schäfer FS Dahs 451; AK/Keller 4; KK/Gmel 5; KMR/Paulus 15; MeyerGoßner/Schmitt 10; Eb. Schmidt 4; SK/Deiters 5; SK/Frister § 243, 76; SSW/Grube 9. 53 Hahn I 188 (Motive 133); dazu Weber 74 f. (Zugeständnis darf nicht mit dem Geständnis gleichgesetzt werden). 54 OLG Hamm JMBlNW 1953 276; Beling 310; Fezer JR 1980 83; Michel MDR 1994 648; Schorn JR 1966 9; Spendel JZ 1959 739; Weber 75 ff., vor allem 110 ff. m.w.N. 55 Weber 59 ff., 68. 56 Eisenberg/Pincus JZ 2003 402 f.; Geppert FS Rudolphi 656 f.; Gillmeister FS Mehle 240. Zwar nicht terminologisch, aber in der Sache verwandt mit der Übermittlungslösung ist die Auffassung, die – als Spielart der Vertretungslösung – nicht die Vertretung im Willen, aber die „Vertretung in der Erklärung“ für zulässig hält; vgl. Park StV 1998 60 f.; ders. StV 2001 594 f.

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steht kein Anlass, den Verteidiger vom Vortrag der Sachverhaltsdarstellung des Angeklagten überhaupt auszuschließen.57 Diese ist – anders als eine Zeugenaussage – nicht nur Beweismittel, sondern zugleich auch Verteidigungsmittel. Der Angeklagte muss als Prozesssubjekt58 dem Gericht kraft seines Rechts auf Gehör auch durch seinen Verteidiger seine Einlassung zur Kenntnis bringen dürfen. Äußert sich der Verteidiger für den Angeklagten zum Sachverhalt, kann er zwar entscheiden, wieweit er sich einlassen will; in der Sache kann er dem Gericht aber nur das mitteilen, was er vom Angeklagten über den Sachhergang erfahren hat. Als Erkenntnisquelle hat eine solche Mitteilung mitunter (aber nicht immer) wegen der ihr anhaftenden Unsicherheiten begrenzten Wert. Eine derart übermittelte Einlassung gehört zum Inbegriff der Hauptverhandlung (§ 261) und muss vom Gericht bei der Urteilsfindung in Erwägung gezogen werden, auch wenn sie – wie im Normalfall des anwesenden Angeklagten – nicht im Rahmen der eigentlichen Beweisaufnahme durch ein Beweismittel im engeren Sinn (der Verteidiger ist insoweit „Vertreter“ des Angeklagten bei der Übermittlung seiner Einlassung und nicht Zeuge vom Hörensagen) in das Verfahren eingeführt wird.59 Das Gericht muss bei einer vom Verteidiger vorgetragenen Einlassung des Angeklagten genauso wie bei einer solchen Erklärung aus seinem eigenen Munde prüfen, ob und wieweit es ihr auf Grund des Ergebnisses der Hauptverhandlung folgen kann, ob es sie als widerlegt behandeln oder als unwiderlegbar zugunsten des Angeklagten unterstellen muss oder ob sie zum Anlass für eine weitere Sachaufklärung zu nehmen ist. Hat es Zweifel, ob der Verteidiger die Sachdarstellung des Angeklagten zutreffend wiedergibt, so besteht gegebenenfalls die – mit der von der wohl vorherrschenden Meinung befürwortenden Vertreterstellung nicht ohne weiteres vereinbare60 – Pflicht, das persönliche Erscheinen des Angeklagten oder seine kommissarische Einvernahme anzuordnen.61 Dies gilt auch, wenn nicht aufklärbare Widersprüche zu einer aus den Akten ersichtlichen Einlassung bestehen. Wieweit neben oder anstelle der Erklärung des Verteidigers eine Niederschrift über 15 die Vernehmung des Angeklagten zu verlesen ist, richtet sich nach den für das jeweilige Abwesenheitsverfahren geltenden besonderen Vorschriften (vgl. § 232, 21; § 233, 36 f.). Stellt der Verteidiger Beweisanträge, so können die Beweisbehauptungen nicht als Einlassung des Angeklagten zur Sache gewertet werden.62 Als Konsequenz des in Rn. 14 Gesagten ist der Verteidiger, der als Vertreter des An16 geklagten an der Hauptverhandlung teilnimmt, an Stelle des abwesenden Angeklagten unter Hinweis auf das Schweigerecht nach § 243 Abs. 5 Satz 1 zu befragen, ob er für den Angeklagten dessen Erklärung zur Sache vortragen oder keine Erklärungen abgeben möchte.63 17

d) Bezüglich des Erklärungsrechts des Angeklagten nach § 257 Abs. 1 oder seines Rechts auf das letzte Wort (§ 258 Abs. 2 Halbsatz 2, Abs. 3) ist strittig, ob der Verteidiger

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57 Die bis zum 28.2.1998 gültige Fassung des § 74 Abs. 1 OWiG ging von der Zulässigkeit eines solchen Sachvortrags aus. 58 Die Einlassung des Angeklagten ist Auskunft und Mittel der Prozessführung zugleich; beides ist nicht sinnvoll zu isolieren, da die Übergänge fließend sind. Die Befugnisse als Prozesssubjekt können mitunter nur in Verbindung mit einem Sachvortrag ausgeübt werden; vgl. AK/Keller 4. 59 BayObLGSt 1974 35, 36; 1982 156, 158; OLG Hamm JMBlNW 1964 214. 60 Geppert FS Rudolphi 657. 61 BayObLGSt 1970 228, 231; KK/Gmel 5. 62 Vgl. BGH NStZ 1990 447; 2000 495, 496; BGHR § 243 Abs. 4 Äußerung 4 (jew. zu Beweisanträgen in Anwesenheit eines schweigenden Angeklagten); s. § 243, 83. 63 BayObLGSt 1974 35, 36; 1982 156, 158; KK/Gmel 5; Meyer-Goßner/Schmitt 10; vgl. auch KMR/Paulus 15, dem zufolge sich die Belehrung des rechtskundigen Verteidigers in der Regel erübrigt.

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ihn dabei deswegen nicht vertreten darf, weil es sich hier um höchstpersönliche Rechte des Angeklagten handele.64 Das Vertretungsrecht ist nur für das letzte Wort zu verneinen.65 Selbst dem vertretungsberechtigten Verteidiger gebührt daher auch dann nicht mehr das letzte Wort für seinen Mandanten, wenn nach seinen Schlussausführungen noch für einen Mitangeklagten plädiert worden war. Das Erklärungsrecht nach § 257 Abs. 1 ist demgegenüber als Teil der reinen Sacheinlassung anzusehen, die auch der vertretungsberechtigte Verteidiger für den Angeklagten nach den in Rn. 14 dargestellten Maßstäben abgeben darf. Wegen des eigenen Erklärungsrechts des Verteidigers nach § 257 Abs. 2 hat der Streit hier indessen nur insoweit Bedeutung, als der vertretungsberechtigte Verteidiger nach § 257 Abs. 1 ausdrücklich zu befragen ist, ob er sich zu der jeweiligen Beweiserhebung für den Angeklagten äußern will, während der nur mit allgemeiner Vollmacht versehene Verteidiger gemäß § 257 Abs. 2 nur auf sein Verlangen angehört wird. e) Keine Äußerungspflicht. Zur Vertretung des Angeklagten gehört nicht notwen- 18 dig, dass der Verteidiger Erklärungen abgibt. Der Angeklagte ist auch dann vertreten, wenn der zur Vertretung ermächtigte und bereite Verteidiger anwesend ist, ohne sich zu äußern.66 f) Hinweise, Belehrungen und Mitteilungen können mit Wirkung für den Ange- 19 klagten in der Hauptverhandlung dem vertretungsberechtigten Verteidiger erteilt werden. Dies gilt für die Mitteilung der Besetzung des Gerichts zu Beginn der Hauptverhandlung nach § 222a ebenso wie für sonstige Hinweise (zu solchen nach § 265 s. Rn. 20). Bei der Verkündung von Entscheidungen genügt es für deren ordnungsgemäße Bekanntgabe an den Angeklagten (§ 35 Abs. 1 Satz 1) ebenfalls, dass der Vertreter in der Hauptverhandlung anwesend ist (zum Sonderfall des § 232 Abs. 4 vgl. § 232, 31). Die Urteilsverkündung in Anwesenheit des vertretungsberechtigten Verteidigers setzt gemäß § 314 Abs. 2 und § 341 Abs. 2 die Berufungs- bzw. Revisionseinlegungsfrist in Gang. g) Vorrangige Bestimmungen. Nach § 234a ist das Einverständnis des Angeklag- 20 ten nach § 245 Abs. 1 Satz 2 und nach § 251 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 3 bei einer Hauptverhandlung ohne Angeklagten nicht erforderlich, sofern ein Verteidiger anwesend ist. Dieser übt deshalb auch bei Vorliegen einer Vertretungsvollmacht insoweit nur seine eigenen Verteidigerbefugnisse aus, nicht aber auch die des von ihm vertretenen Angeklagten. § 234a lässt es außerdem genügen, dass die Hinweise nach § 265 Abs. 1, Abs. 2 allein dem Verteidiger gegeben werden. Für die Wirksamkeit dieses Hinweises kommt es daher auf die Vertretungsbefugnis des Verteidigers nach § 234 nicht an. Dies gilt auch für die Verhandlung nach § 233 (strittig; s. im Einzelnen § 233, 42). Soweit die Einstellung des Verfahrens nach § 153 Abs. 2 Satz 2 keine Zustimmung 21 des Angeklagten erfordert, kann ihr auch der vertretungsberechtigte Verteidiger nicht

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64 Verneinend etwa KMR/Paulus 7. Nach Weber 111 und 165 ff. wird die Vertretungsbefugnis bei einem abwesenden Angeklagten nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Erklärungsrechte höchstpersönlich sind. 65 BGH bei Holtz MDR 1978 460; BayObLG VRS 61 (1981) 128; KK/Ott § 258, 14; Meyer-Goßner/Schmitt § 258, 20. 66 OLG Düsseldorf MDR 1958 623; KG VRS 33 (1967) 448; OLG Köln NJW 1962 1735; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1968 232; LG Verden NJW 1974 2194, 2195; Baumhaus NJW 1962 2337; Ostler JR 1967 136; Schorn JR 1966 10; a.A. Blei NJW 1962 2024; Pfeiffer 1; vgl. andererseits KG JR 1985 343; OLG Zweibrücken JBlRhPf. 2001 141 jew. zu der Fallkonstellation, dass der Verteidiger den Angeklagten im Strafbefehlsverfahren nicht vertreten will, sondern lediglich auf dessen Aussetzung hinwirkt.

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namens des Angeklagten widersprechen.67 Die Abwesenheit des Angeklagten beseitigt das Zustimmungserfordernis, so dass eine Verfahrenserklärung nicht abzugeben ist. V. Sitzungsniederschrift 22

Trägt der vertretungsberechtigte Verteidiger die Einlassung des Angeklagten zur Sache in der Hauptverhandlung vor, so ist diese Tatsache, nicht aber der Inhalt des Vorgetragenen, als wesentliche Förmlichkeit des Verfahrens in der Sitzungsniederschrift festzuhalten.68 VI. Rechtsbehelfe

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1. Anrufung des Gerichts (§ 238 Abs. 2). Lehnt der Vorsitzende eine Erklärung des Verteidigers wegen des Fehlens der Vertretungsbefugnis ab oder lässt er eine nur mit Vertretungsbefugnis zulässige Erklärung trotz Fehlens einer entsprechenden Vollmacht zu, so kann dagegen das Gericht nach § 238 Abs. 2 angerufen werden.

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2. Revision. Die unrichtige Anwendung des § 234 kann in Verbindung mit der für die jeweilige Prozesshandlung maßgebenden Vorschrift nach § 337 mit der Revision gerügt werden, insbesondere, dass zu Unrecht eine Vertretungsvollmacht als nachgewiesen oder als nicht nachgewiesen angesehen wurde. Ist ein zur Vertretung berechtigter Verteidiger zur Hauptverhandlung gegen einen von der Pflicht zum Erscheinen entbundenen Angeklagten nicht geladen worden, so kann die Revision auf den Verstoß gegen § 218 und gegen § 234 gestützt werden.69 Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2) kann es gerügt werden, dass sich das Gericht mit den Angaben des vertretungsberechtigten Verteidigers begnügt hat, obwohl die Umstände dazu drängten, weitere Beweismittel zu verwenden oder den Angeklagten persönlich zu hören.70

§ 234a Befugnisse des Verteidigers bei Vertretung des abwesenden Angeklagten § 234a Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-032

Findet die Hauptverhandlung ohne Anwesenheit des Angeklagten statt, so genügt es, wenn die nach § 265 Abs. 1 und 2 erforderlichen Hinweise dem Verteidiger gegeben werden; das Einverständnis des Angeklagten nach § 245 Abs. 1 Satz 2 und nach § 251 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 3 ist nicht erforderlich, wenn ein Verteidiger an der Hauptverhandlung teilnimmt. Schrifttum Gollwitzer Die Verfahrensstellung des in der Hauptverhandlung nicht anwesenden Angeklagten, FS Tröndle (1989) 455; Kempf Opferschutzgesetz und Strafverfahrensänderungsgesetz 1987, StV 1987 215;

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OLG Düsseldorf MDR 1992 1174 (zu § 231 Abs. 2); KK/Gmel 5. OLG Hamm JMBlNW 1964 214; JR 1980 82 m. Anm. Fezer; OLG Köln VRS 59 (1980) 349, 350. OLG Köln NJW 1960 736; KMR/Paulus 16; Meyer-Goßner/Schmitt 13; SK/Deiters 6. KK/Gmel 8; KMR/Paulus 16; Meyer-Goßner/Schmitt 13; SK/Deiters 6; vgl. auch BayObLGSt 1970 228,

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Meyer-Goßner Das Strafverfahrensänderungsgesetz 1987, NJW 1987 1161; Rieß/Hilger Das neue Strafverfahrensrecht – Opferschutzgesetz und Strafverfahrensänderungsgesetz 1987, NStZ 1987 145.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 15 StVÄG 1987 eingefügt. Art. 3 Nr. 10 des 1. JuMoG hat Halbsatz 2 in Konsequenz gleichzeitiger anderweitiger Änderungen der StPO neu gefasst: Die Bestimmung, dass der Verzicht des Angeklagten auf die Vereidigung eines Zeugen entbehrlich ist, wenn ein Verteidiger an der Hauptverhandlung teilnimmt, ist als Folge der Neuregelung des Vereidigungsrechts entfallen. Im Übrigen wurde eine gesetzestechnische Anpassung an die Neufassung des § 251 vorgenommen.

I. II.

III.

Übersicht Zweck der Vorschrift | 1 Anwendungsbereich 1. Erstinstanzliches Verfahren a) Hauptverhandlung ohne Anwesenheit des Angeklagten | 4 b) Teilnahme eines Verteidigers | 7 2. Berufungsverfahren | 8 Regelungsgehalt 1. Hinweise (Halbsatz 1) a) Hinweise nach § 265 Abs. 1 oder 2 | 9 b) Hinweise an den Angeklagten persönlich | 10 2. Einverständniserklärungen (Halbsatz 2)

a)

IV.

V.

Anwendungsfälle des Halbsatz 2 | 11 b) Unanwendbarkeit des Halbsatz 2 | 12 Rechtliche Konsequenzen 1. Die Stellung des Verteidigers a) Verantwortung des Verteidigers | 17 b) Keine Bindung an den Willen des Angeklagten | 18 2. Verhandlung ohne Angeklagten und Verteidiger | 19 Rechtsbehelfe 1. Anrufung des Gerichts (§ 238 Abs. 2) | 20 2. Beschwerde | 21 3. Revision | 22

I. Zweck der Vorschrift Die Einfügung des § 234a diente der Vereinfachung des Verfahrens.1 Bei den keines- 1 falls seltenen2 Verhandlungen ohne Anwesenheit des Angeklagten soll der Abschluss der meist kleineren Verfahren nicht daran scheitern, dass ein nach § 265 Abs. 1 oder 2 notwendiger Hinweis dem Angeklagten nicht persönlich gegeben werden kann bzw. der anwesende Verteidiger keine Vertretungsvollmacht nach § 234 hat und daher nicht in der Lage ist, Verfahrenserklärungen für den Angeklagten wirksam abzugeben. Die – oftmals nur von der Formulierung der Vollmacht (vgl. § 234, 7a) abhängende – Zufälligkeit, ob der Verteidiger nur Beistand oder aber auch Vertreter des Angeklagten ist, soll nicht mehr dafür ausschlaggebend sein, ob Vereinfachungen der Hauptverhandlung, die von der Zustimmung des Angeklagten abhängen, bei dessen Ausbleiben möglich sind.3 § 234a lässt deshalb zum einen zu, dass die Hinweise nach § 265 Abs. 1 und 2 allein dem Verteidiger gegeben werden können. Soweit das Gesetz für bestimmte Verfahrensvereinfachungen die Zustimmung des Angeklagten fordert, lässt er es zum anderen genügen,

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1 Begr. BTDrucks. 10 1313 S. 26 f.; KK/Gmel 1; KMR/Paulus 1; Meyer-Goßner/Schmitt 1. 2 Vgl. Begr. BTDrucks. 10 1313 S. 27 (1980 etwa 50 . 000 Verfahren). 3 Vgl. Begr. BTDrucks. 10 1313 S. 27; Gollwitzer FS Tröndle 467; Rieß/Hilger NStZ 1987 151; KK/Gmel 1; KMR/Paulus 3; SK/Deiters 1.

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dass bei Ausbleiben des Angeklagten der Verteidiger zustimmt.4 Sachlich sinnvolle Möglichkeiten der Verfahrensgestaltung müssen daher nicht allein wegen der Abwesenheit des Angeklagten aus formalen Gründen unterbleiben. 2 Die Sicherung der Effizienz der Hauptverhandlung und die Gewährleistung der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit ihrer Durchführung hielt der Gesetzgeber für wichtiger als die ungeschmälerte Aufrechterhaltung von Verfahrensbefugnissen eines Angeklagten, der durch sein Fernbleiben in der Regel zu erkennen gibt, dass er nicht beabsichtigt, diese Befugnisse selbst in der Hauptverhandlung auszuüben. Es ist nicht unbillig, wenn er als Folge hiervon eine Verschlechterung seiner Verteidigungsposition hinnehmen muss, die mitunter darin liegt, dass er aufgrund seiner eigenen Tatsachenkenntnis an sich am besten wissen müsste, ob und wie seine Verteidigung an eine veränderte Rechtslage anzupassen und ob eine ihm angesonnene Zustimmung zu einer Verfahrensvereinfachung damit vereinbar ist. In der Praxis wird allerdings ein rechtskundiger Verteidiger sehr oft besser und nüchterner als der vom Druck des Verfahrens belastete Angeklagte beurteilen können, welche Reaktion die Verfahrenslage in dem jeweiligen Fall erfordert. Der Gesetzgeber hat deshalb bei Ausbleiben des Angeklagten die Vereinfachungen des Verfahrens in allen Fällen zugelassen, in denen die Teilnahme eines Verteidigers an der Hauptverhandlung sicherstellt, dass die Verteidigungsinteressen des Angeklagten sachgerecht wahrgenommen werden können. Der Verteidiger kann die Auswirkungen der jeweiligen Maßnahme übersehen und notfalls, wenn seine Informationen dazu nicht ausreichen, auf eine Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung hinwirken.5 Der Anspruch des Angeklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) wird 3 durch § 234a schon deshalb nicht verletzt, weil es dem Angeklagten unbenommen ist, sich durch Teilnahme an der Hauptverhandlung die Kenntnis von den Verfahrensvorgängen unmittelbar zu verschaffen, und sein Verteidiger seine Informationsrechte wahrnehmen kann.6 II. Anwendungsbereich 1. Erstinstanzliches Verfahren a) Die Hauptverhandlung ohne Anwesenheit des Angeklagten muss rechtlich zulässig sein und auch tatsächlich ohne ihn durch- oder weitergeführt werden.7 Wird sie wegen des Ausbleibens des Angeklagten unterbrochen oder ausgesetzt, so ist ein etwaiger Hinweis nach § 265 Abs. 1 oder 2 dem Angeklagten selbst zur Kenntnis zu bringen, etwa in Verbindung mit der Ladung zum neuen Termin. Im Übrigen ist § 234a in allen Fällen anwendbar, in denen es das Gesetz gestattet, ganz oder zeitweilig gegen einen nicht anwesenden Angeklagten zu verhandeln (§ 231 Abs. 2, §§ 231a, 231b, 232, 233, § 387 Abs. 1, § 411 Abs. 2, § 415 Abs. 3). Für die Abwesenheitsverhandlung nach § 233 macht § 234a dem Wortlaut nach 5 keine Ausnahme. Nach (wohl) einhelliger Ansicht ist § 234a Halbsatz 2 daher auch bei

4

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4 Bericht RAussch. BTDrucks. 10 6592 S. 20. 5 Vgl. Begr. BTDrucks. 10 1313 S. 27; kritisch dazu Kempf StV 1987 220 (Verteidiger kann und darf nicht Vormund des Angeklagten sein). 6 Gollwitzer FS Tröndle 460; s. aber auch Radtke/Hohmann/Britz 1 (Anspruch auf rechtliches Gehör „tangiert“, aber nicht verletzt); SK/Deiters 1 f. (Regelung „bedenklich“); SSW/Grube 1 (rechtliches Gehör „eingeschränkt“). 7 Meyer-Goßner NJW 1987 1163; Rieß/Hilger NStZ 1987 151; KK/Gmel 2; KMR/Paulus 5; SK/Deiters 4, 7.

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einer Abwesenheitsverhandlung gemäß § 233 anwendbar. Dagegen ist dies für § 234a Halbsatz 1 strittig.8 Die Entstehungsgeschichte ist insoweit wenig ergiebig. Sie zeigt nur, dass § 234a auch für die Fälle des § 233 gelten sollte9 und im Gesetzgebungsverfahren Ausnahmen wohl nicht in Erwägung gezogen worden waren. Für § 233 vertrat vor der Einführung des § 234a die herrschende Meinung10 allerdings die Ansicht, dass selbst bei Teilnahme eines vertretungsberechtigten Verteidigers (§ 234) die Hinweise nach § 265 Abs. 1 oder 2 dem nicht anwesenden Angeklagten persönlich erteilt werden müssten, da er nach § 233 Abs. 2 zur Anklage in ihrer jeweils maßgebenden Fassung zu vernehmen ist. Wer davon ausgeht, dass der Gesetzgeber an dieser Sonderregelung nichts ändern und vor allem dem Verteidiger keine Befugnis einräumen wollte, die er auch bei Vertretungsvollmacht nicht gehabt hätte, der wird im Falle des § 233 den Hinweis an den Verteidiger trotz § 234a für unzulässig halten. Im Hinblick auf die Zielsetzung der Regelung liegt es aber näher, umgekehrt in § 234a eine den § 233 Abs. 2 modifizierende Spezialregelung zu sehen, die bei Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts den Hinweis an den Verteidiger genügen lässt. Die nochmalige Anhörung des bereits kommissarisch oder per Videokonferenztechnik zur Tat (i.S.d. § 264) vernommenen Angeklagten ist dann nicht mehr automatisch allein wegen des Hinweises nötig, sondern nur noch, wenn sachliche Gründe, vor allem das Gebot einer genügenden Sachaufklärung, dies erfordern. Die Ermächtigung des Verteidigers zur Entgegennahme des Hinweises ist daher nicht mehr auf die eigentlichen Fälle verschuldeter Abwesenheit beschränkt. Die Verteidigungslage des Angeklagten ist demgemäß bei § 233 nicht wesentlich anders als in den übrigen Fällen einer Verhandlung gegen einen befugt fernbleibenden Angeklagten nach der StPO oder im Bußgeldverfahren nach § 74 OWiG.11 Ist wegen der Veränderung der Rechtslage die nochmalige Anhörung des Angeklagten aus einem sachlichen Grunde angezeigt, kann dies der Verteidiger durch einen Antrag auf Unterbrechung oder Aussetzung nach § 265 Abs. 3 erreichen.12 Für die Beurlaubung des Angeklagten nach § 231c hat die Vorschrift keine Bedeu- 6 tung, da während seines befugten Fernbleibens gegen den nach dieser Vorschrift beurlaubten Angeklagten nicht verhandelt werden darf13 und für die Gestaltung der ihn nicht betreffenden Verfahrensteile sein Verzicht oder Einverständnis ohnehin entbehrlich ist.14 Bei der zeitweiligen Entfernung des Angeklagten aus der Hauptverhandlung nach § 247 gilt § 234a nicht,15 da hier keine Verhandlung ohne anwesenden Angeklagten stattfindet, sondern dieser nur während eng begrenzter Teile der Beweisaufnahme, nicht aber bei der Verhandlung darüber oder über die Gestaltungsmöglichkeiten des Verfahrens aus dem Sitzungssaal entfernt werden darf.16

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8 Gollwitzer FS Tröndle 470; Meyer-Goßner NJW 1987 1163 f.; Rieß/Hilger NStZ 1987 151; HK/Julius 2; HKGS/Seebode 4; MüKo/Arnoldi 2; SK/Deiters 5 f.; SSW/Grube 3 bejahen die Anwendbarkeit; verneint wird sie demgegenüber von AK/Keller 2; KK/Gmel 3; KMR/Paulus 6; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Pfeiffer 1; Radtke/ Hohmann/Britz 4. 9 Begr. BTDrucks. 10 1313 S. 26. 10 Vgl. LR/Gollwitzer 24 § 233, 34 m.N. 11 Vgl. die Erläuterungen zu den §§ 73 ff. OWiG in den einschlägigen Kommentaren; ferner die Gleichbehandlung des Verfahrens nach § 233 mit den anderen Abwesenheitsverfahren in § 153 Abs. 2. 12 Vgl. Rn. 17. 13 Begr. BTDrucks. 10 1313 S. 27; KK/Gmel 2; Meyer-Goßner/Schmitt 1; SK/Deiters 4. 14 Vgl. § 231c, 19. 15 KK/Gmel 2; KMR/Paulus 6; Meyer-Goßner/Schmitt 1; SK/Deiters 4. 16 Vgl. bei § 247.

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b) Teilnahme eines Verteidigers. § 234a findet nur Anwendung, wenn ein Verteidiger für den Angeklagten in der Verhandlung auftritt. Dies kann ein vom Angeklagten bevollmächtigter Wahlverteidiger oder ein vom Gericht bestellter Pflichtverteidiger sein. § 234a ermächtigt jeden Verteidiger, die Hinweise nach § 265 Abs. 1 oder 2 für den von ihm verteidigten Angeklagten entgegenzunehmen. Bei den im zweiten Halbsatz des § 234a genannten Zustimmungserklärungen genügt die Zustimmung des Verteidigers, auch wenn er sie kraft eigenen Rechts auf Grund seiner eigenen Entscheidung und nicht in Vertretung des Angeklagten abgibt. Unerheblich ist deshalb, ob eine nachgewiesene Vertretungsvollmacht nach § 234 erteilt worden ist. Die gesetzliche Ermächtigung gilt aber nur für den Verteidiger des jeweiligen Angeklagten, nicht für die Verteidiger anderer Mitangeklagter17 und auch nicht für Personen, die als Beistände (§ 149) an der Hauptverhandlung teilnehmen und deren Anwälte. § 234a geht zwar vom Regelfall aus, dass ein rechtskundiger Anwalt die Verteidigung führt; wenn aber eine andere Person nach § 138 Abs. 2 als Verteidiger des Angeklagten zugelassen wurde, ist § 234a ebenfalls anwendbar.

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2. Im Berufungsverfahren findet § 234a ebenfalls Anwendung (§ 332), insbesondere auch in den Fällen von § 329 Abs. 2 Satz 1, § 330 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2. Soweit das Berufungsgericht § 245 Abs. 1 Satz 2 oder § 251 anwendet, ist dies unproblematisch. Gleiches gilt aber auch bei dem in § 234a nicht erwähnten § 325 Halbsatz 2. Der Gesetzgeber hielt die besondere Erwähnung dieser Vorschrift für entbehrlich. Soweit der Angeklagte danach der Verlesung der Protokolle der Hauptverhandlung des ersten Rechtszugs zustimmen muss, ist auch ein Fall des § 251 Abs. 2 Nr. 3 gegeben, bei dem die Zustimmung des Verteidigers genügt.18 Bei dem ebenfalls nicht erwähnten § 324 ist § 234a nicht anwendbar. Da es sich hier jedoch nicht um eine Modifikation der Beweisaufnahme handelt, die potentiell das Hauptverhandlungsergebnis beeinflussen kann, sondern nur um eine die Information der anwesenden Verfahrensbeteiligten betreffende Verfahrensgestaltung, ist der Verzicht des nicht anwesenden Angeklagten entbehrlich. Es genügt, wenn die Anwesenden auf die Verlesung der Urteilsgründe verzichten. Dies gilt unabhängig davon, ob für den ausgebliebenen Angeklagten ein Verteidiger anwesend ist. Ansonsten müsste die analoge Anwendung des § 234a in Erwägung gezogen werden. III. Regelungsgehalt 1. Hinweise (Halbsatz 1)

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a) Die von § 265 Abs. 1 oder 2 geforderten Hinweise wegen Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts oder der Rechtsfolgenerwartung können in allen Fällen einem anwesenden Verteidiger gegeben werden, wenn die Hauptverhandlung zulässigerweise ohne den Angeklagten stattfindet (Rn. 4, 5, 8). Es kann – sofern nicht die Aufklärungspflicht entgegensteht – dem Verteidiger überlassen werden, ob er die Aussetzung oder Unterbrechung der Hauptverhandlung beantragen will, um dem Angeklagten die Möglichkeit einer Äußerung offen zu halten. Mehr fordert auch der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht, zumal es der Angeklagte durch das auf seiner eigenen Willensentscheidung beruhende Fernbleiben selbst zu vertreten hat, wenn er sich zu den in der

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KMR/Paulus 8. Begr. BTDrucks. 10 1313 S. 27; KK/Gmel 4; KMR/Paulus 11; Meyer-Goßner/Schmitt 4.

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Hauptverhandlung hervortretenden Umständen nicht oder nur mit Schwierigkeiten äußern kann (Rn. 3). b) Hinweise an den Angeklagten persönlich. Wird das Verfahren ausgesetzt, so 10 kann es zweckmäßig sein, trotz des § 234a dem Angeklagten zugleich mit der Ladung zur neuen Hauptverhandlung einen Hinweis nach § 265 Abs. 1 oder 2 nochmals schriftlich zu erteilen, damit in der neuen Hauptverhandlung auf seiner Grundlage verhandelt werden kann, wenn ihr sowohl der Angeklagte als auch der (nicht notwendige) Verteidiger fernbleiben sollten. Das Gericht ist auch sonst nicht gehindert, dem Angeklagten den Hinweis nach § 265 Abs. 1 oder 2 selbst schriftlich oder durch einen ersuchten oder beauftragten Richter zu erteilen. Dies kann sachdienlich sein, wenn es glaubt, dass die Sachaufklärung seine nochmalige Einvernahme erfordert. Fehlen solche Verfahrensgründe, folgt aus der Pflicht zu einer wirtschaftlichen und zügigen Abwicklung des Verfahrens, dass es von der Möglichkeit des § 234a auch Gebrauch macht. 2. Einverständniserklärungen (Halbsatz 2) a) Anwendungsfälle des Halbsatz 2. Die Befugnis zur Einwirkung auf die Verfah- 11 rensgestaltung, die die StPO dem Angeklagten meist neben dem Verteidiger einräumt, besteht grundsätzlich (vgl. aber Rn. 19) fort, wenn ohne ihn verhandelt wird. Bei den in § 234a Halbsatz 2 aufgeführten, konsensgebundenen Verfahrensvereinfachungen entfallen sie, wenn für ihn ein Verteidiger an der Verhandlung teilnimmt. Dann genügt es, wenn der anwesende Verteidiger zustimmt. Dies gilt aber nur in den ausdrücklich aufgeführten Fällen19 der Einwilligung, dem Absehen von der Verwendung eines präsenten Beweismittels (§ 245 Abs. 1 Satz 2) und der Verlesung eines Vernehmungsprotokolls oder einer Urkunde (§ 251 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 3). b) Unanwendbarkeit des Halbsatz 2. Auf andere Prozesserklärungen des Ange- 12 klagten als die im Halbsatz 2 genannten Erklärungen zur Vereinfachung der Beweisaufnahme ist § 234a grundsätzlich nicht anwendbar. Auch die analoge Heranziehung verbietet sich, da eine restriktive Auslegung Platz greifen muss, wenn Verfahrensbefugnisse des Angeklagten beschränkt würden. § 234a ist vor allem nicht auf Erklärungen anzuwenden, mit denen der Angeklagte 13 über den Verfahrensgegenstand als solchen verfügen kann. Für die Zustimmung des Angeklagten zur Einbeziehung weiterer Straftaten in das Verfahren aufgrund einer Nachtragsanklage nach § 266 Abs. 1 gilt § 234a daher nicht. Diese Erklärung, durch die der Gegenstand des Verfahrens (§ 264) auf eine neue Tat ausgedehnt wird, ist dem Angeklagten selbst vorbehalten.20 Der Gesetzgeber hielt im Interesse der Gewährung vollständigen rechtlichen Gehörs die Beteiligung des Angeklagten für unerlässlich.21 Die Zustimmung zur Verfahrenseinstellung nach § 153 Abs. 2, § 153a Abs. 2 ist 14 ebenfalls allein Sache des Angeklagten. Wird die Hauptverhandlung ohne ihn durchgeführt, so ist seine Zustimmung zur Einstellung nach § 153 nur bei einer Verhandlung nach § 231 Abs. 2, §§ 232, 233 entbehrlich (§ 153 Abs. 2 Satz 2). In diesen Fällen ist es auch unerheblich, ob für den Angeklagten ein Verteidiger teilnimmt. Im Übrigen bedarf es der

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KK/Gmel 1; KMR/Paulus 11 (numerus clausus). Vgl. § 234, 11 und bei § 266; ferner etwa Rieß/Hilger NStZ 1987 151. Begr. BTDrucks. 10 1313 S. 27; vgl. auch Art. 6 Abs. 3 lit. a, b EMRK.

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ausdrücklichen Zustimmung des abwesenden Angeklagten, die auch durch einen nach § 234 zur Vertretung ermächtigten Verteidiger erklärt werden kann.22 § 234a ist insoweit auch nicht entsprechend anwendbar. Erklärungen, die die Einlegung, Rücknahme oder Beschränkung von Rechts15 mitteln betreffen, werden ebenfalls nicht von § 234a erfasst. Wieweit hier der Verteidiger mit Wirkung für den Angeklagten Erklärungen abgeben kann, ist in den §§ 297, 302 Abs. 2 ausdrücklich geregelt.23 Die Zustimmung zur Rücknahme des Rechtsmittels des Verfahrensgegners (§ 303 Satz 1) ist weiterhin dem Angeklagten vorbehalten; die Zustimmung des Verteidigers allein reicht in diesem in Halbsatz 2 nicht genannten Fall nicht aus. Nur wenn er durch eine nachgewiesene Vollmacht nach § 234 dazu ausdrücklich ermächtigt ist, kann der Verteidiger den ferngebliebenen Angeklagten bei dieser Erklärung vertreten.24 Ist die Rechtsmittelrücknahme ohne dessen Zustimmung zulässig, wie bei § 329 Abs. 5 Satz 2, so bedarf es auch keines Einverständnisses des Verteidigers. Die Zulässigkeit des Selbstleseverfahrens nach § 249 Abs. 2 Satz 1 hängt dagegen 16 schon nicht von der Zustimmung der Verfahrensbeteiligten ab. Das in § 249 Abs. 2 Satz 2 vorgesehene Widerspruchsverfahren ist ein Recht der anwesenden Verfahrensbeteiligten; einer Regelung entsprechend § 234a bedarf es nicht.25 Der anwesende Verteidiger ist kraft eigenen Rechts zum Widerspruch befugt. IV. Rechtliche Konsequenzen 1. Die Stellung des Verteidigers 17

a) § 234a verlagert die Verantwortung auf den Verteidiger, indem er es genügen lässt, dass dieser anstelle des ferngebliebenen Angeklagten auf die Veränderungen des rechtlichen Gesichtspunktes nach § 265 Abs. 1 oder 2 hingewiesen wird und dass er allein den angeführten Vereinfachungen der Beweiserhebung zustimmt. Der Verteidiger hat aufgrund der ihm vom Angeklagten erteilten Informationen, seiner Aktenkenntnis und der Geschehnisse der Hauptverhandlung zu entscheiden, ob er die Zustimmung erteilt oder verweigert. Falls sein Informationsstand zur sicheren Beurteilung dieser Frage nicht ausreicht, kann er sich bei einem für ihn erreichbaren Angeklagten gegebenenfalls auch fernmündlich die erforderlichen Informationen beschaffen. Ist dies nicht in einer Sitzungspause möglich, kann er auch eine längerfristige Unterbrechung der Hauptverhandlung beantragen. Dies wird bei den Zustimmungsbefugnissen vielfach nicht nötig sein, da der Verteidiger deren Zweckmäßigkeit und Unschädlichkeit für die Verteidigung meist aufgrund seiner Kenntnis der Akten und des Prozessverlaufes besser beurteilen kann als der Angeklagte. Außerdem hat der Verteidiger hier immer die Möglichkeit, in Zweifelsfällen durch Verweigerung seiner Einwilligung dem Regelverfahren seinen Lauf zu lassen. Eine Rückfrage beim Angeklagten kann dagegen vor allem dann in Betracht kommen, wenn ein Hinweis nach § 265 Abs. 1 oder 2 erteilt wird, dem nicht nur rechtstechnische Bedeutung zukommt, die zwar für die rechtliche Subsumtion, nicht aber für die Führung der Verteidigung von Belang ist. Wirkt sich die Änderung in der rechtlichen Beurteilung auf die Tatsachengrundlage des Schuldvorwurfs aus oder verschiebt sie die

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Vgl. bei § 153. Vgl. bei §§ 297, 302. Vgl. § 234, 13 und bei § 303. Vgl. Begr. BTDrucks. 10 1313 S. 27; KMR/Paulus 11; Gollwitzer FS Tröndle 469.

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Beweislage, so bedarf der Verteidiger mitunter weiterer Informationen. Es kann dann notwendig sein, dass er wegen der neu hervorgetretenen Umstände oder wegen der veränderten Sachlage nach § 265 Abs. 3, 4 eine längere Unterbrechung oder sogar die Aussetzung der Verhandlung beantragen muss.26 b) Keine Bindung an den Willen des Angeklagten. Damit der Fortgang des Ver- 18 fahrens nicht aufgehalten wird, ermächtigt § 234a den Verteidiger, die Hinweise nach § 265 Abs. 1 oder 2 für den Angeklagten entgegenzunehmen. Diese kraft Gesetzes bestehende Vertretungsmacht steht, wie aus dem Regelungszweck folgt, nicht zur Disposition des Angeklagten. Er kann, anders als bei der gewillkürten Vertretungsmacht nach § 234, dem Verteidiger diese Befugnis nicht entziehen. Er kann sie nur dadurch zum Wegfall bringen, dass er selbst an der Hauptverhandlung teilnimmt. Gleiches gilt für das Entfallen der ansonsten erforderlichen Zustimmung des Angeklagten bei den in § 234a Halbsatz 2 genannten Vorschriften. Da diese vorsehen, dass neben dem Angeklagten auch der Verteidiger mit der beabsichtigten Verfahrensgestaltung einverstanden sein muss, kann insoweit allerdings nur in einem unspezifisch weiten Sinn von einer Ermächtigung zur Vertretung des Angeklagten gesprochen werden. Dieser Konstruktion bedarf es an sich nicht. Bei Ausübung seiner eigenen Befugnis ist der Verteidiger ohnehin nicht an den Willen des Angeklagten gebunden. Verfahrensrechtlich genügt es, wenn er sein Einverständnis erklärt, auch wenn der ferngebliebene Angeklagte ersichtlich nicht damit einverstanden ist, etwa, wenn er in einem Schreiben an das Gericht oder bei einer kommissarischen Einvernahme die Vernehmung eines Zeugen nach § 245 Abs. 1 gefordert oder der Verlesung einer Urkunde nach § 251 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 3 vorsorglich widersprochen hat. Auch wenn die Einwilligung des Verteidigers prozessual ausreicht, wird das Gericht allerdings zu prüfen haben, ob sich aus den Ausführungen des Angeklagten sachliche Gesichtspunkte ergeben, die gegen die beabsichtigte Verfahrensgestaltung sprechen; vor allem unter dem Blickwinkel der Aufklärungspflicht kann dies von Bedeutung sein. 2. Verhandlung ohne Angeklagten und Verteidiger. Im Schrifttum wurde vor Ein- 19 fügung des § 234a die Auffassung vertreten, dass die Zustimmung des ferngebliebenen Angeklagten zu Vereinfachungen des Verfahrens bei der Beweisaufnahme dann nicht erforderlich ist, wenn er, wie in den Fällen von § 231 Abs. 2, §§ 231a, 232 unter Verletzung seiner Anwesenheitspflicht aufgrund eines ihm vorwerfbaren eigenmächtigen Verhaltens an der Hauptverhandlung nicht teilnimmt.27 Diese Ansicht stützte sich vor allem darauf, dass der Angeklagte durch sein Fernbleiben die Befugnis verwirkt hat, an den Modalitäten der Hauptverhandlung gestaltend mitzuwirken. Für die Fälle des befugten Fernbleibens galt dies nicht. Hieran hat sich durch die Einführung des § 234a nichts geändert. Zwar differenziert § 234a nicht zwischen den Fällen eigenmächtiger und erlaubter Abwesenheit des Angeklagten. Sein Wortlaut könnte daher den Schluss nahelegen, dass nunmehr auch im erstgenannten Fall das Einverständnis des Angeklagten einzuholen ist, wenn für diesen kein Verteidiger an der Hauptverhandlung teilnimmt. Auch die Gesetzesbegründung könnte in diesem Sinne verstanden werden.28 Dennoch ist nach dem vom Gesetzgeber mit der Einführung des § 234a verfolgten Zweck an der früheren Rechtsansicht festzuhalten, denn dieser wollte die Durchführung des Abwesenheitsver-

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Vgl. Begr. BTDrucks. 10 1313 S. 27. Vgl. LR/Gollwitzer 25 § 231, 29; § 231a, 28; § 232, 23; § 251, 45 m.w.N. BTDrucks. 10 1313 S. 27.

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fahrens erleichtern und nicht ein Zustimmungserfordernis in den Fällen begründen, in denen dies bisher entbehrlich war.29 Dafür spricht auch, dass der Verlust der Einwirkungs- und Gestaltungsbefugnisse hinsichtlich des Gangs der Hauptverhandlung nur die Konsequenz der Entscheidung des Gesetzgebers ist, wonach der Angeklagte durch sein eigenmächtiges Fernbleiben den Gang der Hauptverhandlung nicht aufhalten darf. V. Rechtsbehelfe 20

1. Die Anrufung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 ist möglich, wenn der Vorsitzende bei einer verfahrensleitenden Anordnung zu Unrecht annimmt, dass die Zustimmung des Angeklagten nach § 234a nicht erforderlich sei.30

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2. Die Beschwerde gegen Anordnungen und Beschlüsse, die in der Hauptverhandlung in Zusammenhang mit der Anwendung oder Nichtanwendung des § 234a ergehen, scheitert grundsätzlich an § 305 Satz 1. Dies gilt auch, wenn das Gericht die Hauptverhandlung aussetzt, weil es glaubt, dass ein Hinweis nach § 265 Abs. 1 oder 2 an den anwesenden Verteidiger nicht genügt, da der Angeklagte selbst im Interesse einer besseren Sachaufklärung dazu gehört werden sollte. Dagegen kann mit der Beschwerde gerügt werden, wenn das Gericht aufgrund eines Rechtsirrtums § 234a für unanwendbar hält und das Verfahren unter Verletzung seiner Pflicht zur Verfahrensbeschleunigung auf unbestimmte Zeit aussetzt, weil es glaubt, den Hinweis nach § 265 Abs. 1 oder 2 nur dem Angeklagten persönlich und nicht auch dem anwesenden Verteidiger geben zu können.31

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3. Revision. Die unrichtige Anwendung des § 234a kann in Verbindung mit den Vorschriften, die für die jeweils betroffenen Handlungen einschlägig sind, nach § 337 mit der Revision gerügt werden. Wird ein Hinweis nach § 265 Abs. 1 oder 2 zu Unrecht nur dem Verteidiger erteilt, obwohl die Voraussetzungen des § 234a nicht vorlagen, so ist neben dieser Vorschrift auch § 265 verletzt.32 Umgekehrt kann die Revision nicht mit Erfolg darauf gestützt werden, dass der Hinweis auch dem Angeklagten erteilt wurde, obwohl es genügt hätte, den Verteidiger in der Hauptverhandlung darauf hinzuweisen. Hält das Gericht rechtsirrig die Zustimmung des ferngebliebenen Angeklagten neben der des Verteidigers bei einer bestimmten Verfahrensgestaltung für nicht notwendig, so ist neben § 234a auch die Vorschrift verletzt, die die Verfahrensgestaltung an die Einwilligung von Verteidiger und Angeklagten bindet. Nimmt es dagegen irrtümlich an, es benötige neben der Zustimmung des Verteidigers auch die eines nicht anwesenden Angeklagten und unterlässt es deshalb die Verwendung eines Beweismittels, etwa einer Urkunde nach § 251, so kann darin unter Umständen auch ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht liegen.33

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29 AK/Keller 4 („§ 234a irrelevant, wo der Angeklagte die Rechte ohnehin nicht hat“); KK/Gmel 5; KMR/ Paulus 4; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Radtke/Hohmann/Britz 10; Gollwitzer FS Tröndle 467. 30 KMR/Paulus 12; SK/Deiters 10. 31 KMR/Paulus 13; SK/Deiters 10. 32 SK/Deiters 11. 33 HK/Julius 7; KMR/Paulus 14; SK/Deiters 11.

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§ 235 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Verhandlung ohne den Angeklagten § 235 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-033 1

Hat die Hauptverhandlung gemäß § 232 ohne den Angeklagten stattgefunden, so kann er gegen das Urteil binnen einer Woche nach seiner Zustellung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den gleichen Voraussetzungen wie gegen die Versäumung einer Frist nachsuchen; hat er von der Ladung zur Hauptverhandlung keine Kenntnis erlangt, so kann er stets die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beanspruchen. 2 Hierüber ist der Angeklagte bei der Zustellung des Urteils zu belehren. Schrifttum Baukelmann Subsidiäre Zulässigkeit eines unzulässigen Rechtsmittels bei möglicher Wiedereinsetzung, die nach dem Gesetz unmöglich ist? NStZ 1984 297; Dittmar Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Terminversäumnis des nicht wirksam geladenen Angeklagten, NJW 1982 209; weiteres Schrifttum bei § 44.

Entstehungsgeschichte § 235 trug bis zur Bekanntmachung vom 22.3.1924 die Bezeichnung § 234. Er gewährte bei jeder Hauptverhandlung, die in Abwesenheit des Angeklagten stattgefunden hatte, die Wiedereinsetzung unter den gleichen Voraussetzungen wie bei der Versäumung einer Frist und schloss nur die Fälle aus, in denen der Angeklagte antragsgemäß von der Verpflichtung zum Erscheinen entbunden worden war oder von der Befugnis Gebrauch gemacht hatte, sich vertreten zu lassen. Ihre jetzige Fassung erhielt die Vorschrift im Wesentlichen durch Art. 9 § 6 der 2. VereinfVO. Art. 3 Nr. 106 VereinhG übernahm sie mit der Einschränkung, dass die Wiedereinsetzung nur noch im Fall des § 232 vorgesehen ist.

I.

II.

Übersicht Anwendungsbereich 1. Erstinstanzliches Verfahren a) Verhandlung gemäß § 232 | 1 b) Keine entsprechende Anwendung | 2 c) Vertretung des Angeklagten | 3 d) Strafbefehl | 4 2. Berufungs-, Revisionsverfahren | 5 Die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung 1. Formelle Voraussetzungen a) Antrag | 6 b) Fristwahrung | 7 c) Mehrfache Wiedereinsetzung | 8

2.

III. IV. V. VI.

Materielle Voraussetzungen a) Kenntnis der Ladung (Satz 1 Halbsatz 1) | 9 b) Unkenntnis der Ladung (Satz 1 Halbsatz 2) | 10 c) Fehlen einer ordnungsgemäßen Ladung | 11 Entscheidung des Gerichts | 12 Rechtsmittel | 14 Belehrung (Satz 2) | 15 Verhältnis des Wiedereinsetzungsantrags zu den Rechtsmitteln | 16

I. Anwendungsbereich 1. Erstinstanzliches Verfahren a) Verhandlung gemäß § 232. § 235 ist nur anzuwenden, wenn das Gericht gemäß 1 § 232 die Hauptverhandlung ohne den Angeklagten durchgeführt hat, also nicht in den

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Fällen des § 231 Abs. 2, § 231a, § 231b und § 233.1 Das ist sinnvoll; denn hier kommt der Angeklagte mit seiner Verteidigung in der Hauptverhandlung selbst zu Gehör, da er im Verfahren nach § 231 Abs. 2 in der Hauptverhandlung zur Anklage vernommen sein muss und im Verfahren nach § 233 die Niederschrift über seine Vernehmung durch einen beauftragten oder ersuchten Richter bzw. im Wege der Videokonferenztechnik in der Hauptverhandlung zu verlesen ist. Nach den §§ 231a und 231b darf das Gericht ebenfalls nur verfahren, wenn der Angeklagte Gelegenheit hatte, sich zur Sache zu äußern. 2

b) Keine entsprechende Anwendung. Eine entsprechende Anwendung des § 235 auf die genannten anderen Fälle der Hauptverhandlung ohne Anwesenheit des Angeklagten kommt angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift und ihrer Entstehungsgeschichte nicht in Betracht. Dies gilt insbesondere auch für den Fall, dass der Angeklagte in einer gemäß § 233 ohne ihn durchgeführten Hauptverhandlung deswegen nicht vertreten war, weil der von ihm mit seiner Vertretung beauftragte Verteidiger versehentlich nicht geladen wurde oder an der Teilnahme an der Hauptverhandlung verhindert war2 (s. bereits § 233, 55); denn dem Angeklagten ist durch die nach § 233 Abs. 2 vorgeschriebene richterliche Vernehmung rechtliches Gehör gewährt worden. Gerade hierdurch unterscheidet sich das Verfahren von demjenigen nach § 232, in welchem dem Angeklagten durch die Wiedereinsetzung die Möglichkeit eröffnet werden soll, sich nachträglich rechtliches Gehör zu verschaffen, da er vorher hierzu – entgegen der vom Gericht in der Hauptverhandlung gewonnenen Überzeugung – „unverschuldet“ (s. dazu Rn. 9) nicht in der Lage war. Der Angeklagte kann daher im Falle unterbliebener Ladung seines mit der Vertretung bevollmächtigten Verteidigers das Urteil nur über die Rechtsmittel der Berufung oder Revision anfechten.

3

c) Vertretung des Angeklagten. Hat an Stelle des Angeklagten ein nach § 234 bevollmächtigter Vertreter an der Hauptverhandlung teilgenommen, so hat sie nicht i.S.d § 235 „ohne den Angeklagten“ stattgefunden, da seine Verfahrensrechte durch den Verteidiger wahrgenommen werden konnten. Die Wiedereinsetzung ist daher in diesem Fall ausgeschlossen, auch wenn die jetzige Fassung des § 235 dies nicht mehr ausdrücklich bestimmt.3

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d) Im Verfahren nach Einspruch gegen einen Strafbefehl gilt die Sonderbestimmung des § 412 Satz 1 i.V.m. § 329 Abs. 7.

5

2. Für das Berufungsverfahren enthält § 329 Abs. 7 eine Sonderregelung. Zur Frage, ob § 235 im Revisionsverfahren entsprechende Anwendung finden kann, vgl. die Erläuterungen zu § 350.

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1 BGHSt 10 304 (zu § 231 Abs. 2); h.M.: KK/Gmel 1; KMR/Paulus 3; Meyer-Goßner/Schmitt 1; SK/ Deiters 2. 2 Eckert NStZ 1985 33; Schäfer 187; KK/Gmel 2; KMR/Paulus 3; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Radtke/Hohmann/Britz 2; SK/Deiters 3; a.A OLG Düsseldorf NStZ 1984 320, 321; LG Frankfurt a.M. NJW 1954 167; LG Köln DAR 1988 429 f.; Eb. Schmidt 4 und § 233, 21. 3 BayObLGSt 1965 4, 5 f.; KK/Gmel 3; KMR/Paulus 3; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Eb. Schmidt 4; SK/ Deiters 5.

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II. Die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung 1. Formelle Voraussetzungen (Satz 1 Halbsatz 1) a) Antrag. Der Angeklagte muss den Antrag auf Wiedereinsetzung bei dem Gericht, 6 das ohne ihn verhandelt und geurteilt hat, anbringen (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 1) und hierbei die Versäumnisgründe angeben und glaubhaft machen. § 45 Abs. 2 Satz 1 gilt entsprechend (wegen der Einzelheiten s. dort). Die Staatsanwaltschaft kann nicht für den Angeklagten die Wiedereinsetzung beantragen;4 denn dieser Rechtsbehelf ist kein Rechtsmittel i.S.d. § 296. Von Amts wegen darf die Wiedereinsetzung gegen das Urteil nach der zutreffenden vorherrschenden Meinung5 nicht gewährt werden. § 45 Abs. 2 Satz 3 ist nicht entsprechend anwendbar, da § 235 nach Wortlaut (nachgesucht) und Interessenlage (Angeklagter kann Urteil hinnehmen wollen) einen Antrag des Angeklagten voraussetzt. Nach anderer Ansicht6 ist die Wiedereinsetzung von Amts wegen zulässig, wenn ein dahin gehender Wille des Angeklagten und der Wiedereinsetzungsgrund evident sind. b) Fristwahrung. Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer Woche nach wirksa- 7 mer Zustellung des Formel und Gründe umfassenden Urteils (vgl. § 314 Abs. 2; § 341 Abs. 2) beantragt werden (Satz 1 Halbsatz 1). Die Zustellung hat den besonderen Erfordernissen des § 232 Abs. 4 zu genügen. c) Mehrfache Wiedereinsetzung. Die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung 8 einer Hauptverhandlung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Angeklagte in derselben Sache schon einmal eine Hauptverhandlung versäumt und die Wiedereinsetzung erlangt hatte.7 2. Materielle Voraussetzungen a) Kenntnis der Ladung (Satz 1 Halbsatz 1). Für den Fall, dass der Angeklagte die 9 Hauptverhandlung in Kenntnis der Ladung versäumt hat, wird wegen des in Satz 1 Halbsatz 1 enthaltenen Verweises auf die Wiedereinsetzungsvoraussetzungen bei Fristversäumnis (§ 44 Satz 1) allgemein angenommen, dass Wiedereinsetzung zu gewähren sei, wenn den Angeklagten an seinem Ausbleiben in der Hauptverhandlung kein Verschulden treffe.8 Als unverschuldet wird es danach etwa angesehen, wenn das Nichterscheinen des Angeklagten darauf beruhte, dass er sich auf eine falsche bzw. unzureichende Auskunft des Gerichts verließ9 oder einer Auskunft seines Verteidigers vertraute und auch vertrauen durfte.10 Hierbei bleibt jedoch außer Betracht, dass die Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nach § 232 nur dann zulässig ist, wenn sein Ausbleiben

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4 KMR/Paulus 11; SK/Deiters 9. 5 Baukelmann NStZ 1984 229; KK/Gmel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 5; MüKo/Arnoldi 9; Radtke/Hohmann/Britz 8; SSW/Grube 8. 6 OLG Düsseldorf NJW 1980 1704, 1705; HK/Julius 2; KK/Maul § 45, 17; KMR/Paulus 11; SK/Deiters 9; auch BVerfG 42 252, 257 nimmt dies an (allerdings nicht in den tragenden Gründen). 7 KMR/Paulus 4; Eb. Schmidt 12. 8 S. etwa HK/Julius 2; KK/Gmel 5; Meyer-Goßner/Schmitt 2. 9 BVerfG NJW 1996 1811 m.w.N. 10 Meyer-Goßner/Schmitt 3; Eb. Schmidt 5; a.A. LG Köln MDR 1982 73 m. abl. Anm. Schmellenkamp; vgl. auch LG Hamburg VRS 128 (2015) 193: kein berechtigtes Vertrauen darauf, dass einem vom Verteidiger angekündigten Verlegungsantrag stattgegeben werden wird.

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auf eigenmächtigem Verhalten beruht, er also wissentlich seiner Anwesenheitspflicht nicht nachkommt, ohne dafür hinreichende Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe zu haben (s. § 232, 14; § 231, 11). Lediglich fahrlässiges Verhalten des Angeklagten genügt nicht. Wenn demgegenüber bei jedem Verschulden die Wiedereinsetzung zu versagen wäre, würden die Verschuldensmaßstäbe des § 232 Abs. 1 Satz 1 und des § 235 Satz 1 Halbsatz 1 auseinanderfallen mit der Folge, dass der Angeklagte bei nur fahrlässiger Versäumung der Hauptverhandlung das Urteil zwar im Wege der Revision zu Fall bringen könnte, ein Wiedereinsetzungsantrag nach § 235 dagegen erfolglos bleiben müsste. Das ist nicht stimmig. Vielmehr ist der für § 232 Abs. 1 Satz 1 anerkannte Verschuldensmaßstab in § 235 Satz 1 Halbsatz 1 hineinzulesen, um hierdurch einen rechtlichen Gleichklang der Vorschriften sicherzustellen.11 Der Wiedereinsetzungsgrund des Satzes 1 Halbsatz 1 wird damit demjenigen des Satzes 1 Halbsatz 2 angenähert. Dieses Ergebnis entspricht auch der Prozesswirtschaftlichkeit, denn es ermöglicht eine zügige Neuverhandlung der Sache, ohne dass unter Wahrung der insoweit vorausgesetzten Formalien eine weitere Instanz bemüht werden muss. 10

b) Unkenntnis der Ladung (Satz 1 Halbsatz 2). Hatte der Angeklagte keine Kenntnis von der Ladung zur Hauptverhandlung, so kann er nach der Sonderregelung des Satzes 1 Halbsatz 2 „stets“ die Wiedereinsetzung verlangen. Es kommt dann nicht darauf an, ob er die Unkenntnis von der Ladung verschuldet hat. Die Wiedereinsetzung darf nicht etwa deswegen versagt werden, weil der Angeklagte, der mit der Ladung rechnen musste, nichts unternommen hat, um sicherzustellen, dass sie ihn erreicht, wenn sie im Wege der Ersatzzustellung einer anderen Person ausgehändigt worden ist. Bewirkt er allerdings absichtlich, dass ihn die Ladung nicht erreicht – etwa dadurch, dass er ihre Nachsendung ausdrücklich verbietet oder dass er eine falsche Urlaubsanschrift angibt –, dann kann dieses arglistige Verhalten zu einer Verwirkung des Rechts auf Wiedereinsetzung führen.12 Kenntnis von der Ladung hat der Angeklagte zwar erst, wenn er ihren Inhalt, vor allem Ort und Zeit des Termins kennt;13 weiß er aber, dass eine Ladung vorliegt und unterlässt er es bewusst, von ihr Kenntnis zu nehmen, so muss er sich so behandeln lassen, wie wenn er diese Kenntnis erlangt hätte.

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c) Beim Fehlen einer ordnungsgemäßen Ladung des Angeklagten ist § 235 analog anzuwenden;14 der nichtsäumige Angeklagte, der durch einen dem Staat zuzurechnenden Fehler um sein Teilnahmerecht gebracht wurde, darf nicht schlechter gestellt werden als der Säumige. Dies wäre der Fall,15 wenn man ihn auf Berufung oder Revision

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11 MüKo/Arnoldi 6; SK/Deiters 6; vgl. demgegenüber OLG Karlsruhe NStZ 1990 505, 506, wo eine umgekehrte Lösung anklingt (Auslegung des § 232 nach dem Sinnzusammenhang der §§ 235, 44); dies hätte indessen zur Folge, dass die Abwesenheitsverhandlung nach § 232 auch bei nur fahrlässiger Terminsversäumung durch den Angeklagten zulässig wäre. 12 KK/Gmel 4; KMR/Paulus 8; SK/Deiters 7. 13 KK/Gmel 4; KMR/Paulus 8; Meyer-Goßner/Schmitt 4; SK/Deiters 7; a.A. Eb. Schmidt 6. 14 MüKo/Arnoldi 8; SK/Deiters 8; Dittmar NJW 1982 211. Zum vergleichbaren § 329 Abs. 7: BGH NJW 1987 1776, 1777; OLG Brandenburg NStZ 2018 117; OLG Celle JR 1979 121 m. abl. Anm. Meyer; OLG Düsseldorf StV 1982 216, 217; MDR 1987 868, 869; OLG Frankfurt NStZ 1986 279 m. abl. Anm. Meyer = JR 1986 214 m. Anm. Hilger; OLG Hamburg StV 2001 339; OLG Hamm NStZ 1982 521 m. abl. Anm. Meyer; NStZ-RR 2009 314; OLG Karlsruhe Justiz 1997 180; OLG Köln NStZ-RR 2002 142; 2015 317; OLG Schleswig bei Lorenzen/Schiemann SchlHA 1997 172; bei Döllel/Dreeßen SchlHA 2005 263; OLG Stuttgart StV 1987 309; Gollwitzer FS Kleinknecht 165 f.; Wendisch JR 1976 426; KK/Paul § 329, 22; Meyer-Goßner/Schmitt § 329, 41; OLG Karlsruhe NJW 1981 471 kommt zum gleichen Ergebnis, wenn es den Antrag zulässt, das Urteil für gegenstandslos zu erklären; vgl. ferner die Erläuterungen zu §§ 44, 329 m.w.N. zum Streitstand. 15 Zur ungünstigeren Anfechtungslage bei der Revision vgl. Hilger JR 1986 215.

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verweisen würde;16 auch Prozesswirtschaftlichkeit und Beschleunigungsgebot sprechen gegen diese Lösung. III. Entscheidung des Gerichts Das Gericht, das das Urteil erlassen hat, entscheidet über den Antrag (§ 46 Abs. 1) 12 in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung. Bei der Würdigung der Wiedereinsetzungsgründe darf das Gericht im Hinblick auf die Bedeutung des rechtlichen Gehörs keine allzu strengen Anforderungen stellen.17 Der Beschluss, der dem Angeklagten die Wiedereinsetzung gewährt, lässt das frü- 13 here Urteil gegenstandslos werden.18 Seine förmliche Aufhebung ist nicht nötig.19 Sogar die stillschweigende Bewilligung der Wiedereinsetzung wird als zulässig angesehen.20 Die Pflicht zur Tragung der Kosten einer bewilligten Wiedereinsetzung folgt aus § 473 Abs. 7. IV. Rechtsmittel Der Beschluss, der die Wiedereinsetzung gewährt, ist unanfechtbar (§ 46 Abs. 2), der 14 Beschluss, der sie ablehnt, kann nach § 46 Abs. 3 mit sofortiger Beschwerde angegriffen werden.21 V. Belehrung (Satz 2) Nach Satz 2 muss der Angeklagte bei Zustellung des Urteils über die Möglichkeit der 15 Wiedereinsetzung und ihre Voraussetzungen belehrt werden. Es handelt sich, ebenso wie bei § 35a, um eine zwingende Vorschrift. Unterbleibt die Belehrung, so kann der Angeklagte in entsprechender Anwendung des § 44 Satz 2 Wiedereinsetzung verlangen, wenn er die Frist des Satzes 1 versäumt hat.22 Die Belehrung ist dagegen keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Urteilszustellung. Die Fristen nach § 314 Abs. 2 und § 341 Abs. 2 und – nach dem Wortlaut des Satzes 1 – auch die dort festgelegte Wochenfrist beginnen auch ohne die Belehrung zu laufen; es ist kein innerer Grund ersichtlich, die Belehrung nach Satz 2 anders zu behandeln als die nach § 35a. Das Verhältnis des Wiedereinsetzungsantrags zu den Rechtsmitteln gegen das 16 Urteil ist in den §§ 315, 342 geregelt. Auf die dortigen Erläuterungen wird verwiesen.

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16 So aber etwa KG JR 1976 425 m. abl. Anm. Wendisch; 1984 78, 79; OLG Saarbrücken MDR 1987 695; Meyer NStZ 1982 523; 1986 280; HK/Julius 7; KMR/Paulus 9. 17 Vgl. BVerfGE 25 158, 166; 26 315, 319; 31 388, 390; 34 154, 156; 37 100, 102; 38 35, 39; VerfGH Berlin JR 2002 11, 12 f. 18 In der neuen Hauptverhandlung muss daher ein neues Urteil ergehen; es darf nicht auf das frühere, nunmehr gegenstandslos gewordene Urteil verwiesen werden. 19 Vgl. RGSt 53 286, 289; 61 180, 181; BayObLGSt 1972 43, 45; VRS 61 (1981) 137, 138; OLG Oldenburg VRS 68 (1985) 282; KK/Gmel 10; KMR/Paulus 13; Meyer-Goßner/Schmitt 8; Eb. Schmidt 10; SK/Deiters 11. 20 OLG Oldenburg VRS 68 (1985) 282. 21 KK/Gmel 11; Eb. Schmidt 11; SK/Deiters 11. 22 KK/Gmel 8; KMR/Paulus 10; Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Deiters 12; a.A. Eb. Schmidt 8 (Frist läuft ohne Belehrung überhaupt nicht).

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§ 236 Anordnung des persönlichen Erscheinens des Angeklagten § 236 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-034

Das Gericht ist stets befugt, das persönliche Erscheinen des Angeklagten anzuordnen und durch einen Vorführungsbefehl oder Haftbefehl zu erzwingen. Schrifttum Göhler Zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, NStZ 1986 18; Küper Kontumazialverfahren, Anordnung des persönlichen Erscheinens und Abwesenheitsverhandlung, NJW 1969 493; ders. „Bagatellsachen“; Abwesenheitsverhandlung (§ 232 Abs. 1 S. 1 StPO), Vertretungsbefugnis (§ 234 StPO), Anordnung persönlichen Erscheinens (§ 236 StPO) und Verwerfung der Berufung (§ 329 Abs. 1 S. 1 StPO), FS Wolter (2013) 1019; Rieß Die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten in der Bundesrepublik Deutschland, ZStW 90 (1978) Beiheft 175; Schmidt Verwerfung der Berufung des Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO, SchlHA 1963 262.

Bezeichnung bis 1924: § 235.

1. 2.

3.

1

Übersicht Zweck der Vorschrift | 1 Anwendungsbereich a) Erstinstanzliches Verfahren | 2 b) Berufungsverfahren | 6 c) Revisionsverfahren | 7 d) Sondervorschriften | 8 Die Entscheidung des Gerichts a) Zuständigkeit | 9 b) Ermessen | 10

c)

4. 5.

Bekanntmachung der Entscheidung | 13 d) Keine Bindung | 14 Zwangsmittel | 16 Rechtsmittel a) Beschwerde | 17 b) Revision | 18

1. Zweck der Vorschrift. § 236 stellt klar, dass das Gericht auch dann, wenn die sonstigen Voraussetzungen für die Durchführung der (weiteren) Hauptverhandlung ohne den Angeklagten vorliegen, jederzeitig berechtigt ist, das persönliche Erscheinen des Angeklagten anzuordnen, sofern es dessen Anwesenheit zur Erforschung der Wahrheit für sachdienlich oder auch aus anderen verfahrensrechtlichen Gründen für erforderlich hält. Die Vorschrift will dem Gericht in erster Linie die Befolgung der Aufklärungspflicht erleichtern, ihm aber gleichzeitig auch ein Instrument in die Hand geben, um beim Eintritt besonderer Prozesslagen das Verfahren ohne längere Unterbrechung oder gar Aussetzung der Hauptverhandlung zum Abschluss bringen zu können.1 Der Anordnung des persönlichen Erscheinens steht danach nicht entgegen, dass der Angeklagte nicht gezwungen werden darf, sich vor Gericht zur Sache zu äußern;2 denn auch seine rein passive Anwesenheit kann nach den Umständen des Falles der Sachaufklärung dienlich (Gegenüberstellung, Identifikation usw.) 3 oder zur Gewährung rechtlichen Gehörs ohne unangemessene Verzögerung des Verfahrens erforderlich sein (vgl. Rn. 10).

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1 MüKo/Arnoldi 6; SK/Deiters 2 f.; a.A. (allein zum Zwecke der Sachaufklärung): HK/Julius 1; KK/Gmel 1; Meyer-Goßner/Schmitt 3. 2 BayObLGSt 1972 47, 51 f.; OLG Stuttgart MDR 1994 193, 194; KK/Gmel 1; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SK/ Deiters 7, 10. 3 BGHSt 30 172, 175 ff.; BGH NJW 1992 2494, 2495; 1993 868 (zu § 168a Abs. 3); BayObLGSt 1977 156, 158 ff.; OLG Hamm VRS 66 (1984) 44, 45; NZV 2005 386, 387; OLG Koblenz NZV 1994 332, 333; KK/Gmel 1; KMR/Paulus 3; Meyer-Goßner/Schmitt 3; SK/Deiters 1.

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2. Anwendungsbereich a) Erstinstanzliches Verfahren. § 236 gilt im ersten Rechtszug in jeder Lage des 2 Verfahrens,4 wenn das Gericht zulässig nach § 231 Abs. 2, §§ 231a, 231b, 232, 233 oder 411 Abs. 2 Satz 1 ohne Anwesenheit des Angeklagten verhandelt (§ 231c scheidet aus, weil der Angeklagte hier von vornherein nur für Teile der Hauptverhandlung freigestellt ist, die ihn nicht betreffen). Er ist mithin nicht nur anwendbar, wenn der Angeklagte nicht zur Anwesenheit verpflichtet ist, wie bei der Freistellung nach § 233 oder im Falle des § 411 Abs. 2 Satz 1, sondern in allen Fällen, in denen das Gericht ungeachtet der an sich für die ganze Hauptverhandlung nach § 230 bestehenden und erzwingbaren Anwesenheitspflicht befugt ohne ihn verhandeln kann, aber dennoch seine Anwesenheit für nötig hält; denn die Anordnung nach § 236 beinhaltet nicht notwendig die Aufhebung einer zuvor vom Gericht nach § 231 Abs. 2, §§ 231a, 231b oder 232 getroffenen Entscheidung, die – weitere – Hauptverhandlung ohne Anwesenheit des Angeklagten durchzuführen, mit der Folge, dass die umfassende Anwesenheitspflicht des Angeklagten nach § 230 Abs. 1 wiederhergestellt und nach § 230 Abs. 2 erzwingbar ist. Vielmehr kann sich die Anordnung des persönlichen Erscheinens auf die durch Zwangsmittel durchsetzbare Verpflichtung des Angeklagten beschränken, nur zu dem Verhandlungsteil zu erscheinen, für den das Gericht seine Anwesenheit aus Aufklärungsgründen (etwa in einem Fall nach § 231a zur Täteridentifizierung oder Gegenüberstellung des Angeklagten) oder zur sonstigen Verfahrensförderung für erforderlich erachtet, während die Entscheidung, im Übrigen ohne den Angeklagten weiter zu verhandeln, bestehen bleibt. Unerheblich für die Anwendbarkeit des § 236 ist, dass das Gericht zunächst durch sein Verhalten, wie etwa durch die Entbindung vom Erscheinen nach § 233 oder durch einen Hinweis nach § 232 Abs. 1 Satz 1 zum Ausdruck gebracht hatte, dass die Anwesenheit des Angeklagten nicht unbedingt erforderlich sei; denn diese Einschätzung steht in allen Fällen der Abwesenheitsverhandlung stets unter dem Vorbehalt der weiteren Verfahrensentwicklung.5 Aus dem Zweck der Vorschrift (s. Rn. 1) folgt, dass auch die Befugnis des Angeklag- 3 ten, sich in der ohne seine Anwesenheit durchgeführten Hauptverhandlung durch einen nach § 234 bevollmächtigten Verteidiger vertreten zu lassen, der Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht entgegensteht. Im Gegenteil wird diese durch die Anordnung nach § 236 suspendiert.6 Denn in diesen Fällen sieht das Gericht die Anwesenheit des Angeklagten gerade als erforderlich (§ 231 Abs. 2) oder unerlässlich (§ 231a Abs. 1 Satz 1, § 231b Abs. 1 Satz 1) an bzw. übt das ihm – auch in § 232 Abs. 1 Satz 1 und § 233 Abs. 1 Satz 1 – eingeräumte Ermessen gegen eine Abwesenheitsverhandlung aus, so dass diese im Umfang der Anordnung (s. Rn. 2) nicht zulässig ist. Insoweit entfällt dann aber mangels der gesetzlichen Voraussetzungen die Vertretungsmöglichkeit nach § 234. Umgekehrt kann aber die Anwesenheit eines (vertretungsbefugten) Verteidigers die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Angeklagten erübrigen, etwa weil der Verteidi-

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4 OLG Köln NJW 1952 637; Rieß ZStW 90 (1978) Beiheft 205; Radtke/Hohmann/Britz 1; SK/Deiters 1; a.A. AK/Keller 1 (konstitutive Bedeutung hat § 236 nur im Verfahren nach § 233); KMR/Paulus 4 (anwendbar nur bei Abwesenheitsverhandlung nach § 232 oder § 233). 5 Vgl. § 233, 15. 6 BGHSt 25 165, 166 f. = JR 1974 28, 29 m. Anm. Gollwitzer; BayObLGSt 1972 47, 48; BayObLG NJW 1970 1055 m. abl. Anm. Küper S. 1563; OLG Schleswig SchlHA 1964 70; Schmidt SchlHA 1963 265; Radtke/ Hohmann/Britz 2; SK/Deiters 5 f. und § 234, 2 f.; a.A., ohne indessen die Anwendbarkeit des § 236 in Frage zu stellen: KK/Gmel 234, 2; Meyer-Goßner/Schmitt 1 und § 234, 1; Küper NJW 1969 493 f.; 1970 1430; ders. FS Wolter 1024.

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ger die Sacheinlassung des Angeklagten vorträgt (Rn. 10 und § 234, 14) oder einen erforderlichen Hinweis nach § 265 Abs. 1 oder 2 entgegennehmen kann (§ 234a, 9). Aber auch im Verfahren nach Einspruch gegen einen Strafbefehl, in dem sich der 4 Angeklagte gemäß § 411 Abs. 2 Satz 1 stets durch einen nachweislich bevollmächtigten Verteidiger vertreten lassen kann, ist die Möglichkeit, das persönliche Erscheinen des Angeklagten zur Aufklärung des Sachverhalts anzuordnen, nicht ausgeschlossen.7 Sie führt jedoch nicht dazu, dass die Vertretungsmöglichkeit nach § 411 Abs. 2 Satz 1 entfällt; denn deren gesetzliche Voraussetzungen werden durch die Anordnung nach § 236 nicht berührt. Ist daher in der Hauptverhandlung ein vertretungsberechtigter Verteidiger erschienen, so darf der Einspruch des ausgebliebenen Angeklagten auch dann nicht gemäß § 412 Satz 1, § 329 Abs. 1 Satz 1 verworfen werden, wenn sein persönliches Erscheinen angeordnet worden war. Das Gericht muss vielmehr nach § 412 Satz 1, § 329 Abs. 3 das Erscheinen des Angeklagten erzwingen oder – wenn es dies nunmehr für möglich erachtet – allein mit dem vertretungsberechtigten Verteidiger verhandeln.8 Ist dagegen weder der Angeklagte noch ein vertretungsberechtigter Verteidiger in der Hauptverhandlung erschienen, so ist der Einspruch gegen den Strafbefehl nach § 412 Satz 1, § 329 Abs. 1 Satz 1 zwingend zu verwerfen, wenn das Ausbleiben nicht entschuldigt ist. Dies kann das Gericht nicht dadurch umgehen, dass es nunmehr das persönliche Erscheinen des Angeklagten anordnet bzw. die bereits früher getroffene Anordnung durch Vorführungs- oder Haftbefehl ersetzt.9 Die Anordnung nach § 236 setzt auch nicht voraus, dass sich der Angeklagte im Be5 reich der deutschen Gerichtsbarkeit aufhält. Auch gegen einen im Ausland befindlichen Angeklagten ist die Anordnung zulässig.10 6

b) § 236 ist auch im Berufungsverfahren anwendbar (§ 332).11 Jedoch sind die Sonderregelungen in §§ 329, 330 zu beachten. Trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens des Angeklagten ist daher dessen Berufung nach § 329 Abs. 1 Satz 1 zu verwerfen, wenn er unentschuldigt ausbleibt und auch kein über eine nachgewiesene Vertretungsvollmacht (§ 234) verfügender Verteidiger auftritt.12 Da sich der Angeklagte nach der Neufassung des § 329 stets durch einen Verteidiger mit derartiger Vollmacht vertreten lassen kann, scheidet eine Verwerfung seiner Berufung im ersten Termin zur Berufungshauptverhandlung stets aus, wenn ein solcher Verteidiger erscheint (s. § 329 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1). Dies gilt auch, wenn das persönliche Erscheinen des Angeklagten angeordnet war. Vielmehr ist zunächst unter Beachtung eventueller Ausführungen des Verteidigers neu darüber zu befinden, ob über die Berufung des Angeklagten nicht doch ohne dessen Anwesenheit entschieden werden kann. Nur wenn dies zu verneinen ist, ist er gemäß § 329 Abs. 4 Satz 1 zur Fortsetzung der Hauptverhandlung unter (erneuter) Anordnung des persönlichen Erscheinens zu laden. Erst wenn er dem Fortsetzungstermin

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7 BGHSt 9 356, 357; OLG Bremen NJW 1962 1735, 1736; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1998 180; OLG Hamburg NJW 1968 1687, 1688; KG NJW 2007 2345; NStZ-RR 2014 378, 379; KK/Gmel 2; KK/Maur § 411, 14; MeyerGoßner/Schmitt 1; SK/Deiters 4. 8 BayObLGSt 1969 212, 213 f.; 1977 177 f.; OLG Bremen NJW 1962 1735, 1736; OLG Celle NJW 1970 906 m. Anm. Küper S. 1430; OLG Düsseldorf StV 1985 52; NStZ-RR 1998 180 f.; OLG Frankfurt StV 1983 268, 269; OLG Hamburg NJW 1968 1687, 1688; OLG Karlsruhe NStZ 1983 43; KG NJW 2007 2345; OLG Stuttgart NJW 1962 2023; Gollwitzer JR 1974 30; Küper NJW 1969 493 f.; 1973 1335. 9 OLG Brandenburg wistra 2012 43 f. 10 OLG Schleswig SchlHA 1964 70; KMR/Paulus 6; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Eb. Schmidt Nachtrag I 2. 11 SK/Frisch § 332, 5. 12 BayObLGSt 1963 106; Gollwitzer JR 1974 30; KK/Gmel 2; KMR/Paulus 4; Meyer-Goßner/Schmitt 1; SK/Deiters 4, 6.

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unentschuldigt fernbleibt und seine Anwesenheit weiterhin erforderlich ist, muss gemäß § 329 Abs. 4 Satz 2 seine Berufung verworfen werden.13 c) Revisionsverfahren. Für die Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht ist 7 § 236 nicht anwendbar; eine dem § 332 entsprechende Vorschrift fehlt. Nach vorherrschender Ansicht kommt eine entsprechende Anwendung des § 236 indessen für Fälle in Betracht, in denen das Revisionsgericht selbst über Verfahrensvorgänge oder über Prozessvoraussetzungen (etwa Strafantrag der Verlobten des Angeklagten) Beweis zu erheben und deshalb den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen hat.14 Dem kann nicht gefolgt werden. Die Anordnung der Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung bzw. deren Durchsetzung durch Vorführungs- oder Haftbefehl greifen in Grundrechte des Angeklagten ein und bedürfen daher einer gesetzlichen Grundlage. Eine solche ist nur für das erstinstanzliche sowie das Berufungsverfahren vorhanden (§§ 230, 236, 332). Die Teilnahme an der Revisionshauptverhandlung ist ihm demgegenüber gesetzlich freigestellt (§ 350 Abs. 2). Sie kann daher nicht erzwungen werden.15 d) Sondervorschriften. Für das Privatklageverfahren trifft § 387 Abs. 3 eine be- 8 sondere Regelung. Für Einziehungs- und andere Nebenbeteiligte gilt § 427 Abs. 2, § 439. Auch für Nebenbetroffene (§ 438 Abs. 3) sowie Vertreter juristischer Personen oder von Personenvereinigungen (§ 444 Abs. 2 Satz 2) ist § 427 Abs. 2 entsprechend anzuwenden. 3. Die Entscheidung des Gerichts a) Zuständigkeit. Die Anordnung nach § 236 trifft das Gericht, nicht der Vorsitzen- 9 de. Die anderen Verfahrensbeteiligten können sie allenfalls anregen. Ein förmliches Antragsrecht haben sie nicht. b) Ermessen. Ob das Gericht von der Befugnis nach § 236 Gebrauch macht, liegt in 10 seinem durch die Aufklärungspflicht oder den Aspekt der Verfahrensökonomie bestimmten pflichtgemäßen Ermessen.16 Dieses muss in jedem Einzelfall gesondert ausgeübt werden; unzulässig ist daher etwa eine generelle Anweisung an die Geschäftsstelle, in Strafbefehlsverfahren sei das persönliche Erscheinen des Angeklagten stets angeordnet.17 Bei der Entscheidung sind die Bedeutung der Sache und der vom persönlichen Erscheinen des Angeklagten zu erwartende Beitrag zur Sachaufklärung und zur Überzeugungsbildung bzw. zur Verfahrensbeschleunigung (vgl. Rn. 1) abzuwägen gegen den Aufwand, der für den Angeklagten hiermit verbunden ist, mithin ob ihm das persönliche Erscheinen in der Hauptverhandlung bei Berücksichtigung seiner berechtigten Belange zugemutet werden kann.18 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Übermaßver-

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13 S. den Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz BTDrucks. 18 5254 S. 6. 14 OLG Koblenz NJW 1958 2027, 2028; KK/Gmel 2; KMR/Paulus 4; Meyer-Goßner/Schmitt 1; MüKo/ Arnoldi 2; Radtke/Hohmann/Britz 1; SK/Deiters 4. 15 Ablehnend auch Rieß ZStW 90 (1978) Beiheft 205; Eb. Schmidt 1 (nur unverbindliche Aufforderung durch das Revisionsgericht möglich) sowie Nachtrag I 1 (§ 350 Abs. 2 bietet keine sichere Stütze für die Anordnung nach § 236); SSW/Grube 4. 16 BGHSt 30 172, 175; KG NJW 2007 2345; NStZ-RR 2014 378, 379; OLG Köln NStZ 1988 31; OLG Saarbrücken NStZ 1989 480; KK/Gmel 3; Meyer-Goßner/Schmitt 4; SK/Deiters 7. 17 LG Berlin VRS 118 (2010) 364. 18 BayObLGSt 1973 112, 113 f.; OLG Frankfurt DAR 1971 219, 220; KG NJW 2007 2345; NStZ-RR 2014 378, 379; LG Essen StraFo 2010 28.

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bot sind dabei zu beachten.19 Die Zumutbarkeit des Erscheinens20 spielt als Ermessensschranke eine Rolle namentlich bei Bagatellstrafverfahren, die ohne Anwesenheit des Angeklagten verhandelt werden können, z.B. bei einem weit entfernt wohnenden oder in seiner Reisefähigkeit behinderten Angeklagten. Im Einzelfall kann es ausreichen, dass ein vertretungsberechtigter Verteidiger die Sachausführungen des Angeklagten vorträgt.21 11 Unzulässig ist die Anordnung nach § 236, wenn damit ausschließlich erreicht werden soll, dass der Angeklagte seinen Einspruch gegen einen Strafbefehl oder seine Berufung zurücknimmt.22 Sie ist ebenfalls ermessensmissbräuchlich, wenn eine Förderung der Sachaufklärung unter keinem Blickwinkel zu erwarten ist, etwa weil der Versuch einer Identifizierung des Angeklagten nach Sachlage von vornherein als aussichtslos erscheint.23 Gleiches gilt, wenn mit ihr der alleinige Zweck verfolgt wird, einen Angeklagten, der erklärt hat, nicht zur Sache aussagen zu wollen, unter dem Eindruck des Ergebnisses der Beweisaufnahme doch noch zur Aussage zu veranlassen; hier hat die Aussagefreiheit des Angeklagten (§ 243 Abs. 5 Satz 1) absoluten Vorrang vor subtilen Versuchen, ihn vielleicht doch noch zu einer Einlassung zu bewegen.24 Anders ist dies jedoch, wenn im Einzelfall die Anwesenheit des zum Schweigen entschlossenen Angeklagten aus sonstigen verfahrensrechtlichen Gründen angezeigt erscheint, etwa, weil wegen einer nach den Umständen möglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage Hinweise nach § 265 oder die nochmalige Gewährung des rechtlichen Gehörs zu neuen Beweismitteln notwendig werden können. 12 Stehen der Anordnung des persönlichen Erscheinens in der Hauptverhandlung triftige Gründe entgegen, so muss das Gericht, wenn es die Anhörung eines befugt der Hauptverhandlung fernbleibenden Angeklagten zur Sachaufklärung für erforderlich hält, dessen Einvernahme durch einen ersuchten Richter25 oder – im Anwendungsbereich des § 233 – im Wege der Bild-Ton-Übertragung nach § 233 Abs. 2 Satz 3 (s. auch § 233, 42) veranlassen; dies gilt aber nur, wenn dieser den Angeklagten weniger belastende Weg mit hinlänglicher Sicherheit zur Sachaufklärung ausreicht.26 Bei

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19 BGHSt 30 172, 175; 38 251, 257; OLG Düsseldorf VRS 65 (1983) 446, 448; NStZ-RR 1998 180 f.; OLG Stuttgart MDR 1994 193, 194. 20 KG NJW 2007 2345; zu § 73 Abs. 2 OWiG a.F. vgl. etwa: BayObLGSt 1975 52, 54; 1975 77 f.; 1977 156, 158; 1982 159, 160 ff.; 1983 48, 49; BayObLG GA 1983 86; OLG Hamm VRS 54 (1978) 448, 449; OLG Stuttgart VRS 58 (1980) 436, 438. 21 Vgl. OLG Düsseldorf VRS 50 (1976) 131, 132; NStZ-RR 1998, 180 f.; KMR/Paulus 6. 22 OLG Köln StV 1984 18; KMR/Paulus 6; a.A. MüKo/Arnoldi 7. 23 BayObLGSt 1982 159, 161 f.; KK/Gmel 3; KMR/Paulus 3; s. demgegenüber für den Fall, dass das Aussehen des Angeklagten mit in der Akte befindlichen Lichtbildern abgeglichen werden soll: KG NStZ-RR 2014 378, 379. 24 A.A. BGHSt 38 251, 257 f.; OLG Stuttgart MDR 1994 193, 194; NStZ-RR 2005 349; Meyer-Goßner/ Schmitt 5; MüKo/Arnoldi 7 (zu Erörterungen nach § 257b oder Verständigungsgesprächen gemäß § 257c); SSW/Grube 8; wie hier dagegen: BayObLGSt 1983 48, 49 f. = JR 1983 522 m. abl. Anm. Göhler; BayObLGSt 1985 119, 120 f. = NStZ 1986 368 m. abl. Anm. Göhler; OLG Köln VRS 61 (1981) 361, 362; OLG Hamburg MDR 1989 936; OLG Saarbrücken NStZ 1989 480 m. abl. Anm. Meyer; HK/Julius 2; KK/Gmel 3; KMR/Paulus 3; Radtke/Hohmann/Britz 5; differenzierend SK/Deiters 10 (Anordnung in Ausübung der gerichtlichen Fürsorgepflicht zulässig, um dem Angeklagten die Möglichkeit zu einem „vernünftigen Strategiewechsel“ zu ermöglichen; damit wird aber auf ein rechtlich nicht mehr handhabbares Abgrenzungskriterium abgestellt und es bleibt mehr als fraglich, ob das Gericht tatsächlich befugt ist, über die „Vernunft“ der Verteidigungsstrategie zu befinden). 25 BayObLGSt 1972 168 f.; 1973 112; 1975 77 f.; BayObLGSt VRS 63 (1982) 285; bei Rüth DAR 1984 247; 1985 249; 1986 250 f.; OLG Frankfurt DAR 1976 107; OLG Hamm VRS 54 (1978) 448; OLG Koblenz VRS 54 (1978) 293, 294; OLG Köln StV 1984 18, 19; OLG Stuttgart VRS 58 (1980) 436; 61 (1981) 135; ferner auch BGHSt 28 44; KMR/Paulus 6. 26 Vgl. BGHSt 30 172, 176.

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einer zeitlich bedingten Unzumutbarkeit kommt auch eine Verlegung des Termins in Betracht.27 c) Bekanntmachung der Entscheidung. Der Beschluss, der das persönliche Er- 13 scheinen anordnet, ist dem Angeklagten zuzustellen, in der Regel zugleich mit der Ladung (§ 216) zum Termin.28 Die Ladung muss die Zwangsmittel androhen (Warnung i.S.d. § 216 Abs. 1 Satz 1). War der Angeklagte durch einen Beschluss des Gerichts vorher von der Pflicht zum Erscheinen entbunden worden, empfiehlt sich außerdem der Hinweis, dass diese Freistellung damit hinfällig ist. Für das Berufungsverfahren ist daneben die Sonderregelung in § 329 Abs. 4 Satz 1 und 3 zu beachten (s. oben Rn. 6). d) Keine Bindung. Das Gericht ist durch seine Entscheidung nicht gebunden. Es 14 kann, wenn der Angeklagte trotz Anordnung nicht selbst erscheint, auf Zwangsmaßnahmen verzichten und zur Sache verhandeln, wenn es nach seinem pflichtgemäßen Ermessen die Anwesenheit des Angeklagten als nicht mehr zur Wahrheitsfindung erforderlich ansieht.29 Dies gilt selbst noch nach einem fruchtlosen Erzwingungsversuch.30 Durch das (Weiter-)Verhandeln ohne den Angeklagten ist die Anordnung konkludent aufgehoben. Zeigt dagegen ein mit Erkrankung begründeter Vertagungsantrag des Angeklagten, dass er sein Anwesenheitsrecht wahrnehmen will, so darf das Gericht auch dann nicht in seiner Abwesenheit verhandeln, wenn es die Anordnung des persönlichen Erscheinens aufhebt.31 Das Gericht kann seinen Beschluss von sich aus oder auf Gegenvorstellung hin auch 15 förmlich wieder aufheben, etwa, wenn der Angeklagte triftige Gründe geltend macht, die seinem Erscheinen entgegenstehen oder wenn es im weiteren Verlauf des Verfahrens sein persönliches Erscheinen für entbehrlich hält. Es muss die Anordnung rückgängig machen, wenn erkennbar wird, dass der damit verfolgte Aufklärungszweck nicht erreichbar ist.32 4. Zwangsmittel. Die Vorführung oder Verhaftung nach § 230 dürfen nur angeord- 16 net werden, wenn sie vorher dem Angeklagten angedroht worden sind (s. Rn. 13).33 Ist dies in der Ladung (§ 216) unterblieben, so muss es vor Anordnung eines Zwangsmittels nachgeholt werden. Als Ungehorsamsfolge setzt ihre Anordnung ebenso wie bei § 230 Abs. 2 voraus, dass das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt ist. Die Ausführungen zu § 230 Abs. 2 gelten insoweit entsprechend. Vorführungs- und Haftbefehl sind nach § 35 Abs. 2, § 36 Abs. 2 bekanntzugeben und zu vollstrecken (wegen der Einzelheiten s. § 230, 28 ff. sowie die Erläuterungen zu §§ 35, 36). 5. Rechtsmittel a) Beschwerde. Der Beschluss, der das persönliche Erscheinen anordnet, unterliegt 17 nicht der Beschwerde.34 Die Anordnung des erkennenden Gerichts geht der Urteilsfin-

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27 BayObLGSt 1970 139, 141 f.; 1975 77 f. 28 OLG Hamm VRS 66 (1984) 44; OLG Schleswig SchlHA 1964 70; KK/Gmel 4; KMR/Paulus 7; MeyerGoßner/Schmitt 7; Eb. Schmidt Nachtrag I 3; SK/Deiters 11. 29 HK/Julius 2; Meyer-Goßner/Schmitt 8; a.A. noch BayObLGSt 1972 47, 51; BayObLG NJW 1970 1055, 1056 m. abl. Anm. Küper S. 1562; OLG Schleswig SchlHA 1964 70, 71. 30 OLG Celle NJW 1970 906, 907; OLG Hamburg NJW 1968 1687, 1688; KK/Gmel 5; KMR/Paulus 10; Meyer-Goßner/Schmitt 8; SK/Deiters 11; SSW/Grube 11; Küper NJW 1969 494. 31 OLG Karlsruhe VRS 91 (1997) 193. 32 BayObLGSt 1983 48, 49 f. 33 KK/Gmel 6; Eb. Schmidt 3; SK/Deiters 11. 34 BayObLGSt 1952 116; KK/Gmel 7; KMR/Paulus 12; Meyer-Goßner/Schmitt 9; SK/Deiters 12.

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dung voraus (§ 305 Satz 1). Das übergeordnete Gericht könnte die Wahrheitsforschung durch das erkennende Gericht nicht beschneiden. Vorführungs- und Haftbefehl sind mit der Beschwerde anfechtbar.35 18

b) Revision. Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 scheidet aus, da das Gericht auch dann, wenn es das persönliche Erscheinen des Angeklagten angeordnet hat, an seinen Beschluss nicht gebunden und daher bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen nach § 231 Abs. 2, §§ 231a, 231b, 232 oder 233 rechtlich nicht gehindert ist, nach – formloser oder förmlicher – Aufhebung der Anordnung nach § 236 (Rn. 14 und 15) ohne den Angeklagten weiter zu verhandeln.36 Gerügt werden kann aber unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Aufklärungspflicht, dass das Gericht in Verkennung der seinem Ermessen gesetzten Grenzen die Anordnung des persönlichen Erscheinens oder – bei Unzumutbarkeit des Erscheinens – die zur Sachaufklärung gebotene Anordnung der Vernehmung des Angeklagten durch einen ersuchten Richter oder im Wege der Bild-Ton-Übertragung (vgl. Rn. 12) unterlassen hat.37 Ein derartiger Verstoß ist nicht von Amts wegen zu beachten. Vielmehr muss die Aufklärungsrüge erhoben werden, in der alle Tatsachen anzuführen sind (§ 344 Abs. 2 Satz 2), aus denen sich ergibt, dass die Teilnahme des Angeklagten für das Gericht erkennbar zu einer weiteren, für die Urteilsfindung relevanten Sachaufklärung geführt hätte und dass das Gericht dies nicht erkannt oder aber in Fehlgebrauch seines Ermessens unberücksichtigt gelassen hat.38

§ 237 Verbindung mehrerer Strafsachen § 237 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-035

Das Gericht kann im Falle eines Zusammenhangs zwischen mehreren bei ihm anhängigen Strafsachen ihre Verbindung zum Zwecke gleichzeitiger Verhandlung anordnen, auch wenn dieser Zusammenhang nicht der in § 3 bezeichnete ist. Schrifttum Barton Die Trennung verbundener Strafsachen gem. §§ 2 Abs. 2, 4 Abs. 1 und § 237 StPO unter Berücksichtigung ausgewählter in der Praxis häufig auftauchender Problemkreise (1978); Bohnert Tatmehrheit, Verfahrensmehrheit und nachträgliche Gesamtstrafenbildung, GA 1994 97; Gubitz/Bock Zur Verbindung weiterer Verfahren während einer bereits begonnenen Hauptverhandlung gegen denselben Angeklagten, StraFo 2007 225; Kost Verbindung und Trennung von Strafverfahren (1989); Meyer-Goßner Verfahrensverbindung in Strafsachen ohne gesetzliche Grundlage, DRiZ 1985 241; ders. Die Verbindung verschiedener, gegen denselben Angeklagten bei demselben Landgericht anhängiger Strafverfahren, NStZ 1989 297; ders. Zur Zulässigkeit von Verfahrensverbindungen und zu den Folgen einer zulässigen Verbindung (§§ 2 ff. StPO), DRiZ 1990 284; ders. Die Verbindung von Strafsachen beim Landgericht, NStZ 2004 353; MeyerGoßner/Cierniak Grenzen des Revisionsrechts? StV 2000 696; Mutzbauer Gerichtliche Zuständigkeiten nach der Trennung verbundener Strafverfahren, NStZ 1995 213; Rosenmeier Die Verbindung von Strafsa-

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35 Wegen der Einzelheiten, auch wegen des Ausschlusses der weiteren Beschwerde beim Vorführungsbefehl vgl. § 230, 44 ff. 36 Küper NJW 1969 494. 37 BayObLGSt 1972 168, 169; 1972 281, 282 f.; Pfeiffer 4; Radtke/Hohmann/Britz 10. 38 Vgl. OLG Düsseldorf VRS 65 (1983) 446, 447 f.; Wessels JuS 1969 8 f.; KK/Gmel 8; KMR/Paulus 13; Meyer-Goßner/Schmitt 10; Radtke/Hohmann/Britz 10; SK/Deiters 13.

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chen im Erwachsenenstrafrecht (1973); Steinmetz Das Gleichzeitigkeitserfordernis des § 53 StGB und die Rechtsprechungsänderung zu §§ 4, 237 StPO, JR 1993 228. Weiteres Schrifttum bei § 2.

Bezeichnung bis 1924: § 236. Übersicht Zweck der Vorschrift | 1 Anwendungsbereich | 2 Voraussetzungen der Verbindung a) Strafsachen bei demselben Gericht | 4 b) Anhängigkeit | 5 c) Zusammenhang | 7 Entscheidung des Gerichts a) Ermessen | 8 b) Form der Entscheidung | 10 c) Begründung des Beschlusses | 11 d) Bekanntgabe des Beschlusses | 12

1. 2. 3.

4.

5.

6.

7.

Wirkung der Verfahrensverbindung a) Selbständigkeit der verbundenen Verfahren | 13 b) Verfahrensgestaltung | 14 c) Urteil | 17 d) Zuständiges Revisionsgericht | 18 Trennung der verbundenen Sachen a) Verfahren | 19 b) Ermessen | 20 c) Rechtswirkung der Trennung | 21 Rechtsmittel a) Beschwerde | 22 b) Revision | 24

1. Zweck der Vorschrift. § 237 dient allein der Prozessökonomie. Er will es ermögli- 1 chen, mehrere Strafsachen, die einen Bezug zueinander haben, auch dann gemeinsam zu verhandeln, wenn ihnen der engere Zusammenhang des § 3 ermangelt. Während die unter den Voraussetzungen des § 3 vorgenommene Verfahrensverbindung nach §§ 2, 4, 13 Abs. 2 die zusammengefassten Strafsachen unter Verschiebung sachlicher und/oder örtlicher Zuständigkeiten zu einem einheitlichen Verfahren verschmilzt, lässt die Anwendung des § 237 die Selbständigkeit der verbundenen Verfahren sowie die Zuständigkeiten unberührt. Sie erleichtert lediglich die prozesstechnische Abwicklung der Verfahren, da sie deren gemeinsame Verhandlung zulässt.1 Damit sind zugleich die Grenzen der Vorschrift umrissen. Sie hat hinter allen strafprozessualen Maximen zurückzutreten, die der reinen Prozessökonomie vorgehen, etwa der Aufklärungspflicht oder dem Beschleunigungsgebot.2 2. Anwendungsbereich. Die Verfahrensverbindung nach § 237 kommt sowohl im 2 erstinstanzlichen Verfahren, als auch in der Berufungsinstanz (§ 332) für alle Strafsachen in Betracht, also auch im beschleunigten Verfahren (§§ 417 ff.), im Privatklageverfahren (§§ 374 ff.; vgl. § 384 Abs. 1 Satz 1), im Sicherungsverfahren (§§ 413 ff.; vgl. § 414 Abs. 1) oder im objektiven Verfahren bei nachträglicher oder selbständiger Einziehung (§§ 433, 435; vgl. § 434 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2) bzw. der dieser gleichgestellten Rechtsfolgen (§ 439). Die Anwendung des § 237 setzt dabei nicht voraus, dass es sich bei den Strafsachen, die verbunden werden sollen, um solche derselben Verfahrensart handelt. Eine Strafsache kann daher mit einem Bußgeldverfahren,3 aber auch ein subjektives Strafverfahren etwa mit einem objektiven Sicherungsverfahren4 oder einem objektiven Einziehungsverfahren5 verbunden werden.

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1 2 3 4 5

BGHSt 19 177, 182; 26 271, 273; 36 348, 349; OLG Düsseldorf MDR 1985 252. Vgl. BVerfG StV 2002 578, 580. BayObLGSt 1954 14. AK/Keller 2; KMR/Paulus 10. Vgl. BayObLGSt 1954 14; KMR/Paulus 10.

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Im Revisionsverfahren ist die entsprechende Anwendung des § 237 möglich.6 Sie ist insbesondere dann in Betracht zu ziehen, wenn eine Rechtsfrage grundsätzlicher Klärung zugeführt werden soll und durch die zusammengefasste Behandlung ähnlich gelagerter Fälle eine verbreiterte tatsächliche Beurteilungsgrundlage geschaffen werden kann.7 Wegen der Besonderheiten des Revisionsverfahrens wird sie auch dann als zulässig zu erachten sein, wenn es nicht zu einer Hauptverhandlung kommt, die hier ohnehin nur in einer geringen Zahl von Fällen stattfindet (vgl. § 349 Abs. 2–5). 3. Voraussetzungen der Verbindung

4

a) Strafsachen bei demselben Gericht. Die überkommene, wohl noch überwiegende Ansicht versteht als Gericht im Sinne des § 237 unter Betonung der prozessökonomischen Zielsetzung der Regelung die administrative Einheit des Gerichts als Ganzes, so dass grundsätzlich alle jeweils bei demselben Amts-, Land- oder Oberlandesgericht anhängigen Strafsachen nach dieser Vorschrift verbunden werden können.8 Vereinzelt wird die Verbindung bei verschiedenen Spruchkörpern desselben Gerichts anhängiger Sachen nur für zulässig erachtet, wenn die Spruchkörper gleichrangig sind.9 Die vordringende Gegenmeinung ist dagegen der Auffassung, dass § 237 mit dem Begriff des Gerichts den jeweiligen einzelnen Spruchkörper meint. Eine Verbindung bei verschiedenen Spruchkörpern desselben Gerichts anhängiger Sachen nach § 237 scheidet danach aus.10 Diese Ansicht trifft zu. Sie beruft sich mit Recht auf die systematische Stellung des § 237 im 6. Abschnitt des 2. Buchs der StPO, dessen Vorschriften, wenn sie von Gericht sprechen, generell den einzelnen in der Hauptverhandlung zur Entscheidung berufenen Spruchkörper meinen. Sie ist darüber hinaus vorzugswürdig, weil sie dem gewandelten Verständnis 11 von der Gewährleistung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) Rechnung trägt; denn da für die Verbindung nach § 237 im Gegensatz zu dem für die Anwendung der §§ 2, 4, 13 Abs. 2 maßgeblichen, klar und einschränkend umrissenen Zusammenhangserfordernis des § 3 jeder irgendwie geartete Zusammenhang ausreicht (Rn. 7), ermöglicht es die bisher noch vorherrschende Ansicht in zu weitem, allenfalls durch das Willkürkriterium eingegrenztem Umfang, geschäftsplanmäßige Zuständigkeiten zu verschieben.12 Dies lässt sich allein durch den Gedanken der Prozessökonomie nicht rechtfertigen.13 Letztlich hat die hier vertretene Auffassung den Vorzug, dass sie von vornherein eine Vielzahl von Fehlerquellen ausschließt, die mit

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6 Vgl. BGH StV 2000 702; Meyer-Goßner/Cierniak StV 2000 697. 7 Vgl. BGH NStZ 2004 86, 87; 2004 105, 106; NJW 2004 2536. 8 BGHSt 20 219, 220; 26 271, 273 ff. = LM StPO 1975 Nr. 1 m. Anm. Pelchen; 36 348, 351; BGH NJW 1995 1688, 1689; BGH bei Miebach NStZ 1988 211; OLG Stuttgart NStZ 1995 248, 249 m. Anm. Meyer-Goßner NStZ 1996 51 = JR 1995 517 m. Anm. Wendisch; HK/Julius 3, der jedoch „beachtliche Gründe“ für die Gegenansicht anerkennt; Pfeiffer 1, aber anders wohl Rn. 3; Radtke/Hohmann/Britz 5; Eb. Schmidt 2; offen gelassen von BGHSt 38 376, 379 = NStZ 1993 248 m. Anm. Rieß = JZ 1993 477 m. Anm. Kindhäuser; vgl. auch BGH NStZ-RR 1997 171. 9 KMR/Paulus 3, 5, 11 ff., 21; Kost 21 f. 10 KK/Gmel 2; Meyer-Goßner/Schmitt 3; MüKo/Arnoldi 4 f.; SK/Deiters/Albrecht 3; SSW/Grube 3; Meyer-Goßner DRiZ 1990 286; ders. NStZ 1996 51; 2004 354 f.; Steinmetz JR 1993 228; Sowada 721 ff. 11 Vgl. BVerfGE 96 27; BGHZ 126 63. 12 Bei überbesetzten Spruchkörpern wird in der internen Geschäftsverteilung nach § 21g GVG zu regeln sein, nach welchen Kriterien für Zusammenhangssachen die einheitliche Zuständigkeit einer Spruchgruppe begründet wird, die dann ihrerseits die Verbindung beschließen kann. 13 Vgl. Meyer-Goßner NStZ 2004 354.

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der Anwendung des § 237 auf der Grundlage der überkommenen bisherigen Rechtsansicht eröffnet sind.14 b) Anhängigkeit. Nach dem Wortlaut des § 237 müssen die Strafsachen, die verbun- 5 den werden sollen, beim Gericht anhängig sein. Die (auch nur entsprechende) Anwendung der Vorschrift im Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft scheidet daher aus.15 Anhängig wird die Sache mit dem Eingang der Anklage (§ 170 Abs. 1), des Strafbefehlsantrags (§ 407 Abs. 1), des Antrags auf Aburteilung im beschleunigten Verfahren (§ 417), der Privatklage (§ 381) bzw. des Antrags im Sicherungs- (§§ 413, 414 Abs. 2) oder einem sonstigen objektiven Verfahren (§§ 435, 439). Dementsprechend wird vielfach angenommen, dass bereits ab diesem Zeitpunkt die Verbindung zulässig sei.16 Damit wird aber zum einen wiederum die systematische Stellung des § 237 missachtet, der in den Abschnitt des 2. Buchs über die Hauptverhandlung eingestellt ist, zum anderen aber auch dem Umstand nicht Rechnung getragen, dass die Verbindung nur zum Zwecke gleichzeitiger Verhandlung zulässig ist. Sie kann daher erst dann in Betracht kommen, wenn feststeht, dass es zu einer Hauptverhandlung kommt, also nach Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203),17 zulässigem Einspruch gegen den Strafbefehl (§§ 410, 411 Abs. 1 Satz 2) bzw. Terminsbestimmung statt Strafbefehlserlass (§ 408 Abs. 3 Satz 2), Terminsbestimmung (§ 418 Abs. 1) bzw. Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 419 Abs. 3 Halbsatz 1) im Rahmen des beschleunigten Verfahrens, Eröffnungsbeschluss im Privatklageverfahren (§ 383 Abs. 1), Zulassung des Antrags im Sicherungsverfahren (§ 414 Abs. 1 und 2, § 203), Terminsbestimmung im objektiven Einziehungs- bzw. diesem gleichgestellten Verfahren (§ 436 Abs. 2, § 434 Abs. 3 Satz 1, § 439). Nach Beginn der Hauptverhandlung ist die Hinzuverbindung eines Verfahrens gemäß § 237 nicht mehr zulässig.18 Nicht notwendig ist es demgegenüber, dass sich die zu verbindenden Sachen im sel- 6 ben Rechtszug befinden. Ein Spruchkörper kann daher eine Sache, die bei ihm im ersten Rechtszug anhängig oder nach Zurückverweisung wieder anhängig ist, gemäß § 237 (nicht analog § 4; vgl. unten Rn. 9) mit einem Verfahren verbinden, über das es als Berufungsgericht zu entscheiden hat.19 Dies kommt seit den Änderungen der Gerichtsverfassung durch das RpflEntlG aber allein noch bei der Großen Jugendkammer in Betracht (§ 33b Abs. 1, § 41 Abs. 2 Satz 1 JGG). Diese muss für das hinzuzuverbindende erstinstanzliche Verfahren originär zuständig sein. Es ist daher nicht zulässig, in einer nicht § 41 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 3 bis 5 JGG oder § 74b GVG unterfallenden Sache Anklage zu der nicht zuständigen Jugendkammer zu erheben, um eine Verbindung mit einer dort allein an-

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14 Die nachfolgende Kommentierung beruht auf der hier befürworteten Auffassung; zu den Rechtsproblemen, die sich auf der Basis der Gegenansicht ergeben, wird auf die Kommentierung der Vorschrift bei LR/Gollwitzer 25 verwiesen. 15 BGHSt 38 376, 379 = NStZ 1993 248 m. Anm. Rieß = JZ 1993 477 m. Anm. Kindhäuser; Rosenmeier 31. 16 BGHSt 20 219; AK/Keller 2; KMR/Paulus 21; MüKo/Arnoldi 7; Radtke/Hohmann/Britz 7; SK/Deiters/ Albrecht 6; Gubitz/Bock StraFo 2007 227; vgl. Eb. Schmidt 2 und Nachtrag I 1: „nicht zweckmäßig“; Hanack JZ 1972 82: „zulässig, aber nicht ohne weiteres zweckmäßig“. 17 KK/Gmel 4; Meyer-Goßner/Schmitt 4; SSW/Grube 2. 18 Meyer-Goßner NStZ 2003 355; SK/Deiters/Albrecht 8; SSW/Grube 2; im Erg. auch Gubitz/Bock StraFo 2007 227; vgl. BGHSt 53 108; BGH NStZ-RR 1999 303. 19 Meyer-Goßner/Schmitt 4; SK/Deiters/Albrecht 5; SSW/Grube 2; vgl. auch – allerdings auf Grundlage der in Rn. 4 dargestellten überkommenen Auffassung – BGHSt 19 177, 182; 20 219, 220; 26 271, 273; 29 67; 35 195, 197 = JR 1988 385, 386 m. Anm. Meyer; 36 348, 351; 38 300, 301; BGH NJW 1995 1688, 1689; MDR 1955 755; NStZ 1998 628 f.; bei Miebach NStZ 1988 211; bei Kusch NStZ-RR 1998 257; 1999 257; Eb. Schmidt JZ 1964 470; Hanack JZ 1971 90; AK/Keller 2.

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hängigen Berufungssache herbeizuführen.20 Über die Besetzungsreduktion nach § 33b Abs. 2 Satz 1 JGG, die gemäß § 33b Abs. 4 Satz 1 JGG auch im Berufungsverfahren Anwendung findet, kann für die zu verbindenden erst- und zweitinstanzlichen Verfahren nur einheitlich entschieden werden. Zwar führt die Verbindung nach § 237 nur zu einer gemeinsamen Verhandlung, so dass es theoretisch denkbar wäre, dass nach deren Abschluss in den nunmehr wieder getrennten Verfahren unterschiedlich besetzte Richterbänke die jeweilige abschließende Entscheidung treffen.21 Mit der Gewährleistung des gesetzlichen Richters ist es aber nicht vereinbar, dass an Zwischenentscheidungen in der Hauptverhandlung, die alle verbundenen Verfahren betreffen, ein Richter mitwirkt, der dann am Urteil, das mit reduzierter Besetzung gefällt wird, nicht mehr beteiligt ist. 7

c) Zusammenhang. Da die Verfahrensverbindung nach § 237 im Gegensatz zu derjenigen nach §§ 2, 4 bzw. 13 Abs. 2 weder sachliche noch örtliche Zuständigkeiten verschiebt und noch nicht einmal in die gerichtsinterne Verteilung der Geschäfte eingreift, sind an den vorausgesetzten Zusammenhang der zu verbindenden Strafsachen wesentlich geringere Anforderungen zu stellen, als sie von § 3 für die Anwendung der §§ 2, 4 oder 13 Abs. 2 gefordert werden. Es genügt, wenn zwischen den Verfahren unter irgendeinem Gesichtspunkt ein Bezug besteht, der ihre gemeinsame Verhandlung zweckmäßig erscheinen lässt.22 Dies kann der Fall sein bei Identität des Verletzten oder von Beweismitteln (Zeugen, Sachverständiger),23 Gegenseitigkeit der Beteiligung an einem einheitlichen Vorgang (Verkehrsunfall, Schlägerei) oder auch nur Gleichartigkeit der zu beurteilenden Taten oder Rechtsfragen.24 4. Entscheidung des Gerichts

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a) Ermessen. Die Entscheidung über die Verbindung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts,25 das in dieser primär nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit und Prozesswirtschaftlichkeit zu beurteilenden Frage einen weiten Ermessensspielraum hat. Dies bedeutet aber nicht, dass es nach Willkür oder unter Missachtung des Gebots fairer Verfahrensgestaltung verfahren dürfte;26 es muss die prozesswirtschaftlichen Vorund Nachteile, das Erfordernis der Verfahrensbeschleunigung unter Berücksichtigung der eigenen Terminplanung sowie die Auswirkungen auf die Prozessbeteiligten und Zeugen ebenso erwägen wie einen etwaigen Gewinn für die Sachaufklärung.27 Ob eine Verbindung für das Verfahren förderlich ist, lässt sich bei der Ambivalenz der Gesichtspunkte immer nur nach den Besonderheiten des jeweiligen Falles beurteilen.28 Dass ein Zeuge durch die Verbindung zum Mitangeklagten wird, schließt die Verbindung nicht

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20 Vgl. BGHSt 37 15, 19; 38 172 = NStZ 1992 342 m. Anm. Rieß S. 548; BGH NStZ 1992 397; KK/Gmel 2; vgl. Kindhäuser JZ 1993 478. 21 So wohl Meyer-Goßner NStZ 2004 357 f. 22 BGHSt 19 177, 182; 20 219, 220; BGH NJW 1953 836; KK/Gmel 5; KMR/Paulus 22; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Eb. Schmidt 4; SK/Deiters/Albrecht 1, 7; Hanack JZ 1971 90; 1972 82. 23 BayObLG NJW 1977 820, 821. 24 KMR/Paulus 22. 25 Vgl. BGHSt 18 238, 239; BGH bei Miebach/Kusch NStZ 1991 226; KMR/Paulus 30; SK/Deiters/Albrecht 9; von „freiem Ermessen“ ist dagegen die Rede bei: RGSt 57 44; BGH NJW 1953 836; BGH bei Schmidt MDR 1994 241; KK/Gmel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 7; damit ist aber nicht gemeint, dass auch ein Ermessenmissbrauch nicht gerügt werden könnte, s. etwa KK/Gmel 14. 26 BVerfG StV 2002 578, 580; OLG Stuttgart NJW 1960 2353; Eb. Schmidt JZ 1970 342. 27 BVerfG StV 2002 578, 580 f.; vgl. OLG Frankfurt StV 1983 92; OLG Koblenz VRS 49 (1975) 115; Rosenmeier 119, 124. 28 Grünwald 50. DJT Gutachten 26.

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aus,29 ebenso wenig, dass derselbe Anwalt in den noch getrennten Verfahren zwei Angeklagte wegen unterschiedlicher Taten i.S.d. § 264 Abs. 1 vertritt; denn die Verbindung nach § 237 schafft keine Identität der Verfahren,30 so dass der Verteidiger nicht durch § 146 Satz 2 gehindert ist, in der gemeinsam geführten Hauptverhandlung für beide Angeklagten aufzutreten.31 Ein Recht auf Verbindung haben weder der Angeklagte noch die Staatsanwaltschaft;32 jedoch können sie beanspruchen, dass das Gericht das ihm eingeräumte Ermessen nicht missbraucht. Liegt zwischen den zu verbindenden Verfahren desselben Rechtszugs ein Zusam- 9 menhang nach § 3 vor, so steht es grundsätzlich auch im Ermessen des Gerichts, ob es lediglich die lockere Verfahrensverbindung nach § 237 oder eine Verfahrensverschmelzung vornimmt.33 Eine Rechtspflicht, stets der Verfahrensverschmelzung den Vorrang einzuräumen, besteht nicht.34 Dass möglicherweise aus den in den verbundenen Verfahren auszusprechenden (Einzel-)Strafen eine Gesamtstrafe zu bilden wäre (s. auch Rn. 17), muss das Gericht zwar bei seiner Ermessensentscheidung mitberücksichtigen, eine unbedingte Pflicht zur Verfahrensverschmelzung35 folgt daraus aber ebenso wenig wie die Pflicht, die Verfahren überhaupt zu verbinden. Sind bei der Großen Jugendkammer ein erstinstanzliches und ein Berufungsverfahren anhängig, so dürfen diese dagegen auch dann nicht analog § 4 verbunden werden, wenn zwischen ihnen ein Zusammenhang nach § 3 begründet ist; denn hierdurch würde in den Instanzenzug eingegriffen und die Zuständigkeit des Revisionsgerichts geändert.36 Es bleibt hier allein die Verbindung nach § 237. b) Form der Entscheidung. Die Verbindung ist nach Anhörung der Verfahrensbe- 10 teiligten37 durch ausdrücklichen Beschluss anzuordnen,38 der den Beteiligten aller verbundenen Verfahren die Veränderung der Verfahrenslage, die auch ihre Rechte ändern kann (Rn. 14), deutlich macht. Die verschiedentlich für zulässig gehaltene „stillschweigende“ Verbindung, etwa durch gemeinsame Terminierung und gegebenenfalls einem Hinweis in der Ladung,39 ist abzulehnen. Die Verbindung kann nicht unter Einschrän-

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29 BGHSt 18 238; Hanack JZ 1971 90; Eb. Schmidt JZ 1970 342. 30 BGHSt 36 348, 351. 31 BayObLG NJW 1977 820, 821; Meyer-Goßner/Schmitt § 146, 17; differenzierend OLG Celle NStZ 2011 236; OLG Stuttgart NStZ 1985 326, 327; a.A. etwa KK/Laufhütte/Willnow § 146, 8; MüKo/Arnoldi 12; SK/ Deiters/Albrecht 2 (m. zahlr. Nachw. zum Streitstand in Fn. 8); Beulke NStZ 1985 291 ff.; s. demgegenüber BVerfG StV 2002 578, 580 f. für den Fall, dass die Verbindung die Verfahren verschmilzt. 32 BGH bei Miebach/Kusch NStZ 1991 226; bei Schmidt MDR 1994 241; OLG Koblenz OLGSt 3; VRS 49 (1975) 115; KK/Gmel 8; KMR/Paulus 30; Meyer-Goßner/Schmitt 7. 33 Ob die Möglichkeit der Verfahrensverschmelzung auf die analoge Anwendung des § 4 oder – so Meyer-Goßner NStZ 2004 355 – auf eine allgemeine Befugnis des Gerichts zu stützen ist, Sachen, die bereits verbunden hätten angeklagt werden können, zu einem Verfahren zu verschmelzen, ist im Ergebnis ohne Belang. 34 Vgl. BGHSt 36 348, 349; OLG Stuttgart NStZ 1995 248, 249 m. Anm. Meyer-Goßner NStZ 1996 51. 35 Vgl. BGH bei Miebach/Kusch NStZ 1991 226; nach KMR/Paulus 5 und 36 geht die Verbindung analog § 4 vor; ebenso SK/Deiters/Albrecht 8. 36 Meyer-Goßner/Schmitt § 4, 7 sowie Meyer-Goßner NStZ 2004 357 f.; a.A. die in Rn. 4 Fn. 8 zitierte noch überwiegende Ansicht, die seit BGHSt 36 348 auch in dieser Konstellation die Verfahrensverbindung in unmittelbarer bzw. analoger Anwendung des § 4 für möglich erachtet. 37 Vgl. BGH Beschl. v. 12.2.1980 – 5 StR 35/80 (bei Verfahrenstrennung); KK/Gmel 6; KMR/Paulus 28; SK/Deiters/Albrecht 9. 38 BGH NJW 1953 836; BayObLG VRS 54 (1978) 287 (Hinweis in Ladung und Terminsanberaumung noch keine Verbindung); OLG Hamm RPfleger 1961 411 m. abl. Anm. Tschischgale; SK/Deiters/Albrecht 9; wohl auch BVerfG StV 2002 578, 580; Radtke/Hohmann/Britz 10. 39 BGH StraFo 2005 203; KK/Gmel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 7; SSW/Grube 7. KMR/Paulus 28 hält eine stillschweigende Verbindung zwar für zulässig, aber aus Gründen der Prozessklarheit eine ausdrückliche Entscheidung für wünschenswert; so auch MüKo/Arnoldi 9.

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kungen angeordnet werden. Die gemeinsame Hauptverhandlung, die sie herbeiführen soll, ist ein unteilbares Ganzes. Es ist unzulässig, die Verbindung „mit der Maßgabe“ anzuordnen, dass „die Vernehmung eines jeden Angeklagten abgesondert erfolgen“ solle.40 11

c) Begründung des Beschlusses. Die Anordnung der Verbindung ist kurz zu begründen.41 Dies folgt schon aus § 34. Denn danach bedürfen der Begründung auch solche Entscheidungen, die zwar grundsätzlich nicht unmittelbar angefochten werden können, aber der mittelbaren Überprüfung in der Revisionsinstanz unterliegen.42 Das ist hier der Fall (s. Rn. 24). Im Übrigen müssen auch die Verfahrensbeteiligten darüber informiert werden, auf welche Rechtsgrundlage das Gericht seine Entscheidung stützt, damit sie sich auf die entsprechenden Rechtsfolgen einstellen können.43 Längere Beschlussgründe sind nicht nötig. Vielmehr können schon durch die Zitierung des § 237 oder eine entsprechende Wortwahl44 die Rechtsgrundlage hinreichend bezeichnet und in einem Halbsatz die Gründe für die Verfahrensverbindung benannt werden. Auch wenn die Ablehnung der Verbindung Ermessensentscheidung ist und keine Rechte der Verfahrensbeteiligten berührt, ist die Zurückweisung eines entsprechenden Antrages ebenfalls gemäß § 34 zu begründen.45 Es ist auch ein Akt der Verfahrenshöflichkeit, einem Antragsteller kurz mitzuteilen, warum seinem Begehren nicht gefolgt wird. Auch hier genügt eine knappe Verbescheidung.

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d) Für die Bekanntgabe des Beschlusses gilt § 35. Wird er nicht in der Hauptverhandlung verkündet (§ 35 Abs. 1 Satz 1), so genügt seine formlose Mitteilung (§ 35 Abs. 2 Satz 2); denn da er keine Fristen in Lauf setzt, ist eine Zustellung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 nicht erforderlich. 5. Wirkung der Verfahrensverbindung

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a) Selbständigkeit der verbundenen Verfahren. Nach § 237 werden die Strafsachen nur zur gemeinsamen Hauptverhandlung für deren Dauer46 verbunden; anders als bei der Verbindung nach §§ 2 ff. tritt keine Verschmelzung der Verfahren ein. Die Selbständigkeit der einzelnen Strafsachen bleibt bestehen, so dass jede grundsätzlich ihren eigenen Gesetzen folgt.47 § 5 ist auch nicht entsprechend anwendbar.

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b) Verfahrensgestaltung. Die gemeinsame Verhandlung hat jedoch – ungeachtet der fortbestehenden Selbständigkeit der Strafsachen – wichtige verfahrensrechtliche Auswirkungen: Die Angeklagten aller verbundenen Verfahren werden zu Mitangeklag-

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40 RG GA 51 (1904) 405. 41 So wohl auch HK/Julius 4; Radtke/Hohmann/Britz 10; a.A. etwa KK/Gmel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 7; MüKo/Arnoldi 9 (der jedoch eine kurze Begründung zu Informationszwecken empfiehlt). 42 KK/Maul § 34, 2; LR/Graalmann-Scheerer § 34, 3; Meyer-Goßner/Schmitt § 34, 2. 43 Vgl. BGH NJW 1953 863. 44 Zur Auslegung von Verbindungsbeschlüssen vgl. etwa BGH bei Holtz MDR 1990 890; BGHR StPO § 237 Verbindung 4; BGH NStZ 1992 397 (hier im Ergebnis aber zweifelhaft). 45 MüKo/Arnoldi 9; SSW/Grube 7; a.A. etwa RGSt 57 44 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 7; Radtke/Hohmann/ Britz 13. 46 KG JR 1969 349 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 8. 47 RGSt 57 271; BGHSt 19 177, 182; 26 271, 275; 35 195, 197; 36 348, 351; 37 42, 43; BGH bei Holtz MDR 1990 890; BGHR StPO § 237 Verbindung 1; OLG Düsseldorf MDR 1985 252; KG JR 1969 349, 350; KK/Gmel 9; KMR/ Paulus 32; Meyer-Goßner/Schmitt 1 und 8; Eb. Schmidt 11.

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ten.48 Sie sind, sofern nicht eine Anordnung nach § 247 ergeht oder eine Beurlaubung nach § 231c beschlossen wird, in Gegenwart aller Mitangeklagten zu vernehmen und haben das Recht, bei der kommissarischen Vernehmung eines Mitangeklagten anwesend zu sein.49 Ihre Verfahrensbefugnisse erstrecken sich auf das ganze verbundene Verfahren. Sie können die Ergebnisse der einheitlichen Hauptverhandlung grundsätzlich zu ihrer eigenen Verteidigung nutzen, sich zur Einlassung der Mitangeklagten äußern und dazu auch Fragen stellen.50 Als Zeuge gegen einen Mitangeklagten können sie nicht auftreten.51 Ihre Zulassung als Nebenkläger gegen einen anderen Mitangeklagten bleibt möglich, sofern dies nicht die Teilnahme an der gleichen Tat betrifft.52 Der Ausschluss der Öffentlichkeit in einem der verbundenen Verfahren erstreckt sich auf das andere.53 Andererseits folgt aus der fortbestehenden Selbständigkeit, dass in jeder verbunde- 15 nen Sache der Anklagesatz verlesen werden muss (§ 243 Abs. 3 Satz 1) oder der an seine Stelle tretende Beschluss nach § 270 Abs. 2.54 Hat die Große Jugendkammer zu einem erstinstanzlichen ein in der Berufungsinstanz bei ihr anhängiges Verfahren hinzuverbunden, so ist für dieses statt des Anklagesatzes das Urteil des ersten Rechtszugs nach § 324 Abs. 1 zu verlesen.55 Hat das Gericht in einer Sache das persönliche Erscheinen angeordnet, so gelten hieran anknüpfende Rechtsfolgen nicht ohne weiteres auch für ein hinzuverbundenes Verfahren.56 Hat die Große Jugendkammer eine Sache des ersten Rechtszugs mit einer Beru- 16 fungssache verbunden, so bleibt eine Berufungsbeschränkung wirksam.57 Die in den § 325 vorgesehenen erleichterten Formen der Beweisaufnahme dürfen nur gegen den Angeklagten und nur hinsichtlich der Tat angewendet werden, die bereits Gegenstand der amtsgerichtlichen Entscheidung war, während bei den Angeklagten und hinsichtlich der Taten, die die Jugendkammer im ersten Rechtszug verhandelt, die für diesen geltenden Verfahrensvorschriften uneingeschränkt anwendbar sind.58 c) Urteil. Da sich die Verbindung der Verfahren nach § 237 auf die gemeinsame Ver- 17 handlung beschränkt, hat in jedem von ihnen ein gesondertes Erkenntnis zu ergehen. Sind mehrere Berufungssachen verbunden worden, so muss dementsprechend über jedes Rechtsmittel gesondert entschieden werden.59 Zwar können die gesonderten Erkenntnisse in einem einheitlichen Urteil verkündet und schriftlich abgefasst werden. Da die Verfahren nach dem Urteil aber, insbesondere hinsichtlich der Rechtsmittel, getrennt weiterlaufen, ist dies nicht zweckmäßig. Vielmehr sollte in jeder Sache ein eigenes Urteil

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48 KK/Gmel 9; KMR/Paulus 33; Meyer-Goßner/Schmitt 8; SK/Deiters/Albrecht 2; vgl. auch Gollwitzer FS Sarstedt 17. 49 RGSt 57 271 f.; RG GA 51 (1904) 409; JW 1927 2042 m. Anm. Mezger; KMR/Paulus 33; Eb. Schmidt 16. 50 RGSt 55 168, 169. 51 RGSt 6 279, 280; RG GA 39 (1891) 315; Recht 1906 Nr. 3182; BGHSt 18 238; Hanack JZ 1971 90; Eb. Schmidt JZ 1970 342. 52 RGSt 22 421, 422; BGH NJW 1978 330; bei Becker NStZ-RR 2007 134; OLG Stuttgart NJW 1957 435; Gollwitzer FS Schäfer 68. 53 KK/Gmel 9; KMR/Paulus 33; Meyer-Goßner/Schmitt 8. SK/Deiters/Albrecht 2 halten die Zulässigkeit der Verfahrensverbindung für zweifelhaft, wenn absehbar ist, dass (nur) in einem der Verfahren die Voraussetzungen für den Ausschluss der Öffentlichkeit vorliegen. 54 Vgl. RGSt 61 404, 405 f. 55 KK/Gmel 9; KMR/Paulus 38; Eb. Schmidt Nachtrag I 13. 56 BayObLG NJW 1995 2120, 2121 (zu § 73 Abs. 2, § 74 Abs. 2 OWiG a.F.). 57 Vgl. BGH bei Miebach NStZ 1988 211; BGH NStZ-RR 1997 171; KK/Gmel 9; KMR/Paulus 34; MeyerGoßner/Schmitt 8. 58 Vgl. RGSt. 20 161 f.; 57 271 f.; BGHSt 19 177, 182; KK/Gmel 9; KMR/Paulus 38; Meyer-Goßner/Schmitt 8. 59 KMR/Paulus 34.

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verkündet und schriftlich abgesetzt werden.60 Aus dem Gesagten folgt, dass aus den in den einzelnen Verfahren ergehenden, bei Verkündung nicht rechtskräftigen Straferkenntnissen keine Gesamtstrafe oder eine Einheitsjugendstrafe gebildet werden darf. Dies muss vielmehr nach der möglicherweise zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten eintretenden Rechtskraft der Verurteilungen den Verfahren nach § 460 bzw. § 66 JGG vorbehalten bleiben.61 18

d) Zuständiges Revisionsgericht. Hat die Große Jugendkammer ein erstinstanzliches Verfahren mit einem Berufungsverfahren verbunden, so ist in jeder der mit der Beendigung der Hauptverhandlung wieder vollkommen selbständig gewordenen Strafsachen die Zuständigkeit des Revisionsgerichts 62 in der allgemein geregelten Weise eröffnet. § 5 gilt nicht analog. Die Revision gegen die erstinstanzliche Entscheidung fällt daher stets in die Zuständigkeit des BGH, die Revision gegen die Berufungsentscheidung in diejenige des jeweiligen OLG.63 Besondere Verfahrensgestaltungen wie ein fehlender Zusammenhang nach § 3,64 Freispruch in der erstinstanzlichen Sache65 oder alleinige Anfechtung des Berufungsurteils66 sind insoweit nicht erforderlich. 6. Trennung der verbundenen Sachen

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a) Verfahren. Zusammenhängende Sachen, die gemäß § 237 miteinander verbunden worden sind, werden durch die Urteilsverkündung nach Abschluss der gemeinsamen Verhandlung von Gesetzes wegen wieder getrennt, denn die Verbindung geschah nur „zum Zwecke gleichzeitiger Verhandlung“.67 Ein förmlicher – auch nur deklaratorischer – Trennungsbeschluss ist nicht erforderlich.68 Denn schon durch die zu erteilenden Rechtsmittelbelehrungen wird klar, dass nunmehr jedes Verfahren wieder seinen eigenen Regeln unterliegt. Dies gilt auch, wenn nur eines der verbundenen Verfahren durch Urteil abgeschlossen wird, während die Hauptverhandlung in den anderen fortgeführt oder ausgesetzt werden muss. In derartigen Fällen ist es jedoch aus Gründen der Verfahrensklarheit angezeigt, einen deklaratorischen Trennungsbeschluss zu erlassen, damit die Verfahrensbeteiligten keinem Zweifel darüber erliegen können, dass (nur) die mit Urteil beendete Sache aus dem Verfahrensverbund ausgeschieden ist. Sollen die verbundenen Sachen dagegen vor Abschluss der Hauptverhandlung endgültig oder auch nur vorübergehend wieder getrennt werden (s. Rn. 20), so hat dies nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten zwingend durch förmlichen Beschluss zu geschehen, weil hier-

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60 BGHSt 37 42, 43; KG JR 1969 349, 350; Meyer-Goßner DRiZ 1985 245; 1990 286; KK/Gmel 9; MeyerGoßner/Schmitt 8. 61 BGHSt 36 348, 352; 37 42 = JR 1991 73 m. abl. Anm. Bringewat; BGHR § 237 Verbindung 4; KG JR 1969 349; AK/Keller 5; Meyer-Goßner/Schmitt 8; SK/Deiters/Albrecht 1; s. demgegenüber früher BGHSt 29 67 = JR 1980 262 m. Anm. Brunner; BGH MDR 1955 755; bei Mösl NStZ 1981 425; BGHR StPO § 237 Verbindung 2; so weiterhin auch Steinmetz JR 1993 232. 62 Zur Zulässigkeit der Revision gegen das Berufungsurteil beachte § 55 Abs. 2 JGG. 63 BGHSt 36 348, 351; 37 42, 43 = JR 1991 73 m. abl. Anm. Bringewat; BGH bei Holtz MDR 1990 890; KG JR 1969 349, 350; Meyer-Goßner DRiZ 1985 245; 1990 287; AK/Keller 5; KK/Gmel 10; SK/Deiters/Albrecht 1; anders früher RGSt 48 93, 94; 59 363, 364; RG DR 1941 776 m. abl. Anm. Boldt; BGH MDR 1955 755; BGH LM § 135 GVG Nr. 3; wie hier dagegen bereits Bruns ZAkDR 1941 248; Eb. Schmidt 13 sowie Nachtrag I 13. 64 So noch BGHSt 35 195 = JR 1988 385 m. Anm. Meyer. 65 So BGHR StPO § 237 Revision 2. 66 So BGH bei Holtz MDR 1990 890; KG JR 1969 349, 350. 67 KG JR 1969 349, 350; KK/Gmel 11; Meyer-Goßner/Schmitt 9; SSW/Grube 10; SK/Deiters/Albrecht 10; a.A. KMR/Paulus 42. 68 KK/Gmel 11; Meyer-Goßner/Schmitt 9; Radtke/Hohmann/Britz 16; a.A. KMR/Paulus 42.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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durch Verfahrensstellung und -rechte verändert werden können (s. Rn. 14), was allen Beteiligten ausdrücklich bekannt gemacht werden muss. b) Ermessen. Über die Trennung entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Er- 20 messen, das sich an den Erfordernissen der Aufklärungspflicht69 ebenso auszurichten hat wie an den Grundsätzen der Prozesswirtschaftlichkeit, der Verfahrensbeschleunigung70 und der Beachtung der berechtigten Verteidigungsinteressen des jeweiligen Angeklagten.71 Die Trennung ist insbesondere angezeigt, wenn von den verbundenen Strafsachen nur eine entscheidungsreif ist, während die Hauptverhandlung der anderen fortgeführt oder ausgesetzt werden muss.72 Auch eine vorübergehende Trennung ist grundsätzlich zulässig.73 Ihr steht nicht von vornherein entgegen, dass Mitangeklagte dadurch zu Zeugen werden können. Das Zeugnis muss aber einen selbständigen Anklagepunkt betreffen, an dem der ehemalige Mitangeklagte nach der zugelassenen Anklage nicht selbst beteiligt war.74 Die Trennung ist daher ermessensmissbräuchlich, wenn sie lediglich zu dem Zweck angeordnet wird, (vorübergehend) einen Mitangeklagten formell zum Zeugen hinsichtlich seines eigenen Tatbeitrags zu machen.75 Gleiches gilt, wenn sie ihn zeitweilig gegen seinen Willen an der Wahrnehmung seiner Verfahrensrechte hindert oder das Anwesenheitsgebot des § 230 aushebelt.76 c) Rechtswirkung der Trennung. Die Trennung stellt auch in Bezug auf die Ver- 21 handlung die volle Selbständigkeit der Verfahren für die Zukunft wieder her; die Wirkungen der Verfahrensverbindung (Rn. 13 ff.) entfallen für die Zukunft. Für die Beurteilung des Verhandlungsteiles während der Verfahrensverbindung bleiben sie aber maßgebend. Die während der verbundenen Verhandlung gewonnenen Beweisergebnisse sind für die Urteilsfindung (§ 261) in jedem der getrennten Verfahren voll verwertbar, ohne Rücksicht darauf, für oder gegen wen sie in die gemeinsame Verhandlung eingeführt wurden. Was ein Mitangeklagter während der Verbindung ausgesagt hat, ist auch dann unter diesem Blickwinkel zu würdigen, wenn der Mitangeklagte nach der Trennung als Zeuge hätte vernommen werden dürfen. Ein während der Verfahrensverbindung kraft Gesetzes ausgeschlossener Richter wird auch nach der Trennung nicht wieder mitwirkungsbefugt.77 7. Rechtsmittel a) Beschwerde. Der Beschluss des erkennenden Gerichts, der die Verbindung nach 22 § 237 anordnet oder der die verbundenen Sachen wieder trennt, steht in aller Regel in

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69 Vgl. BGH Urt. v. 13.7.1954 – 1 StR 736/53; BGH bei Dallinger MDR 1975 23. 70 Vgl. OLG Frankfurt StV 1983 92. 71 Vgl. BGH NStZ 1984 274 f. 72 BGH bei Dallinger MDR 1975 23. 73 Vgl. BGHSt 32 100; s. auch § 230, 10 f. sowie zum Verhältnis von Beurlaubung und vorübergehender Abtrennung § 231c, 3 m.w.N. 74 BGH NJW 1964 1034; BGH JZ 1984 587, 588; BGH bei Dallinger MDR 1971 897; BGH StV 1984 361 f. m. Anm. Prittwitz sowie m. Anm. Meyer-Goßner StV 1985 89; KK/Gmel 12; SK/Deiters/Albrecht 10; s. auch die nachf. Fn. 75 BGHSt 24 257, 259; BGH GA 1968 305, 306; bei Holtz MDR 1977 639; Gerlach JR 1969 149; Grünwald FS Klug II 498; Hanack JZ 1971 90; Montenbruck ZStW 89 (1977) 878; Müller-Dietz ZStW 93 (1981) 1227; KK/Gmel 12; SK/Deiters/Albrecht 10; wegen weiterer Einzelheiten und der grundsätzlichen Probleme des Rollentausches vgl. LR/Ignor/Bertheau Vor § 48, 36. 76 BGHSt 24 257, 259; 30 74, 75; s. aber auch die bedenklichen Erwägungen BGHSt 32 100, 103. 77 BGHSt 14 219, 222; BGH GA 1979 311; vgl. LR/Siolek § 22, 5.

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innerem Zusammenhang mit der Urteilsfällung. Er ist daher nach § 305 Satz 1 grundsätzlich nicht mit der Beschwerde anfechtbar. Das gleiche gilt, wenn das erkennende Gericht die Trennung oder Verbindung ablehnt.78 Eine Ausnahme greift dann Platz, wenn die Wirkung des Beschlusses über die blo23 ße Verbindung oder Trennung hinausreicht, weil er den Fortgang des verbundenen Verfahrens oder eines der abgetrennten Verfahren auf längere oder unbestimmte Zeit hemmt; denn insoweit dient er nicht mehr lediglich der Vorbereitung und Förderung der Urteilsfällung. Eine solche Hemmwirkung liegt nicht schon vor, wenn die Verbindung oder Trennung aus verfahrenstechnischen Gründen eine Vertagung der Hauptverhandlung zur Folge hat, wohl aber dann, wenn durch den Beschluss eine Sache abgetrennt und das abgetrennte Verfahren auf unbestimmte Zeit bis zur Erledigung eines anderen Verfahrens ausgesetzt wird.79 Beschwerdeberechtigt ist in diesem Fall aber nur derjenige Angeklagte, gegen den sich der Beschluss hemmend auswirkt, nicht dagegen sind es die anderen, bei denen das Verfahren seinen Fortgang nimmt. b) Revision. Die Fehlerhaftigkeit einer Verbindung oder Trennung kann von den dadurch in eigenen Verfahrensrechten Betroffenen mit der Revision gerügt werden. Das Revisionsgericht kann jedoch nur prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen des § 237 eingehalten worden sind, die Verbindung oder Trennung also nicht rechtsfehlerhaft war und der – erforderliche (vgl. Rn. 10, 19) – formgerechte Beschluss des zuständigen Gerichts vorliegt. Allein die Unzweckmäßigkeit der Verbindung oder Trennung ist dagegen kein Revisionsgrund.80 Die Ermessensentscheidung ist nur dann mit der Revision angreifbar, wenn ein § 237 verletzender Ermessensmissbrauch vorliegt und der Revisionsführer konkret aufzeigen kann, wieso er dadurch in seinen Verfahrensrechten urteilsrelevant beeinträchtigt wurde. Ist die Verbindung oder Trennung ohne die erforderliche Anhörung der Verfah25 rensbeteiligten beschlossen worden, so verhilft dies allein der Revision nicht zum Erfolg. Ein das Urteil beeinflussender Verfahrensfehler wäre allenfalls denkbar, wenn der Revisionsführer darlegen kann, dass er dadurch die Möglichkeit verloren hat, durchgreifende Einwände gegen die Verbindung oder Trennung geltend zu machen und ihn dies in einem eigenen Verfahrensrecht irreversibel beeinträchtigt hat, weil er nicht in der Lage war, im weiteren Verfahren durch Vortrag seiner Bedenken und den Antrag auf Rückgängigmachung von Verbindung oder Trennung Abhilfe zu erlangen.81 Der Weg, mit der Revision unmittelbar den durch Trennung oder Verbindung ausgelösten belastenden Verfahrensfehler zu rügen (vgl. Rn. 27 f.), verspricht mehr Erfolg. Wurde die Verbindung statt durch förmlichen Beschluss durch schlüssiges Ver26 halten des Gerichts vorgenommen, so liegt hierin lediglich ein Verstoß gegen § 237, der die Wirksamkeit der Verbindung unberührt lässt. Dieser Formfehler vermag für sich der Revision eines Verfahrensbeteiligten indessen nicht zum Erfolg zu verhelfen. Vielmehr

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78 BGH NJW 1993 1279 f.; BayObLGSt 1952 117, 118; KG JW 1932 962 Ls.; OLG Düsseldorf MDR 1985 693; OLG Frankfurt StV 1983 92; OLG Koblenz MDR 1982 429; KK/Gmel 13; KMR/Paulus 45; SK/Deiters/Albrecht 11; a.A. Rosenmeier 91: Verbindungsbeschluss anfechtbar. 79 BayObLGSt 1953 86, 87; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996 142; OLG Frankfurt StV 1983 92; 1988 195; KK/Gmel 13; KMR/Paulus 45; Eb. Schmidt 10; SK/Deiters/Albrecht 11; vgl. auch KG NStZ-RR 2013 218 f. Nach Bohnert 30 f. ist nicht die Verbindung oder Trennung als solche, sondern allenfalls die dadurch verursachte Aussetzung der Beschwerde zugänglich; die Aussetzung der Hauptverhandlung ist jedoch lediglich gesetzliche Folge der Nichteinhaltung der zulässigen Unterbrechungsfristen (§ 229 Abs. 4). 80 BVerfGK 12 33, 34; BGHSt 18 238, 239; BGH NJW 1953 836; BGH bei Dallinger MDR 1971 897; AK/Keller 6; KMR/Paulus 47; Bohnert 28. 81 OLG Koblenz OLGSt 3; vgl. KMR/Paulus 52.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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könnte das Rechtsmittel allenfalls durchgreifen, wenn belegbar ist, dass der Revisionsführer wegen der Unklarheit der Verfahrenssituation gehindert war, Verfahrensrechte in einer für das Urteil maßgeblichen Weise geltend zu machen; dies wird kaum je der Fall sein. Für die stillschweigende Abtrennung und Wiederverbindung ohne förmlichen Gerichtsbeschluss gilt ähnliches. Auch sie verstößt allein gegen § 237, ist aber wirksam, so dass § 230 Abs. 1, § 231 Abs. 1 Satz 1 allein durch den Formfehler nicht verletzt sind und der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 nicht Platz greift.82 Dieser kommt vielmehr erst dann in Betracht, wenn während der vorübergehenden Abtrennung Umstände verhandelt werden, die auch den Angeklagten des abgetrennten Verfahrens betreffen, so dass er durch die Abtrennung zeitweilig an der Wahrnehmung seiner Verfahrensrechte gehindert und das Anwesenheitsgebot des § 230 Abs. 1, § 231 Abs. 1 Satz 1 ausgehebelt wird83 (s. Rn. 20). Verwendet das Gericht Erkenntnisse, die es aus der Hauptverhandlung während einer vorübergehenden Abtrennung gewonnen hat, für die Urteilsfindung gegen den während dieses Zeitraums nicht an ihr beteiligten Angeklagten, ist daneben § 261 verletzt (s. dazu auch Rn. 27). Mit der Revision kann es beanstandet werden, wenn als Folge der Verbindung oder 27 Trennung andere Normen des Verfahrensrechts verletzt worden sind. Die Gefahr eines Verstoßes gegen § 261 besteht insbesondere dann, wenn während einer bereits teilweise durchgeführten Hauptverhandlung ein weiteres Verfahren durch Verbindung einbezogen wird.84 Es können dann sehr leicht Erkenntnisse aus dem vor der Verbindung liegenden Verfahrensteil bei der Entscheidung gegen den neu hinzutretenden Angeklagten verwertet werden. Dies ist selbst dann unzulässig, wenn dieser von den wesentlichen Ergebnissen des vor der Verbindung liegenden Teils der Hauptverhandlung unterrichtet worden ist.85 Die Aufklärungspflicht ist nicht allein schon deswegen verletzt, weil durch die Ver- 28 fahrensverbindung ein Zeuge zum Mitangeklagten bzw. ein Mitangeklagter durch unterlassene Trennung nicht wieder zum Zeugen wird; denn allein die formale Stellung im Prozess ist für den Beweiswert einer Aussage letztlich nicht ausschlaggebend.86 Anders mag es im Einzelfall aber dann liegen, wenn der Mitangeklagte als Zeuge auch unter Beachtung seines eventuellen Auskunftsverweigerungsrechts nach § 55 zu der einem anderen Angeklagten vorgeworfenen Tat Angaben machen könnte und müsste, denen er als Mitangeklagter nach § 243 Abs. 5 Satz 1 enthoben ist.87 Ist die Verfahrensverbindung rechtsmissbräuchlich und beeinträchtigt sie Verfahrensbefugnisse eines Angeklagten, kann darüber hinaus auch eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung (§ 338 Nr. 8) vorliegen.88 In besonderen Ausnahmefällen kann die Nichtverbindung zweier Verfahren gegen die Aufklärungspflicht verstoßen, wenn sich dem Tatrichter diese Maßnahme zur besseren Ermittlung der Wahrheit hätte aufdrängen müssen; dies kann, muss aber nicht der Fall sein, wenn mehrere Verfahren gegen den selben Angeklagten geführt werden.89

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82 RGSt 70 342, 343; KMR/Paulus 47. 83 BGHSt 32 270, 273 ff.; BGH NJW 1953 836; vgl. dazu § 230, 48. 84 Dies ist nach hier vertretener Auffassung ohnehin unzulässig, s. Rn. 5. 85 RGSt 67 417, 418; RG JW 1935 2980, 2981; BGH NJW 1984 2172; KMR/Paulus 50. 86 BGHSt 18 238; zust. Eb. Schmidt JZ 1970 342; vgl. auch BGHSt 32 270, 273; BGH bei Holtz MDR 1982 972; Hanack JZ 1971 90. 87 KMR/Paulus 51; SK/Deiters/Albrecht 12; vgl. dazu auch BGH bei Holtz MDR 1982 104. 88 Vgl. BGH JR 1969 148 m. Anm. Gerlach. 89 BGH Urt. v. 13.7.1954 – 1 StR 736/53; Urt. v. 21.6.1956 – 3 StR 163/56; OLG Koblenz VRS 49 (1975) 115; KMR/Paulus 51.

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§ 238 Verhandlungsleitung § 238 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-036

(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden. (2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht. Schrifttum Alsberg Leitung und Sachleitung im Zivil- und Strafprozeß, LZ 1914 1169; Arntzen Das Verhalten von Richtern gegenüber Angeklagten, DRiZ 1974 350; Basdorf Formelle und informelle Präklusion im Strafverfahren, StV 1997 488; Bauer Die Präklusion von Verfahrensrügen und des Widerspruchs im Zusammenhang mit § 238 II StPO, NStZ 2012 191; Bischoff Der Zwischenrechtsbehelf des § 238 II StPO im Spiegel von Rechtsprechung und Literatur: Beanstandungsrecht oder Beanstandungspflicht? NStZ 2010 77; Bohnert Die Beschränkung der strafprozessualen Revision durch Zwischenverfahren (1983); Böttcher Der Schutz der Persönlichkeit des Zeugen im Strafverfahren, FS Kleinknecht (1985) 25; Breithaupt Die Verhandlungsleitung im Strafprozeß, DRiZ 1962 47; Dahs Zum Persönlichkeitsschutz des Verletzten als Zeuge im Strafprozeß, NJW 1984 1921; Danners Die Sicherung des Verfahrensablaufs durch sitzungspolizeiliche Befugnisse im Strafprozeß (1999); Dornach Ist der Strafverteidiger aufgrund seiner Stellung als „Organ der Rechtspflege“ Mitgarant eines justizförmigen Strafverfahrens? NStZ 1995 57; Drees Die Entscheidung des Vorsitzenden über den Zeitpunkt der Anbringung von Ablehnungsgesuchen, NStZ 2005 184; Ebert Zum Beanstandungsrecht nach Anordnungen des Strafrichters gem. § 238 Abs. 2 StPO, StV 1997 269; Erker Das Beanstandungsrecht gemäß § 238 Abs. 2 StPO (1988); Fuhrmann Verwirkung des Rügerechts bei nicht beanstandeten Verfahrensverletzungen des Vorsitzenden (§ 238 Abs. 2 StPO), NJW 1963 1230; ders. Das Beanstandungsrecht des § 238 Abs. 2 StPO – seine Bedeutung und seine Grenzen, GA 1963 65; Gaede Vorbeugende Rügepräklusion gegen vermuteten Revisionsmissbrauch, wistra 2010 210; Giesler Der Ausschluß der Beschwerde gegen richterliche Entscheidungen im Strafverfahren (1981); Göppinger Beobachtungen eines Sachverständigen in der Hauptverhandlung, FS Tröndle (1989) 473; Goldschmidt Die Sachleitung des Vorsitzenden im Straf- und Zivilprozeß, JW 1929 2684; Greiser Störungen und Sabotageversuche in der Hauptverhandlung, JA 1983 429; Greiser/Artkämper Die gestörte Hauptverhandlung2 (1997); Grube „Dann beantrage ich Gerichtsbeschluss!“ – Ist der Zwischenrechtsbehelf nach § 238 Abs. 2 StPO zu begründen? StRR 3/2016 S. 4; Habetha Anfechtung sitzungspolizeilicher Maßnahmen im Strafprozess, NJW 2015 3627; ders. Zwischen Rechtsbehelf und Rechtsverlust im Strafverfahren – Beanstandung rechtswidriger Verhandlungsleitung nach § 238 II StPO, NJW 2016 3628; Hammerstein Kann die Reihenfolge der Beweiserhebung das Urteil beeinflussen? FS Rudolf Schmitt (1992) 323; Hesse Unkorrektes und unprofessionelles Verhalten von Richtern, JZ 1996 449; Hofmann Die Präklusion fehlerhafter Sachleitungsanordnungen des Vorsitzenden (2003); Ignor/Bertheau Der „Zwischenrechtsbehelf“ des § 238 II StPO – ein zentrales Institut des Revisionsverfahrens? NStZ 2013 188; Jescheck Die Verwirkung von Verfahrensrügen im Strafprozeß, JZ 1952 400; Kiderlen Die Verwirkung von Verfahrensrügen im Strafprozeß (1960); Kindhäuser Rügepräklusion durch Schweigen im Strafverfahren, NStZ 1987 529; Kunz Die Erscheinungsformen der Konfliktverteidigung und die Reaktionsmöglichkeiten der Justiz (2013); Lang Der Verlust von Verfahrensrügen beim Angeklagten durch Rückgriff auf den Verwirkungsgedanken (1994); Lindemann Präklusion von Verfahrensrügen wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses? StV 2010 379; Lüderssen Der gefesselte Angeklagte, GedS Meyer (1990) 269; Maatz Mitwirkungspflicht des Verteidigers in der Hauptverhandlung und Rügeverlust, NStZ 1992 513; Mosbacher Rügepräklusion mangels Rechtsschutzbedürfnis, FS Widmaier (2008) 339; ders. Zur Zukunft der Widerspruchslösung – Der Widerspruch als Zwischenrechtsbehelf, FS Rissing-van Saan (2011) 357; ders. Zur aktuellen Debatte um die Rügepräklusion – Zugleich ein Beitrag zur Zukunft der Widerspruchslösung, NStZ 2011 606; Nagel Die Ohnmacht der Verteidigung vor der Macht der Richter? – Ein Beitrag zur Diskussion um Verteidigerpflichten und Rügepräklusionen, StraFo 2013 221; Niethammer Die Stellung des Vorsitzenden und die Vernehmung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, JZ 1951 132; Püschel/Sommer Der Anwalt als Compliance-Officer im Strafprozess, AnwBl. 2013 168; Roesen Die Stellung des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung, NJW 1958 977; Sarstedt Der Vorsitzende des Kollegialgerichts,

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Juristen-Jahrbuch Bd. 8 (1967/68) 104 ff.; Scheuerle Vierzehn Tugenden für Vorsitzende Richter (1983); Schild Der Richter in der Hauptverhandlung, ZStW 94 (1982) 37; Graf von Schlieffen Neues von der Widerspruchslösung, FS AG Strafrecht DAV (2009) 801; Schlüchter Wider die Verwirkung von Verfahrensrügen, GedS Meyer (1990) 445; dies. Zum normativen Zusammenhang zwischen Rechtsfehler und Urteil, FS Krause (1990) 485; Schmid Zur Anrufung des Gerichts gegen den Vorsitzenden (§ 238 StPO), FS Mayer (1966) 543; ders. Die Verwirkung von Verfahrensrügen im Strafprozeß (1967); Schneider Kür oder Pflicht? – Die Bedeutung des Zwischenrechtsbehelfs gem. § 238 II StPO für die Revision und die revisionsrechtliche Fallbearbeitung, JuS 2003 176; Seibert Beanstandung von Fragen des Vorsitzenden durch den Verteidiger, JR 1952 471; ders. Der Beisitzer, JZ 1959 349; Senge Missbräuchliche Inanspruchnahme verfahrensrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten – wesentliches Merkmal der Konfliktverteidigung? Abwehr von Konfliktverteidigung, NStZ 2002 225; Stollenwerk Abwehr von Konfliktverteidigung, DRiZ 2012 225; Tröndle Über den Umgang des Richters mit anderen Verfahrensbeteiligten, DRiZ 1970 213 ff.; Velten Justizentlastung durch Präklusion von Verfahrensrechten? FS Grünwald (1999) 753; Walther „Verwirkung“ von Verfahrensrügen? Diss. Münster 1960; Wassermann Die Verantwortung des Vorsitzenden für die Kultur der Hauptverhandlung, DRiZ 1986 41; Weißmann Die Stellung des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung (1982); Widmaier Mitwirkungspflicht des Verteidigers in der Hauptverhandlung und Rügeverlust(?) NStZ 1992 519; ders. Präklusion von Verfahrensrügen durch Zweckentfremdung des § 238 II StPO, NStZ 2011 305. Vgl. ferner das Schrifttum zum Schutz des Zeugen in der Hauptverhandlung bei §§ 68, 68a und §§ 171b, 172 GVG sowie zur Sitzungspolizei bei § 176 GVG und allgemein zur Hauptverhandlung Vor § 226.

Entstehungsgeschichte § 238 trug bis 1924 die Bezeichnung § 237. Sein Absatz 2 wurde erst während der Beratungen des Gesetzes von der Reichstagskommission eingefügt.1 Nach dem Beschluss der ersten Lesung enthielt er das Wort „unzulässig“ nicht.2 Die Regierungsvertreter verlangten, die Worte „als gesetzlich unzulässig“ einzufügen. Dieses Verlangen wurde zunächst abgelehnt,3 später aber erfüllt, doch wurde das Wort „gesetzlich“ als überflüssig wieder gestrichen.4 Durch die Beschränkung des Anrufungsrechts auf die Fälle der „Unzulässigkeit“ sollte verhindert werden, dass die Vorschrift missbraucht werde, „um ohne genügenden Grund nach Belieben Gerichtsbeschlüsse herbeizuführen und dadurch die Sachleitung des Vorsitzenden und den Fortgang der Verhandlung zu stören und aufzuhalten“.5 Vorschläge zur Reform der Vorschrift setzten schon bald ein,6 führten aber zu keiner Änderung. Auch spätere Anregungen, die Leitungsbefugnisse des Vorsitzenden gegenüber der missbräuchlichen Wahrnehmung von Frage-, Antrags- und Antragsbegründungsrechten durch Verfahrensbeteiligte zu stärken, hat der Gesetzgeber bisher nicht aufgegriffen.7

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1 Fuhrmann GA 1963 70 f. 2 Hahn I 833, 836 (Prot. Kommission 347, 351). 3 Hahn II 1333 (Prot. Kommission 948). 4 Hahn II 1598, 1633 (Beschlüsse Bundesrath 11, Prot. Justizkommission 9). 5 Hahn II 1555 (Bericht Kommission 59). 6 Dazu Alsberg ZStW 50 (1930) 73; Goldschmidt JW 1929 2687; vgl. ferner Bohnert 191 ff.; Fuhrmann GA 1963 65, 80 f. 7 Vgl. die Vorschläge der Arbeitstagung der GStAe und des GBA zum „Verteidigerverhalten in Terroristenverfahren“ StV 1991 284, 286; Gössel Verh. des 60. DJT (1994) Bd. I C 87, 89; demgegenüber Stellungnahme der Verteidigung im sog. Kurdenverfahren vor dem OLG Düsseldorf zu den Vorschlägen der Arbeitstagung StV 1991 542; Frister StV 1994 451 f.; Schlüchter GA 1994 435 f.; s. auch Danners 228 ff.

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I.

II.

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Übersicht Aufgaben des Vorsitzenden (Absatz 1) 1. Zweck der Vorschrift | 1 2. Vorläufigkeit der Entscheidung des Vorsitzenden | 2 3. Die einzelnen Aufgaben des Vorsitzenden a) Leitung der Verhandlung | 3 b) Vernehmung des Angeklagten, Aufnahme der Beweise | 11 c) Sitzungspolizei | 12 4. Rücknahme von Anordnungen | 14 5. Übertragung der Leitungsaufgaben | 15 Entscheidung durch das Gericht (Absatz 2) 1. Anrufung des Gerichts a) Zweck der Vorschrift | 16 b) Anordnung des Vorsitzenden | 17 c) Sachleitung | 19 d) Anwendbarkeit des § 238 Abs. 2 in Grenzbereichen | 21

Alphabetische Übersicht Abmahnung unzulässigen Verhaltens 3 Änderung der Verfahrenslage 3, 37 Äußerer Verfahrensgang 19, 20, 21, 22, 42 Aktenkenntnis 5 Anhörung der Verfahrensbeteiligten 32, 49 Anordnung, Begriff 17 Anordnung, Fenster zu öffnen oder zu schließen 20, 21 Anrede des Angeklagten 7 Anrufung des Gerichts 2, 16 ff., 25 f., 39, 43 ff. – Begründung 27 – Form 27 – Frist 29 – hilfsweise 28 – Präventivbeanstandung 29 – Rügevoraussetzung der Revision 43 ff. – Strafrichter 38 Anträge – Entgegennahme 4, 35 – Klarstellung des Gewollten 6, 27 Aufzeichnungen in Verhandlung 9, 12 Beanstandung s. Anrufung des Gerichts Beanstandungsberechtigte 25 f. Beanstandungslast 44 Befangenheit, Vermeidung des Anscheins 5 Beisitzende Richter 1 f., 15, 26, 41 Beistand 25 Belehrung 17, 22 Belehrungspflicht 8 Beschluss des Gerichts 32 ff., 39, 41, 49

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Beanstandungsbefugnis | 25 Form | 27 Frist | 29 Beanstandung als unzulässig | 30 Hinweis | 31 Entscheidung des Gerichts a) Form und Inhalt | 32 b) Zeitpunkt | 34 c) Bindungswirkung | 37 8. Beanstandung von Anordnungen des Einzelrichters | 38 Sitzungsniederschrift | 39 Rechtsmittel 1. Beschwerde | 40 2. Revision a) Beanstandung einer Anordnung des Vorsitzenden | 41 b) Anrufung des Gerichts als Rügevoraussetzung | 43 c) Beanstandung des Verfahrens nach § 238 Abs. 2 | 49 2. 3. 4. 5. 6. 7.

III. IV.

– Bindungswirkung 37 – Nachholung 36 – stillschweigender 32 – unterbliebener 49 – Zeitpunkt 34 f. Beschwer 20, 21, 25, 32, 37 Beschwerde 40 Beurteilungsspielraum 30, 47 Beweisantrag 3, 11, 23, 24 Beweisaufnahme 6, 11, 15, 19 f., 47 Bild-Ton-Übertragung 10, 11 Eingangserklärung 3 Einzelrichter 38 Einziehungsbeteiligter 25 Entfernung des Zeugen 11, 23 Entscheidung des Gerichts s. Beschluss Ermahnung 17 Ermessen des Vorsitzenden 3, 12, 13, 47 Ermessensmissbrauch 30, 32 Eventualbeanstandung 28 Faires Verfahren 3, 6 Fesselung des Angeklagten 12, 21 Form der Anordnung 18 Form der Beanstandung 27 Fragen 2, 3, 6, 11, 15, 17, 25, 30, 33, 35, 36 Frist für Beanstandung 29 Fürsorgepflicht 4, 8, 22, 31 Gericht – Bindung durch Entscheidung des Vorsitzenden? 2

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– Gesamtverantwortung 2, 16, 45 – Rechtmäßigkeitskontrolle 2, 30 Gerichtswachtmeister 25 Hausrecht 12 Heilung von Verfahrensfehlern 3, 36 Hinweise des Vorsitzenden 9, 17, 31 Missbrauch von Verfahrensrechten 3, 35 Missverständnisse 6 Nebenkläger 25, 44, 47 Normativer Zusammenhang 43, 45 Platz im Sitzungssaal 10, 20, 21 Präklusion 43 ff. Präventivbeanstandung 29 Privatkläger 25 Protokollierung 17, 38, 39 – Ablehnung der 17 Rechtskraft prozessualer Zwischenentscheidungen? 37 Reihenfolge der Verhandlungsvorgänge 3, 11, 30 Revision 41 ff. Rücknahme einer Anordnung 14 Sachaufklärung 3, 6, 11, 13 Sachleitung 16, 19 ff., 40, 41, 43 ff. – funktionelle Betrachtungsweise 20 Sachverständige 3, 6, 11, 23, 25 Schlussplädoyer 28 Sitzungspolizei 12, 17, 21 Staatsanwalt 3, 8, 12, 25, 27 Störung der Verhandlung 12, 13, 21 Tonbandaufnahmen, gerichtsinterne 10 Übermüdung des Angeklagten 21 Übertragung verfahrenstechnischer Vorgänge 15 Unschuldsvermutung 7 Unterbrechung der Verhandlung 3, 20, 21 Unterrichtung des Angeklagten 22 Urkundenbeweis 11, 15, 30 Urteilsverkündung 24

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Vereidigung 1, 36, 47 Verfahrenstechnische Vorgänge 15 Verhandlungsklima 3, 6 Verhandlungsleitung 1, 10, 15, 19 Verhandlungsplan 3 Verhandlungsstil 5 Verlesen von Urkunden 15 Verletzter, Schutz 6 Vermutung für die Rechtmäßigkeit 48 Vernehmung 4, 6, 11, 15, 21, 23 Verständigungsschwierigkeiten 6 Verteidiger 21, 25, 47 Verwirkung der Revisionsrüge 43 ff. Verzicht 32, 43 ff. Vorabentscheidung über Vereidigung 1, 47 Vorhalte 17 Vorsitzender – Aufgabe 1, 3 ff., 15 – Entscheidung kraft eigenen Rechts 1 – Übertragung seiner Aufgabe 15 – Untätigkeit 18 – Verhältnis zum Gericht 1 f., 37, 47 – Verhinderung an Verhandlungsleitung 15 – Vorabentscheidung über Vereidigung 1, 47 – Vorläufigkeit seiner Entscheidung 2 Wahrnehmung der Verfahrensinteressen 3, 13, 19, 21, 22, 25 Worterteilung 3, 22 Zeugen 3, 4, 6, 11, 12, 13, 18, 22, 23, 25, 30, 35, 47 Zeugenbeistand 25 Zuhörer, Maßnahmen gegen 12, 18, 25 Zweckmäßigkeit von Maßnahmen 2, 26, 30, 32 Zwingendes Verfahrensrecht 47 Zwischenrechtsbehelf 16

I. Aufgaben des Vorsitzenden (Absatz 1) 1. Zweck der Vorschrift. § 238 Abs. 1 weist als subsidiäre Zuständigkeitsregelung 1 dem Vorsitzenden die Erledigung all jener gerichtlichen Aufgaben in der Hauptverhandlung zu, die weder durch ausdrückliche Sonderregelung der Beschlussfassung des Gesamtspruchkörpers vorbehalten noch durch spezielle Bestimmung der Primärkompetenz des Vorsitzenden zugewiesen sind (s. dazu die Beispielsfälle in Rn. 21 bis 24). Dies ist schon aus rein praktischen Gründen unerlässlich; denn eine straffe und zügige Durchführung der Hauptverhandlung wäre nicht gewährleistet, wenn das Gericht als Kollegialorgan über jede einzelne der vielen Maßnahmen Beschluss fassen müsste,8 die zur pro-

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8 Der Vorsitzende des Kollegialgerichts wird verschiedentlich als primus inter pares bezeichnet. Seine besondere Stellung – gleichgeordnetes Mitglied bei der Urteilsfällung und bei allen anderen Entscheidungen des Gerichts einerseits, Führung der Verhandlung mit eigenen Rechten andererseits – ist

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zessordnungsgemäßen Durchführung der Hauptverhandlung erforderlich sind, ohne dass das Gesetz die Anordnungszuständigkeit jeweils ausdrücklich regelt. StPO und GVG behalten daher nur einige für die Urteilsfindung sachlich wichtige Anordnungen der Entscheidung des Gerichts – in einzelnen Fällen (§ 27 Abs. 2, § 31 Abs. 2 Satz 2) ohne Mitwirkung der Schöffen – vor (vgl. §§ 4, 6, 6a Satz 1, 2, §§ 26a, 27 Abs. 1, §§ 30, 51,9 70, 77, 228 Abs. 1 Satz 1, § 230 Abs. 2, § 231 Abs. 2, § 231a Abs. 3, § 231b Abs. 1, §§ 231c, 232, 233, 236, 237, 242, 244 Abs. 6 Satz 1, § 245 Abs. 2; § 246 Abs. 4, §§ 247, 247a, 251 Abs. 4 Satz 1, § 255a Abs. 1 i.V.m. § 251 Abs. 4 Satz 1, § 255a Abs. 2 (s. dessen Satz 3),10 § 257a Satz 1, § 257c Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1, § 265 Abs. 3 und 4, §§ 266, 270), wobei sich dieser Vorbehalt nicht stets aus dem Wortlaut der Norm ergibt, sondern teilweise aus der Bedeutung der Maßnahme für die abschließende Urteilsfindung, ihrem Eingriffscharakter oder der Gesetzessystematik herzuleiten ist. In den anderen Fällen obliegt es dem Vorsitzenden, die zum Fortgang der Verhandlung notwendigen Maßnahmen zu treffen. Zum Sonderfall der Vorabentscheidung des Vorsitzenden über die Zeugenvereidigung s. § 59, 21 ff. sowie unten Rn. 47. 2

2. Vorläufigkeit der Entscheidung des Vorsitzenden. Soweit der Vorsitzende über etwas entscheidet, was das Gericht bei der Urteilsfindung selbst zu prüfen hat, ist seine Entscheidung immer nur eine vorläufige.11 Das Gericht wird dadurch weder bei seiner endgültigen Entscheidung gebunden, noch sind seine Mitglieder gehindert, schon während der Hauptverhandlung eine Entscheidung des gesamten Spruchkörpers herbeizuführen. Dennoch ordnet der Vorsitzende die Maßnahmen kraft eigenen Rechts an.12 Dabei macht es keinen Unterschied, ob man annimmt, dass er aufgrund einer ihm gesetzlich übertragenen besonderen Befugnis handelt, oder der Auffassung folgt, dass er das Gericht vertritt.13 Auch nach letztgenannter Ansicht bedürfen seine Anordnungen zu ihrer Wirksamkeit nicht der stillschweigenden oder ausdrücklichen Billigung durch die anderen Mitglieder des Gerichts.14 Nach Absatz 2 kann dieses nur dann eingreifen, wenn es eine Maßnahme des Vorsitzenden als unzulässig und damit unrechtmäßig erachtet und diese einen Verfahrensvorgang betrifft, der die Grundlagen für die Urteilsfällung bzw. für andere prozesstragende Entscheidungen des Gerichts liefern soll. Die Kontrolle beschränkt sich auf die Rechtmäßigkeit, nicht aber auf die Zweckmäßigkeit der Maßnahmen des Vorsitzenden (vgl. Rn. 30). Das Gleiche gilt bei Fragen anderer Prozessbeteiligter (§ 242). Diese Regelung findet ihre innere Rechtfertigung darin, dass letztlich das ganze Gericht – und nicht nur der Vorsitzende – dafür verantwortlich ist, dass sein Urteilsspruch in einem rechtlich nicht zu beanstandenden Verfahren gefunden wird.15

_____ Ausdruck der Doppelfunktion des Gerichts, das nicht nur entscheiden, sondern auch dafür sorgen muss, dass der Prozessstoff erschöpfend in der Hauptverhandlung zur Sprache gebracht wird. Zur Stellung des Vorsitzenden nach § 238 vgl. insbesondere Bohnert 167 ff.; Ebert StV 1997 274 f.; Fuhrmann GA 1963 66; Gössel 169; Heinrich 9 ff., 61 ff.; Schmid FS Mayer 545; AK/Schöch 1; KMR/Paulus 3; Meyer-Goßner/Schmitt 3; SK/Frister 2; ferner Vor § 226, 40 f., 53. 9 Vgl. KG NStZ-RR 2000 145. 10 BGH NStZ-RR 2019 27. 11 Basdorf StV 1997 490; Bohnert 168 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 3; SSW/Grube 7. 12 RGSt 44 65, 67; Fuhrmann GA 1963 66; Schmid FS Mayer 543; AK/Schöch 3; KK/Schneider 1; MeyerGoßner/Schmitt 3; Pfeiffer 1. 13 Zur Streitfrage Bohnert 168, der die Übernahme des Vertreterbegriffs ablehnt. 14 Schmid FS Mayer 544; AK/Schöch 3; KMR/Paulus 3. 15 Ebert StV 1997 274 f.; Schneider JuS 2003 176; AK/Schöch 1 (Verantwortlichkeit des ganzen Gerichts für Justizförmigkeit des Verfahrens).

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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3. Die einzelnen Aufgaben des Vorsitzenden a) Leitung der Verhandlung ist umfassend zu verstehen.16 Über die im Gesetz aus- 3 drücklich geregelten Einzelfälle hinaus fallen hierunter alle Maßnahmen (vgl. Rn. 17 f.), die der Vorsitzende für die Durchführung der Verhandlung einschließlich der Heilung von Verfahrensfehlern trifft.17 Er eröffnet, unterbricht18 und schließt die Verhandlung (§ 243 Abs. 1, § 228 Abs. 1 Satz 2, § 258); er verkündet das Urteil (§ 268).19 Sind Entscheidungen des Gerichts erforderlich, obliegt es in erster Linie ihm, sie herbeizuführen. Bei der Leitung der Verhandlung hat er die vom Gesetz vorgeschriebene Reihenfolge der Verhandlungsvorgänge einzuhalten (§§ 243, 244 Abs. 1, §§ 257, 258). Im Übrigen kann er nach seinem Ermessen bestimmen, wie er die Verhandlung entwickeln und welche Reihenfolge er den Verhandlungsvorgängen geben will.20 Er muss hierbei den Erfordernissen einer zweckmäßigen und zügigen Verfahrensabwicklung Rechnung tragen; dabei hat er sich von dem Ziel der bestmöglichen Sachaufklärung und einer auch nach außen sichtbar werdenden unparteiischen, unvoreingenommenen und fairen Verhandlungsführung leiten zu lassen, die den Verfahrensbeteiligten Raum für die sachgerechte Wahrnehmung ihrer Verfahrensbefugnisse lässt21 und die auch die Belange der Zeugen und Sachverständigen angemessen berücksichtigt.22 Verfährt er nach einem Verhandlungsplan, der den Verfahrensbeteiligten vorher bekannt gegeben wurde, sollte er die von ihm später für notwendig erachteten wesentlichen Abweichungen den Verfahrensbeteiligten nach Möglichkeit vorher so rechtzeitig mitteilen, dass sie sich in ihren Dispositionen auf den veränderten Verfahrensverlauf einstellen können. In der Verhandlung erteilt der Vorsitzende das Wort. Auch hat er darüber zu befinden, ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, dass dem Verteidiger auf seinen Antrag das Wort zu einer Eingangserklärung zu erteilen ist (§ 243 Abs. 5 Satz 3); ebenso entscheidet er darüber, ob dem Verteidiger aufzugeben ist, die weitere Eingangserklärung schriftlich einzureichen (§ 243 Abs. 5 Satz 4). Er ist befugt, die Sprechenden zu unterbrechen, um unzulässige Äußerungen, Weitschweifigkeiten und nutzlose Wiederholungen abzumahnen. Er soll die Beteiligten – insbesondere den Angeklagten – nach Möglichkeit ausreden lassen23 und seine Befugnis, ihre Ausführungen einzuschränken, nur mit Zurückhaltung ausüben. Falls eine Änderung der Verfahrenslage dies angezeigt erscheinen lässt,24 vor allem aber bei Missbrauch, kann er einstweilen das Wort entziehen.25 Dies gilt auch gegenüber dem Staatsanwalt, dem das Gesetz insoweit keine Sonderstellung einräumt.26 Auf die Dauer darf er

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16 S. dazu Heinrich 109 ff. 17 Zum Verhältnis von Verhandlungsleitung und Sachleitung s. Rn. 19 ff.; ferner etwa Bohnert 169 f.; Schmid FS Mayer 545 ff. 18 BGH bei Becker NStZ-RR 2003 2. 19 BGH bei Dallinger MDR 1975 24 (Ablehnung der Entgegennahme von Beweisanträgen nach Beginn der Verkündung); Meyer-Goßner/Schmitt 5. 20 Vgl. BGH MDR 1957 53 (Worterteilung an den Adhäsionskläger); AK/Schöch 5; KK/Schneider 3; MeyerGoßner/Schmitt 5; krit. Hammerstein FS Rudolf Schmitt 323; zur Aufteilung der Verhandlung in mehrere Sachkomplexe § 243, 4. 21 Vgl. Hammerstein FS Rudolf Schmitt 327. 22 Zu Zielen und Aufgaben der Verhandlungsleitung s. Heinrich 118 ff. 23 Hülle DRiZ 1953 89; Roesen NJW 1958 977; Schmidt DRiZ 1960 427; Tröndle DRiZ 1970 216; SK/Frister 8; a.A. OGHSt 3 141, 147 f.; vgl. auch Rn. 6, 11. 24 BGH NStZ 1995 143 (Abbruch der Zeugenbefragung). 25 RGSt 30 216; 41 259, 260 f.; 64 57, 58; RGRspr. 4 151; 8 271; RG Recht 1909 Nr. 183; 1911 Nr. 3885; HRR 1939 Nr. 210; BGHSt 3 368, 369; BGH MDR 1964 72; Kern JW 1925 900; Meves GA 39 (1891) 297; Roxin/ Schünemann § 19, 59; KMR/Paulus 21; Meyer-Goßner/Schmitt 5; näher zum Missbrauch des Fragerechts § 241, 24. 26 Kern JW 1925 900; a.A. noch RGRspr. 3 96, 99.

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das Wort allerdings nicht verweigern, da er nicht den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör und ihre sonstigen Verfahrensrechte, etwa Beweisanträge oder Fragen zu stellen, behindern, insbesondere die Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten nicht verkürzen darf. Ist ein Verfahrensbeteiligter infolge Erregung zu einem sachgerechten Verhalten außerstande, kann der Vorsitzende die Sitzung unterbrechen, um ihm Gelegenheit zu geben, sich zu beruhigen, damit er später seine Rechte in sachlicher Form wahrnehmen kann.27 Anträge braucht der Vorsitzende nicht zu jeder Zeit entgegenzunehmen.28 Wird ver4 sucht, sie zu einem ungeeigneten Zeitpunkt, etwa während der Einvernahme des Angeklagten oder eines Zeugen vorzubringen, so kann er den Antragsteller auf einen späteren Zeitpunkt verweisen, um die zügige und sachgerechte Durchführung der Hauptverhandlung sicherzustellen.29 Das gilt auch für Anträge, die der Antragsteller zur Wahrung seiner Rechte unverzüglich anzubringen hat, etwa Ablehnungsanträge (§ 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2), oder für Verfahrenserklärungen, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt abgegeben werden müssen, etwa der Einwand vorschriftswidriger Gerichtsbesetzung (§ 222b Abs. 1 Satz 1).30 In diesen Fällen ist die Unverzüglichkeit schon durch den Versuch oder die Ankündigung der Antragstellung gewahrt; dass der Antrag aufgrund der Anordnung des Vorsitzenden erst später angebracht wird, schadet nicht.31 Insbesondere bei extensiver Antragstellung und wiederholten Beanstandungen während einer Zeugenvernehmung kann er anordnen, dass weitere Anträge und Beanstandungen – auch wenn sie sich auf die aktuelle Vernehmung beziehen – erst nach dem Abschluss der Befragung durch ihn entgegengenommen und verbeschieden werden.32 Entsprechendes gilt für Protokollierungsanträge.33 Die Fürsorgepflicht wird es im Regelfall gebieten, dass der Vorsitzende zu einem späteren Zeitpunkt auf das zurückgestellte Begehren von sich aus zurückkommt.34 Anders wird es allerdings bei missbräuchlicher Antragstellung liegen (s. Rn. 35). Es ist Aufgabe des Vorsitzenden, die Verhandlung gründlich und doch zügig abzuwi5 ckeln. Er soll dabei Zurückhaltung und Takt üben und alles vermeiden, was ihn als voreingenommen oder einseitig befangen erscheinen lassen könnte. Insbesondere darf seine Aktenkenntnis seine Aufgeschlossenheit gegenüber dem Prozessgeschehen und die dabei zutage tretenden neuen Gesichtspunkte nicht beeinträchtigen.35 Durch sein Vorbild und durch einen die Distanz wahrenden, sachlichen Verhandlungsstil,36 aber auch durch die Rüge von Ungehörigkeiten anderer Verhandlungsteilnehmer hat er dafür zu sorgen, dass in der Hauptverhandlung ein ruhiger, höflicher und sachlicher Ton herrscht37 und dass

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27 SK/Frister 8. 28 Jedoch darf er die Beteiligten nicht auf eine an sich ebenfalls zulässige Antragstellung außerhalb der Hauptverhandlung verweisen, wenn der Antrag verfahrensrechtlich auch in der Hauptverhandlung gestellt werden darf; vgl. BGH StV 2005 531, 532 für Befangenheitsanträge. 29 BGHSt 48 372 f.; BGH NStZ 2006 463; zustimmend Kunz 98; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SSW/Grube 14; kritisch Kühne 723.1. 30 Vgl. BGH StV 2015 98, 100 m. Anm. Wollschläger. 31 Drees NStZ 2005 185 f.; s. auch die Erl. zu § 25. 32 BGHSt 48 372 f. 33 RGSt 42 157; vgl. bei § 273. 34 BGH StV 2015 98, 100 m. Anm. Wollschläger. 35 Bauermann DRiZ 1962 125; Breithaupt DRiZ 1962 47; Niethammer JZ 1951 132; Roesen NJW 1958 978; Eb. Schmidt ZRP 1969 255; Schorn (Strafrichter) 223 f.; Schorn (Menschenwürde) 123 f. 36 Dazu etwa Schild Der Strafrichter in der Hauptverhandlung (1983) 109 (keine Anbiederung); AK/Schöch 7. 37 SK/Frister 8; vgl. KMR/Paulus 26 („Atmosphäre unparteiischer Wahrheitsfindung“, möglichst „Kammerton“).

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alle unnötig scharfen oder der Form nach bewusst verletzenden Äußerungen unterbleiben. Allgemein moralisierende, belehrende oder polemisierende Äußerungen gehören nicht in die Hauptverhandlung; am wenigsten aber stehen sie dem Richter an.38 In der Verhandlung muss der Vorsitzende alle Verfahrensbeteiligten in genügender Weise zu Wort kommen lassen. Er hat dafür zu sorgen, dass in jeder Hinsicht das Verfahren in einer rechtsstaatlichen, der Billigkeit entsprechenden Weise („fair trial“ gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK) durchgeführt wird und dass alles zur Sachaufklärung Erforderliche geschieht. Vor allem den Zeugen muss er in jeder geeigneten Form Hilfe leisten, damit sie ihr Wissen vollständig und wahrheitsgemäß wiedergeben.39 Befangenheit und Verständigungsschwierigkeiten aufgrund einer Stresssituation oder unterschiedlichen Sprach- und Verständigungsniveaus muss er erkennen und mit Einfühlungsvermögen und Geduld – eventuell unter Anpassung seiner Ausdrucksweise – zu beheben suchen.40 Um eine hinreichend sichere Verständigung zu gewährleisten, muss er unter Umständen einen Dolmetscher oder sonstigen Sprachmittler bzw. technische Hilfsmittel (vgl. §§ 185 bis 187 GVG) oder auch eine Bezugsperson des zu Vernehmenden zur Mithilfe heranziehen.41 Ersichtliche Missverständnisse der Prozessbeteiligten hat er zu klären; auf klare Antragstellung muss er hinwirken; unnötigen Belastungen von Zeugen und Sachverständigen durch das Verfahren hat er vorzubeugen. Vor allem obliegt es ihm, bei der Entscheidung über den Umfang der Beweisaufnahme auch die Interessen des als Zeugen am Verfahren beteiligten Opfers in seine Erwägungen einzubeziehen und insbesondere dessen Menschenwürde zu schützen. Er hat es daher vor einem Verteidigungsverhalten des Angeklagten zu bewahren, das durch rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze nicht gedeckt ist.42 Unsachliche Angriffe auf den Opferzeugen hat er abzuwehren, unzulässige bzw. ungeeignete Fragen zurückzuweisen sowie Fragen nach entehrenden Tatsachen nur im unerlässlichen Umfang zuzulassen.43 Im Umgang mit dem Angeklagten darf nie vergessen werden, dass für ihn die Unschuldsvermutung spricht, seine Schuld also erst vom Gericht festgestellt werden muss, und dass er – auch wenn schuldig geworden – dadurch den Anspruch auf Achtung seiner Menschenwürde nicht verloren hat. Es sollte deshalb grundsätzlich die im bürgerlichen Leben übliche Anrede „Herr“ bzw. „Frau“ und nicht etwa die Bezeichnung „Angeklagter“ verwendet werden.44 Gegenüber dem rechtsunkundigen Angeklagten obliegt dem Vorsitzenden die Verpflichtung, ihn erforderlichenfalls über seine Befugnisse zu belehren und darauf hinzuwirken, dass sie sachgemäß gebraucht werden.45 Gegenüber dem rechtskundigen Vertreter der Staatsanwaltschaft obliegt dem Vorsitzenden keine solche Fürsorgepflicht.46 Die Anfertigung schriftlicher Aufzeichnungen in der Verhandlung – etwa die Mitschrift von Zeugenaussagen – kann der Vorsitzende dem Angeklagten weder untersagen

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38 Schorn (Strafrichter) 224: „Es ist verfehlt …, wenn der Richter glaubt, … sich als Tugendwächter der Nation‘ fühlen zu müssen“; ferner Eb. Schmidt Die Sache der Justiz (1961) 21; Schorn (Menschenwürde) 124; Tröndle DRiZ 1970 214. 39 RGSt 35 5, 7; BGHSt 43 62, 64; zur Vernehmungsgestaltung vgl. etwa Bender/Nack/Treuer 808 ff.; Eisenberg (Beweisrecht) 1318 ff.; Hammerstein FS Rudolf Schmitt 327; SK/Rogall Vor § 48, 162 ff. 40 Eisenberg (Beweisrecht) 844 ff., 1328; Göppinger FS Tröndle 474; AK/Schöch 7. 41 BGHSt 43 62; vgl. auch § 406f Abs. 2. 42 BGH NStZ 2005 579, 580. 43 BGHSt 48 372; BGH NJW 2005 1519, 1520 f.; Rieß Verh. des 55. DJT (1984) Bd. I C 162 f.; vgl. § 68a sowie Vor § 226, 40, 66. 44 Jescheck JZ 1970 202; Eb. Schmidt ZRP 1969 256; Schorn (Menschenwürde) 122; AK/Schöch 6; SK/Frister 8; vgl. § 243, 80. 45 RGSt 57 147, 148; 65 246, 248; vgl. Einl. I 103 ff. 46 OLG Dresden DRiZ 1929 Nr. 95.

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noch ihm hierbei Beschränkungen auferlegen. Das gilt selbst dann, wenn die Gefahr besteht, dass der Angeklagte hierdurch gehindert wird, der Hauptverhandlung vollinhaltlich zu folgen.47 Dies folgt aus der Stellung des Angeklagten als Subjekt des Verfahrens. Als solches darf er ohne Einschränkungen die ihm wichtig erscheinenden Verfahrensvorgänge zur eigenen Verwendung schriftlich dokumentieren und hat autonom darüber zu entscheiden, ob es zu seiner Verteidigung zweckmäßig erscheint, derartige Aufzeichnungen selbst dann zu fertigen, wenn hierdurch seine Aufmerksamkeit beeinträchtigt wird und er deswegen möglicherweise bestimmte Verfahrensvorgänge nicht in vollem Umfang erfasst. Glaubt der Vorsitzende, dass dem Angeklagten wegen seiner Aufzeichnungen wichtige Teile der Hauptverhandlung entgehen, so kann er ihn auf das Unzweckmäßige seines Verhaltens hinweisen. Weitergehende Befugnisse stehen ihm insoweit nicht zu.48 Zur Verhandlungsleitung im weiteren Sinn gehört auch, dass die Prozessbeteiligten, 10 vor allem aber der Angeklagte und sein Verteidiger, einen Platz im Sitzungssaal zugewiesen erhalten, der sie weder bei der Wahrnehmung aller Verfahrensvorgänge noch in der Ausübung ihrer sonstigen Verfahrensbefugnisse behindert.49 Es ist ferner Aufgabe des Vorsitzenden zu entscheiden, ob für gerichtsinterne Zwecke Tonbandaufnahmen von den Verfahrensvorgängen gemacht werden dürfen.50 Ob die Anordnung, die mittels Bild-Ton-Übertragung durchgeführte Zeugeneinvernahme für eine weitere Hauptverhandlung aufzunehmen (§ 247a Abs. 1 Satz 4), wegen des systematischen Zusammenhangs mit § 247a Abs. 1 Satz 1 dem Gericht vorbehalten ist oder nach § 238 Abs. 1 vom Vorsitzenden getroffen werden kann, ist noch nicht höchstrichterlich geklärt, richtigerweise jedoch im letztgenannten Sinne zu entscheiden (s. hierzu § 247a, 34). 11

b) Die Vernehmung des Angeklagten51 und die Aufnahme der Beweise obliegt nach Absatz 1 dem Vorsitzenden. Das Gericht ist allerdings in gleicher Weise wie der Vorsitzende dafür verantwortlich, dass alles geschieht, was zur Erforschung der Wahrheit notwendig ist (§ 244 Abs. 2); die wichtigeren Entscheidungen über die Beweisaufnahme, vor allem die Ablehnung von Beweisanträgen, sind ihm und nicht dem Vorsitzenden übertragen (§ 244 Abs. 3 bis 5, Abs. 6 Satz 1, § 245 Abs. 2, §§ 247, 247a, 251 Abs. 4, § 255a Abs. 1 und 2). Der Vorsitzende ist aber bei der Erhebung der Beweise führend tätig, er ordnet die Beweiserhebung an52 und bestimmt dabei die Reihenfolge, in der die einzelnen Beweismittel in die Hauptverhandlung eingeführt werden,53 beim Urkundenbeweis auch, ob dies durch Verlesen oder im Wege des § 249 Abs. 2 geschieht.54 Der Vorsit-

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47 Salditt StV 1993 444; AK/Schöch 11; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Radtke/Hohmann/Britz 8; SK/Frister 10; SSW/Grube 13; a.A. BGHSt 1 323 = JZ 1952 43 m. abl. Anm. Eb. Schmidt; KMR/Paulus 25. 48 Vgl. auch BGHSt 44 46: Beschlagnahmefreiheit schriftlicher Unterlagen, die der Angeklagte sich im laufenden Strafverfahren zu seiner Verteidigung fertigt. 49 Vgl. Nr. 125 Abs. 2 RiStBV; ferner OLG Köln NJW 1961 1127; 1980 302; Molketin AnwBl. 1982 469; KMR/Paulus 6; SK/Frister 6; s. auch Rn. 21. 50 Zu den Voraussetzungen vgl. BGHSt 10 202; BGH NStZ 1982 42; OLG Düsseldorf NStZ 1990 554; OLG Hamburg MDR 1977 248; Marxen NJW 1977 2189; ferner bei § 169 GVG. 51 Vgl. BGH NStZ 1997 198 zur primären Zuständigkeit des Vorsitzenden, über die Gestaltung der Angeklagtenvernehmung zu befinden. 52 Vgl. etwa BGH NStZ 1982 432; Alsberg/Güntge 1418 ff.; die Einzelheiten und die Nachweise finden sich bei § 244, 38, 131 f. und § 245, 10, 55. 53 Roxin/Schünemann § 4, 7 sowie § 44, 4; zum Zeitpunkt der Vernehmung der Be- und Entlastungszeugen Eisenberg (Beweisrecht) 1300; Hammerstein FS Rudolf Schmitt 326 f.; SK/Rogall Vor § 48, 166; vgl. auch Nr. 135 Abs. 3 Satz 1 RiStBV (Vernehmung jugendlicher Zeugen möglichst vor den anderen). 54 BGH NStZ 2011 300.

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zende entscheidet in eigener Wertung – vorläufig – darüber, ob einem Zeugen ein Zeugnisverweigerungsrecht55 oder inwieweit ihm das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 Abs. 156 zusteht und ob ein Beweisverwertungsverbot greift.57 Er führt grundsätzlich auch die Beweiserhebung selbst durch;58 dies gilt auch für die Einvernahme eines an einem anderen Ort befindlichen Zeugen oder Sachverständigen mittels einer zeitgleichen BildTon-Übertragung (§ 247a). Er darf die zur umfassenden Sachaufklärung angezeigten Vorhalte machen und dabei auch zum Ausdruck bringen, wie er den Inhalt einer vorgehaltenen Urkunde auffasst.59 Der Vorsitzende hat sicherzustellen, dass der Angeklagte sein Recht auf konfrontative Befragung nach Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK ausüben kann. Ist die Fortführung einer Zeugenvernehmung in öffentlicher Sitzung wegen fehlenden Personals für eine erforderliche Einlasskontrolle von einem bestimmten Zeitpunkt an nicht möglich, so ist er verpflichtet, sich rechtzeitig um eine Beseitigung des Hemmnisses zu bemühen, zumal wenn die Gefahr besteht, dass ein Auslandszeuge nicht mehr bereit sein wird, zu einem weiteren Termin zu erscheinen.60 Grundsätzlich (Ausnahme: § 239) erst dann, wenn der Vorsitzende seine Befragung eines Zeugen oder Sachverständigen abgeschlossen hat, erhalten die anderen Beteiligten zu dem von ihm bestimmten Zeitpunkt61 Gelegenheit, ihrerseits weitere Fragen zu stellen (§ 240). Liegt kein Fall des § 240 Abs. 1, § 242 vor, befindet wiederum der Vorsitzende darüber, ob Fragen anderer Beteiligter als ungeeignet oder nicht zur Sache gehörig zurückzuweisen sind (§ 241 Abs. 2); allerdings kann der Vorsitzende auch hier sofort die Entscheidung des Gerichts herbeiführen. Ihm obliegt es schließlich auch, den vernommenen Zeugen und Sachverständigen zu genehmigen, sich von der Gerichtsstelle zu entfernen (§ 248); wegen der Einzelheiten vgl. § 243, 29 und bei § 248. Schließlich hat er darüber zu befinden, ob nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme den Verfahrensbeteiligten eine Frist zur Stellung von Beweisanträgen zu bestimmen ist (§ 244 Abs. 6 Satz 2). c) Dem Vorsitzenden ist ferner die Sitzungspolizei übertragen. Ihm – und nicht 12 etwa dem Sitzungsstaatsanwalt oder dem Inhaber des Hausrechts – obliegt es, die Ruhe und Ordnung in der Sitzung aufrechtzuerhalten und allen Störungen vorzubeugen, welche die ordnungsgemäße Durchführung der Hauptverhandlung gefährden könnten, und sie gegebenenfalls abzuwehren (§ 176 GVG).62 Er kann die angeordneten Maßnahmen selbst vollstrecken (s. § 36, 27). Welche Anordnungen zu treffen sind, hat er nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der für jedes hoheitliche Einschreiten geltenden Grundsätze der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit selbst zu entscheiden, soweit nicht einzelne Maßnahmen dem Gericht vorbehalten sind (vgl. §§ 177, 178 GVG). Die Anordnungen nach § 231 Abs. 1 Satz 2, die den Angeklagten hindern sollen, sich aus der Hauptverhandlung zu entfernen, gehören ebenfalls hierher. Der Vorsitzende kann

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55 BGHSt 55 65 zu § 52 Abs. 1 Nr. 1. 56 BGHSt 51 144, 146. 57 BGHSt 51 1, 4; BGH Beschl. v. 9.5.2007 – 1 StR 32/07 – Rn. 51 (insoweit unveröffentlicht); s. auch Rn. 48. 58 Zu den Ausnahmen beim Kreuzverhör und zum informellen Wechselverhör vgl. § 239, 1; zur Möglichkeit, das Verlesen von Urkunden anderen Personen zu übertragen, vgl. Rn. 15. 59 BGH bei Holtz MDR 1984 797; vgl. bei § 249. 60 BGH NStZ 2007 281. 61 BGHSt 16 67, 70 f.; BGH MDR 1957 53. 62 BGHSt 44 23, 24; BGH StV 2009 680 m. Anm. Sinn/Hülsmann; NStZ 2013 608 m. Anm. Meyberg; Fuhrmann GA 1963 68; Lehr NStZ 2001 66; Meves GA 39 (1891) 297 f.; Schlüchter 451.1; KK/Schneider 4; KMR/Paulus 23; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SSW/Grube 6; zur Abgrenzung der Befugnisse des Vorsitzenden von den Befugnissen des Inhabers des Hausrechts vgl. bei § 176 GVG.

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insbesondere aus triftigen Gründen anordnen, dass der Angeklagte während der Hauptverhandlung gefesselt bleibt63 oder von Polizeibeamten bewacht wird. Er kann auch Maßnahmen gegen Zuhörer anordnen, von denen eine Störung zu befürchten ist.64 Das Mitschreiben kann er einem Zuhörer nur dann verbieten, wenn konkrete Tatsachen den Verdacht begründen, dass damit bezweckt wird, noch nicht vernommene Zeugen von einer Aussage zu unterrichten.65 13 Nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet der Vorsitzende, ob er gegen eine Störung überhaupt einschreiten will oder ob er es für zweckmäßiger hält, nichts dagegen zu unternehmen, etwa weil ein Einschreiten den Fortgang der Hauptverhandlung noch weit stärker beeinträchtigen würde als die Störung oder weil diese der Wahrheitsfindung im konkreten Fall dienlich war.66 Der Vorsitzende darf es allerdings nicht dazu kommen lassen, dass durch die Zulassung turbulenter Szenen in der Hauptverhandlung der Rechtsgang gefährdet, insbesondere die Sachaufklärung beeinträchtigt, die Verteidigung des Angeklagten behindert67 oder ein Zeuge gefährdet wird. 14

4. Rücknahme von Anordnungen. § 238 sieht zwar kein Abhilfeverfahren vor; dennoch kann der Vorsitzende auf entsprechendes Ersuchen eines Beteiligten,68 aber auch noch nach einem formellen Antrag nach Absatz 2 und selbst von Amts wegen seine Anordnung zurücknehmen, sofern nicht besondere Umstände (etwa die Voraussetzungen des § 245) entgegenstehen.69 Hiermit entfällt das Rechtsschutzinteresse des Betroffenen. Hatte er einen Antrag nach Absatz 2 gestellt, muss das Gericht über diesen keine Entscheidung mehr treffen,70 es sei denn, er wird ausdrücklich aufrechterhalten; dann ist er als unzulässig zu verwerfen.

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5. Die Übertragung der Aufgaben des Vorsitzenden auf andere Gerichtsmitglieder ist nicht zulässig. Der Vorsitzende darf die ihm obliegende Leitung der Verhandlung, der Vernehmung des Angeklagten oder der Beweisaufnahme71 nicht einem beisitzenden Richter übertragen,72 auch nicht in verdeckter Form, etwa indem er alle Fragen an einen Zeugen einem Beisitzer überlässt. Ist der Vorsitzende wegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung (z.B. starke Heiserkeit) nicht in der Lage, die Aufgabe der Verhandlungsleitung auszuüben, so ist er als Vorsitzender verhindert (§ 21f Abs. 2 GVG); dies schließt nicht aus, dass er als Beisitzer mitwirkt.73 Leichtere Einschränkungen, die ihn in der Verhandlungsleitung lediglich behindern, berechtigen ihn dagegen nicht, die Führung der

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63 Vgl. BGH MDR 1957 243; OLG Hamm NJW 1972 1246; s. Rn. 21. 64 BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 18; OLG Schleswig bei Ernesti/Lorenzen SchlHA 1982 113; vgl. die Erl. zu § 176 GVG. 65 BGH bei Holtz MDR 1982 812; vgl. § 243, 27; ferner bei § 176 GVG. 66 RG DRiZ 1927 Nr. 829; BGH NJW 1962 260; Greiser JA 1983 430; Schwind JR 1973 133; AK/Schöch 12; KMR/Paulus 27. 67 BGH NJW 1962 260. 68 Dies wird teilweise empfohlen, um die mögliche Verschlechterung des Prozessklimas und sich eventuell aufbauende Konfrontationen zu vermeiden, die mit der sofortigen Anrufung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 verbunden sein können: Salditt StV 1993 447 f.; HK/Julius 1, 13. 69 Bohnert 178; Püschel/Sommer AnwBl. 2013 169; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Radtke/Hohmann/Britz 25; SK/Frister 24 und 32; SSW/Grube 17; enger KMR/Paulus 30: nur wenn kein Beschluss nach Absatz 2 beantragt. 70 Erker 98; Radtke/Hohmann/Britz 25. 71 Vgl. BGH Beschl. v. 6.8.2014 – 1 StR 333/14 (Vernehmung der Ehefrau des Vorsitzenden als Zeugin). 72 RGSt 9 310; AK/Schöch 4; KK/Schneider 5; KMR/Paulus 3; Meyer-Goßner/Schmitt 8; SK/Frister 15. 73 BGH bei Kusch NStZ 1995 19; LG Frankfurt DRiZ 1980 311; Kissel/Mayer § 21f, 14 GVG; KK/Schneider 5; KMR/Paulus 3; Meyer-Goßner/Schmitt 8; vgl. bei § 21f GVG.

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Verhandlung an seinen Vertreter abzugeben.74 Rein verfahrenstechnische Vorgänge, die seine Leitungsfunktion unberührt lassen, darf der Vorsitzende anderen Verfahrensbeteiligten übertragen, so wenn er eine Urkunde, deren Verlesung er angeordnet hat, nicht selbst vorliest, sondern dies einem beisitzenden Richter – auch einem Schöffen oder Ergänzungsrichter – überlässt oder den Urkundsbeamten damit beauftragt.75 Es ist auch zulässig, wenn sich die Mitglieder des Gerichts bei der Verlesung längerer Schriftstücke gegenseitig ablösen. II. Entscheidung durch das Gericht (Absatz 2) 1. Anrufung des Gerichts a) Zweck der Vorschrift. Die auf die Sachleitung bezüglichen Anordnungen des 16 Vorsitzenden können nach dem erst im Gesetzgebungsverfahren eingefügten Absatz 2 (s. Entstehungsgeschichte)76 als unzulässig beanstandet und zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden. Es handelt sich hierbei um einen Zwischenrechtsbehelf eigener Art, der die Gesamtverantwortung des Spruchkörpers (zur Eigenkontrolle des Strafrichters beim Amtsgericht s. Rn. 38) für die Rechtsförmigkeit der Verhandlung aktiviert77 und es hierdurch ermöglicht, Fehler des Vorsitzenden im Rahmen der Instanz zu korrigieren und damit Revisionen zu vermeiden, durch die ein Fehler nur auf Kosten einer mehr oder weniger langen Verzögerung des Verfahrensabschlusses ausgeräumt werden kann.78 b) Anordnung des Vorsitzenden ist dabei im weitesten Sinn zu verstehen.79 Hier- 17 unter fallen nicht nur die ausdrücklichen Anordnungen, die ein bestimmtes Verhalten gebieten oder verbieten, sondern alle Maßnahmen, mit denen der Vorsitzende auf den Ablauf des Verfahrens und das Verhalten der Verfahrensbeteiligten einwirkt, also auch Worterteilungen, Hinweise,80 Vorhalte, Ermahnungen, Belehrungen und dergleichen,81 ferner auch die Beanstandung von Fragen82 sowie sitzungspolizeiliche Anordnungen.83 Die Anrufung des Gerichts gegen die Ablehnung der wörtlichen Protokollierung einer Aussage oder Äußerung sowie die Ablehnung, einen bestimmten Vorgang in der Haupt-

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74 KK/Schneider 5; Meyer-Goßner/Schmitt 8. 75 RGSt 27 172; AK/Schöch 4; KK/Schneider 5; KMR/Paulus 3; Meyer-Goßner/Schmitt § 249, 15; SK/Frister 15. 76 Zur untergeordneten Bedeutung der Entstehungsgeschichte als Auslegungshilfe für § 238 Abs. 2 vgl. Bohnert 166; Erker 44 ff., 64. Eb. Schmidt 29 spricht von den für Juristen dunklen Mysterien des § 238. 77 Laut Habetha NJW 2016 3629: „aktualisiert“. 78 BGHSt 51 144, 147 = NStZ 2007 230 m. Anm. Widmaier = JR 2007 382 m. Anm. Mosbacher, m. Anm. Bosch JA 2007 313; 55 65, 67; vgl. Giesler 283 ff.; Püschel/Sommer AnwBl. 2013 168; AK/Schöch 29; HK/Julius 1; KK/Schneider 2, 7; KMR/Paulus 33; SK/Frister 3; abweichend Erker 57 f.: beschwerdeähnlicher Rechtsschutz gegen Maßnahmen des Vorsitzenden; zu den unterschiedlichen Erklärungsansätzen s. Heinrich 65 ff. 79 Alsberg LZ 1914 1175 f.; Erker 64; Fuhrmann GA 1963 68; Schmid FS Mayer 550 f.; Eb. Schmidt Nachtr. I 5; ferner AK/Schöch 33; KK/Schneider 8, 11; KMR/Paulus 12; Meyer-Goßner/Schmitt 11; SSW/Grube 18. 80 Vgl. BGH NStZ 2012 344. 81 So etwa BGHSt 42 73, 77 = JR 1997 33 m. Anm. Welp; 51 144, 148 (Bejahung des Auskunftsverweigerungsrechts eines Zeugen nach § 55); 55 65 (Feststellung des Fehlens der tatsächlichen Voraussetzungen eines Zeugnisverweigerungsrechts nach § 52 Abs. 1 Nr. 1); BGH VRS 48 (1975) 18; Schmid FS Mayer 551; Meyer-Goßner/Schmitt 11; Radtke/Hohmann/Britz 3; SK/Frister 21; vgl. auch KMR/Paulus 12 ff. 82 Wegen des Verhältnisses zu § 242 vgl. dort Rn. 1. 83 BGH StV 2009 680 m. Anm. Sinn/Hülsmann; NStZ 2013 608 m. Anm. Meyberg; Erker 64 ff.; Fuhrmann GA 1963 68, 71; Gössel 169 f.; Schmid FS Mayer 558; Meyer-Goßner/Schmitt 11.

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verhandlung in das Protokoll aufzunehmen (§ 273 Abs. 3 Satz 1), richtet sich allein nach § 273 Abs. 3 Satz 2,84 während für die Beanstandung von Protokollierungsanordnungen § 238 Abs. 2 gilt85 (vgl. bei § 273). Einer bestimmten Form bedarf die Anordnung nicht. Es genügt, wenn das Verhalten 18 des Vorsitzenden dahin verstanden werden kann, dass er regelnd eingreifen will. Daher kann auch die Bitte an Zuhörer oder bereits vernommene Zeugen, den Sitzungssaal zu verlassen, eine Anordnung darstellen, wenn sie den Eindruck vermittelt, sie könne im Fall der Nichtbefolgung durchgesetzt werden.86 Dagegen wird die reine Frage an einen Zuhörer, ob er während der Vernehmung eines Zeugen Wert auf die weitere Anwesenheit im Sitzungssaal lege, in der Regel nicht als Anordnung verstanden werden können.87 Die bloße Untätigkeit des Vorsitzenden ist grundsätzlich keine Anordnung, auch wenn er ganz bewusst nicht handelt.88 Ein Verfahrensbeteiligter, der ein Tätigwerden des Vorsitzenden für notwendig hält, kann durch eine entsprechende Anregung jederzeit erreichen, dass dieser eine Entscheidung darüber trifft, ob er im gewünschten Sinn tätig werden oder ob er dies ablehnen will. Betrifft die angeregte Maßnahme die Sachleitung, kann gegen die Entschließung des Vorsitzenden das Gericht angerufen werden. Das erkennbar bewusste Übergehen einer angeregten oder beantragten Maßnahme kann aber als deren stillschweigende (konkludente) Ablehnung zu deuten sein.89 19

c) Sachleitung. § 238 Abs. 1 überträgt dem Vorsitzenden die Verhandlungsleitung, die Vernehmung des Angeklagten sowie die Beweisaufnahme, während § 238 Abs. 2 die Anrufung des Gerichts (nur) gegen die auf die Sachleitung bezüglichen Anordnungen des Vorsitzenden zulässt. Aus dieser unterschiedlichen Wortwahl hat die früher herrschende Ansicht den Schluss gezogen, dass die allein dem Absatz 2 unterfallenden sachleitenden Anordnungen nach abstrakten Kriterien von den sonstigen prozessleitenden Maßnahmen abzugrenzen seien. Sie hat daher unterschieden zwischen der formellen Verhandlungsleitung, die der Einhaltung der äußeren Form und der Ordnung der Hauptverhandlung diene,90 und der materiellen Sachleitung, die auf die Förderung der Verhandlung unmittelbar auf das Urteil hin gerichtet sei und die daher die Entscheidung

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84 S. aber BVerfG StV 2000 3; BGH NStZ 2004 342, 343: Anrufung des Gerichts nach § 238 Abs. 2, wenn der Vorsitzende die Protokollierung einer Verfahrensabsprache ablehnt. 85 Erker 124; Gössel 299; Schmid GA 1962 369; KMR/Paulus 38; Eb. Schmidt § 273, 4; krit. Foth JR 1982 253. 86 Vgl. BGH NJW 1989 465 m. Anm. Sieg MDR 1990 69; s. dazu auch Schneiders StV 1990 93 f., der zur Vermeidung von Öffentlichkeitsrügen empfiehlt, die – nur als solche gemeinte – Bitte zum Verlassen des Sitzungssaals mit einem Hinweis auf das fortbestehende Anwesenheitsrecht zu verbinden. 87 BGH MDR 1963 150. 88 BGHSt 3 368, 370; 38 260, 261; 55 65, 70; BGH NStZ 1981 71; 1984 371, 372; 1987 374; BGHR § 59 Satz 1 Entscheidung, fehlende 2; KK/Schneider 12; offen gelassen für den Fall, dass der Vorsitzende durch sein Verhalten für alle Beteiligten offensichtlich stillschweigend eine bestimmte Anordnung trifft: BGH NStZ 1981 71; 1984 371, 372; 1987 374; BGHR § 59 Satz 1 Entscheidung, fehlende 2. Für den Sonderfall der Vorabentscheidung des Vorsitzenden über die Nichtvereidigung eines Zeugen s. Rn. 47. 89 Erker 68 ff., 131; Gössel 171; AK/Schöch 33; KMR/Paulus 29; KK/Schneider 12; Radtke/Hohmann/Britz 16; SK/Frister 22; SSW/Grube 19. Alsberg LZ 1914 1176 stellt allgemein das absichtliche Unterlassen den positiven Maßnahmen gleich. Die Frage ist jedoch ohne größere Bedeutung, da in der Regel vor einer entsprechenden Anregung an den Vorsitzenden nicht erkennbar ist, dass er absichtlich eine bestimmte Maßnahme nicht treffen will (vgl. Fuhrmann GA 1963 68 f.); a.A. demgegenüber Meyer-Goßner/Schmitt 11 (bewusstes Unterlassen auch einer beantragten Entscheidung steht deren Anordnung nicht gleich). 90 Etwa Eröffnung und Schließung der Hauptverhandlung; Entlassung der Zeugen aus dem Sitzungssaal, § 243 Abs. 2 Satz 1; Unterbrechungen der Hauptverhandlung (§ 228 Abs. 1 Satz 2) oder deren Ablehnung; Platzzuweisungen; sitzungspolizeiliche Maßnahmen; aber auch die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme der Beweise.

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in der Sache betreffe.91 Diese Auffassung überzeugt nicht: Schon der Entstehungsgeschichte des § 238 lässt sich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber eine derartige Unterscheidung intendierte; möglich ist auch, dass er durch die abweichende Wortwahl in Absatz 2 lediglich eine Wiederholung der in Absatz 1 verwendeten Begriffe vermeiden wollte.92 Auch erlauben die für die Abgrenzung der materiellen Sachleitung von der formellen Verhandlungsleitung herangezogenen abstrakten Kriterien wegen der im Einzelfall höchst unterschiedlichen Auswirkungen einzelner Leitungsmaßnahmen keine zuverlässige Unterscheidung.93 Insbesondere aber steht diese Ansicht nicht in Einklang mit dem Regelungszweck von Absatz 2; da nämlich durch den Zwischenrechtsbehelf der Anrufung des Gerichts die Verantwortung des gesamten Spruchkörpers für die Gesetzmäßigkeit des Ablaufs der Hauptverhandlung aktiviert werden soll mit dem Ziel, zur Gewährleistung prozessordnungsgemäßer Urteilsfindung etwaige Verfahrensfehler des Vorsitzenden instanzintern zu korrigieren (s. Rn. 16), kann es für dessen Zulässigkeit nicht auf die begriffliche Zuordnung der jeweils in Rede stehenden Anordnung zu bestimmten Kategorien von prozessleitenden Maßnahmen ankommen, sondern allein darauf, ob sich die Maßnahme im konkreten Fall auf die Urteilsfindung des Gerichts auswirken kann, weil sie die sachliche Erarbeitung des Verfahrensstoffs oder die Wahrnehmung von Verfahrensrechten eines Prozessbeteiligten zu beeinflussen vermag.94 Mit Recht folgt daher die heute vorherrschende Auffassung dieser funktionellen 20 Betrachtungsweise; denn auch Maßnahmen, die auf die rein äußerliche Gestaltung des Verhandlungsablaufs abzielen, können je nach den Umständen Wirkungen zeitigen, die auf die Urteilsfindung des Gerichts (potentiell) Einfluss haben. So kann etwa eine Unterbrechung der Hauptverhandlung zur Unzeit oder von zu langer Dauer die Gefahr eines Beweismittelverlusts begründen95 oder als Folge der Ablehnung einer Unterbrechung die weitere Verhandlungsfähigkeit des kranken Angeklagten beeinträchtigt werden. Selbst die Platzverteilung im Sitzungssaal oder das Öffnen der Fenster kann unter Umständen die Verfahrensrechte eines Beteiligten berühren (s. näher Rn. 21). Entscheidend ist somit nicht, welches Ziel der Vorsitzende mit seiner Anordnung verfolgt, sondern allein, welche – mitunter ungewollte – Wirkung sie für die Verfahrensrechte der Beteiligten und damit auch für die Urteilsfindung haben kann, sei es auch nur als Nebeneffekt der Maßnahme (s. auch Rn. 25).96 Maßgebend ist dabei die Beurteilung ex ante.97 Da potentiell jeder Verstoß gegen die Justizförmigkeit des Verfahrens später auch die sachliche Urteilsfindung beeinträchtigen kann, ist bei dieser Betrachtung – abgesehen von sitzungspolizeilichen Maßnahmen gegen Unbeteiligte – kaum eine Maßnahme des Vorsitzenden vorstellbar, gegen die mangels Relevanz für die Urteilsfindung von vornherein die Anru-

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91 Vgl. etwa RGSt 42 157, 158; 47 139, 140; RG DRiZ 1927 Nr. 829; BGH NJW 1957 271; OLG Hamm NJW 1972 1246, 1247; Roesen NJW 1958 977; auch Jahn NStZ 1998 392. 92 Fuhrmann GA 1963 70 f.; ferner Danners 220; Fink Bild- und Tonaufnahmen im Umfeld der strafgerichtlichen Hauptverhandlung (2007) 89 f.; KK/Schneider 8. 93 Danners 219 f.; Erker 26 ff.; Heinrich 114 f.; Schmid FS Mayer 547; Meyer-Goßner/Schmitt 12; Pfeiffer 2; SSW/Grube 18. 94 Vgl. Eb. Schmidt 7: „Anordnungen, die bei einem Prozeßbeteiligten die Motivation zu einem für den Fortgang der Verhandlung erheblichen prozessualen Verhalten hervorrufen sollen“. 95 Vgl. BGH bei Becker NStZ-RR 2003 2. 96 Schmid FS Mayer 552: „Nicht Finalität, sondern Kausalität ist hier maßgebend!“; s. ferner Pfeiffer 2: alles, was in formeller oder materieller Hinsicht Einfluss auf die Entscheidung haben kann; ähnlich Bohnert 170 ff.; vgl. auch Fuhrmann GA 1963 69 ff.; Gössel 170; Hamm 1192; AK/Schöch 31; KK/Schneider 8; KMR/Paulus 11; Meyer-Goßner/Schmitt 12 f.; SSW/Grube 18; explizit a.A. SK/Frister 17 ff.; nicht eindeutig: Roxin/Schünemann § 44, 15; MüKo/Arnoldi 18. 97 Vgl. KMR/Paulus 9.

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fung des Gerichts nach Absatz 2 ausgeschlossen wäre.98 Die Anrufung des Gerichts kommt daher grundsätzlich gegen jede Maßnahme des Vorsitzenden im weitesten Sinne in Betracht. Sie ist immer dann zulässig, wenn der Verfahrensbeteiligte, der den Rechtsbehelf ergreift, schlüssig darzulegen vermag, dass er durch die Anordnung des Vorsitzenden unzulässig in seinen99 prozessualen Rechten beeinträchtigt wird und daher beschwert ist.100 Ob die Maßnahme tatsächlich unzulässig ist und die geltend gemachte Beschwer mit potentiellem Einfluss auf die Urteilsfindung wirklich besteht, ist erst bei der Begründetheit des Rechtsbehelfs zu prüfen.101 Obwohl somit zwischen Verhandlungsleitung nebst Angeklagtenvernehmung und Beweisaufnahme im Sinne von Absatz 1 und Sachleitung i.S.v. Absatz 2 nicht nach abstrakten Kriterien unterschieden werden kann,102 empfiehlt es sich, die Termini, da sie dem Gesetzeswortlaut entsprechen, weiterhin zu verwenden. Nur muss klargestellt sein, dass die Unterscheidung anhand der prozessualen Beschwer des Beanstandenden im Einzelfall vorzunehmen ist.103 21

d) Anwendbarkeit des § 238 Abs. 2 in Grenzbereichen.104 Die Anordnungen des Vorsitzenden hinsichtlich des äußeren Ablaufs der Verhandlung, etwa eine Unterbrechung nach § 228 Abs. 1 Satz 2 oder die Bestimmung des Termins für die Fortsetzung der Verhandlung nach § 229, beschweren im Allgemeinen die Prozesssubjekte nicht. Jedoch können sie im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände eine über die äußere Verhandlungsleitung hinausreichende Wirkung haben, die die Anrufung des Gerichts nach Absatz 2 gestattet; so liegt es etwa, wenn der Vorsitzende die Unterbrechung der Hauptverhandlung ablehnt, obwohl ein Verfahrensbeteiligter wegen Übermüdung oder Erkrankung nicht in der Lage ist, ihr zu folgen,105 wenn die Verhandlung für so lange Dauer unterbrochen wird, dass ein Beweismittelverlust droht,106 oder wenn die Verhandlung an einem Tag fortgesetzt wird, an dem der Angeklagte aus religiösen Gründen gehindert ist, sich zu verteidigen.107 Die Verweisung des Angeklagten auf einen bestimmten Platz, seine Fesselung, die Aufforderung, während seiner Vernehmung zu stehen, oder die Ablehnung, ein Fenster öffnen oder schließen zu lassen,108 sind Maßnahmen, die sich zwar in der Regel in der äußeren Gestaltung des Verhandlungsablaufs erschöpfen, die aber im

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98 Püschel/Sommer AnwBl. 2013 168 f.; Roxin/Schünemann § 44, 16. 99 Zur Ausnahme bezüglich der Staatsanwaltschaft s. MüKo/Arnoldi 14. 100 BGHSt 44 82, 90; BGHR § 238 Abs. 1 Verhandlungsleitung 2; Erker 52; Fuhrmann GA 1963 71, 73; Gössel 171; Habetha NJW 2016 3629; Schmid FS Mayer 557 f.; AK/Schöch 31 f.; AnwK-StPO/Kirchhof 15; Meyer-Goßner/Schmitt 12 f.; Radtke/Hohmann/Britz 17; a.A. Danners 223; Ebert StV 1997 275; Nagel StraFo 2013 224: Aktualisierung der Gesamtverantwortung des Gerichts ist unabhängig von einer eigenen Beschwer. 101 Vgl. Hamm 1193; s. demgegenüber noch Fezer Fall 11 Rn. 69; Eb. Schmidt 7 ff., Nachtr. I 5; unklar HK/Julius 4, 7; OLG Karlsruhe NStZ 1988 287, 288 m. Anm. Dieblich. 102 Gegen eine solche Differenzierung auch Fuhrmann GA 1963 69 ff.; Gössel 170; Schmid FS Mayer 548 f.; KK/Schneider 8; Meyer-Goßner/Schmitt 12; SK/Frister 16; a.A. KMR/Paulus 9. 103 Vgl. AK/Schöch 31, der zutreffend darauf hinweist, dass es in der Sache keinen Unterschied macht, ob man die Sachleitung i.S.v. Absatz 2 und die sonstige Verhandlungsleitung gleichsetzt und in der prozessualen Beschwer eine zusätzliche Zulässigkeitsvoraussetzung sieht oder ob man die Sachleitung von der Verhandlungsleitung mittels der prozessualen Beschwer abgrenzt; ferner Michel MDR 1994 648. 104 Vgl. im Übrigen die Kommentierung zu den jeweils einschlägigen Vorschriften sowie die zahlreichen Beispiele aus der Rspr. bei Erker 18 ff., 126 ff.; Schmid FS Mayer 553 ff.; KK/Schneider 13 f.; KMR/Paulus 12 ff. 105 BGH Urt. v. 8.7.1955 – 1 StR 195/55 (insoweit in BGHSt 8 130 nicht abgedruckt); BayObLGSt 1949-51 73, 75. 106 Vgl. BGH bei Becker NStZ-RR 2003 2. 107 BGHSt 13 123. 108 Danners 220; Schmid FS Mayer 552; KMR/Paulus 7; SK/Frister 21.

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Einzelfall sehr wohl auch die Sachleitung berühren, insbesondere die Verteidigung beschränken können, etwa wenn ein schwerhöriger Angeklagter auf dem ihm angewiesenen Platz der Verhandlung nicht mehr folgen109 oder sich von dort aus nicht mit seinem Verteidiger besprechen kann110 oder wenn die Fesselung ihn an einer sachgerechten Verteidigung hindert.111 Danach ist entgegen der früher herrschenden Meinung112 auch gegen Maßnahmen der Sitzungspolizei die Anrufung des Gerichts möglich, wenn schlüssig dargetan wird, dass eine solche Maßnahme ausnahmsweise über die mit ihr bezweckte Abwehr einer Störung hinaus unzulässig in Verfahrensrechte eines Beteiligten eingreift.113 Kann eine Beschwer dagegen nicht plausibel gemacht werden, wie etwa bei der Anordnung des Vorsitzenden, dass ein Polizeibeamter im Sitzungssaal anwesend sein müsse, ist die Anrufung des Gerichts unzulässig.114 Die Erteilung des Wortes an einen Verfahrensbeteiligten gehört zur Sachleitung.115 22 Die Art und Weise einer durch Gesetz (z.B. § 228 Abs. 3) oder durch die Fürsorgepflicht gebotenen Belehrung eines Prozessbeteiligten betrifft an sich nur die äußere Form der Verhandlung. Sie kann aber mit der Behauptung beanstandet werden, sie sei inhaltlich falsch oder erfolge in einer Form, welche eine unzulässige Beeinflussung des Belehrten bedeutet. In derartigen Fällen kann von jedem Verfahrensbeteiligten, nicht nur von dem von der Belehrung betroffenen und unter Umständen eingeschüchterten Angeklagten oder Zeugen das Gericht angerufen werden. Ebenso liegt es, wenn die Art und Weise der Vernehmung116 oder der Durchführung des Selbstleseverfahrens117 für unzulässig gehalten wird oder wenn gerügt wird, dass die Unterrichtung des Angeklagten über das Verhandlungsergebnis (§ 231a Abs. 2, § 231b Abs. 2, § 247 Satz 4) unrichtig, unvollständig oder mit sachfremden Zusätzen versehen sei.118 Genehmigt der Vorsitzende, dass sich ein Zeuge oder Sachverständiger entfernt 23 (§ 248), so kann gegen diese an sich nur verfahrensorganisatorische Maßnahme119 das Gericht angerufen werden,120 wenn ein Beteiligter dadurch seine Verfahrensinteressen beeinträchtigt sieht. Der Umstand, dass der Zeuge oder Sachverständige aufgrund eines Beweisantrags nochmals vernommen werden kann, schließt die Anrufung des Gerichts nicht aus.

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109 KK/Schneider 14; KMR/Paulus 6; SK/Frister 21; vgl. auch BGH LM § 259 Abs. 2 Nr. 1; NStZ-RR 2018 357 (eingeschränkte Sicht auf Zeugen). 110 RG HRR 1927 Nr. 95; OLG Köln NJW 1980 302, 303; AK/Schöch 30; vgl. Rn. 10. 111 Lüderssen GedS Meyer 274 f.; Rüping 375; Schmid FS Mayer 554; KMR/Paulus 6; a.A. BGH NJW 1957 271. 112 Alsberg ZStW 50 (1930) 73; Goldschmidt JW 1929 2686. Vgl. auch (wohl auf den Einzelfall bezogen) BGHSt 10 202, 207; BGH NJW 1957 271; ferner BVerfG NJW 1992 3288 („Rechtsbehelf gegen sitzungspolizeiliche Anordnungen … nach allgemeiner Ansicht nicht vorgesehen“); OLG Dresden NStZ 2007 479; Fezer Fall 11 Rn. 67; Jahn NStZ 1998 392; KK/Diemer § 176, 7 GVG. 113 Vgl. zum Öffentlichkeitsgrundsatz BGH StV 2009 680 m. Anm. Sinn/Hülsmann; NStZ 2013 608 m. Anm. Meyberg; zust. Habetha NJW 2015 3628; Hamm 1193; Hanack JZ 1972 82; ferner Erker 64 ff.; Fuhrmann GA 1963 71; Schmid FS Mayer 558; KK/Schneider 14; KMR/Paulus 23; Meyer-Goßner/Schmitt 13; vgl. auch Krekeler NJW 1979 189 und bei §§ 176, 181 GVG. 114 Vgl. OLG Hamm NJW 1972 1246. 115 BGH VRS 48 (1975) 18, 19; NStZ 1992 346 (Ablehnung der Entgegennahme von Beweisanträgen nach Schluss der Beweisaufnahme, aber vor Beginn der Urteilsverkündung; s. auch Rn. 24), dazu krit. Scheffler MDR 1993 3; BGH NStZ 2012 344 (Aufforderung, Schlussvortrag zu halten). 116 BGH NStZ 1997 198; 2000 549. 117 BGH StV 2011 458, 459 m Anm. Lindemann; NStZ 2012 584 f.; vgl. auch OLG Frankfurt wistra 2017 317. 118 KMR/Paulus 19; BGH bei Becker NStZ-RR 2008 66. 119 RG JW 1931 1098; vgl. auch nachf. Fn. 120 BGH StV 1985 355; bei Kusch NStZ 1997 27; OLG Stuttgart NStZ 1994 600; KK/Schneider 13; KMR/ Paulus 16.

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Die Urteilsverkündung ist Aufgabe des Vorsitzenden. Lehnt er ihre Unterbrechung wegen eines erst nach ihrem Beginn gestellten Beweisantrags ab, so kann gegen diese Entscheidung das Gericht nicht angerufen werden.121

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2. Beanstandungsbefugnis. Berechtigt, gemäß Absatz 2 das Gericht anzurufen, sind alle Verhandlungsbeteiligten, also der Angeklagte, sein Verteidiger oder Beistand (§ 149),122 sein gesetzlicher Vertreter oder Erziehungsberechtigter, der Staatsanwalt,123 Privatkläger oder Nebenkläger,124 der Adhäsionskläger,125 der Urkundsbeamte (etwa bei Anordnung einer unzutreffenden Protokollierung),126 der Einziehungsbeteiligte sowie jeder andere Beteiligte im weiteren Sinne, der von der Maßnahme betroffen ist,127 der also im Sinne einer Beschwer ein prozessrechtlich anerkanntes Interesse daran hat, dass eine für unzulässig gehaltene Anordnung des Vorsitzenden entfällt. Hinzukommen muss jedoch nach dem Regelungszweck von Absatz 2 (s. Rn. 16), dass die Maßnahme Einfluss auf die Urteilsfindung haben kann; fehlt es hieran, so ist gemäß § 305 Satz 1 ausschließlich die Beschwerde eröffnet, denn in diesem Fall dient die Maßnahme nicht der Vorbereitung des Urteils und steht daher nicht in innerem Zusammenhang mit der Urteilsfindung.128 Nicht notwendig ist dagegen, dass der Beanstandende selbst Adressat der Anordnung war; es genügt, wenn sie auch ihn in der Wahrnehmung seiner Verfahrensinteressen beeinträchtigen kann.129 Auch die Zeugen und Sachverständigen können das Gericht anrufen. Dies gilt aber nur bei einer eigenen Beschwer, vor allem hinsichtlich der von ihnen geforderten Angaben und hinsichtlich der Fragen, die an sie selbst gerichtet sind (§ 241, 26). Auch bei ihnen ist erforderlich, dass die Maßnahme – wie in dem soeben genannten Beispiel – potentiellen Einfluss auf die Urteilsfindung hat.130 Ansonsten ist ihnen ausschließlich das Beschwerderecht eröffnet (s. § 305 Satz 2).131 Auch hinsichtlich der Vorgänge, die sie nicht selbst betreffen, sind sie nicht beteiligt und haben deshalb weder ein Anrufungsrecht132 noch ist ihnen die Beschwerde eröffnet. Mit der gleichen Einschränkung hat ein als Zeugenbeistand teilnehmender Rechtsanwalt nach § 406f Abs. 1, § 406h Abs. 2 das Beanstandungsrecht.133 Zuhörer rechnen dagegen nicht zu den bei der Verhandlung beteiligten Personen;134 dies gilt auch für Pressevertreter135 sowie durch die Straftat Verletzte, soweit

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121 BGH bei Dallinger MDR 1975 24; KK/Schneider 14. Vgl. § 246, 2 und bei § 268. 122 SK/Frister 26. 123 SK/Frister 25: nicht nur zur Beanstandung berechtigt, sondern verpflichtet. 124 BGHSt 28 272, 274; OLG Hamm GA 1962 87, 88; Dahs NJW 1984 1923; Gollwitzer FS Schäfer 65 f., 82; Erker 72. 125 Stoffers/Möckel NJW 2013 830; Meyer-Goßner/Schmitt § 404, 9. 126 Gössel 172, 299; a.A. KK/Schneider 16; SK/Frister 24; SSW/Grube 26. 127 Erker 73 ff.; KK/Schneider 16; Meyer-Goßner/Schmitt 14; SSW/Grube 23; a.A. Ebert StV 1997 275 (auch ohne prozessuale Beschwer). 128 Vgl. LR/Matt26 § 305, 16 f. 129 KMR/Paulus 33, 45. Soweit nicht einmal die Möglichkeit eines nur mittelbaren Berührtseins in den eigenen Verfahrensinteressen aufgezeigt werden kann, bestehen ohnehin keine Verfahrensbefugnisse; vgl. Gollwitzer FS Schäfer 67. 130 Nicht bedacht bei SK/Frister 18. 131 A.A. SK/Frister 19. 132 Böttcher FS Kleinknecht 34; Erker 72; Leineweber MDR 1985 638; Thomas NStZ 1982 489; KMR/ Paulus 45 (in ihrem Rechtskreis möglicherweise Betroffene); SK/Frister 28; vgl. auch Eb. Schmidt 25 (nur Beanstandungsrecht hinsichtlich der an sie gerichteten Fragen). 133 Böttcher JR 1987 134; Erker 72; Hilger NStZ 1988 441; KMR/Paulus 45; SK/Frister 28; vgl. bei §§ 406f, 406h. 134 Erker 73 ff.; Gössel ZStW 103 (1991) 498; Meyer-Goßner/Schmitt 14; Radtke/Hohmann/Britz 19; SK/ Frister 28; a.A. Danners 224 (analoge Anwendung); AK/Schöch 35; KMR/Paulus 45. 135 Schulz/Berke-Müller/Händel 7.

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sie nicht als Zeugen, Privat- oder Nebenkläger am Verfahren teilnehmen.136 Ebenfalls nicht Verhandlungsbeteiligter ist der Gerichtswachtmeister.137 Zu den „bei der Verhandlung beteiligten Personen“ i.S.v. Absatz 2 gehören auch die 26 mitwirkenden Richter einschließlich der Schöffen;138 auch sie haben einen verfahrensmäßigen Anspruch darauf, dass die Hauptverhandlung, auf deren Grundlage sie ihr Urteil zu fällen haben, prozessordnungsgemäß durchgeführt wird. Von ihrem Recht, gegen eine Entscheidung des Vorsitzenden formell das Kollegium anzurufen, werden sie allerdings in der Regel nicht Gebrauch machen müssen; denn sie haben stets Gelegenheit, zunächst formlos eine Beratung anzuregen oder auf andere Weise den Vorsitzenden auf ihre Bedenken hinzuweisen, damit er einen Fehler von sich aus beheben kann. Der Vorsitzende ist durch § 238 Abs. 2 nicht gehindert, schon von sich aus eine Entscheidung des Gerichts herbeizuführen,139 vor allem wenn Verfahrensbeteiligte die Zulässigkeit einer Maßnahme anzweifeln oder schwierige Rechtsfragen zu beurteilen sind; er kann dies auch hinsichtlich der Zweckmäßigkeit einer Anordnung tun.140 Sieht er davon ab, so können ihm die übrigen Mitglieder des Spruchkörpers indes weder über § 238 Abs. 2 noch über eine unabhängig hiervon verlangte Zwischenberatung ihre abweichende Sicht der Zweckmäßigkeit der Anordnung aufzwingen.141 3. Form. Die Beanstandung ist an keine bestimmte Form oder Bezeichnung gebun- 27 den;142 es muss nur – sei es auch durch schlüssiges Verhalten143 – zum Ausdruck kommen, dass der Beanstandende eine Maßnahme des Vorsitzenden für unzulässig hält und das Gericht deshalb darüber entscheiden soll. In der Beantragung einer der Anordnung des Vorsitzenden entgegengesetzten Maßnahme kann eine Beanstandung liegen.144 Was gewollt ist, muss der Vorsitzende im Zweifel durch Fragen klären. Ob und wieweit bei der Antragstellung die Betroffenheit in eigenen Verfahrensinteressen plausibel gemacht werden muss,145 hängt von der Verfahrensrolle (Beisitzer, Staatsanwalt, Zeuge) des Beanstandenden (vgl. Rn. 25 f.) ab. Häufig wird die Betroffenheit ohnehin offensichtlich sein. Ist dies nicht der Fall, entbindet die fehlende Darlegung eigener Betroffenheit das Gericht nicht von einer Entscheidung.146 Vielmehr wird es, wenn der Beanstandende –

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136 Erker 76 f.; SK/Frister 26. 137 Erker 73 ff.; Giesler 290 f.; Radtke/Hohmann/Britz 19; a.A. KMR/Paulus 45. 138 BGHSt 1 216, 218; 7 281, 282; BGH MDR 1975 24; Fuhrmann GA 1963 67; Gössel 172; Habetha NJW 2016 3629; Roxin/Schünemann § 44, 15; Schmid (Verwirkung) 289; HK/Julius 5; KMR/Paulus 45; Pfeiffer 4; SK/Frister 23 (verpflichtet zur Beanstandung); SSW/Grube 24; a.A. Bohnert 178 ff.; Erker 71; Gössel ZStW 103 (1991) 498; Heinrich 67 f., 127 f.; Niethammer JZ 1951 653; Ranft 1452; KK/Schneider 16; Meyer-Goßner/ Schmitt 14; MüKo/Arnoldi 15; Radtke/Hohmann/Britz 19. 139 Giesler 286; Heinrich 102; KMR/Paulus 45; SK/Frister 24; vgl. BGHSt 1 216, 218; 7 281, 282; BGH MDR 1975 24; im Ergebnis unstrittig; strittig ist nur, ob man dafür die Analogie zu § 238 Abs. 2 bemüht oder dies damit begründet, dass der Vorsitzende ohnehin jederzeit die Gesamtverantwortung des Gerichts aktualisieren kann, so etwa Erker 71; Schellenberg 47 Fn. 6 (Konstruktion der Beanstandung der eigenen Anordnung wunderlich); Meyer-Goßner/Schmitt 14. 140 SK/Frister 24; a.A. KMR/Paulus 45, dem zufolge der Vorsitzende die übrigen Gerichtsmitglieder insoweit nur „formlos konsultieren“ kann. 141 A.A. Heinrich 128; allerdings handelt es sich hier eher um eine rechtstheoretische als um eine praxisrelevante Frage. 142 Meyer-Goßner/Schmitt 16; Pfeiffer 4; SK/Frister 29. 143 OLG Hamburg NJW 1953 434; Erker 78 f.; Schmid FS Mayer 560; AK/Schöch 36; HK/Julius 6; KK/Schneider 17; Meyer-Goßner/Schmitt 16. 144 OLG Hamburg NJW 1953 434; KMR/Paulus 46. 145 S. dazu auch Grube StRR 3/2016 S. 6. 146 SK/Frister 29, 32; Grube StRR 3/2016 S. 7; s. demgegenüber Senge NStZ 2002 232; Stollenwerk DRiZ 2012 229; KK/Schneider 17; Radtke/Hohmann/Britz 21: Zurückweisung durch den Vorsitzenden.

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auch nach Aufforderung zur Darlegung – die Betroffenheit nicht nachvollziehbar aufzeigt und sein Begehren dennoch unverändert aufrechterhält, den Antrag als unzulässig verwerfen.147 Bei gegebener Betroffenheit führt das mit wiederholten Beanstandungen verfolgte prozessordnungswidrige Ziel, das Gericht zu maßregeln, dagegen nicht ohne weiteres zu deren Unzulässigkeit.148 Der Antrag nach Absatz 2 kann auch als Eventualantrag gestellt werden;149 seine 28 Verknüpfung mit einem anderen Antrag und das damit eventuell verbundene Hinausschieben der Entscheidung und der Durchführung der angegriffenen Maßnahme muss aber mit deren prozessgestaltender Natur vereinbar sein; dies gilt vor allem, wenn die Beanstandung erst im Schlussplädoyer erhoben und von einer erst im Urteil zu treffenden Sachentscheidung abhängig gemacht wird und somit auch erst mit dieser getroffen werden soll. Dass ein Antrag nur hilfsweise gestellt ist, hindert das Gericht aber nicht, sofort über die rechtliche Zulässigkeit der beanstandeten Maßnahme zu entscheiden (vgl. Rn. 26). Dies wird zumeist der einfachere Weg sein, um den sachgerechten Verfahrensfortgang zu sichern. 29

4. Frist. Eine Frist ist für die Antragstellung nicht vorgeschrieben.150 Die Beanstandung muss vor Beginn der Urteilsverkündung, aber nicht, obwohl dies zweckmäßig ist, sofort nach der Anordnung erhoben werden.151 Ist die Anordnung – etwa durch „Abhilfe“ des Vorsitzenden – prozessual überholt, ist eine Beanstandung nicht mehr statthaft.152 Ebenso wenig ist eine Präventivbeanstandung zulässig, mit der schon vorbeugend eine erst erwartete Anordnung des Vorsitzenden verhindert werden soll.153

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5. Beanstandung als unzulässig. Absatz 2 beschränkt die Beanstandung auf die Rechtskontrolle. Es kann nur geltend gemacht werden, dass die beanstandete Maßnahme rechtlich unzulässig, nicht dass sie unzweckmäßig oder unangebracht ist.154 Unzulässig ist eine Maßnahme des Vorsitzenden aber nicht nur, wenn sie unmittelbar gegen ein Gesetz – auch in der Form der Überschreitung eines gesetzlich eingeräumten Beurteilungsspielraums – oder gegen allgemeingültige Prozessgrundsätze verstößt,155 sondern auch dann, wenn sie auf einem Ermessensmissbrauch beruht.156 So betrifft etwa die Entscheidung, ob eine Frage im Sinne des § 241 „ungeeignet“ ist oder „nicht zur Sache gehört“, ihre rechtliche Zulässigkeit und ist deshalb einer Beanstandung zugänglich,157

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147 Grube StRR 3/2016 S. 7. 148 Dazu BGH StV 2008 63, wo allerdings der mit der extensiven Antragstellung des Verteidigers verbundenen Erklärung, „er könne auch anders“, für die Frage, ob die Beanstandung zugleich als Widerspruch gegen die Beweisverwertung auszulegen ist, maßgebliches Gewicht beigemessen wird (aaO 65; zw.). Zum Missbrauch der Beanstandungsbefugnis vgl. auch Senge NStZ 2002 228 f. 149 RGSt 58 369, 372; RG JW 1926 1225 m. abl. Anm. Beling und zust. Anm. Alsberg; Erker 101; Schmid FS Mayer 561; KMR/Paulus 51. 150 BGHSt 61 266, 272 = NJW 2017 1332, 1334 m. Anm. Zopfs = NStZ 2017 367, 371 m. Anm. Basdorf = StraFo 2017 103, 105 m. Anm. Sommer = wistra 2017 323, 325 m. Anm. Ladiges. 151 Erker 79; KMR/Paulus 46; SK/Frister 29. 152 KMR/Paulus 47. 153 Erker 70; KK/Schneider 17; vgl. Mosbacher NStZ 2013 200. 154 RGSt 44 65, 66; BGH StV 2011 458, 459 m. Anm. Lindemann; Erker 96 ff.; Püschel/Sommer AnwBl. 2013 169; Seibert JR 1952 471; Senge NStZ 2002 232; AK/Schöch 34; KK/Schneider 19; KMR/Paulus 44; Meyer-Goßner/Schmitt 17; Pfeiffer 4; SK/Frister 30. 155 Vgl. die Beispielsfälle bei KMR/Paulus 43. 156 Danners 225; Erker 83 ff., 96; Fuhrmann GA 1963 73 f.; AK/Schöch 34; HK/Julius 4; KMR/Paulus 43; KK/Schneider 19; Meyer-Goßner/Schmitt 17; Radtke/Hohmann/Britz 18; SK/Frister 30. 157 Vgl. § 241, 6 ff.

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während beispielsweise die Festlegung der Reihenfolge, in der der Vorsitzende die Zeugen vernimmt oder Urkunden verliest, in der Regel allein die Zweckmäßigkeit des Verfahrensablaufs betrifft und daher nicht beanstandet werden kann.158 Die Abgrenzung, ob eine Maßnahme nur unzweckmäßig oder schon ermessensmissbräuchlich ist, ist mitunter schwierig.159 Sie kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls getroffen werden.160 6. Hinweis. Eine Pflicht, den von einer Maßnahme Betroffenen, der diese akzeptiert, 31 auf das Recht nach Absatz 2 hinzuweisen, besteht nicht.161 Etwas anderes gilt auch nicht wegen der Fürsorgepflicht des Gerichts für den rechtsunkundigen, unverteidigten Angeklagten; denn dieser erleidet in der Revision keinen Nachteil dadurch, dass er von dem Zwischenrechtsbehelf nach Absatz 2 keinen Gebrauch gemacht hat (Rn. 47).162 Sobald sich der Betroffene in irgendeiner Form gegen die Maßnahme wendet, hat der Vorsitzende ohnehin dessen Begehren zu klären (Rn. 27) und dieses gegebenenfalls in die rechtlichen Bahnen des § 238 Abs. 2 zu leiten.163 7. Entscheidung des Gerichts a) Form und Inhalt. Hilft der Vorsitzende der Beanstandung nicht ab (s. hierzu nä- 32 her Rn. 14), so entscheidet das Gericht nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten (§ 33 Abs. 1)164 über die Zulässigkeit der Maßnahme durch förmlichen Beschluss. Lediglich schlüssiges Verhalten des Gerichts genügt nicht, selbst wenn dessen rechtliche Einschätzung für alle Verfahrensbeteiligten zweifelsfrei feststeht.165 Wird eine Anordnung beanstandet, ohne dass der Antragsteller im Sinne einer Beschwer schlüssig einen Eingriff in seine Verfahrensrechte und einen potentiellen Einfluss der beanstandeten Maßnahme auf die Urteilsfindung darzulegen vermag, ist der Antrag als unzulässig zu verwerfen.166 Denn in einem solchen Fall ist die Anordnung nicht auf die Sachleitung bezüglich i.S.d. Absatzes 2 (s. Rn. 20). Als unzulässig zu verwerfen ist der Antrag letztlich auch dann, wenn er sich von vornherein nur gegen die Zweckmäßigkeit der Maßnahme wendet.167 Erweist sich die Beanstandung als ungerechtfertigt – sei es, weil die Anordnung des Vorsitzenden rechtmäßig ist oder es sich lediglich um eine Zweckmäßigkeits-

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158 RGRspr. 8 286; KK/Schneider 19; Hammerstein FS Rudolf Schmitt 325 f.; s. aber auch BGH NJW 1962 260, 261; SK/Frister 30; SSW/Grube 30. 159 Vgl. die Beispiele bei KMR/Paulus 44. Daher ist den Autoren (s. Rn. 27) zu widersprechen, die eine Gerichtsentscheidung bei fehlenden Darlegungen zur rechtlichen Unzulässigkeit der beanstandeten Maßnahme nicht für erforderlich halten; denn der Vorsitzende hat grundsätzlich keine gesetzliche Kompetenz zur abschließenden Beurteilung der oftmals schwierigen Abgrenzungsfragen. 160 Zur Frage, ob die Anordnung einer Beweiserhebung mit der Begründung beanstandet werden kann, diese sei weder notwendig noch sachdienlich, s. § 244, 132; zur Anrufung des Gerichts gegen die Vorabentscheidung über die Vereidigung vgl. Rn. 47 sowie die Erl. zu § 59. 161 KK/Schneider 20; Meyer-Goßner/Schmitt 15; MüKo/Arnoldi 29; Pfeiffer 4; a.A. AK/Schöch 35; KMR/Paulus 35 (insbesondere wenn Zulässigkeit der Anordnung zweifelhaft und nicht ausschließbar, dass sie das Revisionsgericht als unzulässig beurteilen würde). 162 SSW/Grube 29; s. demgegenüber Radtke/Hohmann/Britz 20. 163 Ähnlich SK/Frister 31. 164 Erker 98 f.; Püschel/Sommer AnwBl. 2013 169; HK/Julius 7; Meyer-Goßner/Schmitt 19; SK/Frister 32. 165 Erker 100, 102; Meyer-Goßner/Schmitt 19; SK/Frister 35; SSW/Grube 31; a.A. BGH NJW 1952 1305 (für einen Beschluss nach § 251 Abs. 4); OLG Neustadt GA 1961 186; Gössel 173; ders. ZStW 103 (1991) 499 f.; Koeniger Die Hauptverhandlung in Strafsachen (1966) 215; KMR/Paulus 50; vgl. auch BGH NStZ 1981 311. 166 Erker 107; Gössel 171 f.; SK/Frister 32; a.A. (Verwerfung durch den Vorsitzenden): Nehm NStZ 1998 384; Senge NStZ 2002 232; KK/Schneider 20; MüKo/Arnoldi 26; Radtke/Hohmann/Britz 21; s. auch Rn. 27. 167 Gössel 171; Schmid FS Mayer 560 f.

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entscheidung ohne Ermessensmissbrauch handelt,168 sei es, dass die vom Antragsteller dargelegte Beschwer tatsächlich doch nicht besteht – weist das Gericht den Antrag als unbegründet zurück. Die Ablehnung ist zu begründen (§ 34), wobei längere Ausführungen im Allgemeinen nicht erforderlich sein werden und die Rechtsauffassung des Gerichts im Einzelfall auch durch einen dem Beschlusstenor angehängten Halbsatz hinreichend wird dargelegt werden können. Auf die Begründung völlig verzichtet kann dagegen allenfalls dann werden, wenn die maßgeblichen Gründe für alle Beteiligten – auch für das später möglicherweise zur Überprüfung berufene Revisionsgericht – offensichtlich sind, etwa weil sie sich schon nach dem Inhalt der Entscheidungsformel von selbst verstehen.169 Hält das Gericht die Beanstandung für berechtigt, dann trifft es selbst anstelle des 33 Vorsitzenden die erforderliche Maßnahme.170 Es lässt beispielsweise die von ihm zurückgewiesene Frage zu oder ordnet an, dass die Verlesung einer Urkunde unterbleibt, die der Vorsitzende verlesen wollte. Einer Begründung der stattgebenden Entscheidung bedarf es nicht,171 auch wenn ein Verfahrensbeteiligter sich bei seiner Anhörung für den Bestand der Anordnung des Vorsitzenden ausgesprochen hatte. Nur wenn seine Ausführungen über die Ablehnung der Beanstandung hinausgehen und als Antrag auf eine andere Maßnahme zu verstehen sind, bedarf die in der stattgebenden Entscheidung liegende Ablehnung der geforderten anderen Maßnahme einer Begründung.172 34

b) Zeitpunkt. Das Gericht hat seinen Beschluss im Allgemeinen unmittelbar auf die Beanstandung hin, jedenfalls aber vor Abschluss des jeweiligen Verfahrensabschnitts, dem die Maßnahme zuzuordnen ist, zu fassen und zu verkünden.173 Zurückzustellen hat es seine Entscheidung freilich dann, wenn die Entscheidungsreife noch fehlt.174 Den Prozessbeteiligten muss grundsätzlich Gelegenheit gegeben werden, ihr Prozessverhalten auf die Entscheidung und ihre Gründe einzurichten.175 Daher muss der Beschluss jedenfalls in der Hauptverhandlung vor Erlass des Urteils verkündet werden.176 Nur bei einer Eventualbeanstandung (Rn. 28), bei der der Antragsteller selbst keine frühere ablehnende Entscheidung erwartet, kann es genügen, wenn die Ablehnung im Urteil oder zu-

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168 Vgl. BGH StV 2011 458, 459 m. Anm. Lindemann; a.A. insoweit Püschel/Sommer AnwBl. 2013 169 f., wonach nach zulässiger Beanstandung das Gericht auch eine eigenständige Ermessens- bzw. Zweckmäßigkeitsentscheidung zu treffen hat. 169 KK/Schneider 22; KMR/Paulus 50; vgl. auch BVerfG NStZ 1985 181; BGHSt 15 253 (Beanstandung der Beeidigungsanordnung nach altem Recht, wobei die Beanstandung allerdings nur als Gegenvorstellung angesehen wurde; Begründungspflicht abgelehnt); BGH StV 2005 200 m. Anm. Schlothauer (Beanstandung der Nichtbeeidigungsanordnung nach § 59 i.d.F. des 1. JuMoG; Begründungspflicht offen gelassen); a.A. SK/Frister 35. 170 KK/Schneider 21; KMR/Paulus 52; SK/Frister 36. 171 RG GA 59 (1912) 454; Erker 104; Gössel ZStW 103 (1991) 500; Meyer-Goßner/Schmitt 19; SK/Frister 36; ferner (wenn auch im Ansatz problematisch) BGHSt 15 253 (krit. dazu Hanack JZ 1971 92; Erker 103); a.A. HK/Julius 7; KMR/Paulus 50; Eb. Schmidt § 34, 5a. 172 Vgl. BGHSt 15 253; Erker 104; SK/Frister 36. 173 Erker 100; Schmid FS Mayer 561; KMR/Paulus 51; Meyer-Goßner/Schmitt 19; im Ergebnis ebenso SK/Frister 33, der zwar meint, es sei zu entscheiden, bevor durch die beanstandete Anordnung „Fakten geschaffen“ werden; indes werden Fakten erst durch den Vollzug der Anordnung geschaffen und vor diesem ist auch nach hiesiger Ansicht die Entscheidung des Gerichts zu treffen. 174 Erker 101; Schmid FS Mayer 561 f. 175 RGSt 57 261, 263; RG Recht 1929 Nr. 2534; OLG Frankfurt NJW 1947/48 395; Erker 100; Schmid FS Mayer 561; HK/Julius 7; KMR/Paulus 51; Radtke/Hohmann/Britz 26. 176 RG LZ 1919 1267; Erker 101; Fuhrmann JR 1962 325 Fn. 40; KMR/Paulus 51; Meyer-Goßner/Schmitt 19; SK/Frister 33.

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sammen mit diesem bekannt gegeben wird.177 Ist die beanstandete Maßnahme noch nicht durchgeführt, so darf sie nicht vor der Entscheidung des Gerichts vollzogen werden.178 Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen muss aber dort Platz greifen, wo die un- 35 mittelbare Reaktion auf das Beanstandungsrecht mit dem primären Zweck des Verfahrens, der Wahrheitsermittlung, kollidiert. Würde beispielsweise durch fortwährende Beschlussfassungen infolge wiederholter Beanstandungen ein Verfahrensabschnitt – etwa eine Zeugenvernehmung – in unangemessener Weise zerstückelt und hierdurch womöglich in seinem Bedeutungsgehalt für die Entscheidungsfindung beeinträchtigt, so kann der Vorsitzende die Entgegennahme und Verbescheidung zunächst – bei der Zeugenvernehmung beispielsweise bis zur Beendigung seiner Befragung – zurückstellen.179 Eine Entscheidung des Gerichts kann in Ausnahmefällen sogar entbehrlich sein: Hat etwa der Vorsitzende Fragen an einen Zeugen zu einem bestimmten Beweisthema als sachfremd zurückgewiesen und das Gericht dies auf Beanstandung nach § 238 Abs. 2 bestätigt, so kann der Vorsitzende weitere Fragen zu diesem Thema unter Bezugnahme auf den früheren Gerichtsbeschluss zurückweisen. Einer Entscheidung des Gerichts bedarf es selbst dann nicht, wenn es erneut nach § 238 Abs. 2 angerufen wird.180 Ist die beantragte Entscheidung versehentlich unterblieben, so kann das Gericht 36 eine Maßnahme des Vorsitzenden auch nachträglich noch durch einen in der Hauptverhandlung zu verkündenden Beschluss genehmigen.181 Hält es dagegen die Beanstandung für berechtigt, muss es auch eine bereits durchgeführte fehlerhafte Anordnung des Vorsitzenden für unzulässig erklären und gleichzeitig die zur Heilung des Fehlers erforderlichen Anordnungen dem Vorsitzenden aufgeben oder selbst treffen, etwa dass ein fehlerhaft gewonnenes Beweisergebnis nicht verwertet, die Aussage eines zu Unrecht vereidigten Zeugen als unbeeidigte gewertet, eine zu Unrecht abgelehnte Maßnahme nachgeholt oder eine nicht zugelassene Frage nochmals gestellt wird.182 c) Bindungswirkung. Der Vorsitzende ist an den Beschluss gebunden.183 Soweit 37 das Gericht eine bestimmte Maßnahme für unzulässig erklärt oder ihre Vornahme zugelassen hat,184 muss der Vorsitzende dieser Entscheidung bei der Verhandlungsleitung Rechnung tragen. Ergeben sich hiergegen neue Bedenken, muss er eine weitere Entscheidung des Gerichts herbeiführen.185 Dies ist allerdings entbehrlich, wenn sich die für den Beschluss bestimmenden Umstände geändert haben;186 ist es doch den beisitzenden Richtern und Schöffen (s. Rn. 26), aber auch den sonstigen betroffenen Verfahrensbeteiligten unbenommen, die daraufhin getroffene neue Anordnung des Vorsitzenden wiederum nach Absatz 2 zu beanstanden, wenn sie diese mangels oder trotz Änderung der

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177 RGSt 58 369, 372; OLG Braunschweig NJW 1959 1052; Radtke/Hohmann/Britz 26; SSW/Grube 32; vgl. aber RGSt 57 261; RG JW 1926 1225. 178 Schmid FS Mayer 562; Radtke/Hohmann/Britz 24; SK/Frister 33. 179 BGHSt 48 372 f.; Drees NStZ 2005 186; SK/Frister 34; vgl. ferner Erker 101. 180 BGHSt 48 372, 373; Meyer-Goßner/Schmitt 19. 181 BGH bei Dallinger MDR 1955 397; KMR/Paulus 51; eine Nachholung in den Urteilsgründen oder ein Beschluss nach Verkündung des Urteils wäre auch hier unbehelflich. 182 Erker 107; Fuhrmann GA 1963 79; Schmid FS Mayer 561; KMR/Paulus 51; ferner Vor § 226. 183 Radtke/Hohmann/Britz 27; vgl. RGSt 32 339. 184 Vgl. Erker 110: Der nur eine Beanstandung zurückweisende Beschluss verpflichtet den Vorsitzenden nicht zum Festhalten an seiner Anordnung; durch die Bestätigung ihrer Rechtmäßigkeit, die ihre Zweckmäßigkeit ungeprüft lässt, wird sie nicht zu einer Anordnung des Gerichts. 185 Radtke/Hohmann/Britz 27. 186 BayObLGSt 1949-51 73, 79; Erker 109 ff.; KK/Schneider 23; KMR/Paulus 53; Meyer-Goßner/Schmitt 19; Radtke/Hohmann/Britz 27; a.A. (uneingeschränkte Bindung): OLG Oldenburg NdsRpfl. 1953 172.

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Sachlage weiterhin für unzulässig halten. Das Gericht kann seine Entscheidung, die ohnehin unter dem Vorbehalt abweichender Beurteilung bei der Urteilsfällung steht,187 dagegen auch bei unveränderter Sachlage ändern, wenn es nachträglich zu einer abweichenden Auffassung über die Zulässigkeit der Anordnung des Vorsitzenden gelangt.188 Die anderen Verfahrensbeteiligten sind durch den als prozessuale Zwischenentscheidung keiner Rechtskraft fähigen Gerichtsbeschluss189 insoweit gebunden, als sie bei unveränderter Sachlage während der Hauptverhandlung ihrerseits nicht nochmals nach § 238 Abs. 2 die Entscheidung des Gerichts über die Zulässigkeit einer von diesem bereits bestätigten Anordnung des Vorsitzenden herbeiführen können.190 Stellt ein anderer Verfahrensbeteiligter als derjenige, dessen Beanstandung zurückgewiesen wurde, einen inhaltsgleichen Antrag, so ist dieser als unzulässig zu verwerfen, es sei denn, die Zurückweisung der zunächst erhobenen Beanstandung beruhte auf dem Fehlen einer prozessualen Beschwer, welche der nunmehr Beanstandende geltend machen kann. Im Fall der Wiederholung desselben Antrags durch den Beanstandenden selbst ist dieser vom Vorsitzenden als unbeachtlich zurückzuweisen (s. Rn. 35).191 38

8. Beanstandung von Anordnungen des Einzelrichters. Entscheidet der Strafrichter (§ 25 GVG), sind also Gericht und Vorsitzender identisch, so scheint auf den ersten Blick für die Anwendung des Absatzes 2 kein Raum.192 Nach ihrem Regelungszweck, für die Urteilsfindung potentiell relevante Verfahrensfehler des Vorsitzenden bei der Verhandlungsleitung noch innerhalb der Instanz zu korrigieren, hat die Beanstandungsbefugnis der Verfahrensbeteiligten aber durchaus auch hier ihren guten Sinn. Veranlasst doch der Antrag nach Absatz 2 den Strafrichter, die beanstandete Maßnahme zumindest auf ihre rechtliche Zulässigkeit hin nochmals zu überprüfen. Er muss zudem seine Auffassung näher begründen, wenn er die Beanstandung ablehnt. Die förmliche Beanstandung sichert ferner die unter Umständen sonst nicht notwendige Aufnahme der Maßnahme ins Protokoll. Dies erleichtert – ebenso wie die notwendige Begründung der Entscheidung – dem Revisionsgericht die Nachprüfung. Gleichzeitig wird dadurch gesichert, dass die Maßnahme des Einzelrichters auch unter dem Gesichtspunkt des § 338 Nr. 8 gerügt werden kann. § 238 Abs. 2 findet daher auch vor dem Strafrichter Anwendung.193 III. Sitzungsniederschrift

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Die Beanstandung nach § 238 Abs. 2 und der darauf verkündete Beschluss des Gerichts sind nach § 273 Abs. 1 im Protokoll festzuhalten.194 Dies gilt auch dann, wenn sie

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187 RGSt 68 177, 180. 188 Erker 112; KMR/Paulus 53; Meyer-Goßner/Schmitt 19; SK/Frister 36. 189 Erker 111 (weder materielle noch formelle Rechtskraft); KMR/Paulus 53. 190 SK/Frister 35. 191 A.A. Erker 113 (bei Wiederholung durch den Beanstandenden mangels rechtlich anerkannten Sachentscheidungsinteresses unbeachtlich, bei Beanstandung durch einen anderen Verfahrensbeteiligten offensichtlich unbegründet); KMR/Paulus 53 (unzulässig). 192 Die Anwendbarkeit des Absatzes 2 daher ablehnend: BayObLGSt 1962 267; OLG Köln NJW 1957 1373; MDR 1955 311; Koeniger Die Hauptverhandlung in Strafsachen (1966) 215; Schmid (Verwirkung) 295; HK-GS/Temming 1. Zur Entwicklung der Rspr. Ebert StV 1997 565 m.w.N. 193 OLG Düsseldorf StV 1996 252 m. Anm. Ebert; OLG Koblenz StV 1992 263, 264; Beulke/Swoboda 373; Bischoff NStZ 2010 80; Bohnert 182 f.; Dahs (Hdb.) 534; Ebert StV 1997 275 f.; Erker 113 ff.; Gössel 171; Hamm 1199; Püschel/Sommer AnwBl. 2013 169; Ranft 1455; Roxin/Schünemann § 44, 17; Schlüchter 452.2; AK/ Schöch 38; KK/Schneider 15; KMR/Paulus 39; Meyer-Goßner/Schmitt 18; SK/Frister 38; SSW/Grube 22. 194 BGHSt 3 199, 202; BGH bei Becker NStZ-RR 2003 5; Drees NStZ 2005 186; Erker 98; Püschel/Sommer AnwBl. 2013 169; HK/Julius 7; KK/Schneider 23; Meyer-Goßner/Schmitt 19; Pfeiffer 5; SK/Frister 37.

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unzulässig ist; im Fall der Unbeachtlichkeit (s. Rn. 37) ist jedenfalls die Beanstandung zu protokollieren. Die das Verfahren auslösende prozessleitende Verfügung des Vorsitzenden ist als solche nur protokollierungspflichtig, wenn sie zu den wesentlichen Förmlichkeiten des Verfahrens (§ 273 Abs. 1) zählt, was bei der Mehrzahl der im weiten Sinn verstandenen Maßnahmen nicht der Fall ist.195 Soweit eine Maßnahme des Vorsitzenden eine Beanstandung auslöst, ist es jedoch zum besseren Verständnis zweckmäßig, auch die Anordnung im Protokoll festzuhalten. Hilft der Vorsitzende der Beanstandung selbst ab, indem er von der beanstandeten Maßnahme absieht, ist dies ebenfalls zu protokollieren. IV. Rechtsmittel 1. Beschwerde. Verfahrensleitende Anordnungen des Vorsitzenden sind, soweit sie 40 potentiell Auswirkung auf das Urteil haben und daher i.S.d. § 238 Abs. 2 auf die Sachleitung bezüglich sind, grundsätzlich gemäß § 305 Satz 1 der Beschwerde entzogen, der nicht nur auf die Entscheidungen des erkennenden Gerichts, sondern auch auf diejenigen des Vorsitzenden Anwendung findet.196 Fehlt es an dem möglichen Bezug zum Urteil oder begründet die Maßnahme für den Betroffenen eine besondere, zusammen mit dem Urteil nicht angreifbare Beschwer, so ist die Beschwerde hingegen eröffnet.197 Gleiches gilt, wenn durch die Anordnung eine dritte Person betroffen wird, die das spätere Urteil nicht wird anfechten können (§ 305 Satz 2).198 Nach anderer Auffassung soll § 238 Abs. 2 eine Sonderregelung darstellen, wonach nur sachleitende Anordnungen des Vorsitzenden anfechtbar sind und dies ausschließlich mit diesem Zwischenrechtsbehelf, so dass die Beschwerde nach dem letzten Halbsatz des § 304 Abs. 1 ausgeschlossen ist.199 Jedoch führt insbesondere dann, wenn Dritte durch die Maßnahme betroffen werden, § 305 zu stimmigeren Ergebnissen. Diese Vorschrift schließt auch die Beschwerde gegen die Beschlüsse des Gerichts nach § 238 Abs. 2 grundsätzlich aus.200 Hinsichtlich der Ausnahmen gelten obige Ausführungen entsprechend. Zur Beschwerde gegen sitzungspolizeiliche Maßnahmen vgl. die Erl. zu §§ 176 ff. GVG, vor allem zu § 181 GVG. 2. Revision a) Beanstandung einer Anordnung des Vorsitzenden. Die Revision kommt von 41 vornherein nur gegen Maßnahmen des Vorsitzenden in Betracht, die als sachleitend

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195 Zur Vorabentscheidung des Vorsitzenden über die (Nicht-)Vereidigung nach § 59 i.d.F. des 1. JuMoG einerseits – die Protokollierungspflicht bejahend – BGH StV 2005 200 m. Anm. Schlothauer; StraFo 2005 244; OLG Celle StraFo 2005 506; andererseits BGHSt 50 282; BGH NStZ 2006 114; vgl. auch BTDrucks. 15 1508 S. 23; BGHSt 51 81, 83; Diehm StV 2007 445 ff. 196 Vgl. OLG Hamm NJW 1973 818; OLG Karlsruhe NStZ 1988 287, 288 m. Anm. Dieblich; OLG Zweibrücken NStZ 1987 477; Bohnert 182; Schmid (Verwirkung) 269; KMR/Paulus 55; s. auch die Erl. zu §§ 304, 305. 197 Beulke/Swoboda 374; Gössel 173; KMR/Paulus 55. Zur Ablehnung der Pflichtverteidigerbestellung: BGHSt 39 310, 312; OLG Frankfurt NStZ-RR 2007 244; OLG Jena NStZ-RR 2004 306 Ls.; s. bei § 141. 198 KK/Schneider 24; KMR/Paulus 55; Meyer-Goßner/Schmitt 21. 199 Erker 60 f. (Ausschluss durch § 238 Abs. 2 als innerinstanzliches Anfechtungsverfahren eigener Art); Giesler 283; Gössel ZStW 103 (1991) 499; Niethammer JZ 1951 653; KK/Schneider 24; Meyer-Goßner/Schmitt 21; MüKo/Arnoldi 30; Pfeiffer 6; Radtke/Hohmann/Britz 28; SK/Frister 20, 39. 200 So etwa OLG Hamburg MDR 1977 248; OLG Hamm NJW 1973 818; JMBlNW 1974 89; OLG Schleswig SchlHA 1978 174; OLG Zweibrücken VRS 50 (1976) 437; vgl. bei § 305. Soweit die angeführten Entscheidungen Verteidigerbestellungen betreffen, ist nicht die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 305 Satz 1, sondern die Anwendbarkeit im konkreten Einzelfall streitig; vgl. dazu bei § 141.

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i.S.d. § 238 Abs. 2 einzustufen sind (s. dazu Rn. 19 bis 24). Ist die Maßnahme unzulässig und beruht das Urteil hierauf, so liegt im Grundsatz eine revisible Gesetzesverletzung nach § 336 Satz 1, § 337 vor. Verletztes Gesetz ist dabei die Rechtsnorm, gegen die die Anordnung des Vorsitzenden verstieß. Dies kann im Einzelfall auch § 238 Abs. 1 sein, etwa wenn der Vorsitzende seine Aufgaben kompetenzwidrig auf einen Beisitzer übertragen hat (vgl. Rn. 15). Ist die Maßnahme des Vorsitzenden aufgrund des Zwischenrechtsbehelfs nach Absatz 2 durch Beschluss des Gerichts bestätigt worden, so kann die Revision in Verbindung mit der verletzten Vorschrift nicht nur auf die §§ 336, 337, sondern auch auf § 338 Nr. 8 gestützt werden, wenn durch den fehlerhaften Beschluss die Verteidigung des Angeklagten beeinträchtigt wurde (s. dazu die Erl. zu § 338 Nr. 8). Gleiches gilt, wenn das Gericht durch Beschluss die bereits durchgeführte Anordnung des Vorsitzenden nachträglich genehmigt.201 Dagegen vermögen Maßnahmen des Vorsitzenden, deren Wirkung sich in der Ge42 staltung des äußeren Verfahrensgangs erschöpft, die Revision auch dann nicht zu begründen, wenn sie rechtlich fehlerhaft waren. Sie können das Urteil nicht beeinflusst haben, so dass ein Beruhen hierauf i.S.v. § 337 Abs. 1 ausgeschlossen ist.202 43

b) Anrufung des Gerichts als Rügevoraussetzung. Grundsätzlich kann eine unzulässige sachleitende Anordnung des Vorsitzenden mit der Revision nur angegriffen werden, wenn bereits in der Tatsacheninstanz hierüber gemäß § 238 Abs. 2 eine Entscheidung des Gerichts herbeigeführt worden war und dieses die Anordnung bestätigt hat. Während dem nur Teile des Schrifttums zustimmen, entspricht dies einhelliger Ansicht in der Rechtsprechung. Die – verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende203 – Rügepräklusion wird dabei als so selbstverständlich erachtet, dass eine Begründung vielfach überhaupt nicht mehr für erforderlich gehalten wird.204 Soweit eine solche gegeben wird, sind die Argumente unterschiedlich. Insbesondere die ältere Rechtsprechung hat die Ansicht vertreten, bei nicht erhobener Beanstandung nach Absatz 2 scheitere die Revisionsrüge daran, dass das Urteil nicht auf dem Verfahrensverstoß des Vorsitzenden, sondern auf der unterlassenen Anrufung des Gerichts beruhe.205 Das Argument geht auf die Materialien zur StPO zurück.206 Dort heißt es im Hinblick auf das Erfordernis des Beruhens, dass der Gesetzesentwurf, „vermöge der von ihm in § 300 (§ 337 n.F.) aufgestellten Regel nicht besonders vorzuschreiben“ brauche, „daß der Beschwerdeführer die Revision nicht auf die Beschränkung einer prozessualen Befugnis gründen könne, wenn er durch sein eigenes Verhalten zu erkennen gegeben habe, daß er die Beschränkung für eine ihm nachteilige nicht erachte“.207 Daneben hat die Rechtsprechung schon früh ausdrücklich herausgestellt, dass der Grund für den Rügeverlust in Vertrauen begründen-

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201 Vgl. Rn. 36. 202 BGHSt 17 201, 202 f.; BGH NJW 1957 271; AK/Schöch 42; KK/Schneider 26; KMR/Paulus 59. 203 BVerfG (Kammer) JR 2007 390; Beschl. v. 21.3.2001 – 2 BvR 403/01; Beschl. v. 2.5.2007 – 2 BvR 2113/06; vgl. auch BVerfG (Kammer) StV 2000 3. 204 RG JW 1930 760; 1933 520; HRR 1938 Nr. 793; GA 46 (1898/99) 337; BGHSt 3 368, 369 f.; 4 364, 366; 42 73, 77; BGHR § 60 Nr. 2 Rügevoraussetzungen 1; § 238 Abs. 1 Verhandlungsleitung 2; BGH NStZ 1981 71; 1981 382; 1982 346; 1982 432; 1984 371; 1985 376; 1992 346 (m. krit. Anm. Scheffler MDR 1993 3); 1997 198; 2007 234, 235; NStZ-RR 2005 208; bei Kusch NStZ 1997 27; bei Becker NStZ-RR 2003 2; 2008 65; BGH StV 1985 355; 1988 325; 1996 248; 2005 200 m. Anm. Schlothauer; BGH bei Dallinger MDR 1958 14; VRS 48 (1975) 18, 19; BayObLGSt 1962 267, 268; OLG Hamburg MDR 1979 74 m. Anm. Strate. 205 RGSt 71 21, 23; RG JW 1931 950; 1938 1645, 1646; BGHSt 1 284, 286; BGH NJW 1952 1426; BayObLGSt 1949–51 73, 75; OLG Braunschweig NdsRpfl. 1957 249; OLG Celle NdsRpfl. 1969 22, 23; OLG Frankfurt NJW 1947/48 395; OLG Hamm NJW 1972 1531; OLG Köln NJW 1954 1820; OLG Neustadt GA 1961 186. 206 Fuhrmann NJW 1963 1231 f.; Jescheck JZ 1952 401. 207 Hahn I 252 (Motive 203).

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dem Verhalten des betroffenen Verfahrensbeteiligten zu sehen sei. Mit dem Unterlassen der Beanstandung bringe er zum Ausdruck, dass er sich durch die Anordnung des Vorsitzenden nicht beschwert fühle.208 Hierin liege ein stillschweigender Verzicht auf die spätere Revisionsrüge,209 bzw. er verwirke hierdurch das Recht, auf die beanstandungslos hingenommene Anordnung eine Verfahrensrüge zu stützen.210 Diesen zuletzt genannten Begründungsansatz hat der BGH in jüngeren Entscheidungen präzisiert211 (hierzu Rn. 46). Im Schrifttum wird nunmehr auch der Gesichtspunkt des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses zur Begründung herangezogen und daraus – zumindest durch einige Autoren – gefolgert, dass auch bei Verstößen gegen zwingendes Recht die entsprechende Revisionsrüge unzulässig sein kann, wenn in der Instanz die Beanstandung nach § 238 Abs. 2 unterlassen worden ist.212 Schlüchter begründet hingegen den Ausschluss der Revision nicht mit dem Wegfall des Beruhens im herkömmlichen Sinn, sondern mit der normativen Zerschlagung des normativen Zusammenhangs; dieser entfalle, wenn von dem anstelle der Revision zur Korrektur der Anordnung des Vorsitzenden vorgesehenen Zwischenrechtsbehelf kein Gebrauch gemacht werde.213 Dem tritt das Schrifttum überwiegend entgegen.214 Dort wird geltend gemacht, dass 44 das Unterlassen der Beanstandung nach § 238 Abs. 2 ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung keine Präklusionswirkung entfalten könne;215 denn dies setze eine Beanstandungslast aller Verfahrensbeteiligten voraus, die, abgesehen von der für die Gesetzmäßigkeit des Verfahrens mitverantwortlichen Staatsanwaltschaft,216 selbst für den Nebenkläger nicht bestehe. 217 Das Beruhensargument orientiere sich an einem – in den Materialien zur StPO vertretenen (Rn. 43) – zu engen Beruhensbegriff; es sei mit den von der Rechtsprechung mittlerweile entwickelten Grundsätzen unvereinbar und daher dogmatisch nicht mehr tragfähig.218 Insbesondere sei nämlich nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellbar, dass das Gericht im Fall der Beanstandung die unzulässige Maßnahme des Vorsitzenden aufgehoben hätte; dagegen spreche, dass die beisitzenden

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208 BGHSt 1 322, 325 = JZ 1952 43 m. abl. Anm. Eb. Schmidt; abl. auch Erker 157 f.; Jeschek JZ 1952 401; Lindemann StV 2010 381; Velten FS Grünwald 766. 209 RG JW 1894 223; BayObLG MDR 1983 511; ähnlich Basdorf StV 1997 490. 210 So z.B. OLG Düsseldorf StV 1996 252 m. Anm. Ebert NStZ 1997 565; OLG Hamm GA 1962 87, 88; ebenso BVerfG (Kammer) Beschl. v. 2.5.2007 – 2 BvR 2113/06; Fuhrmann NJW 1963 1232 ff.; Meyer-Goßner/ Schmitt 22; ferner BGH NJW 1952 1426; OLG Bremen GA 1953 87, 88 (m. abl. Anm. Jescheck): Arglist. 211 BGHSt 51 144, 148 = NStZ 2007 230 m. Anm. Widmaier = JR 2007 382 m. Anm. Mosbacher, m. Anm. Bosch JA 2007 313; 55 65, 67 f. 212 Mosbacher JR 2007 387 f.; ders. FS Widmaier 348 ff.; ders. FS Rissing-van Saan 362 ff.; ders. NStZ 2011 606 ff.; KK/Schneider 2, 34 ff.; s. auch MüKo/Arnoldi 39 ff. sowie Radtke/Hohmann/Britz 30, die (unter anderem) bei Verstößen gegen zwingendes Recht eine Ausnahme sehen; vgl. nunmehr unter dem Signum „Subsidiaritätsgedanke“, allerdings anknüpfend an die „Widerspruchslösung“ BGH NStZ 2018 737 m. abl. Anm. Börner = StV 2018 772 m. Anm. Schäuble. 213 Schlüchter FS Krause 494 ff.; Schlüchter 4.2, 452.2; vgl. auch Bohnert 174 f., 193; dagegen Erker 153; Hofmann 55 ff.; Schneider JuS 2003 179 f.; KMR/Paulus 64. 214 S. zusammenfassend SK/Frister 47 ff. 215 Erker 151 ff.; Hamm 1197; Hofmann 36; Kudlich Gutachten zum 68. DJT C 94 ff.; Lindemann StV 2010 380 f.; Velten FS Grünwald 766 ff.; vgl. auch Habetha NJW 2016 3632 f.; Ignor/Bertheau NStZ 2013 188 ff.; Püschel/Sommer AnwBl. 2013 170; HK/Julius 12. 216 Vgl. OLG Zweibrücken StV 1986 51; Erker 170 f., 176 f.; Hofmann 43 f.; Schlüchter GedS Meyer 462; Schmid (Verwirkung) 365; KMR/Paulus 66. 217 Dornach NStZ 1995 61 ff.; Erker 172 f.; Schäuble Strafverfahren und Prozessverantwortung (2017) S. 244 ff.; Widmaier NStZ 1992 522; KMR/Paulus 64; SK/Frister 47; dagegen Maatz NStZ 1992 516 („Mitwirkungspflicht des Verteidigers“). 218 Fuhrmann NJW 1963 1232; Lang 63 f.; Lindemann StV 2010 381; Velten FS Grünwald 765 f.; SK/Frister 51.

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Richter sie ebenfalls unbeanstandet gelassen haben, obwohl sie berechtigt und verpflichtet waren, auch ihrerseits für ein rechtsfehlerfreies Verfahren zu sorgen.219 Die Verwirkung der Revisionsrüge setze mehr voraus als die bloße Nichtanrufung des Gerichts. Sie könne nur dann angenommen werden, wenn der durch die Maßnahme Betroffene arglistig davon Abstand nehme, die Maßnahme des Vorsitzenden zu beanstanden, etwa weil er Verfahrensrügen sammeln wolle oder sich durch die revisionsrechtliche Beanstandung in sonstiger Weise treuwidrig in Widerspruch zu seinem eindeutigen früheren Prozessverhalten setze.220 Auch ein Verzicht auf die Beanstandung einer Maßnahme des Vorsitzenden werde in der Praxis nur selten vorkommen. Er sei zwar, soweit nicht zwingendes Verfahrensrecht betroffen sei, denkbar und könne auch stillschweigend erklärt werden. Jedoch setze er voraus, dass der Betroffene den Verstoß zumindest laienhaft richtig werte und in Kenntnis der Möglichkeit, durch Anrufung des Gerichts Abhilfe zu erlangen, wissentlich und willentlich nichts unternehme.221 Der Kritik im Schrifttum ist zuzugeben, dass die Rechtsprechung die einzelnen Ar45 gumente (s. Rn. 43) in der Vergangenheit eher schlagwortartig umrissen hat, anstatt ihre Ansicht dogmatisch schlüssig zu unterlegen. Auch die Auffassung, dass dem rechtskundigen Verfahrensbeteiligten das Rechtsschutzbedürfnis für die Erhebung der Revisionsrüge fehle, wenn er den geltend gemachten Verfahrensverstoß des Vorsitzenden nicht schon in der Tatsacheninstanz durch Anrufung des Gerichts auszuräumen versucht habe (s. die Nachw. bei Rn. 43), vermag nicht zu überzeugen.222 Abgesehen davon, dass die Entscheidungen des BVerfG, auf die sich diese Ansicht stützt, einen völlig anders gelagerten Sachverhalt betrafen,223 ist es schon im Ausgangspunkt nicht plausibel, warum einem Beteiligten in einem laufenden Verfahren das Rechtsschutzbedürfnis dafür fehlen soll, eine ihn benachteiligende Verletzung von Verfahrensrecht im Rahmen des hierfür gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittels mit einer entsprechenden Rüge geltend zu machen.224 Die genannte Auffassung lastet dem Revisionsführer daher der Sache nach in Wirklichkeit an, er habe den Rechtsweg nicht erschöpft. Als notwendig zu beschreitende Stufe des gesetzlichen Rechtswegs gegen Verfahrensfehler des Vorsitzenden lässt sich § 238 Abs. 2 aber nicht interpretieren.225 Insbesondere blieben die Ausnahmen, die konzediert werden, vor diesem Hintergrund unerklärbar, etwa die Unterscheidung zwischen rechtsunkundigen Beteiligten einer- und rechtskundigen bzw. rechtskundig beratenen Beteiligten andererseits. Ebenso ist die Ansicht Schlüchters (s. Rn. 43), durch das Unterlassen der Anrufung des Gerichts werde der normative Zusammenhang zwischen Verfahrensfehler und Urteil normativ zerschlagen, gewissen Bedenken ausgesetzt. Ihre dogma-

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219 Bohnert 173; Erker 152; Hofmann 40; Schneider JuS 2003 180. 220 Beulke/Swoboda 375; Gössel 173; Hamm 1198; Hofmann 47 f.; Jescheck JZ 1952 402; Lindemann StV 2010 381 (keine Prozessförderungspflicht des Angeklagten); Roxin/Schünemann § 44, 18; Schmid (Verwirkung) 353 ff.; AK/Schöch 43; KMR/Paulus 64 f.; Eb. Schmidt 29, 31; SK/Frister 52; noch weitergehend Ebert StV 1997 272 f., dem zufolge dem Angeklagten „ein gewisses Maß an Tücke zugestanden werden“ muss; s. auch die Erl. zu § 337 sowie allg. zur Verwirkung Einl. H 67 ff. 221 Erker 155; Hofmann 50; Lindemann StV 2010 381 (gerade auch im Hinblick auf die gesetzliche Regelung der Verfahrensabsprache aber grundsätzlich denkbar); Schmid (Verwirkung) 296; Schneider JuS 2003 180; s. aber auch Roxin/Schünemann § 44, 18. 222 Ablehnend auch: Bauer NStZ 2012 191 ff.; Bischoff NStZ 2010 79; Börner NStZ 2018 738 f.; Gaede wistra 2010 214 ff.; Habetha NJW 2016 3632 f.; Heinrich 166 f.; Ignor/Bertheau NStZ 2013 190 f; Lindemann StV 2010 383 f.; Nagel StraFo 2013 223 f.; Widmaier NStZ 2011 305 ff.; SK/Frister 50; SSW/Grube 53. 223 Beschwerden gegen Ermittlungsmaßnahmen lange Zeit nach deren Erledigung: BVerfG NJW 2003 1514, 1515; NStZ 2009 166, 167; s. dazu Gaede wistra 2010 214; Habetha NJW 2016 3632; Lindemann StV 2010 383 f.; SK/Frister 50. 224 Habetha NJW 2016 3632 f.; SK/Frister 50; s. auch Nagel StraFo 2013 223 f. 225 Vgl. Nagel StraFo 2013 223 f.

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tischen Überlegungen befassen sich im Kern mit der Frage, welche revisionsrechtlichen Konsequenzen es hat, wenn ein Verfahrensbeteiligter nicht von einem vorrangigen Zwischenrechtsbehelf Gebrauch macht. Die Ausführungen dazu, dass die Beanstandung nach Absatz 2 der Revision vorgeht, der Beteiligte somit nicht zwischen beiden Anfechtungsmöglichkeiten frei wählen kann, sind hingegen weniger fundiert, wenngleich die Argumentation, da sie sich auf die Natur der Zwischenrechtsbehelfe – damit auf die Regelung des § 238 Abs. 2 selbst – stützt, in die richtige Richtung weist.226 Die Gegenansicht ist indessen noch weniger überzeugend. Vor dem Hintergrund, dass ein Verlust von Verfahrensrügen infolge Vertrauen begründenden Verhaltens auch jenseits ausdrücklicher gesetzlicher Einzelregelungen allgemein für möglich gehalten wird und auch vom historischen Gesetzgeber vorausgesetzt wurde, ist sie, was die Anforderungen für einen solchen Verlust anbelangt, zu sehr der Dogmatik der zivilrechtlichen Rechtsinstitute der Verwirkung und des Verzichts verhaftet, die indessen nicht unbesehen auf das Strafprozessrecht übertragen werden kann.227 Darüber hinaus muss sich die herrschende Lehre fragen lassen, welcher tiefere prozessuale Sinn dem § 238 Abs. 2 überhaupt innewohnen soll, wenn sich der von einer – vermeintlich unzulässigen – sachleitenden Anordnung des Vorsitzenden beschwert fühlende Betroffene stets nach Gutdünken entscheiden könnte, ob er diese Beschwer mit geringem Aufwand durch die Anrufung des Gerichts zu beseitigen sucht oder ob er statt dessen erst das aufwendige Revisionsverfahren bemüht, wenn das abschließende Urteil des Gerichts nicht in seinem Sinne ausfällt. Dass mit der Beanstandung nach § 238 Abs. 2 die Gesamtverantwortung des Gerichts für die Gesetzmäßigkeit des Verfahrens aktiviert wird, reicht als Erklärung nicht aus; denn diese Verantwortung besteht unabhängig von eventuellen Appellen eines Verfahrensbeteiligten und begründet ohnehin die jederzeitige Befugnis aller Gerichtsmitglieder, die Entscheidung des Gesamtspruchkörpers über eine sachleitende Anordnung des Vorsitzenden herbeizuführen (s. Rn. 2, 26). Diese Befugnis ist bereits Ausdruck des allgemeinen Prinzips, dass dem für die Urteilsfindung zuständigen Gesamtspruchkörper auch die Verantwortung für die Gesetzmäßigkeit des Verfahrens obliegt und Anordnungen des Vorsitzenden daher unter einem entsprechenden Vorbehalt stehen.228 Auch die Möglichkeit des Angeklagten, durch die Anrufung des Gerichts einen Beschluss zu erwirken mit der Folge, dass er bei gerichtlicher Bestätigung der Maßnahme des Vorsitzenden seine Revision nicht nur auf § 337, sondern auch auf § 338 Nr. 8 stützen kann, vermag die prozessuale Sinnhaftigkeit des Rechtsbehelfs nicht hinreichend zu belegen; dies nicht nur deshalb, weil die „absolute“ Revisionsrüge des § 338 Nr. 8 der „relativen“ Rüge des § 337 in der praktischen Wirkung weitgehend angenähert ist (s. die Erl. zu § 338 Nr. 8), sondern insbesondere auch, weil den übrigen zur Erhebung des Rechtsbehelfs nach § 238 Abs. 2 befugten Verfahrensbeteiligten die Rüge aus § 338 Nr. 8 nicht offen steht. Mit BGHSt 51 144, 147 f. ist der zentrale Zweck des § 238 Abs. 2 als maßgebend für 46 die Beantwortung der hier in Rede stehenden Frage anzusehen:229 Soll durch die Anru-

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226 Vgl. auch Basdorf StV 1997 490; Bohnert 174 ff. (Beanstandungslast infolge der Qualifizierung als förmlicher Zwischenrechtsbehelf). 227 So auch Bischoff NStZ 2010 79; mit einem strafprozessrechtlich eigenständigen Begründungsansatz Lang 112 ff.; dazu Kudlich Strafprozessrecht und allgemeines Missbrauchsverbot (1998) 57. 228 Bohnert 179 f.; Erker 57; Fuhrmann GA 1963 66, 71; Schmid (Verwirkung) 289 f.; ferner Hahn I 835 (Prot. Kommission 349 f.): Die Regelung von Absatz 2 „beruhe auf dem allgemeinen Prinzip, daß der Vorsitzende, soweit er die Sache leite, immer nur Vertreter des Gerichts sei, daß also, wenn Zweifel entständen, die Entscheidung beim Gerichte liegen müsse“. 229 Vgl. – insoweit zustimmend – die Anm. von Mosbacher JR 2007 387 und Widmaier NStZ 2007 234; ebenso BGHSt 55 65, 67; ferner Becker Referat L zum 67. DJT 56 ff.; Bosch JA 2007 313 f.; a.A. Lindemann StV 2010 381 f.; 2011 461 f.; SK/Frister 49.

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fung des Gerichts in erster Linie eine verfahrensfehlerhafte Verhandlungsführung des Vorsitzenden möglichst instanzintern korrigiert (s. Rn. 16), hierdurch eine unnötige Revision verhindert230 und so auch dem Grundsatz der Prozessökonomie Rechnung getragen werden,231 dann ist es in den Fällen, in denen der Vorsitzende aufgrund eines ihm zustehenden Entscheidungsspielraums entscheidet,232 als rechtsmissbräuchliches Verhalten – vergleichbar dem zivilrechtlichen „venire contra factum proprium“ – anzusehen, wenn derjenige, der um die Beanstandungsmöglichkeit nach § 238 Abs. 2 weiß, diese ungenutzt lässt, dann aber später seine Revision auf die unbeanstandet gelassene, vermeintlich unzulässige Anordnung des Vorsitzenden stützen will; denn er hat durch sein Verhalten in der Hauptverhandlung – insbesondere auch den übrigen Mitgliedern des Kollegiums gegenüber – zu erkennen gegeben, dass er den Entscheidungsspielraum des Vorsitzenden durch dessen Anordnung nicht als überschritten und damit sich selbst in seiner Verfahrensstellung und seinen Verfahrensbefugnissen nicht in unzulässiger Weise eingeschränkt sieht.233 Der so verstandene Rechtsmissbrauch führt zur Unzulässigkeit der Revisionsrüge. Das gilt umso mehr vor dem Hintergrund von Kammerentscheidungen des BVerfG,234 wonach es eine rechtsstaatswidrige Verzögerung des Strafverfahrens darstellen kann, wenn ein offensichtlich der Justiz anzulastender Verfahrensfehler235 dazu führt, dass ein Urteil auf die Revision des Angeklagten aufgehoben und die Sache in der Tatsacheninstanz neu verhandelt werden muss; denn wenn der Angeklagte in den genannten Fällen bewusst die Möglichkeit instanzinterner Fehlerkorrektur ungenutzt lässt, dann ist es in höchstem Maße widersprüchlich, wenn er später als Strafmilderungsfaktor die Ver-

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230 Krey II 687; ferner Ranft 1454; KK/Schneider 2, 34. 231 Gollwitzer FS Kleinknecht 155; Walther 87 f.; KK/Schneider 33 f.; vgl. auch Ebert NStZ 1997 566. 232 Becker Referat L zum 67. DJT 58 ff.; Bischoff NStZ 2010 80 f.; die Frage, ob die Rügepräklusion auf Fälle eines Entscheidungsspielraums (s. dazu Rn. 47) zu begrenzen ist, wird bejaht von BGHSt 42 73, 77 f. sowie 45 203, 205 (jeweils Eingriff in die Entschließungsfreiheit eines Zeugen, sein Zeugnisverweigerungsrecht auszuüben); 55 65, 67 f. (Feststellung des Vorsitzenden, dass die tatsächlichen Voraussetzungen eines Zeugnisverweigerungsrechts nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht bestehen); BGH NStZ 2012 585, 586 (Bejahung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 Nr. 1 Bst. a oder Nr. 2) m. Bspr. Ventzke StV 2012 200 f.; BGH StV 2009 680 m. Anm. Sinn/Hülsmann und NStZ 2013 608 m. Anm. Meyberg (Beeinträchtigung des Öffentlichkeitsgrundsatzes durch sitzungspolizeiliche Maßnahmen des Vorsitzenden); Heinrich 168 ff.; Nagel StraFo 2013 227 ff.; Widmaier NStZ 2011 309 f.; MüKo/Arnoldi 43; offen gelassen dagegen von BGHSt 51 144, 148; BGH NJW 2009 931, 932; StV 2011 458, 459 m. krit. Anm. Lindemann (jedenfalls bei Verletzung eines Rechts, auf das der Angeklagte nach Belieben verzichten kann, „ohne dass mit einem solchen Verzicht Prozessrecht verletzt wäre“, ist die Anrufung des Gerichts Rügevoraussetzung; offen gelassen insoweit von BGHR § 256 Abs. 1 Verlesung 2); StV 2015 534, 535; vgl. auch BGH StV 2016 771 Ls. (Anrufung des Gerichts Rügevoraussetzung, wenn der Vorsitzende einen Zeugen vor dessen zweiter Vernehmung zu vorbereitenden Maßnahmen für seine Aussage veranlasst); bei Cierniak/Zimmermann NStZ-RR 2010 70; dagegen Mosbacher JR 2007 388 und FS Widmaier 353 f.: Präklusion immer dann, wenn nicht „unverzichtbare Prinzipien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens“ in Rede stehen (s. aber auch ders. FS Rissing-van Saan 371 f., wo eine Annäherung an die hier vertretene Auffassung erkennbar wird); KK/Schneider 34; dagegen wiederum Gaede wistra 2010 215; Hamm 1198 (Beanstandungszwang zu weit ausgedehnt); die Möglichkeit einer Differenzierung ablehnend auch Lindemann StV 2010 382; 2011 462 f.; zur Beanstandungspflicht bei Verstößen gegen die Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 s. § 243, 114. 233 S. auch Basdorf StV 1997 490 (stillschweigender Konsens zwischen den Verfahrensbeteiligten); ebenso Heinrich 168 ff. 234 BVerfG (Kammer) NJW 2005 3485; 2006 672; StV 2005 220, 223; hierzu BGH NJW 2006 1529, 1532 f. (m. krit. Anm. Strate S. 1480); NStZ-RR 2006 177 (m. abl. Anm. Krehl StV 2006 408) jew. mit Nachw. von früheren abweichenden Entscheidungen des BVerfG; vgl. auch EGMR NJW 2002 2856, 2857; BGHSt 51 298, 310. Zurückhaltender wieder BVerfG (Kammer) NJW 2006 1336. 235 Was sich das BVerfG unter einem etwa vom Angeklagten zu verantwortenden Verfahrensfehler vorstellt, ist unklar; vgl. BGH NJW 2006 1529, 1533.

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längerung des Verfahrens geltend machen kann, die dadurch eingetreten ist, dass er den prozessualen Mangel erst im Revisionsverfahren rügt.236 Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass in dem von BGHSt 51 144 ent- 46a schiedenen Fall237 (und ähnlichen Fällen) der eigentliche Gesetzesverstoß in der Verletzung der Aufklärungspflicht liege und, da diese nicht disponibel sei, es daher auch zulässig sein müsse, diesen Verfahrensfehler trotz unterlassener Beanstandung nach § 238 Abs. 2 mit der Revision zu rügen.238 Denn dies verkennt, dass der Verstoß gegen die Aufklärungspflicht hier keinen eigenständigen Verfahrensfehler darstellt, sondern allein in der Verletzung der spezielleren Verfahrensvorschrift wurzelt, mit dieser gewissermaßen zusammenfällt.239 Kann aber die Verletzung der speziellen Vorschrift in der Revision nicht mehr beanstandet werden, so kann sie in dieser Konstellation auch nicht durch die Hintertür der Aufklärungsrüge zum Erfolg führen. Aus den in Rn. 46 dargelegten Grundsätzen ergeben sich dann konsequenterweise 47 auch die Ausnahmekonstellationen, in denen die Zulässigkeit der gegen die Anordnung des Vorsitzenden gerichteten Revisionsrüge nicht voraussetzt, dass von dem Zwischenrechtsbehelf des Absatzes 2 Gebrauch gemacht wurde. Sie führen zu nicht unerheblichen Einschränkungen der Rügeobliegenheit. Zu nennen sind zunächst die Fälle, in denen der nicht rechtskundige Angeklagte keinen Verteidiger hat und daher sein Beanstandungsrecht nach Absatz 2 nicht kennt.240 Nichts anderes hat für den Nebenkläger ohne Beistand eines Rechtsanwalts zu gelten.241 Nicht erforderlich für den Erhalt der Revisionsrüge ist die Anrufung des Gerichts ferner dann, wenn die Anordnung des Vorsitzenden eine zwingende Norm des Verfahrensrechts verletzt, die ihm keinen Entscheidungsspielraum, sei es im Sinne eines Beurteilungsspielraums, sei es im Sinne gesetzlich eröffneten Ermessens, einräumt.242 Da in diesen Fällen weder wertende Beurteilungen zu treffen sind noch Ermessen auszuüben ist, ist ausgeschlossen, dass der Betroffene durch die Nichtanrufung des Gerichts zu erkennen gibt, er nehme die subjektiven Wertungen des Vorsitzenden hin, halte dessen Entscheidungsspielraum nicht für überschritten, seine Anordnung daher für zulässig; ein stillschweigender Konsens über die Verletzung zwingenden Rechts ohne Beurteilungs- oder Ermessensspielräume kann hier durch die Anordnung des Vorsitzenden nicht erstrebt werden. So liegt es etwa, wenn der Vorsitzende entgegen § 258 das letzte Wort nicht erteilt;243 er die Unterrichtung nach § 247 Satz 4 unterlässt;244 er gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 1a oder Nr. 2 die Verlesung einer Urkunde anordnet, obwohl diese weder die Erklärung einer öffentlichen Behörde enthält noch

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236 A.A. Lindemann StV 2010 382. 237 Wo dies ausdrücklich gegenteilig entschieden wurde: BGHSt 51 144, 149. 238 Widmaier NStZ 2007 234; HK/Julius 16; KK/Krehl § 244, 32; Radtke/Hohmann/Britz 32; Radtke/Hohmann/Kelnhofer § 244, 175. 239 Vgl. Mosbacher JR 2007 389; KK/Schneider § 241, 21; Meyer-Goßner/Schmitt § 55, 18. 240 Vgl. BGHSt 1 323, 325; 4 364, 366; BGH NJW 1978 1815; OLG Hamm GA 1962 87, 89; JMBlNW 1955 179; OLG Koblenz StV 1992 263, 264; OLG Köln NStZ-RR 1997 366; Becker Referat L zum 67. DJT 60 f.; Fuhrmann NJW 1963 1234; Heinrich 172 f.; Niese JZ 1953 221; KK/Schneider 30; Meyer-Goßner/Schmitt 22; Pfeiffer 6; Schlüchter 452.2 sieht in diesen Fällen das Unterlassen der von ihr als notwendig erachteten Belehrung über den Rechtsbehelf des § 238 Abs. 2 als Revisionsgrund an; vgl. auch OLG Stuttgart NStZ 1988 240. 241 OLG Hamm GA 1962 87, 88; Meyer-Goßner/Schmitt 22. 242 Heinrich 172 ff.; Ranft Jura 2000 630; Schlüchter FS Krause 499; Radtke/Hohmann/Britz 30. 243 BGHSt 3 368, 370; 17 28, 32 ff.; BGH JR 1965 348; StV 2017 797 f.; OLG Zweibrücken StV 2003 455. 244 BGHSt 38 260, 261 = JZ 1993 270 m. Anm. Paulus; dagegen muss gegen Form und Inhalt der Unterrichtung, die der Vorsitzende je nach den konkreten Umständen zu gestalten hat, das Gericht angerufen werden, wenn hierauf später die Revision gestützt werden soll: BGH NJW 2006 1008, 1009 (unterlassene Videosimultanübertragung); bei Kusch NStZ-RR 2001 133; bei Becker NStZ-RR 2008 66; s. § 247, 56.

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§ 238

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zum Nachweis einer nicht schweren Körperverletzung dienen soll;245 er unter Verstoß gegen § 252 Beweis über die frühere nichtrichterliche Aussage des in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machenden Zeugen erhebt;246 er einen Arzt nach vorherigem unzutreffenden Hinweis vernimmt, sein Patient habe ihn von der Schweigepflicht befreit (vgl. § 53 Abs. 1 Nr. 3);247 er unter Verstoß gegen § 226 Abs. 1 einen Zeugen außerhalb des Sitzungssaals vernimmt bei gleichzeitiger Bild-TonÜbertragung dorthin;248 er entgegen § 249 Abs. 2 Satz 1 den nichtrichterlichen Verfahrensbeteiligten nicht Gelegenheit gibt, von den im Selbstleseverfahren einzuführenden Urkunden Kenntnis zu nehmen249 bzw. er die Feststellung unterlässt, dass die nichtrichterlichen Verfahrensbeteiligten Gelegenheit hatten, die im Selbstleseverfahren einzuführenden Urkunden zur Kenntnis zu nehmen (§ 249 Abs. 2 Satz 1 und 3);250 wenn der gemäß § 247 Satz 1 oder 2 ausgeschlossene Angeklagte bei Verhandlungsteilen abwesend ist, die vom Ausschließungsbeschluss nicht umfasst werden.251 Gleiches gilt, wenn der Vorsitzende eine Anordnung trifft, die – wie etwa die Entfernung des Angeklagten nach § 247 oder die Verlesung einer Urkunde nach § 251 Abs. 1 oder 2 (§ 251 Abs. 4 Satz 1) – originär der Entscheidung des Gerichts vorbehalten ist.252 Ebenso liegt es, wenn er es unterlässt, gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 – vorab – über die Vereidigung eines Zeugen zu entscheiden,253 oder ein Vereidigungsverbot missachtet, dessen Voraussetzungen – wie in § 60 Nr. 1 Alt. 1 und Nr. 2 letzte Alt. – nicht durch eine richterliche Beurteilung von Tatsachen festzustellen sind.254 Der Anrufung des Gerichts bedarf es schließlich dann nicht, wenn die Anordnung des Vorsitzenden ohnehin nur eine vorläufige – weil nach dem Gesetz an sich dem Gericht übertragene – ist und das Gericht bei der Urteilsberatung eine abweichende Wertung vornimmt. Gemeint sind hiermit in erster Linie Vorabentscheidungen

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245 BGH NJW 1999 1724, 1725; NStZ 2012 585 f. m. Bspr. Ventzke StV 2012 200 f.; s. auch BGH NStZ 1988 283. 246 BGHSt 45 203, 205; BGH NStZ 2007 353; StV 2012 706; OLG Hamm NStZ-RR 2002 370; Ranft NJW 2001 1306. 247 BGHSt 42 73, 77 f. = JR 1997 33 m. Anm. Welp. 248 BGH NJW 2017 181, 182 f. 249 A.A. OLG Frankfurt wistra 2018 317. 250 OLG Celle StV 2016 794, 795. 251 Etwa BGHSt 54 184, 185; BGH StV 2010 562; s. näher die Kommentierung zu § 247. 252 BGHSt 4 364, 366; BGH NJW 1999 1724, 1725; NStZ 2012 585, 586 m. Bspr. Ventzke StV 2012 200 f. (zu § 251 Abs. 4); OLG Hamm StV 2010 65, 66; s. BGH NStZ 1988 283; vgl. auch BGH NJW 2011 2821 (dazu § 244, 377). 253 Str.; zur Notwendigkeit einer Vorabentscheidung des Vorsitzenden über die Vereidigung nach neuem Recht vgl. BGHSt 51 81, 83; BGH StV 2005 200 m. Anm. Schlothauer; NStZ 2006 463; NStZ-RR 2005 208; StraFo 2005 244; OLG Celle StraFo 2005 506; Fleindl JA 2005 372; Huber JuS 2004 970; H. Müller JR 2005 79 f.; 2007 81; Peglau/Wilke NStZ 2005 188 f.; Schuster StV 2005 628; a.A. BGHSt 50 282; BGH NStZ 2009 647, wonach im Regelfall der Nichtvereidigung eine ausdrückliche Entscheidung nur dann erforderlich ist, wenn ein Verfahrensbeteiligter einen Vereidigungsantrag stellt; ebenso Sommer AnwBl. 2004 506; ders. StraFo 2004 296; ferner BGH NStZ 2006 114; vgl. auch KK/Schneider 31. Zum Vereidigungsrecht bis zum 1. JuMoG vgl. BGHSt 1 269, 273; BGH NJW 1986 1999, 2000; NStZ 1981 71; 1984 371; 1987 374; NStZ-RR 1997 302; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1988 18; bei Miebach NStZ 1988 447; 1990 226; BGH StV 1988 472; 1990 193 Ls.; 1992 146; BGHR § 59 Satz 1 Entscheidung, fehlende 2; OLG Braunschweig NdsRpfl. 1957 249; OLG Düsseldorf MDR 1993 259; OLG Hamburg StV 1990 153; OLG Hamm NJW 1972 1531; OLG Koblenz VRS 67 (1984) 248, 250 f.; OLG Köln StV 1988 289. S. auch die Erl. zu § 59. 254 Vgl. BGHSt 20 98, 99 zu einem Eidesverbot nach früherem Recht, wobei hier offen gelassen wurde, ob der Vorsitzende dieses hätte erkennen müssen, da sich der Fehler jedenfalls bei der Urteilsfindung wiederholte; ferner BGH StV 1996 2 zu § 79 Abs. 1 Satz 2 a.F. für den Fall, dass der Vorsitzende trotz entsprechenden Antrages des Angeklagten einen Sachverständigen nicht vereidigte; zweifelhaft OLG Köln NJW 1957 1373: Beanstandung der Vereidigungsanordnung des Vorsitzenden zum Erhalt der Revisionsrüge nicht erforderlich, wenn die Tatbeteiligung des Zeugen feststehe, weil das Verfahren gegen diesen nach § 153 eingestellt worden sei.

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des Vorsitzenden über diejenigen Vereidigungsverbote nach § 60, die er aufgrund einer eigenen Bewertung der festgestellten Tatsachen zu treffen hat.255 Eine Rügeobliegenheit besteht dann nicht, wenn das Gericht bei der Beratung – auch unter Berücksichtigung der später angefallenen weiteren Ergebnisse der Beweisaufnahme und auf Grundlage seiner eigenen rechtlichen Beurteilung – der Anordnung des Vorsitzenden, die es unabhängig von der Beanstandung durch einen Beteiligten zu überprüfen hat, nicht folgt, etwa wenn es einen Zeugen als bloßes Tatopfer ansieht, obwohl der Vorsitzende wegen des Verdachts der Beteiligung an der Tat von der Vereidigung abgesehen hat.256 Zur Vermeidung eines revisiblen Verfahrensfehlers muss das Gericht hier erneut in die Beweisaufnahme eintreten, um eine eigene Anordnung zu treffen und gegebenenfalls zu vollziehen oder einen Hinweis an die Verfahrensbeteiligten zu erteilen, dass eine unabänderlich gewordene Maßnahme des Vorsitzenden (Vereidigung) vom Gericht in anderer Weise korrigiert wird (Verwertung der eidlichen Aussage als uneidliche). Gleiches kann gelten, wenn der Vorsitzende einen Zeugen unter Hinweis auf die ausschlaggebende Bedeutung der Aussage nach § 59 Abs. 1 Satz 1 vereidigt hat, das Gericht diese jedoch für bedeutungslos hält. Hat der Vorsitzende hingegen nach seinem Ermessen von der Vereidigung abgesehen, so setzt eine zulässige Revision regelmäßig die Anrufung des Gerichts voraus.257 Darüber hinaus kann eine Rügeobliegenheit auch sonst schon aus logischen Grün- 47a den nicht in Betracht kommen, wenn die sachleitende Anordnung des Vorsitzenden für sich genommen rechtlich unbedenklich ist, das Gericht das aufgrund der Anordnung gewonnene Beweisergebnis in der Urteilsberatung indes in unzulässiger Weise verwertet. So liegt es etwa, wenn auf Anordnung des Vorsitzenden gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 2 ein ärztliches Attest über eine nicht schwere Körperverletzung verlesen wird, das Gericht den Inhalt des Attests dann aber zum Nachweis anderer Umstände als dieser Körperverletzung heranzieht.258 Ist nach diesen Maßstäben eine verfahrensrechtliche Anordnung, z.B. die Erhebung 48 eines bestimmten Beweises, nur revisibel, wenn hiergegen die Entscheidung des Gerichts beantragt wurde, so ist der Vorsitzende (wie das ganze Gericht) indessen nicht deswegen solange der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung enthoben, wie kein Beteiligter die Zulässigkeit der Maßnahme beanstandet. Daher ist etwa die – von der Beurteilung von Einzelfallumständen abhängende – Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus der Überwachung der Telekommunikation und damit die Zulässigkeit ihrer Einführung in die Hauptverhandlung stets von Amts wegen vorab zu prüfen.259 Dies folgt aus der

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255 BGHSt 22 266; BGH NStZ 1995 244; StV 1991 196; bei Dallinger MDR 1958 14; OLG Braunschweig NJW 1957 513. 256 BGH NStZ 1995 244. 257 BGH NStZ 2005 340; NStZ-RR 2005 208 – anders nur, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 Satz 1 erst aus den Urteilsgründen zutage treten BGH StV 2009 525; Eisenberg (Beweisrecht) 1141; Klemke StV 2006 159 Fn. 10; Neuhaus StV 2005 49; vgl. auch Sommer StraFo 2004 296; Schuster StV 2005 629 f.; a.A. – nicht revisibel – Knauer/Wolf NJW 2004 2933 („faktisch nicht anfechtbar“); MeyerGoßner/Schmitt § 59, 13; Pfeiffer § 59, 3. 258 BGH NStZ 2012 585, 586 m. Bspr. Ventzke StV 2012 200 f. 259 BGHSt 47 362, 366 f. (3. Strafsenat, nichttragend); vgl. auch BGH NStZ 2011 471, 472; a.A. – wegen grundsätzlicher „Disponibilität des Verwertungsverbots“ – BGHSt 51 1; BGH StV 2008 63, 65 (jew. 1. Strafsenat, nichttragend); offen gelassen von OLG München wistra 2006 472, 475; vgl. aber auch BGHSt 50 206, 210 (1. Strafsenat) zum „absoluten Verwertungsverbot“, soweit der „Kernbereich privater Lebensgestaltung“ berührt ist. Zur sog. Widerspruchslösung vgl. etwa auch BGHSt 38 214; 42 15, 22 m. zust. Anm. E. Müller StV 1996 358; BGHSt 50 272 = StV 2006 396 m. abl. Anm. Schlothauer = JZ 2006 473 m. abl. Anm. Fezer; BGH NStZ 1997 502; Basdorf StV 1997 490 ff.; Meyer-Goßner/Appl StraFo 1998 258; Mosbacher FS Rissing-van Saan 357 ff.; ders. NStZ 2011 606 ff; Widmaier NStZ 1992 521; s. aber auch (zur

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Stellung von Vorsitzendem und gesamtem Spruchkörper als Garanten für den verfahrensrechtskonformen Ablauf des Hauptverfahrens. Eine (widerlegliche) Vermutung für die Rechtmäßigkeit – auch richterlich angeordneter – strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen gibt es nicht.260 49

c) Beanstandung des Verfahrens nach § 238 Abs. 2. Wird ein Beschluss nach § 238 Abs. 2 ohne vorherige Anhörung der anderen Verfahrensbeteiligten verkündet, so können diese den hierin liegenden Verstoß gegen § 33 Abs. 1 mit der Revision geltend machen.261 Wird der Beschluss nicht oder nur unzulänglich begründet (vgl. Rn. 32 f.), kann dies als Verletzung des § 34 beanstandet werden.262 Dagegen ist § 238 Abs. 2 unmittelbar verletzt, wenn das Gericht die Beanstandung einer Maßnahme des Vorsitzenden fälschlich als unzulässig verwirft, weil es die Maßnahme nicht für sachleitend hält.263 Gleiches gilt, wenn es das Gericht versäumt, über die Beanstandung einer Maßnahme des Vorsitzenden rechtzeitig zu entscheiden oder – wenn dies zunächst unterblieben ist – die bereits durchgeführte Maßregel wenigstens noch in der Hauptverhandlung nachträglich zu genehmigen.264 Das Unterlassen kann mit der Revision nach § 337 und – so die Verteidigung hierdurch in einem wesentlichen Punkt beschränkt worden ist – auch nach § 338 Nr. 8 gerügt werden.265 Allerdings beruht das Urteil in allen diesen Fällen grundsätzlich nur dann auf dem fehlerhaften bzw. fehlenden Beschluss nach § 238 Abs. 2, wenn die beanstandete Anordnung des Vorsitzenden tatsächlich unzulässig war, also gegen das Verfahrensrecht verstieß.266 War die Anordnung des Vorsitzenden dagegen zulässig, so dass die Beanstandung bei prozessordnungsgemäßer Bescheidung erfolglos geblieben wäre, so kann das Urteil gleichwohl ausnahmsweise in den Fällen auf der fehlerhaften Handhabung des Verfahrens nach § 238 Abs. 2 beruhen, in denen der Revisionsführer durch das Unterbleiben einer Entscheidung des Gerichts oder das Unterlassen einer – ausreichenden – Begründung der getroffenen Entscheidung und die dadurch bedingte Unklarheit über die Verfahrenslage in der Wahrnehmung seiner Verfahrensrechte (Anpassung der Prozessführung an die Rechtslage, Ausführungen zu konkretisierungsbedürftigen Rechtsbegriffen, weitere Anträge usw.) urteilsrelevant beeinträchtigt worden ist.267

_____ Wohnungsdurchsuchung) BGHSt 51 285, 296 f.; 61 266 = NJW 2017 1332 m. Anm. Zopfs = NStZ 2017 367 m. Anm. Basdorf = StraFo 2017 103 m. Anm. Sommer; krit. Maul/Eschelbach StraFo 1996 66; Roxin/G. Schäfer/ Widmaier StV 2006 655; dies. FS Strauda 435; Graf von Schlieffen FS AG Strafrecht DAV 817; ablehnend Dahs StraFo 1998 253; Fahl Rechtsmissbrauch im Strafprozess (2004) 171; Fezer StV 1997 57; B. Heinrich ZStW 112 (2000) 415 ff.; Tolksdorf FS Graßhoff 255; Weßlau FS Lüderssen 800 f.; s. dazu Einl. L 53 ff. sowie § 136, 82 ff. m.w.N. 260 A.A. BGHSt 51 1, 3. 261 Erker 141; KMR/Paulus 58; SK/Frister 53; SSW/Grube 43; ob das Urteil auf dem Anhörungsverstoß beruhen kann, hängt vom Einzelfall ab; dies wird häufig auszuschließen sein, wenn der bei der Anhörung Übergangene nach Verkündung des Beschlusses in der weiteren Hauptverhandlung gegen diesen keine Einwände erhoben hat, vgl. Erker 141 und generell bei § 33, 25. 262 Erker 140; KMR/Paulus 58; SK/Frister 53; SSW/Grube 43. 263 Vgl. BGHSt 44 82, 90 f. 264 BGH bei Dallinger MDR 1955 397; OLG Hamburg NJW 1953 434; KMR/Paulus 51, 62; SK/Frister 53; vgl. Rn. 36. 265 KK/Gericke § 338, 102; KMR/Paulus 60; a.A. Erker 137 (nur nach § 337); offen gelassen von BGH bei Cierniak/Niehaus NStZ-RR 2016 130 (insoweit in NStZ 2014 168 und StV 2014 513 nicht abgedruckt); zum strittigen Verhältnis zwischen § 337 und § 338 Nr. 8 vgl. bei § 338. 266 RG JW 1924 467; BGHSt 44 82, 91; BGH bei Dallinger MDR 1955 397; Meyer-Goßner/Schmitt 23. 267 Erker 138 ff.; Schmid FS Mayer 562 f. unter Hinweis auf RGSt 57 261, 263; RG HRR 1938 Nr. 792; KK/Schneider 27; KMR/Paulus 61; SK/Frister 53; SSW/Grube 44; a.A. BGH bei Dallinger MDR 1955 397; Meyer-Goßner/Schmitt 23.

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§ 239 Kreuzverhör § 239 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-037

(1) 1 Die Vernehmung der von der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten benannten Zeugen und Sachverständigen ist der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger auf deren übereinstimmenden Antrag von dem Vorsitzenden zu überlassen. 2 Bei den von der Staatsanwaltschaft benannten Zeugen und Sachverständigen hat diese, bei den vom Angeklagten benannten der Verteidiger in erster Reihe das Recht zur Vernehmung. (2) Der Vorsitzende hat auch nach dieser Vernehmung die ihm zur weiteren Aufklärung der Sache erforderlich scheinenden Fragen an die Zeugen und Sachverständigen zu richten. Schrifttum Dencker Informelles Kreuzverhör, FS Kleinknecht (1985) 79; Fuhrmann Kreuzverhör, DJZ 1929 Sp. 479; Gerst Das Kreuzverhör gem. § 239 StPO – zur notwendigen Erweckung einer sinnvollen Idee, StRR 2014 204; Moos Ausgewogenere Kommunikationsstruktur der Hauptverhandlung durch Wechselverhör und Teilung in zwei Abschnitte, ZStW 103 (1991) 553; Salditt Grundlagen des Zeugenbeweises im Strafrecht, StraFo 1990 54; Weigend Wechselverhör in der Hauptverhandlung, ZStW 100 (1988) 733. Vgl. ferner die Schrifttumsnachweise bei § 238 und § 240, zur Reform des Strafverfahrens in der Einleitung Absch. F IX.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 9 § 4 der 2. VereinfVO beseitigt, durch Art. 31 Nr. 107 VereinhG 1950 aber wieder eingeführt. Bezeichnung bis 1924: § 238.

1. 2.

3.

Übersicht Zweck und Regelungsgehalt | 1 Anwendungsbereich a) Von Staatsanwaltschaft oder Angeklagtem benannter Zeuge oder Sachverständiger | 2 b) Ausschluss des Kreuzverhörs | 3 c) Kommissarische Vernehmung | 5 Voraussetzungen a) Mitwirkung eines Verteidigers | 6 b) Antrag | 7

4. 5. 6. 7.

Durchführung und Beendigung des Kreuzverhörs | 9 Fragerecht nach Absatz 2 | 12 Sitzungsniederschrift | 13 Rechtsbehelfe a) Anrufung des Vorsitzenden und des Gerichts | 14 b) Beschwerde | 15 c) Revision | 16

1. Zweck und Regelungsgehalt. Die Vorschrift lässt in Abweichung von § 238 Abs. 1 1 unter einengenden Voraussetzungen (vgl. Rn. 2 ff., 7) das Kreuzverhör zu.1 Die Unparteilichkeit des Vorsitzenden soll dadurch gestärkt, der Einfluss seiner Aktenkenntnis auf die Führung der Vernehmung2 vermieden werden. Diese Vernehmungsform, deren Wert für die objektive Wahrheitsermittlung anzweifelbar ist,3 wurzelt in dem vom Beibringungsgrundsatz geprägten Parteienprozess, wie er im angloamerikanischen Rechtskreis üblich

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1 Vgl. zur Entstehungsgeschichte Hahn I 189 f.; II 1333 f., 1556 ff. sowie ausführlich, auch zum rechtstheoretischen Hintergrund der Regelung, KMR/Eschelbach 1 ff. 2 Dazu etwa Dencker FS Kleinknecht 87; Herrmann ZStW 100 (1988) 45 f.; Weigend ZStW 100 (1988) 735; Weißmann 37, 40 ff.; KMR/Eschelbach 14 f.; SK/Frister 2; SSW/Grube 1. 3 Vgl. z.B. AK/Schöch 17; dagegen etwa Gaede StV 2012 55 f.; KMR/Eschelbach 7.

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§ 239

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ist. In der vom Untersuchungsgrundsatz bestimmten Hauptverhandlung der StPO, in die Absatz 2 die Vorschrift zu integrieren sucht, ist sie ein Fremdkörper. In der Gerichtspraxis wird von ihr kaum einmal Gebrauch gemacht.4 Der Grund liegt darin, dass in der Hauptverhandlung der Schwerpunkt der Aufklärung des Sachverhalts beim Gericht, vor allem beim Vorsitzenden, liegt,5 die Verfahrensbeteiligten in der Regel damit einverstanden und auch nicht auf das Kreuzverhör vorbereitet sind. Die Reformdiskussion befasst sich mit dem Kreuzverhör meist in abgewandelten Formen als Wechselverhör („informelles Kreuzverhör“), bei dem der Vorsitzende den Zeugen nur zu einem möglichst zusammenhängenden Sachbericht veranlasst (§ 69 Abs. 1 Satz 1), während er die sich daran anschließenden „inquisitorischen“ Fragen zur Prüfung der Zuverlässigkeit und des Wahrheitsgehalts dieses Berichts zunächst den Prozessbeteiligten, vor allem Staatsanwalt und Verteidiger, überlässt,6 und erst danach die zur Sachaufklärung noch erforderlichen Fragen selbst stellt. Eine solche Verfahrensweise wird trotz § 238 Abs. 1 auch schon nach dem geltenden Recht für zulässig angesehen.7 2. Anwendungsbereich 2

a) Von Staatsanwaltschaft oder Angeklagtem benannter Zeuge oder Sachverständiger. Das Kreuzverhör ist nur bei der Vernehmung derjenigen Zeugen und Sachverständigen statthaft, die von der Staatsanwaltschaft oder vom Angeklagten benannt sind. Benennung ist hier im weiten Sinn zu verstehen. Benannt sind nicht nur die Beweispersonen, deren Einvernahme in der Form eines ausdrücklichen Beweisantrags begehrt wurde, sondern alle, deren Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft oder den Angeklagten angeregt wurde, also sämtliche Beweispersonen, die das Gericht aufgrund ihrer Benennung durch die Staatsanwaltschaft (in der Anklage nach § 200 Abs. 1 oder später) oder auf Antrag des Angeklagten (§ 219) geladen hat, ferner die von der Staatsanwaltschaft oder vom Angeklagten selbst geladenen oder zur Hauptverhandlung mitgebrachten Personen.8

3

b) Ausschluss des Kreuzverhörs. Ausgeschlossen ist das Kreuzverhör für die Vernehmung des Angeklagten9 und außerhalb des Strengbeweises. § 239 gilt weiter nicht hinsichtlich der Beweispersonen, deren Vernehmung nicht auf eine Anregung der Staats-

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4 Gerst StRR 2014 204; Roxin/Schünemann § 17, 5 und § 44, 24; Schwenn StraFo 2008 225; Weigend ZStW 100 (1988) 734 (Schattendasein); AK/Schöch 1, 15; Meyer-Goßner/Schmitt 1; für eine Belebung des Kreuzverhörs: Gaede StV 2012 55 ff. sowie MüKo/Gaede 3 ff.; auch KMR/Eschelbach 17; Gesetzesvorschlag zur Aktivierung des Kreuzverhörs bei Gerst StRR 2014 205 ff. 5 Vgl. etwa Sessar ZStW 92 (1980) 701; AK/Schöch 17. 6 Zu den verschiedenen Varianten Moos ZStW 103 (1991) 553; ferner etwa Dahs sen. FS Schorn 33 ff.; ders. ZRP 1968 19 ff.; Dencker FS Kleinknecht 79; Herrmann Reform der Hauptverhandlung 410; Roxin Probleme der Strafprozessreform (1975) 58; ders. FS Schmidt-Leichner 145; Sessar ZStW 92 (1980) 701 ff.; AK/Schöch 18; KMR/Eschelbach 22. 7 Dencker FS Kleinknecht 82; KK/Schneider 2; KMR/Eschelbach 22; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Radtke/Hohmann/Britz 2; SK/Frister 15. Strittig ist allerdings, ob die Zulässigkeit des Wechselverhörs nach geltendem Recht damit begründet werden kann, dass der Vorsitzende dem § 238 Abs. 1 bereits genügt hat, wenn er den Bericht des Zeugen entgegennimmt, da dies die eigentliche Vernehmung sei, so dass er die Fragen den Verfahrensbeteiligten überlassen dürfe (Dencker aaO. 83 f.), oder ob man in dieser Form des Wechselverhörs ein zulässiges „Minus“ gegenüber dem vollen Kreuzverhör nach § 239 sieht (so z.B. SK/Schlüchter 12. Lfg. 1994, 3; s. auch Graf/Gorf 9: § 239 analog). Eher kritisch MüKo/Gaede 28 (schlechter Ersatz für das Kreuzverhör). 8 KK/Schneider 5; KMR/Eschelbach 24; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Radtke/Hohmann/Britz 4; SK/Frister 9; Weigend ZStW 100 (1988) 734 (Fn. 9) hat Zweifel an der weiten Auslegung des Begriffs „benannt“. 9 KMR/Eschelbach 26.

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anwaltschaft oder des Angeklagten zurückgeht, also bei den Zeugen oder Sachverständigen, die das Gericht ohne vorhergehende Benennung von sich aus geladen hat.10 Bei diesen ist die Vernehmung immer Sache des Vorsitzenden. Bei Jugendlichen unter 18 Jahren verbietet § 241a das Kreuzverhör (§ 241a, 4). Ob bei vergleichbar schutzwürdigen Zeugen oder Sachverständigen,11 insbesondere in Fällen des § 247a Abs. 1 Satz 1 Alt. 112 der übereinstimmende Antrag von Staatsanwaltschaft und Verteidiger auf Durchführung des Kreuzverhörs abgelehnt werden kann, erscheint fraglich; denn eine hierzu legitimierende Vorschrift besteht nicht und § 239 Abs. 1 Satz 1 räumt dem Vorsitzenden insoweit keinen Beurteilungsspielraum und kein Entscheidungsermessen ein.13 Die Grenzen der Zulässigkeit des Kreuzverhörs werden daher auch insoweit nur durch § 241 gezogen. Auf die vom Privatkläger, von dem Nebenkläger oder dem Einziehungsbeteilig- 4 ten benannten Zeugen und Sachverständigen findet die Vorschrift nach ihrem Wortlaut keine Anwendung. Sie auf diese Fälle auszudehnen besteht kein Anlass,14 zumal mit der größeren Zahl der das Kreuzverhör führenden Personen das Verfahren unpraktikabel würde (vgl. Rn. 12). c) Bei der kommissarischen Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen hält 5 ein Teil des Schrifttums das Kreuzverhör für zulässig, da hier ein Ausschnitt der Beweisaufnahme, der eigentlich der Hauptverhandlung vorbehalten ist, vorweggenommen wird.15 Gegen diese Gleichsetzung und für eine enge Auslegung des Begriffs „Vernehmung“ in § 239 spricht aber, dass bei kommissarischen Vernehmungen statt des unmittelbaren Gesamteindrucks vom komplexen Beweisgeschehen nur die Verlesung des darüber gefertigten Protokolls Grundlage der Beweiswürdigung in der Hauptverhandlung wird; ein Protokoll ist aber schwerlich geeignet, dem Gericht den für die Bewertung des Kreuzverhörs besonders notwendigen Gesamteindruck vom Beweisgeschehen zu vermitteln. Ob eine Bild-Ton-Aufzeichnung des Kreuzverhörs nach § 58a in der Lage wäre, dem erkennenden Gericht die für die Beweiswürdigung aufschlussreiche Interaktion der am Kreuzverhör beteiligten Personen umfassend aufzuzeigen, erscheint fraglich, zumal dem dafür erforderlichen technischen Aufwand organisatorisch und finanziell Grenzen gesetzt sein dürften. 3. Voraussetzungen a) Mitwirkung eines Verteidigers. Das Kreuzverhör ist nur zulässig, wenn in der 6 Verhandlung ein Verteidiger mitwirkt. Der Angeklagte ist zur Durchführung des Verhörs nicht befugt, auch nicht, wenn er selbst Rechtsanwalt ist.16 Sind von mehreren Angeklagten nicht alle im Beistand eines Verteidigers erschienen, so ist das Kreuzverhör nur bei einem Verhandlungsgegenstand statthaft, bei dem die ohne Verteidiger erschienenen Angeklagten nicht sachlich betroffen sind.17 Beweisergebnisse, die in einem Kreuzverhör

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10 KK/Schneider 5; Radtke/Hohmann/Britz 4. 11 So MüKo/Gaede 15. 12 So MüKo/Gaede 15; SK/Frister 14; SSW/Grube 5. 13 So auch KMR/Eschelbach 25. 14 Amelunxen Nebenkläger 54; Gollwitzer FS Schäfer 83 f.; HK/Julius 2; KMR/Eschelbach 35; MeyerGoßner/Schmitt 4; SK/Frister 9. 15 Peters § 59 II 2; KK/Schneider 6; KMR/Eschelbach 21; Meyer-Goßner/Schmitt 4; MüKo/Gaede 8; SK/Frister 13; a.A. Radtke/Hohmann/Britz 12. 16 BVerfGE 53 207, 215; KMR/Eschelbach 34. 17 KK/Schneider 3; KMR/Eschelbach 34; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SK/Frister 5; a.A. MüKo/Gaede: „bei einem nicht völlig bagatellartigen Tatvorwurf“ Verteidigerbestellung.

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gewonnen wurden, dürfen gegen einen Mitangeklagten ohne Verteidiger nicht verwendet werden.18 b) Antrag. Das Kreuzverhör setzt einen übereinstimmenden Antrag der Staatsanwaltschaft und des Verteidigers voraus. Eine Pflicht der Staatsanwaltschaft oder des Verteidigers, sich einem entsprechenden Antrag der anderen Seite anzuschließen, besteht nicht.19 Ist der Antrag jedoch übereinstimmend gestellt, so muss der Vorsitzende ihm stattgeben. Auf den Willen des Angeklagten kommt es nicht an.20 Wirken für verschiedene Angeklagte mehrere Verteidiger in der Verhandlung mit, so ist die Übereinstimmung aller erforderlich, es sei denn, dass die Angeklagten, deren Verteidiger nicht zustimmen, vom Vernehmungsgegenstand nicht betroffen werden.21 Bei einem solchen Zeugen kann der Verteidiger des nicht betroffenen Mitangeklagten auch nicht das Kreuzverhör beantragen.22 Ein „übereinstimmender Antrag“ aller Verteidiger ist aber auch erforderlich, wenn ein Angeklagter mehrere Verteidiger hat.23 Das Kreuzverhör kann auch nur für die Vernehmung eines einzelnen Zeugen oder Sachverständigen beantragt werden.24 Der Antrag muss vor Beginn der Vernehmung gestellt werden. Staatsanwaltschaft 8 und Verteidiger können dem Vorsitzenden das einmal von ihm begonnene Verhör nicht entziehen.25 Einem verspäteten Antrag kann der Vorsitzende entsprechen, er ist dazu aber nicht verpflichtet.26 7

4. Durchführung und Beendigung des Kreuzverhörs. Der Benennende beginnt mit der Vernehmung (Absatz 1 Satz 2). Hat er seine Befragung abgeschlossen, setzt sie der Vertreter der Gegenseite fort.27 Die Verteidiger mehrerer betroffener Angeklagter kommen nacheinander an die Reihe. Haben sowohl der Staatsanwalt als auch der Verteidiger denselben Zeugen benannt, beginnt der Staatsanwalt mit der Vernehmung.28 Dies gilt im Interesse des Zeugen grundsätzlich auch, wenn er zu unterschiedlichen Beweisthemen benannt ist. Ein zusammenhängender Bericht des Zeugen (§ 69 Abs. 1) muss auch beim 10 Kreuzverhör gefordert werden.29 Nach anderer Ansicht ist es aus vernehmungspsycholo9

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18 Radtke/Hohmann/Britz 6; SK/Frister 6. 19 KMR/Eschelbach 30; SK/Frister 4; s. demgegenüber Gaede StV 2012 55 f. sowie MüKo/Gaede 10 f., wonach sich die Staatsanwaltschaft einem Antrag der Verteidigung anschließen müsse, wenn keine „rechtlich haltbaren Gründe“ dagegen sprächen, und dies bei „Belastungszeugen“ zusätzlich aus einer „konventionsfreundlichen Auslegung“ der Vorschrift mit Blick auf Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK herzuleiten sei. 20 KK/Schneider 4; KMR/Eschelbach 36; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SK/Frister 5. 21 KMR/Eschelbach 33; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Radtke/Hohmann/Britz 5; SK/Frister 5. 22 Gollwitzer FS Sarstedt 26. 23 Meyer-Goßner/Schmitt 5; Radtke/Hohmann/Britz 5; SK/Frister 5; SSW/Grube 8. A.A. HK/Julius 4 (Antrag eines Verteidigers genügt). Wiederum anders MüKo/Gaede 13, wonach die Zustimmung des Angeklagten zum Kreuzverhör ausschlaggebend sein soll. Sofern das Verhalten der anderen Verteidiger aber nicht als stillschweigende Zustimmung zu werten ist (vgl. dazu KMR/Eschelbach 33) und erst recht, wenn einer der anderen Verteidiger ausdrücklich widerspricht, kann die Ausnahmeregelung des § 239 jedoch nicht angewendet werden; vgl. § 227, 11. 24 Schorn (Strafrichter) 260; KK/Schneider 4; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SK/Frister 4. 25 KK/Schneider 4; KMR/Eschelbach 32; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SK/Frister 4. 26 AK/Schöch 10; KMR/Eschelbach 32; SK/Frister 4. 27 S. aber auch KMR/Eschelbach 40, MüKo/Gaede 18 sowie Radtke/Hohmann/Britz 8: Staatsanwaltschaft und Verteidigung können eine abweichende Reihenfolge vereinbaren. 28 Graf/Gorf 6; kritisch KMR/Eschelbach 39; a.A. MüKo/Gaede 18 (Erstbefragungsrecht durch denjenigen, der die Beweisperson als erster in das Verfahren eingeführt hat); ebenso HK-GS/Seebode 6. 29 KK/Schneider 7; KMR/Eschelbach 41; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Radtke/Hohmann/Britz 9; SK/Frister 11; kritisch Gerst StRR 2014 207.

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gischer Sicht zwar wünschenswert, wenn dem Zeugen zu Beginn des Kreuzverhörs eine zusammenhängende Schilderung abverlangt wird; zwingend vorgeschrieben – und damit vom Vorsitzenden erzwingbar – sei dies jedoch nicht.30 Aus der Rezeption des angelsächsischen Vorbilds ist vereinzelt sogar die Unzulässigkeit einer zusammenhängenden Darstellung gefolgert worden.31 Bei Berücksichtigung der Einbettung des § 239 in eine der Amtsaufklärung verpflichteten Verhandlungsführung wird man § 239 aber dahin verstehen müssen, dass er nur hinsichtlich der zur Vernehmung befugten Personen, nicht aber hinsichtlich des Inhalts der dem Zeugen oder Sachverständigen abverlangten Aussage eine Abweichung vom Regelverfahren ermöglicht. Diese bleiben unabhängig von der Form der Vernehmung nach § 69 Abs. 1, § 72 zu einer umfassenden Aussage berechtigt und verpflichtet.32 Die Aufklärungspflicht des Gerichts, die auch die Verpflichtung einschließt, dafür zu sorgen, dass die Einvernahme in einer Form vorgenommen wird, die der Wahrheitserforschung zweckdienlich ist, spricht dagegen, die auf einer anderen Prozessstruktur (vgl. Rn. 1) beruhende angloamerikanische Praxis als maßgebend für die Auslegung von Einzelfragen bei § 239 heranzuziehen und deshalb § 239 dahin auszulegen, dass beim Kreuzverhör die Anwendung des § 69 Abs. 1 ausgeschlossen ist. Es ist Sache des Erstvernehmenden, dem Zeugen zunächst einen zusammenhängenden Bericht, dem Sachverständigen den Vortrag der tragenden Überlegungen seines Gutachtens abzuverlangen;33 als Vernehmender kann er allenfalls dessen Ausführlichkeit beeinflussen. Während des Kreuzverhörs hat der Vorsitzende nur ein Wächteramt. Ohne schon 11 zu eigenen Fragen befugt zu sein, muss er das Kreuzverhör gewähren lassen. Eingreifen darf er nur, um ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen nach § 241 Abs. 2 zurückzuweisen. Erst bei Missbrauch der Vernehmungsbefugnis kann er diese nach § 241 Abs. 1 entziehen; er muss dies, wenn es zum Schutze des Zeugen unerlässlich ist. Wegen der Einzelheiten vgl. die Erläuterungen zu § 241. Im Übrigen ist der Vorsitzende nicht berechtigt, nach seinem Ermessen das Kreuzverhör zu schließen und die weitere Vernehmung selbst zu übernehmen.34 5. Das Fragerecht nach Absatz 2 hat der Vorsitzende erst nach Beendigung des 12 Kreuzverhörs. Er muss dann alle ihm zur Sachaufklärung noch erforderlichen Fragen stellen. Die anderen Beteiligten haben das Fragerecht nach § 240 Abs. 2; sie sind aber nicht berechtigt, in das Kreuzverhör einzugreifen oder es selbst zu führen. Dies gilt für den Verteidiger eines vom Beweisthema nicht betroffenen Mitangeklagten35 ebenso wie für Nebenbeteiligte und Nebenkläger, selbst wenn sie in der Hauptverhandlung anwaltschaftlich vertreten sind,36 oder für den als Zeugenbeistand (§ 406f Abs. 1; § 406g Abs. 2) auf das Beanstandungsrecht nach § 238 Abs. 2, § 242 beschränkten Anwalt.37 6. Sitzungsniederschrift. Die Anträge von Staatsanwalt und Verteidiger, das 13 Kreuzverhör zuzulassen, sind nach § 273 Abs. 1 im Sitzungsprotokoll festzuhalten, desgleichen die Verfügung des Vorsitzenden, die dies ausdrücklich zulässt oder ablehnt. Zu protokollieren ist auch die Tatsache der Zeugeneinvernahme durch Staatsanwalt und

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AK/Schöch 11. KMR/Paulus 5. Erg. Lfg. 1989, 3, 13. Vgl. Gössel § 25 C II b; Peters § 42 IV 1. KMR/Eschelbach 41. Radtke/Hohmann/Britz 10; SK/Frister 12. Gollwitzer FS Sarstedt 26; SK/Frister 7. Amelunxen Nebenkläger 54; Gollwitzer FS Schäfer 84; Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Frister 7. Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt § 406f, 3.

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Verteidiger, wobei, da zum Verfahrensgang gehörend, ersichtlich sein muss, in welcher Reihenfolge Staatsanwalt und Verteidiger den Zeugen befragt haben. Gleiches gilt, wenn der Vorsitzende nach Entzug des Vernehmungsrechts (§ 241 Abs. 1) selbst die Vernehmung fortsetzt. Der wesentliche Inhalt der Aussagen ist dagegen allenfalls nach Maßgabe des § 273 Abs. 2 festzuhalten,38 wobei auch dann nicht die einzelnen Fragen und die darauf erteilten Antworten aus dem Protokoll ersichtlich sein müssen. Zu protokollieren ist auch, wenn der Vorsitzende nach § 241 eine Frage zurückweist oder die Befugnis zur weiteren Vernehmung entzieht, wobei zweckmäßigerweise auch die Vorgänge festzuhalten sind, die zu diesem Einschreiten führten. Der Vorsitzende kann in solchen Fällen, vor allem wenn er das Recht zur weiteren Vernehmung nach § 241 Abs. 1 entzieht, auch die vollständige Protokollierung der sein Einschreiten auslösenden Vorfälle nach § 273 Abs. 3 anordnen.39 7. Rechtsbehelfe 14

a) Anrufung des Vorsitzenden und des Gerichts. Der im Kreuzverhör stehende Zeuge oder Sachverständige kann von sich aus die Entscheidung des Vorsitzenden anrufen, wenn er eine vom Vernehmenden an ihn gerichtete Frage für unzulässig hält. Gegen die Entscheidung des Vorsitzenden kann er gemäß § 238 Abs. 2 das Gericht anrufen.40 Die Befugnis hat in den Fällen des § 406f Abs. 1, § 406g Abs. 2 auch sein Anwalt als Beistand.41 Auch die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte können gegen unzulässige Anordnungen des Vorsitzenden, gegen die fehlerhafte Zulassung oder Nichtzulassung des Kreuzverhörs ebenso wie bei Eingriffen in dieses (§ 241) das Gericht nach § 238 Abs. 2 anrufen.

15

b) Beschwerde. Der Zeuge oder Sachverständige hat bei Verletzung eigener Rechte die Beschwerde nach § 305 Satz 2. Bei Staatsanwaltschaft und Angeklagten sowie den sonstigen Prozesssubjekten schließt § 305 Satz 1 die Beschwerde aus. Vgl. § 238, 40; § 241, 30.

16

c) Revision. Die Entscheidung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 kann später mit der Revision vor allem nach § 338 Nr. 8 beanstandet werden, falls dadurch – was allerdings sehr oft zweifelhaft sein wird – die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt unzulässig beschränkt worden sein sollte. Wegen der Einzelheiten vgl. § 238, 41 ff.; § 241, 31 ff. Wenn ein im Wege des Kreuzverhörs gewonnenes Beweisergebnis gegen einzelne, nicht verteidigte Mitangeklagte verwertet wird, kann dies einen Verstoß gegen § 261 begründen.42

§ 240 Fragerecht § 240 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-038

(1) Der Vorsitzende hat den beisitzenden Richtern auf Verlangen zu gestatten, Fragen an den Angeklagten, die Zeugen und die Sachverständigen zu stellen.

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Vgl. SK/Frister 17 sowie die Erl. bei § 273. Vgl. § 241, 25 sowie die Erl. bei § 273. KK/Schneider 8; KMR/Eschelbach 44; Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Frister 18. Meyer-Goßner/Schmitt § 406f, 3. HK/Julius 6; Radtke/Hohmann/Britz 14; SK/Frister 18.

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(2) 1 Dasselbe hat der Vorsitzende der Staatsanwaltschaft, dem Angeklagten und dem Verteidiger sowie den Schöffen zu gestatten. 2 Die unmittelbare Befragung eines Angeklagten durch einen Mitangeklagten ist unzulässig.

Schrifttum Alsberg Das Vernehmungs- und Fragerecht der Parteien im Strafprozeß, GA 63 (1917) 99; Bär Das Fragerecht des Rechtsanwalts gemäß § 240 StPO: Inhalt, Umfang und Missbrauch (1999); Dähn Der Schutz des Zeugen im Strafprozeß vor bloßstellenden Fragen, JR 1979 138; Degener Zum Fragerecht des Strafverteidigers gem. § 240 Abs. 2 StPO, StV 2002 618; Dehne-Niemann „Nie sollst du mich befragen“ – Zur Behandlung des Rechts zur Konfrontation mitbeschuldigter Belastungszeugen (Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK) durch den BGH, HRRS 2010 189; Dölp Dürfen Fragen von Berufsrichtern anläßlich der Beweisaufnahme beanstandet werden? NStZ 1993 419; Eisenberg Vernehmung und Aussagen (insbesondere) im Strafprozeß aus empirischer Sicht, JZ 1984 912, 961; ders. Zeugenschutzprogramme und Wahrheitsermittlung im Strafprozess, FS Fezer (2008) 193; Frister Beschleunigung der Hauptverhandlung durch Einschränkung von Verteidigungsrechten, StV 1994 445; Gaede Parteirechte der Verteidigung im deutschen Inquisitionsprozess – das Beispiel des Vernehmungs- und Fragerechts, StV 2012 51; Gerst Wiederholungsfragen in der Hauptverhandlung – Alltägliches Prozessgeschehen im Brennglas von Rechtsprechung, Literatur und Praxis, StRR 2011 168; Gleß Die Würde des Zeugen ist antastbar? FS Paeffgen (2015) 703; Gollwitzer Das Fragerecht des Angeklagten, GedS Meyer (1990) 147; Gössel Empfehlen sich Änderungen des Strafverfahrensrechts mit dem Ziel, ohne Preisgabe rechtsstaatlicher Grundsätze den Strafprozeß, insbesondere die Hauptverhandlung, zu beschleunigen? 60. DJT (1994) Gutachten C; Granderath Schutz des Tatopfers im Strafverfahren, MDR 1983 797; Griesbaum Der gefährdete Zeuge, NStZ 1998 433; Helmken Zur Zulässigkeit von Fragen nach der sexuellen Vergangenheit von Vergewaltigungsopfern, StV 1983 81; Kraß Die Frage in juristischer, sozialwissenschaftlicher und körpersprachlicher Sicht, ZRP 1993 266; Krey Probleme des Zeugenschutzes im Strafverfahren, GedS Meyer (1990) 239; Kröpil Zum Begriff des Mißbrauchs in §§ 241 Abs. 1, 138a Abs. 1 Nr. 2 StPO, JR 1997 315; ders. Die Bedeutung der strafprozessualen Verfahrensziele für den Mißbrauch strafprozessualer Befugnisse, JZ 1998 135; Lemke-Küch Das Fragerecht der Nebenklage, StraFo 2018 369; Malmendier „Konfliktverteidigung“ – ein neues Prozeßhindernis? NJW 1997 227; Miebach Entziehung des Fragerechts im Strafprozeß? DRiZ 1977 140; Nack Verteidigung bei der Glaubwürdigkeitsbeurteilung von Aussagen, StV 1994 555; Niemöller Rechtsmißbrauch im Strafprozeß, StraFo 1996 104; Niethammer Die Stellung des Vorsitzenden und die Vernehmung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, JZ 1951 132; Ott Das Fragerecht in der Hauptverhandlung, JA 2008 529; Prüfer Sachverhaltsermittlung durch Spurenauswertung und Zeugenbefragung am Beispiel des Schwurgerichtsprozesses – Chancen, Fehler und Versäumnisse der Verteidigung, StV 1993 602; Roggan Der polizeiliche Zeugenschutz in der Hauptverhandlung, GA 2012 434; Rüping Der Mißbrauchsgedanke im Strafprozeßrecht und sein Mißbrauch, JZ 1997 865; Salditt Der Verteidiger vernimmt Zeugen – was britische Handbücher raten, StV 1988 451; Schünemann Hände weg von der kontradiktorischen Struktur der Hauptverhandlung! StV 1993 607; Seibert Beanstandung von Fragen des Vorsitzenden durch den Verteidiger, JR 1952 470; Sommer Fragen an den Zeugen – Vorhalte an das Recht, StraFo 2010 102; ter Veen Die Beschneidung des Fragerechts und die Beschränkung der Verteidigung als absoluter Revisionsgrund, StV 1983 167; Traut/Burkhard Verbot von Wiederholungsfragen contra Wahrheitsfindung? StraFo 2003 38; Wagner Der Mißbrauch des Selbstladungsrechts des Angeklagten – KG JR 1971, 338, JuS 1972 315; Walther Zur Frage eines Rechts des Beschuldigten auf „Konfrontation von Belastungszeugen“, GA 2003 204; Wollweber Beistand in allen Lebens- und Prozeßlagen? NJW 1999 620; Wulf Opferschutz im Strafprozeß (Rechtliche Gebote und faktische Möglichkeiten), DRiZ 1981 374. Vgl. ferner das Schrifttum bei § 238 und wegen der Sonderprobleme kindlicher oder gefährdeter Zeugen bei § 247a.

Entstehungsgeschichte Nach der ursprünglichen Fassung der Vorschrift war neben der Vernehmung des Angeklagten durch den Vorsitzenden (§ 238 Abs. 1) ein Recht anderer Prozessbeteiligter, den Angeklagten selbst zu befragen, nicht vorgesehen. Der Vorsitzende konnte ihnen 495

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aber nach freiem Ermessen gestatten, selbst Fragen an den Angeklagten zu richten.1 Der Gesetzgeber wollte damit eine faire, einheitliche und unvoreingenommene Vernehmung des Angeklagten gewährleisten. Außerdem glaubte er die Wahrheitsfindung dadurch am besten gesichert, dass er den übrigen Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit entzog, die Einlassung des Angeklagten durch Fragen zu beeinflussen.2 Erst Art. 3 Nr. 108 VereinhG fügte in Absatz 1 die Worte „den Angeklagten“ ein und erweiterte gleichzeitig den Absatz 2 um Satz 2. Durch Art. IV Nr. 5 PräsVerfG wurde in Absatz 2 die Erwähnung der Geschworenen gestrichen. Bezeichnung bis 1924: § 239.

1. 2.

3.

4.

1

Übersicht Zweck der Vorschrift | 1 Anwendungsbereich a) Zeugen unter 18 Jahren | 2 b) Kommissarische Vernehmung | 3 Frageberechtigte Prozessbeteiligte | 4 a) Berufsrichter (Absatz 1) | 5 b) Schöffen, Staatsanwalt, Verteidiger, Angeklagter (Absatz 2 Satz 2) | 6 c) Sonstige Frageberechtigte | 8 Nicht frageberechtigte Prozessbeteiligte | 9

5.

6.

7. 8.

Die Frageadressaten a) Angeklagter, Zeugen, Sachverständige | 10 b) Befragung des Mitangeklagten (Absatz 2 Satz 2) | 11 Ausübung des Fragerechts a) Zeitpunkt | 12 b) Unmittelbarkeit der Befragung | 14 c) Einschaltung des Vorsitzenden | 15 d) Form der Befragung | 16 e) Eingreifen des Vorsitzenden | 17 Sitzungsniederschrift | 18 Revision | 19

1. Zweck der Vorschrift. Das Fragerecht dient der umfassenden Sachaufklärung und damit der Ermittlung der materiellen Wahrheit. Als eine für ein rechtsstaatliches Strafverfahren grundlegende Befugnis3 soll es den Prozessbeteiligten ermöglichen, von sich aus aktiv auf die vollständige Erörterung des Verfahrensgegenstandes und auf die bestmögliche Ausschöpfung der persönlichen Beweismittel hinzuwirken. Für die Richter ist es eine unerlässliche Voraussetzung für die eigene Meinungsbildung, für den Angeklagten und seinen Verteidiger ein ebenso notwendiges Mittel, die Verteidigung effektiv zu führen.4 Wird das Fragerecht in angemessener Form und unter Respektierung der Persönlichkeitsrechte der befragten Person ausgeübt,5 so trägt es entscheidend dazu bei, dass die Hauptverhandlung den Erfordernissen eines rechtsstaatlichen, „fairen“ Verfahrens (vgl. Art. 6 Abs. 1 EMRK) genügt, in dem alle Umstände angesprochen werden können, die einem Beteiligten wichtig erscheinen. Das Recht, Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen, gehört nach Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK, Art. 14 Abs. 3 lit. e IPBPR zu den auch von den Menschenrechtspakten geforderten Mindestrechten des Angeklagten.6

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1 Vgl. RGSt 68 110, 111 f. m.w.N. 2 Niethammer JZ 1951 132; Schorn Strafrichter 196 f.; AK/Schöch 1; Eb. Schmidt 1. 3 Vgl. BGHSt 9 24, 27 für das Fragerecht des Angeklagten. 4 Zur Verankerung des Fragerechts des Angeklagten in seiner von der Verfassung vorgegebenen Stellung als Prozesssubjekt und seinem daraus folgenden Recht auf Verteidigung vgl. Eisenberg (Beweisrecht) 793. 5 Vgl. dazu BGHSt 48 372; BGH NJW 2005 1519; NStZ 2005 579; OLG Hamburg NStZ 1998 586, 587 m. Anm. Kudlich. 6 Zum Fragerecht nach den Menschenrechtspakten s. etwa LR/Esser26 Art. 6, 758 ff. EMRK; Gollwitzer GedS Meyer 140 ff.; Renzikowski FS Mehle 529 ff.; Walther GA 2003 212 ff.; vgl. etwa auch BVerfG NStZ 2007 534; BGHSt 46 93; 51 150; BGH NStZ 2004 505; 2009 581 m. abl. Bespr. Dehne-Niemann HRRS 2010 189; NStZ-RR 1996 334; 2005 321; StV 2005 533; 2007 226; EGMR StV 2002 289 m. Anm. Pauly. Unzutreffend KMR/Eschelbach 4, 9, 15 sowie MüKo/Gaede 1, 3, 7 und ders. StV 2012 56 f., die den Regelungsgehalt des § 240 aushebeln und „insbesondere bei Belastungszeugen“ aus Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK (bzw. dem GG)

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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2. Anwendungsbereich a) § 240 gilt nicht für die Befragung von Zeugen unter 18 Jahren. Diese sind nach 2 der vorgehenden Sondervorschrift des § 241a grundsätzlich allein vom Vorsitzenden zu vernehmen. Eine unmittelbare Befragung durch andere Verfahrensbeteiligte darf er nur zulassen, wenn ein Nachteil für das Wohl des Zeugen nicht zu befürchten ist (§ 241a Abs. 2 Satz 2; s. dazu näher § 241a, 7 ff.). b) Bei der kommissarischen Vernehmung eines sonstigen Zeugen oder Sachver- 3 ständigen haben die anwesenden Verfahrensbeteiligten das Fragerecht.7 Ebenso wie in der Hauptverhandlung gilt dies auch dann, wenn die Vernehmung in der Form des § 247a8 durchgeführt wird. Ist ihnen – gleich aus welchen Gründen – die Teilnahme nicht möglich, können sie verlangen, dass der vernehmende Richter die von ihnen schriftlich eingereichten Fragen stellt.9 3. Die frageberechtigten Prozessbeteiligten werden in § 240 in zwei Absätzen be- 4 nannt, während die Personen, die befragt werden dürfen, allein in Absatz 1 aufgezählt sind. Diese Aufteilung findet ihren Grund in § 241 Abs. 2, der dem Vorsitzenden nur gestattet, Fragen der in § 240 Abs. 2 genannten Prozessbeteiligten zurückzuweisen, nicht dagegen solche der beisitzenden Richter. a) Frageberechtigt sind nach Absatz 1 die beisitzenden Berufsrichter. Hierzu zäh- 5 len auch die Ergänzungsrichter, die gemäß § 192 Abs. 2 GVG zugezogen worden sind.10 b) Nach Absatz 2 Satz 1 sind frageberechtigt die Schöffen (einschließlich der nach 6 § 192 Abs. 2 und 3 GVG zugezogenen Ergänzungsschöffen),11 ferner der Staatsanwalt,12 der Verteidiger und der Angeklagte. Das Fragerecht des Angeklagten besteht unabhängig von demjenigen seines Ver- 7 teidigers. Er darf daher nicht darauf verwiesen werden, Fragen nur über seinen Verteidiger zu stellen. Dies gilt auch dann, wenn er von seinem Recht Gebrauch macht (s. § 243 Abs. 5 Satz 1), zum Anklagevorwurf zu schweigen.13 Die Befugnis des Angeklagten zur Befragung eines Zeugen wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass er während dessen Vernehmung gemäß § 247 aus dem Sitzungssaal verwiesen wird. Vielmehr ist ihm im Anschluss an die Unterrichtung gemäß § 247 Satz 4 Gelegenheit zu geben, über den Vorsitzenden oder den Verteidiger ergänzende Fragen an den Zeugen stellen zu lassen. Wird der Angeklagte vor der Entlassung des in seiner Abwesenheit vernommenen Zeugen

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eine Erweiterung des Fragerechts von Angeklagtem und Verteidiger zu einem – letztlich dem § 239 Abs. 1 Satz 1 entsprechenden – „Vernehmungsrecht“ konstruieren wollen; s. auch unten Rn. 16. 7 BGHSt 9 24, 27; vgl. die Erl. zu § 224. 8 Insoweit richtet sich das Verfahren nicht nach § 168e, denn die kommissarische Vernehmung folgt als Vorwegnahme eines Teils der Hauptverhandlung auch den diesen Verfahrensabschnitt betreffenden Regeln, vgl. Meyer-Goßner/Schmitt § 223, 20 m.w.N.; a.A. LR/Erb § 168e, 6. 9 BGH NStZ 1983 421; 1993 292; vgl. Gollwitzer GedS Meyer 163; s. die Erl. zu § 224. 10 RGSt 67 276, 277; OLG Celle NdsRpfl. 1973 110. 11 RGSt 67 276, 277; Meyer-Goßner/Schmitt 3. 12 Amtsanwälte dürfen das Amt des Staatsanwalts nur vor den Amtsgerichten ausüben (§ 142 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 145 Abs. 2 GVG); nur dort steht ihnen daher das Fragerecht zu, nicht dagegen vor den Landgerichten, auch wenn sie im Einzelfall zur Unterstützung des Staatsanwalts an der Hauptverhandlung teilnehmen: BGH NStZ 2012 344 f. 13 BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 205; Meyer-Goßner/Schmitt 10; SK/Frister 7; Gollwitzer GedS Meyer 151 ff.

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nicht gemäß § 247 Satz 4 unterrichtet, so ist daher auch sein Fragerecht nach § 240 Abs. 2 verletzt.14 Ebenso kann der gemäß § 233 befugt der Hauptverhandlung fernbleibende Angeklagte verlangen, dass andere Verfahrensbeteiligte bestimmte Fragen an die in seiner Abwesenheit zu vernehmenden Beweispersonen stellen (§ 233, 41). Ist er dagegen unbefugt nicht erschienen oder hat er sich eigenmächtig entfernt (§ 231 Abs. 2, § 232), so steht ihm dieses Recht nicht zu.15 Das Fragerecht verliert auch der Angeklagte, gegen den nach § 231a oder § 231b in seiner Abwesenheit verhandelt wird. Wird er wieder zugelassen, lebt das Fragerecht hinsichtlich der bereits entlassenen Zeugen nicht wieder auf.16 8

c) Sonstige Frageberechtigte. Die Aufzählung der frageberechtigten Prozessbeteiligten in Absatz 2 ist nicht abschließend.17 Vielmehr wird in anderen Vorschriften weiteren möglichen Teilnehmern an der Hauptverhandlung das Fragerecht ebenfalls eingeräumt, so dem Privatkläger (§ 385 Abs. 1 Satz 1) und dem Nebenkläger (§ 397 Abs. 1 Satz 3)18 nebst ihren Rechtsbeiständen oder Vertretern (§ 378 Satz 1, § 397 Abs. 2), dem Adhäsionskläger und seinem Rechtsbeistand, soweit es um die Begründung seines vermögensrechtlichen Anspruchs geht (vgl. § 404 Abs. 3 und 5),19 dem Einziehungs- oder sonstigen Nebenbeteiligten (§ 427 Abs. 1 Satz 1, § 439), dem Nebenbetroffenen (§ 438 Abs. 3 Satz 1, § 427 Abs. 1 Satz 1) sowie dem Vertreter einer bußgeldbeteiligten juristischen Person oder Personenvereinigung (§ 444 Abs. 2 Satz 2, § 427 Abs. 1 Satz 1) nebst deren jeweiligen Prozessbevollmächtigten (§ 428). Das gleiche Recht haben nach § 67 Abs. 1, § 69 Abs. 3 JGG der gesetzliche Vertreter, der Erziehungsberechtigte und der Beistand eines jugendlichen Angeklagten. Auch der als Beistand eines erwachsenen Angeklagten zugelassene Ehegatte (§ 149 Abs. 1 Satz 1) oder gesetzliche Vertreter (§ 149 Abs. 2) ist frageberechtigt i.S.d. § 240 Abs. 2;20 denn nur dann kann er von seiner Befugnis, auf Verlangen gehört zu werden, sachgerecht Gebrauch machen. Das Fragerecht des Sachverständigen ist in § 80 Abs. 2 geregelt, das des Vertreters der Finanzbehörde im Steuerstraf- und Bußgeldverfahren in § 407 Abs. 1 Satz 5, § 410 Abs. 1 Nr. 11 AO.21

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4. Nicht frageberechtigte Prozessbeteiligte. Kein Fragerecht hat der Zeuge (was selbstverständlich nicht ausschließt, dass er sich zum Sinn einer Frage durch Rückfrage versichert), sein Beistand (§ 68b), der Beistand oder die Vertrauensperson eines Verletzten (§ 406f) oder der Beistand des nebenklageberechtigten Verletzten (§ 406h Abs. 1 und 2).22 Jedoch kann der Vorsitzende im Rahmen der Verhandlungsleitung (§ 238 Abs. 1) den Prozessbeteiligten, denen das Gesetz kein Fragerecht einräumt, gestatten, unmittelbare Fragen an den Angeklagten, einen Zeugen oder einen Sachverständigen zu richten, wenn er dies nach seinem pflichtgemäßen Ermessen – insbesondere im Interesse der Wahrheitsfindung – für zweckmäßig hält und die berechtigten Interessen der anderen

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14 BGH NJW 1985 1478, 1479; NStZ 1995 557. 15 Gollwitzer GedS Meyer 161; SK/Frister 19; a.A. MüKo/Gaede 13. 16 Gollwitzer GedS Meyer 162. 17 BGH NJW 1969 437, 438. 18 Dazu Lemke-Küch StraFo 2018 369 ff. 19 Stoffers/Möckel NJW 2013 830; Meyer-Goßner/Schmitt § 404, 9. 20 BGHSt 44 82, 86; 47 62, 64; AK/Schöch 4; KK/Schneider 3; Meyer-Goßner/Schmitt 3; a.A. BayObLGSt 1997 165 = BayObLG NJW 1998 1655 m. abl. Anm. Wollweber NJW 1999 620; KMR/Eschelbach 21; SK/Frister 9; SSW/Franke 4. 21 Im normalen Bußgeldverfahren hat der Vertreter der Verwaltungsbehörde kein Fragerecht: OLG Stuttgart Justiz 1973 399; vgl. Göhler/Seitz § 76, 18. 22 BGH NJW 2005 377 m. Anm. Ventzke NStZ 2005 396; Meyer-Goßner/Schmitt 3; SK/Frister 9; a.A. AnwK-StPO/Sommer 3.

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Verfahrensbeteiligten hierdurch nicht beeinträchtigt werden.23 Er kann es daher im Einzelfall auch zulassen, dass ein Zeuge einem anderen Zeugen Fragen stellt oder ihm Vorhalte macht.24 Dies darf aber nicht dazu führen, dass einem nicht frageberechtigten Beteiligten ein umfassendes Fragerecht wie den in § 240 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Genannten eingeräumt wird.25 5. Die Frageadressaten a) Befragt werden können nach § 240 der Angeklagte, die Zeugen und die Sachver- 10 ständigen. Voraussetzung ist jedoch, dass der jeweilige Adressat der Frage in der Hauptverhandlung anwesend ist;26 denn aus § 240 kann nicht das Recht abgeleitet werden, zur Befragung weiterer Beweispersonen deren Ladung zur Hauptverhandlung zu verlangen.27 Gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten besteht kein Fragerecht, insbesondere nicht gegenüber Staatsanwalt oder Verteidiger.28 Diese dürfen nur befragt werden, wenn sie aufgrund eines nicht ablehnbaren Beweisantrags vernommen werden und hierdurch die Stellung eines Zeugen erlangen.29 Sie können aber außerhalb der Sachaufklärung vom Vorsitzenden im Rahmen seiner Verhandlungsleitung (§ 238 Abs. 1) befragt werden, etwa zu verfahrenstechnischen Punkten.30 Er kann daher auch von den in § 240 genannten Frageberechtigten um eine derartige Nachfrage ersucht werden. b) Befragung des Mitangeklagten (Absatz 2 Satz 2). Richtet sich das Verfahren 11 gegen mehrere Mitangeklagte, so dürfen diese sich nach Absatz 2 Satz 2 nicht unmittelbar gegenseitig befragen. Wünscht ein Angeklagter an einen Mitangeklagten eine Frage zu richten, so muss er sich daher an den Vorsitzenden wenden. Dieser hat dann die Frage, sofern sie zulässig ist, dem Mitangeklagten zu stellen. Das genügt den Erfordernissen des Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK31 und ist verfassungsgemäß.32 Nach dem eindeutigen Wortlaut des Absatzes 2 Satz 2 ist die unmittelbare Befragung eines Angeklagten durch einen Mitangeklagten schlechthin unzulässig.33 Der Vorsitzende darf es daher auch nicht im Rahmen der ihm übertragenen Verhandlungsleitung (§ 238 Abs. 1) erlauben, dass ein Angeklagter an seinen Mitangeklagten unmittelbar eine Frage richtet; denn die Verhandlungsleitung muss die ihr gesetzlich gezogenen Grenzen respektieren. Dass es dem Vorsitzenden vor Inkrafttreten des VereinhG (vgl. die Entstehungsgeschichte), als die Befragung des Angeklagten noch sein alleiniges Recht war, frei stand, nach seinem Ermessen

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23 Vgl. RGSt 48 247, 250; BGH GA 1968 308; NJW 1969 437, 438; 2005 377 m. krit. Anm. Ventzke NStZ 2005 396; OLG Celle MDR 1969 780, 781; OLG Stuttgart Justiz 1973 399; KMR/Eschelbach 23; Eb. Schmidt 7; SK/Frister 10. 24 RG GA 50 (1903) 274; KK/Schneider 4; Meyer-Goßner/Schmitt 3; SK/Frister 10. 25 BGH NStZ 2012 344 f. (Amtsanwalt vor Landgericht). 26 Meyer-Goßner/Schmitt 1. 27 Gollwitzer GedS Meyer 156; SK/Frister 6. 28 AK/Schöch 3; HK/Julius 3; KK/Schneider 2; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Eb. Schmidt 5 sowie I 109; SK/Frister 6; Gollwitzer GedS Meyer 158. 29 SK/Frister 6; vgl. HK/Julius 3. 30 HK/Julius 3; SK/Frister 6; Gollwitzer GedS Meyer 158. 31 BGH NStZ-RR 1996 334; vgl. Rn. 1 sowie LR/Esser26Art. 6, 787 EMRK; a.A. Renzikowski FS Mehle 533; KMR/Eschelbach 30. 32 BVerfG NJW 1996 3408; zweifelnd Roxin/Schünemann § 44, 19; ablehnend MüKo/Gaede 26 („unverhältnismäßige Pauschalentrechtung des Angeklagten“). 33 BGH NStZ-RR 1996 334; KK/Schneider 7; Meyer-Goßner/Schmitt 10; Eb. Schmidt 7; SK/Frister 17; SSW/Franke 8; vgl. dazu Dahs (Hdb.) 532.

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anderen Beteiligten zu erlauben, Fragen an den Angeklagten zu richten,34 besagt demgegenüber nichts;35 denn zu diesem Zeitpunkt galt das Verbot des Absatz 2 Satz 2 noch nicht. Dieses Verbot trifft im Übrigen auch für einen angeklagten Rechtsanwalt zu, der sich selbst verteidigt36 oder der zugleich Nebenkläger ist.37 Der Verteidiger eines Mitangeklagten ist durch Absatz 2 Satz 2 jedoch nicht gehindert, einen anderen Angeklagten zu befragen.38 Ist dieser nicht bereit, die Fragen zu beantworten, so ist das Gericht auch mit Blick auf Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK nicht verpflichtet, dessen Aussagebereitschaft zu fördern; es hat vielmehr das Recht auf Selbstbelastungsfreiheit zu respektieren, muss jedoch im Rahmen der Würdigung der Angaben des Angeklagten berücksichtigen, dass er sich den Fragen des Verteidigers des Mitangeklagten nicht gestellt hat.39 6. Ausübung des Fragerechts 12

a) Zeitpunkt. Die Frageberechtigten dürfen ihre Befugnis nicht zu jedem ihnen beliebigen Zeitpunkt und in jedem ihnen genehmen Zusammenhang ausüben; insbesondere ist es ihnen nicht gestattet, den Vorsitzenden oder einen anderen Verfahrensbeteiligten bei der Befragung zu unterbrechen, um eigene Fragen zu stellen.40 Vielmehr hat der Vorsitzende ihrem Verlangen auf Ausübung des Fragerechts erst dann nachzukommen, wenn er selbst die Vernehmung des Angeklagten, Zeugen oder Sachverständigen beendet hat.41 Es liegt jedoch in seinem Ermessen, auch vorher bereits eine Zwischenfrage zuzulassen.42 Auch nach der Beendigung der Vernehmung durch den Vorsitzenden entscheidet dieser in Ausübung der Verhandlungsleitung, wann er den Frageberechtigten das Wort erteilt.43 Wollen mehrere Berechtigte vom Fragerecht Gebrauch machen, bestimmt er insbesondere, in welcher Reihenfolge sie zu fragen haben. Er ist an keine bestimmte Reihenfolge gebunden.44 Es liegt in seinem von Aufklärungspflicht und prozessualer Zweckmäßigkeit bestimmten Ermessen, ob er dabei die Übung einhalten will, zunächst den Berufs- und Laienrichtern und dann zuerst dem Prozessbeteiligten die Befragung zu gestatten, der den Zeugen benannt hat,45 oder ob er vorab den Angeklagten nach § 257 befragen und ihm hierbei Gelegenheit zu eigenen Fragen geben will.46 Hat sich eine Beweisperson zu einem gutachtensrelevanten Sachverhalt geäußert, kann es förderlich sein, zuerst dem anwesenden Sachverständigen Gelegenheit zu geben, hierzu seine Fragen zu stellen.

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34 RGSt 48 247, 250. 35 A.A. AnwK-StPO/Sommer 12. 36 BVerfGE 53 207, 215; Meyer-Goßner/Schmitt 10; SK/Frister 16. 37 Meyer-Goßner/Schmitt 10; SK/Frister 16; vgl. bei § 397. 38 BGHSt 16 67, 68 = JR 1961 429 m. Anm. Eb. Schmidt; KK/Schneider 7; Meyer-Goßner/Schmitt 10; SK/Frister 16. 39 BGH NStZ 2009 581 m. abl. Bespr. Dehne-Niemann HRRS 2010 189. 40 BGHSt 16 67, 70 = JR 1961 429 m. Anm. Eb. Schmidt; OLG Hamm StV 1993 462. 41 AK/Schöch 8; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Eb. Schmidt 2; SK/Frister 11. 42 Vgl. Lemke-Küch StraFo 2018 371 f. 43 BGHSt 16 67, 70 = JR 1961 m. Anm. Eb. Schmidt; BGH NJW 1969 437, 438. 44 BGH NJW 1969 437, 438; KK/Schneider 9; Meyer-Goßner/Schmitt 7; SSW/Franke 9; Heinrich 144 f.; a.A. Sommer StraFo 2010 107 f.: Recht der Verteidigung auf Zeugenbefragung unmittelbar nach Berufsrichtern und Schöffen. 45 Preisler NJW 1949 417; Sauer NJW 1947/48 683; Schorn Strafrichter 197; KMR/Eschelbach 27; SK/Frister 12; a.A. MüKo/Gaede 21 (auf „geeignete Anträge“ der Verteidigung zu gestatten, von ihr benannte Zeugen oder Sachverständige direkt nach den Gerichtsmitgliedern zu befragen). 46 KK/Schneider 9; ferner AK/Schöch 8, der einen Verstoß gegen die Waffengleichheit sieht, wenn der Angeklagte stets nur als Letzter fragen darf. Vgl. ferner LG Essen StV 1991 104 Ls.: Erst Abfragen der Erinnerung durch alle, dann Vorhalte; s. dazu auch Salditt StraFo 1990 56 f.

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Das Fragerecht gegenüber einem Zeugen und Sachverständigen dauert wäh- 13 rend der ganzen ihn betreffenden Beweisaufnahme an und besteht fort, bis er einverständlich entlassen worden ist.47 Dies darf daher nicht ohne Anhörung der Frageberechtigten (vgl. auch § 248 Satz 2) oder gegen deren Widerspruch geschehen; wird das nicht beachtet, verletzt die Entlassung der Beweisperson daher unter Umständen das Fragerecht.48 Vor der Entlassung können die Frageberechtigten jederzeit verlangen, dass erneut in die Vernehmung der Beweisperson eingetreten wird, damit dieser weitere Fragen gestellt werden können. Diese dürfen allenfalls nach § 241 Abs. 2 zurückgewiesen werden.49 Nach der Entlassung ist über das Begehren, an den Zeugen oder Sachverständigen weitere Fragen zu richten, dagegen nur noch nach den Maßstäben des Beweisantragsrechts zu befinden.50 Dies gilt unabhängig davon, ob der Zeuge oder Sachverständige zufällig noch anwesend geblieben ist;51 denn die Regeln strafprozessualer Beweisaufnahme dürfen nicht von derartigen Zufälligkeiten abhängen.52 Es bedarf daher stets eines förmlichen Beweisantrags mit einem neuen Beweisthema. Das Verlangen, eine bereits vernommene und entlassene Beweisperson zu befragen, kann indessen einen derartigen Beweisantrag enthalten.53 Der Angeklagte kann bis zum Beginn der Urteilsverkündung befragt werden.54 b) Unmittelbarkeit der Befragung. Das Recht, Angeklagte, Zeugen und Sachver- 14 ständige selbst zu fragen, bedeutet, dass die Verfahrensbeteiligten den Vorsitzenden nur wegen der zur Verhandlungsleitung (§ 238 Abs. 1) gehörenden formellen Erteilung des Wortes,55 nicht aber wegen des Inhalts der von ihnen beabsichtigten Fragen einschalten müssen. Der Vorsitzende muss ihnen die Befragung gestatten. Er kann grundsätzlich nicht verlangen, dass ihm vorher mitgeteilt wird, welche Fragen gestellt werden,56 oder dass Fragen nur indirekt über ihn gestellt werden.57 Hat er Zweifel, ob eine gestellte Frage zulässig ist, so kann er, bevor er sie nach § 241 Abs. 2 zurückweist, von dem Fragenden verlangen, dass er sie ergänzt oder näher erläutert.58 Er darf aber die Zulassung der Frage nicht davon abhängig machen, dass der Fragende Briefe oder sonstige Beweismittel, auf die sich die Frage bezieht, dem Gericht vorlegt.59 Hat allerdings ein Frageberechtigter seine Befugnis bereits in einer Weise missbraucht, die ihre Entziehung (vgl. § 241, 24) rechtfertigen würde, dann kann der Vorsitzende als milderes Mittel zur Verhütung

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47 RGSt 55 99, 100; BGHSt 15 161, 163; 55 87, 93; KK/Schneider 10; Meyer-Goßner/Schmitt 8; SK/Frister 11. 48 Vgl. BGH StV 1985 355; 1996 248; OLG Stuttgart NStZ 1994 600. 49 RGSt 55 99, 100. 50 BGHSt 15 161, 163; Eb. Schmidt Nachtr. I 10. 51 A.A. Eisenberg (Beweisrecht) 796, der das Fragerecht auch gegenüber einem bereits entlassenen Zeugen oder Sachverständigen fortbestehen sieht, solange er sich noch nicht entfernt hat. Wiederum anders MüKo/Gaede 23, der in diesen Fällen § 245 anwenden will. 52 Andererseits wird es aber kaum je einen die Revision begründenden Rechtsfehler darstellen, wenn die weitere Befragung einer bereits entlassenen, aber noch anwesenden Beweisperson formlos zugelassen wird. 53 BGHSt 15 161, 163; BGH GA 1958 305, 306; KK/Schneider 10; Meyer-Goßner/Schmitt 8; Eb. Schmidt Nachtr. I 10. 54 SK/Frister 11. 55 Vgl. Seibert JZ 1959 349 (für die beisitzenden Richter); ferner § 238, 3. 56 RGSt 18 365, 366; 38 57, 58; AK/Schöch 6; KK/Schneider 6; Meyer-Goßner/Schmitt 9; SK/Frister 4. 57 RGSt 38 57, 58. 58 BGHSt 16 67, 69 = JR 1961 429 m. Anm. Eb. Schmidt; vgl. § 241, 20. 59 BGHSt 16 67, 69 = JR 1961 429 m. Anm. Eb. Schmidt; AK/Schöch 6; KK/Schneider 6; Meyer-Goßner/ Schmitt 9; SK/Frister 4.

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weiteren Missbrauchs verlangen, dass ihm die weiteren Fragen vorher mündlich oder schriftlich mitgeteilt werden.60 15

c) Einschaltung des Vorsitzenden. Die zur unmittelbaren Befragung berechtigten Verfahrensbeteiligten sind nicht gehindert, den Vorsitzenden zu ersuchen, für sie eine bestimmte Frage zu stellen. Der Vorsitzende ist dazu aber nicht verpflichtet.61 Er kann ein solches Ansuchen ablehnen, muss dann aber den Antragsteller auf sein eigenes Fragerecht hinweisen.62

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d) Form der Befragung. Der Fragende muss einzelne, genau umrissene und auf einen bestimmten Sachumstand beschränkte Fragen stellen. Er ist nicht berechtigt, zusammenhängende Erklärungen über einen ganzen Tatsachenkomplex zu verlangen; denn die Befragung darf nicht zur Vernehmung werden.63 Fragen in der Form eines kurzen Vorhalts sind zulässig,64 desgleichen kurze Ausführungen zum besseren Verständnis der Frage.65 Jedoch dürfen diese nicht in ein Plädoyer ausarten, das den aktuellen Teil der Beweisaufnahme vorab würdigt.66 Nicht jeder Frageberechtigte muss eine von ihm für notwendig erachtete Frage selbst ausdrücklich stellen. Vielmehr kann er sich der entsprechenden Frage eines anderen Beteiligten – auch konkludent – anschließen.67 Wird die Frage zu Unrecht zurückgewiesen, kann er dies daher als Verletzung seines eigenen Fragerechts geltend machen (vgl. § 241, 31).

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e) Eingreifen des Vorsitzenden. Hat der Vorsitzende einem Frageberechtigten das Wort zur Befragung erteilt, so übt dieser als Prozesssubjekt ein ihm gesetzlich eingeräumtes Recht aus, das nicht zur beliebigen Disposition des Vorsitzenden im Rahmen der Verhandlungsleitung steht.68 Der Vorsitzende ist daher grundsätzlich nur dann befugt, in die Befragung einzugreifen, wenn dies notwendig ist, um unzulässige Fragen gemäß § 241 Abs. 2 zurückzuweisen (s. auch Rn. 14). Ansonsten darf er, solange der Fragende sein Recht prozessordnungsgemäß ausübt, diesen in aller Regel nicht unterbrechen,69 etwa um eine

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60 RGSt 18 365, 367 (aufgegeben in RGSt 38 57, 58); BGH NStZ 1982 158, 159; BGH bei Pfeiffer NStZ 1983 209; Gollwitzer GedS Meyer 168; Wagner JuS 1972 316; KK/Schneider § 241, 16; Meyer-Goßner/Schmitt 9; a.A. Miebach DRiZ 1977 141; ter Veen StV 1983 168. Zum Streitstand hinsichtlich der Entziehung des Fragerechts vgl. § 241, 24. 61 RGSt 29 147, 149; RG JW 1922 1035 m. abl. Anm. Alsberg; KG JW 1932 678, 679; Seibert JZ 1959 349 (für die beisitzenden Richter); a.A. MüKo/Gaede 5 (Vorsitzender zur Stellung der Frage verpflichtet, wenn sie von der Aufklärungspflicht geboten ist). 62 Meyer-Goßner/Schmitt 9; SK/Frister 20. 63 AK/Schöch 7; KK/Schneider 5; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Radtke/Hohmann/Britz 11; Eb. Schmidt 9; SSW/Franke 6; a.A. HK/Julius 7; KMR/Eschelbach 4, 9, 15; MüKo/Gaede 7 (aus Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK abzuleitende „Annäherung an ein Vernehmungsrecht“ des Angeklagten und Verteidigers „insbesondere bei Belastungszeugen“ mit der Folge einer „tendenziellen Dopplung der Vernehmung“); SK/Frister 5; Gaede StV 2012 56; Sommer StraFo 2010 108 (bei Befragung zu „einem völlig anders gearteten Vernehmungsgegenstand“); zur Frageform vgl. ferner Eisenberg JZ 1984 918; ders. (Beweisrecht) 542 ff., 1329 ff. 64 AK/Schöch 7; KK/Schneider 5; Meyer-Goßner/Schmitt 5. 65 Dahs (Hdb.) 525; Schorn Strafrichter 199. 66 KK/Schneider 5. 67 BGH StV 1982 205; HK/Julius 10. 68 A.A. BGH NStZ 1995 143 (allein der Vorsitzende bestimmt über Beginn, Fortsetzung und Abschluss der Befragung); ebenso Pfeiffer 3; ablehnend Degener StV 2002 618; KK/Schneider 6; kritisch auch MeyerGoßner/Schmitt 9; offen gelassen von BGH bei Kusch NStZ 1996 324 für das Fragerecht des Verteidigers nach der Sacheinlassung (§ 243 Abs. 5 Satz 2) des Angeklagten. 69 Dahs (Hdb.) 525; Eb. Schmidt JR 1961 430; Sommer StraFo 2010 108 f.; Radtke/Hohmann/Britz 14; SK/Frister 13.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 240

zulässige Frage in einer anderen Form selbst zu stellen70 oder um einem anderen Frageberechtigten das Wort zu erteilen, der plötzlich seinerseits Fragen stellen will.71 Zwischenfragen darf er nur bei Einwilligung der Fragenden zulassen. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn vorrangige Prozessmaximen ein abweichendes Vorgehen rechtfertigen. Dies mag etwa der Fall sein, wenn ein bisher schweigender Mitangeklagter plötzlich seine Aussagebereitschaft erklärt. Hier kann es die Sachaufklärungspflicht gebieten, die Befragung eines Zeugen durch einen Verfahrensbeteiligten zu unterbrechen und auf einen späteren Verfahrensabschnitt zu verschieben.72 Soweit ein zur Auskunft Verpflichteter die Beantwortung einer Frage verweigert, hat der Vorsitzende einzugreifen, um auf die Beantwortung der Frage hinzuwirken;73 in solchen Fällen kann er dann auch die Frage selbst in einer ihm geeigneter erscheinenden Form wiederholen.74 7. Sitzungsniederschrift. Abgesehen vom Fall des § 273 Abs. 3 Satz 1 müssen weder 18 die Tatsache, dass ein Verfahrensbeteiligter von seinem Fragerecht Gebrauch macht, noch der Inhalt der Frage oder der Antwort in das Protokoll aufgenommen werden; denn hierbei handelt es sich nicht um wesentliche Verfahrensförmlichkeiten im Sinne des § 273 Abs. 1.75 Beinhaltet das Begehren nach weiterer Befragung einer bereits entlassenen Beweisperson einen Beweisantrag (s. Rn. 13), so ist dieser gemäß § 273 Abs. 1 in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen. 8. Revision. Schneidet der Vorsitzende das Fragerecht (§ 240 Abs. 2) ab, indem er 19 nach Anhörung (§ 248 Satz 2)76 einen Zeugen oder Sachverständigen trotz Widerspruchs eines Frageberechtigten vorzeitig entlässt, so liegt hierin ein revisibler Rechtsfehler. Zum Erhalt einer entsprechenden Revisionsrüge muss der hierdurch betroffene Frageberechtigte indes grundsätzlich (zu den Einzelheiten s. § 238, 43 ff.) gegen die Entscheidung des Vorsitzenden gemäß § 238 Abs. 2 das Gericht anrufen.77 Gleiches gilt, wenn der Vorsitzende einem nicht frageberechtigten Verhandlungsteilnehmer die Befragung gestattet, falls dies rechtlich unzulässig oder nach den konkreten Umständen des Falles ermessensmissbräuchlich war und dadurch die Sachaufklärung oder die Wahrnehmung von Verfahrensinteressen beeinträchtigt wurde.78 Dies muss der Revisionsführer unter Angabe der einzelnen Fragen und aller für die Beurteilung maßgebenden Tatsachen dartun, insbesondere auch hinsichtlich der Art der Beeinträchtigung (§ 344 Abs. 2 Satz 2). Lässt der Vorsitzende dagegen eine Befragung nicht zu, weil er den Fragesteller irrtümlich nicht für frageberechtigt hält, so kann dieser dagegen zwar auch auf Entscheidung des Gerichts antragen, muss es für den Erhalt einer entsprechenden Revisionsrüge jedoch nicht; denn das Fragerecht ist gesetzlich bestimmt, sodass der Vorsitzenden dessen Ausübung gestatten muss, ohne dass ihm insoweit eine Beurteilungsspielraum oder Ermessen eingeräumt ist.

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70 Meyer-Goßner/Schmitt 9; SK/Frister 13. 71 OLG Hamm StV 1993 462; SK/Frister 13; vgl. Rn. 12. 72 Vgl. BGH NStZ 1995 143; dazu Kühne 228: die Entscheidung ist als „singuläre Ausnahme“ zu verstehen; zweifelnd Sommer StraFo 2010 109; a.A. KMR/Eschelbach 12; MüKo/Gaede 28 (nicht stets ohne weiteres); SK/Frister 14: nur wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Aussagebereitschaft nur bei sofortiger Vernehmung fortbesteht; KK/Schneider 8; zustimmend dagegen SSW/Franke 9. 73 BGH GA 1968 370; SK/Frister 4. 74 Zur zweckmäßigen Fragetechnik vgl. Eisenberg JZ 1984 915; ders. (Beweisrecht) 1336 ff.; Kraß ZRP 1993 267. 75 BayObLGSt 1966 166, 168; SK/Frister 21. 76 Zur Entlassung der Beweisperson ohne Anhörung der Frageberechtigten s. § 248, 13. 77 BGH StV 1985 355; 1996 248; SSW/Franke 12; s. auch § 248, 13. 78 BGH NJW 2005 377 m. abl. Anm. Ventzke NStZ 2005 396; OLG Celle MDR 1969 780, 781; AK/Schöch 15.

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§ 241 Zurückweisung von Fragen durch den Vorsitzenden § 241 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-039

(1) Dem, welcher im Falle des § 239 Abs. 1 die Befugnis der Vernehmung mißbraucht, kann sie von dem Vorsitzenden entzogen werden. (2) In den Fällen des § 239 Abs. 1 und des § 240 Abs. 2 kann der Vorsitzende ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen zurückweisen. Schrifttum Siehe bei § 240.

Entstehungsgeschichte Art. 9 § 4 der Zweiten VereinfVO strich wegen der Aufhebung des § 239 den Absatz 1 und in Absatz 2 die Verweisung auf § 239 Abs. 1. Art. 3 Nr. 109 VereinhG stellte die ursprüngliche Fassung wieder her. Bezeichnung bis 1924: § 240.

I. II.

III.

Übersicht Zweck der Vorschrift | 1 Missbrauch des Kreuzverhörs (Absatz 1) 1. Missbrauch | 2 2. Entziehung der Befugnis zum Kreuzverhör | 3 3. Wirkung der Entziehung | 4 Zurückweisung von Fragen (Absatz 2) 1. Geltungsbereich des Absatzes 2 | 5 2. Die Zurückweisungsgründe a) Allgemeines | 6 b) Abgrenzung zu den Ablehnungsgründen des Beweisantragsrechts | 10 3. Fallgruppen | 12 a) Wiederholungsfragen | 13 b) Suggestivfragen | 14

Alphabetische Übersicht Abmahnung 2, 24 Abwägungspflicht 9 Änderung der Prozessrolle des Befragten 13 Akzeptanz des Urteils 1 Anhörung der Verfahrensbeteiligten 28 Anrufung des Gerichts 3, 5, 21, 26 f. Aufklärungspflicht 18, 35 Ausdrucksweise, verletzende 2 Auskunftsverweigerungsrecht 8, 17 Aussagegenehmigung 17 Ausschluss der Öffentlichkeit 8 Ausschöpfen des Wissens 10, 35 Beratungsgeheimnis 17 Berufsrichter als Beisitzer 5 Beschränkung der Verteidigung 31 ff. Beschwer 31

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IV. V.

c) Hypothetische Fragen | 15 d) Funktionswidrige Fragen | 16 e) Gesetzeswidrige Fragen | 17 4. Zurückweisung einer Frage durch den Vorsitzenden | 19 5. Wirkung der Zurückweisung | 23 6. Entziehung des Fragerechts | 24 Sitzungsniederschrift | 25 Rechtsbehelfe 1. Anrufung des Gerichts | 26 2. Beschwerde | 30 3. Revision a) Beeinträchtigung des Fragerechts | 31 b) Sonstige Rügen | 35

Beschwerde 30 Beweisantrag 22, 37 Beweiswürdigung 10 Bindung an Beschwerdeentscheidung 30 Bloßstellende Fragen 10 Ehrenschutz des Zeugen 9 Entziehung des Fragerechts 23, 24, 25 Entziehung des Kreuzverhörs, Wirkung 4, 26 Erinnerungsfähigkeit eines Zeugen 8 Faires Verfahren 1 Falschaussage 23 Fragen – Entscheidungserheblichkeit 10 – Form 9, 14, 20, 22, 33 – funktionswidrige 16 – hypothetische 15

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

– nicht zur Sache gehörende 7 f. – rechtlich unzulässige 7, 17 f. – ungeeignete 7 f. – Wiederholung 13 – Zeit 26 Gesetzmäßigkeit des Verfahrens 1 Gericht, Entscheidung 5, 21, 26 f. Gerichtsbeschluss – Begründung 22, 24, 33 f. – unterbliebener 33 – Zeitpunkt 29, 33 Glaubwürdigkeit eines Zeugen 8, 10, 13, 14 Hinweise auf Bedenken gegen Frage 20 Hypothetische Fragen 15 Kausalität 15 Menschenwürde 3 Missbrauch des Fragerechts 9, 19, 22, 24 Missbrauch des Kreuzverhörs 2 Mitangeklagter 13, 31 Rechtsfolgenausspruch 10 Revision 31 ff. Sachfremde Fragen 2, 6, 7, 12, 22 Sachleitung 3, 22, 24 Sachverständige 8, 13, 16, 28, 30 Schutzmaßnahmen 8, 9, 18 Sitzungsniederschrift 25 Suggestivfragen 14 Täuschung 2 Testfragen 8, 10, 14

§ 241

Übersetzer 16 Unbekannte Zusammenhänge 10 Unerheblichkeit einer Tatsache 7 Unzulässigkeit als Oberbegriff 6 Verfahrensfremde Zwecke 7, 24 Verzicht auf Frage 21, 25 Vorherige Mitteilung der Frage 19, 24 Vorsitzender – Änderung seiner Anordnung 27 – Hinwirken auf sachgerechte Fassung der Frage 20 – Pflicht zum Eingreifen 3 – Zurückhaltung 1, 8 Wahrunterstellung 11 Wahrheitsfindung 1, 7, 8, 9 Werturteile 16 Wiederholung der Frage 13 Zeuge – Anrufung des Gerichts 28 – Beschwerde 30 Zeugnisverweigerungsrecht 17 Zurückstellung der Frage 21 Zurückweisung der Frage 19 ff. – Begründungspflicht 22 – Wirkung 23 Zweifel über Zulässigkeit der Frage 5, 20, 21, 26, 27

I. Zweck der Vorschrift Zweck des § 241 ist es, den Angeklagten sowie die Zeugen und Sachverständigen vor 1 unzulässigen Fragen und – im Falle des § 239 – auch vor einer missbräuchlichen Ausübung des Kreuzverhörs zu schützen. Damit dient er der Durchsetzung des Verfahrensrechts sowie der Sicherung der Wahrheitsfindung. Denn auch dort, wo die Prozessordnung neben den zur Urteilsfindung berufenen Personen anderen Verfahrensbeteiligten eigene Rechte zur Gestaltung des Verfahrens einräumt, ist letztlich das Gericht oder der zunächst an dessen Stelle tätig werdende Vorsitzende dafür verantwortlich, dass die Gesetzmäßigkeit des Verfahrens gewahrt wird, die Rechte der Verfahrensbeteiligten unbeeinträchtigt bleiben und die Wahrheitsfindung keinen Schaden erleidet. Andererseits sollte der Vorsitzende aber nicht mehr als zum Schutz dieser Zwecke unerlässlich in das Fragerecht eingreifen. Wahrt er auch bei ungeschickter Fragestellung Zurückhaltung (vgl. Rn. 8) und wirkt er vor allem bei der Konkurrenz mehrerer Fragesteller ausgleichend, so kann dies zeitraubende Friktionen vermeiden und viel zur Atmosphäre eines sachlichen, fairen Verfahrens beitragen. Dies erhöht letztlich auch die Akzeptanz der abschließenden Entscheidung.1

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Koeniger 219; AK/Schöch 2; KMR/Eschelbach 1 f.

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II. Missbrauch des Kreuzverhörs (Absatz 1) 2

1. Ein Missbrauch des Kreuzverhörs ist insbesondere gegeben, wenn der Vernehmende durch die Art, wie er das Kreuzverhör führt, die Wahrheitsfindung hindert, schutzwürdige Belange des Vernommenen verletzt oder gefährdet oder wenn er das Kreuzverhör zu sachfremden Zwecken benutzen will.2 So kann ein Missbrauch darin liegen, dass der Vernehmende, nachdem der Vorsitzende wiederholt ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen nach Absatz 2 zurückgewiesen hat,3 erneut solche Fragen stellt. Das gilt vor allem bei Fragen, die dem Zeugen bestimmte Antworten in den Mund legen, ihn verwirren oder zur Unwahrheit verleiten sollen oder die den auch auf Zeugenvernehmungen übertragbaren § 136a verletzen,4 weil sie geeignet sind, den Befragten zu täuschen, oder eine Drohung gegen ihn enthalten. Ein Missbrauch kann auch in einer ungebührlichen und durch die Sache nicht gebotenen Ausdehnung der Vernehmung liegen, namentlich wenn Abmahnungen des Vorsitzenden fruchtlos geblieben sind, ferner darin, dass der Vernehmende sich einer gröblich verletzenden Ausdrucksweise bedient.5 Eine einzelne unzulässige Frage stellt dagegen noch keinen Missbrauch des Kreuzverhörs dar;6 ebenso wenig ist dies schon dann der Fall, wenn bei längerer Vernehmung neben vielen zulässigen auch zahlreiche unzulässige Fragen gestellt werden.7

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2. Entziehung der Befugnis zum Kreuzverhör. Hierzu ist der Vorsitzende bei Missbrauch der Befugnis berechtigt und, wenn wesentliche Belange eines Verfahrensbeteiligten, insbesondere die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) beeinträchtigt werden, zum Schutze des Vernommenen auch verpflichtet.8 Die Entziehung, der regelmäßig eine fruchtlose Abmahnung des Befragenden vorauszugehen hat,9 ist eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung i.S.d § 238 Abs. 2. Gegen sie kann auf Entscheidung des Gerichts angetragen werden.

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3. Wirkung der Entziehung. Die Befugnis zum Kreuzverhör kann nur demjenigen entzogen werden, der sie missbraucht hat. Die Vernehmungsbefugnis der übrigen Prozessbeteiligten wird dadurch nicht berührt.10 Wird einem von mehreren Verteidigern des Angeklagten die Befugnis entzogen, so ist der andere Verteidiger nicht gehindert, das Kreuzverhör fortzusetzen.11 Im Übrigen führt der Vorsitzende an Stelle des Betroffenen die Vernehmung weiter (vgl. § 239 Abs. 2). Derjenige, dem die Vernehmungsbefugnis entzogen wurde, behält grundsätzlich das Recht, gemäß § 240 Abs. 2 Satz 1 dem Zeugen oder Sachverständigen unmittelbar einzelne Fragen vorzulegen.12 Jedoch kann die miss-

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2 Wagner JuS 1972 316; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Radtke/Hohmann/Britz 4. Kröpil JR 1997 315 fasst dies unter dem Oberbegriff zusammen, dass eine Befugnis nicht „verfahrenszielkonform“ eingesetzt wird; vgl. dazu auch Kröpil JZ 1998 135; ferner Rüping JZ 1997 868; zum Missbrauch insgesamt Einl. H 40 ff. 3 Radtke/Hohmann/Britz 5. 4 S. die Erl. bei § 136a. 5 Eb. Schmidt 3. 6 KMR/Eschelbach 3; Radtke/Hohmann/Britz 5; SK/Frister 3; SSW/Franke 2. 7 Vgl. OLG Hamburg NJW 1978 436 zu § 241 Abs. 2. 8 Granderath MDR 1983 799; Meyer-Goßner/Schmitt 3; SK/Frister 4; vgl. auch Dähn JR 1979 138 sowie Rn. 9 und die Erl. zu § 68a. 9 KK/Schneider 3; SK/Frister 4; SSW/Franke 3. 10 AK/Schöch 5; MüKo/Gaede 4; SK/Frister 5; a.A. Graf/Gorf 3. 11 Radtke/Hohmann/Britz 6; SK/Frister 5; insoweit zustimmend auch Graf/Gorf 3. 12 RGSt 38 57, 58 (a.A. RGSt 18 365, 367); KMR/Eschelbach 7; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Eb. Schmidt 4; SK/Frister 6; SSW/Franke 4; Wagner JuS 1972 316; a.A. KK/Schneider 4.

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bräuchliche Ausübung des Befragungsrechts im Rahmen des Kreuzverhörs ausnahmsweise dazu führen, dass ihm auch dies zu versagen oder das Fragerecht zumindest einzuschränken ist13 (zu den näheren Voraussetzungen s. Rn. 24). Hierzu bedarf es indes einer gesonderten Entscheidung, die neben diejenige nach Absatz 1 tritt.14 III. Zurückweisung von Fragen (Absatz 2) 1. Geltungsbereich des Absatzes 2. § 241 Abs. 2 gilt nur für § 240 Abs. 2 und im 5 Rahmen des § 239 Abs. 1, nicht dagegen für § 240 Abs. 1. Der Vorsitzende hat deshalb kein Recht, Fragen eines beisitzenden Berufsrichters zurückzuweisen. Er kann jedoch nach § 242 einen Gerichtsbeschluss über die Zulässigkeit einer von einem Beisitzer gestellten Frage herbeiführen.15 Für die Anwendung des Absatzes 2 kommt es nicht darauf an, ob eine Frage unmittelbar gestellt oder ob ihre Stellung beim Vorsitzenden angeregt wird.16 2. Die Zurückweisungsgründe a) Allgemeines. Der Vorsitzende darf nur ungeeignete oder nicht zur Sache gehö- 6 rende Fragen zurückweisen. Beide Fallgruppen lassen sich in der Auslegung, die sie in Rechtsprechung und Schrifttum gefunden haben, begrifflich nicht klar scheiden. Ihre Merkmale überschneiden sich, wobei der Begriff der Ungeeignetheit der weitere ist.17 Sie können unter dem Oberbegriff der Unzulässigkeit18 zusammenfasst werden. Eine Trennung der beiden Kategorien ist daher müßig.19 Als ungeeignet sind Fragen anzusehen, die die Ermittlung der Wahrheit über den 7 Gegenstand der Anklage nicht oder nicht in einer rechtlich erlaubten Weise fördern können.20 Letzteres ist der Fall, wenn sie nach strafprozessualen Bestimmungen – oder verfassungsrechtlichen Maßstäben – nicht gestellt werden dürfen oder sollen.21 Nicht zur Sache gehörig sind Fragen, wenn sie in keiner Beziehung zum Gegenstand der Untersuchung stehen oder erkennbar verfahrensfremden Zwecken dienen,22 etwa allein darauf gerichtet sind, Aufsehen zu erregen, für einen Geschäftsbetrieb, eine politische Partei, oder sonstige Einrichtung zu werben, einem anderen Unannehmlichkeiten zu bereiten, ihn insbesondere öffentlich bloßzustellen, oder einen sonstigen Effekt zu erzielen, der mit dem Gegenstand des Strafverfahrens nichts zu tun hat.23 Dagegen genügt es für die

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13 Fahl 432 ff.; KK/Schneider 4; Radtke/Hohmann/Britz 7; SK/Frister 6. 14 Unklar KK/Schneider 4; Radtke/Hohmann/Britz 7. 15 KK/Schneider 5; KMR/Eschelbach 8 sowie § 240, 6; Meyer-Goßner/Schmitt 9; Radtke/Hohmann/Britz 13; SK/Frister 9; Frister StV 1994 451; Schünemann StV 1993 607; Seibert JZ 1959 349; a.A. RGSt 10 378, 379 f.; 42 157, 159; Dölp NStZ 1993 419; zur Streitfrage vgl. näher § 242, 1. 16 RG LZ 1915 697; KMR/Eschelbach 8. 17 BGH NStZ 1982 158, 159. 18 KMR/Eschelbach 9; Eb. Schmidt 7; Schlüchter 457. 19 Eb. Schmidt 7; SSW/Franke 6; anders SK/Frister 7. 20 BGHSt 13 252, 254; 21 334, 360; 50 318, 330; BGH NJW 2008 1749, 1751 (insoweit in BGHSt 52 78 nicht abgedruckt). 21 BGHSt 13 252, 254; 21 334, 360; OLG Koblenz wistra 1983 42; KMR/Eschelbach 9; MeyerGoßner/Schmitt 15; Radtke/Hohmann/Britz 10; SK/Frister 11; Peters JR 1964 389. 22 BGHSt 2 284, 287; BGH NStZ 1984 133, 134; 1985 183, 184; KMR/Eschelbach 9; Meyer-Goßner/Schmitt 12; Radtke/Hohmann/Britz 11; SK/Frister 19. 23 RGSt 66 14, 15; BGHSt 2 284, 287; BGH JR 1971 338 m. zust. Anm. Peters; NStZ 1984 133, 134; BayObLGSt 1964 16 = JR 1964 389 m. zust. Anm. Peters; KK/Schneider 6 f.; Dahs/Dahs 245; Niemöller StraFo 1996 104, 106.

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Zulässigkeit einer Frage, wenn zwischen ihr und irgendeinem entscheidungserheblichen Umstand auch nur ein mittelbarer Bezug bestehen kann.24 Insgesamt sollte bei der Zurückweisung von Fragen nach § 241 Abs. 2 Zurückhal8 tung gewahrt werden,25 insbesondere auch deshalb, weil es unmöglich ist, die nicht zur Sache gehörenden Fragen klar abzugrenzen.26 Fragen, durch die eine ernsthafte Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts beabsichtigt wird, sind daher grundsätzlich zuzulassen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn sich der Fragesteller bemüht, die Erinnerungsfähigkeit27 oder Glaubwürdigkeit eines Zeugen sowie die Glaubhaftigkeit seiner Angaben zu hinterfragen28 oder aufzudecken, ob ein Sachverständiger die für die Gutachtenerstattung erforderliche Erfahrung besitzt.29 Die Pflicht zur Erforschung der Wahrheit geht dem Erhalt des Ansehens des Zeugen vor,30 dessen Persönlichkeitsrechte grundsätzlich allein durch den Ausschluss der Öffentlichkeit (§ 171b oder § 172 Nr. 1 GVG)31 sowie – nach den jeweils vorgesehenen weiteren Voraussetzungen – gegebenenfalls durch weitere Schutzmaßnahmen (§§ 247, 247a) zu wahren sind. Auch wenn für den Befragten die Gefahr besteht, dass er sich durch seine Antwort der Strafverfolgung aussetzt, rechtfertigt dies für sich die Zurückweisung einer Frage nicht;32 allerdings besteht hier Anlass für eine Belehrung nach § 55 Abs. 2 und die Frage wird unzulässig, wenn der Befragte daraufhin von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch macht (Rn. 17). Ebenso hat die Sachaufklärung Vorrang vor der Wahrung eines Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs- oder Steuergeheimnisses;33 deren Schutz wird durch den Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 172 Nr. 2 GVG gewährleistet. 9 Andererseits ist es für einen geordneten Verfahrensablauf aber auch unerlässlich, dass der Vorsitzende die Beweisaufnahme von allem freihält, was der Sachaufklärung nicht dienen kann oder diese gar hindert. Er darf daher vor allem keine Fragen zulassen, die erkennbar das Fragerecht missbrauchen.34 Das gewinnt besondere Bedeutung, wenn die Ehre oder sonstige Persönlichkeitsrechte des Zeugen35 durch die Frage angetastet werden.36 Geschieht dies dadurch, dass die – inhaltlich an sich zulässige – Frage in ehrverletzender oder sonst ungehöriger Weise gestellt wird, so hat sie der Vorsitzende zurückzuweisen und gleichzeitig darauf hinzuwirken, dass sie in angemessener Form neu formuliert wird. Geht der Fragesteller hierauf nicht ein, sollte der Vorsitzende die Frage selbst in geziemender Weise neu stellen, soweit sie inhaltlich geeignet ist, zur Sachaufklärung beizutragen. Aber auch der Schutz der Ehre, des Intimbereiches und der weiteren Persönlichkeitsrechte des Zeugen vor jeder ihrem Inhalt nach unnötigen, weil für die Wahrheitsfindung nicht unbedingt erforderlichen Bloßstellung ist eine wichtige

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24 Sommer StraFo 2010 104; KMR/Eschelbach 9; Radtke/Hohmann/Britz 11; SK/Frister 20. 25 Radtke/Hohmann/Britz 15 unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK, Art. 14 Abs. 3 lit. e IPBPR. 26 RGSt 65 304, 305; 66 14, 15; KK/Schneider 7. 27 OLG Celle StV 1985 7; AK/Schöch 8; Meyer-Goßner/Schmitt 14. 28 BGHSt 2 284, 289; 13 252, 255; 21 334, 360; BGH NJW 2008 1749, 1751 (insoweit in BGHSt 52 78 nicht abgedruckt); NStZ-RR 2009 316; NStZ 1982 170; 1990 400; 2001 418; bei Miebach NStZ 1990 226; BGH StV 1990 99; 1993 171; AK/Schöch 7; KK/Schneider 7; Helmken StV 1983 83. 29 A.A. wohl BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 16. 30 BGHSt 21 334, 360; BGH NStZ 1990 400; NStZ-RR 2009 316, 317. 31 Meyer-Goßner/Schmitt 15; SK/Frister 13. 32 RGRspr. 6 36; RG DJZ 1911 1093. 33 OLG Koblenz wistra 1983 42. 34 Vgl. BGHSt 48 372; BGH NJW 2005 1519, 1520 f.; NStZ 2005 579, 580. 35 S. nunmehr die Richtlinie vom 25.10.2012 über die Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten, RL 2012/29/EU, ABlEU Nr. L 315/57 v. 14.11.2012. 36 S. dazu Gleß FS Paeffgen 703 ff. (insb. S. 708 f. zu § 241 Abs. 2), die durch die geltenden Regelungen einen ausreichenden Schutz des Persönlichkeitsrechts von Zeugen nicht gewährleistet sieht.

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Aufgabe des Vorsitzenden und des Gerichts. Treffen für und gegen eine Zulassung sprechende Gesichtspunkte zusammen, so ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach den Maßstäben des § 68a abzuwägen, welchen von ihnen der Vorrang gebührt (s. Rn. 18 sowie die Erl. zu § 68a).37 Soweit danach solche Fragen unerlässlich sind, ist zu prüfen, ob sich die nachteiligen Auswirkungen auf die Auskunftsperson durch geeignete Schutzmaßnahmen, wie etwa den Ausschluss der Öffentlichkeit verringern lassen (s. Rn. 8).38 b) Abgrenzung zu den Ablehnungsgründen des Beweisantragsrechts. Das Fra- 10 gerecht unterliegt allein den Beschränkungen des § 241 Abs. 2.39 Die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 dürfen grundsätzlich nicht ergänzend herangezogen werden; denn sie enthalten allein Regelungen dazu, ob ein Beweismittel herbeizuschaffen ist, während sich § 241 Abs. 2 mit der Befragung präsenter Beweismittel und des anwesenden Angeklagten befasst. Ähnlich wie § 245 soll das Fragerecht die Möglichkeit eröffnen, das Wissen der präsenten Beweispersonen in jeder Hinsicht voll auszuschöpfen,40 also auch unbekannten Tatsachen und Zusammenhängen nachzuspüren,41 ganz gleich, ob diese für die Beurteilung der angeklagten Tat, für den Rechtsfolgenausspruch oder für die Beweiswürdigung von Bedeutung sein können. Anders als bei der Ablehnung eines Beweisantrags nach § 244 Abs. 3 findet bei der Prüfung der Zulässigkeit der Frage an die präsente Auskunftsperson in der Regel keine vorweggenommene Würdigung der Entscheidungserheblichkeit der zu erwartenden Antwort statt.42 Die bloße Bedeutungslosigkeit einer Tatsache, nach der gefragt wird, berechtigt daher grundsätzlich nicht zur Zurückweisung der Frage.43 Das Gericht hat die Antwort zu hören und sich erst dann seine Meinung über deren Erheblichkeit zu bilden.44 Anders liegt es aber dann, wenn der Beantwortung aus der Sicht des Gerichts bedeutungsloser Fragen höherrangige Interessen der Beweisperson oder der Öffentlichkeit entgegenstehen. Dies ist etwa der Fall bei Fragen, die dem § 68 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 unterfallen, sowie bei bloßstellenden Fragen im Sinne des § 68a. Hier ist bereits gesetzlich vorgesehen, dass derartige Fragen möglichst zu unterbleiben haben und daher zurückgewiesen werden können, wenn sie nach der Beurteilung des Tatrichters nicht unerlässlich bzw. nicht notwendig sind.45 Entsprechendes muss aber auch dann gelten, wenn an einen Zeugen, der in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen ist, zur Überprüfung seiner Glaubwürdigkeit und der Glaubhaftigkeit seiner Angaben – von § 68 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 nicht erfasste – Fragen gestellt werden, deren Beantwortung das Gericht als unerheblich für seine Überzeugungsbildung über die Verlässlichkeit der Zeugenaussage ansieht, die gleichzeitig aber Tatsachen des Zeugenschutzes offenbar werden ließe, die im Interesse der Sicherheit des

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37 KMR/Eschelbach 25 ff.; die Effizienz des § 68a für den Zeugenschutz bezweifelnd („zahnloser Papiertiger“) Gleß FS Paeffgen 709 f. 38 KMR/Eschelbach 25; SK/Frister 13. 39 RGSt 21 236, 238; BGHSt 2 284, 288. 40 BGHSt 2 284, 288; BayObLG NJW 1998 1655. 41 Vgl. Gollwitzer GedS Meyer 165. 42 BGHSt 2 284, 288; BGH NStZ 1981 71; StV 1987 239; BayObLGSt 1964 16 = JR 1964 389 m. zust. Anm. Peters. 43 RGSt 8 161; 21 236, 238; BGHSt 2 284, 288; 13 252, 255; BGH NStZ 1981 71; 1982 158, 159; 1984 133; 1985 183, 184; NJW 2008 1749, 1751 (insoweit in BGHSt 52 78 nicht abgedruckt); NStZ-RR 2009 316; BayObLGSt 1964 16 = JR 1964 389 m. zust. Anm. Peters; OLG Schleswig SchlHA 1948 113; Sommer StraFo 2010 104; KK/Schneider 7; KMR/Eschelbach 9; Meyer-Goßner/Schmitt 13; SK/Frister 8; vgl. auch Kraß ZRP 1993 267. 44 BGH NStZ 1984 133; 1985 183, 184; StV 1987 239; BayObLGSt 1964 16 = JR 1964 389 m. zust. Anm. Peters; KK/Schneider 7; Meyer-Goßner/Schmitt 13; Radtke/Hohmann/Britz 12; SK/Frister 8. 45 Vgl. BGHSt 13 252, 255; 21 334, 360; BGH NStZ 1982 170; StV 1990 99.

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Zeugen oder der Geheimhaltung der allgemeinen Organisation des Zeugenschutzes nicht offenbar werden sollten.46 In diesen Fällen wird allerdings eine Vorabentscheidung des Vorsitzenden oftmals wenig sinnvoll sein, weil die Würdigung der Beweislage durch den gesamten Spruchkörper bedeutsam ist. Hier erscheint es sachgerecht, sofort eine Entscheidung des Gerichts nach § 242 herbeizuführen. Wegen des Vorrangs der Ausschöpfung präsenter Beweismittel darf eine Frage auch 11 nicht mit dem Hinweis abgelehnt werden, der Gegenstand der Frage werde als wahr unterstellt.47 Bezweckt der Fragesteller dagegen, von der Auskunftsperson die Bestätigung einer Tatsache zu erlangen, die offenkundig oder bereits erwiesen ist, kann die Frage als ungeeignet zurückgewiesen werden, da sie – ähnlich wie eine Wiederholungsfrage (s. Rn. 13) – nicht geeignet ist, das Verfahren weiter zu fördern.48 Ob von dieser Möglichkeit tatsächlich Gebrauch gemacht werden soll, ist eine andere Frage (s. Rn. 8). 12

3. Fallgruppen. Ob eine Frage unzulässig ist, lässt sich in der Regel nur nach den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles beurteilen.49 Die Rechtsprechung hat neben den völlig sachfremden Fragen auch an sich zur Sache gehörende Fragen als unzulässig angesehen. Es lassen sich einzelne Fallgruppen unterscheiden:

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a) Wiederholungsfragen. Begehrt der Fragende, ohne dass dies durch die dazwischenliegende Bekundung eines anderen Zeugen oder Sachverständigen oder die Erhebung eines sonstigen Beweises erforderlich wird, die Wiederholung einer Auskunft, die der Befragte ihm oder einem anderen Frageberechtigten50 schon klar, erschöpfend und widerspruchsfrei erteilt hat, so ist seine Frage grundsätzlich unzulässig.51 Anders liegt es jedoch dann, wenn die Frage der Präzisierung der Aussage dient, weil sie Einzelheiten aufzudecken sucht, die durch die bisherigen, allgemein gehaltenen Angaben noch nicht aufgeklärt sind,52 oder wenn durch das Erfragen zusätzlicher Details die Glaubwürdigkeit der Aussage geprüft werden soll;53 hier liegt schon keine Wiederholungsfrage vor, da dieses Detail noch nicht Gegenstand der vorangegangenen Vernehmung war. Hat sich die Prozessrolle des Befragten geändert, weil dieser vom Mitangeklagten zum Zeugen geworden ist, so liegt in seiner erneuten Befragung keine Wiederholung seiner früheren Vernehmung, da er nunmehr der Wahrheitspflicht unterliegt.54

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b) Suggestivfragen. Fragen dürfen nicht in einer Form gestellt werden, die darauf abzielt, dem Befragten eine bestimmte Antwort in den Mund zu legen55 oder ihn zu einer

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46 BGHSt 50 318 = BGH JR 2006 343 m. Anm. Eisenberg/Reuther; s. auch Rn. 18. 47 Meyer-Goßner/Schmitt 10; SK/Frister 18. 48 A.A. Graf/Gorf 12; SK/Frister 18. 49 RG JW 1931 1606. 50 OLG Hamm StV 1993 462, 463; kritisch HK/Julius 5 und 8; Salditt StV 1988 451. 51 RGSt 18 365, 367; 44 38, 41; BGHSt 2 284, 289; BGH NStZ 1981 71; Eb. Schmidt 9; SK/Frister 17; a.A. Gerst StRR 2011 169 ff. mit „Tipps“, wie sich eine Wiederholungsfrage (vermeintlich) „beanstandungssicher“ stellen lasse; Sommer StraFo 2010 105: Unzulässigkeit nur bei vollständiger Identität der „Fragestellung“; Traut/Burkhard StraFo 2003 38: Wiederholungsfragen zur Prüfung der Glaubwürdigkeit in weitem Umfang zulässig; KMR/Eschelbach 10 ff.; MüKo/Gaede 20; dagegen wiederum zutreffend KK/Schneider 11. 52 BGHSt 2 284, 289; BGH NStZ 1981 71; BayObLGSt 1964 16, 17 = JR 1964 389 m. Anm. Peters; Kraß ZRP 1993 267. 53 BGH NStZ 1981 71; vgl. BGH bei Holtz MDR 1979 988 f. 54 BGH bei Miebach/Kusch NStZ 1991 228; Meyer-Goßner/Schmitt 15; SK/Frister 17. 55 Sommer StraFo 2010 105 f., der jedoch eine hinreichend klare Umschreibung dessen vermisst, was eine Suggestivfrage charakterisiert; ähnlich KMR/Eschelbach 15 f.

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mehrdeutigen Antwort zu verleiten, um ihn festzulegen oder einen Einwand gegen seine Aussage zu gewinnen. Solche Suggestivfragen sind grundsätzlich ebenso unzulässig wie Fragen, die darauf abstellen, den Befragten zu verwirren.56 Fragen, die die Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit der Aussage überprüfen wollen, werden dadurch aber nicht ausgeschlossen.57 c) Hypothetische Fragen können ausnahmsweise zulässig sein, wenn das materiel- 15 le Strafrecht bei dem den Gegenstand des Verfahrens bildenden Sachverhalt auch die Beurteilung des hypothetischen Verlaufs der Dinge fordert, wie etwa bei bestimmten Fragen der Kausalität oder bei Putativnotwehr.58 d) Funktionswidrige Fragen. Unzulässig sind Fragen, zu deren Beantwortung der 16 Befragte nach seiner Stellung im Strafprozess nicht berufen ist. Dies ist etwa der Fall, wenn von einem Zeugen nicht die Bekundung seiner Wahrnehmung,59 sondern ein Werturteil60 – etwa, ob er dem Angeklagten eine Unredlichkeit zutraue61 – oder eine rechtliche Beurteilung erfragt wird. Eine Ausnahme gilt nur, wenn in der Frage allgemein geläufige wertende oder rechtliche Begriffe (z.B. Kauf, Schenkung, Leihe) verwendet werden, damit jedoch erkennbar nach den ihnen zugrunde liegenden Tatsachen geforscht werden soll. Unzulässig ist es, wenn von einem Sachverständigen eine gutachtliche Auskunft zu einer Frage verlangt wird, die außerhalb seines Sachgebietes liegt.62 Gleiches soll gelten, wenn ein Übersetzer als Sprachsachverständiger63 nach dem Inhalt eines Gesprächs befragt wird, das nicht er, sondern ein anderer Übersetzer übertragen hat.64 Liegt die Frage aber im Sachgebiet des Gutachters, wenn auch außerhalb seines Auftrags, so ist sie jedenfalls dann als zulässig anzusehen, wenn es dem Gericht aufgrund seiner Aufklärungspflicht ohnehin obläge, die Frage selbst zu stellen. Eines gesonderten Antrags auf Erweiterung des Gutachtenauftrages bedarf es hier nicht.65 Grundsätzlich sollte der Auftrag des Sachverständigen ohnehin nicht zu eng ausgelegt werden.66 Unzulässig ist es dagegen stets, wenn einem Sachverständigen angesonnen wird, dass er tatsächliche oder rechtliche Schlussfolgerungen zieht, die allein dem Gericht obliegen,67 so etwa, ob eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit „erheblich“ i.S.d. § 21 StGB sei.

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56 Eb. Schmidt 8; SK/Frister 16; Dahs (Hdb.) 529; Kraß ZRP 1993 267; Schorn Strafrichter 39, 260; a.A. Eisenberg JZ 1984 915; stark einschränkend MüKo/Gaede 22 f.; differenzierend Kühne 906; Ott JA 2008 530 f. 57 BGHSt 2 284, 288; 13 252, 255; BGH NStZ 1990 400; Dahs (Hdb.) 529 f.; Roesen NJW 1958 979; AK/Schöch 7; Meyer-Goßner/Schmitt 14; SK/Frister 16. 58 KMR/Eschelbach 14; SK/Frister 15. 59 Vgl. BGH NJW 1992 2838, 2839 (Auskunft über Vorstellungen eines anderen Menschen). 60 RG GA 40 (1892) 169; DRiZ 1929 Nr. 901; BGH NJW 1992 2838, 2839; 2003 150, 151 (in BGHSt 48 34 insoweit nicht abgedruckt); BGH LM Nr. 1; Ott JA 2008 531; KMR/Eschelbach 19; SK/Frister 15. 61 RG JW 1929 1474; zur Abgrenzung und zu den Einzelheiten vgl. vor § 48. 62 BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 16; AK/Schöch 7; KMR/Eschelbach 20; SK/Frister 15; RGSt 67 180, 181 lässt dies offen. 63 Vgl. BGHSt 1 4; BGH NJW 1965 643. 64 BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 16 (mit dem Hinweis, dass kein Antrag gestellt worden war, den Gutachtenauftrag des Übersetzers auf dieses Gespräch auszudehnen). 65 SK/Frister 15; vgl. für eine prinzipielle Zulässigkeit von im Fachgebiet des Sachverständigen liegenden Fragen auch über seinen Auftrag hinaus BGH StV 1984 60 (Fragen an Schuldfähigkeitsgutachter zur Möglichkeit eines falschen Geständnisses des Angeklagten aufgrund der besonderen Vernehmungssituation); HK/Julius 7; Eb. Schmidt 11; a.A. – jeweils unter Berufung auf BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 16 – KK/Schneider 10; Meyer-Goßner/Schmitt 15. 66 Vgl. RGSt 63 398, 399 f. 67 RGSt 51 215, 217; 63 398, 399; RG GA 46 (1898/99) 213 f.; 56 (1909) 324; KMR/Eschelbach 21; Fahl 425.

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e) Gesetzeswidrige Fragen. Nicht zulässig sind Fragen, denen ein berechtigt ausgeübtes Zeugnis- (§§ 52, 53) oder Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55) entgegensteht,68 für deren Beantwortung es an der erforderlichen Aussagegenehmigung fehlt (§ 54),69 die ein befragter Richter nur unter Verstoß gegen das Beratungsgeheimnis beantworten könnte (§§ 43, 45 DRiG)70 oder die nach den Maßstäben des § 136a i.V.m. § 69 Abs. 3, § 72 im Strafverfahren nicht gestattet werden dürfen. Zurückzuweisen sind darüber hinaus Fragen, die sich auf Vorgänge beziehen, über die aus Rechtsgründen kein Beweis erhoben werden darf. Das gilt zum Beispiel für die Aussagen eines zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Zeugen, die er bei einer polizeilichen oder staatsanwaltschaftlichen Vernehmung gemacht hat, wenn er in der Hauptverhandlung das Zeugnis verweigert (vgl. § 252).71 Das Verbot, dem Vernehmungsbeamten Fragen nach dem Inhalt einer solchen Aussage zu stellen, gilt so lange, bis Klarheit darüber besteht, dass der weigerungsberechtigte Zeuge von seinem Recht in der Hauptverhandlung keinen Gebrauch machen werde72 oder zumindest mit der Verwertung seiner früheren Angaben vor Polizei oder Staatsanwaltschaft einverstanden ist.73 Die gleichen Grundsätze gelten auch für Mitteilungen, die der Angeklagte gegenüber seinem Verteidiger vor der Hauptverhandlung gemacht hat: Sie gehören zum Kernbereich der Verteidigung und sind regelmäßig der Wahrnehmung durch das Gericht oder die Strafverfolgungsbehörden entzogen.74 Wenn allerdings der Angeklagte auf diesen Schutz bewusst verzichtet und – etwa um das Gewicht seiner Einlassung im Hinblick auf die Aussagekonstanz aufzuwerten – die Vernehmung seines Verteidigers als Zeugen dazu beantragt, was er diesem im Ermittlungsverfahren zum Tatgeschehen mitgeteilt habe, steht die Regelung des § 241 Abs. 2 der Befragung des Verteidigers hierzu nicht entgegen.75 Dem § 241 Abs. 2 unterfallen weiterhin Fragen, die Umstände betreffen, über die der 18 Zeuge nach gesetzlich vorgesehener Bewertung des Gerichts keine Auskunft geben muss. So liegt es in den Fällen des § 68 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3.76 Über die dort genannten Angaben zu Identität und Wohn- oder Aufenthaltsort hinaus zählen hierzu indessen nicht die Erkenntnisse eines Zeugen über Maßnahmen des ihn betreffenden Zeugenschutzes,77 auch wenn er insoweit gemäß § 3 Satz 2 ZSHG förmlich zur Verschwiegenheit verpflichtet wurde; denn diese Verpflichtung ist gemäß § 10 Abs. 3 ZSHG für die Aussagepflicht im Strafprozess ohne Bedeutung.78 Hält das Gericht jedoch eine Frage, deren Beantwortung unmittelbar oder mittelbar zur Aufdeckung von Zeugenschutzmaßnahmen führen könnte, für bedeutungslos, darf es sie nach § 241 Abs. 2 zu-

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68 KMR/Eschelbach 22; SK/Frister 14. 69 BGHSt 50 318, 330; KK/Schneider 8; KMR/Eschelbach 22 f.; a.A. AnwK-StPO/Sommer 12: nur wenn sich der Zeuge auf die fehlende Aussagegenehmigung beruft; so auch MüKo/Gaede 16, der eine sofortige Zurückweisung der Frage aber auch dann zulassen will, wenn „auf der Hand liegt“, dass deren Beantwortung die fehlende Aussagegenehmigung missachten würde. 70 Schorn Strafrichter 47. 71 BGHSt 2 99; SK/Frister 14. 72 OGHSt 1 299, 303; RGSt 15 100, 101; 27 29, 30; BGHSt 2 110; 7 194, 197; 25 176; BGH NJW 1996 206; NStZ-RR 2000 211. 73 Vgl. BGHSt 45 203; s. dazu näher bei § 252. 74 BGH StV 2008 284 m. Anm. Beulke/Ruhmannseder. 75 BGH StV 2010 287 f.; Beulke/Ruhmannseder StV 2008 286 f.; MüKo/Gaede 18; s. näher – auch zur Gegenansicht – § 244, 191. 76 SK/Frister 12; Hamm 1093; vgl. näher bei § 68. 77 Vgl. Griesbaum NStZ 1998 436. 78 BGHSt 50 318 = BGH JR 2006 343 m. Anm. Eisenberg/Reuther; Hilger FS Gössel 612; vgl. auch Eisenberg FS Fezer 205 ff.

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rückweisen (s. Rn. 10). Ansonsten geht die Aufklärungspflicht vor.79 Ähnliches gilt für die Beschränkung des Fragerechts nach § 68a.80 Fragen, die im Sinne dieser Bestimmungen nicht unerlässlich (§ 68a Abs. 1), nicht erforderlich (§ 68a Abs. 2 Satz 1) bzw. nicht notwendig (§ 68a Abs. 2 Satz 2) sind, können zurückgewiesen werden81 (s. auch Rn. 9). 4. Zurückweisung einer Frage durch den Vorsitzenden. Die vorherige Mittei- 19 lung beabsichtigter Fragen kann der Vorsitzende grundsätzlich nicht verlangen.82 Ein derartiges Begehren ist jedoch ausnahmsweise dann zulässig, wenn der Fragesteller bereits laufend unzulässige Fragen gestellt hat und die Vorabprüfung weiterer Fragen deshalb unerlässlich ist, um die Fortsetzung des bereits manifest gewordenen, durch andere Mittel nicht abstellbaren Missbrauchs des Fragerechts zu unterbinden, dem ansonsten nur durch den völligen Entzug des Fragerechts für einen gesamten Verfahrensabschnitt (s. Rn. 24) begegnet werden könnte.83 Erscheint dem Vorsitzenden eine Frage wegen ihrer unbestimmten oder unpassen- 20 den Form ungeeignet, wird er sie in der Regel nicht sofort zurückweisen dürfen, sondern zunächst darauf hinzuwirken haben, dass sie in eine geeignete Form gebracht wird.84 Auch sonst wird es zweckmäßig sein, den Fragenden auf die Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Frage hinzuweisen und ihm anheimzugeben, sie fallenzulassen oder abzuändern.85 In diesem Zusammenhang kann er auch nähere Erklärungen über den Zweck der Frage fordern,86 etwa wenn ihr Sachbezug (vgl. Rn. 7) nicht erkennbar ist. Eine solche Sachbehandlung vor der ausdrücklichen Zurückweisung der Frage entspricht der ausgleichenden Rolle, die der Vorsitzende bei der Verhandlungsleitung einnehmen soll. Ob er einen solchen Hinweis geben will, steht allerdings in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Er kann insbesondere dann von ihm absehen, wenn er sich davon – etwa wegen des bisherigen Prozessverhaltens des Fragestellers – keinen Erfolg verspricht. Verzichtet der Fragesteller auf die Frage, erübrigt sich die Zurückweisung. Dage- 21 gen wird diese wegen der an sie anknüpfenden prozessualen Folgen (Rn. 23) nicht da-

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79 BGHSt 50 318 = BGH JR 2006 343 m. Anm. Eisenberg/Reuther; KK/Schneider 8; Meyer-Goßner/Schmitt 15; einschränkend Eisenberg FS Fezer 206 f.; kritisch KMR/Eschelbach 24; ablehnend Roggan GA 2012 441 f.; Sommer StraFo 2010 106 f.; MüKo/Gaede 14; SK/Frister 12. Soweit in dem genannten Urteil (s. auch schon BGH bei Kusch NStZ-RR 2001 131) für Ausnahmefälle die Zurückweisung einer Frage – mit der Folge einer Kompensation durch besonders vorsichtige Beweiswürdigung nach den Maßstäben von BGHSt 49 112 – auch dann zugelassen wird, wenn das Gericht deren Beantwortung eigentlich als für seine Überzeugungsbildung erforderlich erachtet, ist dies kaum mit der Aufklärungspflicht zu vereinbaren, die als gesetzliches Gebot Vorrang hat. Auch der Ausweg, den Zeugen keinen Zwangsmaßnahmen nach § 70 zu unterwerfen, wenn er wegen der Gefährdungslage entsprechende Fragen nicht beantwortet (vgl. BGH NStZ 1984 31, 32; 1993 350; Griesbaum NStZ 1998 436), vermag dogmatisch nicht recht zu überzeugen. Letztlich mangelt es an einer tauglichen gesetzlichen Abgrenzung zwischen Aufklärungspflicht und Zeugenschutz. 80 Zur Befragung eines Zeugen nach Vorstrafen (§ 68a Abs. 2 Satz 2) s. Deutscher NStZ 2012 361 f.; KMR/Eschelbach 26. 81 BGHSt 13 252, 254; 21 334, 360; BGH NStZ 1982 170; OLG Hamm VRS 31 (1966) 50 f.; s. näher bei § 68a. 82 Vgl. BGH NStZ 1983 421. 83 Vgl. RGSt 18 365, 367; BGH NStZ 1982 158, 159; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 209; AK/Schöch 9; KK/Schneider 16; KMR/Eschelbach 28 und § 240, 12; Meyer-Goßner/Schmitt 6 und § 240, 9; SK/Frister 25; Heinrich 150 f.; Malmendier NJW 1997 227, 231; Rüping JZ 1997 865, 869; Wagner JuS 1972 316; a.A. RGSt 38 57, 58; Eisenberg (Beweisrecht) 799; Miebach DRiZ 1977 140; ter Veen StV 1983 168. 84 RG DRiZ 1929 Nr. 901; JW 1931 1098. 85 Radtke/Hohmann/Britz 15; SK/Frister 22;. 86 BGHSt 16 67, 69; HK/Julius 2; KK/Schneider 12; Radtke/Hohmann/Britz 15; vgl. § 240, 14.

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durch überflüssig, dass der Befragte die unzulässige Frage vorschnell beantwortet.87 Die Zurückstellung einer Frage durch den Vorsitzenden ist noch keine Zurückweisung.88 Statt die Frage zurückzuweisen, ist es dem Vorsitzenden auch in den Fällen des § 241 Abs. 2 unbenommen, sofort eine Entscheidung des Gerichts nach § 242 herbeizuführen.89 Die Entscheidung des Vorsitzenden, mit der er eine Frage zurückweist, ist eine von 22 Amts wegen oder auf Antrag nach pflichtgemäßem Ermessen90 ergehende, prozessleitende Verfügung, für die § 34 an sich keine Begründung fordert. Trotzdem ist regelmäßig die Bekanntgabe der konkreten Gründe für die Zurückweisung angebracht, der bloße Hinweis, die Frage sei „unzulässig“ oder „ungeeignet“, genügt dafür nicht (s. auch Rn. 28). Dies folgt daraus, dass die Prozessbeteiligten, vor allem der von der Zurückweisung Betroffene, ihr weiteres Verhalten auf diese Gründe einstellen müssen.91 Nur wenn dies in ausreichender Weise geschieht, können sie beurteilen, ob es sinnvoll ist, gegen die Entscheidung des Vorsitzenden das Gericht anzurufen (Rn. 26) oder eine beanstandete Frage in einer anderen Form zu wiederholen oder einen Beweisantrag zu stellen (vgl. Rn. 37). Die Zurückweisung erfasst in aller Regel nur bereits gestellte Fragen. Ausnahmsweise – insbesondere in Fällen des Missbrauchs des Fragerechts – können jedoch Fragen zu einem sachfremden Beweisthema insgesamt zurückgewiesen werden mit der Folge, dass hierzu später gleichwohl gestellte weitere Fragen von der früheren Zurückweisungsentscheidung des Vorsitzenden und dem bestätigenden Gerichtsbeschluss nach § 238 Abs. 2 miterfasst sind; der Vorsitzende darf dann diese Fragen ohne weitere Begründung zurückweisen, eines weiteren Beschlusses nach § 238 Abs. 2 bedarf es nicht mehr.92 23

5. Wirkung der Zurückweisung. Die Zurückweisung betrifft nur die einzelne Frage (s. aber auch Rn. 22); sie entzieht dem Berechtigten das Fragerecht als solches nicht.93 Die zurückgewiesene Frage darf nicht beantwortet und später nicht mehr gestellt werden. Ist sie schon vor der Zurückweisung vorschnell beantwortet worden, ist die Antwort kein Bestandteil der Aussage; sie darf im Verfahren nicht verwertet werden94 und erfüllt, wenn sie falsch beantwortet wurde, auch nicht den Tatbestand der §§ 153, 154 StGB.95 Die Zurückweisung hindert den Fragesteller aber nicht, in einer anderen Form zu fragen, die den Grund der Zurückweisung vermeidet, also etwa statt nach einem Werturteil nach Tatsachen zu fragen, die für ein solches bedeutsam sein können.

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87 KK/Schneider 13; KMR/Eschelbach 31; Radtke/Hohmann/Britz 14; SK/Frister 23; a.A. AnwK-StPO/ Sommer 20; HK-GS/Seebode 19. 88 Meyer-Goßner/Schmitt 11; Radtke/Hohmann/Britz 14. 89 KK/Schneider 12; Meyer-Goßner/Schmitt 16; Radtke/Hohmann/Britz 13; SK/Frister 22; vgl. § 242, 3. 90 S. dazu eingehend und differenzierend SK/Frister 21, der nur einen eingeschränkten Beurteilungsspielraum des Vorsitzenden hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 240 Abs. 2 bejaht und, so diese erfüllt sind, den Vorsitzenden oder das Gericht zur Zurückweisung der Frage verpflichtet sieht; ähnlich KMR/Eschelbach 32. 91 BGH bei Dallinger MDR 1975 726; KK/Schneider 13; KMR/Eschelbach 32; Meyer-Goßner/Schmitt 17 (kurze Begründung); Radtke/Hohmann/Britz 17; SK/Frister 22; SSW/Franke 9; vgl. auch BGH StV 1990 199, 200. 92 BGHSt 48 372, 373. 93 RGSt 38 57, 58; Radtke/Hohmann/Britz 14; vgl. auch Rn. 24. 94 A.A. MüKo/Gaede 29: Verwertbarkeit jedenfalls dann, wenn die Antwort entlastend wirkt. 95 BGH bei Dallinger MDR 1953 401; KG JR 1978 77, 78 m. Anm. Willms; AK/Schöch 11; SK/Frister 23; vgl. Schönke/Schröder/Bosch/Schittenhelm Vor §§ 153 ff., 15 StGB.

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6. Entziehung des Fragerechts. Das Fragerecht ist als Ganzes grundsätzlich nicht 24 entziehbar.96 Wird es aber von einem Verfahrensbeteiligten trotz Abmahnung wiederholt erheblich missbraucht, so kann es, wenn mildere Mittel sich als nicht ausreichend erweisen, für bestimmte, genau zu begrenzende Verfahrensabschnitte, etwa die weitere Befragung einer bestimmten Beweisperson,97 als letztes Mittel zur Sicherung des ordnungsgemäßen Verfahrensgangs, entzogen werden,98 obwohl Absatz 2 seinem Wortlaut nach nur die Zurückweisung unzulässiger Einzelfragen vorsieht. Sie kommt daher nicht in Betracht, wenn etwa bereits die Zurückweisung einzelner Fragen,99 die Zurückweisung auch künftiger Fragen zu einzelnen Themenkomplexen (Rn. 22), die Anordnung, dem Vorsitzenden die beabsichtigten Fragen vorher mitzuteilen (Rn. 19) oder Fragen nur mittelbar über ihn oder, soweit es um Fragen des Angeklagten geht, über seinen Verteidiger zu stellen,100 ausreichen, um jeden künftigen Missbrauch zu unterbinden. Wird jedoch ersichtlich, dass der Fragende weiterhin keine sachdienlichen Fragen mehr hat und sein formales Fragerecht nur zu prozesswidrigen Zwecken ausüben will, gehört es zur sachgerechten Prozessleitung, diesen Missbrauch – nicht zuletzt zum Schutz der betroffenen Auskunftsperson und im Interesse des Verfahrensfortgangs – generell und nicht nur jeweils durch Einzelanordnungen nach jeder Frage zu unterbinden. Die Entziehung darf jedoch niemals weiter gehen, als es zur Verhütung des zu befürchtenden künftigen Missbrauchs unerlässlich ist. Eine solche Entscheidung, die der Vorsitzende zwar kraft seiner Sachleitungsbefugnis treffen kann,101 die er aber zweckmäßigerweise dem Gericht überlassen sollte, bedarf – ähnlich wie die Ablehnung eines Beweisantrags – einer eingehenden Begründung, die dem Revisionsgericht die rechtliche Nachprüfung ermöglichen muss.102 Anzugeben sind daher alle Tatsachen, die den Missbrauch und die Gefahr seiner Fortsetzung belegen; hinsichtlich der Einzelheiten, wie die Gründe für die Zurückweisung früherer Einzelfragen, kann es genügen, dass sich diese aus der Sitzungsniederschrift ergeben. Ungeachtet der Entziehung muss dem betroffenen Verfahrensbeteiligten aber ermöglicht werden, das Gericht zu ersuchen, bestimmte Fragen zu stellen. Sind diese sachdienlich, hat das Gericht dem Ersuchen zu entsprechen. IV. Sitzungsniederschrift Die Entziehung der Befugnis zum Kreuzverhör (Absatz 1) ist stets zu protokollie- 25 ren.103 Die einzelne Frage und ihre Zurückweisung sind als solche keine nach § 273 Abs. 1 protokollierungspflichtigen Vorgänge. Wird aber die Zurückweisung durch den Vorsitzenden nach § 238 Abs. 2 beanstandet, so sind nicht nur die Beanstandung, die ein Antrag im Sinne des § 273 Abs. 1 ist, sondern zum Verständnis auch die Frage und

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96 RGSt 38 57; SK/Frister 25; Dahs/Dahs 311; Fahl 429 ff. 97 Nach MüKo/Gaede 33 soll nur dies zulässig sein. 98 BGH bei Dallinger MDR 1973 371 f.; BGH NStZ 1982 158, 159; OLG Karlsruhe NJW 1978 436; KG JR 1971 338; Frister StV 1994 452; Gollwitzer GedS Meyer 169 f.; Granderath MDR 1983 799; Schlüchter 456; AK/Schöch 4; KK/Schneider 16; Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Frister 26; SSW/Franke 11; a.A. unter Hinweis auf den unterschiedlichen Wortlaut und Zweck der beiden Absätze des § 241 RGSt 38 57, 58 (unter Aufgabe von RGSt 18 365, 367); HK/Julius 9; KMR/Eschelbach 37; Eisenberg (Beweisrecht) 799; Heinrich 152; Henschel 214 f.; Miebach DRiZ 1977 141; Roxin/Schünemann § 44, 23 (der die analoge Anwendung des § 241a Abs. 2 Satz 1 vorschlägt); Rüping JZ 1997 869; ter Veen StV 1983 168. 99 OLG Karlsruhe NJW 1978 436 f. 100 KK/Schneider 16; SK/Frister 25 f.; Fahl 437 f.; vgl. BGH StV 1985 2. 101 A.A. Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Frister 27: Gerichtsbeschluss erforderlich. 102 BGH bei Dallinger MDR 1973 371 f.; OLG Karlsruhe NJW 1978 436; KK/Schneider 17; MeyerGoßner/Schmitt 6, SK/Frister 27; vgl. auch Frister StV 1994 452. 103 SK/Frister 28.

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deren Zurückweisung nebst den dafür angegebenen Gründen in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen.104 Zu beurkunden ist auch der daraufhin ergehende Beschluss des Gerichts.105 Unterbleibt er, weil der Antragsteller nachträglich auf die Frage oder auf seinen bereits gestellten Antrag nach § 238 Abs. 2 verzichtet, so entfällt die Protokollierungspflicht dadurch nicht. Der Verzicht auf die Entscheidung des Gerichts ist dann in der Niederschrift festzuhalten. Die Zurückweisung weiterer Fragen zu einem bestimmten Themenkomplex (Rn. 22), die Beschränkung der Ausübung des Fragerechts durch die Anordnung, beabsichtigte weitere Fragen vorher mitzuteilen (Rn. 19), sowie die Entziehung des weiteren Fragerechts für einen bestimmten Verfahrensabschnitt (Rn. 24) sind aus den gleichen Erwägungen samt den vorangegangenen Verfahrensvorgängen zu protokollieren.106 Zumindest für die Entziehung des weiteren Fragerechts gilt dies auch, wenn hiergegen keine Entscheidung des Gerichts herbeigeführt wurde.107 Dies folgt daraus, dass die generelle Beschränkung eines Verfahrensbeteiligten in der künftigen Ausübung eines Verfahrensrechts den Charakter einer wesentlichen Förmlichkeit erlangen dürfte. Wenn der Vorsitzende eine Frage nicht zurückweist, obwohl er es nach § 241 Abs. 2 könnte, und auch sonst kein Beteiligter die Entscheidung des Gerichts anregt, braucht der Vorgang nicht in die Niederschrift aufgenommen zu werden. V. Rechtsbehelfe 1. Anrufung des Gerichts. Gegen die prozessleitende Verfügung, mit der der Vorsitzende die Befugnis zum Kreuzverhör entzieht, eine Frage zurückweist, über Zeit und Form der Ausübung des Fragerechts entscheidet oder das Fragerecht beschränkt, kann – und muss zur Wahrung der Revision (Rn. 32) grundsätzlich – die Entscheidung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 herbeigeführt werden;108 dieses hat nach § 242 in allen Fällen bei Zweifeln über die Zulässigkeit einer Frage zu entscheiden. Auch der betroffene Zeuge oder Sachverständige kann das Gericht anrufen, wenn er eine ihm gestellte Frage für unzulässig hält.109 Dies gilt auch dann, wenn durch die Beantwortung der Frage Rechte Dritter unzulässig beeinträchtigt würden; der Dritte selbst hat, da nicht Verfahrensbeteiligter, kein eigenes Beanstandungsrecht.110 27 Der Vorsitzende muss den Prozessbeteiligten und insbesondere dem von der Zurückweisung Betroffenen in geeigneter Weise Gelegenheit zur Anrufung des Gerichts geben (zur Ausnahme hiervon s. Rn. 22). Dies sollte in der Regel dadurch geschehen, dass er die Gründe für die Zurückweisung bekannt gibt und es ihm dann überlässt, ob er das Gericht anrufen oder die Frage anders formulieren will. Die Begründung, mit der das Gericht angerufen wird, kann dem Vorsitzenden Anlass geben, seine Anordnung zu

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104 BGHSt 3 199, 202; BGH NStZ-RR 2001 138; OLG Karlsruhe NJW 1978 436, 437; KK/Schneider 14; KMR/Eschelbach 39; Meyer-Goßner/Schmitt 18. Strittig ist nur, ob die Beanstandung einer Frage durch den Vorsitzenden auch dann zu protokollieren ist, wenn das Gericht nicht angerufen wurde. SK/Frister 28 bejaht dies, weil ein unverteidigter Angeklagter schon die Zurückweisung seiner Frage mit der Revision rügen kann. 105 Vgl. BGHSt 3 199, 202; BGH NStZ-RR 2001 138; Radtke/Hohmann/Britz 19. 106 BGH bei Dallinger MDR 1973 371; SK/Frister 28. 107 SK/Frister 28. 108 RGSt 47 139, 141; 68 110, 112; KK/Schneider 18; Meyer-Goßner/Schmitt 20; SK/Frister 29; Hamm 1094. Erker 115 ff. sieht dagegen in § 242 eine vorgehende Sonderregelung, soweit es um die Zulässigkeit einzelner Fragen geht, während Anordnungen des Vorsitzenden über die Modalitäten der Ausübung des Fragerechts nach § 238 Abs. 2 zu beanstanden sind. Zum Verhältnis des § 238 Abs. 2 zu § 242 vgl. § 242, 1. 109 Gillmeister NStZ 2018 563; Granderath MDR 1983 799; Humborg JR 1966 451; Wulf DRiZ 1981 381; Radtke/Hohmann/Britz 21; SK/Frister 29; vgl. § 238, 40. 110 KK/Schneider 18; SK/Frister 29; unklar Granderath MDR 1983 799.

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ändern und die Frage zuzulassen. Dann erübrigt sich eine Entscheidung des Gerichts, es sei denn, dass nunmehr ein anderer Beteiligter Zweifel an der Zulässigkeit der Frage äußert. Die Entscheidung des Gerichts ergeht nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten 28 (§ 33 Abs. 1) durch Beschluss, der das Kreuzverhör oder die Frage zulässt, den Antrag nach § 238 Abs. 2 zurückweist (§ 238, 32) oder, wenn das Gericht ohne vorgängige Verfügung des Vorsitzenden wegen Zweifeln nach § 242 angerufen wurde, unmittelbar die Frage zurückweist. Gemäß § 34 ist der ablehnende Beschluss zu begründen, ebenso – wegen des Beschwerderechts des Zeugen oder Sachverständigen – der stattgebende. Dabei sind die maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen so anzuführen, dass der Antragsteller sein weiteres Prozessverhalten danach ausrichten kann (vgl. Rn. 22) und dass auch dem Revisionsgericht die Nachprüfung möglich ist. Die Grundsätze, die für die Begründung der Ablehnung von Beweisanträgen entwickelt worden sind, gelten entsprechend.111 Eine Wiederholung des Gesetzeswortlauts reicht nicht aus, ebenso wenig formelhafte Wendungen.112 Über die Zulassung der Fragen muss vor Abschluss der Beweisaufnahme bzw. vor 29 Entlassung der Beweisperson (§ 248) entschieden werden, um dem betroffenen Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit zu geben, gegebenenfalls durch andere Fragen eine Klärung zu erreichen.113 2. Beschwerde. Zeugen und Sachverständige können die Zulassung einer unzuläs- 30 sigen Frage, durch die sie in ihren Rechten berührt werden, mit der Beschwerde anfechten (§ 305 Satz 2).114 Die Entscheidung des Beschwerdegerichts über die Zulässigkeit der Frage bindet das erkennende Gericht,115 nicht aber das Revisionsgericht.116 Im Übrigen schließt § 305 Satz 1 die Beschwerde aus. 3. Revision a) Beeinträchtigung des Fragerechts. Bestätigt das Gericht durch Beschluss 31 (§ 238 Abs. 2) den Entzug des Vernehmungsrechts nach § 241 Abs. 1 oder die Beschränkung des Fragerechts durch den Vorsitzenden oder lässt es durch einen Beschluss nach § 238 Abs. 2 oder § 242 eine Frage zu Unrecht zu oder nicht zu, so kann dies mit der Revision nach §§ 336, 337 beanstandet werden, vom Angeklagten außerdem auch unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Beschränkung der Verteidigung i.S.d. § 338 Nr. 8.117 Dies gilt selbst dann, wenn das Beschwerdegericht die Frage auf eine Beschwerde hin für unzulässig erklärt hat (s. Rn. 30). Durch die Zurückweisung der Frage eines Angeklagten oder dessen Verteidigers kann auch ein Mitangeklagter beschwert sein. Dies allein eröff-

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111 BGHSt 2 284, 286; 13 252, 255 f.; BGH StV 1990 199; bei Dallinger MDR 1973 371 f.; 1975 726; bei Spiegel DAR 1978 154; KK/Schneider 19; Meyer-Goßner/Schmitt 21. 112 BGHSt 2 284, 286; 13 252, 255 f.; BGH NStZ-RR 2001 138; 2009 316; BayObLGSt 1964 16, 17 = JR 1964 389 m. Anm. Peters; SK/Frister 31. Werden die konkreten Gründe angegeben, aus denen sich die Unzulässigkeit ergibt, so ist es – entgegen BGH NStZ-RR 2001 138 – nicht unbedingt erforderlich, dass die unzulässige Frage ausdrücklich einer der beiden sich überschneidenden Kategorien „ungeeignet“ bzw. „nicht zur Sache gehörig“ zugeordnet wird; vgl. Schlüchter 457 Fn. 127. 113 OLG Frankfurt NJW 1947/48 395; Radtke/Hohmann/Britz 22; SK/Frister 30. 114 Gillmeister NStZ 2018 563. 115 BGHSt 21 334, 359 f.; KK/Schneider 20; KMR/Eschelbach 45; Meyer-Goßner/Schmitt 22; SK/Frister 32. 116 Hanack JZ 1972 82; ferner die Nachw. in der vorstehenden Fn. BGHSt 21 334, 359 f. lässt dies offen. 117 BGHSt 2 284, 286; 21 334, 360; 50 318, 320; BGH bei Dallinger MDR 1973 371; 1975 726; BGH NStZ 1982 158, 159; 1982 170; 1990 400.

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net diesem indes nicht die Rüge einer Verletzung seines Fragerechts, wenn er sich nicht seinerseits der Frage anschließt oder zumindest nach deren Zurückweisung auf Entscheidung des Gerichts anträgt (s. Rn. 32); denn eine Verletzung seines Fragerechts kann nur rügen, wer durch eine Verfahrenshandlung zum Ausdruck gebracht hat, dass er dieses ausüben will.118 Führt der durch die Entscheidung des Vorsitzenden Betroffene gegen die Beschrän32 kung seines Fragerechts keinen Gerichtsbeschluss gemäß § 238 Abs. 2 herbei, kann er auf die vermeintliche Rechtsverletzung eine zulässige Revisionsrüge in der Regel nicht mehr stützen.119 Es gelten die bei § 238, 43 bis 47 dargelegten Grundsätze. 33 Im Zusammenhang mit Beschränkungen des Fragerechts kann mit der Revision auch gerügt werden, wenn es das Gericht versehentlich unterlässt, die Beanstandung einer Frage zu bescheiden (§ 238 Abs. 2), oder wenn der Beschluss des Gerichts nicht oder unzureichend begründet worden ist120 (s. Rn. 28) oder zu einem Zeitpunkt erging (vgl. Rn. 29), der es dem Revisionsführer nicht mehr gestattete, sein weiteres Prozessverhalten auf die Ansicht des Gerichts einzustellen.121 Die Rüge, die nicht zugelassene Frage hätte einen anderen Sinn gehabt als vom Gericht angenommen, scheitert in der Regel schon daran, dass es unterlassen wurde, die Frage in einer das behauptete Missverständnis ausräumenden Form neu zu stellen.122 Ob das Urteil auf dem Fehler beruht bzw. im Fall des § 338 Nr. 8 die Verteidigung in 34 einem wesentlichen Punkte beschränkt worden ist, die unterbliebene Beantwortung der Frage also Einfluss auf das Urteil gewonnen haben kann, muss nach Lage des jeweiligen Falls beurteilt werden.123 Der BGH hat einen Einfluss der fehlerhaften Handhabung des § 241 auf die tatrichterliche Würdigung etwa ausgeschlossen, wenn nach außergewöhnlich umfangreicher Befragung ersichtlich war, dass der Zurückgewiesene keine sachlichen bzw. nur noch bedeutungslose Fragen hatte und somit zur weiteren Sachaufklärung nichts mehr beitragen konnte124 oder wenn trotz Zurückweisung der Frage für den Fragesteller Gelegenheit bestand, die Auskunftsperson umfangreich zu den von ihm für klärungsbedürftig angesehenen Punkten zu befragen.125 Die fehlende oder unzureichende Begründung eines im Ergebnis rechtmäßigen Beschlusses kann dann unschädlich sein, wenn die maßgeblichen Gründe für alle Verfahrensbeteiligten offensichtlich waren und sie sich daher in ihrem weiteren Prozessverhalten hierauf einstellen konnten.126

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118 KK/Schneider 23; s. zur entsprechenden Problematik beim Beweisantragsrecht § 244, 120; a.A. BGH StV 1982 204, 205: bei stillschweigendem Anschluss; bei Miebach/Kusch NStZ 1991 228: wenn aufgrund gleichlaufender Interessen die Verteidigung des Revidenten berührt ist; KMR/Eschelbach 46; LR/Becker26 31; Meyer-Goßner/Schmitt 23; MüKo/Gaede 40. 119 BGH bei Cierniak/Zimmermann NStZ-RR 2014 131; BayObLGSt 1962 267, 268; vgl. (je zu Verstößen gegen § 240 Abs. 2) BGH StV 1985 355, 356; 1996 248; s. auch BGH NStZ 2005 222 m. Anm. Ventzke S. 396; Widmaier NStZ 2007 234; KK/Schneider 21; Meyer-Goßner/Schmitt 23; Radtke/Hohmann/Britz 24; Basdorf StV 1997 490; a.A. etwa MüKo/Gaede 41; SK/Frister 33 i.V.m § 238, 40 ff. 120 BGHSt 2 284, 286; BGH StV 1990 199; NStZ-RR 2009 316; bei Dallinger MDR 1975 726; BayObLGSt 1964 16, 17 = JR 1964 389 m. Anm. Peters. 121 Hamm 1094; Radtke/Hohmann/Britz 24; SK/Frister 34. 122 BGH NJW 1992 2838, 2839. 123 Zur Beruhensprüfung s. etwa BGHSt 50 318, 322 ff.; BGH NJW 1961 1221; NStZ 1985 183, 184; 2001 418 f. 124 BGH StV 1983 139, 140 m. abl. Anm. ter Veen S. 167, 173; KMR/Eschelbach 49; Meyer-Goßner/Schmitt 23; kritisch SK/Frister 35. 125 BGH NStZ-RR 2001 138; kritisch SK/Frister 35. 126 BGH StV 1990 199, 200; KK/Schneider 21; KMR/Eschelbach 48; Meyer-Goßner/Schmitt 23; SK/Frister 36.

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b) Sonstige Rügen. Die Revision kann nicht damit begründet werden, dass die Ver- 35 nehmung des Angeklagten oder eines Zeugen unzulänglich oder unvollständig gewesen sei, denn Staatsanwalt und Verteidiger hatten das Recht, selbst Fragen zu stellen. Unterlassen sie dies, so können sie in aller Regel nicht mit Erfolg rügen, das Gericht habe seine Aufklärungspflicht verletzt, weil es diese Frage nicht gestellt habe.127 Eine Ausnahme greift dann Platz, wenn die Urteilsgründe ergeben, dass sich dem Gericht eine weitere Benutzung des Beweismittels hätte aufdrängen müssen.128 Wird eine Frage zu Unrecht nicht zugelassen, so kann dies unter Umständen nicht nur gegen § 240 Abs. 2, § 241 Abs. 2 verstoßen, sondern auch die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2) verletzen,129 etwa wenn dadurch erkennbare Widersprüche einer Aussage ungeklärt blieben. Der Revisionsführer muss allerdings die Tatsachen dartun, aus denen sich ergibt, dass die Sachaufklärung die Frage erforderte (vgl. § 244, 366). Auch diese Rüge ist regelmäßig aber nur dann zulässig, wenn die Zurückweisung der Frage in der Hauptverhandlung gemäß § 238 Abs. 2 beanstandet worden war, da ansonsten das mit § 238 Abs. 2 verfolgte Regelungsziel (s. § 238, 46) durch die Aufklärungsrüge ausgehebelt werden könnte.130 Der Prozessbeteiligte, dessen Frage zurückgewiesen worden ist, kann unter Um- 36 ständen deren Inhalt zum Gegenstand eines Beweisantrags machen, über den das Gericht nach § 244 Abs. 3 zu entscheiden hat. Die Zurückweisung des Antrags kann er dann als Verletzung des Beweisantragsrechts rügen. Die Beanstandung der Zurückweisung der Frage mit der Revision hängt aber nicht davon ab, dass er diese Möglichkeit vorher ausgeschöpft hat.131

§ 241a Vernehmung minderjähriger Zeugen durch den Vorsitzenden § 241a Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-040

(1) Die Vernehmung von Zeugen unter 18 Jahren wird allein von dem Vorsitzenden durchgeführt. (2) 1 Die in § 240 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Personen können verlangen, daß der Vorsitzende den Zeugen weitere Fragen stellt. 2 Der Vorsitzende kann diesen Personen eine unmittelbare Befragung der Zeugen gestatten, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen ein Nachteil für das Wohl der Zeugen nicht zu befürchten ist. (3) § 241 Abs. 2 gilt entsprechend. Schrifttum Albrecht Kinder im Strafverfahren (1993); Becker Schutz kindlicher und jugendlicher Zeugen vor psychischer Schädigung durch das Strafverfahren, ZBlJW 1975 515; Böhm Kindliche Opferzeugen vor dem Amtsgericht, ZRP 1996 259; Dähn Vorschläge für einen verstärkten Schutz kindlicher Zeugen im Strafverfahren, ZRP 1973 211; Denger Kinder und Jugendliche als Zeugen im Strafverfahren wegen sexuellen Mißbrauchs in der Familie und deren Umfeld, ZRP 1991 48; Dippel Zur Behandlung von Aussagen kindli-

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127 OGHSt 3 59; BGHSt 4 125, 126; 17 351, 352; VRS 36 (1969) 23; BGH bei Pfeiffer NStZ 1981 96; OLG Hamm NJW 1970 69; OLG Koblenz DAR 1973 106; dies gilt auch, wenn die Ausübung des Fragerechts nur in Form schriftlicher Fragen möglich war: BGH bei Holtz MDR 1980 986. Vgl. § 244, 363. 128 BGHSt 4 125, 126; 17 351, 352; OLG Saarbrücken VRS 48 (1975) 431. 129 Vgl. § 244, 64. 130 So im Ergebnis auch KK/Schneider 21. 131 A.A. OGHSt 3 29, 31, wo das Fragerecht zu Unrecht als Vorstufe des Beweisantragsrechts betrachtet wurde.

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cher und jugendlicher Zeugen, FS Tröndle (1989) 599; Eisenberg Vernehmung und Aussage (insbesondere) im Strafverfahren aus empirischer Sicht, JZ 1984 912 und 961; Knögel Jugendliche und Kinder als Zeugen in Sittlichkeitsprozessen, NJW 1959 1663; Meier Zwischen Opferschutz und Wahrheitssuche – Überlegungen zur Rechtsstellung kindlicher Zeugen im Strafprozess, JZ 1991 638; Störzer Sittlichkeitsprozeß und junges Opfer, Sexualität und soziale Kontrolle (1978), 101. Das Schrifttum zum Einsatz der Videotechnologie bei der Vernehmung kindlicher Zeugen ist bei § 247a aufgeführt.

Entstehungsgeschichte Art. 1 Nr. 11 des 1. StVRErgG hat § 241a eingefügt, um Kinder und Jugendliche als Zeugen besser als bisher vor den Belastungen der Hauptverhandlung schützen zu können, wenn auf die Vernehmung nicht verzichtet werden kann (vgl. RiStBV Nr. 222 Abs. 2). Durch Art. 1 Nr. 35 des 2. OpferRRG wurde das Schutzalter auf 18 Jahre erhöht.1

1. 2. 3. 4. 5.

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Übersicht Zweck der Sonderregelung | 1 Anwendungsbereich | 3 Alleinige Vernehmung durch den Vorsitzenden (Absatz 1) | 4 Mittelbares Fragerecht anderer Beteiligter (Absatz 2 Satz 1) | 5 Unmittelbare Befragung durch andere Beteiligte (Absatz 2 Satz 2) | 7

6. 7. 8.

Zurückweisung von Fragen (Absatz 3) | 12 Sitzungsniederschrift | 13 Rechtsbehelfe a) Anrufung des Gerichts | 14 b) Beschwerde | 15 c) Revision | 17

1. Zweck der Sonderregelung für die Vernehmung von Zeugen unter 18 Jahren ist es, durch die grundsätzliche Konzentration der Befragung beim Vorsitzenden die psychischen Belastungen dieser Zeugen durch die Hauptverhandlung so gering wie möglich zu halten. Zu ihrem Schutz,2 aber auch zur besseren Erforschung der Wahrheit3 soll ihnen aus vernehmungspsychologischen Gründen nur der Vorsitzende als Gesprächspartner und Bezugsperson gegenüberstehen.4 Dies soll die psychische Spannungssituation vermeiden, die bei Jugendlichen besonders leicht dadurch eintreten kann, dass sie sich im ungewohnten Rahmen einer Gerichtsverhandlung laufend auf verschiedene, einander widersprechende Empfänger ihrer Äußerungen einzustellen haben. Die Vernehmung durch den Vorsitzenden soll die Jugendlichen vor der Form nach aggressiven Fragen der anderen Verfahrensbeteiligten schützen und Gewähr für eine behutsame, ihrem jeweiligen Entwicklungsstand gerecht werdende Durchführung der Vernehmung bieten. Der

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1 Kritisch Roxin/Schünemann Vor § 63, 2. 2 Einen effektiven Schutzeffekt der Regelung bezweifelnd HK/Julius 1. Völlig überzogen die vermeintlich aus Art. 6 Abs. 1 und 3 lit. d EMRK, Art. 47, 48 EUC abzuleitende Forderung von MüKo/Gaede 3, die Norm dürfe gegenüber Angeklagtem und Verteidigung nur mit Einschränkungen angewendet werden. 3 Ähnlicher Zwecksetzung dienen auch § 247 Satz 2, § 247a sowie § 172 Nr. 4 GVG; kritisch Degener StV 2002 624; MüKo/Gaede 2. 4 Begr. zu § 241a BTDrucks. 7 2526 S. 25; Becker ZBlJW 1975 517; Dippel FS Tröndle 617 f.; Kühne 228; KK/Schneider 1; KMR/Paulus 3; Meyer-Goßner/Schmitt 1, 2; Radtke/Hohmann/Britz 1; SK/Frister 2; kritisch dazu Peters Der neue Strafprozeß 143 f.; Meier JZ 1991 644; Störzer 116 ff.; Undeutsch FS Lange 720; zur Vernehmung kindlicher Opferzeugen bei Sexualstraftaten s. auch die vom Justizministerium BW herausgegebene „Handreichung für die Bearbeitung von Strafverfahren wegen sexueller Straftaten an Kindern“, bei Bölter DRiZ 1996 273; Bek. des Justizministeriums Nds. vom 23.8.1997 „Anregungen und Hinweise zum Schutz kindlicher Opferzeugen bei der Durchführung von Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs“, NJW 1998 359; Arntzen DRiZ 1976 20.

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minderjährige, durch die Tat verletzte Zeuge und sein Vertreter sollen „an geeigneter Stelle“ im Verfahren auf § 241a hingewiesen werden (§ 406i Abs. 3). Das alleinige Vernehmungsrecht des Vorsitzenden trägt im Übrigen dazu bei, den 2 bei der Vernehmung jugendlicher Zeugen besonders misslichen Streit um die Zulässigkeit jeder einzelnen Frage an den Zeugen zu vermeiden. Dieser kann hier besonders leicht entstehen, da der Vorsitzende in Erfüllung seiner Schutz- und Aufklärungspflichten nicht nur gegen inhaltlich unzulässige Fragen einschreiten müsste, sondern auch gegen solche Fragen, die dem Entwicklungsstand des Jugendlichen der Form nach nicht entsprechen. 2. Anwendungsbereich. § 241a gilt auch, wenn ein Zeuge unter 18 Jahren nach 3 § 247a in der Hauptverhandlung nicht im Sitzungssaal, sondern mittels einer zeitgleichen Bild-Ton-Übertragung an einem anderen Ort vernommen wird. Er ist gemäß § 168c Abs. 2 Satz 4 entsprechend anzuwenden, wenn der Ermittlungsrichter den minderjährigen Zeugen vernimmt; dies gilt auch dann, wenn der Ermittlungsrichter den Zeugen getrennt von den Anwesenheitsberechtigten (§ 168c Abs. 2) bei gleichzeitiger Bild-TonÜbertragung (§ 168e Satz 1 und 2) anhört (§ 168e Satz 4). 3. Alleinige Vernehmung durch den Vorsitzenden (Absatz 1). Kinder und Ju- 4 gendliche, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, werden grundsätzlich allein durch den Vorsitzenden vernommen. Vernehmung ist hier die gesamte Anhörung des Zeugen in der Hauptverhandlung einschließlich aller an den Zeugen zu richtenden Fragen, gleich wann und in welchem Zusammenhang sie gestellt werden. Sie umfasst auch die Befragung der Eltern des Zeugen zu dessen Personalien, da hierin lediglich ein Behelf im Rahmen der Vernehmung des Zeugen liegt.5 Auch die äußere Form, in der die Vernehmung durchzuführen ist,6 bestimmt der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen. Selbst wenn er im Rahmen seines am Wohl des Zeugen auszurichtenden Ermessens alsbald die weitere Befragung einem dazu besonders geeigneten Frageberechtigten oder dem Sachverständigen (Rn. 10 f.) überlässt,7 bleibt die Leitung und Kontrolle der Befragung in seiner Verantwortung. Die Bedeutung des § 241a Abs. 1 gegenüber der allgemeinen Regel des § 238 Abs. 1 liegt im Wort „allein“. Hierdurch wird das Kreuzverhör nach § 239 ebenso ausgeschlossen wie das durch § 240 den Verfahrensbeteiligten eingeräumte Recht, Zeugen unmittelbar zu befragen. 4. Mittelbares Fragerecht anderer Beteiligter (Absatz 2 Satz 1). Die in § 240 ge- 5 nannten Personen, die Mitglieder der Richterbank ebenso wie Staatsanwalt, Verteidiger und Angeklagter, verlieren jedoch nicht ihr Recht auf Befragung dieser Zeugen. Gleiches gilt für die in § 240 nicht genannten, aber nach anderen Bestimmungen frageberechtigten Verfahrensbeteiligten (s. § 240, 8).8 Alle Frageberechtigten können ihr Fragerecht aber nur mittelbar dadurch ausüben, dass sie vom Vorsitzenden, wenn dieser seine Vernehmung abgeschlossen hat,9 verlangen, er solle die von ihnen gewünschten weiteren Fragen stellen.10 Der Vorsitzende muss diesem Ersuchen nachkommen (Absatz 2 Satz 1),

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5 BGH NStZ 1994 354. 6 Dazu je m.w.N.: Arntzen DRiZ 1976 20; Dippel FS Tröndle 600 f.; Eisenberg (Beweisrecht) 1411 ff.; vgl. ferner Beispiele bei Störzer 123. 7 KMR/Paulus 4; zur Zulässigkeit vgl. Meier JZ 1991 644. 8 SK/Frister 7. 9 KK/Schneider 4; Meyer-Goßner/Schmitt 4; SK/Frister 7. 10 AK/Schöch 6; KK/Schneider 4; KMR/Paulus 7; Meyer-Goßner/Schmitt 4; SK/Frister 7 f.

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§ 241a

Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

sofern er nicht die Fragen wegen ihres Inhalts als ungeeignet oder nicht zur Sache gehörig zurückweist (Absatz 3 i.V.m. § 241 Abs. 2) oder die Entscheidung des Gerichts über die Zulässigkeit der Frage nach § 242 herbeiführt. Dass der Vorsitzende im Übrigen bezüglich des Inhalts der weiterzugebenden Frage keinen Ermessensspielraum hat, schließt nicht aus, dass er den Fragesteller darauf hinweist, wenn er die Frage mit einem abgeänderten Inhalt für zweckmäßiger hält. Ob der Vorsitzende die Fragen anderer Beteiligter, denen gesetzlich kein Fragerecht eingeräumt ist (s. § 240, 9), weitergibt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen.11 Die Verpflichtung des Vorsitzenden, die Frage weiterzugeben, bezieht sich nur auf 6 den sachlichen Inhalt, nicht aber auf die Form der Frage. Unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 241a und der Erfordernisse einer umfassenden Sachaufklärung entscheidet der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen, wie er die Frage fassen will. So kann er insbesondere die Frage der Sprechweise und der Vorstellungskraft eines Kindes anpassen oder einen komplexen Vorgang in einzelne Teilfragen aufspalten.12 Besteht der Fragende darauf, dass die Frage in der von ihm verwendeten Form gestellt wird, kann der Vorsitzende die Frage nach Absatz 3, § 241 Abs. 2 als unzulässig zurückweisen, weil sie gegen den Schutzzweck des § 241a verstößt13 (vgl. Rn. 12). 7

5. Die unmittelbare Befragung durch andere Beteiligte als den Vorsitzenden kann dieser auf Antrag ausnahmsweise gestatten, wenn dadurch kein Nachteil für das Wohl des Jugendlichen zu befürchten ist (Absatz 2 Satz 2). Ob diese Voraussetzung gegeben ist und ob er von dieser Befugnis Gebrauch machen will, entscheidet der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen.14 Maßgebend sind immer die Umstände des Einzelfalls. Der Gegenstand der Zeugenaussage und die zu erwartenden Fragen sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie die Person des Zeugen und des Fragestellers. Der Vorsitzende ist rechtlich nicht gehindert, hier Unterschiede zwischen den Verfahrensbeteiligten zu machen, wenn dies nach dem Schutzzweck des § 241a angezeigt und vertretbar ist.15 So kann er etwa unmittelbare Fragen durch ein Mitglied des Gerichts zulassen, nicht aber durch andere Verfahrensbeteiligte, oder er kann einem Verfahrensbeteiligten, der sich im Umgang mit Jugendlichen als besonders geschickt erweist, die unmittelbare Befragung gestatten, die er den anderen Verfahrensbeteiligten verweigert. Trotz der Zulässigkeit einer solchen Differenzierung der Verfahrensgestaltung sollte aber niemals übersehen werden, dass auch sachlich zu rechtfertigende Unterschiede die äußere Optik eines am Gebote der prozessualen „Waffengleichheit“ orientierten „fairen“ Verfahrens nachteilig beeinflussen können und deshalb besser unterbleiben. Ein Anspruch darauf, dass der Vorsitzende den in § 240 genannten Verfahrensbetei8 ligten die unmittelbare Befragung gestattet, besteht auch dann nicht, wenn eine Gefährdung des Wohls des jugendlichen Zeugen nicht zu erwarten ist.16

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11 SK/Frister 7; vgl. § 240, 9 mwN. 12 Laubenthal/Nevermann-Jaskolla JA 2005 297; AK/Schöch 6; HK/Julius 5; KK/Schneider 4; KMR/Paulus 7; Meyer-Goßner/Schmitt 4; SK/Frister 9; kritisch AnwK-StPO/Sommer 6. 13 KK/Schneider 4; KMR/Paulus 9; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Radtke/Hohmann/Britz 9 (§ 241 Abs. 2 analog); SK/Frister 9; SSW/Franke 4. 14 Gegen einen zu großzügigen Gebrauch der Ausnahmevorschrift AK/Schöch 10; Kühne 228; vgl. auch Eisenberg JZ 1984 912. 15 KK/Schneider 6; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Radtke/Hohmann/Britz 8; SK/Frister 10. 16 KK/Schneider 6; KMR/Paulus 8; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SK/Frister 10; a.A. MüKo/Gaede 11 f. „jedenfalls im Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK“; Radtke/Hohmann/Britz 8; kritisch AnwK-StPO/Sommer 10; s. auch HK/Julius 6 (Darlegungspflicht).

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 241a

Den Vorsitzenden trifft eine erhöhte Schutzpflicht gegenüber dem jugendlichen 9 Zeugen, wenn er dessen unmittelbare Befragung zugelassen hat. Aus dem Sinn des § 241a folgt, dass er sofort einschreiten und das unmittelbare Fragerecht wieder an sich ziehen muss, wenn sich nachträglich zeigt, dass das Wohl des Zeugen oder die Sachaufklärung gefährdet sein könnte.17 Anderen Beteiligten, die nicht in § 240 genannt sind, kann der Vorsitzende unter 10 den gleichen Voraussetzungen unmittelbare Fragen gestatten; die Verweisung des Absatz 2 Satz 1 auf § 240 hat nicht die Bedeutung einer abschließenden Festlegung der Personen, denen der Vorsitzende unmittelbare Fragen gestatten darf. Deshalb kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob diese Personen durch eine Spezialvorschrift ausdrücklich hinsichtlich ihrer prozessualen Rechte einer der in § 240 genannten Personen gleichgestellt werden oder ob ihnen das Fragerecht vom Vorsitzenden aufgrund seiner Sachleitungsbefugnis (Rn. 5 und § 240, 9) eingeräumt wird.18 Die Befugnis aus § 80 Abs. 2, einem Sachverständigen unmittelbar Fragen zu ge- 11 statten, wird durch § 241a nicht unmittelbar berührt.19 6. Zurückweisung von Fragen (Absatz 3). Der Vorsitzende ist auch im Rahmen der 12 Sondervorschrift des § 241a berechtigt, ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen im gleichen Umfang wie nach § 241 Abs. 2 zurückzuweisen. Ob sie mittelbar über ihn (Absatz 2 Satz 1) oder unmittelbar (Absatz 2 Satz 2) gestellt werden, ist hierbei unerheblich. Die Berechtigung zur Zurückweisung gilt für Fragen der in § 240 Abs. 2 Satz 1 genannten Verfahrensbeteiligten und sonstiger Fragesteller (Rn. 10), nicht aber für Fragen der Berufsrichter, zu denen der Vorsitzende nur die Entscheidung des Gerichts nach § 242 herbeiführen kann.20 7. Sitzungsniederschrift. Für die Protokollierung gelten bei Vernehmungen nach 13 § 241a grundsätzlich keine Besonderheiten gegenüber solchen nach §§ 240, 241. Einzelne Fragen – egal ob mittelbar gemäß § 241 Abs. 2 Satz 1 oder unmittelbar nach § 241a Abs. 2 Satz 2 gestellt – sind erst dann zu protokollieren, wenn über ihre Zulässigkeit nach § 238 Abs. 2 oder § 242 eine Gerichtsentscheidung herbeigeführt wird; diese unterliegt ihrerseits der Protokollierungspflicht (s. § 241, 25). Auch die Gestattung oder Nichtgestattung der unmittelbaren Befragung nach § 241a Abs. 2 Satz 2 stellt für sich keine wesentliche Verfahrensförmlichkeit dar, die in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen ist; die Protokollierungspflicht greift daher auch insoweit erst ein, wenn gegen die Entscheidung des Vorsitzenden gemäß § 238 Abs. 2 das Gericht angerufen wird. 8. Rechtsbehelfe a) Anrufung des Gerichts. Gegen die Entscheidung des Vorsitzenden über die Zu- 14 lassung einer Frage kann (und muss grundsätzlich zur Wahrung der Revision;21 s. § 238, 43 bis 47) das Gericht nach § 238 Abs. 2 angerufen werden, da sie die Sachleitung betrifft.

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17 KMR/Paulus 8; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SK/Frister 11; einschränkend MüKo/Gaede 15. 18 AK/Schöch 8; HK/Julius 7 (jedenfalls bei allseitigem Einverständnis); SK/Frister 7; a.A. (keine Ausdehnung auf nicht genannte Fragesteller) KK/Schneider 7; KMR/Paulus 8; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Radtke/Hohmann/Britz 8; SSW/Franke 5. 19 Begr. BTDrucks. 7 2526 S. 25 (keine Vernehmung); KK/Schneider 3; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Radtke/Hohmann/Britz 2; SK/Frister 5; a.A. MüKo/Gaede 9. 20 Vgl. § 241, 5. 21 BGH bei Cierniak/Zimmermann NStZ-RR 2014 131.

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§ 242

Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

Unerheblich ist dabei, ob die Verfahrensbeteiligten die Frage unmittelbar an den Zeugen stellen durften (Absatz 2 Satz 2) oder ob sie nur vom Vorsitzenden nach Absatz 2 Satz 1 verlangen konnten, dass er die Frage stellen werde. Die Anrufung des Gerichts ist auch möglich, wenn beanstandet wird, dass der Vorsitzende eine Frage nur unvollständig oder inhaltlich unrichtig an den Zeugen weitergegeben hat, insbesondere wenn er eine Anregung, seine Frage zu ergänzen, ablehnt (s. auch Rn. 5). 15 Auch gegen die Entscheidung, mit der der Vorsitzende die unmittelbare Befragung des Jugendlichen zulässt oder ablehnt, ist die Anrufung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 nicht ausgeschlossen. Das Gericht kann aber immer nur nachprüfen, ob die Entscheidung des Vorsitzenden rechtsmissbräuchlich oder sonst unzulässig war, etwa weil er bei der Zulassung der unmittelbaren Befragung den Rechtsbegriff des Nachteils für das Wohl des Zeugen verkannt hat; es kann aber nicht in den Ermessensspielraum des Vorsitzenden eingreifen.22 16

b) Beschwerde gegen Anordnungen nach § 241a können nur die in § 305 Satz 2 genannten Personen, insbesondere der befragte Zeuge einlegen, im Übrigen schließt § 305 Satz 1 die Beschwerde aus.

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c) Mit der Revision kann nur die rechtsfehlerhafte Anwendung des § 241a gerügt werden. Die Ermessensentscheidung des Vorsitzenden, ob er unmittelbare Fragen zulassen will, ist daher mit Erfolg nur angreifbar, wenn sie einen Ermessensfehlgebrauch beinhaltet, der einen Rechtsfehler im Sinne des § 337 begründet (vgl. die Erl. zu § 337). Wegen der sonstigen Einzelheiten wird auf die Erläuterungen zu § 238, 41 ff.; § 241, 31 ff. verwiesen.

§ 242 Entscheidung über die Zulässigkeit von Fragen § 242 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-041

Zweifel über die Zulässigkeit einer Frage entscheidet in allen Fällen das Gericht. Schrifttum Siehe bei § 240.

Bezeichnung bis 1924: § 241.

1. 2. 3. 4.

Übersicht Zweck und Anwendungsbereich | 1 Anrufung des Gerichts | 2 Verfahren vor der Entscheidung | 3 Entscheidung des Gerichts

5. 6. 7.

a) Inhalt | 5 b) Form | 6 Beauftragter oder ersuchter Richter | 7 Sitzungsniederschrift | 8 Rechtsmittel | 9

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KK/Schneider 9; KMR/Paulus 11; Meyer-Goßner/Schmitt 5, 7; SK/Frister 14; weitergehend MüKo/Gaede

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 242

1. Zweck und Anwendungsbereich. § 242 ist – ebenso wie § 238 Abs. 2 – Ausdruck 1 der Gesamtverantwortung des Gerichts für die Rechtmäßigkeit des Verfahrensablaufs, die sich auch auf die Zulässigkeit aller in der Hauptverhandlung gestellten Fragen erstreckt, ganz gleich, wer die Frage gestellt hat und ob sie an eine Beweisperson oder einen Angeklagten gerichtet ist.1 § 242 schränkt jedoch die Befugnis des Vorsitzenden zur Beanstandung unzulässiger Fragen nach § 241 Abs. 2, § 241a Abs. 3, § 238 Abs. 1 nicht ein.2 Er verdrängt nach vorherrschender Meinung3 auch nicht das Recht, gegen eine solche Anordnung des Vorsitzenden das Gericht nach § 238 Abs. 2 anzurufen.4 Seine Bedeutung liegt vielmehr allein darin, dass er die Rechtskontrolle der Fragen auch dann sichert, wenn § 238 Abs. 2 nicht greift, weil es zu keiner vorgängigen Entscheidung des Vorsitzenden über deren Zulässigkeit kommt. Dies ist der Fall, wenn der Vorsitzende nicht befugt ist, die konkrete Frage zu beanstanden, etwa weil sie von einem der beisitzenden Berufsrichter gestellt wurde (§ 240 Abs. 1; § 241 Abs. 2), oder wenn er – aus welchen Gründen auch immer – von einer Beanstandung der Frage absieht. § 242 gilt ferner für die Beanstandung der Fragen des Vorsitzenden selbst.5 Im Übrigen darf dieser auch dort, wo er zunächst selbst entscheiden könnte, von sich aus eine Entscheidung des Gerichts über die Zulässigkeit einer Frage nach § 242 herbeiführen.6 2. Anrufung des Gerichts. Außer dem Vorsitzenden sind die mitwirkenden Richter 2 und die sonstigen Beteiligten, also der Staatsanwalt, der Angeklagte und der Verteidiger und, soweit in den eigenen Verfahrensinteressen berührt, auch Nebenkläger7 und Nebenbeteiligte, Nebenbetroffene, Zeugen – in den Fällen des § 406f Abs. 1, § 406h Abs. 2 auch deren Beistände8 – sowie Sachverständige berechtigt, Zweifel aufzuzeigen oder

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1 Die aus der Entstehungsgeschichte und dem ursprünglichen Wortlaut des § 240 abgeleitete frühere Auffassung, dass § 242 nur für Fragen an Zeugen und Sachverständige gelte, nicht aber für Fragen an den Angeklagten – so RGRspr. 5 784 (dagegen RGSt 47 139 f.) –, wird heute nicht mehr vertreten (vgl. Bohnert 183 f.; KMR/Paulus 2; SK/Frister 3). 2 KK/Schneider 1; KMR/Paulus 2; Eb. Schmidt 3. 3 KK/Schneider 1; KMR/Paulus 2; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Radtke/Hohmann/Britz 1; SK/Frister 6; Hamm 1094 Fn. 2464; zur Gegenmeinung vgl. nachst. Fn. 4 Das Verhältnis zwischen § 238 Abs. 2 und § 242 ist strittig. Die vorherrschende Meinung (vgl. vorstehende Fn.) geht davon aus, dass § 242 nur Platz greift, wenn das Gericht nicht schon wegen der Beanstandung einer Frage nach § 241 Abs. 2, § 241a Abs. 3, § 238 Abs. 2 angerufen werden kann. Nach anderer Ansicht (Erker 115 ff.; Heinrich 72 ff.; Widmaier NStZ 1992 522; wohl auch Gössel § 25 C III und BGH NStZ-RR 2001 138) enthält § 242 eine dem § 238 Abs. 2 vorgehende Sonderregelung für die Rechtskontrolle aller Fragen, die wegen ihrer weiteren Fassung Vorrang vor der Beanstandung nach § 238 Abs. 2 hat; für letztere ist danach nur Raum, wenn die prozessleitende Verfügung des Vorsitzenden nicht die Zulässigkeit der Frage betrifft, sondern Modalitäten der Ausübung des Fragerechts nach Zeit oder Form oder auch dessen Entzug. Dencker FS Kleinknecht 82 ff. unterscheidet zwischen den Fragen des Vorsitzenden, die den Sachbericht der Beweisperson fördern sollen, und den sich daran anschließenden „inquisitorischen Fragen“, die nicht mehr Teil der Sachleitung seien, so dass gegen sie das Gericht nur nach § 242 angerufen werden könne. Da unstreitig ist, dass über die Zulässigkeit aller Fragen die Entscheidung des Gerichts herbeigeführt werden kann, ist es letztlich ohne praktische Auswirkung, ob man seine Anrufung in den Fällen, in denen sich beide Vorschriften decken, dem § 242 oder dem § 238 Abs. 2 zuordnet. 5 Das Recht, auch die Fragen der beisitzenden Berufsrichter und des Vorsitzenden der Zulässigkeitskontrolle des Gesamtgerichts zu unterstellen, bejahen Frister StV 1994 451; Hamm 1094 Fn. 2464; Roesen NJW 1958 977; Roxin/Schünemann § 44, 21; Schünemann StV 1993 607; Seibert JR 1952 470; KK/Schneider 1; Meyer-Goßner/Schmitt 1; MüKo/Gaede 3; Radtke/Hohmann/Britz 2; SK/Frister 7; a.A. RGSt 10 378; 42 157, 158 f. (nur Protokollierung und Revision); Dölp NStZ 1993 419; vgl. ferner de lege ferenda Gössel Gutachten 60. DJT C 87, 89. 6 Weitgehend h.M.; Bohnert 185 nimmt dagegen an, dass der Vorsitzende wegen seiner funktionellen Primärzuständigkeit zunächst selbst entscheiden muss. 7 Lemke-Küch StraFo 2018 371. 8 Bott StraFo 2018 413.

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§ 242

Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

eine Frage zu beanstanden. Der Vorsitzende, dem es nicht zusteht, die Frage eines beisitzenden Richters zurückzuweisen, hat, wenn er an der Zulässigkeit einer solchen Frage zweifelt, das Recht und die Pflicht, die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen (§ 241, 5). Die Anrufung des Gerichts ist an keine bestimmte Form gebunden. Es genügt, wenn zum Ausdruck kommt, dass Zweifel an der Zulässigkeit der Frage bestehen, über die das Gericht entscheiden soll. 3. Verfahren vor der Entscheidung. Bevor das Gericht entscheidet, muss es nach § 33 Abs. 1 die Verfahrensbeteiligten anhören,9 damit auch deren Ansicht bei der Entscheidung mitberücksichtigt werden kann. Insbesondere wenn der Vorsitzende, statt die Frage selbst zurückzuweisen, seinerseits die Entscheidung des Gerichts herbeiführt, muss er unter Darlegung seiner Bedenken dem Fragenden zuvor Gelegenheit geben, sich dazu in ähnlicher Weise zu äußern, wie er es tun könnte, wenn er gegen die Zurückweisung der Frage durch den Vorsitzenden die Entscheidung des Gerichts angerufen hätte. Sonst besteht die Gefahr, dass das Gericht bei der Beschlussfassung Umstände, von denen die Zulässigkeit einer Frage abhängen kann, übersieht. Dies würde den Fragenden benachteiligen. Der Beschluss wäre fehlerhaft und könnte die Revision begründen.10 4 Ehe der Vorsitzende die Entscheidung des Gerichts herbeiführt, kann er sich in geeigneten Fällen auch um eine Klarstellung der Rechtslage und des Gewollten bemühen. Er kann versuchen, den Fragenden unter Darlegung seiner Bedenken zur Zurücknahme der Frage, zur Änderung ihres Inhalts oder zu einer anderen Fassung der Frage zu bewegen, wenn mit einer solchen Änderung seine Zweifel an deren Zulässigkeit zerstreut werden. Bemühungen dieser Art können unter Umständen sonst mögliche Spannungen zwischen den Beteiligten verhindern oder mildern und damit der Wahrheitsfindung dienlicher sein als rasche Entscheidungen.11 Es gilt hier dasselbe wie in dem Fall, dass der Vorsitzende erwägt, gemäß § 241 Abs. 2 eine Frage selbst zurückzuweisen (§ 241, 8 f.). 3

4. Entscheidung des Gerichts 5

a) Inhalt. Nur die Zulässigkeit einer Frage (vgl. dazu § 241, 6 ff.), nicht ihre Zweckmäßigkeit kann nachgeprüft werden. Meinungsverschiedenheiten nur über die Zweckmäßigkeit liegen etwa vor, wenn es um die Reihenfolge einzelner Fragen, ihren Wortlaut oder den Tonfall geht, in dem sie gestellt werden.12 Doch ist es nicht ausgeschlossen, dass auf derartige Modalitäten der Fragestellung durch einen Richter ein Ablehnungsgesuch gegen ihn wegen Besorgnis der Befangenheit gestützt wird.13 Die Frage eines Nichtfrageberechtigten ist grundsätzlich unzulässig,14 sofern sie der Vorsitzende nicht befugt zugelassen hat (s. § 240, 9).

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b) Form. Das Gericht entscheidet über die Zulässigkeit der Frage durch Beschluss, der alsbald, spätestens aber vor Abschluss der Beweisaufnahme ergehen muss, da sich die Verfahrensbeteiligten in ihrem weiteren Prozessverhalten auf die Ansicht des Gerichts einstellen müssen. Der Beschluss ist zu begründen (§ 34). Dies gilt auch bei Zulas-

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9 RGSt 51 215, 216 f.; KMR/Paulus 6; Meyer-Goßner/Schmitt 3. 10 RGSt 51 215, 216 f.; KK/Schneider 1; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Radtke/Hohmann/Britz 4; SK/Frister 8. 11 KMR/Paulus 5; Radtke/Hohmann/Britz 5; Eb. Schmidt 5; SK/Frister 5. 12 KMR/Paulus 3; SK/Frister 9. 13 Vgl. Seibert JR 1952 471; KMR/Paulus 3. 14 Eb. Schmidt 1.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 243

sung der Frage.15 Wird die Zulässigkeit der Frage verneint, so genügt es nicht, dass der Gesetzeswortlaut wiederholt wird. Der Beschluss muss vielmehr erkennen lassen, weshalb im Einzelnen die Frage als ungeeignet oder nicht zur Sache gehörend zurückgewiesen wird.16 Auch der allein entscheidende Strafrichter (§ 25 GVG) muss einen Beschluss erlassen, wenn die Zulässigkeit einer Frage bezweifelt wird.17 5. Der beauftragte oder ersuchte Richter kann es dem erkennenden Gericht über- 7 lassen, über die Zulässigkeit einer Frage zu entscheiden.18 6. Sitzungsniederschrift. Der Antrag eines Verfahrensbeteiligten, das Gericht möge 8 über die Zulässigkeit einer Frage entscheiden, ist nach § 273 in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen, ebenso der Beschluss des Gerichts. Wegen der Protokollierung der Frage und der sonstigen Einzelheiten vgl. § 241, 25. 7. Rechtsmittel. Hierzu wird auf die Ausführungen bei § 241, 30 ff. verwiesen.

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§ 243 Gang der Hauptverhandlung § 243 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-042

(1) 1 Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. 2 Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind. (2) 1 Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. 2 Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse. (3) 1 Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. 2 Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. 3 In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. 4 In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat. (4) 1 Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. 2 Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben. (5) 1 Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. 2 Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. 3 Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit,

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15 KK/Schneider 4 (mit Hinweis auf Beschwerderecht der Zeugen und Sachverständigen); ebenso SK/Frister 10. 16 Meyer-Goßner/Schmitt 3 (eingehende Begründung); SK/Frister 10; vgl. § 241, 28. 17 KK/Schneider 2; KMR/Paulus 6; SK/Frister 4. 18 BGH NStZ 1983 421; OLG Frankfurt NJW 1947/48 395; KMR/Paulus 6; SK/Frister 4.

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§ 243

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vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. 4 Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. 5 Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. 6 Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende. Schrifttum Allgayer Mitteilungen nach § 243 Abs. 4 StPO und ihre revisionsrechtliche Kontrolle, NStZ 2015 185; Altvater Überprüfung der Verständigung durch die Revision, StraFo 2014 221; Amelung Die Einlassung des Mandanten im Strafprozeß, FS Koch (1989) 145; Bauer Die „Beweislastverteilung“ bei unterlassener Belehrung des Beschuldigten, wistra 1993 99; ders. Die Würde des Gerichts, JZ 1970 247; Beck Müssen Angeklagte und Zeugen vor Gericht stehen? Ärzteblatt 1969 1359; Chr. Becker Transparenz in Mauschelhausen? – Die strafprozessuale Verständigung seit der Entscheidung BVerfGE 133, 168, JA 2017 641; Beulke Äußerungen des Strafverteidigers in der Hauptverhandlung als Einlassung des Angeklagten? FS Strauda (2006) 87; Bittmann Missverstandene Verständigung – Mythen, Unfehlbarkeit, Folgsamkeit, Bodenhaftung – NStZ 2015 545; Bohnert Ordnungsvorschriften im Strafverfahren, NStZ 1982 5; Börner § 243 III 1 StPO und der Große Senat für Strafsachen, NStZ 2011 436; Bringewat „Der Verdächtige“ als schweigeberechtigte Auskunftsperson? JZ 1981 289; Britz Die Verlesung des Anklagesatzes nach § 243 Abs. 3 S. 1 StPO: eine reformbedürftige Vorschrift? FS E. Müller II (2008) 107; Bruns Der Verdächtige als schweigeberechtigte Auskunftsperson, FS Schmidt-Leichner (1975) 1; Burhoff Das Opening Statement des Verteidigers – teilweise neu, StRR 9/2018 4; Busam Das Geständnis im Strafverfahren (1983); Castringius Schweigen und Leugnen des Beschuldigten im Strafprozeß, Diss. München 1965; Dencker Belehrung des Angeklagten über sein Schweigerecht und Vernehmung zur Person, MDR 1975 359; ders. Die Form der Vernehmung des Angeklagten zur Sache, FS Fezer (1995) 123; Detter Einlassung mit oder durch den Verteidiger (Ein notwendiges Instrument effektiver Strafverteidigung?), FS Rissing-van Saan (2011) 97; Dingeldey Das Prinzip der Aussagefreiheit im Strafprozeß, JA 1984 407; ders. Der Schutz der strafprozessualen Aussagefreiheit durch Verwertungsverbote bei außerstrafrechtlichen Aussage- und Mitwirkungspflichten, NStZ 1984 529; Döhring Persönlichkeitsforschung im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung, Kriminalistik 1967 5; Doller Der schweigende Angeklagte und das Revisionsgericht, MDR 1974 979; Drees Schädliche Folgen von Einlassungssurrogaten, StRR 2012 244; Dürkop Der Angeklagte (1977); Eder Die Erklärungen der Verteidigung (2013); Eisenberg Vernehmung und Aussage (insbes. im Strafprozeß) aus empirischer Sicht, JZ 1984 912, 961; Eisenberg/Pincus Sachäußerungen des schweigenden Angeklagten in der Hauptverhandlung, JZ 2003 397; Engelhard Die Vernehmung des Angeklagten, ZStW 58 (1911) 335; Eschelbach Erklärungen des Verteidigers zur Sache in der Hauptverhandlung, ZAP Fach 22 711; Eser Der Schutz vor Selbstbezichtigung im deutschen Strafprozeßrecht, Deutsche strafrechtliche Landesreferate zum IX. internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung (1974), Beiheft zu ZStW 86 (1974) 136; Fezer Hat der Beschuldigte ein „Recht auf Lüge“? FS Stree/Wessels (1993) 663; Fincke Verwertbarkeit von Aussagen des nichtbelehrten Beschuldigten, NJW 1969 1014; Fuchs Beweisverbote bei Vernehmung des Mitbeschuldigten, NJW 1959 14; Fuhrmann Das Schweigen des Angeklagten in der Hauptverhandlung, JR 1965 417; Geppert Die „qualifizierte Belehrung“, GedS Meyer (1990) 93; ders. Schriftliche oder mündliche Erklärungen des Verteidigers als Einlassung des Angeklagten selbst? FS Rudolphi (2004) 643; Gillmeister Die Verteidigererklärung als Einlassung des Angeklagten, FS Mehle (2009) 233; Granderath Getilgt – aber nicht vergessen. Das Verwertungsverbot des Bundeszentralregistergesetzes, ZRP 1985 319; Günter Die Einführung und Verwertung früherer Angaben des in der Hauptverhandlung schweigenden Angeklagten, DRiZ 1971 379; Günther Strafrichterliche Beweiswürdigung und schweigender Angeklagter, JR 1978 89; ders. Die Schweigebefugnis des Tatverdächtigen im Straf- und Bußgeldverfahren aus verfassungsrechtlicher Sicht, GA 1978 193; Häger Zu den Folgen staatsanwaltschaftlicher, in der Hauptverhandlung begangener Verfahrensfehler, GedS Meyer (1990) 171; Hammerstein Sachaufklärung durch inquisitorische Vernehmung des Angeklagten, FS Middendorff (1986) 111; ders. Verteidigung in jeder Lage des Verfahrens, FS Salger (1995) 293; Hardwig Das Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten im Strafprozeß, ZStW 66 (1954) 236; ders. Polizeiliche Vernehmung gerichtlich nicht verwendbar, Kriminalistik 1969 87; Helgerth Der „Verdächtige“ als schweigeberechtigte Auskunfts-

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person und selbständiger Prozeßbeteiligter neben dem Beschuldigten und dem Zeugen, Diss. ErlangenNürnberg 1976; Henckel Faires Verständigungsverfahren durch Transparenz (2018); Helmer Die Vernehmung des Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse, Diss. Kiel 1968; v. Hentig Zur Psychologie der Geständnisbereitschaft, FS Rittler (1957) 373; Humborg Die Vorstrafenerörterung in der Hauptverhandlung, Diss. Münster 1964; ders. Der Ausschluß der Öffentlichkeit bei der Vorstrafenerörterung, NJW 1966 1015; Kautenburger-Behr Zum Rederecht des Verteidigers nach Verlesung des Anklagesatzes – zugleich Untersuchung zur Vereinbarkeit des opening statement des adversatorischen Verfahrens mit dem deutschen Strafprozeß (2004); Kiehl Beschuldigtenvernehmung ohne vorherige Belehrung: Der BGH korrigiert sich – überzeugend? NJW 1993 501; ders. Neues Verwertungsverbot bei unverstandener Beschuldigtenbelehrung – und neue Tücken für die Verteidigung, NJW 1994 1267; Kohlhaas Schlüsse aus dem Schweigen des Beschuldigten, NJW 1965 2282; Krause/Thon Mängel der Tatschilderung im Anklagesatz und ihre rechtliche Bedeutung, StV 1985 252; Kruse Die Zweiteilung der Hauptverhandlung nach geltendem Recht, Ein Beitrag zur Auslegung des § 243 II 2 StPO, RuP 1998 162; Kühl Freie Beweiswürdigung des Schweigens des Angeklagten und der Untersuchungsverweigerung eines schweigeberechtigten Zeugen – BGHSt 32 140, JuS 1986 115; Kuhnert Wieweit schützt die StPO die Grundrechte des Beschuldigten, MDR 1967 539; Kunze Verständigung im Strafverfahren aus amtsgerichtlicher Sicht unter besonderer Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, ZAP Fach 22 745; Lam Die Willkür ist die Feindin der Form – Zum Beruhen des Urteils auf der fehlerhaften Protokollierung von Verständigungen, StraFo 2014 407; Lenckner Mitbeschuldigter und Zeuge, FS Peters (1974) 333; Lesch Inquisition und rechtliches Gehör in der Beschuldigtenvernehmung, ZStW 111 (1999) 624; von der Meden Die Berücksichtigung von Einlassungen des Angeklagten in der Revision, NStZ 2018 77; Mehle Die schriftliche Stellungnahme des Angeklagten außerhalb der Hauptverhandlung als Ersatz der mündlichen Einlassung, FS AG Strafrecht DAV (2009) 655; Meyer-Mews Die Einlassung und Vernehmung des Angeklagten zur Sache gem. § 243 IV 2 StPO, JR 2003 361; Montenbruck „Entlassung aus der Zeugenrolle“ – Versuch einer Fortentwicklung der materiellen Zeugentheorie, ZStW 89 (1977) 878; Moos Das Geständnis im Strafverfahren und in der Strafzumessung, Diss. Göttingen 1983; E. Müller Gedanken zur Vernehmung des Angeklagten in der Hauptverhandlung und zum sog. Opening-Statement des Verteidigers, FS Hanack (1999) 67; Müller-Dietz Die Stellung des Beschuldigten im Strafprozeß, ZStW 93 (1981) 1177; Niederreuther Die Wahrheitspflicht der Prozeßbeteiligten, GS 109 (1937) 64; Niemöller Beruhensprüfung bei Verfahrensfehlern, NStZ 2015 489; Olk Die Abgabe von Sacherklärungen des Angeklagten durch den Verteidiger (2006); Park Die prozessuale Verwertbarkeit verschiedener Formen der Beschuldigteneinlassung im Strafverfahren, StV 2001 589; Peters Die Persönlichkeitserforschung im Strafverfahren, GedS Schröder (1978) 426; Pfenniger Die Wahrheitspflicht des Beschuldigten im Strafprozeß, FS Rittler (1957) 355; Pfister Neue Formen der Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung – neue Chancen, neue Risiken, FS Miebach (2009) 25; ders. Transparenz über alles! Die Verständigung in der Revision seit BVerfG 133, 168, StraFo 2016 187; Pfordte Der informierte Zeuge im Strafverfahren – einige Gedanken über das wichtigste Beweismittel der StPO, FS E. Müller II (2008) 551; Puppe Die List im Verhör der Beschuldigten, GA 1978 289; Ransiek Belehrung über Aussagefreiheit und Recht der Verteidigerkonsultation, Folgerungen für die Beschuldigtenvernehmung, StV 1994 343; Rautenberg „Angeklagter“ oder „Angeschuldigter“ bei Verlesung des Anklagesatzes? NStZ 1985 256; Reiff Geständniszwang und Strafbedürfnis (1925); Rejewski Unterbliebener Hinweis auf die Aussagefreiheit des Beschuldigten als Revisionsgrund? NJW 1967 1999; Rieß Der Beschuldigte als Subjekt des Strafverfahrens in Entwicklung und Reform der StPO, FS Reichsjustizamt (1977) 373; ders. Die Vernehmung des Beschuldigten im Strafprozeß, JA 1980 293; Rode Das Geständnis in der Hauptverhandlung, StraFo 2007 98; Rogall Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst (1977); Roschmann Das Schweigerecht des Beschuldigten im Strafprozeß. Seine rechtlichen und faktischen Grenzen, Diss. Bremen 1983; Rüping Zur Mitwirkungspflicht des Beschuldigten und Angeklagten, JR 1974 135; Salditt Verteidigung in der Hauptverhandlung – Notwendige Alternativen zum Praxisritual, StV 1993 442; G. Schäfer Die Einlassung zur Sache durch den Verteidiger, FS Dahs (2005) 441; K. Schäfer Einige Bemerkungen zum Satz „nemo tenetur se ipsum accusare“, FS Dünnebier (1982) 11; Schlösser Die Einlassung des Angeklagten durch seinen Verteidiger, NStZ 2008 310; Eb. Schmidt Formen im Gerichtssaal, ZRP 1969 254; ders. Der Strafprozeß, Aktuelles und Zeitloses, NJW 1969 1137; ders. Sinn und Tragweite des Hinweises auf die Aussagefreiheit des Beschuldigten, NJW 1969 1209; Schmidt-Leichner Ist und bleibt Schweigen des Beschuldigten zweischneidig? NJW 1966 189; Schmitt Die Verständigung in der Revision – eine Zwischenbilanz, StraFo 2012 386; Schneider Überblick über die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Verfahrensverständigung im Anschluss an das Urteil des BVerfG vom 19. März 2013 – Teil 1 und Teil 2, NStZ 2014 192 und 252; ders. Die Eröffnungserklä-

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Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

rung des Verteidigers in der strafprozessualen Hauptverhandlung, FS Rogall (2018) 667; Schöch Strafzumessung und Persönlichkeitsschutz in der Hauptverhandlung, FS Bruns (1978) 457; Schreieder Die Stellung des Beschuldigten, Züricher Beiträge zur Rechtswissenschaft NF 299 (1968); Schünemann Die Belehrungspflichten der §§ 243 Abs. 4, 136 n.F. StPO und der BGH, MDR 1969 101; Schumacher Die Hauptverhandlung als gruppendynamischer Prozeß, StV 1995 442; Seebode Schweigen des Beschuldigten zur Person, MDR 1970 185; ders. Über die Freiheit, die eigene Strafverfolgung zu unterstützen, JA 1980 493; Sieg Verwertungsverbot für Aussagen eines Beschuldigten im Ermittlungsverfahren ohne Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2? MDR 1984 75; Streck Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zum strafrechtlichen Verwertungsverbot bei Aussagen des Gemeinschuldners und seine Auswirkungen im Steuerstrafrecht, StV 1981 362; Späth Die Zuverlässigkeit der im ersten Zugriff erzielten Aussage, Kriminalistik 1969 466; Stree Das Schweigen des Beschuldigten im Strafverfahren, JZ 1966 593; Stümpfler Das Schweigen im Straf- und Bußgeldverfahren, DAR 1973 1; Stürner Strafrechtliche Selbstbelastung und verfahrensförmige Wahrheitsermittlung, NJW 1981 1757; Tröndle Über den Umgang des Richters mit anderen Verfahrensbeteiligten, DRiZ 1970 213; Walder Die Vernehmung des Beschuldigten (1965); ders. Das Verhör mit dem Angeschuldigten, FS Pfenniger (1976) 181; Wesemann Beanstandungs- und Erklärungsrechte zur Schaffung von Freiräumen der Verteidigung, StraFo 2001 293; Wessels Schweigen und Leugnen im Strafverfahren, JuS 1966 169; Ziegert Der Anklagesatz – Novellierung durch Rechtsprechung? FS Schöch (2010) 879; ders. Die revisionsrechtliche Überprüfung von Absprachen in der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, StraFo 2014 228; Ziegler Die Verständigung im Strafverfahren aus Sicht der Praxis, FS von HeintschelHeinegg (2015) 521. Vgl. ferner die Literaturverzeichnisse Vor §§ 136, 213 und 226.

Entstehungsgeschichte Bezeichnung bis 1924: § 242. Art. 4 der Verordnung zur Beseitigung des Eröffnungsbeschlusses ersetzte 1942 die ursprünglich vorgesehene Verlesung des Eröffnungsbeschlusses durch den Vortrag der Anklage. Art. 3 I Nrn. 110, 111 VereinhG kehrte 1950 vorübergehend zur alten Fassung zurück. Art. 7 Nr. 10 StPÄG 1964 fasste § 243 vollständig neu: Klargestellt wurde in Absatz 1, dass die Hauptverhandlung mit dem Aufruf der Sache beginnt, während die alte Fassung auf den „Aufruf der Zeugen und Sachverständigen“ Bezug nahm; ergänzt wurde die Bestimmung um den die Präsenzfeststellung regelnden Satz 2. An die Stelle der Verlesung des Eröffnungsbeschlusses durch den Vorsitzenden trat wieder in Absatz 3 die Verlesung des Anklagesatzes durch den Staatsanwalt. Absatz 4 Satz 1 schrieb ausdrücklich vor, dass der Angeklagte auf sein Schweigerecht hinzuweisen ist. Die „Vernehmung über die persönlichen Verhältnisse“ wurde aus dem ursprünglichen Normtext (Absatz 2 a.F.) übernommen, wohingegen nunmehr als „Vernehmung zur Sache“ sprachlich abgesetzt wurde, was zuvor als „weitere Vernehmung“ (Absatz 3 a.F.) hieran anzuschließen schien. Dass die Verlesung des Anklagesatzes und die Vernehmung des Angeklagten zur Sache in Abwesenheit der Zeugen zu geschehen haben (Absatz 2 Satz 1), entsprach dem Regelungsgehalt des früheren Absatzes 4. Ergänzt wurde § 243 um eine Regelung über die Feststellung der Vorstrafen (Absatz 4 Satz 3 und 4).1 Art. 1 Nr. 7 OpferRRG fügte 2004 in Absatz 2 einen neuen Satz 2 ein; der bisherige Satz 2 wurde zu Satz 3. Durch Art. 1 Nr. 24, 31 des 2. OpferRRG wurde Satz 2 wieder gestrichen und das Anwesenheitsrecht des Nebenklageberechtigten in § 406g Abs. 1 Satz 1 (a.F.; jetzt § 406h Abs. 1 Satz 2) geregelt. Das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren stellte 2009 einen neuen Absatz 4 ein, der den Vorsitzenden zur Mitteilung über außerhalb der Hauptverhandlung stattgefundene Vorgesprächen verpflichtet; der bisherige Absatz 4 wurde zu Absatz 5. Art. 3 Nr. 28 des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17.8.20172

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1 2

Vgl. Kruse RuP 1998 164 f. BGBl. I S. 3202.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 243

erweiterte Absatz 5 um Regelungen zur sog. Eingangserklärung (Opening Statement) der Verteidigung in den neuen Sätzen 3 und 4; die bisherigen Sätze 3 und 4 wurden Sätze 5 und 6.

I.

II.

III.

IV.

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Übersicht Aufbau der Hauptverhandlung 1. Gesetzlicher Verfahrensgang | 1 2. Abweichende Reihenfolge mit Zustimmung des Angeklagten | 2 3. Abweichende Reihenfolge ohne Zustimmung des Angeklagten | 3 4. Punktesachen | 4 5. Mögliche Gestaltungen des Verfahrensgangs a) Erläuterungen des Vorsitzenden | 5 b) Gegenüberstellung | 8 c) Vorziehen von Beweismitteln | 9 d) Nachtragsanklage | 10 e) Informelles Schuldinterlokut | 11 6. Einheitlichkeit des Gesamtverfahrens | 13 7. Sitzungsniederschrift | 14 Beginn der Hauptverhandlung 1. Aufruf der Sache (Absatz 1 Satz 1) | 15 2. Präsenzfeststellung (Absatz 1 Satz 2) | 17 3. Wartepflicht des Gerichts | 21 4. Entfernung der Zeugen aus dem Sitzungssaal (Absatz 2 Satz 1) a) Zweck der Regelung | 22 b) Ausnahmen | 23 c) Anordnungen des Vorsitzenden | 27 d) Vernommene Zeugen | 29 5. Sitzungsniederschrift | 30 Vernehmung des Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse (Absatz 2 Satz 2) 1. Zweck und Gegenstand der Regelung a) Identitätsfeststellung | 31 b) Personenbezogene Verfahrensfragen | 33 c) Sonstige „persönliche Verhältnisse“ | 34 2. Beweisfragen | 36 3. Sitzungsniederschrift | 37 4. Präklusion | 38 Verlesung des Anklagesatzes (Absatz 3 Satz 1) 1. Bedeutung und Zweck der Regelung | 39

Umfang der Verlesung | 40 Geänderte Anklage (Absatz 3 Sätze 2–4) | 44 4. Zusätzliche Erläuterungen | 48 5. Sonderfälle | 50 6. Sitzungsniederschrift | 54 V. Mitteilung von Erörterungen über eine Verständigung (Absatz 4) 1. Zweck der Regelung | 55 2. Zeitpunkt der Mitteilung | 56 3. Reichweite der Mitteilungspflicht | 57 4. Inhalt der Mitteilung | 60 5. Sitzungsniederschrift | 61 VI. Hinweis des Angeklagten auf sein Schweigerecht (Absatz 5 Satz 1) 1. Bedeutung und Zweck der Regelung | 62 2. Wiederholung des Hinweises | 63 3. Formulierung des Hinweises | 64 4. Adressaten | 65 5. Sitzungsniederschrift | 66 6. Verhalten des Angeklagten nach dem Hinweis a) Aussagewilliger Angeklagte | 67 b) Schweigender Angeklagter | 68 c) Keine Bindung | 71 7. Unterbliebener oder fehlerhafter Hinweis | 72 VII. Vernehmung des Angeklagten zur Sache (Absatz 5 Satz 2) 1. Zweck der Regelung | 73 2. Gegenstand der Vernehmung | 76 3. Inhaltliche Gestaltung der Vernehmung | 78 4. Äußere Form der Vernehmung | 80 5. Sonderformen a) Einlassung über den Verteidiger | 82 b) Vorlesen einer schriftlichen Erklärung | 84 c) Übergabe einer schriftlichen Erklärung | 87 d) Verhandlung ohne Angeklagten | 89 6. Sitzungsniederschrift | 90 7. Präklusion | 91 2. 3.

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§ 243

Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

VIII. Eingangserklärung der Verteidigung (Absatz 5 Sätze 3 und 4) 1. Gesetzeszweck und Kritik | 92 2. Gesetzliche Voraussetzungen; Inhalt der Erklärung (Absatz 5 Satz 3) | 95 3. Missbrauchsabwehr (Absatz 5 Satz 4) | 98 4. Sitzungsniederschrift | 100 IX. Feststellung der Vorstrafen (Absatz 5 Satz 5 und 6) 1. Zweck der Regelung | 101 2. Bedeutsamkeit der Vorstrafen (Satz 3) | 102 3. Zeitpunkt der Feststellung (Satz 4) | 104 4. Beweisaufnahme | 106 5. Sitzungsniederschrift | 107 Alphabetische Übersicht Abfragen der Akten 78 Abschriften der Anklageschrift 39 f. Angeklagter, abwesender 81 Angeschuldigter, Änderung der Bezeichnung 40 Anklagesatz – Funktion 41, 49 – Klarstellungen 48 ff., 54, 113 – rechtliche Änderungen 45 – schriftliche Fixierung der Neufassung 45 – Übersetzung 39, 54, 113 – Verlesen 4, 22, 39 ff., 113 Anrufung des Gerichts 108 Anwesenheitspflicht, Verstoß gegen 110 Aufklärungspflicht 25 f., 73, 77, 87 f., 111, 121, 124 Aufruf der Sache 15 f., 110 Augenschein 7, 9, 70, 79 Beginn der Hauptverhandlung 15 – Bedeutung 16 Beistand 17, 23 Belehrung – des Angeklagten über Schweigerecht 62 ff. – von Zeugen und Sachverständigen 20 Berufsangabe 31, 34 Berufungsverfahren 52, 63 Beschleunigtes Verfahren 50 Beschwerde 109 Beweisanträge zu Vorstrafen 105 Beweiskraft des Protokolls 30, 54, 90 Beweismittel – fehlende 19 – herbeigeschaffte (§ 245) 18 – sachliche 17, 18 – vorgezogene Verwendung 9

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X.

Rechtsbehelfe 1. Anrufung des Gerichts | 108 2. Beschwerde | 109 3. Revision a) Verstöße gegen Absatz 1 | 110 b) Verstöße gegen Absatz 2 Satz 1 | 111 c) Verstöße gegen Absatz 2 Satz 2 | 112 d) Verstöße gegen Absatz 3 | 113 e) Verstöße gegen Absatz 4 | 114 f) Verstöße gegen Absatz 5 Satz 1 | 117 g) Verstöße gegen Absatz 5 Satz 2 | 121 h) Verstöße gegen Absatz 5 Satz 3 und 4 | 123 i) Verstöße gegen Absatz 5 Satz 5 und 6 | 124

Bloßstellende Fragen 77 Bußgeldbescheid, Verlesen 50 Dolmetscher 17, 54 Eingangserklärung 4, 92 ff., 122 Einheitlichkeit des Gesamtverfahrens 13 Einlassung des Angeklagten 71, 78 f. 80 – schriftliche 84 ff., 87 f. – Vortrag durch Verteidiger 82 ff. Entfernung aus Sitzungssaal 22 f. Ermessen des Vorsitzenden 25, 27, 29, 78, 88, 96, 102, 104, 124 Eröffnungsbeschluss – Unwirksamkeit 49 – Verlesen 40 Erziehungsberechtigter 23 f. Fahrplan der Verhandlung 5 Faires Verfahren 21, 62 Form der Vernehmung 80 Fragerecht 80 Freibeweis 30, 36 Freistellung nach § 231c 2 f. Gegenüberstellung 8, 70 Gerichtsbesetzung 16 Gerichtswachtmeister 15 Gesetzesverletzung, ausgeschiedene (§ 154a) 47 Gesetzlicher Vertreter 17, 23, 24, 65 Hintergrundtatsachen, offenkundige 6 Hinweise des Vorsitzenden (vgl. auch Schweigerecht des Angeklagten) 2, 5, 19, 49, 54 Identifizierung des Angeklagten 8, 17, 31, 36, 70 Inbegriff der Hauptverhandlung 16, 35, 73 Informatorische Befragung 68 Kontrollmaßnahmen für Zuhörer 21 Konzentration des Prozessstoffes 3

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

Letztes Wort 13, 83 Mehrere Taten 3 f. Menschenwürde 34, 62 Mitangeklagte 4, 75, 78 f., 117, 122 Mitteilungen des Vorsitzenden 55 ff. Nachtragsanklage 10, 91 Namen, Feststellung der 17, 31 Nebenbeteiligte 17, 23, 65 Nebenkläger 17, 23, 105 Negativattest 58 Niederschrift über richterliche Vernehmung des Angeklagten 88 Notizen des Angeklagten 84 Objektives Verfahren 50 Öffentlichkeit 16, 39, 41 Opening statement 4, 92 ff., 122 Ordnungswidrigkeit nach § 111 OWiG 32 Ortsbeschreibung 7 Persönliche Verhältnisse des Angeklagten 12, 31 ff., 77, 111 – Ausmaß der Erörterung 77 – Zurückstellung der Erörterung 77 Persönlichkeitssphäre des Angeklagten 3, 77 Personalienfeststellung 31 f. Plädoyer 4, 11, 13, 97 Präklusion 38, 91 Präsenzfeststellung 17 ff., 31 f., 110 Privatklageverfahren 50 Protokollführer 15 Prozessbegleiter, psychosozialer 23 f. Psychologische Hemmungen des Angeklagten 34, 62 f., 118 Punktesachen 4, 5, 74 Recht auf Verteidigung 2 Rechtliches Gehör 2, 21, 73, 81 Reihenfolge der Verfahrensvorgänge 1 ff., 14, 39, 74 Religionszugehörigkeit 77 Revision 110 ff. Richter, Namen 17 Richterablehnung 38 Sachdarstellung des Vorsitzenden 6 Sachverständiger 17, 19 f., 25, 30 Sachverständiger Zeuge 23, 25 Schöffen 16, 36, 39 f., 101, 113 Schuldfähigkeit des Angeklagten 11 Schuldinterlokut, informelles 5, 11, 14 Schweigerecht des Angeklagten 32, 35, 62, 64, 68 ff., 90, 117 ff. – Änderung des Aussageverhaltens 68, 71, 90 – frühere Belehrungen 63 – Hinweispflicht des Gerichts 62 ff., 117 – keine nachteilige Bewertung 69 – kein Verlust von Verfahrensrechten 68 – „qualifizierte Belehrung“ 64, 67

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– Sachausführungen vor Belehrung 36 – unterbliebener Hinweis 72, 117 ff. Sicherungsverfahren 50 Sitzungsniederschrift 14, 17, 30, 37, 54, 58, 61 f., 66, 83, 86, 90, 100, 107 Sitzungspolizei 27 Spontanäußerung 68 Sprachbehinderung des Angeklagten 84 Staatsanwalt – abweichende Rechtsansicht 46 – als Zeuge 23 – Namen 17 – Verlesen des Anklagesatzes 39 – zusätzliche Erläuterungen 48 Strafbefehlsantrag 50, 113 Strengbeweis 6, 36, 87 Übermittlungslösung 82 Übernahmebeschluss 51 Unmittelbarkeitsgrundsatz 6 Untersuchungshaft 40 Unzuständigkeitseinwand 91 Verfahrensbeteiligte 1 f., 5, 15, 17, 22, 39, 41, 80, 110, 113, 117, 121 Verfahren nach Zurückverweisung 53 Verfahrensgang – Abweichungen 2 ff., 5, 9, 39, 108 – Erläuterung der Einteilung 5 – normaler 1 Verfahrensgegenstand, Beschränkungen oder Erweiterungen 53 Verfahrenshindernisse 33 Verfahrensverbindung 4, 52, 91 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 77 Verhandlung ohne Angeklagten 65, 89 Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten 33 Verhinderung von Verhandlungsteilnehmern 3 Verletztenbeistand 23 f. Verletzter 23 f. Vernehmung des Angeklagten – äußere Form 80 – frühere 68 – inhaltliche Gestaltung 78 f. – nicht erschöpfende 121 – über persönliche Verhältnisse 31 ff., 112 – zur Sache 67, 73 ff., 121 f. Verständigung 55 ff., 115 f. Verteidiger 2 f., 5, 17, 23, 53, 65, 74, 82 ff., 92, 98, 112, 119, 121 Verteidigungsrechte 2, 62, 73, 92, 94 Verteidigungsstrategie, Darlegung 92, 93, 94, 97 Vertrauensperson 20 Vertreterlösung 82 Verweisungsbeschluss 51 Verzicht des Angeklagten 2, 4, 39 Vorhalte 78, 79, 85

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Vorlage des Personalausweises 17 Vorlagebeschluss 51 Vorstrafen – Erörterung 11, 35, 101 ff., 123 – getilgte oder tilgungsreife 103 Wahrheitsfindung 1, 3 Wartepflicht des Gerichts 21 Wesentliche Förmlichkeit des Verfahrens 30, 37, 54, 66, 83, 90, 107 Wesentlicher Teil der Hauptverhandlung 110, 112, 113 Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen 40 f., 113 Widerruf der Zustimmung 2

Wiederaufnahmeverfahren 53 Wirtschaftliche Lage des Angeklagten 34, 77 Zeugen 8, 17 ff., 22 ff., 79, 109, 110 f. – Anwesenheit im Sitzungssaal 17 f., 22 ff., 110 f. Zeugenbeistand 17, 24 Zeugenzimmer 27 Zuhörer 15 f., 21, 27 f., 109, 111 Zustimmung des Angeklagten 2 f., 5, 9 f., 14, 74, 79, 83, 106 Zweckmäßigkeitsgründe 2 Zwingendes Recht 2 f., 74 Zwischenplädoyer 4, 13

I. Aufbau der Hauptverhandlung 1

1. Gesetzlicher Verfahrensgang. Die Verfahrensabschnitte der Hauptverhandlung in erster Instanz3 und ihre Reihenfolge werden in den §§ 222a, 222b, 243, 244 Abs. 1, 257, 258, 260 und 268 geregelt. Mit Ausnahme der Feststellung der Vorstrafen und eventueller Mitteilungen nach Absatz 4 Satz 2 umfasst § 243 – ergänzt durch §§ 222a, 222b – dabei die Abschnitte, die vor dem Beginn der Beweisaufnahme (s. § 244 Abs. 1) stattzufinden haben. Der Gesetzgeber hat in diesen Vorschriften die Struktur des Verfahrens in einer Weise festgelegt, die sowohl die Wahrheitsermittlung als auch den Schutz der Verfahrensrechte der einzelnen Prozessbeteiligten, insbesondere des Angeklagten, in bestmöglicher Weise sicherstellen sollte.4 Sie ist daher auch dort, wo von der gesetzlich vorgesehenen Reihenfolge der einzelnen Abschnitte aus sachlichen Gründen abgewichen werden kann (s. Rn. 2 ff.), in ihrem – durch den Zweck der einzelnen Regelungen bestimmten – Kern zu wahren.5 Ein im Gesetz vorgesehener Verhandlungsabschnitt darf demgemäß nicht völlig weggelassen werden.6

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2. Abweichende Reihenfolge mit Zustimmung des Angeklagten. Strafprozessuale Bestimmungen, durch die der Gesetzgeber verfassungsrechtlich, namentlich durch das Rechtsstaatsprinzip verbürgte und daher grundsätzlich unverzichtbare Verfahrensrechte – etwa das Recht auf Verteidigung, die Freiheit von einem Zwang zur Selbstbelastung oder den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) – einfachrechtlich konkretisiert, sind zwingendes Recht und können daher nicht allein aus Gründen der Zweckmäßigkeit eingeschränkt oder modifiziert werden. Dies gilt auch, soweit diese Rechte durch die strafprozessuale Ordnung des Ablaufs der Hauptverhandlung gesichert werden. Die Befugnis des Vorsitzenden, die Einzelheiten des Verfahrensgangs nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit zu regeln (§ 238 Abs. 1), endet daher dort, wo derartige Verfahrensrechte der Prozessbeteiligten beeinträchtigt werden können, sei es auch nur durch ihre zeitliche Verlagerung. Nach alledem darf – soweit diese Rechte berührt werden – von der gesetzlich vorgesehenen Struktur der Hauptverhandlung nur abgewichen werden, wenn hierfür triftige Gründe einer sachgerechten Verhandlungsführung

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3 Für die Berufungshauptverhandlung gilt § 324; zu Besonderheiten des beschleunigten Verfahrens vgl. § 418 Abs. 3. 4 AK/Schöch 2; SK/Frister 3. 5 BGHSt 3 384; 13 358, 360; 19 93, 96; Eb. Schmidt Nachtr. I 2; vgl. Rn. 12. 6 Vgl. BGHSt 8 283; Heinrich 139.

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(s. Rn. 3) vorliegen,7 die innere Ordnung sowie der Schutzzweck dieser Struktur im Kern unangetastet bleiben (s. Rn. 1, 13) und der Angeklagte sowie sein Verteidiger zustimmen8 (s. zur Abgrenzung etwa Rn. 39: Verlesung des Anklagesatzes stets vor Sachvernehmung des Angeklagten!). In der widerspruchslosen Hinnahme der Abweichung von der gesetzlichen Abfolge der Hauptverhandlung kann in derartigen Fällen entgegen einer in Rechtsprechung und Schrifttum weit verbreiteten Auffassung9 nur bei Vorliegen besonderer Umstände (Hinweis des Vorsitzenden, Antragstellung nach § 231c etc.) eine stillschweigende Zustimmung gesehen werden. Wegen der Auswirkungen auf die Wahrnehmung von Verfahrensrechten ist daher im Allgemeinen die ausdrückliche Zustimmung einzuholen;10 bei einem Angeklagten ohne Verteidiger ist ohnehin stets ein vorheriger Hinweis auf Zweck und Tragweite der Abweichung geboten.11 Vor allem darf das durch die späteren Äußerungsrechte (§ 257 Abs. 1; § 258) nicht voll ersetzbare12 Recht des Angeklagten, schon vor der Beweisaufnahme zum gesamten Gegenstand der Anklage Stellung zu nehmen, damit alle von ihm vorzubringenden Gesichtspunkte bei der Beweisaufnahme umfassend mitberücksichtigt werden können, nur verkürzt werden, soweit der Angeklagte ausdrücklich hierauf verzichtet (vgl. Rn. 4). Die Zustimmung zur Abweichung von der im Gesetz vorgesehenen Reihenfolge ist (für die Zukunft) widerruflich.13 3. Abweichende Reihenfolge ohne Zustimmung des Angeklagten. Soweit verfas- 3 sungsrechtlich fundierte Verfahrensrechte des Angeklagten nicht berührt werden sowie der Aufbau der Hauptverhandlung im Ganzen und damit ihre innere Ordnung gewahrt bleibt,14 darf der Vorsitzende dagegen aus triftigen Gründen (insbesondere Erleichterung der Wahrheitsfindung durch Konzentration des Prozessstoffs; besseres Verständnis der Zusammenhänge; Schutz der Persönlichkeitssphäre des Angeklagten; Rücksicht auf Verhinderungen der Verhandlungsteilnehmer; Freistellung nach § 231c)15 von der Reihenfolge der einzelnen Verfahrensvorgänge auch ohne Zustimmung des Angeklagten und seines Verteidigers abweichen. Die äußere Ordnung des Verfahrensgangs durch § 243 soll die für die Wahrheitsfindung und die sinnvolle Ausübung von Verfahrensrechten gleichermaßen notwendige Übersichtlichkeit des Verfahrens gewährleisten. Sie ist insoweit nicht zwingend, als dieses Ziel im Einzelfall durch eine andere Reihenfolge der Vorgänge besser erreichbar ist. Dies gilt sowohl, wenn die besondere Fallgestaltung einer einzelnen Sache ein Abweichen für die Zwecke des Verfahrens förderlich erscheinen lässt, als auch dann, wenn eine Mehrzahl von prozessualen Taten den Gegenstand des Verfahrens bildet. 4. In den sog. Punktesachen kann es sachdienlich und im Interesse aller Verfah- 4 rensbeteiligten geboten sein, die einzelnen Tatkomplexe getrennt zu behandeln. Dem hat jedoch aus Gründen der Transparenz des Gesamtverfahrens stets die Verlesung des

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7 BGHSt 13 358, 360; BGH StV 1991 148; SK/Frister 64. 8 BGH NStZ 1986 370, 371; Roxin/Schünemann § 44, 4; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 2; SK/Frister 4, 65; ggf. kann auch die Zustimmung anderer Verfahrensbeteiligter erforderlich sein. 9 RGSt 60 179, 182; BGHSt 13 358, 360; 19 93, 97; BGH bei Dallinger MDR 1955 397; BGH NStZ 1981 111; StV 1991 148; BayObLGSt 1953 130; KG StV 1982 10; KK/Schneider 2; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Pfeiffer 1. 10 AK/Schöch 3; HK/Temming 33; KMR/Eschelbach 16; SK/Frister 65. 11 Hanack JZ 1972 82; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 2. 12 BGHSt 19 93, 97; BGH NStZ 1981 111; 1986 370, 371. 13 BGH NStZ 1981 111; 1986 370, 371. 14 RGSt 24 60; 53 176, 178; 60 179, 182; 64 133, 134; RGRspr. 6 714; 8 650, 651; BGHSt 3 384; 13 358, 360; 19 93; OGHSt 3 141, 148 f. 15 Vgl. BGHSt 13 358, 360; BGH NStZ 1985 561; StV 1991 148.

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gesamten Anklagesatzes – oder bei Verbindung mehrerer Sachen aller Anklagesätze – vorauszugehen,16 um für alle Prozessbeteiligten zunächst den Gesamtumfang des Verfahrensstoffs aufzuzeigen. Gleichzeitig ist hierdurch dem Angeklagten die Möglichkeit zu verschaffen, sich vor Eintritt in die Beweisaufnahme allgemein zu der Gesamtheit der gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu äußern, um die Gesamtlinie seiner Verteidigung und die übergreifenden Zusammenhänge, einschließlich seines Verhältnisses zu Belastungszeugen und eventuell zu Mitangeklagten,17 aufzuzeigen.18 Diese Möglichkeit darf ihm nicht abgeschnitten werden.19 Er kann hierauf allerdings ausdrücklich verzichten (Rn. 2) und sich mit der Gelegenheit begnügen, zu den einzelnen Tatvorwürfen Stellung zu nehmen, bevor für jeden jeweils in die Beweisaufnahme eingetreten wird. Sodann darf die Hauptverhandlung in mehrere Abschnitte zerlegt werden, von denen jeder – ggf. nach Wiederholung der Verlesung des einschlägigen Teils des Anklagesatzes – zunächst mit der Vernehmung des Angeklagten zum Gegenstand dieses Abschnitts beginnt.20 Daran schließt sich die Beweisaufnahme zu diesem Anklagepunkt an.21 Auch eine Verteilung der Plädoyers auf die einzelnen Abschnitte ist möglich. Einer Zustimmung des Angeklagten zu einer solchen Aufteilung der Verhandlung mehrerer Taten (i.S.d. § 264) bedarf es nicht mehr, da diese auch in getrennten Verfahren hätten abgeurteilt werden können.22 Hier genügt es, dass innerhalb der einzelnen Punkte der in § 243 vorgeschriebene Verfahrensgang eingehalten wird.23 Daher kann der Angeklagte auch ohne sein Einverständnis darauf verwiesen werden, seine Einzelausführungen zu den jeweiligen Taten bis zum Beginn des betreffenden Verfahrensabschnitts zurückzustellen. 5. Mögliche Gestaltungen des Verfahrensgangs 5

a) Erläuterungen des Vorsitzenden, durch die er zu Beginn der Hauptverhandlung – soweit nicht schon bei der Terminierung abgestimmt24 – den Verhandlungsplan erörtert und die Reihenfolge und die Gesichtspunkte darlegt, nach denen er die Verhandlung einteilen will (vor allem Aufteilung bei Punktesachen und informellem Schuldinterlokut) und wie er die Beweisaufnahme zu gliedern gedenkt, sind unbedenklich.25 Bei umfangreichen Sachen ist die Erörterung des „Fahrplans“ mit den Verfahrensbeteiligten zweckmäßig.26 Soweit Abweichungen vom gesetzlich vorgeschriebenen Ablauf vorgese-

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16 HK/Temming 32; KK/Schneider 3; Meyer-Goßner/Schmitt 13; SK/Frister 32; Heinrich 133. Demgegenüber hatte es das RG für zulässig erachtet, die Verlesung des Eröffnungsbeschlusses auf die einzelnen Abschnitte aufzuteilen: RGSt 44 312, 313; RG JW 1894 604; GA 37 (1889) 201; 59 (1912) 453; dies wird teilweise auch für die Verlesung des Anklagesatzes als zulässig erachtet: AK/Schöch 5; Eb. Schmidt Nachtr. I 5; Häger GedS Meyer 175 f. 17 BGH NStZ 1981 111. 18 BGHSt 19 93, 96; BGH NJW 1957 1527; NStZ 1986 370, 371; StV 1990 245; 1991 148; bei Dallinger MDR 1955 397; BayObLGSt 1953 130; Heinrich 134 f.; E. Müller FS Hanack 70 f.; KK/Schneider 1; MeyerGoßner/Schmitt 2; SK/Frister 66. 19 Dies gilt auch für die Eingangserklärung nach Absatz 5 Satz 3, soweit nach den dort vorgesehenen Voraussetzungen einem entsprechenden Antrag der Verteidigung stattzugeben ist. 20 RG HRR 1930 Nr. 1694; BGHSt 10 342; BGH bei Dallinger MDR 1955 397; Eb. Schmidt 5 und Nachtr. I 5. 21 RGSt 44 312, 314; RG GA 59 (1912) 453; BGHSt 10 342, 343; 19 93, 96; Heinrich 135 f.; KK/Schneider 3; Meyer-Goßner/Schmitt 2; SK/Frister 66. 22 Vgl. demgegenüber zur Aufteilung der Verhandlung zu einer einheitlichen Tat unter Beschneidung des Äußerungsrechts des Angeklagten BGHSt 19 93, 97. 23 BGHSt 19 93, 96; Meyer-Goßner/Schmitt 2; SK/Frister 66; a.A. MüKo/Arnoldi 5; Heinrich 136 f.; wohl auch Roxin/Schünemann § 44, 4. 24 KK/Schneider 5. 25 RGSt 32 318, 320; 53 176, 177. 26 KK/Schneider 5.

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hen sind, die der Zustimmung des Angeklagten und seines Verteidigers (oder sonstiger Verfahrensbeteiligter) bedürfen (Rn. 2), ist dies sogar unerlässlich. Eine Erörterung der sachlichen Umstände der zur Verhandlung stehenden Tat 6 darf der Vorsitzende damit grundsätzlich nicht verbinden. Unzulässig wäre es, wenn er in einer Art Sachdarstellung die „von keiner Seite bestrittenen Tatsachen“ bekannt geben würde. Dies würde dem Ergebnis der Hauptverhandlung vorgreifen 27 und den Grundsatz der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit des Verfahrens verletzen. Dem Strengbeweis unterliegende Tatsachen dürfen nicht auf diese Weise in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn im Vorfeld der Hauptverhandlung Verfahrensbeteiligte von den durch das Verständigungsgesetz gestärkten „kommunikativen Elementen des Strafverfahrens“28 (§§ 160b, 202a, 212) Gebrauch gemacht haben und der Vorsitzende nach § 243 Abs. 4 Satz 1 dazu verpflichtet ist, die übrigen Verfahrensbeteiligten und die Öffentlichkeit auf den Stand dieser Vorgespräche zu bringen. Mit der im Hinblick auf § 24 Abs. 2 gebotenen Zurückhaltung kann er dabei die Beweissituation nach Aktenlage – vorläufig – bewerten. Außerhalb des auf eine Verständigung abzielenden Verfahrens nach § 257c sollte der Vorsitzende von der nach § 257b eingeräumten Möglichkeit, zur Förderung von Transparenz und Effektivität des Strafverfahrens mit den Verfahrensbeteiligten Gespräche zum Stand des Verfahrens, einschließlich einer „einstweiligen Bewertung von Zeugenaussagen oder anderer Beweismitteln“, zu führen, ohne sich hierdurch dem Vorwurf der Befangenheit auszusetzen,29 zumindest in diesem frühen Verfahrensstadium nur sehr zurückhaltend Gebrauch machen. Lediglich der Hinweis auf Hintergrundtatsachen, die das Gericht als offenkundig behandeln will, ist vor der Vernehmung des Angeklagten sogar erforderlich, damit dieser sich in seiner Verteidigung darauf einrichten kann.30 Als zulässig ist es angesehen worden, dass der Vorsitzende in Fällen, in denen es 7 zum Verständnis der Vorgänge auf eine genaue Kenntnis von bestimmten Örtlichkeiten ankommt, bereits vor Beginn der Vernehmung des Angeklagten zur Person eine Ortsbeschreibung gibt.31 Dies erscheint zweifelhaft. Soweit in solchen Fällen nicht ohnehin die Einnahme eines Augenscheins notwendig ist, wird es ausreichen, wenn eine solche Beschreibung erst nach Verlesen des Anklagesatzes im Zusammenhang mit der Vernehmung des Angeklagten gegeben wird. b) Eine Gegenüberstellung (§ 58 Abs. 2) von Angeklagten und Zeugen, die das Ge- 8 richt vor Vernehmung des Angeklagten zur Person vornimmt, um festzustellen, ob die vom Verfahren noch nicht beeinflussten Zeugen den Angeklagten wieder erkennen, kann zulässig sein, sofern sich der Vorgang auf die Identifizierung des Angeklagten beschränkt und keine zusätzlichen Erklärungen der Zeugen zu dem aufzuklärenden Sachverhalt notwendig werden.32

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27 Eb. Schmidt 8. 28 BTDrucks. 16 12310 S. 2, 9, 12; Schlothauer/Weider StV 2009 606. 29 So der Wille des Gesetzgebers, vgl. BTDrucks. 16 12310 S. 12 f.; Jahn/Müller NJW 2009 2627. 30 BGH Urt. v. 28.1.1975 – 5 StR 609/73 (Judenverfolgungen der Nationalsozialisten); vgl. auch MeyerGoßner FS Tröndle 552, 560, 563 sowie bei § 244, 213 und bei § 261. 31 RGSt 24 60, 61 f.; 53 176, 177; vgl. aber auch OLG Köln NJW 1959 1551. 32 Eb. Schmidt 6; ob es auch zulässig ist, vorab die Zuverlässigkeit des Wiedererkennens durch einen Zeugen dadurch zu prüfen, dass dieser – in Abwesenheit des Angeklagten – einem mit der Jacke des Angeklagten bekleideten Dritten gegenübergestellt wird (so RGSt 60 179, 182), erscheint dagegen zweifelhaft; allgemein zur Frage der Zulässigkeit von Gegenüberstellungen Kühne 103.2 und 479 m.w.N.

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c) Vorziehen von Beweismitteln. Mit Zustimmung des Angeklagten können auch einzelne Beweismittel schon während seiner Vernehmung verwendet werden, z.B. Urkunden verlesen oder Lichtbilder, Skizzen oder Gegenstände in Augenschein genommen werden, wenn dies dem besseren Verständnis der Einlassung des Angeklagten dient.33

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d) Wird Nachtragsanklage erhoben, so muss der Angeklagte zum Sachverhalt der Nachtragsklage alsbald vernommen werden,34 sofern nicht der Komplex der Nachtragsanklage, gegebenenfalls mit Zustimmung des Angeklagten, insgesamt erst später verhandelt wird (vgl. Rn. 4).

e) Informelles Schuldinterlokut. Das geltende Recht kennt die zeitweise geforderte förmliche Zweiteilung der Hauptverhandlung (förmliches Schuldinterlokut) nicht. Dies hindert das Gericht aber nicht, das einheitliche Verfahren in (unselbständige) Abschnitte aufzuteilen, von denen der erste sich nur damit befasst, ob der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat begangen hat und ob ihm Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe zur Seite stehen. Die Frage, ob der Angeklagte schuldfähig i.S.d. § 20 StGB ist, kann dabei wegen ihrer eventuell den Angeklagten besonders diskriminierenden Wirkung in einen zweiten Abschnitt verwiesen werden. Hält das Gericht nach Abschluss dieser Verfahrensabschnitte mit Plädoyers und eventuell auch Beratung die Voraussetzungen für einen Freispruch nicht für gegeben – was den Verfahrensbeteiligten informell zur Kenntnis zu bringen ist –, dann schließt sich daran die Erörterung der nur für die Rechtsfolgenfrage bedeutsamen Tatsachen, zu denen auch die Vorstrafen gehören, sowie die Beweiserhebung darüber an. Dieses Verfahren, dessen Einhaltung schon für das geltende Recht vorgeschlagen 12 wird,35 hat sich trotz seines theoretisch bestechenden Grundgedankens bisher in der Praxis wegen der damit verbundenen Schwierigkeiten nicht durchgesetzt, obwohl es sich nach den vorliegenden Berichten unter experimentellen Bedingungen als grundsätzlich praktikabel erwiesen hat.36 Unzulässig ist es ebenso wenig wie andere, die Teilung weniger stark betonende Varianten, in denen im Rahmen einer flexiblen Verhandlungsführung lediglich die eingehende Befragung des Angeklagten über besondere persönliche Verhältnisse37 und die Beweisaufnahme über die nur für die Rechtsfolgenfrage bedeutsamen Einzelheiten an das Ende der Beweisaufnahme verlegt werden. 11

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6. Einheitlichkeit des Gesamtverfahrens. Verfahrensrechtlich unerlässlich ist bei jeder möglichen Verfahrensgestaltung, dass die Einheitlichkeit des Gesamtverfahrens nicht durch die Aufteilung in verschiedene Verfahrenskomplexe in Frage gestellt werden darf (s. auch Rn. 1). Die Aufteilung darf den Angeklagten nicht hindern, seine Verteidigung vorweg zusammenhängend zu führen (s. Rn. 2, 4) und die Aufmerksamkeit des Gerichts auf die von ihm für wichtig gehaltenen Gesichtspunkte und Zusammenhänge zu lenken. Gleiches gilt für den letzten Verfahrensabschnitt, an dessen Ende die Berechti-

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33 BGHSt 13 358, 360; 19 93, 97; Pfeiffer 1: fehlender Widerspruch genügt; s. auch Radtke/Hohmann/Kelnhofer 4. 34 BGHSt 9 243, 245; Eb. Schmidt Nachtr. I 34; a.A. OLG Frankfurt HESt 2 109. Vgl. bei § 266. 35 Vgl. Kleinknecht FS Heinitz 651 (dazu Peters 560 f.); Kruse RuP 1998 162; differenzierend AK/Schöch 64 ff.; einschränkend (zulässig nur mit Zustimmung des Angeklagten): MüKo/Arnoldi 6; SK/Frister 5. 36 Vgl. etwa die Darstellungen von Dölling Die Zweiteilung der Hauptverhandlung (1978) und Schunck Die Zweiteilung der Hauptverhandlung, Diss. Göttingen 1982; ferner Schöch SchwZStR 98 (1981) 304; Schöch/Schreiber ZRP 1978 63. 37 Vgl. BGH NStZ 1985 561.

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gung nicht eingeschränkt werden darf, sich in den Plädoyers und beim letzten Wort (§ 258) mit dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu befassen, auch wenn die Details am Ende der einzelnen Abschnitte in Zwischenplädoyers bereits erörtert worden sind. 7. Sitzungsniederschrift. Die Reihenfolge der einzelnen Verfahrensvorgänge, das 14 Abweichen von der gesetzlich vorgesehenen Reihenfolge und die Zustimmungen müssen gemäß § 273 Abs. 1 (Gang des Verfahrens) ebenso aufgenommen werden wie die Aufteilung der Verhandlung in einzelne Tatkomplexe oder Einzelaspekte einer einheitlichen Tat (informelles Schuldinterlokut). Bei der getrennten Behandlung einzelner Tatkomplexe muss das Hauptverhandlungsprotokoll erkennen lassen, auf welchen Abschnitt sich die Vernehmung des Angeklagten und die sonstigen Verfahrensvorgänge jeweils beziehen, damit erkennbar wird, dass innerhalb der einzelnen Komplexe die vorgegebene Reihenfolge der Verfahrensabläufe eingehalten wurde.38 II. Beginn der Hauptverhandlung 1. Aufruf der Sache (Absatz 1 Satz 1). Die Hauptverhandlung beginnt – unabhängig 15 davon, ob der Angeklagte anwesend ist oder nicht39 – mit dem Aufruf der Sache. Darunter ist die auf den Willen des Vorsitzenden zurückgehende Kundmachung im Sitzungssaal zu verstehen, dass die Sache nunmehr verhandelt werde. Der Vorsitzende muss dies nicht selbst bekannt geben; er kann sich anderer Personen dazu bedienen.40 Die Anordnung, die Sache aufzurufen, muss aber er selbst getroffen haben. Ruft der Gerichtswachtmeister oder der Protokollführer die Sache ohne eine solche Anordnung des Vorsitzenden auf, dann beginnt die Hauptverhandlung dadurch noch nicht.41 Ein Aufruf der Sache auch außerhalb des Sitzungssaals (Gang, Zeugenwartezimmer, Anwaltszimmer oder wo sonst Wartende sich aufhalten können) ist regelmäßig sachdienlich.42 Er ist notwendig, wenn nur auf diese Weise alle Verfahrensbeteiligten in die Lage versetzt werden, den Termin wahrzunehmen, etwa weil sie sich nicht vorher im Sitzungssaal versammeln können oder weil es ortsüblich ist, außerhalb des Sitzungssaals zu warten.43 Der Aufruf muss für alle Wartenden deutlich hörbar und verständlich sein und muss gegebenenfalls mehrfach wiederholt werden, vor allem wenn sich der angesetzte Termin erheblich verzögert hat. Der Aufruf der Sache ist eine selbständige Formalität, die allen Beteiligten und den Zuhörern anzeigen soll, dass nunmehr die Hauptverhandlung beginnt. Unterbleibt sie versehentlich, so muss als Beginn der Hauptverhandlung derjenige Akt des Gerichts oder Vorsitzenden gelten, der als erster den Beteiligten erkennbar macht, dass das Gericht die Sache verhandelt.44

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38 BGHSt 10 342, 343; OLG Koblenz OLGSt Nr. 1 Ls.; KK/Schneider 4; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 2; SK/Frister 67. 39 BGHSt 52 24, 25 f. 40 H.M., vgl. BVerfG NJW 2008 977, 981 sowie die nachf. Fn.; a.A. Eb. Schmidt Nachtr. I 14 f. (Vorsitzender selbst). 41 KMR/Eschelbach 26; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Eb. Schmidt Nachtr. I 15; SK/Frister 6; zur früheren Fassung: BayObLGSt 1949-51 477; OLG Düsseldorf NJW 1961 133. 42 RGRspr. 3 236; RG GA 57 (1910) 208; SK/Frister 6. 43 BVerfGE 42 364, 369 (Pflicht des Gerichts, die Verfahrensbeteiligten effektiv in die Lage zu versetzen, den Termin wahrzunehmen). 44 BayObLGSt 1949-51 477, 478; AK/Schöch 8; KK/Schneider 7; KMR/Eschelbach 23; Meyer-Goßner/ Schmitt 4; SK/Frister 8; a.A. wohl Radtke/Hohmann/Kelnhofer 6: konkludente Kundgabe des Willens, mit der Sache zu beginnen, ist unzureichend.

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Der Beginn der Hauptverhandlung ist von Bedeutung für die Festlegung des Zeitpunkts, von dem an die Anwesenheitspflicht (§§ 226, 230 ff.) beginnt und das Nichterscheinen der für diesen Zeitpunkt geladenen Personen (vgl. aber § 214 Abs. 2) Rechtsfolgen auslösen kann.45 Mit ihrem Beginn zählen alle Vorgänge zu dem für die Urteilsfällung verwertbaren Inbegriff der Hauptverhandlung (§ 261). Die Abgabe der Sache an ein anderes Gericht (§ 270 statt § 225a) und die Einstellung des Verfahrens (§ 260 Abs. 3 statt § 206a) richten sich nunmehr nach anderen Vorschriften. Auch sonstige Bestimmungen stellen auf den Beginn der Hauptverhandlung ab; dies gilt insbesondere für § 222a Abs. 1 und § 303, ebenso für das Verbot von Ton- und Bildaufnahmen nach § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG46 und das Gebührenrecht.47 Mit dem Beginn der Hauptverhandlung ist auch dem Öffentlichkeitsgrundsatz (§ 169 Abs. 1 Satz 1 GVG) Rechnung zu tragen; es muss für die Dauer der Verhandlung gesichert sein, dass rechtzeitig erschienene Zuhörer der Hauptverhandlung beiwohnen können.48 Letztlich ist ihr Beginn auch maßgebend für die durch deren Einheitlichkeit geforderte Kontinuität der Gerichtsbesetzung. Wird die Hauptverhandlung nach deren Beginn unterbrochen, so haben an dem Fortsetzungstermin die bisherigen Schöffen mitzuwirken.49 Wird dagegen der Termin noch vor Beginn der Hauptverhandlung verlegt, haben in dem neuen Termin die Schöffen mitzuwirken, die für diesen Tag ausgelost sind.

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2. Präsenzfeststellung (Absatz 1 Satz 2). Im Anschluss an den Aufruf der Sache hat der Vorsitzende zunächst festzustellen, ob der (nicht vom Erscheinen entbundene) Angeklagte erschienen ist. Dabei ist zu klären, ob die Person, die sich als Angeklagter meldet, mit derjenigen identisch ist, die die Anklageschrift (§ 200 Abs. 1 Satz 1) als Angeschuldigten bezeichnet.50 Hierzu kann die Vorlage des Personalausweises verlangt werden;51 in Zweifelsfällen kann es deshalb ratsam sein, den Angeklagten schon in der Ladung aufzufordern, seine Personalpapiere mitzubringen.52 Sodann ist zu klären, ob der Verteidiger sowie die sonstigen Verfahrensbeteiligten, wie Dolmetscher, Nebenkläger, Nebenbeteiligte, gesetzliche Vertreter, Beistände usw. (vgl. § 272 Nr. 4), anwesend sind, auch wenn sie in Absatz 1 nicht besonders genannt werden.53 Die Namen der Richter, die an der Hauptverhandlung mitwirken, müssen zwar im Protokoll vermerkt werden (§ 272 Nr. 2). Soweit dies nicht durch § 222a Abs. 1 geboten ist, brauchen sie jedoch zu Beginn der Hauptverhandlung nicht förmlich bekannt gegeben zu werden. Die an der Hauptverhandlung mitwirkenden Gerichtspersonen sind auf Verlangen nach § 24 Abs. 3 Satz 2, § 31 namhaft zu machen. Die Einzelheiten sind dort erläutert.54 Den nach § 272

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45 Vgl. etwa §§ 329, 401 Abs. 3, § 412; § 74 Abs. 2 OWiG; ferner § 51 Abs. 1, § 77 Abs. 1 und § 145 Abs. 1. 46 BVerfG NJW 2008 977, 981: Bei der Ermessensentscheidung des Vorsitzenden darüber, von wem (s. Rn. 15) und wann die Sache aufgerufen wird, ist Art. 5 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. 47 Vgl. etwa OLG Saarbrücken NStZ-RR 2006 191 zur Berechnung des Längenzuschlags auf die Terminsgebühr (RVG VV Nr. 4122) nach dem Zeitpunkt, an dem die Sache aufgerufen wurde. Zum nicht mehr geltenden § 83 BRAGO vgl. LG Berlin StV 1994 496. 48 Vgl. etwa BGHSt 28 341; ferner Rn. 21 sowie die Erl. zu § 338 Nr. 6 und § 169 GVG. 49 Zum „Wahlrecht“ des Gerichts zwischen Unterbrechung und Aussetzung, falls in der Hauptverhandlung noch keine Erträge erzielt worden sind, vgl. § 228, 10. 50 A.A. (Identitätsfeststellung Sache der Vernehmung zur Person nach Absatz 2 Satz 2): MeyerGoßner/Schmitt 11; SSW/Franke 4. 51 Das Gericht ist als eine zur Prüfung der Personalien ermächtigte Behörde anzusehen, der auf Verlangen der Personalausweis vorzulegen ist (§ 1 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über Personalausweise; Bußgeldbewehrung: § 32 Abs. 1 Nr. 2); vgl. auch § 136, 14 ff. 52 Zu den Rechtsfolgen einer Verurteilung unter falschem Namen vgl. § 230, 9. 53 KK/Schneider 9; KMR/Eschelbach 41; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SK/Frister 9. 54 S. § 24, 70 ff.; vgl. etwa auch Salger DRiZ 1971 51; Traumann DRiZ 1971 242.

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Nr. 2 im Protokoll festzuhaltenden Namen des Vertreters der Staatsanwaltschaft braucht der Vorsitzende ebenfalls nicht bekannt zu geben.55 Namentlich festzustellen sind dagegen die für den Beginn der Hauptverhandlung geladenen und erschienenen Zeugen und Sachverständigen,56 eventuell auch, dass sie nicht vernehmungsfähig sind (betrunkener Zeuge),57 ferner, welche sächlichen Beweismittel (§§ 214, 221) herbeigeschafft wurden. Hierdurch soll geklärt werden, ob Personen, deren Anwesenheit erforderlich ist, ausgeblieben sind, ob beim Ausbleiben einer von ihnen die Hauptverhandlung durchgeführt werden kann und ob Maßnahmen gegen den Ausgebliebenen veranlasst sind, ferner, ob alle angeführten sächlichen Beweismittel auch tatsächlich vorliegen oder ob deren unverzügliche Beibringung zu veranlassen ist. Die positive Feststellung, dass bestimmte, genau bezeichnete Beweismittel her- 18 beigeschafft sind, bedeutet, dass der Vorsitzende die von ihm individuell angesprochenen Gegenstände als herbeigeschaffte Beweismittel (§ 245 Abs. 1) ansieht. Die Feststellung enthält für alle Beteiligten die Zusicherung, dass diese Beweismittel benutzt werden, ohne dass sie sich noch ausdrücklich darauf berufen müssen. Sie besagt aber für sich allein nichts darüber, ob der bei Verhandlungsbeginn anwesende Zeuge zu einem späteren Zeitpunkt im Sitzungssaal oder wartend außerhalb desselben noch anwesend war (vgl. § 245, 68). Werden die herbeigeschafften Gegenstände nur pauschal mit einer Sammelbezeichnung angesprochen, wie dies vor allem bei Urkundensammlungen und dergleichen in der Praxis nicht selten geschieht, so liegt in einem solchen Hinweis noch keine Zusicherung der Beweisverwendung i.S.d. § 245 Abs. 1.58 Die Einzelheiten sind bei § 245 erläutert. Fehlen Beweismittel, die herbeizuschaffen gewesen wären, sind insbesondere 19 Zeugen oder Sachverständige ausgeblieben, deren Ladung den Verfahrensbeteiligten nach § 222 mitgeteilt worden ist, so muss der Vorsitzende darauf hinweisen. Dies folgt aus dem Zweck der Präsenzfeststellung (Rn. 17). Bekannt zu geben ist auch, dass und aus welchen Gründen Beweispersonen ihr Fernbleiben entschuldigt haben.59 Der Vorsitzende kann die Präsenzfeststellung benutzen, die Zeugen und Sachver- 20 ständigen gemäß § 57 Satz 1, § 72 zu belehren und zu ermahnen.60 Über den Antrag eines Verletzten, dass bei seiner Vernehmung als Zeuge eine Person seines Vertrauens anwesend sein darf (§ 406f Abs. 2), entscheidet der Vorsitzende zweckmäßigerweise ebenfalls gleich bei der Präsenzfeststellung, da dieser Person dann – anders als wenn sie nur als Zuhörer an der öffentlichen Verhandlung teilnimmt – ein Platz in unmittelbarer Nähe des Zeugen anzuweisen ist und sie andererseits – ebenso wie ein als Zeugenbeistand nach § 406f Abs. 1 erschienener Anwalt – aufzufordern ist, bis zur Vernehmung des Verletzten mit diesem den Sitzungssaal zu verlassen (s. aber auch das Anwesenheitsrecht des nebenklagebefugten Verletzten nach § 406h Abs. 1 Satz 2; näher Rn. 23 f.). 3. Wartepflicht des Gerichts. Bleiben Personen aus, deren Anwesenheit für die 21 Durchführung der Hauptverhandlung notwendig ist, so muss das Gericht je nach den

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55 KMR/Eschelbach 41; Meyer-Goßner/Schmitt 5. 56 BGHSt 24 280, 282; AK/Schöch 12; Meyer-Goßner/Schmitt 5. 57 Der betrunkene Zeuge ist als nicht erschienen zu behandeln; vgl. BGHSt 23 331, 334; Michel MDR 1992 544; ferner die Erl. zu § 51. 58 Vgl. dazu § 245, 22 ff. 59 KK/Schneider 11; SK/Frister 10. 60 Vgl. dazu Tröndle DRiZ 1970 215; KMR/Eschelbach 47; Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Frister 14. S. aber auch Schellenberg 83 f., der es für vorzugswürdig hält, wenn statt der Sammelbelehrung jeder einzelne Zeuge vor seiner Vernehmung individuell belehrt wird; ebenso Eisenberg (Beweisrecht) 1297; MüKo/ Arnoldi 13. Die Einzelheiten sind bei § 57 erläutert.

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Umständen des Einzelfalls eine bestimmte Zeit warten, bevor es das Ausbleiben zum Gegenstand einer endgültigen Entscheidung über das Verfahren (Vertagung, Verwerfung des Einspruchs nach §§ 412, 329) macht. Dies folgt aus der Verpflichtung, das Verfahren „fair“ zu gestalten und das rechtliche Gehör in angemessener Weise zu gewähren;61 es gilt im besonderen Maße, wenn ihm die Gründe einer kurzfristigen Verspätung mitgeteilt werden.62 Eine Pflicht, mit der Verhandlung zuzuwarten, kann sich ferner daraus ergeben, dass wegen der angeordneten Kontrollmaßnahmen noch nicht alle rechtzeitig erschienenen Zuhörer im Gerichtssaal anwesend sind.63 4. Entfernung der Zeugen aus dem Sitzungssaal (Absatz 2 Satz 1) 22

a) Zweck der Regelung. Um die Unbefangenheit der Zeugen nicht durch die Vorgänge in der Hauptverhandlung zu beeinflussen, haben sie nach der Präsenzfeststellung den Sitzungssaal zu verlassen. Sie dürfen bis zu ihrer Vernehmung der Hauptverhandlung nicht beiwohnen. Es handelt sich um eine den § 58 Abs. 1 ergänzende Ordnungsvorschrift,64 die Ausnahmen kennt (Rn. 23 ff.) und, falls sie nicht beachtet worden ist, die Vernehmung des Zeugen nicht hindert.65 Der Antrag auf Vernehmung eines Zeugen darf daher nicht deshalb abgelehnt werden, weil der Zeuge bei Verlesung des Anklagesatzes oder bei der Vernehmung des Angeklagten oder eines anderen Zeugen anwesend gewesen ist.66 Dasselbe gilt für Zeugen, die schon vernommen worden sind, aber später über eine andere Tatsache gehört werden sollen,67 für Zeugen, die vom Recht der Zeugnisverweigerung Gebrauch gemacht haben, aber nachträglich auf dieses Recht verzichten,68 oder für Verfahrensbeteiligte, die erst nachträglich zu Zeugen werden. Ihre Anwesenheit im Sitzungssaal vor ihrer Vernehmung mag zwar bei der Würdigung ihrer Aussagen (§ 261) Bedeutung erlangen können; als selbständiger Verfahrensverstoß vermag sie die Revision dagegen nicht zu begründen.

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b) Ausnahmen. Die Pflicht, der Hauptverhandlung bis zur eigenen Vernehmung fernzubleiben, gilt nicht, wenn der Zeuge zugleich noch eine andere Funktion im Prozess hat, aufgrund derer ihm die Anwesenheit ausdrücklich gestattet ist oder deren Wahrnehmung die ununterbrochene Teilnahme an der Hauptverhandlung erfordert und daher die Zwecksetzung des Absatz 2 Satz 1 überwiegt. Ausdrücklich gesetzlich gestattet ist die Anwesenheit dem als Zeugen zu vernehmenden Nebenkläger (§ 397 Abs. 1 Satz 1), dem als dessen Beistand oder Vertreter erschienenen Rechtsanwalt (§ 397 Abs. 2 Satz 2) sowie dem psychosozialen Prozessbegleiter des durch die Tat verletzten Nebenklägers (§ 406g Abs. 1 Satz 2). Gleiches gilt für den als Zeugen zu vernehmenden nebenklageberechtigten Verletzten (§ 406h Abs. 1 Satz 2),69 für dessen als Beistand oder Vertreter

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61 Schellenberg 67 f.; KK/Schneider 13; KMR/Eschelbach 45; SK/Frister 11. 62 Zur Wartepflicht bei Ausbleiben des Verteidigers vgl. § 228, 30; s. ferner für den Angeklagten § 230, 18 sowie die bei §§ 329, 412 angeführte umfangreiche Rspr. 63 BGHSt 28 341; BGH StV 1995 116; w.N. bei § 169 GVG. 64 RG GA 67 (1919) 436, 437; AK/Schöch 17; KK/Schneider 14; Meyer-Goßner/Schmitt 9; Eb. Schmidt Nachtr. I 17; SK/Frister 15. Zur strittigen Frage der „Ordnungsvorschriften“ vgl. bei § 337. 65 KK/Schneider 14; Meyer-Goßner/Schmitt 9; Eb. Schmidt Nachtr. I 17; SK/Frister 15; für die frühere Fassung RGSt 1 366, 367; 1 409, 410; 2 53, 54; RGRspr. 3 685; BayObLGSt 1949-51 49; vgl. bei § 58. 66 RGSt 1 366, 367; 2 53, 54; KG VRS 38 (1970) 56; KK/Schneider 14; SK/Frister 16; vgl. vorstehende Fn. und bei § 58. 67 BGH bei Dallinger MDR 1955 396; SK/Frister 16; vgl. bei § 58. 68 RGSt 2 53, 54; SK/Frister 16; vgl. bei § 58. 69 Kritisch Pfordte FS II E. Müller 554 f.

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erschienenen Rechtsanwalt (§ 406h Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1) und dessen psychosozialen Prozessbegleiter (§ 406g Abs. 1 Satz 2).70 Anwesenheitsberechtigt ist der Antragsteller im Adhäsionsverfahren.71 Dem Einziehungs- oder sonstigen Nebenbeteiligten sowie dem Nebenbetroffenen ist, auch soweit er Zeuge sein kann, die Anwesenheit zu gestatten, da er die Befugnisse des Angeklagten (§ 427 Abs. 1 Satz 1, §§ 438, 439) und damit ein Recht auf Anwesenheit an der Hauptverhandlung hat. Etwas anderes wird allerdings für die Teile der Hauptverhandlung gelten, die seine Belange nicht berühren. Hier steht er einem gewöhnlichen Zeugen gleich. Aus der prozessualen Funktion, die die Anwesenheit während der gesamten Hauptverhandlung notwendig macht und daher die durch § 58 Abs. 1, § 243 Abs. 2 verfolgten Zwecke überwiegt, folgt dagegen das Anwesenheitsrecht des als Zeugen zu vernehmenden Sitzungsstaatsanwalts72 sowie des Pflichtund Wahlverteidigers.73 Gleiches gilt für den Vertreter der Finanzbehörde (§ 407 AO), auch wenn ihn das Gericht als (sachverständigen) Zeugen vernehmen will; dies folgt aus den ihm in § 407 Abs. 1 AO eingeräumten Rechten.74 Nicht durch eine etwaige Zeugeneigenschaft eingeschränkt ist ferner das Anwesenheitsrecht des Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vertreters eines jugendlichen Angeklagten, sofern jener nicht nach § 51 Abs. 2 bis 5 JGG75 ausgeschlossen wird.76 Kein Anwesenheitsrecht haben dagegen der als Zeuge zu vernehmende nicht ne- 24 benklageberechtigte Verletzte und der als dessen Beistand (§ 406f Abs. 1) erschienene Rechtsanwalt sowie die von ihm nach § 406f Abs. 2 hinzugezogene Vertrauensperson, solange der von ihnen unterstützte Verletzte den Gerichtssaal verlassen muss.77 Gleiches gilt für dessen psychosozialen Prozessbegleiter. Dieser darf gemäß § 406g Abs. 1 Satz 2 zwar gemeinsam mit dem Verletzten ebenfalls in der Hauptverhandlung anwesend sein; da die Vorschrift im Gegensatz zu § 397 Abs. 1 Satz 1, § 406h Abs. 1 Satz 2 indes nicht den Zusatz enthält, dass dies auch dann gilt, wenn der Verletzte als Zeuge vernommen werden soll, muss er für diesen Fall bis zu dessen Vernehmung zusammen mit diesem den

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70 Allerdings ist zu beachten, dass dem nicht beigeordneten (zur Beiordnung s. § 406g Abs. 3) psychosozialen Prozessbegleiter bei der späteren Vernehmung des Verletzten die Anwesenheit untersagt werden kann, wenn diese den Untersuchungszweck gefährden könnte (§ 406g Abs. 4 Satz 1). 71 SK/Frister 18. 72 Dose NJW 1978 350; Häger GedS Meyer 182 f.; KK/Schneider 15; Meyer-Goßner/Schmitt 8; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 15; SK/Frister 21; vgl. auch BGH NStZ 2008 353 m. Anm. Keller StV 2008 381; a.A. BGH NJW 1987 3088, 3090; s. auch Pfordte FS II E. Müller 555 f. sowie § 226, 8 und Vor § 48. 73 Dose NJW 1978 350; KK/Schneider 15; Meyer-Goßner/Schmitt 8; Pfeiffer 4; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 15; SK/Frister 19; demgegenüber nahm die früher vorherrschende Meinung an, dass als Zeugen zu vernehmende Pflicht- und Wahlverteidiger grundsätzlich den Sitzungssaal verlassen müssen, der Vorsitzende ihnen aber die Anwesenheit gestatten kann: RGSt 55 219; 59 353, 354; Eb. Schmidt 36 und Nachtr. I 17; s. auch Pfordte FS II E. Müller 557. 74 A.A. Radtke/Hohmann/Kelnhofer 14; LG Dresden NStZ 1999 313 m. Anm. Rüping: Ermessen des Vorsitzenden, die Anwesenheit zu gestatten; so auch KK/Schneider 15. 75 Zur Verfassungswidrigkeit der Vorgängerregelung vgl. BVerfGE 107 104 m. Bespr. Eisenberg/Zötsch GA 2003 226; Grunewald NJW 2003 1995; Lipp RdJB 2003 361 und Müller/Kraus JA 2003 892. 76 AK/Schöch 16; Meyer-Goßner/Schmitt 8; Pfeiffer 4; SK/Frister 20; a.A. KG DRiZ 1929 Nr. 1150; KK/Schneider 15. Die Entscheidung BGH NJW 1956 520 Ls., auf die sich (wohl wegen der Fassung des Leitsatzes „soweit“) beide Meinungen berufen, hilft nicht viel weiter. Die dortige Bezugnahme auf RGSt 59 353, 354 zeigt, dass damals das Anwesenheitsrecht des gesetzlichen Vertreters so behandelt werden sollte wie das (damals durch die Zeugeneigenschaft eingeschränkte) des Wahlverteidigers. Aus einem formalen Gegenschluss zu § 51 Abs. 2 bis 5 JGG wird man allerdings ein Anwesenheitsrecht nicht herleiten können; vgl. Eisenberg § 51, 13 JGG („unabhängig von dieser Vorschrift“). 77 Wulf DRiZ 1981 376; KMR/Eschelbach 56; Meyer-Goßner/Schmitt 7; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 14; SK/Frister 20; s. BVerfGE 38 105, 116; a.A. etwa AnwK-StPO/Sommer 11; Gillmeister NStZ 2018 564 m.w.N.; vgl. auch Hammerstein NStZ 1981 127; s. ferner Vor § 48 und bei § 406f.

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Sitzungssaal verlassen.78 Auch der gesetzliche Vertreter oder Erziehungsberechtigte eines jugendlichen Zeugen darf bis zu dessen Vernehmung und eventuell der eigenen Vernehmung an der Verhandlung nicht teilnehmen.79 Gleiches gilt für den als Zeugen zu hörenden Beistand des Angeklagten (§ 149).80 Für den Sachverständigen gilt § 243 Abs. 2 Satz 1 nicht. Wieweit dessen Anwesen25 heit notwendig ist, entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen der Vorsitzende.81 Dabei hat er zu berücksichtigen, dass es die Aufklärungspflicht grundsätzlich gebietet, dem Sachverständigen auch solche für seine Begutachtung möglicherweise bedeutsame Anknüpfungstatsachen zur Kenntnis zu bringen, die erst in der Hauptverhandlung hervortreten. Trifft der Vorsitzende keine Entscheidung, so befindet der Sachverständige selbst darüber, inwieweit die Gutachtenserstattung seine Anwesenheit in den vorherigen Teilen der Hauptverhandlung erfordert.82 Auf den sachverständigen Zeugen sind an sich die für Zeugen geltenden Bestimmungen anzuwenden (§ 85). Es steht aber dennoch im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden, ob er die Anwesenheit gestatten will.83 26 Der Vorsitzende darf von Absatz 2 Satz 1 im Einzelfall abweichen.84 Gestattet er ausnahmsweise aus überwiegenden Sachgründen (bessere Sachaufklärung, Beistandsfunktion für anderen Zeugen oder Angeklagten; vgl. Rn. 23 f.) einem Zeugen entgegen Absatz 2 Satz 1, § 58 Abs. 1 die Anwesenheit in der Hauptverhandlung, so wird darauf bei Würdigung des Normzwecks und der Auswirkung auf die Rechtsstellung des Angeklagten im Allgemeinen die Revision nicht mit Erfolg gestützt werden können (s. Rn. 22). Dennoch sollte von dieser Möglichkeit nur mit größter Vorsicht Gebrauch gemacht werden; denn es sind andererseits durchaus Fälle denkbar, in denen die Anwesenheit eines Zeugen vor seiner Vernehmung den Inhalt seiner Aussage beeinflusst und sich als Konsequenz hieraus auch auf die Überzeugungsbildung des Gerichts auswirken kann. Entsprechende Einwände gegen die Beachtung der Aufklärungspflicht oder die Beweiswürdigung sollten nicht ohne Not provoziert werden. 27

c) Anordnungen des Vorsitzenden. Der Vorsitzende hat die Zeugen in angemessener Weise zum Verlassen des Sitzungssaals aufzufordern, wobei er zweckmäßigerweise auch darauf hinweist, wo sie bis zu ihrem Aufruf warten können (Zeugenzimmer). Er kann das Abtreten der Zeugen durch Maßnahmen der Sitzungspolizei (§ 176 GVG) notfalls erzwingen. Es ist auch dem Ermessen des Vorsitzenden überlassen, ob er, dem Regelungszweck von § 58 Abs. 1, § 243 Abs. 2 Satz 1 folgend, etwas dagegen unternimmt, dass die Zeugen ihre Aussagen untereinander oder mit Dritten besprechen oder dass sie sich von einem Zuhörer über das Ergebnis der bisherigen Hauptverhandlung unterrich-

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78 S. auch die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung für das 3. OpferRRG (BTDrucks. 18 4621 S. 30 f.), wonach hierdurch ein Gleichlauf mit § 406f hergestellt werden soll. 79 AK/Schöch 16; KK/Schneider 15; Meyer-Goßner/Schmitt 7; SK/Frister 20. 80 RGSt 59 353, 354; BGHSt 47 62, 65; Roxin/Schünemann § 19, 80; KK/Schneider 15; Meyer-Goßner/ Schmitt 7; SK/Frister 20. 81 KK/Schneider 16; Meyer-Goßner/Schmitt 8; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 15; SSW/Franke 5; a.A. SK/Frister 22, der – im rechtlichen Ausgangspunkt – § 243 Abs. 2 Satz 1 für anwendbar hält, wenn ein Sachverständiger zugleich als Zeuge aussagen soll. S. auch § 226, 19. 82 KK/Schneider 16. 83 RGSt 22 434; 54 297, 298; RGRspr. 3 496; BGH StV 1999 463 m. Anm. Grabow und Zieschang (zur Anwendung des § 243 Abs. 2 Satz 1 auf einen vom Angeklagten als präsentes Beweismittel in der Hauptverhandlung gestellten Zeugen, der auch als Sachverständiger in Betracht kommt); Meyer-Goßner/ Schmitt 8; SK/Frister 22. 84 Meyer-Goßner/Schmitt 9; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 15; SK/Frister 22; vgl. RGSt 54 297, 298.

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ten lassen. Er kann einem Zuhörer das Mitschreiben verbieten, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er einen Zeugen informieren will.85 Der Vorsitzende kann einen Zuhörer aus dem Sitzungssaal verweisen, wenn ein 28 Prozessbeteiligter erklärt, er werde ihn als Zeugen benennen.86 Verpflichtet ist er dazu nicht.87 Gleiches gilt, wenn er selbst – etwa nach Erklärungen sonstiger Verfahrensbeteiligter – zu dem Eindruck gelangt, dass Zuhörer als Zeugen im weiteren Verfahren in Betracht kommen.88 Ein Verstoß gegen § 169 GVG liegt darin erst, wenn der Verweis der Zuhörer aus dem Sitzungssaal aus sachwidrigen Gründen geschieht und ihre mögliche Zeugenvernehmung nur vorgeschoben wird.89 d) Vernommene Zeugen dürfen der weiteren Beweisaufnahme grundsätzlich bei- 29 wohnen. Der Vorsitzende kann sie jedoch nach pflichtgemäßem Ermessen90 davon ausschließen, so, wenn zu erwarten ist, dass sie nach Einvernahme eines anderen Zeugen nochmals vernommen werden müssen,91 oder wenn zu befürchten ist, ein noch nicht vernommener Zeuge werde in ihrer Gegenwart nicht oder nicht wahrheitsgemäß aussagen; der Grundgedanke des § 247 gilt insoweit entsprechend.92 5. Sitzungsniederschrift. Wegen der in Rn. 16 genannten Rechtsfolgen ist der Auf- 30 ruf der Sache eine wesentliche Förmlichkeit der Hauptverhandlung und daher in der Sitzungsniederschrift zu protokollieren.93 Im Hinblick auf die Bedeutung für § 245 (s. Rn. 18) handelt es sich auch bei der Feststellung des Vorsitzenden, dass die namentlich benannten, geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen und die zu individualisierenden sächlichen Beweismittel herbeigeschafft sind, um eine in die Sitzungsniederschrift aufzunehmende Verfahrensförmlichkeit.94 Da es sich bei Absatz 2 Satz 1 dagegen nur um eine Ordnungsvorschrift handelt und die Verweisung aller Zeugen aus dem Sitzungssaal daher nicht zwingend ist, ist weder ihr Abtreten insgesamt noch der Verbleib einzelner Zeugen im Sitzungssaal zwingend zu protokollieren. Dennoch ist es ratsam, diese Vorgänge in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen; denn obwohl dieser

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85 BGH NStZ 1982 389; bei Dallinger MDR 1955 396; Burhoff (Hauptv.) 1865; SK/Frister 14; vgl. auch Nr. 128 Abs. 2 RiStBV. 86 BGHSt 3 386, 388; BGH NStZ 2001 163 m. Anm. Fahl JA 2001 455; BGH bei Miebach/Kusch NStZ 1991 122; bei Holtz MDR 1983 92; KK/Schneider 17. 87 Dose NJW 1978 350 (pflichtgemäßes Ermessen berechtigt); KK/Schneider 17; enger SK/Frister 17: Vorsitzender – nach Maßgabe eines ihm zustehenden Beurteilungsspielraums – grundsätzlich verpflichtet, den Zuhörer aus dem Sitzungssaal zu verweisen. 88 BGH StV 2002 6 m. krit. Anm. Reichert; vgl. auch BGH NStZ 2004 453. 89 BGH StV 2002 6 m. krit. Anm. Reichert; NStZ 2001 163 m. Anm. Fahl JA 2001 455; NStZ 2004 453. 90 Vgl. RGSt 48 211. 91 SK/Frister 17. 92 BGH bei Dallinger MDR 1955 396; Koeniger Die Hauptverhandlung in Strafsachen (1966) 310; KK/Schneider 17; SK/Frister 17. Vgl. auch BGH NStZ 1988 467 (Bitte an Zuhörer, die in einem anderen Verfahren gegen den Angeklagten als Zeugen in Betracht kamen, den Sitzungssaal zu verlassen); wegen der Grenzen, die das nicht zur Disposition des Vorsitzenden stehende Öffentlichkeitsgebot dem Vorsitzenden insoweit setzt, vgl. BGH NStZ 1993 450 und bei § 169 GVG. Zur vorläufigen Beurlaubung eines noch nicht entlassenen Zeugen s. § 248, 6. 93 KK/Greger § 273, 5; MüKo/Arnoldi 81; Eb. Schmidt Nachtr. I 15; a.A. RGSt 58 180, 181; AK/Schöch 9; KK/Schneider 7; SK/Frister 8; SSW/Franke 3. 94 BGH bei Dallinger MDR 1966 965; AK/Schöch 13; Pfeiffer 3; SK/Frister 13; a.A. (Ordnungsvorschrift) Dallinger MDR 1966 966; KK/Schneider 10; Eb. Schmidt Nachtr. I 17; ferner Meyer-Goßner/Schmitt 5, der dennoch die Protokollierung befürwortet; MüKo/Arnoldi 81; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 8, zweifelnd SSW/Franke 4; offen gelassen von BGHSt 24 280, 281. Eine negative Beweiskraft (Nichtanwesenheit der Beweismittel) hat die auf den Verfahrensbeginn abstellende Präsenzfeststellung jedoch nicht.

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insoweit keine Beweiskraft nach § 274 Satz 1 zukommt, kann sie bei einer möglicherweise notwendigen freibeweislichen Prüfung der fraglichen Verfahrensvorgänge durch das Revisionsgericht maßgebliche Bedeutung erlangen. III. Vernehmung des Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse (Absatz 2 Satz 2) 1. Zweck und Gegenstand der Regelung 31

a) Identitätsfeststellung. Bereits bei der Präsenzfeststellung nach Absatz 1 Satz 2 ist zu überprüfen, ob die als Angeklagter erschienene Person mit dem in der Anklageschrift gemäß § 200 Abs. 1 Satz 1 genannten Angeschuldigten identisch ist (Rn. 17). Die Vernehmung des Angeklagten zur Person gemäß Absatz 2 Satz 2 dient zunächst dazu, alle – weiteren – persönlichen Daten des Angeklagten zu erheben, soweit sie zu seiner Individualisierung erforderlich sind.95 Zu diesem Zweck kann der Vorsitzende vom Angeklagten verlangen, dass er diejenigen Angaben über seine Personalien macht, zu denen er auch sonst gegenüber einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Amtsträger verpflichtet ist, also seinen Vor-, Familien- oder Geburtsnamen,96 den Tag und den Ort seiner Geburt, seinen Familienstand, seinen Wohnort und seine Staatsangehörigkeit nennt (vgl. § 111 Abs. 1 OWiG),97 nicht aber seinen für die Individualisierung meist entbehrlichen, dagegen vielfach für die Schuld- und Straffrage relevanten Beruf.98 Auch zusätzliche Fragen über persönliche Verhältnisse, die allein der Feststellung der Identität dienen, fallen hierunter. Die Verweigerung der genannten Angaben wird, da diese für den Urteilsspruch 32 keine Bedeutung erlangen können, durch das Aussageverweigerungsrecht des Angeklagten nach zutreffender Ansicht nicht gedeckt.99 Eine Ausnahme besteht nur, soweit sie im Einzelfall einmal auch für die Prüfung der Schuldfrage relevant sein können, etwa als Indiz für die Täterschaft des Angeklagten; dann werden sie vom Schweigerecht des Angeklagten umfasst100 und die Weigerung des Angeklagten, seine wahre Identität preiszugeben, darf dann auch nicht zu seinen Lasten bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.101 Aber auch in diesen Fällen bedarf es keiner vorgezogenen Belehrung nach Absatz 4 Satz 1.102 Die Angaben sind dennoch verwertbar, es sei denn, der Angeklagte lässt sich bei der späteren Sachvernehmung (vgl. Rn. 67 ff., 73 ff.) nach Belehrung nicht weiter zur Person und Sache ein;103 dann müssen sie im Wege der Beweisaufnahme anderweitig belegt werden (s. Rn. 68), außer der Angeklagte stellt eindeutig klar, dass er für diese früheren Angaben von seinem Schweigerecht auch nachträglich keinen Ge-

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95 SK/Frister 23. 96 Vgl. OLG Hamm VRS 60 (1981) 199: Bekanntwerden der Änderung des Familiennamens in der Hauptverhandlung erfordert keine Abgabe. 97 S. OLG Hamm NStZ-RR 2008 87: allein die Vorlage des Personalausweises genügt nicht. 98 Vgl. BayObLGSt 1979 16; 1979 191, 193; 1980 79; OLG Celle VRS 53 (1977) 458; ferner bei § 136. 99 So etwa BGHSt 25 13, 17; BayObLGSt 1969 79 = NJW 1969 2057 m. abl. Anm. Seebode = JR 1970 71 m. zust. Anm. Koffka; OLG Düsseldorf NJW 1970 1888; a.A. KMR/Eschelbach 60, 62; SK/Frister 27; wegen der Nachw. zum Streitstand vgl. bei § 136. 100 BayObLGSt 1980 79; OLG Hamburg VRS 51 (1976) 44; OLG Stuttgart NJW 1975 703; Justiz 1987 73, 74 f.; Bruns FS Schmidt-Leichner 15; Müller-Dietz ZStW 93 (1981) 1225 f.; KMR/Eschelbach 61; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 17. 101 Vgl. BGH StraFo 2015 324. 102 A.A. Radtke/Hohmann/Kelnhofer 17. 103 BayObLGSt 1983 153; OLG Hamburg VRS 51 (1976) 44; OLG Stuttgart NJW 1973 1941; 1975 703; Meyer-Goßner/Schmitt 12.

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brauch machen will. Obwohl der Anklagte damit in aller Regel verpflichtet sein wird, die genannten Auskünfte zu geben und er bei deren Verweigerung eine Ordnungswidrigkeit nach § 111 OWiG begeht,104 kann das Gericht mit den Mitteln der StPO vom Angeklagten keine Angaben erzwingen.105 Aus der Aussageverweigerung dürfen auch insoweit keine dem Angeklagten nachteiligen Schlüsse gezogen werden.106 b) Personenbezogene Verfahrensfragen. Bei der Vernehmung über die persönli- 33 chen Verhältnisse sind darüber hinaus mit der Person des Angeklagten verknüpfte Verfahrensfragen zu klären. So ist etwa zu prüfen, ob wegen Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten ein Verfahrenshindernis besteht und ob er in der Lage ist, sich selbst gegen die zugelassene Anklage zu verteidigen (vgl. § 141 Abs. 2).107 Eine Mitwirkungspflicht des Angeklagten besteht aber auch insoweit nicht. c) Sonstige „persönliche Verhältnisse“. Nach den ursprünglichen Vorstellun- 34 gen des Gesetzgebers sollte die Vernehmung des Angeklagten zu seinen persönlichen Verhältnissen über die bloße Identitätsfeststellung und die Klärung von Verfahrensfragen hinausgehen. Sie sollte schon am Eingang des Verfahrens den Angeklagten als Menschen in seiner Individualität in den Mittelpunkt des Verfahrens rücken, so wie es seiner Stellung als Prozesssubjekt und dem Gebot zur Wahrung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) entspricht. Hierdurch sollte vermieden werden, dass sich im Drang der Termine die Verhandlung ausschließlich auf die Feststellung der Straftat als solche verengt, so dass sich der Angeklagte nicht als Mensch, sondern nur noch als Fall behandelt fühlt.108 Dem entspricht auch der Wortlaut der Norm, die nicht eine Vernehmung „zur Person“, sondern zu den „persönlichen Verhältnissen“ vorschreibt. Die Erörterung des Lebensgangs des Angeklagten vor der Behandlung seiner Tat wurde darüber hinaus auch als geeignet angesehen, psychologische Hemmnisse beim Angeklagten abzubauen und sein Vertrauen zum Gericht zu fördern.109 Aus all dem erklärt sich, dass das frühere Rechtsverständnis mit dem Begriff der persönlichen Verhältnisse alle Umstände verband, die ein umfassendes Bild von der Person des Angeklagten vermitteln, wie seinen Werdegang, seine berufliche Tätigkeit, seine Familienverhältnisse und auch seine wirtschaftliche Lage.110 Dies ließ jedoch unberücksichtigt, dass all diese Umstände potentiell für den 35 Schuld- und/oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsam werden können und daher vom Schweigerecht des Angeklagten umfasst werden. Nach zutreffender, heute herrschender Auffassung dürfen daher alle über die bloße Identitätsfeststellung sowie Klärung von Verfahrensfragen hinausgehenden Erörterungen der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten erst nach seiner Belehrung über sein Schweigerecht im Rahmen der Anhörung zur Sache vorgenommen werden111 (s. dazu Rn. 76 f.). Dem entspricht es, dass das

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104 OLG Düsseldorf NJW 1970 1888, 1889; a.A. HK/Temming 9; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 18; SK/Frister 27. 105 KMR/Eschelbach 61; Meyer-Goßner/Schmitt § 136, 5. 106 KMR/Eschelbach 61; vgl. OLG Brandenburg NStZ-RR 2015 53. 107 Radtke/Hohmann/Kelnhofer 16; SK/Frister 23. 108 Zur Subjektstellung des Angeklagten vgl. Vor § 226, 18, 57 und Einl. J 65 ff. 109 Tröndle DRiZ 1970 216. 110 BGH bei Dallinger MDR 1975 368; BayObLGSt 1971 44; Gössel 185; Eb. Schmidt Nachtr. I 18; Tröndle DRiZ 1970 216; offen gelassen von BGHSt 25 325, 328; OLG Stuttgart MDR 1973 951. 111 BGH StV 1984 190, 192; BayObLGSt 1980 79 f.; OLG Köln NStZ 1989 44; Blau ZStW 81 (1969) 35; Dencker MDR 1975 365; Fezer JuS 1978 107; Kleinknecht FS Heinitz 658 f.; Kruse RuP 1998 165; Kühne 794; E. Müller FS Hanack 70; Peters 559; Rieß JA 1980 299; Roxin/Schünemann § 25, 5; Seelmann JuS 1976 160;

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StPÄG 1964 die Feststellung der Vorstrafen, die der ursprüngliche Gesetzgeber noch zu den „persönlichen Verhältnissen“ gezählt hatte,112 durch die Regelungen in Absatz 5 Satz 3 und 4 (a.F., jetzt Sätze 5 und 6) in die Sachvernehmung verlagert hat.113 Diese Trennung gilt allgemein; nicht etwa ist in jedem Verfahren gesondert darüber zu befinden, ob die genannten Umstände im konkreten Fall einer Bedeutung für Schuld- und Rechtsfolgenfrage entbehren oder nicht. Denn bei der am Beginn der Hauptverhandlung stehenden Anhörung des Angeklagten nach Absatz 2 Satz 2 lässt sich zum einen nicht zuverlässig abschätzen, welchen Umständen das Gericht im Rahmen seiner freien Würdigung des Inbegriffs der Hauptverhandlung (§ 261) Relevanz für seinen Urteilsspruch zumessen wird; zum anderen wäre ein weites Feld für Streitigkeiten über die zutreffende Abgrenzung eröffnet, die sich bis in das Revisionsverfahren hinziehen könnten. 36

2. Beweisfragen. Verweigert der Angeklagte die allein zur Feststellung seiner Identität erforderlichen Angaben, können sie im Wege des Freibeweises an Hand der Akten und durch alle sonst verfügbaren Erkenntnisquellen festgestellt werden.114 Gleiches gilt für die Tatsachen, die für eine an die Person des Angeklagten anknüpfende Verfahrensfrage (Rn. 33) maßgeblich sind. Für die Sachentscheidung (einschließlich Rechtsfolgenausspruch) potentiell erhebliche Umstände (ggf. auch solche im Sinne der Rn. 31 f.) in den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten unterliegen dagegen, wenn dieser hierzu schweigt, dem Strengbeweis.115 Für diesen ist bei der Vernehmung des Angeklagten zur Person kein Raum. Werden hierbei dennoch entgegen Rn. 35 solche Umstände angesprochen, so muss der Vorsitzende jeden Anschein vermeiden, dass die Erwähnung nachteiliger Umstände schon deren Feststellung bedeute. Dies hat er für die Schöffen notfalls klarzustellen.116

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3. Sitzungsniederschrift. Die Vernehmung des Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse ist eine wesentliche Förmlichkeit der Hauptverhandlung und daher in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen (§ 273 Abs. 1).117 Da der Angeklagte zu allen Fragen, die über seine Individualisierung und mögliche an seine Person anknüpfende Prozesshindernisse hinausgehen, erst im Rahmen der Sachvernehmung nach Absatz 5 Satz 2 zu hören ist (Rn. 35, 77), beweist ein fehlender Protokollvermerk über die Anhörung des Angeklagten zu seinen persönlichen Verhältnissen nicht, dass er zu den für die Rechtsfolgenseite relevanten Fragen nicht vernommen worden ist; er beweist lediglich, dass die Identitätsüberprüfung (Rn. 31) unterblieben ist.118

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4. Präklusion. Nur bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse kann ein Richter nach § 25 Abs. 1 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, ohne dass die besonderen Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 hinzutreten müssen.

_____ HK/Temming 8; KK/Schneider 19; KMR/Eschelbach 58 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 12; Radtke/Hohmann/ Kelnhofer 17; SK/Frister 25; ebenfalls dazu neigen OLG Hamburg VRS 51 (1976) 44; OLG Stuttgart NJW 1975 703, 704. 112 Hahn I 140 (Motive 80); Kruse RuP 1998 164. 113 Kruse RuP 1998 166. 114 Meyer-Goßner/Schmitt 11. 115 Vgl. BGH StV 1984 190, 192; 1986 287 Ls. 116 Eb. Schmidt Nachtr. I 18. 117 BayObLGSt 1953 130, 131; KG JW 1931 235; OLG Köln NStZ 1989 44; KK/Schneider 18; Meyer-Goßner/ Schmitt § 273, 7. 118 OLG Köln NStZ 1989 44; KK/Schneider 18.

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IV. Verlesung des Anklagesatzes (Absatz 3 Satz 1) 1. Zweck und Bedeutung der Regelung. Mit der Verlesung des Anklagesatzes119 39 durch den Staatsanwalt (s. Entstehungsgeschichte) wird allen Verfahrensbeteiligten, insbesondere auch denjenigen Richtern, die die Akten nicht kennen, sowie der Öffentlichkeit der Verhandlungs- und Urteilsgegenstand kundgetan.120 Dem Angeklagten wird der Ernst der Situation vergegenwärtigt und nochmals vor Augen geführt, was ihm rechtlich und tatsächlich zur Last gelegt wird und wogegen er sich zu verteidigen hat.121 Dieser Zweck kann nur erreicht werden, wenn der Anklagesatz vor der Vernehmung des Angeklagten zur Sache und vor der Beweisaufnahme verlesen wird. Ein Abweichen von dieser Reihenfolge ist deshalb ausgeschlossen.122 Wird der Anklagesatz versehentlich erst nach der Sachvernehmung des Angeklagten verlesen, so muss diese wiederholt werden.123 Auch ein Verzicht auf die Verlesung der Anklage oder auf Teile von ihr ist nicht möglich (s. näher Rn. 40 ff.).124 Einem der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten ist die Verlesung des Anklagesatzes zu übersetzen.125 Ist ihm eine schriftliche Übersetzung überlassen worden (§ 187 Abs. 2 Satz 1 GVG), so kann dies aber entbehrlich sein.126 Das gilt jedoch nur, wenn die schriftliche Übersetzung keine erheblichen Mängel aufweist.127 Abschriften des Anklagesatzes dürfen den Schöffen zur besseren Information überlassen werden.128 2. Umfang der Verlesung. Zu verlesen ist nur der – vollständige (zu sog. Punktesa- 40 chen s. Rn. 4) – Anklagesatz (§ 200 Abs. 1 Satz 1), nicht aber der sonstige Inhalt der Anklageschrift, vor allem nicht das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen, die Angaben über die Untersuchungshaft des Angeklagten oder die Sicherstellung des Führerscheins und dergleichen.129 Weggelassen werden können auch die bereits bei der Präsenzfeststellung oder nach Absatz 2 Satz 2 erhobenen Angaben zur Person des Angeklagten.130 Es ist aber unschädlich, wenn sie mitverlesen werden. Bei der Verlesung des Anklagesatzes ist jeweils die durch den Verfahrensstand überholte Bezeichnung Angeschuldigter durch Angeklagter zu ersetzen131 (s. § 157). Dass den Schöffen das wesentliche Ergebnis der

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119 Zur Behandlung von Anträgen auf Nichtverlesung des Anklagesatzes wegen vermeintlicher Mängel der Anklageschrift s. Stollenwerk DRiZ 2015 138 f.; KMR/Eschelbach 69; MüKo/Arnoldi 29a. 120 BGH NJW 1982 1057; NStZ 1984 133; 2006 649, 650; 2018 614; Britz FS II E. Müller 111 f.; Wilhelm NStZ 2007 359; KK/Schneider 20; KMR/Eschelbach 67; Meyer-Goßner/Schmitt 13; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 19; SK/Frister 29; vgl. BGHSt 8 283 (für Eröffnungsbeschluss); OGHSt 3 70 f. 121 BGH NJW 1982 1057; 2006 3582, 3586; vgl. Krekeler NStZ 1995 299; SK/Frister 29. Die von Art. 6 Abs. 3 lit. a EMRK, Art. 14 Abs. 3 lit. b IPBPR geforderte Unterrichtung über den Gegenstand der Anklage wird damit nochmals wiederholt, auch wenn sie, um die Vorbereitung der Verteidigung zu ermöglichen, schon früher vorgenommen werden muss. Wegen der Tragweite dieser Verbürgung vgl. bei Art. 6 EMRK. 122 BGH bei Dallinger MDR 1975 368; AK/Schöch 23; KK/Schneider 20; Meyer-Goßner/Schmitt 13. 123 RGSt 23 310, 311; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 20; SK/Frister 30. 124 BGH NStZ 2018 614; OLG Hamm NStZ-RR 1999 276; OLG Köln NStZ-RR 2004 48, 49; AnwKStPO/Sommer 15. 125 BGH StV 1993 2; KK/Schneider 21. 126 BVerfG (Kammer) NStZ 2004 214, 215; s. dagegen SK/Frister 35: wesentlicher Inhalt des Anklagesatzes zu übersetzen. 127 BGH StV 1993 2. 128 BGHSt 56 109, 118; Häger GedS Meyer 172 f.; KK/Schneider 21; Meyer-Goßner/Schmitt 13. 129 KK/Schneider 21; Meyer-Goßner/Schmitt 15; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 20; SK/Frister 33; a.A. Schellenberg 87 Fn. 96. 130 Meyer-Goßner/Schmitt 15; SK/Frister 33. 131 Rautenberg NStZ 1985 256; Meyer-Goßner/Schmitt 15; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 20; SK/Frister 33.

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Ermittlungen weder in mündlicher132 noch in schriftlicher Form zugänglich gemacht werden darf,133 wird nunmehr in Zweifel gezogen.134 Die Verlesung des Eröffnungsbeschlusses ist nicht notwendig; sie ist aber auch nicht verboten.135 Zu den Sonderfällen vgl. Rn. 48 ff. Das Erfordernis, den Anklagesatz vollständig zu verlesen, hat in Verfahren, in denen 41 – wie insb. häufig in Wirtschaftsstrafsachen – dem Angeklagten umfangreiche Tatserien mit einer Vielzahl von Taten oder (vor allem bei sog. uneigentlichen Organisationsdelikten) in gleichartiger Tateinheit stehenden Tateinzelakten zur Last gelegt werden, zu erheblichen Unzuträglichkeiten in der Praxis geführt. Denn in derartigen Fällen lassen sich zwar die für die jeweiligen Tatkomplexe übergreifenden Modalitäten der Taten (etwa Unternehmensstruktur, Tatplan und modus operandi), deren Gesamtzahl, der Tatzeitraum und der verursachte Gesamtschaden allgemein und zusammenfassend beschreiben; jedoch bedarf die konkrete Umgrenzung der dem Angeklagten angelasteten einzelnen Delikte bzw. zumindest die Information der Verfahrensbeteiligten über die Einzelakte einer in der Person des Angeklagten materiell-rechtlich zu einer Tat verbundenen Deliktsserie136 grundsätzlich darüber hinaus der Benennung des jeweiligen Tatorts, der Tatzeit, des Geschädigten und des verursachten Einzelschadens. Diese Details nimmt die Staatsanwaltschaft in der Regel in umfangreichen Tabellenwerken zusammengefasst in die Anklageschrift auf. Zwar obliegt es zunächst ihr, die tabellarischen Aufstellungen von überflüssigen, zur Tatkonkretisierung nicht erforderlichen Angaben frei zu halten. Jedoch sind dem bei Tatserien Grenzen gesetzt, weil die Fallbeschreibung in der Regel umso konkreter sein muss, je größer die Möglichkeit ist, dass der Angeklagte verwechselbare weitere Straftaten gleicher Art begangen hat.137 Werden nun aber derartige Tabellen als Teil des Anklagesatzes über einen langen Zeitraum hinweg nach § 243 Abs. 3 Satz 1 verlesen, so läuft der mit dieser Vorschrift verfolgte Informationszweck (Rn. 39) jedoch deswegen faktisch leer, weil nach forensischer Erfahrung die Verfahrensbeteiligten und – erst recht – die Öffentlichkeit in ihrer Aufmerksamkeit schlicht überfordert sind und den Inhalt des Vorgetragenen nicht mehr erfassen können. Derartige „Marathonverlesungen“ (etwa auch von Lieferscheinnummern und -daten; Buchungsnummern, -daten und -beträgen etc.) werden vielmehr – nicht zuletzt vom Angeklagten – als sinnentleert und unzumutbar empfunden; zudem binden sie in unnötiger Weise Justizressourcen.138 Die Rechtsprechung hat daher versucht, diesem Dilemma abzuhelfen und nach We42 gen gesucht, wie im Rahmen des geltenden Rechts das Absehen von der Verlesung derartiger Tabellenwerke legitimiert werden kann. Der Ansatz, das Problem auf revisionsrechtlicher Ebene dadurch zu lösen, dass das Urteil im Einzelfall auf dem Nichtverlesen der Tabellen zumindest nicht beruhe,139 greift zu kurz und beantwortet nicht die eigentliche Frage, wie denn prozessordnungsgemäß vorzugehen wäre. Eine entsprechende

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132 Vgl. auch Schmidt NZWiSt 2014 121 ff. zu der Sonderproblematik, dass der die Ermittlungen führende Polizeibeamte zu Beginn der Beweisaufnahme zum „Gang der Ermittlungen“ vernommen wird. 133 So RGSt 69 120, 124; BGHSt 5 261; 13 73. 134 BGHSt 43 36, 39; 43 360, 364; offen gelassen von BGH JR 1987 389 m. Anm. Rieß = StV 1988 282 m. abl. Anm. Danckert; a.A. KMR/Eschelbach 77; vgl. auch Nowak JR 2006 459; HK/Julius/Beckemper § 261, 3; KMR/Eschelbach 69; wegen der Einzelheiten s. bei § 261. 135 BGHSt 43 360, 362; KK/Schneider 32; KMR/Eschelbach 65; Meyer-Goßner/Schmitt 15; SK/Frister 33. 136 Vgl. BGHSt 56 183, 186. 137 BGHSt 57 88, 91; BGH NStZ 2006 649, 650; BGHR § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 3, 7, 20; s. ferner § 200, 21 ff. 138 Vgl. BGH NJW 2008 2131, 2132; NStZ 2010 100; Wilhelm NStZ 2007 359. 139 Vgl. BGH NStZ 2010 100; wistra 2011 335, 339; bei Miebach/Kusch NStZ 1991 28; KK/Schneider 23; Börner NStZ 2011 440; auch noch LR/Becker26 41.

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Anwendung des § 249 Abs. 2 kommt nicht in Betracht, denn § 243 Abs. 3 Satz 1 regelt abschließend, wie der Anklagesatz in der Hauptverhandlung bekanntgegeben werden muss, und seine Verlesung ist nicht Teil der Beweisaufnahme, für die allein § 249 Abs. 2 eine Ersetzung der Urkundenverlesung durch das Selbstleseverfahren vorsieht.140 Der Große Senat für Strafsachen des BGH vertritt die Ansicht, dass das Problem durch Auslegung des § 243 Abs. 3 Satz 1 zu lösen sei: Zwar seien entsprechende Tabellenwerke in den Anklagesatz aufzunehmen; sie müssten indes vom Staatsanwalt nicht verlesen werden. Dies ergebe sich durch eine teleologische Reduktion der Vorschrift, da durch die Verlesung der Tabellen der Zweck der Regelung nicht erreicht werden könne. Die Umgrenzungsfunktion der Anklage sei hierdurch ohnehin nicht betroffen, die Informationsfunktion der Verlesung des Anklagesatzes für Angeklagten und Verteidiger (die die Anklageschrift ohnehin in Händen hätten), Schöffen (denen der Anklagesatz ausgehändigt werden könne) sowie die Öffentlichkeit sei „im Ergebnis“ nicht eingeschränkt; der Gesetzeswortlaut stehe nicht entgegen.141 Dies ist dogmatisch allerdings nicht haltbar.142 Die zutreffende Lösung hat vielmehr 43 der 1. Strafsenat des BGH in seinen der Entscheidung des Großen Senats zugrunde liegenden Beschlüssen aufgezeigt: Die fraglichen Tabellen müssen gar nicht in den Anklagesatz aufgenommen und schon deswegen vom Staatsanwalt in der Hauptverhandlung nicht verlesen werden.143 Entscheidend ist also die Auslegung des § 200 Abs. 1 Satz 1, nicht die des § 243 Abs. 3 Satz 1. Erstgenannte Vorschrift verlangt zwar, dass der Anklagesatz die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat nach Zeit und Ort ihrer Begehung sowie den gesetzlichen Merkmalen der Straftat zu bezeichnen hat. Mit welchem Maß an Konkretisierung dies zu geschehen hat, damit der Anklagesatz bzw. die Anklageschrift insgesamt ihren Funktionen der Umgrenzung und Information gerecht wird, lässt sich der Bestimmung dagegen nicht im Einzelnen entnehmen. In der Rechtsprechung ist insoweit zum einen anerkannt, dass die vorgeworfene Tat nicht zwingend im Anklagesatz nach Ort, Zeit und Tatmodalitäten so exakt beschrieben werden muss, dass sie von etwaigen ähnlichen vergleichbaren Taten des Angeklagten unterscheidbar ist; vielmehr kann der Tatvorwurf (der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft) auch durch ergänzende Heranziehung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen eingegrenzt werden.144 Zum anderen lässt es die Rechtsprechung im Bereich der Verfolgung gleichförmiger, im Einzelnen nach Tatort, Tatzeit und näheren Tatumständen nicht mehr näher konkretisierbarer Serientaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Schutzbefohlenen (§§ 174, 176, 176a StGB) zu, dass eine Eingrenzung der zur Anklage gebrachten Delikte lediglich durch die Angabe eines Tatzeitraums, die Mindestzahl der vom Ange-

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140 BGH (GrSSt) 56 109, 113 f. = JR 2011 542 m. Anm. Gössel; s. auch BGH NJW 2010 1386, 1389 (Vorlagebeschluss); wistra 2011 335, 339; Britz FS II E. Müller 111; KMR/Eschelbach 70; MüKo/Arnoldi 29; SK/Frister 34; a.A. LG Mühlhausen NStZ 2007 358 m. zust. Anm. Wilhelm. 141 BGHSt (GrSS) 56 109 = JR 2011 542 m. Anm. Gössel; daran anschließend BGHSt 56 183, 189; BGH NStZ 2011 420 f.; im Ergebnis zustimmend SK/Frister 34a; s. auch KMR/Eschelbach 79. 142 S. im Einzelnen Börner NStZ 2011 438 f.; kritisch auch HK/Temming 11; KK/Schneider 22; LR/Stuckenberg § 200, 22; Burhoff StRR 2011 192. 143 Anfragebeschluss nach § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG: BGH NStZ 2009 703; Vorlageschluss: BGH NStZ-RR 2010 313 m. abl. Anm. Lesch; so der 1. Strafsenat auch schon in BGH NJW 2008 2131 f. m. krit. Anm. Krehl NStZ 2008 525; auch OLG Oldenburg NStZ 2006 467, 468, wenn dem Angeklagten ein „sog. Organisationsdelikt“ vorgeworfen wird; SK/Frister4 34; a.A. BGH NStZ 2006 649, 650 (2. Strafsenat); KK/Schneider 22. 144 Etwa BGHSt 46 130, 134; 57 88, 92; BGH NJW 2008 2131 m. krit. Anm. Krehl NStZ 2008 525; 2010 308, 309; NStZ 2001 656, 657; 2006 649; 2011 420, 421; 2018 338, 339 = StV 2019 1 Ls. m. Anm. Lange; StV 2019 3, 4; wistra 2012 222, 224; Lesch NStZ-RR 2010 315. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus § 264 Abs. 1, wonach Gegenstand der Urteilsfindung die in der Anklage, nicht die im Anklagesatz bezeichnete Tat ist.

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klagten in dieser Zeit begangenen Taten und der Beschreibung deren gleichbleibender Modalitäten vorgenommen wird.145 All dies muss dann auch zur Information der Verfahrensbeteiligten und (über § 243 Abs. 3 Satz 1) der Öffentlichkeit über den Verfahrensgegenstand genügen. Diese Grundsätze können auch zur Lösung des hier in Rede stehenden Problems fruchtbar gemacht werden. Zwar wird demgegenüber behauptet, die Rechtsprechung zur hinreichenden Umschreibung des Anklagevorwurfs bei seriellen Missbrauchsdelikten sei wegen ihres Ausnahmecharakters auf sonstige Serientaten, die grundsätzlich einer weiteren Konkretisierung im Anklagesatz zugänglich seien, nicht übertragbar.146 Dies überzeugt indes nicht. Die Beantwortung der Frage, ob eine Anklage (ein Anklagesatz) den Tatvorwurf hinreichend umgrenzt und die Beteiligten ausreichend über den Verfahrensgegenstand informiert, kann nicht davon abhängen, welche Art von Delikten dem Angeklagten vorgeworfen wird und ob eine weitere Konkretisierung der angelasteten Einzeltaten im Anklagesatz möglich gewesen wäre oder nicht. Wird dem wegen serienmäßigen Kindesmissbrauch verfolgten Angeklagten zugemutet, sich gegen eine Anklage zu verteidigen, die die Tatvorwürfe in der dargestellten eher pauschalen Weise umschreibt, so ist nicht erkennbar, warum der etwa eines serienmäßigen Betruges beschuldigte Angeklagte schon vom Grundsatz her besser gestellt werden müsste. Hinzu kommt, dass in den hier interessierenden Fällen namentlich der Wirtschaftskriminalität der Angeklagte und die übrigen Verfahrensbeteiligten von vergleichbaren Einschränkungen gar nicht betroffen sind: Die Umgrenzungsfunktion der Anklage steht ohnehin nicht in Rede, da die Tatvorwürfe durch die in das wesentliche Ermittlungsergebnis aufgenommene Tabelle147 in jeder Einzelheit konkretisiert werden. Diese Tabelle ist den Verfahrensbeteiligten mit Ausnahme der Schöffen von vornherein bekannt. Aber auch den Schöffen kann sie ausgehändigt werden und dies unabhängig davon, ob sie Teil der Anklagesatzes ist148 oder des wesentlichen Ermittlungsergebnisses.149 Damit ist in Verbindung mit der Verlesung des Anklagesatzes gegenüber den Genannten auch die Informationsfunktion der Anklage und damit auch der Zweck des § 243 Abs. 3 Satz 1 in ausreichenden Maße erfüllt. Auch zur Information der in der Hauptverhandlung anwesenden Öffentlichkeit ist weiteres nicht veranlasst.150 Hier ist der hinter der Rechtsprechung für die Fälle des seriellen Kindesmissbrauchs etc. stehende Gedanke uneingeschränkt übertragbar: Reicht in derartigen Verfahren für die Information der Öffentlichkeit die Verlesung der pauschal nach Tatzeitraum, Mindestzahl der Taten und einheitlichen Tatmodalitäten umrissene Tatvorwurf aus, so ist kein tragfähiger Grund ersichtlich, warum sie in Verfahren etwa wegen serieller Wirtschaftsstraftaten durch Verlesung eines in vergleichbarer Weise gestalteten Anklagesatzes nicht in hinreichendem Umfang informiert sein sollte.151 Eine deutliche Tendenz in diese Richtung lässt sich auch der neueren Rechtsprechung zur Fassung des Anklagesatzes bei einer Vielzahl gleichartiger Einzelakte eines Tatkomplexes entnehmen, die (insb. im Rahmen sog. uneigentlicher Organisationsdelikte) zu gleichartiger Tateinheit und damit auch prozessual zu einer Tat verbunden sind.152

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145 S. bspw. BGH NStZ 2014 49 m.w.N. und m. Anm. Ferber; NStZ-RR 2018 291 Ls. 146 So BGHSt (GrSSt) 56 109, 115; BGH NStZ 2006 649, 650; Börner NStZ 2011 437; Ziegert FS Schöch 891. 147 LR/Stuckenberg § 200, 61. 148 S. dazu BGH (GrSSt) 56 109, 118 m.w.N.; offen gelassen von Lesch NStZ-RR 2010 315. 149 BGH NJW 2010 1386, 1389; vgl. Krehl NStZ 2008 526. 150 Etwa gar eine Powerpoint-Präsentation der Tabellen oder ähnliches; vgl. SK/Frister 34a sowie – de lege ferenda – Britz FS II E. Müller 114 f. 151 Vgl. BGHSt (GrSSt) 56 109, 119; BGH wistra 2011 335, 339; a.A. Lesch NStZ-RR 2010 315 f; Ziegert FS Schöch 891. 152 S. BGHSt 56 183; 57 88; 59 11, 13.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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3. Geänderte Anklage (Absatz 3 Sätze 2 bis 4). Für den Fall, dass das Gericht – dessen Eröffnungsbeschluss nach wie vor für den Gegenstand des Verfahrens maßgebend ist – die Anklage nur mit Änderungen zugelassen hat, bestimmt Absatz 3:153 Hat die Staatsanwaltschaft in den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 1 und 2 gemäß § 207 Abs. 3 eine neue Anklageschrift eingereicht, so ist der Anklagesatz aus dieser zu verlesen (Absatz 3 Satz 2). Hat das Gericht die Anklage mit einer abweichenden rechtlichen Würdigung zugelassen (§ 207 Abs. 2 Nr. 3), so trägt – da eine wörtliche Verlesung ausscheidet – der Staatsanwalt den Anklagesatz unter Zugrundelegung der Rechtsansicht des Gerichts mündlich vor (Absatz 3 Satz 3 Halbsatz 1). Hierbei muss er sich bemühen, den Vortrag so klar zu fassen, dass hinsichtlich des erhobenen Vorwurfs keine Zweifel entstehen können. Dies kann unter Umständen dann schwierig sein, wenn sich mit der rechtlichen Würdigung auch die im Anklagesatz anzuführenden Tatsachen ändern, da nunmehr auf andere Tatbestandsmerkmale abzustellen ist. Um Unklarheiten zu vermeiden, kann es sich daher empfehlen, dass der Staatsanwalt bei komplizierteren Fällen auch hier den von ihm vorzutragenden Anklagesatz schriftlich niederlegt und verliest.154 Der Staatsanwalt ist berechtigt, anschließend seine abweichende Rechtsansicht vorzutragen (Absatz 3 Satz 3 Halbsatz 2). Hierzu ist es weder notwendig noch zweckmäßig (Gefahr der Verwirrung der Prozessbeteiligten!), lange Rechtsausführungen zu machen. Es genügt, wenn er seine andere Rechtsansicht im Ergebnis darlegt, denn sein Vortrag hat nur den Zweck, die tatsächliche und rechtliche Spannweite des Verfahrens zu umreißen.155 Im Zusammenhang mit seinem Vortrag sollte er die erforderlichen Hinweise nach § 265 anregen. Hat das Gericht einzelne Gesetzesverletzungen nach § 154a ausgeschieden oder wieder einbezogen (§ 207 Abs. 2 Nr. 4), so hat der Staatsanwalt bei der Verlesung des Anklagesatzes diese Änderungen zu berücksichtigen (Absatz 3 Satz 4). Er hat also entweder im Anklagesatz den ausgeschiedenen rechtlichen Gesichtspunkt und die sich allein darauf beziehenden Tatsachen fortzulassen oder den Anklagesatz in rechtlicher und unter Umständen – wenn ein Tatbestandsmerkmal fehlt – auch in tatsächlicher Hinsicht zu ergänzen. Die Form ist ihm überlassen.156

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4. Zusätzliche Erläuterungen. Ergeben sich beim Vortrag oder Vorlesen des Ankla- 48 gesatzes Unklarheiten, so ist der Staatsanwalt befugt, zur Klarstellung weitere Erklärungen abzugeben. Dies folgt aus der ihm durch § 243 Abs. 3 übertragenen Aufgabe, die Anklage, so wie sie dem Verfahren zugrunde liegt, allen Verfahrensbeteiligten verständlich herauszustellen und dazu auch seine eigene Rechtsauffassung vorzutragen.157 Auch wird er auf Beschränkungen des Verfahrensstoffs, die von Absatz 3 Satz 2 bis 4 nicht erfasst werden,158 ergänzend hinweisen dürfen. Auch der Vorsitzende ist nach Verlesen eines unklaren Anklagesatzes berechtigt 49 und unter Umständen auch verpflichtet, die zur Klarstellung erforderlichen Erklärungen abzugeben159 und mögliche unzutreffende Erläuterungen des Staatsanwalts zu korrigieren. Er darf den Gegenstand des Verfahrens dabei aber nicht verändern, insbesondere

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153 Zur Lückenhaftigkeit der Regelung s. MüKo/Arnoldi 35. 154 HK/Temming 11. 155 AK/Schöch 30; SK/Frister 36. 156 Meyer-Goßner/Schmitt 17; SK/Frister 36. 157 AK/Schöch 26; Meyer-Goßner/Schmitt 16. 158 S. dazu MüKo/Arnoldi 35: etwa § 154 Abs. 2; § 154a Abs. 2 nach Erlass des Eröffnungsbeschlusses. 159 BGH NStZ 1984 133; 1985 464, 465; bei Pfeiffer NStZ 1981 95; GA 1973 111, 112; v. Steuber MDR 1978 889; AK/Schöch 26; SK/Frister 40.

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nicht einschränken.160 Dieser wird allein durch Anklage und Eröffnungsbeschluss und die darin festgelegte Umgrenzung bestimmt. Nur innerhalb dieser Grenzen können Mängel der zugelassenen Anklage durch klarstellende Hinweise behoben werden. Sind Anklage und Eröffnungsbeschluss dagegen mangels hinreichender Umgrenzung des Tatvorwurfs unwirksam (s. dazu näher bei § 200), kann ihnen auch nicht dadurch nachträglich zur Wirksamkeit verholfen werden, dass die erforderliche Konkretisierung in der Hauptverhandlung – sei es durch den Staatsanwalt, sei es durch den Vorsitzenden – durch mündliche Erläuterungen nachgeholt wird.161 Ein Wahlrecht zwischen der Einstellung des Verfahrens durch Urteil (§ 260 Abs. 3) und der Heilung der Unwirksamkeit von Anklage und Eröffnungsbeschluss durch entsprechende Hinweise in der Hauptverhandlung gibt es nicht.162 Werden durch den Staatsanwalt oder den Vorsitzenden zusätzliche Hinweise zur Konkretisierung des Tatvorwurfs in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht gegeben, so kann dies den Antrag rechtfertigen, die Hauptverhandlung zu unterbrechen oder auszusetzen, um die Verteidigung unter den neu mitgeteilten Gesichtspunkten vorbereiten zu können.163 5. Sonderfälle. Nach Einspruch gegen einen Strafbefehl verliest der Staatsanwalt – und nicht der Richter – den aus dem Strafbefehlsantrag zu entnehmenden Anklagesatz ohne die beantragten Rechtsfolgen.164 Dabei sollte die im Strafbefehl übliche persönliche Anrede umformuliert werden.165 Bei vorausgegangenem Bußgeldverfahren ist der Bußgeldbescheid ohne die Rechtsfolgen zu verlesen, also nur die dort ausgesprochene Beschuldigung; ist kein Staatsanwalt anwesend, obliegt dies dem Vorsitzenden.166 Dieser verliest im Privatklageverfahren nach § 384 Abs. 2 auch den an die Stelle der Anklage tretenden Eröffnungsbeschluss.167 Im Sicherungsverfahren ist der zugelassene Antrag (§ 414 Abs. 2), im objektiven Verfahren die Antragsschrift (§§ 435, 439, 444 Abs. 3 Satz 1) jeweils ohne das wesentliche Ermittlungsergebnis zu verlesen.168 Wegen der mündlichen Anklageerhebung im beschleunigten Verfahren vgl. bei § 418. 51 Hat das Gericht die Sache auf Grund eines Verweisungsbeschlusses nach § 270 zu verhandeln, so tritt der Verweisungsbeschluss an die Stelle des Eröffnungsbeschlusses (§ 270 Abs. 3 Satz 1). Der Staatsanwalt hat dann den im Verweisungsbeschluss formulierten Anklagesatz (§ 270 Abs. 2) zu verlesen.169 Fehlt in der verweisenden Entscheidung der Anklagesatz, etwa weil er gegenüber der zugelassenen Anklageschrift unverändert geblieben ist, so ist der Anklagesatz aus der Anklageschrift zu verlesen. Der Verweisungsbeschluss muss jedoch ebenfalls verlesen werden, wenn er eine von der Anklage abwei-

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160 BGH GA 1963 188, 189. 161 BGHSt 57 88, 90 f.; KK/Schneider 31; Meyer-Goßner/Schmitt 16; SK/Frister 40. 162 A.A. Schlüchter JR 1990 15 für weniger schwerwiegende Mängel in der Umgrenzung des Tatvorwurfs, durch die nur die „mittelbare Anklagefunktion“ beeinträchtigt sei; zu § 206a, § 349 Abs. 4 ebenso OLG Frankfurt NJW 1988 2685, 2686 = OLGSt § 200 Nr. 1 m. Anm. Rieß. Tatsächlich werden in diesen Fällen keine zur Unwirksamkeit von Anklage und Eröffnungsbeschluss führenden Mängel vorliegen, so dass schon deswegen eine Verfahrenseinstellung nach § 260 Abs. 3 ausscheidet. 163 Vgl. BGH bei Holtz MDR 1978 111; SK/Frister 40; s. näher bei § 265 Abs. 4. 164 BayObLGSt 1961 143; vgl. Gegenfurtner DRiZ 1965 335; KK/Schneider 21; KMR/Eschelbach 87; MeyerGoßner/Schmitt 14; SK/Frister 37; SSW/Franke 12; a.A. OLG Koblenz VRS 38 (1970) 56 (gesamter Strafbefehl); BGHSt 23 280, 281 hat insoweit keine Aussagekraft. 165 Pfeiffer 6. 166 KMR/Eschelbach 88; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 24. 167 SK/Frister 37; vgl. bei § 384. 168 KMR/Eschelbach 88; Meyer-Goßner/Schmitt 14; SK/Frister 37. 169 BGHSt 43 360, 362; BGH bei Dallinger MDR 1972 387; KK/Schneider 28; KMR/Eschelbach 88; MeyerGoßner/Schmitt 14; SK/Frister 38; vgl. auch RGSt 61 404, 406.

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chende rechtliche Würdigung enthält.170 Bei einem nach § 225a abgegebenen Verfahren sind der Übernahmebeschluss171 (§ 225a Abs. 3) und – soweit er noch fortgilt – auch der zugelassene Anklagesatz zu verlesen.172 Dagegen ist die Verlesung eines Vorlagebeschlusses nach § 209 Abs. 2, dessen Inhalt gesetzlich nicht bestimmt ist, mit dem Normzweck des § 243 Abs. 3 nicht zu vereinbaren;173 denn hier ist unmittelbar der Anklagesatz aus der vom übernehmenden Gericht zugelassenen Anklage – gegebenenfalls mit den sich nach § 243 Abs. 3 Satz 2 bis 4 ergebenden Modifikationen – zu verlesen, so dass für weiteres weder Raum noch Notwendigkeit besteht. Jedoch wird auf diesem Verfahrensverstoß das Urteil in der Regel nicht beruhen (vgl. Rn. 112). Bei verbundenen Sachen sind alle Anklagesätze zusammen vorab (s. Rn. 4) zu ver- 52 lesen.174 Hat die große Jugendkammer eine Sache im ersten Rechtszug mit einer Berufungssache verbunden (s. § 237, 6), so tritt in der Berufungssache die Verlesung des Urteils erster Instanz und die Berichterstattung durch den Richter (§ 324 Abs. 1) an die Stelle der Verlesung des Anklagesatzes durch den Staatsanwalt.175 Wird die Hauptverhandlung der 1. Instanz erneuert – nach Aussetzung (§ 228 53 Abs. 1, § 229 Abs. 4), Zurückverweisung durch ein Rechtsmittelgericht (§ 328 Abs. 2, § 354 Abs. 2 und 3)176 oder im Wiederaufnahmeverfahren (§ 373 Abs. 1) –, so trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz neu vor, wobei Einschränkungen durch eine eingetretene Teilrechtskraft oder Beschränkungen oder Erweiterungen des Verfahrensgegenstandes nach § 154a Abs. 2 und 3 gemäß den in Absatz 3 Satz 4 aufgestellten Grundsätzen zu berücksichtigen sind. Ist die Sache nur im Strafausspruch an die erste Instanz zurückverwiesen worden, so ist statt des Anklagesatzes das zurückverweisende Urteil zu verlesen.177 6. Sitzungsniederschrift. Die Verlesung des Anklagesatzes bzw. sein Vortrag mit 54 den sich aus dem Eröffnungsbeschluss ergebenden rechtlichen Änderungen sowie deren Übersetzung durch einen Dolmetscher178 sind wesentliche Förmlichkeiten des Verfahrens (§ 273), die nur durch die Sitzungsniederschrift bewiesen werden.179 Diese muss aufzeigen, wenn der Staatsanwalt den Anklagesatz in der veränderten Form vorgetragen hat; anders als bei der mündlichen Anklageerhebung im beschleunigten Verfahren (§ 418 Abs. 3) ist aber nicht zwingend vorgeschrieben, den wesentlichen Inhalt des vorgetragenen Anklagesatzes in die Niederschrift aufzunehmen. Es kann – auch in den Fällen des Absatzes 3 Satz 3 und 4 – genügen, dass er aus Anklage und Eröffnungsbeschluss zu entnehmen ist. Ist dies aber nicht eindeutig möglich oder wird sonst der Gegenstand der zugelassenen Anklage durch Änderungen und Ergänzungen in der Hauptverhandlung modifiziert oder konkretisiert (s. Rn. 44 ff., 48 f.), so muss der vorge-

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170 BGH bei Dallinger MDR 1972 387. 171 BGHSt 43 360, 362. 172 KK/Schneider 28; Meyer-Goßner/Schmitt 14; SK/Frister 38; vgl. bei § 225a. 173 Meyer-Goßner/Schmitt 14; offen BGHSt 43 360, 363, da ein revisibler Verfahrensverstoß nur bei – im konkreten Fall verneinter – Verletzung des Grundsatzes der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit der Hauptverhandlung nach § 261 anzunehmen sei. 174 RGSt 61 404, 405; KMR/Eschelbach 81; Meyer-Goßner/Schmitt 13. 175 KK/Schneider 30; vgl. bei § 324. 176 BGH NStZ 2018 614. 177 BGH NStZ 2018 614; KK/Schneider 29; Meyer-Goßner/Schmitt 14; SK/Frister 39. 178 BGH StV 1993 2. 179 BGH NStZ 1984 521; 1986 39; 1986 374; 1995 200 m. Anm. Krekeler; 2000 214; 2018 614 f.; bei Dallinger MDR 1974 368; OLG Hamm NStZ-RR 1999 276; StV 2003 490, 491; Ranft JuS 1994 868. Nach BGH NStZ 2004 451 soll die Beweiskraft der Sitzungsniederschrift für die Nichtverlesung des Anklagesatzes entfallen, wenn dort die Belehrung des Angeklagten protokolliert ist, dass es ihm freistehe, sich zur Anklage zu äußern; das erscheint zweifelhaft; a.A. SK/Frister 31.

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tragene Inhalt und der Inhalt der klarstellenden Hinweise aus der Sitzungsniederschrift selbst hervorgehen.180 Zur Vermeidung von Unklarheiten empfiehlt es sich, im Protokoll festzuhalten, was – gegebenenfalls welcher Wortlaut – verlesen bzw. vorgetragen worden ist, gegebenenfalls auch, welche Teile von der Verlesung ausgenommen wurden. Dies kann auch dadurch geschehen, dass eine schriftliche Ausarbeitung des Staatsanwalts, die den von ihm verlesenen Wortlaut enthält, als Anlage zum Protokoll genommen wird. V. Mitteilung von Erörterungen über eine Verständigung (Absatz 4) 55

1. Zweck der Regelung. Hauptanliegen der Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 ist die Gewährleistung von Öffentlichkeit (§ 169 GVG) und Transparenz181 im Verständigungsverfahren.182 Nach den Gesetzesmaterialien soll die Neuregelung dem bereits von der Rechtsprechung des BGH aufgestellten und allgemein anerkannten Grundsatz Rechnung tragen, „dass sich eine Verständigung im Lichte der öffentlichen Hauptverhandlung offenbaren muss“.183 Sie ist daher zusammen mit den entsprechenden Vorgesprächen entweder unmittelbar in öffentlicher Hauptverhandlung zu vollziehen184 oder es sind, sofern sie in Vorgesprächen außerhalb der Hauptverhandlung vorbereitet wurde, Inhalt und Ergebnis dieser Vorgespräche durch das Gericht in der Hauptverhandlung gegenüber der Öffentlichkeit sowie den Verfahrensbeteiligten offen zu legen.185 Wesentliches Ziel dieser Rechtsprechung und der durch das Verständigungsgesetz eingeführten Mitteilungspflicht ist es, Absprachen außerhalb der Hauptverhandlung nicht unter dem Deckmantel der Heimlichkeit und Unkontrollierbarkeit als gleichsam informelles Verfahren neben der eigentlichen Hauptverhandlung stattfinden zu lassen.186 Da die vorgelagerte Erörterung der Möglichkeit einer Verständigung für das weitere Verfahren von erheblicher Bedeutung ist, sind alle Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung auf den aktuellen Verfahrensstand hinsichtlich Inhalt und Ergebnis etwaiger Vorgespräche zu bringen. Informelle Erörterungen über eine avisierte einvernehmliche Verfahrensbeendigung, ohne dass der Angeklagte oder die Schöffen hierüber in der Hauptverhandlung informiert würden, sind nicht zulässig.187 Insbesondere letztere spielen bei den Vorgesprächen vor der Hauptverhandlung nach §§ 202a, 212 keine Rolle. Durch die Mit-

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180 BGH NStZ 1984 133; GA 1973 111, 112; 1980 468; Kohlhaas JR 1966 430; Schlüchter JR 1990 15; KK/Schneider 23; KMR/Eschelbach 72; Meyer-Goßner/Schmitt 18. 181 Dazu ausführlich – unter dem Aspekt der Verfahrensfairness – Henckel 120 ff. 182 S. bspw. BVerfGE 133 168, 207, 214 ff.; BVerfG NJW 2015 1235, 1236 f.; NStZ 2014 592, 594 m. Anm. Hunsmann; 2015 172, 173 m. Anm. Knauer/Pretsch; BGHSt 58 310, 312 f. = NStZ 2013 667 m. Anm. Radtke; 58 315 316 = StV 2013 678 m. Anm. Schlothauer; 59 252, 255 = NStZ 2014 601 m. Anm. Grube; BGH NStZ 2012 347, 348; OLG Celle StV 2012 394, 395 m. Anm. Altenhain/Haimerl; Heller 152 ff.; Schlothauer/Weider StV 2009 603; Niemöller/Schlothauer/Weider Teil B § 243 Abs. 4, 5; kritisch zur Effektivität der Regelung KK/Schneider 34; KMR/Eschelbach 96. 183 BRat Entw. BTDrucks. 16 4197 S. 8; RegE BTDrucks. 16 12310 S. 12. 184 Womit die Verpflichtung nach § 243 Abs. 4 schon nicht entsteht: BGH NStZ 2017 299; vgl. BGH Beschl. v. 8.10.2014 – 1 StR 352/14; wistra 2017 446; Pfister StraFo 2016 195 f. 185 Vgl. BGHSt 43 195, 206; Schäfer DRiZ 1989 294; den Öffentlichkeitsgrundsatz ausgehöhlt sehen etwa Altenhain/Haimerl JZ 2010 335; Heller 152; Murmann ZIS 2009 533; Schünemann ZRP 2009 106. 186 S. bspw. BVerfGE 133 168, 212 ff.; BVerfG NJW 2015 1235, 1236 f.; NStZ 2016 422, 423 m. Anm. Bittmann; BGHSt 58 310, 313 = NStZ 2013 667 m. Anm. Radtke; 58 315, 316 = StV 2013 678 m. Anm. Schlothauer; 59 252, 255 = NStZ 2014 601 m. Anm. Grube; 60 150, 152 = NJW 2015 645 m. Anm. Leitmeier; BGH StV 2011 72 f.; 2014 67; 2016 87, 88 m. Anm. Kudlich; NStZ 2014 219; 2014 416, 417; 2014 418; zweifelnd, ob dieses Ziel in der Praxis erreicht wird, etwa: Heller 156 ff.; SK/Frister 42. 187 BGH NStZ 2001 555, 556.

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teilung des Vorsitzenden sollen daher zum frühestmöglichen Zeitpunkt in der Hauptverhandlung alle denkbaren Informationsdefizite zur Frage einer Verständigung ausgeglichen werden;188 dies gilt auch in Bezug auf den Nebenkläger.189 Ob es mit diesem Gesetzeszweck vereinbar ist, § 243 Abs. 4 im Hinblick allein auf den Wortlaut der §§ 202a, 212 dahin auszulegen, dass als mitzuteilende Erörterungen nur solche anzusehen sind, die von dem gesamten Spruchkörper in seiner Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung oder von einem seiner Mitglieder in seinem Auftrag geführt worden sind,190 erscheint mehr als zweifelhaft. Zwingend ist ein derartiges Verständnis nicht.191 Es birgt vielmehr die Gefahr, dass die vom Gesetzgeber erstrebte Transparenz des Verständigungsverfahrens leicht umgangen werden kann und dadurch das Regelungsziel des § 243 Abs. 4 verfehlt wird.192 Demgemäß kann die Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 nicht davon abhängen, wer auf Seiten des Gerichts die Erörterungen nach §§ 202a, 212 geführt hat, sondern welche Qualität sie gehabt haben, insbesondere, ob sie (auch) dazu gedient haben auszuloten, ob eine Verständigung in Betracht kommen kann (vgl. Rn. 57).193 2. Zeitpunkt der Mitteilung. Unmittelbar nach der Verlesung des Anklagesatzes 56 und vor der Belehrung des Angeklagten nach Absatz 5 Satz 1 hat der Vorsitzende bekannt zu geben, ob im Zuge des Zwischenverfahrens (§ 202a) oder nach Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 212) die Möglichkeit einer Verständigung schriftlich oder mündlich mit einem der Verfahrensbeteiligten erörtert wurde.194 Bejahendenfalls sind der wesentliche Ablauf, der Inhalt und ggf. das Ergebnis der Verständigungserörterungen in der Hauptverhandlung bekannt zu geben (§ 243 Abs. 4 Satz 1). Finden Erörterungen über die Möglichkeit einer Verständigung nach Beginn der Hauptverhandlung, aber außerhalb derselben statt, so ist auch der Inhalt dieser Gespräche durch das Gericht aktenkundig (§§ 212, 202a Satz 2)195 und in der Hauptverhandlung bekannt zu machen (§ 243 Abs. 4 Satz 2), und zwar – nach dem Sinn der Regelung – regelmäßig196 unmittelbar mit deren Fortsetzung.197 Dies gilt auch dann, wenn die Erörterungen zu diesem Zeitpunkt

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188 Niemöller/Schlothauer/Weider Teil B § 243 Abs. 4, 6. 189 Vgl. Jahn/Müller NJW 2009 2627. 190 So (nicht tragend) BGH StV 2011 202, 203 m. abl. Anm. Schlothauer; OLG Celle NStZ 2014 290, 291 f. m. Anm. Knauer; Schneider NStZ 2014 198; KK/Schneider 36 und § 202a, 14; a.A. BGH NJW 2016 513, 514 (nicht tragend) m. Bespr. Strate S. 450 = NStZ 2016 221 m. Anm. Allgayer; Knauer/Lickleder NStZ 2012 370; Schlothauer StraFo 2011 492; SK/Frister 44a sowie SK/Deiters § 212, 20 f., die indes zwischen Gesprächen mit dem Vorsitzenden und solchen mit einem Beisitzer differenzieren; s. auch BGH StV 2014 653; offen gelassen, aber erkennbar kritisch BGH NStZ-RR 2012 148. 191 Niemöller NZWiSt 2012 291; Schmitt StraFo 2012 391. 192 Niemöller NZWiSt 2012 291. 193 BGH NStZ 2017 52, 53 (3. Strafsenat – tragend) m. zust. Anm. Claus; NStZ-RR 2018 355 (5. Strafsenat – tragend) m. Anm. Müller-Metz; Henckel 168 ff.; Pfister StraFo 2016 189; Schmitt StraFo 2012 391; HK/Temming 13; KMR/Eschelbach 115; Meyer-Goßner/Schmitt 18c; MüKo/Arnoldi 50. 194 BGH NStZ 2016 357 361; Henckel 182. 195 Diese Bestimmungen gelten auch nach dem Beginn der Hauptverhandlung für Verständigungsgespräche zwischen einzelnen Verhandlungstagen: BGH NJW 2016 513, 514 m. Bespr. Strate S. 450 = NStZ 2016 221, 223 m. Anm. Allgayer; OLG München StV 2014 520 f.; KK/Schneider § 212, 1; Meyer-Goßner/Schmitt § 212, 1. Verständigungsgespräche in der Hauptverhandlung werden von § 257b erfasst (BGH NStZ 2011 590, 591) und unterfallen schon deshalb nicht der Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4: BGH NStZ 2017 299; wistra 2017 446; Henckel 184 f.; Kudlich StV 2016 89; Pfister StraFo 2016 195 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 18a; a.A. OLG Hamm NStZ 2016 565 ff. m. abl. Anm. Bittmann. 196 BGH NStZ 2015 353 (ausnahmsweise kann auch eine spätere Mitteilung genügen); s. auch BGH wistra 2017 76. 197 BGH NStZ 2018 419, 420; NStZ-RR 2015 379; Henckel 182 f.

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noch nicht abgeschlossen sind.198 Richtet sich das Verfahren gegen mehrere Angeklagte und finden nur mit einem oder einigen von ihnen außerhalb der Hauptverhandlung Erörterungen über eine Verfahrensabsprache statt,199 so wird dadurch auch jeder Anschein der Befangenheit des Gerichts vermieden.200 Da § 243 Abs. 4 Satz 2 bei jeder Änderung gegenüber der Mitteilung bei Beginn der Hauptverhandlung gilt, ist es nicht erforderlich, dass unmittelbar vor Urteilsverkündung nochmals in der Form eines „Negativattests“ bekannt gegeben wird, dass sich seit der ersten Mitteilung keine Änderungen ergeben haben; denn dies folgt im Umkehrschluss schon daraus, dass der Vorsitzende keine Änderung nach § 243 Abs. 4 Satz 2 mitgeteilt hat.201 Wird eine Negativmitteilung nach § 243 Abs. 4 Satz 1 erst nach Erteilung des letzten Wortes abgegeben, so muss dieses nicht erneut gewährt werden.202 57

3. Reichweite der Mitteilungspflicht. Der Vorsitzende hat mitzuteilen, „ob“ außerhalb der Hauptverhandlung Vorgespräche nach §§ 202a, 212 im Hinblick auf eine Verständigung stattgefunden haben; sowohl das Führen derartiger Gespräche als auch ihr Unterbleiben ist also öffentlich zu machen, was sich auch aus der abweichenden Fassung des § 78 Abs. 2 OWiG ergibt.203 Die Mitteilung beinhaltet damit notwendig zumindest inzident den Hinweis an den Angeklagten, dass gesetzlich die Möglichkeit einer Verfahrensabsprache vorgesehen ist. 204 Ein Verständigungsgespräch liegt dann vor, wenn nach seinem Inhalt ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände einer Verständigung im Raum stehen. Ob dies der Fall ist, ist maßgeblich danach zu beurteilen, ob in dem Gespräch Verfahrensfragen erörtert und zueinander in Beziehung gesetzt werden, die nach § 257c Abs. 2 Satz 1 und 2 für eine Verständigung offen stehen.205 So liegt es jedenfalls dann, wenn Fragen des prozessualen Verhaltens in Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht werden und damit die Frage nach oder die Äußerung zu einer Straferwartung nahe liegt.206 Dieser Konnex ist der entscheidende Punkt.207

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198 AnwK-StPO/Sommer 25; SK/Frister 46; Henckel 183 f.; a.A. KK/Schneider 39 bei noch nicht abgeschlossenen Verständigungsgesprächen mit mehreren Angeklagten. 199 Zur Zulässigkeit eines solchen Vorgehens s. BGH StV 2011 72, 73; vgl. auch BGH NStZ 2014 168. 200 BGH StV 2011 72, 73; vgl. auch BGH NStZ 2014 168; zu Verständigungsgesprächen in einem Parallelverfahren s. Rn. 58. 201 Vgl. HK/Temming 16; SK/Frister 46; Henckel 181 f.; a.A. Niemöller/Schlothauer/Weider Teil B § 243 Abs. 4, 14. 202 BGH NStZ 2015 658; s. auch zum nachträglich erteilten Negativvermerk nach § 273 Abs. 1a Satz 3 BGH NStZ 2016 118, 119 m. krit. Anm. Bittmann. 203 BVerfG (Kammer) NStZ 2014 592, 593 m. zust. Anm. Hunsmann = StV 2014 713 = StV 2015 1 Ls. m. (zur Gebotenheit der Negativmitteilung) zust. Anm. Klotz und Bspr. Niemöller JR 2015 145; BGH NStZ 2015 176, 177 m. Anm. Ferber = StV 2015 274 m. Anm. Schlothauer; NStZ 2015 232, 233; Niemöller/Schlothauer/Weider Teil B § 243 Abs. 4, 7; Altenhain/Haimerl StV 2012 397 f.; Henckel 156, 179 ff.; Mosbacher NStZ 2013 723; ders. NZWiSt 2013 206; Schlothauer StV 2013 680 f.; Schlothauer/Weider StV 2009 603 f.; Strate HRRS-GedS Widmaier 45 ff.; Ziegert StraFo 2014 232 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 18b; vgl. eingehend auch MüKo/Arnoldi 43 f. sowie KMR/Eschelbach 106, 122; SK/Frister 43 f.; a.A. noch BGHSt 58 315 ff. = StV 2013 678 m. abl. Anm. Schlothauer; KG StV 2014 78; Brocke StraFo 2013 448; Kunze ZAP Fach 22 755 f.; Schmitt FS Tolksdorf 407; Schneider NStZ 2014 199; KK/Schneider 35; s. auch BGH NStZ 2013 724; offen gelassen von OLG Celle StV 2012 394, 395 m. Anm. Altenhain/Haimerl. 204 S. OLG Celle StV 2012 394, 395 m. Anm. Altenhain/Haimerl, wonach § 243 Abs. 4 Satz 1 keinen allgemeinen Hinweis auf die Möglichkeit des Verständigungsverfahrens erfordere. 205 KG NStZ 2014 293, 294. 206 BVerfGE 133 168, 216; BGH NJW 2014 3385; 2016 513, 514 m. Bespr. Strate S. 450 = NStZ 2016 221 m. Anm. Allgayer; NStZ 2014 217, 218; 2014 529 m. Anm. Allgayer; 2017 52, 53 f. m. Anm. Claus; 2017 363, 364 m. Anm. Bittmann; 2017 596, 597 m. Anm. Bittmann; StraFo 2018 198, 199; Henckel 174 f. 207 BVerfGE 133 168, 216; vgl. Kunze ZAP Fach 22 750; Spaniol StraFo 2014 370; KMR/Eschelbach 110, aber auch Rn. 120.

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Die Abgrenzung zwischen einem reinen Aufzeigen der je eigenen Standpunkte und dem Einstieg in die Erörterung, wie diese möglicherweise in Einklang gebracht werden können, ist fließend und daher nicht einfach. Im Zweifel sind die Gespräche daher mitzuteilen.208 Eine einschränkende Auslegung der Norm dahin, dass nur Gespräche, die zu einem Ergebnis geführt oder Schritte in Richtung auf eine Verständigung erbracht haben, aktenkundig zu machen (§ 202a Satz 2, § 212) und gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 mitzuteilen sind,209 ist mit dem Willen des Gesetzgebers unvereinbar.210 Mitzuteilen ist der Inhalt aller vor oder außerhalb der Hauptverhandlung geführter Gespräche;211 soweit diese inhaltlich gleich verlaufen, kann sich dabei der Hinweis zu einem späteren Gespräch indes auf diesen Umstand beschränken.212 Die Mitteilungspflicht in der neuen Hauptverhandlung besteht auch dann, wenn die Verständigungsgespräche mit demselben Spruchkörper vor oder neben einer später ausgesetzten, früheren Hauptverhandlung stattgefunden haben.213 Nach diesen Maßstäben sind allein214 zwischen der Staatsanwaltschaft und der Ver- 58 teidigung – insb. vor Anklageerhebung215 – geführte Gespräche nicht mitzuteilen, egal ob sie dem Gericht zur Kenntnis gelangt sind (§ 160b Satz 2!)216 oder nicht.217 Gleiches gilt für Verständigungsgespräche, die nicht mit dem aktuell zur Entscheidung berufenen Spruchkörper geführt worden sind; so muss in der Berufungsinstanz nicht über Erörterungen beim Amtsgericht218 und nach der Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht nicht über Gespräche mit dem Spruchkörper des ersten Rechtszugs informiert werden.219 Auch Verständigungsgespräche in Parallelverfahren unterliegen jedenfalls nicht der Mitteilungspflicht nach Absatz 4. Haben sie allerdings einen Bezug zu dem

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208 BVerfGE 133 168, 216 f.; Henckel 157, 175; Schneider NStZ 2014 198; zu weit gehend indes Chr. Becker JA 2017 645 f. 209 So Bittmann wistra 2009 414; Kudlich Gutachten 68. DJT C 45. 210 BGH NJW 2014 3385; StV 2011 72 f.; 2014 651, 652 m. Anm. Voigt/König S. 654; NStZ 2014 217, 218; 2014 416, 417 f.; 2017 363, 364 m. Anm. Bittmann; 2017 596, 597 m. Anm. Bittmann; NStZ-RR 2014 315; 2014 315, 316; OLG München StV 2014 520 f.; Altenhain/Haimerl JZ 2010 335; Dießner StV 2011 43; Henckel 192 ff.; Kunze ZAP Fach 22 753; KK/Schneider 37; KMR/Eschelbach 107; MüKo/Arnoldi 41. 211 Altvater StraFo 2014 225. 212 Vgl. BGH NStZ 2017 482, 483 m. Anm. Bittmann. 213 BGH NJW 2016 513, 514 m. Bespr. Strate S. 450 = NStZ 2016 221 m. Anm. Allgayer. 214 Anders dagegen, wenn das Gericht an dem Gespräch teilnimmt, auch wenn es sich zu den Vorstellungen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung nicht äußert: BGH StraFo 2018 198, 199; vgl. auch BGHSt 59 21 = JR 2014 213 m. Anm. Niemöller. 215 BGH NJW 2015 1260 m. Anm. Magnus; NStZ 2015 232; wistra 2017 20; Graf DRiZ 2016 308, 310; Pfister StraFo 2016 188; HK/Temming 13. 216 Meyer-Goßner/Schmitt 18c; a.A. OLG München StV 2014 520, 521; SK/Frister 44c (für den Fall einer „erfolgreichen Verständigung“ zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung; unabhängig von § 243 Abs. 1 bestehe auch eine Mitteilungspflicht der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung, wenn Gespräche zwischen ihr und der Verteidigung zu einem Geständnis des Angeklagten geführt haben); s. auch (nicht tragend) BGH NStZ 2012 347, 348; außerdem Radtke/Hohmann/Kelnhofer 30: Vorsitzender muss sich erkundigen. 217 BVerfG NStZ 2014 592, 594; BGH NStZ-RR 2015 379, 380 („hier“); KMR/Eschelbach 115; MüKo/Arnoldi 51; KK/Schneider 36 (der Vorsitzende habe aber den Staatsanwalt in der Hauptverhandlung zur Erklärung aufzufordern, ob außerhalb der Sphäre des Gerichts Verständigungsgespräche stattgefunden haben); Henckel 171 ff. (Offenbarungspflicht der Staatsanwaltschaft und Aufklärungspflicht des Gerichts); SK/Frister 44b; offen gelassen von BGH NStZ 2015 232; vgl. BGH NStZ 2011 473; 2016 362, 363 m. Anm. Arnoldi; NStZ-RR 2014 115; OLG Hamm NStZ 2017 725, 726; KG StV 2014 659 Ls. 218 OLG Hamburg NStZ 2016 182, 183 (obiter) m. Anm. Moldenhauer; Henckel 186; HK/Temming 13; a.A. KMR/Eschelbach 116. 219 OLG Hamburg NStZ 2016 182 f. m. zust. Anm. Moldenhauer; Henckel 186; Meyer-Goßner/Schmitt 18h; a.A. BGH bei Cierniak/Niehaus NStZ-RR 2017 100 (nicht tragend); offen gelassen von BGH NStZ 2016 357, 361; kritisch Pfister StraFo 2016 189.

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vorliegenden Verfahren, so gebietet es der Grundsatz fairer Verfahrensführung, von ihrem Inhalt in der Hauptverhandlung Kenntnis zu geben; nur so lässt sich auch von vornherein jeder Anschein möglicher Befangenheit der beteiligten Richter vermeiden.220 Aber auch sonst ist nicht jede mündliche, fernmündliche oder schriftliche Kontaktaufnahme zwischen dem Gericht und Verfahrensbeteiligten bekanntzugeben. Es gilt: – Rein verfahrensorganisatorische Abstimmungen (wie etwa Terminsabsprachen etc.) werden nicht erfasst.221 Sie lösen nicht einmal die Dokumentationspflicht nach §§ 212, 202a Satz 2 aus.222 – Auch schlichte Fragen an den Verteidiger, ob der Angeklagte ein Geständnis ablegen wird oder ob mit der Stellung von Beweisanträgen zu rechnen ist, werden in der Regel noch der organisatorischen Vorbereitung der (weiteren) Terminierung dienen.223 Da sie sachbezogen sind, müssen sie aber gemäß §§ 212, 202a Satz 2 aktenkundig gemacht werden.224 – Ebenso ist der alleinige Hinweis, dass ein Geständnis Bedeutung für das Strafmaß und die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung habe, für sich nicht mitteilungspflichtig.225 – Allein die Anfrage eines Verfahrensbeteiligten, ob ein anderer an einer Verfahrensabsprache interessiert ist, oder sein sofort abgelehntes Angebot, eine solche zu treffen, stellen noch keine „Erörterungen“ dar und sind daher nicht nach Inhalt und Verlauf mitteilungspflichtig.226 Daher geht es zu weit, wenn schon die abgelehnte Frage nach der Möglichkeit einer Verständigung eine derartige Mitteilung des Gesprächs erfordern soll;227 richtigerweise ist in einem solchen Fall mitzuteilen, dass Verständigungsgespräche nicht stattgefunden haben. – Die Besprechung des Verfahrensstands (vgl. § 257b für derartige Erörterungen in der Hauptverhandlung) löst die Mitteilungspflicht nicht aus, wenn dort zwar einzelne Aspekte des Verfahrensfortgangs besprochen, aber die zu treffenden Entscheidungen des Gerichts nicht in Bezug zu dem Einlassungsverhalten des Angeklagten oder von ihm erwarteten Verfahrenshandlungen gesetzt werden.228 Daher ist die reine Erörterung von Rechtsproblemen, die in der Hauptverhandlung aufgetaucht sind, nicht mitzuteilen, auch wenn dabei ein Teilnehmer seine Erwartung hinsichtlich des

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220 Vgl. BGH StV 2012 393 f. m. grds. zustimmender, aber differenzierender Bspr. Schmitt StraFo 2012 392; s. auch KMR/Eschelbach 121; SK/Frister 44d sowie Henckel 187 ff.: § 243 Abs. 4 analog. 221 BVerfGE 133 168, 216; BGH NStZ 2016 688, 689 m. Anm. Pfister = NStZ-RR 2016 347 m. Anm. Bittmann; a.A. wohl Chr. Becker JA 2017 645 f. 222 BVerfGE 133 167, 216; Schneider NStZ 2014 197; SK/Deiters § 212, 28. 223 Meyer-Goßner/Schmitt 18a; KK/Schneider 37; Niemöller/Schlothauer/Weider Teil B § 243 Abs. 4, 10; Bittmann NStZ 2015 550; Henckel 175; Kunze ZAP Fach 22 754; vgl. auch BGHSt 58 315, 317; a.A. SK/Frister 44e; s. auch KMR/Eschelbach 114: Mitteilung sinnvoll. 224 Schneider NStZ 2014 197 f.; vgl. Henckel 24. 225 BGH NStZ 2015 352 f.; StV 2016 87, 89 m. Anm. Kudlich; Henckel 175; s. aber auch BGH StV 2016 95, 96 f.; NZWiSt 2017 68, 72; unklar OLG Nürnberg NStZ-RR 2017 350, 351; a.A. Chr. Becker JA 2017 645 f.; Mosbacher NZWiSt 2013 204; zu Abgrenzungsproblemen Ziegler FS von Heintschel-Heinegg 530 ff. 226 BGH NJW 2015 1260 f. m. Anm. Magnus; NStZ 2015 232, 233; StV 2016 87, 88 m. Anm. Kudlich; Bittmann NStZ 2016 426; ders. NStZ-RR 2016 349; Wenske DRiZ 2012 200; Niemöller/Schlothauer/Weider Teil B § 243 Abs. 4, 10; vgl. auch OLG München StV 2014 520, 521 sowie OLG Saarbrücken NStZ 2017 182 f. (je unbeantwortet gebliebene Anfrage nach den Aussichten einer Berufung); KMR/Eschelbach 114: Mitteilung sinnvoll. 227 So aber BVerfGE 133 168, 217; BGH (2. Strafsenat) NStZ 2016 228, 229 m. abl. Anm. Bittmann; Graf DRiZ 2016 310; Grube StraFo 2013 513; Henckel 175 f.; Schneider NStZ 2014 198; KK/Schneider 37; SK/Frister 44e.; wohl auch BGHSt 58 310, 313 = NStZ 2013 667 m. Anm. Radtke. 228 BGH NStZ 2015 656 f.; vgl. Bittmann NStZ 2015 548; LR/Stuckenberg26 § 257b, 9 f.

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Verfahrensausgangs zum Ausdruck bringt und eine anderer dem entgegentritt.229 Ebenso geht es zu weit, wenn allein schon die Äußerungen von Strafmaßvorstellungen durch das Gericht und die Staatsanwaltschaft die Hinweispflicht auslösen sollen.230 Dies gilt auch dann, wenn der Angeklagte aus dem Inhalt des Gesprächs Konsequenzen zieht und nunmehr beispielsweise gesteht und Beweisanträge zurücknimmt.231 Die Erörterung der Fortdauer der Untersuchungshaft des Angeklagten unter gleichzeitigem Angebot einer Sicherheit nach § 116 Abs. 1 Nr. 4 stellt kein Verständigungsgespräch dar, wenn sie nicht mit einem für das Verfahren bedeutsamen Verhalten des Angeklagten verknüpft wird.232 Kein Verständigungsgespräch liegt auch vor, wenn das Gericht mit Beteiligten eine Verfahrenseinstellung oder -beschränkung unter Opportunitätsgesichtspunkten (§§ 153 ff.) erörtert, ohne dies in Konnex zu erwartetem Verfahrensverhalten namentlich des Angeklagten zu bringen.233 Dabei ist auch allein die Frage nach der Bereitschaft zur Erfüllung von Auflagen und Weisungen im Sinne des § 153a Abs. 1 nicht als Herstellung eines verständigungsbezogenen Konnexes anzusehen ist, da es sich nicht um ein erwartetes verfahrensbezogenes Verhalten des Angeklagten handelt, das dem Regelungsbereich des § 257c Abs. 2 Satz 1 und 2 unterfällt. Daher erstreckt sich die Mitteilungspflicht insbesondere nicht auf die Erörterung einer umfassenden Verfahrenseinstellung234 oder die Besprechung einer teilweisen Verfahrenseinstellung oder -beschränkung, die ohne „Gegenleistung“ des Angeklagten (etwa in Form eines Geständnisses zu dem verbleibenden Tatvorwurf) aus prozessökonomischen Gründen vorgenommen werden soll.235 Nicht mitzuteilen sind Verständigungsgespräche, die vor Rücknahme einer ersten Anklageschrift geführt worden sind, wenn die Hauptverhandlung später nach Einreichung einer neuen Anklageschrift (mit wesentlich erweiterten Tatvorwürfen) durchgeführt wird; denn das frühere (Zwischen-)Verfahren ist für neue Verfahren rechtlich nicht mehr relevant.236 Mitteilungspflichtigen Erörterungen sind dagegen in folgenden Fällen gegeben: 59 Zu unterrichten ist, wenn eine teilweise Einstellung (§ 154 Abs. 2) oder eine Beschränkung des Verfahrens (§ 154a Abs. 2) mit der Erwartung in Aussicht gestellt

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229 A.A. BGH NStZ 2016 688, 689 („weil die Gespräche als Verständigungsgespräche verstanden werden könnten“) m. abl. Anm. Pfister = NStZ-RR 2016 347 m. abl. Anm. Bittmann. 230 So aber abstrakt BGH StV 2016 95, 97 (dort waren die Strafvorstellungen auch unter Berücksichtigung eines Geständnisses des Angeklagten geäußert worden, sodass sich der konkrete Sachverhalt als Grenzfall darstellt); BGH NStZ 2017 658, 659 (m. insoweit krit. Anm. Bittmann) verlangt eine hinreichende „Konkretion“ der Aussagen; vgl. auch (unklar) OLG Nürnberg NStZ-RR 2017 350, 351. 231 BGH StV 2016 87, 88 f. m. Anm. Kudlich. 232 BGH NStZ 2015 294, 295; NStZ-RR 2015 379, 380; vgl. demgegenüber BGH NStZ 2014 219. 233 BGH (1. Strafsenat) NZWiSt 2016 64, 66 f.; wistra 2017 275, 276 (4. Strafsenat); 2017, 446 (4. Strafsenat); NStZ 2018 49 f. (2. Strafsenat) m. Anm. Bittmann; Bittmann NStZ 2016 426 f.; ders. NStZ 2017 311; Henckel 24 f., 176 f.; Pfister StraFo 2016 189; vgl. auch OLG Hamburg NStZ 2015 661 zu § 47 Abs. 2 OWiG; a.A. (zwischenzeitlich aber aufgegeben) BGH (2. Strafsenat) NStZ 2016 171, 173 m. zu Recht abl. Anm. Schneider = JR 2016 143 m. abl. Anm. Niemöller; vgl. auch BGH Urt. v. 5.7.2017 – 2 StR 526/15. 234 KG NStZ 2014 293, 294; MüKo/Arnoldi 48; a.A. ohne nähere Begründung BVerfG NStZ 2016 422, 424 m. insoweit abl. Anm. Bittmann; BGH NStZ 2016 743, 744 m. abl. Anm. Bittmann; Meyer-Goßner/Schmitt 18a. 235 Bittmann NStZ 2017 246 f.; Schneider NStZ 2014 262; vgl. auch MüKo/Arnoldi 48. 236 BGH NStZ 2014 600, 601; Henckel 186 f.; KMR/Eschelbach 117; für den Fall der Rückgabe der Anklage zu deren „Nachbesserung“ s. demgegenüber Rn. 59.

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wird, dass der Angeklagte Beweisanträge zurücknimmt237 oder den danach verbleibenden Tatvorwurf gesteht.238 Auch wenn die Frage der Haftverschonung nach Urteilsverkündung im Falle eines Geständnisses erörtert wird, ist dies mitzuteilen (s. § 257c Abs. 2 Satz 1: die dem Urteil zugehörigen Beschlüsse).239 Ebenso liegt es, wenn die Haftverschonung mit der Frage einer Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch verknüpft wird.240 Mitzuteilen sind auch Verständigungsgespräche, die vor einer (gesetzlich nicht vorgesehenen) Rückgabe der Anklageschrift zu deren „Nachbesserung“ stattgefunden haben, wenn die Hauptverhandlung aufgrund der daraufhin ergänzten und teilweise neu gefassten Anklageschrift durchgeführt wird; dies gilt auch dann, wenn nach Eingang der überarbeiteten Anklageschrift weitere Verständigungsgespräche in und außerhalb der Hauptverhandlung geführt worden sind.241 Die Mitteilungspflicht besteht auch dann, wenn sich zwischen dem im Zwischenverfahren geführten Verständigungsgespräch und der Hauptverhandlung die Besetzung des Gerichts geändert hat.242 Gleiches gilt, wenn sich die Besetzung aufgrund einer Aussetzung der Hauptverhandlung ändert.243 Zu informieren ist auch über das In-Aussicht-Stellen einer Strafober- und Untergrenze244 oder von Strafaussetzung zur Bewährung durch das Berufungsgericht für den Fall, dass der Angeklagte sein Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.245

4. Inhalt der Mitteilung. Sind Verständigungsgespräche geführt worden, so ist nach Absatz 4 Satz 1 deren wesentlicher Inhalt mitzuteilen. Hierzu zählt, welche Themen insoweit erörtert worden sind, von welchem Sachverhalt die Beteiligten dabei jeweils ausgegangen sind und inwieweit sie sich zu den diesbezüglichen Vorschlägen der anderen Seite zustimmend oder ablehnend geäußert246 bzw. Alternativvorschläge vorgebracht haben.247 Vollständig darzulegen sind die möglichen Rechtsfolgen, die verfahrensbezogenen Maßnahmen, das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten und die Frage eines

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237 Vgl. BVerfG NStZ 2016 422, 423 ff. m. Anm. Bittmann; BGH StV 2018 9. 238 Vgl. BGHSt 59 21, 23 ff. = JR 2014 213 m. Anm. Niemöller; BGH StV 2015 153; NStZ 2018 49 f. m. Anm. Bittmann; StraFo 2018 198 f. 239 BGH NStZ 2014 219; vgl. demgegenüber BGH NStZ 2015 294, 295. 240 Vgl. OLG Stuttgart StV 2014 397 ff. 241 BGH NStZ 2014 217, 218; für den Fall einer zurückgenommenen Anklage s. demgegenüber Rn. 58. 242 BGH NJW 2014 3385, 3386; NStZ 2015 294; Graf DRiZ 2016 309. 243 BGH NJW 2016 513, 514 m. Bespr. Strate S. 450 = NStZ 2016 221 m. Anm. Allgayer. 244 Vgl. OLG Nürnberg StraFo 2016 473, 474. 245 Vgl. OLG Hamm NStZ 2016 565 ff. m. krit. Anm. Bittmann, wo allerdings § 243 Abs. 4 tatsächlich nicht eingriff, da sich alles in der Hauptverhandlung abspielte. 246 Äußert sich ein Beteiligter nicht, so ist das auch nicht mitzuteilen: BGH NStZ 2015 48. 247 BVerfGE 133 168, 217; BGHSt 58 310, 313 = NStZ 2013 667 m. Anm. Radtke; 59 252, 255 f. = NStZ 2014 601 m. Anm. Grube; 60 150, 152 = NJW 2015 645 m. Anm. Leitmeier; BGH NStZ 2014 219; 2014 416, 417; 2014 418; 2015 353, 354 m. Anm. Feldmann S. 474; 2016 228, 229 m. Anm. Bittmann; 2017 244, 245 m. Anm. Bittmann; 2017 363, 364 m. Anm. Bittmann; 2017 596, 597 m. Anm. Bittmann; 2018 363, 364 m. Anm. Bittmann; NStZ-RR 2014 315, 316; 2018 355 m. Anm. Müller-Metz; StV 2011 72 f.; 2014 67; StraFo 2016 470, 471; wistra 2017 30, 31 m. abl. Anm. Bittmann NStZ 2017 59; Beschl. v. 13.1.2016 – 1 StR 630/15. S. aber auch BGH NStZ 2013 722 m. zust. Anm. Mosbacher, wo eine auf den Verständigungsvorschlag des Gerichts und die dazu abgegebenen Erklärungen der anderen Beteiligten beschränkte Mitteilungspflicht für den Fall erwogen wird, dass eine Verständigung nicht zustande kommt; auch BGH NStZ 2014 416, 417; 2015 293; 2015 352; NStZ-RR 2014 315; zustimmend Grube NStZ 2014 603; s. auch Schneider NStZ 2014 201; krit. Feldmann NStZ 2015 474 f.; SK/Frister 45a.

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Geständnisses des Angeklagten (s. § 257c Abs. 2 Satz 1 und 2), soweit dies jeweils Gegenstand der Vorerörterungen war. Bei ergebnislosen Vorgesprächen sind dabei in ihren Grundzügen sowohl die Punkte zu benennen, in denen die Beteiligten Einigungsbereitschaft gezeigt haben, als auch diejenigen, die kontrovers geblieben sind und dazu geführt haben, dass von der Einleitung des Verständigungsverfahrens in der Hauptverhandlung (§ 257c Abs. 1–3) Abstand genommen worden ist.248 Jede Einzelheit der jeweils vorgebrachten Argumente muss die Mitteilung dagegen nicht enthalten; Sinn und Zweck des § 243 Abs. 4 erfordern nicht, dass eine Art Wortprotokoll des Verständigungsgesprächs bekanntgegeben wird.249 Entgegen BVerfG250 ist auch nicht darzulegen, von wem die Initiative zu dem Verständigungsgespräch ausging. Dies ist eine Frage des Ablaufs des Gesprächs, der zwar gemäß §§ 212, 202a Satz 2 aktenkundig zu machen ist, nach dem eindeutigen Wortlaut des § 243 Abs. 4 Satz 1 aber nicht der Mitteilungspflicht unterliegt.251 Die Mitteilungspflicht des Vorsitzenden besteht unabhängig davon, ob er an den Vorgesprächen beteiligt gewesen ist oder nicht (s. auch Rn. 55). Selbst wenn er daran – ausnahmsweise – nicht teilgenommen und sie dem Berichterstatter überlassen hat, hat er deren Ergebnis und Inhalt aufgrund der Aktenvermerke nach (§ 212 i.V.m.) § 202a Satz 2 oder der ihm vom Berichterstatter erteilten Informationen bekannt zu geben.252 5. Sitzungsniederschrift. Nach § 273 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 1a Satz 1 sind nicht nur 61 der wesentliche Ablauf und der Inhalt von Erörterungen „in der Hauptverhandlung“ nach § 257b und von Verständigungen nach § 257c wiederzugeben; gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 wird vielmehr auch die „Beachtung der in § 243 Absatz 4“ vorgeschriebenen Mitteilungen zu einer protokollierungspflichtigen Förmlichkeit der Hauptverhandlung. Obwohl der Wortlaut der Vorschrift, ein Vergleich mit § 273 Abs. 1 Satz 2 sowie Abs. 1a Satz 1, die Regelung der Dokumentation außerhalb der Hauptverhandlung geführter Gespräche in §§ 212, 202a Satz 2 sowie der Umstand, dass das Protokoll (schon mangels Mitwirkung des Protokollführers) den Inhalt außerhalb der Hauptverhandlung geführter Gespräche nicht beweiskräftig (s. § 274 Satz 1) belegen kann,253 dafür sprechen, dass nur die Tatsache der Mitteilung durch den Vorsitzenden, nicht aber der Ablauf und der Inhalt der Verständigungsgespräche zu protokollieren ist,254 geht die vorherrschende Ansicht davon aus, dass auch diese in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen sind.255 Je-

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248 Niemöller/Schlothauer/Weider Teil B § 243 Abs. 4, 12; a.A. (nur das Scheitern der Verständigungsbemühungen ist mitzuteilen, nicht der Grund hierfür): Altenhain/Haimerl JZ 2010 336. 249 Insoweit zutreffend BGH NStZ 2015 416 f.; s. auch Ziegler FS von Heintschel-Heinegg 528 f.; KK/Schneider 38; KMR/Eschelbach 128; vgl. demgegenüber aber auch Henckel 189 ff., der Inhalt und Ablauf des Verständigungsgesprächs letztlich gleichsetzt und daher eine Detaillierung des Hinweises verlangt, die ohne die nahezu wörtliche Dokumentation des Gesprächs (§§ 202a, 212) kaum möglich erscheint. 250 BVerfGE 133 168, 217; auch BGH NStZ 2015 352 f.; StV 2016 87, 89 m. Anm. Kudlich; ebenso KMR/Eschelbach 129; SK/Frister 45a. 251 BGH NStZ 2015 293 f.; 2015 416; 2016 357, 361; NZWiSt 2017 68, 72; Bittmann NStZ 2015 546; 2016 231; 2017 59; Schneider NStZ 2014 200 (anders aber S. 201 für den Fall, dass die Verständigungsgespräche in eine Verständigung münden); Meyer-Goßner/Schmitt 18d; SK/Deiters § 212, 34 ff. 252 Niemöller/Schlothauer/Weider Teil B § 243 Abs. 4, 9; Henckel 168 ff. 253 BVerfGE 133 168, 217; OLG Düsseldorf StraFo 2016 383 f.; Niemöller/Schlothauer/Weider Teil B § 273, 18; HK/Temming 13; KMR/Eschelbach 133; KK/Schneider 40; SK/Frister 47; Henckel 96; Kunze ZAP Fach 22 754; Mosbacher NStZ 2013 723 f.; ders. NZWiSt 2013 204 f.; Pauly FS Rissing-van Saan 432; Pfister StraFo 2016 193 f.; Ziegert StraFo 2014 232; zu § 273 Abs. 1a Satz 3: Ladiges JR 2012 372; Niemöller FS Rissing-van Saan 396 f.; ders. GA 2014 183 f.; vgl. zu § 249 Abs. 2 Satz 3: BGH NJW 2010 3382, 3383; NStZ-RR 2011 20, 21. 254 Bittmann NStZ 2015 551; 2016 120; Mosbacher NStZ 2013 723 f.; Schneider NStZ 2013 255; so wohl auch noch BGH StV 2011 202, 203 m. Anm. Schlothauer; s. auch Ziegler FS von Heintschel-Heinegg 528. 255 S. die im Ausgangspunkt zutreffenden, dann aber missverständlichen Ausführungen in BVerfGE 133 168, 215 ff., wo die Protokollierung von Mitteilungen über Verständigungsgespräche außerhalb der

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denfalls beschränkt sich danach die positive wie negative Beweiskraft des Protokolls auf die Tatsache, dass der Vorsitzende eine Mitteilung nach Absatz 4 abgegeben oder dies unterlassen hat; der Ablauf und der Inhalt der außerhalb der Hauptverhandlung geführten Verständigungsgespräche muss daher – soweit für die Beurteilung einer darauf abzielenden Verfahrensrüge erforderlich – im Revisionsverfahren auch dann freibeweislich geklärt werden,256 wenn sie in die Sitzungsniederschrift aufgenommen worden sind; allerdings stellt der unwidersprochen gebliebene Protokollinhalt im Rahmen dieser Prüfung ein wesentliches Beweisanzeichen für den tatsächlichen Inhalt dieser Gespräche dar. Unterlässt der Vorsitzende die gebotene Mitteilung, so kann sie folglich auch nicht protokolliert werden. Die insoweit schweigende Sitzungsniederschrift ist daher richtig, ein Verstoß gegen „Dokumentationspflichten“ liegt nicht vor.257 Schon gar nicht stellt eine unzutreffende Protokollierung eine Falschbeurkundung im Amt (§ 348 StGB) dar.258 VI. Hinweis des Angeklagten auf sein Schweigerecht (Absatz 5 Satz 1) 62

1. Bedeutung und Zweck der Regelung. Der Angeklagte kann auf das primär seiner Verteidigung dienende Recht verzichten, seine Sache selbst dem Gericht darzustellen. Es gehört zur Grundstruktur eines rechtsstaatlichen, auf Achtung der Menschenwürde und des Persönlichkeitsrechts ausgerichteten fairen Strafverfahrens, dass der Angeklagte nicht verpflichtet ist, sich selbst zu belasten.259 Es steht ihm frei, ob er sich vor Gericht äußern oder ob er zur Anklage schweigen will.260 Diese aus der Stellung als Verfahrenssubjekt folgende Freiheit sichert der Hinweis nach Absatz 5 Satz 1 ab. Er soll im Interesse eines fairen Verfahrens fürsorgend der Möglichkeit vorbeugen, dass der Angeklagte sein Recht nicht kennt, über sein Prozessverhalten frei zu entscheiden.261 Er soll ferner die psychologischen Hemmungen verringern, die ihn daran hindern könnten, von diesem Recht Gebrauch zu machen.262 Der Hinweis gehört nicht zur Vernehmung zur Sache, sondern geht ihr voraus, wie der Wortlaut des Absatzes 5 deutlich ergibt (zu

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Hauptverhandlung und die Protokollierung der in der Hauptverhandlung zustande gekommenen Verständigung durcheinandergeworfen werden und die Protokollierungspflicht für die Mitteilung über Vorgespräche entgegen dem Gesetzeswortlaut des § 257 Abs. 1a letztlich (S. 216) sogar auf § 273 Abs. 1a Satz 1 statt auf Satz 2 gestützt wird. Außerdem: BGHSt 59 20, 27; 59 252, 255 f. = NStZ 2014 601 m. Anm. Grube; 60 150, 152 f., 154 = NJW 2015 645 m. Anm. Leitmeier; BGH NStZ 2010 293; 2014 219; 2015 353, 354 m. Anm. Feldmann S. 474; 2016 228, 229 m. Anm. Bittmann; 2018 363, 364 m. Anm. Bittmann; StV 2014 67; 2014 651, 653 m. Anm. Voigt/König S. 654; Heller 154; Henckel 94 f.; Pfister StraFo 2016 193; Schneider NStZ 2014 201; HK/Temming 13; KMR/Eschelbach 97, 135; SK/Frister 47; zu § 273 Abs. 1a Satz 3: BGH NStZ-RR 2010 213; Feldmann NStZ 2015 475. 256 S. BGHSt 59 252, 254 f. = NStZ 2014 601 m. Anm. Grube; BGH NStZ-RR 2014 115; OLG Düsseldorf StraFo 2016 383 f. 257 BGH NStZ 2014 418; 2018 363, 364 m. Anm. Bittmann; NZWiSt 2016 64, 67. 258 BGH NStZ 2015 651, 653; Erb StV 2014 103 f.; Knauer NStZ 2013 435; Stuckenberg ZIS 2013 215; Weigend StV 2013 426 Fn. 9; a.A. BVerfGE 133 168, 213 f.; auch RGSt 72 226 f.; BGHSt 51 88, 98 (obiter); Dießner StV 2011 45 ff.; Globke JR 2014 17 f.; Heger/Pest ZStW 126 (2014) 484 f.; König/Harrendorf AnwBl. 2013 323 f.; Verjans FS Feigen 285 ff.; s. auch KMR/Eschelbach 101. 259 BVerfGE 38 105, 113; 55 144, 150; 56 37, 43; 65 1, 46; BVerfG (Kammer) NStZ 1993 482; BGHSt 5 332, 334; 25 325, 330; 36 328, 332; ausdrücklich auch Art. 14 Abs. 3 lit. g IPBPR. Dazu und zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen dieses Satzes Rogall 116, 124; ferner etwa BGHSt 38 214, 220; Beulke FS Strauda 87; Günther GA 1978 193; Huber JuS 2007 711; Meyer JR 1966 310; Puppe GA 1978 289; Rüping JR 1974 135; Schuler JR 2003 266; Verrel NStZ 1997 361; 1997 415. Vgl. die Erl. zu Art. 6 EMRK sowie SK/Rogall Vor § 133, 66 je m.w.N. 260 Zu den Gesichtspunkten für eine solche Entscheidung vgl. z.B. Amelung FS Koch 145; Salditt StV 1993 442. 261 BGHSt 25 325, 330; vgl. bei § 136. 262 Hanack JR 1975 342; Schlüchter 464; KMR/Eschelbach 147; SK/Frister 49.

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den Konsequenzen s. Rn. 90). Absatz 5 Satz 1 ist daher verletzt, wenn der Vorsitzende den Angeklagten schon vor Verlesung des Anklagesatzes auffordert, hierbei durch Kopfnicken oder -schütteln anzuzeigen, ob er sich zu den einzelnen Anklagepunkten schuldig bekennen will oder nicht.263 2. Wiederholung des Hinweises. Der Hinweis nach Absatz 5 Satz 1 wird nicht da- 63 durch überflüssig, dass der Angeklagte bereits nach § 115 Abs. 3 Satz 1, § 128 Abs. 1 Satz 2, § 136 Abs. 1 Satz 2, § 163a Abs. 3 Satz 2 oder Abs. 4 Satz 2 oder in einer vorangegangenen ausgesetzten Hauptverhandlung in der gleichen Sache über sein Einlassungsverweigerungsrecht belehrt worden war und es daher – oder auch aus anderen Gründen – kennt;264 denn hiermit mag im Einzelfall der eine Zweck der Belehrungspflicht bereits erreicht sein, nicht jedoch auch die weitere Zielsetzung, beim Angeklagten die psychologischen Hemmungen zu verringern, über sein Einlassungsverhalten frei und mit klarem Kopf zu entscheiden.265 Der Hinweis ist demgemäß auch in der Berufungsverhandlung266 sowie in der erneuten erstinstanzlichen Hauptverhandlung nach Zurückverweisung der Sache (§ 328 Abs. 2, § 354 Abs. 2 und 3)267 nochmals zu erteilen. 3. Formulierung des Hinweises. Wie er den Hinweis in Worte fasst, steht dem Vor- 64 sitzenden268 frei. Allgemein wird ihm zu empfehlen sein, den Wortlaut von Absatz 5 Satz 1 aufzugreifen.269 Jedenfalls muss er unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass der Angeklagte frei wählen kann, ob er sich zur Sache äußert oder schweigt270 oder nur auf einzelne Fragen keine Auskunft gibt.271 Eine Belehrung, welche diesen Sinn des Hinweises verfälscht oder verwischt, ist fehlerhaft. Das ist etwa der Fall, wenn der Hinweis mit einer rechtlich unrichtigen Belehrung über die Folgen des Schweigens oder mit dem Drängen verbunden wird, von dem Schweigerecht keinen Gebrauch zu machen.272 Um zu verhindern, dass der Angeklagte irrigerweise glaubt, wegen einer früheren Aussage könne er ohnehin nicht mehr frei entscheiden, ist gegebenenfalls auch auf die Unverwertbarkeit früherer Aussagen hinzuweisen (sog. qualifizierte Belehrung).273 Bei der Belehrung kann der Vorsitzende, ohne jedoch durch die Fürsorgepflicht hierzu verpflichtet zu sein,274 auch auf die Zweischneidigkeit des Schweigens hinweisen, vor allem wenn nach den Umständen entlastende Gesichtspunkte vorliegen können, die das Gericht

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263 BGH NStZ 1988 85. 264 Dencker MDR 1975 361; Hegmann NJW 1975 915; KK/Schneider 45; KMR/Eschelbach 147; MeyerGoßner/Schmitt 21; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 35; SK/Frister 50; a.A. BGHSt 25 325, 330. 265 BGHSt 38 214, 224; 47 172, 173; G. Schäfer FS Dahs 446; SK/Frister 50. 266 OLG Stuttgart NJW 1975 703, 704; Dencker MDR 1975 361; Hegmann NJW 1975 915; Meyer-Goßner/ Schmitt 21; SK/Frister 51. 267 Meyer-Goßner/Schmitt 21; SK/Frister 51; a.A. BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 210 (nach zweimaliger Zurückverweisung). 268 Er hat die Belehrung selbst vorzunehmen und darf diese Aufgabe nicht etwa anderen (Staatsanwalt, Sachverständiger etc.) übertragen: KMR/Eschelbach 141; Meyer-Goßner/Schmitt 19. 269 Meyer-Goßner/Schmitt 22; SK/Frister 55. 270 Allein die Frage, ob der Angeklagte etwas auf die Beschuldigung erwidern wolle, ist nicht ausreichend; vgl. aber noch BGH NJW 1966 1718; OLG Hamm JMBlNW 1966 95; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1969 151. 271 Radtke/Hohmann/Kelnhofer 35; SK/Frister 55; vgl. Eisenberg (Beweisrecht) 841; kritisch im Hinblick darauf, dass Teilschweigen beweiswürdigend zum Nachteil verwertet werden kann: KK/Schneider 42. 272 Vgl. BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 205. 273 S. Rn. 67 m.w.N. 274 Plötz (Fürsorgepflicht) 205 (Gericht kein Beratungsorgan); KK/Schneider 43; SK/Frister 56; a.A. AK/Schöch 39.

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ohne entsprechende Angaben des Angeklagten nur schwer erkennen kann.275 Um die hier naheliegende Gefahr eines die freie Entscheidung in Frage stellenden Missverständnisses auszuschließen, muss der Vorsitzende dem Angeklagten deutlich machen, dass das Gericht ihn nicht bei der Ausübung seines Wahlrechts bevormunden will. 65

4. Adressaten. Der Hinweis kann sämtlichen Angeklagten gleichzeitig erteilt werden; der Vorsitzende muss dann aber jeden einzelnen Angeklagten bei Beginn seiner Vernehmung zur Sache fragen, wie er sich entschieden habe. Auch dem Verteidiger, der einen nicht anwesenden Angeklagten vertritt (§ 234), ist der Hinweis zu erteilen.276 Soweit Einziehungs- oder sonstige Nebenbeteiligte bzw. -betroffene nach § 427 Abs. 1, §§ 438, 439 oder die Vertreter juristischer Personen oder Personenvereinigungen nach § 444 Abs. 2 Satz 2 die Befugnisse des Angeklagten haben, sind auch sie zu belehren, ebenso die Nebenbeteiligten im Nachverfahren oder im objektiven Verfahren (§§ 433, 435 Abs. 3 Satz 2, § 427 Abs. 1 Satz 1, §§ 439, 444 Abs. 3 Satz 1), nicht jedoch der gesetzliche Vertreter.

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5. Sitzungsniederschrift. Der Hinweis nach Absatz 5 Satz 1 ist eine wesentliche Förmlichkeit;277 seine Erteilung, nicht aber sein Wortlaut ist im Protokoll zu vermerken. Zur Protokollierung des nachfolgenden Verhaltens des Angeklagten s. Rn. 90. 6. Verhalten des Angeklagten nach dem Hinweis

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a) Aussagewilliger Angeklagter. Erklärt sich der Angeklagte nach ordnungsgemäßer – gegebenenfalls qualifizierter (Rn. 64) – Belehrung bereit, Angaben zur Sache zu machen, so schließt sich gemäß § 243 Abs. 5 Satz 2 seine Vernehmung an (zur eventuell vorgeschalteten Eingangserklärung der Verteidigung s. Rn. 92 ff.). Seine nach dieser Belehrung in der Hauptverhandlung gemachte Aussage ist für die Entscheidung verwertbar. Dass im Grundsatz eine qualifizierte Belehrung erforderlich ist, um das Fortwirken von Verfahrensfehlern bei früheren Vernehmungen auszuschließen, ist mit der neueren Rechtsprechung278 und der vorherrschenden Meinung im Schrifttum279 – entgegen älterer Rechtsprechung280 – zu bejahen.

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275 Dazu Dahs (Hdb.) 488 f.; Kleinknecht JZ 1965 155 f.; Rieß JA 1980 296; Schmidt-Leichner NJW 1966 189; Seibert NJW 1965 1706; KMR/Eschelbach 150; krit. Kühne 793; vgl. auch BayObLG bei Rüth DAR 1969 237; OLG Hamburg VRS 41 (1971) 195, 196; s. ferner § 136, 34. 276 BayObLGSt 1982 156, 158; KK/Schneider 45; Meyer-Goßner/Schmitt 19; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 32; SK/Frister 52; a.A. MüKo/Arnoldi 57 (nur wenn eine andere Person i.S.v. § 138 Abs. 2 verteidigt). 277 KK/Schneider 44; Meyer-Goßner/Schmitt 23; SK/Frister 54. 278 S. etwa (je auch zur Frage eines Verwertungsverbots bei unterlassener qualifizierter Belehrung) BGHSt 53 112, 115; BGH NStZ 2015 291, 293; vgl. auch BGH NStZ 1996 290; 2013 728 m. Anm. Radtke (verspätete Belehrung nach § 257c Abs. 5), dazu auch Schneider NStZ 2014 259; BGH StV 2007 50, 52 (insoweit in BGHSt 51 367 nicht abgedruckt); Urt. v. 19.9.2000 – 1 StR 205/00; OLG Karlsruhe StV 2014 659, 660 m. Anm. Norouzi (Berufungshauptverhandlung aufgrund Berufung der Staatsanwaltschaft gegen amtsgerichtliches Urteil nach Verständigung auf Grundlage eines Geständnisses des Angeklagten); weitergehend (jew. für einen Verstoß gegen § 136a) LG Bad Kreuznach StV 1994 293; LG Dortmund NStZ 1997 356; LG Frankfurt StV 2003 325. 279 Beulke/Swoboda 119; Degener GA 1992 449; Geppert GedS Meyer 93; Gössel 189; Neuhaus NStZ 1997 315; Rogall FS Geppert 519 ff.; Roxin JR 2008 18; Roxin/Schünemann § 24, 33; Schünemann MDR 1969 102; KMR/Eschelbach 156; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 36; SK/Rogall Vor § 133, 178; SK/Frister 53; ferner Artkämper Kriminalistik 2007 525; KK/Schneider 41; Meyer-Goßner/Schmitt 21 (bei Nachholung eines in der Hauptverhandlung vergessenen Hinweises); s. auch bei § 136. 280 BGHSt 22 129, 135 = JZ 1968 750 m. abl. Anm. Grünwald; vgl. auch BGHSt 27 355, 358 f.; 35 328, 332; offen gelassen von BGHSt 47 172, 175.

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b) Schweigender Angeklagter. Weigert sich der Angeklagte auszusagen, so hindert 68 das nicht, über seine verwertbare Aussagen bei früheren Vernehmungen, aber auch über sonstige Erklärungen des Angeklagten (gegenüber Privaten, aber auch bei einer informatorischen Befragung oder im Rahmen einer Spontanäußerung)281 oder über seine schriftlichen Aufzeichnungen bzw. Stellungnahmen (s. auch unten Rn. 87 f.) in der verfahrensrechtlich dafür vorgesehenen Form Beweis zu erheben (etwa Protokollverlesung nach § 254 Abs. 1, wenn der Angeklagte bei einer früheren richterlichen Vernehmung geständig war,282 Verlesung einer im laufenden Verfahren abgegebenen schriftlichen Einlassung des Angeklagten nach § 249 Abs. 1283 oder Zeugenvernehmung, insbesondere von Verhörspersonen) und das Beweisergebnis bei der Überzeugungsbildung zu verwerten.284 Der Grundgedanke des § 252 ist hier nicht anwendbar.285 Dies gilt auch, wenn der Angeklagte bei ausgesetzter Hauptverhandlung zunächst ausgesagt hat und erst später schweigt.286 Anders liegt es bei unverwertbaren Aussagen, insbesondere solchen, welche unter Verletzung des § 136a zustande gekommen sind (§ 136a Abs. 3 Satz 2). Durch die Weigerung, sich zur Sache einzulassen, verliert der Angeklagte nicht die Rechte aus §§ 257, 258. Welche Bedeutung einer durch Verlesung einer Vernehmungsniederschrift bzw. ei- 69 nes sonstigen Schriftstücks, durch Zeugenaussagen oder durch Erklärungen des Verteidigers in die Hauptverhandlung eingeführten Einlassung des Angeklagten zur Sache beizumessen ist, ist eine Frage der Beweiswürdigung.287 Bei dieser darf das Gericht weder das Schweigen des Angeklagten noch den Zeitpunkt seiner Einlassung zu seinem Nachteil werten. Die Einzelheiten – auch zur Frage der Würdigung teilweisen Schweigens des Angeklagten – sind bei § 261 und bei § 136 erläutert. Eine Gegenüberstellung (§ 58 Abs. 2), sonstige Identifizierungsmaßnahmen (vgl. 70 § 81b), Untersuchungen (§ 81a) sowie Einnahme und Verwertung des Augenscheins seiner Person hat auch ein Angeklagter zu dulden, der die Einlassung verweigert.288 c) Keine Bindung. Der Angeklagte ist an seine Erklärung nicht gebunden. Er kann 71 sie während der ganzen Hauptverhandlung ändern.289 Widerruft er seine Aussagebereitschaft und lässt sich nicht weiter zur Sache ein, bleibt seine bis dahin abgegebene Einlassung verwertbar.290 Schweigt er zunächst und entschließt sich später zur Aussage, so ist seine Einvernahme zur Sache grundsätzlich alsbald nachzuholen; die bisherigen Teile der Hauptverhandlung müssen deswegen aber nicht wiederholt werden.291

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281 Zu den hier bestehenden Streitfragen vgl. Einl. J 87 ff. und bei § 136 jew. m.w.N. 282 Vgl. OLG Hamm StV 2005 122: dem Angeklagten zurechenbare geständige Sacheinlassung durch den Verteidiger in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung. 283 BGHSt 39 305, 306 = NStZ 1994 184, 185 m. Anm. Seitz; 52 175, 180; BGH NJW 1994 2904, 2905; OLG Zweibrücken StV 1986 290; 2001 549; Burhoff StV 1997 436; s. auch unten Rn. 88. 284 BGHSt 21 285 = LM § 261 Nr. 52 Ls. m. Anm. Martin; BGH bei Dallinger MDR 1971 18; OLG Celle VRS 31 (1966) 205; 39 (1970) 111; OLG Hamm NJW 1974 1880; OLG Koblenz VRS 45 (1973) 365; Arndt NJW 1966 870; Günter DRiZ 1971 379; Peters 322; Stree JZ 1966 597; AK/Schöch 41; a.A. Grünwald JZ 1968 754; SchmidtLeichner NJW 1966 191. 285 BayObLGSt 1967 32; kritisch KMR/Eschelbach 156. 286 BGH bei Dallinger MDR 1968 202. 287 OLG Celle VRS 31 (1966) 205; KG StraFo 2010 201 f.; s. auch unten Rn. 84, 87. 288 KG NJW 1979 1668, 1669; s. auch die Erl. zu §§ 58, 81a, 81b sowie bei § 261 und § 136. 289 BGH NStZ 1986 370; bei Holtz MDR 1977 461; SK/Frister 57. 290 KMR/Eschelbach 159; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 39; SK/Frister 57. 291 BGH NStZ 1986 370.

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7. Unterbliebener oder fehlerhafter Hinweis. Ist der Hinweis in der Hauptverhandlung versehentlich unterblieben oder in einer unzulänglichen Form gegeben worden oder hat sich der Angeklagte schon vor der Belehrung zur Sache geäußert, so muss das Gericht, sobald es den Fehler erkennt, die Belehrung unter Hinweis auf die Unverwertbarkeit der bisherigen Angaben (s. Rn. 64) nachholen. Erklärt sich der Angeklagte danach zur Aussage bereit und verweist er dabei auf seine vorherige Einlassung, so ist diese für die Urteilsfindung verwertbar.292 Ob andernfalls der nicht auf diese Weise geheilte Verstoß in jedem Fall ein Verwertungsverbot für die Aussage begründet oder ob er nur nach Maßgabe seines Schutzzweckes die Verwertbarkeit ausschließt und der Revision zum Erfolg verhelfen kann, ist strittig; s. dazu Rn. 117 ff. sowie bei § 136; ferner die Erläuterungen in der Einleitung in Abschnitt L. Ist allerdings § 136a verletzt, dann gilt das Verwertungsverbot des § 136a Abs. 3 Satz 2. VII. Vernehmung des Angeklagten zur Sache (Absatz 5 Satz 2)

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1. Zweck der Regelung. § 243 Abs. 5 Satz 2 gewährleistet zum einen, dass der Angeklagte vor Beginn der Beweisaufnahme rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und damit Gelegenheit erhält, seine Verteidigung zu führen, die ihn entlastenden Umstände darzutun und die ihn belastenden Umstände zu widerlegen, damit das Gericht bei der Beweisaufnahme sein Augenmerk auch auf die vom Angeklagten geltend gemachten Gesichtspunkte richten kann.293 Diese Möglichkeit, vorab die aus seiner Sicht für die gesamte folgende Hauptverhandlung maßgeblichen Gesichtspunkte zu verdeutlichen, geht in ihrer Bedeutung für die Verteidigungsinteressen des Angeklagten weit über das hinaus, was die späteren Gelegenheiten, nach einzelnen Beweiserhebungen (§ 257 Abs. 1) und nach Abschluss der Beweisaufnahme (§ 258) Erklärungen abzugeben, zu gewährleisten vermögen; sie kann daher nicht durch diese Erklärungsrechte ersetzt werden.294 Zum anderen dient die Vernehmung des Angeklagten zur Sache aber auch der Sachaufklärung.295 Sie ist zwar nicht Teil der formellen Beweisaufnahme, die erst später folgt (§ 244 Abs. 1); der Angeklagte wird durch seine Angaben nicht zu einem Beweismittel im engeren Sinne des Beweisrechts. Jedoch zählt seine Einlassung zum Inbegriff der Hauptverhandlung (§ 261) und ist daher vom Gericht bei seiner abschließenden Überzeugungsbildung zu berücksichtigen.296 Damit kommt der Vernehmung des Angeklagten auch unter dem Aspekt der Sachaufklärung erhebliche Bedeutung für den weiteren Gang der Hauptverhandlung zu; insbesondere kann ein glaubhaftes Geständnis eine Beweisaufnahme völlig oder in Teilen überflüssig machen (s. dazu § 244, 9 ff.), was durchaus im Interesse des Angeklagten liegen kann.297 Aus dieser doppelten Zwecksetzung des Absatzes 5 Satz 2 folgt, dass dem Angeklag74 ten die Möglichkeit der Stellungnahme nach Verlesung des Anklagesatzes und Belehrung über die Aussagefreiheit, aber vor Eintritt in die Beweisaufnahme gewährt werden

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292 Schlüchter 464; KMR/Eschelbach 156. 293 BGHSt 13 358, 360; 19 93, 97; BGH NStZ 1981 111; StV 1990 245; KG StV 1982 10. 294 BGHSt 13 358, 360 f.; 19 93, 97; BGH NJW 1957 1527; NStZ 1981 111; 1986 370; KG StV 1982 10; vgl. BayObLGSt 1953 130; Rieß JA 1980 299. 295 RGSt 68 110; OGHSt 3 141, 147; Lesch ZStW 111 (1999) 625 ff.; Roxin/Schünemann § 25, 4; Radtke/ Hohmann/Kelnhofer 32; einschränkend Eisenberg/Pincus JZ 2003 397 (Sachaufklärung tritt zurück); kritisch auch KMR/Eschelbach 140, 156; ders. ZAP Fach 22 712 ff.; a.A. – nur rechtliches Gehör – Degener GA 1992 462; Meyer-Mews JR 2003 361; Schlösser NStZ 2008 312. 296 BGHSt 52 175, 178; Meyer-Goßner/Schmitt § 261, 5; SK/Frister 59. 297 G. Schäfer FS Dahs 445.

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muss.298 Ein Abweichen von dieser grundsätzlich zwingenden Reihenfolge durch Vorziehen von Teilen der Beweisaufnahme – sei es in die einheitliche Sacheinlassung des Angeklagten, sei es durch deren Aufspaltung bei Strukturierung der Hauptverhandlung nach Themenkomplexen, insbesondere bei Punktesachen – ist nur zulässig, wenn hierfür rechtfertigende sachliche Gründe vorliegen, der Schutzzweck der betroffenen Regelungen unangetastet bleibt und der Angeklagte sowie sein Verteidiger zustimmen (s. Rn. 2, 4). Wird ein Angeklagter zur Sache vernommen und belastet er dabei einen noch nicht 75 zur Sache gehörten Mitangeklagten, so verstößt das nicht gegen diese Grundsätze; denn er ist kein Zeuge, seine Einvernahme keine Beweisaufnahme, auch wenn seine Äußerung bei der Urteilsfindung verwertet werden kann.299 2. Gegenstand der Vernehmung des Angeklagten zur Sache ist zunächst der ge- 76 samte geschichtliche Vorgang, der ihm in der zugelassenen Anklage zur Last gelegt wird,300 also die äußere und innere Seite der Tat mit all ihren für den äußeren Hergang und für das Verschulden des Angeklagten wesentlichen Zusammenhängen und Hintergründen. Zur Sachvernehmung gehören außerdem alle Umstände, die für die Bemessung der Rechtsfolgen, vor allem der Strafe, bedeutsam sind. Daher sind die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie der Le- 77 bensgang des Angeklagten bei der Sachvernehmung anzusprechen (s. Rn. 34 f.), zunächst möglichst aber nur, soweit Prozessverlauf und Sachzusammenhänge dies erfordern. Haben diese Umstände nicht schon für die Beurteilung des Tatgeschehens Bedeutung, sondern nur für den Rechtsfolgenausspruch, sollte ihre Erörterung daher bis nach der Beweiserhebung über die Straftat zurückgestellt werden (s. auch Rn. 11 f., 103 f.). Sofern nicht auf Freispruch erkannt wird, muss das Gericht aber – ganz gleich, wann dies geschieht – dafür sorgen, dass die Persönlichkeit des Angeklagten in einem der Bedeutung der Straftat und der Aufklärungspflicht angemessenen Umfang in der Hauptverhandlung erörtert wird. In welchem Umfang die Erörterung der persönlichen Verhältnisse überhaupt notwendig und auf welche Gesichtspunkte dabei besonderes Gewicht zu legen ist, hängt von Art und Schwere der Straftaten ab. Danach richtet sich auch, ob und in welchem Maße das Gericht bei einer den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtenden Interessenabwägung Vorgänge aus dem Intimbereich des Angeklagten zur Sprache bringen darf und wieweit es auf eine Erörterung von den Angeklagten bloßstellenden Umständen verzichten muss. Umfang und Schwere des Eingriffs in Persönlichkeitsrechte des Angeklagten müssen abgewogen werden mit dem Gewicht des gegen ihn erhobenen Vorwurfs und der Bedeutung der zu erörternden Vorgänge für die Aufklärung der Tat sowie die zutreffende Beurteilung der Person des Angeklagten. Alle unnötig bloßstellenden Fragen sind zu vermeiden. Fragen nach der Religionszugehörigkeit sind nur zulässig, soweit dies für die Beurteilung eines Tatbestandsmerkmals von Bedeutung ist (Art. 140 GG, Art. 136 Abs. 3 WV).301 Gleiches gilt für sonstige Fragen, die als diskriminierend gedeutet werden könnten, wie etwa Fragen nach Abstammung oder Rasse (vgl. Art. 3 Abs. 3 GG).

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298 BGH bei Dallinger MDR 1975 368; BayObLGSt 1953 130; KG StV 1982 10; AK/Schöch 44; MeyerGoßner/Schmitt 25 f.; SK/Frister 62. 299 BGHSt 3 384, 385; BGH NStZ 1981 111. 300 BayObLGSt 1971 44. 301 Vgl. Nr. 13 Abs. 5 RiStBV.

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3. Inhaltliche Gestaltung der Vernehmung. Absatz 5 Satz 2 schreibt vor, dass der Angeklagte nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zu vernehmen ist. Der Vorsitzende (§ 238 Abs. 1) hat daher den Angeklagten und, wenn mehrere angeklagt sind, jeden einzelnen von ihnen zu befragen, was er auf die Anklage erwidern will, und ihm ausreichende Gelegenheit zu geben, sich zur Beseitigung der gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe sowie zu seinem Verhältnis zu Mitangeklagten und Zeugen zu äußern und alle zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.302 Im Übrigen ist der Ablauf der Vernehmung nicht geregelt. Insbesondere ist der für die Zeugeneinvernahme maßgebende § 69 weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.303 Der Vorsitzende hat die Vernehmung – abgesehen von den Vorgaben des § 136 Abs. 2 – daher nach seinem Ermessen zu gestalten. Die mit ihr verfolgten Zwecke (Rn. 73) werden dabei jedoch in aller Regel am besten erreichbar sein, wenn er – den Prinzipien des § 69 folgend – den Angeklagten, soweit dieser dazu bereit und in der Lage ist,304 zunächst frei und im Zusammenhang erzählen lässt und erst danach weiter zu Einzelheiten befragt oder Präzisierungen veranlasst.305 Es ist ihm jedoch nicht verwehrt, die zusammenhängende Darstellung des Angeklagten durch Fragen zu unterbrechen oder Vorhalte (s. Rn. 79) zu machen, um alle wesentlichen Gesichtspunkte zur Erörterung zu stellen oder um nicht zur Sache gehörende Ausführungen abzukürzen. Dies kann insbesondere bei einem verwickelten, umfangreichen Anklagevorwurf notwendig werden oder wenn der Angeklagte sich nicht zusammenhängend einzulassen vermag.306 Durch derartige Eingriffe des Vorsitzenden darf dem Angeklagten eine zusammenhängende Darstellung aber nicht unmöglich gemacht werden.307 Keinesfalls darf der Vorsitzende nur die Akten abfragen oder sich an einen vorbereiteten Fragenkatalog klammern.308 Eine Vernehmung in der Form reiner Frage und Antwort ist aber auch nicht schlechthin unzulässig.309 Die bloße Frage, ob der Angeklagte die Tat zugebe, und die bejahende oder verneinende Antwort darauf ist jedoch keine Vernehmung,310 desgleichen nicht die pauschale Bezugnahme auf vorgehaltene oder vorgelesene frühere Einlassungen311 oder die Entgegennahme reiner Rechtsausführungen.312 Der Vorsitzende darf sich damit nur begnügen, wenn der Angeklagte jede weitere Einlassung verweigert. Die allgemeine Aufforderung des Vorsitzenden an eine Mehrzahl von Angeklagten, es mögen die vortreten, die eine strafbare Handlung zugeben wollen, erfüllt die Erfordernisse der Vernehmung nicht.313 Vorhalte aus früheren eigenen Einlassungen des Angeklagten sind zulässig und zur 79 Sachaufklärung, insbesondere bei widersprüchlichen Äußerungen, unerlässlich. Nicht

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302 RGSt 44 284, 285; BGH NStZ 1981 111; StV 1990 245; KG StV 1982 10; KK/Schneider 49; KMR/Eschelbach 166. 303 OLG Schleswig SchlHA 1973 186; KMR/Eschelbach 167; vgl. auch OLGSt 3 141, 147 f.; für eine analoge Anwendung dagegen Roxin/Schünemann § 25, 8; i.E. auch Dencker FS Fezer 124; Salditt StV 1993 443; Wegener NStZ 1981 247; vgl. ferner bei § 136. 304 SK/Frister 71; vgl. Eisenberg (Beweisrecht) 583 ff., 842. 305 BGHSt 13 358, 360; 19 93, 96; BGH NStZ 1981 111; 1986 370, 371; 2000 549; G. Schäfer FS Dahs 445. 306 BGH NStZ 2000 549. 307 BGHSt 13 358, 360; BGH StV 1990 245; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1973 186; Rieß JA 1980 299; Schellenberg 94 f.; Wegener NStZ 1981 247; KK/Schneider 50. 308 Eb. Schmidt 31; vgl. KMR/Eschelbach 166. 309 RGSt 68 110; OGHSt 3 141, 147 f.; BGH NStZ 2000 549; OLG Köln MDR 1956 694, 695; KK/Schneider 50; Meyer-Goßner/Schmitt 31; SK/Frister 70; a.A. wohl Roxin/Schünemann § 25, 8; Salditt StV 1993 443; Wegener NStZ 1981 247. 310 BGH StV 1988 45; KMR/Eschelbach 167; vgl. auch BGHSt 50 40, 49 (reines Formalgeständnis keine hinreichende Urteilsgrundlage); BGH StV 2006 400; 2006 419; näher bei § 244, 9. 311 RGSt 24 94; BGHSt 7 73; BGH bei Herlan MDR 1954 656; bei Dallinger MDR 1974 725. 312 BGH GA 1982 504 (Berufen auf Verjährung). 313 RG JW 1923 387; vgl. auch BGH StV 1988 45.

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sachgerecht ist es dagegen in der Regel, wenn dem Angeklagten aus den Akten die Angaben von Mitangeklagten oder Zeugen vorgehalten werden, die erst nach ihm vom Gericht gehört werden sollen.314 Hier ist erst abzuwarten, was diese vor Gericht selbst aussagen werden. Unzulässig sind Vorhalte aus Niederschriften von Zeugenaussagen, wenn die Zeugen berechtigt sind, das Zeugnis zu verweigern, sofern nicht sicher feststeht, dass sie in der Hauptverhandlung von diesem Recht keinen Gebrauch machen werden. 315 Im Rahmen der Vernehmung kann der Vorsitzende zur Aufklärung von Unklarheiten oder Widersprüchen oder im Interesse einer besseren Transparenz des Verhandlungsgeschehens für die Verfahrensbeteiligten dem Angeklagten mit dessen Zustimmung (s. Rn. 9) begrenzte Teile der Beweisaufnahme vorziehen, etwa ein Beweisstück in Augenschein nehmen lassen oder eine als Beweismittel dienende Schrift verlesen.316 4. Äußere Form der Vernehmung. Der Vorsitzende hat dafür zu sorgen, dass die 80 Vernehmung des Angeklagten in einem ruhigen und sachlichen Ton durchgeführt wird (hierzu und zur Anrede des Angeklagten siehe § 238, 7 ff.). Je nach Sachlage und dem Verhalten des Angeklagten wird der Vorsitzende bei der Vernehmung vorwiegend entweder Festigkeit und Entschlossenheit zu zeigen haben, um unangebrachte Weitschweifigkeiten zu verhindern oder anmaßendes Verhalten zurückzuweisen,317 oder die Gabe, in Fällen von Befangenheit oder Unbeholfenheit Hemmungen zu beheben. Einmischungen anderer Verfahrensbeteiligter in seine Vernehmung des Angeklagten, insbesondere eine vorzeitige Ausübung des Fragerechts (§ 240), kann der Vorsitzende zurückweisen.318 Bestreitet der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat, so ist es mit dem Gebot verständiger Leitung der Verhandlung unvereinbar, dass der Vorsitzende dieses Verhalten des Angeklagten abfällig bespricht.319 5. Sonderformen. Die heftige Auseinandersetzung, die in den letzten Jahren um die 81 nachfolgend behandelten Sonderformen der Sacheinlassung des Angeklagten320 entbrannt ist, erscheint bei näherem Licht betrachtet in Teilaspekten als Sturm im Wasserglas; denn auch die Vertreter der Ansicht, der zufolge als Vernehmung des Angeklagten i.S.d. § 243 Abs. 5 Satz 2 – von Sonderkonstellationen abgesehen – nur die freie mündliche Äußerung des Angeklagten nach dem Leitbild des § 136 Abs. 2 in Betracht kommt, werden dem Angeklagten wohl kaum die Befugnis absprechen wollen, sich in der Hauptverhandlung in anderer Form rechtliches Gehör zu dem gegen ihn erhobenen Tatvorwurf zu verschaffen.321 Dann kann es aber auch nach dieser Auffassung lediglich um die Frage gehen, ob dem Angeklagten gerade zu dem von § 243 Abs. 5 Satz 2 bezeichneten Zeitpunkt der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden muss, sich in anderer

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314 AK/Schöch 47; SK/Frister 71; weitergehend OLG Neustadt NJW 1964 313 (an sich zulässig, ggf. auch zweckmäßig); vgl. auch Wesemann StraFo 2001 296. 315 H.M.; vgl. bereits RGSt 15 100; 27 29; 35 5; 35 164; 39 434; ferner SK/Frister 71; s. auch bei § 252. 316 Meyer-Goßner/Schmitt 26; Pfeiffer 9; SK/Frister 64; weitergehend BGHSt 19 93, 96 (auch ohne Zustimmung des Angeklagten). 317 Vgl. BGH bei Dallinger MDR 1957 16; BayObLG NJW 1993 2948; OLG Schleswig SchlHA 1973 186. 318 Hierzu sowie zur Beanstandung einzelner Fragen des Vorsitzenden durch andere Verfahrensbeteiligte s. § 240, 12 und § 242, 1. 319 BayObLG NJW 1993 2948; so schon v. Bomhardt Recht 1905 237; wegen weiterer Beispiele vgl. § 24, 56. 320 Vgl. die grundsätzlichen Zweifel von Detter FS Rissing-van Saan 107 ff., ob derartige Sonderformen der Einlassung im Verteidigungsinteresse des Angeklagten liegen. 321 Vgl. dazu auch Schlösser NStZ 2008 311 f.; HK/Temming 2, 23.

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Weise zur Sache zu äußern als in dieser Vorschrift eigentlich vorgesehen, oder ob er damit auf einen späteren Zeitpunkt in der Hauptverhandlung verwiesen werden kann.322 Selbst wenn letzteres als rechtlich zulässig zu erachten sein sollte, ist nicht ersichtlich, was durch eine derartige Verschiebung der Sacheinlassung des Angeklagten gewonnen wäre; da sich die Richtung und der Umfang der erforderlichen formellen Beweisaufnahme namentlich auch nach dem Inhalt der Sacheinlassung des Angeklagten bestimmen, macht es keinen Sinn, zunächst mit der Beweisaufnahme zu beginnen und erst während deren Verlauf oder gar erst nach deren Abschluss die Stellungnahme des Angeklagten zum Tatvorwurf zur Kenntnis zu nehmen. 82

a) Einlassung über den Verteidiger. Die Vernehmung des Angeklagten zur Sache geschieht grundsätzlich persönlich und mündlich auf die in Rn. 78 ff. dargestellte Weise.323 Ist er indessen nicht bereit, sich in freier Rede vernehmen zu lassen, so darf er seine Einlassung zum Tatvorwurf auch auf andere Weise vorbringen. Unbeschadet dessen, dass gegebenenfalls der von ihm gewählten Form der Einlassung nach ihrer konkreten Ausgestaltung eine nur eingeschränkte „Beweiskraft“ zukommt,324 darf der Angeklagte seinen Verteidiger damit betrauen, sich für ihn zur Sache zu äußern und eventuell ergänzende Fragen zu beantworten;325 ebenso wenig ist es dem Angeklagten oder seinem Verteidiger verwehrt, eine vorbereitete schriftliche Erklärung vorzulesen (s. Rn. 84 ff.) oder diese auch nur dem Gericht zu übergeben (s. Rn. 87 f.). Allerdings kann der Verteidiger den Angeklagten wegen des höchstpersönlichen Charakters der Einlassung nicht in dem Sinne in der Willensbildung vertreten, dass er für ihn auch entscheidet, welchen Inhalt die Erklärung haben soll. Der Verteidiger ist vielmehr nur befugt, für den Angeklagten die Erklärung abzugeben, sie also für seinen Mandanten dem Gericht zu übermitteln.326 Das wird zwar in Zweifel gezogen.327 Doch ist diese Befugnis richtigerweise schon aus der Beistandsfunktion des Verteidigers (§ 137 Abs. 1 Satz 1) abzuleiten, und zwar unabhängig davon, ob der Angeklagte in der Hauptverhandlung anwesend ist oder nicht.328 Da der Angeklagte zur Sache schweigt und die Erklärung des Verteidigers daher zu dessen Prozessverhalten in Widerspruch tritt, muss in diesen Fällen aber sichergestellt sein, dass der Angeklagte die Einlassung seines Verteidigers billigt und sich damit – gegebenenfalls auch zu seinem Nachteil – zurechnen lassen will.329 Diese Form

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322 Vgl. BGH NStZ 2008 349, 350 m. Bspr. Schlösser S. 310 = StV 2007 622 m. Anm. Schlothauer. 323 BGH NStZ 2000 439; 2004 163; 2004 392; 2008 349, 350 m. Bspr. Schlösser S. 310 = StV 2007 622 m. Anm. Schlothauer. 324 S. auch Rn. 85, 88. 325 Schon im Ausgangspunkt dagegen ablehnend KMR/Eschelbach 177 ff. 326 Sog. Übermittlungslösung; vgl. Detter FS Rissing-van Saan 104 f.; Eisenberg/Pincus JR 2003 402 f.; Geppert FS Rudolphi 658 f.; Gillmeister FS Mehle 240; Michel MDR 1994 648; KMR/Eschelbach 181 („allenfalls akzeptabel“). Im Gegensatz hierzu vertritt die wohl h.M. die sog. Vertretungslösung; vgl. etwa OLG Hamm JR 1980 82 m. abl. Anm. Fezer; SK/Frister 76; Beulke FS Strauda 90 ff.; Dencker FS Fezer 134 f.; ferner Park StV 1998 60 f.; 2001 594 f. (Vertretung in der Erklärung); eine „Vertretung“ abl. BayObLGSt 1980 111, 112; OLG Celle NStZ 1988 426; s. auch m.w.N. zum Streitstand die nachf. Fn. sowie § 234, 14. 327 Vgl. BGH NStZ 2008 349 m. Bspr. Schlösser S. 310 = StV 2007 622 m. Anm. Schlothauer; ferner MeyerMews JR 2003 363 („aus dogmatischer Sicht bedenklich“); Olk (Sacherklärungen) 140 ff.; ders. JZ 2006 206 f.; KK/Schneider 55; offen gelassen von OLG Saarbrücken NStZ 2006 182. 328 OLG Hamm StV 2005 122; OLG Saarbrücken bei Müller/Schmidt NStZ-RR 2004 102; Geppert FS Rudolphi 658 f.; im Ausgangspunkt auch G. Schäfer FS Dahs 451, 454 f.; vgl. ferner BGH NStZ 2008 115, 116; 2008 173, 174; Salditt StV 1993 443; Wesemann StraFo 2001 295; KMR/Eschelbach 179; SK/Frister 73 ff. 329 Vgl. BGH NStZ 1990 447; BayObLGSt 1980 111; OLG Düsseldorf NJW 2002 2728; OLG Hamm JR 1980 82 m. Anm. Fezer; OLG Saarbrücken NStZ 2006 182; Beulke FS Strauda 93 ff.; Drees StRR 2012 244; von der Meden NStZ 2018 80; Michel MDR 1994 648; Rode StraFo 2007 101; Salditt StV 1993 443 f.; HK/Temming 24; MüKo/Arnoldi 66; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 43; differenzierend SK/Frister 74; a.A. G. Schäfer FS

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 243

der Einlassung hat im Zusammenhang mit der Einfügung der Bestimmungen über die Eingangserklärung des Verteidigers (§ 243 Abs. 5 Satz 3 und 4) nunmehr auch der Gesetzgeber als zulässig erachtet.330 Welche Anforderungen an die Billigung der Erklärung des Verteidigers durch den Angeklagten zu stellen sind, ist bisher nicht eindeutig geklärt. Der BGH ist hier in Einzelfällen durchaus großzügig, während die Oberlandesgerichte an die Zurechnung der Sacheinlassung regelmäßig einen strengeren Maßstab anzulegen scheinen.331 Eine allgemein gültige Regel wird sich freilich kaum aufstellen lassen; vielfach werden wohl die Besonderheiten des jeweiligen Falles den Ausschlag geben. Deshalb sollte das Gericht stets auf Klärung drängen, wenn die Sache nicht völlig eindeutig liegt. Es gilt: Von vornherein nicht zurechenbar sind solche Äußerungen des Verteidigers, welche 83 nicht als Sacheinlassung zu verstehen sind, sondern Anträge oder sonstige Prozesserklärungen beinhalten, insbesondere hilfsweise Erwägungen zu einem alternativen Sachverhalt, 332 Fragen zum Sachverhalt 333 oder Tatsachenbehauptungen in Beweisanträgen.334 Insoweit ergeben sich durch die für bestimmte Verfahren nunmehr gesetzlich eröffnete Möglichkeit des „opening statements“ (§ 243 Abs. 5 Satz 3 und 4) neue Abgrenzungsprobleme (s. Rn. 94). Liegt dagegen eine Äußerung des Verteidigers mit Sacheinlassungscharakter vor, ist die Zurechnung etwa dann unproblematisch, wenn der Angeklagte in der Hauptverhandlung erklärt, er sei nur über seinen Verteidiger zur Äußerung bereit,335 oder sich der Einlassung seines Verteidigers ausdrücklich anschließt.336 Gleiches gilt, wenn der Angeklagte trotz an sich zulässiger Abwesenheitsverhandlung anwesend ist, seinem Verteidiger eine – bei Abwesenheitsverhandlung die Befugnis zur Übermittlung seiner Sacheinlassung umfassende (§ 234, 14) – Vertretungsvollmacht erteilt hat und den Erklärungen seines Verteidigers nicht widerspricht;337 denn seine Anwesenheit lässt die Wirkungen der Vollmacht nicht entfallen. Insoweit ist kein Grund ersichtlich, den abwesenden Angeklagten besser als den anwesenden zu stellen338 (hierzu § 234, 4). Ob in sonstigen Fällen allein das Schweigen des – eigene Angaben verweigernden – Angeklagten auf die Sacheinlassung des Verteidigers ebenfalls genügt, erscheint dagegen zweifelhaft.339 Auch dass der Verteidiger die Erklärung ausdrücklich für seinen Mandanten abgibt340 oder auf Nachfrage erklärt, er habe für den Angeklagten

_____ Dahs 455, der davon ausgeht, dass die Erklärungen des Verteidigers mit Sacheinlassungscharakter stets von dem anwesenden Angeklagten autorisiert sind. 330 Vgl. die Begründung zum Gesetz-Entw. der Bundesregierung, BTDrucks. 18 11277 S. 34. 331 S. die Nachw. unter Rn. 83; ferner Olk (Sacherklärungen) 119 ff. Nach G. Schäfer FS Dahs 454 hätte dies längst zu einem Vorlageverfahren nach § 121 Abs. 2 GVG führen müssen. 332 BGH NStZ-RR 2008 21; OLG Hamm JR 1980 82 m. Anm. Fezer; G. Schäfer FS Dahs 450. 333 BGH NStZ 2015 207, 208; BGHR § 243 Abs. 4 Äußerung 4; G. Schäfer FS Dahs 451. 334 BGH NStZ 1990 447; 2000 495, 496; 2015 207, 208; 2016 59, 60 m. Anm. Miebach; BGHR § 243 Abs. 4 Äußerung 4; von der Meden NStZ 2018 80; Miebach NStZ 2000 239; Olk (Sacherklärungen) 72 f., 151 f.; G. Schäfer FS Dahs 451; vgl. auch BGH NStZ 1994 352; StV 1998 59; Burhoff (Hauptv.) 3084 f. Ausgeschlossen ist es freilich nicht, dass der Angeklagte ausdrücklich erklärt, er wolle derartige Behauptungen als seine Sacheinlassung verstanden wissen; Anlass, den Angeklagten dementsprechend zu befragen, hat der Vorsitzende hier allerdings in der Regel nicht. 335 OLG Hamm StV 2005 122. 336 BGH StV 2008 405. 337 Vgl. BGH JZ 2006 204 m. abl. Anm. Olk; Park StV 1998 61; a.A. OLG Saarbrücken NStZ 2006 182, 183. 338 Eisenberg/Pincus JR 2003 402; Park StV 2001 594. 339 So aber BGH StV 1998 59 m. abl. Anm. Park; zust. G. Schäfer FS Dahs 454 f.; a.A. nunmehr BGH NStZ 2006 408; ebenfalls abl. KG StV 2007 620; Beulke FS Strauda 95; Burhoff (Hauptv.) 3084 f.; Geppert FS Rudolphi 658; Michel MDR 1994 648; KK/Schneider 54; MüKo/Arnoldi 66; SSW/Franke 23; offen gelassen von BayObLGSt 2002 120, 122. 340 So aber BGH NStZ 1994 352; NStZ-RR 2000 210.

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§ 243

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gesprochen,341 muss derartige Zweifel nicht zwingend ausschließen, selbst wenn sich der Angeklagte in seinem letzten Wort seinem Verteidiger anschließt342 oder sich bei den anwesenden Eltern des Nebenklägers entschuldigt;343 denn das rechtliche Verständnis des Angeklagten für die prozessualen Zusammenhänge und die an sein Verhalten anknüpfenden Schlussfolgerungen sollte im Allgemeinen nicht zu hoch eingeschätzt werden. Deshalb empfiehlt es sich, dass der Vorsitzende den Angeklagten selbst fragt, ob er die Erklärung des Verteidigers als eigene Sacheinlassung verstanden wissen will,344 und dass dessen Antwort in die Sitzungsniederschrift aufgenommen wird. Zu weit geht es jedoch, wenn eine Zurechnung davon abhängig gemacht wird, dass die Zustimmung des Angeklagten – als wesentliche Verfahrensförmlichkeit – im Protokoll dokumentiert ist,345 oder davon, dass der Angeklagte zuvor über die Folgen der Zustimmung – qualifiziert – belehrt worden ist.346 84

b) Vorlesen einer schriftlichen Erklärung. Der Angeklagte darf sich auch in der Weise äußern, dass er eine vorbereitete Verteidigungsschrift vorliest oder von seinem Verteidiger vorlesen lässt (s. Rn. 82 f.) und erst danach weitere Fragen beantwortet oder im Übrigen schweigt.347 Aus dem Umstand, dass § 243 Abs. 5 Satz 2 ausschließlich auf § 136 Abs. 2 verweist, nicht aber auf § 136 Abs. 1 Satz 6, lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten. Das Ablesen einer schriftlich vorbereiteten Erklärung ist eine mündliche und keine schriftliche Äußerung;348 im Übrigen muss § 243 Abs. 5 Satz 2 vor dem Hintergrund des Art. 103 Abs. 1 GG ausgelegt werden,349 so dass es nicht angängig erscheint, es einem Angeklagten, der in einer solchen Form zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf Stellung nehmen will, zu verwehren, sich auf diesem Weg dem Gericht mitzuteilen. Das Vorlesen einer Verteidigungsschrift ist daher nicht nur in Ausnahmefällen („Sprachfehler“, „Sprachhemmung“) zulässig.350 Aus all dem folgt, dass es dem Angeklagten umso weniger untersagt werden kann, für seine mündlichen Ausführungen lediglich Notizen als

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341 So aber BGH NJW 1993 605, 607; NStZ 1990 447; BGHR § 243 Abs. 4 Äußerung 4; OLG Düsseldorf NJW 2002 2728; OLG Hamm NStZ-RR 2002 14; JR 1980 82 m. abl. Anm. Fezer; OLG Saarbrücken NStZ 2006 182, 183; wie hier dagegen BayObLGSt 1980 111, 112; krit. auch Beulke FS Strauda 96; Geppert FS Rudolphi 658. 342 So aber BGH NStZ-RR 2000 210; BayObLGSt 2002 120, 122. 343 So aber BGH JZ 2006 204 m. abl. Anm. Olk; abl. auch KK/Schneider 54; SSW/Franke 23. 344 Vgl. die Nachw. bei Rn. 82 sowie Geppert FS Rudolphi 658 f. 345 Wie hier G. Schäfer FS Dahs 454; a.A. BayObLGSt 1980 111; OLG Düsseldorf NJW 2002 2728; OLG Hamm NStZ-RR 2002 14; JR 1980 82; KG StV 2007 620; OLG Saarbrücken NStZ 2006 182, 183; Detter FS Rissing-van Saan 105; Geppert FS Rudolphi 659; Gillmeister FS Mehle 240; Meyer-Mews JR 2003 363; Pfister FS Miebach 28; KK/Schneider 54; SK/Frister 75. 346 Detter FS Rissing-van Saan 105; a.A. OLG Hamm JR 1980 82; Beulke FS Strauda 96 f.; Burhoff (Hauptv.) 3084 f.; Gillmeister FS Mehle 240. Verfassungsrechtlich ist eine derartige Belehrung nicht geboten: BVerfG StRR 2008 442 Ls.; nach SK/Frister 75 sollte der Vorsitzende dennoch entsprechend belehren. 347 BGH NStZ 2015 418, 419; Dencker FS Fezer 140 f.; Detter FS Rissing-van Saan 100 f.; Gillmeister FS Mehle 235 f.; Park StV 2001 592; Salditt StV 1993 444; G. Schäfer FS Dahs 449; MüKo/Arnoldi 69; Pfeiffer 10; SK/Frister 72; inzident auch BGH NStZ 2000 439; 2004 163; 2004 392; Eisenberg/Pincus JZ 2003 398; Geppert FS Rudolphi 649; vgl. auch BGHSt 3 368 zu § 258; KMR/Eschelbach 171; a.A. RGRspr. 4 563; RG Recht 1903 Nr. 2524; BGHSt 3 368 (zu § 243 Abs. 5 Satz 2); BayVerfGHE nF 24 178; Meyer-Mews JR 2003 363; AK/Schöch 48; KK/Schneider 53; offen gelassen in BGH NJW 1994 2904, 2906; NStZ 2008 349, 350 m. Bspr. Schlösser S. 310 = StV 2007 622 m. Anm. Schlothauer; OLG Zweibrücken StV 2001 549. 348 BGH NStZ 2009 282, 283; vgl. Olk JZ 2006 205; G. Schäfer FS Dahs 448. 349 Vgl. OLG Hamm JR 1980 82 m. abl. Anm. Fezer; ferner Schlösser NStZ 2008 312; krit. zu diesem Ansatz Geppert FS Rudolphi 647. 350 Gillmeister FS Mehle 235; SK/Frister 72; a.A. aber etwa RG GA 60 (1913) 86; AK/Schöch 48; KK/Schneider 51.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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Gedächtnisstütze zu verwenden,351 die er auch noch während der Hauptverhandlung anfertigen darf (§ 238, 9) und die nicht beschlagnahmt sowie gegen seinen Willen verwertet werden dürfen.352 Eine andere Frage ist, welche Überzeugungskraft einer derart schriftlich vorbereite- 85 ten Erklärung zukommt, insbesondere wenn der Angeklagte nicht dazu bereit ist, weitergehende Fragen oder Vorhalte zu beantworten. Eine solche Form der Einlassung hat das Gericht bei der Würdigung ihres Inhalts durchaus mit einzubeziehen (§ 261). Sie kann Anlass sein, dem Verteidigungsvorbringen des Angeklagten nur geringeres Gewicht beizumessen353 und – wenn die Beweislage im Übrigen gesichert ist – ihm nicht weiter nachzugehen. Nicht ohne Grund regelt etwa auch Nr. 45 Abs. 2 Satz 2 RiStBV für das Geständnis im Ermittlungsverfahren, dass die Einzelheiten der Tat möglichst in den Worten des Beschuldigten wiederzugeben sind.354 Ein nur sehr eingeschränkter Beweiswert kommt der Einlassung insbesondere – regelmäßig – dann zu, wenn sie, wie dies in derartigen Fällen immer wieder zu beobachten ist, mit wenig nachvollziehbaren Erklärungen versucht, um die vorhandenen gegenteiligen Beweise einen nach den Gegebenheiten fernliegenden Sachverhalt zu konstruieren, durch den der Tatvorwurf entkräftet oder zumindest abgemildert werden soll. Liest der Angeklagte oder sein Verteidiger die schriftliche Erklärung vor, so liegt 86 hierin kein Urkundenbeweis über deren Wortlaut. Die Sacheinlassung des Angeklagten ist nicht Teil der formellen Beweisaufnahme (s. § 244 Abs. 1). Auch wenn das Schriftstück anschließend dem Gericht übergeben und als Anlage zur Sitzungsniederschrift genommen wird, kann mit ihm daher im Revisionsverfahren nicht der Nachweis über den genauen Inhalt der Einlassung des Angeklagten geführt werden; denn der Wortlaut des Schriftstücks war nicht Gegenstand der Beweisaufnahme. Den Inhalt der mündlichen Sachäußerung des Angeklagten festzustellen, ist vielmehr allein Aufgabe des Tatrichters. Was dieser hierzu in den Urteilsgründen mitteilt, bindet das Revisionsgericht, das die Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht rekonstruieren kann.355 c) Übergabe einer schriftlichen Erklärung. Nicht selten sind auch die Fälle, in de- 87 nen der Angeklagte zu mündlichen Erklärungen – sei es auch nur in der Form des Vorlesens einer Verteidigungsschrift – überhaupt nicht bereit ist, dem Gericht aber ein von ihm oder seinem Verteidiger verfasstes Schriftstück übergibt, erklärt, hierin sei seine Sacheinlassung niedergelegt, und damit den Wunsch oder Antrag verbindet, das Gericht möge das Schreiben verlesen. Hierdurch wird insbesondere das Ziel verfolgt, tatrichterliche Feststellungen zum Inhalt von Erklärungen des Angeklagten der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich zu machen.356 Insoweit gilt: Das

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351 BGHSt 1 322, 323; KMR/Eschelbach 171; Meyer-Goßner/Schmitt 31. 352 BGHSt 44 46; dies gilt selbstverständlich auch für das vom Angeklagten zur Verlesung bestimmte Schriftstück, das seine Sachäußerung umfassend enthält. 353 BGH NStZ 2003 498, 499 m. Anm. Dahs NStZ 2004 451; 2008 476, 477; KG StraFo 2010 201 f.; Dencker FS Fezer 140 f.; Detter FS Rissing-van Saan 101; Drees StRR 2012 245; Eisenberg/Pincus JZ 2003 399, 403; Olk (Sacherklärungen) 156 f.; kritisch Eschelbach ZAP Fach 22 720 ff.; Gillmeister FS Mehle 241. 354 Vgl. BGH NStZ 2008 173, 174. 355 Vgl. BGH NStZ 2004 163, 164; 2004 392; 2007 349; 2009 173; 2009 282, 283; StV 2011 607 Ls.; Gillmeister FS Mehle 236; Olk (Sacherklärungen) 193 f.; Park StV 2001 592; Pfister FS Miebach 27; Rode StraFo 2007 101; Schlothauer StV 2007 624; Ventzke HRRS 2010 464; a.A. von der Meden NStZ 2018 81 ff. 356 Dahs NStZ 2004 453 zufolge bezwecken solche auf „Einlassungssurrogate“ bezogene „Bestrebungen“ in der Praxis, „die Strafjustiz ein wenig ‚zum Narren zu halten‘ und ‚innovative‘ Revisionsgründe zu schaffen“; vgl. auch Burhoff StV 1997 436.

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Gericht hat den Inhalt des Schriftstücks zur Kenntnis zu nehmen (Art. 103 Abs. 1 GG)357 und die Beweisaufnahme – nach dem Maßstab der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2) – auf alle sich nach seinem Inhalt aufdrängenden Umstände und Beweismittel zu erstrecken.358 Dem Antrag, das Schreiben zu verlesen, muss es dagegen nicht nachkommen. Es handelt sich hierbei nicht um einen zulässigen Antrag auf Urkundenverlesung nach § 249; die Einlassung des Angeklagten zur Sache in der Hauptverhandlung ist keine zulässige Beweistatsache im Sinne des Beweisantragsrechts. Die Beweisbehauptung, der Angeklagte habe sich in einem Schriftstück in einer bestimmten Weise zum Tatvorwurf geäußert, betrifft – für sich betrachtet – grundsätzlich keine für die Entscheidung über den Schuldspruch oder den Rechtsfolgenausspruch relevante Tatsache, die dem Strengbeweis unterliegt.359 Die Sacheinlassung des Angeklagten geht der Beweisaufnahme voraus (s. § 244 Abs. 1) und ihre Form wird in § 243 Abs. 5 Satz 2 festgelegt. Will sich der Angeklagte dem Gericht gegenüber erklären, so darf er oder – mit seinem Einverständnis – auch sein Verteidiger dies jederzeit mündlich tun und sei es auch in der Weise, dass einer von beiden das Schriftstück verliest. Dem Gericht kann der Angeklagte dessen strengbeweisliche Verlesung dagegen nicht aufzwingen.360 Obgleich die Übergabe an das Gericht nicht zur Vernehmung i.S.v. Absatz 5 Satz 2 88 gehört, wird das Schriftstück Aktenbestandteil, sein Inhalt damit verwertbar. Daher kann es nunmehr die Aufklärungspflicht gebieten, das Schreiben zu verlesen.361 Das kann vor allem in Betracht kommen, wenn dieses die erste Äußerung des Angeklagten zum Tatvorwurf, insbesondere ein Geständnis, enthält oder in relevanter Weise frühere Einlassungen ergänzt oder von ihnen abweicht; allein der Umstand, dass der Angeklagte ansonsten schweigt, zwingt indes nicht zur Verlesung des Schriftstücks.362 Der für die Verlesung geeignete Zeitpunkt ist dabei im Rahmen der Sachleitung (§ 238 Abs. 1) nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen. Allerdings gilt es auch hier, die eingeschränkte „Beweiskraft“ rein schriftlicher Einlassungen und damit ihre gegebenenfalls stark geminderte Bedeutung für die Überzeugungsbildung und damit auch die Aufklärungspflicht des Gerichts zu beachten (s. Rn. 85). Allein nach den Maßstäben der Aufklärungspflicht beurteilt sich auch, ob sich das Gericht auf andere Varianten rein schriftlicher Kommunikation einlassen will, zu denen sich der Angeklagte allein bereit findet, etwa Fragen nur in Schriftform entgegenzunehmen und sie auch nur in dieser Form –

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357 A.A. noch RGRspr. 4 563. 358 BGHSt 52 175, 181; BGH NStZ 2013 59, 60. 359 Vgl. BGHSt 52 175, 177 f. m. krit. Bspr. Mehle FS AG Strafrecht DAV 660 ff.; BGH NJW 1994 2904, 2906; NStZ 2000 439; 2008 349, 350 m. Bspr. Schlösser S. 310 = StV 2007 622 m. abl. Anm. Schlothauer; Detter FS Rissing-van Saan 102 f.; Geppert FS Rudolphi 654; G. Schäfer FS Dahs 448 f.; KK/Schneider 58 f.; KMR/Eschelbach 173 f.; a.A. OLG Zweibrücken StV 2001 549; Eisenberg/Pincus JZ 2003 401; von der Meden NStZ 2018 81; Park StV 2001 592 f.; Schlothauer StV 2007 625;. 360 BGH NStZ 2004 163, 164; 2004 392; 2007 349; Meyer-Mews JR 2003 363; KMR/Eschelbach 175 f.; SK/Frister 78; ferner – auch zur a.A. – die Nachw. in der vorst. Fn.; zu Streng-/Freibeweis und Beweisantragsrecht s. § 244, 17 ff., 30 ff., insb. 37. 361 BGHSt 52 175, 181; BGH NJW 1994 2904, 2906; NStZ 2000 439; OLG Zweibrücken StV 2001 549; Detter FS Rissing-van Saan 103; Eisenberg/Pincus JZ 2003 400; Meyer-Mews JR 2003 363 (nur für schriftliche Erklärungen des Angeklagten selbst); G. Schäfer FS Dahs 448 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 30; SK/Frister 79; a.A. Geppert (Unmittelbarkeit) 186 ff. sowie Geppert FS Rudolphi 643 ff., weil der Verlesung § 250 Satz 2 entgegenstehe, der auch für schriftliche Erklärungen des Angeklagten gelte (s. auch KK/Schneider 59). Dies trifft indessen nicht zu. § 250 betrifft nur Zeugen und Sachverständige. Aus der Rückausnahme des § 254 ergibt sich nichts anderes; denn hier wird durch die gestattete Protokollverlesung nicht die Vernehmung des Angeklagten, sondern die Anhörung des Richters ersetzt, der den Angeklagten vernommen hat; vgl. auch BGHSt 39 305. 362 KK/Schneider 59.

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durch seinen Verteidiger – zu beantworten.363 Verliest das Gericht das Schreiben, so wird Beweis über seinen Wortlaut erhoben mit der Folge, dass dieser vom Revisionsgericht als Maßstab zur Überprüfung der Beweiswürdigung des Tatrichters herangezogen werden kann; denn hier bedarf es dann keiner Rekonstruktion der Hauptverhandlung.364 d) Verhandlung ohne den Angeklagten. Findet die Hauptverhandlung nach 89 §§ 231a bis 233 ohne Anwesenheit des Angeklagten statt, so tritt die dort vorgeschriebene Verlesung der Niederschrift über die richterliche Vernehmung des Angeklagten an die Stelle der Vernehmung in der Hauptverhandlung. Auch eine schriftliche Erklärung des Angeklagten ist verlesbar.365 Ist für den Angeklagten ein vertretungsberechtigter Verteidiger erschienen, so kann dieser die Sachdarstellung des abwesenden Angeklagten vortragen (s. § 234, 14). 6. Sitzungsniederschrift. Die Vernehmung des Angeklagten zur Sache muss im 90 Protokoll vermerkt werden; aufzunehmen als wesentliche Förmlichkeit des Verfahrens ist jedoch nur die Tatsache der Vernehmung des Angeklagten als solche, nicht aber der Inhalt seiner Erklärungen.366 Wird dieser gleichwohl aufgenommen, so erstreckt sich darauf nicht die besondere Beweiskraft des Protokolls gemäß § 274.367 Zu protokollieren ist auch, wenn ein zunächst schweigender Angeklagter sich später, etwa im Zusammenhang mit seiner Anhörung nach § 257 oder § 258, zur Sache einlässt,368 nicht dagegen, wenn sich ein Angeklagter, der bereits zur Sache ausgesagt hat, später erneut äußert.369 Wird während der Vernehmung des Angeklagten bereits eine Beweiserhebung vorgenommen, ist dies in der Niederschrift festzuhalten. Dass der Angeklagte von seinem Schweigerecht Gebrauch macht, ist dagegen zwar ein im Urteil anzusprechender Umstand, als solches aber keine selbständige wesentliche Förmlichkeit des Verfahrens.370 Gleiches gilt für die Tatsache, dass dem Angeklagten nach seiner Belehrung tatsächlich Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde; diese Frage ist daher im Zweifel freibeweislich zu klären.371 7. Präklusion. Nur bis zum Beginn der Sachvernehmung des Angeklagten – oder 91 seiner Erklärung, nicht zur Sache aussagen zu wollen – können er und sein Verteidiger wegen nicht rechtzeitiger Ladung die Aussetzung der Hauptverhandlung verlangen (§§ 217, 218); ferner kann nur bis zu diesem Zeitpunkt der Einwand der örtlichen Unzuständigkeit erhoben (§ 16 Satz 3), die Zuständigkeit einer besonderen Strafkammer geltend gemacht (§ 6a Satz 3) oder die Besetzung des Gerichts (hier: Sachvernehmung des ersten Angeklagten) gerügt (§ 222b Abs. 1 Satz 1) werden. Ergibt sich im Laufe der Ver-

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363 Vgl. BGH bei Holtz MDR 1980 986; Park StV 1998 51; s. auch von der Meden NStZ 2018 83: Gericht hat entsprechendem Verlangen „regelmäßig nachzukommen“. 364 BGH NStZ 2004 392; 2007 349. 365 Vgl. etwa BGHSt 39 305, 306; s. auch Rn. 88. 366 RGSt 58 58, 59; BGH NJW 1991 1243; StV 1981 56 m. Anm. Schlothauer; 1990 245; 1997 455; bei Dallinger MDR 1973 557; OLG Köln StV 2004 7. 367 BGH NStZ-RR 1997 73; SK/Frister 60. 368 BGH NJW 1996 533; NStZ 1992 49; 2000 217; StV 2002 531; 2008 235, 236; missverständlich BGH StV 1994 468 m. Anm. Schlothauer. 369 BGH NJW 1996 533, 534; KK/Schneider 63; SK/Frister 60; offen gelassen von BGH NStZ 1992 49. 370 BGH bei Holtz MDR 1981 268 f.; indirekt erschließt sich dies allerdings aus der negativen Beweiskraft des Protokolls, wenn dort keine Vernehmung des Angeklagten zur Sache vermerkt ist; ebenso Schlothauer StV 1994 468. Vgl. auch BGH StV 2008 235 zu dem Fall eines nicht aufklärbaren Widerspruchs zwischen Urteilsgründen (Schweigen) und Protokoll (Äußerung zur Sache). 371 BGH NJW 2016 3795 f.

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handlung die Notwendigkeit, den Angeklagten zu einer neuen Sache zu vernehmen – etwa bei einer Verfahrensverbindung oder einer Nachtragsanklage –, so leben die Rechte, die nur bis zu diesem Zeitpunkt bestehen, wieder auf.372 VIII. Eingangserklärung der Verteidigung (Absatz 5 Satz 3 und 4) 92

1. Gesetzeszweck und Kritik. Schon vor Einfügung der Bestimmungen über die Eingangserklärung der Verteidigung (auch: „opening-statement“) in § 243 Abs. 5 Satz 3 und 4 durch das Gesetz vom 17.8.2017 (s. Entstehungsgeschichte) stand es dem Vorsitzenden im Rahmen seiner Verhandlungsleitung (§ 238 Abs. 1) nach seinem Ermessen frei, nach Verlesung des Anklagesatzes durch den Staatsanwalt – und sinnvollerweise nach der Mitteilung nach Absatz 4 Satz 1 – der Verteidigung die Möglichkeit einzuräumen, sich zu der Anklage, zu etwaigen Vorgesprächen über die Frage einer Verständigung oder zu den aus ihrer Sicht sonst maßgeblichen Punkten der Verteidigungsstrategie zu äußern.373 Auf eine derartige Eingangserklärung hat der Verteidiger unter den in Absatz 5 Satz 3 genannten Voraussetzungen nunmehr einen Anspruch. Danach soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Kommunikation zwischen den Verfahrensbeteiligten zu Beginn der Hauptverhandlung gestärkt sowie der Anspruch des Angeklagten auf umfassendes rechtliches Gehör und Unterstützung durch einen Verteidiger gewahrt werden. Nach den in die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung weitgehend übernommenen374 Erwägungen der Expertenkommission375 soll die Verteidigung Gelegenheit erhalten, die Schwerpunkte ihrer Überlegungen offenzulegen und auf diese Weise ein gezieltes Verhandeln der Streitpunkte zu ermöglichen. Darüber hinaus biete diese Erklärung „erstmals“ die Möglichkeit, allen Verfahrensbeteiligten die aus Sicht der Verteidigung neuralgischen Punkte vor Augen zu führen und auch der Öffentlichkeit Einblick in ihre Sicht des Falles zu gewähren. Es geht also um das Aufzeigen der Verteidigungsstrategie. 93 Unabhängig davon, ob eine derartige Eingangserklärung im Prozessmodell der StPO überhaupt ein sinnvolles Verfahrenselement darstellt376 und ob vor der gesetzlichen Neuregelung Defizite in der Wahrung des rechtlichen Gehörs des Angeklagten und seines Rechts auf den Beistand durch einen Verteidiger in der Hauptverhandlung von Umfangsverfahren zu verzeichnen waren, zeigt die in Absatz 5 Satz 3 aufgenommene Regelung in Verbindung mit der Gesetzesbegründung, dass dem Gesetzgeber wieder einmal einiges durcheinander geraten ist. Während die Expertenkommission die Eingangserklärung als Verfahrensabschnitt „nach Verlesung der Anklage“ und damit im Anschluss an die in § 243 Abs. 3 geregelten Verfahrenshandlungen vorsah,377 hat sie der Gesetzgeber in sachwidriger Weise mit der Einlassung des Angeklagten verknüpft, indem er den Anspruch auf Abgabe einer Einlassungserklärung davon abhängig gemacht hat, dass der Angeklagte nicht von seinem Schweigerecht Gebrauch macht.378 Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 243 Abs. 5 Satz 3, da ein Verfahrensstadium „vor der Vernehmung des Angeklagten“ nur eintritt, wenn dieser zu einer Sacheinlassung bereit ist. Dies ent-

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372 Vgl. BGHSt 18 46 zu § 25 a.F.; ferner bei §§ 237, 266. 373 S. LR/Becker26 53 m.w.N. 374 BTDrucks. 18 11277 S. 33 f. 375 Vgl. Bericht der Expertenkommission 116. 376 S. auch die Erwägungen im Bericht der Expertenkommission 115 f.; ablehnend Radtke DRiZ 2017 191 („schwerlich kompatibel“); mit Recht auch sehr kritisch Schneider FS Rogall 669, 689 f. 377 Bericht der Expertenkommission 115. 378 A.A. Burhoff StRR 9/2018 7.

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spricht aber auch dem Willen des Gesetzgebers, denn laut der Gesetzesbegründung knüpft der Anspruch auf Abgabe einer Eingangserklärung an das schon bestehende Recht des Angeklagten nach § 243 Abs. 5 Satz 2 an, ohne ein eigenes Recht des Verteidigers zu schaffen.379 Damit ist bereits übersehen, dass das Einlassungsverhalten des Angeklagten und das verfahrensmäßige Vorgehen des Verteidigers prinzipiell nicht voneinander abhängen, letzterer die Verteidigung vielmehr selbständig vom Prozessverhalten des Angeklagten und dessen eventuellen Weisungen führt. Darüber hinaus ist maßgeblicher Sinn des „Opening Statement“ nicht unbedingt, die Sacheinlassung des Angeklagten in der Form einer Verteidigererklärung in die Hauptverhandlung einzuführen (s. dazu näher Rn. 82). Vielmehr soll sie – wie gesagt – auch aus Sicht des Gesetzgebers380 in erster Linie die Verteidigungsstrategie aufzeigen (Rn. 92). Diese kann aber durchaus auch darin bestehen, dass der Angeklagte zum Tatvorwurf schweigt,381 und die Verteidigung maßgeblich etwa dessen Beweisbarkeit in Abrede stellt oder sich mit reinen Rechtsausführungen gegen die Strafbarkeit des dem Angeklagten angelasteten Verhaltens wendet. Warum in einem solchen Fall kein Recht auf Abgabe einer Eingangserklärung bestehen soll, erschließt sich nicht. Zwar bleibt es auch hier dem Vorsitzenden unbenommen, dem Verteidiger über § 238 Abs. 1 das Wort zu einer Eingangserklärung zu erteilen (Rn. 96). Eine in sich konsistente gesetzliche Regelung sieht aber anders aus. Laut der Gesetzesbegründung soll die Abgabe einer Eingangserklärung außerdem nicht dazu führen, „dass das Gericht den Angeklagten daneben nicht auch persönlich zur Sache vernehmen kann“. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Abgesehen davon, dass das Gericht den Angeklagten, der von seinem Anspruch auf rechtliches Gehör persönlich Gebrauch machen will, nicht nur vernehmen „kann“, sondern vernehmen muss (§ 243 Abs. 5 Satz 2), wird an dieser Stelle doch deutlich, dass der Gesetzgeber den Unterschied zwischen Sacheinlassung des Angeklagten und Eingangserklärung des Verteidigers nicht völlig verkannt hat. Es ist allerdings einzuräumen, dass es durchaus nicht immer leicht sein dürfte, eine 94 Eingangserklärung im Sinne einer reinen Darlegung der Verteidigungsstrategie von Einlassungen zum Tatvorwurf oder zumindest einlassungsähnlichen Ausführungen des Verteidigers abzuschichten. Die Erwägung des Gesetzgebers, wonach in den Fällen, in denen die Eingangserklärung oder Teile davon als Einlassung des Angeklagten ausgestaltet sind, die sich dieser zu eigen macht, die folgende Vernehmung des Angeklagten sich gegebenenfalls auf die Klärung offen gebliebener Punkte beschränken könne, macht daher in der Sache durchaus Sinn, mangelhaft ist lediglich die gesetzestechnische Umsetzung. Enthält das „Opening Statement“ Ausführungen zur Sache, so ist der Angeklagte zu befragen, ob er sich diese zueigen macht.382 Bejaht er dies, so sind sie bei der Entscheidungsfindung verwertbar.383 In diesem Fall kann seine Einlassung zur Sache, so er zu einer solchen auch persönlich bereit ist, dann darauf aufbauen. Es ist ihm aber auch nicht verwehrt, sich umfassend zum Tatvorwurf zu äußern; hat er sich die Angaben seines Verteidigers mit Sacheinlassungscharakter zueigen gemacht, kann dies dann zu Misslichkeiten führen, wenn seine Aussage Elemente enthält, die der vorher abgegebe-

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379 BTDrucks. 18 11277 S. 33; s. auch Meyer-Goßner/Schmitt 31c. 380 BTDrucks. 18 11277 S. 33 f. 381 Vgl. Burhoff StRR 9/2018 5. 382 Burhoff StRR 9/2018 5 f. 383 S. Rn. 82 f. sowie Schneider FS Rogall 677; Singelnstein/Derin NJW 2017 2651; a.A. Meyer-Goßner/ Schmitt 31c (Verwertbarkeit „qua Gesetz“); wohl auch Kudlich JR 2016 521 („zurechenbare Teileinlassung“).

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nen Sacheinlassung des Verteidigers widersprechen, sodass zunächst geklärt werden muss, was insoweit überhaupt als Einlassung des Angeklagten gelten soll.384 2. Gesetzliche Voraussetzungen; Inhalt der Erklärung (Absatz 5 Satz 3). Einen Anspruch auf Abgabe einer Eingangserklärung hat die Verteidigung – so der Angeklagte zur Äußerung bereit ist (Rn. 93) – nur in erstinstanzlichen Verfahren vor den Land- und Oberlandesgerichten, in denen die Hauptverhandlung „voraussichtlich“ länger als zehn Tage dauern wird (vgl. § 213 Abs. 2). Sind von vornherein mehr als zehn Sitzungstage terminiert, so wird grundsätzlich von einer derartigen Dauer der Hauptverhandlung auszugehen sein, auch wenn nach dem Verhandlungsplan Termine angesetzt sind, die nicht den gesamten Sitzungstag ausfüllen.385 Anders kann es aber schon dann liegen, wenn nach Terminierung erfolgversprechende Verständigungsgespräche geführt worden sind, die in ein verfahrensabkürzendes (Teil-)Geständnis zu münden versprechen, oder wenn auch ohne derartige Vorgespräche nach der Terminierung ein das Verfahren abkürzendes Geständnis angekündigt wird. Schon hier ist Konfliktpotential angelegt. Noch konfliktträchtiger kann sich die Frage der Eingangserklärung gestalten, wenn der Terminierung der Hauptverhandlung – was nicht selten vorkommt – kein vollständiger Verhandlungsplan zugrunde liegt, weniger als zehn Sitzungstage anberaumt sind, aber nach dem Umfang der Sache eventuell zu erwarten steht, dass bei umfassender Beweisaufnahme mehr als zehn Hauptverhandlungstermine benötigt werden. In all diesen Fällen sollte der Vorsitzende bei seiner Beurteilung der Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 3 im Allgemeinen, insbesondere wenn kein Missbrauch des Erklärungsrechts zu erwarten steht, nicht zu engherzig vorgehen; dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass Absatz 5 Satz 3 ohnehin keine abschließende Regelung für die Abgabe einer Eingangserklärung darstellt (s. Rn. 96). Liegen die genannten Voraussetzungen für die Abgabe einer Eingangserklärung vor, so hat der Vorsitzende nicht die Befugnis, vorab eine Umschreibung von deren Inhalt zu verlangen und danach eine von ihm als angemessen erachtete zeitliche Höchstdauer der Erklärung festzusetzen; dies gilt unabhängig davon, wieviele Verteidiger für einen Angeklagten sprechen wollen.386 Er hat vielmehr erst einzugreifen, wenn sich während der Erklärung herausstellt, dass diese die Grenzen des Zulässigen nicht einhält. Sind die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 3 nicht erfüllt, so bleibt es dem Vor96 sitzenden – sei er Strafrichter, Vorsitzender des Schöffengerichts, einer Strafkammer oder eines OLG-Senats – entsprechend dem bisher Üblichen unbenommen, dennoch im Rahme seiner Verhandlungsleitung eine Eingangserklärung der Verteidigung nach seinem Ermessen zuzulassen, wenn er eine solche für sinnvoll erachtet.387 Gleiches gilt für eine Eingangserklärung des Angeklagten selbst, die die Expertenkommission erwogen,388 die aber keinen Eingang in das Gesetz gefunden hat. Ein Recht der Staatsanwaltschaft auf Replik zur Eingangserklärung der Verteidigung hat der Gesetzgeber entgegen 95

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384 Vgl. auch Kudlich JR 2016 521. 385 A.A. Meyer-Goßner/Schmitt 31b, der der Zahl der anberaumten Verhandlungstage lediglich „Indizwirkung“ für den Verfahrensumfang zubilligt; Schneider FS Rogall 670 f., der zehn Sitzungstage mit einer voraussichtlichen Verhandlungsdauer von fünf bis sechs Stunden verlangt. Damit würden indes nur Abgrenzungsschwierigkeiten geschaffen und Konfliktpotential eröffnet. 386 A.A. Schneider FS Rogall 682 f. 387 So auch BTDrucks. 18 11277 S. 33; Meyer-Goßner/Schmitt 31f; Schneider FS Rogall 674 will aus Gründen der „Waffengleichheit" in besonderen Konstellationen einen Anspruch der Staatsanwaltschaft auf Abgabe einer Replik anerkennen. 388 Bericht der Expertenkommission 115.

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dem Vorschlag der Expertenkommission389 ebenfalls nicht in das Gesetz aufgenommen. Auch eine solche Replik kann der Vorsitzende indes im Rahmen seiner Sachleitungsbefugnis zulassen.390 Er sollte bei alledem aber darauf achten, dass der Beginn der Hauptverhandlung nicht in ein allgemeines Palaver und ein Schaulaufen der Beteiligten ausartet,391 die Ausführungen sich vielmehr am Zweck derartiger Erklärungen orientieren (s. Rn. 97) Die Eingangserklärung ist ihrem Inhalt nach entsprechend dem Gesetzeszweck 97 zu beschränken. Sie dient im Grundsatz nur der Darlegung der Verteidigungsstrategie (s. Rn. 92). Daher werden etwa Würdigungen noch nicht erhobener Beweise, voreilige Plädoyers sowie abschweifende propagandistische oder sonstige nicht zur Sache gehörende Ausführungen von dem Äußerungsrecht nicht umfasst;392 sie sind zu unterbinden (vgl. Absatz 5 Satz 4;393 s. Rn. 98). Das Gesetz beschränkt sich insoweit auf den Hinweis, dass die Eingangserklärung den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Im Anschluss an die Erwägungen des Gesetzgebers, ist es aber darüber hinaus als zulässig zu erachten, dass die Eingangserklärung über ihren eigentlichen Zweck hinaus auch Einlassungen zur Sache enthält, die sich der Angeklagte zueigen machen kann (s. oben Rn. 93 f.). 3. Missbrauchsabwehr (Absatz 5 Satz 4). Erstaunlicherweise befassen sich die 98 Ausführungen der Expertenkommission zur Eingangserklärung vorab mit der Missbrauchsgefahr und deren Abwehr,394 bevor sie sich den (vermeintlichen) Vorteilen einer solchen Erklärung zuwenden. Die in der Einführung eines entsprechenden gesetzlichen Anspruchs schlummernde Gefahr für einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf wurde also durchaus erkannt. Die Expertenkommission hatte zu deren Abwehr vorgeschlagen, eine entsprechende Anwendung des § 257a vorzusehen. Der Gesetzgeber hat in Absatz 5 Satz 4 Halbsatz 1 die dem § 257a Satz 1 entsprechende Regelung aufgenommen, dass der Vorsitzende dem Verteidiger aufgeben kann, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen. Er hat dies allerdings unter die in § 257a nicht enthaltene395 Voraussetzung gestellt, dass der Verfahrensablauf durch die Weiterführung der mündlichen Erklärung erheblich verzögert würde. Wann dies der Fall ist, darüber lässt sich trefflich streiten; das Gesetz bietet daher auch insoweit deutliches Konfliktpotential.396 Allgemein wird insoweit Folgendes zu erwägen sein: Die Bewertung der Erheblichkeit einer Verzögerung des Verfahrensablaufs (allein) nach einem Zeitmoment greift zu kurz und führt nicht weiter.397 Es ist vielmehr nach dem Inhalt der Erklärung zu differenzieren. Hält sich der Verteidiger

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389 Bericht der Expertenkommission 116 f. 390 So auch die Gesetzesbegründung BTDrucks. 18 11277 S. 34; Meyer-Goßner/Schmitt 31f; Schneider FS Rogall 669. S. außerdem Schneider aaO S. 687 ff.: Der Nebenklage darf der Vorsitzende auch über § 238 Abs. 1 die Möglichkeit einer Replik nicht gewähren. 391 Meyer-Goßner/Schmitt 31f. 392 Vgl. Bericht der Expertenkommission 116; Begründung zum Gesetz-Entw. der Bundesregierung, BTDrucks. 18 11277 S. 34. 393 Nach Schneider FS Rogall 675 f., 679 f. soll es in derartigen Fällen bei dem Wortentzug sein Bewenden haben; § 243 Abs. 5 Satz 4 gelte nur für zeitlich überbordende Eingangserklärungen zulässigen Inhalts und finde daher keine Anwendung. Dies steht im Gegensatz zur Ansicht des Gesetzgebers (s. die vorherige Fn); auch würden hiermit nur weitere Abgrenzungsprobleme geschaffen und Konflikte provoziert. Ebensowenig kann eine besondere Problematik darin gesehen werden, dass den Verfahrensbeteiligten eine verschriftete Einlassungserklärung zur Kenntnis gebracht wird (s. Rn. 99), die (auch) unzulässige Inhalte umfasst (a.A. Schneider aaO S. 685 ff.). 394 Bericht der Expertenkommission 116. 395 Zu den daraus dort resultierenden Streitfragen s. nur Meyer-Goßner/Schmitt § 257a, 2 m.w.N. 396 So auch Meyer-Goßner/Schmitt 31d f.; Schneider FS Rogall 678. 397 S. aber auch Schneider FS Rogall 678: 30 Minuten als „grober Richtwert“ für die Höchstdauer.

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mit seinen Ausführungen in den bei Rn. 92, 97 umschriebenen Grenzen (Aufzeigen der Verteidigungsstrategie; Einlassung zur Sache), so wird – von extremen Ausnahmefällen abgesehen – kaum je die Bewertung in Betracht kommen, durch die Fortführung der mündlichen Erklärung werde das (Umfangs-)Verfahren erheblich verzögert.398 Soweit es um die Einlassung zur Sache geht, ist außerdem zu beachten, dass nur der mündliche Vortrag zum Inbegriff der Hauptverhandlung wird (s. Rn. 86) und es schon aus diesem Grund ausgeschlossen ist, den Verteidiger auf eine schriftliche Erklärung zu verweisen, die sich der Angeklagte später zueigen macht. Überschreitet der Verteidiger dagegen die Grenzen des Erklärungsrechts, so ist ein alsbaldiges Einschreiten des Vorsitzenden geboten. Wird die Eingangserklärung als Bühne für propagandistische, politische oder sonst sachfremde Auslassungen genutzt, so können sie sofort unterbunden werden; denn diese tragen nichts zur Entscheidungsfindung bei und verzögern daher unabhängig von ihrer Dauer das Verfahren in einem rechtlichen Sinne erheblich. Schwieriger ist die Beurteilung, wenn die Darlegungen zwar sachbezogen sind, aber sich etwa in einer antizipierenden Beweiswürdigung etc. ergehen.399 Hier wird man zumindest zunächst eine Abmahnung durch den Vorsitzenden verlangen müssen, mit der dieser auf den zulässigen Zweck der Eingangserklärung hinweist. Erst wenn dies nichts fruchtet, wird er den Verteidiger auf das Einreichen einer schriftlichen Erklärung verweisen dürfen. Gemäß Absatz 5 Satz 4 Halbsatz 2 gilt für die einzureichende schriftliche Erklärung 99 § 249 Abs. 2 Satz 1 entsprechend. Nach der Gesetzesbegründung soll damit dem Vorsitzenden die Möglichkeit gegeben werden anzuordnen, dass die schriftliche Erklärung im Selbstleseverfahren eingeführt wird. Da diese Erklärung anders als die in § 249 genannten Urkunden kein Beweismittel darstelle, bedürfe es des Widerspruchsrechts nach § 249 Abs. 2 Satz 2 und der Protokollierungspflicht nach § 249 Abs. 2 Satz 3 nicht.400 Dass die schriftliche Erklärung nicht verlesen werden muss und § 243 Abs. 5 Satz 4 Halbsatz 2 nicht eine Alternative zu deren Verlesung eröffnen will, versteht sich von selbst; denn durch die Verlesung würde der Zweck des § 243 Abs. 5 Satz 4 Halbsatz 1 konterkariert. Welche Bedeutung § 243 Abs. 5 Satz 4 Halbsatz 2 danach aber tatsächlich zukommt, bleibt rätselhaft. Wenn hierdurch nach Meinung des Gesetzgebers nur die „Möglichkeit“ des Selbstleseverfahrens eröffnet werden soll, so bedeutet dies, dass nach seiner Auffassung das Schreiben alternativ auch einfach in der Akte verschwinden kann. Einer irgendwie gearteten Bekanntgabe des Schriftstücks an die Verfahrensbeteiligten bedürfte es somit nicht. Das kann kaum richtig sein. Zumindest die Richter können nicht davon Abstand nehmen, sich Kenntnis vom Inhalt der schriftlichen Erklärung zu verschaffen; denn sie haben zu prüfen, ob darin verfahrensrelevantes Vorbringen enthalten ist, das zu weiteren Verfahrenshandlungen Anlass gibt; dies gebietet schon der Anspruch des Angeklagten auf rechtliches Gehör. Die übrigen Verfahrensbeteiligten haben jedenfalls das Recht, die schriftliche Erklärung zur Kenntnis zu nehmen; denn sie wird Aktenbestandteil, unterliegt daher ihrem Einsichtsrecht und kann auch sie eventuell zu Anträgen oder sonstigen Verfahrenshandlungen veranlassen.401 Man wird § 243 Abs. 5 Satz 2 Halb-

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398 Vgl. Burhoff StRR 9/2018 8 f. 399 Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt 31d zur Zulässigkeit des Eingehens „auf die Beweislage im Sinne der Anklage“ und des Hinweises „auf mögliche kritische Punkte der Beweisführung“ einer- und unzulässiger Vorwegnahme des Schlussvortrags andererseits. 400 BTDrucks. 18 11277 S. 34. 401 Schneider FS Rogall 679. Jedoch soll nach Schneider (aaO S. 685 ff.) der Vorsitzende, wenn die Verschriftung auch unzulässige Inhalte – etwa antizipierende beweiswürdigende Erwägungen – umfasst, gehalten sein, vor der Übergabe der Verschriftung an die Verfahrensbeteiligten darauf hinzuweisen, dass das Gericht die fraglichen Passagen „nicht zur Kenntnis nehmen wird“. Dies ist indes schon von den

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satz 2 vor diesem Hintergrund daher dahin verstehen können, dass er für die Erledigung dieser schlichten Selbstverständlichkeiten ein förmliches Vorgehen anbietet, das die StPO in anderem Zusammenhang für eine ähnliche Prozesssituation vorsieht. 4. Sitzungsniederschrift. In das Protokoll sind als wesentliche Förmlichkeiten des 100 Verfahrens aufzunehmen der Antrag des Verteidigers auf Worterteilung zur Abgabe einer Eingangserklärung, die Tatsache der Abgabe einer solchen Erklärung (nicht deren Inhalts), woraus sich inzident auch die Worterteilung durch den Vorsitzenden ergibt, sowie die Verweigerung der Worterteilung seitens des Vorsitzenden samt der hierfür gegebenen (in der Regel knappen) Begründung. Ebenso zu protokollieren ist die Anordnung des Vorsitzenden, mit der er die mündliche Erklärung abbricht und den Verteidiger darauf verweist, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen; auch die hierfür gegebene Begründung ist in die Niederschrift aufzunehmen. Dagegen ist das Vorgehen nach Absatz 5 Satz 4 Halbsatz 2 i.V.m. § 249 Abs. 2 Satz 1 nicht zu protokollieren, da der Gesetzgeber ausdrücklich auf eine Verweisung auf § 249 Abs. 2 Satz 3 verzichtet hat. IX. Feststellung der Vorstrafen (Absatz 5 Sätze 5 und 6) 1. Zweck der Regelung. Durch Absatz 5 Sätze 5 und 6 ist klargestellt, dass die Erör- 101 terung und Feststellung der Vorstrafen, also aller wegen Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten früher verhängter Strafen, Geldbußen oder sonstiger Rechtsfolgen, ganz gleich, in welchem Register (Straf-, Erziehungs- oder Verkehrszentralregister) sie erfasst sind, nicht zur Vernehmung des Angeklagten zur Person gehört. Der Grund hierfür ist zum einen zu vermeiden, dass durch frühzeitige Bekanntgabe der Vorstrafen von vornherein eine Voreingenommenheit – insbesondere bei den Schöffen – gegen den Angeklagten entstehen kann,402 zum anderen, dass die Erwähnung der Vorstrafen und damit eine Bloßstellung des Angeklagten403 überhaupt vermieden werden soll, solange nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass sie für die Entscheidung Bedeutung erlangen.404 2. Bedeutsamkeit der Vorstrafen (Satz 5). Von Bedeutung können Vorstrafen im 102 Einzelfall bereits für den Schuldspruch sein, etwa wenn ein kriminologisch relevanter Zusammenhang zwischen ihnen und einer angeklagten neuen Tat besteht405 oder sie ein Tatbestandsmerkmal der jetzt abzuurteilenden Straftat belegen (s. die Rückfallqualifikation des § 176a Abs. 1 StGB) oder zumindest Indizwirkung hierfür haben (z.B. für Gewerbsmäßigkeit).406 In solchen Fällen werden sie zweckmäßigerweise bei der Erörterung der Delikte, für die sie relevant sein können, mit dem Angeklagten durchgesprochen. Im Übrigen sind die Vorstrafen vor allem für die Rechtsfolgenentscheidung relevant (s. insb. auch § 66 StGB). Sie können strafschärfend herangezogen werden, wobei aber immer im Einzelfall geprüft werden muss, ob den Vorstrafen für das Maß von Rechtswidrigkeit und Schuld Aussagekraft zukommt. Selbst die (strafmildernde) Feststellung, dass

_____ vorausgesetzten tatsächlichen Abläufen her zweifelhaft, ist rechtlich nicht geboten und würde das Verfahren daher unnötig nur noch weiter verkomplizieren. 402 Gössel 186; SK/Frister 80. 403 BGHSt 27 216, 218; SK/Frister 80. 404 Kleinknecht JZ 1966 159; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 44. 405 KK/Schneider 65; KMR/Eschelbach 192; Meyer-Goßner/Schmitt 33; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 44; SK/Frister 81. 406 Vgl. AK/Schöch 53.

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der Angeklagte nur geringfügig und nicht einschlägig vorbestraft sei, lässt sich ohne Erörterung der Vorstrafen nicht treffen; auch diejenige, dass er nicht bestraft ist, setzt zumindest eine entsprechende Frage an den Angeklagten und dessen Antwort darauf voraus. Eine Erörterung der Vorstrafen wird dem Angeklagten deshalb in der Regel nur dann völlig erspart werden können, wenn es zu einem Freispruch kommt oder wenn es bei der Art der abzuurteilenden Straftat unerheblich ist, ob der Angeklagte wegen eines völlig anderen Delikts vorbestraft ist.407 Ob nach diesen Maßstäben Feststellungen zu Vorstrafen zu treffen sind, entscheidet gemäß § 238 Abs. 1 (zunächst) der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen.408 103 Getilgte oder tilgungsreife Vorstrafen dürfen nicht mehr vorgehalten und zum Nachteil des Angeklagten verwertet werden (§ 51 Abs. 1, § 66 BZRG), sofern nicht die Ausnahmen des § 52 BZRG eingreifen409 (für das Verkehrszentralregister: § 29 Abs. 7 StVG). Sie können daher keine Bedeutung für die Entscheidung i.S.d. § 243 Abs. 5 Satz 5 erlangen und dürfen daher weder mit dem Angeklagten erörtert noch sonst festgestellt werden. Sind die Vorstrafen im Register bereits gelöscht, so ist das Gericht an diesen begünstigenden Verwaltungsakt gebunden, auch wenn dies zu Unrecht geschehen sein sollte.410 Dagegen ist es nicht gehindert, selbst festzustellen, dass eine im Strafregister zu Unrecht vermerkte Vorstrafe in Wirklichkeit bereits hätte getilgt werden müssen oder dass sie in Wirklichkeit überhaupt nicht vorlag; denn die Eintragung im Register hat keine konstitutive Wirkung.411 3. Zeitpunkt der Feststellung (Satz 6). Auch den Zeitpunkt, zu dem die Vorstrafen festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende im Rahmen der Sachleitung nach pflichtmäßigem Ermessen. Der früheste zulässige Zeitpunkt ist der Beginn der Vernehmung des Angeklagten zur Sache.412 Für die Wahl des Zeitpunkts muss jedoch – neben den Sachzusammenhängen – vor allem der Schutzzweck der Regelung richtungsweisend sein. Er sollte daher so spät wie möglich liegen.413 Bei Vorstrafen, die nur für den Rechtsfolgenausspruch von Bedeutung sind, ist es daher angezeigt, ihre Erörterung so lange zurückzustellen, bis die Beweisaufnahme geklärt hat, dass ein Freispruch nicht in Frage kommt (vgl. auch Nr. 134 Satz 3 RiStBV).414 Der Vorsitzende hat jedoch kein Mittel, die Beteiligten daran zu hindern, Beweisan105 träge zu Vorstrafen des Angeklagten schon frühzeitig zu stellen. Wenn auch die Bescheidung solcher Anträge zunächst zurückgestellt werden darf,415 so kann doch schon der Vortrag eines Beweisantrages, der eine bestimmte Bestrafung behauptet, die Voreingenommenheit oder überflüssige Bloßstellung bewirken, die das Gesetz dem Angeklagten ersparen will. Es bedarf deshalb eines verständnisvollen Zusammenwirkens aller Beteiligten, auch der Anwälte etwaiger Nebenkläger, um den Gesetzeszweck nach Möglichkeit zu erreichen. Vor allem der Staatsanwalt soll solche Beweisanträge erst stellen,

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407 Meyer-Goßner/Schmitt 33. 408 Vgl. SK/Frister 83. 409 Vgl. BGHSt 25 100 f.; 27 108; BGH NJW 2005 813; NStZ 1983 19; 2006 587. 410 BGHSt 20 205; SK/Frister 80. 411 SK/Frister 80. 412 BGH bei Dallinger MDR 1968 203; OLG Stuttgart NJW 1973 1941; Gössel 186; Römer GA 1969 335 f.; Eb. Schmidt NJW 1969 1145. 413 Vgl. BGHSt 27 216, 218 f.; KK/Schneider 65; Meyer-Goßner/Schmitt 34; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 47; SK/Frister 83; bedenklich dagegen Schlüchter 468 („bei voraussichtlicher Verurteilung“ möglicherweise zweckmäßig am Schluss der Vernehmung zur Sache). 414 Kleinknecht JZ 1965 159; AK/Schöch 54; Meyer-Goßner/Schmitt 34. 415 Meyer-Goßner/Schmitt 35; SK/Frister 84.

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wenn der Verfahrensstand dies unerlässlich macht.416 Der Angeklagte selbst ist durch Absatz 5 Sätze 5 und 6 nicht gehindert, Bestand und Inhalt einer früheren Verurteilung jederzeit zum Gegenstand eines Beweisantrags zu machen.417 4. Eine Beweisaufnahme über die Vorstrafen ist nicht notwendig, wenn sie vom 106 Angeklagten glaubhaft eingeräumt werden. Der Angeklagte ist aber nicht verpflichtet, seine Vorstrafen anzugeben.418 Er ist auch insoweit berechtigt zu schweigen. Tut er dies, wird über die Vorstrafen durch Verlesen des entsprechenden Registerauszuges oder, wenn dessen Richtigkeit bestritten wird, durch Verlesen der früheren Urteile419 Beweis erhoben. Das kann – mit seiner Zustimmung (s. Rn. 9) – schon während der Vernehmung des Angeklagten zur Sache geschehen, sofern es schon hier zu Erörterungen über Vorstrafen kommt. 5. Sitzungsniederschrift. Die Erörterung der Vorstrafen mit dem Angeklagten ist 107 keine wesentliche Förmlichkeit des Verfahrens, die im Protokoll festgehalten werden müsste.420 Wird jedoch über die Vorstrafen förmlicher Beweis erhoben, so ist dies zu protokollieren.421 X. Rechtsbehelfe 1. Anrufung des Gerichts. Über die rechtliche Zulässigkeit (nicht die Zweckmäßig- 108 keit) von Maßnahmen des Vorsitzenden mit Sachleitungscharakter (vgl. § 238, 19 ff.), wie etwa die Abweichung vom vorgesehenen Verfahrensgang, die Gestaltung der Vernehmung des Angeklagten,422 die Zulässigkeit seiner Fragen bei der Vernehmung des Angeklagten, die Worterteilung zur Eingangserklärung des Verteidigers oder deren Verweigerung bzw. die Verweisung des Verteidigers auf eine schriftliche Einreichung der weiteren Eingangserklärung kann nach Maßgabe von § 238 Abs. 2, § 242 die Entscheidung des Gerichts herbeigeführt werden. Wegen der Einzelheiten, insbesondere auch der Notwendigkeit, zur Wahrung einer entsprechenden Revisionsrüge von diesem Rechtsbehelf Gebrauch zu machen, vgl. die dortigen Erläuterungen. 2. Der Beschwerde sind die Maßnahmen des Vorsitzenden auf Grund des § 243 und 109 die diesbezüglichen Beschlüsse des Gerichts durch § 305 Satz 1 in der Regel entzogen. Anders ist es nur, wenn hierdurch Dritte betroffen werden (§ 305 Satz 2). Zu denken ist hier etwa an einen Zuhörer, der als potentieller Zeuge aus dem Sitzungssaal gewiesen wird. 3. Revision a) Auf Verstöße gegen Absatz 1 kann die Revision in der Regel nicht gestützt wer- 110 den. Da der Aufruf der Sache (Absatz 1 Satz 1) die Beteiligten erst zum Erscheinen veranlassen und die Feststellung ihrer Anwesenheit einleiten soll, kann an die fehlende

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416 417 418 419 420 421 422

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Nr. 134 RiStBV; Meyer-Goßner/Schmitt 35; SK/Frister 84. Vgl. BGHSt 27 216, 220. Hartung JR 1952 44. KK/Schneider 66; KMR/Eschelbach 191; SK/Frister 85. OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1974 183 f. Vgl. OLG Düsseldorf VRS 64 (1983) 128; SK/Frister 85. BGH NStZ 1997 198; 2000 549.

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Anwesenheit eines notwendigen Verfahrensbeteiligten bei diesem Verfahrensvorgang eine Rüge nach § 338 Nr. 5 von vornherein nicht anknüpfen.423 Der unterlassene oder ungenügende Aufruf kann die Revision allenfalls dann begründen, wenn hierdurch ein Verfahrensbeteiligter gehindert wurde, seine Befugnisse in der Hauptverhandlung wahrzunehmen (vgl. Rn. 15). Führt der unterbliebene oder mangelhafte Aufruf der Sache dazu, dass bei der Präsenzfeststellung (Absatz 1 Satz 2) ein notwendiger Verfahrensbeteiligter nicht anwesend ist, begründet dies nach herrschender Ansicht ebenfalls nicht die Revisionsrüge nach § 338 Nr. 5, da es sich nicht um einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung im Sinne dieser Vorschrift handele.424 Eine unrichtige oder unvollständige Präsenzfeststellung könnte danach nur dann erfolgreich gerügt werden, wenn ein Verfahrensbeteiligter hierdurch urteilsrelevant in der Wahrnehmung von Verfahrensbefugnissen behindert wurde, etwa in der Ausübung von Rechten, die an die Präsenz eines Zeugen anknüpfen (vgl. § 245). Mit der Bedeutung, die die Feststellung der präsenten Beweismittel für § 245 und für die unter Umständen sofort notwendige Entscheidung über die Durchführung der Hauptverhandlung hat (vgl. Rn. 17 f. sowie bei § 245), ist es indes nur schwerlich zu vereinbaren, dass sie kein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung sein soll.425 111

b) Gestattet der Vorsitzende entgegen Absatz 2 Satz 1 einem Zeugen die Anwesenheit im Sitzungssaal, so begründet dies in der Regel für sich allein nicht die Revision.426 Allenfalls kann unter Darlegung der erforderlichen Tatsachen gerügt werden, dass dadurch die Aufklärungspflicht verletzt wurde, weil der Zeuge anders ausgesagt hätte, wenn er nicht vor seiner Vernehmung Teilen der Hauptverhandlung beigewohnt hätte.427 Die Rüge, der Vorsitzende habe unter Überschreitung seines Beurteilungsspielraums einen Zuhörer aus dem Sitzungssaal verwiesen, weil – angeblich – dessen Einvernahme als Zeuge in Betracht gekommen sei (s. Rn. 28), setzt zu ihrem Erfolg die Erhebung des Zwischenrechtsbehelfs nach § 238 Abs. 2 voraus.428

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c) Unterbleibt die Vernehmung des Angeklagten zur Person (Absatz 2 Satz 2) oder ist sie unvollständig,429 so begründet dies in der Regel nicht die Revision, da es hierbei allein um Feststellung seiner Identität geht (s. Rn. 31). Wird die Feststellung nicht getroffen, kann sich dies allenfalls dann auf das Urteil auswirken, wenn dieses mangels Prüfung der Personalien des Erschienenen nicht gegen die in der Anklageschrift bezeichnete Person ergangen ist.430 Unschädlich ist es, wenn Umstände, die nur zu den persönlichen Verhältnissen gehören, erst später, etwa bei der Vernehmung des Ange-

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423 Vgl. RGSt 58 180, 181; SK/Frister 8, 86: kein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung, kein Verstoß gegen Öffentlichkeitsgrundsatz. 424 OLG Düsseldorf MDR 1993 1105; AK/Schöch 14; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 48; vgl. auch RGSt 58 180 für die alte Rechtslage, wonach die Hauptverhandlung mit dem „Aufruf der Zeugen und Sachverständigen“ begann (s. Entstehungsgeschichte); s. ferner bei § 338 Nr. 5. 425 SK/Frister 13, 87; a.A. RGSt 58 180, 181; AK/Schöch 14; KK/Schneider 10. 426 Meyer-Goßner/Schmitt 9, 36; SK/Frister 88; s. Rn. 22. 427 Vgl. BGH NJW 1987 3088, 3090; SSW/Franke 30 (kaum praktische Bedeutung); s. auch KMR/Eschelbach 197 („Verfahrensrüge“); a.A. SK/Frister 88: allenfalls (Sach)Rüge begründet, wenn keine hinreichende Berücksichtigung bei der Beweiswürdigung; so auch MüKo/Arnoldi 89; dazu müsste sich indes aus den Urteilsgründen ergeben, dass der Zeuge unter Verstoß gegen Absatz 2 Satz 1 vor seiner Vernehmung bei Teilen der Hauptverhandlung im Sitzungssaal anwesend war, was eher fernliegt. 428 BGH StV 2002 6 m. krit. Anm. Reichert; vgl. auch BGH NStZ 2001 163 m. Anm. Fahl JA 2001 455; ferner § 238, 43 ff. 429 Vgl. OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1970 198. 430 OLG Köln NStZ 1989 44; vgl. Meyer-Goßner/Schmitt 37; SK/Frister 89.

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klagten zur Sache, erörtert werden. Verweigert der Angeklagte nach seiner Belehrung (Absatz 5 Satz 1) die Einlassung zur Sache, so kann es aber umgekehrt mit der Revision gerügt werden, dass er bei der Vernehmung zu seinen persönlichen Verhältnissen auch zu Punkten befragt wurde und sich hierzu erklärt hat, die eigentlich zur Sachvernehmung gehören, und seine Erklärungen im Urteil – zu seinem Nachteil – verwertet worden sind.431 Die Vernehmung nach Absatz 2 Satz 2 ist ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung, bei der alle gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Verfahrensbeteiligten anwesend sein müssen, in den Fällen des § 140 somit auch der Verteidiger;432 bei Verstößen ist die Revisionsrüge aus § 338 Nr. 5 eröffnet. d) Verstöße gegen Absatz 3. Die Revision (§ 337) kann darauf gestützt werden, dass 113 die Verlesung des Anklagesatzes bzw. des Strafbefehlsantrags oder einer an seine Stelle tretenden sonstigen Schrift (Rn. 50 ff.) unterblieben ist,433 unvollständig war434 oder verspätet vorgenommen wurde.435 In der Regel wird nicht ausgeschlossen werden können, dass das Urteil auf diesem Fehler beruht.436 Anders kann es aber dann liegen, wenn es unter Berücksichtigung des Zwecks des Verlesungsgebots ausgeschlossen ist, dass der Gang des Verfahrens oder das Urteil von diesem Mangel beeinflusst sind. Dies wird angenommen, wenn alle Prozessbeteiligten ersichtlich in anderer Form als durch den Vortrag der Anklage über den Untersuchungsgegenstand so zweifelsfrei unterrichtet waren, dass sie den Tatkomplex sachgerecht beurteilen konnten,437 etwa weil die Sach- und Rechtslage so einfach war, dass hierzu die Vorgänge in der Hauptverhandlung ausreichten,438 oder wenn das Revisionsurteil verlesen worden war.439 Je nach Sachlage kann dies auch anzunehmen sein, wenn der Anklagesatz erst verspätet verlesen wurde.440 Wird nach Zurückverweisung durch das Revisionsgericht zusammen mit dem Revisionsurteil auch das aufgehobene tatrichterliche Urteil zur Information verlesen, so kann die Revision nicht darauf gestützt werden, dass dadurch die Unbefangenheit der Schöffen beeinträchtigt worden ist.441 Enthält der verlesene Anklagesatz fehlerhaft beweiswürdigende

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431 BayObLGSt 1983 153; OLG Köln StraFo 1998 21; OLG Hamburg MDR 1976 601; OLG Stuttgart NJW 1975 703; Finger JA 2006 535; KK/Schneider 69; SK/Frister 89; vgl. Rn. 32, 112. 432 RGSt 53 170; RG HRR 1939 Nr. 1217; BGHSt 9 243, 244; BGH NStZ 1983 375; SK/Frister 28. 433 BGH NJW 1982 1057; NStZ 1982 431; 1984 521; 1986 39, 40; 1986 374; 2000 214; 2018 614, 615; bei Dallinger MDR 1974 368; KK/Schneider 70; KMR/Eschelbach 198; Meyer-Goßner/Schmitt 38; SK/Frister 90; ferner BGHSt 8 283 (zur früheren Fassung). 434 Vgl. BGH NStZ 2006 649, 650, wo allerdings der komplette Anklagesatz verlesen wurde; indes ergab sich die Konkretisierung der angeklagten Einzeltaten erst aus dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen (zur Problematik s. Rn. 41 ff.); ob dies einen Verstoß gegen § 243 Abs. 3 Satz 1 darstellt, erscheint zweifelhaft, s. MüKo/Arnoldi 90; BGH bei Miebach/Kusch NStZ 1991 28. 435 RGSt 23 310: der Mangel kann aber durch Wiederholung der zu Unrecht vor der Verlesung vorgenommenen Teile der Hauptverhandlung geheilt worden sein; SK/Frister 30. 436 BGH NJW 2006 3582, 3586; NStZ 1986 39, 40; 2018 614, 615. 437 BGH NJW 1982 1057; NStZ 1982 431; 1982 518; 1984 521; 1986 39, 40; 1986 374; 1987 181; 1995 200, 201 m. abl. Anm. Krekeler S. 299; 2000 214; 2006 649, 650; bei Miebach/Kusch NStZ 1991 28; OLG Hamm NStZ-RR 1999 276 f. (mit Skepsis gegen zu weitgehende Ausdehnung); StV 2003 490, 491; OLG Köln NStZRR 2004 48, 49; OLG Koblenz VRS 38 (1970) 56; AK/Schöch 35; KK/Schneider 70; KMR/Eschelbach 206; Meyer-Goßner/Schmitt 38; SSW/Franke 32; krit. BGH NJW 2006 3582, 3587; Burhoff (Hauptv.) 2932 f.; Eisenberg (Beweisrecht) 827; Hamm 1144; Müller-Christmann JuS 1996 339; HK/Temming 46; SK/Frister 91. 438 RG JW 1938 3293; vgl. die Nachw. in vorstehender Fn., insb. BGH NJW 1982 1057; NStZ 1982 518; 1995 200, 201 m. abl. Anm. Krekeler S. 299; 2018 614, 615. 439 OGHSt 3 70, 71; vgl. auch BGH MDR 1970 777, 778 (erstinstanzliches Urteil). 440 Vgl. RGSt 23 310. 441 BGH GA 1976 368; KK/Schneider 70; s. hierzu auch BGHSt 43 36, 40.

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Elemente, die eigentlich in das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen hätten aufgenommen werden müssen, so kann in der Regel ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler (unter dem Aspekt einer Beeinflussung der Schöffen) beruht.442 Gleiches ist anzunehmen, wenn ein Vorlagebeschluss nach § 209 Abs. 2 verlesen wird (vgl. Rn. 49), der Ausführungen zur Beweiswürdigung enthält.443 Die Revision kann darauf gestützt werden, dass einem der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten der verlesene Anklagesatz nicht in eine ihm verständliche Sprache übersetzt wurde; das Beruhen des Urteils auf diesem Verstoß kann aber auszuschließen sein, wenn der Angeklagte eine korrekte Übersetzung der verlesenen Anklage in Händen hatte;444 bei einer fehlerhaften Übersetzung gilt das nicht.445 Die Verlesung des Anklagesatzes durch den Staatsanwalt ist wesentlicher Teil der Hauptverhandlung, bei dem alle notwendigen Verfahrensbeteiligten anwesend sein müssen;446 fehlt es hieran, führt dies zum absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5. 114

e) Verstöße gegen Absatz 4. Bei Absatz 4 handelt es sich um eine Rechtsnorm über das Verfahren i.S.d. § 344 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1, auf deren Verletzung grundsätzlich eine Verfahrensrüge gestützt werden kann. Sie steht auch der Staatsanwaltschaft jedenfalls dann zu, wenn sie geltend macht, aufgrund der unterlassenen Mitteilung nicht über Verständigungsgespräche informiert worden zu sein, an denen sie nicht teilgenommen hat.447 Ob die Rüge nur dann zulässig geltend gemacht werden kann, wenn gegen den Verstoß des Vorsitzenden gemäß § 238 Abs. 2 auf Entscheidung des Gerichts angetragen worden ist, ist streitig. Nach den allgemeinen Grundsätzen (s. § 238, 43 ff.) bedarf es der Anrufung des Gerichts dann nicht, wenn der Vorsitzende jegliche Mitteilung unterlässt; denn die Mitteilungspflicht ist bindend auferlegt, ohne dass ihm insoweit gesetzlich ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum eingeräumt wäre. Soweit es dagegen um die inhaltliche Ausgestaltung der Mitteilung geht, fehlen strikte gesetzliche Vorgaben; hier sind vielmehr nach den Umständen des Einzelfalles in bestimmten Grenzen Spielräume vorhanden. Es liegt daher durchaus nicht fern, die zu § 247 Satz 4 entwickelten Maßstäbe (vgl. § 247, 56) zu übertragen: Unterlässt der Vorsitzende jeglichen Hinweis, so setzt die Zulässigkeit der entsprechenden Rüge den Antrag nach § 238 Abs. 2 in der Hauptverhandlung nicht voraus. Soll dagegen der unvollständige oder ungenaue Inhalt der Mitteilung beanstandet werden, so ist die hierauf gestützte Rüge nur zulässig, wenn der bei dem Gespräch anwesende Verfahrensbeteiligte (insb. Staatsanwalt oder Verteidiger) dagegen schon in der Hauptverhandlung nach § 238 Abs. 2 vorgegangen ist.448 Demgegenüber hat der 2. Strafsenat des BGH entschieden, dass es der Anrufung des Gerichts generell nicht bedarf.449 Ob sich das tragfähig auf die an das BVerfG angelehnte Überle-

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442 BGH JR 1987 389 m. Anm. Rieß = StV 1988 282 m. abl. Anm. Danckert; KK/Schneider 70; MeyerGoßner/Schmitt 38; a.A. BGHSt 5 261 (zum früheren Recht); Hamm 1148; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 54; SK/Frister 93; wegen des Überlassens einer Anklageschrift mit dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen oder sonstiger Aktenbestandteile an die Schöffen vgl. bei § 261. 443 BGHSt 43 360, 362 f. hat offen gelassen, ob in der Verlesung ein Verstoß gegen § 243 Abs. 3 liegt, da die Revision nur begründet sei, wenn gleichzeitig der Grundsatz der Mündlichkeit oder der Unmittelbarkeit verletzt werde. 444 BVerfG (Kammer) NStZ 2004 214, 215; i.E. offen gelassen von BGH StV 1993 2; a.A. SK/Frister 92. 445 BGH StV 1993 2. 446 AK/Schöch 35. 447 BGH NStZ 2017 52, 53 m. Anm. Claus; Altvater StraFo 2014 222; Schneider NStZ 2014 253 f.; vgl. auch OLG Celle NStZ 2014 290 ff. m. Anm. Knauer; Allgayer NStZ 2015 191; Knauer NStZ 2014 292 f. 448 Vgl. Altvater StraFo 2014 226; Ziegert StraFo 2014 234. 449 BGHSt 59 252, 256 ff. = NStZ 2014 601 m. Anm. Grube; BGH NStZ 2016 171, 173; im Anschluss OLG Düsseldorf StraFo 2016 383; im Ergebnis auch Schneider NStZ 2014 252 sowie MüKo/Arnoldi 98 (keine

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gung stützen lässt, damit solle auch einem „Schulterschluss“ zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung vorgebeugt werden,450 erscheint mehr als zweifelhaft; denn damit wird letztlich die normative Vermutung eines Verhaltens von Verteidigern postuliert, das zumindest in die Nähe des Parteiverrats reicht.451 Eher berechtigt erscheint dagegen die Überlegung, dass in sehr vielen Fällen die Schöffen an den vor oder außerhalb der Hauptverhandlung geführten Verständigungsgesprächen überhaupt nicht beteiligt sind, sodass sie gar nicht in der Lage sind, darüber zu entscheiden, ob die Mitteilung des Vorsitzenden derart unzulänglich ist, dass sie als „unzulässig“ im Sinne des § 238 Abs. 2 eingestuft werden muss.452 Der Verstoß gegen § 243 Abs. 4 stellt keinen absoluten Revisionsgrund nach § 338 115 dar, insbesondere liegt keine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes vor (§ 338 Nr. 6).453 Er führt daher nur zum Erfolg, wenn und soweit das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht (§ 337 Abs. 1). Zu diesem Punkt hat es nun das BVerfG unternommen, durch „Normativierung“ des an sich nur eine Kausalitätsprüfung erfordernden § 337 Abs. 1 eine Sonderrechtsprechung zu etablieren, wonach bei einem „Verstoß gegen Transparenz- und Dokumentationspflichten“ im Zusammenhang mit Verständigungen bzw. Verständigungsgesprächen nur in besonderen Ausnahmefällen ein Beruhen wird ausgeschlossen werden können.454 Dies soll selbst dann gelten, wenn lediglich die gebo-

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sachleitende Anordnung; dagegen zutreffend Grube NStZ 2014 604); SK/Frister 94; offen gelassen von BGH StV 2014 650, 651 (3. Strafsenat). 450 BVerfGE 133 168, 232; BVerfG NStZ 2014 528, 529; BGHSt 59 252, 257 f. = NStZ 2014 601 m. krit. Anm. Grube; vgl. Altvater StraFo 2014 226; Henckel 73 ff.; s. auch Ziegert StraFo 2014 234. 451 Vgl. LK/Gillmeister § 356, 43 StGB m.w.N. 452 BGHSt 59 252, 258 = NStZ 2014 601 m. Anm. Grube. 453 BGH StV 2011 202, 203 m. Anm. Schlothauer; StV 2014 651, 652 m. Anm. Voigt/König S. 654; StraFo 2013 512 m. krit. Anm. Grube; OLG Celle StV 2012 394, 395 m. Anm. Altenhain/Haimerl; vgl. auch zu in der Hauptverhandlung während des Ausschlusses der Öffentlichkeit geführten Verständigungsgesprächen BGH NStZ 2016 118 f. m. Anm. Bittmann; s. auch Henckel 201 ff.; Walther NStZ 2015 385 ff., die jedenfalls für den Fall, dass in der Hauptverhandlung tatsächlich Zuschauer anwesend waren, einen Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz als relativen Revisionsgrund annehmen will, auf dem das Urteil wohl stets beruhen soll. 454 BVerfGE 133 168, 223; auf die Spitze getrieben unter dem Aspekt des Öffentlichkeitsgrundsatzes („Transparenz“) in BVerfG (Kammer) NStZ 2015 172, 173 f. m. Anm. Knauer/Pretsch sowie NJW 2015 1235, 1236 f. (wo allerdings die Annahme fehlenden Beruhens durch den BGH im Ergebnis gebilligt wurde, weil schon nach dem Vorbringen der Revision auszuschließen sei, dass die außerhalb der Hauptverhandlung geführten Gespräche auf eine inhaltlich unzulässige Verständigung gerichtet gewesen seien); daran anschließend BGHSt 60 150, 153 f. = NJW 2015 645 m. Anm. Leitmeier; BGH NJW 2014 3385, 3386; StV 2014 67 f.; 2014 653, 654 m. Anm. Voigt/König; NStZ 2014 217, 218; 2014 416, 417; 2016 171, 173 f.; 2016 357, 361 f.; 2017 244, 245 m. Anm. Bittmann; 2017 482, 483 f. m. abl. Anm. Bittmann; 2018 363, 364 m. Anm. Bittmann; NStZ-RR 2018 355 m. Anm. Müller-Metz; OLG Hamburg StV 2015 280, 281; OLG München StV 2014 520, 521 f.; SK/Frister 94; anders aber zu § 257c Abs. 5: BVerfGE 133 168, 225 sowie BVerfG NJW 2014 3506, 3507, wo Normativierungen der Beruhensprüfung unterbleiben: Auf der unterlassenen Belehrung beruht das Urteil nicht, wenn feststeht, dass der Angeklagte auch bei ordnungsgemäßer Belehrung gestanden hätte (s. dazu BGH NJW 2016 513, 515 m. Bespr. Strate S. 450 = NStZ 2016 221 m. Anm. Allgayer); so im Anschluss auch BGH NStZ-RR 2013 350; 2019 27, 28; StV 2014 518, 519; zur berechtigten Kritik am Konzept des BVerfG s. Altvater StraFo 2014 226; Beulke/Stoffer JZ 2013 669 (argumentative „Nebelkerze“); Henckel 25 ff., 207 ff., der indes (S. 218 ff.) auf anderer Argumentationsbasis jedenfalls dann ausnahmslos von einem Beruhen des Urteils auf dem Verstoß gegen § 243 Abs. 4 ausgeht, wenn es zu einer Verständigung mit nachfolgendem Geständnis des Angeklagten gekommen ist, und es auch dann, wenn dies nicht der Fall war, nur in sehr engen Grenzen für möglich hält, dass das Urteil nicht auf dem Verstoß beruht; Kunze ZAP Fach 22 754; Niemöller NStZ 2015 493 f.; Pfister StraFo 2016 192; Roxin/Schünemann § 17, 36 (contra legem); Schneider NStZ 2014 192 (revisionsrechtlich zuweilen systemsprengendes Postulat); s. auch Chr. Becker JA 2017 646 f.; zum Verständnis der Rechtsprechung des BVerfG s. demgegenüber Landau NStZ 2014 425 ff.; ders. FS Rössner 829 ff.; Volp Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Bd. 3 S. 389 ff.

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tene Negativmitteilung nach § 243 Abs. 4 Satz 1 unterlassen oder auch nur nicht gemäß § 273 Abs. 1a Satz 3 protokolliert wurde, es sei denn, es könne mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass es („informelle“) Verständigungsgespräche unzulässigen Inhalts gegeben hat;455 ansonsten sei eine gesetzwidrige „informelle“ Absprache zu vermuten.456 All dies ist abzulehnen, zumal diesen Aussagen Bindungswirkung nach § 31 BVerfGG ohnehin nicht zukommt.457 Abgesehen von der nicht nachvollziehbaren verfassungsrechtlichen Herleitung458 derartiger Ausführungen zum einfachgesetzlichen Recht,459 ist die Begründung schon für sich nicht haltbar und enthält einen offensichtlichen Zirkelschluss.460 Danach beruhe das verständigungsbasierte Urteil regelmäßig auf der Gesetzesverletzung, weil die Verständigung ihrerseits mit einem Gesetzesverstoß behaftet sei. Ist indes in der zum Urteil führenden Verhandlung ein Verstoß gegen Prozessrecht (welcher Art auch immer) begangen worden, so liegt dem Urteil stets ein damit behaftetes Verfahren zugrunde. Dies führt jedoch, abgesehen von den Fällen des § 338, nicht schon für sich zur Urteilsaufhebung, sondern gibt erst den Anlass zu der Beruhensprüfung nach § 337 Abs. 1. Darüber hinaus widerspricht sich das BVerfG selbst, wenn es einerseits die Integration der Vorschriften über die Verständigung in das hergebrachte Prozessrecht postuliert, andererseits aber für die revisionsrechtliche Prüfung eine Sonderrechtsprechung zu schaffen sucht.461 Letztlich ist es aber auch eine unhaltbare Unterstellung, allein wegen einer unterlassenen oder auch nur nicht protokollierten Negativmitteilung die widerleglich Vermutung eines anderweit gesetzwidrigen Verhaltens der Verfahrensbeteiligten anzunehmen. Es ist daher daran festzuhalten, dass auch bei Verstößen gegen § 243 Abs. 4 gemäß § 337 Abs. 1 eine Beruhensprüfung allein nach Kausalitätsmaßstäben stattzufinden hat.462 Danach wird sich zwar in vielen Fällen nicht ausschließen lassen, dass bei ordnungsgemäßer Unterrichtung (insbesondere des Angeklagten) über den Inhalt der Verständigungsgespräche das Urteil anders ausgefallen wäre und daher – zumindest teilweise – auf dem Verfahrensfehler beruht. Jedoch bedarf es – wie auch sonst – der individuellen Betrachtung der jeweiligen Sachgestaltung, um darauf gestützt die

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455 Zu letztgenanntem Aspekt s. auch BGH NJW 2015 1260 m. Anm. Magnus; NStZ 2015 232, 233; 2015 294, 295; 2015 353; 2015 416 f.; NStZ-RR 2014 115; KMR/Eschelbach 123, 135; a.A. Henckel 226 f. wonach das Urteil regelmäßig auf der unterlassenen Negativmitteilung beruhen soll. 456 BVerfGE 133 168, 223 f.; BVerfG NStZ 2014 592, 593 m. zust. Anm. Hunsmann = StV 2014 713 = StV 2015 1 Ls. m. (zur Gebotenheit der Negativmitteilung) zust. Anm. Klotz; BVerfG NJW 2014 3504, 3505 f.; so jedenfalls im Ergebnis auch BGH NStZ 2013 541; 2015 353, 354 m. Anm. Feldmann S. 474; StraFo 2013 512 f. m. Anm. Grube; Kirsch StraFo 2010 100; Schlothauer StV 2011 206; a.A. noch BGH StV 2011 202, 203 m. abl. Anm. Schlothauer; kritisch dazu auch Knauer/Lickleder NStZ 2012 370. 457 BGH NJW 2016 513, 515 ff. m. Bespr. Strate S. 450 = NStZ 2016 221 m. Anm. Allgayer; Altvater StraFo 2014 221; Bittmann NStZ 2015 546; Deiters GA 2014 705 ff.; Jahn JuS 2013 661; ders. NStZ 2014 171; Niemöller StV 2013 421 f., 424; ders. GA 2014 187 f.; ders. JR 2016 142; Schneider NStZ 2014 192; vgl. auch Schuster StV 2014 111 f.; a.A. OLG Rostock NStZ-RR 2013 351; Beulke/Stoffer JZ 2013 664 Fn. 23; s. auch Schmitt FS Tolksdorf 400. 458 „Verfassungsorientierte“ bzw. „präzisierende“ Auslegung; ablehnend BGH NJW 2016 513, 515 ff. m. Bespr. Strate S. 450 = NStZ 2016 221 m. Anm. Allgayer; kritisch bzw. ablehnend auch Jahn NStZ 2014 171; Knauer NStZ 2013 435 f.; Kudlich NStZ 2014 285; Löffelmann JR 2013 334; Mosbacher NZWiSt 2013 202; Niemöller NStZ 2015 494; Stuckenberg ZIS 2013 216; MüKo/Arnoldi 94; s. aber BGH Beschl. v. 10.2.2015 – 4 StR 595/14 (insoweit in NStZ 2015 359 nicht abgedruckt): „verfassungsrechtlich gebotener Beruhensmaßstab“; das BVerfG dogmatisch kritisierend in der Sache aber rechtfertigend Frisch GedS Weßlau 145 f. 459 Zur Konstruktion einer „virtuellen“ Öffentlichkeit durch das BVerfG s. Deutscher StRR 2015 90 f. 460 BGH NJW 2016 513, 515 m. Bespr. Strate S. 450 = NStZ 2016 221 m. Anm. Allgayer; Kudlich NStZ 2013 381; Stuckenberg ZIS 2013 215. 461 Vgl. Altvater StraFo 2014 221; Frisch GedS Weßlau 145. 462 BGH NJW 2016 513, 514 ff. m. Bespr. Strate S. 450 = NStZ 2016 221 m. Anm. Allgayer; NStZ 2016 362 f. m. zust. Anm. Arnoldi; 2017 596, 598 m. Anm. Bittmann; Beschl. v. 10.12.2015 – 3 StR 163/15.

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Beruhensfrage beantworten zu können.463 Daraus folgt zunächst, dass eine Rüge, die sich allein unter dem Aspekt der „Dokumentationspflicht“ darauf stützt, die Mitteilung des Vorsitzenden über Verständigungsgespräche i.S.v. §§ 202a, 212 sei in die Sitzungsniederschrift nicht aufgenommen worden, keinen Erfolg haben kann; denn auf die Fehlerhaftigkeit des Protokolls kann – wie es ständiger Rechtsprechung entspricht – schon denkgesetzlich das Urteil nicht beruhen.464 Die Rüge versagt – jedenfalls zum Schuldspruch – auch dann, wenn feststeht, dass eine rechtswidrige informelle Absprache nicht intendiert und der nur unvollständig unterrichtete Angeklagte unter keinen Umständen geständnisbereit war, weswegen die geführten Gespräche sowie eine ausführliche Mitteilung darüber in der Hauptverhandlung weder das Prozessverhalten des Angeklagten noch den sonstigen weiteren Verfahrensverlauf beeinflussen konnten.465 Sie greift in einem solchen Fall zum Schuldspruch insbesondere auch nicht unter dem Aspekt durch, dass der Angeklagte im Falle der Unterrichtung durch den Vorsitzenden ggf. über die Einschätzung der Beweislage durch das Gericht informiert worden wäre und seine Verteidigungsstrategie daran orientiert neu hätte einrichten können; 466 denn wird der Schuldspruch des Urteils von einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung getragen, so ist die Tat prozessordnungsgemäß belegt467 und es kann sich allein noch die Frage stellen, ob der Angeklagte durch ein Geständnis eine niedrigere Strafe hätte erreichen können.468 Gleiches gilt, wenn der Angeklagte durch seinen Verteidiger über den Inhalt der Verständigungsgespräche in vollem Umfang informiert worden ist, insb. dann, wenn er auch vor diesem Hintergrund nicht zu einem umfassenden Geständnis bereit ist; dass er später die Tatvorwürfe teilweise einräumt, ändert hieran nichts.469 Auf der unterbliebenen Unterrichtung des Angeklagten über die Äußerungen seines Verteidigers bei den Verständigungsgesprächen wird im Hinblick darauf, dass der Angeklagte stets dessen

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463 Insoweit zutreffend BGHSt 60 150, 154 f. = NJW 2015 645 m. Anm. Leitmeier; vgl. auch BGH NStZ 2015 416, 417; 2016 743, 744 m. Anm. Bittmann; 2017 658, 659 m. Anm. Bittmann; NStZ-RR 2015 379; StraFo 2016 470, 471 f.; wistra 2017 275, 276; bei Cierniak/Niehaus NStZ-RR 2017 100; BGHR § 243 Abs. 4 Mitteilungspflicht 5; BGH Beschl. v. 10.12.2015 – 3 StR 163/15. 464 BGHSt 59 130, 133 ff. (zu § 273 Abs. 1a i.V.m. § 257c Abs. 5) = NStZ 2014 284 m. Anm. Kudlich; OLG Hamburg NStZ 2014 534, 536; Altvater StraFo 2014 227; Kudlich NStZ 2013 381; Pfister StraFo 2016 194; Schneider NStZ 2014 256; s. auch Allgayer NStZ 2015 187; Kunze ZAP Fach 22 756 f.; a.A. BGHSt 58 310 ff. (2. Strafsenat) = NStZ 2013 667 m. Anm. Radtke; BGH NStZ 2014 219, 220; StV 2014 67 (4. Strafsenat); OLG Bremen StV 2016 790 f.; OLG Nürnberg StV 2015 282, 283; Brocke StraFo 2013 448; Henckel 227 f. (nur für den Fall, dass es zu einer Verständigung gekommen ist); Lam StraFo 2014 408 ff.; Schmitt FS Tolksdorf 408 f. 465 BGH StV 2014 651, 653 m. Anm. Voigt/König S. 654 (Verfassungsbeschwerde dagegen nicht angenommen: BVerfG – Kammer – NJW 2015 1235); BGH NStZ 2015 353; NStZ-RR 2014 315; Beschl. v. 10.12.2015 – 3 StR 163/15; Kunze ZAP Fach 22 755; Schneider NStZ 2014 252 f.; anders soll es aber schon dann liegen, wenn der bis dahin durchgehend schweigende Angeklagte sich im letzten Wort für seine Taten entschuldigt und das Gericht dies in seiner Beweiswürdigung verwertet: BGH NStZ 2015 178. 466 So aber Voigt/König StV 2014 654 f. 467 S. BGH NJW 2016 513, 515 m. Bespr. Strate S. 450 = NStZ 2016 221 m. Anm. Allgayer; NStZ 2017 363, 364 f. m. Anm. Bittmann; 2017 596, 598 m. Anm. Bittmann; Beschl. v. 10.12.2015 – 3 StR 163/15; vgl. OLG Oldenburg StV 2018 13, 14. 468 OLG Oldenburg StV 2018 13, 14. 469 BGH NStZ 2014 418, 419 (3. Strafsenat); Schneider NStZ 2014 253; s. auch BGH NStZ-RR 2014 315; 2015 379, 380; Beschl. v. 16.7.2014 – 5 StR 227/14; restriktiv demgegenüber BGHSt 60 150, 155 ff. (nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen) = NJW 2015 645 m. Anm. Leitmeier; BGH NStZ 2017 363, 364 f. m. Anm. Bittmann; 2017 596, 598 m. Anm. Bittmann; vgl. auch BGH NStZ 2017 658, 659 m. Anm. Bittmann; Schneider NStZ 2014 253; KMR/Eschelbach 124, 208; grds. a.A. (je 2. Strafsenat): BGHSt 58 310, 314 = NStZ 2013 667 m. Anm. Radtke; 59 252, 254 f. = NStZ 2014 601 m. Anm. Grube; 2017 244, 245 m. Anm. Bittmann; auch OLG Düsseldorf StraFo 2016 383, 384; wohl ebenso OLG Hamburg StV 2015 280; Meyer-Goßner/Schmitt 38b.

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Rat einholen kann, das Urteil kaum je beruhen können.470 Gleiches wird im Einzelfall zu gelten haben, wenn zwar grundsätzlich mitteilungspflichtige, aber für das Verteidigungsverhalten des Angeklagten erkennbar unbedeutende Nebenpunkte des Gesprächs vom Vorsitzenden nicht dargelegt werden471 oder die Mitteilung, insb. die Negativmitteilung nach § 243 Abs. 4 Satz 1,472 nur verspätet vorgenommen wird.473 Eher die Revision begründen wird eine bewusst irreführende Mitteilung nach Absatz 4, mit der ein Angeklagter unter Verstoß gegen § 136a zu einer geständigen Einlassung dadurch veranlasst wird, dass unzutreffend über angebliche weit fortgeschrittene Vorgespräche mit einem Mitangeklagten oder einem anderen Verfahrensbeteiligten berichtet wird (vgl. Rn. 120 für täuschende Belehrungen nach Absatz 5 Satz 1).474 Dann ist aber in erster Linie die Verletzung dieser Vorschrift zu rügen. Drittwirkung haben Verstöße gegen § 243 Abs. 4 in der Regel nicht; dass die Vorschrift bezüglich eines Mitangeklagten nicht beachtet wurde, kann daher mit der Revision nur in Ausnahmefällen erfolgreich geltend gemacht werden.475 Hinsichtlich des erforderlichen Sachvortrags in der Revisionsbegründung (§ 344 116 Abs. 2 Satz 2) ist zu unterscheiden: Hat der Vorsitzende unter Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 keine Mitteilung zu Verständigungsgesprächen vor der Hauptverhandlung gemacht, mithin auch kein „Negativattest“ erteilt, so genügt es, wenn der Revisionsführer diesen Umstand vorträgt, der durch die Sitzungsniederschrift bewiesen wird (§ 273 Abs. 1a Satz 2, § 274 Satz 1); denn damit hat er den Verfahrensfehler in vollem Umfang dargelegt (s. Rn. 57).476 Eines weitergehenden Sachvortrags dahin, dass außerhalb der Hauptverhandlung Verständigungsgespräche i.S.d. §§ 202a, 212 stattgefunden haben, bedarf es nicht; denn ob dies der Fall war oder nicht, betrifft allein die Frage, ob das Urteil auf dem Verfahrensmangel beruht (s. Rn. 115). Daher ist der BGH folgerichtig vielfach trotz Fehlens weitergehenden Sachvortrags zur Prüfung der Beruhensfrage in den Freibeweis eingetreten, ob vor der Hauptverhandlung Verständigungsgespräche stattgefunden haben.477 Teilweise hat er Zweifel an der Zulässigkeit einer sich auf einen derartigen Sachvortrag beschränkenden Rüge geäußert, diese dann aber nach freibeweislichen Erhebungen als unbegründet zurückgewiesen.478 Die davon abweichenden Entscheidungen, die die Rüge in derartigen Fällen nur als zulässig ansehen, wenn die Revision vor-

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470 Vgl. BGH NStZ 2015 48; s. aber auch BGH NStZ 2018 363 f. m. Anm. Bittmann, wo Beruhen angenommen wurde, obwohl der Vorsitzende dem Verteidiger nach dem „Rechtsgespräch“ Gelegenheit gab, den Angeklagten vor der Fortsetzung der Hauptverhandlung über Inhalt und Verlauf des Gesprächs zu informieren. 471 Vgl. BGH NStZ 2015 416, 417. 472 BGH wistra 2017 76. 473 BGH NStZ-RR 2015 379. 474 Grube StraFo 2013 514; abweichend KK/Schneider 73, der hier allein einen Verstoß gegen § 243 Abs. 4 sieht. 475 BVerfG NStZ 2014 528, 529; BGH NStZ 2015 417; 2015 657; 2016 357, 360; NStZ-RR 2015 379, 380; wistra 2017 76; offen gelassen, ob ausnahmsweise etwas anderes gelten kann, von BGH NZWiSt 2016 64, 66 f.; eine Ausnahme für den Fall, dass Mitangeklagte, denen bandenmäßige Tatbegehung zusammen mit dem Angeklagten vorgeworfen wird, nach mit ihnen getroffener Verständigung gestehen und dabei den Angeklagten belasten, nimmt an: BGH NStZ 2016 228, 229 f. m. abl. Anm. Bittmann; zustimmend dagegen Pfister StraFo 2016 189; vgl. auch BGHSt 59 252, 259 f. = NStZ 2014 601 m. Anm. Grube.; a.A. Henckel 224 f.; Schneider NStZ 2014 199 f. 476 Henckel 230; Niemöller JR 2015 149 f.; SK/Frister 94a. 477 BGH Beschl. v. 14.1.2015 – 1 StR 335/14; Beschl. v. 29.7.2015 – 4 StR 85/15; Beschl. v. 8.12.2015 – 5 StR 392/15; vgl. auch Henckel 233 f. 478 BGH NStZ-RR 2014 115; StraFo 2013 512 m. Anm. Grube; offen gelassen von BGH Beschl. v. 18.12.2014 – 4 StR 520/14; Urt. v. 22.7.2015 – 2 StR 389/13, insoweit in NJW 2016 419 nicht abgedruckt; kritisch BGH NJW 2015 1260 m. Anm. Magnus; vgl. auch BGHSt 58 310, 312 = NStZ 2013 667 m. Anm. Radtke.

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§ 243

trägt, dass Verständigungsgespräche stattgefunden haben und was deren Inhalt war,479 können sich zwar auf eine Aussage des BVerfG berufen,480 stehen aber in Widerspruch zur sonstigen allgemeinen Handhabung des § 344 Abs. 2 Satz 2. Anders liegt es, wenn der Revisionsführer geltend macht, entgegen einem protokollierten Negativattest hätten vor der Hauptverhandlung Verständigungsgespräche stattgefunden, die vom Vorsitzenden erteilte Mitteilung zu solchen Verständigungsgesprächen sei unvollständig oder unzutreffend gewesen oder der Vorsitzende habe entgegen § 243 Abs. 4 Satz 2 keine Mitteilung zu Verständigungsgesprächen gemacht, die in Unterbrechung der Hauptverhandlung stattfanden. Da in all diesen Fällen ein Verfahrensfehler nur vorliegt, wenn es tatsächlich zu derartigen Gesprächen gekommen ist bzw. diese einen weitergehenden oder abweichenden mitteilungspflichtigen Inhalt hatten, muss der Revisionsführer die Tatsache deren Stattfindens und deren Inhalt vortragen; denn nur dann kann das Revisionsgericht auf Grundlage des Vorbringens prüfen, ob es die behaupteten (weitergehenden) Gespräche gab und sie die Qualität von Verständigungsgesprächen hatten.481 Nicht zum erforderlichen Revisionsvorbringen gehört es auch, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Angeklagte von seinem Verteidiger über verständigungsbezogene Gespräche unterrichtet worden ist;482 denn dies betrifft ebenfalls nur die Frage, ob das Urteil auf dem Verstoß gegen § 243 Abs. 4 eventuell nicht beruht. f) Das Unterlassen des Hinweises nach Absatz 5 Satz 1 kann der Angeklagte, der 117 dadurch zu einer Aussage veranlasst wurde, obwohl er in Kenntnis seiner Verteidigungsmöglichkeiten nicht ausgesagt hätte, mit der Revision rügen (§ 337), nicht aber die in ihren Verfahrensbefugnissen dadurch nicht betroffenen anderen Verfahrensbeteiligten.483 Die frühere Rechtsprechung, die im Unterlassen der Belehrung nur einen nicht revisiblen Verstoß gegen eine Ordnungsvorschrift sah, hat der BGH aufgegeben.484 Nach seiner Ansicht greift die Revision wegen dieses Rechtsfehlers aber nur durch, wenn der Schutzzweck des Hinweisgebots wesentlich beeinträchtigt wurde, also wenn nach Lage des jeweiligen Falles der Hinweis erforderlich war, um den Angeklagten über seine Verteidigungsmöglichkeiten zu unterrichten, und wenn der Angeklagte sich bei einem entsprechenden Hinweis nicht zur Sache geäußert hätte. Von dieser Ansicht, die bisher

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479 BGH NStZ 2014 419; 2015 176, 177 m. Anm. Ferber = StV 2015 274 m. abl. Anm. Schlothauer; 2015 294; 2017 482, 483 m. krit. Anm. Bittmann; NStZ-RR 2015 379; Beschl. v. 8.10.2014 – 1 StR 352/14; wohl auch BGH NStZ 2015 353 f. m. zust. Anm. Feldmann S. 474; vgl. auch BGHSt 58 315, 318 = StV 2013 678 m. krit. Anm. Schlothauer; KG StV 2014 78; Brocke StraFo 2013 448; Frisch GedS Weßlau 142; Pfister StraFo 2016 190 f.; Schmitt FS Tolksdorf 407 f.; Schneider NStZ 2014 255 f.; KMR/Eschelbach 134. 480 NStZ 2014 592, 593 m. zust. Anm. Hunsmann = StV 2014 713 = StV 2015 1 Ls. m. (zur Gebotenheit der Negativmitteilung) zust. Anm. Klotz. 481 BGH NStZ 2014 529 f. m. Anm. Allgayer; 2015 48; 2015 657, 658; 2016 362, 363 m. Anm. Arnoldi; 2017 424; Beschl. v. 25.11.2015 – 1 StR 79/15; OLG Celle NStZ 2014 290, 291 f. m. Anm. Knauer; vgl. auch Allgayer NStZ 2015 187 f.; Henckel 230 ff. (allerdings teilweise unklar). 482 A.A. wohl BGH NStZ 2015 176, 177 m. Anm. Ferber = StV 2015 274 m. Anm. Schlothauer; offen gelassen von BGH NStZ 2017 658, 659 m. Anm. Bittmann; BGH bei Cirener NStZ-RR 2017 68. 483 Diese werden vom Schutzzweck nicht erfasst. Der Hinweis sichert die Befugnis zu schweigen, also ein persönliches Verteidigungsrecht des betroffenen Angeklagten, auf dessen Ausübung weder Mitangeklagte noch sonstige Verfahrensbeteiligte einen Einfluss haben; sie können in der Regel auch nicht beurteilen, ob der unterbliebene Hinweis für die Einlassung des Angeklagten ursächlich war. Vgl. BGHSt 47 233, 234; BGH NStZ 1994 595, 596 m. Anm. Wohlers NStZ 1995 45 = StV 1995 231 m. Anm. Dencker = JR 1995 251 m. Anm. Hauser; BGH wistra 2000 311, 313; a.A. Hamm 1077 f.; vgl. ferner Rn. 122. 484 BGHSt 25 325 = LM Nr. 11 Ls. m. Anm. Kohlhaas = JR 1975 339 m. Anm. Hanack; dazu Bohnert NStZ 1982 9 f.; Dencker MDR 1975 359; Gössel NJW 1981 2219; Gössel 188; Hegmann NJW 1975 915; Roxin/Schünemann § 24, 31; Seelmann JuS 1976 157; so auch bereits Meyer JR 1966 310.

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nicht aufgegeben wurde,485 muss jede Revisionsbegründung ausgehen. Zur Begründung der Rüge (§ 344), das Gericht habe den Angeklagten durch Unterlassung der Belehrung nach Absatz 5 in seinen Rechten verletzt, hat sie daher unter Anführung der erforderlichen Tatsachen darzutun, dass die Belehrung zu Unrecht unterblieben ist, dass der Angeklagte deshalb an seine Aussagepflicht glaubte und dadurch veranlasst wurde, zur Sache auszusagen, eventuell auch, warum er dies glaubte, obwohl ihm ein Verteidiger zur Seite stand oder obwohl er bei einer früheren Vernehmung belehrt worden war486 oder obwohl er aus einer Belehrung oder dem Prozessverhalten eines Mitangeklagten ersehen konnte, dass er zur Aussage nicht verpflichtet war. 118 Diese Anforderungen gehen zu weit.487 Die Belehrungspflicht wurde als Maßnahme der „Vorsorglichkeit und Fürsorge“ eingeführt, weil der Gesetzgeber mit Unkenntnis oder nicht ausreichender Kenntnis des Schweigerechts beim Angeklagten rechnete und weil er außerdem die psychologischen Hemmungen des Angeklagten, von seinem Recht Gebrauch zu machen, verringern wollte.488 Es bedeutet eine nicht gerechtfertigte revisionsrechtliche Sonderbehandlung der Vorschrift, wenn die Prüfung, ob Normzweck und Auswirkung auf die Rechtsstellung des Angeklagten den Verfahrensverstoß zum Revisionsgrund machen, anders als sonst bei § 337 den konkreten Nachweis erfordern soll, dass es des Hinweises zur Wahrung des Schweigerechts des Angeklagten bedurft hätte. Auf der Grundlage der richtigerweise ausnahmslos geltenden Hinweispflicht kann das Fehlen des vom BGH geforderten Revisionsvorbringens vielmehr nicht zur Unzulässigkeit der Rüge führen. Jedoch kommen bei der Prüfung, ob das Urteil i.S.d. des § 337 Abs. 1 auf der unterlassenen Belehrung beruht, durchaus die von ihm herangezogenen Überlegungen zum Tragen. Kann aber dennoch nicht mit der gebotenen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte nach Belehrung geschwiegen hätte, so muss die Revision Erfolg haben. Das Beruhen ist nur zu verneinen, wenn der Angeklagte auch ohne Hinweis ge119 schwiegen hat oder wenn sich zweifelsfrei ergibt, dass er auch ohne Belehrung nicht nur wusste, dass er die Wahl hat, auszusagen oder zu schweigen,489 sondern auch, dass er diese Wahl frei von Erwartungen des Gerichts oder sonstiger Verfahrensbeteiligter ausüben kann.490 Dies mag sich etwa daraus ergeben, dass der Angeklagte sichtlich in Übereinstimmung mit seinem Verteidiger aussagte. Anders als (gemäß herrschender Ansicht) bei der Einführung einer früheren Vernehmung in die Hauptverhandlung würde es jedenfalls bei einer Aussage in Gegenwart des Verteidigers wenig Sinn machen, darauf abzustellen, ob dieser nach der Aussage deren Verwertung wegen der fehlenden Belehrung in einer Erklärung nach § 257 widerspricht. Wenn der Verteidiger glaubt, dass der Angeklagte nur in Unkenntnis seines Schweigerechts aussagt, muss er ihn schon bei Beginn seiner Aussage von sich aus darauf hinweisen, dass er dazu nicht verpflichtet ist, oder das Gericht veranlassen, die unterlassene Belehrung nachzuholen.491

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485 BGHSt 38 214, 227 lässt die Frage offen. 486 Vgl. BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 210. 487 Bernsmann StraFo 1998 75; Bohnert NStZ 1982 10; Dencker MDR 1975 362; Fezer JuS 1978 107; Hanack JR 1975 340; Hegmann NJW 1975 915; Herdegen NStZ 1990 518; AK/Schöch 43; KK/Schneider 74; Meyer-Goßner/Schmitt 39; MüKo/Arnoldi 99; SK/Frister 95 SSW/Franke 35. 488 Vgl. Rn. 62. 489 So BGH NJW 1966 1719; wistra 2017 275, 276; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 210; bei Kusch NStZ-RR 2000 290; OLG Hamburg JR 1967 307 m. Anm. Meyer; Gössel 189; Grünwald JZ 1983 718. 490 Ähnlich SK/Frister 96. 491 Insoweit krit. Radtke/Hohmann/Kelnhofer 56; SK/Frister 97.

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§ 243

Wurde durch eine bewusst täuschende Belehrung nach Absatz 5 Satz 1 gegen § 136a 120 verstoßen, begründet dies die Revision,492 es sei denn, der Verfahrensverstoß wurde nachträglich geheilt. Dies kann etwa dadurch geschehen, dass das Gericht die Aussage für unverwertbar erklärt und bei der Urteilsfindung auch nicht verwertet, soweit sie den Angeklagten belastet, oder aber, dass es den Angeklagten nachträglich – unter Hinweis auf die Unverwertbarkeit seiner bisherigen Angaben, also qualifiziert – ordnungsgemäß belehrt und dieser daraufhin seine frühere Einlassung bestätigt. g) Die Revision kann rügen, dass dem Angeklagten keine Gelegenheit zur Äußerung 121 nach Absatz 5 Satz 2 gegeben wurde493 oder dass er in seinem Äußerungsrecht zu Unrecht eingeschränkt wurde.494 Sie kann aber in der Regel nicht darauf gestützt werden, dass die Befragung des Angeklagten nach Absatz 5 Satz 2 nicht erschöpfend gewesen sei, sofern der Angeklagte sich unbehindert äußern konnte und auch der Verteidiger und die anderen Verfahrensbeteiligten Gelegenheit hatten, durch Fragen selbst die erforderliche Ergänzung herbeizuführen.495 Ähnlich wie bei den Zeugen lässt sich in solchen Fällen auch die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht nur bei Vorliegen ganz besonderer Umstände begründen (s. aber auch Rn. 88 zur Übergabe eines Schriftstücks mit dem Ziel, die Sacheinlassung zu ersetzen). Mit der Revision kann auch nicht geltend gemacht werden, dass bei der äußeren Gestaltung der Einvernahme unzweckmäßig verfahren worden ist oder dass das Gericht die Einvernahme zum persönlichen Werdegang bis zum Abschluss der Beweisaufnahme über den Tathergang zurückgestellt hatte.496 Auch § 243 Abs. 5 Satz 2 ist eine Schutzvorschrift für den jeweiligen Angeklagten. Ein 122 Mitangeklagter kann daraus, dass sie gegenüber einem anderen verletzt wurde, keine Rechte herleiten.497 h) Wird der Verteidigung die Abgabe einer Eingangserklärung nach Absatz 5 123 Satz 3 zu Unrecht verweigert oder wird sie unzulässig nach Absatz 5 Satz 4 Halbsatz 1 darauf verwiesen, die weitere Eingangserklärung schriftlich einzureichen, so liegt darin ein Verfahrensfehler, der grundsätzlich gemäß § 337 gerügt werden kann. Allerdings wird die Zulässigkeit der Rüge vielfach davon abhängen, dass gegen die Entscheidung des Vorsitzenden gemäß § 238 Abs. 2 das Gericht angerufen wird; denn dieser wird oft keine Anwendung aus sich heraus zwingenden Gesetzesrechts zugrunde liegen, sondern das Ausfüllen eines gesetzlich eingeräumten Beurteilungsspielraums oder im Fall des § 243 Abs. 5 Satz 4 das Ausüben von Ermessen (vgl. § 238, 46 f.). Mit der Rüge wird im Kern eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht. Dies wird in der Regel indes zur Folge haben, dass das Urteil auf der Gesetzesverletzung nicht beruht, da der Verteidiger anderweit im Verfahren ausreichend Gelegenheit gehabt haben wird, sein zunächst unterbundenes Vorbringen zur Kenntnis zu bringen.498 Soll geltend ge-

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492 Vgl. OLG Köln MDR 1972 965; OLG Oldenburg NJW 1967 1096, 1098; Eisenberg (Beweisrecht) 570; Eb. Schmidt NJW 1968 1217; Wessels JuS 1966 171; AK/Schöch 42; s. ferner bei § 136a. 493 BGH StV 1990 245. 494 Vgl. BGH NStZ 1997 198; 2000 549 (Rüge setzt Anrufung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 voraus); OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1973 186; SK/Frister 98. 495 BayObLGSt 1971 44, 45; OLG Koblenz OLGSt Nr. 1 Ls.; vgl. BGH NStZ 1997 198 f.; KK/Schneider 76; Meyer-Goßner/Schmitt 40; abweichend SK/Frister 98: Revisibilität zwar grundsätzlich gegeben, aber Verfahrensverstoß nur schwer zu beweisen. 496 Vgl. BGH NStZ 1985 561; AK/Schöch 46. 497 BGH bei Dallinger MDR 1973 192; s. aber auch BGH NStZ 2000 549. 498 Meyer-Goßner/Schmitt 40; vgl. Schneider FS Rogall 673; zu § 257: BGH NStZ 2007 234, 235; Beschl. v. 23.8.2016 – 3 StR 166/16.

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macht werden, die nach Absatz 5 Satz 4 Halbsatz 1 eingereichte schriftliche Erklärung habe verfahrensrelevantes Vorbringen enthalten, das das Gericht fehlerhaft übergangen habe, so muss eine Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2) erhoben werden. 124

i) Bei der Feststellung der Vorstrafen nach Absatz 5 Sätze 5 und 6 hat der Vorsitzende einen weiten Ermessensspielraum, vor allem bei der Wahl des für die Einführung in die Hauptverhandlung geeigneten Zeitpunkts. Ein die Revision begründender Verfahrensverstoß scheidet in der Regel aus.499 Selbst wenn der Vorsitzende die Vorstrafen verfrüht (vgl. Rn. 104) festgestellt hat, wird meist auszuschließen sein, dass das Urteil darauf beruht.500 Gleiches gilt, wenn entgegen der Sollvorschrift des Absatzes 5 Satz 3 Vorstrafen festgestellt wurden, die für die Entscheidung ohne Bedeutung sind. Unterbleibt dagegen die Einführung von Vorstrafen in die Hauptverhandlung, die ersichtlich für die Urteilsfindung von Bedeutung gewesen wären, so kann dies unter dem Blickwinkel der Verletzung der Aufklärungspflicht gerügt werden. Die nach den §§ 51, 52, 66 BZRG, 29 Abs. 8 StVG unzulässige Verwertung von Vorstrafen (bzw. Vorahndungen) begründet dagegen die Revision, soweit das Urteil darauf beruhen kann.501

§ 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen § 244 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-043

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. (3) 1 Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. 2 Im übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung oder schon erwiesen ist, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder wenn es unerreichbar ist, wenn der Antrag zum Zweck der Prozeßverschleppung gestellt ist oder wenn eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr. (4) 1 Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. 2 Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

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499 Meyer-Goßner/Schmitt 41; SK/Frister 99; vgl. auch („Ordnungsvorschrift“): BayObLG MDR 1972 626; Eb. Schmidt NJW 1969 1145 Fn. 77; KK/Schneider 77. 500 Vgl. BGH bei Dallinger MDR 1968 203; AK/Schöch 58. 501 BGHSt 25 100; 27 108; AK/Schöch 58; SK/Frister 99; auch wegen der darin liegenden Verletzung des sachlichen Rechts.

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(5) 1 Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. 2 Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. 3 Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln. (6) 1 Die Ablehnung eines Beweisantrags bedarf eines Gerichtsbeschlusses. 2 Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. 3 Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. 4 Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen. Schrifttum (Auswahl) Aleksic Persönliche Beweismittel im Strafverfahren (1969); Alsberg Der Beweisermittlungsantrag, GA 67 (1919) 261; ders. Das Verbot der Beweisantizipation, JW 1922 258; ders. Die Wahrunterstellung im Strafprozeß, JW 1929 977; ders. Gerichtskundigkeit, JW 1918 792; Arntzen Psychologie der Zeugenaussage5 (2011); Arzt Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre (1970); ders. Zum Verhältnis von Strengbeweis und freier Beweiswürdigung, FS Peters (1974) 223; Bachler Der nur zum Schein gestellte Beweisantrag, FS Breidling (2017) 1; Bandilla/Hassemer Zur Abhängigkeit strafrichterlicher Beweiswürdigung vom Zeitpunkt der Zeugenvernehmung im Hauptverfahren, StV 1989 551; Barth Das Beweisantragsrecht zwischen verfassungsrechtlichem Anspruch und Reformforderungen auf ungesicherter empirischer Grundlage, ZStW 108 (1996) 155; Basdorf Änderungen des Beweisantragsrechts und Revision, StV 1995 310; ders. Elemente des Beweisantrags – Konnexität und anderes, FS Widmaier (2008) 51; Bauer Der Ablehnungsgrund der Wahrunterstellung – eine vergleichende straf- und zivilprozessuale Analyse, MDR 1994 953; ders. Die alternative Rüge gemäß §§ 244 II, 261 StPO, NStZ 2000 72; ders. Der Ablehnungsgrund der Prozessverschleppungsabsicht, NStZ 2008 542; Beckert Sachverständigengutachten im Strafverfahren zur Glaubwürdigkeit und zur Schuldfähigkeit im Falle der Untersuchungsverweigerung des zu Begutachtenden (2014); Beling Die Beweisverbote als Grenzen der Wahrheitsforschung im Strafprozeß (1903 – Neudruck); Bender/Nack/ Treuer Tatsachenfeststellung vor Gericht4 (2014); Bendix Die freie Beweiswürdigung des Strafrichters, GA 63 (1917) 31; Bergmann Die Beweisanregung im Strafprozeß, Diss. Münster 1970; ders. Die Beweisanregung im Strafverfahren, MDR 1976 888; Berkholz Der Beweisermittlungsantrag im Strafprozeß, Diss. Köln 1967; Beulke Der Beweisantrag, JuS 2006 597; Börner Die Diskursfunktion des Beweisantrags, StraFo 2014 133; ders. Aktuelles zum Beweisantrag, StraFo 2015 46; ders. Die Fristsetzung für Beweisanträge gem. § 244 Abs. 6 E-StPO, StV 2016 681; ders. Der Diskursvorbehalt der Fristlösung für Beweisanträge, JZ 2018 232; Bohlander Entlastung der Strafrechtspflege – Ersetzung des § 244 II StPO durch § 288 I ZPO? NStZ 1992 578; Bohne Zur Psychologie der richterlichen Überzeugungsbildung (1948); Born Wahrunterstellung zwischen Aufklärungspflicht und Beweisablehnung wegen Unerheblichkeit (1984); Bosbach Der Verteidiger als Zeuge, StraFo 2011 172; Bosch Grundsatzfragen des Beweisrechts (1963); Bovensiepen Der Freibeweis im Strafprozeß, Diss. Bonn 1978; Bringewat Grundfragen der Wahrunterstellung im Strafprozeß, MDR 1986 353; Brutzer Offenkundigkeit, Wesen und Begriff im Strafprozeß, Diss. Göttingen 1973; Bünger Die tatrichterlichen Möglichkeiten der Reaktion auf einen Missbrauch des Beweisantragsrechts, NStZ 2006 305; Burgard/Fresemann Der Beweisantrag bezüglich einer vom Zeugen zu bekundenden Negativtatsache, wistra 2000 88; Buschhorn Rechtsprobleme der Offenkundigkeit von Tatsachen im Strafverfahren (1997); Conen/ Tsambikakis Strafprozessuale Wahrheitsfindung mittels Sachverständiger im Spannungsfeld zwischen Aufklärungspflicht und Beweisantragsrecht, GA 2000 372; Deckers Der strafprozessuale Beweisantrag3 (2013); ders. Zur Zurückweisung eines Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens wegen eigener Sachkunde des Gerichts – § 244 Abs. 4 S. 1 StPO – bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit

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Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

einer Zeugenaussage, FS Rissing-van Saan (2011) 87; ders. Der aussagepsychologische Realkennzeichenkatalog von Steller/Köhnken (1989) aus juristischer Sicht, FS Schlothauer (2018) 273; Dedes Beweisverfahren und Beweisrecht (1992); ders. Grundprobleme des Beweisverfahrens, GedS H. Kaufmann (1986) 929; Deiters Aufklärungspflicht und Verständigung, GA 2014 701; Dencker Über Heimlichkeit, Offenheit und Täuschung bei der Beweisgewinnung im Strafverfahren, StV 1994 667; Detter Der Sachverständige im Strafverfahren – eine Bestandsaufnahme, NStZ 1998 57; Ditzen Dreierlei Beweis im Strafverfahren (1926); Döhring Die Erforschung des Sachverhalts im Prozeß – Beweiserhebung und Beweiswürdigung (1964); Graf zu Dohna Der Umfang der Beweisaufnahme im Strafverfahren, DJZ 1911 305; ders. Das Problem der vorweggenommenen Beweisaufnahme, FS Kohlrausch (1944) 319; Duttge/Neumann „Wir übernehmen jeden Fall!“, HRRS 2010 34; Eggers Das Verbot der Beweisantizipation im deutschen Strafprozess, Diss. Kiel 2004; Eisenberg Vernehmung und Aussage (insbesondere) im Strafverfahren aus empirischer Sicht, JZ 1984 912 und 961; Ellbogen Einführung in das strafprozessuale Beweisantragsrecht, JA 2007 880; Engels Beweisantizipationsverbot und Beweiserhebungsumfang im Strafprozeß, GA 1981 21; ders. Die Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO, Diss. Bonn 1979; Erb Grund und Grenzen der Unzulässigkeit einer regelmäßigen Einholung von Glaubwürdigkeitsgutachten im Strafverfahren, FS Stöckel (2010) 181; Eschelbach Grundfragen des Beweisantragsrechts im Strafprozess, ZAP Fach 22 S. 681; Fahl Verstößt die neue „Fristenlösung“ des Bundesgerichtshofs gegen § 246 StPO? DRiZ 2009 291; Feuerpeil Der Beweisablehnungsgrund der Offenkundigkeit gem. § 244 Abs. 3 Satz 2 1. Var. StPO (1987); Fezer Zum „Mißbrauch“ des Beweisantragsrechts in einem Extremfall, FS Weber (2004) 475; ders. Die „Herabstufung“ eines Beweisantrags in der Revisionsinstanz, FS Meyer-Goßner (2001) 619; ders. Amtsaufklärungspflicht und Beweisantragsrecht, FS II BGH (2000) 4 848; ders. Verschärfung des Konnexitätserfordernisses, HRRS 2008 457; Fischer Glaubwürdigkeitsbeurteilung und Beweiswürdigung, NStZ 1994 1; ders. Aussagewahrheit und Glaubhaftigkeitsbegutachtung, FS Widmaier (2008) 191; ders. Schätzungen in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, StraFo 2012 429; Foth Die Entwicklung des Beweisantragsrechts, FS Widmaier (2008) 223; Frister Das Verhältnis von Beweisantragsrecht und gerichtlicher Aufklärungspflicht im Strafprozeß, ZStW 105 (1993) 340; ders. Darf die Strafzumessungsschuld im Strafverfahren geschätzt werden? FS Paeffgen (2015) 675; Fröhner Kritik der Aussage (1954); Geppert Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) und Aufklärungsrüge im Strafprozess, Jura 2003 255; Gerst Der „Auslandszeuge“ gemäß § 244 Abs. 5 S. 2 StPO – eine Vorschrift auf dem Prüfstand der Jetztzeit, StV 2018 755; Glaser Beiträge zur Lehre vom Beweis im Strafprozeß (1883); Gleß Kommentar zum Vorschlag für einen Rahmenbeschluß über eine „Europäische Beweisanordnung“, StV 2004 679; dies. Sachverhaltsaufklärung durch Auslandszeugen, FS Eisenberg (2009) 499; Gössel Über das Verhältnis von Beweisermittlungsverbot und Beweisverwertungsverbot unter besonderer Berücksichtigung der Amtsaufklärungsmaxime der §§ 160, 244 II StPO, NStZ 1998 126; ders. Zum Verhältnis von Beweisantragsrecht und Amtsermittlung, FS Gollwitzer (2004) 47; K.E. Gollwitzer Einschränkungen des Beweisantragsrechts durch Umdeutung von Beweisanträgen in Beweisanregungen, StV 1990 420; Graul Systematische Untersuchungen zur Offenkundigkeit im Strafprozeß (1996); Grünwald Das Beweisrecht der Strafprozeßordnung (1993); ders. Die Wahrunterstellung im Strafverfahren, FS Honig (1970) 53; Günther Der Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen im Lichte des Art. 6 Abs. 3 Buchst. d EMRK, FS Widmaier (2008) 253; Gutmann Die Aufklärungspflicht des Gerichts und der Beweiserhebungsanspruch der Parteien im Strafprozeß, JuS 1962 369; Habetha Übergehen „unwahrscheinlicher“ Beweisanträge ohne Ablehnungsgrund, StV 2011 239; Habetha/Trüg Erosion des Beweisantragsrechts – Aktuelle Entwicklung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, GA 2009 406; Hadamitzky Anträge auf Beweiserhebung in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, StraFo 2012 297; Häner Verfahren beim Ausbleiben des gerichtlich geladenen Zeugen, JR 1984 496; Hamm Wert und Möglichkeit der Früherkennung richterlicher Beweiswürdigung durch den Strafverteidiger, FS Peters II (1984) 169; ders. Fristenregelung für Beweisanträge? FS Hassemer (2010) 1017; ders. Das Ende des formalisierten Dialogs im Beweisantragsrecht, StV 2018 525; Hamm/Hassemer/Pauly Beweisantragsrecht2 (2007); Hanack Zur Austauschbarkeit von Beweismitteln im Strafprozeß, JZ 1970 562; S. Harms Das Augenscheinsersatzobjekt im Strafprozess (2006); Hartung Zur Frage der Revisibilität der Beweisführung, SJZ 1948 579; Hassemer Über den Mißbrauch von Rechten, FS Meyer-Goßner (2001) 127; Hebbecker Der Beweisantrag als Mittel der Konfliktverteidigung, Diss. Trier 2011; Hecker Das Handschriftengutachten als Sachbeweis, NStZ 1990 463; Hellmann Richterliche Überzeugungsbildung und Schätzung bei der Bemessung strafrechtlicher Sanktionen, GA 1997 503; Hellwig Wahrheit und Wahrscheinlichkeit, GerS 88 (1922) 417; Herdegen Bemerkungen zum Beweisantragsrecht, NStZ 1984 97, 200 und 337; ders. Aufklärungspflicht – Beweisantragsrecht – Beweisantrag – Beweisermittlungsantrag, GedS Meyer (1990) 187; ders. Zum Begriff der Beweisbehauptung, StV 1990 518;

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 244

ders. Die Rüge der Nichtausschöpfung eines Beweismittels, FS Salger (1995) 301; ders. Die Überprüfung der tatsächlichen Feststellungen durch das Revisionsgericht auf Grund einer Verfahrensrüge, StV 1992 590; ders. Da liegt der Hase im Pfeffer – Bemerkungen zur Reform des Beweisantragsrechts, NJW 1996 26; ders. Das Verbot der Beweisantizipation im Strafprozeßrecht, FS Boujong (1996) 787; ders. Das Beweisantragsrecht Teil I, NStZ 1998 444; ders. Das Beweisantragsrecht Teil II, NStZ 1999 176; ders. Das Beweisantragsrecht Teil III, NStZ 2000 1; ders. Judikatorische Gründe für die Ablehnung von Beweisanträgen in Strafverfahren, FS Gössel (2002) 529; ders. Strafrichterliche Aufklärungspflicht und Beweiswürdigung, NJW 2003 3513; Hetzer Wahrheitsfindung im Strafprozeß (1982); Hiegert Die Sphäre der Offenkundigkeit in der StPO (1989); Hirsch Der zum Zwecke der Prozeßverschleppung gestellte Beweisantrag und seine strafprozessuale Behandlung (1996); P. Hoffmann Der unerreichte Zeuge im Strafverfahren (1991); Hofmann Schätzung und Aufklärungspflicht bei der tatrichterlichen Sachverhaltsfeststellung, StraFo 2003 70; Holz Zu Bedeutung und Funktion der Beweisprognose im Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht (§ 244 III 2 Var. 6 StPO), GA 2016 639; Holzapfel Die Ablehnung von Beweisanträgen im Strafprozeß als für die Entscheidung ohne Bedeutung nach § 244 Abs. 3 S. 2, 2. Alt. StPO, Diss. Tübingen 1994; Jäger Schätzungen in der steuerstrafrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, FS Fischer (2018) 371; Jahn Die Konsensmaxime in der Hauptverhandlung, ZStW 118 (2006) 427; ders. Konnexitätsdoktrin und „Fristenlösungsmodell“ – Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Fremdkontrolle im Beweisantragsrecht der Verteidigung durch den Bundesgerichtshof, StV 2009 663; ders. Das verfassungsrechtliche Gebot bestmöglicher Sachaufklärung im Strafverfahren, in: Vom Bedeutungsverlust der Hauptverhandlung (2015) 39; Johnigk Der Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen (§ 244 Abs. 5 Satz 2 StPO), FS Rieß (2002) 197; Julius Die Unerreichbarkeit von Zeugen im Strafprozeß (1988); ders. Zum Verhältnis von Aufklärungspflicht und Beweisantragsrecht im Strafprozeß, NStZ 1986 61; ders. Beweis-, Beweisermittlungs- und Verschleppungsantrag im Strafprozeß, MDR 1989 116; Junker Beweisantragsrecht im Strafprozess2 (2014); Käßer Wahrheitserforschung im Strafprozeß (1974); Keller Offenkundigkeit und Beweisbedürftigkeit im Strafprozeß, ZStW 101 (1989) 381; Kempf Der (zu) späte Beweisantrag, StraFo 2010 316; ders. Missbrauch im Strafprozess, FS Hassemer (2010) 1041; Knauer Anträge auf Beweiserhebungen in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, StraFo 2012 473; Köhler Inquisitionsprinzip und autonome Beweisführung (§ 245 StPO) (1979); Köhnken Beurteilung der Zuverlässigkeit von Aussagen – was können Gerichte selbst beurteilen und wann ist die Einholung eines Gutachtens sinnvoll? FS Ostendorf (2015) 519; Korte Gerichtskundigkeit im Strafprozeß (2007); Kratsch Die Austauschbarkeit von Beweismitteln, JA 1983 231; Krauß Das Prinzip der materiellen Wahrheit im Strafprozeß, FS Schaffstein (1975) 411; F.-W. Krause Dreierlei Beweis im Strafverfahren, Jura 1982 225; D.-M. Krause Schätzung und Aufklärungspflicht bei der tatrichterlichen Sachverhaltsfeststellung, StraFo 2002 249; Krehl Was bedeutet die Neuregelung zur Fristsetzung für Beweisanträge für den Strafprozess? FS Fischer (2018) 705; Kruse Die Sachverständigenauswahl für die Schuldfähigkeitsbegutachtung, NJW 2014 509; Krekeler Der Beweisantrag im Strafprozeß, AnwBl. 2006 593; Krell Der Beweisantrag und seine Ablehnung im Strafprozess, Jura 2012 355; Krönig Die Kunst der Beweiserhebung, DRiZ 1960 178; Kröpil Zur Entstehung und zum Begriff des Ablehnungsgrundes der „Prozeßverschleppung“, AnwBl. 1999 15; ders. Zur Konnexität als Element des strafrechtlichen Beweisantrages, Jura 2012 459; ders. Zum Geständnis und seiner Überprüfung bei Absprachen, DRiZ 2016 106; Kühl Prozeßgegenstand und Beweisthema im Strafverfahren (1987); Kunert Strafprozessuale Beweisprinzipien im Wechselspiel, GA 1979 401; Kunz Die Erscheinungsformen der Konfliktverteidigung und die Reaktionsmöglichkeiten der Justiz (2013); Lammer Zeugenschutz versus Aufklärungspflicht, FS Rieß (2002) 289; Lamshöft Das Modell der vereinfachten Ablehnungsverfahrens (2013); Lange Von dem Zufall, die eigene Unschuld nachweisen zu können, FS Peters II (1984) 80; Leitner Das Verteidigermandat und seine Inhalte als Beweisthema, StraFo 2012 344; Liemersdorf Beweisantragsrecht und Sachverhaltsaufklärung, StV 1987 175; Lipp Das private Wissen des Richters (1995); Lüderssen Zur Unerreichbarkeit des V-Mannes, FS Klug (1983) Bd. 2, 527; ders. Die strafrechtsgestaltende Kraft des Beweisrechts, ZStW 85 (1973) 22; ders. Grenzen der „Sachkunde“ des Gerichts (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO) für die Beurteilung der inneren Tatseite bei jugendlichen Tätern, speziell mit Blick auf den Vorsatz, FS Schreiber (2003) 289; Maatz § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO – Ent- oder Belastung der Rechtspflege? FS Remmers (1995) 577; Maciejewski Auswertung olfaktorischer Spuren, Das Geruchsspurvergleichsverfahren mit Diensthunden, NStZ 1995 483; Maul Die gerichtliche Aufklärungspflicht im Lichte der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, FS Peters II (1984) 60; ders. Die Überprüfung der tatsächlichen Feststellungen durch das Revisionsgericht in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, FS Pfeiffer (1988) 409; Mayer-Alberti Der Beweisermittlungsantrag (1929); Mehle Die Unerreichbarkeit von Zeugen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO) und das Verbot der Beweisantizipation,

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FS Bub (2007) 533; Meixner Der Indizienbeweis2 (1964); Meurer Beweiserhebung und Beweiswürdigung, GedS H. Kaufmann (1986) 947; Meyer-Goßner Über die Gerichtskundigkeit, FS Tröndle (1989) 551; Michalke Noch einmal: „Hilfsbeweisantrag – Eventualbeweisantrag – Bedingter Beweisantrag“, StV 1990 184; dies. Technik und Taktik des Beweisantrages, StraFo 1992 98; Michel Der Richter als Zeuge im Strafverfahren, MDR 1992 1026; Mosbacher Zur Bescheidung auf Beweiserhebung gerichteter Anträge, FS Miebach (2009) 20; ders. Perspektiven des Beweisantragsrechts – Der spezielle Beweiserhebungsanspruch als Anspruch auf Teilhabe am Prozess der Wahrheitsfindung, HRRS-GedS Widmaier (2014) 79; ders. Fristsetzung für Beweisanträge, NStZ 2018 9; Mösl Sachverständigengutachten und freie Beweiswürdigung im Strafprozeß, DRiZ 1970 110; H.-R. Müller Zur Aufklärungspflicht bei Wahrunterstellung, GedS Meyer (1990) 285; Nack Der Zeugenbeweis aus aussagepsychologischer und juristischer Sicht, StraFo 2001 1; ders. Das Verteidigermandat und seine Inhalte als Beweisthema, StraFo 2012 341; Neuhaus Rekonstruktionsverbot und Alternativrüge, StraFo 2004 407; Neumann Grenzen der Zeugnispflicht im Strafprozeß (1930); Nicklas Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Fristsetzung beim strafprozessualen Beweisantragsrecht (2013); Niemöller Bedingte Beweisanträge im Strafverfahren, JZ 1992 884; ders. Negativbehauptungen als Gegenstand strafprozessualer Beweisanträge, StV 2003 687; ders. Der Kontinuitätsgrundsatz – ein unentdecktes Prinzip des Beweisantragsrechts, FS Hamm (2008) 537; ders. Prozessverschleppung – die Absicht genügt, NStZ 2008 181; ders. Nochmals: Prozessverschleppung, NStZ 2009 129; ders. Zum exzessiven Gebrauch des Beweisantragsrechts, JR 2010 332; ders. Zur Ablehnung des Sachverständigenbeweises wegen eigener Sachkunde des Tatrichters (§ 244 IV 1 StPO) – zugleich Besprechung des BGH-Beschl. v. 26.3.2014 – 2 StR 274/13, NStZ 2015 16; ders. Als wahr unterstellt – am Ende bedeutungslos, FS Schlothauer (2018) 443; Nierwetberg Der Beweisantrag im Strafverfahren, Jura 1984 630; Niethammer Der Kampf um die Wahrheit im Strafverfahren, FS Sauer (1949) 26; Norouzi Videosimultanbeweis und Auslandszeugnis, Diss. Tübingen 2006; Nüse Zur Ablehnung von Beweisanträgen wegen Offenkundigkeit, GA 1955 72; Otto Grenzen und Tragweite der Beweisverbote im Strafverfahren, GA 1970 289; Pantle Beweiserhebung über offenkundige Tatsachen, MDR 1993 1166; Paulus Strafprozessuale Beweisstrukturen, FS Fezer (2008) 243; Pauly Beweisanträge auf Vernehmung von Richtern, FS AG Strafrecht DAV (2009) 731; Perron Das Beweisantragsrecht des Beschuldigten im deutschen Strafprozeß (1995); ders. Das Beweisantragsrecht des Beschuldigten – Ursache oder Symptom der Krise des deutschen Strafprozesses, ZStW 108 (1996) 128; Peters Der Strafprozeß in der Fortentwicklung, zugleich ein Nachtrag zum Lehrbuch Strafprozeß (1970); Prittwitz Der Mitbeschuldigte im Strafprozeß (1984); ders. Der Lügendetektor im Strafprozeß, MDR 1982 886; Quedenfeld Beweisantrag und Verteidigung in den Abschnitten des Strafverfahrens bis zum erstinstanzlichen Urteil, FS II Peters 215; Raacke Wahrunterstellung und Erheblichkeit, NJW 1973 494; Radbruch Wahrunterstellung im Strafprozeß, FS Reichsgericht Bd. 5 S. 202; Rademacher/Sell Der Auslandszeuge im Strafprozess, ZAP Fach 22 S. 529; Radtke Wahrheitsermittlung im Strafverfahren, GA 2012 187; Rahl Die Wahrunterstellung im Strafprozeß – Eine empirische Untersuchung, Diss. Hamburg 1994; Richter Ablehnung von Beweisanträgen auf Anhörung weiterer Sachverständiger im Strafverfahren, NJW 1958 1125; Rissing-van Saan Der „erkennende“ Richter als Zeuge im Strafprozeß? MDR 1993 310; Robert Der Augenschein im Strafprozeß (1974); Rode/Legnaro Psychiatrische Sachverständige im Strafverfahren (1994); Roericht Beweisverwertungsverbote und Beweisrecht, Diss. Münster 2010; Rogall Der Augenscheinsgehilfe im Strafprozeß, GedS Meyer (1990) 391; Roggemann Das Tonband im Verfahrensrecht, Göttinger rechtswissenschaftliche Studien Bd. 44 (1962); Rose Der Auslandszeuge im Beweisrecht des deutschen Strafprozesses (1999); ders. Auslandszeuge im Strafprozeß: Aktuelle Gesetzeslage und jüngere Rechtsprechung, wistra 2001 290; ders. Beweisanträge auf Vernehmung von Auslandszeugen: Entwicklung und Tendenzen der neueren Rechtsprechung, NStZ 2012 18; ders. Wieso soll der benannte Zeuge dazu etwas sagen können? Der aktuelle Diskussionsstand zur Konnexität als Voraussetzung für einen strafprozessualen Beweisantrag, NStZ 2014 128; Rosenau/Lorenz Aufgabe und Stellung des forensisch-psychiatrischen Sachverständigen am Beispiel des Falles Zschäpe, FS Kreuzer II (2018) 401; Sarstedt Der Beweisantrag im Strafprozeß, DAR 1964 307; ders. Beweisregeln im Strafprozeß, FS Hirsch (1968) 171; Satzger Die Fristsetzung für Beweisanträge zur Wahrung des Beschleunigungsgebots – ein Paradoxon? FS Tepperwien (2010) 56; Sauer Grundlagen des Prozeßrechts2 (1929); ders. Allgemeine Prozeßrechtslehre (1951); ders. Grenzen des richterlichen Beweises, JR 1949 500; Schatz Das Beweisantragsrecht in der Hauptverhandlung (1999); Scheffler Der Hilfsbeweisantrag und seine Bescheidung in der Hauptverhandlung, NStZ 1989 158; Schlothauer Hilfsbeweisantrag – Eventualbeweisantrag – bedingter Beweisantrag, StV 1988 542; ders. Beweisantragsrecht unter Fristenregiment: Zur Neuregelung des § 244 Abs. 6 StPO, FS Fischer (2018) 819; Schlüchter Wahrunterstellung und Aufklärungspflicht bei Glaubwürdigkeitsfeststellungen (1992); dies. Zur Rehabilitierung der gerichtlichen

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Aufklärungspflicht, FS Spendel (1992) 737; H. Schmid Der späte Beweisantrag, StraFo 1993 53; W. Schmid Über Eid und eidesstattliche Versicherung im strafprozessualen Freibeweisrecht, SchlHA 1981 41; ders. Über Glaubhaftmachen im Strafprozeß, SchlHA 1981 73; ders. Dienstliche Äußerungen als Mittel der Freibeweisführung im Strafprozeß, SchlHA 1981 2; Schmidt-Hieber Richtermacht und Parteiherrschaft über offenkundige Tatsachen, Diss. Freiburg 1974; ders. Der Beweisantrag im Strafprozeß, JuS 1985 291; Eb. Schmidt Die Verwendbarkeit von Tonbandaufnahmen im Strafprozeß, GedS Jellinek (1955) 625; Schmitt Bemerkungen zur Bestellung des psychiatrischen Sachverständigen im Strafverfahren, FS Geerds (1995) 541; Schmuck/Steinbach Glaubwürdigkeitsgutachten und § 244 Abs. 4 StPO, StraFo 2010 17; Schneider Beweis und Beweiswürdigung2 (1971); H. Schneider Zum Kriterium der Konnexität im strafprozessualen Beweisantragsrecht, FS Eisenberg (2009) 609; ders. Zur Strafbarkeit des Verteidigers wegen Strafvereitelung durch Stellen von Beweisanträgen zum Zwecke der Prozessverschleppung, FS Geppert (2011) 607; ders. Wahrunterstellung und fair trial, NStZ 2013 215; Schomburg/Klip „Entlastung der Rechtspflege“ durch weniger Auslandszeugen, StV 1993 208; Schoreit Einsatz von Polygraphen und Glaubhaftigkeits-Gutachten psychologischer Sachverständiger im Strafprozeß, StV 2004 284; Schrader Der Hilfsbeweisantrag – ein Dilemma, NStZ 1991 224; Schroeder Die Beweisaufnahme im Strafprozeß unter dem Druck der Auseinandersetzung zwischen Ost und West, ROW 1969 193; Schröder Die Ablehnung von Beweisanträgen auf Grund von Wahrunterstellung und Unerheblichkeit, NJW 1972 2105; Schudt Die Aufklärung des Sachverhalts im Strafverfahren, DRiZ 1980 427; Schulenburg Das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung im Strafprozeß (2002); Schulz Die prozessuale Behandlung des Beweisermittlungsantrages, GA 1981 301; ders. Zur Entscheidungskompetenz über Beweisermittlungsanträge, AnwBl. 1983 492; ders. Die Austauschbarkeit von Beweismitteln oder die Folge apokrypher Beweismittel, StV 1983 341; ders. Die Erosion des Beweisantragsrechts. Zum Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege, StV 1991 354; ders. Sachverhaltsfeststellung und Beweistheorie. Elemente einer Theorie strafprozessualer Sachverhaltsfeststellung (1992); ders. Mißbrauch des Beweisantragsrechts, GedS Meurer (2002) 355; Schüssler Polygraphie im deutschen Strafverfahren (2002); ders. Das endgültige Aus oder neue Hoffnung für den „Lügendetektor“? Jura 2003 188; Schwagerl Das Alibi (1964); Schweckendieck Die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Verschleppungsabsicht – eine zu wenig genutzte Möglichkeit? NStZ 1991 109; ders. Bedeutungslosigkeit und Wahrunterstellung – ein Gegensatz? NStZ 1997 257; Schwenn Was wird aus dem Beweisantrag? StV 1981 631; Seebode Hörensagen ist halb gelogen, JZ 1980 506; Seibert Beweisanträge, NJW 1960 19; ders. Beweisanträge (Zeugen und Sachverständige) im Strafverfahren, NJW 1962 135; Senge Gedanken zur Konfliktverteidigung, FS Nehm (2006) 339; Simader Die Ablehnung von Beweisanträgen in der Hauptverhandlung (1933); Solbach/Vedder Der Anspruch auf Beweiserhebung in der Hauptverhandlung in Strafsachen, JA 1980 99 und 161; Spendel Wahrheitsfindung im Strafprozeß, JuS 1964 465; Spiekermann Der Mißbrauch des Beweisantragsrechts (2001); v. Stackelberg Zur Wahrunterstellung in der strafrechtlichen Revision, FS Sarstedt (1981) 373; Steen Beweisführung durch Luftbilder, NJW 1981 2557; Stein Das private Wissen des Richters (1893; Neudruck 1969); Stoll Der Augenscheinsgehilfe im Strafprozessrecht, Diss. Osnabrück 2010; Strate Freie Beweiswürdigung und gebundene Beweiserhebung, FS Rieß (2002) 611; Sturm Die Konnexität im Beweisantragsrecht, StraFo 2009 407; Stützel Der Beweisantrag im Strafverfahren (1932); Tenckhoff Die Wahrunterstellung im Strafprozeß (1980); Tenorth-Sperschneider Zur strukturellen Korrespondenz zwischen den gesetzlichen Ablehnungsgründen nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO und den Anforderungen an einen zulässigen Beweisantrag, Diss. Hamburg 2002; ter Veen Das unerreichbare Beweismittel und seine prozessualen Folgen – eine Übersicht zur Rechtsprechung des BGH und anderer Obergerichte, StV 1985 295; ders. Beweisumfang und Verfahrensökonomie im Strafprozeß (1995); Thole Der Scheinbeweisantrag im Strafprozeß (1992); Többens Der Freibeweis und die Prozeßvoraussetzungen im Strafprozeß, Diss. Freiburg 1979; ders. Der Freibeweis und die Prozeßvoraussetzungen im Strafprozeß, NStZ 1982 184; Trück Die Rechtsprechung des BGH zur Ablehnung von Beweisanträgen auf Vernehmung eines Sachverständigen, NStZ 2007 377; Trüg Beweisantragsrecht – Disziplinierung der Verteidigung durch erhöhte Anforderungen, StraFo 2010 139; ders. Rechtsmissbrauch des Beweisantragsrechts, FS Heintschel-Heinegg (2015) 447; Ulsenheimer Einschränkungen des Beweisrechts in Gegenwart und Zukunft, AnwBl. 1983 373; van der Ven Beweisrecht als Frage nach Wahrheit und nach Gerechtigkeit, FS Peters (1974) 463; Velten Der Auslandszeuge als Einbruchstelle für den Abbau von Verteidigungsrechten und Unmittelbarkeitsgrundsatz im Namen der Prozeßökonomie, StV 2007 97; Ventzke „Warum stellen Sie denn keinen Beweisermittlungsantrag?“ oder: Die revisionsrechtliche Aufklärungsrüge – ein beweisantragsrechtliches Problem, StV 2009 655; ders. Beweisantrag – Bedeutungslosigkeit – Beruhen, HRRS-GedS Widmaier (2014) 53; Wasserburg Psychiatrisch-psychologische Gutachten ohne Mitwirkung des Proban-

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den, FS Paeffgen (2015) 687; Weigelt Der Beweisantrag in Verkehrsstrafsachen, DAR 1964 317; Wenger Beweisanträge des Angeklagten auf Vernehmung von Auslandszeugen – sinnvolle Veränderung durch das Rechtspflegeentlastungsgesetz? Diss. Tübingen 1997; Wenner Die Aufklärungspflicht gem. § 244 Abs. 2 StPO (1982); Wenskat Der richterliche Augenschein im deutschen Strafprozeß (1988); Werthoff Über die Grundlagen des Strafprozesses bei besonderer Berücksichtigung des Beweisrechts (1955); Wessels Die Aufklärungsrüge im Strafprozeß, JuS 1969 1; Weßlau Der blinde Fleck – Eine Kritik der Lehre vom Beweisantragsrecht, FS Fezer (2008) 289; Widmaier Kritische Gedanken zur diskutierten Reform des Beweisantrags- und des Revisionsrechts, NStZ 1994 414; ders. Der Hilfsantrag mit „Bescheidungsklausel“, FS Salger (1995) 421; Willms Zur Verfassungsgarantie der richterlichen Wahrheitsfindung, FS Dreher (1977) 137; ders. Zur Problematik der Wahrunterstellung, FS Schäfer (1980) 275; ders. Wesen und Grenzen des Freibeweises, FS Heusinger (1968) 393; Witting Die Fristsetzung bei „missbräuchlicher“ Beweisantragstellung – eine akzeptable Präklusion des Beweisantragsrechts? FS Volk (2009) 885; Ziegler Zweckmäßigkeitstendenzen in der höchstrichterlichen Auslegung des Beweisrechts im Strafverfahren (1969); Zierl Gegen Einschränkung des Beweisantragsrechts, DRiZ 1983 410. Das Schrifttum zum Zeugenbeweis ist bei den §§ 48 ff., zum Sachverständigenbeweis vor § 72, zur körperlichen Untersuchung und zur Glaubwürdigkeitsuntersuchung bei §§ 81 ff. aufgeführt. Das Schrifttum zur Frage der Beweisverbote findet sich in der Einleitung bei Abschn. L; s. auch das Schrifttumsverzeichnis Vor § 226.

Entstehungsgeschichte zu §§ 244, 245 Der dem Reichstag 1874 zugeleitete Entwurf bestimmte in § 206 Abs. 2, dass die Ablehnung eines Beweisantrags eines Gerichtsbeschlusses bedurfte.1 Nach den Motiven lasse die Ablehnung einer beantragten Beweiserhebung erkennen, dass diese, selbst wenn sie erfolgreich sein sollte, auf die richterliche Überzeugung ohne Einfluss sein würde; sie sei daher dem Gericht als dem zur Entscheidung über die Schuldfrage berufenen Spruchkörper zuzuweisen.2 Den Umfang der Beweisaufnahme bestimmte nach § 207 des Enwurfs allein das Gericht, „ohne hierbei durch Anträge, Verzichte oder frühere Beschlüsse gebunden zu sein“. Eine Bestimmung, aus welchen konkreten Gründen ein Beweisantrag abgelehnt werden konnte, war vor diesem Hintergrund nicht vorgesehen.3 Zur Rechtfertigung wurde darauf verwiesen, dass nach der gesetzlichen Regelung die Gerichte innerhalb der durch die öffentliche Klage gezogenen Grenzen zu einer selbständigen Tätigkeit berechtigt und verpflichtet seien; in der Konsequenz sollten sogar präsente Zeugen unvernommen wieder entlassen werden können, „wenn sich von ihren Aussagen nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung ein näherer Aufschluss nicht erwarten lässt“.4 In den Beratungen der Reichstagskommission stieß vor allem die fehlende Pflicht zur Nutzung der präsenten Beweismittel auf Kritik, da die (nach Einschätzung der Kommission eher selten vorkommende) Gefahr eines Missbrauchs durch den Angeklagten eine so wesentliche Beschränkung der Beweisführung nicht rechtfertige; auch erfordere der Grundsatz der freien Beweiswürdigung eine umfassende Würdigung aller Beweismit-

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1 Ein solcher musste auch ergehen, wenn einer vom Vorsitzenden angeordneten Beweishandlung widersprochen wurde oder die Verhandlung wegen einer Beweishandlung ausgesetzt werden musste; zur Genese des Wortlauts der Vorschriften s. die tabellarische Übersicht bei Hahn 3 2252 f. sowie Alsberg/Güntge 1 ff.; Engels 165 ff.; Hagemann 144 ff.; Kröpil AnwBl. 1999 15 ff.; Rieß FS Reichsjustizamt 423 ff.; Schatz 55 ff. und 394 ff.; Wendisch NStZ 1990 351; SK/Frister 1 ff. 2 Motive Hahn 3 191 f. 3 Mit Ausnahme der Vorschrift des § 208 Abs. 1 (heute: § 246 Abs. 1), wonach eine Beweiserhebung nicht lediglich deshalb abgelehnt werden durfte, weil das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache zu spät vorgebracht worden sei; die Regelung dieses „Nicht-Ablehnungsgrundes“ sollte dem Gericht aber nicht die Möglichkeit nehmen, einen Beweisantrag deswegen abzulehnen, weil er sachlich keinen Erfolg verspricht, vgl. Motive Hahn 3 192; Foth FS Widmaier 229 f. 4 Motive Hahn 3 192.

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§ 244

tel im Zusammenhang und lasse eine Beweisantizipation in der Regel nicht zu.5 Vor diesem Hintergrund verpflichtete die 1877 Gesetz gewordene Fassung6 in § 244 Abs. 1 Satz 1 das Gericht zur Verwendung aller präsenten Beweismittel; von der Erhebung einzelner Beweise konnte aber nach Absatz 1 Satz 2 abgesehen werden, wenn die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte einverstanden waren. Nach Absatz 2 bestimmte in den Verhandlungen vor dem Schöffengericht und der Berufungskammer des Landgerichts, sofern sie Übertretungen betrafen oder auf eine erhobene Privatklage stattfanden, das Gericht den Umfang der Beweisaufnahme. Auch das Erfordernis eines Gerichtsbeschlusses für die Ablehnung eines Beweisantrags blieb bestehen (§ 243 Abs. 2). Bei dieser auf einem Kompromiss beruhenden Gesetzesfassung stellte sich allerdings die Frage, ob § 244 Abs. 2 das Gericht in den genannten Verfahrensarten nur von der in Absatz 1 statuierten Pflicht der Verwendung aller präsenten Beweismittel entband oder darüber hinaus den Umfang der Beweisaufnahme in das Ermessen des Gerichtes stellte. Zudem wurde nicht klar, nach welchem Maßstab über die Beweiserhebung und Beweisanträge in den anderen Verfahren zu entscheiden war.7 Das RG stellte sich zunächst auf den Standpunkt, dass schon nach den allgemeinen Grundsätzen der Strafrechtspflege das Gericht über den Umfang der Beweisaufnahme zu befinden habe; das Gesetz schränke dieses Ermessen nur bei präsenten Beweismitteln ein.8 Im Übrigen sei das Gericht ermächtigt, einen Beweisantrag abzulehnen, wenn nach seiner Überzeugung die beantragte Beweiserhebung keinen Einfluss auf seine Entscheidung haben würde. Schon kurz danach stellte aber der 2. Strafsenat den Grundsatz auf, dass sich der Wert eines Beweismittels regelmäßig erst nach seiner Erhebung beurteilen lasse, und beanstandete einen Ablehnungsbeschluss, der dies nicht erkennen ließ, als rechtsfehlerhaft.9 Dies war nicht nur die Geburtsstunde des Verbotes der Beweisantizipation, sondern auch die Grundsteinlegung für das gesamte spätere Beweisantragsrecht: denn wenn eine Beweisantizipation unzulässig war, konnte ein Ablehnungsbeschluss nur auf Gründe gestützt werden, die mit diesem Verbot nicht kollidierten.10 In der Folge war es eine der wesentlichen Leistungen des RG, auf dieser Basis das Beweisantragsrecht auszugestalten und fortzuentwickeln.11 Zu einem Eingreifen des Gesetzgebers kam es trotz vorhandener Reformbestrebungen12 erst wieder während der Weimarer Republik. Die gesetzgeberischen Maßnahmen waren oft aus der aktuellen politischen Lage geboren und daher von wechselhafter Tendenz. So wurde mit der sog. Emminger-Verordnung vom 4.1.192413 die Regelung des bisherigen § 244 Abs. 2 (seit der Neubekanntmachung vom 22.3.1924:14 § 245 Abs. 2) auf Verhandlungen vor dem neu eingeführten Strafrichter ausgeweitet. Zudem wurde die bisherige erstinstanzliche Zuständigkeit der Landgerichte (mit Ausnahme derjenigen der dort angesiedelten Schwurgerichte) auf die Schöffengerichte übertragen, was den Anwendungsbereich des § 245 Abs. 2 erheblich erweiterte. Allerdings wurde diese Auswei-

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5 Protokolle der RTK Hahn 3 847 ff.; Bericht der RTK Hahn 3 1582 f. 6 RGBl. S. 253. 7 Zum damaligen Streitstand vgl. Alsberg/Güntge 3; Engels 21 ff.; Foth FS Widmaier 226; Hagemann 29 ff.; Kröpil AnwBl. 1999 16; Schatz 67 ff. 8 RGSt 1 61, 62; 1 138, 139 f. 9 RGSt 1 189, 190; vgl. auch schon RGSt 1 51 f. 10 Vgl. Alsberg/Güntge 7; Engels 25 f.; Foth FS Widmaier 224. 11 Zur weiteren Entwicklung der Rspr. des RG vgl. Alsberg/Güntge 8; Engels 23 ff.; Fezer FS II BGH 4 848 ff.; Foth FS Widmaier 228 ff.; Hagemann 20 ff.; Schatz 83 ff. 12 Vgl. hierzu Hagemann 10 ff.; Rieß FS Reichsjustizamt 425 ff.; Schatz 72 ff. 13 Verordnung über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege vom 4.1.1924, RGBl. I S. 15. 14 RGBl. I S. 299.

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tung durch das Gesetz vom 22.12.192515 wieder rückgängig gemacht und die Vorschrift weitergehend dahin eingeschränkt, dass ausschließlich in den Verfahren, die eine Übertretung betrafen oder auf eine erhobene Privatklageverfahren durchgeführt wurden, das Gericht den Umfang der Beweisaufnahme bestimmte.16 Mit Gesetz vom 27.11.192617 wurde zum ersten Mal ein Ablehnungsgrund kodifiziert: präsente Beweismittel mussten dann nicht mehr genutzt werden, wenn die Beweiserhebung zum Zweck der Prozessverschleppung beantragt worden war. Weiter wurde klargestellt, dass sich die Pflicht zur Erhebung präsenter Beweise auch auf erst während der Hauptverhandlung geladene bzw. herbeigeschaffte Beweismittel bezog. Durch die Verordnung vom 14.6.193218 wurde schließlich der Umfang der Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht, dem Schöffengericht und dem Landgericht in der Berufungsinstanz ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Verfahrens in das freie Ermessen des Gerichts gestellt. In diesem Rahmen waren die Gerichte nicht mehr an die vom RG entwickelten Regeln über die Ablehnung von Beweisanträgen gebunden. Auch die Pflicht zur Erhebung präsenter Beweise entfiel. Das RG erachtete aber weiterhin eine Beweisantizipation unter Verletzung der Sachaufklärungspflicht als unzulässig.19 Der nationalsozialistische Gesetzgeber fasste zunächst durch das Gesetz vom 28.6.193520 die §§ 244, 245 neu. Dabei wurde zum einen das bisherige Richterrecht kodifiziert, zum anderen aber auch erheblich eingeschränkt.21 So wurde neben dem Aufklärungsgebot (§ 244 Abs. 2) ein abschließender Katalog von Ablehnungsgründen gesetzlich normiert (§ 245 Abs. 2). Allerdings galt dieser – mit dem heutigen § 244 Abs. 3 nahezu identische – Katalog nur für Verhandlungen vor Gerichten, bei denen die Berufung gesetzlich ausgeschlossen war. Weiter galt er nicht für Anträge auf Sachverständigen- und Augenscheinsbeweis. Hinsichtlich dieser konnte – ebenso wie in den Verhandlungen vor dem Amtsrichter, dem Schöffengericht und dem Landgericht als Berufungsinstanz – das Gericht eine beantragte Beweiserhebung ablehnen, wenn es diese nach seinem freien Ermessen für die Erforschung der Wahrheit nicht für erforderlich hielt. Zudem wurde die Sonderstellung der präsenten Beweismittel nach § 245 Abs. 1 a.F. vollständig aufgehoben. Die noch in der Weimarer Republik erstmals eingeführten Sondergerichte mit in der Folge ständig erweiterten Zuständigkeiten entschieden über Beweisanträge im Übrigen ohnehin nur nach Maßgabe der Sachaufklärungspflicht.22 Zu der beabsichtigten Gesamtreform des Strafverfahrensrechts nach nationalsozialistischen Maßstäben23 kam es angesichts des Kriegsausbruchs nicht mehr, es blieb vielmehr bei Einzelmaßnahmen. Durch die 1. Vereinfachungsverordnung vom 1.9.193924 wurde allen Strafgerichten

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15 Gesetz zur Abänderung der Strafprozessordnung vom 22.12.1925, RGBl. I S. 475. 16 Allerdings wurde § 245 Abs. 2 nunmehr so interpretiert, dass in diesen Verfahren der Tatrichter eine freiere Stellung hatte und nicht an die vom RG entwickelten Ablehnungsgründe gebunden war, vgl. Engels 28 ff.; SK/Frister 4. 17 Gesetz zur Abänderung der Strafprozessordnung vom 27.12.1926, RGBl. I S. 529. 18 Verordnung des Reichspräsidenten über Maßnahmen auf dem Gebiet der Rechtspflege und Verwaltung vom 14.6.1932, RGBl. I S. 285; schon zuvor war die Regelung des § 245 Abs. 2 durch eine AusnahmeVO auf alle Strafverfahren wegen Beleidigung ausgeweitet worden; Anlass hierfür war die Entscheidung RGSt 65 304; vgl. Alsberg/Güntge 10; Foth FS Widmaier 232 f.; Schatz 99 f. 19 Vgl. RGSt 67 97, 98. 20 Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Strafverfahrens und des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 28.6.1935, RGBl. I S. 844. 21 Vgl. Schatz 111 f. 22 Vgl. hierzu Alsberg/Güntge 10; Rieß FS Reichsjustizamt 382 f.; Schatz 104; SK/Frister § 245, 5. 23 Vgl. hierzu Rieß FS Reichsjustizamt 380 ff.; Schatz 105 ff. 24 Verordnung über Maßnahmen auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung und der Rechtspflege vom 1.9.1939, RGBl. I S. 1658.

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einschränkungslos gestattet, einen Beweisantrag abzulehnen, wenn sie die Beweiserhebung nach freiem Ermessen für die Erforschung der Wahrheit nicht für erforderlich hielten. Trotz einiger einschränkender Bemühungen des RG25 war das Beweisantragsrecht damit noch hinter den Rechtszustand von 1877 zurückgeworfen.26 Nach dem Ende des 2. Weltkriegs wurden die Vorschriften durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit vom 12.9.195027 wiederum neu gefasst. Dabei wurde primär an die Zeit vor der Verordnung vom 14.6.1932 angeknüpft, teilweise wurden aber auch frühere Einschränkungen des Beweisantragsrechts beseitigt. So erhielt § 244 Abs. 1 bis 4, Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1 die noch heute geltende Fassung. Auch wurden die Gerichte durch den neugefassten § 245 wieder zur Erhebung präsenter Beweise verpflichtet, soweit Staatsanwaltschaft und Angeklagter nicht auf sie verzichteten oder die Beweiserhebung unzulässig oder nur zur Prozessverschleppung beantragt worden war. Durch das Strafverfahrensänderungsgesetz vom 5.10.197828 bekam § 245 seine heute geltende Fassung mit der Differenzierung danach, von wem die präsenten Beweismittel herbeigeschafft wurden. Durch das Rechtspflegeentlastungsgesetz vom 11.1.199329 wurde die Sonderregelung für Auslandszeugen in § 244 Abs. 5 Satz 2 geschaffen. Eine Einschränkung der §§ 244, 245 führte schließlich das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28.10.199430 ein, wonach im beschleunigten Verfahren (§ 420 Abs. 4) und im Verfahren nach Einspruch gegen einen Strafbefehl (§ 411 Abs. 2 Satz 2) der Strafrichter unbeschadet der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2) den Umfang der Beweisaufnahme bestimmt. Art. 1 Nr. 22 des Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5.7.201731 erweiterte Absatz 5 um den Satz 3. Zuletzt wurde Absatz 6 durch Art. 3 Nr. 29 des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17.8.201732 um die Sätze 2–4 ergänzt. Bezeichnung bis 1924: § 243. A.

B.

Übersicht Zweck und Anwendungsbereich I. Zweck | 1 II. Anwendungsbereich | 2 Beweisaufnahme (Absatz 1) I. Begriff | 3 II. Gegenstand der Beweisaufnahme 1. Tatsachen | 5 2. Erfahrungssätze | 6 3. Einteilung der Beweistatsachen | 7 4. Anzuwendendes Recht | 8

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III.

IV.

Entbehrlichkeit der Beweisaufnahme 1. Geständnis des Angeklagten | 9 2. Offenkundigkeit | 10 Einschränkungen der Beweisaufnahme bei Schätzungen 1. Schätzklauseln des materiellen Rechts | 11 2. Schätzklausel des Prozessrechts | 12 3. Aufklärungspflicht | 13

25 Vgl. RGSt 74 147, 148 ff. sowie Alsberg/Güntge 14; Fezer FS II BGH 4 852 f.; Foth FS Widmaier 235. 26 Zumal durch die Verordnung zur weiteren Vereinfachung der Strafrechtspflege vom 13.8.1942 (RGBl. I S. 508) auch die Möglichkeit der Verfahrensbeteiligten, Zeugen und Sachverständige unmittelbar zu laden, beseitigt wurde. 27 Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts vom 12.9.1950, BGBl. S. 455. 28 Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 vom 5.10.1978, BGBl. I S. 1645. 29 Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.1.1993, BGBl. I S. 50. 30 Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs, der Strafprozessordnung und anderer Gesetze (Verbrechensbekämpfungsgesetz), BGBl. I S. 3186. 31 BGBl. I S. 2208. 32 BGBl. I S. 3202.

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4. Beweisanträge | 15 5. Präsente Beweismittel | 16 6. Sonstige „Schätzungen“? | 16a V. Strengbeweis 1. Numerus clausus der Beweismittel | 17 2. Augenschein | 19 3. Abgrenzung des Augenscheinsbeweises | 22 4. Sonderformen der Beweiserhebung | 26 VI. Freibeweis 1. Allgemeiner Anwendungsbereich | 30 2. Spezielle Anwendungsfälle | 33 3. Doppelrelevante Tatsachen | 34 4. Freibeweisverfahren | 36 VII. Reihenfolge der Beweisaufnahme | 38 Aufklärungspflicht (Absatz 2) I. Übergeordneter Verfahrensgrundsatz | 39 II. Gegenstand der Aufklärungspflicht 1. Schuld- oder Freispruch | 40 2. Rechtsfolgenausspruch | 41 3. Verfahrenstatsachen | 42 III. Grenzen der Aufklärungspflicht 1. Keine überschießende Sachaufklärung | 43 2. Rechtliche Grenzen | 44 IV. Inhaltliche Kriterien der Aufklärungspflicht 1. Aufklärungspflicht und richterliche Überzeugung | 46 2. Rechtliche Beurteilungsmaßstäbe | 47 V. Sachaufklärung von Amts wegen | 50 VI. Leitlinie der gesamten Verfahrensgestaltung | 52 1. Ermessensentscheidungen | 53 2. Grundsatz des rechtlichen Gehörs | 54 3. Anwesenheitspflicht | 56 4. Beschleunigungsgebot | 57 5. Aufklärungspflicht und Beweisantragsrecht | 58 VII. Anwendungsfälle der Aufklärungspflicht (Beispiele) | 1. Erscheinungsformen | 59 2. Erfolglosigkeit der Beweisaufnahme | 61

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3.

Zuziehung weiterer Beweismittel | 65 VIII. Aufklärungspflicht und Sachverständigenbeweis; allgemeine Grundsätze | 68 1. Prüfung der eigenen Sachkunde | 69 2. Erwerb der eigenen Sachkunde | 71 3. Entscheidung über eigene Sachkunde | 72 4. Nachweis der eigenen Sachkunde | 73 5. Gerichtliche Verantwortung beim Sachverständigenbeweis | 75 6. Zuziehung eines weiteren Sachverständigen | 76 IX. Aufklärungspflicht und Schuldfähigkeitsbegutachtung 1. Zuziehung eines Sachverständigen | 78 2. Unterbringung zur Beobachtung | 81 3. Fachrichtung des Sachverständigen | 82 4. Bestellung mehrerer Sachverständiger; Prüfpflichten des Gerichts | 83 X. Aufklärungspflicht und Glaubhaftigkeitsbegutachtung von Zeugenaussagen 1. Zuziehung eines Sachverständigen | 84 2. Prüfpflichten des Gerichts; Bestellung mehrerer Sachverständiger | 87 3. Fachrichtung des Sachverständigen | 88 4. Anwesenheit des Sachverständigen in der Hauptverhandlung | 89 XI. Aufklärungspflicht und sachverständige Begutachtung sonstiger Fragen 1. Glaubhaftigkeit der Einlassung des Angeklagten | 90 2. Subjektive Tatseite | 91 3. Bestimmung des Reifegrades bei Jugendlichen und Heranwachsenden | 92 4. Bestimmung des Blutalkohols | 93 5. Technische, medizinische oder sonstige Fragen | 94

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Beweisanträge (§ 244 Abs. 3 bis 6) und sonstige Beweisbegehren I. (Unbedingter) Beweisantrag | 95 1. Inhaltliche Voraussetzungen des Beweisantrags a) Bestimmte Beweistatsache | 96 b) Bestimmtes Beweismittel | 104 c) Weitergehende Anforderungen? | 109 aa) Beweisantrag „aufs Geratewohl“ | 110 bb) Konnexität | 113 2. Mangelhafter Beweisantrag a) Hinweispflicht | 115 b) Auslegung | 117 3. Antragstellung a) Antragsberechtigung | 118 b) Zusammenwirken mehrerer Antragsberechtigter | 119 c) Zeit und Ort | 122 d) Form | 126 4. Rücknahme des Beweisantrags; Verzicht auf die Beweiserhebung | 127 5. Prüfung des Beweisantrags | 130 6. Entscheidungskompetenz | 131 7. Bekanntgabe und Inhalt des Ablehnungsbeschlusses; Nachschieben von Ablehnungsgründen im Urteil a) Bekanntgabe | 133 b) Begründung | 134 c) Nachschieben von Ablehnungsgründen im Urteil | 138 d) Abschrift des Beschlusses | 140 8. Änderung der Entscheidung | 141 a) Nachträgliche Ablehnung des Beweisantrages | 142 b) Nachträgliche Anordnung der Beweiserhebung | 143 c) Änderung der Ablehnungsgründe | 144 9. Austausch von Beweismitteln | 145 II. Bedingter Beweisantrag; Eventualbeweisantrag; Hilfsbeweisantrag 1. Beweisantrag und Bedingung | 150

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Prozessual bedingter Beweisantrag | 151 3. Eventualbeweisantrag | 152 4. Hilfsbeweisantrag a) Merkmale | 153 b) Auslegung des Antrags; Befragung des Antragstellers | 154 c) Zulässigkeit | 156 d) Bescheidung | 157 5. Eventual- und Hilfsbeweisantrag mit Bescheidungsklausel | 160 III. Sonstige Beweisbegehren 1. Beweisermittlungsantrag a) Begriff | 162 b) Prüfungsmaßstab Aufklärungspflicht | 163 c) Bescheidung des Antrags | 165 2. Beweisanregung, Beweiserbieten, Aufklärungsantrag a) Beweisanregung | 168 b) Beweiserbieten | 169 c) Aufklärungsantrag | 171 d) Antrag auf Wiederholung einer Beweisaufnahme | 175 IV. Sitzungsniederschrift 1. Anträge | 178 2. Beschlüsse | 180 Ablehnung von Beweisanträgen I. Allgemeine Grundlagen 1. Bedeutung | 181 2. Abschließende Regelung | 182 3. Verbot der Beweisantizipation | 183 II. Unzulässigkeit der Beweiserhebung (§ 244 Abs. 3 Satz 1) 1. Allgemeines a) Unzulässige Beweiserhebung und unzulässiger Beweisantrag | 185 b) Ablehnungspflicht | 186 2. Unzulässige Beweiserhebung a) Allgemeine Grundsätze | 187 b) Kategorisierung der Beweisverbote | 188 c) Beispiele aa) Beweismittelverbote | 189 bb) Beweisthemenverbote | 190 cc) Beweismethodenverbote | 197

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3.

III.

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Unzulässige Beweisanträge a) Abgrenzung | 198 b) Rechtsmissbräuchliche Beweisanträge | 199 4. Ablehnungsbeschluss | 201 Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 Satz 2 1. Allgemeines | 202 2. Offenkundigkeit a) Allgemeine Grundlagen | 203 b) Allgemeinkundigkeit aa) Allgemeinkundige Tatsachen | 204 bb) Allgemeinkundige Erfahrungssätze | 207 c) Gerichtskundigkeit aa) Gerichtskundige Tatsachen | 208 bb) Gerichtskundige Erfahrungssätze | 211 d) Stimmenverhältnis bei Kollegialgerichten | 212 e) Rechtliches Gehör | 213 f) Ablehnungsbeschluss | 214 g) Sitzungsniederschrift | 215 3. Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache a) Allgemeines | 216 b) Bedeutungslosigkeit aus rechtlichen Gründen | 217 c) Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Gründen | 220 d) Ablehnungsbeschluss | 225 e) Weiteres Verfahren | 227 4. Erwiesenheit der Beweistatsache a) Voraussetzungen | 228 b) Weiteres Verfahren | 229 5. Völlige Ungeeignetheit des Beweismittels a) Allgemeines | 230 b) Völlig ungeeigneter Zeuge | 233 c) Völlig ungeeignetes Sachverständigengutachten | 238 d) Völlig ungeeigneter Urkundsbeweis | 241 e) Völlig ungeeigneter Augenschein | 242 f) Ablehnungsbeschluss | 243

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Unerreichbarkeit des Beweismittels a) Allgemeines | 244 b) Voraussetzungen der Unerreichbarkeit | 246 c) Unerreichbarer Zeuge aa) Unbekannter Aufenthalt | 248 bb) Bekannter Aufenthalt | 251 cc) Aufenthalt und Ladung im Ausland | 252 dd) Vorübergehende Unerreichbarkeit | 255 ee) Unerreichbarkeit aus Rechtsgründen | 256 ff) Kommissarische und audiovisuelle Vernehmung | 259 d) Unerreichbarkeit anderer Beweismittel | 262 e) Ablehnungsbeschluss | 264 Prozessverschleppung a) Allgemeines | 265 b) Voraussetzungen der Verschleppungsabsicht | 268 aa) Aussichtslosigkeit der beantragten Beweiserhebung | 269 bb) Absicht der Verschleppung | 270 cc) Tatsächliche Verzögerung | 274 c) Sonderkonstellationen aa) Verfahrensfremde Ziele | 276 bb) Benennung eines Richters als Zeugen | 279 cc) Massenhafte Beweisanträge | 283 dd) Erzwingungsanträge | 284 d) Beweisanträge des Verteidigers | 285 e) Ablehnungsbeschluss | 286 Wahrunterstellung a) Allgemeines | 288 b) Bedeutung und dogmatische Einordnung | 289 c) Vorrang der Aufklärungspflicht | 291

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d)

IV.

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Voraussetzungen der Wahrunterstellung aa) Geeignete Beweistatsache | 294 bb) Entscheidungserhebliche Beweistatsache | 297 cc) Entlastende Beweisbehauptung | 300 dd) Geeigneter Antrag | 301 e) Behandlung des Antrags aa) Hinwirken auf Klarstellung | 304 bb) Ablehnungsbeschluss | 305 f) Auswirkung für das weitere Verfahren aa) Bindung des Gerichts | 306 bb) Änderung der Auffassung | 310 cc) Urteilsgründe | 315 g) Sonderfälle | 318 Ablehnung von Beweisanträgen auf Vernehmung eines Sachverständigen (§ 244 Abs. 4) 1. Allgemeines a) Rechtsentwicklung | 319 b) Ergänzende Regelung | 320 c) Abgrenzung zwischen Sachverständigengutachten und Zeugenaussage | 321 2. Eigene Sachkunde des Gerichts (Absatz 4 Satz 1) a) Prüfung der eigenen Sachkunde | 322 b) Notwendigkeit der Zuziehung eines Sachverständigen kraft Gesetzes | 323 3. Anhörung eines weiteren Sachverständigen (Absatz 4 Satz 2) a) Antrag auf weiteren Sachverständigen | 324 b) Ablehnung wegen eigener Sachkunde | 326 c) Ablehnungsbefugnis nach Absatz 4 Satz 2 Halbsatz 1 | 327 d) Ausnahme bei geschmälertem Beweiswert des Erstgutachtens (Absatz 4 Satz 2 Halbsatz 2) | 328

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aa) Zweifelhafte Sachkunde des früheren Gutachters | 329 bb) Unzutreffende tatsächliche Voraussetzungen | 332 cc) Widersprüche | 335 dd) Überlegene Forschungsmittel | 336 4. Ablehnungsbeschluss | 339 V. Ablehnung von Beweisanträgen auf Augenscheinseinnahme (§ 244 Abs. 5 Satz 1) 1. Allgemeines a) Beurteilungsmaßstab Aufklärungspflicht | 342 b) Ergänzende Regelung | 343 c) Anwendungsbereich | 344 2. Einzelfragen a) Tatortbesichtigung | 345 b) Grundlage für Sachverständigengutachten | 346 c) Klärung anderer Beweisergebnisse | 347 d) Augenschein im Ausland | 349 3. Ablehnungsbeschluss | 350 4. Sitzungsniederschrift | 351 VI. Ablehnung von Beweisanträgen auf Vernehmung eines Auslandszeugen (§ 244 Abs. 5 Satz 2) 1. Allgemeines a) Zweck der Regelung | 352 b) Verhältnis zu Absatz 3 Satz 2 | 353 2. Ablehnungsvoraussetzungen a) Ladung im Ausland | 354 b) Vernehmung durch Aufklärungspflicht nicht geboten | 355 3. Freibeweisliche Ermittlungen | 358 4. Ablehnungsbeschluss | 359 VII. Ablehnung von Beweisanträgen auf Verlesung eines Ausgangsdokuments (§ 244 Abs. 5 Satz 3) | 1. Allgemeines und Anwendungsbereich | 359a 2. Verfügbarkeit des Ausgangsdokuments | 359b 3. Zweifel an inhaltlicher Übereinstimmung | 359c 4. Ablehnungsbeschluss | 359d

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Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

VIII. Ablehnung verfristeter Beweisanträge (§ 244 Abs. 6 Satz 2 bis 4) 1. Allgemeines | 359e 2. Fristsetzung (Absatz 6 Satz 2) | 359g 3. Wiederholte Fristsetzung | 359l 4. Behandlung verfristeter Beweisanträge (Absatz 6 Satz 3 und 4) a) Anträge, die vor Fristablauf möglich waren (Satz 3 Halbsatz 1) | 359m b) Anträge, die nicht vor Fristablauf möglich waren (Satz 3 Halbsatz 2) | 359p c) Glaubhaftmachung (Satz 4) | 359r 5. Sitzungsniederschrift | 359s Revision I. Vorziehen der Beweisaufnahme (Absatz 1) | 360 II. Verletzung der Aufklärungspflicht (Absatz 2)

Alphabetische Übersicht Ablehnung eines Beweisantrags – abschließende Festlegung der Ablehnungsgründe 182 – Abschrift des Beschlusses 140 – Änderung der Ablehnungsgründe 144, 310 ff. – Begründung des Beschlusses 134 ff., 201, 214, 225 f., 229, 243, 264, 286, 305, 339 f., 350, 359, 359d, 370 – Bekanntgabe des Beschlusses 133, 359 – Bezugnahmen 135 – im Urteil 157 ff., 359e f., 359m – sachfremde Erwägungen 182 – unzureichende Gründe 134 ff., 184 Abschriften 140, 241 Absprachen 9, 50 Adhäsionsverfahren 12, 118 Änderung der Beweislage 227 Affektzustand 79 Akten des eigenen Verfahrens 9 ff., 36, 47, 90, 117, 163, 208, 231, 286, 362, 364 f., 369 Akten, Beiziehung anderer 67, 196, 285 Akten, elektronische 359a ff. Aktenwidrigkeit der Urteilsfeststellungen 365 Alibi 7, 98, 272 Allgemeinkundig 204 ff. Alternativrüge (Revision) 365 Altersabbau 79

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1.

III.

Zweck und taugliche Angriffsrichtung der Aufklärungsrüge | 361 2. Inhaltliche Anforderungen an die Aufklärungsrüge | 366 3. Prüfung des Revisionsgerichts | 369 Gesetzwidrige Behandlung von Beweisanträgen (Absatz 3 bis 6) 1. Angriffsrichtungen der Rüge | 370 2. Rügeverlust | 371 3. Begründung der Rüge | 372 4. Beweisanträge anderer Verfahrensbeteiligter | 374 5. Prüfung des Revisionsgerichts | 375 6. Nichtbescheidung eines Beweisantrags | 377 7. Nichtausführung der angeordneten Beweiserhebung | 378 8. Hilfsbeweisanträge | 379 9. Aufklärungsrüge | 380 10. Rüge der Verletzung des Gebots fairen Verfahrens | 382

Amnesie, retrograde 84 Angeklagter – Anwesenheitspflicht 56, 61 – Erscheinungsbild 23, 79 – schwerhöriger 54 – Verhältnis zu Verteidiger 285 – Vernehmung 3 f., 360 Anderweitige Rechtshängigkeit 34 Anknüpfungstatsachen 28, 33, 64, 75, 231, 238 f., 320, 373 Anordnung, Anträge schriftlich zu stellen 126 Anrufung des Gerichts (§ 238 Abs. 2) 132, 145, 165, 174, 186 Antragsbeteiligter 120 Anwendungswissen 70 Arbeitsunterlagen des Sachverständigen 75, 77 Audiovisuelle Vernehmung s. Bild-TonÜbertragung Aufenthalt, unbekannter 248 ff. Aufklärungspflicht 1, 2, 9, 13 f., 37, 39 ff., 99, 110, 115 f., 122, 127, 142 f., 145 f., 162, 163, 168, 169 f., 171 ff., 175, 182, 203, 222, 248 ff., 252 f., 259, 261, 273, 291 f., 296, 313, 319, 322, 327, 342, 352, 353, 355 ff., 359a, 359e, 359m, 361 ff., 380 – Anwendungsbeispiele 59 ff. – Beurteilungsmaßstab 47 ff. – Ermessensentscheidungen 53

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

– –

überschießende Sachaufklärung 43, 57 Unabhängigkeit vom Prozessverhalten 50 f., 362 – Verhältnis zu anderen Verfahrensregeln 54 ff. – Verhältnis zum Beweisantragsrecht 58, 253, 327 Aufklärungsanträge 168, 171 ff., 175 ff., 178, 180 Aufklärungsrüge 104, 165, 178, 222, 292, 361 ff., 380 Augenschein 3, 18, 19 ff., 22 ff., 26 ff., 53, 67, 108, 145 f., 175, 177, 242, 245, 262, 342 ff., 368 Augenscheinsgehilfe 25, 149 Ausgangsdokument 359a ff. Auskunft 36 Ausländerzentralregister 105 Ausland, Augenschein im 349 – Zeuge s. Ladung Aussagegenehmigung 67, 192, 256 f. Aussageverweigerung des Zeugen 64, 67, 235, 237, 256, 357, 358 Ausschöpfen der Beweismittel 44, 64, 363 Austausch von Beweismitteln 145 ff. Bankgeheimnis 193 Bedeutungslosigkeit 144, 216 ff. – Revision 373, 376 Bedingung 119, 150 Befundtatsachen 29, 332 f. Beistand 118 Behördenauskunft 36, 102, 177, 262 Behördenvertreter 118 Beobachtung im Krankenhaus 81, 337 Beobachtungsfähigkeit 28 Beratungsgeheimnis 192 Beschleunigtes Verfahren 2 Beschleunigung des Verfahrens 33, 43, 57, 219, 283, 289, 352 Beweisanregung 168 ff., 178, 180, 342, 366 Beweisantizipation s. Vorwegnahme der Beweiswürdigung Beweisantrag – Ablehnung s. Ablehnungsbeschluss – Ablehnung im Urteil 138 f., 157, 227 – Antragsrecht 118 – außerhalb der Hauptverhandlung 123 – Auslegung 117 – bedingter 150 ff. – Begriff 95 – Bestimmtheit 96 ff., 104 ff. – Endzeitpunkt 125, 271 – Form 126 – gemeinsamer 121, 127 – Mangel der Ernstlichkeit 199 – mangelhafter 115 ff., 198, 359n – massenhaft 283

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§ 244

mehrere Antragsberechtigte 118 ff., 179, 287, 374 – mehrere Beweisthemen 137, 225, 287 – Missbrauch 199 f., 359e – nicht beschiedener 138, 370 – Quelle der Beweisbehauptung 103, 110, 112 – Rücknahme 121, 127 ff., 179 – Unmöglichkeit rechtzeitiger Antragstellung 359p – unzulässiger 118, 198 ff. – verbrauchter 175 – versäumter 362 – verspätete Antragstellung 271, 359e ff. – Verzicht 121, 124, 127 ff., 179 – Wiederholung 131 Beweisaufnahme, Anordnung 131 f., 143 – förmliche 3 – Gegenstand 5 ff. – im materiellen Sinn 3 – Modalitäten 171, 173 – nachträgliche Anordnung 143 – Reihenfolge 38, 53 – unzulässige 185 ff. – Vorgänge der gleichen Hauptverhandlung 95, 191 – Wiederholung 175 – Zurückstellung 148 Beweiserbieten 169 f. Beweiserheblichkeit, potentielle 216, 290, 298 f., 303, 312 f. Beweisermittlungsantrag 51, 102, 104 f., 115, 155, 162 ff., 169, 173, 178, 186, 198, 266, 302, 342, 366, 367, 381 – Bescheidung 165 ff. Beweismethoden, verbotene 197 Beweismittel – erkennbares 47, 49, 60, 61 – höherwertiges 66 – Konnexität zur Beweisbehauptung 109, 113 f. – numerus clausus der B. 17 f. – nicht benutztes 60, 61 – präsentes 16, 127, 203, 216, 278, 344 – Sicherung 171 – tatnäheres 66 – übergangenes 361 – umfassende Ausschöpfung 44, 64, 363 – Wert 184 Beweistatsachen, Rangordnung 218 Beweisverbote 33, 37, 42, 44, 163, 188 ff. Beweiswürdigung 17, 24, 37, 46, 65, 209, 220 ff., 225, 229, 296, 308 f., 361 – s. auch Überzeugung des Gerichts Beweisziel 96 ff., 114, 183, 223, 225, 233, 289 f. Bild-Ton-Aufzeichnungen der Vernehmung 19, 53, 67, 177, 260, 364 –

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§ 244

Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

Bild-Ton-Übertragung, zeitgleiche 53, 67, 253, 261, 264, 354, 373 Bindung an fremde Feststellungen 190 Blutalkohol 63, 93, 238 Blutprobe 63 Bücher 205, 212 Bundeszentralregister 41, 78, 105, 147, 195 Bußgeldverfahren 2 Dienstliche Wahrnehmungen der Richter 36, 209, 282 Digitale Speichermedien 19 Dolmetscher 191, 254 Doppelbestrafung, Verbot der 34 Doppelrelevante Tatsachen 34 f. Drogenabhängige 80, 84 Einziehungsbeteiligte s. Nebenbeteiligte Entschädigung – des Angeklagten 31 – des Verletzten s. Adhäsionsverfahren Entscheidungen Vorsitzender/Gericht 131 f., 165 f., 170, 174, 180 Epileptiker 79, 84 Erfahrungssätze 6, 7, 63, 203, 207, 211, 230 f., 239 Erinnerungsvermögen (Zeuge) 84, 234 Erlebnis- und Interessenkreis, gleicher 348 Ermessen des Gerichts 12, 14, 15, 37, 53, 82, 88, 168, 182, 186, 202, 236, 252, 256, 329, 342, 352, 356, 359a, 359h, 359o Erreichbarkeit des Beweismittels 244 ff. – s. auch Unerreichbarkeit Ersatzeinziehung 11 Erwiesenheit einer Tatsache 228 f. Erziehungsberechtigter 41, 118, 258 Erzwingungsanträge 284 Europäisches Rechtshilfeübereinkommen 253 Eventualbeweisantrag 152 Experimente s. Versuche Fachschrifttum 71 Fachwissen 68, 70, 71, 86, 327 Fahrprobe 238 Faires Verfahren 37, 115, 117, 123, 313, 382 Filme 19, 67, 146, 233, 368 Finanzamt, Vertreter 118 Firma (Zeuge) 105 Forschungsmittel, überlegene 33, 336 ff., 340 f. Fragen der Verfahrensbeteiligten 27, 37 Fragepflicht des Gerichts 28, 64, 115, 120, 155, 169, 178, 273, 301, 324, 359n Freibeweis 3, 4, 9b, 17, 30 ff., 47, 71, 95, 164, 178, 186, 209, 215, 231 f., 254, 273, 280, 338, 358, 376 Freies Geleit 253 Freiheit vom Selbstbelastungszwang 37 Freispruch 43

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Fremdpsychologische Tatsachen, s. innere Tatsachen Fristsetzung 273, 359e ff. – wiederholte 359l Fürsorgepflicht 115, 123, 313 Funktionstüchtige Rechtspflege 187 Gedächtnis 184, 234 Gegenteil erwiesen 15, 45, 111, 147, 159, 184, 203, 228, 271, 327, 329, 332, 340 Gegenüberstellung 27, 64, 97, 171, 176, 178, 260 Geisteskrankheit 78, 82, 83, 88, 233 Gericht – Abstimmungsverhältnis 72, 212 – eigene Sachkunde 68 ff., 322 Gerichtshilfe 56 Gerichtskundig 203, 208 ff. Geschäftsbücher 241 Geschichtliche Ereignisse 205 Geständnis 4, 9 ff., 30, 46, 50, 65, 90, 118, 184, 210, 272 Gesundheitsschädigung des Zeugen 28, 172 Gewohnheitsrecht 8 Glaubhaftigkeit und -würdigkeit 3, 9 ff., 28, 30, 46, 65, 67, 84 ff., 90, 148, 237, 239, 292, 358 Glaubhaftmachung 359r Grundrechte 37, 187, 193, 201, 382 Gutachten – inhaltliche Kriterien 83, 87 – schriftliches 36, 64, 323, 331, 335, 373 Haft im Ausland 253 Hafturlaub 249 Hauptverhandlung – frühere 209 – Vorgänge aus derselben 191 Heilung von Verfahrensfehlern 175 Hilfsmittel bei der Vernehmung 19, 24, 350 Hilfstatsachen 7, 159, 183, 209 f., 216, 220, 223, 225, 229, 232, 281 f., 290, 292, 294, 296, 299, 303, 308 f., 312, 317 Hilfsweise gestellte Beweisanträge 119, 128, 153 ff., 178, 283, 284, 303, 317, 374, 379 Hintergrundtatsachen 210 Hinweispflicht, richterliche 55, 115 f., 178, 188, 213, 227, 229, 308, 310 f., 313 Hirnschädigung 79, 84 Indizien 7, 46, 65, 101, 183, 195, 209 f., 216, 217, 220, 223, 225, 229, 232, 271 f., 273, 286, 290, 294 ff., 308 f., 312, 317 Informatorische Befragung 17 Innere Tatsachen 5, 62, 99, 218, 233 Instruktionsmaxime 39 Interessenverbundenheit 120

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

Jugendgerichtshilfe 41, 56 Jugendliche, Reifegrad 92 Kalender 205 Karten 20, 146, 205, 212 Kinder oder Jugendliche als Zeugen 85 f., 233, 258 Kommissarische Einvernahme 253, 259 ff., 264, 354 Konnexität von Beweisbehauptung und Beweismittel 109, 113 f. Kontrollwissen 327 Kosten des Verfahrens 31 Kriminaltechnik 94 Kursbücher 212 Ladung – im Ausland 252 ff. – Versuch der 249, 254 Lebenserfahrung 6, 13, 47, 68, 74, 183, 204, 230, 238 Lebensgefahr für Zeugen 192, 258 Leumund 99 Lichtbilder 19, 105, 308, 368 Medizinische Fragen 94 Mehrerlös 11 Menschenrechtskonventionen 382 Mitangeklagte 4, 30, 67, 120, 177, 189, 271, 300, 374 Modelle 20 Nachbarschaft 113 Nachschieben von Ablehnungsgründen 138 f., 227 Nachschlagewerke 205 Naturereignisse 205 Nebenbeteiligte 2, 118, 265 Nebenkläger 115, 118, 265, 301, 374 Negation einer Tatsache (Beweisantrag) 101 Nichtausführung der angeordneten Beweiserhebung 378 Obergutachten 324 Öffentlichkeit, Ausschluss 33, 38, 193 Offenkundigkeit 203 ff. Operative Fallanalyse 98 Ordnungswidrigkeitenverfahren 2 Personenidentifizierung 27 Präsente Beweismittel s. Beweismittel, präsentes Privatgeheimnisse 193 Privatkläger 118, 189 Privatklageverfahren 2 Prognosen 5, 67, 95, 100 Prozesswirtschaftlichkeit 57, 202, 255, 318 Psychiater/Psychologe 28, 82, 83, 88, 239 Rangordnung der Entscheidungserheblichkeit 218 Recht – anzuwendendes 8, 294 – ausländisches 8

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§ 244

Rechtfertigungsgründe 218 Rechtliches Gehör 13, 54 f., 112, 154, 213, 283 Rechtsbegriffe 98 Rechtsfolgenentscheidung 3, 7, 9, 11, 13, 17, 30 f., 38, 41, 61, 95, 100, 156, 217, 284, 307 Rechtshilfe 251, 253, 259 ff., 349, 354, 373 Rechtsstaatsprinzip 37, 39, 187, 283 Reihenfolge der Verfahrensvorgänge 4, 38, 53 Rekonstruktion – der Beweisaufnahme 363, 364 – eines Vorgangs 29, 171, 172 Revision 360 ff. – Begründung der Aufklärungsrüge 366 f., 380 f. – Beruhen 48, 138, 311, 360, 372, 375, 376, 377, 379, 382 – Bezugnahmen 366, 372 – der Staatsanwaltschaft 374 – gesetzwidrige Behandlung von Beweisanträgen 370 ff. – Sachrüge 73, 361, 372, 373, 379 – spätere Verfahrensentwicklung 373 – Verstoß gegen faires Verfahren 382 – zusätzliche Aufklärungsrüge 380 Revisionsgericht, Nachprüfung 32 f., 47 f., 73, 134, 139, 165, 221, 225, 286, 350, 359, 363 f., 369, 375, 379, 380 Richter – beauftragter, ersuchter 25, 146, 177, 236, 259 f. – des erkennenden Gerichts als Zeuge 199, 279 ff. Rückerinnerung 234 Rücknahme der Beweiserhebungsanordnung 142 Sachaufklärung, überschießende – vgl. Aufklärungspflicht Sachfremde Beweisablehnungsgründe 182 Sachkunde des Gerichts 69 ff. Sachverständiger 18, 26, 28 f., 50, 58, 68 ff., 78 ff., 84 ff., 90 ff., 107, 175 f., 177, 238 ff., 245, 263, 319 ff., 373 – Ablehnung der Zuziehung 319 ff. – Anwesenheit in Hauptverhandlung 89 – Außenseitermeinung 330 – Auswahl 75, 82, 145 – Mängel des Gutachtens 75, 77, 330, 373 – Meinungsänderung 331 – Unterlagen des Gutachtens 64, 75, 77, 331 – Untersuchungsmethoden 38, 75, 77, 238, 330, 337, 368 – Wahrscheinlichkeitsaussage 239 – weiterer 76 f., 83, 87, 324 ff.

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§ 244



Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

zusätzliche Gründe für Ablehnung des Beweisantrags 320 – Zweifel an Sachkunde 326, 329 ff. Schätzung 11 ff., 28 Scheinbeweisanträge 110, 199 Schlussfolgerungen 96 f. Schlussvortrag 128, 152, 153 f. Schriftstücke, Individualisierung 106 Schriftübertragung von Tonaufzeichnungen 146 Schuldausschließungsgrund 218 Schuldfähigkeit 33 f., 50, 78 ff., 91, 98, 102, 152, 218, 285 Schuld- und Rechtsfolgenfrage 3, 38, 60, 61, 156 Schweigegebot (§ 174 GVG) 193 Schweigepflicht, Entbindung 236 Sicherungsverwahrung 217, 323 Sitzungsniederschrift 37, 126, 140, 178 ff., 215, 351, 359s, 364, 365, 372 – Schweigen der 178 – Widerspruch zu Urteilsgründen 365 – Beweiskraft 37 Skizzen 20 Sperrerklärung nach § 96 (analog) 33, 67, 192, 257, 262 Spezialität, Grundsatz der 34 Spezialwissen 68, 69 f. Strafantrag 33, 34, 42 Strafbefehl, Verfahren nach 2 Strafregister 41, 78, 105, 147, 195 Strengbeweis 3, 13, 17 ff., 30 f., 33, 34 f., 71 Tatsachen – aus der Luft gegriffene 103, 110 ff. – negative 101 – offenkundige 10, 146, 203 ff. – potentiell erhebliche 209, 216, 298 f., 313 – Rangordnung der Erheblichkeit 218 – vermutete 103 Tagessatzhöhe 11 Tatort 20, 345 Technisches Fachwissen 72, 94 Tonaufnahme der eigenen Hauptverhandlung 21 Tonaufzeichnungen 19, 67, 108, 146, 368 Triebanomalien 79, 83 Trunkenheit 80, 233 Trunksüchtige 80 Überraschungsentscheidung 362 Üble Nachrede 184 Unerreichbarkeit 244 ff. – aus Rechtsgründen 247, 256 ff. – Revision 373, 376 – vorübergehende 255 Ungeeignetheit 230 ff. Überzeugung, richterliche 3 f., 6, 9 f., 46 f., 60, 65, 183 f.

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Übung, örtliche 8 Unschuldsvermutung 196 Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus 81, 83, 102, 323 Untersuchung, körperliche 25, 28 Untersuchungsgrundsatz 39 Urkunden – Abschriften 241 – Echtheit 7 – Erreichbarkeit 262 – Übersetzung 106 – Verlesen 146 ff., 177, 359a ff., 364 Urteil – früheres 41 – Verkündung 125 Urteilsgründe 2, 41, 48, 73, 133, 138 f., 152, 157 ff., 228, 303, 315 ff., 326, 339, 350, 369, 372, 373, 375, 379 – Nachschieben von Beweisablehnungsgründen 138 f., 227 – Übereinstimmung mit Ablehnungsgründen 229, 302, 306 ff., 359 Verdeckte Ermittler 67 Vereidigung 37, 53, 152, 171 Verfahren nach Strafbefehl 2 Verfahrensbeteiligte, Anhörung 130, 142 Verfahrensfremde Zwecke 199, 276 ff. Verfahrensinteressen, eigene 118 ff. Verfahrensrechte 374 Verfahrensrolle 189 Verfahrenstrennung 53 Verfahrensverbindung 53 Verfahrensverzögerung 57, 274 f. Verfahrensvoraussetzungen 33, 35, 42, 218 Verhandlungsunfähigkeit 33 f. Verletzter 118 Vermutungen – des Antragstellers 103 – des Gerichts 14 Vernehmungsniederschriften 147, 259 ff., 357 Verschleppungsabsicht 112, 114, 158, 199, 202, 265 ff., 359f – Ablehnung in Hauptverhandlung 158 – Beweisantizipation 183, 269 – Beweisanzeichen 272 f. – Fristsetzung 273, 359e ff. – tatsächliche Verzögerung 274 f. Versäumnisse der Verfahrensbeteiligten 362 Verschwiegenheitspflichten 192, 193 Versicherung an Eides statt 37 Versuche 28 f., 171 f., 238 – Mitwirkungspflicht 28, 172 Verteidiger, Erklärungen 4 – Verhältnis zum Angeklagten 285

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

Vertrauensperson des Verletzten 118 Verwaltungsakt, Bindung an 190 Verweisung nach § 270 122 Verzicht – auf Bekanntgabe der Entscheidung über Beweisantrag 133, 152, 154, 157, 160 – auf Beweiserhebung 50, 121, 124, 127 ff., 179, 271, 371 – auf Entscheidung über Beweisantrag 132 Völkerrecht 253, 349 Vorfragen 190 Vorhalte 19 f., 24, 64, 213, 260, 363 ff. Vorstrafen 41, 195, 237 Vorwegnahme der Beweiswürdigung 46, 48 f., 58, 148, 159, 163, 165, 183 f., 203, 221, 224, 228, 232, 234, 239, 248, 260 f., 306, 327, 341, 343, 350, 352, 356, 359, 369, 380 Wahrscheinlichkeitsaussage 232, 239 Wahrunterstellung 216, 288 ff., 373 – Anschuldigungen gegen Dritte 318 – Bindung des Gerichts 306 ff. – Revision 308, 373 Wertung 99 Wesentliche Förmlichkeit 215, 351 Widersprüchliche Beweislage 47, 64, 65, 76, 84, 177, 347, 364 Widersprüchliche Gutachten 64, 75, 331, 335 Wiedereintritt in Beweisaufnahme 144, 154, 359l Wissenschaftliche Erkenntnisse 95

§ 244

Zeitschriften 205, 206 Zeitungsanzeige 250 Zeuge – äußeres Erscheinungsbild 23, 85 – ausgebliebener 33, 124 – Aussagegenehmigung 67, 192, 256 – Berichtigung der Aussage 175 – Beweisantragsberechtigung 118 – Ermittlung 105 – erneute Einvernahme 175 f. – gesperrter 33, 67, 192, 257 – im Ausland 33, 53, 67, 133, 250, 252 ff., 259, 261, 272, 351 ff. – Krankheit 251, 255 – Mitwirkungspflicht 28, 172 – Name, Anschrift 105, 257 – nicht austauschbar 148 f. – Reihenfolge der Einvernahme 38, 53 – sachverständiger 321 – Tauglichkeit 28, 84, 233 ff. – unbekannter Aufenthalt 248 ff. – Urlaub 255 – Verstrickung in das Verfahren 237 – vom Hörensagen 49, 67, 148 Zeugnisverweigerungsrecht 28, 37, 64, 67, 189, 194, 235, 236, 256, 357, 358 Zusatztatsachen 332, 334 Zusicherung der Vertraulichkeit 67, 257 Zweifelssatz 13, 46, 47, 76, 184, 229, 239, 289, 290, 295, 296, 300

A. Zweck und Anwendungsbereich I. Zweck § 244 Abs. 1 regelt anknüpfend an § 243 den weiteren Ablauf der Hauptverhandlung 1 (s. näher Rn. 3 f. sowie § 243, 1). Absatz 2 hebt durch die Normierung der gerichtlichen Aufklärungspflicht die Geltung der das gesamte Strafverfahren beherrschenden Instruktionsmaxime für die Hauptverhandlung nochmals besonders hervor. Die Absätze 3 bis 5 legen dagegen indirekt fest, in welchem Umfang die anderen Prozesssubjekte durch Beweisanträge auf das Beweisprogramm des Gerichts Einfluss nehmen können;33 denn die dortigen Regelungen enthalten den abschließenden Katalog der Gründe, aus denen allein das Gericht einen derartigen Antrag zurückweisen muss (Absatz 3 Satz 1) oder darf (Absatz 3 Satz 2, Absätze 4 und 5). Absatz 6 bestimmt in Satz 1 das Normalverfahren bei Zurückweisung eines Beweisantrages; darüber hinaus räumt er in Satz 2 dem Vorsitzenden die Befugnis ein, eine angemessene Frist zur Stellung von Beweisanträgen zu setzen,

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33 AK/Schöch 5; HK/Julius 2; Mosbacher HRRS-GedS Widmaier 79; vgl. auch SK/Frister 45 f. Zu weit geht allerdings die Auffassung von Weßlau StraFo 2007 4, die Regelungen fußten auf dem „Grundmodell der StPO“, dass der Strafprozess erst dann zum Ende komme, wenn die Verfahrensbeteiligten über die Prognose, dass die Einführung weiterer Beweisquellen und -themen das Bild von den entscheidungserheblichen Tatsachen nicht mehr verändern werde, einen „Konsens“ erzielt hätten.

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und regelt in den Sätzen 3 und 4 das Verfahren für den Fall, dass ein Beweisantrag erst nach Ablauf dieser Frist gestellt wird. II. Anwendungsbereich 2

§ 244 gilt nicht für sämtliche Strafverfahren und alle Verfahrensbeteiligte uneingeschränkt. Seine Absätze 3 bis 5 finden keine Anwendung in der amtsgerichtlichen Hauptverhandlung vor dem Strafrichter im Privatklageverfahren (§ 384 Abs. 3), im beschleunigten Verfahren (§ 420 Abs. 4), im Verfahren nach Strafbefehl (§ 411 Abs. 2 Satz 2, § 420 Abs. 4)34 und im Bußgeldverfahren (s. die Sonderregelungen in § 77 OWiG). Hier bestimmt der Strafrichter jeweils ausschließlich nach den Maßstäben der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2; s. näher Rn. 39 ff.) den Umfang der Beweisaufnahme, hat jedoch über Beweisanträge – so sie nicht nur hilfsweise (s. Rn. 153 ff.) oder verfristet (s. Rn. 359e ff.) gestellt wurden – ebenfalls durch zu begründenden Beschluss (§ 244 Abs. 6 Satz 1, § 34) zu entscheiden (§ 77 Abs. 3 OWiG schränkt lediglich den Umfang der Begründungspflicht ein); denn soweit nicht das Gesetz selbst Einschränkungen vorsieht (§ 430 Abs. 2; § 77 Abs. 3 OWiG) hat es bei dem Grundsatz zu verbleiben, dass die Verfahrensbeteiligten wissen müssen, aus welchen Gründen das Gericht die beantragte Beweiserhebung für entbehrlich hält, damit sie ihr weiteres Prozessverhalten darauf einrichten können. Der Ansicht, das Gericht habe in diesen Fällen allenfalls in den Urteilsgründen, nicht aber schon in der Hauptverhandlung darzulegen, warum es sich von der beantragten Beweisaufnahme keine weitere Sachaufklärung erwarte,35 oder es könne sich mit einer Ablehnungsbegründung i.S.v. § 77 Abs. 3 OWiG begnügen,36 kann daher nicht gefolgt werden.37 Wird gegen ein Urteil, das der Strafrichter im beschleunigten Verfahren oder im Verfahren nach Strafbefehl erlassen hat, Berufung eingelegt, so ist § 244 in der Berufungshauptverhandlung in vollem Umfang anwendbar; denn es handelt sich nun nicht mehr um ein Verfahren vor dem Strafrichter i.S.d. § 420 Abs. 4.38 In der Berufung gegen ein im Privatklageverfahren ergangenes Urteil soll dagegen § 384 Abs. 3 anwendbar bleiben.39 Auf Beweisanträge des Einziehungsbeteiligten zur Schuld des Angeklagten ist § 244 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 bis 6 nicht anwendbar (§ 430 Abs. 2). Dies gilt auch im objektiven Einziehungsverfahren (§ 435 Abs. 3 Satz 2). § 438 Abs. 3 erstreckt diese Regelung auf Nebenbetroffene, § 439 auf Nebenbeteiligte, gegen die die Anordnung der Vernichtung, der Unbrauchbarmachung oder der Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustands in Betracht kommt, § 444 Abs. 2 Satz 2 auf die Nebenbeteiligung juristischer Personen und Personenvereinigungen bei Entscheidungen über die Festsetzung einer Geldbuße. B. Beweisaufnahme (Absatz 1) I. Begriff

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Unter Beweisaufnahme im engeren, formellen Sinn des § 244 Abs. 1 ist der sich grundsätzlich an die Vernehmung des Angeklagten anschließende, durch §§ 244 bis 257a geregelte Teil der Hauptverhandlung zu verstehen, in dem das Gericht unter Beteiligung

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34 35 36 37 38 39

Verfassungsrechtliche Bedenken bei Dahs NJW 1995 556 f.; Eschelbach ZAP Fach 22 S. 683. Vgl. etwa OLG Hamm NStZ 1984 462; KMR/Metzger § 420, 17. KK/Graf § 420, 8; Meyer-Goßner/Schmitt § 420, 11. Herdegen NStZ 1998 447; SK/Paeffgen § 420, 28; SSW/Sättele 4. KK/Graf § 420, 2; KK/Maur § 411, 21; Meyer-Goßner/Schmitt § 411, 7 und § 420, 12. Meyer-Goßner/Schmitt § 384, 13; a.A. Schlothauer StV 1995 47.

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der insoweit mitwirkungsberechtigten anderen Verfahrenssubjekte die tatsächlichen Grundlagen (s. Rn. 5 ff.) seiner Entscheidung über Schuld- und Rechtsfolgenausspruch im Strengbeweis mit den für diesen allein zulässigen Beweismitteln Zeugen, Sachverständige, Urkunden und Augenschein erarbeitet (s. näher Rn. 17 ff.; zum Freibeweis und zur Abgrenzung zwischen den beiden Beweisarten vgl. Rn. 30 ff.). Beweisaufnahme im weiteren, „materiellen“ Sinn ist hierüber hinausgehend auch jede sonstige Tätigkeit des Gerichts in der Hauptverhandlung, mit der es sich Gewissheit über das Vorliegen eines bestimmten entscheidungserheblichen Sachverhalts zu verschaffen sucht. Hierzu darf es grundsätzlich auf alle weiteren in der Hauptverhandlung vorhandenen zulässigen Erkenntnisquellen zurückgreifen; denn diese konstituieren den Inbegriff der Verhandlung i.S.d. § 261, aus dem das Gericht seine Überzeugung zu schöpfen hat. So wird das Verhalten eines Zeugen vor und nach seiner Vernehmung, etwa bei Feststellung seiner Anwesenheit (§ 243 Abs. 1 Satz 2) und der sich daran eventuell unmittelbar anschließenden Belehrung und Ermahnung (§ 243, 20) oder nach seiner Entlassung (§ 248 Satz 1) während weiterer Anwesenheit als Zuhörer, vom Gericht zur Kenntnis genommen und dadurch gegebenenfalls ein tatsächliches Element zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Aussage gewonnen, das im Rahmen des § 261 verwertbar ist. Gleiches gilt für sonstige tatsächliche Vorgänge in der Hauptverhandlung, die Bedeutung für den Schuldspruch oder die Rechtsfolgen haben.40 Derartige Beobachtungen sind kein formeller Augenschein, jedoch materiell Beweisaufnahme (s. auch Rn. 23). Zu dieser zählen auch freibeweisliche Erhebungen, die das Gericht in der Hauptverhandlung durchführt. Die Vernehmung des Angeklagten (§ 243 Abs. 5 Satz 2) gehört danach nicht zur 4 formellen Beweisaufnahme, sondern geht ihr voraus; seine Einlassung ist kein Beweismittel im formellen Sinne.41 Durch diese Einordnung stellt das Gesetz sicher, dass der Angeklagte Gelegenheit erhält, dem Gericht seine Verteidigung gegen den Anklagevorwurf vorab umfassend vorzutragen, so dass dieses seine Einlassung bei der nachfolgenden Beweisaufnahme in ihrem gesamten Gewicht berücksichtigen kann.42 Von dieser Reihenfolge darf daher nur mit seiner Zustimmung abgewichen werden (s. näher § 243, 2 ff., 9). Andererseits zählt die Vernehmung des Angeklagten zur Beweisaufnahme im materiellen Sinn; denn sie liefert, auch im Sicherungsverfahren,43 als Bestandteil des Inbegriffs der Hauptverhandlung Beweisstoff, den das Gericht bei seiner Überzeugungsbildung zu berücksichtigen hat.44 Dies gilt für jede Aussage des Angeklagten in der Hauptverhandlung, insbesondere aber dann, wenn er dort45 ein Geständnis ablegt oder einen Mitangeklagten belastet.46 Die Äußerung eines Angeklagten über den Tatbeitrag

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40 BGH NStZ 2015 105 (Zahlung auf einen im Adhäsionsverfahren geschlossenen Vergleich). 41 Strittig; wie hier etwa RGSt 48 247, 248 f.; RGRspr. 5 785; BGHSt 52 175, 178; OLG Karlsruhe NJW 1958 1247; KG JR 1976 76, 77 m. Anm. Peters; Kühne 792; vgl. KK/Krehl 2; MüKo/Trüg/Habetha 16; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 1; a.A. etwa BGHSt 2 269, 270; BGH StV 1992 1, 2; Meyer-Goßner/Schmitt 2 sowie Fezer JuS 1977 234: Beweismittel im weiteren Sinn; offen gelassen von Alsberg/Dallmeyer 301, der (ebenso wie Fezer FS Stree/Wessels 669) zutreffend darauf hinweist, dass der Meinungsstreit eher terminologischer Natur ohne besondere praktische Relevanz ist; vgl. auch Einl. H 36 ff. sowie § 243, 73. 42 BGHSt 19 93, 97; BGH NStZ 1981 111; 1986 370, 371; im Übrigen kann auch Umfang und Inhalt der vorgesehenen Beweisaufnahme je nach dem Vorbringen des Angeklagten anzupassen sein. 43 BGHSt 2 269, 270. 44 BGHSt 28 196, 198; 52 175, 178; Dedes (Beweisverfahren) 63; Dencker ZStW 102 (1990) 54 f.; Kühne 792; KK/Krehl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 2. 45 Zum nur außerhalb der Hauptverhandlung abgelegten Geständnis s. Rn. 9. 46 H.M., s. Fn. 44; a.A. Prittwitz Der Mitbeschuldigte im Strafprozeß (1984) 229 ff., der der Einlassung des Angeklagten im Verhältnis zum Mitangeklagten jede Eignung als „Beweismittel“ abspricht und ihre Verwertbarkeit in der eigenen Sache allein aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör ableitet.

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eines Mitangeklagten darf danach als Urteilsgrundlage dienen.47 Da sie nicht zur förmlichen Beweisaufnahme gehört, kann sie vom Gericht schon entgegengenommen werden, bevor sich der Mitangeklagte zur Sache geäußert hat.48 Das Gesagte gilt entsprechend für Erklärungen, die der Verteidiger für den Angeklagten – diesem zurechenbar (vgl. § 234, 14; § 243, 82 f.) – abgibt.49 II. Gegenstand der Beweisaufnahme 5

1. Tatsachen. Nach dem Gesetzeswortlaut (vgl. § 244 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2) sind Gegenstand der Beweisaufnahme Tatsachen.50 Hierunter sind Geschehnisse und Zustände (Sachverhalte) zu verstehen, die der Vergangenheit oder Gegenwart51 angehören. Auch dass sich ein Geschehnis nicht ereignet hat oder gegenwärtig nicht ereignet, kann Beweistatsache sein, ebenso, dass ein Zustand nicht bestand oder besteht (zum sog. Negativbeweis s. auch Rn. 101). All dies gilt sowohl für sinnlich wahrnehmbare Vorgänge der Außenwelt wie für innere, psychische Tatsachen.52 Hierbei bestehen keine Besonderheiten, soweit eine Auskunftsperson zu eigenen psychischen Vorgängen berichten soll.53 Innere Tatsachen Dritter sind dagegen nicht der unmittelbaren Wahrnehmung anderer zugänglich. Sie werden jedoch vielfach durch Äußerungen oder Verhaltensweisen des Betreffenden in der Außenwelt manifest, über die Beweis erhoben und sodann ein Rückschluss auf die innere Tatsache gezogen werden kann.54 Sind Äußerungen aufzuklären, so darf sich die Beweisaufnahme regelmäßig nicht auf deren reinen Wortlaut beschränken. Vielmehr ist der gesamte situative Kontext zu deren Gegenstand zu machen, ohne dessen Kenntnis der wahre Sinn und die Bedeutung der Äußerung im Allgemeinen nicht erschlossen werden kann.55 Reine Wertungen oder Vorhersagen, deren Richtigkeit sich nicht klären lässt, sind der Beweiserhebung entzogen.56 Anders liegt es jedoch, wenn nicht die Richtigkeit, sondern die Existenz der Wertung oder Vorhersage entscheidungsrelevant ist; denn hierbei handelt es sich um eine dem Beweis zugängliche äußere oder innere Tatsache. Die Wertungen (etwa: Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage) und Prognosen (etwa: Sozialprognose im Sinne von § 56 Abs. 1 StGB; Gefährlichkeitsprognose im Sinne der §§ 63, 64, 66 bis 66b StGB), die das Gesetz dem Richter aufgibt, sind Teil der Rechtsanwendung (Subsumtion) und daher als solche dem Beweis nicht zugänglich. Gegenstand des Beweises sind jedoch die Tatsachen und Erfahrungssätze (s. Rn. 6), auf denen die Wertung oder Prognose aufzubauen hat (wegen der Einzelheiten s. Rn. 99 f.).

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2. Erfahrungssätze. Gegenstand des Beweises sind auch die zwischen tatsächlichen Vorgängen erfahrungsgemäß bestehenden (Kausal-)Zusammenhänge sowie die aus die-

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47 BayObLG NStZ-RR 2003 233, 234. 48 BGHSt 3 384, 385. 49 OLG Köln VRS 59 (1980) 349; s. auch die Erl. zu § 261. 50 Die Beweistatsachen werden nach ihrem potentiellen Aussagegehalt und ihrer Funktion den Kategorien der Haupttatsachen, der Indizien sowie der diesen unterfallenden Hilfstatsachen zugeordnet; s. Rn. 7. 51 Vgl. BGH NStZ 2006 585, 586; Alsberg/Dallmeyer 336. 52 Beling (Reichsstrafprozeßrecht) 278: „Lebenskonkreta“; Alsberg/Dallmeyer 337; AK/Schöch 14; KK/Krehl 3; zum Gegenstand der Beweisaufnahme s. auch L 1 ff. 53 Alsberg/Dallmeyer 338 ff. 54 BGHSt 12 287, 290; BGH NStZ 2008 707 m. abl. Bspr. Schneider FS Eisenberg 614; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 210; OLG Stuttgart JR 1977 205, 206 m. Anm. Gollwitzer; Alsberg/Dallmeyer 342; KK/Krehl 3. 55 BGHSt 7 110, 111. 56 BGHSt 6 357, 358 f.

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sen Vorgängen erfahrungsgemäß zu ziehenden Schlüsse.57 Diese Erfahrungssätze können alltäglicher Lebenserfahrung entspringen, aber auch Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchungen oder sonstiger spezieller Erkenntnisse sein.58 Beschreiben sie eine gesicherte regelhafte Beziehung59 (allgemeingültige Erfahrungssätze), so hat sie das Gericht stets seiner Überzeugungsbildung zugrunde zu legen.60 Handelt es sich dagegen um Erfahrungssätze, die nur statistische oder Wahrscheinlichkeitsaussagen beinhalten oder Ausnahmen zulassen61 (einfache Erfahrungssätze), so darf sie das Gericht nur beim Fehlen der Voraussetzungen eines Ausnahmefalls und auch nur mit der ihnen zukommenden Ungewissheit in seine Überzeugungsbildung einstellen. Das hat regelmäßig zur Folge, dass allein auf ihrer Grundlage eine dem Angeklagten nachteilige Folgerung nicht wird gezogen werden können. Dann ist entscheidend, ob die Wahrscheinlichkeitsaussage zusammen mit anderen (indiziellen) Beweisergebnissen die Beweislage so verdichtet, dass diese den richterlichen Schluss zum Nachteil des Angeklagten zu tragen vermag. 3. Einteilung der Beweistatsachen. Die Beweistatsachen lassen sich untergliedern 7 in Haupttatsachen und Indizien (mittelbare Tatsachen) sowie die Hilfstatsachen als Untergruppe der Indizien. Zu den Haupttatsachen zählen die tatsächlichen Umstände, die für den Schuldspruch oder den Rechtsfolgenausspruch in dem Sinne unmittelbar entscheidungserheblich sind, dass das Gericht, wenn es von ihrem Vorliegen überzeugt ist, ohne weitere Zwischenschritte zur Subsumtion der Tatsachen unter die in Betracht kommende Norm übergehen kann. Dies setzt voraus, dass sie allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den gesetzlichen Tatbestand erfüllen oder ausschließen, die Strafbarkeit entfallen lassen, den Strafrahmen vermindern oder erhöhen, für die konkrete Strafzumessung relevant oder als direkte Anknüpfungspunkte für eine sonstige Rechtsfolge maßgeblich sind.62 Indizien sind demgegenüber die mittelbar entscheidungserheblichen Beweistatsachen, die für sich oder in Verbindung mit anderen Indizien mittels der Anwendung von Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen einen zwingenden (wie etwa der Nachweis eines Alibis) oder einen möglichen Schluss auf eine Haupttatsache zulassen.63 Hierzu zählen auch die Hilfstatsachen, die der Beurteilung des Wertes eines Beweismittels für die Überzeugungsbildung – etwa der Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage64 oder der Echtheit einer Urkunde65 – dienen,66 sowie die Erfahrungssätze selbst, die die Bewertung der unmittelbar oder mittelbar erheblichen Tatsachen und deren Verhältnis zueinander ermöglichen.67 4. Anzuwendendes Recht. Die Beweisaufnahme dient dem Zweck, den Sachverhalt 8 festzustellen, auf den das Gesetz anzuwenden ist. Nicht dagegen hat sie zu klären, wie der festgestellte Sachverhalt rechtlich zu bewerten ist. Die Rechtsanwendung ist auto-

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57 S. näher die Erl. zu § 261; eingehend Korte 27 ff.; KK/Krehl 7 (im Anschluss an MüKo-ZPO/Prütting § 286, 56 ff.); KMR/Paulus 169 ff.; vgl. auch AK/Schöch 19. 58 Zu ihrer Beweisbedürftigkeit s. Rn. 10, 202 ff. 59 Paradebeispiel ist der Alibibeweis: Ist nachgewiesen, dass der Angeklagte zur Tatzeit nicht am Tatort war, so scheidet jedenfalls dessen eigenhändige Tatausführung vor Ort aus. 60 BGHSt 10 208, 211; 29 18, 20 f.; 37 89, 91 m.w.N. 61 Vgl. BGHSt 31 86, 89. 62 Alsberg/Güntge 1122 f.; AK/Schöch 16; AnwK-StPO/Sommer 8; KK/Krehl 4. 63 Alsberg/Güntge 1124 ff. AK/Schöch 17; AnwK-StPO/Sommer 8; KK/Krehl 5. 64 BGH StV 1981 4; NStZ 2000 437, 438; bei Holtz MDR 1976 815. 65 BGH NJW 1961 2069, 2070. 66 Alsberg/Güntge 1127; AK/Schöch 18; AnwK-StPO/Sommer 8; KK/Krehl 6. 67 Alsberg/Güntge 1128.

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nome Aufgabe des Gerichts, die es nicht in der Weise auf Dritte übertragen kann, dass es über deren rechtliche Beurteilung Beweis erhebt und diese für seine Entscheidung übernimmt. Das im jeweiligen Verfahren anzuwendende Recht und seine Auslegung hat das Gericht selbst zu kennen, die konkrete Subsumtion selbst vorzunehmen. Die Berufsrichter müssen sich daher bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung die erforderlichen Rechtskenntnisse auch zu selten entscheidungsrelevanten Spezialmaterien in geeigneter Weise (Literatur, Gesetzesmaterialien, Behördenauskünfte etc.) verschaffen. Eine Beweiserhebung zu Inhalt und Auslegung der anzuwendenden Rechtsvorschriften68 oder auch nur einzelner Rechtsbegriffe69 sowie über die Tatsachen, von denen die Gültigkeit einer Rechtsnorm abhängt (Ausfertigung, Tag der Verkündung etc.) scheidet daher grundsätzlich aus. Dementsprechend darf auch kein Beweis darüber erhoben werden, wie andere Gerichte ähnlich gelagerte Sachverhalte rechtlich beurteilt und welche Strafen sie zugemessen haben.70 Muss bei komplizierten Sachverhalten die Tatsachenfeststellung an eine Rechtsanwendung anknüpfen, wie etwa bei Bewertungsfragen im Steuerrecht,71 so schließt dies den Sachverständigenbeweis indes nicht aus. Diese Grundsätze gelten an sich auch hinsichtlich des Bestehens und des – durch Auslegung zu ermittelnden – Inhalts von Gewohnheitsrecht sowie von ausländischem und internationalem Recht. Auch insoweit hat sich das Gericht aus allen dafür geeigneten Informationsquellen selbst zu unterrichten. Dementsprechend kann auch kein Verfahrensbeteiligter verlangen, dass das Gericht hierzu in ein Beweisverfahren eintritt (s. Rn. 95). Obwohl die StPO einer dem § 293 ZPO entsprechenden Bestimmung ermangelt, ist es dem Gericht andererseits nicht verwehrt, zu seiner Unterrichtung über diese Rechtsmaterien in einem freibeweisähnlichen Verfahren72 Ermittlungen anzustellen. So darf es etwa in Fällen, in denen es noch auf örtliches Gewohnheitsrecht ankommen kann, zur Feststellung einer langjährigen örtlichen Übung auf Auskunftspersonen zurückgreifen73 oder über den Bestand und den Inhalt von Gewohnheitsrecht sowie auch von ausländischem oder internationalem Rechts eine gutachtliche Stellungnahme einholen, die auch ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 256 verlesen werden darf.74

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68 RGRspr. 9 231; RGSt 39 213; 42 56; 44 118; RG Recht 1911 Nr. 2261; RG LZ 1916 1044 (Vernehmung eines Regierungsbeamten oder Kommissionsmitglieds zur Ermittlung des Willens des Gesetzgebers); BGH NJW 1966 1364; 1968 1293; 2005 2242, 2243; BayObLG VRS 16 (1959) 137; OLG Celle JZ 1954 199; OLG Hamm VRS 11 (1956) 59; KG VRS 17 (1959) 358; OLG Stuttgart JR 1977 205 m. Anm. Gollwitzer; AK/Schöch 4; KK/ Krehl 3, je m.w.N. auch zu in Einzelheiten abweichenden Meinungen. Vgl. ferner LR/Krause Vor § 72, 12. 69 Vgl. OLG Celle JR 1980 256 m. krit. Anm. Naucke: „Verteidigung der Rechtsordnung“ (§§ 47, 56 Abs. 3 StGB). 70 BGHSt 25 207 = JZ 1974 340 m. Anm. Schroeder; 28 318, 324 = JR 1979 381 m. Anm. Meyer-Goßner; vgl. auch BGHSt 56 262, 269 f. 71 BGH StV 1984 451. 72 Es ist strittig, ob die Feststellung ausländischen/internationalen Rechts und des Gewohnheitsrechts dem Freibeweis zuzurechnen (so etwa OLG Schleswig SchlHA 1952 31; AK/Schöch 14; KMR/Paulus 352; Meyer-Goßner/Schmitt 7; Alsberg/Dallmeyer 279; nicht eindeutig BGH NJW 1994 3364, 3366) oder eine besondere Art richterlicher Ermittlungen ist, bei denen die Vorschriften über den Sachverständigenbeweis (Beling [Reichsstrafprozeßrecht] 278; Geisler ZZP 91 [1978] 184) oder die Grundsätze des Freibeweises entsprechend heranzuziehen sind (etwa Bovensiepen 6; Koehler JR 1951 555; Többens 8 f.). Der Streit wirkt sich praktisch kaum aus; denn es ist bisher weitgehend anerkannt, dass die erforderlichen Maßnahmen zur Feststellung des ausländischen Rechts oder des Gewohnheitsrechts nicht an die Formen des Strengbeweisrechts gebunden sind und, soweit sie an Tatsachen anknüpfen, die Gewährung des rechtlichen Gehörs zu diesen Tatsachen erfordern; a.A. nunmehr aber MüKo/Trüg/Habetha 27, die das Strengbeweisverfahren jedenfalls dann als eröffnet betrachten, wenn das Gericht selbst ein Rechtsgutachten einholt. 73 Alsberg/Dallmeyer 278: „Sachverständige“. 74 RGSt 42 54, 56; OLG Stuttgart JR 1977 205 m. Anm. Gollwitzer; Alsberg/Dallmeyer 279; KK/Krehl 3; vgl. auch BGHSt 35 216, 223.

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III. Entbehrlichkeit der Beweisaufnahme 1. Geständnis des Angeklagten. Aus § 244 Abs. 1 ist nicht zu folgern, dass in der 9 Hauptverhandlung stets eine formelle Beweisaufnahme durchgeführt werden muss. § 261 lässt es vielmehr zu, eine Verurteilung des Angeklagten allein auf sein in der Hauptverhandlung abgegebenes Geständnis zu stützen, wenn dieses dem Gericht die volle Überzeugung von der Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit der Tat sowie der Schuld des Angeklagten zu vermitteln vermag75 und auch für den Rechtsfolgenausspruch keine darüber hinausgehenden tatsächlichen Umstände in die Hauptverhandlung eingeführt werden müssen.76 Ob das Geständnis ausreicht, um Schuldspruch und Rechtsfolgenausspruch zu tragen, hängt – unabhängig davon, ob das Geständnis nach einer verfahrensabkürzenden Verständigung abgegeben wird oder nicht77 – von seiner Plausibilität und seinem Informationsgehalt sowie von der Eigenart des jeweiligen Tatvorwurfs ab.78 Mit inhaltslosen formalen Erklärungen (etwa: „Dem Anklagevorwurf wird nicht mehr entgegengetreten“), abgegeben gar allein vom Verteidiger und vom Angeklagten lediglich ohne Beantwortung von Nachfragen gebilligt, darf sich das Gericht nicht zufrieden geben.79 Es darf seine Überzeugung vom Vorliegen der belastenden Tatsachen nur aus der Hauptverhandlung, nicht aber aus dem Akteninhalt schöpfen,80 was aber der Fall wäre, wenn das Geständnis für sich Schuldspruch und Rechtsfolgenausspruch nicht abzudecken vermag. Das Gericht muss darüber hinaus in Erfüllung seiner Aufklärungspflicht die Glaubhaftigkeit des Geständnisses anhand der Aktenlage kritisch prüfen.81 Glaubt es das Geständnis, so ermöglicht dies meist eine wesentliche Einschränkung der Beweisaufnahme.82 In seinem Urteil zum Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren83 hat 9a das BVerfG im Rahmen einer vermeintlich „verfassungsorientierten, präzisierenden Auslegung“84 des einfachen Rechts85 auch zu diesem Punkt Aussagen getroffen, die – wie auch zu mehreren weiteren Fragen – durch die Unkenntnis oder die Missachtung strafprozessualer Prinzipien bzw. einfachgesetzlicher Bestimmungen gekennzeichnet sind. Danach soll es nicht nur, was selbstverständlich ist, zwingend geboten sein, ein nach einer Verständigung abgegebenes Geständnis auf seine Richtigkeit zu überprüfen.

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75 BGHSt 39 291, 303; 50 40, 49 (GrSSt); BGH NStZ 2009 467; NStZ-RR 2016 378; StV 1987 378; 1999 410; Junker 5; Trück ZWH 2013 171; SK/Frister 27; SSW/Sättele 7. 76 In der Praxis wird allerdings in aller Regel auch bei einem umfassenden Geständnis zumindest der Auszug aus dem Bundeszentralregister zu verlesen und damit gemäß § 249 Abs. 1 förmlicher Urkundsbeweis zu erheben sein. 77 BGH NStZ-RR 2016 378; Deiters GA 2014 709 ff.; Leitmeier HRRS 2013 362 ff.; Sander in Jahn/Nack (IV) 57. 78 Vgl. RG Recht 1919 Nr. 845; BGHSt 2 269 f.; BGH StV 1992 1; 1996 214, 215; 2013 684; NStZ-RR 2012 256; Fezer JuS 1977 234; Peters StV 1987 375; Schlüchter FS Spendel 748; Stern StV 1950 563; AK/Schöch 5; HK/Julius 12; KK/Krehl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 3; zum Begriff des Geständnisses s. die Erl. zu § 254; vgl. auch Einl. H 36 ff. 79 BGHSt 48 161, 168 f.; 50 40, 49; BGH NStZ 2006 634; 2009 467; 2014 170 m. krit. Anm. Jahn; NStZ-RR 2006 187; 2007 307, 309; StV 2012 133 f.; 2013 684; OLG Celle StV 2011 341, 344; SK/Frister 28, 31b; vgl. aber auch BGH NStZ 1999 92; dazu krit. Fezer FS II BGH 4 879 m.w.N.; SSW/Sättele 7, 72; Eschelbach FS Rissing-van Saan 136 ff; für eine weitgehende Dispositionsbefugnis der Verfahrensbeteiligten de lege lata dagegen Jahn ZStW 118 (2006) 427. 80 RGSt 1 81; BGH NStZ 2014 170 m. krit. Anm. Jahn; SSW/Sättele 72. 81 BGHSt (GrSSt) 50 40, 49; vgl. etwa auch BGH NStZ 2009 467; 2014 53; NStZ-RR 2012 256 f. 82 Für präsente Beweismittel ist allerdings § 245 Abs. 1 Satz 2 zu beachten. 83 BVerfGE 133 169 ff. 84 Zur fehlenden Bindungswirkung der entsprechenden Ausführungen s. § 243, 115. 85 Um welche Vorschriften es dabei jeweils im Einzelnen geht, wird nicht immer verdeutlicht.

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Vielmehr soll dies notwendig durch Beweiserhebung in der Hauptverhandlung (zitiert wird: § 261), also im Strengbeweis zu geschehen haben. Daher genüge es nicht, das Geständnis durch einen reinen Abgleich mit der Aktenlage zu überprüfen; denn dies könne keine hinreichende Grundlage für die erforderliche Überzeugungsbildung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung darstellen und trage dem Anliegen des Verständigungsgesetzes, die Abläufe und den Inhalt einer Verständigung transparent zu gestalten und damit auch die Kontrolle durch die Öffentlichkeit zu ermöglichen, nicht hinreichend Rechnung. Allerdings unterliege die Überprüfung verständigungsbasierter Geständnisse keinen strengeren Anforderungen als sie an die Beweisaufnahme „in der nach herkömmlicher Verfahrensweise geführten Hauptverhandlung“ nach Abgabe eines Geständnisses zu stellen seien; daher seien Vorhalte oder das Selbstleseverfahren „nach den allgemeinen Regeln“ möglich.86 Dem ist in mehrfacher Hinsicht mit Entschiedenheit zu widersprechen. Zunächst 9b ist es gemäß § 261 allein Sache der freien Überzeugungsbildung des Tatgerichts, wann es ein abgelegtes Geständnis, das alle Elemente der dem Angeklagten vorgeworfenen Straftat belegt,87 für richtig hält. Die Beurteilung der Richtigkeit des Geständnisses kann sich dabei je nach Falllage darauf beschränken zu prüfen, ob die Angaben des Angeklagten nach aussagepsychologischen Kriterien glaubhaft sind und dieser selbst glaubwürdig ist.88 Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob zur Absicherung der Überzeugungsbildung weitere Beweiserhebungen erforderlich sind, um die Belastbarkeit des Geständnisses beurteilen zu können. Dies richtet sich nach der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2).89 Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze. Es kommt mithin darauf an, ob dem Tatgericht aus dem sonstigen Verfahrensstoff, zu dem vor allem auch die Aktenlage zählt, Umstände bekannt geworden sind, bekannt werden oder bekannt sein müssen, die es zu weiterer Beweisaufnahme zur Überprüfung des Geständnisses drängen (s. Rn. 47). Ob dies der Fall ist, ist jedoch – auch für das Tatgericht – Sache des Freibeweises, nicht des in der Hauptverhandlung zu erhebenden Strengbeweises.90 Ergibt sich aus der außerhalb der Hauptverhandlung zur Kenntnis genommenen Aktenlage91 kein Anhalt dafür, dass das Geständnis (in Teilen) falsch sein könnte, bestätigt sie dieses sogar inhaltlich, so bedarf es daher keiner weiteren strengbeweislichen Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung.92 Ein Rechtssatz des Inhalts, dass jeder Aussage oder Einlassung nur dann gefolgt werden dürfe, wenn sie durch Hilfstatsachen (Rn. 7) strengbeweislich bestätigt worden sei, existiert nicht. Auch wenn sich das Gericht bei seiner Entscheidung allein auf das für glaubhaft gehaltene Geständnis des Angeklagten stützt, gewinnt es

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86 BVerfGE 133 169, 209 f. Dem BVerfG (teils unkritisch und ohne nähere Ausführungen) folgend: BGHSt 59 21, 27 f.; BGH NStZ 2014 170 m. abl. Anm. Jahn; Ceffinato Jura 2013 877; Eschelbach FS Paeffgen 646 f.; ders. ZAP Fach 22 714; Knauer NStZ 2013 435; Kröpil DRiZ 2016 107 f.; Mosbacher NZWiSt 2013 202; Schmitt FS Tolksdorf 402 f. (mit kritischem Hinweis auf Opferschutzgesichtspunkte); Schneider NStZ 2014 193 f. (nur für Geständnisse nach Verständigung); Stuckenberg ZIS 2013 215; MüKo/Trüg/Habetha 6, 14, 16, 30 f.,51; SSW/Sättele 7, 72 (für Geständnisse nach Verständigung); eher kritisch Beulke/Stoffers JZ 2013 665; wohl auch SK/Frister 30 ff. 87 Vgl. Trück ZWH 2013 171 zu Sachverhaltselememten außerhalb des Wahrnehmungshorizonts des Angeklagten. 88 Vgl. BGH NStZ-RR 2016 378; Altvater StraFo 2014 223; Kunze ZAP Fach 22 758; Sander in Jahn/Nack (IV) 57; Trück ZWH 2013 170 f.; SK/Frister 31a, 31c. 89 Altvater StraFo 2014 223; Deiters GA 2014 707 ff.; s. Rn. 33. 90 Vgl. Eschelbach ZAP Fach 22 686; Sander in Jahn/Nack (IV) 58. 91 Diese kann den Schöffen (wie auch sonst) durch die Berufsrichter soweit nötig erläutert werden (zu diesem Aspekt s. einerseits Landau NStZ 2014 430, andererseits Deiters GA 2014 712); es gilt insoweit nichts anderes als für die Vermittlung eigener Sachkunde (vgl. Rn. 72). 92 Altvater StraFo 2014 223.

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somit seine Überzeugung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung; diese ist nicht allein deshalb rechtsfehlerhaft, weil keine weiteren Beweise erhoben worden sind. Demgegenüber müsste nach der Auffassung des BVerfG – diese zu Ende gedacht – letztlich der gesamte Akteninhalt strengbeweislich in die Hauptverhandlung eingeführt und dadurch ausgeschlossen werden, dass hierin Ansatzpunkte für Zweifel an der Glaubhaftigkeit der geständigen Einlassung des Angeklagten vorhanden sind, die zu weiterer Beweisaufnahme gedrängt hätten.93 Es bleibt insoweit festzuhalten, dass die deutsche Rechtsordnung formelle Beweisregeln für die Überzeugungsbildung des Tatrichters nicht kennt, sondern allein materiellrechtliche Anforderungen an diese stellt. Es liegt außerhalb der Kompetenz des BVerfG, durch die Hintertür derartige formelle Beweisregeln einzuführen.94 Hinzu kommt, dass die Aussagen des BVerfG weit über die zu entscheidende Frage 9c der Verfassungsmäßigkeit des Verständigungsgesetzes hinausgreifen und auch für das „Normalverfahren“ ohne Verständigung Bedeutung erlangen.95 Es hat versucht, mit dem Hinweis auf die gleichlaufenden Anforderungen an die Überprüfung von Geständnissen in den beiden „Verfahrensarten“ und die Möglichkeiten des Vorhalts und des Selbstleseverfahrens „nach den allgemeinen Regeln“ einen Gleichklang herzustellen. Damit wird es nicht nur – in Art eines obiter dictum – übergriffig auf die ihm nicht zur Entscheidung unterbreitete Hauptverhandlung „nach herkömmlicher Verfahrensweise“. Vielmehr zeugen seine Darlegungen auch insoweit von einer unzureichenden fachlichen Durchdringung der Rechtsmaterie und führen seine Argumentation letztlich ad absurdum. Wenn die Überprüfung des Geständnisses durch „Vorhalte“ – deren Inhalt ersichtlich vorher im Freibeweis aus den Akten ermittelt worden sein muss – für möglich erachtet wird, so verkennt dies, dass ein Vorhalt für sich keinen Beweisstoff strengbeweislich in die Hauptverhandlung einführt. Gegenstand des verwertbaren Beweisertrags wird vielmehr lediglich die Aussage der Auskunftsperson, die diese auf den Vorhalt hin tätigt. Da es sich hier der Sache nach nur um einen Vorhalt an den geständigen Angeklagten handeln kann, wird damit die Richtigkeit seines Geständnisses allein anhand seiner weiteren Einlassung überprüft.96 Danach bleibt es aber im Ergebnis bei der Überprüfung der Glaubhaftigkeit seiner Angaben allein nach aussagepsychologischen Kriterien; die diesbezügliche Argumentation des BVerfG erweist sich somit auch als zirkelschlüssig.97 Der Hinweis auf die Möglichkeit des Selbstleseverfahrens konterkariert das vom BVerfG in den Mittelpunkt seiner Überlegungen gerückte Konzept des Verständigungsgesetzes von Transparenz und Kontrolle durch die Öffentlichkeit. Durch das Selbstleseverfahren wird der Wortlaut der ihm unterworfenen Urkunden in der Hauptverhandlung gerade nicht bekannt und transparent;98 eine Kontrolle dessen, was das Gericht bei seiner Überzeugungsbildung auf den Urkundeninhalt stützt, ist der Öffentlichkeit damit nicht möglich. Hinzu kommt, dass nach der Vereinbarung einer Verständigung (§ 257c Abs. 4 Satz 3), die die Abgabe eines Geständnisses durch den Angeklagten beinhaltet, in aller Regel seitens der Beteiligten große Bereitschaft bestehen wird, auch für Vernehmungsprotokolle oder sonstige Urkunden i.S.d. § 251 über § 251 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Nr. 3 die Möglichkeit des Urkundenbeweises und damit des Selbstleseverfahrens zu eröffnen.

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93 Vgl. Deiters GA 2014 704. 94 Vgl. Altvater StraFo 2014 223; Deiters GA 2014 709; Jahn NStZ 2014 170 f.; Sander in: Jahn/Nack (IV) 57 ff.; Ziegler FS Heintschel-Heinegg 522; s. demgegenüber Schneider NStZ 2014 193. 95 S. auch Eschelbach FS Paeffgen 646 f. 96 Vgl. SK/Frister 31a; strengbeweislich denkbar wäre allein eine Verlesung nach § 254. 97 S. Deiters GA 2014 703. 98 Altvater StraFo 2014 223.

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Damit lässt sich letztlich über §§ 251, 256 von Ausnahmefällen (und §§ 253, 254) abgesehen, grundsätzlich der gesamte entscheidungserhebliche Sachverhalt über das Selbstleseverfahren strengbeweislich in die Hauptverhandlung einführen, ohne dass er dort inhaltlich bekannt wird. Mit dem Postulat des BVerfG nach Transparenz und öffentlicher Kontrolle hat das nichts zu tun; sein Konzept degeneriert zu einem Mummenschanz in der Hauptverhandlung.99 Dem hätte nur durch ein Verbot des Selbstleseverfahrens (allein in Verfahren nach Verständigung?) begegnet werden können; das hat sich aber nicht einmal das BVerfG getraut! Daher bleibt festzuhalten: Die Transparenz der Verständigung wird durch die Beachtung von § 243 Abs. 4, § 257c hergestellt, die Transparenz der Entscheidungsgrundlage durch das vom Angeklagten in der Hauptverhandlung abgelegte Geständnis.100 Weiteres ist auch für die „Kontrolle durch die Öffentlichkeit“ nicht erforderlich. Ob das Geständnis die Entscheidung trägt, bestimmt sich allein nach materiell-rechtlichen Kriterien; ob es weiterer Beweiserhebungen über das Geständnis hinaus bedurft hätte, entscheidet sich ausschließlich nach der Aufklärungspflicht. Alle zusätzlichen Rechtsarabesken bewegen sich im luftleeren Raum und sind ersichtlich dem Kompromiss geschuldet, zu dem sich der zuständige Senat des BVerfG in seiner Entscheidung zum Verständigungsgesetz durchgerungen hat. Die vorhergehenden Ausführungen betreffen das in der Hauptverhandlung abgeleg9d te Geständnis. Ein Geständnis, das der Angeklagte außerhalb der Hauptverhandlung abgegeben, aber in dieser nicht wiederholt oder bestätigt hat, ist lediglich eine ihn belastende Tatsache, die ihrerseits – gegebenenfalls nach § 254 – Gegenstand der (formellen) Beweisaufnahme sein kann.101 10

2. Offenkundigkeit. Was offenkundig ist (zum Begriff der Offenkundigkeit s. Rn. 203 ff.), darf das Gericht in seine Überzeugungsbildung einbeziehen, ohne dass es bewiesen werden muss (s. § 244 Abs. 3 Satz 2). Es genügt, wenn die offenkundigen Tatsachen und Erfahrungssätze zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht werden; selbst dies kann entbehrlich sein (s. näher Rn. 213). IV. Einschränkungen der Beweisaufnahme bei Schätzungen

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1. Schätzklauseln des materiellen Rechts. Das materielle Strafrecht erlaubt dem Richter im Interesse der Verfahrenserleichterung, die tatsächlichen Bemessungsgrundlagen bestimmter, zu beziffernder Rechtsfolgen zu schätzen (so etwa § 40 Abs. 3, § 73d Abs. 2, § 74c Abs. 3 StGB, § 29a Abs. 4 Satz 1 OWiG, § 8 Abs. 3 Satz 1 WiStG 54, § 81 Abs. 4 Satz 4 GWB).102 Dies soll die Hauptverhandlung von Beweiserhebungen entlasten, die vom eigentlichen Ziel des Strafverfahrens – der Entscheidung über die Schuld des Angeklagten und die Festsetzung angemessener Rechtsfolgen – ablenken und Detailfragen im Rechtsfolgenbereich in den Vordergrund der Beweisaufnahme stellen würden. Die Schätzung kommt danach nicht nur als ultima ratio nach erfolgloser Ausschöpfung aller verfügbaren Beweismittel in Betracht, sondern schon dann, wenn die Aufklärung aller für eine genaue Berechnung der Rechtsfolgen benötigten Tatsachen eine Beweiserhebung erfordern würde, die nach Umfang, Aufwand oder wegen der damit verbundenen Eingriffe in andere rechtlich geschützte Bereiche außer Verhältnis zur Bedeutung der

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99 Vgl. Deiters GA 2014 703; Weigend StV 2013 425; Ziegert StraFo 2014 228; SK/Frister 31a. 100 Vgl. Altvater StraFo 2014 223; Deiters GA 2014 711 f. 101 RGSt 61 72; 69 90; OGHSt 1 110; BGHSt 14 310; 21 285; Eisenberg (Beweisrecht) 16; KK/Krehl 2; vgl. bei § 254. 102 Dazu Frister FS Paeffgen 675 f.; Hellmann GA 1997 503; Hofmann StraFo 2003 70.

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Sache und der Höhe der zu verhängenden Rechtsfolge stünde oder wegen weiterer Ermittlungen den Abschluss des Verfahrens über Gebühr verzögerte.103 Sie muss sich jedoch auf konkret festgestellte Schätzgrundlagen stützen und darf sich nicht in bloßen Mutmaßungen erschöpfen.104 2. Schätzklausel des Prozessrechts. Im Adhäsionsverfahren (§§ 403 ff.) ist § 287 12 ZPO für die haftungsausfüllende Kausalität und die Ermittlung der Schadenshöhe entsprechend anwendbar.105 Das Gericht kann daher den Kausalzusammenhang zwischen dem haftungsbegründenden, strafrechtlich relevanten Verhalten und dem hieraus entstandenen Schaden sowie die Schadenshöhe nach seiner freien Überzeugung schätzen und den Umfang der Beweisaufnahme nach seinem Ermessen bestimmen.106 3. Die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2) besteht auch dort, wo das Gericht schätzen 13 darf; sie wird lediglich modifiziert.107 Gegenstand der Aufklärungspflicht sind die Tatsachen, die für die Sachentscheidung des Gerichts von Bedeutung sind. Darf das Gericht rechtsfolgenrelevante Tatsachen schätzen, so verändern sich demgemäß Gegenstand und Umfang der Aufklärungspflicht. Diese erfordert dann nicht mehr, dass das Gericht alle für die genaue Berechnung der Rechtsfolgen notwendigen Einzelheiten klärt; vielmehr kann es sich mit der Ermittlung der Umstände begnügen, die ihm nach Vernunft und Lebenserfahrung eine hinreichend sichere Schätzung erlauben.108 Die konkreten Ausgangstatsachen der Schätzung müssen, sofern sich das Gericht hierzu nicht auf eine glaubhafte Einlassung des Angeklagten stützen kann,109 durch die im Strengbeweis zulässigen Beweismittel (s. Rn. 17 f.) in der Hauptverhandlung zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden; insoweit gilt der Zweifelssatz.110 Den Verfahrensbeteiligten, vor allem dem betroffenen Angeklagten, ist zu der beabsichtigten Schätzung und zu den Tatsachen, auf die das Gericht sie stützen will, rechtliches Gehör zu gewähren und Gelegenheit zu weiterer Antragstellung zu geben.111 Im Urteil sind die Schätzgrundlagen darzulegen.112

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103 BVerfG NStZ-RR 2015 335 m. Anm. Metz NStZ-RR 2016 46; BGH StraFo 2017 338; BayObLG bei Rüth DAR 1978 206; VRS 60 (1981) 103; OLG Bremen OLGSt § 40 Abs. 3 StGB S. 1; OLG Celle JR 1983 203 m. Anm. Stree; Eisenberg (Beweisrecht) 33; Frister FS Paeffgen 680; Grebing ZStW 88 (1976) 1049; ders. JZ 1976 745; Alsberg/Tsambikakis 1588; KMR/Paulus 229; Meyer-Goßner/Schmitt 15a; SK/Frister 26a; enger wohl BGH NJW 1976 634, 635; OLG Hamm JR 1978 165 m. Bspr. Grebing S. 142; kritisch KK/Krehl 61. Vgl. auch die Kommentare zu den einschlägigen Bestimmungen des StGB m.w.N. zum Streitstand; ferner Hellmann GA 1997 511 ff., der eine prozessökonomische Zielsetzung ablehnt. 104 BVerfG NStZ-RR 2015 335 f. m. Anm. Metz NStZ-RR 2016 46. 105 BGH NJW 1987 705; Meyer-Goßner/Schmitt 16; wegen der Einzelheiten und w.N. vgl. die Erl. zu §§ 403 ff. 106 Vgl. RGSt 44 294. 107 KK/Krehl 60; KMR/Paulus 230; Frister FS Paeffgen 679. Nach Hellmann GA 1997 503 ff. wird nur § 261, nicht aber § 244 modifiziert. 108 BGH NStZ-RR 2000 57, 58; Frister FS Paeffgen 678 f.; Krause StraFo 2002 249; Meyer-Goßner/Schmitt 15; SSW/Sättele 68; vgl. etwa BGH NJW 1998 1723, 1727 f.; OLG Celle NStZ 1983 315 m. Anm. Schöch. 109 Soweit das Gericht der Einlassung des Angeklagten in vollem Umfang folgen kann, bedarf es keiner Schätzung: Eisenberg (Beweisrecht) 33a. Für sie ist erst Raum, wo die Einlassung ungenügend oder unglaubhaft ist: BayObLG VRS 60 (1981) 104; KMR/Paulus 229. 110 BGH NStZ 1989 361; 1999 581; StV 1992 260; StraFo 2010 71, 72; Grebing JR 1978 143; Krause StraFo 2002 253; KK/Krehl 60; SK/Frister 26a. 111 Alsberg/Tsambikakis 1589; Meyer DAR 1976 149; KMR/Paulus 232; Meyer-Goßner/Schmitt 15a. 112 BayObLG VRS 60 (1981) 103; OLG Celle JR 1983 203 m. Anm. Stree; OLG Hamm JR 1978 165 m. Bspr. Grebing JR 1978 142; OLG Koblenz NJW 1976 1275; Rüth DAR 1975 1; Meyer-Goßner/Schmitt 15a.

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Ob sich das Gericht mit einer Schätzung begnügen und auf welche Ausgangstatsachen es seine Schätzung gründen will, entscheidet es nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei hat es sich an den Umständen des Einzelfalls zu orientieren, insbesondere auch daran, ob die weitere Aufklärung der als Anhaltspunkte für die Schätzung in Betracht kommenden Tatsachen in der Hauptverhandlung ohne größere Verzögerung des Verfahrens möglich ist, weil die dafür erforderlichen Beweismittel ohne Verzug herbeigeschafft werden können (zu präsenten Beweismitteln s. Rn. 16).113 Genügt das Gericht vor der Schätzung diesen Anforderungen, so ist die Aufklärungspflicht nicht verletzt, auch wenn eine Aufklärung weiterer Einzelheiten und damit eine Verbreiterung der Schätzungsgrundlage an sich möglich gewesen wäre. Umgekehrt verstößt es gegen die Aufklärungspflicht, wenn das Gericht die Schätzung ohne ein Mindestmaß an zureichenden Anhaltspunkten auf bloße Vermutungen stützt.114

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4. Beweisanträge. Zielt ein Beweisantrag auf den Nachweis oder die Widerlegung von Tatsachen, die als Ausgangsgrundlage für die Schätzung unverzichtbar sind oder auf die das Gericht seine Schätzung stützen will, so muss es ihm entsprechen, wenn nicht einer der Ablehnungsgründe der Absätze 3 bis 5 vorliegt.115 Der Antrag kann nicht etwa mit der Begründung abgelehnt werden, dass das Gericht vom Gegenteil der unter Beweis gestellten Tatsache überzeugt ist.116 Es gelten hier die allgemeinen Regeln über die Behandlung von Beweisanträgen; denn der Angeklagte und auch der Staatsanwalt müssen die Möglichkeit haben, durch derartige Anträge auf eine Korrektur irriger Vorstellungen über die relevanten Schätzungsgrundlagen hinzuwirken. Im Übrigen gilt: Ist die unter Beweis gestellte Tatsache nach den Maßstäben des § 244 Abs. 2 nicht notwendig aufzuklären (s. Rn. 46 ff.) und will das Gericht sie nach pflichtgemäßem Ermessen auch nicht als Grundlage seiner Schätzung heranziehen, so kann es den Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache zurückweisen.117 Dies gilt selbst dann, wenn diese an sich geeignet wäre, die Schätzungsgrundlagen zu verbreitern. Das materielle Recht gewährt dem Tatrichter durch die Zulassung von Schätzungen bewusst einen weiten Ermessensspielraum, der die Ablehnung derartiger Beweisanträge rechtfertigt.118 Die Grenze wird im Einzelfall allerdings nicht immer leicht zu finden sein. Die Ablehnung des Beweisantrags erfordert (abgesehen von den Fällen des § 244 Abs. 6 Satz 2–4) einen Beschluss des Gerichts (§ 244 Abs. 6 Satz 1), der zu begründen ist und aufzeigen muss, warum das Gericht die beantragte Beweiserhebung über die tatsächliche Schätzungsgrundlage für nicht erforderlich hält. Dabei werden in der Regel die Tatsachen anzugeben sein, in denen das Gericht eine ausreichende Grundlage für die beabsichtigte Schätzung sieht.119 Die Ausführungen im Urteil zur Begründung des Schätzergebnisses dürfen die Tatsachen nicht in Abrede stellen, die vergeblich unter Beweis gestellt worden waren.

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113 Vgl. Frister FS Paeffgen 680. 114 Vgl. etwa BVerfG wistra 2015 388, 390; BGH NStZ 1989 361. 115 Alsberg/Tsambikakis 1589; Meyer-Goßner/Schmitt 15a. 116 Vgl. Rüth DAR 1973 3. 117 Hofmann StraFo 2003 76; vgl. Meyer-Goßner/Schmitt 15a. 118 A.A. wohl Frister FS Paeffgen 679 f., wonach ein Beweisantrag nur dann wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt werden dürfe, wenn er sich nicht auf die Schätzgrundlage, sondern unmittelbar auf den zu schätzenden quantitativen Sachverhalt bezieht und die Beweiserhebung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde. 119 Alsberg/Tsambikakis 1589.

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5. Präsente Beweismittel nach § 245 Abs. 1 sind zur Ermittlung von Anhaltspunk- 16 ten für die Schätzung immer auszuschöpfen. Dies darf nicht etwa mit dem Hinweis abgelehnt werden, dass das Gericht für seine Schätzung die Kenntnis weiterer tatsächlicher Umstände nicht benötige. Auf Beweismittel, deren Präsenz die Verfahrensbeteiligten bewirkt haben, findet § 245 Abs. 2 Anwendung.120 6. Sonstige „Schätzungen“? Auch über die gesetzlich geregelten Schätzklauseln 16a hinaus gestattet die Rechtsprechung „Schätzungen“, etwa zur Ermittlung der Schadenshöhe (insbesondere bei Steuer-121 und Vermögensdelikten),122 der Wirkstoffmenge bei Betäubungsmitteldelikten,123 der Blutalkoholkonzentration des Angeklagten124 oder der Zahl der Einzelakte von Serientaten.125 Sie sollen zulässig sein, wenn für eine annähernd genaue Berechnung zwar aussagekräftige Beweismittel fehlen oder in Fällen, in denen lediglich für den Schuldumfang vernachlässigbare Abweichungen zu erwarten sind, dessen exakte Bestimmung einen unangemessenen Aufklärungsaufwand erfordern würde, andererseits aber eine tragfähige Schätzgrundlage vorliegt und – soweit es um die Schätzung einer Schadenshöhe geht – zur Überzeugung des Tatgerichts feststeht, dass ein Schaden jedenfalls dem Grunde nach entstanden ist.126 Die Verwendung des Begriffs der Schätzung in diesen Fällen ist aber zumindest 16b missverständlich.127 Eine gesetzliche oder sonst feststehende Definition dieses Begriffs fehlt. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet Schätzung, jemanden oder etwas ungefähr (in Größe, Maß, Wert oder Alter) zu berechnen oder zu bestimmen.128 Sie kann demnach den tatsächlichen Wert sowohl über- als auch unterschreiten. Demgemäß gilt der Zweifelssatz bei der Anwendung gesetzlicher Schätzklauseln nur hinsichtlich der Schätzgrundlagen, nicht jedoch hinsichtlich des Schätzergebnisses (s. Rn. 13); Ziel ist hier nicht die Ermittlung des dem Täter günstigsten Schätzwertes.129 Derartiges ist auf die angesprochenen Fälle indes nicht übertragbar. Für diese Sachverhaltsgestaltungen darf eine gesetzlich nicht vorgesehene Schätzbefugnis im dargestellten Sinne nicht anerkannt werden, da mit ihr ohne gesetzliche Legitimation verringerte Anforderungen an die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2) und die richterliche Überzeugungsbildung (§ 261) einhergingen.130 Dass der Gesetzgeber in einzelnen Ausnahmefällen Schät-

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120 KMR/Paulus 229; Meyer-Goßner/Schmitt 15a. 121 BGH NStZ 2007 589; 2010 338; 2010 635; 2011 233; wistra 2014 276, 277; 2017 441, 443; StraFo 2017 254 f.; StV 2019 49 Ls.; OLG Celle wistra 2011 434, 435; Dürrer Beweislastverteilung und Schätzung im Steuerstrafrecht (2010) 115 ff.; Jäger FS Fischer 371 ff.; Volk Zur Schätzung im Steuerstrafrecht, FS Kohlmann 579. 122 BVerfG v. 20.3.2007 – 2 BvR 162/07; BGHSt 36 320, 328; 38 186, 193; 53 71, 73; BGH NStZ 2010 329; OLG Celle wistra 2011 434, 435. 123 BGH NStZ-RR 2008 153; 2008 319; StV 2008 9; einschränkend etwa BGH NStZ 1996 498; differenzierend OLG Celle StraFo 2018 27 f. 124 BGH StV 1993 466; NStZ-RR 2010 257. 125 BGHSt 40 374; BGH NJW 2002 1810; ablehnend zur „Schätzung“ von Einzeltaten BGHR StGB § 176 Abs. 1 Mindestfeststellungen 1; BGH StV 2002 523. Vgl. auch die Entscheidung des Großen Senats BGHSt 40 138, 159 f., der hinsichtlich Vermögens-, Umwelt- oder Betäubungsmitteldelikten die Festlegung einer Mindestzahl an Einzeltaten aufgrund von Anhaltspunkten – ohne Rückgriff auf Schätzungen – für möglich hält. 126 BGHSt 38 186, 193; 40 374, 376; BGH StV 2008 9; NStZ 2010 635 m.w.N.; Jäger FS Fischer 373. 127 Vgl. Radtke/Hohmann/Kelnhofer 48 zu Serienstraftaten; s. demgegenüber etwa Fischer StraFo 2012 429. 128 Brockhaus/Wahrig Deutsches Wörterbuch Bd. 5 (1983) 526; Ott/Bundschuh JA 2005 453, 454. 129 BVerfGE 105 135, 167; BGH NStZ 1989 361. 130 Vgl. Dürrer Beweislastverteilung und Schätzung im Steuerstrafrecht (2010) 121 ff.; Frister FS Paeffgen 680 ff.; Krause StraFo 2002 249 ff.; Ott/Bundschuh JA 2005 453, 454.

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zungen ausdrücklich zugelassen hat, um dem Gericht bis ins Einzelne gehende Feststellungen zu ersparen, spricht gegen eine Herabsetzung der prozessualen Anforderungen in anderen Fällen und gegen die Möglichkeit, die gesetzlichen Ausnahmeregelungen zu verallgemeinern. Außerhalb des Anwendungsbereichs der gesetzlichen Schätzklauseln bleibt der Zweifelssatz daher bei allen sonstigen „Schätzungen“, die sich auf den Schuldoder Strafausspruch auswirken können, ohne Einschränkungen zu beachten.131 Die Verwendung des Begriffs der „Schätzung“ sollte hier daher vermieden werden, da sich das Gericht im Hinblick auf den Zweifelssatz gleichsam nur „von einer Seite“ dem gesuchten Wert nähern darf. Letztlich geht es dabei allein darum, dass sich das Tatgericht ausgehend von Indiztatsachen – wie sonst auch – eine Überzeugung bildet, dabei einen bestimmten Wert nicht exakt bestimmen kann und deshalb unter Heranziehung der vorhandenen Anknüpfungstatsachen sowie Beachtung des Zweifelssatzes Mindestfeststellungen trifft, von deren Vorliegen es überzeugt ist.132 Insoweit gelten für die Beweisaufnahme und für Beweisanträge ohne Einschränkung die allgemeinen Grundsätze. V. Strengbeweis 17

1. Numerus clausus der Beweismittel. Die Beweisaufnahme im engeren, formellen Sinne des § 244 Abs. 1 (Rn. 3) bezeichnet den in §§ 244 bis 257a geregelten Teil der tatrichterlichen Hauptverhandlung, in dem unter Verwendung der dort bezeichneten Beweismittel in der gesetzlich vorgeschriebenen Form (Strengbeweis) unter grundsätzlicher133 Beachtung der Prozessmaximen der Mündlichkeit, Unmittelbarkeit und Öffentlichkeit die Tatsachen und Erfahrungssätze aufgeklärt werden, auf deren Grundlage das Gericht über den Schuldspruch und die daran anknüpfenden Rechtsfolgen (zu Einschränkungen s. Rn. 30 f.) zu entscheiden hat.134 Der Katalog der dort genannten Beweismittel – Zeugen, Sachverständige, Urkunden, Augenschein – ist für die Feststellung dieser Entscheidungsgrundlagen abschließend.135 Dies ist zwar nicht ausdrücklich gesetzlich bestimmt, folgt aber daraus, dass das Gesetz für die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung nur diese vier Beweisarten nennt und – mit Ausnahme des Augenscheins (s. Rn. 18) – näher regelt; hieran hat sich ein justizförmiges Verfahren auszurichten.136 Es trifft daher nicht zu, dass dem Grundsatz freier Beweiswürdigung (§ 261) die Freiheit in der Wahl der Beweismittel entspräche.137 Ein Beweismittel „Auskunftsperson“ gibt es demgemäß neben dem Zeugen und dem Sachverständigen nicht.138 Dementsprechend ist es nicht zulässig, Erklärungen einer Beweisperson, die für den Schuldspruch oder Rechtsfolgenausspruch

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131 BGHSt 38 186, 193; BGH NJW 2002 1810, 1811; NStZ 2010 329, 330; NStZ-RR 2010 257, 258; wistra 2010 148, 150; OLG Celle wistra 2011 434, 435; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 49; Eisenberg (Beweisrecht) 33; Jäger FS Fischer 372 f. 132 BGH NStZ 1999 581; 2016 728, 729 f.; wistra 2010 148, 150; StraFo 2017 254, 255; Frister FS Paeffgen 683 ff.; Jäger FS Fischer 373; SK/Frister 26c f.; vgl. Fischer StraFo 2012 431 f. 133 S. die Einschränkung dieser Prozessmaximen etwa in § 249 Abs. 2 Satz 1, §§ 251, 256; dazu Roericht 8 f. 134 S. etwa RGSt 6 161; 38 323; 42 54; 56 102; 62 262; 66 113; BGHSt 14 137; 16 164; 21 81; 28 116; 30 215; BGH NJW 1979 115; 1983 404, 405; NStZ 1985 466, 468; StV 2006 118, 119; Ditzen 1, 15, 41 ff.; Krause Jura 1982 225; Willms FS Heusinger 394; Meyer-Goßner/Schmitt 6. 135 BGH NJW 1961 1486, 1487; StV 1987 5; 1988 469, 471; Alsberg/Dallmeyer 302; Henkel JZ 1957 152; Kohlhaas NJW 1957 83; Kunert GA 1979 413; Prittwitz 180; Roericht 9 ff.; Schlüchter 475; Seebode JZ 1980 511; Siegert GA 1957 269; Spendel JuS 1964 468; AK/Schöch 20; KMR/Paulus 58. 136 Krause Jura 1982 228; KK/Krehl 18; Eb. Schmidt Nachtr. I Vor § 244, 2. 137 So aber BGH NJW 1960 2156; zutreffend demgegenüber Kunert GA 1979 413; KK/Krehl 18. 138 BGHSt 33 217, 221 = NStZ 1985 468, 469 m. Anm. Danckert; Alsberg/Dallmeyer 302.

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i.S.d. § 263 relevant sein können, lediglich durch informatorische Befragung in die Hauptverhandlung einzuführen.139 Auch sind besondere Formen der Beweisaufnahme weder als „Beweismittel im weiteren Sinn“, „Beweisbehelfe“ oder „Hilfsmittel“ noch als besondere Kategorien des Strengbeweises anzuerkennen.140 Sie sind vielmehr nach ihren jeweiligen Besonderheiten den vier Strengbeweismitteln zuzuordnen und deren gesetzlichen Regeln zu unterwerfen. Hierbei kann es vorkommen, dass bei einem einheitlichen Beweisaufnahmevorgang die Regeln unterschiedlicher Beweisarten zu beachten sind (s. dazu Rn. 26 ff.). Aus all dem folgt weiterhin, dass das Gericht Tatsachen oder Erfahrungssätze, die es schon freibeweislich festgestellt hat, nochmals strengbeweislich aufklären muss, wenn sich ergibt, dass sie – auch (s. Rn. 34) – für die Entscheidung über Schuldspruch oder Rechtsfolgen relevant werden.141 Die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, die Verlesung von Urkunden 18 sowie die Vorführung von Bild-Ton-Aufzeichnungen früherer Zeugenvernehmungen (zur Einordnung dieses Beweisverfahrens s. Rn. 19) richtet sich nach den in den §§ 244 bis 257 enthaltenen Bestimmungen. Für den Zeugen- und Sachverständigenbeweis gelten darüber hinaus die Vorschriften des 6. und 7. Abschnitts (§§ 48 ff., §§ 72 ff.), soweit sie auf die Hauptverhandlung übertragbar sind. Dagegen fehlt es – abgesehen von § 244 Abs. 5 Satz 1 – an speziellen gesetzlichen Regelungen über die Erhebung des Augenscheinsbeweises in der Hauptverhandlung. Die in den §§ 86 bis 93 enthaltenen Bestimmungen über Augenscheinseinnahmen außerhalb der Hauptverhandlung sind auf diese nicht übertragbar. Es haben sich die nachfolgend dargestellten Grundsätze herausgebildet. 2. Augenschein. Die Augenscheinseinnahme an den in der Hauptverhandlung vor- 19 liegenden Beweisstücken ist gegenständlich grundsätzlich nicht begrenzt.142 All das, was der eigenen sinnlichen Wahrnehmung des Gerichts unmittelbar oder durch Vermittlung anderer Personen (zur Abgrenzung zum Zeugen- und Sachverständigenbeweis s. Rn. 22 ff.) oder durch technische Geräte zugänglich ist, die Richter also selbst sehen, hören, fühlen, riechen oder schmecken können, kommt als Gegenstand des Augenscheins in Betracht.143 Dies gilt nicht nur für Objekte, deren eigene Beschaffenheit durch den Augenschein aufgeklärt werden soll (etwa Tatwerkzeuge, Tatorte, Urkunden zu ihrer äußeren Beschaffenheit, Personen zu an ihnen vorhandenen Merkmalen), sondern auch für solche, die den eigentlich aufklärungsbedürftigen Zustand oder Vorgang lediglich abbilden oder in sonstiger Form gespeichert in sich tragen. Beispielhaft zu nennen sind Lichtbilder144 einschließlich der Radarfotos145 und Abbildungen in Druckwerken, ebenso Fil-

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139 RGSt 42 219; 66 113, 114 ff.; 67 252, 254; BGH MDR 1974 269; BayObLGSt 1953 135, 137; OLG Celle StV 1995 292; OLG Oldenburg MDR 1977 775; Alsberg/Dallmeyer 258, 304 auch zur Abgrenzung von der im Freibeweis zulässigen Aufklärung, ob eine Person überhaupt als Zeuge in Betracht kommt. 140 KK/Krehl 18; s. aber RGSt 33 403, 404; 40 48, 50; 47 235, 236; BGH NJW 1960 2156; bei Dallinger MDR 1956 145. 141 BGH bei Holtz MDR 1991 485; BGH StV 1995 339; Meyer-Goßner/Schmitt 8; Alsberg/Dallmeyer 266 f. 142 RGSt 47 235, 236 f. 143 Vgl. RGSt 47 235, 237; Alsberg/Dallmeyer 393. 144 BGH GA 1968 305; NStZ 1981 310; 1984 565; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 206; BGH StV 1987 4; VRS 23 (1962) 91; 27 (1964) 120; BayObLGSt 1965 79 = JR 1966 389 m. Anm. Koffka; OLG Hamm DAR 1957 51; VRS 44 (1973) 114; 49 (1975) 273; NJW 1978 2406; OLG Koblenz VRS 44 (1973) 433; 49 (1975) 273; OLG Schleswig NJW 1980 352; Eb. Schmidt Nachtr. I § 249, 1; s. die w.N. bei § 86 sowie: Alsberg/Dallmeyer 405 ff.; Eisenberg (Beweisrecht) 2304 ff. 145 BGHSt 29 18, 22; BayObLG NStZ 2002 388 (Radarfoto nebst eingeblendeter Geschwindigkeit); OLG Frankfurt VRS 64 (1983) 287, 288; OLG Hamm VRS 44 (1973) 117.

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me146 und Fernsehaufzeichnungen in jeder denkbaren technischen Aufnahme- und Speicherform sowie Tonbänder, Schallplatten sowie alle digitalen Speichermedien (CD, CDROM; DVD, Computerfestplatte etc.) als Ton- und/oder Bildträger. Auch diese sind nicht nur hinsichtlich ihrer äußeren Erscheinung oder ihres „akustischen Eindrucks“, sondern auch zu dem in ihnen verkörperten gedanklichen Inhalt Augenscheinsobjekte.147 Hierunter fallen etwa auch Aufnahmen von Telefonaten, die gemäß § 100a,148 oder Gesprächen, die gemäß §§ 100c, 100f überwacht und aufgezeichnet wurden. Jedoch dürfen Tonund/oder Bildaufzeichnungen nicht uneingeschränkt zum Gegenstand des Augenscheins gemacht werden. Eine Ausnahme gilt aus gesetzessystematischen Gründen für die Aufzeichnung früherer Vernehmungen. Bei den reinen Tonaufnahmen handelt es sich, egal, ob sie eine richterliche (§ 168a Abs. 2) oder eine ermittlungsbehördliche Vernehmung (§ 168b Abs. 2, § 168a Abs. 2) beinhalten, lediglich um vorläufige Aufzeichnungen des zu fertigenden Protokolls, also um dessen Vorstufe. Sie dürfen daher nicht an dessen Stelle als Beweisgegenstand im Wege des Augenscheins verwendet werden. Wo die Protokollverlesung zulässig ist (s. §§ 251 ff.), ist der entsprechende Urkundsbeweis zu erheben.149 Ist die Protokollverlesung unzulässig, darf dessen Inhalt nicht etwa durch Abspielen der vorläufigen Tonaufzeichnung zum unmittelbaren Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht werden. Hierfür spricht auch die in § 255a Abs. 1 für Bild-TonAufzeichnungen getroffene Regelung. Dies schließt es indessen nicht aus, die vorläufige Tonaufzeichnung als Vernehmungsbehelf zu verwenden und sie der Vernehmungsperson oder der vernommenen Person bei ihrer Einvernahme in der Hauptverhandlung vorzuhalten.150 Das Abspielen von Bild-Ton-Aufzeichnungen, die nur für Zeugenvernehmungen zulässig sind (§ 58a, § 247a Abs. 1 Satz 4 und 5), wird durch § 255a Abs. 1 ausdrücklich aus dem Augenscheinsbeweis herausgenommen und Bestimmungen des Urkundsbeweises mit Protokollen unterworfen (s. dazu näher die Erl. zu § 255a). Zu den Augenscheinsobjekten zählen weiter amtliche Lagepläne, 151 Landkarten, 20 Flugkarten, Ortspläne,152 Modelle153 und Zeichnungen,154 insbesondere aber auch Tatortbzw. Unfallskizzen. Der zu derartigen Skizzen bestehende Streit, ob sie als selbständiges Beweismittel im Wege des Augenscheins verwertet oder – wegen § 250 – nur als Vernehmungsbehelf bei der Einvernahme des Ermittlungsbeamten, der sie gefertigt hat, dienen können,155 hat sich durch § 256 Abs. 1 Nr. 5 i.d.F. des 1. JuMoG erledigt. Denn wenn nach dieser Vorschrift Protokolle sowie in einer Urkunde enthaltene Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen – abgesehen von Vernehmungen – verlesen werden können, so kann nicht mehr zweifelhaft sein, dass über die bei Ermittlungshandlungen gefertigten Tatortskizzen durch Augenschein Beweis erho-

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146 RGSt 65 304, 307; BGH bei Holtz MDR 1976 634; BGH NStZ 2006 406, 407 m. Anm. Gössel (Videofilm als eigenständiges Augenscheinsobjekt gegenüber Standbildern aus diesem Film). 147 Vgl. BGHSt 14 339, 341; 27 135, 136 = JR 1978 117 m. Anm. Gollwitzer; OLG Celle NJW 1965 1677, 1678; OLG Frankfurt NJW 1967 1047; KG NJW 1980 952; AK/Schöch 142; KK/Krehl 22; Alsberg/Dallmeyer 412. 148 BGHSt 27 135, 136 = JR 1978 117 m. Anm. Gollwitzer. 149 Radtke/Hohmann/Kelnhofer 14; Alsberg/Dallmeyer 413; a.A. BGHSt 14 339, 341; KK/Krehl 22; ob eine andere Regelung wegen der größeren Aussagekraft der Tonaufzeichnung wünschenswert wäre, ist eine andere Frage. 150 Vgl. Hanack JZ 1972 274, 275; s. auch BGHSt 14 339, 340 sowie unten Rn. 24. 151 BayObLGSt 1965 79 = JR 1966 389 m. Anm. Koffka. 152 Vgl. BGHSt 22 347; die in derartigen amtlichen Plänen dokumentierten Tatsachen werden allerdings in der Regel als allgemeinkundig behandelt werden können; vgl. Rn. 205 sowie Eisenberg (Beweisrecht) 2309. 153 RG HRR 1932 Nr. 213; BGH NStZ 1981 310; Eisenberg (Beweisrecht) 2310. 154 RGSt 47 235, 236 f.; vgl. RGSt 47 100, 106. 155 S. Alsberg/Dallmeyer 414 m.w.N.; Eisenberg (Beweisrecht) 2307; KK/Krehl 22.

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ben werden darf.156 Ob dies zur Sachaufklärung ausreicht oder nicht vielmehr doch der Ermittlungsbeamte die Skizze erläutern oder gar das Gericht den Tatort selbst in Augenschein nehmen muss, richtet sich allein nach § 244 Abs. 2.157 Die Einnahme eines Augenscheins liegt nicht vor, wenn das Gericht bei der Beratung 21 eine Bild- oder Tonaufnahme seiner eigenen Hauptverhandlung als Gedächtnisstütze heranzieht.158 3. Abgrenzung des Augenscheinsbeweises. Da die vier Formen des Strengbeweises je eigenen Regeln unterliegen, müssen sie gegeneinander abgegrenzt werden, um das jeweils einschlägige und zulässige Beweisverfahren zutreffend zur Anwendung zu bringen. Hierbei können sich insbesondere für den Augenschein Schwierigkeiten ergeben, da das Gesetz dessen Einnahme in der Hauptverhandlung nicht näher ausgestaltet hat. Dazu sind folgende Grundsätze zu beachten: Die Beobachtungen, die das Gericht während der Einvernahme des Angeklagten, eines Zeugen oder eines Sachverständigen macht, sind Teil der Vernehmung und als Inhalt materieller Beweiserhebung (Rn. 3) bei der Überzeugungsbildung nach § 261 verwertbar, ohne dass es der Anordnung eines förmlichen Augenscheins bedürfte. Gleiches gilt im Übrigen für die sonstigen Eindrücke, die das Gericht während der gesamten Hauptverhandlung von den Verfahrensbeteiligten gewinnt, sei es von ihrem äußeren Erscheinungsbild, ihrer sich offen darbietenden körperlichen oder geistigen Beschaffenheit oder ihrem Verhalten.159 Der Einnahme des förmlichen Augenscheins bedarf es erst dann, wenn an einem Beteiligten ein Sachverhalt festgestellt werden soll, der über das hinausgeht, was in der Hauptverhandlung ohnehin für alle ersichtlich ist. Gegenstände, die an sich taugliche Objekte eines förmlichen Augenscheins sein können (s. Rn. 19 f.), werden vom Gericht vielfach nicht in dieser Weise verwendet, sondern als Hilfsmittel bei der Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen genutzt, indem sie diesen vorgehalten oder zur besseren Verständlichmachung ihrer Aussage vorgelegt werden. Dies ist als Vernehmungsbehelf grundsätzlich ohne weiteres zulässig. Jedoch ist zu beachten, dass es sich hierbei nur um die nähere Ausgestaltung der Vernehmung des Zeugen oder Sachverständigen handelt. Bei der Beweiswürdigung darf das Gericht daher nicht seine eigenen Wahrnehmungen von dem vorgehaltenen oder vorgelegten Gegenstand verwerten, sondern allein dasjenige, was die Beweisperson aufgrund des Vorhalts oder der Vorlage des Gegenstands bekundet hat160 (s. näher die Erl. zu § 249; ferner § 247, 35, 51). In besonderen Fällen wird das Gericht für die Einnahme des Augenscheins andere Personen zuziehen. Solange es hierbei den Augenschein selbst einnimmt und sich nur der Unterstützung etwa eines Sachverständigen bedient, um die erforderlichen Feststellungen an dem Augenscheinsobjekt selbst zu treffen, handelt es sich zwar im Kern weiterhin um einen richterlichen Augenschein; indes können je nach dem Beitrag des Sachverständigen zur Aufklärung der Beweisfrage ergänzend auch die Bestimmungen des Sachverständigenbeweises Anwendung finden.161 Verschafft sich das Gericht dagegen keinen eigenen Eindruck von dem Augenscheinsobjekt, sondern lässt sich diesen durch einen Dritten vermitteln, so ist dieser in der Regel als Beweisperson (Augenscheinsge-

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A.A. Alsberg/Dallmeyer 414. Ausführlich S. Harms 136 ff. BGHSt 19 193; vgl. bei § 261. BGH bei Dallinger MDR 1974 368; KG NJW 1979 1668, 1669. S. § 247, 35, 51 sowie näher LR/Mosbacher26 § 249, 92 ff. Alsberg/Dallmeyer 374, 401; a.A. noch LR/Becker26 25.

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hilfe) zu vernehmen.162 Dies geschieht in der Form der Zeugenvernehmung, wenn der Augenscheinsgehilfe den zu erhebenden Zustand – sei es mit, sei es ohne amtlichen Auftrag – festgestellt hat, ohne hierzu einer besonderen Sachkunde zu bedürfen.163 Handelt es sich bei dem Augenscheinsgehilfen um einen beauftragten oder ersuchten Richter, ist dieser nicht notwendig zu vernehmen; es kann vielmehr das Protokoll über dessen Augenscheinseinnahme im Wege des Urkundsbeweises verlesen werden (vgl. § 225, § 249 Abs. 1 Satz 2 a.F.). Bedurfte die Feststellung der durch den Augenschein zu erhebenden Umstände besonderer Sachkunde, weswegen ein Gutachter beizuziehen war, so wird dieser in der Hauptverhandlung zu den von ihm gewonnenen Erkenntnissen nach den Bestimmungen des Sachverständigenbeweises vernommen. Die Vermittlung der Ergebnisse eines Augenscheins durch einen Zeugen oder Sachverständigen wird die Regel sein, wenn dieser an einer den Mitgliedern des Gerichts nicht zugänglichen Stelle (Hausdach), am menschlichen Körper oder im Wege einer körperlichen Untersuchung (s. §§ 81a ff.) vorzunehmen ist. 26

4. Sonderformen der Beweiserhebung. Gelegentlich wird der Strengbeweis in einer Form erhoben, die die Frage danach eröffnet, nach welchen Bestimmungen die Beweisaufnahme abzuwickeln ist. Namentlich geht es hierbei auch um die Fälle, in denen sich verschiedene Beweisarten – tatsächlich oder auch nur vermeintlich – in einem Beweiserhebungsvorgang verschränken. Werden mehrere Beweismittel gleichzeitig genutzt, etwa wenn während einer Zeugenvernehmung gleichzeitig ein Augenschein eingenommen wird, sind die Beweiserhebungen rechtlich getrennt zu behandeln entsprechend der jeweils für sie einschlägigen Regeln.164 Nichts anderes gilt, wenn eine Beweisperson in unterschiedlicher Funktion als Zeuge und Sachverständiger befragt wird: entsprechend dem Inhalt der jeweiligen Bekundungen sind die Bestimmungen des Zeugen- oder Sachverständigenbeweises heranzuziehen. Ähnlich ist es bei der Verwertung von Urkunden: Soll lediglich ihre äußere Beschaffenheit geklärt werden, richtet sich die Beweiserhebung nach den Grundsätzen des Augenscheins; geht es um die Feststellung des in ihnen verkörperten gedanklichen Inhalts, sind die Bestimmungen des Urkundsbeweises einschlägig.165 Auch im Übrigen entscheidet es sich nach dem spezifischen Inhalt des Beweiserhebungsvorgangs, welche Bestimmungen jeweils eingreifen.166 Zu nennen sind insbesondere folgende Gestaltungen (zur Behandlung von Anträgen, die auf derartige Beweiserhebungen abzielen, vgl. Rn. 171 ff.): 27 Die Gegenüberstellung eines Zeugen mit einem anderen Zeugen oder mit dem Angeklagten ist Teil der Zeugeneinvernahme (vgl. § 58 Abs. 2). Dies gilt unabhängig davon, ob die Gegenüberstellung dazu dient, den Inhalt einer Aussage zu überprüfen167 oder widersprüchliche Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt abzuklären, oder ob sie zum

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162 Zum Augenscheinsgehilfen s. näher Alsberg/Dallmeyer 400 ff.; Eisenberg (Beweisrecht) 2261 ff. (einschränkend); Rogall GedS Meyer 399 ff.; Wenskat 228 ff.; Stoll 14 ff. sieht in der Zuordnung der Einvernahme eines Augenscheinsgehilfen zum Zeugen- oder Sachverständigenbeweis einen Verstoß gegen den numerus clausus der Beweismittel. 163 OLG Hamm VRS 34 (1968) 61; dazu Hanack JZ 1970 261; Alsberg/Dallmeyer 305, 387, 389, 400 ff.; a.A. Eb. Schmidt Vor § 72, 21 (als Sachverständiger). Nach OLG Stuttgart MDR 1982 153 soll sogar der pornographische Charakter eines Films auf diese Weise festgestellt werden können, was zweifelhaft erscheint. 164 BGHSt 33 217. 165 S. nur BGH NStZ 1999 424. 166 Vgl. Alsberg/Dallmeyer 302; AK/Schöch 23; KK/Krehl 18. 167 Vgl. RGSt 58 79, 80; BGH NJW 1960 2156, 2157; NStZ-RR 1996 107 f.

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Zweck der Identifizierung einer Person durchgeführt wird.168 Es greifen stets die Vorschriften über den Beweis durch Zeugen und über das Fragerecht der Beteiligten ein.169 Zwar wird bei der Gegenüberstellung zu Identifizierungszwecken die Person, um deren Wiedererkennung es geht, zum Augenscheinsobjekt.170 Da der Augenschein jedoch nicht durch das Gericht, sondern durch einen Zeugen vorgenommen wird, der seinerseits dem Gericht seine Erkenntnisse vermittelt, ändert dies nichts daran, dass ausschließlich die Regelungen über den Zeugenbeweis gelten (s. oben Rn. 25). Sind die beiden einander gegenüberzustellenden Personen in der Verhandlung zugegen, kann jeder Verfahrensbeteiligte die Gegenüberstellung durch Ausübung des Fragerechts selbst bewirken. Ist einer von ihnen nicht zugegen, muss ein entsprechender Antrag gestellt werden (s. dazu Rn. 171, 173). Wird ein Zeuge einem anderen zur Identifizierung gegenübergestellt, so wird ihm 28 der Sache nach angesonnen, sich als Augenscheinsobjekt bei einer Art Versuch oder Experiment zur Verfügung zu stellen. Dem kann er sich, selbst wenn ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, nicht entziehen.171 Soweit die Durchführung eines Versuchs ansonsten von der Mitwirkung dritter Personen, insbesondere von Zeugen, abhängt, besteht eine Pflicht hierzu nur in begrenztem Umfang (zur Behandlung entsprechender Anträge s. Rn. 172). Zwar darf ein Zeuge, der im Rahmen seiner Aussage die Entfernung zwischen zwei Punkten schätzt, die Antwort auf solche Fragen nicht verweigern, die seine Fähigkeit im Schätzen von Entfernungen prüfen sollen, indem er etwa dazu aufgefordert wird, die Entfernung zwischen zwei Punkten innerhalb oder außerhalb des Gerichtssaals anzugeben.172 Ähnlich ist es bei Zeugen, die sich einer verfeinerten Beobachtungs- oder Unterscheidungsgabe auf bestimmten Gebieten berühmen, für zulässig zu erachten, diese Gabe durch Fragen auf die Probe zu stellen.173 Zu umfangreicheren Experimenten muss er seine Einwilligung erteilen. Gleiches gilt für die Duldung von Untersuchungen, soweit nicht die engen Voraussetzungen des § 81c vorliegen.174 So darf ein Zeuge nur mit seiner Zustimmung durch einen Psychiater oder Psychologen auf seine Zeugentauglichkeit oder Glaubwürdigkeit geprüft werden.175 Dies schließt es indessen nicht aus, dass der Sachverständige eine derartige Begutachtung allein auf Grund der für ihn auch ohne Mitwirkung des Zeugen verfügbaren Anknüpfungstatsachen, insbesondere den durch seine Teilnahme an der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnissen, vornimmt176 (s. auch Rn. 239 m.w.N.; wegen der Einzelheiten vgl. die Erl. Vor § 48 und bei § 81c). Gleiches gilt für den Angeklagten. Auch dieser ist, soweit nicht die §§ 80 ff. eingreifen, an der Mitwirkung bei einem Versuch nicht verpflichtet.177

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168 KG NJW 1979 1668, 1669. 169 BGH StV 1988 469, 471; vgl. auch Alsberg/Dallmeyer 221. 170 Alsberg/Dallmeyer 303; KK/Krehl 24. 171 Vgl. BGH StraFo 2004 314; Meyer-Goßner/Schmitt § 52, 23; a.A. LR/Ignor/Bertheau § 52, 24; SK/Rogall § 52, 58. 172 AK/Schöch 23; KK/Krehl 25. 173 Vgl. die weiteren Beispiele aus der Rechtsprechung bei Alsberg/Dallmeyer 226. 174 BGHSt 23 1, 2 = JR 1970 67 m. Anm. Peters; BGHR § 81c Abs. 1 Duldungspflicht 1. 175 BGHSt 13 394, 398; 14 21, 23; 23 1, 2 = JR 1970 67 m. Anm. Peters; 36 217, 219; weitergehend noch BGHSt 7 82; vgl. Bockelmann GA 1955 331; Eisenberg (Beweisrecht) 1860 ff.; Eb. Schmidt NJW 1962 665; KK/Krehl 25; ferner Rn. 239. 176 BGHSt 23 1, 2 = JR 1970 67 m. Anm. Peters; BGH bei Holtz MDR 1979 988, 989; BGH NStZ 1982 432; StV 1991 405, 406 m. Anm. Blau; 1995 622; strittig, vgl. Blau StV 1991 407; Eisenberg (Beweisrecht) 1868 (unzulässige Umgehung); a.A. Radtke/Hohmann/Kelnhofer 17. 177 RG JW 1927 2044; wegen der Einzelheiten und w.N. vgl. §§ 80 ff.

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Im Übrigen kann ein Versuch auch Gegenstand eines Augenscheins oder Sachverständigenbeweises sein.178 Nimmt ein ärztlicher Sachverständiger beim Angeklagten bestimmte Tests vor, so gelten die Vorschriften über den Sachverständigenbeweis. Das Ergebnis des Tests ist dann meist eine Befundtatsache, über die der Sachverständige in der Hauptverhandlung berichtet.179 Die Rekonstruktion (s. näher Rn. 172) eines Vorgangs der Außenwelt – etwa des Tathergangs – wird ebenfalls durch Augenschein oder Sachverständigengutachten zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht. VI. Freibeweis

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1. Allgemeiner Anwendungsbereich. Der Freibeweis wird in der Rechtsprechung180 und überwiegend – wenn auch mit Differenzierungen im Einzelnen – auch im Schrifttum181 als zulässig angesehen. Beim Urkundenbeweis hat ihn der Gesetzgeber in § 251 Abs. 3 ausdrücklich anerkannt. Schon die dort getroffene Regelung ist verallgemeinerungsfähig;182 denn zur Vorbereitung der Entscheidung, ob eine Person geladen und vernommen werden soll, kommen auch zahlreiche andere Erkenntnisquellen neben der Verlesung von Schriftstücken in Betracht. Dies gilt aber auch für die Verwendung anderer Beweismittel. Die Anwendung des Strengbeweisrechts kann nicht davon abhängen, die Erhebung welchen Beweises erwogen wird und welcher Art die Ermittlungen sind, die angestellt werden, um hierüber eine Entscheidung treffen zu können. Der Freibeweis ist indes nicht auf die Vorbereitung der Erhebung des Strengbeweises beschränkt. Richtiger Ansicht nach findet er vielmehr überall dort Anwendung, wo die Beweisaufnahme nicht nach den Regeln des Strengbeweises stattzufinden hat (s. dazu oben Rn. 17 f.); er ist die Regel, der Strengbeweis die Ausnahme, die nur für die Feststellung der Schuld und der rechtsfolgenrelevanten Umstände (vgl. § 263) in der tatrichterlichen Hauptverhandlung eingreift.183 Freibeweislich werden demgemäß zunächst alle strafprozessualen Ermittlungen vorgenommen, die zulässig vor oder außerhalb der Hauptverhandlung stattfinden. Hierbei ist es ohne Belang, ob diese Ermittlungen der Feststellung von Tatsachen oder Erfahrungssätzen dienen, die bei Erhebung in der Hauptverhandlung zur Urteilsfindung unmittelbar für Schuldspruch oder Rechtsfolgenausspruch relevant sein könnten. Daher wird etwa auch das Vorliegen eines hinreichenden (§§ 203, 202) oder dringenden (§ 112 Abs. 1 Satz 1) Tatverdachts freibeweislich geklärt. 184 Auch in der Hauptverhandlung ist der Freibeweis für die Erhebung aller Umstände eröffnet, die lediglich die Zulässigkeit oder den Fortgang des Verfahrens insgesamt oder die Zulässig-

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178 BGH VRS 7 (1954) 374; 41 (1971) 135; NJW 1961 1486, 1487; StV 1987 5; OLG Braunschweig GA 1965 376; OLG Celle GA 1965 377; OLG Düsseldorf VRS 60 (1981) 122; OLG Hamm NJW 1968 1205; KK/Krehl 25. 179 OLG Oldenburg VRS 46 (1974) 198; vgl. auch OLG Düsseldorf StV 1991 295. 180 S. etwa BGHSt 5 225; 14 137; 14 189, 191; 16 164; 21 81; 21 149; 22 90; 28 116; 28 386; 30 218; BayObLGSt 1959 315; 1966 58; BayObLG NJW 1966 1981; OLG Celle JZ 1954 199; OLG Düsseldorf VRS 57 (1979) 289; OLG Hamburg NJW 1955 758; JZ 1963 480; OLG Hamm NJW 1965 410. 181 Arzt FS Peters 223; Beling (Reichsstrafprozeßrecht) 321; ders. FS Binding 2 148; Alsberg/Dallmeyer 230 ff.; Ditzen 5, 45, 98; Eisenberg (Beweisrecht) 36; Roericht 12 ff.; Willms FS Heusinger 393; KK/Krehl 8; KMR/Paulus 351; Meyer-Goßner/Schmitt 7; Eb. Schmidt Vor § 244, 4, 17 sowie Nachtr. I Vor § 244, 3, je m.w.N. Kritik an der Zulassung des Freibeweises üben u.a. Bovensiepen 75, 152; Hanack JZ 1971 171; 1972 114; Schlüchter 474; Többens NStZ 1982 184. AK/Schöch 13 macht nur insoweit eine Einschränkung, als er die tatsächlichen Grundlagen elementarer, grundrechtsverletzender Verfahrensverstöße wegen der ethischen und verfassungsrechtlichen Dimension dem Strengbeweisrecht unterstellen will. 182 A.A. Roericht 19 ff. 183 Vgl. näher Alsberg/Dallmeyer 230 ff.; s. darüber hinaus etwa KK/Krehl 8 ff.; KMR/Paulus 351; aber auch AK/Schöch 12. 184 Alsberg/Dallmeyer 237; KK/Krehl 8.

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keit einer einzelnen Prozesshandlung, also prozessuale Fragen betreffen;185 sie könnten auch außerhalb der Hauptverhandlung festgestellt werden.186 Dass die aus den getroffenen Feststellungen zu ziehenden verfahrensrechtlichen Folgerungen unmittelbar oder mittelbar Auswirkungen auf den Schuldspruch oder den Rechtsfolgenausspruch haben können, ist dagegen auch hier nicht relevant; maßgebend ist allein, dass das Gericht auf Grundlage der zu treffenden Feststellung „als nächsten Schritt“ eine rein verfahrensrechtliche Entscheidung zu treffen hat. Die weitergehenden potentiellen Auswirkungen bleiben außer Betracht.187 Nicht im Freibeweis nachzugehen ist nach diesen Maßstäben dagegen etwa der Frage, ob ein Mitangeklagter sein Geständnis aufgrund einer (nicht protokollierten) verfahrensbeendenden Absprache abgegeben hat, da dies für die Glaubhaftigkeit dieses Geständnisses und damit unmittelbar für den Schuldspruch gegen andere Mitangeklagte relevant ist.188 Gleiches gilt, wenn zu klären ist, ob ein an der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat beteiligter Zeuge in dem gegen ihn gerichteten Verfahren ein Geständnis erst nach einer verfahrensbeendenden Absprache abgelegt hat; ob dies der Fall war, kann nicht etwa durch Erklärung des Vorsitzenden analog § 243 Abs. 4 prozessordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt werden.189 Unzulässig ist der Freibewies ebenfalls, wenn ärztliche Angaben zum psychischen Befund bei einem Zeugen in die Hauptverhandlung eingeführt werden sollen, die – jedenfalls auch – für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen und damit für die Schuldfrage relevant sind.190 Zur Problematik von – streng- oder freibeweislicher – Beweiserhebung über den Inhalt eines von dem Angeklagten oder seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung übergebenen Schriftstücks, das eine Äußerung des Angeklagten zum Tatvorwurf enthält, s. § 243, 87 f. Der Strengbeweis unterliegt einer weiteren Einschränkung. Zu dem durch Schuld- 31 oder Freispruch veranlassten Rechtsfolgenausspruch zählen an sich auch die Entscheidungen über die Kosten und Auslagen des Verfahrens sowie über die Entschädigung des Angeklagten nach dem StrEG. Diese Entscheidungen knüpfen indessen nicht notwendig allein an Feststellungen zum Schuld- oder Freispruch oder zum sonstigen Rechtsfolgenausspruch an. Vielmehr können auch Tatsachen relevant werden, die hiermit nicht in Zusammenhang stehen (s. etwa § 467 Abs. 2 und 3; §§ 5, 6 StrEG). Auch diese müssen, soweit reine Verfahrensfragen betreffend, nicht im Strengbeweis festgestellt werden, sondern unterliegen freibeweislicher Aufklärung.191 In der Revisionsinstanz (zu Beispielsfällen s. Rn. 33a) kommt eine Beweiserhebung 32 allein in der Form des Freibeweises in Betracht; denn der 6. Abschnitt des 2. Buchs der StPO gilt hier nicht (vgl. demgegenüber § 332 für die Berufung). Außerhalb des Anwen-

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185 S. etwa RGSt 38 323, 324; BGHSt 45 354, 361 f.; 47 270, 273; BGH StV 1989 331 m. Anm. Wasserburg; bei Kusch NStZ-RR 1999 259; KK/Krehl 8; Meyer-Goßner/Schmitt 7; Pfeiffer 4; Eb. Schmidt 203; s. näher auch Rn. 33. 186 Alsberg/Dallmeyer 237; kritisch zu diesem Ansatz: Roericht 33 f. 187 KK/Krehl 9; SSW/Sättele 18; ebenso Gössel GA 1994 442; a.A. Hanack JZ 1971 170; E. Peters Der sogenannte Freibeweis im Zivilprozeß (1962) 54 f.; Roericht 28 ff. 188 BGH StV 2006 118, 119. 189 BGH StV 2012 649, 651. 190 BGH StV 2010 289. 191 Alsberg/Dallmeyer 269 ff.; KK/Krehl 8 (der dieses Ergebnis daraus ableitet, dass das Beschwerdegericht an entsprechende Feststellungen des Erstgerichts nicht gebunden sei und daher insoweit eigene freibeweisliche Erhebungen anstellen dürfe; diese seien dann aber auch dem Erstgericht nicht zu versagen); a.A. die früher h.M., etwa Willms FS Heusinger 401; unklar Radtke/Hohmann/Kelnhofer 9, 19. Zum Streitstand bezüglich der Bindung des Beschwerdegerichts an die vom Tatgericht getroffenen Feststellungen gemäß § 464 Abs. 3 Satz 2, § 8 Abs. 3 Satz 2 StrEG s. KK/Krehl aaO m.w.N.

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dungsbereichs des § 274 Satz 1 hat das Revisionsgericht die von Amts wegen oder aufgrund einer zulässigen Verfahrensrüge zu erhebenden Prozesstatsachen freibeweislich zu ermitteln.192 Dies gilt jedoch nicht, wenn diese bereits vom Tatrichter rechtsfehlerfrei festgestellt worden sind. An diese ist er entgegen der herrschenden Auffassung193 gebunden und zwar nicht nur bezüglich der sog. doppelrelevanten Tatsachen (s. dazu Rn. 34 f.); denn es ist kein überzeugender Grund dafür ersichtlich, warum nicht auch in diesem Bereich die Feststellungen des Tatgerichts, denen wegen dessen Sachnähe im Grundsatz ohnehin eine höhere Richtigkeitsgewähr zuzubilligen ist als den Erhebungen des sachferneren Revisionsgerichts, in der Revisionsinstanz einer Prüfung nur darauf unterworfen werden sollen, ob sie rechtsfehlerfrei zustande gekommen sind. Der Freibeweis ist in seiner Ausgestaltung zwar offener als der Strengbeweis; dies ändert aber nichts an der grundsätzlichen Aufgabenverteilung für die Feststellung der – auch nur verfahrensrelevanten – Tatsachen einerseits und der Rechtsprüfung andererseits zwischen Tat- und Revisionsgericht. Beruhen die Feststellungen des Tatrichters auf einer nach den allgemeinen Maßstäben rechtsfehlerfreien Würdigung der von ihm freibeweislich erhobenen Beweise und wird ihnen auch nicht durch eine begründete Aufklärungsrüge die Grundlage entzogen, so hat sie das Revisionsgericht daher seiner rechtlichen Prüfung zugrunde zu legen.194 Nur wenn es an entsprechenden Feststellungen des Tatrichters fehlt, die von diesem getroffenen Feststellungen auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung beruhen oder eine Aufklärungsrüge durchgreift, muss das Revisionsgericht die erforderlichen Verfahrenstatsachen selbst freibeweislich ermitteln.195 Ob sich das Revisionsgericht dieser Verpflichtung, mit der Begründung entziehen darf, das Revisionsverfahren erscheine wegen Art und Umfang der zu erhebenden Beweise für die entsprechende Beweisaufnahme ungeeignet,196 ist zweifelhaft;197 denn dies führt zur Aufhebung des tatrichterlichen Urteils, obwohl nicht feststeht, dass dieses wegen eines Verfahrenshindernisses nicht ergehen durfte oder auf einem Verfahrensfehler beruht. In derartigen Fällen wird richtigerweise eine Zurückverweisung in die Tatsacheninstanz nur dann in Betracht kommen, wenn sich die erforderlichen Feststellungen auf doppelrelevante, auch den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch betreffende Tatsachen beziehen.198 Dies folgt daraus, dass das Revisionsgericht solche Feststellungen grundsätzlich nicht treffen darf. 33

2. Spezielle Anwendungsfälle. Entsprechend den dargestellten allgemeinen Kriterien (Rn. 30 ff.) greift der Freibeweis somit zunächst ein, wenn geklärt werden muss, ob

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192 BGHSt 22 26, 28; BGH NStZ 2012 344. 193 RGSt 51 71; 62 262, 263; BGHSt 16 164, 167 (dort offen gelassen, ob Ausnahmen denkbar); 36 354, 358 f.; BGH NJW 1978 1390; NStZ-RR 2014 318, 319; Weßlau StV 2014 236 ff.; s. dazu auch § 231, 44; offen gelassen von BGH NJW 2017 1828, 1830; StV 2012 72, 73; s. auch BGHSt 54 69, 97; 55 314, 318. Zum Streit innerhalb der herrschenden Auffassung bezüglich der Fallgestaltungen, in denen dem Tatgericht ein Beurteilungsspielraum eröffnet ist, vgl. – eine Bindung ablehnend – Herdegen FS Kleinknecht 182 ff. sowie FS Salger 303 ff., je m.w.N.; nach der hier vertretenen Ansicht können sich insoweit von vornherein keine Besonderheiten ergeben. 194 So auch SSW/Sättele 19; s. daneben MüKo/Trüg/Habetha 42 Fn. 211; im Ergebnis tendenziell ähnlich Berg StraFo 2018 335; Roericht 176 f. zu den tatsächlichen Voraussetzungen von Beweisverboten, der indes insoweit für das tatrichterliche Verfahren die Anwendung des Strengbeweises fordert. 195 Für die Feststellungen zu den Voraussetzungen der Verschleppungsabsicht i.S.d. § 244 Abs. 3 Satz 2 kommt die überwiegende Rechtsprechung und die herrschende Meinung im Schrifttum der hier vertretenen Ansicht zumindest nahe (s. Rn. 286). 196 So etwa BGHSt 44 129, 138; 46 307, 309 f.; s. auch BGH StV 1987 45; OLG Celle MDR 1960 334; OLG Düsseldorf MDR 1994 716 Ls. 197 Krit. auch Eb. Schmidt Nachtr. I Vor § 244, 4a; vgl. Berg StraFo 2018 333. 198 Vgl. BGHSt 9 104; 16 399, 403 f.; s. auch für das Eröffnungsverfahren BGHSt 46 349.

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die Verfahrensvoraussetzungen gegeben sind oder Verfahrenshindernisse bestehen.199 Er kommt daher beispielsweise zur Anwendung, wenn folgende Fragen zu klären sind: Strafklageverbrauch; 200 anderweitige Rechtshängigkeit; 201 Verfahrenseinstellung wegen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot aus Art. VII Abs. 9 lit. a NATOTruppenstatut;202 Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten, wenn der Zustand, der diese in Frage stellt, für die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit ohne Bedeutung ist;203 rechtzeitige und formgemäße Stellung des Strafantrages,204 ob es sich bei der Tat um ein Offizial- oder um ein Antragsdelikt handelt, muss dagegen im Strengbeweis geklärt werden.205 Der Freibeweis gilt ferner, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen für einzelne Verfahrensentscheidungen festzustellen sind.206 Insoweit kommen freibeweisliche Erhebungen etwa zu folgenden Fragen in Betracht: Berechtigung der Einwände gegen die Gerichtsbesetzung (s. bei § 222b); genügende Entschuldigung des Ausbleibens des Angeklagten in der Hauptverhandlung (§ 230, 21 und bei § 329); schuldhaftes Herbeiführen der Verhandlungsunfähigkeit durch den Angeklagten i.d.S. § 231a (§ 231a, 21); Voraussetzungen für den Ausschluss des Verteidigers nach § 138d;207 Bestehen von Beweisverboten;208 unentschuldigtes Ausbleiben eines Zeugen (§ 51); Fähigkeit eines Zeugen, die Bedeutung des Eides i.S.d. § 60 Nr. 1 zu erfassen;209 Tatbeteiligungsverdacht gegen einen Zeugen i.S.d. § 60 Nr. 2 oder entsprechende Verurteilung;210 Hindernisse für eine Vernehmung des Zeugen in der Hauptverhandlung nach § 251 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 oder 2;211 Richtigkeit des Sachvortrages zur Widerlegung der Begründung einer Sperrerklärung (§ 96 analog);212 Gründe für den Ausschluss der Öffentlichkeit;213 Notwendigkeit, unter Aufklärungsgesichtspunkten weiteren Beweis zu erheben;214 tatsächliche Voraussetzungen für die Ablehnung eines Beweisantrags,215 so etwa ob er in

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199 BGHSt 21 81; 22 90; BGH NStZ 2007 213, 214 (Verjährung: Unterbrechungswirkung eines Beschlagnahmebeschlusses); OLG Schleswig bei Döllel/Dreeßen SchlHA 2007 287 (Verjährung); AK/Schöch 9; KK/Krehl 12; KMR/Paulus 356; Meyer-Goßner/Schmitt 7; Alsberg/Dallmeyer 242 f.; vgl. Eisenberg (Beweisrecht) 38 m.w.N.; a.A. Bovensiepen 156; Peters § 41 II 4d bb; Roxin/Schünemann § 21, 23; Többens NStZ 1982 184; Volk (Prozeßvoraussetzungen) 249. 200 BGHSt 46 307, 309; bei Verfahrenseinstellung nach § 153a: BGH wistra 2011 270, 271, insoweit in BGHSt 56 174 nicht abgedruckt. 201 Vgl. BGHSt 46 349, 351 ff.: soweit es nicht um die Feststellung doppelrelevanter Tatsachen geht. 202 BGHSt 21 81. 203 BGHSt 26 84, 92; BGH NJW 1970 1981; NStZ 1983 280; 1984 181; StV 1989 239; 1992 553; BGHR vor § 1/Prozesshandlung, Verhandlungsfähigkeit 1. 204 RGSt 38 39, 40; 45 128, 129; 51 71, 72; 62 262, 263; BGH bei Dallinger MDR 1955 143. 205 Vgl. BGHSt 19 377, 381; Többens NStZ 1982 186; KK/Krehl 12. 206 Ausführlicher Überblick m zahlr. w.N. bei Alsberg/Dallmeyer 244 ff. 207 BGHSt 28 118; vgl. bei § 138d. 208 BGHSt 16 164, 166 und 44 129, 138 (Voraussetzungen des § 136a Abs. 3 Satz 2); 51 1, 5 (Missachtung des Richtervorbehalts bei Wohnungsdurchsuchung); BGH NJW 1994 2904, 2905 (zu § 136a Abs. 1, Abs. 3 Satz 2), insoweit in BGHSt 40 211 nicht abgedruckt ; StV 2012 3, 4 (Verwertungsverbot wegen Verstoß gegen den Richtervorbehalt); OLG Hamm StraFo 1999 92, 93; Gössel GA 1994 442; KK/Krehl 9; MeyerGoßner/Schmitt 7; strittig, a.A. etwa Roericht 125 ff.; Eisenberg (Beweisrecht) 40, 707 (zu § 136a Abs. 3 Satz 2); MüKo/Trüg/Habetha 41 (zu § 136a Abs. 3 Satz 2); SK/Frister 44a; zum Streitstand bei § 136a s. dort. 209 RGSt 56 103. 210 RGSt 51 70; 57 187. 211 RGSt 38 323; BGH NStZ 1984 134; BayObLGSt 1959 315. 212 BGH NStZ 1985 466, 468. 213 RGSt 66 113. 214 RGSt 66 113, 117; BGHSt 30 131, 142 f.; BGH NStZ 1982 79; 1984 134; 2000 46; NStZ-RR 2006 48, 49; Schulz GA 1981 317; KK/Krehl 13. 215 BGHSt 47 270, 273; BGH NJW 1993 2881, 2882 (insoweit in BGHSt 39 251 nicht abgedruckt); 1998 2753, 2754; Alsberg/Dallmeyer 247; Meyer-Goßner/Schmitt 7; s. näher bei den einzelnen Ablehnungsgründen.

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Verschleppungsabsicht gestellt wurde,216 ob für ein Gutachten genügend Anknüpfungstatsachen vorhanden sind,217 der beizuziehende Gutachter die erforderliche Sachkunde besitzt,218 die begehrte Untersuchungsmethode zur Klärung der Beweisbehauptung geeignet ist219 oder ein Beweismittel aus sonstigen Gründen völlig ungeeignet220 oder unerreichbar ist,221 ob der weitere Sachverständige über überlegene Forschungsmittel verfügt (§ 244 Abs. 4 Satz 2),222 ob die Aufklärungspflicht die Ladung eines Auslandszeugen gebietet (§ 244 Abs. 5 Satz 2).223 Im Revisionsverfahren kommt der Freibeweis beispielsweise in Betracht: bei der 33a Prüfung der Unwirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts nach § 302 Abs. 1 Satz 2, wenn in der Sitzungsniederschrift entgegen § 273 Abs. 1a Satz 1 und 3 weder protokolliert ist, dass es zu einer Verständigung gekommen ist, noch, dass eine solche nicht stattgefunden hat;224 ob eine gerichtskundige Tatsache in der Hauptverhandlung erörtert worden ist;225 zur Ermittlung wissenschaftlicher Erfahrungssätze, die für die Beurteilung von Revisionsrügen relevant sind.226 Wird die Inbegriffsrüge nach § 261 dahin erhoben, das Gericht habe den Inhalt einer Urkunde verwertet, obwohl diese nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden sei, so ist im Wege des Freibeweises zu klären, ob die Urkunde einem Zeugen vorgehalten worden ist, sodass deren Inhalt über dessen Aussage zum Inbegriff der Hauptverhandlung geworden sein kann.227 Stützt sich das Urteil dagegen nicht auf den Inhalt der Urkunde, sondern allein auf die Aussage des Zeugen in der Hauptverhandlung, so gilt nach der Rechtsprechung andererseits der Grundsatz, dass das Revisionsgericht auf die Aufklärungsrüge nach § 244 Abs. 2 den Inhalt der Aussage und damit auch die zu deren Zustandekommen gestellten Fragen und getätigten Vorhalte nicht rekonstruiert; die Rüge soll daher nur Erfolg haben können, wenn sich das Unterlassen des Vorhalts aus den Urteilsgründen selbst ergibt.228 Nicht zulässig ist es auch, dass das Revisionsgericht eine in erster Instanz mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnte Beweiserhebung nachholt, aufgrund deren Ergebnisses das erstinstanzliche Beweisbegehren als rechtsmissbräuchlichen Scheinbeweisantrag einstuft, der nicht den Regelungen des § 244 Abs. 3, 4 und 6 unterfalle, und auf dieser Grundlage die Revision verwirft;229 denn die im vorerörterten Zusammenhang von der Rechtsprechung so deutlich

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216 Vgl. etwa BGH NJW 1993 2881; KK/Krehl 13. 217 BGH NJW 1983 404, 405. 218 BGH StV 1989 331 m. Anm. Wasserburg. 219 Vgl. BGHSt 38 320, 322; BGH NStZ 1993 395; MDR 1993 165, 166. 220 RGSt 51 69, 70; BGH NJW 1983 404 f.; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 14; BayObLG MDR 1981 338. 221 BGH NStZ 1993 50; 1993 349. 222 KK/Krehl 13. 223 BGH NJW 2001 695; 2005 2322; NStZ 1995 244; 2002 653 m. Anm. Julius; 2004 99; NStZ-RR 1998 178; StV 2002 641. 224 BVerfG StV 2012 385, 387 m. Anm. Niemöller sowie Anm. Bauer S. 648; BGHSt 56 3. 225 BGHSt 36 354, 360 f.; s. aber auch Rn. 215 zum Meinungsstreit, ob die Erörterung offenkundiger Tatsachen protokollierungspflichtig ist. 226 Etwa BGHSt 39 49, 53 (Tauglichkeit von DNA-Gutachten); 43 66, 72 (Blutalkoholkonzentration und Schuldfähigkeit); 45 164, 166 (Anforderungen an aussagepsychologische Begutachtung); 57 60, 63 (Wirkungsweise von Betäubungsmitteln zur Bestimmung der „nicht geringen Menge“); BGH NStZ 2005 458, 459 (hinreichende Qualität von Lichtbildern zur Erstellung eines anthropologischen Identitätsgutachtens); NStZ-RR 2004 270, 271 (Zeugentauglichkeit nach Hirnschädigung). 227 BGHSt 22 26; BGH NStZ-RR 1999 47; StV 2013 548 f.; 2014 73, 74. 228 So zum Bsp. BGHSt 17 351; BGH NJW 1992 2838, 2840; str.: zur Frage der Zulässigkeit der sog. Alternativrüge in derartigen Fällen s. etwa (je m.w.N.) LR/Sander26 § 261, 183 und Meyer Goßner/Schmitt § 261, 38a, § 337, 13 ff. 229 So aber BGH NStZ 2012 526, 527 m. abl. Anm. Knauer S. 583 = StV 2013 65 m. abl. Anm. Trüg = JZ 2012 1189 m. abl. Anm. El-Ghazi; abl. auch Mosbacher JuS 2012 709; Ventzke HRRS-GedS Widmaier 69 ff.;

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§ 244

betonte „Ordnung des Revisionsverfahrens“ ist auch dann zu beachten, wenn deren Einhaltung zur Aufhebung eines vom Revisionsgericht in der Sache für zutreffend erachteten Urteils führt. Diese Ordnung schließt es aber aus, dass das Revisionsgericht Beweiserhebungen zur Schuld- oder Rechtsfolgenfrage, die der Tatrichter im Strengbeweisverfahren hätte durchführen müssen, freibeweislich nachholt und hieran vermeintlich zwar nur verfahrensrechtliche, der Sache nach aber Schlussfolgerungen zu Schuldspruch oder Rechtsfolgenausspruch trifft. Zu Ende gedacht könnte das Revisionsgericht auf der Argumentationsbasis der zitierten Entscheidung auch freibeweisliche Erhebungen dazu anstellen, ob ein erstinstanzlich gestellter, aber mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnter Beweisantrag mit rechtsfehlerfreier Begründung hätte zurückgewiesen werden können, und auf dieser Grundlage etwa das Beruhen des Urteils auf dem erstinstanzlichen Verfahrensverstoß verneinen;230 auch dies zeigt, dass hier die Grenzen revisionsgerichtlicher Gestaltungsmöglichkeiten überschritten sind. Weitere Fälle des Freibeweises sowie die damit zusammenhängenden Einzelheiten sind bei den in Frage kommenden Bestimmungen erläutert. 3. Doppelrelevante Tatsachen. Der Freibeweis muss dem Strengbeweis weichen, 34 soweit es sich um die Feststellung von Tatsachen handelt, die sowohl für die Entscheidung einer Verfahrensfrage als auch für die sachliche Entscheidung unmittelbar bedeutsam sind. Bei diesen doppelrelevanten Tatsachen sind die im Strengbeweis getroffenen Feststellungen auch den verfahrensrechtlichen Entscheidungen zugrunde zu legen.231 Dies kann etwa in folgenden Fällen in Betracht kommen: die Feststellungen zum Tatvorwurf sind auch für die Frage maßgeblich, ob der Verurteilung das Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG, Art. 50 EUC, Art. 54 SDÜ) entgegensteht,232 ob der auslieferungsrechtliche Grundsatz der Spezialität die Verurteilung hindert233 oder anderweitige Rechtshängigkeit besteht;234 das Alter des Angeklagten ist materiell- (Anwendung Jugendstrafrecht) wie verfahrensrechtlich (Zuständigkeit Jugendgerichte) relevant;235 das Tatmotiv hat auch Bedeutung für die Anwendbarkeit eines Straffreiheitsgesetzes;236 die Verhandlungsfähigkeit steht ebenso wie die Schuldfähigkeit des Angeklagten unter demselben Aspekt in Frage;237 das Verwandtschaftsverhältnis ist sowohl für die Anwendbarkeit des § 173 StGB als auch des § 52 relevant;238 die korrekte Tatzeit entscheidet

_____ SK/Frister 50a; s. KK/Krehl 15, 108 („nicht unbedenklich“); SSW/Sättele 19; MüKo/Trüg/Habetha 42; zum Ganzen auch Basdorf NStZ 2013 186 ff. mit Erwiderung Groß-Bölting HRRS 2013 228 ff. In ähnlicher Weise das Beweisantragsrecht und den Strengbeweis aushöhlend auch KG StV 2015 103 ff. m. zu Recht abl. Anm. Trüg, wonach ein Beweisbegehren seinen Charakter als Beweisantrag verliere, wenn sich durch freibeweisliche Erhebungen die Unrichtigkeit der Beweisbehauptung ergebe und der Antragsteller dennoch an seinem Begehren festhalte. 230 S. dazu die Erwägungen am Ende der zitierten Entscheidung BGH NStZ 2012 526, 527 f. 231 RGSt 69 318; Alsberg/Dallmeyer 268; Eisenberg (Beweisrecht) 41; Hanack JZ 1972 114; Junker 17; Krause Jura 1982 232; Többens NStZ 1982 185; Willms FS Heusinger 407; KK/Krehl 10; Meyer-Goßner/ Schmitt 8. KMR/Paulus 359 nimmt an, dass keine Bindung an ein im Strengbeweisverfahren gewonnenes Ergebnis besteht, wenn nur noch über eine Verfahrensfrage zu entscheiden ist. Eine Beweiswürdigungsregel, dass die durch Strengbeweis gewonnenen Ergebnisse zuverlässiger seien, bestehe nicht. 232 BGHSt 32 215; 46 349; BGH StV 1985 181; bei Becker NStZ-RR 2003 290. 233 BGHSt 22 307, 309. 234 BGHSt 46 349, 351 ff. 235 BGH NStZ-RR 2013 186; bei Holtz MDR 1982 282. 236 RGSt 71 259, 261. 237 KK/Krehl 10; SSW/Sättele 21. 238 BGH StV 1982 101.

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§ 244

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auch über die Verfolgungsverjährung oder die Rechtzeitigkeit des Strafantrages;239 die Verfolgungsverjährung hängt von den Feststellungen zu einem Qualifikationstatbestand ab.240 Ist zunächst – was auch bei erkennbarer Doppelrelevanz zulässig ist – nur die ver35 fahrensrechtliche Frage im Wege des Freibeweises geklärt worden und wird danach dieselbe Frage für die Sachentscheidung bedeutsam, so ist sie durch Strengbeweis zu erhärten. 241 Einem abweichenden Ergebnis muss die verfahrensrechtliche Entscheidung angepasst werden.242 Das Urteil muss auf einheitlichen Feststellungen beruhen. Auf Grundlage der hier vertretenen Auffassung (s. Rn. 32) ergeben sich für das Revisionsverfahren hinsichtlich der Bindung an diese Feststellungen keine Besonderheiten. Aber auch nach herrschender Ansicht ist das Revisionsgericht bei doppelrelevanten Tatsachen an die vom Tatrichter im Strengbeweis getroffenen Feststellungen gebunden;243 anders soll es aber sein, wenn diese im konkreten Fall für den Schuldspruch keine Rolle spielen.244 Strittig ist allerdings innerhalb der herrschenden Meinung, ob dies auch gilt, soweit die Feststellung von Verfahrensvoraussetzungen oder des Fehlens von Prozesshindernissen in Rede steht.245 Richtigerweise binden die rechtsfehlerfreien Feststellungen des Tatrichters zum Schuldspruch das Revisionsgericht ausnahmslos. 36

4. Freibeweisverfahren. Das Freibeweisverfahren ist gesetzlich nicht geregelt; dennoch kann hier nicht Beweis nach Gutdünken erhoben werden.246 Die freiere Stellung, die dem Richter eingeräumt ist, betrifft vor allem die Heranziehung von Beweismitteln. Sie ermöglicht das formlose Ausschöpfen aller Erkenntnisquellen ohne Einschränkung durch die für den Strengbeweis geltenden Grundsätze; 247 die Grundsätze der Mündlichkeit, Unmittelbarkeit und Öffentlichkeit gelten nicht.248 Das Gericht hat daher zunächst den durch die §§ 250 ff. nicht eingeschränkten Rückgriff auf den gesamten Akteninhalt.249 Vom Verteidiger überreichte Schreiben des Angeklagten sind ohne weiteres verwertbar.250 Zeugen und Sachverständige dürfen formlos, auch fernmündlich oder schriftlich und durch andere als Gerichtspersonen (etwa Anhörung durch Polizei oder Verteidiger), befragt und die hierbei gewonnenen Ergebnisse in der Hauptverhandlung verlesen oder sonst bekanntgegeben werden.251 Gleiches gilt für sonstige Auskünfte, egal ob sie bei öffentlichen Behörden oder sonstigen Stellen einzuholen sind.252 Richter und

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239 BGH bei Dallinger MDR 1955 143; BayObLGSt 1995 107; KK/Krehl 10; s. aber Rn. 35. 240 BGHSt 56 6, 10; BGH NStZ 2018 45. 241 BGH StV 1991 148, 149; Junker 17. 242 BGHSt 26 228, 238; Alsberg/Dallmeyer 266; Többens NStZ 1982 185; Willms FS Heusinger 407; KK/Krehl 10; Meyer-Goßner/Schmitt 8. 243 BayObLGSt 2000 94 = JR 2001 256 m. Anm. Eisenberg. 244 Vgl. (für die Tatzeit) BGHSt 22 90 = JZ 1968 433 m. Anm. Eb. Schmidt = JR 1968 467 m. Anm. Kleinknecht; ferner etwa Eisenberg (Beweisrecht) 41; KK/Krehl 11; KMR/Paulus 360 nimmt unter Hinweis auf die Funktionsteilung zwischen Tatrichter und Revisionsgericht eine Bindung nur bei den zur Identifizierung der Straftat und als Grundlage des angefochtenen Urteils unentbehrlichen Feststellungen an. 245 Befürwortend Többens NStZ 1982 185 ff.; a.A. Eb. Schmidt JZ 1968 434; KK/Krehl 11; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 24; Eb. Schmidt Teil I 197 Fn. 349. 246 Willms FS Heusinger 395 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt 9. 247 RGSt 38 323, 324; 51 69, 70; 56 102, 103; BGHSt 16 164, 166; Alsberg/Dallmeyer 283. 248 Alsberg/Dallmeyer 281 f.; Junker 18; KK/Krehl 16; Meyer-Goßner/Schmitt 9; Pfeiffer 4. 249 RGSt 6 161, 164 f.; 38 323, 324; 51 69, 70; 55 231; 57 186, 188; 66 113, 114; 71 259, 261. 250 RGSt 64 239, 246; s. auch § 243, 88. 251 RGSt 38 323, 324; 56 102, 103; 66 113, 114; 68 198, 200; BGH NStZ 1984 134; 1985 375; StV 1995 173; BayObLGSt 1959 315, 316; 1966 58, 60; OLG Köln NJW 1982 2617. 252 RGSt 38 323, 324.

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§ 244

Beamte können aufgefordert werden, sich dienstlich zu erklären; von Rechtsanwälten können Erklärungen in der Form anwaltlicher Versicherung abgegeben werden. 253 Schriftliche Gutachten sind ohne Rücksicht auf § 256 verwertbar. Die Befugnis des Gerichts, den Umfang der Beweiserhebung und die hierbei ver- 37 wendeten Beweismittel nach seinem Ermessen zu bestimmen, wird begrenzt durch die Aufklärungspflicht. 254 Werden etwa Tatsachen für einen schwerwiegenden, grundrechtsverletzenden Verfahrensverstoß, beispielsweise einen Verstoß gegen § 136a, vorgetragen, muss das Gericht dies im Hinblick auf ein mögliches Verwertungsverbot unabdingbar unter Verwendung aller verfügbaren Beweismittel aufklären.255 Beweisanträge haben im Freibeweisverfahren nur die Bedeutung von Beweisanregungen 256 (vgl. Rn. 168). Sie können demgemäß – falls es die Aufklärungspflicht nicht gebietet, ihnen nachzugehen (s. oben) – auch dann abgelehnt werden, wenn dies nach § 244 Abs. 3 bis 5 oder § 245 nicht zulässig wäre.257 Hierzu bedarf es, da § 244 Abs. 6 Satz 1 nur für Beweisanträge gilt, keines Gerichtsbeschlusses.258 Vielmehr kann der Vorsitzende im Rahmen der Verhandlungsleitung (§ 238 Abs. 1) entscheiden. Zumindest im Hinblick auf den Grundsatz fairer Verfahrensgestaltung erscheint es hier – anders als bei sonstigen Beweisanregungen (s. Rn. 170) – geboten, dass er seine verfahrensleitende Entscheidung ausnahmsweise begründet, damit der Antragsteller sein weiteres Prozessverhalten (vgl. § 238 Abs. 2) hierauf einrichten kann.259 Wie nunmehr auch im Rahmen des Strengbeweisverfahrens (§ 59 Abs. 1 Satz 1) steht es im Ermessen des Gerichts, Zeugen und Sachverständige auf ihre mündlich vor Gericht abgegebenen Aussagen zu beeiden.260 Sagt der Zeuge zugleich zu Tatsachen aus, die dem Strengbeweis unterliegen, kann es – sofern die Aussage trennbar ist – den Eid auf diese Tatsachen beschränken.261 Bei schriftlichen Äußerungen kann von Zeugen, nicht aber von einem Angeklagten, auch eine Versicherung an Eides statt gefordert werden.262 Im Übrigen gelten die allgemeinen Verfahrensgrundsätze, die aus der Verpflichtung zu einem rechtsstaatlichen und „fairen“ Prozess erwachsen, auch im Freibeweisverfahren.263 Das Fragerecht nach § 240 und das Erklä-

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253 Vgl. BGHSt 12 402, 403; 13 358, 359. 254 BVerfGE 70 297 308 f.; BVerfG StV 2012 292, 293; 2012 385 m. Anm. Niemöller; NStZ-RR 2013 115; RGSt 6 161, 166; 42 54, 57; 51 71, 72; 66 113 f.; BGHSt 16 164, 166; 26 281, 284; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 18; BGH StV 2012 3, 4; OLG Frankfurt NJW 1983 1208; OLG Köln NJW 1982 2617; OLG Nürnberg MDR 1984 74; Alsberg/Dallmeyer 292 f.; Többens NStZ 1982 184; Meyer-Goßner/Schmitt 9. 255 Sein Ermessen reduziert sich hier meist auf Null. Dies kommt der Ansicht nahe, die insoweit die Anwendung des Strengbeweisrechts fordert (vgl. AK/Schöch 13 m.w.N.), vermeidet aber die damit verbundene Einengung der Beweismittel. 256 BGH StV 2012 3, 4; Alsberg/Dallmeyer 288. 257 BGHSt 16 164, 166; BGH bei Spiegel DAR 1977 172; OLG Frankfurt NJW 1983 1208, 1209; OLG Nürnberg MDR 1984 75; Alsberg/Dallmeyer 287; Eisenberg (Beweisrecht) 37; Willms FS Heusinger 397. 258 BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 18; OLG Frankfurt NJW 1983 1208, 1209; Meyer-Goßner/Schmitt 9; Eisenberg (Beweisrecht) 37; a.A. Radtke/Hohmann/Kelnhofer 27; wohl auch OLG Düsseldorf StV 2011 80. 259 Nach Alsberg/Dallmeyer 290, MüKo/Trüg/Habetha 46 und Willms FS Heusinger 398 bedarf die Ablehnung keines Beschlusses; jedoch ist der Vorsitzende stets gehalten, die Ablehnung zu begründen. KMR/Paulus 364 und Meyer-Goßner/Schmitt 9 lassen die Mitteilung durch den Vorsitzenden genügen; ebenso BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 18 (keine förmliche Verbescheidung erforderlich). AK/Schöch 12 fordert analog §§ 34, 35 Abs. 1 einen Bescheid mit Begründung. Zur Bescheidung von Aufklärungsanträgen, die den Anregungen auf freibeweisliche Beweiserhebungen sachlich ähnlich sind, s. Rn. 174. 260 RGSt 6 167; 56 102; 66 113, 114; Alsberg/Dallmeyer 284; W. Schmid SchlHA 1981 41; KK/Krehl 16. 261 W. Schmid SchlHA 1981 42: Ohne eine solche Beschränkung erfasst der Eid die ganze Aussage; Alsberg/Dallmeyer 285; a.A. Willms FS Heusinger 398. 262 RGSt 58 147, 148; Alsberg/Dallmeyer 284; W. Schmid SchlHA 1981 42; KK/Krehl 16. 263 Vgl. BVerfG StV 2012 385 m. Anm. Niemöller sowie Anm. Bauer S. 648.

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rungsrecht nach § 257 sind zu gewähren.264 Die Vereidigungsverbote des § 60 sowie die Eidesverweigerungsrechte und Zeugnisverweigerungsrechte sowie das Schweigerecht des Angeklagten müssen auch im Freibeweisverfahren beachtet werden, desgleichen alle aus rechtsstaatlichen Gründen bestehenden Beweisverbote, vor allem wenn sie den Schutz bestimmter Personen bezwecken (etwa §§ 97, 136a, 252).265 Die Beweiskraft des Protokolls (§ 274) ist auch für das Freibeweisverfahren beachtlich.266 Für das Ergebnis der Beweisaufnahme gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung; die erhobenen Auskünfte und sonstigen Informationen sind auf ihre Glaubhaftigkeit zu prüfen.267 Letztlich ist der Anspruch auf rechtliches Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) zu wahren.268 Auch freibeweislich ermittelte Tatsachen dürfen erst verwertet werden, wenn die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit hatten, sich zu ihnen zu äußern.269 VII. Reihenfolge der Beweisaufnahme 38

Innerhalb der Beweisaufnahme (zu deren Anordnung vgl. Rn. 131 f.) steht es dem Vorsitzenden (§ 238 Abs. 1) weitgehend frei, in welcher Reihenfolge er die einzelnen Beweismittel in die Hauptverhandlung einführen will. Aus Gründen der Prozessökonomie (Vermeidung überflüssiger Beweiserhebungen) ebenso wie auch zur Schonung des Angeklagten vor überflüssiger Erörterung seiner persönlichen Angelegenheiten werden – soweit persönlich und sachlich trennbar – in der Regel zunächst die Beweise zur Schuldfrage erhoben und erst anschließend die Beweise, die allein für die Beurteilung der vom Gericht festzusetzenden Rechtsfolgen von Bedeutung sind und bei denen der Ausschluss der Öffentlichkeit zum Schutze der Privatsphäre des Angeklagten gestattet ist. Zwingend vorgeschrieben ist diese Verfahrensgestaltung jedoch nicht. Der Vorsitzende kann auch anders verfahren.270 C. Aufklärungspflicht (Absatz 2) I. Übergeordneter Verfahrensgrundsatz

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Das Gebot zur Erforschung der Wahrheit, zur Aufklärung aller entscheidungserheblichen Tatsachen von Amts wegen (Untersuchungsgrundsatz, Instruktionsmaxime), ist das beherrschende Prinzip des Strafverfahrens. Die Aufklärung des wahren Sachverhalts ist das zentrale Anliegen des Strafprozesses und Bestandteil des materiell verstandenen Rechtsstaatsprinzips.271 Hieran hat sich auch durch die Kodifizierung der Ver-

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264 Alsberg/Dallmeyer 296. 265 KK/Krehl 16; KMR/Paulus 362; Meyer-Goßner/Schmitt 9; Alsberg/Dallmeyer 295. 266 W. Schmid SchlHA 1981 43; KK/Krehl 16. 267 BayObLGSt 2000 94 = JR 2001 256 m. Anm. Eisenberg. 268 Alsberg/Dallmeyer 294. 269 BVerfGE 7 275, 279 = JZ 1958 433 m. Anm. Peters; BGHSt 21 85, 87; BGH bei Dallinger MDR 1974 367; bei Spiegel DAR 1979 186; W. Schmid SchlHA 1981 4; Willms FS Heusinger 400; KK/Krehl 17; KMR/Paulus 364; Meyer-Goßner/Schmitt 9. BayObLGSt 1995 87 lässt offen, ob hierfür auch die Kenntnisnahme durch Akteneinsicht genügt. 270 Zur Bedeutung der Reihenfolge der Beweiserhebung vgl. Rn. 53; § 238, 3, 11, 30; § 243, 2 f.; zum informellen Schuldinterlokut s. § 243, 5. 271 BVerfGE 57 250, 275; s. auch BVerfGE 33 367, 383; 63 45, 61; 86 288, 317; 107 104, 118 f.; 109 133, 162; 115 166, 192; 117 71, 105; 118 212, 230 ff.; 122 248, 270; 133 168, 199; BVerfG NJW 2003 2444, 2445 f.; NStZ 1984 228; 1987 419; NStZ-RR 2013 115; BGHSt 1 94, 96; 10 116, 118; 23 176, 187; 29 109, 112; 34 209, 210; Alsberg/Dallmeyer 40; Lammers FS Rieß 292 f.; Radtke GA 2012 186 ff.; s. dazu auch den kritischen

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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fahrensabsprache nichts geändert (§ 257c Abs. 1 Satz 2). Die Aufklärungspflicht gilt nicht nur für die Beweisaufnahme. Das brachte die frühere Fassung der Vorschrift – „Das Gericht hat von Amts wegen alles zu tun, was zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist“ – deutlicher zum Ausdruck als die seit dem Vereinheitlichungsgesetz geltende Fassung, die sich ihrem Wortlaut nach allein auf die Verpflichtungen des Gerichts im Zusammenhang mit der Beweisaufnahme bezieht.272 Ungeachtet der Fassungsänderung ist die Pflicht des Gerichts, unabhängig vom Verhalten der Verfahrensbeteiligten (vgl. Rn. 50) alles zu tun, was zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist, ein das ganze Verfahren und nicht nur die Beweisaufnahme beherrschendes Gebot.273 Ihm muss der Richter auch dann – und gerade dann – gehorchen, wenn äußere Schwierigkeiten seine Befolgung erschweren. Er muss diese bewältigen, gleichgültig, ob sie durch die Unzulänglichkeit der Vorermittlungen, die Beschränktheit oder Lügenhaftigkeit der Zeugen, ungenügende Sachkunde der Gutachter, Obstruktionen Verfahrensbeteiligter, die Eilbedürftigkeit der Sache, die Zeitnot aufgrund eines Übermaßes anderer Geschäfte oder sonstige Umstände hervorgerufen sind. II. Gegenstand der Aufklärungspflicht 1. Schuld- oder Freispruch. Das Gericht hat zunächst (zu den Verfahrensvorausset- 40 zungen s. Rn. 37, 42) die Tatsachen festzustellen, die die Grundlage für die Entscheidung bilden, ob der Angeklagte zu verurteilen oder freizusprechen ist oder ob er im Zustand – nicht ausschließbarer – Schuldunfähigkeit jedenfalls eine (vorsätzliche) rechtswidrige Tat begangen hat und daher die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung (s. §§ 63, 64, 66, 69a StGB)274 oder eine sonstige Maßnahme (s. §§ 73 ff. StGB) in Betracht kommt. Der gegenständliche Umfang seiner Aufklärungspflicht deckt sich insoweit mit der in der Anklage (oder der Antragsschrift im Sicherungsverfahren; § 414 Abs. 2) bezeichneten Tat275 (§ 264 Abs. 1), die erschöpfend zu untersuchen ist (s. auch § 155 Abs. 1). Zu dieser sind – soweit möglich und rechtlich zulässig (vgl. Rn. 44) – alle Tatsachen festzustellen, die für die Anwendung des materiellen Strafrechts maßgeblich sind. Andere Taten des Angeklagten, abtrennbare Teile der angeklagten Tat oder einzelne durch diese verwirklichten Gesetzesverletzungen, die gemäß § 154 Abs. 1 oder 2, § 154a Abs. 1 oder 2 von der Verfolgung ausgenommen worden oder aus sonstigen Gründen nicht verfahrensgegenständlich sind, sind daher grundsätzlich nicht aufzuklären. Anders liegt es nur dann, wenn sie – weil indiziell – für die Verurteilung wegen der von der Anklage (noch) umfassten Taten oder Gesetzesverletzungen (oder auch für den hieran anknüpfenden Rechtsfolgenausspruch; s. Rn. 41) bedeutsam werden können.276 Umgekehrt zwingt die umfassende Kognitions- und Aufklärungspflicht dazu, gemäß § 154a Abs. 1 oder 2 von der Verfolgung ausgenommene Tatteile oder Gesetzesverletzungen

_____ Überblick über die einschlägige Rechtsprechung des BVerfG bei Jahn (Bedeutungsverlust) 39 ff.; vgl. Einl. H 23 ff. 272 Zur Entwicklung Rieß FS Reichsjustizamt 432; Engels GA 1981 21. 273 Vgl. KK/Krehl 28 (Aufgabe, sich der Wahrheit als regulativer Idee seines Bemühens justizförmig so weit wie möglich zu nähern); Alsberg/Dallmeyer 40; Eisenberg (Beweisrecht) 1; Gössel FS Bockelmann 432; Habetha/Trüg GA 2009 408; Herdegen StV 1992 533; Maul FS II Peters 48; SK/Frister 10 (für das gesamte Haupt- und Zwischenverfahren); zum Wahrheitsbegriff ferner etwa Grasnick FS Pötz 55; Meurer FS Tröndle 533; Volk FS Salger 411; vgl. ferner bei § 261. 274 S. etwa BGH StV 2011 647, 648 m. Anm. Schlothauer. 275 BGH NStZ 1994 247, 248 m. Anm. Widmaier = StV 1994 169 m. Anm. Strate = JR 1994 288 m. Anm. Wohlers (insoweit in BGHSt 40 3 nicht abgedruckt). 276 S. etwa BGHSt 34 209, 210.

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nach § 154a Abs. 3 wieder in das Verfahren einzubeziehen, bevor zu den Tatteilen oder Gesetzesverletzungen, auf die das Verfahren beschränkt worden war, auf Freispruch erkannt oder das Verfahren eingestellt wird.277 41

2. Rechtsfolgenausspruch. Die Aufklärungspflicht erstreckt sich darüber hinaus auf alle Tatsachen, die für die Entscheidung über Art und Maß der Rechtsfolgen erheblich sind. Sie umfasst alle für die Beurteilung der Person des Angeklagten bedeutsamen Umstände.278 Verweigert der anwesende Angeklagte die Einlassung, muss sich das Gericht anderweitig um die Aufklärung seiner persönlichen Verhältnisse bemühen.279 Es kann die Aufklärungspflicht namentlich dadurch verletzen, dass es keinen Strafregisterauszug oder Auszug aus dem Verkehrszentralregister einholt280 oder es unterlässt, Zweifel an der Richtigkeit oder Tilgungsreife einer dort vermerkten Vorstrafe zu klären;281 ebenso wenn es sich mit dem Verlesen (§ 249) der Strafliste oder der Urteilsgründe einer Vorverurteilung begnügt und die dort vorhandenen Eintragungen bzw. getroffenen Feststellungen trotz substantiierter Einwände ungeprüft für seine eigene Strafzumessung übernimmt.282 Gleiches gilt, wenn das Gericht es versäumt, sonstige für die Strafzumessung bedeutsame Umstände selbst festzustellen,283 etwa das konkurrenzrechtliche Verhältnis der abgeurteilten Taten zueinander, 284 aus den Akten hervorgehenden Anhaltspunkten für eine vom Angeklagten geleistete Aufklärungshilfe (§ 46b StGB) nicht nachgeht;285 ferner, wenn es in Verfahren gegen Jugendliche oder Heranwachsende keine Ermittlungen gemäß § 43 JGG vornimmt,286 es verabsäumt, den Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vertreter eines Jugendlichen nach § 67 Abs. 1 JGG zu laden287 oder die Jugendgerichtshilfe zum Termin zu laden und anzuhören.288 Im Einzelfall kann es die Aufklärungspflicht auch fordern, einen trotz Ladung ferngebliebenen Vertreter der Jugendgerichtshilfe289 oder im Sicherungsverfahren (§§ 413 ff.) den Betreuer des Beschuldigten290 zuzuziehen. Da die Strafe gegen den jeweiligen Angeklagten in dem gegen ihn

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277 Etwa BGHSt 22 105, 106; 29 315, 316; 32 84, 84; s. näher m.w.N. die Erl. zu § 154a. 278 Vgl. etwa BGH NStZ 1991 231; OLG Hamm NJW 1956 1934; s. auch BGH StV 1998 636; Detter StraFo 1997 194. 279 BGHSt 27 252 = JR 1978 175 m. Anm. Brunner; BGH StV 1982 336 m. Anm. Gatzweiler; bei Dallinger MDR 1956 146; bei Herlan GA 1961 358; bei Holtz MDR 1984 797; BayObLG bei Rüth DAR 1971 207; OLG Karlsruhe MDR 1975 422; OLG Koblenz MDR 1973 873. 280 BGH NStZ-RR 2010 236, 237 (Strafregisterauszug erkennbar mit unzutreffendem Geburtsdatum des Angeklagten eingeholt); OLG Hamm NJW 1953 1883; 1956 1934; OLG Zweibrücken VRS 35 (1968) 439; Huschka NJW 1954 788; Händel NJW 1954 1516; vgl. aber auch Wälde NJW 1957 433. Nach OLG Oldenburg RdK 1953 187 sowie OLG Zweibrücken VRS 32 (1967) 219 kann es genügen, wenn das Gericht sich mit der glaubwürdigen Einlassung eines Angeklagten begnügt, sofern keinerlei Umstände ersichtlich sind, die zu weiteren Ermittlungen Veranlassung geben. 281 BGHSt 20 205. 282 BGHSt 43 106, 107 f.; KG NStZ 2008 357. 283 Vgl. z.B. OLG Schleswig bei Lorenzen/Thamm SchlHA 1996 95 (körperliche Behinderung bei Fahrverbot); OLG Zweibrücken VRS 35 (1968) 439. 284 BGH StV 2006 292, 294. 285 BGH StV 2011 74; NStZ-RR 2018 116 f. 286 BGH GA 1956 346; LM § 43 JGG Nr. 1; vgl. auch OLG Hamm JMBlNW 1955 190. 287 BGH NStZ 1996 612. 288 BGHSt 27 250 = JR 1978 176 m. Anm. Brunner; BGH VRS 57 (1979) 126; NStZ-RR 2001 27; bei Dallinger MDR 1956 146; MDR 1977 811; bei Herlan GA 1961 358; BayObLG bei Rüth DAR 1971 207; OLG Karlsruhe MDR 1975 422; Justiz 1976 213 Ls.; OLG Koblenz MDR 1973 873. 289 BGHSt 27 250 = JR 1978 175 m. Anm. Brunner; BGH NStZ 1982 257; 1984 467; NStZ-RR 2003 344 Ls.; StV 1989 308; vgl. andererseits BGH StV 1985 153; ferner Rn. 56, 92. 290 BGH NStZ 1996 610.

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geführten Verfahren nach den dort ermittelten und vom Tatrichter unabhängig zu bewertenden Strafmessungstatsachen individuell aus der Sache selbst zu finden ist, kann es die Aufklärungspflicht dagegen nicht gebieten, im Hinblick auf eine vergleichende Strafzumessung Strafurteile anderer Gerichte oder Spruchkörper, auch wenn sie zu demselben Sachverhalt ergangen sind, zum Beleg der dort angestellten Strafzumessungserwägungen zu verlesen.291 3. Verfahrenstatsachen. Verfahrensrechtlich erhebliche Tatsachen muss das Ge- 42 richt ebenfalls in dem nach der jeweiligen Verfahrenslage notwendigen Umfang aufklären,292 bevor es über eine Verfahrensfrage entscheidet. Es muss erforschen, ob alle Verfahrensvoraussetzungen gegeben sind, etwa ob ein erforderlicher Strafantrag rechtzeitig gestellt ist,293 ferner, ob die tatsächlichen Voraussetzungen der jeweils zu treffenden Verfahrensentscheidung vorliegen, etwa ob ein Zeuge verhindert oder unerreichbar ist, ob ein Vernehmungsprotokoll oder sonstige Urkunde verlesbar ist, ob eine Aussage wegen Verstoßes gegen § 136a nicht verwertet werden darf294 oder ein sonstiges Beweisverbot besteht (s. Rn. 33, 37). So kann es die Aufklärungspflicht verletzen, wenn das Gericht zu Unrecht das Fortwirken eines Verwertungsverbots annimmt.295 Die Einzelheiten sind im Zusammenhang mit den jeweils einschlägigen Vorschriften erörtert. III. Grenzen der Aufklärungspflicht 1. Keine überschießende Sachaufklärung. Auf die Feststellung von Tatsachen, die 43 unter keinem der bei Rn. 40 ff. genannten Gesichtspunkte entscheidungsrelevant werden können, erstreckt sich die Aufklärungspflicht nicht; zu einer überschießenden Sachaufklärung ist das Gericht nicht verpflichtet.296 Im Gegenteil widerspräche sie der Prozessökonomie und könnte im Einzelfall auch unter dem Blickwinkel eines Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot (s. Rn. 57) oder die Belange des Opferschutzes297 rechtlich zu beanstanden sein. Die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts geht nur bis zu dem Punkt, an welchem dem Gericht eine sichere abschließende Entscheidung möglich ist, laute sie auf Verurteilung, Freispruch oder Einstellung (zu den Maßstäben s. Rn. 47 ff.). Jede weitere Sachverhaltserforschung hat daher etwa zu entfallen, wenn erkennbar wird, dass eine Prozessvoraussetzung fehlt. Auch wenn die Beweisaufnahme zu dem Ergebnis führt, dass der Angeklagte mangels ausreichenden Tatnachweises freizusprechen ist, und keine weiteren Beweise ersichtlich sind, die zur Verurteilung führen könnten, gebietet es § 244 Abs. 2 dem Gericht nicht, weitere Beweise zu erheben, die möglicherweise zum Freispruch wegen erwiesener Unschuld führen könnten.298 Ebenso ist ohne weitere

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291 S. BGHSt 28 207, 208; 56 262, 269; vgl. aber auch BGH wistra 2001 57 f.; StV 2008 295 f. m. Anm. Köberer. 292 Im Wege des Freibeweises; vgl. Rn. 37. 293 Vgl. etwa OLG Frankfurt NJW 1983 1208. 294 OLG Hamm StraFo 1999 92, 93. 295 BGH NJW 1995 2047. 296 BGH NStZ 1994 247, 248 m. Anm. Widmaier = StV 1994 169 m. Anm. Strate = JR 1994 288 m. Anm. Wohlers (insoweit in BGHSt 40 3 nicht abgedruckt); SSW/Sättele 31. 297 BGH NJW 2005 1519, 1520 f.; NStZ 2005 579, 580; Trück NStZ 2007 381 f.; krit. Lammers FS Rieß 291. 298 BGHSt 16 374, 379; BayObLG NStZ-RR 2003 178; AK/Schöch 32; s. aber auch Meyer-Goßner/Schmitt 13, der in derartigen Fällen aus prozessualer Fürsorge die Verwendung präsenter und leicht erreichbarer Beweismittel zur Rehabilitierung des Angeklagten zulassen will; vgl. auch KMR/Paulus 116 f.; Eisenberg (Beweisrecht) 14; de lege ferenda Krack Die Rehabilitierung des Beschuldigten im Strafverfahren (2002) 180.

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Aufklärung zur Tatbestandsmäßigkeit freizusprechen, wenn feststeht, dass dem Angeklagten ein Rechtfertigungsgrund zur Seite stand299 (s. auch – insb. zum Freispruch wegen Schuldunfähigkeit – die Erl. zu §§ 260 und 464); denn in derartigen Fällen sind die Tatsachen, die durch die weitere Beweisaufnahme noch festgestellt werden könnten, sämtlich für die Entscheidung ohne Bedeutung im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 (zum Verhältnis von Aufklärungspflicht und Beweisantragsrecht s. Rn. 58). Nicht notwendig ist es auch, eine nicht angeklagte weitere Straftat des Angeklagten aufzuklären, wenn diese zwar für die Strafzumessung Bedeutung erlangen könnte, im Falle ihrer späteren Aburteilung aber ohnehin eine Gesamtstrafe mit der aktuell zu verhängenden Strafe gebildet werden müsste;300 s. aber auch Rn. 196. 2. Rechtliche Grenzen. An den Beweisverboten findet auch die Aufklärungspflicht ihre Schranke.301 Soweit die Erforschung eines bestimmten Sachverhalts oder die Verwendung oder Verwertung eines bestimmten Beweismittels durch das Gericht unzulässig sind, hat die Sachaufklärung insoweit zu unterbleiben.302 Eine Wahrheitsermittlung um jeden Preis ist unzulässig.303 Ob die Voraussetzungen eines Beweisverbots gegeben sind, muss das Gericht aber von sich aus aufklären (Rn. 42); es muss alle verfügbaren Beweismittel ausschöpfen, um festzustellen, ob behauptete oder nach Aktenlage mögliche Tatsachen, die ein Beweisverbot begründen würden, auch tatsächlich vorliegen.304 Eine Sachaufklärung scheidet auch dann aus, wenn das Gericht an anderweitig festgestellte Tatsachen gebunden ist. Dies kommt insbesondere bei Teilrechtskraft vorangegangener Entscheidungen in derselben Sache in Betracht, etwa weil ein amtsgerichtliches Urteil mit der Berufung nur beschränkt angegriffen wird oder das Revisionsgericht das angegriffene Urteil nur teilweise aufhebt.305 In diesen Fällen darf der mit der Sache neu befasste Tatrichter von den – auch doppelrelevanten – Feststellungen, die den nicht angegriffenen oder in der Revisionsinstanz bestätigten Teilen des Urteils zugrunde liegen, oder die das Revisionsgericht ansonsten von der Aufhebung ausgenommen hat, nicht abweichen und daher insoweit Sachaufklärung allenfalls zu ergänzenden Sachverhaltselementen betreiben.306 Auch Tatsachen, die keines Beweises bedürfen, sind grundsätzlich nicht weiter 45 aufzuklären. Dies gilt etwa für offenkundige Tatsachen. Voraussetzung ist jedoch, dass an ihrer Richtigkeit keine vernünftigen Zweifel bestehen.307 Bei Tatsachen, die das Gericht als wahr unterstellen (§ 244 Abs. 3 Satz 2) oder deren Gegenteil es als bereits erwiesen (§ 244 Abs. 4 Satz 2) ansehen darf, erfährt die grundsätzlich vorrangige Aufklärungspflicht nur hinsichtlich ihres Umfangs gewisse Einschränkungen (vgl. Rn. 291, 327). Zur Einschränkung der Aufklärungspflicht, in den Fällen, in denen das Gesetz Schätzungen zulässt, vgl. Rn. 13.

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299 KMR/Paulus 116. 300 BGH NStZ-RR 1996 334. 301 Vgl. allgemein BGHSt 56 127, 134 f. 302 BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 355; OLG Koblenz StraFo 2014 117, 118; KMR/Paulus 226; ferner Einl. H 31. 303 S. Rn. 187. 304 BGH bei Dallinger MDR 1951 568; vgl. näher bei Rn. 36 f. und § 238, 48. 305 S. auch die Möglichkeit des § 353 Abs. 2, bei der Zurückverweisung der Sache Feststellungen des – teilweise – aufgehobenen Urteils aufrechtzuerhalten. 306 Zu den Einzelheiten s. die Erl. zu §§ 318, 344 Abs. 1, § 353 Abs. 2. 307 Eisenberg (Beweisrecht) 16, 17; KMR/Paulus 224; vgl. Rn. 203, 213.

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IV. Inhaltliche Kriterien der Aufklärungspflicht 1. Aufklärungspflicht und richterliche Überzeugung. Die Rechtsprechung hatte 46 zunächst den Grundsatz vertreten, dass der Tatrichter, der aufgrund der bisher erhobenen Beweise bereits eine feste Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Beweistatsache gewonnen hat, von jeder weiteren Beweiserhebung absehen darf, ohne dass er hierdurch seine Aufklärungspflicht verletzt.308 Dies beruhte auf der Ansicht, dass die Aufklärungspflicht nur so weit reicht, wie dies zur Gewinnung einer richterlichen Überzeugung notwendig ist. Später setzte sich die zutreffende Auffassung durch, dass für die Bildung der richterlichen Überzeugung – für die freie Beweiswürdigung (§ 261) – erst dann Raum ist, wenn das Gericht alle erkennbaren und erreichbaren Erkenntnisquellen ausgeschöpft hat. Die Berufung auf eine bereits gewonnene Überzeugung rechtfertigt es nicht, Beweismittel zu übergehen, von denen eine weitere Sachaufklärung zu erwarten ist, deren Ergebnis die (vorläufige) Überzeugung von einem bestimmten Sachverhalt wieder in Frage stellen kann. Demgemäß ist es heute im Grundsatz weitgehend unstreitig, dass die Freiheit der Beweiswürdigung erst dann einsetzt, wenn die Aufklärungspflicht erfüllt ist.309 Solange das Gericht die umfassende Sachaufklärung nicht geleistet hat, darf es demgemäß auch nicht nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ entscheiden310 oder eine Wahlfeststellung treffen.311 All dies darf indessen nicht in dem Sinne verstanden werden, dass die Sachaufklärung durch Beweiserhebung und die Beweiswürdigung zwei scharf voneinander trennbare Sphären richterlicher Tätigkeit seien. Vielmehr beeinflussen sie einander, stehen in einer Wechselbeziehung.312 Denn schon über die Notwendigkeit, nach der geständigen Sacheinlassung des Angeklagten überhaupt eine weitere Beweisaufnahme (im materiellen Sinne) durchzuführen, lässt sich nicht ausschließlich nach allein objektiven Kriterien entscheiden; vielmehr setzt dies auch eine Bewertung der Glaubhaftigkeit der Einlassung voraus, in die die freie subjektive Überzeugungsbildung (§ 261) in Form einer vorweggenommenen Würdigung der Beweise313 einfließt, die nach Aktenlage zur Aufklärung des Tatvorwurfs sonst zur Verfügung stünden (s. Rn. 9 ff.). In ähnlicher Weise hängt die Fortführung der Sachaufklärung von der subjektiven Wertungen offenen Beweisantizipation des Tatgerichts ab, wenn dieses nach bereits durchgeführter Beweisaufnahme darüber zu entscheiden hat, ob eine durch die Nutzung eines weiteren Beweismittels gegebenenfalls nachweisbare Indiztatsache Einfluss auf seine Überzeugung erlangen könnte, die es aufgrund der bisherigen Beweiserhebung von der Haupttatsache314 gewonnen hat, auf die sich die Indiztatsache bezieht. Dies ist im Rahmen des Beweisantragsrechts für den in § 244 Abs. 3 Satz 2 genannten Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache weitestgehend anerkannt. Für die Aufklärungspflicht nach Absatz 2 kann nichts anderes

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308 Etwa RGSt 1 61; 1 138; 6 135, 136; 13 158, 159; OGHSt 2 102; BGH NJW 1953 283; zur Entwicklung der Rechtsprechung: Engels GA 1981 25; Wessels JuS 1969 1. 309 Zur prinzipiellen Trennung von Beweiserhebung und nachfolgender Beweiswürdigung Alsberg/Dallmeyer 46; Engels GA 1981 32; Hamm 552 ff.; Herdegen GedS Meyer 188; Niemöller StV 1984 431; AK/Schöch 27; KMR/Paulus 223; MüKo/Trüg/Habetha 51; SSW/Sättele 33. 310 BGHSt 12 116, 119; 13 326; BGH NJW 1978 113, 114; OLG Hamm VRS 41 (1971) 37; OLG Stuttgart VRS 106 (2004) 209, 210 f.; Maul FS II Peters 51; vgl. BGH NStZ-RR 2006 48, 49 f.; Paulus FS Fezer 258 f.; s. auch die Erl. zu § 261. 311 BGHSt 11 10; 12 388; 21 152; 22 136; s. die Erl. zu § 261 m.w.N. 312 AK/Schöch 27 (Komplementärverhältnis); KK/Krehl 29 (Spannungsverhältnis); Radtke/Hohmann/Kelnhofer 30; Hamm 552; Herdegen GedS Meyer 188. 313 Zur Zulässigkeit der Beweisantizipation s. Rn. 49. 314 Zum Begriff von Haupt- und Indiztatsache s. Rn. 7.

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gelten. Es kann daher nicht darum gehen, inhaltliche Grenzen der Aufklärungspflicht gemessen an der jeweiligen Beweislage nach (vermeintlich) rein objektiven Kriterien zu bestimmen. Vielmehr sind rechtliche Maßstäbe dafür zu entwickeln, in welchem Umfang die Aufklärungspflicht durch die subjektive Überzeugungsbildung des Tatgerichts beeinflusst werden darf und umgekehrt die Aufklärungspflicht der freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 261 Grenzen setzt (s. Rn. 47 ff.).315 47

2. Rechtliche Beurteilungsmaßstäbe. In der Rechtsprechung findet sich keine einheitliche Beschreibung der Anforderungen, denen der Tatrichter genügen muss, um das an ihn gerichtete Gebot umfassender Sachaufklärung zu erfüllen. Überwiegend wird die Aufklärungspflicht jedenfalls dann als verletzt angesehen, wenn das Tatgericht unter Berücksichtigung der Beweislage zu einer bestimmten Überzeugung noch nicht hätte gelangen dürfen, weil es bei verständiger Würdigung aller Umstände des zu entscheidenden Falles damit rechnen musste, dass ihm bekannte oder erkennbare, nicht verwertete weitere Beweismittel einen Sachverhalt erbringen, der im Gegensatz zu seiner bisherigen Überzeugung den Tatvorwurf widerlegt, in Frage stellt (also zur Anwendung des Zweifelssatzes führt) oder bestätigt.316 Um dies zu vermeiden, hat es den Inhalt der vorliegenden Akten,317 den Verlauf318 und die bisherigen Ergebnisse der Hauptverhandlung und die im Zusammenhang damit – nicht notwendig nur im Rahmen der Beweisaufnahme – bekannt werdenden Umstände, insbesondere auch die Äußerungen,319 Anträge320 oder Anregungen321 der Verfahrensbeteiligten laufend dahin zu überdenken, ob sie einen Anlass liefern, den Sachverhalt durch zusätzliche, bisher nicht genutzte Beweismittel umfassender oder sicherer zu erforschen. Hierbei sind der erkennbare – gegebenenfalls freibeweislich ermittelte (Rn. 33) – Beweiswert322 der zur Verfügung stehenden weiteren Beweismittel einerseits und der schon erlangte Beweisstoff, seine Beweiskraft und die aus ihm demgemäß ableitbaren Folgerungen andererseits in eine umfassende, verständige und allgemeiner Lebenserfahrung Rechnung tragende Würdigung der Sachlage einzustellen.323 Ergibt diese Würdigung, dass das Gebot umfassender Sachaufklärung danach „drängt“,324 ein bekanntes oder erkennbares weiteres Beweismittel zu

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315 Vgl. SSW/Sättele 33 ff. 316 BGH NStZ 1994 247, 248 m. Anm. Widmaier = StV 1994 169 m. Anm. Strate = JR 1994 288 m. Anm. Wohlers (insoweit in BGHSt 40 3 nicht abgedruckt). 317 S. etwa BGH StV 1987 91; 2017 801 Ls.; NStZ 1993 248; 2002 431; 2015 36; 2017 96, 97 m. Anm. Ventzke; StraFo 2009 75; BGHR § 244 Abs. 2 Aufdrängen 1, 5. 318 BGHSt 30 131, 140; BGH NStZ 2015 36; 2017 96, 97 m. Anm. Ventzke; StV 2017 801 Ls. 319 BGH StV 1984 507; StraFo 2009 75. 320 BGH NStZ 2017 96 m. Anm. Ventzke (außerhalb der Hauptverhandlung gestellter Beweisantrag); NStZ-RR 2002 110: Befangenheitsantrag gegen Sachverständigen. 321 S. dazu näher auch Rn. 58. 322 Etwa BGHSt 44 308; BGH bei Kusch NStZ-RR 2000 35 (völlige Ungeeignetheit einer polygraphischen Untersuchung mittels Kontrollfragen- und Tatwissenstest; s. auch Rn. 238); BGH NStZ 2005 458 ff. (unzureichende Anknüpfungstatsachen für anthropologisches Identitätsgutachten); BGH NStZ-RR 2005 320; bei Becker NStZ-RR 2002 68 (keine Erinnerung des Zeugen zu erwarten); 2006 3 (schlampiges Blutentnahmeprotokoll); vgl. BGH bei Dallinger MDR 1973 372; BGH NStZ 2000 156 f. 323 BGHSt 30 131, 142; 36 159, 165; BGH NJW 1951 283; 2005 1381, 1382; NStZ 1985 324; 1994 247, 248 m. Anm. Widmaier = StV 1994 169 m. Anm. Strate = JR 1994 288 m. Anm. Wohlers (insoweit in BGHSt 40 3 nicht abgedruckt); 1998 50, 51; NStZ-RR 1996 299; 2005 88; bei Becker NStZ-RR 2004 322; BGH MDR 1985 324, 325; 1991 1024 f.; StV 1989 467; BayObLG NStZ 1996 101; Alsberg/Dallmeyer 42; Frister ZStW 105 (1993) 357; Gössel JR 2005 392; Herdegen NStZ 1984 98; Maul FS II Peters 50; AK/Schöch 27; KMR/Paulus 221; Meyer-Goßner/Schmitt 12; SK/Paeffgen § 420, 18. 324 RGSt 74 152; BGHSt 1 94, 96; 3 169, 175; 10 116, 118; 23 176, 187; 30 131, 140; 32 115, 124; 46 73, 79; BGH LM Nr. 1 zu § 244; BGH NJW 1978 113; 1989 3294; NStZ 1990 384; 1992 450; 1994 247, 248 m. Anm.

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nutzen oder ein bereits genutztes Beweismittel weiter auszuschöpfen (Rn. 64), so ist entsprechend zu verfahren. Insbesondere wenn das vom Tatgericht nach bisheriger Beweisaufnahme für erwiesen erachtete Beweisergebnis eher unwahrscheinlich ist, anderen Feststellungen widerspricht oder nur auf einem einzigen Beweismittel von generell eingeschränktem oder im konkreten Fall strittigem Beweiswert beruht, hat es alle zur Klärung des Sachverhalts in Frage kommenden erreichbaren Beweismittel auszuschöpfen, bevor es sich eine abschließende Überzeugung bildet.325 Maßgebend sind hierbei nicht die subjektiven Erkenntnisse des Tatgerichts, sondern die objektiven Gegebenheiten aus der Sicht des Revisionsgerichts.326 Außerdem ist allein die Prozesslage der jeweiligen Hauptverhandlung ausschlaggebend dafür, ob aus dieser Sicht vernünftige Zweifel am bisherigen Beweisergebnis die Beiziehung weiterer Beweismittel nahelegen. Die Aufklärungspflicht ist daher nicht schon deshalb verletzt, weil Beweismittel, die in einer früheren Hauptverhandlung herangezogen waren, in einer späteren nicht mehr verwendet werden.327 Es beurteilt sich vielmehr allein nach der neuen Prozesslage, ob die Umstände dazu drängen, frühere Beweismittel erneut zu benutzen. Im Hinblick auf die Maßgeblichkeit der revisionsgerichtlichen Sicht (Rn. 47) ist je- 48 doch eine Klarstellung geboten: Hat das Tatgericht in den Urteilsgründen oder in einem Beschluss, in dem es etwa einen Beweisermittlungs- oder einen Aufklärungsantrag (s. Rn. 162, 171) eines Verfahrensbeteiligten zurückgewiesen oder eine entsprechende Entscheidung des Vorsitzenden bestätigt hat (§ 238 Abs. 2; vgl. Rn. 165, 174), die Gründe dargelegt, aus denen es in vorweggenommener Beweiswürdigung von einer weiteren Beweiserhebung absieht, so unterliegt diese Beurteilung der Beweislage keiner weitergehenden revisionsgerichtlichen Überprüfung als die Beweiswürdigung, die der Tatrichter nach durchgeführter Beweisaufnahme vornimmt. Sie ist also nur auf Rechtsfehler zu untersuchen,328 wobei die Besonderheit darin besteht, dass die tatrichterliche Würdigung

_____ Widmaier = StV 1994 169 m. Anm. Strate = JR 1994 288 m. Anm. Wohlers (insoweit in BGHSt 40 3 nicht abgedruckt); NStZ 2013 725; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 210; BGH NStZ-RR 2002 270; bei Becker NStZRR 2006 2, 3; BGH StV 1981 164; 1987 4; 1991 245; 1991 337; 1993 114; 1996 4; BGH VRS 34 (1968) 220; BGH bei Dallinger MDR 1951 257; bei Holtz MDR 1981 455; st. Rspr. der OLGe: etwa OLG Hamm NStZ 1984 462; KG VRS 25 (1963) 65; NStZ-RR 2007 319, 320; OLG Koblenz VRS 45 (1973) 48; 45 (1973) 189; vgl. auch Alsberg/Dallmeyer 42; Fezer FS II BGH 4 855 f.; Maul FS II Peters 47; KMR/Paulus 221 ff. 325 So etwa BVerfG NStZ-RR 2003 299, 300; BGH VRS 36 (1969) 189; StV 1996 249; NStZ 2013 725; NStZRR 1996 299; 2003 205; BayObLGSt 1994 67, BayObLG VRS 93 (1997) 126; NStZ-RR 2003 233, 234; bei Rüth DAR 1976 116; OLG Karlsruhe NStZ 1988 226; OLG Köln VRS 88 (1995) 201; Herdegen NStZ 1984 97; ders. StV 1992 592; Kunert GA 1979 413; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 31; SSW/Sättele 40; s. auch die Fallbeispiele in Rn. 65 ff. m.w.N. 326 BGH NJW 1978 113, 114; NStZ 1983 34; 1985 324, 325; 1998 209, 210; NStZ-RR 1996 299; StV 1983 90; 1996 581, 582; 2012 577, 578; JR 2005 389, 390 m. Anm. Gössel; bei Holtz MDR 1981 455; der Sache nach auch BGHSt 46 73, 79 f.; BGH NStZ 1984 565; 1988 88; 1997 286; StV 1987 4; s. auch Herdegen NJW 1996 28; 1998 445 f.; ähnlich Frister ZStW 105 (1993) 357, 360. Herdegen (NStZ 1984 98; 1987 197; 1998 445 f.; 1999 177; StV 1992 532; JZ 1998 56; NJW 2003 3514 ff.; s. auch GedS Meyer 189 ff.) stellt demgegenüber – gestützt auf einige Entscheidungen des BGH, die sich zu den Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung verhalten) – darauf ab, ob das Absehen von der weiteren Beweiserhebung mit einer intersubjektiv akzeptablen, nach sachlogischen Zusammenhängen in hohem Maße plausiblen Begründung gerechtfertigt wurde oder zumindest hätte gerechtfertigt werden können (s. auch BVerfG JR 2004 37 m. Anm. Böse; KK/Krehl 33; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 30); ob hiermit der Sache nach tatsächlich ein abweichender, insbesondere aber für die Rechtsanwendung tauglicherer Beurteilungsmaßstab beschrieben wird, darf füglich bezweifelt werden. 327 BGH bei Dallinger MDR 1974 547. 328 Zu § 244 Abs. 5 Satz 2, der auf die Aufklärungspflicht verweist, hat der BGH dies anerkannt: BGHSt 40 60, 62; BGH NJW 1998 3363, 3364; 2005 2322, 2323; vgl. auch BGH NStZ 1992 450 f.; 2016 428; NStZ-RR 1998 178.

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sich auf einen nicht erhobenen Beweis bezieht. Auch hier darf das Revisionsgericht seine rein tatsächliche Bewertung der Beweislage nicht an die Stelle der abweichenden Würdigung des Tatrichters setzen.329 Dies wäre mit § 261 unvereinbar. Wenn es heißt, dass Beurteilungsmaßstab für die Wahrung der Aufklärungspflicht die objektive Sachlage aus der Sicht des Revisionsgericht sei, kann damit in diesen Fällen richtigerweise nichts anderes als die rechtliche Sicht des Revisionsgerichts gemeint sein. Die tatsächliche Würdigung des Revisionsgerichts ist daher nur in zwei Fällen relevant: zum einen, wenn die Gründe, aus denen der Tatrichter von der weiteren Beweisaufnahme abgesehen hat, nicht erkennbar sind, sie also auch nicht auf der Hand liegen oder aus dem Gesamtzusammenhang der Beweiswürdigung im Urteil aufscheinen; zum anderen, wenn die vom Tatgericht aufgezeigten Gründe eine rechtsfehlerhafte Beweisantizipation beinhalten, diese jedoch – etwa weil erst im schriftlichen Urteil dargelegt – keinen Einfluss auf das Prozessverhalten des Revisionsführers gewinnen konnten und daher das Urteil nicht schon aus diesem Grunde aufzuheben ist; nur in diesem Fall trifft es zu, dass die Ausführungen des Tatrichters für das Revisionsgericht – bei der Beruhensprüfung – ohne Bedeutung sind.330 In einigen Entscheidungen findet sich aber auch die Aussage, der Tatrichter dürfe 49 kein erkennbares Beweismittel ungenutzt lassen, wenn auch nur die entfernte Möglichkeit besteht, dass die Erhebung des Beweises zu einer Änderung der durch die bisherige Beweisaufnahme begründeten Vorstellung von dem zu beurteilenden Sachverhalt führen könne.331 Diese Forderung geht als allgemeingültiger Maßstab indessen zu weit. Sie kann allenfalls in den bereits angesprochenen Sonderfällen Geltung beanspruchen, in denen die bisherige Überzeugung des Gerichts auf einer eher ungesicherten Beweislage beruht (mehrdeutige Indizien; Aussage gegen Aussage; Zeugen vom Hörensagen; statt persönlicher Vernehmung des maßgeblichen Zeugen lediglich Verlesung eines Vernehmungsprotokolls etc.).332 Stützt sie sich dagegen auf die Übereinstimmung verlässlicher Beweismittel, muss nicht ohne konkreten Anlass jeder noch so entfernten Möglichkeit einer weiteren Sachaufklärung nachgegangen werden.333 Denn die Aufklärungspflicht zwingt das Gericht zwar grundsätzlich, jedem erkennbaren Beweismittel nachzugehen, bei dem nach der konkreten Sachlage die sinnvolle Möglichkeit besteht, dass es zu einer Änderung des Beweisergebnisses führen kann.334 Sie geht aber nicht so weit, dass auch Beweismittel zugezogen werden müssen, bei denen diese Möglichkeit zwar gedanklich abstrakt nicht völlig auszuschließen ist, die nach den oben dargestellten Maßstäben aber keine vernünftigen Anhaltspunkte dafür bieten, dass sie das bisher gewonnene Beweis-

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329 Vgl. Rn. 221 zur revisionsgerichtlichen Überprüfung der Zurückweisung eines Beweisantrags wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der behaupteten Beweistatsache. 330 Vgl. BGH NStZ 1985 324, 325; NStZ-RR 1996 299; 1997 41, 42; StraFo 2009 520, 521; Meyer-Goßner/ Schmitt 12. 331 BGHSt 23 176, 188; 30 131, 143; NStZ 1983 376, 377; 1985 325, 326; 1990 384; 1991 399; bei Pfeiffer/ Miebach NStZ 1983 210; BGH StV 1981 164, 165; 1989 518, 519; ebenso Geppert Jura 2003 257 f.; ähnlich Eisenberg (Beweisrecht) 11; befürwortend auch Junker 6; BGH NStZ 1994 247, 248 m. Anm. Widmaier = StV 1994 169 m. Anm. Strate = JR 1994 288 m. Anm. Wohlers (insoweit in BGHSt 40 3 nicht abgedruckt) lässt dies offen. 332 Widmaier NStZ 1994 248; Meyer-Goßner/Schmitt 12. 333 Nach Herdegen NStZ 1984 98 vermag die bloß gedanklich abstrakte Möglichkeit einer Änderung des Beweisergebnisses, die sich auf keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte stützen kann, keine weitere Sachaufklärung auszulösen; Herdegen GedS Meyer 193; Julius NStZ 1986 63; Maul FS II Peters 48, 54; Schlüchter 544 (keine Ermittlung ins Blaue hinein); AK/Schöch 27; HK/Julius 8; KK/Krehl 33; Meyer-Goßner/ Schmitt 12; SSW/Sättele 39. 334 S. etwa BGH NStZ 2005 44; bei Becker NStZ-RR 2002 68; BGHR § 244 Abs. 6 Beweisantrag 23.

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ergebnis tatsächlich in Frage stellen könnten.335 Die zu dieser Beurteilung führende Beweisantizipation ist zulässig336 und unabdingbar, da ohne eine kritisch abwägende Würdigung der bereits erhobenen Beweise keine Entscheidung über die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung möglich wäre. V. Sachaufklärung von Amts wegen Die umfassende Sachverhaltserforschung obliegt dem Gericht als eigene Pflicht, auf 50 deren Erfüllung die Verfahrensbeteiligten zwar durch Anträge und Anregungen hinwirken können (s. Rn. 51), die aber im Übrigen ihrer Disposition entzogen ist. Sie können sie durch Anträge oder Anregungen, einseitigen oder vereinbarten Verzicht auf Beweismittel oder durch ein Geständnis andererseits auch nicht zum Wegfall bringen.337 Die Aufklärungspflicht gebietet, die sachliche Richtigkeit eines Geständnisses nicht ungeprüft zu lassen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn dem Geständnis eine Verständigung mit dem Gericht vorausgegangen ist, bei der dem Angeklagten für den Fall geständiger Einlassung die Einhaltung einer bestimmten Strafobergrenze in Aussicht gestellt worden ist; die Hinnahme eines inhaltsleeren Formalgeständnisses genügt auch hier den Anforderungen des § 244 Abs. 2 nicht.338 Das Gericht muss einem Entlastungsbeweis auch gegen den Willen des Angeklagten nachgehen,339 so etwa, wenn der nur durch Vernehmung eines ärztlichen Sachverständigen zu klärende Verdacht besteht, dass der Angeklagte im Zeitpunkt der Tat schuldunfähig oder erheblich vermindert schuldfähig war, der Angeklagte aber bittet, keinen Sachverständigen zuzuziehen, weil er befürchtet, aus dem Ergebnis der Begutachtung könnten ihm berufliche Schwierigkeiten erwachsen. Desgleichen muss das Gericht entscheidungserhebliche Umstände auch dann zu klären versuchen, wenn Verfahrensbeteiligte insoweit auf weitere Beweismittel verzichtet340 oder einen Beweisantrag zurückgenommen haben.341 Dass der Angeklagte einen ihm möglichen Beweisantrag nicht stellt, lässt die Aufklärungspflicht des Gerichts grundsätzlich unberührt. Diese Grundsätze werden auch durch eine Verfahrensabsprache nicht eingeschränkt (§ 257c Abs. 1 Satz 2).342 Daher kann die Aufklärungsrüge auch erheben, wer in der Hauptverhandlung nicht beantragt hat, ein bestimmtes Beweismittel

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335 BGHSt 30 131, 141; 36 159, 164 f.; 45 188, 197; BGH NStZ 1980 50 (Lebensaltergutachten); OLG Hamm NStZ 1984 462. 336 RGSt 74 152; BGHSt 13 326; 40 60, 62 (zu Absatz 5 Satz 2); BGH NJW 1951 283; 1966 1524; NStZ 1999 312; JR 2005 389, 390 f. m. Anm. Gössel; BayObLG MDR 1979 603; OLG Karlsruhe VRS 51 (1976) 61; OLG Stuttgart VRS 62 (1982) 459 (Absehen von weiterer Beweisaufnahme nur ausnahmsweise zulässig); Eisenberg (Beweisrecht) 11; Fezer FS II BGH 4 858 f.; Herdegen NStZ 1984 97; Julius NStZ 1986 61; Widmaier NStZ 1994 416; AK/Schöch 27; HK/Julius 9; Meyer-Goßner/Schmitt 12; SK/Paeffgen § 420, 18; a.A. oder einschränkend ein Teil des Schrifttums, etwa Engels GA 1981 21; Frister ZStW 105 (1993) 340 ff.; Gössel Gollwitzer-Koll. 53 ff. sowie JR 2005 392; Wessels JuS 1969 4; SK/Frister 16 ff.; s. auch Rn. 183 f. 337 BGHSt 34 209, 210; 56 6, 10 f.; BGH NJW 1966 1524; 1967 299; 1989 3294; NStZ 1988 37; 1990 384; 1991 399; NStZ-RR 2010 236, 237; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 210; BGH StV 1983 495; 1987 4; 1989 518; 1990 98; 1991 245; bei Holtz MDR 1981 455; OLG Düsseldorf VRS 66 (1984) 148; OLG Stuttgart Justiz 1982 406; OLG Zweibrücken StV 1992 153; Alsberg/Dallmeyer 43; Eisenberg (Beweisrecht) 1, 4; Maul FS II Peters 48; Tenckhoff 125; Weber GA 1975 293; Willanzheimer JuS 2009 28; KK/Krehl 32; Meyer-Goßner/Schmitt 11. 338 BGHSt 43 195, 204; 50 40, 49; s. auch Rn. 9 ff.; wegen weiterer Einzelheiten vgl. Einl. G 58 ff. sowie bei § 257c. 339 RG HRR 1940 Nr. 840; vgl. BGHSt 34 209, 210. 340 RGSt 47 424; BGHSt 56 6, 10 f.; BGH VRS 4 (1952) 30; StV 1981 164; NStZ-RR 2010 236, 237; BGHR § 244 Abs. 2 Aufdrängen 5; Schmidt-Hieber NJW 1982 1020. 341 BGH NStZ 2006 55. 342 BGH StraFo 2011 355.

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zu nutzen,343 und dies selbst dann, wenn auf das Anbringen des entsprechenden Antrags im Rahmen einer Verständigung verzichtet worden ist (vgl. § 257c Abs. 2 Satz 1: „Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten“).344 Ebenso kann einen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht beanstanden, wer der Verlesung eines Vernehmungsprotokolls als Ersatz für die persönliche Vernehmung eines Zeugen nach § 251 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Nr. 3 ausdrücklich zugestimmt hat.345 Jedoch mag die unterlassene Antragstellung oder die Rücknahme von Beweisanträgen346 im Einzelfall ein Indiz dafür liefern, dass kein Umstand ersichtlich war, der das Gericht zu einer Sachaufklärung gedrängt, die Aufklärungspflicht also aktualisiert hätte.347 51 Andererseits können Anträge oder Anregungen der Verfahrensbeteiligten zur Beweisaufnahme, ganz gleich, ob ihnen entsprochen wird oder nicht, dem Gericht einen Hinweis auf weitere Beweismöglichkeiten geben, der die Aufklärungspflicht auslöst (allgemein zur Aktualisierung der Aufklärungspflicht s. Rn. 47). Entsprechend ihrem Anliegen, das Gericht zu weiterer Sachaufklärung zu bewegen, werden neben den Beweisanträgen (s. hierzu näher Rn. 58) insbesondere Beweisermittlungsanträge und Beweisanregungen hierzu Veranlassung geben können.348 Dies wird umso eher der Fall sein, je deutlicher sie durch Konkretisierung des zu nutzenden Beweismittels und des durch diesen zu erwartenden Beweisertrags dem Gericht eine Relevanz der weiteren Sachaufklärung für die Urteilsfindung aufzuzeigen vermögen.349 VI. Leitlinie der gesamten Verfahrensgestaltung 52

Die Pflicht, sich um die bestmögliche Sachaufklärung zu bemühen, ist als Leitgedanke für die gesamte Verfahrensgestaltung bestimmend (s. Rn. 39). Sie ergänzt Inhalt und Tragweite anderer Verfahrensvorschriften.350 Dabei ist unerheblich, ob deren Wortlaut die Anwendbarkeit der Norm ausdrücklich auf die Fälle begrenzt, in denen dies mit der Pflicht zur Erforschung der Wahrheit vereinbar ist (so etwa § 244 Abs. 5), oder umgekehrt darauf abstellt, dass die Anwendung der Regelung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist (so § 247a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2), oder ob er – wie in der Regel – die Aufklärungspflicht nicht besonders erwähnt. Aus dieser können daher im Einzelfall auch dort besondere Verpflichtungen des Vorsitzenden und des Gerichts erwachsen, wo die Verfahrensordnung auf nähere Regelungen verzichtet oder mehrere Gestaltungsmöglichkeiten zur Wahl stellt. Vielfach decken sich aber auch die Folgerungen, die sich aus der Aufklärungspflicht für die Verfahrensgestaltung ergeben, mit dem Inhalt anderer Verfahrensnormen oder allgemeiner Verfahrensgrundsätze. Als herrschendes

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343 BGH NStZ-RR 2002 145; 2010 236, 237; StV 2017 789; BGHR § 244 Abs. 2 Aufdrängen 1, 5; Alsberg/Dallmeyer 48 f. 344 Vgl. Alsberg/Dallmeyer 44 f. mit berechtigter Kritik an den in Teilbereichen kaum miteinander zu vereinbarenden Bestimmungen des § 257c Abs. 1 Satz 2 einer- und § 257c Abs. 2 Satz 1 andererseits; s. dazu auch Meyer-Goßner/Schmitt § 257c, 13 ff.; Theile NStZ 2012 668. 345 OLG Zweibrücken StV 1992 153 (zu § 325). 346 BGH bei Cierniak/Zimmermann NStZ-RR 2011 163: Antragsrücknahme nach Geständnis. 347 BGH bei Holtz MDR 1985 629; OLG Koblenz VRS 42 (1972) 279; 53 (1977) 186; Meyer-Goßner/Schmitt 11; kritisch Radtke/Hohmann/Kelnhofer 43; missverständlich BGH NStZ 1982 450; BayVerfGH NStE Nr. 42; vgl. Gössel JR 2005 393; ferner Rn. 362. 348 Vgl. BGHSt 37 162, 167; 46 73, 80; BGH NStZ 2017 96 f. m. Anm. Ventzke; NStZ-RR 2011 171, 172; KK/Krehl 35. 349 BGHSt 6 128, 129; 17 245, 247 f.; 30 131, 143; BGH NJW 1951 368; 1968 1293; NStZ 1982 79; 1984 134; 1985 184; Wessels JuS 1969 5; KK/Krehl 35. 350 SSW/Sättele 25.

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Grundprinzip der Verfahrensgestaltung wird die Aufklärungspflicht durch speziellere Normen oder Verfahrensgrundsätze jedoch nicht verdrängt. Sie besteht vielmehr selbständig daneben fort und kann mitunter dazu führen, dass im konkreten Fall prozessuale Folgerungen gezogen werden müssen, die über die andere Verfahrensnorm oder den anderen Verfahrensgrundsatz hinausreichen, diese gegebenenfalls aber auch einschränken. Als Beispiele für diese Wechselwirkungen sind zu nennen: 1. Ermessensentscheidungen des Gerichts müssen der Aufklärungspflicht Rech- 53 nung tragen. Das Ermessen muss, egal ob es in der jeweiligen Bestimmung nicht näher charakterisiert, als „frei“ oder als „pflichtgemäß“ bezeichnet wird, stets so ausgeübt werden, dass dadurch die Sachaufklärung gefördert und nicht beeinträchtigt wird.351 So findet beispielsweise beim Beweis durch Augenschein die Ermessensfreiheit, die Absatz 5 Satz 1 dem Gericht zugesteht, ausdrücklich ihre Grenzen in der Aufklärungspflicht.352 Das Gericht darf daher etwa den Antrag, zum Beweis für die Unwahrheit der Aussage eines Zeugen einen Augenschein einzunehmen, nur ablehnen, wenn die Aufklärungspflicht nicht dazu zwingt, dem Antrag zu entsprechen.353 Gleiches gilt bei der Befugnis nach Absatz 5 Satz 2, einen Beweisantrag auf Vernehmung eines im Ausland zu ladenden Zeugen abzulehnen (s. näher Rn. 355). Die Erfordernisse der Wahrheitserforschung sind etwa auch maßgebend dafür, ob das Gericht bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 247a Abs. 1 anordnen darf oder muss, dass der Zeuge vom Sitzungssaal aus mittels einer zeitgleichen Bild-Ton-Verbindung an einem anderen Ort vernommen, dass die Bild-Ton-Aufzeichnung einer früheren Zeugenvernehmung nach § 255a in der Hauptverhandlung vorgeführt oder dass eine ergänzende Vernehmung des Zeugen nach § 255a Abs. 2 Satz 2354 durchgeführt wird (s. im Einzelnen die Erl. zu §§ 247a, 255a). Auch die Ermessensentscheidung über die Beeidigung nach § 59 Abs. 1 muss sich an der Aufklärungspflicht orientieren.355 Die Sachaufklärungspflicht kann ferner maßgebend sein für die vom Vorsitzenden nach seinem Ermessen festzulegende Reihenfolge, in der die einzelnen Angeklagten zur Sache gehört oder die Zeugen vernommen oder sonstige Beweismittel in die Hauptverhandlung eingeführt werden.356 Sie kann es erfordern, dass das Gericht alle ihm möglichen Maßnahmen trifft, um zu verhindern, dass Beweispersonen fremden Einflüssen ausgesetzt bleiben, die ihre Aussage beeinflussen und im Beweiswert beeinträchtigen können.357 Auch bei der im Ermessen des Gerichts stehenden Verbindung oder Trennung von Verfahren ist die Aufklärungspflicht zu beachten.358 2. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs359 dient neben der Wahrung der Verfah- 54 rensinteressen der Prozessbeteiligten auch der besseren Aufklärung des Sachverhalts, indem er den Beteiligten das Recht sichert, zum Vorliegen entscheidungsrelevanter Tatsachen aus ihrer Sicht Stellung zu nehmen. So ist auch die Aufklärungspflicht verletzt, wenn das Gericht nicht von Amts wegen dafür sorgt, dass dem schwerhörigen Angeklagten vollständige Kenntnis vom Inhalt der mündlichen Verhandlung verschafft wird,360

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351 352 353 354 355 356 357 358 359 360

SSW/Sättele 25. RG JW 1938 174; HRR 1939 Nr. 1393; BGH NStZ 1984 565; Maul FS II Peters 55; s. näher Rn. 342. RG JW 1936 3008; HRR 1937 Nr. 69; 1938 Nr. 1152; vgl. Rn. 347. Vgl. BGH NStZ 2003 613, 614. Vgl. zum alten Vereidigungsrecht Rieß NJW 1975 85; s. im Übrigen die Erl. zu § 59 i.d.F. des 1. JuMoG. Vgl. Rn. 38 sowie § 238, 3, 11 und § 243, 2 f. BGHSt 29 193; BGH bei Holtz MDR 1981 456. Maul FS II Peters 60; vgl. § 237. Vgl. Einl. I 76. RG HRR 1940 Nr. 204.

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oder wenn es aus offensichtlich unzutreffenden Gründen die sachliche Prüfung eines Beweisvorbringens des Angeklagten ablehnt.361 Nicht nur die Wahrung des rechtlichen Gehörs, sondern daneben die bessere Sachaufklärung haben etwa auch die Vorschriften im Blick, die die Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung zur weiteren Vorbereitung der Verteidigung vorsehen.362 Die Aufklärungspflicht kann im Einzelfall die persönliche Anhörung des Angeklagten sogar dann gebieten, wenn dies zur Wahrung seines Rechts auf Gehör nicht notwendig wäre (s. Rn. 56). Auch Hinweise über Veränderungen der Sach- und Rechtslage (vgl. § 265) sind 55 nicht nur zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs erforderlich; sie sind vielfach auch geboten, um die weitere Sachaufklärung zu fördern. Denn erst wenn das Gericht den Angeklagten beispielsweise über neue verfahrensbezogene Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft363 oder sonstigen zur Akte gelangten, potentiell erheblichen Beweisstoff364 informiert oder ihm verdeutlicht, dass es die Verurteilung auf Tatsachen stützen will, die in der Anklage nicht erwähnt sind, kann sich der Angeklagte zu diesen Umständen erklären und umfassend verteidigen, womit er gleichzeitig aber auch eine wichtige Erkenntnisquelle für das Gericht zur Feststellung des wahren Sachverhalts wird.365 Aus demselben Grund muss ein Hinweis über die Veränderung eines rechtlichen Gesichtspunktes die hierfür maßgeblichen tatsächlichen Umstände darlegen, soweit sie nicht aus der zugelassenen Anklage oder dem Ablauf der Hauptverhandlung ohne weiteres ersichtlich sind.366 Ähnliches gilt, wenn der Vorsitzende vor der Hauptverhandlung den Beweisantrag des Angeklagten auf Ladung eines Zeugen mit der Begründung abgelehnt hat, die in das Wissen des Zeugen gestellte Tatsache könne als wahr unterstellt werden. Das Gericht, das an diese Zusicherung nicht gebunden ist, hat den Angeklagten in der Hauptverhandlung davon zu unterrichten, wenn es eine von der zugesicherten Wahrunterstellung abweichende Feststellung treffen will, damit dieser sich entsprechend verteidigen kann, hiermit zugleich aber auch die umfassende Sachaufklärung gesichert ist.367 56

3. Anwesenheitspflicht. Die Pflicht des Angeklagten, an der Hauptverhandlung teilzunehmen, ist ebenfalls ein Mittel der Sachaufklärung. Dies kommt vor allem dort zum Tragen, wo das Gericht an sich befugt ist, in Abwesenheit des Angeklagten zu verhandeln.368 Auch wenn sonst alle Voraussetzungen des § 233 gegeben sind, muss beispielsweise das Gericht die gewährte Befreiung von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zurücknehmen, wenn sich herausstellt, dass die persönliche Anwesenheit des Angeklagten zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig oder förderlich ist (§ 233, 30). Hält das Gericht in Fällen, in denen sich der Angeklagte vertreten lassen kann, die Anordnung des persönlichen Erscheinens aus triftigen Gründen nicht für angezeigt (§ 236, 10 ff.), so kann die Aufklärungspflicht gebieten, den Angeklagten zumindest durch einen ersuchten Richter vernehmen zu lassen.369 Das Berufungsgericht

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361 BVerfG NJW 1992 231; OLG Celle NdsRpfl. 1992 289; vgl. auch BVerfGE 32 35; OLG Oldenburg NJW 1992 2906. 362 Vgl. etwa § 228, 9 ff.; § 246, 20. 363 Vgl. BGH NStZ 2006 115, 116. 364 Vgl. BGH StV 2001 4. 365 RGSt 76 82, 85; BGHSt 28 196, 197 f.; BGH NStZ 1984 422, 423; bei Pfeiffer NStZ 1982 190; bei Holtz MDR 1980 107; KMR/Paulus 274. 366 BGHSt 13 320, 324 f.; BGH NStZ 1983 34, 35; 1984 328, 329; KK/Krehl 40. 367 BGHSt 1 51, 54; 21 38, 39; vgl. bei § 219. 368 Vgl. insb. § 231, 27; § 231a, 11; § 231b, 9; § 232, 25; § 233, 12. 369 BayObLGSt 1972 168; ferner bei § 236, 12.

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darf in Abwesenheit des Angeklagten nicht über die Strafmaßberufung der Staatsanwaltschaft entscheiden, wenn der persönliche Eindruck vom Angeklagten für die gerechte Bemessung der Strafe erforderlich ist.370 Die Aufklärungspflicht kann es auch gebieten, dass das Gericht für die Anwesenheit anderer Personen in der Hauptverhandlung sorgt, so etwa eines Sachverständigen (§ 226, 20) oder eines Vertreters der Gerichts- oder Jugendgerichtshilfe (Rn. 41). 4. Beschleunigungsgebot. Mit dem Gebot, das Verfahren beschleunigt und mit 57 prozesswirtschaftlich vertretbarem Aufwand abzuwickeln, 371 kann die Aufklärungspflicht bei richtigem Verständnis beider Verfahrensprinzipien nicht in Widerstreit geraten. Eine überschießende, das Verfahren über die notwendige Dauer in die Länge ziehende Sachverhaltsermittlung ist durch die Aufklärungspflicht nicht geboten (Rn. 43). Ist dagegen eine weitere Sachaufklärung nach den in Rn. 47 bis 49 genannten Maßstäben erforderlich, kann sie nicht gegen das Beschleunigungsgebot verstoßen. Nicht zu billigen ist die Ansicht, bei der Bestimmung des Umfangs der Aufklärungspflicht könne neben einer vorausschauenden Bewertung des voraussichtlichen Beweisertrags vor dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses auch das Gewicht der Strafsache im Verhältnis zu den Nachteilen der zu erwartenden Verfahrensverzögerung in die konkrete Abwägung eingestellt werden,372 wie es vor allem auch für die Fälle vertreten wird, in denen weit entfernt oder im Ausland wohnende oder sich aufhaltende Zeugen geladen werden müssten.373 Kann die persönliche Vernehmung eines Zeugen in der Hauptverhandlung nach vorausschauender Betrachtung des Gerichts zu einer entscheidungserheblichen Beeinflussung der Überzeugungsbildung führen, so ist diese Beweiserhebung ungeachtet der hierdurch bedingten Verzögerung des Verfahrensabschlusses durchzuführen, gleichviel ob dem Angeklagten nur eine Geldstrafe von wenigen Tagessätzen oder eine mehrjährige Freiheitsstrafe droht.374 Es kann erforderlich sein, ein Verfahren auszusetzen, bis ein Zeuge wieder zur Verfügung steht,375 ungeachtet dessen, welcher Tatvorwurf gegen den Angeklagten erhoben wird. Alles andere ist unter dem Gesichtspunkt einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung bedenklich. § 77 Abs. 1 Satz 2 OWiG376 gilt im Strafverfahren erfreulicherweise (noch?) nicht. 5. Aufklärungspflicht und Beweisantragsrecht. Das Verhältnis von § 244 Abs. 2 zu 58 § 244 Abs. 3 und 4 ist strittig. Die im Schrifttum unter Hinweis auf die Entwicklung des Beweisantragsrechts vertretene Ansicht, dass das Gericht durch einen Beweisantrag nicht zu einer Beweiserhebung gezwungen werden könne, die ihm nach der Aufklärungspflicht nicht ohnehin obläge,377 wird von der vorherrschenden Meinung mit Recht nicht geteilt.378 Die Aufklärungspflicht gebietet dem Gericht nicht, ein Beweismittel zu

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370 BGHSt 17 398; BGH StV 1984 190; OLG Hamburg StV 1982 558; w.N. bei § 329. 371 Vgl. Einl. I 67 f. sowie bei Vor § 213; s. auch die Erl. zu Art. 6 EMRK sowie d. Nachw. zur neueren Kammerrechtsprechung des BVerfG bei § 228, 25. 372 So aber LR/Gollwitzer 25 57; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 35. 373 Vgl. näher Rn. 248, 355. 374 SSW/Sättele 70. 375 BayObLG VRS 63 (1982) 211; Meyer-Goßner JR 1984 436; w.N. bei Rn. 255. 376 S. dazu etwa BGH NJW 2005 1381, 1382. 377 Beling JW 1925 2782; 1928 2988; Bergmann MDR 1976 891; Engels GA 1981 21; Gössel § 29 B II; ders. Gutachten zum 60. DJT; ders. JZ 1984 731 f.; ders. JR 1995 365; 1996 101; 2012 220 f.; ders. ZIS 2007 558 f.; ders. Gollwitzer-Koll. 61 ff.; Grünwald Gutachten zum 50. DJT, 71; Ulsenheimer AnwBl. 1983 373; Wenskat 271; Wessels JuS 1969 4. 378 Etwa BGHSt 21 118, 124; 32 68, 73 = JR 1984 514 m. Anm. Schlüchter; 36 165; BGH NStZ 1985 347; Alsberg/Dallmeyer 54 ff.; Börner (Legitimation) 484 ff.; Conen/Tsambikakis GA 2000 374 f.; Eisenberg

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einem bestimmten Beweisthema schon immer dann zu nutzen, wenn im Falle eines entsprechenden Beweisantrages keiner der Ablehnungsgründe der Absätze 3 und 4 Platz greifen würde.379 Vielmehr setzt die Aktualisierung der Aufklärungspflicht notwendig eine Beweisprognose des Gerichts voraus, das auf Grund des bisherigen Beweisergebnisses und des in Frage kommenden Beweisthemas zu beurteilen hat, ob von dem Beweismittel ein für die Entscheidung erhebliches Beweisergebnis zu erwarten ist.380 Diese Vorwegwürdigung der Tragweite und des Beweiswertes eines noch nicht genutzten Beweismittels ist zulässig;381 denn nur sie kann ergeben, ob im Hinblick auf das bisherige (vorläufige) Beweisergebnis die reale Möglichkeit eines zusätzlichen, entscheidungsrelevanten Aufklärungsgewinns zu verneinen ist oder ob sie besteht, weil dadurch das bisherige Ergebnis möglicherweise wieder in Frage gestellt wird oder eine gesichertere Grundlage für das bisherige Ergebnis gewonnen wird. Wenn das Gericht dagegen über den Beweiserhebungsanspruch eines Verfahrensbeteiligten an Hand der gesetzlich in den Absätzen 3 und 4 abschließend festgelegten Ablehnungsgründe zu entscheiden hat, ist ihm diese Beweisantizipation verwehrt, soweit nicht der in Betracht kommende Ablehnungsgrund ausdrücklich auf die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 5 Satz 1 und 2) verweist oder nach seinem Wesen eine teilweise prognostische Bewertung von Beweisbehauptung oder Beweismittel voraussetzt (etwa Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache oder Ungeeignetheit des Beweismittels; vgl. Rn. 183). Die eigene Einschätzung des Gerichts über den zu erwartenden Aufklärungsgewinn ist dann nicht maßgebend. Mit dem Beweisantrag nimmt der Antragsteller sein Recht wahr, darauf hinzuwirken, dass die aus seiner Sicht für notwendig gehaltenen Beweise erhoben werden. Das Gericht muss deshalb, auch wenn es die Erfolgsaussichten der beantragten Beweiserhebung negativ beurteilt, dem Antrag entsprechen, sofern die gesetzlich festgelegten Ablehnungsgründe nicht greifen.382 Umgekehrt zwingt die Aufklärungspflicht in aller Regel nicht zu einer Beweiserhebung, wenn ein darauf gerichteter Antrag fehlerfrei nach § 244 Abs. 3 oder 4 abgelehnt werden kann.383 Ausnahmsweise kann die Aufklärungspflicht

_____ (Beweisrecht) 5, 139; Eschelbach ZAP Fach 22 S. 682; Foth JR 1996 99; Frister ZStW 105 (1993) 360; Hamm 565 f.; ders. StV 2018 526; Hebbecker 52 ff.; Herdegen NStZ 1984 17; ders. GedS Meyer 195; Julius NStZ 1986 62; Liemersdorf StV 1987 175; Maul FS II Peters 53; Roxin/Schünemann § 45, 4; Schulenburg 277 (Divergenz nur in einem „schmalen Bereich“); Schulz StV 1985 313; Schmidt-Hieber JuS 1985 239; Trüg FS HeintschelHeinegg 449 f.; Widmaier NStZ 1994 416; AK/Schöch 28; KK/Krehl 34, 65; KMR/Paulus 234 ff. (aber einschränkend 237 f.); Meyer-Goßner/Schmitt 12; MüKo/Trüg/Habetha 7; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 41; SSW/Sättele 27. 379 Vgl. etwa Alsberg/Dallmeyer 55 ff.; Eisenberg (Beweisrecht) 5; SK/Paeffgen § 420, 15 ff., je m.w.N.; ferner auch die Rechtsprechung zu § 384 Abs. 3; § 411 Abs. 2 Satz 2; § 420 Abs. 4 und § 77 OWiG. 380 Vgl. Rn. 49. 381 Vgl. z.B. Börner (Legitimation) 493 ff.; Hebbecker 62 ff.; HK/Julius 9. Frister ZStW 105 (1993) 340 ff. sowie SK/Frister 16 ff. unterscheidet unter Hinweis auf die Doppeldeutigkeit der Beweisantizipation zwischen der bei § 244 Abs. 2 zulässigen negativen Beurteilung des Beweiswertes eines noch nicht erhobenen Beweismittels und der auch hier unzulässigen Vorwegnahme einer Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses; ebenso Schulenburg 112 ff. Nach Gössel Gollwitzer-Koll. 53 ff. sowie JR 2005 392 darf dagegen nur die „Entscheidungsbedeutsamkeit von Tatsachen wie Beweismitteln“ antizipierend beurteilt werden, nicht jedoch das Ergebnis einer potentiell entscheidungserheblichen Beweiserhebung oder deren Beweiskraft. 382 Vgl. etwa BGH NStZ 1997 503 m. Anm. Herdegen = StV 1997 570 m. Anm. Wohlers (erhobener Beweis kein Vorrang vor beantragtem Gegenbeweis); Alsberg/Dallmeyer 56 ff.; Foth JR 1996 99; Mosbacher HRRSGedS Widmaier 80; Schatz 211; Trüg FS Heintschel-Heinegg 449; Widmaier NStZ 1994 415. Frister ZStW 105 (1993) 351 stellt hier zutreffend die vom Gesetz unterschiedlich verteilte Beurteilungskompetenz heraus; ebenso SK/Paeffgen § 420, 16 f.; vgl. auch Rn. 183 f. 383 BGH NStZ 1991 399, 400 (wo die Möglichkeit von Ausnahmen allerdings nicht ausdrücklich angesprochen wird); NStZ-RR 2003 205, 206; bei Miebach/Sander NStZ-RR 2001 8 f.

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jedoch die Anhörung eines weiteren Sachverständigen und die Vernehmung eines zurzeit unerreichbaren Zeugen gebieten, obwohl ein hierauf gerichteter Beweisantrag nach § 244 Abs. 4 Satz 2 bzw. § 244 Abs. 3 Satz 2 zurückgewiesen werden könnte.384 VII. Anwendungsfälle der Aufklärungspflicht (Beispiele) 1. Erscheinungsformen. Die Aufklärungspflicht tritt in vielgestaltigen Formen in 59 Erscheinung. Ob ihr genügt wurde, lässt sich meist nur in Würdigung aller Umstände und Besonderheiten des konkreten Falls beurteilen (vgl. Rn. 47). Bezugsfälle aus der Rechtsprechung können daher überwiegend nur Anhaltspunkte liefern. Dies darf bei den nachfolgend dargestellten Einzelbeispielen nie aus dem Auge verloren werden. Eine Verletzung der Pflicht zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts ist 60 hauptsächlich in zweifacher Hinsicht denkbar: Die erste Konstellation erfasst die Fälle, in denen das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der von ihm zu beurteilende Lebensvorgang mit Hilfe der verwendeten Beweismittel ganz oder zum Teil ungeklärt geblieben ist. Mit diesem Ergebnis darf es sich nicht begnügen, wenn die mögliche Benutzung weiterer ihm bekannter oder die vollständigere Ausschöpfung bereits herangezogener Beweismittel bessere Klärung verspricht (Erfolglosigkeit der bisherigen Beweisaufnahme; Rn. 61 ff.). Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen das Gericht zwar über alles, was für die Schuld- und Rechtsfolgenfrage von Bedeutung ist, eine bestimmte Überzeugung erlangt, dabei aber genutzte Beweismittel nicht ausgeschöpft oder Beweisalternativen übergangen und weitere, ihm bekannte oder erkennbare Beweismittel ungenutzt gelassen hat, obwohl nach den konkreten Umständen mit der Möglichkeit zu rechnen war, dass ihre Benutzung die gewonnene Überzeugung geändert oder erschüttert hätte (Überzeugungsbildung ohne hinreichende Nutzung verfügbarer Beweismittel; Rn. 65 ff.). 2. Erfolglosigkeit der Beweisaufnahme. Ergibt die Beweisaufnahme weder den 61 Nachweis noch die Widerlegung eines entscheidungserheblichen Umstands, so muss das Gericht, bevor es zu dem fraglichen Punkt im Zweifel zugunsten des Angeklagten entscheidet, von Amts wegen nach eventuellen weiteren Aufklärungsmöglichkeiten forschen und anordnen, dass bekannte oder erkennbare weitere, bisher nicht genutzte Beweismittel, die eine Aufklärung erwarten lassen, herbeigeschafft und gebraucht werden,385 auch wenn deren Vorhandensein oder Tauglichkeit erst durch die Verhandlung bekannt geworden ist. Das gilt sowohl hinsichtlich der Tatsachen, die für die Schuldfrage von Bedeutung sind, als auch für diejenigen, die nur auf der Rechtsfolgenseite ins Gewicht fallen können.386 All dies ist namentlich beim Ausbleiben des Angeklagten zu beachten387 und im Übrigen insbesondere in den Fällen, in denen er eine Schutzbehauptung vorbringt, die zwar nicht unmittelbar widerlegbar ist, aber noch widerlegbar

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384 BGHSt 10 116, 118 f; 23 8, 12; 23 176, 187; BGH GA 1954 374 m. Anm. Grützner; BGH MDR 1970 250; NJW 1978 113; OLG Celle MDR 1962 236; 1964 944; OLG Oldenburg VRS 46 (1974) 198; s. auch BGH NStZ 2007 417, 419; Alsberg/Dallmeyer 59 ff.; Eisenberg (Beweisrecht) 5, 139b; Gössel Gollwitzer-Koll. 48 f.; AK/Schöch 28; KMR/Paulus 234; vgl. aber auch BGH bei Becker NStZ-RR 2006 3 für einen nicht erreichbaren Zeugen; s. Rn. 252, 327; abweichend SK/Frister 208 für einen weiteren Sachverständigen: in derartigen Fällen schon keine Ablehnung eines Beweisantrags nach § 244 Abs. 4 Satz 1 möglich. 385 So etwa schon RGRspr. 10 420; RGSt 13 160; 41 269; 59 249; RG JW 1914 893; LZ 1915 556; Recht 1918 Nr. 1641; BGHSt 13 326, 328; OLG Stuttgart VRS 106 (2004) 209, 210 f.; s. auch die w.N. bei Rn. 46 und bei § 261. 386 RGSt 47 424; BGH bei Holtz MDR 1980 108; OLG Koblenz OLGSt § 244 Abs. 2 S. 67; vgl. bei § 261. 387 KG JW 1930 3255; vgl. Rn. 56.

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erscheint.388 Kann die Richtigkeit dieser Behauptung mit den herbeigeschafften oder sonst verfügbaren Beweismitteln nicht geklärt werden, so ist das Gericht verpflichtet, den Angeklagten zu einer Erklärung darüber aufzufordern, welche dem Gericht nicht bekannten Beweismittel er hierfür angeben könne. Die hierauf abgegebene Einlassung hat das Gericht sodann darauf zu würdigen, ob die Schutzbehauptung ernst gemeint ist, gegebenenfalls bezeichnete Beweismittel tauglich sind und ob eventuell sonstige Aufklärungsmöglichkeiten bestehen. Auch sonst ist das Gericht bei dem Bemühen, weitere Beweismittel zu erlangen, gehalten, den Angeklagten und die anwesenden Zeugen zu befragen. Setzen rechtsfehlerfreie Feststellungen zur inneren Tatseite eine möglichst voll62 ständige Klärung des äußeren Sachverhalts voraus, so darf das Gericht dessen Aufklärung, wenn sie möglich ist, nicht mit der Begründung unterlassen, dass die Freisprechung jedenfalls aus subjektiven Gründen geboten sei. Die Nichtbenutzung bekannter, der Aufklärung des äußeren Sachverhalts dienlicher Beweismittel verletzt in diesem Falle den § 244 Abs. 2.389 Die Aufklärungspflicht kann auch verletzt sein, wenn das Gericht eine Ausnahme 63 von einem nach den Erkenntnissen der Wissenschaft bestehenden Erfahrungssatz annimmt, ohne zu klären, ob die Ausnahme im Einzelfall möglich ist,390 oder wenn es ohne nähere Nachprüfung davon ausgeht, eine durchgeführte Kontrolle oder ein ihm vorliegendes Untersuchungsergebnis sei möglicherweise fehlerhaft. Dies gilt etwa für die durch keine Tatsachen im Einzelfall belegte Annahme, bei der Feststellung des Blutalkoholgehalts könnten Fehler unterlaufen391 oder die Blutproben vertauscht sein.392 Die umfassende Sachaufklärung gebietet die erschöpfende Nutzung der zugezo64 genen Beweismittel.393 Beigezogene Urkunden müssen umfassend ausgewertet, gehörte Beweispersonen so vernommen werden, dass sie ihr ganzes verfahrenserhebliches Wissen offenbaren.394 An der umfassenden Ausschöpfung eines Beweismittels kann es etwa fehlen, wenn das Gericht – Fragen nicht stellt oder Vorhalte unterlässt, die sich bei kritischer Prüfung der Aussage oder auf Grund der Beweislage aufdrängen,395 oder, wenn ein Zeuge Angaben macht, die von einem Vernehmungsprotokoll über eine frühere Aussage abweichen, keine Feststellungen über deren Inhalt – etwa durch Einvernahme der Vernehmungsperson – trifft396 oder, falls sich der Inhalt nicht anderweitig feststellen lässt, auch nicht das Protokoll nach § 253 Abs. 1 zur Unterstützung des Gedächtnisses des Zeugen verliest;397

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388 BGHSt 13 326. 389 RGSt 47 419; OGHSt 1 186. 390 RG HRR 1938 Nr. 1520. 391 BGH VRS 6 (1964) 48; OLG Braunschweig VRS 11 (1956) 222; OLG Hamm VRS 11 (1956) 306; 25 (1963) 348. Vgl. dazu auch Dencker ZStW 104 (1992) 72: Ohne konkrete Anhaltspunkte muss Gericht von Normalfall ausgehen. 392 BGH VRS 25 (1963) 426; OLG Bremen DAR 1956 253; OLG Koblenz VRS 25 (1963) 426; 37 (1969) 201. 393 BGHSt 17 351, 353; 22 26, 27; BGH NStZ 1990 244; 1991 448; 1997 450; StV 1989 423; 1991 337, 338; 1992 2, 3; 2002 350, 351; Herdegen StV 1992 590 ff.; ders. FS Salger 301 ff.; Schlothauer StV 1992 134 ff.; SK/Frister 15. 394 Vgl. BGHSt 43 62, 64 zur Einschaltung von Hilfspersonen (§ 186 GVG), damit sich ein hörgeschädigter und geistig retardierter Zeuge verständlich machen kann; s. im Übrigen die Erl. zu § 69. 395 BGHSt 17 351, 352 f.; BGH StV 1989 423; NStZ 1990 400; StV 2002 350, 351; BayObLG NStZ-RR 2003 150. Mit der Revision kann dies aber nur gerügt werden, wenn der Verfahrensfehler ohne die dem Revisionsgericht verwehrte Rekonstruktion der Verhandlung nachweisbar ist, vgl. BGH NStZ 1997 296; 1997 450, 451; 2000 156, 157; 2006 55, 56; BayObLG NStZ-RR 2003 233, 234; s. auch Rn. 363 f. m.w.N. 396 BGH StV 1992 2 f. 397 BGH StV 1991 337, 338.

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bestimmte Fragen oder Vorhalte fehlerhaft als unzulässig zurückweist;398 eine Frage als schon beantwortet zurückweist, die klären soll, ob sich die allgemein gehaltene Äußerung des Zeugen auf ein bestimmtes Vorkommnis bezieht;399 von einer Gegenüberstellung von Zeugen (§ 58 Abs. 2) absieht, obwohl sich ihre Aussagen widersprechen;400 nicht auf die Offenlegung der vorbereitenden Unterlagen des Sachverständigen drängt, obwohl deren Kenntnis erforderlich ist, um sein Gutachten kritisch würdigen zu können,401 oder es bei der Vernehmung eines Sachverständigen unterlässt, Widersprüche zwischen dem vorläufigen schriftlichen und dem in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten aufzuklären402 oder ihn zu wesentlichen neuen Anknüpfungstatsachen zu hören;403 es hinnimmt, dass ein Zeuge zu Unrecht unter Berufung auf § 55 oder sonst grundlos die Auskunft verweigert,404 oder aus dem Nichterscheinen eines Zeugen ohne weiteres den Schluss zieht, dass dieser von seinem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 Gebrauch machen will.405 Insbesondere kann es § 244 Abs. 2 gebieten, zur Erzwingung des Zeugnisses Zwangsmaßnahmen anzuordnen.406 Kündigt ein Zeuge telefonisch an, sich auf ein bestehendes Zeugnisverweigerungsrecht zu berufen, so lässt sich indes aus § 244 Abs. 2 in der Regel nicht die Verpflichtung ableiten, diesen dennoch zur Hauptverhandlung zu laden und eine Vernehmung zu versuchen.407 Jedoch kann es die Aufklärungspflicht gebieten, den Zeugen darüber zu belehren, dass seine frühere Aussage vor einem Richter trotzdem verwertet werden kann; denn möglicherweise würde der Zeuge bei Kenntnis dieses Umstandes doch aussagen.408 Dagegen ist der Tatrichter in der Regel durch die Aufklärungspflicht nicht gehalten, einen das Zeugnis verweigernden Zeugen zu befragen, ob er zumindest in die Verwendung früherer nichtrichterlicher Vernehmungen einwilligt, 409 es sei denn, es liegen konkrete Hinweise auf eine dahingehende Bereitschaft des Zeugen vor.410

3. Zuziehung weiterer Beweismittel. Ob die vom Gericht aufgrund der verwende- 65 ten Beweismittel gewonnene Überzeugung ausreicht oder zu ihrer Absicherung oder Überprüfung weitere Beweismittel zuzuziehen sind, kann nicht einer abstrakten Formel entnommen, sondern nur nach dem Verfahrensverlauf und der Beweislage des jeweiligen Einzelfalls vor dem Hintergrund der Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie tatrichterliche Beweiswürdigung beurteilt werden (s. Rn. 46 ff.; „Wechselbeziehung“). Das Gericht muss sich um eine möglichst zuverlässige Beweisgrundlage bemühen. Je weniger gesichert ein Beweisergebnis erscheint, je größer die Unsicherheitsfaktoren sind, je mehr

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398 Vgl. bei § 241, 35. 399 BGHSt 2 284. 400 BGH StV 1987 91; NStZ 1988 420. 401 BGH StV 1995 565. 402 BGH NStZ 1991 448. 403 BGH NStZ 2007 417, 419. 404 BGH StV 1983 495; NStZ 2007 278; 2012 523; s. auch BGH StraFo 2003 132. 405 BGH StV 1989 140. 406 Hecker JR 1999 429; KK/Senge § 70, 5. 407 Vgl. BGHSt 21 12 f.; BGH NStZ 1982 126 f.; 2001 48; NStZ-RR 2003 205. 408 BGHSt 21 14; OLG Hamm MDR 1973 427; vgl. bei § 52. Zur Berufung eines Zeugen auf § 55 vgl. BGH bei Holtz MDR 1981 632. 409 S. dazu BGHSt 45 203; vgl. näher die Erl. zu § 252. 410 BGH NStZ 2003 498 m. Anm. Dahs NStZ 2004 451 = JR 2004 31 m. abl. Anm. Fezer; hierzu auch Vogel StV 2003 601 f.

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Widersprüche bei der Beweiserhebung zutage getreten sind und je mehr Zweifel hinsichtlich des Beweiswerts einzelner Beweismittel zu überwinden waren, desto größer ist der Anlass für das Gericht, trotz der erlangten Überzeugung nach weiteren Beweismöglichkeiten zu forschen und sie bei Eignung zu nutzen.411 Während etwa bei einem glaubhaften Geständnis des Angeklagten das Gericht keine oder zusätzlich nur einige von mehreren Beweismitteln verwenden muss (Rn. 9 ff.), kann es bei einem komplizierten Indizienbeweis unerlässlich sein, alle nur denkbaren Beweismittel heranzuziehen, um zusätzliche Anhaltspunkte für die Richtigkeit des danach anzunehmenden Sachhergangs oder die Verlässlichkeit eines Beweismittels zu gewinnen. Nach diesen Maßstäben ist dann etwa zu beurteilen, ob es erforderlich ist, alle vorhandenen Zeugen zu einem Beweisthema zu hören oder ob sich das Gericht mit einem Teil von ihnen begnügen darf, weil auch von den anderen keine abweichende Aussage zu erwarten ist.412 Stützt sich ein bestrittenes Beweisergebnis auf ein einziges Beweismittel,413 steht insbesondere Aussage gegen Aussage, muss das Gericht in der Regel alle ersichtlichen Beweismittel verwenden, die ihm weitere Anhaltspunkte für seine Überzeugungsbildung geben können.414 Die Pflicht zur Aufklärung der für die Glaubwürdigkeit eines Zeugen maßgebenden Gesichtspunkte gebietet es aber nicht, allein deswegen das Verfahren auszusetzen und das Ergebnis der Ermittlungen abzuwarten, weil der Angeklagte behauptet, der Zeuge habe in dem gegen ihn anhängigen Strafverfahren einen Meineid geleistet, und erklärt, dass er deshalb gegen ihn Anzeige erstattet habe. Das gilt insbesondere dann, wenn in der Anzeige keine anderen Beweistatsachen und Beweismittel genannt sind als in den in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträgen.415 Dem Beweismittel der höherwertigen Beweisstufe und dem tatnäheren Beweis66 mittel muss das Gericht nach Möglichkeit den Vorrang vor Beweismitteln einer mutmaßlich geringeren Beweisqualität einräumen;416 es muss sich in einem der Bedeutung der Aussage angemessenen Umfang um deren Beiziehung bemühen.417 Andererseits ist die Nutzung des sachferneren Beweismittels – soweit gesetzlich erlaubt418 – nicht ausgeschlossen.419 Wenn das sachnähere Beweismittel nicht verfügbar ist, muss notwendig

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411 BGH StV 1992 148; 1996 249; 2008 233; NStZ 2013 725; 2017 96, 97 f. m. Anm. Ventzke; NStZ-RR 1996 299; 2003 205, 206; bei Kusch NStZ 1998 25; vgl. auch AK/Schöch 27; Meyer-Goßner/Schmitt 12. 412 Vgl. etwa BayObLG bei Rüth DAR 1982 253; AK/Schöch 28; s. Rn. 47. 413 BayObLGSt 1994 67, 69; BayObLG VRS 93 (1997) 126; OLG Karlsruhe NStZ 1988 226, 227; vgl. auch KG StraFo 2012 22 f. (Entlastungszeuge nicht gehört, sondern nur zwei den Betroffenen belastende Polizeibeamte, die durch „gemeinsame Diensthandlung verbunden“). 414 Vgl. BVerfG NStZ-RR 2003 299, 300 ff.; BGH StV 1990 99; 1996 249; NStZ 1999 45; NStZ-RR 2003 205, 206; BayObLG NStZ-RR 2003 233, 234; zu der Beweiskonstellation „Aussage gegen Aussage“ s. näher die Erl. zu § 261. 415 LR/Gollwitzer 25 68. 416 Radtke GA 2012 198 ff. 417 Vgl. BVerfGE 57 250, 276 ff., 292 ff.; BVerfG NStZ-RR 2013 115 f.; BGHSt 9 230, 232; 10 186, 191 f.; 17 382; 22 118, 121 f.; 29 109, 113; 31 148, 152; 32 68, 73; 33 74; 33 83; 33 181; 36 162; 46 73, 79; BGH NStZ 1984 179; 1985 446; 2004 50; OLG Düsseldorf StV 2007 518, 519; AK/Schöch 31; KK/Krehl 36; MeyerGoßner/Schmitt 12; SK/Frister 13; zur Frage, ob für den Inhalt der Beschuldigtenvernehmung der Ermittlungsrichter oder ein Polizeibeamter sachnächster Zeuge ist, vgl. BGH NStZ-RR 2014 152 Ls. 418 S. etwa zur ausnahmsweisen – § 250 Satz 2 – Zulässigkeit des Urkunds- anstelle des Personalbeweises §§ 251, 253, 254, 256; zur Zulässigkeit der Vorführung einer Bild-Ton-Aufzeichnung einer früheren Zeugenvernehmung § 255a. 419 Eisenberg (Beweisrecht) 13; vgl. aber OLG Düsseldorf NStZ-RR 2008 180, das – in dieser Allgemeinheit zu weitgehend – annimmt, der Gebrauch eines ersetzenden Beweismittels sei „von vornherein ausgeschlossen“, wenn sich der Richter (wie bei kinderpornographischem Bildmaterial) in der Sitzung ein eigenes Bild von den unmittelbar tatbestandsrelevanten Tatsachen machen kann.

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allein auf das sachfernere zurückgegriffen werden.420 Verwendet das Gericht letzteres nicht (zusätzlich) neben dem höherwertigen Beweismittel, sondern als dessen Ersatz, muss es die darin liegenden Gefahren für die Wahrheitsfindung berücksichtigen421 und – soweit von ausschlaggebender Bedeutung (also etwa in der Regel nicht in den Fällen des § 256) – im Urteil erörtern.422 Im Allgemeinen macht es die Aufklärungspflicht erforderlich, dass sich das Gericht darum bemüht, die Richtigkeit seiner Überzeugung, die sich lediglich auf ein Beweismittel geringerer Beweisqualität stützt, durch zusätzliche Beweisanzeichen zu untermauern. Auf Grundlage dieser allgemeinen Kriterien ist es je nach den besonderen Verhält- 67 nissen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. Rn. 65 f.), ob die Aufklärungspflicht verletzt ist, weil – das Verfahren nicht unterbrochen oder ausgesetzt wird, um den einzigen Tatzeugen doch noch zu erreichen 423 oder die Aussagebereitschaft eines zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen abzuwarten, der angekündigt hatte, nach Abschluss eines gegen ihn gerichteten Verfahrens aussagen zu wollen;424 – das Gericht vor der Hauptverhandlung gestellte Beweisanträge oder sonstige Anträge oder Anregungen zur Beweisaufnahme nicht beachtet425 oder ihnen nicht nachgeht, weil es fälschlich vom Vorliegen eines Beweis(verwertungs)verbots ausgeht;426 – das Gericht nach Verfahrensabtrennung einen früheren Mitangeklagten nicht als Zeugen vernimmt427 oder nach Verfahrensverbindung den Mitangeklagten nicht zu einer Tat hört, zu der dieser, wenngleich sie nur dem Angeklagten vorgeworfen wird, eigene Wahrnehmungen gemacht hat;428 – das Gericht es unterlässt, die Verfahrensabsprache in die Hauptverhandlung einzuführen, aufgrund derer ein anderweitig abgeurteilter Zeuge den Angeklagten erstmals als Tatbeteiligen benannt hat;429 – sich das Gericht mit einer Protokollverlesung nach § 251 Abs. 1 Nr. 1 oder 4, Abs. 2 Nr. 2 oder 3 begnügt, obwohl gewichtige Gründe dafür sprechen, dass durch die persönliche Anhörung des Zeugen,430 Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung zuverlässigere Erkenntnisse gewonnen werden können431 oder dies zumindest durch Vernehmung der Verhörsperson möglich gewesen wäre;432 – das Gericht gemäß § 255a lediglich die Bild-Ton-Aufnahme einer früheren Vernehmung eines Zeugen vorführen lässt und von einer – zumindest ergänzenden (§ 255a

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420 BVerfGE 57 250, 277; BGH NJW 1966 1524; NStZ 1986 519, 520; 2018 740, 741 f.; Herdegen NStZ 1984 101; SK/Frister 14. 421 So z.B. BVerfGE 57 250, 293; BGHSt 33 181; vgl. bei § 261. 422 SSW/Sättele 42. 423 BGH StV 1982 58; 1982 357; BayObLG VRS 63 (1982) 211; OLG Koblenz MDR 1978 691. 424 OLG Schleswig bei Lorenzen/Döllel SchlHA 1999 177; SSW/Sättele 43. 425 BGH NStZ-RR 2002 110, 111; bei Becker NStZ-RR 2002 68; BGHR § 244 Abs. 2 Aufdrängen 1; OLG Köln NJW 1954 46; VRS 6 (1954) 49; JMBlNW 1963 11; OLG Hamm VRS 23 (1962) 453; OLG Celle MDR 1962 1832; OLG Saarbrücken VRS 29 (1965) 292; vgl. auch OLG Hamburg NJW 1955 1938 sowie § 232, 22 und bei § 219. 426 Vgl. BGH NJW 2009 791. 427 Meyer-Goßner/Schmitt 12, a.A. BayObLG StV 1989 522; offen gelassen von BGH StraFo 2009 520, 521. 428 BayObLG NStZ-RR 2003 233, 234. 429 BGH StV 2014 392 f. 430 Insbesondere des nur kommissarisch vernommenen Auslandszeugen; s. auch Rn. 259 f. 431 BGHSt 10 186, 191 f.; BGH NStZ 1988 37; 1988 283; OLG Celle StV 1991 294; OLG Düsseldorf StV 1991 294; OLG Köln StV 1998 585; Rieß/Hilger NStZ 1987 151; s. OLG Zweibrücken StV 1992 153 für den Fall, dass das Berufungsgericht widerstreitende erstinstanzliche Aussagen von potentiell entscheidender Bedeutung (Alibi) im allseitigen Einverständnis verliest (vgl. § 325), statt die Zeugen nochmals zu vernehmen; vgl. aber auch BGH bei Cierniak NStZ-RR 2009 5. 432 BGHSt 9 230; BGH GA 1955 178; s. auch die Erl. zu §§ 251, 261 m.w.N.

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Abs. 2 Satz 2)433 – persönlichen Vernehmung absieht oder ihn nach § 247a Abs. 1 mittels einer zeitgleichen Bild-Ton-Verbindung an seinem Aufenthaltsort vernimmt, statt ihn persönlich in Anwesenheit aller Verfahrensbeteiligter im Sitzungssaal anzuhören;434 das Gericht sich mit einer Urkundsverlesung nach § 256 Abs. 1 begnügt und nicht die Beweisperson vernimmt, die die Urkunde verfasst hat;435 das Gericht wegen vermeintlicher Verhandlungs- und Vernehmungsunfähigkeit der einzigen Tatzeugin („Suizidgefahr“) ohne hinreichende Erwägung der Möglichkeiten nach §§ 247, 247a von deren Vernehmung in der Hauptverhandlung absieht und stattdessen lediglich mittelbare Beweise zu deren früheren Aussagen erhebt;436 nachdem die Vernehmung eines Zeugen in der Hauptverhandlung aufgrund dessen psychischer Einschränkungen gescheitert ist, nicht die Möglichkeit in Betracht gezogen wird, den Zeugen allein im Wege der Bild-Ton-Übertragung vernehmen zu lassen;437 das Gericht von der Verlesung einer schriftlichen Äußerung oder (die persönliche Vernehmung in der Hauptverhandlung ergänzend) des Protokolls einer früheren Anhörung eines Zeugen absieht, obwohl deren Inhalt für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der mündlichen Aussage Bedeutung erlangen kann;438 das Gericht den vernehmenden Polizeibeamten nicht anhört, obwohl sich der Angeklagte darauf beruft, bei seiner Aussage vor der Polizei falsch verstanden worden zu sein,439 oder sich Widersprüche zwischen den Angaben des Zeugen in der Hauptverhandlung und seinen früheren Aussagen ergeben haben;440 das Gericht keine ausreichenden Anstrengungen unternimmt, um einen Zeugen, dessen Ladung und Vorführung bisher gescheitert ist441 oder der sich im Ausland aufhält,442 ausfindig zu machen und seine Einvernahme zu ermöglichen; das Gericht lediglich einen Zeugen vom Hörensagen443 vernimmt, statt den bekannten, möglicherweise aber nur schwierig erreichbaren unmittelbaren Zeugen anzuhören444 oder zumindest weitere Beweismittel auszuschöpfen, um den Wahrheitsgehalt der Angaben des Zeugen vom Hörensagen verlässlicher beurteilen zu können;445 sich das Gericht, statt weitere Anstrengungen zur persönlichen Vernehmung eines anonymen oder „gesperrten“ (§ 54, § 96 analog, § 110b Abs. 3) unmittelbaren Zeugen (Informant, V-Mann, Verdeckter Ermittler) zu unternehmen,446 mit der Aussage eines Zeugen vom Hörensagen (V-Mann-Führer; Vernehmungsbeamter etc.) über

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433 Vgl. dazu BGHSt 48 268, 272; NStZ-RR 2005 45 Ls. 434 Vgl. bei §§ 247a, 255a; insb. auch zur Revisibilität eines Verstoßes gegen § 247a s. dort Rn. 39 ff. 435 BGHSt 57 24, 27 m.w.N. = JR 2012 219 m. Anm. Gössel; OLG Celle StraFo 2013 426, 427; LG Berlin StV 2015 544, 545 m. Anm. Krüger. 436 BGH StV 2002 635; SK/Frister 14; vgl. auch BGHSt 45 188, 195; 46 73, 79. 437 Vgl. – im konkreten Fall ablehnend – BGH NStZ-RR 1999 80. 438 Vgl. BGHSt 20 160, 163; 51 280, 281 f.; BGH StV 2015 205; Fezer JuS 1977 236. 439 BGH StV 1989 167. 440 BayObLG NStZ-RR 2003 150. 441 Vgl. BGH NStZ 2005 44 f. 442 Vgl. Rn. 252 ff. 443 Vgl. dazu ausführlich Detter NStZ 2003 1 ff. 444 Vgl. OGHSt 1 133; BGHSt 1 373, 376; 6 209; BGH StV 1993 114; NStZ 2004 50; ferner die Erl. bei § 250. 445 Vgl. BGH StV 1993 114. 446 Zu den insoweit von der Aufklärungspflicht gebotenen Bemühungen vgl. etwa BGHSt 32 115, 126; 33 178, 180; 34 85; BGH NJW 1989 3294; NStZ 1989 282; StV 1988 45; OLG Hamm NJW 1970 821; s. auch die Erl. zu §§ 54, 96.

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den Inhalt der Vernehmung des unmittelbaren Zeugen, der Verlesung des entsprechenden Vernehmungsprotokolls oder einer von dem unmittelbaren Zeugen stammenden schriftlichen Erklärung begnügt.447 Eine Verletzung der Aufklärungspflicht kommt hier insbesondere in Betracht, wenn das Gericht fälschlich eine Vertraulichkeitszusage der Exekutive auch für das strafgerichtliche Verfahren für bindend hält,448 die Verweigerung der Aussagegenehmigung durch eine unzuständige Behörde hinnimmt, 449 im Wege der Gegenvorstellung nicht die Entscheidung der obersten Dienstbehörde über die Aussagegenehmigung einholt, selbst wenn diese ihre Kompetenz auf eine untere Behörde delegiert hat,450 wenn das Gericht die schriftliche Befragung eines „gesperrten“ Zeugen ablehnt451 oder gegebenenfalls auch dann, wenn es sich nicht um eine Aussagegenehmigung bemüht, die es dem „gesperrten“ Zeugen gestattet, im Rahmen einer audiovisuellen Vernehmung unter optischer und akustischer Abschirmung auszusagen;452 das Gericht dem Angeklagten keine Gelegenheit gibt, gegen die Versagung oder Beschränkung der Aussagegenehmigung eines Zeugen (§ 54)453 oder gegen die Anordnung einer Beweismittelsperrung (§ 96) verwaltungsgerichtlich zu klagen, obgleich gewichtige Gründe dafür sprechen, ihm hierfür durch Aussetzung der Hauptverhandlung Gelegenheit zu geben;454 das Gericht einen zulässig gewonnenen Tonbandmitschnitt eines (Telefon-)Gesprächs in der Hauptverhandlung nicht abspielt, sondern sich mit der Verlesung einer Niederschrift von dessen Inhalt begnügt;455 der Inhalt eines verlesbaren Schriftstücks in anderer Weise als durch Verlesung festgestellt wird, statt es wörtlich zu verlesen;456 das Gericht es unterlässt, in den Akten befindliche fremdsprachige Urkunden ins Deutsche übersetzen zu lassen;457 das Gericht nicht hinreichend nach Urkunden forscht, die nicht Bestandteil der Verfahrensakten sind, aber zur Sachaufklärung beitragen können. Es kann sich als nötig erweisen nachzuprüfen, ob die vorliegenden Akten vollständig und eventuell fehlende Aktenteile für die weitere Sachverhaltserforschung erheblich sind.458 Unter bestimmten Umständen kann Anlass bestehen, dem Gericht mit den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten nicht vorgelegte polizeiliche Ermittlungsakten459 oder

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447 BGHSt 1 375; 2 79; 6 209; 9 292; 17 382, 384; 18 107; 22 268; 23 213; 33 70, 74; 33 83, 85 ff.; 33 178, 181 f.; 36 159, 162; BGH VRS 16 (1959) 205; GA 1968 370; NStZ 1997 294; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 210; 1983 355; ferner etwa Herdegen NStZ 1984 202; KK/Krehl 39; KMR/Paulus 197; s. die Erl. zu § 250 m.w.N. auch zur Gegenmeinung. 448 BGHSt 35 82, 85; BGH StV 1993 171; 2012 5. 449 BGH NStZ 2001 656; StraFo 2018 30, 31 m. Bspr. Lantermann S. 12 ff. 450 BGHSt 42 175 = NStZ 1996 608 m. Anm. Geerds; SK/Frister 14. 451 BGH NStZ 1993 292 gestützt auf Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK. 452 Mittlerweile hat sich eine Abkehr von der früheren – die Zulässigkeit einer abgeschirmten Vernehmung verneinenden – Rechtsprechung (BGHSt 32 115, 124 f.) vollzogen: BGH NJW 2003 74 (das mit diesem Beschluss eingeleitete Anfrageverfahren hat sich durch Revisionsrücknahme erledigt); ferner BGHSt 51 232, 235; BGH NStZ 2004 345; 2005 43; 2006 648 sowie § 247a, 12 m.w.N. 453 S. etwa VG Düsseldorf StV 2015 685. 454 BGH NJW 1981 770; NStZ 1985 466, 467; zur Abgrenzung s. BGH bei Becker NStZ-RR 2008 65. 455 BGH JZ 1977 444. 456 BGHSt 1 94; RGSt 76 295; vgl. bei § 249. 457 Vgl. BGH NStZ 2012 523, 525. 458 Vgl. bei § 147. 459 BGHSt 30 131 = StV 1981 504 m. Anm. Dünnebier; dazu Meyer-Goßner NStZ 1982 353; BVerfGE 63 45, 68 = NStZ 1983 273 m. Anm. Peters = StV 1983 181 m. Anm. Amelung; LG Hannover StV 2015 683, 684 f. zu „Spurenakten“; ausführlich bei §§ 147 und 199.

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Polizeiunterlagen über den Einsatz Verdeckter Ermittler gegen den Angeklagten460 beizuziehen. Gegebenenfalls sind etwa handschriftliche Aufzeichnungen eines sich als Zeugen an den Vorfall nicht mehr erinnernden Polizeibeamten, die die Grundlage seiner Anzeige bildeten, zur Prüfung auf Übertragungsfehler beizuziehen;461 das Gericht den pornographischen Charakter eines Filmes allein auf Grund von Zeugenaussagen beurteilt, statt den Film selbst in Augenschein zu nehmen;462 das Berufungsgericht die Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage anders beurteilt als das Erstgericht, ohne sich selbst durch eine Einvernahme des Zeugen in der Berufungsverhandlung einen persönlichen Eindruck von diesem zu verschaffen;463 das Berufungsgericht auf die Berufung der Staatsanwaltschaft die vom Amtsgericht zugebilligte Strafaussetzung zur Bewährung mangels günstiger Sozialprognose in Wegfall bringt, obwohl der Angeklagte zur Berufungshauptverhandlung nicht erschienen war und es daher keinen persönlichen Eindruck von diesem gewonnen hat.464 VIII. Aufklärungspflicht und Sachverständigenbeweis; allgemeine Grundsätze

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Das Gesetz schreibt nur für einige bestimmte Beweiskonstellationen die Einschaltung eines Sachverständigen ausdrücklich vor (vgl. §§ 80a, 81, 246a, § 73 JGG). Reicht in sonstigen Fällen die eigene Sachkunde des Gerichts nicht aus, um das Vorliegen oder Nichtvorliegen entscheidungserheblicher Tatsachen oder Erfahrungssätze festzustellen, so gebietet es die Aufklärungspflicht, dass es einen Sachverständigen beizieht, damit dieser ihm die erforderliche Sachkunde vermittelt. Sieht es sich vor Fragen gestellt, deren Beantwortung ein über Allgemeinwissen und allgemeine Lebenserfahrung hinausreichendes außerjuristisches Spezialwissen fordert, muss es daher stets selbstkritisch prüfen, ob es mit Gewissheit über die Sachkunde verfügt, die erforderlich ist, um alle für die Beurteilung wesentlichen Gesichtspunkte in ihrer vollen Tragweite erkennen und zutreffend würdigen zu können. Nur wenn dies – spätestens im Zeitpunkt der Urteilsfällung – der Fall ist, darf es von der Zuziehung eines Sachverständigen absehen;465 diese ist dann nicht nur überflüssig, sondern in der Regel auch verfehlt, begründet indessen keinen Rechtsfehler (s. Rn. 90). Entscheidet es dagegen ohne Anhörung eines Sachverständigen, obwohl es das notwendige Fachwissen nicht besitzt oder hieran – wenn auch nur geringe – Zweifel bestehen, verstößt es gegen § 244 Abs. 2.466

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460 BGH StV 1995 247. 461 OLG Hamm JMBlNW 1980 70. 462 OLG Stuttgart MDR 1983 153; a.A. – Surrogat ausgeschlossen – OLG Düsseldorf NStZ-RR 2008 180. 463 BayObLGSt 1992 152; OLG Celle StV 1994 474 Ls.; vgl. bei § 325. 464 OLG Hamburg StV 1982 558; OLG Hamm StV 1997 346; OLG Köln NJW 1963 1265. 465 Alsberg/Güntge 1333, der zu Recht darauf hinweist, dass es nur darauf ankommt, ob das Gericht die erforderliche Sachkunde tatsächlich hat; ob es sie sich nach der Lebenserfahrung zutrauen durfte, wie verschiedentlich in der Rechtsprechung angenommen wird, betrifft nur die Anforderung, die an den Nachweis der Sachkunde gestellt wird; vgl. etwa BayObLG DAR 1956 324; OLG Celle DAR 1957 161; OLG Düsseldorf VRS 65 (1983) 375; OLG Hamm NJW 1978 1210; KG VRS 5 (1953) 366; 8 (1955) 302; OLG Köln MDR 1953 377; OLG Oldenburg DAR 1958 244. 466 BGHSt 3 27, 28; 8 130, 131; 23 8, 12; BGH NJW 1969 1578; NStZ 1984 278 f.; 1985 420, 421; 1991 47; 1995 201; bei Pfeiffer NStZ 1982 189; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 211; BGH NStZ-RR 1997 171; StV 1984 232, 233; 1987 374 m. Anm. Peters; 1988 52; 1988 366, 367; 1990 8; 1991 547; 1993 567; 1994 173; 1994 634; JR 1990 52; bei Spiegel DAR 1978 158; BayObLGSt 1994 103; Marmann GA 1953 136; Mösl DRiZ 1970 112; AK/Schöch 123; KK/Krehl 42; KMR/Paulus 467.

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1. Prüfung der eigenen Sachkunde. Ob seine eigene Sachkunde zur Beantwortung 69 einer entscheidungserheblichen Frage ausreicht, hat das Gericht zunächst selbst zu entscheiden. In der Hauptverhandlung braucht es die von ihm in Anspruch genommene Sachkunde und ihre Quellen nicht zu erörtern,467 eine Beweisaufnahme hierüber findet nicht statt;468 denn wenn es sein Spezialwissen für die Urteilsfindung nutzt, so liegt darin keine Beweiserhebung, zu der es die Verfahrensbeteiligten im Einzelnen hören müsste.469 Es genügt, wenn seine Sachkunde in den Urteilsgründen erkennbar wird (s. Rn. 73 f.). Die Rechtsprechung hat eine Reihe von Grundsätzen entwickelt, die sowohl für die 70 von Amts wegen zu treffende Entscheidung über die Zuziehung eines Sachverständigen auf Grund der Aufklärungspflicht als auch für die Behandlung entsprechender Beweisanträge nach den Absätzen 3, 4 maßgebend sind. Absatz 4, der erst 1950 in das Gesetz aufgenommen wurde (vgl. Entstehungsgeschichte), gibt auch Anhaltspunkte dafür, unter welchen Voraussetzungen das Gericht zur Erfüllung seiner Aufklärungspflicht von Amts wegen einen Sachverständigen oder einen zweiten Sachverständigen zuziehen muss. Allgemein gilt: Es obliegt dem Gericht, in strenger Gewissenhaftigkeit darauf zu achten, dass es seine Feststellungen auf eine zuverlässige Unterlage aufbaut und nicht durch eine Überschätzung seiner Fähigkeiten und Kenntnisse vermeidbaren Irrtümern unterliegt. Will es eine außerjuristische Fachfrage in eigener Sachkunde entscheiden, muss es daher prüfen, ob es sich um eine solche handelt, die auch ein sachkundiger Laie im Regelfall ohne besondere Schwierigkeiten zutreffend entscheiden kann, weil hierfür die Anwendung seines auf gesicherten sowie einfach strukturierten und umsetzbaren Erkenntnissen beruhenden, eher theoretischen Fachwissens ausreicht.470 Handelt es sich um wissenschaftlich umstrittene, in komplexe Zusammenhänge eingebettete oder schwer erfassbare Sachverhalte, so ist die Einschaltung eines Sachverständigen dagegen in aller Regel unverzichtbar. Dies gilt insbesondere bei Fragen, für deren Beantwortung über bloß theoretische Kenntnisse hinaus Anwendungs- und Auswertungswissen erforderlich ist, weil die notwendige Sachkunde nur durch eine längere Ausbildung und Praxis erworben oder richtig angewendet werden kann,471 der Sachverhalt vom Normalfall abweicht472 oder wenn es um Tatsachen geht, die nur aufgrund besonderer Sachkunde wahrgenommen oder verstanden werden können.473 2. Erwerb der eigenen Sachkunde. Das erforderliche Sachwissen kann dienst- 71 lich474 oder außerdienstlich erworben worden sein.475 Es kann dem Gericht durch ständi-

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467 BGH NStZ 1998 98; NStZ-RR 2014 251, 252. 468 BGH NStZ 2000 156. 469 Alsberg/Güntge 1362; Hanack JZ 1972 116; a.A. OLG Köln JR 1958 350 m. Anm. Sarstedt; Conen/ Tsambikakis GA 2000 379; Gössel § 29 III b 9; HK/Julius 47; KMR/Paulus 467 f. 470 Vgl. BGHSt 12 18, 19; BGH NJW 1959 2315; MDR 1978 42; StV 1995 339; 2018 137; bei Dallinger MDR 1975 24; bei Spiegel DAR 1982 205; OLG Hamm NJW 1978 1210; NStZ 1983 266 m. Anm. Müller-Luckmann; KG VRS 67 (1984) 258; Alsberg/Güntge 1334; Arbab-Zadeh NJW 1970 1214; Blau GA 1959 297; Tröndle JZ 1969 374; vgl. auch die grundsätzlichen Überlegungen bei KK/Krehl 43 f. 471 RGSt 61 273; 71 336, 338; RG JW 1931 1493 m. Anm. Alsberg; BGHSt 3 27, 28; 3 169, 175; BGH NJW 1959 2315, 2316; 1984 1408; 1986 1928; MDR 1978 42; NStZ 1984 521; 1985 420; 1985 421; 2000 437; StV 1984 507; 1990 8; 1993 567; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 357; 1984 211; OLG Hamm NJW 1970 904; 1978 1210; Alsberg/Güntge 1335; AK/Schöch 123; KK/Krehl 45; s. aber auch sehr weitgehend BGH StV 1984 61 m. Anm. Glatzel. 472 OLG Stuttgart NJW 1981 2525. 473 BGH bei Spiegel DAR 1977 179. 474 Zur Gerichtskundigkeit s. Rn. 208 ff. 475 RG LZ 1915 631; BGH bei Spiegel DAR 1977 175; bei Pfeiffer NStZ 1982 189; Alsberg/Güntge 1337; AK/Schöch 124; KK/Krehl 45; KMR/Paulus 467; Meyer-Goßner/Schmitt 73.

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ge Befassung mit einer Spezialmaterie,476 aus dem Fachschrifttum477 oder durch Befragen Sachkundiger geläufig geworden sein, etwa durch die Anhörung eines Sachverständigen oder sachverständigen Zeugen im laufenden478 oder einem früheren Verfahren;479 dies gilt im Grundsatz auch dann, wenn sich das Gericht dem Gutachten des gehörten Sachverständigen nicht anschließt.480 Die freibeweisliche Befragung eines Sachverständigen zum Neuerwerb erforderlichen Fachwissens scheidet aber dann aus, wenn ein Beweisantrag auf Zuziehung eines Sachverständigen gestellt wurde, den das Gericht aus keinem der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 oder 4 – also gerade auch nicht wegen eigener Sachkunde – zurückweisen kann; denn in diesem Fall ist durch den Antrag die strengbeweisliche Beweisaufnahme unter Beachtung der hierfür geltenden Prozessprinzipien der Mündlichkeit, Öffentlichkeit und Unmittelbarkeit erzwungen.481 Aus diesem Grund ist es aber auch unabhängig von einem gestellten Beweisantrag unzulässig, dass sich das Gericht für seine Überzeugungsbildung im Urteil auf freibeweisliche Erhebungen stützt, die es nach Anhängigkeit des Verfahrens gezielt für dieses durchführt.482 Daher darf es sich nicht etwa auf eine eigene Sachkunde berufen, die es im Zwischenverfahren (§§ 199 ff.; s. Rn. 30) – bspw. durch Studium eines in den Akten befindlichen vorbereitenden schriftlichen Sachverständigengutachtens – gewonnen hat; vielmehr ist der Sachverständige in der Hauptverhandlung strengbeweislich zu vernehmen.483 Zum ähnlich gelagerten Fall der unzulässigen freibeweislichen Herstellung von Gerichtskundigkeit vgl. Rn. 208. 72

3. Entscheidung über eigene Sachkunde. Die Entscheidung darüber, ob die eigene Sachkunde des Gerichts die Zuziehung eines Sachverständigen entbehrlich macht, erfordert bei Kollegialgerichten keine Einstimmigkeit.484 Der BGH ist der Ansicht, dass nicht alle Richter für die Beantwortung der jeweiligen außerjuristischen Fachfrage in gleichem Maße sachkundig sein müssen. Das Gericht könne vielmehr, wenn die Beurteilung des Sachverhalts besondere Sachkunde erfordere, von der Zuziehung eines Sachverständigen auch dann absehen (und entsprechend auch einen hierauf gerichteten Be-

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476 Vgl. BGH NStZ 1983 325. 477 SSW/Sättele 51; Alsberg/Güntge 1337, der jedoch auch auf die Grenzen hinweist, die dem Erwerb der Sachkunde aus der Literatur gesetzt sind. 478 BGH NJW 1998 2753, 2755; NStZ 1983 325; 2000 437; bei Pfeiffer NStZ 1982 189; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 211; bei Spiegel DAR 1977 175; 1983 205. 479 BGH NStZ 1983 325; 1998 98. 480 BGH NJW 1989 2948; NStZ 1984 467 m. Anm. Brunner; 1985 421, 422; bei Holtz MDR 1985 629, 630; zu den erhöhten Anforderungen an den Nachweis der eigenen Sachkunde in diesen Fällen vgl. Rn. 74. 481 BGH StV 1995 339; wistra 2013 389, 390; Alsberg/Güntge 1338; Trück NStZ 2007 378 f.; AK/Schöch 124; Meyer-Goßner/Schmitt 73; MüKo/Trüg/Habetha 68; a.A. OLG Hamm NJW 1978 1210. 482 BGH wistra 2014 413 m. abl. Bespr. Niemöller NStZ 2015 16 ff. (im konkreten Fall war aber wohl – wenn auch möglicherweise mit Verfahrensfehlern behaftet – strengbeweislich vorgegangen worden; s. Niemöller aaO S. 19 f.); MüKo/Trüg/Habetha 69. 483 Vgl. MüKo/Trüg/Habetha 69; a.A. wohl Niemöller NStZ 2015 18. 484 RG Recht 1925 Nr. 812; BGHSt 2 163, 165; 12 18, 19 = JZ 1959 130 m. zust. Anm. Eb. Schmidt; BGH NStZ 1983 325; 1998 98; NStZ-RR 2006 241; StV 1989 143; bei Spiegel DAR 1983 206; OLG Hamburg NJW 1964 559; OLG Köln JR 1958 350 m. zust. Anm. Sarstedt; OLG Stuttgart DAR 1976 23; Fezer 12/18; Alsberg/Güntge 1360; Kohlhaas NJW 1962 1329; Mösl DRiZ 1970 112; G. Schäfer 847; Eb. Schmidt Nachtr. I 24; Eb. Schmidt JZ 1961 585; Schlüchter 554.1; Schorn GA 1965 305; AK/Schöch 124; Meyer-Goßner/Schmitt 73; a.A. Eisenberg (Beweisrecht) 1518; Gössel § 29 C IIIc 9; Hanack JZ 1972 116; Peters § 38 IV 1i; Rüping 506; KK/Krehl 46; KMR/Paulus 466; MüKo/Trüg/Habetha 72; SK/Frister 35 f., die fordern, dass (zumindest vermittelt durch andere Richter des Spruchkörpers) alle Mitglieder des Gerichts die notwendige Sachkunde besitzen müssen; so auch Wasserburg FS Paeffgen 688, wo indes unklar bleibt, ob auch andere Mitglieder des Spruchkörpers die erforderliche Sachkunde vermitteln können.

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weisantrag ablehnen), wenn nur einer oder einige der zum Spruchkörper gehörenden Richter die erforderliche Sachkunde besitzen. Der nicht sachkundige Teil des Gerichts könne die erforderliche Sachkunde dadurch erlangen, dass er von dem oder den sachkundigen Mitglied(ern) des Spruchkörpers unterrichtet werde. Dies brauche nicht notwendig in öffentlicher Verhandlung und in Gegenwart aller Verfahrensbeteiligten zu geschehen.485 Dem ist zuzustimmen. Es muss genügen, wenn ein Mitglied des Gerichts der für die Entscheidung erforderlichen Mehrheit (§ 196 GVG; § 263)486 die notwendige Sachkunde vermittelt. Erfahrung und Wissen sind unter den Mitgliedern eines Kollegialgerichts verschieden verteilt. Einzelne Arten des Wissens – etwa juristisches, technisches, naturwissenschaftliches – lassen sich oft nur schwer unterscheiden, weil die Übergänge fließend sind und sich häufig rechtliche Erkenntnisse mit solchen anderer Art mischen. Wollte man es als unzulässig ansehen, dass die größere Erfahrung oder das umfangreichere Wissen eines von mehreren Mitgliedern auf die Überzeugung des gesamten Spruchkörpers in der Weise wirkt, dass es ihm in der Beratung gelingt, die übrigen Richter oder zumindest die erforderliche Mehrheit von der Richtigkeit seiner Erfahrung oder der Güte und Zuverlässigkeit seines Wissens oder seiner Erkenntnisse zu überzeugen, müsste man die geheime Beratung überhaupt beseitigen. Es müsste dann konsequenterweise auch gefordert werden, dass für die Zuziehung eines Sachverständigen von Amts wegen schon das Votum eines einzelnen Richters und nicht ein Beschluss der Mehrheit ausschlaggebend ist. 4. Nachweis der eigenen Sachkunde. Hat das Gericht eine außerjuristische Fach- 73 frage entschieden, ohne hierzu einen Sachverständigen gehört zu haben, so muss es regelmäßig in den Urteilgründen ausweisen, dass es die erforderliche Sachkunde zu Recht für sich in Anspruch genommen hat;487 denn die Frage, ob und in welchem Umfang ein Sachverständiger zu hören war, unterliegt der Überprüfung durch das Revisionsgericht. Das ist keine Besonderheit. Auch wenn ein Sachverständiger vernommen wurde, dürfen sich die Urteilsgründe in der Regel nicht darauf beschränken, das Ergebnis der Begutachtung darzulegen und mitzuteilen, dass sich das Gericht dem angeschlossen hat.488 In ähnlicher Weise muss, wenn das Gericht wegen eigener Sachkunde von der Vernehmung eines Sachverständigen absieht, das Urteil nachvollziehbar aufzeigen, aus welchen Gründen sich der Tatrichter zu Recht die erforderliche Sachkunde zugetraut hat.489 Fehlen entsprechende Ausführungen, so kann dies zu dem Schluss zwin-

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485 A.A. OLG Köln JR 1958 350 m. Anm. Sarstedt; sehr kritisch auch MüKo/Trüg/Habetha 71. 486 SSW/Sättele 49; unklar hierzu BGHSt 2 163, 165; 12 18, 20; zweifelnd Radtke/Hohmann/Kelnhofer 52; zur Gegenansicht s. oben. 487 RG HRR 1938 Nr. 1380; BGHSt 2 163, 165; 12 18, 20 = JZ 1959 m. Anm. Eb. Schmidt; 21 62, 63; BGH NJW 1953 1559; VRS 35 (1968) 133; NStZ 1983 325; 1984 211; 1985 421; 2010 100, 101; StV 1981 394; 1982 101; 1984 232; 1986 466; StV 1987 374 m. Anm. Peters; 1991 405 m. Anm. Blau; 1991 553, 554; NStZ-RR 2000 332; bei Dallinger MDR 1970 732; bei Holtz MDR 1977 459; bei Spiegel DAR 1982 206; 1983 205; BayObLG bei Rüth DAR 1981 249; OLG Bremen DAR 1963 170; OLG Celle NJW 1957 73; DAR 1968 23; OLG Düsseldorf VRS 65 (1983) 375; NZV 1996 503; OLG Frankfurt GA 1970 286; OLG Hamburg VRS 22 (1962) 473; OLG Hamm JMBlNW 1965 58; NJW 1970 907; VRS 42 (1972) 215; 45 (1973) 287; 51 (1976) 31; KG VRS 8 (1955) 298; 11 (1956) 217; 14 (1958) 37; OLG Karlsruhe StraFo 2015 464 f.; OLG Koblenz VRS 48 (1975) 35; 49 (1975) 374; StraFo 2010 384; OLG Köln JR 1958 350 m. Anm. Sarstedt; DAR 1957 53; MDR 1981 598; OLG Oldenburg DAR 1958 244; OLG Saarbrücken VRS 44 (1973) 304; 49 (1975) 376; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1970 198; OLG Stuttgart NJW 1981 2525; OLG Thüringen VRS 108 (2005) 371, 372; OLG Zweibrücken VRS 61 (1981) 434; AK/Schöch 125; Meyer-Goßner/Schmitt 73. 488 S. die Erl. zu §§ 261, 267. 489 Etwa BGHSt 2 163, 165 f.; 12 18, 20; BGH GA 1977 275; StV 1982 55, 56; NStZ-RR 1997 171, 172; Alsberg/Güntge 1361.

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gen, dass das Tatgericht die erforderliche Sachkunde nicht besessen hat, und das Urteil wegen lückenhafter Beweiswürdigung bereits aufgrund der Sachrüge der Aufhebung unterliegen.490 Zur Frage und zum Meinungsstreit, ob bei Ablehnung eines Beweisantrags auf Sachverständigengutachten wegen eigener Sachkunde des Gerichts diese schon im Ablehnungsbeschluss oder erst in den Urteilsgründen belegt werden muss, s. Rn. 339. 74 Notwendigkeit und Umfang derartiger Urteilsausführungen richten sich nach der Schwierigkeit der Beweisfrage und nach Art und Ausmaß der auf dem fremden Wissensgebiet beanspruchten Sachkunde.491 Die Quelle der eigenen Sachkunde muss das Gericht im Allgemeinen nicht angeben, sondern nur dann, wenn dies zum Beleg der Sachkunde erforderlich ist.492 Bei einem Wissensgebiet, das eine besondere, langjährige Ausbildung oder kontinuierliche wissenschaftliche bzw. praktische Erfahrung voraussetzt, sind die Anforderungen an die Darlegungspflicht besonders hoch,493 während bei Fragen, die der Richter aus seinem Allgemeinwissen beantworten kann und die keine über die allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende Spezialkenntnisse erfordern, sich besondere Darlegungen zur Sachkunde erübrigen können.494 Solche sind aber dann notwendig, wenn das Gericht durch sein eigenes Verhalten zum Ausdruck gebracht hat, dass es an der eigenen Sachkunde zunächst Zweifel hegte. So liegt es etwa, wenn ein Sachverständiger bestellt, dann aber in der Hauptverhandlung nicht gehört wird, sei es, weil er nicht erscheint,495 sei es, weil er erfolgreich gemäß § 74 abgelehnt wird.496 Gleiches gilt, wenn das Gericht bei seiner Entscheidung von der Ansicht des gehörten Sachverständigen497 oder Obergutachters498 abweicht. Hier hat es die Ausführungen des Sachverständigen im Einzelnen wiederzugeben, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und unter eingehendem Nachweis seiner – gewonnenen – Sachkunde die eigene abweichende Auffassung darzulegen; denn es wird nur in seltenen Fällen möglich sein, allein aus einem Gutachten, das nicht für zutreffend gehalten wird,499 die erforderliche eigene Sachkunde zur selbständigen eigenen Würdigung der außerjuristischen Fachfrage zu erwerben.500

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490 AK/Schöch 125. 491 BGH NStZ 2017 300, 301 m. Anm. Ventzke. 492 Alsberg/Güntge 1361. 493 BGH NStZ 2017 300, 301 m. Anm. Ventzke. 494 BGHSt 12 18, 20; BGH NStZ 1983 325; 1984 178; 1985 402; 1985 421, 422; 2009 346, 347; 2013 536, 537; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 210; 1984 211; BGH StV 1984 232, 233; 1989 331 m. Anm. Wasserburg; BayObLGSt 2001 64; OLG Düsseldorf VRS 60 (1981) 123; 65 (1983) 375; KG VRS 67 (1984) 258; OLG Koblenz VRS 46 (1974) 31; 48 (1975) 35; OLG Köln OLGSt § 21 StGB S. 33, 35; OLG Saarbrücken VRS 44 (1973) 304; 49 (1975) 376; Alsberg/Güntge 1361; Herdegen FS Boujong 787; Meyer-Goßner/Schmitt 73; SK/Frister 34. 495 BGH NStZ-RR 1997 171. 496 BGH Beschl. v. 4.10.1978 – 3 StR 349/78; Meyer-Goßner/Schmitt 73. 497 S. etwa BGH StV 1993 234; 2017 363, 364 f.; NStZ 2000 437; 2006 511; 2009 571; 2013 55, 56; 2013 180, 181; 2015 539, 540; NStZ-RR 1999 275; 2010 105, 106; 2016 380, 381; 2017 222 f.; 2018 85 Ls.; bei Becker NStZ-RR 2002 259; BGH StraFo 2009 71; OLG Hamm StraFo 2002 262; KG StraFo 2014 306; OLG Nürnberg NStZ-RR 2011 118 Ls. 498 OLG Hamm StV 2001 221. 499 Zur regelmäßigen Notwendigkeit, in einem solchen Fall einen zweiten Sachverständigen zu bestellen, s. Rn. 77. 500 Vgl. BGHSt 8 113, 117; BGH NJW 1981 2578; 1984 1408; 1989 2948; 1998 2753, 2755; StV 1993 234; 2015 675, 676; 2017 363, 364 f.; NStZ 1984 278, 279; 1985 421, 422; 1987 503; 1995 201; 1999 275; 2000 437; 2005 628; 2006 511; 2013 55, 56; 2015 539, 540; NStZ-RR 1999 275; 2005 39; bei Becker NStZ-RR 2002 259; bei Holtz MDR 1977 637; 1980 104; BGHR § 244 Abs. 4 Satz 1 Sachkunde 3, 8; OLG Hamm StraFo 2002 262, 263; KK/Krehl 57; Meyer-Goßner/Schmitt 73.

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5. Gerichtliche Verantwortung beim Sachverständigenbeweis. Auch wenn das 75 Gericht zur Beantwortung einer Fachfrage einen Sachverständigen beizieht, hat es über diese doch in alleiniger Verantwortung selbst zu befinden. Der Sachverständige kann ihm hierzu nur die erforderliche Sachkunde vermitteln; die Entscheidung darf er ihm nicht abnehmen.501 Das Gericht muss daher aufgrund seiner Aufklärungspflicht alles tun, damit es mit Hilfe des Sachverständigen die Beweisfrage zutreffend selbst beantworten kann. Dies kann bereits bei der Auswahl der Person des Sachverständigen, in der das Gericht an sich frei ist (§ 73 Abs. 1 Satz 1), Bedeutung erlangen. Ist der Sachverständige für die Begutachtung einer Person auf deren Mitwirkung angewiesen (Schuldfähigkeit des Angeklagten; Glaubhaftigkeit der Aussage eines Zeugen etc.), kann es die Aufklärungspflicht verletzen, wenn das Gericht einen Sachverständigen bestellt, bei dem diese jede Mitwirkung verweigert,502 wenn sie bei einem anderen, gleich qualifizierten Sachverständigen dazu bereit ist. Allerdings muss hierbei beachtet werden, dass nicht auf diesem Wege das Bestimmungsrecht des Gerichts nach § 73 Abs. 1 Satz 1 ausgehöhlt und die Ablehnungsbefugnisse der Verfahrensbeteiligten gemäß § 74 faktisch erweitert werden dürfen (s. auch Rn. 337). Weiter muss das Gericht in dem erforderlichen Umfang seine Befugnis zur Überwachung und Anleitung des Sachverständigen (§ 78; s. näher die dortigen Erl.) wahrnehmen.503 Hierzu ist es insbesondere erforderlich, dass der Sachverständige von allen vom Gericht festgestellten Anknüpfungstatsachen Kenntnis erhält, damit er sich mit diesen auseinandersetzen kann.504 Das Gericht verstößt auch dann gegen seine Aufklärungspflicht, wenn es das erstattete Gutachten ohne weiteres als richtig hinnimmt und eventuellen Mängeln nicht nachgeht.505 Es muss daher prüfen, ob der Sachverständige die für den konkreten Fall notwendige Sachkunde besitzt und ob gegen seine Zuverlässigkeit Bedenken bestehen.506 Die Gründe für einen Meinungswechsel des Sachverständigen muss es aufklären, ebenso Widersprüche innerhalb des Gutachtens oder zu einem früheren Gutachten.507 Hat das Gericht – etwa aufgrund eigenen Studiums entsprechender Fachliteratur – Bedenken gegen die Beurteilung des Sachverständigen, muss sie diese mit ihm erörtern.508 Die Arbeitsunterlagen des Sachverständigen, beispielsweise über durchgeführte Tests oder Explorationen, hat es sich offenlegen zu lassen, soweit dies notwendig ist, um sich ein Bild von dessen Untersuchungsmethoden machen und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen auf ihre Stimmigkeit überprüfen zu können.509 6. Zuziehung eines weiteren Sachverständigen. Ob sich das Gericht mit dem oder 76 den zugezogenen Sachverständigen begnügen darf, hängt von den Umständen des je-

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501 S. nur BGHSt 7 238, 239; 8 113, 118; Bockelmann GA 1955 325; Deckers FS Schlothauer 278; SK/Frister 33; unter rechtstatsächlichen Aspekten relativierend Rosenau/Lorenz FS Kreuzer II 405 f. m.w.N. 502 BGH bei Cierniak/Zimmermann NStZ-RR 2011 100 Nr. 15; KG StV 1997 65 m. abl. Anm. Eisenberg/Düring StV 1997 456; s. auch Wasserburg FS Paeffgen 689 ff.; zum Problemkreis auch Beckert 20 ff.; Rosenau/Lorenz FS Kreuzer II 408 ff. 503 BGHSt 49 347, 352. 504 BGH StV 1984 231; 1986 138; 1990 113; 1990 114; NStZ 1985 421; 1995 201; 2007 418, 419; OLG Zweibrücken NStZ-RR 2000 47. 505 Vgl. OLG Braunschweig StV 2000 546 f.; NStZ 2008 652: anthropologisches Gutachten zur Identitätsfeststellung. 506 BGHSt 7 239; 8 118; 10 118; 20 166; BGH NStZ 2000 437; BayObLGSt 1972 96. 507 BGHSt 8 113, 116; BGH NStZ 1990 244 f.; 1991 448; 2005 161; 2005 683, 684; 2016 432, 433; vgl. BGH NStZ 2013 98, 99 (auch zu den Anforderungen einer entsprechenden Verfahrensrüge); bei Holtz MDR 1978 109; Eisenberg (Beweisrecht) 260; ferner Rn. 331, 335. 508 BGH NJW 1984 1408; StV 1993 234. 509 BGH StV 1989 141; 1995 565; vgl. Hartmann/Riebach StV 1990 425.

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weiligen Falles ab.510 Ein Rechtssatz, dass bei besonders schwierigen Beweisfragen oder Beweiskonstellationen grundsätzlich ein zweiter Gutachter beigezogen werden müsste, besteht nicht.511 Jedoch kann es in derartigen Situationen die Aufklärungspflicht je nach den Umständen gebieten, einen weiteren Sachverständigen anzuhören, selbst wenn ein entsprechender Beweisantrag gemäß § 244 Abs. 4 Satz 2 zurückgewiesen werden könnte.512 Hat das Gericht von vornherein zwei Gutachter bestellt, von denen einer jedoch erfolgreich wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wird, so ist ein weiterer Sachverständiger beizuziehen, wenn nur so die zu klärende Beweisfrage hinreichend sicher beantwortet werden kann.513 Beurteilen mehrere vom Gericht zugezogene Sachverständige die Beweisfrage widersprüchlich, so muss das Gericht ebenfalls ein weiteres Gutachten einholen, es sei denn, es hat aufgrund der erstatteten Gutachten die notwendige eigene Sachkenntnis erlangt, um die Frage nunmehr eigenständig entscheiden zu können.514 Es darf insbesondere nicht das dem Angeklagten günstigere Gutachten zugrunde legen, ohne sich zuvor um weitere Aufklärung zu bemühen;515 erst wenn diese scheitert, darf auf den Zweifelssatz zurückgegriffen werden.516 Ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht liegt aber auch dann vor, wenn das Gericht einem der beiden Sachverständigen folgt, dieser aber sein Gutachten auf unzureichender Tatsachengrundlage erstattet hat, während der zweite vom Gericht zugezogene Sachverständiger erklärt hatte, auf der bisherigen Grundlage noch kein Gutachten abgeben zu können, und den Weg gewiesen hatte, diese Grundlage zu vervollständigen.517 Vor allem aber ist ein weiterer Sachverständiger in der Regel dann zu bestellen, 77 wenn das erstattete Gutachten erkennbar Mängel aufweist (vgl. Rn. 75, 335) und der bisherige Sachverständige nicht in der Lage oder willens ist, diese auf Nachfrage des Gerichts zu beheben.518 Dies ist etwa der Fall, wenn das erstattete Gutachten die mangelnde Sachkunde oder Zuverlässigkeit des Sachverständigen erkennen lässt,519 wenn er unausgereifte oder nicht überprüfbare Methoden anwendet oder solche, welche aus sonstigen Gründen wissenschaftlich oder in der Rechtsprechung nicht anerkannt sind,520 wenn er sich weigert, seine Arbeitsunterlagen oder Methoden offenzulegen,521 wenn er seine Meinung wechselt, ohne dies nachvollziehbar erklären zu können, und damit zeigt, dass er

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510 OLG Koblenz VRS 36 (1969) 17; OLG Oldenburg VRS 46 (1974) 200; vgl. näher auch Rn. 324 ff. m.w.N. 511 BGHSt 3 169, 174 f.; 23 176, 187. 512 BGHSt 10 116, 119; 23 8, 11 f.; 23 176, 187 ff.; BGH NJW 1978 113, 114; StV 1986 376; 1991 456, 457; NStZ-RR 1997 42; OLG Celle NJW 1974 616; OLG Düsseldorf StV 1986 376, 377; Wasserburg StV 1989 333; Meyer-Goßner/Schmitt 77; ferner für den von der Verteidigung geladenen (zweiten psychiatrischen) Sachverständigen Detter FS Meyer-Goßner 441 ff.; s. aber auch SK/Frister 208 sowie Alsberg/Güntge 1389: keine Frage der Aufklärungspflicht, vielmehr konnte das Erstgutachten dem Gericht noch nicht die erforderliche Sachkunde vermitteln; vgl. ferner Rn. 58, 83. 513 BGH StV 1985 397. 514 Vgl. RG JW 1931 2576 m. Anm. Radbruch; HRR 1939 603; BGH bei Dallinger MDR 1970 732; bei Holtz MDR 1977 820; BGH MDR 1980 662; StV 1989 331, 332; zu den Begründungsanforderungen im Urteil s. Rn. 73 f. 515 BGH StV 1997 62. 516 Vgl. BGH NStZ 2006 48, 49 f.; SK/Frister 33. 517 RGSt 71 336. 518 BGH bei Dallinger MDR 1952 274; Kohlhaas JZ 1949 874; v. Winterfeld NJW 1951 781. 519 BGHSt 23 8, 15; 34 355, 357; BGH NStZ 1984 278, 279; 1997 199; 2000 437; StV 1996 4; BGHR § 244 Abs. 2 Sachverständiger 3. 520 BGH NJW 1978 1207; NStZ 1985 515, 516; 1993 395, 396; 1999 630, 631; NStZ-RR 1997 304; StV 1989 141; 1989 335 m. Anm. Schlothauer; s. auch Rn. 330. 521 BGH NStZ 1999 630, 631; s. Rn. 75 m.w.N.

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in seiner Beurteilung unsicher ist522 oder wenn die Begutachtung zu lange zurückliegt.523 Will das Gericht wegen eines derartigen Mangels von dem Ergebnis des Gutachtens abweichen, so ist das ohne Bestellung eines weiteren Sachverständigen wiederum nur dann möglich, wenn es aus dem mangelhaften Gutachten ausnahmsweise die erforderliche Sachkunde erwerben konnte, um die Beweisfrage selbständig zu entscheiden und seine Entscheidung im Urteil sachkundig zu begründen (s. Rn. 74, 326). IX. Aufklärungspflicht und Schuldfähigkeitsbegutachtung 1. Zuziehung eines Sachverständigen. Es existiert kein Rechtssatz des Inhalts, 78 dass bei bestimmten Deliktstypen – sei es etwa bei Kapitaldelikten, sei es bei sonstigen Gewalt-, bei Brandstiftungs- oder Sexualdelikten – grundsätzlich ein Sachverständiger zu beauftragen ist, ein Gutachten zur Schuldfähigkeit des Angeklagten zu erstatten.524 Vielmehr hängt es vom Einzelfall ab, ob das Gericht zur Beurteilung der Frage, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten im Tatzeitpunkt aufgehoben oder eingeschränkt war (§§ 20, 21 StGB), einen Sachverständigen zuziehen muss. Fehlen hierfür Anzeichen, so kann es dies im Normalfall auf Grund seiner Kenntnis der Lebensgeschichte des Angeklagten und seiner Beobachtungen in der Hauptverhandlung selbst beurteilen.525 Einen Antrag, einen Sachverständigen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten im Tatzeitpunkt zu vernehmen, kann das Gericht daher unter Hinweis auf seine eigene Sachkunde kaum ablehnen, wenn der Angeklagte zur Hauptverhandlung nicht erschienen ist und ihn das Gericht nicht kennt.526 Liegen Anhaltspunkte vor, die geeignet sind, Zweifel an der vollen Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Tatausführung zu wecken, etwa ein Widerspruch zwischen Tat und Täterpersönlichkeit, die Lebensgeschichte des Angeklagten, die Begleitumstände der Tatbestandsverwirklichung oder ein vor dem Hintergrund der sonstigen Lebensführung des Angeklagten völlig unübliches Verhalten, so ist die Anhörung eines Sachverständigen in aller Regel geboten; denn derartige Zweifel rufen im Allgemeinen Beweisfragen hervor, zu deren zuverlässiger Beantwortung oft nicht einmal eine allgemeine ärztliche Ausbildung und Betätigung ausreicht, sondern nur die intensive Arbeit innerhalb eines besonderen Fachgebiets befähigt.527 Dies gilt auch für die Frage,

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522 RG HRR 1940 Nr. 203; BGHSt 8 113, 116; 23 8, 12; BGH NStZ 1995 175; 1999 630, 631; OLG Celle NJW 1974 616; s. auch Rn. 331. 523 OLG Karlsruhe Justiz 1981 404. 524 BGH StV 2008 618 m. grds. zust. Anm. Erb; SK/Frister 39; Alsberg/Güntge 1346; Beckert 64. Zwei Entscheidungen des 5. Strafsenats des BGH könnten zwar dahin verstanden werden, dass bei nicht geplanten Kapitaldelikten die Schuldfähigkeitsbegutachtung der normative Regelfall, ein Absehen hiervon nur ausnahmsweise – unter dort nicht näher definierten Voraussetzungen – zulässig sei (BGH NStZ 2008 644; BGHR StGB § 21 Sachverständiger 13). Der 5. Strafsenat hat jedoch klargestellt, dass die (Kern)Aussage in den Entscheidungen in einem empirischen Sinne gemeint sei: Bei nicht geplanten Kapitaldelikten sei nach forensischer Erfahrung „in der Mehrzahl der Fälle“ damit zu rechnen, dass – nach den konkreten Umständen – die Aufklärungspflicht die Schuldfähigkeitsbegutachtung gebiete: vgl. BGHR § 244 Abs. 2 Sachverständiger 21. 525 RG JW 1931 1494 m. Anm. Alsberg; 1932 3356 m. Anm. Mannheim; HRR 1940 Nr. 1369; BGH VRS 39 (1970) 101; NStZ 1989 190, 191; StV 1982 54; OLG Hamm NJW 1968 1199; KG VRS 67 (1984) 258; OLG Köln JR 1952 233; Alsberg/Güntge 1346; Mösl DRiZ 1970 111; Sarstedt FS Schmidt-Leichner 173; AK/Schöch 127; KK/Krehl 47; Meyer-Goßner/Schmitt 74b. 526 RG JW 1931 1493 m. Anm. Alsberg; Alsberg/Güntge 1345. 527 RG JW 1932 3356 m. Anm. Mannheim; HRR 1939 Nr. 1448; 1941 Nr. 750; BGH NJW 1964 2213; 1989 2958; VRS 34 (1968) 273; StV 1982 54; 1994 14; 1994 634; 1996 4; NStZ 1989 190, 191; 1990 384; 1993 332; 1997 296; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 357; 1985 14; bei Miebach NStZ 1990 27; BGH NStZ-RR 2003 19; 2007 83; bei Cierniak NStZ-RR 2009 5; bei Spiegel DAR 1978 158; BGHR StGB § 20 seelische Abartigkeit 1; Ursachen mehrere 3; § 21 Alkoholauswirkungen 6; Blutalkoholkonzentration 32; BtM-Auswirkungen 9;

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ob bei krankhafter Störung der Geistestätigkeit die Schuldfähigkeit zwar für eine von mehreren Straftaten vermindert, für andere aber ausgeschlossen war.528 Ergibt sich aus einem bei den Akten befindlichen Strafregisterauszug, dass der Angeklagte in einem früheren Verfahren für vermindert schuldfähig erachtet wurde, kann die Aufklärungspflicht dem Gericht gebieten, der Frage der Schuldfähigkeit auch für die nunmehr abzuurteilende Tat nachzugehen.529 Gleiches gilt, wenn der Angeklagte in nervenärztlicher Behandlung stand oder steht530 oder im Ermittlungsverfahren darauf hingewiesen hat, dass er an Schizophrenie leide und Medikamente benötige.531 Um die Schuldfähigkeit eines Epileptikers zu beurteilen, bedarf das Gericht regelmä79 ßig des Gutachtens eines Sachverständigen,532 desgleichen wenn der Angeklagte psychische Auffälligkeiten zeigt oder geistig zurückgeblieben ist.533 Hat der Angeklagte eine Hirnschädigung erlitten, so muss zur Beurteilung seiner Schuldfähigkeit in aller Regel ein Arzt mit Spezialkenntnissen auf dem Gebiet der Hirnverletzungen als Sachverständiger gehört werden,534 es sei denn die Verletzung liegt lange Zeit zurück und es fehlen jede Anzeichen, dass sie zu einer dauerhaften Schädigung geführt haben könnte.535 Der altersbedingte psychische Abbau, der sich nicht notwendig im äußeren Erscheinungsbild oder in Intelligenzausfällen zeigt, kann die Anhörung eines Sachverständigen zur Schuldfähigkeit fordern, vor allem wenn die Tatausführung auffällige Eigenheiten zeigt oder die Tat mit der bisherigen Lebensführung unvereinbar erscheint.536 Gleiches kann, je nach den Umständen, bei wiederholten Sittlichkeitsdelikten537 oder Triebanomalien538 oder bei einer erstmals nach dem Klimakterium auftretenden Kriminalität539 gelten, ferner, wenn die Schuldfähigkeit durch Affektzustände beeinträchtigt sein kann,540 wenn der Ange-

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Sachmangel 2; seelische Abartigkeit 25; OLG Düsseldorf StV 1984 236; OLG Frankfurt GA 1970 286; OLG Köln MDR 1975 858; OLG Oldenburg StV 2004 477; OLG Schleswig SchlHA 1975 190; Detter NStZ 1998 58; Alsberg/Güntge 1345, 1348; Schmitt FS Geerds 541; AK/Schöch 126; KK/Krehl 47; Meyer-Goßner/Schmitt 74b. 528 RG HRR 1939 Nr. 1448. 529 OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1972 160; SK/Frister 39. 530 BGH NJW 1964 2213; VRS 8 (1955) 276; 34 (1968) 274; StV 1982 54. 531 BGH StV 2011 647, 648 m. Anm. Schlothauer. 532 RG JW 1932 3358; HRR 1941 Nr. 750; BGH StV 1982 55; 1986 285; 1992 503; OLG Hamm NJW 1970 907; Eisenberg (Beweisrecht) 1730 ff.; vgl. BGH NStZ-RR 2010 105; s. aber auch BGH Beschl. v. 5.5.1999 – 3 StR 67/99. 533 RG JW 1938 1019; BGH NJW 1967 299; VRS 30 (1966) 340; OLG Koblenz MDR 1980 1043; Eisenberg (Beweisrecht) 1766 ff.; KK/Krehl 47. 534 BGH NJW 1952 633; 1969 1578; 1993 1540; JR 1969 426; StV 1981 602; 1984 142; 1988 46; 1990 98; 1991 244; 1994 634; 1996 4; NStZ 1991 80; wistra 1994 24; VRS 37 (1969) 437; bei Pfeiffer/Miebach 1983 210; 1983 356; 1987 16; bei Miebach 1990 27; 1990 227; bei Miebach/Kusch 1991 120; bei Becker NStZ-RR 2002 69; bei Martin DAR 1971 122; bei Dallinger MDR 1952 274; bei Holtz MDR 1981 982; vgl. Eisenberg (Beweisrecht) 1727. 535 BGH bei Miebach/Kusch NStZ 1991 229; bei Kusch NStZ 1992 225; OLG Frankfurt NStZ-RR 1997 366. 536 RG HRR 1939 Nr. 56; BGH NJW 1964 2213; VRS 34 (1968) 274; NStZ 1983 34; 1991 80, 81; StV 1989 102; 1991 244; 1993 186; 1994 14; 2008 245; bei Miebach NStZ 1989 219; bei Becker NStZ-RR 2002 258; Eisenberg (Beweisrecht) 1723; Trück NStZ 2007 380. 537 BGH StV 1984 105; OLG Köln NJW 1966 1183; Eisenberg (Beweisrecht) 1778 ff. 538 BGH NJW 1982 2009; 1989 2958; StV 1984 507; NStZ 1989 190, 191; 1994 75; JR 1990 119 m. Anm. Blau; BGHR StGB § 21 Sachverständiger 7. 539 BGH bei Dallinger MDR 1953 401; OLG Bremen NJW 1959 833; anders bei einer mehrfach vorbestraften Frau: OLG Hamm NJW 1971 1954. 540 Vgl. BGHSt 11 20, 23; 33 143; 35 143; BGH NJW 1959 2315 m. Anm. Bresser (Kurzschlusshandlung); NStZ 1984 259; 1993 33; StV 1987 434; 1988 57, 58; 1989 335 m. Anm. Schlothauer; 1990 493; 1997 296 (Erinnerungslücke bei affektbedingtem Tatgeschehen); BGHR § 244 Abs. 4 Satz 1 Sachkunde 1; BGHR StGB § 21 Affekt 7, 8, 9; ferner etwa OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1975 190; OLG Zweibrücken VRS 61 (1981) 434; Eisenberg (Beweisrecht) 1760 ff.; Salger FS Tröndle 208.

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klagte seelische Abartigkeiten zeigt541 oder wenn in seiner bisherigen Lebensführung oder in der seiner Angehörigen besondere Auffälligkeiten, etwa mehrere Selbstmordversuche, aufgetreten sind.542 Auch ob bei einem Drogenabhängigen543 oder Trunksüchtigen544 die Schuldfähig- 80 keit aufgehoben oder vermindert ist, wird je nach Lage des Falles unter Würdigung aller sonstigen Umstände nur nach Anhörung eines Sachverständigen entschieden werden können. Vor allem wenn psychische, physische oder soziale Auffälligkeiten gegenüber der früheren Lebensführung vor oder bei der Tat ersichtlich werden oder sonst eine Veränderung der Persönlichkeit naheliegt, bedarf es einer sachkundigen Begutachtung. Gleiches gilt, wenn die Tat im Zustand der Trunkenheit oder sonst in einem Rauschzustand begangen wurde.545 Zur Beurteilung der Alkoholwirkung im Übrigen vgl. Rn. 93. 2. Unterbringung zur Beobachtung. Sieht sich ein Sachverständiger in der Lage, 81 die Schuldfähigkeit des Angeklagten zu beurteilen, ohne dass dieser zur Beobachtung in ein Krankenhaus eingewiesen wird, so braucht sich dem Gericht regelmäßig nicht aufzudrängen, dass es eine solche Einweisung gleichwohl anordnen müsste.546 Sprechen aber Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht ausreichen könnte, erfordert die Aufklärungspflicht, dass das Gericht die Beobachtung nach § 81 anordnet.547 Kommt eine Unterbringung des Angeklagten nach §§ 63, 64 oder 66 StGB in Betracht, kann das Gericht verpflichtet sein, über die Mindestanforderungen des § 246a Abs. 1 und 3 hinauszugehen, um für diese wichtige Entscheidung eine ausreichende Grundlage zu haben. Eine eingehende Untersuchung, auch in Verbindung mit einer Unterbringung zur Beobachtung, oder die Zuziehung eines weiteren Gutachters können dann geboten sein.548

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541 Vgl. etwa BGHSt 34 22, 24; 37 397, 401; BGH NJW 1989 918; NStZ 1990 400; 1991 330; 1991 383; 1992 380; NStZ-RR 1998 106; 2009 115; bei Cierniak NStZ-RR 2009 5; BGH StV 1991 511; BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 7, 19, 20, 25, 27, 28, 34 bis 37; Eisenberg (Beweisrecht) 1786 ff.; zu den Voraussetzungen, unter denen bei einer Spielleidenschaft oder Spielsucht des Angeklagten ein Sachverständiger zuzuziehen ist s. BGH NStZ 1994 501; OLG Hamm NStZ-RR 1998 241; allg. zu dieser Problematik vgl. etwa auch BGHSt 49 365 = NStZ 2005 207 m. Anm. Bottke S. 327 = JZ 2005 416 m. Anm. Schramm = JR 2005 294 m. Anm. Schöch; BGHSt 58 192, 194 f.; BGH NJW 2013 181 f.; JR 1989 379 m. Anm. Kröber; 2014 307 m. Anm. Petzsche; NStZ 2004 31; 2005 281; Kellermann StV 2005 287; zu „Kaufsucht“ OLG Düsseldorf StraFo 2006 331. 542 BGH MDR 1977 105; bei Holtz MDR 1979 105; Alsberg/Güntge 1349. 543 BGH StV 1983 414; 1984 61 m. abl. Anm. Glatzel; 1988 198 m. Anm. Kamischke; 1989 103; 1992 218; 1994 634; bei Holtz MDR 1977 106; 1977 982; 1978 109; 1980 104; BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 7, 9, 11, 12; OLG Düsseldorf StV 1984 236; OLG Köln MDR 1976 1801; 1981 698; NStZ 1981 438; Detter NStZ 1998 58; Eisenberg (Beweisrecht) 1725 f., 1747 ff.; Glatzel StV 1994 46; Alsberg/Güntge 1349; Schmidt MDR 1978 7; Theune NStZ 1997 57. 544 BGH VRS 28 (1965) 190; 61 (1981) 261; GA 1977 275; NStZ 1990 384; StV 1994 634; BGH bei Holtz MDR 1977 107; OLG Celle BA 1990 239 f.; OLG Düsseldorf VRS 63 (1982) 345; OLG Karlsruhe bei Janiszewski NStZ 1994 276; OLG Koblenz VRS 43 (1971) 423; 45 (1973) 175; 47 (1974) 340; 52 (1977) 82; 67 (1984) 115; Eisenberg (Beweisrecht) 1724 ff.; Gerchow/Heifer/Schewe/Schwerd/Zink Blutalkohol 1985 77; SK/Frister 39. 545 Vgl. BGHSt 40 198 = JR 1995 115 m. Anm. Blau (pathologischer Rausch); 43 66: kein gesicherter Erfahrungssatz, dass Steuerungsfähigkeit ab einem bestimmten Grenzwert in aller Regel erheblich vermindert ist (Aufgabe von BGHSt 37 231); BGH NJW 1989 2336; StV 1991 18; 1995 58; 1997 460; JR 1987 206 m. Anm. Blau; BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 11, 12; OLG Hamm NStZ-RR 2014 85 Ls. (erhebliche BAK nebst möglichem Medikamenteneinfluss und psychischen Auffälligkeiten); s. auch Eisenberg (Beweisrecht) 1747 ff.; ferner Gutachten von Gerchow/Heifer/Schewe/Schwerd/Zink Blutalkohol 1985 71; Alsberg/Güntge 1347. 546 OLG Koblenz VRS 48 (1975) 182; vgl. bei § 81. 547 Vgl. BGH StV 1997 468; zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in derartigen Fällen s. OLG Nürnberg StV 2010 510. 548 Vgl. BGHSt 18 374; BGH NJW 1986 2299; MDR 1954 310; StV 1997 468 und bei § 246a, 5, 26.

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3. Fachrichtung des Sachverständigen. Sieht sich das Gericht vor die Frage gestellt, ob krankhafte Zustände die Schuldfähigkeit des Angeklagten beeinflusst haben, so wird es in der Regel einen Psychiater zuziehen müssen; denn die sichere Beurteilung dieser Frage setzt Fachkenntnisse voraus, die ein Psychologe nicht immer besitzt.549 Bei einer nicht krankhaften psychischen Abartigkeit des Angeklagten steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts,550 ob es einen Psychiater oder Psychologen zuziehen will. In der Regel ist es nicht geboten, neben einem Psychiater auch einen Psychologen beizuziehen;551 denn die Aufklärungspflicht ist im Normalfall nicht verletzt, wenn sich das Gericht mit einem Gutachter genügend breiter Kompetenz begnügt. Deshalb ist es im Allgemeinen auch ausreichend, wenn das Gericht zu den Auswirkungen eines neurologischen Befundes auf die Schuldfähigkeit nur einen Psychiater hört, ohne zusätzlich einen Neurologen zuzuziehen.552 Es muss bei der Auswahl aber stets die Besonderheiten des jeweiligen Sachverhalts und die Grenzen der Sachkunde des jeweiligen Gutachters berücksichtigen.

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4. Bestellung mehrerer Sachverständiger; Prüfpflichten des Gerichts. In besonders gelagerten Fällen wird sich daher die Frage der Schuldfähigkeit nur durch die Heranziehung eines weiteren Sachverständigen klären lassen. Es gelten insoweit die allgemeinen Grundsätze zur Notwendigkeit der Bestellung weiterer Gutachter (s. Rn. 76 f.), etwa bei schwieriger Beweislage, in den Fällen, in denen das Gericht dem zunächst gehörten Sachverständigen nicht folgen will, oder bei mangelhaftem Erstgutachten. Danach kann beispielsweise eine außergewöhnliche Triebanomalie das Gericht nötigen, weitere Sachverständige mit Spezialkenntnissen auf dem Gebiet der Sexualforschung und der krankhaften Verirrung des Trieblebens zuzuziehen, auch wenn ein dahingehender Antrag nach Absatz 4 abgelehnt werden könnte.553 Ebenso verletzt das Gericht seine Aufklärungspflicht etwa dann, wenn es einen Psychiater als Sachverständigen hört, der in seinem Gutachten von einer von ihm als unrichtig abgelehnten psychologischen Lehrmeinung berichtet, und es gerade dieser vom Sachverständigen abgelehnten Lehrmeinung folgen will, ohne einen psychologischen Sachverständigen zu hören.554 Psychiatrische Gutachten, auf deren Grundlage das Gericht über die Schuldfähigkeit des Angeklagten und dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ent-

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549 BGH StV 1996 5; ferner BGH NStZ 1997 199; kritisch zu dem von der Rechtsprechung verwendeten Krankheitsbegriff und differenzierend im Hinblick auf die Qualifikation Psychologischer Psychotherapeuten: Kruse NJW 2014 511 ff. (Zuziehung von Psychiatern nur bei exogenen Psychosen in der Regel erforderlich); s. auch SK/Frister 40. 550 BGHSt 34 355, 357 = NStZ 1988 85 m. Anm. Meyer; BGH NJW 1959 2315, 2316; 1998 2753, 2754; StV 1984 495; 1989 102; NStZ 1990 400, 401; Eisenberg (Beweisrecht) 1534; AK/Schöch 39; KK/Krehl 48; vgl. auch bei § 73. 551 Im Schrifttum gehen die Meinungen auseinander; dazu etwa Bauer/Thoss NJW 1983 305; BeckerToussaint Psychoanalyse und Justiz (1984) 41; Bresser NJW 1958 248; 1959 2315; Diesing Kriminologie und Strafverfahren (1976) 123; Geller NJW 1966 1851; Glatzel StV 1982 40; Goldschmidt Psychoanalyse und Justiz (1984) 25; Hetzer Wahrheitsfindung im Strafprozeß (1982); Kruse NJW 2014 511 ff.; Kullmann FS Salger 653; Maisch StV 1985 519; ders. NStZ 1992 257; Maisch/Schorsch StV 1983 32; Lange NJW 1980 2729; Rasch NStZ 1992 257; ders. FS Schüler-Springorum 564; Rauch NStZ 1984 497; Redelsberger NJW 1965 1990; Rode/Legnaro StV 1995 496; Schmitt FS Geerds 550; Scholz/Endres NStZ 1995 6; Täschner NStZ 1994 221; Undeutsch FS Lange 703; Venzlaff NStZ 1983 199; ders. Justiz und Recht (1983) 277; Verrel ZStW 106 (1994) 332; Witter MSchrKrim. 1983 253; Wolff NStZ 1983 537; vgl. ferner bei § 73 und die Nachweise in den Kommentaren zu § 20 StGB. 552 BGH NStZ 1991 80; vgl. auch BGH bei Kusch NStZ 1992 255 (Psychiater statt Sexualwissenschaftler). 553 BGHSt 10 116; 23 176; OLG Hamm JMBlNW 1964 117; OLG Karlsruhe MDR 1972 800; Justiz 1974 94; s. die w.N. bei § 73. 554 BGH NJW 1959 2315 m. Anm. Bresser; ferner etwa Fischer NStZ 1994 1 und bei § 261.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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scheiden soll, müssen in formaler und inhaltlicher Hinsicht bestimmten Mindestanforderungen genügen. Hierzu hat der BGH einige Leitlinien entwickelt und die Verpflichtung der Tatgerichte betont, derartige Gutachten kritisch anhand dieser Maßstäbe zu überprüfen, insbesondere auch dann, wenn ein Verfahrensbeteiligter ein methodenkritisches Gegengutachten vorlegt.555 Dies darf indessen nicht dahin missverstanden werden, dass ein verbindlicher Kriterienkatalog bestehe, der von jedem psychiatrischen Sachverständigen bei jeder Begutachtung zwingend eingehalten werden müsste mit der Folge, dass das Gericht stets verpflichtet wäre, einen weiteren Sachverständigen beizuziehen, wenn das erstattete Gutachten in dem einen oder anderen Punkt von diesem Katalog abweicht. Eine allgemein verbindliche formale und inhaltliche Methodik hat sich in der forensischen Psychiatrie nicht entwickelt; auch hier können wissenschaftlich fundierte Ergebnisse durchaus auf der Grundlage unterschiedlicher methodischer Ansätze gewonnen werden. Es kann daher immer nur darum gehen, die Einhaltung von Mindeststandards zu gewährleisten, ohne deren Beachtung wissenschaftlich fundierte Begutachtung nicht möglich ist. Auch insoweit dürfen die jeweiligen besonderen Umstände des Einzelfalles nicht außer Betracht gelassen werden. X. Aufklärungspflicht und Glaubhaftigkeitsbegutachtung von Zeugenaussagen 1. Zuziehung eines Sachverständigen. Die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der 84 Aussage eines Zeugen ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, dem diese ureigenste richterliche Aufgabe, die Menschenkenntnis und Lebenserfahrung erfordert, von niemandem abgenommen werden kann.556 Er muss sich hierüber nach Aufklärung aller für oder gegen die Richtigkeit der Aussage sprechenden Anhaltspunkte selbst schlüssig werden.557 Bei einem erwachsenen Zeugen bedarf er dazu – soweit nicht besondere Umstände in der Person des Zeugen vorliegen558 – nicht der Hilfe eines Sachverständigen.559 Dies gilt auch, wenn der Zeuge bei dem verfahrensgegenständlichen Unfall eine leichte Gehirnerschütterung erlitten hat, sein Erinnerungsvermögen dadurch aber nicht getrübt ist;560 anders bei Verdacht einer retrograden Amnesie oder sonstigen An-

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555 BGHSt 49 205 = JR 2005 213 m. Anm. Nedopil; vgl. auch Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß NStZ 2005 57; krit. Eisenberg NStZ 2005 304 ff.; zu Mindestanforderungen an Prognosegutachten vgl. Boetticher/Kröber/Müller-Isberner/Böhm/Müller-Metz/Wolf NStZ 2006 537; krit. hierzu Bock StV 2007 269 ff.; zur Kritik von Eisenberg und Bock s. wiederum Schöch FS Widmaier 967 ff. 556 Zur Abgrenzung zwischen der allein dem Tatrichter obliegenden Würdigung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen und dem sachverständigen Aufzeigen von Beurteilungskriterien für diese Würdigung: Erb FS Stöckel 184 ff.; Fischer NStZ 1994 5; ders. FS Widmaier 201 f, 221; Köhnken FS Ostendorf 519 ff.; s. auch Radtke/Hohmann/Kelnhofer 58. 557 Vgl. etwa BGH NStZ 1985 420; 2015 49 (die Glaubhaftigkeit der Angaben des psychisch beeinträchtigten Zeugen wird durch andere Beweismittel gestützt); StV 1990 98; 1990 291; 1990 340; 1991 405; 1992 450; 1995 5; mit Recht kritisch zu der ausufernden Praxis, Glaubhaftigkeitsgutachten einzuholen oder zu verlangen Fischer FS Widmaier 191 ff.; KK/Krehl 53 ff.; SSW/Sättele 65; s. auch die Überlegungen zur Rechtfertigung des regelmäßigen Absehens von der Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens bei Erb FS Stöckel 187 ff. 558 S. etwa die Zusammenstellung bei Schmuck/Steinbach StraFo 2010 17 ff. 559 BGHSt 3 52, 53; 8 130, 131; 23 8, 12; BGH NJW 1961 1636; NStZ 1981 400; 1982 42; 1982 432; 1985 229 f.; 1985 420; 1992 450; 1995 558; 2000 214; 2005 394; 2010 100, 101; 2013 672; NStZ-RR 1997 106; bei Kusch NStZ-RR 2001 132; BGH StV 1981 113; 1982 205 m. Anm. Schlothauer; 1985 398; 1987 374 m. Anm. Peters; 1990 8; 1993 567; 1994 173; 2001 105; JR 1990 52; OLG Hamm NJW 1969 2297; 1970 907; OLG Koblenz VRS 46 (1974) 31; 50 (1976) 296; OLG Saarbrücken VRS 49 (1975) 376; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1975 190; Alsberg/Güntge 1339; Meyer-Goßner StraFo 1990 95 f.; s. demgegenüber Deckers FS Schlothauer 275; Fischer FS Widmaier 208 ff. 560 OLG Saarbrücken VRS 46 (1974) 46.

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zeichen für ein eingeschränktes Erinnerungsvermögen.561 Ebenso muss ein Sachverständiger nicht allein deswegen zugezogen werden, weil der Zeuge an dem TouretteSyndrom in der Ausprägung lediglich einfacher motorischer Tics leidet.562 Wo die Beurteilung der Glaubhaftigkeit einer Aussage wegen der Person des Zeugen indes besonders schwierig ist, kann es im Einzelfall angezeigt sein, einen Sachverständigen zu Rate zu ziehen, etwa bei möglicherweise geistig erkrankten oder behinderten,563 in psychiatrischer Behandlung befindlichen,564 wahrnehmungsgestörten oder sonst in ihrer Zeugentauglichkeit beeinträchtigten Personen, wie etwa Zeugen mit Epilepsie,565 Psychosen,566 Persönlichkeitsstörungen,567 Depressionen,568 psychosomatischen Störungen,569 bei Hysterikern570 oder bei sonstigen Auffälligkeiten in der Lebensführung.571 So kann beispielsweise eine hochgradige Medikamentenabhängigkeit,572 langjähriger Alkohol- oder Drogenmissbrauch573 oder Betäubungsmittelabhängigkeit schon in jugendlichem Alter574 Anlass zur Anhörung eines Sachverständigen geben, insbesondere auch, soweit deren Auswirkungen auf die Erinnerungsfähigkeit des Zeugen zu klären sind.575 Gleiches gilt, wenn die aktuellen Wirkungen genossenen Alkohols, konsumierter Betäubungsmittel oder eingenommener Medikamente auf die Erinnerungsfähigkeit in Rede stehen.576 Wenn eine im Klimakterium stehende Zeugin über geschlechtliche Erlebnisse aussagt, bedarf das Gericht dagegen regelmäßig nicht des Fachwissens eines Sachverständigen. Nur wenn besondere Umstände zu erhöhter Vorsicht bei der Bewertung der Aussagetüchtigkeit einer solchen Zeugin mahnen, kann ausnahmsweise etwas anderes gelten.577 Auch eine besonders schwierige Beweislage578 mit einer nicht anderweitig lösbaren Widersprüchlichkeit der Zeugenaussagen oder Besonderheiten in der Aussageentstehung579 können es notwendig machen, einen Sachverständigen zu hören, ebenso

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561 BGH StV 1994 634 (Schädel-Hirn-Trauma); StraFo 2013 26, 27 (markante Erinnerungslücken unklarer Genese); VRS 15 (1954) 432; OLG Köln VRS 6 (1958) 49; NJW 1967 313; OLGSt § 244 S. 33; OLG Stuttgart NStZ 2003 51 (schwere Schädelverletzung). 562 KG NStZ-RR 2013 349 Ls. 563 BGH StV 1981 113 (Schwachsinn); NStZ 1997 199; NStZ-RR 1997 171; 2006 242, 243 (organische Hirnschädigung); JR 1970 67 (frühkindliche Hirnschädigung) m. Anm. Peters; OLG Karlsruhe StraFo 2015 464 (Asperger-Syndrom); Köhnken FS Ostendorf 523. 564 BGH StV 1993 567; NStZ 2006 242, 243. 565 BGH StV 1991 245; 1992 503; OLG Hamm NJW 1970 907; zur Abgrenzung s. aber auch BGH NStZ 2005 394. 566 BGH StV 1990 8; BayObLG StV 1996 476. 567 BGH NStZ 2010 100, 101 (tatzeitnahe Selbstverletzungen und Suizidalität); NStZ-RR 2012 353, 354 (paranoide Persönlichkeitsstörung); StV 2013 483; Köhnken FS Ostendorf 523 f. 568 BGH StV 1986 466. 569 BGH StV 1993 567 (L-Magersucht); ferner BGH NStZ 1995 558; StV 1997 60. 570 RG HRR 1938 Nr. 1380. 571 BGH StV 1991 405 m. Anm. Blau. 572 BGH StV 1990 532. 573 BGH StV 1983 359; 1991 405 m. Anm. Blau; 2009 116 (langjährige Drogenabhängigkeit nebst akuter Intoxikation); vgl. BGH NStZ 2015 49 (Gehirnschwund nach langjährigem Alkoholabusus); s. aber auch BGH NStZ 1982 42. 574 Vgl. OLG München StV 2006 464, 465. 575 BGH StV 1990 289 m. Anm. Weider; Eisenberg (Beweisrecht) 1425; Glatzel StV 1994 46; Täschner NStZ 1993 322. 576 BGH NStZ-RR 2000 332; s. auch BGH NStZ 2010 51, 52 (zwar kein Glaubhaftigkeitsgutachten eingeholt, aber Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie zu den Auswirkungen der Alkoholisierung gehört); Köhnken FS Ostendorf 524. 577 BGHSt 8 130, 131; BGH bei Holtz MDR 1979 274; vgl. aber BGH bei Dallinger MDR 1953 401; OLG Bremen NJW 1959 833; KMR/Paulus 256. 578 BGH StV 1982 205 m. Anm. Schlothauer; vgl. auch SK/Frister 41. 579 BGH NStZ-RR 2006 242, 243.

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wenn nur ein einziger, in einer Ausnahmesituation betroffener Belastungszeuge vorhanden ist oder wenn ansonsten Aussage gegen Aussage steht und diese Beweissituation ausnahmsweise mit der gerichtlichen Sachkunde nicht mehr in die eine oder andere Richtung entschieden werden kann.580 Die genannten Maßstäbe gelten im Grundsatz auch für die Beurteilung der Glaub- 85 haftigkeit von Aussagen kindlicher oder jugendlicher Zeugen.581 Auch hier ist die Zuziehung eines Sachverständigen im Normalfall entbehrlich.582 Sie ist nur dann notwendig, wenn besondere Umstände, wie sehr geringes Alter,583 ungewöhnliches Erscheinungsbild oder Verhalten, unaufgeklärte Widersprüche oder sonstige Besonderheiten im Aussageverhalten,584 psychische Auffälligkeiten,585 geistige Schäden, Reifedefizite, Aussagen über lange zurückliegende Vorgänge,586 die Möglichkeit, dass reifungsbedingte Phantasien und Übertreibungen oder Gespräche mit Altersgenossen zu einem falschen Erinnerungsbild über geschlechtliche Erlebnisse geführt haben können,587 eventuelle sonstige bewusste oder unbewusste Beeinflussung durch Dritte588 oder die besondere Art des Aussagegegenstandes dazu drängen.589 Auch soweit die Glaubhaftigkeit der Aussage eines Kindes über geschlechtliche 86 Vorgänge zu beurteilen ist, gilt der Grundsatz, dass das Gutachten eines Sachverständigen nicht grundlos in Fällen eingeholt werden soll, in denen das Gericht auf Grund zu-

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580 BGHSt 3 27; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 16; bei Spiegel DAR 1977 176; 1978 155; ferner BGHSt 8 130; BGH NStZ 1985 420; 1992 450; s. dazu aber auch Erb FS Stöckel 191 ff, der allein bei dieser Beweislage die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens für zulässig und geboten hält, jedoch nur dann, wenn der Tatrichter ohne das Gutachten dem Belastungszeugen Glauben schenken würde. 581 Zur Problematik ausführlich etwa Kett-Straub ZStW 117 (2005) 354 m. zahlr. w.N. auch zum Schrifttum; vgl. auch Bockelmann GA 1955 327 ff. 582 RGSt 76 349; RG HRR 1939 Nr. 210; 1939 603; 1940 Nr. 207; 1942 Nr. 511, 514; BGHSt 3 27, 28; 3 52; 7 85; BGH NJW 1961 1636; NStZ 1981 400; 1982 42; 1985 420, 421; 1987 182; 1997 355; 1999 257; 2005 394; 2013 672; NStZ-RR 2018 71; bei Pfeiffer NStZ 1982 190; bei Becker NStZ 2007 515; bei Dallinger MDR 1952 274; bei Spiegel DAR 1980 209; OLG Düsseldorf JR 1994 374 m. Anm. Blau; OLG Hamm NJW 1969 2297; OLG Köln NJW 1966 1183; OLG Oldenburg HESt 3 36; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1969 152; Bockelmann GA 1955 327; Alsberg/Güntge 1340; Krauß ZStW 85 (1973) 327; Tröndle JZ 1969 375; AK/Schöch 41, 128; KMR/Paulus 258; Meyer-Goßner/Schmitt 74. 583 BGH bei Dallinger MDR 1952 274 (bis etwa sieben Jahre); OLG Zweibrücken StV 1995 293 (unter fünf Jahren); Arntzen DRiZ 1976 20; Eisenberg (Beweisrecht) 1861; Köhnken FS Ostendorf 521 f.; SK/Frister 42. 584 BGH StV 1991 547; 1995 115; 2004 241; NStZ 1999 472; 2001 105; OLG Brandenburg StV 1999 481. Allein fehlende Konstanz in „bestimmten Punkten“ erfordert die Anhörung eines Sachverständigen aber noch nicht: BGH NStZ-RR 2018 71. 585 S. aber auch BGH NStZ 2010 51, 52: unterlassene Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens trotz psychischer Auffälligkeiten der Tatzeugin und deren Alkoholisierung bei der von ihr behaupteten Tat nicht rechtsfehlerhaft, weil das Gericht zu den Auswirkungen des Alkohols einen Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie und zur Aussagetüchtigkeit der Zeugin die diese behandelnde Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie angehört hatte. 586 Erst spät offenbarter jahrelanger sexueller Missbrauch: BGH NStZ 1985 420, 421; bei Miebach NStZ 1990 228; BGH StV 1994 173; OLG Düsseldorf JR 1994 378, 379 m. Anm. Blau; s. aber auch BGH NStZ-RR 2018 71: Glaubhaftigkeitsgutachten nicht allein deswegen erforderlich, weil die vorgeworfenen Taten 19 bis 20 Jahre zurückliegen und die Zeugin damals erst vier bis fünf Jahre alt war. 587 BGHSt 2 163, 164 f.; 3 27; BGH NJW 1953 1559, 1560; 1961 1636; StV 1991 547; bei Dallinger MDR 1952 274; 1956 271; vgl. auch RGSt 76 349, 350; 77 198; BGHSt 21 62; OLG Düsseldorf JR 1994 379 m. Anm. Blau; Bockelmann GA 1955 327; Marmann GA 1953 140; kritisch Alsberg/Güntge 1342. 588 BGH NJW 1996 206; StV 1994 227; NStZ 2001 115; OLG Zweibrücken StV 1995 293; SK/Frister 42. 589 BGHSt 2 163, 165; 3 52, 54; 8 130, 131; 13 297; 23 8, 12; BGH NJW 1961 1636; NStZ 1981 400; 2001 105; NStZ-RR 1997 171; StV 1985 398; 1987 374 m. Anm. Peters; 1990 533; 1991 245; 1991 405 m. Anm. Blau; 1991 547; 1993 567; 1994 173; 1994 694; 1995 6, 7; 1997 60; 2002 637; 2004 241; JZ 1990 52; bei Miebach NStZ 1990 228; OLG Düsseldorf StV 1990 13; OLG Koblenz GA 1974 223; Eisenberg (Beweisrecht) 1861; Göppinger NJW 1961 241; Alsberg/Güntge 1342; Heinitz FS Engisch 694; Roesen NJW 1964 442; Trück NStZ 2007 381; Undeutsch NJW 1966 378; KMR/Paulus 259 ff.

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sätzlicher Beweisergebnisse oder der eigenen Sachkunde zu einer sicheren eigenständigen Sachaufklärung in der Lage ist.590 Entscheidend ist aber immer die Eigenart und besondere Gestaltung des Einzelfalls.591 Mit dieser Maßgabe gilt Folgendes: Bestehen weder in einer Eigenart des Kindes noch sonst in dem zu erforschenden Erlebnis Auffälligkeiten, so kann sich das Gericht, vornehmlich eine Jugendkammer oder Jugendschutzkammer (§ 74b GVG), in der Regel die erforderliche eigene Sachkunde für die Beurteilung von Aussagefähigkeit und Aussageehrlichkeit selbst zutrauen, vor allem dann, wenn das Zeugnis des Kindes durch die Einlassung des Angeklagten unterstützt oder die Bekundungen glaubwürdiger erwachsener Zeugen unterstützt oder entwertet wird.592 Ein Sachverständiger ist dagegen zu hören, wenn ein über die forensische Erfahrung hinausreichendes Fachwissen erforderlich sein kann, so etwa, wenn besondere Umstände im oben dargestellten Sinne (Rn. 84 f.) vorliegen oder wenn – unter den trotz §§ 241a, 247a wenig günstigen Bedingungen der Hauptverhandlung593 – vor allem bei jüngeren Kindern Kommunikationsschwierigkeiten und Missverständnisse zu befürchten sind. Daher ist bei der Beantwortung der Frage, ob zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage eines Kindes auf die Hilfe eines Sachverständigen zurückzugreifen ist, gegebenenfalls auch zu berücksichtigen, dass der Sachverständige sich mit dem Kind in einer Weise beschäftigen und sich auf dieser Grundlage ein begründetes Urteil bilden kann, wie es dem Gericht in dem besonderen Rahmen einer Hauptverhandlung oft nicht möglich ist.594 87

2. Prüfpflichten des Gerichts; Bestellung mehrerer Sachverständiger. Es darf aber nie außer Acht gelassen werden, dass die Aufgabe des Sachverständigen nicht darin besteht, dem Gericht die Entscheidung über die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage abzunehmen, sondern nur darin, das Gericht bei dieser Entscheidung zu unterstützen.595 Dieses hat seinerseits das Gutachten auf seine wissenschaftliche Tragfähigkeit zu prüfen. Hierzu hat der BGH Kriterien entwickelt, die der Prüfung zugrunde zu legen sind.596 Auch dazu gilt aber (s. bereits Rn. 83 für psychiatrische Gutachten zur Schuldfä-

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590 RGSt 71 338; 76 349; RG JW 1937 1360; 1938 3161; 1939 752; HRR 1939 Nr. 603; 1940 Nr. 207; 1940 Nr. 1370; 1942 Nr. 511; BGHSt 2 163; 3 27; 3 52; 7 82; BGH NJW 1961 1636; 2005 1519, 1520 f. (Kollision zwischen – ausufernder – Glaubhaftigkeitsbegutachtung und Opferschutz); NStZ 1981 400; 1997 355, 356; 2001 105; 2005 394; bei Dallinger MDR 1952 274; 1956 271; OLG Köln NJW 1966 1183; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1969 152. 591 BGH NJW 1961 1636. 592 BGHSt 3 27, 30; 7 82, 85; 8 85; BGH NJW 1998 2753, 2755; 2002 1813; NStZ 1981 400; 1982 42; 2013 672; NStZ-RR 1999 48, 49; 2006 241; 2017 317 Ls.; StV 1987 374 m. Anm. Peters; 1995 115; BGHR § 244 Abs. 4 Satz 1 Sachkunde 4; OLG Köln NJW 1966 1183; Tröndle JZ 1969 375; AK/Schöch 41, 128; KMR/Paulus 258; Meyer-Goßner/Schmitt 74. 593 Vgl. § 241a, 1; ferner zur Aussage von Kleinkindern etwa den Bericht des Bonner Instituts für Gerichtspsychologie DRiZ 1971 177. Vgl. hierzu auch Busse/Volbert/Steller Belastungserleben von Kindern in Hauptverhandlungen (1996). 594 BGHSt 7 82 = LM Nr. 15 m. krit. Anm. Jagusch. Das Urteil geht zu weit, weil es praktisch die Zuziehung eines Sachverständigen zur Regel werden lässt, und ist zumindest irreführend, weil es fälschlich von „Vernehmung“ des Kindes durch den dazu nicht befugten Sachverständigen spricht. Zur Kritik an der Entscheidung vgl. Alsberg/Güntge 1341; Eb. Schmidt Nachtr. I 24; Eb. Schmidt FS Schneider 263; auch Knögel NJW 1951 590; 1953 693; ders. DRiZ 1953 142; Kohlhaas NJW 1951 903; 1953 293; Schneider DRiZ 1954 8; Weber NJW 1955 663; ferner Bockelmann GA 1955 328; Göppinger NJW 1961 241; v. Helbig NJW 1957 1665; Redelberger NJW 1965 1990; Roesen NJW 1964 442; Undeutsch NJW 1966 378; Heinitz FS Engisch 694 (insb. auch zu den Streitfragen der Exploration außerhalb der Hauptverhandlung). 595 BGHSt 21 62 f.; BGH NStZ 2003 276. 596 BGHSt 45 164 = NStZ 2000 100 m. Anm. Ziegert = JZ 2000 262 m. Anm. H. E. Müller = Recht und Psychiatrie 2000 30 m. Anm. Volckart; s. dazu auch Ahrendts Forum Recht 1999 136; Boetticher FS G. Schäfer 8; Conen/Tsambikakis GA 2000 372; Deckers FS Schlothauer 278 ff.; Jansen StV 2000 224; Kett-

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higkeit), dass es sich hierbei nicht um einen zwingenden Katalog methodischer und inhaltlicher Kriterien handelt, der in jedem Fall notwendig abgearbeitet worden sein muss, damit das Gericht das Gutachten zu seiner Entscheidungsfindung heranziehen darf. Die Prüfung einzelner Glaubwürdigkeitskriterien kann je nach Sachlage entbehrlich sein, weder die Prüfstrategie noch die Reihenfolge einzelner Prüfungsschritte ist obligatorisch;597 auch abweichende methodische Ansätze können zu wissenschaftlich tragfähigen Ergebnissen führen. Es kann nur darum gehen, die Einhaltung allgemein anerkannter wissenschaftlicher Mindeststandards zu gewährleisten und solche Begutachtungen als Grundlage richterlicher Entscheidungsfindung auszuscheiden, die diesen nicht gerecht werden. Hat der Sachverständige Methoden verwendet, deren Wert fachlich strittig ist, so muss das Gericht zunächst sowohl den Ablauf der Untersuchungen im Einzelfall aufklären als auch sonstige Erkenntnisquellen für seine Meinungsbildung heranziehen.598 Erst wenn dies nicht zur sicheren Klärung der Beweisfrage führt, wird ein weiteres Gutachten einzuholen sein. Hat das Gericht bereits zwei Sachverständige über die Glaubwürdigkeit des Kindes vernommen, so hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die Aufklärungspflicht verletzt ist, wenn es keinen dritten Sachverständigen zuzieht, obwohl die beiden Gutachten voneinander abweichen;599 tut es dies nicht, so wird die Aufklärungspflicht allerdings regelmäßig fordern, dass die Sachverständigen Gelegenheit erhalten, zur abweichenden Auffassung des anderen Gutachtens Stellung zu nehmen, damit das Gericht alle Argumente berücksichtigen kann. 3. Fachrichtung des Sachverständigen. Ob ein Psychiater oder ein Psychologe 88 zur Begutachtung zuzuziehen ist, hat grundsätzlich der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.600 Dies hängt von der zu begutachtenden Person und den bei ihr zu beurteilenden Fachfragen, mitunter auch vom Kenntnisstand des jeweiligen Gutachters ab. Besteht der Verdacht, dass die Glaubhaftigkeit der Aussage durch eine Geisteskrankheit des Zeugen beeinträchtigt sein kann, so wird grundsätzlich ein Psychiater zuzuziehen sein, ebenso wenn es sonst um die Auswirkungen krankhafter Störungen geht. 601 Die Beurteilung normalpsychologischer Wahrnehmungs-, Gedächtnis- und Denkprozesse geistig gesunder Personen ist dagegen vornehmlich Sache der Psychologen.602 Jedoch ist auch ein Psychiater im Allgemeinen in der Lage, normalpsychologische

_____ Straub ZStW 117 (2005) 366; Meyer-Mews NJW 2000 916; Nack StraFo 2001 5; Offe NJW 2000 929; Schaefer NJW 2000 928; Schoreit StV 2004 285 ff.; Vogel NJ 1999 603; vgl. OLG Schleswig SchlHA 1997 137 mit einer ausführlichen Wiedergabe des Inhalts eines Gutachtens; eingehend auch Fabian/Greuel/Stadler StV 1996 347. 597 BGH NStZ 2001 45; 2008 116, 117; Beschl. v. 9.8.2005 – 3 StR 464/04; vgl. BGH bei Becker NStZ 2007 516; krit. insgesamt auch Eisenberg (Beweisrecht) 1469; Fischer NStZ 1994 4; ders. FS Widmaier 191 ff.; KK/Krehl 52. 598 BGH NJW 1996 206 (spieldiagnostische Untersuchungen bei Kindern); StV 1990 291. 599 RG HRR 1939 Nr. 603 verneint dies; s. schon oben Rn. 76. 600 BGH NJW 1959 2315; zur Auswahl vgl. Rasch NStZ 1992 257; Täschner NStZ 1994 221; ferner Rn. 82 sowie bei § 73. 601 BGHSt 23 8, 12; BGH NJW 2002 1813; 2005 1519, 1521; BGH NStZ 1997 199; NStZ-RR 1997 106; StV 1991 245; 1991 405 m. Anm. Blau; 1993 522; 1995 398; abweichend Bresser NJW 1958 248, 249, wonach auch ein Psychologe Krankheiten zumindest erkennen könne; ähnlich Kruse NJW 2014 513 unter Hinweis auf die Qualifikation Psychologischer Psychotherapeuten (Ausnahme nur bei exogenen Psychosen); ablehnend dazu Geller NJW 1966 1851; Redelberger NJW 1965 1990 ff.; vgl. BGHSt 23 8, 15 zum „klinisch erfahrenen Psychologen“; zum Streit zwischen Psychiatern und Psychologen auch Bauer/Thoss NJW 1983 305 ff.; Rauch NStZ 1984 497 ff.; Wolff NStZ 1983 537 ff. 602 BGHSt 23 8, 14; BGH NJW 2002 1813; BGH bei Spiegel DAR 1978 157; 1980 209; KK/Krehl 52; SK/Frister 43.

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Vorgänge zu beurteilen;603 daher ist die Zuziehung eines Psychologen als weiterer Sachverständiger nicht erforderlich, wenn der gehörte Psychiater dem Gericht die erforderliche Sachkunde auch zu normalpsychologischen Auffälligkeiten in der Person des Zeugen vermittelt hat.604 89

4. Anwesenheit des Sachverständigen in der Hauptverhandlung. Die Anwesenheit des Sachverständigen, der die Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage beurteilen soll, bei der sonstigen Beweisaufnahme kann mitunter angezeigt sein, da er deren Ergebnisse bei seinem Gutachten berücksichtigen und dessen Grundlage durch Fragen an die anderen Zeugen verbreitern kann.605 Ob und in welchem Umfang die Aufklärungspflicht dies fordert, beurteilt sich stets nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei kann auch ins Gewicht fallen, dass der Sachverständige mitunter gezwungen ist, sein Gutachten allein auf Grund der zu begutachtenden Aussage des Zeugen in der Hauptverhandlung, der weiteren dort gewonnenen Beweisergebnisse und sonstiger verwertbarer Erkenntnisquellen abzugeben, wenn der Zeuge, dessen Aussage beurteilt werden soll, die für die psychologische oder psychiatrische Untersuchung erforderliche Einwilligung606 verweigert. Eine solche Weigerung schließt das Fragerecht des Sachverständigen (§ 80 Abs. 2) in der Hauptverhandlung indessen nicht aus.607 XI. Aufklärungspflicht und sachverständige Begutachtung sonstiger Fragen

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1. Die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Einlassung des Angeklagten gehört in noch stärkerem Maße als die Würdigung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen zum Wesen richterlicher Rechtsfindung. Ist der Angeklagte geständig, so hat sich das Gericht anhand der Aktenlage zu vergewissern, ob das Geständnis mit dem Ergebnis der Ermittlungen in Einklang zu bringen ist (s. Rn. 9 ff.). Weicht die Einlassung des Angeklagten vom Ermittlungsergebnis ab, so hat sich das Gericht aufgrund der Beweisergebnisse der Hauptverhandlung eine Überzeugung davon zu verschaffen, ob das Vorbringen des Angeklagten widerlegt ist. Sachverständige Unterstützung kann hier kaum weiterhelfen. Sie kann daher nur in ganz außergewöhnlichen Fallgestaltungen durch die Aufklärungspflicht gefordert werden; ebenso sind Anträge auf Zuziehung eines Sachverständigen in aller Regel zurückzuweisen.608 Wird dennoch ein Gutachter gehört, ist dies indessen rechtlich nicht zu beanstanden.609

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2. Die psychische Befindlichkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt kann unter Umständen nicht nur für die Beurteilung der Schuldfähigkeit, sondern auch für diejenige der subjektiven Tatseite, etwa die Wahrnehmungsfähigkeit, Bedeutung erlangen. Ist ein Gutachter zugezogen, um aus sachverständiger Sicht zur Frage der Aufhebung oder Verminderung der Schuldfähigkeit Stellung zu nehmen, kann es in diesen Fällen daher

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603 BGHSt 23 8, 12; kritisch Radtke/Hohmann/Kelnhofer 57. 604 BGH NJW 1998 2753, 2754; s. auch Rn. 82 zur Schuldfähigkeitsbegutachtung. 605 BGHSt 19 367; BGH JR 1970 67 m. Anm. Peters; KMR/Paulus 254. 606 BGHSt 13 394, 398; 14 21, 23; vgl. bei § 81c. 607 BGHSt 23 1, 2; BGH NStZ 1982 432; StV 1991 405, 406 m. Anm. Blau; 1995 622; BGH bei Holtz MDR 1979 988; KG StV 1997 65, 66 m. abl. Anm. Eisenberg/Düring StV 1997 456; Kett-Straub ZStW 117 (2005) 372 f. m.w.N. 608 BGH StV 1987 374 m. Anm. Peters; a.A. Fischer NStZ 1994 3; s. auch Beckert 43 f.; Meyer-Mews NJW 2000 918. 609 BGH NStZ 2005 394.

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geboten sein, zur Aufklärung des subjektiven Tatbestandes die geistige Befindlichkeit des Angeklagten auch unter diesem Aspekt mit dem Sachverständigen zu erörtern.610 3. Zur Bestimmung des Reifegrades bei Jugendlichen und Heranwachsenden 92 (§§ 3, 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG) erfordert die Aufklärungspflicht die Zuziehung eines Sachverständigen in der Regel nur, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Jugendliche entgegen der normalen Entwicklung seiner Altersgruppe noch nicht strafmündig ist611 oder wenn Entwicklungsgrad und Reifezustand eines Heranwachsenden nicht hinreichend sicher beurteilt werden können.612 Im Normalfall ohne Besonderheiten darf der Tatrichter diese Fragen auch ohne Sachverständige entscheiden.613 4. Die Bestimmung des Blutalkohols zur Tatzeit durch einfache Rückrechnung 93 und die Beurteilung der Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit des Angeklagten sind in einfach gelagerten Fällen außerhalb des Grenzbereichs auch dem Tatrichter in Würdigung der Person des Angeklagten und aller (aufzuklärenden) Umstände des Einzelfalls auf Grund seines Erfahrungswissens möglich. Bei besonders gelagerten Fällen, etwa wenn in Grenzbereichen kompliziertere Berechnungen wegen Nach- oder Sturztrunks notwendig werden oder wenn eine zusätzliche Medikamentenwirkung mit zu berücksichtigen ist, bedarf es in der Regel eines Sachverständigen.614 Zur Beantwortung der Frage, ob sich aus der vom Angeklagten begangenen Tat ergibt, dass diesem die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen fehlt (§ 69 Abs. 1 Satz 1 StGB), ist das Gericht in aller Regel aus eigener Sachkunde in der Lage, so dass es der Zuziehung eines Sachverständigen nicht bedarf und ein entsprechender Antrag zurückgewiesen werden kann.615 5. Wieweit zur Beurteilung technischer,616 medizinischer oder sonstiger Fragen 94 der Wissenschaft oder des täglichen Lebens617 das Gericht kraft seiner Aufklärungspflicht Sachverständige zuziehen muss, kann immer nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. Rn. 68 ff.). Bei komplizierteren Vorgängen bedarf es zu deren richtigem Verständnis und zur Beurteilung der Aussagekraft des Ergebnisses meist der Zuziehung eines Sachverständigen; dies gilt auch bei kriminaltechnischen Untersuchungen.618

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610 Vgl. RG JW 1928 2721 Nr. 21 m. Anm. Alsberg; 1930 1067 Nr. 15 m. Anm. Alsberg; BGHSt 34 355, 358; BGH NJW 1959 2315; StV 1986 47; bei Holtz MDR 1983 90, 91; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984, 17; KK/Krehl 47. 611 Bresser ZStW 74 (1962) 579; Alsberg/Güntge 1353; Hellmer NJW 1964 179; Kaufmann/Pirsch JZ 1959 358; Lempp NJW 1959 798; Schaffstein ZStW 77 (1965) 191. Zur Zuziehung der Jugendgerichtshilfe vgl. Rn. 41. Zur Rspr. vgl. die Kommentare zu § 3 JGG. 612 BGH GA 1955 118; bei Holtz MDR 1979 108; Alsberg/Güntge 1354; KMR/Paulus 253; für Zuziehung eines Sachverständigen in schwereren Fällen Blau ZStW 78 (1966) 153; Schaffstein MSchrKrim. 1976 101; Schmid DAR 1981 142. Vgl. ferner BGH NStZ 1984 467 m. Anm. Brunner; NStZ 1985 84 m. Anm. Eisenberg; OLG Koblenz StV 2011 592 f. (ADHS-Syndrom). 613 BGHR JGG § 105 Abs. 1 Nr. 1 Entwicklungsstand 8; für eine Ausweitung der Praxis der Begutachtung jugendlicher Straftäter im Hinblick auf die innere Tatseite vor dem Hintergrund etwaiger Reifedefizite Lüderssen FS Schreiber 289. 614 Vgl. etwa BGH NStZ 1992 32; OLG Hamm DAR 1973 23; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2003 150; zu §§ 20, 21 StGB s. ferner oben Rn. 80. 615 BGHSt 50 93, 104 f. 616 Dazu Alsberg/Güntge 1358. 617 Vgl. Vor § 71. 618 Zu kriminaltechnischen Befunden Detter NStZ 1998 58; Eisenberg (Beweisrecht) 1895 ff., je m.w.N.

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D. Beweisanträge (§ 244 Abs. 3 bis 6) und sonstige Beweisbegehren I. (Unbedingter) Beweisantrag 95

Ein Beweisantrag i.S.d. § 244 Abs. 3 bis 6 liegt dann vor, wenn ein Verfahrensbeteiligter in der Hauptverhandlung619 das unbedingte oder an eine Bedingung geknüpfte (s. dazu näher Rn. 150 ff.) ernsthafte Verlangen äußert, Beweis über eine bestimmte Tatsache durch den Gebrauch eines bestimmten Beweismittels zu erheben620 (vgl. § 219 Abs. 1 Satz 1; zur Abgrenzung von sonstigen Anträgen und Anregungen zur Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung s. Rn. 162 ff.). Zu den Beweistatsachen zählen auch die Existenz und der Inhalt von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Erfahrungssätzen (vgl. Rn. 6). Abzugrenzen hiervon ist die auf die festgestellten tatsächlichen Umstände aufbauende Rechtsanwendung des Gerichts. Nicht zu den Beweistatsachen im obigen Sinne zählen daher Bestand, Inhalt und Auslegung des anzuwendenden Rechts (s. Rn. 8). Auch die vom Gericht für den Rechtsfolgenausspruch zu treffenden Prognosen (etwa § 56 Abs. 1, §§ 63, 64, 66, 66a, 66b StGB) sind als solche nicht dem Beweis zugänglich (s. näher Rn. 5, 100). Ebenso werden die nur prozessual erheblichen Tatsachen nicht erfasst, da für sie nicht das Strengbeweisrecht des § 244 Abs. 3 bis 5 gilt, sondern der Freibeweis (vgl. Rn. 30 ff., insb. 37). Eine Beweiserhebung über die formalrechtliche Richtigkeit der Rechtsanwendung des Gerichts, etwa über die von ihm in Anspruch genommene eigene Sachkunde, kommt nicht in Betracht,621 ebenso wenig über das Ergebnis einer Beweiserhebung, weil dessen Feststellung allein Sache des Gerichts ist (vgl. Rn. 191). 1. Inhaltliche Voraussetzungen des Beweisantrags

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a) Bestimmte Beweistatsache. Ein Beweisantrag ist nur dann gegeben, wenn der Antragsteller eine bestimmte Beweistatsache622 behauptet; denn auf nur vage formulierte Beweisthemen können die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 bis 5 nicht exakt und sinnvoll angewendet werden.623 Aus demselben Grund muss darüber hinaus als Beweis-

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619 BGH StV 2012 73; zu außerhalb der Hauptverhandlung gestellten Anträgen des Beschuldigten/Angeschuldigten/Angeklagten auf Beweiserhebungen (s. §163a Abs. 2, § 166 Abs. 1, § 201 Abs. 1 Satz 1, §§ 219, 225a Abs. 2, § 270 Abs. 4) vgl. Alsberg/Dallmeyer 76. 620 S. etwa RGSt 49 358, 360; 57 262; 59 422; 64 432; BGHSt 1 29, 31; 1 137; 6 128, 129; BGH NJW 1960 2156; 1987 2384; 1988 1859; 1993 867; NStZ 1981 361; 1993 247; 1999 587; 2013 476, 477; StV 1982 55; 1983 185; 1984 451; 1989 378; 1996 587; 2000 180; 2006 585, 586; JR 1951 509; bei Holtz MDR 1976 815; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 210; BayObLGSt 1995 72; OLG Hamm StraFo 2000 91; KG VRS 25 (1963) 275; OLG Koblenz VRS 47 (1974) 446; OLG Saarbrücken VRS 49 (1975) 45; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1977 182; Alsberg/Dallmeyer 82; Bergmann MDR 1976 888; Engels GA 1981 21; Gutmann JuS 1962 374; Hamm/Hassemer/Pauly 77; Hanack JZ 1970 561; Sarstedt DAR 1964 307; Welp JR 1988 387; Werle JZ 1991 792; Wessels JuS 1969 3; Widmaier NStZ 1994 414; AK/Schöch 44; KK/Krehl 69; KMR/Paulus 371; Meyer-Goßner/Schmitt 18. 621 BGH NStZ 2000 156; vgl. auch Rn. 339. 622 Die Angabe von Themenkreisen genügt nicht: s etwa BGH NStZ 2004 690, 691 („zum Verhalten des Angeklagten“ an einem bestimmten Tag; „zum Verhältnis der Eheleute“; zu „einem möglichen Motiv für eine Falschbeschuldigung“); vgl. demgegenüber aber (jeweils Beweisantrag bejaht): RG JW 1933 449 (Begehren, „über die Vorgänge bei der Vorstandssitzung und die Vorfälle auf dem Finanzamt“ Beweis zu erheben); BGH NJW 1968 1293 (zum Verhältnis des Angeklagten zu Stieftöchtern). 623 BGHSt 37 162, 165 = JR 1991 470 m. Anm. Gollwitzer sowie Anm. Schulz NStZ 1991 449; BayObLGSt 2002 107 = JR 2003 294 m. Anm. Ingelfinger; Alsberg/Dallmeyer 92; Basdorf FS Widmaier 53 ff.; Hebbecker 130 ff.; Herdegen NStZ 1998 449; ders. FS Gössel 538; Tenorth-Sperschneider 53 ff., 108 ff.; SK/Frister 51.

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thema grundsätzlich der tatsächliche Vorgang624 oder Zustand bezeichnet werden, der mit dem benannten Beweismittel unmittelbar belegt werden kann, nicht dagegen das Beweisziel, also die Folgerung, die das Gericht nach Auffassung des Antragstellers aus dem (nicht benannten) Vorgang oder Zustand ziehen soll.625 Dies ist insbesondere beim Antrag auf Zeugenvernehmung relevant (aber nicht selten auch beim Sachverständigen626 oder Urkundsbeweis),627 in dem anzugeben ist, welche Wahrnehmungen der Zeuge bekunden wird; nicht dagegen reicht es aus, nur die Schlüsse zu bezeichnen, die er aus seinen Wahrnehmungen gezogen hat und die das Gericht übernehmen soll.628 Die Beurteilung, ob nach Maßgabe dieser allgemeinen Grundsätze der Antragsteller die Beweisbehauptung hinreichend konkretisiert und ob er nicht etwa nur das Beweisziel benennt, darf in Zweifelsfällen jedoch nicht allein an den Wortlaut des Antrags anknüpfen. Kann hier eine Präzisierung oder Klarstellung nicht durch die ohnehin vorrangige Befragung des Antragstellers erreicht werden (s. Rn. 115 f.), so hat das Gericht vielmehr zunächst den Versuch zu unternehmen, durch Auslegung des Antrags (s. Rn. 117) nach dessen Sinn und Zweck eine konkrete Beweisbehauptung zu ermitteln. Erst wenn auch dies erfolglos bleibt, darf es über den Antrag lediglich nach den Maßstäben der Aufklärungspflicht befinden. Bei der Auslegung hat es die Beweisbehauptung unter Würdigung aller in der Hauptverhandlung zutage getretenen Umstände, des sonstigen Vorbringens des Antragstellers sowie gegebenenfalls des Akteninhalts zu beurteilen.629 Dabei dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden.630 Dies gilt insbesondere beim Antrag auf Sachverständigenbeweis; denn hier ist der Antragsteller vielfach nicht in der Lage, die seinem Beweisziel zugrunde liegenden Vorgänge oder Zustände exakt zu bezeichnen.631 Allgemein gültige Maßstäbe lassen sich naturgemäß nicht benennen; ausschlaggebend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalles. Aber auch unter diesen Voraussetzungen erscheint die Rechtsprechung uneinheitlich und teilweise widersprüchlich. Sie kann deshalb nicht mehr als eine grobe Orientierung bieten: Ist der Sachverhalt einfach gelagert, etwa wenn ein Zeuge Wahrnehmungen zu ei- 97 nem unmittelbar tatbestandsrelevanten Geschehen bekunden soll, so wird in aller Regel auch dann kein Zweifel daran bestehen können, dass er für den Nachweis seiner Wahrnehmung benannt ist, wenn die Beweisbehauptung das unmittelbare Geschehen umschreibt. Dies ist etwa auch der Fall, wenn der Zeuge aufgrund einer Gegenüberstellung mit dem Angeklagten in der Hauptverhandlung bekunden soll, dass dieser nicht mit dem Täter identisch ist.632 Anders liegt es dagegen bei Sachverhalten, die eine nicht auf der Hand liegende Folgerung voraussetzen; hier kann nicht das Ergebnis der Folgerung Ge-

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624 Wird nach Verlesung eines Vernehmungsprotokolls das Abspielen des Tonbandmitschnitts der Vernehmung beantragt, muss dargelegt werden, welche Tatsachen hieraus über das Protokoll hinaus belegt werden sollen: BGH NStZ 1997 611. 625 BGH NStZ 2014 282 m. Anm. Leplow wistra 2014 321; 2016 116; OLG Bamberg NStZ 2018 235, 236. 626 Vgl. BGH NStZ 2012 280, 281; 2017 300 m. Anm. Ventzke; OLG Bamberg StraFo 2017 156. 627 Vgl. etwa BGH NStZ 2006 712; StraFo 2011 511; OLG Hamm StraFo 2009 67, 68; s. Rn 98. 628 BGHSt 39 251, 253 f. = NStZ 1993 550 m. zust. Anm. Widmaier = StV 1993 454 m. abl. Anm. Hamm; 43 321, 327 ff. m. Anm. Schlüchter/Duttge NStZ 1998 618; BGH NJW 2000 443, 446; NStZ 2007 112, 113; 2013 476, 477; OLG Köln NStZ 1987 341; Burgard/Fresemann wistra 2000 89 f.; Alsberg/Dallmeyer 94, 305, 335; Hebbecker 138 ff.; Hamm 626; Junker 29 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt 20c; insoweit a.A. Herdegen NStZ 1998 449; 1999 179; ders. FS Gössel 536 ff.; Krekeler AnwBl. 2006 594; kritisch auch Eschelbach ZAP Fach 22 S. 688 (s. aber auch S. 692). 629 BGH JR 1951 506; GA 1981 228; NStZ 1999 630, 631; 1999 632, 633; 2016 116; StV 1982 55; 2011 619, 620; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 206; OLG Köln StV 1995 293; KK/Krehl 77; s. näher bei Rn. 117. 630 BGH NStZ 2016 116; Alsberg/Dallmeyer 95. 631 BGH NStZ 2016 116. 632 BGH NStZ 2006 585, 586.

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genstand der Beweisbehauptung sein, sondern nur die der Folgerung zugrunde liegende Beobachtung.633 Daher genügt beispielsweise die Benennung einer Zeugin zum Beweis dafür, dass sich der Angeklagte während eines bestimmten Zeitraums im Urlaub in Frankreich befunden habe, als konkrete Beweisbehauptung nicht; denn sie bezeichnet nur das Beweisziel, nicht dagegen die Wahrnehmung der Zeugin, etwa deren dauernde Beobachtung des Angeklagten wegen ständigen Zusammenseins.634 Gleiches gilt, wenn ein Zeuge nicht für den Inhalt eines von ihm mitgehörten Gesprächs, sondern dafür benannt wird, wie er die Unterhaltung gedeutet und gewürdigt hat.635 Soll dagegen ein Richter als Zeuge zum Inhalt der von ihm teilweise für unglaubhaft gehaltenen Aussage eines anderen Zeugen in einem früheren Verfahren gehört werden, so ist die von ihm wahrgenommene frühere Aussage konkretes Beweisthema, nicht etwa soll er lediglich als Beleg dafür dienen (Beweisziel), dass die Angaben des anderen Zeugen auch im jetzigen Verfahren unglaubhaft sind.636 Maßgeblich ist stets, ob aus dem Antrag nach den Umständen der konkrete Tatsa98 chenkern des zu beweisenden Vorgangs oder Zustands zumindest in seinen entscheidungserheblichen Umrissen hinreichend deutlich wird.637 Ist dies der Fall, so kann es unschädlich sein, dass der Wortlaut des Antrags ihn nur schlagwortartig verkürzt umschreibt,638 mit einer Wertung verbindet639 oder vordergründig nur eine Schlussfolgerung enthält.640 Daher genügt für den Antritt eines Alibibeweises die Behauptung, der Zeuge werde bekunden, er habe in der maßgeblichen Zeit in ständigem Beisammensein mit dem Angeklagten in einem anderen Land Urlaub verbracht, nicht etwa muss der konkrete Urlaubsort bezeichnet werden.641 Ebenso ist die Behauptung als ausreichend anzusehen, der Angeklagte sei zur Tatzeit jünger als 21 Jahre gewesen.642 Auch einfache Rechtsbegriffe (Kauf, Miete, Leihe etc.) können zur Kennzeichnung des unter Beweis gestellten Vorgangs ausreichen.643 Dies wurde etwa angenommen bei der Benennung des Geschäftsführers einer Firma zum Beweis dafür, dass diese für ein anderes Unternehmen auf bestimmten Baustellen „als Subunternehmer“ tätig geworden sei.644 Die Behauptung, der Angeklagte sei „angestiftet“ worden, reicht dagegen für sich grundsätzlich nicht hin; anders kann es allenfalls bei einem einfach gelagerten Sachverhalt liegen, wenn nach den Umständen ersichtlich ist, welchen tatsächlichen Vorgang der Zeuge

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633 BGHSt 39 251, 253 = NStZ 1993 550 m. zust. Anm. Widmaier S. 602 = StV 1993 454 m. abl. Anm. Hamm; vgl. BGH NStZ 2007 112, 113 f.; NStZ-RR 2010 181, 181; OLG Bamberg NStZ 2015 235, 236 (behandelt unter dem Stichwort „Konnexität“). 634 A.A. BGH NStZ 1996 562. 635 BGH NJW 2001 3793. 636 BGH NStZ-RR 2005 177; OLG Naumburg NStZ-RR 2013 18, 19. 637 Vgl. BGH NJW 1995 1501, 1503; StV 2010 287, 288 („der Angeklagte habe bei der Haftbefehlseröffnung den Verteidiger mit dem Haftrichter verwechselt“); BGHR § 244 Abs. 6 Beweisantrag 4; Alsberg/Dallmeyer 96. 638 BGH NStZ 2008 52, 53 („krankheitswertige Alkoholabhängigkeit mit bereits eingetretener Persönlichkeitsdeformation“); StV 2011 209 („erhebliche motorische Ausfallerscheinungen“ durch Alkoholisierung); Alsberg/Dallmeyer 97; Eisenberg (Beweisrecht) 144; Meyer-Goßner/Schmitt 20. 639 Vgl. BGH NStZ 2003 497 („Marktüblichkeit von Preisen“). 640 BGH StV 1984 451; bei Pfeiffer NStZ 1981 96 (wenn der Lebenserfahrung entnommene Folgerungen und Urteile zur Kennzeichnung tatsächlicher Beobachtungen dienen). 641 Vgl. BGH NStZ 1996 562 (die Entscheidung ist aus anderen Gründen abzulehnen, s. Rn. 97). 642 A.A. BGH NStZ 1998 50, wonach ein bestimmtes Alter anzugeben sei (die Entscheidung wird wohl daraus verständlich, dass im Verlauf des Verfahrens widersprüchliche Angaben zum Alter des Angeklagten gemacht worden waren). 643 Alsberg/Dallmeyer 97, 362; AK/Schöch 47; Meyer-Goßner/Schmitt 20. 644 BGH NStZ 2014 282 m. Anm. Leplow wistra 2014 321.

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wahrgenommen haben soll.645 Ebenso benennt die Behauptung, der Angeklagte sei „schuldunfähig“ gewesen646 oder er habe die Tat „im Zustand (alkoholbedingt) erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit“ begangen, als solche nur eine dem Gericht vorbehaltene rechtliche Schlussfolgerung, also ein Beweisziel, und enthält daher keine konkrete Beweistatsache.647 Für die Beweisbehauptungen „bei der Tat lagen die Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB vor“ oder „der Angeklagte hat die Tat nicht im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit begangen, ein solcher Zustand ist aber nicht auszuschließen“, gilt grundsätzlich dasselbe,648 ebenso für die Behauptung, beim Angeklagten liege kein Hang zur Begehung von Straftaten i.S.d. § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB vor.649 Anders kann es sich aber dann verhalten, wenn konkrete Diagnosen unter Beweis gestellt werden;650 ebenso wenn es sich um den Antrag auf Vernehmung eines weiteren Sachverständigen handelt, der sich bereits mit dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen kritisch auseinandergesetzt hat, so dass nicht zweifelhaft sein kann, welche tatsächlichen Umstände in der Person des Angeklagten der vordergründigen rechtlichen Schlussfolgerung der Beweisbehauptung zugrunde liegen.651 Die Schlüsse, die eine Arbeitsgruppe der Polizei im Rahmen einer sog. operativen Fallanalyse aus dem Spurenbild auf die Täterschaft des Angeklagten zieht, bezeichnen nur ein Beweisziel. Die beteiligten Sachverständigen haben dem Gericht die erforderliche Sachkunde für die Bewertung der Spuren zu vermitteln; die eigenständige richterliche Überzeugungsbildung können sie jedoch nicht ersetzen.652 Wird ein Zeuge für eine reine Wertung eines Geschehens oder Zustands, des Verhal- 99 tens eines Dritten oder von dessen Anlagen, Eigenschaften oder Handlungsmotiven benannt, so ist zu unterscheiden: Geht es um den Nachweis, dass der Zeuge diese Wertung vorgenommen hat, so wird eine konkrete innere Tatsache bezeichnet, die dem Beweis durch Vernehmung des Zeugen zugänglich ist.653 Dies kann etwa auch der Umstand sein, dass der Zeuge dem Angeklagten die Straftat aufgrund langjähriger Kenntnis nicht zutraut.654 Ebenso liegt es, wenn es darum geht, dass Dritte eine Wertung über einen Vorgang oder eine Person vorgenommen haben. Wird daher ein Zeuge für einen bestimmten Leumund eines anderen benannt, so soll er nicht eine eigene Beurteilung abgeben, sondern über die bestimmte Tatsachen aussagen, nämlich dass nach seiner Kenntnis der Betreffende von einem größeren Personenkreis in einer bestimmten Weise eingeschätzt wird.655 Entscheidungsrelevanz wird Derartigem aber kaum je zukommen können, da allein maßgeblich die richterliche Überzeugungsbildung und damit dessen Bewertung

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645 Vgl. RG JW 1931 3560 m. Anm. Bohne; BGHSt 1 137, 138 (zw.). 646 Vgl. BGH GA 1981 228. 647 BGH StV 2002 234 Ls.; Trück NStZ 2007 378; sehr weitgehend demgegenüber Alsberg/Dallmeyer 359 f.; vgl. auch BGH bei Becker NStZ 2007 513 (Steuerberatungskosten seien in einer bestimmten Höhe „notwendig“ gewesen). 648 Vgl. BGH NStZ 1999 630, 631; 1999 632, 633; 2011 106, 107; 2012 280 f. (auch bei gleichzeitigem Hinweis auf hohes Aggressionspotential des Angeklagten). 649 Vgl. BGH NStZ 2010 586. 650 S. BGH StV 2015 206. 651 BGH NStZ 1999 630, 631; 1999 632, 633. 652 BGH NStZ 2006 712 f.; Eisenberg (Beweisrecht) 1894e; vgl. Neuhaus FS Beulke 911 ff.; ablehnend Schiemann NStZ 2007 686; Stinshoff Die operative Fallanalyse im Strafprozess (2017) 248, die indes bereits im Ansatz verkennt, dass die zitierte Entscheidung die Qualität des konkreten Beweisbegehrens als Beweisantrag verneint und dieses insbesondere nicht als unzulässig einstuft; vgl. auch BGH NJW 2007 94 f.; NStZ 2009 284; NStZ-RR 2008 148, 149; zum Problemkreis s. auch Wippler Die operative Fallanalyse als Beweismittel im Strafprozess (2008); BKA (Hrsg.) Die Operative Fallanalyse in der HV (2009). 653 Alsberg/Dallmeyer 339. 654 RG HRR 1937 Nr. 540. 655 Vgl. RGSt 26 71; RG JW 1937 761; Alsberg/Dallmeyer 358 m.w.N.

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ist. Soll dagegen die Richtigkeit der vom Zeugen vorgenommenen Bewertung belegt werden, so ist, wenn sich die Beweisbehauptung in dem Werturteil erschöpft und nicht erkennbar wird, welche dem zugrunde liegenden tatsächlichen Vorgänge und Umstände der Zeuge bekunden soll, lediglich das Beweisziel benannt.656 Ob das Gericht dem Antrag nachzugehen und die der behaupteten Wertung des Zeugen zugrunde liegenden Tatsachen zu ermitteln hat, ist dann ausschließlich eine Frage der Aufklärungspflicht.657 Ohne erkennbare Tatsachenbasis sind daher etwa folgende Beweisbehauptungen unzureichend:658 der Angeklagte sei fremdgesteuert gewesen, habe keine Tatherrschaft gehabt und auch keinen Willen hierzu;659 die Täter hätten planmäßig, zielgerichtet und situationsangepasst gehandelt;660 die Tat sei dem Angeklagten wesensfremd661 und psychisch unmöglich;662 der Angeklagte habe in einer bestimmten Absicht gehandelt;663 er zeige Verhaltensauffälligkeiten;664 ein Zeuge sei glaubwürdig oder unglaubwürdig, seine Aussage sei glaubhaft oder unglaubhaft;665 ein Zeuge sei verlogen,666 sei vor seiner Aussage unter Druck gesetzt worden,667 habe Alkoholprobleme und leide unter psychischen/ psychosomatischen Erkrankungen, die sich auf seine Aussagetüchtigkeit auswirken könnten,668 oder habe einen anderen zu Unrecht belastet;669 der Geschädigte habe etwas „aus freien Stücken“ gesagt;670 die Geschädigte sei sexuell enthemmt gewesen,671 sie sei außerordentlich schauspielerisch begabt und habe beim Lügen erwischt hysterisch überreagiert;672 jemand sei süchtig, verhaltensgestört, verwahrlost oder leichtfertig;673 ein Haushalt sei stets ordentlich gewesen, Kinder und Eltern seien stets unbeschwert und freundlich miteinander umgegangen;674 es handele sich um eine gehässige Auslassung;675 aus zu verlesenden Briefen ergebe sich, dass der Mitangeklagte angekündigt habe, die Angeklagte mit allen Mitteln zu belasten, falls sie sich weigere, Zeichen seiner Liebe zu erwidern;676 eine Abstandsmessung sei „nicht ordnungsgemäß“ durchge-

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656 BGH NStZ 2014 282 m. Anm. Leplow wistra 2014 321. 657 BGHSt 37 162, 164 ff. = JR 1991 470 m. Anm. Gollwitzer sowie Anm. Schulz NStZ 1991 449; BGH NStZ 1991 547, 548; StV 1997 77, 78; AK/Schöch 47; KK/Krehl 74; SK/Frister 51; a.A. früher das RG (s. die Nachw. bei BGHSt 37 162, 164 f.): auch wenn der Wortlaut des Antrags auf die im Alltag übliche Wertung von Wahrnehmungen verkürzt sei, genüge es für die Annahme eines Beweisantrages, dass er bezwecke, die tatsächlichen Grundlagen für die allein dem Gericht obliegende Beurteilung aufzudecken. S. TenorthSperschneider 192 ff. 658 Zu weit demgegenüber Alsberg/Dallmeyer 355 ff. m.w.N. 659 BGH NStZ-RR 2004 56. 660 BGH NStZ 1995 96, 97; a.A. Alsberg/Dallmeyer 95 Fn. 166. 661 Vgl. BGH bei Becker NStZ 2003 417, wo Ungeeignetheit des Zeugenbeweises angenommen wird. 662 BGH NJW 1995 1501, 1503. 663 RG JW 1929 115 m. Anm. Alsberg. 664 BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 205. 665 KK/Krehl 74; SK/Frister 51; a.A. (Beweisantrag ist gegeben, da der Zeuge eventuell äußere Umstände bekunden kann, die Schlüsse auf die fremdpsychischen Tatsachen zulassen; Antrag ist entsprechend auszulegen): RGSt 37 371; BGH StV 1987 236, 237. Anders verhält es sich nur, wenn der Antragsteller Tatsachen benennt, aus denen sich die mangelnde Glaubwürdigkeit bzw. -haftigkeit ergeben soll; vgl. BGHSt 37 162, 166; Meyer-Goßner/Schmitt 20; SK/Frister 51; Alsberg/Dallmeyer 351 ff. 666 RG JW 1931 951, 952; vgl. auch BGH bei Cierniak/Pohlit NStZ 2009 553. 667 BGH StV 1994 228, 229. 668 BGH NStZ 1997 562. 669 BGHR § 244 Abs. 6 Beweisantrag 4. 670 BGHSt 52 284, 286 f.; a.A. BGH StV 1984 61; s. auch Alsberg/Dallmeyer 349. 671 BGH NJW 1998 2753, 2755. 672 BGHR StV 1997 77 f. 673 BGHSt 37 162, 165. 674 BGHR StV 1997 77 f. 675 RG HRR 1937 219. 676 BGH StraFo 2011 511: erforderlich ist die konkrete Angabe der entsprechenden Textstellen.

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führt bzw. „die Vorgaben der PTB für die Messung seien nicht eingehalten“ worden.677 Demgegenüber wurde bei folgenden Behauptungen aufgrund der jeweiligen Besonderheiten der Fallgestaltung (ausnahmsweise) ein hinreichender Tatsachenkern bejaht (die Entscheidungen sind teilweise zweifelhaft): Zeugen hätten bei ihrer Vernehmung nicht die Wahrheit gesagt;678 eine Aussage sei unsicher und zögernd geleistet worden;679 jemand sei erheblich angetrunken gewesen;680 der Angeklagte habe an Krankheiten gelitten, die sich auf den Kopf auswirken;681 der Angeklagte habe eine Gewissensentscheidung getroffen und lebe danach;682 es habe eine bankübliche Absicherung bestanden;683 es seien einverständliche Zärtlichkeiten ausgetauscht worden.684 Soweit durch Beweisanträge auf Prognoseentscheidungen Einfluss genommen 100 werden soll, die das Gericht auf der Rechtsfolgenseite zu treffen hat (Sozialprognose nach § 56 Abs. 1 StGB; Gefährlichkeitsprognose gemäß §§ 63, 64, 66, 66a, 66b StGB), gelten die für Wertungen dargestellten Grundsätze entsprechend. Die Prognose als solche ist keine konkrete Beweisbehauptung, sondern bezeichnet nur das Beweisziel, das Beurteilungsergebnis, zu dem das Gericht gelangen soll. Dem Beweis zugänglich sind dagegen die Tatsachen und Erfahrungssätze, auf die die Prognose aufzubauen hat;685 allerdings wird das Gericht, soweit nicht die Zuziehung eines Sachverständigen vorgeschrieben ist (§ 246a Abs. 1 Satz 1 und 2),686 die notwendigen Feststellungen in der Regel aufgrund eigener Sachkunde treffen können. Erhebt es aber Beweis, so ändert dies nichts daran, dass es die ihm durch das Gesetz aufgegebene Prognose auf der Grundlage der auf diese Weise gewonnenen Tatsachen und Erfahrungssätze eigenständig vorzunehmen hat; nicht etwa darf es unkritisch die Schlussfolgerungen übernehmen, die die Beweisperson selbst an die von ihr bekundeten Beweistatsachen knüpft. Wird lediglich die Negation einer Tatsache (Negativtatsache) unter Beweis gestellt, 101 also dass ein bestimmtes Ereignis nicht stattgefunden hat, so fehlt es häufig an der Angabe einer dieses Beweisziel belegenden konkreten Tatsache.687 Denn die Frage, ob der Aussage der Beweisperson Entscheidungsrelevanz zukommt oder sie im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, lässt sich nur dann sinnvoll und exakt beantworten, wenn der tatsächliche Wahrnehmungshorizont der Beweisperson in Bezug auf die Negativtatsache konkretisiert wird. Entfällt nach diesem Wahrnehmungshorizont mit der Negation eine Haupttatsache zwingend, ist die Beweiserhebung geboten. Kann sich die Haupttatsache dagegen außerhalb der Wahrnehmung der Beweisperson dennoch zugetragen haben, ist deren Nichtwahrnehmung durch die Beweisperson

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677 OLG Bamberg NStZ 2018 235, 236 (s. dort auch zu der Behauptung, „die notwendige Beobachtungsstrecke von 300 Metern“ sei nicht eingehalten worden). 678 BGHSt 39 141, 144 = JR 1994 250 m. Anm. Siegismund. 679 OLG Köln StV 1990 256. 680 BGH bei Holtz MDR 1979 807; BGH StV 2011 209 (Ausfallerscheinungen in der Antragsbegründung konkretisiert); BayObLG DRiZ 1929 Nr. 422. 681 BGH bei Holtz MDR 1976 815. 682 OLG Hamm NStZ-RR 2000 176, 177. 683 BGH StV 1994 172, 173. 684 BGH NStZ 2008 207 m. abl. Bespr. Schneider FS Eisenberg 614. 685 Vgl. BayObLG JR 2003 294, 295 m. Anm. Ingelfinger; OLG Celle JR 1985 32 m. zust. Anm. J. Meyer; ferner OLG Köln VRS 60 (1981) 375, 378; OLG Schleswig bei Döllel/Dreeßen SchlHA 2010 230 f. Die vom OLG Bremen OLGSt § 244 Abs. 2 S. 87, 89 (Bewährungshelfer als Zeuge) vertretene a.A., wonach die Beweiserhebung über die Sozialprognose i.S.d. § 56 Abs. 1 StGB unzulässig sei, da die Prognose vom Gesetz dem Richter vorbehalten werde, trifft daher in dieser Allgemeinheit nicht zu. 686 S. § 246a, 7 f. 687 Vgl. Junker 34 ff. m. Beispielen; OLG Bamberg StraFo 2017 156 für Antrag auf Sachverständigengutachten.

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lediglich ein Indiz, dem das Gericht nur nachgehen muss, wenn es den hieraus – gegebenenfalls in Verbindung mit weiteren gleichgerichteten Indizien688 – möglichen Schluss auf die Negation der Haupttatsache ziehen will; andernfalls ist die Beweisbehauptung bedeutungslos (s. Rn. 220). Entsprechendes gilt für negative Indiztatsachen, aus denen das Gericht Schlussfolgerungen auf eine Haupttatsache ziehen würde. Eine konkrete Beweisbehauptung liegt daher erst dann vor, wenn nach ihrem Inhalt oder den Umständen zum Ausdruck kommt, dass die Beweisperson bekunden soll, bei einem von ihr wahrgenommenen Geschehen habe sich das Ereignis nicht abgespielt, oder die Beweisperson hätte das Ereignis zwingend wahrnehmen müssen, wenn es stattgefunden hätte.689 Für das Verständnis und die Auslegung einer negativen Beweisbehauptung gilt im Grunde nichts anderes als in den Fällen, in denen die Beweisbehauptung nicht unmittelbar eine konkrete Wahrnehmungstatsache, sondern ein Beweisziel positiv benennt690 (s. Rn. 96 ff.). Gelegentlich werden als Beweisantrag gemeinte Beweisbegehren gestellt, ohne dass 102 überhaupt eine Beweisbehauptung formuliert, also das vom Antragsteller erwartete Beweisergebnis mitgeteilt wird, etwa bei folgenden Anträgen: den Angeklagten auf seine Schuldfähigkeit zu untersuchen;691 wegen fehlender Sachkunde des gehörten Sachverständigen einen weiteren Gutachter zu hören;692 dem Angeklagten die Zulassung zur freiwilligen Durchführung einer wissenschaftlichen polygraphischen Untersuchung zu genehmigen;693 zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen verminderter Schuldfähigkeit vorliegen; 694 eine „Ortsbesichtigung“ vorzunehmen;695 den Augenzeugen eines Verkehrsunfalls zu vernehmen;696 bestimmte Beweismittel zur „Klärung von Widersprüchen in den Zeugenaussagen“ zu nutzen;697 eine Auskunft des Wetteramtes über den Stand der Sonne einzuholen.698 Zwar ist damit in aller Regel den Anforderungen an einen Beweisantrag nicht genügt. Aber auch hier kann nach den Umständen ausnahmsweise hinreichend deutlich erkennbar sein, welche konkreten Tatsachen unter Beweis gestellt werden sollen, und damit ein Beweisantrag vorliegen.699 Werden dagegen für dasselbe Beweisziel mehrere

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688 Vgl. Burgard/Fresemann wistra 2000 89 f. 689 RGSt 1 5; BGHSt 39 251, 254 = NStZ 1993 550 m. zust. Anm. Widmaier S. 602 = StV 1993 454 m. abl. Anm. Hamm; 43 321, 327 ff. m. Anm. Schlüchter/Duttge NStZ 1998 618; BGH NJW 2003 2761 (insoweit in BGHSt 48 268 nicht abgedruckt); NStZ 1999 362; 2000 267, 268; 2008 708 (insoweit in BGHSt 52 322 nicht abgedruckt); 2011 230; 2015 354, 355; NStZ-RR 1997 302, 303; 2005 78, 79; BGH StV 1996 248, 249; 2000 180; BayObLGSt 1995 72; OLG Thüringen StV 2005 11 f.; Beulke JuS 2006 597; Burgard/Fresemann wistra 2000 89 f.; Eisenberg (Beweisrecht) 147; AnwK-StPO/Sommer 40; Meyer-Goßner/Schmitt 20b; SK/Frister 58; einschränkend Alsberg/Dallmeyer 9: Behauptung regelmäßig dahin zu verstehen, dass der fragliche Vorgang vom Zeugen wahrgenommen worden wäre, wenn er stattgefunden hätte, sich also im Wahrnehmungsfeld des Zeugen befunden hätte; krit. Deckers (Beweisantrag) 89 ff.; Krekeler AnwBl. 2006 594 f.; Niemöller StV 2003 689 ff.; a.A. Hamm 629 ff.; wohl auch Eschelbach ZAP Fach 22 S. 693 f.; vgl. Tenorth-Sperschneider 184 ff. S. auch BGH StraFo 2009 385 zum behaupteten negativen Ergebnis einer beantragten kriminaltechnischen Untersuchung. 690 Vgl. Niemöller StV 2003 691. 691 BGH JR 1951 509; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 210. 692 BGH StraFo 2003 198, 199. 693 BGH NStZ 2011 474, 475. 694 BGHSt 8 76. 695 OLG Koblenz VRS 49 (1975) 273; vgl. KG JR 1954 272 m. Anm. Sarstedt. 696 S. aber BayObLG StV 1982 414. 697 Vgl. OLG Koblenz VRS 49 (1975) 40. 698 OLG Koblenz VRS 65 (1983) 142. 699 BGH JR 1951 509; BGH bei Holtz MDR 1976 815; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 210; BayObLG StV 1982 414 (zw.); OLG Hamm NJW 1956 1731 Ls. (Antrag auf Durchführung einer Blutgruppenuntersuchung); OLG Koblenz VRS 49 (1975) 40; Alsberg/Dallmeyer 92; KMR/Paulus 386.

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sich gegenseitig ausschließende Beweisbehauptungen aufgestellt, so ist keine Tatsache bestimmt bezeichnet; es liegt dann lediglich ein nach der Aufklärungspflicht zu beurteilender Beweisermittlungsantrag vor.700 An der bestimmten Behauptung einer Beweistatsache fehlt es, wenn der An- 103 tragsteller lediglich begehrt, Beweis darüber zu erheben, „ob“, „warum“, „wie“, „wo“ oder „wann“ etwas geschehen sei;701 denn Fragen lassen eine Prüfung der Ablehnungsgründe der Absätze 3 bis 5 nicht zu.702 Ebenso liegt es, wenn er nur eine Erwägung, „Präsumtion“703 oder bedenkenswerte Möglichkeit darlegt704 (zur Hinweispflicht in derartigen Fällen s. Rn. 115 f.). Der notwendigen Behauptung einer bestimmten Beweistatsache ist mit deren konkreter Formulierung im Beweisantrag aber Genüge getan. Nicht etwa muss der Antragsteller darüber hinaus dartun, dass er sichere Kenntnis von ihr habe.705 Müsste aus dem Antrag die Überzeugung des Antragstellers von der Wahrheit der behaupteten Tatsache und seine Erwartung eines günstigen Ergebnisses der Beweisaufnahme hervorgehen, so würde vornehmlich die Verteidigung des Angeklagten in nicht hinnehmbarer Weise beschränkt; diese ist oft veranlasst, zu seinem Schutz eine Tatsache durch ihre bestimmte Behauptung unter Beweis zu stellen, die er lediglich vermutet oder für möglich hält, selbst wenn er nur eine geringe Hoffnung auf den Erfolg der Beweisaufnahme hegt.706 Schon deshalb dürfen in einem Beweisantrag behauptete Tatsachen nicht als eigene Einlassung eines zum Tatvorwurf schweigenden Angeklagten behandelt werden.707 Der Antragsteller braucht grundsätzlich auch nicht offenzulegen, aus welcher Quelle seine Behauptung stammt und weshalb er glaubt, dass das benannte Beweismittel die behauptete Tatsache bestätigen werde.708 Für besondere Konstellationen („völlig aus der Luft gegriffene, ins Blaue hinein oder aufs Geratewohl aufgestellte Behauptungen“; nicht erkennbare „Konnexität zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung“) machen die Rechtsprechung und ein Teil des Schrifttums allerdings Ausnahmen von den dargestellten Grundsätzen; s. dazu näher unten Rn. 109 ff. b) Bestimmtes Beweismittel. Die Bezeichnung des Beweismittels muss so be- 104 stimmt sein, dass erkennbar wird, welches individuelle, von anderen unterscheidbare Beweismittel zur Hauptverhandlung zugezogen werden soll;709 denn nur dann lassen

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700 BGH NStZ 1998 209, 210; 2013 118, 119. 701 BGHSt 8 76; BGH NJW 1999 2683, 2684; Alsberg/Dallmeyer 102; Meyer-Goßner/Schmitt 20b; großzügiger KMR/Paulus 386; a.A. OLG Köln NJW 1967 2416. 702 OLG Hamburg StV 1999 81; HK/Julius 22. 703 BGH NJW 1987 2384. 704 BGH JR 1988 387 m. Anm. Welp; s. auch Herdegen GedS Meyer 204. 705 BGH StV 2011 619, 620; NStZ 2018 362, 363. 706 S. etwa RGSt 64 432; BGHSt 21 118, 125; BGH NJW 1983 126, 127; 1987 2384; 1993 867; NStZ 1981 309, 310; 1982 70; 1988 324; 1989 334; 1992 397; 1993 247, 248; 1994 592; 2002 383; 2006 405; 2018 362, 363; bei Miebach NStZ 1990 26; BGH StV 1984 450; 1989 237; 1989 378; 1993 232, 233; 2003 369, 370; JR 1988 387 m. Anm. Welp; GA 1990 313, 314; BGH bei Dallinger MDR 1951 405; vgl. auch BGH bei Holtz MDR 1980 987; 1989 685; KG JR 1968 228 m. Anm. Koffka; StV 1983 95; 2001 673; OLG Köln NStZ 1987 341; StV 1999 82, 83 m. Anm. Julius; Alsberg/Dallmeyer 99; K. E. Gollwitzer StV 1990 423; Herdegen StV 1990 518; AK/Schöch 45; KK/Krehl 72; KMR/Paulus 385; Meyer-Goßner/Schmitt 20; SK/Frister 49; a.A. Schneider NStZ 2012 171. 707 BGH NStZ 1990 447; 2000 495, 496; 2015 207, 208; 2016 59, 60 m. Anm. Miebach; 2017 96, 98 m. Anm. Ventzke; BGHR § 243 Abs. 4 Äußerung 4. 708 Etwa RGSt 1 51; BGH NJW 1983 126, 127; 1988 1859, 1860; NStZ 1981 309, 310; 1993 247, 248; StV 1981 167; 1984 450; Alsberg/Dallmeyer 98; Eisenberg (Beweisrecht) 146; K. E. Gollwitzer StV 1990 424; Herdegen GedS Meyer 206; ders. StV 1990 518; Hamm 625; AK/Schöch 46. 709 BGH MDR 1960 329; NStZ 1981 309; BGHR § 244 Abs. 6 Beweisantrag 13; Alsberg/Dallmeyer 105; Eisenberg (Beweisrecht) 148; AK/Schöch 49; KMR/Paulus 384; Meyer-Goßner/Schmitt 21; Eb. Schmidt 26b.

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sich die Ablehnungsgründe der Ungeeignetheit und Unerreichbarkeit (Absatz 3 Satz 2) sinnvoll prüfen.710 Sind in einem Beweisantrag mehrere Beweisbehauptungen enthalten sowie mehrere Beweismittel benannt, so muss, wenn sich dies nicht schon aus dem Sachzusammenhang zweifelsfrei ergibt, dargelegt werden, durch welches jeweilige Beweismittel welche Beweisbehauptung bestätigt werden soll.711 In der früheren Rechtsprechung waren nur geringe Anforderungen an die Konkretisierung eines Beweismittels – insbesondere eines Zeugen – gestellt worden.712 Dies hatte seinen Grund darin, dass das RG die Aufklärungsrüge zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung von Beweisermittlungsanträgen nicht für zulässig erachtete. Nach der Anerkennung einer derartigen Rüge wurden zunehmend strengere Maßstäbe angelegt. Der BGH hat sogar erwogen, ob nicht stets dann nur ein Beweisermittlungsantrag vorliege, wenn das Gericht auf der Grundlage des Antrags den benannten Zeugen nicht unmittelbar laden kann, sondern zunächst noch eigene Aufklärungsschritte unternehmen muss, bevor die Ladung möglich ist.713 Dies geht indessen zu weit. Der Ablehnungsgrund der Unerreichbarkeit in § 244 Abs. 3 Satz 2 zeigt, dass das Gesetz das Vorliegen eines Beweisantrages durchaus auch dann anerkennt, wenn das benannte Beweismittel nicht unmittelbar greifbar ist und das Gericht zunächst Maßnahmen zur Prüfung einleiten muss, ob es seiner habhaft werden kann.714 Hiermit wäre es unvereinbar, etwa das Begehren auf Vernehmung eines Zeugen ausnahmslos davon abhängig zu machen, dass dieser mit Namen und aktueller ladungsfähiger Anschrift bezeichnet wird. 715 Bestimmtheit des Beweismittels bedeutet nicht unmittelbare Erreichbarkeit, sondern Individualisierung im Sinne von Unterscheidbarkeit.716 Ob die nachfolgend zitierten Entscheidungen danach zutreffende Abgrenzungen vorgenommen haben, mag bisweilen – sei es in die eine, sei es in die andere Richtung – fraglich erscheinen. 105 Bei Zeugen717 sind grundsätzlich Name und Anschrift anzugeben.718 Es ist dabei unschädlich, wenn der Nachname bei Angabe der zutreffenden Adresse falsch geschrieben719 oder der Zeuge einen Falschnamen führt und unter diesem gemeldet ist.720 Entsprechendes gilt, wenn der Zeuge mit Vor- und Spitznamen bezeichnet sowie seine Wohnanschrift mitgeteilt wird, auch wenn Unklarheiten bezüglich des Nachnamens bestehen.721 Wird der Name des Zeugen vom Antragsteller vollständig verwechselt, so kommt es – da der Beweisantrag auch hinsichtlich des benannten Beweismittels auslegungsfähig ist – darauf an, ob nach den Umständen (etwa dem Akteninhalt)722 hinreichend deutlich ersichtlich wird, welche Person vernommen werden soll.723 Das Weglas-

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710 Widmaier NStZ 1994 249; Alsberg/Dallmeyer 105; MüKo/Trüg/Habetha 114. 711 BGHSt 40 3, 6 = NStZ 1994 247 m. Anm. Widmaier = StV 1994 169 m. Anm. Strate = JR 1994 228 m. Anm. Wohlers; Alsberg/Dallmeyer 84; Basdorf FS Widmaier 59. 712 Vgl. die Nachw. bei Alsberg/Dallmeyer 107. 713 BGHSt 40 3, 7 = NStZ 1994 247 m. Anm. Widmaier = StV 1994 169 m. Anm. Strate = JR 1994 228 m. Anm. Wohlers; ablehnend Basdorf FS Widmaier 60 f. 714 Alsberg/Dallmeyer 106. 715 Vgl. Basdorf FS Widmaier 60 f. 716 Alsberg/Dallmeyer 105. 717 Unschädlich ist, wenn der Zeuge irrtümlich als Mitangeklagter bezeichnet wird: RGSt 52 138. 718 BGHSt 40 3, 7 = NStZ 1994 247 m. Anm. Widmaier = StV 1994 169 m. Anm. Strate = JR 1994 228 m. Anm. Wohlers; BGH JR 2010 456, 457 m. abl. Anm. Popp; NStZ 2014 604, 605 f.; BGH bei Cierniak/Pohlit NStZ 2009 553; Alsberg/Dallmeyer 106. 719 KG StV 2001 673. 720 BGH JR 1999 432 m. Anm. Rose (selbst Fehlen der Hausnummer unschädlich). 721 BGH StraFo 2017 109 f. 722 BGH JR 2010 456, 457 m. abl. Anm. Popp. 723 Alsberg/Dallmeyer 109; unrichtig daher OLG Köln StV 1999 82, 83 f. m. abl. Anm. Julius.

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sen der Adresse schadet nicht, wenn sie bereits in einem früheren Beweisantrag mitgeteilt wurde724 oder auf die Fundstelle in den Akten verwiesen wird, aus der sie zu entnehmen ist.725 Die Angabe von Name und Anschrift ist jedoch nicht notwendige Voraussetzung für die hinreichend bestimmte Benennung eines Zeugen. Kann der Antragsteller Namen und/oder Adresse nicht nennen, so genügt es vielmehr auch, wenn er die zu vernehmende Person auf sonstige Weise derart individualisiert, dass eine Verwechslung mit anderen ausscheidet, und der Antragsteller konkret aufzeigt, auf welchem – direkt zielführendem – Weg das Gericht die Personalien und/oder den Aufenthalt des Zeugen feststellen und ihn laden kann.726 Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so kommt es auf den Umfang der dadurch erforderlich werdenden Bemühungen und deren Verhältnis zur Bedeutung der Sache nicht an.727 Die Angabe des Namens allein genügt für die Identifizierung meist nicht, wenn nicht zusätzliche, die Individualisierung ermöglichende Hinweise gegeben werden können. Dafür kann die Mitteilung des ausländischen Wohnorts des Zeugen in Verbindung mit der in der Akte befindlichen Kopie seines Personalausweises728 oder seines Vornamens in Verbindung mit seinem CB-Funknamen genügen,729 ebenso die Angabe einer privaten Bezugsperson,730 einer Behörde731 oder des gegenwärtigen oder früheren Arbeitgebers,732 wenn auf diesem Weg der benannte Zeuge potentiell festgestellt werden kann. Wird dagegen neben dem Vor- und Nachnamen des Zeugen nur sein ausländischer Wohnort mit landestypischen Zusätzen genannt, ohne dass erkennbar wird, ob es sich hierbei um Einrichtungen, Straßen, Stadtteile oder ähnliches handelt, reicht dies regelmäßig nicht aus.733 Selbst die Namensnennung ist aber entbehrlich, wenn der Zeuge (unter Berücksichtigung des Beweisthemas) über seine besondere Tätigkeit in einem Betrieb oder einer Behörde zu individualisieren ist.734 Nicht genügt dagegen allein die Vorlage eines Lichtbildes des Zeugen mit der Behauptung, dieser habe früher an einem bestimmten Ort bei der Müllabfuhr gearbeitet735 oder die Benennung einer unbestimmten Vielzahl von Betreibern nicht hinreichend individualisierter Internetseiten. 736 Wird ein namentlich bezeichneter Zeuge allein mit seiner Zuge-

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724 OLG Köln StV 2002 355. 725 Vgl. OLG Hamm StV 2008 570 f. 726 BGHSt 40 3, 6 f. = NStZ 1994 247 m. Anm. Widmaier = StV 1994 169 m. Anm. Strate = JR 1994 228 m. Anm. Wohlers; BGH MDR 1960 329; NStZ 1981 309, 310; 1995 246; 2010 403; 2014 604, 606; StV 1983 185; 1989 379; BGHR § 244 Abs. 3 Rügerecht 2; § 244 Abs. 6 Beweisantrag 23; BGH bei Dallinger MDR 1971 574; bei Holtz MDR 1977 984; bei Spiegel DAR 1980 205; BayObLG bei Rüth DAR 1980 269; 1984 244; KG JR 1954 231 m. Anm. Sarstedt; KG StV 1993 349; OLG Köln StV 1996 368; 1999 82, 83; OLG Saarbrücken VRS 49 (1975) 45; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1976 170; Alsberg/Dallmeyer 106; Basdorf FS Widmaier 60 f.; Rose NStZ 2012 22 f.; SK/Frister 53. 727 KG StV 1993 349; Eisenberg (Beweisrecht) 148; vgl. auch OLG Zweibrücken StV 1990 57 (Auslegung als Unterbrechungsantrag, damit ladungsfähige Anschrift beigebracht werden kann). 728 BGH NStZ-RR 2011 116, 117. 729 BGH NStZ 1995 246. 730 Vgl. BGH NStZ 1981 309, 310 (Mitpatient im Krankenhaus); StV 1989 379; bei Dallinger MDR 1960 329; OLG Köln VRS 84 (1993) 102. 731 BGH StV 1983 185 (Angabe des Decknamens eines V-Mannes); 2010 556, 557 (zuständiger Sachbearbeiter eines Finanzamts); vgl. Alsberg/Dallmeyer 117 m.w.N. 732 BGH NStZ-RR 1997 41; bei Holtz MDR 1979 984. 733 BGH NStZ 2011 231; abweichend KK/Krehl 79: „zu eng“. 734 BGHSt 40 3, 7; BayObLG bei Rüth DAR 1980 269 (der zuständige Sachbearbeiter für Führerscheinsachen einer bestimmten Behörde); OLG Köln StV 1996 368 (Zeugin hat zur Tatzeit in einem bestimmten Lokal bedient; die Entscheidung trifft nur zu, wenn es sich um die einzige Bedienung handeln sollte); NStZ-RR 2007 150 (instruierter Vertreter der Deutschen Telekom AG). 735 BGH bei Becker NStZ 2003 415. 736 BGH NStZ-RR 2002 270.

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hörigkeit zu einem bestimmten Personenkreis näher individualisiert, genügt dies nur dann, wenn dieser Kreis deutlich abgegrenzt und auch zahlenmäßig überschaubar ist, so dass der Zeuge ohne Schwierigkeiten herauszufinden ist. Müssen dagegen zu seinem Auffinden erst eine Vielzahl von Personen befragt737 oder umfangreiche Listen durchgesehen werden, von denen ungewiss ist, ob der Betreffende darin überhaupt vermerkt ist, wie etwa das Ausländer- oder Bundeszentralregister,738 dann genügt der Hinweis auf diese Nachforschungsmöglichkeiten dem Erfordernis der Benennung eines bestimmten Beweismittels nicht. Erschöpft sich das Beweisbegehren in der Forderung, in dem umschriebenen Personenkreis erst denjenigen ausfindlich zu machen, der überhaupt etwas zu der Beweisbehauptung bekunden kann, so liegt lediglich ein Beweisermittlungsantrag vor.739 So liegt es etwa, wenn der Zeuge unter den Beamten, die zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort tätig waren740 oder dem „mit der Untersuchung der Blutprobe befassten Institutspersonal“741 herausgefunden werden soll oder die Auskunft einer nach Sitz und Namen bekannten Firma begehrt wird.742 Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Beweisbehauptung in das Wissen des gesamten bezeichneten Personenkreises gestellt wird, da in diesem Fall alle seine Mitglieder hinreichend bestimmt als Zeugen benannt sind.743 Auch beim Urkundsbeweis muss das zu verlesende Schriftstück im Antrag (nach 106 seinem Inhalt, Besitzer, Verwahrungsort etc.) so deutlich beschrieben werden, dass kein Zweifel darüber besteht, welches Dokument verlesen oder im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt werden soll.744 Nur dann kann das Gericht in Verbindung mit der Beweistatsache beurteilen, ob die beantragte Beweiserhebung rechtlich und faktisch möglich ist (Zulässigkeit der Beweiserhebung, Erreichbarkeit des Beweismittels) und die Beweisbehauptung Entscheidungsrelevanz gewinnen kann. Dies hat besondere Bedeutung, wenn Schriftstücke aus Akten oder sonstigen Dokumentensammlungen als Beweismittel herangezogen werden sollen.745 Hier müssen die speziellen Aktenteile bezeichnet werden, durch die die Beweisbehauptung bestätigt werden soll; die Benennung der Gesamtakte genügt nicht.746 Dies gilt auch bei Akten kleineren Umfangs.747 Soll der ganze Inhalt einer Urkundensammlung als Beweismittel dienen (etwa dass in den Büchern keine Zahlung vermerkt ist), so genügt die Bezeichnung der Urkundengesamtheit.748 Mit dem Begehren, eine fremdsprachige Urkunde zu verlesen, muss nicht der

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737 Vgl. BGHSt 40 3, 6 f. (Bewohner einer Ortschaft) = NStZ 1994 247 m. Anm. Widmaier = StV 1994 169 m. Anm. Strate = JR 1994 228 m. Anm. Wohlers; BGH NStZ 2006 713 (Justizvollzug in Portugal); OLG Saarbrücken VRS 49 (1975) 45 (Nachbarschaft); KMR/Paulus 388. 738 BGH NStZ-RR 1997 41 f. 739 RGSt 24 422, 423; RG HRR 1939 1210; Julius (Unerreichbarkeit) 120 f. 740 A.A. noch RG LZ 1921 Sp. 660. 741 A.A. noch BGH VRS 25 (1963) 426. 742 A.A. OLG Koblenz DAR 1974 132 (es wird das Zeugnis „eines Angehörigen“ dieser Firma angeboten); so auch KMR/Paulus 287. 743 BGH NJW 1988 1860 m. Anm. Julius (Belegschaft eines Betriebes); Julius (Unerreichbarkeit) 121; vgl. RG JW 1922 299 m. Anm. Alsberg (das übrige „Wachtpersonal“). 744 Alsberg/Dallmeyer 115. 745 RGRspr. 8 581; RG LZ 1916 30; 1920 443; HRR 1926 Nr. 345; AK/Schöch 49; KK/Krehl 81; KMR/Paulus 390; SK/Frister 52. 746 RGSt 13 158 f.; BGHSt 6 128, 129; 18 137 f.; 30 131, 142 f.; 37 168, 172 = StV 1992 3 m. Anm. Köhler = JR 1992 34 m. Anm. Fezer; BGH JR 1954 352; NStZ 1982 296 (Bestand an Krankenakten); 1997 562 (Krankenunterlagen beim Hausarzt); 1999 371 (Akten aller Mitangeklagter); NStZ-RR 1998 276 (Straf- und Asylverfahrensakten); bei Kusch NStZ 1993 228 (Bankunterlagen); bei Becker NStZ 2007 514; KG NStZ-RR 2002 117, 118 (Wartungsunterlagen für Pkw; zw.); Alsberg/Dallmeyer 116, 201, 208 f. m.w.N. 747 SK/Frister 52; a.A. RG JW 1927 2468. 748 BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 493; Alsberg/Dallmeyer 116 m.w.N.; SK/Frister 52.

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Antrag auf deren Übersetzung verbunden werden; denn kommt das Gericht dem Beweisantrag nach, so hat es einen Übersetzer von Amts wegen als Sprachsachverständigen zuzuziehen.749 Beim Antrag auf Sachverständigenbeweis muss der Antragsteller keinen bestimm- 107 ten Gutachter benennen; denn die Auswahl des Sachverständigen obliegt dem Gericht750 (§ 73 Abs. 1 Satz 1). Dieses ist nicht verpflichtet, einen vom Antragsteller benannten Sachverständigen zu beauftragen.751 Anders liegt es bei dem Antrag auf Vernehmung eines weiteren Sachverständigen, wenn es um den Nachweis geht, dass dieser i.S.d. § 244 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 über Forschungsmittel verfügt, die denjenigen des Erstgutachters überlegen sind. Denn ohne Benennung eines konkreten Sachverständigen ist es dem Gericht nicht möglich zu prüfen, ob diesem überlegene Forschungsmittel zur Verfügung stehen.752 Nicht etwa ist das Gericht verpflichtet, auf die allgemein gehaltene Behauptung, es gebe Sachverständige mit überlegenen Forschungsmitteln, entsprechende Nachforschungen anzustellen. Beim Antrag auf Augenscheinseinnahme muss der Ort oder das Objekt des Augen- 108 scheins genau benannt werden.753 Ist das Augenscheinsobjekt schon in der Anklageschrift bezeichnet und Aktenbestandteil, so ist seine nähere Präzisierung in der Regel entbehrlich.754 Ist es dagegen nicht im Gerichtssaal vorhanden (vgl. § 245), so muss mitgeteilt werden, wo es sich befindet.755 Sollen Ton- oder Videoaufzeichnungen in Augenschein genommen werden, so sind die unter Beweis gestellten Passagen nach Inhalt, Zeitpunkt und Gesprächsteilnehmer zu konkretisieren.756 c) Weitergehende Anforderungen? Trotz der Behauptung einer – vermeintlich (s. 109 Rn. 110) – bestimmten Beweistatsache und der Benennung eines konkreten Beweismittels spricht die Rechtsprechung einem Beweisbegehren die Eigenschaft eines Beweisantrags unter bestimmten Voraussetzungen ab. Es handelt sich um die Konstellationen, die mit den Schlagworten der „aus der Luft gegriffenen Beweisbehauptung, des ins Blaue hinein oder aufs Geratewohl gestellten Beweisantrags“ sowie der „fehlenden Konnexität“ bezeichnet werden können. Eine nähere Betrachtung zeigt jedoch, dass die damit angesprochenen Fälle keiner eigenen rechtlichen Kategorisierung bedürfen, sondern mit den bereits dargestellten Auslegungskriterien für die Bestimmung eines Beweisantrages erfasst bzw. durch das in § 244 Abs. 3 zur Verfügung gestellte rechtliche Instrumentarium angemessenen Lösungen zugeführt werden können. Im Einzelnen: aa) Beweisantrag „aufs Geratewohl“. Die Rechtsprechung, wonach der An- 110 tragsteller auch Beweisbehauptungen aufstellen darf, deren Richtigkeit er lediglich ver-

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749 A.A. BGH bei Pfeiffer NStZ 1982 189. 750 OLG Celle MDR 1969 950; NdsRpfl. 1982 66; OLG Hamm MDR 1976 338; Alsberg/Dallmeyer 112; Sarstedt DAR 1964 309; Solbach/Vedder JA 1980 160; KK/Krehl 80; Meyer-Goßner/Schmitt 21a. 751 BGHR § 244 Abs. 6 Entscheidung 1; SK/Frister 54. 752 S. OLG Oldenburg VRS 7 (1954) 4 sowie Alsberg/Dallmeyer 112, die wohl auch zu den anderen Varianten des § 244 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 als Konstitutivum eines Beweisantrags Sachvortrag für erforderlich halten; MüKo/Trüg/Habetha 123 (die die Benennung eines konkreten weiteren Sachverständigung nie als Voraussetzung für das Vorliegen eines Beweisantrags ansehen); so auch OLG Hamm MDR 1976 338; vgl. Jessnitzer StV 1982 180. 753 Vgl. aber auch Alsberg/Dallmeyer 113: Kennzeichnung in Umrissen genügt, wenn dadurch von anderen Augenscheinsobjekten unterscheidbar und Antragsteller keine weitere Präzisierung möglich. 754 BGH StV 2011 209 (Videoaufnahmen). 755 HK/Julius 53. 756 BGH NStZ 1999 145 m. Anm. Roxin = JZ 1999 259 m. Anm. Duttge (insoweit in BGHSt 44 138 nicht abgedruckt); MüKo/Trüg/Habetha 127; vgl. BGH NStZ 2008 109.

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mutet, und er auch nicht offenzulegen braucht, aus welcher Quelle seine Behauptung stammt und weshalb er glaubt, dass das benannte Beweismittel die behauptete Tatsache bestätigen werde (s. oben Rn. 103), war nicht immer einheitlich. So finden sich vereinzelt Judikate des RG, die diesen Grundsätzen zu widersprechen scheinen. Insbesondere in der Rechtsprechung einzelner Senate des BGH wurde es – in meist unveröffentlichten Entscheidungen – jedoch über einige Jahre ohne nähere Differenzierung gebilligt, dass Tatgerichte Beweisbegehren die Qualität von Beweisanträgen mit der Begründung absprachen, bei der aufgestellten Beweisbehauptung handele es sich lediglich um eine Vermutung.757 Auch wurde vereinzelt (in einem obiter dictum) ausgesprochen, der Tatrichter könne, wenn nach seinem Eindruck eine Beweisbehauptung „aus der Luft gegriffen“ sei, den Antragsteller nach seinen Wissensquellen oder den Gründen seiner Vermutungen fragen, und, falls er „keine plausible Antwort“ erhalte, den Antrag „entweder als Beweisermittlungsantrag behandeln oder … wegen Verschleppungsabsicht ablehnen“.758 Hieran ist jedoch in der Folge nicht uneingeschränkt festgehalten worden. Vielmehr sieht die neuere Rechtsprechung – und ihr folgend ein Teil des Schrifttums – den Bereich des Beweisantrags erst verlassen, wenn der Antragsteller eine Beweisbehauptung aufstellt, die nicht einmal die Basis einer Vermutung hat. Einen derartigen „extrem gelagerten“ Ausnahmefall759 nimmt sie etwa an, wenn die Bestätigung der Beweistatsache aufgrund gesicherter bisheriger Beweisaufnahme derart offensichtlich unwahrscheinlich ist, dass sie sich als aus der Luft gegriffene, ohne jede tatsächlichen Anhaltspunkte und ohne jede begründete Vermutung aufs Geratewohl aufgestellte Behauptung erweist.760 Das soll beispielsweise der Fall sein, wenn eine Mehrzahl neutraler Zeugen eine Tatsache übereinstimmend bekundet hat und, ohne jeden Beleg für entsprechende tatsächliche Anhaltspunkte, das Gegenteil in das Wissen eines weiteren, neu benannten Zeugen gestellt wird oder eines Zeugen, dessen Zuverlässigkeit naheliegend offensichtlichen Zweifeln begegnet.761 Ebenso soll es aber auch dann liegen, wenn das bisherige Beweisergebnis und die Akten keinerlei Verknüpfung des Beweisthemas mit dem benannten Zeugen erkennen lassen, so dass jeder Anhalt dafür fehlt, dass der benannte Zeuge zu der Beweisbehauptung überhaupt etwas werde bekunden können762 (diese Konstellation wird in der neueren Rechtsprechung im Allgemeinen unter der Kategorie „fehlende Konnexität“ behandelt, s. Rn. 113 f.). Welche rechtlichen Folgerungen sich hieraus ergeben, wird unterschiedlich beantwortet. Teils wird das Beweisbegehren als Beweisermittlungsantrag gewertet, der nur nach den Maßstäben der Aufklärungspflicht zu beurteilen sei,763 teils wird ein nicht ernst gemeinter „Scheinbeweisantrag“ angenommen, dem nicht oder allenfalls nach Maßgabe der Aufklärungspflicht nachzugehen

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757 S. dazu im Einzelnen – jew. m.w.N. – die Darstellungen von K. E. Gollwitzer StV 1990 420 ff.; Herdegen GedS Meyer 200 ff.; ders. NStZ 1998 447 ff.; Julius MDR 1989 117; Schwenn StV 1981 634 f. 758 BGH StV 1985 311 m. abl. Anm. Schulz; s. auch OLG Köln NStZ 2008 584 f.; a.A. K. E. Gollwitzer StV 1990 424; Herdegen GedS Meyer 202 ff.; ders. StV 1990 519; ders. NStZ 1998 448; 1999 178; ders. FS Gössel 535. 759 Vgl. BGH StV 1997 567, 569 m. Anm. Wohlers; NStZ 2004 51; OLG Hamburg StV 1999 81, 82. 760 BGH StV 1997 567, 568 f. m. Anm. Wohlers; NStZ 1989 334; 1992 397, 398 m. krit. Anm. Peters; 1993 293; 1993 247, 248; 1999 362, 363; 2002 383; 2003 497; 2006 405; 2008 52, 53; 2009 226, 227; 2013 476, 477 f.; StV 2003 369, 370; StraFo 2018 433, 434; KG NStZ 2015 419, 421; OLG Köln VRS 73 (1987) 203; StV 1999 82, 85 m. Anm. Julius; NStZ 2008 584; ebenso Alsberg/Dallmeyer 101; s. dazu auch Hadamitzky StraFo 2012 300 f. 761 BGH StV 1997 567, 569 m. Anm. Wohlers; NStZ 2002 383; 2013 476, 478; KG NStZ 2015 419, 421. 762 BGH NStZ 1993 143, 144; 2002 383; OLG Hamburg StV 1999 81, 82; KG NStZ 2015 419, 421. 763 BGH NStZ 1989 334 f.; 1992 397, 398 m. krit. Anm. Peters NStZ 1993 293; 1993 143, 144; OLG Hamburg StV 1999 81; OLG Köln StV 1999 82, 85 f. m. Anm. Julius; Alsberg/Dallmeyer 101.

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sei,764 teils soll es aber auch die Aufklärungspflicht nicht gebieten können, einem solchen „Scheinbeweisantrag“ zu folgen.765 Diese Rechtsprechung ist von den Instanzgerichten vielfach missverstanden und 111 ausdehnend auf Fälle angewendet worden, in denen die strengen Anforderungen, die der BGH und die Oberlandesgerichte – nahezu766 – durchgehend für die Annahme eines „Beweisantrages aufs Geratewohl“ aufgestellt haben, ersichtlich nicht erfüllt waren. Es bestand daher für die Revisionsgerichte immer wieder Anlass, korrigierend einzugreifen.767 So musste klargestellt werden, dass die Frage, ob eine Behauptung „aufs Geratewohl“ aufgestellt worden war, nicht nach der Sicht des Gerichts auf Grundlage seiner Beurteilung der bisherigen Beweisaufnahme zu beantworten sei, sondern nach derjenigen eines verständigen Antragstellers auf der Basis der von ihm selbst nicht in Frage gestellten Tatsachen;768 sie finde daher ihre Grenze in dem Grundsatz, dass der Antragsteller auch solche Tatsachen unter Beweis stellen dürfe, die er nur für möglich halte.769 Dementsprechend genüge es nicht schon, dass die bisherige Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Beweisbehauptung ergeben oder dass sie den Tatrichter bereits vom Gegenteil der Beweisbehauptung überzeugt habe.770 Insgesamt müsse der Tatrichter somit einen hohen argumentativen Aufwand betreiben, wenn er nachweisen wolle, dass eine Beweisbehauptung „aufs Geratewohl“ aufgestellt worden sei.771 Diese Versuche, die problematischen Fälle in den Griff zu bekommen, in denen der 112 Antragsteller nicht um eine weitere Sachaufklärung bemüht ist, sondern das Beweisantragsrecht zu anderen Zwecken zu instrumentalisieren sucht, also missbraucht, verdienen zwar insofern Zustimmung, als einer derartigen Form des Prozessierens entgegengetreten werden muss und kein Erfolg beschieden sein darf. Sie greifen jedoch an einem rechtlich unzutreffenden Ansatzpunkt an. Die Lösung ist nicht bei den Voraussetzungen des Beweisantrags, sondern bei den gesetzlich normierten Ablehnungsgründen zu suchen.772 Dabei gilt: Wenn heute nicht mehr in Streit steht,773 dass der Antragsteller all das, was er auf der Grundlage der von ihm nicht in Frage gestellten Tatsachen vermutet oder für möglich hält, zum Gegenstand eines Beweisantrages machen kann, so heben sich hiervon nur die Fälle ab, in denen er eine Tatsache behauptet und unter Beweis stellt, von der er selbst überzeugt ist, dass sie nicht der Wahrheit entspricht.774 Denn ein

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764 BGH NStZ 2002 383; 2003 497; 2006 405; 2008 52, 53; 2008 474; 2015 354, 355 (bei „Beweisbehauptung wider besseres Wissen“). 765 BGH NJW 1997 2762, 2764; KK/Herdegen 5 44, s. dort aber auch 67a, 67b. 766 Zw. aber BGH NStZ 1992 397, 398: Die im Beweisantrag behaupteten Anerkennungsgeschenke der Polizei für einen bestimmten Zeugen waren anderen Zeugen gewährt worden. 767 In der neueren Rechtsprechung gibt es kaum noch veröffentlichte Entscheidungen, in denen Revisionsgerichte die Annahme eines Beweisantrages „aufs Geratewohl“ durch das Tatgericht gebilligt haben. 768 BGH NStZ 1989 334, 335; 2003 497; 2006 405; 2008 52, 53; 2008 474; 2009 226, 227; 2013 476, 478; StraFo 2018 433, 434; KG NStZ 2015 419, 421. 769 BGH NJW 1983 126, 127; NStZ 1989 334, 335; 1993 143, 144; 1993 247, 248; 2006 405; 2008 474; 2009 226, 227; 2013 476, 478; 2013 536, 537; StraFo 2018 433, 434; OLG Köln NStZ 2008 584. 770 BGH NJW 1983 126, 127; NStZ 2002 383; 2006 405; 2013 476, 478; OLG Hamburg StV 1999 81, 82; KG NStZ 2015 419, 421; vgl. auch BGH StraFo 2007 378, 379. 771 BGH NStZ 2004 51; KG NStZ 2015 419, 421; OLG Köln NStZ 2008 584. 772 Eschelbach ZAP Fach 22 S. 694 f.; Habetha StV 2011 245; Hebbecker 146, 188 f.; Kröpil Jura 2012 460; Trüg FS Heintschel-Heinegg 457. 773 Vgl. aber BGH NJW 2011 1239, 1240 f. m. – zu Recht – abl. Anm. Habetha StV 2011 239 und Ventzke NStZ 2011 301; näher zu dieser Entscheidung s. Rn. 113. 774 Vgl. BGH NStZ 1993 334, 335 a.E.; OLG Hamburg StV 1999 81, 82.

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Vermuten, ein Für-möglich-Halten kann im gesamten Bereich „von nahezu sicher bis unwahrscheinlich“ angesiedelt sein.775 Auch wer ohne jeglichen entsprechenden tatsächlichen Anhaltspunkt lediglich hofft, seine Beweisbehauptung werde sich im Falle der Durchführung der Beweiserhebung vielleicht zufällig doch bestätigen, hält ein derartiges Beweisergebnis damit nicht für ausgeschlossen, also noch für möglich. Einen Zwischenbereich zwischen einem „Noch-Für-Möglich-Halten“ und dem Bewusstsein, Unrichtiges zu behaupten, gibt es daher nicht.776 Wer aber bewusst Unrichtiges unter Beweis stellt, der erfüllt eine der Voraussetzungen, unter denen sein Antrag gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 wegen Verschleppungsabsicht zurückgewiesen werden kann.777 Dieser Ablehnungsgrund wird in der Diskussion der hier in Rede stehenden Fragen auch immer wieder erwähnt.778 Vor allem in der Rechtsprechung wird er jedoch einer vertieften Erörterung nicht unterzogen. Dies beruht offenbar darauf, dass nach herrschender Ansicht die Zurückweisung eines Beweisantrages wegen Verschleppungsabsicht zusätzlich voraussetzt, dass die beantragte Beweiserhebung zu einer – meist nicht feststellbaren – wesentlichen Verzögerung des Verfahrens führen würde. Diese Auffassung trifft indessen nicht zu; die Einzelheiten hierzu sind bei Rn. 274 f. dargestellt. Daher bleibt festzuhalten, dass auch das „aufs Geratewohl“ gestellte Beweisbegehren ein Beweisantrag ist, wenn es eine bestimmte Beweistatsache bezeichnet779 und ein konkretes Beweismittel hierfür benennt.780 Die Gegenansicht ist auch systematisch unstimmig; denn danach liegt trotz der wider besseres Wissen aufgestellten Beweisbehauptung ein Beweisantrag vor, der eventuell wegen Verschleppungsabsicht abgelehnt werden kann, während der „aufs Geratewohl“, aber nicht bewusst unwahr gestellte Antrag der Qualität eines Beweisantrags ermangeln soll.781 Dieser Widerspruch lässt sich auch nicht durch eine Differenzierung zwischen einem tatsachenbasierten „Für-Möglich-Halten“ der Richtigkeit der Behauptung (dann Beweisantrag zu bejahen) und einer „tatsachengelösten spekulativen Hoffnung“ auf deren Richtigkeit (dann Beweisantrag zu verneinen) ausräumen;782 denn es bleibt offen, an welcher (hypothetischen) Tatsachenbasis diese Differenzierung festgemacht werden soll. Nur wenn es dem Tatrichter möglich ist, nach der Aktenlage, dem bisherigen Verfahrensverlauf oder dem bisherigen Beweisergebnis tragfähig zu belegen,

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775 K. E. Gollwitzer StV 1990 424; Schulz StV 1985 312. 776 K. E. Gollwitzer StV 1990 424; Schulz StV 1985 312; Welp JR 1988 388 f.; a.A. Herdegen GedS Meyer 205 ff.; ders. StV 1990 519 (der dort aber zugibt, dass es an Abgrenzungskriterien gebricht); ders. NStZ 1998 448; ders. FS Gössel 534 ff.; vgl. die an Herdegen anknüpfenden, letztlich ergebnislosen Bemühungen des OLG Köln StV 1999 82, 85 m. Anm. Julius, allgemeine Voraussetzungen aufzuzeigen, unter denen ein Beweisantrag „ins Blaue hinein“ vorliegt. 777 Vgl. Roxin/Schünemann § 45, 9. 778 Vgl. BGH StV 1985 311 m. abl. Anm. Schulz; K. E. Gollwitzer StV 1990 424; Herdegen GedS Meyer 205 f.; ders. StV 1990 519; ders. NStZ 1998 448; ders. FS Gössel 535 f. 779 Dies war in der von BGH NStZ 1992 397, 398 entschiedenen Sache nicht der Fall; vgl. Peters NStZ 1993 293. 780 Vgl. Deckers (Beweisantrag) 48 ff.; Hamm 637 f.; Julius MDR 1989 119; Schulz StV 1985 312 f.; Welp JR 1988 388 ff.; SSW/Sättele 90; zweifelnd nunmehr auch BGH StV 2008 9; StraFo 2010 466. 781 BGH StV 2008 9, 10; Habetha StV 2011 242; Habetha/Trüg GA 2009 413 ff.; Hebbecker 147 f.; Knauer StraFo 2012 478 f.; Krell Jura 2012 356; Roxin/Schünemann § 45, 9; Schneider NStZ 2012 170; Trüg StraFo 2010 142 sowie FS Heintschel-Heinegg 455 f.: auch Verstoß gegen das Verbot der Beweisantizipation; Welp JR 1988 388; KK/Krehl 73, der dennoch „ausnahmsweise“ die Ablehnung eines Antrags für möglich hält, wenn er aufs Geratewohl gestellt sei; SK/Frister 50; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 73, die indes eine weitere „Konturierung“ der Rechtsfigur des Beweisantrags ins Blaue hinein für möglich hält; MüKo/Trüg/Habetha 131; a.A. Bachler FS Breidling 7 ff.; offen gelassen von BGH NJW 2008 3446; 2011 1239, 1240; NStZ 2013 536, 537. 782 So aber Schneider NStZ 2012 170 f. anknüpfend an K. E. Gollwitzer StV 1990 424; kritisch dazu Knauer StraFo 2012 479 („gekünstelt“).

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dass der Antragsteller seine Beweisbehauptung selbst für unrichtig hält, so kann er daher den Antrag wegen Verschleppungsabsicht zurückweisen,783 es sei denn, er kommt ausnahmsweise einmal zu der Überzeugung, dass entgegen der subjektiven Vorstellung des Antragstellers die beantragte Beweiserhebung objektiv doch geeignet sein könnte, die Beweisbehauptung zu bestätigen (vgl. Rn. 269); letzteres dürfte aber wohl eher eine theoretische Überlegung sein. Nur wenn der Tatrichter die Voraussetzungen der Verschleppungsabsicht für gegeben hält, kann er konkreten Anlass haben, vor der hierauf gestützten Ablehnung des Beweisantrags dem Antragsteller im Wege rechtlichen Gehörs die Möglichkeit zu geben aufzuzeigen, aus welchen Gründen entgegen der Annahme des Gerichts Verschleppungsabsicht nicht vorliegt.784 Zwar ist es dem Gericht auch ansonsten nicht verboten, den Antragsteller nach den Grundlagen seines Beweisbegehrens zu befragen. Entsprechend dem allgemein geltenden Grundsatz, dass dieser weder die Quelle seiner Beweisbehauptung zu offenbaren noch darzulegen hat, weshalb er deren Bestätigung durch das benannte Beweismittel zumindest für möglich hält, dürfen ihm jedoch785 keine rechtlichen Nachteile allein daraus erwachsen, dass er die Frage unbeantwortet lässt oder eine aus Sicht des Gerichts „nicht plausible“ Antwort gibt.786 bb) Konnexität. Als weiteres Kriterium, das einem Beweisbegehren erst den Cha- 113 rakter eines Beweisantrags verleihe, findet sich in der jüngeren Rechtsprechung des BGH787 die Konnexität zwischen konkretem Beweismittel und bestimmter Beweisbehauptung.788 Diesen – soweit ersichtlich erstmals von Widmaier789 benutzten – Begriff hat der BGH zunächst nur zur Umschreibung der erforderlichen Konkretisierung der Beweisbehauptung benutzt, wonach der Antrag beim Zeugenbeweis erkennen lassen muss, welche eigene Wahrnehmung der Zeuge bekunden soll.790 Später hat er dieses Merkmal aber als eigenständiges Kriterium bezeichnet, das zu dem konkreten Beweismittel und der bestimmten Beweisbehauptung hinzutreten müsse, damit ein Beweisantrag vorliege: Der Antrag müsse erkennen lassen, „weshalb“ der Zeuge überhaupt etwas zu der Beweisbehauptung bekunden können soll,791 etwa „weil er am Tatort war, in der Nach-

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783 Andeutungsweise in diese Richtung die Überlegung von Meyer-Goßner/Schmitt 67, dass „alle Scheinbeweisanträge“ der Verschleppungsabsicht „im weiteren Sinne“ unterfallen; s. dort aber für den „aufs Geratewohl“ gestellten Antrag Rn. 20b. 784 Vgl. BGH StV 1989 234 m. Anm. Michalke sowie Anm. Frister S. 380; Herdegen GedS Meyer 206; ders. StV 1990 519; s Rn. 273. 785 Entgegen BGH StV 1985 311 m. abl. Anm. Schulz; OLG Köln NStZ 2008 584 f. 786 K. E. Gollwitzer StV 1990 424; Herdegen GedS Meyer 206 f.; ders. NStZ 1998 448; ders. FS Gössel 535. 787 Einen kritischen Überblick über die Rechtsprechung zur Konnexität gibt Rose NStZ 2014 128 ff. 788 Fehlt es an der Konnexität, so ist das Beweisbegehren nicht unzulässig, sondern allein mit den Maßstäben der Aufklärungspflicht zu prüfen: BGH NStZ 2013 476; vgl. auch OLG Schleswig StV 2014 276, 277: fehlende Konnexität ist kein zusätzlicher Ablehnungsgrund über § 244 Abs. 3 hinaus. 789 NStZ 1993 602 = Anm. zu BGHSt 39 251. 790 BGHSt 40 3, 6 = NStZ 1994 247 m. Anm. Widmaier = StV 1994 169 m. Anm. Strate = JR 1994 299 m. Anm. Wohlers; vgl. Fezer FS Meyer-Goßner 636: „Konnexität im engeren Sinn“; Widmaier StraFo 2010 314; so wohl auch Basdorf FS Widmaier 53 ff.; vgl. Hadamitzky StraFo 2012 302 ff.; Hebbecker 130 ff.; s. dazu näher Rn. 96 f. Nach OLG Schleswig StV 2014 276, 277 soll dies übertragen auf den Sachverständigenbeweis bedeuten, der Antrag müsse erkennen lassen, dass der Sachverständige die Kompetenz zur sachverständigen Beurteilung der Beweisbehauptung besitzt; dies erscheint im Hinblick auf § 73 Abs. 1 Satz 1 verfehlt. 791 Dies hat bereits dazu geführt, dass die Konnexität als (vermeintliches) Kriterium des Beweisantrags mit dem Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit des benannten Beweismittels vermengt worden ist: vgl. den Fall OLG Schleswig StV 2014 276 f.

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barschaft wohnt, eine Akte gelesen hat usw“.792 Für sich genommen ist diese weitere Bedingung jedoch nur schwer nachvollziehbar. Denn formuliert der Antragsteller in seinem Antrag auf Zeugenbeweis eine konkrete Beweistatsache in dem Sinn, dass er die behauptete Wahrnehmung des Zeugen bestimmt beschreibt,793 so ist damit wohl stets zugleich erkennbar, „weshalb“ dieser hierzu etwas bekunden können soll: weil es sich um den Gegenstand seiner Wahrnehmung handelt.794 Tatsächlich ist auch etwas anderes gemeint. Es geht dem BGH um einen neuen Ansatz für die Behandlung der Fälle, die er bisher unter den Stichworten der „aus der Luft gegriffenen Beweisbehauptung“, des Beweisantrags „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ behandelt hat.795 Dem entspricht es, wenn er vom Antragsteller verlangt, die Wahrnehmungssituation des benannten Zeugen in Bezug auf den behaupteten Vorgang oder Umstand unter Einbeziehung der Ergebnisse der bisher durchgeführten einschlägigen Beweisaufnahme ersichtlich und plausibel zu machen796 oder fordert, der Antragsteller habe darzutun, aus welchen Gründen sich das Gericht zu der Beweisaufnahme über ein Telefonat gedrängt sehen müsse, dessen bereits vorliegende Verschriftung völlig von der Beweisbehauptung abweicht, die zudem von der als Dolmetscherin benannten Zeugin in einer dienstlichen Stellungnahme als frei erfunden bezeichnet wurde.797 Dieselbe Intention wird erkennbar, wenn er verlangt, der Antragsteller müsse, soweit sich nach dem bisherigen Beweisergebnis keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit seiner Beweisbehauptung ergeben haben, die Tatsachen, aus denen die Konnexität folge, bestimmt behaupten, und dem Beweisbegehren den Charakter eines Beweisantrags abspricht, wenn der Antragsteller auf entsprechende Nachfrage einräumt, er vermute lediglich, dass der benannte Zeuge die

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792 BGHSt 43 321, 329 ff. m. Anm. Schlüchter/Duttge NStZ 1998 618; ebenso BGH NStZ 1998 97 m. krit. Anm. Rose S. 633; 1999 522; 2000 437, 438; 2001 604, 605; 2013 476, 477; 2014 282, 283 m. Anm. Leplow wistra 2014 321; NStZ-RR 2001 43, 44; OLG Bamberg NStZ 2015 235, 236; KG StV 2012 20, 21; offengelassen von BGH NStZ 2006 585, 586; 2009 171, 172; vgl. Fezer FS Meyer-Goßner 636: „Konnexität im weiteren Sinn“. 793 Vgl. BGH bei Cierniak/Pohlit NStZ 2009 553; SSW/Sättele 97; im Regelfall wird dies ohnehin nicht erforderlich sein, sondern sich die Beziehung zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung von selbst verstehen; vgl. BGHSt 43 321, 330; BGH NStZ 2008 708; 2014 282, 283 m. Anm. Leplow wistra 2014 321. 794 BGH StraFo 2010 152 f.; StV 2011 619, 620; NStZ 2018 362, 363; vgl. BGH StV 2015 82; s. aber auch BGH NStZ 2013 476, 477; 2014 282, 283 m. Anm. Leplow wistra 2014 321: durch das Erfordernis der „Konnexität im weiteren Sinn“ soll die sachgemäße Prüfung der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 Satz 2 – namentllich der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels – ermöglicht werden; dies wird indes schon durch das Gebot der Formulierung einer bestimmten Beweistatsache gewährleistet (s. Rn. 96), s. auch SK/Frister 55a; MüKo/Trüg/Habetha 135. 795 So ausdrücklich die Ausgangsentscheidung zur „Konnexität im weiteren Sinn“ BGHSt 43 321, 330; in den oben zitierten sonstigen Entscheidungen zur „Konnexität im weiteren Sinn“ wird dies indessen nicht mehr angesprochen; vgl. aber die ähnliche Argumentation in BGH NStZ 1993 143, 144; 1993 247, 248; 1999 362 f.; 2002 383; OLG Hamburg StV 1999 81, 82; vgl. Alsberg/Dallmeyer 127; Habetha/Trüg GA 2009 420 f.; Knauer StrFo 2012 478; Ventzke NStZ 2011 301 f.; s. auch Senge NStZ 2002 231. 796 BGHSt 52 284 (5. Strafsenat) = StV 2009 57 m. abl. Anm. Beulke/Witzigmann; zustimmend BGH NJW 2011 1239, 1240 f. (1. Strafsenat) m. abl. Anm. Habetha StV 2011 239 und Ventzke NStZ 2011 301; BGH wistra 2011 270, 271; zur Abgrenzung vgl. BGH NStZ 2014 351, 353 f. (5. Strafsenat) m. Anm. Ferber; offen gelassen von BGH StraFo 2010 152, 153 (4. Strafsenat); abweichend wohl BGH NStZ 2013 476, 477 (4. Strafsenat); kritisch bzw. ablehnend: BGH NStZ 2009 171, 172 (3. Strafsenat): „sehr weitgehend“; StV 2015 82 (3. Strafsenat); Brüning ZJS 2008 554 ff.; Eidam JR 2008 520 f.; Eisenberg ZIS 2008 469 f.; ders. (Beweisrecht) 146; Eschelbach ZAP Fach 22 S. 697; Fezer HRRS 2008 457 f.; Habetha/Trüg GA 2009 420 f.; Hebbecker 157 ff.; Jahn JuS 2008 1027 f.; ders. StV 2009 664 f.; Knauer StraFo 2012 477 ff.; Krell Jura 2012 357; Rose NStZ 2014 133 f.; Roxin/Schünemann § 45, 10; Schneider FS Eisenberg 628 ff.; ders. NStZ 2012 170; Sturm StraFo 2009 411 f.; Trüg StraFo 2010 139; ders. StV 2013 67; Ventzke StV 2009 657 ff.; KK/Krehl 82; SK/Frister 57; SSW/Sättele 99; s. ferner Niemöller StV 2003 693; Hadamitzky StraFo 2012 302 ff. 797 BGH NStZ 2017 100.

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Beweisbehauptung bestätigen werde.798 Zwar habe der BGH schon in seinem grundlegenden Urteil zur Abgrenzung zwischen konkreter Beweisbehauptung und reiner Wertung ausgeführt, dass der Antragsteller die unter Beweis zu stellende Tatsache nicht immer kenne und dass er möglicherweise nicht immer in der Lage sei, selbst Ermittlungen vorzunehmen, um die Wahrheit zu erforschen; gleichwohl sei es ihm zuzumuten, diese Tatsachen genau und substantiiert darzulegen.799 Dies ist jedoch zumindest missverständlich. Der Antragsteller muss nicht die Wahrheit erforschen. Er darf vielmehr auch das unter Beweis stellen, was er nur für möglich hält oder lediglich vermutet (s. Rn. 111 f.). Nur die konkrete Beweistatsache muss er daher bestimmt behaupten, nicht dagegen, dass das benannte Beweismittel sie mit Sicherheit bestätigen wird. Er darf daher etwa behaupten, ein Zeuge habe einen bestimmten Vorgang wahrgenommen, auch wenn er sich nicht sicher ist, dass der Zeuge diese Wahrnehmung tatsächlich gemacht hat. Dementsprechend trifft ihn diesbezüglich grundsätzlich800 auch keine Darlegungslast.801 Aber gerade eine solche Darlegungslast bürdet die zitierte Entscheidung dem Antragsteller auf; denn der Sache nach fordert sie von ihm nicht das bestimmte Vorbringen, die benannte Zeugin könne zu der Beweisbehauptung aus eigener Wahrnehmung bekunden (dies stand angesichts der Beweistatsache, der Sohn der Zeugin habe sich in einem Gespräch mit dieser in einem bestimmten Sinne geäußert, außer Frage), sondern die Erklärung, sie werde den Inhalt der Beweisbehauptung bestätigen. Dies bedeutet indes eine kaum verhüllte Abkehr von dem Grundsatz, dass der Antragsteller auch das, was er lediglich vermutet, unter Beweis stellen darf, und einen Rückgriff auf die Rechtsprechung zum Beweisantrag „ins Blaue hinein“ unter Aufweichung der von dieser bisher gezogenen Grenzen.802 Das Kriterium der „Konnexität im weiteren Sinn“ als Konstitutivum des Beweisan- 114 trags ist abzulehnen.803 Hat der Antragsteller die Beweistatsache so weit konkretisiert,

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798 BGH NJW 2011 1239, 1240 f. (1. Strafsenat) m. – zu Recht – abl. Anm. Habetha StV 2011 239, Ventzke NStZ 2011 301 und Schneider NStZ 2012 170 (dieser allerdings nur hinsichtlich der auf die Rechtsfigur der Konnexität im weiteren Sinne gestützten Begründung); ablehnend auch Alsberg/Dallmeyer 140; Knauer StraFo 2012 478 f., der (S. 479) indes im konkreten Fall anknüpfend an Schneider aaO (s. dazu auch Rn. 112) das Vorliegen eines Beweisantrags deshalb verneinen will, weil der Antragsteller selbst Zweifel an der Richtigkeit der Beweisbehauptung geäußert habe; ebenso wieder BGH StV 2012 577, 578 (1. Strafsenat); s. aber auch den Beschluss desselben Senats StV 2011 619, 620: der Beleg der Konnexität erfordere nicht die Darlegung, „ein benannter Zeuge werde die Beweisbehauptung mit Sicherheit bekunden“. Kröpil Jura 2012 461 stimmt dem 1. Strafsenat im Ergebnis zu, will aber die Notwendigkeit der Konnexität in diesem weiteren Sinn aus dem Beschleunigungsgebot und dem Verfahrensziel einer „prozessordnungsgemäß (justizförmig) zustande gekommene(n) und den Rechtsfrieden schaffende(n) Entscheidung“ herleiten; damit wäre indes endgültig jede beweisrechtliche Dogmatik verlassen und der Beliebigkeit Tür und Tor geöffnet. 799 BGHSt 37 162, 165 f. 800 S. aber auch Rn. 112, 273 zur Befragung des Antragstellers, wenn Verschleppungsabsicht im Raum steht. 801 Unberechtigt daher die Bedenken etwa bei Hamm StV 1993 458; Hebbecker 136 ff.; TenorthSperschneider 136 f. 802 Kritisch BGH StV 2015 82. 803 Ebenso Beulke JuS 2006 598; Deckers (Beweisantrag) 98 ff.; Eidam JR 2008 520; Eisenberg ZIS 2008 469 f.; Ellbogen JA 2007 883; Fezer FS II BGH 4 871 f.; ders. FS Meyer-Goßner 634 ff. m. Hinweis darauf, dass der BGH letztlich Elemente der Aufklärungspflicht in des Beweisantragsrecht inkorporiert; ders. HRRS 2008 457; Hamm 633; Herdegen NStZ 1999 180 f.; ders. FS Gössel 538 ff.; Hebbecker 152 ff.; Jahn StV 2009 664 f. (auch mit verfassungsrechtlichen Bedenken); Krekeler AnwBl. 2006 595; Rose NStZ 1998 633; Sturm StraFo 2009 407; Trüg StraFo 2010 143 f.; ders. FS Heintschel-Heinegg 456 f.; Ventzke StV 2009 657 ff.; SK/Frister 55 ff.; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 79; Meyer-Goßner/Schmitt 21a; MüKo/Trüg/Habetha 137 f.; erkennbar kritisch auch Junker 49a ff. mit Beispielsfällen; s. auch KK/Krehl 83 f., der allein in den Fällen, die die Rechtsprechung bisher ausnahmeweise zutreffend unter dem Gesichtspunkt der Antragsstellung

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dass es sich zweifelsfrei nicht nur um die Formulierung eines Beweisziels, sondern um den durch das Beweismittel unmittelbar zu belegenden Sachverhalt handelt (im Falle des Zeugenbeweises: den eigentlichen Gegenstand der Wahrnehmung des Zeugen),804 so sind alle Voraussetzungen erfüllt, um den Antrag einer sinnvollen Prüfung nach den Maßstäben der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 und 4 unterziehen zu können (s.o. Rn. 101). Das genügt zur Annahme eines Beweisantrags; darüber hinaus gehende Anforderungen lassen sich aus dem Gesetz nicht ableiten.805 Die Fälle, in denen der Antragsteller seine Behauptung nach Überzeugung des Gerichts tatsächlich wider besseres Wissen und damit rechtsmissbräuchlich aufstellt, sind über den Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht zu lösen;806 ebensowenig wie der Rechtsfigur des „Beweisantrags aufs Geratewohl“ bedarf es daher derjenigen der „Konnexität im weiteren Sinn“. 2. Mangelhafter Beweisantrag 115

a) Hinweispflicht. Genügt ein erkennbar als Beweisantrag vorgebrachtes Beweisbegehren seinem Wortlaut nach nicht den Anforderungen an die notwendige Konkretisierung von Beweismittel und/oder Beweistatsache (es wird etwa nur das Beweisziel angegeben), ist es in sonstiger Weise lückenhaft, ungenau formuliert oder mehrdeutig oder bleibt unklar, welcher einsichtige Prozesszweck mit ihm verfolgt werden soll, und lassen sich die hieraus resultierenden Zweifel auch nicht ohne weiteres eindeutig aus den gesamten Umständen der Antragstellung ausräumen, so ist der Vorsitzende – vor jedem weiteren Auslegungsversuch des Gerichts807 – aufgrund der Aufklärungspflicht, die ein Hinwirken auf sachdienliche Antragstellung gebietet,808 der Fürsorgepflicht809 sowie der Verfahrensfairness (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK) grundsätzlich gehalten, den Antragsteller zunächst auf die Bedenken gegen seinen Antrag hinzuweisen und ihm durch entsprechende Befragung Gelegenheit zu geben, die erforderliche Klarstellung vorzunehmen.810 So kann in Fällen, in denen der Antragsteller die Beweistatsache nicht bestimmt behauptet, sondern in Frageform formuliert (etwa „ob“ oder „wann“ sich ein

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aufs Geratewohl behandelt habe, auch fehlende Konnexität bejahen will und diese Rechtsfigur daher für entbehrlich erachtet; a.A. Schneider FS Eisenberg 625 ff., allerdings mit unklarer Abgrenzung zwischen Konnexität im engeren und im weiteren Sinn; Senge NStZ 2002 230 f.;Tenorth-Sperschneider 165 ff., wo die Unterscheidung zwischen Konnexität im engeren und im weiteren Sinn allerdings ebenfalls unklar bleibt. 804 Schon daran fehlte es in den Fällen, in denen der BGH „Konnexität im weiteren Sinn“ verneinte, so dass es eines Ausweichens auf diese Rechtsfigur gar nicht bedurfte; es fehlte die konkrete Beweisbehauptung: vgl. BGHSt 43 321, 329; BGH NStZ 1998 97; 1999 522; 2001 604, 605. Gleiches gilt für das von Senge NStZ 2002 230 f. gebildete Beispiel: auch dort fehlt es bereits an der Angabe der konkreten Beobachtung des Zeugen, so dass mit der Alibibehauptung nur ein Beweisziel formuliert ist. 805 Habetha StV 2011 243 f.; Hebbecker 152 ff. 806 Trüg FS Heintschel-Heinegg 457. 807 Alsberg/Güntge 1415; s. auch Meyer-Goßner/Schmitt 80; a.A. Bergmann 11 ff.; auch Alsberg/Dallmeyer 104, 120, der eine Befragung des Antragstellers wohl ebenfalls erst dann für angezeigt hält, wenn eine Auslegung des Antrags nicht weiter führt. 808 Meyer-Goßner/Schmitt 37 f.; Alsberg/Güntge 740. 809 Alsberg/Dallmeyer 160; AK/Schöch 48; Meyer-Goßner/Schmitt 37 f. 810 RGSt 13 316; 14 406; 27 95; 38 127; 51 42; BGHSt 1 137, 138; 19 24, 25; 22 118, 122; 37 162, 166; BGH NJW 1959 396; BGH NStZ 1994 483; 1995 356; 1996 562; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 205; bei Kusch NStZ 1993 228; BGH NStZ-RR 1996 336, 337; StV 1981 330; 2008 121, 122; GA 1960 315; VRS 7 (1954) 54; BGHR § 244 Abs. 6 Beweisantrag 12; BayObLGSt 1949/50 49; BayObLG VRS 59 (1980) 266; OLG Celle GA 1962 216, 217; NdsRpfl. 1982 66; OLG Hamm StraFo 2000 91; OLG Köln VRS 64 (1983) 279; OLG Saarbrücken VRS 38 (1970) 59; Bergmann MDR 1976 889; Alsberg/Dallmeyer 86, 160; Alsberg/Güntge 744 ff., 1415; Kuchinke JuS 1967 299; Kunkis DRiZ 1993 188; Plötz 185; AK/Schöch 48; KK/Krehl 78; KMR/Paulus 371; MeyerGoßner/Schmitt 37 f.; Eb. Schmidt Vor § 244, 26; SK/Frister 51.

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Vorfall ereignet hat), zweifelhaft sein, ob sich der Antragsteller nur ungeschickt ausgedrückt hat und in Wahrheit nicht doch eine bestimmte Tatsache bezeichnen will oder ob er sich dazu nicht in der Lage sieht.811 Die Hinweis- und Fragepflicht gilt im Allgemeinen auch dann, wenn – entsprechend herrschender Meinung – der Konnex zwischen Beweistatsache und Beweismittel nicht erkennbar ist812 (s. dazu Rn. 113 f.) oder dem Beweisbegehren nach Auffassung des Gerichts die Qualität eines Beweisantrages deswegen ermangelt, weil die Beweistatsache aus der Luft gegriffen und ins Blaue hinein aufgestellt erscheint813 (s. dazu Rn. 110 f.). Zwar liegt im letztgenannten Fall nach hier vertretener Ansicht ein Beweisantrag vor (s.o. Rn. 112), der jedoch wegen Verschleppungsabsicht zurückgewiesen werden kann; auch danach ist aber vor Ablehnung des Antrags regelmäßig ein Hinweis angezeigt, damit der Antragsteller Gelegenheit erhält, dem Gericht die Umstände darzutun, die gegen eine rechtsmissbräuchliche Antragstellung sprechen könnten.814 Das Bemühen um Klarstellung ist bei Anträgen des Angeklagten und des Verteidigers815 von besonderer Bedeutung, obliegt dem Vorsitzenden aber auch gegenüber dem Staatsanwalt,816 dem Privat- oder dem Nebenkläger.817 Zur Nachfrage besteht auch dann Anlass, wenn das erkennbar als Beweisantrag gemeinte Begehren seinem Inhalt nach ausschließlich Merkmale eines Beweisermittlungsantrags aufweist.818 Revisionsgerichtliche Erfahrung zeigt allerdings, dass die Tatgerichte vielfach ab- 116 weichend vorgehen und unzureichend formulierte Beweisanträge, deren Mängel sie im Wege der Auslegung nicht für ausräumbar halten und denen nachzukommen sie sich auch durch die Aufklärungspflicht nicht gehalten sehen, ohne weitere Nachfrage bei dem Antragsteller zurückweisen. Dies ist nicht von vornherein fehlerhaft.819 Denn aus den Gründen des Ablehnungsbeschlusses kann der Antragsteller, wenn diese den an sie zu stellenden Anforderungen gerecht werden, die Rechtsauffassung des Gerichts entnehmen und daran anknüpfend gegebenenfalls einen neuen Antrag formulieren, in dem er die aufgezeigten Mängel seines ersten Begehrens vermeidet.820 Eine derartige Verfahrensweise ist dennoch nicht ratsam. Sie verkompliziert im Normalfall die Verfahrensabläufe in unnötiger Weise. Ein derartig formalisierter Dialog zwischen Gericht und Antragsteller821 ist aber auch wegen dessen Subjektstellung im Verfahren in der Regel nicht angezeigt. Er weiß am besten, wie sein Antrag zu verstehen ist und ob er durch weiteres Vorbringen ergänzt werden kann. Es liegt daher nahe, ihn zunächst in einem offenen

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811 Vgl. RG JW 1930 70 m. Anm. Alsberg; 1935 956; BGH NJW 1951 368; 1999 2683, 2684. 812 Vgl. BGH NStZ 2000 437, 438; 2001 604, 605; s. dazu auch das von Alsberg/Dallmeyer 135 ff. entworfene Modell „zur dialogischen Herstellung praktischer Konkordanz“; ablehnend hierzu Rose NStZ 2014 134. 813 BGH StV 1985 311 m. abl. Anm. Schulz; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 210; MeyerGoßner/Schmitt 20a; a.A. – keine Darlegungslast des Antragstellers – Herdegen NStZ 1998 447 f.; ders. FS Gössel 535; Rose JR 2000 34; vgl. auch Alsberg/Güntge 746. 814 Vgl. auch Rn. 158, 273. 815 BGHSt 22 118, 122; BGH NJW 1959 396; NStZ 1996 562; bei Kusch NStZ 1993 228; Alsberg/Dallmeyer 161; Alsberg/Güntge 748; die Fragepflicht zur Klarstellung des Gewollten besteht auch gegenüber Rechtskundigen uneingeschränkt; für die Pflicht, bei der sachgerechten Antragstellung Hilfe zu leisten, gilt dies indessen nicht in gleichem Maße: Plötz 185, 204 (Gericht kein Hilfsverteidiger). 816 RG GA 61 (1914) 339; 67 (1919) 40; BGH bei Holtz MDR 1976 815; Alsberg/Dallmeyer 161; Alsberg/Güntge 748; Meyer-Goßner/Schmitt 38; a.A. OLG Dresden JW 1930 1105 m. abl. Anm. Weber und Oetker; Schwenn StV 1981 634. 817 Alsberg/Dallmeyer 161; Alsberg/Güntge 748; Meyer-Goßner/Schmitt 38. 818 RG JW 1931 1568. 819 Anderes gilt für die Bescheidung von Hilfsbeweisanträgen im Urteil; s. Rn. 155. 820 BGHSt 19 24, 25; 43 321, 331 m. Anm. Schlüchter/Duttge NStZ 1998 618; BGH bei Becker NStZ 2007 517; OLG Hamm VRS 40 (1971) 205. 821 Vgl. BGH NJW 2000 443, 445; Basdorf StV 1995 318 f.

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Gespräch hierzu zu befragen, bevor sich das Gericht einer Auslegung des Antrags zuwendet, die gegebenenfalls ihrerseits zu anzweifelbaren Ergebnissen führt oder in einen nicht hinreichend begründeten Ablehnungsbeschluss mündet und den Antragsteller wiederum zu formeller Reaktion zwingt. Dieser Weg sollte daher nur beschritten werden, wenn nach dem bisherigen Prozessverhalten des Antragstellers – etwa hervortretender Uneinsichtigkeit822 – ein offenes Gespräch nicht angezeigt oder eine Nachbesserung des Antrags wegen seiner völligen Inhaltsleere oder aus sonstigen Gründen von vornherein ausgeschlossen und eine Nachfrage daher zwecklos erscheint.823 117

b) Auslegung. Ist die Befragung des Antragstellers zur Präzisierung seines Antrags nicht möglich, etwa weil er nicht anwesend ist, oder führt die Befragung nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, so muss der Antrag in der für ihn günstigsten Weise ausgelegt werden,824 sei es zur Beweisbehauptung,825 sei es zum Beweismittel,826 sei es – so die herrschende Meinung – zum Konnex zwischen beiden.827 Es kommt hier nicht mehr in erster Linie auf seinen Wortlaut, sondern auf diesen aufbauend maßgeblich auf den Sinn und Zweck des Antrags an,828 so wie er auf Grund der Hauptverhandlung, vor allem aus den sonstigen Ausführungen des Antragstellers,829 etwa einer zum Beweisantrag abgegebenen Begründung830 oder den gegen ein erstattetes Gutachten unter Heranziehung eines anderen Sachverständigen gerichteten Angriffen,831 aber auch aufgrund einer vorangegangenen Zeugenaussage 832 für Gericht und Verfahrensbeteiligte erkennbar ist.833 Dies gilt auch bei Anträgen des Staatsanwalts.834 Bei der Auslegung ist auch der Akteninhalt zu berücksichtigen;835 allerdings muss der Vorsitzende die hieraus erkennbaren, für das Verständnis des Antrags bedeutsamen Umstände zur Sprache bringen.836 Leitend für die Auslegung hat der Zweck zu sein, den der Antragsteller nach der Verfahrenslage mit seinem Antrag verfolgt;837 dieser darf daher keine mit dem erkennbaren Sinn der Beweisbehauptung unvereinbare Verschiebung oder Einengung erfahren oder der Sachvortrag in einem Sinne umgedeutet werden, der das Beweisbegehren als bedeu-

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822 Vgl. BGH NStZ-RR 2003 147, 148 f. 823 RGSt 38 127; 51 42; Bergmann MDR 1976 889; Meyer-Goßner/Schmitt 37. 824 Vgl. etwa BGH JR 1951 509; OLG Hamm VRS 21 (1961) 368; OLG Koblenz VRS 49 (1975) 273; Alsberg/Dallmeyer 85, 103; Hanack JZ 1970 562; KK/Krehl 77; Meyer-Goßner/Schmitt 80; SK/Frister 59. 825 BGH NJW 1968 1293; NStZ 2014 50 f.; 2014 419; 2016 116; StV 2011 619, 620; OLG Hamburg StV 2012 589. 826 BGH NStZ 2015 354; OLG Koblenz VRS 47 (1974) 180; Alsberg/Güntge 1414. 827 Vgl. BGH NStZ 2006 585; Alsberg/Güntge 1414. 828 RGSt 38 127, 128; BGHSt 1 138; 22 122; BGH NJW 1959 396; 1968 1293; NStZ 1985 376; 2000 267, 268; BGH StV 1981 603; 1982 55, 56; 2009 4; BGH bei Holtz MDR 1976 815; BayObLG StV 1982 414; OLG Celle GA 1962 216; OLG Hamm VRS 40 (1971) 205; KG VRS 17 (1959) 358; StV 2012 20, 21. 829 BGH NJW 1951 368; NStZ 2016 116; StV 1982 55, 56; GA 1984 21, 22; BayObLG VRS 62 (1982) 450; OLG Hamburg JR 1982 36, 37 m. Anm. Gollwitzer; KG StV 1983 95; OLG Schleswig DAR 1963 310 (Verteidiger); Arndt DRiZ 1956 31 (Verteidiger); Bergmann MDR 1976 889; Gollwitzer JR 1991 472. 830 Vgl. BGH NStZ 2016 116, 117; 2017 300 m. Anm. Ventzke; StV 1995 230 (Protokollierungspflicht); bei Becker NStZ 2007 517; ferner Alsberg/Güntge 1416; HK/Julius 27. 831 BGH NStZ 1999 630, 631; 1999 632, 633. 832 Nicht zweifelsfrei daher BGH NStZ 2007 112, 113 f. 833 OLG Celle NdsRpfl. 1982 66; Alsberg/Güntge 1416; s. auch oben Rn. 115 f. m.w.N. 834 BGH bei Holtz MDR 1976 815; Alsberg/Güntge 1414. 835 BGH NJW 1951 368; NStZ 2016 116; JR 1951 509; StV 1982 55, 56; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 210; OLG Hamburg JR 1982 36 m. Anm. Gollwitzer; OLG Schleswig DAR 1961 310; bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1970 198; KMR/Paulus 371; SK/Frister 59; Alsberg/Güntge 1416. 836 Alsberg/Güntge 1416; SK/Frister 59. 837 Vgl. BGH StV 2011 619, 620.

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tungslos erscheinen lässt.838 Bei mehreren Interpretationsmöglichkeiten ist es ein Gebot der fairen Verfahrensgestaltung, diejenige zu wählen, bei der der Antrag Erfolg hat.839 Selbst wenn nach dem Wortlaut der Erklärung das Gericht nur auf die Möglichkeit einer Beweisaufnahme aufmerksam gemacht und ihm anheimgegeben wird, ob es auf Grund des § 244 Abs. 2 von Amts wegen Beweis erheben will, können die Umstände die Deutung zulassen, dass über eine bloße Beweisanregung840 hinausgegriffen werden soll. Ist zu erkennen, dass der Erklärende tatsächlich zum Beweis für die bezeichnete Tatsache die Verwendung des bezeichneten Beweismittels fordert, so ist sein Begehren als Beweisantrag zu behandeln; ein ausdrückliches Verlangen ist nicht zu fordern.841 3. Antragstellung a) Antragsberechtigung. Antragsberechtigt sind der Staatsanwalt zum Nachweis 118 sowohl be- wie entlastender Tatsachen,842 der Nebenkläger (§ 397 Abs. 1 Satz 3), soweit er die Aufklärung des ihn zum Anschluss berechtigenden Nebenklagedelikts,843 nicht jedoch (vgl. § 400 Abs. 1), soweit er die Aufklärung für den Rechtsfolgenausspruch relevanter Umstände erstrebt,844 der Privatkläger,845 der Angeklagte ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit846 und auch dann, wenn er sich durch die Beweisbehauptung in Widerspruch zu seinem bisherigen Vorbringen stellt,847 sowie der Verteidiger. Dieser ist neben dem Angeklagten selbständig berechtigt, Beweisanträge zu stellen. Er kann einen solchen Antrag auch gegen den offenen Widerspruch des Angeklagten vorbringen, der Antrag muss nicht mit der Einlassung des Angeklagten übereinstimmen,848 die unter Beweis gestellte Behauptung kann auch einem Geständnis des Angeklagten widersprechen.849 Dementsprechend darf der Antrag des Verteidigers sowie die hierzu abgegebene Begründung oder weitergehende Erläuterung nicht als Einlassung des Angeklagten be-

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838 RGSt 51 3, 4; BGH NJW 1959 396; 1968 1293; NStZ 1982 213; 1983 376; 1984 564; 1985 376; 2005 231; 2008 351, 352; StV 1981 603, 604; 1982 55; 1982 356, 357; 1984 363, 364; 1989 140; 1991 500, 501; GA 1984 21, 22; BGH bei Holtz MDR 1978 112; OLG Hamm NStZ 1983 522, 523; Schlothauer in der abl. Anm. zu BGH StV 1989 465. Dies ist vor allem bei der Unterstellung als wahr und bei der Ablehnung als unerheblich von Bedeutung, vgl. Rn. 225, 308. 839 BGH NStZ 1984 564; AK/Schöch 48 („Behauptung konstruktiven Sinn geben“); KK/Krehl 78; Alsberg/Güntge 1417; vgl. auch Hanack JZ 1970 562. 840 Vgl. Rn. 168. 841 RG LZ 1915 556; JW 1932 3626; RMG 7 38; Beling ZStW 38 (1916) 622; Oetker JW 1930 1105; a.A. RGRspr. 6 390; RMilGE 8 63. 842 Meyer-Goßner/Schmitt 30; Alsberg/Güntge 690 f.; vgl. BGH NJW 1952 273, 274 („zwecks objektiver Erforschung aller … Tatumstände“). 843 KK/Krehl 97; Meyer-Goßner/Schmitt 30; Pfeiffer 20; Gollwitzer FS Schäfer 65 ff., s. näher Alsberg/Güntge 693 ff. Die gesetzlichen Ablehnungsgründe sind auf Beweisanträge des Nebenklägers nicht weniger restriktiv anzuwenden als auf Beweisanträge des Angeklagten: BGH NStZ 2011 713; Alsberg/Güntge 698; SK/Frister 61a; SSW/Sättele 101; s. demgegenüber die abweichenden Erwägungen in BGH NStZ 2010 714 m. abl. Anm. Bock HRRS 2011 119; vgl. im Übrigen die Erl. zu § 397. 844 Alsberg/Güntge 695; Senge FS Rissing-van Saan 664; a.A. KK/Krehl 97; Meyer-Goßner/Schmitt § 397, 6; MüKo/Trüg/Habetha 140. 845 Woesner NJW 1959 704; Meyer-Goßner/Schmitt 30 sowie § 384, 14; SK/Frister 60; zu den sich aus § 384 Abs. 3 ergebenden Besonderheiten s. Rn. 2 sowie die Erl. zu § 384. 846 Meyer-Goßner/Schmitt 30; SK/Frister 60. 847 Vgl. BGH bei Holtz 1977 461; Alsberg/Güntge 701. 848 BGHSt 21 118, 124; BGH NJW 1953 1314; 1969 281, 282; NStZ 2009 581, 582; bei Holtz MDR 1977 461; OLG Hamm VRS 42 (1972) 115, 117; OLG Köln VRS 17 (1959) 140; 24 (1963) 217; Alsberg/Güntge 706 f.; KK/Krehl 97; Meyer-Goßner/Schmitt 30; ferner Vor § 137, 157. 849 KMR/Paulus 374; Meyer-Goßner/Schmitt 30.

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handelt werden,850 es sei denn der Angeklagte erklärt (eventuell auf Befragen), er mache sich das Vorbringen als eigene Einlassung zu eigen (vgl. § 243, 83). Beweisantragsberechtigt sind ferner Nebenbeteiligte, die Angeklagtenbefugnisse haben, soweit ihre Beteiligung am Verfahren reicht und ihr Beweisantragsrecht nicht gemäß § 427 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 430 Abs. 2 oder § 444 Abs. 2 Satz 2 eingeschränkt ist,851 Nebenbetroffene, soweit ihr Beweisantragsrecht nicht Einschränkungen nach § 438 Abs. 2 oder Abs. 3 i.V.m. § 430 Abs. 2 unterliegt,852 Erziehungsberechtigte und gesetzliche Vertreter eines jugendlichen Angeklagten nach § 67 Abs. 1 JGG und Beistände im Jugendstrafverfahren nach § 69 Abs. 3 Satz 2 JGG. Im Adhäsionsverfahren hat der Verletzte das Recht, Beweisanträge bezüglich der Tatsachen zu stellen, die für die Entscheidung über seine erhobenen Ansprüche maßgebend sind.853 Das Beweisantragsrecht besteht immer nur zur Wahrnehmung der eigenen Verfahrensinteressen, die jedoch weit zu verstehen sind; sie umfassen alles, was potentiell die Entscheidung zum Vor- oder Nachteil des Antragstellers beeinflussen kann.854 Kein Beweisantragsrecht haben Beistände nach § 149,855 die als Beistände eines Zeugen zugezogenen Rechtsanwälte, auch wenn der Zeuge Verletzter der Tat ist (§ 406f Abs. 1, § 406h Abs. 2), die Vertrauensperson des Verletzten nach § 406f Abs. 2,856 die Vertreter des Finanzamtes im Steuerstrafverfahren und sonstige Vertreter der in der Hauptverhandlung zu hörenden Behörden, ferner die anderen Verfahrensbeteiligten, Richter, Zeugen, Sachverständige.857 Werden Beweisanträge von dazu nicht befugten Personen gestellt, so sind sie als unzulässig zurückzuweisen (Rn. 198), und zwar im Interesse der Verfahrensklarheit auch dann, wenn das Gericht im Rahmen seiner Aufklärungspflicht die ihm dabei aufgezeigte Beweismöglichkeit nutzen will.858 119

b) Zusammenwirken mehrerer Antragsberechtigter. Jeder Antragsberechtigte kann sein Beweisantragsrecht selbständig und ohne Bindung an die Anträge der anderen Berechtigten ausüben. Ob einem Antrag stattzugeben ist, kann je nachdem, von welchem Beteiligten er gestellt wird, wegen dessen jeweiliger Verfahrenslage, Verfahrensstellung oder seinen Verfahrensinteressen unterschiedlich zu beurteilen sein. 859 Die Selbständigkeit der Antragsbefugnis schließt jedoch eine gemeinsame (besser: übereinstimmende) Antragstellung nicht aus. Dies kann ausdrücklich geschehen, etwa durch gemeinsame Unterschrift unter einem schriftlich eingereichten Antrag oder auch durch eine entsprechende Erklärung in der Hauptverhandlung, so, wenn ein Verfahrensbeteiligter ausdrücklich den Antrag auch im Namen eines oder mehrerer anderer Beteiligten stellt860 und diese ihr Einverständnis damit ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringen. Oft geschieht dies in der Form, dass sich ein Verfahrensbeteiligter dem Beweis-

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850 BGH NStZ 1990 447; 2000 495, 496; 2015 207, 208; 2016 59, 60 m. Anm. Miebach; 2017 96, 98 m. Anm. Ventzke. 851 S. etwa Gollwitzer FS Sarstedt 18; Alsberg/Güntge 703 f.; AK/Schöch 53; vgl. Rn. 2 sowie die Erl. zu § 430. 852 Vgl. BGH NStZ-RR 2019 29 Ls. (Beweisantrag zur Zuordnung einzuziehenden Geldes). 853 BGH NJW 1956 1767; Stoffers/Möckel NJW 2013 830; AK/Schöch 53; KK/Krehl 97; MeyerGoßner/Schmitt 30; wegen der Einzelheiten vgl. bei § 404. 854 Gollwitzer FS Sarstedt 22, 27. 855 Vgl. BGH bei Holtz MDR 1978 626; Alsberg/Güntge 710. 856 AK/Schöch 54; Alsberg/Güntge 711; vgl. bei § 149 und bei §§ 406f, 406h. 857 Alsberg/Güntge 716. 858 SK/Frister 61. 859 Eine Beweistatsache kann für einen Angeklagten bedeutsam, für den anderen entscheidungsunerheblich, die nur zugunsten des jeweiligen Angeklagten zulässige Wahrunterstellung kann bei einem Mitangeklagten möglich, beim andern aber unzulässig sein. 860 Beling JW 1926 1224; Gollwitzer FS Sarstedt 28; Alsberg/Güntge 726.

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antrag, den ein anderer für sich gestellt hat, „anschließt“. Eine solche Erklärung hat die Bedeutung einer eigenen Antragstellung.861 Sie ist auch durch konkludentes Verhalten möglich, muss aber eindeutig zum Ausdruck kommen.862 Jedoch ist in diesen Fällen zu beachten, dass derjenige, der sich dem Antrag eines anderen lediglich anschließt, diesen so übernimmt, wie er gestellt wurde, also mit allen Einschränkungen und Bedingungen. Die Anschlusserklärung verschafft nur die Rechte aus dem ursprünglichen Antrag. Ist dieser nur bedingt gestellt, so gilt die Bedingung auch für den, der sich anschließt. Wer einem hilfsweise gestellten Beweisantrag beitritt, hat keinen Anspruch auf Bescheidung, wenn der Hilfsantrag hinfällig wird, weil das Gericht dem Hauptantrag entspricht.863 Will der Beitretende das vermeiden, muss er erklären, dass er selbst den Antrag als Hauptantrag stellen will. Auch Beteiligten, die sich im Verfahren an sich mit widerstreitenden Interessen gegenüberstehen, ist es grundsätzlich nicht verwehrt, gemeinsame (übereinstimmende) Anträge zu stellen, auch in der Weise, dass sich der eine dem Antrag des anderen anschließt.864 Die Grenze ergibt sich daraus, dass Beweisanträge nur zur Förderung der eigenen Verfahrensinteressen, nicht aber ausschließlich im Fremdinteresse gestellt werden können.865 Die bloße „Verbundenheit der Interessen“ an der Beweiserhebung, die darin lie- 120 gen kann, dass damit konkordantes Vorbringen bestätigt werden soll, hat entgegen einer in Rechtsprechung und Schrifttum weit verbreiteten Meinung866 nicht zur Folge, dass der Beweisantrag eines Verfahrensbeteiligten auch ohne ausdrückliche oder eindeutige konkludente Anschlusserklärung als Antrag aller Beteiligten gilt, bei denen die „Interessenverbundenheit“ besteht.867 Welche Anträge ein Prozessbeteiligter stellen will, ist Sache seiner eigenen Prozessführung. Eine Vergemeinschaftung von Anträgen auf Grund eines vom Tat- oder gar erst Revisionsgericht angenommenen, gleichlaufenden Verfahrensinteresses an der Antragstellung ist damit nicht vereinbar. Sie wird auch hinsichtlich sonstiger Verfahrenserklärungen nicht erwogen. Wer etwa einen notwendigen Besetzungseinwand nicht erhebt (§ 222b) oder ein Ablehnungsgesuch nicht stellt (§ 24 Abs. 2, § 26 Abs. 1 Satz 1), dem wird eine entsprechende Erklärung eines anderen Verfahrensbe-

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861 Alsberg/Güntge 727. 862 RGSt 58 141; 64 30, 32; RG JW 1922 587 m. abl. Anm. Alsberg; 1926 1221 m. Anm. Beling; 1932 308 m. Anm. Jonas; Alsberg/Güntge 728; Meyer-Goßner/Schmitt 31. Eine ausdrückliche Erklärung forderten RGSt 17 375; RG Recht 1920 Nr. 1433; Beling JW 1926 1221; ders. ZStW 38 (1916) 316; Meves GA 40 (1892) 416. 863 RGSt 17 375; Alsberg/Güntge 727. 864 RG JW 1926 1224 m. Anm. Beling; 1932 2729; RG Recht 1903 Nr. 1526; BGH NJW 1952 273; Alsberg/Güntge 727; Meyer-Goßner/Schmitt 31. 865 Für die Staatsanwaltschaft, die auch zugunsten des Angeklagten und aller anderen Verfahrensbeteiligten tätig werden darf, greift diese Grenze nicht; sie hat vor allem Bedeutung bei Verfahrensbeteiligten, die nur für einen Teil des Verfahrensgegenstandes Antragsbefugnisse haben. Eine gemeinsame Antragstellung ablehnend, wenn mit der Beweisführung widerstreitende Interessen verfolgt werden, RG bei Kloeppel JW 1906 792 f.; ferner Alsberg/Güntge 727; Meyer-Goßner/Schmitt 31; zu gegenläufigen Hilfsbeweisanträgen des Staatsanwalts und des Verteidigers vgl. RGSt 17 375, 376. 866 RGSt 1 170; 58 141, 142; 67 180, 183; RG JW 1922 587 Nr. 4 (s aber auch RG aaO Nr. 3); 1926 2759; 1931 1608; 1932 2729; 1932 3721; RG GA 61 (1914) 339; LZ 1924 41; BGHSt 32 10, 12; BGH NJW 1952 273, 274 (nimmt stillschweigenden Anschluss an); 1998 3284 f. (insoweit in BGHSt 44 138 nicht abgedruckt) = JZ 1999 259 m. Anm. Duttge; NStZ 1984 42; 1984 372 m. Anm. Schlüchter; StV 1987 189; VRS 28 (1965) 380; bei Pfeiffer NStZ 1981 96; OLG Koblenz StV 2013 553, 554; Alsberg DStrZ 1914 242; Alsberg/Güntge 729 ff.; Jonas JW 1932 3098; HK/Julius 66 (zumindest bei unverteidigtem Angeklagten); KK/Krehl 98; MeyerGoßner/Schmitt 31, 84; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 66; Eb. Schmidt 22. KMR/Paulus 375 nimmt bei Gemeinschaftlichkeit des Verteidigungsvorbringens einen stillschweigenden Anschluss an. 867 Wie hier jeweils obiter dictum: BGH StraFo 2011 280 f.; BGHR § 244 Abs. 3 Rügerecht 4; ebenso: Beling JW 1926 1221 f.; Gollwitzer FS Sarstedt 28; Mosbacher HRRS-GedS Widmaier 91 (mit zutreffendem Hinweis auf die Problematik bei Antragsrücknahme); MüKo/Trüg/Habetha 145; SK/Frister 67.

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teiligten auch dann nicht zugerechnet, wenn sein eigenes (vermeintliches) Interesse erkennbar wird, dass das zuständige Gericht verhandelt, oder wenn die Gründe, die zur Ablehnung des Richters führten, dessen fehlende Unvoreingenommenheit auch ihm gegenüber besorgen lassen. Die Rüge nach § 338 Nr. 1 oder Nr. 3 steht ihm dann nicht zu. Ein derartiger völliger Verlust einer Rügemöglichkeit in der Revisionsinstanz ist hier indes nicht einmal gegeben. Vielmehr kann derjenige, der sich einem auch seinen Interessen dienenden Beweisantrag eines anderen Verfahrensbeteiligten nicht anschließt, zwar mit der Revision nicht einen Verstoß gegen das Beweisantragsrecht beanstanden, jedoch kann er eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2) geltend machen.868 Im Übrigen hat das Gericht, das vor allem bei einer Antragsablehnung Klarheit haben muss, wer Antragsteller ist, in der Hauptverhandlung eindeutige Anträge herbeizuführen und daher Zweifel, ob ein Prozessbeteiligter sich dem Antrag eines anderen anschließen will, durch entsprechende Fragen zu klären.869 Auch damit erübrigen sich Spekulationen darüber, ob ein Antrag, dem sich andere Beteiligte weder ausdrücklich noch konkludent angeschlossen haben, dennoch auch in deren Verfahrensinteressen liegt. 121 Über gemeinsame Beweisanträge ist so zu entscheiden, wie wenn sie jeder Antragsteller für sich allein gestellt hätte. Ein solcher Antrag kann nicht abgelehnt werden, wenn nur bezüglich eines der Antragsteller die Ablehnungsgründe der Absätze 3 bis 5 nicht gegeben sind.870 Nimmt ein Antragsteller den Antrag zurück oder verzichtet er, nachdem dem Antrag stattgegeben wurde, auf die noch ausstehende Beweisaufnahme, so muss das Gericht trotzdem über den Antrag befinden oder die Beweisaufnahme durchführen, wenn nicht alle anderen Antragsteller – eventuell auf Befragung – ausdrücklich oder durch eindeutiges konkludentes Handeln ebenfalls zurücknehmen oder verzichten.871 Dies gilt auch im Verhältnis von Angeklagtem und Verteidiger sowie in den Fällen, in denen sich ein Verfahrensbeteiligter dem Beweisantrag eines anderen lediglich angeschlossen hat. 122

c) Zeit und Ort. Nach den Maßstäben des § 244 Abs. 3 bis 6 ist grundsätzlich nur der Beweisantrag zu behandeln, der in der Hauptverhandlung vorgebracht wird.872 Den in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträgen stehen diejenigen gleich, die der Angeklagte bei seiner Vernehmung nach § 233 Abs. 2 gestellt hat.873 Stellt der von der Verpflichtung zum Erscheinen entbundene Angeklagte den Antrag dagegen schriftlich, so gilt ausschließlich § 219.874 Auch sonst braucht das Gericht über Beweisanträge, die vor der Hauptverhandlung gemäß § 201 Abs. 1 oder § 219 Abs. 1 Satz 1 eingereicht, aber in der Verhandlung nicht wiederholt worden sind, keinen Beschluss zu fassen.875 Dasselbe gilt für Anträge, die in einer ausgesetzten Verhandlung gestellt worden waren, wenn sie

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868 Vgl. (jeweils obiter dictum) BGH StraFo 2011 280 f.; BGHR § 244 Abs. 3 Rügerecht 4 sowie Rn. 374; zustimmend Mosbacher HRRS-GedS Widmaier 91 f.; offen gelassen von BGH StraFo 2015 70, 71; s. auch den Sonderfall BGH NStZ 1988 38 (unterlassener Hinweis an den Angeklagten, dass sich die Einschätzung, die von der Staatsanwaltschaft zum Täterschaftsnachweis unter Beweis gestellte Tatsache sei bedeutungslos, nachträglich geändert hat); kritisch Alsberg/Güntge 731 f. 869 Gollwitzer FS Sarstedt 29; Alsberg/Güntge 741; Oetker JW 1926 2759. 870 Wenn etwa die Wahrunterstellung nicht bei allen Antragstellern zu deren Gunsten wirken würde. 871 Gollwitzer FS Sarstedt 29; KK/Krehl 99; zu Rücknahme und Verzicht s. näher Rn. 127 ff. 872 OLG Frankfurt NStZ-RR 1998 210. 873 RGSt 40 354, 356; BayObLGSt 1955 267; Alsberg/Güntge 738; s.auch OLG Frankfurt NStZ-RR 1998 210; vgl. § 233, 31. 874 BayObLGSt 1955 267; OLG Frankfurt NStZ-RR 1998 210; Meyer-Goßner/Schmitt 32. 875 RGSt 41 13; 58 301; 61 376, 377; 73 193; BayObLGSt 1964 25, 26; OLG Koblenz VRS 45 (1973) 393; OLG Saarbrücken VRS 29 (1965) 293; Alsberg/Güntge 735 f.; s. auch OLG München StV 2011 401 Ls.; vgl. § 201, 39 sowie bei § 219 m.w.N.

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in der neuen Verhandlung nicht wiederholt werden.876 Auch nach einer Verweisung an ein anderes Gericht (§ 270) oder nach Aufhebung und Zurückweisung durch ein Rechtsmittelgericht müssen alle Beweisanträge neu gestellt werden.877 Jedoch kann in der Nichtbeachtung derartiger Anträge ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht nach Absatz 2 liegen.878 Die Fürsorgepflicht und Verfahrensfairness können es in solchen Fällen erfor- 123 dern, dass außerhalb der Hauptverhandlung gestellte Beweisanträge in der Hauptverhandlung vom Vorsitzenden angesprochen werden, um zu klären, ob sie hier wiederholt werden sollen; dies gilt insbesondere dann, wenn ein – ausreichend begründeter – Beschluss nach § 201 Abs. 2 Satz 1 nicht ergangen ist oder der Vorsitzende eine Verfügung nach § 219 Abs.1 Satz 2 nicht erlassen hat.879 Hat der Vorsitzende dem Angeklagten auf einen vor der Verhandlung angebrachten Beweisantrag mitgeteilt, die Entscheidung über den Antrag werde in der Verhandlung ergehen oder die Tatsache, für die der Angeklagte Beweis angeboten habe, könne als wahr angenommen werden, so ist er verpflichtet, dafür zu sorgen, dass diese Zusicherung eingehalten wird, dass sich also das erkennende Gericht mit dem Antrag befasst. Sofern nicht der Wille des Angeklagten, von dem Antrag Abstand zu nehmen, zweifelsfrei erkennbar wird,880 kann eine Verletzung dieser Pflicht die Revision begründen.881 Nichts anderes gilt, wenn das Verhalten des Vorsitzenden in einem Verteidiger den irrigen Glauben hervorruft, dass ein von diesem vor der Verhandlung eingereichter Antrag eine Sachlage geschaffen habe, die eine Wiederholung des Antrags nicht erforderlich mache. 882 Auch der rechtskundige Verteidiger braucht angesichts der Erklärung des Vorsitzenden, die zu beweisende Tatsache könne als wahr unterstellt werden, mit einer abweichenden Auffassung des erkennenden Gerichts nicht ohne weiteres zu rechnen.883 Ähnlich ist die Rechtslage, wenn das Gericht auf Antrag des Angeklagten einen Zeu- 124 gen zur Hauptverhandlung lädt, der Zeuge aber ausbleibt. Das Gericht, das durch die Ladung zu erkennen gegeben hat, dass es die in das Wissen des Zeugen gestellte Tatsache für erheblich hält, muss jedenfalls einem in Rechtsangelegenheiten unerfahrenen Angeklagten, der ohne Beistand eines Verteidigers in der Hauptverhandlung erscheint, Gelegenheit geben, den Antrag in der Hauptverhandlung zu wiederholen, wenn er nicht auf den Zeugen ausdrücklich verzichten will. Ansonsten könnte der Angeklagte in dem Irrtum befangen bleiben, er habe durch den Antrag vor der Hauptverhandlung alles Erforderliche getan, um seine Rechte zu wahren.884 Selbst wenn der Angeklagte im Beistand eines Verteidigers erscheint, rechtfertigt dessen Verzicht auf weitere Beweisaufnahme nicht ohne weiteres den Schluss, auch der Angeklagte verzichte hierauf; dies gilt

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876 RGSt 2 109; RGRspr. 7 356; 10 599; BayObLG bei Rüth DAR 1964 242; Alsberg/Güntge 737; MeyerGoßner/Schmitt 35; vgl. § 229, 39. 877 Alsberg/Güntge 737; Meyer-Goßner/Schmitt 35. 878 BGH NStZ 2017 96 m. Anm. Ventzke; BGH bei Becker NStZ-RR 2002 68; BGHR § 244 Abs. 2 Aufdrängen 1; vgl. auch BGH NStZ-RR 2002 110, 111. 879 KG JR 1950 567 f.; Alsberg/Güntge 735 f.; Trück NStZ 2007 378; KK/Krehl 85; Meyer-Goßner/Schmitt § 219, 5; vgl. BGHR § 244 Abs. 2 Aufdrängen 1; OLG Bremen VRS 36 (1969) 180, 181; einschränkend BayObLGSt 1964 25, 26 (nur bei unverteidigtem Angeklagten); offen gelassen, ob auch bei verteidigtem Angeklagten, OLG Hamm NStE § 344 Nr. 4. 880 BGHSt 1 286, 287; BGHR § 244 Abs. 2 Aufdrängen 1; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 67. 881 RGSt 61 376, 378; 75 165, 167; BGHSt 1 51, 54; 21 38, 39; 32 44, 47 f. = JR 1984 171 m. Anm. Meyer; BayObLGSt 1955 267; vgl. § 201, 40 sowie bei § 219. 882 A.A. RG JW 1932 1660. 883 RG DRiZ 1928 Nr. 740; vgl. SK/Frister 63. 884 OLG Hamburg JR 1956 28 m. Anm. Nüse; Alsberg/Güntge 736.

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namentlich dann, wenn der Angeklagte in der Hauptverhandlung die Einlassung zur Sache verweigert.885 Beweisanträge können bis zum Beginn der Urteilsverkündung gestellt werden. Die 125 Einzelheiten sind bei § 246, 2 erläutert. 126

d) Form. Der Grundsatz der Mündlichkeit erfordert den mündlichen Vortrag des Beweisantrags,886 sofern nicht das Gericht nach § 257a die schriftliche Antragstellung angeordnet hat. Unabhängig davon hat sich die Übung bewährt, dass die Antragsteller schriftlich gefasste Beweisanträge übergeben und diese vom Gericht als Anlagen zur Sitzungsniederschrift entgegengenommen werden. Bei verständigem Umgang der Beteiligten miteinander wird der Antragsteller dem Wunsch des Gerichts nach Übergabe des Antrags in schriftlicher Form stattgeben; geschieht dies nicht, so erwächst – anders als nach einem die schriftliche Antragstellung anordnenden Beschluss nach § 257a – für den Antragsteller hieraus kein Rechtsnachteil, da mündliche Antragstellung genügt.887 Wird ein Schriftstück mit der Erklärung überreicht, dieses enthalte einen Beweisantrag, so muss dieser – soweit nicht § 257a Platz greift – durch mündlichen Vortrag in die Hauptverhandlung eingeführt,888 mit den Verfahrensbeteiligten erörtert und dann beschieden werden. Dafür muss der Vorsitzende sorgen. Er wird in der Regel dem Antragsteller anheimgeben, selbst den Beweisantrag mündlich vorzutragen, er kann aber auch, wozu er jedoch nicht verpflichtet ist,889 den wesentlichen Inhalt des Beweisantrags selbst bekanntgeben. Zur Wirksamkeit des Beweisantrags ist erforderlich, dass er in der Hauptverhandlung für alle Verfahrensteilnehmer ersichtlich gestellt wird, nicht aber, dass der Antragsteller ihn selbst vorträgt. Der Antrag ist nach § 273 Abs. 1 in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen (Rn. 178). Der Antragsteller kann jedoch nicht verlangen, seinen Antrag in das Protokoll zu diktieren.890 Hat das Gericht eine Anordnung nach § 257a erlassen, so muss der nur bei Einreichung in Schriftform beachtliche Beweisantrag in der Hauptverhandlung durch Übergabe der Schrift gestellt und dies im Sitzungsprotokoll festgehalten werden. Dies gilt auch, wenn der Antrag außerhalb der Sitzung dem Gericht zugeleitet wurde. Der Vorsitzende hat dann, sofern der Antragsteller dies nicht selbst tut, dafür zu sorgen, dass in der Sitzung das Vorliegen des schriftlichen Beweisantrags ausdrücklich festgestellt wird, womit dieser als gestellt zu behandeln ist.891

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4. Rücknahme des Beweisantrags; Verzicht auf die Beweiserhebung. Der Antragsteller kann seinen Beweisantrag zurücknehmen oder, wenn das Gericht ihm bereits stattgegeben hat, auf die noch nicht durchgeführte Beweiserhebung verzichten. Hierdurch

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885 KG GA 72 (1928) 358. 886 OLG Frankfurt NStZ-RR 1998 210; Alsberg/Güntge 717; KK/Krehl 85; Meyer-Goßner/Schmitt 32; SK/Frister 62. 887 RG Recht 1924 Nr. 487; BayObLG bei Rüth DAR 1979 240; OLG Hamm JMBlNW 1970 251; Alsberg/Güntge 723; Sarstedt DAR 1964 310; KMR/Paulus 380; Meyer-Goßner/Schmitt 32; SK/Frister 65. 888 RGSt 59 420, 422; RG LZ 1914 963; JW 1931 2575; OLG Frankfurt NStZ-RR 1998 210; KG JW 1931 235; Alsberg/Güntge 724; AK/Schöch 51; Meyer-Goßner/Schmitt 32; SK/Frister 64. Dagegen sehen BGH NJW 1953 35 (Vorsitzender verlangt Verlesung nicht); KG JR 1954 430 m. Anm. Sarstedt; KMR/Paulus 380; Gössel § 29 C IIc 1 den schriftlich eingereichten Beweisantrag als wirksam gestellt an auch ohne Bekanntgabe seines Inhalts. 889 Alsberg/Güntge 724; KMR/Paulus 380. 890 BayObLG bei Rüth DAR 1979 240; OLG Hamm JMBlNW 1970 251; OLG Köln VRS 70 (1986) 370; Alsberg/Güntge 723; KMR/Paulus 377; Meyer-Goßner/Schmitt 32. 891 Nach Pfeiffer 20 sowie § 257a, 5 ist in einem solchen Fall der Beweisantrag bereits mit der Einreichung außerhalb der Hauptverhandlung gestellt und nach § 244 Abs. 3 bis 6 zu behandeln; vgl. insg. die Erl. zu § 257a.

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entfällt die durch den Antrag ausgelöste Verpflichtung des Gerichts, den Beweis zu erheben oder den Antrag nach Absatz 6 abzulehnen.892 Haben mehrere Verfahrensbeteiligte den Antrag gestellt, so gilt dies aber nur, wenn alle Antragsteller zurücknehmen bzw. verzichten (s. Rn. 121). Ist das Beweismittel bereits in der Hauptverhandlung präsent, so verlangt § 245 Abs. 1 Satz 2 darüber hinaus stets den Verzicht von Staatsanwalt, Angeklagtem und Verteidiger (vgl. § 245, 30 ff.). Erfordert die Aufklärungspflicht die Erhebung des beantragten Beweises, so muss das Gericht dem Antrag trotz Rücknahme oder Verzicht nachgehen. Zurücknahme oder Verzicht müssen eindeutig893 sein und daher in der Regel aus- 128 drücklich erklärt werden. Zwar ist die Erklärung auch durch schlüssiges Verhalten möglich; dieses muss jedoch den Rücknahme- oder Verzichtswillen zweifelsfrei erkennen lassen. Das wird bei einem nicht rechtskundigen Angeklagten nur in seltenen Ausnahmefällen der Fall sein,894 etwa wenn er gesteht und hierdurch einem zuvor gestellten Entlastungsbeweis die Grundlage entzieht,895 wird aber auch beim Verteidiger nur unter besonderen Umständen angenommen werden können. Die Erklärung, „keine weiteren Anträge mehr zu stellen“ oder „auf weitere Beweisaufnahme zu verzichten“, enthält ebenso wenig eine eindeutige Rücknahme noch nicht erledigter Beweisanträge oder einen Verzicht auf die Beweiserhebung wie das Einverständnis mit der Schließung der Beweisaufnahme896 oder bloßes Schweigen auf die Frage des Vorsitzenden, ob noch Beweise erhoben werden sollen.897 Nicht in diesem Sinne gedeutet werden kann auch: wenn der Antragsteller es unterlässt, Einwände gegen die – nach Ablehnung einer Vielzahl von Beweisanträgen getroffene – Feststellung des Vorsitzenden zu erheben, es seien nunmehr alle Anträge verbeschieden;898 wenn er nicht auf einer Entscheidung über seinen Antrag oder auf dessen Ausführung beharrt, obwohl das Gericht diesem nicht weiter nachgeht, nachdem ein erster Versuch der Zeugenladung misslungen war;899 wenn er zu der Äußerung des Vorsitzenden schweigt, der benannte Zeuge könne wegen Erkrankung nicht vernommen werden;900 wenn ihm das Gericht auf seinen vor Schließung der Beweisaufnahme gestellten Antrag mitgeteilt hat, es behalte sich die Beschlussfassung vor, und er, nachdem sich das Gericht mit dem Antrag dennoch nicht mehr befasst hat, in seinem Schlussvortrag nicht mehr auf den Antrag zurückkommt;901 wenn der Antragsteller einen Hilfsbeweisantrag im erneuten

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892 Alsberg/Güntge 753; Meyer-Goßner/Schmitt 41. 893 BGH bei Dallinger MDR 1971 18; OLG Koblenz wistra 1984 122; Meyer-Goßner/Schmitt 41; vgl auch BGH NStZ 2014 50 f. 894 OLG Celle MDR 1962 236. 895 BGH bei Becker NStZ 2004 436; KK/Krehl 123; kritisch Radtke/Hohmann/Kelnhofer 99. 896 BGH NStZ 2003 562; StV 1987 189; bei Dallinger MDR 1971 18; OLG Düsseldorf StV 2001 104 f.; OLG Koblenz wistra 1984 122; OLG Köln NJW 1954 46; OLG Zweibrücken StV 1995 347, 348; Gössel § 29 C IVa; Alsberg/Güntge 754; KK/Krehl 123; KMR/Paulus 403; Meyer-Goßner/Schmitt 41; a.A. Arndt DRiZ 1956 31. Anders mag es liegen, wenn der Antragsteller sein Versprechen, die vollständige Anschrift des benannten Zeugen nachzureichen, nicht erfüllt hat, aber auf die Frage des Vorsitzenden am Schluss der Beweisaufnahme, ob noch weitere Anträge gestellt werden sollen, dennoch nicht auf seinen (Beweisermittlungs-)Antrag zurückkommt; vgl. BGH bei Pfeiffer/Miebach 1983 212. 897 Alsberg/Güntge 755; vgl. SK/Frister 73. 898 Börner (Legitimation) 370 f.; Alsberg/Güntge 756; Knauer StraFo 2012 475; Kühne 761.1; Radtke/ Hohmann/Kelnhofer 99; a.A. BGH NStZ 2005 463, 464; JR 2010 456 m. abl. Anm. Popp; Basdorf StV 1995 319; Mosbacher FS Miebach 24. 899 Vgl. BGH NStZ 1999 419 aber unter Hinweis, dass das Tatgericht bereits Entpflichtung nach § 143 in den Raum gestellt hatte, sollten die vorgesehenen Terminstage nicht ausreichen; s. auch Börner (Legitimation) 366. 900 A.A. BGH bei Nehm DAR 1994 190. 901 RG JW 1929 114; Alsberg/Güntge 755; KMR/Paulus 403; vgl. aber auch OLG Hamm JR 1971 516 (durch Wiederholung unbedingt gestellter Beweisanträge im Schlussvortrag werden diese zu Hilfsbeweisanträgen).

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Schlussvortrag nicht wiederholt, nachdem zunächst aufgrund anderer Anträge zu abweichenden Beweisthemen erneut in die Beweisaufnahme eingetreten worden war.902 Denn der Antragsteller hat weder darüber zu wachen, dass das Gericht den vorliegenden Verfahrensstoff vollständig erledigt, noch hat er in seinem Prozessverhalten eine größere Sorgfalt an den Tag zu legen, als es das Gericht tut.903 Beides würde jedoch stillschweigend vorausgesetzt, wenn man in den dargestellten Situationen das Verhalten des Antragstellers als Rücknahme des Beweisantrags oder Verzicht auf die Beweiserhebung deuten wollte. Daher erscheint es auch zweifelhaft, wenn Rücknahme oder Verzicht eindeutig dadurch zum Ausdruck kommen sollen, dass Angeklagter und Verteidiger, nachdem statt des benannten Zeugen für die Urheberschaft an einem Schriftstück ein Schriftsachverständiger gehört worden war, auf den Hinweis des Vorsitzenden schweigen, wegen des Austausch des Beweismittels müsse über den ursprünglichen Antrag nicht mehr entschieden werden,904 oder sie sich nicht ausdrücklich dagegen wenden, dass das Gericht nach – erfolgloser – Vernehmung von fünf der acht zur selben Beweisbehauptung benannten Zeugen die übrigen nicht mehr vernimmt.905 Da die Antragsrücknahme und der Verzicht auf die Beweiserhebung als wesentliche Verfahrensförmlichkeiten gemäß § 273 Abs. 1 Satz 1 in das Protokoll aufzunehmen sind,906 wird sich in vielen der beschriebenen Fälle die Problematik allerdings schon über die negative Beweiskraft der Sitzungsniederschrift lösen. 129 Die Zurücknahme des Antrags und der Verzicht sind bedingungsfeindlich.907 Sie können jedoch auf einen Teil der Beweismittel oder der Beweistatsachen beschränkt werden.908 Ein vorläufiger Verzicht entbindet, sofern er später nicht endgültig erklärt wird, das Gericht nicht von der Entscheidung über den Antrag; er ermöglicht nur dessen Zurückstellung.909 Zurücknahme und Verzicht sind unwiderruflich. Der Verzichtende oder ein anderer Verfahrensbeteiligter ist aber nicht gehindert, später den gleichen Antrag erneut zu stellen.910 Wird die Rücknahme oder der Verzicht dadurch veranlasst, dass das Gericht ankündigt, in einem bestimmten Sinne entscheiden zu wollen, so hat es, wenn es später zu einem anderen Ergebnis gelangt, den Antragsteller hierauf hinzuweisen, damit dieser Gelegenheit erhält, seinen Antrag wieder aufzugreifen911 (vgl. jetzt auch § 265 Abs. 2 Nr. 2 und 3). 130

5. Prüfung des Beweisantrags. Jedes von einem Verfahrensbeteiligten vorgebrachte Beweisbegehren ist vom Gericht grundsätzlich inhaltlich zu prüfen912 (zu eventuellen

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902 BGH StV 1993 59. 903 Zu den Grenzen der Pflicht der Verfahrensbeteiligten, „Missverständnisse“ des Gerichts zu beheben, s. Rn. 371. 904 So aber BGH StV 1992 454; Alsberg/Güntge 756; KMR/Paulus 403; Meyer-Goßner/Schmitt 41; vgl. RG JW 1927 2706 (keine Reaktion auf die Rücknahme eines Beweisantrags durch anderen Antragsteller); bei Dallinger MDR 1957 268 (keine Reaktion auf Hinweis des Vorsitzenden, dem zufolge der Beweisantrag als „überholt“ anzusehen sei); OLG Düsseldorf MDR 1993 1105, 1106 (kein Widerspruch gegen einen andere Beweiserhebungen zu der nämlichen Beweisbehauptung anordnenden Beschlusses); krit. auch HK/Julius 69; zum „Beweismittelaustausch“ s. Rn. 145 ff. 905 So aber KG JR 1987 80; Meyer-Goßner/Schmitt 41; vgl. BGH StV 1988 469, 472 (Unterlassen einer Klarstellung, dass Beweisbegehren durch Aufklärungsbemühungen nicht erledigt); ablehnend auch HK/Julius 69; Alsberg/Güntge 756. 906 BGH StV 1983 319; Meyer-Goßner/Schmitt 42. 907 HK/Julius 69; Meyer-Goßner/Schmitt 41. 908 RGSt 75 165, 168; BGH bei Dallinger MDR 1975 268; Alsberg/Güntge 757; Meyer-Goßner/Schmitt 41. 909 Alsberg/Güntge 758. 910 RGSt 27 152, 153; RG JW 1937 1237; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1979 110; Alsberg/Güntge 761; MeyerGoßner/Schmitt 42; SK/Frister 82. 911 BGH NStZ 2006 55; vgl. auch HK/Julius 69. 912 Vgl. BGHSt 29 149, 152; KK/Krehl 105.

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Einschränkungen in Fällen des Rechtsmissbrauchs s. Rn. 199 f.). Anders kann es liegen, wenn das Begehren Anklagevorwürfe betrifft, die nach §§ 153 ff. eingestellt worden sind; dies gilt aber wiederum dann nicht, wenn es sich gegen die Glaubwürdigkeit eines Zeugen richtet, dessen Aussage auch für nicht eingestellte Tatvorwürfe relevant ist.913 Versteht der Antragsteller sein Begehren als Beweisantrag, so hat das Gericht nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten (§ 33) zunächst festzustellen, ob es den dafür bestehenden inhaltlichen Anforderungen genügt (s.o. Rn. 115 ff., auch zur Hinweispflicht bei mangelhaften Beweisanträgen). Ist dies der Fall, so hat es, soweit irgend möglich, zuerst zu prüfen, ob die Erhebung des Beweises zulässig ist, sodann, ob die unter Beweis gestellte Tatsache die Sachentscheidung beeinflussen könnte, danach – bei Bejahung der Erheblichkeit –, ob die Tatsache des Beweises bedarf, und erst zuletzt, ob das bezeichnete Beweismittel verwendbar und geeignet ist, die für erheblich und beweisbedürftig erachtete Tatsache zu beweisen. Doch ist die Einhaltung der grundsätzlich gebotenen Reihenfolge – Zulässigkeit der Beweiserhebung, Erheblichkeit der Tatsache, Beweisbedürftigkeit, Tauglichkeit des Beweismittels – nicht immer durchführbar. Maßgeblich ist die Beweislage im Zeitpunkt der Beschlussfassung.914 Die allmähliche Entwicklung der Sacherkenntnis in der Hauptverhandlung entzieht sich zuverlässiger Berechnung. Nicht selten offenbart sich im Laufe der Verhandlung, dass eine Tatsache, der zunächst als entscheidungserheblich nachgeforscht worden ist, sich nachträglich als belanglos entpuppt oder dass umgekehrt eine zunächst nur als unmaßgeblich bewertete Tatsache später doch als ausschlaggebend erscheint. Ebenso kann die Überzeugung davon, was wahr oder unwahr ist, im Laufe der Hauptverhandlung manchmal überraschend wechseln. Deshalb kann sich das Gericht veranlasst sehen, in Abweichung von jener Reihenfolge die Beweisbedürftigkeit einer Tatsache zu verneinen, solange ihre Erheblichkeit zweifelhaft ist,915 oder die Ablehnung eines Beweisantrags auf die Unbrauchbarkeit des Beweismittels zu stützen, ohne sich über die Erheblichkeit oder die Beweisbedürftigkeit schlüssig zu werden. Grundsätzlich empfiehlt es sich aber, mit der Entscheidung über einen Beweisantrag so lange abzuwarten, bis sich die Beweislage und die Grundlagen der Überzeugungsbildung des Gerichts in einem Umfang geklärt haben, dass die Entscheidung voraussichtlich bis zum Urteilsspruch trägt (s. Rn. 133). Erweist es sich dennoch als notwendig, die Ablehnung eines Beweisantrags später auf andere Gründe zu stützen, als in der Hauptverhandlung zunächst mitgeteilt, so muss das Gericht dies den Beteiligten offenlegen, damit diese ihr Prozessverhalten hierauf einstellen können (s. Rn. 144). 6. Entscheidungskompetenz. Nach § 238 Abs. 1 obliegt es dem Vorsitzenden, die 131 Beweise aufzunehmen, die in der Hauptverhandlung zur Verfügung stehen. Er ordnet daher auch die von Amts wegen durchzuführenden Beweisaufnahmen und deren Reihenfolge (s. Rn. 38) an. Dem Vorsitzenden steht es ferner zu, einem Beweisantrag stattzugeben, wenn der beantragte Beweis alsbald erhoben werden kann oder wenn seine Erhebung nur eine Unterbrechung der Hauptverhandlung in den Grenzen des § 228 Abs. 1 Satz 2 nötig macht.916 Die Verfügung des Vorsitzenden, mit der er die Beweiserhebung anordnet, bedarf keiner Begründung.917 Schließlich bleibt der Vorsitzende auch dann im Rahmen der ihm anvertrauten Leitung der Verhandlung, wenn er einen Antrag

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913 BGH StV 1999 636. 914 BGH NStZ 2015 346; Alsberg/Güntge 1426; Niemöller FS Hamm 538 ff.; KMR/Paulus 413. 915 RGSt 65 330. 916 RGSt 2 194; 5 430; 18 23; BGH StV 1983 6 m. Anm. Schlothauer; Alsberg/Güntge 1419. 917 RGRspr. 2 595; 3 295; Alsberg/Güntge 1420; KMR/Paulus 406; SK/Frister 68; vgl. BGH StV 1983 6 m. Anm. Schlothauer.

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zurückweist, der sich in der bloßen Wiederholung eines durch verkündeten Gerichtsbeschluss abgelehnten Beweisantrages erschöpft918 (anders im Fall relevanter Modifizierungen, s. Rn. 132). Dagegen bedarf es eines Gerichtsbeschlusses, wenn die Aufnahme eines in der 132 Hauptverhandlung nicht bereiten Beweises nach § 228 Abs. 1 Satz 1 eine Aussetzung der Verhandlung oder eine Unterbrechung nach § 229 Abs. 2 notwendig macht.919 Da die entsprechende Anordnung im Zusammenhang mit der Urteilsfindung steht und daher grundsätzlich unanfechtbar ist (§ 228, 35 ff., 40 ff.), bedarf der Beschluss keiner Begründung. Ein mit Gründen versehener920 Beschluss des Gerichts ist dagegen erforderlich, wenn ein Beteiligter eine auf die Beweisaufnahme bezügliche Maßnahme des Vorsitzenden erfolglos als unzulässig i.S.d. § 238 Abs. 2 beanstandet;921 der Vorsitzende kann aber unabhängig von einer Beanstandung in allen Fällen von sich aus die Entscheidung des Gerichts über die Beweiserhebung herbeiführen.922 Vor allem aber muss nach § 244 Abs. 6 Satz 1 das Gericht beschließen und dies begründen (§ 34; zum Inhalt des Zurückweisungsbeschlusses s. Rn. 134 ff.), wenn ein Beweisantrag in vollem Umfang oder teilweise (zum sog. Beweismittelaustausch s. Rn. 145 ff.) abgelehnt wird. Die Beteiligten können nicht wirksam darauf verzichten, dass das Gericht nach § 244 Abs. 6 Satz 1 entscheidet und sich mit der Entscheidung des Vorsitzenden begnügen.923 Ein Gerichtsbeschluss nach § 244 Abs. 6 Satz 1 ist auch dann erforderlich, wenn ein schon abgelehnter Beweisantrag wiederholt und hierbei ein für die Entscheidung über den Antrag bedeutsamer neuer Grund vorgebracht oder ein Mangel des ersten Antrags beseitigt wird (letztlich handelt es sich in diesen Fällen um einen neuen Antrag; anders bei unveränderter Wiederholung, s. Rn. 131). Nicht anders liegt es, wenn zunächst die Beweiserhebung angeordnet war und das Gericht erst später von der dem Beweisantrag entsprechenden Beweiserhebung absehen will,924 etwa weil der benannte Zeuge nicht geladen werden konnte; auch hier genügt nicht etwa ein Hinweis des Vorsitzenden, dass das Gericht den Zeugen für unerreichbar halte.925 Denn faktisch liegt eine nachträgliche Zurückweisung des Beweisantrages vor926 (s. Rn. 142). Das Gericht entscheidet mit einfacher Mehrheit.927 Wird ein Mitglied des erkennenden Gerichts als Zeuge benannt, so

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918 RGSt 31 62. 919 Meyer-Goßner/Schmitt 44. 920 Zur Begründungspflicht: RGRspr. 4 324; Eb. Schmidt § 34, 5a und Nachtr. § 34, 2; s. § 238, 32; a.A. RG GA 59 454; BGHSt 15 253; Alsberg/Güntge 1420. 921 Schon der eindeutige Wortlaut des § 238 Abs. 2 sollte keinen Zweifel daran lassen, dass Beweisanordnungen des Vorsitzenden nur als unzulässig beanstandet werden können; vgl. Erker 96 ff., der darauf hinweist, dass eine Beweisaufnahme, die die Schranken der Entscheidungsprärogative des Vorsitzenden ermessensfehlerhaft überschreitet, ohnehin unzulässig ist. A.A. RG LZ 1914 Sp. 1863; Alsberg/Güntge 1419; ferner Meyer-Goßner/Schmitt 45; MüKo/Trüg/Habetha 178. Vgl. auch § 238, 30. 922 AK/Schöch 62. 923 RGSt 75 165, 168; BGH NStZ 1983 422; 1983 568; StV 1992 454; 1994 172; bei Dallinger MDR 1957 268; Alsberg/Güntge 1421, 1451. 924 BGH StV 1987 189; Börner (Legitimation) 366; Alsberg/Güntge 1461. 925 RGSt 57 165, 166; BGHSt 13 300, 302; 32 10, 12; BGH NStZ 1983 568; 1984 372 m. Anm. Schlüchter; 1999 419; StV 1983 318; 1985 488, 489; Häuer JR 1984 496. 926 Das Unterbleiben des Beschlusses ist richtigerweise als Verstoß gegen § 244 Abs. 6 Satz 1 einzuordnen (BGH NStZ 1999 419; StV 1989 189), nicht dagegen der – inhaltlich – rechtsfehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrages gleichzustellen (so aber RGSt 57 165, 166; RG JW 1931 1610; Alsberg/Güntge 1461). 927 Alsberg/Güntge 1422; wegen der Streitfragen bei Annahme der Offenkundigkeit und der eigenen Sachkunde vgl. Rn. 72, 212.

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ist es von der Beschlussfassung über den Antrag nicht ausgeschlossen. Es darf und muss über den Antrag mitentscheiden.928 7. Bekanntgabe und Inhalt des Ablehnungsbeschlusses; Nachschieben von Ablehnungsgründen im Urteil a) Bekanntgabe. Das Gericht muss den Beschluss, durch den ein Beweisantrag ab- 133 gelehnt wird (Absatz 6 Satz 1), vor dem in § 258 Abs. 1 bezeichneten Schluss der Beweisaufnahme, vollständig durch Verkündung (§ 35 Abs. 1) bekanntmachen.929 Es ist aber nicht gehalten, eine Entscheidung alsbald nach Antragstellung zu treffen;930 vielmehr darf es diese aus prozessökonomischen Gründen zurückstellen, insbesondere um durch den weiteren Gang der Hauptverhandlung und Beweisaufnahme zunächst eine zuverlässigere Entscheidungsgrundlage zu gewinnen.931 Hierdurch kann in weitem Umfang vermieden werden, dass die Entscheidung später in der Hauptverhandlung revidiert oder modifiziert werden muss oder Hinweise an die Verfahrensbeteiligten erforderlich werden. Jedenfalls muss die Ablehnung aber so rechtzeitig verkündet werden, dass der Antragsteller, insbesondere der Angeklagte, sein weiteres Prozessverhalten darauf einrichten, die Ablehnungsgründe des Gerichts gegebenenfalls widerlegen, eine unzutreffende Interpretation seines Antrags mit einem neuen Beweisantrag richtigstellen932 oder auch sonst neue Anträge noch in der Hauptverhandlung stellen kann.933 Gegebenenfalls ist durch Unterbrechung der Hauptverhandlung dafür Sorge zu tragen, dass er hierfür die notwendige Vorbereitungszeit erhält. Den Urteilsgründen darf die Mitteilung der Ablehnungsgründe grundsätzlich nicht vorbehalten werden,934 auch nicht bei Wahrunterstellung der Beweisbehauptung, da auch diese möglicherweise Einfluss auf das weitere Prozessverhalten des Antragstellers haben kann.935 Diese Grundsätze finden auch dort Anwendung, wo das Gericht in der Ablehnung von Beweisanträgen freier als im Absatz 3 gestellt ist, also etwa in den Fällen von § 420 Abs. 4, § 411 Abs. 2 Satz 2, oder wenn die Anhörung eines Sachverständigen, die Vornahme eines Augenscheins, die Vernehmung eines Auslandszeugen bzw. die Verlesung eines Ausgangsdokuments begehrt wird,936 oder wenn sich ein als Beweisantrag gestelltes Beweisbegehren lediglich als Beweisermittlungsantrag erweist (s. Rn. 166). Die Notwendigkeit der Bekanntgabe in der Hauptverhandlung entfällt nur bei Verzicht des Antragstellers.937 Ein solcher wird angenom-

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928 RG GA 59 (1912) 126; BGHSt 7 330, 331 = JR 1955 391 m. Anm. Niese = JZ 1956 31 m. Anm. Kleinknecht; 11 206. 929 BGHSt 19 24, 26; BGH NStZ 2005 395. 930 Bedenken gegen eine ungebührliche Hinauszögerung der Entscheidung bei Dahs (Hdb.) 660; Dahs StraFo 1998 254; Hamm/Hassemer/Pauly 198 ff.; Hanack JZ 1970 561 (Erschwerung der Verteidigung); HK/Julius 58; differenzierend Börner (Legitimation) 508 ff.; Hamm 639 ff.; vgl. KK/Krehl 121 (alsbald, jedenfalls vor Schluss der Beweisaufnahme); s. auch LG Frankfurt StV 1992 460: begründeter Befangenheitsantrag bei „verspäteter“ Ablehnung wegen Prozessverschleppungsabsicht. 931 BGH NStZ 2011 168; Alsberg/Güntge 1447; Mosbacher FS Miebach 23; Sarstedt DAR 1964 310; G. Schäfer 833; Schulz StV 1983 342; Meyer-Goßner/Schmitt 91; vgl. Rn. 299 für die Wahrunterstellung. 932 Zur Frage, in welchem Umfang der Antragsteller Missverständnisse des Gerichts über Umfang und Verständnis seines Antrages beseitigen muss, um sich die Revision zu erhalten, s. Rn. 128, 166, 371. 933 Vgl. Alsberg/Güntge 1447 m.w.N. 934 BGHSt 19 24, 26; BGH NJW 1951 412; VRS 35 (1968) 132; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 17; OLG Köln VRS 49 (1975) 183; s. Rn. 138. 935 RG JW 1922 1037; KK/Krehl 121; Pfeiffer 22; a.A. RG HRR 1932 691. 936 Alsberg/Güntge 1424; SK/Frister 70; SK/Paeffgen § 420, 28; a.A. KK/Graf § 420, 8; Meyer-Goßner/ Schmitt § 420, 11. 937 RGSt 13 317; 51 42; 58 80; 61 376; BGH bei Dallinger MDR 1951 275; OLG Schleswig SchlHA 1973 186; Alsberg/Güntge 1451 (Verschiebung der Bekanntgabe auf die Urteilsverkündung); KMR/Paulus 410.

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men, wenn, wie etwa bei einer Verhandlung nach § 233, weder der Antragsteller noch sein Vertreter an der Hauptverhandlung teilgenommen hat.938 Eine zäsurlose Verbindung von Beschluss- und Urteilsverkündung ist dann unschädlich. Gleiches gilt grundsätzlich, wenn der Antrag als Hilfsantrag gestellt worden ist;939 außerdem in den Fällen des Absatzes 6 Satz 3 Halbsatz 1.940 134

b) Begründung. Der ablehnende Beschluss muss in sich verständlich und lückenlos so begründet werden, dass der Antragsteller über die zur Ablehnung führenden tatsächlichen oder rechtlichen Erwägungen des Gerichts aufgeklärt und in die Lage versetzt wird, die weitere Verfolgung seiner Rechte danach einzurichten; darüber hinaus muss er dem Revisionsgericht die Nachprüfung seiner Rechtmäßigkeit ermöglichen.941 Dabei ist vom wirklichen Sinn des Antrags, wie ihn der Antragsteller erkennbar verstanden wissen will, ohne jede Umdeutung, Verkürzung, Einengung oder Verschiebung des Beweisthemas auszugehen,942 jeder in Betracht kommende Gesichtspunkt zu würdigen943 und die Begründung so abzufassen, dass sie ihre tragenden Überlegungen eindeutig erkennen lässt.944 Eine lediglich den Gesetzeswortlaut wiederholende oder sich in formelhaften Wendungen erschöpfende Begründung genügt diesen Anforderungen daher – ausgenommen bei den Ablehnungsgründen der Erwiesenheit, der Offenkundigkeit in der Form der Allgemeinkundigkeit, der Wahrunterstellung sowie bei der Annahme eigener Sachkunde (s. näher die Erl. zu diesen Ablehnungsgründen) – grundsätzlich nicht.945 Sie kann ausnahmsweise dann unschädlich sein, wenn allen Verfahrensbeteiligten auf Grund der Vorgänge in der Hauptverhandlung die Erwägungen des Gerichts zweifelsfrei erkennbar waren und sie für das Revisionsgericht in ebensolcher Weise ersichtlich sind.946 Zumindest beruht in diesen Fällen das Urteil meist nicht auf der unzulänglichen

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938 Alsberg/Güntge 1453; Meyer-Goßner/Schmitt 44; SK/Frister 74. 939 S. dazu näher Rn. 153 ff. 940 S. dazu näher Rn. 359e ff. 941 RGSt 1 170; 1 189; 74 147, 150; BGHSt 1 29, 32; 2 284, 286; 19 24, 26; 29 149, 152; 40 60, 63; BGH NJW 1953 35, 36; VRS 17 (1959) 424; 34 (1968) 220; 35 (1968) 132; GA 1957 85; 1958 79; NStZ 1982 213; 1983 568; 1997 503, 505 m. Anm. Herdegen = StV 1997 567, 569 m. Anm. Wohlers; NStZ 2003 380, 381; 2007 349, 351; 2015 354, 355; 2018 111, 113; NStZ-RR 1997 41, 42; StV 1981 4; 1982 253; 1990 246; 1991 500; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 16 f.; BayObLGSt 1949-51 83; 1952 174; BayObLG NJW 1950 316; DAR 1956 165; OLG Brandenburg NStZ 1995 52, 53; OLG Celle NdsRPfl. 1982 66; OLG Düsseldorf MDR 1980 868, 869; StV 1991 295; VRS 45 (1973) 311, 313; OLG Frankfurt NJW 1952 638; OLG Hamm VRS 7 (1954) 131; StV 2005 542; KG VRS 29 (1965) 204; 48 (1975) 432; NStZ 2015 419, 421; OLG Köln VRS 49 (1975) 183, 184; 64 (1983) 279; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1951 191; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1973 186; Alsberg/Güntge 1427, 1433; Börner StraFo 2014 133; Fezer FS II BGH 862 ff.; AK/Schöch 64; KK/Krehl 119; KMR/Paulus 407 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 82; Eb. Schmidt 27. 942 BGH StV 1983 90; 1989 140, 141; 1990 149; 1991 500; bei Pfeiffer NStZ 1981 96; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 210; Alsberg/Güntge 1428. 943 OLG Frankfurt NJW 1953 198; OLG Hamm NJW 1963 603. 944 OLG Brandenburg StraFo 1997 181. 945 BGHSt 2 286; 13 252, 257; BGH VRS 16 (1959) 424; bei Pfeiffer NStZ 1981 96; BGH StV 1990 52; 1990 246; OLG Düsseldorf MDR 1980 868, 869; OLG Stuttgart Justiz 1968 133; Eb. Schmidt 27; Gössel § 29 C IVc; KMR/Paulus 407; SK/Frister 75. 946 OLG Düsseldorf MDR 1980 868; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1976 170; MeyerGoßner/Schmitt 82. Eine Begründung halten in solchen Fällen überhaupt für entbehrlich: BGH NStZ 1981 309, 310; 1982 170; StV 1981 4; 2011 619, 620; bei Spiegel DAR 1981 199; OLG Düsseldorf StV 1991 295; OLG Frankfurt NJW 1952 638; OLG Hamburg VRS 56 (1979) 457; OLG Koblenz VRS 45 (1973) 367; 73 (1987) 54; KMR/Paulus 407; wohl auch AK/Schöch 65. In noch weitergehendem Umfang für auslegungsfähig halten den Ablehnungsbeschluss: BGHSt 1 29, 32; BGH NJW 1953 1314; 2003 2761, 2762 (insoweit in BGHSt 48 268 nicht abgedruckt); OLG Stuttgart JR 1968 151 m. zust. Anm. Koffka; es erscheint jedoch zweifelhaft, ob dies den dargestellten Funktionen des Ablehnungsbeschlusses noch gerecht wird; kritisch auch Alsberg/Güntge 1427.

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Begründung (s. auch Rn. 226).947 Zu den Anforderungen an die Gründe des Zurückweisungsbeschlusses s. im Einzelnen die Erläuterungen zu den jeweiligen Ablehnungsgründen. Bezugnahmen auf die Ausführungen in anderen Entscheidungen sind in den Grün- 135 den des Ablehnungsbeschlusses grundsätzlich zu unterlassen.948 Dies gilt vor allem für Entscheidungen, die außerhalb der Hauptverhandlung ergangen sind;949 denn die Gründe für die Ablehnung müssen den Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung sofort und ohne zusätzliche Nachforschungen erkennbar sein, damit sie ihr Prozessverhalten sogleich darauf einstellen können. Eine Bezugnahme ist allenfalls unschädlich, wenn auf die Gründe verwiesen wird, mit denen ein gleichlautender Beweisantrag eines anderen Verfahrensbeteiligten bereits vorher in der Hauptverhandlung abgewiesen worden ist950 (zu Einschränkungen bei massenhafter, rechtsmissbräuchlicher Antragstellung s. Rn. 283). Es ist regelmäßig nicht sachgerecht, die Zurückweisung eines Beweisantrages auf 136 mehrere Ablehnungsgründe zu stützen; dies lässt besorgen, der Tatrichter wolle sich durch die Nennung möglichst vieler Ablehnungsgründe eine sorgfältige Prüfung jedes einzelnen ersparen in der Hoffnung, das Revisionsgericht werde sich den passenden Grund heraussuchen;951 rechtsfehlerhaft wird ein derartiges Vorgehen, wenn sich die Ablehnungsgründe widersprechen oder – etwa Bedeutungslosigkeit und Wahrunterstellung – gegenseitig ausschließen.952 Dies gilt auch für einen nur hilfsweise angeführten, zusätzlichen Ablehnungsgrund.953 Besteht ein solcher Widerspruch nicht, ist ein derartiges Vorgehen jedoch dann nicht schädlich, wenn einer der als sicher erachteten Gründe die Ablehnung trägt.954 Dies entbindet das Gericht aber nicht von der grundsätzlichen Pflicht, jeden herangezogenen Ablehnungsgrund substantiell darzulegen.955 Bleibt unklar, welchen von mehreren Ablehnungsgründen das Gericht für gegeben hält, kann in der Regel schon deshalb ein Verstoß gegen § 244 Abs. 3 nicht ausgeschlossen werden.956 Sind mehrere Beweisanträge gestellt, so muss das Gericht für jeden einzelnen von 137 ihnen, eventuell auch sogar für jedes von mehreren für dieselbe Tatsache benannte Beweismittel darlegen, weshalb es die Beweiserhebung ablehnt. Es muss klar erkennbar sein, auf welche Beweistatsache und welches Beweismittel sich der jeweilige Ablehnungsgrund bezieht.957 Eine pauschale Ablehnung, die nicht eindeutig erkennen lässt, welchen Ablehnungsgrund das Gericht bei jedem der Anträge für gegeben hielt, genügt nicht.958

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947 Vgl. etwa BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1986 207; OLG Düsseldorf MDR 1980 868, 869; KK/Krehl 234; SK/Frister 75. 948 RGRspr. 1 492; Alsberg/Güntge 1428; Börner (Legitimation) 514 f. 949 S. demgegenüber aber Mosbacher FS Miebach 21. 950 Alsberg/Güntge 1428; vgl. auch BGH NStZ 2009 168, 169; NStZ-RR 2004 118, 119. 951 BGH NStZ 2004 51; StV 2011 619, 620; Pfeiffer 21. 952 BGH NJW 1953 1314; StV 1982 253; NStZ 2004 51; bei Seibert NJW 1962 136; bei Spiegel DAR 1983 204; OLG Hamm JR 1965 269; BayObLG bei Rüth DAR 1975 206; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1980 175; Gollwitzer JR 1980 36; Alsberg/Güntge 1429; AK/Schöch 65; Meyer-Goßner/Schmitt 83. 953 A.A. OLG Karlsruhe OLGSt § 244 Abs. 3 Satz 3, 4; s. die hierzu widersprüchlichen BGHEntscheidungen bei Alsberg/Güntge 1429 Fn. 3269. 954 BGH NJW 1953 1314; vgl. StV 2010 287, 288; Alsberg/Güntge 1429. 955 BGH NStZ 2004 51. 956 OLG Köln VRS 59 (1980) 349; Alsberg/Güntge 1429. 957 BGH StV 1983 319; Alsberg/Güntge 1428. 958 BGHSt 21 118, 124; 22 124, 126; BGH NJW 1964 2118; BGH bei Dallinger MDR 1970 560; BGH StV 1987 236, 237; OLG Düsseldorf StV 1991 295; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1981 93; AK/Schöch 65; KMR/Paulus 434; Meyer-Goßner/Schmitt 83; SK/Frister 75.

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c) Nachschieben von Ablehnungsgründen im Urteil. Ausführungen in den Urteilsgründen sind nicht geeignet, den Verfahrensfehler auszugleichen, der darin liegt, dass das Gericht versäumt hat, den ablehnenden Beschluss und die Ablehnungsgründe vor Schluss der Beweisaufnahme bekanntzugeben. Ebenso wenig kann ein fehlerhaft oder unvollständig begründeter Beschluss durch das Nachschieben von Gründen im Urteil geheilt werden.959 Die Verfahrensbeteiligten, vor allem der Antragsteller, müssen noch in der Hauptverhandlung Gelegenheit erhalten, sich bei der weiteren Verfolgung ihrer Rechte nach der Ablehnung und ihren Gründen zu richten (s. Rn. 134). Sofern kein Hilfsantrag vorliegt960 und auch kein Fall des § 244 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 gegeben ist, muss die prozessuale Lage noch in der Hauptverhandlung für alle Beteiligten klargestellt werden (s. Rn. 144). Nur wenn ausgeschlossen werden kann, dass der Antragsteller auch bei Kenntnis der im Urteil nachgeschobenen Begründung für die Ablehnung seines Antrages seine Rechtsverfolgung abweichend hätte gestalten können, kann das Beruhen des Urteils auf dem fehlenden oder fehlerhaften Ablehnungsbeschluss verneint werden.961 Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn die Beweistatsache in den Urteilsgründen nachträglich als erwiesen behandelt, als wahr unterstellt oder für allgemeinkundig gehalten wird; denn allein dadurch, dass sie im Urteil als zutreffend angesehen wird, ist nicht die mögliche verfahrensrechtliche Beschwer des Antragstellers ausgeräumt, die darin liegen kann, dass er bei rechtzeitiger Information über diese Behandlung seiner Beweisbehauptung daran anknüpfend eventuell weitergehende Anträge hätte stellen oder seine Rechtsverfolgung in anderer Weise hierauf hätte einrichten können.962 Nur wenn dies ausgeschlossen werden kann, beruht das Urteil nicht auf dem Verfahrensverstoß. Dem Gericht ist es freilich nicht verwehrt, auf einen in der Verhandlung durch be139 gründeten Beschluss abgelehnten Beweisantrag auch in den Urteilsgründen einzugehen.963 Dennoch sind derartige Ausführungen nicht angezeigt. Weil im Urteil Ablehnungsgründe weder nachgeschoben noch ergänzt werden dürfen (s. Rn. 138), müssen die dortigen Erwägungen ohnehin im Einklang mit der Würdigung stehen, die der Beweisantrag im Ablehnungsbeschluss erfahren hat.964 Andererseits hat das Revisionsgericht die Urteilsgründe bei Prüfung der Frage zu verwerten, welche Überlegungen das Gericht letztlich zur Ablehnung des Beweisantrages bestimmt haben und insbesondere, ob die tragenden Gründe des Urteils noch übereinstimmen mit der tatsächlichen und rechtlichen Beurteilung, die dem Ablehnungsbeschluss zugrunde lag. Dementsprechend kann der Antragsteller einen Revisionsangriff sowohl auf rechtliche Mängel des in der

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959 RGSt 74 147, 151; BGHSt 19 24, 26; 29 149, 152; BGH NJW 1951 368; 1985 76; NStZ 1982 213; 1982 432; 1984 565; 2003 380, 381; 2007 349, 351; VRS 35 (1968) 132; 36 (1969) 213; GA 1957 85; StV 1981 110; 1982 58; 1982 253; 1990 246; bei Dallinger MDR 1951 175; bei Pfeiffer NStZ 1981 96; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 17; BayObLGSt 1952 174; 2003 7, 8 = JR 2003 518 m. Anm. Seitz; BayObLG DAR 1956 165; OLG Celle NdsRpfl. 1982 66; OLG Düsseldorf MDR 1980 868, 869; StV 1991 295; VRS 45 (1973) 311, 313; 56 (1979) 357, 359; OLG Hamm StV 2005 542; KG VRS 48 (1975) 432; NStZ 2015 419, 421; OLG Köln VRS 17 (1959) 140, 141; 49 (1975) 183; 64 (1983) 279; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1951 191; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1977 182; OLG Zweibrücken VRS 61 (1981) 434; AK/Schöch 66; KK/Krehl 121; KMR/Paulus 408; Meyer-Goßner/Schmitt 83; SK/Frister 71; Alsberg/Güntge 1430 m.w.N., auch zu einigen abweichenden Entscheidungen des RG. 960 BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 17. 961 BGHSt 29 149, 152; BGH NJW 1985 76, 77; NStZ 1982 213; 1982 432; 1997 284; StV 1990 246; 1990 340; 1996 581, 582; OLG Düsseldorf MDR 1980 868, 869; Alsberg/Güntge 1431; Herdegen NStZ 1990 515; Schlüchter StV 1987 47 in krit. Anm. zu BGH StV 1987 46; KK/Krehl 233. 962 Alsberg/Güntge 1430. 963 BGHSt 19 24, 25 f. 964 RG HRR 1938 Nr. 790; BayObLGSt 1952 174; OLG Köln VRS 17 (1959) 140.

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Verhandlung verkündeten Beschlusses als auch auf etwaige abweichende Erwägungen in den Urteilsgründen stützen. Ist der Ablehnungsbeschluss fehlerhaft, so braucht der Antragsteller die im Urteil nachgeschobenen Gründe nicht gegen sich gelten zu lassen; ob diese für sich gesehen ebenfalls rechtsfehlerhaft sind oder nicht, ist ohne Belang, da schon ihre nicht rechtzeitige Bekanntgabe den Urteilsspruch maßgebend beeinflusst haben kann.965 Ist der Ablehnungsbeschluss dagegen rechtsfehlerfrei, so kann der Antragsteller seinen Revisionsangriff unmittelbar gegen die abweichenden Ausführungen des Urteils richten, aus den genannten Gründen wiederum unabhängig davon, ob diese für sich rechtlich tragfähig sind oder nicht. Ein fehlerfreier Ablehnungsbeschluss, der die Ansicht des Gerichts im Zeitpunkt seines Erlasses wiedergibt, kann somit durch Ausführungen im Urteil obsolet werden; denn diese geben die für das Urteil allein maßgebenden Überlegungen des Gerichts bei der Schlussberatung wieder.966 Will das Gericht auch auf deren Grundlage an der Ablehnung des Beweisantrags festhalten, so hat es den Antragsteller daher noch in der Hauptverhandlung über seine abweichenden Erwägungen und damit die (teilweise) Modifizierung des Ablehnungsbeschlusses zu unterrichten, damit sich dieser auf die geänderte Sichtweise des Gerichts einstellen und sein weiteres Prozessverhalten gegebenenfalls danach ausrichten kann967 (s. auch § 265 Abs. 2 Nr. 2). d) Abschrift des Beschlusses. Werden Beschlüsse, durch die eine beantragte Be- 140 weiserhebung abgelehnt wird, in der Verhandlung verkündet, so muss dem Betroffenen auf Verlangen nach § 35 Abs. 1 Satz 2 eine Abschrift erteilt werden. Ob dies bei rechtzeitig gestelltem Antrag noch während der Hauptverhandlung geschehen muss968 oder ob dem Antrag erst nach Fertigstellung des Sitzungsprotokolls entsprochen zu werden braucht,969 ist streitig; s. näher § 35, 12. 8. Änderung der Entscheidung. Die Entscheidung über einen Beweisantrag erle- 141 digt diesen nicht endgültig mit der Wirkung, dass das Gericht für die Instanz daran gebunden wäre.970 Beurteilt es die Sach- oder Rechtslage im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung oder in der Schlussberatung abweichend, so hat es die ursprüngliche Entscheidung, die die Beweisaufnahme abgelehnt oder sie antragsgemäß angeordnet hat, entsprechend abzuändern. a) Nachträgliche Ablehnung des Beweisantrages. Kommt das Gericht zu der 142 Überzeugung, dass ein Beweisantrag, dem durch Anordnung der entsprechenden Beweiserhebung zunächst entsprochen worden war, nunmehr abzulehnen ist, so hat es diesen nachträglich durch einen mit Gründen versehenen Beschluss (§ 244 Abs. 6 Satz 1) zurückzuweisen, der deutlich macht, dass es sich um eine Entscheidung des Gesamtspruchkörpers handelt;971 daher kann etwa allein die Feststellung des Vorsitzenden, der

_____

965 BGHSt 19 24, 26; KK/Krehl 121; s. Rn. 138. 966 BGHSt 19 24, 26; BayObLGSt 1952 174, 175 f. 967 BGH NStZ 2012 525, 526. 968 So – zutreffend – BGH NStZ 2008 110; Beschl. v. 16.7.2008 – 1 StR 289/08; Eb. Schmidt § 35, 11; SK/Frister 76; vgl. Alsberg/Güntge 1449 f.: kein Rechtsanspruch aus § 35 Abs. 1 Satz 2, wohl aber ein Gebot der Fürsorgepflicht, wenn Begründung nicht so kurz und einprägsam, dass die genaue Kenntnis des Wortlauts für die Verhandlungsführung entbehrlich ist; ferner G. Schäfer 1173. 969 RGSt 44 53. 970 BayObLGSt 1952 174, 175; OLG Hamm StraFo 2006 73 f.; KMR/Paulus 411; Meyer-Goßner/Schmitt 82; Eb. Schmidt Nachtr. I 9; eingehend Niemöller FS Hamm 537 („Kontinuitätsgrundsatz“). 971 RGSt 31 137; 57 165, 166; BGHSt 13 300, 301 ff.; BGH StV 1985 488; OLG Hamm StraFo 2006 73, 74; Alsberg/Güntge 1461; Meyer-Goßner/Schmitt 82. Missverständlich BGHSt 32 10, 12 f., wonach dies bei durch

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Zeuge werde nunmehr als unerreichbar erachtet, nicht genügen.972 Die Anforderungen an die Begründung der nachträglichen Ablehnung einer bereits antragsgemäß angeordneten Beweiserhebung stehen nicht hinter denjenigen zurück, die bei sofortiger Ablehnung zu beachten gewesen wären.973 Im Gegenteil bedarf es, nachdem das Gericht selbst den Beweis zunächst für erforderlich gehalten hatte, mitunter besonders eingehender Ausführungen,974 die auch ersichtlich machen sollten, warum das Gericht durch das Unterlassen der Beweisaufnahme seine Aufklärungspflicht nicht verletzt. Die Entscheidung, mit der eine bereits angeordnete Beweiserhebung nachträglich abgelehnt wird, ergeht nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten.975 Sie ist noch vor dem Urteil in der Hauptverhandlung zu verkünden. Für die Verfahrensbeteiligten entsteht dadurch mitunter eine neue Sachlage (vgl. § 265 Abs. 2 Nr. 2 und 3), die die Aussetzung oder Unterbrechung der Hauptverhandlung erfordern,976 zumindest aber neue Beweisanträge auslösen kann. Zum Verfahren bei Hilfsbeweisanträgen vgl. Rn. 157. 143

b) Nachträgliche Anordnung der Beweiserhebung. Das Gericht – nicht der an einen Ablehnungsbeschluss gebundene Vorsitzende – ist andererseits verpflichtet, die verlangte Beweisaufnahme nachträglich anzuordnen, sobald die weitere Verhandlung oder die Urteilsberatung ergibt, dass der angenommene Ablehnungsgrund nicht (mehr) zutrifft977 oder die Aufklärungspflicht die Beweiserhebung doch erfordert. Dies gilt, entgegen teilweise vertretener Ansicht,978 auch für die beweismittelbezogenen Ablehnungsgründe der Unerreichbarkeit und Ungeeignetheit; denn auch insoweit kann sich die Sach- oder Rechtslage nach Erlass des Ablehnungsbeschlusses ändern, etwa ein zunächst vernehmungsunfähig erkrankter Zeuge wieder gesunden oder ein zunächst nicht auffindbarer Zeuge wieder auftauchen. Nicht etwa ist es in derartigen Fällen erforderlich, dass der Beweisantrag nochmals gestellt wird. Die Entscheidung des Gerichts kann auch intern ergehen und vom Vorsitzenden in der Hauptverhandlung den Verfahrensbeteiligten formlos eröffnet werden. Eine förmliche Aufhebung des früheren, ablehnenden Beschlusses ist nicht notwendig; desgleichen bedarf es in der Regel keiner besonderen Begründung.979

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c) Änderung der Ablehnungsgründe. Die Verfahrenslage im Zeitpunkt der Urteilsfällung ist dafür maßgebend, ob und aus welchen Gründen ein Beweisantrag abgelehnt werden darf. Ergibt sie, dass eine Beweiserhebung nur aus anderen Gründen, als ursprünglich angenommen, entfallen kann, muss das Gericht den Verfahrensbeteiligten in einem neuen Beschluss die nunmehr maßgebenden Gründe noch in der Hauptverhandlung eröffnen; gegebenenfalls muss es dazu nach der Urteilsberatung nochmals in die mündliche Verhandlung eintreten.980 Dies folgt aus dem Zweck von Absatz 6 Satz 1, der

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„Beschluss“ angeordneter Beweisaufnahme gelte; darauf kann es jedoch nicht ankommen, vielmehr ist § 244 Abs. 6 Satz 1 auch zu beachten, wenn – wie regelmäßig – zunächst der Vorsitzende dem Beweisantrag durch Verfügung entsprochen hatte. 972 BGH StV 1983 318. 973 OLG Hamm StraFo 2006 73, 74. 974 OLG Koblenz VRS 49 (1975) 192. 975 RGSt 57 165; BGHSt 32 10, 12; BGH StV 1983 318; OLG Hamm StraFo 2006 73, 74; Alsberg/Güntge 1461. 976 Alsberg/Güntge 1463. 977 RG JW 1915 720; Alsberg/Güntge 1464; KMR/Paulus 411; MüKo/Trüg/Habetha 188. 978 Niemöller FS Hamm 538 ff.; KK/Krehl 122; Meyer-Goßner/Schmitt 82. 979 Alsberg/Güntge 1464. 980 BGHSt 19 24, 26; 21 38; 32 47; BGH NJW 1951 368; VRS 35 (1968) 132; BayObLGSt 1952 174; BayObLG DAR 1956 165; BayObLG bei Rüth DAR 1972 205; OLG Düsseldorf VRS 4 (1952) 277; OLG Hamm DAR 1962

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sicherstellen soll, dass die Verfahrensbeteiligten von den im Zeitpunkt der Urteilsfällung für maßgebend erachteten Ablehnungsgründen Kenntnis erhalten, um ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, noch in der Hauptverhandlung zu ihnen Stellung zu nehmen und ihre Verfahrensführung danach einzurichten981 (s. auch § 265 Abs. 2 Nr. 2). Unterbleibt die Unterrichtung, so steht dies der fehlerhaften Ablehnung des Antrages gleich.982 Die Pflicht zur förmlichen Änderung des Ablehnungsbeschlusses gilt auch dann, wenn das Gericht die zunächst als wahr unterstellte Beweistatsache nunmehr als bedeutungslos betrachtet983 oder hiervon ausgeht, nachdem es den Beweisantrag zunächst wegen Ungeeignetheit des Beweismittels zurückgewiesen hatte.984 9. Austausch von Beweismitteln. Das Gericht muss bei der eigenen Aufklärung 145 der im Beweisantrag behaupteten Tatsache nicht das vom Antragsteller benannte Beweismittel nutzen. Die mit einem anderen Beweismittel durchgeführte Beweiserhebung erfüllt den mit der Anerkennung der Beweisbedürftigkeit der Behauptung durch das Gericht begründeten Beweiserhebungsanspruch des Antragstellers aber nur, wenn dieser, wie beim Antrag auf Sachverständigenbeweis (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 1) nicht die Verwendung eines bestimmten Beweismittels verlangen kann, da dessen Auswahl allein dem Gericht zusteht,985 oder das Gesetz dem Gericht die Befugnis einräumt, statt des Zeugenoder Sachverständigenbeweises Urkunds- oder Augenscheinsbeweis zu erheben (s. §§ 251, 253, 254, 255a, 256) mit der Folge, dass über den Antrag auf Zeugenvernehmung oder Anhörung des Sachverständigen nur noch nach den Maßstäben der Aufklärungspflicht zu befinden ist, wenn das vom Gericht genutzte Beweismittel die im Beweisantrag benannte Beweistatsache bereits abgedeckt hat.986 In allen übrigen Fällen wird – entgegen der in der Rechtsprechung und in Teilen des Schrifttums vertretenen Ansicht, die für Sonderkonstellationen Ausnahmen anerkennt987 – der Beweiserhebungsanspruch des

_____ 59; KG VRS 48 (1975) 432; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1951 191; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1977 192; bei Döllel/Dreeßen SchlHA 2012 296 f.; Alsberg/Güntge 1460; Börner StraFo 2014 133; Schlothauer StV 1986 227; Eb. Schmidt Nachtr. I 9; KK/Krehl 122; Meyer-Goßner/Schmitt 93. 981 Vgl. KK/Krehl 122, der zutreffend darauf hinweist, dass jeder Ablehnungsbeschluss unter dem Vorbehalt des Fortbestands der angenommenen Ablehnungsgründe steht, so dass bei deren Änderung schon aus Absatz 6 Satz 1die Pflicht zur Bekanntgabe der nunmehr vom Gericht für durchgreifend erachteten Ablehnungsgründe folgt, und es dafür des Rückgriffs auf die Grundsätze des fairen Verfahrens (so aber BGHSt 32 44, 47 = JR 1984 171 m. abl. Anm. Meyer; BGH StV 1992 147 m. Anm. Deckers; OLG Frankfurt MDR 1993 1001, 1002) nicht bedarf; ebenso Meyer JR 1984 174; vgl. auch SK/Frister 77. 982 RGSt 57 165, 167; Niemöller FS Hamm 542; AK/Schöch 70; KK/Krehl 122; Meyer-Goßner/Schmitt 93. 983 Zum Meinungsstreit vgl. Rn. 311 ff. 984 A.A. BGH StV 1987 46 m. abl. Anm. Schlüchter. 985 Vgl. BGHSt 34 355, 357; BGH bei Kusch NStZ 1992 225; bei Becker NStZ 2003 418; Eisenberg (Beweisrecht) 200; AK/Schöch 72; KMR/Paulus 423; Meyer-Goßner/Schmitt 47; a.A. Schulz StV 1983 342 (keine Befugnis zum Austausch; aber die durch den eigenen Sachverständigen gewonnene Sachkunde rechtfertigt Ablehnung des Benannten); zur gerichtlichen Bevorzugung bestimmter Sachverständiger s. Barton StV 1983 74; Böttger/Kury/Mertens MSchrKrim 1991 373; krit. hierzu Hamm/Hassemer/Pauly 211; HK/Julius 41. 986 Etwa BGHSt 48 268, 272 ff. = NJW 2003 2761 m. Anm. Eisenberg/Zötsch S. 3676 = StV 2003 650 m. Anm. Schlothauer sowie Anm. Fürstenau StV 2004 468 = JR 2004 212 m. Anm. Vogel/Norouzi; Rieß StraFo 1999 5; Schlothauer StV 1999 49 (alle zu § 255a Abs. 2 Satz 1); BGH NStZ 2008 529; bei Pfeiffer NStZ 1981 95 (jew. zu § 256); BGH NStZ 2018 740, 742 (zu § 251 Abs. 1 Nr. 3); a.A. SK/Frister 100; s. auch Rn. 177. 987 BGHSt 22 347, 348 = JR 1970 104 m. abl. Anm. Peters = LM § 244 Abs. 3 Nr. 27 m. Anm. Kohlhaas; BGH StV 1983 6 m. abl. Anm. Schlothauer; 2008 506 (auch kein Ablehnungsbeschluss nach § 244 Abs. 6 Satz 1 erforderlich); 2011 619, 621; NStZ 1983 86 f. (Recht, ein Beweismittel zu benennen, ist nicht Selbstzweck, sondern Mittel zur Gewährleistung des Beweiserhebungsanspruchs) m. abl. Anm. Sieg MDR 1983 505; OLG Köln NStZ 1987 341 = OLGSt N.F. Nr. 10 m. abl. Anm. Julius; StV 1999 82, 84 m. abl. Anm. Julius; Alsberg/Güntge 784; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 96 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 47; vgl. auch BGH

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Antragstellers durch die Nutzung eines anderen als des von ihm benannten Beweismittels nicht erfüllt, auch wenn dieses nach Auffassung des Gerichts zur Klärung der Beweisbehauptung in gleicher Weise oder sogar besser geeignet ist;988 denn hier forscht das Gericht in der Sache zwar der Beweisbehauptung des Antragstellers nach, erfüllt dessen Beweisbegehren aber nicht, da es nicht das von diesem benannte Beweismittel verwendet, von dem er sich gerade die Bestätigung seiner Beweisbehauptung erwartet. Es hat daher weiterhin über dessen Beweisantrag nach den Maßstäben des § 244 Abs. 3 bis 5 zu befinden;989 kann es diesen – auch aufgrund der Beweiserhebung durch das andere Beweismittel – nicht aus einem der gesetzlich vorgesehenen Ablehnungsgründe zurückweisen, so muss es das vom Antragsteller angebotene Beweismittel nutzen.990 Nicht etwa hat der Antragsteller gegen die Entscheidung des Vorsitzenden, statt des vom Antragsteller benannten ein anderes Beweismittel zu nutzen, gemäß § 238 Abs. 2 das Gericht anzurufen, um sich die Rügemöglichkeit in der Revision zu erhalten.991 Hiervon ausgehend gilt: Hat das Gericht, wie beim Augenschein (Absatz 5 Satz 1), über den Beweisantrag al146 lein nach den Maßstäben der Aufklärungspflicht zu befinden, so ist es nicht gehindert, sich statt durch den beantragten unmittelbaren Augenschein durch Verwendung anderer, gleich zuverlässiger992 Beweismittel (Foto, Film, Modell, Unfallskizze etc.; zu den in Betracht kommenden alternativen mittelbaren Augenscheinsobjekten s. Rn. 19 f.) über die Beschaffenheit der Örtlichkeit oder des Gegenstandes zu unterrichten und unter Hinweis darauf den unmittelbaren Augenschein abzulehnen, weil dieser durch die Aufklärungspflicht nicht (mehr) geboten ist.993 Es kann sich auch durch einen Zeugen, der das Augenscheinsobjekt kennt, über dessen Beschaffenheit berichten lassen,994 oder den Augenschein durch einen beauftragten oder ersuchten Richter anordnen und sodann das von diesem gefertigte Protokoll im Wege des Urkundsbeweises verlesen.995 Es hat aber auch die Möglichkeit, Zeugen oder Sachverständige als Augenscheinsgehilfen einzuschalten (s. dazu näher Rn. 25) und diese in der Hauptverhandlung über ihre Feststellungen zu dem Augenscheinsobjekt zu vernehmen.996 Das beantragte Vorspielen der

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StRR 2013 96 m Anm. Arnoldi, wo als naheliegend erwogen wird, dass das benannte Beweismittel nicht nur durch ein anderes Beweismittel im engeren Sinne, sondern gegebenenfalls auch durch die Einlassung des Angeklagten ersetzt werden kann (dies stößt insbesondere im Hinblick auf die Eigenständigkeit des Beweisantragsrechts des Verteidigers auf zusätzliche Bedenken: dessen Beweisbehauptung kann grundsätzlich nicht als Einlassung des Angeklagten gewertet werden und sich zu den Angaben des Angeklagten auch in Widerspruch setzen); NStZ 2014 604, 606 (wo die Ersetzung des Urkunds- durch Zeugenbeweis für möglich erachtet wird). 988 Vgl. BGH NStZ-RR 1996 336, 337 für den Fall eines „nicht gleichwertigen Beweismittels“; StV 2011 619, 621; Roxin/Schünemann § 45, 32; G. Schäfer 1176. 989 Eisenberg (Beweisrecht) 200; HK/Julius 56; KK/Krehl 116; SK/Frister 80. 990 Hanack JZ 1970 561 ff.; 1972 115; Julius StV 1999 87; Kratzsch JA 1983 231; Schulz StV 1983 341; Sieg MDR 1983 505; AK/Schöch 72; HK/Julius 56; KK/Krehl 116 f.; SK/Frister 78 ff.; wohl generell auch Dahs/Dahs 328; vgl. KMR/Paulus 421. 991 So aber BGH StV 1983 6 m. abl. Anm. Schlothauer. 992 S. demgegenüber BGH NStZ 2006 406, 407 m. Anm. Gössel: höherer Beweiswert eines Videofilms gegenüber daraus entnommenen Einzelbildern. 993 RGSt 47 100, 106; BGHSt 3 187, 189; 22 347, 349; BGH NStZ 1981 310; 1984 565; 1988 88; bei Pfeiffer/ Miebach NStZ 1985 206; bei Becker NStZ 2007 516; OLG Düsseldorf DAR 1966 249; OLG Frankfurt StV 2016 796, 797; Alsberg/Güntge 783, 1393 ff.; S. Harms 279 f.; KK/Krehl 116 (mittelbarer Augenschein statt unmittelbarer genügt, wenn Aufklärungspflicht nicht dagegen spricht); Meyer-Goßner/Schmitt 47; SK/Frister 232. 994 BGH NStZ 1981 310; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 206; KG NJW 1980 952. 995 RG HRR 1932 689. 996 RGSt 47 100, 106; RG HRR 1932 689; BGHSt 27 135, 136 = JR 1978 119 m. Anm. Gollwitzer; BGH NStZ 1984 565; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 206; Beling JW 1925 796; Dankert NStZ 1985 469; Eisenberg (Beweisrecht) 200; Alsberg/Güntge 783, 1393 ff.; KK/Krehl 116; s. demgegenüber Stoll 14 ff.

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Tonaufzeichnung eines Telefongesprächs kann es durch die Verlesung der wörtlichen Niederschrift von dessen Inhalt ersetzen und, so keine Zweifel an der Zuverlässigkeit der Niederschrift bestehen, hierauf gestützt den Antrag auf Abspielen der Tonaufzeichnung zurückweisen.997 Betrifft der Augenschein eine offenkundige Tatsache, so kann es ihn auch ablehnen, weil diese anderweitig festgestellt werden kann, wie etwa der Straßenverlauf aus einer Karte.998 In all diesen Fällen handelt es sich nicht um den „Austausch“ des vom Antragsteller bezeichneten Beweismittels, sondern um die Zurückweisung dessen Beweisantrages aus einem zulässigen Ablehnungsgrund. Ähnlich liegt es, wenn das Gericht „zur bestmöglichen Präsentation des Beweis- 147 stoffs“ einen bereits kommissarisch vernommenen Zeugen persönlich anhört, statt – wie beantragt – im Wege des Urkundsbeweises die Niederschrift über dessen frühere Vernehmung zu verlesen. Beharrt der Antragsteller danach weiterhin auf der Verlesung des Protokolls, so kann sein Antrag, wenn die persönliche Anhörung die Beweisbehauptung bestätigt hat, wegen deren Erwiesenheit999 oder, wenn durch die persönliche Vernehmung des Zeugen das Gegenteil der Beweisbehauptung in einer Weise feststeht, dass sowohl objektiv als auch nach der Vorstellung des Antragstellers die weiterhin begehrte Verlesung des Vernehmungsprotokolls das von ihm behauptete Beweisergebnis mit Sicherheit nicht erbringen wird, wegen Prozessverschleppung zurückgewiesen werden,1000 nicht jedoch wegen Erwiesenheit des Gegenteils.1001 Ansonsten ist das Protokoll zu verlesen.1002 Wird jedoch beantragt, einen Auszug aus dem Bundeszentralregister anzufordern und zu verlesen, so ist dieses Begehren nicht dadurch erfüllt, dass der Vorsitzende einen Vermerk der Geschäftsstelle über das Ergebnis einer telefonischen Anfrage beim Bundeszentralregister verliest.1003 Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Antragsteller für seine Tatsachenbehaup- 148 tung Zeugenbeweis antritt. Ist die Richtigkeit seiner Behauptung oder deren Gegenteil offenkundig, ist die Behauptung durch anderweitige Beweisaufnahme bereits bestätigt1004 oder bedeutungslos geworden oder ist sie durch diese in einer Form widerlegt worden, die – gegebenenfalls in Verbindung mit weiteren Umständen – belegt, dass der Antragsteller die Vernehmung des von ihm benannten Zeugen nur noch zur Verschleppung des Prozesses weiter verfolgt, so kann der Beweisantrag aus dem entsprechenden Ablehnungsgrund des § 244 Abs. 3 Satz 2 zurückgewiesen werden.1005 Es kann daher im Einzelfall angebracht sein, zunächst vor einer Entscheidung über den Beweisantrag an-

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997 Vgl. BGHSt 27 135, 137 = JR 1978 117 m. Anm. Gollwitzer; Fezer JuS 1979 188. 998 Damit löst sich weitgehend der Streit um den Fall in BGHSt 22 347 = JR 1970 104 m. Anm. Peters = LM § 244 Abs. 3 Nr. 27 m. Anm. Kohlhaas; dazu Hanack JZ 1970 564; 1972 115; AK/Schöch 72. 999 Julius StV 1999 87. 1000 Vgl. Rn. 275. 1001 Vgl. AK/Schöch 72. 1002 Ebenso KK/Krehl 116; dies kann im Einzelfall auch notwendig werden, wenn der Antragsteller die Verlesung nunmehr mit der Behauptung verlangt, der Zeuge habe bei der kommissarischen Vernehmung anders ausgesagt als jetzt in der Hauptverhandlung (vgl. § 253 Abs. 2); hierin liegt jedoch ein neuer Beweisantrag, denn es geht jetzt nicht mehr um den Nachweis der Wahrnehmung des Zeugen, sondern um die Feststellung einer Hilfstatsache, die zum Beleg der Unglaubhaftigkeit der Aussage in der Hauptverhandlung dienen soll. 1003 A.A. BGH StV 1983 6 m. abl. Anm. Schlothauer; im Ergebnis ist diese Entscheidung richtig, weil es mangels konkreter Beweisbehauptung (eine Zeugin sei lügenhaft und neige zu unbegründeten Verdächtigungen) schon an einem Beweisantrag fehlte und der Tatrichter durch die Aufklärungspflicht im Hinblick auf das Ergebnis der telefonischen Anfrage erkennbar nicht gehalten war, einen Zentralregisterauszug anzufordern und zu verlesen. 1004 Vgl. BGH StV 2011 619, 621. 1005 Vgl. KK/Krehl 117; SK/Frister 80 (Ablehnung nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen).

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dere vorhandene, zur Aufklärung der Beweisbehauptung in gleicher Weise oder besser als der benannte Zeuge geeignete Beweismittel zu nutzen, wenn dadurch die beantragte Zeugenvernehmung aus einem der Gründe des Absatzes 3 Satz 2 eventuell entbehrlich wird. So wird es sich etwa empfehlen, einen unmittelbaren Zeugen des unter Beweis gestellten Geschehens zu befragen und erst dann zu prüfen, ob auch der im Antrag benannte Zeuge vom Hörensagen hierzu noch zu vernehmen ist. Ebenso liegt es nahe, eine zur Verfügung stehende Urkunde zur Ermittlung ihres Inhalts zu verlesen, bevor über den Antrag befunden wird, deren Inhalt durch Vernehmung eines Zeugen festzustellen.1006 Allein dadurch, dass es statt des benannten einen anderen Zeugen vernimmt, den es für die Sachaufklärung in gleicher Weise oder besser geeignet erachtet, oder ein sonstiges so bewertetes Beweismittel nutzt, erfüllt das Gericht den Beweiserhebungsanspruch des Antragstellers dagegen nicht. Zeugenaussagen sind erlebnisbezogen und personengebunden; sie werden von den persönlichen Fähigkeiten, Eigenschaften und Einstellungen des Zeugen geprägt.1007 Sie sind daher stets auf ihre Glaubhaftigkeit zu prüfen, die Zeugen auf ihre allgemeine Glaubwürdigkeit. Dies gilt auch dann, wenn ein Zeuge nicht über ein „von subjektiven Eindrücken und Vorstellungen bestimmtes Erlebnis“, sondern über „eine bestimmte, in der Außenwelt sichtbare und deshalb jederzeit nachprüfbare objektive Gegebenheit“ aussagen soll;1008 denn ein Zeuge kann – aus welchen Gründen auch immer – selbst über in der Außenwelt sichtbare, jederzeit nachprüfbare objektive Gegebenheiten vorsätzlich oder fahrlässig Unrichtiges bekunden. Die Gegenansicht will dies offenbar verneinen; damit nimmt sie aber – trotz gegenteiliger Behauptung1009 – eine in diesem Zusammenhang unzulässige antizipierte Beweiswürdigung vor. Wird ein Zeuge zum Beweis des bestimmten Inhalts einer Urkunde benannt, so ist 149 der Beweisantrag daher nicht schon dadurch erledigt, dass das Gericht einen anderen Zeugen, der in gleicher Weise Zugang zu der Urkunde hat, zu der Beweisbehauptung hört.1010 Gleiches gilt, wenn ein Zeuge dem Gericht als Augenscheinsgehilfe über eine bestimmte Beschaffenheit der Urkunde (oder eines sonstigen Augenscheinsobjekts)1011 berichten soll.1012 Soll ein Zeuge bekunden, dass eine Urkunde nicht von ihm verfasst wurde, wird dessen Vernehmung nicht allein deswegen entbehrlich, weil das Gericht hierzu einen Schriftsachverständigen hört.1013 Ebenso wenig ist ein Beweisantrag, einen

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1006 Vgl. Alsberg/Güntge 784. 1007 RGSt 47 100, 105; BGHSt 22 347, 348 f.; BGH NStZ 1983 86 f.; vgl. BGHSt 27 135, 137 f.; BGH NStZ 2008 529. 1008 A.A. BGHSt 22 347, 349 = JR 1970 104 m. Anm. Peters = LM § 244 Abs. 3 Nr. 27 m. Anm. Kohlhaas; BGH NStZ 1983 86, 87 m. abl. Anm. Sieg MDR 1983 505; ferner BGH NStZ 2008 529 (im Ergebnis allerdings zutreffend, weil die beantragte Vernehmung eines Polizeibeamten hier nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 durch Verlesung eines Anzeigenformulars ersetzt werden durfte; s. Rn. 145); Alsberg/Güntge 785; ähnlich wie hier dagegen Eisenberg (Beweisrecht) 200; Hamm/Hassemer/Pauly 207 ff.; Roxin/Schünemann § 45, 32; KK/Krehl 117; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 97; SSW/Sättele 117. 1009 BGH NStZ 1983 86. 1010 A.A. BGH NStZ 1983 86 f. m. abl. Anm. Sieg MDR 1983 505. 1011 Unzutreffend daher BGHSt 22 347, soweit dort der Beweisantrag als erledigt angesehen wird, obwohl statt der „Auskunft bei der Verkehrspolizei in L.“ (zu verstehen als Antrag auf Einvernahme eines Polizeibeamten als Augenscheingehilfen zu der behaupteten Straßenführung) ein Zeuge E. gehört sowie eine Straßenkarte in Augenschein genommen wurde; richtig: Ablehnung des Antrags wegen Offenkundigkeit des Gegenteils der Beweisbehauptung; s. Rn. 146, 205. 1012 S. demgegenüber Rn. 146 zu dem umgekehrten Fall, dass der Augenschein beantragt wird, das Gericht sich jedoch durch die Vernehmung eines Zeugen als Augenscheinsgehilfen von der Beschaffenheit des in Rede stehenden Objekts überzeugt. 1013 So aber der Tatrichter in dem der Entscheidung BGH StV 1992 454 zugrunde liegenden Fall; der BGH nahm hier konkludente Rücknahme des Beweisantrages an, s. Rn. 128.

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bestimmten Zeugen zum Nachweis der Vertauschung der Blutprobe des Angeklagten zu hören,1014 dadurch erfüllt, dass ein Gutachten eingeholt wird, das die Identität der Blutprobe mit dem Blut des Angeklagten bestätigt.1015 Auch kann die Vernehmung eines Zeugen, der zur Widerlegung der Angaben eines bereits gehörten Zeugen benannt ist, nicht dadurch ersetzt werden, dass dieser nochmals zu dem Beweisthema vernommen wird.1016 II. Bedingter Beweisantrag; Eventualbeweisantrag; Hilfsbeweisantrag 1. Beweisantrag und Bedingung. Ein Beweisantrag muss nicht notwendig unbe- 150 dingt gestellt werden. Es steht dem Antragsteller frei, ihn mit einer (verfahrensbezogenen) Bedingung zu verbinden, von deren Eintritt die Pflicht des Gerichts zu seiner Prüfung und Bescheidung abhängen soll. Nach der Art der Bedingung1017 lassen sich verschiedene Kategorien bedingter Beweisanträge bilden (s. Rn. 151 bis 161), deren prozessuale Wirkungen sich teilweise voneinander unterscheiden. Die Einteilung dieser Anträge sowie ihre Bezeichnungen sind im Schrifttum jedoch strittig.1018 Auch die Rechtsprechung verwendet nicht immer einheitliche Begriffe. Daher muss ungeachtet der vom Antragsteller gewählten Formulierung stets geprüft werden, welche Art von Bedingung im Einzelfall wirklich gemeint ist. Was gewollt ist, von welcher Bedingung die beantragte Beweiserhebung tatsächlich abhängen soll, ist notfalls durch eine Befragung des Antragstellers zu klären. 2. Prozessual bedingter Beweisantrag. Wird die Beweiserhebung nur für den Fall 151 beantragt, dass ein bestimmtes innerprozessuales Ereignis eintritt oder ausbleibt, etwa ein bestimmter anderer Antrag gestellt wird oder unterbleibt, ein Antrag abgelehnt oder ihm stattgegeben wird, ein Zeuge in einem bestimmten Sinne aussagt1019 oder eine bestimmte Zwischenentscheidung ergeht – beispielsweise einen Zeuge zu vernehmen1020 oder zu vereidigen –, so kann von einem prozessual bedingten Antrag gesprochen werden.1021 Tritt das prozessuale Ereignis ein, an das er anknüpft, so hat das Gericht über einen solchen Antrag vor Schließung der Beweisaufnahme zu entscheiden.1022 Nichts anderes gilt, wenn der Antrag durch das Ausbleiben eines solchen Ereignisses bedingt wurde, und dieses bis zu der beabsichtigten Schließung der Beweisaufnahme nicht eingetreten ist.

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1014 Vorausgesetzt sei, dass überhaupt ein Beweisantrag vorliegt, weil der Antragsteller eine konkrete Beweistatsache im Sinne einer Beobachtung des Zeugen zu bezeichnen vermag; vgl. Rn. 96. 1015 A.A. OLG Köln NStZ 1987 341 = OLGSt N.F. Nr. 10 m. abl. Anm. Julius; StV 1999 82, 84 f. m. abl. Anm. Julius; ein Beweisantrag hätte in beiden Fällen wohl wegen Prozessverschleppung zurückgewiesen werden können (vgl. Rn. 265); ansonsten gebot es die Aufklärungspflicht ersichtlich nicht, den Beweisbegehren nachzugehen. 1016 BGH StV 2011 619, 621. 1017 Zur Frage, ob Bedingungen als aufschiebend oder auflösend zu verstehen sind, vgl. Niemöller JZ 1992 886. 1018 S. etwa Eisenberg (Beweisrecht) 161 ff.; Michalke StV 1990 185; Niemöller JZ 1992 884; Schlothauer StV 1988 542; 1991 350; Schrader NStZ 1991 224; Widmaier FS Salger 421 ff.; HK/Julius 19; KK/Krehl 88 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt 22 ff.; Pfeiffer 15; SK/Frister 83 ff. 1019 OLG Zweibrücken StV 1995 347 (das allerdings von einem Eventualbeweisantrag spricht, s. dazu Rn. 152): Antrag auf Vernehmung von Verhörspersonen für den Fall, dass sich der Zeuge an den Inhalt einer früheren Aussage nicht erinnert; Alsberg/Dallmeyer 166. 1020 Alsberg/Dallmeyer 166. 1021 Schlothauer StV 1988 548; Widmaier FS Salger 422; KK/Krehl 91; Meyer-Goßner/Schmitt 22. 1022 OLG Zweibrücken StV 1995 347; Alsberg/Dallmeyer 166.

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3. Eventualbeweisantrag. Ein Beweisantrag kann aber auch davon abhängig gemacht werden, wie das Gericht einen bestimmten Sachverhalt beurteilt und ihn seinem Urteil zugrunde legen will. Derartige Anträge sind zulässig1023 und sind in der Kategorie der Eventualbeweisanträge zusammenzufassen.1024 Der Antrag kann davon abhängig gemacht werden, dass das Gericht eine Tatsache für erwiesen oder eine Einlassung des Angeklagten für zutreffend oder zumindest nicht für widerlegt erachtet; dass es einen Zeugen für glaubwürdig1025 oder eine Urkunde für echt hält;1026 dass es einen Schock des Angeklagten nach der Tat, der indizielle Bedeutung für die Schuldfähigkeit haben könnte, verneint;1027 dass es eine bestimmte Tatmotivation des Angeklagten annimmt;1028 dass es uneingeschränkte oder nur erheblich verminderte Schuldfähigkeit annimmt;1029 dass es die Annahme eines minder schweren Falles ablehnt.1030 Da die Beurteilung einzelner Sachverhaltselemente der abschließenden Urteilsberatung vorbehalten ist, gibt der Antragsteller dadurch, dass er seinen Antrag mit einer solchen Bedingung verknüpft, in der Regel zu erkennen, dass er auf die Bekanntgabe einer ablehnenden Entscheidung vor der Urteilsverkündung verzichtet. Dies gilt unabhängig davon, wann in der Hauptverhandlung er ihn stellt. Eine Verbescheidung des Antrags ist daher grundsätzlich auch dann erst in den Urteilsgründen erforderlich,1031 wenn er nicht erst im Schlussvortrag (§ 258), sondern bereits vor Schließung der Beweisaufnahme gestellt worden ist. Es gelten hier dieselben Grundsätze wie für den Hilfsbeweisantrag (s. Rn. 153 bis 159). 4. Hilfsbeweisantrag

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a) Merkmale. Am häufigsten wird der bedingte Beweisantrag in der Form des Hilfsbeweisantrages gestellt. Dies sind die Fälle, in denen ein Beweisantrag in einen Bedingungszusammenhang mit dem Inhalt des künftigen Urteilsausspruchs1032 gebracht wird. Das geschieht in der Weise, dass er – meist im Schlussvortrag (§ 258) – neben dem verfahrensabschließenden Hauptantrag1033 – gegebenenfalls auch eines anderen Verfahrensbeteiligten – gestellt und die beantragte Beweiserhebung davon abhängig gemacht wird, dass das Gericht bei der Beratung sich für einen bestimmten Urteilsausspruch entscheiden will, der in dem zur Bedingung erhobenen Element vom Hauptantrag zum

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1023 A.A. Niemöller JZ 1992 892 (Bedingungen, die nicht an den Urteilsspruch, sondern an eine Zwischenberatung oder die Urteilsberatung anknüpfen, machen den Antrag nach Absatz 3 Satz 1 unzulässig). 1024 Schlothauer StV 1988 546; Widmaier FS Salger 422; HK/Julius 19; KK/Krehl 90; abweichend BGH NJW 1988 501; NStZ 1989 191; 1995 98; NStZ-RR 1996 362, 363; Hamm FS II Peters 173; Michalke StV 1990 185: „Hilfsbeweisantrag“; Meyer-Goßner/Schmitt 22, 22b: „bedingter Beweisantrag“, Eventualbeweisantrag aber dann, „wenn im Schlußvortrag als Hilfsantrag gestellt“; ähnlich wohl auch BGH StV 1990 149 (unklar; „Eventual-“ und „Hilfsbeweisantrag“ synonym); vgl. auch die Klassifikation von Niemöller JZ 1992 885 („Urteilsbedingungen“ und „Beurteilungsbedingungen“). 1025 BGH NStZ 1989 191; 1995 98. 1026 KK/Krehl 90. 1027 BGH StV 1990 149 m. Anm. Michalke S. 184. 1028 BGH NStZ 1994 583. 1029 BGH NJW 1988 501; NStZ-RR 1996 362, 363. 1030 KK/Krehl 90. 1031 BGH NStZ 1989 191; 1995 98; StV 1990 149; a.A. Schlothauer StV 1988 546; HK/Julius 19, 59. 1032 Genauer: das (bis zur Urteilsverkündung vorläufige) Beratungsergebnis; denn nur dieses kann die Entscheidung über den Hilfsbeweisantrag auslösen, nicht die spätere Urteilsverkündung als solche, da auch über Hilfsbeweisanträge sinnvoll nur vor dieser entschieden werden kann; vgl. Michalke StV 1990 184. 1033 Vgl. BGH NStZ 2005 395.

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Nachteil des Beweisantragstellers abweicht.1034 Dies kann etwa in der Weise geschehen, dass der Beweisantrag für den Fall der Verurteilung oder des Freispruchs gestellt sein soll1035 oder an ein bestimmtes Element des Schuldspruchs,1036 des Rechtsfolgenausspruchs1037 oder sogar des Bewährungsbeschlusses1038 anknüpft. b) Auslegung des Antrags; Befragung des Antragstellers. Die Rechtsprechung ist 154 zwar vielfach davon ausgegangen, dass Beweisanträge, die erst in den Schlussvorträgen im Zusammenhang mit der Beantragung einer bestimmten Sachentscheidung gestellt werden, in der Regel als Hilfsbeweisanträge anzusehen sind.1039 Dem kann in dieser Allgemeinheit jedoch nicht gefolgt werden.1040 Das Vorliegen eines Hilfsbeweisantrages darf nicht ohne jeden weiteren Anhaltspunkt allein daraus hergeleitet werden, dass der Antrag erst im Schlussvortrag gestellt worden ist. Von einem Hilfsbeweisantrag darf daher nicht ausgegangen werden, wenn nach dem Inhalt des Beweisantrages ein Bedingungsverhältnis zum verfahrensabschließenden Hauptantrag oder eines seiner Elemente von vornherein nicht erkennbar wird1041 oder sich gar aus dem Sachzusammenhang ergibt, dass der Antragsteller ein derartiges Bedingungsverhältnis gerade nicht herstellen will. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sein ausdrückliches Vorbringen entgegensteht, er beispielsweise den Wiedereintritt in die Beweisaufnahme verlangt.1042 Im Übrigen hat sich die Übung entwickelt, dass Staatsanwälte und Verteidiger ihren Willen zur Erhebung eines Hilfsbeweisantrages in Ausdrücke wie „hilfsweise“, „bedingt“, „für den Fall der Nichtfreisprechung“, „als Eventualantrag“ kleiden.1043 Doch geben weder die gebrauchten Formulierungen noch die Stellung des Antrags im Schlussvortrag den Ausschlag. Insbesondere ist stets auch zu unterscheiden, ob ein Antrag vorliegt, dessen Bedingung auf den Urteilsinhalt abstellt und nach dem Willen des Antragstellers erst zusammen mit dem Urteil beschieden werden soll, oder ein prozessual bedingter Beweisantrag (Rn. 151), der zwar nur für den Fall einer bestimmten, vom Antragsteller in der Regel nicht gewünschten Prozesslage gestellt wird, bei dem er aber gerade nicht darauf verzichten will, dass die Ablehnung in der Hauptverhandlung bekanntgegeben wird. Maßgebend für die Auslegung ist, ob der Beweisantrag im Zusammenhang mit dem Hauptantrag dahin zu verstehen ist, dass der Antragsteller hiermit alles, was er zur Verfolgung seiner Rechte ausführen will, vorgetragen hat, weiteres rechtliches Gehör unabhängig davon nicht mehr verlangt, welche Stellung das Gericht zu seinem Hauptantrag und zu dem Beweisantrag einnehmen wird,1044 und deshalb auf eine Bekanntgabe der

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1034 Michalke StV 1990 185; HK/Julius 19; KK/Krehl 89; Meyer-Goßner/Schmitt 22a. 1035 S. etwa RGSt 29 438, 439; 65 351, 353; BGHSt 32 10 = NStZ 1984 372 m. Anm. Schlüchter; BGH NStZ 1989 191; 1991 47 m. Anm. Scheffler S. 348 = StV 1991 349 m. Anm. Schlothauer; BGH StV 1986 418; 1990 394. 1036 KK/Krehl 89: z.B. Vollendung statt Versuch; Vorsatz statt Fahrlässigkeit. 1037 BGH NStZ 1982 447 (Erwachsenen- statt Jugendstrafrecht); 1991 547 (Überschreiten eines bestimmten Strafmaßes); OLG Celle MDR 1966 605 (Entziehung der Fahrerlaubnis); Schlothauer StV 1988 543 (keine Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung); vgl. Alsberg/Dallmeyer 174 m.w.N. auch zur Rspr. des RG, die den Hilfsbeweisantrag nur neben dem Antrag auf Freispruch zuließ. 1038 BGHSt 40 287, 289; Alsberg/Dallmeyer 175. 1039 S. BGH bei Dallinger MDR 1951 275; OLG Köln VRS 64 (1964) 279 (allein die Antragstellung nach Beweisaufnahme genügt jedoch nicht); OLG Stuttgart Justiz 1972 159. 1040 Vgl. BayObLG bei Rüth DAR 1973 210; Alsberg/Dallmeyer 172; Eisenberg (Beweisrecht) 164. 1041 BGH StV 1996 248. 1042 RG JW 1932 2161; BGH bei Dallinger MDR 1951 275; OLG Hamm GA 1972 59; VRS 38 (1970) 293; OLG Karlsruhe MDR 1966 948; OLG Kiel SchlHA 1947 28; OLG Stuttgart Justiz 1972 160; Gössel § 29 C IId 2; KMR/Paulus 398. 1043 RGSt 55 109; 62 76; Alsberg/Dallmeyer 172. 1044 RGSt 65 351; RG GA 73 (1929) 171.

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Entscheidung über seinen Beweisantrag in der Hauptverhandlung verzichtet.1045 Bestehen aber an diesem Verzicht keine Zweifel, so ist es gleichgültig, ob der Beweisantrag innerhalb des Schlussvortrags vor oder nach dem Hauptantrag gestellt wird und ob das Hilfsverhältnis der Anträge vertauscht ist.1046 Ist dagegen nach den Umständen nicht eindeutig erkennbar, was der Antragsteller 155 mit seinem Antrag bezweckt, so ist er zu befragen.1047 Sind die Zweifel auf diesem Weg nicht zu klären, ist der Antrag zur Schaffung einer eindeutigen Verfahrenslage vor der Urteilsverkündung zu bescheiden.1048 Ähnliches gilt, wenn der Hilfsbeweisantrag mangelhaft formuliert ist, etwa weil die Beweisbehauptung zu unbestimmt gefasst (Rn. 96 ff.) oder das Beweismittel ungenügend konkretisiert oder das Verhältnis mehrerer Bedingungen zueinander ungeklärt1049 ist. Auch in diesen Fällen muss der Vorsitzende dem Antragsteller noch in der Hauptverhandlung Gelegenheit zur Ergänzung geben.1050 Der Hilfsbeweisantrag darf ansonsten im Urteil nicht etwa wegen seiner Unbestimmtheit nur als Beweisermittlungsantrag oder Beweisanregung behandelt werden.1051 156

c) Zulässigkeit. Hilfsbeweisanträge sind grundsätzlich zulässig. Eine Ausnahme besteht aber dann, wenn der Hilfsantrag von einer Bedingung abhängig gemacht wird, die in keinem sachlogischen Zusammenhang mit der beantragten Beweiserhebung steht. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein die Schuldfrage betreffender Beweisantrag von der Absicht des Gerichts abhängig gemacht wird, bestimmte Rechtsfolgen zu verhängen. Hier geht es dem Antragsteller ersichtlich nicht um weitere Sachaufklärung, sondern darum, unter einem Vorwand Druck auf das Gericht auszuüben, damit dieses die vom Antragsteller erstrebte Rechtsfolgenentscheidung trifft. Derartige Anträge sind als unzulässig zurückzuweisen.1052 Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor, wenn der Antragsteller mit dem an eine bestimmte Strafhöhe geknüpften Beweisantrag den Nachweis führen will, nur eine von ihm eingeräumte mildere Variante des ihm zur Last gelegten Tatbestandes erfüllt zu haben; denn damit wendet er sich nicht gegen den Schuldspruch, sondern will lediglich seine Tat in milderem Licht erscheinen lassen und hierdurch ein geringeres Strafmaß erreichen.1053

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1045 RGSt 1 394; 3 222; 29 438; 55 109; 57 262; 62 76; 65 351; BGH NStZ 2005 395; BayObLG JW 1925 2332; KG GA 72 44; OLG Dresden JW 1933 486. Entscheidend ist der Wille zum Verzicht auf gesonderte Entscheidung vor dem Urteil. Allein dadurch, dass der Antragsteller im Schlussvortrag überhaupt keinen Hauptantrag stellt, sondern lediglich erklärt, er beantrage noch die Vernehmung eines Zeugen zu einer bestimmten Behauptung, sonst habe er nichts mehr vorzubringen, wird der Verzichtswille nicht ausreichend dokumentiert: RG GA 68 (1920) 351; OLG Dresden JW 1930 2594. Es kommt aber immer auf die Umstände des Einzelfalls an. 1046 RGSt 65 351; RG JW 1931 951; Alsberg/Dallmeyer 170, 173 m.w.N., auch zu abweichenden Entscheidungen. 1047 Alsberg/Dallmeyer 164, 172; Schmidt GA 1982 106. 1048 Alsberg/Dallmeyer 164; Sarstedt JR 1954 192. 1049 Vgl. BGH NStZ 1982 477. 1050 BGHSt 22 118, 122; BGH NStZ 1996 562; bei Kusch NStZ 1993 228; BGH StV 2008 121, 122; Alsberg/Dallmeyer 161; Meyer-Goßner/Schmitt 38; a.A. Fahl 596; offen gelassen: BGH NStZ 1994 583, 584. 1051 BGH StV 1981 330; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1976 170. 1052 BGHSt 40 287 m. zust. Anm. Herdegen NStZ 1995 202 sowie m. Bspr. Kudlich JuS 1997 507; BGH NStZ 1995 246; NStZ-RR 2017 182 Ls.; Beschl. v. 7.9.2017 – 3 StR 325/17; weiteres Beispiel Niemöller JZ 1992 886 Fn. 30; Hamm 645; KK/Krehl 92; Meyer-Goßner/Schmitt 22a; vgl. auch BGH JR 2005 297 m. Anm. Sander, hierzu Rn. 284; a.A. Roxin/Schünemann § 45, 39 im Hinblick auf die Zulässigkeit von Urteilsabsprachen, da § 257c Abs. 2 Satz 1 auch das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten zum zulässigen Gegenstand einer Verständigung über die Rechtsfolgen der Tat macht; so auch Alsberg/Dallmeyer 176. 1053 BGH NStZ 1998 209; Alsberg/Dallmeyer 176.

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d) Bescheidung. Indem er seinen Beweisantrag nur hilfsweise für den Fall eines be- 157 stimmten Beratungsergebnisses erhebt, verzichtet der Antragsteller im Allgemeinen auf die Bekanntgabe einer ablehnenden Entscheidung vor der Urteilsverkündung. Das Gericht muss den Antragsteller daher grundsätzlich erst im Urteil bescheiden,1054 wenn es dem Hauptantrag (etwa auf Freispruch) nicht folgt und dennoch die Voraussetzungen für die Ablehnung des Beweisantrages vorliegen.1055 Der Notwendigkeit, sich mit dem hilfsweise gestellten Beweisantrag in den Urteilsgründen auseinanderzusetzen, ist das Gericht nur enthoben, wenn es dem Hauptantrag voll entspricht, nicht aber, wenn es ihm nur mit Einschränkungen folgt. Beantragt etwa der Staatsanwalt, den Angeklagten in Übereinstimmung mit der Annahme des Eröffnungsbeschlusses wegen eines vollendeten Verbrechens zu verurteilen, und beantragt er hilfsweise die Erhebung weiterer Beweise, muss das Gericht nicht nur im Fall des Freispruchs, sondern auch im Falle der Verurteilung wegen versuchten Verbrechens zu dem Beweisantrag in den Urteilsgründen Stellung nehmen. Die Ablehnung des Antrages in den Urteilsgründen genügt auch dann, wenn das Gericht die hilfsweise geforderte Beweiserhebung vergebens versucht hatte; denn hierdurch hat das Beweisbegehren nicht seinen Charakter als Hilfsbeweisantrag verloren. Da er sich andererseits durch die versuchte Beweiserhebung auch nicht erledigt hat, ist er im Urteil zu bescheiden.1056 Hatte das Gericht allerdings ausdrücklich seinen Willen zur Erhebung des beantragten Beweises bekundet, kann es im Interesse der Verfahrensklarheit angezeigt sein, die Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung darauf hinzuweisen, dass und warum die Beweiserhebung unterbleibt. Das Gericht ist aber nicht verpflichtet, die Ablehnung des Hilfsbeweisantrages den Ur- 158 teilsgründen vorzubehalten. Es kann sie jederzeit durch einen in der Hauptverhandlung verkündeten Beschluss bekanntgeben.1057 Dies muss geschehen, wenn der Antrag wegen Verschleppungsabsicht zurückgewiesen werden soll. Dem Antragsteller ist durch den in der Hauptverhandlung zu verkündenden Ablehnungsbeschluss Gelegenheit zu geben, die Annahme von Verschleppungsabsicht zu widerlegen oder neue Anträge zu stellen;1058 zur

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1054 BGH NStZ 1994 583 (zu einem Eventualbeweisantrag); 2005 395; KG NStZ-RR 2004 146. 1055 Trotz der Nachteile, die der Antragsteller damit in Kauf nimmt, dass er die Ansicht des Gerichts nicht mehr in der Hauptverhandlung erfährt (vgl. BGH StV 1998 195; Dahs (Hdb.) 557; Hamm FS II Peters 169; Sarstedt DAR 1964 307), werden Hilfsbeweisanträge häufig gestellt, weil damit die Gefahren eines auch für den Antragsteller ungewissen Ausgangs der Beweiserhebung vermieden und dem Gericht außerdem Nebenlösungen bei seiner Entscheidung verbaut werden. Manche sehen in der Herbeiführung einer solchen für das Gericht lästigen Alternative (s. Dahs/Dahs 321) ein Mittel der Prozesstaktik, das der Verteidiger auch zur Absicherung von Absprachen einsetzen kann. Zu diesen Fragen vgl. etwa Deckers (Beweisantrag) 65 ff.; Kunkis DRiZ 1993 189; Perron (Beweisantragsrecht) 186; Scheffler NStZ 1989 158; Schlothauer StV 1988 542; 1991 350; Schrader NStZ 1991 224; Schulz GA 1981 308; Widmaier FS Salger 433. 1056 BGHSt 32 10 = NStZ 1984 372 m. Anm. Schlüchter; Alsberg/Güntge 1456; Fahl 582. 1057 BGHSt 32 10, 13 = NStZ 1984 372 m. Anm. Schlüchter; BGH bei Dallinger MDR 1974 548; OLG Karlsruhe MDR 1966 948; Alsberg/Dallmeyer 167; Alsberg/Güntge 1457; Widmaier FS Salger 433; KMR/Paulus 399; Meyer-Goßner/Schmitt 92; Dahs (Hdb.) 557 hält das für nicht unbedenklich. 1058 BGHSt 22 124 f. = JR 1968 388 m. Anm. Faller; BGH NStZ 1986 372; 1998 207 m. Anm. Sander; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 210; bei Miebach NStZ 1991 29; BGH StV 1985 311; 1986 418, 419; 1990 394; 1997 64; BayObLGSt 1976 6; OLG Frankfurt StraFo 1998 271; OLG Hamm JMBlNW 1957 131; KG JR 1954 231 m. Anm. Sarstedt; VRS 44 (1973) 113; OLG Koblenz VRS 49 (1975) 16; OLG Köln VRS 61 (1981) 272; StraFo 2002 294, 295; StV 2007 458, 459; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1979 110; VRS 65 (1983) 41; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1978 188; bei Ernesti/Lorenzen SchlHA 1981 93; Eisenberg (Beweisrecht) 165; Alsberg/Güntge 1458; Hamm 647; Sarstedt DAR 1964 313; Schlothauer StV 1986 227; KK/Krehl 94; AK/Schöch 68; Meyer-Goßner/Schmitt 92; a.A. Fahl 585; Schrader NStZ 1991 225. Zum Sonderfall der Zurückweisung rechtsmissbräuchlich massenhaft gestellter, unbedingter Beweisanträge wegen Verschleppungsabsicht durch Vorabbeschluss und ergänzend in den Urteilsgründen vgl. BGH NStZ 2005 648 m. Anm. Bünger NStZ 2006 305 = StV 2006 113 m. krit. Anm. Dahs = JZ 2005 1010 m. krit. Anm. Duttge = JR 2006 125 m. Anm. Gössel, m. krit. Anm. Ventzke HRRS 2005 233; s. näher Rn. 283.

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Möglichkeit abweichender Handhabung bei der sog. Fristsetzungslösung vgl. Rn. 273, zu Absatz 6 Satz 3 s. Rn. 359m. Die Zurückweisung des Antrages im Urteil bedarf keines besonderen Entschei159 dungssatzes oder eines besonderen Abschnitts in den Urteilsgründen; es genügt, wenn sich aus diesen ergibt, dass das Gericht den Antrag nicht übersehen und aus welchen Erwägungen es ihm keine Folge gegeben hat.1059 Es kann sogar genügen, wenn sich dies der Gesamtheit der Urteilsgründe zweifelsfrei entnehmen lässt.1060 Ansonsten ist der hilfsweise gestellte Beweisantrag in den Urteilsgründen nach denselben Grundsätzen zu bescheiden, die für einen unbedingten Beweisantrag gelten.1061 Er darf daher etwa weder deshalb abgelehnt werden, weil die unter Beweis gestellte Tatsache im Widerspruch zur eigenen Einlassung des Angeklagten steht,1062 noch weil das Gegenteil der unter Beweis gestellten Tatsache bereits erwiesen sei;1063 auch eine Ablehnung in Vorwegnahme des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist nicht statthaft.1064 Betrifft der Beweisantrag nur eine Hilfstatsache, die keinen zwingenden Schluss auf eine Haupttatsache zulässt, sondern Schlüsse in verschiedene Richtungen ermöglicht, so muss das Urteil erkennen lassen, dass das Gericht sich dessen bewusst war und ob sowie aus welchen Gründen es die Beweisbehauptung als für die Entscheidung ohne Bedeutung angesehen hat.1065 § 244 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker 160

5. Eventual- und Hilfsbeweisantrag mit Bescheidungsklausel. Nach früher herrschender Meinung verzichtet der Antragsteller, wenn er einen Beweisantrag durch eine Bedingung an den Urteilsspruch, an einen Teil des Urteilsspruchs oder (beim Eventualantrag) an ein diesem zugrunde liegendes Begründungselement anknüpft, auf die Bescheidung des Antrages in der Hauptverhandlung.1066 Diese Konstruktion lässt es dem Antragsteller aber offen, diesen Verzicht bereits bei Antragstellung auszuschließen oder ihn nachträglich zu widerrufen, indem er verlangt, dass ihm die Entscheidung auf jeden Fall vor Verkündung des Urteils bekanntgegeben wird. Im Fall der Ablehnung des Beweisantrages müssen die von der Bedingung erfassten Teile des Urteils oder der Sachverhaltswürdigung des Gerichts dann bereits vor der Urteilsverkündung durch die Bekanntgabe des Ablehnungsbeschlusses in der Hauptverhandlung in gewissem Umfang aufgedeckt werden. Deshalb ist zunehmend in Zweifel gezogen worden, ob mit einem Hilfs- oder Eventualbeweisantrag tatsächlich das Verlangen verbunden werden kann, die ablehnende Entscheidung in der Hauptverhandlung bekannt zu geben, oder ob dies nicht vielmehr mit der gewählten, an den Urteilsspruch oder eines seiner Begründungselemente anknüpfenden Bedingung unvereinbar ist, weil beides erst bei der abschließenden Beratung über den Urteilsspruch endgültig festgelegt werde und der Antragsteller keinen Anspruch darauf habe, hierüber vorab informiert zu wer-

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1059 Vgl. BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 494. 1060 BGH wistra 2009 68; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 494; OLG Frankfurt StV 1995 346; OLG Hamm GA 1972 59; VRS 103 (2002) 201, 203; OLG Schleswig bei Ernesti/Lorenzen SchlHA 1981 93. 1061 Alsberg/Dallmeyer 165; Alsberg/Güntge 1456. 1062 BGH bei Holtz MDR 1977 461. 1063 BGH bei Pfeiffer NStZ 1982 189. 1064 OLG Koblenz VRS 52 (1977) 125. 1065 BGH NStZ 1981 309; vgl. auch BGH StV 2008 121, 122 m. Anm. Junker StRR 2008 147. 1066 RGSt 62 76; BGHSt 22 124; 32 10, 13 = NStZ 1984 372 m. Anm. Schlüchter; BGH NStZ 1989 191 m. Bespr. Scheffler S. 153; 1991 547, 548; StV 1990 149 m. Anm. Michalke S. 184; OLG Celle MDR 1966 605; KG StV 1988 518 (kein Verzicht auf Vorabentscheidung); KK/Krehl 93; Pfeiffer 16; SK/Frister 89 f.; Alsberg/Dallmeyer 168; Gössel § 29 C IId 2; Hamm FS II Peters 169; a.A. RG JW 1927 1643 m. abl. Anm. Alsberg; 1929 261 m. abl. Anm. Weber; 1930 931 m. abl. Anm. Alsberg.

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den.1067 Wer dieser Auffassung folgt, muss fordern, dass in diesen Fällen der Antrag, die Entscheidung noch in der Hauptverhandlung bekanntzugeben, wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen wird. Der Antragsteller ist dann darauf hinzuweisen, dass das Gericht erst nach der Urteilsberatung im Urteil entscheiden werde,1068 sofern der Antragsteller den Beweisantrag nicht unbedingt, also ohne die bisherige Bedingung stellt. An der früher herrschenden Ansicht sollte festgehalten werden. Das grundsätzliche 161 Unterbleiben der ablehnenden Bescheidung eines Hilfs- oder Eventualbeweisantrages vor dem Urteil ist zwar eine in der Natur der Sache liegende Folge der gewählten Verknüpfung mit einem Element des Urteilsspruchs oder der Urteilsbegründung; jedoch folgt daraus keine Notwendigkeit in dem Sinne, dass die Bekanntgabe des Eintritts der Bedingung in der Hauptverhandlung wegen der darin liegenden Offenlegung eines Teiles des Beratungsergebnisses unmöglich oder unzulässig ist. Dies zeigt der umgekehrte Fall. Wenn die Beratung ergibt, dass die Bedingung eingetreten und der Beweis zu erheben ist, wird dieses Ergebnis nach Wiedereintritt in die Hauptverhandlung durch Anordnung der Beweiserhebung ebenfalls offengelegt. Im Übrigen ist es auch sonst nicht ungewöhnlich, dass die bis zur Urteilsverkündung stets vorläufige Meinungsbildung des Gerichts zu Umständen, die das Urteil tragen sollen, schon vorweg die Verfahrensentscheidungen in der Hauptverhandlung bestimmt und zu deren Begründung in der Hauptverhandlung offengelegt wird. Solche Äußerungen des Gerichts stehen unter dem Vorbehalt der clausula rebus sic stantibus und erfordern bei einer späteren Meinungsänderung mitunter die Korrektur einer darauf beruhenden Verfahrensentscheidung. Ohnehin fördert die Bekanntgabe der Auffassung des Gerichts die Transparenz der Hauptverhandlung; dass die bekanntgegebene Auffassung des Gerichts damit auch zur Erörterung gestellt wird, ist nicht unbedingt ein Nachteil (s. auch § 257b). Dem Antragsteller ist es im Übrigen unbenommen, seinen früheren Hilfsantrag ohne die bisherige Bedingung neu zu stellen und damit zu erreichen, dass die Entscheidung noch in der Hauptverhandlung mitgeteilt werden muss. Auch das Gericht kann jederzeit den Hilfsbeweisantrag wie einen unbedingt gestellten Antrag behandeln (Rn. 158). Verlangt der Antragsteller, dass die Entscheidung über seinen Hilfs- oder Eventualbeweisantrag noch in der Hauptverhandlung bekanntgegeben wird, so genügt es bei der allein problematischen Ablehnung außerdem immer, wenn der Beschluss aufzeigt, welcher der gesetzlichen Ablehnungsgründe greift. Auf die Bedingung, an die der Antrag geknüpft war, braucht das Gericht nicht einzugehen; es kann sie, wenn es will, offenlassen. Der im Schrifttum abgelehnte Vorgriff auf Entscheidungselemente der Urteilsbegründung ist daher nicht notwendig, so dass der Antragsteller durch die Ablehnung seines bedingten Antrags in der Hauptverhandlung letztlich nicht mehr Informationen erhalten muss als bei einem Antrag, der ohne jede an den Urteilsspruch oder die Urteilsbegründung anknüpfende Bedingung gestellt wurde.

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1067 S. (jeweils obiter dictum) BGH NStZ 1991 47, 48 m. abl. Anm. Scheffler S. 348 = StV 1991 349 m. abl. Anm. Schlothauer; NStZ 1995 98; NStZ-RR 1996 362, 363; vgl. ferner Brause NJW 1992 2868; Fahl 573; Widmaier FS Salger 431 ff.; HK/Julius 59; KK/Krehl 95; Meyer-Goßner/Schmitt 92; SSW/Sättele 137; noch weitergehend Niemöller JZ 1992 884, der aus Gründen der Rechtsklarheit jede Bedingung, die die Beweiserhebung von einem bestimmten Ergebnis der gerichtsinternen, für die anderen Verfahrensteilnehmer nicht ersichtlichen Meinungsbildung abhängig macht, für rechtlich unzulässig hält; andererseits aber Alsberg/Dallmeyer 166; Alsberg/Güntge 1455; Eisenberg (Beweisrecht) 165 (Argwohn des Gerichts sollte zurückstehen); Hamm 648 ff.; MüKo/Trüg/Habetha 170; SK/Frister 88. 1068 Vgl. BGH NStZ 1995 98; Deckers (Beweisantrag) 60.

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III. Sonstige Beweisbegehren 1. Beweisermittlungsantrag 162

a) Begriff. Beweisermittlungsanträge sind – unabhängig von ihrer Bezeichnung als Bitte, Antrag oder Verlangen – echte Anträge,1069 die die Nachforschungen des Gerichts in eine bestimmte Richtung lenken sollen; mit ihnen macht der Antragsteller seinen Anspruch auf volle Sachaufklärung in dem von ihm angegebenen Punkt geltend.1070 Es handelt sich namentlich um die Fälle, in denen der Antragsteller nicht in der Lage ist, eine – sei es auch nur vermutete oder für möglich gehaltene – bestimmte Beweistatsache zu bezeichnen (vgl. näher Rn. 96 ff.) oder ein konkretes Beweismittel zu benennen (vgl. im Einzelnen Rn. 104 ff.), und die beantragten Nachforschungen des Gerichts diesen Mangel beseitigen und ihm so den Weg für die Stellung eines Beweisantrags bereiten sollen.1071 Doch wird der Beweisermittlungsantrag vielfach gar nicht notwendig der Vorbereitung eines Beweisantrages dienen, sondern nur darauf abzielen, die amtliche Aufklärungspflicht des Gerichts in eine bestimmte Richtung zu aktualisieren,1072 weil allein schon durch die entsprechenden Bemühungen des Gerichts auch dem Aufklärungsbegehren des Antragstellers umfassend Rechnung getragen würde.1073 Dies entspricht der Instruktionsmaxime, die den Strafprozess beherrscht und die es auch den Verfahrensbeteiligten ermöglicht, darauf hinzuwirken, dass das Gericht im Frei- (vgl. Rn. 164) oder im Strengbeweisverfahren die Nachforschungen anstellt, von denen sie sich weitere Sachaufklärung oder zumindest weitere Beweismöglichkeiten versprechen.1074 Beweisermittlungsanträge können, ebenso wie Beweisanträge, bedingt, vor allem hilfsweise gestellt werden.1075

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b) Prüfungsmaßstab Aufklärungspflicht. Das Gericht muss Beweisermittlungsanträge darauf prüfen, ob seine Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2) es erfordert, den aufgezeigten Beweisfeldern oder -möglichkeiten nachzugehen, oder ob sie bei Berücksichtigung des bisherigen Verfahrensergebnisses einschließlich des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten und des Akteninhalts eine weitere sachdienliche Aufklärung nicht erwarten las-

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1069 Abweichend BGHSt 6 128: „Anregung“. 1070 KK/Krehl 100; SK/Frister 94 f. 1071 Vgl. etwa RGSt 64 432; BGHSt 6 128, 129; 8 76; 30 131, 142; 37 162, 165 f. = NStZ 1990 602 m. Anm. Schulz NStZ 1991 449 = JR 1991 470 m. Anm. Gollwitzer; BGH JR 1951 509 (Untersuchung des Angeklagten auf Geisteszustand); GA 1981 228; NStZ 1982 79; 1982 297; 1985 229; 1989 334; 1991 547, 548; StV 1983 185; 1989 187, 189 f.; 1989 237; 1989 379; bei Pfeiffer NStZ 1985 205 (Antrag auf Sachverständigengutachten mit ungewissem Ergebnis); bei Becker NStZ 2007 513 (Steuerberater- und Rechtsanwaltskosten); bei Dallinger MDR 1971 186 (Antrag auf Klärung einer Chromosomenkombination); BGHR § 244 Abs. 6 Beweisantrag 1, 4, 13, 17 und Ermittlungsantrag 1, 2; BayObLGSt 1995 72; Alsberg/Dallmeyer 194 (auch: „die Konnexität zwischen Beweistatsache und -mittel zu belegen“); Bergmann MDR 1976 888; Julius (Unerreichbarkeit) 114 ff.; Michalke StraFo 1992 104; Schwenn StV 1981 631; Seifert NJW 1960 20; AK/Schöch 56; KK/Krehl 100; Meyer-Goßner/Schmitt 25; Eb. Schmidt Vor § 244, 25. 1072 Vgl. SK/Frister 94. Schulz GA 1981 304 f. sieht den Zweck des Beweisermittlungsantrags allein in der Aktualisierung der Aufklärungspflicht und nicht in der Vorbereitung eines Beweisantrags; vgl. auch Schulz AnwBl. 1983 492; ders. NStZ 1991 449; Quedenfeld FS Peters II 228. 1073 KK/Krehl 100. 1074 Ein Verbot des „Ausforschungsbeweises“ wäre mit der Instruktionsmaxime des Strafprozesses unvereinbar. Dieser Begriff, der Verfahren mit Parteimaxime entstammt, sollte zur Verhütung von Fehldeutungen nicht verwendet werden; vgl. Meyer-Goßner/Schmitt 48; anders BGH bei Spiegel DAR 1976 95; 1980 205; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1977 81; KMR/Paulus 384. 1075 RG JW 1932 2732; Alsberg/Dallmeyer 196; KMR/Paulus 395.

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sen.1076 Es gelten die bei Rn. 47 ff. dargestellten Maßstäbe. Das Gericht hat sich demgemäß in den Grenzen zulässiger antizipatorischer Würdigung eine Überzeugung davon zu verschaffen, ob es möglich erscheint, dass seine aufgrund des bisherigen Beweisergebnisses begründete vorläufige Beurteilung der Schuld- oder Rechtsfolgenfrage durch weitere Nachforschungen in die vom Antragsteller aufgezeigte Richtung Änderungen erfahren könnte.1077 Allgemein gültige Kriterien für diese Würdigung lassen sich nicht aufstellen; maßgebend sind stets die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Im Grundsatz gilt jedoch auch hier: Bloß abstrakte gedankliche Erwägungen, die sich nicht auf konkrete Tatsachen stützen können, werden meist ungeeignet sein, das Gericht zu einer weiteren Sachaufklärung zu veranlassen, vor allem wenn es bereits auf Grund der bisherigen Beweisaufnahme eine sichere Überzeugung gewinnen konnte.1078 Je konkreter der Beweisermittlungsantrag die aufzuklärende Tatsache und einen gangbaren Weg zu ihrer Erforschung dagegen aufzeigt, je „beweisantragsähnlicher“ also der Beweisermittlungsantrag ist, um so höheren Anforderungen muss die antizipatorische Würdigung des Gerichts gerecht werden, wenn dieses von einer weiteren Sachaufklärung absehen will. An die Zurückweisungsgründe der Absätze 3 und 4 ist es aber in keinem Fall gebunden.1079 Dies schließt es jedoch nicht aus, diese Gründe bei der Ablehnung weiterer Ermittlungen sinngemäß heranzuziehen,1080 falls der Beweisermittlungsantrag soweit konkretisiert ist, dass deren sinnvolle Anwendung überhaupt möglich ist; denn tragen diese die Ablehnung des Beweisermittlungsantrages, so wird in aller Regel auch die Aufklärungspflicht keine weitergehenden Nachforschungen gebieten können.1081 Beweisermittlungsanträge, die einen dem Beweis verschlossenen Umstand aufklären wollen (s. etwa § 96) oder denen ein Beweisverbot entgegensteht, sind unzulässig.1082 Ob ein Beweisverbot besteht, unter Umständen auch, ob eine dieses begründende Weigerung (etwa § 52) aufrechterhalten wird, kann dagegen Gegenstand eines Beweisermittlungsantrags sein. Ob die Voraussetzungen für die angeregte Beweiserhebung gegeben sind, kann das 164 Gericht im Wege des Freibeweises erforschen, so etwa, wenn es nachprüfen lässt, ob jemand aus einem größeren Personenkreis als Zeuge in Frage kommt. Ist dagegen das Beweismittel bekannt und erreichbar, kann es dieses gleich im Strengbeweisverfahren in die Hauptverhandlung einführen, etwa indem es den in Frage kommenden Zeugen lädt und dort vernimmt. c) Bescheidung des Antrags. Das Gericht darf den Beweisermittlungsantrag, dem 165 es nicht Rechnung tragen will, nicht einfach übergehen.1083 Er ist ein echter Antrag (vgl. Rn. 162), der beschieden werden muss.1084 Da es sich nicht um einen Beweisantrag han-

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1076 Vgl. (mit terminologischen Unterschieden) RGSt 24 423; 40 50; 49 361; 64 432; BGHSt 6 128, 129; 17 245, 248; 30 131, 142; 37 162, 167 = NStZ 1990 602 m. Anm. Schulz NStZ 1991 449 = JR 1991 470 m. Anm. Gollwitzer; BGH NJW 1951 368; 1968 1293; VRS 41 (1971) 206; NStZ 1981 309; 1982 79; 1982 296, 297; 1991 547, 548; LM § 244 Abs. 3 Nr. 10 m. Anm. Arndt; KG JR 1978 473; OLG Saarbrücken VRS 49 (1975) 46; Alsberg/Dallmeyer 213; Bergmann MDR 1976 891; Gerland JW 1931 215; Oetker JR 1923 387; 1930 1107; Schlosky JW 1930 2509; Schlüchter 545; AK/Schöch 58; KK/Krehl 101. 1077 Vgl. BGHSt 36 159, 164 f. 1078 Vgl. etwa BGHSt 30 131, 143; BayObLG NStZ 1996 101; Wessels JuS 1969 5; s. die w.N. bei Rn. 47. 1079 BGH VRS 41 (1971) 205; Eb. Schmidt Vor § 244, 23; Alsberg/Dallmeyer 213. 1080 BGH NStZ 1991 399. 1081 S. Rn. 58. 1082 Alsberg/Dallmeyer 213. 1083 Alsberg/Dallmeyer 217 m.N. auch zur früher vertretenen Gegenmeinung. 1084 BGH NStZ 2008 109; StV 2011 619, 620; KK/Krehl 101; SSW/Sättele 142.

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delt, bedarf es – so er nicht ausdrücklich als Beweisantrag gestellt ist (s. Rn. 166) – für seine Ablehnung nach der vorherrschenden Meinung 1085 zwar keines Gerichtsbeschlusses nach § 244 Abs. 6 Satz 1.1086 Jedoch ist dem Antragsteller durch Verfügung des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung zu eröffnen, dass seinem Antrag nicht stattgegeben wird.1087 Diese Verfügung muss begründet werden.1088 Selbst wenn man das Begründungserfordernis nicht unmittelbar aus § 34 Alt. 2 herleiten möchte,1089 folgt es jedenfalls aus dem Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör und faire Verfahrensgestaltung.1090 Gibt der Antragsteller sich mit dem ablehnenden Bescheid des Vorsitzenden nicht zufrieden, weil er meint, die Aufklärungspflicht gebiete es, seinem Antrag nachzugehen, und die Ablehnungsentscheidung sei daher unzulässig, so kann er nach § 238 Abs. 2 auf Entscheidung des Gerichts antragen1091 und muss dies auch, um sich die Möglichkeit zu erhalten, mit der Revision die Aufklärungsrüge zu erheben (s. § 238, 43 ff.).1092 Weist auch das Gericht den Antrag zurück, so hat es in der Begründung, wenn es nicht ohnehin auf einen der Ablehnungsgründe der Absätze 3 oder 4 zurückgreifen kann, die antizipatorischen Erwägungen darzulegen, auf die es seine Überzeugung stützt, dass Nachforschungen in die vom Antragsteller aufgezeigte Richtung nicht geeignet sind, zur weiteren Sachaufklärung und damit zur Urteilsfindung beizutragen. Allein allgemein gehaltene Floskeln, wie etwa „die Aufklärungspflicht gebietet es nicht, dem Antrag nachzugehen“, genügen nicht.1093 Jedoch reicht es aus, die Überlegungen des Gerichts so weit aufzuzeigen, dass zum einen dem Antragsteller und den übrigen Verfahrensbeteiligten ermöglicht wird, ihr weiteres Prozessverhalten darauf einzurichten, und zum anderen das Revisionsgericht die antizipatorische Würdigung auf eventuelle Rechtsfehler überprüfen kann (vgl. Rn. 48). Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Auseinandersetzung mit den „für und gegen eine Beweistätigkeit des Gerichts sprechenden Umständen“ nicht erforderlich.1094 Das Gericht kann einen Beweisermittlungsantrag, dem es nicht entsprechen will, 166 aber auch sofort durch Beschluss ablehnen. Dies ist notwendig, wenn er als Beweisan-

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1085 BGHSt 6 128, 129; BGH JR 1951 509; NJW 1960 2156, 2157; bei Dallinger MDR 1955 269; bei Holtz MDR 1980 987; BGH NStZ 1982 296, 297; 2009 401; OLG Düsseldorf VRS 64 (1983) 216, 219; OLG Hamm JMBlNW 1978 277; VRS 49 (1975) 434, 435; KG DAR 1956 224; OLG Koblenz VRS 47 (1974) 185; OLG Köln NJW 1955 275; VRS 17 (1959) 140; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1969 152; Bergmann MDR 1976 892; Alsberg/Dallmeyer 216; Koeniger 266; Peters § 38 III; Schlüchter 545; Wessels JuS 1969 3; AK/Schöch 58; KMR/Paulus 406; Meyer-Goßner/Schmitt 27; SK/Frister 95; a.A. Beling ZStW 38 (1917) 621; Gössel § 29 C IIa 2; Oetker JW 1930 1107; G. Schäfer 1199; wohl auch Schulz GA 1981 319; KK/Krehl 101. 1086 A.A. Radtke/Hohmann/Kelnhofer 91 1087 RG JW 1914 432; BGH NStZ 2008 109, 110; StV 2008 567; ferner Bergmann MDR 1976 892; Alsberg/Dallmeyer 217; Eisenberg (Beweisrecht) 159; Krell Jura 2012 356; Mosbacher FS Miebach 22; Roxin/Schünemann § 45, 8; Schulz GA 1981 301; HK/Julius 13; Meyer-Goßner/Schmitt 27; SK/Frister 95; a.A. BGHSt 6 128 f.; BGH NStZ 1982 296, 297; 2001 160, 161: keine ausdrückliche Bescheidung in Hauptverhandlung nötig, Behandlung in den Urteilsgründen kann ausreichen, soll aber auch nicht immer erforderlich sein; vgl. auch RGSt 64 432 (keine Bescheidung, nur Stellungnahme erforderlich). 1088 BGH NStZ 2008 109, 110; OLG Frankfurt StV 1988 243 (Pflicht zur sachlichen Auseinandersetzung) m. Anm. Michalke; Roxin/Schünemann § 45, 8; MüKo/Trüg/Habetha 173. 1089 Vgl. LR/Graalmann-Scheerer § 34, 7. 1090 Mosbacher FS Miebach 21 f.; KK/Krehl 101. 1091 BGH NStZ 2008 109, 110; 2009 401; Alsberg/Dallmeyer 217; Eisenberg (Beweisrecht) 159; Erker 131; Herdegen GedS Meyer 196; Roxin/Schünemann § 45, 8; AK/Schöch 58; KMR/Paulus 406; MeyerGoßner/Schmitt 27; SK/Frister 95. Nach Schulz AnwBl. 1983 492 ist entweder die analoge Anwendung des § 244 Abs. 6 Satz 1 oder bei Annahme der Zuständigkeit des Vorsitzenden nach § 238 Abs. 1 die Anrufung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 angezeigt; vgl. auch Dencker NStZ 1982 462. 1092 Alsberg/Dallmeyer 219; SSW/Sättele 142. 1093 KK/Krehl 102. 1094 So aber Herdegen GedS Meyer 196; wie hier Meyer-Goßner/Schmitt 27.

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trag gestellt worden ist;1095 denn es ist nach § 244 Abs. 6 Satz 1 Sache des gesamten Spruchkörpers, auch darüber zu entscheiden, ob es sich bei dem Beweisbegehren entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht um einen Beweisantrag, sondern nur um einen Beweisermittlungsantrag handelt. Der ablehnende Beschluss muss dann dartun, warum das Gericht den Antrag nicht als Beweisantrag, sondern als Beweisermittlungsantrag ansieht. Im Übrigen hat er aufzuzeigen, warum kein Anlass zu den beantragten Nachforschungen besteht; insoweit gelten die in Rn. 165 dargestellten Maßstäbe. Der Antragsteller erhält damit Gelegenheit, die Mängel seines bisherigen Antrages – wenn möglich – zu beseitigen und einen ordnungsgemäßen Beweisantrag zu formulieren. Hat das Gericht dagegen fehlerhaft das Vorliegen eines Beweisantrages verneint, so ist er in der Regel nicht verpflichtet, hiergegen Gegenvorstellung zu erheben, um sich die Möglichkeit einer späteren Revisionsrüge zu erhalten.1096 Allenfalls wenn das Gericht durch eine objektive Missverständlichkeit des Antrages zu seiner falschen Beurteilung gelangt ist, wird er das Missverständnis aufzuklären haben, um dem Gericht eine Neubescheidung auf zutreffender Grundlage zu ermöglichen (s. näher Rn. 371; ferner Rn. 128). Wird dem Beweisermittlungsantrag entsprochen und werden die dort beantrag- 167 ten Ermittlungen durchgeführt, bedarf es dazu keiner besonderen Entscheidung des Gerichts oder des Vorsitzenden.1097 Solche Entscheidungen können durch die Befolgung des Antrags aber mittelbar veranlasst sein (Aussetzung, Unterbrechung usw.). 2. Beweisanregung, Beweiserbieten, Aufklärungsantrag a) Beweisanregung. Unter der wenig spezifischen Bezeichnung Beweisanregung 168 werden meist alle Arten von Anträgen oder Anregungen zusammengefasst, die die Beweisaufnahme betreffen, die aber keine Beweisanträge sind,1098 weil sie nicht die Verwendung eines bestimmten Beweismittels zum Nachweis einer bestimmten Beweistatsache verlangen, sondern nur die Aufklärungspflicht zu aktualisieren suchen. Nach jetzt wohl vorherrschender Meinung ist hiervon wegen ihres Antragscharakters die Sondergruppe der Beweisermittlungsanträge abzugrenzen (Rn. 162 ff.).1099 Aus demselben Grund sind aber auch die hier unter der Kategorie der Aufklärungsanträge1100 zusammengefassten Begehren auszunehmen (s. Rn. 171 ff.). Als Beweisanregungen verbleiben somit

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1095 RGSt 14 406, 408; BGH NStZ 1985 229; StV 1994 172; BGHR § 244 Abs. 6 Beweisantrag 1, 9; OLG Bremen StV 1985 8 Ls.; Alsberg/Dallmeyer 216; Alsberg/Güntge 1421; Eisenberg (Beweisrecht) 160; AK/Schöch 58; KK/Krehl 101; MüKo/Trüg/Habetha 173; SSW/Sättele 143; offen gelassen von BGH NStZ 2008 109, 110; ablehnend Mosbacher FS Miebach 23. 1096 SSW/Sättele 143; s. aber OLG Hamm VRS 40 (1971) 205. BGH GA 1981 228, 229 lässt dies offen. 1097 Alsberg/Dallmeyer 215; Liemersdorf StV 1987 177. 1098 BGHSt 6 128, 129; BGH GA 1981 28; Alsberg/Dallmeyer 178 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt 23 ff. verwenden Beweisanregung (im weiteren Sinn) als Oberbegriff für Beweiserbieten, Beweisermittlungsanträge und Beweisanregung (im engeren Sinn); anders KK/Krehl 103 (Beweisermittlungsantrag wegen seines Antragscharakters nicht Unterart der Beweisanregung). Die Bezeichnungen sind aber nicht einheitlich, so dass stets zu prüfen ist, was jeweils darunter verstanden wird; vgl. auch SK/Frister 102. Praktische Auswirkungen haben diese Einteilungsvarianten nicht, sofern der im Antragscharakter des Beweisermittlungsantrags und des Aufklärungsantrags liegende Unterschied nicht in Frage gestellt wird. 1099 Gelegentlich wird aber auch diese Bezeichnung noch als Obergruppe verwendet (vgl. Schulz GA 1981 301) oder es werden auch die Anträge auf Vornahme von Versuchen zu den Beweisermittlungsanträgen gezählt; vgl. RGSt 40 50; OLG Hamm VRS 49 (1975) 434; s. auch Alsberg/Dallmeyer 180, 194 ff. 1100 Alsberg/Dallmeyer 182 bezeichnet sie als Beweisanregungen im engeren Sinn; ebenso MeyerGoßner/Schmitt 26; Deckers (Beweisantrag) 41 f.; eine einheitliche Bezeichnung fehlt.

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nur die nicht mit einem Antrag verbundenen Beweiserbieten (Rn. 169 f.) sowie die Fälle, in denen ein Verfahrensbeteiligter auf die Möglichkeit eines sonstigen sachaufklärenden Vorgehens (im Sinne von Rn. 171 f.) aufmerksam macht, dieses jedoch nicht mit einem (Aufklärungs-)Antrag verbindet, sondern in das Ermessen des Gerichts stellt (Rn. 174). b) Unter Beweiserbieten wird der Hinweis verstanden, dass eine für entscheidungsrelevant gehaltene Tatsache durch ein nutzbares Beweismittel erwiesen werden könne.1101 Solche Beweiserbieten unterscheiden sich von den Beweisanträgen und den Beweisermittlungsanträgen dadurch, dass sie zwar eine Möglichkeit weiterer Sachaufklärung aufzeigen sollen, ohne damit aber gleichzeitig ein bestimmtes Verhalten des Gerichts zu verlangen; das Aufgreifen der Anregung bleibt damit der an der Aufklärungspflicht zu messenden Entschließung des Gerichts anheimgestellt. Diese Hinweise, mit denen die Erholung eines bestimmten Beweises mit einem bestimmten Beweismittel nicht gefordert, sondern dem Gericht nur „anheimgegeben“ oder „nahegelegt“ wird, können auch in der Form gegeben werden, dass Beweisgegenstand und Beweismittel genau bezeichnet werden, der Antrag auf Beweiserhebung aber nicht gestellt, sondern die Notwendigkeit der Beweiserhebung der Beurteilung des Gerichts überlassen wird. Dies ist zwar ungewöhnlich, kommt aber gelegentlich vor, so wenn der Verfahrensbeteiligte annimmt, das Gericht werde die Tatsache auch ohne Beweis glauben, oder wenn er auf das Vorhandensein weiterer Beweismittel für den Fall hinweisen will, dass das Gericht seiner Auffassung nicht folgt.1102 Bevor das Gericht einen solchen Hinweis als Beweisanregung behandelt, wird es aber regelmäßig durch Befragen klarstellen müssen, ob nicht in Wirklichkeit ein ungeschickt formulierter – unbedingter oder bedingter – Beweisantrag (Rn. 95 ff., 150 ff.) oder ein Beweisermittlungsantrag gestellt werden sollte, wofür eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht.1103 Das Gericht ist bei der Entscheidung über solche Beweisanregungen genauso wie 170 beim Beweisermittlungsantrag nicht an die strengen Regeln der Absätze 3 und 4 gebunden. Es braucht ihnen nur zu entsprechen, wenn die Aufklärungspflicht dazu drängt, die aufgezeigte Beweismöglichkeit zu nutzen.1104 Bei einem konkreten Hinweis auf Beweismittel für entscheidungserhebliche Tatsachen wird das Gericht diese meist nicht ungenutzt lassen dürfen. Wird dem Beweiserbieten nicht entsprochen, bedarf es keines förmlichen Bescheids, sofern klargestellt ist, dass wirklich nur ein Hinweis gewollt ist und nicht etwa doch ein Antrag gestellt werden sollte (Rn. 169).1105 Es kann aber zweckmäßig sein, wenn der Vorsitzende darauf hinweist, dass und warum er ihm nicht entsprechen will. Die Beteiligten haben dann die Möglichkeit, einen förmlichen Beweisantrag zu stellen. Zur Bescheidung von Anregungen auf freibeweisliche Beweiserhebungen s. aber auch Rn. 37.

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1101 Alsberg/Dallmeyer 179, 183; Eisenberg (Beweisrecht) 155; AK/Schöch 59; Meyer-Goßner/Schmitt 24; vgl. SK/Frister 101; Deckers (Beweisantrag) 38: „Beweisanregung im weiteren Sinn“. 1102 Alsberg/Dallmeyer 186; AK/Schöch 59; Eb. Schmidt Vor § 244, 27. 1103 KK/Krehl 103; Meyer-Goßner/Schmitt 24; SK/Frister 102; so auch Alsberg/Dallmeyer 189, der indes (Rn. 188 f.) die Auslegung des Begehrens als vorrangig ansieht, während nach hier vertretener Ansicht die Auslegung erst zum Zuge kommt, wenn die Befragung nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt. 1104 BGH VRS 41 (1971) 203, 206; KK/Krehl 103 (Beweisantragsnähe fällt auch hier ins Gewicht); Willms FS Schäfer 278; vgl. etwa BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 210. 1105 RGSt 49 361; 54 239; BGH NStZ 2001 160, 161; KK/Krehl 103; Alsberg/Dallmeyer 192. KMR/Paulus 382 nimmt an, dass unter Umständen eine Hinweispflicht aus der Fürsorgepflicht erwachsen kann; Bergmann MDR 1976 889 leitet dies aus dem „fair trial“-Gedanken ab.

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c) Aufklärungsantrag. Anträge, mit denen ein Verfahrensbeteiligter im Interesse 171 weiterer Sachaufklärung die Sicherung von Beweismitteln,1106 etwa die Anordnung von Durchsuchungen und Beschlagnahmen1107 oder der Vorlage von Arbeitsunterlagen eines Sachverständigen,1108 bestimmte Modalitäten der Beweisaufnahme,1109 etwa die Wiederholung einer Beweiserhebung (dazu Rn. 175) oder eine Gegenüberstellung,1110 oder ein sonstiges Vorgehen begehrt, das die Art und Weise betrifft, in der ein Zeuge zu vernehmen oder ein Beweismittel zu verwenden ist, können, soweit nicht, wie bei der Vereidigung, Sonderregelungen bestehen, unter der Kategorie der Aufklärungsanträge zusammengefasst werden.1111 Hierher sind auch solche Anträge zu rechnen, mit dem Angeklagten oder einem Zeugen – gegebenenfalls unter Zuziehung eines Sachverständigen – Versuche oder Rekonstruktionen anzustellen, um ihre Angaben auf ihre Verlässlichkeit zu überprüfen oder deren Änderung oder Ergänzung zu erreichen.1112 Soweit nicht § 58 Abs. 2, §§ 81a ff. eingreifen, enthält das Verfahrensrecht keine aus- 172 drücklichen Vorschriften über die Behandlung derartiger Anträge. Sie unterstehen deshalb nur dem allgemeinen Gebot des § 244 Abs. 2, ohne dass die Absätze 3 und 4 eingreifen.1113 Anträge auf die Durchführung von Versuchen oder auf die Rekonstruktion des Tatgeschehens sind aber dann abzulehnen, wenn einer der in die beantragte Maßnahme einzubeziehenden Person die Teilnahme daran nicht zumutbar (vgl. § 81c Abs. 4) oder sie sonst nach den Maßstäben der §§ 80 ff. nicht zur Mitwirkung verpflichtet ist und sich zu dieser auch nicht freiwillig bereit erklärt (s. Rn. 28 und im Einzelnen die Erl. zu den §§ 80 ff.). Zu denken ist etwa an die Fälle, in denen bei der Durchführung des Versuchs eine Gesundheitsschädigung der Versuchsperson eintreten könnte,1114 oder Vorgänge – wie etwa die Handlungen in einem Pkw, die einer Vergewaltigung unmittelbar vorausgingen – nachgestellt werden sollen, an denen der Versuchsperson (insbesondere dem Opfer) eine Teilnahme nicht angesonnen werden kann.1115 Nicht nachzukommen ist Anträgen auf Versuche und Rekonstruktionen auch dann, wenn sich der fragliche Vorgang oder die fragliche Handlung nicht unter vergleichbaren Bedingungen wiederholen lässt, ein für die Beweisfrage aussagekräftiger Vergleich der Ergebnisse also nicht zu erwarten ist.1116 Solche, die Modalitäten der Beweisaufnahme betreffende Anträge können aber auch 173 zusätzlicher Bestandteil eines auf die Beiziehung neuer Beweismittel gerichteten Be-

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1106 Alsberg/Dallmeyer 211 spricht insoweit von Beweisermittlungsanträgen im weiteren Sinn. 1107 In solchen Anträgen können aber auch echte Beweisanträge liegen, wenn damit die Verwendung eines bestimmten Beweismittels zum Nachweis einer bestimmten Tatsache begehrt wird; vgl. Alsberg/Dallmeyer 89, 212. 1108 Vgl. BGH StV 1995 565, 566. 1109 Alsberg/Dallmeyer 220 nennt sie Beweisanregungen im engeren Sinn. 1110 Vgl. etwa BGH NJW 1960 2156 f.; NStZ 1988 420, 421; 1992 394 (Auslandsvernehmung); NStZ-RR 1996 107; bei Dallinger MDR 1974 725; bei Pfeiffer NStZ 1981 96; Alsberg/Dallmeyer 221; KK/Krehl 23; KMR/Paulus 393; Meyer-Goßner/Schmitt 26; SK/Frister 96; ferner Rn. 17 und bei § 58. 1111 KMR/Paulus 391 verwendet diesen Begriff. 1112 Vgl. dazu BGH NJW 1961 1486; VRS 28 (1965) 190; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1987 218; Bergmann MDR 1976 890; Alsberg/Dallmeyer 225; KK/Krehl 25 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 26; SK/Frister 96; zur Abgrenzung zu einem Beweisantrag s. BGH NStZ 2016 116, 117. 1113 BGH NJW 1961 1486, 1487; VRS 35 (1968) 264, 266; OLG Hamm JMBlNW 1978 277; Alsberg/Dallmeyer 225; KMR/Paulus 391; SK/Frister 96. 1114 BGH VRS 28 (1965) 190; bei Martin DAR 1969 151; 1970 123; 1972 119; bei Pfeiffer NStZ 1982 189; OLG Düsseldorf VRS 46 (1974) 205 (Alkoholbelastungstest); KK/Krehl 26. 1115 RGSt 14 189; 42 440; RG JW 1931 2820 m. Anm. Alsberg; BGH NJW 1961 1486, 1487. 1116 BGHSt 10 265, 267; BGH NJW 1961 1486, 1487; 1998 2753, 2755; NStZ 1988 88; StV 1987 5; VRS 35 (1968) 264, 266; 50 (1976) 115; bei Holtz MDR 1977 108; OLG Düsseldorf VRS 60 (1981) 122; KK/Krehl 26.

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weis- oder Beweisermittlungsantrags sein.1117 Sie sind dann im Rahmen dieses Antrags mitzubehandeln und nach den für diesen geltenden Grundsätzen mitzubescheiden, wobei die Ablehnung der beantragten Beweiserhebung auch den zusätzlichen Antrag zu den Modalitäten ihrer Durchführung miterledigt. Sachlich bestimmt aber auch bei einer solchen Verknüpfung allein die Aufklärungspflicht, wieweit bei der Anordnung der Beweisaufnahme diesen Anträgen zu deren Ausgestaltung Rechnung zu tragen ist (s. dazu Rn. 172). Aufklärungsanträge sind in der Hauptverhandlung zu bescheiden,1118 sofern sie 174 nicht – was möglich ist – nur hilfsweise gestellt worden sind. Da § 244 Abs. 6 Satz 1 nicht eingreift, bedarf ihre Ablehnung keines Gerichtsbeschlusses.1119 Vielmehr genügt es, wenn der Vorsitzende im Rahmen seiner Sachleitungsbefugnis (§ 238 Abs. 1) durch mit Gründen versehene (§ 34)1120 Verfügung bekannt gibt, warum die beantragte Beweisgewinnung oder Modalität der Beweiserhebung nicht erforderlich – unter Umständen auch unzulässig – ist.1121 Gegen seine Verfügung ist wiederum die Anrufung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 (mit der Behauptung eines Verstoßes gegen die Aufklärungspflicht) zulässig und – soweit es um die Beurteilung der Erforderlichkeit der beantragten Maßnahme geht – zum Erhalt der Aufklärungsrüge auch erforderlich (vgl. Rn. 165 sowie § 238, 43 ff.). Allerdings ist es oft einfacher, wenn zur Vermeidung aller Zweifelsfragen das Gericht gleich selbst durch Beschluss entscheidet. Dagegen ist ein förmlicher Bescheid entbehrlich, wenn der Verfahrensbeteiligte keinen Antrag stellt, sondern sich mit einer bloßen Anregung begnügt (s. Rn. 169) und damit zu erkennen gibt, dass er keine ausdrückliche Entscheidung des Gerichts begehrt. 175

d) Antrag auf Wiederholung einer Beweisaufnahme. Ein Sonderfall des Aufklärungsantrags ist das Begehren, eine bereits durchgeführte Beweiserhebung zu wiederholen. Hierauf hat jedoch kein Verfahrensbeteiligter einen Anspruch; denn wurde zur Klärung einer Beweistatsache ein bestimmtes Beweismittel genutzt, so ist der entsprechende Beweiserhebungsanspruch verbraucht.1122 Dies gilt auch dann, wenn über das

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1117 Für die Gegenüberstellung zum Beleg oder zur Widerlegung einer Personenidentität s. etwa BGHSt 16 204, 205; BGH NStZ 2006 585, 586; Odenthal Die Gegenüberstellung im Strafverfahren 87 ff.; KK/Krehl 23 f. 1118 Es handelt sich um echte Anträge (Erwirkungshandlungen); Alsberg/Dallmeyer 229; MeyerGoßner/Schmitt 27; vgl. OLG Hamm OLGSt § 244 Abs. 2 S. 79, 81; a.A. BGH NStZ 1992 394; 2001 160, 161 (nicht stets ausdrückliche Bescheidung in Hauptverhandlung oder Urteil); OLG Hamm VRS 11 (1956) 138; JMBlNW 1978 277 (kein Bescheid erforderlich); Bergmann MDR 1976 892 (Bescheidung in Urteilsgründen genügt). 1119 So aber RGSt 51 20; 58 79; 63 302; BGH bei Dallinger MDR 1958 741; OLG Saarbrücken OLGSt § 244 S. 28, 31; Sarstedt JR 1954 193; Ulsenheimer AnwBl. 1983 376. 1120 Die Begründungspflicht besteht unabhängig davon, ob man die in Rede stehenden Anträge wie hier als Aufklärungsanträge qualifiziert oder sie als Beweisermittlungsanträge – so RGSt 40 50; OLG Hamm NJW 1957 921; VRS 49 (1975) 434; JMBlNW 1979 277 –, Beweisanregungen – so BGH NStZ 1992 394; Alsberg/Dallmeyer 225; Meyer-Goßner/Schmitt 26 – oder als Beweisanträge auf Augenscheinseinnahme – so BGH NJW 1961 1486, 1487; OLG Düsseldorf StV 1991 295 (dann gilt ohnehin § 244 Abs. 6 Satz 1) – ansieht. 1121 KMR/Paulus 391, 406; Meyer-Goßner/Schmitt 27; ferner Alsberg/Dallmeyer 229 m.w.N. auch zur Gegenmeinung. 1122 RGSt 57 322; BGHSt 14 21, 22; 15 161, 163; BGH NJW 1960 2156; NStZ 1983 375, 376; NStZ-RR 1996 107, 108; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1988 18; bei Becker NStZ-RR 2002 258; VRS 34 (1968) 220; GA 1958 305; 1961 315; StV 1991 2; 2001 98 m. Anm. Fahl = JR 2000 32 m. Anm. Rose; BGH bei Dallinger MDR 1952 18; 1958 741; 1974 725; 1975 24; bei Holtz MDR 1978 626; OLG Hamm JMBlNW 1978 277; KG JR 1954 192 m. Anm. Sarstedt; OLG Köln NJW 1955 275; Bergmann MDR 1976 890; Alsberg/Dallmeyer 222; Meyer NJW 1958 616; Eb. Schmidt Nachtr. I Vor § 244, 8; ferner KMR/Paulus 392; Meyer-Goßner/Schmitt 26; SK/Frister 97.

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Ergebnis der Beweiserhebung Meinungsverschiedenheiten entstehen. Ob die Notwendigkeit zu einer Wiederholung besteht, ist daher allein nach Maßgabe der Aufklärungspflicht zu entscheiden.1123 Geht es um die erneute Anhörung eines bereits entlassenen Zeugen oder Sachverständigen, so ist hierfür maßgebend, ob hinreichende Gründe für die Annahme bestehen, die wiederholte Beweisaufnahme werde ein vollständigeres oder anderes Ergebnis erbringen, etwa weil – wie der weitere Gang der Hauptverhandlung ergeben hat – die bisherige Vernehmung nicht erschöpfend war1124 oder die Beweisperson erklärt hat, sie wolle ihre Aussage berichtigen.1125 Anlass zur Wiederholung eines Augenscheins kann bestehen, wenn bei der zunächst vorgenommenen Augenscheinseinnahme übersehen wurde, die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten, später als erheblich erkannten Umstand zu richten. Zur Form der Entscheidung gilt das in Rn. 174 Gesagte entsprechend. Jedoch bedarf es zunächst stets genauer Prüfung, ob sich der Antrag tatsächlich auf 176 eine Wiederholung einer bereits durchgeführten Beweisaufnahme richtet oder ob nicht vielmehr ein neuer Beweisantrag vorliegt, weil eine neue Beweisbehauptung aufgestellt oder ein neues Beweismittel benannt ist. Wird die erneute Vernehmung eines schon gehörten und entlassenen Zeugen oder Sachverständigen beantragt, so ist zu unterscheiden: Soll der Zeuge oder Sachverständige zu einer Beweistatsache gehört werden, über die er noch nicht vernommen worden ist, liegt ein Beweisantrag vor, über den das Gericht nach den Grundsätzen der Absätze 3 und 4 zu befinden hat.1126 Soll er jedoch zu demselben Beweisthema gehört werden, zu dem er schon vernommen worden ist, etwa weil der Antragsteller die bisherigen Bekundungen anders verstanden wissen will als das Gericht, er zu dem Beweisthema weitere Fragen zu stellen beabsichtigt oder weil die Angaben des Zeugen im Rahmen einer Gegenüberstellung hinterfragt werden sollen, so liegt kein neuer Beweisantrag, sondern nur ein Aufklärungsantrag vor, so dass hierüber allein nach Maßgabe des § 244 Abs. 2 zu entscheiden ist. Auch wenn zu einer Beweisbehauptung ein neues Beweismittel benannt wird, 177 kann der Beweiserhebungsanspruch schon durch die Nutzung eines anderen Beweismittels zu derselben Beweisthematik verbraucht sein. Es handelt sich um die Fälle, in denen das Gericht befugt ist, den beantragten Zeugen- oder Sachverständigenbeweis durch einen Urkunds- oder Augenscheinsbeweis zu ersetzen (s. §§ 251, 253, 254, 255a, 256; vgl. Rn. 145). Wird etwa die Auskunft einer Behörde nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 lit. a oder Nr. 5 verlesen, so besteht kein Anspruch mehr auf Einvernahme eines ihrer Angehörigen zu derselben Frage.1127 Der entsprechende Antrag ist lediglich Aufklärungsantrag und nach § 244 Abs. 2 zu bescheiden.1128 Die gleichen Grundsätze gelten für den Antrag, einen Zeu-

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1123 RGSt 47 321; BGHSt 14 21; 15 161, 163; 17 351; 55 87, 93; BGH NStZ 1983 375, 376; 1988 423 f.; StV 1991 2; NStZ-RR 1996 107, 108; bei Becker NStZ-RR 2002 258 f.; OLG Hamburg StV 2012 589; KMR/Paulus 265 f.; SK/Frister 97; Alsberg/Dallmeyer 224. Das Gericht ist daher auch ohne Antrag eines Verfahrensbeteiligten stets gehalten, eine Beweisaufnahme zu wiederholen, wenn die Aufklärungspflicht dazu drängt oder wenn dies zur Heilung eines Verfahrensfehlers erforderlich ist. 1124 S. etwa BGHSt 17 351; BGH NJW 1960 2156; NStZ 1994 297; NStZ 2007 417, 418 f. (wesentliche neue Anknüpfungstatsachen für Sachverständigen); bei Dallinger MDR 1972 572; KG JR 1954 192 m. Anm. Sarstedt; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1969 152. 1125 Alsberg/Dallmeyer 224. 1126 BGH GA 1958 305; StV 1991 2; NStZ-RR 1996 107, 108; OLG Hamburg StV 2012 589; vgl. (zu § 255a Abs. 2): BGHSt 48 268, 274 = NJW 2003 2761 m. Anm. Eisenberg/Zötsch S. 3676 = StV 2003 650 m. Anm. Schlothauer sowie Anm. Fürstenau StV 2004 468 = JR 2004 212 m. Anm. Vogel/Norouzi; OLG Karlsruhe StraFo 2010 71. 1127 BGH bei Pfeiffer NStZ 1981 95; a.A. SK/Frister 100. 1128 Dem zuneigend BGH NStZ 2018 740, 742 (3. Strafsenat, nicht tragend) gegen BGH NStZ 2008 529 (2. Strafsenat).

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gen, dessen Aussage vor einem beauftragten oder ersuchten Richter aus der hierüber aufgenommenen Niederschrift bereits verlesen worden ist (§ 251), zur Vernehmung vor das erkennende Gericht zu laden. Auch hier bestimmt die Aufklärungspflicht, ob die erneute Einvernahme in der Hauptverhandlung notwendig ist, etwa weil aufgetretene Widersprüche zu klären sind.1129 Entsprechend liegt es bei dem Antrag auf ergänzende Vernehmung eines Zeugen nach § 255a Abs. 2 Satz 4, wenn dieser sich bereits in seiner früheren richterlichen Vernehmung, deren Bild-Ton-Aufzeichnung in der Hauptverhandlung abgespielt worden war, zu den Beweisbehauptungen des Antrags geäußert hatte.1130 Dagegen ist wegen der Sonderregelung des § 244 Abs. 4 Satz 2 ein Beweisantrag gegeben, wenn zu einer bereits sachverständig begutachteten Beweisfrage die Anhörung eines weiteren Sachverständigen beantragt wird. Ebenso ist der Beweiserhebungsanspruch nicht verbraucht, wenn ein früherer Mitangeklagter, der sich als solcher geäußert hat, nunmehr als Zeuge vernommen werden soll;1131 denn die veränderte Verfahrensstellung kann Einfluss auf sein Aussageverhalten haben.1132 Beim Augenscheinsbeweis ist schon dann ein neues Beweismittel benannt, wenn das bezeichnete Augenscheinsobjekt den fraglichen Vorgang besser veranschaulichen kann als das bereits genutzte.1133 Wegen § 244 Abs. 5 Satz 1 hat dies indessen keine Auswirkungen auf den Maßstab, nach dem der Antrag zu beurteilen ist, sondern führt lediglich zur Entscheidungszuständigkeit des gesamten Spruchkörpers gemäß § 244 Abs. 6 Satz 1. IV. Sitzungsniederschrift 178

1. Anträge der Verfahrensbeteiligten, die die Beweiserhebung betreffen, sind im Sitzungsprotokoll festzuhalten (§ 273 Abs. 1). Dies gilt für alle Beweisanträge, auch wenn sie nur hilfsweise gestellt wurden,1134 aber auch für Beweisermittlungsanträge1135 und für Aufklärungsanträge aller Art (Rn. 162 ff.), also einschließlich derjenigen, die die Art und Weise betreffen, in der ein Beweismittel verwendet werden soll,1136 etwa der Anträge auf Gegenüberstellung oder auf Vornahme von Versuchen. Hinweise auf Beweismöglichkeiten, die nicht mit einem Antrag auf Benutzung der aufgezeigten Beweismittel verbunden sind (Beweiserbieten, vgl. Rn. 169 f.), oder sonstige Beweisanregungen ohne Antrag fallen nicht unter die Protokollierungspflicht.1137 Da Inhalt und Intensitätsgrad

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1129 RGSt 40 189, 190; 51 20; 57 322; 58 79, 80; BGHSt 46 73, 79 f.; BGH Dallinger MDR 1958 741; BayObLG DRiZ 1927 Nr. 1097; BayObLGSt 1959 315; OLG Hamburg GA 1971 183; OLG Hamm VRS 24 (1963) 219; OLG Koblenz VRS 53 (1977) 124; KMR/Paulus 392; Alsberg/Dallmeyer 223; vgl. die Erl. zu § 251 und § 325. 1130 BGHSt 48 268, 272 ff. = NJW 2003 2761 m. Anm. Eisenberg/Zötsch S. 3676 = StV 2003 650 m. Anm. Schlothauer sowie Anm. Fürstenau StV 2004 468 = JR 2004 212 m. Anm. Vogel/Norouzi. 1131 BGH NJW 1985 76; NStZ 1981 487; 1983 468; bei Miebach/Kusch NStZ 1991 29; BGH StV 1984 498; OLG Hamm NJW 1968 954; zum Teil a.A. BGH StV 1982 507 (auf den Einzelfall abstellend); vgl. MeyerGoßner/Schmitt 26; SK/Frister 98. 1132 S. aber auch BGHSt 18 238, 241: Beweiswert von der Stellung im Verfahren unabhängig. 1133 Vgl. BGH NStZ 2006 406, 407 m. Anm. Gössel: Abspielen eines Videofilms statt Betrachten einzelner aus diesem entnommener Bilder. 1134 BGH bei Dallinger MDR 1975 468; 1986 552; KG VRS 43 (1972) 199; KMR/Paulus 402; MeyerGoßner/Schmitt 39; Alsberg/Dallmeyer 750; Alsberg/Güntge 750 ff. 1135 OLG Nürnberg MDR 1984 74; OLG Saarbrücken JBl Saar 1959 184; Bergmann MDR 1976 892; Alsberg/Dallmeyer 214; Schulz GA 1981 320; AK/Schöch 58; KMR/Paulus 402; Meyer-Goßner/Schmitt 27. 1136 RGSt 57 322; Bergmann MDR 1976 892; Alsberg/Dallmeyer 229; KMR/Paulus 402; Meyer-Goßner/ Schmitt 27. 1137 Meyer-Goßner/Schmitt 27; SK/Frister 101; a.A. KMR/Paulus 382; Alsberg/Dallmeyer 191; Deckers (Beweisantrag) 39; vgl. bei § 273.

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derartiger Anregungen sehr unterschiedlich sein können, ist es aber dennoch ratsam, einen Vermerk über den Gegenstand der Anregung in die Niederschrift aufzunehmen; denn dies erleichtert die Beurteilung einer eventuellen späteren Aufklärungsrüge und erspart freibeweisliche Erhebungen im Revisionsverfahren. Gleiches gilt für die an sich ebenfalls nicht protokollierungspflichtigen Hinweise und Fragen, mit denen das Gericht den Sinn eines unklaren Antrags festzustellen und auf die Ergänzung unvollständiger Beweisanträge hinzuwirken versucht. Mangels Protokollierungspflicht beweist das Schweigen des Protokolls dementsprechend entgegen einer gelegentlich vertretenen Ansicht1138 nicht, dass derartige Fragen unterlassen und Hinweise nicht erteilt wurden.1139 Bei Beweisanträgen sind alle Antragsteller – auch die sich später anschließenden – 179 , der Inhalt jedes Antrags und die dafür benannten Beweismittel, nicht aber die dafür gegebene mündliche Begründung anzuführen.1140 Ist der Antrag dem Gericht schriftlich übergeben worden, kann das Schriftstück auch als Anlage zum Protokoll genommen und darauf verwiesen werden.1141 Die Rücknahme eines Beweisantrags, der Verzicht auf die Beweiserhebung1142 sowie sonstige, einen bereits gestellten Beweisantrag betreffenden Änderungsanträge, etwa dass ein zunächst nur bedingter Antrag nunmehr ohne die Bedingung gestellt wird oder ein Hilfsbeweisantrag doch noch in der Hauptverhandlung verbeschieden werden möge (Rn. 160), sind ins Protokoll aufzunehmen. 2. Beschlüsse. Verkündung sowie Inhalt (Tenor und Gründe mit vollem Wortlaut) 180 der Beschlüsse, mit denen das Gericht einen Beweisantrag ablehnt, sind ebenfalls nach § 273 Abs. 1 in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen.1143 Ist der Beschluss gesondert schriftlich abgefasst, so genügt es, wenn dessen mündliche Eröffnung protokolliert, wegen seines Inhalts aber auf den als Anlage zum Protokoll genommenen schriftlichen Beschluss verwiesen wird.1144 Dies gilt entsprechend für ablehnende Beschlüsse des Gerichts über Beweisermittlungs- und Aufklärungsanträge. Werden Beweisanregungen durch den Vorsitzenden abgelehnt, so ist auch dessen Entscheidung in der Sitzungsniederschrift zu vermerken,1145 desgleichen der Antrag, mit dem hiergegen das Gericht angerufen wird, und der daraufhin ergehende Beschluss des Gerichts. E. Ablehnung von Beweisanträgen I. Allgemeine Grundlagen 1. Bedeutung. Die Gründe, aus denen ein Beweisantrag abgelehnt werden muss 181 oder darf, nahm erst das Gesetz vom 28.6.1935 als § 245 Abs. 2 a.F. in die StPO auf, allerdings in der einschränkenden Fassung, der zufolge sie uneingeschränkt nur von Gerichten zu beachten waren, in deren Rechtszug keine Berufungsinstanz vorgesehen war (also nicht in Verhandlungen vor dem Amtsrichter, dem Schöffengericht und dem Landgericht

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1138 RG JW 1917 235; 1922 1033; 1932 3097; BGH GA 1960 315. 1139 Alsberg/Güntge 749. 1140 RGSt 1 32; 31 62; 59 429; 61 410; BGH GA 1960 315; OLG Frankfurt NJW 1953 198; Alsberg/Güntge 751; Meyer-Goßner/Schmitt 39. 1141 Alsberg/Güntge 752; Koeniger 266; Meyer-Goßner/Schmitt 39. 1142 BGH NStZ 1983 422. 1143 RGSt 1 34; 44 53; OGHSt 1 282; BGH StV 1994 635 m. Anm. Müller; OLG Kiel SchlHA 1946 270; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1973 186; KMR/Paulus 412; Alsberg/Güntge 1448. 1144 RGSt 25 248; BGH bei Holtz MDR 1991 297; OLG Hamm VRS 38 (1970) 293; Alsberg/Güntge 1448; AK/Schöch 63. 1145 Vgl. bei § 273.

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als Berufungsgericht; s. Entstehungsgeschichte). Diese Gründe waren von der Rechtsprechung unter Führung des RG entwickelt worden, um das Beweisantragsrecht des Beschuldigten abzusichern und bestmögliche Sachaufklärung zu gewährleisten. Weil die Ergebnisse der vorhergehenden Rechtsprechung nicht durch andere Grundsätze ersetzt, sondern nur ins Gesetz aufgenommen wurden,1146 hat diese Rechtsprechung für die Auslegung und Handhabung des Absatzes 3 ihren Wert behalten. Die dort angegebenen Gründe (Unzulässigkeit der Beweiserhebung; Unerheblichkeit der behaupteten Tatsache; Mangel ihrer Beweisbedürftigkeit; Unbrauchbarkeit oder Unerreichbarkeit des Beweismittels) legen – erweitert durch Absatz 4 sowie aufgelockert durch Absatz 5 – abschließend fest (s. Rn. 182), wann bei einem nicht präsenten Beweismittel die Beweiserhebung abgelehnt werden darf. Die Verfahrensbeteiligten erhalten hierdurch nicht nur die Möglichkeit, auf das gerichtliche Beweisprogramm Einfluss zu nehmen (s. auch Rn. 1); vielmehr können sie das Gericht unter Umständen auch dazu veranlassen, seine bisherige Einschätzung der Beweislage offen zu legen, um ihr weiteres Verhalten danach auszurichten.1147 182

2. Abschließende Regelung. Der in den Absätzen 3 bis 5 enthaltene Katalog der Ablehnungsgründe ist abschließend. Aus anderen als den dort genannten Gründen darf ein Beweisantrag nicht zurückgewiesen werden.1148 Hierbei sind jedoch die gesetzlich vorgegebenen Regelungsvarianten zu beachten. Dies gilt zunächst für die tatbestandlichen Voraussetzungen. Während Absatz 3 die Ablehnung jedes beliebigen Beweisantrags und Absatz 4 – darüber hinausgehend – die Ablehnung eines Antrags auf Vernehmung eines Sachverständigen an enger umschriebene gesetzliche Voraussetzungen knüpft, erweitert Absatz 5 für die Anträge auf Augenscheinseinnahme, auf Vernehmung von Auslandszeugen sowie auf Verlesung eines Ausgangsdokuments die Möglichkeit der Zurückweisung, indem er insoweit nur allgemein auf die Maßstäbe der Aufklärungspflicht nach Absatz 2 verweist. Auch die Rechtsfolgenseite zeigt Differenzierungen. Während Anträge auf unzulässige Beweiserhebungen abgelehnt werden müssen (Absatz 3 Satz 1), steht es in den übrigen Fällen im Ermessen des Gerichts, ob es von der gesetzlich eröffneten Möglichkeit der Zurückweisung Gebrauch macht. Andere – sachfremde – Gründe berechtigen das Gericht nicht zur Ablehnung; unzulässig ist daher die Zurückweisung mit der Begründung, der Beweisantrag sei „höchst unökonomisch“.1149

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3. Verbot der Beweisantizipation. Während das Gericht, bevor es von Amts wegen ein Beweismittel beizieht, nach Maßgabe der Aufklärungspflicht aufgrund aller ihm erkennbarer Umstände den Wert des Beweismittels und die Erweislichkeit einer Tatsache vorab einschätzen muss und von der Beweiserhebung absehen kann, falls es sich davon keine weiterführende Erkenntnis verspricht,1150 gilt, wenn über den Beweisantrag eines Verfahrensbeteiligten zu entscheiden ist: Eine vorweggenommene Würdigung der verlangten Beweiserhebung findet allein in den durch die Ablehnungsgründe gezogenen Grenzen statt; im Übrigen ist sie dem Tatgericht verwehrt. Insoweit – und nur insoweit – besteht im Beweisantragsrecht das Verbot der Beweisantizipation. Die Ablehnungsgründe lassen freilich unter verschiedenen Gesichtspunkten in unterschiedlichem Ausmaß

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1146 Zur Entwicklung vgl. etwa Alsberg/Güntge 1 ff.; Engels GA 1981 21 ff; Lehmann JW 1935 2358; Perron (Beweisantragsrecht) 137 ff.; Widmaier NStZ 1994 415, je m.w.N. 1147 Deckers (Beweisantrag) 8 f., 344 f., 368 ff.; SK/Frister 47. 1148 BGHSt 29 149, 151; BGH NStZ 2014 50 f. 1149 Vgl. BVerfG NJW 1979 413 (für Zivilprozess); KMR/Paulus 420. 1150 S. Rn. 58.

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antizipierende Wertungen zu; nur beispielhaft1151 seien hier folgende genannt: Für die Unerreichbarkeit eines Zeugen bei vorübergehenden Hindernissen kann es von Bedeutung sein, inwieweit das Gericht zum Hinausschieben der Hauptverhandlung verpflichtet ist, was namentlich von der voraussichtlichen Bedeutung der Aussage und dem zu erwartenden Aufklärungsgewinn abhängig ist (s. Rn. 255). Die Verschleppungsabsicht des Antragstellers setzt unter anderem voraus, dass die beantragte Beweiserhebung nach gerichtlicher Überzeugung nichts Sachdienliches zu seinen Gunsten erbringen wird (s. Rn. 269). Die Wahrunterstellung beruht auf der Prognose, dass das Gericht nach abgeschlossener Beweisaufnahme bei seiner Entscheidungsfindung ohnehin von der unter Beweis gestellten Tatsache ausgehen werde (s. Rn. 289). Die Bedeutungslosigkeit lässt zwar keine vorweggenommene Würdigung des Werts des Beweismittels oder der Erweislichkeit der Beweisbehauptung zu, erfordert bei Indiz- und Hilfstatsachen aber eine prognostische Beweiswürdigung im Hinblick auf das Beweisziel (s. Rn. 220 f.). Der jeweilige Ablehnungsgrund bestimmt also die zulässige, ihm nicht widerstreitende Antizipation.1152 Im Übrigen ist es dem Gericht verwehrt, gleichwohl von der verlangten Beweiserhebung abzusehen, indem es vorab den Wert des benannten Beweismittels1153 oder die Erweislichkeit der behaupteten Tatsache in Abrede stellt;1154 auch die Würdigung des Beweisergebnisses muss grundsätzlich der Beweiserhebung nachfolgen.1155 Der Grundsatz, dass ein noch nicht in die Hauptverhandlung eingeführtes Beweismittel jenseits der abschließend geregelten1156 Ablehnungsgründe keinen antizipierenden Wertungen unterzogen werden darf, findet seine Legitimation in der allgemeinen Lebenserfahrung, dass sich das Ergebnis einer Beweiserhebung kaum voraussagen lässt und eine bereits als gesichert erscheinende Überzeugung wider Erwarten umgestoßen werden kann.1157 Während die Überzeugung des Gerichts von der Wahrheit der behaupteten Tatsache 184 jede weitere Beweisaufnahme entbehrlich machen kann, ist das Gericht umgekehrt – außerhalb des Anwendungsbereichs von § 244 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 5 – nicht dazu berechtigt, die verlangte Beweiserhebung allein deshalb abzulehnen, weil die Behauptung aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme widerlegt sei und es bereits die Überzeugung

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1151 Vgl. auch Hebbecker 56 ff.; Herdegen NStZ 1984 98; ders. FS Boujong 786 ff.; Paulus FS Fezer 259 ff.; Schulenburg 128 ff., 226 f.; Weßlau FS Fezer 302 ff.; KK/Krehl 127 ff. sowie die Erl. zu den einzelnen Ablehnungsgründen; ferner Fezer FS II BGH 4 862 ff. m.w.N., dem zufolge, was das Beweisantizipationsverbot betrifft, die Auslegung der einzelnen Ablehnungsgründe durch den BGH zwar nicht in jeder Einzelheit den „dogmatisch konsequenten“ Ansprüchen einer Mindermeinung im wissenschaftlichen Schrifttum entspricht, aber der Funktion des Beweisantragsrecht „im großen und ganzen gerecht“ wird (S. 868 f.). 1152 KK/Krehl 128; vgl. Deckers (Beweisantrag) 123; Korte 122 f.; AnwK-StPO/Sommer 68; krit. Mehle FS Bub 538 ff., dem zufolge die Voraussetzungen der einzelnen Ablehnungsgründe einschränkend auszulegen seien, weil diese das Verbot der Beweisantizipation zu sichern bestimmt seien. 1153 Das zu erwartende Beweisergebnis darf nach Zuverlässigkeit und Inhalt des Beweismittels keine Beurteilung ex ante erfahren; vgl. BGH NStZ 2014 50 f.; Eisenberg (Beweisrecht) 198; Engels GA 1981 21; Alsberg/Güntge 774 ff.; Schulenburg 165 ff.; AK/Schöch 75; KK/Krehl 127; Meyer-Goßner/Schmitt 46. 1154 Alsberg/Güntge 773; zur Aufteilung der alleinigen Vorwürdigungskompetenz zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten BGH NStZ 1997 503 m. Anm. Herdegen = StV 1997 567 m. Anm. Wohlers; Frister ZStW 105 (1993) 351; ferner Rn. 58; vgl. aber auch Herdegen FS Boujong 785. 1155 Zum Unterschied zwischen antizipierter Beweismittelpräklusion und antizipierender Würdigung Herdegen FS Boujong 779; vgl. SK/Frister 24 ff. 1156 Darin liegt das allgemeine Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung formal begründet; so etwa BGHSt 29 149, 151; OLG Hamm VRS 42 (1972) 208; AK/Schöch 73; Alsberg/Güntge 771. 1157 BGHSt 23 188; BGH StV 2002 350, 352 (im Ergebnis fragwürdig); Niethammer FS Sauer 33; KMR/Paulus 125; vgl. ferner Engels GA 1981 351; Mehle FS Bub 535 f.; Weßlau FS Fezer 306 (Bindung des Gerichts an die Möglichkeitsbeurteilung des Antragstellers).

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vom Gegenteil dessen gewonnen habe, was der Antragsteller beweisen wolle.1158 Das Gericht darf insbesondere einen Beweisantrag, der die Widerlegung einer Zeugenaussage bezweckt, nicht mit der Begründung ablehnen, dass eine Bestätigung der unter Beweis gestellten Tatsache nicht zu erwarten1159 oder dass sie nicht beweisbar, unwahrscheinlich,1160 unglaubhaft,1161 erdichtet1162 oder unsinnig1163 sei oder dass bei einer zur Belastung des Angeklagten unter Beweis gestellten Tatsache selbst deren Bestätigung wegen des bisherigen gegenteiligen Beweisergebnisses nach dem Zweifelssatz zum sicheren Nachweis nicht ausreichen würde.1164 Ebenso liegt es, wenn der Ablehnungsbeschluss allgemein darauf abstellt, die Beweisaufnahme verspreche keinen Erfolg.1165 Ein Beweisantrag darf auch nicht mit einer den Wert des benannten Beweismittels anzweifelnden oder über die engen Grenzen des Ablehnungsgrundes der Ungeeignetheit hinaus in Abrede stellenden Begründung abgelehnt werden, etwa dass der Beweiswert des Beweismittels zu gering sei,1166 der Zeuge nach den Unterlagen keine genauen Wahrnehmungen gemacht habe oder sich nicht mehr erinnern werde.1167 Gleiches gilt für Darlegungen dergestalt, dass das Gericht auch dann, wenn der Zeuge die behauptete Tatsache bestätigen sollte, ihm keinen Glauben schenken werde,1168 dass der Antragsteller es unterlassen habe, den Zeugen über seine Kenntnis zu befragen,1169 dass der Beweisantrag der Aussage des Zeugen in einem anderen Verfahren widerspreche,1170 dass der Antrag des Angeklagten mit einem früheren Geständnis, mit einer Erklärung des Verteidigers oder der Antrag des Verteidigers mit einem Vorbringen des Angeklagten in Widerspruch stehe.1171 Um die Ablehnung eines Beweisantrags, der gegenüber dem Vorwurf der üblen Nachrede nach § 186 StGB auf den Beweis der Wahrheit der behaupteten Tatsache abzielt, aus der Erwägung zu rechtfertigen, dass der Wahrheitsbeweis durch die Erhebung des Beweises nicht erbracht werden könne, müssen besondere Voraussetzungen erfüllt sein.1172

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1158 RGRspr. 7 296; RGSt 1 189; 5 312; 14 278; 21 227; 39 364; 44 298; 47 100, 105; 63 329, 331; RG GA 57 (1910) 212; 57 (1910) 229; LZ 1914 1396; 1914 1722; Recht 1917 Nr. 1197; 1918 Nr. 1641; 1926 Nr. 226; JW 1923 994; 1930 931; 1930 3417; HRR 1936 Nr. 82; OGHSt 3 144; BGHSt 8 177, 181; 40 60, 62; BGH NStZ 1984 42, 43; 1997 503 m. Anm. Herdegen = StV 1997 567 m. Anm. Wohlers; StV 1986 418, 419; 1989 160; 1989 188, 189; 1993 3; 1993 621; 1994 62; VRS 39 (1970) 95; bei Dallinger MDR 1974 16; bei Spiegel DAR 1981 199; BayObLGSt 1971 138; BayObLG bei Rüth DAR 1964 242; OLG Celle NJW 1947/48 394; OLG Düsseldorf VRS 4 (1952) 277; 84 (1993) 453; OLG Hamm NJW 1968 1205; VRS 7 (1954) 373; 44 (1973) 445; KG DAR 1959 48; VRS 29 (1965) 204; 48 (1975) 432; OLG Karlsruhe Justiz 1972 41; 1974 432; OLG Kiel SchlHA 1946 451; OLG Koblenz VRS 48 (1975) 120; Frister ZStW 105 (1983) 347 ff.; Alsberg/Güntge 773. 1159 RG LZ 1924 41; vgl. RGSt 1 51; RG GA 42 (1894) 399 (nicht ersichtlich, woher Zeuge die behauptete Kenntnis habe); BGHSt 8 177, 181; BGH NJW 1993 867; NStZ 1983 468 (Zeuge könne nur Schätzungen liefern); 1987 17; 1993 247; StV 1989 187; 1993 176; 1994 62; KG DAR 1959 48; Alsberg/Güntge 773. 1160 RGSt 46 384; BGH bei Dallinger MDR 1974 16; OLG Köln OLGSt § 244 Abs. 3 S. 37. 1161 RG Recht 1918 Nr. 1641; vgl. OLG Koblenz VRS 52 (1976) 125; OLG Saarbrücken JMBl Saar 1962 96 (als unglaubwürdig bekannter Zeuge); Alsberg/Güntge 773. 1162 RG GA 70 (1926) 333; Alsberg/Güntge 773; vgl. auch BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 210 (Behauptungen aus der Luft gegriffen). 1163 OLG Hamm VRS 42 (1972) 208, 209; KMR/Paulus 417; Alsberg/Güntge 773 weist zu Recht darauf hin, dass in solchen Fällen Verschleppungsabsicht zu prüfen ist. 1164 BGH NStZ 1997 503 m. Anm. Herdegen = StV 1997 567 m. Anm. Wohlers. 1165 BGH NJW 1983 404; NStZ 1997 503 m. Anm. Herdegen = StV 1997 567 m. Anm. Wohlers; StV 1986 418; 1994 62; Eisenberg (Beweisrecht) 198; AK/Schöch 75; Meyer-Goßner/Schmitt 46. 1166 BGH NJW 1966 1524; NStZ 1984 42. 1167 RGSt 1 51; 56 134; KMR/Paulus 418; Alsberg/Güntge 774. 1168 RG GA 70 (1926) 333; JW 1930 933; BGH NJW 1952 191; Alsberg/Güntge 777 f. 1169 RGRspr. 3 768. 1170 BGH StV 1984 450; AK/Schöch 75. 1171 RG DStR 1917 168; GA 59 (1911) 121; JW 1925 2782; BGH bei Holtz MDR 1977 461; BayObLG NJW 1950 316; Alsberg/Güntge 777. 1172 RGSt 62 94; RG HRR 1939 Nr. 1449.

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II. Unzulässigkeit der Beweiserhebung (§ 244 Abs. 3 Satz 1) 1. Allgemeines a) Unzulässige Beweiserhebung und unzulässiger Beweisantrag. Es ist begriff- 185 lich zu unterscheiden, ob ein Beweisantrag abgelehnt werden muss, weil der Antrag schon als solcher unzulässig ist (s. Rn. 198 ff.) oder weil er inhaltlich auf eine unzulässige Beweiserhebung gerichtet ist (s. Rn. 187 ff.); Absatz 3 Satz 1 erfasst nur den letztgenannten Fall.1173 Ein einheitlicher Sprachgebrauch hat sich insoweit bisher jedoch nicht gebildet. Daher werden mitunter auch die auf eine unzulässige Beweiserhebung gerichteten Anträge als „unzulässige Beweisanträge“ bezeichnet1174 und tatsächlich unzulässige Beweisanträge gestützt auf Absatz 3 Satz 1 abgelehnt. Dies ist letztlich unschädlich. § 244 Abs. 3 Satz 1 enthält nur eine Rechtsfolgenregelung. Die Voraussetzungen für die Unzulässigkeit einer Beweiserhebung sind dagegen aus anderen Vorschriften sowie gegebenenfalls allgemeinen, insbesondere aus der Verfassung abzuleitenden Rechtsprinzipien zu entnehmen. Für die Unzulässigkeit eines Beweisantrags gilt Entsprechendes; sie muss sich aus einer speziellen Verfahrensnorm herleiten lassen. Ist dies der Fall, so muss der Antrag, wie alle unzulässigen Prozessbegehren, nach allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen (vgl. Einl. K 19) zwingend zurückgewiesen werden; die Rechtsfolge stimmt also mit derjenigen des Absatzes 3 Satz 1 überein (s. Rn. 186), dessen Anwendung führt daher nicht zu unrichtigen Ergebnissen. b) Ablehnungspflicht. Einen auf eine unzulässige Beweiserhebung gerichteten Be- 186 weisantrag muss das Gericht nach dem eindeutigen Wortlaut des Absatzes 3 Satz 1 ablehnen.1175 Ein Ermessensspielraum, wie ihn Absatz 3 Satz 2 zu den dort geregelten Ablehnungsgründen für Beweisanträge eröffnet, die auf eine zulässige Beweiserhebung gerichtet sind, steht ihm hier nicht zu. Gibt das Gericht einem auf eine unzulässige Beweiserhebung gerichteten Antrag statt, so liegt ein Verfahrensfehler vor, der zur Aufhebung des Urteils führen muss, wenn es zum Nachteil des Beschwerdeführers auf der Verwertung des unzulässigerweise erhobenen Beweises beruht. Dagegen ist es unschädlich, wenn das Gericht einen Beweis, dessen Erhebung es nach Absatz 3 Satz 2 ablehnen durfte, trotzdem erhebt. Daraus ergibt sich, dass jeder Beweisantrag zunächst darauf zu prüfen ist, ob er die Erhebung eines unzulässigen Beweises zum Ziel hat. Erst wenn das zu verneinen ist, ist für eine Prüfung nach § 244 Abs. 3 Satz 2 Raum. Die Verfahrensbeteiligten können eine beabsichtigte Beweiserhebung als unzulässig beanstanden (§ 238 Abs. 2). Soweit die Voraussetzungen der Unzulässigkeit der Beweiserhebung nicht gesetzlich zwingend vorgegeben, sondern durch einen Akt richterlicher Wertung im Rahmen eines Beurteilungsspielraums zu konkretisieren sind, müssen sie dies sogar, wenn sie sich die Möglichkeit einer entsprechenden Revisionsrüge erhalten wollen.1176 Sind nicht alle für die Beurteilung der Zulässigkeit der Beweiserhebung erforderlichen Tatsachen hinreichend bekannt, so sind sie freibeweislich zu klären; hierzu können die Verfahrensbeteiligten entsprechende Beweisermittlungsanträge stellen.

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1173 OLG Köln NStZ 1987 341 = OLGSt N.F. Nr. 10 m. Anm. Julius; StV 1999 82, 83 m. Anm. Julius; Eisenberg (Beweisrecht) 202; Alsberg/Güntge 786 f.; AK/Schöch 77; KK/Krehl 106 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 48 f.; SK/Frister 103; vgl. BGH NStZ 1986 371; KMR/Paulus 425. 1174 Vgl. etwa Eb. Schmidt 32; Rüping/Dornseifer JZ 1977 419. 1175 BGH StRR 2010 342 Ls. und Kurzwiedergabe m. Anm. Burhoff; vgl. OLG Koblenz StV 2014 330 f.: dem Beweisbegehren darf auch nicht nach § 244 Abs. 2 nachgegangen werden. 1176 Vgl. BGHSt 51 144 = NStZ 2007 230 m. Anm. Widmaier = JR 2007 382 m. Anm. Mosbacher, m. Anm. Bosch JA 2007 313; s. § 238, 46.

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2. Unzulässige Beweiserhebung 187

a) Allgemeine Grundsätze. Das Strafverfahren dient der Erfüllung der Aufgabe des Staates, die wichtigsten Individual- und Gemeinschaftsrechtsgüter zu schützen. Die besondere Bedeutung dieser Aufgabe darf jedoch nicht den Blick darauf verstellen, dass die Strafverfolgung stets mit Eingriffen in die Rechte der vom Verfahren Betroffenen einhergeht und auch Rechtsgüter der Gemeinschaft beeinträchtigen kann. Auch deren Schutz ist dem Staat aufgegeben. Der Zweck des Strafverfahrens würde daher verfehlt, wenn es den Strafverfolgungsorganen zur Aufdeckung und Ahndung einer Rechtsgutsverletzung gestattet wäre, unbegrenzt in andere Individual- oder Gemeinschaftsrechtgüter einzugreifen. Das Wertesystem der Verfassung, das zu schützen Zweck des Strafverfahrens ist, setzt diesem daher gleichzeitig auch Schranken. Dies gilt namentlich für das beherrschende Prinzip des Strafprozesses, die Verpflichtung, von Amts wegen die Wahrheit zu erforschen (§ 244 Abs. 2; s. auch §§ 160, 161 Abs. 1). Diesem Prinzip sind zwar die meisten Regeln über die Beweiserhebung untergeordnet; trotz seiner hohen Bedeutung kommt ihm jedoch kein absoluter Wert zu, der es rechtfertigen würde, „die Wahrheit um jeden Preis zu erforschen“.1177 Die Rücksichtnahme auf vorrangige andere Werte und Rechtsgüter kann deshalb zur Unzulässigkeit einer Beweiserhebung führen.1178 Wo die Grenzen zu ziehen sind, hat grundsätzlich der Gesetzgeber zu bestimmen und dabei das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot einer effektiven Strafverfolgung mit den grundrechtlich geschützten Individualrechtsgütern der durch die Strafverfolgungsmaßnahmen Betroffenen sowie den tangierten Gemeinschaftswerten abzuwägen. Das Ergebnis dieser Abwägung hat in zahlreichen strafprozessualen Vorschriften seinen Ausdruck gefunden. Soweit der Gesetzgeber eine durch verfassungsrechtliche Vorgaben an sich gebotene Grenzziehung unterlassen oder ihre nähere Ausgestaltung der Rechtsprechung überlassen hat, ist es deren Aufgabe, die widerstreitenden Verfassungsprinzipien bei Anwendung des Strafverfahrensrechts zu einem verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen. Hierbei hat sie auch die Verpflichtungen zu beachten, die die Bundesrepublik in zwischenstaatlichen Abkommen (EMRK, IPBPR, EUC) zum Schutz grundlegender Individualrechte eingegangen ist; das Verständnis, das diese Verpflichtungen etwa in der Rechtsprechung des EGMR gefunden haben, ist in diesem Rahmen – soweit möglich – als Auslegungshilfe heranzuziehen. Zu den Einzelheiten s. Einl. L sowie die Erläuterungen zu den jeweils einschlägigen strafprozessualen Bestimmungen.

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b) Kategorisierung der Beweisverbote. Beweisverbote werden üblicherweise in Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote unterschieden und die Beweiserhebungsverbote wiederum in Beweisthemen-, Beweismittel- und Beweismethodenverbote untergliedert.1179 Eine allgemein anerkannte Einteilung sowie eine einheitliche Zuordnung der einschlägigen Sachverhalte zu den einzelnen Kategorien fehlen bisher. Es ist daher stets näher zu prüfen, was die jeweilige Entscheidung oder der jeweilige Autor mit

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1177 BVerfG NStZ 1984 82; BGHSt 14 365; 19 332; 27 357; 31 309; 38 214, 220; 38 372, 374. 1178 Trotz des hohen Rangs, den eine funktionstüchtige Strafrechtspflege und die Aufklärung der Straftaten im Rechtsstaat einnimmt, folgt gerade aus dem Rechtsstaatsprinzip, insbesondere aus dem ihm zugehörenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Belange der Strafrechtspflege und das staatliche Interesse an einer lückenlosen Aufklärung von Straftaten mitunter hinter höherrangigen Privatoder Gemeinschaftsinteressen zurückstehen müssen; vgl. etwa BVerfGE 22 132; 34 238; 36 187; 38 121; 119 279. 1179 S. etwa Alsberg/Güntge 798; Kühne 882 ff.; Roxin/Schünemann § 24, 15 ff.; AK/Schöch 77; MeyerGoßner/Schmitt Einl. 50 ff.

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der Verwendung eines dieser Begriffe zum Ausdruck bringen will. Dies ist andererseits aber auch nicht schädlich, weil ohnehin je nach Sachverhalt jenseits jeglicher Kategorisierung anhand der gesetzlichen Ausgestaltung, des Schutzzwecks, des Regelungszusammenhangs und der betroffenen Rechtsgüter zu entscheiden ist, welcher Inhalt und welche Tragweite einem Beweisverbot zukommt und welche Folgerungen aus ihm zu ziehen sind (s. dazu näher bei den jeweils einschlägigen Vorschriften sowie Einl. L). Allgemein festzuhalten bleibt lediglich, dass die Aussage, die Beweiserhebungsverbote beträfen die Phase der Beweisgewinnung (und damit den Regelungsbereich des § 244 Abs. 3 Satz 1), die Beweisverwertungsverbote dagegen die Phase der Bewertung der Beweise und Entscheidungsfindung,1180 zumindest missverständlich ist; denn das Verbot, in einem früheren Verfahrensstadium bereits gewonnene Beweise zu verwerten, wird regelmäßig in einem späteren Verfahrensstadium zum Verbot der Reproduktion dieses Beweises und damit wiederum zu einem Beweiserhebungsverbot führen. Wurde etwa die Aussage des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren durch unzulässige Vernehmungsmethoden im Sinne des § 136a Abs. 1 gewonnen, so führt das Verwertungsverbot des § 136a Abs. 3 Satz 2 im Hauptverfahren nicht erst zu Einschränkungen der freien Beweiswürdigung nach Abschluss der Beweisaufnahme (auch zur Beschuldigtenvernehmung im Ermittlungsverfahren), sondern bereits dazu, dass der Inhalt der Vernehmung weder durch Einvernahme der Verhörsperson noch in sonstiger Weise in die Hauptverhandlung eingeführt werden darf. Dies gilt für andere Verstöße gegen Beweiserhebungsverbote im Ermittlungsverfahren entsprechend, soweit sie ein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehen (s. dazu näher Einl. L). Inwieweit die Verletzung von Verfahrensvorschriften über die Gewinnung oder Sicherung von Beweismitteln, insbesondere auch der damit verbundenen Hinweispflichten (etwa § 52 Abs. 3 Satz 1, § 55 Abs. 2, § 136 Abs. 1 Satz 2), die Verwertung der gewonnenen oder gesicherten Beweise und damit auch deren spätere Reproduktion in der Hauptverhandlung unzulässig machen oder einschränken, ist bei den jeweiligen Verfahrensvorschriften erörtert.1181 c) Beispiele aa) Beweismittelverbote. Die Unzulässigkeit der Beweiserhebung kann sich daraus 189 ergeben, dass ein Beweismittel verwendet werden soll, das nach gesetzlichen Vorgaben nicht verwendet werden darf. So kann die Rolle im Verfahren, die eine Person einnimmt, darin hindern, sie als förmliches Beweismittel (Zeuge) heranzuziehen. Der Privatkläger kann nicht Zeuge sein.1182 Gleiches gilt für den Mitangeklagten.1183 Wird das Verfahren gegen ihn aber aus sachlich gerechtfertigten Gründen abgetrennt oder ist es (etwa durch – auch nicht rechtskräftiges – Urteil in der fraglichen Instanz) abgeschlossen, dann ist es nach der herrschenden Ansicht zulässig, ihn als Zeugen zu vernehmen, da nur die förmliche Stellung als Mitangeklagter im selben Verfahren die Zeugenrolle ausschließt.1184 Darüber hinaus können bestimmte Prozesslagen dazu führen, dass eine Person nicht als Beweismittel genutzt werden darf. So ist es etwa nicht mehr statthaft,

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1180 Etwa AK/Schöch 77; vgl. Meyer-Goßner/Schmitt Einl. 52 ff. 1181 Vgl. ferner Einl. L; Alsberg/Güntge 894 ff. 1182 BayObLGSt 1953 26; 1961 191; Alsberg/Dallmeyer 316; Alsberg/Güntge 791; Meyer-Goßner/Schmitt 49; Pfeiffer 25; a.A. Gössel 205; Lorenz JR 1950 106; s. die Erl. zu § 384. 1183 BGH NStZ 2011 168; Alsberg/Dallmeyer 321; Alsberg/Güntge 791. 1184 Vgl. etwa BGHSt 10 11; 10 186; 17 134; 18 238; 24 257; 27 139; BGH JR 1969 148; StV 1984 361, 362 m. Anm. Prittwitz; 1985 89 m. Anm. Meyer-Goßner; NStZ 2011 168; OLG Bamberg StraFo 2015 155; OLG Braunschweig NdsRpfl 2002 64; zur umstrittenen Fragen des sog. Rollentausches s. näher Vor § 48.

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einen Sachverständigen in dieser Funktion zu hören, nachdem ein gegen ihn gerichtetes Ablehnungsgesuch (§ 74 Abs. 1 Satz 1) Erfolg hatte; er kann allenfalls noch als Zeuge vernommen werden.1185 Ebenso wenig darf eine Person als Zeuge oder Sachverständiger gehört werden, nachdem sie sich berechtigt auf ein ihr zustehendes Zeugnis- oder Gutachtensverweigerungsrecht (§ 52 Abs. 1, § 76 Abs. 1) berufen hat. Nicht etwa wird sie hierdurch lediglich ein völlig ungeeignetes oder gar unerreichbares Beweismittel; denn die Anwendung des Absatzes 3 Satz 2 würde es dem Ermessen des Gerichts überlassen, dem Beweisantrag auf Anhörung des Zeugen oder Sachverständigen stattzugeben, obwohl dieser berechtigt das Zeugnis oder die Begutachtung verweigert hat.1186 In diesen Fällen ist selbst die Nutzung bestimmter Beweissurrogate untersagt (§ 252, s. näher dort). Auch im Interesse der Wahrheitsfindung sieht das Gesetz Beweismittelverbote vor, so wenn es im Hinblick auf das Unmittelbarkeitsprinzip in § 250 Satz 2 den Urkundsbeweis ausschließt,1187 soweit nicht eine der Ausnahmevorschriften der §§ 251, 253,1188 254 oder 256 (s. auch § 255a) eingreift.1189 190

bb) Beweisthemenverbote. Die Unzulässigkeit der Beweiserhebung ergibt sich aus dem Beweisthema zunächst dann, wenn der Beweisantrag darauf abzielt, über eine Tatsache Beweis zu erheben, die der eigenen Feststellung des Gerichts entzogen ist, weil insoweit fremde Feststellungen bindend sind.1190 Das ist etwa der Fall, wenn entgegen § 190 StGB Beweis über die Wahrheit oder Unwahrheit der behaupteten ehrenrührigen Tatsache erhoben werden soll.1191 Das gleiche gilt, wenn sich das Beweisthema auf eine Tatsache bezieht, die in einem nochmaliger Nachprüfung entzogenen, bereits bestandskräftigen Teil der Gesamtentscheidung für das Gericht bindend festgestellt ist, so für das Berufungsgericht, wenn das amtsgerichtliche Urteil nur beschränkt angefochten wurde, oder für das neue Tatgericht, wenn das Ersturteil samt den zugrundeliegenden Feststellungen in dem fraglichen Teil vom Revisionsgericht bestätigt und nur wegen eines anderen Teils, etwa wegen des Strafausspruchs, zurückverwiesen wurde;1192 dagegen binden in einem neuen Verfahren die Feststellungen früherer rechtskräftiger Urteile gegen den Angeklagten nicht.1193 Unzulässig ist die Beweiserhebung ferner, soweit sie die Aufklä-

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1185 KK/Krehl 109; a.A. BGH NStZ 1999 632, 633: als Sachverständiger völlig ungeeignetes Beweismittel im Sinne von Absatz 3 Satz 2. 1186 Str., s. Rn. 236, 256 sowie die Erl. zu §§ 52 und 76. 1187 Jedoch nur zur Ersetzung, nicht zur Ergänzung des Zeugenbeweises (str.): s. etwa BGH NStZ 2014 607, 608 m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt § 250, 12 m.w.N. 1188 S. etwa BGH NStZ 2002 46, 47. 1189 Vgl. die Erl. zu diesen Vorschriften sowie Alsberg/Dallmeyer 453 ff.; Alsberg/Güntge 860 ff. 1190 Auch über Tatsachen, die im Gesetz als feststehend behandelt werden, wird sich das Gericht kaum hinwegsetzen können. So erwägt Stegbauer, dass ein Beweisantrag, durch den der Nachweis geführt werden soll, der Holocaust sei nicht geschehen – jedenfalls in Verfahren nach § 130 Abs. 3 StGB – unzulässig sein könnte wegen Gesetzesverstoßes (so in NStZ 2000 284 f.; JR 2004 283) oder weil er ausschließlich verfahrensfremden Zwecken diene (so in JR 2003 75); der BGH hat dies offen gelassen (BGHSt 47 278, 284). 1191 Ein Beweisverbot nehmen ebenfalls an Alsberg/Güntge 809 m.w.N.; Gutmann JuS 1962 371; Otto GA 1970 293; Peters § 37 X; Spendel NJW 1966 1104; KMR/Paulus 487; Eb. Schmidt 35. Andererseits sehen BayObLGSt 1960 229; Dähn JZ 1973 51; Dencker (Verwertungsverbote) 34 und wohl die meisten Kommentare zu § 190 StGB in dieser Vorschrift eine Beweisregel. 1192 RGSt 7 176; 20 412; 43 361; 49 71; BGHSt 14 38; 24 274, 275; 30 340, 342; 44 119 (auch wenn der Beweisantrag auf den Nachweis der Schuldunfähigkeit zielt); BGH bei Cierniak/Pohlit NStZ 2009 555; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 1 Unzulässigkeit 1; OLG Hamm NJW 1968 313; Gietl NJW 1959 928; KMR/Paulus 487; Meyer-Goßner/Schmitt 49; Schlüchter 637.2; ferner Alsberg/Güntge 801 m.w.N.; a.A. RG HRR 1938 Nr. 1383, das zu Unrecht Unerheblichkeit annimmt; vgl. bei § 327 und § 353 sowie Vor § 296. 1193 S. etwa BGHSt 43 106 = JR 1998 117 m. Anm. Loos; KG NStZ 2008 357.

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rung von Vorfragen bezweckt, die das Gericht nicht selbst entscheiden darf, weil es an die Entscheidung eines anderen Gerichts oder an einen Verwaltungsakt gebunden ist.1194 Keine zulässige Beweiserhebung wird auch erstrebt, wenn Verfahrensbeteiligte 191 (Richter, Staatsanwalt, Rechtsanwalt, Nebenklägervertreter, Dolmetscher etc.) oder Zuhörer zu Vorgängen aus derselben Hauptverhandlung – etwa dem Inhalt einer Zeugenaussage oder eines erstatteten Gutachtens – vernommen werden sollen. Die Ergebnisse der Beweisaufnahme vor dem erkennenden Gericht sowie der sonstige Inbegriff der Hauptverhandlung können nicht ihrerseits in derselben Hauptverhandlung zum Gegenstand der Beweisaufnahme werden;1195 denn zu welchem Ergebnis die Beweisaufnahme geführt hat und was sonst zum Inbegriff der Hauptverhandlung geworden ist, obliegt der alleinigen unmittelbaren Würdigung der Richter. Sind sie insoweit im Zweifel, so ist der entsprechende Teil der ursprünglichen Beweisaufnahme zu wiederholen (Rn. 175 ff.). Hat der Angeklagte seinen Verteidiger gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 von der Verschwiegenheitspflicht entbunden, sodass dessen Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 entfallen ist, so stehen der Vernehmung des Verteidigers über die ihm in dieser Eigenschaft anvertrauten oder bekannt gewordenen Tatsachen dagegen keine rechtlichen Hindernisse entgegen.1196 Insbesondere kann § 53 Abs. 2 Satz 1 auch nicht mit Blick auf grundrechtliche Gewährleistungen dahin ausgelegt werden, dass dem Verteidiger trotz einer Entbindungserklärung seines Mandanten ein eigenständiges Zeugnisverweigerungsrecht zu den in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Tatsachen zustünde.1197 Eine derartige Regelung, für die durchaus gute Gründe sprechen, wäre Sache des Gesetzgebers. Andererseits begründet allein der Umstand, dass eine der in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 3b genannten Auskunftspersonen nicht gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 von ihrer Pflicht zur Verschwiegenheit entbunden worden ist, noch kein Beweisthemenverbot für das, was ihr in ihrer jeweiligen Eigenschaft anvertraut oder bekanntgeworden ist; dies ist vielmehr erst dann der Fall und hat zur Folge, dass ihre Vernehmung zu den fraglichen Tatsachen unzulässig wird, wenn sie sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht beruft. Tut sie dies nicht, so bleibt ihre Aussage auch dann verwertbar, wenn sie sich durch diese nach § 203 StGB strafbar macht.1198 Die Beachtung vorrangiger öffentlicher oder privater Interessen hat den Gesetz- 192 geber dazu veranlasst, die Beweiserhebung zu bestimmten Themen auszuschließen. So ist die Vernehmung eines Beamten oder einer ihm insoweit gleichgestellten Person unzulässig, wenn er über Umstände aussagen soll, auf die sich seine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit bezieht, und die vorgesetzte Behörde die nach § 54 erforderliche Aussagegenehmigung verweigert hat. 1199 Dagegen führt die Sperrerklärung nach oder analog § 96 nicht zu einem Beweiserhebungsverbot. Sie kann allenfalls die Unerreichbarkeit des gesperrten Beweismittels zur Folge haben. Ist dieses für das Gericht trotz der

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1194 Zur Bindungswirkung vgl. die Erl. zu § 262; ferner Alsberg/Güntge 810 ff.; Spendel NJW 1966 1104. 1195 BGH bei Kusch NStZ 1995 219; bei Becker NStZ 2006 496; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 Unzulässigkeit 7 und 12; OLG Karlsruhe Justiz 1984 214; Bottke NStZ 1994 81 f.; Pauly FS AG Strafrecht DAV 732; Rissing-van Saan MDR 1993 312; vgl. auch KG StV 2013 491 f.; zur Behandlung von Beweisanträgen über das Wissen, das ein Richter in seiner amtlichen Eigenschaft außerhalb der Hauptverhandlung zu dem laufenden Verfahren erlangt hat, s. Rn. 199, 279 ff. 1196 BGH StV 2010 287 f.; Bosbach StraFo 2011 173 ff.; einschränkend: SK/Frister 113; MüKo/Trüg/Habetha 203; Beulke ZIS 2011 328; a.A. BGH StV 2008 284 m. abl. Anm. Beulke/Ruhmannseder; Detter FS Rissing-van Saan 97 f.; Matt FS Widmaier 851 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt 49; auch noch LR/Becker26 191. 1197 Nack StraFo 2012 343 f.; a.A. Leitner StraFo 2012 347 f. 1198 BGH NStZ 2018 362, 363 m.w.N. 1199 BGHSt 30 34, 37; BGH NStZ 2003 610, 611; wegen der Einzelheiten vgl. die Erl. zu § 54, ferner Alsberg/Güntge 851 ff.

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Sperrerklärung erreichbar, so verwehrt diese die Nutzung des Beweismittels grundsätzlich nicht; die Beweiserhebung kann allenfalls aus sonstigen Gründen (z.B. Lebensgefährdung des gesperrten V-Mannes) unzulässig sein.1200 Strittig ist, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die §§ 43, 45 Abs. 1 DRiG es ausschließen, dass über Vorgänge bei der richterlichen Beratung und Abstimmung Beweis erhoben werden darf.1201 Unzulässig ist jedenfalls eine Beweisaufnahme darüber, ob für die Entscheidung des Gerichts andere Gründe maßgebend waren als die im schriftlichen Urteil angegebenen.1202 Ob im Hinblick auf §§ 43, 45 Abs. 1 DRiG allerdings auch schriftliche Aufzeichnungen eines Richters aus einer früheren Hauptverhandlung der Beweiserhebung entzogen sind,1203 erscheint nicht zweifelsfrei. Ob besondere Verschwiegenheitspflichten, wie etwa das Schweigegebot nach 193 § 174 Abs. 3 GVG1204 oder sonstige Geheimhaltungsvorschriften, wie etwa das Steuergeheimnis (§ 30 AO), Sozialgeheimnis (§ 35 SGB I), Wahlgeheimnis (Art. 38 Abs. 1 GG)1205 oder Statistikgeheimnis (§ 16 Abs. 1 Satz 1 BStatG),1206 ein Beweisverbot begründen, ist durch Auslegung der jeweiligen Vorschriften unter Berücksichtigung ihres Schutzzwecks zu ermitteln, sofern das nicht, wie in § 30 Abs. 4, § 393 AO,1207 §§ 67a bis 77 SGB X,1208 ausdrücklich geregelt ist. Die allgemeine Pflicht der Behörden zur Wahrung der ihnen anvertrauten Privatgeheimnisse schließt nur die unbefugte Offenbarung aus (§ 30 VwVfG und die entsprechenden Ländervorschriften), begründet also kein Beweisverbot.1209 Gleiches gilt für das im Strafverfahren irrelevante Bankgeheimnis.1210 Auch der Zeuge im Zeugenschutzprogramm, der grundsätzlich verpflichtet ist, die ihm bekannt gewordenen Maßnahmen des Zeugenschutzes geheim zu halten (§ 3 Satz 1 ZSHG), darf wegen der Sonderregelung des § 10 Abs. 3 ZSHG im Strafverfahren hierzu vernommen werden; eine Zurückweisung entsprechender Beweisanträge ist grundsätzlich nur aus einem der in Absatz 3 Satz 2 genannten Gründe (namentlich wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache) möglich.1211 Selbst wenn in all diesen Fällen kein generelles Beweisverbot besteht, kann ausnahmsweise der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder sonstiger spezieller Grundrechte der Beweiserhebung entgegenstehen.1212 Die Grenze

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1200 Str.; wie hier BGHSt 39 141 = JR 1994 250 m. Anm. Siegismund = JZ 1993 1012 m. Anm. Beulke/Satzger; BGH NStZ 2003 610, 611; a.A. SK/Frister 108, 162; s. auch Alsberg/Güntge 859 sowie Rn. 193, 257 und näher die Erl. zu § 96. 1201 Vgl. Alsberg/Güntge 818 ff. 1202 BGH bei Kusch NStZ 1994 24. 1203 So BGHSt 54 37, 39 = JR 2010 135 m. abl. Anm. Schroeder; Meyer-Goßner/Schmitt 49. 1204 KMR/Paulus 487 sowie Peters 46. DJT Gutachten 112 nehmen Beweisverbot an, anders Alsberg/Güntge 821 m.w.N.; vgl. bei § 174 GVG. 1205 Alsberg/Güntge 845; Peters 46. DJT Gutachten 111. 1206 Alsberg/Güntge 891. 1207 Pfaff DRiZ 1971 341; ders. JR 1972 105; Schomberg NJW 1979 526; Alsberg/Güntge 892; ferner (zur früheren Fassung) Erdsiek NJW 1963 2311; Kopacek NJW 1964 854. Die Einzelheiten sind in den Kommentaren zur Abgabenordnung erläutert. 1208 LG Stade MDR 1981 960; Alsberg/Güntge 890; Mallmann/Walz NJW 1981 1020; Riekenbrauck StV 1992 37; Schatzschneider MDR 1982 6; Schnapp NJW 1980 2169; Walter NJW 1978 868 sowie die Kommentare zu SGB I und SGB X. 1209 Alsberg/Güntge 888; ferner die Kommentare zum VwVfG des Bundes und der Länder, wonach die Mitteilung auf Grund einer Rechtsnorm befugt im Sinne des § 30 VwVfG ist. 1210 AK/Schöch 80; SK/Frister 109. 1211 Vgl. BGHSt 50 318, 322 ff. = JR 2006 343 m. Anm. Eisenberg/Reuther. 1212 Zu denken ist namentlich an den Fall, dass durch die Beweiserhebung Leib oder Leben der Beweisperson oder eines Dritten gefährdet werden können; vgl. BVerfGE 57 284; BGHSt 17 347; 29 115; 30 37; 33 74; 39 141 = JR 1994 250 m. Anm. Siegismund = JZ 1993 1012 m. Anm. Beulke/Satzger; BGH NStZ 2003 610, 611; bei Holtz MDR 1985 159; Hanack JZ 1972 115; Eisenberg (Beweisrecht) 203, 231, 1035 ff. auch zur Streitfrage, ob der Zeuge in einem solchen Fall unerreichbar oder als Beweismittel ungeeignet oder seine

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ist, soweit nicht der unantastbare Kernbereich des jeweiligen Rechts betroffen ist,1213 nach den Umständen des konkreten Einzelfalls durch Güterabwägung zu bestimmen.1214 Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass der Gesetzgeber in der Regel den Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 172 GVG in Verbindung mit dem Schweigegebot nach § 174 Abs. 3 GVG1215 als ausreichend angesehen hat.1216 Soweit Verwaltungsgesetze im Interesse bestimmter Verwaltungszwecke Verwertungsverbote für die durch bestimmte Verwaltungsmaßnahmen (Auskünfte, Kontrollen usw.) erlangte Kenntnisse aufstellen, richten sich Umfang und Geltungsbereich der Beweisverbote nach der jeweiligen spezialgesetzlichen Regelung. Dem Schutz berechtigter privater Geheimhaltungsinteressen dient das Verbot, 194 Zeugen oder Sachverständige zu Sachverhalten zu befragen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Berufsgeheimnisträger anvertraut oder bekannt geworden sind (§§ 53, 53a) und zu denen sie das Zeugnis berechtigt (s. § 53 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2, § 53a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2) verweigern. Unzulässig ist die Zeugenvernehmung oder Sachverständigenanhörung (vgl. § 72) auch dann, wenn der Zeuge oder Sachverständige zu den Beweisfragen berechtigt die Auskunft verweigert, weil er durch deren Beantwortung sich (Schutz der Selbstbelastungsfreiheit) oder einem Angehörigen (§ 52 Abs. 1) die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden (§ 55 Abs. 1). Auch in diesen Fällen macht die Weigerung die Beweiserhebung unzulässig, nicht etwa die Beweisperson lediglich zu einem völlig ungeeigneten Beweismittel.1217 Soweit die §§ 51, 52 BZRG im Interesse der Resozialisierung die Verwertung til- 195 gungsreifer Vorstrafen ausschließen, wird die Zulässigkeit der Beweiserhebung durch den Schutzzweck dieser Vorschriften begrenzt.1218 Sofern nicht die vorgesehenen Ausnahmen1219 Platz greifen, dürfen getilgte oder nach dem BZRG im Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Verhandlung tilgungsreife Vorstrafen1220 in keiner Form in die Hauptverhandlung eingeführt (oder bei der Entscheidung zum Nachteil des Betroffenen verwertet) werden,1221 auch nicht als Indiz für die abzuurteilende Tat.1222 Die Einführung in die Hauptverhandlung, auch die Beweiserhebung, ist insoweit nur zulässig, wenn der Betroffene dies selbst wünscht.1223 Das Verbot gilt auch bei tilgungsreifen Vorstrafen aus

_____ Verwendung unzulässig ist. Eine Beweiserhebung, die zu einer derartigen Beeinträchtigung des Zeugen oder Dritter führen kann, muss jedoch als unzulässig angesehen werden; dies schließt nicht aus, dass ein solcher Zeuge als unerreichbar behandelt wird, soweit es um die Frage geht, ob an seiner Stelle Ersatzbeweismittel verwendet werden dürfen; s. auch Rn. 192, 258. 1213 S. etwa BVerfGE 109 279; BGHSt 50 206; 57 71 = NStZ 2012 277 m. abl. Anm. Allgayer S. 399. 1214 Die Einzelheiten sind streitig; vgl. Einl. L 119 ff. 1215 S. dazu Alsberg/Güntge 821 m.w.N. 1216 Vgl. bei §§ 172, 174 GVG. 1217 Wegen der strittigen Einzelheiten wird auf Rn. 189, 236 sowie die Erläuterungen zu den jeweiligen Vorschriften verwiesen. 1218 Die Regelung ist nicht verfassungswidrig: BVerfGE 36 174 = NJW 1974 179 m. Anm. Klinghardt S. 491 = JZ 1974 221 m. Anm. Willms; a.A. Willms FS Dreher 144. 1219 Vgl. § 51 Abs. 2, § 52 BZRG (vor allem bei Gutachten zum Geisteszustand, ferner bei Entziehung der Fahrerlaubnis); zu den Ausnahmen s. im Übrigen Alsberg/Güntge 832 ff.; KMR/Paulus 587 ff. 1220 Dazu gehören auch Verurteilungen im Ausland (§ 58 BZRG), BayObLGSt 1978 39. 1221 BGHSt 24 78; 25 100, 102; 27 108; BGH StV 1981 67; NStZ-RR 2001 237; NJW 2005 1813; NStZ 2006 587; BayObLGSt 1972 3; BayObLG bei Rüth DAR 1981 247; OLG Celle NJW 1973 1012; OLG Düsseldorf VRS 54 (1978) 50; OLG Karlsruhe VRS 55 (1978) 284; KMR/Paulus 583 ff.; Alsberg/Güntge 823. 1222 BGHSt 27 108; BGH StraFo 2006 296; BayObLG bei Rüth DAR 1981 247; OLG Celle NJW 1973 1012; KMR/Paulus 586; Brauser NJW 1973 1007; Creifelds GA 1974 140; Dreher JZ 1972 621; Alsberg/Güntge 828; Haffke GA 1975 77; Stadie DRiZ 1972 349; a.A. Peters JR 1973 165. 1223 BGHSt 27 108; Alsberg/Güntge 834; KMR/Paulus 588; SK/Frister 110.

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dem Erziehungsregister,1224 ferner bei Eintragungen im Verkehrszentralregister oder Gewerbezentralregister.1225 Dagegen ist das Gericht durch die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK) nicht 196 gehindert, Beweis zu anderen Straftaten des Angeklagten zu erheben, die von der Anklage nicht erfasst werden und gegebenenfalls Gegenstand eines anderen Ermittlungsverfahrens sind. Dies gilt auch dann, wenn die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der weiteren Taten gemäß § 154 Abs. 1 im Hinblick auf die angeklagten Tat(en) abgesehen hat.1226 197

cc) Beweismethodenverbote ergeben sich vor allem aus § 136a Abs. 1 und 2, § 69 Abs. 3. Sie gelten nicht nur für die Vernehmung des Angeklagten, sondern auch für die Anhörung von Zeugen (§ 69 Abs. 3) und Sachverständigen (§§ 72, 69 Abs. 3). Wegen der Einzelheiten wird auf die Kommentierung zu § 136a verwiesen.1227 Da es kaum vorstellbar ist, dass ein Beweisantrag mit dem Begehren gestellt wird, eine Beweiserhebung in der Hauptverhandlung unter Anwendung der genannten unzulässigen Methoden durchzuführen, hat die Vorschrift im Rahmen des Absatzes 3 Satz 1 ihre wesentliche Bedeutung darin, über das Verwertungsverbot des § 136a Abs. 3 einen in einem früheren Verfahrensstadium unter Anwendung einer dieser Methoden gewonnenen Beweis in irgendeiner Form in der Hauptverhandlung zu reproduzieren (s. Rn. 188). 3. Unzulässige Beweisanträge

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a) Abgrenzung. Als unzulässige Beweisanträge (zur Unzulässigkeit von Hilfsbeweisanträgen s. Rn. 156) verbleiben danach namentlich diejenigen, die ein nicht oder nicht für den betreffenden Verfahrenskomplex beweisantragsberechtigter Verfahrensbeteiligter stellt.1228 Dagegen liegt bereits kein Beweisantrag vor, wenn sich die Beweisbehauptung auf Umstände bezieht, die einer Beweisaufnahme überhaupt nicht zugänglich sind, sie also nicht den Nachweis von Tatsachen oder Erfahrungssätzen erstrebt.1229 Ebenso wie in den Fällen, in denen Anträge unvollständig sind oder den Bestimmtheitserfordernissen nicht genügen, kann hier ein Beweisermittlungsantrag oder ein sonstiges Beweisersuchen gegeben sein; der Kategorie der unzulässigen Beweisanträge sind derartige Beweisbegehren nicht zuzuordnen.1230 Ähnliches gilt für Anträge, deren Sinn völlig unverständlich und auch durch Fragen nicht aufklärbar ist, oder die wegen ihrer Absurdität nach vernünftigem Denken keiner Beweiserhebung zugänglich sind;1231 sie sind Begehren, denen nachzugehen die Aufklärungspflicht nicht gebietet und die entsprechend zu verbescheiden sind; nicht dagegen handelt es sich um unzulässige Beweisanträge.1232

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b) Rechtsmissbräuchliche Beweisanträge. Das in § 244 Abs. 3 bis 6 vorausgesetzte Recht, in der Hauptverhandlung Beweisanträge zu stellen, kann – wie nahezu jede den

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1224 1225 1226 209. 1227 1228 1229 1230 1231 1232

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BayObLG NJW 1972 583; Alsberg/Güntge 825; KMR/Paulus 583 m.w.N. Alsberg/Güntge 836 f.; KMR/Paulus 583 m.w.N. BGH NJW 2003 150, 152 (insoweit in BGHSt 48 34 nicht abgedruckt); StV 2004 415 f.; vgl. BGHSt 34 Vgl. ferner Alsberg/Güntge 919 ff. Alsberg/Güntge 787; Meyer-Goßner/Schmitt 30 und 48; zur Antragberechtigung s. Rn. 118. S. Rn. 5 ff. BGH NJW 2011 1299, 1300; vgl. AK/Schöch 77; KK/Krehl 107. A.A. BGHSt 17 28; Gössel § 29 C IIIb 2; Rüping 478. Alsberg/Güntge 790.

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Verfahrensbeteiligten eingeräumte prozessuale Befugnis – missbräuchlich ausgeübt werden. Dass dies – zumindest von der Interessenlage her verständlich vor allem durch Angeklagte und Verteidiger – in einer jedenfalls nicht zu vernachlässigenden Zahl von Fällen geschieht,1233 wird schon durch die mit einer gewissen Regelmäßigkeit veröffentlichten ober- und höchstgerichtlichen Entscheidungen belegt, die sich mit diesem Phänomen befassen. Zu erwähnen sind zunächst die – eher seltenen – Beweisanträge, mit denen der Antragsteller schon inhaltlich nicht auf das abschließende Urteil oder den auf dieses ausgerichteten Verfahrensgang als solchen Einfluss nehmen will, sondern allein verfahrensfremde Zwecke verfolgt, etwa politische Propaganda zu verbreiten oder Dritte zu diffamieren sucht. Zu denken ist weiter an die Extrem- und daher Ausnahmefälle, in denen das Gericht allein schon durch die Flut der gestellten oder angekündigten Anträge am Abschluss des Verfahrens gehindert oder zu einer dem Antragsteller akzeptablen Entscheidung genötigt werden soll. Im Vordergrund stehen indes die Anträge, mit denen der Antragsteller trotz gegenteiligen inhaltlichen Anscheins nicht die weitere Aufhellung des wahren Sachverhalts erstrebt, sondern durch bewusst unwahre Beweisbehauptungen weitere Beweiserhebungen provozieren oder durch die Benennung eines erkennenden Richters diesen aus der Hauptverhandlung ausschalten will, um so ein alsbaldiges Urteil zu verhindern und eventuell bei einer neuen Gerichtsbesetzung auch ein ihm akzeptabler erscheinendes Urteil zu erreichen. Die Aufzählung ist nicht abschließend; sonstige Fallgestaltungen sind bekannt oder denkbar.1234 Namentlich der Missbrauch des Beweisantragsrechts hat die Diskussion darüber verstärkt, ob im Strafverfahren über die im Gesetz für bestimmte Einzelkonstellationen ausdrücklich (§ 138a Abs. 1 Nr. 2, § 241 Abs. 1) oder der Sache nach (etwa § 26a Abs. 1 Nr. 3, § 231 Abs. 2, §§ 231a, 231b, 244 Abs. 3 Satz 2, Abs. 6 Satz 2 bis 4, § 245 Abs. 2, § 266 Abs. 3) enthaltenen Regelungen zu den Folgen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens hinaus ein allgemeines Missbrauchsverbot anzuerkennen sei, wie es dogmatisch begründbar sowie nach welchen Maßstäben inhaltlich strukturierbar sei und welche verfahrensrechtlichen Konsequenzen aus einem Verstoß gegen das Verbot zu ziehen wären (vgl. Einl. H 40 ff.). Als (Zwischen-)Ergebnis dieser Diskussion lässt sich für das Beweisantragsrecht festhalten, dass nach heute wohl herrschender Ansicht die missbräuchliche Ausübung dieses Rechts für bestimmte der oben beschriebenen Fälle schon zur Unzulässigkeit des Antrags und nicht (erst) zur Unzulässigkeit der begehrten Beweiserhebung i.S.d. Absatzes 3 Satz 1 oder zur Annahme von Verschleppungsabsicht nach Absatz 3 Satz 2 führen soll; nach allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen oder auch in (entsprechender) Anwendung des Absatzes 3 Satz 1 sei der entsprechende Antrag zwingend zurückzuweisen.1235 Jedoch tritt daneben für bestimmte Fallgestaltungen die Auffassung, dass dem Beweisbegehren in Ermangelung einer verfahrensfördernden Zielsetzung schon die erforderliche Ernsthaftigkeit und damit die Eigenschaft eines Beweisantrags feh-

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1233 Vgl. Senge NStZ 2002 225; andererseits Barton StV 1996 690. 1234 Zu den Erscheinungsformen missbräuchlicher Beweisantragsstellung etwa: Alsberg/Güntge 1250 ff.; Ditzen 18; Herdegen NStZ 2000 7; Senge NStZ 2002 227; Thole 20 ff. 1235 S. näher bei der Erörterung der einzelnen Fallgestaltungen Rn. 276, 279, 283, 284. Auf den Unterschied zwischen unzulässiger Beweiserhebung und rechtsmissbräuchlicher Antragstellung stellen etwa auch ab Thole 78 ff. sowie Eisenberg (Beweisrecht) 202, die nach § 244 Abs. 3 Satz 1 nur eine Ablehnung wegen der Unzulässigkeit der Beweiserhebung aufgrund eines der Sachaufklärung vorrangigen Gebots für möglich halten, für die Fälle der rechtsmissbräuchlichen Antragstellung jedoch eine gesonderte Ablehnungskategorie des unzulässigen Beweisantrags nicht anerkennen und eine Ablehnung rechtsmissbräuchlicher Anträge nur in Anwendung eines der Ablehnungsgründe des Absatzes 3 Satz 2 zulassen wollen; dies ähnelt jedenfalls im Ergebnis der hier vertretenen Auffassung.

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le.1236 Bei all dem wird jedoch nicht hinreichend in Rechnung gestellt, dass das Gesetz mit den Ablehnungsgründen des § 244 Abs. 3 Satz 2 – insbesondere dem der Prozessverschleppung – und nunmehr auch mit der Möglichkeit der Fristsetzung nach § 244 Abs. 6 Satz 2 ein Instrumentarium zur Verfügung stellt, mit dem gerade auch einer missbräuchlichen Ausübung des Beweisantragsrechts entgegengewirkt werden kann und soll.1237 Daher fehlt auch eine hinreichend klare Abgrenzung der Fälle, in denen das Vorliegen eines Beweisantrags wegen mangelnder Ernsthaftigkeit des Begehrens zu verneinen sei, von denjenigen, in denen der Antrag wegen „sonstiger Missbräuchlichkeit“ bereits unzulässig sei, sowie von denjenigen, in denen der Beweisantrag wegen Prozessverschleppung nach Absatz 3 Satz 2 zurückgewiesen werden könne. In der Rechtsprechung führt dies teilweise dazu, dass bestimmte Fallkonstellationen einmal der einen, einmal der anderen oder auch gleichzeitig verschiedenen Kategorien zugeordnet werden, ohne dass sich dahinter noch irgendeine Systematik erkennen ließe. Demgegenüber ist festzuhalten: Wenn rechtsmissbräuchlichen Beweisanträgen 200 durch Anwendung der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 Satz 2 in hinreichender Weise entgegengewirkt werden kann, so ist ein Rückgriff auf ein – wie auch immer dogmatisch hergeleitetes – allgemeines Missbrauchsverbot oder sonstige Rechtskategorien von vornherein entbehrlich.1238 Da dies nach hier vertretener Auffassung der Fall ist, bedarf es keiner gesonderten Kategorie des wegen Rechtsmissbrauchs unzulässigen Beweisantrags.1239 Die wesentlichen einzelnen Fallgestaltungen der missbräuchlichen Ausübung des Beweisantragsrecht werden daher im Folgenden bei dem jeweils zutreffenden Ablehnungsgrund, vor allem bei der Verschleppungsabsicht, erörtert (s. Rn. 217, 276, 279, 283, 284; zur Fristsetzung nach § 244 Abs. 6 Satz 2 s. Rn. 359e). 201

4. Ablehnungsbeschluss. Im Ablehnungsbeschluss muss das Gericht darlegen, aufgrund welcher Tatsachen und nach welcher Vorschrift es die Beweiserhebung für unzulässig erachtet. Dies wird in der Regel nicht nur durch einen „kurzen Hinweis“ zu bewerkstelligen sein.1240 Leitet das Gericht das Beweisverbot unmittelbar aus Grundrechtspositionen ab, so hat es die Abwägung zwischen dem maßgeblichen Grundrecht und dem ebenfalls verfassungsrechtlich verankerten Prinzip einer effektiven Strafverfolgung im Einzelnen aufzuzeigen. III. Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 Satz 2

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1. Allgemeines. Die aus der Gerichtspraxis heraus entstandenen Ablehnungsgründe des Absatzes 3 Satz 21241 gestatten dem Gericht die Ablehnung der Beweisanträge, sie zwingen es aber nicht dazu.1242 Es darf trotz des Vorliegens eines Ablehnungsgrundes

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1236 Eb. Schmidt 31: nicht ernstlicher Beweisantrag ist unbeachtlich, nicht unzulässig; s. auch BGH NStZ 2005 45 (insoweit in JR 2005 297 m. Anm. Sander nicht abgedruckt). 1237 Kröpil AnwBl. 1999 19; SK/Frister 50, 181 f.; krit. Fahl 512 ff. m.w.N. 1238 Vgl. Fahl 728. 1239 Vgl. Alsberg/Güntge 789. Dass unzulässige Anträge abgelehnt werden müssen, während § 244 Abs. 3 Satz 2 die Ablehnung des Beweisantrags ins Ermessen des Gerichts stellt, fällt in der Praxis nicht ins Gewicht; denn in der Regel verbietet es schon das Beschleunigungsgebot, das Verfahren durch Beweiserhebungen, die zur Wahrheitserforschung offensichtlich nichts beitragen können, zu belasten, so dass sich das Ermessen des Gerichts gegen Null reduziert. 1240 BGH NStZ-RR 2014 318, 319; Alsberg/Güntge 1434 in Abkehr von Alsberg/Nüse/Meyer 760. 1241 Vgl. Entstehungsgeschichte; ferner Rn. 181. 1242 A.A., allerdings unter Missachtung des dem Gericht durch § 244 Abs. 3 Satz 2 eingeräumten Ermessens, Börner StraFo 2014 135.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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einem Beweisantrag entsprechen, wenn es sich davon eine Förderung des Verfahrens oder eine reibungslose Abwicklung der Hauptverhandlung verspricht. Das Ermessen des Gerichts findet allerdings seine Schranken in der Verpflichtung zu einer prozesswirtschaftlichen, jede unnötige Verzögerung vermeidenden Durchführung der Hauptverhandlung.1243 Dies gilt vor allem, wenn ein Beweisantrag ausschließlich in Verschleppungsabsicht gestellt ist, das Verfahren also in Wirklichkeit durch die beantragte Beweiserhebung gar nicht gefördert werden soll.1244 Im Übrigen lassen sich die Ablehnungsgründe unter den übergeordneten Gesichtspunkten der mangelnden Beweisbedürftigkeit (offenkundig, gerichtskundig, bereits erwiesen; Unterstellung als wahr), der Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache und der Unbrauchbarkeit des ungeeigneten oder unerreichbaren Beweismittels zusammenfassen.1245 2. Offenkundigkeit a) Allgemeine Grundlagen. Offenkundig ist der Oberbegriff für allgemeinkundig 203 und gerichtskundig.1246 Offenkundig können sowohl Tatsachen als auch Erfahrungssätze sein.1247 Sind sie allgemein sicher bekannt oder zumindest gerichtskundig, so bedürfen sie keines Beweises. Beweis über sie zu erheben, ist zwar nicht unzulässig, aber überflüssig.1248 Dies gilt nicht nur, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache, sondern auch dann, wenn ihr Gegenteil offenkundig ist1249 (anders bei präsenten Beweismitteln, s. § 245 Abs. 2 Satz 3). Woher der Richter das Wissen um offenkundige Tatsachen erworben hat, ist grundsätzlich unerheblich (zu Einschränkungen bei gerichtskundigen Tatsachen s. Rn. 208, 210). Es ist unschädlich, wenn dies außerhalb der Hauptverhandlung geschehen ist.1250 Offenkundigkeit braucht nicht für alle Zeiten fortzubestehen. Abgesehen davon, dass die Tatsachen, auf die sie sich bezieht, in Vergessenheit geraten können, vermögen neue Erfahrungen oder Ereignisse die bisher angenommene Offenkundigkeit in Frage stellen. Ein darauf abzielender Beweisantrag muss dann aber neue

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1243 Zur Pflicht zur Verfahrensbeschleunigung vgl. Einl. I 67 f. und Vor § 213. 1244 Hier hat das Gericht, sofern die Verschleppungsabsicht eindeutig feststellbar ist und die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, allenfalls einen geringen Ermessensspielraum; Eb. Schmidt 40 nimmt Pflicht zur Ablehnung an. 1245 Zur unterschiedlichen Einteilung der – einschließlich Unzulässigkeit und Verschleppungsabsicht – acht Ablehnungsgründe des Absatzes 3 vgl. etwa Alsberg/Güntge 766; AK/Schöch 74. 1246 BGHSt 6 292, 293; BayObLGSt 1966 4; OLG Hamburg NJW 1968 2303; AK/Schöch 81; KK/Krehl 131; Meyer-Goßner/Schmitt 50; krit. bis ablehnend zur Gerichtskundigkeit: Frister Jura 1988 262; Grünwald (Beweisrecht) 93; Kahlo StV 1991 52; Korte 138 f.; SK/Frister 123 ff.; ferner Keller ZStW 101 (1989) 405 ff. („Expertenwissen“ ist nicht „offenes Wissen“); MüKo/Trüg/Habetha 227, 230 f.; w.N. in Rn. 208; vgl. auch Alsberg/Güntge 1053 m.N. zu anderen Einteilungen, die Offenkundigkeit und Gerichtskundigkeit nebeneinander stellen oder die die Gerichtskundigkeit als Oberbegriff verwenden. 1247 Etwa BGHSt 6 70, 72 f.; 10 208, 211; 25 246, 248; 26 56, 59; 37 89, 91 m.w.N.; Geppert 154; Alsberg/Güntge 1055; Stein 148. 1248 Eisenberg (Beweisrecht) 207; Alsberg/Güntge 1049; Hamm 684; AK/Schöch 81; KK/Krehl 130; MeyerGoßner/Schmitt 50; so ausdrücklich § 291 ZPO. 1249 RG HRR 1936 Nr. 1476; BGHSt 6 292, 296; BayObLGSt 1966 4; OLG Bamberg NStZ 2015 235, 236; OLG Celle NJW 1967 588; OLG Düsseldorf MDR 1980 868, 869; 1992 600; OLG Hamburg NJW 1968 2304, 2305; OLG Hamm VRS 32 (1967) 278; LG Hamburg MDR 1968 344; Buschhorn 87 ff.; Hamm 688; Hanack JZ 1970 562; Keller ZStW 101 (1989) 384; Krause 43; Nüse GA 1953 73; AK/Schöch 81; KK/Krehl 131; KMR/Paulus 440; Meyer-Goßner/Schmitt 50; SK/Frister 130. Vgl. Alsberg/Güntge 1050 f. m.w.N. auch zur Gegenmeinung, die es für unzulässig hält, die Beweiswürdigung insoweit vorwegzunehmen; so eingehend Graul 190 ff., 242; ferner Born 113; Engels GA 1981 29; Feuerpeil 81; Grünwald 50. DJT Gutachten C 74; zweifelnd auch Eisenberg (Beweisrecht) 208. 1250 Der Grundsatz, dass die Hauptverhandlung alleinige Erkenntnisquelle ist (§ 261), gilt insoweit nicht; BGHSt 6 292; Alsberg/Güntge 1052; Geppert 154; Stein 148 f.; MüKo/Trüg/Habetha 213.

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Tatsachen oder Erfahrungssätze vortragen und schlüssig dartun, weshalb sie geeignet sind, die bisher angenommene Offenkundigkeit zu erschüttern, um eine Beweiserhebung auszulösen.1251 Ob dies in relevantem Umfang gelungen ist, muss nach den Grundsätzen der Aufklärungspflicht entschieden werden;1252 damit gibt das Gesetz beweisantizipierenden Erwägungen Raum.1253 b) Allgemeinkundigkeit aa) Allgemeinkundige Tatsachen. Allgemeinkundig sind Tatsachen, von denen verständige Menschen aufgrund ihrer Lebenserfahrung regelmäßig Kenntnis haben oder über die sie sich aus zuverlässigen Quellen ohne besondere Fachkunde so sicher unterrichten können, dass sie von ihrer Wahrheit überzeugt sein dürfen.1254 Die Allgemeinkundigkeit entfällt nicht schon dann, wenn sie zeitlich, örtlich oder dem Personenkreis nach beschränkt ist.1255 Sie wird auch nicht etwa dadurch ausgeschlossen, dass den Richtern die fragliche Tatsache bis zur Hauptverhandlung unbekannt war;1256 vielmehr genügt es, wenn sie in der Lage sind, sich das erforderliche Wissen bis zur Entscheidung über den Beweisantrag aus allgemein zugänglichen Quellen sicher zu verschaffen. Ist ihnen das jedoch nicht möglich, so dürfen sie den Beweisantrag nicht wegen Allgemeinkundigkeit ablehnen.1257 Als allgemeinkundige Tatsachen kommen vor allem die Gegebenheiten der Au205 ßenwelt in Betracht,1258 wie das Vorhandensein von Bauwerken, Größe und Verlauf von Straßen oder Flüssen, die Entfernung zwischen geographischen Örtlichkeiten, ferner die aus Karten,1259 Kalendern, Fahrplänen, Kurszetteln usw. zu entnehmenden Daten1260 sowie die aus sonstigen allgemein zugänglichen1261 Quellen, Nachschlagewerken, Büchern, aber auch aus Zeitungen oder sonstigen Nachrichtenmitteln sicher feststellbaren Fakten,1262 etwa auch geschichtliche und politische Ereignisse. Vielfach handelt es sich um Tatsachen allgemeiner Art, die als solche allgemein bekannt sind, wie einzelne, von

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1251 BGHSt 6 70, 75; 6 292, 295; BGH StV 2006 118, 119; BayObLGSt 1966 4, 5; OLG Celle NJW 1967 588; OLG Düsseldorf MDR 1992 500; Roxin/Schünemann § 24, 12; AK/Schöch 83; KK/Krehl 134, 136; vgl. auch OLG Hamburg NJW 1968 2304, 2305. 1252 Alsberg/Güntge 1051, 1112; Eisenberg (Beweisrecht) 17. 1253 Vgl. Alsberg/Güntge 1051; a.A. SK/Frister 129. 1254 BVerfGE 10 177, 183; BGHSt 6 292, 293; 26 56, 59; BGH JR 2018 579, 580 m. Anm. Eisenberg; auch BGH NJW 1992 2088 (zu § 291 ZPO: Indexentwicklung der Lebenshaltungskosten); OLG Frankfurt StV 1983 192, 193; KG NJW 1972 1909; Geppert 154; Gössel § 29 C III a 2; Stein 147; AK/Schöch 82; KK/Krehl 132; MeyerGoßner/Schmitt 51; SK/Frister 117; vgl. Alsberg/Güntge 1056 m.w.N. auch zu anderen Definitionen. 1255 RG GA 38 (1891) 342; BGHSt 6 292, 293; BGH VRS 58 (1980) 347; BGH bei Spiegel DAR 1981 199; Buschhorn 55 ff.; Hanack JZ 1970 561; Koch DAR 1961 275; Nüse GA 1955 72; AK/Schöch 82; KK/Krehl 132; KMR/Paulus 211; Meyer-Goßner/Schmitt 51; einschränkend Keller ZStW 101 (1989) 402 f.; a.A. Alsberg/Güntge 1057 ff.; SK/Frister 122 (nur soweit aus allgemein zugänglichen Quellen zuverlässig feststellbar); MüKo/Trüg/Habetha 217. 1256 Alsberg/Güntge 1056, 1070. 1257 Eisenberg (Beweisrecht) 19; Hanack JZ 1970 562; KK/Krehl 132. 1258 S. die Übersicht bei Alsberg/Güntge 1062 ff. 1259 OLG Brandenburg StraFo 1997 205, 206. 1260 OLG Hamm VRS 14 (1958) 454; Alsberg/Güntge 1060; AK/Schöch 82; KMR/Paulus 210; MeyerGoßner/Schmitt 51. 1261 Nicht allgemeinkundig sind daher die Daten aus öffentlichen Registern, wenn die Einsichtnahme nur bei Nachweis eines berechtigten Interesses gewährt wird; vgl. (zu § 203 Abs. 2 Satz 2 StGB) BGHSt 48 28, 31 = JR 2003 290 m. Anm. Behm. 1262 Vgl. OLG Düsseldorf MDR 1980 868; zum Internet als Quelle für allgemeinkundige Tatsachen mit Recht kritisch Alsberg/Güntge 1060; KK/Krehl 133; MüKo/Trüg/Habetha 218.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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der öffentlichen Aufmerksamkeit erfasste Vorkommnisse, wie Naturereignisse, Katastrophen, sowie die vielgestaltigen Ereignisse des öffentlichen Lebens und der Zeitgeschichte, bei denen aber meist nur der faktische Kern, nicht aber notwendig alle Einzelheiten an der Offenkundigkeit teilhaben. Bei Berichten in Büchern, Zeitschriften und anderen Medien ist meist nur deren Existenz und die Tatsache der Berichterstattung allgemeinkundig, nicht aber, dass sich das Ereignis in seinen Einzelheiten so, wie berichtet, tatsächlich zugetragen hat.1263 Bei geschichtlichen Ereignissen ist zu unterscheiden: Allgemeinkundig sind geschichtliche Daten und Fakten, die allgemein als erwiesen gelten und die von jedermann ohne größere Sachkunde aus den einschlägigen Fachbüchern zweifelsfrei festgestellt werden können, wie etwa die Geburts- oder Todesdaten berühmter Personen oder Zeit, Ort und Verlauf bestimmter Ereignisse,1264 die zumindest in ihren groben Umrissen als gesichertes Ergebnis komplexer historischer Forschung ohne ernstzunehmende Gegenmeinung allgemein anerkannt werden.1265 Allgemeinkundigkeit kann dagegen nicht angenommen werden bei der Vielzahl der historischen Geschehnisse, über die gesicherte Kenntnisse fehlen, oder bei den meisten Detailfragen, die allenfalls von besonders Sachkundigen vermittelt werden können.1266 Erfüllt der Inhalt eines Buches oder einer Zeitschrift einen Straftatbestand, dann 206 kann von der Verlesung der strafrechtlich relevanten Teile der Schrift nicht mit der Begründung abgesehen werden, die Schrift sei offenkundig, weil sie auf Grund der genauen Bezeichnung des Titels im Buchhandel oder in den Büchereien jederzeit erhältlich und deshalb auch jedermann in der Lage sei, den Inhalt der Schrift festzustellen.1267 Im Übrigen kann regelmäßig nur der Inhalt einer Schrift als solcher – nicht aber ihr Wahrheitsgehalt – offenkundig sein.1268 bb) Allgemeinkundige Erfahrungssätze. Sowohl allgemeingültige als auch einfa- 207 che Erfahrungssätze (s. Rn. 6) können allgemeinkundig sein,1269 so dass sie keines Beweises bedürfen und vom Gericht anzuwenden sind.1270 Beruhen sie auf den Erfahrungen des täglichen Lebens, so sind sie regelmäßig auch allgemeinkundig. Aber auch wenn sie

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1263 OLG Hamburg StV 1996 84; KG NJW 1972 1090; Alsberg/Güntge 1060; Eisenberg (Beweisrecht) 20; KK/Krehl 133; KMR/Paulus 210; vgl. Rn. 206. 1264 Vgl. etwa RGSt 53 65; 56 259; 58 308; 62 69; OGHSt 2 17; 2 301; BGHSt 1 397; 2 241; 3 127; BayObLGSt 1949-51 179. 1265 Wie etwa der Massenmord an den Juden in den KZ: etwa BVerfG NJW 1993 916, 917; 1994 1779, 1781; BGHSt 31 229, 231 f.; 40 97, 99 = NStZ 1994 390 m. Anm. Baumann = StV 1994 538 m. Anm. Jakobs; 46 37, 46 = JZ 2001 201 m. Anm. Streng = JR 2001 34 m. Anm. Stegbauer; 47 278, 284 = JR 2003 72 m. Anm. Stegbauer; BGH NJW 1995 340 m. Anm. Wassermann S. 303; NStZ 1981 258; 1994 140; OLG Celle NJW 1982 1545; MDR 1994 608; OLG Düsseldorf MDR 1992 500; OLG Köln NJW 1981 1280, 1281; OLG Schleswig MDR 1978 333. Stegbauer erwägt, dass ein auf den Nachweis des Gegenteils gerichteter Beweisantrag – jedenfalls in Verfahren nach § 130 Abs. 3 StGB – unzulässig sein könnte wegen Gesetzesverstoßes (so in NStZ 2000 284 f.; JR 2004 283) oder weil er ausschließlich verfahrensfremden Zwecken diene (so in JR 2003 75); der BGH hat dies offengelassen (BGHSt 47 278, 284). Vgl. auch OLG Düsseldorf MDR 1980 868 (Geiselbefreiung in Mogadischu). 1266 Zur Problematik der Allgemeinkundigkeit geschichtlicher Ereignisse vgl. Alsberg/Güntge 1065 f. m.w.N. 1267 Alsberg/Güntge 1069; KMR/Paulus 209; vgl. auch OLG Stuttgart MDR 1983 153; a.A. Heiligmann NJW 1972 1961; Schmid ZStW 85 (1973) 903 f. 1268 KG NJW 1972 1909; Buschhorn 50; vgl. aber etwa zu historischen Ereignissen Rn. 205. 1269 Die allgemeine Meinung von ihrer Wahrheit genügt als Grundlage für die Meinungsbildung des Gerichts, auch wenn sie nicht zwingend notwendig zutreffen muss; dazu etwa Keller ZStW 101 (1989) 401 (gewichtiges Indiz für Wahrheit, über das sich das Gericht nicht ohne gute Gründe hinwegsetzen darf); ähnlich Perron (Beweisantragsrecht) 240; KK/Krehl 135; s. auch Alsberg/Güntge 1093 ff. 1270 Vgl. etwa BGHSt 6 70, 72 f.; 10 208, 211; 25 246, 251; BayObLGSt 1966 4, 5.

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Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchungen oder sonstiger spezieller Erkenntnis sind, können sie zum Allgemeinwissen zählen oder zumindest aus allgemein zugänglichen Quellen zuverlässig feststellbar sein, ohne dass es hierfür besonderer Fachkunde bedarf; auch dann sind sie allgemeinkundig (s. Rn. 204). Voraussetzung ist jedoch, dass sie ohne ernstzunehmende Einwände allgemein als zutreffend anerkannt sind. Ergibt das wissenschaftliche Schrifttum dagegen, dass ein Erfahrungssatz umstritten ist, so ist nur allgemeinkundig, dass er in der Wissenschaft vertreten wird, nicht aber seine inhaltliche Richtigkeit. Von dieser kann sich das Gericht, so es nicht ausnahmsweise schon vorher sachkundig ist, allenfalls überzeugen, wenn es sich durch Zuziehung eines Sachverständigen die erforderliche Sachkunde zur Beurteilung der Streitfrage verschafft1271 (s. auch Rn. 211). c) Gerichtskundigkeit 208

aa) Gerichtskundige Tatsachen. Über die Frage, ob und in welchem Umfang Tatsachen als gerichtskundig behandelt werden dürfen, besteht – namentlich auch in der Rechtsprechung – erhebliche Verwirrung. Nur folgende allgemeine Grundsätze können als halbwegs gesicherter Inhalt der herrschenden Meinung angesehen werden: Gerichtskundig sind solche Tatsachen, die ein Richter in seiner amtlichen Eigenschaft, wenn auch nicht notwendig auf Grund einer eigenen Amtshandlung, zuverlässig in Erfahrung gebracht hat.1272 Zu verneinen ist die Gerichtskundigkeit daher, wenn die mitwirkenden Richter ihr Wissen nicht aus amtlichen, sondern aus privaten Quellen geschöpft haben,1273 wie dies etwa bei der auf privater Verkehrsteilnahme beruhenden Ortsvertrautheit der Richter der Fall ist.1274 Nicht gerichtskundig ist auch der Akteninhalt; denn dieser muss, soweit für den Urteilsspruch relevant, in der prozessual vorgesehenen Form zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht werden.1275 Ebenso scheiden die Tatsachen als gerichtskundig aus, über die sich das Gericht erst im Rahmen des anhängigen Verfahrens (etwa wegen eines gestellten Beweisantrages) gezielt Kenntnis verschafft, indem es beispielsweise formlose Auskünfte bei Außenstehenden einholt1276 (anderes gilt für allgemeinkundige Tatsachen; s. Rn. 204).

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1271 Vgl. BGH NStZ 1994 250. 1272 RGSt 16 327, 330; 28 171, 172; 31 185, 187; RG JW 1928 1230 m. Anm. Mannheim; BVerfGE 10 177, 183; BGHSt 6 292, 293; 26 56, 59; 45 354, 357 f. = JR 2001 120 m. Anm. Goeckenjan/Eisenberg = wistra 2000 231 m. Anm. Rose; BGH StV 2006 118, 119; bei Spiegel DAR 1977 179; BayObLG bei Rüth DAR 1969 236; BayObLG VRS 66 (1984) 33; OLG Brandenburg NStZ-RR 1997 181, 182 (Konstruktion und Funktionsweise eines Ampelsystems); OLG Düsseldorf VRS 73 (1987) 210; OLG Frankfurt StV 1983 192; KG JR 1956 387; OLG Köln VRS 44 (1973) 211; 65 (1983) 450; Graul 276 ff.; AK/Schöch 84; KK/Krehl 137; KMR/Paulus 215; MeyerGoßner/Schmitt 52; vgl. Alsberg/Güntge 1075 ff. m.w.N., der letztlich (Rn. 1088) die „Figur der Gerichtskundigkeit“ insgesamt ablehnt; zu sonstigen verschiedenen Bedenken im Schrifttum s. etwa Feuerpeil 82, Frister Jura 1988 262; ders. FS Grünwald 192; Grünwald (Beweisrecht) 93; Hiegert 162; Kahlo StV 1991 52; Keller ZStW 101 (1989) 84; Korte 138 f.; Perron (Beweisantragsrecht) 241; Peters § 38 IV 1b; Schmidt-Hieber JuS 1985 295; SK/Frister 126 f. 1273 RGSt 65 128; BGH NStZ 2013 357 und OLG Frankfurt StV 1983 192 193 (außerhalb der Hauptverhandlung eingenommener „privater Augenschein“); OLG Köln VRS 65 (1983) 450; AK/Schöch 84; KMR/Paulus 215; zur Abgrenzung vgl. Meyer-Goßner FS Tröndle 552; a.A. Walter Freie Beweiswürdigung (1979) 283 f.; großzügiger auch Hiegert 159 ff., 169 (Kenntniserlangung im Zusammenhang mit dem Beruf genügt). 1274 OLG Köln VRS 44 (1973) 211; AK/Schöch 84; vgl. Alsberg/Güntge 1076. 1275 BGH Urt. v. 17.12.1953 – 4 StR 571/53; ferner Schmid ZStW 85 (1973) 894; AK/Schöch 84; KMR/Paulus 215; Eb. Schmidt Teil I 383; vgl. Alsberg/Güntge 1077 m.w.N. 1276 OLG Karlsruhe MDR 1976 247 (telefonische Auskunft einer Behörde); Alsberg/Güntge 1076; MeyerGoßner FS Tröndle 553; KMR/Paulus 215.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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Diese allgemeinen Grundsätze werden jedoch je nach Fallgestaltung in unterschied- 209 licher Weise ausgedehnt oder aber eingeschränkt, wobei die zugrunde gelegten Argumente teilweise mit diesen Grundsätzen, teilweise aber auch in sich nicht stimmig erscheinen. So sollen etwa Vorgänge, die sich in einem anderen Verfahren ereignet haben, gerichtskundig sein können. Dies gelte sowohl für Verfahren in gleicher wie in anderer Sache und zwar unabhängig davon, ob an diesen die Mitglieder des erkennenden Gerichts selbst beteiligt waren oder ob ihnen in ihrer amtlichen Tätigkeit Feststellungen anderer Richter bekannt geworden sind, die diese Verfahren geführt haben.1277 Demgegenüber wird andererseits darauf hingewiesen, dass mit der Behandlung einer Tatsache als gerichtskundig sowohl der Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 250 durchbrochen1278 als auch der Grundsatz des § 261 eingeschränkt werde, dass der Tatrichter seine Überzeugung nur auf den – zulässig – zum Inbegriff der Hauptverhandlung gemachten Verfahrensstoff stützen darf.1279 Die Annahme von Gerichtskundigkeit sei daher nur eingeschränkt zulässig. So sollen insbesondere die Ergebnisse der Beweisaufnahme einer früheren Hauptverhandlung in der gleichen Sache1280 oder in einem Parallelverfahren1281 nicht als gerichtskundig in eine spätere Hauptverhandlung eingeführt werden können. Andererseits werden ausgehend vom Charakter der Beweistatsache Differenzierungen vorgenommen und unterschiedlich weitreichende Einschränkungen gefordert. Nach wohl einhelliger Auffassung sollen solche Tatsachen, die ein Tatbestandsmerkmal der aufzuklärenden Straftat vollständig oder teilweise ausfüllen (Haupttatsachen; s. Rn. 7), nicht als gerichtskundig behandelt werden dürfen.1282 Dies soll aber wiederum nicht für solche Tatsachen gelten, „die im Hintergrund des Geschehens stehen und gleichsam den Boden für die Ausübung einer größeren Zahl gleichgearteter Verbrechen abgeben“, für „Tatsachen von allgemein kennzeichnender (symptomatischer) Bedeutung, die in einer im Wesentlichen unveränderten Weise immer wieder mit bestimmten strafrechtlich zu beurteilenden Vorgängen verknüpft sind“.1283 Hinsichtlich der nur mittelbar beweiserheblichen Indiz- und Hilfstatsachen bietet sich, vor allem auch in der Rechtsprechung des BGH, ein noch widersprüchlicheres Meinungsbild. Er ging zunächst davon aus, dass zwar die „Einzelheiten der Tatausführung“, nicht aber die Vorgänge und Zustände, die sich „nicht unmittelbar auf das Verhalten des Angeklagten“ beziehen,

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1277 BGHSt 6 292, 293; BGH NStZ 1998 98; BayObLG VRS 66 (1984) 33; KG JR 1984 393 m. Anm. Peters; AK/Schöch 84; KK/Krehl 137; Meyer-Goßner/Schmitt 52; a.A. mit unterschiedlichen Bedenken etwa Eisenberg (Beweisrecht) 25 f.; Feuerpeil 82; Graul 285 f.; Grünwald (Beweisrecht) 93; Hiegert 162; Keller ZStW 101 (1989) 84; Perron (Beweisantragsrecht) 241; Peters § 38 IV 1b; Schmidt-Hieber JuS 1985 295; KMR/Paulus 214; SK/Frister 124, 126 f.; s. insg. Alsberg/Güntge 1076, 1078 m.w.N. 1278 BGHSt 45 354, 358 = JR 2001 120 m. Anm. Goeckenjan/Eisenberg = wistra 2000 231 m. Anm. Rose; Kühne 805. 1279 RGSt 60 297; BGHSt 6 292, 294 f.; 26 56, 60 f.; 45 354, 358 = JR 2001 120 m. Anm. Goeckenjan/ Eisenberg = wistra 2000 231 m. Anm. Rose; Roxin/Schünemann § 45, 17 (Verletzung des Fragerechts der Prozeßbeteiligten). 1280 BayObLG bei Rüth DAR 1969 236; OLG Köln VRS 65 (1983) 450; Meyer-Goßner FS Tröndle 553; Nüse GA 1955 72; KMR/Paulus 214; vgl. Alsberg/Güntge 1081 ff. m.w.N. 1281 BGH NStZ 2016 123. 1282 RGSt 16 332; 67 418; RG JW 1922 1394 m. Anm. Alsberg; BGHSt 6 292, 295; 45 354, 359; 47 270, 274; BGH NStZ 2016 123; StV 1982 55; 2006 118, 119; OLG Stuttgart MDR 1982 406; 1983 153; OLG Zweibrücken VRS 61 (1981) 434; Eisenberg (Beweisrecht) 18; Geppert 157; Keller ZStW 101 (1989) 403; Nüse GA 1955 72; Perron (Beweisantragsrecht) 238; Schmid ZStW 85 (1977) 903; KK/Krehl 138; KMR/Paulus 209; MeyerGoßner/Schmitt 51 f.; SK/Frister 125; ferner Alsberg/Güntge 1081 ff. m.w.N. 1283 BGHSt 6 292, 295 („Verfassungsfeindlichkeit und geheimbündlerische Betätigung der FDJ“); KG JR 1956 387 („nur Auslandssprit werde abgabenfrei nach Westberlin geschmuggelt“); vgl. LG Hamburg MDR 1968 344; AK/Schöch 84; KK/Krehl 138; KMR/Paulus 209; Eb. Schmidt 43; vgl. Alsberg/Güntge 1083 m.w.N.; einschränkend Eisenberg (Beweisrecht) 27: „restriktiv“ zu handhaben.

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von der Möglichkeit der Gerichtskundigkeit auszuschließen seien;1284 den Schuldspruch potentiell beeinflussende Indiz- oder Hilfstatsachen könnten danach als gerichtskundig behandelt werden.1285 Entsprechend hat er es – in nicht entscheidungstragenden Ausführungen – gebilligt, dass Erklärungen einer Zeugin zur Täterschaft des Angeklagten, die diese nach ihrer Vernehmung – und in Widerspruch hierzu – gegenüber dem Strafkammervorsitzenden in einem spontanen, von dem Richter sofort beendeten Gespräch außerhalb der Hauptverhandlung abgegeben hatte, durch dienstliche Erklärung des Vorsitzenden in die Hauptverhandlung eingeführt und in der Beweiswürdigung des Gerichts verwertet wurden; der Sache nach waren der Inhalts des Gesprächs und dessen Umstände damit als gerichtskundig behandelt worden.1286 Hieran hat er später festgehalten und ergänzt, dass Wahrnehmungen, die ein Richter in seiner amtlichen Eigenschaft in Bezug auf die laufende Hauptverhandlung und das anhängige Verfahren gemacht habe und die für die Beweiswürdigung von Bedeutung sein könnten, als „gleichsam“ gerichtskundige Tatsachen im Wege dienstlicher Erklärungen in die Hauptverhandlung eingeführt werden dürfen.1287 Offen gelassen hat er dabei zum einen, ob dienstliches Wissen, das die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage berührt, es rechtfertigen könne, den Richter – gegebenenfalls zusätzlich – als Zeugen zu vernehmen,1288 zum anderen aber auch, ob ein Verstoß gegen § 261 darin liegen könne, dass Tatsachen, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage zumindest mittelbar betreffen, im Wege des Freibeweises zur Grundlage des Urteils gemacht werden.1289 Andere Entscheidungen vertreten einen dezidiert abweichenden Standpunkt.1290 Dort wird betont, dass auch für „mittelbar erhebliche Tatsachen“ – die zudem von den unmittelbar erheblichen nicht immer klar unterscheidbar seien – jedenfalls dann nicht auf die von einem erkennenden Richter zu einem laufenden Verfahren in seiner amtlichen Eigenschaft gemachten Wahrnehmungen als gerichtsbekannt zurückgegriffen werden dürfe, wenn es sich um komplexe, ausschließlich auf den Einzelfall bezogene Wahrnehmungen handele, die für die Überführung des Angeklagten „von wesentlicher Bedeutung“ seien.1291 All dies ist kaum zu durchschauen und lässt keine eindeutigen Maßstäbe erkennen, 210 die über den Einzelfall hinaus leitend sein könnten. Zutreffend dürfte es demgegenüber sein, allein anhand des Charakters der Beweistatsache zu differenzieren: Haupttatsachen, die für den Schuldspruch oder Rechtsfolgenausspruch unmittelbar entscheidungsrelevant sind, dürfen nie als gerichtskundig behandelt werden. Dies gilt auch für Hintergrundtatsachen, die den Boden für die Ausübung einer größeren Zahl gleichgear-

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1284 BGHSt 6 292, 293 ff. (ehemaliger 6. Strafsenat). 1285 So deutlich BGHSt 34 209, 210 (4. Strafsenat): Kenntnisse der Berufsrichter über die Vorgehensweise der Tätergruppe bei einer anderen Tat aus einem Parallelverfahren gegen andere Mitglieder der Gruppe. 1286 BGHSt 39 239, 240 f. (3. Strafsenat) = NStZ 1994 80 m. insoweit zust. Anm. Bottke. 1287 BGHSt 44 4, 9 f. (3. Strafsenat) unter Hinweis auf Foth MDR 1983 718; s. auch Itzel NStZ 1989 383 f. 1288 BGHSt 44 4, 10; s. dazu Bottke NStZ 1994 81 f. 1289 BGHSt 44 4, 13. 1290 Die Abweichung von der Rechtsprechung des 3. Strafsenats wird damit erklärt, dass unterschiedliche Sachverhaltsgestaltungen vorlägen; zu BGHSt 34 209 verhalten sich die Entscheidungen nicht. 1291 BGHSt 45 354, 358 f. (5. Strafsenat): Wahrnehmungen des Berichterstatters zum nicht protokollierten Aussageverhalten eines Zeugen bei einer konsularischen Vernehmung im Ausland; 47 270, 273 f. (4. Strafsenat): Wahrnehmungen der Berichterstatterin über den Inhalt einer Zeugenaussage in einer ersten Hauptverhandlung in gleicher Sache; BGH StV 2006 118, 119 (4. Strafsenat): Wahrnehmungen des Vorsitzenden über eine Verfahrensabsprache betreffend einen Mitangeklagten, gegen den das Verfahren abgetrennt worden war; ablehnend zur Gerichtskundigkeit mittelbar beweiserheblicher Tatsachen auch OLG Karlsruhe MDR 1976 247; Meyer-Goßner/Cierniak StV 2000 700; KK/Krehl 138; vgl. auch Roxin/ Schünemann § 45, 17.

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teter Verbrechen abgeben oder die allgemein kennzeichnende (symptomatische) Bedeutung haben, weil sie in einer im Wesentlichen unveränderten Weise immer wieder mit bestimmten strafrechtlich zu beurteilenden Vorgängen verknüpft sind.1292 Auch Indiztatsachen dürfen nicht für gerichtskundig erklärt werden, unabhängig davon, ob sie im Einzelfall für sich oder nur in Verbindung mit anderen Indiztatsachen den Schluss auf eine Haupttatsache zulassen könnten. Anders liegt es dagegen bei Hilfstatsachen, da diese nur den Beweiswert eines Beweismittels zum Gegenstand haben und daher nie für sich oder in Verbindung allein mit anderen Hilfstatsachen für die Entscheidung erheblich werden können, sondern immer nur geeignet sind, die Richtigkeit oder Unrichtigkeit von Beweisergebnissen zu Haupt- oder Indiztatsachen zu untermauern, die ihrerseits nicht als gerichtskundig behandelt werden dürfen.1293 Danach kann etwa der Inhalt der Aussage eines Zeugen in einer früheren Hauptverhandlung derselben oder einer anderen Sache, nicht als gerichtskundig angenommen werden, wenn er als solcher zur Grundlage für den Schuld- oder Freispruch oder die Rechtsfolgenentscheidung gemacht werden soll. Ist der Zeuge dagegen erneut vernommen worden und ist der Inhalt seiner früheren Aussage nur für die Prüfung der Aussagekonstanz relevant, so kann es Gegenstand der Gerichtskundigkeit sein, dass der Zeuge in einer früheren Hauptverhandlung identische oder abweichende Angaben gemacht hat.1294 Gleiches gilt beispielsweise für die Frage, ob ein früherer Mitbeschuldigter, der als Zeuge gegen den Angeklagten aussagt, in seiner Hauptverhandlung sein auch den Angeklagten belastendes Geständnis erst abgelegt hatte, nachdem ihm für den Fall einer geständigen Einlassung im Wege einer Absprache eine nicht zu überschreitende Höchststrafe zugesagt worden war.1295 Voraussetzung ist aber immer, dass zumindest eines der Mitglieder des nunmehr erkennenden Spruchkörpers in amtlicher Eigenschaft Kenntnis von der Hilfstatsache erlangt hat und deren Gerichtskundigkeit daher den anderen erkennenden Richtern vermitteln kann (s. Rn. 212). Entgegen der oben dargestellten Ansicht (s. Rn. 209) kann es nicht genügen, dass ein anderer Richter diese Kenntnis in amtlicher Funktion erlangt hat und zumindest einer der nunmehr erkennenden Richter hiervon wiederum in amtlicher Tätigkeit erfahren hat; diese muss vielmehr durch Vernehmung des anderen Richters oder auch im Urkundsbeweis durch Verlesen dessen Urteils1296 in die Hauptverhandlung eingeführt werden. bb) Gerichtskundige Erfahrungssätze. Nicht allgemeinkundige Erfahrungssätze 211 sind weitgehend auch nicht gerichtskundig. Zu ihrer Feststellung bedarf es normalerweise der Anhörung eines Sachverständigen, der über das erforderliche Fachwissen auch zu ihrer Anwendung auf die zu beurteilenden Tatsachen verfügt.1297 Jedoch kann der Richter aus seiner amtlichen Tätigkeit, etwa aus der Kenntnisnahme entsprechender

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1292 Daher kann etwa das Bestehen einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung oder der Zusammenschluss mehrerer Täter zu einer Bande etc. nicht Gegenstand von Gerichtskundigkeit sein. Allgemeinkundigkeit von Haupttatsachen ist dagegen nicht generell ausgeschlossen; so kann etwa allgemeinkundig sein, dass es sich bei der verunglimpften oder genötigten Person um den Bundespräsidenten (§§ 90, 106 StGB) oder ein Mitglied eines Verfassungsorgans (§§ 90b, 106 StGB) handelt oder eine Partei oder Vereinigung verboten ist (§§ 85, 86 StGB); mit Recht sehr kritisch nicht nur zur Annahme von Gerichts-, sondern auch von Allgemeinkundigkeit davon, dass es sich bei einer Organisation um eine (kriminelle oder) terroristische Vereinigung handelt: BGH JR 2018 579 ff. (obiter dictum) m. Anm. Eisenberg. 1293 So auch SSW/Sättele 172; a.A. Alsberg/Güntge 1088; MüKo/Trüg/Habetha 226; SK/Frister 126. 1294 Vgl. BGH NStZ 1998 98; ablehnend Pauly FS AG Strafrecht DAV 732 („wird zumeist nicht in Betracht kommen“). 1295 Zum Angriff auf die Annahme von Offenkundigkeit durch gegenläufige Beweisanträge s. Rn. 203. 1296 Vgl. BGHSt 6 141, 142 ff. 1297 KK/Herdegen 5 70.

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Gutachten in früheren Verfahren die erforderliche Kenntnis des nicht allgemeinkundigen Erfahrungssatzes, aber auch die Fähigkeit zu dessen Anwendung auf die festgestellten Tatsachen erworben haben.1298 Hier verschränken sich die Ablehnungsgründe der Offenkundigkeit und der eigenen Sachkunde1299 (§ 244 Abs. 4 Satz 1). Gebrauch gemacht wird jedoch in der Regel von dem Ablehnungsgrund der eigenen Sachkunde; denn dieser hat vor allem den Vorteil, dass er auch die außerdienstlich erworbene Sachkunde des Richters für die Zurückweisung eines Beweisantrages genügen lässt und es daher keiner entsprechenden Differenzierungen bedarf. 212

d) Stimmenverhältnis bei Kollegialgerichten. Ob die Offenkundigkeit einer Tatsache im Kollegialgericht einstimmig anerkannt werden muss oder ob Stimmenmehrheit genügt, ist umstritten. Bei der Offenkundigkeit im Sinne der Allgemeinkundigkeit kann die Frage kaum auftauchen, wenn man als allgemeinkundig nicht nur diejenigen Tatsachen anerkennt, die jedermann aus dem Kopf weiß, sondern – wie es notwendig ist – auch diejenigen Tatsachen, über die sich verständige Menschen ohne besondere Fachkunde aus zuverlässigen Quellen (Nachschlagewerken, Karten, Kursbüchern etc.) jederzeit unterrichten können.1300 Bei gerichtskundigen Tatsachen kann jedoch das Wissen unter den verschiedenen Mitgliedern eines Kollegialgerichts, vor allem zwischen Berufsrichtern und Schöffen, verschieden verteilt sein. Auch hier muss es aber genügen, dass ein Richter die anderen von der ihm aufgrund seiner Amtsausübung bekannten Tatsache überzeugt.1301 Für die Annahme der Offenkundigkeit genügt Stimmenmehrheit, Einstimmigkeit kann nicht gefordert werden.1302

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e) Rechtliches Gehör. Auch offenkundige Tatsachen müssen in der Hauptverhandlung erörtert werden. Dies folgt aus dem Recht auf Gehör.1303 Die Form, in der eine offenkundige Tatsache in die Hauptverhandlung eingeführt wird, bestimmt der Vorsitzende. Zweckmäßig ist ein ausdrücklicher Hinweis; doch kann selbst ein Vorhalt genügen, sofern dabei unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird, dass das Gericht die Tatsache als allgemeinkundig oder gerichtskundig und damit als feststehend betrachtet.1304 Die Pflicht des Gerichts, die offenkundige Tatsache ausdrücklich in das Ver-

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1298 Eisenberg (Beweisrecht) 28. 1299 Vgl. BGHSt 26 56, 59; BGH NStZ 1998 98; laut Alsberg/Güntge 1331 lassen sich beide Ablehnungsgründe ohne Mühe voneinander abgrenzen. 1300 BGHSt 6 292; vgl. Rn. 204 f. 1301 Buschhorn 111 ff.; Hiegert 234 f.; Meyer-Goßner FS Tröndle 557; zum Streitstand vgl. nachf. Fn. 1302 Buschhorn 114 f.; Alsberg/Güntge 1105 ff.; Hiegert 237; Meyer-Goßner FS Tröndle 554 (mit Darstellung der Entwicklung der Rechtsprechung); Roxin/Schünemann § 24, 10; Sarstedt DAR 1964 311; Meyer-Goßner/Schmitt 53. BGHSt 34 209, 210 lässt für die Gerichtskundigkeit das Wissen der drei Berufsrichter, also der Mehrheit der Richter genügen; vgl. auch Keller ZStW 101 (1989) 416. Die frühere Rechtsprechung hat insoweit Kenntnis aller Richter gefordert, ebenso ein Teil des Schrifttums (vgl. die Nachweise bei Alsberg/Güntge 1105). Nach AK/Schöch 81, KK/Krehl 140 und Eisenberg (Beweisrecht) 32 soll es bei der Allgemeinkundigkeit genügen, wenn die Mehrheit der Richter sie bei der Beschlussfassung bejaht, während Gerichtskundigkeit die amtliche Anfangskenntnis aller Richter voraussetzt; ebenso MüKo/Trüg/Habetha 233. Dagegen verlangt Hamm 687, dass jedenfalls am Ende der Beweisaufnahme alle Mitglieder des Spruchkörpers von der Gerichtskundigkeit überzeugt sind. 1303 BVerfGE 10 177, 183; 12 113; 48 206, 209; BGHSt 6 292, 295; BGH NJW 1963 598, 599; NStZ 1995 246; 1998 98; 2013 120; 2013 121; 2013 357; 2016 123; StV 1981 223 m. Anm. Schwenn/Strate; 1994 527; 1988 514; JR 2018 579 m. Anm. Eisenberg; bei Spiegel DAR 1977 175; BayObLGSt 1994 89; BayObLG VRS 66 (1984) 33; OLG Düsseldorf MDR 1980 868; OLG Frankfurt StV 1999 138; OLG Hamburg NJW 1952 1271; 1996 84; OLG Hamm StV 1985 225; OLG Koblenz VRS 63 (1982) 134; AK/Schöch 81; KK/Krehl 139; Meyer-Goßner/Schmitt 3 und 50; KMR/Paulus 207; SK/Frister 133; Alsberg/Güntge 1114 m.w.N. 1304 OLG Hamburg StV 1996 87; Graul 303.

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fahren einzuführen, besteht auch dann, wenn die Verfahrensbeteiligten ersichtlich davon Kenntnis haben. Sie entfällt nur bei den im täglichen Leben selbstverständlichen Tatsachen und Erfahrungssätzen, die jedermann kennt und deren Verwendung niemanden überraschen kann.1305 Im Übrigen müssen die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit haben, zu den Tatsachen und auch zur Annahme der Offenkundigkeit, vor allem der Gerichtskundigkeit,1306 Stellung zu nehmen und Zweifel an der Offenkundigkeit oder der Richtigkeit der offenkundigen Tatsachen aufzuzeigen, eventuell auch Gegenbeweise zu beantragen.1307 f) Ablehnungsbeschluss. Die Allgemeinkundigkeit muss im Ablehnungsbeschluss 214 in der Regel nicht näher begründet werden, da sie sich von selbst versteht. Anders ist es nur, wenn die allgemeinkundige Tatsache nur einem begrenzten Personenkreis bekannt ist oder allgemein zugänglichen Quellen entnommen wird. Die Quelle gerichtskundiger Tatsachen muss, da sie von den Besonderheiten des Einzelfalles abhängt, dem Antragsteller stets zur Kenntnis gebracht werden, damit er sich gegebenenfalls mit ihnen argumentativ auseinandersetzen und gegenläufige Beweisanträge stellen kann.1308 g) Sitzungsniederschrift. Die Einführung offenkundiger Tatsachen in das Verfah- 215 ren ist nach der vorherrschenden Meinung an sich keine wesentliche Förmlichkeit, die in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen ist und nur durch dieses bewiesen werden kann;1309 ob sie zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wurden, kann daher im Wege des Freibeweises festgestellt werden. Dies gilt aber jedenfalls dann nicht, wenn ein Beweisantrag mit der Begründung zurückgewiesen wird, die unter Beweis gestellte Tatsache (oder ihr Gegenteil) sei offenkundig; denn hierbei handelt es sich um eine wesentliche Verfahrensförmlichkeit, die zu protokollieren ist. 3. Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache a) Allgemeines. Über eine nicht entscheidungserhebliche Tatsache muss das Ge- 216 richt keinen Beweis erheben; denn die Beweisaufnahme wäre überflüssig (zu den Einschränkungen bei präsenten Beweismitteln vgl. § 245, 61 ff.). Die Bedeutungslosigkeit einer Beweisbehauptung kann sich aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ergeben. Die Beurteilung hängt wesentlich auch davon ab, ob der Antragsteller eine – nach seiner Auffassung – unmittelbar oder nur mittelbar entscheidungsrelevante Tatsache nachweisen will, also eine Haupt- oder nur eine Indiz- bzw. Hilfstatsache (s. dazu Rn. 7) be-

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1305 BGHZ 31 43; BSG NJW 1979 1063; OLG Hamm VRS 41 (1971) 49; Graul 298 f.; Alsberg/Güntge 1114 f.; KK/Krehl 139; Meyer-Goßner/Schmitt 3; vgl. zur Überschneidung der Offenkundigkeit mit der eigenen Sachkunde des Gerichts bei Erfahrungssätzen Keller ZStW 101 (1989) 408. 1306 BGHSt 36 354 = StV 1991 51 m. Anm. Kahlo; BGH StV 1994 527; NStZ 2013 120; 2013 121; BVerwG NJW 1961 1374; BSG NJW 1973 392; BayObLG VRS 66 (1984) 33; OLG Hamburg StV 1996 84; OLG Hamm VRS 41 (1971) 49 f.; Alsberg/Güntge 1116 m.w.N. auch zur Gegenmeinung; Nüse GA 1955 74; Rüping Bonn.Komm. GG Art. 103, 41; KK/Krehl 139. 1307 BGH StV 2006 118, 119; OLG Hamburg NJW 1968 2303; Alsberg/Güntge 1116 f.; Roxin/Schünemann § 24, 12; G. Schäfer 838; SK/Frister 133. 1308 Alsberg/Güntge 1435. 1309 Etwa BGHSt 36 354; BGH NJW 1962 598; NStZ 2013 121; OLG Köln NStZ-RR 2015 351 Ls.; Alsberg/ Güntge 1118; KK/Krehl 139; a.A. OLG Frankfurt StV 1989 97; Buschhorn 105; Kahlo StV 1991 52; SK/Frister 134; MüKo/Trüg/Habetha 237 sowie – ausführlich – Meyer-Goßner FS Tröndle 560 ff. m.w.N. zum Streitstand; s. auch BGH StV 1988 514 (offen gelassen); NStZ 1998 98 (Protokollierung empfiehlt sich); wegen der Einzelheiten vgl. bei § 273.

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hauptet.1310 Solange dem Gericht diese Beurteilung nicht abschließend möglich ist, der Beweisbehauptung daher potentiell noch Entscheidungsbedeutung zukommt, darf der Beweisantrag nicht wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache zurückgewiesen werden. Auch eine Wahrunterstellung hat in einer derartigen Situation zu unterbleiben; vielmehr ist mit der Entscheidung über den Beweisantrag zuzuwarten, bis das Gericht auf Grundlage des sonstigen Beweisergebnisses in der Lage ist, sich eine hinreichend gesicherte Überzeugung zu bilden (s. Rn. 299). b) Bedeutungslosigkeit aus rechtlichen Gründen. Eine Tatsache ist für die Entscheidung aus Rechtsgründen zunächst dann ohne Bedeutung, wenn sie weder allein noch in Verbindung mit weiteren Tatsachen geeignet ist, unmittelbar ein Tatbestandsmerkmal des dem Angeklagten vorgeworfenen Delikts auszufüllen oder für den Rechtsfolgenausspruch direkt Relevanz zu gewinnen.1311 Hierzu zählen namentlich auch die Tatsachen, die der Antragsteller nicht zum Zwecke der Sachaufklärung, sondern allein zur Erreichung verfahrensfremder Ziele unter Beweis stellt, etwa um politische Propaganda zu betreiben, andere zu diffamieren etc. (s. Rn. 276). Haupt- sowie Indiztatsachen, die den Schluss auf eine Haupttatsache zulassen, können darüber hinaus dann rechtlich unerheblich sein, wenn es auf die Haupttatsache aus anderen Gründen nicht mehr ankommt, etwa weil bereits ein Prozesshindernis, ein Strafausschließungs- oder ein Strafaufhebungsgrund feststeht1312 oder aus anderen Gründen eine Verurteilung1313 oder die Rechtsfolge, auf die der Beweisantrag abzielt, nicht mehr in Betracht kommt; so erübrigt sich etwa die Beweiserhebung zu Strafzumessungstatsachen, wenn der Angeklagte freizusprechen ist, oder die Anhörung eines Sachverständigen nach § 246a Abs. 1 Satz 1, wenn die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nicht festgestellt werden konnten. Bestritten ist, ob innerhalb der Gesamtheit der an sich unmittelbar entscheidungs218 erheblichen Tatsachen eine bestimmte Rangordnung besteht und daher eine Reihenfolge einzuhalten ist, in der diese Tatsachen aufzuklären sind, so dass selbst dann, wenn das Urteil im Ergebnis bereits feststeht, die Beweiserhebung über eine vorrangige Tatsache nicht als rechtlich unerheblich abgelehnt werden darf, weil die Entscheidung auf eine bereits erwiesene nachrangige Tatsache gestützt werden könnte. Einigkeit besteht darin, dass Prozessvoraussetzungen oder -hindernisse einen Vorrang genießen. Wird festgestellt, dass eine Prozessvoraussetzung fehlt, so ist das Verfahren einzustellen, gleichgültig, wie weit die Sachaufklärung gediehen ist. Alle Tatsachen, die sich auf den Sachverhalt als solchen beziehen, sind dann im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 für die Entscheidung rechtlich ohne Bedeutung.1314 Zweifelhaft ist aber, ob Tatsachen, die sich auf die äußere oder innere Tatseite der den Gegenstand der Untersuchung bildenden Handlung beziehen, als bedeutungslos für die Entscheidung behandelt werden können, wenn feststeht, dass jedenfalls ein Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgrund durchgreift. Eb. Schmidt verficht die Auffassung, dass das Gericht zunächst die auf die tatbestandsmäßig rechtswidrige Handlung, dann erst die auf die Schuld bezügli217

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1310 Vgl. KK/Krehl 141; s. Rn. 217, 220 ff., 224. 1311 BGH Urt. v. 29.4.2010 – 3 StR 63/10 (in BGHR § 136 Belehrung 17 sowie StRR 2010 342 insoweit nicht abgedruckt); vgl. BGH NJW 2011 1299; wistra 2012 29, 30 f.; AK/Schöch 86; KK/Krehl 142; KMR/Paulus 114. 1312 BGH Urt. v. 29.4.2010 – 3 StR 63/10 (in BGHR § 136 Belehrung 17 und StRR 2010 342 insoweit nicht abgedruckt); OLG Stuttgart Justiz 1977 177; AK/Schöch 86; KMR/Paulus 114; Meyer-Goßner/Schmitt 55. 1313 Vgl. Alsberg/Güntge 1135 f.: wenn bereits feststeht, dass ein anderes schuldspruchkonstitutives Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt ist. 1314 Alsberg/Güntge 1132 f.; KMR/Paulus 118; Eb. Schmidt 48.

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chen Tatsachen feststellt, dass also jene so lange beweiserheblich bleiben, als zu ihnen noch Feststellungen im positiven oder negativen Sinne in Frage kommen.1315 Die Rechtsprechung ist diesem Gedanken nicht gefolgt. Sie hält es, weil die StPO kein Feststellungsinteresse des Angeklagten anerkennt, grundsätzlich nicht für ausgeschlossen, dass der äußere Tatbestand dahingestellt bleiben kann, wenn jedenfalls die subjektive Tatseite nicht nachweisbar oder ein Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgrund gegeben ist.1316 Dem ist mit der Einschränkung zuzustimmen, dass es nach der Art des zu untersuchenden Sachverhalts unter Umständen unerlässlich sein kann, zuerst den objektiven Tathergang aufzuklären.1317 Insbesondere wird es im Hinblick auf § 11 BZRG geboten sein, vor einem Freispruch wegen Schuldunfähigkeit zunächst aufzuklären, ob der Angeklagte überhaupt ein tatbestandsmäßiges und rechtswidriges Delikt verwirklicht hat.1318 Im Übrigen ist in der Regel ein zuverlässiges Urteil zur inneren Tatseite erst möglich, wenn der äußere Sachverhalt weitgehend aufgeklärt ist.1319 Eine Tatsache, die die Strafzumessung beeinflussen kann, ist auch dann rechtlich 219 ohne Bedeutung, wenn sie – im Falle ihrer Erwiesenheit – nicht notwendig bestimmend wäre (s. § 267 Abs. 3 Satz 1) und ihr das Gericht auch ansonsten kein derartiges Gewicht zumäße, dass sie die Strafhöhe schärfend oder mildernd beeinflussen würde.1320 Ob es allerdings auch Gründe der Prozessökonomie oder der Beschleunigungsgrundsatz rechtfertigen können, einen vom Gericht an sich als zumessungsrelevant angesehenen Umstand (etwa weitere – verjährte, eingestellte oder nach der angeklagten Tat begangene – Straftaten des Angeklagten) als bedeutungslos zu behandeln,1321 erscheint zweifelhaft.1322 Will das Gericht dagegen bereits abgeurteilte Straftaten des Angeklagten oder Modalitäten seiner früheren Delikte strafschärfend verwerten, so darf es einen Beweisantrag, mit dem die Tatbegehung oder die Tatmodalitäten widerlegt werden sollen, nicht allein im Hinblick auf die gegenteiligen Feststellungen des rechtskräftigen Urteils wegen rechtlicher Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung zurückweisen;1323 denn die tatsächlichen Feststellungen werden von der Rechtskraftwirkung nicht erfasst.1324 c) Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Gründen. Eine unter Beweis gestellte 220 Indiz- oder Hilfstatsache ist aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung bedeutungslos, wenn sie in keinem Zusammenhang mit der Urteilsfindung steht1325 oder weil

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1315 Eb. Schmidt 48 unter Hinweis auf Mannheim JW 1928 2752; Gerland 382. 1316 RGSt 7 77; 12 336; 29 259; 43 399; 47 419; 69 12; RG JW 1927 2711; 1931 2823; 1931 3560; BGHSt 16 374, 379; BGH JR 1980 113 m. Anm. Hirsch; NJW 2005 2322, 2325; KMR/Paulus 116; Meyer-Goßner/Schmitt 55 (Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen ausnahmsweise überflüssig); SK/Frister 136; Alsberg/ Güntge 1140, 1143 f.; vgl. die Erl. zu § 267. 1317 So vor Anwendung des § 193 StGB; vgl. BGHSt 4 198; 7 391; 11 273; 16 374, 379; ferner BGHSt 27 290 (zu § 192 StGB); Alsberg/Güntge 1140. 1318 Alsberg/Güntge 1145; SK/Frister 136; vgl. auch KMR/Paulus 117. 1319 Vgl. OGHSt 1 188; BGHSt 16 374, 379; BGH GA 1974 61; StV 1981 222; BGH bei Dallinger MDR 1956 272; Alsberg/Güntge 1143; Meyer-Goßner/Schmitt 55. 1320 Vgl. BGHSt 43 106, 108 = JR 1998 117 m. krit. Anm. Loos; Alsberg/Güntge 1147; krit. AK/Schöch 86. 1321 So BGH NStZ-RR 1996 334, 335, wenn mit der eventuellen Strafe für die weitere Straftat eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung in Betracht käme; Meyer-Goßner/Schmitt 54; a.A. Foth NStZ 1995 375. 1322 Alsberg/Güntge 1148; vgl. demgegenüber BGH StV 2004 415 f. auch zur notwendigen Konkretisierung einer entsprechenden Beweisbehauptung. 1323 BGHSt 43 106, 108 = JR 1998 117 m. krit. Anm. Loos; KG NStZ 2008 357. 1324 Dementsprechend ist der Beweisantrag auch nicht etwa unzulässig, vgl. Rn. 190. 1325 Weil sie den vom Antragsteller erstrebten Schluss des Gerichts auf eine bestimmte Haupttatsache oder den Beweiswert eines anderen Beweismittels überhaupt nicht zulässt; vgl. BGH NJW 2003 150, 153; 2005 2242, 2243; NStZ 2013 352, 353; 2014 168; 2015 355, 356; 2018 111, 112; AK/Schöch 87; Börner (Legitimation) 490 f.

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sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Falle ihrer Bestätigung keinen Einfluss auf die richterliche Überzeugung vom entscheidungserheblichen Sachverhalt hätte, da sie keinen zwingenden, sondern einen nur möglichen Schluss auf das Vorliegen oder Fehlen einer Haupttatsache oder den Beweiswert eines anderen Beweismittels ermöglicht und das Gericht der Überzeugung ist, dass dieser Schluss in Würdigung der gesamten Beweislage nicht gerechtfertigt wäre.1326 Ob der Schluss gerechtfertigt wäre, hat der Tatrichter nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung (§ 261) zu beurteilen.1327 Hierzu hat er die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache so, als sei sie erwiesen (dies ist offenbar der Grund dafür, dass in der tatrichterlichen Praxis in vielen Fällen fehlerhaft der Ablehnungsgrund der Wahrunterstellung statt richtigerweise derjenige der Bedeutungslosigkeit herangezogen wird),1328 in das bisherige Beweisergebnis einzustellen1329 und prognostisch zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung zu der von der Beweisbehauptung potentiell berührten Haupttatsache bzw. zum Beweiswert des anderen Beweismittels – eventuell in Anwendung des Zweifelssatzes – in einer für den Schuldspruch oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde. Nur wenn der Tatrichter dies verneint, kann er den Beweisantrag wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Indiz- oder Hilfstatsache zurückweisen.1330 Danach ist es fehlerhaft, die Unerheblichkeit der Beweisbehauptung allein daraus zu folgern, dass diese keine zwingenden, sondern nur mögliche Schlüsse auf eine Haupttatsache oder den Beweiswert eines anderen Beweismittels zulasse.1331 Auch darf das Gericht die Bedeutungslosigkeit nicht lediglich aus dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme ableiten,1332 also auf deren Grundlage die Beweisbehauptung für widerlegt erachten, ohne diese

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1326 RGSt 64 432; 65 322; RG JW 1931 3560; 1939 95; OGHSt 3 141; BGHSt 2 286; BGH NJW 1953 35; 1961 2069, 2070; 1988 501, 502; 2004 3051, 3056; GA 1964 77; NStZ 1981 309; 1982 126; 1982 170; 1983 277; 1984 42, 43; 1985 516; 1992 551; 1997 503 m. Anm. Herdegen = StV 1997 567 m. Anm. Wohlers; NStZ 1998 369; 2000 436; 2014 111, 112 m. Anm. Allgayer; 2014 282, 283 m. Anm. Leplow wistra 2014 321; 2015 296 m. Anm. Venn; 2015 355, 356; 2018 111, 112; NStZ-RR 2000 210; 2008 205, 206; 2010 211, 212; 2014 316, 317 f.; 2016 117; StV 1981 271; 1990 24; 1990 340; 1992 259; 1993 173; 1994 62; 2001 95; 2001 95, 96; 2001 96; 2002 350, 352; 2006 118, 119; 2018 478; wistra 1983 33; StraFo 2008 29, 30; BayObLGSt 1949-51 73; OLG Hamm StV 2004 416; OLG Karlsruhe Justiz 1984 214; OLG Köln JR 1954 68; NJW 1967 2416; VRS 57 (1979) 191; 64 (1983) 200; Börner (Legitimation) 491 f.; Alsberg/Güntge 1154 ff. (mit Bedenken Rn. 1159); Schröder NJW 1972 2105; Schweckendieck NStZ 1997 259; AK/Schöch 85; KK/Krehl 143; KMR/Paulus 112, 114; MeyerGoßner/Schmitt 56; a.A. Strate FS Rieß 614 ff.; MüKo/Trüg/Habetha 244 ff.; SK/Frister 138. 1327 Zu der dadurch bedingten Aufhebung der Trennung zwischen antragsgebundener Beweiserhebungspflicht und freier Beweiswürdigung vgl. etwa Meurer GedS Hilde Kaufmann 947; Perron (Beweisantragsrecht) 227. 1328 Zum – rechtsgeschichtlichen – Hintergrund im Rahmen der Entwicklung des Beweisantragsrechts vgl. Alsberg/Güntge 1157 f. 1329 BGH NStZ 1997 503 m. Anm. Herdegen = StV 1997 567 m. Anm. Wohlers; NStZ 2003 380, 381; 2014 110 f.; 2014 111, 112 m. Anm. Allgayer; 2015 296 m. Anm. Venn; 2015 355, 356; 2015 599, 600; NStZ-RR 2010 211, 212; 2012 82, 83; 2014 252, 253; 2014 316, 318; 2017 119; StV 2014 586, 587; 2018 478; StraFo 2014 335; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 30; Börner (Legitimation) 491 f.; Schweckendieck NStZ 1997 254. Anderenfalls läge eine unzulässige Beweisantizipation vor; vgl. etwa KK/Krehl 143; ferner Herdegen FS Boujong 779. 1330 BGH NJW 1953 35; 1961 2069, 2070; 1988 501, 502; 2004 3051, 3056; GA 1964 77; NStZ 1984 42, 43; 1992 551; 1997 503 m. Anm. Herdegen = StV 1997 567 m. Anm. Wohlers; NStZ 1998 369; 2014 110 f.; 2014 111, 112 m. Anm. Allgayer; NStZ-RR 2017 119; StV 1990 340; 1993 173; 1994 62; 2001 95; 2001 95, 96; 2001 96; 2002 350, 352; AK/Schöch 87; KK/Krehl 143. 1331 Vgl. BGH NStZ 1982 126; 1983 277; 1984 42 f.; 2014 110, 111; 2015 355, 356; NStZ-RR 2007 84, 85; 2012 82, 83; 2017 119 f.; StV 1992 259; 2018 779 Ls.; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 30; OLG Frankfurt StV 1995 346; OLG Hamburg StV 2010 122; KG StV 1988 380; OLG Stuttgart StV 1999 88. 1332 BGH GA 1956 384; MDR 1970 778; StV 1981 271; 1982 58; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 210; OLG Celle GA 1962 216; OLG Hamm JMBlNW 1982 224; KG NStZ 2015 419, 422; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1979 110; OLG Schleswig bei Lorenzen/Döllel SchlHA 1999 177; OLG Stuttgart MDR 1994 1137 Ls.

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überhaupt als erwiesen in eine prognostische Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses mit einzubeziehen.1333 Ebenso wenig ist es ihm erlaubt, die Richtigkeit der behaupteten Tatsache – auch etwa aufgrund freibeweislicher Erhebungen1334 – in Frage zu stellen1335 oder den Beweiswert des benannten Beweismittels in Zweifel zu ziehen;1336 so kann es die Ablehnung des Beweisantrages nicht etwa darauf stützen, dass der benannte Zeuge die Beweisbehauptung voraussichtlich nicht bestätigen werde oder seine Aussage nicht richtig sein müsse.1337 Die prognostische Beweiswürdigung unter Einschluss der Beweisbehauptung hat 221 keinen anderen Maßstäben zu genügen als die Würdigung, die der Tatrichter anzustellen hätte, wenn er sich nach durchgeführter Beweisaufnahme die Überzeugung von der Richtigkeit der Beweisbehauptung verschafft hätte. Sie muss frei von Rechtsfehlern sein,1338 darf also nicht gegen die Denkgesetze verstoßen oder gesicherte Erfahrungssätze missachten und keine Widersprüche, Unklarheiten oder Lücken enthalten. Letzteres bedingt, dass die Beweistatsache ohne Einengung, Umdeutung oder Verkürzung in die prognostische Würdigung einbezogen wird.1339 Etwaige Zweifel über deren Tragweite sind durch Befragung des Antragstellers vorweg zu klären.1340 Auch darf ihr die Entscheidungsrelevanz nicht aufgrund von Annahmen abgesprochen werden, die durch das anderweitige Beweisergebnis nicht belegt sind, die das Gericht also nur vermutet.1341 Ist all dies beachtet und erweist sich auf dieser Grundlage die Schlussfolgerung des Tatrichters, die als erwiesen behandelte Beweistatsache bleibe ohne Einfluss auf seine Überzeugungsbildung, als möglich, so stellt sich die Zurückweisung des Beweisantrages wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung als rechtsfehlerfrei dar. Dies allein prüft das Revisionsgericht. Eine weitergehende Plausibilitätskontrolle dahin, ob der vom Tatrichter gezogene Schluss auch nach Auffassung des Revisionsgericht zu billigen sei oder nicht etwa eine gegenteilige Überzeugungsbildung näher gelegen hätte, findet nicht statt; denn bei der Annahme tatsächlicher Bedeutungslosigkeit handelt es sich um ein Element der freien tatrichterlichen Beweiswürdigung (§ 261), die in der Revisionsinstanz allein der Prüfung auf Rechtsfehler unterliegt.1342 Soweit geltend gemacht wird, bei der Prüfung der Entscheidungserheblichkeit der 222 Beweistatsache müsse aber auch die Aufklärungspflicht beachtet werden, mit der es unvereinbar sei, aufklärbare Umstände durch die Ablehnung eines Beweisantrages wegen Bedeutungslosigkeit der Gesamtabwägung im Rahmen der Beweiswürdigung zu

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1333 BGH NStZ 1983 468; 1994 195; NStZ-RR 2012 82, 83; 2014 252, 253; StV 1993 621; 1993 622; 1994 62, 63; 2001 95; StraFo 2007 331, 332; 2010 152, 153; bei Martin DAR 1971 122; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 6; OLG Hamm StraFo 1998 190; AK/Schöch 87; Meyer-Goßner/Schmitt 56; SK/Frister 139; vgl. auch vorstehende Fn. 1334 BGH StV 1995 339. 1335 BGH NStZ-RR 2012 353, 354. 1336 BGH NStZ 1997 503 (wo jedoch auch Abweichungen von diesem Grundsatz erwogen werden) m. Anm. Herdegen = StV 1997 567 m. Anm. Wohlers; NStZ-RR 2008 205, 206; Alsberg/Güntge 1155. 1337 BGH StV 1981 167; 2001 95, 96; NStZ 1984 564; 2014 282, 283 m. Anm. Leplow wistra 2014 321; NStZ-RR 2013 383, 384; StraFo 2008 29, 30; Meyer-Goßner/Schmitt 56. 1338 S. etwa BGH NStZ 2015 296, 297 m. Anm. Venn; 2015 355, 356. 1339 RG JW 1930 3325, 3326 m. Anm. Alsberg; BGH NJW 1988 501, 502; StV 1983 90; 1989 140; 1993 173; 1994 62; 1996 411; 2008 288; 2011 619, 620; 2014 586 f.; NStZ 1985 376; NStZ-RR 2010 211, 212; 2014 316, 318; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 210; 1988 18 f.; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 2, 17; s. Rn. 134 m.w.N.; vgl. aber auch BGH VRS 39 (1970) 103, 104; bei Miebach/Kusch NStZ 1991 28 f. 1340 BGH StV 1996 411; BGHR § 244 Abs. 6 Beweisantrag 12. 1341 Vgl. BGH StV 2002 350, 352; OLG Hamm NZV 2002 335, 336. 1342 RGSt 29 368; 39 364; 63 330; RG JW 1927 2466; BGH GA 1964 77; BGH StV 2002 350, 352; bei Spiegel DAR 1978 161; OLG Hamm VRS 7 (1954) 131; OLG Köln VRS 57 (1979) 191; Börner StraFo 2015 50; Herdegen NStZ 1984 98.

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entziehen,1343 vermag dies nicht zu überzeugen. Denn es ist nicht ersichtlich, welcher bessere Aufklärungserfolg sich für den Antragsteller aus der Beweisaufnahme ergeben könnte, als die volle Bestätigung seiner Beweisbehauptung; hiervon ist in der prognostischen Beweiswürdigung aber gerade auszugehen.1344 Erscheint es dagegen möglich, dass nach den konkreten Umstände des Falles durch Nutzung des benannten Beweismittels ein über die Beweisbehauptung hinausgehender und entscheidungsrelevanter Aufklärungserfolg erzielt werden könnte, so verstößt das Gericht durch die Zurückweisung des Beweisantrags wegen Bedeutungslosigkeit nicht gegen § 244 Abs. 3 Satz 2; vielmehr verletzt es seine Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2, weil es das Beweismittel nicht zur Klärung des weiteren, über die Beweisbehauptung hinausgehenden Sachverhalts hört. Dies muss mit der Aufklärungsrüge beanstandet werden, nicht mit der Rüge einer fehlerhaften Anwendung des § 244 Abs. 3 Satz 2. Es bleibt daher festzuhalten: Für die Beantwortung der Frage, ob ein Beweisantrag wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung zurückgewiesen werden kann, ist die Aufklärungspflicht ohne Bedeutung. Erweist sich die prognostische Beweiswürdigung, die der Zurückweisung des Antrags zugrunde liegt, als rechtsfehlerfrei, so kann in der unterlassenen Beweiserhebung zu der Beweisbehauptung auch kein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht liegen (vgl. Rn. 58). 223 Eine unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache kann schließlich dann für die Entscheidung ohne Bedeutung sein, wenn das Gericht den vom Antragsteller intendierten Schluss, den es aufgrund der Beweistatsache auf das Vorliegen oder Fehlen einer Haupttatsache oder zu dem Beweiswert eines anderen Beweismittels ziehen soll, aufgrund anderweitiger Beweise bereits gezogen hat (s. auch Rn. 148), das Beweisziel des Antragstellers somit bereits erreicht ist. Für den Ablehnungsgrund der Erwiesenheit, der gegeben ist, wenn das Gericht von der Richtigkeit einer unter Beweis gestellten Haupttatsache bereits überzeugt ist, ist bei Indiz- oder Hilfstatsachen oftmals kein Raum.1345 Aus dem Gesagten folgt, dass eine unter Beweis gestellte Haupttatsache nur aus 224 rechtlichen, nicht aber aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung ohne Bedeutung sein kann;1346 wenn sie nämlich nach den unter Rn. 217 ff. dargelegten Maßstäben für den Schuldspruch oder den Rechtsfolgenausspruch relevant ist, könnte ihr aus tatsächlichen Gründen die Entscheidungserheblichkeit nur abgesprochen werden, wenn sich das Gericht von der Unrichtigkeit der Beweisbehauptung überzeugt. Hierzu wäre es ohne Beweisaufnahme aber nur im Wege einer antizipierten Beweiswürdigung in der Lage. Da es sich um eine unmittelbar entscheidungsrelevante Tatsache handelt, ist ihm diese bei Prüfung des Ablehnungsgrundes der Bedeutungslosigkeit jedoch verwehrt. Es ist nicht möglich, die Beweisbehauptung als erwiesen in eine Gesamtwürdigung mit dem übrigen Beweisergebnis zu der Haupttatsache einzustellen, um auf dieser Grundlage eine Überzeugung zu der Haupttatsache und damit zur Entscheidungserheblichkeit der Beweisbehauptung zu gewinnen; denn ist die unter Beweis gestellte Haupttatsache erwiesen, so ist an ihrer Erheblichkeit für die Entscheidung nicht mehr zu rütteln. Es ist daher nicht zulässig, einer behaupteten, vom Gericht als relevant erachteten, Strafzumessungstatsache (keine früheren Straftaten des Angeklagten) dann aus tatsächlichen Gründen die

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1343 BGH StV 1990 291; 1990 292; 2002 350, 352; 2003 369, 370; NStZ-RR 2014 316, 318; Perron (Beweisantragsrecht) 228; Meyer-Goßner/Schmitt 56; vgl. auch BGH StV 1987 189; ferner Herdegen FS Boujong 785 (Aufklärungspflicht, sofern Richter nicht durch ein intersubjektiv akzeptables Maß plausibler Argumente erklären kann, warum er zu prognostizieren vermag). 1344 Vgl. Roxin/Schünemann § 45, 21. 1345 Alsberg/Güntge 1160; vgl. aber SK/Frister 139 f. 1346 Alsberg/Güntge 1153; vgl. BGH NStZ 2014 282 m. Anm. Leplow wistra 2014 321.

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Entscheidungsrelevanz abzusprechen, wenn sich das Gericht aufgrund der Feststellungen in dem gegen den Angeklagten bereits ergangenen Urteil von dessen früherer Straffälligkeit überzeugt, weil der Beweisantrag nicht geeignet sei, die „dort gezogenen Schlüsse zu erschüttern“.1347 d) Ablehnungsbeschluss. Der Beschluss, mit dem das Gericht die Erhebung eines 225 Beweises wegen Unerheblichkeit der Beweistatsache ablehnt, hat entsprechend den allgemeinen Grundsätzen (s. Rn. 134 f.) zum einen den Antragsteller sowie die weiteren Prozessbeteiligten so weit über die Auffassung des Gerichts zu unterrichten, dass diese sich auf die neue Verfahrenslage einstellen, gegebenenfalls noch in der Hauptverhandlung das Gericht von der Erheblichkeit der Beweistatsache überzeugen oder aber neue Anträge mit demselben Beweisziel stellen können;1348 zum anderen muss er dem Revisionsgericht die Grundlage für die Prüfung liefern, ob der Beweisantrag rechtsfehlerfrei zurückgewiesen worden ist1349 und ob die Feststellungen und Erwägungen des Ablehnungsbeschlusses mit denjenigen des Urteils übereinstimmen.1350 Danach reicht es als Begründung nicht hin, lediglich den Gesetzeswortlaut zu wiederholen,1351 die Beweisbehauptung lediglich mit nichtssagenden Wendungen wie unbehelflich, unbedeutend oder abwegig zu bewerten1352 oder die Ablehnung wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit allein auf die inhaltslose Aussage zu stützen, dass die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache keinen zwingenden, sondern lediglich einen möglichen Schluss zulasse und das Gericht diesen Schluss nicht ziehen wolle (s. Rn. 220 m.w.N.). Die Begründung muss vielmehr konkret auf den Fall bezogen zunächst aufzeigen, ob die Bedeutungslosigkeit aus rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen angenommen wird.1353 Im letzteren Falle sind die Tatsachen darzulegen, aus denen sich ergibt, warum die unter Beweis gestellte Tatsache, selbst wenn sie erwiesen wäre, die Entscheidung des Gerichts nicht beeinflussen könnte.1354 Dabei ist die Beweistatsache so, als sei sie erwiesen, in ihrem vollen Umfang ohne Umdeutung, Einengung und Verkürzung in das bisherige Beweiser-

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1347 A.A. BGHSt 43 106, 108 = JR 1998 117 m. krit. Anm. Loos; BGH StV 2000 248, 249. 1348 BGHSt 2 284, 286; BGH NJW 1953 35; NStZ 1981 309, 310; 1981 401; 2000 267, 268; 2013 352, 353; 2014 110, 111; 2014 168, 169; NStZ-RR 2013 383, 384; 2016 117 f.; StV 1982 253; 1990 246; 1991 408; 1993 3; 2007 176; 2010 557, 558; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 210. 1349 BGHSt 2 284, 286; BGH NJW 1953 35; NStZ 1981 309, 310; 1981 401; 2000 267, 268; 2014 110 f.; NStZ-RR 2016 117, 118; StV 1984 451; 1987 45; 1990 246; 1991 408; 1993 3; OLG Köln VRS 57 (1979) 191; 59 (1980) 351. 1350 BGH NStZ 2014 110, 111; NStZ-RR 2016 117, 118; Alsberg/Güntge 1162. 1351 BGHSt 2 284, 286; BGH NStZ 1981 309; 1981 309, 310; 1993 172; 2000 267, 268; 2003 380, 381; NStZRR 2014 54; StV 1990 246; 2002 181, 182; 2007 176; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 14; bei Kusch NStZ 1997 27 f.; bei Becker NStZ 2007 514; bei Spiegel DAR 1981 199; OLG Düsseldorf StraFo 2002 19; vgl. Rn. 134. 1352 RG JW 1923 688; 1927 2466; BGH StV 2011 619, 620. 1353 BGHSt 2 284, 286; 29 149, 151 f.; BGH NStZ 1981 309, 310; 1981 401; 2000 267, 268; NStZ-RR 2013 50; StV 1987 45 f.; 1990 246; 2011 619, 620; 2018 779 Ls.; wistra 1995 30, 31; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 210; OLG Düsseldorf VRS 99 (2000) 456, 458; OLG Hamm StV 2004 416. 1354 RGSt 4 138; RG JW 1931 2823; 1937 1836; 1939 95; OGHSt 3 141; OGH NJW 1949 796; BGHSt 2 284, 286; BGH NJW 1953 35, 36; 1980 1533, 1534; BGH GA 1957 85; VRS 39 (1970) 103; NStZ 1981 111; 1981 309; 1981 309, 310; 1981 401; 1982 213; 1984 42; 1992 551; 2000 267, 268; 2008 299; 2013 478 f.; 2015 355, 356; NStZ-RR 2007 84, 85; 2012 255 Ls.; 2013 50; 2014 54; 2014 252, 253; 2016 117, 118; StV 1982 55; 1984 451; 1987 45; 1990 52; 1990 246; 1991 408; 1993 3, 4; 1993 172; 2003 369, 370; 2007 176; 2010 557, 558; StraFo 2007 378, 379; wistra 1995 30; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 29; BayObLGSt 1949-51 83; BayObLG DAR 1956 165; OLG Düsseldorf StraFo 2002 19, 20; OLG Frankfurt StV 1995 346; OLG Hamm VRS 7 (1954) 131; KG NStZ 2015 419, 421 f.; OLG Köln VRS 57 (1979) 191; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1951 191; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1974 182; KK/Krehl 145; Meyer-Goßner/Schmitt 85.

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gebnis einzufügen und zu würdigen.1355 Zu dem bisherigen Beweisergebnis zählen auch – was häufig übersehen wird – die Beweisbehauptungen aus anderen Beweisanträgen, die dasselbe Beweisziel wie der nunmehr zu prüfende Beweisantrag verfolgt haben und die das Gericht bereits wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache abgelehnt hat. Denn die Nichterhebung des Beweises ändert nichts daran, dass das Gericht die früher behaupteten Indiz- oder Hilfstatsachen als erwiesen behandelt hat; sie dürfen daher der erneut gebotenen Würdigung der gesamten Beweislage nicht entzogen werden.1356 Warum das Gericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen zieht, ist mit konkreten Erwägungen zu begründen.1357 Die Anforderungen an die Beweiswürdigung unterscheiden sich grundsätzlich nicht von denjenigen, denen das Gericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann im schriftlichen Urteil darzulegen hätte, warum diese ohne Einfluss auf seine Überzeugungsbildung geblieben ist.1358 Werden mehrere Beweistatsachen gleichzeitig vorgebracht, so muss die Bedeutungslosigkeit für jede von ihnen einzeln dargetan werden.1359 Richten sie sich als Indiz- oder Hilfstatsachen auf dasselbe Beweisziel, so sind sie insgesamt in die prognostische Beweiswürdigung einzustellen (s. oben). Wegen der Informationspflicht gegenüber dem Antragsteller und den weiteren Ver226 fahrensbeteiligten1360 muss der Ablehnungsbeschluss stets mit einer ausreichenden Begründung versehen sein (s. § 34), die umso knapper ausfallen kann, je augenfälliger die Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung ist.1361 Fehlt eine solche Begründung oder ist sie rechtsfehlerhaft, so ist das nur dann unschädlich, wenn die Bedeutungslosigkeit der Tatsache auf der Hand liegt und allen Verfahrensbeteiligten offensichtlich ist; denn da in diesem Fall die Verfahrensführung des Antragstellers und der anderen Beteiligten nicht beeinträchtigt werden1362 und auch das Revisionsgericht (selbst ohne nachgeschobene Begründung im schriftlichen Urteil) die Ablehnung auf Rechtsmängel untersuchen kann, beruht das Urteil nicht auf dem mangelhaften Ablehnungsbeschluss.1363

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1355 RG HRR 1939 Nr. 216; BGH NStZ 2013 611; 2014 110, 111; 2015 354 f.; 2015 355, 356; NStZ-RR 1996 336, 337; 2012 82, 83; 2013 117; StraFo 2007 331, 332; 2007 378, 379; StV 2011 619, 620; 2014 586 f.; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 210, 211; BGHR § 244 Abs. 6 Beweisantrag 12; s. auch BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 29; BayObLGSt 1990 44, 48; vgl. Rn. 134, 221 m.w.N. 1356 BGH StV 1990 292, 293; 1990 340; 2011 646; NStZ 1992 551; 2008 299; Beschl. v. 21.6.2006 – 2 StR 57/06 – Rn. 14 (insoweit in NStZ 2006 687 und StV 2006 583 nicht abgedruckt); OLG Frankfurt StV 1995 346, 347; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 127; Börner StraFo 2015 49; Eschelbach ZAP Fach 22 S. 687; Alsberg/ Güntge 1436; s. aber auch BGH NStZ 2015 355, 357. 1357 BGH NStZ 1983 277; 1983 468; 1984 42 f.; 1991 47; 2007 352; 2013 352, 353; 2013 611; 2014 110, 111; NStZ-RR 2013 383, 384; StV 1981 167; 1982 253; 1987 45; 1990 340; StraFo 2007 331, 332; BGH bei Pfeiffer/ Miebach NStZ 1983 356; OLG Frankfurt StV 1995 346; KG StV 1988 380. 1358 BGH NJW 2005 1132, 1133; NStZ 2007 352; 2008 299; 2013 611; 2014 110, 111; 2015 354; 2015 355, 356; NStZ-RR 2007 84, 85; 2012 255 Ls.; 2013 383, 384; 2014 54; StV 2003 369, 370; 2007 176; 2010 557, 558; StraFo 2007 378, 379; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 29, 30; KG NStZ 2015 419, 422. 1359 BGH bei Dallinger MDR 1970 560; Alsberg/Güntge 1436; vgl. auch Rn. 137. 1360 S. Rn. 134, 138; die revisionsgerichtliche Prüfung könnte auch durch eine im Urteil nachgeschobene Begründung gewährleistet werden. 1361 S. etwa BGH wistra 2013 471, 472. 1362 Ablehnend insoweit Ventzke HRRS-GedS Widmaier 64 ff. 1363 BGH NStZ 1981 309, 310; 1981 401; 1982 170, 171; 1982 213; 1984 42, 43; 2000 46; 2007 352; 2013 352, 353; 2015 355, 357; StV 1983 318; 1990 52; 1991 408; 2007 227; 2010 557, 558; 2011 619, 620 f.; bei Holtz MDR 1981 101; bei Spiegel DAR 1981 199; 1983 204; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 210; bei Kusch NStZ 1997 28; bei Becker NStZ 2007 514; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 12, 14; OLG Düsseldorf VRS 99 (2000) 456, 458; StraFo 2002 19, 20; OLG Koblenz StraFo 2007 379, 380; OLG Stuttgart StV 1999 88; vgl. auch BGH NStZ-RR 2016 117, 118. Soweit diese Entscheidungen dahin verstanden werden können, dass in derartigen Fällen jede Begründung entbehrlich sei, kann ihnen nicht gefolgt werden; die Pflicht zu

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e) Weiteres Verfahren. Ergibt sich im Verfahrensfortgang eine veränderte Beur- 227 teilung der Beweislage, die nicht zur Erhebung des zunächst abgelehnten Beweises führt, so muss das Gericht die Verfahrensbeteiligten, die auf den Fortbestand der Einschätzung der Beweisbehauptung als unerheblich vertrauen dürfen, auf die geänderte Beurteilung hinweisen und ihnen Gelegenheit zu neuer Antragstellung geben.1364 Wegen der Informationsfunktion des Ablehnungsbeschlusses kann im Urteil weder eine zunächst unterlassene Begründung des Ablehnungsbeschlusses wirksam nachgeholt1365 noch können andere als die zunächst bekanntgegebenen Ablehnungsgründe wirksam nachgeschoben werden.1366 Die Beweiswürdigung im Urteil darf sich auch nicht zu der antizipierenden Würdigung des Ablehnungsbeschlusses in Widerspruch setzen.1367 Ebenso ist es unzulässig, dass das Gericht dort einer als unerheblich bezeichneten Tatsache Bedeutung beimisst1368 oder sich auf das Gegenteil der unter Beweis gestellten Tatsache stützt;1369 denn damit würde es der Ablehnung die sie rechtfertigende Grundlage entziehen. 4. Erwiesenheit der Beweistatsache a) Voraussetzungen. Eine Beweiserhebung erübrigt sich, wenn sich das Gericht be- 228 reits auf der Grundlage des Ergebnisses der bisherigen Verhandlung die Überzeugung verschafft, dass die Behauptung, für die Beweis angeboten wird, wahr ist.1370 Das Gesetz lässt daher insoweit eine antizipatorische Würdigung zu. Dabei hat es keine Bedeutung, ob die Beweistatsache entscheidungserheblich ist; eine Pflicht, bei einer unerheblichen Beweistatsache den Antrag als bedeutungslos abzulehnen, besteht nicht.1371 Im Gegensatz zur Wahrunterstellung (s. Rn. 300) ist der Ablehnungsgrund der Erwiesenheit nicht nur anwendbar, wenn die Beweisbehauptung zur Entlastung des Angeklagten, sondern auch dann, wenn sie zu seiner Belastung aufgestellt oder gewertet wird.1372 Dass das Gericht das Gegenteil der Beweisbehauptung für erwiesen hält, rechtfertigt die Ablehnung nicht.1373

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einer knappen Begründung besteht auch hier; maßgeblich ist allein die Beruhensfrage (s. Frisch FS Rudolphi 640; Ventzke HRRS-GedS Widmaier 63 f.); vgl. auch AK/Schöch 88 (Bedeutungslosigkeit liegt praktisch nie auf der Hand); KK/Krehl 147; kritisch zur Annahme fehlenden Beruhens Börner StraFo 2015 50. 1364 BGH NStZ 1988 38; StV 1990 246; 1992 147 m. Anm. Deckers; 1994 356; 1996 649; Seibert NJW 1960 19. 1365 BGH NStZ 2003 380, 381; StV 2007 176; 2010 557, 558; unklar insoweit BGH NStZ 2013 478 f. 1366 BGHSt 29 152; BGH NJW 1951 368; NStZ 1982 213; StV 1990 246; 1990 340; BayObLG DAR 1956 165; OLG Karlsruhe Justiz 1984 214; OLG Koblenz StraFo 2007 379, 380; OLG Stuttgart StV 1999 88; vgl. auch Niemöller FS Hamm 545 ff. 1367 BGH NStZ 2012 525, 526; 2013 611; NStZ-RR 2010 384 Ls.; StraFo 2014 335. 1368 RGSt 61 359, 360; RG JW 1930 926; BGH NStZ 1988 38; 1994 195; 2015 179; NStZ-RR 2000 210; StraFo 2014 335; bei Kusch NStZ 1998 26; bei Becker NStZ 2003 417; BGH StV 1983 90; 1992 147 m. Anm. Deckers; 1993 173; 1993 622; 1997 338; 2002 181, 182; OLG Koblenz StraFo 2007 379, 380; Alsberg/Güntge 1162; AK/Schöch 88; KK/Krehl 146; Meyer-Goßner/Schmitt 56; s. Rn. 139. 1369 BGH StV 1994 350; 1996 648; 1997 237; 2001 95; 2001 96; 2009 411, 412; NStZ 2000 267, 268; 2013 118; 2013 611; 2014 282, 283 f. m. Anm. Leplow wistra 2014 321; NStZ 2015 179; NStZ-RR 2018 347, 348; StraFo 2008 29; bei Becker NStZ-RR 2002 68; zu w.N. s. die vorstehende Fn. 1370 Alsberg/Güntge 1164; AK/Schöch 89; KK/Krehl 148; KMR/Paulus 441; Meyer-Goßner/Schmitt 57; SK/Frister 140. 1371 BGH NJW 2003 150, 152; wistra 2011 106, 112; Dahs/Dahs 332; Meyer-Goßner/Schmitt 57; SK/Frister 140; kritisch KK/Krehl 148. 1372 RGSt 61 359; BGHSt 51 364, 365; BGH StV 1983 319 Ls.; Alsberg JW 1929 978; Alsberg/Güntge 1173; KK/Krehl 148; Meyer-Goßner/Schmitt 57; Eb. Schmidt 52. 1373 RGSt 47 100, 105; RG HRR 1940 211; BGH bei Pfeiffer NStZ 1982 189; vgl. Rn. 183 f., ferner Rn. 327, 343.

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Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

b) Weiteres Verfahren. Im Ablehnungsbeschluss bedarf die Erwiesenheit der Beweisbehauptung keiner näheren Begründung; denn der Antragsteller kann schon auf Grund der entsprechenden Mitteilung des Gerichts sein weiteres Prozessverhalten entsprechend einrichten und das Revisionsgericht hat allein die Urteilsgründe darauf zu prüfen, ob das Tatgericht bei seiner Entscheidungsfindung weiterhin von der Erwiesenheit der Beweistatsache ausgegangen ist.1374 Im Urteil darf sich das Gericht nicht zu der in seinem Ablehnungsbeschluss für erwiesen erachteten Tatsache in Widerspruch setzen; es muss sie ohne Einengung und Veränderung so zu Grunde legen, wie sie nach Sinn und Zweck des Beweisantrags zu verstehen ist.1375 Dies bedeutet jedoch nicht notwendig, dass es sich in den Urteilsgründen zwingend mit der Tatsache auseinandersetzen muss; da es zulässig ist, auch unerhebliche Tatsachen als erwiesen zu behandeln, kann es sich im Einzelfall erübrigen, sie ausdrücklich zu erörtern, soweit hierdurch die Beweiswürdigung nicht lückenhaft wird.1376 Wie das Gericht die als erwiesen erachtete Tatsache würdigt, unterliegt seiner freien Überzeugungsbildung (§ 261). Anders als bei der Wahrunterstellung, die nach dem Wortlaut des Gesetzes nur zulässig ist, wenn sie sich zu Gunsten des Angeklagten auswirkt (s. Rn. 300), muss bei Indiz- und Hilfstatsachen der Zweifelssatz nicht zur Anwendung kommen. Das Gericht darf vielmehr auch aus einer zu Gunsten des Angeklagten vorgebrachten Tatsache, die es für erwiesen hält, Schlüsse zu dessen Nachteil ziehen.1377 Eines Hinweises hierauf bedarf es auch dann nicht, wenn der Angeklagte nicht erkennt, dass seine Beweisbehauptung zu seinem Nachteil gewertet werden kann.1378 Voraussetzung ist jedoch, dass das Gericht die Tatsache tatsächlich für erwiesen hält und nicht etwa, dass es nur glaubt, von ihr schon deshalb ausgehen zu dürfen, weil sie der Angeklagte selbst unter Beweis gestellt hat.1379 In der Antragstellung des Angeklagten1380 kann aber gegebenenfalls ein Beweisanzeichen für die Richtigkeit seiner ihn belastenden Behauptung liegen. 5. Völlige Ungeeignetheit des Beweismittels

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a) Allgemeines. Der Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit beruht auf dem Gedanken, dass es dem Gericht nicht zugemutet werden soll, eine Beweiserhebung durchzuführen, deren Nutzlosigkeit von vornherein feststeht, weil „nach sicherer Lebenserfahrung“ (so die weit überwiegend gebrauchte Formel) mit dem vom Antragsteller benannten Beweismittel die behauptete Beweistatsache1381 nicht bestätigt werden kann und die Erhebung des Beweises daher lediglich auf eine Förmlichkeit und objektiv auf eine Prozessverschleppung hinauslaufen würde.1382 Mit der sicheren Lebenserfahrung

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1374 Alsberg/Güntge 1437. 1375 BGH NStZ 1989 83; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 erwiesene Tatsache 2; KK/Krehl 148; SK/Frister 141. 1376 BGH NJW 2003 150, 152; NStZ 2011 472, 473. 1377 BGHSt 51 364, 365; SK/Frister 141. 1378 Alsberg/Güntge 1176; Pfeiffer 29. 1379 Alsberg/Güntge 1171; KK/Krehl 148. 1380 Nicht des Verteidigers, dessen Prozesserklärungen und Anträge dem Angeklagten nicht ohne weiteres zurechenbar sind; s. § 234, 11 ff.; § 243, 82 f. 1381 Auf diese ist die Prüfung zu beziehen, ob das Beweismittel zu deren Beleg völlig ungeeignet ist, nicht dagegen auf das vom Antragsteller mit dem Begehren verfolgte Beweisziel: BGH NStZ-RR 2014 316, 317. 1382 BVerfG NStZ 2004 214, 215; BGHSt 14 339, 342; BGH NJW 1952 191; 1989 1045, 1046; NStZ 1981 32 Ls.; 1984 564; 1993 395, 396; 1995 45; 1995 97; 2000 156, 157; 2004 508; 2008 351, 352; 2010 52; 2012 345; 2016 116, 117; NStZ-RR 1997 304; 2002 242 m. Bspr. Tilch JA 2003 192; 2010 211, 212; 2012 51, 52; 2013 185; 2013 186; 2014 316, 317; StV 1981 394, 395; 1982 101; 1984 231 f.; 1990 98; 1993 508; BayObLG GA 1965 183; MDR 1981 338; OLG Celle NdsRpfl. 1982 67; OLG Düsseldorf VRS 57 (1979) 289; OLG Frankfurt DAR 1977

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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können dabei nicht die je unterschiedlichen Erfahrungen der jeweiligen Gerichtspersonen gemeint sein;1383 vielmehr muss sich die Ungeeignetheit des Beweismittels aus der Anwendung allgemein anerkannter, gesicherter Erfahrungssätze ergeben. Diese Erfahrungssätze (s. Rn. 6) können gesetzmäßige Sachverhalte beschreiben, die keine Ausnahme zulassen1384 (allgemeingültige Erfahrungssätze), oder nur regelhafte Zusammenhänge, die im Normalfall einen verlässlichen Schluss von einer Voraussetzung auf ein bestimmtes Ergebnis ermöglichen, von denen es im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände aber auch eine Ausnahme geben kann (einfache Erfahrungssätze). Auf dieser Grundlage lassen sich verschiedene Kategorien der Ungeeignetheit von Beweismitteln unterscheiden. Ergibt sich die Untauglichkeit des Beweismittels aus einem allgemeingültigen Erfahrungssatz,1385 so liegt absolute, folgt sie dagegen aus einem einfachen Erfahrungssatz,1386 so liegt relative Ungeeignetheit vor. Ist bei den persönlichen Beweismitteln (Zeugen, Sachverständige) die Beweisuntauglichkeit von deren Willen unabhängig,1387 so kann von objektiver Ungeeignetheit gesprochen werden, dagegen von subjektiver Ungeeignetheit, wenn sie von einer Willensbetätigung abhängt.1388 Eine allgemeingebräuchliche Einteilung gibt es insoweit nicht; so wird etwa vielfach ein nur geringer, geminderter oder zweifelhafter Beweiswert eines Beweismittels, der generell nicht zur Annahme völliger Ungeeignetheit hinreicht, als „relative Ungeeignetheit“ bezeichnet.1389 Liegt die völlige Ungeeignetheit des Beweismittels nicht auf der Hand, kommt sie 231 aber in Betracht, so kann das Gericht die für die Prüfung des Ablehnungsgrundes notwendigen Tatsachen oder den anzuwendenden Erfahrungssatz im Wege des Freibeweises ermitteln.1390 Es kann hierzu den Akteninhalt verwerten oder Erkundigungen einziehen, etwa ob die verfügbaren Anknüpfungstatsachen für die Erstattung eines Sachverständigengutachtens ausreichen (s. auch Rn. 238). Ob nach der konkreten, eventuell freibeweislich ermittelten Sachlage das benannte 232 Beweismittel völlig ungeeignet ist, diesem also keinerlei Beweiswert zukommen kann,

_____ 305; MDR 1984 74; OLG Hamm VRS 7 (1954) 131; JMBlNW 1964 215; 1982 225; KG JR 1983 479; StV 1993 120; NStZ-RR 2011 121; OLG Köln VRS 24 (1963) 217; 59 (1980) 351; 63 (1982) 126; OLG Schleswig SchlHA 1979 144; Meyer-Goßner/Schmitt 58; Alsberg/Güntge 1177, 1180. 1383 Krit. auch Herdegen FS Boujong 789, der an die Stelle der sicheren Lebenserfahrung das Erfordernis der „intersubjektiv akzeptablen, in hohem Maße plausiblen Argumentation“ treten lassen will, aber nicht aufzeigt, wonach sich die intersubjektive Akzeptanz beurteilt und wer die Maßstäbe hierfür bestimmt; im Grunde wird hiermit nur das Erfordernis einer nachvollziehbaren Darlegung der „Lebenserfahrung“ umschrieben. 1384 Allein auf diese Fälle will Engels GA 1981 28 den Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit beschränken; ebenso MüKo/Trüg/Habetha 278 f.; ähnlich SK/Frister 143 f.; dem zuneigend auch Alsberg/Güntge 1179. 1385 Wenn etwa ein blinder Zeuge für eine visuelle Wahrnehmung benannt wird, Rn. 233. 1386 Wenn beispielsweise eine Erinnerung des Zeugen an den unter Beweis gestellten Vorgang ausgeschlossen erscheint, weil dieser lange zurückliegt, Rn. 234. 1387 Blinder Zeuge für visuelle Wahrnehmung, Rn. 234; fehlende Anknüpfungstatsachen für Sachverständigen, Rn. 238. 1388 Etwa (nach h.M.) eine feststehende Aussageverweigerung, Rn. 236; zu dieser umstrittenen Fallgruppe vgl. insgesamt Rn. 235 ff. 1389 S. etwa BGH NJW 1983 404; VRS 47 (1974) 19, 20; NStZ 1985 515, 516; bei Holtz MDR 1978 988; BayObLG MDR 1981 338; OLG Düsseldorf NStZ 1990 506; AK/Schöch 90; Meyer-Goßner/Schmitt 58. 1390 BGH NJW 1983 404 f.; StV 1981 167; 1984 60; 1990 7; 1990 246 f.; NStZ 1995 97; 1999 362, 363; 2003 611; 2007 476, 477 f.; 2012 345; 2016 116, 117; NStZ-RR 2013 186; BayObLG MDR 1981 338; OLG Düsseldorf VRS 57 (1979) 289, 291; KG StV 1993 120; KMR/Paulus 357; Meyer-Goßner/Schmitt 58; Alsberg/ Güntge 1182; krit. HK/Julius 32; KK/Krehl 149.

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hat das Gericht im Wege einer antizipierenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu prüfen. Für diese gelten strenge Maßstäbe;1391 sie ist nur in engen Grenzen statthaft, denn „die Verhinderung des Versuchs eines Verfahrensbeteiligten, die aus den schon gebrauchten Beweismitteln erwachsenen Vorstellungen von den zu untersuchenden Ereignissen und Zuständen durch einen Gegenbeweis zu verdrängen, muss die Ausnahme bleiben“.1392 Die völlige Ungeeignetheit des Beweismittels darf daher nur aus diesem selbst in seiner Beziehung zu der Beweisbehauptung abgeleitet werden1393 und das auch nur in Anwendung eines allgemeingültigen oder einfachen Erfahrungssatzes. Ein Rückgriff auf das bisherige Beweisergebnis, mag es auch noch so gesichert erscheinen, ist nicht erlaubt; denn damit würde nicht die Ungeeignetheit des Beweismittels, sondern die wahrscheinliche Widerlegung der Beweisbehauptung zum Ablehnungsgrund erhoben. Eine derartige vorweggenommene Beweiswürdigung ist im Rahmen des Ablehnungsgrundes der völligen Ungeeignetheit unzulässig.1394 Ebenso wenig vermag ein allein geminderter, geringer oder zweifelhafter Beweiswert des benannten Beweismittels die Annahme völliger Ungeeignetheit zu rechtfertigen;1395 denn etwa auch Wahrscheinlichkeitsaussagen eines Sachverständigen (vgl. Rn. 239), entfernt liegende Indiz- oder Hilfstatsachen1396 oder auch die Angaben „zwielichtiger“ Zeugen sind nicht per se zur Sachaufklärung untauglich.1397 Schon gar nicht steht dem Gericht ein Ermessensspielraum zu.1398 233

b) Völlig ungeeigneter Zeuge. Zur Bestätigung der Beweisbehauptung absolut und objektiv völlig ungeeignet ist ein Zeuge, wenn er den Sachverhalt, den er wahrgenommen haben soll, aus physischem oder psychischem Unvermögen gar nicht wahrgenommen haben kann oder nicht dazu in der Lage ist, ihn wiederzugeben. Dieses Unvermögen kann sich aus einem dauernden körperlichen oder geistigen Gebrechen ergeben,1399 etwa wenn ein tauber Zeuge aussagen soll, was er gehört, oder ein blinder

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1391 RG JW 1932 3097; BGH NJW 1989 1045, 1046; NStZ 2004 508; 2010 52; OLG Köln StV 1995 293, 294; Meyer-Goßner/Schmitt 60. 1392 RG HRR 1932 Nr. 79; s. auch RGSt 63 332; RG HRR 1934 Nr. 1426; OGHSt 3 144. 1393 BGH NJW 1989 1045, 1046; NStZ 2004 508; 2007 476, 477; 2010 52; NStZ-RR 2002 242; OLG Schleswig StV 2014 276, 277. 1394 BGH GA 1956 384; NJW 1989 1045, 1046; NStZ 1981 32; 1984 564; 1994 45; 2007 476, 477; NStZ-RR 1997 302, 303; 2002 242; BGH bei Miebach NStZ 1989 219; BGH StV 1987 237; 1993 232, 233; 1993 508; 2009 4 f.; VRS 47 (1974) 20; BGH bei Holtz MDR 1976 108; 1978 281; 1978 988; BayObLG MDR 1981 338; OLG Frankfurt StV 2005 13; OLG Hamm JMBlNW 1964 215; OLG Köln VRS 24 (1963) 217; Weigelt DAR 1964 314; KK/Krehl 149; s. demgegenüber die – mit Recht – nicht weiter verfolgten Erwägungen in BGH NStZ 1997 503, 504 m. abl. Anm. Herdegen = StV 1997 567 m. abl. Anm. Wohlers; zu dem Sonderfall, dass ein Zeuge für die Vernehmung in der Hauptverhandlung unerreichbar ist, aber durch einen beauftragten oder ersuchten Richter oder auf audiovisuellem Wege vernommen werden könnte, das Gericht der Verlesung des Vernehmungsprotokolls bzw. der audiovisuellen Vernehmung aber keinen Beweiswert zumessen würde, vgl. Rn. 260 f. 1395 RG JW 1931 3560 m. Anm. Bohne; 1932 3097; BGH NJW 1989 1045, 1046; NStZ 1995 45; 1999 578; BGH NStZ-RR 1997 304; 2002 242; StV 1984 232; 1993 508; bei Holtz MDR 1978 281; OLG Düsseldorf NStZ 1990 506; KG StV 1993 120; OLG Köln StV 1996 368; OLG Schleswig StV 2014 276, 277; Eisenberg (Beweisrecht) 221; KK/Krehl 149; Meyer-Goßner/Schmitt 58. 1396 Kann das Gericht dies im konkreten Einzelfall für eine Indiz- oder Hilfstatsache ausschließen, kann es den Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung zurückweisen. 1397 Zu dem Sonderfall der Ablehnung eines Beweisantrags auf Vernehmung eines Zeugen, wenn dieser nur kommissarisch oder audiovisuell vernommen werden kann (völlige Ungeeignetheit oder Unerreichbarkeit?), s. Rn. 260 f. 1398 BGH VRS 47 (1974) 19. 1399 RGSt 31 404; RG Recht 1915 Nr. 1256; 1920 Nr. 526; Eisenberg (Beweisrecht) 217; Meyer-Goßner/ Schmitt 59.

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Zeuge, was er gesehen hat.1400 Es kann aber auch aus einer vorübergehenden geistigen Störung oder aus Trunkenheit zur Zeit der vermeintlichen Wahrnehmung folgen.1401 Geisteskrankheit macht nicht unter allen Umständen ungeeignet zum Zeugnis.1402 Gleiches gilt für eine geistige Behinderung.1403 Es kommt auf den Grad der Störung an, die gegebenenfalls durch freibeweisliche Befragung eines Sachverständigen zu klären ist. Einem Zeugen kann ferner eine richtige Auffassung des zu schildernden Vorgangs unmöglich gewesen sein, weil dieser, wie das bei einem wenige Jahre alten Kind zutreffen mag, seine geistigen Fähigkeiten überstiegen hat.1404 Ähnlich liegt es, wenn die Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erfordert, über die er nicht verfügt.1405 Auch wenn – schon nach dem Beweisantrag – feststeht, dass der Zeuge von seinem Standort aus den Vorgang nicht wahrnehmen konnte, liegt Ungeeignetheit vor.1406 Jedoch ist hier vorrangig zu klären, ob der Zeuge tatsächlich für seine unmittelbare Wahrnehmung des Vorgangs benannt worden ist oder nicht lediglich für eine Schlussfolgerung auf den Vorgang aus anderen Umständen, so dass tatsächlich nur ein Beweisziel bezeichnet worden und daher gar kein Beweisantrag gegeben ist (Rn. 96 f.). Diese Frage und nicht die Geeignetheit des Beweismittels steht auch dann im Vordergrund, wenn ein Zeuge für die Glaubwürdigkeit eines Dritten,1407 den pornographischen Charakter eines Films1408 oder für die subjektiven Vorstellungen eines anderen benannt wird;1409 denn hier sind Wertungen, Beurteilungen oder Schlussfolgerungen, nicht aber die Tatsachen unter Beweis gestellt, über die der Zeuge aus eigener Beobachtung berichten kann. Erst wenn nach entsprechendem Hinweis der Antrag klargestellt (s. Rn. 115) und durch die Behauptung konkreter, vom Zeugen wahrgenommener Tatsachen dem Beweisbegehren die Eigenschaft eines Beweisantrags verliehen wird, kann die Prüfung der Eignung des Zeugen als Beweismittel (sowie der sonstigen Ablehnungsgründe) sinnvoll vorgenommen werden. Die relative Ungeeignetheit eines Zeugen als Beweismittel ist insbesondere in den 234 Fällen zu bejahen, in denen es zwar nicht notwendigerweise, aber unter normalen Umständen auszuschließen ist, dass der Zeuge zu der im Beweisantrag behaupteten Tatsache etwas bekunden kann,1410 etwa wenn nach der Sachlage alles dagegen spricht, dass

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1400 AK/Schöch 92; Eb. Schmidt 53; SK/Frister 145; Alsberg/Güntge 1184 m.w.N. 1401 RG GA 54 (1907) 303; OLG Düsseldorf VRS 57 (1979) 285, 290; OLG Hamm DAR 1961 203; JMBlNW 1982 224; OLG Köln StV 1996 368; KMR/Paulus 133; Meyer-Goßner/Schmitt 59; Alsberg/Güntge 1184. 1402 RGSt 58 396; RG JW 1932 3268. 1403 Hetzer/Pfeiffer NJW 1964 441; vgl. Eisenberg (Beweisrecht) 1363 ff. 1404 RG GA 39 (1891) 219; RG Recht 1910 Nr. 2768; JW 1914 434; Seibert NJW 1960 19; Alsberg/Güntge 1184. 1405 RG GA 49 (1903) 264; BGH VRS 21 (1961) 429, 431; Eb. Schmidt 53; KMR/Paulus 135; MeyerGoßner/Schmitt 59; SK/Frister 145; Alsberg/Güntge 1186; vgl. auch BGH bei Becker NStZ 2003 417. 1406 OLG Düsseldorf VRS 57 (1979) 289, wonach insoweit auch freibeweisliche Ermittlungen – hier durch Verlesung eines Anhörungsbogens – zulässig sind (zw.); vgl. Alsberg/Güntge 1185; KMR/Paulus 134; ferner BGH StV 1981 113 (völlige Nichteignung versteht sich angesichts der im Antrag behaupteten Wahrnehmungsmöglichkeiten nicht von selbst). 1407 A.A. BGH GA 1967 343 (Lehrer zur Glaubwürdigkeit einer seiner Schülerinnen); Alsberg/Güntge 1186; KMR/Paulus 135. 1408 Vgl. aber auch OLG Stuttgart Justiz 1982 400, 401 zu einer Beweisbehauptung, die Tatsachen anführt, welche der Wertung als pornographisch zugrunde liegen. 1409 A.A. (Beweisantrag ist gegeben, da Zeuge eventuell äußere Umstände bekunden kann, die Schlüsse auf die fremdpsychischen Tatsachen zulassen; Antrag ist entsprechend auszulegen): BGH StV 1984 61; 1987 236, 237; 1991 500, 501; NStZ 2008 580; 2008 707; OLG Hamm NStZ-RR 2000 176, 177; KG VRS 43 (1972) 193; OLG Koblenz wistra 1985 121, 122; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1975 190; OLG Zweibrücken StV 1990 440, 441; Alsberg/Güntge 1185; vgl. auch KK/Krehl 150; Meyer-Goßner/Schmitt 59. 1410 BGHSt 14 339, 342; 37 157; BGH NJW 1983 404; NStZ 1984 564; 1995 98; NStZ-RR 2012 51, 52; StV 1990 7; 1990 98; 1991 388; 1993 240; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 4, 6; OLG Köln StV 1996 368.

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er den zu beweisenden Umstand überhaupt wahrgenommen oder im Gedächtnis behalten hat, und auch keine Besonderheiten des Sachverhalts ersichtlich sind oder behauptet werden, die das Gegenteil als möglich erscheinen lassen.1411 Besteht eine solche Möglichkeit, so ist der Zeuge kein völlig ungeeignetes Beweismittel. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls,1412 deren Beurteilung strengen Maßstäben unterliegt (s. Rn. 232 m.w.N.); es muss sicher davon auszugehen sein, dass eine verwertbare Aussage des Zeugen keinesfalls zu erwarten ist, seine Vernehmung daher völlig nutzlos wäre.1413 Allein die Annahme, der Zeuge werde die Beweisbehauptung nicht bestätigen, kann wegen der darin liegenden unzulässigen Beweisantizipation (Rn. 183 f.) daher von vornherein nicht genügen,1414 ebenfalls nicht, dass es sich lediglich um einen Zeugen vom Hörensagen handelt.1415 Auch eine nur eingeschränkte Wahrnehmungsfähigkeit reicht nicht aus,1416 ebenso wenig, für sich (vgl. § 60 Nr. 1), mangelnde Verstandesreife oder Verstandesschwäche des Zeugen.1417 Wird ein Zeuge zu einem länger zurückliegenden Geschehen benannt, so kann seine Ungeeignetheit dann nicht ohne weiteres wegen des Zeitablaufs auf sicher fehlende Erinnerung gestützt werden, wenn er über ein Ereignis berichten soll, das er ganz bewusst wahrgenommen hat.1418 Aber selbst wenn dies nicht der Fall war, kommt der Ablehnungsgrund nicht in Betracht, solange nach den Umständen auch nur eine geringe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Zeuge sich noch an den unter Beweis gestellten Umstand erinnern kann.1419 Dies gilt insbesondere dann, wenn seine Rückerinnerung deswegen möglich erscheint, weil er über ein Ereignis berichten soll, das für ihn bedeutsam war oder sein Interesse geweckt hatte, es sich um einen einmaligen außergewöhnlichen Vorgang handelte oder um einen solchen, für den er Erinnerungshilfen (etwa schriftliche Unterlagen des Polizeibeamten) zu Rate ziehen kann,1420 oder wenn der Zeuge im Rahmen einer freibeweislichen Anhörung sogar plausible Gründe dafür genannt hat, warum er sich an das weit zurückliegende Ereignis noch im Einzelnen erinnert.1421 Dagegen ist es nach allgemeiner Erfahrung regelmäßig auszuschließen, dass dem Zeugen ein weit zurückliegendes, für ihn völlig belangloses Ereignis im Gedächtnis verblieben ist.1422 Die künftige Willensentschließung und -betätigung eines Menschen lässt sich kaum 235 je in Anwendung allgemein anerkannter Erfahrungssätze sicher prognostizieren. Es erscheint daher im Allgemeinen ausgeschlossen, einen Zeugen deswegen als subjektiv

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1411 BGH NStZ 2010 52; NStZ-RR 1997 331; OLG Köln StV 1995 293, 294 f.; s. aber auch KG StV 1993 120 (keine Pflicht, die Tauglichkeit eines Beweismittels durch nähere Ausführungen zu belegen); HK/Julius 32. 1412 BGH NJW 1989 1045, 1046; NStZ 1993 295, 296; NStZ-RR 2005 78. 1413 BGHSt 14 339, 342; BGH NStZ 1999 362, 363; NStZ-RR 2005 78; 2012 51, 52; 2013 185; StV 1982 339, 341; kritisch Alsberg/Güntge 1201; ablehnend SK/Frister 146. 1414 BGH NStZ 1999 362, 363; NStZ-RR 1997 302, 303; Eisenberg (Beweisrecht) 215. 1415 BGH NStZ 1999 578. 1416 KG StV 1993 120. 1417 HK/Julius 32; s. Rn. 233. 1418 OLG Frankfurt JR 1984 40 m. Anm. Peters. 1419 BGH StV 1981 167; 1984 232; 1989 238, 239; 1993 232; OLG Hamm DAR 1957 132; 1961 203; KG StV 1993 120; OLG Köln StV 1995 293, 294 f. (Erinnerung eines achtjährigen Kindes an zwei Jahre zurückliegenden Verkehrsunfall); 1996 368; KK/Krehl 151; Weigelt DAR 1964 314. 1420 BGH NJW 1989 1045, 1046; NStZ 2004 508; 2010 52; NStZ-RR 2005 78; 2012 51, 52; StV 1981 167; 1982 339, 340 f.; 1983 339; bei Dallinger MDR 1973 372; BayObLGSt 1964 135; OLG Hamm DAR 1961 203; KK/Krehl 151; Weigelt DAR 1964 315. 1421 BGH NStZ-RR 2005 78. 1422 RGSt 54 181, 182; 56 134; 58 380; RG GA 71 (1927) 130; JW 1932 3097 m. Anm. Mannheim; BVerfG NStZ 2004 214, 215; BGH NStZ 1993 295, 296; 2000 156, 157 (Bedienung eines Schnellrestaurants zu Gästen vor 16 Monaten); StV 1982 339, 341; 1990 78; BGH bei Dallinger MDR 1973 372; bei Spiegel DAR 1983 203; BayObLGSt 1964 135; OLG Köln StV 1996 368; abl. SK/Frister 146.

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ungeeignetes Beweismittel einzustufen, weil von ihm keine oder keine wahrheitsgemäße Aussage zu erwarten steht.1423 Dennoch werden in der – insbesondere älteren – Rechtsprechung und in Teilen des Schrifttums einige Fallgruppen anerkannt, in denen eine derartige Prognose gerechtfertigt sei und daher auf dieser Grundlage ein Beweisantrag auf Zeugenvernehmung wegen Ungeeignetheit des Beweismittels zurückgewiesen werden könne. Diese Rechtsprechung ist – aus unterschiedlichen Gründen (s. Rn. 236 f.) – überwiegend abzulehnen. Sie kann allenfalls für die Fälle gebilligt werden, in denen aufgrund des bisherigen Verhaltens eines Zeugen sicher zu erwarten ist, dass er wegen seiner feindseligen Einstellung zu Gericht und Staat die Hauptverhandlung nur stören und weiterhin jede Einlassung verweigern wird1424 oder sich hartnäckig auf ein ihm tatsächlich nicht zustehendes Zeugnisverweigerungsrecht beruft.1425 In beiden Fällen werden jedoch zunächst die zulässigen Ordnungs- und Zwangsmittel (§ 178 GVG, § 70) auszuschöpfen sein; ob hierzu allein die Verhängung von Ordnungsgeld ausreicht, wenn der Zeuge erklärt, auch Ordnungs- oder Beugehaft werde ihn nicht zur Aussage bewegen,1426 erscheint zweifelhaft.1427 In Rechtsprechung und Schrifttum wird ein Zeuge teilweise dann als völlig ungeeig- 236 netes Beweismittel angesehen, wenn er im Bewusstsein seines Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechts (§§ 52, 53, 53a, 55) dem erkennenden Gericht gegenüber erklärt oder eindeutig zu erkennen gegeben hat, er werde von diesem Recht Gebrauch machen, sollte er (erneut) zur Hauptverhandlung geladen werden.1428 Angenommen werden könne dies etwa auch dann, wenn er die Aussage berechtigterweise verweigert habe, als er durch einen beauftragten oder ersuchten Richter vernommen werden sollte, und wenn kein Anhalt dafür bestehe, dass er nunmehr aussagen werde.1429 Das gelte aber nur, wenn die Sachlage sich seit der Zeugnisverweigerung nicht verändert habe. Seien Anzeichen dafür vorhanden, dass der Zeuge sich anders entscheiden könnte, so müsse dem Beweisantrag stattgegeben werden, etwa wenn ersichtlich sei, dass sich der Zeuge über die rechtliche Tragweite der Zeugnisverweigerung irre;1430 insbesondere dürfe das Berufungsgericht, wenn der Zeuge das Zeugnis im ersten Rechtszug verweigert habe, den Antrag, ihn als Zeugen zu vernehmen, nicht schon deshalb ablehnen, weil er hierdurch zum Ausdruck gebracht habe, dass ihm generell der Wille zum Zeugnis fehle.1431 Erkläre sich ein nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 zur Verweigerung der Aussage berechtigter Zeuge zur Aussage bereit, sofern er von der Schweigepflicht entbunden werde, so sei er, sofern die Erklärung hierüber alsbald beigebracht werden könne, kein ungeeignetes Beweismittel.1432 Allein das Bestehen des Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechts sowie die nicht hinreichend gesicherte Prognose, der Zeuge werde sich hierauf berufen, seien für die Annahme der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels nicht ausreichend.1433 All dies

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1423 Eisenberg (Beweisrecht) 222. 1424 BGH bei Schmidt MDR 1983 4; Meyer-Goßner/Schmitt 59. 1425 BGH JR 1999 427 m. abl. Anm. Hecker = StraFo 1999 85 m. abl. Anm. Hiebl.. 1426 Vgl. BGH NStZ 1999 46. 1427 Vgl. Hecker JR 1999 429; Hiebl StraFo 1999 87; Meyer-Goßner/Schmitt 59; SK/Frister 147. 1428 RG HRR 1937 Nr. 615; BGHSt 21 12 f. = NJW 1966 742 m. Anm. Seydel sowie Hanack JZ 1972 115; BGH NJW 1991 50, 52; NStZ 1982 126 f.; 1986 181; NStZ-RR 2003 205, 206; bei Becker NStZ 2004 434; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Unerreichbarkeit 17; BayObLGSt 1967 49; OLG Zweibrücken NStZ-RR 2005 113, 114; Roxin/ Schünemann § 45, 24 f.; vgl. AK/Schöch 94 (problematisch). 1429 RG HRR 1939 Nr. 1566. 1430 BGHSt 21 12; BayObLGSt 1967 49; vgl. BGH NStZ-RR 2003 205, 206. 1431 Vgl. RG JW 1932 3100 m. Anm. Hirsch. 1432 KG StV 1991 507. 1433 RG JW 1931 3560; BGH StV 1989 140; 1990 394; bei Holtz MDR 1978 281; 1981 196; KK/Krehl 152; Meyer-Goßner/Schmitt 61.

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trifft jedoch nur im Ausgangspunkt zu. Die Folge der berechtigten Ausübung eines Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechts ist indessen nicht die völlige Ungeeignetheit des Zeugen als Beweismittel, sondern gemäß § 244 Abs. 3 Satz 1 die Unzulässigkeit der Beweiserhebung.1434 Die zutreffende Einordnung ist auch nicht unerheblich.1435 Denn ist die Beweiserhebung unzulässig, so muss der Beweisantrag nach § 244 Abs. 3 Satz 1 zwingend abgelehnt werden, während die Ablehnung eines Beweisantrages wegen Untauglichkeit des Beweismittels gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 im Ermessen des Gerichts steht; das Gericht hat aber gerade keine Befugnis, ein zu Recht ausgeübtes Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht durch eine Ermessenausübung zu überspielen. 237 Entgegen verschiedentlich geäußerter Auffassung kann die subjektive Ungeeignetheit eines Zeugen als Beweismittel auch nicht damit begründet werden, er sei persönlich derart unglaubwürdig, dass eine wahrheitsgemäße Aussage nicht zu erwarten und seine Vernehmung daher völlig nutzlos sei.1436 Weitgehend Einigkeit besteht noch insoweit, als allein persönliche Beziehungen des Zeugen zum Angeklagten, wie Verlöbnis, Ehe, Verwandtschaft, Schwägerschaft,1437 Bekanntschaft,1438 wirtschaftliche Abhängigkeit,1439 Freundschaft oder Feindschaft,1440 aber auch eine versuchte Anstiftung zur Falschaussage1441 oder Vorstrafen, selbst wegen Falschaussage1442 oder Meineids,1443 den Schluss auf die völlige Ungeeignetheit nicht rechtfertigen. Gleiches gilt bei einer Verstrickung des Zeugen in den Gegenstand der Untersuchung,1444 so wenn etwa Anzeichen dafür vorliegen, dass der Zeuge die Tat selbst begangen, sich irgendwie an ihr beteiligt1445 oder den Angeklagten begünstigt hat1446 (dies folgt schon aus §§ 55, 60 Nr. 2) oder dass er einer Straftat schuldig geworden ist, die mit der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat in einem inneren Zusammenhang steht oder dieser tatsächlich oder recht-

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1434 So die ältere Rspr. des RG, etwa RGSt 38 256, 257; 40 345, 346; 41 32; ebenso BGHSt 14 21, 23 und in jüngerer Zeit wieder BGH NStZ 2001 48; Alsberg/Güntge 848, 1196; Eb. Schmidt 34; KK/Krehl 152; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 110, s. aber auch Rn. 137; vgl. Rn. 189, 194. Unzutreffend ist es auch, wenn ein solcher Zeuge gelegentlich als unerreichbar angesehen wird, vgl. Rn. 256. 1435 So aber BayObLGSt 1967 49. 1436 Alsberg/Güntge 1195; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 138; SK/Frister 148; SSW/Sättele 193; s. auch AK/Schöch 94; Roxin/Schünemann § 45, 22; so der Sache nach wohl auch OLG Zweibrücken NStZ-RR 2005 113, 114; a.A. RG JW 1934 2622; HRR 1932 Nr. 79; 1934 Nr. 1426; BGHSt 14 339, 342 m. abl. Anm. Hanack JZ 1972 115 f.; BGH NStZ 1982 41 Ls.; 1984 42, 43; OLG Schleswig SchlHA 1979 144, 145; vgl. auch BGH bei Holtz MDR 1982 104; stark einengend: KK/Krehl 153 (nur wenn Gründe evident); Meyer-Goßner/Schmitt 61 (besondere Ausnahmefälle). 1437 RGSt 56 140; 63 329, 331; RG JW 1925 371 m. Anm. Oetker; JW 1937 761; Recht 1903 Nr. 911; BGH NJW 1952 191; BGH bei Spiegel DAR 1977 174; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 494; OLG Hamm JMBlNW 1950 62; OLG Köln VRS 24 (1963) 217; OLG Stuttgart JR 1975 383 m. Anm. Göhler; Alsberg/Güntge 1189. 1438 RGSt 46 385 (Bekanntschaft aus Strafanstalt); RG Recht 1918 Nr. 828 (Zuhälter); BGH StV 1985 356 (Kreis um Angeklagten). 1439 RG JW 1932 404, 405 m. Anm. Oetker; Alsberg/Güntge 1194; AK/Schöch 94. 1440 Vgl. OLG Hamm JMBlNW 1950 62, 63 (Verletzung der Aufklärungspflicht); Alsberg/Güntge 1194. 1441 RG HRR 1934 Nr. 1426; KMR/Paulus 127; a.A. RG Recht 1917 Nr. 1197, wo es gebilligt worden ist, dass ein Zeuge, den der Antragsteller zu einer falschen Aussage hatte verleiten wollen, als völlig ungeeignetes Beweismittel abgelehnt worden war. 1442 RG JW 1928 2255; KG JR 1983 479; AK/Schöch 94; Meyer-Goßner/Schmitt 61. 1443 RGSt 46 383, 385; RG JW 1927 2467 m. Anm. Mannheim; 1928 2255; Alsberg/Güntge 1192. 1444 RGSt 31 139; RG JW 1933 451 m. Anm. Alsberg; 1932 404 m. Anm. Oetker; GA 54 (1907) 303; RG HRR 1932 Nr. 79; BGH bei Spiegel DAR 1981 198; OLG Hamburg NJW 1953 917; OLG Hamm NJW 1968 954, 955; KMR/Paulus 127; Meyer-Goßner/Schmitt 61; vgl. Alsberg/Güntge 1190 f. m.w.N. zu der nicht immer einheitlichen Rechtsprechung. 1445 RGSt 31 139; RG LZ 1917 235; 1919 1144. 1446 RGSt 51 69 (Hehler); BGH NJW 1952 191; BGH bei Holtz MDR 1978 281; vgl. RG Recht 1920 Nr. 527 (Vortäter des Hehlers); KMR/Paulus 126 f.

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lich gleicht.1447 Selbst wenn sich aus derartigen Besonderheiten erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des benannten Zeugen ergeben, gilt auch hier, dass das Gericht den Wert eines Beweismittels nur auf Grund seines eigenen Eindrucks in der Hauptverhandlung beurteilen darf; der Zeuge ist daher zu hören.1448 Daran ändern selbst ganz außergewöhnliche Umstände nichts, etwa die Tatsache, dass der Zeuge wegen einer früheren Bestätigung der Beweistatsache bereits wegen Meineids verurteilt worden ist.1449 Alles andere liefe auf die Anwendung eines Erfahrungssatzes des Inhalts hinaus, dass derjenige, der zu einem Punkt einmal gelogen hat, hierzu stets die Unwahrheit sagen wird und ihm auch ansonsten nie zu glauben ist; ein solcher Erfahrungssatz besteht nicht. Im Übrigen wird die Validität zeugenschaftlicher Bekundungen heute vorrangig nach den Kriterien der inhaltlichen Aussageanalyse geprüft (Glaubhaftigkeitsprüfung) und nicht mehr oder nur stark nachrangig nach der Glaubwürdigkeit der Auskunftsperson im Sinne einer allgemeinen Charaktereigenschaft.1450 Die inhaltliche Analyse einer Aussage ist aber nur möglich, wenn der Zeuge vernommen wird. c) Völlig ungeeignetes Sachverständigengutachten. Ein Sachverständiger ist ein 238 objektiv völlig ungeeignetes Beweismittel zunächst dann, wenn es deswegen an den Grundlagen für eine Gutachtenerstattung mangelt, weil die erforderlichen Anknüpfungstatsachen fehlen, auf denen die sachverständige Beurteilung notwendig aufbauen muss.1451 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich der Sachverständige nach Inhalt oder Sinn des Beweisantrags auf Tatsachen stützen müsste, die das Gericht bereits als Beweisgrundlage ausgeschlossen hat,1452 oder die nach den Umständen des Falles, etwa weil die notwendige Untersuchung nach §§ 81, 81a, 81c nicht durchgeführt werden darf,1453 nicht ermittelbar sind. Ebenso liegt es, wenn die Anknüpfungstatsachen nach dem Gegenstand der Beweisbehauptung,1454 wegen der verflossenen Zeit1455 oder aus sonstigen Gründen, auch im Wege eines Versuchs, nicht mehr rekonstruierbar sind.1456 Ein Sachverständigengutachten über die Alkoholverträglichkeit des Angeklagten ist daher, auch in Verbindung mit einer nachträglichen Belastungs- oder Fahrprobe, kein ge-

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1447 RGSt 31 139; RG DJZ 1903 574; HRR 1939 Nr. 359; 1939 Nr. 1209. 1448 Vgl. RGSt 31 140; 74 149; 75 14; 77 200; RG GA 54 (1907) 303; 60 (1913) 420; Recht 1925 Nr. 116; DRiZ 1928 Nr. 419; HRR 1939 Nr. 359; 1939 Nr. 1209; BGH NJW 1989 1045, 1046; NStZ 1995 45; NStZ-RR 2002 242; bei Holtz MDR 1978 281; OLG Düsseldorf VRS 39 (1995) 43; OLG Hamburg NJW 153 917; OLG Köln VRS 24 (1963) 217; s. die w.N. oben bei Rn. 232. 1449 A.A. KG JR 1983 479. 1450 Vgl. BGHSt 45 164; BGH NJW 2005 1519, 1521; StV 2002 639, 640. 1451 Vgl. BGHSt 14 339, 342; i.E. zust. Hanack JZ 1972 115 f.; ferner etwa BGH NStZ 1981 32; 1995 97; 2003 611, 612; 2005 458; 2007 476, 477; 2009 48, 49; StV 1981 394, 395; 1982 102; 1990 7; 2000 598 Ls.; 2016 116, 117; 2018 300, 301 m. Anm. Ventzke; NStZ-RR 1997 304; BayObLGSt 1966 4; BayObLG VRS 59 (1980) 266; OLG Celle NdsRpfl. 1982 66; OLG Hamm NJW 1968 1205; NStZ 1998 425; OLG Koblenz VRS 45 (1973) 367; 50 (1976) 185; OLG Köln VRS 63 (1982) 126; OLG Zweibrücken VRS 61 (1981) 435; AK/Schöch 92; KK/Krehl 154; KMR/Paulus 138; Meyer-Goßner/Schmitt 59a; SK/Frister 149; Eisenberg (Beweisrecht) 216; Alsberg/Güntge 1204. 1452 BGH NStZ 2018 300, 301 m. Anm. Ventzke; BGH bei Holtz MDR 1982 283; vgl. OLG Koblenz VRS 45 (1973) 369. 1453 BGH StV 1991 405; OLG Celle StV 1987 518; s. aber auch Rn. 239. 1454 Vgl. BGH bei Holtz MDR 1976 108 (Fehlen des sexuellen Impulses bei Vergewaltigung); s. BGH bei Holtz MDR 1978 988: entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles. 1455 Vgl. BayObLGSt 1966 6 (Zuverlässigkeit eines vor Monaten benutzten Radargeräts); OLG Düsseldorf VRS 60 (1981) 122 (Blutprobe). 1456 BGH NStZ 2012 345; VRS 35 (1968) 264; 36 (1969) 189; 50 (1976) 115; bei Holtz MDR 1977 108; BayObLGSt 1966 4; Eisenberg (Beweisrecht) 216; Alsberg/Güntge 1204; Meyer-Goßner/Schmitt 59a; vgl. Rn. 242.

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eignetes Mittel, um nachträglich dessen durch Blutalkoholanalyse festgestellte Fahruntüchtigkeit in Frage zu stellen.1457 Lässt der Versuch, den der Sachverständige durchführen soll, unbeschadet der veränderten Verhältnisse dagegen Rückschlüsse zu, die Anhaltspunkte für die Beurteilung des an sich nicht rekonstruierbaren entscheidungsrelevanten Geschehens geben können, so ist die sachverständige Begutachtung nicht völlig ungeeignet (s. näher Rn. 239). Ob die notwendigen Anknüpfungstatsachen ermittelt oder in hinreichendem Umfang rekonstruiert werden können, ist – soweit unklar1458 – zunächst vorab im Wege des Freibeweises, naheliegend durch Befragung eines für die Beurteilung der Beweisbehauptung kompetenten Sachverständigen, zu klären, 1459 insbesondere auch, ob gegebenenfalls der Sachverständige selbst die notwendigen Tatsachen auf Grund seiner Sachkunde aufzudecken vermag.1460 Völlig ungeeignet ist eine sachverständige Begutachtung weiter dann, wenn eine wissenschaftliche Beweisführung zu der Beweisbehauptung von vornherein ausscheidet1461 oder die Untersuchungsmethode, auf die der Beweisantrag abzielt, nicht ausgereift ist und ihr daher der erforderliche Beweiswert fehlt,1462 so etwa – nach derzeitigem Stand – die Durchführung eines Polygraphentests.1463 Völlige Ungeeignetheit des Sachverständigenbeweises liegt schließlich dann vor, wenn ein Gutachten zu einer von jedermann ohne besondere Sachkunde festzustellenden Tatsache eingeholt werden soll, die durch Zeugen oder einen Augenschein beweisbar ist,1464 oder eine Begutachtung aus der Sicht einer Fachrichtung gefordert

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1457 BGHSt 10 265; BGH VRS 25 (1963) 264; 28 (1965) 190; 36 (1969) 189; BGH bei Holtz MDR 1977 108; OLG Hamm VRS 34 (1968) 287; NJW 1968 1468; OLG Oldenburg VRS 46 (1974) 198; Alsberg/Güntge 1204; Marmann GA 1953 148; Weigelt DAR 1964 317; Wiethold/Gruber NJW 1955 371. 1458 S. demgegenüber etwa BGH NStZ-RR 2006 140, 141; StV 2011 711, 712 (der Inhalt einer Zeugenaussage kann dem Sachverständigen durch bei der Vernehmung anwesende Personen vermittelt werden); 2011 728, 733 (die zu begutachtenden Gegenstände befanden sich in amtlicher Verwahrung); bei Becker NStZ 2006 497. 1459 Etwa BGH NJW 1983 404 f.; NStZ 1995 97; 2003 611; StV 1984 60; 1990 7; 1990 246 f.; bei Pfeiffer/ Miebach NStZ 1983 211; 1985 15; BayObLG MDR 1981 338; OLG Celle StV 2003 431; vgl. aber auch BGH NStZ 2007 476, 477. Zur von dieser Frage zu trennenden Problematik des Erwerbs eigener Sachkunde s. Rn. 71. 1460 BGH StV 1990 98; 1990 246; 2015 206; BayObLG NJW 2003 3000; Meyer-Goßner/Schmitt 59b. 1461 Vgl. BGH NJW 1978 1207 (Parapsychologie); vgl. Alsberg/Güntge 1202; Krause FS Peters 327; Wimmer NJW 1976 1133; AK/Schöch 92; Meyer-Goßner/Schmitt 59a; a.A. SK/Frister 150: Unerreichbarkeit. 1462 BGH NStZ 1985 515, 516; StV 1991 338; 1993 68; 1993 340, 341; 1997 338; 2007 476, 477; MeyerGoßner/Schmitt 59a; SK/Frister 149. 1463 BGHSt 44 308 = NJW 1999 657 m. Anm. Hamm S. 922 sowie Meyer-Mews NJW 2000 916 = JR 1999 379 m. Anm. Amelung = NJ 1999 153 Ls. m. Anm. Artkämper = JuS 1999 714 Ls. m. Anm. Kargl/Kirsch JuS 2000 537; BGH NStZ 2011 474, 475 (Kontrollfragentest); NStZ-RR 2000 35; Bertl Die Zulässigkeit des Polygraphen als Beweismittel im Strafprozess (2018; für Österreich); Drohsel StV 2018 827 ff.; Schoreit StV 2004 284; krit. Schüssler Polygraphie im deutschen Strafverfahren (2002) 166 ff.; ders. JR 2003 188; a.A. etwa Putzke/Scheinfeld/Klein/Undeutsch ZStW 121 (2009) 607 ff.; Roxin/Schünemann § 25, 18 m.w.N. (für das Ermittlungsverfahren); Seiterle Hirnbild und „Lügendetektion“ (2010) S. 48 ff.; ders. StraFo 2014 58 ff. mit Hinweis auf zwei amtsgerichtliche Entscheidungen, die sich auf die Ergebnisse polygraphischer Untersuchungen stützen. Unabhängig von der Einwilligung der Beweisperson hatten im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1 GG, § 136a den Einsatz eines Polygraphen als unzulässig angesehen: BVerfG NStZ 1981 446 f. m. Anm. Amelung NStZ 1982 38 sowie Bspr. Schwabe NJW 1982 367; BGHSt 5 332; OLG Frankfurt NStZ 1988 425 (jedenfalls wenn die Ergebnisse zum Nachteil des Beschuldigten herangezogen werden sollen); OLG Karlsruhe NStZ-RR 1997 75; LG Düsseldorf StV 1998 647; LG Hannover NJW 1977 1110; LG Wuppertal NStZRR 1997 75; s. auch BVerfG NStZ 1998 523; offen gelassen für den Fall der Einwilligung des Beschuldigten: BVerfG StraFo 1998 16 m. Anm. Scherer; s. auch Eisenberg (Beweisrecht) 696 ff. m. zahlr. w.N.; Putzke/Scheinfeld/Klein/Undeutsch aaO S. 628 ff.; Seiterle (Hirnbild) S. 100 ff. 1464 BGH NStZ 2013 118, 119; OLG Düsseldorf VRS 60 (1981) 122; KG VRS 48 (1975) 432; Alsberg/Güntge 1202; Meyer-Goßner/Schmitt 59a; SK/Frister 151. Zu denken ist hier daneben an den Ablehnungsgrund der eigenen Sachkunde (Absatz 4 Satz 1), zu dem eine klare Grenzziehung kaum möglich scheint; auch wird

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wird, der für die Beurteilung der Beweisbehauptung die Kompetenz fehlt.1465 Was sachverständig bewiesen werden kann und welche Fachrichtung hierfür kompetent ist, hängt ab vom jeweiligen Erkenntnisstand der Wissenschaft und der Eignung ihrer Methoden.1466 Ob einer sachverständigen Begutachtung danach Beweiswert zukommt, ist nach allgemeiner Lebens- oder richterlicher Berufserfahrung zu beurteilen oder, soweit dies nicht hinreicht, ebenfalls vorab freibeweislich zu klären (s. Rn. 231). Die Geeignetheit eines Sachverständigengutachtens kann nicht deswegen in Zweifel gezogen werden, weil zur Feststellung der unmittelbar entscheidungserheblichen Tatsache an die sachverständige Beurteilung eines Sachverhalts noch eine rechtliche Bewertung anschließen muss.1467 Auch für den Sachverständigen gilt, dass allein ein eingeschränkter Beweiswert 239 die völlige Ungeeignetheit des Beweismittels nicht begründet.1468 Ein Gutachten ist daher auch dann tauglich, wenn der Sachverständige aus generellen Gründen oder wegen im Einzelfall nicht hinreichend verfüg- oder ermittelbarer Anknüpfungstatsachen nach prospektiver Einschätzung nicht in der Lage sein wird, sichere Aussagen zur Richtigkeit der Beweisbehauptung zu treffen; denn selbst wenn er sich insoweit nur zu Möglichkeiten oder mehr oder weniger großen Wahrscheinlichkeiten äußern kann, können seine Bekundungen unter Berücksichtigung sonstiger Beweisergebnisse und gegebenenfalls im Hinblick auf den Zweifelssatz Einfluss auf die Beweiswürdigung des Gerichts haben.1469 Ein psychiatrischer oder psychologischer Sachverständiger ist als Beweismittel daher nicht schon deswegen völlig ungeeignet, weil die zu begutachtende Person ihre Einwilligung zu einer Untersuchung verweigert, aber die Möglichkeit besteht, dass er gestützt auf andere Erkenntnisquellen zur Wahrscheinlichkeit der unter Beweis gestellten Tatsachen Stellung nehmen1470 oder dem Gericht zumindest allgemein wissenschaftliche Erfahrungssätze zur Beurteilung der Beweisbehauptung an die Hand geben kann.1471 Entsprechend rechtfertigt der Umstand, dass ein Zeuge die Aussage verweigert, nicht die Ablehnung des Sachverständigenbeweises zur Glaubhaftigkeit von früheren Aussagen

_____ durch Befragung des Antragstellers oder Auslegung des Antrags zu klären sein, ob der Beweisantrag statt auf Sachverständigengutachten tatsächlich auf Zeugenbeweis gerichtet ist (der Sachverständige soll eigentlich Augenscheinsgehilfe des Gerichts werden). Es kommt immer auf den Einzelfall an. 1465 Alsberg/Güntge 1201. Das Gericht ist aber an den vorgeschlagenen Sachverständigen nicht gebunden (§ 73 Abs. 1 Satz 1); es kann auch einen Gutachter einer anderen Fachrichtung wählen (BGH bei Holtz MDR 1984 981) und muss dies unter Aufklärungsgesichtpunkten (§ 244 Abs. 2) tun, wenn die Beweisbehauptung entscheidungsrelevant ist und durch den Vertreter einer anderen Fachrichtung geklärt werden kann; s. Rn. 240. 1466 S. etwa BGH NStZ 1984 521 (anthropologisches Gutachten für Identitätsnachweis bei Vermummung); BGH StV 1993 340 (Faserspuren); ferner OLG Hamm VRS 7 (1954) 130 (Auskunft über Lichtverhältnisse und Wetter zur Tatzeit); OLG Köln NJW 1967 2416 m. Bspr. Koffka JR 1968 228 (erbbiologisches bzw. serologisches Vaterschaftsgutachten); AG Ingolstadt DAR 1953 133 (Gutachten einer physikalisch-bioklimatischen Forschungsstelle über Reizwetterlage); vgl. auch BGH NJW 2000 1350 („Jeansfaltengutachten“). 1467 BGH NStZ-RR 2006 140, 141: „Erheblichkeit“ der Verminderung der Schuldfähigkeit (§ 21 StGB). 1468 BGH StV 2011 711 f.; OLG Schleswig StV 2014 276, 277. 1469 BGH NJW 1983 404; NStZ 1984 564; 1985 515, 516; 1995 97, 98; 2007 476, 477; 2008 116; 2009 48, 49; 2009 346, 347; 2012 345; 2016 116, 117; NStZ-RR 1997 304; 2000 291; StV 1982 102; 1988 46; 1990 7; 1990 98; 1990 246; 1997 338; 2009 4, 5; 2015 206; OLG Celle StV 2003 431; OLG Düsseldorf StV 1991 11 (Schriftgutachten bei nur drei Worten); OLG Schleswig StV 2014 276, 277; SK/Frister 150. 1470 BGH NStZ 1982 432; 2009 346, 347; 2015 299; StV 1990 246; 1991 404, 405 m. Anm. Blau; 2007 513; KG StV 1997 65 m. krit. Anm. Düring/Eisenberg S. 456; Wasserburg FS Paeffgen 693 ff.; s. auch Beckert 120 ff., 170 f. 1471 Vgl. BGH StV 1994 634.

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des Zeugen.1472 Dies gilt erst recht, wenn der Sachverständige zwar während der Vernehmung des Zeugen in der Hauptverhandlung nicht anwesend war, diesen aber im Ermittlungsverfahren exploriert und ein schriftliches Gutachten zur Glaubwürdigkeit des Zeugen und zu der Glaubhaftigkeit seiner Angaben gefertigt hatte.1473 Problematisch sind die Fälle, in denen – eventuell aufgrund freibeweislicher Erhebungen – feststeht, dass das beantragte Gutachten keine sicheren Aussagen zu der Beweisbehauptung wird liefern können, das Gericht jedoch antizipierend zu der Einschätzung gelangt, die nur mögliche oder selbst die wahrscheinliche Richtigkeit der Beweisbehauptung werde keinen Einfluss auf seine Überzeugungsbildung haben. Eine Zurückweisung des Beweisantrags wegen Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung kommt hier nicht in Betracht, da im Rahmen dieses Ablehnungsgrundes die Beweistatsache wie erwiesen (s. Rn. 220) und nicht nur als möglich oder wahrscheinlich in die antizipierende Würdigung einzustellen ist.1474 Eher gangbar scheint der Weg, trotz des eingeschränkt vorhandenen Beweiswerts ausnahmsweise die Annahme völliger Ungeeignetheit des Beweismittels zuzulassen.1475 Jedoch hat das Gericht im Ablehnungsbeschluss darzulegen, warum es im Hinblick auf das sonstige Beweisergebnis bei antizipierender Würdigung durch die mögliche oder wahrscheinliche Richtigkeit der Beweisbehauptung in seiner Überzeugungsbildung nicht beeinflusst würde; insofern schlägt die Nähe zum Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit doch durch (vgl. Rn. 225 f.). Wird im Beweisantrag ein konkreter Sachverständiger benannt, so kann der Antrag 240 nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, dieser Sachverständige sei ein subjektiv völlig ungeeignetes Beweismittel, weil ihm die erforderliche Sachkunde fehle; vielmehr obliegt es in einem solchen Fall dem Gericht, einen geeigneten Sachverständigen auszuwählen (§ 73).1476 Ein Sachverständiger ist auch nicht schon deswegen ein subjektiv völlig ungeeignetes Beweismittel, weil ihm möglicherweise die Unbefangenheit fehlt.1477 Ist er dagegen gemäß § 74 erfolgreich abgelehnt worden, so ist seine Anhörung als Sachverständiger schon unzulässig (Absatz 3 Satz 1; s. Rn. 189); er kann allenfalls noch als Zeuge vernommen werden.1478 241

d) Völlig ungeeigneter Urkundsbeweis. Urkunden können völlig ungeeignete Beweismittel sein, wenn sich die Tatsache, die bewiesen werden soll, nicht aus ihnen ergeben kann. So können etwa aus Revisionsurteilen keine Tatsachen festgestellt werden.1479 Die Abschrift eines Briefs besagt für sich allein nichts über seine Absendung oder den Zugang, sofern dies nicht aus anderen Umständen (Bearbeitungsvermerken usw.) erschlossen werden kann.1480 Abschriften sind ferner völlig ungeeignete Beweismittel, wenn es auf den ursprünglichen Inhalt der Urkunde ankommt und feststeht, dass dieser nachträglich verfälscht worden ist,1481 oder wenn nicht aufklärbar ist, ob die Abschrift

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1472 BGHSt 14 21; 23 1 = JR 1970 67 m. Anm. Peters; BGH NStZ 1982 432; 2015 299; StV 1981 216; bei Holtz MDR 1979 988 f.; Alsberg/Güntge 1205; zu einem Ausnahmefall s. BGH StV 1991 404; s. auch die Erl. zu § 81c. 1473 BGH StV 2011 711 f. 1474 Unrichtig daher BGH NStZ 1998 369. 1475 So BGH bei Kusch NStZ-RR 2000 291. 1476 BGH StV 2011 728, 733. 1477 Alsberg/Güntge 1203. 1478 A.A. BGH NStZ 1999 632, 633: als Sachverständiger völlig ungeeignetes Beweismittel. 1479 BGHSt 7 8. 1480 Vgl. Alsberg/Güntge 1208. 1481 Beling JW 1927 2782; Alsberg/Güntge 1208 m.w.N.

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dem Original entspricht.1482 Ebenso liegt es, wenn Geschäftsbücher so unordentlich geführt worden sind, dass aus ihnen keine Erkenntnisse für die Richtigkeit der in der Beweisbehauptung aufgestellten Tatsachen gewonnen werden können, weil schon vom äußeren Anschein her eindeutig erkennbar ist, dass ihr Zustand keinerlei Schlüsse auf Geschäftsvorfälle oder sonstige beweisrelevante Tatsachen erlaubt.1483 Es kommt aber immer auf die gesamte Beweislage an; in Verbindung mit anderen Beweismitteln können auch solche Urkunden als Beweismittel geeignet sein.1484 e) Völlig ungeeigneter Augenschein. Ein Augenschein ist objektiv völlig ungeeig- 242 net, wenn sich sein Gegenstand nach der Tat so verändert hat, dass er keine hinreichenden Anhaltspunkte über seine frühere Beschaffenheit mehr bietet,1485 wenn nicht mehr rekonstruierbare Umstände bewiesen werden sollen (Lichtverhältnisse am Unfallort)1486 oder wenn er überhaupt keinen Aufschluss über die Beweistatsache geben kann.1487 Da das Gericht hier durch Absatz 5 Satz 1 freier gestellt ist, wird es die Ablehnung des Augenscheins meist hierauf stützen (s. auch Rn. 343). Auf diese Vorschrift kann das Gericht insbesondere auch zurückgreifen, wenn von der Augenscheinseinnahme kein sicheres Beweisergebnis zu erwarten steht; nach den allgemeinen Grundsätzen (Rn. 232) kommt insoweit eine Ablehnung des Antrags wegen völliger Ungeeignetheit des Augenscheins dagegen nicht in Betracht. f) Ablehnungsbeschluss. Die Begründung des Beschlusses, der die Beweiserhe- 243 bung ablehnt, muss ohne jede Verkürzung oder sinnverfehlende Interpretation der Beweisthematik1488 alle tatsächlichen Umstände dartun, aus denen das Gericht auf die völlige Wertlosigkeit des angebotenen Beweismittels schließt.1489 Das bisherige Beweisergebnis darf es dabei nicht argumentativ heranziehen.1490 Die Tatsachen, aus denen es die völlige Wertlosigkeit herleitet, sowie die dafür maßgebenden Überlegungen müssen so konkret mitgeteilt werden, dass der Antragsteller noch in der Hauptverhandlung Gegenvorstellungen erheben und später das Revisionsgericht nachprüfen kann, ob die Annahme der mangelnden Eignung frei von Rechtsfehlern ist (s. allg. Rn. 134). Je augenfälliger die Ungeeignetheit des Beweismittels ist, umso knapper kann die Begründung ausfallen.1491

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1482 RG GA 39 (1891) 234; LG Frankfurt/Main StV 1987 144 (Niederschriften über Inhalt nicht mehr vorhandener Tonbänder); Alsberg/Güntge 1208; Eisenberg (Beweisrecht) 220; Wömper MDR 1980 980 (differenzierend); Meyer-Goßner/Schmitt 59d; a.A. KK/Krehl 155 (wenn die Person, die die Abschrift gefertigt hat, als Zeuge vernommen werden kann); Radtke/Hohmann/Kelnhofer 136; SK/Frister 152. 1483 RG JW 1925 371; Alsberg/Güntge 1208; AK/Schöch 92. 1484 RG Recht 1928 Nr. 992; vgl. die Erl. zu § 249. 1485 RGSt 47 100, 106; Alsberg/Güntge 1207; Eisenberg (Beweisrecht) 220; SK/Frister 152; vgl. Weigelt DAR 1964 318. 1486 BGH bei Martin DAR 1962 74; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1984 104; Weigelt DAR 1964 314; ferner OLG Hamm JMBlNW 1978 277 (Ortsbesichtigung in Verbindung mit Versuch); vgl. OLG Frankfurt DAR 1977 305; Meyer-Goßner/Schmitt 59c. 1487 Vgl. Alsberg/Güntge 1207: Besichtigung eines Hauses besagt nicht, welches Zimmer zur Tatzeit beleuchtet war; ferner OLG Frankfurt VRS 64 (1983) 287, 288 (Lichtbild zum Nachweis des Tathergangs einer Geschwindigkeitsüberschreitung nicht geeignet). 1488 BGH NStZ-RR 2010 211, 212; StV 1991 500; 2008 449. 1489 BGH NJW 1989 1045; NStZ-RR 2010 211, 212; 2014 316, 317; JR 1954 310; VRS 19 (1960) 20; bei Becker NStZ 2003 417 (fehlende Anknüpfungstatsachen für Sachverständigengutachten); BayObLG MDR 1981 338; OLG Hamm JMBlNW 1982 224; OLG Köln VRS 24 (1963) 217; OLG Schleswig SchlHA 1979 144. 1490 Vgl. die Nachw. bei Rn. 232. 1491 Alsberg/Güntge 1438.

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6. Unerreichbarkeit des Beweismittels a) Allgemeines. Die Beweise müssen in der Hauptverhandlung erhoben werden (§ 261). Beweismittel, bei denen dies nicht möglich ist, scheiden als unmittelbare Erkenntnisquelle aus. Beweisanträge, die trotzdem solche Beweismittel benennen, dürfen deshalb wegen der Unerreichbarkeit des Beweismittels abgelehnt werden.1492 Die Hauptverhandlung muss dabei nicht notwendig im Gerichtssaal stattfinden. Ein Beweismittel ist auch erreichbar, wenn es nur in einer Hauptverhandlung verwendet werden kann, die ganz oder teilweise an einem anderen Ort (Krankenhaus, Wohnung, Tatort usw.) durchgeführt wird. Die Unerreichbarkeit als Ablehnungsgrund des § 244 Abs. 3 Satz 2 bezieht sich daher auf die Verwendbarkeit des im Beweisantrag bezeichneten Beweismittels in der Hauptverhandlung; zu Sonderformen der Vernehmung beim Zeugen- und Sachverständigenbeweis s. Rn. 259 ff. Der Anwendungsbereich des Ablehnungsgrundes der Unerreichbarkeit liegt in der 245 Praxis hauptsächlich beim Zeugenbeweis.1493 Unerreichbar können aber auch andere Beweismittel sein, etwa wenn eine bestimmte Urkunde nicht auffindbar ist oder nicht herausgegeben wird und nach §§ 96, 97 auch nicht beschlagnahmt werden darf, ebenso wenn der beantragte Augenschein nicht durchgeführt werden kann, weil der Verfügungsberechtigte dem Gericht oder der mit dem Augenschein beauftragten Person die Besichtigung des Gegenstandes oder des in Augenschein zu nehmenden Ortes befugt versagt (s. Rn. 262). Beim Sachverständigenbeweis scheidet die Unerreichbarkeit als Ablehnungsgrund weitgehend aus, weil der Sachverständige austauschbar ist; nur in sehr seltenen Ausnahmefällen ist eine Ablehnung wegen Unerreichbarkeit denkbar (s. Rn. 263).

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b) Voraussetzungen der Unerreichbarkeit. Ein Beweismittel ist aus tatsächlichen Gründen unerreichbar, wenn es für die Hauptverhandlung nicht verfügbar ist, alle seiner Bedeutung und seinem Wert entsprechenden Bemühungen, es beizubringen, erfolglos geblieben sind und wenn nach der Sachlage auch keine begründete Aussicht besteht, es in absehbarer Zeit herbeizuschaffen.1494 Die bloße Möglichkeit, dass es irgendwann einmal zur Verfügung stehen könnte, schließt die Unerreichbarkeit nicht aus.1495 Als absolut unerreichbar werden Beweismittel bezeichnet, deren Verwendung in der Hauptverhandlung schlechthin unmöglich ist, weil sie nicht oder nicht mehr vorhanden sind (Beweisperson ist gestorben; Beweisgegenstand ist zerstört).1496 „Relativ“ unerreich-

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1492 S. auch die §§ 223, 251 zu sonstigen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten bei der Unerreichbarkeit von Beweispersonen; die Rechtsprechung zu diesen Vorschriften hat auch für das Verständnis des Begriffs der Unerreichbarkeit nach § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutung, jedoch müssen die strukturellen Unterschiede der Bestimmungen beachtet werden. 1493 Vgl. Alsberg/Güntge 1212; KK/Krehl 159. 1494 BVerfGE 57 273; BGHSt 22 118, 120; 29 390; 32 68, 73; BGH NJW 1953 1522; 1979 1788; 1990 398, 399; 2000 443, 447 (insoweit in BGHSt 45 270 nicht abgedruckt); NStZ 1982 78; 1982 212; 1983 180, 181; 1983 422; 1985 375; 1993 50; 2018 740, 741; StV 1981 603; 1986 418, 419; 1987 45; JZ 1988 982; GA 1954 374; 1965 209; 1980 422; StraFo 2017 109, 111; BayObLGSt 1978 170; BayObLG StV 1988 55, 56; OLG Celle GA 1961 216; 1977 180; OLG Hamm NJW 1964 2073; DAR 1973 192; KG NJW 1954 770; StV 2005 13; OLG Karlsruhe VRS 51 (1976) 61; OLG München NStZ-RR 2007 50, 51; OLG Schleswig StV 1982 11; SchlHA 1979 144; bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1975 190; bei Ernesti/Lorenzen SchlHA 1980 174; Herdegen NStZ 1984 338; AK/Schöch 95; KK/Krehl 156; Meyer-Goßner/Schmitt 62a; krit. Alsberg/Güntge 1210; Hamm/Hassemer/Pauly 282 ff.; Julius (Unerreichbarkeit) 95 ff.; ter Veen StV 1985 297 („ernste Bedenken“); HK/Julius 33; ablehnend MüKo/Trüg/Habetha 299 ff.; s. auch Rn. 255. 1495 RGSt 38 257; RG JW 1927 1491; Eisenberg (Beweisrecht) 225. 1496 Alsberg/Güntge 1210.

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bar sind Beweismittel, bei denen nicht bekannt und trotz der nach den Umständen gebotenen Nachforschungen auch nicht feststellbar ist, ob sie noch vorhanden sind oder an welchem Ort sie sich befinden. Dass die Beiziehung nur mit Schwierigkeiten verbunden ist, deren Überwindbarkeit fraglich erscheint, rechtfertigt es nicht, schon von Anfang an Unerreichbarkeit anzunehmen.1497 Das Gericht muss von sich aus alle erkennbaren, nicht von vornherein aussichtslosen tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten ausnützen, um das ihm genannte Beweismittel beizubringen. Erst nach Erschöpfung der nach der Sachlage gebotenen Bemühungen1498 darf es von der Unerreichbarkeit ausgehen. Auch Rechtsgründe können ein Beweismittel unerreichbar machen,1499 so etwa 247 wenn sie verhindern, dass das Gericht das Erscheinen eines dazu freiwillig nicht bereiten Zeugen erzwingen kann.1500 Schließen allerdings die Rechtsgründe die Verwendung des Beweismittels überhaupt aus, so dass es das Gericht selbst bei Zugriffsmöglichkeit nicht verwenden dürfte, dann ist ein darauf abzielender Beweisantrag nicht wegen der rechtlichen Unerreichbarkeit des Beweismittels, sondern wegen der Unzulässigkeit der Beweiserhebung abzulehnen.1501 c) Unerreichbarer Zeuge aa) Unbekannter Aufenthalt. Ein Zeuge ist unerreichbar, wenn seine Heranzie- 248 hung daran scheitert, dass das Gericht seine genaue Identität oder seinen Aufenthalt nicht kennt und auch nicht ermitteln kann.1502 Abzugrenzen hiervon sind jedoch die Fälle, in denen die fehlende Angabe dieser Umstände in dem Beweisbegehren die nicht hinreichende Individualisierung des Zeugen und damit die unzureichende Konkretisierung des Beweismittels zur Folge hat. Hier fehlt es bereits an einem Beweisantrag (s. Rn. 104 f.), so dass es sich allein nach der Aufklärungspflicht richtet, ob sich das Gericht um die Individualisierung und Vernehmung des Zeugen bemühen muss; es ist daher zu einer umfassenden antizipierenden Würdigung berechtigt.1503 Liegt dagegen ein Beweisantrag vor, so muss das Gericht unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls entscheiden, welche Bemühungen es zu entfalten hat, bevor es den Antrag wegen der Unerreichbarkeit des Beweismittels ablehnen darf.1504 Unerlässlich ist, dass es von sich aus die üblichen Routineermittlungen zur Feststellung des Aufenthalts möglichst parallel miteinander in die Wege leitet, sofern deren Aussichtslosigkeit nicht bereits eindeutig feststeht.1505 Welche Anstrengungen es darüber hinaus aufwenden muss, richtet sich vor

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1497 RG HRR 1942 Nr. 133; Alsberg/Güntge 1210. 1498 Vgl. Rn. 248 ff., auch zu der insoweit erforderlichen Abwägung. 1499 A.A. SK/Frister 161; nur im Ansatz abweichend Hoffmann 99 ff., der zwischen objektiven und subjektiven Hinderungsgründen unterscheidet, ohne hierdurch zu wesentlich abweichenden Ergebnissen zu gelangen. 1500 Alsberg/Güntge 1211; Arzt FS Peters 224; Herdegen NStZ 1984 337; KMR/Paulus 460. 1501 Die Grenze zwischen der rechtlichen Unerreichbarkeit eines Beweismittels und der auf Rechtsgründen beruhenden Unzulässigkeit der Beweiserhebung wird unterschiedlich gezogen; vgl. Rn. 189, 194, 236. Wie hier etwa Alsberg/Güntge 1211; Meyer-Goßner/Schmitt 66; a.A. etwa BGH bei Holtz MDR 1980 987; Roxin/Schünemann § 45, 24 f.; wohl auch Tiedemann MDR 1963 456; ferner BGHSt 23 1 (offengelassen); s. hier näher Rn. 256. 1502 RGSt 38 257; 52 43; 53 197; RG Recht 1905 Nr. 2517; 1911 Nr. 1693; JW 1914 433; 1927 1610. 1503 Vgl. Alsberg/Güntge 1209; KK/Krehl 161; SSW/Sättele 204. 1504 Vgl. RGSt 38 323, 326; BGH StV 1999 196; bei Kusch NStZ-RR 1999 259; BGHR § 251 Abs. 2 Unerreichbarkeit 3; außerdem die w.N. zu Rn. 246. 1505 OLG München NStZ-RR 2007 50, 51; ferner zur Pflicht zur Vornahme der Routineermittlungen Julius (Unerreichbarkeit) 125 ff.; vgl. auch Rn. 249.

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allem nach seiner Aufklärungspflicht,1506 nach dem Beweiswert, der der zu erwartenden Aussage für die zu treffende Entscheidung zukommt,1507 sowie der Pflicht, für eine zügige Durchführung des Verfahrens zu sorgen.1508 Dies setzt eine Prognose von Beweiswert und Beweisbedeutung der beantragten Beweiserhebung im Beweisgefüge voraus1509 sowie eine realistische Einschätzung der Wahrscheinlichkeit der dem Gericht offenen Möglichkeiten, den Zeugen überhaupt beiziehen zu können. Die Abwägung aller im konkreten Fall hereinspielenden Gesichtspunkte bestimmt, welche möglichen und nicht von Anfang an aussichtslosen Maßnahmen das Gericht versuchen muss, bevor es die Erreichbarkeit des im Beweisantrag benannten Beweismittels verneinen darf.1510 Nach herrschender Auffassung ist in diese Abwägung auch die Bedeutung der Sache einzubeziehen.1511 Dies überzeugt jedoch nicht; denn es lässt sich schwerlich rechtfertigen, einen Zeugen, der zu einer für die Entscheidung bedeutsamen Beweisbehauptung (ansonsten könnte der Antrag mit anderer Begründung zurückgewiesen werden) aussagen soll, je danach als unerreichbar anzusehen, ob dem Angeklagten ein eher geringfügiges Vergehen oder ein schwerwiegendes Verbrechen zur Last liegt.1512 249 Mit Hinweis auf die gebotene Vorsicht vor Verallgemeinerung der genannten Entscheidungen lassen sich als beispielhafte Konstellationen anführen: Ein namentlich bekannter Zeuge ist nur dann unerreichbar, wenn alle geeigneten Nachforschungen zur Ermittlung seines Aufenthalts ohne Erfolg versucht worden sind, wobei auch die früheren Versuche mitberücksichtigt werden dürfen.1513 Ob sich das Gericht damit begnügen darf, dass die Nachforschungen einer anderen Behörde keinen Erfolg hatten, hängt von den jeweiligen Umständen, nicht zuletzt auch von Umfang und Intensität dieser Ermittlungen und der zwischenzeitlich verstrichenen Zeit ab;1514 in der Regel wird eine Aktualisierung notwendig sein. Zur Annahme der Unerreichbarkeit genügt für sich weder der Rückgang der Ladung mit dem Vermerk „unbekannt, wohin verzogen“1515 noch der Um-

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1506 H.M.: BGHSt 22 118, 120; BGH NStZ 1991 143; Herdegen NStZ 1984 338; Meyer-Goßner/Schmitt 62a. 1507 BGHSt 22 118, 120; BGH NJW 1953 1522; NStZ 1982 127; 1985 281, 282; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 16; BGH StV 1982 51, 52; 1982 507; 1983 7; StraFo 2017 109, 110 (Tatzeuge); bei Holtz MDR 1988 819; OLG Frankfurt StV 1984 147; OLG Hamm MDR 1988 695; OLG München NStZ-RR 2007 50, 51; KK/Krehl 160 (Relevanz der Zeugenaussage im Hinblick auf gesamte Beweiskonstellation); Meyer-Goßner/Schmitt 62a; s. auch Julius (Unerreichbarkeit) 65 ff., 96 ff. 1508 BGHSt 22 118, 120; BGH NStZ 1982 127; 1990 245; 1991 143; 1993 349, 350; bei Dallinger MDR 1975 368; OLG Schleswig SchlHA 1979 144; StV 1982 11; Julius (Unerreichbarkeit) 78, 89 ff.; Herdegen NStZ 1984 338; AK/Schöch 96; KK/Krehl 160; Meyer-Goßner/Schmitt 62a. 1509 Vgl. etwa RGSt 46 383, 386; BGH NStZ 1982 127; 1982 472; Herdegen NStZ 1984 338; KK/Krehl 160; eine Vorwegwürdigung ist insoweit notwendig und zulässig; kritisch Alsberg/Güntge 1210; a.A. Engels GA 1981 27; Hamm/Hassemer/Pauly 284; SK/Frister 154; s. auch Julius (Unerreichbarkeit) 108 (Aussagebedeutung ist Kriterium für die Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen den widerstreitenden Maximen) sowie zur Beurteilung der einzelnen Abwägungskriterien S. 66 ff. 1510 Vgl. dazu die Beispiele in Rn. 249. 1511 H.M.: BGHSt 22 118, 120; BGH NStZ 1982 127; StV 1981 602, 603; BayObLG StV 1982 412 f.; KG StV 1983 95; OLG München NStZ-RR 2007 50, 51; OLG Schleswig SchlHA 1979 144; StV 1982 11; KK/Krehl 160; Meyer-Goßner/Schmitt 62a; SSW/Sättele 204. Nach Herdegen NStZ 1984 338 ist die Schwere des Anklagevorwurfs ein zu unbestimmter Gesichtspunkt; so auch Hoffmann 129; Julius (Unerreichbarkeit) 98 ff. 1512 Ebenso Alsberg/Güntge 1210. 1513 Vgl. OLG Hamburg VRS 56 (1979) 457, 461; Julius (Unerreichbarkeit) 77. 1514 Vgl. BGH NStZ 1982 212; verneinend RG JW 1932 1224 m. Anm. Scanzoni; vgl. RG Recht 1905 Nr. 2517; Alsberg/Güntge 1213 (keine Fortsetzung bisher ergebnisloser Versuche); dazu Julius (Unerreichbarkeit) 130. 1515 RGSt 12 104; BGH GA 1968 19; BGH bei Herlan MDR 1954 341; BGHR § 251 Abs. 2 Unerreichbarkeit 3; OLG Dresden DRiZ 1930 Nr. 564; OLG Frankfurt StV 1984 147; OLG Hamburg DRiZ 1928 Nr. 438; OLG Hamm OLGSt § 251 S. 9, 11; VRS 74 (1988) 365, 366; KG StV 2005 13, 14 (drei Monate alte Auskunft des

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stand, dass der Zeuge auf Ladung nicht erschienen ist,1516 nicht im Adressbuch steht,1517 nicht ohne weiteres gefunden wurde,1518 nicht vorgeführt werden konnte,1519 sich zur Zeit verborgen hält,1520 mit Haftbefehl gesucht wird,1521 aus einem Hafturlaub nicht zurückgekehrt1522 oder aus dem Ausländerwohnheim verschwunden ist,1523 noch die Feststellung, dass die von einer anderen Behörde erlassene Aufforderung zur Anzeige des Aufenthalts des im Inland umherziehenden Zeugen einige Wochen oder Monate lang keinen Erfolg hatte.1524 Das Unvermögen des Antragstellers zu bestimmten Angaben über Namen, Beruf oder Aufenthalt des Zeugen enthebt – sofern die Mindestanforderungen an die Bestimmtheit der Bezeichnung des Beweismittels gewahrt sind (Rn. 104 f.) – das Gericht selbst dann nicht der Verpflichtung, Nachforschungen bei Stellen oder Personen, die den benannten Zeugen möglicherweise kennen (Melde-, Ausländerbehörden, Arbeitgeber, Arbeitskollegen, Vermieter, Verwandte, Bekannte usw.), zu veranlassen,1525 wenn die Aufklärungspflicht die Vernehmung des Zeugen nicht gebieten würde, aber kein – sonstiger – Ablehnungsgrund des § 244 Abs. 3 Satz 2 eingreift. Diese Nachforschungen müssen aber nicht so lange fortgesetzt werden, bis mit absoluter Sicherheit feststeht, dass das Beweismittel nicht „beizubringen ist“.1526 Es genügt, dass ein Erfolg nicht mehr wahrscheinlich ist, weil alle erkennbaren und sinnvollen Möglichkeiten erfolglos ausgeschöpft sind1527 und bei Abwägung aller hereinspielenden Gesichtspunkte (vgl. Rn. 248) weitere Nachforschungen unverhältnismäßig wären. Von Ermittlungen absehen darf das Gericht nur, wenn sie wegen Fehlens jeglichen 250 Anknüpfungspunkts von vornherein aussichtslos erscheinen,1528 etwa weil der Zeuge sich ohne nähere Mitteilung über den künftigen Aufenthalt ins Ausland begeben hat. Ebenso sollen Zeugen für den Verlauf eines Verkehrsunfalls, von denen nicht feststeht, wer sie sind und wo sie sich zur Zeit des Unfalls aufhielten und die erst durch eine Zeitungsanzeige ermittelt werden sollen, als unerreichbar angesehen werden dürfen.1529 Tatsächlich wird es aber wegen der fehlenden Individualisierung der Zeugen bereits an einem Beweisantrag fehlen (s. Rn. 104 f.), so dass allein die Aufklärungspflicht darüber

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Meldeamtes); OLG Koblenz GA 1974 120, 121; OLG Köln StV 2002 355; Alsberg/Güntge 1215; Herdegen NStZ 1984 338; Kohlhaas NJW 1954 537; Weigelt DAR 1964 315. 1516 BGH StraFo 2017 109, 110; OLG Schleswig bei Lorenzen SchlHA 1987 118 Ls. 1517 RG HRR 1935 Nr. 1360. 1518 BGH JR 1969 266 m. Anm. Peters; BGH NStZ 1982 78; StV 1984 5; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 211; bei Holtz MDR 1977 984. 1519 BGH NStZ 1999 419; StraFo 2017 109, 110. 1520 RG JW 1933 966 m. Anm. Hall; BGH bei Dallinger MDR 1975 726. 1521 OLG München NStZ-RR 2007 50, 51. 1522 OLG Düsseldorf StV 1993 514, 515. 1523 BGH NJW 1990 398, 399. 1524 RG JW 1932 1224 m. Anm. Scanzoni. 1525 RGRspr. 4 63; Recht 1904 Nr. 2359; 1912 Nr. 532; LZ 1921 660; BGH NStZ 1983 180, 181; NStZ-RR 1997 581 (zu den Ermittlungsmöglichkeiten über BZR und AuslZR); StV 1983 318, 319; 1984 5; 1986 468; 1987 45; GA 1975 237; bei Dallinger MDR 1971 547; bei Holtz MDR 1977 984; OLG Frankfurt StV 1986 468, 469; OLG Hamburg StV 2009 9; OLG Koblenz GA 1974 120, 121; Herdegen NStZ 1984 338; Julius (Unerreichbarkeit) 126 ff.; ter Veen StV 1985 298. 1526 Vgl. OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1976 726; Alsberg/Güntge 1215; B. Schmitt ArchKrim 190 (1992) 120 gegen Hoffmann 204 ff. 1527 BGHR § 244 Abs. 6 Beweisantrag 23. 1528 RGSt 52 42, 43; RG JW 1931 949 m. Anm. Alsberg; BGH GA 1964 374; 1968 19; ROW 1961 252, 253; StV 1982 602, 603; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1987 218; Alsberg/Güntge 1213; Meyer-Goßner/Schmitt 62a. 1529 BGH StV 1981 602; OLG Hamm DAR 1956 280; Meyer-Goßner/Schmitt 62a; Herdegen NStZ 1984 338 (nur wenn Aufklärungspflicht dies fordert); weitergehend KMR/Paulus 456 (Nachforschungen mittels Anzeige, sofern nicht aussichtslos); ähnlich RG Recht 1905 Nr. 2517 (öffentliches Aufgebot).

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bestimmt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Bemühungen zur Ermittlung der Zeugen zu entfalten sind. 251

bb) Bekannter Aufenthalt. Unerreichbar kann auch ein Zeuge sein, dessen Aufenthaltsort bekannt ist; denn maßgebend ist seine Verwendbarkeit als Beweismittel für das konkrete Verfahren. Es handelt sich hier zum einen insbesondere um die Fälle, in denen der Zeuge sich im Ausland aufhält und jede Aussage vor dem deutschen Gericht ablehnt oder diese aus Gründen des Rechtshilfeverkehrs nicht gewährleistet wird (Rn. 253 f.); zum anderen sind die Fälle zu nennen, in denen der Vernehmung des Zeugen zwar vorübergehende (s. dazu näher Rn. 255), aber in angemessener Frist nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen,1530 er etwa schwer erkrankt und auf absehbare Zeit nicht vernehmbar ist.

cc) Aufenthalt und Ladung im Ausland. Nach Absatz 5 Satz 2 darf das Gericht den Antrag auf Einvernahme eines im Ausland zu ladenden Zeugen dann ablehnen, wenn es nach pflichtgemäßem Ermessen dessen Einvernahme zur Sachaufklärung nicht für erforderlich hält; dieser erweiterte, allein an der Aufklärungspflicht orientierte Ablehnungsgrund, ist gegenüber § 244 Abs. 3 Satz 2 sachlich vorrangig.1531 Die Frage ihrer Erreichbarkeit spielt deshalb bei den im Ausland zu ladenden Zeugen nur dort noch eine Rolle, wo der Ablehnungsgrund des Absatzes 5 Satz 2 nicht greift, wo also die Aufklärungspflicht an sich ihre Zuziehung angezeigt erscheinen lässt.1532 Bei den zur Beurteilung der Erreichbarkeit erforderlichen Abwägungen (vgl. Rn. 248, 255) werden deshalb bei den im Ausland zu ladenden Zeugen nur noch solche Fälle zu behandeln sein, in denen das Sachaufklärungsinteresse an die dem Gericht abverlangten Nachforschungen erhöhte Anforderungen stellt. Wegen der Möglichkeit der Ablehnung nach Absatz 5 Satz 2 wird auf die Erläuterungen Rn. 352 ff. verwiesen. Vor diesem Hintergrund gilt: Hält das Gericht die Einvernahme des Zeugen aufgrund 253 der Aufklärungspflicht an sich für geboten, so ist es zwar nicht verpflichtet, an einer Beweisaufnahme im Ausland teilzunehmen,1533 darf ihn aber nicht allein deswegen als unerreichbar i.S.d. § 244 Abs. 3 Satz 2 ansehen, weil er sich im Ausland aufhält, damit der deutschen Gerichtsbarkeit nicht unterliegt und sich deswegen durch den Versuch seiner förmlichen Ladung das Verfahren verzögert.1534 Dem Gericht ist daher auch nicht gestattet, zur Beschleunigung des Verfahrens die im Verhältnis zu dem jeweiligen ausländischen Staat gebotene förmliche Ladung durch eine formlose zu ersetzen, die der Zeuge nicht beachten müsste.1535 Es kann den Zeugen, soweit EU-Recht oder völkerrechtliche Vereinbarungen dies zulassen, nach § 37 Abs. 1 StPO, § 183 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Satz 2 ZPO ggf. durch Einschreiben mit Rückschein selbst laden1536 oder – bei Einverständnis des ausländischen Staates – die Ladung über ein deutsches Konsulat betreiben 252

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1530 KK/Krehl 164 unter Bezugnahme auf § 251; zum Verhältnis der Vorschriften eingehend Julius (Unerreichbarkeit) insbes. 48 ff.; s. auch BGHSt 45 188; 46 73 sowie unten Rn. 261. 1531 Vgl. BGHSt 45 188, 189; 55 11, 21 f.; Alsberg/Güntge 1227. 1532 Zum Verhältnis der beiden Ablehnungsgründe zueinander s. BGH NJW 1998 3363; 2001 695; NStZ 2014 531, 532; Rose (Auslandszeuge) 454 f.; einschränkend SK/Frister 240 f.; vgl. aber auch Gleß JR 2002 98; demgegenüber zutreffend KK/Diemer § 247a, 10; s. auch Rn. 354. 1533 BGH NStZ 1985 375; StV 1981 601; 1984 60; wistra 1984 77; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 14; BGHR § 244 Abs. 2 Auslandszeuge 2, 5; a.A. OLG Karlsruhe Justiz 1988 134, 135. 1534 BGH NJW 1985 391, 392; StV 1984 60, 61; 1986 418, 419; wistra 1990 156. 1535 BGH StV 1985 48; AK/Schöch 99; s. aber BGH bei Schmidt MDR 1989 1039. 1536 Meyer-Goßner/Schmitt 63; vgl. OLG Brandenburg StV 2003 324; SK/Frister 159; ferner § 37, 87 ff. Die direkte Übersendung von Urkunden regeln Art. 5 EuRhÜbk und – außerhalb des Geltungsbereichs des EuRhÜbk (vgl. Art. 2 Abs. 2 EuRhÜbk) – Art. 52 SDÜ (zum Vorrang Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner Art. 2, 3 EuRhÜbk; Einführung SDÜ, 4; Art. 52, 10 SDÜ).

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 244

(§ 183 Abs. 3 ZPO),1537 oder es kann ihn im Wege der Rechtshilfe laden lassen.1538 Dies kann auch möglich sein, wenn mit dem betreffenden Staat kein Rechtshilfeabkommen besteht.1539 Das Rechtshilfeersuchen ist jedoch zu unterlassen, wenn dem Zeugen aufgrund der mitzuteilenden Tatsachen die Einleitung eines Strafverfahrens in dem ersuchten Staat mit der Gefahr der Todesstrafe droht.1540 Bei Ladungen, die in einem Vertragsstaat des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen1541 vorgenommen werden sollen, hat das Gericht grundsätzlich auf den Strafverfolgungsschutz nach Art. 12 EuRhÜbk hinzuweisen1542 sowie gegebenenfalls auch auf die Möglichkeit, dass es die Zusicherung freien Geleits (§ 295) selbst bewilligen oder die Bewilligung bei der dafür zuständigen Stelle erreicht werden könne.1543 Dadurch werden möglicherweise Hemmnisse ausgeräumt, die den Zeugen vom Kommen abhalten können,1544 so auch, wenn bei ihm der Verdacht der Tatbeteiligung besteht.1545 Beim Ausbleiben eines ohne Hinweis geladenen Zeugen wird dieser in der Regel nicht als unerreichbar angesehen werden können, sofern nicht erkennbar ist, dass er ohnehin nicht gekommen wäre. Von der Möglichkeit, beim ersuchten Staat unter Hinweis auf die Bedeutung der Aussage nach Art. 10 Abs. 1 EuRhÜbk darauf hinzuwirken, dass dieser gegebenenfalls unter Vorstreckung eines Auslagenvorschusses (Art. 10 Abs. 3 EuRhÜbk) den Zeugen zum Erscheinen auffordert und seine Antwort auf diese Aufforderung mitteilt, ist in der Regel Gebrauch zu machen.1546 Sogar Häftlinge eines anderen Staates können im Wege der Rechtshilfe1547 gegebenenfalls zur Hauptverhandlung überstellt werden.1548

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1537 Vgl. Julius (Unerreichbarkeit) 157; Julius StV 1990 484 m. Länderliste; Meyer-Goßner/Schmitt 63 (einfacher und schneller). 1538 RG HRR 1934 Nr. 1426; 1937 Nr. 361; 1940 Nr. 58; 1940 1367; BGH NJW 1953 1522; 1979 1728; 1983 527; GA 1955 123, 126; 1965 209; NStZ 1984 375; StV 1981 5 m. Anm. Schlothauer; 1982 57; 1984 408; BayObLG bei Rüth DAR 1982 253; OLG Düsseldorf StV 1993 515; OLG Koblenz GA 1974 120; MeyerGoßner/Schmitt 63; ferner Herdegen NStZ 1984 339; Rose wistra 1998 11 ff.; Schnigula DRiZ 1984 180; vgl. § 37, 90 ff. 1539 BGH NStZ 1983 276; bei Miebach NStZ 1990 27; OLG Köln OLGSt N.F. Nr. 2; Meyer-Goßner/Schmitt 63; Herdegen NStZ 1984 339; Hoffmann 120; Julius (Unerreichbarkeit) 164. 1540 BGH NStZ 1999 634. 1541 Dieses Übereinkommen vom 20.4.1959 (EuRhÜbk, BGBl. 1964 II S. 1369, 1976 II S. 1799) wurde auf der Ebene des Europarats geschaffen; es wird für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (mit Ausnahme von Kroatien, Griechenland und Irland) ergänzt – s. Art. 1 Abs. 1 lit. a EURhÜbk – durch das Übereinkommen vom 29.5.2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EURhÜbk, ABlEG Nr. C 197/1 v. 12.7.2000, BGBl. 2005 II S. 650). 1542 BGHSt 32 68, 74 = JR 1984 515 m. Anm. Schlüchter; BGH NJW 1979 1788; 1982 2738; 1983 528; MDR 1982 338; NStZ 1981 146; 1982 212; 1984 373 m. Anm. Schlüchter; 1985 281; 1985 375; StV 1981 5 m. Anm. Schlothauer; 1982 51; 1982 207; 1984 408; 1985 134; Alsberg/Güntge 1225; ferner Rose (Auslandszeuge) 458 f.; Schnigula DRiZ 1984 180; Walter NJW 1977 983; KK/Krehl 167; SK/Frister 159. Auch andere Übereinkommen sichern freies Geleit zu, so insbesondere der nur subsidiär anwendbare Art. 7 Abs. 18 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20.12.1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchstoffen und psychotropen Stoffen (VN-Suchstoffübereinkommen, BGBl. 1993 II S. 1137, 1994 II S. 496). 1543 Dazu Julius (Unerreichbarkeit) 155; Schnigula DRiZ 1984 180; vgl. die Erl. zu § 295 m.w.N., ferner BGHSt 35 216, 218 ff. = StV 1989 92 m. Anm. Lagodny (kein Anspruch auf freies Geleit). 1544 Vgl. etwa BGH StV 1981 5 m. Anm. Schlothauer; 1982 207; MDR 1982 338. 1545 BGH NJW 1982 2738; 1983 528; Meyer-Goßner/Schmitt 63; Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner Vor § 68, 66 ff. IRG; SK/Frister 159. 1546 BGH NJW 1982 2738; 1983 528; NStZ 1984 375; Herdegen NStZ 1984 329; Hoffmann 113 ff.; Julius (Unerreichbarkeit) 171 f.; KK/Krehl 167. 1547 Vgl. insb. Art. 22 der RL 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3.4.2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (RL EEA), in Deutschland umgesetzt durch §§ 91 ff. IRG (für ausgehende Ersuchen gilt insbesondere § 91j IRG); Art. 9 EURhÜbk und Art. 11 EuRhÜbk. 1548 BGH NJW 1983 527; NStZ 1981 146; 1992 141; StV 1981 601; 1984 408 f.; bei Holtz MDR 1981 456; OLG Karlsruhe Justiz 1988 134; KK/Krehl 168; Alsberg/Güntge 1225; Hoffmann 115 f.; Schnigula DRiZ 1984

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§ 244

Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

Bei Straftaten, die nach Maßgabe der jeweiligen internationalen Übereinkommen von der Gewährung der Rechtshilfe ausgenommen sind, wie etwa bestimmte politische oder Steuerdelikte, kann – jedoch nur dann, wenn auch die Staatenpraxis die Ladung im Wege der Rechtshilfe ablehnt – vom Versuch einer Ladung abgesehen werden.1549 Ist dies jedoch zweifelhaft, ist es zur sicheren Feststellung der Unerreichbarkeit1550 meist ratsam, eine ausdrückliche Erklärung des ersuchten Staates herbeizuführen, zumal oft auch geklärt werden muss, ob eine audiovisuelle oder kommissarische Vernehmung des Zeugen im ausländischen Gewahrsam möglich ist.1551 Von den danach grundsätzlich gebotenen Versuchen, durch die förmliche La254 dung des Zeugen im Ausland dessen Vernehmung in der Hauptverhandlung sicherzustellen,1552 darf das Gericht nicht allein deswegen absehen, weil es vermutet, der Zeuge werde der Ladung ohnehin keine Folge leisten. Der Verdacht seiner Tatbeteiligung oder eine ihm hier drohende Strafe oder Vollstreckung sind daher für sich nicht ausreichend, um ohne jegliche Bemühungen um das Erscheinen des Zeugen dessen Unerreichbarkeit annehmen zu können.1553 Auch die bloße Erklärung des Zeugen, nicht erscheinen zu wollen, wird vielfach noch nicht als definitive Weigerung aufzufassen sein, die es rechtfertigt, ihn als unerreichbar zu behandeln.1554 Dies gilt insbesondere dann, wenn er nicht hinreichend über den Gegenstand des Verfahrens und die Person des Angeklagten unterrichtet worden ist.1555 Andererseits ist der erfolglose Versuch der förmlichen1556 Ladung zwar ein wichtiger Hinweis dafür, dass das Gericht das Erforderliche getan hat; er ist aber keine notwendige Voraussetzung für die Feststellung der Unerreichbarkeit eines im Ausland befindlichen Zeugen.1557 Er kann entbehrlich sein, wenn der Zeuge bereits eindeutig und unmissverständlich erklärt hat oder wenn sonst den Gesamtumständen klar zu entnehmen ist, dass er der Ladung in keinem Fall Folge leisten werde.1558 Ein in seiner Bedeutung unklares Verhalten darf jedoch nicht schon als eine endgültige Wei-

_____ 181. Herdegen NStZ 1984 339 weist auf den durch Vorbehalte nach Art. 23 Abs. 1 EuRhÜbk begrenzten Anwendungsbereich dieser Regelung hin; dazu Julius (Unerreichbarkeit) 163; ter Veen StV 1985 302. 1549 So Art. 2 lit. a EuRhÜbk; das Zusatzprotokoll vom 17.3.1978 (BGBl. 1990 II S. 124) lässt ebenso wie Art. 50 Abs. 2 SDÜ und andere neuere Übereinkommen diese Einschränkung weitgehend entfallen. Viele ältere Rechtshilfeverträge enthalten solche Klauseln; da der ersuchte Staat sich aber nicht darauf berufen muss, kommt es darauf an, ob er in solchen Fällen Ladungen in der Regel zulässt; vgl. auch BGH GA 1983 327. Nach RG HRR 1940 Nr. 1367; BGH Urt. v. 5.4.1954 – 1 StR 503/53 braucht in solchen Fällen die Ladung nicht versucht zu werden (vgl. Alsberg/Güntge 1226). 1550 Vgl. BGH wistra 1882 108 m. Anm. Jobski; ferner zur Problematik, in solchen Fällen die Unerreichbarkeit auch ohne förmliche Ladung sicher festzustellen, Julius (Unerreichbarkeit) 159 ff. 1551 Vgl. insb. Art. 24 RL EEA und Art. 10 Abs. 1 EURhÜbK; Alsberg/Güntge 1225; s. auch Rn. 259 ff., § 247a, 6. 1552 BGH NJW 1953 1522; 1983 527, 528; NStZ 1984 375, 376; 1989 130; 1992 141; StV 1984 60, 61; 1984 408, 409. 1553 Vgl. BGH NJW 1982 2738; 1983 528. 1554 Vgl. BGH NStZ 1985 281, 282; StV 1984 60; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 206; Meyer-Goßner/ Schmitt 63; SK/Frister 160. 1555 BGH StV 2001 664. 1556 Zur formlosen Ladung BGH StV 1985 48; NStZ 2018 740, 741 f.; AK/Schöch 99; s. aber auch BGH bei Schmidt MDR 1989 1039. 1557 RGSt 46 383; RG JW 1933 966; BGHSt 7 15; BGH NJW 1982 2738; 1990 1124, 1125; 2000 443, 447; GA 1965 209; NStZ 1981 146; 1985 281; 1985 375; 1991 143; 1993 50; 1993 349, 350; 2018 740, 741 f.; StV 1984 60; 1984 408 f.; 1985 48; 1992 216 m. abl. Anm. Münchhalffen; OLG Hamm JMBlNW 1983 223; KK/Krehl 167; Meyer-Goßner/Schmitt 63. 1558 BGHSt 22 118, 121; 32 68, 74 f.; BGH NJW 1979 1788; 1983 528; 1990 1124, 1125; GA 1971 85; NStZ 1982 212; 1982 472; 1985 375; 1991 143; 1993 50; 1993 294, 295; 1993 349, 350; OLG Hamburg JR 1980 32 m. Anm. Gollwitzer; Alsberg/Güntge 1226; Herdegen NStZ 1984 339; Maatz FS Remmers 582; KK/Krehl 167; Meyer-Goßner/Schmitt 64; SK/Frister 160.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 244

gerung aufgefasst werden.1559 Zur Klärung kann das Gericht direkt oder über Dritte (Dolmetscher, Polizeibeamte) mit dem Zeugen in Kontakt treten und im Freibeweis die erforderlichen Feststellungen zu seiner Aussagebereitschaft treffen.1560 Entscheidend ist immer, dass das Gericht keine nach der Sachlage nicht von vornherein aussichtslosen Schritte unterlassen hat, um den Zeugen doch noch zu einer Aussage und nach Möglichkeit zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu bewegen. Jedoch muss es sich zur Gewährleistung der Vernehmung des Auslandszeugen nicht auf unannehmbare Bedingungen einlassen.1561 Ebenso wenig setzt die Annahme der Unerreichbarkeit voraus, dass das Gericht den Grund für das Nichterscheinen des Zeugen aufklärt.1562 dd) Eine vorübergehende Unerreichbarkeit des Zeugen gestattet es nicht, einen 255 Beweisantrag sofort wegen Unerreichbarkeit des Beweismittels abzulehnen.1563 Es kommt nicht darauf an, ob er am vorgesehenen Terminstag zur Verfügung steht,1564 sondern darauf, ob sein Gebrauch als Beweismittel in absehbarer Zeit möglich ist. Ist dies der Fall, wird in der Regel das Verfahren zu unterbrechen oder auszusetzen sein, bis die Vernehmung möglich ist. Dem steht nicht notwendig entgegen, dass dies zum Eintritt der Verfolgungsverjährung führen kann.1565 Der für ein Hinausschieben der Hauptverhandlung vertretbare Zeitraum lässt sich nicht allgemein bestimmen. Maßgebend sind die im Einzelfall für und wider ein Zuwarten sprechenden Umstände, die, ebenso wie bei der Beurteilung der Intensität der im Einzelfall gebotenen Nachforschungen (Rn. 248), gegeneinander abzuwägen sind. Die Bedeutung, die dem Beweismittel nach der Beweislage zukommt, der davon zu erwartende Aufklärungsgewinn und der Wert, den die Verteidigung ihm beimisst, sind abzuwägen gegen das Erfordernis einer zügigen Durchführung des Verfahrens, das verstärkt ins Gewicht fällt, wenn sich der Angeklagte in Untersuchungshaft befindet, und den sonstigen Gesichtspunkten der Prozesswirtschaftlichkeit sowie den Gefahren für die Sachaufklärung (Beweismittelverlust u.a.), die eine Verschiebung der Hauptverhandlung im konkreten Fall mit sich bringen könnte.1566 Ein Zeuge, der erkrankt und dessen Gesundung in nicht allzu ferner Zeit zu erwarten ist, ist nicht unerreichbar,1567 wohl aber, wenn abzusehen ist, dass er seiner Ladung in absehba-

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1559 BGH NStZ 1982 341; 1984 375, 376; StV 1984 60, 61; 1984 324; 1984 408; 1985 48; 1985 134. 1560 Vgl. BGH NStZ 1985 375; 1991 143; 1993 349, 350 (freibeweisliche Klärung durch Revisionsgericht!); StV 1992 216 m. abl. Anm. Münchhalffen; a.A. Schnigula DRiZ 1984 177; Grützner/Pötz/Wilkitzki Vor § 68, 6 IRG; differenzierend Nagel Beweisaufnahme im Ausland (1988) 238; Rose wistra 1998 12 f. 1561 Vgl. BGH bei Holtz MDR 1976 634 (Bedingung, den Zeugen in Haft zu halten, obwohl die rechtlichen Voraussetzungen fehlen). 1562 BGH bei Becker NStZ 2007 515. 1563 BGH NStZ 1982 341; 1983 180, 181; StV 1989 190, 191; bei Spiegel DAR 1977 174; OLG Celle NJW 1961 1490. 1564 BGH NStZ 1983 180. 1565 Vgl. BayObLGSt 1978 170; Alsberg/Güntge 1230. 1566 BGHSt 22 118, 120; 32 68, 73; BGH NJW 1979 1788; 1990 1124, 1125; 2000 443, 447; NStZ 1981 271; 1984 375, 376; 1991 143; 1993 50; StV 2001 664. Herdegen NStZ 1984 338 leitet die Pflicht zur Abwägung der Gesichtspunkte aus dem Aufklärungsgebot her; er ist – zutreffend (s. Rn. 248) – der Auffassung, dass bei der prospektiven Würdigung der gesamten Sach- und Beweislage die Schwere des Anklagevorwurfs nicht zu berücksichtigen ist. A.A. MüKo/Trüg/Habetha 300 ff., die jede prospektive Würdigung für unzulässig halten. 1567 BGH NStZ 1983 276; OLG Köln VRS 65 (1983) 40; OLG Schleswig bei Ernesti/Lorenzen SchlHA 1980 174 (vorübergehende Erkrankung); BayObLG VRS 63 (1982) 211 (vorübergehende Vernehmungsunfähigkeit); KG StV 1983 95 (absehbare Rückkehr aus dem Ausland); BGH NStZ 1983 87 (ausländische Polizei will aus polizeitaktischen Gründen vorübergehend nicht an Zeugen herantreten); andererseits aber BGH NStZ 1982 127 (kein Warten auf spätere Auslieferung).

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§ 244

Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

rer Zeit nicht Folge leisten kann.1568 Erreichbar bleibt auch ein Zeuge, der sich für befristete Zeit im Urlaub befindet oder von dem sonst nach der Lebenserfahrung zu erwarten ist, dass er in absehbarer Zeit wieder zur Verfügung stehen wird, so, wenn er zur See fährt,1569 er seine Wohnung beibehalten hat1570 oder wenn Familienbande1571 oder sonstige Umstände, wie Geschäftsbeziehungen, erwarten lassen, dass es in nicht allzu ferner Zeit möglich sein wird, mit ihm in Verbindung zu treten. Es ist in der Rechtsprechung daher auch beanstandet worden, dass die Unerreichbarkeit ohne weiteres schon deswegen bejaht wurde, weil der Zeuge im Felde stand1572 oder sich in Gefangenschaft befand.1573 Maßgebend ist aber immer die Lage des Einzelfalls.1574 256

ee) Aus Rechtsgründen unerreichbar ist ein Zeuge, dessen Aussage vor Gericht auch nach Erschöpfung aller Zwangsmaßnahmen nicht durchsetzbar ist,1575 oder für den die Rechtsordnung dem Gericht aus sonstigen Gründen keine Möglichkeit gewährt, eine an sich zulässige Einvernahme herbeizuführen; so liegt es etwa bei Gefangenen, die während der Dauer einer Kontaktsperre nach §§ 31 ff. EGGVG (vorübergehend)1576 nicht vernommen werden dürfen.1577 Die Abgrenzung zu den Fällen unzulässiger Beweiserhebung ist strittig. Es gilt: Ein Zeuge, der sich auf ein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht berufen kann, ist nicht unerreichbar, solange er sich noch nicht zur Ausübung dieses Rechts erklärt hat. Aber auch dann, wenn endgültig feststeht, dass er befugt die Aussage verweigert, macht ihn dies – entgegen in Rechtsprechung und Schrifttum teilweise vertretener Auffassung – weder zum unerreichbaren noch zum ungeeigneten (s. dazu Rn. 236) Beweismittel. Vielmehr ist – soweit das Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht reicht – eine Beweiserhebung durch seine Vernehmung zur Sache unzulässig (s. Rn. 189, 194);1578 denn seine Verwendbarkeit als Beweismittel scheitert nicht daran, dass das Gericht ihn wegen der Grenzen seiner Rechtsmacht nicht einvernehmen kann, sondern daran, dass es ihn nicht einvernehmen darf. Daher muss das Gericht den Beweisantrag zurückweisen (§ 244 Abs. 3 Satz 1); nicht etwa steht ihm das bei Unerreichbarkeit oder Ungeeignetheit des Beweismittels durch § 244 Abs. 3 Satz 2 eröffnete Ermessen zu, den ihm zugänglichen Zeugen trotz Vorliegens dieser Ablehnungsgründe zu befragen. Ebenso liegt es, wenn einem öffentlich Bediensteten die nach § 54 in Verbindung mit den jeweils einschlägigen Vorschriften erforderliche Aussagegenehmigung nicht erteilt worden ist.1579

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1568 Etwa BGH StV 1982 51; NStZ 2003 562. 1569 OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1975 190; Alsberg/Güntge 1229; KMR/Paulus 455. 1570 BGH StV 1984 5; BGH NStZ 1991 143; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 211; OLG Celle NJW 1961 1490; Herdegen NStZ 1984 339. 1571 RG JW 1933 966; Alsberg/Güntge 1229. 1572 RGSt 51 20, 21; 75 11, 14; BGH StV 1981 602. 1573 OLG Kiel SchlHA 1947 232; vgl. RG JW 1915 719. 1574 Zutreffend weist Alsberg/Güntge 1228 darauf hin, dass gerade die ältere Rechtsprechung im Hinblick auf die moderne Kommunikationstechnik kaum mehr praktische Bedeutung besitzt. Dies gilt vor allem auch wegen der Möglichkeit audio-visueller Zeugenvernehmungen. 1575 RG JW 1933 966 m. Anm. Hall; OLG Hamburg HESt 1 56; Alsberg/Güntge 1211, 1232 f. 1576 Vgl. Hoffmann 107. 1577 Alsberg/Güntge 1211; Kissel/Mayer § 34, 11 EGGVG; Meyer-Goßner/Schmitt 66; a.A. (kommissarische Vernehmung): SK/Frister 166; MüKo/Trüg/Habetha 308. 1578 Alsberg/Güntge 1211; Hoffmann 106 f.; AK/Schöch 101; KK/Krehl 110; Meyer-Goßner/Schmitt 66; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 110; SK/Frister 106; a.A. BGH bei Holtz MDR 1980 987; auch BGH StV 1984 408; KMR/Paulus 459; Roxin/Schünemann § 45, 24 f. 1579 BGHSt 30 34, 37; BGH NStZ 2003 610, 611; s. näher die Erl. zu § 54.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 244

Unerreichbar als Zeugen können dagegen Personen sein, die für ihre Vernehmung 257 zwar keiner Aussagegenehmigung bedürfen, deren Namen und Aufenthalt jedoch von anderen Behörden entsprechend §§ 54, 96 befugt geheimgehalten werden, wie etwa unter gewissen Voraussetzungen die Namen von Vertrauensleuten oder Informanten der Polizei oder Angehörigen der Nachrichtendienste usw.1580 Die Sperrung des Zeugen muss aber verständlich begründet und darf weder offensichtlich rechtsfehlerhaft noch willkürlich sein.1581 Ist das nicht der Fall, so hat das Gericht die zuständige Behörde zunächst im Wege der Gegenvorstellung zu einer Änderung oder zumindest zu einer nachvollziehbaren Begründung ihrer Entscheidung anzuhalten, bevor es von der Unerreichbarkeit des Zeugen ausgehen darf.1582 Das Gericht darf sich nicht mit der Entscheidung einer nachgeordneten Behörde begnügen, sondern muss diejenige der zuständigen obersten Dienstbehörde dazu herbeiführen, ob und aus welchen Gründen der Zeuge geheimgehalten wird.1583 Es muss sich ferner um Aufklärung bemühen, ob das Wissen des gesperrten Zeugen nicht in einer Form oder unter Vorkehrungen in das Verfahren eingeführt werden kann, die den Sicherheitsbedenken Rechnung tragen.1584 Kann der Zeuge nicht unter verfahrensrechtlich vertretbaren1585 Sicherheitsvorkehrungen vernommen werden und legt die zuständige Behörde daher seine Identität und seinen Aufenthalt nicht offen, so ist der Zeuge grundsätzlich unerreichbar und der auf seine Einvernahme abzielende Beweisantrag mit dieser Begründung abzulehnen.1586 Dies gilt auch dann, wenn das Gericht nach Erschöpfung aller ihm offenen Möglichkeiten eine von ihm nicht für gerechtfertigt erachtete Sperrung des Zeugen hinnehmen muss; denn auch dann ist der Zeuge für das Gericht nicht erreichbar.1587 Ist dagegen dem Gericht Name und Anschrift eines Zeugen bekannt, ist dieser nicht schon deshalb unerreichbar oder seine Einvernahme gar unzu-

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1580 BVerfGE 57 250, 282 = StV 1981 591 m. Anm. Kotz; BGHSt 32 115, 125; 33 70; 33 90; 33 178, 180; 36 159, 163; BGH NStZ 1985 466; 1989 282; 2001 333; OLG Hamm MDR 1976 1040; Bruns StV 1983 382; Geppert 285; Gießer GA 1983 398; Gribbohm NJW 1981 305; Alsberg/Güntge 1216 ff.; Heinisch MDR 1980 898; Herdegen NStZ 1984 97; Preuß StV 1981 312; Rebmann NStZ 1982 317; Tiedemann JuS 1965 14; Weider StV 1981 151; vgl. auch Herdegen NStZ 1984 337 (Parallelisierung der tatsächlichen Unerreichbarkeit und der Unerreichbarkeit auf Grund behördlichen Verhaltens). Wieweit die vom Staat geschaffene rechtliche Unerreichbarkeit mit der faktischen Unerreichbarkeit gleichgesetzt werden darf, ist strittig. Die bei §§ 250, 251 zu erörternde Frage hat bei § 244 Abs. 3 kaum praktische Bedeutung. 1581 BGHSt 29 109, 112; 32 115, 125; 33 70, 74; 33 83, 90 ff.; 33 178, 180; 36 159, 163; BGH NStZ 1985 466, 467 f.; 1989 282; Herdegen NStZ 1984 100; stärker einschränkend BGHSt 31 148, 154: „gerechtfertigt“; s. auch BGH NJW 2000 1661: offen gelassen, ob die Begründung der Sperrerklärung „nachvollziehbar, überzeugend und einleuchtend“ sein muss. 1582 BVerfGE 57 250, 288; BGHSt 29 109, 112 f.; 31 148, 155; 32 115, 126; 33 178, 180; 36 159, 161; BGH NStZ 1989 282; SK/Frister 163. 1583 BGHSt 30 34, 36; 32 115, 123; 35 82, 85; BGH NJW 1989 3294; NStZ 1987 518; 2001 333; StV 1988 45; SK/Frister 163. Wegen der Einzelheiten s. die Erl. zu § 54 und § 96. 1584 Vgl. etwa BVerfGE 57 250, 287; BGHSt 29 109, 113; 29 390, 392 = JR 1981 477 m. Anm. Meyer = StV 1981 51 m. Anm. Weider; BGHSt 30 34 = JR 1981 345 m. Anm. Franzheim; BGHSt 32 123; 35 84; 36 159; BGH NStZ 1983 325; 1987 518; 1989 282; BGH StV 1981 110 m. Anm. Plähn S. 216; 1981 111; 1981 596; 1988 45; OLG Hamburg NJW 1982 295; StV 1984 11; OLG Koblenz NStZ 1981 451; Alsberg/Güntge 1217; AK/Schöch 103; KK/Krehl 173; Meyer-Goßner/Schmitt 66; SK/Frister 164; s. in jüngerer Zeit auch die Änderung der Rechtsprechung zur audiovisuellen Vernehmung unter optischer und akustischer Abschirmung (hierzu § 247a, 14). Wegen der Einzelheiten vgl. bei §§ 54, 68, 96, 223, 247, 247a, 251 sowie bei § 172 GVG. 1585 So z.B. kein Ausschluss des Verteidigers; vgl. BGHSt 32 115. 1586 A.A. SK/Frister 162: Beweiserhebung unzulässig nach § 244 Abs. 3 Satz 1. Dies trifft jedoch so nicht zu, da das Gericht den Zeugen trotz der Sperrerklärung grundsätzlich laden und vernehmen darf, wenn ihm dessen Identität aus anderen Quellen bekannt wird (s.o.). So kann es etwa liegen, wenn sich die zuständige Behörde durch die Sperrerklärung den Zeugen lediglich als V-Mann und damit als potentiellen Informanten erhalten will; anders ist es nur, wenn der Zeuge im Falle seiner Vernehmung Leibes- oder Lebensgefahr zu gewärtigen hat, s. Rn. 258. 1587 SK/Frister 165.

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lässig, weil er mit einer Person identisch sein kann, deren Personalien nach § 96 befugt geheimgehalten werden.1588 Dass eine Behörde dem Zeugen Vertraulichkeit zugesichert hatte, ist für das gerichtliche Verfahren ohne Bedeutung; der Zeuge wird dadurch insbesondere nicht aus rechtlichen Gründen unerreichbar.1589 Die naheliegende Gefahr für Leib und Leben eines Zeugen, oder die Gefahr, dass er 258 oder andere Personen bei seiner Einvernahme der Gefahr einer willkürlichen, rechtsstaatswidrigen Verfolgung ausgesetzt werden, macht nach zutreffender, allerdings umstrittener Auffassung den Zeugen nicht unerreichbar, sondern seine Einvernahme unzulässig.1590 Es ist dem Gericht, selbst wenn der Zeuge erreichbar ist,1591 aus verfassungsrechtlichen Gründen untersagt, ihn oder andere Personen durch die Vernehmung derartigen Gefahren auszusetzen (§ 244 Abs. 3 Satz 1); nicht etwa darf es auf die fakultativen Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 Satz 2 zurückgreifen, unabhängig davon, ob hier eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen wäre. Bei der Frage, ob ein Vernehmungssurrogat seine Einvernahme ersetzen darf, kann er, sofern sich die Unzulässigkeit nicht auch darauf erstreckt, wie ein unerreichbares Beweismittel zu behandeln sein. Verweigern die Eltern eines als Zeugen geladenen Kindes wegen drohender Erziehungs- und Entwicklungsschäden die Einvernahme in der Hauptverhandlung, so kann das Gericht dessen Erscheinen nicht erzwingen (s. die Erl. zu § 214). Das Kind ist aber nicht schon deswegen auch ein unerreichbares Beweismittel für die Begutachtung seiner Glaubwürdigkeit durch einen Sachverständigen.1592 259

ff) Kommissarische und audiovisuelle Vernehmung. Die – zutreffende – herrschende Meinung vertritt einen erweiterten Erreichbarkeitsbegriff. Auf dessen Grundlage verneint sie zunächst die Unerreichbarkeit eines Zeugen in den Fällen, in denen dieser zwar nicht persönlich in der Hauptverhandlung, jedoch – insbesondere auch im Wege der Rechtshilfe im Ausland – kommissarisch vernommen und seine Aussage durch Verlesen der Niederschrift in die Hauptverhandlung eingeführt werden kann; der Antrag auf Zeugenvernehmung umfasst als Weniger auch das Begehren, die Aussage des Zeugen in dieser Form zum Gegenstand der Hauptverhandlung zu machen.1593 Bezieht man dagegen die Frage der Erreichbarkeit allein auf den im Beweisantrag als konkretes Beweismittel benannten Zeugen und die Möglichkeit dessen persönlicher Einvernahme in der Hauptverhandlung, so hätte dies zur Folge, dass der Antrag abzulehnen ist, wenn

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1588 BGHSt 39 141 = JZ 1993 1012 m. Anm. Beulke/Satzger = JR 1994 250 m. Anm. Siegismund; BGH NStZ 1993 248; 2003 610; a.A. SK/Frister 162; s. auch MüKo/Trüg/Habetha 314 (Vernehmung nur zulässig, wenn Sperrerklärung „rechtswidrig oder nicht ausreichend begründet“). 1589 BGHSt 35 82, 84 ff. = NStZ 1988 563 m. Anm. Naucke = StV 1988 5 m. Anm. Taschke S. 138; BGH NStZ 1987 518; 2001 333; BGHR § 244 Abs. 2 Informant 1; a.A. OLG Stuttgart MDR 1986 690. 1590 Unerreichbarkeit bejahen: Julius (Unerreichbarkeit) 168; KMR/Paulus 459. Unzulässigkeit nehmen an: BGHSt 17 337, 347 f. (dazu Hanack JZ 1972 114); 33 70, 74; 39 141, 145 = JZ 1993 1012 m. Anm. Beulke/Satzger; BGH bei Holtz MDR 1983 587; Alsberg/Güntge 1219; KK/Krehl 171; SK/Frister 161; vgl. ferner BGH LM Nr. 9; JR 1962 149 m. Anm. Eb. Schmidt; OLG Braunschweig NJW 1953 637; Arndt NJW 1963 433; Schroeder ROW 1969 199 sowie Rn. 192 f. 1591 Wie im Fall BGHSt 17 47, wo der fragliche Zeuge in der Hauptverhandlung anwesend war. 1592 OLG Saarbrücken NJW 1974 1959; vgl. bei § 223 m.w.N. 1593 So etwa BGHSt 22 118, 122; BGH NJW 1991 186; NStZ 1983 277; 2015 102, 103; GA 1954 222; 1971 86; JR 1962 1149 m. Anm. Eb. Schmidt; 1984 129 m. Anm. Meyer; bei Becker NStZ 2007 515; bei Cierniak/Pohlit NStZ 2009 556; BayObLGSt 1978 171; Eisenberg (Beweisrecht) 229c; Herdegen NStZ 1984 338; KK/Krehl 169; Meyer-Goßner/Schmitt 65; SK/Frister 156; MüKo/Trüg/Habetha 311; eingehend Julius (Unerreichbarkeit) 175 ff.; vgl. nunmehr aber BGH StV 2009 454 m. krit. Anm. Sättele, wo die Rüge der fehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrags, in dem keine audiovisuelle Vernehmung begehrt wird, als Aufklärungsrüge behandelt wird.

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der Zeuge nur für eine kommissarische Vernehmung erreicht werden kann und der Antrag nicht dahin auszulegen ist, dass er auch das Begehren auf kommissarische Vernehmung mit einschließt.1594 Da das Gericht, wenn eine kommissarische Vernehmung in Frage kommt, den Antragsteller jedoch befragen muss, ob er sich damit begnügen will,1595 und andernfalls unabhängig davon kraft seiner Aufklärungspflicht gehalten ist, die kommissarische Vernehmung anzuordnen, wenn ein Aufklärungsgewinn davon zu erwarten ist,1596 spielt es vom praktischen Ergebnis her keine große Rolle, welcher Auffassung man folgt.1597 Kann ein benannter Zeuge nicht in der Hauptverhandlung persönlich gehört werden 260 und wird der Beweisantrag allein mit dieser Begründung wegen Unerreichbarkeit des Zeugen zurückgewiesen, so ist der Antrag nicht erschöpfend erledigt, wenn die kommissarische Einvernahme möglich ist.1598 Will das Gericht dem in dem Antrag enthaltenen Begehren auf kommissarische Vernehmung des Zeugen und Verlesung der Niederschrift über diese Vernehmung nicht nachkommen, so muss es ihn auch insoweit verbescheiden. Dabei soll indes – trotz des erweiterten Erreichbarkeitsbegriffs – der Ablehnungsgrund der Unerreichbarkeit nach teilweise vertretener Ansicht nicht ausgeschlossen sein. Der Zeuge bleibe auch dann unerreichbar, wenn das Gericht aufgrund der besonderen Beweislage schon vorweg zu der Überzeugung gelangt, dass eine bloße kommissarische Vernehmung völlig untauglich bzw. ungeeignet ist, zur Sachaufklärung beizutragen und die Beweiswürdigung zu beeinflussen,1599 etwa weil es die Beurteilung des Wahrheitsgehalts der Aussage ohne Gegenüberstellung mit dem Angeklagten oder anderen Zeugen oder ohne unmittelbaren Eindruck von der Persönlichkeit des Zeugen allein auf Grund der Niederschrift über die kommissarische Einvernahme für ausgeschlossen hält1600 und diesen Bedenken auch nicht durch eine eventuell mögliche Bild-TonAufzeichnung der Vernehmung nach §§ 58a, 168e und deren Vorführung (§ 255a Abs. 1, § 251 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1) abgeholfen werden kann. In anderen Entscheidungen wird nicht die nur kommissarische Vernehmung als untauglich/ungeeignet zur Sachaufklärung, sondern der kommissarisch zu vernehmende Zeuge als völlig ungeeignetes Beweismittel i.S.d. § 244 Abs. 3 Satz 2 bezeichnet.1601 Dass die Einvernahme vor dem erken-

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1594 So Julius (Unerreichbarkeit) 178. 1595 BGHSt 22 118, 122. 1596 Vgl. BGH GA 1983 327; StV 1981 601. 1597 Alsberg/Güntge 1220; Julius (Unerreichbarkeit) 179 sieht den Vorteil der engerenAuslegung darin, dass durch Einschaltung der Aufklärungspflicht die Entscheidung über die kommissarische Beweiserhebung stärker vom bisherigen Beweisergebnis abhängig gemacht werden kann. 1598 BGH NStZ 2015 102, 103; wenn sich der Zeuge in einem Staat aufhält, mit dem kein Rechtshilfeverkehr besteht, erübrigen sich indessen nähere Überlegungen: vgl. BGH bei Becker NStZ 2003 418. 1599 BGHSt 13 300, 302 = LM Nr. 16 m. Anm. Geier (s. dazu auch Hanack JZ 1972 115); BGHSt 22 118, 122; BGH NJW 1983 527, 528; 1991 186; JR 1984 129 m. Anm. Meyer; GA 1971 85; NStZ 1982 212; 1991 143; 2011 422; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 14; bei Holtz MDR 1978 459; 1979 807; BGH StV 1992 548; BayObLGSt 1978 170, 171; OLG Hamburg JR 1980 32, 33 m. Anm. Gollwitzer; OLG Hamm NJW 1964 2073; JMBlNW 1983 223; OLG Karlsruhe VRS 51 (1976) 61; OLG Köln VRS 65 (1983) 40; KK/Krehl 170; LR/Becker26 260; MeyerGoßner/Schmitt 65. 1600 BGHSt 22 118, 122; BGH GA 1955 123, 125; 1975 237; NJW 1983 527; StV 1980 5 m. Anm. Schlothauer StV 1981 601; NStZ 1992 141; 2015 102, 103; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 356; bei Holtz MDR 1978 459; OLG Schleswig SchlHA 1979 144; Hamm 718; G. Schäfer 844; Schlüchter 551.4; KK/Krehl 170; KMR/Paulus 460; Meyer-Goßner/Schmitt 65; krit. Mehle FS Bub 543 ff. 1601 S. etwa RGSt 46 386; BGHSt 45 188, 197 (für audiovisuelle Vernehmung); 55 11, 22 (für kommissarische und audiovisuelle Vernehmung); BGH NJW 2000 443, 447 (für kommissarische Vernehmung); NStZ 1985 375 (für kommissarische Vernehmung); StV 2004 464, 466 (für kommissarische und audiovisuelle Vernehmung) m. Anm. Julius; vgl. BGH StV 1993 232 („Unerreichbarkeit/Ungeeignetheit

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nenden Gericht selbst generell das bessere Beweismittel ist, rechtfertige die Ablehnung der kommissarischen Vernehmung für sich allein allerdings nicht,1602 desgleichen in der Regel auch nicht schon die Einschränkung der Möglichkeit, dem Zeugen geeignete Vorhalte zu machen1603 oder Fragen zu stellen. Fragen seien im Regelfall auch bei einer kommissarischen Einvernahme in einem gewissen Umfang dadurch möglich, dass dem ersuchten Richter ein entsprechender Fragenkatalog übermittelt wird. Umgekehrt sei das Gericht aber auch nicht verpflichtet, eine kommissarische Vernehmung in jedem Fall durchzuführen. Lehne es sie nach den dargestellten Grundsätzen in antizipierender Würdigung ab, so dürfe es dann allerdings auch nicht die Niederschriften über sonstige Einvernahmen des Zeugen als Beweisgrundlage verwenden, sofern es nicht einen sachlich einsichtigen Grund dafür aufzeige, warum zwar die frühere Einvernahme, nicht aber die beantragte kommissarische Vernehmung zur Aufklärung beitragen könne.1604 Aus anderen Gründen dürfe die kommissarische Einvernahme des Zeugen nicht abgelehnt werden, so nicht etwa allein deshalb, weil sie bis zum Eintritt der Verjährung der Strafverfolgung nicht durchführbar wäre1605 oder weil der Richter sich weigere, die Übersetzung des Rechtshilfeersuchens in einer ihm unbekannten Sprache zu unterschreiben, obwohl dies für die Gewährung der Rechtshilfe durch den fremden Staat erforderlich sei.1606 Obige Grundsätze werden entsprechend auf die Fälle angewendet, in denen der 261 Zeuge für eine Vernehmung in persönlicher Anwesenheit am Gerichtsort nicht zu Verfügung steht, aber im Wege einer zeitgleichen audiovisuellen Vernehmung aus der Hauptverhandlung heraus befragt werden kann (§ 247a). Hält er sich im Ausland auf, gilt dies jedenfalls dann, wenn eine solche Vernehmung im Wege der Rechtshilfe möglich ist und die Art ihrer Durchführung einer solchen gemäß § 247a im Inland entspricht, insbesondere die Einhaltung der für die Hauptverhandlung geltenden wesentlichen Verfahrensgarantien gewährleistet ist.1607 Dies findet im Ausgangspunkt seine Rechtfertigung schon darin, dass es sich bei der zeitgleichen audiovisuellen Vernehmung um einen Teil der Hauptverhandlung handelt, durch den der im Beweisantrag benannte Zeuge in direkter persönlicher Befragung vernommen wird, und es allein an seiner körperlichen Anwesenheit vor Gericht fehlt. Damit hat die audiovisuelle Vernehmung eine wesentlich größere Nähe zu der mit dem Beweisantrag in erster Linie begehrten persönlichen Vernehmung des Zeugen am Gerichtsort als die kommissarische Vernehmung, von der lediglich die Niederschrift als Beweissurrogat in der Hauptverhandlung verlesen werden

_____ des Zeugen“; für kommissarische Vernehmung); s. auch Gössel § 29 C IIIc 5; Herdegen NStZ 1984 340; Schlüchter 551.4; AK/Schöch 100; KMR/Paulus 130, 460; zum Meinungsstreit hinsichtlich der Frage, ob Unerreichbarkeit oder völlige Ungeeignetheit (des Beweismittels) vorliegt, vgl. die Nachweise bei Julius (Unerreichbarkeit) 175 ff. 1602 Die Niederschrift hat vielfach sehr wohl Beweiswert; zu weitgehend daher Hoffmann 103, der Vergleichbarkeit mit der Vernehmung in der Hauptverhandlung fordert; zur Frage, wieweit die gewonnenen Eindrücke verwertbar sind, vgl. die Erl. zu § 223. 1603 BGH JR 1984 129 m. Anm. Meyer; dagegen nimmt RGSt 46 386 dies an; vgl auch Schroth StV 1986 5. 1604 BGH StV 1993 232; OLG Köln StV 1995 574; KK/Krehl 170; Meyer-Goßner/Schmitt 65; Eisenberg (Beweisrecht) 229d; weiter wohl AK/Schöch 100 (eigener Beweiswert); vgl. ferner Herdegen NStZ 1984 101 und 340 (nicht zum Nachteil des Angeklagten). 1605 BayObLGSt 1978 170. 1606 Vgl. BayObLG bei Rüth DAR 1984 245; a.A. BGHSt 32 342 (beide zu Rechtshilfeersuchen, deren polnische Fassung vom Richter unterschrieben werden muss). 1607 BGHSt 45 188 ff. = NStZ 2000 157 m. Anm. Duttge = JR 2000 74 m. Anm. Rose = JZ 2000 471 m. Anm. Vassilaki (dazu außerdem: Artkämper NJ 2000 100; Schlothauer StV 2000 180; Sinn JZ 2001 51); BGH StV 2000 345 m. Anm. Albrecht StV 2001 364; 2004 578, 579; vgl. auch BGH NStZ 2001 160; s. ferner § 247a, 6.

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soll. Das Gericht hat daher zu prüfen, ob eine Vernehmung nach § 247a durchgeführt werden kann.1608 Es hat nach der Rechtsprechung aber ebenso wie bei der kommissarischen Vernehmung darüber zu befinden, ob die audiovisuelle Vernehmung zur Sachaufklärung tauglich ist (zur zutreffenden dogmatischen Einordnung dieses Aspekts s. Rn. 261a). Fehle es nach seiner antizipierenden Würdigung an dieser Tauglichkeit, was wesentlich seltener der Fall sein werde als bei kommissarischen Vernehmungen, so könne es allerdings auch hier das in dem Beweisantrag als Minus enthaltene Begehren auf zeitgleiche audiovisuelle Vernehmung als auf eine ungeeignete Beweiserhebung bzw. auf die Vernehmung eines völlig ungeeigneten Beweismittels gerichtet behandeln und den Antrag insgesamt zurückweisen.1609 Handele es sich bei dem benannten, im Ausland aufenthältlichen Zeugen indes um ein für die Klärung des Tatvorwurfs zentrales Beweismittel und gehe es um die Klärung eines Sachverhalts mit starken Auslandsbezügen, sodass der Antragsteller in besonderer Weise auf die Benennung von Auslandszeugen angewiesen sei, so seien an die antizipierende Würdigung der völligen Ungeeignetheit des Zeugen zur Klärung der Beweisbehauptung besonders strenge Anforderungen zu stellen.1610 Im Übrigen darf sich das Gericht aber mit der Verlesung einer Niederschrift über die kommissarische Vernehmung des Zeugen auch dann begnügen, wenn dessen zeitgleiche audiovisuelle Vernehmung aus der Hauptverhandlung heraus möglich wäre; denn durch die Möglichkeit einer Vernehmung nach § 247a werden die Voraussetzungen einer Verlesung nach § 251 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 nicht ausgeschlossen.1611 Ihr kommt auch im Rahmen des § 244 Abs. 3 Satz 2 kein genereller Vorrang zu; allenfalls die Aufklärungspflicht (Gebot des bestmöglichen Beweises) kann es im Einzelfall erfordern, der audiovisuellen Vernehmung den Vorzug vor der Verlesung der Niederschrift über eine kommissarische Vernehmung des Zeugen zu geben,1612 oder – bei Belastungszeugen – das Konfrontationsrecht (Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK), so es ansonsten nicht gewährleistet ist. Es ist nicht zu verkennen, dass die unter Rn. 260 f. dargestellte Rechtsprechung sich 261a nicht bruchlos in die sonstige Dogmatik des Beweisantragsrechts einfügt. Ist auf Grundlage des erweiterten Erreichbarkeitsbegriffs auch der für eine kommissarische oder audiovisuelle Vernehmung zur Verfügung stehende Zeuge „erreichbar“, so ist schwer verständlich, warum diese Erreichbarkeit wieder entfallen soll, wenn nach Auffassung des Gerichts diese Art der Vernehmung nichts Verlässliches zur Klärung des Tatvorwurfs beizutragen in der Lage ist. Weiterhin kennt § 244 Abs. 3 nicht den Ablehnungsgrund der Untauglichkeit/Ungeeignetheit der Art der Beweiserhebung. Schließlich ist der Umfang der von der Rechtsprechung im hiesigen Rahmen dem Tatrichter gestatteten Beweisantizipation unvereinbar mit den Maßstäben, die ansonsten für den Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels anerkannt sind.1613 Indes erweist sich die dar-

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1608 Vgl. BGH NStZ 2017 100 für den Fall, dass der Auslandszeuge eine audiovisuelle Vernehmung durch das deutsche Gericht verweigert. 1609 Vgl. BGHSt 45 188, 197; BGH StV 2004 465 m. abl. Anm. Julius; vgl. BGH NStZ 2001 160; kritisch KK/Krehl 149; Deckers (Beweisantrag) 176; Roxin/Schünemann § 45, 22. 1610 BGHSt 55 11, 21 ff. 1611 BGHSt 46 73, 75 ff. = JZ 2001 49 m. Anm. Sinn = JR 2001 343 m. Anm. Rose, m. Anm. Albrecht StV 2001 364; s. § 247a, 11, 43. 1612 BGHSt 45 188, 196 f.; 46 73, 79; BGH bei Becker NStZ-RR 2005 65; Rose wistra 2001 292; SK/Frister 158; s. § 247a, 14 m.w.N.; a.A. Alsberg/Güntge 1224 (wenn audiovisuelle Vernehmung „irgendeinen Aufklärungserfolg verspricht“). 1613 Mit Recht daher kritisch bis ablehnend: Alsberg/Güntge 1221 ff.; Arzt FS Peters 228; Eisenberg (Beweisrecht) 229d; Engels 41, 116; ders. GA 1981 27; Hamm/Hassemer/Pauly 304; Hanack JZ 1972 115; MüKo/Trüg/Habetha 312 f.

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gestellte Rechtsprechung bezüglich der audiovisuellen Zeugenvernehmung jedenfalls im Ergebnis als zutreffend; denn hier tritt für die Anordnung der Beweiserhebung gemäß § 247a Abs. 1 Satz 2 die weitere Voraussetzung hinzu, dass die Vernehmung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. Dies ist aber nicht der Fall, wenn das Gericht von der audiovisuellen Vernehmung keinen entscheidungsrelevanten Beweisertrag erwartet. Diese ist dann unzulässig, der Beweisantrag nach § 244 Abs. 3 Satz 1 zurückzuweisen (s. zu allem näher § 247a, 14). Ein zufriedenstellendes Ergebnis ist das nicht; denn es steht dann wieder die Frage der in mehrfacher Hinsicht unzulänglicheren kommissarischen Vernehmung im Raum, sodass die Problemlage auch durch § 247a Abs. 1 Satz 2 nicht wesentlich entschärft wird.1614 d) Unerreichbarkeit anderer Beweismittel. Der Grundsatz, dass das Gericht alle nach der Sachlage gebotenen Anstrengungen zur Beibringung des Beweismittels versuchen muss, bevor es den Beweisantrag wegen Unerreichbarkeit des Beweismittels ablehnen darf (Rn. 248), gilt auch für den Urkundsbeweis, so etwa wenn es sich darum handelt, eine verschwundene Urkunde wieder herbeizubringen.1615 Urkunden, die nicht der Beschlagnahme unterliegen (§ 97), sind unerreichbar, wenn der Gewahrsamsinhaber sie nicht freiwillig herausgibt,1616 desgleichen Urkunden, bei denen die oberste Dienstbehörde eine Sperrerklärung nach § 96 abgegeben hat.1617 Verweigern nachgeordnete Behörden die Herausgabe von Schriftstücken, so werden diese dadurch noch nicht zu einem unerreichbaren Beweismittel. Es ist vielmehr die Entscheidung der obersten Dienstbehörde einzuholen, ob sie eine solche Sperrerklärung abgeben will. Wegen der Einzelheiten, vor allem auch zur Frage, ob sich das Gericht mit einer unzulänglich begründeten Sperrerklärung begnügen darf, vgl. die vergleichbare Problematik beim „gesperrten Zeugen“ (Rn. 257) sowie die Erl. zu § 96; zu den Sonderbestimmungen, die die Beweisverwendung von behördlichen Urkunden unzulässig machen, vgl. Rn. 193. Die Auskunft einer ausländischen Behörde ist nicht deshalb unerreichbar, weil diese nicht unmittelbar angefordert, sondern nur auf dem diplomatischen Weg darum ersucht werden kann.1618 Dass ein Augenschein nur mit großen Schwierigkeiten durchführbar ist, macht ihn noch nicht zu einem unerreichbaren Beweismittel;1619 wohl aber, wenn die Vornahme eines Augenscheins von Sachen oder Personen rechtlich nicht durchsetzbar ist,1620 weil der Verfügungsberechtigte dem Gericht oder der mit der Einnahme des Augenscheins beauftragten Person die Besichtigung des fraglichen Gegenstandes oder das Betreten der in Augenschein zu nehmenden Örtlichkeit befugt verweigert1621 oder von Bedingungen abhängig macht, die für das Gericht nicht annehmbar sind. Ein Fall der Unerreichbarkeit, der die Ablehnung des Verlangens nach Einholung 263 eines Sachverständigengutachtens begründet, wird wegen der Austauschbarkeit des Gutachters im Normalfall nicht vorkommen.1622 Er ist denkbar, wenn für ein seltenes wissenschaftliches Spezialgebiet selbst aus dem Ausland in absehbarer Zeit kein dafür 262

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1614 Vgl. SK/Frister 158. 1615 RGSt 38 257. 1616 Alsberg/Güntge 1235; vgl. bei § 97. 1617 A.A. MüKo/Trüg/Habetha 315 (bei rechtmäßiger Sperrerklärung Beweiserhebung unzulässig). 1618 BayObLG bei Rüth DAR 1982 253. 1619 OGH JR 1950 567; Alsberg/Güntge 1236. 1620 Vgl. § 81c; ferner Sachen und Personen, die den Schutz der Exterritorialität genießen, vgl. § 18 GVG; Pfeiffer 36; zu einem analog § 96 gesperrten Videofilm vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 2008 115. 1621 Zur Verhandlung in privaten Räumen vgl. bei § 213 sowie die Erl. zu § 169 GVG; ferner (für die ZPO) Jankowski NJW 1997 2247. 1622 SK/Frister 153.

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kompetenter Sachverständiger zugezogen werden kann.1623 Eine Begutachtung ist nicht unerreichbar, sondern als Beweismittel ungeeignet, wenn dafür eine Untersuchung unerlässlich ist, die wegen Fehlens der erforderlichen Einwilligung oder wegen Unzumutbarkeit (§ 81c Abs. 4) nicht vorgenommen werden darf.1624 e) Ablehnungsbeschluss. Der Beschluss, durch den ein Beweisantrag wegen Uner- 264 reichbarkeit des Beweismittels abgelehnt wird, muss die Tatsachen angeben, aus denen das Gericht die Unerreichbarkeit herleitet.1625 Hat das Gericht im Wege des Freibeweises Nachforschungen nach dem Beweismittel angestellt, müssen sie geschildert und ihr Ergebnis mitgeteilt werden; hält es solche Nachforschungen von vornherein für aussichtslos, sind die Gründe dafür darzutun.1626 Einzelne Ermittlungshandlungen der Polizei müssen jedoch nicht dargestellt werden.1627 Hält auf der Grundlage der oben Rn. 259 ff. dargestellten Rechtsprechung (zur Kritik s. Rn. 261a) das Gericht die audiovisuelle oder kommissarische Vernehmung eines Zeugen zur Wahrheitsermittlung für untauglich, weil nur die – nicht mögliche – unmittelbare persönliche Einvernahme durch das erkennende Gericht der Sachaufklärung hinreichend dienen kann, so hat es im Ablehnungsbeschluss neben den Gründen für die Unerreichbarkeit im Hinblick auf die unmittelbare Vernehmung in der Hauptverhandlung auch darzulegen, warum die audiovisuelle oder kommissarische Vernehmung nach den Umständen des konkreten Falles ohne jeden Beweiswert wäre.1628 7. Prozessverschleppung a) Allgemeines. Der Ablehnungsgrund der Prozessverschleppung gilt für Beweis- 265 anträge aller Verfahrensbeteiligten, auch für Anträge des Staatsanwalts, des Privatoder des Nebenklägers.1629 Praktisch nahezu allein bedeutsam sind jedoch mit Verschleppungsabsicht gestellte Beweisanträge des Angeklagten und der Verteidigung. Es ist zumindest menschlich verständlich, wenn ein Angeklagter, der mit seiner Verurteilung rechnet, oder dessen Verteidiger dazu Zuflucht nimmt, das Gericht mit Beweisbegehren zu konfrontieren, die zwar nach ihrer äußeren Form den Anforderungen eines Beweisantrags genügen, mit denen er aber in Wahrheit nicht (mehr) das Ziel verfolgt, den wahren Sachverhalt weiter aufklären zu lassen, sondern in dem Bewusstsein, dass die beantragte Beweisaufnahme nicht das behauptete, für ihn positive Beweisergebnis erbringen würde, allein danach strebt, die Urteilsfällung hinauszuzögern oder gar zu verhindern oder zumindest das Gericht zu einem Urteil zu drängen, das er noch für akzeptabel hält. Dies ändert jedoch nichts daran, dass es sich hierbei um einen verfahrenswidrigen, rechtsmissbräuchlichen Einsatz des Beweisantragsrechts handelt. Dem entgegenzuwirken ist Zweck namentlich des Ablehnungsgrunds der Verschleppungsabsicht, wie er in der Rechtsprechung des RG entwickelt worden und schon vor seiner aus-

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1623 Alsberg/Güntge 1234. 1624 Vgl. Rn. 238; a.A. RGSt 64 160, 162 f. (unzulässig). 1625 BGH JR 1984 129 m. Anm. Meyer; NStZ 1993 50; StraFo 2011 99, 100; OLG München NStZ-RR 2007 50, 51; OLG Schleswig SchlHA 1976 170; Alsberg/Güntge 1439; Meyer-Goßner/Schmitt 86. 1626 BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1987 218 f.; OLG Köln StV 2002 355, 356; OLG München NStZ-RR 2007 50, 51; Alsberg/Güntge 1439. 1627 BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Unerreichbarkeit 5. 1628 Vgl. BGH GA 1971 85; wistra 1990 196, 197; StV 1993 232; Alsberg/Güntge 1439; Herdegen NStZ 1984 340; KK/Krehl 170. 1629 Vgl. OLG Oldenburg NdsRpfl. 1979 110.

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drücklichen Niederlegung im Gesetz allgemein anerkannt war.1630 Er beruht auf dem Gedanken, dass das Gericht keinen Anlass hat, Beweise zu erheben, die nicht dazu bestimmt sind und nicht dazu dienen können, die Erkenntnisgrundlagen der Entscheidung zu erweitern.1631 Er hat darüber hinaus aber auch verfahrenssichernde Wirkung; seine verfassungsrechtliche Zulässigkeit steht nicht in Zweifel.1632 Um zu verhindern, dass durch eine ausufernde Anwendung dieses Ablehnungsgrun266 des auch die verfahrensrechtlich legitime Verteidigung zu Schaden kommt, insbesondere die Tatgerichte auch ihnen lediglich lästig oder überflüssig erscheinende Beweisanträge dem Verdikt der Verschleppungsabsicht unterstellen, hatte die revisionsgerichtliche Rechtsprechung strengste Anforderungen gestellt. Die Tatgerichte mussten einen kaum zu leistenden Begründungsaufwand betreiben, wenn sie von diesem Ablehnungsgrund Gebrauch machen wollten.1633 Er kam daher praktisch kaum mehr zum Tragen. Das hat zu dem Vorwurf geführt, die Rechtsprechung habe diesen Ablehnungsgrund so gut wie unanwendbar gemacht.1634 Der restriktive Kurs ist zwischenzeitlich jedoch verlassen worden. Es wird eine deutliche Tendenz erkennbar, der Annahme von Verschleppungsabsicht mehr Raum zuzugestehen und sie auch in Fällen rechtsmissbräuchlicher Beweisantragsstellung zu bejahen, die von dem früheren engeren Verständnis der Vorschrift nicht erfasst worden waren.1635 Das ist zu begrüßen.1636 Ein stark eingeengtes Verständnis der Verschleppungsabsicht ist gesetzlich nicht vorgegeben. Vielmehr bietet dieser Ablehnungsgrund eine taugliche gesetzliche Grundlage für eine verfahrensmäßig korrekte Behandlung nahezu all der Fälle missbräuchlicher Beweisanträge, die die frühere Rechtsprechung zur Verschleppungsabsicht nicht erfasst hat mit der Folge, dass auf Ausweichstrategien1637 – Herabstufung von Beweisanträgen zu Beweisermittlungsanträgen (Anträge „aufs Geratewohl“); Kategorie der wegen Rechtsmissbrauch unzulässigen Beweisanträge (s. Rn. 199 f.); Konnexität – zurückgegriffen werden musste, um die sich stellenden verfahrensrechtlichen Probleme in den Griff bekommen zu können.1638 Dies gilt insbesondere auch deswegen, weil entgegen herrschender Ansicht die Zurückweisung eines Beweisantrages wegen Verschleppungsabsicht nicht voraussetzt, dass die Verfahrensverzögerung stets das alleinige vom Antragsteller verfolgte Ziel bildet und die

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1630 S. etwa RGSt 12 335; 13 151; RGRspr. 7 550; RG LZ 1916 873; Recht 1922 Nr. 358; JW 1923 689; HRR 1934 Nr. 1426; BayObLG JW 1929 2751; Beling (Reichsstrafprozeßrecht) 381; Oetker JW 1926 2760; s. Foth FS Widmaier 229 ff. 1631 KK/Krehl 175; Alsberg/Güntge 1238. 1632 Vgl. BVerfG NStZ 1985 35. 1633 Vgl. RGSt 12 335, 336; 20 206, 207; RGRspr. 7 550, 551; 10 148; BGHSt 21 118, 123; 29 149, 151; Basdorf StV 1995 317; Eisenberg (Beweisrecht) 235; Perron (Beweisantragsrecht) 253; Schweckendieck NStZ 1991 109; KK/Krehl 175. 1634 Geppert Jura 2003 260 („kann im Prozessalltag so gut wie nie nachgewiesen werden“); Kunkis DRiZ 1993 189; Meyer JR 1980 220; Schrader NStZ 1991 225; AK/Schöch 106. 1635 Vgl. BGHSt 51 333; BGH NJW 1997 2762, 2764; 2001 1956; 2005 2466; NStZ 1986 519, 520; 1990 350 f. m. Anm. Wendisch; 1992 551 f.; 2007 716; StV 1989 234 m. Anm. Michalke sowie Anm. Frister S. 380; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Prozessverschleppung 4, 8; s. auch Rn. 273, 275. 1636 S. etwa auch Basdorf StV 1995 317; Bünger NStZ 2006 310; Niemöller StV 1996 504; Sander NStZ 1998 207 f.; G. Schäfer 1187a; Schweckendieck NStZ 1991 112; Fahl 474 ff. m.w.N. 1637 KK/Herdegen 5 86. 1638 Ähnlich wie hier Meyer-Goßner/Schmitt 49 (dort mit unzutreffender Darstellung der hier vertretenen Ansicht) und 67 (allerdings sieht er unterschiedliche Voraussetzungen für die Zurückweisung wegen Verschleppungsabsicht je nach dem, ob es sich um einen rechtsmissbräuchlichen „Scheinbeweisantrag“ im weiteren oder im engeren, „ursprünglichen“ Sinne handele); s. auch Rüping/ Dornseifer JZ 1977 419; Sander JR 2005 299; Weßlau FS Lüderssen 794; demgegenüber Bünger NStZ 2006 308; Fahl 512 ff., 527 m.w.N.; Herdegen NStZ 2000 7; Niemöller StV 1996 504 f.; dezidiert ablehnend Hamm 695 f.; Hamm/Hassemer/Pauly 255.

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verlangte Beweiserhebung zu einer wesentlichen Verzögerung des Verfahrens führen würde (s. Rn. 270, 274 f.). Auch hinsichtlich der Anforderungen, die an den Nachweis der Verschleppungsabsicht zu stellen sind, sollten die bisherigen Maßstäbe überdacht werden (s. dazu Rn. 270). All dies darf nicht dahin missverstanden werden, dass hier einem leichthändigen 267 Umgang mit dem Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht das Wort geredet werden soll. Weiterhin gilt, dass der Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Verhaltens und die darauf gründende Ablehnung eines Beweisantrags wegen Verschleppungsabsicht wohl erwogen sein wollen und sich auf Ausnahmekonstellationen beschränken müssen. Das Tatgericht hat daher in allen in Betracht kommenden einschlägigen Fällen die Voraussetzungen dieses Ablehnungsgrundes mit größter Sorgfalt zu prüfen und im Ablehnungsbeschluss eingehend darzulegen. Der Beleg der Richtigkeit des massiven Vorwurfs des Rechtsmissbrauchs wird auch bei einem weiteren Verständnis der Verschleppungsabsicht im Regelfall einen größeren Argumentationsaufwand erfordern;1639 andererseits sind in der veröffentlichten Rechtsprechung durchaus auch Konstellationen erfasst, in denen der Rechtsmissbrauch derart auf der Hand liegt, dass er auch knapp umrissen hinreichend dargestellt werden kann (zum Inhalt des Ablehnungsbeschlusses und zum Maßstab revisionsgerichtlicher Überprüfung s. Rn. 286). Im Übrigen ist aber darauf hinzuweisen, dass in etlichen Fällen missbräuchlicher Beweisanträge ein Rückgriff auf den Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht nicht notwendig ist, sondern der Antrag schon einem anderen Zurückweisungsgrund – etwa der Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung (s. Rn. 216 ff.) – unterfällt. Dann kann der Antrag bereits aus diesem anderen Grund mit in der Regel geringerem Begründungsaufwand zurückgewiesen werden; des nach bisheriger Rechtsprechung nicht immer einfachen Nachweises des subjektiven Elements der Verschleppungsabsicht (Rn. 270 ff.) bedarf es dann nicht. Dies rechtfertigt es, die Verschleppungsabsicht als faktisch subsidiär gegenüber den anderen Ablehnungsgründen des § 244 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 und 5 zu bezeichnen. b) Voraussetzungen der Verschleppungsabsicht. Nach bisherigem Verständnis 268 und herrschender Auffassung kann ein Beweisantrag dann wegen Verschleppungsabsicht zurückgewiesen werden, wenn die begehrte Beweiserhebung nach Überzeugung des Gerichts nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers zu erbringen vermag, dieser sich dessen bei Anbringung des Antrags bewusst ist und mit seinem Antrag daher ausschließlich eine Verzögerung des Verfahrensabschlusses bezweckt; außerdem müsste die Erhebung des Beweises tatsächlich geeignet sein, das Verfahren erheblich zu verzögern.1640 Die Voraussetzungen, dass der Antragsteller „nur“ die Verzögerung des Verfahrens bezwecken müsse und eine Befolgung des Antrags objektiv zudem eine erhebliche Verfahrensverzögerung nach sich ziehen würde, werden jedoch zu Unrecht aufgestellt (s. Rn. 270, 274 f.). aa) Aussichtslosigkeit der beantragten Beweiserhebung. Der Ablehnungsgrund 269 der Verschleppungsabsicht dient der Abwehr eines Missbrauchs des Beweisantragsrechts zu Zwecken, für deren Verfolgung dieses Recht dem Antragsteller nach der Zielsetzung des § 244 (Wahrheitsfindung) nicht eingeräumt ist (s. Rn. 265). Es reicht jedoch

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1639 Vgl. Bünger NStZ 2006 310. 1640 BGHSt 21 118, 121; 29 149, 151; BGH GA 1968 19; JR 1983 35 m. Anm. Meyer; NJW 2001 1956; NStZ 1982 291, 292; 1984 230; 1990 350 m. Anm. Wendisch = StV 1990 391 m. Anm. Strate; NStZ 1992 551; 1998 207 m. Anm. Sander; StV 1984 494, 495; OLG Köln StV 2007 458, 459; Hamm/Hassemer/Pauly 245; Kröpil AnwBl. 1999 19; AK/Schöch 107; AnwK-StPO/Sommer 104; HK/Julius 38.

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nicht hin, dass der Antragsteller mit seinem Begehren nur subjektiv einen derartigen Missbrauch betreibt, also von der beantragten Beweiserhebung kein für ihn günstiges sachdienliches Ergebnis erwartet. Vielmehr ist darüber hinaus erforderlich, dass nach Überzeugung des Gerichts die Beweiserhebung auch objektiv unter keinem Gesichtspunkt tatsächlich etwas Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen könnte;1641 dass die Bestätigung der Beweisbehauptung lediglich „völlig unwahrscheinlich“ ist, reicht dagegen für die Ablehnung des Antrags nicht aus.1642 Bei Prüfung dieser Frage ist die Vorauswürdigung des Beweisergebnisses1643 auf Grundlage der bisher in der Beweisaufnahme gewonnenen Erkenntnisse dem Gericht nicht nur erlaubt,1644 sondern geboten.1645 Ist danach der Antrag bei objektiver Beurteilung geeignet, die Beweislage zum Vorteil des Antragstellers zu beeinflussen, so ist seine etwaige rein subjektive Verschleppungsabsicht somit unerheblich; diese wird in einem solchen Fall aber in der Regel ohnehin kaum zu belegen sein.1646 270

bb) Absicht der Verschleppung. Aus dem Gesetzeswortlaut, wonach der Antrag „zum Zweck“ der Prozessverschleppung gestellt sein muss, folgt, dass ihm eine entsprechende subjektive Absicht des Antragstellers zugrunde liegen muss;1647 damit ist die erforderliche Intention umschrieben, das Beweisantragsrecht zu missbrauchen. Sie wird sich nur selten aus diesbezüglichen eindeutigen Erklärungen des Antragstellers1648 oder einem sonstigen Einzelumstand ohne weiteres erschließen. Daher soll das Gericht die erforderliche Gewissheit davon, dass der Antragsteller die Verschleppung des Verfahrens bezweckt, nach wohl einhelliger Ansicht in aller Regel nur aufgrund einer Gesamtwürdigung des Verhaltens des Antragstellers1649 unter Abwägung der dafür und

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1641 BGHSt 21 118, 121 f.; 29 149, 151; BGH GA 1968 19; JR 1983 35 m. Anm. Meyer; NJW 2001 1956; NStZ 1982 291, 292; 1982 391; 1984 230; 1986 519, 520; 1990 350 m. Anm. Wendisch = StV 1990 391 m. Anm. Strate; NStZ 1992 551, 552; 1998 207 m. Anm. Sander; 2011 230; NStZ-RR 2009 21; StV 1989 234 m. Anm. Michalke sowie Anm. Frister S. 380; 1990 393; 1994 635 m. Anm. Müller; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Prozeßverschleppung 5; BayObLG bei Rüth DAR 1978 210; OLG Karlsruhe StV 1993 405; OLG Koblenz VRS 49 (1975) 192; OLG Köln VRS 61 (1981) 272; StV 2002 238, 239; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1970 198; Alsberg/Güntge 1240; Hamm/Hassemer/Pauly 248; Haubrich NJW 1981 2507; Holz GA 2016 644 f.; AK/Schöch 112; HK/Julius 38; KK/Krehl 176; KMR/Paulus 432; Meyer-Goßner/Schmitt 68; Eb. Schmidt Nachtr. I 38; SK/Frister 167; kritisch Niemöller NStZ 2008 181 (dagegen Holz GA 2012 653). Ob dieser strenge Maßstab mit demjenigen der Aufklärungspflicht übereinstimmt (so etwa Hamm/Hassemer/Pauly 248; dagegen Holz GA 2016 644 ff.: „erhöhte Aufklärungspflicht“), so dass die Beweiserhebung ohnehin in jedem Fall ohne Rücksicht auf die vom Antragsteller verfolgten Absichten geboten wäre, erscheint fraglich. 1642 BGH NStZ-RR 2017 21. 1643 Holz GA 2016 646 ff. entwirft dazu ein Prüfungsschema, das jedoch in Teilen in eine Art von Beweisregeln abgleitet, die mit § 261 schwerlich vereinbar sind. 1644 BGHSt 21 118, 121; 38 115; BGH NJW 2001 1956; GA 1982 567, 568; NStZ 1990 350, 351 m. Anm. Wendisch = StV 1990 391 m. Anm. Strate; NStZ 1992 551, 552; OLG Hamburg JR 1980 32 m. Anm. Gollwitzer; OLG Köln NStZ 1983 90 m. Anm. Dünnebier; Herdegen FS Boujong 787; AK/Schöch 112; KMR/Paulus 430; Meyer-Goßner/Schmitt 68; Eb. Schmidt Nachtr. I 19; SK/Frister 167; abl. Bauer NStZ 2008 544. 1645 Alsberg/Güntge 1240; Hamm/Hassemer/Pauly 248; Holz GA 2016 639 f.; G. Schäfer 1187a; Schweckendieck NStZ 1991 110. 1646 BGH StV 1990 393; ferner Niemöller NStZ 2008 181 (theoretisch nicht ausgeschlossen, aber außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit). 1647 Ganz h.M.; s. BGHSt 51 333, 336; BGH NStZ-RR 2009 21 und die Nachw. in den folgenden Fn.; a.A. Bauer NStZ 2008 544 f.; dagegen Niemöller NStZ 2009 129 f. 1648 Vgl. etwa BGH bei Cierniak/Zimmermann NStZ-RR 2011 99. 1649 Prozessverhalten und – sofern bekannt – auch außerprozessuales Verhalten; so etwa BGH NStZ 1990 350; BGH Beschl. v. 12.1.2012 – 1 StR 373/11 (in NStZ 2012 462 insoweit nicht abgedruckt); Sander NStZ 1998 208; G. Schäfer 1187a; Pfeiffer 37; a.A. Weber GA 1975 293.

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dagegen sprechenden Tatsachen gewinnen können.1650 Hierbei wird jedoch der zentralen Voraussetzung dieses Ablehnungsgrundes, dass die beantragte Beweiserhebung nach Überzeugung des Gerichts den vom Antragsteller behaupteten Beweisertrag nicht erbringen wird und der Antragsteller sich dessen auch bewusst wird (Rn. 269), nicht hinreichend Rechnung getragen.1651 Denn es fragt sich, was der Antragsteller im Regelfall mit einem derartigen Beweisantrag sonst erreichen will, als das Verfahren zu verzögern.1652 Es erscheint daher überlegenswert, dass dann, wenn das Gericht den schwierigen Nachweis des Vorliegens dieser Zentralvoraussetzung des Ablehnungsgrundes geführt hat (wobei schon insoweit auch die Rn. 272 genannten Indizien Bedeutung erlangen können), eine Vermutung dafür spricht, dass der Antragsteller mit Verschleppungsabsicht agiert. Auch die ständig gebrauchte Formel, das Tatgericht müsse sich die Überzeugung verschaffen, dass der Antragsteller ausschließlich die Verzögerung des Prozesses bezweckt,1653 ist so nicht zu billigen. Das Postulat, dass der Antragsteller „allein“ auf die Verzögerung des Verfahrens abzielen müsse, ist zumindest missverständlich. Es kann nicht bedeuten, dass mit dem Beweisantrag neben dem Zweck der Verfahrensverschleppung kein wie auch immer geartetes anderes Motiv verbunden sein darf. Vielmehr soll nur ausgeschlossen werden, dass im Falle eines Motivbündels Verschleppungsabsicht auch dann angenommen wird, wenn mit dem Beweisantrag zwar auch eine Verzögerung des Verfahrens erstrebt wird, daneben aber auch noch legitime Zwecke des Strebens nach Sachaufklärung treten. Dagegen ändert es nichts am Vorliegen von Verschleppungsabsicht, wenn neben dem Zweck der Verfahrensverzögerung mit dem Beweisantrag noch andere rechtsmissbräuchliche, nicht auf die Aufdeckung des wahren Sachverhalts gerichtete Anliegen verfolgt werden. Zu denken ist etwa an die Fälle, in denen der Antragsteller mit seinem Antrag völlig verfahrensfremde Ziele im Auge hat (Politpropaganda, Diskreditierung Dritter etc; s. Rn. 276), in denen er durch seinen Antrag Druck auf das Gericht ausüben will, um dieses zu einem von ihm noch als akzeptabel angesehenen Urteil zu drängen (s. Rn. 284), oder in denen er durch die Benennung eines Richters als Zeugen eine Neubesetzung der Richterbank erreichen will, von der er sich ein günstigeres Urteil verspricht (s. Rn. 279). Hier steht die Verschleppung des Verfahrens nicht einmal im Vordergrund der Intentionen des Antragstellers und träte überhaupt nicht ein, wenn das Gericht etwa dem durch den Antrag erzeugten Druck nachgäbe und zur Vermeidung der Beweiserhebung das vom Antragsteller akzeptierte Urteil verkündete. All

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1650 RGSt 65 304; BGHSt 22 124; BGH NStZ 1986 519, 520; 1990 350, 351 m. Anm. Wendisch = StV 1990 391 m. Anm. Strate; StV 1984 494, 495; 1989 234 m. Anm. Michalke sowie Anm. Frister S. 380; OLG Düsseldorf NJW 1949 917; OLG Hamm JMBlNW 1957 131; KG JR 1947 123; OLG Kiel SchlHA 1946 289; OLG Köln JR 1954 68; AK/Schöch 109; KK/Krehl 180 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 68; SK/Frister 173 ff.; Alsberg/Güntge 1243; Gollwitzer JR 1980 35; Holz GA 2016 641 ff. 1651 Vgl. Holz GA 2016 640 f. 1652 Vgl. Habetha/Trüg GA 2009 423; Knauer StraFo 2012 475; a.A. Holz GA 2016 643 ff., wonach der Nachweis der objektiven Aussichtslosigkeit der beantragten Beweiserhebung stets zu demjenigen (vorrangigen) Nachweis der Verschleppungsabsicht hinzutreten müsse; dies stellt indes nicht die zusätzliche Voraussetzung in Rechnung, dass sich der Antragsteller der objektiven Aussichtslosigkeit seines Beweisbegehrens bewusst sein muss, vielmehr wird dieses Erfordernis in nicht klar durchschaubarer Weise mit der Verschleppungsabsicht vermengt. 1653 BGHSt 1 33; 21 118, 121; 29 149, 151; 51 333, 336; BGH NJW 1953 1314; 1982 2201; 1990 2328; 2001 1956; GA 1968 19; JR 1985 35 m. Anm. Meyer; NStZ 1982 291, 292; 1982 391; 1984 230; 1992 551, 552; 1998 207 m. Anm. Sander; VRS 38 (1970) 58; StV 1984 144; BayObLGSt 1976 6; BayObLG bei Rüth DAR 1978 210; 1981 249; OLG Hamburg JR 1980 34 m. Anm. Gollwitzer; OLG Hamm VRS 42 (1972) 117; 44 (1973) 445; OLG Karlsruhe Justiz 1976 440; OLG Koblenz VRS 49 (1975) 116; 49 (1975) 192; OLG Köln StV 2002 238, 240; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1970 198; bei Ernesti/Lorenzen SchlHA 1981 93; ferner die Nachw. in der vorangehenden Fn.

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dies ändert indessen nichts daran, dass die Antragstellung dennoch rechtsmissbräuchlich ist und, wenn das Gericht dem Antrag stattgäbe, durch die Erhebung des begehrten Beweises das Verfahren „verschleppt“ würde.1654 Vor diesem Hintergrund ist es gerechtfertigt, einen Beweisantrag – so andere Beweggründe nicht ersichtlich sind – schon dann als „zum Zweck“ der Prozessverschleppung gestellt anzusehen, wenn dem Antragsteller bewusst ist, dass im Falle der Durchführung der beantragten Beweiserhebung die Beendigung der Hauptverhandlung verzögert würde (zum Zeitmoment s. Rn. 274 f.), ohne dass sich durch das Beweisergebnis an dem Urteil etwas zu seinem Vorteil ändern könnte.1655 271 Demgegenüber soll die Feststellung der Verschleppungsabsicht nach herrschender Auffassung regelmäßig schwierig sein. Danach sei es in aller Regel kein hinreichend tragfähiges Einzelindiz für das Vorliegen von Verschleppungsabsicht,1656 dass der Beweisantrag erst spät in der Hauptverhandlung gestellt wird (s. § 246 Abs. 1), dies selbst dann, wenn das Verteidigungsmittel nur aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist1657 oder keine Begründung für den späten Zeitpunkt der Antragstellung gegeben wird.1658 Ebenso wenig reiche es hin, dass der Verteidiger seine maschinenschriftlich vorbereiteten Beweisanträge schon längere Zeit bereitgehalten hatte1659 oder der Antragsteller nach dem Misserfolg einer von ihm beantragten Beweisaufnahme weitere Beweismittel zum gleichen Thema benennt.1660 Das Gericht könne die Annahme von Verschleppungsabsicht auch nicht allein darauf stützen, dass das Gegenteil der unter Beweis gestellten Tatsache schon bewiesen1661 oder der Angeklagte schon überführt sei1662 oder dass sich bislang keine Anhaltspunkte für den Wahrheitsgehalt der jetzt erhobenen Beweisbehauptung ergeben hätten.1663 Desgleichen könne sie nicht schon daraus gefolgert werden, dass der Antragsteller von der Wahrheit der von ihm behaupteten Tatsachen und einem günstigen Ergebnis der beantragten Beweiserhebung nicht überzeugt sei,1664 da der Antragsteller auch Beweisbehauptungen aufstellen dürfe, deren Richtigkeit er nur vage vermute (vgl. Rn. 111 f.). Die Grenze sei erst dann überschritten, wenn die Gesamtumstände – hierzu zähle auch das bisherige Beweisergebnis,1665 soweit

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1654 So auch Alsberg/Güntge 1241; Gössel ZIS 2007 562. 1655 Kritisch Alsberg/Güntge 1241, weil Wissentlichkeit noch keine Absicht sei. Indes gesteht er zu, dass kaum Fälle denkbar seien, in denen der Antragsteller die Eignung des Antrags zur Verfahrensverzögerung kenne, diese aber nicht wolle. 1656 Die in § 244 Abs. 6 Satz 2 bis 4 aufgenommene Regelung über die Behandlung von Beweisanträgen, die nach Ablauf einer für die Antragstellung gesetzten Frist angebracht worden sind, modifiziert die inhaltlichen Anforderungen an die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 bis 5 nicht, auch nicht diejenigen der Verschleppungsabsicht (s. Rn. 273). 1657 RGSt 12 335; BGHSt 21 118, 123; BGH NJW 1964 2118; NStZ 1982 41; 1982 291, 292; 1984 230; 1986 371; 1998 207 m. Anm. Sander; NStZ-RR 2009 21; StV 1982 405; 2002 181, 182; VRS 38 (1970) 58; BGH bei Spiegel DAR 1979 188; 1980 207; 1982 205; OLG Hamburg JR 1980 34 m. Anm. Gollwitzer; KG NJW 1954 770; OLG Karlsruhe StV 1993 405; OLG Koblenz VRS 73 (1987) 52, 54; OLG Schleswig StV 1985 225; bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1970 198; AK/Schöch 110; KMR/Paulus 430; Meyer-Goßner/Schmitt 68; SK/Frister 176; vgl. aber andererseits auch BGH NStZ 1986 519, 520; 1990 350 m. Anm. Wendisch = StV 1990 391 m. Anm. Strate; ferner bei § 246 und die Kritik von Foth DRiZ 1978 76. 1658 BGH NStZ 1986 371. 1659 BGH NStZ 1984 230. 1660 RG HRR 1937 Nr. 1483; OLG Kiel SchlHA 1946 289; Alsberg/Güntge 1243. 1661 RG JW 1930 1313; BGH NJW 1990 2328; OLG Hamm VRS 44 (1973) 445; OLG Köln NJW 1967 2416; Alsberg/Güntge 1243; KMR/Paulus 430; vgl. auch OLG Kiel SchlHA 1946 289. 1662 Vgl. Alsberg/Güntge 1243. 1663 BGH NStZ 1982 291, 292. 1664 RG JW 1911 248; OLG Hamm VRS 44 (1973) 445; Alsberg/Güntge 1243. 1665 BGH Beschl. v. 12.1.2012 – 1 StR 373/11 (insoweit in NStZ 2012 462 nicht abgedruckt).

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es vom Antragsteller nicht in Zweifel gezogen werde – den Schluss aufdränge, auch der Antragsteller wisse, dass seine Behauptung nicht der Wahrheit entspreche (s. Rn. 272). Ohne hinreichende Aussagekraft sei es auch, dass die Beweisbehauptung des Verteidigers nicht in jedem Punkt mit den Angaben des Angeklagten sachlich übereinstimme,1666 dass der Antragsteller auf den erneut benannten Zeugen früher bereits verzichtet habe1667 oder dass er den früheren Mitangeklagten als Zeugen benenne, obwohl dieser sich als Mitangeklagter nicht zur Sache eingelassen hatte.1668 Eher gegen die Verschleppungsabsicht könne es beispielsweise sprechen, wenn der Angeklagte denselben Beweisantrag schon vor der Hauptverhandlung oder gleich bei Verhandlungsbeginn oder schon in einer früheren Verhandlung gestellt hatte.1669 Beweisanzeichen, die selten je für sich, grundsätzlich jedoch bei zusammenfas- 272 sender Würdigung1670 des gesamten Verhaltens des Antragstellers im Prozess – und gegebenenfalls auch außerhalb desselben – eine hinreichende Grundlage für die Annahme von Verschleppungsabsicht bilden könnten, ließen sich insbesondere aus einem nicht anderweitig erklärbaren, widersprüchlichen und unschlüssigen Prozessieren herleiten. Sie könnten nach Lage des Einzelfalls darin gesehen werden, dass der Antragsteller auch sonst offensichtlich unbegründete Anträge gestellt sowie nichts unversucht gelassen habe, um den Abschluss des Prozesses hinauszuzögern,1671 ferner dass der Angeklagte ohne ersichtlichen Grund sein Verteidigungsvorbringen ändere und nach Scheitern eines früheren Entlastungsbeweises im Widerspruch dazu völlig andere Tatsachen durch nicht oder nur schwer erreichbare Beweismittel unter Beweis stelle.1672 Gleiches gelte, wenn er, ohne einen Grund dafür angeben zu können, einen bereits zurückgenommenen Antrag neu stelle1673 oder die Ladung eines Zeugen verlange, obwohl er sich mit der Verlesung der Niederschriften über dessen Einvernahme mehrfach einverstanden erklärt oder frühere Beweisanträge auf Vernehmung des Zeugen zurückgenommen und dabei zu erkennen gegeben habe, dass er sich von dieser Beweiserhebung keine entlastenden Erkenntnisse mehr versprochen habe.1674 Ähnlich liege es, wenn er ohne glaubwürdigen Grund trotz einer erdrückenden Beweislage und eines früheren Geständnisses unter Angabe wechselnder Anschriften die bereits vergeblich versuchte Ladung eines Entlastungszeugen im Ausland erneut begehre1675 oder wenn er ohne den Versuch der Entkräftung einer erdrückenden Beweislage nachträglich ein Alibi behaupte oder erst nachträglich Tatsachen für dieses darlege.1676 Indiz für Verschleppungsabsicht könne es auch sein, wenn er es ohne nachvollziehbaren Grund unterlasse, einem Zeugen Tatsachen für die Unwahrheit seiner Aussage vorzuhalten, und erst nach dessen Entlas-

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1666 RGSt 17 315; RG JW 1925 2782; BGHSt 21 118, 124; BGH NStZ 1992 551, 552; BayObLGSt 1949-51 82. 1667 BGH bei Spiegel DAR 1980 207; Alsberg/Güntge 1243. 1668 BGH StV 1990 394. 1669 RG JW 1893 292; 1930 1505; BGH NJW 1958 1789; OLG Hamm VRS 42 (1972) 117; LG Frankfurt StV 1992 466; AK/Schöch 110; KMR/Paulus 430; dazu auch Schweckendieck NStZ 1991 111. 1670 S. bspw. BGH NJW 2001 1956, 1957; NStZ 1992 551, 552. 1671 BGH NStZ 1986 519; 1992 551, 552; vgl. auch SK/Frister 174. 1672 Vgl. BGH NJW 1953 1314; NStZ 1992 551, 552; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Prozessverschleppung 5; OLG Hamm JMBlNW 1957 131; OLG Karlsruhe Justiz 1976 440; Alsberg/Güntge 1243; Schweckendieck NStZ 1991 110; AK/Schöch 109; Meyer-Goßner/Schmitt 68. 1673 BGH JR 1983 35 m. Anm. Meyer; Schweckendieck NStZ 1991 111; Meyer-Goßner/Schmitt 68. 1674 BGHSt 1 29, 33; JR 1983 35, 36 m. Anm. Meyer; zweifelnd Schweckendieck NStZ 1991 111. 1675 OLG Hamburg JR 1980 32 m. Anm. Gollwitzer; diese Konstellation dürfte heute einfacher über § 244 Abs. 5 Satz 2 zu bewältigen sein. 1676 Vgl. etwa BGH NStZ 1986 519, 520; 1990 350, 351 m. Anm. Wendisch = StV 1990 391 m. Anm. Strate; Fahl 477; Schweckendieck NStZ 1991 111.

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sung die Vernehmung eines Zeugen zur Widerlegung der Aussage beantrage.1677 Auch die sukzessive Benennung verschiedener Beweismittel für dieselbe Beweisbehauptung könne je nach den Umständen Beweisanzeichen für die Verschleppungsabsicht sein.1678 Die für und gegen die Verschleppungsabsicht sprechenden Umstände seien im 273 Wege des Freibeweises festzustellen. Wegen der Schwierigkeit, die Beweggründe des Antragstellers zweifelsfrei nachzuweisen,1679 aber auch, um nicht den legitimen Versuch abzublocken, eine bereits gesicherte Beweislage doch noch umzustoßen,1680 sei es regelmäßig angebracht, den Antragsteller nach dem Zweck seines Beweisantrags und nach den ihm zugrunde liegenden Informationen zu befragen. Vermöge er keine Gründe darzutun, die aus seiner Sicht den Antrag als zur Förderung seiner legitimen Verfahrensinteressen geeignet erscheinen lassen, so könne auch dies als Indiz für die Verschleppungsabsicht gewertet werden. 1681 Der 1. Strafsenat des BGH hat – jeweils nicht entscheidungstragend – eine Verfahrensgestaltung (sog. Fristsetzungslösung) befürwortet, mittels derer sich Indizien für eine Verschleppungsabsicht gewinnen ließen: Nach Abschluss des gerichtlichen Beweisprogramms könne der Vorsitzende – namentlich in Großverfahren im Sinne von § 229 Abs. 2 – die Verfahrensbeteiligten unter Fristsetzung auffordern, etwaige Beweisanträge zu stellen;1682 die Fristsetzung sei zu protokollieren. Lasse der Antragsteller die gesetzte Frist verstreichen, so könne dies als signifikantes Beweisanzeichen dafür gewertet werden, dass er mit später gestellten Beweisanträgen eine Prozessverschleppung bezwecke, es sei denn, dass er die Gründe für die verfristete Antragstellung substantiiert darlege oder die Aufklärungspflicht zur Beweiserhebung dränge. Nach Erteilung eines derartigen Hinweises sei es ausnahmsweise (vgl. Rn. 158) zulässig, nach Fristablauf gestellte Hilfsbeweisanträge erst im Urteil auch wegen Verschleppungsabsicht abzulehnen.1683 Für sonstige Beweisanträge verbleibe es

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1677 BGH NStZ 1986 519, 520; NJW 1997 2762, 2764 = NStZ 1998 207 Ls. m. Anm. Sander; zu dieser Entscheidung auch die Anm. von Herdegen NStZ 1997 505 sowie Wohlers StV 1997 570. 1678 Radtke/Hohmann/Kelnhofer 150. 1679 Vgl. BGHSt 21 118; KMR/Paulus 428; ferner Foth DRiZ 1978 76. 1680 Gollwitzer JR 1980 35; es genügt, wenn dem Antrag zumindest auch ein prozesskonformes Motiv zugrunde liegt, um die Ablehnung wegen Verschleppungsabsicht auszuschließen; s. Rn. 270. 1681 BGH NStZ 1986 519, 520; StV 1989 234, 235 m. abl. Anm. Michalke und Frister S. 380; Herdegen GedS Meyer 204 f.; Rose (Auslandszeuge) 493 ff.; vgl. auch BGH StV 1985 311 (m. abl. Anm. Schulz) sowie bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 210, wo nach ergebnisloser Befragung das Vorliegen eines Beweisantrags verneint wurde; abl. Alsberg/Güntge 1245; SK/Frister 175; MüKo/Trüg/Habetha 327. 1682 Insoweit zustimmend Heinrich 160 f. 1683 BGHSt 51 333, 344 f. = NStZ 2007 659 m. abl. Anm. Beulke/Ruhmannseder NStZ 2008 300; 52 355 = BGH NJW 2009 605 m. abl. Anm. Gaede = JZ 2009 316 m. abl. Anm. Eidam = StV 2009 64 m abl. Anm. König S. 171; abl. auch Alsberg/Güntge 1244; Beulke StV 2009 555 f.; ders. FS Amelung 556; Börner (Legitimation) 566 ff.; Deckers (Beweisantrag) 159 ff.; Duttge/Neumann HRRS 2010 34; Eschelbach ZAP Fach 22 S. 698 f.; Fezer HRRS 2009 17; ders. FS Widmaier 183 f.; Fischer StV 2010 428; Habetha/Trüg GA 2009 424 ff.; Hamm 706; ders. FS Hassemer 1017 ff.; Hebbecker 169 ff. (mit dem Vorschlag einer „Kombinationslösung“ aus Elementen des Fristsetzungsmodells und der Konnexitätsrechtsprechung, S. 186 ff.); Jahn JuS 2009 372; ders. StV 2009 667 ff. (auch mit verfassungsrechtlichen Einwänden); Kempf StraFo 2010 319 ff.; ders. FS Hassemer 1045 ff.; Knauer StraFo 2012 480; Kudlich Gutachten zum 68. DJT C 75 ff.; Lamshöft 23 f., 27 ff., 32 f. sowie eingehend 62 ff. (mit Vorschlag eines vereinfachten Ablehnungsverfahrens – de lege ferenda – in Missbrauchsfällen, S. 219 ff.); Nicklas 160 ff. (mit eigenständigem Verfahrensmodell, S. 199 ff.); Niemöller JR 2010 334 f.; Roxin/Schünemann § 45, 28; Satzger FS Tepperwien 59 ff.; Schlothauer StraFo 2011 460 f., 465 f.; Tepperwien FS Widmaier 588 f.; Thomas StV 2010 432; Trüg StraFo 2010 145 ff.; ders. StV 2010 535 f.; ders. FS Heintschel-Heinegg 455; Ventzke StV 2009 659 f.; Witting FS Volk 892 ff.; Wohlers NJW 2010 2473; KK/Krehl § 246, 1; MüKo/Trüg/Habetha 331 f.; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 152; zustimmend BGH NStZ 2007 716 (3. Strafsenat) und – inzident im Rahmen einer Rüge nach § 338 Nr. 3 – StV 2009 581, 582 (5. Strafsenat), insoweit in BGHSt 54 39 nicht abgedruckt; SSW/Sättele § 246, 3; s. auch BGH NStZ-RR 2014 251 (1. Strafsenat); Fahl DRiZ 2009 291; Henschel 198 ff. („Notlösung“); Kunz 111 f; Mosbacher FS Miebach 23; vgl. Basdorf FS Widmaier 61 f.;

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grundsätzlich (s. aber auch Rn. 283) bei der Pflicht zur Verbescheidung durch Beschluss in der Hauptverhandlung (§ 244 Abs. 6 Satz 1).1684 Diese Fristsetzungslösung überschneidet sich zwar in ihren formalen Voraussetzungen und Rechtsfolgen mit denjenigen des jetzt in das Gesetz aufgenommenen Fristsetzungsmodells des Absatzes 6 Satz 2 bis 4. Da dieses Modell sich indes nicht mit den inhaltlichen Voraussetzungen des Ablehnungsgrundes der Verschleppungsabsicht befasst, sondern lediglich eine Regelung über die Art der Bescheidung verfristet gestellter Beweisanträge enthält, ist die Fristsetzungslösung des 1. Strafsenats durch die gesetzliche Neuregung nicht obsolet geworden (s. Rn. 359f). Sie ist in der Sache auf der Grundlage der bisherige Rechtsprechung zu den Anforderungen an den Nachweis der Verschleppungsabsicht auch keinen durchgreifenden einfach- oder verfassungsrechtlichen1685 Bedenken ausgesetzt und insbesondere mit § 246 Abs. 1 vereinbar, wenn sie eng an den Vorgaben des 1. Strafsenats ausgerichtet durchgeführt und insbesondere beachtet wird, dass die nicht plausibel begründete Antragstellung nach Fristablauf nur ein Indiz für die Verschleppungsabsicht des Antragstellers liefern kann;1686 andernfalls liefe sie auf eine gesetzwidrige, insbesondere mit § 246 Abs. 1 unvereinbare Präklusion von Beweisanträgen hinaus. Wenn sich aber bereits aus dem bisherigen Prozessverhalten des Antragstellers Anhaltspunkte für eine Prozessverschleppungsabsicht ergeben, er also deutlich zeigt, dass er keinerlei Interesse an einer Durchführung der Hauptverhandlung innerhalb angemessener Frist (vgl. Art. 6 Abs. 1 EMRK) hat, so wird eine derartige Fristsetzung regelmäßig angezeigt,1687 jedoch auch Bedacht darauf zu nehmen sein, dass sie mit einer eventuell zusätzlich nach § 244 Abs. 6 Satz 2 zu setzenden Frist harmonisiert wird. Die Frist ist nicht zu kurz zu bemessen; sie muss es den Beteiligten ermöglichen, auf Basis des bisherigen Prozessverlaufs sachgerecht zu entscheiden, ob und gegebenenfalls welche Beweisanträge noch gestellt werden sollen.1688 cc) Tatsächliche Verzögerung. Nach (noch) herrschender Meinung muss die 274 Durchführung der verlangten Beweisaufnahme tatsächlich geeignet sein, eine „wesentliche“ oder „erhebliche“ Verzögerung des Verfahrens herbeizuführen;1689 teilweise wurde sogar eine Verzögerung auf unbestimmte oder unabsehbare Zeit vorausgesetzt.1690

_____ einschränkend (Fristsetzung nur bei entsprechendem Vorverhalten der Verteidigung) und die weitergehende Rechtsprechung ablehnend: SK/Frister 177 ff. und Krell Jura 2012 360. S. auch die Überlegungen von Bauer NStZ 2008 545, der auf die Absicht der Prozessverschleppung verzichten will und es – unter teleologischer Reduktion des § 246 Abs. 1 – für ausreichend hält, dass der Beweisantrag „schuldhaft spät“ gestellt wird und objektiv zu einer Verfahrensverzögerung führen würde, soweit nicht die Aufklärungspflicht die Beweiserhebung gleichwohl gebietet (ablehnend Niemöller NStZ 2009 129 f.); sie dürften sich durch § 246 Abs. 6 Satz 2 – 4 ohnehin erledigt haben. 1684 BGHSt 51 333, 345; BGH NJW 2011 2821 f.; vgl. auch BGH NStZ 2010 161. 1685 BVerfG (Kammer) JR 2011 354 m. abl. Anm. Knauer; NJW 2010 2036; kritisch auch Eschelbach ZAP Fach 22 S. 698 f.; Lamshöft 30 f. 1686 BGH NStZ 2010 161 f.; vgl. SSW/Sättele § 246, 3; s. aber auch BGH NStZ-RR 2014 251 (1. Strafsenat), wo diese Einschränkung fehlt. 1687 Vgl. BGH NStZ 2007 716. SK/Frister 177 hält eine Fristsetzung nur in derartigen Ausnahmefällen für zulässig. 1688 BVerfG (Kammer) NJW 2010 2036, 2037. 1689 RGSt 20 206, 208; BGH NJW 1958 1789; 1980 1533; JR 1983 35 m. Anm. Meyer; MDR 1984 681; NStZ 1982 291, 292; 1984 230; 1990 350 m. Anm. Wendisch = StV 1990 391 m. Anm. Strate; 1992 551, 552; StV 1986 418; 2009 5; bei Becker NStZ-RR 2002 69; OLG Köln NStZ 1983 90 m. Anm. Dünnebier; StraFo 2002 294, 295; OLG Schleswig bei Ernesti/Lorenzen SchlHA 1981 93; Junker 183; Perron (Beweisantragsrecht) 252, Rose (Auslandszeuge) 484 ff.; Sarstedt DAR 1964 313; Schweckendieck NStZ 1991 109; AK/Schöch 108; AnwK-StPO/Sommer 104; Meyer-Goßner/Schmitt 67. 1690 So BGHSt 21 118, 121; 22 124, 126; 29 149, 151; BGH VRS 38 (1970) 58; OLG Hamburg JR 1980 32; OLG Hamm VRS 44 (1973) 445; OLG Karlsruhe Justiz 1976 441; KMR/Paulus 429.

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Die beantragte Durchführung der Beweisaufnahme müsse – eventuell auch wegen des Umfangs der Beweisthemen oder der Zahl der Beweismittel – verhindern, dass die Hauptverhandlung in einer der Bedeutung der Sache angemessenen Zeit zu Ende gebracht werden könne. Dass die Hauptverhandlung schon längere Zeit angedauert habe, sei hierfür nicht erforderlich.1691 Jedoch überschreite die Notwendigkeit kurzfristiger Unterbrechungen den Zeitrahmen grundsätzlich nicht. Eine wesentliche Verzögerung sei vor allem – wenn auch nicht nur dann – zu befürchten, wenn die Hauptverhandlung bei Erhebung des beantragten Beweises ausgesetzt werden müsse oder wenn sie nicht innerhalb der Unterbrechungsfrist nach § 229 Abs. 1 fortgesetzt werden könne.1692 Allenfalls bei Großverfahren werde man auch dann, wenn eine Unterbrechung nach § 229 Abs. 2 notwendig sei, die verfahrensbezogen zu beurteilende Erheblichkeit der Verzögerung verneinen können.1693 Bei Vorliegen besonderer Umstände könne andererseits schon die Notwendigkeit einer kürzeren Unterbrechung der Hauptverhandlung ausreichen, um eine erhebliche Verzögerung zu bejahen, vor allem, wenn bei Verfahren von geringerer Bedeutung eine kurzfristige Terminierung der Fortsetzungsverhandlung nicht möglich sei.1694 Unerheblich sei eine Verzögerung, wenn der Zeuge oder Sachverständige voraussichtlich alsbald in der Hauptverhandlung vernommen werden könne, etwa weil es möglich sei, ihn umgehend herbeizuholen (Telefonanruf, Polizei usw.) oder das beantragte Beweismittel für einen späteren Verhandlungstag beizuziehen.1695 Die herrschende Ansicht ist abzulehnen. Sie ist – abgesehen davon, dass das Kri275 terium der Erheblichkeit bzw. Wesentlichkeit keine hinreichend klaren Konturen gewonnen hat1696 – im Hinblick auf § 245 Abs. 2 systematisch nicht tragfähig. Wenn dessen Satz 3 es zulässt, trotz Präsenz des Beweismittels einen auf dessen Nutzung gerichteten Beweisantrag wegen Verschleppungsabsicht abzulehnen, so kann dies nur bedeuten, dass unter den sonstigen Voraussetzungen dieses Ablehnungsgrundes die Zurückweisung des Beweisantrags schon deshalb ermöglicht wird, weil allein die Dauer der Beweiserhebung die sachgerechte Fortführung des Verfahrens verzögern würde. Weiteres kann dann aber auch für § 244 Abs. 3 Satz 2 nicht vorausgesetzt werden.1697 § 26a Abs. 1 Nr. 3 weist in dieselbe Richtung, da auch die Durchführung des Regelverfahrens über ein zulässiges Ablehnungsgesuch für sich eine wesentliche Verzögerung der Fortführung der Hauptverhandlung nicht mit sich bringt (vgl. § 29). Die demgegenüber unternommenen Versuche, dem Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht in § 244 Abs. 3 Satz 2 ein anderes Verständnis beizulegen als in § 245 Abs. 2 Satz 31698 oder das einheitliche

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1691 BGH NStZ 1992 551, 552. 1692 OLG Köln StV 2007 458, 459; ebenso – freilich zur Rechtslage vor der Neufassung des § 229 durch das 1. JuMoG – OLG Karlsruhe Justiz 1976 440; OLG Köln StV 2002 238, 239; OLG Schleswig StV 1985 225; s. auch BGH GA 1968 19; Beulke/Ruhmannseder NStZ 2008 301 f.; Eisenberg (Beweisrecht) 236; Perron (Beweisantragsrecht) 253; Schweckendieck NStZ 1991 109; Meyer-Goßner/Schmitt 67. 1693 Schweckendieck NStZ 1991 109; AK/Schöch 108. 1694 AK/Schöch 108. 1695 Bei einem am Gerichtsort wohnenden Zeugen bedürfe deshalb die Annahme einer wesentlichen Verzögerung einer besonderen Begründung: BGH NJW 1958 1787; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 494; OLG Köln NStZ 1983 90 m. Anm. Dünnebier; Meyer-Goßner/Schmitt 67. 1696 BGHSt 51 333, 338; Niemöller NStZ 2008 184. 1697 Vgl. Fahl 469; Alsberg/Güntge 1249; Gössel ZIS 2007 562; Habetha/Trüg GA 2009 423; Niemöller NStZ 2008 182 ff.; Roxin/Schünemann § 45, 28; Schrader NStZ 1991 226; Tepperwien FS Widmaier 588; SK/Frister 170; MüKo/Trüg/Habetha 324; SSW/Sättele 218. S. dagegen Kühne 789: weil bei präsentem Beweismittel eine wesentliche Verfahrensverzögerung kaum vorstellbar sei, habe der Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht im Rahmen des § 245 Abs. 2 Satz 3 nur geringe Bedeutung; ähnlich Hamm 806: nur extrem selten begründbar; Trüg StraFo 2010 145: bei massenhafter Benennung präsenter Beweismittel. 1698 Beulke/Ruhmannseder NStZ 2008 301; Deckers (Beweisantrag) 155 ff.

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Verständnis des Ablehnungsgrunds zu sichern, indem auch für § 245 Abs. 2 Satz 3 eine wesentliche Verzögerung gefordert wird,1699 vermögen nicht zu überzeugen. Demgegenüber hat auch der 1. Strafsenat des BGH in einem obiter dictum angedeutet, dass er zu dieser Frage eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung in Erwägung zieht.1700 c) Sonderkonstellationen aa) Verfahrensfremde Ziele. Eine Sonderform rechtsmissbräuchlicher Nutzung des 276 Beweisantragsrechts stellt es dar, wenn der gestellte Antrag nicht einmal dem äußeren Anschein nach darauf gerichtet ist, durch die begehrte Beweiserhebung zur Aufklärung des Tatvorwurfs beizutragen, sondern die Beweisbehauptung zweifelsfrei erkennen lässt, dass der Antragsteller mit der Beweiserhebung – gelegentlich auch schon durch die Anbringung des Antrags – allein Zwecke verfolgt, die objektiv mit der Urteilsfindung nichts zu tun haben und daher verfahrensfremd sind. Als derartige Zwecke werden in diesem Zusammenhang immer wieder genannt das Verbreiten politischer Propaganda, die Diffamierung des benannten Zeugen oder eines Dritten in der Öffentlichkeit sowie die Werbung für eine Einrichtung, ein Unternehmen oder einen Verband.1701 Zu denken ist darüber hinaus insbesondere auch an Anträge, die auf eine Fortsetzung der dem Angeklagten angelasteten Straftat vor Gericht hinauslaufen.1702 In derartigen Fällen wird teilweise schon das Vorliegen eines Beweisantrags verneint, weil dem Begehren die erforderliche Ernstlichkeit fehle;1703 dem kann aber entgegengehalten werden, dass der Antragsteller den Antrag deshalb ernst meint, weil es ihm zur Erreichung seines verfahrensfremden Zwecks gerade auf die Durchführung der Beweisaufnahme ankommt.1704 Andere wollen hier stets den Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht eingreifen lassen, der als Oberbegriff sämtliche rechtsmissbräuchlichen „Scheinanträge“ umfasse.1705 Überwiegend werden derartige Anträge aber (ausdrücklich oder jedenfalls der Sache nach: wegen Rechtsmissbrauchs) als unzulässig angesehen.1706 Derartige Fälle können jedoch in aller Regel über § 244 Abs. 3 Satz 2 angemessen 277 bewältigt werden; ein Rückgriff auf die Kategorie eines wegen Rechtsmissbrauchs unzulässigen Beweisantrags ist daher nicht erforderlich.1707 Zielt der Beweisantrag schon nach seiner äußeren Gestalt objektiv tatsächlich nur auf verfahrensfremde Ziele, so liegt es auf

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1699 Dünnebier NStZ 1983 90; Eisenberg (Beweisrecht) 293; Michalke StV 2008 229. 1700 BGHSt 51 333 = NStZ 2007 659 m. abl. Anm. Beulke/Ruhmannseder NStZ 2008 300 = StV 2007 454 m. abl. Anm. Michalke StV 2008 228; zustimmend: Gössel ZIS 2007 562 ff.; Hebbecker 181 f.; Tepperwien FS Widmaier 588; SK/Frister 171; SSW/Sättele 218; ebenso der 3. Strafsenat: BGH StV 2008 9, 10; s. auch Fezer FS Widmaier 184 ff., der sich lediglich dagegen wendet, auch den Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung als Begründungselement heranzuziehen; Habetha/Trüg GA 2009 423 f.; a.A. Beulke FS Amelung 555; Beulke/Ruhmannseder NStZ 2008 301 f.; Deckers (Beweisantrag) 153 ff.; Hamm 698; Knauer StraFo 2012 479; Lamshöft 51 f.; Michalke StV 2008 229; KK/Krehl 178. 1701 RGSt 14 189, 193; 65 304, 306; vgl. BGHSt 17 28, 29 ff.; 17 337, 345; KG JR 1971 338 m. Anm. Peters; s. auch KMR/Paulus 427; Meyer-Goßner/Schmitt 67. 1702 BGHSt 46 37, 45 ff. = JZ 2001 201 m. Anm. Streng = JR 2001 34 m. Anm. Stegbauer; 47 278, 283 ff., m. Bspr. Stegbauer JR 2003 74; KG JR 1971 338 m. Anm. Peters; s. auch BGHSt 17 28, 30. 1703 Eb. Schmidt 31. 1704 Schulz GedS Meurer 363 f. 1705 So RGSt 65 304, 306; Meyer-Goßner/Schmitt 49 (dort mit unzutreffender Darstellung der hier vertretenen Ansicht) und 67; SK/Frister 182; s. Rn. 199 f. 1706 Vgl. RGRspr. 7 550, 551; BGHSt 17 28, 30; 17 337, 343; BGH NStZ 1986 371 (offen gelassen); KK/Krehl 108 (soweit nicht Verschleppungsabsicht unterfallend); KMR/Paulus 425; Bünger NStZ 2006 308; Gössel § 29 C IIIb 3; Herdegen NStZ 2000 7; Rüping 478; Rüping/Dornseifer JZ 1977 418; Weber GA 1975 300 f.; ablehnend AK/Schöch 77; HK/Julius 28; Fezer FS Weber 482; Thole 196. 1707 Eisenberg (Beweisrecht) 173, 202.

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der Hand, dass die Beweisbehauptung (soweit sie überhaupt hinreichend konkrete Beweistatsachen beschreibt;1708 s. Rn. 96 ff.) mit dem Gegenstand der Urteilsfindung in keinen Zusammenhang steht (s. § 245 Abs. 2 Satz 3) und daher im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 für die Entscheidung ohne Bedeutung ist.1709 Der Nachweis einer Missbrauchsoder Verschleppungsabsicht des Antragstellers ist daher nicht Voraussetzung der Ablehnung des Antrags. Hat die Beweistatsache dagegen – trotz erkennbar (auch) missbräuchlicher, weil verfahrensfremder Intentionen des Antragstellers – einen entscheidungsrelevanten Bezug zum Tatvorwurf oder zur Rechtsfolgenfrage, so ist nach den oben dargestellten Maßstäben Verschleppungsabsicht gegeben, wenn zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass die Beweiserhebung kein günstiges Ergebnis für den Antragsteller wird erbringen können und dieser sich dessen bewusst ist; dies ist im Ablehnungsbeschluss darzulegen. Hält das Gericht in einem solchen Fall trotz der (auch) missbräuchlichen Absichten des Antragstellers ein diesem vorteilhaftes Ergebnis der verlangten Beweiserhebung für möglich, so muss es den Beweis erheben;1710 nicht etwa macht hier die missbräuchliche Intention – so überhaupt nachweisbar – den Beweisantrag unzulässig. Für den Sonderfall des gegen § 130 Abs. 3 StGB verstoßenden Beweisantrags 278 kommt demgegenüber vorrangig dessen Ablehnung wegen Offenkundigkeit des Gegenteils der Beweisbehauptung in Betracht;1711 aber auch die Unzulässigkeit der Beweiserhebung (Absatz 3 Satz 1) wegen Bestehens eines Beweisthemenverbots kann erwogen werden.1712 Letztgenannte Möglichkeit wird insbesondere dann von Bedeutung sein, wenn der Antragsteller ein präsentes Beweismittel anbietet (s. § 245 Abs. 2 Satz 2), weil in diesem Fall nicht die Möglichkeit besteht, den Beweisantrag wegen Offenkundigkeit des Gegenteils der Beweisbehauptung abzulehnen (s. § 245 Abs. 2 Satz 3). 279

bb) Benennung eines Richters als Zeugen. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden oder sich ihm entziehen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 16 Satz 2 GVG). Ein Beweisantrag, in dem ein erkennender Richter ausschließlich mit dem Ziel als Zeuge benannt wird,1713 ihn durch die Vernehmung aus dem Verfahren auszuschließen (§ 22 Nr. 5), um durch den erzwungenen Neubeginn der Hauptverhandlung1714 mit veränderter Richterbank das Urteil zu verzögern und eventuell damit gleichzeitig statt des gesetzlichen einen ihm genehmer erscheinenden Richter auf die Richterbank zu befördern, ist daher rechtsmissbräuchlich. Wie derartige Anträge verfahrensrechtlich zu behandeln sind, ist in Rechtsprechung und Schrifttum noch nicht hinreichend geklärt. Keine besonderen Schwierigkeiten werfen dabei die Fälle auf, in denen die Beweisbehauptung etwa bedeutungslos, offenkundig im Sinne von allgemeinkundig (s. Rn. 204 f.) oder – eventuell auch aufgrund eines nach der Antragstellung erhobenen sonstigen Beweises1715

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1708 Schon hieran dürfte es in BGHSt 17 28; 17 337 weitgehend gefehlt haben. 1709 Die Entscheidungen BGHSt 17 28; 17 337, 341 ff. (jew. Ablehnung als unzulässig aufgrund fehlenden Sachbezugs) ergingen zu § 245 a.F. (vor dem StVÄG 1979), der für präsente Beweismittel den Ablehnungsgrund des fehlenden Sachzusammenhangs nicht kannte (vgl. auch BTDrucks. 8 976 S. 53). 1710 Thole 78, 80; s. auch oben Rn. 270. 1711 BGHSt 46 36, 46; 47 278, 284 m.w.N.; Alsberg/Güntge 1254; s. näher Rn. 205. 1712 S. Rn. 190; BGHSt 47 278, 284 spricht von Unzulässigkeit des Beweisantrags; kritisch Alsberg/Güntge 1254, wonach in derartigen Fällen aber häufig Verschleppungsabsicht anzunehmen sein wird. 1713 Gemeint sind die Fälle, in denen sich das Beweisthema auf einen Vorgang bezieht, der sich außerhalb der laufenden Hauptverhandlung abgespielt haben soll. Betrifft es Vorgänge der laufenden Hauptverhandlung ist die Beweiserhebung gemäß Absatz 3 Satz 1 unzulässig; s. Rn 191. 1714 Für den Fall der Teilnahme eines Ergänzungsrichters an der Hauptverhandlung s. Rn. 280. 1715 Vgl. BGHSt 45 354, 362.

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– bereits erwiesen ist oder als wahr unterstellt werden kann.1716 Hier darf der Beweisantrag in Heranziehung des entsprechenden Ablehnungsgrundes unter Mitwirkung des benannten Richters zurückgewiesen werden, ohne dass dieser eine dienstliche Erklärung über sein Wissen zu der Beweisbehauptung abgeben oder aus der Richterbank ausscheiden müsste.1717 Die rechtsmissbräuchliche Intention des Antragstellers hat für die Entscheidung keine Bedeutung. Kann der Beweisantrag nicht in dieser Weise erledigt werden, bedeutet das nicht 280 zwingend, dass der Richter vernommen werden muss. Vielmehr besteht in bestimmten Konstellationen die Möglichkeit, dessen Vernehmung dadurch zu erübrigen, dass er eine dienstliche Erklärung über sein Wissen zu der Beweisbehauptung abgibt und auf dieser Grundlage der Beweisantrag – so der Antragsteller ihn danach überhaupt noch aufrechterhält – abgelehnt wird. In welchem Umfang der benannte Richter seinen Wissensstand zu der Beweisbehauptung durch dienstliche Erklärung in die Hauptverhandlung einführen darf, zu welchen Zwecken die Erklärung verwertbar ist, inwieweit sie als Grundlage für die Ablehnung des Beweisantrags taugt, auf welche rechtliche Basis die Ablehnung zu stützen ist und wann § 22 Nr. 5 eingreift, ist jedoch umstritten. Weitgehend Einigkeit besteht allerdings noch insoweit, als der Richter, der weder privat noch dienstlich irgendeine Kenntnis zu der Beweisbehauptung gewonnen hat, dies durch dienstliche Erklärung in der Hauptverhandlung bekannt geben kann, ohne dass hierdurch die Rechtsfolge des § 22 Nr. 5 ausgelöst würde; denn die Erklärung dient hier allein der freibeweislichen Klärung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Ablehnung des Beweisantrags deshalb vorliegen, weil der Richter als Zeuge zu den in sein Wissen gestellten Tatsachen gar nicht in Betracht kommt (s. sogleich), nicht dagegen der Gewinnung von Tatsachenstoff als Grundlage des Urteilsspruchs.1718 Hält der Antragsteller seinen Antrag aufrecht, obwohl er auf diese Weise von der Nutzlosigkeit der begehrten Beweiserhebung erfahren hat, so rechtfertigt das die Ablehnung des Beweisantrags, wobei auch hierbei der benannte Richter mitwirkt. Die Frage nach der Rechtsgrundlage der Ablehnung wird jedoch unterschiedlich beantwortet. Teilweise wird der Antrag als unzulässig bezeichnet,1719 weil der Antragsteller sich spätestens durch die Weiterverfolgung seines Beweisbegehrens rechtsmissbräuchlich verhalte. Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass der Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht eingreife.1720 Vereinzelt wird auch angenommen, der Antrag könne wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismittels zurückgewiesen werden.1721 Zu folgen ist der Auffassung, dass die Ablehnungsvoraussetzungen der Verschleppungsabsicht vorliegen. Der Antragsteller hat durch die dienstliche Erklärung sicher davon erfahren, dass der Richter zu der Beweisbehauptung nichts sagen kann. Hält er seinen Antrag dennoch aufrecht, so rechtfertigt dies den Schluss,

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1716 Vgl. BGH StV 1991 99, 100; Pauly FS AG Strafrecht DAV 738 f. 1717 RGSt 42 1, 4; RG GA 59 (1912) 126; BGHSt 11 206; BGH bei Holtz MDR 1977 107. 1718 Vgl. BGHSt 7 330, 331 = JR 1955 391 m. Anm. Nüse = JZ 1956 206 m. Anm. Kleinknecht; 44 4, 9 = NStZ 1998 524 m. Anm. Bottke; 45 354, 356 f. = JR 2001 120 m. Anm. Goeckenjan/Eisenberg = wistra 2000 148 m. Anm. Rose S. 231, m. Bspr. Franke JA 2000 751; 47 270, 273 = JR 2003 125 m. Anm. Radtke, m. Bspr. Dallmeyer JA 2003 111; BGH NStZ 2003 558, 559; StV 2004 355 f.; Beulke FS Amelung 552 f.; Bottke NStZ 1994 81; Schmid GA 1980 297 f.; ders. SchlHA 1981 4; Rissing-van Saan MDR 1993 311. 1719 BGHSt 7 330, 331 (Verschleppungsabsicht offen gelassen) = JR 1955 391 m. Anm. Nüse = JZ 1956 206 m. Anm. Kleinknecht; 47 270, 272 = JR 2003 125 m. Anm. Radtke, m. Bspr. Dallmeyer JA 2003 111; BGH StV 1991 99, 100; Beulke FS Amelung 553; KK/Krehl 108; ablehnend Pauly FS AG Strafrecht DAV 736 f. 1720 Alsberg/Güntge 1259; Roxin/Schünemann § 45, 33; AK/Schöch 78; Meyer-Goßner/Schmitt 67; MüKo/Trüg/Habetha 196 ff.; vgl. BGHSt 45 354, 362 (unzulässiger Beweisantrag bzw. Verschleppungsabsicht) = JR 2001 120 m. Anm. Goeckenjan/Eisenberg = wistra 2000 148 m. Anm. Rose S. 231, m. Bspr. Franke JA 2000 751; Bottke NStZ 1994 82; einschränkend Pauly FS AG Strafrecht DAV 737 f. 1721 Eisenberg (Beweisrecht) 203 m.w.N.; differenzierend Pauly FS AG Strafrecht DAV 737.

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dass es ihm nur noch auf die Verzögerung des Verfahrens sowie gegebenenfalls auch auf die Neubesetzung der Richterbank, somit allein auf rechtsmissbräuchliche Zwecke ankommt.1722 Dies ist hier ausreichend; im Hinblick auf die Besonderheiten der Verfahrenskonstellation (Wahrung des gesetzlichen Richters) setzt die Annahme von Verschleppungsabsicht – anders als sonst – nicht voraus, dass das Gericht davon überzeugt ist, die Beweisbehauptung sei objektiv unrichtig und der Antragsteller wisse dies. Letztlich würde das Verfahren, selbst wenn ein Ergänzungsrichter unmittelbar die Stelle des benannten Richters einnehmen könnte, mindestens um die Dauer der Beweiserhebung verlängert. Dies genügt als objektives Verzögerungselement (s. Rn. 275). 281 Diese Grundsätze dürfen nicht unbesehen auf den Fall übertragen werden, dass der Richter zwar Kenntnisse zu der Beweisbehauptung hat, jedoch das Gegenteil dessen bekunden würde, was der Antragsteller behauptet. Allerdings ist es auch hier grundsätzlich möglich, dass der Richter seinen Kenntnisstand durch dienstliche Erklärung in der Hauptverhandlung mitteilt und das Gericht den Beweisantrag wegen Verschleppungsabsicht zurückweist, wenn der Antragsteller sein Begehren trotz Kenntnisnahme vom Inhalt der Erklärung weiterverfolgt.1723 Jedoch genügt hier allein die Aufrechterhaltung des Antrags nicht. Vielmehr ist entsprechend der allgemeinen Grundsätze erforderlich, dass das Gericht – zumindest aufgrund der dienstlichen Erklärung – von der objektiven Unrichtigkeit der Beweisbehauptung sowie davon überzeugt ist, auch der Antragsteller wisse wenigstens jetzt um die Haltlosigkeit seiner Behauptung; denn andernfalls würde das Prinzip verletzt, dass Verschleppungsabsicht nicht angenommen werden darf, solange der Antragsteller zumindest die Vermutung hegt, die verlangte Beweiserhebung könnte Sachdienliches erbringen.1724 Die Ablehnung des Antrags bedarf somit eines erhöhten Begründungsaufwands im Vergleich zu den Fällen, in denen der benannte Richter keine Kenntnisse zu der Beweistatsache hat; jedoch wird es im Regelfall nahe liegen, dass schon durch die dienstliche Erklärung des Richters die genannten objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Verschleppungsabsicht hinreichend belegt werden können. Ist das nur hinsichtlich der subjektiven Seite einmal nicht möglich, so könnte – so die Beweisbehauptung eine Hilfstatsache benennt – noch an den Ablehnungsgrund der Offenkundigkeit (im Sinne der Gerichtskundigkeit des Gegenteils der Beweisbehauptung) gedacht werden (s. näher Rn. 210, 282). Danach verbleiben die Fälle, in denen der Richter die Beweisbehauptung bestäti282 gen würde und der Antrag nicht in der in Rn. 279 geschilderten Form erledigt werden kann. Selbst wenn der Antragsteller mit der Benennung des Richters auch rechtsmissbräuchliche Ziele im oben dargestellten Sinne verfolgen sollte (und dies nachweisbar wäre), kommt hier eine Ablehnung des Antrags wegen Verschleppungsabsicht nicht in Betracht. Denn das Gesetz verbietet es nicht, einen tauglichen Zeugen zu benennen, nur weil es sich bei ihm um einen erkennenden Richter handelt; aus § 22 Nr. 5 ergibt sich vielmehr das Gegenteil.1725 Ist der Richter – wie in aller Regel – zu einer Tatsache benannt, die er gerade in dieser Eigenschaft dienstlich wahrgenommen hat, könnte jedoch in Betracht gezogen werden, sein durch dienstliche Erklärung in die Hauptverhandlung

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1722 Das Hinzutreten einer weiteren rechtsmissbräuchlichen Zielsetzung zu der Verzögerungsabsicht schadet nicht, s. Rn. 270. 1723 Alsberg/Güntge 1260. 1724 Wohl weitergehend und außerdem Unzulässigkeit des Beweisantrags annehmend: BGHSt 47 270, 273 = JR 2003 125 m. Anm. Radtke, m. Bspr. Dallmeyer JA 2003 111; BGH StV 2004 355, 356; NStZ 2003 558, 559 (jedenfalls Verschleppungsabsicht); Beulke FS Amelung 553. 1725 Vgl. BGHSt 45 354, 362 = JR 2001 120 m. Anm. Goeckenjan/Eisenberg = wistra 2000 148 m. Anm. Rose S. 231, m. Bspr. Franke JA 2000 751; Alsberg/Güntge 1260; Pauly FS AG Strafrecht DAV 733; Rissingvan Saan MDR 1993 310 ff.

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eingeführtes Wissen dann als offenkundig im Sinne von gerichtskundig zu behandeln und den Antrag mit dieser Begründung zurückzuweisen, wenn er lediglich zu einer Hilfstatsache aussagen soll. Dies ist jedoch umstritten; die Einzelheiten sind beim Ablehnungsgrund der Offenkundigkeit dargestellt (s. Rn. 208 ff.). cc) Massenhafte Beweisanträge. Gelegentlich wird der Versuch unternommen, das 283 Gericht am Abschluss der Hauptverhandlung und der Verkündung eines Urteils durch das kontinuierliche und massenhafte Stellen von Beweisanträgen zu hindern.1726 Hier geht es dem Antragsteller nicht vorrangig um die Verzögerung des Verfahrens, die entstünde, wenn das Gericht den oder einigen Anträgen nachkäme. Vielmehr soll das Gericht schon durch die notwendige Verbescheidung und – vom Antragsteller einkalkulierte – Ablehnung der Anträge am Urteilsspruch gehindert werden. Selbst wenn in einem solchen Fall alle Anträge inhaltlich von vornherein den Stempel der Verschleppungsabsicht auf der Stirn trügen, wäre allein mit ihrer hierauf gestützten Ablehnung nicht geholfen, da dies die Durchführung des Ablehnungsverfahrens in der Form voraussetzt, die der Antragsteller für seine Verzögerungstaktik gerade nutzen will. Es stellt sich daher die Frage, ob und wie einem solchen rechtsmissbräuchlichen Antragsgebaren vorbeugend entgegengewirkt werden kann. Der BGH hat gegenüber solchen Praktiken zunächst noch den Grundsatz hochgehalten, dass Beweisanträge nur aus den in § 244 Abs. 3 bis 5 genannten Gründen zurückgewiesen werden dürfen und es insbesondere unzulässig ist, einen Beweisantrag ohne inhaltliche Prüfung abzulehnen; einen Weg, wie einer erkennbaren Verfahrensobstruktion entgegengewirkt werden könnte, hat er dabei nicht gewiesen.1727 Später hat er es dann aber gebilligt, dass das Tatgericht einem Angeklagten, der dieses über mehrere Monate hinweg mit der Entgegennahme, Prüfung und – fast ausschließlichen – Ablehnung einer Unzahl von Beweisanträgen beschäftigt und mehrere Tausend weiterer Beweisanträge angekündigt hatte, untersagte, weiterhin selbst Beweisanträge anzubringen, und eine Antragstellung nur noch über den Verteidiger zuließ.1728 Die Entscheidung ist auf die Anerkennung eines allgemeinen Missbrauchsverbots auch für das Strafverfahren gestützt, dessen Verletzung eine derartige Einschränkung der prozessualen Befugnisse des Angeklagten rechtfertige. Sie hat vielfache Kritik erfahren.1729 Diese erscheint jedenfalls berechtigt, soweit geltend gemacht wird, dass der vollständige Entzug des Beweisantragsrechts des Angeklagten für die weitere Hauptverhandlung und die Inpflichtnahme des Verteidigers als „Vormund“ des Angeklagten1730

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1726 Für den Fall eines einzelnen Beweisantrags, der auf die Nutzung einer Unzahl von Beweismitteln gerichtet ist (mehrere Tausend Zeugen), hat der 1. Strafsenat des BGH (NStZ 2011 294, 295) unter Bezugnahme auf eine frühe eigene Entscheidung (BGH Urt. v. 4.1.1954 – 1 StR 476/53) und auf OVG NW DÖV 1981 384 angedeutet, dass eine Zurückweisung des Antrags wegen Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit der Beweisaufnahme in Betracht zu ziehen sein könnte; vgl. auch Niemöller JR 2010 338 ff. 1727 BGHSt 29 149, 151; vgl. auch BGH NStZ 1986 371. 1728 BGHSt 38 111 = JR 1993 169 m. krit. Anm. Scheffler; Spiekermann 175 ff., befürwortet in derartigen Fällen eine Abweisung der Beweisanträge als unzulässig wegen Rechtsmissbrauchs unter entsprechender Heranziehung des § 34 StGB; ähnlich Niemöller StraFo 1996 108 f. (erwägt Anerkennung eines „prozessualen Notstandsrechts“). 1729 Fezer FS Weber 477 ff.; Hassemer FS Meyer-Goßner 139 ff.; Heinrich 157 ff.; Herdegen NStZ 2000 8; Knauer StraFo 2012 475 („nicht unproblematisch“); Niemöller JR 2010 333; Rüping JZ 1997 867 ff.; Schneider FS Geppert 612 f.; Schulz GedS Meurer 355 ff.; Ventzke HRRS 2005 233; Weßlau FS Lüderssen 792 f.; SK/Frister 184; zustimmend dagegen Bünger NStZ 2006 309 f.; Kempf FS Hassemer 1044; Kunz 95 f.; Malmendier NJW 1997 229; vgl. auch BayObLG NStZ 2004 647 (Ankündigung, 50 bis 60 weitere Beweisanträge stellen zu wollen, genügt nicht). 1730 Vgl. Beulke FS Amelung 549; Jahn StV 2009 666 f.; Trüg StraFo 2010 141.

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sich aus dem geltenden Recht wohl kaum noch ableiten lassen. Im Übrigen muss diese Lösung versagen, wenn der Verteidiger die massenhaften Beweisanträge selbst stellt.1731 Die Entscheidung ist wohl auch aus diesem Grund längere Zeit vereinzelt geblieben.1732 Vielmehr hat der BGH einen anderen Weg eingeschlagen, um derartigem rechtsmissbräuchlichen Prozessieren entgegenzusteuern. Ausgehend vom Gebot der Verfahrensbeschleunigung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Art. 5 Abs. 3 Satz 2 EMRK) und der – aus dem Rechtsstaatsgedanken abzuleitenden – Gewährleistung einer dem Gleichheitsgedanken verpflichteten funktionsfähigen Strafrechtspflege erwägt er für besonders gelagerte Ausnahmefälle, in denen das Verfahren – namentlich durch wiederholte Beweisanträge, die schon wegen Verschleppungsabsicht zurückgewiesen wurden – bereits extrem verzögert worden war, die Möglichkeit, den Verfahrensbeteiligten eine Frist zur Entgegennahme von weiteren Beweisanträgen zu setzen und die nach Ablauf der Frist gestellten Anträge bereits vorab pauschal – wenn auch mit eingehender Begründung – wegen Verschleppungsabsicht zurückzuweisen; einer weiteren individuellen Verbescheidung der Anträge im Beschlusswege bedürfe es dann nicht mehr. Dennoch seien sie inhaltlich – namentlich unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht – zu prüfen und, soweit ihnen nicht doch nachzukommen sei, wie Hilfsbeweisanträge im Urteil zurückzuweisen, wobei auch der Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht1733 nicht ausgeschlossen sei.1734 Diese Überlegungen sind jetzt indes aufgrund § 244 Abs. 6 Satz 2 bis 4 überholt (s. Rn. 359e ff.). 284

dd) Erzwingungsanträge. Abschließend bleiben die Beweisanträge, bei denen der Antragsteller von vornherein zu erkennen gibt, dass er eigentlich nicht die Erhebung des beantragten Beweises erstrebt, sondern das Gericht zwingen will, sich zur Vermeidung der Beweiserhebung auf einen bestimmten Rechtsfolgenausspruch zu verständigen. Dies kann sich aus entsprechenden Erklärungen ergeben und ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sich entgegen der hieraus folgenden Intention des Antragstellers die Beweisbehauptung nicht auf einen Umstand bezieht, der für den Rechtsfolgenausspruch relevant ist, sondern der den Schuldspruch betrifft. Auch ein solcher Antrag darf wegen Verschleppungsabsicht zurückgewiesen werden, wenn der Antragsteller um die Nutzlosigkeit der verlangten Beweiserhebung weiß und die hiermit intendierte Verfahrens-

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1731 Basdorf StV 1995 316; Niemöller JR 2010 333; Schneider FS Geppert 612 f. hält den Totalentzug des Beweisantragsrechts ohne gesetzliche Grundlage für nicht zulässig, indes den Ausschluss des Verteidigers nach § 138a Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 258 StGB für möglich (aaO S. 616 ff.); dieser Ansatz erscheint – ungeachtet der sich aus § 138c Abs. 4, § 145 Abs. 3, § 265 Abs. 4 ergebenden Folgeprobleme – durchaus bedenkenswert; s. auch Schnarr FS Schäfer 68 f.; Trüg StraFo 2010 142 sowie FS Heintschel-Heinegg 458 befürwortet – nach entsprechender Klarstellung im Beschlusswege – eine Ablehnung der rechtsmissbräuchlich massenhaft gestellten Beweisanträge erst in den Urteilsgründen. 1732 S. aber wieder BGH NStZ-RR 2010 384 Ls. 1733 Zu Hilfsbeweisanträgen und Verschleppungsabsicht s. ansonsten Rn. 158. 1734 BGH StV 2006 113 m. krit. Anm. Dahs = JZ 2005 1010 m. abl. Anm. Duttge = JR 2006 125 m. krit. Anm. Gössel; m. abl. Anm. Ventzke HRRS 2005 233; ablehnend auch Beulke FS Amelung 552; Börner (Legitimation) 555 ff.; Fezer FS Widmaier 183 f.; Alsberg/Güntge 1257; Hebbecker 160 ff.; Lamshöft 21 f.; Nicklas 159 f.; Niemöller JR 2010 334 f., der die vom BGH für massenhaft gestellte Beweisanträge erwogene Fristsetzungslösung mit inhaltlicher Prüfung auch nach Fristablauf gestellter Anträge als gesetzwidrig ablehnt, erstaunlicherweise aber gleichzeitig (S. 337 f.) deren blockweise Verwerfung als unzulässig wegen Rechtsmissbrauchs ohne Fristsetzung und inhaltliche Prüfung für zulässig erachtet; Witting FS Volk 889 ff.; zust. dagegen Bünger NStZ 2006 305; Kempf FS Hassemer 1045; Kunz 100 ff.; Mosbacher FS Miebach 23; Senge FS Nehm 344; SK/Frister 185; MüKo/Trüg/Habetha 333; im Grundsatz auch Schneider FS Geppert 613 ff., der indes diese auf Extremfälle zugeschnittene Verfahrensweise nicht für ein durchgängig praxistaugliches Mittel zur Bewältigung einer Vielzahl prozesswidriger Beweisanträge hält; offengelassen von BGH NJW 2011 2821, 2822; s. auch oben Rn. 273.

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verlängerung als notwendige Folge einer Nichtverständigung über die Rechtsfolgen ansieht.1735 Dem steht nicht entgegen, dass eigentliches Ziel des Antragstellers nicht die durch die Beweiserhebung bewirkte Verzögerung des Verfahrens, sondern dessen Abschluss unter Verhängung der von ihm für akzeptabel gehaltenen Rechtsfolgen ist. Dass der Antrag nach dem Gesetzeswortlaut „zum Zweck“ der Prozessverschleppung gestellt werden muss, steht einer derartigen Auslegung des § 244 Abs. 3 Satz 2 nicht entgegen. Wird die unlogische Verknüpfung zwischen dem eigentlichen Ziel des Antragstellers und seiner Beweisbehauptung zu einer echten Bedingung erhoben, so führt dies wegen des sachwidrigen Zusammenhangs bereits zur Unzulässigkeit des entsprechenden bedingten oder hilfsweise gestellten Beweisantrags (s. Rn. 156). d) Bei Beweisanträgen des Verteidigers kommt es nur darauf an, ob er in der Ab- 285 sicht der Prozessverschleppung gehandelt hat.1736 Dies gilt auch dann, wenn er den Antrag „namens des Angeklagten“ stellt.1737 Die Einstellung des Angeklagten ist unerheblich. Nur wenn offensichtlich ist, dass der Verteidiger selbst jede Verantwortung für den Antrag ablehnt1738 oder dass er bei der Antragstellung als bloßes Werkzeug des Angeklagten tätig wird,1739 kann die Verschleppungsabsicht aus Einstellung und Willen des Angeklagten hergeleitet werden. Der bestimmende Einfluss des Angeklagten kann sich beispielsweise daraus ergeben, dass der Verteidiger bei seiner Verteidigung und Antragstellung kritiklos dem jeweiligen Vorbringen des Angeklagten folgt, obwohl dieses ohne verständige Begründung mehrfach gewechselt hat und die einzelnen Behauptungen sich gegenseitig ausgeschlossen haben.1740 In der Regel kann ohne triftige Anhaltspunkte nicht angenommen werden, dass ein Verteidiger, ohne die Eignung von Beweismittel und Beweisbehauptung in eigener Verantwortung zu prüfen, den Antrag nur als Werkzeug des Angeklagten stellt.1741 Einer darüber hinausgehenden Vermutung, dass er nicht beabsichtigt, den Prozess zu verschleppen, bedarf es dagegen nicht.1742 Zum Nachweis der Verschleppungsabsicht des Verteidigers gelten die Darlegungen bei Rn. 270 ff. entsprechend. Auch insoweit verlangt die herrschende Meinung eine Gesamtwürdigung

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1735 BGH NStZ 2005 45 f. = JR 2005 297 m. Anm. Sander; der BGH erwägt dort zunächst, ob dem Begehren wegen fehlender Ernstlichkeit schon der Charakter eines Beweisantrags ermangele (insoweit in JR 2005 297 nicht abgedruckt); vgl. Alsberg/Güntge 1255. 1736 RG JW 1931 2818; HRR 1938 Nr. 1381; BGHSt 21 118, 121; BGH NJW 1953 1314; 1964 2118; 1969 281; 1982 2201 = JR 1983 35 m. Anm. Meyer; NJW 2001 1956; NStZ 1982 391; 1984 230; 1989 36 = StV 1989 234 m. Anm. Michalke sowie Anm. Frister S. 380; NStZ 1992 551; JR 1985 35 m. Anm. Meyer; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Prozeßverschleppung 8; BayObLG bei Rüth DAR 1978 210; OLG Düsseldorf NJW 1949 917; OLG Hamburg JR 1980 32; OLG Hamm VRS 42 (1972) 117; 44 (1973) 445; KG NJW 1954 770; OLG Karlsruhe Justiz 1976 440; OLG Kiel SchlHA 1946 289; 1948 224; OLG Koblenz VRS 49 (1975) 116; 49 (1975) 193; OLG Köln JR 1954 68; VRS 24 (1963) 217; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1969 152; bei Ernesti/Lorenzen SchlHA 1981 93; AK/Schöch 111; KK/Krehl 179; KMR/Paulus 431; Meyer-Goßner/Schmitt 69; SK/Frister 172; Alsberg/Güntge 1261. 1737 BGH NJW 1969 281; ob dies als Beweisanzeichen verwertbar ist (so Alsberg/Güntge 1264; vgl. auch SK/Frister 172), hängt vom Einzelfall ab. 1738 BGHSt 1 32; BGH GA 1968 19; OLG Karlsruhe Justiz 1976 440. 1739 BGH NJW 1953 1314; 1969 281, 282; 2001 1956, 1957; JR 1985 35 m. Anm. Meyer; bei Kusch NStZ 1993 229; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Prozeßverschleppung 8; OLG Köln VRS 24 (1963) 217, 218; AK/Schöch 111; KK/Krehl 179; KMR/Paulus 431; Meyer-Goßner/Schmitt 69; Alsberg/Güntge 1264. 1740 BGH NJW 1953 1314; 1969 281; KMR/Paulus 431. 1741 OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1969 152; Alsberg/Güntge 1264. 1742 Alsberg/Güntge 1263; Hanack JZ 1972 116; Meyer JR 1983 37; Schmid GA 1980 285; Meyer-Goßner/ Schmitt 69; a.A. die ältere Rechtsprechung verschiedener Obergerichte: OLG Düsseldorf NJW 1949 917; KG NJW 1954 770; OLG Köln JR 1954 68; VRS 24 (1963) 217; ferner Dahs (Hdb.) 559; KMR/Paulus 431; Sarstedt DAR 1964 315.

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seiner gesamten Prozessführung (s. aber auch die Sonderkonstellationen Rn. 276 ff.).1743 Vor diesem Hintergrund soll hinsichtlich eines auf Heranziehung von Akten gerichteten Beweisantrages des Verteidigers die Annahme der Verschleppungsabsicht nicht allein damit begründet werden können, dass er erklärt habe, er kenne den Inhalt der Akten nicht.1744 Verschleppungsabsicht lasse sich auch nicht allein daraus herleiten, dass der Verteidiger die Vernehmung eines Sachverständigen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten beantrage, obwohl er zu Beginn der Hauptverhandlung erklärt habe, er wolle sich hierauf nicht berufen, wenn sich im Laufe der Hauptverhandlung Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 20 StGB ergeben würden.1745 286

e) Ablehnungsbeschluss. Zum notwendigen Umfang und Inhalt der Begründung eines auf Verschleppungsabsicht gestützten Ablehnungsbeschlusses lassen sich allgemeingültige Maßstäbe kaum formulieren. Entscheidend sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls vor dem Hintergrund der Funktionen, die dem Ablehnungsbeschluss im Verfahren zukommen. Dies ist – wie allgemein (s. Rn. 133 ff.) – zum einen die Information der Verfahrensbeteiligten, allen voran des Antragstellers, über die für die Annahme von Verschleppungsabsicht maßgeblichen Überlegungen des Gerichts; sie muss so ausgestaltet sein, dass der Antragsteller in der Lage ist, sein weiteres Prozessverhalten hierauf einzurichten, und insbesondere die Möglichkeit hat, den Vorwurf der Verschleppungsabsicht – sollte er ungerechtfertigt sein – zu entkräften, indem er die Umstände aufzeigt, die entgegen der vom Gericht für maßgeblich erachteten Tatsachen sachlich nachvollziehbare Gründe für die beantragte Beweisaufnahme belegen.1746 Zum anderen muss der Beschluss die revisionsgerichtliche Überprüfung der Ablehnung des Beweisantrags ermöglichen.1747 Die Maßstäbe, nach denen diese Überprüfung vorgenommen wird, wirken dabei auf die Anforderungen zurück, die an die Begründung des Ablehnungsbeschlusses zu stellen sind. Über diese Maßstäbe besteht indessen keine Einigkeit. Teilweise ist die Ansicht vertreten worden, das Revisionsgericht prüfe nicht nur nach, ob das Tatgericht aus den von ihm festgestellten Verfahrenstatsachen rechtsfehlerfrei den Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht hergeleitet habe; vielmehr finde auch eine Prüfung der Tatsachengrundlage statt.1748 Dies hätte zur Folge, dass sich das Tatgericht hierzu ins Einzelne gehender Darlegungen im Ablehnungsbeschluss enthalten könnte, da das Revisionsgericht in der Lage ist, die maßgeblichen Tatsachen aus dem Akteninhalt selbst vollständig feststellen.1749 Zutreffend ist demgegenüber jedoch die Auffassung, dass die revisionsgerichtliche Kontrolle, ob der Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht rechtsfehlerfrei angewendet worden ist, grundsätzlich allein auf den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Tatgerichts im Ablehnungsbeschluss aufbaut.1750 In der jüngeren Rechtsprechung wird der Prüfungsmaßstab demgemäß dahin

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1743 Vgl. etwa BGH NJW 2001 1956, 1957; OLG Hamburg JR 1980 32 m. Anm. Gollwitzer. 1744 RG HRR 1941 Nr. 526. 1745 OLG Düsseldorf NJW 1949 917. 1746 S. nur BGHSt 1 29, 32. 1747 BGH NStZ 2011 230. 1748 BGHSt 21 118, 123; BGH GA 1968 19; OLG Hamburg JR 1980 32 m. Anm. Gollwitzer; OLG Hamm VRS 42 (1972) 117; OLG Köln VRS 61 (1981) 272; KMR/Paulus 434; s. auch BGHSt 1 29, 32: Rückgriff auf das Protokoll. 1749 So auch – de lege ferenda – H. Schmid StraFo 1993 55. 1750 Etwa RGSt 20 206; RGRspr. 10 148; RG Recht 1910 625; 1910 626; GA 69 (1925) 182; JW 1912 945; 1930 1505; 1932 2732; DRiZ 1931 Nr. 216; HRR 1934 Nr. 1426; BGH NJW 1969 902; MDR 1984 681 (BGHSt 1 29, 32 spricht diesen Grundgedanken zwar ebenfalls aus, hält sich aber nicht daran); BayObLG JW 1929 2751; DRiZ 1931 Nr. 610; OLG Düsseldorf NJW 1949 917; KG VRS 29 (1965) 204; OLG Kiel SchlHA 1946 289;

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umschrieben, dass das Revisionsgericht die Erwägungen, mit denen der Tatrichter unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände seine Überzeugung vom Vorliegen der Verschleppungsabsicht darlegt, lediglich darauf hin überprüft, ob sie in tatsächlicher Hinsicht tragfähig und rechtlich zutreffend sind, und es auf die hypothetische Frage, ob auch das Revisionsgericht unter denselben Voraussetzungen den Beweisantrag ebenfalls aus diesem Grunde zurückgewiesen hätte, nicht ankomme.1751 Dies bedeutet, dass dem Revisionsgericht der Blick in die Akten nur dann (und auch nur insoweit) eröffnet wird, wenn (als) der Revisionsführer vorträgt (§ 344 Abs. 2 Satz 2), der Tatrichter habe bei seiner Entscheidung einen maßgeblichen aktenkundigen Gesichtspunkt übergangen, der gegen die Annahme von Verschleppungsabsicht gesprochen habe. Das Tatgericht muss daher im Ablehnungsbeschluss sowohl alle Tatsachen aufzeigen, auf die es seine Überzeugung von der Verschleppungsabsicht des Antragstellers stützt, als auch seine Würdigung darlegen, mittels derer es auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu dieser Überzeugung gelangt.1752 Abzustellen hat es dabei auf die Verfahrenslage und die Einstellung des Antragstellers im Zeitpunkt der Beschlussfassung.1753 Der notwendige Umfang der Darlegungen richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Über den Grundsatz hinaus, dass lediglich formelhafte Wendungen nicht genügen können,1754 lassen sich daher allgemeingültige Maßstäbe nicht aufstellen. Die ohnehin hohen Anforderungen an die Begründung namentlich der zentralen Voraussetzung des Ablehnungsgrundes, dass die beantragte Beweiserhebung den behaupteten Beweisertrag nicht erbringen wird und dies dem Antragsteller bewusst ist (zu der nach hiesiger Ansicht daran im Regelfall anknüpfenden Vermutung der Absicht des Antragstellers, das Verfahren zu verzögern, s. Rn. 270), sollten aber nicht überspannt werden.1755 Es sollte genügen, wenn das Gericht die wesentlichen Umstände knapp darlegt, aufgrund derer es diese Überzeugung gewonnen hat, und damit seiner Informationspflicht gegenüber dem Antragsteller genügt sowie dem Revisionsgericht die Überprüfung seiner Würdigung auf Rechtsfehler ermöglicht. Greift die Vermutung aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise nicht bzw. geht man mit der herrschenden Ansicht davon aus, dass die Überzeugung der Verschleppungsabsicht nur aufgrund einer Gesamtwürdigung aller aus dem Verfahrensgang erkennbaren maßgeblichen Indizien gewonnen werden kann, so ist im Hinblick auf die Mehrdeutigkeit der meisten Indizien durch Eingehen auf die auch gegen die Verschleppungsabsicht sprechenden Gesichtspunkte erkennbar zu machen, dass sich das Gericht auch dieses Umstands bewusst war.1756 Mängel des Ablehnungsbeschlusses kön-

_____ OLG Köln JR 1954 68; Niemöller NStZ 2008 187 f.; Alsberg/Güntge 1664; vgl. aber auch Eisenberg (Beweisrecht) 318. 1751 BGHSt 51 333, 336 f.; BGH NJW 2001 1956; SK/Frister 173; vgl. KK/Krehl 182. S. aber auch BGH NStZ 2011 230, wonach es „grundsätzlich“ nicht Aufgabe des Revisionsgerichts sei, die „Sachdienlichkeit“ der beantragten Beweiserhebung selbst zu beurteilen. 1752 BGHSt 21 118, 124; 29 149, 151; BGH JR 1983 35 m. Anm. Meyer; NJW 2001 1956; NStZ 1982 291, 292; 1982 391; 1992 551, 552; 2011 230; StV 1984 494; OLG Hamburg JR 1980 32, 33 m. Anm. Gollwitzer; OLG Hamm VRS 44 (1973) 445; OLG Karlsruhe Justiz 1976 440; StV 1993 405, 406; OLG Koblenz wistra 1984 122; Alsberg/Güntge 1440; Schweckendieck NStZ 1991 111; KK/Krehl 182; Meyer-Goßner/Schmitt 87. 1753 KMR/Paulus 413; Meyer-Goßner/Schmitt 68; vgl. BGH JR 1983 35, 36 m. Anm. Meyer. 1754 BGH JR 1983 35 m. Anm. Meyer; NStZ 1992 551; bei Nehm DAR 1993 173; OLG Karlsruhe StV 1993 405. 1755 Vgl. Gollwitzer JR 1980 34 (wenn dort eine Begründung in bündiger Kürze verlangt wird, schließt das nicht aus, die tragenden Gesichtspunkte und Erwägungen für die Annahme der Verschleppungsabsicht darzutun). 1756 BGH NStZ 1982 291, 292 f.; 1982 391; 1984 230; vgl. Gollwitzer JR 1980 35; Niemöller NStZ 2008 187; höhere Anforderungen stellt Meyer JR 1983 36.

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nen nicht durch Nachschieben von Gründen in einer zur Akte genommenen, aber in der Hauptverhandlung nicht bekannt gemachten Beschlussergänzung1757 oder im Urteil1758 geheilt werden. Ob Verschleppungsabsicht vorliegt, muss für jeden einzelnen Beweisantrag und für 287 jede Beweisfrage gesondert geprüft und dargelegt werden.1759 Wird ein Antrag von mehreren gemeinsam gestellt, ist bei jedem der Antragsteller gesondert darzutun, warum bei ihm Verschleppungsabsicht vorliegt. Die Prüfung betrifft immer nur die jeweilige Verfahrenslage. Auch bei ein und demselben Antragsteller geht es nicht an, die Verschleppungsabsicht einheitlich für das ganze Verfahren zu untersuchen und zu bejahen. 1760 Zur Ablehnung von Hilfsbeweisanträgen wegen Verschleppungsabsicht s. Rn. 158, 273. 8. Wahrunterstellung 288

a) Allgemeines. Bei strikter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben ist es nur in eher seltenen Ausnahmefällen möglich, einen Beweisantrag gestützt auf den Ablehnungsgrund der Wahrunterstellung zurückzuweisen;1761 andererseits hätte der Angeklagte in diesen wenigen Fällen jedoch die Gewähr, dass sich die vom Gericht als wahr behandelte Beweistatsache im Schuldspruch oder Rechtsfolgenausspruch zu seinen Gunsten auswirken wird. Von einem solchen Verständnis der Wahrunterstellung hat sich die Rechtsprechung – mit unterschiedlich ausgeprägter Zustimmung und Kritik des Schrifttums – jedoch weit entfernt. Sie lässt die Wahrunterstellung (insbesondere von Indiztatsachen) zum einen in großem Umfang zu, verlangt andererseits aber nicht, dass das hierdurch dem Angeklagten gegebene Versprechen im Urteilsspruch eingelöst wird, und hält es nicht einmal für erforderlich, den Angeklagten notwendig darauf hinzuweisen, wenn die als wahr unterstellte Tatsache in Folge dessen faktisch als bedeutungslos behandelt wird. Dies hat dazu geführt, dass die Ablehnung eines Beweisantrags im Wege der Wahrunterstellung ausufernd praktiziert wird,1762 für den Angeklagten jedoch in den allermeisten Fällen gerade keinen Vorteil bringt und er sich in seiner Verteidigung vielmehr darauf einrichten muss, dass das Gericht seiner Behauptung – ohne Offenlegung der hierfür maßgeblichen Überlegungen – gerade keine Bedeutung für die abschließende Entscheidung beilegen wird.1763 Eine Korrektur dieser Rechtsprechung erscheint angezeigt, ist aber im Hinblick auf ihre langjährige Verfestigung kaum zu erwarten.

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b) Bedeutung und dogmatische Einordnung. Da nach dem Wortlaut des § 244 Abs. 3 Satz 21764 nur eine erhebliche Beweisbehauptung, die der Entlastung des Ange-

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1757 BGH StV 1994 635. 1758 BGHSt 29 251; BGH NStZ 1982 41; Schweckendieck 512; vgl. Rn. 138. 1759 BGHSt 21 118, 124; 22 124, 126; BGH NJW 1964 2118; 1986 2339; NStZ 1984 230; OLG Karlsruhe StV 1993 405; OLG Schleswig StV 1985 225; Alsberg/Güntge 1440; Schweckendieck NStZ 1991 112; MeyerGoßner/Schmitt 68; KMR/Paulus 434. 1760 BGHSt 22 124, 126 = JR 1968 388 m. Anm. Faller. 1761 AK/Schöch 114; MüKo/Trüg/Habetha 335; SK/Frister 192; vgl. auch Grünwald FS Honig 68; dagegen Schröder NJW 1972 2109; s. auch die dem hiesigen Verständnis des Ablehnungsgrunds entgegengesetzte Konzeption der Wahrunterstellung bei Hamm 756 ff. 1762 Krit. schon Alsberg JW 1930 3325; s. auch Rieß NJW 1981 1358; Schweckendieck NStZ 1997 260 f.; KK/Krehl 183; SK/Frister 187. 1763 Vgl. Hamm FS II Peters 175; Roxin/Schünemann § 45, 21; HK/Julius 40, 63. 1764 Schon vor Einführung des Absatzes 3 hat die Rechtsprechung unter grundsätzlicher Billigung des Schrifttums die Wahrunterstellung als Ablehnungsgrund zugelassen; vgl. RGSt 35 390; 39 231; 46 279; 48 45; 64 432; 65 330; RG GA 59 (1912) 316; Recht 1914 Nr. 2807; 1914 3067; LZ 1915 1112; JW 1914 892; 1923

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klagten dienen soll, der Wahrunterstellung zugänglich ist, beinhaltet die Anwendung dieses Ablehnungsgrundes die Zusage1765 des Gerichts an den Antragsteller, dass es zum einen die unter Beweis gestellte Tatsache bei der Urteilsfindung so berücksichtigen wird, als sei sie durch die erstrebte Beweisaufnahme bestätigt worden,1766 und dass sich zum anderen die Tatsache im Urteilsspruch in einer dem Angeklagten günstigen Weise auswirken, also das Beweisziel erreicht werden wird. Diese Zusage enthebt das Gericht der Verpflichtung, Beweis zu einer Behauptung zu erheben, deren Bestätigung durch die beantragte Beweiserhebung es erwartet und die es nach der sonstigen Beweislage argumentativ nicht für widerlegbar hält.1767 Sie beinhaltet damit – soweit es sich um eine unmittelbar beweiserhebliche Tatsache (Haupttatsache) handelt – eine vorgezogene Anwendung des Grundsatzes „Im Zweifel für den Angeklagten“, von dem das Gericht nach seiner antizipierenden Würdigung der Beweislage bei seiner Entscheidungsfindung ohnehin ausgehen müsste.1768 Das findet seine Rechtfertigung in dem Gebot der Prozessökonomie und im Beschleunigungsgrundsatz, denen die Durchführung einer Beweisaufnahme widerstreitet, deren Ergebnis nebst den daran anzuknüpfenden rechtlichen Folgerungen schon vorher als gesichert anzusehen ist.1769 Da die Wahrunterstellung nur bei entlastenden Tatsachen, also zu Gunsten des Angeklagten zulässig ist, erleidet er durch das Absehen von der Beweisaufnahme keinen Nachteil.1770 Bezieht sich die Wahrunterstellung dagegen auf eine unter Beweis gestellte Indiz- 290 oder Hilfstatsache, die nur einen möglichen Schluss auf die entscheidungserhebliche Haupttatsache zulässt,1771 so geht die Wirkung der darin liegenden Zusage weit über eine (vorweggenommene) zulässige Anwendung des Zweifelssatzes hinaus.1772 Das Gericht sichert dem Antragsteller in diesem Fall nicht nur zu, die behauptete Indiz- oder Hilfstatsache als wahr zu behandeln. Da die Zusicherung sich nur auf eine „erhebliche“ und

_____ 689; 1929 2738; 1930 3773; Conrad DJZ 1911 1324; Schlosky JW 1930 2507; zur Entstehung dieses Ablehnungsgrundes vgl. Alsberg/Güntge 1120, 1157 ff., 1164, 1265 f. 1765 Bauer MDR 1994 953 versteht deshalb die Wahrunterstellung als „Pakt“ zwischen Gericht und Angeklagtem. 1766 Vgl. BGHSt 1 137, 139 sowie BGH NJW 1961 2069, wo allerdings irreführend davon die Rede ist, dass die unterstellte Tatsache damit „feststehe“; ebenso OLG Hamm JMBlNW 1964 203; dagegen Grünwald FS Honig 64; Tenckhoff 116; Willms FS Schäfer 275. Der Streit ist weitgehend terminologischer Art, worauf Alsberg/Güntge 1308 und Tenckhoff 63 hinweisen. Dies gilt auch für die Varianten, die die Fiktion der Unterstellung ausdrücken (vgl. OLG Hamm JR 1965 269; GA 1974 374; OLG Stuttgart OLGSt § 244 Abs. 3 S. 27 f.). Jedenfalls darf die Wahrunterstellung unabhängig von der begrifflichen Umschreibung dieses Ablehnungsgrunds nicht zu der Fehlvorstellung verleiten, die als wahr unterstellte Tatsache könne wie eine erwiesene auch für Schlüsse zum Nachteil des Angeklagten verwendet werden; so aber BGH NJW 1976 1950 m. abl. Anm. Tenckhoff und zust. Anm. D. Meyer NJW 1976 2355; s. demgegenüber – zutreffend – BGHSt 51 364 = StV 2007 512 m. Anm. Niemöller S. 626; s. Rn. 310. 1767 Vgl. (für Haupttatsachen) Alsberg/Güntge 1282, insb. auch zum Vorrang anderer Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 Satz 2. 1768 Zum Verhältnis von Wahrunterstellung und Zweifelssatz vgl. – mit Unterschieden im Einzelnen – etwa: RGSt 47 417, 424; 65 322, 330; BGH NStZ 2004 614, 615; 2005 155, 156; BGH bei Holtz MDR 1981 456; Born 41 ff.; Grünwald FS Honig 64; Alsberg/Güntge 1286, 1288; Herdegen NStZ 1984 340; Schröder NJW 1972 2108; Schweckendieck NStZ 1997 258; Tenckhoff 118; AK/Schöch 116; KK/Krehl 184; KMR/Paulus 442; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 155; SK/Frister 186. 1769 So etwa Alsberg JW 1929 978; Bringewat MDR 1986 356; Herdegen NStZ 1984 340; Müller GedS Meyer 284; Perron (Beweisantragsrecht) 229; Seibert NJW 1960 20; Schröder NJW 1972 2109; Tenckhoff 23, 119 ff., 169; Willms FS Schäfer 275 ff.; vgl. ferner AK/Schöch 116; SK/Frister 186; Alsberg/Güntge 1282. 1770 Die Möglichkeit, die Unschuld zu beweisen, kann dadurch allerdings beschnitten werden, vgl. Alsberg/Güntge 1287; ferner Hamm 757 sowie FS II Peters 175 (Alarmsignal für Verteidiger). 1771 Die „Indiztatsache“ Alibi ist tatsächlich eine Haupttatsache, nämlich die Tatsache der (Nicht)Täterschaft des Angeklagten; vgl. Alsberg/Güntge 1289. 1772 Vgl. Alsberg/Güntge 1288; SK/Frister 192; a.A. Tenckhoff 120.

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„entlastende“ Tatsache beziehen darf, enthält sie vielmehr gleichzeitig das Versprechen, das Gericht werde aufgrund der als wahr unterstellten Indiz- oder Hilfstatsache auch den vom Angeklagten erstrebten Schluss auf die ihm günstige Haupttatsache ziehen, er werde also sein Beweisziel erreichen; denn ansonsten wäre die Beweistatsache nicht „erheblich“, sondern als für die Entscheidung ohne Bedeutung einzustufen. Eine derartige Zusicherung ist indessen mit allgemeinen beweisrechtlichen Grundsätzen unvereinbar; entgegen herrschender Ansicht, die hier nur eine Zusage „potentieller“ Entscheidungserheblichkeit annimmt, ist die Wahrunterstellung von Indiz- oder Hilfstatsachen daher unzulässig (s. näher Rn. 296). c) Vorrang der Aufklärungspflicht. Das Gericht darf von der Wahrunterstellung nur Gebrauch machen, wenn dies ohne Verletzung seiner Pflicht, die Wahrheit zu erforschen (§ 244 Abs. 2), möglich ist. Es muss in Würdigung der Beweislage davon ausgehen können, dass eine weitere Beweisaufnahme in dem nach den konkreten Umständen gebotenen Umfang nicht zu einem Ergebnis führen wird, welches die als wahr unterstellte Behauptung zu widerlegen geeignet ist. Die Wahrunterstellung hat daher zu unterbleiben, wenn nach der Verfahrenslage konkrete Anhaltspunkte es als möglich erscheinen lassen, dass die zugunsten des Angeklagten wirkende Beweisbehauptung widerlegt werden kann.1773 Insbesondere darf auch das im Beweisantrag bezeichnete Beweismittel hierzu keine Handhabe bieten.1774 Bei ungeklärten Umständen hat die Wahrunterstellung zu unterbleiben,1775 so auch, wenn es möglich erscheint, durch die Beweiserhebung Unklarheiten und Lücken im bisher festgestellten Sachverhalt zu beheben1776 oder eine sonst notwendige Wahlfeststellung zu vermeiden.1777 Für die Wahrunterstellung ist ferner – auch nach der herrschenden Ansicht – re292 gelmäßig kein Raum, wenn der Beweisantrag zur Erschütterung der Glaubhaftigkeit der belastenden Aussage eines Zeugen oder Mitangeklagten Hilfstatsachen bezeichnet, die von der Auskunftsperson in Abrede gestellt werden. Die bloße Unterstellung der Hilfstatsache als wahr habe nicht die Überzeugungskraft einer durchgeführten Beweisaufnahme. Sie könne in solchen Fällen nur schwerlich den persönlichen Eindruck vom Beweiswert des benannten Beweismittels in dessen Verhältnis zum Beweiswert der belastenden Aussage ersetzen; ohne diesen werde sich das Gericht grundsätzlich kein zuverlässiges Bild verschaffen können.1778 Behandele das Gericht dennoch eine derartige Hilfstatsache 291

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1773 Vgl. RGSt 47 417, 424; BGHSt 1 137, 139; 13 326; BGH NJW 1959 396; NStZ 2011 106, 107; NStZ-RR 1999 275; bei Holtz MDR 1981 456; bei Spiegel DAR 1981 209; 1983 204; BGHR StPO § 244 Abs. 2 Sachverständiger 5; BayObLG StraFo 1998 91; bei Rüth DAR 1981 249; OLG Hamburg JR 1982 36, 37 m. Anm. Gollwitzer; OLG Koblenz OLGSt § 244 Abs. 3 S. 35, 36; OLG Köln JMBlNW 1969 175; OLG Saarbrücken VRS 19 (1960) 375; 38 (1970) 61; OLG Schleswig bei Ernesti/Lorenzen SchlHA 1980 174; Alsberg/Güntge 1283 f., 1298; Eisenberg (Beweisrecht) 242; Grünwald FS Honig 55; Hamm FS II Peters 175; Herdegen NStZ 1984 341; Müller GedS Meyer 28; Tenckhoff 36; v. Stackelberg FS Sarstedt 377; AnwK-StPO/Sommer 112; KK/Krehl 194; SK/Frister 195. 1774 RGSt 51 424; RG JW 1936 3474; BGHSt 13 326; BGH NJW 1961 2069; Born 84 f.; SK/Frister 194; vgl. OLG Oldenburg StV 2004 477 (Wahrunterstellung einer für die Schuldfähigkeit relevanten Erkrankung des Angeklagten statt Vernehmung des hierzu benannten sachverständigen Zeugen). Die theoretisch immer bestehende Möglichkeit einer belastenden Aussage eines für eine entlastende Tatsache benannten Zeugen fällt nur ins Gewicht, wenn auch konkrete Umstände dafür sprechen. 1775 BGH NJW 1997 1165; StV 2005 653; NStZ 2007 282; Meyer-Goßner/Schmitt 70. 1776 BGH NStZ 1989 129 m. Anm. Volk; vgl. etwa BGH StV 1982 254; bei Holtz MDR 1981 456. 1777 OLG Hamm VRS 10 (1956) 364, 365; Alsberg/Güntge 1299. 1778 BGH NJW 1961 2069, 2070; 1997 1165; NStZ 1988 423; 2007 282 f.; StV 1986 467; 1990 98; 1990 293; 1999 307 (jedenfalls zentrale Beweistatsachen zum Kernbereich); 2005 653; bei Kusch NStZ 1992 28; bei Holtz MDR 1990 98; 1993 722; OLG Celle JR 1964 353, 354; Ellbogen JA 2007 882; Alsberg/Güntge 1300; Schlüchter (Wahrunterstellung) 34; KK/Krehl 194; Meyer-Goßner/Schmitt 70; differenzierend Hamm 767.

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als wahr und stelle sie ohne Abstriche in die Würdigung des Gesamtbeweisergebnisses zum Beweiswert der belastenden Aussage ein, so begründe es aber keinen den Angeklagten benachteiligenden Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2, wenn das Gericht im Hinblick auf die sonstige Beweislage zu diesem Punkt trotz der als wahr behandelten gegenläufigen Hilfstatsache zu der Überzeugung gelange, die belastende Aussage treffe zu; der Angeklagte könne in einem solchen Fall höchstens mit der Aufklärungsrüge geltend machen, dass das Gericht durch das Unterlassen der Beweiserhebung eine umfassende Klärung der Hilfstatsache und damit der Glaubhaftigkeit der belastenden Aussage versäumt habe.1779 All das kann aber nur aus der Perspektive des Angeklagten gelten; vor der Wahrunterstellung einer Hilfstatsache müsste jedoch auch in Betracht gezogen werden, ob hierin nicht zum Vorteil des Angeklagten gegen die Aufklärungspflicht verstoßen wird. Die herrschende Ansicht problematisiert dies indessen nicht, weil sie gerade nicht verlangt, dass sich die Wahrunterstellung bei der Würdigung der Glaubhaftigkeit der belastenden Aussage zwingend zu Gunsten des Angeklagten auswirken muss, und daher rein faktisch – soweit ersichtlich – ein derartiger Schluss noch nie gezogen wurde. Der Sache nach wird es damit gebilligt, dass die Beweistatsache unter dem Deckmantel der Wahrunterstellung als für die Entscheidung bedeutungslos behandelt wird. Nach hier vertretener Auffassung ist die Wahrunterstellung derartiger Hilfstatsachen von vornherein unzulässig (s. Rn. 296). Bei nur pauschal formulierten Beweisthemen kommt eine Wahrunterstellung 293 ebenfalls nicht in Betracht. Unabhängig davon, ob in derartigen Fällen überhaupt eine konkrete Beweisbehauptung und damit ein Beweisantrag vorliegt (s.o. Rn. 96 ff.), kann die sonstige Beweislage in Verbindung mit dem Aufklärungsgebot des § 244 Abs. 2 das Gericht dennoch verpflichten, auch im Interesse des Angeklagten die näheren Einzelheiten des unter Beweis gestellten entlastenden Geschehens durch die beantragte Beweiserhebung aufzuklären.1780 d) Voraussetzungen der Wahrunterstellung aa) Geeignete Beweistatsache. Da Gegenstand des Beweises ausschließlich Tatsa- 294 chen (s. Rn. 5 ff.) sind, können auch nur diese – entsprechend dem Wortlaut des § 244 Abs. 3 Satz 2 – Gegenstand einer Wahrunterstellung sein.1781 Auf Rechtsfragen findet sie demgemäß keine Anwendung.1782 Nach herrschender Meinung können im Grundsatz sowohl die unmittelbar entscheidungserheblichen Tatsachen (Haupttatsachen) als auch die Indiztatsachen, die nur Schlüsse auf das Vorliegen unmittelbar erheblicher Tatsachen gestatten, sowie die Hilfstatsachen, die Rückschlüsse auf den Wert eines Beweismittels ermöglichen sollen, für eine Wahrunterstellung in Betracht kommen.1783

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1779 BGH StV 1986 467; NStZ 1988 432; NStZ-RR 2000 13; OLG Hamm NStZ 1983 522, 523 s. auch KK/Krehl 194, der in derartigen Fällen die Aufklärungspflicht nicht verletzt sieht. 1780 RG JW 1936 3474; BGHSt 1 137, 139 (Aufklärung der Einzelheiten der pauschal unterstellten Anstiftung); BGH NJW 1959 396; 1961 2069, 2070; 1997 1165; BGH StV 1996 648; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung 24 (Wahrunterstellung von Aufklärungshilfe i.S.v. § 31 BtMG; s. insoweit auch BGH StV 1986 63; 1989 391 m. Anm. Weider einerseits; StV 1996 662 andererseits); vgl. Alsberg/Güntge 1299, 1301 m.w.N. 1781 BGH bei Holtz MDR 1984 789 lässt offen, ob die Wahrunterstellung auch Tatsachen einschließen darf, die an sich der Beweisaufnahme unzugänglich sind, die aber im unlösbaren Zusammenhang mit einer beweisbaren Tatsache stehen. 1782 BGH StV 1993 241. 1783 BGHSt 28 311; BGH NJW 1959 396; 1961 2069; NStZ 1982 213; 1983 376; VRS 21 (1961) 113; Bauer MDR 1994 954; Börner (Legitimation) 524 f.; Bringewat MDR 1986 356; Eisenberg (Beweisrecht) 243; Alsberg/Güntge 1289 ff. (jedoch unklar Rn. 1292 bezüglich der nur potenziell erheblichen Indiztatsachen);

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Grünwald1784 dagegen hält die Wahrunterstellung wegen der Unteilbarkeit der Beweiswürdigung nur bei den für den Schuldspruch unmittelbar entscheidungserheblichen Tatsachen für zulässig. Nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ habe das Gericht ohnehin von ihnen auszugehen. Bei den Indizien dagegen scheide die Wahrunterstellung aus, weil ihr Beweiswert für sich allein keine quantitative Größe sei und nur auf Grund unmittelbarer Anschauung und in Gesamtwürdigung mit allen anderen Indizien beurteilt werden könne. Vor allem sei es unzulässig, wenn das Gericht eine Indiztatsache als wahr unterstelle, den Schluss auf die indizierte Tatsache aber nicht ziehe. Bei Strafzumessungstatsachen schließt Grünwald die Wahrunterstellung auch dann aus, wenn zu erwarten ist, dass die Beweiserhebung zu einer Konkretisierung der behaupteten Tatsachen führt. Dem ist zwar nicht zu folgen, soweit Grünwald Strafzumessungstatsachen von vorn296 herein aus dem Anwendungsbereich der Wahrunterstellung ausschließen will; vielmehr erscheint die Rechtsfolgenseite gerade als der Bereich, in dem eine Wahrunterstellung unter Respektierung der Aufklärungspflicht noch am ehesten in Betracht kommt.1785 Jedoch trifft es entgegen herrschender Ansicht zu, dass die Wahrunterstellung einer Indiz- oder Hilfstatsache nicht zulässig ist. Sie lässt sich nicht als vorweggenommene Anwendung des Zweifelssatzes rechtfertigen; denn dieser findet auf entlastende Indizoder Hilfstatsachen keine isolierte Anwendung.1786 Kann sich das Gericht – nach durchgeführter Beweisaufnahme – weder von der Richtigkeit noch von der Unrichtigkeit einer entsprechenden Beweisbehauptung überzeugen, so hat es die Indiz- oder Hilfstatsache vielmehr mit der ihr zukommenden Ungewissheit in seine Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses einzustellen1787 und kann als deren Ergebnis durchaus zu der Überzeugung von einer dem Angeklagten nachteiligen Haupttatsache gelangen, obwohl das diesbezügliche Entlastungsindiz für sich nicht widerlegt ist. Nur wenn ihm nach dieser Gesamtwürdigung Zweifel hinsichtlich der in Rede stehenden Haupttatsache verbleiben, hat es nach dem Zweifelssatz seiner Entscheidung insoweit die dem Angeklagten günstige Sachverhaltsalternative zu Grunde zu legen. Mit diesen Grundsätzen freier richterlicher Beweiswürdigung (§ 261) gerät die Wahrunterstellung einer Indiz- oder Hilfstatsache in Widerspruch; denn da sie nur für erhebliche, entlastende Beweistatsachen zulässig ist, beinhaltet sie bezogen auf eine derartige Beweistatsache die Zusage, aus dieser einen für den Angeklagten günstigen Schluss auf eine Haupttatsache zu ziehen (s. Rn. 290), also nicht nur die behauptete Indiz- oder Hilfstatsache als wahr zu behandeln, sondern ihr darüber hinaus unter Vernachlässigung der gebotenen Gesamtwürdigung ausschlaggebende Wirkung zu Gunsten des Angeklagten beizumessen. Dies ist mit den ansonsten geltenden beweisrechtlichen Grundsätzen unvereinbar1788 und daher nicht statthaft.1789 295

_____ Herdegen NStZ 1984 342; Schlüchter 553.3; Schröder NJW 1972 2109; Tenckhoff 118, 146; Willms FS Schäfer 276; AK/Schöch 117; KK/Krehl 185; KMR/Paulus 446; Meyer-Goßner/Schmitt 70. 1784 FS Honig 53; Eisenberg (Beweisrecht) 96; ebenso Engels GA 1981 30; ferner SK/Frister 190; dagegen Tenckhoff 118, 148; Willms FS Schäfer 277. 1785 A.A. SK/Frister 197; Alsberg/Güntge 1293. 1786 BGHSt 25 285, 286 f.; 35 308, 316; 36 286, 289 ff.; BGH NJW 1983 1865; 2005 2322, 2324; NStZ 1999 205, 206; 2001 609; 2006 650; NStZ-RR 2000 45; 2009 90, 91; Foth NStZ 1996 423 f.; a.A. BGH NJW 1989 1043, 1044 (nicht tragend); bei Becker NStZ-RR 2007 290. 1787 BVerfG MDR 1975 468, 469; BGH NJW 1983 1865; 2005 2322, 2324; NStZ 2001 609. 1788 Gegen diese Grundsätze verstößt auch das von Alsberg/Güntge 1291 angeführte Gegenbeispiel, denn dieses impliziert, dass die nicht zu widerlegende Indiztatsache als gegeben und nicht – wie geboten – als ungewiss in die Beweiswürdigung zu der Haupttatsache eingestellt werden soll. 1789 Die Wahrunterstellung in diesem Bereich ist entgegen der h.M. auch nicht zur prozessökonomischen Bewältigung entsprechender Beweisanträge erforderlich; s. Rn. 299.

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Daher kann auch nicht der Ansicht von Born1790 gefolgt werden, die die Wahrunterstellung von Indiz- und Hilfstatsachen zumindest dann zulassen will, wenn das Gericht aus diesen den dem Angeklagten günstigen Schluss auf die unmittelbar entscheidungserhebliche Tatsache zieht.1791 Soweit Börner1792 dem unter Hinweis darauf entgegentritt, dass auch bei dem Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit Indiz- und Hilfstatsachen in eine antizipierende Würdigung einbezogen werden, verkennt er, dass diese Tatsachen dort gerade in eine Gesamtwürdigung mit dem bisherigen Beweisergebnis sowie eventuell weiterer unter Beweis gestellter Indiz- bzw. Hilfstatsachen einzustellen sind (Rn. 220, 225) und gerade nicht isoliert unter dem Gesichtspunkt des Zweifelssatzes bewertet werden dürfen; die dargelegten Grundsätze zur Beweiswürdigung werden demgemäß gewahrt, auch wenn diese eine antizipierende ist. Nur wenn die antizipierende Gesamtwürdigung ergibt, dass die Überzeugung des Gerichts auch unter Berücksichtigung der als zutreffend zu unterstellenden Indiz- oder Hilfstatsache nicht erschüttert würde, darf der Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt werden; ansonsten ist der Beweis zu erheben. bb) Entscheidungserhebliche Beweistatsache. Die Wahrunterstellung kommt nur 297 in Betracht, wenn eine entscheidungserhebliche Tatsache behauptet wird. Beweisanträge, die eine Tatsache unter Beweis stellen, die für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, können allein unter Heranziehung dieses Ablehnungsgrunds zurückgewiesen, nicht dagegen durch Wahrunterstellung erledigt werden. Die Ablehnungsgründe der Bedeutungslosigkeit und der Wahrunterstellung schließen einander aus. Hierüber besteht weitgehend Einigkeit.1793 Daran anschließend wird jedoch die Frage diskutiert, ob die Wahrunterstellung 298 auch schon zulässig ist, wenn das Gericht zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Beweisantrag noch nicht sicher vorhersehen kann, welche Bedeutung es einer an sich zur Sache gehörenden Indiztatsache bei der Urteilsberatung endgültig beimessen wird, und daher den ihren Nachweis bezweckenden Beweisantrag nicht als unerheblich ablehnen darf (Rn. 216). Für diese Fälle ist strittig, ob auch die Wahrunterstellung zu unterbleiben hat oder ob sie trotzdem möglich ist, weil es sich bei ihr um ein später gegebenenfalls zu korrigierendes Provisorium handelt oder aber weil es bei ihr ohnehin nur darauf ankommt, dass die Beweistatsache an sich geeignet ist, die Entscheidung zu beeinflussen, und nicht darauf, ob im Ergebnis später tatsächlich diese Wirkung ein-

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1790 Born 254 ff. (Zusammenfassung). 1791 Vgl. auch MüKo/Trüg/Habetha 342; SK/Frister 192: Wahrunterstellung einer Indiztatsache nur zulässig, wenn auch die durch diese indizierte Haupttatsache aufgrund des Zweifelssatzes als wahr unterstellt werden kann; s. auch Alsberg/Güntge 1291. 1792 (Legitimation) 524 f. 1793 Etwa BGHSt 1 53; 30 383; BGH GA 1972 272; BGH MDR 1982 509; NStZ 2004 51; 2004 614, 615; NStZRR 2003 268; 2013 50; 2015 321 Ls.; StV 2007 18, 19; bei Holtz MDR 1979 281; OLG Bamberg wistra 2017 248 Ls.; OLG Celle GA 1962 216; NJW 1982 1407; OLG Hamm MDR 1964 435; OLG Karlsruhe Justiz 1977 357; OLG Saarbrücken VRS 38 (1970) 59; OLG Schleswig bei Ernesti/Lorenzen SchlHA 1980 175; Alsberg/Güntge 1274; Niemöller FS Schlothauer 449; Schweckendieck NStZ 1997 257; Schneider NStZ 2013 216; Seibert NJW 1960 19; 1962 135; Willms FS Schäfer 279; vgl. ferner KK/Krehl 185; KMR/Paulus 446; Meyer-Goßner/Schmitt 70; SK/Frister 188; a.A. OLG Köln JMBlNW 1962 39. S. auch BGH NStZ 2015 296 m. Anm. Venn, wo offen gelassen wird, ob eine Beweistatsache für den Schuldspruch als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos behandelt und gleichzeitig für den Strafausspruch als wahr unterstellt werden kann. Zur Entwicklung des Verhältnisses zwischen Wahrunterstellung und Unerheblichkeit vgl. RGSt 61 359; 64 432; Born 196 ff.; Alsberg/Güntge 1120, 1157 ff. S. auch den Vorschlag zur Abgrenzung dieser beiden Ablehnungsgründe bei Roxin/Schünemann § 45, 20.

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tritt.1794 Die Unterstellung als wahr schließe nicht die endgültige Anerkennung der Erheblichkeit in sich; das Gericht könne diese endgültig immer erst nach Abschluss der Hauptverhandlung beurteilen.1795 Für die Zulässigkeit der Wahrunterstellung genügt nach Ansicht des BGH die potentielle Beweiserheblichkeit. Diese liegt vor, wenn zur Zeit der Beschlussfassung die Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Tatsache nicht auszuschließen ist.1796 299 Es handelt sich hierbei um die Diskussion eines Scheinproblems. Keine Vorschrift der StPO verlangt, dass das Gericht über einen Beweisantrag entscheidet, solange es sich nicht darüber schlüssig ist, ob die unter Beweis gestellte Tatsache für seine Entscheidung von Bedeutung ist oder nicht. Es hat in einem solchen Fall daher die Hauptverhandlung und sonstige Beweisaufnahme so weit voranzutreiben, bis ihm eine Entscheidung auf gesicherter Beurteilungsgrundlage möglich ist.1797 Gegebenenfalls muss daher bis zum Abschluss der übrigen Beweiserhebungen zugewartet werden. Der Antragsteller, der auf eine Entscheidung über sein Begehren drängt, muss es akzeptieren, wenn ihm erklärt wird, dass diese wegen der nicht hinreichend gesicherten Beurteilungsgrundlage noch nicht getroffen werden kann. Wie revisionsgerichtliche Erfahrung zeigt, beruht der Rückgriff der Tatgerichte auf die Wahrunterstellung von Indiz- oder Hilfstatsachen im Übrigen praktisch nie darauf, dass diesen im Zeitpunkt der Zurückweisung des Beweisantrags potentiell eine Entscheidungserheblichkeit zu Gunsten des Angeklagten beigemessen wird. Vielmehr wird regelmäßig der Unterschied zwischen Bedeutungslosigkeit und Wahrunterstellung verkannt oder durch die Behandlung der Beweistatsache als wahr die Notwendigkeit umgangen, die bei Anwendung des Ablehnungsgrunds der Bedeutungslosigkeit erforderliche Begründung des Zurückweisungsbeschlusses zu liefern. Damit dient die Rechtsprechung, die die Wahrunterstellung „potentiell entscheidungserheblicher Indiz- oder Hilfstatsachen“ zulässt, ohne gleichzeitig zu verlangen, dass der Tatrichter den damit an sich zugesagten Schluss auf die dem Angeklagten günstige Haupttatsache zieht, unausgesprochen dem Ziel, Urteilsaufhebungen wegen rechtsfeh-

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1794 Vgl. RGSt 39 231 (Eignung, Entscheidung zu beeinflussen, genügt); BGH NStZ 2013 538, 539; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung 37; zu den strittigen Lösungsversuchen vgl. etwa Born 143 ff.; Alsberg/Güntge 1276 m.w.N. 1795 Auch bei den anderen Ablehnungsgründen entstehe durch die Ablehnung keine endgültige Bindung des Gerichts, das am Ergebnis der Urteilsberatung prüfen muss, ob sie noch zutreffen (Rn. 144). Zur Problematik, die sich daraus für die Wahrunterstellung ergeben kann, vgl. etwa Alsberg/Güntge 1670; Born 188 ff. (gegen Provisorium); Herdegen NStZ 1984 342; Raacke NJW 1973 494; Willms FS Schäfer 277; s. dazu unten Rn. 310 ff. 1796 RGSt 65 330; BGH NJW 1961 2069, 2070; NStZ 2016 42, 44; BGH GA 1972 272, 273; BGH bei Holtz MDR 1979 282; bei Spiegel DAR 1979 190; 1980 209; OLG Hamm NStZ 1983 522, 523; OLG Karlsruhe Justiz 1977 357; Alsberg/Güntge 1275; Herdegen NStZ 1984 342; Raacke NJW 1973 495; Schlüchter 553, 4; Schweckendieck NStZ 1997 259; Willms FS Schäfer 279; AK/Schöch 118; KMR/Paulus 446; MeyerGoßner/Schmitt 70. Gegen die Erweiterung auf die potentielle Beweiserheblichkeit Born 198 ff.; Mosbacher HRRS-GedS Widmaier 87 ff.; Niemöller FS Hamm 552 f.; ders. FS Schlothauer 449 f.; Roxin/Schünemann § 45, 19 Fn. 13; Schröder NJW 1972 2108; v. Stackelberg FS Sarstedt 376; KK/Krehl 187; SK/Frister 190 ff.; Tenckhoff 132 hält diese Kategorie für entbehrlich, da jeder Umstand erheblich sei, der die Überzeugungsbildung beeinflussen könne; ferner Eisenberg (Beweisrecht) 243. 1797 Vgl. RGSt 65 330; BGH NStZ 2011 168; OLG Köln JMBlNW 1962 39; Born 56, 79 ff., 126 ff., 198; Mosbacher FS Miebach 23; Schweckendieck NStZ 1997 260; KK/Krehl 187; KMR/Paulus 443; MüKo/Trüg/Habetha 339; a.A. Alsberg/Güntge 1276 Fn. 2454, der jedoch (Rn. 1278 f.) andererseits die Unterrichtung des Antragsstellers fordert, wenn das Gericht nach Urteilsberatung die Bedeutsamkeit der Beweisbehauptung verneint; da in diesem Falle aber, so nicht (überflüssigerweise) der Beweis erhoben wird, der Beweisantrag durch neuen Beschluss wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache zurückgewiesen werden muss, ist nach dieser Ansicht gegenüber der hier vertretenen Auffassung nur dann etwas gewonnen, wenn das Gericht die Beweisbehauptung letztlich als erheblich erachtet, weil es insoweit bei der früh vorgenommenen Wahrunterstellung sein Bewenden haben kann.

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lerhafter Behandlung von Beweisanträgen zu vermeiden, die aus Sicht des Revisionsgerichts wegen Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung hätten zurückgewiesen werden können.1798 cc) Entlastende Beweisbehauptung. Der Umstand, dass die Wahrunterstellung 300 nur für entlastende Tatsachen gestattet ist, bedeutet zum einen, dass Tatsachen, die auch zuungunsten des Angeklagten wirken, nicht als wahr unterstellt werden dürfen.1799 Zum anderen darf – anders als bei erwiesenen Tatsachen – eine vom Angeklagten zu seiner Entlastung vorgetragene und vom Gericht als wahr unterstellte Tatsache nicht zu Lasten des Angeklagten verwendet werden.1800 Aus einer zugunsten eines Angeklagten als wahr unterstellten Tatsache dürfen auch gegenüber einem Mitangeklagten keine nachteiligen Folgerungen abgeleitet werden.1801 Es ist aber zulässig, mehrere Angeklagte bei der Wahrunterstellung verschieden zu behandeln.1802 Der Schuldspruch oder Rechtsfolgenausspruch darf aber zu Lasten eines jeden Angeklagten ausnahmslos nur auf solche Tatsachen gestützt werden, die zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen.1803 Der Grundsatz, dass im Zweifel zugunsten des Angeklagten zu entscheiden ist, erleidet auch hier keine Ausnahme. dd) Geeigneter Antrag. Dass nur Beweisanträge, die zu Gunsten des Angeklagten 301 wirken sollen und wirken, durch Wahrunterstellung abgelehnt werden können, schließt Anträge der Staatsanwaltschaft nicht aus, sofern sie ausschließlich zugunsten des Angeklagten gestellt worden sind.1804 Die Zielrichtung des Antrags ist gegebenenfalls durch Fragen an den Antragsteller zu klären. Anträge, die den Angeklagten belasten sollen, sind auch der Wahrunterstellung entzogen, wenn sie sich nach Ansicht des Gerichts ausschließlich zu seinen Gunsten auswirken.1805 Anträge des Privat- oder Nebenklägers scheiden somit praktisch aus.1806 Umgekehrt ist kein Raum für die Wahrunterstellung

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1798 Vgl. Börner StraFo 2014 133; Niemöller FS Schlothauer 450; Schweckendieck NStZ 1997 259. 1799 OLG Bamberg wistra 2017 248 Ls. (Wahrunterstellung einer entlastenden Tatsachenbehauptung der Staatsanwaltschaft daher nicht ausgeschlossen); OLG Saarbrücken VRS 19 (1960) 375; Alsberg/Güntge 1271; SK/Frister 194. D. Meyer NJW 1976 2356 lässt es genügen, dass aus der Tatsache, die Schlüsse in verschiedener Richtung zulässt, kein dem Angeklagten nachteiliger gezogen wird. 1800 RG JW 1923 689; BGHSt 1 137, 139; 51 364 = StV 2007 512 m. Anm. Niemöller S. 626; BGH StV 1994 115; OLG Schleswig SchlHA 1957 161; OLG Stuttgart OLGSt § 244 Abs. 3 S. 27; Eb. Schmidt 64; KMR/Paulus 442; Meyer-Goßner/Schmitt 70; SK/Frister 204; Alsberg/Güntge 1272; a.A. BGH NJW 1976 1950 m. abl. Anm. Tenckhoff und zust. Anm. D. Meyer S. 2355. BGH StV 1982 509 hat zu dieser Entscheidung ausgeführt, dass eine Abweichung von der ständigen Rechtsprechung nicht beabsichtigt gewesen sei; dazu v. Stackelberg FS Sarstedt 376, der die Entscheidung dahin deutet, dass die behauptete Beweistatsache zugleich als glaubwürdiges Geständnis zu werten war; ferner KMR/Paulus 449. 1801 RG JW 1931 2030; BGH StV 1983 140 m. Anm. Strate; 1994 633; SK/Frister 204; Alsberg/Güntge 1273. 1802 Vgl. Alsberg/Güntge 1273; nach Eb. Schmidt 59 soll die Wahrunterstellung dagegen nicht zulässig sein, wenn sie die Beweisbehauptung eines Mitangeklagten durchkreuzt. 1803 OGHSt 1 208; beispielsweise RG HRR 1937 Nr. 837. Hat das Gericht in der Verhandlung gegen den des Diebstahls beschuldigten Angeklagten dessen Antrag, einen Zeugen darüber zu hören, dass er zur Zeit des Diebstahls nicht am Tatort gewesen sei, mit der Begründung abgelehnt, dass es diese Tatsache als wahr gelten lasse, so kann es die Möglichkeit des Diebstahls auch nicht mehr zu einer Wahlfeststellung zwischen Diebstahl und Hehlerei verwerten; vgl. auch BGHSt 12 386. 1804 Alsberg JW 1929 978; Alsberg/Güntge 1270; Eb. Schmidt 59 (es muss sich um eindeutig zugunsten des Angeklagten vorgebrachte Anträge handeln); vgl. BGH StV 1981 271 (keine Wahrunterstellung, wenn Antrag der Staatsanwaltschaft Täterschaft des Angeklagten klären soll); BGH bei Nehm DAR 1994 189 f. (keine Wahrunterstellung eines auf Belastung des Angeklagten abzielenden Beweisantrags). 1805 Alsberg/Güntge 1271. 1806 OLG Köln JMBlNW 1969 175; vgl. Alsberg/Güntge 1270; Amelunxen (Nebenkläger) 55; a.A. SK/Frister 193.

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von Tatsachen, die zwar zugunsten des Angeklagten vorgetragen werden, die aber nach Ansicht des Gerichts belastend wirken würden. Beweisermittlungsanträge scheiden in der Regel wegen ihrer Unbestimmtheit für 302 eine Wahrunterstellung aus (s. auch Rn. 293).1807 Soll jedoch nur nach Beweismitteln für eine bestimmt behauptete Beweistatsache geforscht werden, so ist das Gericht nicht gehindert, die Wahrunterstellung dieser Tatsache selbst zuzusagen.1808 Dadurch wird es genauso gebunden wie durch einen Beschluss, mit dem es einen Beweisantrag unter Zusage der Wahrunterstellung ablehnt. Gleiches gilt, wenn dem Beweisbegehren wegen unzureichender Konkretisierung der als wahr unterstellten Beweisbehauptung (s. auch Rn. 304) tatsächlich die Qualität eines Beweisantrages nicht zukam.1809 Hilfsweise gestellte Beweisanträge dürfen – ohne dass dies vorher in der Haupt303 verhandlung anzukündigen wäre – in den Urteilsgründen durch Wahrunterstellung erledigt werden; insoweit gelten keine Besonderheiten.1810 Da die Ablehnung erst in Verbindung mit der endgültigen Beweiswürdigung vorgenommen wird, erleichtert dies die Beurteilung, ob die behauptete Tatsache als wahr zu unterstellen oder als bedeutungslos zu behandeln ist. Selbst für die herrschende Ansicht, die die Wahrunterstellung von Indiz- und Hilfstatsachen zulässt, kann sich hier die Frage der Wahrunterstellung einer solchen Tatsache wegen potentieller Beweiserheblichkeit (Rn. 298) nicht mehr stellen.1811 e) Behandlung des Antrags 304

aa) Hinwirken auf Klarstellung. Enthält das Beweisbegehren eine unbestimmte oder unklare Beweisbehauptung, so muss das Gericht vor der Wahrunterstellung durch Befragen des Antragstellers darauf hinwirken, dass dieser die Beweisbehauptung präzisiert oder ihren Sinn klarstellt.1812 Unterbleibt dies, kann der Fehler nicht durch eine einengende Auslegung im Urteil behoben werden.1813 Gleiches gilt, wenn das Vorbringen widersprüchlich ist1814 oder wenn die behauptete Tatsache dem Wortlaut nach hinter dem mit dem Antrag verfolgten Zweck zurückbleibt und die Schlussfolgerung nicht rechtfertigt, die der Antragsteller daraus herleiten will.1815 Nicht genügend konkretisierte, unklare oder widersprüchliche Beweistatsachen dürfen nicht als wahr unterstellt wer-

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1807 Vgl. RG JW 1931 2032 m. Anm. Alsberg. 1808 BGHSt 32 44, 46 = JR 1984 171, 173 m. Anm. Meyer; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 14; KG JR 1978 473. 1809 Vgl. BGH StV 2012 581; NStZ 2018 48. 1810 Vgl. etwa BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 357; OLG Celle JR 1985 32 m. Anm. Meyer; OLG Hamm NJW 1962 66; Tenckhoff 31. Die Wahrunterstellung verträgt sich auch hier nicht mit der Annahme der Bedeutungslosigkeit, OLG Schleswig bei Ernesti/Lorenzen SchlHA 1980 175. 1811 Vgl. Willms FS Schäfer 279, wonach jede Indiztatsache als bedeutungslos zu bezeichnen ist, deren Erheblichkeit bei der Schlussberatung verneint wurde; ähnlich Born 184, 238 ff.; s. auch Alsberg/Güntge 1281, wonach das Urteil nicht darauf beruht, dass eine hilfsweise unter Beweis gestellte Tatsache in den Urteilsgründen als wahr unterstellt wird, obwohl sie das Gericht in der Sache für bedeutungslos hält. 1812 BGH NJW 1959 396; 1968 1293; NStZ 2018 48; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 211; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung 23; OLG Saarbrücken VRS 42 (1972) 37; Alsberg/Güntge 1310. 1813 BGHSt 40 169, 185; BGH NStZ 2018 48; NStZ-RR 1998 13; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 14; KG JR 1978 473, 474; OLG Stuttgart StraFo 2005 204. 1814 OLG Saarbrücken VRS 19 (1960) 375. 1815 BGH StV 1981 603; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 211. Insbesondere dies betrifft den Bereich der nach h.M. zulässigen Wahrunterstellung von Indiz- und Hilfstatsachen; nach hier vertretener Ansicht kann sich das Problem nicht stellen.

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den.1816 Ergibt sich die Notwendigkeit einer Klarstellung bei der Beratung, muss das Gericht nochmals in die Verhandlung eintreten.1817 bb) Ablehnungsbeschluss. Der Beschluss, durch den ein Beweisantrag in der 305 Hauptverhandlung unter Zusage der Wahrunterstellung zurückgewiesen wird, erfordert keine darüber hinausgehende Begründung.1818 Zur Klarstellung kann es bei ungeschickt formulierten Anträgen zweckmäßig sein, die unterstellte Tatsache mit den Worten des Gerichts genau festzulegen, sofern der Antragsteller dazu trotz Frage des Gerichts (vgl. Rn. 304) nicht in der Lage ist. Die wörtliche Fixierung der unterstellten Tatsache ist in der Regel auch angezeigt, wenn nur ein Teil des Antrags durch die Wahrunterstellung erledigt werden soll.1819 f) Auswirkung für das weitere Verfahren aa) Bindung des Gerichts. Die Wahrunterstellung bezieht sich auf die Beweistat- 306 sache. Wird zugesagt, diese als wahr zu behandeln, so ist das Beweismittel irrelevant und jeder Würdigung durch das Gericht, vor allem auch jeder Abwertung, entzogen.1820 Sofern nicht nur eine bestimmte Äußerung oder ein persönlicher Eindruck als solche,1821 sondern eine außerhalb der Äußerung oder des Eindrucks liegende objektive Tatsache bewiesen werden soll, ist es fehlerhaft, dem durch die Wahrunterstellung entsprechen zu wollen, der benannte Zeuge würde zwar die Beweistatsache bestätigen, hieraus lasse sich aber das gewünschte Beweisergebnis wegen in der Person des Zeugen liegender Gründe nicht herleiten, etwa weil er keinen Glauben verdiene,1822 sich falsch ausgedrückt habe,1823 nur seinen persönlichen Eindruck wiedergegeben habe1824 oder seine als wahr unterstellte Erklärung nicht ernst gemeint gewesen sei; denn darin lägen eine unzulässige vorweggenommene Würdigung des Beweiswerts des angebotenen Zeugen und ein Verstoß gegen die in der Wahrunterstellung liegende Zusage.1825 Wenn das Gericht den Wert des Beweismittels in Frage stellen will, muss es den Beweis erheben; nur dann

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1816 BGHSt 1 137; BGH NJW 1959 396; StV 1981 603; OLG Köln JMBlNW 1962 39; OLG Saarbrücken VRS 19 (1960) 375; 42 (1972) 39; OLG Stuttgart OLGSt § 244 Abs. 3 S. 27; Seibert NJW 1960 20; s. Rn. 302 für den Fall, dass dies doch geschieht. 1817 BGH bei Pfeiffer NStZ 1982 189. 1818 RGSt 35 389; 39 321; 46 278; OLG Karlsruhe MDR 1966 948; Alsberg/Güntge 1441; a.A. OLG Hamm NJW 1962 66. 1819 RG DRiZ 1927 Nr. 733; Alsberg/Güntge 1441. Einer Klarstellung bedarf es auch, wenn im Beweisantrag die Tatsachenbehauptung mit einem Werturteil verbunden ist, vgl. Alsberg/Güntge 1295. 1820 Alsberg/Güntge 1309; Gollwitzer JR 1982 38; KK/Krehl 189 (Unterstellung auf der Grundlage des vollen Beweiswerts). 1821 Die Tatsache einer bestimmten Äußerung allein und nicht deren Wahrheit kann Beweisthema sein; vgl. etwa BGH NStZ 1983 376; 1984 564, 565; 1993 447 f.; StV 1984 142; BGHR § 244 Abs. 2 Satz 3 Wahrunterstellung 20; KK/Krehl 191; ob ein Ausnahmefall vorliegt, in dem eine solche Einschränkung wirklich gewollt ist, muss gegebenenfalls vom Gericht geklärt werden. 1822 RGSt 49 45; 51 3; BGH bei Holtz MDR 1980 631; BGH StV 1984 61 Ls.; 1995 5, 6; 1995 172; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung 20; OLG Celle JR 1964 353; OLG Hamburg StV 2001 332 m. Anm. Meyer; OLG Koblenz VRS 52 (1977) 125; OLG Köln JMBlNW 1962 39; KK/Krehl 190; KMR/Paulus 447; MeyerGoßner/Schmitt 71; a.A. OLG Hamm StV 1982 522 (wonach diese Schlussfolgerung nicht generell ausgeschlossen wird); ferner Born 180 ff., die aber allgemein die Wahrunterstellung unter Schlussfolgenablehnung verwirft. 1823 BGH NStZ 1989 129 m. Anm. Volk. 1824 BGH NStZ 1983 376; StV 1990 149 („angenommen, Angeklagter habe unter Schock gestanden“). 1825 RGSt 49 44, 46; 51 3, 4; BGH StV 1984 363, 364; BGH bei Holtz MDR 1978 112; Herdegen NStZ 1984 343.

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kann es die Qualität des Beweismittels beurteilen. Das Gericht darf den als wahr unterstellten Gesamtsachverhalt auch nicht von sich aus relativieren und eindeutig Behauptetes als mehrdeutig denkbar behandeln.1826 Ebenso wenig darf eine behauptete Tatsache in der Weise als wahr behandelt werden, dass das Gericht annimmt, der Zeuge werde das bekunden, was der Beweisführer behauptet, dass es sich aber die Entscheidung darüber vorbehält, ob die behauptete Tatsache für wahr zu erachten sei oder nicht.1827 Auch die Verknüpfung der Zusage, eine Beweistatsache als wahr zu behandeln, mit einem anderen, an sich durchgreifenden Ablehnungsgrund hebt die Bindung des Gerichts nicht ohne weiteres auf.1828 307 Bezieht sich die Wahrunterstellung (wie nach hiesiger Auffassung allein zulässig) auf eine unmittelbar entscheidungserhebliche Haupttatsache, so ist diese mit dem ihr zukommenden vollen rechtlichen Gewicht im Schuldspruch oder Rechtsfolgenausspruch zu berücksichtigen. Wird eine Strafzumessungstatsache als wahr unterstellt, so ist sie bei der Bemessung der Strafe mildernd zu berücksichtigen.1829 Behandelt das Gericht etwa die unter Zeugenbeweis gestellte Behauptung als wahr, bei der Tat des Angeklagten handele es sich um die einmalige Entgleisung eines an sich ehrenhaften Mannes, so setzt es sich in Widerspruch zu seiner Zusicherung, wenn es gleichwohl die Tat bei der Strafzumessung dahin beurteilt, dass sie Ausfluss einer bedenklichen Charakterschwäche sei. Wird dagegen eine nur mittelbar entscheidungserhebliche Indiz- oder Hilfstatsa308 che als wahr behandelt, so ist sie nach der herrschenden Ansicht, die die Wahrunterstellung auch insoweit gestattet, bei der Beweiswürdigung uneingeschränkt und ohne jede Verschiebung, Verengung oder sonstige Veränderung in einer ihrem Sinn voll Rechnung tragenden Auslegung zugrunde zu legen.1830 Der mit dem Beweisantrag erstrebte Zweck ist dabei aus dem Gesamtvorbringen des Antragstellers und den von ihm erkennbar verfolgten Verfahrensinteressen sowie dem Verfahrensstand zu erschließen.1831 Wird etwa unterstellt, der Betroffene könne nicht durch Lichtbilder identifiziert werden, dann dürfen diese Bilder auch nicht für die Erwägung verwendet werden, dass

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1826 Alsberg/Güntge 1310. 1827 RGSt 49 45; 51 3; RG LZ 1915 1670; 1917 65; 1919 908; DRiZ 1927 Nr. 733; JW 1917 51; 1929 2738; 1930 3773; 1931 1815; 1936 3473; BGH StV 1984 61 Ls.; 1990 293; 1994 351; bei Martin DAR 1957 68; bei Holtz MDR 1982 449; BayObLG StV 1981 511; OLG Braunschweig NJW 1947/48 232; OLG Kiel SchlHA 1948 83; OLG Koblenz VRS 52 (1977) 152; OLG Köln JMBlNW 1962 39; ferner Born 174; Gössel I § 29 C IIIc 8; Alsberg/ Güntge 1309. 1828 OLG Hamm JR 1965 296; s. demgegenüber BGHSt 32 44, 45; zur Zurückweisung eines Beweisantrags gestützt auf mehrere Ablehnungsgründe vgl. Rn. 136. 1829 Vgl. etwa BGH NStZ 2007 165. 1830 BGH NJW 1959 396; 1961 2069; 1968 1293; 2000 443, 445; NStZ 1981 33; 1982 213; 1983 376; 1984 564; 1989 129 m. Anm. Volk; 2007 282; 2008 299, 300; bei Pfeiffer NStZ 1982 189; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 211; 1983 357; 1984 211; 1986 207; bei Miebach/Kusch NStZ 1991 29; BGH NStZ-RR 2003 101, 102; 2004 370; 2005 78; 2013 50; GA 1984 21; StV 1981 603; 1982 155, 156 m. Anm. Jungfer; 1982 356, 357; 1984 142; 1984 363, 364; 1990 149; 1990 293, 294; 1994 357; 1995 5; BGH bei Holtz MDR 1978 112; 1980 986; BGH wistra 1990 196; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung 4, 6, 18, 21, 23, 27; BayObLG StV 1981 511; OLG Celle GA 1962 216; OLG Hamburg JR 1982 36 m. Anm. Gollwitzer; OLG Hamm GA 1974 374; VRS 38 (1970) 293; JMBlNW 1964 203; KG JR 1978 473; OLG Karlsruhe VRS 56 (1979) 467; OLG Koblenz OLGSt § 244 Abs. 3 S. 29, 32; OLG Köln VRS 59 (1980) 330; OLG Stuttgart JR 1968 15 m. Anm. Koffka; ferner etwa Alsberg/Güntge 1310; Herdegen NStZ 1984 343; Niemöller FS Hamm 548; KK/Krehl 188 (Gebot der Kongruenz); Meyer-Goßner/Schmitt 71. 1831 BGH NJW 1959 396; GA 1984 21, 22; StV 1981 603, 604; BGH bei Holtz MDR 1978 112; bei Pfeiffer/ Miebach 1983 211; 1983 357; 1984 211; 1986 207; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung 23; OLG Hamburg JR 1982 36 m. Anm. Gollwitzer; OLG Hamm JMBlNW 1964 203; OLG Köln JMBlNW 1962 39; OLG Saarbrücken VRS 42 (1972) 37.

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ein Vergleich von Kopfform und Haarschnitt mit der persönlichen Erscheinung des Betroffenen für dessen Täterschaft spreche.1832 Sind Begleitumstände oder sonstige Einzelheiten dafür maßgebend, welche Schlüsse aus einer Indiztatsache gezogen werden können, dann darf der mit dem Beweisantrag erstrebte Schluss nicht deshalb verweigert und die Beweisbehauptung faktisch als bedeutungslos behandelt werden, weil solche von ihr nicht direkt erfassten, anderweitig nicht erwiesenen Möglichkeiten auch einen anderen Schluss zulassen.1833 Will das Gericht dies tun, so muss es entweder gemäß seiner Aufklärungspflicht den Beweis erheben oder den Antragsteller darauf hinweisen, dass seine Beweisbehauptung und die beabsichtigte Unterstellung diesen Schluss nicht ausschließt, und ihm anheimgeben, sich zu erklären, ob er mit der engeren Unterstellung einverstanden ist oder ob er einen weitergehenden Antrag stellen will.1834 Wird schon aus dem (ausnahmsweise mit einer Begründung versehenen) Ablehnungsbeschluss ersichtlich, dass das Gericht die Beweisbehauptung nicht in ihrer vollen Tragweite als wahr unterstellt, so soll der Antragsteller dies in der Hauptverhandlung zu beanstanden haben; ansonsten sei eine entsprechende Revisionsrüge verwirkt.1835 Anderes soll nur dann gelten, wenn die fehlerhafte Ablehnung nicht auf einem (erkennbaren) Missverständnis des Gerichts beruht.1836 Die vorherrschende Meinung geht nun aber davon aus, dass die als wahr behandel- 309 ten Indiz- oder Hilfstatsachen grundsätzlich ebenso der freien Beweiswürdigung unterliegen wie die voll bewiesenen Tatsachen.1837 Das Gericht dürfe und müsse sie in einer Gesamtschau mit diesen würdigen. Lasse die unterstellte Tatsache nicht nur einen möglichen Schluss zu, der – nicht anders als im Falle positiver Feststellung der Tatsache – zwingend zu ziehen sei,1838 so sei das Gericht grundsätzlich nicht verpflichtet, aus ihr das zu folgern, was der Antragsteller gefolgert wissen möchte.1839 Andererseits soll das Gericht bei der Würdigung des konkreten Beweisergebnisses durch die Wahrunterstellung

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1832 OLG Koblenz VRS 61 (1981) 127. 1833 RGSt 51 3, 4; RG JW 1931 2495 m. Anm. Alsberg; BGH NJW 1959 396; 1968 1293; BGH NStZ 1981 33 Ls.; 1982 213; 1989 129 m. Anm. Volk; StV 1982 356, 357; GA 1984 21, 22; bei Holtz MDR 1978 112; 1980 986; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 357; 1984 211; bei Spiegel DAR 1983 204; OLG Hamm NStZ 1983 522, 523; Born 153 ff.; Herdegen NStZ 1984 343; s. auch Alsberg/Güntge 1310 sowie 1313 ff. mit Beispielen für gegen den Sinn des Beweisantrags verstoßende Einschränkungen und für die unzulässige Berücksichtigung im Beweisantrag nicht erwähnter Möglichkeiten. 1834 Vgl. OLG Hamburg JR 1982 36 m. Anm. Gollwitzer. 1835 BGH StV 2001 436. 1836 BGH NStZ 2008 299, 300; s. dazu Rn. 370. 1837 BGH NJW 1959 396; 1976 1950 m. Anm. Tenckhoff; VRS 21 (1961) 115; 29 (1965) 26; NStZ 1982 213; BGH bei Holtz MDR 1980 201; bei Spiegel DAR 1980 202; bei Seibert NJW 1962 137; OLG Bamberg wistra 2017 248 Ls.; OLG Celle GA 1962 216; OLG Hamm GA 1974 374; OLG Koblenz VRS 36 (1969) 17; 53 (1977) 440; 55 (1978) 49; OLGSt § 244 Abs. 3 S. 29, 32; OLG Köln JMBlNW 1962 39; AK/Schöch 117; KK/Krehl 192; KMR/Paulus 449; Meyer-Goßner/Schmitt 71a; ferner etwa Alsberg/Güntge 1319; Dahs (Hdb.) 555; G. Schäfer 864; Schlüchter 553.4; Tenckhoff 152. Laut Schneider NStZ 2013 216 f. soll die Wahrunterstellung einer Tatsache lediglich eine „Blockadefunktion“ des Inhalts bewirken, dass dem Urteil nicht deren Gegenteil zugrunde gelegt werden und darin – sei es auch im Verbund mit weiteren Tatsachen – ein dem Angeklagten nachteiliger Schluss gezogen werden dürfe. 1838 Herdegen NStZ 1984 342. 1839 RGSt 61 360; 68 272, 274; OGHSt 1 208; BGH NJW 1959 396; 1976 1950; 1992 2838, 2839; 1998 2753, 2755; NStZ 1982 213; 1983 318; 1983 376; 1983 422 m. Anm. Volk; 1993 447 f.; 2013 538, 539; 2016 42, 44; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 211; 1985 206; 1987 218; bei Kusch NStZ 1997 28; BGH NStZ-RR 2000 13; StV 1986 467; 1990 7; bei Holtz MDR 1980 986, 987; bei Martin DAR 1957 68; bei Spiegel DAR 1983 204; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung 37; OLG Hamm GA 1974 375; NStZ 1983 522, 523; OLG Koblenz VRS 55 (1978) 47; KK/Krehl 192; KMR/Paulus 449; Meyer-Goßner/Schmitt 71a; Herdegen NStZ 1984 342; Schlüchter 553.4; Tenckhoff 151.

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stärkeren Bindungen unterliegen als nach einer Beweiserhebung.1840 Herdegen fordert, dass das Gericht eine nach der Lebenserfahrung in aller Regel zutreffende Schlussfolgerung übernehmen muss, sofern nicht festgestellte Tatsachen ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse eine andere Würdigung rechtfertigen.1841 Da die meisten Indiz- und Hilfstatsachen nicht von der Art sind, dass sie nur einen bestimmten Schluss zu Gunsten des Angeklagten zulassen, führt diese Auffassung dazu, dass in der gerichtlichen Praxis aus einer als wahr unterstellten derartigen Beweistatsache so gut wie nie der vom Angeklagten erstrebte Schluss gezogen wird und sich im Urteilsspruch zu seinem Vorteil auswirkt. Es ist bereits oben darauf hingewiesen worden (Rn. 296), dass dies nicht mit der gesetzlichen Voraussetzung der Wahrunterstellung vereinbar ist, wonach diese nur für entscheidungserhebliche Beweistatsachen eröffnet ist.1842 Tatsächlich billigt die herrschende Ansicht, dass die als wahr unterstellte Tatsache verkappt als bedeutungslos behandelt wird, ohne dass der Angeklagte vor dem Urteil hiervon erfährt und sich daher darauf in seinem weiteren Prozessverhalten einrichten kann; denn die herrschende Meinung hält grundsätzlich auch keinen Hinweis auf die vom Gericht letztlich angenommene Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung für erforderlich (s. Rn. 313). Gerade die mit der Wahrunterstellung verbundene Zusage auch der Entscheidungserheblichkeit der Beweisbehauptung (s. Rn. 289 f.) entzieht diese aber der weiteren Würdigung im Gesamtverbund der durch Beweiserhebung positiv festgestellten anderen Indiz- oder Hilfstatsachen zu dem fraglichen Beweisfeld; sie schließt diese Gesamtwürdigung vielmehr aus. Das begründet den entscheidenden Unterschied zu den durch Beweiserhebung positiv festgestellten Indiz- oder Hilfstatsachen. Der Umstand, dass das Gericht zu ihnen Beweis erhebt, beinhaltet gerade nicht die Zusage, dass sie für das Gericht auch entscheidungserheblich sein werden, wenn es sich durch die Beweisaufnahme von ihrem Vorliegen überzeugt. Denn unabhängig davon, ob ein solches Vorgehen unter den Aspekten der Prozessökonomie und der Verfahrensbeschleunigung ratsam ist, darf das Gericht Beweis auch zu Tatsachen erheben, über deren Entscheidungserheblichkeit es sich bei der Beweisanordnung noch nicht schlüssig ist. Selbst wenn es zu diesem Zeitpunkt davon ausgeht, dass die Beweisbehauptung voraussichtlich ohne Einfluss auf die Entscheidung bleiben wird, muss es den Beweisantrag nicht wegen Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung zurückweisen; wie sämtliche Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 Satz 2 ist auch derjenige der Bedeutungslosigkeit fakultativ („kann“). 310

bb) Änderung der Auffassung. Hat das Gericht einen Beweisantrag mit der Begründung abgelehnt, dass es die behauptete Tatsache als wahr behandeln wolle, so bedeutet das selbstverständlich nicht, dass es hieran bis zum Urteilsspruch unabänderlich gebunden wäre. Ebenso wie bei der Zurückweisung eines Beweisantrags auf der Grundlage eines der anderen Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 kann es aufgrund weiterer in der Hauptverhandlung gewonnener Erkenntnisse auch von der Wahrunterstellung abrücken, bleibt also bei der Gestaltung des weiteren Verfahrens frei.1843 Soll es bei der Zurückweisung des Beweisantrags aus einem anderen Ablehnungsgrund bleiben, so muss das Gericht die Beteiligten wie auch sonst durch eine entsprechende Abänderung

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1840 BGH NJW 1961 2069; 1989 1045; NStZ 2007 282, 283; KK/Krehl 192; Herdegen NStZ 1984 342 (Gericht darf Wertungsgesichtspunkte nicht ignorieren, die es bei Erwiesensein nicht unbeachtet ließe). 1841 Herdegen NStZ 1984 343. 1842 Vgl. Grünwald FS Honig 53, 62; so wohl auch Alsberg/Güntge 1321. 1843 Alsberg/Güntge 1324 (keine Besonderheit gegenüber anderen Ablehnungsgründen); Niemöller FS Schlothauer 446 f.; vgl. Rn. 144.

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seines Ablehnungsbeschlusses auf seine geänderte Auffassung hinweisen und ihnen Gelegenheit geben, hierzu Stellung zu nehmen sowie ihr weiteres Prozessverhalten darauf einzurichten1844 (s. auch § 265 Abs. 2 Nr. 2). Nach Hanack ergibt sich die Hinweispflicht daraus, dass der Beweisantrag nach „Erledigung“ des Ablehnungsgrundes der Wahrunterstellung „gewissermaßen wieder auflebt“ und, sollte der Antragsteller ihn aufrecht erhalten, erneut beschieden oder der Beweis erhoben werden muss.1845 Aus all dem folgt: Gelangt das Gericht im weiteren Verhandlungsverlauf zu der Überzeugung, dass die als wahr unterstellte Tatsache erwiesen ist, so muss es dies offenlegen, bevor es sie gar zum Nachteil des Angeklagten verwertet.1846 Das Gericht kann und muss unter Umständen auch einem Beweisantrag stattgeben, der das Ziel hat, das Gegenteil oder die Unrichtigkeit der als wahr unterstellten Tatsache nachzuweisen.1847 Hat er Erfolg, so muss es meist trotzdem ausdrücklich1848 darauf hinweisen, dass es nunmehr an der Wahrunterstellung nicht mehr festhält. Dies kann auch dadurch geschehen, dass es dem durch die Wahrunterstellung dann nicht mehr erledigten Beweisantrag entspricht. Es kann zweckmäßig und durch die Aufklärungspflicht geboten sein, dies schon vorher zu tun und die Erhebung beider Beweise gleichzeitig anzuordnen. Die Pflicht, durch Fragen und Hinweise für eine Klarstellung der Verfahrenslage in der Hauptverhandlung zu sorgen, besteht auch dann, wenn das weitere Vorbringen des Beweisführers Anzeichen dafür bietet, dass er die unter Beweis gestellte Behauptung nicht aufrechterhalten wolle, oder wenn der Antragsteller den Beweisantrag auf die Wahrunterstellung hin in der Meinung zurücknimmt, den erstrebten Erfolg erzielt zu haben. Die Pflicht, durch Abänderung des Ablehnungsbeschlusses auf seine geänderte Auf- 311 fassung hinzuweisen, trifft das Gericht auch dann, wenn es sich nachträglich von der Bedeutungslosigkeit der zuvor als entscheidungserheblich angesehenen und daher als wahr unterstellten Beweistatsache überzeugt. Dies gilt zunächst dann, wenn eine als wahr unterstellte, unmittelbar entscheidungserhebliche Haupttatsache aufgrund einer Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts aus Rechtsgründen bedeutungslos wird. Allerdings wird in einem solchen Fall das Urteil meist nicht darauf beruhen, wenn es das Gericht unterlässt, seine neue Einschätzung durch einen geänderten Ablehnungsbeschluss kenntlich zu machen. Denn da die Beweistatsache für das Urteil rechtlich keine Rolle mehr spielt, kann der Antragsteller durch die fehlende Unterrichtung regelmäßig nicht in entscheidungserheblicher Weise in seinem weiteren Prozessverhalten beeinträchtigt werden, sind doch zu dem rechtlich irrelevant gewordenen Punkt keine anderweitigen Beweisantritte erforderlich; im Übrigen kann er auch durch den gegebenenfalls gemäß § 265 Abs. 2 zu erteilenden Hinweis hinreichend unterrichtet sein. Lässt man entgegen hier vertretener Ansicht mit der herrschenden Meinung die 312 Wahrunterstellung auch von (potentiell) entscheidungserheblichen Indiz- und Hilfstatsachen zu, so hat nach zutreffender Auffassung1849 das Gericht den Antragsteller und

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1844 Vgl. BGHSt 1 51, 53 ff.; 21 38 f.; 32 44, 47; KG JR 1978 473, 474; SK/Frister 200. 1845 Hanack JZ 1972 116. 1846 BGHSt 51 364, 366 = StV 2007 512 m. Anm. Niemöller S. 626. 1847 Alsberg JW 1929 981. 1848 Vgl. aber BGHSt 51 364, 366 = StV 2007 512 m. Anm. Niemöller S. 626, wonach der Hinweis durch die nachfolgende andere Beweiserhebung zur – zunächst als wahr unterstellten – Tatsache als schlüssig erteilt angesehen werden könne. 1849 Vgl. BGHSt 1 51, 53 f.; 21 38, 39 (hergeleitet aus der Aufklärungspflicht); 30 383, 385; 32 44 = JR 1984 171 m. abl. Anm. Meyer S. 173 (hergeleitet aus dem Grundsatz fairer Verfahrensgestaltung); OLG Hamm MDR 1964 435; JR 1965 269; NStZ 1983 522. Für Hinweis mit unterschiedlicher Akzentsetzung und Ableitung ferner Börner StraFo 2014 136; ders. (Legitimation) 525 ff.; Born 199; Bringewat MDR 1986 357; Dahs (Hdb.) 555; Deckers (Beweisantrag) 238; Eisenberg (Beweisrecht) 245 ff.; Fezer 12/69; Gillmeister

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die übrigen Beteiligten ebenfalls darauf hinzuweisen, dass es an der zugesagten Wahrunterstellung nicht mehr festhält, weil sich die Beweistatsache in der Gesamtwürdigung mit dem übrigen Beweisergebnis als aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung bedeutungslos erwiesen hat. Auch hier liegt der Sache nach ein Austausch des Ablehnungsgrundes vor, der es erforderlich macht, dass das Gericht in einem in der Hauptverhandlung zu verkündenden Beschluss die Gründe, aus denen es die Beweistatsache nunmehr als tatsächlich bedeutungslos ansieht, in gleicher Weise darlegt, wie dies erforderlich gewesen wäre, wenn es den Beweisantrag von vornherein gestützt auf diesen Ablehnungsgrund zurückgewiesen hätte.1850 Denn nur dann kann der Antragsteller den Standpunkt des Gerichts bei seiner Verhandlungsführung berücksichtigen und weiteren Beweis zur Erreichung des von ihm bereits mit dem zurückgewiesenen Begehren verfolgten Beweisziels anbieten; einen solchen Beweisantritt kann er im Hinblick auf die Wahrunterstellung bisher möglicherweise unterlassen haben. Diese darf nicht zur Folge haben, dass es – anders als bei der unmittelbaren Ablehnung des Beweisantrags wegen Bedeutungslosigkeit – genügt, wenn dem Antragsteller die Gründe für die Unerheblichkeit der Beweistatsache, die die abschließende Entscheidung tatsächlich tragen, erstmals im Urteil eröffnet werden. Auch sonst hat das Gericht, wenn es seine Ansicht über ein bestimmtes Beweisergebnis den Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis gebracht hat, noch in der Hauptverhandlung auf die Änderung seiner Beurteilung hinzuweisen. Hierfür streitet nunmehr auch § 265 Abs. 2 Nr. 2 und 3. Nach anderer, wohl überwiegender Ansicht1851 liegt dagegen kein Wechsel des 313 Ablehnungsgrunds vor, wenn sich das Gericht auch unter Mitberücksichtigung einer als wahr unterstellten, (potentiell) mittelbar entscheidungserheblichen Indiz- oder Hilfstatsache in der Gesamtwürdigung aller Beweisergebnisse nicht die Überzeugung vom Vorliegen der dem Angeklagten günstigen Haupttatsache zu verschaffen vermag. Die Wahrunterstellung erfordere nicht, dass die als wahr behandelte Indiz- oder Hilfstatsache die Entscheidung maßgebend mittrage. Es genüge, wenn zur Zeit der Verkündung des Ablehnungsbeschlusses die zumindest potentielle Beweiserheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatsache vorgelegen habe und zugesagt worden sei; eine darüber hinausgehende Zusage, das Gericht werde die Tatsache auch bei seiner endgültigen Beweiswürdigung in der Urteilsberatung tatsächlich als entscheidungserheblich erachten, liege darin aber nicht.1852 Die Möglichkeit, dass dies nicht geschehe, sei in der Zusage der Wahrunterstellung mitenthalten, so dass der Antragsteller und die sonstigen Verfahrensbeteiligten von vornherein mit ihr rechnen müssten und der Ablehnungsgrund der Wahrunterstellung nicht verlassen werde, wenn sich die als wahr behandelte Indiz- oder Hilfstatsache auf das Urteil nicht auswirke. Gebunden bleibe das Gericht durch die Zusa-

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StraFo 1997 11; Gössel § 29 C III c 8; Alsberg/Güntge 1278 f.; Hamm 762 ff.; ders. FS II Peters 175; Hanack JZ 1972 116; Niemöller FS Schlothauer 448 f.; Roxin/Schünemann § 45, 19; Schlothauer StV 1986 227; Schröder NJW 1972 2107; Schweckendieck NStZ 1997 259 f.; Seibert NJW 1962 20; v. Stackelberg FS Sarstedt 376; Tenckhoff 133 ff.; AK/Schöch 118; HK/Julius 64; KK/Krehl 187; KMR/Paulus 451; SK/Frister 202; Eb. Schmidt 26; vgl. Rn. 144. 1850 Niemöller FS Hamm 549 ff.; ders. FS Schlothauer 448 f.; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 157; MüKo/ Trüg/Habetha 346; a.A. Roxin/Schünemann § 45, 19: Bedeutungslosigkeit erst im Urteil zu begründen. 1851 RGSt 65 322, 330; BGH NJW 1961 2069, 2070; NStZ 2013 538, 539; 2016 42, 44; NStZ-RR 2009 179; GA 1972 272, 273; StV 2000 436; BGH bei Holtz MDR 1979 281, 282; bei Pfeiffer NStZ 1981 96; 1981 296; bei Pfeiffer/Miebach 1983 357; bei Kusch 1992 28; bei Spiegel DAR 1979 190; 1980 209; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung 37; OLG Braunschweig NJW 1947/48 232; OLG Celle StV 1986 423 m. abl. Anm. Tenckhoff; OLG Karlsruhe Justiz 1977 357; Bauer MDR 1994 953; Müller GedS Meyer 290; Raacke NJW 1973 494; Willms FS Schäfer 276, 278. 1852 Etwa Herdegen NStZ 1984 342; KMR/Paulus 451; Willms FS Schäfer 278. Dass dies nicht zutrifft, wurde bereits oben Rn. 290 dargelegt; s. auch Born 196, 200, 242.

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ge nur insoweit, als es keine der unterstellten Tatsache zuwiderlaufenden Feststellungen treffen dürfe. Nur wenn es dies wolle, müsse es seinen die Wahrunterstellung zusichernden Beweisbeschluss förmlich aufheben oder ändern. Im Einzelfall könne aber die Fürsorgepflicht bzw. die Pflicht zur Verfahrensfairness einen ausdrücklichen Hinweis auf die letztlich angenommene Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache fordern, um Fehldeutungen zu korrigieren. Dies könne etwa der Fall sein, wenn der Angeklagte der unterstellten Tatsache bei seiner Prozessführung erkennbar Gewicht beimisst, z.B. in einem Plädoyer, das auf die als wahr unterstellte Tatsache aufbaut, oder wenn es sonst als möglich erscheint, dass vor allem der Angeklagte bei Kenntnis der Tatsachen, aufgrund derer das Gericht die Unerheblichkeit der als wahr unterstellten Tatsache bejaht, sein Verteidigungsvorbringen ändern oder ergänzen und wahrscheinlich weitere Beweisanträge stellen würde.1853 Mitunter soll die Aufklärungspflicht einen solchen Hinweis notwendig machen.1854 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass das Gericht ohne Befragung des Angeklagten und seines Verteidigers gar nicht erkennen kann, ob dies der Fall ist. Soweit das Unterlassen jedes Hinweises damit gerechtfertigt wird, es sei stets Sache des Angeklagten, wegen des vorläufigen Charakters der Wahrunterstellung vorsorglich alle weiteren geeigneten Beweisanträge zu stellen,1855 ist diese Forderung mit den Grundsätzen eines rationellen und fairen Verfahrens nicht vereinbar. Sie belastet Verteidigung und Hauptverhandlung unnötig mit Hilfsanträgen.1856 Sichert lediglich der Vorsitzende unzulässigerweise vor oder in der Hauptverhand- 314 lung zu, dass eine bestimmte Indiztatsache als wahr unterstellt werde, dann muss das Gericht, wenn es davon abweichen will, dies den Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung zur Kenntnis bringen.1857 cc) Urteilsgründe. Im Ausgangspunkt gilt, dass die als wahr unterstellte Tatsache 315 in den Urteilsgründen nicht als bloß „möglich“ behandelt1858 oder nur partiell zum Gegenstand der Urteilsfeststellungen und der Beweiswürdigung gemacht werden darf.1859 Die Urteilsfeststellungen müssen sich voll mit der als wahr unterstellten Tatsache decken; sie dürfen nicht dahinter zurückbleiben und ihr selbstverständlich auch nicht widersprechen.1860

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1853 BGHSt 30 383, 385; BGH StV 2012 580, 581 (wenn nahe liegt, dass der Antragsteller wegen der Wahrunterstellung von weiteren Beweisanträgen absieht); OLG Hamm NStZ 1983 522; Schweckendieck NStZ 1997 260 weist aber zutreffend darauf hin, dass dies eigentlich nur der Verteidiger selbst beantworten kann. Börner StraFo 2015 51 empfiehlt, nach jeder Ablehnung eines Beweisantrages wegen Wahrunterstellung (einer Indiz- oder Hilfstatsache) vorsorglich zu beantragen, das Gericht möge einen Hinweis erteilen, falls es später zu der Überzeugung gelangen sollte, die Beweistatsache sei bedeutungslos. Insgesamt ablehnend dagegen Schneider NStZ 2013 219 ff. 1854 Herdegen NStZ 1984 342 stellt allein hierauf ab. 1855 So BGH GA 1972 273. 1856 Schröder NJW 1972 2105; Schweckendieck NStZ 1997 258; ferner Born 199; Schneider NStZ 2013 218; Tenckhoff 134; KMR/Paulus 451. 1857 Zumindest dies scheint unstreitig: vgl. BGHSt 21 38; Alsberg/Güntge 1324; vgl. bei § 219. 1858 OLG Stuttgart Justiz 1973 180; KMR/Paulus 447; SK/Frister 199. 1859 BGHSt 1 137, 139; OLG Hamm GA 1974 375; vgl. auch BGH StV 1984 363. 1860 BGHSt 28 310, 311; 32 44, 46 f. = JR 1984 m. Anm. Meyer; BGH NJW 1961 2069; StV 1988 91; 1995 172, 173; NStZ 2003 101; NStZ 2018 48 (für den Fall, dass der Beweisbehauptung die an sich erforderliche Konkretisierung fehlt); bei Miebach NStZ 1988 212; BGH NStZ-RR 1998 13, 14; StraFo 1996 169; 2004 278; bei Spiegel DAR 1983 204; BayObLG StraFo 1998 91; OLG Hamburg JR 1982 36, 37 m. Anm. Gollwitzer; OLG Hamm VRS 38 (1970) 293, 295; OLG Karlsruhe VRS 56 (1979) 467 f.; OLG Koblenz OLGSt § 244 Abs. 3 S. 29; VRS 72 (1987) 441; OLG Saarbrücken VRS 38 (1970) 59, 61; OLG Stuttgart StraFo 2005 204; Herdegen NStZ 1984 343; ferner Born 171 ff.

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Als wahr unterstellte Haupttatsachen müssen in den Urteilsgründen notwendigerweise dargestellt werden, da sie unmittelbare Auswirkung auf den Schuldspruch oder den Rechtsfolgenausspruch haben; handelt es sich um einen Strafzumessungsgesichtspunkt, so verleiht ihm die Wahrunterstellung den Charakter eines bestimmenden Strafzumessungsgrunds im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1. Die Erörterung der als wahr behandelten Haupttatsache in den Entscheidungsgründen ist schon aus sachlich-rechtlichen Gründen erforderlich; denn dem Urteil muss sich entnehmen lassen, dass die getroffenen Feststellungen die Rechtsanwendung lückenlos tragen und auf welcher Beweisgrundlage sie beruhen.1861 317 Gleiches muss für eine als wahr unterstellte Indiz- oder Hilfstatsache gelten (so man deren Wahrunterstellung mit der vorherrschenden Ansicht für zulässig hält), wenn diese für die Überzeugungsbildung des Gerichts leitend geworden ist und sich daher auf den Urteilsspruch ausgewirkt hat. Hat sie dagegen in der Gesamtwürdigung des Beweisstoffs die Überzeugung des Gerichts nicht beeinflusst, so soll sie nach herrschender Meinung in den Urteilsgründen nicht in jedem Fall ausdrücklich hervorgehoben werden müssen, um kenntlich zu machen, dass das Gericht seiner Pflicht, die als wahr unterstellten Tatsache bei der Urteilsberatung zu würdigen, auch tatsächlich nachgekommen ist; es gelte hier nichts anderes als bei den durch Beweisaufnahme positiv festgestellten derartigen Tatsachen.1862 Aus dem Schweigen der Urteilsgründe könne daher nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass das Gericht dieser Verpflichtung nicht entsprochen hat. Erledige das Gericht einen Hilfsbeweisantrag durch Wahrunterstellung, so müsse es allerdings in den Urteilsgründen darlegen, was genau es als wahr unterstellt hat.1863 Im Übrigen seien Erörterungen im Urteil nur dann unerlässlich, wenn die getroffenen sonstigen Feststellungen zu einer Auseinandersetzung mit der als wahr unterstellten Tatsache drängen,1864 vor allem, wenn nicht ohne weiteres ersichtlich sei, wie Beweiswürdigung und Wahrunterstellung in Einklang gebracht werden können.1865 Unterbleibe in einem solchen Fall die Würdigung, so sei das Urteil als lückenhaft und damit auch als sachlich-rechtlich fehlerhaft anzusehen.1866 Verbunden mit der Ansicht, dass das Gericht nicht durch Änderung des Ablehnungsbeschlusses oder einen sonstigen Hinweis darüber informieren muss, wenn es die als wahr unterstellte Indiz- oder Hilfstatsache nicht mehr als entscheidungserheblich, sondern als bedeutungslos ansieht, kann all dies dazu führen, dass der Antragsteller letztlich völlig im Unklaren darüber gehalten wird, warum

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1861 Alsberg/Güntge 1323; vgl. auch BGH StV 1984 142. 1862 BGHSt 28 310; BGH NJW 1961 2069; LM Nr. 5; VRS 21 (1961) 115; StV 1981 601; 1983 441; 2002 641, 642; 2007 18, 19; NStZ-RR 2003 268; bei Miebach NStZ 1988 212; bei Spiegel DAR 1980 208; 1981 202; 1982 206; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung 13, 15; OLG Braunschweig NJW 1947/48 232; KK/Krehl 193; KMR/Paulus 448; Meyer-Goßner/Schmitt 71a; Alsberg/Güntge 1322. Eine Auseinandersetzung mit der Wahrunterstellung in allen Fällen fordern z.B. Alsberg JW 1928 2463, 2464; Fezer 12/69; Herdegen NStZ 1984 342; Willms FS Schäfer 281; Eb. Schmidt 62; wohl auch MüKo/Trüg/Habetha 345. 1863 BGH NStZ 1996 562, 563. 1864 BGHSt 28 310; BGH NJW 1961 2069; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 211; 1985 206; StV 1981 601; 1988 91; wistra 2001 150; NStZ-RR 2003 268; BayObLG StV 1983 498; Meyer-Goßner/Schmitt 71a; Niemöller StV 1984 439. 1865 BGHSt 28 310, 311; BGH NJW 1961 2069; BGH NStZ 2011 231; NStZ-RR 2003 268; StV 1983 441; 1982 142; 2002 641; 2007 18, 19; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 211; 1985 206; bei Kusch NStZ 1996 324; OLG Braunschweig NJW 1947/48 232 m. Anm. Goetze; OLG Bremen NJW 1961 1417; OLG Hamm NJW 1952 66; JR 1965 269; OLG Kiel SchlHA 1946 101; OLG Koblenz VRS 72 (1987) 441; OLG Zweibrücken NStZ-RR 1998 209, 210; KK/Krehl 193; Meyer-Goßner/Schmitt 71a; Alsberg/Güntge 1323. 1866 BGHSt 28 310, 311; BGH NJW 1961 2069; BGH NStZ 2011 231; NStZ-RR 2015 321 Ls.; StV 1984 142; 1988 91; 1989 391 m. Anm. Weider; 2002 641, 642; wistra 2001 150; BayObLG StV 1983 498, 499; StV 2005 14; OLG Celle JR 1985 32 m. Anm. J. Meyer; OLG Oldenburg StV 2004 477; AK/Schöch 120; KK/Krehl 193; Alsberg/Güntge 1323.

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sich die als wahr unterstellte Tatsache nicht zu seinen Gunsten ausgewirkt hat. Das erscheint, jedenfalls wenn der Grund der Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache nicht offen zutage liegt, nicht hinnehmbar.1867 g) Sonderfälle. Die Wahrunterstellung unbewiesener Tatsachen ist vor allem dort 318 auf Bedenken gestoßen, wo sie Tatsachen betrifft, die zwar den Angeklagten entlasten können, die zugleich aber schwere Anschuldigungen gegen Dritte, am Verfahren oft gar nicht Beteiligte enthalten, vor allem den Vorwurf eines kriminellen oder sonst ehrenrührigen Verhaltens.1868 Hier besteht mitunter ein Interesse der von der Behauptung Betroffenen daran, dass das Gericht diese Tatsachen nicht einfach als wahr unterstellt, da hierdurch vor allem in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen kann, das Gericht mache sich diese Behauptung zu eigen oder halte sie zumindest für wahrscheinlich. In solchen Fällen kann im Interesse der Betroffenen die Erhebung des Beweises angezeigt sein, sofern dies mit vertretbarem Aufwand möglich und für sich allein zu ihrer Entlastung geeignet ist.1869 Maßgebend sind aber immer die Umstände des Einzelfalls. Danach ist auch zu beurteilen, ob das benannte Beweismittel allein ausreicht, um den Sachverhalt zu klären, oder ob dies eine umfangreiche Beweiserhebung erfordern würde, die weit über den Gegenstand des Verfahrens hinausreicht. In solchen Fällen kann die Wahrunterstellung aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit unvermeidbar sein. Sie sollte dann aber in einer solchen Form erfolgen, dass auch für die Öffentlichkeit klar ersichtlich ist, dass das Gericht sich nicht mit der nur zugunsten des Angeklagten als wahr unterstellten Behauptung identifiziert, sondern diese für unbewiesen hält.1870 IV. Ablehnung von Beweisanträgen auf Vernehmung eines Sachverständigen (§ 244 Abs. 4) 1. Allgemeines a) Rechtsentwicklung. So, wie die Aufklärungspflicht nach Absatz 2 noch heute da- 319 für maßgebend ist, ob das Gericht von Amts wegen einen Sachverständigen zuzuziehen hat, bildete sie bis zum VereinhG, das den Absatz 4 einfügte, die rechtliche Grundlage für die Entscheidung über Beweisanträge auf Vernehmung eines Sachverständigen. Was Absatz 4 zu den Gründen sagt, aus denen der Antrag auf Vernehmung eines Sachverständigen oder der Antrag auf Zuziehung eines weiteren Sachverständigen abgelehnt werden kann, sowie über die Fälle, in denen die Anhörung eines weiteren Sachverständigen geboten ist, entspricht im Wesentlichen den Ergebnissen der früheren Rechtsprechung.1871 Diese behält deshalb für die Auslegung des Absatzes 4 ihren Wert. b) Ergänzende Regelung. Die allgemeinen Ablehnungsgründe des Absatzes 3, 320 die es dem Gericht gebieten (Absatz 3 Satz 1) oder gestatten (Absatz 3 Satz 2), einen Beweisantrag abzulehnen, gelten auch für den Antrag auf Zuziehung eines Sachverständigen, sofern das Gesetz nicht in besonderen Fällen (Rn. 323) dessen Vernehmung zwingend vorschreibt. Das Gericht hat den Beweisantrag auf Anhörung eines Sachverständi-

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1867 Vgl. demgegenüber Herdegen NStZ 1984 343; Tenckhoff 135. 1868 Vgl. etwa RGSt 46 278; LG Berlin III JW 1930 3449, dazu Hachenburg DJZ 1930 1377; Behringer JW 1930 3380; Alsberg/Güntge 1303. 1869 Wie etwa die Vernehmung der betroffenen Person selbst; vgl. Alsberg/Güntge 1304. 1870 Alsberg/Güntge 1304. 1871 Zu deren Entwicklung s. näher Alsberg/Güntge 1327 ff.

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gen daher abzulehnen, wenn die Beweiserhebung unzulässig ist, etwa weil er das Verlangen enthält, der Sachverständige solle unzulässige Beweismethoden anwenden.1872 Es kann den Beweisantrag ablehnen, wenn einer der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 Satz 2 durchgreift, etwa wenn der Sachverständigenbeweis völlig ungeeignet ist, weil es an den erforderlichen Anknüpfungstatsachen für die Gutachtenerstattung fehlt (s. Rn. 238). Absatz 4 enthält, wie schon das Wort „auch“ zeigt, somit zusätzliche Ablehnungsgründe, die nur für den Sachverständigenbeweis gelten; dabei ist dessen Satz 1 unabhängig davon anwendbar, ob bereits ein Gutachten erstattet wurde oder nicht; Satz 2 greift dagegen nur ein, wenn bereits ein Erstgutachter gehört wurde (s. auch Rn. 326). 321

c) Die Abgrenzung zwischen Sachverständigengutachten und Zeugenaussage ist mitunter schwierig, vor allem wenn ein sachkundiges Zeugnis begehrt wird.1873 Für die Einvernahme eines sachverständigen Zeugen über sein Zeugenwissen gelten die zusätzlichen Ablehnungsgründe des Absatzes 4 nicht.1874 Die Einzelheiten sind bei § 85 erörtert. 2. Eigene Sachkunde des Gerichts (Absatz 4 Satz 1)

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a) Prüfung der eigenen Sachkunde. Zwischen der Prüfung, ob die Anhörung eines Sachverständigen von Amts wegen geboten ist (§ 244 Abs. 2), weil die Sachkunde des Gerichts zur Beurteilung eines entscheidungserheblichen Umstands nicht ausreicht, und der durch den Antrag auf Vernehmung eines Sachverständigen veranlassten entsprechenden Prüfung besteht kein durchgreifender rechtlicher Unterschied. Eine Besonderheit wird meist nur darin liegen, dass dem Gericht mit dem Antrag auf Vernehmung eines Sachverständigen ein Tatsachenstoff unterbreitet wird, der ihm sonst möglicherweise unbekannt geblieben wäre. Bei dem engen und untrennbaren Zusammenhang zwischen den Anforderungen der Aufklärungspflicht und den für das Verfahren gegenüber Beweisanträgen maßgebenden Grundsätzen haben die Ausführungen zu Absatz 2 auch hier Bedeutung (s. Rn. 68 ff.). Dort sind daher bereits alle Fragen abgehandelt, die auch für die Entscheidung maßgebend sind, ob das Gericht den Antrag auf Sachverständigenbeweis wegen eigener Sachkunde ablehnen darf; hierauf wird verwiesen.

323

b) Notwendigkeit der Zuziehung eines Sachverständigen kraft Gesetzes. Die Sachkunde des Gerichts ist jedoch nach dem Wortlaut des Absatzes 4 Satz 1 nur maßgeblich, „soweit nichts anderes bestimmt“ ist. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass das Gesetz die Zuziehung eines Sachverständigen in einigen Fällen zwingend vorschreibt.1875 So ist ein Sachverständiger zum Zustand des Angeklagten und den Behandlungsaussichten zu hören, wenn dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder die Anordnung der Sicherungsverwahrung oder deren Vorbehalt in Betracht kommt (§ 246a Abs. 1 Satz 1). Gleiches gilt, wenn das Gericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt erwägt (§ 246a Abs. 1 Satz 2). Vorgeschrieben ist die Erhebung des Sachverständigenbeweises auch im Verfahren über die Anordnung der vorbe-

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1872 S. etwa auch BGHSt 14 21, 23; 23 1, 2 (psychiatrische Untersuchung eines Zeugen ohne dessen Einwilligung); KK/Krehl 195; Deckers FS Rissing-van Saan 92; a.A. Alsberg/Güntge 1330: zulässig, aber nur Beweisanregung. 1873 S. etwa Alsberg/Dallmeyer 377 ff.; Roxin/Schünemann § 27, 3 ff. 1874 BGH StV 1982 102; 1985 314; 1990 438; bei Miebach/Kusch NStZ 1991 121; AK/Schöch 122. 1875 Kritisch hierzu KK/Krehl 197.

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haltenen oder nachträglichen Sicherungsverwahrung (§ 275a Abs. 2 und 4). Die Sollvorschrift des § 246a Abs. 2 (Möglichkeit der Therapieweisung) fordert dagegen die Anhörung eines Sachverständigen nicht in weiterem Umfang, als dies durch die Aufklärungspflicht nicht ohnehin schon geboten ist (s. § 246a, 3). Für verschiedene Sachverhaltskonstellationen schreibt das Gesetz schon für das Ermittlungsverfahren die Zuziehung eines Sachverständigen vor (etwa §§ 91, 92) oder legt sie nahe (etwa §§ 80a, 81, 93; § 73 JGG). Abgesehen von den Fällen der §§ 246a, 275a Abs. 2 und 4 kommt hier jedoch unter den Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 in Betracht, die persönliche Anhörung des Sachverständigen in der Hauptverhandlung durch den Urkundsbeweis über sein im Vorverfahren erstattetes Gutachten zu ersetzen.1876 3. Anhörung eines weiteren Sachverständigen (Absatz 4 Satz 2) a) Antrag auf weiteren Sachverständigen. Der Antrag auf Zuziehung eines weite- 324 ren Sachverständigen wird mitunter dahin formuliert, dass ein „Obergutachten“ eingeholt werden soll. Die Strafprozessordnung kennt diesen Ausdruck nicht; Schrifttum und Rechtsprechung verwenden den Begriff nicht einheitlich, zum Teil ist damit ein zweiter Gutachter gemeint, zum Teil aber auch der Sachverständige, der zu widerstreitenden Gutachten Stellung nehmen soll,1877 oder ein Gutachter mit besonderer Qualifikation.1878 Es kann aber auch nur eine Anhörung zur weiteren Sachaufklärung gewollt sein.1879 Zweifel hinsichtlich des Gewollten sind deshalb durch Befragen des Antragstellers zu klären. Maßgeblich ist nicht die formale Bezeichnung des Beweismittels, sondern der mate- 325 rielle Inhalt des Beweisbegehrens.1880 Richtet sich dieses auf eine andere Beweistatsache als diejenige, zu der der bereits gehörte Gutachter Stellung genommen hat, oder deckt sich die Beweisthematik nicht vollständig, so liegt von vornherein kein Antrag auf Anhörung eines weiteren Sachverständigen vor.1881 Gleiches gilt, wenn ein Gutachter einer anderen Fachrichtung sich zu einem Aspekt derselben Beweisfrage äußern soll, die von der Sachkunde des bereits vernommenen Sachverständigen nicht abgedeckt wird. Ist dagegen die Beweisthematik identisch und besitzen beide Gutachter zu deren umfassender Beantwortung dieselbe Sachkunde, so liegt ein Antrag auf Anhörung eines weiteren Sachverständigen i.S.d. Absatzes 4 Satz 2 auch dann vor, wenn die Zuziehung eines Sachverständigen einer anderen Fachrichtung begehrt wird.1882 Früheres Gutachten kann

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1876 Vgl. BGH NJW 2008 3232. 1877 Vgl. Alsberg/Güntge 1363 Fn. 2937 m.w.N.; Friedrichs DRiZ 1971 312; Rudolph Justiz 1969 52; Tröndle JZ 1969 376. Die auch wegen der darin liegenden Bewertung der Gutachter missliche Bezeichnung sollte nicht verwendet werden; vgl. AK/Schöch 131. 1878 Walter/Küper NJW 1968 184. 1879 Seibert NJW 1962 137; in der Regel ist aber der Antrag, einen weiteren Sachverständigen zur gleichen Beweisfrage zu hören, ein echter Beweisantrag, vgl. Alsberg/Güntge 1363 f. 1880 Vgl. BGH NStZ 1997 210 zur Abgrenzung zwischen dem Antrag auf ein psychologisches Zusatzgutachten und dem Begehren, neben dem schon vernommenen Psychiater einen Psychologen als weiteren Sachverständigen zu hören. 1881 BGHSt 39 49, 53; BGH bei Miebach/Kusch NStZ 1991 121; BGH StV 1994 229 (bisherige Begutachtung zur Schuldfähigkeit des Angeklagten, neu beantragtes Gutachten zu dessen Handlungsfähigkeit); HK/Julius 44. 1882 BGHSt 34 355, 357 = NStZ 1988 85 m. Anm. Meyer (Psychiater/Psychologe zur Schuldfähigkeit); 39 49, 52 = JR 1993 335 m. Anm. Graul = StV 1993 343 m. Anm. Herzog (Blutgruppensachverständiger/DNASachverständiger zu Blutspuren); BGH NJW 1990 2944, 2945 (Sexualwissenschaftler/Psychiater zur Schuldfähigkeit); NStZ 1990 80, 81 (Psychiater/Neurologe zur Schuldfähigkeit); 1999 630, 631 (Psychiater/Psychoanalytiker zur Schuldfähigkeit); BGHR § 244 Abs. 4 Satz 2 Zweitgutachter 3 (Rechtsmediziner/Gynäkologe zu körperlichen Befunden an angeblichem Vergewaltigungsopfer); vgl.

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§ 244

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auch ein gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 1 verlesenes Gutachten oder ein gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 2 verlesenes ärztliches Attest sein.1883 326

b) Ablehnung wegen eigener Sachkunde. Wie schon aus dem Wortlaut des Absatzes 4 Satz 2 Halbsatz 1 folgt („auch dann“), enthält dieser einen zusätzlichen Ablehnungsgrund für Anträge auf Einholung eines weiteren Gutachtens. Er tritt daher nicht nur neben die Zurückweisungsgründe des Absatzes 3; vielmehr ist es grundsätzlich auch möglich, dass das Gericht den Antrag auf Zuziehung eines weiteren Sachverständigen unter Hinweis auf seine eigene Sachkunde ablehnt (Absatz 4 Satz 1). Diese kann es schon vor Einholung des Erstgutachtens besessen haben, sodass sich dieses letztlich als überflüssig erweist; es ist für das weitere Verfahren bedeutungslos, das Gericht muss sich mit ihm und den dagegen vorgebrachten Einwänden nicht auseinandersetzen und im Urteil lediglich seine schon ursprünglich vorhandene Sachkunde belegen, ohne sich auf das Erstgutachten zu stützen.1884 Dem Gericht kann die eigene Sachkunde aber auch erst durch den zunächst vernommenen Sachverständigen vermittelt worden sein; denn die in § 244 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 neben den Zweifeln an der Sachkunde des Erstgutachters aufgeführten Gründe, die die Anhörung eines weiteren Sachverständigen erforderlich machen, haben keine selbständige Bedeutung in dem Sinne, dass sie das Gericht auch dann zur Anhörung eines weiteren Gutachters zwingen, wenn es keine Zweifel an der Sachkunde des früheren Gutachters und an der Richtigkeit und Verlässlichkeit seines Gutachtens hat oder haben muss.1885 Es kann aufgrund der dadurch erlangten eigenen Sachkunde die Vernehmung des weiteren Sachverständigen dann nach dem von Absatz 4 Satz 2 nicht ausgeschlossenen Absatz 4 Satz 1 ablehnen.1886 Wird der Beweisantrag auf Anhörung eines weiteren Sachverständigen indes auf substantiiert dargelegte methodische Mängel des Erstgutachtens gestützt, so muss der Tatrichter, der den Antrag gemäß § 244 Abs. 4 Satz 1 zurückweist, sich mit den behaupteten Mängeln im Einzelnen auseinandersetzen, wenn er sich im Urteil nicht nur auf seine schon ursprünglich vorhandene eigene Sachkunde, sondern gerade auch auf die durch den zuerst gehörten Sachverständigen vermittelten Kenntnisse stützen will.1887 Das Gericht, das die Selbständigkeit seines Urteils gegenüber einem Sachverständigen zu wahren hat, ist aber auch dann nicht notwendigerweise verpflichtet, einen weiteren Gutachter zu hören, wenn es dem ersten

_____ auch BGH NStZ 1998 366, 367 (Psychiater/Psychologe zur Glaubwürdigkeit eines Zeugen); ferner RG JW 1931 949 m. Anm. Beling; Alsberg/Güntge 1364; Trück NStZ 2007 383; AK/Schöch 131; Meyer-Goßner/ Schmitt 75; SK/Frister 210. 1883 BGHSt 52 322. 1884 BGHSt 55 5, 8 f. = NJW 2010 1214 m. Anm. Hoffmann/Wendler = JZ 2010 471 m. Anm. Eisenberg = NStZ 2010 405 m. Anm. Trück S. 586; zu dieser Entscheidung s. auch Deckers FS Rissing-van Saan 87; zu den materiell-rechtlichen Anforderungen an die Beweiswürdigung, wenn sich das Urteil dennoch zu dem Erstgutachten verhält: BGH NStZ-RR 2012 287, 288. 1885 Vgl. Sarstedt NJW 1968 177; für Fälle, in denen die hinreichende Sachkunde des Erstgutachters zweifelhaft ist, s. etwa BGH NStZ 2000 437; NStZ-RR 1997 106. 1886 BGHSt 55 5, 8 f. = NJW 2010 1214 m. Anm. Hoffmann/Wendler = JZ 2010 471 m. Anm. Eisenberg = NStZ 2010 405 m. Anm. Trück S. 586; BGH NJW 1951 120; NStZ 1984 467 m. Anm. Brunner sowie m. Anm. Eisenberg NStZ 1985 84; 1985 421; 2010 586; BGH bei Dallinger MDR 1972 95; 1975 24; bei Pfeiffer NStZ 1982 189; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 211; bei Spiegel DAR 1978 157; 1982 205; 1987 203; vgl. auch BGH NStZ 2005 159; OLG Hamburg VRS 56 (1979) 457; KMR/Paulus 470; SK/Frister 211; Alsberg/Güntge 1369; a.A. MüKo/Trüg/Habetha 358 f. 1887 BGHSt 55 5, 9 = NJW 2010 1214 m. Anm. Hoffmann/Wendler = JZ 2010 471 m. Anm. Eisenberg = NStZ 2010 405 m. Anm. Trück S. 586; zu dieser Entscheidung s. auch Deckers FS Rissing-van Saan 87; Alsberg/Güntge 1372; vgl. auch BGH NStZ-RR 2012 287, 288.

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Gutachter nicht folgen will.1888 Es darf die durch dessen Gutachten gewonnene Sachkunde auch benützen, um damit eine abweichende eigene Meinung zu stützen.1889 An die dafür zu fordernde Sachkunde und ihre Darlegung in den Urteilsgründen (s. Rn. 339) ist dann jedoch ein strenger Maßstab anzulegen.1890 Das Gericht darf sich nicht mit allgemeinen Erwägungen begnügen, sondern muss die tragenden Ausführungen des Sachverständigen wiedergeben und sich mit diesen bei der Begründung seiner Gegenansicht in einer den jeweiligen fachlichen Anforderungen genügenden Argumentation auseinandersetzen. 1891Diese Erörterungspflicht besteht (materiell-rechtlich) aber auch dann, wenn sich das Gericht für seine eigene Sachkunde nicht auf das Erstgutachten stützt. c) Ablehnungsbefugnis nach Absatz 4 Satz 2 Halbsatz 1. Die Befugnis zur Ableh- 327 nung eines weiteren Sachverständigengutachtens nach Absatz 4 Satz 2 Halbsatz 1 besteht ausdrücklich für den Fall, dass der Antragsteller behauptet, der neu benannte Sachverständige komme zu einem anderen Ergebnis als der bereits gehörte, das Gericht demgegenüber aufgrund des früheren Gutachtens das Gegenteil der behaupteten Tatsache aber bereits für erwiesen hält.1892 Das Gesetz gestattet damit insoweit – verfassungsrechtlich unbedenklich1893 – eine vorweggenommene Beweiswürdigung.1894 Dies gilt grundsätzlich selbst für schwierige, nur kraft fachwissenschaftlicher Kenntnis zu beantwortende Fragen,1895 setzt aber voraus, dass das Gericht ein hinreichend gesichertes eigenes Fachwissen zu der Beweisfrage erlangt hat. Dieses und seine darauf aufbauende Überzeugung darf es allein aufgrund des früheren Gutachtens gewonnen haben;1896 auf andere Beweismittel oder auf eine Gesamtwürdigung aller Beweismittel darf es sich wegen der darin liegenden, weitergehenden Beweisantizipation nicht stützen.1897 Bei der Beurteilung, ob die eigene Sachkunde die Beantwortung der Beweisfrage auch ohne Vermittlung zusätzlichen Kontrollwissens durch den weiteren Gutachter erlaubt,

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1888 BGH NStZ 1984 467 m. Anm. Brunner sowie m. Anm. Eisenberg NStZ 1985 84; vgl. auch BGHSt 8 113, 117 f.; 21 62 f.; ferner BGH NStZ 1984 278; 1985 421, 422; 2000 437; 2010 586; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 210; Alsberg/Güntge 1370; Marmann GA 1953 144. Einige Entscheidungen fordern die Einholung eines weiteren Gutachtens: vgl. die Nachweise bei Alsberg/Güntge 1370 Fn. 2966; auch KK/Krehl nimmt dies im Regelfall an, da die Voraussetzungen für ein Abweichen kraft eigenen Wissens kaum durch ein im Ergebnis nicht überzeugendes Gutachten gewonnen werden können. 1889 Nach BGH NStZ 2000 437 gilt dies aber dann nicht, wenn das Gericht die Sachkunde des gehörten Gutachters in Zweifel zieht; anders liegt es wiederum, wenn der Erstgutachter nur unzutreffende rechtliche Schlüsse gezogen hat: BGH NStZ 2010 586. 1890 BGH VRS 7 (1954) 191; 21 (1961) 290; 31 (1966) 107; GA 1977 275; DRiZ 1973 61; StV 1984 241; BGH bei Dallinger MDR 1975 726; bei Holtz MDR 1978 459; 1980 10; bei Martin DAR 1972 120; bei Pfeiffer NStZ 1981 296; KG VRS 23 (1962) 33; OLG Köln NJW 1967 1521; JMBlNW 1978 69; OLG Stuttgart Justiz 1971 312; SK/Frister 211. 1891 BGH GA 1977 275; DRiZ 1973 61; NStZ 1983 377; 1985 421; 1994 503; StV 1991 410; VRS 23 (1964) 350; bei Dallinger MDR 1975 726; bei Holtz MDR 1977 459; 1994 436; bei Spiegel DAR 1978 157; Eisenberg (Beweisrecht) 255; Alsberg/Güntge 1371; AK/Schöch 130; KK/Krehl 57; KMR/Paulus 471; MeyerGoßner/Schmitt 75; vgl. bei § 267. 1892 BGH VRS 67 (1984) 264; bei Spiegel DAR 1977 175; Alsberg/Güntge 1377; KMR/Paulus 469. 1893 BVerfG NJW 2004 209, 211. 1894 Vgl. Engels GA 1981, 33; Trück NStZ 2007 382; SK/Frister 206. 1895 RGSt 49 437; 64 113; RG JW 1929 260; OLG Hamburg VRS 56 (1979) 457. 1896 BGH NStZ 2005 159; NStZ-RR 2010 51; 2014 281; zur Zulässigkeit der Abweichung vom Erstgutachter in der rechtlichen Bewertung s. BGH NStZ 2010 586. 1897 BGHSt 39 49, 52 = JR 1993 335, 336 m. Anm. Graul; BGH VRS 35 (1968) 207; NStZ 1997 199; StV 2014 265 f.; BayObLG bei Rüth DAR 1969 236; OLG Koblenz StV 2001 561; Trück NStZ 2007 383; Meyer-Goßner/ Schmitt 75. Für die abschließende Überzeugungsbildung zu der Beweisfrage in der Urteilsberatung gilt diese Einschränkung indes nicht mehr: BGH NStZ-RR 2014 281.

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muss das Gericht einen strengen Maßstab anlegen.1898 Reicht die Sachkunde, die sich das Gericht erst durch Anhörung eines Sachverständigen verschafft hat, zur sicheren Beurteilung des Sachverhalts nicht aus, dann fehlt die Befugnis, den Antrag auf Vernehmung eines weiteren Sachverständigen mit der Begründung abzulehnen, dass das Gegenteil der behaupteten Tatsache durch das frühere Gutachten bereits erwiesen sei. Hiervon ist unter den in Satz 2 Halbsatz 2 genannten Voraussetzungen von Gesetzes wegen auszugehen. Selbst wenn einer der dort genannten Fälle nicht vorliegt und daher der Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nach Satz 2 Halbsatz 1 an sich zurückweisbar wäre, kann die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2) es dem Gericht in besonders schwierigen Konstellationen dennoch gebieten, ein weiteres Gutachten einzuholen;1899 zu den Einzelheiten s. Rn. 76 f. 328

d) Ausnahme bei geschmälertem Beweiswert des Erstgutachtens (Absatz 4 Satz 2 Halbsatz 2). Die Ablehnungsbefugnis nach Absatz 4 Satz 2 Halbsatz 1 setzt voraus, dass das Erstgutachten in seinem Beweiswert nicht geschmälert ist und ihm daher nicht die Eignung fehlt, dem Richter ein für die Beurteilung der Beweisfrage ausreichendes Wissen zu vermitteln. In den im Katalog des Absatz 4 Satz 2 Halbsatz 2 genannten Fällen spricht das Gesetz dem Erstgutachten diese Eignung ab; es handelt sich um folgende Konstellationen:

aa) Zweifelhafte Sachkunde des früheren Gutachters lässt notwendigerweise auch die von ihm abgeleitete Sachkunde des Gerichts zweifelhaft werden. Eine gesicherte Grundlage, die die Überzeugung rechtfertigen könnte, das Gegenteil der Beweistatsache sei bereits durch das Erstgutachten erwiesen, besteht dann nicht.1900 Weigert sich der Sachverständige „aus Wettbewerbsgründen“ die seinem Gutachten zugrundeliegenden Methoden und Testverfahren offenzulegen und kann das Gericht die Ergebnisse und Überlegungen des Gutachtens nicht nachvollziehen, so mag das zwar für sich allein noch keine Zweifel an der Sachkunde begründen. Die mangelnde Überprüfbarkeit des Gutachtens gibt aber regelmäßig Anlass, einen weiteren Gutachter zuzuziehen.1901 Zweifelt das Gericht selbst an der Sachkunde des ersten Gutachters, sind die Gründe letztlich gleichgültig; denn es kann die Ablehnung nicht mit einem Gutachten begründen, von dessen Richtigkeit es selbst nicht völlig überzeugt ist. Ob die Sachkunde des Erstgutachters gegeben ist oder ob insoweit Zweifel bestehen, hat der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen;1902 zu den notwendigen Darlegungen im Ablehnungsbeschluss s. Rn. 340. Die Gründe für die Zweifel können in den von Satz 2 Halbsatz 2 aufgeführten spezi330 fischen Umständen wurzeln, aber darüber hinaus auch aus sonstigen augenfälligen 329

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1898 RG JW 1930 1006 m. Anm. Alsberg; BGHSt 5 34, 36; 10 116, 119; 23 8, 12; 23 176, 188; 39 52; BayObLGSt 1972 96, 97; Mösl DRiZ 1970 119; Eisenberg (Beweisrecht) 256. Nach Alsberg/Güntge 1374 ff. ist für die Ablehnung der Anhörung eines zweiten Sachverständigen nicht notwendig zu fordern, dass das Gericht durch das erste Gutachten sachkundig wurde; in Spezialgebieten, wo dies nicht möglich sei, müsste sonst immer ein weiterer Sachverständiger auf Antrag beigezogen werden. Ist das Gericht aber nicht in der Lage, die Gedankengänge des Sachverständigen nachzuvollziehen, dann kann es – selbst wenn es dem Erstgutachten folgt – wohl kaum mit der für die Ablehnung einer weiteren Begutachtung erforderlichen Sicherheit das Gegenteil der Beweistatsache für erwiesen halten, noch weniger kann es ohne ein weiteres Gutachten vom Ergebnis des Erstgutachtens abweichen; so auch KK/Krehl 200. 1899 A.A. MüKo/Trüg/Habetha 356. 1900 Vgl. BGH NStZ 2000 437. 1901 BGH NStZ 1999 630, 631; bei Dallinger MDR 1976 17; KMR/Paulus 473; SK/Frister 214; Alsberg/Güntge 1381. 1902 BGH NStZ 1988 373; NStZ-RR 2001 81.

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Mängeln des Gutachtens (s. Rn. 83, 87) oder aus in der Person des Sachverständigen zutage tretenden Auffälligkeiten folgen.1903 Die Zweifel können darauf gründen, dass nicht gesichert erscheint, ob er nach beruflichem Werdegang, Tätigkeit und Fachrichtung die für das konkrete Gutachten erforderliche spezielle Fachkunde besitzt.1904 Dies kann die Fälle einschließen, in denen sich das Arbeitsgebiet des Gutachters als zu stark oder zu gering spezialisiert erweist1905 oder der Sachverständige einseitig eine in seinem Fachgebiet umstrittene oder abgelehnte wissenschaftliche Richtung (Außenseitermeinung) vertritt.1906 Wenn sich zum Beispiel der vor Gericht vernommene Sachverständige, obwohl in der Wissenschaft verschiedene Heilweisen vertreten werden, als Anhänger einer bestimmten Heilbehandlung bekennt, ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Anhörung der Vertreter verschiedener Heilweisen als Sachverständige geboten sein kann.1907 Dies bedeutet aber nicht, dass in wissenschaftlichen Streitfragen immer mehrere Sachverständige aus verschiedenen Schulen gehört werden müssen.1908 Ob ein einzelnes Gutachten ausreicht, hängt von den jeweiligen Umständen, nicht zuletzt vom Inhalt des Gutachtens ab. Dass ein Sachverständiger bestimmte Untersuchungsmethoden angewandt oder nicht angewandt hat, rechtfertigt in der Regel noch keine Zweifel an seiner Sachkunde;1909 ebenso wenig, dass er eine psychische Störung des Probanden keinem der Klassifikationssysteme DSM-IV oder ICD-10 zuordnet.1910 In Bereichen, in denen sich die Kompetenzen verschiedener Fachrichtungen überschneiden, steht es – sofern gleich zuverlässige Ergebnisse zu erwarten sind – dem Gericht frei, aus welcher Fachrichtung es das Gutachten wählt.1911 Dass ein Sachverständiger – vor allem in Grenzbereichen des Wissens oder der Aufklärungsmöglichkeiten – zu keinem bestimmten Ergebnis kommt, rechtfertigt für sich allein noch keine Zweifel an seiner Sachkunde, desgleichen nicht, dass ihm die Auslegung einer Gerichtsentscheidung Schwierigkeiten bereitet1912 oder er sonst über mangelnde Rechtskenntnisse verfügt.1913 Hat ein Sachverständiger im Laufe des Verfahrens seine Meinung geändert, so 331 brauchen sich daraus allein keine Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und Sachkunde zu ergeben, sofern er die Gründe dafür auf Befragen einsichtig machen kann;1914 ebenso

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1903 Vgl. etwa BGH NJW 1951 412; RG JW 1932 3358 m. Anm. Bohne (Ignoranz); KK/Krehl 203; Eb. Schmidt 70. 1904 S. näher bei Rn. 75 ff., 82, 88; vgl. Alsberg/Güntge 1379 ff. m. zahlr. N. zu Einzelfragen; ferner KK/Krehl 203. 1905 Zur Ambivalenz bei der Bewertung der Spezialisierung vgl. Eb. Schmidt 70, 71. Die Landgerichtsärzte in Bayern sind in der Regel für die Begutachtung des Geisteszustands einer Person qualifiziert, BGHSt 8 76; 23 311 = JR 1971 116 m. Anm. Peters, der Bedenken äußert, bei Nerven- und Geisteskrankheiten Amtsärzte als fachkundig anzusehen. BGH VRS 34 (1968) 344 bejaht dies für Gefängnisärzte; ähnlich für Gerichtsmediziner bzw. beamtete Ärzte OLG Koblenz VRS 36 (1969) 17; OLG Hamm NJW 1971 1954; vgl. ferner Kahmt NJW 1971 1868; Reusch DRiZ 1955 291 KMR/Paulus 474. 1906 RG HRR 1938 Nr. 936; BGH StV 1989 335, 336 m. Anm. Schlothauer; bei Dallinger MDR 1976 17; vgl. auch OLG Hamm NJW 1953 1077; Eb. Schmidt 70; KK/Krehl 203; SK/Frister 213. 1907 RG DRiZ 1931 Nr. 215; JW 1932 3385; ferner Eb. Schmidt Nachtr. I § 78, 6; Alsberg/Güntge 1380. 1908 BGHSt 23 176, 187; Alsberg/Güntge 1380. 1909 BGH GA 1961 241; NJW 1970 1242; bei Pfeiffer NStZ 1982 189; bei Spiegel DAR 1981 200; Alsberg/Güntge 1381; Meyer-Goßner/Schmitt 76; zur Frage überlegener Forschungsmittel vgl. Rn. 336 ff. 1910 BGH NStZ 1999 630, 631. 1911 BGHSt 34 355; 39 49 = JR 1993 355 m. Anm. Graul (Blutgruppenuntersuchung/DNA-Analyse bei Blutspur; dies könnte im Hinblick auf die wissenschaftlichen Fortschritte der DNA-Analyse heute anders zu sehen sein); vgl. OLG München NStZ-RR 2007 186 (rechtsmedizinische/verkehrspsychologische Beurteilung des Fahrens unter THC-Einfluss). 1912 BGHSt 23 176, 185 (jur. Krankheitsbegriff); AK/Schöch 133; Meyer-Goßner/Schmitt 76. 1913 BGH bei Becker NStZ 2004 435. 1914 RG HRR 1940 Nr. 203; BGHSt 8 113, 116; BGH NStZ 1990 244; bei Pfeiffer NStZ 1982 189; Alsberg/ Güntge 1381; Schlüchter 554.2; Schorn GA 1965 302; KK/Krehl 203; Meyer-Goßner/Schmitt 76.

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liegt es, wenn der Sachverständige in seinem mündlichen Gutachten von einem früheren schriftlichen abweicht, ohne dass nicht erklärbare Widersprüche verbleiben.1915 Ein Anlass zu Zweifeln besteht aber, wenn es sich um eine plötzliche „Kehrtwende“ handelt,1916 der Sachverständige in seinem ersten Gutachten das Ergebnis als sicher bezeichnet hatte, obwohl ihm damals, für ihn erkennbar, nur unvollständige und unzulängliche Unterlagen zur Verfügung standen, die kein sicheres sachverständiges Urteil erlaubten,1917 oder wenn er frühere Untersuchungsergebnisse oder frühere Gutachten mit einem gegenteiligen Ergebnis völlig unerörtert lässt.1918 bb) Ist der Sachverständige von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen, so kann das Gericht den Antrag auf Anhörung eines weiteren Sachverständigen gemäß Absatz 4 Satz 2 Halbsatz 2 zwar nicht mit der Begründung ablehnen, dass es aufgrund des bereits erstatteten Gutachtens das Gegenteil der behaupteten Tatsache für erwiesen ansehe. Das bedeutet aber nicht, dass es notwendig einen neuen Sachverständigen zuziehen muss. Es muss zwischen Befundtatsachen und Zusatztatsachen differenziert werden: Unrichtige Befundtatsachen sind Tatsachen, die der Sachverständige nur vermöge 333 seiner Sachkunde wahrnehmen, erschöpfend verstehen oder richtig beurteilen kann;1919 sie sind Teil des Gutachtens. Dessen Wert oder Verlässlichkeit steht in Frage, wenn diese Tatsachen falsch festgestellt sind; gleichzeitig ergeben sich hieraus im Allgemeinen auch Zweifel an der Sachkunde des Erstgutachters. Steht fest, dass der zunächst gehörte Sachverständige von falschen Befundtatsachen ausgegangen ist, so ist die Zuziehung eines weiteren Sachverständigen daher unerlässlich.1920 Dies gilt aber auch schon dann, wenn das Gericht – obwohl es den Erstgutachter befragt und dieser sein Gutachten eventuell ergänzt hat – nicht beurteilen kann, ob das Gutachten von zutreffenden und zureichenden Befundtatsachen getragen wird.1921 Zusatztatsachen sind Tatsachen, zu deren Wahrnehmung und Verständnis es kei334 ner besonderen Sachkunde bedarf;1922 sie erfordern besonderen Beweis in der Hauptverhandlung. Insoweit muss das Gutachten von den Tatsachen ausgehen, die das Gericht für erwiesen erachtet. Stützt der Sachverständige sein Gutachten auf andere Tatsachen, so zwingt dies noch nicht zur Anhörung eines weiteren Sachverständigen. Die Sachkunde und Zuverlässigkeit des Gutachtens wird dadurch in der Regel nicht zweifelhaft. Es genügt dann, dass das Gericht, was ohnehin seine Aufgabe ist, dem Sachverständigen eröffnet, welche Tatsachen es für erwiesen hält oder welche tatsächlichen Möglichkeiten nach seiner Auffassung gegeben sein können, und ihn dann auffordert, sich in seinem Gutachten auch mit diesen Tatsachen auseinanderzusetzen.1923 332

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1915 BGHSt 8 116; BGH NStZ 1990 244; 1991 448; bei Spiegel DAR 1988 230; Eisenberg (Beweisrecht) 260; vgl. OLG Düsseldorf StV 1986 376; OLG Karlsruhe StV 2004 477, 478; s. auch Rn. 335. 1916 Vgl. EGMR StraFo 2002 81. 1917 OLG Braunschweig NdsRpfl. 1953 149; Eisenberg (Beweisrecht) 258; Alsberg/Güntge 1381. 1918 BGH bei Holtz MDR 1978 109; Alsberg/Güntge 1381; KK/Krehl 58. 1919 BGHSt 9 292, 293; 18 107, 108; 22 268, 271; BGH MDR 1979 415, 416; s. näher mit Beispielen § 79, 19. 1920 RG HRR 1937 Nr. 1625; Eisenberg (Beweisrecht) 259; Alsberg/Güntge 1382; KK/Krehl 204; SK/Frister 215; anders Pfeiffer 44. 1921 RG JW 1931 949; BGH NJW 1951 412; BGHR § 244 Abs. 4 Satz 1 Sachkunde 5; Eisenberg (Beweisrecht) 259; AK/Schöch 134; KK/Krehl 204. 1922 BGHSt 18 107, 108; 22 268, 271; § 79, 21. 1923 BGH NStZ 1985 421; 1995 201; Eisenberg (Beweisrecht) 259; Alsberg/Güntge 1382; Sarstedt NJW 1968 177; ders. DAR 1964 313; G. Schäfer 848; AK/Schöch 134; KK/Krehl 204; KMR/Paulus 475; Pfeiffer 44; SK/Frister 215.

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cc) Widersprüche des Gutachtens in zentralen Aussagen1924 schließen es, solange 335 sie nicht vom Sachverständigen in einer alle Zweifel an seiner Sachkunde beseitigenden Weise behoben sind, aus, dass das Gericht die Ablehnung der Anhörung eines weiteren Sachverständigen auf den Beweiswert dieses Gutachten stützt. Dies gilt vor allem, wenn das in der Hauptverhandlung erstattete mündliche Gutachten in wichtigen Punkten trotz Rückfragen des Gerichts in sich selbst widersprüchlich bleibt.1925 Zweifel an der Sachkunde können sich aber auch daraus ergeben, dass Widersprüche zu einem früheren schriftlichen Gutachten bestehen, die vom Gutachter nicht nachvollziehbar in einer seine Sachkunde nicht in Frage stellenden Form erklärt werden können.1926 Bleibt das Gutachten in seinen Schlussfolgerungen unklar oder widersprüchlich, wird das Gericht in der Regel schon aufgrund seiner Aufklärungspflicht einen weiteren Sachverständigen zuziehen müssen (Rn. 76 f.). Es kann dann einen Beweisantrag, der das ebenfalls bezweckt, nicht ablehnen. dd) Auch überlegene Forschungsmittel eines anderen Sachverständigen, die eine 336 zuverlässigere Aufklärung der Beweisfrage erwarten lassen,1927 verpflichten das Gericht, einem Beweisantrag auf Zuziehung eines weiteren Gutachters zu entsprechen. Ein solcher Antrag darf abgelehnt werden, wenn die Anwendung der überlegenen Forschungsmittel gerade für den zu begutachtenden Sachverhalt keine weitere Aufklärung verspricht.1928 Unter Forschungsmittel im Sinne des § 244 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 sind Hilfsmittel 337 und Verfahren zu verstehen, deren sich der Sachverständige für seine wissenschaftlichen Untersuchungen bedient und deren Anwendung auch den Erstgutachter in entscheidungserheblicher Weise zu einem zuverlässigeren und überzeugenderen Ergebnis hätte gelangen lassen.1929 Nicht maßgebend sind dagegen das Ansehen des weiteren Sachverständigen in der wissenschaftlichen Welt, sein Verdienst um die Begründung einer bestimmten Lehre, seine persönlichen Kenntnisse oder seine Erfahrungen. Wissenschaftliche Veröffentlichungen zu einem einschlägigen Thema sind noch kein überlegenes Forschungsmittel.1930 Wer älter ist, länger im Beruf steht, verfügt nicht allein deswegen über überlegene Forschungsmittel.1931 Umgekehrt kann die Überzeugungskraft des

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1924 Eisenberg (Beweisrecht) 260; enger BGH NStZ 1990 244 („in entscheidenden Punkten“). 1925 BGHSt 23 176, 185; BGH bei Spiegel DAR 1988 230; Alsberg/Güntge 1383; Meyer-Goßner/Schmitt 76; Pfeiffer 43; SK/Frister 216. 1926 OLG Düsseldorf StV 1986 376; OLG Karlsruhe StV 2004 477, 478; SK/Frister 216; s. auch AK/Schöch 135; w.N. in Rn. 331. 1927 Es müssen ernst zu nehmende Anhaltspunkte für die Überlegenheit der Forschungsmittel vorhanden sein; vgl. Alsberg/Güntge 1384. 1928 Ob die Überlegenheit der Forschungsmittel für die Beweisfrage überhaupt relevant ist, weil davon eine umfassendere oder sicherere Aufklärung einer entscheidungserheblichen Frage erwartet werden kann, hängt vom Einzelfall ab; vgl. KMR/Paulus 476 „themenbezogen“; ebenso Eisenberg (Beweisrecht) 261; ferner Alsberg/Güntge 1386; AK/Schöch 136; KK/Krehl 205. 1929 BGHSt 23 176, 186; 44 26, 30; BGH GA 1961 241; 1962 371, 372; NStZ 1988 373; VRS 32 (1967) 266; BGH bei Dallinger MDR 1956 398; bei Spiegel DAR 1978 157; BayObLGSt 1972 96; 1994 199; OLG Koblenz VRS 45 (1973) 367, 370; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1977 182; Alsberg/Güntge 1386; G. Schäfer 848; Seibert NJW 1962 137; AK/Schöch 136; KK/Krehl 205; KMR/Paulus 477; Meyer-Goßner/Schmitt 76; SK/Frister 217. 1930 BGHSt 34 355, 358; OLG Koblenz VRS 45 (1973) 367, 370; Alsberg/Güntge 1385; AK/Schöch 136; Meyer-Goßner/Schmitt 76. 1931 BGHSt 23 176, 186; a.A. Eb. Schmidt Nachtr. I 72 und FS Schneider 269, der der Überlegenheit des wissenschaftlich bewährten und deshalb eine Autorität darstellenden Sachverständigen wegen seiner Kenntnisse und seines Erfahrungswissens den Vorrang vor Hilfsmitteln und technischen Verfahren einräumt; ähnlich Weihrauch NJW 1970 1244; MüKo/Trüg/Habetha 365. In der Regel werden allerdings

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bereits erstatteten Gutachtens zwar auch von der wissenschaftlichen Autorität des gehörten Sachverständigen abhängen;1932 wird aber dargetan, dass ein anderer Gutachter tatsächlich über überlegene Forschungs- oder Hilfsmittel verfügt, so darf sich das Gericht nicht damit abfinden, dass bereits ein in überzeugender Form erstattetes Gutachten einer wissenschaftlichen Autorität vorliegt, sondern ist erst nach Einholung eines die überlegenen Hilfsmittel und technischen Möglichkeiten ausschöpfenden weiteren Gutachtens befugt zu entscheiden, welcher Meinung im Falle einer Divergenz der Vorrang gebührt. Verfügt ein Sachverständiger über ein besonders anschauliches Beobachtungsmaterial, so hat er damit noch keine überlegenen Forschungsmittel zur Hand.1933 Gegenüber den Erkenntnismitteln eines Gerichtspsychiaters ist daher auch die Beobachtung des Probanden in einem psychiatrischen Krankenhaus für sich allein noch kein überlegenes Forschungsmittel,1934 ebenso wenig der Umstand, dass der Proband sich nur von dem benannten weiteren Sachverständigen untersuchen lassen will1935 oder dieser dessen Sprache versteht.1936 Zu den Hilfsmitteln rechnen nicht nur die apparative Ausstattung bestimmter Stellen,1937 besondere technische Geräte oder eine bestimmte Untersuchungsmethode, sondern auch die Tests, die psychologische Sachverständige anzuwenden pflegen. Aus der Tatsache, dass ein Sachverständiger eine bestimmte Untersuchungsmethode oder einen Test nicht angewandt hat, kann jedoch nicht gefolgert werden, der Gutachter habe über dieses Hilfsmittel nicht verfügt.1938 Soweit ein Antrag die Verwertung neuer Forschungsergebnisse auf wissenschaft338 lichem Gebiet verlangt, hat das Gericht zu prüfen, ob diese als hinlänglich gesichert angesehen werden können. Nur wissenschaftlich anerkannte Verfahren, die zuverlässige Ergebnisse erwarten lassen, kommen in Betracht. 1939 Einen Antrag, der auf die Verwertung solcher Ergebnisse abzielt, darf das Gericht erst ablehnen, wenn es die nach den Verfahrensvorschriften möglichen Mittel zur Beschaffung der Unterlagen im Wege des Freibeweises ausgeschöpft hat.1940 339

4. Ablehnungsbeschluss. Lehnt das Gericht einen Beweisantrag auf Anhörung eines Sachverständigen ab, weil es selbst über ausreichende eigene Sachkunde verfügt (Absatz 4 Satz 1), so muss es im Ablehnungsbeschluss lediglich diesen Ablehnungsgrund kenntlich machen. Eine nähere Begründung, warum es über diese Sachkunde

_____ „überlegene Forschungsmittel“ kaum aufgezeigt (vgl. OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1975 190; Sarstedt NJW 1968 177). Ob ein kenntnisreicher Sachverständiger mit größerer Erfahrung zuzuziehen ist, richtet sich nicht nach § 244 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2, sondern allein nach der Aufklärungspflicht; vgl. Alsberg/Güntge 1385 m.w.N. 1932 Vgl. BayObLGSt 1957 134. 1933 BGHSt 44 26, 30; BGH GA 1961 241; bei Dallinger MDR 1956 398. 1934 BGHSt 8 76, 77 = LM § 81 Nr. 3 m. Anm. Arndt; BGHSt 23 176, 187; 23 311, 312; BGH bei Spiegel DAR 1978 157; OLG Koblenz VRS 48 (1975) 182; Alsberg/Güntge 1387; KK/Krehl 206; KMR/Paulus 477; MeyerGoßner/Schmitt 76; SK/Frister 217; vgl. aber auch Rudolph Justiz 1969 52. 1935 BGHSt 44 26, 30 = StV 1999 463 m. insow. abl. Anm. Zieschang; BGH bei Dallinger MDR 1956 527; bei Cierniak/Zimmermann NStZ-RR 2011 100 Nr. 14; a.A. Rosenau/Lorenz FS Kreuzer II 408 ff.; Roxin/Schünemann § 45, 36; s. auch Rn. 75 zu der Frage, ob in einem derartigen Fall die Aufklärungspflicht die Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen gebieten kann. 1936 SK/Frister 218; Alsberg/Güntge 1386 m.w.N. 1937 Vgl. Alsberg/Güntge 1386; ferner Dahs/Dahs 349: Bundes- und Landeskriminalämter für kriminaltechnische Gutachten; s. auch OLG Celle StV 1981 608 m. Anm. Barton; Hecker NStZ 1990 468. 1938 BGHSt 44 26, 30; BGH GA 1961 241, 242; StV 1985 489; Alsberg/Güntge 1387; Meyer-Goßner/Schmitt 76; KMR/Paulus 477; SK/Frister 219. 1939 OLG Düsseldorf NJW 1970 184; Alsberg/Güntge 1386; AK/Schöch 136. 1940 RGSt 64 160, 163; RG DRiZ 1931 Nr. 453.

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verfügt, ist nicht erforderlich,1941 und zwar grundsätzlich auch dann nicht, wenn sich der Antrag auf Zuziehung eines weiteren Sachverständigen richtete.1942 Anders liegt es jedoch, wenn in dem Antrag methodische Mängel des Erstgutachtens geltend gemacht wurden; in diesem Fall muss sich der Ablehnungsbeschluss mit diesen Einwänden auseinandersetzen und sie ausräumen, wenn das Gericht seine eigene Sachkunde (auch) auf das erstattete Erstgutachten stützen will.1943 Ansonsten reicht es aus, wenn das Gericht die Quelle seiner Sachkunde – soweit nicht ohnehin offensichtlich – in den Urteilsgründen aufzeigt und seine Kenntnisse durch die fachlich korrekte Behandlung der Beweisfrage belegt. Es gilt hier dasselbe wie in den Fällen, in denen das Gericht eigene Sachkunde in Anspruch nimmt, ohne dass ein Verfahrensbeteiligter zur Beantwortung der in Rede stehenden Fachfrage die Anhörung eines Sachverständigen beantragt hatte (zu den Einzelheiten s. näher oben Rn. 73 f., 326). Der Beschluss, der den Beweisantrag auf Zuziehung eines weiteren Sachverstän- 340 digen ablehnt, weil das Gegenteil der Beweisbehauptung bewiesen ist (Absatz 4 Satz 2 Halbsatz 1), ist dagegen in der Regel näher zu begründen. Der Umfang der erforderlichen Begründung richtet sich jedoch nach Art und Gewicht der gegen das Erstgutachten vorgebrachten Einwände. Wird die Sachkunde des Erstgutachters lediglich unspezifiziert in Zweifel gezogen, so kann ein Hinweis auf dessen bekannte Sorgfalt und forensische Erfahrung genügen.1944 Dies reicht dagegen nicht aus, wenn der Antragsteller konkrete Umstände für die Notwendigkeit einer weiteren Begutachtung anführt, insbesondere etwa die kritische Stellungnahme zum Erstgutachten durch einen anderen Sachverständigen der fraglichen Disziplin vorlegt oder einen der in Satz 2 Halbsatz 2 genannten Fälle geltend macht.1945 Hier muss sich das Gericht mit den erhobenen Einwänden im Einzelnen sachlich auseinandersetzen und sie in einer für die Beteiligten nachvollziehbaren sowie für das Revisionsgericht rechtlich nachprüfbaren Weise argumentativ widerlegen. Ist behauptet worden, der neue Sachverständige verfüge über neue wissenschaftliche Erkenntnisse oder überlegene Forschungsmittel, dann muss der Beschluss dartun, dass das Gericht dies geprüft (s. Rn. 338) und aus welchen Gründen es das Vorliegen überlegener Forschungsmittel oder deren Eignung zur besseren Sachaufklärung allgemein oder für den vorliegenden Fall (vgl. Rn. 336 f.) verneint hat.1946 Es kann sich dabei nicht auf das erstattete Gutachten berufen, wenn dieses über die angewendeten Forschungsmittel keine oder keine zuverlässige Auskunft gibt.1947

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1941 Eb. Schmidt JR 1959 132; Meyer-Goßner/Schmitt 73 und 88; a.A. Conen/Tsambikakis GA 2000 379 f.; Deckers FS Rissing-van Saan 94 f. (Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet Begründung der eigenen Sachkunde im Ablehnungsbeschluss, damit Antragsteller hierauf noch in der Hauptverhandlung reagieren kann); Eisenberg (Beweisrecht) 255; Ventzke NStZ 2017 301 f.; HK/Julius 47; MüKo/Trüg/Habetha 366; SK/Frister 220 f.; Alsberg/Güntge 1442 (sofern nicht ohne Weiteres klar, woher die Sachkunde des Gerichts stammt); unklar BGH NStZ 2017 300 f. m. Anm. Ventzke. 1942 KK/Krehl 207; a.A. Deckers FS Rissing-van Saan 94 f. (s. vorherige Fn.). 1943 BGHSt 55 5, 9 = NJW 2010 1214 m. Anm. Hoffmann/Wendler = JZ 2010 471 m. Anm. Eisenberg = NStZ 2010 405 m. Anm. Trück S. 586; BGH NStZ-RR 2012 287, 288; StV 2017 110, 111. 1944 BGHSt 45 164, 166 m.w.N.; vgl. auch BGH StV 2017 110, 111; Alsberg/Güntge 1443 (knappe Begründung erforderlich) m.w.N. auch zu abweichenden Auffassungen insbesondere in der älteren Rechtsprechung. So soll etwa nach BGH bei Meyer NJW 1958 617 in solchen Fällen schon der Hinweis genügen, dass sich der Sachverständige bereits umfassend geäußert habe. 1945 BGHSt 23 311, 312; 45 164, 166; 49 347, 358 f; 55 5, 9; BGH NStZ 1988 373; 2005 205, 207; bei Becker NStZ 2005 496; BGH StV 1985 489; 1989 141; 1989 335, 336 m. Anm. Schlothauer; BayObLGSt 1972 96, 97; OLG Celle NJW 1974 616; KK/Krehl 207; Meyer-Goßner/Schmitt 88; s. aber auch BGH StV 1989 331 m. Anm. Wasserburg. 1946 BGHSt 10 116, 118; BGH NJW 1951 412; OLG Düsseldorf NJW 1970 1984; StV 1991 456; Alsberg/ Güntge 1444; AK/Schöch 137; KK/Krehl 207. 1947 BGHSt 10 116, 118; BGH StV 1985 489; 1989 141.

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Bei der Entscheidung über den Antrag auf Vernehmung eines weiteren Sachverständigen kann, soweit es um die Überprüfung des Gutachtens geht, der Grundsatz durchgreifen, dass es unstatthaft ist, das Beweisergebnis vorwegzunehmen. Wird der Antrag gestellt, um darzutun, dass der erste Gutachter unzutreffende Tatsachen für die in seinem Gutachten gezogenen Folgerungen verwertet habe, oder soll durch Anwendung überlegener Forschungsmittel ein Irrtum in der Folgerung aufgedeckt werden, so ist es in der Regel unstatthaft, die Ablehnung des Antrags allein auf Inhalt oder Ergebnis des angegriffenen Gutachtens zu stützen.1948 V. Ablehnung von Beweisanträgen auf Augenscheinseinnahme (§ 244 Abs. 5 Satz 1) 1. Allgemeines

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a) Beurteilungsmaßstab Aufklärungspflicht. Die Regelung des Absatzes 5 Satz 1, dass ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins1949 abgelehnt werden kann, wenn dies nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist, entspricht dem, was die Rechtsprechung schon vor der Aufnahme der Bestimmung in das Gesetz zunächst immer angenommen hatte.1950 Sie verweist als Maßstab für die Entscheidung über einen solchen Beweisantrag auf die gerichtliche Aufklärungspflicht im Sinne des § 244 Abs. 2, an der sich das „pflichtgemäße Ermessen“ auszurichten hat.1951 Es gilt daher für die Behandlung eines derartigen Beweisantrags im Grundsatz nichts anderes als für die Fälle, in denen sich das Begehren auf Einnahme eines Augenscheins lediglich als Beweisermittlungsantrag oder Beweisanregung darstellt, weil es an der Bezeichnung eines konkreten Augenscheinsobjekts oder der Behauptung einer bestimmten Beweistatsache fehlt.1952 Verbindliche Kriterien für die erforderlichen Aufklärungsbemühungen des Gerichts durch Augenscheinseinnahmen können nicht formuliert werden; entscheidend sind immer die Umstände des Einzelfalls. Diese sind nach Maßgabe der allgemein für die Aufklärungspflicht geltenden Grundsätze (s. Rn. 47) zu würdigen (zu Einzelkonstellationen s. Rn. 345 ff.).

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b) Ergänzende Regelung. Die Gründe, aus denen das Gericht allgemein einen Beweisantrag nach § 244 Abs. 3 Satz 1 ablehnen muss oder nach § 244 Abs. 3 Satz 2 ablehnen darf, rechtfertigen in aller Regel auch die Zurückweisung eines Antrags auf Einnah-

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1948 RG JW 1931 1600; 1932 3095; 1932 3358; DRiZ 1931 Nr. 215. 1949 Zu den möglichen Augenscheinsobjekten, zur Unterscheidung des Augenscheins von den sonstigen Formen des Strengbeweises sowie zur Abgrenzung zwischen den verschiedenen Arten von Beweisbegehren auf Augenscheinseinnahme s.o. Rn. 19 ff. 1950 Zur Rechtsprechung bis 1935 (§ 245 Abs. 1 Satz 2 gestattete in der ab 1935 geltenden Fassung die Ablehnung nach freiem Ermessen) vgl. etwa RGSt 14 278; 21 225; 31 138; 47 103; RG Recht 1902 Nr. 2626; 1911 Nr. 1082; 1920 Nr. 1773; LZ 1914 933; 1918 57; JW 1911 248; 1923 390; 1925 796; 1928 68; 1931 1492; DRiZ 1926 Nr. 975; SK/Frister 223; Alsberg/Güntge 1390 m.w.N., auch zur abweichenden Auffassung im damaligen Schrifttum. 1951 BGH NStZ 1981 310; 1984 565; 1988 88; VRS 20 (1961) 202; 31 (1966) 268; BayObLG bei Rüth DAR 1971 206; OLG Braunschweig VRS 4 (1952) 604; OLG Bremen DAR 1963 170; OLG Hamm VRS 22 (1962) 56; 34 (1968) 61; 41 (1971) 136; KG JR 1954 272 m. Anm. Sarstedt; NJW 1980 952, 953; NStZ 2007 480; OLG Köln NJW 1966 606; Eisenberg (Beweisrecht) 265, 2228 ff.; Alsberg/Güntge 1392; Wenskat 216 ff.; AK/Schöch 138; KK/Krehl 209; KMR/Paulus 481; Meyer-Goßner/Schmitt 78; SK/Frister 232; kritisch MüKo/Trüg/Habetha 368; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 169 (systemwidrig). 1952 Vgl. RGSt 31 138; RG JW 1931 1942 m. Anm. Alsberg; 1932 58; KG JR 1954 272 m. Anm. Sarstedt; OLG Koblenz VRS 49 (1975) 473; Dahs (Hdb.) 573; KMR/Paulus 480.

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me eines Augenscheins;1953 denn dieser ist dann auch zur Sachaufklärung nicht statthaft bzw. – von eng begrenzten Ausnahmefällen abgesehen (Rn. 58) – nicht erforderlich. Er kann deshalb etwa abgelehnt werden, wenn der Beweisgegenstand unerreichbar ist,1954 wenn er ungeeignet ist, die im Antrag behauptete Beweistatsache zu belegen,1955 wenn die vom Antragsteller gegebene Ortsbeschreibung als zutreffend angenommen werden kann1956 oder wenn das Gericht die Beweistatsache oder ihr Gegenteil für allgemeinkundig ansieht.1957 Absatz 5 Satz 1 erlangt eine eigenständige Bedeutung damit erst dann, wenn Absatz 3 nicht eingreift. Er ergänzt die dortigen Ablehnungsgründe, indem er dem Gericht die Möglichkeit eröffnet, von dem beantragten Augenschein auch dann abzusehen, wenn es diesen in zulässiger antizipatorischer Beweiswürdigung zur Aufklärung des wahren Sachverhalts nicht für erforderlich erachtet. Das Gericht darf daher den Antrag auch mit der Begründung ablehnen, dass die Inaugenscheinnahme des zu besichtigenden Gegenstands oder der zu besichtigenden Örtlichkeit zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei, da deren entscheidungsrelevante, von der Beweisbehauptung abweichende Beschaffenheit bereits aufgrund des Ergebnisses der bisherigen Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts feststehe und es sich von dem Augenschein keine über die verwendeten Beweismittel hinausreichende weitere Sachaufklärung verspreche.1958 Es ist aber auch befugt, den beantragten Augenschein durch eine andere Beweiserhebung (sei es auch nur durch Nutzung eines alternativen Augenscheinsobjekts) zu ersetzen und im Hinblick hierauf als zur Sachaufklärung nicht (mehr) erforderlich abzulehnen (s. Rn. 146). Die Aufklärungspflicht zwingt nicht allein deswegen zur Durchführung des Augenscheins, weil der unmittelbare Eindruck, den das Gericht dadurch gewinnt, generell das bessere Beweismittel ist.1959 All dies gilt auch dann, wenn das Augenscheinsobjekt in der Hauptverhandlung zwar zur Verfügung steht, aber nicht als präsentes Beweismittel dem § 245 Abs. 2 unterfällt (s. dazu Rn. 344); hinreichende Gründe, in einem derartigen Fall entgegen dem Wortlaut des Gesetzes die Zurückweisung des Beweisantrags nur nach Maßgabe der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 zuzulassen,1960 sind nicht ersichtlich. c) Anwendungsbereich. Absatz 5 Satz 1 gilt nur für nicht präsente Augen- 344 scheinsobjekte. Verlangt ein Beteiligter dagegen, zum Beweis einer bestimmten Tatsache eine Sache zu besichtigen, die zur Hauptverhandlung bereits herbeigeschafft ist, so bestimmt sich die Pflicht des Gerichts, den Augenschein auf dieses präsente Beweismittel zu erstrecken, ausschließlich nach § 245 (vgl. insb. § 245, 19 ff., 47 ff.); das Gericht

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1953 Vgl. Gössel § 29 C IIIa 10; Alsberg/Güntge 1392; OLG Hamm VRS 7 (1954) 131. 1954 Vgl. Rn. 262. 1955 RGSt 47 106; BGH bei Martin DAR 1962 74; OLG Düsseldorf VRS 60 (1981) 122; OLG Schleswig bei Ernesti/Lorenzen SchlHA 1984 104; vgl. Rn. 242. 1956 OLG Dresden JW 1930 2595. 1957 BGH DAR 1956 76 (Erfahrungssatz über Sichtverhältnisse); Alsberg/Güntge 1392. 1958 RG JW 1895 122; 1925 796; 1931 1492; BGHSt 8 177, 180; VRS 20 (1961) 202, 204; 31 (1966) 268; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 206; BayObLG bei Rüth DAR 1981 249; OLG Hamm VRS 6 (1954) 463; OLGSt § 244 Abs. 5 S. 3; OLG Koblenz VRS 45 (1973) 393; 49 (1975) 40, 41 f.; 52 (1977) 283; OLG Köln NJW 1966 606; StV 1983 451, 452; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1979 204; OLG Stuttgart VRS 3 (1951) 358; Engels GA 1981 33; Alsberg/Güntge 1396; Hanack JZ 1970 563; Weigelt DAR 1964 319; AK/Schöch 143; KMR/Paulus 481; Meyer-Goßner/Schmitt 78; SK/Frister 232; krit. aber Eisenberg (Beweisrecht) 2234 f.; Perron (Beweisantragsrecht) 268; Wenskat 185 f., 294; KK/Krehl 210; a.A. Deckers (Beweisantrag) 285. Zur antizipierenden Beweiswürdigung im Rahmen der gerichtlichen Aufklärungspflicht s. Rn. 49, 58. 1959 Alsberg/Güntge 1393 ff.; vgl. etwa Rogall GedS Meyer 406. 1960 A.A. MüKo/Trüg/Habetha 368; SK/Frister 226 f.

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kann diesen Antrag nicht nach pflichtgemäßem Ermessen ablehnen.1961 Der beantragte Augenschein kann bei präsenten Gegenständen auch nicht durch andere Beweismittel ersetzt werden.1962 2. Einzelfragen 345

a) Tatortbesichtigung. Keinen Besonderheiten unterliegt die Behandlung eines Antrags, zum Beleg einer bestimmten Behauptung den Tatort in Augenschein zu nehmen. Ein solcher Augenschein wird sich zwar in vielen Fällen gut dazu eignen, dem Gericht einen plastischeren Eindruck von dem anklagegegenständlichen Ereignis zu verschaffen.1963 Er ist aber wegen seiner durch das Fehlen einer näheren gesetzlichen Regelung bedingten Formlosigkeit auch mit manchen Nachteilen behaftet. Überdies kann seine Durchführung außerhalb der Gerichtsstelle den Geschäftsgang empfindlich belasten. Deshalb bleibt dem Gericht die Freiheit unbeschränkt bewahrt, den gerichtlichen Augenschein am Tatort, sofern die Aufklärung keinen Schaden leidet, abzulehnen und gegebenenfalls durch andere, nach Lage des Einzelfalls gleich zuverlässige Beweismittel zu ersetzen (s. Rn. 146, 343).

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b) Grundlage für Sachverständigengutachten. Erforderlich ist der Augenschein, wenn nur auf diesem Wege ein Gegenstand, auf den ein Sachverständigengutachten aufbaut, in die Hauptverhandlung eingeführt werden kann.1964

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c) Klärung anderer Beweisergebnisse. Er ist ferner geboten, wenn er nach der Beweislage den Beleg objektiver Fakten erbringen kann, die es gestatten, Schlüsse auf Umstände zu ziehen, die außerhalb des Augenscheinsobjekts liegen, so etwa wenn er geeignet erscheint, widersprüchliche Beweisergebnisse zu klären oder eine sicherere Beurteilung der Verlässlichkeit einer Zeugenaussage oder eines sonst zweifelhaften Beweisergebnisses zu ermöglichen.1965 In derartigen Fällen schließt es die Aufklärungspflicht aus, den Augenschein unter Hinweis auf das bisherige Beweisergebnis abzulehnen. Falls ein Beteiligter die Vornahme eines Augenscheins zum Beweis dafür beantragt, dass ein Zeuge über bestimmte örtliche Verhältnisse die Unwahrheit gesagt hat, sich ein Ereignis nach den tatsächlichen örtlichen Verhältnissen nicht so abgespielt haben kann, wie vom Zeugen geschildert, oder der Zeuge das Ereignis gar nicht wahrgenommen haben kann, so ist es rechtsfehlerhaft, den Grund für die Ablehnung des Antrags allein aus dem bekämpften Zeugnis zu entnehmen.1966 Das Gericht muss in einem solchen Fall viel-

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1961 RGSt 21 226; 65 307; OLG Hamm VRS 4 (1952) 602; KMR/Paulus 480; a.A. RGSt 14 279. 1962 Eb. Schmidt § 245, 10; vgl. § 245, 57 f., 60. 1963 Vgl. BGH MDR 1961 249; OLG Bremen DAR 1963 170; KMR/Paulus 481. 1964 BGH StV 1994 411; KG StV 1993 629; OLG Hamm StV 1984 457 (Schriftprobe bei Schriftgutachten als Anknüpfungstatsache). 1965 BGH NJW 1961 280; NStZ 1981 310; 1984 565; bei Holtz MDR 1984 982; KG StV 2007 25; OLG Koblenz StV 2013 553, 554; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1979 204; vgl. Alsberg/Güntge 1399 ff.; Kunkis DRiZ 1993 189; AK/Schöch 143; KMR/Paulus 482; Meyer-Goßner/Schmitt 78; ferner OLG Köln VRS 94 (1998) 112 (Pflicht des Richters, in den Akten befindliches Radarbild selbst zu würdigen und Urteil nicht nur darauf zu stützen, dass die Zeugen den Betroffenen auf dem Bild wiedererkannt haben). 1966 BGHSt 8 177, 181 = LM Nr. 1 m. Anm. Busch; BGH NStZ 1984 565; StV 1994 411, 412; bei Spiegel DAR 1979 189; BayObLG bei Rüth DAR 1971 206; OLG Bremen DAR 1963 170; OLG Hamm VRS 21 (1961) 62; 44 (1973) 114; 51 (1976) 113; JMBlNW 1980 70; OLGSt § 244 Abs. 5 S. 3, 4; OLG Koblenz VRS 48 (1975) 120; 49 (1975) 40; 52 (1977) 283; 53 (1977) 440; StV 2013 553, 554; OLG Köln NJW 1966 606; VRS 65 (1983) 450; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1970 198; 1979 204; so auch schon RG JW 1930 714 m. Anm. Alsberg; 1930 933 m. Anm. Alsberg; 1930 3417; 1931 1040 m. Anm. Mannheim; 1931 1608 m. Anm. Alsberg;

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mehr entweder in einem anderen schon gebrauchten Beweismittel einen sicheren Anhalt für die Zuverlässigkeit des angefochtenen Zeugnisses haben1967 oder sich mangels eines solchen Anhalts um die Nachprüfung des Zeugnisses bemühen.1968 Haben dagegen mehrere Zeugen unabhängig voneinander übereinstimmend das 348 Gegenteil der durch Einnahme des Augenscheins zu beweisenden Tatsache bekundet, wird die sich hierauf stützende antizipierende Würdigung, mit der das Gericht den Augenschein ablehnt, in der Regel rechtlich nicht zu beanstanden und daher mit der Aufklärungspflicht vereinbar sein.1969 Anders soll es liegen, wenn diese Zeugen nicht unabhängig voneinander, sondern als Glieder eines wesentlich gleichen Erlebnis- oder Interessenkreises ausgesagt haben.1970 Hiervon soll nach der vorherrschenden Meinung wiederum eine Ausnahme zu machen sein, wenn die Tatzeugen in erster Linie ein gleicher Pflichtenkreis und nicht ein gleicher Erlebnis- und Interessenkreis verbindet, wie dies bei dienstlich einschreitenden Polizeibeamten der Fall ist.1971 Derartige „Beweisregeln“ sind abzulehnen.1972 Es hängt von den gegebenenfalls durch Fragen aufzuklärenden Umständen des Einzelfalls, vom Gegenstand und Zustandekommen der Beobachtungen und ihren Begleitumständen ab, ob den Zeugen eine auch innerlich voneinander unabhängige Bestätigung der Beweistatsache aus unmittelbar eigener Wahrnehmung mit einer solchen Zuverlässigkeit möglich ist, dass sich wegen des erhöhten Beweiswerts der übereinstimmenden Aussagen der richterliche Augenschein zur weiteren Sachaufklärung erübrigt. Dies zu beurteilen ist Sache des Tatrichters. Unterlaufen ihm bei dieser Würdigung keine Rechtsfehler, so ist sie hinzunehmen (zum revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstab s. Rn. 48, 350). d) Einen Augenschein im Ausland selbst einzunehmen kann das erkennende Ge- 349 richt ablehnen, weil es nach innerstaatlichem Recht zu Amtshandlungen auf fremdem Staatsgebiet grundsätzlich nicht verpflichtet ist.1973 Nach allgemeinem Völkerrecht ist es zu einer amtlichen Tätigkeit auf fremdem Territorium auch gar nicht berechtigt, sofern nicht der ausländische Staat dies für den Einzelfall oder aufgrund einer völkerrechtlichen Vereinbarung über die internationale Rechtshilfe gestattet.

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1932 954; 1932 2040; 1932 3626; 1934 3064; Dahs (Hdb.) 574; Hanack JZ 1970 563; Sarstedt DAR 1964 314; ders. JR 1954 273; Weigelt DAR 1964 318; Alsberg/Güntge 1399. 1967 RGSt 47 107; nach BGH bei Kusch NStZ 1994 227 soll es ausreichen, einen Polizeibeamten als „Augenscheinsgehilfen“ zu den akustischen Wahrnehmungsmöglichkeiten einer Zeugin zu hören; diese einzelfallbezogene Entscheidung dürfte kaum verallgemeinerungsfähig sein. 1968 RG JW 1930 3417. 1969 Vgl. RG JW 1930 714; 1930 3417; 1931 1608; BGHSt 8 177, 181; BGH StV 1991 411, 412; VRS 20 (1961) 204; BayObLG bei Rüth DAR 1980 270; OLG Celle MDR 1965 227; KG NStZ 2007 480 f.; OLG Koblenz VRS 45 (1973) 48; 49 (1975) 40; 53 (1977) 440; OLG Stuttgart VRS 3 (1951) 356; Alsberg/Güntge 1399; einschränkend Eisenberg (Beweisrecht) 2234 f., 1454 und vor allem bei Gruppenaussagen 1456, 1483. Grünwald (Beweisrecht) 103, Perron (Beweisantragsrecht) 268 und Schmidt-Hieber JuS 1985 461 lassen beim Augenschein zur Widerlegung einer Zeugenaussage nur die Ablehnungsgründe des Absatzes 3 gelten. 1970 RG JW 1932 954; 1932 3626; BGH NJW 1961 280; OLG Hamm VRS 44 (1973) 116; OLG Koblenz VRS 49 (1976) 40; OLG Köln StV 2002 238; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1979 204; Alsberg JW 1931 1609; Alsberg/Güntge 1401; AK/Schöch 143; KMR/Paulus 482; Meyer-Goßner/Schmitt 78. 1971 BGH VRS 22 (1962) 204; OLG Celle MDR 1965 227; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1979 205; OLG Zweibrücken OLGSt N.F. § 17 OWiG Nr. 1; KMR/Paulus 482; Meyer-Goßner/Schmitt 78; a.A. OLG Koblenz VRS 48 (1975) 120; wohl auch StV 2013 553, 554, wo jedenfalls eine eingehende Begründung im Ablehnungsbeschluss gefordert wird; HK/Julius 54; vgl. auch die Bedenken bei Eb. Schmidt Nachtr. I 28; SK/Frister 229 f.; s. dazu ferner Eisenberg (Beweisrecht) 1454 ff., 1483, 2234 f. 1972 Alsberg/Güntge 1401; kritisch auch KK/Krehl 210. 1973 BGH bei Miebach/Kusch NStZ 1991 121; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Unerreichbarkeit 7; MeyerGoßner/Schmitt 78; Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner Vor § 59, 5 IRG; a.A. HK/Julius 53; SK/Frister 234; vgl. auch Basdorf StV 1995 314.

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3. Ablehnungsbeschluss. Im Ablehnungsbeschluss darf sich das Gericht nicht auf die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts oder allgemeine formelhafte Wendungen beschränken.1974 Vielmehr hat es darzulegen, warum es sich durch die Aufklärungspflicht nicht zur Einnahme des beantragten Augenscheins gedrängt gesehen hat. Nur hierdurch kann sich der Antragsteller in seinem weiteren Prozessverhalten auf die Sichtweise des Gerichts einstellen. Erst diese Begründung schafft auch die Grundlage für die eingeschränkte Prüfung des Revisionsgerichts, ob dem Tatrichter bei seiner der Ablehnung zugrunde liegenden antizipierenden Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind (hierzu und zur erweiterten Prüfung des Revisionsgerichts, wenn der Tatrichter das Unterlassen der Beweiserhebung nicht begründet, s. Rn. 48).

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4. Sitzungsniederschrift. Grundsätzlich ist als wesentliche Förmlichkeit nach § 273 nur die zum Gang der Hauptverhandlung gehörende Vornahme des Augenscheins als solche zu protokollieren, nicht aber auch dessen Ergebnis.1975 Nur wenn es im Sinne des § 273 Abs. 3 erforderlich ist, sind besondere Vorkommnisse während des Augenscheins oder dessen Ergebnis in der Sitzungsniederschrift festzuhalten.1976 Zum Nachweis der Vornahme eines Augenscheins (§ 274) muss das Protokoll nicht unbedingt das Wort „Augenschein“ verwenden. Es kann auch ein anderer Vermerk genügen, der erkennen lässt, dass das Gericht den im Protokoll zu bezeichnenden Gegenstand oder Ort in Augenschein genommen hat.1977 Es muss aber hinreichend deutlich sein, dass der Gegenstand Augenscheinsobjekt war und nicht nur Hilfsmittel bei der Vernehmung. Fehlt der Vermerk im Protokoll, ist nach § 274 davon auszugehen, dass kein Augenschein durchgeführt wurde.1978 Die Urteilsgründe sind nicht geeignet, den fehlenden Vermerk über die Vornahme des Augenscheins zu ersetzen.1979 VI. Ablehnung von Beweisanträgen auf Vernehmung eines Auslandszeugen (§ 244 Abs. 5 Satz 2) 1. Allgemeines

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a) Zweck der Regelung. Werden im Ausland zu ladende Personen als Zeugen benannt, so bereitet die Vorbereitung und Durchführung von deren Vernehmung, vor allem wenn der Beweisantrag erst in der Hauptverhandlung gestellt wird, mitunter erhebliche Schwierigkeiten. Auch wenn aufgrund des bisherigen Ergebnisses der Beweisaufnahme eine weiterführende Sachaufklärung durch Anhörung des Auslandszeugen nicht zu erwarten ist, greifen in diesen Fällen die Ablehnungsgründe des Absatz 3 Satz 2 wegen des für sie in unterschiedlichem Maße geltenden Verbots der Beweisantizipation oftmals nicht oder zumindest nicht sofort, so dass allein nach deren Maßstäben die Un-

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1974 KG NStZ 2007 480; Alsberg/Güntge 1445; Sarstedt DAR 1964 314; a.A. OLG Hamm VRS 7 (1954) 374 f.; KG GA 76 168; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1952 121. 1975 RGSt 26 278; 39 257; RG Recht 1908 Nr. 3367; 1911 Nr. 3883; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 495; OLG Bremen JR 1982 252 m. Anm. Foth; OLG Hamm NJW 1953 839; 1978 2406; GA 1973 281; OLG Köln NJW 1955 843; VRS 24 (1963) 61; OLG Neustadt VRS 28 (1965) 377; OLG Saarbrücken VRS 48 (1975) 211; vgl. bei § 273. 1976 OLG Hamm GA 1973 281. 1977 Vgl. etwa OLG Celle NdsRpfl. 1972 122 (Tachoscheibe sei mit Zeugen erörtert worden). 1978 OLG Bremen NJW 1981 2827; OLG Düsseldorf VRS 39 (1976) 277; OLG Hamm NJW 1953 839; 1978 2406; VRS 4 (1952) 602; 8 (1955) 370; 44 (1973) 117; 51 (1976) 45; StV 1984 457; OLG Köln VRS 24 (1963) 61; OLG Saarbrücken VRS 48 (1975) 211; vgl. bei § 274. 1979 OLG Hamm JMBlNW 1979 276; vgl. bei § 274.

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erreichbarkeit des Zeugen erst nach zeitraubenden Nachforschungen und unter Belastung des internationalen Rechtshilfeverkehrs oder die Unergiebigkeit seiner Aussage erst durch seine Vernehmung festgestellt werden kann.1980 Der Abschluss des Verfahrens kann sich dadurch erheblich verzögern. Um diesen Schwierigkeiten besser begegnen zu können,1981 gestattet der durch Art. 2 Nr. 4 des RpflEntlG vom 11.1.1993 in Absatz 5 angefügte Satz 2 die Ablehnung des Beweisantrags bei den im Ausland zu ladenden Zeugen schon dann, wenn das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen deren Vernehmung1982 zur Erforschung der Wahrheit nicht für erforderlich hält.1983 Der Gesetzgeber ging dabei davon aus, dass die Ablehnungsmöglichkeit zwar nur um den schmalen Bereich erweitert würde, um den die Ablehnungsgründe des bisher allein anwendbaren Absatzes 3 Satz 2 über die Aufklärungspflicht hinausreichen.1984 Er versprach sich dennoch eine Entlastung der Gerichte und eine Beschleunigung des Verfahrens, da zur Wahrheitserforschung undienliche Anträge nunmehr leichter abgelehnt werden können, vor allem wenn zweifelhaft ist, ob die Voraussetzungen für eine Ablehnung wegen Unerreichbarkeit oder wegen Verschleppungsabsicht sicher gegeben sind. b) Verhältnis zu Absatz 3 Satz 2. Die Ablehnungsgründe des Absatzes 3 Satz 2 blei- 353 ben neben dem Ablehnungsgrund des Absatzes 5 Satz 2 bestehen. Ein Beweisantrag, der einen Auslandszeugen benennt, kann daher nach Absatz 3 Satz 2 abgelehnt werden, wenn die Beweisbehauptung bedeutungslos oder das Beweismittel absolut ungeeignet ist, obwohl unter diesen Umständen die Aufklärungspflicht die Erhebung des angebotenen Zeugenbeweises nicht gebieten kann und daher auch die Zurückweisung des Antrags nach Absatz 5 Satz 2 offensteht. Rechtlich tatsächlich relevant sind die Ablehnungsgründe des Absatzes 3 Satz 2 aber nunmehr nur noch dann, wenn die Einvernahme des Auslandszeugen an sich zur Sachaufklärung erforderlich wäre, der Beweisantrag aber dennoch nach einer der dort genannten Ablehnungsalternativen zurückgewiesen werden kann; zu denken ist insbesondere an die Unerreichbarkeit des Zeugen oder die

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1980 Vgl. Böttcher/Mayer NStZ 1993 154; ferner Eisenberg (Beweisrecht) 267; Meyer-Goßner NJW 1993 499. 1981 Vgl. BGH NStZ 2014 531, 532. 1982 Dies gilt für Vernehmungen im In- wie im Ausland: BGH NJW 1998 3363; vgl. BTDrucks. 12 1217 S. 36; Böttcher/Mayer NStZ 1993 154; Meyer-Goßner NJW 1993 499. 1983 In der Begründung des Entwurfs des Bundesrats, BTDrucks. 12 1217 S. 35 f., wurde u.a. angeführt, dass das Gericht sich außerhalb seiner Pflicht zur Amtsaufklärung auf die Beweismittel beschränken sollte, die es aus seinem eigenen Hoheitsbereich herbeischaffen kann. Die Bundesregierung hielt in ihrer Stellungnahme BTDrucks. 12 1217 S. 67 das bisher geltende Recht für ausreichend, da es die modernen Kommunikationsmittel dem Richter ermöglichten, auch ohne nennenswerte Verfahrensverzögerungen die Erreichbarkeit der benannten Zeugen im Ausland festzustellen. Vgl. zur Entstehungsgeschichte Rose (Auslandszeuge) 501 ff.; Siegismund/Wickern wistra 1993 81; ferner zu der – schon vor dem Erlass umstrittenen – Neuregelung Asbrock ZRP 1992 13; Bandisch AnwBl. 1991 312; Basdorf StV 1995 313; Brause NJW 1992 2869; Fezer JZ 1996 658; Geppert Jura 1993 501; Gerst StV 2018 759 f., Gleß FS Eisenberg 506 ff. sowie MüKo/Trüg/Habetha 373 (im Wege teleologischer Reduktion auf Auslandszeugen aus der Europäischen Union bzw. aus dem „Schengen-Raum“ nicht anzuwenden; dagegen Alsberg/Güntge 1403 unter Verweis auf den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift); Günther FS Widmaier 253 ff. (Verstoß gegen Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK); Hamm 725 (Fremdkörper); Herdegen NJW 1996 27; ders. NStZ 1996 445 ff.; ders. FS Boujong 785; Johnigk FS Rieß 197; Kugler JurBüro 1991 1301; Meyer-Goßner NJW 1993 500; Perron (Beweisantrag) 269; Schlüchter RPflEntlG 47, 49; Schomburg/Klip StV 1993 210; Schoreit DRiZ 1991 404; Schulz StV 1991 354; Wenger 127 („quasi in ein ‚dogmatisches Wespennest‘ gestochen“); Werle JZ 1991 793; s. auch SK/Frister 235 ff. 1984 BTDrucks. 12 1217 S. 35 f.; wieweit daneben die mitunter missbräuchliche Benennung von Auslandszeugen zumindest unterschwellig die Änderung mitbestimmt hat, ist aus der Begründung nicht ersichtlich; vgl. Johnigk FS Rieß 197 ff.

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Wahrunterstellung der in sein Wissen gestellten Beweisbehauptung. Ansonsten ist Absatz 5 Satz 2 sachlich vorrangig.1985 Ist die Einvernahme des Zeugen zur Sachaufklärung entbehrlich, so erleichtert er die Ablehnung des Beweisantrags vor allem in den Fällen, in denen es naheliegt, dass ein Antrag nur in Verschleppungsabsicht gestellt wurde1986 oder in denen über die Erreichbarkeit erst nach Durchführung von umfangreichen Nachforschungen entschieden werden könnte.1987 2. Ablehnungsvoraussetzungen 354

a) Ladung im Ausland. Im Ausland zu ladende Zeugen sind alle Zeugen, deren Ladung im Ausland bewirkt werden muss, gleich, auf welchem Weg nach § 37 Abs. 1 i.Vm. § 183 ZPO1988 die Ladung im Ausland zu bewirken wäre1989 und ob dadurch die Teilnahme an der Hauptverhandlung oder im Wege der Rechtshilfe eine kommissarische Vernehmung im Ausland erreicht werden soll1990 oder ob angestrebt wird, dass der Zeuge an einem dafür geeigneten Ort im Ausland mittels einer zeitgleichen audiovisuellen Vernehmung aus der Hauptverhandlung heraus nach § 247a1991 angehört werden soll. Um eine Ladung im Ausland handelt es sich auch dann, wenn der Verteidiger des als Zeugen benannten Mitbeschuldigten Zustellungsvollmacht für diesen hat.1992

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b) Vernehmung durch Aufklärungspflicht nicht geboten. Alleiniges Kriterium dafür, ob ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen nach Absatz 5 Satz 2 abgelehnt werden kann, ist die Aufklärungspflicht des Gerichts.1993 Diese wird durch die Neuregelung nicht berührt, so dass die Beschränkung des Beweisantragsrechts auf den

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1985 Vgl. BGHSt 45 188, 189; zum Verhältnis der beiden Ablehnungsgründe zueinander vgl. außerdem BGH NJW 1998 3363; 2001 695, 696; s. aber auch Gleß JR 2002 98. 1986 BGH NJW 2001 695, 696; StV 1994 633; KK/Krehl 214; Rose NStZ 2012 26 f.; vgl. BGH StV 1994 635 m. Anm. Müller sowie BGH NStZ 2011 646 (Umdeutung der – nicht hinreichend begründeten – Ablehnung eines Beweisantrags wegen Verschleppungsabsicht in eine zulässige Zurückweisung nach Absatz 5 Satz 2). 1987 BGHSt 40 60, 62; BGH NJW 2004 3051, 3053; Herdegen FS Boujong 785; KK/Krehl 214. S. auch BGH NStZ 1997 286 (kein Beruhen des Urteils auf fehlerhafter Ablehnung des Beweisantrags wegen Ungeeignetheit des Beweismittels, weil der Tatrichter sicher auf Absatz 5 Satz 2 zurückgegriffen hätte, wäre er sich der Unanwendbarkeit des Ablehnungsgrunds der Ungeeignetheit bewusst gewesen). 1988 S. Rn. 253. 1989 A.A. Rademacher/Sell ZAP Fach 22 S. 531, soweit Ladung im Postwege möglich. 1990 Vgl. BTDrucks. 12 1217 S. 36; BGHSt 40 60 = NStZ 1994 351 m. Anm. Kintzi S. 448 = JZ 1995 209 m. Anm. Perron; BGH NJW 1998 3363; Böttcher/Mayer NStZ 1993 154; Meyer-Goßner NJW 1993 499. 1991 BGHSt 45 188, 189; BGH NJW 2001 695; NStZ 2014 531 f.; NStZ-RR 2015 278, 279; MeyerGoßner/Schmitt 78b; s. aber auch Gleß JR 2002 98, die die Nichtanwendbarkeit von § 244 Abs. 5 Satz 2 erwägt, wenn die Videosimultanvernehmung tatsächlich und rechtshilferechtlich möglich ist; ebenso Rademacher/Sell ZAP Fach 22 S. 531. Mangels Anhaltspunkten für einen dahin gehenden gesetzgeberischen Willen ist eine solche richterliche Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion jedoch abzulehnen; zutreffend KK/Diemer § 247a, 10. 1992 BGH NJW 2005 300, 304 (insoweit in BGHSt 49 317 nicht abgedruckt). 1993 BGHSt 40 60, 62 = NStZ 1994 351 m. Anm. Kintzi S. 448 = JZ 1995 209 m. Anm. Perron; BGH NJW 2001 695, 696; 2005 2322, 2323; NStZ 2002 653, 654 m. Anm. Julius; 2004 99, 100; 2007 349, 350; 2014 51 m. Anm. Heine; 2014 469, 471 m. Anm. Korte; 2014 531; 2017 96 f. m. Anm. Ventzke; NStZ-RR 1998 178; OLG Köln StraFo 2008 383. Die Verweisung in Absatz 5 Satz 2 auf Absatz 5 Satz 1 bedeutet nicht (so aber Roxin/Schünemann § 45, 29), dass die zu Satz 1 entwickelte Rechtsprechung zu den – engeren – Maßstäben, die für die Ablehnung von Beweisanträgen auf Augenscheinseinnahmen nach Maßgabe der Aufklärungspflicht gelten, auf Satz 2 zu übertragen sind; s. dazu die Scheinkontroverse BGH NStZ 1994 554; 1994 593; StV 1994 283, 284; außerdem etwa Alsberg/Güntge 1408 f.; Basdorf StV 1995 313; Hamm 728 ff.; Kintzi NStZ 1994 448; Perron JZ 1995 219; Rose NStZ 2012 23; Meyer-Goßner/Schmitt 78a; SK/Frister 238 ff.

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durch die Sachaufklärung gebotenen Umfang auch im Hinblick auf die Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.1994 Nach Absatz 5 Satz 2 darf die Ladung eines Zeugen im Ausland nur abgelehnt werden, wenn das Gericht aufgrund hinreichender Anhaltspunkte die sichere Überzeugung erlangt, dass durch die beantragte Einvernahme eine weiterführende und bessere Sachaufklärung nicht zu erwarten ist. Bei der Prüfung, ob die Aufklärungspflicht die Ladung eines benannten Zeugen im Ausland gebietet, sind – nach der in der Rechtsprechung entwickelten Formel – in einer Gesamtwürdigung neben dem Gewicht der Strafsache die Bedeutung und der Beweiswert des weiteren Beweismittels vor dem Hintergrund des Ergebnisses der bisherigen Beweisaufnahme einerseits1995 und der zeitliche und organisatorische Aufwand der Ladung und Vernehmung 1996 mit den damit verbundenen Nachteilen durch die Verzögerung des Verfahrens andererseits unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit abzuwägen.1997 Dem ist mit der Einschränkung zu folgen, dass das Gewicht der Strafsache wohl kaum ein zulässiges Abwägungskriterium sein kann; denn es lässt sich nur schwerlich rechtfertigen, eine für die Entscheidung an sich bedeutsame (ansonsten greift die Aufklärungspflicht nicht und könnte auch nach Absatz 3 Satz 2 vorgegangen werden) Zeugenaussage einzuholen, wenn dem Angeklagten ein schwerwiegendes Verbrechen zur Last liegt, dagegen hiervon abzusehen, wenn ihm lediglich ein leichteres Vergehen vorgeworfen wird.1998 Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung ist dem Gericht eine vorweggenommene Be- 356 weiswürdigung erlaubt.1999 Erlangt das Gericht die Überzeugung, dass die Ladung des Zeugen im Ausland für die Sachaufklärung unter keinem Gesichtspunkt notwendig ist, kann es daher den Beweisantrag ablehnen, so etwa, wenn es glaubt, dass die Richtigkeit der Beweisbehauptung durch andere Beweismittel sicher geklärt werden kann2000 oder dass der Zeuge die Beweisbehauptung nicht bestätigen werde oder dass selbst eine Bestätigung der Beweisbehauptung durch den Zeugen keinen Einfluss auf seine durch andere zuverlässige Beweismittel gewonnene sichere Überzeugung haben könne.2001 Das Ge-

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1994 BVerfG StV 1997 1 m. Anm. Kinzig, der im Hinblick auf Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK Bedenken hegt. 1995 BGH NStZ 2011 231; 2014 51 m. Anm. Heine; 2014 469, 471 m. Anm. Korte; NStZ-RR 2011 116, 117; StV 2018 780. 1996 BGH NStZ 2002 653, 654 m. Anm. Julius; 2011 231; 2014 469, 471 f. m. Anm. Korte; s. dazu auch Maatz FS Remmers 582; Rieß AnwBl. 1993 55; Schomburg/Klipp StV 1993 211; Meyer-Goßner/Schmitt 78b. 1997 BGH NJW 2001 695 f.; 2005 2322, 2323; NStZ 2002 653 m. Anm. Julius; OLG Köln StraFo 2008 383; speziell für die audiovisuelle Vernehmung vgl. Rose wistra 2001 291 f.; gegen die Heranziehung des Beschleunigungsgrundsatzes als Abwägungselement Fezer FS Widmaier 186. 1998 Abl. insoweit auch OLG Frankfurt StraFo 1998 271; MüKo/Trüg/Habetha 375; ebenfalls krit. Eisenberg (Beweisrecht) 268; Alsberg/Güntge 1408; KK/Krehl 213. 1999 BGHSt 40 60 = NStZ 1994 351 m. Anm. Kintzi S. 448 = JZ 1995 209 m. Anm. Perron; BGH NJW 1998 3363, 3364; 2001 695, 696; 2005 2322, 2323; NStZ 1994 554; 1994 593; 2007 349, 350; 2014 51 m. Anm. Heine; 2014 469, 471 m. Anm. Korte; 2014 531; 2017 96, 97 m. Anm. Ventzke; NStZ-RR 1998 178; 2011 116, 117; 2015 278, 279; StV 1994 283; 2018 780; StraFo 2010 155; BayObLGSt 1994 60; OLG Hamm StV 2005 542; OLG Köln StraFo 2008 383; Böttcher/Mayer NStZ 1993 155; Geppert Jura 1993 501; Johnigk FS Rieß 206 ff.; Meyer-Goßner NJW 1993 500; Rogall ZStW 105 (1993) 611; Rose (Auslandszeuge) 524 ff.; ders. NStZ 2012 23; Werle JZ 1991 793; Meyer-Goßner/Schmitt 78a; Pfeiffer 48; vgl. Rn. 49, 183; enger Herdegen FS Boujong 785; krit. Fezer FS II BGH 4 873 ff.; a.A. – aufgrund eines abweichenden Verständnisses der Aufklärungspflicht – SK/Frister 240 f., der eine antizipierende Beurteilung allein im Hinblick darauf, ob der Zeuge die Beweisbehauptung bestätigen wird, für zulässig hält. 2000 Böttcher/Mayer NStZ 1993 155; Meyer-Goßner NJW 1993 500. 2001 BGHSt 40 60; BGH NJW 2001 695; 2004 3051, 3053; NStZ 1997 286; 2014 469, 471 m. Anm. Korte; 2014 531; NStZ-RR 2011 116, 117; 2015 278, 279; StV 2018 780; StraFo 2010 155; BayObLGSt 1994 60; Rose NStZ 2012 23; krit. Schoreit DRiZ 1991 405.

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richt ist hierzu ebenso befugt wie sonst, wenn es im Rahmen seiner Aufklärungspflicht von Amts wegen über die Ladung eines Zeugen zu entscheiden hat. Das Gericht kann daher – wenn der Beweisantrag keine vernünftigen Zweifel hinsichtlich der Zuverlässigkeit des bisherigen Beweisergebnisses erweckt – im Einzelfall sogar dann die Einvernahme eines Auslandszeugen ablehnen, wenn dadurch die Aussage des von ihm vernommenen und für glaubwürdig erachteten einzigen Belastungszeugen widerlegt werden soll.2002 Der Hinweis auf das pflichtgemäße Ermessen stellt das Gericht insoweit aber auch nicht freier; denn jede Verletzung der durch § 244 Abs. 2 gebotenen Aufklärungspflicht überschreitet die Grenze dieses Ermessens.2003 Pflichtgemäß kann stets nur die Ermessensausübung sein, die die Aufklärungspflicht entsprechend den dafür allgemein geltenden Kriterien (vgl. dazu Rn. 47 ff.) im konkreten Einzelfall befolgt. Die vom Gesetzgeber mit Absatz 5 Satz 2 angestrebte Erleichterung für die Ablehnung eines Beweisantrags findet daher ihre Grenze in den nach der objektiven Verfahrenslage zu beurteilenden Erfordernissen der Aufklärungspflicht.2004 Generell wird die Einvernahme des Auslandszeugen eher dann veranlasst sein, 357 wenn er zu für den Schuldvorwurf zentralen Vorgängen benannt ist, das bisherige Beweisergebnis noch ungesichert erscheint und Zweifel am Wert der bisher erhobenen Beweise überwunden werden müssen,2005 während auf seine Anhörung eher verzichtet werden kann, wenn die bisherige Beweisaufnahme ein relativ gesichertes Beweisergebnis auf breiter Grundlage erbracht hat und der Zeuge lediglich zu indiziellen Vorgängen im Randgeschehen benannt ist.2006 Allgemein gültige Maßstäbe lassen sich allerdings nicht aufstellen; maßgeblich sind stets die Umstände des Einzelfalls.2007 Berücksichtigt werden kann bei der Abwägung etwa auch, ob der Zeuge voraussichtlich einer Ladung Folge leisten oder von einem ihm zustehenden Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen wird,2008 dass bereits eine Vernehmungsniederschrift über eine Aussage des Zeugen zum Beweisthema verlesen worden ist,2009 dass der Zeuge der Tatbeteiligung verdächtig ist und daher der Beweiswert seiner Aussage gering sein kann,2010 dass der zu erwartenden Aussage aus sonstigen Gründen kaum Glauben zu schenken sein würde.2011 Grundsätzlich kann in die antizipierende Würdigung auch einbezogen werden, dass der Beweisantrag auf Vernehmung des Auslandszeugen erst spät im Verfahren

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2002 Meyer-Goßner/Schmitt 78a; ferner Fezer JZ 1996 659 (bedenklich); kritisch auch Alsberg/Güntge 1409; KK/Krehl 212; a.A. MüKo/Trüg/Habetha 376. 2003 Vgl. BGH NStZ 2004 99; StV 2007 227; s. auch Herdegen NJW 1996 28. 2004 Dies folgt schon aus der Gesetzesbegründung BTDrucks. 12 121 S. 35 f.; für die gelegentlich geforderte weite Auslegung bleibt damit kein großer Raum; vgl. etwa Eisenberg (Beweisrecht) 267; Fezer JZ 1995 266; Johnigk FS Rieß 202 ff.; Maatz FS Remmers 582; Rieß AnwBl. 1993 55; Schomburg/Klip StV 1993 210; Siegismund/Wickern wistra 1993 86; HK/Julius 35; gegen eine zu weite Auslegung des subjektiven Ablehnungsermessens Perron (Beweisantragsrecht) 270. 2005 BGH NStZ 2007 349, 351; 2014 51 m. Anm. Heine (bisherige Belastung des Angeklagten im Wesentlichen nur durch eine nach Verfahrensabsprache verlesene Einlassung eines Mitangeklagten ohne die Möglichkeit, diesen konfrontativ zu befragen); 2014 531 f.; 2017 96, 97 m. Anm. Ventzke; StV 2018 780, 781. 2006 BGH NStZ 2007 349, 351; 2014 531 f.; bei Becker NStZ 2003 419; BGH StV 2018 780, 781; vgl. Maatz FS Remmers 586; Rieß AnwBl. 1993 55. 2007 BGH NStZ 2014 531; StV 2018 780, 781. 2008 BGH NStZ 2002 653, 654 m. Anm. Julius; 2014 51 m. Anm. Heine; 2014 469, 471 m. Anm. Korte; vgl. auch BGH StV 1994 470. 2009 BGH NJW 1998 3363, 3364; krit. Velten StV 2007 98. 2010 BGH NJW 2001 695, 696; BGH NStZ 2014 469, 472 m. Anm. Korte; BGH bei Kusch NStZ-RR 2001 132 f. 2011 BGH NJW 1998 3363, 3364; NStZ 2009 168, 169; StV 2010 556, 557.

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gestellt wurde;2012 dies gilt im Hinblick auf das Schweigerecht des antragstellenden Angeklagten jedoch dann nicht, wenn dieser sich bis dahin im Verfahren nicht zum Tatvorwurf geäußert hatte.2013 Wird dem Angeklagten eine Tat zur Last gelegt, die er im Ausland begangen haben soll, so ist für die Ablehnung nach § 244 Abs. 5 Satz 2 ein strengerer Maßstab anzulegen, da der Angeklagte in besonderem Maße darauf angewiesen ist, dass seine dort ansässigen Entlastungszeugen gehört werden;2014 denn aus dem Ausland stammen in derartigen Fällen regelmäßig auch die belastenden Beweismittel. 3. Freibeweisliche Ermittlungen. Zur Prüfung des Beweiswertes der beantragten 358 Zeugenaussage sowie der sonstigen für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen kann das Gericht im Wege des Freibeweises auf den Akteninhalt, vor allem auf etwaige frühere Aussagen des Zeugen, zurückgreifen, und es kann auch alle anderen hierfür geeigneten Erkenntnisquellen heranziehen.2015 Es darf auf jedem zulässigen Weg versuchen, sich formlos Klarheit darüber zu verschaffen, ob der Zeuge überhaupt geladen werden kann, einer Ladung Folge leisten oder sich auf ein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht berufen würde, ob von dem Zeugen überhaupt sachdienliche Angaben zu erwarten sind und ob etwaige seine Glaubwürdigkeit vermindernde Umstände vorliegen. Es ist nicht gehindert, ihn, sofern das möglich ist, selbst fernmündlich über sein Wissen zu befragen oder auch Erklärungen des Verteidigers oder anderer Personen über den Inhalt eines solchen Telefonats zu verwerten.2016 4. Ablehnungsbeschluss. Die Ablehnung des Beweisantrags erfordert einen förmli- 359 chen Gerichtsbeschluss nach Absatz 6 Satz 1, der in der Hauptverhandlung zu verkünden ist. Seine Begründung darf sich nicht in der formelhaften Wiederholung des Gesetzeswortlauts erschöpfen, sondern muss die für die Ablehnung wesentlichen Gesichtspunkte in ihrem tatsächlichen Kern nachvollziehbar darlegen.2017 Dazu sind die Grundlagen der bisherigen Beweisergebnisse – je nach Fallkonstellation in mehr oder weniger ausführlichem Umfang – darzulegen und es ist aufzuzeigen, aufgrund welcher Umstände die darauf aufbauende (vorläufige) Überzeugungsbildung des Gerichts durch das zu erwartende Ergebnis der Einvernahme des Auslandszeugen nicht in entscheidungserheblicher Weise beeinflusst werden könnte.2018 Für die Verfahrensbeteiligten muss ersichtlich sein, aus welchen Tatsachen und Erwägungen das Gericht die Einvernahme des im Ausland zu ladenden Zeugen als entbehrlich für die Erforschung der Wahrheit ansieht, damit vor allem auch der Angeklagte seine Verteidigung auf die durch die Ablehnung entstandene Verfahrenslage einrichten kann und dem Revisionsgericht die rechtliche Nachprüfung der antizipierenden Würdigung möglich ist.2019 Auf diese

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2012 BGH NJW 2005 300, 304 (insoweit in BGHSt 49 317 nicht abgedruckt); s. auch BGH NStZ 2011 231; kritisch Alsberg/Güntge 1408; a.A. MüKo/Trüg/Habetha 375; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 171. 2013 BGH NStZ 2009 705; 2014 531, 532; dazu Rose NStZ 2012 24. 2014 BGH wistra 2006 426, 428; Alsberg/Güntge 1412; KK/Krehl 213; vgl. auch BGHSt 55 11, 33 f.; BGH NStZ 2014 531, 532. 2015 BGH NJW 2005 2322, 2323; NStZ 2004 99, 100; NStZ-RR 1998 178; StV 2007 227. 2016 BGH NStZ 1995 244, 245; 2002 653, 654 m. Anm. Julius; Basdorf StV 1995 314; Johnigk FS Rieß 203; Pfeiffer 48; vgl. auch BGH NStZ 1985 375; Julius StV 1990 484; einschränkend Rose (Auslandszeuge) 549 f.; a.A. MüKo/Trüg/Habetha 377. 2017 BGHSt 40 60, 63 = NStZ 1994 351 m. Anm. Kintzi S. 448 = JZ 1995 209 m. Anm. Perron; BGH NStZ 2014 531; NStZ-RR 2011 116, 117; StV 2010 556, 557; StraFo 2010 155; OLG Hamm StV 2005 542, 543; Schulz StV 1991 357; SK/Frister 242; ausführlich Rose (Auslandszeuge) 558 ff. 2018 Vgl. BGH NStZ 2014 469, 471 m. Anm. Korte; StV 2018 780, 781 2019 BGHSt 40 60, 63 = NStZ 1994 351 m. Anm. Kintzi S. 448 = JZ 1995 209 m. Anm. Perron; BGH NJW 2001 695, 696; NStZ 1994 554; 1998 158; 2014 531; NStZ-RR 2011 116, 117; 2015 278, 279; StV 2010 556, 557;

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Rechtsprüfung ist das Revisionsgericht beschränkt; es darf die vorweggenommene Beweiswürdigung des Tatrichters nicht durch seine gegebenenfalls abweichende eigene Bewertung ersetzen.2020 Der ablehnende Beschluss bindet das Gericht insoweit, als es sich bei der Beweiswürdigung im Urteil nicht in Widerspruch zu den in seinem ablehnenden Beschluss angeführten Gründen setzen darf.2021 VII. Ablehnung von Beweisanträgen auf Verlesung eines Ausgangsdokuments (§ 244 Abs. 5 Satz 3) 359a

1. Allgemeines und Anwendungsbereich. § 32e erfasst drei Varianten, in denen zu Zwecken strafprozessualer Aktenführung Dokumente aus der Form, in der sie ursprünglich niedergelegt sind (Ausgangsdokumente; s. § 32e Abs. 1 Satz 1), in eine andere Verkörperung überführt werden, um sodann im weiteren Verfahren in der übertragenen Form verwendet und verwertet zu werden:2022 Bei elektronischer Aktenführung kann ein Papierdokument oder ein elektronisches Dokument, das nicht in dem Format der elektronischen Akte gespeichert ist, in das Format der elektronischen Akte übertragen werden; wird die Akte (noch) in Papierform geführt, kann ein elektronisches Dokument durch Ausdruck in die Papierform überführt werden.2023 Soll ein derart übertragenes Dokument in die Hauptverhandlung eingeführt werden, so kann es zu der Beanstandung kommen, dass dieses inhaltlich von dem Ausgangsdokument abweicht, und damit der Antrag verbunden sein, zum Beweis dessen das Ausgangsdokument zu verlesen. Allein für diesen Antrag auf Urkundsbeweis eröffnet § 244 Abs. 5 Satz 3 dem Gericht die Möglichkeit der Ablehnung, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen kein Anlass für Zweifel an der Übereinstimmung des Inhalts der beiden Dokumente besteht. Bezieht sich der Beweisantrag dagegen auf die Beschaffenheit des Ausgangsdokuments (Material, Farbe, Erhaltungszustand etc.), der durch Augenschein zu erfassen ist, so gilt § 244 Abs. 5 Satz 1.2024 In beiden Fällen ist Entscheidungsmaßstab für das Gericht sein pflichtgemäßes Ermessen. Während dieses in § 244 Abs. 5 Satz 1 hinsichtlich der Erforderlichkeit des Augenscheins indes in vollem Umfang eröffnet ist, schränkt § 244 Abs. 5 Satz 3 die Ermessensausübung auf die Beurteilung der Frage ein, ob Anlass zu Zweifeln an der inhaltlichen Übereinstimmung von Ausgangs- und übertragenem Dokument besteht, billigt dem Gericht also letztlich einen Beurteilungsspielraum zu. In beiden Fällen hat sich die „Ermessensausübung“ zwar an der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2) auszurichten.2025 Indes unterscheiden sich die Rechtsfolgen. Der Augenscheinsbeweis darf nach Satz 1 abgelehnt werden, wenn ihn das Gericht ohne Verstoß gegen die Aufklärungspflicht aus irgendeinem Grund als für die Entscheidungsfindung überflüssig erachtet.

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2018 780, 781; StraFo 2010 155; 2016 289; BayObLGSt 1994 60; OLG Hamm StV 2005 542; OLG Köln StraFo 2008 383; Eisenberg (Beweisrecht) 268; Herdegen NJW 1996 28; abl. Fezer FS II BGH 875. 2020 BGH NJW 1998 3363, 3364; 2005 2322, 2323; NStZ 2007 349, 350; NStZ-RR 2011 116, 117; StraFo 2010 155; s. aber auch BGH StV 2007 227; zur verfassungsrechtlichen Prüfung BerlVerfGH NJW 2004 1791. 2021 BGH NStZ-RR 1998 178; bei Kusch NStZ-RR 2001 132. 2022 Gesetz-Entw. der BReg, BTDrucks. 18 9416 S. 52. 2023 Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler § 32e, 1. Weiß (wistra 2018 251) mahnt für diesen Fall wegen der mit dem elektronischen Ausgangsdokument verbundenen Metadaten eine zurückhaltende Anwendung der Vorschrift an; indes erscheint fraglich, ob diese Daten überhaupt von Absatz 5 Satz 3 erfasst werden. 2024 S. Gesetz-Entw. der BReg, BTDrucks. 18 9416 S. 62; vgl. Meyer-Goßner/Schmitt 78c. 2025 Vor diesem Hintergrund sind die dogmatisch verfehlten (s. Rn. 110 ff.) Ausführungen im GesetzEntw. der BReg (BTDrucks. 18 9416 S. 62; ähnlich Meyer-Goßner/Schmitt 78c), wonach schon kein Beweisantrag, sondern nur ein nach der Aufklärungspflicht zu beurteilender „Beweisermittlungsantrag“ vorliege, wenn die mangelnde inhaltliche Übereinstimmung der beiden Dokumente ohne konkrete Anhaltspunkte „aufs Geratewohl“ behauptet werde, insoweit ohne rechtlichen Belang.

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Der Antrag auf Urkundsbeweis durch Verlesung des Ausgangsdokuments darf nach Satz 3 dagegen nur zurückgewiesen werden, wenn das Gericht nach den Maßstäben der Aufklärungspflicht keinen Anlass zu Zweifeln im dort beschriebenen Sinne sieht. Besteht dagegen ein solcher Anlass, so ist der Anwendungsbereich des Satzes 3 nicht eröffnet. Der Antrag kann dann nur aus einem der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 zurückgewiesen werden. Wird daher etwa im Beweisantrag konkret behauptet, dass das übertragene Dokument in einem bestimmten Punkt mit dem Ausgangsdokument nicht übereinstimmt, und hält es das Gericht für möglich, dass diese Behauptung zutreffen könnte, so kann es den Antrag auch dann nicht nach § 244 Abs. 5 Satz 3 ablehnen, wenn es den fraglichen Punkt als unerheblich für seine Entscheidung erachtet. Es muss dann auf den Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit nach § 244 Abs. 3 Satz 2 zurückgreifen. Allein die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 stehen auch in Rede, wenn der Antragsteller etwa durch Benennung des Verfassers des Ausgangsdokuments Zeugenbeweis dafür antritt, dass dieses in einem bestimmten Punkt einen anderen Inhalt hat als das übertragene Dokument; denn § 244 Abs. 5 Satz 3 findet – wie gesagt – allein auf den Antrag auf Urkundsverlesung des Ausgangsdokuments Anwendung. Nur insoweit hat dieser gegenüber § 244 Abs. 3 eigenständige Bedeutung. 2. Verfügbarkeit des Ausgangsdokuments. Sinnvollerweise kann ein Beweisan- 359b trag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments nur gestellt werden, wenn dieses für die Beweiserhebung in der Hauptverhandlung noch greifbar ist. Das ist stets der Fall, wenn das Ausgangsdokument als Beweismittel sichergestellt worden ist; denn für Beweismittel eröffnet § 32e Abs. 4 Satz 1 nicht die Möglichkeit der Vernichtung oder Löschung bereits sechs Monate nach der Übertragung gemäß § 32e Abs. 1 Satz 2. Anderes gilt jedoch für den gesamten sonstigen übertragenen Akteninhalt; denn insoweit dürfen alle Ausgangsdokumente bereits sechs Monate nach der Übertragung gelöscht bzw. vernichtet werden (§ 32e Abs. 4 Satz 1).2026 Dies bedeutet, dass etwa polizeiliche, staatsanwaltschaftliche oder richterliche Vernehmungsprotokolle, Observations- oder sonstige Ermittlungsberichte, Beschlagnahmeprotokolle, vorbereitende Sachverständigengutachten etc. als Ausgangsdokumente in amtlicher Speicherung oder Aufbewahrung gegebenenfalls nicht mehr zur Verfügung stehen. In diesem Fall ist das Ausgangsdokument grundsätzlich schon unerreichbar im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2, sodass an sich dieser Ablehnungsgrund greift. Es fragt sich indes, wie die Fälle zu beurteilen sind, in denen der Antragsteller vor der Löschung bzw. Vernichtung bei Besichtigung des Ausgangsdokuments (§ 32e Abs. 5) eine „Beweissicherung“ vorgenommen hat. So kann er das in Papierform vorliegende Ausgangsdokument kopiert, gescannt oder abfotografiert haben;2027 er wird auch als berechtigt anzusehen sein, von einem elektronisch gespeicherten Ausgangsdokument eine digitale Kopie zu ziehen oder zu verlangen.2028 Wie ist dann mit dem Antrag zu verfahren, die Kopie oder Fotografie des papierenen Ausgangsdokuments bzw. die digitale Kopie2029 oder den papierenen Ausdruck des elektronischen Ausgangsdokuments zum Beweis dafür zu verlesen, dass das in der Akte befindliche über-

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2026 Ob es tatsächlich Sinn macht, vor Abschluss des Verfahrens von dieser Möglichkeit aus „Kostenund Kapazitätsgründen“ (Gesetz-Entw. der BReg, BTDrucks. 18 9416 S. 54) Gebrauch zu machen, darf bezweifelt werden. 2027 Zur Befugnis des Besichtigungsberechtigten, Fotografien von Beweisstücken zu fertigen, s. MeyerGoßner/Schmitt § 147, 19; SK/Wolter § 147, 91. 2028 Zum Anspruch auf Überlassung von Kopien elektronisch gespeicherter TKÜ-Audiodateien s. Meyer-Goßner/Schmitt § 147, 19c f. m.w.N. 2029 Zur Verlesung digital gespeicherter Dokumente nach § 249 Abs. 1 s. Trüg StV 2016 343 ff.; MeyerGoßner/Schmitt § 249, 3.

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tragene Dokument inhaltlich nicht mit dem Ausgangsdokument übereinstimmt? Insoweit ist zunächst zu beachten, dass Kopien etc. von Originaldokumenten zum Beweis des Inhalts des Originals nur verlesbar sind, wenn im Strengbeweis festgestellt ist, dass die Kopie mit dem Original übereinstimmt.2030 Der Antragsteller muss demgemäß zunächst strengbeweislich (Zeugenbeweis?) belegen, dass die von ihm präsentierte Kopie mit dem nicht mehr vorhandenen Ausgangsdokument inhaltlich übereinstimmt. Nur wenn er damit Erfolg hat, ist überhaupt darüber zu befinden, ob dem Antrag nach Maßgabe des § 244 Abs. 5 Satz 3 nachzukommen ist. Gelingt ihm der Nachweis nicht oder lehnt das Gericht, obwohl er den Nachweis geführt hat, die Verlesung der Kopie nach § 244 Abs. 5 Satz 3 ab, so bleibt ihm allein noch der Antritt von Zeugenbeweis dazu, dass das übertragene Dokument in der Akte inhaltlich nicht mit dem nicht mehr verfügbaren Ausgangsdokument übereinstimmt (s. Rn. 359a). 359c

3. Zweifel an inhaltlicher Übereinstimmung. Ist das Ausgangsdokument noch greifbar, so wird es dem Antragsteller in der Regel nicht schwer fallen, beim Gericht Zweifel an der inhaltlichen Übereinstimmung von Ausgangs- und übertragenem Dokument zu wecken, so tatsächlich eine inhaltliche Differenz besteht. Denn unabhängig davon, ob es sich bei dem Ausgangsdokument um ein sichergestelltes Beweisstück oder ein Dokument anderer Art handelt, haben die zur Akteneinsicht Berechtigten hinsichtlich des gesondert von der Akte aufbewahrten oder gespeicherten Ausgangsdokuments ein Besichtigungsrecht (§ 32e Abs. 5 bzw. § 147 Abs. 1, § 406e Abs. 1). Sie können die Differenz daher konkret benennen, dokumentieren sowie dem Gericht hinreichend glaubhaft machen und damit gleichzeitig bei diesem die Zweifel säen, die die Anwendung des § 244 Abs. 5 Satz 3 ausschließen; eine Ablehnung des Beweisantrags auf Verlesung des Ausgangsdokuments kommt dann nur noch nach § 244 Abs. 3 Satz 2 in Betracht, etwa weil die behauptete fehlende inhaltliche Übereinstimmung der Dokumente einen Punkt betrifft, der für die Entscheidung ohne Bedeutung ist (s. Rn. 359a). Fehlt es dagegen an spezifiziertem Vorbringen des Antragsstellers, so wird das Gericht in der Regel keinen Anlass zu derartigen Zweifeln haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Dokumentenübertragung i.S.d. § 32e Abs. 2 nach dem „Stand der Technik“ vorgenommen worden ist2031 und die Dokumentationspflichten des § 32e Abs. 3 eingehalten worden sind. Es verbleiben dann am ehesten noch die Fälle, in denen sich aus dem übertragenen Dokument selbst Hinweise darauf ergeben, dass bei der Übertragung Fehler vorgekommen sein könnten. Ist dagegen zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung kein Zugriff auf das Ausgangsdokument mehr möglich, so gelten zunächst die in Rn. 359b dargelegten Grundsätze. Die Frage einer Urkundsverlesung oder des Absehens hiervon nach Maßgabe des § 244 Abs. 5 Satz 3 stellt sich hier erst, wenn feststeht, dass die vom Ausgangsdokument „gezogene Kopie“ an dessen Stelle verlesen werden könnte.

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4. Ablehnungsbeschluss. Die Ablehnung eines Beweisantrags auf Verlesung eines Ausgangsdokuments bedarf wie diejenige jedes sonstigen Beweisantrags eines Gerichtsbeschlusses (§ 244 Abs. 6 Satz 1), es sei denn es liegt ein Ausnahmefall nach § 244 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 vor oder der Antrag wurde nur hilfsweise gestellt (Rn. 157). Wird die Zurückweisung auf § 244 Abs. 5 Satz 3 gestützt, so hat das Gericht allein darzulegen, warum es keinen Anlass zu Zweifeln an der inhaltlichen Übereinstimmung von Ausgangs-

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2030 S. dazu m.w.N. Meyer-Goßner/Schmitt § 249, 6. 2031 Vgl. die Technische Richtlinie des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zum „rechtssichernden ersetzenden Scannen“ (TRRESISCAN); s. Gesetz-Entw. der BReg, BTDrucks. 18 9416 S. 53.

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dokument und übertragenem Dokument gesehen hat; denn dies ist der nach dieser Vorschrift einzig eröffnete Ablehnungsgrund. Dabei kann es sich umso knapper fassen, je unspezifizierter die behauptete Differenz zwischen den beiden Dokumenten im Antrag dargelegt worden ist. Hat der Antragsteller dagegen seine Behauptung näher unterlegt (s. Rn. 359c), so ist im Einzelnen auszuführen, aus welchen Gründen dies dennoch beim Gericht zu keinen Zweifeln an der inhaltlichen Übereinstimmung der beiden Dokumente geführt hat. Stützt das Gericht die Ablehnung des Antrags auf einen der Zurückweisungsgründe des § 244 Abs. 3, so sind die insoweit jeweils geltenden Anforderungen an die Begründung des Ablehnungsbeschlusses zu beachten. VIII. Ablehnung verfristeter Beweisanträge (§ 244 Abs. 6 Satz 2 bis 4) 1. Allgemeines. Mit der Einführung von § 244 Abs. 6 Satz 2 bis 42032 verfolgte der Ge- 359e setzgeber das Ziel, Verfahrensverzögerungen durch sukzessiv gestellte Beweisanträge zu verhindern, wenn sich der „Verdacht aufdrängt“, dass die zu erwartenden Anträge das Verfahren „nicht befördern“.2033 Die Gesetz gewordene Regelung zieht hierzu einzelne Versatzstücke (Fristsetzung für Beweisanträge; Bescheidung verfristeter Anträge erst im Urteil) aus einem Beschluss heran, in dem der BGH ein Entscheidungsmodell entworfen hatte, durch das rechtsmissbräuchlichen Versuchen begegnet werden sollte, die Verkündung eines Urteils zu verhindern, indem das Gericht zur Bescheidung massenhaft gestellter Beweisanträge in der Hauptverhandlung genötigt wird, die von vornherein nicht mit dem Ziel weiterer Beweiserhebung angebracht werden.2034 Weitere Facetten dieses Modells hat er dagegen nicht übernommen. Damit lässt § 244 Abs. 6 Satz 2 bis 4 das Beweisantragsrecht der Verfahrensbeteiligten, die gesetzlichen Ablehnungsgründe, die Bescheidungspflicht des Gerichts und – selbstverständlich – auch dessen Aufklärungspflicht unberührt.2035 Dem Gericht wird lediglich die Möglichkeit eröffnet, verfristete Beweisanträge erst in den Urteilsgründen zu verbescheiden, sodass der Antragsteller die Gründe für deren Ablehnung – ähnlich wie bei hilfsweise gestellten Anträgen (s. Rn. 157) – nicht mehr in der Hauptverhandlung erfährt und damit sein Prozessverhalten, etwa in der Form von Erklärungen, Stellungnahmen oder weiterer Anträge, nicht an den Ablehnungsgründen ausrichten kann. Für das Verhältnis des § 244 Abs. 6 Satz 2 bis 4 zu den in der Rechtsprechung des 359f BGH entwickelten Fristenmodellen gilt: Die in Rn. 283, 359e angesprochene Entscheidung zur Bewältigung rechtsmissbräuchlich massenhaft und sukzessive gestellter Anträge2036 dürfte durch die gesetzliche Regelung überholt sein. Das Gesetz lässt jetzt eine Fristsetzung unter wesentlich geringeren Voraussetzungen zu, als sie dort postuliert wurden, und verlangt auch keinen vorweggenommenen Hinweis bei der Fristsetzung darauf, aus welchen Gründen verfristete Anträge in den Urteilsgründen abgelehnt werden (s. dazu auch Rn. 283). Dagegen behält das insb. in BGHSt 52 355 im Zusammenhang

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2032 Ablehnend zu der gesetzlichen Neuregelung Börner StV 2016 681 ff.; ders. JZ 2018 232 ff.; Hamm StV 2018 528 ff.; Schlothauer FS Fischer 819 ff.; zurückhaltend Kudlich JR 2016 522 f.; Singelnstein/Derin NJW 2017 2651; SSW/Sättele 129; befürwortend Radtke DRiZ 2017 191. 2033 Gesetz-Entw. der BReg., BTDrucks. 18 11277 S. 34 f.; s. auch den Bericht der Expertenkommission S. 143 ff. und den Referentenentwurf des BMJV (Stand: 27.5.2016) S. 41 f. 2034 BGH NJW 2005 2466 ff.; s. dazu näher Rn. 283. 2035 SSW/Sättele 129; Krehl FS Fischer 705, 715; vorzugswürdig wäre es demgegenüber gewesen, verfristete Beweisanträge – ebenso wie solche auf Augenscheinseinnahme, Vernehmung von Auslandszeugen und Verlesung von Ausgangsdokumenten (s. § 244 Abs. 5) – der Beurteilung des Gerichts allein nach den Maßstäben der gesetzlichen Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2) zu unterstellen. 2036 BGH NJW 2005 2466.

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mit dem Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht entwickelte Fristenmodell (s. Rn. 273) weiterhin seine Bedeutung;2037 denn es befasst sich mit einem anderen Verfahrensaspekt und zeitigt unterschiedliche Rechtsfolgen. Während § 244 Abs. 6 Satz 2 bis 4 sich nicht auf die inhaltlichen Voraussetzungen der gesetzlichen Ablehnungsgründe bezieht und (lediglich) die Verlagerung der Verbescheidung verfristeter Anträge vom Ablehnungsbeschluss nach § 244 Abs. 6 Satz 1 in die Urteilsgründe ermöglicht, dient das Fristenmodell von BGHSt 52 355 der inhaltlichen Konturierung des Ablehnungsgrundes der Verschleppungsabsicht, indem es aus der unentschuldigten Verfristung des Antrags ein Indiz für das Vorliegen dieser Absicht herleitet, ohne an dem Erfordernis etwas zu ändern, dass der Antrag gemäß § 244 Abs. 6 Satz 1 in der Hauptverhandlung abgelehnt werden muss. Diese verschiedenen Regelungsgegenstände müssen in der Praxis berücksichtigt und die unterschiedlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen der beiden Modelle beachtet werden. 2. Fristsetzung (Absatz 6 Satz 2). Nach dem Wortlaut des § 244 Abs. 6 Satz 2 ist Voraussetzung der Fristsetzung lediglich, dass die von Amts wegen vorgesehene Beweisaufnahme abgeschlossen ist.2038 Darüber hinaus werden jedoch auch alle Beweiserhebungen durchgeführt worden sein müssen, die das Gericht allein aufgrund entsprechender Beweisanträge der Verfahrensbeteiligten angeordnet hat, und auch deren weitergehende Anträge verbeschieden sein müssen, denen das Gericht aus einem der in § 244 Abs. 3 bis 5 genannten Gründen nicht nachkommt;2039 denn nur dann finden die Antragsberechtigten einen auch aus Sicht des Gerichts abgeschlossenen Verfahrensstand vor, auf dessen Grundlage sie entscheiden können, ob und mit welcher Zielrichtung sie in der gesetzten Frist weitere Beweisanträge anbringen. Bei anderer Handhabung wäre eine spätere erneute Fristsetzung nach der weiteren Beweisaufnahme bzw. der Antragsablehnung kaum je zu vermeiden (s. Rn. 359l).2040 Da das Gesetz keine weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen für die Fristsetzung 359h nennt,2041 kann der vom Gesetzgeber mit der Regelung verfolgte Zweck, erwartbaren Verfahrensverzögerungen aufgrund dysfunktionaler Beweisanträge entgegenzuwirken, allein für die Ausübung des dem Vorsitzenden insoweit eingeräumten Ermessens leitend sein. Es wird daher als ermessensmissbräuchlich anzusehen sein, wenn die Frist ohne Anlass sozusagen standardmäßig gesetzt wird.2042 Vielmehr wird man zumindest verlangen müssen, dass durch das bisherige Verhalten eines Verfahrensbeteiligten eine gewisse Wahrscheinlichkeit im Sinne eines sich „aufdrängenden Verdachts“ (s. Rn. 359e) dafür besteht, dass mit derartigen dysfunktionalen Beweisanträgen zu rechnen ist.2043 Dabei wird auch zu bedenken sein, dass die Fristsetzung gegen alle Verfahrensbeteiligten gleichermaßen wirkt (Rn. 359k), also auch gegenüber denjenigen, die durch ihr Verhalten keinen Anlass für die Fristsetzung gegeben haben. Wo die Grenze des Ermessens verläuft, entzieht sich allgemeinverbindlicher Definition. Es wird Aufgabe der künf359g

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2037 Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt 96; Krehl FS Fischer 708; a.A. Börner JZ 2018 238; zurückhaltender noch ders. StV 2016 683 (Modell wird „tatsächlich leerlaufen“); unklar Kudlich JR 2016 522 f. 2038 Ablehnend Hamm StV 2018 529 ff.; kritisch auch Schlothauer FS Fischer 823. 2039 Vgl. Mosbacher NStZ 2018 10; s. auch Hamm StV 2018 530 f.; Krehl FS Fischer 709; Schlothauer FS Fischer 823 f. 2040 Vgl. Schlothauer FS Fischer 823 f. 2041 Kritisch dazu Hamm StV 2018 531 f.; Börner JZ 2018 235 f. 2042 Vgl. Schlothauer FS Fischer 826; Singelnstein/Derin NJW 2017 2651; Meyer-Goßner/Schmitt 95a; SSW/Sättele 129. 2043 Mosbacher NStZ 2018 10 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 95a; SSW/Sättele 129; s. auch Hamm StV 2018 531 f.; sehr restriktiv Krehl FS Fischer 709 f.

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tigen ober- und höchstgerichtlichen Rechtsprechung sein, insoweit zumindest gewisse Leitlinien für die Ermessensausübung zu formulieren. Zuständig für die Fristsetzung ist der Vorsitzende. Tragfähige Gründe dafür, hiermit 359i sofort den gesamten Spruchkörper zu befassen, bestehen nicht.2044 Der Vorsitzende hat die Verfahrensbeteiligten zuvor anzuhören (§ 33 Abs. 1).2045 Schon weil gegen seine Anordnung auf Entscheidung des Gerichts angetragen werden kann (§ 238 Abs. 2), wird er diese zumindest knapp begründen müssen, damit die Verfahrensbeteiligten sinnvoll darüber befinden können, ob sie eine Entscheidung des Spruchkörpers herbeiführen sollen.2046 Diese Begründung muss allein die Umstände umreißen, die für die Fristsetzung maßgeblich sind. Nicht etwa hat er, soweit möglich, antizipierend auf die möglichen Ablehnungsgründe hinzuweisen, die für die Zurückweisung verfristeter Anträge in den Urteilsgründen in Betracht kommen,2047 weil nur auf diese Weise auch für solche (verfristeten) Beweisanträge die Möglichkeit der Bescheidung erst in den Urteilsgründen eröffnet werde, deren Zurückweisung nicht lediglich die „Erstreckung eines bereits bekannt gegebenen Ablehnungsgrundes“ auf eine neue Beweisbehauptung beinhaltet (s. auch Rn. 359o). Ein derartiges – ersichtlich aus BGH NJW 2005 2466 ff. entlehntes – Vorgehen lässt sich insbesondere nicht aus § 265 Abs. 2 Nr. 3 herleiten;2048 es wird erkennbar mit dem Ziel postuliert, § 244 Abs. 6 Satz 2 bis 4 weitgehend leerlaufen zu lassen, und würde den gesetzgeberischen Willen und den Zweck der Vorschrift geradezu konterkarieren, durch die Bekanntgabe der Ablehnungsgründe erst im Urteil weitere dysfunktionale Verfahrensweisen möglichst zu unterbinden. Auch eines Hinweises auf die Folgen der Nichtwahrung der Frist bedarf es regelmäßig nicht.2049 Ein solcher ist gesetzlich nicht vorgesehen; lediglich aus der gerichtlichen Fürsorgepflicht kann sich im Einzelfall etwas anderes ergeben. Die Frist muss angemessen sein. Die Höchstgrenze bilden notwendigerweise die 359j zulässigen Unterbrechungsfristen des § 229, da andernfalls die Hauptverhandlung ausgesetzt werden müsste. Da Beweisanträge nur in der Hauptverhandlung wirksam gestellt werden können, ist der Tag des Fristablaufs außerdem auf einen Hauptverhandlungstermin zu legen.2050 In diesem Rahmen hängt es von der Dauer und der Komplexität des Verfahrens ab, wie lange die Frist zu bemessen ist. Sie ist so zu bestimmen, dass den Antragsberechtigten eine diesen Umständen angemessene Zeitspanne zur Beratung und Formulierung effektiver, verfahrensfördernder Anträge bleibt.2051 Die Frist wirkt für alle Antragsbefugten, nicht nur gegen denjenigen, der Anlass 359k zur Fristsetzung gegeben hat.2052 Ansonsten bestünde die Gefahr, dass allein wegen der Ablehnung oder der Befolgung von Beweisanträgen anderer Verfahrensbeteiligter, die

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2044 Krehl FS Fischer 708; a.A. Börner JZ 2018 238 vor dem Hintergrund der von ihm postulierten „qualifizierten Fristsetzung“; dazu sogleich. 2045 Krehl FS Fischer 713 f.; Schlothauer FS Fischer 825 f. 2046 Mosbacher NStZ 2018 11; s. auch Krehl FS Fischer 708. 2047 So aber Börner JZ 2018 234 ff.; s. auch Krehl FS Fischer 215 ff. 2048 Soll etwa ein antizipierender Hinweis auf eigene Sachkunde (§ 244 Abs. 4 Satz 1) nötig sein, weil möglich ist, dass der bisher schweigende Angeklagte innerhalb der Frist Sachverständigenbeweis dafür antreten könnte, er sei zur Tatzeit schuldunfähig oder vermindert schuldfähig gewesen? Soll spekulativ darauf hingewiesen werden, ein vom Angeklagten eventuell nach Fristablauf benannter Alibizeuge, könne gegebenenfalls ein völlig ungeeignetes Beweismittel sein oder es komme Verschleppungsabsicht in Betracht? 2049 A.A. Schlothauer FS Fischer 826. 2050 Mosbacher NStZ 2018 11; Meyer-Goßner/Schmitt 95b. 2051 Krehl FS Fischer 713; Mosbacher NStZ 2018 11; Schlothauer FS Fischer 825; Singelnstein/Derin NJW 2017 2651; Meyer-Goßner/Schmitt 95b; SSW/Sättele 129. 2052 Mosbacher NStZ 2018 11.

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befugt erst nach Fristablauf gestellt werden, gestaffelt mehrfach hintereinander neue Fristen gesetzt werden müssen (Rn. 359l), was dem Gesetzeszweck zuwiderliefe. 359l

3. Wiederholte Fristsetzung. Tritt das Gericht nach Fristsetzung wieder in die Beweisaufnahme ein, egal ob durch einen verfristet oder fristgemäß gestellten Antrag oder die Aufklärungspflicht hierzu veranlasst, so bedarf es für die erneute Ingangsetzung des Mechanismus nach § 244 Abs. 6 Satz 2 bis 4 einer nochmaligen Fristsetzung.2053 Diese wirkt indes nur für Beweisanträge, die an das Ergebnis dieser weiteren Beweisaufnahme anknüpfen und auf diese aufbauen. Nicht etwa wird durch die neue Fristsetzung die zunächst gesetzte Frist wirkungslos mit der Folge, dass Beweisanträge, die in der Ursprungsfrist hätten gestellt werden können, nunmehr in der Hauptverhandlung durch Beschluss nach § 244 Abs. 6 Satz 1 zu verbescheiden wären, so sie nur während des Laufs der neuen Frist angebracht werden.2054 Allerdings kann es insoweit durchaus zu Abgrenzungsproblemen kommen. Stellen sich solche, so sollte dies bei der Ermessensentscheidung nach § 244 Abs. 6 Satz 3 bedacht und im Zweifel durch Beschluss nach § 244 Abs. 6 Satz 1 entschieden werden. Eine ähnliche Problematik kann sich im Übrigen stellen, wenn das Gericht einen verfristet gestellten Antrag nicht in den Urteilsgründen bescheidet, sondern nach § 244 Abs. 6 Satz 1 durch Beschluss in der Hauptverhandlung zurückweist und sich hierdurch eine neue Sachlage ergibt. 4. Behandlung verfristeter Beweisanträge (Absatz 6 Satz 3 und 4)

a) Anträge, die vor Fristablauf möglich waren, können im Urteil beschieden werden (Satz 3 Halbsatz 1). Sie dürfen daher nicht im Sinne einer Präklusion unbeachtet bleiben oder allein nach den Maßstäben der Aufklärungspflicht vom Gericht geprüft werden (s. Rn. 359e). Vielmehr können sie nur zurückgewiesen werden, wenn einer der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 bis 5 dies erlaubt. Dabei ist kein Ablehnungsgrund ausgeschlossen, auch nicht derjenige der Verschleppungsabsicht,2055 für den bei Hilfsbeweisanträgen, die ebenfalls erst in den Urteilsgründen verbescheiden werden müssen, grundsätzlich anderes gilt (s. Rn. 158). Die Besonderheit besteht somit allein darin, dass der Antragsteller und die übrigen Verfahrensbeteiligten als Folge der vermeidbaren Fristversäumung die Ablehnungsgründe erst mit dem schriftlichen Urteil erfahren. Zur Darstellung der Ablehnungsgründe im Urteil und der im Einzelfall bestehenden Möglichkeit des Revisionsgerichts, in zulässiger Weise einen vom Tatgericht angenommenen Zurückweisungsgrund durch einen anderen zu ersetzen, kann auf die entsprechenden Ausführungen zur Ablehnung von Hilfsbeweisanträgen verwiesen werden.2056 Im Urteil ist auch darzulegen, aus welchen Gründen das Tatgericht Vorbringen des Antragstellers zur Unmöglichkeit fristgerechter Antragstellung für unzureichend oder nicht hinreichend glaubhaft gemacht erachtet; denn nur dann kann das Revisionsgericht auf entsprechende Rüge prüfen, ob insoweit Rechtsfehler vorgekommen sind. Es stellt sich die Frage, ob das Tatgericht durch die Möglichkeit, über verfristete Be359n weisanträge erst im Urteil zu befinden, auch der Obliegenheit enthoben ist, den Antragsteller auf Mängel des Beweisbegehrens hinzuweisen, die diesem gegebenenfalls

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2053 Gesetz-Entw. der BReg., BTDrucks. 18 11277 S. 35; Mosbacher NStZ 2018 14; Schlothauer FS Fischer 827; Meyer-Goßner/Schmitt 99; SSW/Sättele 129. 2054 Mosbacher NStZ 2018 14; Meyer-Goßner/Schmitt 99; a.A. Krehl FS Fischer 717; dem auch zuneigend Börner JZ 2018 239. 2055 SSW/Sättele 129. 2056 Rn. 159, 379; s auch Mosbacher NStZ 2018 14; Meyer-Goßner/Schmitt 96.

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schon den Charakter eines Beweisantrags nehmen und zur Folge haben können, dass der Antrag in den Urteilsgründen nicht nach den Maßstäben des § 244 Abs. 3 bis 5, sondern lediglich als Beweisermittlungsantrag oder Beweisanregung abzuhandeln wäre.2057 Für den Hilfsbeweisantrag ist die herrschende Meinung mit Recht anderer Auffassung (s. Rn. 155). Zwar kann dies nicht unbesehen auf verfristete Anträge übertragen werden. Denn während der Antragsteller beim Hilfsbeweisantrag freiwillig allein auf dessen Verbescheidung in der Hauptverhandlung verzichtet, nicht aber auf den aus der Fürsorgepflicht des Gerichts bzw. dem Fair-Trial-Gedanken entspringenden Anspruch darauf, dass zwischen ihm und dem Antragsadressaten Gericht Einvernehmen über den Inhalt des Antrags hergestellt wird sowie behebbare Mängel dialogisch ausgeräumt werden, erhält das Gericht beim verfristeten Antrag durch das Gesetz die Möglichkeit, den formalisierten Dialog in der Form von Antragstellung und -bescheidung in der Hauptverhandlung abzubrechen. Daraus könnte abgeleitet werden, dass der Antragsteller wegen der vermeidbaren Fristversäumung auch das Risiko der Mangelhaftigkeit seines Antrags und der daraus resultierenden Folgen zu tragen hat. Dennoch dürften die besseren Gründe für die gegenteilige Ansicht sprechen.2058 Das Gesetz will dysfunktionalen Anträgen entgegenwirken, nicht aber Beweisaufnahmen wegen ungeschickter Antragstellung unterbinden, die der Antragsteller trotz Fristversäumung erzwingen könnte, da keiner der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 bis 5 eingreift. Es steht im Ermessen des Gerichts, ob es den verfristeten Antrag erst im Urteil be- 359o scheidet. Im Sinne eines zügigen Verfahrensabschlusses wird es regelmäßig von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Bei seiner Ermessensausübung muss es andererseits aber auch die ihm durch sonstige Verfahrensbestimmungen gesetzten Grenzen beachten. Insoweit ist jetzt insbesondere § 265 Abs. 2 Nr. 2 von Bedeutung, wonach das Gericht einen Hinweis an die Verfahrensbeteiligten zu geben hat, wenn es von einer – etwa im Rahmen der Erörterung des Verfahrensstandes (§ 257b) – mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will. Dies hat im Bereich des Beweisantragsrechts insbesondere auch dann Bedeutung, wenn die Begründung, mit der das Gericht einen verfristeten Beweisantrag ablehnen möchte, in Widerspruch zu der Begründung treten würde, mit der es einen oder mehrere frühere Beweisanträge zurückgewiesen hat.2059 Aber auch schon vor der Einführung des § 265 Abs. 2 Nr. 2 war anerkannt, dass die Urteilsgründe nicht in Widerspruch zu den Gründen stehen dürfen, mit denen das Gericht Beweisanträge in der Hauptverhandlung abgelehnt hat (s. Rn. 138 f.), und es in der Hauptverhandlung darauf hinweisen muss, wenn es die Zurückweisung eines Beweisantrags nachträglich auf eine andere als die zunächst gegebene Begründung stützen will (Rn. 144). Es ist daher nicht zulässig, den Antragsteller und die anderen Verfahrensbeteiligten in dem Urteil mit Ausführungen zur Ablehnung eines nach Fristablauf gestellten Beweisantrags zu überraschen, die in Widerspruch zu Einschätzungen der Sachoder Rechtslage stehen, die das Gericht in der Hauptverhandlung geäußert hat; der Antrag ist daher gemäß § 244 Abs. 6 Satz 1 durch Beschluss in der Hauptverhandlung zu bescheiden. Dagegen ist die Ermessensausübung des Gerichts nicht durch § 265 Abs. 2 Nr. 3 in der Weise eingeschränkt, dass eine Bescheidung des verfristeten Beweisantrags in den Urteilsgründen nur in Betracht kommt, wenn es sich „um die Erstreckung bereits bekannt gegebener Ablehnungsgründe handelt“.2060

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2057 So Mosbacher NStZ 2018 13. 2058 SSW/Sättele 129. 2059 S. dazu Börner JZ 2018 234 f.; Krehl FS Fischer 716; vgl. auch Mosbacher NStZ 2018 13. 2060 So aber Börner JZ 2018 236 f. sowie Krehl FS Fischer 716 f., die Derartiges aus § 265 Abs. 2 Nr. 3 ableiten wollen; s. dazu schon Rn. 359i.

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b) Anträge, die nicht vor Fristablauf möglich waren (Satz 3 Halbsatz 2), sind gemäß § 244 Abs. 6 Satz 1 in der Hauptverhandlung zu bescheiden. Während in dem Bericht der Expertenkommission 2061 und dem Referentenentwurf des BMJV 2062 insoweit noch darauf abgestellt worden war, dass der Antragsteller die Fristversäumung „hinreichend entschuldigt“, knüpft die gesetzliche Regelung nunmehr daran an, dass es nicht möglich war, den Beweisantrag früher zu stellen. Verschuldensaspekte bleiben damit außer Betracht. Es sind kaum Fälle denkbar, in denen es dem Antragsteller objektiv unmöglich war, den Beweisantrag vor Fristablauf zu stellen. In aller Regel wird es vielmehr um die Frage des subjektiven Unvermögens des Antragstellers gehen, sein Beweisbegehren früher anzubringen.2063 Zu denken ist in erster Linie daran, dass ihm ein Beweismittel erst nachträglich bekannt wird oder sich eine Beweisthematik aufgrund einer nach Fristablauf eintretenden Änderung der Sachlage (weitere Beweiserhebung; Ablehnung vor Fristablauf gestellter Beweisanträge)2064 nunmehr unerwartet als entscheidungsrelevant herausstellt (zur erneuten Fristsetzung in derartigen Fällen s. Rn. 359l). Nicht hierunter fällt jedoch eine reine Änderung der Verteidigungstaktik. Wenn sich der Angeklagte bis zum Abschluss des gerichtlichen Beweisprogramms (s. Rn. 359g) und Ablauf der gesetzten Frist mit einer Alibibehauptung verteidigt oder zum Tatvorwurf schweigt, so kann er nicht verlangen, dass das Gericht verfristete Beweisanträge, mit denen er etwa ein Handeln in Notwehr oder mit erheblich verminderter Schuldfähigkeit zu belegen sucht, gemäß Absatz 6 Satz 1 in der Hauptverhandlung bescheidet. Problematisch für die Beurteilung des subjektiven Unvermögens früherer An359q tragstellung sind die Fälle, in denen mehrere potentielle Antragsteller, die im Prozess funktional eine gemeinsame Interessenposition einnehmen, aber eigenständige Antragsbefugnisse innehaben, sich erst nach Fristablauf über weitere beweisrelevante Umstände informieren.2065 Kann sich etwa der Verteidiger oder der Nebenklägervertreter darauf berufen, sein Mandant habe ihn trotz früherer Kenntnis erst nach Fristablauf von der Existenz eines weiteren, für die Klärung des Tatvorwurfs relevanten Beweismittels unterrichtet, was zur Folge hätte, dass ein darauf basierender Beweisantrag des Verteidigers oder Nebenklägervertreters nur gemäß § 244 Abs. 6 Satz 1 abgelehnt werden dürfte, während ein entsprechender Beweisantrag des jeweiligen Mandanten nach § 244 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 in den Urteilsgründen beschieden werden könnte? Die je eigenständige Antragsbefugnis streitet zwar für dieses Ergebnis.2066 Damit ist aber die Möglichkeit missbräuchlichen Taktierens eröffnet, die die gesetzliche Regelung gerade ausschließen will. Dies wird es zumindest erfordern, in derartigen Fällen hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung (Absatz 6 Satz 4) zu stellen. Im Falle ersichtlich kollusiven Verhaltens wird ausnahmsweise auch eine gegenseitige Zurechnung der jeweiligen Kenntnisse in Betracht zu ziehen sein.2067 Der erst nachträglich während laufender Hauptverhandlung in das Verfahren eintretende Verteidiger muss sich dagegen über den Verfahrensstand unterrichten. Unterlässt er dies, so kann er sich nicht darauf berufen,

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2061 S. 144. 2062 Stand 27.5.2016 S. 42. 2063 Nach Hamm StV 2018 532 sollen an Begründung und Glaubhaftmachung der „Unmöglichkeit“ fristwahrender Antragstellung keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Sie soll etwa schon dann anzunehmen sein, wenn das Gericht die Entscheidung über frühere Beweisanträge zurückgestellt hat; in diesen Fällen ist aber schon die Fristsetzung nicht statthaft (s. Rn. 359g). 2064 Vgl. Mosbacher NStZ 2018 12; Meyer-Goßner/Schmitt 97. 2065 S. dazu Mosbacher aaO. 2066 S. Krehl FS Fischer 718. 2067 Vgl. Mosbacher aaO; Meyer-Goßner/Schmitt 97.

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vor Fristablauf nicht zur Antragstellung in der Lage gewesen zu sein.2068 Anders liegt es von vornherein bei der Staatsanwaltschaft als Behörde, wo es darauf ankommt, ob bei dieser als solcher etwa nach Aktenlage oder jedenfalls nach dem Kenntnisstand des Sachbearbeiters die weitere Beweismöglichkeit schon vor Fristablauf bekannt war; die dahinter gegebenenfalls zurückbleibende Kenntnis des Sitzungsvertreters begründet keine Unmöglichkeit früherer Antragstellung. c) Glaubhaftmachung (Satz 4). Mit dem verfristeten Beweisantrag, also nicht nach- 359r träglich, sind die Tatsachen glaubhaft zu machen, die eine fristgerechte Antragstellung nicht zugelassen haben. Hierzu gelten dieselben Grundsätze wie bei § 45 Abs. 2 Satz 1;2069 auf § LR/Graalmann-Scheerer 45, 16 ff. wird verwiesen. Sind die Tatsachen, die mit dem Beweisantrag zum Beleg dazu vorgebracht werden, dass eine fristwahrende Antragstellung nicht möglich war, nicht geeignet, dies zu belegen, oder fehlt es an ihrer hinreichenden Glaubhaftmachung, so ist das Gericht grundsätzlich nicht gehalten, den Antragsteller durch eine Art Zwischenbescheid hierauf aufmerksam zu machen und ihm dadurch die Möglichkeit zu eröffnen, weitere Tatsachen oder Mittel der Glaubhaftmachung nachzuschieben.2070 Derartiges sieht das Gesetz nicht vor; vielmehr verlangt es, dass die maßgeblichen Tatsachen mit dem verspäteten Beweisantrag vorgebracht und glaubhaft gemacht werden. Dies entspricht auch dem Zweck des § 244 Abs. 6 Satz 2–4, verzögerndes Prozessverhalten zu verhindern. Anderes lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass der Wortlaut des § 244 Abs. 6 Satz 4 im Gegensatz zu § 25 Abs. 1 Satz 2, § 222b Abs. 1 Satz 3 nicht ausdrücklich verlangt, alle maßgeblichen Tatsachen seien gleichzeitig vorzubringen.2071 Dies ist auch bei § 45 Abs. 2 Satz 1 nicht der Fall. Dennoch ist dort ebenfalls anerkannt, dass das Nachschieben von Wiedereinsetzungsgründen unzulässig ist.2072 Der Antragsteller erfährt somit regelmäßig allein konkludent dadurch, dass weder der beantragte Beweis erhoben noch sein Beweisantrag vor Ende der Beweisaufnahme durch Beschluss nach § 244 Abs. 6 Satz 1 abgelehnt wird, dass das Gericht die Unmöglichkeit fristgerechter Antragstellung oder deren hinreichende Glaubhaftmachung verneint. Es wird allerdings zu erwägen sein, ob in Fällen, in denen die vorgetragenen Tatsachen grundsätzlich geeignet erscheinen, eine Unmöglichkeit der Fristwahrung zu belegen, hierfür jedoch noch näherer Präzisierung bedürfen, die gerichtliche Fürsorgepflicht einen entsprechenden Hinweis an den Antragsteller erforderlich macht, um diesem Gelegenheit zu geben, sein Vorbringen zu erläutern, zu vervollständigen oder zu ergänzen.2073 Unabhängig hiervon kann in allen Fällen, in denen der Antragsteller erst nach Stellung des verfristeten Beweisantrags tragfähiges Vorbringen zur Unmöglichkeit früherer Antragstellung nachschiebt und glaubhaft macht, Anlass für das Gericht bestehen, im Rahmen des ihm durch § 244 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 eingeräumten Ermessens von einer Bescheidung erst in den Urteilsgründen abzusehen und nach § 244 Abs. 6 Satz 1 vorzugehen. 5. Sitzungsniederschrift. Die Fristsetzung durch den Vorsitzenden, ein hiergegen 359s gestellter Antrag auf Entscheidung des Gerichts (§ 238 Abs. 2) sowie dessen darauf er-

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2068 2069 2070 2071 2072 2073

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Mosbacher aaO. Meyer-Goßner/Schmitt 98; s. auch Schlothauer FS Fischer 830 ff. A.A. Krehl FS Fischer 720; Schlothauer FS Fischer 829 f. A.A. Schlothauer FS Fischer 829 f. S. LR/Graalmann-Scheerer § 45, 13 m.w.N. Vgl. LR/Graalmann-Scheerer § 45, 13 m.w.N.

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§ 244

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gangene Entscheidung sind in das Protokoll aufzunehmen.2074 Der nach Fristablauf gestellte Beweisantrag ist wie jeder andere Beweisantrag zu protokollieren. Dasselbe gilt für den Ablehnungsbeschluss nach § 244 Abs. 6 Satz 1, wenn das Gericht von der Möglichkeit der Bescheidung des Antrags in den Urteilsgründen keinen Gebrauch macht und stattdessen in der Hauptverhandlung entscheidet. F. Revision I. Vorziehen der Beweisaufnahme (Absatz 1) 360

Wird vor der Vernehmung des Angeklagten ohne dessen Einverständnis mit der formellen Beweisaufnahme begonnen und ihm damit das durch § 243 Abs. 5 Satz 2, § 244 Abs. 1 gewährleistete Recht, sich vor dieser zum Tatvorwurf zu äußern, genommen, so liegt hierin grundsätzlich ein revisibler Rechtsfehler (s. näher Rn. 4 sowie § 243, 2 ff., 9). Auf diesem beruht das Urteil, wenn nicht auszuschließen ist, dass sich durch die Abweichung von der gesetzlich angeordneten Reihenfolge der Verfahrensabläufe die Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten verschlechtert haben.2075 II. Verletzung der Aufklärungspflicht (Absatz 2)

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1. Zweck und taugliche Angriffsrichtung der Aufklärungsrüge. Die Rüge, dass das Gericht die Aufklärungspflicht verletzt habe, also die Behauptung, der Tatrichter habe seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Erforschung der Wahrheit rechtsirrig, aus Mangel an Sorgfalt oder wissentlich zuwidergehandelt, weil er eine ihm bekannte oder erkennbare, erreichbare und zulässige Beweismöglichkeit nicht genutzt habe, obwohl die Umstände hierzu drängten,2076 war Jahrzehnte hindurch unbekannt. Sie gewann zugunsten des Angeklagten erst an Bedeutung, als der nationalsozialistische Gesetzgeber die von der Rechtsprechung des RG entwickelten Grundsätze über die Notwendigkeit der Erhebung beantragter Beweise dadurch auszuhöhlen begann, dass er die Gerichte weitgehend ermächtigte, nach ihrem Ermessen von der Erhebung von Beweisen abzusehen.2077 Als der Gesetzgeber nach 1945 zu den strengen Grundsätzen zurückkehrte, die von der Rechtsprechung zur Verpflichtung über die Erhebung beantragter Beweise entwickelt worden waren, wurde die sogenannte Aufklärungsrüge immer häufiger mit dem Ziele erhoben, die Beweiswürdigung des Tatrichters auszuhebeln, die sonst aus Rechtsgründen nicht angreifbar ist. Der Zweck der Aufklärungsrüge2078 besteht jedoch nicht darin, die dem Tatrichter vorbehaltene Beweiswürdigung auf dem Umweg über eine Verfahrensrüge zur Nachprüfung des Revisionsgerichts zu stellen; hierzu dient allein – in den von der Rechtsprechung gezogenen engen Grenzen – die Sachrüge. Mit der Aufklärungsrüge kann vielmehr ausschließlich geltend gemacht werden, die für das Zustandekommen der tatrichterlichen Überzeugung maßgebliche Beweisgrundlage sei

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2074 SSW/Sättele 129; Schlothauer FS Fischer 825 f., der darüber hinaus eine ausdrückliche und zu protokollierende Feststellung des Vorsitzenden für erforderlich hält, dass die von Amts wegen vorgesehene Beweisaufnahme abgeschlossen sowie beabsichtigt sei, von der Möglichkeit der Fristsetzung für Beweisanträge Gebrauch zu machen. 2075 BGHSt 19 93, 97; BGH NStZ 1981 111; 1986 370, 371; Hanack JZ 1972 82. 2076 S. auch Wessels JuS 1969 1 ff.; zur Aufklärungsrüge bei Ablehnung von Beweisanträgen oder sonstigen Beweisbegehren s. Rn. 380 f. 2077 Vgl. den Überblick über die Entwicklung bei Hamm 571 ff. 2078 Dazu Wessels JuS 1969 1.

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§ 244

unvollständig gewesen, weil es versäumt worden sei, relevanten Beweisstoff durch Nutzung zur Hand liegender Beweismittel in die Hauptverhandlung einzuführen. Nicht selten sollen auch etwaige Versäumnisse der Verfahrensbeteiligten unter 362 dem Blickwinkel einer Verletzung der Aufklärungspflicht durch das Gericht das Urteil zu Fall bringen. Auch hierfür taugt die Aufklärungsrüge nur mit Einschränkungen. Die Pflicht des Gerichts, den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzuklären, besteht allerdings grundsätzlich unabhängig vom Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten und von den von ihnen gestellten Anträgen (s. Rn. 50 f.). Sie verwirken durch eine unterlassene Antragstellung auch nicht ihr Recht, mit der Revision die Verletzung der Aufklärungspflicht zu rügen; Antragstellung vor oder in der Hauptverhandlung sowie das sonstige Prozessverhalten sind aber oft für den Erfolg der Rüge von wesentlicher Bedeutung; denn die Aufklärungspflicht setzt voraus, dass dem Gericht Möglichkeit und Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung aus den Akten, dem Vortrag oder den Anträgen der Verfahrensbeteiligten oder aus sonstigen Verfahrensvorgängen ersichtlich sind. Unterlässt es die Heranziehung eines Beweismittels, dessen Vorhandensein oder Bedeutung nicht erkennbar war, kann daraus nachträglich kein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht konstruiert werden.2079 Insoweit hat die Warnung, dass die Aufklärungsrüge nicht dazu da ist, unterlassene Beweisanträge nachzuholen, ihre Berechtigung; wenn nämlich die Verfahrensbeteiligten keinen Anlass zur Stellung entsprechender Beweisanträge sahen, kann oftmals auch nicht angenommen werden, dass die Umstände das Gericht zu einer Beweiserhebung von Amts wegen gedrängt hätten.2080 Die Aufklärungsrüge hilft auch nicht über das Versäumnis hinweg, dass es in der Hauptverhandlung unterlassen wurde, gegen eine sachleitende Anordnung des Vorsitzenden auf Entscheidung des Gerichts anzutragen; ist es dem von der Anordnung betroffenen Beteiligten aufgrund dieses Versäumnisses versagt, die Verletzung der vom Vorsitzenden vermeintlich verletzten speziellen Verfahrensnorm mit der Revision zu rügen (vgl. § 238, 46), so ist es ihm auch nicht möglich, genau diesen Rechtsfehler mit der Aufklärungsrüge geltend zu machen (s. näher § 238, 46a). Bei einer Überraschungsentscheidung kann allerdings auch unter dem Blickwinkel der verletzten Aufklärungspflicht gerügt werden, dass den überraschten Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit zu einem der neuen Lage angepassten Sachvortrag und zur Stellung der entsprechenden Anträge unter Benennung neuer, erst wegen der veränderten Prozesslage relevant gewordener Beweismittel beschnitten wurde. Die ungenügende Ausschöpfung der Beweismittel in der Hauptverhandlung 363 kann nach der vorherrschenden Meinung in der Regel nicht mit der Aufklärungsrüge beanstandet werden. Es kann nicht gerügt werden, dass das Gericht versäumt habe, an einen Zeugen, einen Sachverständigen oder einen Angeklagten eine bestimmte Frage

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2079 Vgl. BGH bei Herlan MDR 1955 529; Geppert Jura 2003 261; Wessels JuS 1969 4: erkennbare Beweismittel von erkennbarer Erheblichkeit. 2080 Vgl. BGH NStZ 1992 599, 600; bei Holtz MDR 1985 629; Dahs (Hdb.) 834; Hamm 567; Widmaier NStZ 1994 418; krit. MüKo/Trüg/Habetha 390; SK/Frister 249 f. Diese Erwägung trifft jedoch nicht zu, wenn sich das Erfordernis weiterer Sachaufklärung aus Umständen ergibt, die von Vorbringen der Verfahrensbeteiligten unabhängig sind. Sie hat Gewicht als Indiz bei Prüfung der Begründetheit, nicht der Zulässigkeit der Aufklärungsrüge, die durch eine unterlassene Antragstellung auch dann nicht verwirkt wird, wenn der Rügende mit dem Verfahrensausgang rechnen musste. Letzteren Gesichtspunkt führen einige Entscheidungen als Kriterium an, wobei allerdings nicht immer ersichtlich ist, wieweit dies nur als Argument für die Unbegründetheit gedacht war; vgl. etwa OLG Koblenz OLGSt § 244 Abs. 2 S. 71; VRS 42 (1972) 278; 45 (1973) 394; 52 (1977) 82; 52 (1977) 199; OLG Köln OLGSt § 244 Abs. 2 S. 64; GA 1970 248; MDR 1977 71; VRS 59 (1980) 422; KMR/Paulus 593.

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zu richten oder einen bestimmten Vorhalt zu machen.2081 Das Revisionsgericht darf nicht selbst (im Wege des Freibeweises) den Inhalt einer Zeugenaussage in der Hauptverhandlung feststellen; dies ist allein Sache des Tatrichters. Ohne eine solche (unzulässige, weil die Schranken des Revisionsverfahrens überschreitende)2082 Teilrekonstruktion der Hauptverhandlung ist das Revisionsgericht in der Regel gehindert, sicher zu beurteilen, ob nach deren Inhalt überhaupt eine Frage oder ein Vorhalt zur besseren Sachaufklärung angezeigt gewesen wäre. Vielfach würde auch nicht einsichtig sein, weshalb sich dem Tatrichter die Notwendigkeit aufgedrängt haben soll, an den Angeklagten oder einen Zeugen eine bestimmte Frage zu stellen, obwohl der Angeklagte bei seiner Einlassung zur Sache keinen Anlass sah, sich dazu zu äußern, und er und sein Verteidiger es nicht für erforderlich hielten, in Ausübung ihres Fragerechts von sich aus dem Zeugen jene Frage vorzulegen.2083 Zum Erfolg kann die Aufklärungsrüge daher insoweit nur dann führen, wenn Inhalt 364 und Ergebnis der Beweisaufnahme mit den Mitteln des Revisionsrechts feststellbar sind und sich danach ergibt, dass das Tatgericht erkennbar relevanten Beweisstoff, den es unmittelbar aus den Akten oder sonstigen Unterlagen ersehen konnte,2084 unberücksichtigt gelassen hat, obwohl dieser es auf der Grundlage seiner eigenen Würdigung zu den vermissten Fragen und Vorhalten veranlassen musste.2085 So kann es etwa liegen, wenn das Urteil ergibt, dass das Gericht die Aussage eines Zeugen ohne jeden Vorbehalt und ohne sich um Aufklärung der Widersprüche zu bemühen, als glaubhaft erachtet hat, obwohl sie von seinen Aussagen im Ermittlungsverfahren stark abweicht. Gleiches gilt, wenn das Revisionsgericht ohne jede Rekonstruktion der Beweisaufnahme den Beweisinhalt des jeweiligen Beweismittels beurteilen kann, etwa wenn eine Aussage in der Sitzungsniederschrift wörtlich protokolliert ist (§ 273 Abs. 3)2086 oder wenn sich aus einer verlesenen Urkunde ihr voller Beweisgehalt auch dem Revisionsgericht unmittelbar erschließt.2087 In derartigen Fällen kann dieses ohne Eingriff in die Überzeugungsbildung des Tatrichters beurteilen, ob er schon aufgrund des Inhalts dieser Aussage allein oder in Verbindung mit anderen ihm bekannten Umständen gedrängt gewesen wäre, Widersprüche oder Lücken durch Fragen und Vorhalte aufzuklären. Das soll allerdings nicht gelten, wenn gemäß § 255a die Bild-Ton-Aufzeichnung einer Zeugenvernehmung vorgeführt worden ist; deren Inhalt könne durch das Revisionsgericht nicht durch eigene

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2081 Vgl. etwa RGSt 6 135; 13 158; 41 272; OHGSt 3 59; BGHSt 4 125, 126; 15 347; 17 351, 352 f.; 21 149; 29 18, 20; 31 139; BGH NJW 1984 1245; 1992 2838, 2840; NStZ 1990 35; 1996 97; 1997 296; 1997 450; 2000 156, 157; 2009 468, 469; NStZ-RR 2000 166, 167; BGH StV 1992 549; VRS 15 (1958) 269; 15 (1958) 446; 17 (1959) 347; 21 (1961) 357; 24 (1963) 370; 27 (1964) 139; 30 (1966) 101; 30 (1966) 351; 34 (1968) 346; 36 (1969) 24; OLG Hamm NJW 1970 69; wistra 2000 39; KG VRS 20 (1961) 363; 24 (1963) 131; OLG Koblenz VRS 42 (1974) 272; DAR 1973 106; OLG Köln VRS 63 (1982) 460; OLG Saarbrücken VRS 35 (1968) 42; 48 (1973) 431; OLG Stuttgart VRS 50 (1976) 266; vgl. § 241, 35. 2082 Der BGH spricht von „Ordnung des Revisionsverfahrens“; so etwa BGHSt 17 351; 29 18, 20; 31 140; 48 268, 273; BGH NJW 1992 2838, 2840; 1992 2840; gegen diesen vagen Begriff Herdegen FS Salger 314; ders. JZ 1998 55; a.A. Hamm 581 ff. 2083 Etwa BGHSt 4 125; 17 351, 352 f.; OLG Düsseldorf VRS 93 (1997) 433. 2084 Herdegen FS Salger 301 ff. Zu den strittigen Fragen vgl. auch HK/Julius 86 sowie die Erl. § 261 und § 337. 2085 BGHSt 4 125, 126; 17 351, 352 f.; 21 151; 29 18, 21; BGH NJW 1992 2838, 2840; NStZ 1997 296; 1997 450, 451; StV 1984 231; 1991 549; 1993 115; 2002 350, 351; JZ 1998 53 m. Anm. Herdegen; BayObLG NStZ-RR 2003 233, 234; Maul FS II Peters 52; AK/Schöch 153; KMR/Paulus 272, 593; SK/Frister 251 f.; vgl. auch Pelz NStZ 1993 364. 2086 BGHSt 38 14 = JZ 1992 106 m. Anm. Fezer; BayObLG wistra 1991 40. 2087 Vgl. BGH MDR 1976 989; StV 1983 321; 1993 115; NJW 2007 92, 96; NStZ-RR 2008 83; bei Pfeiffer/ Miebach NStZ 1987 18; OLG Köln StV 1995 630.

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Inaugenscheinnahme rekonstruiert werden.2088 Ob sich dies dogmatisch rechtfertigen lässt, erscheint indessen zweifelhaft; denn es ist kaum erklärlich, warum die in der tatrichterlichen Hauptverhandlung verlesene Niederschrift über eine Zeugenvernehmung vom Revisionsgericht in ihrem Wortlaut zur Kenntnis zu nehmen ist, die viel authentischere Bild-Ton-Aufzeichnung über die Vernehmung dagegen nicht. Problematisch dürfte eher sein, wie sich im Falle einer Kenntnisnahme der Bild-Ton-Aufzeichnung durch das Revisionsgericht die zulässige revisionsgerichtliche Kontrolle der tatrichterlichen Beweisaufnahme auf Aufklärungsmängel von der unzulässigen eigenen Beweiswürdigung durch das Revisionsgericht verlässlich abgrenzen lässt (s. auch § 247a, 45 m.w.N. sowie die Erl. zu § 337). Auf vermeintliche Widersprüche zwischen der Sitzungsniederschrift nach § 273 365 Abs. 2 und den Urteilsfeststellungen allein kann die Aufklärungsrüge ebenfalls nicht gestützt werden,2089 ferner nicht darauf, dass das Urteil das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zutreffend wiedergebe2090 oder dass es dem Akteninhalt widerspreche. Zu der strittigen Frage, ob diese Einschränkungen der durch die isolierte Aufklärungsrüge eröffneten revisionsrechtlichen Überprüfungsmöglichkeiten zur Folge haben müssen, dass der Beschwerdeführer die Alternativrüge erheben könne, das Tatgericht habe entweder unter Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht in der Beweisaufnahme die sich aufdrängenden Fragen und Vorhalte unterlassen bzw. die sich darbietenden Widersprüche nicht thematisiert oder aber, es habe diese Punkte zwar aufgeklärt, sich im Urteil damit jedoch nicht auseinandergesetzt, so dass seine Beweiswürdigung (§ 261) sachlichrechtlich lückenhaft sei, s. die Erl. zu §§ 261, 337.2091 2. Inhaltliche Anforderungen an die Aufklärungsrüge. Zur Begründung der Auf- 366 klärungsrüge ist nach der herrschenden strengen Auslegung des § 344 Abs. 2 Satz 2 erforderlich, dass ohne jede Bezugnahme unter lückenloser Angabe aller erforderlichen Tatsachen2092 bestimmt und aus sich selbst heraus verständlich ausgeführt wird,2093 – welche konkreten Tatsachen das Gericht hätte aufklären müssen.2094 Darzulegen sind dazu die Umstände (bestimmte Aktenteile, vor oder in der Hauptverhandlung gestellte, eventuell auch zurückgenommene Anträge usw.), aus denen das Gericht die weitere Aufklärungsmöglichkeit ersehen konnte;

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2088 BGHSt 48 268, 273 = StV 2003 652 m. abl. Anm. Schlothauer; a.A. Gercke/Wollschläger StV 2013 109 ff.; Wollschläger FS Schlothauer 524 f.; KK/Diemer § 247a, 18a; MüKo/Trüg/Habetha 391. 2089 BGHSt 38 14, 15; BGH bei Dallinger MDR 1966 384; 1974 369; KG JR 1968 195; AK/Schöch 153; KMR/Paulus 593; Meyer-Goßner/Schmitt 103; s. auch die Erl. zu § 337. 2090 BGHSt 21 149, 151; 38 14, 15 = JZ 1992 106 m. Anm. Fezer; 43 212, 213 f. = JZ 1998 53 m Anm. Herdegen; BGH NStZ 1990 35; 2013 98; bei Becker NStZ-RR 2008 65 f.; KMR/Paulus 593. 2091 Vgl. auch die Beiträge von Bauer NStZ 2000 72; Hebenstreit FS Widmaier 267; Neuhaus StraFo 2004 407. 2092 S. aber auch BGH bei Miebach/Sander NStZ-RR 2000 8: bei gleichzeitig erhobener Sachrüge kann das Rügevorbringen durch den Urteilsinhalt ergänzt werden. 2093 Zu den Begründungserfordernissen vgl. etwa Eisenberg (Beweisrecht) 61; Hamm 586 ff.; AK/Schöch 152; KK/Krehl 216; KMR/Paulus 596 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt 102; SK/Frister 244 ff.; kritisch MüKo/Trüg/ Habetha 382 f.; s. ferner bei § 344 m.w.N. 2094 BGHSt 30 131, 138 ff.; 37 162; BGH NJW 2003 2924 (nur Aufzeigen allgemeiner Ermittlungsmöglichkeiten); 2005 445, 447; 2005 2242, 2243; NStZ 1985 324, 325; 1990 384; 1991 399; 1994 47; 2003 381, 382; NStZ-RR 2010 181, 182; 2010 316, 317; StV 1989 467; bei Sander/Cirener NStZ-RR 2008 4 f.; BGHR § 244 Abs. 2 Aufdrängen 1, Sachverständiger 1; OLG Düsseldorf VRS 51 (1976) 380; OLG Hamburg VRS 45 (1973) 44; OLG Hamm StV 2008 570; OLG Koblenz VRS 45 (1973) 174; 45 (1973) 222; 46 (1974) 542; 49 (1975) 372; 50 (1976) 368; OLG Köln MDR 1977 71.

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welcher für das Gericht erkennbare, konkret zu schildernde Sachverhalt zu der weiteren Aufklärung drängte;2095 hierzu sind auch die Anträge mitzuteilen, die zu der Beweisbehauptung oder -thematik in der Hauptverhandlung gestellt worden sind, und die dazu ergangenen Ablehnungsbeschlüsse.2096 Liegen die Voraussetzungen eines für den Angeklagten disponiblen Beweisverwertungsverbots vor, so setzt die Rüge, das Gericht habe ein Beweismittel nicht zugunsten des Angeklagten in die Hauptverhandlung eingeführt, voraus, dass aus dem Revisionsvorbringen hervorgeht, dass sein Interesse an der Verwertung erkennbar gewesen ist oder er auf das Verwertungsverbot verzichtet hat.2097 Beanstandet die Revision der Staatsanwaltschaft, das Tatgericht habe einen Beweis nicht erhoben, weil es rechtsfehlerhaft ein Beweisverwertungsverbot angenommen habe, so muss sie alle Umstände vortragen, die für die Beurteilung maßgeblich sind, ob ein derartiges Verbot tatsächlich zu bejahen ist;2098 welches genau und bestimmt bezeichnete, geeignete und erreichbare Beweismittel das Gericht hätte heranziehen müssen2099 und – soweit dies nicht auf der Hand liegt – warum dieses geeignet ist, die Beweistatsache zu belegen;2100 dagegen müssen nicht die Fundstellen angegeben werden, an denen sich die Beweismittel in den Sachakten befinden.2101 Ausnahmsweise können genauere Angaben zu dem weiteren Beweismittel entbehrlich sein, wenn sich dieses eindeutig aus den sonst dargelegten Umständen ergibt;2102 dass die Beweisthematik nicht durch eine im konkreten Fall in Betracht kommende andere, gleich valide Beweiserhebung geklärt wurde und daher die Sachaufklärung durch das nicht genutzte Beweismittel nicht entbehrlich war;2103 gegebenenfalls auch, mit welcher Begründung das Gericht einen Beweisantrag abgelehnt hat, wenn, wie bei § 244 Abs. 5, die Ablehnung in das von der Aufklärungs-

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2095 BGH NJW 1998 1568, 1574; 1999 2683, 2684; 2000 370, 371; 2005 1813; NStZ 1999 45, 46; 2004 690, 691; 2007 165 f.; 2011 471, 472; 2016 42, 44; NStZ-RR 1996 299; 1997 71, 72; 2002 145; 2010 316, 317; 2017 119; 2017 317; StV 1999 197; 2017 801 Ls.; VRS 32 (1967) 205, 206; bei Sander/Cirener NStZ-RR 2008 5; BGHR § 244 Abs. 2 Zeugenvernehmung 4; § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 1, 3, 4, 5, 6, 7; BayObLGSt 1995 163; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1998 82, 83; OLG Frankfurt StV 2016 796, 797; OLG Hamm StV 2008 570. Dagegen muss nicht vorgetragen werden, welche Umstände die Annahme nahelegen, das Beweismittel, zu deren Nutzung die Aufklärungspflicht drängt, werde den vom Antragsteller behaupteten Beweisertrag erbringen: BGH StraFo 2009 385. 2096 BGH NStZ 2013 672. 2097 BGH bei Becker NStZ-RR 2007 131. 2098 BGH NStZ 2011 471, 472. 2099 BGHSt 2 168, 169; 17 351, 353; 30 131, 138; 37 162; BGH NStZ 2016 42, 44; NStZ-RR 2002 270; 2003 10, 11; 2017 317; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 213; bei Miebach NStZ-RR 1998 2; bei Sander/Cirener NStZRR 2008 4; BGH StV 1996 529 Ls.; VRS 11 (1956) 440; 27 (1964) 193; 30 (1966) 101; OLG Bamberg StraFo 2018 159, 160; OLG Braunschweig NdsRpfl. 1951 192; OLG Bremen DAR 1961 20; OLG Hamburg VRS 29 (1965) 127; OLG Hamm VRS 51 (1976) 30; StV 2008 570; KG VRS 30 (1966) 385; OLG Köln MDR 1977 71; OLG Koblenz VRS 44 (1973) 280; 45 (1973) 174; 45 (1973) 222; 46 (1974) 452; 47 (1974) 272; 48 (1975) 202; 50 (1976) 368; 51 (1976) 39; 51 (1976) 455; Gribbohm NStZ 1983 101. 2100 BGH NStZ 1998 97, 98 m. Anm. Rose S. 633; Fezer FS Meyer-Goßner 632 f.; zur sog. Konnexität s. Rn. 113 f.; die damit angesprochene Problematik wird bei der Aufklärungsrüge richtigerweise im Zusammenhang mit der Frage zu erörtern sein, ob die Aufklärungspflicht zu der Nutzung des Beweismittels drängte; denn wenn nicht erkennbar ist, aus welchem Grund das Beweismittel etwas zur Klärung der Beweistatsache soll beitragen können, drängt nichts zu dessen Nutzung. 2101 BGH NStZ 2003 334; StraFo 2012 467; vgl. auch BGH NStZ-RR 2011 253, 254; anders kann es liegen, wenn es sich um die Akten eines anderen Verfahrens handelt: BGH VRS 32 (1967) 205, 206. 2102 BGH GA 1961 316; KG VRS 14 (1958) 38. 2103 BGH StraFo 2016 347 f.

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pflicht bestimmte Ermessen des Gerichts gestellt ist. Gleiches gilt bei der Ablehnung von Beweisermittlungsanträgen oder Beweisanregungen; welche Sachverhaltsannahme oder welcher Beweisgrund des Urteils bei erfolgreicher Durchführung der unterbliebenen Beweiserhebung entfallen und welches bestimmte, für den Revisionsführer günstige Beweisergebnis dadurch erreicht worden wäre;2104 knüpft die Aufklärungsrüge an die Ablehnung oder Nichtbefolgung eines mitgeteilten Beweisantrags oder sonstigen Beweisbegehrens an, in welchem eine bestimmte Beweisbehauptung formuliert war, bedarf es der zusätzlichen Behauptung des zu erwartenden Beweisergebnisses indessen nicht.2105

Die von der Rechtsprechung entwickelten strengen Anforderungen an die Begründung der Verfahrensrüge sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.2106 Zur Begründung müssen grundsätzlich bestimmt behauptete Tatsachen vorgetra- 367 gen werden; Vermutungen genügen nicht.2107 Eine Aufklärungsrüge, nach der festgestellt werden soll, „ob“ etwas geschehen sei, und die ein günstiges Ergebnis nur für „möglich“ erachtet, wird als unzulässig angesehen.2108 Dies ist jedoch in den Fällen zu eng, in denen das Gericht gegen das Gebot zur Sachaufklärung dadurch verstoßen hat, dass es die gebotenen Nachforschungen unterließ, obwohl, wie etwa bei der fälschlichen Ablehnung eines Beweisermittlungsantrags, noch keine Beweistatsache oder noch kein bestimmtes Beweismittel bezeichnet werden konnte und deren Auffinden nur mit einer die Nachforschungen rechtfertigenden Wahrscheinlichkeit möglich erschien.2109 Vom Tatsachenvortrag zur Begründung der Aufklärungsrüge kann immer nur verlangt werden, dass er spiegelbildlich den Sachverhalt darlegt, der die Aufklärungspflicht auslöst. Soweit dafür schon Möglichkeiten ausreichen, braucht auch die Aufklärungsrüge nicht mehr behaupten. Tatsachen, die für die Aktualisierung der Aufklärungspflicht im konkreten Fall unerheblich sind, brauchen nicht vorgetragen werden. Wegen der vielfältigen Formen, in denen eine Verletzung der Aufklärungspflicht möglich ist, können deshalb auch die Anforderungen an den Umfang des Tatsachenvorgangs und den Grad der Bestimmtheit der Behauptungen bei der Aufklärungsrüge unterschiedlich sein. Immer gilt aber, dass ausnahmslos alle für die Beurteilung der Rüge im konkreten Fall einschlägigen Tatsachen mit der erforderlichen Bestimmtheit vollständig vorzutragen sind. Dazu sollen nach der Rechtsprechung auch alle dem Erfolg der Rüge möglicherweise abträglichen Tatsachen zählen, die etwa dafür von Bedeutung sein können, ob eine Ausnahmevorschrift eingreift, die der Rüge den Boden entzieht.2110 Ob das tatsächlich verlangt

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2104 Vgl. BGH NJW 1989 3294; 1994 1294, 1295; 1998 2229, 2230; 2000 2754, 2755; 2001 2558; StV 1989 467; NStZ 1998 97 m. Anm. Rose S. 633; 1998 586 m. Anm. Foth NStZ 1999 373 (zusätzlicher Erkenntnisgewinn, wenn Öffentlichkeit, wie geboten, ausgeschlossen worden wäre); 2001 436, 439; 2008 230, 231; 2009 51 f.; 2009 468, 469; 2016 42, 44; 2016 721, 723; NStZ-RR 1996 299; 2003 10, 11; 2010 316, 317; 2017 317; bei Sander/Cirener NStZ-RR 2008 5; BGHR § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 4, 6; OLG Bamberg StraFo 2018 159, 160; OLG Frankfurt StV 2016 796, 797; OLG Hamm NZV 2002 139; AK/Schöch 152. 2105 Vgl. BGH NJW 1998 2229; 1999 800; NStZ 1998 97, 98 m. Anm. Rose S. 633; 2003 381, 382; StraFo 2003 132. 2106 BVerfGE 63 70. Die Anforderungen dürfen jedoch nicht überspannt werden; vgl. BVerfG NJW 2005 1999. 2107 BGH bei Holtz MDR 1981 456. 2108 BGH NStZ 2004 112; NStZ-RR 2003 71; 2010 316, 317; bei Sander NStZ-RR 2006 36; bei Cirener NStZRR 2014 100; Meyer-Goßner/Schmitt 102; krit. SK/Frister 245. 2109 Alsberg/Güntge 1592; KK/Krehl 218; MüKo/Trüg/Habetha 387. 2110 BGHSt 37 245, 248; BGH NJW 2002 2257, 2258; 2005 1381, 1382; NStZ 1986 519; NStZ-RR 1997 71, 72; 2003 53, 54; SK/Frister 248.

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werden kann, wenn derartige Umstände gerade nicht vorliegen, und ob im Falle fehlenden Vortrags tatsächlich bestehender „rügevernichtender Tatsachen“ die Rüge unzulässig oder nicht vielmehr unbegründet ist, erscheint allerdings fraglich. 368 Einzelfragen: – Wird die Nichtverwendung bestimmter Beweismittel gerügt, gehört zur genauen Bezeichnung der Beweismittel, dass sie eindeutig identifizierbar sind. Grundsätzlich sind deshalb bei Zeugen Name und genaue Anschrift anzugeben.2111 Dies kann jedoch dann nicht verlangt werden, wenn der Antragsteller den Verstoß gegen die Aufklärungspflicht darin sieht, dass das Gericht insoweit die möglichen und gebotenen Nachforschungen nach Zeugen unterlassen hat.2112 Es ist dann aber mitzuteilen, welche erfolgversprechenden Bemühungen das Gericht hätte entfalten müssen, um den Zeugen ausfindig zu machen.2113 Ist ein geladener Zeuge ausgeblieben, so muss die Revisionsbegründung bei der Beanstandung, dass der Zeuge zur weiteren Sachaufklärung hätte gehört werden müssen, auch dartun, dass der Zeuge für das Gericht überhaupt noch erreichbar war.2114 Wird die Nichtvernehmung eines Zeugen beanstandet, ist außerdem anzugeben, ob, mit welchem Ergebnis (regelmäßig Vorlage des gesamten Vernehmungsprotokolls erforderlich) und gegebenenfalls in welcher prozessualen Stellung (Zeuge/Beschuldigter) er bereits früher zu der Beweisthematik vernommen worden ist.2115 War ein Beweisantrag auf Vernehmung des Zeugen gestellt worden und wird dessen Ablehnung mit der Aufklärungsrüge beanstandet, so sind der Beweisantrag und der Ablehnungsbeschluss mitzuteilen; denn an die Aufklärungsrüge sind in diesem Fall keine geringeren Anforderungen zu stellen als an die Rüge der fehlerhaften Zurückweisung des Beweisantrags.2116 Wird eine Zeugenvernehmung nachträglich zulässig, sind die Umstände darzulegen, die ergeben, dass das Gericht sich nunmehr zur Vernehmung des Zeugen hätte veranlasst sehen müssen.2117 – Wird die Nichteinholung eines Gutachtens gerügt, so muss wegen § 73 Abs. 1 kein bestimmter Sachverständiger als Beweismittel bezeichnet werden. Ebenso wenig muss die vom Sachverständigen anzuwendende Untersuchungsmethode angegeben werden; dies gilt auch dann, wenn diese vorbereitende gerichtliche Beschlüsse (etwa § 81f Abs. 1 Satz 1) voraussetzt.2118 Macht die Revision geltend, es hätte ein Gutachten zur Glaubwürdigkeit eines Zeugen bzw. zur Glaubhaftigkeit seiner Aussage eingeholt werden müssen, so ist auch nicht vorzutragen, dass der Zeuge einer Exploration durch den Sachverständigen zugestimmt habe;2119 denn eine Exploration ist nicht notwendige Voraussetzung für die Gutachtenerstattung.

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2111 Vgl. BGH NStZ 2006 713; 2009 468, 469; NStZ-RR 2002 270; bei Cirener/Herb NStZ-RR 2018 101; OLG Koblenz VRS 51 (1976) 38 fordert dies, sofern sich die Daten nicht aus den Akten ergeben. 2112 SK/Frister 246. 2113 BGH NStZ 2010 403, 404; BGH bei Sander NStZ-RR 2004 3; vgl. auch OLG Nürnberg NStZ-RR 2015 251 f. (Vortrag zu Erfolgsaussichten einer Gegenvorstellung gegen die Sperrerklärung bezüglich eines V-Manns). 2114 BGH StV 1996 529 Ls. 2115 BGH NJW 1998 2229; 2000 370, 371; 2003 2996, 2997; NStZ 1999 45, 46; 2004 690, 691. 2116 BGH NJW 1998 2229; NStZ 1984 329; BayObLGSt 1994 256; Meyer-Goßner/Schmitt 102; s. näher Rn. 380. 2117 BGH NJW 1995 247; BayObLGSt 1995 163. 2118 BGH NStZ-RR 2002 145. 2119 Vgl. BGH NStZ 2015 299; Wasserburg FS Paeffgen 697 f.; a.A. BGH NStZ 2013 672; StV 2013 73, 74 (zu der entsprechenden Rüge eines Verstoßes gegen § 244 Abs. 4 Satz 1); vgl. dazu auch differenzierend BGH StV 2013 483; zur entsprechenden Beweisantragsrüge s. Rn. 373.

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Aktenteile und Schriftstücke müssen nach Wortlaut oder Inhalt und Aufbewahrungsart genau beschrieben werden.2120 Wird ein Widerspruch zwischen dem vorbereitenden schriftlichen Gutachten eines Sachverständigen und dessen mündlichen Ausführungen in der Hauptverhandlung mit der Aufklärungsrüge beanstandet, so muss das schriftliche Gutachten – es sei denn dessen fragliche Teile ergeben sich in ausreichendem Umfang aus den Urteilsgründen – jedenfalls in seinem wesentlichen Kern vorgetragen werden.2121 Gleiches gilt bei sonstigen Beweisgegenständen; bei Film- oder Tonaufzeichnungen ist auch der Inhalt zu schildern.2122 Lichtbilder, deren fehlende Inaugenscheinnahme beanstandet wird, sind in die Revisionsbegründung aufzunehmen.2123 Macht der Revisionsführer mit der Aufklärungsrüge geltend, das Gericht habe durch eine Handlung oder Entscheidung eine andere Verfahrensnorm als § 244 Abs. 2 verletzt, deren Beachtung aber auch im Interesse der Wahrheitsermittlung erforderlich ist, so müssen die Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich die Verletzung dieser Norm ergibt, und es ist außerdem darzulegen, welcher ihm günstige konkrete Aufklärungsgewinn bei Beachtung der Vorschrift eingetreten sowie durch welche Mittel und Maßnahmen er zu erreichen gewesen wäre.2124

3. Prüfung des Revisionsgerichts. Das Revisionsgericht muss bei zulässig erhobener 369 Rüge aufgrund des Urteils und anhand der Akten2125 prüfen, ob die behaupteten Umstände tatsächlich vorlagen und ob sie für den Tatrichter erkennbar waren.2126 Seine Nachprüfung ist auf die vom Revisionsführer behaupteten Tatsachen beschränkt; andere Tatsachen kann es in seine Prüfung auch dann nicht einbeziehen, wenn sie aus den Akten ersichtlich sind.2127 Zum Prüfungsmaßstab, wenn es den Revisionsvortrag für bewiesen hält, insbesondere zu der Frage, wann das Revisionsgericht das Gebotensein weiterer Sachaufklärung aus seiner eigenen Sicht beurteilen darf und in welchen Fällen es darauf beschränkt ist, eine antizipierte Beweiswürdigung des Tatrichters über den voraussichtlich Ertrag der weiteren Beweiserhebung nur auf Rechtsfehler zu überprüfen, s. Rn. 47 f. Liegen Umstände vor, die je nach Beurteilung des sonstigen Beweisergebnisses zu einer weiteren Beweisaufnahme Anlass geben konnten oder nicht, so kann es danach für das Tatgericht, das eine weitere Sachaufklärung für entbehrlich hält, unter Umständen ratsam sein, seine hierfür maßgeblichen Überlegungen zumindest in den Urteilsgründen darzulegen. III. Gesetzwidrige Behandlung von Beweisanträgen (Absatz 3 bis 6) 1. Angriffsrichtungen der Rüge. Mit der Revision kann jede fehlerhafte Behand- 370 lung eines Beweisantrages gerügt werden,2128 zum Beispiel, dass er nicht, nicht rechtzei-

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2120 BGH StV 1984 64; 1989 467; NStZ 2011 471, 472; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 213; BGHR § 244 Abs. 2 Zeugenvernehmung 4; Meyer-Goßner/Schmitt 102; SK/Frister 247. Vgl. auch BGH NStZ 2009 468, 469: Vortrag geboten, dass Augenscheinsobjekt zur Zeit der Hauptverhandlung noch zur Verfügung stand. 2121 BGH NStZ 2013 98, 99; StV 2016 776 f. 2122 BGH StV 1991 452; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 213; bei Kusch NStZ 1992 29; OLG Köln MDR 1977 71; KMR/Paulus 598. 2123 BGH StV 2004 304 Ls. 2124 S. etwa BGHSt 27 250, 252; 30 131, 138; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 213; OLG Düsseldorf StV 1997 122; s. aber auch § 238, 46a. 2125 BGH bei Dallinger MDR 1972 574; 1974 16; OLG Hamm VRS 48 (1975) 280; JMBlNW 1972 261; OLG Koblenz VRS 45 (1973) 173. 2126 BGH bei Herlan MDR 1955 529; vgl. Rn. 47 f. 2127 BGH NJW 1951 283; Wessels JuS 1969 9. 2128 S. Eisenberg (Beweisrecht) 305.

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tig vor Beendigung der Beweisaufnahme2129 – nunmehr insbesondere auch in den Fällen, in denen der Antrag gemäß § 244 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 erst in den Urteilsgründen beschieden wurde2130 –, ohne oder mit einer ungenügenden, das Beweisbegehren verfehlenden2131 oder nicht erschöpfenden Begründung abgelehnt wurde oder dass die Ablehnungsgründe zum Inhalt des Urteils in Widerspruch stehen2132 und vor allem, dass die im Beschluss mitgeteilten Gründe der Ablehnung nicht frei von Rechtsfehlern sind. Trägt der Revisionsführer Tatsachen vor, aus denen sich gleichzeitig mehrere derartige Rechtsfehler ergeben, so hat er in der Revisionsbegründung deutlich zu machen, welche hiervon mit dem Rechtsmittel angegriffen werden sollen.2133 371

2. Rügeverlust. Neben der Frage, ob der Antragsteller die Nichtbehandlung eines Beweisantrages mit der Revision deswegen nicht rügen kann, weil er sich in der Hauptverhandlung in bestimmten Verfahrenskonstellationen passiv verhalten und dadurch konkludent seinen Antrag zurückgenommen oder auf die Beweisaufnahme verzichtet hat (s. Rn. 128), wird in Rechtsprechung und Schrifttum auch erörtert, ob er die Rüge einer fehlerhaften, weil den Sinn seines Beweisbegehrens verfehlenden Antragsablehnung verwirkt, wenn er das Tatgericht nicht auf dessen Missverständnis hinweist, was auch dadurch geschehen kann, dass er einen neuen, nunmehr eindeutig gefassten Beweisantrag stellt.2134 Dies kann indes allenfalls dann der Fall sein, wenn der Beweisantrag zu Umfang oder Inhalt der Beweisbehauptung oder zum benannten Beweismittel tatsächlich missverständlich war; die fehlerhafte Zurückweisung eines nicht falsch zu verstehenden Beweisantrags muss der Antragsteller dagegen nicht beanstanden, um sich die Revisionsrüge zu erhalten.2135

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3. Begründung der Rüge. Will die Revision geltend machen, dass das Gericht einen Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt habe, muss die Revisionsbegründung, um den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 (s. näher auch die dortigen Erl.) gerecht zu werden, in der Regel den Inhalt des Antrags (Beweistatsache und Beweismittel) nebst Begründung2136 und der darin in Bezug genommenen Aktenbestandteile2137 sowie des gerichtlichen Ablehnungsbeschlusses einschließlich der darin in Bezug genommenen Aktenteile vollständig im Wortlaut2138 oder unter vollständiger Anführung aller wesentli-

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2129 KK/Krehl 223. 2130 S. dazu Krehl FS Fischer 720 f.; Schlothauer FS Fischer 826 f. 2131 Vgl. OLG Naumburg NStZ-RR 2013 18, 19; hierzu zählt auch der unzulässige Austausch des benannten Beweismittels: HK/Julius 88; s. Rn. 145 ff. 2132 S. nur etwa BGHSt 19 24, 26; BGH StV 1993 173; NStZ-RR 2018 347, 348; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 14. 2133 BGH NStZ-RR 2017 119; StV 2013 71; Meyer-Goßner/Schmitt 106; Alsberg/Güntge 1623 f., 1653; Eisenberg (Beweisrecht) 305; vgl. BGH StraFo 2015 71 f.; s. näher Cirener HRRS-GedS Widmaier 27 ff. 2134 So BGH NJW 2005 2242, 2243; NStZ 1994 483; 2002 656; 2003 381, 382; StV 1989 465 m. abl. Anm. Schlothauer; 2001 436; 2001 504; VRS 6 (1954) 354, 355; BGHR § 244 Abs. 6 Beweisantrag 3; OLG Düsseldorf MDR 1993 1105; Basdorf StV 1995 318 f.; KK/Krehl 78, 224. 2135 BGH NStZ 2005 231; 2008 299, 300; 2008 351, 352; 2009 171, 173; 2017 420, 421; NStZ-RR 2008 382; StV 2009 4, 5; s. auch BGH StraFo 2011 511; KK/Krehl 224; Alsberg/Güntge 1680; abl. Eisenberg (Beweisrecht) 300; MüKo/Trüg/Habetha 402; SK/Frister 261; einschränkend auch Radtke/Hohmann/ Kelnhofer 102 f. 2136 BGH JR 2010 456, 457 m. abl. Anm. Popp; NStZ-RR 2012 178 f.; OLG Hamburg StV 2016 803. 2137 BGH NJW 2005 2322, 2323; NStZ 2014 604, 606; StraFo 2004 134; 2004 424; 2017 31; bei Sander NStZ-RR 2006 34; OLG Hamburg StV 2016 803; vgl. auch BGH StraFo 2010 466. 2138 BGH NJW 1999 2683; NStZ 1999 396, 399; wistra 2015 100, 101; auch ein ergänzender Ablehnungsbeschluss: BGH bei Miebach/Sander NStZ-RR 2000 3.

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chen Tatsachen sinngemäß2139 mitteilen. Kann der Ablehnungsbeschluss nicht dargestellt werden, weil er unter Verstoß gegen § 273 Abs. 1 nicht protokolliert wurde, geht das allerdings nicht zu Lasten des Revisionsführers.2140 Darzulegen sind außerdem alle Tatsachen, nicht jedoch die Rechtsgründe,2141 aus denen sich die Fehlerhaftigkeit des Beschlusses ergeben soll;2142 dies erübrigt sich jedoch, wenn sich die Fehlerhaftigkeit des Ablehnungsbeschlusses schon aus dessen Begründung ergibt.2143 Vollständig oder zumindest ihrem wesentlichen Inhalt nach mitzuteilen sind auch die Schriftstücke oder sonstigen Aktenbestandteile, die die Revision zum Beleg dieser Tatsachen anführt.2144 Jede Bezugnahme, insbesondere auch auf das Protokoll, ist unzulässig, da die Revisionsbegründung aus sich heraus verständlich sein muss.2145 Ungenügend ist auch die Einfügung von Ablichtungen in die Revisionsbegründung, wenn sich das Revisionsgericht aus diesen die relevanten Einzelheiten erst zusammensuchen muss.2146 Ist jedoch die Sachrüge erhoben, so ist der Inhalt der vom Revisionsgericht in diesem Fall zur Kenntnis zu nehmenden Urteilsgründe als Ergänzung und zur Substantiierung des notwendigen Rügevortrags heranzuziehen, soweit ihm die erforderlichen Verfahrenstatsachen entnommen werden können.2147 Da die Revisionsgerichte insoweit aber keine einheitlichen Maßstäbe anlegen, ist es ratsam, auch die gegebenenfalls dem Urteil zu entnehmenden Verfahrenstatsachen darzulegen und sich nicht darauf zu verlassen, dass im Revisionsverfahren wegen der erhobenen Sachrüge ohnehin auf diese zurückzugreifen ist. Hängt die Zulässigkeit der beantragten Beweiserhebung von zusätzlichen, außerhalb des Beweisantrags liegenden Umständen ab, so ist auch dazu vorzutragen.2148 Ist der Beweisantrag später mit der Sache nach identischem Inhalt erneut gestellt und wiederum abgelehnt worden, so soll auch dieser Antrag sowie der Zurückweisungsbeschluss darzulegen sein, da hierdurch ein Fehler bei der Ablehnung des Erstantrags geheilt worden sein kann.2149 Wird gerügt, dass der ablehnende Beschluss die Beweisbe-

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2139 BGH NStZ 1986 519; StV 1994 470 Ls.; bei Miebach/Sander NStZ-RR 2001 7; BGHR § 344 Abs. 2 Satz 2 Beweisantragsrecht 4; OLG Koblenz VRS 52 (1977) 125 f.; OLG Schleswig bei Döllel/Dreeßen SchlHA 2006 291; Krause StV 1984 488; AK/Schöch 149; KK/Krehl 224; KMR/Paulus 604; Meyer-Goßner/Schmitt 106; SK/Frister 256 ff. 2140 BGH NJW 1969 281, 282. 2141 Zu Unrecht daher wohl Unzulässigkeit statt Unbegründetheit der Rüge angenommen von: BGH NJW 2000 370, 371 (nicht dargelegt, dass Beweisantrag dem „Konnexitätserfordernis“ genügte); BGHR § 244 Abs. 6 Beweisantrag 40 (nicht dargelegt, dass im Beweisantrag hinreichend konkretisierte Beweismittel benannt). 2142 BGHSt 3 213, 214; BGH NJW 1969 281, 282; 1998 2229; 1998 3284; 2002 1508, 1509; BGH NStZ 1986 519, 520; 1987 36; 2013 536, 537; NStZ-RR 2009 317; 2014 318, 319; 2019 26; StV 1999 195; 2004 578, 579; OLG Schleswig bei Döllel/Dreeßen SchlHA 2006 291; offen gelassen von BGH NStZ 1993 50. 2143 BGH NJW 1998 3284; NStZ-RR 2014 318, 319; 2019 26. 2144 BGH NJW 2003 2761, 2763; 2005 2242, 2243; JR 2008 124 m. krit. Anm. Wohlers; NStZ-RR 2014 318, 319 f.; 2019 26. 2145 BGHSt 3 213; 40 3, 5; BGH NJW 2007 3010, 3011; NStZ-RR 2006 48, 49; StraFo 2015 79; bei Dallinger MDR 1970 900; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 208; KMR/Paulus 604; SK/Frister 259; s. auch die Erl. zu § 344. 2146 BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1987 221; BGH StraFo 2011 511; s. näher bei § 344. 2147 Vgl. BGHSt 36 384, 385; BGH NJW 1982 2738; NStZ 1996 145; NStZ-RR 2009 317 (keine Sachrüge erhoben); 2014 318, 320; StV 1982 55; 1996 36; StraFo 2012 268; bei Dallinger MDR 1956 272; BGHR StPO § 244 Abs. 2 Aufdrängen 5; BayObLGSt 1954 20; OLG Hamburg NJW 1968 2303, 2304; OLG Koblenz VRS 55 (1978) 47; OLG Saarbrücken VRS 38 (1970) 60; Krause StV 1984 488; Meyer-Goßner/Schmitt 106 (stillschweigende Bezugnahme); SK/Frister 259 („jedenfalls … wenn … Sachrüge erhoben“); s. aber KK/Krehl 227, wonach wohl Bezugnahme erforderlich sein soll; vgl. auch KMR/Paulus 604. 2148 BGH StraFo 2017 113, 114 (Zustimmung zur Verlesung eines Gutachtens nach § 251 Abs. 1 Nr. 1); bei Cirener NStZ-RR 2014 71 (eventuelles Beweisverbot nach § 160a Abs. 1 oder § 97 Abs. 1 Nr. 2). 2149 BGH NStZ-RR 2012 178; es dürfte sich aber eher um eine Frage des Beruhens handeln.

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hauptung falsch oder zu eng verstanden habe, so ist es wegen der strittigen Rechtslage (vgl. Rn. 371) auch empfehlenswert darzulegen, was der Antragsteller in der Hauptverhandlung zur Beseitigung des Missverständnisses unternommen hat, gegebenenfalls auch, warum er zur Klarstellung nicht gehalten war, einen neuen Beweisantrag zu stellen. Nicht zum notwendigen Revisionsvortrag gehören die Verfahrenstatsachen, die den behaupteten Rechtsfehler eventuell widerlegen können, da Grundlage der revisionsgerichtlichen Prüfung der Ablehnungsbeschluss ist;2150 die Frage, ob eine rechtsfehlerhafte Begründung der Ablehnung des Antrags durch außerhalb des Zurückweisungsbeschlusses liegende Umstände folgenlos bleibt, ist eine solche des Beruhens. Zum Beruhen des Urteils auf der fehlerhaften Ablehnung braucht sich der Revisionsführer aber gerade nicht zu äußern.2151 Es kann aber für den Erfolg seiner Rüge förderlich sein, wenn er darlegt, inwiefern ihn die fehlerhafte Entscheidung in seiner Prozessführung beeinträchtigt hat.2152 Im Übrigen richten sich die vorzutragenden Tatsachen nach dem jeweiligen Grund der Ablehnung. Einzelfragen: 373 – Auf die Mitteilung der Beweisbehauptung darf der Revisionsführer auf keinen Fall verzichten.2153 Zwar ist für besondere Konstellationen erwogen worden, dass das Revisionsgericht den Ablehnungsbeschluss auch ohne deren Kenntnis auf Rechtsfehler überprüfen könne, weil der Zurückweisungsgrund allein in der Besonderheit des Beweismittels liege und mit dem Beweisthema nichts zu tun habe. Dies ist etwa angenommen worden bei Ablehnung eines Beweisantrags wegen Unerreichbarkeit des benannten Zeugen2154 oder wegen Ungeeignetheit des Beweismittels,2155 sofern die mangelnde Erreichbarkeit oder Eignung nicht mit dem Beweisthema zusammenhängt. Insoweit wird jedoch nicht hinreichend in Rechnung gestellt, dass die Mitteilung der Beweisbehauptung schon deswegen erforderlich ist, damit das Revisionsgericht prüfen kann, ob diese überhaupt hinreichend konkretisiert und damit den Anforderungen an einen Beweisantrag genügt ist, so dass der Antrag nur unter den Voraussetzungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 zurückgewiesen werden konnte. Im Übrigen ist das Beweisthema mit ausschlaggebend dafür, welche Bemühungen das Gericht zur Beibringung des Zeugen entfalten muss (Rn. 248, 255), und lässt sich die Ungeeignetheit eines Beweismittels nur aus seinem Verhältnis zu der Beweistatsache ableiten (vgl. Rn. 230, 232).2156 – Die Rüge, das Tatgericht habe einen Beweisantrag zu Unrecht als aufs Geratewohl aufgestellt behandelt (zur Kritik an dieser Rechtsprechung s. Rn. 112), muss angeben, aus welchen Tatsachen sich die Unrichtigkeit dieser Annahme ergibt.2157 – Ist ein Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung abgelehnt worden, so hat die Revision die Tatsachen darzulegen, aus denen die Erheblichkeit der Beweisbehauptung folgt.2158 Wird geltend gemacht, das Tatgericht habe mehrere

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2150 BGH StraFo 2011 99 (obiter); offen gelassen von BGH NStZ 1993 50. 2151 BGH NJW 1998 3284; NStZ 2013 536, 537; AK/Schöch 149; vgl. auch OLG Frankfurt StV 1981 172. 2152 Vgl. BGH StV 2012 74; zu weit gehend daher KG StV 1988 518, 519. 2153 Meyer-Goßner/Schmitt 106; MüKo/Trüg/Habetha 403; SK/Frister 256. 2154 BGH MDR 1953 692; NJW 1982 2738; StV 1984 455; LM § 244 Abs. 3 Nr. 9; OLG Hamm MDR 1988 695; Krause StV 1984 487. 2155 OLG Celle NdsRpfl. 1982 66; KG VRS 11 (1956) 277, OLG Schleswig SchlHA 1959 156. 2156 Zum Sonderfall, dass ein Beweisantrag des Verteidigers wegen Verschleppungsabsicht des Angeklagten zurückgewiesen wird, vgl. OLG Hamburg JR 1963 473 (zw.). 2157 BGH bei Sander NStZ-RR 2005 3 f. 2158 BGH NStZ-RR 2000 210; bei Sander NStZ-RR 2004 2; BGH StV 2004 57; BayObLGSt 1949-51 57; Alsberg/Güntge 1629.

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Beweisanträge zum selben Beweisziel wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache zurückgewiesen, ohne die gebotene Gesamtwürdigung aller Beweistatsachen vorgenommen zu haben, so sind alle entsprechenden Ablehnungsbeschlüsse zum Beleg dazu mitzuteilen, dass keiner von ihnen die gebotene Gesamtwürdigung enthält.2159 Ist die Ablehnung eines Beweisantrags auf die Unerreichbarkeit des Beweismittels gestützt worden, so soll neben Antrag und Zurückweisungsbeschluss auch darzulegen sein, welche Bemühungen das Gericht zur Beibringung des Zeugen unternommen hat und zu welchem Ergebnis sie geführt haben, soweit diese Vorgänge für die Ablehnung des Antrags von Bedeutung gewesen und im Ablehnungsbeschluss nicht vollständig dargestellt worden sind.2160 Dem ist nicht zu folgen, denn Grundlage der Prüfung des Revisionsgerichts ist der Ablehnungsbeschluss.2161 Legt dieser die Unerreichbarkeit nicht rechtsfehlerfrei dar, so ist es ausschließlich eine Frage des Beruhens, ob sich dieser Fehler nicht auswirkt, weil wegen sonstiger aktenmäßig belegter Umstände die Unerreichbarkeit feststeht (s. Rn. 372). Vorzutragen ist dagegen, welche konkreten Maßnahmen das Gericht noch hätte ergreifen können, um einen benannten Zeugen zu erreichen;2162 ob der Revisionsführer auch darlegen muss, zu welchem Ergebnis diese Maßnahmen geführt hätten,2163 erscheint mehr als zweifelhaft. Gegebenenfalls sind auch alle Tatsachen mitzuteilen, die für die Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Inanspruchnahme internationaler Rechtshilfe bedeutsam gewesen wären.2164 Die Beanstandung, das Gericht habe die Möglichkeit nicht geprüft, ob der Zeuge für eine audiovisuelle Vernehmung (§ 247a) erreichbar gewesen wäre, muss unter Vortrag der entsprechenden Verfahrenstatsachen ausdrücklich erhoben werden.2165 Wird die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Verschleppungsabsicht unter anderem darauf gestützt, dass der Antrag erst nach einer vom Vorsitzenden insoweit gestellten Frist gestellt worden sei (s. Rn. 273), so ist sowohl die Ankündigung dieser Fristsetzung als auch die Fristsetzung mitzuteilen;2166 nicht vorzutragen ist dagegen die Anrufung des Gerichts gegen die Fristsetzung (§ 238 Abs. 2),2167 denn die Zulässigkeit der Rüge einer fehlerhaften Annahme von Verschleppungsabsicht ist von der Geltendmachung dieses Rechtsbehelfs nicht abhängig.2168 Die Rüge, die Wahrunterstellung sei nicht eingehalten worden, muss die Zusage der Wahrunterstellung und die als wahr unterstellte Behauptung anführen.2169 Dagegen ist kein Grund ersichtlich, warum es stets erforderlich sein soll, den gesamten Beweisantrag, also einschließlich der Begründung vorzutragen;2170 dies kann viel-

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2159 BGH bei Cirener NStZ 2012 69, insoweit in StV 2011 646 nicht abgedruckt. 2160 BGH NJW 1999 2683, 2686; NStZ 1986 519, 520; BGH StV 1984 4; 1984 455; 1999 195; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1987 16; bei Miebach/Sander NStZ-RR 2001 8 f.; BGHR § 247a Audiovisuelle Vernehmung 5. 2161 BGH StraFo 2011 99 (obiter). 2162 BGH NStZ 2010 403, 404; 2015 346; vgl. BGH StV 1996 581. 2163 So BGH bei Cirener NStZ-RR 2011 137. 2164 BGH StV 1992 216 m. Anm. Münchhalffen; KK/Krehl 228. 2165 BGHR § 247a Audiovisuelle Vernehmung 5. 2166 BGH NStZ-RR 2014 251; bei Cirener NStZ-RR 2011 137; 2016 99. 2167 A.A. BGH bei Cirener NStZ-RR 2011 137. 2168 BGH NJW 2011 2821. 2169 Vgl. BGHSt 32 44, 46 unter dem Aspekt der Rüge einer Verletzung des Grundsatzes fairer Verfahrensführung; s. dazu Rn. 382. 2170 So aber BGHSt 32 44, 46; BGH NStZ-RR 2012 178, 179.

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mehr nur dann erforderlich sein, wenn es wegen der Besonderheit der Fallgestaltung andernfalls nicht möglich ist zu prüfen, ob die Wahrunterstellung im Urteil eingehalten worden ist oder nicht.2171 Die Urteilsgründe, aus denen sich ergibt, dass das Gericht die Wahrunterstellung nicht eingehalten hat (nach hiesiger Auffassung auch: dass sich die Wahrunterstellung nicht zugunsten des Angeklagten ausgewirkt hat), müssen nur mitgeteilt werden, wenn sie vom Revisionsgericht nicht ohnehin wegen der erhobenen Sachrüge zur Kenntnis genommen werden müssen (s. Rn. 372). Ist die nach der Ablehnung des Beweisantrags liegende spätere Entwicklung des Verfahrens für die Beurteilung der Verfahrensrüge von Bedeutung, ist etwa das Gericht von der Wahrunterstellung abgerückt und hat auf einen anderen Ablehnungsgrund zurückgegriffen, so hat der Revisionsführer die maßgeblichen Verfahrenstatsachen vorzutragen, wenn er die Verwerfung seiner Rüge als unzulässig vermeiden will.2172 Dies gilt aber nur dann, wenn eine solche Verfahrensentwicklung tatsächlich eingetreten ist. Allein die Möglichkeit eines derartigen Fortgangs des Verfahrens zwingt den Revisionsführer nicht zu dem Vortrag, dass sich diese Möglichkeit nicht verwirklicht hat.2173 Die Zulässigkeit der Beanstandung, das Gericht habe den Antrag auf Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens zur Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage rechtsfehlerhaft abgelehnt, bedarf nicht des Vortrags, dass der Zeuge die Zustimmung zu seiner Exploration gegeben habe; denn die Exploration ist nicht Voraussetzung der Gutachtenerstattung.2174 Rügt die Revision die Ablehnung des Antrags auf Zuziehung eines weiteren Sachverständigen, muss sie darlegen, aufgrund welcher dem Gericht bekannten Tatsachen es an der Sachkunde des Erstgutachters hätte zweifeln müssen; macht sie insoweit geltend, der Erstgutachter habe wesentliche Anknüpfungstatsachen und Unterlagen nicht beachtet, so hat sie diese vorzutragen.2175 Beruft sie sich auf Mängel des vorbereitenden Gutachtens des zunächst gehörten Sachverständigen, so muss sie auch dessen wesentlichen Inhalt darlegen.2176 Jedoch ist zu beachten, dass es für die Sachkunde des Erstgutachters auf dessen in der Hauptverhandlung mündlich erstattetes Gutachten ankommt, wie es sich nach den Urteilsgründen darstellt; in diesem kann er etwaige Unkorrektheiten des vorbereitenden Gutachtens berichtigt haben. Die Vorlage des vorbereitenden schriftlichen Gutachtens kann daher nur verlangt werden, wenn die Revision geltend macht, die darin enthaltenen Mängel hätten bis in das mündliche Gutachten fortgewirkt.2177 Wird geltend gemacht, ein Antrag auf nochmalige Vernehmung eines Zeugen sei rechtsfehlerhaft abgelehnt worden, so wird der detaillierte Vortrag verlangt, dass und wozu der Zeuge bereits ausgesagt hat, da nur dann geprüft werden könne, ob es sich nicht lediglich um eine Wiederholung der Beweisaufnahme und daher nicht um

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2171 S. BGH NStZ-RR 2012 178, 179. 2172 Vgl. BGH NJW 1994 1015. 2173 KK/Krehl 232; MüKo/Trüg/Habetha 408. 2174 BGH NStZ 2015 299; Wasserburg FS Paeffgen 697 f.; a.A. BGH NStZ 2013 672; StV 2013 73, 74; differenzierend BGH StV 2013 483; offen gelassen: BGH bei Cirener/Herb NStZ-RR 2018 102; zur entsprechenden Aufklärungsrüge s. Rn. 368. 2175 BGH NStZ-RR 2001 81; bei Miebach/Sander NStZ-RR 1999 2 f. 2176 BGH StV 1996 529; 1999 195 Ls.; bei Becker NStZ 2004 436; bei Sander NStZ-RR 2006 36; nicht aber auch die Mitschrift einer Tonbandaufnahme eines Explorationsgesprächs: BGH NStZ 2002 656. 2177 Vgl. BGH NStZ 2005 582; NStZ-RR 2010 51; bei Miebach/Sander NStZ-RR 2001 7 f.; bei Sander NStZ-RR 2002 3; s. auch BGH NStZ-RR 2009 317 für den Fall, dass allein die Verfahrensrüge nach § 244 Abs. 4 Satz 2 erhoben wurde.

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einen Beweisantrag handele (s. näher Rn. 175 f.).2178 Dann muss zum Beleg des entsprechenden, Verfahrenstatsachen betreffenden Vortrags aber auch der Freibeweis eröffnet sein und darf diesem nicht etwa entgegengehalten werden, es handele sich um eine unzulässige Rekonstruktion der Beweisaufnahme. Knüpft die Rüge, ein Beweisantrag sei rechtsfehlerhaft gemäß § 244 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 erst im Urteil beschieden worden, daran an, dass die dem zugrunde liegende Fristsetzung durch den Vorsitzenden ermessensfehlerhaft gewesen sei, so muss auch vorgetragen werden, dass gegen die Fristsetzung auf Entscheidung des Gerichts angetragen wurde (§ 238 Abs. 2); denn die Geltendmachung dieses Rechtsbehelfs ist Voraussetzung für die Zulässigkeit der entsprechenden Revisionsrüge.2179

4. Beweisanträge anderer Verfahrensbeteiligter. Es hängt immer von der Zielrich- 374 tung des Antrags und der Prozesslage des Einzelfalls ab, ob andere Verfahrensbeteiligte, möglicherweise sogar Prozessgegner, durch die Ablehnung eines fremden Antrags beschwert sind.2180 Die rechtsirrige Ablehnung eines Beweisantrages der Staatsanwaltschaft kann etwa für den Angeklagten einen Revisionsgrund abgeben, sofern er dadurch beschwert ist, weil die Ablehnung des Antrages auch seine eigenen Verfahrensinteressen beeinträchtigt,2181 so beispielsweise wenn die Staatsanwaltschaft den Antrag nicht ausschließlich zu Ungunsten des Angeklagten, sondern allgemein mit dem Ziel der Erforschung des wahren Sachverhalts gestellt hatte.2182 Etwas anderes gilt, wenn der Antrag ausschließlich auf den Nachweis einer den Angeklagten belastenden Tatsache gerichtet ist.2183 Weil eine unter Beweis gestellte Tatsache immer nur zugunsten, dagegen nie zuungunsten des Angeklagten als wahr unterstellt werden darf, wird darin eine nur zugunsten des Angeklagten gegebene Rechtsnorm gesehen; ihre Verletzung durch eine Unterstellung zu Lasten des Angeklagten kann der Staatsanwalt nach § 339 nicht geltend machen, um eine Aufhebung des Urteils zum Nachteil des Angeklagten herbeizuführen.2184 Jedoch kann die Staatsanwaltschaft die Revision darauf stützen, dass der Sinngehalt der Wahrunterstellung nicht erschöpft wurde, selbst wenn der Tatrichter fälschlich eine Behauptung als wahr unterstellt hatte, die nicht zur Entlastung, sondern zur Belastung des Angeklagten bewiesen werden sollte.2185 Hat andererseits das Gericht zu Unrecht einen Beweisantrag des Nebenklägers mit der Unterstellung als wahr abgelehnt, ohne dem in den Urteilsgründen voll zu entsprechen, dann kann auch der Nebenkläger diesen Verfahrensverstoß, der seine Verfahrensrechte beeinträchtigt, rügen.2186 Die Ablehnung eines Beweisantrags der Staatsanwaltschaft kann auch der Nebenkläger rügen,2187 nicht aber die Ablehnung eines vom Angeklagten zu seiner Entlastung gestellten Antrags.2188 Mitange-

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2178 BGH NStZ 2015 540, 541; bei Cirener NStZ-RR 2014 71. 2179 Krehl FS Fischer 710 f., 714; Mosbacher NStZ 2018 14; Schlothauer FS Fischer 826; Meyer-Goßner/ Schmitt 108; vgl. bei § 238, 46. 2180 Eisenberg (Beweisrecht) 171, 298; vgl. auch SK/Frister 254. 2181 BGH NStZ 1984 372; StV 1987 189; Alsberg/Güntge 1622; AK/Schöch 148; a.A. Meves GA 40 (1892) 435 (nur Antragsteller). 2182 RG JW 1895 572; Recht 1909 Nr. 2881; 1924 Nr. 82; Alsberg/Güntge 1622. 2183 Vgl. BGH bei Holtz MDR 1979 807; Alsberg/Güntge 1621. 2184 RG HRR 1939 Nr. 817; BGH NStZ 1984 564; OLG Bamberg wistra 2017 248 Ls.; OLG Stuttgart JR 1968 151 m. Anm. Koffka; vgl. bei § 339. 2185 BGH NStZ 1984 564; bei Holtz MDR 1981 189; vgl. bei § 339. 2186 OLG Stuttgart JR 1968 151 m. Anm. Koffka. 2187 BGH NJW 1998 3284; BayObLG DJZ 1931 174; Alsberg/Güntge 1619; Amelunxen (Nebenkläger) 85; vorausgesetzt wird aber immer eine Beschwer in den eigenen Verfahrensinteressen, vgl. Rn. 118. 2188 Alsberg/Güntge 1621; anders Amelunxen (Nebenkläger) 85, weil sich jede Beweiserhebung möglicherweise auch zu Lasten des Angeklagten auswirken könne.

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klagte können auch dann, wenn sie sich dem Antrag eines Angeklagten nicht angeschlossen haben, durch die fehlerhafte Ablehnung in ihren eigenen Verfahrensinteressen beschwert sein, da sie auch ohne Antragstellung davon ausgehen können, dass eine erfolgreiche Beweiserhebung auch zu ihren Gunsten wirkt.2189 Jedoch ist in diesen Fällen der Verfahrensbeteiligte, der den Beweisantrag nicht selbst gestellt und sich ihm auch nicht angeschlossen hat, nicht befugt, eine Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts zu erheben; denn von diesem Recht hat er vor dem Tatgericht gerade keinen Gebrauch gemacht. Ihm steht daher lediglich die Aufklärungsrüge zu (s. näher bei Rn. 120). Brauchte das Gericht über einen Hilfsantrag nicht zu befinden, weil es dem Hauptantrag folgte, so können die anderen Verfahrensbeteiligten hieraus keine Revisionsrüge herleiten,2190 es sei denn, dass die im Hilfsbeweisantrag unter Beweis gestellte Tatsache ohne Rücksicht auf die Antragstellung hätte aufgeklärt werden müssen; es ist also ebenfalls nur die Aufklärungsrüge eröffnet. 375

5. Prüfung des Revisionsgerichts. Das Revisionsgericht prüft grundsätzlich nur im Rahmen des Tatsachenvortrags nach, ob die Behauptungen des Revisionsführers zutreffen und einen Rechtsfehler bei der Zurückweisung des Beweisantrags begründen (vgl. bei § 344); zu der Streitfrage,2191 ob es dabei an die tatsächlichen Feststellungen gebunden ist, die das Tatgericht dem Ablehnungsbeschluss zugrunde gelegt hat, wird wegen der Einzelheiten auf Rn. 32 und 286 verwiesen. Ist ein Beweisantrag wegen uneingeschränkter Allgemeinkundigkeit der Beweistatsache (oder ihres Gegenteils) zurückgewiesen worden, so dass das Revisionsgericht an der Allgemeinkundigkeit teilhat, kann dieses den Ablehnungsbeschluss allerdings auf seine inhaltliche Richtigkeit überprüfen.2192 Die Rechtsfehler, die die Revision begründen können, sind bei den einzelnen Ablehnungsgründen und bei der Erörterung der Behandlung der Beweisanträge dargestellt. Ob dem Tatrichter bei der Ablehnung eines Beweisantrages ein Rechtsfehler unterlaufen ist, hängt von der – allerdings auslegungsfähigen2193 – Begründung ab, mit der er in der Hauptverhandlung den Beweisantrag abgelehnt hat. Eine fehlerhafte Begründung des Ablehnungsbeschlusses kann regelmäßig durch die Urteilsgründe nicht geheilt werden (Rn. 138). Erst recht ist es dem Revisionsgericht verwehrt, eine falsch begründete Zurückweisung durch Nachschieben eines anderer Ablehnungsgrundes – gar nach eigenen freibeweislichen Erhebungen (s. Rn. 33a) – zu halten.2194 Auch wenn die

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2189 BGHSt 32 10 = NStZ 1984 372 m. Anm. Schlüchter; BGH bei Pfeiffer NStZ 1981 96; OLG Koblenz NStZRR 2010 344 Ls.; Alsberg/Güntge 1620 m.w.N.; a.A. RGSt 64 30, 32; RG JW 1922 587; vgl. Rn. 120. BGH NJW 1952 273 nimmt stillschweigenden Anschluss an. 2190 RGSt 17 375 (Hilfsbeweisantrag der Staatsanwaltschaft); SK/Frister 254. 2191 Bindung nehmen bspw. an: BGH JR 1983 35, 36 m. zust. Anm. Meyer; BGH NStZ 1984 466; MeyerGoßner/Schmitt 107; dem ist zu folgen, die Verfahrenstatsachen müssen vom Tatgericht im Freibeweis allerdings rechtsfehlerfrei festgestellt sein und dürfen auch nicht durch eine begründete Aufklärungsrüge ausgehebelt werden; vgl auch Rn. 286; s. demgegenüber etwa BGHSt 21 118, 123; AK/Schöch 151. 2192 BGHSt 6 292, 296; OLG Düsseldorf NJW 1993 2452, 2453; KG NJW 1972 1909. 2193 BGHSt 1 29, 32; BGH NJW 2003 2761, 2762; BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Prozessverschleppung 9; OLG Stuttgart JR 1968 151 m. Anm. Koffka; Meyer-Goßner/Schmitt 80. 2194 BGH NJW 1953 35, 36; NStZ 1982 41; 2000 437, 438; NStZ-RR 2001, 43; StV 2012 577, 578; VRS 36 (1969) 213, 215; OLG Hamm MDR 1964 435; KG VRS 48 (1975) 432; OLG Köln StV 1996 368; KK/Krehl 233; Meyer-Goßner/Schmitt 107; Julius StV 1999 86; Alsberg/Güntge 1675 m.w.N.; s. auch Rn. 139; nicht bedenkenfrei daher: BGH StV 1994 635 m. abl. Anm. Müller (Absatz 5 Satz 2 statt Prozessverschleppung); NStZ 1997 286 (Absatz 5 Satz 2 statt Ungeeignetheit); NJW 2003 150, 152 (Bedeutungslosigkeit statt Unzulässigkeit); richtigerweise wäre in diesen Fällen die Frage zu stellen gewesen, ob das Urteil auf der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags beruht, s. BGH NStZ 2000 437, 438. Ähnlich liegt es, wenn das Revisionsgericht meint, die Beweistatsache oder ihr Gegenteil sei allgemeinkundig; vgl. OLG Düsseldorf MDR 1980 868, 869.

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Urteilsgründe auf die Ablehnung eines Beweisantrages in der Hauptverhandlung nicht eingehen, können sie aber dafür verwertbar sein, ob das Urteil auf einem Rechtsfehler, der dem Gericht bei der Ablehnung eines Beweisantrags unterlaufen ist, beruhen kann.2195 Lässt sich dies nicht ausschließen, begründet dieser Verstoß gegen § 244 nach § 337 – bei Angeklagtem und Verteidiger zugleich auch nach § 338 Nr. 8 – die Revision.2196 Das Beruhen des Urteils auf einer unzureichenden oder fehlerhaften Begründung 376 der Ablehnung eines Beweisantrags in der Hauptverhandlung kann oft nicht verneint werden. Dies gilt auch, wenn der Beweisantrag mit einer anderen Begründung hätte abgelehnt werden können;2197 denn der Fehler kann auch dann die Verfahrensführung beeinflusst und die Verfahrensbeteiligten gehindert haben, die geänderte Prozesslage in ihrem weiteren Verhalten zu berücksichtigen und andere Anträge zu stellen.2198 Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen kann das Revisionsgericht davon ausgehen, dass der Antragsteller auch bei richtiger Begründung der Ablehnung keine anderen sachdienlichen Anträge hätte stellen können,2199 so etwa, wenn die tatsächlichen Gründe der Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsache für die Verfahrensbeteiligten auf der Hand lagen (s. Rn. 226) oder sie aus Rechtsgründen zwingend ohne Belang bleiben musste.2200 Eine unzulänglich begründete Ablehnung des Beweisantrags wegen der Unerreichbarkeit eines Zeugen soll dann unschädlich sein, wenn im Wege des Freibeweises vom Revisionsgericht festgestellt werden kann, dass der Zeuge ohnehin nicht erschienen wäre.2201 Das Beruhen soll im Einzelfall (es komme darauf an, dass kein das Verfahren beeinflussendes anderes Prozessverhalten möglich gewesen wäre) auch dann auszuschließen sein, wenn das Gericht im Urteil ohnehin uneingeschränkt von den unter Beweis gestellten Tatsachen ausgegangen ist.2202 Beim Antrag auf Zuziehung eines weiteren Sachverständigen kann das Beruhen des Urteils auf der unrichtig begründeten Ablehnung auch dann ausgeschlossen werden, wenn feststeht, dass der Sachverständige das Gutachten nicht hätte abgeben können, weil die dafür erforderlichen tatsächlichen Grundlagen fehlten und auch nicht beizubringen gewesen wären.2203 6. Die Rüge, ein Beweisantrag sei nicht beschieden worden, muss unter Mitteilung 377 des Inhalts des Antrags dartun, dass in der Hauptverhandlung2204 ein ordnungsgemäßer

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2195 Vgl. Rn. 138 f.; OLG Düsseldorf MDR 1980 868, 869. 2196 Nach Alsberg/Güntge 1612, Meyer-Goßner/Schmitt 104, MüKo/Trüg/Habetha 397 bringt die Rüge eines Verstoßes gegen § 338 Nr. 8 jedoch keine Vorteile; vgl. Hilger NStZ 1983 343. 2197 BGH NStZ 2000 437, 438; NStZ-RR 2010 211, 212 f.; OLG Naumburg NStZ-RR 2013 18, 19; Alsberg/Güntge 1675. 2198 Vgl. BGHSt 19 26; 29 149, 152; BGH NStZ 1981 401; 1982 213; 1982 432; NStZ-RR 2010 211, 212 f.; StV 1987 45; 1990 246; 1991 500; 1993 147 m. Anm. Deckers; bei Dallinger MDR 1971 18; 1975 725; OLG Frankfurt StV 1981 172; OLG Hamm JR 1965 269; OLG Naumburg NStZ-RR 2013 18, 19; KK/Krehl 233; SK/Frister 263; ferner Alsberg/Güntge 1673. 2199 BGH NStZ-RR 2010 211, 212 f.; StraFo 2016 289 f.; s. aber auch BGH NStZ-RR 2005 177. 2200 BGH StV 2011 619, 621; NStZ 2016 733, 734; 2018 111, 113. 2201 BGH NStZ 1993 349; s. aber auch Rn. 33a. 2202 BGH NStZ 1991 547, 548; 2014 604, 606; 2015 355, 357; wistra 2010 410, 412; 2013 471, 472; bei Becker NStZ 2003 417; Meyer-Goßner/Schmitt 107; Alsberg/Güntge 1677 m.w.N. Dem ist jedenfalls nicht ohne Einschränkungen zu folgen; muss sich – wie hier vertreten (s. Rn. 289) – eine Wahrunterstellung im Urteilsspruch zum Vorteil des Angeklagten auswirken, so kann sie nicht in den Urteilsgründen folgenlos nachgeschoben werden; vgl. auch Herdegen NStZ 1990 515; Scheffler NStZ 1989 159; Schlüchter StV 1987 47; AK/Schöch 151. 2203 BGH NStZ-RR 1997 331. 2204 BGH StraFo 2011 99 f.

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Beweisantrag gestellt worden ist, über den durch Beschluss nach Absatz 6 Satz 1 zu entscheiden gewesen wäre und der nur aus einem der Ablehnungsgründe der Absätze 3 bis 5 hätte zurückgewiesen werden dürfen.2205 Auch hier ist im Einzelfall zu prüfen, ob das Urteil auf dem Verfahrensverstoß beruht.2206 Dies kann regelmäßig auch dann nicht ausgeschlossen werden, wenn der Beweisantrag nach Sachlage mit einer rechtsfehlerfreien Begründung hätte abgelehnt werden können. Entscheidend ist, ob der Antragsteller durch die unterbliebene Mitteilung der Ablehnungsgründe in seiner Prozessführung behindert worden ist, insbesondere ob er bei Kenntnis der Ablehnungsgründe andere Anträge gestellt hätte.2207 Unter demselben Gesichtspunkt greift auch die Rüge durch, das Gericht habe unter Verstoß gegen Absatz 6 Satz 1 über den Beweisantrag erst bei der Urteilsverkündung oder im schriftlichen Urteil entschieden.2208 Hat der Vorsitzende eine Frist für die Stellung weiterer Beweisanträge bestimmt und das Gericht nach Verstreichen der Frist gestellte Anträge erst bei der Urteilsverkündung oder in den schriftlichen Urteilsgründen wegen Verschleppungsabsicht abgelehnt (s. Rn. 273, 283), so setzt die Zulässigkeit der Rüge nach § 244 Abs. 6 nicht voraus, dass gegen die Fristsetzung durch den Vorsitzenden in der Hauptverhandlung eine Entscheidung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 herbeigeführt worden ist.2209 Der Zeitpunkt der verspäteten Entscheidung ist jeweils mitzuteilen. 378

7. Nichtausführung der angeordneten Beweiserhebung. Wird die vom Vorsitzenden oder dem Gericht aufgrund eines Beweisantrags angeordnete Beweiserhebung nicht ausgeführt, ohne dass die Anordnung später wieder aufgehoben und der Beweisantrag abgelehnt wurde, kann dieser Rechtsfehler (Verstoß gegen die Modalitäten der Absätze 3 bis 5 oder gegen Absatz 6 Satz 1) mit der Revision gerügt werden. Auch hierzu ist der Antrag mitzuteilen; außerdem die Anordnung der Beweiserhebung darzulegen und dass diese nicht ausgeführt worden ist.

379

8. Hilfsbeweisanträge. Die Begründung der Rüge, ein Hilfsbeweisantrag sei rechtsfehlerhaft zurückgewiesen worden, muss grundsätzlich denselben Anforderungen entsprechen wie diejenige, die die Ablehnung eines unbedingt gestellten Beweisantrags beanstandet; mitzuteilen ist insbesondere auch die Bedingung, unter der der Antrag gestellt wurde, da das Revisionsgericht ansonsten nicht prüfen kann, ob die Bedingung eingetreten ist und der Antrag daher überhaupt den Ablehnungsgründen des § 244 Abs. 3 bis 5 unterfiel; anders liegt es nur, wenn sich der Bedingungseintritt aus dem Urteil ergibt.2210 Da jedoch über den Hilfsbeweisantrag regelmäßig erst in den Urteilsgründen zu entscheiden ist, kann sich bei gleichzeitig erhobener Sachrüge der Vortrag der Ablehnungsgründe – und, falls im Urteil ebenfalls mitgeteilt, auch des Antrags – erübrigen, da das Revisionsgericht den Inhalt des Urteils aufgrund der Sachrüge zur Kenntnis zu nehmen hat.2211 Für die Prüfung des Revisionsgerichts, ob das Urteil auf einem Feh-

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2205 OLG Stuttgart NJW 1968 1733; Alsberg/Güntge 1627; Krause StV 1984 488; KK/Krehl 226; SK/Frister 255; a.A. OLG Hamburg JR 1963 473. 2206 BGH VRS 34 (1968) 354; NStZ 1983 422. 2207 BGH bei Dallinger MDR 1971 18; OLG Frankfurt StV 1981 172; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1969 152; Alsberg/Güntge 1673. 2208 OLG Zweibrücken StV 1995 347; KK/Krehl 226. 2209 BGH NJW 2011 2821; s. demgegenüber Rn. 373 zu der Rüge eines Verstoßes gegen § 244 Abs. 6 Satz 2 und 3 Halbsatz 1. 2210 BGH NStZ-RR 2013 349 f.; bei Miebach/Sander NStZ-RR 1999 3. 2211 BGH NJW 1982 2738; StV 1982 55; 1982 208; StraFo 2004 245; BGH bei Dallinger MDR 1956 272; bei Miebach NStZ-RR 1998 3; BayObLGSt 1954 20; OLG Frankfurt StraFo 1998 271; OLG Hamburg NJW 1968

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ler bei der Ablehnung eines solchen Antrags beruht, sind ebenfalls nur die Urteilsgründe heranzuziehen. Ergeben diese, dass ein anderer Ablehnungsgrund durchgreift, ist eine fehlerhafte Begründung der Ablehnung unschädlich;2212 da die Ablehnungsgründe nicht in der Hauptverhandlung bekannt gegeben werden müssen, scheidet die Möglichkeit aus, dass die fehlerhafte Ablehnung die Verfahrensgestaltung des Antragstellers beeinflusst haben könnte. Gleiches gilt, wenn das Tatgericht den Hilfsbeweisantrag übergangen hat, aber sich aus den Urteilsgründen ergibt, dass es ihn mit rechtsfehlerfreier Begründung hätte zurückweisen können.2213 Dagegen wird das Urteil regelmäßig auf der Nichtbescheidung des Hilfsbeweisantrags beruhen, wenn es von Tatsachen ausgeht, die in Widerspruch zu der Beweisbehauptung stehen.2214 9. Aufklärungsrüge. Das Unterlassen der beantragten Beweiserhebung kann auch 380 unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Aufklärungspflicht mit der Aufklärungsrüge beanstandet werden.2215 Beide Rügen sind grundsätzlich selbständig; welche von beiden geltend gemacht wird, richtet sich nach dem Inhalt der Revisionsbegründung.2216 Sie können auch nebeneinander erhoben werden.2217 Auch wenn die Aufklärungsrüge nicht ausdrücklich als solche bezeichnet wird, kann sich aus dem Revisionsvortrag ergeben, dass ein Verstoß gegen § 244 Abs. 2 beanstandet werden soll; ihre Begründung muss jedoch zunächst allen Anforderungen genügen, die gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 an eine derartige Rüge allgemein gestellt werden2218 (s. Rn. 366 ff.). Zum vollständigen Vortrag aller für die Beurteilung der Aufklärungsrüge notwendigen Tatsachen gehört aber auch die Mitteilung des Beweisantrags und der Ablehnungsgründe. Dies folgt nicht nur daraus, dass an die Aufklärungsrüge, die an die Ablehnung eines Beweisantrags anknüpft, keine geringeren Anforderungen gestellt werden können als an die Beanstandung einer Verletzung des Beweisantragsrechts;2219 vielmehr sind Antrag und Ablehnungsbeschluss vielfach auch deswegen darzustellen, weil nur hierdurch dem Revisionsgericht alle Verfahrenstatsachen unterbreitet werden, die dieses benötigt, um die bei einzelnen Ablehnungsgründen umfassend (etwa Absatz 5 Satz 2) oder eingeschränkt (etwa Bedeutungslosigkeit, Unerreichbarkeit; Ungeeignetheit; Verschleppungsabsicht) zulässige Beweisantizipation der – nach hier vertretener Auffassung allein zulässigen (vgl. Rn. 222, 243, 286) – Prüfung auf Rechtsfehler zu unterziehen. Das Ausweichen auf die Aufklärungsrüge verringert daher in

_____ 2304; OLG Hamm NJW 1978 1210; OLG Koblenz VRS 42 (1972) 425; 52 (1977) 447; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1970 199; Krause StV 1984 488; s. auch Rn. 372. 2212 BGH NJW 1949 796; 1988 501; NStZ 1991 547; 1998 98; 1998 209; bei Kusch NStZ-RR 1993 229; BGH StV 1990 533; 1998 248, 249; BGHR § 244 Abs. 6 Hilfsbeweisantrag 5; OLG Hamm NJW 1968 1205; VRS 32 (1967) 278; JR 1962 269; NZV 1993 122; KG VRS 15 (1958) 56; OLG Schleswig bei Ernesti/Lorenzen SchlHA 1981 93; vgl. Alsberg/Güntge 1682 m.w.N. 2213 BGH NJW 1988 501 f.; 2000 370, 371; NStZ 2008 116; NStZ-RR 2006 382; bei Becker NStZ 2005 497; OLG Hamm StraFo 1998 190. 2214 OLG Koblenz VRS 62 (1982) 280. 2215 BGH NJW 1998 2229; NStZ 1984 329, 330; 2011 471, 472; Alsberg/Güntge 1613; KK/Krehl 238; MüKo/Trüg/Habetha 381. 2216 BGH NJW 1998 2229; 2011 471, 472. 2217 BGH NStZ-RR 2016 87 Ls. 2218 BGH GA 1954 374, 375; NJW 1957 598; NStZ 2011 471, 472; bei Holtz MDR 1978 806; bei Spiegel DAR 1978 161; BGHR § 244 Abs. 6 Hilfsbeweisantrag 10; OLG Köln VRS 46 (1974) 203; OLG Koblenz VRS 45 (1973) 48; OLG Oldenburg VRS 46 (1974) 200; OLG Stuttgart VRS 61 (1976) 379; vgl. auch BGH bei Pfeiffer/ Miebach NStZ 1983 359; 1984 18; Alsberg/Güntge 1613; AK/Schöch 155; KMR/Paulus 595. Ob im Bereich der meisten Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 noch Raum für eine Aufklärungsrüge ist, bezweifelt BGHSt 10 119. 2219 BGH NStZ 1984 329; 2013 672; a.A. Krause StV 1984 486.

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der Regel weder die Darlegungslast2220 noch erhöhen sich wegen des im Rahmen des § 244 Abs. 2 ohnehin größeren Beurteilungsspielraums des Gerichts für die Ablehnung der Beweiserhebung dadurch die Erfolgsaussichten der Revision im Vergleich zu der Rüge einer Verletzung der Absätze 3 bis 6. Die Nachprüfung des Revisionsgerichts reicht im Übrigen auch hier nicht über die mit dem Tatsachenvortrag untermauerten Beanstandungen hinaus. Eine generelle Überprüfung, ob den Anforderungen der Aufklärungspflicht voll genügt ist, wird dadurch nicht ausgelöst.2221 Eine eigenständige Bedeutung gewinnt die Aufklärungsrüge daher in diesem Bereich nur in den seltenen Ausnahmefällen, in denen das Gericht einen Beweisantrag aufgrund der Absätze 3 oder 4 ablehnen durfte, in denen aber die Aufklärungspflicht trotzdem die Erhebung des beantragten Beweises gebot.2222 Dagegen ist allein die Aufklärungsrüge einschlägig, wenn ein Beweisermittlungsan381 trag oder ein sonstiges Beweisbegehren, das die Voraussetzungen eines Beweisantrags nicht erfüllt, fehlerhaft zurückgewiesen wurde.2223 Gleiches gilt, wenn der Antrag vom Tatgericht als Beweisantrag behandelt und aus einem der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 oder 4 (fehlerhaft) zurückgewiesen wurde. Da der Tatrichter die Voraussetzungen der § 244 Abs. 3 oder 4 nicht beachten musste, beurteilt es sich hier – nicht anders als in den Fällen, in denen er den zutreffenden rechtlichen Charakter des Beweisbegehrens von vornherein erkannt und dieses ausschließlich nach § 244 Abs. 2 geprüft hat – allein nach den Maßstäben der Aufklärungspflicht, ob in der Ablehnung des Begehrens ein Verfahrensfehler liegt.2224 Da indessen auch das Tatgericht die wahre Rechtsqualität des „Antrags“ verkannt hat, erscheint fraglich, ob an die Begründung der Aufklärungsrüge dieselben hohen Anforderungen zu stellen sind wie in den sonstigen Fällen oder ob es hier nicht vielmehr auszureichen hat, dass der Revisionsführer sein Beweisbegehren und den Ablehnungsbeschluss vollständig mitteilt.2225 Die Unbestimmtheit von Beweisbehauptung oder -mittel sollte hier eher erst bei der Prüfung der Begründetheit der Rüge Gewicht erlangen können. Trägt der Revisionsführer alle Verfahrenstatsachen vor, die die Prüfung des Ablehnungsbeschlusses auch unter dem Aspekt der Aufklärungsrüge erlauben, so nimmt das Revisionsgericht diese Prüfung auch dann vor, wenn die Aufklärungsrüge nicht ausdrücklich erhoben wird.2226 Anders liegt es aber in den Fällen, in denen eine nicht hinreichend bestimmte Beweisbehauptung als wahr unterstellt wurde; obwohl kein Beweisantrag vorlag, wirkt hier die Bindung des Tatgerichts an die Wahrunterstellung auch in der Revisionsinstanz fort und Prüfungsmaßstab für das Revisionsgericht bleibt allein § 244 Abs. 3 Satz 2.2227 Abweichendes gilt auch dann, wenn das Tatgericht durch die fehlerhafte Behandlung der Beweisbegehrens als Beweisantrag und dessen fehlerhafte Ablehnung eine irreführende Prozesslage geschaffen hat, durch die das Verteidigungsverhalten nachteilig beeinflusst worden sein kann. In diesem Fall hat die Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts auch dann Erfolg, wenn das Begehren mit einer anderen Begründung

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2220 Vgl. BGH NStZ 2011 471, 472; Alsberg/Güntge 1613: Begründung im Allgemeinen schwieriger. 2221 RGSt 74 153; BGH NJW 1951 283. 2222 BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 210; vgl. Alsberg/Güntge 1613; s. Rn. 58. 2223 Mosbacher FS Miebach 24. Ist dies durch sachleitende Anordnung des Vorsitzenden geschehen, kann Voraussetzung für die Zulässigkeit der Rüge jedoch sein, dass dagegen gemäß § 238 Abs. 2 auf Entscheidung des Gerichts angetragen worden ist, s. Rn. 362, 373 sowie § 238, 46 f. 2224 BGH NStZ 1998 97, 98 m. Anm. Rose S. 633; 2010 403, 404; NStZ-RR 1997 41, 42; 2004 370; StV 2012 577, 578; bei Becker NStZ 2007 517; BGHR § 244 Abs. 6 Beweisantrag 13; zu den Besonderheiten bei der Wahrunterstellung s. Rn. 302. 2225 Vgl. MüKo/Trüg/Habetha 381, 398; anders aber BGH NJW 1999 800; NStZ 1998 97, 98 m. Anm. Rose S. 633. 2226 BGH bei Holtz MDR 1978 805 f.; MüKo/Trüg/Habetha 381. 2227 BGH StV 2017 790 Ls.

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§ 245

rechtsfehlerfrei hätte zurückgewiesen werden können und eine Aufklärungsrüge aus diesem Grund nicht zum Erfolg führen würde.2228 10. Rüge der Verletzung des Gebots fairen Verfahrens. Das Gebot eines fairen 382 Verfahrens ist als vorrangige Verfassungsverbürgung und aufgrund der als einfaches Recht unmittelbar geltenden Menschenrechtskonventionen im Strafverfahren zu beachten. Vereinzelte Entscheidungen haben deshalb die Rüge eines Verstoßes gegen dieses Verbot auch bei der Beanstandung fehlerhafter Ablehnungen von Beweisanträgen zugelassen. So soll es etwa die Verfahrensfairness verletzen, wenn eine zugesicherte Wahrunterstellung nicht eingehalten wird.2229 Für die Begründung dieser Rüge hat der BGH nicht die Angabe aller Tatsachen gefordert, die sonst für die Rüge der Nichteinhaltung der Wahrunterstellung notwendig sein sollen (s. dazu Rn. 373). Das OLG Frankfurt2230 sieht in der Verletzung der durch die Begründung des ablehnenden Beschlusses geschaffenen Vertrauensposition einen Verstoß gegen das Gebot eines fairen Verfahrens, wenn der ablehnende Beschluss eine Beweistatsache als bedeutungslos bezeichnet hat, das Urteil dann aber ihrem Gegenteil bei der Strafzumessung Gewicht beimaß. Nach seiner Ansicht kann dieser Verstoß neben der Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 2 gerügt werden. Dem ist nicht zu folgen; insbesondere ist auch eine Auflockerung der sonst bestehenden Begründungspflichten für die revisionsrechtlich zulässige Beanstandung des konkreten Verfahrensverstoßes abzulehnen.2231 Ist eine für sich gesehen mit verfassungs- und konventionsrechtlichen Garantien vereinbare einfachrechtliche Norm rechtsfehlerfrei angewendet worden, so kann hierin kein Verstoß gegen Grundrechte oder konventionsrechtliche Verbürgungen liegen. Ist sie dagegen rechtsfehlerhaft herangezogen worden und beruht das Urteil hierauf, so ist dieses auf entsprechende Rüge der Verletzung einfachgesetzlichen Rechts aufzuheben. Eines Rückgriffs auf das Grundgesetz und die Menschenrechtskonventionen bedarf es nicht.2232 Da die zu § 344 Abs. 2 Satz 2 entwickelten Anforderungen ebenfalls mit Verfassungs- und Konventionsrecht in Einklang stehen, ist dieses auch nicht geeignet, für bestimmte Teilbereiche die einfachrechtlichen Anforderungen an die Zulässigkeit von Verfahrensrügen zu modifizieren.

§ 245 Umfang der Beweisaufnahme; präsente Beweismittel § 245 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-044

(1) 1 Die Beweisaufnahme ist auf alle vom Gericht vorgeladenen und auch erschienenen Zeugen und Sachverständigen sowie auf die sonstigen nach § 214 Abs. 4 vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft herbeigeschafften Beweismittel zu erstrecken, es sei denn, daß die Beweiserhebung unzulässig ist. 2 Von der Erhe-

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2228 BGH NStZ-RR 1997 41, 42; StV 2012 577, 578 f.; dazu auch Hadamitzky StraFo 2012 307; Knauer StraFo 2012 480 f.; vgl. Alsberg/Güntge 1678; kritisch Mosbacher HRRS-GedS Widmaier 92 ff., der allenfalls die Rüge der Verletzung des fairen Verfahrens eröffnet sieht. 2229 BGHSt 32 44 = JR 1984 143 m. abl. Anm. Meyer; BGHSt 21 38 wird insoweit aufgegeben, als dort die Nichteinhaltung der Zusage unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht gewürdigt wurde; nach Ansicht des BGH greift in diesen Fällen der Rechtsgedanke des Vertrauensschutzes Platz; ähnlich BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 14; AK/Schöch 148; Pfeiffer 51; SK/Frister 260. 2230 OLG Frankfurt MDR 1993 1001. 2231 Alsberg/Güntge 1614; Herdegen NStZ 1984 343; Meyer JR 1984 143; a.A. Laufhütte SchRAGStrafR Bd. 10 (1993) 193; s. auch Einl. I 114 Fn. 306. 2232 Alsberg/Güntge 1614; MüKo/Trüg/Habetha 397.

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§ 245

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bung einzelner Beweise kann abgesehen werden, wenn die Staatsanwaltschaft, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind. (2) 1 Zu einer Erstreckung der Beweisaufnahme auf die vom Angeklagten oder der Staatsanwaltschaft vorgeladenen und auch erschienenen Zeugen und Sachverständigen sowie auf die sonstigen herbeigeschafften Beweismittel ist das Gericht nur verpflichtet, wenn ein Beweisantrag gestellt wird. 2 Der Antrag ist abzulehnen, wenn die Beweiserhebung unzulässig ist. 3 Im übrigen darf er nur abgelehnt werden, wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen oder offenkundig ist, wenn zwischen ihr und dem Gegenstand der Urteilsfindung kein Zusammenhang besteht, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet ist oder wenn der Antrag zum Zwecke der Prozeßverschleppung gestellt ist. Schrifttum Arnoldi Präsente Beweismittel in der Praxis, NStZ 2018 305; Dallinger Präsente Beweismittel (§ 245), MDR 1966 965; Häner Verfahren bei Ausbleiben des gerichtlich geladenen Zeugen, JR 1984 496; Hagemann Entstehung, Entwicklung und Bedeutung der Vorschrift über die präsenten Beweismittel im Strafprozeßrecht, Diss. Würzburg 1980; Köhler Inquisitionsprinzip und autonome Beweisführung (§ 245 StPO), (1979); ders. Das präsente Beweismittel nach dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1979, NJW 1979 348; Kühl Prozeßgegenstand und Beweisthema im Strafverfahren (1987); Marx Die Verwertung präsenter Beweismittel nach neuem Recht, NJW 1981 1415; Rieß Die Stellung des Verteidigers beim Verzicht auf die Verwendung präsenter Beweismittel, NJW 1977 881; Rostek Soziologisches Gutachten als „präsentes Beweismittel“ im Sinne des § 245 StPO, MDR 1976 897; Waszczynski Die Ablehnung von Beweisanträgen nach § 245 Abs. 2 StPO und das Selbstladerecht des Angeklagten, ZJS 2010 318. Wegen der allgemeineren Abhandlungen zum Beweisrecht vgl. das Schrifttum bei § 244.

Entstehungsgeschichte Siehe bei § 244 (Bezeichnung bis 1924: § 244).

I.

II.

Übersicht Gesetzeszweck und Anwendungsbereich 1. Grundgedanke der Norm | 1 2. Unterschiede zwischen Absatz 1 und Absatz 2 | 3 3. Verhältnis zu anderen Vorschriften | 6 4. Anwendungsbereich | 8 Präsente Beweismittel nach Absatz 1 1. Vernehmung von Beweispersonen a) Ladung durch das Gericht | 10 b) Anwesenheit | 12 c) Erkennbarkeit der Anwesenheit | 15 d) Verwendbarkeit der Beweisperson | 16 2. Nutzung sächlicher Beweismittel a) Sächliche Beweismittel | 19 b) Herbeigeschaffte Beweisgegenstände | 21 c) Feststellung der Präsenz des Beweisgegenstandes | 22

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3.

III.

Unzulässigkeit der Beweiserhebung a) Allgemeine Gründe | 26 b) Erweiterte Anwendung? | 28 4. Verzicht auf die Beweisaufnahme (Absatz 1 Satz 2) a) Zustimmungspflichtige Beteiligte | 30 b) Form und Grenzen | 33 c) Wirkung | 38 d) Aufklärungspflicht | 40 5. Ablehnungsbeschluss | 41 6. Sitzungsniederschrift | 42 Präsente Beweismittel nach Absatz 2 1. Vernehmung von Beweispersonen a) Ladung | 43 b) Erscheinen | 46 2. Nutzung sächlicher Beweismittel | 47 3. Beweisantrag | 50 4. Entscheidung über den Beweisantrag | 55

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

5.

IV.

Unzulässigkeit der Beweiserhebung (Absatz 2 Satz 2) | 56 6. Die Ablehnungsgründe des Absatzes 2 Satz 3 a) Allgemeine Grundsätze | 57 b) Erwiesene oder offenkundige Tatsachen | 59 c) Fehlender Sachzusammenhang | 61 d) Völlige Ungeeignetheit | 64 e) Verschleppungsabsicht | 66 7. Verzicht | 67 8. Sitzungsniederschrift | 68 Sonstige Verfahrensfragen 1. Durchführung der Beweiserhebung | 69 2. Angeklagter ohne Verteidiger | 71

§ 245

Verfahrenstrennung | 72 Beweisaufnahme bei Einstellung des Verfahrens | 73 Rechtsbehelfe 1. Anrufung des Gerichts (§ 238 Abs. 2) | 74 2. Beschwerde | 75 3. Revision a) Verstoß gegen Absatz 1 | 76 b) Verstoß gegen Absatz 2 | 77 c) Unzulässige Beweiserhebung | 78 d) Nichtausschöpfung eines Beweismittels | 79 e) Beruhen | 80 f) Verletzung der Aufklärungspflicht | 81 3. 4.

V.

§ 245 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker Alphabetische Übersicht Abladung 11 Ablehnungsbeschluss 41, 55 Ablehnungsgründe des Absatzes 2 Satz 3 50, 55 – Aufzählung, abschließende 58 – Ermessen 57 f., 61 – Erwiesenheit des Gegenteils der Beweisbehauptung 60 – Grundsätze, allgemeine 57 – Offenkundigkeit des Gegenteils der Beweisbehauptung 60 – Sachzusammenhang, fehlender 61 f. – Tatsachen – – erwiesene 59 – – offenkundige 59 – Ungeeignetheit, völlige 4 f. – Verschleppungsabsicht 66 Abspielvorrichtungen, technische 20, 48 Adressbücher 19, 23, 29 Akten 19 Angeklagter – nicht anwesender 32 – ohne Verteidiger 71 – Verzicht auf Beweisaufnahme 30, 67 Anrufung des Gerichts (§ 238 Abs. 2) 41, 74, 76, 78 Anwendungsbereich 8 Anwesenheit der Beweisperson 12 – Entfernung, vorübergehende 13 – Erkennbarkeit 15 – Funktion als Beweisperson 14 – Hinweis auf Anwesenheit 51 – verspätete 12, 15, 46 – weggefallene 13 Aufklärungspflicht 1, 7, 9, 12, 23, 40, 67, 81 Aufruf der Sache 15, 46 Augenschein 57, 60

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Auskunftsverweigerungsrecht 17, 27, 76 Ausschöpfung der Beweismittel 1, 70, 79 Aussetzung der Verhandlung 12 Bedienungspersonal 20, 48 Beistand 30 Berufsgeheimnisträger 17 Berufungsinstanz 8 Beschwerde 75 Besuchserlaubnis für Sachverständigen 18 Beweisantizipation 57, 62 Beweisantrag 5, 7, 12, 14, 23, 38, 43 f., 47, 49, 77 – Anforderungen, inhaltliche 50 – Befragung des Antragstellers 51 – Form 53 – Hinweis auf Notwendigkeit 71 – Hinweis auf Präsenz des Beweismittels 51 – nach Ablehnung eines früheren Antrags 52 – Rücknahme 54 – Wiederholung 46, 52 – Zeitpunkt 46, 53 Beweiserhebung – Absehen durch Vorsitzenden 41 – auf Anordnung des Vorsitzenden 55, 69 – bei Verfahrenseinstellung 73 – durch Vorsitzenden 69 – Ermessen des Gerichts 9, 57 f. – Gegenstand 27 – ohne Antrag 5, 7 – Reihenfolge 6 – unzulässige 17, 23, 26 ff., 56, 69, 76, 78 – Verfahrensökonomie 58, 69 Beweisführungsbefugnis 30, 43 Beweisführungsinteresse 31, 43, 57, 59, 64 Beweiskraft, negative 42

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§ 245

Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

Beweismittel, präsente – Beweispersonen 10 ff., 43 ff. – sächliche 19 ff., 47 ff. – Verwendung zusammen mit nichtpräsentem 65 Beweismittel, sächliche – Angabe der Beweisthematik 23 – Augenscheinsobjekte 20 – Bezeichnung in der Anklage 22 – Form der Herbeischaffung 48 – Fotokopie 49 – Gegenstände, beschlagnahmte 25 – Herbeischaffung durch Gericht oder Staatsanwaltschaft 3, 5, 21 – Herbeischaffung durch sonstige Verfahrensbeteiligte 47 – Konkretisierung 19, 22 f., 29 – Individualisierung 22 f., 25, 29 – Präsenzfeststellung 22 f., 25 – Protokolle 19, 23 – Schriftstücke 19 – Urkunden 19, 23, 49, 51 – Verwendbarkeit 20, 48 – Verwendungswille 23 ff., 76 – Zeitpunkt der Herbeischaffung 21, 48 – Zeitpunkt der Verwendbarkeit 48 Beweispersonen – Anwesenheit 12 f., 42, 51 – Anwesenheit in anderer Funktion 14 – Ausbleiben 12, 71 – Dolmetscher erforderlich 16 – Drogeneinfluss 16 – Erkennbarkeit der Anwesenheit 15 – Erkrankung 16 – Gefahr für Gesundheit oder Leben 16 – Hinterlegung der Entschädigung 45 – Ladung durch Gericht 3 f., 10, 46 – Ladung durch Verfahrensbeteiligte 3, 5, 43, 46, 51 – Mitangeklagte 14 – Nachforschung bei Ausbleiben 15 – Namhaftmachung 45 – Präsenz 10 ff., 43 ff. – Trunkenheit 16 – ungeladene 11 – Verwendbarkeit 16 ff., 46 – Verschiebung der Einvernahme 46 – Zeuge oder Sachverständiger 14, 52, 70 Beweistatsache, bedeutungslose 1 f., 5, 62 f. Beweisverbot 17, 26 f. Bild-Ton-Aufzeichnung 20, 24, 48 Bußgeldverfahren 9 Datenspeicher 20, 48 Dolmetscher 16

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Einstellung des Verfahrens 73 Entscheidung über Beweisantrag 55 – Verzögerung 46 Ermessensmissbrauch 74 Ermittlungsverfahren 25 Erziehungsberechtigter 30 Fürsorgepflicht 71 Gesetzeszweck 1, 52 Handelsbücher 19 Hilfsbeweisantrag 54 f. – Ablehnungsgründe 55 Jugendverfahren, vereinfachtes 9 Konzentration des Beweisstoffs 2, 5 Ladung – als Zeuge oder Sachverständiger 14, 52 – Bekanntgabe des Fortsetzungstermins 10 – falsche 11 – Form 10, 44 – formwidrige 7 – Nachweis 15, 45 Mitangeklagte – als Beweisperson 14 – Verzicht auf Beweiserhebung 30 Nebenbeteiligte 30, 43 Nebenkläger 30, 43 Ordnungshaft 13 Ordnungsmittel 10, 12, 17 Präsenzfeststellung 15, 22 f., 76 Privatklage 9 Rechtsbehelfe 74 ff. Rechtsmissbrauch 2, 5, 6, 23, 28 f., 44, 58 Revision 76 ff. – Aufklärungsrüge 81 – Beruhen 76, 80 – Beweiserhebung, unzulässige 78 – Präklusion von Revisionsrügen 74, 76, 78 – Revisionsvorbringen, notwendiges 76 f. – Verstöße gegen Absatz 1 76 – Verstöße gegen Absatz 2 77 Richter 14 Rücksichtnahme auf Beweispersonen 6 Sachverständiger 1 – Ablehnung 27 – Ablehnung des Beweisantrags 57, 60 – Anwesenheit 12 f. – aushilfsweise geladener Sachverständiger 18 – Erkennbarkeit der Anwesenheit 15 – Exploration in U-Haft 18 – kein präsenter Zeuge 14, 52, 70 – neue Fragen aus demselben Fachgebiet 18 – Ladung 10, 43, 51 – Sachkunde, fehlende 18 – Verfahrensverzögerung durch Gutachtensvorbereitung 18

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

– Verwendbarkeit 16, 18 – völlige Ungeeignetheit 65 – Vorbereitung des Gutachtens 18 Sachkunde, eigene 57 Sachzusammenhang, fehlender 29, 61 f. Schließung der Beweisaufnahme 12, 48 Schriftstücke 19, 23 Sitzungsniederschrift 33, 37, 41 f., 68 Skizzen 20 Staatsanwaltschaft 14 – Ladung durch 43 – Verzicht auf Beweisaufnahme 30 Steuerunterlagen 19 Strafbefehlsverfahren 9 Tatortskizze 20 Tonbänder 19 Übersetzer 49 Unfallskizze 20 Urkunden 19, 23, 49, 51 – fremdsprachige 49 Urkundensammlungen 19, 23 Urkundsbeamter 14 Urteilsverkündung, Beginn der 48, 53 Verfahren, beschleunigtes 9 Verfahren, faires 1 Verfolgung, rechtsstaatswidrige 27 Verhältnis – Absatz 1 zu Absatz 2 3 – § 245 zu § 244 6, 38, 52, 65 Vernehmung, informatorische 36 Verschleppungsabsicht 28, 66 Verteidiger – abwesender Angeklagter 32 – als Beweisperson 14 – Verzicht auf Beweisaufnahme 30, 32 Verteidigung, effektive und autonome 1 Vertreter – gesetzlicher 30

§ 245

– einer juristischen Person 30 – einer Personenvereinigung 30 Verwendungs- und Verwertungsverbot 6 Verwendungswille 23 Verzicht – auf Beweiserhebung 7, 67 – bedingter 37 – befristeter 37 – Beteiligte, zustimmungspflichtige 30 – endgültiger 37 – Entbehrlichkeit 30 – Erstreckung auf Beweisantrag 38 – Form 33 – für jeweilige Instanz 39 – Grenzen 33 – konkludenter 33 – Mehrzahl von Beweismitteln 34 – Protokollierung 33 – Teilverzicht 35, 41 – Teilverzicht bei Zeugen 36 – Unterlassen, rechtsmissbräuchliches 29 – Unwiderruflichkeit 38 – vorbehaltloser 37 – vorläufiger 37 – Wirkung 38 Wahrunterstellung 57 Waffengleichheit 21 Zeuge 1 – Anwesenheit 12 f. – Erkennbarkeit der Anwesenheit 15 – kein präsenter Sachverständiger 14, 52, 70 – Ladung 10, 43, 51 – mitgebrachter (sistierter) 7, 44, 51 – Verwendbarkeit 16 f. – völlige Ungeeignetheit 65 Zeugenbeistand 30 Zeugnisverweigerungsrecht 17, 27, 76

I. Gesetzeszweck und Anwendungsbereich 1. Grundgedanke der Norm. Im Interesse der umfassenden Wahrheitserfor- 1 schung und einer effektiven autonomen Verteidigung erweitert § 245 bei präsenten Beweismitteln den Umfang der vom Gericht durchzuführenden Beweisaufnahme. Die Ablehnungsgründe des § 244 gelten hier nicht. § 245 beruht auf dem Gedanken, dass der sofort mögliche Gebrauch des herbeigeschafften Beweismittels „im Gegensatz zu der Anschauung des Gerichts, auch wenn diese auf einer sorgfältigen Würdigung beruht, doch unerwarteterweise etwas ergeben kann, das erheblich ist oder noch mehr zugunsten des Angeklagten wirkt, als das, was zuvor für wahr oder unwiderlegbar erachtet worden ist“.1

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1 RGSt 65 304, 305 = JW 1932 58 m. Anm. Alsberg; vgl. RGSt 1 225; 45 138, 141; RGRspr. 1 571; RG JW 1927 1490; OLG Celle NJW 1962 2315, 2316; Grünwald Gutachten 50. DJT (1974) Bd I. S. C 74; Schroeder ROW 1969 193 f.; Alsberg/Tsambikakis 1465.

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§ 245

Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

Vor allem schließt § 245 die Verweigerung der Vernehmung wegen Unerheblichkeit der behaupteten Tatsache oder wegen Mangels ihrer Beweisbedürftigkeit aus, weil das ganze, in seinem Umfang und seinen Einzelheiten nicht vorauszusehende Wissen des Zeugen erkundet und verwertet werden soll.2 Er gilt ausnahmslos für alle Beweismittel.3 Vor allem beim Sachverständigenbeweis ermöglicht er den Verfahrensbeteiligten, durch die Ladung eines weiteren Sachverständigen dessen Anhörung zu erzwingen, auch wenn das Gericht einen entsprechenden Beweisantrag nach § 244 Abs. 3, 4 ablehnen könnte. § 245 findet eine Entsprechung in § 241 Abs. 2, der dem Vorsitzenden nur das Recht gibt, ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen zurückzuweisen. Die Beteiligten sollen in der Lage sein, die in der Hauptverhandlung zur Verfügung stehenden Beweismittel vollständig zu benutzen. Sie sollen dabei geringeren Beschränkungen unterworfen sein als dort, wo ihr Verlangen auf die zeitaufwendigere Zuziehung eines nicht präsenten Beweismittels geht. Die Beweisaufnahme darf erst geschlossen werden, wenn die präsenten Beweismittel ausgeschöpft sind. Dies gilt auch dann, wenn schon vorher feststeht, dass der Angeklagte freizusprechen ist.4 § 245 trägt wesentlich zu einer den Verteidigungsbelangen Rechnung tragenden fairen Verfahrensgestaltung bei, wenn er dem Angeklagten in Verbindung mit § 220 gestattet, den Umfang der Beweisaufnahme eigenverantwortlich mitzubestimmen. Dies verhindert außerdem, dass beim Angeklagten und bei der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, das Gericht sei voreingenommen und wolle die Wahrheit nicht erforschen.5 Die einschränkende Neufassung von 1979 hatte das Ziel, unter Vermeidung jeder 2 „unvertretbaren Beeinträchtigung des Beweiserhebungsanspruchs der Prozessbeteiligten“ eine „sachgerechte Konzentration des Beweisstoffes“ zu ermöglichen.6 Sie bezweckte keine Änderung der Grundkonzeption, wonach die Verfahrensbeteiligten auf zweifachem Weg eine Beweiserhebung durch das Gericht herbeiführen können. Sie haben zum einen die Möglichkeit, durch einen Beweisantrag nach § 244 das Gericht zu veranlassen, nach Prüfung der Beweiserheblichkeit die Beweismittel selbst herbeizuschaffen und zu verwenden; sie können andererseits eine Beweisaufnahme aber auch ohne vorangegangene Erheblichkeitsprüfung nach § 244 Abs. 3 bis 5 dadurch erreichen, dass sie mit Hilfe ihres unmittelbaren Ladungsrechts (§ 214 Abs. 3, § 220) selbst für die Präsenz der von ihnen gewünschten Beweismittel in der Hauptverhandlung sorgen. Die in der alten Fassung uneingeschränkte Pflicht des Gerichts zur Verwendung aller präsenten Beweismittel ermöglichte prozessualen Missbrauch und einen Verfahrensleerlauf durch offenkundig überflüssige Beweisaufnahmen.7 Diese Gefahren wollte die Neufassung eindämmen, ohne aber das für Wahrheitsfindung und Verteidigung gleichermaßen wichtige Recht der Verfahrensbeteiligten zu beseitigen, durch von ihnen beigebrachte Beweismittel den Umfang der Beweisaufnahme eigenverantwortlich mitzubestimmen. 3

2. Unterschiede zwischen Absatz 1 und Absatz 2. Um diese unterschiedlichen Zielsetzungen miteinander vereinen zu können, trifft § 245 in seinen beiden Absätzen

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2 Vgl. etwa BGH NJW 1952 191; 1952 836; NStZ 1997 610, 611; OLG Hamburg NJW 1965 1238. 3 RGSt 65 304; OLG Hamm VRS 11 (1956) 59. 4 RGRspr. 10 649; 10 718; Alsberg/Tsambikakis 1495; Dallinger MDR 1966 965; Hillenkamp JR 1975 140; Peters § 38 V; KMR/Paulus 3; zum Verfahren bei Einstellung vgl. Rn. 73. 5 Grünwald Gutachten 50. DJT (1974) Bd. I S. C 74: „Für die Wahrung des Vertrauens in die Justiz kein zu hoher Preis.“; s. auch Arnoldi NStZ 2018 306. 6 RAussch. BTDrucks. 8 1844 S. 32. 7 BTDrucks. 8 976 S. 24, 50; Rieß NJW 1978 2270; dazu kritisch Köhler NJW 1979 348; zu der strittigen Regelung vgl. ferner Hagemann 80 ff.; Hanack FS Schultz 323; Marx NJW 1981 1415; Egon Müller NJW 1981 1805; Peters § 38 V; Rudolphi JuS 1978 866; Alsberg/Tsambikakis 1469 ff.; AK/Schöch 3 f.; KK/Krehl 1 f.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 245

eine differenzierende Regelung, je nachdem, ob die Beweismittel auf Grund einer Ladung durch das Gericht nach § 214 Abs. 1 bzw. durch Herbeischaffung (seitens Gericht oder Staatsanwaltschaft) gemäß § 214 Abs. 4 in der Hauptverhandlung präsent sind oder ob dies von anderen Verfahrensbeteiligten in Ausübung ihres unmittelbaren Ladungsrechts oder ihres Rechts zur Beibringung sächlicher Beweismittel bewirkt worden ist. Bei den vom Gericht geladenen Personen und den nach § 214 Abs. 4 herbeige- 4 schafften sächlichen Beweismitteln ist das Gericht unabhängig von einem hierauf gerichteten Antrag verpflichtet, diese Beweismittel zu verwenden, da die Verfahrensbeteiligten im Vertrauen auf die amtliche Anordnung auf eigene Initiativen verzichtet haben können.8 Die Ansicht, wonach diese Pflicht auf einer Selbstbindung des Gerichts beruhe,9 vermag im Hinblick darauf, dass nach § 245 Abs. 1 Satz 1 die Beweiserhebung auch auf die gemäß § 214 Abs. 4 Satz 1 von der Staatsanwaltschaft herbeigeschafften Beweisgegenstände zu erstrecken ist, zumindest nicht den gesamten Anwendungsbereich der Norm zu erklären. Dagegen ist bei den vom Angeklagten oder der Staatsanwaltschaft geladenen 5 Beweispersonen ebenso wie bei den von ihnen beigebrachten sonstigen sächlichen Beweismitteln zusätzlich ein Beweisantrag notwendig, um das Gericht zu verpflichten, die Beweisaufnahme auf diese präsenten Beweismittel zu erstrecken. Eine förmliche Antragstellung mit Angabe des Beweisthemas ist den Beweisführern zuzumuten, denn sie müssen ohnehin eine Vorstellung haben, was sie mit ihren Beweismitteln dartun wollen. Ein rechtlich anerkanntes Interesse, ein Beweismittel mit Überraschungswirkung in die Hauptverhandlung einzuführen, besteht nicht, wie die §§ 222, 246 Abs. 2 und 3 zeigen.10 Die Antragstellung mit Angabe des Beweisthemas ermöglicht eine sachgerechte Konzentration des Verfahrens durch Ablehnung einer missbräuchlichen oder überflüssigen Beweiserhebung. An Hand der mitgeteilten Beweisbehauptung kann das Gericht prüfen, ob einer der Gründe des Absatzes 2 Satz 3 vorliegt, die ihm gestatten, auch präsente Beweismittel unbenutzt zu lassen, ohne dass dadurch sachlich berechtigte Beweiserhebungsinteressen der Antragsteller verkürzt werden oder eine dem § 244 Abs. 3 bis 5 entsprechende Prüfung der Beweiserheblichkeit bei § 245 Abs. 2 eingeführt wird (vgl. Rn. 50, 61 f.). Die Bindung der Beweiserhebungspflicht an die Antragstellung hindert den Vorsitzenden nicht daran, präsente Beweismittel i.S.d. Absatzes 2 auch ohne Antragstellung zu verwenden.11 3. Verhältnis zu anderen Vorschriften. § 245 ergänzt § 244, dessen Absatz 1 davon 6 ausgeht, dass das Gericht gemäß § 245 Abs. 1 von sich aus die Beweisaufnahme auf die von ihm geladenen Beweispersonen und die sonstigen von Amts wegen zur Hauptverhandlung beigebrachten Beweismittel erstreckt. Er ändert ihn aber insoweit, als er bei den anderweitig präsent gewordenen Beweismitteln die Ablehnung ihrer Verwendung enger begrenzt als § 244 Abs. 2 bis 5.12 Beweismittel, die auf Grund anderer Vorschriften (etwa §§ 250 ff.) einem Verwendungs- oder Verwertungsverbot unterliegen, werden nicht dadurch zulässig, dass sie präsent im Sinne des § 245 sind (s. Rn. 26 f.). Auch das Recht des Vorsitzenden, die Reihenfolge der Beweiserhebung zu bestimmen (§ 238 Abs. 1), wird durch § 245 grundsätzlich nicht eingeschränkt. Es darf aber nicht rechts-

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8 Vgl. BGHR StPO § 76 Abs. 1 Satz 2 Entbindung 1; Dallinger MDR 1966 965; Alsberg/Tsambikakis 1472; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 4. 9 MüKo/Trüg/Habetha 6; SK/Frister 10 f.; Alsberg/Tsambikakis 1493. 10 BTDrucks. 8 976 S. 52. 11 Rieß NJW 1978 2270; Rudolphi JuS 1978 866; KMR/Paulus 4; Meyer-Goßner/Schmitt 18. 12 Waszczynski ZJS 2010 318; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 2.

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§ 245

Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

missbräuchlich ausgeübt werden, etwa um eine Beweiserhebungspflicht nach § 245 zu unterlaufen. Auf die Belange der erschienenen Beweispersonen ist in vertretbarem Umfang Rücksicht zu nehmen (vgl. Rn. 46). 7 Die Aufklärungspflicht des Gerichts (§ 244 Abs. 2) wird durch Absatz 2 nicht eingeschränkt. Wenn es der Sachaufklärung dient, muss das Gericht von Amts wegen jedes erreichbare Beweismittel ausschöpfen, auch wenn die Verfahrensbeteiligten im Falle des Absatzes 1 darauf verzichten (s. Rn. 40), ein Beweisantrag im Falle des Absatzes 2 nicht gestellt wird13 oder die Anwesenheit der Beweisperson nicht in der von §§ 220, 245 geforderten Form bewirkt wurde, wie bei den mitgebrachten Zeugen (Rn. 44). Gerade bei letzteren kann es die Aufklärungspflicht dem Gericht nahelegen, unter Umständen sogar gebieten, von sich aus die Prozessbeteiligten zu befragen, was diese Zeugen bekunden können sollen. 4. Anwendungsbereich. § 245 gilt auch in der Berufungsinstanz für die in der Berufungsverhandlung präsenten Zeugen (§ 324 Abs. 2). Unerheblich ist, wer Berufung eingelegt hat, ob die Zeugen zur Hauptverhandlung der ersten Instanz geladen worden waren und ob sie dort das Zeugnis verweigert haben. Unanwendbar ist § 245 in den Verfahren, in denen der Umfang der Beweiserhe9 bung im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts steht, wie im Privatklageverfahren (§ 384 Abs. 3), im Strafbefehlsverfahren (§ 411 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 420 Abs. 4) und im beschleunigten Verfahren (§ 420 Abs. 4) vor dem Strafrichter, ferner im Bußgeldverfahren (§ 77 OWiG) oder im vereinfachten Jugendverfahren (§ 78 Abs. 3 JGG).14 Hier bestimmt sich allein nach der Aufklärungspflicht, wieweit präsente Beweismittel zu nutzen sind.

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II. Präsente Beweismittel nach Absatz 1 1. Vernehmung von Beweispersonen 10

a) Ladung durch das Gericht. Nur vom Vorsitzenden nach § 214 Abs. 1 geladene Zeugen und Sachverständige15 sind, sofern sie erscheinen, präsente Beweismittel, die das Gericht nach Absatz 1 vernehmen muss, ohne dass es dazu des Antrags eines Verfahrensbeteiligten bedarf. Dies gilt auch bei Ladung zu einer audiovisuellen Vernehmung nach § 247a.16 Die Pflicht des Gerichts zur Vernehmung der anderweitig geladenen präsenten Beweispersonen bestimmt sich nach Absatz 2. Eine besondere Form ist für die gerichtliche Ladung nicht vorgeschrieben; es genügt, wenn die Beweispersonen auf Grund richterlicher Anordnung zur Hauptverhandlung erschienen sind, ganz gleich, ob ihnen diese schriftlich, mündlich, fernmündlich oder durch Boten mitgeteilt wurde17 und mit der Androhung von Ordnungsmitteln für den Fall des Ausbleibens des Geladenen verbunden war. Auch die Bekanntgabe des Termins zur Fortsetzung der Hauptverhandlung bei deren Unterbrechung genügt.18 Die Ladung kann auch noch während der

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13 SSW/Sättele 5. 14 KMR/Paulus 5; Pfeiffer 1; SK/Frister 8; a.A. Eisenberg (Beweisrecht) 142 m.w.N. 15 Auf Dolmetscher findet § 245 keine Anwendung: RGRspr. 8 97; Alsberg/Tsambikakis 1474; Eb. Schmidt 4. 16 SK/Frister 14; Überlegungen zur „Präsenz“ einer über Skype vernehmbaren Beweisperson bei Gerst StraFo 2013 106 f. 17 BGH NJW 1952 836; vgl. BGH StV 1995 567; KK/Krehl 6; Alsberg/Tsambikakis 1475. 18 RGSt 35 232; Alsberg/Tsambikakis 1475; vgl. § 48, 7.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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Hauptverhandlung angeordnet werden,19 sei es auf Grund eines Beweisbeschlusses, sei es durch ein vom Vorsitzenden oder vom Gericht veranlasstes formloses Herbeiholen. Danach wird es auch ausreichen, wenn der Vorsitzende eine nur als Zuschauer erschienene Person bittet, sich als Zeuge bereitzuhalten und den Sitzungssaal bis zu ihrer Vernehmung zu verlassen (§ 243 Abs. 2 Satz 1).20 Ungeladen anwesende Personen fallen ansonsten nicht unter Absatz 1, ganz 11 gleich, ob sie ursprünglich vom Gericht geladen worden waren und dann wieder abgeladen worden sind,21 ob sie in derselben Sache außerhalb der Hauptverhandlung kommissarisch vernommen werden sollen22 oder ob sie nur zufällig oder in anderer Eigenschaft (vgl. Rn. 14) anwesend sind. Ist versehentlich eine falsche Person geladen worden, gilt für sie Absatz 1 ebenfalls nicht.23 b) Anwesenheit. Die Worte „und auch erschienen“ sind erst durch das Vereinheitli- 12 chungsgesetz in § 245 Abs. 1 Satz 1 eingefügt worden. Die Rechtsprechung hatte jedoch schon vorher die Vorschrift dahin ausgelegt, dass die geladenen Zeugen oder Sachverständigen auch erschienen sein müssen. Es genügt, wenn sie sich – sei es auch mit Verspätung – so einfinden,24 dass sie vor Schluss der Beweisaufnahme noch vernommen werden können.25 Beim Ausbleiben eines geladenen Zeugen oder Sachverständigen steht den Prozessbeteiligten ein Anspruch auf Aussetzung der Verhandlung nicht ohne weiteres zu; das Gericht hat dann unter Berücksichtigung seiner Aufklärungspflicht zu prüfen, ob es das Erscheinen der Beweisperson durch Ordnungsmittel erzwingt.26 Anträge auf Zuziehung der Beweisperson sind nach den Grundsätzen des § 244 zu bescheiden.27 Die Anwendung des § 245 entfällt, wenn die geladenen und erschienenen Zeugen 13 oder Sachverständigen im Zeitpunkt der beabsichtigten Vernehmung nicht mehr anwesend sind, etwa weil sie entlassen worden sind (§ 248), sich während der Verhandlung eigenmächtig entfernt haben28 oder wegen ungebührlichen Benehmens zur Haft abgeführt werden mussten.29 Eine erkennbar nur kurze Zeit dauernde, vorübergehende Entfernung (Besuch der Toilette usw.) hebt die Anwesenheit im Sinne des § 245 nicht auf. Gleiches gilt, wenn das Gericht der Beweisperson die vorübergehende Entfernung bis zu ihrer für einen späteren Zeitpunkt festgesetzten Einvernahme gestattet hat. Personen, die in anderer Eigenschaft anwesend sind, etwa als Richter, Staats- 14 anwalt, Urkundsbeamter oder Verteidiger, sind keine herbeigeschafften Beweismittel,

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19 Die frühere Fassung (§ 245 Satz 2) stellte dies ausdrücklich klar, bei der Neufassung wurde dies als selbstverständlich und wegen § 246 entbehrlich gestrichen; vgl. Rieß NJW 1978 2270; Meyer-Goßner/ Schmitt 3; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 5; SK/Frister 14. 20 KK/Krehl 6; MüKo/Trüg/Habetha 12. 21 RGSt 1 34; Eb. Schmidt 6; Alsberg/Tsambikakis 1476. 22 Vgl. MüKo/Trüg/Habetha 12; SK/Frister 14; Alsberg/Tsambikakis 1475. 23 RG GA 54 (1907) 418. 24 Bei audiovisueller Vernehmung an dem Ort, zu dem sie zu diesem Zweck geladen sind: SK/Frister 16. 25 RGSt 1 175; 1 196; 35 398; 40 138, 140; 42 1, 3; 55 10, 11; 56 432; BGH bei Dallinger MDR 1966 965; OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1969 152; Alsberg/Tsambikakis 1477. 26 SSW/Sättele 7. 27 Häner JR 1984 497; Alsberg/Tsambikakis 1477; KMR/Paulus 8. 28 RG JW 1924 100; HRR 1932 Nr. 494; RG Recht 1910 Nr. 1190; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1986 207; OLG Düsseldorf MDR 1981 161; Alsberg/Tsambikakis 1478, 1481; AK/Schöch 7; KK/Krehl 7; KMR/Paulus 8; Meyer-Goßner/Schmitt 3; SK/Frister 21. 29 BGH bei Dallinger MDR 1954 17; OLG Düsseldorf MDR 1981 161; KK/Krehl 7; KMR/Paulus 8; SK/Frister 21.

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§ 245

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da sie nicht als Beweispersonen, sondern in amtlicher Funktion an der Hauptverhandlung teilnehmen.30 Erst wenn sie aus dieser Funktion ausgeschieden sind, etwa weil das Gericht ihre Vernehmung als Zeugen beschlossen hatte, können sie bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen dem § 245 unterfallen.31 Eine Beweisperson ist nur in der Eigenschaft präsentes Beweismittel, in der sie geladen ist.32 Wer als Zeuge geladen ist, ist daher nicht zugleich auch als Sachverständiger präsent, wer als Sachverständiger geladen ist, nicht als Zeuge.33 Zwar ist das Gericht jederzeit befugt, an einen Zeugen auch Sachverständigenfragen zu richten, zu deren unmittelbarer Beantwortung er in der Lage ist (s. dazu Rn. 18). Die anderen Verfahrensbeteiligten dürfen dies dagegen nur, wenn sie einen diesbezüglichen Beweisantrag stellen, dem das Gericht stattgibt; ob dies zu geschehen hat, richtet sich dann jedoch nach § 244 Abs. 3 und 4, nicht nach § 245 Abs. 2 (s. auch Rn. 52). Eines Beweisantrags bedarf es nur dann nicht, wenn die gerichtliche Aufklärungspflicht zur Zulassung der Fragen drängt. § 245 gilt nicht für Mitangeklagte.34 Wer als Mitangeklagter zur Berufungsverhandlung geladen worden war, steht nach Rücknahme seiner Berufung einem geladenen und erschienenen Zeugen gleich.35 15

c) Erkennbarkeit der Anwesenheit. Die vorgeladenen und erschienenen Zeugen und Sachverständigen müssen in dem Zeitpunkt, der für ihre Vernehmung vorgesehen ist (s. Rn. 13), als verfügbare Beweismittel erkennbar sein.36 Es kommt also nicht darauf an, ob das Gericht die Anwesenheit tatsächlich erkannt hat, sondern allein darauf, ob sie ihm objektiv erkennbar war.37 Daran kann es fehlen, wenn der Zeuge sich trotz Aufrufs nicht meldet.38 Erforderlich ist allerdings ein deutlicher Aufruf mit Namen. Die allgemein gehaltene Frage des Vorsitzenden, ob alle geladenen Zeugen anwesend seien, genügt nicht, um die Erkennbarkeit auszuschließen.39 Der namentliche Aufruf eines gerichtlich geladenen Zeugen darf nicht deshalb unterbleiben, weil ein Nachweis der Ladung sich nicht bei den Akten befindet.40 Ein nachträglich erscheinender Zeuge wird für das Gericht meist erst erkennbar, wenn er sich meldet; dies kann auch durch eine Mitteilung an den Gerichtswachtmeister geschehen. Hat die Präsenzfeststellung (§ 243 Abs. 1 Satz 2) ergeben, dass ein geladener Zeuge ausgeblieben ist, oder hat das Gericht eine Beweisperson von sich aus auf einen späteren Zeitpunkt geladen, so muss es später in dem durch die Verhältnisse gebotenen Umfang nachforschen, ob sie zwischenzeitlich erschienen ist.41

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30 RGSt 42 1; BGH StV 1995 567; Gössel § 25 A IIa 2; Peters JR 1971 340; Alsberg/Tsambikakis 1473; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 6; vgl. ferner § 226, 8. 31 OLG Celle NStZ 1984 136; vgl. BGHSt 7 44, 46; a.A. SK/Frister 18: nur wenn die Funktion im Verfahren die Vernehmung des Beteiligten als Zeuge oder Sachverständiger ausschließt. 32 OLG Stuttgart OLGSt 7; Alsberg/Tsambikakis 1493 f.; KMR/Paulus 9. 33 BGH NJW 2005 445, 447; Alsberg/Tsambikakis 1493 f.; Arnoldi NStZ 2018 307; Meyer-Goßner/Schmitt 6; MüKo/Trüg/Habetha 13; SK/Frister 29; kritisch Hamm/Hassemer/Pauly 442; SSW/Sättele 8. 34 RGRspr. 5 784, 787; Eb. Schmidt 4; Alsberg/Tsambikakis 1473. 35 OLG Celle NJW 1962 2315; Alsberg/Tsambikakis 1473; MüKo/Trüg/Habetha 13; KMR/Paulus 9 hält das für zweifelhaft; ebenso Eisenberg (Beweisrecht) 273. 36 RGSt 40 138; BGHSt 24 280, 282; Dallinger MDR 1966 966; OLG Stuttgart StV 1995 457. 37 Vgl. Alsberg/Tsambikakis 1479; SK/Frister 19. BGHSt 24 280, 282 lässt offen, ob bei erst nachträglich erscheinenden Zeugen positive Kenntnis des Gerichts von deren Anwesenheit zu fordern ist. 38 RGSt 40 138, 140; vgl. auch RGSt 17 440, 441; BGH bei Dallinger MDR 1966 966; Alsberg/Tambikakis 1479; KK/Krehl 7. 39 BGHSt 24 280, 282 = LM § 274 Nr. 14 m. Anm. Kohlhaas; vgl. § 243, 17 ff. 40 RGSt 40 138, 141. 41 Alsberg/Tsambikakis 1480; SSW/Sättele 7.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 245

d) Verwendbarkeit der Beweisperson. Für beide Absätze des § 245 gilt, dass die 16 anwesende Beweisperson als solche auch verwendbar, d.h. ihr beweisrelevantes Wissen durch Vernehmung zum vorgesehenen Zeitpunkt erfragbar sein muss. Fehlt es hieran, so ist die Beweisperson nicht präsent. Ist sie etwa der deutschen Sprache nicht mächtig, dann ist sie nur verwendbar, wenn ein anwesender oder ohne Verzug beizuziehender Dolmetscher die Sprachübertragung ermöglicht.42 Auch Trunkenheit, Drogeneinfluss oder eine psychische oder physische Erkrankung können der sofortigen Verwendbarkeit des Beweismittels entgegenstehen.43 Ebenso liegt es, wenn die Vernehmung eine Gefahr für die Gesundheit oder das Leben der Beweisperson herbeiführen kann.44 Als unverwendbar (aus Rechtsgründen) könnte an sich auch ein Zeuge angesehen 17 werden, dessen Einvernahme nicht zulässig ist, etwa weil ein Beweisverbot besteht oder er befugt die Aussage verweigert. In diesen Fällen ist die Beweiserhebung jedoch bereits durch den letzten Halbsatz von Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 ausdrücklich ausgeschlossen; daher erübrigt sich die nähere Erörterung der Frage.45 Wird aber ein Zeuge in der irrigen Annahme, er dürfe das Zeugnis oder die Auskunft verweigern, nicht vernommen oder wird er über sein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht falsch belehrt und verweigert er deshalb die Aussage zu Unrecht, so verletzt dies die aus § 245 folgende Pflicht zur Beweiserhebung.46 Ob daraus auch folgt, dass das Gericht einen als Zeugen geladenen Arzt (oder einen anderen in § 53 Abs. 1 Nr. 2 bis 3b genannten Berufsgeheimnisträger), der nicht von der Verschwiegenheitspflicht entbunden wird, nicht entlassen darf, ohne ihn vorher gefragt zu haben, ob er nicht doch aussagen wolle, erscheint zweifelhaft.47 Nicht verwendbar ist auch ein Zeuge, der zwar zur Aussage verpflichtet wäre, dessen Aussage aber nicht erzwungen werden kann, weil die verhängten Ordnungsmittel versagen48 oder nicht angebracht sind.49 Die Vernehmung einer als Sachverständiger geladenen Person darf nur verweigert 18 werden, wenn es offensichtlich ist, dass ihr die erforderliche Sachkunde völlig fehlt,50 etwa weil die Zuziehung Fragen eines anderen Fachgebietes betrifft. Der Sachverständige ist auch dann kein bereitstehendes Beweismittel, wenn er sein Gutachten nicht sogleich in der anstehenden Hauptverhandlung, sondern erst nach Vornahme von Untersuchungen oder nach weiterer Vorbereitung erstatten könnte.51 Das Gericht ist grund-

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42 A.A. Alsberg/Tsambikakis 1482; SSW/Sättele 9. 43 RGSt 35 398; OLG Düsseldorf MDR 1981 161; AK/Schöch 7; KMR/Paulus 9; Meyer-Goßner/Schmitt 3; SK/Frister 34. 44 BGH bei Holtz MDR 1976 634 (Opfer einer Vergewaltigung); Alsberg/Tsambikakis 1483 mit Hinweis auf die Möglichkeiten nach §§ 247a, 255a; bei Vorliegen einer die Einvernahme verbietenden Schutzpflicht des Gerichts (Art. 1, 2 GG) wäre die Beweisaufnahme unzulässig: vgl. Rn. 27; BGHSt 30 34, 37; ferner § 244, 258. 45 Zur strittigen Frage, ob der Zeuge in derartigen Fällen als Beweismittel ungeeignet oder die Beweiserhebung unzulässig ist, vgl. § 244, 194, 236, 256. 46 BGH NJW 1996 1685; StV 1994 57; 1996 129; bei Dallinger MDR 1974 16; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 15; OLG Celle NJW 1962 2315; OLG Hamm VRS 45 (1973) 123; s. auch BGH bei Kusch NStZ-RR 1999 36; OLG Düsseldorf StV 2001 105. 47 BGHSt 15 200 nimmt dies an; vgl. auch Hanack JZ 1971 127; Kohlhaas DAR 1971 63; Alsberg/ Tsambikakis 1498; OLG Frankfurt StV 1982 414 (für Steuerbevollmächtigten); kritisch MüKo/Trüg/Habetha 17. 48 BGH 5 StR 99/54 vom 27.4.1954; Alsberg/Tsambikakis 1483. 49 Alsberg/Tsambikakis 1483. 50 Arnoldi NStZ 2018 307; Rostek MDR 1976 899; a.A. MüKo/Trüg/Habetha 18; SK/Frister 34; Alsberg/ Tsambikakis 1485. 51 RG Recht 1910 Nr. 1882; BGHSt 6 289, 291; 23 176, 183, 185; 43 171, 172 f. m. Anm. Wittig StV 1998 174; BGH NStZ 1993 395, 397; Alsberg/Tsambikakis 1485; Arnoldi NStZ 2018 307; Detter FS Salger 235; Weigelt

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§ 245

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sätzlich nicht gehalten, ihm während der laufenden Hauptverhandlung Gelegenheit zur Vorbereitung seines Gutachtens zu geben und dabei Verfahrensverzögerungen hinzunehmen.52 Nur wenn die erforderliche Vorbereitung des Gutachtens keine solche Verzögerung zur Folge hat, kann der Sachverständige noch ein präsentes (sofort verwendbares) Beweismittel sein.53 Gegebenenfalls hat das Gericht aber die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Verzögerung nicht eintritt, etwa durch die Erteilung von Besuchserlaubnissen, damit der Sachverständige die notwendige Exploration des Angeklagten in der Untersuchungshaft vornehmen kann.54 Ansonsten entscheidet das Gericht nach § 244 Abs. 4 über die Notwendigkeit der beantragten Zuziehung des Sachverständigen. Ein Sachverständiger, der bereits antragsgemäß vernommen worden ist, muss auch dann gehört werden, wenn ein Prozessbeteiligter seine Vernehmung über einen anderen Gegenstand verlangt, sofern die neue Frage in das Gebiet seiner Sachkunde fällt und ihm die Beantwortung ohne Vorbereitung möglich ist.55 Die Vernehmung eines Sachverständigen, der nur aushilfsweise wegen der Verhinderung eines zuvor geladenen Sachverständigen geladen worden ist, kann dagegen unterbleiben, wenn der ursprünglich geladene Sachverständige doch erscheint.56 2. Nutzung sächlicher Beweismittel a) Sächliche Beweismittel. Zu den sächlichen Beweismitteln gehören zunächst alle Arten von Schriftstücken und Protokolle über vorgenommene Beweiserhebungen. Ganze Akten als solche sind nicht Beweismittel, sondern nur die einzelnen Schriftstücke, die sich darin befinden.57 Das gilt auch dann, wenn die „Akten“ schon in der Anklageschrift als Beweismittel bezeichnet worden sind.58 Ebenso liegt es bei Sammlungen von Belegen, Briefen, Tonträgern59 usw., ferner bei Urkundengesamtheiten wie Handelsbüchern,60 Steuerunterlagen61 etc. In all diesen Fällen entstehen erst durch die genaue Bezeichnung, die Konkretisierung der zu Beweiszwecken heranzuziehenden exakten Stellen präsente Beweismittel.62 Gleiches gilt etwa für den Inhalt von Adressbüchern und sonstiger Bücher, bei denen sich die Beweisverwendung in der Regel nur auf einige Passagen beschränkt. 20 Erfasst sind weiterhin die Gegenstände, die das Gericht in der Sitzung in Augenschein nehmen kann, z.B. die gemäß § 94 in Verwahrung genommenen oder beschlag19

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DAR 1964 316 f.; Widmaier StV 1985 526; AK/Schöch 7; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Eb. Schmidt Nachtr. I 2; SK/Frister 16. 52 BGHSt 43 171, 173 m. Anm. Wittig StV 1998 174; BGH NStZ 1993 395, 397; Detter FS Salger 238. 53 BGHSt 43 171, 173 m. Anm. Wittig StV 1998 174; BGH NStZ 1993 395, 397 („aus Gründen der Waffengleichheit“). 54 BGHSt 43 171, 173 ff. m. Anm. Wittig StV 1998 174; OLG Frankfurt StV 2006 701, 702. 55 RGSt 67 180; BGH StV 1983 232; AK/Schöch 7; KK/Krehl 8 (themenübergreifende Vernehmung zulässig; Präsenz betrifft Person, nicht eine bestimmte Beweisfrage); SK/Frister 29; vgl. auch BGH StV 1994 358 (Glaubwürdigkeitsgutachten). 56 Wollen die Verfahrensbeteiligten den nur vorsorglich geladenen Sachverständigen hören, so müssen sie das nach § 245 Abs. 2 beantragen; a.A. MüKo/Trüg/Habetha 12; SK/Frister 15; Alsberg/Tsambikakis 1476; RG Recht 1924 Nr. 490 fordert, dass die Verfahrensbeteiligten der Entlassung des zweiten Sachverständigen nicht widersprechen. 57 Vgl. BGHSt 18 347; 37 168, 172; bei Kusch NStZ 1993 28; Alsberg/Tsambikakis 1489; s. § 244, 106. 58 BGHSt 37 168; KMR/Paulus 11; Eb. Schmidt 15. 59 KG NJW 1980 952; KK/Krehl 12. 60 RGSt 21 108; KMR/Paulus 11. 61 BGH bei Dallinger MDR 1975 369. 62 KG NJW 1980 952; KK/Krehl 12; KMR/Paulus 11; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SK/Frister 25; Alsberg/ Tsambikakis 1489; G. Schäfer 1203.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 245

nahmten Beweisstücke, 63 ferner Lichtbilder, Zeichnungen, Karten und Fotokopien. Ebenso können Unfall-, Tatort- oder sonstige Skizzen, wie jeder andere Gegenstand auch, als Augenscheinsobjekt herbeigeschaffte Beweismittel sein.64 Unerheblich ist dabei, ob es sich um amtliche oder privat angefertigte Skizzen handelt.65 Ton- und Bildträger sowie Datenspeicher und ähnliche Gegenstände, deren Inhalt nur mit Hilfe technischer Abspielvorrichtungen wahrnehmbar ist, sind nur dann als Beweismittel in der Hauptverhandlung präsent, wenn sie dort auch vorgeführt oder sonst für alle Beteiligten sichtbar oder hörbar gemacht werden können. Es müssen also auch die dafür notwendigen Geräte und Einrichtungen, unter Umständen auch das zur Vorführung erforderliche Bedienungspersonal zur Verfügung stehen.66 Handelt es sich um fremdsprachige Tonaufzeichnungen (etwa abgehörter Telefonate), so muss außerdem ein geeigneter Dolmetscher anwesend sein.67 b) Nur die vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft herbeigeschafften Beweis- 21 gegenstände unterfallen seit der Neufassung des Absatzes 1 der Beweiserhebungspflicht von Amts wegen. Der Umfang dieser Regelung wird durch die Bezugnahme des Gesetzes auf § 214 Abs. 4 nicht sonderlich erhellt.68 Geht man von dem Sinn der Regelung aus, dann gilt Absatz 1 grundsätzlich für alle sächlichen Beweismittel, die auf Grund einer Anordnung des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft zur Hauptverhandlung beigebracht sind oder die sich ohnehin bei den von der Staatsanwaltschaft dem Gericht zugeleiteten Akten (§ 199 Abs. 2 Satz 2) befinden, auch wenn es dazu keiner besonderen Anordnung nach § 214 Abs. 4 bedurfte.69 Die Ansicht, dass alle von der Staatsanwaltschaft nicht in Vollzug einer gerichtlichen Anordnung beigebrachten sächlichen Beweismittel jetzt Absatz 2 unterfallen, würde zwar insoweit „Waffengleichheit“ mit der Verteidigung herstellen,70 ihr steht aber der Wortlaut des Absatzes 1 Satz 1 entgegen, der diese Unterscheidung nicht enthält, weil er dem Umstand Rechnung tragen soll, dass, anders als bei den Beweispersonen (vgl. § 214 Abs. 1), bei den sächlichen Beweismitteln in § 214 Abs. 4 die Herbeischaffung der in der Anklage bezeichneten Beweismittel von Amts wegen weiterhin primär als eine nicht von einer besonderen gerichtlichen Anordnung abhängige Aufgabe der Staatsanwaltschaft beibehalten wurde. Sächliche Beweismittel dagegen, die die Staatsanwaltschaft erst nach Beginn der Hauptverhandlung vorlegt, unterfallen dem Absatz 2.71 Da die Staatsanwaltschaft mit der nachträglichen Vorlage solcher Beweisgegenstände ohnehin ihre Verwendung zu Beweiszwecken beantragen wird, dürfte diese Streitfrage kaum große praktische Bedeutung erlangen. c) Feststellung der Präsenz des Beweisgegenstandes. Ein sächliches Beweismit- 22 tel ist nicht schon herbeigeschafft, wenn es während der Verhandlung faktisch greifbar

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63 RG JW 1911 248; BGH NStZ 1991 48; Alsberg/Tsambikakis 1489; KMR/Paulus 12. 64 Wieweit solche Skizzen für den Augenscheinsbeweis oder für den Urkundenbeweis in Frage kommen, ist bei § 86, 30 ff. erläutert; s. auch § 244, 146. 65 Wegen sonstiger Beweisgegenstände vgl. § 86, 11 ff. m.w.N. 66 RGSt 65 304, 307. Nicht entwickelte Filme sind entgegen Alsberg JW 1932 58 keine präsenten Beweismittel. 67 Vgl. Momsen/Rackow/Schwarze NStZ 2018 629 f. 68 Alsberg/Tsambikakis 1487. 69 So BGHSt 37 168; Alsberg/Tsambikakis 1487; KMR/Paulus 7; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Radtke/ Hohmann/Kelnhofer 8; SK/Frister 23. 70 Fezer JR 1992 36. 71 Alsberg/Tsambikakis 1487; Hagemann 93; KK/Krehl 10; Meyer-Goßner/Schmitt 4; SK/Frister 23; a.A. Schlüchter 556.

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§ 245

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vorhanden ist; die Pflicht des Gerichts, es von sich aus zu Beweiszwecken zu verwenden, hängt davon ab, dass seine Beweismittelqualität vor Gericht „konstatiert“ wird, dass also das Vorhandensein des mit hinreichender Konkretisierung (Rn. 19) individuell bezeichneten Beweismittels angesprochen und der Wille, es zu benutzen, erkennbar gemacht wird.72 Dies kann schon dadurch geschehen, dass das Gericht nicht nur pauschal auf das Vorhandensein sächlicher Beweismittel hinweist, sondern die Präsenz eines konkret individualisierten Beweismittels nach § 243 Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich feststellt; damit begründet es die Verwendungspflicht auch ohne ausdrückliche Zusage der Verwendung.73 Allein die Bezeichnung als Beweismittel in der Anklage reicht nicht.74 Nach der früher herrschenden Auffassung75 genügte es zur Auslösung der Beweiserhebungspflicht des Gerichts nach Absatz 1, wenn ein Prozessbeteiligter in der Verhandlung76 die Verwendung eines bestimmten sächlichen Beweismittels fordert. Demgegenüber soll es nach der Rechtsprechung des BGH77 seit der Neufassung des 23 § 245 das ausschließliche Recht des Gerichts sein, durch seine Erklärung individualisierend festzulegen, welches Beweismittel herbeigeschafft und damit nach Absatz 1 auch zu verwenden ist. Die anderen Verfahrensbeteiligten könnten dies nur mit einem Beweisantrag nach Absatz 2. Für diese Differenzierung lässt sich anführen, dass ein Schriftstück, das in einer dem Gericht vorgelegten Urkundensammlung etc. enthalten ist, als Beweismittel in der Regel nicht sofort verwendbar und damit auch noch nicht präsent ist (Rn. 19). Erst die konkretisierende und individualisierende Verwendungserklärung des Gerichts bewirkt dies. Eine Individualisierung durch die anderen Verfahrensbeteiligten kommt dann einer Herbeischaffung durch diese gleich und unterfällt damit dem Absatz 2, der hierfür einen Beweisantrag fordert. Diese Lösung ist an sich, soweit es um die Verwendung von Beweismitteln aus Urkundensammlungen, Adressbüchern oder sonstigen Sachgesamtheiten geht, vertretbar und auch praktikabel.78 Sie erleichtert es, missbräuchlichen Beweisbegehren entgegenzutreten. Bedenken begegnet sie aber, soweit sie auf einen über die Konkretisierung und Individualisierung hinausreichenden Verwendungswillen abstellt. Nur die zur Präsenzbegründung erforderliche Individualisierung, nicht aber die Amtspflicht zur Verwendung eines nach Absatz 1 präsent gewordenen Beweismittels steht in dem durch die Aufklärungspflicht gebundenen Ermessen des Gerichts. Sobald die Präsenz begründet ist, kann die Beweisverwendung unabhängig von den Intentionen des Gerichts von allen eingefordert werden. Wollte man generell bei allen sächlichen Beweismitteln die Beweisverwendung von einer allein dem Gericht vorbehaltenen Erklärung des Verwendungswillens abhängig machen, würde man die Anwendung der zwingenden Beweiserhebungsvorschrift des § 245 Abs. 1 letztlich über diese Hintertür in das von der Aufklärungspflicht bestimmte Ermessen des Gerichts stellen.79 Der volle Sinn des Absatzes 1, der jedem Verfahrensbeteiligten ein autonomes

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72 So z.B. AK/Schöch 9; Pfeiffer 3; Eb. Schmidt 11. 73 Vgl. SK/Frister 27. 74 Jetzt wohl weitgehend h.M; so RGSt 41 4, 13; BGHSt 37 168; BGH NStZ 1991 48; SK/Frister 26; a.A. Alsberg/Tsambikakis 1492 (Beweisaufnahme jedenfalls auf die in der Anklageschrift bezeichneten sowie die nach § 214 Abs. 4 Satz 1 oder auf Antrag gemäß § 219 Abs. 1 Satz 1 herbeigeschafften Gegenstände zu erstrecken). 75 Vgl. RGSt 41 4, 12; BGHSt 18 347; KG NJW 1980 952. 76 Die außerhalb der Hauptverhandlung geforderte Verwendung, etwa in einem früheren Antrag oder Schreiben, genügt nicht: RGSt 41 4, 13; Meyer-Goßner/Schmitt 5. 77 BGHSt 37 168 = StV 1992 3 m. krit. Anm. Köhler = JR 1992 34 m. zust. Anm. Fezer; BGH bei Kusch NStZ 1993 28; ebenso KK/Krehl 13; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 11; SK/Frister 26; wohl auch Arnoldi NStZ 2018 307; ablehnend etwa Eisenberg (Beweisrecht) 275 f.; Alsberg/Tsambikakis 1492 78 Vgl. Fezer JR 1992 36. 79 Vgl. KK/Herdegen 5 6 („Verknüpfung mit Instruktionsmaxime“).

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 245

Recht auf die dem Gericht zwingend obliegende Beweisverwendung der von ihm beigebrachten präsenten Beweismittel gibt, würde dadurch geschmälert. Daher sind die Prozessbeteiligten zum einen weiterhin nicht nur befugt, bei allen vom Gericht herbeigeschafften, „präsenten“ sachlichen Beweismitteln, auch wenn die Präsenz des Beweismittels erst durch Konkretisierung und Individualisierung aus einer Sachgesamtheit vom Gericht in der Verhandlung hergestellt worden ist, nach Absatz 1 dessen Beweisverwendung zu verlangen. Vielmehr sind sie zum anderen auch berechtigt, Absatz 1 dadurch zur Anwendung zu bringen, dass sie ihrerseits das Beweismittel durch Konkretisierung und Individualisierung präsent machen.80 Zu fordern ist allerdings, dass hierbei auch die Beweisthematik wenigstens in Umrissen angegeben wird, damit zum einen die Zulässigkeit der Beweiserhebung geprüft und zum anderen, falls überhaupt in Betracht kommend (s. Rn. 29), einem Missbrauch vorgebeugt werden kann.81 Durch diese Begründungspflicht ist der praktische Unterschied zu der Lösung des BGH nicht groß. In der Praxis dürfte es sich ohnehin empfehlen, zur Ausschaltung jedes überflüssigen Revisionsrisikos in solchen Fällen die Beweisverwendung im Rahmen eines das Beweismittel und seinen Fundort eindeutig bezeichnenden Beweisantrags nach Absatz 2 zu beantragen. Beweismittel, die durch eine Anordnung des erkennenden Gerichts entstanden 24 sind, vor allem die Niederschrift über eine angeordnete kommissarische Vernehmung oder über einen Augenschein (§§ 223 bis 225) oder die Bild-Ton-Aufzeichnung einer solchen Vernehmung sind, wenn sie sich bei den Akten befinden, immer präsente Beweismittel in der Hauptverhandlung. Da das erkennende Gericht damit die Einvernahme in der Hauptverhandlung ersetzen will, kommt schon in der Anordnung des Gerichts dessen Wille zum Ausdruck, sie in der Hauptverhandlung zu verwenden,82 sofern dann die rechtlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind. Unerheblich ist insoweit, ob das erkennende Gericht die Beweiserhebung innerhalb oder außerhalb der Hauptverhandlung oder in einer früheren Hauptverhandlung angeordnet hat.83 Strittig ist, ob das auch sonst für alle vom erkennenden Gericht beschlossenen kommissarischen Beweiserhebungen gilt,84 etwa für eine zur Vorbereitung der Hauptverhandlung vorsorglich angeordnete Zeugeneinvernahme. Dies ist indessen nicht der Fall, da es hier an dem eindeutig erkennbaren Willen des erkennenden Gerichts zur Beweisverwendung in der Hauptverhandlung fehlt.85 Aus demselben Grund ist das Protokoll einer Vernehmung, die ein anderes erkennendes Gericht vor der Abgabe des Verfahrens beschlossen hatte, nicht per se präsentes Beweismittel.86 Auch bei einer Niederschrift über eine im Ermittlungsverfahren durchgeführte richterliche Einvernahme hängt die Verwertung als präsentes Beweismittel davon ab, dass sich einer der Verfahrensbeteiligten darauf beruft.87

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80 Soweit MüKo/Trüg/Habetha 24 dem entgegenhalten, die Anwendung des Absatz 1 setze stets einen durch eine tatgerichtliche Handlung (wie die Ladung einer Beweisperson) dokumentierten Beweiserhebungswillen des Gerichts voraus, der dessen Selbstbindung begründe, blenden sie § 214 Abs. 4 Satz 1 aus, auf den § 245 Abs. 1 Satz 1 für die Beweisgegenstände ausdrücklich verweist. 81 SSW/Sättele 12; auch Eisenberg (Beweisrecht) 276; Köhler StV 1992 4. 82 RGSt 24 76; 56 103; RG JW 1927 793, 794; OGHSt 2 287, 290; BGHSt 1 219, 220; OLG Saarbrücken OLGSt 3; Alsberg/Tsambikakis 1488; Meyer-Goßner/Schmitt 5; KMR/Paulus 14; SK/Frister 28. 83 RGSt 24 76; 56 103; RG JW 1908 764; 1927 793, 794 m. Anm. Mannheim; RGRspr. 5 39; 9 176; OGH NJW 1950 236; BGH bei Dallinger MDR 1954 151; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1949 203; OLG Saarbrücken OLGSt 3; KMR/Paulus 14; Eb. Schmidt 16; SK/Frister 28. 84 KMR/Paulus 14; ferner Hagemann 87; Hamm 801; Koeniger 273 f. 85 RGSt 56 103, 105; Eb. Schmidt 16; SK/Frister 28. 86 RGSt 7 127; RG JW 1927 793, 794 m. Anm. Mannheim; SK/Frister 28. 87 BGHSt 1 219, 220 hält dies für entbehrlich; a.A. RGSt 26 289; RGRspr. 7 20; 8 694; Eb. Schmidt 16; SK/Frister 28. Auch hier gilt ansonsten das bei Rn. 23 Gesagte.

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Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

Auch beschlagnahmte Gegenstände werden nicht schon durch die Beschlagnahme und ihr Vorhandensein in der Hauptverhandlung zu herbeigeschafften Beweismitteln, sondern erst dadurch, dass das Gericht die Präsenz des konkreten Gegenstands ausdrücklich feststellt oder später seinen Verwendungswillen kundgibt. 88 Nach den oben Rn. 23 dargelegten Grundsätzen muss es auch genügen, wenn ein anderer Verfahrensbeteiligter den Gegenstand als Beweismittel individualisiert, indem er dessen Verwendung geltend macht. Eine Individualisierung ist auch dann erforderlich, wenn nur ein einzelner beigebrachter Gegenstand für alle sichtbar im Gerichtssaal vorhanden ist.89 3. Unzulässigkeit der Beweiserhebung

a) Allgemeine Gründe. Die Verpflichtung zur Beweiserhebung besteht, gleichgültig ob es sich um Zeugen, Sachverständige oder andere Beweismittel handelt, nur unter der an sich selbstverständlichen Voraussetzung, dass die beabsichtigte Beweiserhebung zulässig ist und ihr kein Beweisverbot entgegensteht. Das Gericht, das einen auf eine unzulässige Beweiserhebung gerichteten Antrag ablehnen muss (§ 244 Abs. 3 Satz 1, § 245 Abs. 2 Satz 2), darf unzulässige Beweiserhebungen auch im Rahmen des § 245 Abs. 1 nicht zulassen. Die Gründe, aus denen sich die Unzulässigkeit der Beweiserhebung ergeben kann, 27 sind grundsätzlich dieselben wie bei § 244. Bei den von Amts wegen beigezogenen Beweismitteln des Absatzes 1 ist es keinesfalls ausgeschlossen, dass ihre Benutzung erst im Zeitpunkt der beabsichtigten Verwendung unzulässig geworden ist; denn abgesehen von einer neuen, von der ursprünglichen Beurteilung abweichenden Bewertung der Zulässigkeitsfrage können sich auch die maßgeblichen Verhältnisse geändert haben. So kann ein Zeuge in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen,90 ein Sachverständiger kann wegen einer erfolgreichen Ablehnung als Beweisperson ausscheiden,91 die Voraussetzungen für die Verwendung einer bei den Akten befindlichen Schrift als Beweismittel (§§ 250 ff.) können fehlen oder das Beweismittel betrifft einen Sachverhalt, über den das Gericht keinen Beweis mehr zu erheben hat (etwa bei Rechtsmittelbeschränkung).92 Gleiches gilt für eine Beweiserhebung über Umstände, die nicht Gegenstand einer Beweisaufnahme sein können, wie etwa die Feststellung, wie andere Gerichte in ähnlich gelagerten Fällen entschieden haben.93 Unzulässig kann auch die Vernehmung eines geladenen und erschienenen Zeugen sein, wenn er durch die Aussage in die Gefahr gerät, nach Rückkehr in seine Heimat in willkürlicher, nicht rechtsstaatlicher Weise verfolgt zu werden.94

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b) Erweiterte Anwendung? Die Gründe, bei deren Vorliegen das Gericht eine Beweiserhebung nach Absatz 2 ablehnen darf, aber nicht muss, gelten nach Wortlaut und

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88 BGH wistra 1991 68; KMR/Paulus 12; SK/Frister 28. 89 A.A. RG JW 1896 495; unter den heutigen Verhältnissen dürfte sich das Problem kaum stellen. 90 Vgl. etwa BGHSt 15 200, 202; BGH NJW 1996 1685; StV 1996 129; bei Kusch NStZ-RR 1999 36; OLG Düsseldorf StV 2001 105; Alsberg/Tsambikakis 1498; Krell Jura 2012 358. 91 BGH NJW 2005 445, 447; OLG Düsseldorf NStZ 1995 143 Ls. (Ablehnung durch Nebenkläger); Detter FS Salger 235; unzutreffend BGH NStZ 1999 632, 633 zu § 245 Abs. 2 Satz 3 (völlig ungeeignetes Beweismittel), denn dies hätte im Rahmen des Absatzes 1 die ersichtlich nicht haltbare Konsequenz, dass der erfolgreich abgelehnte Sachverständige vernommen werden müsste. 92 Alsberg/Tsambikakis 1499. 93 BGHSt 25 207 = LM Nr. 8 m. Anm. Pelchen = JR 1974 340 m. Anm. Schroeder; vgl. § 244, 8. 94 BGHSt 17 337, 347 ff.; dazu Hanack JZ 1972 115; abl. Arndt NJW 1963 434; Schroeder ROW 1969 198.

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Stellung im Gesetz nicht für die nach Absatz 1 beigebrachten Beweismittel. Der Gesetzgeber hielt vor allem den Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht bei den von Amts wegen beigezogenen Beweismitteln für entbehrlich.95 In Absatz 2 hat er die Grenze zwischen der als unzulässig zwingend abzulehnenden Beweiserhebung und der unbehelflichen Beweiserhebung, die das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen ablehnen darf, dahin gesetzt, dass auch die aus verfahrensfremden Zwecken beantragte Beweiserhebung aus Gründen der Praktikabilität den fakultativen Ablehnungsgründen unterfällt (ähnlich der Verschleppungsabsicht bei § 244 Abs. 3). Ein Teil des Schrifttums96 geht daher zutreffend davon aus, dass der Begriff der Unzulässigkeit der Beweiserhebung in beiden Absätzen nur einheitlich ausgelegt werden darf und er somit in Absatz 1 jetzt auch in dem engen Sinn zu verstehen ist, der von Absatz 2 vorgezeichnet wird. Die Gegenmeinung97 hält weiterhin die weite Auslegung des Begriffs der Unzulässigkeit für angebracht, so wie er vor allem in der Rechtsprechung zur Verhinderung von Missbräuchen zur alten Fassung des § 245 entwickelt worden war.98 Danach waren Beweisaufnahmen unzulässig, die ausschließlich sachfremden Zwecken dienen konnten, weil jeder sachliche Bezug zum Verfahrensgegenstand fehlte, wenn also Umstände vorlagen, die jetzt – ebenso wie die Verschleppungsabsicht – nur noch in Absatz 2 als fakultative Ablehnungsgründe in Betracht kommen, die Beweiserhebung mithin nicht schlechthin unzulässig machen. Diese Diskussion99 vollzieht sich weitgehend im luftleeren Raum; denn die Einschät- 29 zung des Gesetzgebers, dass im Rahmen des Absatzes 1 eine gesonderte gesetzliche Regelung für Missbrauchsfälle entbehrlich sei, hat sich bestätigt. Soweit ersichtlich hat sich erst eine (veröffentlichte) Entscheidung mit diesem Problemkreis befasst100 und dort handelte es sich nicht einmal um das Verlangen auf Nutzung eines präsenten sächlichen Beweismittels, da es an der erforderlichen Konkretisierung (s. Rn. 19) fehlte (Verlesung eines gesamten Adressbuches). Dies ist nicht verwunderlich; denn es sind nur schwerlich wirklichkeitsnahe Fälle vorstellbar, in denen die – nicht im engen Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 1, § 245 Abs. 2 Satz 2 unzulässige101 – Beweiserhebung durch Vernehmung eines vom Gericht geladenen Zeugen oder Sachverständigen oder Nutzung eines – durch Konkretisierung und Individualisierung präsent gewordenen – von Gericht oder Staatsanwaltschaft herbeigeschafften sächlichen Beweismittels derart offensichtlich zu keinem in Sachzusammenhang mit der Urteilsfindung stehenden Ergebnis mehr führen kann, dass das Beharren auf die Beweisaufnahme als allein verfahrensfremden Zwecken dienend angesehen werden müsste. Es sollte daher der klare Gesetzeswortlaut und der Wille des Gesetzgebers respektiert werden. Sollte sich in einem Extremfall die Problematik tatsächlich einmal ernsthaft stellen (und nicht geräuschlos durch schnelle Erhebung des unsinnigen Beweises beheben lassen), wird die richtige Lösung wohl darin liegen, das

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95 BTDrucks. 8 976 S. 52; Köhler NJW 1979 348. 96 HK/Julius 4; KK/Krehl 15; Meyer-Goßner/Schmitt 7; MüKo/Trüg/Habetha 27; SK/Frister 30; SSW/ Sättele 14; Alsberg/Tsambikakis 1503 f.; Köhler NJW 1979 351; Marx NJW 1981 1421. 97 KG NJW 1980 953; AK/Schöch 10; KMR/Paulus 18; Köhler NJW 1979 348 rechnen diese Fälle weiterhin der Unzulässigkeit zu; die Ablehnung der Beweiserhebung wäre dann aber zwingend geboten, ihre Durchführung rechtsfehlerhaft. 98 RGSt 1 241, 243; 45 138, 141; 65 304, 305; RGRspr. 9 322; BGHSt 2 284, 287; 17 28 = LM Nr. 3 m. Anm. Jagusch; dazu Hanack JZ 1972 116; Wagner JuS 1972 317; Weber GA 1975 300; vgl. ferner BGHSt 17 337, 343; 25 207 = JR 1974 340 m. abl. Anm. Schroeder; Schroeder ROW 1969 198 f. 99 S. näher LR/Gollwitzer 25 31. 100 KG NJW 1980 953. 101 Zu denken ist hier insbesondere auch an die Unzulässigkeit der Beweisaufnahme zu bestimmten Beweisthemen, weil die Feststellungen zu den betroffenen Sachverhalten durch teilweise Rechtsmittelbeschränkung bereits bindend feststehen; s. Rn. 27.

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Unterlassen des Verzichts auf die Beweiserhebung (Absatz 1 Satz 2) als rechtsmissbräuchlich zu werten und den Verzicht demgemäß als erteilt oder als entbehrlich anzusehen.102 4. Verzicht auf die Beweisaufnahme (Absatz 1 Satz 2) 30

a) Zustimmungspflichtige Beteiligte. Gemäß Absatz 1 Satz 2 ist der Verzicht durch Staatsanwaltschaft, Verteidiger und Angeklagten notwendig, wenn von der Verwendung nach Absatz 1 herbeigeschaffter Beweismittel abgesehen werden soll. Diese stehen allen Prozessbeteiligten gemeinschaftlich zu, so dass auf die Benutzung jedes einzelnen Beweismittels der Gegner das gleiche Recht hat wie der Beweisführer.103 Deshalb muss das Beweismittel verwendet werden, wenn auch nur einer von ihnen sich dem Verzicht nicht anschließt. Eine Ausnahme greift nur insoweit Platz, als die Zustimmung desjenigen entbehrlich ist, der in seinen eigenen Verfahrensinteressen von der Beweiserhebung in keiner Weise berührt sein kann.104 Dies gilt vor allem für die Nebenbeteiligten (Einziehungs- und sonstige Nebenbeteiligte; § 427 Abs. 1, § 439), die nur bei solchen Beweismitteln ein Mitwirkungsrecht haben, die den Gegenstand ihrer Verfahrensbeteiligung in irgendeiner Form, und sei es auch nur mittelbar, betreffen können und daher auch nur insoweit einem Angeklagten gleichstehen.105 Gleiches gilt für die anderen Verfahrensbeteiligten mit eigenen Mitwirkungsrechten, wie den Nebenbetroffenen (§ 438) oder den Vertreter einer juristischen Person oder Personenvereinigung nach § 444 Abs. 2 Satz 2.106 Verzichten muss der nach § 69 JGG bestellte Beistand (§ 69 Abs. 3 Satz 2), nicht dagegen der Beistand nach § 149, der Zeugenbeistand (vgl. §§ 68b, 406f, 406h), der gesetzliche Vertreter und der Erziehungsberechtigte.107 Auch eines Verzichts des Nebenklägers bedarf es seit der Neufassung des § 397 nicht mehr.108 Bei Mitangeklagten ist das Einverständnis aller erforderlich. Wenn ein Beweismittel 31 aber eine Tatsache betrifft, die nur die Verteidigung einzelner Mitangeklagter berührt, dann bedarf es nicht des Einverständnisses eines Angeklagten, der kein eigenes Verfahrensinteresse an der Verwendung des Beweismittels aufzuzeigen vermag;109 es genügt, wenn die sachlich von der Beweiserhebung Betroffenen verzichten. Ob dies der Fall ist, ob der Mitangeklagte die Erhebung des Beweises im eigenen Verteidigungsinteresse erstrebt, ist gegebenenfalls durch Befragen zu klären.110 Es kommt nur auf das weit zu verstehende sachliche Betroffensein an, auf die Möglichkeit, dass das Beweisergebnis auch für die eigene Verteidigung Bedeutung haben könnte.111 Fehlt ein solcher sachlicher Be-

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102 Vgl. Eisenberg (Beweisrecht) 283 f.; Fahl 461; KK/Krehl 16; Meyer-Goßner/Schmitt 7; KMR/Paulus 18 setzt Missbrauch und Unzulässigkeit gleich; Marx NJW 1981 1418 lehnt den Missbrauchsbegriff als zu unspezifisch ab; ablehnend auch Alsberg/Tsambikakis 1504; MüKo/Trüg/Habetha 27. Vgl. auch SK/Frister 32: Gericht genügt Verpflichtung zur Vernehmung, indem es die übrigen Beteiligten das Fragerecht ausüben lässt; nicht zur Sache gehörende Fragen kann es gemäß § 241 Abs. 2 zurückweisen. 103 RGSt 40 138, 141; RGRspr. 6 160; 10 217; Alsberg/Güntge 753; Alsberg/Tsambikakis 1506. 104 Meyer-Goßner/Schmitt 9; SK/Frister 36; Gollwitzer FS Schäfer 68. 105 KK/Krehl 18; KMR/Paulus 20; Meyer-Goßner/Schmitt 9. 106 KK/Krehl 18; Alsberg/Tsambikakis 1507; Prozessbevollmächtigte dieser Nebenbeteiligten müssen selbst nicht zustimmen, sie können die Erklärung aber für ihre Mandanten abgeben, vgl. § 428. 107 Alsberg/Tsambikakis 1507; AK/Schöch 15; KMR/Paulus 19; Meyer-Goßner/Schmitt 9; SK/Frister 38. 108 Rieß/Hilger NStZ 1987 154; AK/Schöch 12; Meyer-Goßner/Schmitt 9 und § 397, 7; SK/Frister 38. BGHSt 28 272, 274 ist durch die Gesetzesänderung überholt. 109 So schon RGRspr. 2 70; 10 217; RGSt 10 300; KMR/Paulus 21; Meyer-Goßner/Schmitt 9; Radtke/ Hohmann/Kelnhofer 13; SK/Frister 36. 110 Alsberg/Tsambikakis 1508; Gollwitzer FS Sarstedt 22. 111 Gollwitzer FS Sarstedt 17; ähnliche Abgrenzungsfragen bestehen bei § 231c.

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zug, ist es im Übrigen unerheblich, ob die Beweisaufnahme eine Tat betrifft, an der der betreffende Mitangeklagte nicht beteiligt war, oder nur eine Einzelfrage im Rahmen einer gemeinsam begangenen Tat oder einen Umstand, der nur bei einem Mitangeklagten für die Rechtsfolgenentscheidung bedeutsam ist.112 Der Verteidiger113 muss selbst verzichten,114 bei mehreren Verteidigern ist der Ver- 32 zicht jedes Verteidigers erforderlich.115 Er ist dabei durch die Entscheidung des von ihm verteidigten Angeklagten nicht gebunden. Umgekehrt gilt gleiches. Ist der Angeklagte in der Hauptverhandlung nicht anwesend, so genügt es nach § 234a, wenn der für ihn in der Hauptverhandlung anwesende Verteidiger den Verzicht erklärt.116 Andernfalls ist zu unterscheiden: Bei einem befugt ferngebliebenen Angeklagten (insbes. § 233) ist zum Verzicht auf ein präsentes Beweismittel sein Einverständnis erforderlich.117 Hat sich der Angeklagte dagegen eigenmächtig aus der Hauptverhandlung entfernt (§ 231 Abs. 2) oder hat er sonst die an seine Anwesenheit geknüpften Befugnisse schuldhaft verwirkt (§§ 231a, 231b, 232, 329 Abs. 2), so hängt der Verzicht nicht von seiner Zustimmung ab.118 Gleiches gilt bei Beurlaubung nach § 231c,119 bei der ohnehin nichts verhandelt werden darf, was den abwesenden Mitangeklagten sachlich betrifft. Ein nach § 247 zeitweilig aus der Hauptverhandlung entfernter Angeklagter muss auch bei Anwesenheit seines Verteidigers selbst zustimmen.120 b) Form und Grenzen. Der Verzicht muss, wenn er nicht ausdrücklich erklärt wird, 33 aus dem Verhalten der Prozessbeteiligten zweifelsfrei hervorgehen.121 Darin allein, dass die Prozessbeteiligten keinen Antrag stellen oder sich auf die Aufforderung des Gerichts hin nicht äußern oder zu Erklärungen des Gerichts oder anderer Verfahrensbeteiligter schweigen122 oder keine Verwahrung gegen die Unterlassung der Beweiserhebung einlegen, kann in der Regel kein Verzicht gefunden werden, vor allem, wenn das Gericht versäumt hat, sich durch eine an die Prozessbeteiligten gerichtete Frage davon zu überzeugen, ob sie mit dem Nichtgebrauch herbeigeschaffter Beweismittel einverstanden sind.123

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112 Alsberg/Tsambikakis 1508; KMR/Paulus 21; Meyer-Goßner/Schmitt 9; enger KK/Krehl 18, der auf die Einheitlichkeit der Tat abstellt; a.A. Alsberg DStrZ 1914 245 (Mitangeklagter muss immer einwilligen). 113 Hierzu zählen nicht die nach § 138 Abs. 2 zugelassenen Verteidiger und die gemäß § 392 AO zur Verteidigung berechtigten Personen: Meyer-Goßner/Schmitt 9; MüKo/Trüg/Habetha 29; a.A. SK/Frister 36 (anders aber Rn. 38). 114 Der Gesetzgeber hat den Streit, ob der Verteidiger auch gegen den Willen des Angeklagten auf der Verwendung eines präsenten Beweismittels bestehen kann (vgl. dazu Rieß NJW 1977 881), zugunsten eines eigenen, vom Verhalten des Angeklagten unabhängigen Rechts des Verteidigers entschieden (Begr. BTDrucks. 8 976 S. 52). Zur Zweckmäßigkeit des Verzichts vgl. Dahs (Hdb.) 700. 115 Meyer-Goßner/Schmitt 9; SK/Frister 36. 116 Meyer-Goßner/Schmitt 10; SK/Frister 39; vgl. die Erl. zu § 234a. 117 BayObLGSt 1963 171 = JZ 1964 328 m. Anm. Kleinknecht; KMR/Paulus 20; Meyer-Goßner/Schmitt 10; SK/Frister 40; Gollwitzer FS Tröndle 467 f. Bei der Abwesenheitsverhandlung nach § 232 bejaht KMR/ Paulus 20 das Erfordernis des Verzichts des abwesenden Angeklagten; vgl. dazu § 232, 20. BGH NStZ 1996 351 m. Anm. Sander sieht die Revisionsrüge nach § 230 Abs. 1, § 338 Nr. 5 eröffnet, wenn bei entschuldigter Abwesenheit des Angeklagten andere Verfahrensbeteiligte den Verzicht auf die Beweiserhebung erklären. 118 Alsberg/Tsambikakis 1509; Eisenberg (Beweisrecht) 278; AK/Schöch 13; KMR/Paulus 20; MeyerGoßner/Schmitt 10; SK/Frister 40; vgl. BGHSt 3 206, 209 f.; a.A. Radtke/Hohmann/Kelnhofer 13. 119 Alsberg/Tsambikakis 1509; Rieß NJW 1978 2270; vgl. § 231c, 19. 120 BGH bei Holtz MDR 1983 282; KK/Krehl 18; Meyer-Goßner/Schmitt 10; SK/Frister 39. 121 RGSt 64 339, 341; BGH GA 1976 115 (zu § 61 Nr. 5 a.F.); NJW 1978 1815; Alsberg/Tsambikakis 1512; kritisch zum konkludenten Verzicht HK/Julius 9. 122 BGH NStZ 1997 610, 611; OLG Köln StV 2004 311; KK/Krehl 20; Meyer-Goßner/Schmitt 11. 123 RGSt 4 398; RG JW 1922 1585; OGHSt 1 133, 135; Alsberg/Tsambikakis 1513; Meyer-Goßner/Schmitt 11; MüKo/Trüg/Habetha 31; SK/Frister 41; vgl. auch KMR/Paulus 24 (nur wenn nach den Umständen kein Zweifel).

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Als Verzicht soll es dagegen auszulegen sein, wenn ein Angeklagter einen präsenten Zeugen zur Zeugnisverweigerung veranlasst.124 Ebenso soll der vom Verteidiger in Gegenwart des Angeklagten und ohne dessen Widerspruch erklärte Verzicht so angesehen werden können, als ob er auch vom Angeklagten kundgegeben sei,125 insbesondere wenn der Angeklagte einen Gerichtsbeschluss, aus dem hervorgeht, dass das Gericht sein Schweigen als Verzicht ausgelegt hat, widerspruchslos hinnimmt.126 Umgekehrt soll der Verzicht des Verteidigers aus seinem Schweigen gegenüber der ausdrücklichen Verzichtserklärung des Angeklagten zu folgern sein.127 Bei diesen Erörterungen handelt es sich tatsächlich nur um die Diskussion eines Scheinproblems.128 Der Verzicht ist wesentliche Verfahrensförmlichkeit i.S.v. § 273 Abs. 1, § 274 (s. Rn. 42 m.w.N.). Er kann daher nur durch das Protokoll bewiesen werden, wobei dieses den Verzicht jedes Beteiligten, der dem Absehen von der Beweisaufnahme zustimmen muss, zweifelsfrei auszuweisen hat.129 Auch konkludente Verzichtserklärungen müssen daher vom Vorsitzenden verbalisiert werden, da sie ansonsten keine Aufnahme in die Niederschrift finden. Haben sie darin Aufnahme gefunden, ist nur dies entscheidend; sind sie nicht zweifelsfrei protokolliert, sind sie prozessual nicht existent, mögen sie noch so schlüssig zum Ausdruck gebracht worden sein. Der Verzicht kann für eine Mehrzahl von Beweismitteln gleichzeitig erklärt wer34 den; insbesondere ist die Erklärung der Prozessbeteiligten, dass sie mit der Abstandsnahme von weiterer Beweiserhebung einverstanden seien, auch ohne Bezeichnung der einzelnen Beweismittel wirksam.130 Der Verzicht kann sich auch nur auf einen Teil des Beweismittels, z.B. Verlesung 35 des Restes einer Urkunde, eines Protokolls etc. erstrecken.131 Insbesondere ist es möglich, das schriftliche Gutachten eines Sachverständigen nach entsprechendem Verzicht der Prozessbeteiligten nicht in seinem ganzen Umfang, sondern nur insoweit vorzutragen, als es das Ergebnis und die eigentliche Begründung enthält.132 Verzichten die Verfahrensbeteiligten in unterschiedlichem Ausmaß, so ist die am weitesten eingeschränkte Verzichtserklärung maßgebend.133 Auf die weitere Vernehmung eines Zeugen kann nur verzichtet werden, wenn er 36 über ein bestimmtes Ereignis erschöpfend ausgesagt hat und der Verzicht nur bedeutet, dass er zu einem anderen, bei der Vernehmung nicht berührten Vorgang nicht gehört werden soll. Hat der Zeuge nach seiner Vernehmung zur Person134 mit der Aussage zu einem bestimmten Tatkomplex begonnen, so kann seine unvollständige Aussage zur

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124 OLG Hamm VRS 45 (1975) 123; Meyer-Goßner/Schmitt 11. 125 RGSt 1 198; RGRspr. 6 295, 296; BGH GA 1976 115 (zu § 61 Nr. 5 a.F.); Arnoldi NStZ 2018 308; AK/Schöch 13; KK/Krehl 20; KMR/Paulus 24; Meyer-Goßner/Schmitt 11; SK/Frister 37; ferner die Rechtsprechung zu § 251 (etwa BayObLGSt 1978 17 = NJW 1978 1817); a.A. MüKo/Trüg/Habetha 31. 126 RG JW 1926 2760 m. abl. Anm. Oetker. 127 RGSt 16 376; Arnoldi NStZ 2018 308; Eisenberg (Beweisrecht) 279; Rieß NJW 1977 883; AK/Schöch 12; KK/Krehl 20; Meyer-Goßner/Schmitt 11; SK/Frister 37; a.A. MüKo/Trüg/Habetha 31. 128 Vgl. Alsberg/Tsambikakis 1511. 129 OLG Köln StV 2004 311. 130 RGRspr. 1 230; 10 91; AK/Schöch 17; KMR/Paulus 25; Meyer-Goßner/Schmitt 12; SK/Frister 43; Alsberg/Tsambikakis 1514. 131 RG GA 48 (1901) 308; KK/Krehl 19; KMR/Paulus 25; Meyer-Goßner/Schmitt 12; SK/Frister 43; Alsberg/ Tsambikakis 1515. 132 KG JW 1927 2476. 133 KK/Krehl 19; Meyer-Goßner/Schmitt 12; SK/Frister 36; Alsberg/Tsambikakis 1515. 134 Alsberg/Tsambikakis 1516; Schmid Verwirkung 105; hat der Zeuge nur Angaben zu seiner Person gemacht, so ist ein Abbruch der Vernehmung auf Grund allseitigen Verzichts noch möglich.

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Sache für diesen Sachverhalt nicht durch einen allgemeinen Verzicht beendet werden.135 Dem Zeugen kann nicht angesonnen werden, dass er das unvollständige Zeugnis gegebenenfalls mit dem Eid, nichts verschwiegen zu haben, bekräftigt. Die Vernehmung muss – auch damit durch die in die Hauptverhandlung eingeführte unabgeschlossene Vernehmung kein falsches Bild entsteht – zu Ende geführt werden; das unbeendete Zeugnis kann auch nicht als unbeeidigtes bestehen bleiben.136 Einer informatorischen Vernehmung, durch die das Gericht sich erst davon überzeugen will, ob der Zeuge in der Lage ist, etwas Erhebliches auszusagen, sind also enge Grenzen gezogen.137 Sobald überhaupt auf die Sache eingegangen ist, muss die Vernehmung unter Wahrung der gesetzlichen Vorschriften ungeachtet eines Verzichts der Prozessbeteiligten zum Abschluss gebracht werden. Es geht nicht an, dass eine solche „informatorische“ Vernehmung des unbeeidigten Zeugen zur Sache durchgeführt wird, damit das Gericht und die Prozessbeteiligten einen Eindruck von der Glaubwürdigkeit des Zeugen erlangen, und dann der Abschluss der Vernehmung und die eventuelle Beeidigung unterbleiben.138 Der Verzicht muss endgültig und vorbehaltlos ausgesprochen werden, wenn er die 37 Verpflichtung zur Beweiserhebung zum Erlöschen bringen soll. Er kann nicht an Bedingungen wie Freispruch oder Verurteilung unter einem bestimmten Gesichtspunkt oder Verneinung der Glaubwürdigkeit eines anderen Zeugen geknüpft werden.139 Der Verzicht kann jedoch in Aussicht gestellt oder nur „vorläufig“ oder befristet (bis zum Ende einer Zeugeneinvernahme) erklärt werden.140 Maßgebend ist der Inhalt der jeweiligen Erklärung, die erkennen lassen muss, dass ein endgültiger Verzicht noch nicht ausgesprochen wird, weil der Erklärende sich vorbehält, je nach dem Verfahrensverlauf doch noch auf der Verwendung des präsenten Beweismittels zu bestehen. Ein solcher vorläufiger Verzicht ermöglicht dem Gericht, die Verwendung des präsenten Beweismittels zurückzustellen. Die Beweiserhebungspflicht entfällt aber erst, wenn feststeht, dass darauf endgültig verzichtet wird. Ein solcher endgültiger Verzicht kann aber je nach den Umständen auch darin liegen, dass keiner auf das Beweismittel zurückkommt.141 Aber auch hier ist allein die Protokollierung des endgültigen und vorbehaltlosen Verzichts entscheidend (s. Rn. 42). c) Wirkung. Die Verzichtserklärung ist unwiderruflich,142 falls sie nicht auf unzu- 38 lässige Weise (vgl. § 136a) herbeigeführt worden ist; der Antragsteller darf vor allem nicht durch den sachlich unrichtigen Hinweis des Gerichts, das Beweismittel sei unverwendbar, zur Abgabe der Verzichtserklärung veranlasst worden sein.143 Der Verzicht um-

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135 Alsberg/Tsambikakis 1516; Eisenberg (Beweisrecht) 280; KMR/Paulus 25; Meyer-Goßner/Schmitt 12; SK/Frister 43. 136 RGSt 67 252; Alsberg/Tsambikakis 1516; v. Beling JW 1924 973; a.A. RGSt 37 194; Schmid Verwirkung 106 (Abbruch möglich, ebenso Absehen von der Vereidigung). 137 Alsberg/Tsambikakis 1516: Verneint Zeuge bei informatorischer Befragung, dass er überhaupt etwas über die Sache wisse, so ist Verzicht noch möglich. 138 RGSt 66 113, 114. 139 RGSt 64 339, 340; Alsberg/Tsambikakis 1518; KK/Krehl 21; KMR/Paulus 26; Meyer-Goßner/Schmitt 13; SK/Frister 42; a.A. HK/Julius 11. 140 RGSt 64 339, 340; RG Recht 1906 Nr. 390; RG JW 1936 1918; Alsberg/Tsambikakis 1518; MeyerGoßner/Schmitt 13; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 15; Eb. Schmidt 19; SK/Frister 42. 141 RGSt 64 339, 340; Eisenberg (Beweisrecht) 281; Alsberg/Tsambikakis 1518; SK/Frister 42; a.A. KK/Krehl 21; MüKo/Trüg/Habetha 32. 142 RG Recht 1914 Nr. 1938; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1979 110; Alsberg/Tsambikakis 1519; KK/Krehl 22; KMR/Paulus 26; Meyer-Goßner/Schmitt 14; SK/Frister 45. 143 BGH bei Dallinger MDR 1974 16; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 15; OLG Celle NStZ 1984 136; KK/Krehl 21; Meyer-Goßner/Schmitt 14; SK/Frister 45.

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fasst in aller Regel auch einen auf die Verwendung desselben Beweismittels abzielenden früheren Beweisantrag.144 Aus der Bindung an den Verzicht folgt aber nicht, dass die Prozessbeteiligten sich des Beweismittels, auf das sie verzichtet haben, überhaupt nicht mehr bedienen können. Doch ist, falls ein Prozessbeteiligter den Gebrauch des Beweismittels nach dem Verzicht verlangt, ein Beweisantrag erforderlich, auf den nicht § 245, sondern § 244 Anwendung findet.145 Der Widerruf des Verzichts kann schon deswegen nicht in einen neuen Beweisantrag umgedeutet werden,146 weil eine Widerrufserklärung nicht den inhaltlichen Anforderungen an die Konkretisierung eines Beweisantrags genügt;147 im Zweifel ist der Widerrufende aufzufordern, seinen Beweisantrag erneut zu formulieren.148 Der Verzicht wirkt nur für die jeweilige Instanz,149 und auch dort erfasst er, da un39 ter den Verhältnissen der jeweiligen Hauptverhandlung erklärt, nicht die Beweismittel, die nach Aussetzung in der erneuerten Hauptverhandlung wiederum präsent sind. Ist ein Zeuge trotz des Verzichts zur Berufungsverhandlung erneut geladen worden und erschienen, so ist er dort wiederum ein präsentes Beweismittel. 40

d) Aufklärungspflicht. Bei allseitigem Verzicht auf ein Beweismittel hat das Gericht stets noch zu prüfen, ob Anlass zu seinem Gebrauch von Amts wegen vorliegt.150 Indes bedarf es keiner ausdrücklichen Feststellung dieser Prüfung.151

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5. Ablehnungsbeschluss. Lehnt das Gericht es ab, die Beweiserhebung auf herbeigeschaffte Beweismittel i.S.d. § 245 Abs. 1 zu erstrecken, so muss dies entsprechend § 34 durch begründeten Beschluss geschehen, wenn das Gericht damit dem ausdrücklichen Antrag auf Verwendung dieses Beweismittels entgegentritt.152 Verlangt kein Verfahrensbeteiligter die Nutzung des Beweismittels,153 dürfte es genügen, wenn der Vorsitzende in der Hauptverhandlung bekannt gibt, dass und warum von der Einvernahme einer vom Gericht geladenen, anwesenden Beweisperson oder von der Verlesung der Niederschrift über eine vom Gericht angeordnete kommissarische Vernehmung abgesehen wird,154 was zweckmäßigerweise auch im Sitzungsprotokoll zu vermerken ist.155 Die Verfahrensbeteiligten können hiergegen das Gericht anrufen (§ 238 Abs. 2).156 Die Ablehnung durch einen förmlichen Gerichtsbeschluss ist aber vorzuziehen, weil auf diese Weise für die Ver-

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144 Alsberg/Tsambikakis 1522; AK/Schöch 17; Meyer-Goßner/Schmitt 14; SK/Frister 46 (Rücknahme bzw. Verzicht). 145 Meyer-Goßner/Schmitt 14; Eb. Schmidt 19; Eisenberg (Beweisrecht) 282; a.A. für den Fall, dass das Beweismittel noch präsent ist, SK/Frister 46: Entscheidung über den Beweisantrag nach § 245 Abs. 2. 146 S. demgegenüber aber: RGSt 27 152; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1979 110; AK/Schöch 17; KMR/Paulus 26; Meyer-Goßner/Schmitt 14; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 15; SK/Frister 46; SSW/Sättele 18. 147 Vgl. Arnoldi NStZ 2018 308. 148 Alsberg/Tsambikakis 1519. 149 Alsberg/Tsambikakis 1520; AK/Schöch 17; KK/Krehl 22; Meyer-Goßner/Schmitt 14; SK/Frister 44. 150 RGSt 47 417, 424; RG JW 1936 1918; BGH StV 1983 495; bei Holtz MDR 1981 455; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 211; KG VRS 7 (1954) 132, 133; OLG Hamm JMBlNW 1950 62, 63; OLG Koblenz VRS 71 (1986) 238, 240; KK/Krehl 22; KMR/Paulus 19; Meyer-Goßner/Schmitt 14; SK/Frister 46; Alsberg/Tsambikakis 1523. 151 RGSt 47 417, 425; RG GA 40 (1892) 152; 48 (1901) 308; Alsberg/Tsambikakis 1523. 152 Alsberg/Tsambikakis 1505; SK/Frister 47; a.A. (stets Entscheidung des Vorsitzenden genügend): KK/Krehl 34; Meyer-Goßner/Schmitt 7; Eisenberg (Beweisrecht) 285. 153 Wenn ein solches Verlangen erforderlich ist, um ein Beweismittel überhaupt präsent zu machen (Rn. 22 ff.), aber ausbleibt, so erübrigt sich jede Entscheidung. 154 KK/Krehl 34; Meyer-Goßner/Schmitt 7; SK/Frister 47. 155 Meyer-Goßner/Schmitt 7; s. auch SK/Frister 47: Protokollierungspflicht. 156 Alsberg/Tsambikakis 1505; AK/Schöch 11; KMR/Paulus 44; Meyer-Goßner/Schmitt 7; vgl. BGH NStZ 2006 178; bei Kusch NStZ-RR 1999 36.

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fahrensbeteiligten und auch das Revisionsgericht dargelegt wird, aus welchen Gründen das Beweismittel nicht benutzt wurde. Dies erleichtert die Prüfung, ob die Verwendung rechtsirrig unterblieben ist. Ausgenommen ist der Fall des allseitigen Verzichts; hier wird durch die Beurkundung der in der Hauptverhandlung abgegebenen Verzichtserklärungen in der Sitzungsniederschrift die erforderliche Beurteilungsgrundlage geschaffen. Ist bei einem eingeschränkten Verzicht dessen Umfang zweifelhaft, ist ein klarstellender Beschluss des Gerichts zweckmäßig, wenn auch nicht notwendig.157 6. Sitzungsniederschrift. Die Feststellung der Präsenz der geladenen persönlichen 42 und herbeigeschafften sowie individualisierten sächlichen Beweismittel zu Beginn der Hauptverhandlung (§ 243 Abs. 1 Satz 2) ist wesentliche Verfahrensförmlichkeit und daher in das Protokoll aufzunehmen (s. § 243, 30 m.w.N.). Negative Beweiskraft dahin, dass ein bestimmtes Beweismittel nicht präsent geworden ist, hat diese allein auf den Beginn der Hauptverhandlung abstellende Feststellung indessen nicht. Dagegen ist weder die Feststellung, dass eine Beweisperson nachträglich erschienen ist,158 noch die spätere Individualisierung und gegebenenfalls auch Konkretisierung eines sächlichen Beweismittels als präsentes durch das Gericht eine zu protokollierende wesentliche Verfahrensförmlichkeit. Entsprechendes gilt für die Individualisierung und Konkretisierung eines sächlichen Beweismittels durch einen anderen Verfahrensbeteiligten.159 Der (auch teilweise) Verzicht der Verfahrensbeteiligten auf Verwendung eines präsenten Beweismittels muss in die Sitzungsniederschrift aufgenommen werden.160 Gleiches gilt für den Beschluss des Gerichts, mit dem dieses es ablehnt, die Beweiserhebung auf ein bestimmtes Beweismittel zu erstrecken. Zur Ablehnung durch den Vorsitzenden vgl. Rn. 41. III. Präsente Beweismittel nach Absatz 2 1. Vernehmung von Beweispersonen a) Ladung. Zeugen und Sachverständige, die auf Ladung der Staatsanwaltschaft 43 (§ 214 Abs. 3), des Angeklagten (§ 220 Abs. 1), des Verteidigers161 oder eines sonst dazu befugten Verfahrensbeteiligten (vgl. etwa § 427 Abs. 1, §§ 438, 439, 444 Abs. 2 Satz 2)162 erschienen sind, muss das Gericht nur vernehmen, wenn ein entsprechender Beweisantrag gestellt und nicht abgelehnt worden ist. Die Präsenz des Beweismittels braucht jedoch nicht notwendig vom Antragsteller bewirkt zu sein. Ist das Beweismittel als solches präsent, darf jeder Verfahrensbeteiligte zur Wahrnehmung der eigenen Prozessinte-

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157 RG GA 48 (1901) 308; Alsberg/Tsambikakis 1515. 158 BGHSt 24 280. 159 A.A. BGHSt 18 347 f., wonach das Verlangen in einen förmlichen protokollierungspflichtigen Antrag gekleidet sein muss; folgt man der Rechtsansicht von BGHSt 37 168, wonach dieses Verlangen nur über einen förmlichen Beweisantrag i.S.d. Absatzes 2 erhoben werden kann, ist die Protokollierungspflicht nach § 273 Abs. 1 ebenfalls selbstverständlich. 160 BGH NJW 1976 977, 978; BayObLGSt 1949-51 601; 1963 171; OLG Köln StV 2004 311; Alsberg/Tsambikakis 1511 f.; s. auch BGH StV 2017 790. 161 BGH NStZ 2014 351, 353 m. Anm. Ferber: Das Ladungsrecht des Verteidigers folgt aus seiner Funktion als Beistand des Angeklagten und der Befugnis, die diesem zustehenden Rechte aus eigenem Recht und in eigenem Namen wahrzunehmen. 162 Für das Privatklageverfahren siehe § 386 Abs. 2 einer-, § 384 Abs. 3 andererseits. Der Nebenkläger ist ausweislich § 397 Abs. 1 Satz 3 nicht ladungsbefugt: Beulke DAR 1988 118; Alsberg/Tsambikakis 1526; MüKo/Trüg/Habetha 38; SK/Frister 50; SK/Velten § 397, 8; a.A. LR/Becker26 43 sowie: Meyer-Goßner/ Schmitt 16 und § 397, 5; OLG Hamm JMBlNRW 1956 131 ist durch Gesetzesänderung überholt.

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ressen seine Verwendung beantragen.163 Der Angeklagte kann deshalb die Einvernahme eines anwesenden Zeugen beantragen, den ein Mitangeklagter oder die Staatsanwaltschaft hat laden lassen. 44 Nur die ordnungsgemäß164 geladenen Beweispersonen unterfallen als präsente Beweismittel dem § 245 Abs. 2. Eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches dieser Vorschrift auf die ohne Ladung zur Hauptverhandlung mitgebrachten („sistierten“) Zeugen und Sachverständigen wurde ausdrücklich abgelehnt, da sonst die gegenüber § 244 Abs. 3 und 4 wesentlich engere Begrenzung der zulässigen Ablehnungsgründe neue Missbrauchsmöglichkeiten eröffnen könnte.165 Die Vernehmung der mitgebrachten Zeugen oder Sachverständigen kann nur über einen Beweisantrag nach § 244 erzwungen werden. Gleiches gilt für den anwesenden Verteidiger, da dieser vom Gericht geladen wurde und dies auch nicht als Beweisperson.166 Die Ladung muss dem Gericht nachgewiesen werden, sofern sie nicht aktenkundig 45 ist.167 Verlangt ein Prozessbeteiligter die Vernehmung einer in der Hauptverhandlung anwesenden Person mit der Behauptung, sie als Sachverständigen oder Zeugen geladen zu haben, so muss der Vorsitzende prüfen, ob dies zutrifft. Ohne eine solche Prüfung ist die Verweigerung der Vernehmung fehlerhaft.168 Unerheblich ist dagegen, ob eine Entschädigung nach § 220 Abs. 2 hinterlegt oder der Verpflichtung, die geladene Person rechtzeitig namhaft zu machen (§ 222), genügt ist.169 46

b) Erscheinen. Die geladene Beweisperson muss auch erschienen sein. Dabei ist es unschädlich, wenn sie zu Beginn der Hauptverhandlung noch nicht anwesend ist. Wie § 246 zeigt, genügt es, wenn die Präsenz zu einem späteren Zeitpunkt der Hauptverhandlung gegeben ist. Die Präsenz – dazu gehört nicht nur die Anwesenheit, sondern auch die Verwendbarkeit (s. näher Rn. 16 ff.) – muss bis zum Ende der Beweisaufnahme eintreten.170 Maßgebend ist an sich die Verwendbarkeit im Zeitpunkt der Stellung des Beweisantrags und der Entscheidung darüber.171 In der Regel wird zwar ein Beweisantrag nach § 245 Abs. 2 erst gestellt werden, wenn die geladene Person präsent ist; es muss jedoch im Interesse einer wirtschaftlichen Verfahrensgestaltung auch für zulässig erachtet werden, wenn der Antrag mit dem Hinweis auf die durchgeführte Ladung und das zu erwartende Erscheinen der Beweisperson schon früher gestellt oder angekündigt wird, damit

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163 Alsberg/Tsambikakis 1537; AK/Schöch 23; KMR/Paulus 32; Meyer-Goßner/Schmitt 19; SK/Frister 56; vgl. Gollwitzer FS Sarstedt 27 (keine Befugnis zu Anträgen in fremder Sache). 164 Abgesehen von der Staatsanwaltschaft, die formlos laden kann und dadurch im Vorteil ist, müssen die anderen Verfahrensbeteiligten die Beweispersonen förmlich nach § 38 (durch Gerichtsvollzieher) laden; vgl. etwa RGSt 40 138, 140; BGH NJW 1952 836; NStZ 1981 401; 2012 346; Hagemann 119; Pauka/ Daners StraFo 2015 397 ff., die sich auch mit der Ladung von Auslandszeugen, inhaftierten Inlandszeugen und beamteten Ermittlungspersonen befassen; Alsberg/Tsambikakis 1526; Bockemühl FS Breidling 36 ff. (auch zur Ladung von Auslandszeugen); Waszczynski ZJS 2010 318 f.; KK/Krehl 24; KMR/Paulus 28; MeyerGoßner/Schmitt 16; SK/Frister 51; s. näher bei § 220. 165 Begr. BTDrucks. 8 976 S. 52; vgl. BGH NStZ 1981 401; Alsberg/Tsambikakis 1526 f.; Arnoldi NStZ 2018 308 f.; Waszczynski ZJS 2010 318. 166 BGH StV 1995 567. 167 RGSt 17 440; 23 400; 40 138; RG GA 43 (1895) 51; BGH NJW 1952 836; NStZ 2012 346; KK/Krehl 24, der indes gegen BGH NStZ 2012 346 eine entsprechende anwaltliche Versicherung zum Nachweis der formgerechten Ladung für ausreichend hält; Meyer-Goßner/Schmitt 16; Eb. Schmidt 5; SK/Frister 51; Alsberg/Tsambikakis 1528; Waszczynski ZJS 2010 319. 168 RG GA 43 (1895) 51. 169 RGSt 54 257; Alsberg/Tsambikakis 1528; Meyer-Goßner/Schmitt 16; SK/Frister 52; vgl. bei § 220. 170 Alsberg/Tsambikakis 1529; SSW/Sättele 20; vgl. Rn. 20. 171 MüKo/Trüg/Habetha 40; s. demgegenüber: Arnoldi NStZ 2018 310 (maßgeblich Zeitpunkt der „Entscheidungsreife“); Graf/Bachler 8 (maßgeblich Zeitpunkt, in dem die Vernehmung stattfinden soll).

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das Gericht sich schlüssig werden kann, ob es die Vernehmung aus den in Absatz 2 Satz 2 oder 3 aufgeführten Gründen ablehnen oder die voraussichtliche Einvernahme bei der weiteren Verhandlungsplanung berücksichtigen will. Wird der Beweisantrag abgelehnt, weil das Beweismittel nicht präsent ist, so kann er bei Eintritt der Präsenz erneut gestellt werden. Ist umgekehrt die Beweisperson bei der Antragstellung präsent, so begründet dies, sofern die Ablehnungsgründe des Absatzes 2 nicht greifen, die uneingeschränkte Beweiserhebungspflicht des Gerichts. Bei Verzögerungen der Entscheidung über den Beweisantrag oder bei einer Verschiebung der Einvernahme auf einen späteren Zeitpunkt hat dieses dann – ebenso wie nach Absatz 1 bei den von ihm selbst geladenen und erschienenen Beweispersonen – durch entsprechende Hinweise und Belehrungen dafür zu sorgen, dass die präsenten Beweispersonen auch zu dem für die Einvernahme vorgesehenen späteren Zeitpunkt verfügbar sind. Einer zusätzlichen, erneuten Ladung durch den Angeklagten nach § 220 bedarf es, anders als nach einer Aussetzung des Verfahrens (s. bei § 220), nicht. Die in der Mitteilung des vorgesehenen Zeitpunkts liegende formlose Ladung durch das Gericht (vgl. Rn. 10) genügt dann. 2. Nutzung sächlicher Beweismittel. Präsente sächliche Beweismittel,172 die nicht 47 nach § 214 Abs. 4 herbeigeschafft sind und deshalb nicht unter Absatz 1 fallen, muss das Gericht nur auf Grund eines entsprechenden Beweisantrages verwenden. Dieser hat die Beweismittel in der für einen Beweisantrag erforderlichen Konkretisierung (s. § 244, 96 ff.) zu bezeichnen. Im Anwendungsbereich des Absatzes 2 stellt sich mithin nicht die Frage, wann die Beweismittelqualität vor Gericht „konstatiert“ ist (vgl. Rn. 22 ff.). Die Herbeischaffung der gegenständlichen Beweismittel ist an keine Form gebun- 48 den; sie setzt nicht voraus, dass vor der Verhandlung das Beweismittel zu den Akten eingereicht oder eine auf den Gebrauch des Beweismittels gerichtete Anzeige an das Gericht erstattet worden ist.173 Es genügt, wenn sie zur Hauptverhandlung mitgebracht und dort dem Gericht überreicht werden oder in sonst geeigneter Weise ihre sofortige Verwendung als Beweismittel (vor allem als Augenscheinsobjekt) ermöglicht wird. Sofern der beweiskräftige Inhalt, wie bei Bild-, Ton- oder sonstigen Datenträgern, nur mittels spezieller Geräte wahrnehmbar ist, so ist auch hier zur Präsenz des Beweismittels erforderlich, dass das benötigte Geräte und eventuell auch die Anwesenheit der zu dessen Bedienung benötigten Personen, umgehend verfügbar sind (vgl. Rn. 20). Die Beweismittel müssen an sich bis zum Schluss der Beweisaufnahme gebrauchsfähig herbeigeschafft sein.174 Da jedoch der Beweisantrag auf Nutzung eines präsenten Beweismittels auch noch nach Beendigung der Beweisaufnahme gestellt (Rn. 53) oder – nachdem ein gleichlautender Antrag wegen fehlender Präsenz des Beweismittels nach § 244 zurückgewiesen worden war – wiederholt (s. Rn. 52) werden kann, genügt es rein faktisch, wenn das Beweismittel bis zum Beginn der Urteilsverkündung präsent wird.175 Urkunden, die von einem Zeugen überreicht werden, sind erst dann herbeigeschaffte 49 Beweismittel, wenn ein Verfahrensbeteiligter ihre Verwertung verlangt. Übergibt dagegen der Angeklagte dem Gericht Urkunden, so liegt darin regelmäßig das schlüssig geäußerte Begehren, dass von diesen Schriftstücken als Beweismittel Gebrauch gemacht werde.176 In

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172 „Sonstige Beweismittel“ i.S.v. § 245 Abs. 2 Satz 1 sind nur Beweisgegenstände, nicht aber mitgebrachte Zeugen oder Sachverständige: BGH NStZ 1981 401. 173 RGSt 41 4, 13; BGH bei Dallinger MDR 1953 723; 1975 369; Meyer-Goßner/Schmitt 17; Alsberg/Tsambikakis 1533. 174 RGSt 56 432. 175 Alsberg/Tsambikakis 1534. 176 BGH bei Dallinger MDR 1975 369.

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beiden Fällen greift Absatz 2 aber erst ein, wenn ein entsprechender Beweisantrag gestellt wird.177 Ablichtungen sind kein präsentes Beweismittel zum Nachweis von Existenz und Inhalt der Originalurkunde.178 Als präsentes Beweismittel sind sie jedoch geeignet, ihre eigene Existenz und ihren Inhalt zu belegen. Ob daraus der Schluss auf Existenz und Inhalt des Originals zu ziehen ist oder es insoweit weiteren Beweises bedarf, ist dagegen eine Frage der Überzeugungsbildung (§ 261) bzw. der Aufklärungspflicht.179 Diese Differenzierung ist in der bisherigen Rechtsprechung180 zu dieser Frage nicht hinreichend herausgearbeitet. Sie ist auf Ausdrucke ansonsten nur digital gespeicherter Dokumente zu übertragen.181 Fremdsprachige Schreiben sind keine präsenten Beweismittel, wenn für die Sprachübertragung kein Übersetzer sofort verfügbar ist.182 3. Der Beweisantrag, von dem die Verwendung der dem Absatz 2 unterfallenden präsenten Beweismittel abhängt, muss den Anforderungen eines Beweisantrages nach § 244 entsprechen,183 er muss also das bestimmte Verlangen ausdrücken, dass über eine konkrete Tatsache Beweis durch Verwendung eines bestimmt bezeichneten Beweismittels erhoben wird; denn nur so lässt sich sachgerecht prüfen, ob einer der Ablehnungsgründe des Absatzes 2 Satz 2 oder 3 greift. Wegen der Einzelheiten kann auf die Erläuterungen zu § 244 (Rn. 95 ff.) verwiesen werden. Ein Hinweis auf die Präsenz des Beweismittels im Beweisantrag ist zwar zweckmä51 ßig, aber nicht unbedingt erforderlich, um den Antrag dem § 245 Abs. 2 zu unterstellen.184 Erkennt das Gericht – etwa weil die Ladung der anwesenden Beweisperson nach § 222 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 aktenkundig ist –, dass der Antrag sich auf ein präsentes Beweismittel bezieht, dann muss es den Antrag immer als Beweisantrag nach § 245 Abs. 2 behandeln. In Zweifelsfällen ist der Antragsteller zu befragen, ob das Beweismittel präsent ist, etwa wenn der Antrag sich auf eine im Besitz des Angeklagten befindliche Urkunde bezieht oder wenn auf die Anwesenheit der Beweisperson im Sitzungssaal hingewiesen wird, ohne dass für das Gericht ersichtlich ist, ob sie nur formlos mitgebracht oder ob sie ordnungsgemäß geladen worden ist. Der Beweisantrag nach Absatz 2 Satz 1 ist, wenn die Präsenz der Beweismittel recht52 zeitig herbeigeführt werden kann, auch dann noch möglich, wenn das Gericht einem gleichlautenden Beweisantrag nach § 244 nicht entsprochen hat. Es handelt sich insoweit nicht um die Wiederholung des bereits vom Gericht abgelehnten früheren Beweisantrags, sondern um ein neues Beweisbegehren, über das nach den Grundsätzen des Absatzes 2 Satz 2 und 3 zu befinden ist.185 Das Beweisrecht stellt den Prozessbeteiligten bewusst zwei verschiedene Wege zur Herbeiführung einer von ihnen gewünschten

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177 Zum Antrag auf Verlesung schriftlicher Sacheinlassungen des Angeklagten oder des Verteidigers s. § 243, 84 ff., 87 f. 178 BGH NStZ 1994 593; Alsberg/Tsambikakis 1533; KK/Krehl 25; unklar und möglicherweise zu gegenteiliger Ansicht neigend BGH wistra 2012 29, 33. 179 Trüg StV 2016 345; vgl. SK/Frister 53. 180 BGH NStZ 1994 593; wistra 2012 29, 33; StV 2016 343 Ls. m. Anm. Trüg. 181 Trüg StV 2016 345. 182 Vgl. BGH bei Kusch NStZ 1993 28; BGH wistra 2012 29, 33; Alsberg/Tsambikakis 1533; zu fremdsprachigen Tonaufzeichnungen s. Momsen/Rackow/Schwarze NStZ 2018 629 f. 183 Begr. BTDrucks. 8 976 S. 52 f.; BGH StraFo 2011 511; Alsberg/Tsambikakis 1536, 1539, 1541 f.; KK/Krehl 26; KMR/Paulus 31; Meyer-Goßner/Schmitt 20; SK/Frister 56; a.A. Eisenberg (Beweisrecht) 290 (geringere Anforderungen an Bestimmtheit der Beweisbehauptung); HK/Julius 5 (Angabe der „Beweisrichtung in Umrissen“ sollte genügen); Köhler NJW 1979 350; krit. auch AK/Schöch 22; Hamm/Hassemer/Pauly 455. 184 Alsberg/Tsambikakis 1540. 185 BGH StV 2011 711, 712; Alsberg/Tsambikakis 1538; AK/Schöch 23.

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Beweisaufnahme zur Verfügung, die, wie § 246 zeigt, auch nacheinander eingeschlagen werden dürfen. Auch die Neufassung des § 245 ändert nichts an dem Sinn dieser Vorschrift, dass die Verfahrensbeteiligten durch die von ihnen bewirkte Präsenz der Beweismittel das Gericht zu Beweisaufnahmen zwingen können, die es nach § 244 ablehnen dürfte. Abgesehen von diesem Unterschied unterfällt der Beweisantrag nach § 245 Abs. 2 den gleichen Regeln wie der Beweisantrag nach § 244 Abs. 3 bis 6. Die Präsenz besteht aber nur hinsichtlich der Eigenschaft, in der die Beweisperson geladen wurde; wer als Zeuge geladen worden ist, ist nicht auch als Sachverständiger präsent. Der Antrag, ihn in dieser Eigenschaft zu hören, unterfällt dann § 244 Abs. 3 und 4, nicht § 245 Abs. 2 (vgl. Rn. 14). Ist ein Beweisantrag nach § 245 Abs. 2 abgelehnt worden, weil das Beweismittel nicht präsent ist, kann er bei späterem Eintritt der Präsenz erneut gestellt werden.186 Für die Form des Beweisantrages gilt dasselbe wie für den Beweisantrag nach § 244. 53 Er ist in der Hauptverhandlung mündlich zu stellen; wird er schriftlich dem Gericht übergeben, muss er verlesen werden.187 Ein bestimmter Zeitpunkt dafür ist nicht vorgeschrieben. Er kann bis zum Beginn der Urteilsverkündung gestellt werden.188 Ihn möglichst frühzeitig anzubringen, kann mitunter einem selbst geladenen Zeugen unnötige Wartezeiten ersparen und auch wegen § 246 Abs. 2 verfahrensfördernd sein; vor allem aber ist dies dann unerlässlich, wenn einem Sachverständigen die für seine Begutachtung wichtige Teilnahme an der Hauptverhandlung gesichert werden soll.189 Der Beweisantrag nach § 245 Abs. 2 kann auch als bedingter Antrag gestellt wer- 54 den,190 etwa für den Fall, dass das Gericht einen bestimmten Sachverhalt nicht schon für erwiesen hält. Die Rücknahme des Antrags ist ebenso möglich wie bei einem anderen Antrag; ein zurückgenommener Antrag kann neu gestellt werden.191 4. Entscheidung über den Beweisantrag. Das Gericht entscheidet über den Be- 55 weisantrag durch einen zu begründenden Beschluss, wenn es ihn als unzulässig oder aus einem der in Satz 3 abschließend aufgezählten Gründe ablehnt. Es gilt § 244 Abs. 6.192 Dies folgt daraus, dass das StVÄG 1979 einerseits mit § 245 Abs. 2 Satz 1 ein Beweisantragserfordernis auch für das Begehren auf Nutzung präsenter Beweismittel geschaffen und andererseits mit § 245 Abs. 2 Satz 3 eine den § 244 Abs. 3 bis 5 modifizierende, die Ablehnungsgründe für einen derartigen Antrag einschränkende Regelung getroffen hat. Es handelt sich bei § 245 Abs. 2 demgemäß um eine den § 244 ergänzende Bestimmung,193 sodass dessen unberührt gebliebener Absatz 6 unmittelbar Anwendung findet. Andernfalls wäre auch nicht erklärbar, warum nach allgemeiner Ansicht ein nach § 245 Abs. 2 Satz 1 gestellter Beweisantrag nur durch Gerichtsbeschluss abgelehnt werden kann und

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186 Meyer-Goßner/Schmitt 20; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 18; SK/Frister 54. 187 Alsberg/Tsambikakis 1543; KMR/Paulus 32; wegen der Einzelheiten vgl. § 244, 126. 188 Alsberg/Tsambikakis 1543; MüKo/Trüg/Habetha 43; SK/Frister 57; SSW/Sättele 22; a.A. Eisenberg (Beweisrecht) 291; Meyer-Goßner/Schmitt 20: Schluss der Beweisaufnahme. 189 Vgl. Detter FS Salger 238. 190 Alsberg/Tsambikakis 1536; KMR/Paulus 31; Meyer-Goßner/Schmitt 20; vgl. § 244, 153 ff. 191 Alsberg/Tsambikakis 1543. Nach Meyer-Goßner/Schmitt 20 darf ein zurückgenommener Beweisantrag nicht wiederholt werden. Man wird dies jedoch – anders als nach der Zurückweisung eines Antrags als unbegründet – bei § 245 für ebenso zulässig anzusehen haben wie bei § 244; wegen der Einzelheiten vgl. § 244, 127 ff. 192 Rieß NJW 1978 2270; Alsberg/Tsambikakis 1555; KK/Krehl 34 (jedenfalls noch in der 7. Aufl.); wohl auch SK/Frister 58; für entsprechende Anwendung: HK-GS/König/Harrendorf 35; Meyer-Goßner/Schmitt 28; MüKo/Trüg/Habetha 35; SSW/Sättele 33; a.A. jetzt Krehl FS Fischer 711 f.; noch offengelassen LR/Becker26 55 Fn. 175. 193 Vgl. Begr. zum Gesetz-Entw. der BReg., BTDrucks. 8 976 S. 51 ff.; Rieß NJW 1978 2270.

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demgemäß eine Zurückweisung durch den Vorsitzenden im Rahmen seiner Verhandlungsleitung (§ 238 Abs. 1) nicht genügen soll. Der Ablehnungsbeschluss ist in der Hauptverhandlung vor Abschluss der Beweisaufnahme zu verkünden, damit die Verfahrensbeteiligten ihr weiteres Verhalten darauf einrichten können.194 Anders liegt es beim Hilfsbeweisantrag (s. näher § 244, 157); jedoch gelten auch für diesen nur die Ablehnungsgründe des § 245 Abs. 2 Satz 2 und 3, nicht etwa diejenigen des § 244 Abs. 3 bis 5.195 Da § 244 Abs. 6 unmittelbar gilt, sind auch dessen Sätze 2 bis 4 anwendbar.196 Liegen die entsprechenden Voraussetzungen vor, so darf daher auch ein verfristeter Antrag auf Nutzung eines präsenten Beweismittels, so er denn in der Praxis überhaupt einmal vorkommen sollte, erst in den Urteilsgründen beschieden werden. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass es einem Zeugen oder Sachverständigen nicht zumutbar sei, bis zum Ende der Urteilsberatung abwarten zu müssen, ob er gehört werde oder nicht,197 bzw. dass ein Verschieben der Entscheidung das Verfahren unnötig in die Länge ziehe, wenn erst verspätet entschieden werde und deswegen die Beweisperson erst wieder herbeigeholt werden müsse, so dem Beweisantrag doch nachgegangen werde.198 Zum einen sind derartige Bedenken beim Hilfsbeweisantrag nach § 245 Abs. 2 Satz 1 bisher nie erhoben worden. Zum anderen wird verkannt, dass selbstverständlich die Entscheidung, ob dem Antrag stattzugeben ist, also ob einer der Ablehnungsgründe des § 245 Abs. 2 Satz 2 und 3 gegeben ist oder nicht, möglichst vor der Entlassung der präsenten Beweisperson zu treffen ist, und sich lediglich die Bekanntgabe der Ablehnungsgründe auf das Urteil verschiebt, wenn der Antrag zurückgewiesen wird. 55a Betrifft der Antrag die Zuziehung eines Sachverständigen, so ist darüber möglichst bald zu entscheiden, damit dieser seine Befugnisse in der Hauptverhandlung unverkürzt wahrnehmen kann.199 Im Übrigen gelten für den Inhalt des Beschlusses und die Art seiner Bekanntgabe die gleichen Grundsätze wie für den Beschluss nach § 244 Abs. 6 Satz 1. Es bedarf, ebenso wie bei § 244, keiner formellen Entscheidung des Gerichts, wenn der Vorsitzende die Beweiserhebung anordnet und den beantragten Beweis erhebt.200 56

5. Unzulässigkeit der Beweiserhebung (Absatz 2 Satz 2). Wie § 244 Abs. 3 Satz 1 und § 245 Abs. 1 Satz 1 schreibt § 245 Abs. 2 Satz 2 auch für die ihm unterfallenden präsenten Beweismittel vor, dass unzulässige Beweise nicht erhoben werden dürfen. Die einzelnen Gründe der Unzulässigkeit sind bei § 244 und oben bei Rn. 27 erläutert. 6. Die Ablehnungsgründe des Absatz 2 Satz 3

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a) Allgemeine Grundsätze. Die Ablehnungsgründe des Absatzes 2 Satz 3 sind wesentlich enger als die entsprechenden Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 bis 5. Sie gelten für alle präsenten Beweismittel gleichermaßen. Dem Gericht ist es somit – anders als durch § 244 Abs. 4 – etwa untersagt, die Einvernahme eines präsenten Sachverständigen unter Hinweis auf die eigene Sachkunde abzulehnen.201 Es muss den präsenten

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194 Alsberg/Tsambikakis 1555; Meyer-Goßner/Schmitt 28; Rieß NJW 1978 2270; vgl. § 244, 133. 195 KMR/Paulus 37. 196 Vgl. Mosbacher NStZ 2018 11 („entsprechende Anwendung“); ebenso Meyer-Goßner/Schmitt § 244, 95a; a.A. Börner JZ 2018 239 f.; Krehl FS Fischer 711 f.; Schlothauer FS Fischer 822. 197 So aber HK-GS/König/Harrendorf 28. 198 So aber Börner JZ 2018 239. 199 Detter FS Salger 237; Eisenberg (Beweisrecht) 296. 200 Alsberg/Tsambikakis 1554; AK/Schöch 24; KMR/Paulus 27; Meyer-Goßner/Schmitt 28; SK/Frister 58; vgl. Rn. 69. 201 BGH NStZ 1994 400; Hamm 805.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 245

Sachverständigen vernehmen, das Auswahlrecht nach § 73 entfällt.202 Im Gegensatz zu § 244 Abs. 5 Satz 1 ist dem Gericht kein allein durch die Aufklärungspflicht begrenztes Ermessen eingeräumt, einen herbeigeschafften Gegenstand in Augenschein zu nehmen.203 Die Wahrunterstellung hat der Gesetzgeber nicht zugelassen, da bei einem präsenten Beweismittel die Sachaufklärung fordert, dass der Beweis über die behauptete verfahrenserhebliche Tatsache erhoben und diese nicht zugunsten des Angeklagten als wahr unterstellt wird.204 Ansonsten hat er in dem Bestreben, das prozessual berechtigte Beweiserhebungsinteresse der Verfahrensbeteiligten und damit auch das Verteidigungsinteresse des Angeklagten nicht zu beeinträchtigen, dem Gericht nur dort eine Ablehnungsbefugnis zugestanden, wo ein sachliches Interesse an der Beweiserhebung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt bestehen kann. Aus § 244 wurden nur die Ablehnungsgründe übernommen, bei denen „auch eine entfernte Beweisantizipation bzw. auch die nur ganz fernliegende Möglichkeit, dass das Beweiserbieten zu einer dem Antragsteller günstigen Folgerung führen könnte, ausgeschlossen werden kann“.205 Die Ablehnungsgründe des Satzes 3 geben dem Gericht die Macht, auch beim Vor- 58 liegen präsenter Beweismittel eine sachgerechte Begrenzung der Beweisaufnahme durchzusetzen. Sie zwingen es aber nicht dazu, von ihr Gebrauch zu machen. Die Ablehnung eines Beweisantrags aus den aufgeführten Gründen steht im pflichtgemäßen Ermessen („darf … ablehnen“) des Gerichts, für das auch Gründe einer reibungslosen und rationellen Verfahrensgestaltung eine Rolle spielen. Wenn keine besonderen Anhaltspunkte den Verdacht eines Missbrauchs erhärten, kann die Verwendung des präsenten Beweismittels einfacher und verfahrensökonomischer sein als eine Ablehnung, deren Berechtigung im Revisionsverfahren nachprüfbar ist.206 Die Aufzählung der Ablehnungsgründe in Absatz 2 Satz 3 ist abschließend („nur“); sie kann nicht auf andere Fälle einer unzweckmäßigen Beweisaufnahme ausgedehnt werden.207 b) Erwiesene oder offenkundige Tatsachen. Erachtet das Gericht die unter Beweis 59 gestellte Tatsache als bereits erwiesen oder als offenkundig, so bedarf es keiner in die gleiche Richtung zielenden Beweisaufnahme mehr, die das Verfahren nur verzögern würde, ohne am Ergebnis etwas ändern zu können. Unter diesen Umständen hat auch der Antragsteller kein anerkennenswertes Verfahrensinteresse an der Beweiserhebung. Das Gericht kann deshalb den Beweisantrag ablehnen. Es muss dann allerdings in den Entscheidungsgründen auch die unter Beweis gestellte Tatsache als erwiesen behandeln. Wegen der Einzelheiten wird auf die Erläuterungen dieser Ablehnungsgründe bei § 244 Abs. 3 verwiesen.208 Eine Ablehnung, weil das Gegenteil der unter Beweis gestellten Tatsache offen- 60 kundig oder bereits erwiesen sei, ist nicht zulässig. Bei Zeugen scheidet die Ablehnung wegen Erwiesenheit des Gegenteils ohnehin aus.209 Abweichend von § 244 Abs. 4 Satz 2 (vgl. § 244, 327) darf aber auch die Anhörung eines präsenten Sachverständigen nicht aus diesem Grund abgelehnt werden.210 Die Offenkundigkeit des Gegenteils (§ 244, 203)

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202 RGSt 54 257; BayObLG bei Rüth DAR 1965 285; Alsberg/Tsambikakis 1545; Schulz StV 1983 342. 203 Alsberg/Tsambikakis 1545; KK/Krehl 33; Meyer-Goßner/Schmitt 22. 204 BTDrucks. 8 976 S. 53 f.; Alsberg/Tsambikakis 1545; so schon früher die überwiegende Rechtsprechung, etwa RGSt 65 304; OLG Celle NJW 1962 2315. 205 Begr. BTDrucks. 8 976 S. 51; Alsberg/Tsambikakis 1545. 206 Begr. BTDrucks. 8 976 S. 52; SSW/Sättele 25. 207 Alsberg/Tsambikakis 1544. 208 Vgl. § 244, 203 ff., 228 f. 209 Vgl. § 244, 184 sowie 228. 210 Alsberg/Tsambikakis 1547; AK/Schöch 28; KK/Krehl 30; KMR/Paulus 40; Meyer-Goßner/Schmitt 22.

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§ 245

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ist bei präsenten Beweismitteln kein Ablehnungsgrund, wie der gegenüber § 244 Abs. 3 Satz 2 geänderte Wortlaut des § 245 Abs. 2 Satz 3 zeigt. Die unter Umständen nur fern liegende Möglichkeit, die Überzeugung des Gerichts zu erschüttern, soll den Verfahrensbeteiligten nicht genommen werden. Vor allem soll dem Beweisführer nicht der Versuch abgeschnitten werden, durch seine Beweismittel die Offenkundigkeit einer von ihm für unrichtig gehaltenen Feststellung in Frage zu stellen, etwa durch das Gutachten des eigenen Sachverständigen eine herrschende, vom Gericht als offenkundig angesehene wissenschaftliche oder technische Lehrmeinung zu widerlegen. 211 Auch der Augenschein eines präsenten Beweismittels darf nicht mit der Begründung verweigert werden, das Gegenteil der Beweistatsache sei erwiesen oder offenkundig.212 c) Der fehlende Sachzusammenhang zwischen der unter Beweis gestellten Tatsache und dem Gegenstand der Urteilsfindung (§ 264) rechtfertigt auch die Ablehnung eines präsenten Beweismittels. Fehlt dem Beweisthema jede objektive Sachbezogenheit zu dem vom Gericht zu erforschenden Sachverhalt, dann ist jeder Beweis hierüber überflüssig und nutzlos.213 Eine Beweisaufnahme, welche Umstände betrifft, die in keiner Beziehung zu der vorliegenden Untersuchung stehen, wurde vor der Neufassung der Vorschrift als unzulässig angesehen.214 In der Sache hat sich nichts geändert, auch wenn es sich jetzt bei dem Ablehnungsgrund um einen fakultativen handelt.215 Mit dem Ablehnungsgrund der fehlenden objektiven Sachbezogenheit über62 nimmt der wesentlich engere § 245 Abs. 2 Satz 3 nur einen Teil der Fälle der Bedeutungslosigkeit eines Beweises im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2. Soweit dort die Bedeutungslosigkeit nicht aus dem objektiv fehlenden Zusammenhang zwischen der unter Beweis gestellten Tatsache und dem Gegenstand der Urteilsfindung hergeleitet wird, sondern daraus, dass die Beweistatsache trotz dieses Zusammenhangs aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht geeignet ist, die Urteilsfindung zu beeinflussen,216 wurde dieser Ablehnungsgrund nicht übernommen.217 Wie die Begründung des Regierungsentwurfs darlegt, verlangt diese zweite, mehr auf die subjektive Überzeugung des Gerichts abstellende Fallgruppe mitunter eine Vorwegwürdigung des Beweisergebnisses. Besteht objektiv ein irgendwie gearteter sachlicher Zusammenhang zwischen dem Beweisthema und dem abzuurteilenden Ereignis, dann soll dem Antragsteller nach den Grundsätzen eines rechtsstaatlichen fairen Verfahrens die Möglichkeit unbenommen bleiben, durch ein präsentes Beweismittel die Überzeugung des Gerichts von der Bedeutungslosigkeit des Beweisthemas zu erschüttern.218 Die Rechtsprechung zur Bedeutungslosigkeit einer Beweistatsache i.S.d. § 244 63 Abs. 3 ist deshalb nur insoweit heranziehbar, als die Bedeutungslosigkeit des Beweisthemas ausschließlich aus dem Fehlen jedes Zusammenhangs mit dem Verfahrensgegenstand hergeleitet wird. Ob die unter Beweis gestellte Behauptung in keiner Beziehung zu einem im Rahmen der Schuld- und Rechtsfolgenfrage zu prüfenden Umstand steht, 61

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211 Begr. BTDrucks. 8 976 S. 53; Waszczynski ZJS 2010 322. 212 Alsberg/Tsambikakis 1547; KK/Krehl 33. 213 Die Begründung (BTDrucks. 8 976 S. 53) weist insoweit auf RGSt 1 241; 66 14; BGHSt 17 28; 17 338 hin. Köhler NJW 1979 351 hält es für bedenklich, die Zusammenhanglosigkeit im Sinne der Entscheidungen des BGH zu verstehen („Einfallstor des antizipierenden Instruktionsermessens“); für restriktive Auslegung zur Vermeidung jeder Vorwegnahme der Beweiswürdigung auch Rudolphi JuS 1978 866. 214 So auch nach geltender Rechtslage für Evidenzfälle KK/Krehl 31. 215 Marx NJW 1981 1420; Rieß NJW 1978 2270; Schlüchter 556. 216 BGH bei Kusch NStZ 1993 28; vgl. § 244, 216 ff. 217 BGH NStZ 2012 346; Börner (Legitimation) 492 f. 218 BTDrucks. 8 976 S. 53; Waszczynski ZJS 2010 322.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 245

muss ex ante aus der Sicht einer noch für alle Möglichkeiten offenen Untersuchung beurteilt werden, wobei die Relevanz für eine im Prozess vorgebrachte Behauptung ausreicht. Dies darf nicht verengt aus der Sicht eines sich bereits abzeichnenden Verfahrensergebnisses219 beurteilt werden. Absatz 2 will ja gerade die Chance eröffnen, durch ein selbst beigebrachtes Beweismittel einer sich bereits verfestigenden Meinung entgegenzuwirken. d) Die völlige Ungeeignetheit eines Beweismittels ist auch nach § 245 Abs. 2 Satz 3 64 ein Ablehnungsgrund. Wie die Begründung des Regierungsentwurfs hervorhebt, lässt sich durch kein anzuerkennendes Beweiserhebungsinteresse rechtfertigen, dass sich das Gericht ein Beweismittel aufdrängen lassen muss, von dem von vornherein feststeht, dass es keine verwertbaren Ergebnisse erbringen kann.220 Die völlige Ungeeignetheit eines Beweismittels ist unter Anlegung strenger Maßstäbe nach allgemeinen Kriterien ausschließlich aus den Eigenschaften des Beweismittels selbst zu beurteilen, wobei jeder Rückgriff auf bisherige Beweisergebnisse zu unterbleiben hat.221 Der Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit ist aus § 244 Abs. 3 Satz 2 über- 65 nommen. Die von Rechtsprechung und Schrifttum dazu herausgearbeiteten Grundsätze gelten auch hier, soweit sie auf die objektive völlige Ungeeignetheit des Beweismittels und nicht auf seine Untauglichkeit abstellen. Wem jede Sachkunde auf dem in Frage kommenden Fachgebiet fehlt, braucht ebenso wenig als Sachverständiger vernommen zu werden wie ein Sachverständiger, der mangels genügender, ihm auch nicht in der Hauptverhandlung selbst zu vermittelnder Anknüpfungstatsachen kein Gutachten erstatten kann.222 Bloße Zweifel an der Sachkunde berechtigen dagegen nicht zu seiner Ablehnung.223 Bei einem präsenten Zeugen sind Zweifel am Wissen, am Erinnerungsvermögen oder an der Glaubwürdigkeit selbst dann kein Ablehnungsgrund, wenn dies nach § 244 Abs. 3 Satz 2 möglich wäre. Bei einem präsenten Zeugen ist die Berechtigung solcher Zweifel durch seine Anhörung zu klären.224 Begehrt ein Beweisantrag die Verwendung eines präsenten Beweismittels in Verbindung mit einem nicht präsenten und ist das präsente Beweismittel für sich allein ohne Beweiswert, so ist der ganze Antrag nach § 244 Abs. 3 zu beurteilen.225 e) Der Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht ist in § 245 Abs. 2 Satz 3 an 66 dieselben Voraussetzungen geknüpft wie in § 244 Abs. 3 Satz 2; denn in beiden Fällen ist schon die Verzögerung, die allein durch die Erhebung des beantragten Beweises eintreten würde, zur Annahme von Verschleppungsabsicht ausreichend, wenn die weiteren Voraussetzungen dieses Zurückweisungsgrundes vorliegen.226 Wegen der Einzelheiten kann auf die Erläuterungen bei § 244, 265 ff. verwiesen werden. 7. Verzicht. Auf eine nach Absatz 2 beantragte Beweiserhebung kann der An- 67 tragsteller nachträglich trotz stattgebender Entscheidung wieder verzichten. Anders als bei den nach Absatz 1 beigebrachten Beweismitteln müssen die anderen Verfahrensbe-

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219 Vgl. Alsberg/Tsambikakis 1550; Köhler NJW 1979 351. 220 BTDrucks. 8 976 S. 53; kritisch dazu Köhler NJW 1979 351; Marx NJW 1981 1416. 221 Alsberg/Tsambikakis 1551; Meyer-Goßner/Schmitt 26; vgl. § 244, 230 ff. 222 Alsberg/Tsambikakis 1551; § 244, 238; s. demgegenüber etwa BGH StV 2011 711, 712. 223 Alsberg/Tsambikakis 1552; Detter FS Salger 235. 224 Alsberg/Tsambikakis 1551; AK/Schöch 30; Meyer-Goßner/Schmitt 26. 225 BGH StV 1987 46 m. krit. Anm. Schlüchter; KK/Krehl 27; MüKo/Trüg/Habetha 43; a.A. Radtke/ Hohmann/Kelnhofer 20; SK/Frister 49. 226 SSW/Sättele 30; Alsberg/Güntge 1248 f.; a.A. KK/Krehl 33.

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teiligten dem Verzicht nicht zustimmen. Nur soweit sie selbst Antragsteller sind, ist ihre Einwilligung in den Verzicht notwendig. Die anderen Verfahrensbeteiligten können die Verwendung des präsenten Beweismittels nur dadurch erzwingen, dass sie ihrerseits einen entsprechenden Beweisantrag stellen.227 Im Übrigen bleibt die Verpflichtung des Gerichts unberührt, das Beweismittel trotzdem zu verwenden, wenn dies im Interesse einer umfassenden Sachaufklärung erforderlich ist. 68

8. Sitzungsniederschrift. Im Zusammenhang mit Absatz 2 sind wesentliche Förmlichkeiten i.S.d. §§ 273, 274, die in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen sind und nur durch dieses bewiesen werden können: der Beweisantrag und der darüber befindende Gerichtsbeschluss; die Beweiserhebung durch Nutzung des präsenten Beweismittels; der völlige oder teilweise Verzicht auf die bereits antragsgemäß bewilligte Beweiserhebung. Die Präsenz eines Beweismittels als solche ist keine wesentliche Förmlichkeit, die nur durch das Protokoll bewiesen werden könnte; insbesondere besagt die Feststellung zur Präsenz zu Beginn der Hauptverhandlung noch nichts darüber, dass eine Beweisperson auch später noch anwesend war oder dass sie nicht erst später erschienen ist.228 IV. Sonstige Verfahrensfragen

1. Die Durchführung der Beweiserhebung obliegt auch bei präsenten Beweismitteln dem Vorsitzenden (§ 238 Abs. 1), der allerdings an Entscheidungen des Gerichts gebunden ist. Er braucht jedoch eine solche Entscheidung nicht von sich aus herbeizuführen, wenn er ein präsentes Beweismittel verwenden will. In den Fällen des Absatzes 2 ist hierfür auch ein Antrag entbehrlich. Im Interesse einer zügigen Verhandlungsführung kann er auch ohne Antrag präsente Beweismittel uneingeschränkt verwenden, sofern die Beweiserhebung nicht unzulässig ist.229 Dies wird vielfach der verfahrensökonomisch einfachere Weg sein, wobei es dem Vorsitzenden unbenommen ist, sich vor Anordnung der Einvernahme einer präsenten Beweisperson bei dem Verfahrensbeteiligten, der sie geladen hat, formlos zu erkundigen, was die betreffende Person bekunden soll. Der Vorsitzende hat die Beweispersonen allgemein zu dem ihm bezeichneten Lebensvorgang zu hören und dabei auf eine möglichst erschöpfende Schilderung des relevanten Sachverhalts hinzuwirken. Die Frage nach weiteren Einzelheiten kann er dem Beweisführer und den anderen Verfahrensbeteiligten überlassen.230 Der Verpflichtung aus § 245 Abs. 1 genügt das Gericht nur, wenn es den präsenten 70 Zeugen oder Sachverständigen umfassend zu der Beweisthematik befragt, zu deren Aufklärung es ihn schließlich ja selbst geladen hat.231 Bei den Beweismitteln, auf die die Beweiserhebung nach § 245 Abs. 2 erstreckt wird, bestimmen der Beweisantrag und – soweit dieser teilweise zurückgewiesen wurde – der Beweisbeschluss des Gerichts den Umfang der Vernehmung.232 Ein Zeuge braucht nicht als Sachverständiger, ein Sachverständiger nicht als Zeuge vernommen zu werden.233

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227 Meyer-Goßner/Schmitt 29; vgl. Rn. 43. 228 Vgl. RGSt 40 138, 140; BGHSt 24 280 (unter Aufgabe einer früheren gegenteiligen Entscheidung) = LM § 274 Nr. 14 m. Anm. Kohlhaas; Dallinger MDR 1966 966; ferner Rn. 12, 46; § 243, 30. 229 Vgl. Rn. 56; Rieß NJW 1978 2270. 230 Alsberg JW 1927 1490; Alsberg/Tsambikakis 1558; Meyer-Goßner/Schmitt 29. 231 OLG Hamm VRS 11 (1956) 59, 60. 232 Alsberg/Tsambikakis 1557; Meyer-Goßner/Schmitt 29. 233 BGH NJW 2005 445, 447; OLG Stuttgart Justiz 1971 312. Früher genügte es nach Ansicht des RG zur Erfüllung der noch nicht durch die Bindung an den Beweisantrag eingeengten Beweiserhebungspflicht,

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 245

2. Angeklagter ohne Verteidiger. Die Fürsorgepflicht gegenüber einem nicht mit 71 einem Verteidiger erschienenen Angeklagten kann es unter Umständen erfordern, diesen darauf hinzuweisen, dass er einen förmlichen Beweisantrag stellen muss, wenn er die Entscheidung des Gerichts über die vom Vorsitzenden nicht ohnehin beabsichtigte Verwendung eines präsenten Beweismittels herbeiführen will.234 Unter Umständen kann es angebracht sein, vor einer Entscheidung über die förmliche Ablehnung eines Antrags auf eine sachgerechte Fassung hinzuwirken,235 schon damit nicht der Eindruck entsteht, das Gericht habe ihm nicht aus sachlichen Gründen, sondern nur aus Formalismus nicht entsprochen. Dies dient meist auch der Verfahrensvereinfachung, da andernfalls der Antrag in geänderter Form neu zur Entscheidung gestellt werden kann. Ist ein geladener Zeuge ausgeblieben, so braucht das Gericht die Verfahrensbeteiligten in der Regel nicht darauf hinzuweisen, dass sie einen Beweisantrag nach § 244 stellen müssen, um die vom Gericht für entbehrlich angesehene Vernehmung zu erreichen. Ein solcher Hinweis kann allenfalls bei einem Angeklagten ohne Verteidiger angezeigt sein.236 3. Verfahrenstrennung. Sind mehrere Strafsachen verbunden, so können alle Ver- 72 fahrensbeteiligten in der einheitlichen Hauptverhandlung alle beigebrachten Beweismittel zur Förderung ihrer eigenen Verfahrensinteressen nutzen (Rn. 43, 47 f.). Durch eine Abtrennung der Verfahren verlieren sie diese Möglichkeit bei den Beweismitteln des abzutrennenden Verfahrens. Es ist vorher in der Hauptverhandlung zu klären, welche Beweismittel in jedem der getrennten Verfahren benötigt werden, ferner, ob und wo sie dann noch präsent sind, damit die Verfahrensbeteiligten notfalls ihr Ladungsrecht ausüben können.237 Die durch die Abtrennung ausgeschiedenen Beweismittel können sonst nur mit einem Beweisantrag nach § 244 beigezogen werden. Es kann deshalb zweckmäßig sein, präsente Beweismittel, vor allem anwesende Zeugen und Sachverständige, die für beide Verfahren benannt werden, noch vor der Trennung zu verwenden. 4. Beweisaufnahme bei Einstellung des Verfahrens. Die durch § 245 begründete 73 Pflicht zur Beweiserhebung besteht ohne jede Einschränkung nur so lange, wie das Gericht über die Verurteilung oder die Freisprechung des Angeklagten zu befinden hat (vgl. Rn. 1). Ergibt sich, dass das Verfahren eingestellt werden muss, weil es an einer Verfahrensvoraussetzung fehlt oder der Durchführung ein Verfahrenshindernis entgegensteht, so ist zu unterscheiden: Schließt das Verfahrenshindernis unabhängig vom Ergebnis der weiteren Sachaufklärung jede Sachentscheidung aus, etwa weil das Gericht unzuständig oder die Sache bereits rechtskräftig entschieden ist, so ist auch kein Raum mehr für die Verwendung der präsenten Beweismittel.238 Diese ist nur noch zulässig, soweit es um Fragen geht, die die Aufklärung des Verfahrenshindernisses selbst betreffen.239 Dagegen wird man es nach dem Gesetzeszweck für zulässig und damit auch für geboten ansehen müssen, dass das Gericht unter den sonstigen Voraussetzungen des § 245 die Beweisauf-

_____ wenn die herbeigeschaffte Beweisperson vom Gericht gehört worden ist; das sollte selbst dann gelten, wenn eine als Zeuge geladene Person als Sachverständiger vernommen wurde (RGSt 26 388) oder umgekehrt (RGSt 27 398, 399). 234 Rudolphi JuS 1978 866. 235 Begr. BTDrucks. 8 976 S. 52. 236 Häner JR 1984 497. 237 Alsberg/Tsambikakis 1496; SK/Frister 48; vgl. auch RGSt 25 111. 238 Alsberg/Tsambikakis 1501. 239 Vgl. BGH 5 StR 38/65 vom 15.6.1965.

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§ 245

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nahme auf die präsenten Beweismittel erstreckt, um zu klären, ob statt der Einstellung wegen Verjährung usw. ein Freispruch geboten ist.240 V. Rechtsbehelfe 74

1. Anrufung des Gerichts (§ 238 Abs. 2). Die Entscheidung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 können die Prozessbeteiligten gegen Anordnungen oder Unterlassungen des Vorsitzenden herbeiführen, so wenn dieser es entgegen Absatz 1 unterlässt, ein präsentes Beweismittel zu verwenden (Rn. 41), einen Antrag nach Absatz 2 anstelle des Gerichts ablehnt oder die Entscheidung des Gerichts hierüber nicht herbeiführt oder wenn sie die vom Vorsitzenden beabsichtigte Verwendung des Beweismittels für unzulässig halten. Gegen die in der Regel nicht ermessensmissbräuchliche Entscheidung des Vorsitzenden, von der Ablehnungsmöglichkeit nach Absatz 2 Satz 3 keinen Gebrauch zu machen, kann dagegen das Gericht nicht angerufen werden. Zur Frage, in welchen Fällen das Gericht gegen eine rechtswidrige Anordnung des Vorsitzenden angerufen werden muss, damit eine entsprechende spätere Revisionsrüge nicht präkludiert ist, vgl. § 238, 43 ff.

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2. Die Beschwerde gegen den Beschluss nach § 238 Abs. 2, gegen den Beschluss, der die Verwendung eines nach Absatz 1 präsenten Beweismittels oder einen Beweisantrag nach Absatz 2 ablehnt, wird durch § 305 Satz 1 ausgeschlossen. Sie ist gegen Maßnahmen bei der Beweiserhebung nur im Rahmen des § 305 Satz 2 zulässig. Die unmittelbare Beschwerde gegen Maßnahmen des Vorsitzenden scheitert nach der jetzt vorherrschenden Meinung schon an § 304 Abs. 1 (vgl. § 238, 40). 3. Revision

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a) Mit der Revision kann ein Verstoß gegen Absatz 1 nach § 337 und, wenn er auf einen Beschluss des Gerichts zurückging, vom Angeklagten auch nach § 338 Nr. 8 gerügt werden. Wurde ein nach Absatz 1 präsentes Beweismittel zu Unrecht nicht verwendet, so ist dies unter genauer Bezeichnung des Beweismittels darzulegen. Anzugeben sind alle Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass die Beweisperson vom Gericht zur Hauptverhandlung geladen worden war241 und in der Hauptverhandlung zum maßgebenden Zeitpunkt nicht nur faktisch vorhanden, sondern als sofort verwendbares Beweismittel (s. dazu Rn. 16 ff.) auch präsent i.S.d. Absatzes 1 war. Aus dem Sitzungsprotokoll kann sich zwar die Präsenz eines Beweismittels ergeben, sein Schweigen hat aber keine negative Beweiskraft.242 Deshalb sind – insbesondere bei sächlichen Beweismitteln – auch Angaben darüber erforderlich, ob und in welcher Form entweder das Gericht das Vorhandensein und die Beweismitteleigenschaft des konkreten Beweismittels festgestellt hat,243 oder – nach hier vertretener Ansicht (Rn. 23) – ob und in welcher Form die Verwendung des in der Hauptverhandlung vorhandenen sächlichen Beweismittels von einem anderen Betei-

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240 RGRspr. 10 649, 650; vgl. BGHSt 24 239, 240 f.; Alsberg/Tsambikakis 1501; Dallinger MDR 1966 965; Hillenkamp JR 1975 140; KMR/Paulus § 244, 118; SK/Frister 33. 241 BGH StV 1993 235; OLG Düsseldorf StV 2001 105, 106. Im Einzelfall kann sogar die Mitteilung des Inhalts der Ladungsverfügung erforderlich sein, etwa um klarzustellen, dass der präsente Arzt als Sachverständiger zur Schuldfähigkeit des Angeklagten gehört werden sollte und nicht lediglich vorsorglich zur Beurteilung der Verhandlungsfähigkeit geladen wurde: BGH StV 1999 197 Ls. 242 BGHSt 24 280; die Präsenz im maßgebenden Zeitpunkt ist durch Freibeweis festzustellen; vgl. SK/Frister 65. 243 BGHSt 37 168, 174 = JR 1992 34 m. Anm. Fezer = StV 1992 3 m. Anm. Köhler; vgl. auch OLG Celle StV 1989 243; ferner etwa BGH bei Holtz MDR 1976 634; Meyer-Goßner/Schmitt 30.

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ligten verlangt worden ist und wie das Gericht darauf reagiert hat.244 Erforderlich ist weiterhin der Vortrag der Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass das Gericht rechtsfehlerhaft von der Unzulässigkeit der Beweiserhebung ausgegangen ist, etwa weil es einem Zeugen fälschlich ein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht zugebilligt hat.245 Lag dem zunächst eine Entscheidung des Vorsitzenden zugrunde, so ist in den Fällen, in denen es zum Erhalt einer entsprechenden Revisionsrüge der Anrufung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 bedarf (s. § 238, 43 ff.), erforderlich, dass die Revision die Geltendmachung dieses Rechtsbehelfs und den darauf ergangenen Gerichtsbeschluss mitteilt.246 Zweckmäßigerweise wird bei der Rüge eines Verstoßes gegen Absatz 1 auch das Beweisthema angegeben, zu dem das Beweismittel hätte Erkenntnisse liefern sollen und welche Bedeutung dies für die Entscheidung gehabt hätte. Erforderlich ist ein derartiger Sachvortrag zum Beruhen richtiger Auffassung nach zwar an sich nicht.247 Im Hinblick auf die in diesem Punkt aber durchaus schwankende Rechtsprechung248 sollten jedoch eher zu viele als zu wenige Tatsachen zur Begründung angegeben werden, um das Risiko des Scheiterns der Rüge an § 344 Abs. 2 Satz 2 zu vermeiden. b) Ein Verstoß gegen Absatz 2 begründet die Revision (§ 337 bzw. § 338 Nr. 8), 77 wenn das Gericht einen ordnungsgemäß gestellten Beweisantrag auf Verwendung eines präsenten Beweismittels zu Unrecht abgelehnt oder ihn übergangen hat. Der Inhalt des Beweisantrags ist in der Revisionsbegründung aufzuführen; ferner ist anzugeben, ob und mit welcher Begründung der Antrag abgelehnt wurde. Für die Revisionsbegründung gelten die gleichen Anforderungen wie bei § 244,249 jedoch muss zusätzlich dargetan werden, dass die Beweismittel präsent waren, dass also Beweispersonen ordnungsgemäß geladen250 und erschienen waren oder ein Beweisgegenstand in der Hauptverhandlung zur Beweisaufnahme verwendbar war, aber nicht verwendet wurde.251 Es muss deutlich werden, dass ein Verstoß gegen § 245 Abs. 2 und nicht etwa ein solcher gegen § 244 Abs. 3, 4 oder 5 geltend gemacht wird.252 Nicht gerügt werden kann, dass das Gericht Beweise erhoben hat, deren Ablehnung nach § 245 Abs. 2 Satz 3 in seinem Ermessen stand. c) Mit der Revision kann auch geltend gemacht werden, dass die Verwendung eines 78 präsenten Beweismittels unzulässig war. Beruhte die Beweiserhebung auf einer Anordnung des Vorsitzenden, so ist auch hier die Anrufung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 und deren Ergebnis vorzutragen, soweit die Inanspruchnahme dieses Rechtsbehelfs Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revisionsrüge ist (s. § 238, 43 ff.).

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244 SSW/Sättele 34; vgl. auch KK/Krehl 35; SK/Frister 66; zur Beweiskraft des Protokolls s. Rn. 42. 245 BGH NStZ 2010 646 ff.; bei Kusch NStZ-RR 1999 36; BGH Beschl. v. 27.11.2012 – 5 StR 554/12; vgl. auch BGH NJW 1996 1685; StV 1996 129. 246 Vgl. BGH NStZ 2006 178; bei Kusch NStZ-RR 1999 36; SSW/Sättele 34; a.A. Eisenberg (Beweisrecht) 300a. 247 RGSt 65 304, 307; BGH GA 1966 213; OLG Celle NJW 1962 2315, 2316; OLG Düsseldorf StV 2001 105, 106; OLG Hamm VRS 45 (1973) 123; OLG Hamburg NJW 1965 1238, 1239; OLG Hamm VRS 11 (1956) 59, 60; AK/Schöch 32; KMR/Paulus 46; SK/Frister 67. 248 Vgl. BGH NJW 1996 1685; unklar BGH StV 1993 235; s. auch KK/Krehl 35; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 29; SSW/Sättele 34. 249 Wegen der Einzelheiten vgl. § 244, 372. 250 BGH NStZ 2012 346. 251 Alsberg/Güntge 1683. 252 BGH NStZ 2012 346.

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§ 245

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d) Auch unter dem Gesichtspunkt des § 245 kann die Revision grundsätzlich nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht an einen Zeugen oder Sachverständigen bestimmte Fragen nicht gerichtet oder sonst ein Beweismittel nicht voll ausgeschöpft habe.253 Eine Ausnahme gilt nur, wenn der Verfahrensverstoß ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung festgestellt werden kann.

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e) Das Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen § 245 Abs. 1 oder Abs. 2 beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen.254 Ein Rechtssatz des Inhalts, dass das Revisionsgericht das Beruhen des Urteils auf dem Verfahrensverstoß in der Regel nicht wegen mangelnder Beweiserheblichkeit des nicht verwendeten Beweismittels verneinen könne, da auch dem Tatrichter die Erheblichkeitsprüfung versagt ist und das ganze Wissen der Beweisperson erschlossen werden soll, existiert nicht.255 Andererseits dürfen bei der Beruhensprüfung die besonderen Auswirkungen, die die Verletzung des § 245 für die Überzeugungsbildung des Tatgerichts haben kann, nicht außer Acht gelassen werden.256 Das Beruhen kann daher im Einzelfall etwa ausgeschlossen werden, weil der nicht vernommene Zeuge ohnehin befugt das Zeugnis verweigert hätte257 oder weil er nach dem Beweisantrag nach Absatz 2 nur zu einer eng begrenzten Tatsache hätte gehört werden sollen;258 weil das unbenutzt gebliebene sächliche Beweismittel nach Beschaffenheit und Inhalt die Entscheidung nicht beeinflusst haben kann, so wenn die Urkunden nicht die Tat betrafen259 oder das Urteil ergibt, dass sich das Gericht auch ohne Heranziehung der Unfallskizze ein zutreffendes Bild vom Unfallort gemacht hat;260 wenn der Angeklagte die Tat glaubhaft gestanden hat;261 wenn das Gericht die Zurückweisung des Beweisantrages auf den in § 245 Abs. 2 nicht vorgesehenen Ablehnungsgrund der Wahrunterstellung gestützt, sich aber auch im Urteil an diese Wahrunterstellung gehalten hat.262

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f) Die Rüge, das Gericht habe durch die Nichtverwendung eines Beweismittels seine Aufklärungspflicht verletzt, ist unabhängig davon möglich, ob das Gericht gegen § 245 verstoßen hat. Sie kann auch durchgreifen, wenn nach § 245 keine Pflicht bestand, einen gestellten Zeugen oder Sachverständigen zu vernehmen,263 oder wenn eine Urkunde, die sich bei den Akten befand, auch ohne Verlangen eines Verfahrensbeteiligten nicht verlesen wurde.

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253 BGHSt 4 125, 126; BGH bei Pfeiffer NStZ 1981 297; OLG Saarbrücken VRS 48 (1975) 430; KMR/Paulus 48; vgl. § 244, 363 ff. 254 BGH wistra 2012 29, 33; näher zur Beruhensprüfung Arnoldi NStZ 2018 311 f. 255 BGH NJW 1996 1685; wistra 2012 29, 33; KK/Krehl 37; MüKo/Trüg/Habetha 55; Arnoldi NStZ 2018 311 f.; a.A. RGSt 1 225; 45 138, 143; 65 304, 307 = JW 1932 58 m. Anm. Alsberg; BGH bei Dallinger MDR 1974 16; 1975 369; OLG Celle NJW 1962 2315; Alsberg/Güntge 1687 f.; KMR/Paulus 46; ähnlich Kühne 791. 256 Vgl. BGH Urt. v. 15.4.2010 – 4 StR 650/09: „widerlegliche Vermutung“, insoweit in NStZ 2010 646 nicht abgedruckt; SK/Frister 70. 257 BGH NJW 1996 1685; bei Holtz MDR 1978 459; Meyer-Goßner/Schmitt 30; SK/Frister 70; anders, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass der Zeuge doch ausgesagt hätte: vgl. BGHSt 15 200, 202; OLG Frankfurt StV 1982 414, 415. 258 Alsberg/Güntge 1687. 259 BGH GA 1985 566; bei Dallinger MDR 1975 369. 260 BGH bei Dallinger MDR 1975 369; OLG Hamburg DAR 1956 226, 227. 261 BGH bei Dallinger MDR 1966 200; Alsberg/Güntge 1687; Koeniger 273; KMR/Paulus 46; a.A. OLG Celle NJW 1962 2315, 2316. 262 BGH wistra 2012 29, 33. 263 BGH NStZ 1981 401; KK/Krehl 36.

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§ 246 Ablehnung von Beweisanträgen wegen Verspätung § 246 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-045

(1) Eine Beweiserhebung darf nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache zu spät vorgebracht worden sei. (2) Ist jedoch ein zu vernehmender Zeuge oder Sachverständiger dem Gegner des Antragstellers so spät namhaft gemacht oder eine zu beweisende Tatsache so spät vorgebracht worden, daß es dem Gegner an der zur Einziehung von Erkundigungen erforderlichen Zeit gefehlt hat, so kann er bis zum Schluß der Beweisaufnahme die Aussetzung der Hauptverhandlung zum Zweck der Erkundigung beantragen. (3) Dieselbe Befugnis haben die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte bei den auf Anordnung des Vorsitzenden oder des Gerichts geladenen Zeugen oder Sachverständigen. (4) Über die Anträge entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen. Schrifttum Basdorf Formelle und informelle Präklusion im Strafverfahren, StV 1997 488; Bernsmann Wider eine Vereinfachung der Hauptverhandlung, ZRP 1994 329; Brause Faires Verfahren und Effektivität im Strafprozeß, NJW 1992 2865; Frister Beschleunigung der Hauptverhandlung durch Einschränkung von Verteidigungsrechten? StV 1994 445; Gössel Gutachten 60. DJT C 61; Kintzi Möglichkeiten der Vereinfachung und Beschleunigung von Strafverfahren de lege ferenda, DRiZ 1994 325; Perron Beschleunigung des Strafverfahrens mit rechtsstaatlichen Mitteln? JZ 1994 823; Scheffler Beweisanträge kurz vor oder während der Verkündung des Strafurteils, MDR 1993 3; Schlüchter Beschleunigung des Strafprozesses und insbesondere der Hauptverhandlung ohne Rechtsstaatsverlust, GA 1994 397; H. Schmitt Der späte Beweisantrag, StraFo 1993 53.

Bezeichnung bis 1924: § 245.

I.

II.

Übersicht Keine Beweispräklusion (Absatz 1) 1. Zweck der Vorschrift | 1 2. Antragstellung bis zum Urteil | 2 Aussetzung der Hauptverhandlung (Absätze 2 bis 4) 1. Zweck des Antragsrechts | 3 2. Die sachlichen Voraussetzungen des Aussetzungsantrags a) Nicht rechtzeitig namhaft gemachter Zeuge oder Sachverständiger | 6 b) Zu spät vorgebrachte Beweistatsache | 7 c) Antrag zum Zweck der Erkundigung | 8

Antragsbefugnis | 9 Zeitpunkt und Inhalt des Antrags | 11 5. Belehrung | 13 6. Entscheidung des Gerichts | 14 7. Unterbrechung der Hauptverhandlung | 19 8. Aussetzung der Hauptverhandlung von Amts wegen | 20 9. Sitzungsniederschrift | 21 Rechtsmittel 1. Beschwerde | 22 2. Revision | 23 Kosten der Aussetzung | 26 3. 4.

III.

IV.

I. Keine Beweispräklusion (Absatz 1) 1. Zweck der Vorschrift. Absatz 1 beruht auf der Überlegung, dass die Pflicht des 1 Gerichts, alles zur Erforschung der Wahrheit Notwendige zu tun, einen Ausschluss verspätet bezeichneter Beweismittel oder Beweistatsachen nicht zulässt. Das Gebot der Ver919 https://doi.org/10.1515/9783110274943-045

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§ 246

Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

fahrensbeschleunigung tritt daher hinter die Erfordernisse einer erschöpfenden Sachaufklärung zurück.1 Jeder bis zur Urteilsverkündung gestellte Beweisantrag muss entgegengenommen und sachlich geprüft werden, selbst wenn er dem früheren Prozessverhalten des Antragstellers widerspricht.2 Er darf nicht allein deshalb zurückgewiesen werden, weil er früher hätte gestellt werden können; denn das geltende Recht schreibt den Verfahrensbeteiligten nicht vor, bis zu welchem Zeitpunkt sie in der Hauptverhandlung ihre Beweisanträge anzubringen haben3 (jedoch kann in der Verspätung ein Indiz für Verschleppungsabsicht liegen; s. näher § 244, 271 f.). Daran ändert auch § 244 Abs. 6 Satz 2 bis 4 nichts; denn dort werden die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 bis 5 nicht modifiziert, vielmehr wird allein eine Fristsetzung für die Stellung von Beweisanträgen ermöglicht und bestimmt, unter welchen Voraussetzungen ein nicht fristgemäß gestellter Antrag nicht durch Beschluss in der Hauptverhandlung (§ 244 Abs. 6 Satz 1) beschieden werden muss, sondern erst in den in den Urteilsgründen abgelehnt werden darf. § 246 Abs. 1 ergänzt somit die Regelungen in § 244 Abs. 3 bis 5, § 245 über die zulässigen Gründe für die Ablehnung von Beweisanträgen.4 All diese Grundsätze haben eine innere Berechtigung aber nur, solange Beweisanträge tatsächlich mit dem Ziel der Sachverhaltsaufklärung gestellt werden. Dagegen kann ihre strikte Anwendung zu einer Verfahrensblockade führen, wenn Beweisanträge allein zu anderen, prozesswidrigen Zwecken eingesetzt, etwa massenhaft vorgebracht werden, nur um das Gericht durch ihre notwendige Prüfung und Verbescheidung an der Verkündung des Urteils zu hindern. Die Rechtsprechung bemüht sich daher seit einigen Jahren, derartigen Phänomenen auf der Grundlage des geltenden Rechts auch jenseits des Ablehnungsgrunds der Verschleppungsabsicht (§ 244 Abs. 3 Satz 2) Herr zu werden, beispielsweise durch Fristsetzungen für Beweisanträge im Rahmen der Sachleitung (§ 238 Abs. 1) und an die Überschreitung der Frist anknüpfende erleichterte Ablehnungsmöglichkeiten; zu den Einzelheiten s. § 244, 273 und 283. Für einen Teilbereich derartig missbräuchlichen Einsatzes des Beweisantragsrechts hat der Gesetzgeber nunmehr mit § 244 Abs. 6 Satz 2 bis 4 eine Abhilfe zu schaffen versucht. Die Regelung bleibt aber in Ansätzen stecken und macht die weitergehenden Ansätze der Rechtsprechung zur Eindämmung des Missbrauchs des Beweisantragsrechts nicht entbehrlich (s. § 244, 273, 359f). 2

2. Antragstellung bis zum Urteil. Bis zum Beginn der Urteilsverkündung können Beweisanträge gestellt werden.5 Jeder Antragsberechtigte kann einen Beweisantrag daher auch noch nach Schluss der Beweisaufnahme (§ 258 Abs. 1) und sogar noch während oder nach der Beratung des Gerichts vorbringen, gleichviel, ob das Urteil unmittelbar im Anschluss an die Verhandlung (§ 268 Abs. 3 Satz 1)6 oder gemäß § 268 Abs. 3 Satz 2 in einem gesonderten Termin7 verkündet wird. Das Gericht braucht zwar einen

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1 Zu den strittigen Reformvorschlägen, die diesen Grundsatz einschränken wollen, vgl. Basdorf StV 1997 490; ders. FS Widmaier 61 f.; Bernsmann ZRP 1994 331; Brause NJW 1992 2869; Frister StV 1994 447; Gössel Gutachten für den 60. DJT C 61; Kintzi DRiZ 1994 329 f.; Perron JZ 1994 825 ff.; Schlüchter GA 1994 413 ff.; SK/Frister 1 ff. 2 BGH NStZ 1986 371; Meyer-Goßner/Schmitt 1. 3 BGHSt 21 118, 123; BGH NStZ 1982 41; 1986 371; 1990 350, 351 m. Anm. Wendisch = StV 1990 391 m. Anm. Strate; NStZ 1998 207 m. Anm. Sander. 4 AK/Meier 1; Meyer-Goßner/Schmitt 1. 5 BGHSt 21 118, 123 f.; BGH NStZ 1982 41; OLG Schleswig bei Döllel/Dreeßen SchlHA 2010 231; MeyerGoßner/Schmitt 1 sowie § 244, 33. 6 RGSt 59 420, 421; 68 88, 89; BGH NStZ 1982 41; 1990 350, 351; 1992 346; Alsberg/Güntge 733; KK/Krehl 2; vgl. auch bei § 268. 7 RGSt 3 116, 117; BGHSt 16 389, 391; BGH NStZ 1981 311; 2005 395; KG StV 1991 59; SK/Frister 7.

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Beweisantrag, der ihm schriftlich in das Beratungszimmer geschickt wird, nicht als solchen zu berücksichtigen; es darf aber dem Verteidiger, wenn es in den Sitzungssaal zurückkehrt, die Möglichkeit nicht abschneiden, den Beweisantrag vor der Verkündung des Urteils zu stellen.8 Wird er gestellt, so ist die Verhandlung wiederaufzunehmen.9 Dies gilt auch, wenn eine bereits begonnene Urteilsverkündung nicht nur unterbrochen, sondern völlig abgebrochen wird, um später nochmals von vorne wiederholt zu werden; das Antragsrecht lebt dann bis zum Neubeginn der Verkündung wieder auf.10 Lehnt der Vorsitzende es ab, den zulässigen Beweisantrag noch entgegenzunehmen, kann hiergegen das Gericht nach § 238 Abs. 2 angerufen werden.11 Dagegen braucht das Gericht einen Beweisantrag, der erst während der Urteilsverkündung gestellt wird, nicht mehr als solchen zu berücksichtigen. Der Vorsitzende muss die Verkündung wegen des Antrags nicht abbrechen. Setzt er die Verkündung fort, so ist die Anrufung des Gerichts hiergegen nicht möglich.12 Allein in der Entgegennahme des Antrags und dessen Prüfung liegt – anders als bei Antragstellung vor Beginn der Urteilsverkündung – noch kein Wiedereintritt in die Verhandlung.13 Ein erst während der Verkündung gestellter Beweisantrag muss auch nicht nach § 244 Abs. 6 Satz 1 beschieden werden. Ob ihm nachzugehen ist, richtet sich allein nach § 244 Abs. 2;14 seine ablehnende Entscheidung muss der Vorsitzende nicht begründen.15 Es steht ihm aber frei, die Verkündung zu unterbrechen und die Verhandlung wieder zu eröffnen. Der Beweisantrag ist dann nach §§ 244, 245 zu bescheiden.16 II. Aussetzung der Hauptverhandlung (Absätze 2 bis 4) 1. Zweck des Antragsrechts auf Aussetzung der Hauptverhandlung nach den Ab- 3 sätzen 2 und 3 ist es, Staatsanwaltschaft und Angeklagten davor zu schützen, bei der Beweisaufnahme durch Vernehmung eines vorher nicht namhaft gemachten Zeugen oder Sachverständigen oder durch Einbeziehung einer neuen Tatsache in die Beweiserhebung überrumpelt werden. Sie sollen Gelegenheit haben, sich mit den neuen Beweisen kritisch auseinanderzusetzen, über Wert oder Unwert der Beweismittel Erkundigungen einzuziehen und gegebenenfalls Gegenbeweise anzubieten. Die Aussetzung erleichtert nicht nur die Verteidigung (s. dazu auch Art. 6 Abs. 3 lit. b EMRK) und die Vertretung der Anklage. Sie dient zugleich der Wahrheitsfindung, weil sie Anklage und Verteidigung Raum gibt, zusätzlich zur Aufklärungspflicht des Gerichts auch aus eigener Initiative zur umfassenden Sachaufklärung beizutragen. § 246 Abs. 2 und 3 knüpft den Aussetzungsantrag formal an die nicht rechtzeitige 4 Benennung der Beweisperson oder der Beweistatsache vor der Hauptverhandlung. Er ergänzt damit § 222, indem er die verfahrensrechtliche Folge der Verletzung dieser Vorschrift aufzeigt. Er geht aber darüber hinaus, da er das Antragsrecht auch bei nicht

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8 RGSt 59 420, 421; 68 88, 89; BGH NJW 1967 2019, 2020; NStZ 1981 311; 1992 248; 2007 112, 113; KG StV 1991 59. 9 Vgl. BGH NStZ 2005 395; anders für extreme Missbrauchsfälle BGH NJW 2005 2466; s. näher § 244, 283. 10 BGH NStZ 1992 248; 2007 112, 113; SK/Frister 11. 11 BGH NStZ 1992 346; zur Streitfrage, ob dies zur Erhaltung der Revision nötig ist, vgl. Rn. 23. 12 BGH bei Dallinger MDR 1975 24; Scheffler MDR 1993 5; SK/Frister 10. 13 BGH bei Dallinger MDR 1975 24; BGH NStZ 1986 182; 1992 248; unklar dagegen BGH StV 1985 398. 14 RGSt 57 142; BGH VRS 36 (1969) 368; NStZ 1986 182; bei Dallinger MDR 1975 24; Pfeiffer 1; SK/Frister 10. 15 BGH NStZ 1986 182. 16 BGH StV 1985 398; bei Dallinger MDR 1975 24; Scheffler MDR 1993 5; SK/Frister 11.

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rechtzeitiger Mitteilung einer Beweistatsache einräumt, obwohl § 222 keine entsprechende Mitteilungspflicht begründet. Diese Diskrepanz erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte. Im Entwurf waren ursprünglich die Worte „oder eine zu beweisende Tatsache zu spät vorgebracht“ nicht enthalten. Die Reichstagskommission hielt aber eine entsprechende Ergänzung des § 246 für notwendig.17 Die Bestimmungen des § 246 Abs. 2 bis 4 überschneiden sich ungeachtet ihres ande5 ren Anknüpfungspunktes in der Praxis weitgehend mit der Regelung des § 265 Abs. 4, der jedoch – auf sachliche, statt auf formale Kriterien abstellend – das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag zur Aussetzung verpflichtet, wenn eine veränderte Sachlage dies zur besseren Vorbereitung der Verteidigung oder der Anklage fordert (Rn. 17). 2. Die sachlichen Voraussetzungen des Aussetzungsantrags 6

a) Ist ein Zeuge oder Sachverständiger, der in der Hauptverhandlung vernommen werden soll, seitens des Gerichts (§ 222 Abs. 1 Satz 1) oder des „Gegners“ des Antragstellers (§ 222 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2) zu spät vor der Hauptverhandlung namhaft gemacht worden, so kann der durch das Beweismittel überraschte Verfahrensbeteiligte nach Absatz 2 oder 3 die Aussetzung beantragen. „Zu spät“ bedeutet dasselbe wie „nicht rechtzeitig“ in § 222; auf die dortigen Erläuterungen zu diesem unbestimmten Rechtsbegriff kann daher verwiesen werden. Namhaft gemacht ist ein Zeuge oder Sachverständiger nicht schon dann, wenn er durch Akteneinsicht als Beweismittel hätte erkannt werden können.18 An der ordnungsgemäßen Namhaftmachung fehlt es auch, wenn die Namen von Zeugen oder Sachverständigen zu Unrecht geheim gehalten oder durch Decknamen ersetzt werden.19 Wurde dagegen Name oder Anschrift eines Zeugen nach § 68 befugt nicht mitgeteilt oder nur seine neue Identität preisgegeben, so rechtfertigt dies die Aussetzung nicht20 (s. § 222 Abs. 1 Satz 3, § 200 Abs. 1 Sätze 3 bis 5). Ebenso wenig wird die Antragsbefugnis nach § 246 Abs. 3 dadurch eröffnet, dass ein Zeuge oder Sachverständiger nicht an dem hierfür ursprünglich vorgesehenen Terminstag vernommen wird.21 Für „zu spät“ herbeigeschaffte sächliche Beweismittel gilt § 246 Abs. 2 bis 4 entsprechend.22

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b) Eine zu beweisende Tatsache ist zu spät vorgebracht, wenn der „Beweisgegner“ mit der Behauptung ihrer Entscheidungserheblichkeit erst zu einem Zeitpunkt konfrontiert wird, in dem er hierauf nicht mehr angemessen reagieren kann,23 und er nicht von vornherein damit rechnen musste, dass diese Tatsache in der Hauptverhandlung Bedeutung erlangen könnte. Tatsachen, deren Erheblichkeit bereits aus der Anklageschrift erkenntlich ist, sind ebenso wenig neue Tatsachen im Sinne dieser Vorschrift wie etwa Tatsachen, die bereits in einer früheren Hauptverhandlung Gegenstand der Beweisaufnahme waren. Gleiches gilt für Tatsachen, deren Erheblichkeit bei Akteneinsicht erkannt werden konnte.24 Wird allerdings dem Verteidiger die Akteneinsicht verweigert,

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17 Hahn Mat. 1 857; 2 1337. 18 OLG Hamm JMBlNW 1968 236. 19 BGHSt 23 244, 245 f.; 32 115, 128. 20 Hilger NStZ 1992 459; SK/Frister 15; ferner zur früheren Rechtslage BGHSt 23 244, 245; 29 109, 113; 32 115, 128; 37 1, 2; BVerfGE 57 250, 286; OLG Frankfurt NJW 1982 1408, 1409. 21 Meyer-Goßner/Schmitt 2; nach Odenthal NStZ 1988 540 ist hier § 265 Abs. 4 einschlägig. 22 Vgl. BayObLGSt 1954 156, 157; OLG Hamm VRS 49 (1975) 113 f.; LG Koblenz StV 1997 239, 240; LG Nürnberg-Fürth StV 1982 11; HK/Julius 3; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Pfeiffer 2. 23 SK/Frister 16. 24 KK/Krehl 4; SK/Frister 16.

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kann auch eine aus den Akten ersichtliche Beweistatsache den Aussetzungsantrag des Verteidigers rechtfertigen.25 Ebenso liegt es, wenn der Verteidiger bei Einsicht in beigezogene Ermittlungsakten die früheren Aussagen der Belastungszeugen aus nur auszugsweise vorliegenden Vernehmungsniederschriften lediglich unvollständig ersehen konnte.26 Unerheblich ist, ob eine neue Beweistatsache durch ein neues oder durch ein bereits genutztes Beweismittel in das Verfahren eingeführt werden soll. c) Zum Zweck der Erkundigung muss der Aussetzungsantrag gestellt werden. Die 8 Erkundigung kann sich dabei auf die Person des Zeugen oder Sachverständigen beziehen, etwa auf seine Glaubwürdigkeit oder sein Fachwissen, oder sie kann die zu beweisende Tatsache betreffen, etwa ob andere Beweismittel auffindbar sind, die sie bestätigen oder widerlegen oder aber in einen anderen Zusammenhang stellen. 3. Antragsbefugnis. Als „Gegner“ des Beweisantragstellers i.S.d. Absatzes 2 ist 9 zur Stellung des Aussetzungsantrags jeder berechtigt, der Verfahrensinteressen mit einer gegenläufigen Zielsetzung verfolgt.27 Wie § 222 und Absatz 3 zeigen, ist hier auf den Gegensatz Staatsanwaltschaft/Angeklagter abgestellt, also auf die im Regelfall widerstreitenden Zielsetzungen von Anklage und Verteidigung.28 „Gegner“ des Angeklagten und des mit den Befugnissen eines Angeklagten (§ 427 Abs. 1) an der Hauptverhandlung teilnehmenden Nebenbeteiligten29 sind also der Staatsanwalt sowie der Nebenkläger und umgekehrt. Der Nebenkläger hat jedoch kein Recht, die Aussetzung der Hauptverhandlung zu beantragen (vgl. § 397 Abs. 1 Satz 3).30 Personen, die mit gleicher Zielrichtung am Verfahren teilnehmen, sind auch bei weiter Auslegung des § 246 Abs. 2 nicht Gegner. Mitangeklagte sind dies im Verhältnis zueinander allenfalls, wenn ihre Verfahrensinteressen in Bezug auf die konkrete Beweiserhebung gegenläufig sind,31 was vom Antragsteller darzutun ist. Soweit sie das Beweisergebnis sonst in ihrer Verteidigung berührt, können sie auch bei gleichgerichteten Interessen die Aussetzung nach § 265 Abs. 4 beantragen (vgl. Rn. 17). Sind Beweispersonen auf Anordnung des Vorsitzenden oder des Gerichts verspä- 10 tet geladen worden (entsprechendes gilt für die verspätete Herbeischaffung sächlicher Beweismittel; s. Rn. 6), so haben nach Absatz 3 über dessen Wortlaut hinaus der Verteidiger und die dem Angeklagten gleichstehenden Nebenbeteiligten das Antragsrecht (vgl. § 427 Abs. 1 Satz 1, §§ 438, 439, 444 Abs. 2), nicht jedoch sonstige durch das Beweismittel in ihren Verfahrensinteressen betroffene Beteiligte;32 zum Nebenkläger s. insoweit § 397 Abs. 1 Satz 3.33

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25 OLG Hamm VRS 49 (1975) 113, 114. 26 LG Koblenz StV 1997 239, 240. 27 Pfeiffer 3; SK/Frister 17. 28 Die StPO verwendet den Begriff des „Gegners“ in ähnlichem Sinn verschiedentlich bei den Rechtsmitteln, vgl. §§ 303, 308, 311a, 335, 347, ferner §§ 368, 390. 29 SK/Frister 17. 30 Beulke DAR 1988 118; AK/Meier 4; Meyer-Goßner/Schmitt 4; SK/Frister 17; zur früheren Rechtslage a.A. BGHSt 28 272, 274. 31 Gollwitzer FS Sarstedt 30; AnwK-StPO/Sommer 5; SK/Frister 17; nach AK/Meier 4 und HK/Julius 3 sind Mitangeklagte keine Gegner. 32 SK/Frister 18; vgl. auch Gollwitzer FS Sarstedt 30; a.A. AK/Meier 4 (nur Staatsanwalt und Angeklagter); KK/Krehl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Pfeiffer 3; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 5 (jeder in seinen Verfahrensinteressen betroffene Beteiligte). 33 Wie hier ein Antragsrecht des Nebenklägers verneinend: MüKo/Trüg/Habetha 11; SK/Frister 18.

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4. Zeitpunkt und Inhalt des Antrags. Der Antrag kann bis zum Schluss der Beweisaufnahme gestellt werden.34 Es braucht also nicht unmittelbar vor oder bei Verwendung des Beweismittels von den dadurch überraschten Verfahrensbeteiligten um Aussetzung nachgesucht zu werden. Maßgeblich dafür ist die Erwägung, dass der Antragsberechtigte möglicherweise erst nach Erhebung aller Beweise ermessen kann, ob seine Rechtsverfolgung eine Aussetzung erfordert.35 Mit Beginn der Schlussvorträge (§ 258 Abs. 1) kann der Aussetzungsantrag – anders als ein Beweisantrag (vgl. Rn. 2) – nicht mehr gestellt werden, es sei denn, das Gericht tritt danach nochmals in die Beweisaufnahme ein.36 Der Antrag muss inhaltlich auf die Aussetzung der Hauptverhandlung (vgl. § 228, 12 2) gerichtet sein, also darauf, dass mit dieser nach Einziehung der erforderlichen Erkundigungen neu begonnen wird. Begehrt der Antragsteller lediglich eine Unterbrechung der Hauptverhandlung, so findet § 246 Abs. 2 bis 4 keine Anwendung; vielmehr hat hierüber grundsätzlich der Vorsitzende im Rahmen seiner Sachleitung (§ 238 Abs. 1) zu entscheiden (§ 228 Abs. 1 Satz 2, § 229 Abs. 1), es sei denn, es kommt eine gerichtlich anzuordnende Unterbrechung gemäß § 228 Abs. 1 Satz 1, § 229 Abs. 2 in Betracht. Der bloße Protest gegen die Vernehmung eines verspätet benannten Beweismittels oder gegen die nicht rechtzeitige Geltendmachung einer neuen Beweisbehauptung beinhaltet nicht ohne weiteres einen Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung.37 13

5. Eine Belehrung des Angeklagten oder eines anderen Verfahrensbeteiligten über das Antragsrecht nach § 246 ist nicht vorgeschrieben. Sie kann aber bei Vorliegen besonderer Umstände erforderlich werden, vor allem wenn damit der Gefahr vorgebeugt wird, dass der durch ein unerwartetes Beweismittel überrumpelte Verfahrensbeteiligte aus Unkenntnis seines Antragsrechts an der sachgerechten Wahrnehmung seiner Verfahrensbefugnisse gehindert ist.38 Ein Angeklagter, dem ein Verteidiger zur Seite steht, muss nicht belehrt werden.39

6. Entscheidung des Gerichts. Das Gericht – nicht der Vorsitzende allein – entscheidet auf Antrag (oder ausnahmsweise von Amts wegen; s. Rn. 20) über die Aussetzung der Hauptverhandlung. Absatz 4 stellt diese Entscheidung in sein freies Ermessen, wenn die Voraussetzungen der Absätze 2 oder 3 gegeben sind. Zum Begriff des freien Ermessens wird in den Motiven40 gesagt: „Der Entwurf […] 15 mußte die Beurtheilung der Anträge auf Aussetzung der Verhandlung nach allen Richtungen hin dem freien Ermessen des Richters überlassen. Das Gericht soll sowohl darüber, ob es dem Gegentheil des Beweisführers an der erforderlichen Zeit zu Erkundigungen gefehlt hat, als auch darüber, ob es solcher Erkundigungen nach Lage der Sache überhaupt bedarf, frei entscheiden, und ebenso soll es, wenn es die Aussetzung der Verhandlung beschließt, die zu gewährende Frist nach seinem Ermessen festsetzen.“ Das Gericht soll also bei der Beurteilung der vom Gesetz festgelegten Voraussetzungen einer Aussetzung einen breiten Spielraum haben, der es ihm ermöglicht, frei von allgemeinen

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34 S. auch BGHSt 37 1, 2. 35 Hahn Mat. 1 193; KK/Krehl 6; SK/Frister 20. 36 Eb. Schmidt 4; SK/Frister 20. 37 OLG f. Hessen Strafsenat Frankfurt NJW 1947/48 395; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Eb. Schmidt 5; SK/Frister 21. 38 Meyer-Goßner/Schmitt 3; SSW/Sättele 10. 39 OLG Köln OLGSt 1; KK/Krehl 6; SK/Frister 22. 40 Hahn Mat. 1 193.

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formalen Erwägungen nur auf Grund der sachlichen Gegebenheiten des Einzelfalls41 zu entscheiden. Das Gericht muss seine Entscheidung an der Aufklärungspflicht und dem besonderen Schutzzweck der Vorschrift – die Wahrung der berechtigten Belange des vom Beweismittel oder der Beweistatsache überraschten Prozessbeteiligten – ausrichten, wie dies auch das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot eines fairen Verfahrens (vgl. auch Art. 6 Abs. 3 lit. b EMRK) fordert.42 Es darf andererseits aber auch nicht das Gebot angemessener Verfahrensbeschleunigung (Art. 6 Abs. 1 EMRK) und des Zeugenschutzes außer Betracht lassen.43 Freies Ermessen bedeutet demgemäß, dass die eingeräumten Beurteilungs- und Ermessensspielräume ausgerichtet an diesen Prinzipien pflichtgemäß zu nutzen sind.44 Die Aussetzung der Hauptverhandlung wird nach diesen Maßstäben nicht die Regel sein;45 im Gegenteil werden die erforderlichen Erkundigungen im Hinblick auf die durch das 1. JuMoG verlängerten Fristen nach § 229 Abs. 1 und 2 im Allgemeinen während einer angemessenen Unterbrechung der Hauptverhandlung in hinreichendem Umfang eingeholt werden können (s. auch Rn. 19).46 Das Gericht kann den Aussetzungsantrag vor allem ablehnen, wenn der Antragstel- 16 ler genügend Zeit zur Erkundigung hatte oder eine solche nach den Umständen des Einzelfalls nicht erforderlich ist,47 weil die neu benannte Beweisperson oder -tatsache dem Antragsteller bereits bekannt ist,48 Erkundigungen über sie keine weitere Aufklärung erwarten lassen,49 erkennbar keine ernsthaften Nachforschungen beabsichtigt sind und der Aussetzungsantrag nur als Vorwand für die Verfolgung anderer Zwecke dient50 oder weil die zu beweisende neue Tatsache in jeder Hinsicht für seine Entscheidung unerheblich ist, etwa wenn Nachforschungen zum Leumund eines neu benannten Zeugen auf der Grundlage der in § 222 geforderten Angaben für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit seiner Aussage erkennbar ohne Bedeutung sind, weil es insoweit allein auf die Kriterien der Aussageanalyse ankommt.51 Die Aussetzung ist ferner abzulehnen, wenn das Gericht auf die Verwertung des Beweismittels oder der Beweistatsache überhaupt verzichtet,52 weil sie für die Entscheidung keine Bedeutung erlangen können. Sind die Voraussetzungen des § 265 Abs. 4 gegeben, erfordert also die veränderte 17 Lage die Aussetzung zur besseren Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung, dann muss das Gericht nach dieser Vorschrift die Hauptverhandlung aussetzen. Für die Ermessensentscheidung nach § 246 Abs. 4 bleibt dann kein Raum. Einen entsprechenden Antrag können auch die nicht nach Absatz 2 oder 3 Antragsbefugten stellen; dies gilt indes nicht für den Nebenkläger, dem § 397 Abs. 1 Satz 3 kein entsprechendes Recht einräumt.53 Der Beschluss ergeht nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten (§ 33). Die Ableh- 18 nung ist nach Maßgabe des § 34 zu begründen.54 Auch der Aussetzungsbeschluss ist mit

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41 BGHSt 37 1, 3 ff.; BGH StV 1990 197 f. m. abl. Anm. Odenthal. 42 Vgl. BGH VRS 19 (1960) 132, 133; OLG Stuttgart NStZ 1990 356; HK/Julius 1, 6. 43 BGHSt 37 1, 4; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 8; SK/Frister 24; kritisch HK/Julius 6. 44 BGH bei Holtz MDR 1984 278; OLG Stuttgart NStZ 1990 356; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SK/Frister 23. 45 BGHSt 37 1, 3. 46 SSW/Sättele 11. 47 BGH bei Holtz MDR 1984 278. 48 BGH StV 1982 457. 49 Vgl. BGH bei Holtz MDR 1984 278; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SK/Frister 24. 50 Vgl. BGHSt 37 1, 3; BGH StV 1990 197 m. abl. Anm. Odenthal. 51 Vgl. BGHSt 37 1, 3 f.; BGH StV 1990 197 m. abl. Anm. Odenthal; KK/Krehl 8. 52 BayObLGSt 1954 156, 157. 53 Meyer-Goßner/Schmitt § 265, 39; a.A. MüKo/Trüg/Habetha 11; unklar SK/Frister 19. 54 KK/Krehl 7; SK/Frister 23.

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Gründen zu versehen, denn er ist in Sonderkonstellationen anfechtbar und auch mit der Revision überprüfbar.55 19

7. Unterbrechung der Hauptverhandlung. Der Vorsitzende kann einem Aussetzungsantrag dadurch den Boden entziehen, dass er die Verhandlung nach § 228 Abs. 1 Satz 2 für die zu den Erkundigungen nötige Zeit unterbricht. Die durch das 1. JuMoG auf bis zu drei Wochen verlängerte Unterbrechungsfrist des § 229 Abs. 1 wird hierfür regelmäßig ausreichen (Rn. 15). Ist der Antragsteller mit dieser Sachbehandlung ausdrücklich oder stillschweigend einverstanden, so bedarf es keiner zusätzlichen förmlichen Entscheidung über den dadurch erledigten Aussetzungsantrag.56 Hält der Antragsteller nur die Unterbrechungsdauer für nicht ausreichend, so kann er gegen die Anordnung des Vorsitzenden nach § 238 Abs. 2 das Gericht anrufen.57 Dieses kann unter den Voraussetzungen des § 229 Abs. 2 die Unterbrechung gegebenenfalls auf einen Monat verlängern.

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8. Aussetzung von Amts wegen. Wenn ein anwesender Angeklagter keinen Aussetzungsantrag stellt, so entbindet dies das Gericht nicht von der Verpflichtung zu prüfen, ob durch die Verwendung eines nicht vorher angekündigten Beweismittels oder die Erstreckung der Beweisaufnahme auf eine nicht rechtzeitig bekannt gemachte Beweistatsache die Aussetzung oder Unterbrechung des Verfahrens erforderlich wird, etwa im Hinblick auf die Aufklärungspflicht oder um eine ausreichende Vorbereitung der Verteidigung zu ermöglichen58 (s. auch § 265 Abs. 4; Rn. 17). Dies gilt erst recht, wenn die Hauptverhandlung ohne den Angeklagten stattfindet und für diesen auch kein Verteidiger erschienen ist.59 Vor allem wenn das Gericht einen nicht vorher namhaft gemachten Belastungszeugen vernimmt, kann die Aussetzung oder Unterbrechung geboten sein, um dem Angeklagten umfassendes rechtliches Gehör zu gewähren und um ihm die Möglichkeit zu erhalten, sich dagegen zu verteidigen.60

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9. Sitzungsniederschrift. Der Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung und der daraufhin ergehende Beschluss des Gerichts oder die Anordnung des Vorsitzenden, die das Verfahren unterbricht (Rn. 19), sowie ein ausdrücklich oder auch nur stillschweigend61 erklärtes Einverständnis des Antragstellers mit dieser Verfahrensweise sind als wesentliche Förmlichkeiten im Protokoll festzuhalten;62 desgleichen wenn das Gericht nach § 238 Abs. 2 gegen eine Anordnung des Vorsitzenden angerufen wurde, der Antrag, die Anhörung der anderen Verfahrensbeteiligten dazu und die Entscheidung des Gerichts.

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55 MüKo/Trüg/Habetha 16; SK/Frister 23; s. bei § 228; a.A. LR/Becker26 18. 56 Meyer-Goßner/Schmitt 6; MüKo/Trüg/Habetha 17 (ausdrückliche Erklärung des Antragstellers sollte herbeigeführt werden); SK/Frister 25. 57 Ist der Antragsteller dagegen schon im Grundsatz nicht damit einverstanden, dass die Hauptverhandlung lediglich unterbrochen wird, so muss das Gericht entscheiden; nicht etwa muss der Antragsteller gegen die Unterbrechungsanordnung des Vorsitzenden gemäß § 238 Abs. 2 vorgehen: MüKo/Trüg/Habetha 17; anders wohl KK/Krehl 9 sowie Eb. Schmidt 7. 58 Vgl. LG Nürnberg-Fürth StV 1982 11 (Vorlage neuer Akten mit weiteren Zeugenaussagen). 59 SSW/Sättele 10. 60 OLG München HRR 1940 Nr. 484; KK/Krehl 5; Eb. Schmidt 6. 61 Damit wird auch eventuellen Zweifeln bezüglich des Einverständnisses des Antragstellers vorgebeugt. 62 SK/Frister 26.

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III. Rechtsmittel 1. Die Beschwerde gegen die Entscheidung, mit der das Gericht die Aussetzung ab- 22 lehnt, scheitert an § 305 Satz 1. Auch der Beschluss, der die Aussetzung anordnet, unterliegt nur in den Fällen der Beschwerde, in denen die Rechtsprechung ausnahmsweise annimmt, dass § 305 Satz 1 der gesonderten Anfechtung nicht entgegensteht;63 wegen der Einzelheiten vgl. § 228, 40 und die Erl. zu § 305. 2. Revision. Wird die sachliche Bescheidung eines Beweisantrags vom Gericht ent- 23 gegen § 246 Abs. 1 abgelehnt oder seine Ablehnung (abgesehen vom Fall des § 244 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1) den Urteilsgründen vorbehalten,64 so begründet dies die Revision (§§ 336, 337, evtl. auch § 338 Nr. 8). Das gilt auch, wenn der Vorsitzende die Entgegennahme des Beweisantrags verweigert. Die Anrufung des Gerichts (§ 238 Abs. 2) ist nach der hier vertretenen Ansicht (vgl. § 238, 43 ff.) nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit der entsprechenden späteren Revisionsrüge; denn die Entgegennahme des Beweisantrags steht – wenn der Antrag vor Beginn der Urteilsverkündung gestellt wird65 – weder in einem Beurteilungs- noch in einem Ermessensspielraum des Vorsitzenden.66 Die Weigerung, einen Beweisantrag entgegenzunehmen, kann auch die Aufklärungspflicht verletzen.67 Hat das Gericht einen Aussetzungsantrag nach Absatz 2 oder 3 rechtsirrig oder 24 unter Fehlgebrauch seines Ermessens zu Unrecht abgelehnt oder nicht in der Hauptverhandlung beschieden, kann dies ebenfalls mit der Revision nach § 337, vom Angeklagten auch nach § 338 Nr. 8 beanstandet werden.68 Hat dagegen der vom Beweismittel überraschte Prozessbeteiligte keinen Aussetzungsantrag gestellt, so kann er mit der Revision weder einen Verstoß gegen § 246 Abs. 2 oder 3 noch einen solchen gegen § 222 rügen.69 Ihm bleibt nur die Aufklärungsrüge. Eine Ausnahme macht die Rechtsprechung, wenn der rechtsunkundige, durch keinen Verteidiger unterstützte Angeklagte vom Vorsitzenden nicht auf den Fehler und die Möglichkeit, Aussetzung zu beantragen, hingewiesen wurde.70 Für den vom Erscheinen in der Hauptverhandlung befreiten Angeklagten gilt der Rügeausschluss ebenfalls nicht.71 Für den grundsätzlichen Rügeverlust spricht, dass der Gesetzgeber die Verfahrens- 25 befugnisse bei einer verspäteten Benennung eines Beweismittels in § 246 abschließend

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63 Vgl. OLG Frankfurt MDR 1983 253. 64 BGH NStZ 2005 395; anders für extreme Missbrauchsfälle (vor Einführung des § 244 Abs. 6 Sätze 2 bis 4) BGH NJW 2005 2466, s. näher § 244, 283. 65 Dagegen kommt § 238 Abs. 2 von vornherein nicht in Betracht, wenn der Vorsitzende sich weigert, einen Beweisantrag nach Beginn der Urteilsverkündung entgegenzunehmen (s. Rn. 2). 66 BGH NStZ 1992 248; MüKo/Trüg/Habetha 20; SK/Frister 28; SSW/Sättele 14; dem zuneigend auch KK/Krehl 11; vgl. auch BGH NStZ 1981 311; Scheffler MDR 1993 3; a.A. BGH NStZ 1992 346 (Anrufung des Gerichts in der Regel erforderlich; aber offengelassen, ob dies auch in der Konstellation von BGH NStZ 1981 311 gilt). 67 BGH VRS 36 (1969) 368; StV 1986 286; SK/Frister 10. 68 BGHSt 1 284, 285; 37 1, 2 f.; BGH StV 1982 457; NStZ 1989 237, 238; 1990 245; BayObLGSt 1954 156, 158; OLG Hamm JMBlNW 1968 236; MDR 1975 422 Ls.; OLG Stuttgart NStZ 1990 356; AK/Meier 6; KK/Krehl 12; Meyer-Goßner/Schmitt 7; SK/Frister 29. 69 BGHSt 1 284, 285; 37 1, 2 f.; BGH StV 1982 457; NStZ 1990 245; OLG Thüringen VRS 113 (2007) 345, 347; MüKo/Trüg/Habetha 21; SSW/Sättele 15; Börner (Legitimation) 356 ff.; a.A. SK/Frister 29: Beschwer genügt, sofern nur ein anderer Beteiligter den Antrag gestellt hat. 70 OLG Dresden HRR 1938 Nr. 935; OLG Köln OLGSt 1; OLG Thüringen VRS 113 (2007) 345, 347; KK/Krehl 12; vgl. SK/Frister 30. 71 Vgl. OLG Hamm NJW 1996 534 f.; OLG Koblenz VRS 46 (1974) 447, 448; KMR/Eschelbach § 222, 35.

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geregelt hat. Dies folgt daraus, dass der Aussetzungsantrag nur bis zu einem gewissen Verfahrensabschnitt gestellt werden kann (Ende der Beweisaufnahme) und die Entscheidung darüber in das Ermessen des Gerichts gestellt ist.72 Die Ausnahme für den rechtsunkundigen Angeklagten ohne Verteidiger findet ihre Rechtfertigung darin, dass der Vorsitzende in diesem Fall kraft seiner Fürsorgepflicht und zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens in der Regel gehalten ist, auf die Möglichkeit eines Aussetzungsantrags hinzuweisen. Der Verstoß gegen die Hinweispflicht ist dann der die Rüge begründende Verfahrensfehler. Die Revision muss die Tatsachen darlegen, aus denen sich im Einzelfall die Belehrungspflicht des Gerichts ergibt (§ 344 Abs. 2). IV. Kosten der Aussetzung 26

Die Kosten der Aussetzung, die durch einen verspäteten Beweisantrag eines Verteidigers veranlasst wurden, können diesem nicht auferlegt werden. § 145 Abs. 4 gilt hier nicht.73

§ 246a Vernehmung eines Sachverständigen vor Entscheidung über eine Unterbringung § 246a Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-046

(1) 1 Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. 2 Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen. (2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer im § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf. (3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden. Schrifttum Deckers/Schöch/Nedopil/Dittmann/Müller/Nowara/Saimeh/Boetticher/Wolf Pflicht zur Einholung eines vorläufigen schriftlichen Gutachtens eines Psychiaters bei Anordnung einer Maßregel nach den §§ 63, 66, 66a StGB? NStZ 2011 69; Eisenberg Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt, GA 2007 348; Kaatsch Die Zuziehung des medizinischen Sachverständigen im Strafprozeß bei Anordnung der Sicherungsverwahrung

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72 Ob man den Aussetzungsantrag als „Zwischenrechtsbehelf“ ansieht (so Niese JZ 1953 221), ist hierfür nicht entscheidend. 73 OLG f. Hessen Strafsenat Frankfurt JR 1950 570; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SK/Frister 27.

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(§§ 80a, 246a StPO), Diss. Würzburg 1983; U. Schneider Die Reform des Maßregelrechts, NStZ 2008 68; Schreiber/Rosenau Der Sachverständige im Verfahren und in der Verhandlung, in: Venzlaff/Foerster (Hrsg.) Psychiatrische Begutachtung 6. Aufl. (2015) 153; Spiess Das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt, StV 2008 160. Weiteres Schrifttum s. Vor § 72 und bei § 244.

Entstehungsgeschichte § 246a wurde durch Art. 2 Nr. 20 AGGewVerbrG vom 24.11.1933 in die StPO aufgenommen: Satz 1 der ursprünglichen Fassung schrieb die Vernehmung eines Arztes als Sachverständigen nicht nur im Hinblick auf die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt, einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt (§§ 42b, 42c StGB a.F.) vor, sondern mit Rücksicht auf den damals geltenden § 42k StGB auch, wenn mit der Anordnung der Entmannung zu rechnen war. Satz 2 entsprach – wortlautidentisch – dem heutigen Absatz 3. Durch Art. 9 Nr. 11 des 1. StrRG wurde 1969 der Anwendungsbereich der Vorschrift auf die Sicherungsverwahrung erweitert.1 Art. 21 Nr. 64 EGStGB 1974 fasste den Satz 1 neu; auf die zwingende Zuziehung eines Arztes als Sachverständigen wurde nunmehr verzichtet. Die Einbeziehung der Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Anstalt wurde infolge des mehrfachen Hinausschiebens des Inkrafttretens von § 65 StGB und schließlich der Aufhebung dieser Bestimmung nicht wirksam, so dass es zunächst bei der Fassung des § 246a verblieb, die er gemäß Art. 326 Abs. 5 Nr. 2 Buchst. d EGStGB 1974 als Übergangsfassung erhalten hatte (Art. 3 Nr. 3 Buchst. c des Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes vom 20.12.1984 – BGBl. I S. 1654). Art. 2 Nr. 1a des Gesetzes zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 21.8.2002 (BGBl. I S. 3344) erstreckte den Anwendungsbereich von Satz 1 auf den Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung. Art. 2 Nr. 1a des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.7.2007 (BGBl. I S. 1327) ersetzte in Satz 1 die einleitende Wendung „Ist damit zu rechnen“ durch „Kommt in Betracht“ und der neu eingefügte Satz 2 brachte für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt die Sonderbestimmung, wonach die Vernehmung des Sachverständigen – nur – erforderlich ist, wenn „das Gericht“ die Anordnung „erwägt“. Durch Art. 1 Nr. 7 STORMG vom 26.6.2013 (BGBl. I S. 1805) wurde § 246a (erst) auf Initiative des Rechtsausschusses2 geändert und erweitert: Die bisherigen Sätze 1 und 2 der Vorschrift sind nunmehr in Absatz 1 enthalten. Absatz 2 ist neu eingefügt. Absatz 3 enthält Satz 3 der vorherigen Fassung. Übersicht Zweck und Bedeutung | 1 Fachrichtung des Sachverständigen | 4 Aufklärungspflicht | 5 Sondervorschriften | 7 Voraussetzungen der Zuziehung eines Sachverständigen 1. Psychiatrisches Krankenhaus; Sicherungsverwahrung (Absatz 1 Satz 1) | 7 2. Entziehungsanstalt (Absatz 1 Satz 2) | 9

I. II. III. IV. V.

3.

Therapieweisung (Absatz 2) a) Formeller Anwendungsbereich aa) Anlasstaten | 10 bb) Potentielle Rechtsfolgen | 11 cc) Entsprechende Anwendung | 16 b) Materielle Anwendungsvoraussetzungen aa) Schuldspruchprognose | 17

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1 2

Vgl. Wulf JZ 1970 160. Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht vom 13.3.2013, BTDrucks. 17 12735 S. 7 f. und 21.

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VI.

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bb) Rechtsfolgenprognose | 18 Vernehmung des Sachverständigen 1. Vernehmung zu möglicher Unterbringung (Absatz 1) | 21 2. Vernehmung zu möglicher Therapieweisung (Absatz 2) | 24

VII. Untersuchung des Angeklagten durch einen Sachverständigen vor der Hauptverhandlung (Absatz 3) | 26 VIII. Rechtsmittel 1. Beschwerde | 29 2. Revision | 30

I. Zweck und Bedeutung 1

Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) und die Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) sind außerordentlich beschwerende Maßregeln.3 Insbesondere wegen ihrer im Vorhinein unbestimmten Dauer bedeuten sie schwerwiegende Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen.4 Andererseits stellt der Schutz vor Verurteilten, von denen mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere erhebliche Straftaten gegen bedeutende Individualrechtsgüter zu erwarten sind, ein überragendes Gemeinwohlinteresse dar.5 Besteht die Möglichkeit einer Anordnung nach §§ 63, 66 StGB oder eines Vorbehalts nach § 66a StGB, § 106 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 JGG,6 so setzt die vom Gericht zu treffende Entscheidung eine umfassende Persönlichkeitsbeurteilung und -prognose voraus. Gleiches gilt im Verfahren nach § 275a zur Anordnung der vorbehaltenen oder der nachträglichen Sicherungsverwahrung (§ 66b StGB, § 106 Abs. 6 und 7 JGG) mit den in § 275a Abs. 4 geregelten Besonderheiten. Indem § 246a in all diesen Fällen (s. § 275a Abs. 2; vgl. außerdem Rn. 7) die bestmögliche Aufklärung der hierfür relevanten tatsächlichen Umstände bewirken7 und die fachkundige Unterstützung des Gerichts bei der oft schwierigen Bestimmung der im Einzelfall angemessenen Maßnahmen gewährleisten soll, dient die Vorschrift gleichermaßen dem Schutz und dem wohlverstandenen Interesse des betroffenen Angeklagten wie dem öffentlichen Interesse an einer sachgerechten Auswahl und Anordnung der Maßregel.8 Hierüber lässt sich ohnehin meist nur nach Zuziehung eines Sachverständigen sicher entscheiden; weiter gehend ordnet Absatz 1 Satz 19 die Vernehmung in der Hauptverhandlung jedoch zwingend an und beugt so von vornherein jedem Zweifel vor, ob in einfach gelagerten Fällen ausnahmsweise nicht schon die eigene Sachkunde des Gerichts genügen könnte.10 Daher ist es dem Gericht verwehrt, dieses Verfahrenserfordernis durch näher dargelegte eigene Sachkunde zu ersetzen.11 Die Zuziehung eines Sachverständigen ist dementsprechend auch der Disposition des Angeklagten entzogen.12

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3 S. nur BGHSt 50 275, 278; 52 31, 37; BGH NStZ 2002 533, 534; NStZ-RR 1997 166, 167; BGHR § 246a Satz 1 Sicherungsverwahrung 2. 4 Vgl. BVerfG (Kammer) NJW 1995 3047; BGHSt 9 1, 2. 5 BVerfGE 109 190, 236; BVerfG (Kammer) NJW 2006 3483, 3484; BGHSt 52 31, 33. 6 Schon deshalb, weil das Gericht die positive oder negative Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung oder ihren Vorbehalt im Einzelfall regelmäßig erst aufgrund des Ergebnisses der Hauptverhandlung treffen kann, ist es sachgerecht, diese Maßnahmen verfahrensrechtlich im Hinblick auf § 246a gleich zu behandeln. 7 Vgl. AK/Meier 1: „Konkretisierung der Aufklärungspflicht“; SK/Frister 2; ferner BGH StV 1994 231; Müller-Dietz NStZ 1983 204; AnwK-StPO/Sommer 2. 8 BGH StV 1994 231; Beschl. v. 28.2.2012 – 5 StR 16/12; in der Beeck/Wuttke SchlHA 1971 74; SK/Frister 2. 9 Einem verfassungsrechtlichen Gebot entsprechend: BVerfGE 70 297, 308; BVerfG NJW 1995 3047. 10 KMR/Hiebl 3; SSW/Sättele 1. 11 BGHSt 27 166, 167 f.; BGH NStZ-RR 2004 205; bei Kusch NStZ-RR 2000 36; bei Cierniak/Zimmermann NStZ-RR 2012 103; BGH StV 2001 665 Ls.; BGHR § 246a Satz 1 Sicherungsverwahrung 2; OLG Schleswig bei Döllel/Dreeßen SchlHA 2004 239; vgl. auch BGH NStZ 2005 159; 2005 628; OLG Hamm MDR 1978 864. 12 Detter NStZ 2013 28; Meyer-Goßner/Schmitt 1; MüKo/Trüg/Habetha 2; vgl. BGH, Beschl. v. 28.2.2012 – 5 StR 16/12.

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Wenn die Möglichkeit einer Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungs- 2 anstalt (§ 64 StGB) besteht, gelten diese Grundsätze entsprechend, allerdings nicht mehr (s. Entstehungsgeschichte) uneingeschränkt. Zwar hat diese Maßregel, wenngleich sie milder, insbesondere zeitlich befristet (vgl. § 67d Abs. 1 StGB) ist und – anders als auch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus – keinen über die Behandlung hinausgehenden Sicherungszweck verfolgt,13 ebenfalls eine tiefgreifende Wirkung;14 die Feststellung eines Hangs im Sinne von § 64, der darin begründeten Gefährlichkeit sowie der Behandlungsaussichten erfordern gleichermaßen eine besondere Sachkunde. Von der zwingenden Zuziehung eines Sachverständigen macht § 246a Satz 2 jedoch nunmehr – nur dann – eine Ausnahme, wenn die Anordnung nach dem Dafürhalten des Gerichts offensichtlich nicht in Frage kommt und es dementsprechend von der Anordnung absieht.15 Die Regelung des Absatzes 2, dass nach pflichtgemäßem und damit an der Aufklä- 3 rungspflicht (§ 244 Abs. 2) auszurichtendem Ermessen des Gerichts ein Sachverständiger angehört werde soll, wenn die Erteilung einer Therapieweisung im Sinne der Vorschrift in Betracht kommt, ist geleitet von dem Gedanken, dass Sexualstraftäter bereits zu Beginn möglicher Deliktskarrieren sachverständig darauf begutachtet werden sollen, ob sie unter einer behandlungsbedürftigen und -fähigen „Störung“ leiden. Damit soll in den Fällen des „niedrigschwelligen Bereichs“, in denen der Täter nicht zu einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe zu verurteilen ist, jedoch im Rahmen der strafrechtlichen Reaktion auf die von ihm begangene Tat die Weisung zur Aufnahme einer entsprechenden Therapie in Betracht kommt, frühzeitig aufgeklärt werden, ob die hierfür erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen vorliegen. Dies dient dem Ziel, durch die Erteilung einer derartigen Weisung die Gefahr einer erneuten (einschlägigen) Straffälligkeit des Täters möglichst zu reduzieren, wenn dies durch eine der genannten Therapien möglich erscheint.16 Damit enthält die Vorschrift aber nichts bahnbrechend Neues; denn soweit seine eigene Sachkunde hierfür nicht ausreicht, ist das Gericht schon durch die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2) gehalten, in derartigen Konstellationen die Frage der Therapiebedürftigkeit und -fähigkeit des Angeklagten durch sachverständige Begutachtung zu klären.17 Dies hat auch der Gesetzgeber nicht verkannt. Er hat dennoch gemeint, den „Vorteilen einer frühzeitigen Begutachtung bereits zu Beginn von möglichen Deliktskarrieren“ durch § 246a Abs. 2 „in der Praxis noch stärker Geltung“ verschaffen zu müssen.18 Was dies bedeuten soll, bleibt unklar. Dass insoweit ein Defizit festzustellen war, hat der Gesetzgeber nicht belegt. Es kann danach füglich bezweifelt werden, dass für die Regelung eine Notwendigkeit bestand.19 Sie ist eher Ausdruck des politisch geleiteten Aktionismus des Gesetzgebers als eine sinnvolle Fortentwicklung des Verfahrensrechts. Soweit versucht wird, ihr eine tiefere Sinnhaftigkeit dahin einzuhauchen, dass sie das „richterliche Ermessen“ in Richtung auf die Anhörung eines Sachverständigen leite und damit begrenze, weil sie ein „intendiertes Ermessen“ statuiere und die normative Wertung enthalte, die richterliche Sachkunde genüge regelmäßig nicht zur Beurteilung der Voraussetzungen einer Therapieweisung,20 vermag das nicht zu überzeugen. Kommt

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Vgl. z.B. BGH NStZ 2000 587, 589; 2002 533, 534; StV 2007 633, 634. Vgl. nur BVerfGE 91 1, 29. BGHSt 59 1, 3; BTDrucks. 16 5137 S. 11; s. Rn. 9. BTDrucks. 17 12735 S. 21. Ebenso SK/Frister 7h. BTDrucks. 17 12735 S. 21. Ablehnend auch SK/Frister 7g. So MüKo/Trüg/Habetha 2, 16.

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eine derartige Weisung in Betracht, so genügt die Sachkunde des Gerichts zur Beurteilung der damit aufgeworfenen Fragen oder sie genügt eben nicht. Werden sie vom Gericht aufgrund eigener Sachkunde rechtsfehlerfrei entschieden, so ist dieses den Anforderungen des § 244 Abs. 2 gerecht geworden und die Anhörung eines Sachverständigen war nicht erforderlich im Sinne des § 246a Abs. 2. War dies nicht der Fall, so ist § 244 Abs. 2 verletzt und der zusätzliche Verstoß gegen § 246a Abs. 2 ist – anders als in den Fällen des Absatzes 1 – rechtlich letztlich ohne Belang (zu den Rechtsmittelmöglichkeiten s. Rn. 29 ff.). II. Fachrichtung des Sachverständigen 4

§ 246a macht keine Aussage darüber, welcher Fachrichtung der Sachverständige angehören soll. Die Auswahl (vgl. § 73) ist vielmehr maßnahmespezifisch nach den für die Begutachtung erforderlichen Sachkenntnissen zu treffen.21 Der Sachverständige muss nicht notwendig ein Arzt sein;22 in der Regel – so vor allem bei der Möglichkeit krankheitsbedingter Störungen – wird das Gericht freilich einen Arzt mit einschlägigem Fachwissen zuziehen müssen.23 Insbesondere in den Fällen des Absatzes 2, in denen regelmäßig keine Vorinformationen zur möglichen Art der eventuellen psychischen Beeinträchtigung des Angeklagten vorliegen werden, ist die Zuziehung eines Psychiaters angezeigt, da dieser im Allgemeinen auch über das erforderliche Fachwissen zur Beurteilung nicht krankhafter psychischer Störungen verfügen wird (vgl. § 244, 82 m.w.N.). Ausnahmsweise kann jedoch auch ein Sachverständiger einer anderen Fachrichtung, etwa ein Psychologe oder Kriminologe,24 das von § 246a vorausgesetzte Fachwissen haben, so etwa, wenn für die Anordnung oder den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung im Einzelfall nur nichtmedizinische Fragen zu beurteilen sind. III. Aufklärungspflicht

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§ 246a Abs. 1 stellt Mindestanforderungen auf; im Einzelfall kann die Aufklärungspflicht mehr fordern.25 Vor allem wenn mehrere Maßregeln in Betracht zu ziehen sind (s. Rn. 27) oder die Anordnung der Sicherungsverwahrung in Betracht kommt, kann sich eine Verpflichtung zur Zuziehung weiterer Sachverständiger ergeben.26 Die Vorschrift ändert nichts daran, dass über die Voraussetzungen der Maßregeln letztlich das Gericht zu entscheiden hat. Auch soweit medizinische oder kriminologische Fragen zu beurteilen sind, ist der Sachverständige nur Gehilfe des Richters.27 Wenn sich das Gericht

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21 BGH NStZ 1994 592 f.; 2000 215; StV 1994 231; vgl. auch BVerfG NJW 1995 3047 (maßnahmenspezifische Untersuchung); s. bei § 73. 22 KMR/Hiebl 18; Meyer-Goßner/Schmitt 2; SK/Frister 9; krit. Eisenberg (Beweisrecht) 1827 zur Kompetenz von Ärzten für die Beurteilung nichtmedizinischer, vor allem kriminologischer Fragen; vgl. auch Feltes StV 2000 282; Kruse NJW 2014 513 zum Psychologischen Psychotherapeuten. Zwingend vorgeschrieben war die Zuziehung eines ärztlichen Sachverständigen in der bis 31.12.1974 geltenden Fassung; s. Entstehungsgeschichte. 23 BGH NJW 1993 2252, 2253; bei Dallinger MDR 1976 17; Schreiber/Rosenau 129; KK/Krehl 3; vgl. auch Müller-Dietz NStZ 1983 204: bei § 63 StGB Psychiater; ebenso Meyer-Goßner/Schmitt 2. 24 KMR/Hiebl 18; SSW/Sättele 5; vgl. Kinzig NStZ 2004 659; Feltes StV 2000 282; zur Auswahl Psychiater/Psychologe s. § 244, 82. 25 BGHSt 18 374; s. hierzu auch § 244, 78 ff. 26 MüKo/Trüg/Habetha 19; SK/Frister 9; SSW/Sättele 6. 27 RG HRR 1935 Nr. 992; Müller-Metz StV 2003 44 (zum Hang i.S.v. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F.); KMR/ Hiebl 6.

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dem Sachverständigengutachten nicht anschließen will, ist es zwar nicht stets gehalten, einen weiteren Sachverständigen zuzuziehen.28 Es muss allerdings zumindest den Sachverständigen zu seiner abweichenden Auffassung nochmals unter Mitteilung seiner Erwägungen und der sie stützenden Anknüpfungstatsachen hören. Denn Absatz 1 geht davon aus, dass die eigene Sachkunde des Gerichts in der Regel für eine sichere Beurteilung dieser Fragen nicht ausreicht.29 Die zusätzliche Verwendung weiterer geeigneter Beweismittel (Bekundungen von 6 Anstaltsärzten, Gutachten aus anderen Verfahren usw.) – von Amts wegen oder auf Grund eines Beweisantrags – schließt § 246a nicht aus. Unerheblich ist insoweit, dass diese für sich allein den Anforderungen des § 246a nicht genügen würden. Ihre ergänzende Verwertung als Grundlage für das Gutachten und für die Überzeugungsbildung des Gerichts wird oftmals auch die Aufklärungspflicht gebieten.30 IV. Sondervorschriften Im Sicherungsverfahren (§§ 413 ff.) gilt § 415 Abs. 5. Bei Entscheidungen über die im 7 Urteil vorbehaltene Sicherungsverwahrung und über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung ist ergänzend § 275a Abs. 4 anzuwenden;31 insbesondere müssen im Verfahren zur nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 66b StGB; § 106 Abs. 6 und 7 JGG) zwei Sachverständigengutachten eingeholt werden (§ 275a Abs. 4 Satz 2). Das Verbot, einen Sachverständigen zu beauftragen, der im Rahmen des Strafoder Maßregelvollzugs mit der Behandlung des Verurteilten befasst war (§ 275a Abs. 4 Satz 3), gilt bei der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung nur für die Beurteilung des Angeklagten im Nachverfahren, also nicht im Rahmen des dem Vorbehalt vorausgehenden Erkenntnisverfahrens. Der Grundgedanke, einen Sachverständigen auszuschließen, dessen Objektivität durch eine längere Behandlung des Angeklagten unter den besonderen Umständen des Straf- oder Maßregelvollzugs beeinträchtigt sein kann, ist jedoch auch bei einem Angeklagten in Erwägung zu ziehen, der sich schon seit längerer Zeit wegen einer anderweitigen Verurteilung im Vollzug befindet und dort von dem in Betracht gezogenen Gutachter betreut wurde. V. Voraussetzungen der Zuziehung eines Sachverständigen 1. Psychiatrisches Krankenhaus; Sicherungsverwahrung. Absatz 1 Satz 1 gilt für 8 die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie für die Anordnung und den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung. Er setzt voraus, dass diese Maßregeln der Besserung und Sicherung in Betracht kommen. Das entspricht der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.7.2007 (BGBl. I S. 1327; s. Entstehungsgeschichte). Die Wendung „Ist damit zu rechnen“, die sich nach wie vor in der – mit § 246a eng zusammen hängenden – Sollvorschrift des § 80a findet, wurde bereits in dem Sinne ausgelegt, dass schon die Möglichkeit einer Maßregelanordnung oder eines

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28 Vgl. BGH NStZ 2000 437; StraFo 2008 334, 335; SK/Frister 20; MüKo/Trüg/Habetha 28; a.A. Trück NStZ 2007 384; KMR/Hiebl 47; SSW/Sättele 6. Zieht das Gericht die Sachkunde des gehörten Gutachters in Zweifel, gilt dies allerdings nicht: vgl. BGH NStZ 2000 437. 29 BGHSt 27 166, 167 f.; BGH NStZ 2005 159; 2005 628; SK/Frister 1. 30 Vgl. BGHSt 18 374, 375. 31 S. dazu Kinzig NStZ 2004 659.

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-vorbehalts genügt, die Maßregel also in Betracht kommt.32 Der Gesetzestext sollte dieser Auslegung lediglich angepasst werden.33 9

2. Entziehungsanstalt. Absatz 1 Satz 2 enthält für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt eine abweichende Regelung. Die Pflicht zur Sachverständigenanhörung ist hiernach davon abhängig, dass das Gericht – konkret – erwägt, die Maßregel anzuordnen.34 Die Wendung, die § 454 Abs. 2 Satz 1 nachempfunden ist, stellt nach den Vorstellungen des Gesetzgebers35 eine Konsequenz aus der Umgestaltung des § 64 StGB in eine Sollvorschrift dar.36 Beide Normen sind daher miteinander verschränkt. Absatz 1 Satz 2 stellt die Zuziehung eines Sachverständigen somit nicht in das Belieben des Gerichts. Vielmehr entfällt die grundsätzliche Pflicht hierzu nur dann, wenn die Maßregel nach dem dem Gericht nunmehr gemäß § 64 StGB eingeräumten Ermessen offensichtlich nicht angeordnet werden wird.37 Dieser Ermessenspielraum (im Rahmen von § 64 StGB) ist jedoch eng begrenzt und soll „nur in besonderen Ausnahmefällen“ zum Tragen kommen.38 Soweit im Schrifttum demgegenüber teilweise die Auffassung vertreten wird, das Gericht könne von der Zuziehung eines Sachverständigen auch dann absehen, wenn nach seiner – auf eigene Sachkunde gestützter – Auffassung schon die Voraussetzungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt – insbesondere wegen „offensichtlich“ nicht gegebener Erfolgsaussicht im Sinne von § 64 Satz 2 StGB – nicht gegeben seien,39 ist dem nicht zu folgen. Diese Ansicht kann sich zwar auf die Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrats zur Neufassung des § 246a berufen40 und wäre auch vom Wortlaut des Absatzes 1 Satz 2 gedeckt. Jedoch entspricht sie zum einen erkennbar nicht dem Willen des Gesetzgebers; denn der Rechtsausschuss des Bundestags ist der Gesetzesbegründung des Bundesrats ausdrücklich entgegengetreten und hat der Norm das Verständnis beigelegt, das der BGH in seiner Rechtsprechung übernommen hat.41 Zum anderen widerspricht die gegenteilige Auffassung aber vor allem dem Zweck des § 246a Abs. 1, gerade keinen Freiraum für die eigene Sachkunde des Tatrichters bei der Prüfung der Voraussetzungen der dort genannten Maßregeln zu eröffnen.42 Diese Zwecksetzung würde verwässert, wenn für vermeintliche Evidenzfälle (wobei sich die Evidenz je nach Sachkunde des Richters durchaus unterschiedlich darstellen könnte) Ausnahmen zugelassen würden.43 Soweit demgegenüber darauf hingewiesen wird, dass auch für die Aus-

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32 BGHSt 9 1; BGH NStZ 1994 95, 96; bei Kusch NStZ-RR 2000 36; BGH wistra 2010 68; Eisenberg (Beweisrecht) 1827; U. Schneider NStZ 2008 70; KMR/Hiebl 8; SK/Frister 5. 33 BTDrucks. 16 1110 S. 25; 16 1344 S. 17; 16 5137 S. 11; U. Schneider NStZ 2008 70; Spiess StV 2008 164; ablehnend dagegen Eisenberg GA 2007 356 f. (Verstoß gegen Übermaßverbot). 34 BGH NStZ 2012 463, 464. 35 BTDrucks. 16 1110 S. 25; 16 1344 S. 17. 36 Nicht zu Unrecht kritisch zu der Regelung Eisenberg GA 2007 357; MüKo/Trüg/Habetha 8 ff.; SK/Frister 7d (innere Widersprüchlichkeit). 37 BGHSt 59 1, 3; NStZ 2012 463, 464; 2018 334; BGHR StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 4; BTDrucks. 16 5137 S. 11; Spiess StV 2008 164. 38 BTDrucks. 16 5137 S. 1, 10; BGHSt 59 1, 3; NStZ 2009 204, 205; 2018 334; NStZ-RR 2008 73; R&P 2008 55, 56; U. Schneider NStZ 2008 70. 39 KK/Krehl 2; MüKo/Trüg/Habetha 10; wohl auch Meyer-Goßner/Schmitt 3; offen gelassen von BGH NStZ 2012 463, 464. 40 BTDrucks. 15 3652 S. 17 und 16 1110 S. 25. 41 BTDrucks. 16 5137 S. 11; allerdings ist nicht zu verkennen, dass auch dort Beispielsfälle aufgelistet sind, die eine Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen durch den Tatrichter implizieren und nicht lediglich eine Ablehnung der Unterbringung unabhängig vom Vorliegen dieser Voraussetzungen nach Ermessenserwägungen ins Auge fassen. 42 Vgl. KMR/Hiebl 17. 43 SK/Frister 7b; ähnlich MüKo/Trüg/Habetha 9 f.

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übung des tatrichterlichen Ermessens der zu leistende Therapieaufwand und damit die konkrete Erfolgsaussicht der Maßregel Bedeutung erlange, mag das zwar je nach Fallkonstellation zutreffen,44 führt indes argumentativ nicht weiter. Letztlich zeigt dies nur die konzeptionelle Unzulänglichkeit von § 64 StGB i.V.m. § 246a Abs. 1 Satz 2;45 eine Rechtfertigung für das Absehen von der Zuziehung eines Sachverständigen lässt sich daraus indes nicht ableiten. Im Gegenteil ist gerade in den Fällen, in denen insbesondere die Erfolgsaussicht einer Therapie aufgrund spezifischer Besonderheiten in der Person des Angeklagten vertiefter Prüfung bedarf, die Anhörung eines Sachverständigen in erhöhtem Maße geboten. Dass nach alledem nur sehr wenige Ausnahmekonstellationen in Betracht kommen, in denen das Gericht unabhängig von der Frage der Anordnungsvoraussetzungen des § 64 StGB nach seinem Ermessen von der Maßregel absehen und daher auf die Zuziehung eines Sachverständigen verzichten kann, ist den Kritikern der Norm und der Rechtsprechung zu konzedieren. 3. Therapieweisung (Absatz 2) a) Formeller Anwendungsbereich aa) Anlasstaten. Absatz 2 findet nur Anwendung in Verfahren, in denen – zumin- 10 dest auch – wegen einer der in § 181b StGB genannten Straftaten (§§ 174 bis 174c, 176 bis 180, 181a und 182 StGB) zum Nachteil eines Minderjährigen Anklage erhoben worden ist.46 Damit ist zwar der Tatvorwurf der Zuhälterei (§ 181a StGB) erfasst, nicht hingegen derjenige der Ausbeutung von Prostituierten (§ 180a StGB). Dies ist insbesondere im Hinblick auf § 180a Abs. 2 Nr. 1 StGB unverständlich, da diese Vorschrift gerade den Schutz Minderjähriger bezweckt. Nicht nachvollziehbar ist auch, warum § 246a Abs. 2 etwa in Verfahren wegen exhibitionistischer Handlungen (§ 183 StGB; s. insb. dessen Absatz 3) keine Anwendung findet, obwohl es sich nach dem Gesetzeszweck geradezu aufgedrängt hätte, dieses Sexualdelikt des „niedrigschwelligen Bereichs“ mit zu erfassen. Unabhängig hiervon ist die Begrenzung auf Straftaten zum Nachteil Minderjähriger verfehlt.47 § 246a Abs. 2 ist keine Bestimmung, die ihren Sinn aus der Stellung des Tatopfers als Minderjährigem ableitet. Sie hat vielmehr die Klärung der Therapiebedürftigkeit des Angeklagten im Blick, um einer möglichen Rückfallgefahr vorzubeugen oder sie zumindest zu verringern. Dies dient gleichermaßen dem Schutz potentieller zukünftiger minderjähriger wie erwachsener Opfer von Sexualstraftaten. Letztere sind im Grundsatz nicht weniger schutzwürdig als Kinder und Jugendliche, auch wenn diese durch besondere Strafvorschriften in weitergehendem Umfang vor sexuellen Übergriffen bewahrt werden sollen. Indes wirkt sich der gesetzgeberische Fehlgriff im Ergebnis nicht aus. Denn auch wenn dem Angeklagten eine Sexualstraftat gegen einen Erwachsenen (oder auch jedes sonstige Delikt) zur Last liegt, das eine der in § 246a Abs. 2 genannten strafrechtlichen Reaktionen nebst Therapieweisung in Betracht kommen lässt, ist das in dieser Vorschrift normierte Aufklärungsprogramm dem Gericht ohnehin schon durch § 244 Abs. 2 aufgegeben (s. Rn. 3).

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44 S. die Beispiele in BTDrucks. 16 1344 S. 12 f. (Bundesrat), aber auch in 16 5137 S. 10 (Bundestagsrechtsausschuss). 45 S. dazu auch Schalast NStZ 2017 433 ff. 46 Erfasst sind die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, bei denen nach § 181b StGB gemäß § 68 Abs. 1 StGB die gerichtliche Anordnung der Führungsaufsicht in Betracht kommt, wenn der Angeklagte Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verwirkt hat. 47 So auch MüKo/Trüg/Habetha 12.

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bb) Potentielle Rechtsfolgen. Die Zuziehung eines Sachverständigen nach § 246a Abs. 2 setzt weiterhin voraus, dass die Erteilung einer Therapieweisung im Zusammenhang mit der Einstellung des Verfahrens nach § 153a Abs. 2, der Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung (§§ 56, 56c StGB), der Verwarnung mit Strafvorbehalt (§§ 59, 59a Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 StGB) oder der Anordnung von Führungsaufsicht (§§ 68, 68b Abs. 2 Satz 2 StGB) in Betracht kommt. Damit sind teilweise nicht unerhebliche Einschränkungen der Anwendbarkeit der Norm verbunden: Die Einstellung des Verfahrens nach § 153a Abs. 2 kommt von vornherein nicht für solche Taten aus dem Deliktskatalog des § 181b StGB in Betracht, bei denen es sich um Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB) handelt (s. § 153a Abs. 1 Satz 1). Damit fallen insoweit aus dem Katalog des § 181b StGB die §§ 176a, 177 Abs. 4, 5, 7 und 8 sowie § 178 StGB heraus. § 153a Abs. 2 Satz 1 macht die (vorläufige) Verfahrenseinstellung außerdem von der Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten abhängig. Es ist daher geboten, schon vor der Zuziehung eines Sachverständigen diese Zustimmungen einzuholen und bei der entsprechenden Anfrage darauf hinzuweisen, dass unter Beteiligung eines Sachverständigen die Voraussetzungen einer Therapieweisung geprüft werden sollen. Lehnt die Staatsanwaltschaft oder der Angeklagte die Verfahrenseinstellung von vornherein ab, scheidet die Beauftragung des Sachverständigen aus, so nicht die Tat mit einer der in § 246a Abs. 2 genannten anderen Rechtsfolgen geahndet und die Therapieweisung an diese angeknüpft werden kann. Da die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung nur bei Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren in Betracht kommt (§ 56 Abs. 2 StGB), scheiden insoweit alle Verbrechen nach § 176a Abs. 5, §§ 176b, 177 Abs. 7 und 8 (vorbehaltlich der Anwendung des Absatzes 9), sowie § 178 StGB von vornherein als Anlasstaten aus. Verbrechen nach § 176a Abs. 2 (vorbehaltlich Absatz 4) und 3 StGB sind nur einbezogen, wenn auf die Mindeststrafe erkannt wird. Gleiches gilt bei Anwendung des Regelstrafrahmens des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB bei sexueller Nötigung im besonders schweren Fall oder Vergewaltigung. Die Verwarnung mit Strafvorbehalt ist nur möglich, wenn der Angeklagte Geldstrafe von nicht mehr als 180 Tagessätzen verwirkt hat (§ 59 Abs. 1 Satz 1 StGB). Damit kommen unter Beachtung des § 47 Abs. 2 StGB aus dem Katalog des § 181b StGB insoweit als Anlasstaten nur Delikte nach §§ 174 bis 174c, 176 Abs. 4 und 5, § 176a Abs. 1 i.V.m. Abs. 4, § 177 Abs. 1 und 2 (i.V.m. § 47 Abs. 2 StGB bei Verhängung der Mindeststrafe oder Annahme eines minder schweren Falles im Sinne von § 177 Abs. 9 StGB), § 177 Abs. 4 und 5 (bei Annahme eines minder schweren Falles nach § 177 Abs. 9, Verhängung der Mindeststrafe und zusätzlicher Anwendung des § 47 Abs. 2 StGB), §§ 180, 181a Abs. 1 (bei Verhängung der Mindeststrafe und Anwendung von § 47 Abs. 2 StGB) und Abs. 2 (auch i.V.m. Abs. 3) und § 182 StGB in Frage. Unabhängig hiervon können sonstige Strafrahmenverschiebungen wegen vertypter Milderungsgründe (etwa §§ 21, 27 Abs. 2, § 23 Abs. 2 StGB) dazu führen, dass im Einzelfall die Verhängung von Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen in Betracht kommt, obwohl der Regelstrafrahmen der anzuwendenden Strafnorm Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten vorsieht. Da § 181b StGB bei Verurteilungen wegen aller in ihm genannten Straftaten die fakultative Anordnung der Führungsaufsicht (§ 68 Abs. 1 StGB) vorsieht, ergibt sich insoweit an sich keine Einschränkung des Katalogs möglicher Anlasstaten nach § 246a Abs. 2. Hier stellt sich indessen ein anderes Problem. § 68 Abs. 1 StGB sieht Führungsaufsicht nur vor, wenn der Angeklagte zeitige Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verwirkt hat und die Gefahr besteht, dass er weitere Straftaten begehen wird. In diesem Fall ist die Strafe aber eigentlich zu vollstrecken (§ 56 Abs. 1 StGB). § 246a Abs. 2 StGB soll aber gerade den Bereich nicht zu vollstreckender Freiheitsstrafen abdecken Becker

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(s. Rn. 3).48 Zwar ergibt sich aus § 68g StGB,49 dass Führungsaufsicht trotz des Wortlauts des § 68 Abs. 1 StGB auch neben einer Bewährungsstrafe in Betracht kommen kann.50 Dann ist § 246a Abs. 2 aber bereits wegen seines Verweises auf § 56c StGB anwendbar. Soweit er darüber hinaus auch die Fälle des § 68b StGB erfassen soll, handelt es sich daher um einen gesetzgeberischen Missgriff. cc) Entsprechende Anwendung. Gemäß § 153a Abs. 1 Satz 8 und § 153a Abs. 2 16 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 8 gilt § 246a Abs. 2 entsprechend, wenn im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren oder nach Anklageerhebung im gerichtlichen Zwischenverfahren bzw. nach Zulassung der Anklage außerhalb der Hauptverhandlung eine Verfahrenseinstellung nach § 153a Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 1 in Betracht kommt.51 Die Vorschrift ist gemäß § 453 Abs. 1 Satz 3 weiterhin entsprechend anzuwenden, wenn eine Therapieweisung im Zusammenhang mit der Nachtragsentscheidung zu einem Bewährungsbeschlusses bei Aussetzung der Strafvollstreckung (§§ 56e, 56c StGB) oder bei Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59a Abs. 2 Satz 3, §§ 56e, 56c StGB) in Rede steht. Gleiches gilt bei der Entscheidung über die Aussetzung eines Strafrests zur Bewährung (§ 454 Abs. 4 Satz 1) und über die Verweisung in § 463 Abs. 2 auch bei Nachtragsentscheidungen im Rahmen der Führungsaufsicht (§ 68d Abs. 1, § 68b Abs. 2 StGB). Wegen der Einzelheiten wird auf die Kommentierung der genannten strafprozessualen Bestimmungen verwiesen. b) Materielle Anwendungsvoraussetzungen aa) Schuldspruchprognose. Anders als es sein Wortlaut vermuten lassen könnte, 17 ist die Anwendbarkeit des § 246a Abs. 2 im Ausgangspunkt nicht allein schon dadurch eröffnet, dass die Staatsanwaltschaft wegen einer der in § 181b StGB genannten Straftaten zum Nachteil eines Minderjährigen Anklage erhoben hat. Vielmehr ist es darüber hinaus erforderlich, dass das Gericht den Angeklagten für hinreichend verdächtig hält, diese Straftat begangen zu haben (§ 203). Eröffnet es das Hauptverfahren nur wegen anderer Tatvorwürfe (§ 207 Abs. 2 Nr. 1) oder würdigt es die Tat abweichend von der Anklageschrift dahin, dass sie nicht dem Deliktskatalog des § 181b StGB unterfällt (§ 207 Abs. 2 Nr. 3), so scheidet die Zuziehung eines Sachverständigen nach § 246a Abs. 2 von vornherein aus. Denn nach der Konzeption dieser Vorschrift soll sich ihr Anwendungsbereich ersichtlich allein auf die Fälle beschränken, in denen zu prüfen ist, ob anknüpfend an die mögliche Verurteilung (oder gegebenenfalls Verfahrenseinstellung nach § 153a Abs. 2) wegen einer in § 181b StGB genannten Straftat eine Therapieweisung erforderlich ist, um einer einschlägigen Rückfälligkeit des Angeklagten vorzubeugen. Dass sich bei hinreichendem Verdacht einer anderen Straftat unter den gleichen Voraussetzungen das Erfordernis, einen Sachverständigen anzuhören, aus § 244 Abs. 2 ergeben kann (Rn. 3), steht auf einem anderen Blatt und belegt nur die strukturelle Brüchigkeit der gesetzlichen Neuregelung. Diese zeigt sich gleichermaßen darin, dass sich eigentümlicherweise die Notwendigkeit der Anhörung eines Sachverständigen ebenfalls allein nach der allgemeinen Aufklärungspflicht selbst dann richtet, wenn die Staatsanwaltschaft nicht wegen einer Straftat aus dem Katalog des § 181b StGB Anklage erhoben hat, jedoch das

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48 Für zu vollziehende Strafen gelten die §§ 6 und 9 StVollzG bzw. die entsprechenden Vorschriften der Landesstrafvollzugsgesetze, vgl. BTDrucks. 17 12735 S. 21. 49 S. auch die Führungsaufsicht kraft Gesetzes nach § 67b Abs. 2 StGB. 50 Vgl. etwa Fischer § 68, 5 StGB m.w.N. 51 BTDrucks. 17 12735 S. 21.

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Gericht die Tat im Eröffnungsbeschluss (§ 207 Abs. 2 Nr. 3) oder später in der Hauptverhandlung abweichend als derartiges Delikt rechtlich würdigt. Dieser Konzeptionslosigkeit des § 246a Abs. 2 könnte allenfalls dadurch abgeholfen werden, dass man entgegen seinem Wortlaut unter „einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat“ nicht das materiell-rechtliche Delikt, sondern die prozessuale Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 versteht. Aber derartige Auslegungsakrobatik ist im Hinblick auf die umfassende Geltung des § 244 Abs. 2 entbehrlich. bb) Rechtsfolgenprognose. § 246a Abs. 2 greift nur ein, wenn als strafrechtliche Reaktion auf die Tat eine Rechtsfolge möglich erscheint, die mit einer Therapieweisung nach einer der in der Vorschrift zitierten Bestimmungen des Straf- oder Strafprozessrechts verknüpft werden kann. Es muss demgemäß nach der Vorabwürdigung des Gerichts eine Verfahrenseinstellung nach § 153a Abs. 2 Satz 1 denkbar sein, auf Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB) oder eine Bewährungsstrafe (§ 56 StGB) erkannt werden können bzw. die Anordnung von Führungsaufsicht (§ 68 Abs. 1 StGB) im Raum stehen. 19 Darüber hinaus ist erforderlich, dass in Verbindung mit dieser strafrechtlichen Reaktion die Therapieweisung in Betracht kommt, also die Weisung möglich erscheint (s. Rn. 8 m.w.N.), dass sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln lässt.52 Dies ist der Fall, wenn in der Tat Anhaltspunkte dafür zu Tage treten, dass ihr möglicherweise behandlungsbedürftige (krankheitsbedingte oder andere) Persönlichkeitsdefizite des Angeklagten zugrunde liegen, die die Gefahr begründen können, er werde trotz der Warnwirkung des vorliegenden Verfahrens ohne entsprechende Betreuung und Behandlung in vergleichbarer Weise rückfällig werden. Die Voraussetzungen für die Vernehmung eines Sachverständigen sind nach Gesetzeswortlaut und -zweck53 zwar vergleichsweise gering. Andererseits können entsprechende Anhaltspunkte gerade bei Ersttätern, die Absatz 2 vornehmlich im Blick hat, nicht allein schon daraus abgeleitet werden, dass ihnen eine gegen einen Minderjährigen begangene Straftat aus dem Katalog des § 181b StGB zur Last liegt; denn ein Erfahrungssatz, dass derartige Taten im Allgemeinen auf behandlungsbedürftige Persönlichkeitsdefizite zurückzuführen sind, wird sich kaum belegen lassen. Die Beurteilung, ob eine Therapieweisung in Betracht kommt und nach pflichtgemäßem Ermessen ein Sachverständiger zuzuziehen ist, wird sich daher in vielen Fällen vor dem Hintergrund nicht vorhandener ausreichender Vorinformationen zur Persönlichkeit des Angeklagten durchaus nicht einfach gestalten. Soweit allerdings absehbar ist, dass allein eine Weisung in Erwägung zu ziehen ist, 20 die nur mit Einwilligung des Angeklagten erteilt werden kann (§ 56c Abs. 3, § 59a Abs. 2 Satz 3, § 68b Abs. 2 Satz 4 StGB; zu § 153a Abs. 2 s. Rn. 12), wird es zunächst nahe liegen, dass sich das Gericht vor Zuziehung des Sachverständigen des Einverständnisses des Angeklagten mit der potentiellen Weisung versichert; denn fehlt es hieran und scheidet die Weisung daher aus, so ist die Anhörung eines Sachverständigen – jedenfalls auf der Grundlage des § 246a Abs. 2 – von vornherein entbehrlich. Weiterhin ist vorab der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Betracht zu ziehen. Die etwaige Therapieweisung darf nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der vom Angeklagten begangenen Tat stehen und auch keine unzumutbaren Anforderungen an dessen Lebensführung stellen. Dies ist in § 59a Abs. 2 Satz 2 StGB für die Weisungen nach Verwarnung mit Strafvorbe18

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52 Zu den Einzelheiten der Therapieweisung, insbesondere ihre möglichen Inhalte, wird auf die Kommentierungen zu § 68b Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB verwiesen. 53 Vgl. BTDrucks. 17 12735 S. 21.

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halt ausdrücklich geregelt und in § 56c Abs. 1 Satz 2 sowie § 68b Abs. 3 StGB zumindest im Hinblick auf die Anforderungen an die Lebensführung des Angeklagten einfachgesetzlich in den Blick genommen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist notwendigerweise in verstärktem Umfang zu beachten, wenn der Angeklagte durch die Anlasstat nur derart geringe Schuld auf sich geladen hat, dass die Verfahrenseinstellung nach § 153a Abs. 2 Satz 1 in Betracht kommt. Auch ist in den Blick zu nehmen, dass das Gesetz neben der gegenüber der Verfahrenseinstellung nach § 153a Abs. 2 und der Verwarnung mit Strafvorbehalt schärferen strafrechtliche Reaktion der Geldstrafe gerade nicht die Möglichkeit eröffnet, eine Therapieweisung zu erteilen. Eine solche Weisung wird daher neben der Verfahrenseinstellung nach § 153a Abs. 2 Satz 1 oder der Verwarnung mit Strafvorbehalt nur in Betracht zu ziehen sein, wenn gerade nur ihre Erteilung die Voraussetzung dafür schaffen kann, dass die Tat lediglich diese relativ milden strafrechtlichen Reaktionen nach sich zieht. VI. Vernehmung des Sachständigen 1. Vernehmung zu möglicher Unterbringung des Angeklagten (Absatz 1). Liegen 21 die Voraussetzungen von Absatz 1 Satz 1 oder 2 vor, so ist die Vernehmung in der Hauptverhandlung zwingend geboten. Verweigert der Angeklagte eine psychiatrische oder psychologische Exploration, so gestattet dies nicht den Verzicht auf eine gutachterliche Stellungnahme in der Hauptverhandlung. Auch die Erklärung des beauftragten Sachverständigen, er sehe sich zur Gutachtenerstattung nicht in der Lage, genügt nicht als Nachweis für deren Unmöglichkeit; vielmehr ist das Gericht gehalten, dem Sachverständigen zureichende Anknüpfungstatsachen zu vermitteln.54 Die Vernehmung darf ebenso wenig unterlassen werden, wenn ein Sachverständiger den Angeklagten im Vorverfahren gemäß § 80a untersucht, ein erschöpfendes schriftliches Gutachten über das Ergebnis der Untersuchung erstattet hat und es zulässig wäre, das schriftliche Gutachten in der Hauptverhandlung zu verlesen.55 Andererseits ist es zwar sachgerecht und gegebenenfalls durch die Aufklärungspflicht geboten, aber – auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten – nicht stets unerlässlich, dass der zu hörende Sachverständige vor der Hauptverhandlung ein vorbereitendes schriftliches Gutachten fertigt.56 Auch die Vernehmung des Sachverständigen durch den beauftragten oder ersuchten Richter außerhalb der Hauptverhandlung und die Verlesung des Vernehmungsprotokolls in der Hauptverhandlung genügt nicht der Vorschrift des § 246a.57 Ebenso ist die audiovisuelle Vernehmung des Sachverständigen nicht zulässig (§ 247a Abs. 2 Satz 2). Die Vernehmung des Sachverständigen ist auf den Zustand des Angeklagten und 22 die Behandlungsaussichten zu erstrecken (Absatz 1 Satz 1). Diese Formulierung ist zu eng gewählt. Zum Gegenstand der Vernehmung zählen neben dem gegenwärtigen Zustand, namentlich den – gegebenenfalls krankheitsbedingten – Ursachen des Fehlverhaltens, sowie den Behandlungsaussichten58 auch sonstige prognoserelevante Umstän-

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54 BGHSt 27 166, 167; 59 1, 3 f.; BGH NStZ 1994 95; 2004 263, 264; StraFo 2009 208, 209. 55 RG HRR 1935 Nr. 993; BGH bei Dallinger MDR 1953 723; KK/Krehl 4; KMR/Hiebl 20; Meyer-Goßner/ Schmitt 4. 56 BGHSt 54 177 = JR 2010 302 m. Anm. Peglau = StV 2011 197 m. abl. Anm. Ziegert; KK/Senge § 82, 3; SSW/Sättele 7; a.A. Deckers u.a. NStZ 2011 69 ff.; Eisenberg (Beweisrecht) 1827a („grundsätzlich“); Schäfer 1041; HK/Julius 3; KMR/Hiebl 40 f.; MüKo/Trüg/Habetha 24 (durch Aufklärungspflicht geboten); kritisch auch SK/Frister 10 sowie § 244, 33a; offen gelassen von BGH StV 2009 5 m. Anm. Deckers/Heusel; s. auch LR/Krause § 82, 5. 57 KMR/Hiebl 20; SSW/Sättele 7. 58 Vgl. BGH bei Kusch NStZ 1995 219.

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de.59 Die vom Angeklagten zu erwartende Delinquenz ist eine wesentliche Voraussetzung der Maßregeln. Der Sachverständige hat das Gericht auch bei der Rechtsfolgenbestimmung zu unterstützen, insbesondere in den Fällen gesetzlich eröffneten Ermessens im Hinblick auf die für die Verhältnismäßigkeit der Anordnung maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse, daneben auch bei der Vollstreckungsreihenfolge (vgl. § 67 StGB) oder einer etwaigen Bewährungsaussetzung (vgl. § 67b Abs. 1 StGB). 23 Der Sachverständige braucht nicht während der ganzen Hauptverhandlung anwesend zu sein.60 Er muss sein mündlich zu erstattendes Gutachten jedoch auf den gesamten dafür relevanten Prozessstoff stützen können.61 Werden nachträglich neue Anknüpfungstatsachen bekannt, ist dem Sachverständigen Gelegenheit zu geben, sein Gutachten zu ergänzen.62 Im Übrigen richtet es sich nach dem Maßstab der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2), welchen Teilen der Hauptverhandlung der Sachverständige beiwohnen muss.63 Ergibt sich erst während der Hauptverhandlung, dass eine der genannten Maßregeln in Betracht kommt bzw. erwogen wird, dann kann es ausreichen, wenn das Gericht einem Sachverständigen Gelegenheit gibt, den Angeklagten zu untersuchen, und ihn dann vernimmt; nicht notwendig ist, dass der bereits durchgeführte Teil der Hauptverhandlung in Anwesenheit des Sachverständigen wiederholt wird. Es genügt vielfach, wenn er vom Vorsitzenden über alle gutachtenrelevanten Verhandlungsergebnisse unterrichtet und ihm ermöglicht wird, durch eigene Fragen Unklarheiten zu beheben und die Grundlagen für sein Gutachten zu verbreitern. Daraus kann sich in besonders gelagerten Fällen, insbesondere wenn der Angeklagte eine Exploration verweigert,64 die Notwendigkeit zur Wiederholung eines früheren Verfahrensteils ergeben. Das Gericht muss auch von sich aus mit besonderer Sorgfalt prüfen, ob der Gutachter eine ausreichend tragfähige Grundlage für sein Gutachten hat.65 24

2. Vernehmung zu möglicher Therapieweisung (Absatz 2). Gemäß seiner systematischen Stellung im Gesetz betrifft auch § 246a Abs. 2 nur die Anhörung eines Sachverständigen in der Hauptverhandlung,66 die auch nicht im Wege einer audiovisuelle Vernehmung durchgeführt werden darf (s. § 247a, 15). Die Anklage muss also (jedenfalls auch wegen einer der in § 181b StGB genannten Katalogtaten; vgl. Rn. 10) zugelassen worden sein (§ 207 Abs. 1) und das Hauptverfahren bis zur Hauptverhandlung betrieben werden. Vor dem Eröffnungsbeschluss und im Hauptverfahren außerhalb der Hauptverhandlung hat der Gesetzgeber die Zuziehung eines Sachverständigen in entsprechender Anwendung des Absatzes 2 nur zur Vorbereitung einer Verfahrenseinstellung gemäß § 153a Abs. 2 vorgesehen (§ 153a Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 8; s. Rn. 16). Damit hat er das Strafbefehlsverfahren völlig aus dem Auge verloren. Das ist zwar für die Fälle ohne Belang, in denen es nach Erlass eines Strafbefehls und Einspruch hiergegen zur Hauptverhandlung kommt, da insoweit keine Besonderheiten gegenüber dem Anklageverfah-

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59 Vgl. Boetticher u.a. NStZ 2006 537; Müller-Metz StV 2003 46. 60 BGHSt 27 166, 167; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1987 219; BGH StV 1999 470; Eisenberg (Beweisrecht) 1828; Eb. Schmidt Nachtr. I 3; einschränkend MüKo/Trüg/Habetha 21(regelmäßig Anwesenheit des Sachverständigen während der gesamten Hauptverhandlung veranlasst); a.A. HK/Julius 1, 3. 61 BGHSt 27 166, 167; 59 1,3. 62 BGHSt 27 166, 167; KK/Krehl 4. 63 BGH StV 1999 470; s. § 226, 20 f. 64 MüKo/Trüg/Habetha 22; SSW/Sättele 11. 65 BGH NJW 1968 2298; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1987 219; zweifelnd, ob ein bereits durchgeführter Verfahrensteil wiederholt werden muss, Eisenberg (Beweisrecht) 1828. 66 A.A. MüKo/Trüg/Habetha 17; SSW/Sättele 8.

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ren bestehen (vgl. § 407 Abs. 1 Satz 4). Durch Strafbefehl kann aber auch ohne eine Hauptverhandlung auf Verwarnung mit Strafvorbehalt oder Bewährungsstrafe erkannt werden (§ 407 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2), mithin auf Rechtsfolgen, die im damit verbundenen Bewährungsbeschluss eine Therapieweisung nach sich ziehen können (§§ 56c, 59a Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 StGB), deren Notwendigkeit gemäß § 246a Abs. 2 in der Hauptverhandlung grundsätzlich unter Zuziehung eines Sachverständigen geklärt werden soll; eine Bestimmung über dessen Anhörung durch das Gericht vor Erlass eines derartigen Strafbefehls mit entsprechendem Bewährungsbeschluss fehlt indes. Diese Gesetzeslücke ist jedoch nicht notwendig dadurch zu schließen, dass das Gericht in entsprechenden Fällen gemäß § 408 Abs. 3 Satz 2 vom Erlass des Strafbefehls absieht und Hauptverhandlung anberaumt, um § 246a Abs. 2 unmittelbar zur Anwendung bringen zu können. Vielmehr greift hier wiederum die unabhängig von dieser Vorschrift bestehende allgemeine Aufklärungspflicht des Gerichts ein, die es ihm nicht nur ermöglicht, sondern sogar aufgibt, im Freibeweisverfahren außerhalb der Hauptverhandlung (vgl. § 244, 30 und 37) die erforderliche Anhörung eines Sachverständigen vorzunehmen. Das Beweisprogramm für die Vernehmung des Sachverständigen ist gesetzlich 25 vorgegeben; er hat dem Gericht die erforderliche Sachkunde zur Beurteilung der Frage zu vermitteln, ob der Angeklagte der psychiatrischen, psycho- oder sozialtherapeutischen Betreuung und Behandlung bedarf, um ihn von der Begehung eventueller weiterer (einschlägiger) Straftaten abzuhalten. Zur Anwesenheit des Sachverständigen in der Hauptverhandlung gelten die Ausführungen unter Rn. 23 entsprechend. VII. Untersuchung des Angeklagten durch einen Sachverständigen vor der Hauptverhandlung (Absatz 3) Die Untersuchung durch den Sachverständigen und seine Vernehmung gehören un- 26 trennbar zusammen.67 Da die Untersuchung eine zuverlässige Grundlage für das Gutachten bietet, steht es nicht im Ermessen des Gerichts oder des Sachverständigen, auf diese Erkenntnisquelle zu verzichten.68 Obwohl Absatz 3 eine Sollvorschrift ist, ist sie dahin zu verstehen, dass dem Sachverständigen Gelegenheit zur Untersuchung gegeben werden muss. Während diese also geboten ist, bezieht sich der Soll-Charakter allein auf den Zeitpunkt der – regelmäßig vor, ausnahmsweise erst nach Beginn der Hauptverhandlung durchzuführenden – Untersuchung.69 Von der Untersuchung darf namentlich nicht deshalb abgesehen werden, weil der Angeklagte erklärt, er sei gesund,70 weil die psychische Erkrankung offensichtlich ist71 oder weil der Angeklagte sich weigert, sich untersuchen zu lassen.72 Im letztgenannten Fall ist die Untersuchung grundsätzlich zwangsweise nach §§ 81, 81a durchzuführen;73 eine Ausnahme von der Pflicht zur Untersuchung, nicht aber von der Gutachtenerstattung in der Hauptverhandlung,74 kann allenfalls dann Platz greifen, wenn die Untersuchung gegen den Widerstand des Angeklagten und ohne seine Mitwirkung kein verwertbares Ergebnis erwarten lässt, etwa bei einer psychiatrischen

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67 RGSt 68 198, 199; KK/Krehl 5. 68 RGSt 68 198, 199; BGHSt 9 1, 3; BGH NJW 1968 2298, 2299; bei Miebach NStZ 1990 27. 69 BGH NStZ 1984 134, 135; 2002 384; vgl. auch BVerfG NJW 1995 3047; BGH NStZ 2000 215; MeyerGoßner/Schmitt 5; SK/Frister 13. 70 RGSt 68 198, 200; Meyer-Goßner/Schmitt 5. 71 BGHSt 9 1, 3; KMR/Hiebl 26; Eb. Schmidt Nachtr. I 5; SK/Frister 13; a.A. RG DJ 1939 481 (kein Beruhen). 72 BGH NJW 1972 348; StraFo 2009 208, 209. 73 BGH NJW 1972 348; NStZ-RR 1997 166, 167; zur Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in diesen Fällen s. OLG Nürnberg StV 2010 510. 74 S. Rn. 21.

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oder psychologischen Exploration.75 Denn Zwangsmaßnahmen sind hier enge – insbesondere verfassungsrechtliche – Grenzen gesetzt.76 Ist die Untersuchung nicht vor der Hauptverhandlung geschehen, so muss sie während einer ausreichenden Verhandlungspause nachgeholt werden.77 Es stellt jedoch keine Untersuchung i.S.v. Absatz 3 dar, wenn der Sachverständige den Angeklagten lediglich in laufender Hauptverhandlung beobachtet und befragt.78 27 Erforderlich ist, dass gerade der in der Hauptverhandlung gehörte Sachverständige den Angeklagten mit Bezug auf das konkrete Strafverfahren untersucht hat. Die Untersuchung kann daher weder dadurch ersetzt werden, dass sich der beauftragte Sachverständige Kenntnis von einem in den Akten befindlichen Gutachten eines anderen Sachverständigen verschafft79 noch dass er ein mehrere Jahre zurückliegendes Gutachten heranzieht.80 Indes kann es geboten sein, auch solche Gutachten und sonstiges Aktenmaterial aus früheren Verfahren bei der aktuellen Bewertung zu berücksichtigen und sie daher beizuziehen und dem Sachverständigen zur Verfügung zu stellen.81 Nicht irgendeine Untersuchung genügt; diese muss vielmehr maßnahmespezifisch durchgeführt werden.82 § 246a setzt voraus, dass die Untersuchung unter dem Gesichtspunkt der fraglichen Maßregel ausgeführt wird und sich auf den geistigen und körperlichen Zustand des Untersuchten gerade in den Beziehungen erstreckt, die für die hierbei zu beurteilenden Fragen ausschlaggebend sind.83 Eine allgemeine psychiatrische Untersuchung genügt nicht.84 Unerheblich ist dagegen, ob das Gericht oder die Staatsanwaltschaft die Untersuchung herbeigeführt hat.85 Kommen mehrere Maßregeln in Betracht, so ist eine Untersuchung grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt jeder in Betracht kommenden Maßregel erforderlich.86 Die Untersuchung zu möglicher Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus deckt allerdings regelmäßig die entsprechende Fragestellung zur Sicherungsverwahrung mit ab.87 Absatz 3 gilt im Grundsatz auch für die Zuziehung eines Sachverständigen nach Ab28 satz 2 (Therapieweisung). Dies wurde im Gesetzgebungsverfahren zwar nicht ausdrücklich erörtert, folgt aber schon aus der Gesetzessystematik. Soweit dem Sachverständigen Gelegenheit zur Untersuchung des Angeklagten noch vor der Hauptverhandlung gegeben werden soll, hat dies naturgemäß in den Fällen des Absatzes 2 keine Bedeutung, in denen es nicht zu einer Hauptverhandlung kommt. Zu denken ist insoweit zunächst an die Einstellung des Verfahrens nach § 153a Abs. 2 Satz 1 im Zwischenverfahren oder im

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75 BGH NJW 1972 348; NStZ 1994 95; 2004 263, 264; NStZ-RR 1997 166; StV 2003 537 m. Anm. Barton; Eisenberg (Beweisrecht) 1829; Meyer-Goßner/Schmitt 5. 76 BVerfG (Kammer) NJW 2002 283; BGHSt 48 4, 11 ff.; Schumacher/Arndt StV 2003 96. 77 Eisenberg (Beweisrecht) 1829. 78 BGH NStZ 2000 215; bei Kusch NStZ 1995 219; Meyer-Goßner/Schmitt 5. 79 RG HRR 1935 Nr. 405; BGHSt 9 1 = LM Nr. 2 mit Anm. Jagusch. 80 Vgl. BGH NJW 1972 348; Eb. Schmidt Nachtr. I 5. Die Untersuchung muss allerdings nicht unmittelbar vor der Hauptverhandlung stattgefunden haben (vgl. BGHSt 18 374, 375: ein Jahr unschädlich; BGH NStZ 1994 592; s. auch BVerfG NJW 1995 3047: drei Jahre zu lang), solange keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich bezüglich der zu beurteilenden Anknüpfungstatsachen Änderungen ergeben haben (KMR/Hiebl 28; MüKo/Trüg/Habetha 27; SK/Frister 18). 81 BGHSt 59 1, 3 f.; BGH NStZ 2012 463, 464. 82 BGH bei Kusch NStZ-RR 2000 36; Schreiber/Rosenau 154; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SSW/Sättele 13; vgl. auch BGH NStZ 2004 263, 264. 83 RGSt 68 327; BVerfG NJW 1995 3047; KK/Krehl 5. 84 BVerfG NJW 1995 3047 gegen BGH NStZ 1994 592; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt 5. 85 BGHSt 18 374. 86 RGSt 69 129, 133; Eisenberg (Beweisrecht) 1827. 87 BGH bei Becker NStZ-RR 2003 98; Meyer-Goßner/Schmitt 5.

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Hauptverfahren vor Beginn der Hauptverhandlung. Dementsprechend ordnet § 153a Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 8 auch nur die entsprechende Geltung des § 246a Abs. 2, nicht aber auch des § 246a Abs. 3 an, was aber nicht bedeutet, dass auch auf die Untersuchung durch den Sachverständigen verzichtet werden könnte. Im Übrigen kommt das vom Gesetzgeber nicht bedachte Strafbefehlsverfahren ohne Hauptverhandlung in Betracht (s. dazu Rn. 24). VIII. Rechtsmittel 1. Beschwerde. Der Beschluss über die Verfahrenseinstellung nach § 153a Abs. 2 29 Satz 1 ist gemäß Satz 4 der Vorschrift nicht anfechtbar. Weder Staatsanwaltschaft noch Angeklagter, die der Verfahrenseinstellung und damit der mit dieser verbundenen Therapieweisung ohnehin zustimmen müssen, können daher gegen den Beschluss Beschwerde mit der Begründung erheben, die gemäß § 153a Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 8, § 246a Abs. 2 gebotene Vernehmung eines Sachverständigen sei unterblieben. Ist die Therapieweisung indes zusammen mit einem Urteil oder Strafbefehl in einem Bewährungsbeschluss oder Beschluss zur Führungsaufsicht angeordnet (§ 268a Abs. 1 oder 2), so ist gegen die Entscheidung gemäß § 305a Abs. 1 Satz 1 die Beschwerde zulässig. Sie kann indes nur darauf gestützt werden, dass die getroffene Anordnung gesetzwidrig ist (§ 305a Abs. 1 Satz 2). Dies wird auch anzunehmen sein, wenn die Weisung unter Verstoß gegen § 246a Abs. 2 und damit verfahrenswidrig ergangen ist.88 Zur Revision s. Rn. 31. 2. Revision. Dass die in Absatz 1 Satz 1 oder 2 vorgeschriebene Vernehmung eines 30 Sachverständigen in der Hauptverhandlung unterblieben ist, stellt einen relativen Revisionsgrund nach § 337 dar. Das Urteil beruht aber stets auf dem Verfahrensmangel, da sich das Tatgericht für die Anordnung oder Ablehnung der Unterbringung gerade nicht auf eigene Sachkunde stützen darf. Dies muss dann auch für das Revisionsgericht gelten.89 Eine entsprechende Rüge des Angeklagten ist nicht rechtsmissbräuchlich und daher unzulässig, weil er selbst oder seine Verteidigung in der Hauptverhandlung auf die Unterbringungsanordnung angetragen hat.90 Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 ist hingegen nicht gegeben;91 denn die Bestimmungen verlangen nicht die ununterbrochene Anwesenheit des Sachverständigen (s. Rn. 23). Dass dieser unter Verletzung von Absatz 3 die Untersuchung des Angeklagten unterlassen hat, kann ebenfalls mit der Revision nach § 337 gerügt werden. Sie kann aber nicht darauf gestützt werden, dass die Staatsanwaltschaft im Vorverfahren oder das Gericht im Zwischenverfahren verpflichtet gewesen sei, eine solche Untersuchung in die Wege zu leiten.92 Dagegen begründet das Unterlassen der Anhörung eines Sachverständigen nach Absatz 2 grundsätzlich keinen eigenständigen Revisionsgrund,93 da die Erteilung oder das Unterlassen einer Thera-

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88 Vgl. SK/Frisch § 305a, 13. 89 KK/Krehl 6; MüKo/Trüg/Habetha 29; SK/Frister 22; SSW/Sättele 16; vgl. BGH NStZ 2012 463; bei Kusch NStZ-RR 2000 36; s. aber auch BGHSt 9 1, 3 (Beruhen nicht auszuschließen); 27 166, 168 (Beruhen nicht ohne weiteres zu verneinen); BGHR § 246a Satz 1 Sicherungsverwahrung 1 (Beruhen nicht auszuschließen). 90 Vgl. BGH Beschl. v. 28.2.2012 – 5 StR 16/12 Rn. 6. 91 So die heute h.M.; vgl. BGHSt 9 1, 3; 27 166, 168; BGH NStZ 1994 95, 96; BGHR § 246a Sicherungsverwahrung 1, 2; OLG Schleswig bei Döllel/Dreeßen SchlHA 2004 239; Eisenberg (Beweisrecht) 1830; Meyer-Goßner/Schmitt § 338, 43; ferner KMR/Hiebl 49; Eb. Schmidt 3; SK/Frister 22, wobei nach den Letztgenannten bei der Prüfung des Beruhens allerdings dem Grundgedanken des § 338 Nr. 5 Rechnung getragen werden soll; a.A. noch RG HRR 1935 Nr. 993; BGH bei Dallinger MDR 1953 723. 92 BGH NStZ 1984 134; KK/Krehl 6; SK/Frister 24. 93 A.A. MüKo/Trüg/Habetha 30; wohl auch SK/Frister 25a (nur Aufklärungsrüge)

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pieweisung nicht Bestandteil des Urteils ist, sondern hierüber in dem mit diesem nach § 268a Abs. 1 oder 2 gleichzeitig zu verkündenden Beschluss entschieden wird (zur Beschwerdemöglichkeit s. Rn. 29, zur Möglichkeit einer Aufklärungsrüge Rn. 31). 31 Ein Verstoß gegen § 246a Abs. 1 stellt regelmäßig zugleich eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2) dar.94 Darüber hinaus kann es mit der Aufklärungsrüge beanstandet werden, wenn die Untersuchung nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde95 oder wenn ein für die maßnahmespezifische Begutachtung nicht ausreichend kompetenter oder – unter Umständen auch – kein weiterer Sachverständiger herangezogen wurde.96 Soll geltend gemacht werden, der Sachverständige sei nur unzureichend über die Anknüpfungstatsachen informiert gewesen, weil er bei wesentlichen Teilen der Hauptverhandlung nicht anwesend gewesen sei, ist der Revisionsführer ebenfalls gehalten, eine zulässige Aufklärungsrüge zu erheben.97 Auch die Nichtbeachtung des § 246a Abs. 2 kann gegebenenfalls die Aufklärungsrüge begründen. So ist etwa die Beanstandung denkbar, die gebotene Vernehmung des Sachverständigen hätte die Erfolgsaussicht einer Therapieweisung belegt und deren Erteilung hätte die Möglichkeit eröffnet, die verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen oder es bei einer Ahndung der Tat durch Verwarnung mit Strafvorbehalt zu belassen. Mit Blick auf den zwingenden Charakter des § 246a Abs. 1 stellt es regelmäßig einen 32 auf die Sachrüge beachtlichen Begründungsmangel im tatrichterlichen Urteil dar, wenn Darlegungen zu den Äußerungen eines Sachverständigen fehlen. Für diese Frage, die der BGH bislang ausdrücklich offen gelassen hat,98 wird es zwar auf den Einzelfall ankommen; Fallkonstellationen, in denen die Wiedergabe der tragenden Erwägungen des Sachverständigen entbehrlich sein könnte, sind allerdings kaum vorstellbar.99 Andererseits dürfen sich die Urteilsgründe nicht in einer Wiedergabe der Befunde und Erwägungen des Gutachters erschöpfen, sondern müssen in einer Auseinandersetzung mit diesen die eigene Meinung des Gerichts und ihre tatsächlichen Grundlagen verständlich darlegen.100

§ 247 Entfernung des Angeklagten bei Vernehmung von Mitangeklagten und Zeugen § 247 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-047 1 Das Gericht kann anordnen, daß sich der Angeklagte während einer Vernehmung aus dem Sitzungszimmer entfernt, wenn zu befürchten ist, ein Mitangeklagter oder ein Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht sagen. 2 Das gleiche gilt, wenn bei der Vernehmung einer Per-

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94 BGH NStZ 1994 95, 96; MDR 1954 310; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 5; Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Frister 25. 95 BGH NJW 1968 2298. 96 BGHSt 18 374, 376; s. Rn. 3 f. 97 Str.; vgl. BGH StV 1999 470; ferner BGH NJW 1968 2298, 2299; KK/Krehl 6; MüKo/Trüg/Habetha 31; aber auch – Rüge der Verletzung des § 246a – BGHSt 27 166; 59 1, 2 (Gericht ermöglicht es dem Sachverständigen nicht, alle von ihm für sein Gutachten erforderlich gehaltenen Erkenntnisquellen heranzuziehen); AK/Meier 4; Meyer-Goßner/Schmitt 6; SSW/Sättele 16. Zur Pflicht auf Anhörung eines Betreuers vgl. BGH NStZ 1996 610. 98 BGH NStZ-RR 1998 206; 2006 105. 99 SSW/Sättele 18. 100 Vgl. etwa BGH bei Detter NStZ 1995 489; Müller-Dietz NStZ 1983 204; Eisenberg (Beweisrecht) 1830 sowie die Nachw. bei §§ 261, 267.

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son unter 18 Jahren als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl des Zeugen zu befürchten ist oder wenn bei einer Vernehmung einer anderen Person als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für ihre Gesundheit besteht. 3 Die Entfernung des Angeklagten kann für die Dauer von Erörterungen über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten angeordnet werden, wenn ein erheblicher Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist. 4 Der Vorsitzende hat den Angeklagten, sobald dieser wieder anwesend ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist. Schrifttum Basdorf Reformbedürftigkeit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 247 StPO, FS Salger (1995) 203; Becker-Touissant/de Boor/Goldschmidt/Lüderssen/Muck Aspekte der psychoanalytischen Begutachtung im Strafverfahren (1981); Becker Schutz kindlicher und jugendlicher Zeugen vor psychischer Schädigung durch das Strafverfahren, ZBlJugR 1975 515; Dahs Volenti non fit iniuria – warum nicht auch bei § 247 StPO? FS Widmaier (2008) 95; ders. Der „entfernte“ Angeklagte oder die Hauptverhandlung als „Videokonferenz“, FS Paeffgen (2015) 559; Gollwitzer Die Verfahrensstellung des in der Hauptverhandlung nicht anwesenden Angeklagten, FS Tröndle (1989) 455; Hassemer Gefährliche Nähe: Die Entfernung des Angeklagten aus der Hauptverhandlung (§ 247 StPO) – BGH NJW 1985, 1478, JuS 1986 25; Krey Probleme des Zeugenschutzes im Strafverfahrensrecht, GedS Meyer (1990) 239; Lesting § 247 S. 3 StPO – Gesundheitsschutz durch Ausschluß des Angeklagten aus der Hauptverhandlung, R&P 1991 56; Metz Entfernung des Angeklagten nach § 247 StPO, NStZ 2017 446; Meyer-Goßner Die Entwicklung der Rechtsprechung zum Begriff der „Vernehmung“ in § 247 StPO, FS Pfeiffer (1988) 311; Pfäfflin Soll der Angeklagte das Gutachten nicht hören? R&P 1983 18; Schneider Zur audio-visuellen Unterrichtung des aus der Hauptverhandlung zeitweise entfernten Angeklagten über das in seiner Abwesenheit Verhandelte, NStZ 2018 128; Strate Die zeitweilige Ausschließung des Angeklagten von der Hauptverhandlung, NJW 1979 909; Tzschaschel Die Information des Beschuldigten über das psychiatrisch-psychologische Gutachten, NJW 1990 749; Wölky § 247 StPO im Windkanal des 5. Strafsenats, StraFo 2009 397. Vgl. auch die Schrifttumsnachweise bei § 247a.

Entstehungsgeschichte Bezeichnung bis 1924: § 246. Ursprünglich enthielt die Vorschrift zwei Regelungen, die in Absatz 1 den heutigen Sätzen 1 und 4 sowie in Absatz 2 dem heutigen § 231b entsprachen. Art. 4 Nr. 27 des 3. StRÄndG fügte 1953 die nunmehr in Satz 3 enthaltene Regelung zur Schonung der Gesundheit des Angeklagten ein (damals Absatz 1 Satz 2). Der jetzige Wortlaut der Vorschrift beruht weitgehend auf der Neufassung durch Art. 1 Nr. 12 des 1975 in Kraft getretenen 1. StVRErgG, welche die vorhergehende – allerdings nur geringfügige – Änderung des heutigen Satzes 3 durch Art. 21 Nr. 65 EGStGB 1974 übernahm, die Regelung zum Schutz kindlicher und jugendlicher Zeugen als Satz 2 einfügte, gleichzeitig aber den durch § 231b ersetzten Absatz 2 aufhob. Satz 2 wurde 1987 durch Art. 1 Nr. 3 des OpferschutzG um die Möglichkeit erweitert, den Angeklagten auch zum Schutz der Gesundheit erwachsener Personen zu entfernen; sein Wortlaut wurde gestrafft. Durch Art. 1 Nr. 35 des 2. OpferRRG wurde die Altersgrenze in Satz 2 auf 18 Jahre heraufgesetzt.1

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Kritisch hierzu MüKo/Cierniak/Niehaus 11.

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II.

III.

Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

Übersicht Zweck und Bedeutung 1. Grundgedanke | 1 2. Ermessen | 2 3. Rechtliches Gehör | 3 4. Keine disponible Regelung | 5 Anwendungsbereich 1. Enge Auslegung | 6 2. Verfahrensbeteiligte | 7 3. Beweismittel | 8 a) Urkunds- und Augenscheinsbeweis | 9 b) Sachverständigenbeweis | 10 4. Freibeweisverfahren | 11 5. Kommissarische Vernehmung | 12 6. Sondervorschrift des § 51 JGG | 13 Ausschließungsgründe 1. Wahrheitsgefährdung (Satz 1) a) Zweck | 14 b) Voraussetzungen | 15 2. Schutz von noch nicht 18 Jahre alten Zeugen (Satz 2, 1. Alternative) | 19 3. Schutz sonstiger Zeugen (Satz 2, 2. Alternative) a) Schwerwiegender gesundheitlicher Nachteil | 21 b) Dringende Gefahr | 23 4. Schutz des Angeklagten (Satz 3) | 24 5. Verhältnis der Ausschließungsgründe zueinander | 26

Alphabetische Übersicht Anhörung des Angeklagten (§ 33) 4, 37, 40, 57 Anpassung der Einlassungen 14, 18, 47 Anrufung des Gerichts (§ 238 Abs. 2) 44, 55, 56 Anwesenheitsrecht des Angeklagten 1, 5, 6, 11, 36, 53 ff. Aufklärungspflicht 1, 2, 14, 19, 33, 58 Augenschein 9, 17, 35, 41a, 51, 54 Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55) 16 Auslegung des § 247, enge 6 Aussagebereitschaft des Mitangeklagten, fehlende 18 Aussagegenehmigung, eingeschränkte 17 Ausschluss der Öffentlichkeit 24, 34, 37 Beistand (§ 149) 7 Beschluss 28 ff., 50, 53 – ablehnender 31 – Aufhebung 32 – fehlender 53 – ungenügend begründeter 29, 53 Beschwerde 52 Betreuer (§ 1897 BGB) 16

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IV.

Gerichtliche Anordnung 1. Freibeweisliche Überprüfung von Amts wegen | 27 2. Anordnung durch Gerichtsbeschluss | 28 3. Veränderung der Verfahrenslage | 32 V. Dauer und Umfang des Ausschlusses 1. Vernehmung (Satz 1 und 2) | 34 2. Erörterung (Satz 3) | 39 3. Sonstige Verfahrensvorgänge | 40 4. Heilung | 41 VI. Unterrichtung des Angeklagten (Satz 4) 1. Zweck | 42 2. Form | 43 3. Inhalt | 44 4. Zeit | 45 5. Bild-Ton-Übertragung | 48 6. Fragerecht | 49 VII. Sitzungsniederschrift | 50 VIII. Rechtsmittel 1. Beschwerde | 52 2. Revision a) Fehlerhafter Ausschluss | 53 b) Verfahrensfehler gelegentlich des Ausschlusses | 56 c) Unterlassener Ausschluss | 58 d) Beschwer | 59

Beurteilung ex ante 23, 32 Bild-Ton-Übertragung 48 Eigenmächtiges Ausbleiben des Angeklagten 5 Einvernahme, unterbrochene 32, 45 Eltern kindlicher Zeugen 35 Entlassung des Zeugen 36, 39, 41b, 45, 54, 55b Erziehungsberechtigter 13 Faire Verfahrensgestaltung 33 Fragen 2, 34, 36, 38, 44, 49, 56 Fragerecht 3, 14, 33, 49, 57 Freibeweis 11, 24, 27, 50 f., 55 Freiwilliges Fernbleiben des Angeklagten 5 Geheimnisschutz 10, 17, 36 Gesetzlicher Vertreter 13 Gesundheit – des Angeklagten 1, 24 f., 39, 44 – des Zeugen 1, 2, 21 ff., 26 Grundgedanke des § 247 1 Heilung 33, 41 ff., 45, 50 Informationsdefizit des Angeklagten 44, 48 Kommissarische Vernehmung 12 Leibes- oder Lebensgefahr 22 Lichtbilder 35, 48

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

Mitangeklagter 8, 14, 15, 18, 43, 47, 59 Nebenkläger 7, 59 Nichtanwendung des § 247 58 Ordnungsstrafe 44 Pflichtverteidigerbeiordnung 3 Plädoyer 39 Rechtliches Gehör 1, 3, 11, 42, 44, 57 Revision 53 ff. Sachverständigenvernehmung 10, 24 f., 39, 46 Sachverständiger, Verhandlung über Zuziehung 37 Sicherung wahrheitsgetreuer Aussage 14 Sitzungsniederschrift 50 f. Sondervorschrift § 51 JGG 13 Subsidiaritätsklausel des § 247a Satz 1 a.F. 2 Teilweiser Ausschluss 28, 38 Unschuldsvermutung 27 Unterrichtung – des Angeklagten 3, 12, 42 ff., 50, 56 – Form 43, 56

§ 247

– in Gegenwart aller Angeklagter 47 – Inhalt 44, 50, 56 – sofort nach Wiederzulassung 45 – unverzichtbar 42 Urkundsbeweis 9, 35, 39, 41, 51, 54 Vereidigung 36, 39, 41b, 44, 45, 46, 54, 55b Verhältnis der Ausschließungsgründe zueinander 26, 29 Vernehmung, Begriff 34 ff. Vernehmungsbehelf 35, 44, 48, 51 Verteidiger, Anwesenheit 42, 56 V-Mann 2, 17, 22 Vorhalte 34, 35, 36, 44 Wegfall der Ausschlussvoraussetzungen 32 f., 38 Wunsch, Angeklagten auszuschließen 16 Zeuge – Entfernung aus Sitzungssaal 7 – unter 18 Jahren 19 f. Zeugenschutz 1, 2, 19 f., 21 ff., 36, 49 Zeugnisverweigerungsrecht 16, 44 Zusammenhangsformel 34

I. Zweck und Bedeutung 1. Grundgedanke der Vorschrift ist, dass Recht und Pflicht des Angeklagten zur 1 ständigen Anwesenheit in der Hauptverhandlung (s. § 230, 1) trotz ihrer hohen Bedeutung für Wahrheitsermittlung und Verteidigung, insbesondere auch für die Gewährung des rechtlichen Gehörs, durch gewichtige Belange eine Einschränkung erfahren dürfen.2 Als solche Belange anerkennt § 247 das Interesse der besseren Sachaufklärung (Satz 1) sowie das Interesse des Schutzes der Zeugen (Satz 2) und des Angeklagten selbst (Satz 3). Der Gesetzgeber hat rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechend keine Generalklausel geschaffen, sondern für die einzelnen Fallgruppen die sachlichen Voraussetzungen hinreichend bestimmt umschrieben.3 Im Einzelnen hat er in Abwägung der kollidierenden Interessen dem Gebot der umfassenden Sachaufklärung den Vorrang eingeräumt, wenn die Anwesenheit des Angeklagten eine wahrheitsgemäße Aussage gefährdet;4 denn die Anwesenheit des Angeklagten soll „kein Hindernis für eine ungetrübte Wahrheitserforschung sein“.5 Dem Anwesenheitsrecht und der -pflicht vorgehen kann ferner der Schutz kindlicher und jugendlicher Zeugen vor – insbesondere psychischen – Schäden, die die Gegenwart des Angeklagten während ihrer Vernehmung bei ihnen auslösen könnte,6 sowie der Schutz erwachsener Zeugen vor schwerwiegenden Gesundheitsschäden.7 Vorrangig ist aber auch der Schutz der Gesundheit des Angeklagten, wenn sein körperlicher oder geistiger Zustand nicht ohne erhebliche Nachteile für ihn in seiner Gegenwart erörtert werden könnte.

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2 Vgl. BGHSt 26 218, 219 f. = JR 1976 340 m. Anm. Gollwitzer = LM Nr. 1 zu § 247 StPO 1975 Ls. m. Anm. Pelchen; ferner Hassemer JuS 1986 25. 3 BVerfGE 107 104, 126. 4 Vgl. Hahn II 1340 ff. (Prot. Kommission 957 ff.). 5 RGSt 60 179, 181. 6 BTDrucks. 7 2526 S. 26. 7 Dazu BTDrucks. 10 5305 S. 27; 10 6124 S. 13 f.; ferner Entstehungsgeschichte.

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§ 247

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2. Nach pflichtgemäßem Ermessen („kann“) entscheidet das Gericht über die Entfernung des Angeklagten.8 Doch ist der Ausschluss regelmäßig anzuordnen,9 wenn die Voraussetzungen vorliegen, es sei denn, den durch § 247 geschützten Interessen kann mit anderen Maßnahmen wirksam Rechnung getragen werden.10 So mag es in Ausnahmefällen etwa im Anwendungsbereich von Satz 2 ausreichen, einen Zeugen mit Einwilligung des Angeklagten so zu setzen, dass er den Angeklagten nicht sieht oder dass der Angeklagte sich verpflichtet, keine direkten Fragen an den Zeugen zu richten.11 Wenn aber beispielsweise die dringende Gefahr einer schwerwiegenden Gesundheitsschädigung des erwachsenen Zeugen allein durch den Ausschluss des Angeklagten abgewendet werden kann, ist es kaum denkbar, den Zeugen nicht in Abwesenheit des Angeklagten zu vernehmen. Als eine andere, wenngleich nicht eo ipso mildere Maßnahme ist auch ein Vorgehen nach § 247a in Betracht zu ziehen, um den Zeugen zu seinem Schutz aus der Hauptverhandlung heraus an einem anderen Ort mittels einer Bild-TonÜbertragung zu vernehmen.12 Nach Streichung der Subsidiaritätsklausel des § 247a Satz 1 a.F. durch das OpferRRG hat das Gericht im Einzelfall abzuwägen, welche Maßnahme das Spannungsverhältnis zwischen Aufklärungspflicht, Zeugenschutz und Verteidigungsinteressen am besten zum Ausgleich bringt (s. § 247a, 17 f.);13 ausnahmsweise kann es sogar geboten sein, beide Maßnahmen anzuordnen, also den Angeklagten während der audiovisuellen Vernehmung aus dem Sitzungssaal zu entfernen.14

3

3. Das Mindestmaß an rechtlichem Gehör, das dem Angeklagten von Verfassungs wegen (Art. 103 Abs. 1 GG) auch hinsichtlich des ohne ihn verhandelten Verfahrensteils gewährt werden muss, wird durch die Unterrichtung nach Satz 4 noch in ausreichendem Maß sichergestellt.15 Der Angeklagte erhält dadurch Gelegenheit, seine Verteidigung auf die in seiner Abwesenheit verhandelten Verfahrensvorgänge auszudehnen, sein Fragerecht (§ 240 Abs. 2; Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK) auszuüben16 und die ihm für seine Verteidigung erforderlich erscheinenden Anträge zu stellen (Rn. 42). Ob – insbesondere zur Wahrnehmung des Fragerechts – die Bestellung eines Verteidigers nach § 140 Abs. 2 geboten ist, muss nach den Besonderheiten des einzelnen Falls beurteilt werden.17 Nicht einschlägig für die zeitweilige Abwesenheit nach § 247 ist die Regelung des § 234 über die Vertretung durch einen Verteidiger.18

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8 Vgl. nur BGH NStZ 1987 84, 85; Basdorf FS Salger 206; KK/Diemer 4. 9 AK/Meier 4; Meyer-Goßner/Schmitt 1; SK/Frister 53 f.; a.A. HK/Julius 6; differenzierend Radtke/ Hohmann/Kelnhofer 2. 10 KMR/Hiebl 45; SSW/Tsambikakis 2. 11 Basdorf FS Salger 214; vgl. auch BGH NStZ 1999 419, 420. 12 SSW/Tsambikakis 3. 13 BTDrucks. 15 1976 S. 12. Soweit die Rspr. von einem Vorrang des § 247 ausgegangen ist (so BGH NStZ 2000 440, 441; 2001 261, 262; 2001 608; StV 2002 408, 409; für die analoge Anwendung im Zivilprozess OLGR Frankfurt 2003 130, 131), sind die Entscheidungen infolge der Gesetzesänderung überholt. SK/Frister 12 ff. m.w.N. hält bei gleicher Eignung beider Maßnahmen § 247a für grundsätzlich vorrangig; ebenso KMR/Hiebl 108 ff.; MüKo/Cierniak/Niehaus 8; dagegen Metz NStZ 2017 447; s. auch § 247a, 14. 14 BGH NStZ 2006 648 m. abl. Anm. Schuster StV 2007 507; vgl. auch BVerfG NStZ 2007 534. 15 SSW/Tsambikakis 2. 16 EGMR NJW 2003 2297, 2298; BVerfG NStZ 2007 534; BGH NStZ-RR 2007 85; Gollwitzer FS Tröndle 455; Schlothauer StV 2001 128; krit. zur Verkürzung des Fragerechts E. Müller DRiZ 1987 471 f.; Weigend NJW 1987 1171 f.; MüKo/Cierniak/Niehaus 2, 20 f.; SK/Frister 9 f. 17 Vgl. OLG Zweibrücken NStZ 1987 89; KK/Laufhütte/Willnow § 140, 24; weitergehend Basdorf FS Salger 214; Molketin NStZ 1987 90; HK/Julius 11; MüKo/Cierniak/Niehaus 19; SK/Frister 17 ff.; SSW/Tsambikakis 38; s. auch bei § 140. 18 S. § 234, 3 m.w.N.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 247

Soweit der Angeklagte nach § 247 Satz 1 bis 3 von der Teilnahme an der Hauptver- 4 handlung ausgeschlossen ist, bedarf es nach dem Sinn dieser Vorschrift auch nicht seiner vorherigen Anhörung nach § 33 Abs. 1 zu den Entscheidungen, die ausschließlich der Durchführung des Verfahrensvorgangs dienen, für den sein Ausschluss angeordnet wurde, und die keine darüber hinausreichende Wirkung haben. Dies gilt etwa für die Entscheidung über die Zulässigkeit von Fragen (§ 238 Abs. 2; § 242).19 Bei allen anderen Verfahrensvorgängen, auf die sich die Anordnung nicht erstreckt, kann § 247 Satz 4 keine gegenüber § 33 Abs. 1 vorrangige Sonderregelung sein, auch wenn sie zeitlich oder gegenständlich mit dem Vorgang zusammenhängen, für den der Ausschluss gilt.20 4. Keine disponible Regelung. Weder der Angeklagte noch andere Verfahrensbe- 5 teiligte können auf die Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung wirksam verzichten.21 Verfahrensfehlerhaft ist es, wenn das Gericht dem Angeklagten nahe legt, sich für einige Zeit „freiwillig“ aus der Hauptverhandlung zu entfernen, und dieser dem Wunsch nachkommt. Verlässt er eigenmächtig die Hauptverhandlung, so kommt, falls nicht ausnahmsweise ein auf die sachlichen Voraussetzungen von § 247 Satz 1 bis 3 gestützter Gerichtsbeschluss vorliegt, nur die Anwendung des § 231 in Betracht.22 II. Anwendungsbereich 1. Enge Auslegung. Die Ausnahmevorschrift des § 247 ist wegen der Bedeutung der 6 Anwesenheit des Angeklagten für die Verteidigung grundsätzlich restriktiv auszulegen.23 Sein Recht auf Anwesenheit darf nur insoweit eingeschränkt werden, als es zur Wahrheitsermittlung und damit zur wirksamen Strafverfolgung oder zur Verhinderung erheblicher Nachteile für den Zeugen oder für den Angeklagten selbst „nötig und unvermeidbar“ ist.24 Es ist grundsätzlich nicht zulässig, § 247 über seinen Wortlaut hinaus zu anderen Zwecken anzuwenden oder ihn auf andere Verfahrensbeteiligte, andere Beweismittel und andere Verfahrensvorgänge auszudehnen. 2. Verfahrensbeteiligte. Persönlich werden von § 247 – auch in Verfahren gegen 7 Rechtsanwälte25 – sämtliche Angeklagte erfasst, nicht dagegen deren Verteidiger, für deren Ausschließung allein die §§ 138a, 138b gelten.26 Der Nebenkläger darf hingegen nicht in analoger Anwendung der Vorschrift ausgeschlossen werden.27 Gleiches gilt für Einziehungsbeteiligte (§ 424), Nebenbetroffene (§ 438) und Adhäsionskläger (§ 403).28

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19 Vgl. Gollwitzer JR 1979 435; s. im Einzelnen zur Reichweite des Ausschlusses Rn. 34 ff. 20 Dass sich der Ausschluss auf einen Vorgang erstrecken könnte, zu dem dennoch der Angeklagte zuvor anzuhören wäre, ist dogmatisch wie prozessökonomisch wenig überzeugend; vgl. Gollwitzer JR 1979 436; aber auch BGH NJW 1979 276 m. Anm. Strate S. 909. 21 BGHSt 22 18, 20; 25 317, 318; BGH NJW 1973 522; 1976 1108; NStZ 1991 296; 2002 44, 45; NStZ-RR 2015 51, 52; StV 1993 285, 286; 2002 120, 121; 2003 373; bei Holtz MDR 1983 281 f.; OLG Koblenz MDR 1977 777; Eisenberg/Schlüter JR 2001 342; KK/Diemer 3; kritisch Dahs FS Widmaier 96 ff.; vgl. § 230, 2. 22 RGSt 52 68, 69; Eb. Schmidt 6; SK/Frister 6; SSW/Tsambikakis 9; vgl. § 231, 11 ff. 23 BGHSt 15 194, 195; 21 332, 333 f.; 22 18, 20; 26 218, 220; 46 142, 144 = JZ 2001 414 m. Anm. Meier = JR 2001 340 m. Anm. Eisenberg/Schlüter; 55 87, 90; BGH NJW 1957 1161; StV 1987 337; BayObLG StV 2005 7; OLG Koblenz MDR 1977 777; Laubenthal/Nevermann-Jaskolla JA 2005 297 f.; Paulus JZ 1993 271; AnwKStPO/Sommer 1; HK/Julius 1; KK/Diemer 2; KMR/Hiebl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 1; SK/Frister 3. 24 BGHSt 3 384, 385 f.; AnwK-StPO/Sommer 1; KK/Diemer 2. 25 BVerfGE 53 207, 215; KMR/Hiebl 6; SK/Frister 6. 26 KMR/Hiebl 15. 27 RGSt 25 177; KMR/Hiebl 8; Meyer-Goßner/Schmitt 1; SK/Frister 6. 28 KMR/Hiebl 9.

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Für Zeugen gilt zunächst § 243 Abs. 2 Satz 1; nach ihrer Vernehmung dürfen sie aus sachlichen Gründen aus dem Sitzungssaal verwiesen werden.29 Über die Notwendigkeit der Anwesenheit von Sachverständigen entscheidet der Vorsitzende (s. auch § 243, 25), der diesen zum Verlassen des Sitzungssaals auffordern kann, wenn dessen Verbleib die Wahrheitsfindung beeinträchtigen könnte.30 Auf den Beistand nach § 149 Abs. 1 und 2 sind die Rechtsgedanken des § 247 hingegen anwendbar, so dass dessen ungeschriebenes Anwesenheitsrecht unter dem Vorbehalt einer entsprechenden Anordnung steht.31 8

3. Beweismittel. In sachlicher Hinsicht erfasst § 247 Satz 1 die Vernehmung eines Mitangeklagten oder Zeugen, § 247 Satz 2 nur die Zeugenvernehmung, während § 247 Satz 3 nicht auf bestimmte Beweismittel beschränkt ist. Im Rahmen des Satzes 3 sind Beweiserhebungen allerdings thematisch begrenzt; sie dürfen nur insoweit in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt werden, als sein physischer und psychischer Zustand betroffen ist und der Zweck des Ausschlusses dies rechtfertigt.

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a) Beim Urkundsbeweis ist eine Anordnung nach Satz 1 oder 2 ausgeschlossen.32 Gleiches gilt grundsätzlich für den Augenscheinsbeweis (s. auch Rn. 17 und 35). Eine Ausnahme kommt allerdings in Betracht, wenn der Augenschein am Körper eines Opferzeugen eingenommen wird.33 Zum einen kann die Besorgnis bestehen, dass der Zeuge von vornherein keine wahrheitsgemäße, den Angeklagten belastende Aussage macht, wenn er damit rechnen muss, nach Beendigung der Vernehmung zum Gegenstand eines Augenscheins gemacht zu werden (Satz 1); zum anderen können auch Gründe des Opferschutzes hier ausnahmsweise den Ausschluss rechtfertigen (Satz 2).34 Ein förmlicher Augenschein liegt nicht vor, wenn ein Zeuge seine Aussage mit Gesten veranschaulicht, etwa eine Körperhaltung demonstriert.35 § 247 rechtfertigt hingegen nicht die Abwesenheit des Angeklagten anlässlich einer Rekonstruktion des Tatgeschehens (Verkehrsunfall), die das Gericht unter Einvernahme eines Zeugen in Augenschein nimmt.36 Zur Verwendung von Urkunden und Augenscheinsobjekten als Vernehmungsbehelfe (Vorhalt) vgl. dagegen unten Rn. 35, 51.

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b) Die Vernehmung eines Sachverständigen in Abwesenheit des Angeklagten ist im Fall des Satzes 3 vorgesehen, nicht aber im Fall des Satzes 1, der ausdrücklich nur Mitangeklagte und Zeugen anführt. Zwingende Gründe, die die Einbeziehung des Sachverständigen hier rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Vom Sachverständigen muss verlangt werden, dass er – unbeeinflusst durch den anwesenden Angeklagten – sein Gutachten unparteiisch und gewissenhaft erstattet. Ebenso wenig dürften Gesichts-

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29 RGSt 48 211; Gollwitzer JR 1976 341; SK/Frister 6; vgl. § 243, 29; a.A. KMR/Hiebl 10 f.: nur wenn die Vernehmung des Zeugen noch nicht abgeschlossen ist oder wenn seine erneute Vernehmung in Betracht kommt. 30 KMR/Hiebl 12. 31 BGHSt 47 62; KMR/Hiebl 14; näher dazu bei § 149. 32 RGSt 29 30; 38 432, 433; RG Recht 1912 Nr. 1863; BGHSt 21 332, 333; s. Rn. 35. 33 BGH StV 2008 230; Hanack JR 1989 257 f.; KK/Diemer 8; Meyer-Goßner/Schmitt 7 (anders aber § 247a, 4); Pfeiffer 5; ebenso – tendenziell – BGH NStZ 1988 469 (nichttragend); a.A. Paulus JZ 1993 272; KMR/ Hiebl 98 ff. (Möglichkeit der Hinzuziehung eines Augenscheinsgehilfen); einschränkend SK/Frister 29, 45 sowie SSW/Tsambikakis 30: nur unter den Voraussetzungen von Satz 2; vgl. zu einem Fall des spontanen Entblößens BGH NJW 1998 2541. 34 BGH StV 2008 230, 231. 35 Van Gemmeren NStZ 2001 263; vgl. auch BGH bei Dallinger MDR 1974 367 f. 36 Meyer-Goßner/Schmitt 1; SK/Frister 3; a.A. OLG Braunschweig NJW 1963 1322 m. abl. Anm. Kleinknecht; s. auch § 230, 6.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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punkte der Staatssicherheit, insbesondere der Schutz von Staatsgeheimnissen, geeignet sein, im Einzelfall eine Gutachtenerstattung in Abwesenheit des Angeklagten zu rechtfertigen.37 4. Freibeweisverfahren. Auch auf freibeweisliche Beweiserhebungen in der 11 Hauptverhandlung ist § 247 – trotz seiner systematischen Stellung innerhalb der Vorschriften über die förmliche Beweisaufnahme (§§ 244 ff.)38 – anwendbar.39 Da der Grundsatz, dass in Anwesenheit des Angeklagten zu verhandeln (§ 230 Abs. 1) und ihm in dieser Form das rechtliche Gehör zu gewähren ist, der Vorschrift des § 247 vorausgeht, nicht durch sie geschaffen wird, würde ihre Nichtanwendbarkeit auf freibeweisliche Beweiserhebungen lediglich bedeuten, dass der Angeklagte dort nicht ausgeschlossen werden könnte. Die Folgerung, der Angeklagte könne auch aus anderen Gründen entfernt werden, ließe sich hingegen nicht ziehen. Hierfür würde schon eine gesetzliche Grundlage fehlen. Denn Ausnahmen vom Grundsatz der ununterbrochenen Anwesenheit bedürfen der gesetzlichen Zulassung. § 247 ist ebenso wie § 231a und § 231b (früher § 247 Abs. 2!) als eine diesen Grundsatz einschränkende Sondervorschrift zu verstehen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die freibeweislichen Erhebungen außerhalb der Hauptverhandlung ohne weiteres in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt werden könnten und deswegen kein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung seien.40 Entscheidend ist nicht, ob die fraglichen Verfahrensvorgänge auch außerhalb der Hauptverhandlung vorgenommen werden können, sondern dass sie in (öffentlicher) Hauptverhandlung durchgeführt werden. Auf Grundlage der Gegenmeinung wäre es möglich, auch Verteidiger, Staatsanwalt oder Nebenkläger für den entsprechenden Teil der Hauptverhandlung aus dem Sitzungsaal zu weisen, was aber wohl niemand ernsthaft vertreten will. Es kommt hinzu, dass im Freibeweis nicht nur die von der Rechtsprechung behandelten Fragen im Zusammenhang mit Zeugenvernehmungen zu klären sind, sondern auch sonstige, für den Verfahrensausgang wesentliche Punkte, etwa das Vorliegen von Beweiserhebungs- oder Beweisverwertungsverboten, Verfahrensvoraussetzungen, Verjährungsfragen etc. Wird darüber in der Hauptverhandlung Beweis erhoben, hat der Angeklagte wie auch jeder sonstige Verfahrensbeteiligte das Recht (und die Pflicht) zur Anwesenheit. Dies gilt insbesondere auf Grundlage der hier vertretenen Auffassung (s. § 231, 44; § 244, 32), dass die insoweit vom Tatgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen für das Revisionsgericht bindend sind. 5. Kommissarische Vernehmung. Bei einer Beweisaufnahme durch den ersuchten 12 oder beauftragten Richter (§§ 223, 224) ist § 247 entsprechend anwendbar, da insoweit ein an sich zur Hauptverhandlung gehörender Verfahrensteil vorweggenommen wird und die Gründe, welche die Entfernung des Angeklagten rechtfertigen, hier gleichfalls durchgreifen.41 Die kommissarische Vernehmung ist aber kein Teil der Hauptverhand-

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37 Näher dazu – m. Nachw. zur Rspr. des RG – LR/Gollwitzer 25 7; Eb. Schmidt 12 f.; vgl. ferner KK/Diemer 2; SK/Frister 3. Zur Anwendung von § 247 bei der Vernehmung von verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen als Zeugen s. Rn. 17, 22, 26. 38 Vgl. § 244, 3, 30 ff. 39 SK/Frister 5; SSW/Tsambikakis 5; a.A. KMR/Hiebl 17; vgl. auch Beling ZStW 30 (1910) 44. 40 So etwa die Klärung, ob für die Vernehmung eines Zeugen die Voraussetzungen des § 247 Abs. 1 Satz 1 vorliegen (BGH NStZ 1998 528; 2002 46), ob einem Zeugen ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht (BGH NStZ 2001 48 f.) oder ob ein Zeuge vernehmungsfähig ist (BGH StraFo 2010 493); auch KK/Diemer 13 und 16. 41 Vgl. BGHSt 32 32 = JZ 1984 45 m. Anm. Geerds; Eb. Schmidt Nachtr. I 4; KK/Diemer 18; KMR/Hiebl 19; Meyer-Goßner/Schmitt 1; SK/Frister 5; s. bei § 224.

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lung. Ein von ihr ausgeschlossener Angeklagter muss deshalb nicht nach Satz 4 unterrichtet werden.42 Er bzw. sein Verteidiger können sich bis zur Hauptverhandlung über den Inhalt der Aussage selbst unterrichten; sie wird außerdem in ihrer Anwesenheit in der Hauptverhandlung verlesen. Wegen der Ausnahme im Fall des Satzes 3 vgl. Rn. 39. 13

6. Sondervorschrift des § 51 JGG. Die Regelung des § 51 Abs. 1 JGG ermächtigt den Vorsitzenden (nicht das Gericht), über die Fallgruppen des § 247 hinaus den jugendlichen Angeklagten bei für die Erziehung nachteiligen Erörterungen auszuschließen.43 Die Möglichkeit, die Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertreter des jugendlichen Angeklagten auszuschließen, wurde, da das BVerfG die Vorgängerregelung mangels Bestimmtheit für verfassungswidrig erklärt hatte,44 durch das 2. JuMoG in § 51 Abs. 2 bis 5 JGG neu gefasst. III. Ausschließungsgründe 1. Wahrheitsgefährdung (Satz 1)

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a) Einziger Zweck der zwangsweisen Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungssaal nach Satz 1 ist es, eine wahrheitsgetreue Aussage des Mitangeklagten oder Zeugen herbeizuführen. Der Ausschluss kann der Wahrheitsermittlung insbesondere durch den Abbau psychologischer Hemmungen dienen, die einer wahrheitsgetreuen Aussage entgegenstehen könnten, wenn sie in Gegenwart des Angeklagten getätigt werden müsste. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass auch die Anwesenheit des Angeklagten – namentlich die uneingeschränkte Gewährleistung seines Fragerechts (§ 240 Abs. 2; Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK) – die Wahrheitsermittlung fördern kann. Von der Regelung darf nicht vorschnell Gebrauch gemacht werden.45 Satz 1 erfasst die Aussagen von Mitangeklagten und Zeugen; er verfolgt nicht den Zweck, auf das Aussageverhalten des ausgeschlossenen Angeklagten selbst Einfluss zu nehmen. Schon deswegen darf die Entfernung eines Angeklagten nicht allein dazu dienen, die Anpassung seiner Einlassung an die Einlassung eines Mitangeklagten zu verhindern, die Aussicht auf ein Geständnis zu erhöhen, den entfernten Angeklagten in Widersprüche zu verwickeln oder sonst leichter überführen zu können.46

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b) Voraussetzungen. Die Befürchtung des Gerichts, dass die Anwesenheit des Angeklagten den Zeugen oder Mitangeklagten von einer wahren, das gesamte Wissen des Zeugen umfassenden Aussage abhalten werde, muss sich auf konkrete, im Einzelfall begründete Tatsachen stützen und nicht etwa nur auf allgemeine Erwägungen.47 Maßgebend ist die Sachlage zur Zeit des Ausschlusses.48 Entscheidend ist insoweit die

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42 BGH GA 1967 371; SSW/Tsambikakis 7; w.N. vorst. Fn. 43 Vgl. KK/Diemer 2, 19; ferner BGH NStZ 2002 216 m. Anm. Eisenberg S. 331 zu dem – auch § 247 Satz 3 zugrunde liegenden – Begriff der Erörterung in § 51 Abs. 1 JGG. 44 BVerfGE 107 104 m. Bespr. Eisenberg/Zötsch GA 2003 226; Grunewald NJW 2003 1995; Lipp RdJB 2003 361 und Müller/Kraus JA 2003 892. 45 SSW/Tsambikakis 10. 46 BGHSt 3 384, 386; 15 194, 195 f.; BGH NJW 1957 1161; Paulus JZ 1993 271; Schorn (Menschenwürde) 84 f.; HK/Julius 2; KK/Diemer 2; KMR/Hiebl 23; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SK/Frister 20; a.A. RG, zuletzt HRR 1941 Nr. 314. Hanack JZ 1972 81 hält BGHSt 15 194 für zu streng; krit. auch Küster NJW 1961 419. S. ferner Rn. 47. 47 BGH StV 2014 716 f.; OLG Düsseldorf StV 1989 472, 473. 48 Die Beurteilung ex ante bleibt grundsätzlich maßgebend; vgl. Rn. 32 f.

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Beurteilung des Gerichts, nicht des betroffenen Mitangeklagten oder Zeugen,49 wenngleich die gerichtliche Beurteilung zu berücksichtigen hat, wie sich die tatsächlichen Verhältnisse aus der Sicht der Auskunftsperson darstellen.50 Der Ausschluss des Angeklagten ist nicht schon dann zulässig, wenn ein Zeuge den 16 Wunsch äußert, in Abwesenheit des Angeklagten aussagen zu dürfen.51 Die Entfernung setzt nicht einmal zwingend die Befragung des Zeugen voraus.52 Äußert hingegen ein Zeuge glaubhaft, dass er vom Angeklagten bedroht worden sei und weitere Repressalien fürchte, rechtfertigt dies ein Vorgehen nach Satz 1.53 Das Gericht kann die Anordnung außerdem treffen, wenn ein zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigter Zeuge erklärt, dass er nur in Abwesenheit des Angeklagten aussagen wolle.54 Gleiches gilt für den Zeugen, dem ein nach § 55 verdichtetes umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zusteht.55 In diesen Fällen ist allerdings zu unterscheiden, ob der Zeuge ernsthaft ankündigt, von seinem Recht Gebrauch zu machen, sollte der Angeklagte nicht ausgeschlossen werden, oder bei vorhandener Aussagebereitschaft lediglich wünscht, dass dieser während der Vernehmung ausgeschlossen werde.56 Ob diese Rechtsprechung auf im Sinne des § 19 StGB schuldunfähige kindliche Zeugen zu übertragen ist, die eine Aussage in Anwesenheit des Angeklagten verweigern, obwohl ihnen kein umfassendes Weigerungsrecht nach §§ 52 ff. zusteht, hat der BGH bisher offen gelassen, jedoch als naheliegend bezeichnet.57 Die Entfernung des Angeklagten kann nicht darauf gestützt werden, dass ein gemäß § 1897 BGB bestellter Betreuer der Zeugenvernehmung des – nicht zeugnisund auskunftsverweigerungsberechtigten – Betreuten in Anwesenheit des Angeklagten widersprochen hat.58 Steht dem Betreuten ein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht zu, gilt dies nur dann, wenn er eine genügende Vorstellung von dem Recht hat (vgl. § 52 Abs. 2).59 Des Weiteren ist Satz 1 in den Fällen anwendbar, in denen ein Zeuge die erforderli- 17 che Aussagegenehmigung nach § 54 aus sachlich einsichtigen Gründen nur mit dieser Einschränkung erhält oder eine zulässige Sperrerklärung nach § 96 analog, § 110b Abs. 3 nur dadurch überwunden werden kann.60 Wenn die Einschränkung der Aussagegenehmigung oder die Sperrerklärung nicht oder für das Gericht nicht überzeugend begründet ist, muss es allerdings vor Anwendung des § 247 auf eine Überprüfung dieser

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49 BGH bei Dallinger MDR 1972 199; Meyer-Goßner/Schmitt 3. 50 BGH bei Becker NStZ-RR 2007 289. 51 BGHSt 22 18, 21; BGH NStZ 1999 419, 420; 2002 44, 45; 2010 53; StV 2014 716 f.; NStZ-RR 2002 217; OLG Oldenburg StraFo 2010 115; Kohlhaas LM Nr. 4; KK/Diemer 5; SK/Frister 22. 52 BGH NStZ-RR 2002 217. 53 BGH bei Miebach NStZ 1990 27; KK/Diemer 5; kritisch SSW/Tsambikakis 12. 54 BGHSt 22 18; 46 142, 143; BGH NStZ 1997 402; 2001 608; StV 1995 509 Ls.; 1997 511, 512; KK/Diemer 5; KMR/Hiebl 30 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 4; SK/Frister 24; im Ergebnis zust. auch Hanack JZ 1972 81; a.A. SSW/Tsambikakis 13. 55 BGH NStZ 2010 53; NStZ-RR 2004 116, 117 f.; KMR/Hiebl 34 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt 4; a.A. SSW/ Tsambikakis 13; für den Mitangeklagten s. Rn. 18. 56 BGH NStZ 2002 44, 45 (für das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52). 57 BGH NStZ 2010 53. 58 BGHSt 46 142, 144 = JZ 2001 414 m. Anm. Meier = JR 2001 340 m. Anm. Eisenberg/Schlüter; KK/ Diemer 5; Meyer-Goßner/Schmitt 5. 59 Meier JZ 2001 416. 60 BGHSt 32 32 = JZ 1984 145 m. Anm. Geerds; BGHSt 32 115, 125; 42 175 = NStZ 1996 608 m. Anm. Geerds; ferner auch BGH NStZ 1985 136; 1987 519; 2006 648 sowie BVerfGE 57 250, 286 f.; anders früher BGH NStZ 1982 42 m. Anm. Steck-Bromme StV 1982 52 (offen, ob solche Verfahrensweise zur Vermeidung eines Beweismittelverlusts generell zulässig); wie hier KK/Diemer 5; KMR/Hiebl 37; Meyer-Goßner/Schmitt 4; SK/Frister 25; krit. dazu Hassemer JuS 1986 25; Paulus JZ 1993 272; Roxin/Schünemann § 44, 51; HK/Julius 5; vgl. ferner Engels NJW 1983 1532; Hamm 422.

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Verwaltungsentscheidung drängen.61 Auf den Augenschein lassen sich diese Grundsätze wiederum nicht übertragen. Es ist demgemäß nicht zulässig, den Angeklagten nach Satz 1 von der Inaugenscheinnahme eines Beweisobjekts auszuschließen, das die zuständige Behörde in entsprechender Anwendung des § 96 nur mit der Maßgabe zu Beweiszwecken zur Verfügung gestellt hat, dass es nur in Abwesenheit des Angeklagten in Augenschein genommen werden darf.62 18 Mitangeklagte kann das Gericht getrennt in Abwesenheit vernehmen, wenn zu befürchten ist, dass sie sich in Gegenwart des anderen nicht zu einer wahren Aussage entschließen werden. Dies gilt auch dann, wenn ein Mitangeklagter seine generelle Aussagebereitschaft (vgl. § 243 Abs. 5 Satz 1) von der Entfernung des (anderen Mit-)Angeklagten abhängig macht.63 Es muss bei jedem einzelnen Angeklagten besonders geprüft werden, ob bei ihm eine solche Befürchtung tatsächlich besteht. Die Befürchtung einer wechselseitigen Anpassung der Einlassung rechtfertigt den Ausschluss nicht (s. Rn. 14, 47). 2. Schutz von noch nicht 18 Jahre alten Zeugen (Satz 2, 1. Alternative) Die Verhinderung eines erheblichen Nachteils für das Wohl des kindlichen oder jugendlichen Zeugen rechtfertigt die Entfernung des Angeklagten auch dann, wenn die von Satz 1 vorausgesetzte Gefahr für eine wahrheitsgemäße Aussage nicht besteht.64 Satz 2 setzt insoweit nur voraus, dass die Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten sich schädlich auf die Psyche des Kindes oder Jugendlichen auswirken kann. Anders als Satz 1, der der Sachaufklärung den Vorrang gibt, schützt Satz 2 das Wohl des Zeugen unter 18 Jahren vor den nachteiligen Folgen einer Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten, unter Umständen auch auf Kosten der Sachaufklärung.65 Eine analoge Anwendung der 1. Alternative von Satz 2 auf ältere, aber noch einem Jugendlichen gleichstehende (vgl. § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG) Zeugen66 ist mangels planwidriger Regelungslücke ebenso ausgeschlossen wie auf den geistig behinderten Zeugen.67 Nur ein erheblicher Nachteil für das Wohl des kindlichen oder jugendlichen Zeu20 gen rechtfertigt es, den Angeklagten zu entfernen. Es muss also eine Beeinträchtigung des körperlichen, seelischen oder sittlichen Wohls des Zeugen durch die Vernehmung in Anwesenheit des Angeklagten zu erwarten sein, deren Wirkung über die unmittelbare Vernehmungssituation (vgl. § 241a; § 172 Nr. 4 GVG) hinaus eine gewisse Zeit andauert,68 etwa weil sie ein traumatisches Erleben vertieft oder die künftige Entwicklung belastet. Ob dies zu befürchten ist, hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen.69 Hierfür kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der kindliche oder jugendliche Zeuge die Abwesenheit oder Anwesenheit des Angeklagten wünscht.70 Maßgebend sind vielmehr insbesondere Alter71 und 19

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61 BGHSt 32 115, 125 f.; 42 175, 176 f. = NStZ 1996 608 m. Anm. Geerds unter Hinweis auf BVerfGE 57 250, 288; vgl. auch BGH NStZ 1993 248; 2006 648. 62 OLG Karlsruhe NStZ-RR 2008 315. 63 BGH bei Becker NStZ-RR 2002 69 f.; AK/Meier 6; KMR/Hiebl 32 f.; a.A. SSW/Tsambikakis 13. 64 Heftige Kritik an der Regelung üben MüKo/Cierniak/Niehaus 22 ff. und befürworten deren Streichung. 65 Laubenthal/Nevermann-Jaskolla JA 2005 298; SSW/Tsambikakis 15. 66 Vgl. BGH StV 2000 120, 121. 67 So aber – tendenziell – Meier JZ 2001 417; wie hier KMR/Hiebl 48;. 68 OLG Hamm StV 2005 8, 9; KK/Diemer 10; KMR/Hiebl 41; Meyer-Goßner/Schmitt 11; SK/Frister 34. 69 Zur Häufigkeit des Auftretens solcher Schäden vgl. Dippel FS Tröndle 606 f. m.w.N.; ferner HK/Julius 3. 70 BGH NJW 2006 1008, 1009; NStZ 2010 53; Meyer-Goßner/Schmitt 11; s. auch Rn. 16. 71 Vgl. MüKo/Cierniak/Niehaus 11: besondere Zurückhaltung bei nahezu erwachsenen Zeugen.

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Persönlichkeitsstruktur des Zeugen, sein Verhältnis zum Angeklagten, seine Abhängigkeit und Befürchtungen sowie auch die Art und Schwere des gegen diesen erhobenen Vorwurfs.72 Treten Anhaltspunkte für eine entsprechende Schutzbedürftigkeit eines Zeugen zutage, der gleichzeitig Verletzter der Tat ist, so soll er im „Verfahren an geeigneter Stelle“ auf die Möglichkeit des § 247 (gemeint: Satz 2) hingewiesen werden (§ 406i Abs. 2). 3. Schutz sonstiger Zeugen (Satz 2, 2. Alternative) a) Schwerwiegender gesundheitlicher Nachteil. Auch zum Schutz eines Zeugen, 21 der 18 Jahre oder älter ist, kann der Angeklagte aus dem Sitzungssaal entfernt werden, wenn bei der Einvernahme in Anwesenheit die dringende Gefahr (s. Rn. 23) eines schwerwiegenden gesundheitlichen Nachteils besteht. Dieser ist in zweierlei Hinsicht enger als der beim kindlichen oder jugendlichen Zeugen ausreichende „erhebliche Nachteil für sein Wohl“. Zum einen ist der Ausschluss nur bei einer Gefahr für die Gesundheit des Zeugen zulässig, während beim Zeugen unter 18 Jahren darüber hinaus auch andere Gefahren, nicht zuletzt die Gefährdung seines sittlichen Wohls genügen können. Zum anderen muss die zu erwartende Gesundheitsbeeinträchtigung schwerwiegend sein. Sie muss wegen ihres Ausmaßes und/oder ihrer Dauer ein so hohes Gewicht haben, dass dem Zeugen eine Aussage in Anwesenheit des Angeklagten bei Würdigung aller Umstände nicht zugemutet werden kann. Allerdings ist weder notwendig, dass eine akute Lebensgefahr besteht, noch dass ein bleibender Schaden zu erwarten ist; schon eine vorübergehende schwere Beeinträchtigung anlässlich der Vernehmung genügt. Bloße Unannehmlichkeiten, die aus der Einvernahme erwachsen, muss der Zeuge hinnehmen. So reicht eine Beeinträchtigung seines Wohlbefindens nicht aus, auch nicht, dass ihm das Zusammentreffen mit dem Angeklagten und eine Aussage in dessen Gegenwart unangenehm sind, dass es ihn nervös macht oder seelisch belastet oder dass er den Angeklagten fürchtet.73 Ob ein schwerwiegender gesundheitlicher Nachteil zu erwarten ist, kann immer nur unter Berücksichtigung des Gesundheitszustands des jeweiligen Zeugen, seiner Persönlichkeitsstruktur und der sonstigen Umstände des Einzelfalls einschließlich seines Verhältnisses zum Angeklagten beurteilt werden. Hier kann ins Gewicht fallen, dass der Zeuge selbst Opfer der Straftat war; eine unerlässliche Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Satzes 2 ist dies jedoch nicht.74 Im Übrigen kommen alle Arten gesundheitlicher Nachteile in Betracht, von der Verschlimmerung eines bestehenden organischen Leidens, der Gefahr eines Herzinfarkts, eines Schlaganfalls75 oder eines Nervenzusammenbruchs bis hin zu Angstzuständen mit Krankheitswert.76 Bekundet der Zeuge selbst seine Bereitschaft, in Gegenwart des Angeklagten auszusagen, so besteht bei einem erwachsenen Zeugen für das Gericht in der Regel kein Anlass, von sich aus die Entfernung des Angeklagten nach Satz 2 anzuordnen.77 Ausnahmefälle können – entgegen der wohl vorherrschenden Meinung78 – anders zu beurteilen sein, wenn dem Gericht sichere Anzeichen dafür vorliegen, dass die vom Zeugen geäußerte Einschätzung trügt; dies mag im Einzelfall etwa bei einem 18-jährigen oder

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72 Becker ZBlJugR 1975 515; Laubenthal/Nevermann-Jaskolla JA 2005 298; vgl. auch BGH NStZ 1987 84. 73 Hanack JR 1989 255; Rieß/Hilger NStZ 1987 150; HK/Julius 3; KK/Diemer 11; Meyer-Goßner/Schmitt 12; SK/Frister 38. 74 BTDrucks. 10 6124 S. 14; KK/Diemer 11. 75 Vgl. BGH GA 1970 111 f. 76 Böttcher JR 1987 140; AK/Meier 8; Meyer-Goßner/Schmitt 12; SSW/Tsambikakis 19. 77 Vgl. BTDrucks. 10 6124 S. 14; Böttcher JR 1987 139; Rieß/Hilger NStZ 1987 150 Fn. 119; KK/Diemer 11. 78 Vgl. HK/Julius 3; Meyer-Goßner/Schmitt 12.

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einem geistig behinderten Zeugen vorkommen. Ist der Zeuge der Verletzte der Tat, besteht wiederum die Hinweispflicht nach § 406i Abs. 2 (s. Rn. 20). Ein schwerer gesundheitlicher Nachteil i.S.d. Satzes 2 kann auch Zeugen drohen, die 22 zu befürchten haben, dass sie in Leibes- oder Lebensgefahr geraten, wenn der Angeklagte von ihrem Aussehen Kenntnis erhält, so etwa bei der Einvernahme von V-Leuten, die dem Angeklagten vom Aussehen her unbekannt sind.79 Voraussetzung ist aber, dass die Gefährdung des Zeugen durch die Entfernung des Angeklagten verringert werden kann.80 23

b) Nur die dringende Gefahr eines schwerwiegenden gesundheitlichen Nachteils rechtfertigt die Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungssaal. Es muss eine auf Tatsachen gestützte hohe Wahrscheinlichkeit für den Eintritt einer solchen Schädigung bestehen;81 dass sie nach den Umständen möglich oder nicht auszuschließen ist, genügt nicht. Maßgebend für die Zulässigkeit des Ausschlusses ist allerdings die Beurteilung ex ante (s. Rn. 32). 4. Schutz des Angeklagten (Satz 3)

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Zur Schonung der Gesundheit des Angeklagten kann seine Entfernung angeordnet werden für die Dauer der Erörterung seines Zustands und seiner Behandlungsaussichten. 82 Dieser auch für den betroffenen Angeklagten problematische Ausschließungsgrund erfordert vom Gericht und den Verfahrensbeteiligten Zurückhaltung und Fingerspitzengefühl.83 Zur Vorbereitung einer etwaigen Beschlussfassung in der Hauptverhandlung sollte nach Möglichkeit schon vorher – möglichst unter Kontaktaufnahme mit dem Sachverständigen und dem Verteidiger – geprüft werden, ob der Ausschluss durch eine entsprechende Gestaltung der Beweisaufnahme, insbesondere des Sachverständigengutachtens, vermieden werden kann. Das Gericht kann aber auch noch in der Hauptverhandlung die Notwendigkeit einer solchen Anordnung und ihre möglichen Folgen mit einem anwesenden Sachverständigen im Wege des Freibeweises unter vorläufigem Ausschluss des Angeklagten klären84 (s. auch Rn. 27). Zur Begründung des Beschlusses über den vorläufigen Ausschluss, der zweckmäßigerweise zunächst auf die Verhandlung über die Anwendbarkeit von Satz 3 zu begrenzen ist, genügt regelmäßig der Hinweis auf die Umstände, die für die Anwendung des Satzes 3 sprechen, etwa auf eine entsprechende Stellungnahme eines Sachverständigen. Der Angeklagte ist unverzüglich wieder zuzulassen, wenn das Gericht seinen Ausschluss nach Satz 3 nicht beschließt. Zum Schutz des Angeklagten, vor allem auch vor den Belastungen durch Bekanntwerden seines Gesundheitszustands,85 ist meist der Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 171b GVG angezeigt.

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79 Rieß/Hilger NStZ 1987 150; Meyer-Goßner/Schmitt 12; SK/Frister 37, aber auch Rn. 41. S. Rn. 17, 26. 80 Vgl. SK/Frister 41. 81 BTDrucks. 10 6124 S. 14; Böttcher JR 1987 140; Hanack JR 1989 255; AK/Meier 8; KK/Diemer 11; MeyerGoßner/Schmitt 12; SK/Frister 40. 82 Nicht dagegen für sonstige Beweiserhebungen, durch die der Angeklagte gesundheitlich belastet werden könnte: BGH StV 1993 285, 286. 83 Vgl. Dallinger JZ 1953 440; AK/Meier 9; ferner Tzschaschel NJW 1990 750 (zu einem Verbot der Weitergabe von Informationen durch den Verteidiger). 84 AK/Meier 9; KK/Diemer 12; Meyer-Goßner/Schmitt 13; Pfeiffer 6; SK/Frister 50. 85 Resultieren die Gefahren für die Gesundheit des Angeklagten allein hieraus, so kann der Ausschluss der Öffentlichkeit ggf. genügen und die Anwendung von Satz 3 überflüssig machen: SK/Frister 48.

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Die Gefahr einer physischen oder psychischen Schädigung des Angeklagten 25 muss allerdings erheblich sein.86 Dies ist etwa der Fall, wenn zu befürchten ist, dass der Angeklagte Selbstmord begeht, falls er durch die Erörterungen Einzelheiten seines Gesundheitszustands oder seiner Behandlungsaussichten erfährt. Der Ausschluss ist jedoch schon dann zulässig, wenn durch die Erörterungen in Gegenwart des Angeklagten ein Heilungserfolg ungünstig beeinflusst wird oder sich sein Befinden durch diese Kenntnis nach Ausmaß und Zeitdauer nicht nur geringfügig verschlechtert. Zu prüfen ist in solchen Fällen aber auch, ob der Ausschluss wirklich im wohlverstandenen Interesse des Angeklagten liegt oder ob ihn der Ausschluss von der Erörterung seines körperlichen oder geistigen Gesundheitszustandes weit mehr belastet als das Anhören eines darüber erstatteten Gutachtens. Dies gilt auch für Gutachten über die psychische Beschaffenheit des Angeklagten, deren belastender, möglicherweise destabilisierender Inhalt vom Angeklagten ohnehin nicht völlig ferngehalten werden kann (Unterrichtung, Urteil)87 und der von ihm mitunter ohne (zusätzlichen) erheblichen Nachteil für seine Gesundheit auch ertragen werden kann, wenn der Sachverständige ihn vorher dem Angeklagten gegenüber angesprochen hatte. Es hängt hier von den zweckmäßigerweise vorher mit dem Sachverständigen und dem Angeklagten zu klärenden Umständen des Einzelfalls ab, ob durch den Ausschluss die konkrete Gefahr eines erheblichen Nachteils für die Gesundheit vermieden werden kann. Der bloße Wunsch des Angeklagten, das Gutachten nicht mit anhören zu müssen, genügt allein nicht.88 5. Verhältnis der Ausschließungsgründe zueinander. Während sich der Anwen- 26 dungsbereich des Satzes 3 mit denjenigen der anderen Ausschließungsgründe kaum überschneidet, werden die Voraussetzungen des Satzes 1 und einer der beiden Alternativen von Satz 2 nicht selten gleichzeitig gegeben sein, so etwa wenn zwischen dem Angeklagten und dem noch nicht 18 Jahre alten Opferzeugen enge Beziehungen insbesondere verwandtschaftlicher Art bestehen. Dem Schutz sonstiger Zeugen vor schwerwiegenden gesundheitlichen Nachteilen wurde schon vor Einfügung der 2. Alternative des Satzes 2 dadurch Rechnung getragen, dass zur Erlangung einer wahrheitsgemäßen Aussage der Angeklagte nach Satz 1 entfernt wurde, wenn anderenfalls wegen der Belastung die Vernehmungsfähigkeit des Zeugen zu entfallen drohte89 oder wenn durch eine Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten Leib oder Leben des Zeugen ernsthaft gefährdet worden wäre.90 Die 2. Alternative des Satzes 2 erfasst unter dem Blickwinkel des Schutzes der Gesundheit des Zeugen auch diese Fälle, schließt die Anwendung des Satzes 1 indessen nicht aus. Sind zwei Ausschließungsgründe nebeneinander anwendbar, steht es im Ermessen des Gerichts, ob es beide oder gegebenenfalls welchen Ausschließungsgrund es anwenden will. Es muss seine Anordnung aber immer entsprechend den Erfordernissen der jeweiligen Regelung(en) stichhaltig begründen (s. Rn. 29). Daher kann ein Ausschluss des Angeklagten nach Satz 1 nicht gestützt auf ein ärztliches Attest angeordnet werden, das es aus medizinischen Gründen für geboten erachtet, eine Begegnung zwischen dem Angeklagten und der traumatisierten Zeugin zu vermeiden.91

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86 S. SK/Frister 47 insbesondere für den Fall, dass der Angeklagte gegen seinen Willen ausgeschlossen wird. 87 KMR/Hiebl 61; SK/Frister 51, 73; SSW/Tsambikakis 25. 88 Vgl. BGH StV 1993 285, 286; Meyer-Goßner/Schmitt 13, SK/Frister 49; nach HK/Julius 4 sollte nicht ohne Einverständnis des Angeklagten nach Satz 3 verfahren werden; krit. auch Hassemer JuS 1986 28 f. 89 BGHSt 22 289, 295 ff.; OLG Hamburg NJW 1975 1573, 1574. 90 S. Rn. 17, 22. 91 OLG Oldenburg StV 2011 219.

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IV. Gerichtliche Anordnung 27

1. Freibeweisliche Überprüfung von Amts wegen. Ob die gesetzlichen Voraussetzungen für den Ausschluss vorliegen, hat das Gericht unter Würdigung aller ihm bekannten Umstände zu entscheiden, wobei ihm ein Beurteilungsspielraum zusteht.92 Die Überprüfung der Ausschließungsgründe geschieht von Amts wegen im Freibeweisverfahren.93 Einen Antrag des Zeugen (Satz 1 und 2),94 des Mitangeklagten (Satz 1) oder des Angeklagten (Satz 3) setzt § 247 nicht voraus, wenngleich die jeweiligen Äußerungen in, aber auch außerhalb der Hauptverhandlung mit unterschiedlichem Gewicht zu berücksichtigen sind (s. Rn. 16, 18, 20 f., 25). Ob eine der in § 247 vorausgesetzten Befürchtungen gegeben ist, stellt eine Prognoseentscheidung dar, bei der regelmäßig die Hypothese zugrunde zu legen ist, dass der Angeklagte die angeklagte Tat begangen hat; diese vorläufige, allein für die Ausgestaltung des Verfahrens relevante Beurteilung kann die Unschuldsvermutung nicht verletzen.95 Anderenfalls hätte insbesondere § 247 Satz 2 kaum einen praktischen Anwendungsbereich. Würde nämlich bis zum Abschluss der Beweisaufnahme eine Falschbezichtigung durch den Opferzeugen unterstellt, wäre für ihn die Anwesenheit des Angeklagten während der Vernehmung regelmäßig zumutbar. Liegen nach der Beurteilung des Tatrichters die Voraussetzungen für den Ausschluss des Angeklagten vor, so hat es das ihm durch § 247 zusätzlich eingeräumte Ermessen, ob er den Angeklagten tatsächlich ausschließt, nach Maßgabe der Aufklärungspflicht auszuüben.96

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2. Anordnung durch Gerichtsbeschluss. Anordnungen nach § 247 Satz 1 bis 3 erfordern einen Beschluss des gesamten Spruchkörpers; eine Verfügung des Vorsitzenden genügt nicht.97 Der Beschluss ergeht auf Antrag oder von Amts wegen nach Anhörung der Beteiligten (§ 33), insbesondere des Angeklagten. Er ist nach § 34 mit Gründen zu versehen und nach § 35 Abs. 1 Satz 1 in Anwesenheit des Angeklagten98 zu verkünden.99 Er muss den Verfahrensteil, von dem der Angeklagte ausgeschlossen wird, eindeutig festlegen, wozu meist die Angabe des jeweiligen Verfahrensvorgangs ausreicht (etwa „Vernehmung des Zeugen …“). Ist der Ausschluss auf einen Teilvorgang begrenzt (Rn. 38), so ist dieser dem Gegenstand nach zu bezeichnen (etwa „soweit … betrifft“).

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92 SK/Frister 53 f.; vgl. – Entscheidung über die Voraussetzungen von § 247 „nach pflichtgemäßem Ermessen“ – BGH NStZ 1987 84, 85; OLG Hamm NStZ 2005 467; KK/Diemer 5, 10; Meyer-Goßner/Schmitt 11. 93 BGH NJW 1998 2541; NStZ 2001 48, 49; 2002 46; NStZ-RR 1997 304; 2004 19, 20. 94 Zur Obliegenheit nach § 406i Abs. 2, einen durch die Tat verletzten Zeugen auf die Möglichkeit des § 247 (Satz 2) hinzuweisen, s. Rn. 20 f. 95 Vgl. BGHR § 74 Ablehnungsgrund 6; a.A. Meyer-Mews NJW 2002 108, der aus der Unschuldsvermutung etwa folgert, dass die Aussage des (einzigen) Belastungszeugen stets nach § 183 GVG wörtlich zu protokollieren sei, da bis zum Beweis des Gegenteils zu unterstellen sei, dass dieser eine Falschaussage begehe. 96 SK/Frister 53 f. 97 RGSt 20 273; BGHSt 1 346, 350; 4 364, 366; 15 194, 196; 22 18, 20; BGH NJW 1976 1108; NStZ 2018 739, 740; StV 1993 285, 286; JZ 1955 386; GA 1968 281; BayObLGSt 1973 160; OLG Hamm StV 2010 65; KK/Diemer 13; KMR/Hiebl 62; Meyer-Goßner/Schmitt 14; SK/Frister 55; a.A. BGH NStZ 2002 46 für den Fall des Ausschlusses des Angeklagten von freibeweislichen Erhebungen, hierzu näher Rn. 55. 98 BGH StV 2000 120, 121; NStZ-RR 2015 51, 52; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1987 17 f.; OLG Schleswig StV 2011 351. 99 BGHSt 1 346, 350; 15 194, 196; BGH NJW 1976 1108; NStZ 1987 84, 85; 2002 44, 45; OLG Schleswig StV 2011 351; OLG Hamm StraFo 2009 287.

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Die Begründung des Beschlusses muss erkennen lassen, welchen Ausschließungs- 29 grund das Gericht für gegeben hält und aus welchen Tatsachen und mit welchen Erwägungen es ihn herleitet.100 Berührt die Entfernung des Angeklagten wichtige Verteidigungsinteressen, wie etwa bei der Vernehmung des Hauptbelastungszeugen, müssen diese und die für den Ausschluss sprechenden Gründe besonders sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Eine Wiederholung des bloßen Gesetzeswortlauts genügt nicht.101 Ein begründeter Beschluss ist auch dann notwendig, wenn alle Beteiligten einschließlich des Angeklagten mit dessen Entfernung einverstanden sind; denn die notwendige Anwesenheit des Angeklagten steht nicht zu seiner Disposition.102 Wird der Ausschluss kumulativ auf mehrere Gründe gestützt, müssen alle begründet werden.103 Der Beschluss ist auslegungsfähig, auch hinsichtlich Gegenstand und Umfang des 30 Ausschlusses. Wird er für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen nur zu einem bestimmten Fragenkomplex angeordnet, so umfasst er alle Vorgänge ohne selbständige Bedeutung, die sich auf diesen Teil der Vernehmung beziehen (Rn. 34 ff.). Die Auslegung des Beschlusses kann jedoch die Zulässigkeit der Abwesenheitsverhandlung nicht über die Grenzen hinaus erweitern, die der Gesetzgeber unter Einschränkung der Verteidigungsrechte des Angeklagten in den einzelnen Fallgruppen des § 247 unterschiedlich gezogen hat. Die Ablehnung eines auf die Entfernung des Angeklagten zielenden Antrags erfor- 31 dert regelmäßig keine weitere Begründung als die, dass zu der beantragten Anordnung nach Lage der Sache kein Anlass bestehe.104 Anders kann es aber liegen, wenn es sich um den Antrag des zu vernehmenden Zeugen handelt, da diesem nach § 305 Satz 2 das Beschwerderecht zusteht.105 3. Veränderung der Verfahrenslage. Ob eine Befürchtung i.S.d. § 247 besteht und 32 ob sie den Ausschluss rechtfertigt, ist auf Grund der Tatsachen zu beurteilen, die dem Gericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung bekannt waren (Beurteilung ex ante).106 Führen später gewonnene Erkenntnisse zu einer anderen Beurteilung dieser Frage, so beseitigt dies die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses nicht rückwirkend. Für die Zukunft allerdings darf das Gericht nicht weiterhin auf Grund des Ausschließungsbeschlusses verfahren. Soweit dieser noch nicht erledigt ist, hat das Gericht ihn – im Interesse der Verfahrensklarheit – förmlich aufzuheben, den Angeklagten unverzüglich wieder zuzuziehen und ihn nach Satz 4 zu unterrichten;107 regelmäßig genügt auch eine entsprechende Anordnung des Vorsitzenden.108 Eine in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführte, noch nicht völlig abge- 33 schlossene Einvernahme eines Zeugen muss das Gericht in einem solchen Fall nicht in

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100 BGH NStZ-RR 2004 118, 119; StV 2003 373; 2014 716 f.; OLG Koblenz MDR 1977 777; GA 1981 475; OLG Oldenburg StraFo 2010 115 f.; ebenso – unter Zugrundelegung eines strengen Maßstabs – OLG Hamm NStZ 2005 467; StV 2010 65, 66; vgl. auch BGH NStZ 1999 419. 101 BGHSt 22 18, 20; BGH NStZ 1999 419, 420; Basdorf FS Salger 204; vgl. aber auch BGH NStZ 1983 324; 2000 328; BGHR § 247 Satz 2 Begründungserfordernis 2. Zur Revisibilität eines derartigen Fehlers s. Rn. 53. 102 BGHSt 22 18, 20; BGH NStZ 1991 296; 2002 44, 45; 2018 739, 740; StV 1993 285; 2003 373; OLG Hamm StV 2010 65; OLG Schleswig StV 2011 351; AK/Meier 11; KK/Diemer 13; Meyer-Goßner/Schmitt 14; SK/Frister 4, 55; a.A. Dahs FS Widmaier 95 ff.; offen gelassen von BGH NStZ 2001 48; s. auch Rn. 5. 103 Vgl. BGHR § 247 Begründungserfordernis 1; OLG Hamm StV 2005 8, 9. 104 RGSt 56 377; SK/Frister 57; vgl. auch Rn. 52 sowie § 34, 6. 105 Vgl. zu § 247a BVerfG NJW 2014 1082 f. 106 BGH NStZ-RR 2002 217; Fischer NJW 1975 2034; AK/Meier 3; KK/Diemer 5; SSW/Tsambikakis 12. 107 Fischer NJW 1975 2035; KMR/Hiebl 28. 108 Meyer-Goßner/Schmitt 6. Die Wiederzulassung ist in der Sitzungsniederschrift zu vermerken.

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dessen Gegenwart wiederholen, wenn es erkennt, dass seine zum Ausschluss führende Befürchtung entfallen ist oder schon von Anfang an nicht begründet war.109 Hatte das Gericht zunächst den Ausschluss rechtsfehlerfrei angeordnet, dann besteht zu einer Wiederholung unter dem Gesichtspunkt der Heilung eines Verfahrensfehlers (s. Rn. 41) kein Anlass. Auf Grund der Pflicht zur „fairen“ Verfahrensgestaltung oder der Aufklärungspflicht kann sich allenfalls bei Vorliegen besonderer Umstände die Notwendigkeit ergeben, dass der Vorsitzende den Zeugen auffordert, eine Aussage von entscheidender Bedeutung in ihren wesentlichen Teilen in Anwesenheit des Angeklagten zu wiederholen.110 Nach Wiederzulassung und Unterrichtung bleibt es dem Angeklagten jedenfalls unbenommen, von seinem Fragerecht umfassend Gebrauch zu machen. V. Dauer und Umfang des Ausschlusses 1. Vernehmung (Satz 1 und 2). In Abwesenheit des Angeklagten sind nach § 247 Satz 1 und 2 nur Vernehmungen von Zeugen – nach Satz 1 daneben auch von Mitangeklagten – gestattet.111 Zu der Vernehmung eines Zeugen gehört die gesamte Anhörung zur Person und Sache einschließlich der Befragung nach § 68112 sowie alle damit unmittelbar zusammenhängenden Verfahrensvorgänge wie Vorhalte, Belehrungen, sonstige die Einvernahme betreffende Anordnungen des Vorsitzenden sowie die Entscheidung des Gerichts hierüber oder über die Zulässigkeit von Fragen (§ 238 Abs. 2, § 242). Die Verfahrensbedeutung solcher Vorgänge muss sich aber ausschließlich in der Ausgestaltung und Durchführung der Vernehmung erschöpfen und darf keine darüber hinausgehende, selbständige Bedeutung haben. Die weiter reichende – für den Ausschluss der Öffentlichkeit nach §§ 171b, 172 GVG maßgebliche – sog. Zusammenhangsformel, der zufolge sich der Ausschluss auf sämtliche Vorgänge erstreckt, die mit der Vernehmung in enger Verbindung stehen oder sich aus ihr entwickeln, gilt für die Entfernung des Angeklagten nicht.113 Alle Prozesshandlungen mit selbständiger Bedeutung und deren Erörterung dürfen infolgedessen nicht in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt werden (zu Einzelfragen s. Rn. 35 f.).114 Von der Vernehmung unabhängige Beweiserhebungen sind vom Ausschluss nicht 35 umfasst: Urkunden dürfen nur in Gegenwart des Angeklagten zu Beweiszwecken verlesen werden, wohingegen während des Ausschlusses Vorhalte an den Zeugen aus Urkunden zulässig sind.115 Gleiches gilt bei Lichtbildern oder sonstigen Gegenständen, die als Vernehmungsbehelf verwendet werden können, während ein förmlicher Augenschein

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109 Roxin/Schünemann § 44, 50; KK/Diemer 5; KMR/Hiebl 27; Meyer-Goßner/Schmitt 3; SSW/Tsambikakis 12; a.A. OLG Hamburg NJW 1975 1573 m. abl. Anm. Fischer S. 2034; SK/Frister 64. 110 Vgl. AK/Meier 3. Da dem Vorsitzenden insoweit ein Beurteilungsspielraum zusteht, setzt eine Verfahrensrüge, mit welcher die fehlende Wiederholung beanstandet wird, grundsätzlich einen Antrag nach § 238 Abs. 2 voraus; vgl. § 238, 46 f. 111 Zu anderen Beweismitteln s. Rn. 9 f. 112 RGSt 38 10; BGH bei Dallinger MDR 1972 199. 113 BGH JR 2003 260 m. zust. Anm. Gössel; Gollwitzer JR 1979 434; AK/Meier 12; KK/Diemer 6; KMR/ Hiebl 78; Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Frister 27; SSW/Tsambikakis 27; a.A. Basdorf FS Salger 206 f., 212 f.; ebenso tendenziell BGH NStZ 2002 384. Die sog. Zusammenhangsformel findet sich für § 247 Satz 1 und 2 auch in BGH NJW 1979 276 m. Anm. Strate 909 und in BGH bei Dallinger MDR 1975 544; s. Rn. 37; zur Entwicklung der Rspr. Meyer-Goßner FS Pfeiffer 311. 114 SSW/Tsambikakis 27. 115 RGSt 29 30; BGHSt 21 332 (dazu Hanack JZ 1972 81); BGH NStZ 1997 402; 2001 262 m. Anm. van Gemmeren; BGH bei Becker NStZ-RR 2006 3; BGH StV 1984 102; 1992 550; 1997 511; bei Holtz MDR 1983 450; OLG Dresden StV 1999 637, 639. Vgl. aber auch BGH NStZ 2002 384 f., wonach es sachgerecht wäre, wenn der Ausschluss eine Verlesung nach § 253 erfassen würde; s. vorst. Fn.

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in Gegenwart des Angeklagten einzunehmen ist.116 Dies hat der 5. Strafsenat des BGH zwar in Zweifel gezogen und es als „sachgerecht“ angesehen, auf den Augenschein, der während des Ausschlusses des Angeklagten in Verbindung mit der Vernehmung des Zeugen eingenommen wird, die sog. Zusammenhangsformel (s. Rn. 34; zur Ablehnung entsprechender Überlegungen im Zusammenhang mit der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen durch den Großen Senat für Strafsachen s. Rn. 36) anzuwenden mit der Folge, dass die Abwesenheit des Angeklagten bei der Augenscheinseinnahme nicht mehr den absoluten Revisionsgrund nach § 230 Abs. 1, § 338 Nr. 5 begründet, sondern nur ein relativer Revisionsgrund gemäß § 337 entsteht, wenn das Augenscheinsobjekt dem Angeklagten nach dessen Wiederzulassung nicht zur Unterrichtung vorgezeigt wird; er hat diese Rechtsauffassung indes nicht zum Gegenstand einer Anfrage bei den anderen Strafsenaten gemacht, sondern diese nur dazu befragt, ob deren Rechtsprechung der von ihm – in Abkehr von früheren Erkenntnissen – beabsichtigten Entscheidung entgegenstehe, dass nicht nur durch die vollständige förmliche Wiederholung des Augenscheins, sondern allein schon durch das Vorzeigen des Augenscheinsobjekts an den wiederzugelassenen Angeklagten der Verfahrensverstoß nach § 230 Abs. 1, § 247 geheilt werde117 (s. dazu näher Rn. 41 f.). Es gilt demgemäß weiterhin, dass die Abwesenheit des Angeklagten bei der Augenscheinseinnahme, wenn dieser Verstoß nicht „geheilt“ wird, einen absoluten und nicht nur einen relativen Revisionsgrund schafft.118 Werden Urkunden oder Augenscheinsobjekte zulässigerweise nur als Vernehmungsbehelfe verwendet, so ist zu beachten, dass nur die Angaben des Zeugen auf die Vernehmungsbehelfe hin bei der Urteilsfindung berücksichtigt werden können.119 Im Fall einer Anordnung nach § 247 Satz 2 Alt. 1 kann ein zulässiger Vernehmungsbehelf auch darin zu sehen sein, dass bei der Vernehmung eines kindlichen Zeugen in Abwesenheit des Angeklagten die Eltern zur Person des Kindes gehört werden.120 Die Vereidigung des Zeugen ist ebenso wie die Verhandlung hierüber nicht Teil der 36 Vernehmung, sondern ein Verfahrensvorgang mit eigenständiger Bedeutung.121 Gleiches gilt für die Verhandlung über seine Entlassung (§ 248),122 auch wenn es sich um die Ent-

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116 BGH JR 2003 260 m. Anm. Gössel; NStZ 1986 564; 1987 471; 2001 262 m. Anm. van Gemmeren; 2002 384; 2014 223; bei Becker NStZ-RR 2003 3; 2005 260; BGH NStZ-RR 2014 53 f.; BGH StV 1981 57 m. Anm. Strate; 1984 102; 2000 238 Ls.; 2002 8 Ls.; 2005 6; vgl. auch BGH bei Dallinger MDR 1974 367; AK/Meier 12; HK/Julius 9; KK/Diemer 8; KMR/Hiebl 93; Meyer-Goßner/Schmitt 7; SK/Frister 28; zum Augenschein am Körper eines Opferzeugen s. Rn. 9. 117 BGH StV 2009 226 m. abl. Anm. Schlothauer; abl. Bespr. auch von Wölky StraFo 2009 397. 118 BGH NStZ 2011 51. 119 BGHSt 14 310, 312; 21 332, 333; BGH bei Becker NStZ-RR 2006 3; OLG Schleswig bei Döllel/Dreeßen SchlHA 2005 260.; s. auch bei § 249. 120 BGH NStZ 1994 354; HK/Julius 9; Meyer-Goßner/Schmitt 11. 121 RGSt 39 356; BGHSt 8 301, 310; 22 289, 297; 26 218; 48 221, 231; BGH NJW 1976 1108; 1986 267; 2004 1187; NStZ 1982 256; 1983 181; 1985 136; 1986 133; 1999 522; 2000 440; 2006 713; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 355; 1985 493; 1986 209; 1987 17; 1988 19; BGH NStZ-RR 1997 105; 1999 175; StV 1983 3; 1984 102; 1988 6; 1991 451; 1996 530; bei Holtz MDR 1978 460; BayObLG StV 2005 7; OLG Dresden StV 1999 637, 638; AK/Meier 12; HK/Julius 9; KK/Diemer 7; KMR/Hiebl 83; Meyer-Goßner/Schmitt 8; SK/Frister 31; SSW/Tsambikakis 29; a.A. Basdorf FS Salger 208; Eb. Schmidt 7. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Verhandlung über die Vereidigung einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung darstellt; s. Rn. 55 f. 122 BGH NJW 1986 267; 2004 1187; NStZ 1987 335; 1988 469; 1991 296; 2000 440; 2006 713; 2007 352; 2010 227; 2015 104 f.; bei Kusch NStZ 1992 28; 1993 28; BGH NStZ-RR 1999 175; 2011 151, 152; StV 1983 3; 1991 451; 1992 359; 1992 550, 551; 1996 471; 2000 240; 2012 519; BayObLG StV 2005 7; OLG Düsseldorf VRS 91 (1997) 365; OLG München Rpfleger 2014 160; Krey GedS Meyer 247; Meyer-Goßner FS Pfeiffer 319; KMR/Hiebl 79 f.; SK/Frister 30; SSW/Tsambikakis 29.

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lassung nach einer Nachvernehmung handelt.123 Dies hat der Große Senat für Strafsachen des BGH auf Vorlage des 5. Strafsenats bestätigt. Dieser wollte in Abkehr von bisheriger Rechtsprechung die Verhandlung über die Entlassung des Zeugen als Teil der Vernehmung i.S.d. § 247 Satz 1 und 2 behandeln und damit insoweit die beim Ausschluss der Öffentlichkeit gebräuchliche Zusammenhangsformel (s. Rn. 34) auch für § 247 fruchtbar machen.124 Demgegenüber hat der Große Senat mit Recht betont, dass im Hinblick auf die unterschiedlichen Funktionen des Anwesenheitsrechts des Angeklagten in der Hauptverhandlung einerseits (Gewährleistung des rechtlichen Gehörs und der Möglichkeit angemessener Verteidigung) und des Öffentlichkeitsgrundsatzes andererseits eine Übernahme der Zusammenhangsformel für § 247 nicht in Betracht kommt, vielmehr der Begriff der Vernehmung in § 247 Satz 1 und 2 restriktiv auszulegen ist.125 Ein abweichendes Verständnis wäre im Übrigen mit § 248 Satz 2 nur schwer vereinbar. Die Verhandlungen über Vereidigung und Entlassung des Zeugen haben daher stets in Gegenwart des Angeklagten erst nach dessen Unterrichtung (§ 247 Satz 4) stattzufinden (zur Möglichkeit der Heilung eines entsprechenden Verfahrensverstoßes s. Rn. 41b); denn bei eng wortlautgebundener Auslegung umfasst der Begriff der Vernehmung – auch aus Sicht des Zeugen selbst – diese Verfahrensvorgänge nicht. Entsprechendes gilt für die Durchführung einer angeordneten Vereidigung. Durch die Anwesenheit des Angeklagten werden seine Verteidigungsrechte in dem gebotenen Umfang gewahrt, während seine weitere Abwesenheit vom Gesetzeszweck des § 247 Satz 1 und 2 nicht mehr legitimiert wäre; seine Anwesenheit bei diesen Verfahrensteilen liegt darüber hinaus regelmäßig auch im objektiven Interesse der Wahrheitsermittlung. Denn hierdurch wird sichergestellt, dass auch alle aus der Sicht des Angeklagten erforderlichen Vorhalte und Nachfragen an den Zeugen gerichtet werden können, was wiederum dem Zeugen die Möglichkeit gibt, seine Aussage auf Grund der Einwände und Fragen zu präzisieren, zu ergänzen oder auch zu berichtigen.126 Gleichermaßen wird dem Angeklagten Gelegenheit gegeben, vor der Entscheidung über die Vereidigung die insoweit von seinem Standpunkt aus bedeutsamen Gesichtspunkte geltend zu machen. Soweit der Schutzzweck – insbesondere von Satz 2 – es erfordert, kann der Angeklagte für die weiteren Angaben des Zeugen wieder entfernt werden; die Vorhalte und Fragen an den Zeugen, die der Angeklagte nach seiner Wiederzulassung macht bzw. stellt, sind nach den Umständen des Einzelfalls in Abwesenheit des Angeklagten an den Zeugen weiterzugeben.127 Es kann sogar geboten sein, dass der Angeklagte dem Zeugen überhaupt nicht persönlich gegenübertritt. Wenn sich das Gericht in diesen Fällen entschließt, nach § 247 vorzugehen, ist es angezeigt, den Zeugen auch jeweils abtreten zu lassen, bevor unter Zuziehung des Angeklagten über Vereidigung und Entlassung verhandelt wird. Unter der gleichen Voraussetzung ist es aus-

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123 BGH StV 2015 87, 88 m. Anm. Ventzke. 124 BGH StV 2009 342 (Anfragebeschluss nach § 132 Abs. 3 Satz 1 und 3 GVG) m. abl. Anm. Eisenberg, abl. auch Wölky StraFo 2009 397; BGH NJW 2010 1012 (Vorlageschluss) m. abl. Anm. Bung HRRS 2010 50; de lege ferenda ähnlich, allerdings kombiniert mit einer Bild-Ton-Übertragung der Zeugenvernehmung und der damit verbundenen Verhandlungsteile zu dem (anwaltlich verteidigten) Angeklagten: Dahs FS Paeffgen 559 ff. 125 BGHSt 55 87 = BGH NStZ 2011 47 m. Anm. Fezer. 126 S. demgegenüber § 244, 175 f. zu den besonderen Voraussetzungen für eine erneute Vernehmung des Zeugen nach dessen Entlassung; den angedachten Modifikationen dieser Grundsätze für den Fall, dass der Angeklagte bei der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen noch gemäß § 247 Satz 1 oder 2 ausgeschlossen war (vgl. BGH StV 2000 238; 2009 342, 344; NJW 2010 1012, 1014), hat der GSSt eine Absage erteilt: BGHSt 55 87, 93 = BGH NStZ 2011 47, 49 m. Anm. Fezer; s. auch BGH NStZ 2015 104 f. 127 BGHSt 22 289, 296; 55 87, 91 (GSSt); BGH NJW 1985 1478, 1479; GA 1970 111, 112; bei Dallinger MDR 1969 17; Gollwitzer JR 1976 341; Meyer-Goßner FS Pfeiffer 320 f.; KK/Diemer 7a; KMR/Hiebl 149; MeyerGoßner/Schmitt 18. Zur Unterrichtungspflicht in diesen Fällen s. Rn. 49.

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nahmsweise zulässig, den Angeklagten bei einer Vereidigung selbst wieder auszuschließen.128 Andere Prozesshandlungen, die vom Ausschluss nicht umfasst sind, liegen na- 37 mentlich vor, wenn die Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Zeugen erörtert,129 dessen Identität von einem weiteren Zeugen bestätigt wird130 oder die übrigen Prozessbeteiligten von der Vernehmung des Zeugen absehen.131 Verhandlung und Entscheidung über den Ausschluss der Öffentlichkeit während einer in Abwesenheit des Angeklagten durchzuführenden Vernehmung gehören nicht zu dieser Vernehmung, sondern bilden einen eigenständigen Verfahrensvorgang. Die Anordnung nach § 247 Satz 1 und 2 erstreckt sich daher nicht auf diesen Vorgang; vielmehr muss der Angeklagte vor der Entscheidung über den Öffentlichkeitsausschluss angehört werden.132 Auch für einen Teil der Vernehmung eines Zeugen kann der Angeklagte entfernt 38 werden,133 sogar für einzelne Fragen. Die Notwendigkeit einer Anordnung nach § 247 wird mitunter erst im Verlauf einer Vernehmung erkennbar werden. Umgekehrt kann sich bei fortschreitender Vernehmung ergeben, dass die Befürchtung, die die Entfernung des Angeklagten rechtfertigt, nicht mehr besteht. Da die Entfernung nicht länger als nötig dauern darf, muss dann das Gericht den Angeklagten unter Umständen schon vor Abschluss der Vernehmung wieder an der Verhandlung teilnehmen lassen (s. Rn. 32). 2. Erörterung (Satz 3). Der Begriff der „Erörterungen“ in § 247 Satz 3 ist weiter als 39 derjenige der „Vernehmung“ in § 247 Satz 1 und 2. Beim Ausschluss des Angeklagten während der Dauer von Erörterungen über seinen Gesundheitszustand und seine Behandlungsaussichten sind die Verfahrensvorgänge, welche der Ausschluss umfasst, nur thematisch begrenzt. Diese Grenze darf nicht überschritten werden. Satz 3 kennt dementsprechend auch keine Beschränkung auf bestimmte Auskunftspersonen (Zeugen oder Mitangeklagte). Der Ausschluss kann vielmehr die Verwendung aller Beweismittel erfassen, aber auch sonstige Vorgänge außerhalb einer Beweiserhebung (Plädoyer usw.), die mit Ausführungen gleich welches Beteiligten über Gesundheitszustand oder Behandlungsaussichten des Angeklagten in der Hauptverhandlung einhergehen.134 Sein Hauptanwendungsgebiet ist zwar die Vernehmung medizinischer Sachverständiger; er gilt aber nach Wortlaut und Sinn unter anderem auch für andere Beweismittel wie etwa den Zeugen- oder den Urkundsbeweis. Bezieht sich der Ausschluss beispielsweise auf die Einvernahme eines Zeugen, so kann er sich auch auf die Verhandlung über dessen Ver-

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128 BGHSt 37 48; BGH NJW 1985 1478; NStZ 1985 136; StV 1996 471, 472; Krey GedS Meyer 247 ff.; MeyerGoßner FS Pfeiffer 322 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 9; SK/Frister 45; KK/Diemer 7a hält diese Rechtsprechung durch die Entscheidung des GSSt für überholt. Zur Revisibilität von mit Vereidigung und Entlassung zusammenhängenden Verstößen gegen § 247 s. Rn. 54 ff. 129 BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1987 17; BGH StV 1987 377; KK/Diemer 8; SK/Frister 30; vgl. auch BGH StV 2006 459 m. abl. Anm. Ventzke. 130 BGH StV 1993 343 (mit Hinweis, dass der Ausschluss des Angeklagten auch auf die Vernehmung dieses – weiteren – Zeugen hätte erstreckt werden können). 131 BGH bei Holtz MDR 1983 282. 132 RGSt 18 138; Park NJW 1996 2215; AK/Meier 12; KMR/Hiebl 86 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Frister 30; SSW/Tsambikakis 30; vgl. auch BGH NStZ-RR 1996 139, 140 („rechtlich nicht unbedenklich“); a.A. BGH NJW 1979 276 m. abl. Anm. Strate S. 909 = JR 1979 434 m. abl. Anm. Gollwitzer; NJW 1994 271; NStZ 1994 354; StV 1995 250 m. abl. Anm. Stein; Basdorf FS Salger 207; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 11 (bei Ausschluss des Angeklagten nach Satz 2). 133 BGHSt 22 289, 297; BGH bei Dallinger MDR 1975 544; KK/Diemer 6; KMR/Hiebl 74; Meyer-Goßner/ Schmitt 6. 134 KK/Diemer 12; SK/Frister 52.

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eidigung und Entlassung erstrecken.135 Da der Ausschluss des Angeklagten thematisch begrenzt wird, ist es zweckmäßig, die das Thema betreffenden Fragen zur Vermeidung einer wiederholten Entfernung möglichst in einem geschlossenen Block zu verhandeln, der auch schon diesbezügliche Zwischenplädoyers umfassen kann. In den Schlussplädoyers kann dann darauf Bezug genommen und auf nähere Erörterungen verzichtet werden, so dass sich dadurch eine nochmalige Entfernung des Angeklagten eventuell erübrigt. 40

3. Sonstige Verfahrensvorgänge werden auch dann nicht von einem Ausschluss nach § 247 erfasst, wenn sie während des Verfahrensteils anfallen, für den der Angeklagte ausgeschlossen worden ist. Sie müssen aufgeschoben werden, bis der Angeklagte wieder anwesend ist. Ist ein Aufschub der Erörterung und der Entscheidung des Gerichts nicht möglich, so muss der Angeklagte insoweit zunächst wieder zugezogen werden. Dies gilt vor allem, wenn eine Entscheidung des Gerichts notwendig wird, zu der der Angeklagte zur Wahrung seiner Verteidigungsinteressen anzuhören ist.

4. Heilung. Ein Verfahrensvorgang, der zu Unrecht in Abwesenheit des Angeklagten stattgefunden hat, kann und muss in seiner Gegenwart wiederholt werden; die bloße nachträgliche Unterrichtung genügt im Allgemeinen zur Heilung nicht.136 Die Heilung durch Wiederholung einer Beweiserhebung tritt unabhängig davon ein, ob das Gericht den Verfahrensfehler überhaupt bemerkt hat.137 Ist eine Urkunde zu Beweiszwecken138 verlesen worden, so kann der Verfahrensverstoß daher behoben werden, indem das Gericht die Verlesung nach Wiedereintritt des Angeklagten wiederholt.139 Dies gilt auch, wenn in Abwesenheit des Angeklagten ein Teil der Niederschrift einer früheren Vernehmung des Zeugen verlesen wurde.140 Die Heilung kann jedoch grundsätzlich nicht dadurch geschehen, dass die während des Ausschlusses zu Beweiszwecken verlesene Urkunde später in Gegenwart des Angeklagten einem anderen Zeugen vorgehalten wird.141 41a In den Fällen, in denen es in Abwesenheit des Angeklagten zur Einnahme eines Augenscheins kommt, ist die frühere Rechtsprechung des BGH hier bisher einheitlich dahin verstanden worden,142 dass dieser Verstoß nur durch förmliche Wiederholung des Augenscheins in Gegenwart des Angeklagten in der Weise geheilt werden kann, dass nicht nur dieser, sondern auch die Richter und die Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit haben, das Augenscheinsobjekt nochmals zu besichtigen,143 während die Anwesenheit 41

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135 Vgl. BGH NStZ 2002 216, 217 m. Anm. Eisenberg S. 331 zum Begriff der „Erörterung“ in § 51 Abs. 1 JGG. 136 BGHSt 30 74; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985 496; BGH StV 1997 511, 512; H. Müller JR 2007 80 („in den meisten Fällen“); vgl. Vor § 226, 72 f. 137 Maier NStZ 2003 676. 138 Zur Verwendung einer Urkunde als Vernehmungsbehelf s. Rn. 35, 51. Entgegen Hanack JZ 1972 81 muss, falls die Verlesung nur zum Zweck eines Vorhalts erfolgte, diese nicht wiederholt werden. 139 RGSt 29 30; 38 432, 433; BGH NStZ 2001 262, 263; StV 1984 102; AK/Meier 12; HK/Julius 18; KK/Diemer 17; KMR/Hiebl 152; Pfeiffer 10; SK/Frister 61. 140 RG Recht 1922 Nr. 1745. 141 BGH bei Becker NStZ-RR 2006 3. 142 S. LR/Becker26 41. 143 Vgl. BGH NJW 1990 2633; NStZ 1986 564; 2001 262, 263; StV 1981 57 m. Anm. Strate; 1984 102, 103; 1986 418; 1989 192; 2000 238 Ls.; 2002 8 Ls.; 2005 6, 7; Roxin/Schünemann § 44, 50; KMR/Hiebl 153; SK/Frister 61; vgl. auch zu dem Sonderfall eines Beweisobjekts, dessen Inaugenscheinnahme in Anwesenheit des Angeklagten die zuständige Behörde analog § 96 gesperrt hat, OLG Karlsruhe NStZ-RR 2008 315. Nach BGH NStZ 1987 471 genügt hier der Hinweis, dass die Bilder nochmals angesehen werden können (konkludente Beteiligung); insoweit offen gelassen von BGH StV 1989 192.

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des Zeugen, für dessen Vernehmung der Ausschluss angeordnet worden war und der in dieser zum Augenscheinsobjekt gehört wurde, grundsätzlich nicht geboten ist.144 Auf Anfrage des 5. Strafsenats des BGH145 bei den übrigen Strafsenaten hat sich indes herausgestellt, dass allein in Erkenntnissen dieses Senats146 tragend davon ausgegangen worden ist, der Verfahrensverstoß könne nur durch förmliche Wiederholung des Augenscheins ausgeräumt werden.147 Daraufhin hat der 5. Strafsenat seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben und nunmehr entschieden, dass es zur Heilung des Verfahrensverstoßes bereits ausreiche, wenn dem Angeklagten das in seiner Abwesenheit in Augenschein genommene Objekt bei seiner Unterrichtung nach § 247 Satz 4 gezeigt wird.148 Dem ist nicht zuzustimmen. Das Gesetz sieht als hinreichenden Ausgleich für die Beschränkungen, die ein Angeklagter durch seine Abwesenheit bei einem Teil der Beweisaufnahme in seinen Verteidigungsrechten erleidet, dessen Information über das während seiner Abwesenheit stattgefundene Geschehen nur in spezifisch geregelten Einzelfällen als ausreichend an, in denen er aus übergeordneten Gesichtspunkten unfreiwillig aus der Hauptverhandlung ausgeschlossen worden ist (§ 231a Abs. 2, § 231b Abs. 2, § 247 Satz 4). Diese Regelungen können nicht ohne weiteres auf Fälle übertragen werden, in denen das Gericht den Angeklagten ohne Rechtsgrundlage aus der Hauptverhandlung entfernt hat. Hier gilt vielmehr: Der Angeklagte hat ein Recht auf Anwesenheit bei der formgerecht durchgeführten Beweiserhebung, nicht nur auf nachträgliche – mehr oder weniger umfassende – Information hierüber.149 Deshalb wird – wenn es schon zu einem derartigen Verfahrensfehler gekommen ist – in aller Regel der betroffene Verfahrensteil in vollem Umfang in der gebotenen Form zu wiederholen sein, um den Fehler auszuräumen. Es handelt sich hierbei in der Sache auch weniger um eine Heilung des Verstoßes als um die erstmalige formgerechte Durchführung der entsprechenden Verfahrenshandlung. Von einer Heilung des Verfahrensverstoßes sollte demgegenüber eigentlich nur dann gesprochen werden, wenn die Einbußen, die der Angeklagte durch seine Abwesenheit in seinen Verfahrensrechten erleidet, vom Gericht durch andere Maßnahmen als die formgerechte Wiederholung des betreffenden Verhandlungsteils in einer Weise ausgeglichen werden, dass jede Benachteiligung des Angeklagten ausgeschlossen wird.150 Derartiges könnte allerdings – und insoweit ist der Entscheidung des 5. Strafsenats im Ausgangspunkt beizupflichten – angesichts der Besonderheiten und der Überschaubarkeit des Augenscheinsbeweises auch bei dessen prozessordnungswidriger Durchführung in Abwesenheit des Angeklagten erwogen werden. Indes genügt es hierfür nicht, dass dem Angeklagten nach Wiederzulassung das Augenscheinsobjekt lediglich vorgezeigt wird; denn die formelle Augenscheinseinnahme muss sich nicht in einem bloßen Betrachten des Gegenstands erschöpfen. Zwar hat das Gericht bei der Augenscheinseinnahme grundsätzlich nicht mitzuteilen, welche seiner Beobachtungen für die Beweiswürdigung und die Urteilsfindung erheblich sein können und dies mit den übrigen Verfahrensbeteiligten zu erörtern;151 denn § 86 gilt für den Augenschein in der

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144 Vgl. BGH NStZ 1987 471, 472; StV 2008 174, 175: „nicht unbedingt geboten“. Zur Verwendung eines Augenscheinsobjekts als Vernehmungsbehelf s. Rn. 35, 51. 145 BGH StV 2009 226 m. abl. Anm. Schlothauer; abl. auch Wölky StraFo 2009 397. 146 BGH StV 1981 57; 1986 418; 1989 192. 147 Vgl. die Antwortbeschlüsse der anderen Strafsenate: 1 ARs 6/09 v. 22.4.2009; 2 ARs 138/09 v. 17.6. 2009; 3 ARs 7/09 v 7.7.2009 = StRR 2009 362 Ls.; 4 ARs 7/09 v. 25.8.2009. 148 BGHSt 54 184 = NStZ 2010 162 m. abl. Anm. Erb S. 347; abl. auch Bung HRRS 2010 53 f.; KK/Diemer 8; SSW/Tsambikakis 43; s. BGH NStZ 2014 223 f. 149 Vgl. Erb NStZ 2010 347 f. 150 Vgl. Vor § 226, 73. 151 A.A. Schlothauer StV 2009 229 m.w.N.; Bung HRRS 2010 53 f.

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Hauptverhandlung nicht und auch bei der Nutzung sonstiger Beweismittel ist derartiges nicht vorgesehen. Jedoch sind solche Mitteilungen und Erörterungen auch nicht ausgeschlossen. Daher ist auf jeden Fall zusätzlich zu verlangen, dass der Angeklagte auch darüber unterrichtet wird, ob und gegebenenfalls mit welchem Inhalt derartige Erklärungen seitens des Gerichts oder anderer Verfahrensbeteiligter (§ 257 Abs. 2) anlässlich des Augenscheins in seiner Abwesenheit abgegeben worden sind.152 Dies müsste im Übrigen auch geschehen, wenn der Augenschein förmlich wiederholt wird und die früheren Erklärungen nun nicht erneuert werden. War der Angeklagte während der Verhandlung über die Vereidigung ausgeschlos41b sen, kann dies dadurch geheilt werden, dass das Gericht bei einer nochmaligen Vernehmung des Zeugen in Anwesenheit des Angeklagten über die Vereidigung verhandelt153 oder dass der Angeklagte von der Entscheidung über die Nichtvereidigung des Zeugen während der Verhandlung über dessen Entlassung unterrichtet wird und dadurch Gelegenheit erhält, auf eine nachträgliche Korrektur dieser Entscheidung hinzuwirken. Nach Abschaffung des § 61 Nr. 5 a.F. durch das 1. JuMoG ist es nicht mehr erforderlich, dass der Angeklagte der Nichtvereidigung ausdrücklich oder zumindest konkludent zustimmt bzw. diese billigt.154 War der Angeklagte während der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen noch nicht wieder zugelassen, so soll dieser Verfahrensverstoß nach Auffassung des Großen Senats für Strafsachen des BGH zunächst dadurch geheilt werden können, dass der Angeklagte bei seiner Unterrichtung nach § 247 Satz 4 mitteilt, keine Fragen mehr an den Zeugen stellen zu wollen, oder eine entsprechende Erklärung abgibt, nachdem die verfrühte Entlassung des Zeugen bemerkt worden ist.155 Insoweit fällt zunächst auf, dass nur nach einer der vom Großen Senat für seine Ansicht angeführten Entscheidungen der ausdrückliche oder konkludente Verzicht des (nach § 247 Satz 4 unterrichteten) Angeklagten auf eine weitere Befragung des Zeugen eine Heilung des Verfahrensverstoßes bewirken soll,156 während ein anderes der zitierten Judikate aufgrund des (konkludenten) Verzichts des Angeklagten die Verhandlung über die Entlassung des Zeugen als lediglich unwesentlichen Teil der Hauptverhandlung einstuft und aus diesem Grund der Verfahrensrüge nach § 338 Nr. 5 den Erfolg versagt,157 und sich die beiden übrigen herangezogenen Entscheidungen nicht eindeutig dazu verhalten, welcher der alternativen dogmatischen Ansätze zur Unbegründetheit der Rüge nach § 338 Nr. 5 führen soll.158 Unabhängig von diesen rechtstheoretischen Feinheiten unterliegt die plakativ undifferenzierte Aussage des Großen Senats Bedenken. Denn die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen besteht nicht allein in der Befragung des Angeklagten, ob er noch Fragen an den Zeugen stellen will oder mit dessen Entlassung einverstanden ist; vielmehr sind die anderen frageberechtigten Prozessbeteiligten hierzu ebenfalls anzuhören (s. § 248, 8). Auch hierbei hat der Angeklagte das Recht auf Anwesenheit. Ist er

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152 Vgl. KK/Diemer 8. 153 BGHSt 48 221, 231 f. = NStZ 2003 559 m. Anm. Maier S. 674; BGH NStZ 2002 46. 154 So vor dem 1. JuMoG noch BGH NStZ 2000 440 f.; bei Kusch NStZ-RR 2000 291. 155 BGHSt 55 87, 94 = NStZ 2011 47, 49 m. Anm. Fezer; so auch KMR/Hiebl 154. 156 BGH NStZ 2000 440; ebenso: BGH bei Kusch NStZ-RR 2000 291. 157 BGH NStZ 1999 44; ebenso: BGH NJW 1998 2541, 2542; NStZ 2000 440 f.: BGH Beschl. v. 10.8.1995 – 5 StR 272/95; so jetzt auch BGH StV 2011 520 m. Anm. abl. Ventzke, für den Fall, dass dem abwesenden Angeklagten die Vernehmung des Zeugen und die Verhandlung über dessen Entlassung im Wege der BildTon-Übertragung übermittelt worden ist und dieser auf diesem Wege vom Vorsitzenden befragt erklärt, er wolle von seinem Fragerecht keinen Gebrauch machen (vgl. Rn. 48); dagegen auch SK/Frister 86; s. auch BGH NStZ 2006 713, 714 in ähnlicher Konstellation: nichts spricht für die Annahme eines wesentlichen Verhandlungsteils, jedenfalls jegliches Beruhen denkgesetzlich ausgeschlossen; BGH Urt. v. 27.1.2011 – 5 StR 482/10 Rn. 8. 158 BGH NJW 1998 2541 f.; StV 2000 240; ebenso: BGHR § 247 Abwesenheit 16.

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verfahrensfehlerhaft abwesend, so erfährt er nicht, ob und wie sich die anderen Beteiligten zur Frage der Entlassung des Zeugen geäußert haben und was hierzu gegebenenfalls verhandelt worden ist. Dieses Informationsdefizit ist nicht schon dadurch ausgeglichen, dass der Angeklagte über die Aussage des Zeugen unterrichtet wird (§ 247 Satz 4)159 und allein auf dieser Grundlage auf weitere Fragen an den Zeugen verzichtet. Damit ist weder der fehlerhafte Verfahrensvorgang rechtsfehlerfrei wiederholt160 (s. Vor § 226, 72) noch der Schutz- und Regelungszweck der verletzten Norm (hier: § 230 Abs. 1) nachträglich in einer solchen Weise verwirklicht, dass dem Angeklagten durch den Verfahrensfehler kein nennenswerter Nachteil mehr verbleibt (s. oben Rn. 41a). Daher wird eine „Heilung“ des Verfahrensverstoßes wohl zusätzlich voraussetzen, dass der Angeklagte vorab auch vom Inhalt der in seiner Abwesenheit durchgeführten Verhandlung über die Entlassung des Zeugen Kenntnis erhält.161 Entsprechendes gilt für die vom Großen Senat aufgezeigte zweite Möglichkeit der „Heilung“. Danach soll der Verfahrensverstoß dann ausgeglichen sein, wenn dem Wunsch des nach § 247 Satz 4 unterrichteten Angeklagten nach weiterer Befragung entsprochen und ihm durch erneute Ladung des Zeugen die Möglichkeit verschafft wird, seine Fragen an diesen zu richten.162 Auch hierdurch allein wird das oben dargestellte Informationsdefizit des Angeklagten nicht ausgeglichen. Bleibt es bestehen, so kommt in beiden Sachverhaltskonstellationen demgemäß allenfalls noch die – ebenfalls nicht unproblematische – einzelfallbezogene Prüfung in Betracht, ob die in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführte Verhandlung über die Entlassung des Zeugen ohne sachlichen Gehalt war und daher keinen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung darstellte. VI. Unterrichtung des Angeklagten (Satz 4) 1. Zweck. Die in Satz 4 zwingend vorgeschriebene Unterrichtung dient dazu, dem 42 Angeklagten hinsichtlich der in seiner Abwesenheit durchgeführten Verhandlungsteile nachträglich rechtliches Gehör zu gewähren. Der Angeklagte soll weitestgehend so gestellt werden, wie er ohne seine zwangsweise Entfernung gestanden hätte.163 Die Pflicht zur Unterrichtung entsteht nach jedem einzelnen in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführten Verhandlungsvorgang nach dessen Wiedereintritt neu. Der Vorsitzende hat sie von Amts wegen nach Möglichkeit in Anwesenheit des Vernommenen zu erteilen.164 Zwingend vorgeschrieben ist dies aber nicht; der fortbestehende Ausschließungsgrund kann der Anwesenheit des Vernommenen bei der Unterrichtung entgegenstehen,165 was allerdings nur im Fall einer Zeugeneinvernahme in Betracht kommt.166 Der

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159 BGH bei Cierniak/Zimmermann NStZ-RR 2014 132 erwägt demgegenüber sogar, dass der Verstoß gegen § 230 Abs. 1 dann geheilt sein könnte, wenn der Angeklagte, der die Vernehmung des Zeugen mittels Videoübertragung mitverfolgen konnte, noch vor Unterrichtung nach § 247 Satz 4 auf dessen Befragung verzichtet. 160 Fezer NStZ 2011 49. 161 Ähnliche Erwägungen klingen an bei BGH Beschl. v. 10.8.1995 – 5 StR 272/95: Die in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführte Verhandlung über die Entlassung des Zeugen sei im konkreten Fall kein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung, weil hierbei keine weitere Erörterung tatsächlicher oder rechtlicher Fragen mehr stattgefunden habe. 162 BGHSt 55 87, 94; so auch schon BGHSt 30 74, 76; 48 221, 231; ebenso KMR/Hiebl 154. 163 BGHSt 3 384, 386; 38 260; BGH NStZ 2010 465; bei Kusch NStZ-RR 1998 261; BGH StV 1997 511, 512; vgl. auch BGH NJW 1988 429, 430. 164 Vgl. BGH NJW 1957 1161; NStZ 1983 181. 165 BGH NJW 1985 1478, 1479; bei Dallinger MDR 1969 17; Gollwitzer JR 1976 341; HK/Julius 10; MeyerGoßner/Schmitt 15; SK/Frister 71. 166 Zur Einvernahme von Mitangeklagten s. Rn. 47.

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Angeklagte kann nicht wirksam auf die Unterrichtung verzichten.167 Diese wird auch nicht dadurch entbehrlich, dass ein Verteidiger des Angeklagten anwesend war, der ihn informieren konnte168 oder dass die Aussage des Mitangeklagten oder Zeugen unergiebig war, namentlich weil der Vernommene während des Ausschlusses nichts gesagt hatte, was er nicht schon vorher in Gegenwart des Angeklagten angegeben hatte;169 besteht ihr Zweck doch auch darin, dem Angeklagten die Unsicherheit hinsichtlich des in seiner Abwesenheit Verhandelten zu nehmen. 43

2. Die Form der Mitteilung ist im Gesetz nicht bestimmt. Der Vorsitzende kann die ihm geeignet erscheinende Form im Rahmen der Verhandlungsleitung (§ 238 Abs. 1) nach pflichtgemäßem Ermessen wählen.170 Als Mittel der Unterrichtung kommt dabei auch eine zeitgleiche Bild-Ton-Übertragung in Betracht (s. Rn. 48). Demgegenüber genügt es regelmäßig nicht, wenn der Vorsitzende die Mitteilung lediglich in einen Vorhalt kleidet;171 dies ist allenfalls bei Angaben eines Mitangeklagten vorstellbar. Wenn der Angeklagte bei seiner Vernehmung darauf hingewiesen worden ist, dass und inwiefern seine Angaben von der Aussage abweichen, die ein Zeuge im Ermittlungsverfahren gemacht hat, kann es im Einzelfall genügen, wenn ihm nach der Vernehmung des Zeugen mitgeteilt wird, dieser sei bei der früheren Aussage geblieben.

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3. Über den Inhalt der Unterrichtung entscheidet der Vorsitzende ebenfalls nach pflichtgemäßem Ermessen.172 Zum wesentlichen Inhalt, über den der Vorsitzende den Angeklagten zu unterrichten hat, gehört alles, was der Angeklagte wissen muss, um sich sachgerecht verteidigen zu können.173 Insoweit ist der Vorsitzende gehalten, das durch die Entfernung entstandene Informationsdefizit des Angeklagten auszugleichen. Was für dessen Verteidigung wichtig sein kann, hat er auf Grund der Einlassung des Angeklagten und der Umstände des jeweiligen Falls zu entscheiden.174 Er muss dabei berücksichtigen, dass das Verteidigungsinteresse über den konkreten Vorwurf der Anklage hinausreichen kann und dass – als Konsequenz aus dem Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) – das spätere Urteil nicht auf Beweisergebnisse gestützt werden darf, über die der Angeklagte nicht unterrichtet wurde.175 Neben dem sachlichen Inhalt und mitunter auch der Form einer Aussage sowie der Berufung auf ein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht176 können auch die Personalien eines Zeugen Entscheidungsrelevanz haben.177 Geht der Mitangeklagte oder Zeuge hinreichend auf Vorhalte und Fragen ein, so

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167 BGHSt 38 260, 261; BGH NStZ 1998 263 m. Anm. Widmaier; BGH bei Kusch NStZ-RR 1998 261. 168 BGH NJW 1957 1161; 1957 1326, 1327; Meyer-Goßner/Schmitt 15; SK/Frister 66. 169 BGHSt 1 346, 350 f.; BGH StV 1993 287; 2002 353; KK/Diemer 14; SK/Frister 74. 170 BGHSt 51 180, 181; KK/Diemer 15; SK/Frister 71. 171 SK/Frister 71. 172 BGHSt 51 180, 181; BGH bei Dallinger MDR 1957 267; OLG Hamburg JR 1950 413; KMR/Hiebl 136; Meyer-Goßner/Schmitt 16. 173 BGH NStZ 1983 181; bei Becker NStZ-RR 2002 70; BGH StV 1993 287; 2008 174, 175; AnwK-StPO/ Sommer 14; HK/Julius 11; KK/Diemer 15; KMR/Hiebl 127; Meyer-Goßner/Schmitt 16; SK/Frister 72. 174 SK/Frister 72; SSW/Tsambikakis 33; kritisch HK/Julius 11; weiter AK/Meier 16 (freies Ermessen). 175 Zur Widerspruchsfreiheit zwischen Urteilsbegründung und Unterrichtung vgl. OLG Hamburg JR 1950 413; Schorn (Menschenwürde) 85. S. auch Rn. 3. 176 BGH StV 1983 233; 1993 287; 1993 570 Ls.; SK/Frister 72. 177 Zur Bedeutung für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit vgl. etwa BGHSt 23 244; 32 115, 128. Sofern deren Mitteilung in der Hauptverhandlung befugt unterbleiben darf (vgl. § 68 Abs. 2, 3), besteht ohnehin keine weitergehende Unterrichtungspflicht. Diese darf aber auch sonst bei einem befugt angeordneten Ausschluss des Angeklagten dessen Sinn nicht zunichtemachen, da diesem dann Vorrang vor der Information zukommt.

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sind grundsätzlich nur dessen Angaben, nicht die Vorhalte oder die Fragen mitzuteilen.178 Anders ist es, wenn der Vernommene keine oder nur unzureichende Antworten gibt; in diesem Fall ist der Angeklagte jedoch gehalten, den Vorsitzenden um Mitteilung der Vorhalte oder Fragen zu bitten und gegebenenfalls einen Gerichtsbeschluss nach § 238 Abs. 2 herbeizuführen.179 Auch Vernehmungsbehelfe – etwa Pläne oder Skizzen – können dem Angeklagten nochmals vorzulegen sein.180 Mitzuteilen sind ferner sämtliche gerichtlichen Entscheidungen, die hinsichtlich des jeweiligen Vorgangs ergangen sind, etwa die Ablehnung einer Frage nach § 242.181 Gleiches gilt für in Abwesenheit des Angeklagten gestellte Anträge, ihre Zurücknahme und sonstige relevante Erklärungen der anderen Prozessbeteiligten.182 Für die Unterrichtung ist es unerheblich, ob der Ausschluss zu Recht die jeweilige Prozesshandlung erfasste oder vielmehr der Angeklagte schon früher hätte wieder zugezogen werden müssen.183 Ist der Zeuge unzulässig (Rn. 36) in Abwesenheit des Angeklagten vereidigt worden oder ist beschlossen worden, den Zeugen unvereidigt zu lassen, so ist der Angeklagte auch davon zu unterrichten. Nicht mitzuteilen sind, sofern nicht dadurch Verteidigungsinteressen berührt werden, Maßnahmen der Sitzungspolizei wie die Verhängung eines Ordnungsgelds.184 In den Fällen des Satzes 3 ist die Unterrichtung so zu gestalten, dass die Gesundheitsgefährdung so weit wie möglich vermieden wird.185 4. Zeit. Der Angeklagte ist zu unterrichten, sobald er wieder vorgelassen wird. Die 45 Unterrichtung ist also vor jeder weiteren Verfahrenshandlung vorzunehmen, insbesondere auch vor der Verhandlung über die Vereidigung und die Entlassung eines Zeugen (Rn. 36). Sobald er wieder am Verfahren teilnimmt, muss die Unterrichtung seinen Informationsrückstand gegenüber den anderen Verfahrensbeteiligten sofort ausgleichen, damit er seine Verfahrensrechte in Kenntnis der wesentlichen Ergebnisse des während seiner Abwesenheit durchgeführten Verhandlungsteils ausüben kann. Dies hat Bedeutung sowohl hinsichtlich der ohne ihn durchgeführten, vorangegangenen Beweiserhebung als auch hinsichtlich der künftigen Verfahrensvorgänge wie der Vernehmung weiterer Zeugen.186 Die Pflicht zur sofortigen Unterrichtung entsteht deshalb auch, wenn eine in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführte Vernehmung nur unterbrochen und der Angeklagte zunächst für eine andere Beweisaufnahme wieder zugelassen wird.187 Anders liegt der Fall, wenn ein Zeuge durchgehend über mehrere Verhandlungstage hinweg vernommen wird; hier ist eine abschnittsweise Mitteilung der Aussage nach jedem Verhandlungstag nicht erforderlich.188 Auch hinsichtlich einer verspäteten Unter-

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178 BGH bei Dallinger MDR 1952 18; SK/Frister 74. 179 BGH bei Kusch NStZ-RR 2001 133. S. auch Rn. 56 sowie § 238, 43 ff. 180 BGHSt 51 180, 185 = JZ 2007 744 m. Anm. Rieck = JR 2007 256 m. Anm. Kretschmer; BGH NStZ 1987 471, 472. 181 Gollwitzer JR 1979 435 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 16; SK/Frister 72. 182 BGH NStZ 1983 181; bei Becker NStZ-RR 2002 70; BGH StV 2008 174, 175; OLG Frankfurt StV 1987 9; KK/Diemer 15; Meyer-Goßner/Schmitt 16; SK/Frister 72. Die Begründung der Anträge braucht nach RGSt 32 88 nicht mitgeteilt zu werden; dies dürfte jedoch nicht ausnahmslos gelten. 183 Vgl. HK/Julius 11. 184 RG GA 56 (1909) 214. 185 Dallinger JZ 1953 440; AK/Meier 16. 186 BGHSt 38 260 = JZ 1993 270 m. Anm. Paulus; BGH NJW 1988 429, 430; NStZ 1998 263 m. Anm. Widmaier; BGH StV 1990 52. 187 BGHSt 38 260 = JZ 1993 270 m. Anm. Paulus; BGH NStZ 1992 346; 1999 522; 2010 465 f.; 2018 303; NStZ-RR 2007 85; bei Kusch NStZ-RR 2000 292; bei Becker NStZ-RR 2002 70; 2005 259; BGH StV 1995 339 Ls.; HK/Julius 10; KK/Diemer 14; Meyer-Goßner/Schmitt 15; SK/Frister 69. 188 BGHR § 247 Satz 4 Unterrichtung 9; BGH NStZ 2010 465, 466; vgl. auch BGH Beschl. v. 14.2.2006 – 4 StR 543/05 (keine Beeinträchtigung des Fragerechts).

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richtung ist eine Heilung möglich, indem die Verfahrensabschnitte, die unzulässig vor der Unterrichtung durchgeführt worden sind, wiederholt werden.189 Sind mehrere Zeugen oder – im Fall von Satz 3 – Sachverständige unmittelbar 46 nacheinander in Abwesenheit des Angeklagten vernommen worden, so genügt es, dass der Angeklagte einheitlich nach Abschluss dieser Vernehmungen unterrichtet wird.190 Dies wird aber regelmäßig schon deshalb nicht angezeigt sein, weil die Vernommenen vor der Unterrichtung weder vereidigt noch entlassen werden dürfen. Wird jeder von mehreren Mitangeklagten auf Grund einer einheitlichen Anord47 nung des Gerichts jeweils in Abwesenheit der anderen vernommen, muss das Gericht dem später vernommenen Angeklagten vor seiner Einvernahme in Gegenwart der vorher Vernommenen mitteilen, was diese ausgesagt haben.191 Eine Zurückstellung der Unterrichtung ist ausgeschlossen, auch wenn dies die Überführung des später vernommenen Angeklagten erleichtern würde.192 Die Rechtsprechung hielt es früher im Interesse der Wahrheitsfindung zur Vermeidung von Verdunkelungsversuchen für zulässig, ausnahmsweise die Unterrichtung erst vorzunehmen, wenn sämtliche Mitangeklagte nach ihrer Vernehmung wieder zugelassen sind.193 Da jedoch die Entfernung des Angeklagten zu dem Zweck, die Anpassung an die Einlassung eines Mitangeklagten zu verhindern, von § 247 Satz 1 nicht gedeckt ist (s. Rn. 14), scheidet ein solches Vorgehen aus, da es unzulässig Methoden des Ermittlungsverfahrens in die Hauptverhandlung überträgt.194 48

5. Bild-Ton-Übertragung. Die Unterrichtung kann in den Fallgruppen von § 247 Satz 1 und 2 auch dadurch geschehen, dass der Angeklagte an einem anderen Ort das Geschehen im Sitzungssaal mittels Videotechnik audiovisuell mitverfolgt.195 Eine solche Bild-Ton-Übertragung wird sich vielfach empfehlen, weil sie Informationsdefizite beim Angeklagten zu minimieren hilft.196 Denn hierdurch kann insbesondere der Gefahr vorgebeugt werden, dass dem Angeklagten Details entgehen, deren Relevanz nur für ihn auf Grund persönlicher Erfahrung, nicht aber für den Vorsitzenden oder den Verteidiger erkennbar war.197 Andererseits muss nicht immer eine Bild-Ton-Übertragung stattfinden,198 weil § 247 Satz 4 eine solche Verpflichtung nicht vorsieht und auch die Ausschließungs-

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189 Vgl. BVerfG NJW 2002 814. 190 Offen gelassen von BGH Beschl. v. 5.11.1996 – 4 StR 490/96 (insoweit in NStZ 1997 123 und StV 1998 76 nicht abgedruckt) sowie v. 20.2.2002 – 3 StR 345/01; a.A. KMR/Hiebl 144 f.; SK/Frister 70; Metz NStZ 2017 449. 191 RGSt 34 332; BGH NJW 1957 1161; Eb. Schmidt Nachtr. I 5. 192 BGHSt 3 384, 386; 15 194, 195 m. Anm. Küster NJW 1961 419; BGHSt 22 289, 297; BGH NJW 1953 1112, 1113; 1957 1161. 193 RGSt 8 155; 32 120, 121; 38 348; RG HRR 1941 Nr. 314; BayObLGSt 1949-51 62. 194 KK/Diemer 14; KMR/Hiebl 147; Eb. Schmidt 17 f.; SK/Frister 70. 195 BGHSt 51 180 = JZ 2007 744 m. zust. Anm. Rieck = JR 2007 256 m. zust. Anm. Kretschmer; SK/Frister 67; a.A. Schneider NStZ 2018 132 (rechtswidrig, da gesetzlich nicht gerechtfertigter Eingriff in Grundrechte des Zeugen). 196 BGH StV 2002 408, 409; BGHR § 247 Abwesenheit 25; van Gemmeren NStZ 2001 264; Kretschmer JR 2007 259; KK/Diemer 15; Meyer-Goßner/Schmitt 14a; SSW/Tsambikakis 36; de lege ferenda Beulke ZStW 113 (2001) 720; Rieck „Substitut oder Komplement?“ (2003) 222; Schlüchter/Greff Kriminalistik 1998 532; Weigend Verh. des 62. DJT (1998) Bd. I C 54. 197 Vgl. Basdorf FS Salger 206; Eisenberg/Schlüter JR 2001 342; Rieck JZ 2007 746. 198 Schlüchter/Greff Kriminalistik 1998 532; Meyer-Goßner/Schmitt 14a; vgl. auch BGH NStZ 2001 608; 2009 582; ferner BGH NJW 2006 1008, 1009 (Unterlassen nur auf Beanstandung revisibel); a.A. MeyerMews NJW 2002 107; s. auch Rn. 43.

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gründe einem solchen Vorgehen entgegenstehen können.199 Sie ist auch nicht, entgegen dem Wortlaut des § 247 Satz 4, durch dessen „teleologische Auslegung“ unter Berücksichtigung des aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) herzuleitenden sowie in Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK verbürgten Rechts des Angeklagten auf effektive Verteidigung geboten.200 Denn es ist nicht belegt, dass die derzeitige, eindeutige Gesetzeslage mit den genannten Prinzipien nicht in Einklang stünde. Nicht alles, was wünschenswert erscheinen mag, aber nach höherrangigen Rechtsgrundsätzen nicht zwingend ist, kann unter Berufung auf diese Grundsätze in das unmissverständliche einfache Recht hineingelesen werden. Der – für die Unterrichtung verantwortliche – Vorsitzende hat sich nach der Vernehmung davon zu überzeugen, dass die Bild-Ton-Übertragung störungsfrei verlief und somit die technischen Voraussetzungen für eine uneingeschränkte Kenntnisnahme durch den Angeklagten gegeben waren. Bestehen hiernach keine Zweifel an der Wahrnehmbarkeit der Vernehmung durch den Angeklagten, ist ein zusätzlicher Bericht des Vorsitzenden regelmäßig entbehrlich.201 Die Gegenmeinung, wonach die Bild-Ton-Übertragung den Vorsitzenden nicht von der Verpflichtung zur verbalen Mitteilung des wesentlichen Inhalts der Aussage entbinden kann,202 führt zu einer bloßen Förmelei. Denn der Fall, dass nur auf Grund eines solchen Berichts ansonsten unentdeckt gebliebene Übertragungsmängel festgestellt werden können, ist praktisch nicht vorstellbar. Eine Verpflichtung zur ergänzenden Unterrichtung kann sich allerdings unter Umständen bei mit der Vernehmung zusammenhängenden Vorgängen ergeben, die von der Bild-Ton-Übertragung nicht erfasst werden, etwa wenn Lichtbilder als Vernehmungsbehelf vorgehalten werden.203 6. Fragerecht. Der wieder zugelassene Angeklagte muss Gelegenheit haben, sein 49 Fragerecht nach Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK, § 240 Abs. 2 nachträglich auszuüben. Eine über die Beantwortung der Fragen hinausgehende nochmalige Vernehmung ist dagegen nicht vorgesehen.204 Verlangt der Schutzzweck, dass der Zeuge den Angeklagten nicht zu Gesicht bekommt, dann hat dieser keinen Anspruch darauf, sein Fragerecht persönlich auszuüben. Er kann dann nach seiner Unterrichtung in Abwesenheit des Zeugen Fragen stellen, die diesem in Abwesenheit des Angeklagten vom Vorsitzenden vorzulegen sind.205 Danach ist er erneut zu unterrichten. VII. Sitzungsniederschrift Nach § 273 sind der Beschluss, dass der Angeklagte zu entfernen sei, seine Begrün- 50 dung und Verkündung sowie die Entfernung des Angeklagten in der Sitzungsnieder-

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199 A.A. KMR/Hiebl 118 ff.; jedenfalls dann, wenn die Bild-Ton-Übertragung dem Schutzzweck des Ausschlusses des Angeklagten nicht zuwiderläuft: Rieck JZ 2007 745, 747; SK/Frister 15; s. auch Schneider NStZ 2018 132 f. 200 So aber jetzt BGH NJW 2017 3397, 3398 (nichttragend) m. Anm. Metz = NStZ 2018 156 m. abl. Bespr. Schneider S. 128; ablehnend auch Mosbacher JuS 2018 132 f. 201 BGHSt 51 180, 182 f. = JZ 2007 744 m. zust. Anm. Rieck = JR 2007 256 m. zust. Anm. Kretschmer; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 21. 202 BGH NStZ 2006 116 (nichttragend); Meyer-Goßner/Schmitt 14a; MüKo/Cierniak/Niehaus 17; noch weitergehend AnwK-StPO/Sommer 13. 203 BGHSt 51 180, 185 = JZ 2007 744 m. zust. Anm. Rieck = JR 2007 256 m. zust. Anm. Kretschmer; SK/Frister 68; vgl. auch BGH StV 2002 408, 409; NJW 2017 3397 3398 m. Anm. Metz = NStZ 2018 156 m abl. Bespr. Schneider S. 128, wo unter anderem für diesen Fall der vermeintliche Vorrang der Bild-TonÜbertragung relativiert wird. 204 RGSt 54 110. 205 BGHSt 22 289, 296 f.; BGH GA 1970 111; NStZ 1985 136; Gollwitzer JR 1976 341; Krey GedS Meyer 249; KMR/Hiebl 149; Meyer-Goßner/Schmitt 18; SK/Frister 76 f.; s. auch Rn. 36.

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schrift zu beurkunden.206 Aus dem Protokoll muss eindeutig ersichtlich sein, bei welchen Verfahrensvorgängen der Angeklagte abwesend war, wann er den Sitzungssaal verließ und wann er wieder zugezogen wurde.207 Bei Wiederholung einer Beweisaufnahme in Anwesenheit des Angeklagten zur Heilung eines Verfahrensverstoßes (Rn. 41) sind die einzelnen Beweiserhebungen in der Niederschrift anzuführen. Festzuhalten ist dort auch, dass und wann der Angeklagte nach Satz 4 unterrichtet wurde.208 Konnte der Angeklagte die Vernehmung im Wege der Bild-Ton-Übertragung mitverfolgen und wurde deswegen auf eine Unterrichtung nach Satz 4 verzichtet (s. Rn. 48), so ist es empfehlenswert, in das Protokoll den Vermerk aufzunehmen, dass Angeklagter und Verteidiger ausdrücklich erklärt haben, die Übertragung sei umfassend und fehlerfrei gewesen und daher die zusätzliche Unterrichtung durch den Vorsitzenden entbehrlich.209 Der Inhalt oder gar der Wortlaut der Unterrichtung braucht im Protokoll nicht festgehalten zu werden; das Protokoll hat insoweit keine Beweiskraft gemäß § 274. Ob die Unterrichtung ausreichend war, ist erforderlichenfalls im Wege des Freibeweises festzustellen.210 Sind in Abwesenheit des Angeklagten dem Vernommenen Urkunden oder Augen51 scheinsobjekte als Vernehmungsbehelfe vorgehalten worden (s. Rn. 35), so ist es sachwidrig, dies in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen.211 Wird dennoch ein entsprechender Protokollvermerk gefertigt, muss dieser jedenfalls die Verwendung als Vernehmungsbehelf ausdrücklich klarstellen.212 Anderenfalls besteht die Gefahr, dass in dem Protokollvermerk die beweiskräftige (§ 274) Feststellung der Verwendung zu Beweiszwecken gesehen wird. Insbesondere sind die Formulierungen, eine Urkunde sei verlesen oder ein Gegenstand sei in Augenschein genommen worden, tunlichst zu vermeiden, da hierin ein eindeutiger Hinweis auf eine förmliche Beweiserhebung gesehen werden kann.213 Das Revisionsgericht hat freilich nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden, welches Prozessgeschehen aus der Sitzungsniederschrift – unter Berücksichtigung der sonst gebrauchten Formulierungen und der Art des verwendeten Gegenstands – hervorgeht, und bei verbleibenden Unklarheiten das Prozessgeschehen freibeweislich aufzuklären.214 VIII. Rechtsmittel 52

1. Die Beschwerde ist nach § 305 Satz 1 für die Verfahrensbeteiligten nicht statthaft.215 Nach allgemeinen Grundsätzen steht demgegenüber dem Zeugen als Drittbetrof-

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206 RG JW 1931 2506 m. Anm. Oetker; BGHSt 1 259, 260; 4 364; 22 18, 20; KK/Diemer 13; Meyer-Goßner/ Schmitt 14; SK/Frister 58. 207 OLG Hamburg NJW 1965 1342, 1343; Meyer-Goßner/Appl 985, 988. 208 BGHSt 1 346, 350; BGH NStZ 2010 465, 466; bei Becker NStZ-RR 2005 259; BGH StV 1984 102, 103; 1992 359; 1999 637 Ls.; 2008 174, 175. 209 KK/Diemer 15. 210 BGH bei Dallinger MDR 1957 267; HK/Julius 12, 17; SK/Frister 75. 211 BGH NJW 2003 597 = JR 2003 260 m. Anm. Gössel; BGH NStZ 1999 522, 523; 2003 320; 2007 117; NStZ-RR 1999 107; 2004 237; wistra 2008 107, 108; OLG Hamm NStZ 2005 467, 468. S. auch die Erl. bei § 273. 212 Vgl. aber OLG Hamm NStZ 2005 467, wo allein aus dem Umstand der Aufnahme ins Protokoll auf eine förmliche Beweiserhebung geschlossen wird, selbst wenn in diesem ausdrücklich vermerkt ist, dass Lichtbilder und eine Skizze einer Zeugin nur „vorgehalten“ worden sind. 213 Vgl. BGH NStZ 2001 262; NStZ-RR 2014 53 f.; StV 1992 550; BGHR § 247 Abwesenheit 6. 214 BGH NJW 2003 597 = JR 2003 260 m. Anm. Gössel; BGH NStZ 1997 402; 2003 320, 321; NStZ-RR 2004 237; bei Becker NStZ-RR 2005 260; BGH StV 2005 6; BGHR § 247 Abwesenheit 4, 9. 215 HK/Julius 14.

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fenen i.S.v. § 305 Satz 2 ein Beschwerderecht gegen eine die Entfernung des Angeklagten nach § 247 Satz 2 ablehnende Entscheidung zu.216 2. Revision a) Fehlerhafter Ausschluss. Nimmt das Gericht die Voraussetzungen des § 247 53 Satz 1 bis 3 zu Unrecht an, so greift der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 i.V.m. § 230 Abs. 1 durch. Gleiches gilt, wenn ein förmlicher Gerichtsbeschluss fehlt, etwa weil der Vorsitzende den Ausschluss anordnete,217 oder wenn der Gerichtsbeschluss zwar ergangen ist, aber nicht oder ungenügend begründet wurde, so dass zweifelhaft bleibt, ob die sachlichen Voraussetzungen für den Ausschluss des Angeklagten zu Recht bejaht wurden.218 Der Revision bleibt aber der Erfolg versagt, wenn sie nicht oder erkennbar zu Unrecht bestreitet, dass die sachlichen Voraussetzungen für die Entfernung des Angeklagten gegeben waren, weil das Vorliegen eines Ausschließungsgrunds evident ist.219 Eine substantiierte Begründung kann nämlich dann im Einzelfall entbehrlich sein, wenn für die Verfahrensbeteiligten der Ausschließungsgrund auf der Hand lag und auch nachträglich im Revisionsverfahren seine Voraussetzungen ebenso wie die fehlerfreie Ermessenausübung mit Sicherheit festgestellt werden können. Das wird etwa bei der der Vernehmung psychisch schwer geschädigter Opfer von Sexualverbrechen regelmäßig der Fall sein.220 Jedoch müssen auch hier die entsprechenden Anforderungen klar auf der Hand liegen.221 Verlässt der Angeklagte vor der Vernehmung eines Zeugen auf Aufforderung oder Bitte des Vorsitzenden – also nicht eigenmächtig – freiwillig und mit Billigung seines Verteidigers den Sitzungssaal, so kann er dennoch die Rüge nach § 338 Nr. 5 erheben, da § 230 Abs. 1 Satz 1 ihm nicht nur ein Anwesenheitsrecht gibt, sondern ihm auch eine Anwesenheitspflicht auferlegt; weder liegt in dem Verhalten des Angeklagten daher ein Rügeverzicht noch ist die Rüge – jedenfalls wenn der Verfahrensfehler nicht arglistig provoziert wurde – verwirkt.222 Mit der Rüge nach § 338 Nr. 5 kann es auch beanstandet werden, wenn während der 54 Abwesenheit des Angeklagten ein Gegenstand verhandelt, eine Anordnung getroffen oder ein Beweismittel verwertet wurde, auf das sich der Ausschluss nicht bezog oder

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216 MüKo/Cierniak/Niehaus 30; SSW/Tsambikakis 39; Gillmeister NStZ 2018 563. 217 BGHSt 4 364, 365; BGH NJW 1976 1108; NStZ 2018 739, 740; GA 1968 281; BayObLGSt 1973 160; OLG Hamm StV 2010 65, 66; KK/Diemer 16b; KMR/Hiebl 63; SK/Frister 81; a.A. BGH JZ 1955 386 für den Fall, dass die Voraussetzungen des Ausschlusses für alle ersichtlich vorlagen; offen gelassen in BGH NJW 1973 522; NStZ 1983 36; 1991 296; vgl. auch BGHSt 1 346, 350. 218 BGHSt 15 194; 22 18, 20; 46 142, 144 f.; NStZ 1987 84; 1999 419, 420; 2002 44, 45; StV 1992 455 Ls.; 2003 373; 2014 716 f.; OLG Hamm StraFo 2000 57; OLG Koblenz MDR 1977 777; OLG Oldenburg StraFo 2010 115; AK/Meier 19; HK/Julius 17; KK/Diemer 16b; KMR/Hiebl 156; Meyer-Goßner/Schmitt 19; SK/Frister 81. 219 BGHSt 22 18, 20 f.; 46 142, 145 = JR 2001 240 m. insoweit abl. Anm. Eisenberg/Schlüter; BGH NStZ 1987 84; 1999 419, 420; 2000 328; 2010 53; NStZ-RR 2004 118, 119; StV 1987 5; BGHR § 247 Satz 2 Begründungserfordernis 2; OLG Hamm StraFo 2000 57; KG Urt. v. 20.11.2000 – (3) 1 Ss 279/00 (94/00); OLG Oldenburg StraFo 2010 115, 116; AK/Meier 19; KK/Diemer 16b; Meyer-Goßner/Schmitt 19; Pfeiffer 2; SK/Frister 81; krit. Roxin/Schünemann § 44, 51; a.A. HK/Julius 17; KMR/Hiebl 157; Eisenberg/Schlüter JR 2001 341 f. 220 BGH NStZ 1999 419, 420; StV 2014 716, 717; BGHR § 247 Satz 2 Begründungserfordernis 2; OLG Koblenz MDR 1977 777. 221 Vgl. OLG Oldenburg StraFo 2010 115, 116. 222 BGH NStZ 1993 198; NStZ-RR 2015 51, 52; OLG Hamm StV 2010 65, 66 (anders nur bei Arglist); Jescheck JZ 1952 402; Schmid Verwirkung 324; SK/Frister 82; s. auch BGH NStZ 2018 739, 740; vgl. a.A. wohl OLG Darmstadt JR 1949 515.

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bei dem der Angeklagte überhaupt nicht ausgeschlossen werden durfte, etwa bei der Verkündung des Beschlusses nach § 247 (s. Rn. 28), der Einnahme eines Augenscheins223 oder der Verlesung einer Urkunde zu Beweiszwecken224 (zu Fragen des Protokolls s. Rn. 51). Gerügt werden kann auch, wenn der Angeklagte nicht zur Verhandlung über die Vereidigung (zu Einschränkungen s. aber sogleich Rn. 55a) oder – sofern der Ausschließungsgrund nicht weiter entgegenstand – zur Vereidigung wieder zugezogen wurde oder wenn über die Entlassung des Zeugen in seiner Abwesenheit verhandelt wurde (zu Ausnahmen s. Rn. 55b). In allen diesen Fällen setzt die Zulässigkeit der Revisionsrüge nicht voraus, dass die fehlerhafte Verhandlungsleitung des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung gemäß § 238 Abs. 2 beanstandet wurde;225 denn der Ausschluss des Angeklagten ist keine Angelegenheit der Verhandlungsleitung i.S.d. § 238 Abs. 1226 und durch eine verspätete Wiederzulassung des Angeklagten verstößt der Vorsitzende auch nicht gegen eine Vorschrift, die ihm einen Beurteilungsspielraum oder eine Ermessensausübung einräumt (s. § 238, 47). Die Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 5 hat aber immer nur Erfolg, wenn der Verfah55 rensvorgang, während dessen der Angeklagte nicht anwesend war, einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung darstellt. Bei anderen strengbeweislichen Beweiserhebungen während einer Zeugeneinvernahme ist dies stets zu bejahen (s. Rn. 54); auch kann insoweit nicht schon deshalb jegliches Beruhen denkgesetzlich ausgeschlossen werden, weil die Beweiserhebung im Ergebnis für die Urteilsfindung entbehrlich war.227 Auch der Ausschluss des Angeklagten von freibeweislichen Erhebungen kann nicht allein mit der Begründung als unwesentlicher Teil der Hauptverhandlung eingestuft werden, dass der Freibeweis auch außerhalb der Hauptverhandlung hätte erhoben werden können (s. näher Rn. 11).228 Die Verhandlung über die Vereidigung ist auch nach der Reform der Vereidi55a gungsvorschriften durch das 1. JuMoG selbst dann ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung, wenn der Vorsitzende nach § 59 von der Vereidigung eines Zeugen absieht und diese Frage weder kontrovers erörtert noch zum Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung nach § 238 Abs. 2 gemacht wird.229 Die gegenteilige Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum230 verkennt, dass dem Angeklagten zumindest nachträglich (zur Heilung des Verfahrensverstoßes in diesen Fällen s. Rn. 41b) zur Vereidigungsfrage rechtliches Gehör gewährt und die Möglichkeit eingeräumt werden muss, auf die Vereidigung des

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223 BGH NJW 1988 429; 2003 597; JR 1989 254 m. Anm. Hanack; NStZ 2001 262, 263; 2007 717; StV 1981 57 m. Anm. Strate; 1984 102; 1989 192; 2000 238 Ls.; 2002 8 Ls.; 2005 6; OLG Hamm NStZ 2005 467; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2008 315 f. 224 BGHSt 21 332; BGH NStZ 1997 402; 2001 262, 263; 2002 384; bei Becker NStZ-RR 2006 3; BGH StV 1992 550; BGHR § 247 Abwesenheit 6 und 9. Die Revision muss die förmliche Beweiserhebung allerdings bestimmt behaupten; vgl. BGH StV 2000 241 Ls. 225 BGHSt 54 184, 185; BGH StV 2010 562; 2015 86; NStZ-RR 2011 151; OLG Hamm StV 2010 65, 66 bzw. StraFo 2009 287, 288; vgl. demgegenüber noch die Überlegungen in BGH StV 2009 342, 344 m. abl. Anm. Eisenberg, abl. auch Wölky StraFo 2009 397. 226 BGHSt 4 364, 366. 227 BGH NStZ 2002 384, 385; vgl. auch BGH NStZ 2007 717, 718; 2014 223, 224; StraFo 2013 339; BGHR § 338 Beruhen 2; ferner KG Beschl. v. 27.12.2001 – (4) 1 Ss 339/01 (171/01) – Rn. 3: „Eine Verwertung … bewirkt … den unbedingten Revisionsgrund“. Zum Kriterium des denkgesetzlichen Ausschlusses jeglichen Beruhens bei den absoluten Revisionsgründen vgl. die Erl. zu § 338. 228 A.A. SK/Frister 83 f., anders aber Rn. 5; auch noch LR/Becker26 55 229 Peglau/Wilke NStZ 2005 188; Schuster StV 2005 630 f.; SK/Frister 85. 230 BGHSt 51 81 = JR 2007 78 m. zust. Anm. H. Müller; BGH JR 2005 78 m. zust. Anm. H. Müller; ferner KK/Diemer 7; KMR/Hiebl 83; Meyer-Goßner/Schmitt 20b; SSW/Tsambikakis 44; auch noch LR/Becker26 55.

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Zeugen hinzuwirken.231 Etwas anderes kann allerdings dann angenommen werden, wenn der Angeklagte die Zeugenvernehmung per Videoübertragung verfolgen und vor der Entscheidung über die Vereidigung mit seinem Verteidiger Rücksprache nehmen und somit zumindest über diesen auf die Vereidigung antragen konnte.232 Gleiches gilt, wenn der Angeklagte die Entscheidung über die Vereidigung auch bei seiner Anwesenheit nicht hätte beeinflussen können, da diese gesetzlich zwingend ausgeschlossen ist (§ 60 Nr. 1 Alt. 1 und Nr. 2 letzte Alt.),233 während die Verhandlung hierüber in den übrigen Fällen des § 60 wegen des dem Gericht zustehenden Beurteilungsspielraums – ebenso wie in den Fällen des § 61 a.F. – einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung darstellt.234 Bei der Verhandlung über die Entlassung handelt es sich grundsätzlich um einen 55b wesentlichen Teil der Hauptverhandlung.235 Ein Ausnahmefall ist nicht schon allein deswegen gegeben, weil der über den Inhalt der Zeugenaussage unterrichtete Angeklagte auf Fragen verzichtet hat.236 Anders liegt es dagegen, wenn dem abwesenden Angeklagten die Vernehmung des Zeugen und die Verhandlung über dessen Entlassung im Wege der Bild-Ton-Übertragung übermittelt worden ist und dieser auf diesem Wege vom Vorsitzenden befragt erklärt, er wolle von seinem Fragerecht keinen Gebrauch machen (vgl. Rn. 48).237 Die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen, der von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, wird ebenfalls keinen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung bilden;238 dies gilt jedoch nicht, wenn der Zeuge gleichzeitig der Verwertung früherer von ihm im Verfahrens getätigter Aussagen zustimmt und hierzu nähere Erläuterungen gibt.239 Da die Anrufung des Gerichts gegen die rechtsfehlerhafte Ausschließung bzw. verspä- 55c tete Wiederzulassung des Angeklagten keine Voraussetzung für die Erhebung der Revisionsrüge nach § 338 Nr. 5 ist (s. Rn. 54), bedarf es dazu auch keines Vortrags in der Revisionsbegründung. Vorzutragen sind – soweit ergangen – der Ausschließungsbeschluss mit Gründen240 sowie die Tatsachen, auf die die Rechtsfehlerhaftigkeit der Ausschließung gestützt wird. Damit das Revisionsgericht prüfen kann, ob die Abwesenheit einen wesentlichen Teil der Verhandlung betraf, muss die Revisionsbegründung außerdem substantiiert

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231 Dies gilt unabhängig davon, ob ohne eine entsprechende Antragstellung eine ausdrückliche protokollierungspflichtige Entscheidung über die Vereidigung zu treffen ist oder nicht. S. dazu BGHSt 50 282; BGH NStZ 2009 647und näher zum Streitstand LR/Ignor/Bertheau § 59, 18. 232 Vgl. BGH NStZ 2006 713, 714, wo in dieser Konstellation angenommen worden ist, ein Beruhen des Urteils auf dem Verfahrensverstoß sei „jedenfalls“ denkgesetzlich ausgeschlossen. 233 BGH NJW 1986 267; NStZ 1987 335; 1987 519; bei Kusch NStZ 1993 28; BGH NStZ-RR 1997 105; bei Becker NStZ-RR 2003 100 f.; BGH StV 1986 46; 1991 451; 1996 530; bei Holtz MDR 1978 460; KK/Diemer 16; Meyer-Goßner/Schmitt 20b; SK/Frister 84; a.A. HK/Julius 9. 234 BGH NStZ 1986 133; 1988 469; StV 1996 530; HK/Julius 9; a.A. BGHSt 22 289, 297; zusammenfassend Meyer-Goßner FS Pfeiffer 318; vgl. auch BGH NStZ-RR 1997 105; offen gelassen wird dies von BGHSt 51 81, 84. 235 BGH NJW 1986 267; NStZ 2000 440; 2007 352, 353; bei Kusch NStZ 1992 28; 1993 28; BGH NStZ-RR 1999 175; StV 1996 471; 1997 511, 512; 2000 240; BayObLG StV 2005 7, 8; OLG Düsseldorf VRS 91 (1997) 365; vgl. auch Meyer-Goßner FS Pfeiffer 319; a.A. Basdorf FS Salger 209 f. 236 S. dazu näher unter dem Aspekt der „Heilung des Verfahrensfehlers“ bei Rn. 41b; a.A. BGH NJW 1998 2541, 2542; StV 2000 240; BayObLG StV 2005 7, 8; KK/Diemer 7, 16; LR/Becker26 55; vgl. auch BGH NJW 2004 1187; BGHR § 247 Abwesenheit 21. 237 BGH StV 2011 520 m. abl. Anm. Ventzke; a.A. auch SK/Frister 86; s. demgegenüber BGH NStZ 2006 713, 714 in ähnlicher Konstellation: nichts spricht für die Annahme eines wesentlichen Verhandlungsteils, jedenfalls jegliches Beruhen denkgesetzlich ausgeschlossen; BGH Urt. v. 27.1.2011 – 5 StR 482/10 Rn. 8. 238 Vgl. BGHR § 247 Abwesenheit 21. 239 BGH NStZ 2007 352, 353; KK/Diemer 7. 240 BGH NStZ 2002 216, 217.

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darlegen, welche Verfahrensabschnitte zu Unrecht ohne den Angeklagten verhandelt worden sind;241 deren Inhalt, etwa was ein Zeuge in seiner Abwesenheit ausgesagt hat, braucht er dagegen grundsätzlich nicht auszuführen.242 Demgegenüber hat die Rechtsprechung vor allem bei besonderen Verfahrenskonstellationen an den Vortrag auch des wesentlichen Inhalts der – möglicherweise – relevanten Verfahrensvorgänge strenge Anforderungen gestellt.243 Dies erscheint teilweise überzogen. War der Angeklagte bei der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen noch nicht wieder zugelassen, muss er aber auch nach der Rechtsprechung mit der Revision nicht konkret vortragen, inwieweit hierdurch sein Fragerecht verletzt worden ist.244 56

b) Verfahrensfehler gelegentlich des Ausschlusses. Bei einem Verstoß gegen die Unterrichtungspflicht nach § 247 Satz 4 kommt grundsätzlich nur die Rüge nach § 337,245 ausnahmsweise auch diejenige nach § 338 Nr. 8 in Betracht.246 Dabei ist wie folgt zu differenzieren: Wurde der Angeklagte nicht oder nur verspätet unterrichtet, so setzt eine erfolgreiche Rüge die Anrufung des Gerichts in der Hauptverhandlung gemäß § 238 Abs. 2 nicht voraus.247 Anders kann der Fall liegen, wenn sich die Rüge gegen Form oder Inhalt der Unterrichtung richtet. Wurden etwaige derartige Mängel in der Hauptverhandlung nicht beanstandet, können sie grundsätzlich nicht mehr mit der Revision geltend gemacht werden.248 Die Reichweite einer Rügepräklusion ist insoweit allerdings noch nicht abschließend geklärt. Insbesondere hinsichtlich inhaltlicher Mängel dürfte sie davon abhängig sein, ob der Angeklagte, dem diese Mängel in der Regel verborgen bleiben, einen Verteidiger hat, der bei Vernehmung und Unterrichtung anwesend war.249 Ob das Urteil auf dem Verstoß gegen Satz 4 beruht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.250 Wenn der Angeklagte nicht unverzüglich nach seiner Rückkehr oder ungenügend vom wesentlichen Inhalt des in seiner Abwesenheit Verhandelten unterrichtet wurde, so ist das Beruhen oft schon deshalb nicht auszuschließen, weil der Angeklagte dann die Möglichkeit verliert, sich zum Verhandelten alsbald zu erklären, Fragen zu stellen und seine weitere Verteidigung daran auszurichten.251 Ein Beruhen auf der verspäteten Unterrichtung ist aber verneint worden, wenn keine Umstände dafür ersichtlich sind, dass sich der Angeklagte bei früherer Unterrichtung anders oder wirksamer verteidigt hätte,

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241 BGHSt 26 84, 91; BGH NStZ 1983 36; 2007 717; bei Sander NStZ-RR 2004 5; BGH GA 1963 19; KK/Diemer 16a; SK/Frister 87. 242 BGH NStZ 1983 36; 2015 104; 2018 739, 740; StV 2015 87, 88 m. Anm. Ventzke. 243 Vgl. BGH NJW 1998 2541; NStZ 2000 328, 329; 2001 48; StV 2004 306; KK/Diemer 16a; gegebenenfalls müsse sich der Revisionsverteidiger beim Instanzverteidiger informieren, so BGH StV 2006 459 m. abl. Anm. Ventzke; BVerfG StraFo 2005 512; zur Substantiierung der Rüge nicht ausreichender Heilung vgl. BGH NStZ-RR 1999 107; aber auch BGH NStZ 2007 717; hierzu Mosbacher NStZ 2008 263; Ventzke NStZ 2008 262. Vgl. auch § 230, 47 und die Erl. zu § 338 Nr. 5. 244 BGH StV 2010 562; NStZ-RR 2011 151; anders dagegen noch BGHR § 247 Abwesenheit 23. 245 BGHSt 55 87, 93; BGH NStZ 1995 557; bei Becker NStZ-RR 2002 70. 246 Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; vgl. BVerfG (Kammer) NJW 2002 814. 247 BGHSt 38 260, 261 = JZ 1993 270 m. Anm. Paulus begründet dies – unter Verweis auf BGH NStZ 1981 71 – mit der Unverzichtbarkeit; vgl. auch HK/Julius 16. 248 BGH NJW 2006 1008, 1009 (unterlassene Videosimultanübertragung); bei Kusch NStZ-RR 2001 133; bei Becker NStZ-RR 2008 66; ablehnend KMR/Hiebl 162; SSW/Tsambikakis 48; s. auch § 238, 22, 47. 249 Vgl. BGH bei Becker NStZ-RR 2008 66. 250 RGSt 8 49; BGHSt 1 346, 350 f.; 3 384, 386; BGH bei Becker NStZ-RR 2002 70; bei Cierniak/Niehaus NStZ-RR 2016 131. 251 RG HRR 1938 Nr. 498; BGHSt 1 346, 350; 38 260, 262 = JZ 1993 270 m. Anm. Paulus; BGH StV 1984 102, 103; 1992 359; 1993 287; 1996 471; NStZ 2018 303; bei Kusch NStZ-RR 1998 261; KK/Diemer 16c; SK/Frister 89; vgl. aber auch Basdorf FS Salger 213.

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und sein Verteidiger ihn von allem Wesentlichen unterrichtet hatte252 oder wenn die Verfahrensvorgänge nach Wiederzulassung des Angeklagten, aber vor dessen Unterrichtung nicht Teil der Beweisaufnahme waren und weder für den Schuld- noch den Strafausspruch bedeutsam sein konnten.253 Nach einer in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführten informatorischen Befragung eines Zeugen zum Zweck der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 247 Satz 1 und 2 vorliegen, ist das Fehlen einer förmlichen Unterrichtung nach Satz 4 grundsätzlich unschädlich, zumal der Angeklagte, falls der Ausschluss angeordnet wird, regelmäßig spätestens durch den Beschluss Kenntnis vom wesentlichen Ergebnis der Befragung erhält.254 Zugleich mit § 247 können auch andere Verfahrensvorschriften verletzt sein, so 57 dass die Revision auch auf diese gestützt werden kann.255 Wird geltend gemacht, der Angeklagte sei vor Anordnung seiner Entfernung nicht gehört worden, so kann die Rüge nicht auf § 338 Nr. 5, sondern nur auf § 337 in Verbindung mit § 33 gestützt werden.256 Die Rüge, dem Angeklagten sei die effektive Ausübung seines Fragerechts nicht ermöglicht worden, unterfällt lediglich dann § 338 Nr. 5, wenn die Einschränkung des Fragerechts im unberechtigten Fernhalten des Angeklagten lag.257 Geschah die Einschränkung durch eine andere Maßnahme der Verhandlungsführung, etwa dadurch, dass eine Frage des Angeklagten nicht weitergegeben oder nicht zugelassen wurde, kann hingegen nur ein relativer Revisionsgrund – gegebenenfalls auch § 338 Nr. 8 – gegeben sein. c) Unterlassener Ausschluss. Die bei eindeutigem Vorliegen einer der Vorausset- 58 zungen von Satz 1 bis 3 ermessensfehlerhafte Nichtanwendung des § 247 begründet für sich allein nicht die Revision nach § 337, sofern der Revisionsführer nicht aufzeigen kann, dass hierdurch das Beweismittel nicht hinreichend ausgeschöpft werden konnte und dadurch auch die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2) verletzt wurde.258 d) Beschwer. Ein Mitangeklagter kann sich nicht darauf berufen, dass die Rech- 59 te eines anderen Angeklagten bei der Anwendung des § 247 verletzt worden seien.259 Die unzulässige Entfernung des Nebenklägers gewährt dem Angeklagten kein Rügerecht.

§ 247a Anordnung einer audiovisuellen Vernehmung von Zeugen § 247a Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-048

(1) 1 Besteht die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen, wenn er in Gegenwart der in der Hauptverhandlung Anwesenden vernommen wird, so kann das Gericht anordnen, daß der Zeuge sich während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhält; eine solche Anordnung ist auch unter den Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 zulässig, soweit dies zur Erforschung

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252 BGH NJW 1957 1326; KK/Diemer 16c; SK/Frister 89; a.A. Eb. Schmidt 49; einschränkend auch Hamm 427. 253 BGH bei Becker NStZ-RR 2002 70; vgl. auch BGH NStZ 2002 46. 254 BGH NStZ 1998 528; 2002 46. 255 BGHSt 9 77 zu einer Verletzung von § 258 Abs. 3 bei einem Ausschluss nach § 247 Abs. 2 a.F. (vgl. § 231b). 256 BayObLG bei Rüth DAR 1977 206; vgl. auch BGH JZ 1955 386; NJW 1979 276; Stein StV 1995 250. 257 Vgl. BGH NStZ 1995 557. 258 KK/Diemer 4; SK/Frister 92. 259 RGSt 8 155; 32 120, 122; 38 272; 62 259, 260 f.

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der Wahrheit erforderlich ist. 2 Die Entscheidung ist unanfechtbar. 3 Die Aussage wird zeitgleich in Bild und Ton in das Sitzungszimmer übertragen. 4 Sie soll aufgezeichnet werden, wenn zu besorgen ist, daß der Zeuge in einer weiteren Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. 5 § 58a Abs. 2 findet entsprechende Anwendung. (2) 1 Das Gericht kann anordnen, dass die Vernehmung eines Sachverständigen in der Weise erfolgt, dass dieser sich an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Vernehmung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Sachverständige aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. 2 Dies gilt nicht in den Fällen des § 246a. 3 Die Entscheidung nach Satz 1 ist unanfechtbar. Schrifttum Albrecht Das Verhältnis der audiovisuellen Vernehmung gem. § 247a StPO zu anderen Formen der Beweiserhebung, insbesondere zur Verlesung von Vernehmungsniederschriften gem. § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO, StV 2001 364; Arntzen Video und Tonbandaufnahmen als Ersatz für richterliche Vernehmungen von Kindern zu Sexualdelikten, ZRP 1995 291; Beulke Empirische und normative Probleme der Verwendung neuer Medien in der Hauptverhandlung, ZStW 113 (2001) 709; Bohlander Einsatz von Videotechnologie bei der Vernehmung kindlicher Zeugen im Strafverfahren, ZStW 107 (1995) 82; Busse/Volbert/Steller Belastungserleben von Kindern in Hauptverhandlungen, BMJ Reihe recht (1996); Caesar Noch stärkerer Schutz für Zeugen und andere nicht beschuldigte Personen im Strafprozeß? NJW 1998 2313; Detter Einige Gedanken zu audiovisueller Vernehmung, V-Mann in der Hauptverhandlung und der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der Sache El Motassadeq, StV 2006 544; Dieckerhoff Audiovisuelle Vernehmung kindlicher Opferzeugen sexuellen Missbrauchs im Strafverfahren (2008); Diemer Der Einsatz der Videotechnik in der Hauptverhandlung, NJW 1999 1667; ders. Die Anfechtbarkeit von Entscheidungen im Zusammenhang mit der audiovisuellen Vernehmung eines Zeugen in der Hauptverhandlung, StraFo 2000 217; ders. Verfahrensrügen im Zusammenhang mit der audiovisuellen Vernehmung nach § 247a StPO, NStZ 2001 393; ders. Zur Bedeutung der Videoaufzeichnung im Revisionsverfahren, NStZ 2002 16; ders. Zeugenschutz und Unmittelbarkeitsprinzip bei der gerichtlichen Sachaufklärung im Bereich der Organisierten Kriminalität, FS Nehm (2006) 257; Dölling Zur Stellung des Verletzten im Strafverfahren, FS Jung (2007) 77; Drews Die Revisibilität fehlerhafter Feststellungen zum Inhalt einer Zeugenaussage im Strafurteil (2015); Fischer Empfehlen sich gesetzliche Änderungen, um Zeugen und andere nichtbeschuldigte Personen im Strafprozeß besser vor Nachteilen zu bewahren? JZ 1998 816; Gercke/Wollschläger Videoaufzeichnungen und digitale Daten als Grundlage des Urteils – Revisionsrechtliche Kontrolle in den Grenzen des Rekonstruktionsverbots, StV 2013 106; Gleß § 247a StPO – (auch) eine Wohltat für den Angeklagten? JR 2002 97; Griesbaum Der gefährdete Zeuge, NStZ 1998 433; Hartz Das Zeugenschutzgesetz 1998 – eine Bilanz, KJ 2006 74; Hasdenteufel Die Strafprozeßordnung als Grenze des Einsatzes der Videotechnologie in Strafverfahren bei sexuell mißbrauchten Kindern, Diss. Bonn 1997; Hegemann Die optische und akustische Abschirmung von V-Personen, Diss. Bielefeld 2006; Heger Die Rolle des Opfers im Strafverfahren, JA 2007 244; Helmig Anwendbarkeit und Zweckmäßigkeit der Videotechnik zum Schutz von Zeugen vor Belastungen durch das Strafverfahren (2000); Hofmann Videoaufzeichnungen und revisionsgerichtliche Kontrolle, NStZ 2002 569; ders. Videoaufzeichnungen in der Hauptverhandlung und Rekonstruktionsverbot, StraFo 2004 303; Hohnel Audiovisuelle Zeugenvernehmung trotz Zeugenschutzprogramms? NJW 2004 1356; Janovsky Zeugenvernehmung mit Video, Kriminalistik 1999 453; Jansen Vernehmung kindlicher Zeugen mittels Videotechnologie, StV 1996 123; dies. Befragung von kindlichen Zeugen in der Hauptverhandlung außerhalb des Gerichtssaals mittels Videotechnologie, FS Friebertshäuser (1997) 195; Jost Kind- und jugendliche Opfer als Zeugen sexuellen Missbrauchs im Strafverfahren (2006); H. Jung Zeugenschutz, GA 1998 313; Keiser Das Kindeswohl im Strafverfahren (1998); Kilian-Herklotz Einsatz von Videotechnik im deutschen Strafprozess und richterliche Glaubwürdigkeitsbeurteilung – ein Paradoxon?, in: Lagodny (Hrsg.) Der Strafprozess vor neuen Herausforderungen? (2000) 195; Kintzi Stellung des Kindes im Strafverfahren, DRiZ 1996 184; v. Knoblauch zu Hatzbach Videovernehmung von Kindern – Erfahrungen deutscher Gerichtspsychologinnen, ZRP 2000 276; Köhnken Video im Gericht – Modelle und Erfahrungen aus Großbritannien, StV 1995 376; Kolz Neue Wege zur Einführung des Wissens anonymer Gewährsleute in das Strafverfahren? FS G. Schäfer (2002) 35; Kretschmer Einige Eckpunkte in der Entwicklung der Videoaufzeichnung von strafpro-

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zessualen Zeugenvernehmungen, JR 2006 453; Laubenthal Schutz sexuell mißbrauchter Kinder durch Einsatz von Videotechnologie im Strafverfahren, JZ 1996 335; Laubenthal/Nevermann-Jaskolla Die Rechte des Kindes als Zeuge im Strafverfahren, JA 2005 294; Leitner Rechtliche Probleme von VideoAufzeichnungen und praktische Konsequenzen für die Verteidigung, StraFo 1999 45; ders. Videoaufzeichnung in der Hauptverhandlung und Rekonstruktionsverbot, StraFo 2004 306; Lingenberg Zeugenschutz im Strafprozeß (2003); Maaß Der Schutz besonders sensibler Zeugen durch den Einsatz von Videotechnik unter besonderer Berücksichtigung der Beschuldigtenrechte und Verfahrensprinzipien (2012); Mehle Unmittelbarkeitsprinzip und Zeugenschutz, FS Grünwald (1999) 351; Meier Kinder als Zeugen im Strafverfahren, RdJB 1996 451; Meurer Zeugenschutz und Unmittelbarkeitsgrundsatz, JuS 1999 937; Mildenberger Schutz kindlicher Zeugen im Strafverfahren durch audiovisuelle Medien (1995); Neuhaus Das Opferrechtsreformgesetz 2004, StV 2004 620; Norouzi Videovernehmung unter optisch-akustischer Abschirmung – BGH, NJW 2003, 74, JuS 2003 434; ders. Videosimultanbeweis und Auslandszeugnis, Diss. Tübingen 2006; Pfäfflin Schützen Videovernehmungen kindliche Zeugen vor sekundärer Traumatisierung? StV 1997 95; Pott Rechtsprobleme bei der Anwendung von Videotechnologie im Strafprozess (2004); Rieck Audiovisuelle Konfrontationsvernehmung gem. § 247a StPO, StraFo 2000 400; Rieck „Substitut oder Komplement?“ Die Videofernvernehmung von Zeugen gemäß § 247a StPO (2003); Rieß Zeugenschutz bei Vernehmungen im Strafverfahren, NJW 1998 3240; ders. Das neue Zeugenschutzgesetz, insbesondere Video-Aufzeichnungen im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung, StraFo 1999 1; Rose Auslandszeugen im Strafprozeß: Aktuelle Gesetzeslage und jüngere Rechtsprechung, wistra 2001 290; Schlothauer Video-Vernehmung und Zeugenschutz, StV 1999 47; Schlüchter Zeugenschutz im Strafprozeß, FS Schneider (1998) 445; Schlüchter/Greff Zeugenschutz durch das Zeugenschutzgesetz? Oder: Ist der Einsatz der Videotechnik ein wirksamer Zeugenschutz? Kriminalistik 1998 530; Schmenger Die verfremdete Videovernehmung (2008); Schmoll Videovernehmung kindlicher Opfer im Strafprozeß (1999); Schöch Erfahrungen mit der Videovernehmung nach dem Zeugenschutzgesetz, FS Meyer-Goßner (2001) 365; Schünemann Der deutsche Strafprozeß im Spannungsfeld von Zeugenschutz und materieller Wahrheit, Kritische Anmerkungen zum Thema des 62. Deutschen Juristentages 1998, StV 1998 391; Seitz Das Zeugenschutzgesetz – ZSchG, JR 1998 309; Stiebig Opfersorge oder Täterpflege? – Eine Zwischenbilanz vor dem Hintergrund des Opferrechtsreformgesetzes, Jura 2005 592; Strate Zur Video-Übertragung von Zeugenvernehmungen in der Hauptverhandlung, FS Friebertshäuser (1997) 203; Swoboda Videotechnik im Strafverfahren (2002); Valerius Verdeckte Vernehmungen verdeckter Ermittler? GA 2005 459; Vogel Erfahrungen mit dem Zeugenschutzgesetz (2003); Walter Vermummte Gesichter, verzerrte Stimmen – audiovisuell verfremdete Aussagen von V-Leuten? StraFo 2004 224; Wasserburg Bemerkungen zur audiovisuellen Vernehmung, FS Richter II (2006) 547; Wegner Wie Opferschutz der Wahrheit dient, ZRP 1997 404; Weider Die Videovernehmung von V-Leuten gemäß § 247a StPO unter optischer und akustischer Abschirmung, StV 2000 48; Weider/Staechelin Das Zeugenschutzgesetz und der gesperrte V-Mann, StV 1999 51; Weigend Empfehlen sich gesetzliche Änderungen, um Zeugen und andere nichtbeschuldigte Personen im Strafprozeß besser vor Nachteilen zu bewahren? Gutachten zum 62. DJT, Verh. des 62. DJT (1998) Bd. I Teil C; Wittke Beweisführung mittels verdeckter Ermittlungen, Kriminalistik 2005 221; Zacharias Der gefährdete Zeuge im Strafverfahren (1997); Zschockelt/Wegener Opferschutz und Wahrheitsfindung bei der Vernehmung von Kindern im Verfahren wegen sexuellen Mißbrauchs, NStZ 1996 305.

Entstehungsgeschichte Die jetzt in § 247a Abs. 1 enthaltenen Regelungen wurden – zusammen mit anderen Bestimmungen über die Verwendung der Videotechnologie bei Vernehmungen (§§ 58a, 168e, 255a) – durch Art. 1 Nr. 4 des ZSchG in die StPO eingefügt; sie traten am 1.12.1998 in Kraft (Art. 3 des ZSchG). Vorausgegangen waren in der Öffentlichkeit weit diskutierte Fälle der Einvernahme kindlicher Opfer sexuellen Missbrauchs in der Hauptverhandlung1 sowie die Entscheidung des LG Mainz, unter Verwendung der Videotechnik die kindlichen Zeugen außerhalb des Sitzungssaals der Hauptverhandlung durch den Vor-

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1 Vgl. Böhm ZRP 1996 259; Deckers NJW 1996 3105; 1999 1365; Diemer NJW 1999 1668; Hussels NJW 1995 1877; Kintzi DRiZ 1996 191 f.; Schünemann StV 1998 399; Wegner ZRP 1995 406.

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sitzenden zu vernehmen und diese Vernehmung in den Sitzungssaal zu übertragen.2 All dies hatte das Bedürfnis für eine gesetzliche Regelung geweckt. Nach einem sehr kontrovers geführten Gesetzgebungsverfahren mit verschiedenen Regelungsvorschlägen3 erhielt § 247a die jetzt in Absatz 1 vorliegende, über den Schutz kindlicher Zeugen4 hinausreichende Fassung erst durch einen Vorschlag des Vermittlungsausschusses.5 Durch Art. 1 Nr. 8 des OpferRRG, das am 1.9.2004 in Kraft trat (Art. 6 des OpferRRG), wurde – nach zum Teil heftiger Kritik6 – die Subsidiaritätsklausel in § 247a Satz 1 Halbsatz 1 der Ursprungsfassung („und kann sie nicht in anderer Weise, namentlich durch eine Entfernung des Angeklagten sowie den Ausschluss der Öffentlichkeit, abgewendet werden“) gestrichen; dies wurde überwiegend begrüßt.7 Darüber hinaus passte Art. 3 Nr. 11 des 1. JuMoG, ebenfalls am 1.9.2004 in Kraft getreten (Art. 14 des 1. JuMoG), den § 247a Satz 1 Halbsatz 2 a.F. redaktionell an den geänderten § 251 an. Durch Art. 6 Nr. 6 VidVerfG8 wurde der bisherige Wortlaut der Vorschrift zum Absatz 1 und Absatz 2 neu angefügt. Die Neuregelung trat am 1.11.2013 in Kraft (Art. 10 Abs. 1 VidVerfG). Allerdings waren die Landesregierungen durch Art. 9 Satz 1 des Gesetzes ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass § 247a Abs. 2 bis längstens zum 31.12.2017 „ganz oder teilweise“ keine Anwendung findet.

I.

II.

Übersicht Zweck und Bedeutung 1. Grundgedanke | 1 a) Audiovisuelle Zeugenvernehmung (§ 247a Abs. 1) | 2 b) Audiovisuelle Sachverständigenvernehmung (§ 247a Abs. 2) | 3 2. Bedeutung | 4 3. Internationale Rechtshilfe | 6 Anordnungsvoraussetzungen 1. Zeugenschutz (Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1) | 7 a) Schwerwiegender Nachteil für das Wohl | 8 b) Dringende Gefahr | 9 2. Entsprechende Anwendung des § 251 Abs. 2 (Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2) | 10 a) Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 Nr. 1, 2 | 11

b)

III.

Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 Nr. 3 | 13 c) Aufklärungspflicht | 14 3. Vernehmung eines Sachverständigen (Absatz 2) a) Ausschluss der audiovisuellen Vernehmung (Absatz 2 Satz 2) | 15 b) Weitere Einschränkungen | 16 Gerichtliche Anordnung 1. Ermessen | a) Audiovisuelle Zeugenvernehmung (Absatz 1 Satz 1) | 17 b) Audiovisuelle Sachverständigenvernehmung (Absatz 2 Satz 1) | 19 2. Gerichtsbeschluss | 20 3. Unanfechtbarkeit a) Audiovisuelle Zeugenvernehmung (Absatz 1 Satz 2) | 21

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2 LG Mainz NJW 1996 208; krit. Dahs NJW 1996 178; Hasdenteufel 65 ff.; Jansen StV 1996 123; Schlüchter FS Schneider 449 ff.; Strate FS Friebertshäuser 203. 3 Vgl. Rieck (Substitut) 49 ff.; ferner Caesar NJW 1998 2315; Rieß StraFo 1999 1; Seitz JR 1998 309; SK/Frister 3 f. 4 Die Entwürfe BTDrucks. 13 3128 und BTDrucks. 13 4983 hatten nur dieses Ziel; erst der Entwurf BTDrucks. 13 7165 erfasste alle „schutzwürdigen“ Zeugen. 5 BTDrucks. 13 10001. 6 Vgl. Beulke ZStW 113 (2001) 717; Kuckein StraFo 2000 398; Rieß StraFo 1999 6; Schmoll 179; Schöch FS Meyer-Goßner 383 f.; Swoboda 164 ff.; Vogel 261 f. 7 Vgl. Hartz KJ 2006 82; Kretschmer JR 2006 455; Neuhaus StV 2004 625; Meyer-Goßner/Schmitt 4; krit. Ferber NJW 2004 2564; Stiebig Jura 2005 595. 8 BGBl. I S. 935.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

b)

IV.

Audiovisuelle Sachverständigenvernehmung (Absatz 2 Satz 3) | 22 Vorbereitung und Durchführung der audiovisuellen Vernehmung 1. Audiovisuelle Zeugenvernehmung (Absatz 1Satz 1) a) Vorbereitung | 23 b) Durchführung aa) Räumliche und technische Gestaltung | 25 bb) Dauer und Umfang | 26 cc) Anwesenheitsrechte und Öffentlichkeit | 27 dd) Weiteres Verfahren | 28

§ 247a

2.

Audiovisuelle Sachverständigenvernehmung (Absatz 2 Satz 1) | 29 V. Aufzeichnung der Zeugenaussage (Absatz 1 Satz 4 und 5) 1. Voraussetzungen | 30 2. Anordnung der Aufzeichnung | 34 3. Ermessen | 35 4. Verwendung, Akteneinsicht und Löschung | 36 VI. Sitzungsniederschrift | 37 VII. Rechtsmittel 1. Beschwerde | 38 2. Revision | 39

I. Zweck und Bedeutung 1. Grundgedanke. Vom Grundsatz, dass Zeugen und Sachverständige in der Haupt- 1 verhandlung körperlich anwesend sein müssen und dort vom Gericht zu vernehmen sind, macht § 247a eine Ausnahme. Er gestattet es, in der Hauptverhandlung einen Zeugen oder Sachverständigen zu vernehmen, der sich an einem anderen Ort aufhält und mit dem Gerichtssaal nur durch ein Medium zur gleichzeitigen Bild-Ton-Übertragung verbunden ist. Eine solche Vernehmung setzt voraus, dass dafür beim jeweiligen Gericht neben geeignetem Personal auch die technischen Voraussetzungen vorhanden sind oder geschaffen werden, damit diese im Kommunikationszeitalter anderweitig schon seit Jahren genutzte Möglichkeit auch bei Gericht eingesetzt werden kann. Die Justizverwaltungen sind gehalten, für die notwendige personelle und technische Ausstattung der Gerichte zu sorgen.9 a) Audiovisuelle Zeugenvernehmung (§ 247a Abs. 1). Absatz 1 Satz 1 lässt die 2 Nutzung dieser Kommunikationsform bei Zeugenvernehmungen für zwei verschiedene Zwecke zu. Zum einen (Satz 1 Halbsatz 1) soll – in Fortschreibung früherer Bemühungen um den Opfer- und Zeugenschutz – eine weitere Möglichkeit geschaffen werden, einen Zeugen vor schwerwiegenden Beeinträchtigungen seines Wohls zu schützen, die ihm aus der Erfüllung seiner Zeugenpflicht in der Hauptverhandlung erwachsen können. Dabei wird nicht zwischen kindlichen und jugendlichen Zeugen einerseits und sonstigen Zeugen andererseits unterschieden.10 Zum anderen (Satz 1 Halbsatz 2) eröffnet § 247a Abs. 1 dem erkennenden Gericht allgemein die durch die moderne Technologie eröffnete Möglichkeit, Zeugen, die am Erscheinen in der Hauptverhandlung verhindert sind oder auf deren körperliche Anwesenheit verzichtet wird, auch an einem anderen Ort aus der Hauptverhandlung heraus selbst zu vernehmen. Dies gestattet, die modernen Kommunikationsmittel im Strafverfahren für eine weitere Form der Beweiserhebung („Videokonferenz“, „Fernvernehmung“) durch das erkennende Gericht heranzuziehen.

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9 BGHSt 51 232; vgl. auch BVerfG NJW 2014 1082, 1083 m. krit. Anm. Eisenberg StraFo 2014 424 = StV 2015 137 m. krit. Anm. Hamm; BTDrucks. 15 1976 S. 12: „Die technischen Voraussetzungen … müssen flächendeckend zur Verfügung stehen“; dazu empirisch Dieckerhoff 145 ff. 10 Kritisch Maaß 139 f.

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3

b) Audiovisuelle Sachverständigenvernehmung (§ 247a Abs. 2). Vor dem Hintergrund des mit dem VidVerfG allgemein verfolgten Ziels, durch den Einsatz moderner Kommunikationstechniken die Belastung von Verfahrensbeteiligten durch Zeit- und Reiseaufwand zu reduzieren und damit auch zu einer Beschleunigung des Verfahrens beizutragen,11 eröffnet § 247a Abs. 2 Satz 1 die Möglichkeit, einen Sachverständigen im Wege der zeitgleichen Bild-Ton-Übertragung in der Hauptverhandlung zu vernehmen, ohne dass – abgesehen von der Ausschlussklausel des § 247a Abs. 2 Satz 2 – hierfür nähere gesetzliche Voraussetzungen normiert sind. Lediglich den Gesetzesmaterialien lässt sich entnehmen, dass die Regelung auf die Fälle Anwendung finden soll, in denen die Vernehmung des Sachverständigen durch Bild-Ton-Übertragung ohne wesentliche Beeinträchtigung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes geschehen kann, es also für die Bewertung des erstatteten Gutachtens nicht auf den direkten persönlichen Eindruck von dem Sachverständigen im Sitzungszimmer ankommt.12 Gedacht ist dabei insbesondere an Fälle, in denen die Verlesung eines schriftlichen Gutachtens (§ 256) nicht möglich ist, etwa weil ein solches nicht vorliegt, die rechtlichen Voraussetzungen für eine Verlesung nicht gegeben sind oder diese zur Aufklärung des Sachverhalts nicht ausreichend ist, andererseits aber die persönliche Anwesenheit des Sachverständigen im Sitzungszimmer entbehrlich erscheint, weil er lediglich einfache, klar umgrenzte und eher „isolierte“ technische Fragen zu beantworten hat, zu deren Klärung er aus dem Inhalt der Hauptverhandlung auch keine zusätzlichen neuen Befundtatsachen gewinnen kann.13 Gegenüber der Verlesung eines Gutachtens nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 hat die Vernehmung des Sachverständigen im Wege der Bild-Ton-Übertragung den Vorteil, dass das Fragerecht der Verfahrensbeteiligten unmittelbar ausgeübt werden kann.14

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2. Bedeutung. § 247a lässt die audiovisuelle Vernehmung als Teil der Hauptverhandlung15 zu. Ihr Inbegriff (§ 261) erstreckt sich auch auf den Raum, in dem der Zeuge oder Sachverständige vernommen wird, und die dort anwesenden Personen, ihre Bekundungen, ihr Verhalten und ihr Erscheinungsbild. Obwohl § 247a den Rückgriff auf das Originalbeweismittel ermöglicht, führt er dennoch zu einer Einschränkung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes nach § 250 Satz 1;16 die Regelung gestattet es, dass das Gericht auf die körperliche Anwesenheit des Zeugen oder Sachverständigen im Sitzungssaal verzichtet und eine lediglich durch ein technisches Medium vermittelte Vernehmung durchführt. Die durch § 247a ermöglichte Form der Beweiserhebung steht der vom persönlichen Kontakt und von der unmittelbaren Kommunikation geprägten Verneh-

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11 Gesetzentwurf des Bundesrates BTDrucks. 17 1224 S. 1 f., 11; Stellungnahme der Bundesregierung BTDrucks. 17 1224 S. 16; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses BTDrucks. 17 12418 S. 20. 12 Gesetzentwurf des Bundesrates BTDrucks. 17 1224 S. 11; Stellungnahme der Bundesregierung BTDrucks. 17 1224 S. 16 f.; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses BTDrucks. 17 12418 S. 18. 13 Gesetzentwurf des Bundesrates BTDrucks. 17 1224 S. 14; Stellungnahme der Bundesregierung BTDrucks. 17 1224 S. 16; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses BTDrucks. 17 12418 S. 19 f. 14 SK/Frister 22a. 15 BGHSt 45 188, 193; 46 73, 76. 16 BGHSt 45 188, 196; BGH NStZ 2008 232, 233; Beulke ZStW 113 (2001) 732 f., 736 f.; Diemer NJW 1999 1669; ders. StraFo 2000 218; ders. NStZ 2001 393; Fleindl JA 2005 376; Schmenger 45 f.; Swoboda 143, 170; Wasserburg FS Richter II 552 ff.; KK/Diemer 5, 8; Meyer-Goßner/Schmitt 1a; SK/Frister 15; vgl. auch Kretschmer JR 2006 455; KMR/Eschelbach Vor § 226, 34; a.A. Maaß 191 ff.; Meurer JuS 1999 940; Rieck StraFo 2000 403 f.; ders. (Substitut) 153 f.; Schmoll 234 ff.; Vassilaki JZ 2000 476; Weigend Verh. des 62. DJT (1998) Bd. I C 55.

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mung des in der Hauptverhandlung anwesenden Zeugen oder Sachverständigen an Erkenntniswert nach.17 Die audiovisuelle Vernehmung ist allerdings eine sinnvolle Ergänzung der zur Ersetzung der unmittelbaren Vernehmung entwickelten traditionellen Formen;18 denn sie versetzt das Gericht und die Verfahrensbeteiligten in die Lage, ähnlich wie bei einem in der Hauptverhandlung anwesenden Zeugen dessen Aussage selbst zu hören und mit Fragen und Vorhalten zu prüfen.19 Diese können sich dadurch selbst ein Bild von der Person des Zeugen sowie Form und Inhalt seiner Bekundungen machen. Eine solche Art der Beweiserhebung ist vielfach weit aussagekräftiger als die Verlesung der Niederschrift über die Aussage, die der Zeuge sonst bei seiner Vernehmung durch einen beauftragten oder ersuchten Richter abgegeben hätte. Hierdurch werden die Möglichkeiten zur Sachaufklärung erweitert, das Fragerecht des Angeklagten (Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK, § 240 Abs. 2) wird gewährleistet20 und Beweisverlusten entgegengewirkt; zugleich dient ein solches Vorgehen der Prozesswirtschaftlichkeit und der Verfahrensbeschleunigung. § 247a Abs. 1 Satz 1 regelt die einzig zulässige Form der Videovernehmung in der 5 Hauptverhandlung, bei der das Gericht einschließlich des Vorsitzenden und die Verfahrensbeteiligten im Sitzungssaal verbleiben und der Zeuge in die laufende Hauptverhandlung zugeschaltet wird (sog. Englisches Modell).21 Daneben sind andere Formen nicht vorgesehen. Insbesondere auch die Durchführung einer gespaltenen Hauptverhandlung, bei der der Vorsitzende den Zeugen außerhalb des Sitzungssaals vernimmt und diese Vernehmung in den Sitzungssaal übertragen wird (sog. Mainzer Modell),22 ist verfahrensfehlerhaft.23 Fälle, in denen die Vernehmung nach § 247a Abs. 1 Satz 1 ein Kind überfordert, so dass es durch einen Richter unmittelbar zu vernehmen ist, können de lege lata nur dadurch gelöst werden, dass eine kommissarische Vernehmung nach § 168e durchgeführt und deren Aufzeichnung dann nach § 255a in der Hauptverhandlung vorgespielt wird. Nach einer im Schrifttum verbreiteten Ansicht,24 die auch schon in der parlamentarischen Beratung geäußert wurde,25 soll es hingegen ebenfalls zulässig sein, dass sich das erkennende Gericht der kommissarischen Vernehmung durch einen nicht dem Spruchkörper angehörenden Richter mittels einer zeitgleichen Bild-Ton-Übertragung zuschaltet, wobei dem Zeugen dann auch aus der Hauptverhandlung heraus Fragen gestellt werden können. Diese Ansicht kann nicht überzeugen:26 Gegen eine solche Verqui-

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17 Vgl. etwa BGHSt 45 188, 196 = JZ 2000 471 m. Anm. Vassilaki = JR 2000 74 m. Anm. Rose, m. Anm. Duttge NStZ 2000 157, m. Anm. Schlothauer StV 2000 180; Diemer NJW 1999 1671; Eisenberg (Beweisrecht) 1309; Fischer JZ 1998 820; KK/Diemer 5; s. auch MüKo/Cierniak/Niehaus 20 i.V.m. § 247, 22 f. („Hypertrophie des Opferschutzes“). 18 Beulke ZStW 113 (2001) 721; HK/Julius 2; KK/Diemer 6; krit. Dahs NJW 1996 179; Fischer JZ 1998 820; Mehle FS Grünwald 363; ferner aus psychologischer Sicht v. Knoblauch zu Hatzbach ZRP 2000 276. 19 Vgl. BGHSt 45 188, 196; ferner Sinn JZ 2001 52; SK/Frister 8 ff., 14 ff.; zum Fragerecht im Zusammenhang mit der audiovisuellen Vernehmung nach § 168e BGHSt 46 93, 103. 20 Maaß 182 ff. 21 Vgl. etwa SK/Frister 4; Jung GA 1998 332 f.; Kretschmer JR 2006 455; Lingenberg 98 f.; Maaß 45 ff., 158; s. aber auch HK/Julius 12 („vorzugsweise“). 22 LG Mainz NJW 1996 208; s. Entstehungsgeschichte. 23 BGH JR 2017 174, 175 f. m. Anm. Kretschmer; OLG Schleswig bei Döllel/Dreeßen SchlHA 2012 297; Rieß StraFo 1999 5; a.A. – ohne Begründung – Vassilaki JZ 2000 474. Eine Gesetzesinitiative der CDU/CSUFraktion v. 8.4.2003 (BTDrucks. 15 814 S. 4, 8), mit der sie das Mainzer Modell für Opferzeugen unter 16 Jahren einführen wollte, scheiterte; vgl. 94. BTSitzg. v. 4.3.2004, Plenarprot. 15 94 S. 8409 B; ferner BTDrucks. 15 2609 S. 14. 24 Diemer NJW 1999 1668; Weigend Verh. des 62. DJT (1998) Bd. I C 56; HK/Julius 3; KMR/Lesch 5. 25 MdB Irmer 221. BTSitzg. v. 4.3.1998, Plenarprot. 13 221 S. 20206 A. 26 Wie hier Beulke ZStW 113 (2001) 721 f.; Eisenberg (Beweisrecht) 1308; Helmig 86 f.; Keiser 359 f.; Lingenberg 104 ff.; Maaß 160 ff.; Rieck (Substitut) 225 ff.; Rieß NJW 1998 3242; ders. StraFo 1999 7;

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ckung sprechen vor allem die Erfordernisse der Verfahrensklarheit. Sowohl im Interesse des betroffenen Zeugen als auch der Verfahrensbeteiligten ist zu fordern, dass eindeutig feststehen muss, wer die Vernehmung durchführt und die darauf bezüglichen Entscheidungen zu treffen hat, ferner, ob diese ein Teil der Hauptverhandlung i.S.v. § 261 ist oder ob sie – verneinendenfalls – erst danach durch Verlesen des Vernehmungsprotokolls oder durch Vorführung einer Videoaufzeichnung in die Hauptverhandlung einzuführen ist. Eine Zeugenvernehmung, die gleichzeitig kommissarische Vernehmung und Teil der Hauptverhandlung sein soll und bei der außerdem jeweils zwei verschiedenen Richtern die Befugnis zur Vernehmung zustehen würde, ist abzulehnen. Für § 247a Abs. 2 Satz 1 wird sich diese Problematik kaum stellen; sie könnte aber nicht abweichend beurteilt werden. 6

3. Auch für die internationale Rechtshilfe gewinnt die audiovisuelle Vernehmung nach § 247a Abs. 1 Satz 1 zunehmend an Bedeutung, da die Vorschrift innerstaatlich die Rechtsgrundlage dafür bietet, dass das Gericht Zeugen auch im Ausland vernehmen kann. Nach BGHSt 45 188, 191 ff. ist Voraussetzung hierfür, dass diese Form der Vernehmung sowohl tatsächlich als auch rechtshilferechtlich (etwa aufgrund einer zwischenstaatlichen Rechtshilfevereinbarung oder im Wege des vertraglosen Rechtshilfeverkehrs) möglich ist27 und die Einhaltung der für die Hauptverhandlung geltenden wesentlichen Verfahrensgarantien gewährleistet ist. Dabei gilt namentlich (aaO S. 194): Eine unbeeinflusste Vernehmung muss möglich sein, bei der die Verhandlungsleitung beim Vorsitzenden liegt (§ 238 Abs. 1) und die ungeschmälerte Ausübung der prozessualen Befugnisse der Verfahrensbeteiligten gewährleistet ist. Dem steht nicht entgegen, wenn bei der Vernehmung ein Vertreter der Justizbehörden des ersuchten Staates anwesend ist, der vorab die Identität des Zeugen feststellt und damit sicherstellt, dass sich die erbetene Rechtshilfeleistung auf die gewünschte Person erstreckt, und der zugleich für die Einhaltung der rechtlichen Grundprinzipien seines Staates Sorge trägt. Die Durchführung der Hauptverhandlung selbst folgt freilich den Feststellungs- und Belehrungsregeln der § 52 Abs. 3, § 55 Abs. 2,28 §§ 57, 243. Auch kann die Anwesenheit eines deutschen Vertreters zur Beobachtung der ordnungsgemäßen Durchführung der Vernehmung hilfreich sein, vorausgesetzt, der ersuchte Staat lässt dies zu. Soweit schließlich der Einsatz eines Dolmetschers erforderlich ist, kann ein solcher im Raum der Hauptverhandlung, im Vernehmungsraum oder in beiden Räumen tätig werden.29 Innerhalb der Europäischen Union – mit Ausnahme von Dänemark und Irland30 – sind die rechtshilferechtlichen Voraussetzungen der audiovisuellen Vernehmung in Art. 24 der RL 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3.4.2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (RL EEA)31 geregelt.

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Swoboda 203 ff. (de lege ferenda zu fordern); KK/Diemer 3; Meyer-Goßner/Schmitt § 223, 20; Pfeiffer 2; SK/Frister 57. 27 Vgl. einerseits BGHSt 45 188, 192 (Möglichkeit des vertragslosen Rechtshilfeverkehrs mit den USA); BGH NStZ 2008 232, 233 (Geltung des EuRhÜbk in Österreich); andererseits BGH NStZ 2000 385 (fehlende technische Voraussetzungen für eine audiovisuelle Vernehmung in Tschechien); bei Becker NStZ-RR 2005 65, 66 (keine vertragliche Regelung über die in Form der Videokonferenz zu gewährende Rechtshilfe mit der Türkei). 28 Duttge NStZ 2000 160. 29 BGHSt 45 188, 195; vgl. zum Ganzen auch Duttge NStZ 2000 159 f.; Kretschmer JR 2006 456; Rose JR 2000 78; Schlothauer StV 2000 181; Vassilaki JZ 2000 475 f.; HK/Julius 13; KK/Diemer 3a; KMR/Lesch 13; Meyer-Goßner/Schmitt 9. 30 Für Dänemark gilt Art. 10 des Übereinkommens vom 29.5.2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EURhÜbk), für Irland das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20.4.1959 (EuRhÜbk). 31 In Deutschland umgesetzt durch §§ 91 ff. IRG (für ausgehende Ersuchen gilt insbesondere § 91j IRG).

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II. Anordnungsvoraussetzungen 1. Zeugenschutz (Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1). Die Anordnung muss zum Schutz des 7 Zeugen erforderlich sein, weil „die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für sein Wohl“ besteht.32 § 247a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 bezweckt dagegen – anders als § 247 Satz 1 – nicht die Sicherung einer wahrheitsgemäßen Aussage.33 Die einheitlichen Voraussetzungen differenzieren auch nicht – wie die Entfernung des Angeklagten nach § 247 Satz 2 – zwischen Zeugen unter 18 Jahren (kindlichen und jugendlichen Zeugen) und älteren (erwachsenen) Zeugen. Folge dessen ist, dass bei kindlichen und jugendlichen Zeugen die Anforderungen an die Zulässigkeit einer audiovisuellen Vernehmung im Vergleich zu § 247 Satz 2 Alt. 1 („erheblicher Nachteil für das Wohl des Zeugen zu befürchten“) strenger, bei erwachsenen Zeugen hingegen im Vergleich zu § 247 Satz 2 Alt. 2 („dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für ihre Gesundheit“) weniger streng sind.34 Eine audiovisuelle Vernehmung ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil sich ein Zeuge im Zeugenschutzprogramm befindet.35 a) Jeder schwerwiegende Nachteil für das Wohl des Zeugen, der auf der Verneh- 8 mung im Gerichtssaal beruht, reicht für die audiovisuelle Vernehmung aus, auch wenn er nicht in einer unmittelbaren Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit des Zeugen besteht. Unerheblich ist, von wem diese Gefahr droht; sie muss also nicht durch die persönliche Konfrontation des Zeugen mit dem Angeklagten ausgelöst werden.36 Neben akuten Gefahren, die etwa bestehen können, wenn der Zeuge im Fall seiner Anwesenheit im Sitzungssaal an Leib oder Leben bedroht ist, kommen auch andere Beeinträchtigungen seines Wohls in Betracht, wie etwa die seelischen Belastungen des Opferzeugen durch die Konfrontation mit dem Angeklagten oder mit anderen in der Hauptverhandlung anwesenden Personen. 37 Massive Beeinträchtigungen können im Einzelfall aber auch schon dadurch entstehen, dass der Zeuge in die Lage versetzt wird, eine seine Intimsphäre tief verletzende Tat in allen Einzelheiten in der Atmosphäre einer Hauptverhandlung in unmittelbarer Gegenwart aller Verhandlungsteilnehmer schildern zu müssen.38 Der Nachteil muss im Hinblick auf die zu befürchtenden Auswirkungen objektiv schwerwiegend sein. Er muss also über die vorübergehenden seelischen oder körperlichen Belastungen hinausgehen, die vor allem für den Verletzten gewöhnlich mit einer Zeugeneinvernahme in der Hauptverhandlung verbunden und die von dem Zeugen

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32 Trotz Streichung der Subsidiaritätsklausel (s. Entstehungsgeschichte) halten die Anwendung des § 247a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 für ausgeschlossen, wenn der erforderliche Zeugenschutz durch den Ausschluss der Öffentlichkeit gewährleistet werden kann: Heger JA 2007 247; Graf/Berg 13; SK/Frister 29. 33 BGH NStZ 2001 608; Beulke ZStW 113 (2001) 716; Diemer NJW 1999 1669; KK/Diemer 11; KMR/Lesch 26; Meyer-Goßner/Schmitt 3. 34 Vgl. Beulke ZStW 113 (2001) 716; Neuhaus StV 2004 625; Rieß StraFo 1999 6 Fn. 84; Seitz JR 1998 311; Swoboda 148 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 3; kritisch MüKo/Cierniak/Niehaus 6; SK/Frister 18 f. Zur Ermessensausübung, wenn neben § 247a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 andere Maßnahmen des Zeugenschutzes in Betracht kommen, s. Rn. 18. 35 BGHSt 50 318, 329; Meyer-Goßner/Schmitt 3; a.A. Hohnel NJW 2004 1356; AnwK-StPO/Sommer 5. 36 Seitz JR 1998 311; HK/Julius 4; Meyer-Goßner/Schmitt 3; SK/Frister 25; krit. Mehle FS Grünwald 364. 37 Dazu zählt ggf. auch das Publikum: Lingenberg 94; Maaß 138; insoweit ist aber (trotz Streichung der Subsidiaritätsklausel der ursprünglichen Fassung) vorrangig zu prüfen, ob die Gefahr der Beeinträchtigung des Zeugen schon durch den Ausschluss der Öffentlichkeit (§ 171b GVG) ausgeräumt werden kann (s. Rn. 18). 38 Vgl. HK/Julius 4 („angstneurotische Erscheinungen“).

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bis zu einem gewissen Grad hinzunehmen sind.39 Ob solche schwerwiegenden Auswirkungen sogleich oder als Spätfolgen zu befürchten sind, muss unter Berücksichtigung der individuellen Belastbarkeit des jeweiligen Zeugen beurteilt werden, in Zweifelfällen eventuell auch unter Zuziehung eines Sachverständigen.40 Vor allem bei Kindern als Zeugen können zu befürchtende Schäden für ihre künftige Entwicklung ein solch schwerwiegender Nachteil für ihr Wohl sein.41 Die Prüfung der Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Halbsatz 1 ist bei allen Verhandlungen, Vernehmungen und sonstigen Untersuchungshandlungen, die Opferzeugen betreffen, vorzunehmen, also schon möglichst früh im Verfahren (§ 48 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1). Ergeben sich Anhaltspunkte für die besondere Schutzbedürftigkeit eines derartigen Zeugen, so soll er „an geeigneter Stelle“ im „weiteren Verfahren“ auf § 247a hingewiesen werden (§ 406i Abs. 2). 9

b) Eine dringende Gefahr ist – ebenso wie bei § 247 Satz 2 Alt. 2 – Anordnungsvoraussetzung. Insoweit reicht es aus, dass das Gericht bei einer Vorauswürdigung aller ihm bekannten tatsächlichen Umstände einschließlich der Persönlichkeit des Zeugen die Überzeugung gewinnt, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die unmittelbare Vernehmung im Gerichtssaal ein schwerwiegender Nachteil für dessen Wohl eintritt. Nicht erforderlich ist, dass der Eintritt als sicher erscheint. Die bloß abstrakte, nicht durch konkrete Anhaltspunkte untermauerte Möglichkeit einer solchen Gefahr genügt dagegen nicht.42

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2. Entsprechende Anwendung des § 251 Abs. 2 (Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2). Unter denselben Voraussetzungen wie beim Verlesen von richterlichen Vernehmungsniederschriften43 eröffnet der Halbsatz 2 des § 247a Abs. 1 Satz 1 dem Gericht die Möglichkeit, die audiovisuelle Vernehmung für die Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens zu nutzen. Das erkennende Gericht darf sie somit als bessere und den Unmittelbarkeitsgrundsatz weniger beeinträchtigende Form der Beweiserhebung anordnen, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen das Gericht andernfalls die Verlesung einer richterlichen Vernehmungsniederschrift hätte anordnen dürfen. Die tatsächlichen Voraussetzungen, an die § 251 Abs. 2 anknüpft, müssen gegeben sein. Es muss also der unmittelbaren Einvernahme eines Zeugen in der Hauptverhandlung ein Hindernis entgegenstehen oder ihm die Anreise unzumutbar sein (§ 251 Abs. 2 Nr. 1 und 2); nach § 251 Abs. 2 Nr. 3 genügt aber auch, dass Staatsanwalt, Verteidiger und Angeklagter mit der audiovisuellen Vernehmung einverstanden sind.44 Der Anwendungsbereich des nur für Zeugen geltenden § 247a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 wird durch die Bezugnahme auf die Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 nicht auf die anderen dort genannten Personen erweitert.45 Die audiovisuelle Vernehmung eines Mitbeschuldigten ist daher

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39 Diemer NJW 1999 1669; ders. NStZ 2001 394; AnwK-StPO/Sommer 4; KK/Diemer 11; KMR/Lesch 26; Maaß 67, 138 verlangt eine „Beeinträchtigungsintensität“, die über einen erheblichen Nachteil i.S. des § 247 Satz 2 hinausgeht. 40 Vgl. BVerfG NJW 2014 1082, 1083 m. krit. Anm. Eisenberg StraFo 2014 424 = StV 2015 137 m krit. Anm. Hamm; kritisch bis ablehnend zu § 247a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, insbesondere bei der Vernehmung von „Opferzeugen“, auch MüKo/Cierniak/Niehaus 20 ff. 41 Laubenthal/Nevermann-Jaskolla JA 2005 298; Schöch FS Meyer-Goßner 384; tendenziell zurückhaltend dagegen Pfäfflin StV 1997 95. 42 Vgl. Diemer NStZ 2001 394; Leitner StraFo 1999 47; Maaß 67 f., 138 f. 43 Kritisch zur Beschränkung auf die Verlesungsgründe des § 251 Abs. 2 und damit den Ausschluss des Verlesungsgrunds nach § 251 Abs. 1 Nr. 3 a.F. (= Nr. 4 n.F.): SK/Frister 20, 37 f. 44 Kritisch zu dieser Alternative Rieß NJW 1998 3242; ders. StraFo 1991 6 f.; Rieck (Substitut) 92 (fordert de lege ferenda Streichung). 45 Diemer NStZ 2001 395; KK/Diemer 12.

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ausgeschlossen; für eine derartige Vernehmung von Sachverständigen gilt ausschließlich Absatz 2. Maßgebend ist immer nur die Verfahrensstellung im Zeitpunkt der Einvernahme;46 ein früherer Mitbeschuldigter kann als Zeuge nach § 247a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 vernommen werden.47 Die Anwendbarkeit des § 247a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 hängt auch nicht davon ab, ob eine nach § 251 Abs. 2 verlesbare Vernehmungsniederschrift vorliegt. Ist eine solche aber vorhanden und als Beweismittel verwendbar, ist dies für die Beurteilung der Frage von Bedeutung, ob die Anordnung der audiovisuellen Vernehmung dennoch zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist (Rn. 18). a) Unter den Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 Nr. 1, 2 darf die audiovisuelle Ver- 11 nehmung eines Zeugen angeordnet werden, wenn der persönlichen Vernehmung des Zeugen in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen (§ 251 Abs. 2 Nr. 1) oder wenn ihm das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zumutbar ist (§ 251 Abs. 2 Nr. 2). Grundsätzlich beurteilen sich diese Voraussetzungen nach denselben Maßstäben wie bei § 251 Abs. 2 Nr. 1 oder 2, so dass auf die dortigen Ausführungen Bezug genommen werden kann. Die audiovisuelle Vernehmung führt auch nicht dazu, dass der Zeuge i.S.v. § 251 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 in der Hauptverhandlung „erscheint“; andernfalls ginge die Verweisung in § 247a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 ins Leere.48 Soweit allerdings eine Abwägung erforderlich wird, verschieben sich die Gewichte. Denn bei der Abwägung hat das Gericht zu berücksichtigen, dass es vielfach mit der audiovisuellen Einvernahme aus der Hauptverhandlung heraus eine erheblich bessere Beweismöglichkeit hat als bei der kommissarischen Einvernahme durch einen beauftragten oder ersuchten Richter.49 Diese bessere Beweisqualität kann sowohl bei der Beurteilung der Zumutbarkeit des Erscheinens vor dem erkennenden Gericht die Grenze zugunsten der audiovisuellen Vernehmung verschieben als auch sonst ins Gewicht fallen, soweit es darum geht, ob das Erscheinen des Zeugen vor Gericht erforderlich ist. Vor allem bei Auslandszeugen (s. Rn. 6) kann dies bedeutsam sein, da dann, wenn entsprechende internationale Rechtshilfemöglichkeiten bestehen, die Einvernahme in ihrem Aufenthaltsstaat durch das erkennende Gericht möglich ist. Die Beweiserhebung muss daher weder an der Weigerung des Zeugen scheitern, an den Gerichtsort zu kommen, noch daran, dass das Gericht eine kommissarische Einvernahme deshalb als ungeeignet ansieht, weil es ihm auf einen persönlichen Eindruck vom Zeugen ankommt (zum von der Aufklärungspflicht geleiteten Ermessen s. Rn. 17 f.) Bei Kindern unter 14 Jahren, deren gesetzliche Vertreter die unmittelbare Einvernahme im Sitzungssaal unter Berufung auf drohende Erziehungs- und Entwicklungsschäden verweigern, kommt ein Vorgehen nach § 247a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 251 Abs. 2 Nr. 1 in Betracht, wenn es gelingt, wenigstens hierzu die Zu-

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46 Vgl. auch BGHSt 46 73, 77; Maaß 146 f. 47 Diemer NJW 1999 1670; Maaß 147; Meyer-Goßner/Schmitt 6. 48 BGHSt 46 73, 77; insoweit zust. Albrecht StV 2001 364 f.; Maaß 147 f.; Rose JR 2001 347; Sinn JZ 2001 51; ferner Diemer NStZ 2001 395; Fezer JZ 2007 673 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 6. Hiervon ist die Frage der „Erreichbarkeit“ i.S.v. § 244 Abs. 3 Satz 2 zu trennen; s. Rn. 43. 49 BGHSt 45 188, 195; 45 354, 361; Albrecht StV 2001 366; Schlothauer StV 2000 182; ebenso im Ergebnis – wenn auch mit deutlicher Kritik am unstimmigen („Paradoxie“) systematischen Verhältnis von § 244 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 Satz 2, § 247a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, § 251 Abs. 2 – Roxin/Schünemann § 46, 13, wo indes gegen BGHSt 46 73, 78 f. gefordert wird, dass das Gericht im Beschluss nach § 251 Abs. 4 Satz 1 begründen muss, warum es keine audiovisuelle Vernehmung durchführt und sich mit der Verlesung eines richterlichen Vernehmungsprotokolls begnügt; s. auch Rn. 4, 14.

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stimmung zu erhalten;50 denn das Erscheinen kann regelmäßig nicht gegen den Willen der Kinder und ihrer gesetzlichen Vertreter erzwungen werden.51 Für die Einvernahme gesperrter Zeugen (§§ 96 analog, 110b Abs. 3) eröffnet sich 12 ebenfalls eine weitere Möglichkeit, da eine Sperrerklärung, die das Erscheinen des Zeugen in der Hauptverhandlung wirksam ausschließt, ein nicht zu beseitigendes Hindernis i.S.d. § 251 Abs. 2 Nr. 1 ist.52 Darauf, ob alle Voraussetzungen vorliegen, welche die Anordnung auch zum Schutz des Zeugen nach Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1 ermöglichen, kommt es hierbei nicht an. Die Sperrerklärung wird nicht immer, aber mitunter insoweit überwunden werden können, dass es möglich ist, den für die Teilnahme an der Hauptverhandlung gesperrten Zeugen an einem anderen – eventuell geheim gehaltenen53 – Ort aus der Hauptverhandlung heraus per Videokonferenz zu vernehmen.54 Wenn Belange des Zeugenschutzes nicht entgegenstehen, hat diese Form der persönlichen Vernehmung unter dem Blickwinkel der Aufklärungspflicht (bestmöglicher Beweis) und der dadurch besser gewahrten Verteidigungsrechte zumeist Vorrang vor der Verlesung eines Vernehmungsprotokolls und vor der Vernehmung mittelbarer Zeugen, die nur vom Hörensagen über die Wahrnehmungen des für die Einvernahme im Sitzungssaal gesperrten Zeugen berichten könnten.55 Aus den gleichen Gründen sind bei dessen Einvernahme auch Schutzvorkehrungen zur Verhinderung seiner Enttarnung – namentlich die optische oder akustische Abschirmung – zulässig.56 Durch eine solche Verfahrensweise, die in vielen europäischen Staaten wie auch beim IStGH Standard ist, wird insbesondere das Recht des Angeklagten auf konfrontative Befragung als eine besondere Ausformung des fairen Verfahrens nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 lit. d EMRK gewährleistet.57 Handelt es sich bei dem Zeugen um eine Vertrauensperson, dürfte die abgeschirmte Videokonferenz allerdings in vielen Fällen untauglich sein, um die Offenlegung der Identität und

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50 Swoboda 246 f.; HK/Julius 8; s. bei § 251. 51 HK/Julius 6; s. § 244, 258 und bei § 214. Ordnungsmittel dürfen nicht verhängt werden, weil das Kind strafunmündig (§ 19 StGB) ist und die gesetzlichen Vertreter nicht Adressaten der Ladungsverfügung sind; die zwangsweise Vorführung wird vielfach unverhältnismäßig sein; vgl. Swoboda 244 ff.; s. bei § 51. 52 Meyer-Goßner/Schmitt 6; SSW/Tsambikakis 13; vgl. Rieß StraFo 1999 6 Fn. 76; Schmenger 43; kritisch SK/Frister 32; auch SK/Velten § 251, 41 ff.; a.A. KMR/Lesch 30; s. bei § 251. 53 Caesar NJW 1998 2315; Schlüchter FS Schneider 448. 54 Griesbaum NStZ 1998 440; Rieß NJW 1998 3242; HK/Julius 8; Meyer-Goßner/Schmitt 1a und 6. 55 BGH NJW 2003 74; Diemer NJW 1999 1671; s. bei § 250. 56 BGHSt 51 232, 235 = JR 2007 428 m. zust. Anm. Güntge; BGH NJW 2003 74 m. zust. Anm. Norouzi JuS 2003 434, m. Anm. Weber Polizei 2004 206; BGH StV 2004 241 m. insoweit zust. Anm. Wattenberg; BGH NStZ 2005 43 (krit. hierzu Wittke Kriminalistik 2005 226 f.); 2006 648 m. abl. Anm. Schuster StV 2007 507; Beschl. v. 30.3.2004 – 1 StR 12/04; Beulke ZStW 113 (2001) 726 ff.; Detter StV 2006 547 f.; Diemer NJW 1999 1670; ders. NStZ 2001 397 f.; ders. FS Nehm 264 ff.; Hegemann 253 ff.; Jung GA 1998 326; Kolz FS G. Schäfer 35; Lesch StV 1995 545; Maaß 153 ff.; Pott 82 ff.; Swoboda 189 ff.; Walter StraFo 2004 224; Weider StV 2000 51 ff.; Weider/Staechelin StV 1998 51; Weigend Verh. des 62. DJT (1998) Bd. I C 43; KK/Diemer 14; MeyerGoßner/Schmitt 1a und § 68, 17; SK/Frister 59 ff.; SSW/Tsambikakis 13; vgl. auch BVerfG (Kammer) NStZ 2007 534; StV 2010 337, 339 m. Anm. Safferling; a.A. etwa Caesar NJW 1998 2318; Ellbogen Die verdeckte Ermittlungstätigkeit der Strafverfolgungsbehörden durch die Zusammenarbeit mit V-Personen und Informanten (2004) 207 ff.; Helmig 114 ff.; Renzikowski JZ 1999 607; Schlüchter/Greff Kriminalistik 1998 533; Tiedemann/Sieber NJW 1984 756; Valerius GA 2005 459; Wasserburg FS Richter II 557 ff.; vgl. auch Schmenger 327. Die gegenteilige frühere Rspr. (vgl. BGHSt 32 115, 124 f. = JZ 1984 430 m. Anm. Fezer) ist durch Änderung der Gesetzeslage überholt. 57 BGH NJW 2003 74, 76; vgl. auch BVerfG Kammerbeschl. v. 2.2.2006 – 2 BvR 1963/04 u.a.; BGH NStZ 2004 345, 346; Hess. VGH StV 2013 685, 687; Beulke ZStW 113 (2001) 728 f.; Güntge JR 2007 430 f.; Kolz FS G. Schäfer 37 f.; Norouzi JuS 2003 437; Walter StraFo 2004 226 ff.; Weider StV 2000 53 f.; a.A. Renzikowski FS Mehle 538 ff.

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damit eine Gefährdung des Zeugen zu verhindern.58 Ist der Zeuge dagegen ein Verdeckter Ermittler, wird das Vorgehen oftmals geeignet sein, berechtigte Geheimhaltungsinteressen zu wahren, so dass eine umfassende Sperrerklärung verhindert und damit die persönliche Einvernahme ermöglicht wird. Denn geheimhaltungsbedürftig sind in erster Linie die „bürgerliche Identität“ des Verdeckten Ermittlers, die kriminaltaktische Vorgehensweise bei der Legendierung und sein weiterer Einsatz; insbesondere durch eine entsprechende Beschränkung der Aussagegenehmigung (vgl. § 54) kann hier eine Gefährdung vermieden werden.59 b) Die Anwendbarkeit des § 251 Abs. 2 Nr. 3 lässt die Anordnung der audiovisuellen 13 Vernehmung darüber hinaus in all den Fällen zu, in denen Staatsanwalt, Angeklagter und Verteidiger sowie die anderen Verfahrensbeteiligten, deren Zustimmung nach § 251 Abs. 2 Nr. 3 ebenfalls erforderlich ist,60 mit ihr einverstanden sind. Dies macht die audiovisuelle Vernehmung für die Verfahrensbeteiligten in begrenztem Umfang disponibel; es eröffnet ihnen einen Gestaltungsraum, in dem sie mitentscheiden können, ob ein solches Vorgehen genügt. Das Gericht wird durch das allseitige Einverständnis aber nicht zu dieser Form der Einvernahme verpflichtet.61 Das Einverständnis bildet lediglich die unerlässliche Grundlage dafür, dass das Gericht bei einem Zeugen, dem ein Erscheinen möglich und zumutbar wäre, in Abwägung aller Umstände – einschließlich des Gebots einer zügigen Verfahrensdurchführung – darüber eigenverantwortlich entscheiden kann, ob es unter Berücksichtigung seiner Aufklärungspflicht die audiovisuelle Vernehmung beschließt. c) Aufklärungspflicht. § 247a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 lässt die audiovisuelle Ver- 14 nehmung in den Fällen des § 251 Abs. 2 nur zu, „soweit dies zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist“. Dieser Einschub macht den – an und für sich ermessensleitenden – Maßstab der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2) zu einer tatbestandlichen Voraussetzung für die Anordnung einer audiovisuellen Vernehmung. Dies kann etwa bei der Behandlung von Beweisanträgen Bedeutung gewinnen62 und besagt schon deshalb mehr als nur Selbstverständliches.63 Infolgedessen ist nach den Umständen des Einzelfalls zu unterscheiden: Ist nach der Überzeugung des Gerichts mit einem Aufklärungserfolg überhaupt nicht zu rechnen, etwa weil sich der Zeuge seiner Person nach für die audiovisuelle Vernehmung nicht eignet, ist deren Anordnung bereits unzulässig. Ein entsprechender Beweisantrag muss daher wegen Unzulässigkeit der Beweiserhebung (§ 244 Abs. 3 Satz 1) abgelehnt werden.64 Besondere Bedeutung hat die einschränkende Voraussetzung, wenn ein ordnungsgemäß errichtetes richterliches Vernehmungsprotokoll – namentlich aufgrund kommissarischer Vernehmung – vorliegt. Da sie im Zusammen-

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58 BGH NStZ 2004 345, 346 f.; 2005 43; Schmenger 94 ff.; Weber Polizei 2004 206; Wittke Kriminalistik 2005 225 ff.; s. aber auch Hess. VGH StV 2013 685, 688, für den Fall zusätzlicher Maßnahmen zur Verhinderung einer Enttarnung der Vertrauensperson. 59 Vgl. BGH NStZ 2005 43 f.; hierzu Ellbogen JA 2005 334; Schmenger 106 f. Zum kumulativ angeordneten Ausschluss des Angeklagten (§ 247) s. Rn. 18. 60 S. bei § 251. 61 SSW/Tsambikakis 12. 62 S. § 244, 261a sowie die hieran anknüpfende Kritik an der Regelung bei SK/Frister 39 ff. 63 Anders aber Seitz JR 1998 312; AnwK-StPO/Sommer 12; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt 6. 64 Maßgeblich hierfür sind nicht die Maßstäbe der Unerreichbarkeit des Zeugen oder seiner völligen Ungeeignetheit als Beweismittel i.S.d. § 244 Abs. 3 Satz 2 (s. dazu § 244, 261 f.), sondern lediglich die einen größeren Beurteilungsspielraum des Gerichts eröffnenden Anforderungen der Aufklärungspflicht des § 244 Abs. 2; zumindest missverständlich daher SK/Frister 40 ff. auf der Grundlage des von ihm angenommenen Verbots hypothetischer Beweiswürdigung im Rahmen der Aufklärungspflicht.

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hang mit § 251 Abs. 2 steht, hat die Anordnung der audiovisuellen Vernehmung zu unterbleiben, soweit durch sie keine bessere Sachaufklärung zu erwarten ist als durch die Verlesung eines solchen Protokolls.65 Entgegen einigen Stimmen in der Literatur66 besteht kein genereller Vorrang der audiovisuellen Vernehmung; es kommt nicht auf den abstrakten Wert einer Beweiserhebung an, vielmehr darauf, welcher voraussichtliche Beweiswert ihr nach der Überzeugung des Gerichts im Einzelfall beizumessen ist.67 Genügen kann auch die Verlesung eines nichtrichterlichen Vernehmungsprotokolls bzw. einer schriftlichen Erklärung des Zeugen nach § 251 Abs. 1 oder die Vorführung einer Bild-Ton-Aufzeichnung nach § 255a.68 Bietet die audiovisuelle Vernehmung dagegen voraussichtlich bessere Erkenntnismöglichkeiten, sei es auch in nur geringem Umfang,69 so ist über die Anordnung zwar im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens zu entscheiden (s. Rn. 17), das aber durch § 244 Abs. 2 dahin gebunden ist, die Beweisaufnahme in dieser Form durchzuführen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob nach der Verfahrensbedeutung der Aussage von einer derartigen Vernehmung eines Zeugen etwa wegen der Möglichkeit seiner unmittelbaren Befragung und der Gewinnung eines Gesamteindrucks eine bessere Sachaufklärung zu erwarten ist, die den damit verbundenen Aufwand und eine etwaige Verfahrensverzögerung rechtfertigt.70 Eine Besonderheit besteht allerdings dann, wenn die audiovisuelle Vernehmung des Zeugen die einzige Möglichkeit ist, dem Angeklagten und seinem Verteidiger die erstmalige Ausübung des Fragerechts (§ 240 Abs. 2 Satz 1) zu eröffnen und damit auch das Recht aus Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK auszuüben. In diesem Fall muss in konventionskonformer Auslegung der Norm einem Beweisantrag auf audiovisuelle Vernehmung des Zeugen auch dann stattgegeben werden, wenn sich das Gericht von der Beweiserhebung keinen Aufklärungsgewinn erwartet.71 2. Vernehmung eines Sachverständigen (Absatz 2) 15

a) Ausschluss der audiovisuellen Vernehmung (Absatz 2 Satz 2). Durch § 247a Abs. 2 Satz 2 ist die audiovisuelle Vernehmung eines Sachverständigen gesetzlich ausgeschlossen, wenn dieser gemäß § 246a zugezogen wird. Allerdings hatte der Gesetzgeber dabei nur die Fälle im Auge, in denen der Sachverständige gemäß § 246a a.F. zu den Voraussetzungen der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus, einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung gehört werden soll.72 Indes ist § 246a zwischenzeitlich durch Art. 1 Nr. 6 STORMG neu gefasst und erweitert worden. Gemäß § 246a Abs. 2 n.F. soll nunmehr ein Sachverständiger auch dann über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, wenn eine Therapieweisung in Betracht kommt (s. § 246a, 10 ff., 24 f.). Da sich aber auch

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65 BTDrucks. 13 9063 S. 4; BGHSt 46 73 = JZ 2001 49 m. Anm. Sinn = JR 2001 343 m. Anm. Rose, m. Anm. Albrecht StV 2001 364; MüKo/Cierniak/Niehaus 11. 66 Vgl. Albrecht StV 2001 366; Gleß JR 2002 97; Schlothauer StV 1999 50; Schwaben NStZ 2002 289; Sinn JZ 2001 52; Velten StV 2007 99; Weider/Staechelin StV 1999 53 f.; SK/Frister 41. 67 BGHSt 45 188, 196 f.; 46 73, 79; BGH bei Becker NStZ-RR 2005 65; Albrecht StV 2001 365; Diemer StraFo 2000 219; ders. NStZ 2001 396; Maaß 156 f.; Rose JR 2001 347; Schöch FS Meyer-Goßner 375 f.; HK/Julius 9; KK/Diemer 13; KMR/Lesch 14; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 15. 68 HK/Julius 9; Meyer-Goßner/Schmitt 6; a.A. für nichtrichterliche Protokolle KMR/Lesch 11, 14. 69 Vgl. etwa Diemer NJW 1999 1671; ders. NStZ 2001 396: zusätzliche Hemmungen, geringere Motivation zur wahrheitsgemäßen Aussage. 70 BGH bei Becker NStZ-RR 2005 65, 66; Rose wistra 2001 292; s. § 244, 261. 71 SK/Frister 22. 72 Vgl. den Gesetzentwurf des Bundesrates BTDrucks. 17 1224 S. 11, 14.

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in diesen Fällen regelmäßig aus dem Inhalt der Hauptverhandlung maßgebliche neue Befundtatsachen für die vom Sachverständigen zu beantwortenden Fragen ergeben können, ist es durchaus sinnvoll, dass sich der Ausschluss der audiovisuellen Vernehmung nach § 247a Abs. 2 Satz 2 auch auf die Fälle des § 246a Abs. 2 n.F. erstreckt.73 b) Weitere Einschränkungen. Im Übrigen ist nach dem reinen Gesetzeswortlaut 16 § 247a Abs. 2 Satz 1 zwar auf alle sonstigen denkbaren Gutachtenerstattungen anwendbar. Jedoch ergeben sich aus der Zwecksetzung der Norm in Verbindung mit dem gesetzgeberischen Willen erhebliche weitere Einschränkungen der Anwendbarkeit der Vorschrift, die das Ermessen des Gerichts bei der Entscheidung über die Anordnung der audiovisuellen Vernehmung deutlich beschränken. So scheidet diese insbesondere dann von vornherein aus, wenn zu erwarten steht, dass der Sachverständige durch seine Anwesenheit in der Hauptverhandlung zusätzliche Befundtatsachen gewinnen kann, die er seinem Gutachten zugrunde zu legen hätte (s. Rn. 15). Davon ist namentlich dann auszugehen, wenn er zur Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten (§§ 20, 21 StGB) zugezogen wird. Zwar mag es in derartigen Fällen theoretisch denkbar sein, dass der Sachverständige an dem für die Beantwortung der Beweisfrage maßgeblichen Teil der Hauptverhandlung teilnimmt, sein Gutachten danach aber im Wege der Bild-TonÜbertragung erstattet. Eine sinnvolle Verfahrensgestaltung liegt darin indessen nicht; sie kann daher allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Darüber hinaus schränkt die erforderliche Beachtung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes die Möglichkeit der Anordnung einer Bild-Ton-Übertragung ein. Immer dann, wenn zu erwarten steht, dass die direkte Befragung des Sachverständigen im Sitzungszimmer eine bessere Bewertung der Validität seines Gutachtens ermöglicht als seine audiovisuelle Anhörung, scheidet deren Anordnung aus. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn mit einer kritischen oder kontroversen Befragung des Sachverständigen durch die Verfahrensbeteiligten zu rechnen ist.74 Dann ist die unmittelbare persönliche Vernehmung des Sachverständigen im Sitzungszimmer auch durch die Aufklärungspflicht geboten (§ 244 Abs. 2). III. Gerichtliche Anordnung 1. Ermessen a) Audiovisuelle Zeugenvernehmung (Absatz 1 Satz 1). Als „Kann-Vorschrift“ 17 überlässt es § 247a Abs. 1 Satz 1 dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, eine audiovisuelle Vernehmung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen anzuordnen. Das Ermessen hat sich am jeweiligen Regelungszweck der beiden Alternativen des § 247a Abs. 1 Satz 1 zu orientieren, wobei zu schützende Belange des Zeugen mit den Verteidigungsinteressen des Angeklagten und den Erfordernissen der Sachaufklärung abzuwägen sind.75 § 48 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Nr. 176 bestimmen nunmehr ausdrücklich, dass die besondere Schutzbedürftigkeit des durch die Tat verletzten Zeugen bei der Entscheidung zu berücksichtigen ist, ob dieser audiovisuell vernommen werden soll. Gemäß § 48 Abs. 3 Satz 3 sind dabei auch die „persönlichen Verhältnisse des Zeugen sowie Art und Umstände der Straftat“ zu beachten. Dass damit gegenüber der bisherigen Rechtslage

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73 Graf/Berg 7, 11; a.A. SK/Frister 43b: § 247a Abs. 2 Satz 2 auf § 246a Abs. 2 nicht anwendbar. 74 Großzügiger SK/Frister 43a. 75 KK/Diemer 4; Meyer-Goßner/Schmitt 7; SSW/Tsambikakis 16; vgl. BVerfG NJW 2014 1082, 1083 m. krit. Anm. Eisenberg StraFo 2014 424 = StV 2015 137 m krit. Anm. Hamm; s. ferner zu gesperrten Zeugen Rn. 12. 76 Eingeführt durch Art. 1 Nr. 2 des 3. OpferRRG vom 21.12.2015 (BGBl. I S. 2525).

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ein wesentlicher Fortschritt erzielt worden ist, erscheint zweifelhaft.77 Auf keinen Fall aber darf die Neuregelung dahin verstanden werden, dass den Schutzbelangen des durch die Tat verletzten Zeugen einseitig Vorrang vor der Aufklärungspflicht des Gerichts oder den Verteidigungsinteressen des Angeklagten einzuräumen wäre. In erster Linie in Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Halbsatz 2 kommen die Gesichtspunkte der Prozessökonomie und Verfahrensbeschleunigung hinzu;78 hier hat das Gericht bereits dem Maßstab der Aufklärungspflicht entsprechend einen Beurteilungsspielraum auf der Tatbestandsebene, der sachlich eng mit dem Ermessen zusammenhängt (s. auch Rn. 15). Bei der einzelfallbezogenen Prüfung des Beweiswerts der zu erwartenden Aussage hat das Gericht zu berücksichtigen, ob sich der Zeuge seiner Person nach für diese Art der Beweisaufnahme eignet und ob die verfügbaren technischen Möglichkeiten eine hinreichende Gewähr für seine aussagekräftige Einvernahme bieten.79 Zu bedenken ist aber auch, inwieweit überhaupt die Möglichkeit der unmittelbaren Einvernahme des Zeugen besteht; vor allem bei Zeugen im Ausland oder bei „gesperrten“ Zeugen kann dies zu verneinen sein, wenn sie nur für eine audiovisuelle Vernehmung an einem anderen Ort verfügbar sind. Gelangt das Gericht in diesen Fällen jedoch bei der Abwägung zu dem Ergebnis, dass ein Vorgehen nach § 247a wegen der Defizite einer audiovisuellen Vernehmung für die Wahrheitsfindung wertlos ist, bleibt der Zeuge – mangels anderweitiger Vernehmungsmöglichkeit – unerreichbar i.S.v. § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 5 (s. auch Rn. 43); seine audiovisuelle Vernehmung ist unzulässig, da von der Aufklärungspflicht nicht erfordert (s. Rn. 14).80 Die tatrichterliche Beurteilung, ob ein Vorgehen nach § 247a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 für die Wahrheitsfindung wertlos ist, erfordert regelmäßig eine Beweisantizipation, die revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist.81 Bei einer Zeugeneinvernahme im Ausland kann neben der Einbuße an Unmittelbarkeit, die einer durch ein technisches Medium vermittelten Vernehmung eines nicht körperlich Anwesenden eigen ist, von Bedeutung sein, dass eine etwaige Falschaussage nicht effektiv sanktionierbar ist.82 Im Verhältnis zu anderen Maßnahmen des Zeugenschutzes83 gilt für die Ermes18 sensentscheidung: Nach Streichung der Subsidiaritätsklausel84 (s. Entstehungsgeschichte) steht die audiovisuelle Vernehmung nach § 247a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 anderen dem Zeugenschutz dienenden Maßnahmen – insbesondere auch der Entfernung des Angeklagten nach § 247 – im Rang generell nicht mehr nach.85 Welcher dieser Maßnahmen im Einzelfall der Vorzug zu geben ist, hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermes-

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77 S. die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks. 18 4621 S. 23 f.), die außer dem Verweis auf einen angeblich auch insoweit bestehenden Umsetzungsbedarf zur Opferschutzrichtlinie (2012/29/EU; ABlEU Nr. L 315 vom 14.11.2012 S. 57) sowie auf die bisherige Rechtspraxis nur leerformelhafte Ausführungen enthält. 78 KK/Diemer 6; Meyer-Goßner/Schmitt 7; SSW/Tsambikakis 17. 79 Zur Verpflichtung der Justizverwaltungen, die Gerichte entsprechend auszustatten, s. Rn. 1. 80 Ob der Zeuge aus diesem Grund auch als – im Rahmen einer audiovisuellen Vernehmung – völlig ungeeignetes Beweismittel i.S. von § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 4 einzuordnen ist (etwa BGH StV 2004 465 m. Anm. Julius), kann daher dahinstehen (s. dazu noch LR/Becker26 13). 81 BGH StV 2004 465 m. Anm. Julius; Rose JR 2001 347 f.; a.A. SK/Frister 40 (Verbot hypothetischer Beweiswürdigung). 82 BGHSt 45 188, 196 f.; BGH NStZ 2004 347, 348; vgl. auch Art. 10 Abs. 8 EURhÜbk (s. Rn. 6); ferner Rieck (Substitut) 289 ff. 83 S. zur fehlenden Harmonisierung von § 247 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 mit §§ 247, 255a die Kritik bei SK/Frister 18 f. 84 Kritisch dazu Ferber NJW 2004 2564. 85 Zur früheren Rechtslage vgl. BGH NStZ 2000 440, 441; 2001 261, 262 m. Anm. van Gemmeren S. 263; BGH NStZ 2001 608; StV 2002 408, 409; OLG Frankfurt 2003 130, 131 (für den Zivilprozess).

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sen zu entscheiden; es hat aufgrund der konkreten Umstände abzuwägen, welche Maßnahme das Spannungsverhältnis zwischen Zeugenschutz, Aufklärungspflicht und Verteidigungsinteressen am besten zum Ausgleich bringt.86 Leitend sind dabei die Persönlichkeit des Zeugen, das Gewicht der ihm drohenden Gefahr sowie die Effektivität der jeweiligen Schutzvorkehrungen (zu den Regelungen in § 48 Abs. 3 bezüglich des durch die Tat verletzten Zeugen s. schon Rn. 17). Vorab hat das Gericht allerdings zu prüfen, ob es überhaupt noch der Einvernahme des Zeugen bedarf. So kann sie unter Umständen entbehrlich sein, weil ein glaubhaftes Geständnis des Angeklagten vorliegt (vgl. Nr. 222 Abs. 2 RiStVB; s. dazu auch § 244, 9 ff.) oder weil es ausreicht, die Videoaufnahme einer früheren Vernehmung nach § 255a vorzuspielen (Nr. 222 Abs. 1, Nr. 19 Abs. 2 RiStBV) oder ein Vernehmungsprotokoll nach § 251 zu verlesen.87 Kann auf die Vernehmung nicht verzichtet werden, so ist in die Abwägung weiterhin mit einzubeziehen, ob weniger einschneidende Schutzmaßnahmen es einzeln oder in Verbindung miteinander gestatten, den körperlich anwesenden Zeugen in Gegenwart des Angeklagten zu vernehmen. In Betracht kommen können beispielsweise die Entbindung von der Pflicht zur Angabe der Personalien oder der Adresse sowie die Verlegung des Sitzungsortes.88 An der Notwendigkeit einer solchen Abwägung hat sich durch die Streichung der Subsidiaritätsklausel nichts geändert. Auch wenn es für den Zeugenschutz ausreicht, die Öffentlichkeit auszuschließen (§§ 171b, 172 bis 174 GVG), wird dies als weniger einschneidende Maßnahme in der Regel anzuordnen sein.89 Für die Entscheidung, inwieweit ein Vorgehen nach § 247a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 einem solchen nach § 247 Satz 2 in den Fällen vorzuziehen ist, in denen sich die Voraussetzungen beider Vorschriften decken,90 kann einerseits zu berücksichtigen sein, dass bei der audiovisuellen Vernehmung die Verteidigungsinteressen, insbesondere das Fragrecht des Angeklagten (Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK; § 240 Abs. 2), grundsätzlich besser gewährleistet sind. Andererseits kann bei der audiovisuellen Vernehmung die Glaubwürdigkeitsbeurteilung leiden, während mit der Entfernung des Angeklagten einhergehende Defizite dadurch reduziert werden können, dass der Angeklagte an einem anderen Ort das Geschehen im Sitzungssaal mittels einer gleichzeitigen Bild-Ton-Übertragung mitverfolgen kann (s. § 247, 48).91 Gerade der erwachsene (Opfer-)Zeuge sollte in die Entscheidung mit einbezogen werden.92 Bedürfen kindliche Zeugen der persönlichen Zuwendung und Ansprache oder haben sie Scheu vor einer Kamera, etwa weil sie Opfer pornographischer Filmaufnahmen geworden sind, wird regelmäßig ein Vorgehen nach § 247 Satz 2 vorzuziehen sein.93 Ausnahmsweise kann es auch geboten sein, beide Maßnahmen anzuordnen, wenn trotz der audiovisuellen Vernehmung ein Ausschließungsgrund vorliegt, der nach § 247 die Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungssaal rechtfertigt.94

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86 BTDrucks. 15 1976 S. 12. 87 Diemer NJW 1999 1669; Meyer-Goßner/Schmitt 3. 88 Vgl. für die Rechtslage vor dem OpferRRG Diemer NJW 1999 1669; zu den einzelnen Maßnahmen ferner etwa Griesbaum NStZ 1998 433; Laubenthal JZ 1996 339. 89 Heger JA 2007 247; Graf/Berg 13; weitergehend SK/Frister 29: Anwendung des § 247a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 ausgeschlossen, wenn der erforderliche Zeugenschutz durch den Ausschluss der Öffentlichkeit gewährleistet werden kann. 90 Zu den Unterschieden s. Rn. 7. 91 Für einen Vorrang der audiovisuellen Vernehmung im Regelfall allerdings Heger JA 2007 247; Leitner StraFo 2004 306; Rieck JZ 2007 748; Roxin/Schünemann § 44, 53b; Meyer-Goßner/Schmitt 4; MüKo/Cierniak/Niehaus § 247, 8; SK/Frister 17 und § 247, 12 ff.; wohl auch SSW/Tsambikakis 18. 92 Beulke ZStW 113 (2001) 719; Kretschmer JR 2006 455. 93 BTDrucks. 15 1976 S. 12. 94 BVerfG (Kammer) NStZ 2007 534; BGH NStZ 2006 648 m. abl. Anm. Schuster StV 2007 507; Diemer FS Nehm 263; Maaß 145 f.; KK/Diemer 9; Meyer-Goßner/Schmitt 10 (mit dem Hinweis, dass dann die spätere

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b) Audiovisuelle Sachverständigenvernehmung (Absatz 2 Satz 1). Auch die Entscheidung gemäß § 247a Abs. 2 Satz 1 ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Dabei sind die diesem gezogenen Grenzen (s. Rn. 16) und namentlich die Aufklärungspflicht zu beachten und mit den Aspekten der Prozessökonomie und der Zügigkeit des Verfahrens abzuwägen. Danach wird die Anordnung der Bild-Ton-Übertragung sich im Allgemeinen auf Fälle beschränken, in denen mit Einwänden gegen die gutachterlichen Äußerungen des Sachverständigen nicht zu rechnen ist und dieser zur Klärung von Beweisfragen zugezogen wird, die den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch eher am Rande betreffen (s. Rn. 3, 15 f.).95

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2. Gerichtsbeschluss. Erforderlich ist ein Beschluss des Gerichts. Der Vorsitzende kann die audiovisuelle Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen nicht etwa kraft seiner Sachleitungsbefugnis anordnen.96 In der Hauptverhandlung ergeht der Beschluss nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten (§ 33 Abs. 1) unter Mitwirkung der Schöffen. Er ist in dieser zu verkünden (§ 35 Abs. 1 Satz 1). Er bedarf, da er nicht anfechtbar ist (Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3), an sich keiner Begründung (§ 34); erforderlich ist zumindest in den Fällen des Absatz 1 Satz 1 jedoch, dass das Gericht kenntlich macht, auf welchen Ausnahmetatbestand dieser Vorschrift es die Anordnung stützt.97 Darüber hinaus kann die Angabe sachgerecht sein, aufgrund welcher Tatsachen das Gericht den herangezogenen Tatbestand als gegeben ansieht.98 Der Beschluss ergeht von Amts wegen. Des Antrags eines Verfahrensbeteiligten bedarf es nicht; jedoch ist es diesem ebenso wie auch einem Zeugen und seinem Beistand sowie dem zu vernehmenden Sachverständigen unbenommen, auch schon vor dem Beginn der Hauptverhandlung unter Darlegung der dafür sprechenden Gründe eine solche Verfahrensweise anzuregen. Nur wenn die audiovisuelle Vernehmung auf die Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 Nr. 3 gestützt werden soll, setzt ihre Anordnung das dort vorgesehene und vorher einzuholende Einverständnis der Verfahrensbeteiligten mit dieser Form der Beweiserhebung voraus. Die Anordnung erfordert aber auch dann einen förmlichen Beschluss.99 Wird der Antrag auf Anordnung der audiovisuellen Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen abgelehnt, bedarf dieser Beschluss nach wohl vorherrschender Ansicht keiner Begründung, da es sich um eine von Amts wegen zu treffende und für sich genommen nicht anfechtbare100 Entscheidung handelt.101 Im Hinblick auf den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) erscheint es indes erwägenswert, ob nicht auch in die-

_____ Verwendbarkeit einer Videoaufzeichnung nach § 255a Abs. 2 entfalle). Bei einem solchen „kombinierten“ Vorgehen sind freilich die unterschiedlichen Vernehmungsbegriffe von § 247a einerseits und § 247 andererseits zu beachten; s. Rn. 26 sowie § 247, 34 ff. 95 Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt 15; großzügiger SK/Frister 43a. 96 Vgl. BGH NStZ-RR 2018 118. 97 BGHR StGB § 46 Abs. 3 Sexualdelikte 4; BGH NStZ-RR 2018 118; AnwK-StPO/Sommer 13; KMR/Lesch 22; Meyer-Goßner/Schmitt 8. 98 HK/Julius 10; KMR/Lesch 22; weitergehend Diemer NJW 1999 1671; ders. StraFo 2000 220; ders. NStZ 2001 398; KK/Diemer 15 und 24 (in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Halbsatz 1 Angabe der Tatsachen zwingend, wenn sie nicht auf der Hand liegen); Radtke/Hohmann/Kelnhofer 16. 99 Meyer-Goßner/Schmitt 8. 100 S. jedoch die Erwägungen in BVerfG NJW 2014 1082, 1083 zu einem eventuellen Beschwerderecht des Zeugen; s. dazu Rn. 38. 101 Diemer NStZ 2001 398; Meyer-Goßner/Schmitt 8; auch LR/Becker26 15. Anders ist es aber stets, wenn damit die Ablehnung eines Beweisantrages verbunden ist mit der Folge, dass der Zeuge weder vernommen wird noch seine Angaben in anderer Weise (etwa durch Verlesung eines Vernehmungsprotokolls) in die Hauptverhandlung eingeführt werden (s. Rn. 39 und 43): vgl. BGHSt 45 188, 197; 46 73, 78; KK/Diemer 15; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 17.

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sem Fall der Ablehnungsbeschluss der Begründung bedarf.102 Ein Beschluss über die audiovisuelle Vernehmung, der als Grundlage für deren Vorbereitung dient, kann bereits vor oder außerhalb der Hauptverhandlung gefasst werden (s. Rn. 23) und zwar in der hierfür vorgesehenen Besetzung.103 Dies wird wegen der zu treffenden organisatorischen Maßnahmen in der Regel auch sinnvoll sein. Allerdings ist das Gericht in der Hauptverhandlung an diesen Beschluss nicht gebunden. 3. Unanfechtbarkeit a) Audiovisuelle Zeugenvernehmung (Absatz 1 Satz 2). Der Beschluss, der die 21 audiovisuelle Vernehmung anordnet, ist nach § 247a Abs. 1 Satz 2 – auch für den betroffenen Zeugen – unanfechtbar (zu Beschwerde und Revision s. Rn. 38 ff.). Der Gesetzgeber wollte damit Verfahrensverzögerungen und Unsicherheiten im Prozess vorbeugen104 und eine sichere Grundlage für das weitere Verfahren schaffen, die der Beanstandung durch die Verfahrensbeteiligten entzogen und davor gesichert ist, dass den für die Entscheidung maßgebenden Einschätzungen und Abwägungen nachträglich durch eine andere Würdigung der Boden entzogen werden kann. Auf der Endgültigkeit der einmal vom Gericht getroffenen Entscheidung soll das weitere Verfahren aufbauen können. Die Unanfechtbarkeit gilt auch für den Beschluss, der die Anordnung der audiovisuellen Vernehmung ablehnt.105 Auch der betroffene Zeuge kann die ablehnende Entscheidung nicht anfechten. Soweit das BVerfG im Hinblick auf den „verfassungsrechtlichen Justizgewährleistungsanspruch“ anderes erwogen hat,106 hat es nicht bedacht, dass der Zeuge, der sich nur audiovisuell vernehmen lassen will, eventuelle – den eigentlichen Grundrechtseingriff bildende – Zwangsmittel, mit denen das Gericht seine Vernehmung im Sitzungssaal durchsetzen will, grundsätzlich mit der Beschwerde anfechten kann;107 weitergehende Überlegungen kämen daher allenfalls in den Fällen des § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 in Betracht. Absatz 1 Satz 2 ist allerdings nur anwendbar, wenn das Gericht ausdrücklich oder zumindest konkludent über die audiovisuelle Vernehmung entschieden, nicht dagegen, wenn es diese Möglichkeit überhaupt nicht erwogen hat.108 Dem Vorsitzenden überlassene vorbereitende Maßnahmen, namentlich die Bestimmung des Vernehmungsorts (s. Rn. 23), können gemäß § 238 Abs. 2 beanstandet werden; der gerichtliche Beschluss, der daraufhin ergeht, ist wiederum unanfechtbar.109 Absatz 1 Satz 2 schließt es nicht aus, dass das Gericht selbst aufgrund der Entwicklung der Verfahrenslage seine Entscheidung ändert.110 b) Audiovisuelle Sachverständigenvernehmung (Absatz 2 Satz 3). Gemäß § 247a 22 Abs. 2 Satz 3 ist auch die Entscheidung des Gerichts unanfechtbar, einen Sachverständigen audiovisuell zu vernehmen. Diese Bestimmung wurde erst während der Beratungen

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102 So SK/Frister 46; allgemein (und gegen BGHSt 15 253) etwa KK/Maul § 34, 4; MüKo/Valerius § 34, 8; SK/Weßlau/Weißer § 34, 8; s. auch LR/Graalmann-Scheerer § 34, 8. 103 BGH StV 2012 65 m. abl. Anm. Eisenberg; a.A. HK/Julius 10; KK/Diemer 15; SK/Frister 46a; Roxin/Schünemann § 44, 53b. 104 BTDrucks. 13 7165 S. 10; Rieß StraFo 1999 7 Fn. 98; KK/Diemer 16; Meyer-Goßner/Schmitt 13. 105 Diemer NStZ 2001 396 f.; KMR/Lesch 24; Meyer-Goßner/Schmitt 13; SK/Frister 47a; offen gelassen von BGH Urt. v. 10.11.1999 – 3 StR 331/99 (insoweit in NStZ-RR 2000 366 nicht abgedruckt). 106 BVerfG NJW 2014 1082, 1083. 107 SK/Frister 48. 108 BGHSt 45 188, 197; KK/Diemer 16. 109 KMR/Lesch 24; Meyer-Goßner/Schmitt 13. 110 KMR/Lesch 24.

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des Rechtsausschusses in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht und damit begründet, dass sich der Einsatz der Videokonferenztechnik nicht durchsetzen werde, wenn jede Anordnung nach § 247a Abs. 2 Satz 1 einen potentiellen Angriffspunkt für eine Revision bieten könnte.111 Dies nährt den Verdacht, dass der Gesetzgeber entgegen den ansonsten im Gesetzgebungsverfahren getätigten Aussagen (s. Rn. 1, 5) nicht an eine eher enge Anwendung der Vorschrift dachte, sondern vielmehr ein großzügiges Gebrauchmachen von der Norm fördern wollte und die hehren Worte von der Wahrung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes eher zur Beruhigung des dogmatisch am Strafverfahren interessierten Fachpublikums als zur Beachtung in der täglichen gerichtlichen Praxis gedacht waren. Es gilt ansonsten das zu § 247a Abs. 1 Satz 2 Gesagte (Rn. 21), soweit es auf die audiovisuelle Vernehmung eines Sachverständigen übertragbar ist. IV. Vorbereitung und Durchführung der audiovisuellen Vernehmung 1. Audiovisuelle Zeugenvernehmung (Absatz 1 Satz 1) a) Die Vorbereitung der audiovisuellen Vernehmung erfordert mitunter eine erhebliche Vorlaufzeit, wenn ein Zeuge an einem Ort außerhalb des Gerichtssitzes, gegebenenfalls im Ausland, vernommen werden soll. Deshalb ist es oft unumgänglich, in solchen Fällen organisatorische Maßnahmen ebenso wie Amts- oder Rechtshilfeersuchen bereits vor der Hauptverhandlung in die Wege zu leiten. Um für alle Beteiligten Rechtsklarheit über die beabsichtigte Verfahrensweise zu schaffen, ist es daher zulässig, wenn das Gericht – über die interne Verständigung hinaus – nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten einen Beschluss darüber fasst, den es den Verfahrensbeteiligten mitteilt. Auf diesen können sich dann alle zur Vorbereitung erforderlichen Einzelmaßnahmen stützen, die dem Vorsitzenden überlassen werden können,112 wie etwa die Ladung des Zeugen an den Vernehmungsort, Amts- oder Rechtshilfeersuchen wegen Bereitstellung des Raums, der Technik und des Personals. Ein solcher Beschluss, der in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung zuständigen Besetzung ergeht, bindet allerdings das Gericht der Hauptverhandlung an diese Form der Zeugeneinvernahme nicht und kann daher jederzeit geändert werden (s. auch Rn. 20).113 Hat das Gericht die audiovisuelle Vernehmung eines Zeugen beschlossen, so muss 24 der Vorsitzende dafür sorgen, dass die Ladung des Zeugen an den Ort seiner Einvernahme vorgenommen wird und dass dort zu dem auf den Gang der Hauptverhandlung abzustimmenden Zeitpunkt die Einvernahme aus der Hauptverhandlung heraus durchgeführt werden kann. Bleibt – bei einer Vernehmung im Inland114 – der ordnungsgemäß geladene Zeuge dann unentschuldigt aus, können gegen ihn Maßnahmen nach § 51 verhängt werden. Einschränkungen ergeben sich beim Ladungsrecht der Staatsanwaltschaft nach § 214 Abs. 3 und bei dem Selbstladungsrecht der Verfahrensbeteiligten nach §§ 220, 38: Beide ermöglichen nur die Ladung an den Ort der Hauptverhandlung; ob Umstände vorliegen, die ausnahmsweise die audiovisuelle Einvernahme eines Zeugen an einem anderen Ort erfordern, kann nicht der Ladungsberechtigte, sondern allein 23

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111 BTDrucks. 17 12418 S. 20. 112 HK/Julius 10; KMR/Lesch 22. 113 BGH StV 2012 65 m. abl. Anm. Eisenberg. 114 Bei einem Vernehmungsort im Ausland richtet es sich nach dessen Recht, ob die ausländischen Behörden gegen einen ausgebliebenen Zeugen Sanktionen verhängen können; vgl. BGHSt 45 188, 194 (für die USA); Rose wistra 2001 292; vgl. auch Art. 10 Abs. 4, 8 EuRhÜbk, Art. 25 Abs. 3 lit. a, Abs. 7 EEA (s. Rn. 6).

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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das Gericht entscheiden.115 Das Gericht benötigt für die zu treffende Abwägung die Kenntnis aller eine solche Anordnung rechtfertigenden Umstände; bei einem Zeugen, dessen Einvernahme es nach dem Maßstab der Aufklärungspflicht nicht für geboten hält und von dessen Ladung es daher absieht, wird ihm diese Kenntnis oftmals fehlen. Deshalb ist ein Verfahrensbeteiligter, der erreichen will, dass ein von ihm für erforderlich gehaltener Zeuge außerhalb des Sitzungssaals vernommen wird, gehalten, dies vorher mit dem Gericht abzustimmen. Das Gericht hat dann, wenn es einem Vorgehen nach § 247a zustimmt, Ort und Zeit der Einvernahme festzulegen. Erst danach könnte, was allerdings ein wenig sinnvoller Umweg ist, das Ladungsrecht für den Vernehmungsort ausgeübt werden. Einfacher ist es, wenn in solchen Fällen unter Aufzeigen der Gründe und des Beweisthemas – vom Angeklagten im Wege des § 219 – versucht wird, dass das Gericht die audiovisuelle Vernehmung beschließt116 und den Zeugen dann von Amts wegen an den Vernehmungsort lädt. Im Übrigen bleibt die Möglichkeit, einen förmlichen Beweisantrag zu stellen und diesen mit der Anregung einer audiovisuellen Vernehmung zu verbinden. b) Durchführung aa) Räumliche und technische Gestaltung. Der Vorsitzende vernimmt vom Sit- 25 zungssaal aus den an einem anderen Ort befindlichen Zeugen. Dieser kann sich in demselben Gerichtsgebäude, aber auch an einem anderen beliebigen Ort im In- oder Ausland befinden. So kann etwa ein kindlicher Zeuge auch in seiner vertrauten Umgebung bleiben.117 Voraussetzung ist nach Absatz 1 Satz 3 nur, dass zwischen dem Sitzungssaal und dem Ort der Vernehmung eine von fremden Einflüssen ungestörte ständige Bild-Ton-Verbindung hergestellt und aufrechterhalten werden kann; die Einzelheiten für die Ausgestaltung dieser Verbindung sind im Gesetz nicht geregelt.118 Aus dem Zweck, die Einvernahme im Sitzungssaal zu ersetzen, ergibt sich jedoch, dass die Übertragung in einer Form durchgeführt werden muss, die allen Verfahrensbeteiligten die ungeschmälerte Ausübung ihrer Verfahrensrechte, insbesondere auch der Verteidigungsrechte ermöglicht.119 Dies setzt zunächst voraus, dass nicht nur der Vorsitzende, sondern auch die anderen an der Hauptverhandlung teilnehmenden Personen den Zeugen hören und sehen können. Im Vernehmungsraum sind die Aufnahmegeräte für Bild und Ton, nach Möglichkeit zwei Kameras,120 so einzurichten, dass der Zeuge gut verstanden wird und dass zumindest seine Person stets gut sichtbar bleibt; nicht nur sein Gesichtsausdruck, sondern auch sein für die Glaubwürdigkeitsbeurteilung mitunter wichtiges Gesamtverhalten (Gestik usw.) sollten gut erkennbar sein.121 Dies gilt auch für

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115 Nach Schlothauer StV 1999 50 Fn. 27 müsste sich das Selbstladungsrecht konsequenterweise auch hierauf erstrecken. 116 Da sich die Kompetenz des Vorsitzenden nach § 219 nicht darauf erstreckt, muss dieser gegebenenfalls eine Entscheidung des Gerichts herbeiführen. 117 Diemer NJW 1999 1668; Schöch FS Meyer-Goßner 373; KK/Diemer 3. 118 Im Gesetzgebungsverfahren (BTDrucks. 13 7165 S. 10) wurde darauf hingewiesen, dass dies in den RiStBV geschehen könne. 119 Rieß StraFo 1999 6; Meyer-Goßner/Schmitt 10. Ob dies bei einer Internetverbindung mittels Skype (s. dazu Gerst StraFo 2013 103 ff.) oder eines ähnlichen Dienstes gewährleistet werden kann, erscheint fraglich; kritisch wohl auch SK/Frister 52. 120 Vgl. Bohlander ZStW 107 (1995) 89 f.; Eisenberg (Beweisrecht) 1309; Janovsky Kriminalistik 1999 455; Kintzi DRiZ 1996 192; HK/Julius 12 (eine Kamera auf den Zeugen gerichtet, die andere vermittelt Gesamteindruck vom Vernehmungsraum). 121 Dazu Bohlander ZStW 107 (1995) 94 ff.; Kilian-Herklotz 215; Schlothauer StV 1999 50; Steinke Kriminalistik 1993 330; Meyer-Goßner/Schmitt 10; krit. zu den visuellen Aspekten der

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etwaige im Vernehmungsraum anwesende Begleitpersonen des Zeugen, etwa den Zeugenbeistand (vgl. § 406f Abs. 1, 2), den psychosozialen Prozessbegleiter (vgl. § 406g Abs. 1 Satz 2; s. auch § 406g Abs. 4) oder den Rechtsanwalt des nebenklagebefugten Zeugen (§ 406h Abs. 2 Satz 1); andernfalls könnte die Möglichkeit einer unbemerkten Einflussnahme auf die Aussage nicht ausgeschlossen werden.122 Soweit die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen ist, müssen auch die Zuschauer im Gerichtssaal die Aussage akustisch mitverfolgen können.123 Umgekehrt sollte die Übertragung aber auch in die andere Richtung gesichert sein („Two-way-Videokonferenz“): Der Zeuge sollte den fragenden Vorsitzenden und gegebenenfalls auch die Gesamtlage im Sitzungssaal auf dem Bildschirm gut wahrnehmen können; vor allem, wenn ein Verfahrensbeteiligter Fragen oder Vorhalte an ihn richtet, sollte er diesen Beteiligten auch wegen seines nonverbalen Verhaltens selbst optisch voll erfassen können.124 Bei kindlichen (Opfer-)Zeugen kann anderes gelten. Hier kann es mitunter angezeigt sein, auf eine optische Übertragung der Vorgänge im Sitzungssaal ganz zu verzichten oder auf die Handlungen des Vorsitzenden zu beschränken, zumal allein dieser sie nach § 241a befragen darf.125 26

bb) Dauer und Umfang. Anders als bei § 247 Satz 1 und 2 (s. § 247, 34) gilt für den Vernehmungsbegriff nach § 247a die sog. Zusammenhangsformel: Zur Vernehmung gehören sämtliche Vorgänge, die mit ihr in enger Verbindung stehen oder sich aus ihr entwickeln, unabhängig davon, ob es sich um Verfahrensvorgänge mit selbständiger Bedeutung handelt. 126 So kann über die Videoverbindung nicht nur eine Augenscheinseinnahme am Körper des Zeugen vorgenommen werden.127 Vielmehr kann der Vorsitzende den Zeugen auch auf diesem Weg vereidigen.128 Liegt der Ort der Vernehmung im Ausland, darf er dies nur, wenn das ausländische Recht ihm die Vereidigung gestattet. Bei selbständigen Verfahrensvorgängen, die im Sitzungssaal stattfinden, etwa der Verhandlung und Entscheidung über die Vereidigung, bleiben die die Justizförmigkeit der Hauptverhandlung gewährleistenden Verfahrensmaximen einschließlich der Verteidigungsrechte des Angeklagten ohnehin unberührt.129

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cc) Anwesenheitsrechte und Öffentlichkeit. Recht und Pflicht zur Anwesenheit anderer Personen in der Hauptverhandlung und ihre Ausnahmen werden durch § 247a nicht berührt.130 Das Anwesenheitsrecht der Verfahrensbeteiligten gilt aber grundsätzlich nur für den Sitzungssaal, nicht für den davon getrennten Raum der Vernehmung.

_____ Glaubwürdigkeitsbeurteilung Swoboda 186 f. Zur Zulässigkeit einer optischen und akustischen Abschirmung s. Rn. 12. 122 Beulke ZStW 113 (2001) 718; Eisenberg (Beweisrecht) 1309; Schlothauer StV 1999 48, 50; AnwK-StPO/ Sommer 25; vgl. auch Boetticher FS G. Schäfer 15 mit Fn. 59 (zu § 58a). 123 Vgl. Rieck StraFo 2000 404; AnwK-StPO/Sommer 24. Eine zusätzliche – eigens für die Öffentlichkeit eingerichtete – Übertragungseinrichtung ist freilich nicht erforderlich; für das Publikum ist der Zeuge auch herkömmlicherweise nur von hinten zu sehen; vgl. Lingenberg 101. 124 Vgl. Duttge NStZ 2000 160; Kretschmer JR 2006 456; Leitner StraFo 1999 47; Rieck StraFo 2000 406; Rieß StraFo 1999 6; Seitz JR 1998 311 Fn. 38; Meyer-Goßner/Schmitt 10; einschränkend Janovsky Kriminalistik 1999 456. 125 Laubenthal/Nevermann-Jaskolla JA 2005 298. 126 KMR/Lesch 8; Meyer-Goßner/Schmitt 5. 127 Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt 4 f.; a.A. AnwK-StPO/Sommer 1. Für den Ausschluss des Angeklagten s. § 247, 9, 35. 128 Helmig 78 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 5. 129 Meyer-Goßner/Schmitt 5. 130 Zur Entfernung des Angeklagten nach § 247 während der audiovisuellen Vernehmung s. Rn. 18 m. Fn. 94.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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Zu diesem hat neben dem für die technische Durchführung und die Aufsicht benötigten Personal nur der zu vernehmende Zeuge Zugang, der sich von der vom Gericht zugelassenen Person seines Vertrauens (anders nur bei möglicher Gefährdung des Untersuchungszwecks: s. § 406f Abs. 2), einem als Zeugenbeistand zugezogenen Rechtsanwalt (§ 406f Abs. 1 Satz 2), seinem Nebenklagevertreter (§ 397 Abs. 2 Satz 2), dem von ihm als Nebenklagebefugten beigezogenen (bzw. ihm bestellten) rechtsanwaltlichen Beistand (§ 406h Abs. 2 Satz 1) oder einem beigeordneten psychosozialen Prozessbegleiter (§ 406g Abs. 1 Satz 2; einem nicht beigeordneten psychosozialen Prozessbegleiter kann dagegen die Anwesenheit untersagt werden: § 406g Abs. 4) begleiten lassen darf.131 Das Gericht kann auch anderen Personen die Anwesenheit im Vernehmungszimmer gestatten, wenn ihm dies für die Betreuung des Zeugen oder im Interesse einer sachgerechten Aussage angezeigt erscheint, etwa den Eltern eines Kindes. Auch ein Dolmetscher kann seine Aufgabe am Vernehmungsort wahrnehmen.132 Verfahrensrechte, die nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der jeweiligen Zeugenaussage stehen, können von dort aus aber nicht wahrgenommen werden; die Ausnahmeregelung des § 247a erstreckt sich hierauf nicht. Ebenso wenig berührt wird das Gebot der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung und seine Ausnahmen, insbesondere auch der Öffentlichkeitsausschluss nach §§ 171b, 172 GVG.133 Die Öffentlichkeit ist jedoch nur für den Sitzungssaal und für die dorthin übertragene Einvernahme zu wahren (s. Rn. 25); auf den Raum der Vernehmung ist sie nicht zu erstrecken. dd) Weiteres Verfahren. Der Vorsitzende führt die Vernehmung vom Sitzungssaal 28 aus durch; er hat dabei die gleichen Belehrungspflichten und Befugnisse wie bei der Vernehmung eines im Sitzungssaal auch körperlich anwesenden Zeugen. Dies gilt auch für seine Ordnungsgewalt, die sich auf den Vernehmungsort erstreckt, sofern dieser im Inland liegt.134 Umgekehrt kann der Zeuge auch von dort aus das Gericht gegen eine Anordnung des Vorsitzenden nach § 238 Abs. 2 anrufen. Für die Ausübung des Fragerechts gelten die §§ 240 ff. Der Abschluss der Vernehmung und die Entlassung des Zeugen richten sich nach § 248. 2. Audiovisuelle Sachverständigenvernehmung (Absatz 2 Satz 1). Zur Vorberei- 29 tung der Vernehmung wird mit dem Sachverständigen Zeit und Ort seiner Vernehmung abzustimmen sein. Wo er sich bei seiner Vernehmung aufzuhalten hat, regelt das Gesetz nicht. Anders als bei der Zeugenvernehmung wird es sich bei der Anhörung eines Sachverständigen regelmäßig anbieten, dass dieser sich, insbesondere wenn es nur um kurze und gegebenenfalls ergänzende Befragungen geht, nicht in einem anderen Gerichtsgebäude, sondern, so die notwendige Ausrüstung für die Bild-Ton-Übertragung dort vorhanden ist, an seinem Arbeitsplatz oder auch in seiner Privatwohnung aufhält. Denn da eine Begleitung und Beratung des Sachverständigen durch andere Personen, anders als bei der Befragung eines Zeugen (s. Rn. 27), ausgeschlossen ist, bedarf es einer aufwändigen technischen Ausrüstung des Vernehmungsraums nicht. Gemäß dieser Abstimmung ist der Sachverständige zu laden; darauf kann nicht verzichtet werden, denn andernfalls könnte im Falle der Nichteinhaltung des Vernehmungstermins durch den Sachverständigen gegen diesen keine Kostenentscheidung und keine Ordnungsgeldfestsetzung nach § 77 Abs. 1 ergehen. Für die Durchführung der Vernehmung legt § 247a Abs. 2 Satz 1,

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Diemer NJW 1999 1668; Rieß NJW 1998 3241; Meyer-Goßner/Schmitt 10. BGHSt 45 188, 195; s. Rn. 6. KMR/Lesch 15; Meyer-Goßner/Schmitt 10. Rieß StraFo 1999 6; SK/Frister 55.

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anders als Absatz 1, ausdrücklich fest, dass die Übertragung der Vernehmung vom Vernehmungsraum in den Sitzungssaal, aber auch in umgekehrter Richtung sichergestellt werden muss („Two-way-Videokonferenz“). Im Übrigen kann auf die Ausführungen zur audiovisuellen Zeugenvernehmung, insbesondere auch bezüglich der Ausübung des Selbstladungsrechts, verwiesen werden, soweit sie nicht Besonderheiten der Zeugenvernehmung betreffen, die auf den Sachverständigenbeweis nicht übertragbar sind. V. Aufzeichnung der Zeugenaussage (Absatz 1 Satz 4 und 5) 1. Voraussetzungen. Die Sollvorschrift des § 247a Abs. 1 Satz 4135 sieht die Aufzeichnung der audiovisuell übertragenen Aussage vor, wenn zu besorgen ist, dass der Zeuge in einer künftigen Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann.136 Ihr Wortlaut lässt also – anders als § 58a Abs. 1 – die Aufzeichnung nicht generell zu, sondern nur, wenn es notwendig ist, sie als Beweismittel für eine künftige Hauptverhandlung zu sichern. Da die Aufzeichnung in das Persönlichkeitsrecht des Zeugen eingreift,137 ohne dass dazu dessen Einwilligung erforderlich ist,138 darf sie nicht beliebig angeordnet werden. Sie bedarf als rechtfertigenden Grund, dass sie für die Wahrheitsfindung geboten ist und dass zu befürchten ist, der Zeuge könnte in einer künftigen Hauptverhandlung nicht zur Verfügung stehen.139 Die Vorschrift ist allerdings im Hinblick auf ihre den Zeugen schützende prozessökonomische Zielsetzung nicht zu eng auszulegen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass dem Persönlichkeitsschutz des Zeugen schon durch die eingeschränkte Verwendbarkeit der Aufzeichnung und die Vernichtungsregelung nach Satz 5 Rechnung getragen wird (s. Rn. 36). Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Aufzeichnung werden daher oftmals gegeben sein. 31 Eine künftige Hauptverhandlung ist lediglich der Bezugspunkt der Prognoseentscheidung; Satz 4 verlangt hingegen keine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung, ob es tatsächlich hierzu kommen wird.140 Für eine weitere Hauptverhandlung, in welcher der Zeuge zu demselben Beweisthema erneut zu hören ist, spricht nämlich stets eine gewisse Wahrscheinlichkeit: Es kann sich dabei um eine Berufungsverhandlung handeln, aber auch um eine spätere Hauptverhandlung in der gleichen Instanz, wie sie nach einer Zurückverweisung durch das Revisionsgericht141 oder bei einer Aussetzung der Hauptverhandlung notwendig wird. Weil die Vorschrift auch bezweckt, dem Zeugen die Belastung einer mehrmaligen Aussage zu demselben Beweisthema zu ersparen,142 ist auch die Hauptverhandlung in einem anderen Verfahren eine weitere Hauptverhandlung i.S.d.

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135 Da beim Sachverständigenbeweis mit einem Beweismittelverlust für eine weitere Hauptverhandlung in aller Regel nicht zu rechnen ist, sieht Absatz 2 die Möglichkeit einer Aufzeichnung der Vernehmung des Sachverständigen nicht vor. 136 Einen Anspruch des Angeklagten auf Aufzeichnung der Aussage zu Dokumentationszwecken begründet sie nicht. Ein solcher lässt sich auch nicht aus § 58a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 6 EMRK ableiten (a.A. Drews 126 ff.). 137 HK/Julius 15; KK/Diemer 18; Meyer-Goßner/Schmitt 11. 138 Diemer NJW 1999 1672; KK/Diemer 19; Meyer-Goßner/Schmitt 11; vgl. auch OLG Bremen NStZ 2007 481, 482. 139 Nach Diemer NJW 1999 1672 und KK/Diemer 18 müssen konkrete Umstände die Annahme begründen, dass der Vernehmung voraussichtlich unüberwindbare Hindernisse entgegenstehen. 140 KMR/Lesch 33; Meyer-Goßner/Schmitt 11; SSW/Tsambikakis 25; Maaß 162; a.A. Seitz JR 1998 312; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 21. 141 BTDrucks. 13 7165 S. 5; Maaß 162; Weider/Staechelin StV 1999 53; KMR/Lesch 33. 142 BTDrucks. 13 7165 S. 5; KK/Diemer 18; KMR/Lesch 32; Meyer-Goßner/Schmitt 11; SSW/Tsambikakis 25; a.A. SK/Frister 67 f., 70 (nur Vorbeugung gegen Beweismittelverluste, ansonsten Einwilligung des Zeugen erforderlich).

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Vorschrift.143 Das gilt sowohl, wenn das Verfahren gegen einen Mitangeklagten nach Verfahrenstrennung weitergeführt wird, als auch bei einem anderen von Anfang an getrennt geführten Verfahren. Die Besorgnis, dass der Zeuge in einer künftigen Hauptverhandlung nicht zur Ver- 32 fügung stehen könnte, muss sich über die immer bestehende abstrakte Möglichkeit des Wegfalls des Zeugen hinaus auf Tatsachen gründen.144 Dies wird immer dann anzunehmen sein, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Voraussetzungen für die Vorführung der Aufzeichnung nach § 255a Abs. 1 i.V.m. § 251 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 oder auch nach § 255a Abs. 2 vorliegen werden. Nur insoweit korrespondiert § 247a Abs. 1 Satz 4 mit der zugleich geschaffenen Vorschrift des § 255a.145 Die in § 251 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 aufgeführten Gründe können der späteren Einvernahme des Zeugen etwa dann entgegenstehen, wenn er schwer erkrankt ist oder im Ausland wohnt, ferner, wenn damit gerechnet werden muss, dass die Eltern eines Kindes unter 14 Jahren die Einvernahme wegen Erziehungs- und Entwicklungsschäden verweigern werden.146 In § 255a Abs. 2 sind die Fälle geregelt, in denen die nochmalige Einvernahme des Zeugen unter 18 Jahren generell durch die Vorführung der Aufzeichnung ersetzt werden kann, um dem Zeugen diese weitere Belastung zu ersparen. Liegt ein solcher Fall vor, so ist es aus Gründen des Zeugenschutzes geboten, auch die Besorgnis i.S.v. § 247a Abs. 1 Satz 4 zu bejahen.147 Diese geht allerdings auch über § 255a hinaus; insbesondere kommt sie – anders als § 255a Abs. 1 i.V.m. § 251 Abs. 2 Nr. 1148 – bei rechtlichen Hindernissen für eine spätere Einvernahme in Betracht, soweit nämlich dem Zeugen ein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht zusteht, von dem er in einer künftigen Hauptverhandlung Gebrauch machen könnte. Zur Erforschung der Wahrheit ist letztlich jede Aussage erforderlich, die für die Ur- 33 teilsfindung Gewicht hat,149 sei es, dass sie eine unmittelbar beweiserhebliche Tatsache betrifft, sei es, dass durch sie eine für die Entscheidung wesentliche Indiz- oder Hilfstatsache bezeugt oder verneint wird. Bei völlig irrelevanten Aussagen ist dagegen die Erforderlichkeit der Aufzeichnung für die Wahrheitsfindung von vornherein zu verneinen. Mit der Anordnung der Vernehmung geht das Gericht jedoch grundsätzlich selbst von der Beweiserheblichkeit der zu erwartenden Aussage aus. Deshalb wird in dem Zeitpunkt, in dem das Gericht die audiovisuelle Vernehmung eines Zeugen beschließt, diese Voraussetzung im Regelfall kaum jemals zu verneinen sein. 2. Die Anordnung der Aufzeichnung obliegt dem Vorsitzenden kraft seiner Ver- 34 handlungsleitung (§ 238 Abs. 1).150 Gegen die Anordnung oder ihre Unterlassung kann das Gericht nach § 238 Abs. 2 angerufen werden. Dies kann auch der durch die Anordnung der Aufzeichnung unmittelbar betroffene Zeuge. Es ist jedoch auch zulässig, wenn das Gericht über die Anordnung oder ihre Ablehnung gleich in dem die audiovisuelle

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143 KK/Diemer 18; Meyer-Goßner/Schmitt 11; Maaß 162; a.A. AnwK-StPO/Sommer 27 (ursprüngliche Verfahrensidentität erforderlich). 144 Diemer NJW 1999 1672. 145 Vgl. einerseits KK/Diemer 19; anderseits Meyer-Goßner/Schmitt 11. Die Erstreckung auf die Voraussetzungen des § 255a i.V.m. § 252 Abs. 2 Nr. 3 und § 253 ist mit dem Wortlaut von Satz 4 kaum zu vereinbaren und scheint auch nicht praktikabel. 146 Laubenthal/Nevermann-Jaskolla JA 2005 298; HK/Julius 14; Meyer-Goßner/Schmitt 11; s. auch Rn. 11 sowie bei § 251. 147 BTDrucks. 13 7165 S. 5; KK/Diemer 19; a.A. Meyer-Goßner/Schmitt 11 sowie § 58a, 7; SK/Frister 70. 148 Vgl. BGH NJW 2008 1010, 1011 (zu § 255a Abs. 1); ferner BGHSt 51 325 = JR 2008 119 m. abl. Anm. Hecker (zu § 251 Abs. 1 Nr. 2); s. die Erl. bei §§ 251, 255a. 149 KK/Diemer 19. 150 HK/Julius 16; s. § 238, 10.

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Vernehmung anordnenden Beschluss mit entscheidet.151 Dies kann ohnehin deswegen ratsam sein, weil nach anderer Ansicht die Entscheidung über die Aufzeichnung einen Beschluss des Gerichts erfordert, der nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten (§ 33) ergeht.152 Wird von der Aufzeichnung abgesehen, obwohl die Voraussetzungen der Sollvorschrift des Absatzes 1 Satz 4 vorliegen, sind die Gründe dafür den Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu bringen,153 entweder in der Begründung eines den Antrag auf Anordnung der Aufzeichnung ablehnenden Gerichtsbeschlusses oder, wenn man einen solchen nicht für erforderlich hält, durch eine Verfügung des Vorsitzenden. Dies ermöglicht den Verfahrensbeteiligten und auch dem betroffenen Zeugen zu remonstrieren. 35

3. Nach pflichtgemäßem Ermessen ist über die Anordnung der Aufzeichnung zu entscheiden, wobei jedoch aus der Ausgestaltung als Sollvorschrift folgt, dass sie bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in der Regel anzuordnen ist und dass nur aus triftigen Gegengründen hiervon abgesehen werden kann.154 Maßgebend dafür, ob die Aussage aufzuzeichnen ist, kann immer nur die Einschätzung der Sach- und Rechtslage aufgrund der Tatsachen sein, die dem Gericht im Entscheidungszeitpunkt bekannt sind. Dieser muss notwendigerweise vor Beginn der Vernehmung liegen. Unerheblich ist insoweit, dass nach deren Durchführung die Frage möglicherweise anders zu beurteilen wäre.155 Die Gründe für die Anordnung der Aufzeichnung sind allerdings abschließend geregelt. Gegenteiliges kann auch der Ausgestaltung als Sollvorschrift nicht entnommen werden, so dass das Gericht gehindert ist, nach seinem Ermessen unter Sachaufklärungsaspekten auch in weiteren Fällen – über die in Satz 4 festgelegten Voraussetzungen hinaus – die Aufzeichnung anzuordnen.156 Die Besorgnis anderweitiger Beweismittelverluste, die nicht damit zusammenhängen, dass der Zeuge künftig nicht mehr aussagen könnte, rechtfertigt die Anordnung nicht. Insbesondere kann die Aufzeichnung nicht allein deswegen durchgeführt werden, um Erinnerungsverlusten vorzubeugen.157 Eine Aufzeichnung der Aussage für rein gerichtsinterne Zwecke des erkennenden Gerichts, etwa als Gedächtnisstütze für die Beratung, kann auf Absatz 1 Satz 4 ebenfalls nicht gestützt werden.158

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4. Der die Verwendung, Akteneinsicht und Löschung regelnde § 58a Abs. 2 ist auf die Aufzeichnung entsprechend anwendbar (Absatz 1 Satz 5): Sie darf nur für Zwecke der Strafverfolgung und nur insoweit verwendet werden, als die Erforschung der Wahrheit dies erfordert. In die Aufzeichnung darf nach Maßgabe der §§ 147, 406e dem Verteidiger des Angeklagten und einem Rechtsanwalt des Verletzten Einsicht gewährt werden; das OpferRRG hat dabei durch Änderung des § 58a Abs. 2 Satz 3 klargestellt, dass die Aufzeichnung den zur Akteneinsicht Berechtigten in Kopie überlassen

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151 Diemer NJW 1999 1672; KK/Diemer 20. 152 KK/Diemer 20; KMR/Lesch 35; Meyer-Goßner/Schmitt 12; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 24; SK/Frister 74; SSW/Tsambikakis 27. 153 Vgl. Diemer NJW 1999 1672. 154 Meyer-Goßner/Schmitt 11; SK/Frister 73. 155 Dies kann dann aber die Anordnung der Löschung rechtfertigen; s. Rn. 36. 156 KMR/Lesch 34; SK/Frister 66; a.A. HK/Julius 15; Meyer-Mews NJW 2002 107. 157 Soweit im Schrifttum darauf abgestellt wird, dass die Aufzeichnung namentlich bei komplexen Sachverhalten, umfangreichen Aussagen oder schwierigen Befragungen in Betracht kommt (vgl. Diemer NJW 1999 1672; KK/Diemer 19 jew. unter Hinweis auf BTDrucks. 13 7165 S. 5; ferner KMR/Lesch 34; MeyerGoßner/Schmitt 11), geht es um die Auslegung der Voraussetzung „zur Erforschung der Wahrheit erforderlich“, die kumulativ – neben der Besorgnis, der Zeuge könnte nicht mehr zur Verfügung stehen – gegeben sein muss. 158 Diemer NJW 1999 1672; KK/Diemer 19; KMR/Lesch 34; s. bei § 261.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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werden kann159 (näher dazu bei § 58a). Sie ist unverzüglich zu vernichten, wenn sie weder für das laufende noch für ein anderes Strafverfahren benötigt wird (§ 58a Abs. 2 Satz 2, § 101 Abs. 8). Wenn sich ergibt, dass die Aussage, deren Aufzeichnung vorsorglich angeordnet wurde, entgegen der vorherigen Einschätzung für das weitere Verfahren völlig unergiebig ist, kann die unverzügliche Vernichtung (Löschen der Aufzeichnung) angeordnet werden. Gleiches gilt, wenn sich ergibt, dass ihrer Verwendung ein auch künftig nicht entfallendes Beweisverbot entgegensteht. VI. Sitzungsniederschrift Der Beschluss, der die audiovisuelle Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständi- 37 gen anordnet oder ablehnt, und seine Verkündung sind nach § 273 Abs. 1 in der Sitzungsniederschrift festzuhalten.160 Ebenfalls als wesentliche Förmlichkeit ist dort zu vermerken, dass und an welchem Ort der Zeuge oder Sachverständige audiovisuell vernommen wurde.161 Ferner ist die Anordnung zu beurkunden, dass die audiovisuelle Zeugenvernehmung aufzuzeichnen ist,162 aber auch die Ablehnung eines diesbezüglichen Antrags eines Verfahrensbeteiligten. Neben Ort und Zeit der audiovisuellen Vernehmung sollte im Protokoll auch vermerkt werden, welche Personen in welcher Eigenschaft (Zeugenbeistand, Vertrauensperson nach § 406f Abs. 2, psychosoziale Prozessbegleiter nach § 406g usw.) außer dem Hilfspersonal im Vernehmungsraum neben dem Zeugen anwesend waren. Gegebenenfalls ist auch festzuhalten, wenn und gegebenenfalls wie lange die Vernehmung aus technischen Gründen unterbrochen wurde, sowie, wenn sie aus einem solchen Grund nicht zu Ende gebracht werden konnte oder wenn Vorgänge im Vernehmungsraum im Sitzungssaal von den für die Protokollführung Verantwortlichen (§ 271 Abs. 1) nicht wahrnehmbar waren. Im Übrigen gelten für die Protokollierung der Verfahrensvorgänge der Hauptverhandlung keine Besonderheiten. Auch bei einer Vernehmung per Videokonferenz, bei der sich an zwei verschiedenen Orten aufhaltende Personen beteiligt sind, sind alle Vorgänge so in einem einheitlichen Protokoll festzuhalten, wie dies im gesetzlichen Regelfall geboten ist, wenn also die Hauptverhandlung nur an einem Ort stattfindet. VII. Rechtsmittel 1. Beschwerde. Der Beschluss, der die audiovisuelle Vernehmung eines Zeugen 38 oder Sachverständigen anordnet oder ablehnt, ist nach Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 3 unanfechtbar (s. Rn. 21). Er kann also weder von den Verfahrensbeteiligten angefochten werden, bei denen § 305 Satz 1 ohnehin der Beschwerde entgegenstehen würde, noch vom betroffenen Zeugen oder Sachverständigen, da Absatz 1 Satz 2 bzw. Absatz 2 Satz 3 deren sonst nach § 305 Satz 2 bestehendes Beschwerderecht ausschließen.163 Wird eine Maßnahme des Vorsitzenden beanstandet, die der Vorbereitung der audiovisuellen

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159 Hartz KJ 2006 78. 160 HK/Julius 10; KK/Diemer 15. 161 Nach HK/Julius 10 sollte das Protokoll zusätzlich auch den Zeitraum vermerken, in dem sich der Zeuge am Ort seiner Vernehmung aufhielt; ebenso SK/Frister 76. 162 HK/Julius 10, 16; ferner KMR/Lesch 35; Meyer-Goßner/Schmitt 12. 163 KK/Diemer 16; Meyer-Goßner/Schmitt 13; hinsichtlich der Ablehnung der audiovisuellen Vernehmung offen gelassen von: BVerfG NJW 2014 1082, 1083 m. krit. Anm. Eisenberg StraFo 2014 424 = StV 2015 137 m krit. Anm. Hamm; BGH Urt. v. 10.11.1999 – 3 StR 331/99 (insoweit in NStZ-RR 2000 366 nicht abgedruckt).

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Vernehmung dient, und entscheidet das Gericht nach § 238 Abs. 2 über deren Zulässigkeit, ist dieser Beschluss danach ebenfalls der Beschwerde entzogen.164 Die Entscheidung über die Aufzeichnung der Vernehmung nach Absatz 1 Satz 4 kann von den Verfahrensbeteiligten wegen § 305 Satz 1 nicht mit der Beschwerde angegriffen werden. Der von der Anordnung der Aufzeichnung in seinem Persönlichkeitsrecht betroffene Zeuge hat dagegen das Beschwerderecht nach § 304 Abs. 2, § 305 Satz 2.165 39

2. Revision. Der nach Absatz 1 Satz 2 oder Absatz 2 Satz 3 unanfechtbare Beschluss, mit dem die audiovisuelle Vernehmung angeordnet oder abgelehnt wird, kann auch nicht mit der Revision angegriffen werden (§ 336 Satz 2). Das betrifft zunächst die Rüge einer rechtsfehlerhaften, vor allem ermessensfehlerhaften Anwendung des § 247a Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1.166 Ein Fehler bei der Anwendung des § 247a Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 1 führt überdies regelmäßig zur Verletzung anderer Verfahrensvorschriften, namentlich des Unmittelbarkeitsgrundsatzes (§ 250 Satz 1)167 und/oder der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2). Im Grundsatz gilt jedoch, dass der Nichtanfechtbarkeit des Beschlusses über die audiovisuelle Vernehmung nicht dadurch der Boden entzogen werden kann, dass andere Verfahrensrügen durchdringen, die derartige Anwendungsfehler – inzident – geltend machen. Denn andernfalls würde das gesetzgeberische Anliegen missachtet, Unsicherheiten im Prozess zu vermeiden, inwieweit die tatrichterlichen Einschätzungen und Abwägungen Bestand haben.168 So ist regelmäßig die Rüge ausgeschlossen, dass das Gericht gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstoßen habe, indem es die Anordnung nach § 247a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 zu Unrecht getroffen und den Zeugen oder Sachverständigen nicht im Sitzungssaal vernommen habe. Gleiches gilt etwa für die Aufklärungsrüge, der Zeuge oder Sachverständige hätte mehr zur Sachaufklärung beigetragen, wenn das Gericht die unmittelbare anstelle der audiovisuellen Vernehmung angeordnet hätte.169 Anders verhält es sich nur, wenn ein die audiovisuelle Vernehmung ablehnender Beschluss dazu geführt hat, dass der Zeuge komplett ausgefallen ist, weil dies nicht nur die konkrete Beweiserhebungsmethode, sondern vielmehr die Frage betrifft, ob das Beweismittel überhaupt in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist.170 Insoweit kann sowohl die Verletzung der Aufklärungspflicht (s. auch Rn. 42) als auch die fehlerhafte Ablehnung eines auf die Zeugeneinvernahme gerichteten Beweisantrags (s. auch Rn. 43) zulässig geltend gemacht werden. Schließlich ist nach § 336 Satz 2 die Revision unter den gleichen Voraussetzungen auch dann ausgeschlossen, wenn aus der unanfechtbaren Entscheidung ein absoluter Revisionsgrund herge-

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164 KMR/Lesch 24; Meyer-Goßner/Schmitt 13; s. Rn. 21 f. 165 Diemer NJW 1999 1672; AnwK-StPO/Sommer 28; KK/Diemer 20; Meyer-Goßner/Schmitt 13. 166 BGH StGB § 46 Abs. 3 Sexualdelikte 4; Meyer-Goßner/Schmitt 13; offen gelassen von BGH Urt. v. 10.11.1999 – 3 StR 331/99 (insoweit in NStZ-RR 2000 366 nicht abgedr.); a.A. Radtke/Hohmann/Kelnhofer 26 und 28; Rieß StraFo 1999 7 (im Rahmen der Aufklärungsrüge). 167 S. Rn. 2. 168 BTDrucks. 13 7165 S. 10; s. Rn. 21. 169 Meyer-Goßner/Schmitt 13; vgl. auch BGH NStZ 1996 243 zu § 171b Abs. 3 GVG; einschränkend KK/Diemer 22 f. (s. sogleich Rn. 40 m. Fn. 177); a.A. Leitner StraFo 1999 48; Rieß StraFo 1999 7; Rose JR 2000 79; Schlothauer StV 2000 183; Weider/Staechelin StV 1999 53; KMR/Lesch 36; SK/Frister 79 ff. 170 Insoweit zutreffend KK/Diemer 22 a.E. Die Rspr. hat im Rahmen von § 247a zu dieser Problematik – soweit ersichtlich – noch nicht ausdrücklich Stellung genommen; allerdings ist der BGH bereits mehrfach trotz eines die audiovisuelle Vernehmung ablehnenden Beschlusses in eine sachliche Begründetheitsprüfung eingestiegen; vgl. – jew. nichttragend – BGH NStZ-RR 1999 80 (zu § 244 Abs. 2); StV 2004 465 m. Anm. Julius (zu § 244 Abs. 3); ferner BGH bei Becker NStZ-RR 2005 65 (zu § 244 Abs. 2), wo bereits im Wege der Rechtshilfe eine kommissarische Vernehmung durchgeführt worden war.

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leitet wird, wie etwa die dadurch bewirkte unzulässige Beschränkung der Verteidigung (§ 338 Nr. 8).171 Die Revision ist freilich dann zulässig, wenn es an einer unanfechtbaren – zumin- 40 dest konkludenten – Entscheidung fehlt. § 336 Satz 2 ist unanwendbar, wenn das Gericht die Möglichkeit der audiovisuellen Vernehmung überhaupt nicht erwogen hat, etwa wenn es, ohne sie zu prüfen, einen Beweisantrag wegen der Unerreichbarkeit eines im Ausland zu ladenden Zeugen abgelehnt hat.172 Auch kann nach § 337 zulässig gerügt werden, wenn die audiovisuelle Vernehmung rechtsfehlerhaft ohne einen anordnenden Gerichtsbeschluss – etwa nur aufgrund einer Anordnung des Vorsitzenden – durchgeführt worden ist.173 Gleiches muss gelten, wenn nicht kenntlich gemacht ist, auf welchen Ausnahmetatbestand des § 247a Abs. 1 Satz 1 das Gericht die audiovisuelle Vernehmung stützt.174 Schließlich liegt ein Beschluss i.S.v. Absatz 1 Satz 2, der die Revision ausschließen könnte, sachlich nicht vor, wenn das Gericht die audiovisuelle Vernehmung ersichtlich aus anderen Gründen als den in Absatz 1 Satz 1 angeführten angeordnet hat.175 Mit der Revision kann hingegen grundsätzlich nicht erfolgreich geltend gemacht werden, das Gericht habe die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 247a Abs. 1 Satz 1 auf den in Rede stehenden Sachverhalt falsch angewendet, gegebenenfalls dabei einen Beurteilungsspielraum überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt.176 Anderes mag gelten, wenn die Entscheidung objektiv willkürlich ergangen ist. § 247a Abs. 2 Satz 3 gilt nicht, wenn der Sachverständige gemäß § 246a zugezogen 41 wird. Insoweit ist gemäß § 247a Abs. 2 Satz 2 der Anwendungsbereich des Satzes 1 schon gar nicht eröffnet, sodass keine Entscheidung nach dieser Vorschrift zu treffen ist. Ordnet das Gericht dennoch die audiovisuelle Vernehmung des Sachverständigen an, so kann dies mit der Revision beanstandet werden, auch als Verstoß gegen § 250 Satz 1 oder § 244 Abs. 2. Unter dem Blickwinkel der Verletzung der Aufklärungspflicht folgt aus alledem: 42 Gerügt werden kann, wenn das Gericht trotz des im Einzelfall höheren Beweiswerts von der bestehenden Möglichkeit einer audiovisuellen Vernehmung ohne jede Entscheidung hierüber keinen Gebrauch gemacht hat.177 Dies setzt freilich voraus, dass – regelmäßig vom Revisionsführer darzulegende – tatsächliche Umstände dazu gedrängt haben, sich nicht mit der Aussage eines Zeugen vom Hörensagen oder der Verlesung einer weniger aussagekräftigen Vernehmungsniederschrift zu begnügen. Gleiches gilt, wenn das Ge-

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171 Diemer NStZ 2001 397; HK/Temming § 336, 6; KK/Diemer 22; Meyer-Goßner/Schmitt 13; a.A. Eisenberg (Beweisrecht) 1310; HK/Julius 19; KMR/Lesch 36; SK/Frister 80, die diese Rüge für zulässig halten; s. auch bei § 336. 172 BGHSt 45 188, 197; BGH NStZ 2008 232, 233; Diemer StraFo 2000 219; AnwK-StPO/Sommer 17; KK/Diemer 23; KMR/Lesch 36; Meyer-Goßner/Schmitt 14; s. Rn. 43. 173 BGH NStZ 2008 421; NStZ-RR 2018 118; OLG Schleswig bei Döllel/Dreeßen SchlHA 2012 297; Diemer NJW 1999 1672; ders. StraFo 2000 220; ders. NStZ 2001 398; KK/Diemer 24; Meyer-Goßner/Schmitt 14; SK/Frister 78. 174 Vgl. BGH StGB § 46 Abs. 3 Sexualdelikte 4; KK/Diemer 24; s. Rn. 20. 175 Vgl. Diemer NJW 1999 1672; ders. StraFo 2000 219 f.; ders. NStZ 2001 394; HK/Julius 19; KK/Diemer 23; KMR/Lesch 36. 176 SK/Frister 78; a.A. Diemer StraFo 2000 219 f.; ders. NStZ 2001 394 f.; KK/Diemer 22 f., der – zu weitgehend (Meyer-Goßner/Schmitt 14) – den Ausschluss nach § 336 Satz 2 auf Ermessensfehler beschränkt und bei irriger Annahme der tatbestandlichen Voraussetzungen die Revision für stets zulässig hält; ebenso KMR/Lesch 36; Radtke/Hohmann/Kelnhofer 29. Die Ansicht von Diemer kann schon deshalb nicht überzeugen, weil nicht ersichtlich ist, aus welchen Gründen der Gesetzgeber Wertungen des Gerichts auf der Tatbestandsebene, etwa die Gewichtung der Aufklärungspflicht i.S.v. § 247a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, die im Übrigen mit der Ermessenentscheidung sachlich eng zusammenhängt (s. Rn. 12), einer Anfechtung zugänglich machen wollte. 177 Diemer NStZ 2001 395; Eisenberg (Beweisrecht) 1310; HK/Julius 19; s. auch Rn. 40 Fn. 173.

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richt eine audiovisuelle Vernehmung abgelehnt hat und hierdurch der Zeuge als Beweismittel komplett ausgefallen ist. Wird hingegen die Verletzung der Aufklärungspflicht darin gesehen, dass das Gericht einen Zeugen nur audiovisuell vernommen hat, obwohl es ihn ohne weiteres unmittelbar in der Hauptverhandlung hätte vernehmen müssen, ist die Rüge nach § 336 Satz 2 grundsätzlich unzulässig (s. Rn. 39). Sind die Umstände, die dazu gedrängt haben, die körperliche Anwesenheit des Zeugen herzustellen, erst nach der audiovisuellen Vernehmung bekannt geworden, erstreckt sich der Revisionsausschluss hierauf nicht, wenn das Gericht nicht nochmals ausdrücklich oder konkludent über die unmittelbare Zeugenvernehmung entschieden hat.178 Nicht von § 336 Satz 2 berührt wird die Aufklärungsrüge, das Gericht habe eine unvollständige oder technisch mangelhafte Übertragung der Vernehmung seiner Entscheidung zugrunde gelegt.179 Ob solche Kommunikationsmängel vorlagen, ist im Wege des Freibeweises zu klären; in der Regel bedarf es dafür auch dienstlicher Erklärungen. Auch die Vorführung einer angeordneten Videoaufzeichnung kann mitunter zur Bestätigung dieser Mängel beitragen.180 Da der Verfahrensverstoß erwiesen sein muss, ist die Rüge allerdings unbegründet, soweit Zweifel verbleiben.181 Vor Ablehnung eines Beweisantrags wegen Unerreichbarkeit nach § 244 Abs. 3 43 Satz 2 ist das Gericht – insbesondere auch beim Auslandszeugen – gehalten, sich mit der Möglichkeit eines Vorgehens nach § 247a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 auseinanderzusetzen, wenn dies nach den Umständen des Einzelfalls ernsthaft in Betracht kommt. Eines ausdrücklich auf eine audiovisuelle Vernehmung gerichteten Antrags bedarf es nicht, weil nach dem sog. erweiterten Erreichbarkeitsbegriff ein Antrag auf Ladung eines Zeugen unmittelbar vor dem Prozessgericht zugleich jedes Weniger als die persönliche Vernehmung in der Hauptverhandlung umfasst. Auch durch die audiovisuelle Vernehmung kann der Zeuge somit erreichbar werden.182 Denn die Erreichbarkeit i.S.v. § 244 Abs. 3 Satz 2 ist nicht mit dem Erscheinen i.S.v. § 250 Abs. 2 Nr. 1, 2, § 247a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 gleichzusetzen.183 Anderes gilt dann, wenn das Gericht in der Hauptverhandlung bereits ein im Wege der Rechtshilfe erholtes richterliches Vernehmungsprotokoll über die kommissarische Aussage nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 verlesen hat und von der audiovisuellen Vernehmung keine bessere Sachaufklärung zu erwarten ist;184 die audiovisuelle Vernehmung ist dann bereits unzulässig (s. oben Rn. 14). Macht die Revision einen Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 (Unerreichbarkeit) geltend, hat sie gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 alle Tatsachen vorzutragen, die dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglichen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen des § 247a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 für eine audiovisuelle Vernehmung vorlagen und sie tatsächlich hätte durchgeführt werden können.185 Hat das Gericht demgegenüber die Ablehnung eines Beweisantrags auf Vernehmung eines Aus-

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178 Vgl. LR/Franke26 § 336, 15. 179 KK/Diemer 25; Meyer-Goßner/Schmitt 14 (ggf. auch Verstoß gegen § 247a Abs. 1 Satz 3); SK/Frister 81. 180 Vgl. Diemer NJW 1999 1672; KK/Diemer 25. 181 BGHSt 51 180, 183 zu behaupteten technischen Störungen bei der Videoübertragung im Rahmen von § 247. 182 BGHSt 45 188, 190 f. = JZ 2000 471 m. Anm. Vassilaki = JR 2000 74 m. Anm. Rose, m. Anm. Duttge NStZ 2000 157, m. Anm. Schlothauer StV 2000 180; BGH NStZ 2000 385; 2001 160; StV 2004 578, 579; Diemer StraFo 2000 218; ders. NStZ 2001 395; Fezer JZ 2007 673; Krekeler AnwBl. 2006 596; Kretschmer JR 2006 456; Rose wistra 2001 292; vgl. zum erweiterten Erreichbarkeitsbegriff nunmehr aber BGH NStZ 2008 232, 233, wo die Rüge der fehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrags, in dem keine audiovisuelle Vernehmung begehrt wird, als Aufklärungsrüge behandelt wird. 183 BGHSt 46 73, 78; s. Rn. 11. 184 BGHSt 46 73, 79 f. = JZ 2001 49 m. abl. Anm. Sinn = JR 2001 343 m. zust. Anm. Rose, m. abl. Anm. Albrecht StV 2001 364; krit. auch Wattenberg StV 2004 244. 185 BGH bei Becker NStZ-RR 2003 290.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 248

landszeugen nicht auf dessen Unerreichbarkeit gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 gestützt, sondern sich gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 am Maßstab der Aufklärungspflicht orientiert, so ist der erweiterte Erreichbarkeitsbegriff ohne Bedeutung. Denn hat das Gericht die unmittelbare Vernehmung rechtsfehlerfrei für zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich gehalten, so hat sich dadurch die Frage erübrigt, ob die Vernehmung durch eine solche per Videokonferenz hätte ersetzt werden können;186 auch dann ist die audiovisuelle Vernehmung gemäß Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 unzulässig (oben Rn. 14). Die Verletzung sonstiger Vorschriften bei Gelegenheit einer audiovisuellen Ver- 44 nehmung, wie etwa ein Verstoß gegen § 226 Abs. 1,187 § 241a oder § 247, kann mit der Revision gerügt werden.188 Die Anordnung der Aufzeichnung nach § 247a Abs. 1 Satz 4 oder deren Unterlassen 45 ist grundsätzlich nicht revisibel, weil das Urteil nicht darauf beruhen kann.189 Denn maßgebend für die Urteilsfindung ist allein die Aussage des Zeugen; ob sie für etwaige spätere Hauptverhandlungen aufgezeichnet worden ist, spielt keine Rolle. Inwieweit Verfahrensrügen zulässig sind, mit denen die mangelnde Vereinbarkeit der Urteilsgründe mit der Aufzeichnung geltend gemacht wird, ist streitig. Für die Revisibilität spricht, dass die Aufzeichnung einen Gegenbeweis gegen die Urteilsfeststellungen ermöglichen kann, ohne dass im Übrigen eine – nach geltendem Recht grundsätzlich nicht vorgesehene – Rekonstruktion der tatrichterlichen Beweisaufnahme in der Revisionsinstanz erfolgen müsste.190

§ 248 Entlassung der Zeugen und Sachverständigen § 248 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker https://doi.org/10.1515/9783110274943-049 1 Die vernommenen Zeugen und Sachverständigen dürfen sich nur mit Genehmigung oder auf Anweisung des Vorsitzenden von der Gerichtsstelle entfernen. 2 Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte sind vorher zu hören.

Bezeichnung bis 1924: § 247.

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186 BGH NJW 2001 695, 696; Rose wistra 2001 291; a.A. Gleß JR 2002 98 (§ 244 Abs. 5 Satz 2 aufgrund teleologischer Reduktion nicht anwendbar, wenn audiovisuelle Vernehmung möglich); dagegen zutreffend KK/Diemer 10. In dem BGHSt 45 188 zugrunde liegenden Fall hatte der Tatrichter den Ablehnungsgrund des § 244 Abs. 5 Satz 2 verneint (aaO S. 189); hierzu Rose JR 2000 77 f.; Schlothauer StV 2000 181. 187 BGH JR 2017 174 m. Anm. Kretschmer: Abwesenheit des Vorsitzenden, der den Zeugen außerhalb des Sitzungssaals vernimmt, wohin die Vernehmung übertragen wird. 188 KMR/Lesch 38; Meyer-Goßner/Schmitt 14. 189 Diemer NJW 1999 1672; KK/Diemer 25; KMR/Lesch 39; Meyer-Goßner/Schmitt 14. 190 In diesem Sinne Beulke ZStW 113 (2001) 731 f.; Diemer NStZ 2002 16; Drews 142 ff.; Gercke/Wollschläger StV 2013 110 ff.; Hamm 861; Leitner StraFo 2004 306; Meyer-Mews NJW 2002 107; Schlothauer StV 1999 50; Wasserburg FS Richter II 557 ff.; Weider/Staechelin StV 1999 53; Wollschläger FS Schlothauer 524 f.; HK/Julius 14; KK/Diemer 18a (hinsichtlich des eindeutigen Inhalts der Aussage; eine Bewertung des Inhalts der Aussage und des Aussageverhaltens des Zeugen sowie eine Rekonstruktion des Verlaufs der Vernehmung anhand der Videoaufzeichnung sei dem Revisionsgericht dagegen verschlossen); Radtke/Hohmann/Kelnhofer 32; a.A. BGHSt 48 268, 273 = StV 2003 650 m. insoweit abl. Anm. Schlothauer (zu § 255a Abs. 2); Hofmann NStZ 2002 569; ders. StraFo 2004 303; MeyerGoßner/Schmitt § 337, 14. Ebenfalls ablehnend gegenüber der revisionsgerichtlichen Kontrolle von in der Hauptverhandlung gefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen BTDrucks. 15 1976 S. 12 f.; s. aber auch den Bericht der Expertenkommission zur effektiveren Ausgestaltung des allgemeinen Strafverfahrens und des jugendgerichtlichen Verfahrens (2015) S. 128 ff.; außerdem Bartel StV 2018 678 ff.; Mosbacher StV 2018 182 ff.; Wehowski StV 2018 685 ff.; näher die Erl. zu § 337.

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§ 248

1. 2. 3.

Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

Übersicht Zweck und Bedeutung | 1 Entfernung von der Gerichtsstelle, Entlassung und Beurlaubung | 4 Entscheidung des Vorsitzenden (Satz 1) | 7

4. 5. 6.

Anhörung der Verfahrensbeteiligten (Satz 2) | 8 Sitzungsniederschrift | 12 Revision | 13

1. Zweck und Bedeutung. In Ergänzung der §§ 48 ff., 72 ff. verdeutlicht Satz 1, dass die Anwesenheitspflicht der Zeugen und Sachverständigen über die Vernehmung hinaus andauert. Auch die vernommenen Beweispersonen sind grundsätzlich zum Verbleiben an der Gerichtsstelle verpflichtet, weil es sich im Laufe des Verfahrens als notwendig erweisen kann, sie – in Fortsetzung der Vernehmung1 – nochmals zu befragen oder sie einem anderen gegenüberzustellen.2 Müssten dann die Zeugen oder Sachverständigen neu herbeigeholt werden, so könnte dies den Prozessablauf empfindlich stören3 und würde außerdem unnötige Kosten verursachen.4 Andererseits erfordert es die Rücksichtnahme auf die Zeugen und Sachverständigen, dass ihre Zeit nicht über Gebühr beansprucht wird. Welcher dieser gegensätzlichen Gesichtspunkte überwiegt, ist stets eine Frage des jeweiligen Einzelfalls. Die Entscheidung hierüber weist Satz 1 dem Vorsitzenden zu; er ist befugt, Zeugen und Sachverständige vor Beendigung der Hauptverhandlung zu entlassen. Freilich hat dies regelmäßig zu geschehen, wenn absehbar ist, dass die Beweisperson nicht mehr benötigt wird (vgl. Nr. 135 Abs. 2 RiStBV); insbesondere sollen für kindliche und jugendliche Zeugen diese belastende lange Wartezeiten vermieden werden (vgl. Nr. 135 Abs. 3 Satz 1 RiStBV). 2 Satz 2 konkretisiert den Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör.5 Ob die Beweisperson künftig noch benötigt wird, ob insbesondere die Verfahrensbeteiligten auf sie nochmals zurückgreifen wollen, kann der Vorsitzende erst nach deren Anhörung mit einiger Sicherheit beurteilen.6 Gerade deshalb schreibt Satz 2 ihre vorherige Anhörung zwingend vor (Rn. 7). Der Zeuge oder Sachverständige selbst kann seine vorzeitige Entlassung beantra3 gen, wobei er zweckmäßigerweise seine Gründe dafür darlegt. Der Vorsitzende muss über diesen Antrag alsbald entscheiden (s. Rn. 7). Aus § 248 folgt aber weder ein Anspruch des Zeugen oder Sachverständigen, vorzeitig entlassen zu werden, noch das Recht, an der Hauptverhandlung in der Eigenschaft als Zeuge oder Sachverständiger bis zu deren Ende teilzunehmen.7 Nach der Entlassung kann er der Verhandlung lediglich – soweit nicht die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist8 – als Zuhörer beiwohnen. Zum Recht des Vorsitzenden, ihm das in Ausnahmefällen zu untersagen, s. § 243, 29. 1

2. Entfernung von der Gerichtsstelle, Entlassung und Beurlaubung 4

Die Gerichtsstelle, von der die Zeugen und Sachverständigen sich nicht ohne Erlaubnis entfernen dürfen, ist nicht – wie in § 224 Abs. 2 – das Gerichtsgebäude, sondern

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Vgl. BGH LM Nr. 5 zu § 52; ferner BGH NStZ 1984 418. RGSt 41 32; KK/Diemer 1. SSW/Franke 1. RGSt 46 196, 198; HK/Julius 1; KMR/Hiebl 1; Eb. Schmidt 1. OLG Stuttgart NStZ 1994 600; KMR/Hiebl 1; SK/Frister 1. Vgl. RGSt 46 196, 198. RG LZ 1915 631; HK/Julius 4; KMR/Hiebl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 1; SK/Frister 7. RG LZ 1915 631.

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der Ort, an dem die Verhandlung stattfindet.9 Sie kann auch außerhalb des Gerichtsgebäudes liegen (Augenschein). Ein Entfernen von der Gerichtsstelle liegt bereits vor, wenn die Beweisperson sich vom Ort der Verhandlung so weit entfernt hat, dass sie für das Gericht nicht mehr verfügbar ist.10 Wird die Hauptverhandlung unterbrochen, so haben sich die noch nicht entlassenen Beweispersonen nach der Unterbrechung wieder an der Gerichtsstelle einzufinden. Die ungenehmigte Entfernung kann für den Zeugen oder Sachverständigen die gleichen Folgen auslösen wie das Nichterscheinen (hierzu und zum Festhalterecht des Vorsitzenden s. § 51, 6). Mit der nach Anhörung gemäß Satz 2 vorgenommenen Entlassung des vernomme- 5 nen Zeugen oder Sachverständigen, der gerichtlichen Erlaubnis oder Anordnung sich zu entfernen, ist die Beweiserhebung endgültig abgeschlossen. Unabhängig von der weiteren – zufälligen – Anwesenheit der Beweisperson erlischt damit das Fragerecht nach §§ 240, 241a Abs. 211 ebenso wie die Vernehmungspflicht des Gerichts nach § 245 Abs. 1 und das erleichterte Beweisantragsrecht für selbst geladene präsente Zeugen nach § 245 Abs. 2. Unterbleibt die Anhörung nach Satz 2 dagegen, so treten diese Rechtsfolgen nicht ein; insbesondere ist den Frageberechtigten das Recht zuzubilligen, die nochmalige Ladung der Beweisperson zur Fortführung der Befragung zu verlangen.12 Für die vorläufige Beurlaubung der noch nicht vernommenen Zeugen und Sach- 6 verständigen gilt § 248 nicht. Der Vorsitzende kann ihnen kraft seiner Befugnis zur Verhandlungsleitung nach § 238 Abs. 1 gestatten, sich vorübergehend von der Gerichtsstelle zu entfernen. Die Verfahrensbeteiligten braucht der Vorsitzende dazu nicht zu hören, da ihre Verfahrensbefugnisse – anders als bei der Entlassung – durch die nur den äußeren Ablauf der Verhandlung betreffende Maßnahme unberührt bleiben.13 Gleiches gilt, wenn ein schon vernommener Zeuge wegen der Möglichkeit einer nochmaligen Vernehmung noch nicht entlassen ist, aber vorübergehend beurlaubt werden soll. Wird allerdings schlüssig dargelegt, hierdurch sei die Gefahr von Absprachen über den Aussageinhalt begründet,14 kann die Anordnung nach § 238 Abs. 2 beanstandet werden (s. § 238, 20). 3. Entscheidung des Vorsitzenden. Über die Entlassung der vernommenen Be- 7 weispersonen entscheidet gemäß Satz 1 der Vorsitzende; er hat diese Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Zwecke des § 248 und der von den Prozessbeteiligten vorgetragenen Umstände zu treffen, wobei auch die Erfordernisse der Aufklärungspflicht und des Beschleunigungsgebots einzubeziehen sind. Die (sachleitende) Anordnung des Vorsitzenden kann eine Schmälerung von Verfahrensrechten bewirken (s. Rn. 5); daher haben die Beteiligten die Möglichkeit, hiergegen nach § 238 Abs. 2 das Gericht mit der Begründung anzurufen,15 dass die gegen die vorzeitige Entlassung sprechenden Gründe nicht berücksichtigt oder ermessensfehlerhaft gewürdigt wurden. Unterlassen sie dies, so können sie mit einer entsprechenden Revisionsrüge nicht mehr durchdringen (vgl. § 238, 46 f.)

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9 KK/Diemer 1; KMR/Hiebl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 1; SK/Frister 2. 10 SK/Frister 2; SSW/Franke 3. 11 Str.; s. hierzu § 240, 13. 12 SK/Frister 15; vgl. BGHSt 55 87, 94. 13 OLG Stuttgart NStZ 1994 600; HK/Julius 2; Meyer-Goßner/Schmitt 2; SK/Frister 5; SSW/Franke 3. 14 Vgl. HK/Julius 2; s. auch § 244, 53 sowie – umgekehrt – zum Ausschluss des Zeugen wegen zu erwartender nochmaliger Vernehmung § 243, 29. 15 BGH StV 1985 355; 1996 248; HK/Julius 3; KK/Diemer 2; KMR/Hiebl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Eb. Schmidt 2; SK/Frister 6; a.A. RG JW 1931 1098 (keine Sachleitung); s. auch Rn. 13.

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4. Die Anhörung der Verfahrensbeteiligten schreibt Satz 2 ausdrücklich nur für Staatsanwaltschaft und Angeklagten vor. Aus dem Zweck der Regelung (Rn. 1 f.) folgt aber, dass alle Verfahrensbeteiligten zu der vorzeitigen Entlassung gehört werden müssen, die dem Vertreter der Staatsanwaltschaft oder dem Angeklagten hinsichtlich der Verfahrensbefugnisse bei der Beweisaufnahme gleichgestellt sind oder sonst ein Fragerecht haben.16 Anzuhören sind neben dem Angeklagten insbesondere sein Verteidiger,17 die Mitglieder des erkennenden Gerichts (§ 240 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1) sowie eventuelle Ergänzungsrichter,18 und, soweit betroffen, auch Privat- und Nebenkläger (§ 385 Abs. 1, § 397 Abs. 1 Satz 3), der Vertreter der Finanzbehörde (§ 407 Abs. 1 Satz 4, 5 AO) sowie Nebenbeteiligte und deren Vertreter (§ 427 Abs. 1 Satz 1, §§ 428, 438, 439, 444 Abs. 2 Satz 2), ferner Erziehungsberechtigte und gesetzliche Vertreter (§ 67 Abs. 1, § 104 Abs. 1 Nr. 9 JGG).19 Ein nach § 231c beurlaubter Angeklagter ist zu befragen, wenn der Zeuge vor der Beurlaubung zu einem Punkt vernommen worden war, der auch den beurlaubten Angeklagten betrifft.20 Gehört werden muss auch der Angeklagte, der während der Einvernahme des Zeugen nach § 247 aus dem Sitzungssaal entfernt worden war (s. § 247, 36). Die Anhörung hat nach dem Sinn der Vorschrift unmittelbar vor der Entlassung 9 der Beweisperson zu geschehen; denn die Verfahrensbeteiligten sollen nochmals die Gelegenheit erhalten, aufgrund des gesamten Verfahrensgangs zu überlegen, ob sie noch Fragen, eventuell auch neue Anträge stellen wollen.21 Eine frühere Befragung nach Satz 2, die nicht zur Entlassung der Beweisperson führte, ist deshalb in der Regel selbst dann zu wiederholen, wenn der betreffende Verfahrensbeteiligte früher sein Einverständnis mit der Entlassung erklärt hatte; denn die Verfahrenslage kann sich inzwischen geändert haben. In welcher Form die Anhörung durchgeführt wird, ist der pflichtgemäßen Ermes10 sensausübung durch den Vorsitzenden überlassen.22 Er kann die Anhörung auch zeitlich mit der Befragung nach § 257 verbinden.23 Inwieweit die Anhörung des Angeklagten nach § 257 Abs. 1 diejenige nach § 248 Satz 2 ersetzen kann, ist umstritten.24 Regelmäßig ausgeschlossen ist dies, wenn die Beweisperson nicht zeitnah zu den Erklärungen im Sinne von § 257 entlassen wird. Ansonsten kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Freilich wird dem – auch unverteidigten – Angeklagten insbesondere nach einer Zeugeneinvernahme zumeist klar sein, dass das Gericht mit der Befragung nach § 257 beabsichtigt, die Beweiserhebung endgültig abzuschließen, und der Zeuge dem Angeklagten nicht mehr zur Verfügung stehen wird, wenn er nicht aus seiner Sicht bestehende Unklarheiten oder Widersprüche aufzeigt und insofern auf die Notwendigkeit weiterer Fragen oder Vorhalte hinweist. Unterbleiben derartige Erklärungen, so muss es im Ergebnis unschädlich sein, wenn keine gesonderte Anhörung nach § 248 Satz 2 vorgenommen wird. Das gilt umso mehr, wenn bereits zuvor vernommene Zeugen im Anschluss an ihre Einvernahme entlassen worden waren, wie dies nach forensischer Erfahrung dem Regelfall in der Praxis entspricht.

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16 HK/Julius 2; Meyer-Goßner/Schmitt 3; SSW/Franke 5. 17 OLG Stuttgart NStZ 1994 600; HK/Julius 2; KK/Diemer 3; SK/Frister 10. 18 KMR/Hiebl 15; SK/Frister 10. 19 AK/Meier 3; KK/Diemer 3; KMR/Hiebl 15; SK/Frister 10. 20 BGH StV 1988 370. 21 RGSt 41 32; OLG Stuttgart NStZ 1994 600; HK/Julius 2; KMR/Hiebl 15; SK/Frister 13. 22 HK/Julius 2; SK/Frister 13. 23 SK/Frister 14. 24 Grundsätzlich befürwortend RGRspr. 7 279; RG JW 1922 301 m. insoweit abl. Anm. Mamroth; ablehnend dagegen AK/Meier 3; HK/Julius 2; KK/Diemer 3; SK/Frister 14; SSW/Franke 5.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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Erklärt ein Zeuge, dass er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch 11 macht, kann er vom Vorsitzenden ohne Anhörung der Prozessbeteiligten entlassen werden; denn Satz 2 gilt nicht, wenn der Zeuge als Beweismittel überhaupt nicht mehr in Betracht kommt.25 5. Sitzungsniederschrift. Die Entlassung des Zeugen oder Sachverständigen nach 12 Satz 1 ist ebenso eine nach § 273 zu protokollierende wesentliche Förmlichkeit des Verfahrens26 wie die Anhörung der Verfahrensbeteiligten hierzu nach Satz 2.27 6. Revision. Grundsätzlich kann die Revision – nach § 337 und gegebenenfalls auch 13 § 338 Nr. 8 – sowohl darauf gestützt werden, dass die Anordnung der Entlassung der Beweisperson ermessensfehlerhaft war (Satz 1), als auch darauf, dass eine solche Entscheidung verfahrensfehlerhaft, also ohne vorherige Anhörung, zustande kam (Satz 2).28 § 248 hat nicht nur den Charakter einer Ordnungsvorschrift.29 Ein Verfahrensbeteiligter kann allerdings nur dann mit der Revision geltend machen, durch die vorzeitige Entlassung sei er ermessensfehlerhaft in seinen Verfahrensrechten beschränkt worden, wenn er ihr bei seiner Anhörung widersprochen hat.30 Darüber hinaus setzt die Revision voraus, dass gegen die Entlassungsanordnung des Vorsitzenden nach § 238 Abs. 2 die Entscheidung des Gerichts herbeigeführt wurde.31 Der Revisionsausschluss bei Nichtanrufung des Gerichts ist hier deshalb gerechtfertigt, weil das Gesetz dem Vorsitzenden einen Ermessensspielraum einräumt (vgl. § 238, 43 ff.); etwas anderes kann für den unverteidigten Angeklagten gelten.32 Ist dagegen bereits die Anhörung nach Satz 2 unterlassen worden, so kann dies, da es sich insoweit um zwingendes Recht handelt (s. § 238, 47), auch dann mit der Revision gerügt werden, wenn eine Beanstandung nach § 238 Abs. 2 nicht erhoben worden ist.33 Die Revision kann nur Erfolg haben, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass 14 das Urteil auf dem Verfahrensverstoß beruht (§ 337 Abs. 1); dies ist im Einzelfall anhand des Revisionsvorbringens zu prüfen. Daher ist der Revisionsführer in Ausnahme von dem Grundsatz, dass zum Beruhen nicht vorgetragen werden muss,34 gehalten darzutun, an welchen entscheidungsrelevanten Fragen oder Vorhalten er infolge der vorzeitigen

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25 RGSt 41 32; AK/Meier 3; KMR/Hiebl 16; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Eb. Schmidt 2; SK/Frister 12. 26 KMR/Hiebl 17; SK/Frister 16. 27 Vgl. RGSt 41 32; RGRspr. 7 279; OLG Stuttgart NStZ 1994 600, 601; KMR/Hiebl 17; SK/Frister 16. 28 OLG Stuttgart NStZ 1994 600; AnwK-StPO/Sommer 2; HK/Julius 5; KMR/Hiebl 18. Da die frageberechtigten Verfahrensbeteiligten ihr Fragerecht nicht verlieren, wenn der Zeuge oder Sachverständige ohne die vorgeschriebene Anhörung entlassen wird (s. Rn. 5), sollen die Frageberechtigten nach SK/Frister 18 allein berechtigt sein, den Verstoß gegen ihr Fragerecht zu rügen, wenn das Gericht ihr Verlangen ablehne, den Zeugen zu weiterer Befragung wieder vorzuladen, eine Rüge des Verstoßes gegen ihr Anhörungsrecht sei ihnen dagegen nicht eröffnet; damit wird aber in verkappter Form eine Beanstandungsobliegenheit ähnlich § 238 Abs. 2 begründet, für die nach dem oben Gesagten kein Raum ist. Nach MüKo/Cierniak/Niehaus 7 soll auf dem Verstoß gegen Satz 2 das Urteil nicht beruhen können. 29 OLG Stuttgart NStZ 1994 600; SK/Frister 17; a.A. RG JW 1922 301 m. insoweit zustimmender Anm. Mamroth; BGH Urt. v. 2.8.1960 – 1 StR 249/60; KK/Diemer 4; offen gelassen von BGH NStZ 1986 133. Zur Frage der „Ordnungsvorschriften“ s. bei § 337. 30 AK/Meier 4; Pfeiffer 2. 31 BGH StV 1985 355; 1996 248; OLG Stuttgart NStZ 1994 600, 601; AK/Meier 4; KK/Diemer 4; KMR/Hiebl 18; Meyer-Goßner/Schmitt 4. 32 Vgl. § 238, 47; zweifelnd HK/Julius 5. 33 Im Ergebnis ebenso OLG Stuttgart NStZ 1994 600. 34 SK/Frister 19.

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§ 249

Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

Entlassung gehindert war.35 Generell verneint werden kann das Beruhen nicht. Das Argument, dass die Prozessbeteiligten jederzeit die Möglichkeit haben, unter Berufung auf die Aussagen der bereits vernommenen Zeugen und Sachverständigen neue Beweisanträge zu stellen, soweit sie die Ergänzung der Aussage in einem wichtigen Punkt nachträglich für notwendig halten,36 greift zu kurz. Denn bei einem bereits abgehandelten Beweisthema kann das Recht zu (weiteren) Fragen und Vorhalten durch einen neuen Beweisantrag nur noch schwer aktualisiert werden, weil dessen Ablehnung nicht mehr an die Gründe der § 244 Abs. 3 und 4, § 245 gebunden ist.37 Weiterhin kann das Beruhen des Urteils auf der gesetzwidrigen Entlassung der Beweisperson nicht deswegen verneint werden, weil infolge des Verstoßes die Entlassung der Beweisperson das Fragerecht nicht beendet hat (Rn. 13 i.V.m. Fn. 28). Hat das Gericht indes auf Verlangen des Frageberechtigten die vorzeitig oder ohne Anhörung entlassene Beweisperson erneut geladen und damit das Fragerecht wieder eröffnet, so ist der ursprüngliche Verstoß geheilt und kann das Urteil auf diesem nicht mehr beruhen.38 Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Aufklärungspflicht kann die vorzei15 tige Entlassung der Beweisperson nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen beanstandet werden. Denkbar ist dies etwa, wenn bei konträren Zeugenaussagen ein zentraler Zeuge vor der Einvernahme eines anderen Zeugen entlassen wurde und deshalb nicht mehr mit dessen Aussage konfrontiert werden konnte.

§ 249 Führung des Urkundenbeweises durch Verlesung; Selbstleseverfahren § 249 Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug 6. Abschnitt. Hauptverhandlung Becker/Mosbacher https://doi.org/10.1515/9783110274943-050

(1) 1 Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. 2 Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind. (2) 1 Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. 2 Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. 3 Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen. Schrifttum Albrecht Bespr. von BGH, Beschl. v. 10.1.2012 – 1 StR 587/11, Anforderungen an eine ordnungsgemäße Durchführung des Selbstleseverfahrens, ZIS 2012 163; Berger Beweisführung mit elektronischen Dokumenten, NJW 2005 1016; Cornelius Konfrontationsrecht und Unmittelbarkeitsgrundsatz NStZ 2008 244; Dolderer Der Beweis durch Urkunden im Strafprozeß, §§ 249 – 256, unter besonderer Berücksichtigung der Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit (1956); Fezer Grundfälle zu Verlesungs- und Verwertungsverbot im Strafprozeß, Teil 1, 3, JuS 1977 234; 520; 1979 186; Flore Verwertbarkeit handschriftlicher Aufzeichnungen von Richtern im Strafverfahren, wistra 1989 256; Geerds Über Vorhalt und Urkundenbeweis mit Vernehmungsprotokollen, FS Blau (1985) 67; Groth Der Urkundenbeweis im Strafprozeß (1937);

_____ 35 36 37 38

OLG Stuttgart NStZ 1994 600, 601; Meyer-Goßner/Schmitt 4. So aber RG JW 1931 1098, 1099; vgl. auch RGRspr. 7 279, 280; BGH Urt. v. 2.8.1960 – 1 StR 249/60. S. § 244, 175 ff. BGHSt 55 87, 94.

Becker/Mosbacher https://doi.org/10.1515/9783110274943-050

1012

6. Abschnitt. Hauptverhandlung

§ 249

Hanack Protokollverlesungen und Vorbehalte als Vernehmungsbehelf, FS Schmidt-Leichner (1977) 83; Heuer Beweiswert von Mikrokopien bei vernichteten Originalunterlagen, NJW 1982 1505; Jahn/Ebner Anmerkung zu einer Entscheidung des BGH, Beschluss vom 10.1.2012 (1 StR 587/11) – Zum Selbstleseverfahren, ZWH 2012 386; Kaiser Einführung von Fotographien einer Radarüberwachungsanlage in die Hauptverhandlung JR 2003 77; Kalbskopf Die Urkunde als Beweismittel im Strafprozeß (1913); Kassebohm Das Ende des Papierzeitalters – Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen vom 12.7.2017, StraFo 2017 393; Kirchner Das Selbstleseverfahren – Blackbox der Beweisaufnahme, StraFo 2015 52; Knierim/Rettenmaier Das Selbstleseverfahren gemäß § 249 Abs. 2 StPO in Wirtschaftsstrafsachen – Verfahrensbeschleunigung oder unzulässiger Verstoß gegen das faire Verfahren? StV 2006 155; Kohlhaas Die Tonbandaufnahme als Beweismittel im Strafprozeß, NJW 1957 81; Krahl Mißachtung rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze durch die schriftliche und selbstlesende Hauptverhandlung GA 1998 329; Krause Der Urkundenbeweis im Strafprozeß (1966); Kuckuck Zur Zulässigkeit von Vorhalten aus Schriftstücken in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens (1977); Kudlich „Bitte vorlesen“ – Wenn nicht, macht es aber auch nichts…, JA 2012 954; Kudlich Haben alle alles gelesen? JA 2017 553; Lehmann Der Urkundenbericht im Strafprozess (2018); Meyer Der Urkundenbeweis in der Hauptverhandlung (1999); Meyer-Lohkamp Beweisaufnahme short to go – Überlegungen zum Selbstleseverfahren, StV 2014 121; Mitsch Protokollverlesung nach berechtigter Auskunftsverweigerung (§ 55 StPO) in der Hauptverhandlung, JZ 1992 174; Mosbacher Zur Zulässigkeit vernehmungsergänzender Verlesung, NStZ 2014 1; ders. Ist das Unterlassen einer Widerspruchsbescheidung nach § 249 Abs. 2 Satz 2 StPO revisibel? – Zugleich Besprechung von BGH, Beschl. v. 28.8.2012 – 5 StR 251/12, NStZ 2013 199; ders. Rügepräklusion mangels Rechtsschutzbedürfnis, FS Widmaier (2008) 339; ders. OWiG Zwölfter Abschnitt – Elektronische Dokumente und elektronische Aktenführung, in Scherf/Schmieszek/Viefhues (Hrsg.), Elektronischer Rechtsverkehr (2006) 89 ff.; Neumann Plädoyer für das Selbstleseverfahren – mit Tipps und Hinweisen auch für verbleibende Zweifler, StRR 2015 164 und 204; Nowak Das Recht der Schöffen auf Akteneinsicht für die Dauer der Hauptverhandlung JR 2006 459; Paulus Rechtsdogmatische Bemerkungen zum Urkundenbeweis in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens, JuS 1988 873; Puszlai Die Urkunde als Beweismittel im Strafverfahren, ZStW 91 (1979) 1096; Schlund Das Selbstleseverfahren – Grund und Grenzen (2018); Eb. Schmidt Zulässigkeit und Verwendbarkeit von Tonbändern im Strafverfahren, JZ 1956 206; ders. Der Stand der Rechtsprechung zur Frage der Verwendbarkeit von Tonbandaufnahmen im Strafprozeß, JZ 1964 537; R. Schmitt Tonbänder im Strafprozeß, JuS 1967 19; Schneidewin Der Urkundenbeweis in der Hauptverhandlung, JR 1951 481; Schroth Der Vorhalt eigener protokollierter Aussagen an den Angeklagten, ZStW 87 (1975) 103; Schwekendieck Analoge Anwendung von § 51 I BZRG auf Freisprüche? NStZ 1994 419; Ventzke Neues vom Selbstleseverfahren (§ 249 Abs. 2 StPO) – Ein Blick auf neuere Tendenzen der BGH-Rechtsprechung, StV 2014 114; Vollmuth Die Mikroverfilmung und die durch sie entstehenden Probleme für die Strafverfolgungsbehörden und für die Gerichte, NJW 1974 1176; Weiß Elektronische Dokumente in der Hauptverhandlung nach neuem Strafverfahrensrecht, wistra 2018 245; Wilhelm Anmerkung zur Entscheidung des OLG Hamburg vom 3.3.2011, StV 2012 75; Wömpner Zum Urkundenbeweis mit Fotokopien und anderen Reproduktionen, MDR 1980 889; ders. Zur Verlesung früherer Urteile, NStZ 1984 481. Weiteres Schrifttum bei § 250.

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Entstehungsgeschichte Bis zum 1.1.2018 enthielt Absatz 1 unverändert die ursprüngliche Form der Gesetzesfassung vom 1.2.1877 (RGBl. 253, 298; damals § 248; zur Entstehungsgeschichte der Verlesungsvorschriften ausführlich Meyer 54 ff.; Kalbskopf 1 ff.; SK/Frister 1). Diesem fügte Art. 1 Nr. 21 StVÄG 1979 einen Absatz 2 an, der es dem Gericht gestattete, zur Entlastung der Hauptverhandlung die von § 249 Abs. 1 Satz 1 grundsätzlich vorgeschriebene Verlesung einer Urkunde bei Einverständnis von Staatsanwalt, Angeklagten und Verteidiger dadurch zu ersetzen, dass dort nur deren wesentlicher Inhalt mitgeteilt werden musste, nachdem alle Richter vom Wortlaut Kenntnis genommen und die anderen Verfahrensbeteiligten dazu Gelegenheit erhalten hatten. Art. 1 Nr. 16 StVÄG 1987 hat diese Regelung erheblich umgestaltet, um die Akzeptanz des Selbstleseverfahrens in der Praxis zu fördern. In dem jetzt geltenden Absatz 2 ist die Bindung an das Einverständnis ebenso entfallen wie die Verpflichtung, den wesentlichen Inhalt der selbst zu lesenden Urkunden 1013

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§ 249

Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

in der Sitzung festzustellen. Art. 3 des VerbrBekG hat dann im Katalog der vom Selbstleseverfahren ausgeschlossenen Fälle des Urkundenbeweises die §§ 251 und 256 zur Verfahrensvereinfachung (vgl. BTDrucks. 12 6833 S. 33) gestrichen. Die (erste) umfassende Änderung von Absatz 1 erfolgte zum 1.1.2018 durch das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5.7.2017 (BGBl. I 2208). Neben einer Änderung des Wortlauts des Beweiserhebungsvorgangs (statt „werden in der Hauptverhandlung verlesen“ nunmehr „sind zum Zweck der Beweisaufnahme über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen“) wurde vor allem die – zu Recht – als veraltet angesehene beispielhafte Aufzählung verlesbarer Urkunden in Absatz 1 Satz 2 gestrichen und daneben klargestellt, dass elektronische Dokumente, soweit verlesbar, als Urkunden gelten (Gesetzesbegründung BTDrucks 18 9416 S. 62 f.). Bezeichnung bis 1924: § 248.

I.

II.

Übersicht Allgemeines 1. Zulässigkeit des Urkundenbeweises a) Begriff des Urkundenbeweises | 1 b) Einschränkungen der Zulässigkeit | 3 2. Strengbeweisrecht | 4 3. Beweiswert der Schriftstücke | 5 Urkunden und elektronische Dokumente 1. Begriffe | 6 2. Beispiele verlesbarer Schriftstücke a) Schriften, die den Gegenstand der strafbaren Handlung verkörpern | 10 b) Strafsachen wegen Eidesverletzung | 11 c) Willenserklärungen | 12 d) Eingaben des Angeklagten | 13 e) Sonstige Schriften des Angeklagten | 14 f) Sonstige Urkunden | 15 3. Verlesbarkeit elektronischer Dokumente/elektronische Urkunden | 16 4. Verlesbarkeit von Urteilen und Registerauszügen a) Früher ergangene Strafurteile | 18 b) Andere Urteile | 22 c) Registerauszüge | 23 5. Niederschriften über die Vornahme des richterlichen Augenscheins a) Allgemeines | 24 b) Fehlerhafte Vornahme des Augenscheins | 27 c) Umfang der Verlesung | 28 6. Behördliche Schriftstücke im anhängigen Verfahren | 29

Mosbacher

III.

IV.

V.

Verfahren. Allgemeines 1. Zusammentreffen von Urkundenbeweis und Augenscheinsbeweis | 30 2. Sachverständigenbeweis | 31 3. Fremdsprachige Schriften | 32 4. Geheimschriften und Kurzschrift | 36 5. Formen des Urkundenbeweises | 37 Urkundenbeweis durch Verlesen nach Absatz 1 1. Wörtlich verlesen | 38 2. Teile einer Schrift | 39 3. Unzulänglichkeit der bloßen Vorlegung | 40 4. Urkunden als präsente Beweismittel | 41 5. Entscheidung über die Verlesung | 42 6. Ausführung der Verlesung | 43 7. Feststellung des Inhalts einer Schrift durch den Vorsitzenden | 44 8. Beurkundung der Verlesung | 49 Selbstleseverfahren nach Absatz 2 1. Zweck und Struktur | 53 2. Selbstleseverfahren als Ausnahme? | 56 3. Vereinbarkeit mit anderen Verfahrensgrundsätzen | 58 4. Anwendungsbereich a) Grundsatz und Ausnahmen | 60 b) Berufungsverfahren | 62 c) Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten | 63 5. Anordnung des Vorsitzenden a) Pflichtgemäßes Ermessen | 64 b) Zeitpunkt | 68

1014

6. Abschnitt. Hauptverhandlung

6.

VI.

Widerspruch a) Wesen und Wirkung des Widerspruchs | 70 b) Form und frühester Zeitpunkt | 71 c) Widerspruchsberechtigte | 73 d) Unverzüglich | 75 e) Entscheidung des Gerichts | 76 7. Durchführung des Selbstleseverfahrens a) Außerhalb der Hauptverhandlung | 78 b) Feststellung des Vorsitzenden | 84 8. Keine Bindung für das weitere Verfahren | 87 9. Sitzungsniederschrift | 88 Formfreier Vorhalt 1. Zweck | 92 2. Kein Urkundenbeweis | 93 3. Gegenstand des Vorhalts | 97 4. Zeitpunkt des Vorhalts | 100

Alphabetische Übersicht Abgüsse 9 Abschriften 5 Absichtsurkunden 8 Analphabet und Selbstleseverfahren 80a Anhörung der Verfahrensbeteiligten 64, 79 Anklageschrift 29, 60 Anordnung des Vorsitzenden 42, 64, 90 Anrufung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 72, 74, 104, 114 Aufklärungspflicht 1, 2, 18, 19, 33a, 39, 41, 66, 92, 113 Aufmerksamkeit der Richter 78 Augenschein 7, 9, 24, 26, 30, 37, 52, 61 – fehlerhafter 27 Augenscheinsprotokolle – fehlerhafte 27 – Teilverlesung 28 – Verlesbarkeit 24 Befundtatsachen 31 Beglaubigung 5, 23, 81 Beistand – des Verletzten 73 – in Jugendstrafverfahren 73 Beleidigende Schriften 10 Beratungsgeheimnis 111 Bericht des Vorsitzenden 44 ff. Berichtsurkunden 8 Berufung 62 Beschleunigung 54, 87 Beschluss des Gerichts 42, 76, 90 Beschwerde 10, 107 Beweisverbote 3, 15, 17, 19, 96, 109

1015

§ 249

5. Sitzungsniederschrift | 101 6. Urteilsgründe | 102 VII. Rechtsbehelfe 1. Widerspruch | 103 2. Entscheidung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 | 104 3. Beschwerde | 107 4. Revision a) Verstoß gegen § 261 (Urkunde nicht verlesen) | 108 b) Verstoß gegen § 261 (Urkunde verlesen) | 109 c) Ermessensentscheidung, ob Absatz 1 oder Absatz 2 | 110 d) Verfahrensfehler bei Durchführung des Selbstleseverfahrens | 112 e) Verletzung der Aufklärungspflicht | 113 f) Voraussetzung der Revision | 114

Beweisverwendbarkeit 16 Beweiswert von Schriften 5 Beweiszeichen 9 Bindungswirkung anderer Urteile 17 Bußgeldbescheid 29 Bußgeldverfahren 48, 64 Comic-Literatur 30 Datenträger 81a f. Datenübertragung 5 Dolmetscher 33a, 35, 80 Durchsuchungen 25 Echtheit einer Schrift 5 Eidesdelikte 11 Eingaben 13 Einziehungsbeteiligte 73 Elektronische Dokumente 17 ff. Entwürfe 5 Ergänzungsrichter 79 Ermessensentscheidung 41, 64, 77, 110 Erziehungsberechtigter 73 Erziehungsregister 23 Fahrtenschreiberaufzeichnungen 9 Freibeweis 4, 33, 108, 111 Fremdsprachige Schriften 32 ff., 97 Geburtsurkunden 23 Geheimschriften 36 Gerichtshilfe 29 Gesetzliche Vertreter 73 Gewerbezentralregister 23 Großverfahren 54 Heiratsurkunden 23

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§ 249

Zweites Buch – Verfahren im ersten Rechtszug

Informationsrechte 73, 110 Interne Aufzeichnungen der Richter 17 Kirchenbücher 23 Konstitutivurkunden 8 Kontoauszüge 15, 31 Kopie 4, 5 Kostenerstattung bei Selbstleseverfahren 80b Kurzschrift 36 Lebenslauf 14 Leichenöffnung 25 Leichenschau 25 Leseberechtigte (Selbstleseverfahren) 73, 80 Leumundszeugnis 10, 19 Lichtbilder 9 Mikrofilme 5 Mündlichkeitsgrundsatz 44, 56 Nebenkläger 73 Observationsberichte 15, 60 Öffentlichkeit 59 Ordnungswidrigkeiten 63 Personenstandsregister 23 Persönlichkeitsbereich 14 Präsentes Beweismittel 41 Privatkläger 73 Prozesswirtschaftlichkeit 54 Radaraufnahmen 9 Recht auf Gehör 57, 82 Rekonstruktionsverbot 109 Revision – Verstoß gegen §§ 244, 245 113 – Verstoß gegen § 249 111 – Verstoß gegen § 261 108 – Voraussetzung der Revision 114 Sachdarstellung des Angeklagten 13 Sachleitung 42, 64 Sachverständigenbeweis 31 Sammelvermerk im Protokoll 91 Schlussvortrag 43 Schöffen 63, 68, 74, 80, 84, 90 Schriften als Beweismittel, s. Urkunden Schriften mit gleichem Inhalt 39 Selbstleseverfahren – Durchführung 78, 103, 105 – Feststellung des Vorsitzenden 84 – Kombination mit Verlesen 67 – Sinn 53 ff. – Zeitpunkt 68 Sitzungsniederschrift 44, 49 ff., 88 ff., 109 Stellungnahme nach § 257 86 Straflisten 21 Strafurteile, frühere 3 Strengbeweis 1, 3, 4, 33a Tätowierungen 7 Tagebücher 14

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Tatortskizzen 9 Technische Aufzeichnungen 9 Teilweise Verlesung 28 Telekommunikationsüberwachungsprotokolle 5, 9, 15, 33a, 60, 98 Tonaufzeichnungen 5, 9, 98 Transparenz der Hauptverhandlung 54, 65 Übersetzer 32, 35 Übersetzungen 7, 33 Unmittelbarkeit 58, 95 Unschuldsvermutung 17 Unzüchtige Schriften 10 Urkunde – Begriff 6 – Beschaffenheit 9 – Klassifizierung 8 – strafrechtlicher Urkundenbegriff 7 Urkundenbeweis – Begriff 1 – Bericht des Vorsitzenden 44 – Bindung durch gewählte Form 87 – Einschränkungen 3 – Formen 1, 37 ff. – Selbstleseverfahren 53 ff. – Teile einer Schrift 47 – Verlesen 36 – Zusammentreffen mit Augenschein 30 Urteile – anderer Gerichte 20 – frühere 17 Urteilsgründe 102 Verfahrensbeteiligte 73, 84, 85, 90, 110 Verfallsbeteiligte 73 Verkehrszentralregister 22 Verlesen – Anordnung 41 – Beschränkung auf Teile 39 – Durchführung 38, 43 ff. Verschlusssachen 81 Verteidiger 13 Vertreter – Finanzbehörde 73 – jur. Person 73 Verzicht auf Kenntnisnahme 82, 90 Vorhalt 18, 90, 92 ff., 106 Vorlage einer Schrift 40 Vorleser bei Selbstleseverfahren 80a Widerspruch gegen Selbstleseverfahren – Berechtigung zum 73 – Entscheidung des Gerichts 75, 103, 104 – unverzüglich 74 – als Voraussetzung der Revision 114

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

Willenserklärungen 12 Wissenschaftliche Werke 31 Zeuge 3, 17, 19 Zivilurteile 20

§ 249

Zufallsurkunden 8 Zulässigkeit 1 ff. Zustimmung der Verfahrensberechtigten 44

I. Allgemeines 1. Zulässigkeit des Urkundenbeweises a) Begriff. Urkundenbeweis ist die Ermittlung des durch Lesen erfassbaren ge- 1 danklichen Inhalts eines Schriftstücks, sonstigen Schriftträgers oder elektronischen Dokuments und dessen unmittelbare Verwendung zu Beweiszwecken.1 Der Systematik des Gesetzes ist der allgemeine Grundsatz zu entnehmen, dass das Gesetz den Urkundenbeweis zulässt, wo es ihn nicht ausdrücklich untersagt.2 § 249 regelt nur die Form, in der eine Urkunde zu Beweiszwecken in die Hauptverhandlung einzuführen ist.3 Ob neben der ausdrücklich gesetzlich geregelten Verlesung nach Absatz 1 und dem Selbstleseverfahren nach Absatz 2 noch der zusammenfassende Bericht des Vorsitzenden über den Inhalt einer Urkunde als Form der Erhebung des Urkundenbeweises zulässig ist, ist umstritten.4 Eine Verpflichtung des Gerichts zum Urkundenbeweis folgt aus § 249 nicht, sondern aus der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2) sowie Beweisanträgen unter den Voraussetzungen der §§ 244, 245.5 Grundsätzlich darf das Gericht alle Arten von Schriftstücken als Beweismittel verwenden und allein aus ihnen nach freier Beweiswürdigung jeden denkgesetzlich möglichen tatsächlichen Schluss ziehen.6 § 249 bestätigt diesen Grundsatz dadurch, dass er für das Strengbeweisrecht die Formen festlegt, in denen Schriftstücke zu Beweiszwecken in der Hauptverhandlung zur Kenntnis der Beteiligten gebracht werden müssen, damit ein Beweis durch ihren Inhalt geführt wird.7 § 249 schließt nicht aus, den gedanklichen Inhalt einer Urkunde durch andere Be- 2 weismittel in der Hauptverhandlung festzustellen, insbesondere durch Zeugen.8 § 250 Satz 2 betrifft nur den umgekehrten Fall und steht demnach nicht entgegen. Beweismittel ist dann nicht das Schriftstück, sondern die Aussage der Beweisperson.9 Umgekehrt ist es auch zulässig, den Inhalt anderer Beweismittel durch Schriftstücke nach § 249 in die Hauptverhandlung einzuführen, etwa indem über die Ergebnisse aus einer Telekommunikationsüberwachung nicht durch Augenscheineinnahme, sondern durch Verlesung angefertigter Protokolle nach § 249 Beweis erhoben wird.10 Ein Satz, dass dem Beweis zugängliche Tatsachen nur in der Gestalt verwendet werden dürfen, in der sie sich ursprünglich in der Außenwelt manifestieren, und dass jede Transformierung von

_____

1 Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt 1; MüKo/Kreicker 1; SSW/Kudlich/Schuhr 1; Schneidewin JR 1951 481. 2 BGHSt 20 160; 49 68; BGH NStZ-RR 2008 48; NStZ 2012 322, 324; MüKo/Kreicker 2, 7; SSW/Kudlich/ Schuhr 7; Radtke/Hohmann/Pauly 2; SK/Frister 5. 3 BTDrucks 18 9416 S. 62 f.; RGRspr. 2 45; BGH bei Dallinger MDR 1972 753; SK/Frister 2; Radtke/ Hohmann/Pauly 1; BeckOK/Ganter 1; Fezer JuS 1977 235; Geppert 189; Schneidewin JR 1951 481; KK/Diemer 1; Meyer-Goßner/Schmitt 1; MüKo/Kreicker 2. 4 Hierzu näher Lehmann 1 ff.; unten Rn. 44 ff. 5 KK/Diemer 5; Meyer-Goßner/Schmitt 1; MüKo/Kreicker 3; Radtke/Hohmann/Pauly 1; SK/Frister 8. 6 SK/Frister 10. 7 Vgl. die Nachweise Fußn. 3; ferner Haag DJ 1937 809; DStR 1938 410; Koeniger 367; Kohlhaas NJW 1954 535; Schneider-Neuenburg DStR 1938 32; Schneidewin JR 1951 481. 8 BGHSt 27 135; BGH NStZ 1985 464; Meyer-Goßner/Schmitt 1; SK/Frister 9. 9 Vgl. BGHSt 27 135 = JR 1978 117 mit Anm. Gollwitzer; BGH NStZ 1985 464; KK/Diemer 2; Meyer-Goßner/ Schmitt 1. Bedenken bei Hanack JZ 1972 203. 10 BGHSt 27 135; 38 26; 51 1.

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Beweismitteln unzulässig sei, ist der Rechtsordnung fremd.11 Kommt es – wie häufig in Wirtschaftsstrafverfahren – auf den genauen Wortlaut einer umfangreichen und komplexen Urkunde an (etwa einer Bilanz), kann die Aufklärungspflicht im Einzelfall die Verlesung der Urkunde selbst anstelle der Verwendung eines anderen Beweismittels gebieten. Geht es darum, ob einem Schriftstück für ein Sachverständigengutachten Befundtatsachen zu entnehmen sind, ist es zulässig, dessen Inhalt durch Vernehmung des Sachverständigen in die Hauptverhandlung einzuführen.12 3

b) Einschränkungen der Zulässigkeit. Der Urkundenbeweis ist grundsätzlich zulässig, soweit er nicht ausdrücklich vom Gesetz ausgeschlossen wird.13 Derartige Einschränkungen enthalten die §§ 250 bis 256. Sie ergeben sich insb. aus dem Grundsatz der Unmittelbarkeit. Soweit mit Schriften nicht die in ihnen verkörperte Gedankenäußerung als solche bewiesen werden soll, sondern eine Wahrnehmung, von der die Schrift berichtet, schließt § 250 die Beweisführung durch die alleinige Verlesung der Schrift grundsätzlich aus. Die Vernehmung eines Zeugen darf nur in den besonders zugelassenen Ausnahmefällen durch die Verlesung seiner schriftlich niedergelegten Angaben über seine Wahrnehmung ersetzt werden.14 Die Einzelheiten sind bei den §§ 250 bis 256 erörtert. Im Übrigen gelten die allgemeinen Beweisverbote auch für den Urkundenbeweis. Zu beachten sind vor allem die spezifischen Verwertungsverbote für Schriftstücke (vgl. etwa § 51 Abs. 2 BZRG zur Verlesung von Straferkenntnissen).15

4

2. Strengbeweisrecht. Die §§ 249 bis 256, die den Beweis durch Gebrauch schriftlicher Beweismittel bestimmen und begrenzen, sind Vorschriften für das Strengbeweisrecht.16 Sie brauchen nur beachtet zu werden, soweit es sich um eine Beweiserhebung zur Schuld- und Rechtsfolgenfrage handelt. Im Strengbeweisverfahren ist in freier Beweiswürdigung (§ 261) bei entsprechenden Zweifeln auch zu klären, ob eine Kopie oder Abschrift mit der Urschrift übereinstimmt.17 Allerdings muss sich die Überzeugung des Tatrichters von der Übereinstimmung der Kopie mit dem Original weder aus dem Protokoll ableiten lassen noch bedarf sie in jedem Fall einer ausdrücklichen Erörterung bei der Darstellung der Beweiswürdigung; denn diese braucht nicht für alle Sachverhaltsfeststellungen einen Beleg zu erbringen.18 Werden – wie im Geschäftsverkehr weithin üblich – Kopien wie Originale verwendet oder liegen gar nur Kopien als Beweismittel vor (etwa bei der Sicherstellung von Verträgen, Steuer- und Buchhaltungsunterlagen), ist Beweismittel ohnehin die Kopie als Schriftstück; in diesem Fall muss die Übereinstimmung mit einem möglicherweise ohnehin nicht erreichbaren Original auch nicht festgestellt werden. Dies trifft auf die meisten großen Wirtschaftsstrafsachen zu, in denen etwa umfangreiche Vertragswerke, Bilanzen oder Buchhaltungsunterlagen im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Regelmäßig ist

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11 BGHSt 27 135. 12 Vgl. Rn. 31. 13 Vgl. Fn. 2 und RGSt 65 295; BGHSt 20 162; 27 136 = JR 1978 119 mit Anm. Gollwitzer; BGHSt 49 68; KK/Diemer 5; Meyer-Goßner/Schmitt 1. 14 Vgl. zum unterschiedlichen Beweiswert von Urkunden- und Zeugenbeweis bei schriftlich fixierten Aussagen auch BFH DStZ 2019 102. 15 Vgl. näher BeckOK/Ganter 5 f. m.w.N.; ob dies auch für freisprechende Urteile gilt, ist umstritten; vgl. Schweckendieck NStZ 1994 448 (verneinend). 16 SK/Frister 4. 17 BGH bei Kusch NStZ 1994 227; NStZ 1994 593; OLG Jena VRS 114 (2008) 453; Eisenberg (Beweisrecht) 2009; Wömpner MDR 1980 890; KK/Diemer 12; Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Frister 41. 18 BGH NStZ-RR 1999 176.

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6. Abschnitt. Hauptverhandlung

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(soweit entgegenstehende Anhaltspunkte fehlen) der Schluss gerechtfertigt, dass von der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder Gerichten angefertigte Kopien mit den Originalen übereinstimmen; diesen Erfahrungssatz legt die allgemeine Lebenserfahrung nahe.19 Wie § 251 Abs. 3 zeigt, ist das Gericht freier gestellt, wenn es darum geht, das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Verfahrensvoraussetzung oder der Voraussetzungen für eine einzelne Verfahrenshandlung im Wege des Freibeweises zu ergründen, die Verfahrenslage (etwa im Bericht nach § 324) zu erklären20 oder das anzuwendende Recht zu ermitteln. 3. Beweiswert der Schriftstücke. Ob eine Schrift oder ein elektronisches Dokument 5 nach Form und Inhalt einen hinlänglichen Beweiswert hat, ist für die Anwendbarkeit des § 249 ohne Belang, sondern nach Durchführung der Beweisaufnahme im Rahmen freier Beweiswürdigung zu bestimmen. § 249 enthält keine Aussage dazu, wie die Echtheit einer Schrift oder eines elektronischen Dokuments zu beweisen ist. Auch einfache Abschriften, Durchschläge und Fotokopien21 oder Reproduktionen von Mikrofilmen22 sind zum Urkundenbeweis verlesbar. Die amtliche Beglaubigung der Übereinstimmung einer Abschrift mit dem Original ist nicht erforderlich,23 sie hat aber erheblichen Beweiswert für die auch dann in freier Beweiswürdigung festzustellende Übereinstimmung mit dem Original.24 Verlesbar sind auch maschinell oder im Wege der Datenübertragung hergestellte Ausdrucke, deren Beweiswert – wie bei unsignierten elektronischen Dokumenten auch – mitunter besonderer Prüfung bedarf. Der Umstand, dass die in der Schrift enthaltene Erklärung unvollendet ist oder nicht die endgültige Stellungnahme des Erklärenden offenbaren soll, wie das beim Entwurf eines Schreibens oder bei dem von einem verstorbenen Sachverständigen angefertigten Entwurf eines Gutachtens zutreffen mag, hindert die Benutzbarkeit als Beweismittel nicht.25 Welcher Beweiswert derartigen Schriftstücken zukommt, unterliegt freier Beweiswürdigung. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann die Aufklärungspflicht gebieten, den Beweiswert des verlesenen Schriftstücks durch andere erreichbare Beweismittel zu überprüfen, etwa dadurch, dass es sich von der Zuverlässigkeit der schriftlichen Übertragung einer Tonaufzeichnung durch (ggfs. ausschnittsweises) Anhören überzeugt oder dass es den Urheber einer Schrift oder eines elektronischen Dokuments vernimmt.26 Praktisch besonders relevant wird diese Frage bei der Verlesung von Protokollen aus Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung. Die Ergebnisse solcher Maßnahmen können durch Verlesung der schriftlichen Protokolle nach § 249 in die Hauptverhandlung eingeführt werden.27 Inwiefern sich das Gericht die Überzeugung verschafft, dass die Übertragungen den Inhalt der Telekommunikation zuverlässig wiedergeben, ist eine Frage der Aufklärungspflicht im Einzelfall und hängt von vielerlei Umständen wie dem Einlassungsverhalten

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19 Vgl. OLG Jena VRS 114 (2008) 453; MüKo/Kreicker 14. 20 RGSt 59 313; 66 113; Wömpner NStZ 1984 482; AK/Meier 8. 21 RGSt 36 372; 51 94; RG GA 39 (1891) 234; JW 1903 217; RG Recht 1920 Nr. 242; BGHSt 15 253; 27 137; 33 210; BGH NJW 1966 1719; GA 1967 282; StV 1994 525; OLG Bremen NJW 1947/48 312; OLG Düsseldorf JMBlNW 1979 226; OLG Jena VRS 114 (2008) 453; KK/Diemer 12; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Wömpner MDR 1980 889; MüKo/Kreicker 14. 22 Zum Beweiswert der Mikrokopien vernichteter Originalunterlagen vgl. Heuer NJW 1982 1505. 23 BGH nach KK/Diemer 12, dort auch Nachweise zur uneinheitlichen Rechtsprechung des Reichsgerichts; ferner Wömpner MDR 1980 890; Meyer-Goßner/Schmitt 6; vgl. auch SK/Frister 41. 24 Vgl. SK/Frister 41. 25 Alsberg/Dallmeyer 427. 26 BGHSt 27 135; BGH StV 1991 517. 27 BGHSt 27 135; 38 26; 51 1; MüKo/Kreicker 21 ff.; SK/Frister 37 ff.

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des Angeklagten, der Bestätigung von Telekommunikationsinhalten durch Zeugen usw. ab.28 Stellt der Angeklagte die Zuverlässigkeit der Übertragung nicht substantiiert in Abrede, kann es unter Aufklärungsgesichtspunkten genügen, sich von der Zuverlässigkeit der Übertragung durch Inaugenscheinnahme einzelner Telefonate oder durch die Vernehmung des Ermittlungsführers bzw. der mit der Übertragung betrauten Beamten oder Dolmetscher zu überzeugen. II. Urkunden und elektronische Dokumente 6

1. Begriffe. Urkunde ist jede schriftlich fixierte, aus sich selbst heraus verständliche Gedankenerklärung, die geeignet ist, Beweis über Tatsachen zu erbringen.29 § 249 erfasst damit Schriftstücke jeder Art, die verlesbar und geeignet sind, durch ihren Gedankeninhalt Beweis zu erbringen.30 Der Urkundenbegriff des materiellen Strafrechts deckt sich nicht mit demjenigen in § 249. Bei § 249 kommt es weder auf die Beweisbestimmung noch auf die Ausstellererkennbarkeit an;31 auch anonyme Schreiben oder gefälschte Urkunden fallen darunter. Andererseits scheidet aus dem Urkundenbegriff des § 249 alles aus, was keinen durch Lesen mitteilbaren sprachlichen Ausdruck gefunden hat wie etwa Beweiszeichen.32 Beweiszeichen werden deshalb in Augenschein genommen.33 Wie Absatz 1 Satz 2 nunmehr ausdrücklich klarstellt, gelten auch elektronische Dokumente als Urkunden, soweit sie verlesbar sind.34 Unter elektronischen Dokumenten sind sämtliche Formen gespeicherter Dateien zu verstehen, die grundsätzlich zur Wiedergabe in verkörperter Form geeignet sind.35 Entscheidend für die Urkundenqualität ist, dass ihr Inhalt durch Verlesung gedanklich erfasst werden kann. Dies setzt in der Regel die Sichtbarmachung der elektronisch gespeicherten Daten mittels eines Programms voraus, das im Ergebnis auf einem Bildschirm oder einem anderen Ausgabegerät lesbare Schriftzeichen generiert. Unerheblich ist die Verkörperung. Nach Absatz 1 können alle Schriftträger und 7 elektronischen Dokumente, deren gedanklicher Inhalt sprachlich festgehalten und durch Lesen erfassbar ist, nach den Regeln des Urkundenbeweises in das Verfahren eingeführt werden. Es kommt also nicht drauf an, aus welchem Stoff sie bestehen und mit welchen Zeichen der durch Verlesen reproduzierbare gedankliche Inhalt festgehalten („verkörpert“) ist.36 Ob eintätowierte Schriftzeichen am menschlichen Körper dem Urkundenbeweis zugänglich sind, ist umstritten, wenn auch praktisch (bislang) kaum von Belang.37 Richtigerweise handelt es sich um Augenscheinsobjekte, denn Teile des menschlichen Körpers, die sich noch am selben befinden, können weder Schrift„Stücke“ noch elektronische Dokumente sein.38 Voraussetzung ist, dass der im Schriftstück oder dem elektronischen Dokument verkörperte Gedanke selbst aus sich heraus

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28 Vgl. BGHSt 27 135; MüKo/Kreicker 22; vgl. auch SK/Frister 39. 29 BGH NJW 1977 1545. 30 BGHSt 27 136; Krause 116; Meyer-Goßner/Schmitt 3; SSW/Kudlich/Schuhr 11; BeckOK/Ganter 7. 31 Radtke/Hohmann/Pauly 4; Gramse BB 1984 376; Krause 105 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 3; MüKo/ Kreicker 12. 32 KG StV 1995 348; Eisenberg (Beweisrecht) 2004; Krause 104; Roxin § 28, 6; Paulus JuS 1988 875; KK/Diemer 9; Meyer-Goßner/Schmitt 3. 33 Meyer-Goßner/Schmitt 3. 34 Vgl. zum früheren Verständnis Trüg StV 2016 343; Weiß wistra 2018 245, 247 f.; MüKo/Kreicker 11. 35 SSW/Mosbacher/Claus § 32a, 4; weiter Weiß wistra 2018 245, 246. 36 Näher SK/Frister 13. 37 Alsberg/Dallmeyer 432 m. Fn. 487. 38 SK/Frister 13.

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verständlich ist und damit durch Verlesen in der Verhandlung allen Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis gebracht werden kann, also die Schriftzeichen unmittelbar in sinnvolle Worte umgesetzt werden können.39 Abschriften, Durchschläge, Fotokopien, Mikrofilme, schriftliche Übertragungen von Tonträgeraufnahmen40 und Übersetzungen41 sind deshalb ebenfalls nach § 249 verlesbare Schriftstücke (Rn. 5). Eine andere Frage ist, welcher Beweiswert ihnen im Einzelfall zukommt und ob ihre Übereinstimmung mit dem Original durch andere Beweismittel festgestellt werden muss.42 Es kann zusätzlich notwendig sein, das äußere Erscheinungsbild des verlesenen 8 Schriftstücks im Wege des Augenscheins förmlich festzustellen.43 Die Beweisverwendung einer Urkunde nach § 249 schließt den Augenscheinsbeweis vom äußeren Zustand dieser Urkunde nicht mit ein; umgekehrt ist die Einnahme eines Augenscheins grundsätzlich keine zureichende Erhebung, wenn es auf den Inhalt der Urkunde ankommt.44 Anderes soll nach Auffassung des BGH gelten, wenn der gedankliche Inhalt der Urkunde quasi durch einen Blick auf diese erfasst werde; erschließe sich ein Text im Rahmen der Inaugenscheinnahme bereits aus einem flüchtigen Betrachten, könne dessen Bedeutung nicht ausgeblendet werden, weshalb auch der Text Bestandteil der diesbezüglichen Beweisaufnahme sei.45 Diese – ohne das notwendige Verfahren nach § 132 Abs. 2 GVG ergangene – Entscheidung überzeugt nicht, da sie die eigentlich klare Grenze zwischen Urkundenbeweis und Augenscheinbeweis ohne Not verwischt.46 Schriftstücke, deren Inhalt nicht durch Verlesen in die Hauptverhandlung eingeführt werden kann, fallen nicht unter § 249. Sie unterliegen dem Augenscheinsbeweis, der auch gilt, soweit die durch Besichtigung festzustellende Beschaffenheit einer Urkunde (etwa Schriftbild oder Form der Unterschrift) Beweisgegenstand ist.47 § 249 ist deshalb (mit Ausnahme etwaiger aus sich selbst verständlicher, verlesbarer Zusätze)48 nicht anwendbar auf Karten und Pläne, Unfall- oder Tatortskizzen, Lichtbilder,49 Radaraufnahmen,50 Röntgenbilder, Filme und andere Bildträger, Tonträger aller Art, Fahrtschreiberaufzeichnungen und andere technische Aufzeichnungen,51 Zeichnungen, Abgüsse oder sonstige Abbildungen sowie auf Beweiszeichen.52 Eichscheine, Schulungsurkunden und Konformitätsnachweise sowie die „Lebensakte“ eines Messgeräts sind hingegen verlesbare Urkunden und können nicht im Wege des Augenscheins eingeführt werden;53 zudem sind sie keine Abbil-

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39 Krause 116; Meyer-Goßner/Schmitt 3. 40 BGHSt 27 135 = JR 1978 117 mit Anm. Gollwitzer; Fezer JuS 1979 188, Meyer-Goßner/Schmitt 7; MüKo/ Kreicker 21. 41 RGSt 36 372; 51 94; BGHSt 27 135. 42 RGSt 34 49; Wömpner MDR 1980 891; Alsberg/Dallmeyer 437. 43 Vgl. BGHSt 11 29; 159; BGH NStZ 1999 424; BayObLG VRS 63 (1985) 211; OLG Schleswig StV 1998 365; SSW/Kudlich/Schuhr 4. 44 BGH NStZ-RR 1999 37; OLG Jena VRS 114 (2008) 37; OLG Düsseldorf StraFo 2017 234. 45 BGH NStZ 2014 606; ebenso OLG Stuttgart NZV 2017 341; KG NStZ-RR 2016 27; KG Beschl. v. 19.6. 2015 – 3 Ws (B) 224/15; vgl. aber auch OLG Düsseldorf StraFo 2017 234; dem BGH zustimmend MüKo/ Kreicker 6. 46 Näher Mosbacher JuS 2014 702 f.; kritisch auch SSW/Kudlich/Schuhr 4. 47 Vgl. BGH NStZ 1986 519 (Augenschein bei Scheckfotografien). 48 § 244, 328; § 245, 23; § 250, 10. 49 BGH GA 1968 305; BayObLGSt 1965 79; OLG Koblenz VRS 44 (1973) 433. Nur soweit das Lichtbild aus sich heraus verständliche Vermerke über Aufnahmezeit, Aufnahmeort oder Hersteller enthält, ist es auch eine verlesbare Urkunde; vgl. Alsberg/Dallmeyer 432 m.w.N. und Fn. 52. 50 OLG Hamm VRS 44 (1973) 117; OLG Saarbrücken VRS 48 (1975) 211. 51 KK/Diemer 27; sind sie allerdings verlesbar, wie ein vom Computer ausgedruckter Text, so ist der Urkundenbeweis zulässig. 52 Meyer-Goßner/Schmitt 3; Alsberg/Dallmeyer 432 m.w.N. 53 Vgl. OLG Saarbrücken NStZ-RR 2011 319.

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dungen i.S.v. § 267 Abs. 1 Satz 3.54 Gleiches gilt für Messprotokolle, die zudem nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 ohne Vernehmung des messenden Beamten verlesen werden können.55 Enthalten Lichtbilder wie etwa Fotografien einer Radarüberwachungsanlage technische Aufzeichnungen in Form von Zahlenreihen, die das Datum und die gemessene Geschwindigkeit beinhalten, sind diese insgesamt im Wege des Augenscheinsbeweises und nicht im Urkundenbeweis in die Hauptverhandlung einzuführen, weil sich der Sinngehalt der Ziffernreihe nicht aus sich selbst heraus erschließt.56 Phasenpläne über Signalzeiten einer Wechsellichtzeichenanlage sind grundsätzlich im Wege der Einnahme des richterlichen Augenscheins in die Hauptverhandlung einzuführen; der gedankliche Inhalt eines Ampelschaltplans lässt sich durch Verlesung nicht ermitteln, denn die darin enthaltenen Zahlen- und Buchstabenreihen sind nicht aus sich heraus verständlich.57 Bei der Inaugenscheinnahme von Messfotos werden nach der hier – wenn auch nicht von der Mehrzahl der OLGs vertretenen Auffassung – auch die darin enthaltenen (eigentlich verlesbaren) und auf einen Blick miterfassbaren Daten in zulässiger Weise zum Bestandteil der diesbezüglichen Beweisaufnahme.58 Dies folgt nunmehr jedenfalls auch aus der oben dargestellten BGH-Rechtsprechung zur Kenntnisnahme von verlesbaren Schriftinhalten „auf einen Blick“ bei der Inaugenscheinnahme (vgl. auch Rn. 30). Üblicherweise werden die nach § 249 verlesbaren Schriftstücke wie folgt systema9 tisch unterschieden und klassifiziert:59 in die von Anfang an zu Beweiszwecken errichteten Absichtsurkunden und in die erst nachträglich Beweisbedeutung erlangenden Zufallsurkunden, in die die Straftat selbst verwirklichenden Konstitutivurkunden und in die einen beweiserheblichen Umstand mitteilenden Berichtsurkunden. Diese Systematisierung ist für die Anwendbarkeit des § 249 unerheblich, gilt aber gleichermaßen für elektronische Dokumente, die einen verlesbaren Inhalt haben. 2. Beispiele verlesbarer Schriftstücke 10

a) Schriften, in denen die den Gegenstand der Untersuchung bildende strafbare Handlung verkörpert ist; dazu gehören die fälschlich angefertigte Urkunde oder die hochverräterische, unzüchtige oder beleidigende Schrift, die verlesbar ist, auch wenn sie ein Leumundszeugnis im Sinne des § 256 enthält.60

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b) In Strafsachen wegen Eidesverletzung die über die Vernehmung und Vereidigung aufgenommene Niederschrift, deren Verlesbarkeit von der Einhaltung der vorgeschriebenen Formen, insbesondere von der Unterzeichnung durch den Urkundsbeamten nicht abhängt und deren Verlesung unter Umständen notwendig ist.61

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c) Schriften, die keine Wahrnehmung wiedergeben, sondern eine im öffentlichrechtlichen oder bürgerlich-rechtlichen Verkehr abgegebene Willenserklärung enthal-

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54 OLG Bamberg DAR 2018 279 m.w.N.; KG VRS 133 (2017) 137. 55 OLG Hamm Beschl. v. 14.1.2015 – 1 RBs 105/14. 56 BayObLG NStZ 2002 388 = JR 2003 76 m. zust. Anm. Keiser; vgl. auch SK/Frister 40; anders für Abbildungen aus der Videodistanzauswertung OLG Brandenburg NStZ 2005 413 und OLG Bamberg DAR 2018 279; a.A. als hier OLG Hamm NStZ-RR 2009 151, 152; OLG Saarbrücken NStZ-RR 2011 319; SSW/ Kudlich/Schuhr 3. 57 KG Beschl. v. 24.4.2018 – 3 Ws (B) 99/18. 58 OLG Stuttgart NZV 2017 341. 59 Vgl. Eb. Schmidt 3 ff. 60 RGSt 25 93; RG GA 48 (1901) 365; BGHSt 11 29; BGH GA 1967 282; vgl. auch SK/Frister 34. 61 RGSt 17 15; 65 420; RG Recht 1917 Nr. 926; RG JW 1938 3103; 3138; vgl. auch SK/Frister 34.

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ten, zum Beispiel Steuerbescheide, Beitragsbescheide, staatsanwaltschaftliche Verfügungen, gerichtliche Beschlüsse, 62 Erklärungen der Annahme eines Vertragsangebots, 63 Schuldverschreibungen,64 Protokolle über die Beschlüsse einer Gesellschaft.65 d) Eingaben des Angeklagten in der anhängigen Sache; darunter fallen eine 13 schriftliche Erklärung, die er bei der Polizei,66 der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht angebracht hat,67 eine vom Angeklagten nach § 163a Abs. 1 Satz 2 abgegebene schriftliche Äußerung,68 auch gegenüber der Verwaltungsbehörde.69 Schriftliche Erklärungen, die der Angeklagte im anhängigen Verfahren zu der gegen ihn erhobenen Beschuldigung abgibt, sind verlesbar, selbst wenn er später Angaben verweigert.70 Das gilt jedoch nur für schriftliche Erklärungen, die der Angeklagte selbst abgegeben hat. Eingaben des Verteidigers sind regelmäßig nicht Erklärungen des Angeklagten, auch wenn in den Schriftsätzen formuliert ist „…lässt sich der Angeklagte dahingehend ein…“.71 Hat der Angeklagte sich gegenüber einer anderen Person geäußert und diese die Äußerung schriftlich festgehalten, handelt es sich bei der Wiedergabe um die Erklärung dieser Person, die dann über ihre Wahrnehmung bei der Unterredung mit dem Angeklagten zu vernehmen ist (§ 250). Nichts anderes gilt, wenn die niederschreibende Person der Verteidiger ist.72 Anders liegt der Fall aber dann, wenn sich der Angeklagte der anderen Person, etwa des Verteidigers, nur als Schreibhilfe bedient (etwa als Analphabet) und dies eindeutig aus der Erklärung selbst folgt. Bei einer (in einem anderen Strafverfahren) für den Angeklagten vom Verteidiger abgegebenen und dort als Anlage zu Protokoll oder zu den Akten genommene Erklärung ist zu unterscheiden: Diese Erklärung kann zwar nicht zu Beweiszwecken über ein Geständnis nach § 254 als Teil einer richterlichen Vernehmung verlesen werden. Denn der Angeklagte hat sich in diesem Fall mündlich geäußert und den Inhalt dieser Äußerung stellt das Gericht in den Urteilsgründen fest.73 Ausgeschlossen ist die Verlesung im Wege des Urkundenbeweises hingegen ebenfalls nicht. Steht fest oder liegt nahe, dass es sich um eine schriftliche Erklärung des Angeklagten handelt, etwa weil er sie – wie nicht selten – unterschrieben hat, kann dieses Schriftstück wie andere Urkunden auch im Rahmen des § 250 ohne weiteres verlesen werden. Denn auch dem Vorsitzenden im Ursprungsverfahren ist es unbenommen, dieses Schriftstück im Wege des Urkundenbeweises zu verlesen.74

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62 RGSt 24 263; 46 201; RG GA 46 (1898/99) 207. 63 OLG Dresden HRR 1928 Nr. 91. 64 RGSt 33 35. 65 RG GA 50 (1903) 106. 66 OLG Hamm VRS 42 (1972) 99; Günter DRiZ 1971 379. 67 RGSt 18 23; 35 234; OLG Zweibrücken GA 1981 273; StV 1986 290. 68 OLG Hamm JMBlNW 1968 215; VRS 42 (1972) 99. 69 OLG Düsseldorf VRS 41 (1971) 436; OLG Zweibrücken GA 1981 275; StV 1986 290. 70 OLG Koblenz Beschl v. 12.5.2016 – 2 OLG 4 Ss 54/16; näher dazu Lampe juris-PR-StrafR 18/2016 Anm. 1. 71 OLG Koblenz Beschl v. 12.5.2016 – 2 OLG 4 Ss 54/16; näher dazu Lampe juris-PR-StrafR 18/2016 Anm. 1; vgl. auch MüKo/Kreicker 29. 72 BGHSt 39 305 m. Anm. Seitz NStZ 1994 185; Stree JR 1994 370; Rönnau GA 1995 549; Wagner JuS 1995 29; OLG Celle NStZ 1988 426; OLG Koblenz Beschl v. 12.5.2016 – 2 OLG 4 Ss 54/16 m. Am. Lampe juris-PRStrafR 18/2016 Anm. 1; Meyer-Goßner/Schmitt 13; § 163a, 14; HK/Julius 4, 6; a.A. OLG Hamm JR 1980 82 mit Anm. Fezer; Günter DRiZ 1971 379; LR/Gollwitzer25 13. 73 BGH NStZ 2009 145; Beschl. v. 29.3.2011 – 3 StR 9/11. 74 BGH Beschl. v. 29.3.2011 – 3 StR 9/11.

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e) Sonstige Schriften des Angeklagten, in denen dieser außerhalb des Verfahrens eine Tatsache geschildert hat, etwa ein von ihm an die vorgesetzte Behörde erstatteter Bericht, ein Brief oder ein selbstgeschriebener Lebenslauf,75 aber auch eine andere Äußerung zur Sache.76 Bei Tagebuchaufzeichnungen und anderen Aufzeichnungen aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich sind aber die aus dem Grundrechtsschutz folgenden Beweisverbote zu beachten.77

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f) Sonstige Urkunden. Schriften anderer Personen, die irgendein Ereignis oder einen Zustand beschreiben, wie Zeitungsaufsätze,78 Handelsbücher einschließlich der Kopierbücher, Empfangsbekenntnisse,79 Buchungsbelege,80 Kontoauszüge, Briefe,81 wobei auch hier etwaige Beweisverbote, die sich aus dem einfachen Recht oder dem Verfassungsrecht (vor allem dem Schutz des Persönlichkeitsbereichs) ergeben können, zu beachten sind. Zu den sonstigen Urkunden zählen alle nach § 256 Abs. 1 verlesbaren Schriftstücke, insbesondere Observationsberichte.82 Dies gilt auch, soweit diese die Wahrnehmungen mehrerer Beamter inhaltlich zusammenfassen; die Zusammenfassung ändert nichts an ihrer Qualität als Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen i.S.v. § 256 Abs. 1 Nr. 5.83 Verlesbar sind zudem Protokolle, die Ergebnisse von Telekommunikationsmaßnahmen verschriften (auch wenn es sich um Übersetzungen fremdsprachiger Telekommunikation handelt).84 Soweit die Verschriftung die Telekommunikationsinhalte nicht wörtlich wiedergibt, sondern nur Zusammenfassungen derselben, können diese zunächst lediglich zum Beweis dienen, dass Telekommunikation zu der entsprechenden Zeit zwischen entsprechenden Teilnehmern überhaupt stattgefunden hat. Eine unmittelbare Verlesung zusammenfassender Inhaltsvermerke zum unmittelbaren Beweis des Gesprächsinhalts ist gemäß § 250 nicht zulässig; der Inhalt der Telekommunikation kann in solchen Fällen aber etwa auch durch die Vernehmung der Polizeibeamten und Dolmetscher, gegebenenfalls auf Vorhalt der entsprechenden Vermerke, in die Hauptverhandlung eingeführt werden.85

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3. Verlesbarkeit elektronischer Dokumente/elektronische Urkunden. Seit dem 1.1.2018 stellt Absatz 1 Satz 2 klar, dass elektronische Dokumente als Urkunden gelten, soweit sie verlesbar sind.86 Durch diese Regelung sollte nach dem Willen des Gesetzgebers unabhängig von der Einführung der elektronischen Akte eine eindeutige Rechtsgrundlage für die Verlesung elektronischer Dokumente zum Zwecke der Beweisaufnahme über deren Inhalt geschaffen werden.87 Mit Verlesung im Sinne von Satz 2 ist eine

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75 OGHSt 3 26. 76 OLG Celle MDR 1970 786. 77 Vgl. BGHSt 19 325; 34 397; BVerfGE 80 367; vgl. auch Küpper JZ 1990 416; Mosbacher JuS 2012 705. 78 RG DRiZ 1931 Nr. 51. 79 RG Recht 1924 Nr. 492. 80 BGHSt 15 253. 81 RGSt 33 36; 357; RG LZ 1914 401; JW 1923 388; BGHSt 5 278, BGH GA 1967 282. 82 Vgl. BGH NStZ 2016 301; LG Berlin StV 2015 544; zum Rechtszustand vor Inkrafttreten von § 256 Abs. 1 Nr. 5 BGH NStZ 1982 79. 83 Vgl. BGH NStZ 2016 301; LG Berlin StV 2015 544. 84 BGHSt 27 135; 38 26; 51 1; MüKo/Kreicker 21 ff. 85 BGHR § 261 Inbegriff der Verhandlung 39; MüKo/Kreicker 24. 86 Vgl. zum früheren Verständnis Schlund 32 ff.; Trüg StV 2016 343; Weiß wistra 2018 245, 247 f.; Radtke/ Hohmann/Pauly 7; zu den mit der Einführung der elektronischen Akte einhergehenden Neuregelungen in der StPO näher SSW/Mosbacher/Claus Vor §§ 32 ff., 1 ff. 87 BTDrucks 18 9416 S. 62; umfassend dazu Weiß wistra 2018 245; vgl. auch MüKo/Kreicker 72 ff.; SSW/ Kudlich/Schuhr 15.

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Verlesung direkt von dem Anzeigegerät gemeint, auf dem ein elektronisches Dokument zuvor zum Zwecke der Verlesung seines Inhalts durch ein entsprechendes Programm sichtbar gemacht werden muss; eines vorherigen Ausdrucks bedarf es hierzu künftig nicht mehr.88 Die Zulässigkeit der Verlesung eines elektronischen Dokuments nach Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 hängt dabei nicht davon ab, ob es sich bei diesem um ein originär elektronisches Dokument handelt oder um ein solches, das erst durch eine Umwandlung nach § 32e Abs. 1 entstanden ist.89 Auch auf die Authentizität und Integrität des betreffenden Dokuments kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.90 Dies ist vielmehr – wie auch sonst bei verlesbaren Urkunden – eine Frage der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2) oder der freie Beweiswürdigung (§ 261).91 Auch das Selbstleseverfahren nach Absatz 2 ist unabhängig davon zulässig, ob ihm ein Dokument als Ausgangsdokument oder als umgewandeltes Dokument zugrunde liegt. Verlesbare elektronische Dokumente können dabei in gleicher Weise Grundlage eines Selbstleseverfahrens sein wie herkömmliche Schriftstücke.92 Unter elektronischen Dokumenten sind sämtliche Formen gespeicherter Dateien 17 zu verstehen, die grundsätzlich zur Wiedergabe in verkörperter Form geeignet sind.93 Erfasst sind vom Begriff des elektronischen Dokuments demnach etwa Text-, Tabellenund Bilddateien, nicht hingegen reine Audio- oder Videodateien.94 Entscheidend für die Urkundenqualität ist, dass ihr Inhalt durch Verlesung gedanklich erfasst werden kann. Dies setzt in der Regel die Sichtbarmachung der elektronisch gespeicherten Daten mittels eines Programms voraus, das im Ergebnis auf einem Bildschirm oder einem anderen Ausgabegerät lesbare Schriftzeichen oder Zahlen generiert.95 Letztlich geht es darum, dass die elektronisch gespeicherten Daten mittels Sichtbarmachung einen durch Verlesung verbal vorzutragenden gedanklichen Inhalt haben.96 Die nach Absatz 1 Satz 2 verlesbaren Dateien kann man demnach als „elektronische Urkunden“ im strafprozessualen Sinn bezeichnen, die eine Teilmenge des weiteren Begriffs der elektronischen Dokumente ausmachen. Ist eine Sichtbarmachung der gespeicherten Daten in Buchstaben- oder Zahlenform nicht möglich, kann das elektronische Dokument nicht verlesen werden. Um die Verlesbarkeit der Daten herzustellen, bedarf es also der Verwendung eines hierfür geeigneten Programms.97 Ob das elektronische Dokument bei Gericht gespeichert ist oder nicht, ist für die Urkundenqualität und die Verlesbarkeit zunächst unerheblich. Auch das Verlesen von auf ausländischen Servern gespeicherten allgemein zugänglichen Dokumenten – etwa über das Internet – ist nach Absatz 1 Satz 2 zulässig.98 Problematisch ist dabei aber – auch angesichts der Veränderbarkeit solcher Dokumente – die Protokollierung, der auch die Verlesung elektronischer Urkunden unterliegt. Denn wie sich aus § 273 Abs. 1 Satz 1 ergibt, muss aus dem Protokoll stets nachvollziehbar sein, welche Urkunden in der Hauptverhandlung verlesen oder im Wege des Selbstleseverfah-

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88 BTDrucks 18 9416 S. 62; Weiß wistra 2018 245, 248. 89 BTDrucks 18 9416 S. 62 f.; Weiß wistra 2018 245, 248; vgl. zum Medientransfer und Formwechsel auch Mosbacher Elektronische Dokumente 99 f.; SSW/Mosbacher/Claus § 32e, 1 ff. 90 BTDrucks 18 9416 S. 63; vgl. zu den Begrifflichkeiten näher auch SSW/Mosbacher/Claus § 32a, 8 ff.; Mosbacher Elektronische Dokumente 92 ff. 91 BTDrucks 18 9416 S. 63; Weiß wistra 2018 245, 248 f. 92 BTDrucks 18 9416 S. 63; Weiß wistra 2018 245, 250 f. 93 SSW/Mosbacher/Claus § 32a, 4; weiter Weiß wistra 2018 245, 246. 94 SSW/Mosbacher/Claus § 32a, 4; BTDrucks 18 9416 45; weiter Weiß wistra 2018 245, 246. 95 Näher Weiß wistra 2018 245, 249 f. 96 Vgl. SSW/Kudlich/Schuhr 15; Meyer-Goßner/Schmitt 13. 97 Ausführlich hierzu Weiß wistra 2018 245, 249 f. 98 Näher Weiß wistra 2018 245, 249.

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rens eingeführt wurden. Hier wie auch bei der Verlesung anderer elektronischer Urkunden bietet sich an, diese bei Gericht zu speichern und auf einem gesonderten Datenträger zu sichern.99 4. Verlesbarkeit von Urteilen und Registerauszügen 18

a) Früher ergangene Strafurteile. In der von Inkrafttreten der StPO 1879 bis Ende 2017 geltenden Fassung enthielt Absatz 1 Satz 2 eine Aufzählung einiger (teils nur historisch bedeutsamer) Beispiele von verlesbaren öffentlichen Urkunden. Damit wurde gleichzeitig deren Verwertbarkeit im Wege des Urkundenbeweises klarstellt. Zudem verdeutlichte das Wort „insbesondere“, dass der Urkundenbeweis auch darüber hinaus regelmäßig zulässig sein sollte. Mit der seit 2018 geltenden Neuregelung in Absatz 1 Satz 2 sollte nach dem Willen des Gesetzgebers keine inhaltliche Rechtsänderung verbunden sein,100 weshalb auch die zum alten Recht ergangene Rechtsprechung weiterhin Gültigkeit besitzt.101 Bei der früheren Fassung war umstritten, ob der Gesetzgeber mit der Aufzählung auch die Beweisverwendbarkeit dieser in der historischen Situation des Gesetzesentstehung als für das Strafverfahren besonders wichtig erachteten öffentlichen Urkunden unabhängig von den §§ 250 ff. eigenständig festlegen wollte. Dies hatte vor allem für die Frage Bedeutung, ob frühere Strafurteile auch insoweit als Beweismittel verwendet werden dürfen, als in ihnen Wahrnehmungen von Personen wiedergegeben werden, was der BGH in ständiger Rechtsprechung annimmt.102 Die Urteilsgründe sind nach zutreffender Auffassung weder im Wortsinn noch nach ihrer Zweckbestimmung Vernehmungsprotokolle oder schriftliche Erklärungen i.S.d. § 250 Satz 2.103 Ist aufzuklären, was Zeugen, Sachverständige oder Angeklagte in einer früheren 19 Hauptverhandlung ausgesagt haben, können nach der ständigen Rechtsprechung des BGH zum Beweis hierüber auch Urteile und Beschlüsse verlesen werden, die den Aussageinhalt wiedergeben.104 Urteile dürfen daher als Beweismittel dafür verwertet werden, wie sich der Angeklagte oder ein Zeuge in der früheren Verhandlung geäußert hat.105 Ob daneben auch Teilnehmer der früheren Hauptverhandlung wie Richter oder Staatsanwälte als Zeugen geladen werden müssen, ist eine Frage der Aufklärungspflicht. Verwertbar bei der Verlesung eines früheren Strafurteils ist darüber hinaus auch die Tat-

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99 Vgl. Weiß wistra 2018 245, 250. 100 BTDrucks 18 9416 S. 63. 101 Zweifelnd MüKo/Kreicker 74; a.A. SSW/Kudlich/Schuhr 17: bisherige Rspr. sei überholt. 102 Die Unanwendbarkeit des Verbots des § 250 Satz 2 nehmen zutreffend an RG GA 37 (1898) 166; 61 (1914) 509; 68 (1920) 357, RG JW 1935 3395; BGHSt 6 141; 31 332; auch BGHSt 20 386; bei Spiegel DAR 1979 186; OLG Hamm NJW 1974 1880; Alsberg/Dallmeyer 439; Eisenberg (Beweisrecht) 2021; Sarstedt/Hamm 791 ff.; AK/Meier 22; KK/Diemer 17; Meyer-Goßner/Schmitt 9; G. Schäfer 746, 747; a.A. RG GA 50 (1903) 138; RG JW 1931 1816 mit abl. Anm. Alsberg; Eb. Schmidt 9 ff., Wömpner NStZ 1984 483 m.w.N., der aber über die analoge Anwendung der §§ 251 ff. zur Verlesbarkeit in den wichtigsten Fällen kommt; vgl. zum Problem auch SK/Frister 16. 103 Vgl. RG JW 1932 142; GA 68 (1920) 357; BGHSt 6 143; 20 386; a.A. Wömpner NStZ 1984 484 m.w.N. 104 BGHSt 6 141, 142 f.; 31 323, 331 f.; BGH Beschl. v. 2.12.2008 – 3 StR 203/08 Rn 4 (insoweit in NStZ 2009 692 f. nicht abgedruckt); vgl. auch BGH NStZ-RR 2001 138 f.; zweifelnd Radtke/Hohmann/Pauly 17; a.A. Wömper NStZ 1984 481 ff. mit umfassenden Nachweisen; RGSt 8 153, 157 f.; 60 297 f.; BGH MDR 1955 121; hierzu auch Mosbacher NStZ 2014 1, 7. 105 RG GA 68 (1920) 357; RG JW 1924 1767; 1935 3395, Recht 1914 Nr. 2813; vgl. auch RGSt 60 297; BGHSt 6 141 = LM Nr. 6 mit Anm. Sarstedt; BGH MDR 1955 121; bei Spiegel DAR 1977 172; bei Kusch NStZ 1994 25; OLG Köln StV 1990 488; KK/Diemer 17; Meyer-Goßner/Schmitt 9; a.A. SK/Frister 22; Krause 147; Eb. Schmidt 10; Wömpner NStZ 1984 486 (der aber über die analoge Anwendung der §§ 251, 253 bis 256 meist zum gleichen Ergebnis kommt).

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sache, dass die Richter eines anderen Strafverfahrens zu einem bestimmten Beweisergebnis gekommen sind; die Verlesung eines Urteils kann deshalb etwa ein geeignetes Beweismittel sein, einen Zeugen der Unwahrheit und damit der Falschaussage in der Hauptverhandlung zu überführen.106 Die schriftlichen Gründe eines Urteils belegen auch abschließend, welche Gesichtspunkte für die Entscheidung maßgeblich waren.107 Nicht möglich ist hingegen, Aussageinhalte der in einer früheren Hauptverhandlung vernommenen Prozessbeteiligten als „gerichtskundig“ zu behandeln oder in Form dienstlicher Erklärungen zum Gegenstand der Hauptverhandlung zu machen.108 Sowohl die in einer anderen Sache ergangenen Urteile wie auch die im anhängigen 20 Verfahren bisher ergangenen Urteile sind zum Beweise ihrer Existenz und ihres Inhalts, nach vorherrschender Meinung auch zum Beweise der darin mitgeteilten Tatsachen verlesbar.109 Feststellungen rechtskräftiger Urteile zu früherem Tatgeschehen oder zur Strafzumessung einschließlich der Beweistatsachen, die in einem späteren Verfahren von Bedeutung sein können, können demnach nach § 249 im Wege des Urkundenbeweises durch Verlesung des früheren Strafurteils eingeführt und verwertet werden.110 Die Feststellungen binden den neuen Tatrichter zwar nicht;111 das neue Gericht kann aber bei der Bildung seiner eigenen Überzeugung verwerten, dass die Richter eines anderen Strafverfahrens zu einem bestimmten Beweisergebnis gekommen sind.112 Beanstandet ein Verfahrensbeteiligter die Richtigkeit der in dem verlesenen Urteil getroffenen Feststellungen, muss das Gericht prüfen, ob diese Beanstandungen nach seiner Auffassung geeignet sind, die dort gezogenen Schlüsse zu erschüttern.113 Zudem ist das nunmehr erkennende Gericht durch die Verlesung nicht von der Pflicht zur eigenen Beweiserhebung in dem durch die Aufklärungspflicht gebotenen Umfang und zur eigenen Meinungsbildung entbunden. Es darf vor allem nicht die in einem früheren Urteil festgestellten Wahrnehmungen oder Gutachten dem Urteil im schwebenden Verfahren nur deshalb zugrunde legen, weil sie im früheren Urteil festgestellt sind.114 Verlesbar sind auch die ergangenen Beschlüsse und sonstigen Entscheidungen.115 Nicht verlesbar sind interne, das Urteil vorbereitende Aufzeichnungen eines Richters, etwa Verhandlungsmitschriften;116 diese unterfallen aufgrund ihres die Beratung vorbereitenden Charakters dem Beratungsgeheimnis, so dass eine Beweiserhebung insoweit unzulässig wäre.117 Unerheblich ist, ob das Urteil auf Verurteilung oder Freispruch lautet.118 In der Regel wird auch nicht gefordert, dass es rechtskräftig ist.119 Eine Ausnahme gilt, wenn es wie etwa bei § 190 StGB auf die Bindungswirkung des anderen Urteils ankommt, die erst mit der

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106 BGH NStZ-RR 2001 138, 139. 107 BGH bei Kusch NStZ 1994 24. 108 BGHSt 47 270 109 RGSt 8 157; BGHSt 6 141 = LM Nr. 6 mit Anm. Sarstedt; OLG Düsseldorf NStZ 1982 512; OLG Zweibrücken StV 1992 565; vgl. ferner RGSt 60 297; BGH MDR 1955 121; GA 1976 368; vgl. auch MüKo/ Kreicker 31 ff. 110 BGHSt 43 107 f.; BGH NStZ-RR 2001 138. 111 Die unzulässige Annahme einer Bindungswirkung begründet u.U. die Revision, vgl. BGH NStZ 2010 529. 112 BGHSt 6 142; BGH NStZ-RR 2001 138; BGH Urt. v. 19.12.2018 – 2 StR 291/18, Rn. 29. 113 BGHSt 43 106, 108; BGH Urt. v. 19.12.2018 – 2 StR 291/18, Rn. 29. 114 RGSt 60 297; BGHSt 31 332; vgl. auch OLG Düsseldorf StV 1982 512; KK/Diemer 17, Meyer-Goßner/ Schmitt 9; G. Schäfer 749; SSW/Kudlich/Schuhr 20. 115 BGHSt 31 331 f., dort auch für Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft. 116 BGHSt 54 37, 39; MüKo/Kreicker 31; a.A. Flore wistra 1989 256. 117 BGH Beschl. v. 8.7.2009 – 2 StR 54/09; vgl. auch Fischer StraFo 2004 421 f. 118 RG ZStW 47 (1900) Beil. 3; vgl. auch Schweckendieck NStZ 1994 448. 119 RGSt 8 153; BGHSt 6 141; OLG Düsseldorf StV 1982 512; Meyer-Goßner/Schmitt 9.

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Rechtskraft eintritt. Die Verlesung eines noch nicht rechtskräftigen Urteils verstößt nicht gegen die Unschuldsvermutung.120 Strafurteile, die gegen einen Zeugen ergangen sind, dürfen unter den Voraussetzungen des § 68a verlesen werden.121 Unzulässig ist die Verlesung eines Urteils, wenn ihr ein Beweisverbot entgegensteht. Dies gilt auch für § 51 BZRG. Soweit sich der Verurteilte aber selbst auf das frühere Urteil beruft, darf dieses in dem zur Verifizierung nötigen Umfang (Tenor, bei Berufung auf die Einzelheiten der Tat auch Gründe) zu Beweiszwecken verlesen werden.122 Macht ein Zeuge, dessen Aussage in den Urteilsgründen angeführt wird, in der Verhandlung über die jetzt zu entscheidende Sache vom Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch, darf seine Aussage nicht verlesen werden, da die §§ 52, 252 nach ihrem Zweck ein Verwertungsverbot für alle früheren Aussagen begründen.123 In solchen Fällen kann aber der Richter über seine frühere richterliche Vernehmung als Zeuge gehört werden. Auch die im gegenwärtigen Verfahren ergangenen Urteile können Gegenstand ei21 ner Beweisaufnahme sein. Zu eng ist die früher vertretene Meinung, in einer neuen Verhandlung dürfe sowohl das Urteil des Revisionsgerichts als auch das von ihm aufgehobene Urteil der Strafkammer nur verlesen werden, sofern dies zur Aufklärung über den Gang und Stand des Verfahrens erforderlich erscheine, während die aufgehobenen Feststellungen niemals für die neu zu treffenden Feststellungen verwertet werden dürften.124 Ein in derselben Sache ergangenes früheres Urteil darf zur Unterrichtung der Beteiligten über die Verfahrenslage und zur Feststellung einer etwaigen Bindungswirkung verlesen werden, denn diese Verlesung zur Feststellung der dem Gericht verbleibenden Entscheidungskompetenz und bereits eingetretener Bindungen an die in ihnen enthaltenen Tatsachenfeststellungen (vgl. auch § 324) oder an die rechtliche Beurteilung (§ 358 Abs. 1) ist keine Beweisaufnahme im Rahmen des Strengbeweises nach § 249.125 Es ist aber auch zum Zwecke des Urkundenbeweises als (dann nochmals zu verlesendes) Beweismittel oder im Wege des Vorhalts an den Angeklagten oder an Zeugen verwendbar. Das zur eigenen Sachprüfung verpflichtete Gericht darf zwar nicht die auf Grund der früheren Beweiswürdigung für erwiesen erachteten Tatsachen ungeprüft übernehmen, doch ist es zulässig und mitunter durch die Aufklärungspflicht auch geboten, selbst ein aufgehobenes Urteil als Beweismittel dafür zu verwerten, dass sich der Angeklagte oder ein Zeuge in der früheren Verhandlung in bestimmtem Sinne geäußert hat.126 Das Urteil eines Revisionsgerichts kann nicht zum Beweis von Tatsachen verlesen werden, die es, weil es an die Feststellungen des Tatrichters gebunden ist, seinen Rechtsausführungen zugrunde legt.127 Ob die Heranziehung des Revisionsurteils ausnahmsweise zulässig ist, wenn das Urteil des Tatrichters nicht greifbar ist und ihm nur entnommen werden soll, was der

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120 BGHSt 34 209; dazu Frister Jura 1988 356; OLG Düsseldorf 1982 512. 121 RG JW 1891 378; BGHSt 1 341; Eisenberg (Beweisrecht) 2017; a.A. Wömpner NStZ 1984 481 (§ 68a begründe als Ordnungsvorschrift kein Urkundenbenutzungsverbot). 122 BGHSt 27 108; HK/Julius 5; KK/Diemer 18; vgl. auch Schweckendieck NStZ 1994 448. 123 BGHSt 20 384, 386; Wömpner NStZ 1984 486; Meyer-Goßner/Schmitt § 252, 12; Alsberg/Dallmeyer 439; a.A. RG GA 68 (1920) 357; RG Recht 1914 Nr. 2813. 124 RGSt 5 430; 21 436; RG GA 38 (1891) 42; 75 (1931) 215; Recht 1908 Nr. 2613; 1918 Nr. 653; JW 1931 1816; 2825. 125 Vgl. Wömpner NStZ 1984 482; MüKo/Kreicker 32. 126 RG GA 68 (1920) 357; RG JW 1924 1767; 1935 3395, Recht 1914 Nr. 2813; vgl. auch RGSt 60 297; BGHSt 6 141 = LM Nr. 6 mit Anm. Sarstedt; BGH MDR 1955 121; bei Spiegel DAR 1977 172; bei Kusch NStZ 1994 25; OLG Köln StV 1990 488; KK/Diemer 17; Meyer-Goßner/Schmitt 9; a.A. Krause 147; Eb. Schmidt 10; Wömpner NStZ 1984 486 (der aber über die analoge Anwendung der §§ 251, 253 bis 256 meist zum gleichen Ergebnis kommt). 127 BGHSt 7 6.

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Tatrichter festgestellt hat, ist umstritten, wohl aber zu bejahen.128 Wird ein Urteil vom Revisionsgericht insgesamt aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, ist in der neuerlichen Hauptverhandlung die Anklageschrift erneut zu verlesen; dies gilt auch insoweit, als nur über einen von mehreren Schuldsprüchen neu verhandelt werden muss.129 Bei Aufhebung und Zurückverweisung lediglich im Rechtsfolgenausspruch können zur Information der Verfahrensbeteiligten das Ausgangsurteil und die Revisionsentscheidung verlesen werden.130 Entscheidend ist, dass die Beteiligten entsprechend § 324 Abs. 1 vom bisherigen Verfahrensverlauf zuverlässig unterrichtet werden.131 Wird in diesem Rahmen ein aufgehobenes Urteil oder die Entscheidung des Revisionsgerichts entsprechend § 324 Abs. 1 Satz 2 verlesen, handelt es sich nicht um die Erhebung eines Urkundenbeweises.132 Dies hindert aber auch nicht, unabhängig davon das aufgehobene Urteil und die Revisionsentscheidung im Wege des Urkundenbeweises (auch im Selbstleseverfahren nach § 249 Abs. 2) in die Hauptverhandlung einzuführen.133 Ist Letzteres geschehen, kann auf der unterblieben Unterrichtung vom bisherigen Gang des Verfahrens entsprechend § 324 Abs. 1 das Urteil regelmäßig nicht beruhen, weil alle Verfahrensbeteiligten in anderer Weise zuverlässig über den Stand der Dinge unterrichtet wurden.134 Die Verlesung des teilweise aufgehobenen erstinstanzlichen Urteils und der Revisionsentscheidung gehören jedenfalls – wie bei § 324 Abs. 1 – nicht stets zu den Grundlagen eines ordnungsgemäßen Verfahrens.135 c) Andere Urteile. Auch Zivilurteile können, wie sich schon aus § 262 ergibt, zu 22 Beweiszwecken verlesen werden, wenn sie auch im früheren § 249 Abs. 1 Satz 2 nicht aufgeführt waren.136 Wollte man ihre Verwendbarkeit als Beweismittel einschränken, wäre § 262 Abs. 2 zwecklos. Verlesbar sind auch die Urteile anderer Gerichte, so der Verwaltungs-, Arbeits-, Sozial- und Finanzgerichte. Dies gilt auch für Urteile ausländischer Gerichte. d) Registerauszüge. In Betracht kommen vornehmlich die Auskünfte aus dem 23 Bundeszentralregister zur Feststellung der Vorstrafen, wobei das Verwertungsverbot in § 51 BZRG zu beachten ist. Diese Beweiserhebung ist zur Feststellung der persönlichen Verhältnisse regelmäßig durch die Aufklärungspflicht gefordert. Die Strafregisterauszüge reichen in der Regel zum Beweis der Vorstrafen oder der Unbestraftheit aus. Ergeben sich substantiierte Zweifel an der Richtigkeit der Eintragung, so ist ihr Nachweis mit allen zulässigen Beweismitteln nach den allgemeinen Regeln zu führen.137 Dies gilt auch bei Strafbefehlen. Liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Verurteilung unrichtig ist, kann das Gericht aufgrund der formellen Rechtskraft der Verurteilung regelmäßig auf die inhaltliche Richtigkeit der Schuldfeststellung vertrauen.138 Nur wenn der Ange-

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128 Vgl. auch Alsberg/Dallmeyer 441 (Feststellung des Inhalts eines verlorenen Urteils der Tatsacheninstanz). Nach Wömpner NStZ 1984 482 sind die Revisionsurteile insoweit nicht unzulässige, sondern ungeeignete Beweismittel. 129 BGH NStZ 2018 614. 130 BGH NStZ 2018 614. 131 Vgl. zu den Rechtsfolgen fehlender Unterrichtung OLG Jena StraFo 2017 159. 132 RGSt 21 436, 437; KG StV 2013 433; offengelassen von BGH Beschl. v. 10.1.2019 – 1 StR 409/18. 133 Vgl. RGSt 5 430. 134 Vgl. zur Beruhensprüfung in derartigen Fällen BayObLG Beschl. v. 31.3.2000 – 1 St RR 37/00; vgl. auch BGH Beschl. v. 10.1.2019 – 1 StR 409/18. 135 Vgl. BGH NStZ 1987 135; a.A. wohl OLG Düsseldorf NStZ-RR 1999 144; unklar BGH NStZ 2018 614. 136 RG Recht 1917 Nr. 1188; BGHSt 5 110; Meyer-Goßner/Schmitt 9. 137 RGSt 56 75; OLG Kiel SchlHA 1946 91; Meyer-Goßner/Schmitt 10; vgl. Nr. 134 RiStBV. 138 Vgl. OLG Hamm NStZ-RR 2008 25 f. zu § 56f StGB.

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klagte stichhaltige Einwände gegen die Richtigkeit der rechtskräftigen Verurteilung durch Strafbefehl erhebt oder sich solche Einwände nach Aktenlage aufdrängen, ist das Gericht zu einer näheren Überprüfung aufgefordert, wenn es aus der Vorverurteilung negative Schlüsse zu Lasten des Angeklagten ziehen will. Dies folgt schon aus der Rechtskraft der Verurteilung. Keinesfalls ist das Gericht gehalten, die durch rechtskräftigen Strafbefehl abgeurteilte Tat noch einmal aufzuklären und zu beweisen, wenn die Rechtskraft ohne anerkennende Willensentschließung des Verurteilten eingetreten ist.139 Verlesbar sind ferner die Auskünfte aus dem Erziehungsregister (§§ 57 ff. BZRG), dem Gewerbezentralregister (§§ 150 ff. GewO), dem Ausländerzentralregister (§§ 1 ff. AZRG) und aus dem Verkehrszentralregister (§ 30 StVG) sowie dem ab 2020 beim Bundeskartellamt geführten Wettbewerbsregister (§§ 1 ff. WReG) oder den Korruptionsregistern der Länder. Die Verlesung aus diesen Registern wird sich bei entsprechenden Fallgestaltungen zumeist unter Aufklärungsgesichtspunkten aufdrängen. Die Verlesung ausländischer Register, etwa ausländischer Strafregister, ist ebenfalls zulässig. Die frühere Fassung von Absatz 1 Satz 2 enthielt noch den (schon bei Inkrafttreten des StPO teilweise veralteten)140 Hinweis auf Auszüge aus Kirchenbüchern und Personenstandsregistern. Hierzu rechnen insbesondere die Abschriften, die von den zuständigen Stellen aus den vor dem 1.1.1876 von Religionsgesellschaften geführten Kirchenbüchern und Registern, aus den vor dem 1.1.1876 von staatlichen Behörden geführten Zivilstandsregistern und aus den seit dem 1.1.1876 gemäß den Vorschriften des Personenstandsgesetzes von den Standesbeamten geführten Personenstandsbüchern erteilt werden. Diese Urkunden (vornehmlich Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden) sind auch verlesbar, sofern sie nicht als Zeugnis eine Behörde (§ 256) behandelt werden können. Die Verlesung einfacher Abschriften reicht aus, wenn nicht – was vorzugswürdig ist – beglaubigte Abschriften vorhanden sind.141 5. Niederschriften über die Vornahme des richterlichen Augenscheins 24

a) Allgemeines. Nach dem bis 31.12.2017 geltenden Absatz 1 Satz 2, an dessen Regelungsgehalt die Neufassung nichts ändern wollte, waren ausdrücklich Niederschriften über den Augenschein durch einen Richter verlesbar, gleichviel, ob der Augenschein im Vorverfahren oder gemäß § 225 nach Eröffnung des Hauptverfahrens stattgefunden hat; dies gilt jedoch nicht, wenn der Augenschein im Rahmen der Hauptverhandlung vom erkennenden Gericht selbst vorgenommen wird.142 Verlesbar sind aber die Ergebnisse des Augenscheins einer früheren Hauptverhandlung.143 Die Verlesung einer im Vorverfahren aufgenommenen richterlichen Niederschrift ist auch dann zulässig, wenn das Verfahren zur Zeit der Vornahme des Augenscheins noch nicht gegen den jetzigen Angeklagten gerichtet war.144 Im Übrigen ist umstritten, ob es sich um einen im gleichen Strafverfahren eingenommenen richterlichen Augenschein handeln muss, wie die vorherrschende Meinung annimmt.145 Richtig erscheint hier (in Hinblick auf § 250) die Auffassung, wonach Augenscheinsprotokolle aus anderen Verfahren allenfalls zum Beweis der Tatsache, dass ein solcher Augenschein stattgefunden hat, oder zum Zwecke des

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139 A.A. aber KG NStZ-RR 2001 136; OLG Nürnberg NJW 2004 2032; wie hier dagegen OLG Hamm NStZRR 2008 25 f.; jeweils zu § 56f StGB. 140 BTDrucks 18 9416 S. 63; vgl. hierzu auch MüKo/Kreicker 35; SK/Frister 27. 141 Meyer-Goßner/Schmitt 11 m.w.N.; vgl. auch MüKo/Kreicker 35. 142 RGSt 26 277; RG DStrZ 1920 248. 143 BayObLG bei Rüth DAR 1979 241. 144 SK/Frister 28. 145 Krause 149; Wenskat 203; Meyer-Goßner/Schmitt 12.

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Vorhalts verlesen werden dürfen, im Übrigen aber nicht, weil die Verfahrensbeteiligten keine Möglichkeit der Mitwirkung in diesem anderen Verfahren hatten.146 Besteht ausnahmsweise vollständige Beteiligtenidentität im vorherigen und im nämlichen Verfahren, sind die Mitwirkungsrechte gewahrt und eine Verlesung möglich. Zu den hier in Betracht kommenden Niederschriften gehören auch diejenigen über 25 eine Leichenschau unter Mitwirkung eines Richters (§ 87 Abs. 1).147 Über das Ergebnis einer Leichenöffnung muss – sofern die Niederschrift nicht als ein nach § 256 verlesbares Gutachten zu bewerten ist – Beweis durch mündliche Vernehmung der beteiligten Ärzte erhoben werden; die Verlesung der Niederschrift ist nur gemäß den §§ 251, 253 statthaft.148 Ferner ist § 249 auch auf die Niederschriften über richterliche Durchsuchungen insoweit anwendbar, als sie den Erfordernissen der Niederschriften über den Augenschein entsprechen.149 Die von der Polizei oder Staatsanwaltschaft oder von Vertretern einer anderen 26 Behörde aufgenommene Niederschrift über einen Augenschein darf in der Regel nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 verlesen werden, wenn die dort genanten Voraussetzungen vorliegen.150 Die früher vertretene Auffassung, obwohl es sich um ein behördliches Zeugnis handele, sei keine Ausnahme nach § 256 Abs. 1 anzuerkennen, sondern es seien stets die Vertreter der anderen Behörde als Zeugen zu hören,151 ist durch die Einführung von § 256 Abs. 1 Nr. 5 überholt. b) Fehlerhafte Vornahme des Augenscheins. Leidet das bei der Vornahme des 27 richterlichen Augenscheins beobachtete Verfahren an einem wesentlichen Mangel, so darf die Niederschrift nicht verlesen werden. Ein wesentlicher Mangel liegt insbesondere vor, wenn die Niederschrift nicht gemäß § 168a unterschrieben,152 der mitwirkende Protokollführer nicht vereidigt war153 oder wenn die Vorschriften der §§ 168d, 168c Abs. 5, 224, 225 über die Benachrichtigung der Beteiligten nicht eingehalten worden sind.154 Ein Verstoß gegen die Benachrichtigungspflichten wird jedoch durch die Einwilligung der Beteiligten in die Verlesung geheilt.155 Dagegen kommt den im § 168a Abs. 3 enthaltenen Vorschriften, nach denen die Niederschrift den Beteiligten vorzulesen oder vorzulegen und ein urkundlicher Vermerk hierüber aufzunehmen ist, keine so schwerwiegende Bedeutung zu, dass ein Verstoß gegen sie die Verlesung hindern könnte; vielmehr hat das Gericht angesichts eines solchen Mangels nach pflichtmäßigem Ermessen zu erwägen, ob er die Beweiskraft beeinträchtigt oder aufhebt.156 Ist ein Augenscheinsprotokoll wegen formeller Mängel nicht verlesbar, kann sein Verfasser als Zeuge zu den beim Augenschein festgestellten Tatsachen vernommen und ihm dabei auch der Inhalt des Protokolls als Gedächtnisstütze vorgehalten werden.157

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146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157

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KK/Diemer 20; vgl. auch MüKo/Kreicker 36. RGSt 53 348; Dähn JZ 1978 640; Meyer-Goßner/Schmitt 7; MüKo/Kreicker 36; SK/Frister 32. RGSt 2 159; 53 349; SK/Frister 32. RGSt 24 233. Meyer-Goßner/Schmitt 12; MüKo/Kreicker 40. Koeniger 369; Schneidewin JR 1951 486; LR/Gollwitzer25 26. RGSt 41 217; 53 107. BGHSt 27 339 = JR 1978 525 mit Anm. Meyer-Goßner/Schmitt; KK/Diemer 20. RGSt 1 256; 510; KK/Diemer 20; Meyer-Goßner/Schmitt 12. BGH NStZ 1986 325. RGSt 31 136; 34 397; 55 5; RG JW 1931 2504; KK/Diemer 20. KK/Diemer 21.

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c) Umfang der Verlesung. Waren zum Augenschein Zeugen oder Sachverständige zugezogen worden, so können ihre in der Niederschrift beurkundeten Angaben insoweit mitverlesen werden, als es sich um Hinweise handelt, die den Vorgang der Augenscheinseinnahme betreffen.158 Soweit die Aussagen darüber hinaus eine selbständige Beweisbedeutung für die Sachentscheidung haben, müssen aber – sofern nicht ein Fall der §§ 251 ff. vorliegt – diese Zeugen oder Sachverständigen in der Hauptverhandlung nach § 250 unmittelbar vernommen werden.159 Das gilt beispielsweise für die Zeugen, die bei einer Leichenschau zugezogen worden sind, damit festgestellt werde, wer der Verstorbene sei.160

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6. Behördliche Schriftstücke, die die Grundlage des anhängigen Verfahrens selbst bilden, sind in diesem keine als Beweismittel verwendbaren und darum auch nicht im Urkundenbeweis zu Beweiszwecken verlesbaren Schriftstücke, sofern Beweisgegenstand nicht nur die Tatsache der in ihr enthaltenen Erklärung, sondern der auf eigenen und fremden Wahrnehmungen beruhende sachliche Inhalt ist. Dies gilt für die Strafanzeige der Polizei, durch die das Verfahren ausgelöst wurde,161 ebenso wie für die Anklageschrift162 oder den Bußgeldbescheid, nicht aber für Protokolle über Beweiserhebungen (vgl. insb. § 256 Abs. 1 Nr. 5, etwa Observationsberichte). Insbesondere bei der Anklageschrift ist es auch in Ausnahmefällen nicht statthaft, den Anklagesatz nach § 249 zu behandeln,163 etwa die Verlesung eines mehrere hundert Seiten langen Anklagesatzes, der wesentlich aus Tabellen besteht, durch das Selbstleseverfahren analog § 249 Abs. 2 zu ersetzen.164 Die Anklage ist Grundlage der Hauptverhandlung und kann daher nicht Gegenstand der Beweiserhebung in der Hauptverhandlung sein. Die Einführung des Inhalts der Anklageschrift in die Hauptverhandlung ist in § 243 Abs. 3 Satz 1 abschließend geregelt; die Verlesung des Anklagesatzes ist nicht Teil der Beweisaufnahme, sondern muss dieser vorausgehen.165 Probleme, die umfangreiche Vorwürfe mit sich bringen, können durch eine adäquate Gestaltung der Anklageschrift umgangen werden. In Strafverfahren wegen einer Vielzahl gleichförmiger Taten oder Tateinzelakte, die durch eine gleichartige Begehungsweise gekennzeichnet sind, ist nach Auffassung des BGH dem Erfordernis der Verlesung des Anklagesatzes nach § 243 Abs. 3 Satz 1 Genüge getan, wenn dieser insoweit wörtlich vorgelesen wird, als in ihm die gleichartige Tatausführung, welche die Merkmale des jeweiligen Straftatbestands erfüllt, beschrieben und die Gesamtzahl der Taten, der Tatzeitraum sowie bei Vermögensdelikten der Gesamtschaden bestimmt sind. Einer Verlesung der näheren individualisierenden tatsächlichen Umstände der Einzeltaten oder der Einzelakte bedarf es in diesem Fall nicht.166 III. Verfahren. Allgemeines

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1. Zusammentreffen von Urkundenbeweis und Augenscheinsbeweis. Soll nicht der gedankliche Inhalt einer Schrift, sondern ihre äußere Erscheinung, ihre Beschaf-

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158 RGSt 18 186; SK/Frister 31. 159 BGHSt 10 10; 12 308; 33 217 = NStZ 1985 468 mit Anm. Dankert; RG JW 1920 579; KK/Diemer 20; 22; Meyer-Goßner/Schmitt 12; MüKo/Kreicker 38; SK/Frister 31. 160 RGRspr. 6 394; anders, wenn die Person des Toten zweifelsfrei feststeht, RGSt 53 348. 161 OLG Schleswig bei Ernesti/Jürgensen SchlHA 1974 187. 162 RGSt 41 262; BGH GA 1968 305. 163 Vgl. bereits RGSt 41 262; BGHSt (GS) 56 109. 164 So aber LG Mühlhausen NStZ 2007 558 m. zutr. abl. Anm. Wilhelm. 165 BGHSt (GS) 56 109. 166 BGHSt (GS) 56 109.

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fenheit oder ihr Erhaltungszustand zum Beweis einer Tatsache dienen, ist die Schrift insoweit förmlich in Augenschein zu nehmen. Die Beweisverwendung einer Urkunde nach § 249 schließt den Augenscheinsbeweis vom äußeren Zustand dieser Urkunde nicht mit ein; umgekehrt ist die Einnahme eines Augenscheins keine zureichende Erhebung, wenn es auf den Inhalt der Urkunde ankommt.167 Anderes soll nach Auffassung des BGH gelten, wenn der gedankliche Inhalt der Urkunde quasi durch einen Blick auf diese erfasst werde; erschließe sich ein Text im Rahmen der Inaugenscheinnahme bereits aus einem flüchtigen Betrachten, könne dessen Bedeutung nicht ausgeblendet werden, weshalb auch der Text Bestandteil der diesbezüglichen Beweisaufnahme sei (vgl. auch Rn. 8).168 Die Beweiswirkung des Augenscheins wird nicht durch Verlesen, sondern durch Besichtigen erzielt, indem etwa über die Einteilung eines Kassenbuchs oder die Art der Eintragungen oder die Schriftzüge oder die Merkmale einer Verfälschung, Ausschabung oder Überschreibung Beweis zu erheben ist.169 § 249 ist daneben nur anwendbar, wenn zugleich auch über den gedanklichen Inhalt der Schrift Beweis erhoben werden soll. Es liegen dann zwei verschiedene Beweiserhebungsvorgänge vor, die einander nicht einschließen und die deshalb getrennt anzuordnen und zu protokollieren sind.170 Bei Druckwerken der Comic-Literatur, deren Aussagegehalt durch die enge Verbindung von Bild und Text bestimmt wird, dürfte das Selbstleseverfahren nach § 249 Abs. 2 auch die bildliche Gestaltung erfassen, so dass es einer gesonderten Inaugenscheinnahme nicht mehr bedarf (vgl. auch Rn. 61).171 Unzulässig ist es auf jeden Fall, hinsichtlich einer nur im Urkundenbeweis eingeführten Urkunde gemäß § 267 Abs. 3 Satz 3 in den Urteilsgründen wegen ihres näheren Inhalts Bezug zu nehmen.172 2. Sachverständigenbeweis. Verwendet ein Sachverständiger den Inhalt von Ur- 31 kunden bei der Erstattung seines Gutachtens, so brauchen diese nicht gesondert verlesen zu werden, wenn es sich um Urkunden handelt, zu deren Erschließung es der Sachkunde des Sachverständigen bedarf (Befundtatsachen). Der Inhalt dieser Urkunden wird dann mit dem Gutachten, dessen Beurteilungsgrundlagen sie bilden, in die Hauptverhandlung eingeführt. So kann ein Buchsachverständiger Kontokarten als Unterlagen für sein Gutachten verwenden und in der Hauptverhandlung erörtern, ohne dass es notwendig wäre, sie gesondert zu verlesen.173 Etwas anderes gilt, wenn die Urkunden nur Zusatztatsachen enthalten, über die in der Hauptverhandlung gesondert Beweis erhoben werden muss. Verwertet das Gericht den genauen Inhalt längerer Schriftstücke als tragendes Element seiner Beweisführung, dürfen die Texte nicht nur durch Vorhalt oder als Anknüpfungstatsachen durch ein Sachverständigengutachten in die Hauptverhandlung eingeführt werden, sondern bedürfen des Urkundenbeweises, wenn das Gericht unmittelbar auf die Schriftstücke zurückgreifen und nicht nur das Sachverständigengut-

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167 BGH NStZ-RR 1999 37; OLG Jena VRS 114 (2008) 37; KG ZfSch 2018 650 (Eichschein und Schulungsurkunde). 168 BGH NStZ 2014 606; ebenso OLG Stuttgart NZV 2017 341 (Daten auf Messfoto); KG NStZ-RR 2016 27; KG Beschl. v. 19.6.2015 – 3 Ws (B) 224/15; einschränkend wohl OLG Düsseldorf StraFo 2017 234; zustimmend BeckOK/Ganter 12. 169 RGSt 5 398; RGRspr. 3 789; RG GA 37 (1889) 54; Paulus JuS 1988 875; AK/Meier 3; Meyer-Goßner/ Schmitt 7. 170 BGHSt 11 29; 159; BayObLG VRS 63 (1982) 211; OLG Schleswig StV 1998 365. 171 BGH NStZ 2000, 307, 309; KMR/v. Heintschel-Heinegg 38; BeckOK/Ganter 23; Radtke/Hohmann/ Pauly 5; kritisch dazu SSW/Kudlich/Schuhr 4; SK/Frister 61. 172 KG NStZ 2015 419. 173 BGHSt 15 253.

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achten als Beweismittel heranziehen wollte.174 Die Verlesung wissenschaftlicher Werke, die ein Sachverständiger für sein Gutachten verwertet und dem Gericht überreicht hat, kann aus § 249 nicht gefordert werden. 3. Fremdsprachige Schriften können als Beweismittel gebraucht werden. Sofern nicht alle Verfahrensbeteiligten den fremdsprachigen Urtext unmittelbar verstehen können, ist dieser in aller Regel durch eine Übersetzung in die deutsche Sprache in die Hauptverhandlung einzuführen. Da kaum jemals alle Verfahrensbeteiligten die Sprache des Urtextes so sicher beherrschen werden, dass sich eine Übersetzung erübrigt (dies hat der Vorsitzende durch Befragung festzustellen), hat die Frage, ob § 184 GVG der unmittelbaren Beweisverwendung der Urkunde in der Originalsprache entgegensteht,175 keine große praktische Bedeutung. Sie ist zu verneinen.176 Wie § 185 Abs. 2 GVG zeigt, schließen weder § 184 GVG noch der Grundsatz der Öffentlichkeit ein Verhandeln in fremder Sprache schlechthin aus. Dies muss dann aber auch für die unmittelbare Einführung eines fremdsprachigen Textes in die Hauptverhandlung gelten, zumal beim Urkundenbeweis im Selbstleseverfahren die unbeteiligte Öffentlichkeit, auf die dann allein abzustellen wäre, ohnehin vom Text keine Kenntnis erhält. Abgesehen von einfachen, kurzen und leicht verständlichen Texten wird in der Regel aber auch zum Ausschluss von Missverständnissen die Sprachübertragung in der Hauptverhandlung durch einen Übersetzer notwendig sein. Dieser ist insoweit nicht als Dolmetscher i.S.d. § 185 GVG, sondern als Sachverständiger tätig.177 Er muss deshalb als Sachverständiger belehrt werden und es ist eine Vereidigungsentscheidung nach § 79 zu treffen.178 Er trägt das „sprachliche Gutachten“, das die Übersetzung bedeutet, grundsätzlich in der Hauptverhandlung selbst vor. Ist ein Mitglied des Gerichts genügend sprachkundig, kann es kraft der eigenen Sachkunde selbst die Sprachübertragung in der Hauptverhandlung vornehmen.179 Ob eine bei den Akten befindliche schriftliche Übersetzung im Wege des Urkun33 denbeweises nicht nur zum Beweise ihres Vorhandenseins, sondern auch zum Beweise des Sinngehalts des fremdsprachigen Originals in der Hauptverhandlung verlesen werden darf, ist umstritten.180 Die Ansicht, die dies verneint,181 stützt sich darauf, dass nach § 250 die Übersetzung als Sprachgutachten durch mündlichen Vortrag des Gutachters in die Hauptverhandlung eingeführt werden muss, sofern nicht ausnahmsweise Sondervorschriften Platz greifen, die wie §§ 251, 256 das Verlesen gestatten, oder wenn das fremdsprachliche Original nicht greifbar ist. Zudem erfordere das Verständlichkeitsgebot des Art. 6 Abs. 3 lit. a EMRK eine wörtliche Übersetzung in der Hauptverhandlung.182 Nach der zutreffenden Gegenmeinung, die auch der BGH vertritt, steht § 250 der Verlesung nicht entgegen, da die Übersetzung keine individuelle Wahrnehmung wiedergebe,

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174 BGH NStZ 2004 279; vgl. auch BGHSt 11 159. 175 So Eisenberg (Beweisrecht) 2011; Krause 117; HK/Julius 16; Meyer-Goßner/Schmitt 5; MüKo/Kreicker 15; Radtke/Hohmann/Pauly 11; SK/Frister 43. 176 RGSt 9 51; 27 269; 32 239; AK/Meier 12; SSW/Kudlich/Schuhr 16; vgl. aber auch das Beispiel bei Meyer-Lohkamp StV 2014 121, 122, und Armbrüster NJW 2011 812, 814. 177 BGHSt 1 7; BGH NJW 1965 643; NStZ 1985 466; 1988 466; SK/Frister 44; KK/Diemer 16; MeyerGoßner/Schmitt 5; MüKo/Kreicker 16; vgl. bei § 185 GVG. 178 BGH NStZ 1998 158. 179 MüKo/Kreicker 16; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SSW/Kudlich/Schuhr 16; a.A. HK/Julius 17. 180 Schon in der Rechtsprechung des RG war dies umstritten, verneinend RGSt 7 390; 9 53; 25 353; 27 162; 32 240; 36 372; RG JW 1924 707; Beling 147; Hegler Rechtsgang 2 287; a.A. RGRspr. 5 534; RGSt 51 94; RG GA 66 (1918/19) 568. 181 Alsberg/Dallmeyer 434; HK/Julius 17. 182 HK/Julius 17.

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sondern eine nicht an eine bestimmte Person gebundene und – solange das fremdsprachige Original greifbar ist – auch jederzeit wiederholbare und nachprüfbare Leistung sei.183 Ähnlich wie bei der Verwendung einer Abschrift muss sich das Gericht gegebenenfalls durch Verwendung anderer Beweismittel in freier Beweiswürdigung Gewissheit darüber verschaffen, ob die schriftliche Übersetzung den Sinngehalt des fremdsprachigen Originals richtig und vollständig wiedergibt; dies gilt jedenfalls, soweit in der Hauptverhandlung stichhaltige Einwände gegen die Richtigkeit der Übersetzung erhoben werden.184 Wie es sich diese Überzeugung verschafft, bleibt ihm nach Maßgabe der Aufklärungspflicht überlassen;185 zu einer Dokumentation dieser Überzeugungsbildung in den Urteilsgründen ist es regelmäßig nicht verpflichtet.186 Soweit die Übersetzung für die Schuld- und Rechtsfolgenfrage von Bedeutung ist, ist 33a ihre Übereinstimmung mit dem fremdsprachigen Original mit den Mitteln des Strengbeweisrechts187 – nicht notwendig aber durch Einvernahme eines Übersetzers als Sachverständigen in der Hauptverhandlung – festzustellen.188 Nach § 2 der als Bundesrecht fortgeltenden Verordnung zur Vereinfachung des Verfahrens auf dem Gebiet Beurkundungswesens vom 21.10.1942189 gilt eine Übersetzung als richtig und vollständig, wenn ein (nach dem jeweils einschlägigen Landesrecht) dazu ermächtigter Übersetzer dies bescheinigt.190 Auch ohne diese widerlegbare Vermutung kann das Gericht aus dem Umstand, dass die Übersetzung von einem allgemein beeidigten Dolmetscher oder Übersetzer gefertigt wurde, auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Sprachübertragung schließen, etwa indem im Wege des Urkundenbeweises (Verlesen) festgestellt wird, dass ein öffentlich bestellter oder allgemein vereidigter Übersetzer191 die Richtigkeit und Vollständigkeit der von ihm gefertigten oder überprüften Übersetzung bestätigt hat.192 Unabhängig davon kann die Aufklärungspflicht eine Übersetzung in der Hauptverhandlung gebieten. Eine Beweisverwendung des Inhalts der Übersetzung ist auch dadurch möglich, dass der Vorsitzende den Inhalt einer fremdsprachigen Urkunde den Prozessbeteiligten im Rahmen eines Vorhalts zur Kenntnis bringt.193 Bei der Verlesung von Inhalten aus Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung, die aufgrund ihres fremdsprachigen Inhalts der Übersetzung bedurften und auch in dieser Form ohne weiteres im Urkundenbeweis in die Hauptverhandlung (auch im Wege des Selbstleseverfahrens) eingeführt werden können,194 hat sich das Gericht in gleicher Weise von der Richtigkeit der Übertragung zu überzeugen, etwa durch Vernehmung des übertragenden Dolmetschers als sachverständigem Zeugen. Anlass zu weitergehender Nachprüfung der Über-

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183 BGHSt 27 137 = JR 1978 117 mit Anm. Gollwitzer; BGH NJW 1993 3337; NStZ 1983 181; bei Pfeiffer/ Miebach NStZ 1983 357; BGH NStZ-RR 2019 57; Beschl. v. 13.2.2019 – 2 StR 485/18; KK/Diemer 15; MeyerGoßner/Schmitt 5; Pfeiffer 3: MüKo/Kreicker 17; BeckOK/Ganter 11; SK/Frister 44. Nach AK/Meier 15 gilt dies nur für einfache Texte. 184 BGH Beschl. v. 13.2.2019 – 2 StR 485/18. 185 BGH Beschl. v. 13.2.2019 – 2 StR 485/18. 186 BGH NStZ-RR 2019 57; vgl. auch BGH NJW 1993 3337 f. und SK/Frister 45. 187 Vgl. etwa Wömpner MDR 1980 890; MüKo/Kreicker 18; vgl. auch BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983 354; GA 1982 40; NJW 1993 3337 und nachst. Fußn. 188 So aber unter Hinweis auf § 250 Alsberg/Dallmeyer 435; wohl auch HK/Julius 16; a.A. KK/Diemer 15; Meyer-Goßner/Schmitt 5 sowie die Nachw. in voranstehender Fußn. 189 RGBl. 1942 I S. 609; BGBl. III 315–5. 190 Vgl. dazu BayObLG NJW 1969 97; BayVerfGH BayVwBl. 1986 363; Lichtenberger BayVwBl. 1986 360; ferner Ruderisch BayVwBl. 1985 169. 191 Zu den einzelnen landesrechtlichen Regelungen Lichtenberger BayVwBl. 1986 360. 192 HK/Julius 16; SK/Frister 45. 193 BGH bei Dallinger MDR 1975 369; KMR/v. Heintschel-Heinegg 26; a.A. LR/Gollwitzer25 33a. 194 BGHSt 27 135; 38 26; 51 1; BGH Beschl. v. 13.2.2019 – 2 StR 485/18; vgl. auch SK/Frister 38.

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setzungsleistung besteht bei der Übertragung durch allgemein vereidigte und langjährig tätige Dolmetscher regelmäßig nicht. Sofern keine abweichenden Gesichtspunkte ersichtlich sind, kann vielmehr von der Zuverlässigkeit der Übersetzung ausgegangen werden. Von der beruflichen und fachlichen Qualifikation und der Zuverlässigkeit des Übersetzers von Telekommunikationsinhalten kann sich das Gericht auch durch Vernehmung des Ermittlungsführers überzeugen.195 34 Ist die fremdsprachige Urschrift unzugänglich und liegt dem Gericht nur eine deutsche Übersetzung vor, kommt die Zuziehung eines Übersetzers zur Hauptverhandlung nicht in Betracht.196 Auf welchem Weg sich das Gericht die Überzeugung vom Übereinstimmen der vorliegenden Übersetzung mit der Urschrift verschafft, bleibt ihm nach Maßgabe der Aufklärungspflicht überlassen. Insoweit kann es etwa den Fertiger der Übersetzung als sachverständigen Zeugen hören oder das Geständnis des Angeklagten verwerten.197 Bleibt die Übereinstimmung der Übersetzung mit dem nicht greifbaren Original nicht sicher feststellbar, ist der Zweifelssatz (noch) nicht anwendbar, soweit nicht eine Haupttatsache in Rede steht (etwa beleidigender Inhalt eines Schreibens), die nicht durch andere Beweismittel eingeführt werden kann.198 Nicht erforderlich ist, dass die Sprachübertragung in der Hauptverhandlung oder 35 die vorherige schriftliche Übersetzung von einem öffentlich bestellten und/oder allgemein beeidigten Dolmetscher oder Übersetzer bzw. ermächtigten Urkundenübersetzer erstellt wird oder dass ihre Richtigkeit förmlich bestätigt wird.199 Unbeschadet des Umstands, dass die Übersetzung durch einen behördlich bestellten Übersetzer bei der Beweiswürdigung ins Gewicht fallen kann (vgl. Rn. 33), ist das Gericht bei Auswahl der Übersetzer und bei der Beweiswürdigung rechtlich frei. Ein im Auftrag der Polizei oder Staatsanwaltschaft beauftragter Übersetzer, der im Ermittlungsverfahren zugezogen wurde (etwa durch Übersetzung von Telekommunikationsinhalten), kann nur nach § 74 abgelehnt werden, wenn er in der Hauptverhandlung tätig wird; ist dies nicht der Fall, ist es nur möglich, eine etwa fehlerhafte Übersetzung zu beanstanden.200 36

4. Geheimschriften und Kurzschrift. Ist eine Schrift in Ziffern oder auf andere Weise verschlüsselt niedergeschrieben, so dass ein Nichteingeweihter sie nicht zu verstehen vermag, scheidet ein Urkundenbeweis durch Verlesen aus. Es ist ein Sachverständiger zuzuziehen, der im Rahmen seines Gutachtens den Klartext der Schrift bekannt gibt.201 Wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt, etwa bei einfach auflösbaren Verschlüsselungen, kann es genügen, wenn das Gericht die Übertragung in den Klartext selbst vornimmt. Für das Selbstleseverfahren nach Absatz 2 eignen sich solche Fälle nicht. Im Übrigen gelten die für die Übersetzung einer fremdsprachigen Schrift erörterten Grundsätze auch hier. Die in Kurzschrift abgefassten Schriften werden nach denselben Grundsätzen wie die Geheimschriften in die Hauptverhandlung eingeführt, in der Regel also durch einen Sachverständigen als Gutachter.202 Dieser wird

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195 Vgl. BGH Beschl. v. 13.2.2019 – 2 StR 485/18. 196 Alsberg/Nüse/Meyer 247. 197 RGSt 36 372; KK/Diemer 15; vgl. auch Alsberg/Dallmeyer 435. 198 Vgl. SK/Frister 46; a.A. Wömpner MDR 1980 390; HK/Julius 7 und Vorauflage. 199 Vgl. RGSt 25 354; 51 94; RG GA 66 (1918/19) 568; MüKo/Kreicker 18, Fn. 33. 200 Vgl. BGH Beschl. v. 13.2.2019 – 2 StR 485/18. 201 Krause 117; SK/Frister 47; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Alsberg/Dallmeyer 433; MüKo/Kreicker 20; Radtke/Hohmann/Pauly 12. 202 Krause 116; Alsberg/Dallmeyer 433; Meyer-Goßner/Schmitt 4; wohl auch Eisenberg (Beweisrecht) 2007, der wegen des Erfordernisses zusätzlicher Kenntnisse die allgemeine Geläufigkeit anzweifelt; a.A. RGSt 65 294; OLG Frankfurt HESt 2 218.

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nur dadurch entbehrlich, dass ein Richter die Kurzschrift kraft eigener Sachkunde sicher lesen und verlesen kann. Ist dies nicht der Fall, bedarf es schon deshalb auch bei allgemein geläufigen Kurzschriften der Feststellung des Inhalts durch einen Sachverständigen. Zwar mag an sich zweifelhaft sein, ob die Feststellung des Inhalts eines in einer allgemein geläufigen Schrift abgefassten Schreibens die Zuziehung eines besonderen Sachkundigen erfordert.203 Unter den heutigen Umständen wird man aber nicht mehr davon ausgehen können, dass die erforderlichen Kurzschriftkenntnisse noch allgemein geläufig sind und dass die Verfahrensbeteiligten eine Kurzschrift mit ihren Kürzeln und Besonderheiten so gut beherrschen, dass sie den Inhalt eines in Kurzschrift abgefassten Schreibens selbst sicher erfassen können. 5. Formen des Urkundenbeweises. Will das Gericht Beweis über den gedanklichen 37 Inhalt einer Schrift erheben, kann dies durch die Urkunde selbst in einer der beiden von § 249 vorgeschriebenen Formen geschehen, durch Verlesen der Schrift nach Absatz 1 oder durch das Selbstleseverfahren nach Absatz 2. Ob als dritte Form des Urkundenbeweises auch die Feststellung des Inhalts der Schrift durch den Vorsitzenden zulässig ist, ist umstritten.204 IV. Urkundenbeweis durch Verlesen nach Absatz 1 1. Der Inhalt einer Schrift wird den zur Urteilsfindung berufenen Richtern und den 38 übrigen Verfahrensbeteiligten nach Absatz 1 zur Kenntnis gebracht, indem die Schrift in der Hauptverhandlung wörtlich verlesen wird,205 und zwar laut und deutlich, damit alle Anwesenden es verstehen können.206 Dies gilt auch, wenn die Beteiligten – wie häufig – den Inhalt der Schrift bereits aus den Akten kennen. „Verlesen“ ist nicht identisch mit „Vorlesen“. Unter Verlesen versteht man, dass etwas Amtliches, was der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden soll, durch Lesen bekannt gemacht wird.207 Diesem Begriff wohnt die Möglichkeit einer funktionalen Beschränkung inne; entscheidend ist, dass verlesen wird, was nicht zur individuellen, sondern zur allgemeinen Kenntnis zu bringen ist. Dementsprechend gebietet Absatz 1 nicht notwendig, dass die Urkunden oder die Schriftstücke ausnahmslos in vollem Wortlaut zu verlesen sind.208 2. Teil einer Schrift. Zu verlesen ist der Inhalt deshalb nur insoweit, als er zum Ver- 39 ständnis der für die Urteilsfindung bedeutsamen Schriftstellen notwendig ist.209 Ob es genügt, Teile einer Schrift zu verlesen, entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung seiner Aufklärungspflicht nach pflichtgemäßem Ermessen.210 Teile der Schrift, die weder wegen ihres Inhalts noch wegen des Gesamtzusammenhangs für die Entscheidung erheblich sind, vor allem bei einem umfangreichen Druckwerk, brauchen nicht mitverlesen zu werden. Bei inhaltlich gleichen Schriften genügt es, eine repräsentative Aus-

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203 RGSt 65 294; OLG Frankfurt HESt 2 218; KK/Diemer 8 (verlesbare Urkunde). 204 Vgl. Rn. 44 ff.; umfassend hierzu Lehmann 63 ff. 205 RGSt 59 100; RG DRiZ 1931 Nr. 51; vgl. auch MüKo/Kreicker 42. 206 MüKo/Kreicker 45; KMR/v. Heintschel-Heinegg 34; SK/Frister 51. 207 BGHSt (GS) 56 109. 208 BGHSt (GS) 56 109. 209 BGHSt (GS) 56 109. 210 RGSt 8 129; RG GA 69 (1925) 90; JW 1917 554; BGHSt 11 31; BGH GA 1960 277; bei Dallinger MDR 1972 753; bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984 211; AK/Meier 24; KK/Diemer 30; Meyer-Goßner/Schmitt 15; Schlüchter 531.

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wahl zu verlesen.211 Verlangt ein Beteiligter die Verlesung der ganzen Schrift, so hat das Gericht darüber gemäß § 238 Abs. 2 zu entscheiden.212 Die Verlesung muss auf Teile der Schrift beschränkt bleiben, wenn die anderen Teile überhaupt nicht oder zumindest nicht im Wege der Verlesung als Beweismittel verwendet werden dürfen.213 Bei einer ausschnittsweisen Verlesung eines Schriftstücks bedarf es der genauen Bezeichnung der verlesenen Abschnitte (etwa „Band 3 Bl. 63 Spitzklammer“ bei Einklammerung der entscheidenden Textabschnitte).214 40

3. Unzulänglichkeit der bloßen Vorlegung. Eine Schrift wird nicht dadurch allein, dass ein Beteiligter sie in der Hauptverhandlung vorlegt, als Beweismittel gebraucht. Dies betrifft insbesondere im Rahmen einer Zeugenvernehmung oder Angeklagteneinlassung übergebene Schriftstücke, die ganz selbstverständlich zu Protokoll genommen, aber nicht gesondert verlesen werden. Eine Verwertung ihres Inhalts ist dann nur insoweit möglich, als der Zeuge oder Angeklagte den Inhalt – etwa auf Vorhalt – mündlich bestätigt hat. Wenn ausweislich der Sitzungsniederschrift nichts weiter geschehen ist, als dass Akten vorgelegt worden sind, darf keine Feststellung auf den Inhalt einer in den Akten enthaltenen Urkunde gestützt werden.215

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4. Urkunden als präsente Beweismittel. Für Urkunden als präsente Beweismittel gilt Folgendes: Zu unterscheiden ist bei § 245 zunächst die Verlesungsnotwendigkeit nach § 245 Abs. 1 und die (erleichterte) Beweisantragstellung nach § 245 Abs. 2. Nach § 245 Abs. 1 ist die Beweisaufnahme auf alle vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft herbeigeschafften Beweismittel zu erstrecken, sofern die Beweiserhebung nicht unzulässig ist oder die Beteiligten nach § 245 Abs. 1 Satz 2 darauf verzichtet haben. Zu derart präsenten Beweismitteln werden körperliche oder elektronische Urkunden aber nicht schon dann, wenn sie in der Anklageschrift als Beweismittel benannt, Bestandteil der Akten und deshalb im Hauptverhandlungssaal „da“ sind, sondern sie müssen vielmehr vom Gericht mit dem eindeutigen Willen zur Beweiserhebung mitgebracht worden sein.216 Neben der Feststellung ihres Vorhandenseins bedarf es also zusätzlich der (ausdrücklichen) Erklärung des Gerichts, einzelne Beweisgegenstände als Beweismittel nutzen zu wollen; nur wenn sie anschließend entgegen der Erwartung der Prozessbeteiligten nicht als Beweismittel benutzt werden, liegt ein Verstoß gegen § 245 Abs. 1 vor.217 Als präsente Beweismittel i.S.v. § 245 Abs. 2 gelten Urkunden und verlesbare elektronische Dokumente, wenn sie in der Hauptverhandlung (formlos) vorgelegt werden.218 Bei körperlich vorhandenen Urkunden wird bislang überwiegend angenommen, dass die Vorlage einer Ablichtung nicht ausreiche, um eine Urkunde zum präsenten Beweismittel zu machen, da die Überprüfung der Übereinstimmung mit dem Original dann noch ausstehe.219 Vor dem Hintergrund der hier vertretenen Auffassung zur Verlesbarkeit von Kopien (oben Rn. 4 und 5) und vor allen Dingen im Lichte der Gleichsetzung beliebig kopierbarer

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211 BGHSt (GS) 56 109; MüKo/Kreicker 43; Meyer-Goßner/Schmitt 15. 212 RG GA 46 (1898/99) 424; BGH GA 1960 277. Vgl. § 245, 30 ff.; 62 ff. 213 Gössel § 27 C Ia 1. 214 BGH NStZ 2011 110. 215 RGRspr. 3 259; Recht 1910 Nr. 816; vgl. auch MüKo/Kreicker 46. 216 BGHSt 37 168, 171 ff.; vgl. auch RGSt 41 4, 13; BGH NStZ 1991 48; näher Arnoldi NStZ 2018 305, 307; vgl. auch SSW/Kudlich/Schuhr 8; BeckOK/Ganter 2. 217 BGHSt 37 168, 171 f. 218 BGHSt 37 168, 171 ff.; näher Arnoldi NStZ 2018 305, 307. 219 Vgl. BGH NStZ 1994 593; zweifelnd BGH wistra 2012 29, 33; offen gelassen von BGH StV 2016 343 und BGH Beschl. v. 7.12.2016 – 1 StR 185/16, Rn. 35; vgl. auch Arnoldi NStZ 2018 305, 310.

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elektronischer Dokumente mit Schriftstücken durch Neufassung von Absatz 1 Satz 2 dürfte diese Auffassung zu überdenken sein.220 Verlesbare elektronische Dokumente werden nur dann zu präsenten Beweismitteln, wenn ein Programm und Gerät zur Lesbarmachung des digital gespeicherten Inhalts ebenfalls vor Ort präsent und einsatzfähig ist, so dass sie unmittelbar vom Vorsitzenden verlesen werden können. Der Ausdruck eines elektronischen Dokuments wie einer E-Mail stellt nach der Neufassung von Absatz 1 Satz 2 jedenfalls ein präsentes Beweismittel dar.221 5. Entscheidung über die Verlesung. Ist keinem Beweisantrag zu entsprechen oder 42 keine Schrift als präsentes Beweismittel (§ 245 Abs. 1) zu verlesen, hängt es von der Aufklärungspflicht ab, ob eine Schrift zu Beweiszwecken in die Hauptverhandlung eingeführt werden muss.222 In einem zweiten Schritt ist anschließend nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob dies durch Verlesen nach Absatz 1 oder im Wege des Selbstleseverfahrens nach Absatz 2 (Rn. 54 ff.) geschehen soll. Die Entscheidung über die Verlesung steht als Akt der Sachleitung (§ 238 Abs. 1) dem Vorsitzenden zu. Er kann die Verlesung formlos anordnen,223 ohne dass er die Verfahrensbeteiligten dazu vorher anhören müsste. Bei umstrittenen Urkunden, deren Verwertbarkeit etwa bereits in Zweifel gezogen wurde, empfiehlt sich allerdings aus Gründen offener und fairer Verhandlungsführung die vorherige Anhörung. Unschädlich ist es, wenn eine Schrift ohne ausdrückliche Anordnung verlesen wird oder wenn das Gericht ohne vorgängige Anordnung des Vorsitzenden gleich selbst die Verlesung beschließt.224 Eines Gerichtsbeschlusses bedarf es, wenn die Anordnung des Vorsitzenden nach § 238 Abs. 2 beanstandet wird oder wenn eine Sondervorschrift wie § 251 Abs. 4 dies vorschreibt. 6. Ausführung der Verlesung. In der Regel verliest der Vorsitzende selbst die Ur- 43 kunde. Er darf dies einem mitwirkenden Richter, auch einem Ergänzungsrichter oder Schöffen, oder dem Protokollführer übertragen.225 Dies muss auch für die zu Ausbildungszwecken diesem Gericht zugewiesenen Rechtsreferendare gelten, denen aus Gründen der Ausbildung das Gesetz auch sonst besondere Rechts zuweist (vgl. § 193 Abs. 1 GVG). Ist die Schrift vom Angeklagten oder von einem anwesenden Zeugen geschrieben und schwer lesbar, kann der Urheber zur Verlesung herangezogen werden.226 In besonders gelagerten Fällen kann die Verlesung, wenn Gründe der Zweckmäßigkeit hierfür sprechen und die Gewähr vollkommener Wiedergabe gegeben ist, auch sonst einem Beteiligten übertragen werden.227 Dass nach § 238 Abs. 1 die Aufnahme der Beweise durch den Vorsitzenden erfolgt, schließt nicht aus, dass er eine andere Person mit der Verlesung beauftragt. Das Verlesen der Schrift zur unmittelbaren Beweisverwendung enthält keine eigene Erklärung des Vorlesenden. Zu unterscheiden ist davon der Fall, dass ein Prozessbeteiligter eine Schrift als Teil seiner Vernehmung verliest; dann ist Beweismittel nicht die Schrift, sondern allein seine Aussage.228 Schon aus diesem Grund ist es im Inte-

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220 Vgl. Trüg StV 2016 343 ff. 221 Trüg StV 2016 343 ff.; vgl. demgegenüber noch BGH StV 2016 343. 222 RGSt 1 383; RGRspr. 2 45: „richterliches Ermessen“. 223 KK/Diemer 29. 224 BGH StV 1985 402 mit krit Anm. Fezer; HK/Julius 8; Meyer-Goßner/Schmitt 15; BeckOK/Ganter 22. 225 RGSt 27 173; SK/Frister 50; Alsberg/Dallmeyer 561; Krause 116; Meyer-Goßner/Schmitt 15; SSW/Kudlich/Schuhr 26. Gegen die Delegation auf einen Protokollführer und andere Personen: MüKo/Kreicker 45; KK/Diemer 30; Radtke/Hohmann/Pauly 25. 226 RG GA 56 (1909) 223. 227 Gössel § 27 C II; AK/Meier 24; Alsberg/Dallmeyer 561 m.w.N; a.A. RGSt 21 69; SK/Frister 50. 228 Vgl. BGH NStZ 2009 145.

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resse der Verfahrensklarheit angezeigt, die Verlesung zum Zwecke des Urkundenbeweises nicht dem Einzuvernehmenden selbst zu übertragen. Für eine Verlesung, die zur Beweisaufnahme gehört, ist im Schlussvortrag von Staatsanwalt oder Verteidiger kein Raum.229 Zur Beweisverwendung ist die vom Gericht herbeigeführte Verlesung nach Wiedereintritt in die Hauptverhandlung notwendig; eines Wiedereintritts bedarf es nicht, wenn die Verlesung nur Rechtsausführungen und keine Tatsachen betrifft.230 Verliest der Verteidiger ein Schriftstück in der Hauptverhandlung, etwa eine Einlassung des Angeklagten, handelt es sich nicht um eine Verlesung i.S.v. Absatz 1, sondern es handelt sich nach Bestätigung durch den Angeklagten um dessen mündliche Einlassung; nur wenn der Vorsitzende die Verlesung vornimmt, wird der Inhalt im Wege des (vom Revisionsgericht rekonstruierbaren) Urkundenbeweises erhoben.231 44

7. Die Feststellung des Inhalts einer Schrift durch einen streng sachlichen Bericht des Vorsitzenden an Stelle der Verlesung hielt das RG für zulässig, wenn die Verlesung an sich zulässig war und die Beteiligten nicht widersprachen.232 Dies ist auch die Ansicht des BGH,233 der daran auch nach Einführung des Selbstleseverfahrens des Absatzes 2 festhält, sofern es auf den genauen Wortlaut nicht ankommt und die Aufklärungspflicht im Einzelfall auch sonst nicht die Verlesung fordert.234 Ihm folgt die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte235 und ein Teil der Literatur.236 Die Revisionsgerichte haben die Feststellung als Verlesungsersatz oft in Fällen zugelassen, in denen im Protokoll der Vermerk über die Verlesung fehlte, bei denen aber davon ausgegangen werden konnte, dass zumindest der wesentliche Inhalt der Urkunde in der Hauptverhandlung zur Sprache gekommen, dem Mündlichkeitsgrundsatz also genügt war (in diesen Fällen liegt nahe, dass das Urteil nicht auf der unterbliebenen Verlesung beruht, vgl. Rn. 108). Voraussetzung des zusammenfassenden Berichts ist nach dieser Auffassung, dass es sich um eine einzelne, genau bezeichnete Urkunde mit einem dafür geeigneten eindeutigen und einfachen Inhalt handelt, auf deren Wortlaut es nicht ankommt und die nicht die Straftat selbst verkörpert. Voraussetzung ist ferner, dass alle Verfahrenbeteiligten ausdrücklich oder konkludent durch Unterlassen jedes Widerspruchs damit einverstanden sind. Eine Erörterung des Urkundeninhalts mit dem Angeklagten ist kein Bericht über den Urkundeninhalt.237 Sind diese Voraussetzungen gegeben, bleibt für den Bericht nur Raum, wo die Verlesung des beweiserheblichen Teils der Urkunde ohnehin weder Mühe noch Zeit kostet. Die Feststellung ist ebenso wie die Verlesung zu protokollieren.238 Lässt man –

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229 RGSt 21 69; RG GA 60 (1913) 432. 230 Alsberg/Dallmeyer 561. 231 Vgl. BGH NStZ 2009 145; BGH Beschl. v. 29.3.2011 – 3 StR 9/11. 232 RGRspr 3 789; RGSt 3 142, 162; 26 32; 35 198; 64 79, RG GA 46 (1898) 191; LZ 1915 631; 1922 167, Recht 1917 Nr. 1188; 1920 Nr. 241; a.A. RGSt 2 408, 25 126; RG JW 1891 53; vgl. auch Alsberg/Dallmeyer 574 ff. m.w.N.; ausführlich zur Problematik und zur Rspr. des RG Lehmann 65 ff. 233 BGHSt 1 94; 11 29; 159; dazu Hanack JZ 1972 202. Wie sehr sich hier die Grenzen zum Vorhalt verwischen, zeigt BGH MDR 1975 369 bei Dallinger. 234 BGHSt 30 10 = NStZ 1981 231 mit Anm. Kurth = JR 1982 83 mit abl. Anm. Gollwitzer = StV 1981 217 mit abl. Anm. Wagner = LM StPO 1975 Nr. 1 mit Anm. Schmidt. 235 OLG Düsseldorf VRS 59 (1980) 269; StV 1995 120 mit abl. Anm. Hellmann; OLG Frankfurt HESt 2 218; OLG Hamburg MDR 1973 156; OLG Hamm NJW 1958 1359; 1969 572; MDR 1964 344; KG VRS 14 (1958) 453; OLG Köln MDR 1955 122; OLG Schleswig SchlHA 1954 387. 236 Alsberg/Dallmeyer 574 m.w.N.; SSW/Kudlich/Schuhr 29; BeckOK/Ganter 26; Kurth NStZ 1981 232; G. Schäfer 751; KK/Diemer 28; Meyer-Goßner/Schmitt 26; Pfeiffer 9; HK/Julius 14; Lehmann 159 ff.; MüKo/Kreicker 47 ff. 237 OLG Schleswig OLGSt § 256 Nr. l; Meyer-Goßner/Schmitt 27. 238 Vgl. Rn. 49.

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wie der BGH – den Urkundenbericht zu, muss sich ein Revisionsführer bei der Inbegriffsrüge auch dazu verhalten, ob die im Urteil verwertete Urkunde etwa auf diesem Wege eingeführt wurde; nicht ausreichen soll insoweit u.U. der Vortrag, sie sei „nicht im Strengbeweisverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt worden.“239 Zu Recht verneint das Schrifttum überwiegend die Zulässigkeit eines solchen Ver- 45 fahrens.240 Mit gutem Grund kennt das Verfahrensrecht als Form des Urkundenbeweises nur die Verlesung nach Absatz 1 und das Selbstleseverfahren nach Absatz 2, um die Kenntnis aller Richter und aller Verfahrensbeteiligten vom Inhalt einer als Beweismittel verwendeten Schrift herbeizuführen. § 249 regelt abschließend die Form des Urkundenbeweises. Dies wird besonders durch die Neufassung von Absatz 1 deutlich: Nach dessen Satz 1 „sind“ Urkunden zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen; von der Verlesung kann nach Absatz 2 Satz 1 nur bei Durchführung des Selbstleseverfahrens abgesehen werden. Eine andere Form der Beweiserhebung über den Inhalt einer Urkunde kennt das Gesetz gerade auch nach der jüngsten Änderung nicht; der Gesetzgeber hat jedenfalls noch einmal ausdrücklich betont, dass § 249 die Form der Beweisaufnahme regelt.241 Eine Regelung wie in § 252 Abs. 2a der österreichischen StPO („Anstelle der Vorlesung oder Vorführung… kann der Vorsitzende den erheblichen Inhalt der Aktenstücke vortragen, soweit die Beteiligten des Verfahrens zustimmen und die Aktenstücke sowohl allen Mitgliedern des Schöffengerichts als auch den Beteiligten zugänglich sind“) gibt es in Deutschland gerade nicht.242 Der Bericht des Vorsitzenden über den Inhalt einer Urkunde ist demnach keine vom Gesetz vorgesehene Beweisquelle. Für eine dritte Form des Urkundenbeweises ist (nach eigener langjähriger Erfahrung als Instanzrichter) auch kein praktisches Bedürfnis ersichtlich,243 denn es ist unproblematisch möglich, entscheidende Urkundeninhalte selbst kurz auszugsweise zu verlesen, sie dem Selbstleseverfahren anheimzugeben oder ihren Inhalt durch Vorhalt im Wege des Personalbeweises einzuführen.244 Zudem sollte auch der Beweiswürdigung des Gerichts nicht durch eine Vorauswahl der als Urkundensubstrat relevanten Tatsachen vorgegriffen werden.245 Auch Gründe der Verfahrensklarheit sprechen dagegen, diese im Gesetz nicht vorgesehene Art des Urkundenbeweises zuzulassen, zumal da sie geeignet ist, vor allem bei den Laienrichtern den grundsätzlichen Unterschied zwischen diesem und der Verwendung einer Urkunde zu einem Vorhalt zu verwischen. Bei einer Verlesung entfällt auch jeder Streit darüber, ob die Berichterstattung des Vorsitzenden über den Inhalt der Urkunde objektiv und hinreichend erschöpfend war. Gegenstand der Urteilsfindung kann in solchen Fällen nur die zusammengefasste Wiedergabe des Urkundeninhalts durch den Vorsitzenden, nicht aber der Wortlaut der nicht verlesenen Urkunde sein.246 Die Verlesung einer Urkunde ist dann nicht ersetzbar, wenn es auf die Kenntnis 46 ihres genauen oder vollen Wortlauts, auf Stil und Ausdrucksweise247 ankommt. Gleiches

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239 Vgl. BGH StraFo 2009 425 (zweifelhaft). 240 SK/Frister 84 ff.; Radtke/Hohmann/Pauly 30; Eisenberg (Beweisrecht) 2052 ff.; Fezer JuS 1977 234; Geerds FS Blau 67; 71; Gössel C 1 a 2; Hanack JZ 1972 202; Hellmann StV 1995 123; Eb. Schmidt ZStW 65 (1953) 161; Schneidewin JR 1951 481; Wagner StV 1981 219; AK/Meier 34; früher schon Beling 320; Graf zu Dohna 164; Hegler Rechtsgang 1 422. 241 BTDrucks 18 9416 S. 63. 242 Ausführlich hierzu Lehmann 209 ff.; Schlund 279 ff., je m.w.N. 243 Ebenso SK/Frister 85. 244 Anders Lehmann 208: „Mehr Urkundenbericht wagen!“ 245 Gegen diese Bedenken Alsberg/Dallmeyer 577. 246 Grünwald Gutachten zum 50. DJT 1974 (Verh. des 50. DJT, 1974), S. C 76. 247 BGHSt 30 10; BGH bei Dallinger MDR 1972 18; BayObLG bei Rüth DAR 1983 252.

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gilt, wenn das Schriftstück länger, sprachlich schwierig oder sonst schwer verständlich ist, denn seine Auslegung kann ohnehin nicht dem Vorsitzenden überlassen bleiben.248 Ausgeschlossen ist es jedenfalls, die Urkunde nur durch zusammenfassenden Bericht des Vorsitzenden in die Hauptverhandlung einzuführen, dann aber wichtige längere Passagen des Urkundentextes wörtlich in den Urteilsgründen zu Beweiszwecken zu verwerten.249 47 Werden nur Teile einer Schrift verlesen, dann ist es zulässig, wenn der Vorsitzende zur Klarstellung der Zusammenhänge die Beteiligten über den Inhalt der nicht entscheidungserheblichen und darum auch nicht verlesbaren Teile der Schrift unterrichtet.250 Dies wird sich aus Gründen der Klarheit immer dann anbieten, wenn nicht schon allen Beteiligten ohnehin klar ist, worauf es bei der Urkunde ankommt. Im Bußgeldverfahren lässt § 78 Abs. 1 OWiG die Bekanntgabe des wesentlichen In48 halts eines Schriftstücks durch das Gericht an Stelle der Verlesung zu, sofern es nicht auf den Wortlaut ankommt. Auch aus dieser Regelung erschließt sich im Umkehrschluss, dass dem Strafverfahren eine solche Möglichkeit der Einführung von Urkunden durch zusammenfassende Mitteilung des Vorsitzenden fremd ist; denn ansonsten wäre diese Vereinfachungsregelung wegen der allgemeinen Verweisung auf die Normen der Strafprozessordnung unnötig.251 49

8. Beurkundung der Verlesung. Die Verlesung jedes einzelnen Schriftstücks muss nach § 273 Abs. 1 durch die Sitzungsniederschrift beurkundet werden.252 Hierbei sind die Tatsache der Verlesung und das verlesene Schriftstück, gegebenenfalls auch die verlesenen Teile, genau und unverwechselbar zu bezeichnen.253 Es reicht die Bezugnahme auf eine Aktenstelle aus („verlesen wurde Bl. 53 Band 6 d.A.“ oder „Kaufvertrag vom 3.3.2020“), bei Konvoluten auch auf größere Einheiten (etwa: „Rechnungsband 3“). Bei elektronischen Dokumenten sind auch diese so genau wie möglich zu bezeichnen. Hierfür kann die Bezugnahme auf eine auf dem Datenträger oder in den Akten verzeichnete Nummer genügen; anderenfalls kann es erforderlich sein, den Dateinamen mit der Dateiendung anzugeben oder den Pfad zu bezeichnen, auf dem die Datei auf dem Datenträger zu finden ist.254 Bei anderen, nicht ohne weiteres derart identifizierbaren elektronischen Dokumenten kann es erforderlich sein, diese erst auf Datenträger zu sichern und von dort zu verlesen.255 Sofern eine Urkunde nur auszugsweise verlesen wird, bedarf es der genauen Bezeichnung der verlesenen Abschnitte in der Sitzungsniederschrift (etwa durch Bezugnahme auf Klammern: „Bl. … Spitzklammer“).256 Bei elektronischen Dokumenten bietet sich für die auszugsweise Verlesung die Angabe des ersten und letzten Wortes an.257 Ist die Beurkundung unterblieben, so gilt die Verlesung auf Grund des § 274 als nicht geschehen. Nach § 255 sind auf Antrag auch die Gründe für die Verlesung der

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248 RGSt 76 295; OGHSt 3 26; BGHSt 5 278; 11 29, 159; OLG Hamm NJW 1969 572; bei Eidesdelikten forderten auch RGSt 65 20; 69 90 (einschränkend RG DRZ 1933 Nr. 17) in der Regel die Verlesung der Niederschrift über die Aussage; so etwa auch Eisenberg (Beweisrecht) 2052; weitgehend h.M. 249 Vgl. auch BGH NStZ-RR 2001 18; NStZ 2004 279. 250 RGSt 8 128; AK/Meier 35. 251 Ausführlich, aber abweichend hierzu Lehmann 185 ff.; vgl. näher auch SK/Frister 88 ff. 252 Meyer-Goßner/Schmitt 15. 253 Vgl. bei § 273. 254 Näher Weiß wistra 2018 245, 250. 255 Näher Weiß wistra 2018 245, 250. 256 BGH NStZ-RR 2007 52; NStZ 2011 110; OLG Hamburg StV 2012 74 m. Anm. Wilhelm; MüKo/Kreicker 46. 257 Vgl. Weiß wistra 2018 245, 250.

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dort bezeichneten Protokolle in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen.258 Auch der zusammenfassende Urkundenbericht bedarf der exakten Protokollierung.259 Zu unterscheiden ist bei der Protokollierung, ob ein Schriftstück nur zu einem Vor- 50 halt verwendet oder ob es zum Zwecke des selbständigen Urkundenbeweises in die Hauptverhandlung eingeführt wurde. Während der Vorhalt keiner Protokollierung bedarf (eine solche unnötige Protokollierung vielmehr das Protokoll überflüssig „aufbläht“ und zu Missverständnissen Anlass bieten kann), ist die unmittelbare Beweisverwendung einer Schrift nach § 249 in jeder Form eine in der Sitzungsniederschrift festzuhaltende wesentliche Förmlichkeit. Das RG, das ursprünglich strenge Anforderungen gestellt hatte,260 wies später die Rüge, dass das angefochtene Urteil eine ausweislich der Sitzungsniederschrift nicht verlesene Urkunde als Beweismittel verwertet habe, vielfach mit der Begründung zurück, die Schrift könne ohne Verlesung durch eine der Beweiserhebung dienende Mitteilung des Vorsitzenden zur Kenntnis der Beteiligten gebracht oder sonst wie in ausreichender Weise besprochen worden sein.261 Um einen Missbrauch des Urkundenbeweises und die Verwertung eines nicht vorgetragenen Aktenstoffes zu verhindern, fordert die heute herrschende Meinung zu Recht, dass jede Beweisverwendung einer Schrift zu protokollieren ist. Dies gilt auch – unabhängig von der umstrittenen Frage der Zulässigkeit (Rn. 44 ff.) –, wenn der Inhalt einer Schrift durch einen Bericht des Vorsitzenden bekannt gegeben wird.262 In Sitzungsniederschriften und in Urteilen findet sich nicht selten der Vermerk, dass 51 bestimmte Urkunden „zum Gegenstand der Verhandlung gemacht“ worden seien. Mit einer solchen unklaren und unscharfen Wendung, die auch den Vorhalt mit umfasst, wird nicht bezeugt, dass die Urkunde selbst im Wege des Urkundenbeweises in die Hauptverhandlung eingeführt und damit als unmittelbare Urteilsgrundlage verwendbar geworden ist. Die Rechtsprechung hat sich deshalb gegen diesen Brauch mit Recht gewandt.263 Zum Vorhalt vgl. Rn. 84 ff. Werden Schriften im Wege des Augenscheins zu Beweiszwecken herangezogen 52 (Rn. 7; 30), ist dies als wesentliche Förmlichkeit neben dem Verlesen gesondert im Protokoll festzuhalten.264 Hierbei sind die Schriften oder die in Augenschein genommenen Teile der Schriften (etwa Unterschriften, Handzeichen etc.) ebenfalls möglichst konkret im Protokoll zu benennen. Nach Auffassung des BGH kann die Inaugenscheinnahme ausnahmsweise auch die Erhebung des Urkundenbeweises mitbeinhalten, wenn der gedankliche Inhalt der Urkunde quasi durch einen Blick auf diese erfasst werde; erschließe sich ein Text im Rahmen der Inaugenscheinnahme bereits aus einem flüchtigen Betrachten, könne dessen Bedeutung nicht ausgeblendet werden, weshalb auch der Text Bestandteil der diesbezüglichen Beweisaufnahme sei.265

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258 Vgl. dazu § 255, 3. 259 SSW/Kudlich/Schuhr 29; Formulierungsbeispiel bei BeckOK/Ganter 26.1. 260 RGSt 2 76; RGRspr. 2 79; 529. 261 RG JW 1936 1048; vgl. OLG Hamm NJW 1956 1359 m.w.N. 262 RGSt 7 79; 21 109; 64 79; OLG Düsseldorf VRS 59 (1980) 269; OLG Hamburg MDR 1973 156; OLG Hamm MDR 1964 344; OLG Köln VRS 73 (1987) 136; HK/Julius 21; Meyer-Go