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German Pages 349 Year 2001
Ivo De Gennaro . Logos - Heidegger liest Heraklit
Philosophische Schriften Band 42
Logos Heidegger liest Heraklit Von
Ivo De Gennaro
Duncker & Humblot . Berlin
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsund Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
De Gennaro, Ivo:
Logos - Heidegger liest Heraklit / Ivo De Gennaro. Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Philosophische Schriften; Bd. 42) Zug!.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-10132-4
Alle Rechte vorbehalten
© 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-6053 ISBN 3-428-10132-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorbemerkung Dieser Band gibt den für den Druck durchgesehenen, in Fußnoten und Bibliographie ergänzten Text meiner im September 1998 an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg eingereichten Dissertation. Die Arbeit ist entstanden unter der Betreuung von Prof. Dr. Friedrich-Wilhelm von Hemnann. Für das, was ich über Jahre hinweg in seinen Vorlesungen und Seminaren gelernt habe; für die Anregungen und die vielfältige Unterstützung in Rat und Tat in der stets aufmerksamen Begleitung meiner werdenden Dissertation; schließlich und vor allem für das fördernde Vertrauen, das er mir in dieser Zeit und seitdem hat zuteil werden lassen, schulde ich ihm bleibenden Dank. Der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und dem Land Baden-Württemberg danke ich für die Vergabe eines zweijährigen Promotionsstipendiums nach dem Landesgraduiertenförderungsgesetz. Großen Dank schulde ich dem Rektor der AIbert-Ludwigs-Universität, Seiner Magnifizenz Prof. Dr. Wolfgang Jäger, der durch die Bewilligung eines Stipendiums die finanzielle Überbrückung der letzten Monate bis zur Fertigstellung der Dissertation gewährleistet hat. Im Anschluß an die Promotion wurde ich zunächst von der Fritz-Thyssen-Stiftung, Köln, sodann von der Stiftung "Förderung junger Südtiroler im Ausland", Bozen, durch Stipendien unterstützt, wofür ich diesen Einrichtungen meinen Dank ausspreche. Meine Eltern, denen dieses Buch gewidmet ist, haben mit dankenswerter Geduld und Güte ausgeharrt. Freiburg, Oktober 2000
Ivo De Gennaro
Inhaltsverieichnis Erster Teil
Einleitung § 1 Exposition der Fragestellung ........................................................ A. Auslegungshorizont und Abgrenzung der Fragestellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Eine sachimmanente Auslegung des Titels der Abhandlung als erste Vorzeichnung der Dimension des Fragens . . . . .... .. .. . . . . . .. .. .. . . . . .. . . . . .. . .. . . . . . . .... § 2 Aufbau und Gliederung der Abhandlung ............................................
II II 11 15 20
Zweiter Teil
Was heißt "griechisch lesen"?
24
Erster Abschnitt
§3 §4 §5 §6
Anfang und Zuspiel
24
Griechisch: Der Anfang des abendländischen Denkens ............................. Der andere Anfang als Not .......................................................... Das Eigene - das Fremde. .. .. ... . .. .. .. .. .. .. .. . ... .. .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. Der Zeit-Raum der Auslegung.. .. .. . . .. .. .. .. .. . .. . .. . . . . . .. . . .. .. . . . .. . . . . . . . . . . . . .
24 40 47 55
Zweiter Abschnitt
übersetzung § 7 Übersetzen - Übersetzen ............................................................ § 8 Griechisch - Deutsch ................................................................
62 62 76
Dritter Teil
Das vorsokratische Denken des Seins
89
Erstes Kapitel Parmenides - Das tautologische Denken des Seins
eov ..............................................................
§ 9 Zur Auslegung des § 10 Das Anwesen des Anwesens gegen Unanwesen und Schein ........................
89 91 99
8
Inhaltsverzeichnis
§ 11 Das tov: Rundung und Grenze ...................................................... 108 § 12 Der tautologische Bezug von Denken und Sein ..................................... 117
Zweites Kapitel
Heraklit - Das palintropische Denken des Seins
123
Erster Abschnitt Die $ucn~ und ihre vielfachen Bestimmungen
123
§ 13 Das Unverhoffte (Fr. 18 DK) ........................................................ 123 § 14 Zur Auslegung der ${xn~ ............................................................ 132 § 15 Das palintropische Wesen der $Ucn~ ................................................. 146 § 16 Das streithafte Wesen der $ucn~ ..................................................... 161 § 17 Die Bestimmung der $ucn~ als ap~ovia, lCO(J~O~, 7rÜp, lCEpa'\)vo~ .................. 172
§ 18 Die $ucn~ als das Einfache von Aufgehen und sich Verbergen (Die Lichtung als Durchlaß) ............................................................................ 201
Zweiter Abschnitt Die tum.~ als Verhältnis der Götter und Menschen
206
§ 19 Menschen und Götter im Bezug der ${xn~ .......................................... 207 § 20 Unsterbliche - Sterbliche ............................................................ 224
Drittes Kapitel
Heraklit - Das homologische Denken des Seins
234
Erster Abschnitt Zur Auslegung des MJrO;
234
§ 21 Der Aoyo~ als Versammlung (lesende Lege) ........................................ 234
§ 22 Der Aoyo~ als Entbergung (aAi!6Eta) ............................................... 244 § 23 Der Aoyo~ als Ev mlv'ta ............................................................. 256 § 24 Der A6yo~ als 1tav'tcov lCEXCOPt(J~EVOV, yvw~", vo~o~, ~'UVov
270
Zweiter Abschnitt Der MJrO~ als Wesen des Menschen § 25 Der menschliche A.6yo~.
A.6yo~ und
280
vuxi! ........................................... 280
§ 26 Der zwiefaltige Aufenthalt des Menschen beim Seienden .......................... 292 § 27 Der homologische Einklang und das (Jo$6v ......................................... 299
Inhaltsverzeichnis
9
Vierter Teil
Abschluß
318
§ 28 A6'Yo~ und Sprache .................................................................. 318 § 29 Die Vielen - wenige ................................................................. 325
Literaturverzeichnis ....................................................................... 333 Stellenregister ...................................................... . ............. . ........ 341 Sachwortverzeichnis .............................. . ....................................... 344
Erster Teil
Einleitung § 1 Exposition der Fragestellung
A. Auslegungshorizont und Abgrenzung der Fragestellung Die vorliegende Arbeit versteht sich als ein Deutungsversuch des Denkens Heraklits innerhalb der von Martin Heidegger eröffneten Blickbahn der Seinsgeschichte. Die Blickbahn, in der sich eine Auslegung bewegt, bestimmt die Art und Reichweite des Fragens und zeichnet in gewisser Weise vor, was im Zuge einer Interpretation zu erfahren und zu lernen ist. Das Eigentümliche der seinsgeschichtlichen Blickbahn ist, daß hier das Fragen in einer untrennbaren Weise zusammen auf das Auzulegende geht und auf dasjenige, was die Auslegung trägt; jenes klärt sich nur in dem Maße, wie dieses seinerseits in eine neue, gewandelte Klarheit gelangt. Das sagt: Die Auslegung ist Zurücklegung in den tragenden Sinnbereich, der selbst erst im Zuge der Zurücklegung als das zu Erschließende entgegenkommt. Das seinsgeschichtliche oder Ereignis-Denken gründet in dem Bereich, aus dem eine Umgrenzung des Sinnes der Philosophie möglich wird. Dieser Bereich ist der Sinn von Sein überhaupt. Innerhalb von Heideggers Denkweg läßt sich das Ereignis-Denken als der zweite Ausarbeitungsweg der Frage nach dem Sinn von Sein bezeichnen, diese Seinsfrage selbst aber als die Grundfrage - die Frage, die in den Grund des abendländischen Denkens geht. Der erste Weg, der sich im Zuge seiner Ausarbeitung in den anderen kehrt, ist der fundamentalontologische, wie er in Heideggers erstem Grundwerk »Sein und Zeit« dargelegt ist. Das seinsgeschichtliche Denken dagegen findet seine erste Durchgestaltung im Rahmen der 1936-1938 verfaßten, aber erst 1989 veröffentlichten »Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis)«l - der ersten von fünf Abhandlungen, in denen Heidegger den "anderen Anfang", in dem die Grundfrage wurzelt, aus dem Ereignis entwirft. 2 In den »Beiträgen« wird der Sinn als die Wahrheit des Seins aus dem geschichtlichen Wandel des Wesens der Wahrheit bzw. Offenheit, kurz: aus dem Geschick ge1 GA 65. Zur Erläuterung der bei den Ausarbeitungswege der Seinsfrage und zum Sinn des immanenten Wandels siehe v. Herrmann (1994)2, Kap. I. 2 Die zweite dieser Abhandlungen ist der 1997 veröffentlichte Bd. 66 der Gesamtausgabe (»Besinnung«); die restlichen drei Abhandlungen sind noch unveröffentlicht.
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Erster Teil: Einleitung
dacht. Die Seins geschichte ist demnach das Gefüge des geschichtlichen Wesens der Wahrheit als Offenheit, nämlich so, daß sich anfanglich und in jedem Wandel das ereignishaft freigebende Geschick der Offenheit und somit diese selbst entzieht und verhüllt bleibt. Aus diesem selbst verhüllten und darum ungedachten Entzug heraus zeigt sich das Sein niemals aus der seinlassenden Wesung des Offenen, sondern als die im Überstieg über das Seiende gesichtete Seiendheit. Die Seinsfrage als Frage nach der Seiendheit ist, im Unterschied zur Grundfrage, die Leitfrage . Sie bestimmt jenes Denken, das aus dem Entzug des ursprünglichen Offenheitsgeschehens nach dem über das Seiende hinausliegenden Seinsgrund fragt und das deshalb das metaphysische heißt. Die Gestalten des Wesens der Wahrheit, in denen seit dem Anfang des Denkens das Geschickhafte an sich hält, nennt Heidegger - aus dem griechischen Wort €1tEXEtv "zurückhalten, innehalten" - die Epochen des Seins. In der Blickbahn, in welcher sich erstmals die Gestalten der Seiendheit abzeichnen als geschichtliche Entzugsweisen der Wahrheit des Seins, ändert sich von Grund auf das Verhältnis zur und der Sinn der Auseinandersetzung mit der Tradition, somit auch die mögliche Blickweise auf das vorplatonische Denken. 3 Das gilt in erster Linie gegenüber der Weise, wie sich die verschiedenen Grundstellungen der Metaphysik über das ihnen vorausgegangene Denken verständigt haben und für den Überlieferungs sinn der Metaphysik überhaupt. In Heideggers eigenem Gespräch mit der Überlieferung ist seinsgeschichtlich nicht mehr die Rede vom destruierenden Durchgang durch die Metaphysik, welcher (in Einheit mit Reduktion und Konstruktion) den Sinn von Sein freilegen soll,4 sondern, aus der Kehre, vom Zuspiel des anderen Anfangs. Das Zuspiel selbst gehört aber bereits - als dessen zweite Fügung - in die sechsfach gefügte Fuge des Ereignisses. S Weil in der seins geschichtlichen Blickbahn die überliefernde Auseinandersetzung mit der Metaphysik als geschichtliches Zuspiel ihres verborgenen Wesensgrundes geschieht, haben, wie Heidegger in einer Randbemerkung der »Beiträge« festhält, »alle geschichtlichen Vorlesungen«6 ihren Ort in dieser Fügung; zu diesen Kollegien gehören die in den Jahren 1943 und 1944 gehaltenen Vorlesungen zum Denken Heraklits.1 Zur Bewegung des Zuspiels schreibt Heidegger: »Das Zuspiel ist zuerst Zuspiel des ersten [scil. griechischen] Anfangs, damit dieser den anderen Anfang ins Spiel bringe und aus diesem Wechselzuspiel die Vorbereitung des Sprunges [seil. ins 3 Der Sinn dieser Wandlung ist der einer (je zu gewinnenden) Freiheit zur philosophischen Tradition, die mit einer neuartigen Verbundenheit und denkerischen Verpflichtung einhergeht (s. »Das Ende der Philosophie und die Aufgabe des Denkens« in: ZSD). 4 Siehe etwa GA 24; dazu v.Herrmann (1991), sowie die Ausführungen zur phänomenologischen Methode in v.Herrmann (21988). 5 Siehe dazu v.Herrmann (1994)2, S.27ff. 6 GA65, S.167. 7 »Der Anfang des abendländischen Denkens« (Sommersemester 1943), »Logik. Heraklits Lehre vom Logos« (Sommersemester 1944), beide in: GA55.
Erster Teil: Einleitung
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Seyn] erwachse.«8 Der andere Anfang meint das im ersten und seiner Stiftung sich verbergende, somit nicht eigens im Denken übernommene Element der (aus diesem Anfangsgeschehen hervorgehenden) Seinsgeschichte. Wenn es also eingangs hieß, der vorliegende Deutungsversuch orientiere sich an der seinsgeschichtlichen Blickbahn, dann bedeutet das: er möchte sich in jenes»Wechselzuspiel« bringen, in welchem die nachvollziehende Erprobung einer Lesung von Heraklits Denken Einblikke bringt in die Dimension, aus weIcher die Frage nach dem Sein in seiner Geschichtlichkeit nötig wird. Zu den möglicherweise sich einstellenden Bedenken, ein sogearteter Deutungsversuch käme einer vorgreifenden, verengenden und vereinnahmenden Abstellung auf eine besondere Fragehinsicht gleich und sei offenkundig nicht an Heraklit "selbst", sondern im Grunde nur an Heideggers eigenem Denken interessiert, wird in den vorbereitenden Überlegungen einiges anzumerken sein. Das Gespräch mit Heraklit bleibt eine Notwendigkeit des Denkens. In welcher Weise sich die seins geschichtliche Auseinandersetzung mit der Tradition von einer metaphysischen unterscheidet, kann formelhaft so angezeigt werden: Der Blick, der aus einer bestimmten Epoche des Seins heraus auf eine andere Epoche des Seins geht, kann diese nicht eigens auf ihr Epochales hin auslegen, sofern er selbst einer Verhüllung des Anfangsgeschehens entspringt, d. h. für dieses und allem zuvor für den griechischen Anfang "blind" ist. Der Ursprung (nicht: die Ursache) dieser Blindheit liegt in der E1tOXT! der Offenheit (Lichtung, aAT!8Ew), als weIche der griechische Anfang sich ereignet hat; dieses Ansichhalten beruht selbst im Grundzug des Seyns als Verbergung. Als zwei herausragende Beispiele der metaphysisch geprägten Auseinandersetzung mit Heraklit nennt Heidegger Hegel und Nietzsche. Obwohl diese Denker sich in der Weise, in der sie »in Heraklit ihren großen Vorläufer und Verwandten sehen«,9 nicht unerheblich voneinander unterscheiden, kommen sie doch darin überein, daß sie das Denken Heraklits in ihre je eigene Weise der Leitfragenbehandlung einbinden und in seiner anfanglichen, geschichtsstiftenden Tragweite, sofern diese gleichsam an der Eintrittsschwelle zur Metaphysik stehend - für uns in die Grundfrage hineinweist, nicht erblicken. Was für Hegel, Nietzsche und anders für jede Zugangs weise gilt, sofern sie sich im Horizont der Seiendheits-Transzendenz auf den Anfang des abendländischen Denkens richtet, trifft nicht für Hölderlins Geschichtsdenken zu. 1O Dessen Auseinandersetzung mit dem Griechentum im Hinblick auf den Verwandlungssinn und die künftige Bestimmung des Abendlandes macht ihn zum entscheidenden Gesprächspartner für das Denken, weIches im Ende der Philosophie in deren Grund denkt: »Die geschichtliche Bestimmung der Philosophie gipfelt in der Erkenntnis der Not8 GA 65, S.9. Mit der Schreibweise "Seyn" ist das aus dem Ereignis gedachte Wesen (die Wesung) des Seins angezeigt. 9 GA55, S.41. \0 Dazu jetzt Fedier (2000)2 und Zaccaria (2000).
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Erster Teil: Einleitung
wendigkeit, Hölderlins Wort das Gehör zu schaffen.«ll Der Dichtung Hölderlins sind u. a. die Vorlesungen vom Winter 1941/42 und vom Sommer 1942 gewidmet. 12 Worin besteht nun, unter den verschiedenen "seinsgeschichtlichen Orten", denen sich ein Denken, um sich in das »Wechselzuspiel« zu bringen, zuwenden kann, das Auszeichnende des frühgriechischen Denkens? Dieses Denken ist "vormetaphysisch". "Vormetaphysisch" heißt - wiederum formelhaft - das Denken, das noch nicht in der Weise der Leitfrage, also nach Maßgabe des in seiner Offenbarkeit selbstverständlichen Seienden fragt; das zugleich nicht schon eigens in der Grundfrage steht, und doch, weil im Fügenden der Ganzheit des Seienden (in der $ucrtv - ist nicht überspringbar, sondern nur überspringend in ein Anfanglicheres zu bergen. In diesem Sinn ist die Bahn der Zukunft - der einzige Zugang zum Neuen - schon vorentschieden: das "um einen Schritt" zurückliegende liegt bereit als Eröffnung eines ganz anderen Welt-Geschichts als neues Worin. Der Sinn des griechischen Anfangs und unserer Stellung zu ihm läßt sich nicht aus kulturhistorischen Vergleichen ableiten. Sein Entscheidungscharakter - daß hier eigens Zeit als Welt (Menschen-Alter) entspringt - macht es aus, daß dieses Gewesene uns, nämlich aus seinem Anfanglichen, überholt. l1 Es überholt uns als der Riß, wohinein sich, in niemals mehr an diese verborgene Vorgabe heranreichenden, 10 Der erste Anfang ist nicht der erste einer Reihe. Was hier "der erste" meint, ist nicht von einem zweiten oder dritten her gesagt, sondern vom anderen. Der erste ist der erste, der er ist, nur zum einzig anderen, d. h. indem er sich gegen diesen, den das Denken eigentlich veranlassenden, als die anfängliche Entscheidung abhebt; deshalb wäre es auch widersinnig, diesen anderen Anfang als "den zweiten" zu bestimmen. Die Andersheit des anderen ist die Ausgelegtheit des ersten in seiner Erstheit als Einzigkeit. Mit anderen Worten: Der andere Anfang ist nicht einfach der andere, sondern er ist der andere gerade und nur, sofern er die Erstheit des ersten als den Aufbruch des Einzigen erkannt hat und in diesen Aufbruch hineingeht, d. h. wieder und weiter fragt: Was fängt einzig an? 11 Dieses Entspringen ist wörtlich zu nehmen; es handelt sich nicht lediglich um eine besondere Erfahrung der in einer solchen Vorstellung schon vulgär verstandenen ,,zeit". Die Zeit gibt es nicht unabhängig vom Menschen.
Zweiter Teil: Was heißt "griechisch lesen"?
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gleichsam enger gezogenen Anfangsstößen, die epochalen Gestalten des Abendlandes als geschichtliche Welten fügen, ausbilden und ihre Weile hindurch walten konnten. Es überholt uns als das im Augenblick der Entscheidung Zurückgehaltene und also noch - für den Schritt dahin - Aufbehaltene, das aus der Wiederholung hinüberholen will in eine mögliche Zukunft. Deshalb - und nicht, um sich in den Trost einer ausgedachten vergangenen Größe zu retten - spricht Heidegger vom griechischen Anfang als dem weitesten Ereignis unserer Geschichte. Er gibt damit nicht eine Wertung, sondern eine streng denkerische Bestimmung aus der Besinnung auf die für unser geschichtliches Denken - somit für unser Mensch-sein - konstitutive Sinndimension. Demgegenüber bleibt die Vorstellung eines zaghaften Anhebens (wovon genau?), das dann im Fortschritt sein Erschließungsgebiet nach Breite und Tiefe entfaltet, sein Wissen nach Reichtum und Schärfe der Artikulierungen mehrt, unzureichendim Wortsinne wirklichkeitsfremd: unzureichend, weil geschichtlich unbedarft, unbedarft, weil nicht in der Veranlassung, in ein freies Gegenwarts-Verhältnis zu treten. Weil die Entscheidung (die Dazwischenkunft der Lichtung als Sein) anfänglich das Mögliche scheidet und so verborgenerweise den Übergang ins Kommende schon vorzeichnet, deshalb kann aus einem "kleinen", "primitiven" Anfang nie im nachhinein durch schrittweisen Ausbau, aber auch auf dem Wege der Überhöhung nicht doch noch etwas Großes und Bedeutendes werden. Der Anfang ist nicht nur niemals als das bloß an erster Stelle Vorausgehende, er ist auch keinesfalls mit den Kategorien der Ursache oder Voraussetzung, und nur in erster Annäherung, jedoch nicht hinreichend, als so etwas wie die Bedingung der Möglichkeit des Nachkommenden faßbar. Unter den Begriff der Bedingung der Möglichkeit fallen auch alle "Immerhin"-Auslegungen des Anfangs (,,Immerhin die erste Bemühung um die Erkennung von allgemeinen Gesetzmäßigkeiten"; "Immerhin der Grundstein für die Herausbildung eines kritischen Denkens" usf.); solche Denkweisen gestehen dem Anfang im Grunde als Hauptverdienst zu, der erste Schritt vor dem zweiten gewesen zu sein. Aber auch eine sachlich gegründetere Rede von der Bedingung der Möglichkeit bleibt hinter der entscheidenden Einzigartigkeit des Anfangs zurück, sofern dieser nicht als Anfang schon aus der Übergänglichkeit gesehen ist. Warum ist fast durchweg dem Wort Anfang vor dem im gewöhnlichen Gebrauch nahezu gleichbedeutenden Beginn der Vorzug gegeben?12 Die Antwort muß lauten: Weil in diesem Wort das Schwergewicht des Anfangs spricht. Bedenken wir, daß zu sagen ist: Ereignis einer Offenbarkeit des Seins aus dem Streit von Erde und Welt im 12 Dazu z.B. GA54, S. 9f. Es wäre allerdings verkehrt zu meinen, dem Wort Anfang sei hier die ausschließliche Fähigkeit zugesprochen, in den gemeinten Sachverhalt hineinzuzeigen, während das Wort Beginn prinzipiell daran vorbeiführt. An verschiedenen Stellen liest Heidegger das Wort Beginn gerade im angedeuteten Sinn der Entscheidung, wobei diese Lesart durch die Schreibweise mit Bindestrich (Be-ginn) eigens angezeigt sein kann (siehe etwa GA55, S.287).
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Zweiter Teil: Was heißt "griechisch lesen"?
kehrigen Bezug zu dem und durch das den Unsterblichen zugewandte leibende Dasein, in welchem Ereignis ein jedes ausgezeichnet ist in seinen sinnhaften Aufriß; bedenken wir das Lastende der in dieser Lichtung ziehenden Verbergung - dann wird deutlich, daß Anfang das Wort dieser ursprünglichen Rodung, dieses Lichtungsgeschehens ist: erster Anfang - anderer Anfang (griechisches - anderes Zeichnen und Lichten). Zugleich muß klar werden, daß wir kaum vom Anfang im allgemeinen sprechen können, um hernach dann Arten dieses Übergeordneten zu unterscheiden. Sondern wenn wir von Weisen des Anfangs sprechen, dann geschieht das schon übergänglich, d. h. im Hin und Her vom Kommenden der Gegenwart und dem darin Gewesenen. Im Fangen des Anfangs waltet das mittendurch Umsichgreifende der Eröffnung, das Dimensionierende, Durchmessende der Auszeichnung in die Grenzen des Wesens. Das aufschließende Fangen ist das einnehmende Kommenlassen ins Offene, als welches das Offene selbst sich in seine Offenheit fängt. Das Fangen meint nicht ein Packen und Festhalten (von bereits Vorliegendem), sondern das freigebende Feststellen im Sinn der Verleihung ursprünglicher Ständigkeit, die wir mit einem alten Wort auch Urstand nennen können: das Fangen bringt zu Stande in das derart sich fügende, erfüllende 13 Offene. Das Fangen ist ein sich Fangen im zwiefach-einigen Sinn des Bindens in das freie sich Erfügen des anwesenlassenden Elementes und des sich Fangen-Iassens in das ins Anwesenlassen Verfügte, d. h. das Seiende, Anwesende selbst. 14 Das an-, d. h. ins Unverborgene fangende sich Fangen, der Fang, ist weder selbst in irgend einer Weise gefesselt, noch auch anderes bestrickend, sondern ständig sich schickend in seine Gefügtheit und in diesem sich entziehenden Schicken ein einziges tragendes Ausgeben. Der Anfang ist solches, was herankommend in die Hand (das sich verbergende Bergen) nimmt und, in der Hand behaltend, erst freigibt, d. h. aus der Hand heraus ins Spiel bringt und im Spiel hält (der Anfang bringt auf den je ausgehändigten Weg: er schickt ins Unterwegs im Sinne des übergänglichen Anwesens). Der Anfang als fügende Eröffnung der Offenheit des Offenen - als Geschichte - ist nichts vom Menschen Gemachtes; sondern dieser fängt immer nur an als der Angefangene des Anfangs, in den er sich, das Kommen in 13 Der Sinn dieses Erfüllens, das Feste und Klare des eingewurzelten Sinnes erhellt eindringlich aus dem Gedicht des Parmenides (s. u. zu exew, 13elkno'tT]iaGriechischen< suchen wir einzig das verborgene Wesenhafte, das unsere und die künftige Geschichte trägt und entscheidet«; weiters GA 53, S. 80: »"Übersetzen" ist gar nicht so sehr ein "Über-setzen" und Hinübergehen in die fremde Sprache mit Hilfe der eigenen [sondern] vielmehr eine Erweckung, Klärung, Entfaltung der eigenen Sprache durch die Hilfe der Auseinandersetzung mit der fremden. Technisch gerechnet ist das Übersetzen das Ersetzen der fremden Sprache durch die eigene oder umgekehrt [i. S. der Anstrebung einer Deckungsgleichheit]. Aus der geschichtlichen Besinnung gedacht ist das Übersetzen die Auseinandersetzung mit der fremden Sprache umwillen der Aneignung der eigenen«; und S. 81 : »Wir lernen die griechische Sprache, damit das verborgene Wesen unseres eigenen geschichtlichen Anfangs für uns sich in die Klarheit unseres Wortes finde«. - Man stößt sich bisweilen - freilich ohne näher zu bedenken, was es mit der "technisch gerechneten" Auffassung des Übersetzens auf sich hat - an der Tatsache, daß hier scheinbar »die Frage nach der spezifischen Andersheit fremder Sprachen und Kulturen unwesentlich wird«; da es letztlich um
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Zweiter Teil: Was heißt "griechisch lesen"?
schieht im Übersetzen »in den Bereich einer gewandelten Wahrheit«. Das Übersetzen übersetzt, wie Hölderlin schreibt, »gegen die exzentrische Begeisterung«132, d.h. gegen das Orientalische und den Griechen Angeborene und Natürliche, "gegen" aber nicht als das feindliche contra, sondern entgegen, in Richtung auf1 33 dieses Natürliche; es setzt zu ihm über, um es »kühner [zu] exponiren«,134 d. h. die Griechen in ihrem Eigenen zu »übertreffen«, somit griechisch, und d. h. schon: »griechischer [zu] denken als die Griechen selbst«.13S Dieser Komparativ meint, wie schon angedeutet, nicht eine Steigerung, gleichsam eine potenzierte Version des ursprünglich Griechischen, sondern ein in den Übergang aus- und zurücklesendes Gegen- und Nachdenken, ein Durchgehen und Erfahren bis hinein in das von sich aus (im Sprung) anfangende Andere, das die im Fortschritt der Bildung unangeeignet gedie Aneignung des Eigenen gehe, werde bei Heidegger »[d]as Fremdverstehen in den Dienst einer Selbstbestimmung gestellt, die das Andere schließlich nur noch als negative Differenz gelten läßt«, auf dessen »Eigenart« sich einzulassen versäumt werde; man spricht somit von einem »Vorrang des Eigenen« und einer »Negativierung des Fremden«. (Alle Zitate aus: Heidbrink [1997], S. 362f.) Dazu ist zu sagen: Man beachte noch einmal den Unterschied zwischen dem je einmaligen Sprach wesen einer geschichtlichen Sprache und der »spezifischen Andersheit fremder Sprachen und Kulturen« sowie das Wesensverhältnis der beiden und bedenke sodann das folgende: 1. Ist ein Gespräch, eine Einlassung auf die Andersheit des Anderen anders möglich als aus der »wesentliche[n] geschichtliche[n] Notwendigkeit« (GA 53, S. 81) der Suche nach dem Eigenen? Ist, anders gewendet, eine radikale Aussetzung, ein rückhaltloses über sich hinaus und aus sich heraus und auf das Andere Zugehen (ein sich Hinbegeben, bei dem es dahin kommen kann, daß der Suchende als der »Beseeler« in der Fremde »[flast ( ...) verbrandt« wäre, wie es in der zweiten Fassung von »Brod und Wein« - IX, 14, HW-I, S. 383 - heißt) - ist solches denkbar ohne die anfangliche Veranlassung, die dazu nötigt, um der Aneignung des Eigenen willen ins Andere, und d. h. in die Begegnung mit ihm, aufzubrechen, wie es ebenfalls in »Brod und Wein« (IX 10-12, a. a. 0., S. 381-383) heißt: »Glaube, wer es geprüft! nemlich zu Hauß ist der Geist / Nicht im Anfang, nicht an der Quell. Ihn zehret die Heimath. / Kolonien liebt, und tapfer Vergessen der Geist.« Ist anders als aus der Erfahrung dieses Zehrenden die Liebe zur »Kolonie« möglich, der Kolonie nämlich als dem Fremden, das zu erfahren, »in seiner Einzigkeit an[zu]erkennen« (GA 53, S. 81) ist, ohne aber je zur Heimat, zum geeigneten Aufenthalt werden zu können? Wo haben wir eine weiterreichende, dessen Befremdliches ursprünglicher sprechenlassende Kunde über das Wesen des Griechischen als von solchen die, wie Hölderlin und Heidegger, in der Sorge um die Suche des Eigenen standen? 2. Wie anders ist ein Wesenlassen des Anderen in seiner Andersheit möglich und denkbar als in der aus der Begegnung mit dem Anderen sich wendenden Einkehr ins Eigene? Gibt es eine Freisetzung der "Eigenart" des Anderen anders als in der Auseinandersetzung, d.h. in einem zumal mit der Freisetzung des Eigenen und aus der Erfahrung dessen, was in die Begegnung ruft? Gibt es ein »Fremdverstehen«, eine Anerkennung des Anderen in seiner einmaligen unwiederholbaren Bestimmtheit aus der Unfreiheit des unangeeigneten, nicht von der Suche beunruhigten "Selbst"? Ist ein solches »Fremdverstehen« nicht am Ende bodenlos, d. h. bloß gesetzt? In welchem Element, aus welcher Erfahrung des Auseinandersetzenden, Unterscheidenden ist das Fremde als solches verstanden? Und kann die Not, die anfanglich in diese Freisetzung ruft, die dem Anderen und nur ihm einmalig eigene sein? Wer ist dann von dieser Not gerufen, getroffen? 132 Brief an Wilmans vom 2. April 1804 (HW-Il, S. 930). 133 Siehe Binder (1992), S. 60 f. 134 Ebd. 13$ GA53, S.100.
Zweiter Teil: Was heißt "griechisch lesen"?
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bliebene »Klarheit der Darstellung« in ihr Eigenes bringt. Der Komparativ "griechischer" zeigt sich als ein Komparativ der Übergänglichkeit, als ein übergänglicher Komparativ. 136 Daß der Komparativ "griechischer" nicht etwas meint, was von dem als griechisch Begriffenen ausgeht, um dann an ihm eine Aufstockung vorzunehmen, sagt zugleich: das Übersetzen, das auf das jetzt ebenfalls übergänglich zu verstehende "Mehr" und "Darüberhinaus" der Auslegung geht, ist ganz und gar »ohne Vorbilder«137 und d. h. erstmals in der Möglichkeit, das gewesene Griechische nicht aus einer geschichtlich-epochalen Vergessenheit zu verstellen. Wie ist nun dieses Mehr im Bereich der übergänglichen Übersetzung zu benennen? [Es sieht] so aus, als müßten wir griechischer denken als die Griechen selbst. Es sieht nicht nur so aus, es ist so. Denn wir selbst müssen in bezug auf uns selbst künftighin deutscher denken als alle bisherigen Deutschen; denn keine Überlieferung verschenkt unmittelbar das Wesentliche [seil.: so, daß aus ihr einfach ein zu erneuerndes Vorbild hervorgezogen werden könnte], es erscheint aber auch nicht ohne die Winke der Überlieferung. 138
Das erste "denn" (~~Denn wir selbst...«) sagt: "griechischer denken als die Griechen" beruht in der Notwendigkeit (und heiSt schon), deutscher zu denken als alle bisherigen Deutschen. Wie ist dies noch näher zu bestimmen? Wir dürfen die griechische Sprache nur lernen, wenn wir sie aus wesentlicher geschichtlicher Notwendigkeit um der eigenen deutschen Sprache willen lernen müssen. Denn auch diese müssen wir erst lernen (...).139
"Deutscher denken als alle bisherigen Deutschen" heiSt: die deutsche Sprache »erst lernen«, u. zw. ursprünglich lernen. Nicht: ein schon fertig Dastehendes beherrschen lernen, sondern: anfänglich aneignende Erlernung. Das im übergängliehen Komparativ stehende "deutschere" Deutsch kann - analog dem Griechischen - keine Überhöhung bedeuten, desgleichen keinen Rückgang auf "verborge136 Mehr sagen, besser verstehen, ursprünglicher denken, daruberhinausgehen, griechischer, kantischer, deutscher sprechen - all diese Steigerungsformen sind im Sinne des übergänglichen Komparativs zu lesen. Dieser Komparativ, der Komparativ des "über die Griechen hinaus", ist ein sachimmanenter bzw. - im Sinn des sageigenen ursprünglichen Übersetzens - ein wesungseigener: er spricht in der andersanfanglichen Wiederholung des griechisch erfahrenen Übermaßes. (Über-hinaus heißt demnach: anders hinein in das Übermaß.) Im Protokoll zum Seminar in Le Thor von 1969 (GA 15, S. 331 f.) heißt es dazu: »Die Philosophie ist tatsächlich Antwort eines vom Übermaß des Anwesenden betroffenen Menschenwesens, - eine in sich selbst übermäßige Antwort, was auf die genauere Kennzeichnung führt, daß die Philosophie als Philosophie keine griechische, sondern eine übergriechische Weise des Ek-sistierens ist ( ... ) die Griechen lassen sich nach der Weise auf die aA1\geta ein, daß sie für gewöhnlich in der aA1\geta beschäftigt sind, wogegen jene griechischeren Griechen, die die Philosophen sind, mit der aA1\getu umgehen, freilich ohne dabei je so weit zu kommen, die Frage nach der aA1\getu (als solcher) zu stellen.« 137 Siehe GA55, S.68f. 138 GA53, S.100. 139 GA 53, S. 81 (Hervorh. v. Verf.).
6 Oe Gennaro
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Zweiter Teil: Was heißt "griechisch lesen"?
ne", gar "mythische" "Wurzeln" des "Deutschtums". Sondern deutscher, nämlich vorbildlos und zum ersten Mal deutsch heißt: sinnend unterwegs in die Ereignung ins Klare als den andersgeschicklichen Grund. Deutscher heißt: deutlicher, klarer - geeignet ins klare Element (die Lichtung des Sichverbergens). Sofern nun die Klarheit und Aufklarung als das Beziehende in den Übergang sich im Gegenlesen der griechischen Entfachung des Weltfeuers zuspielen kann, wie sie etwa im Grundwort Mv angezeigt ist, gilt bezüglich dessen, was dieses Wort sagt, der Satz: »das Geschick des Abend-Landes hängt an der Übersetzung des Wortes Mv, vorausgesetzt, daß die Übersetzung in der Übersetzung zur Wahrheit dessen beruht, was im Mv zur Sprache gekommen.«I40 Die Rede vom »deutscher denken als alle bisherigen Deutschen« ist zu lesen im Verein mit den Überlegungen zur "Unmöglichkeit der Metaphysik". Das ist nicht so zu verstehen, als sei das ursprünglicher Vennögende, Andersanfängliche schlichtweg als "das Deutsche(re)" genannt (man wüßte nicht, welchen Sinn eine solche Aussage haben könnte). Vielmehr heißt es - gerafft gesprochen - daß die Verwindung der Metaphysikfürdie Deutschen nur als Untergang in das "Deutschere", d.h. in das rückkehrige Deutsche zu vollbringen ist (während für die Engländer als Untergang in das englischere Englische usf.). In diesem Sinn kann Hölderlin (nicht überhaupt, sondern) für die Deutschen das "Gesparte" als »das Deutsche«141 nennen, nämlich das zuletzt angeeignete, gefundene. Wo die Sache des Denkens nicht ein über allem schwebender Sachverhalt ist, sondern der griechisch gefügte Anfang, dort kann die Kehre in das Freigebende dieses Anfangs (das Geviert) nicht in einem gleich-gültigen Entsprechen geschehen, sondern nur je in einer Muttersprache; übergänglich untergehend in das Selbe ist jeweils ein ganzer Aufenthalt, jeweils eine verlassene und kommende Vierung von Erde und Himmel, Göttlichen und Sterblichen. Die genannte "Unmöglichkeit der Metaphysik" meint: das metaphysische Denken und Sagen vennag nicht, es reicht nicht hin um dem übergänglich zu Sagenden zu entsprechen. Schon dieses Unzureichende ist nicht mehr vom Denken "überhaupt", sondern von einem (sich selbst suchenden) deutschen Denken auf seine Weise erfahren: es kommt »mit Hilfe der Sprache der Metaphysik« nicht durch. 142 Ausschließlich und streng aus diesem Sinn des Unzureichenden ist auch die Rede von undeutschen Wörtern zu verstehen. Undeutsch heißt: als ein Wort der Muttersprache nicht übergesetzt in deren eigenstes - vom Ereignis sprechendes - Wort: noch nicht in ereignisgehöriger Weise deutsch. 143 GAS, S. 345. »Heimkunft« (Zweite Fassung), V. 7 (HW-I, S. 370). 142 Siehe BüH, S.19. 143 Von "undeutschen" Wörtern, nämlich den Wörtern "falsch" und "wahr", spricht Heidegger etwa in GA 54, S. 51-72. In beiden Fällen, besonders aber in der Behandlung von "wahr", zeigt sich in aller Klarheit, worin das Undeutsche gesehen ist und daß dieses weder auf eine "fremde" Herkunft zurückzuführen ist, noch auf "fremde" Einflüsse, die aus dem "eigentlich" 140 141
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"Deutscher denken" kann weder eine Intensivierung des Deutschheits-Charakters des Denkens heißen im Sinne der vollen Entfaltung eines (bislang verborgenen) kulturellen oder anthropologischen, gar nationalen oder völkischen Zuges,l44 noch auch schlichtweg die Auswechslung metaphysicher Wörter durch nicht metaphysich belastete; sondern "deutscher" heißt: auf den im Deutschen gehbaren Wegen gesinnt, die Metaphysik in die Unmöglichkeit zu setzen. Das Übersetzen in die andere Weise des Sagens bedeutet dann aber, daß die bekannte deutsche Sprache überall ins Übergängliche kommt und die Worte beginnen, gemäß der anderen, eine Sprache suchenden Weise zu klingen und zu bedeuten. Das Hören wird zum Umhören in der Gelassenheit zum Zuspiel: bislang ungehobene Möglichkeiten werden verwandelnd freigesetzt (siehe Wesen, Wahrheit, Geschichte usf.), noch nicht zur Sprache Geund wahrhaft Deutschen auszumerzen sind, damit dieses dann endlich in seiner unverstellten "ursprünglichen" Reinheit dastehe. Heidegger sagt: das Wort "wahr" ist undeutsch, sofern es in dem, was es sagt, maßgeblich vom römisch-christlichen "verum" bestimmt ist. Dabei hebt er ausdrücklich hervor, daß es dunkel sei, ob »daneben und vordem das deutsche "wahr" noch eine eigene Grundbedeutung hatte, die nicht aus dem verum und d. h. dem falsum sich bestimmte« (S. 69; zum Sinn der sogenannten Grundbedeutung siehe S. 31 f.). Das "verum" selbst wiederum gibt es nicht "an sich" in einer in ihrer "guten" oder "schlechten" Essenz festgelegten Sprache, sondern es ist seinerseits geschichtlich in die für das deutsche Wort bestimmende Bedeutung gekommen. In dieser Bedeutung ist seine eigene ursprüngliche Möglichkeit (nämlich die Bedeutung des Verbergens und Bergens), wie Heidegger sagt, "abgedrängt" worden, so daß der »Bereich der Verbergung und der Entbergung im Römischen, obzwar er schon im "ver" gestreift wird, überhaupt nicht dazu [kommt], der maßgebende Wesensbereich zu werden, aus dem sich das Wesen der Wahrheit bestimmt. Vom Imperialen her ist das verum alsbald das Obenbleiben, zum Recht Weisende ( ... )« (S. 71). Wenn Heidegger es nun unternimmt, für das deutsche Wort "wahr" eine (nämlich gegenüber derrömisch-"imperialen") andere Möglichkeit aufzuzeigen und vorzubereiten, so wird dies nicht anders geschehen können als dadurch, daß er auf die imperiale und christliche Wendung, die es (unpers.) mit der lateinischen Möglichkeit genommen hat, ausdrücklich hinweist. Die Abdrängung der ursprünglichen lateinischen Möglichkeit läßt sich zwar nicht aus Gründen ableiten, vielleicht aber vor dem Hintergrund des griechischen Anfangs und seiner Übersetzung ins Römische aufhellen. Einem lateinischen Denker würde es obliegen, die im verum verborgene Möglichkeit zu entwerfen und ins Wort zu bringen. Nun gibt es keine lateinischen Denker mehr, wohl aber romanische Sprachen, unter denen etwa das Italienische noch eine besondere Nähe zum Lateinischen zeigt. Das bedeutet einerseits, daß das italienische Sagen und Denken auf seinem eigenen Weg dahin, "italienischer zu denken als alles bisherige Italienisch", am wenigsten an diesem Wendepunkt der Seins geschichte vorbeikommen wird. Indem es aber suchend an diesem Wendepunkt verweilt, begeht es den ihm aufgegebenen, einzigen und notwendigen Weg der Destruktion der Metaphysik und zumal der Vorbereitung des anderen Anfangs und leistet damit seinen Beitrag zu einer Aufgabe, die sich kaum in der Verwandlung einer einzigen abendländischen Sprache vollbringen läßt. Von hier aus fallt auch ein Licht auf die Rolle der übergänglichen Übersetzung nicht nur des ersten Anfangs und seiner Geschichte, sondern auch der verschiedenen übergänglichen Sprechweisen untereinander, sofern deren Zwiesprache und Auseinandersetzung in eine wechselseitige Klärung bringt. 144 Es kann m. a. W. nicht darum gehen, »die Weiterbildung einer vorhandenen, gerade angetroffenen Anlage, das Erfüllen der in ihr sich meldenden Neigungen, de[n] Vollzug dessen, was diese anstreben, die Festigung der Vollzugsfahigkeit, die Züchtung der Anlage zur sicher beherrschten Eigenart« zu betreiben (GA 52, S. 144); sondern gefordert ist die Einlassung in die abgründigste Fragwürdigkeit im Sinne des »Wir sind nichts; was wir suchen, ist alles«. 6"
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kommenes wird, weil jetzt sagbar, in anfänglicher Übersetzung benannt (z. B. Ereignis, Ge-stell); ursprünglich lernend muß das Denken aber auch langehin »im Namenlosen« verhalten. 14S Heideggers Deutsch, auch das Deutsch seiner Übersetzungen, ist ein übergängliches - übergänglich zu sich selbst. Ein letzter Punkt bleibt zu behandeln: Wie steht das Deutsche zu den anderen in das "Gegenteil" zum Griechischen fallenden Sprachen? Wie steht es mit der Tatsache, daß der erste denkende Entwurf auf das, was die Abendländer, die "wir alle" sind, als die anders anfängliche Not angeht, im Deutschen stattgefunden hat? Was sagt Heidegger dazu? In den Heraklit-Vorlesungen finden sich Sätze wie diese: Nicht nur dies steht zur Entscheidung, ob das deutsche Volk das geschichtliche Volk des Abendlandes bleibt oder nicht, sondern jetzt ist der Mensch der Erde samt dieser aufs Spiel gesetzt, und zwar durch den Menschen selbst. l46 Richtig denken, aus der Sache denken, überhaupt denken, ist not, ja allererst denken lernen - ist das Nötigste. Das alles jedoch niemals nur deshalb, um bloße Denkfehler zu vermeiden. Denken ist not, damit wir dadurch einer wohl noch verborgenen Bestimmung des geschichtlichen Menschen entsprechen. Vielleicht ist es so, daß alles inskünftig eine lange Zeit darauf steht, ob dem geschichtlichen Menschen dieses Entsprechenkönnen und das Vermögen zu denken gewährt wird oder versagt bleibt. ,Der geschichtliche Mensch' - dies meint dasjenige Menschentum, dem ein Geschick zugedacht ist und zwar als das Zu-denkende. Wer soll aber die Gabe des Denkens in dieser Weltstunde für die kommenden Tage eher empfangen können als ,das Volk der Denker', von dem ein beizeiten Weggegangener sagen mußte, daß es das ,,heilig Herz der Völker" sei und daß aus ihm ,.Rath" komme ,.rings [/] Den Königen und den Völkern"?147
Was sogleich sichtbar wird: Heidegger spricht hier von einer geschichtlichen, genau umgrenzten Aufgabe}48 Aufgabe ist jeweils, was schon in den Anspruch genommen hat, übernommen zu werden, so daß es zwar frei steht, aber nicht mehr gleichgültig ist, ob und wie der Aufgabe entsprochen wird. Es ist nicht gleichgültig, weil es zum Wesen des geschichtlichen Menschen gehört, je in einen Anspruch genommen zu sein. Das Entsprechen würde im gegebenen Fall aber bedeuten, daß aus ihm "den Völkern rings" ein "Rat" kommt. Im Zusammenhang mit Heidegger sind, um ein Verständnis des Gemeinten nicht definitiv zu verstellen, sämtliche Vorstellungen, die sich im Bereich der historischen Notwendigkeit, des wie immer gefaßten Prädestinations- oder Auserwähltheitsglaubens, der Behauptung einer "natürlichen" Überlegenheit oder eines Vorrechts einer 145 BüH, S. 10. 146 GA55, S.69. 147 GA55, S.189. Das erste Zitat stammt aus »Gesang des Deutschen« (I, 1; HW-I, S. 246), das zweite und dritte aus der Hymne »Germanien« (VII, 15 f.; HW-I, S.407). Die letzten Verse von »Gesang des Deutschen«, in denen von der Muse Urania die Rede ist, lauten: »Doch wie erräth der Sohn, was du den / Deinen, Unsterbliche, längst bereitest?« 148 Siehe AW, S.107.
Zweiter Teil: Was heißt "griechisch lesen"?
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geschichtlichen Sprache bzw. eines Volkes in bezug auf die Sache des Abendlandes bewegen, als unmöglich fernzuhalten. Das heißt: Solche Vorstellungen gehören nicht nur beiläufig nicht zu Heideggers Auffassungen, sondern in dessen Geschichts-Denken ist ih'hen endgültig der Möglichkeitsgrund entzogen.'49 Aus dem Geschick gedacht, läßt sich bezüglich des Anfänglichen zunächst folgendes sagen: 150
1. Daß überhaupt ein Anfang ist, ereignet sich aus keinem Grund; 2. daß der erste Anfang bei den Griechen geschah und diese zu den Griechen im geschichtlichen Sinne werden ließ, ereignete sich aus keinem Grund; 3. daß die Vorbereitung des anderen Anfangs zuerst einen deutschen Denker in den Anspruch nahm, ereignete sich aus keinem Grund. "Aus keinem Grund" heißt hier überall: historisch gesehen, aus keinem Grund geschichtlich gedacht, aus einer unverfüglichen Zuweisung des Abgrundes. Einige erläuternde bzw. ergänzende Bemerkungen sind nötig. Zu 1: Daß das Sein überhaupt sich lichtet und ein Menschentum in die Gründung seines Aufenthaltes ruft, d. h. daß Geschichte anfängt, kann auf keine Notwendigkeit zurückgeführt werden; nichts spricht dagegen, daß sich das Sein auch hätte nie lichten und das Wort ergreifen können. Der Anfang und seine Stiftung sind reiner Überfluß. Zu 2: Anfang ereignet sich "unvermittelt": er wendet sich als ein Sprung ))aus dem Unvermittelbaren her«, was jedoch ))nicht aus sondern ein [schließt), daß der Anfang am längsten und unauffällig sich vorbereitet.«151 Alles hängt davon ab, daß wir im Hinblick sowohl auf das Unvermittelte als auch auf das unauffällige sich Vorbereiten nicht wieder in historische Denkmuster verfallen, sondeIl) umgekehrt die "Geschichte" aus dem sich Vorbereiten des Anfangs verstehen, wobei der Anfang das ist, was sich zuletzt zeigt. Somit ist es unzulässig zu denken, bei den Griechen seien irgendwelche Anlagen vorhanden oder Bedingungen gegeben gewesen, die sie dazu befähigt hätten, das "Volk des (ersten) Anfangs" zu sein. Die Stiftung der Offenheit als Anfang ist eröffnender Entwurf ))von Jenem, worein das Dasein als geschichtliches schon geworfen ist«152, d. h. für ein geschichtliches Volk das Gefüge seiner Erde (des sich verschließenden Grundes, dem alles aufruht) und seiner (aus dem Bezug zur Unverborgenheit waltenden) Welt. Der stiftende Entwurf ist immer Da-gründender Entwurf eines Einzelnen. Die einzelnen Den149 Dieses Unmöglich werden geschieht mit dem Durchbruch zum Dasein. Das Dasein ist nichts Deutsches. Es ist der Name einer Aufgabe, zu der die abendländischen, in der Tradition der Philosophie wohnenden Sprachen und Völker als solche in einem Verhältnis stehen. ISO Zum folgenden siehe GA 5, S. 63-65. ISI GAS, S.64. IS2 GAS, S.63.
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ker und Dichter sind jedoch nicht Einzelne als abgelöste Individuen, sondern Einzelne des jeweiligen Volkes, deren stiftendes Sagen verwandelnd »im Sagen des Volkes aufsteht«.ls3 Nichts gewährleistet, daß diese Stiftung bewahrt, daß der mögliche Aufenthalt, in den das Dasein anfänglich geworfen ist, eher wirklich als hingegen verlassen und versäumt werde. Zu 3: Heidegger versteht sein eigenes Denken als ein vorbereitendes. Vorbereiten ist im strengen Sinn das Er-raten des "längst Bereiteten" (Rat ist Heideggers Übersetzung für das heraklitische Wort YVO>~TJ) und kann nur geschehen als Entsprechung zu diesem. Das längst Bereitete ist, was sich als zu Entwerfendes in einen »verschlossenen Grund« geschickt hat; aus seinem anfänglichen Anspruch ist Geschichte »die Entrückung eines Volkes in sein Aufgegebenes als Einrückung in sein Mitgegebenes.«IS4 Das denkend zu Entwerfende ist ein anders als griechisches Geschick, das heißt dieser andere Anfang selbst als geschickt und sich bereitend in einem verschlossenen Grund. Das sich jeweils in einen verschlossenen Grund Schikken ist die Wesungsweise des sich verbergenden Geschicks. (Das Geschick west zwar als das Selbe für "uns alle", aber es west nicht "im allgemeinen".) Wir sind nunmehr hinreichend gerüstet um sagen zu können: ,,Das abendländische Volk" ist jenes, in dessen verschlossenem Grund sich das anders als griechische Geschick längst bereitet, so daß es diese "Gabe" eher empfangen kann. "Längst" und "eher" erläutern im Verein den Sinn des kursivierten "das"; diese Worte sprechen rein aus der geschichtlichen Besinnung. lss GAS, S. 29. GAS, S.6S. ISS Aus diesem Zusammenhang klärt sich vielleicht ein oft unverstanden zitierter Satz aus dem Spiegel-Gespräch. Er lautet: »Ich denke an die besondere innere Verwandtschaft der deutschen Sprache mit der Sprache der Griechen und deren Denken. Das bestätigen mir heute immer wieder die Franzosen [seil. Jean Beaufret und seine Schüler]. Wenn sie zu denken anfangen, sprechen sie deutsch; sie versichern, sie kämen mit ihrer Sprache nicht durch« (AW, S.107 f.). Wie ist der Satz zu verstehen? Etwa so, daß "eigentliches" Denken grundsätzlich nur noch in deutscher Sprache möglich ist? Offensichtlich nicht. Die »innere Verwandtschaft« kann nur beruhen in der Verwandtheit in das Selbe des Anfangs. Dieses Verwandtsein vereint alle geschichtlichen Sprachen in sich. Die Verwandtschaft zwischen dem Griechischen und dem Deutschen ist aber eine »besondere« im Sinne des oben genannten "eher", d. h. aus der Nähe, in welche die kehrende Frühe das Feuer und die Klarheit (als eine Weise der abendländischen Nüchternheit) geschicklich verhält. Diese besondere Nähe weist dem Deutschen seinen Ort zu im notwendigen Andenken an den griechischen Anfang. Doch erstens folgt aus dieser Nähe - außer der Vorzeichnung der Aufgabe - nichts, zweitens läßt das Licht, das der Denkweg in den Übergang vorauswirft, vermuten, daß die Überlieferung der Metaphysik in den anderen Anfang aller in der abendländischen Verwandtschaft verborgenen Kräfte bedarf. Diese Kräfte werden frei, indem die Sprachen der Metaphysik - in der Weise der übergänglichen, "überträglichen" Destruktion, Reduktion und Konstruktion - ihren je eigenen seinsgeschichtlichen Bei-trag zur Philosophie auf den Weg bringen. Dieses Unterwegs ist auf deutsch entworfen. Der Beitrag der verwandten Sprachen kann aber nur erfolgen als Übergang des Französischen ins ,.Französischer", des Englischen ins ,,Englischer" usf., d. h. auf Wegen, die in der je eigenen Sprache zu einem gewandelten Sagen 153
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Der andere Anfang ist gestiftet als entworfener Grund, als frei gebrauchtes Eigenes. Hölderlins, Heideggers deutsche Sprache spricht gebraucht-entwurfhaft im Geschick. Das Entworfene ist eine Weise der eigentümlichen Wesung. Das Eigentümlich-Sein, die Gehörigkeit in das Ereignis, ist auf deutsch gesagt. Das Fügende des Eigentums aber, das sich je als Mögliches zuweist und so in den Übergang ruft, ist nichts ursprünglich Deutsches. Hätte das "Gesparte" im "Deutschen" seinen Ursprung, dann wäre nicht einzusehen, wie aus dem Übernehmen und Bestehen dieses Aufgegebenen ein Rat ausgehen könnte »rings I Den Königen und den Völkern«: Für die "Völker rings" wäre dieses Entworfene notwendig vollkommen stumm. Sofern aber in dem deutsch Gesagten das "uns alle" angehende Selbe, das tiefere Geführen. Die Bahnung dieser Wege geschieht als andenkendes Hören auf das Übersetzsame der Muttersprache im Hören auf die Nähe des Griechischen, die (Norn.) sich das übergängliche Deutsch gefügt hat. Kann es verwundern, daß das hörende Hineinsprechen in eine anfängliche Verwandlung des Sagens - und im Gespräch mit einem selbst in die Übergänglichkeit befreiten, tastend Neues erkundenden fremden Sprechen - nicht ohne weiteres geschieht, d. h. oftmals und langehin ,,nicht durchkommt" und sich vorläufig an das schon gesprochene Wort hält? Wohl ebenso wenig wie die Tatsache, daß die ,.Erstlinge des Worts", die aus diesem Gespräch hervorgehen, ihrerseits wieder - weil unübersetzbar - das Deutsche vor ein ,,NichtDurchkommen" zwingen. Zuletzt ist es angebracht, jemanden zu Wort kommen zu lassen, der mit Sicherheit weiß, wovon hier die Rede ist. Im Zuge der ZuIiickweisung einer Fehlauslegung des angeführten Satzes aus dem Spiegel-Gespräch - dergemäß Heidegger erklärt haben soll, daß "die Franzosen, wenn sie denn denken wollten, beginnen müßten, deutsch zu sprechen" - schreibt Fran~ois F~ier: »Als einer von jenen, die Heidegger gegenüber die Erfahrung einer wirklichen Schwierigkeit bekundet haben, vom Französischen herkommend den ganz eigenen Reichtum der deutschen Philosophie zu vernehmen, meine ich eine Auslegung des Satzes geben zu können, in welcher der Sinn genau umgekehrt ist. Denn mein ganzes Bemühen besteht allem zuvor darin, Heidegger ins Französische zu übersetzen - d. h. aber nicht: ein Äquivalent oder einen Abzug zu liefern [seil.: im Sinne der oben genannten Deckungsgleichheit, also eines französisch sprechenden Heidegger], sondern die selben Denkerjahrungen auffranzösisch zu ermöglichen [Hervorh. v. Verf.]. Demnach geht es keineswegs darum, jetzt anzufangen, deutsch zu sprechen, um in eine Art Übersprache einzustimmen. Heidegger sagt: ..wenn sie anfangen zu denken". In der Tat stelle ich fest, daß, auf dem Felde der Philosophie, in Deutschland zumindest seit Leibniz (der noch nicht deutsch spricht) und bis hin zu Husserl und Heidegger eine Schule besteht, an der wir lernen können. Mein Ziel ist es nicht, ein deutscher Philosoph zu werden, auch wenn die Auseinandersetzung mit der deutschen Philosophie mir eine unerläßliche Bedingung zu sein scheint für die Ausbildung jener, die gegebenenfalls dazu berufen sein werden, das Denken zu übernehmen. / In diesem Sinn meinte Heidegger jenen Satz - also keinerlei Wille zur Annexion. Wie oft hat er mir gegenüber auf das verwiesen, was die französische Sprache für ein noch unentfaltetes Denken aufbehält und das sich aus den Möglichkeiten der deutschen Philosophie nicht erschließen läßt.« (Fedier [1988], S.48f. Zur nochmaligen Verdeutlichung: der ..umgekehrte Sinn" ist jener, wonach es nicht heißt: um zu denken, müssen sie deutsch sprechen, sondern: sofern sie beginnen zu denken, lernen sie an der deutschen Schule.) Und weiter: »(Es ist schlichtweg absurd zu glauben, die deutsche Sprache sei für Heidegger eine Art Übersprache gewesen. Die Auseinandersetzung mit dem Griechischen brachte ihn ständig vor das Prekäre, nicht zu sich selbst Gekommene des Deutschen. Die Vorstellung, er habe auf andere Sprachen von oben herabgeblickt mit dem Vorwurf, sie seien noch unzulänglicher als seine eigene, ist nachgerade kindisch.)« (S.211) Siehe dazu auch Vezin (1987/88).
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Zweiter Teil: Was heißt "griechisch lesen"?
setz des Eigentums in seiner »Unabhängigkeit«156 mitentworfen ist, wird es für die "Völker rings" zum Hinweis als Weisung in die Not, je ihren verschlossenen Grund aus dem Bezug zur Offenheit zu entwerfen, d. h. in einmaliger Entsprechung diesen Grund im Unabhängigen als einen tragenden zu gründen. Das sich verbergende Geschick ist Rätsel. Dieses teilt sich je aus und zu in ein selbst rätselhaftes Bereitetes. Das Er-raten des Bereiteten bringt Rat. Rat ist, worauf wir in einer Beratung hören. Eine Beratung ist getragen vom Hören auf das Fragwürdige. Die verborgene Einigung des abendländischen Menschentums ist die Beratung im Hinblick auf die Zugehörigkeit in das Rätsel. Die Beratung aber ist Gespräch - Gespräch mit dem Überkommenen, Gespräch unter den jeweils übergänglichen Weisen des Sagens, Gespräch mit dem Unbekannten. Dieses Gespräch geschieht bereits als Übersetzung. Übergängliche Übersetzung, das verlangt zugleich äußerste Treue zur Überlieferung und reinste Loslösung in ein anders verpflichtetes Sagen. Nach seiner Rückkehr aus Frankreich schreibt der »deutscheste aller deutschen« Dichter an Böhlendorff: »Mein Lieber! ich denke, daß wir die Dichter bis auf unsere Zeit nicht commentiren werden, sondern daß die Sangart überhaupt wird einen anderen Karakter nehmen (... )«.157 Die Gelassenheit in den "anderen Karakter", den "präcisen, geraden, freien Gang" des ins Gesparte untergehenden Vaterlandes nennt Hölderlin das
Hineingehen:
Reif sind, in Feuer getaucht, gekochet Die Frücht und auf der Erde geprüfet und ein Gesez ist Daß alles hineingeht, Schlangen gleich, Prophetisch, träumend auf Den Hügeln des Himmels ( ... )158
GA55, S.379. Brief vom November 1802, HW-II, S. 920ff., hier 922. 158 »Mnemosyne«, 1,1-5, HW-I, S.437. 156 151
Dritter Teil
Das vorsokratische Denken des Seins Erstes Kapitel
Parmenides - Das tautologische Denken des Seins Im Anfang des griechischen Denkens geht das Ganze des Seienden als solches den Menschen in seinem Wesen an. 1 Fortan ist nichts mehr zwischen der überreichen Aufgehung des Seienden (~n)O't~) und dem, worin das Gehen und Stehen des Menschen auf der Erde beruht - beides west zueinander aus einem einzigen verborgenen Riß. Der in dieser Weise angegangene, in den Austrag des Sinnes einbezogene Mensch kann auf seiner Erde nur wohnen, sofern er das Seiende in seiner Gesamtheit (ta 7tavta) eigens in deren Wahrendes zurück- und so zugleich sich selbst inmitten des Seienden feststellt als der Gewahrende und Wahrende des Seins. Sein ist für diesen Menschen die im Hören auf das Wahrende zu bestehende Verwirklichung des Wohnenkönnens. Weil die Denker der v KEXo>ptO~evov15 - stehen muß: ein Singularetantum im Sinne der lassenden Anwesung; andererseits ist zu beachten, in welcher Weise dieses als es selbst Genommene auf das Anwesende - als das in gewisser Weise andere zu ihm - bezogen bleibt. Dabei zeigt sich: Das Mv im betonten Sinn des Anwesens-selbst west als das im Ganzen Anwesenlassende zwar als ein Anderes zum Anwesenden; zugleich spricht es sich immer gleichsam einwärts mit dem Anwesenden und für es (als ein Unverborgenes) zu - es kommt (west an) als die Herausgabe des Anwesenden, die zwar in sich selbst ruht, aber eben als eine solche Herausgabe, die sich rundet in der Mündung in das Herausgegebene, Damit soll - vermutungsweise - angedeutet sein: Das Etvat selbst wird als das Ö1troc; eonv zwar vernommen als solches, was nirgends unter dem vielfach Anwesenden, auch nicht als das höchste oder als sonst eine Modifikation desselben, schließlich auch nicht als dessen "Allgemeinstes" zu finden ist; und doch bleibt es, im Sinne einer ausdrücklich eingelassenen Differenz - ausdrücklich "genug", um es selbst in seinen Eigen- als Ab-Grund ausschwingen zu lassen, - nicht abgerückt von der Auffaltung der lückenlos-einigen Anwesens-Gänze von Anwesendem, Das Ö1troc; eonv, in dem das Ö1troc; den Sinn des EtVat der Mv'tu und das eon den Sinn des einzigen Ö1troc; hat, dieses einzige: Ja-doch-überhauptund-einig-Anwesen-! ist gleich schon, d, h, an-fanglich, dem Anwesenden anheimgegeben: Die Unabhängigkeit des Singularetantum ineins mit seiner Ausgesetztheit 14 Siehe Beaufret (1983), S.64: »[L'etrel nomme bien plutöt la singularite unique du rassemblement d'ou, transitivement a l'etant, advient atout, meme au divin, la mesure qui mantient tout dans ses limites,« 13 Siehe Fr, 108,
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Dritter Teil: Das vorsokratische Denken des Seins
ins Anwesende - das ist es, was im tO Mv spricht, im An-wesend als Anwesend: Anwesen selbst.
(Hier wäre zu fragen und zu bedenken: Wie fangt das Denken in Auseinandersetzung mit der Dichtung - ihrem "Unzureichenden" - an? Welche Entscheidungen fallen mit dem Einblick ins ev? Parmenides' rhythmisches Denken ist auch in diesem Sinne ein entscheidendes Dokument des für uns maßgeblichen Anfangs.) Sofern diese Erörterung in die Nähe des im Mv Erfahrenen gelangt, muß sie auch die Auslegung des elvat, wie sie bisher in der Erläuterung des Anwesens ausgearbeitet wurde, bestimmen. Anwesen ist Heideggers Auslegung des griechischen elVat; es nennt den im elVat waltenden entbergungszeitlichen Vorrang der Gegenwart. Zunächst ist das Gefüge des An differenzierter darzustellen. 16 Ein ausdrücklich gegenwärtig Anwesendes nennen die Griechen ein ltapov, sein Anwesen das ltape1vat. Ein Ungegenwärtiges im Sinne des Unzugegenen, nicht in die Nähe Herwesenden und insofern Abwesenden heißt dagegen altov (altEtvat). Ein Nicht-Gegenwärtiges und Unzugegenes ist aber auch das vordem schon und das künftig erst Anwesende (ta ltpo Mvta bzw. ta eooojlEva). Das in vielfältiger Weise nicht gegenwärtig Anwesende, das wir hier kurz als die alteovta bezeichnen können, ist mitnichten ein IlTt MV 17 im Sinne von etwas, was aus dem Mv herausfiele - welcher Sachverhalt sich weder sagen noch denken läßt -, sondern gerade auch, wenngleich ungegenwärtig, anwesend. Inwiefern? Insofern, als anwesen sagt: sich heranhalten im Innehalt des Unverborgen und auch alles Abwesende in gewisser Weise in die einzige Gegend des Innehalts herweilt und sich verhält: Das Ungegenwärtige steht in der Gegend des Unverborgenen aus ihr weg, es ist abwärtig unverborgen; anders west das Künftige und das Gewesene an, d. h. das nicht mehr und das noch nicht in der Gegend, im Gebiet des Unverborgenen Weilende: es ist als Verborgenes entzogenerweise in den von solcher Verbergung bestimmten Innehalt des Unverborgen bezogen. Diese Bezogenheit des anweilenden Entzuges meint, daß das Abwesende ein solches nur sein kann aus seinem Bezug-zum als Hereinstehen-ins Unverborgen; es gehört auf seine Weise zum Anwesen-selbst, sofern eben dieses und seine Gegend das nicht Anwesende als solches entbirgt. Ohne die Aufgebrochenheit des Anwesens selbst ist auch das Abwesen nicht vernehmbar. Das etvat ist griechisch aus diesem Gefüge von An- und Abwesen, Gewesen und Zu-Wesen (in die Wesung Kommen) gesagt. Der Sinn des gegenwärtigen Anwesens bleibt dabei, gleichsam als Drehpunkt und Bezugsfeld, bestimmend; das ltape1vat ist das ausgezeichnete Anwesen. Dennoch ist das elvat selbst nicht ein Allgemeines, das jeder Weise des Anwesens anders eignet, sondern das Eine von ltapEtvat-und-alte1vat - das Eine aber weder als übergeordneter Begriff noch als Zusammenstückung der unterschiedlichen Modi des Anwesens; sondern das elvat 16
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Siehe hierzu GA 5, S. 345 ff. Zum Sinn der 11ft eov'to siehe unten.
1. Kap.: Pannenides - Das tautologische Denken des Seins
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beruht - in der genannten transitiven Weise - im Spie}!8 als dem einenden, zusammenhaltenden Streitenlassen von An- und Abwesen, von ab- und gegenwärtigem sich Halten in der Entborgenheit. Das An selbst ist die im Spielenlassen ausgetragene Unverborgenheit; die Wirklichkeit des unumgehbaren Immer-schon-Aufgeschlagenseins des dimensionalen Spiels von Heran-und-Hinweg, zu dem, als dem einzigen seines Ranges, nirgendwie ein Außerhalb und Sonstnoch denkbar ist. Dabei meint das An als Gegend notwendig das verborgen Anwesende - das Verborgene - mit. Das Elvat als das einige Sich-Verhalten-Kommen im Innehalt, hat übergängliehen Charakter: das Verhalten ist ein sich Halten im Übergang, 19 als welcher der Innehalt selbst sich zeit-räumlich erstreckt (weitet). Daß Anwesen sich im Verhalt des Übergangs hält, soll nicht sagen, daß so etwas wie ein sonst immer fließender Übergang zum Stehen kommt und derart das in eine Ständigkeit festgesetzte und darauf fußende Vorhandensein möglich macht; vielmehr macht der Übergang als Statt-habender Verhalt das Wesende des Anwesens aus. Die Ständigkeit im vergehenden Jetzt (Vorhandenheit) ist der Entzug des entbergungszeitlichen Geschehens und nur eine Modifikation der eigentlichen Fülle des übergänglichen Weilens und Wahrens. Der so unparmenideisch anmutende Begriff des Übergangs (in Heideggers Anaximander-Auslegung als Bestimmung des Anwesens gebraucht) sei bereits an dieser Stelle eingeführt gegen jedwede Vorstellung einer (weil »unentstanden« und »unvergänglich«) in "Ewigkeit" erstarrten "Seinssphäre" - wobei freilich zu klären bleibt, inwiefern hier sowohl die Idee eines Feststehens ("Sein") als auch die des Verfließens ("Werden") an der Sache des EOV vorbeigeht. Um dem hier gemeinten wesentlichen und einzigen Sinn der Übergangs in einem ersten Schritt näher zu kommen, ist noch einmal zu unterstreichen: Der in diesem Zusammenhang genannte Verhalt darf nicht als die zeitweilige Unterbrechung einer Bewegungsfolge angesehen werden. In der Ruhe des Verhaltens und Innehaltens sammelt sich ursprünglich die Bewegung. Ver-halt sagt die sammelnd-freigebende Haltung (verbal), die im Innehalt- und Weile-Geben (im Statt-Geben) sich ver- und also zurückhält und so gerade eigentlich (transitiv) hält. Der Übergang als das Wesende des Anwesens meint dieses in die Gehaltenheit lassende Verhalten als in sich gehendes (und insofern sich verhaltendes) Offenhalten der ganzen Weite des Unverborgen. Der Übergangs-Charakter geht auf die innere Bewegtheit der transitiven Ruhe selbst, den im Rückgang, in der Rückverwachsenheit des Verhalts in sich selbst, bereichhaft offenen Vor-behalt der haltenden Gewährung von Anwesen. Der Vorbehalt ist die Verfügung über das Anwesen im Sinne seiner Verfügtheit in die Verweigerung von Gewesen und Zuwesen; der Vorbehalt, diese Zurück-Haltung des Wegsamen (Zurück-Haltung, weil hier ein Innehalten in der Weise des reinen Zurückge18 19
Siehe Beau/ret (1973), S.63. Siehe GAS1, bes. S.108ff.
7 DeGennaro
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Dritter Teil: Das vorsokratische Denken des Seins
hens west) ist das anfänglich Bestimmende, das eigentlich Lassende allen Anwesens. Aus dem Vor-behalt hält die Übergänglichkeit als Wesenheit des Mv das Anwesen in die gesammelte und allem bloßen Dauern oder Vergehen rangmäßig vorgeordnete Ruhe des erfüllten, Statt-habenden Weilens in der Entborgenheit. In dieser Gesammeltheit hebt sich das Über-gängliche zugleich wie sonst nichts von der mit dem linearen Zeitfluß flüchtigen Ver-gänglichkeit ab. Lesen wir das Übergängliche der Weile vom Vorbehalt her, d. h. von der Einzigkeit des anwesenlassenden, überwaltenden EV, so beginnt einsichtig zu werden, inwiefern Anwesen weder als ein bloßes Dauern noch als ein bloßes Vergehen auslegbar ist. Denn Wesen meint jetzt den zurückhaltenden Aufenthalt; die transitive Verweilung (ver-weilen = in die Weile sammeln) alles Anwesenden; dessen (gewährende) Sammlung ins Währen: die Ver-haltung ins Weilen. Eine solche Verweilung "hat" selbst keine Dauer - weder ewig noch begrenzt; auch "ist" sie nicht so etwas wie "reine Dauer" oder - weil "übergänglich" - "nur Fluß". Entstehen und Vergehen und Immerwähren - verstanden aus den vom Entbergungsgeschehen abgelösten Mv'ta - kommen der wesenden Zeitigung und einzigen Verweilung nicht zu. Das vuv des Mv (VIII, 5) meint nicht die Aktualität der Gegenwart als Jetzt, sondern das allem gegenwärtig, gewesen, künftighin Anwesenden als dessen Beziehung und Wendung ins Unverborgene, als dessen (im weitesten Sinn gefaßte) Gegen-Wärtigung Zurück-Liegende - das Zurück-Liegende des aufgehend-insichgehenden (und derart) transitiven Anwesenlassens. Im Übersetzen ins Anwesen-selbst besagt Wesen: aufgehend-sichverhaltender Innehalt: Übergang. Der Übergang - transitio, transitus - nennt nicht die Bewegung und Veränderung von etwas zu etwas (hinsichtlich der Beschaffenheit, des Ortes, der Zeit usf.). Das Wort meint das Anwesen aus dem überwaltenden Vorbehalt und damit schon den Verhalt des Anwesenden im Ganzen. Die Mv'ta wesen an, d. h. halten sich übergänglich her in die Nähe des Innehalts: übergänglich, weil einander unverborgen zugekehrt und -gehalten aus der überall sich verhaltenden (entziehenden) Versammlung - aus der Entbergung, welche Gegenwärtiges, Künftiges, Gewesenes aufeinander verweisen, auseinander her-vorgehen und ineinanderspielen läßt. Diese Unverborgenheit stellt nicht den Behälter dar oder den Hintergrund für die Knüpfung eines Bezugsgeflechts zwischen Vorhandenem, sondern sie meint das ent-stehend in sich stehende Einigungsgeschehen selbst der Zueinandergekehrt- und -gehobenheit des Anwesenden, von welchem ein jedes im sich verhaltenden Statthaben der je eigenen, zurückgesammelten Weile übergänglich sich hält: Das Gegenwärtige übergänglich zueinander im ausgezeichneten Aufgang, über-gewandt ins Gewesene und über-stehend ins Kommende; das Gewesene und das Kommende selbst wieder anders übergänglich im Verhalt. - Übergänglich anwesend: nicht: durchlaufend das kurze Zwischenspiel zwischen Entstehung und Verfall, sondern: herstehend, wegstehend in die transitive Einheit als Ursprung. Was gegenwärtig anwest, hat nicht die Herkunft hinter sich und vor sich den Untergang, sondern beides bei sich als Ursprung.
1. Kap.: Parmenides - Das tautologische Denken des Seins
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Mit der Charakterisierung des Anwesens (Mv) als Übergang kommen wir nicht von ungefähr in die Nähe der Ausführungen zum Anfang als der Offenheit des Seins. Denn im Anwesend (Unverborgen) als dem Statt-Haben der weilenden Verhaltenheit spricht am ehesten verhüllt schon mit die jeweils beanspruchte Unverborgenheit, welche, als solche erfragt und gehoben, nichts anderes nennt als das Anfangliche, Entspringen-lassende des Anfangs als Mv. Dieses Ursprüngliche aber bleibt im Anfang unausgelegt, ungesehen, nicht freigegeben zu ihm selbst. Wir müssen genauer sagen: Der Anfang beruht (für uns) im Ansichhalten des Entbergungsgeschehens im Stattgeben dem Ver-halt. Griechischer gedacht meint das Weilen aber das Statthaben des Sichhaltens im Übergang, dieser das Geschehen des ankünftigen Herstands ins Unverborgen. Eine schärfere Bestimmung der hier waltenden Züge des Anwesens - der zeitliche des Sichverhaltens, der räumliche von Verstattung und Bereich - ergibt sich aus der Erläuterung dessen, wogegen das Mv als anfangliche Dimension des Denkens sich abhebt, nämlich Nichtsein und Schein.
§ 10 Das Anwesen des Anwesens gegen Unanwesen und Schein Das Anwesen-selbst ist einzig-eins: der ursprünglich-ständig sich dimensionierende ruhende Wesensraum. In dieser seiner Einzigkeit behauptet sich das Mv zum einen in der ausdrücklichen Fest-Stellung des Nicht-Anwesens von Nicht-Anwesen (Il"; Mv, Il"; dvat), zum anderen auf dem Wege der Abhebung gegen das Vielerlei des vielerart Her- und Wegwesenden (denn als Gegenwart ist es all-zumal, einzig einend einig / sich in sich aus sich sammelnd (zusammenhaltend voll von Gegenwärtigkeit).« 31 Ein rechtes Denken des Un-Weges verbietet es, das Unanwesen vorzustellen als das Nichts (von Seiendem), in das hinein dann etwas (Seiendes) entstehen kann.
1. Kap.: Pannenides - Das tautologische Denken des Seins
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'taircov 't' tv 'ta'irtoot 'tE ~vov Ka9' ta'\Yto 'tE KEt'tat xoÜ't~ EJ.lltEÖOV au9t ~VEt·
(VIII, 29-30) »selbig und im selbig verweilend und in ihm selbst es ruht« oder »Selbes im Selben wohnend liegt in ihm selbst«32 [und unerschüttert daselbst so ver-weilt es.]
Dieser Vers vm, 29 läßt sich gewiß am einfachsten so lesen, daß er wiederholt und in stets neuen Anläufen sich um die eigene Achse dreht, um mittels solchen Nachdrucks gegen jede Infragestellung das sture, abgerundet-abgeschlossene in sich und für sich selbst Sein des Mv zu behaupten. Bei einer solchen Lesart verstehen wir mit Sicherheit etwas von einer hochgradigen Standhaftigkeit sowie von einer nachgerade autarken, ausschließlichen Selbstheit - nur: nichts vom tov. (Das Sein - wir wissen nicht, was das ist [was soll es auch groß sein?]; immerhin aber ist es laut Parmenides offenbar auf immer unverrückt verharrend in seiner Selbstbezüglichkeit.) Heidegger gibt in seiner Erläuterung einen entscheidenden Hinweis: »Dieser Vers ist selber eÜKtlKÄO"ivtovoC; in die apllovia mit hineinnehmend) als »gegenstrebiger Einklang«I27. Im Gegenstrebigen als dem wechselweisen Gegeneinander liegt ein Wesensgesetz des anfänglichen Denkens überhaupt; es ist das Waltende im Bezughaften des Anfangs. Das Gegenstrebige zeigt bei Heidegger in das ausgesetzte Gegen-gehen als Weise der Selbstgewinnung, des sich Zurückstellenlassens in die Wesens grenze des Selbst, wobei Aussetzung gerade meint: sich übereignen dem ereignenden Beziehen der Wesung. Alles, was Heidegger in den Worten "Gegeneinander", "wechselweises Gegenüber", "gegenstrebig", "gegenwendig", "widerwendig" usf. anzeigt, gehört auf je verschiedene Weise in den Bereich des Palintropischen. Das gilt - eben weil hier der Anfangsbezug selbst gedacht ist - nicht nur dort, wo, wie stellenweise bei Heraklit, ausdrücklich von 1ta:>..ivtpo1toC; oder 1taAivtovOC;, von EptC;, 1to:>..ElloC; usf. die Rede ist, sondern auch für das te - Kai in Parmenides Fr. m (tO yap aUto voetv EO"tiv te KaI. elvat), für das dem heraklitischen CPt:>..E'iv verwandte ötMvat (ÖiKTlV KaI.) tiO"tv aUTt:>..otc; bei Anaximander (Fr. 1 DK) und überhaupt für alles Gestaltnehmen im in sich einigen Hin und Her der Auseinandersetzung. Bei all dem bleibt stets zu beachten, daß dort, wo, wie etwa in Heideggers Kunstwerk-Abhandlung, von so etwas wie dem »Gegeneinander von Welt und Erde« oder dem »Gegen wen126 In der tensio als (stimmender) Bezug, in derextensio als ursprüngliches Auseinander (die aufgehende Weite) spricht zugleich der M>Y0C; als EV ltov'ta. Über diese Zusammenhänge siehe Zaccaria (1999), V. a. S. 395 ff. 127 GA 39, S. 124. (Für den zusammenzubringenden Einklang der Symphonie hat das !pcovetv der Stimmen sich in ein cnJl.UPCOVEtV zu fügen, das niemals aus der Zusammenstellung einzelner Stimmen resultiert; indem sie im Gesetz des Einklangs untergeht, erklingt die einzelne Stimme erst vollendeterweise aus sich selbst [als ein Part der fügenden Partitur].)
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Dritter Teil: Das vorsokratische Denken des Seins
dige[n] von Lichtung und Verbergung«128, oder aber vom »widerwendische[n] Wesen im Bezug des Menschen zum Sein«129 die Rede ist, diese Bewegung zwar eine im Zuge der Auslegung des Griechischen gelernte ist, als derart gelernte nun aber verwandelterweise in einer nicht mehr griechischen Dimension bzw. Weise sich austrägt und spielt. Dem Aufbrechen dieser neuen Weise entspricht die Verwandlung des Gegenwendigen und Wechselweisen in den Gegenschwung und kehrigen Bezug. Worauf jetzt näher einzugehen ist, ist das Verhältnis von Ruhe und Bewegung in der 7taA.ivtpo7to~ apllOviTl. Denn das Gegenwendige-des wechselseitig holenden Gönnens waltet in der Weise der verhaltenden, reirV»erstrahlenden« Fügung, dieser Innehalt aber währt nur heraus aus dem Geschehen des Widerstrebigen. Mehr noch: je entschiedener und ausgreifender das Gegenstrebige in wechselweise gönnender Umkehr sich fügt, desto tiefer west, in sich ruhend, rein aus ihm selbst gesammelt, der Verhalt. Tiefste Ruhe und großzügigste, freiholendste Gegen-führung sind hier eine die Weise der anderen, sind zusammen die eine Weise des gebändigt überfließenden, unerschöpflich sich aus ihm selbst heraufholenden in sich zurück sich vertiefenden Verhalts des eov. Wenn Heidegger sagt: »zurückspannend ( ... ) west die Fügung«, dann ist das "wesen" tragend und besagt: Aus dem tiefsten und weitesten In-sich-Durchschwingen (sich gewinnend): aus sich geweitete innigüberfließende Ruhe. (Das Aus- und Durch-, Hin- und Herschwingen: das Freimachen, Roden, Lichten.) Sofern das Denken im vorhinein dem inneren Gesetz des Widerstrebigen entspricht, mag es sich in einem bildhaften ,,Beispiel" und Hinweis auf das Gedachte vollenden. Das sich Vollenden heißt dann gerade nicht, daß der bildliche Vergleich dem Denken auf die Sprünge helfen, ihm als Krücke dienen oder es erst ins Ziel führen müsse; schon gar nicht, daß das Bild selber angestrebtes Ziel des Denkens sei; vielmehr befähigt erst das ganz und gar bildlos 130 vollzogene Übersetzen in das zu Denkende zur bildhaften Anzeige, zuvor noch: zur "Bemerkung" einer solchen Anzeige im Seienden und verleiht diesem seine eigentümliche, im Blick auf das Wesentliche erst aus diesem selbst erweckte Zeigekraft. Während Maßgabe und Erschließung ganz im Bildlosen bleiben, darf jetzt das sich zuspielende Bild die gewonnene Einsicht gleichsam abrundend sich bewähren lassen im "Wunder" der Stimmigkeit seines Deutens ins Unvergleichliche, welches Deuten nun nichts als die Bildunbedürftigkeit des sich andeutenden Gedachten vollends zum Strahlen bringt und zugleich das Geheimnis des sich Verwandelns des Wesenhaften ins Bild. In dieser Weise vollendet das Überflüssige des stimmigen Bildes das Denken: als ein Geschenk des Überflusses, dem das Denken als solches entspricht. 128 Der Ursprung des Kunstwerkes, in: GAS, S. 1-74, hier S. 35 bzw. 49; siehe auch S.41 f., S.50f. 129 GA51, S. 88. 130 Siehe GA55, S.146.
2. Kap.: Heraklit - Das palintropische Denken des Seins
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Folgende, aus der künstlerischen Besinnung auf die Komposition eines Gemäldes stammende Darstellung mag für die Verdeutlichung des Gesagten hilfreich sein: Wenn ein solches Gebilde sich vor unsem Augen nach und nach erweitert, so tritt leicht eine Assoziation hinzu, welche die Rolle des Versuchers zu einer gegenständlichen Deutung spielt. Denn jedes Gebilde von höherer Gliederung ist geeignet, mit einiger Phantasie zu bekannten Gebilden der Natur in ein Vergleichsverhältnis gebracht zu werden. Die assoziativen Eigenschaften dieses Baues, der, einmal gedeutet, schon nicht mehr ganz dem direkten Willen des Künstlers entspricht (jedenfalls nicht mehr der intensivsten Stelle seines Wollens), diese assoziativen Eigenschaften sind der Ursprung zu leidenschaftlichen Mißverständnissen zwischen Künstler- und Laientum geworden. Wahrend der Künstler noch ganz Bestreben ist, die formalen Elemente so rein und so logisch zueinander zu gruppieren, daß jedes an seinem Platze notwendig ist und keines dem andem Abbruch tut, spricht irgendein Laie, von hinten zuschauend, schon die verheerenden Worte: "Der Onkel ist aber noch sehr unähnlich!" Der Maler denkt sich, wenn er disziplinierte Nerven hat: "Onkel hin, Onkel her! Ich muß nun weiterbauen ... Dieser neue Baustein", sagt er sich, "ist zunächst wohl etwas schwer und zieht mir die Geschichte zu sehr nach links; ich werde rechts ein nicht unbedeutendes Gegengewicht anbringen müssen, um das Gleichgewicht herzustellen." Und er setzt hüben und drüben abwechselnd so lange etwas hinzu, bis die Waage nach oben züngelt. Und ist dabei heilfroh, wenn er die rein begonnene Konstruktion einiger guter Elemente nur so weit zu erschüttern brauchte, als Widersprüche als Kontraste in ein lebensvolles Gebilde einmal hineingehören. Aber: früher oder später kann sich bei ihm auch ohne die Zwischenbemerkung eines Laien jene Assoziation einstellen, und nichts hindert ihn dann mehr, sie zu akzeptieren, wenn sie sich unter einem sehr zutreffenden Namen vorstellt. 13l
"Auch ohne die Zwischenbemerkung eines Laien" spielt sich aus dem Einblick in die 1toAivtovo01tEP tO~OU KOt AUPT\ 7tapE~ tOU MvtoC;, E7tEt tO YE Mo'ip' E7ttÖT\O'EV OUAoV OKivT\tov t' EflEvat. ,,Nichts außerhalb" sagt demnach: alles in der Weise des wahrenden Geschicks. Das aus sich, das selbig sich Eingrenzen meint nicht, daß die Gegend selbst sich mit einer Abgrenzung gegen Anderes umschließt, sondern als be-gegnende schickt (und d. h. verbirgt) sie sich in die fügende Wendung jeweiliger Weite, in den gewährten Bereich übergänglichen Aufenthalts. 1s9 Die Grenzen (7tEipata) sind selbst wieder gegendhaft, weil Grenze im Bereich des ä7tEtpOV als opxit einzig heißt: sich verbergendes Bergen - das sich entziehende und so »vieles aufbehaltende« Vonwoher und Wohinein der fügenden Wahrnis: Die Versagung von Grenze begegnet als begrenzende Bergung - begrenzend, sofern die ins abgehobene Anwesen einlassende Bergung sich selbst verbirgt; diese Begrenzung west aus dem Rückgang und verdankt sich allein dem, daß die Verbergung im Aufgehen wesen kann. Die xropa ist in ihrem xcopi~Etv das selbig sich eingrenzende Begrenzen, in die Grenze her Stellen, das »in eine umgebende Umgegend, in eine Gegend bringen und aus dieser Gegend her anwesen lassen«l60 - das wahre Vorliegenlassen im Unverborgenen. Das jeweilige KEXcoptOJ.1EVOV west an als ein ~taCPEPOflEVOV und KataAT\cp9Ev (Fr. 66), als abgehoben und geschieden, eingelassen und verlegt in die zusammengehenlassende Gegend - als ein Anwesendes in seiner Klarheit. Nun ist aber das KEXcoptO'!!Evov in Fr. 108 gesagt vom O'ocp6v, also mit Blick auf den AoyoC;. Deshalb ist die Form viel eher medial im Sinn des genannten aus sich sich Eingrenzens zu lesen. 161 Medial sagt xcopi~Ollat ein sich Scheiden und sich Entfernen, aber in der Weise des in sich zurückgehenden aus sich heraus Beschickens mit (sich als der) Gegend, des sich in die Feme bergenden und aus der Entgegenwendung der sich bergenden Ferne alles nähernden Räumens - wörtlich: das begeg158 GA 55, S.335; Hervorh. v. Verf. In ihrem Gegnen verwandelt sich (al!€il3e'tat) die Gegend in das Gediegene des Anwesenden in seinem Anwesen. Die Gegend ist Gegenwart im weitesten Sinne der weichenden Zeitigung-Räumung (s. u.). 159 Heidegger unterscheidet die so verstandene Gegend vom Ort ('t01tOC;). Dieser meint die »an bestimmter Stelle in besonderer Ausmessung und Abgrenzung in Anspruch genommene Gegend ( ... ) In den Orten selbst und darin, wie sie die Umgebung innehalten, kommt das verborgen Fügende und Prägende der Gegend zum Vorschein, ohne daß sie doch eigens ein >Gegenstand< wird.« (GA 55, S. 335 f.) Mit anderen Worten: EIl: t01tCOV xropa Kai. EK xropac; t01tOl. 160 GA55, S. 336. 161 Siehe GA55, S. 337f.
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Dritter Teil: Das vorsokratische Denken des Seins
nende aus sich selbst heraus sich Öffnen zur bergenden Gegend ("zur" wie in: werden zu): Xropi~Ecr9at und AEYEtV (und xpdcr9m - Gegend und Hand) sagen dasselbe. Tc) ltavtrov lCEXroptcrj.ltvov heißt dann: das in Beziehung auf die Gesamtheit des Anwesenden sich immer schon räumend-weitend in sich zurückgenommen habende und als derart unnahbares erst eigentlich umgebende (bergende) Begegnen - das crocpOv west »im Bezug auf alles Seiende aus seiner (eigenen) Gegend«. (Die eigene Gegend ist nicht noch eine weitere, nun aber dem crocpov vorbehaltende Gegend, sondern im "eigenen" ist die Rückkehr in der Gegend des Seienden genannt; die unscheinbare Gegend, in die alles gehört, ist dem aoipOv zueigen.) Die derart als der ursprüngliche Zwischen-Raum bestimmte Gegend können wir die Gegenwart nennen. 162 Das meint hier wörtlich das Anwesen-selbst als die Gegen-hin-wendung-zu, u. zw. gegenhin nicht aus einer gegenüberliegenden Lage und hin-zu nicht zum Menschen, sondern entgegen im Kommen der Herwendung des sich öffnenden Offenen, das be-handelnd (vorlegend-wahrend) hinkommt zu allem aus solcher Entgegnung Anwesenden (freilich zum Menschen in solcher Weise, daß dieser in die Begegnung als solche gebracht ist und aus der Vollbringung der Gegend erst in sein Menschsein tritt). Das Wesen der Gegenwart, »in die alles und jedes versammelt und verwahrt ist [und] aus der her - als der Gegend schlechthin - jegliches aufgeht und sein Hervorgehen und sein Untergehen, sein Erscheinen und Verschwinden, empfangt«163, das Wesen der so verstandenen Gegenwart ist das entgegenkommende Gegenwarten; im Warten ist neben der Wendung zugleich das Hüten und Wahren mitzuhören. (Die Wahrnis: das Entgegenkommende schlechthin.) Dieses Gegenwarten »gegnet«l64 aber (d. h. kommt gegendhaft versammelnd entgegen) allein aus ihm selbst, d. h. abgründig, d. h. niemals in irgendeiner Weise im Vor- oder Rückgriff, in der Stützung und Festlegung auf Seiendes; es west zurück in seine Entgegenkommnis als das gegenkünftige Herausbringen der lCEX,roptcrj.ltva in ihre jeweilige Gegend und Zeit. Tc) lCEXroptcrj.ltvov, die beziehend ganz bei sich bleibende, in die Zugehörigkeit einholende Feme und Gegend trägt aus, unterscheidet die ltavta ins gesammelte Anwesen. In Fr. 41 wird das crocpOv als EV, und somit wieder im Verweis auf den Aoyo(, in Fr. 50, von der yvrollT\ her angezeigt:
Ev 'Co ao$6v, E1tia'Coa9at YV~l]V, €cr9at (sich nähren, wachsen) und meint ein wesentliches "Erstarken", nämlich aus dem sich GehörenLassen ins Wesen, dem sich das Maß Geben-Lassen und sich Fügen ins Waltende. Dieser Sinn des ioxupi~€cr9at ist belegt in Fr. 2, welches ebenfalls vom ~'UVov spricht und hier ebenfalls nur nach einer begrenzten Hinsicht in Betracht gezogen wird: lito Ilet E7tea9at teil ~'\lVeil. toii A.6yO\) Il'eovtocn, taÜ'ta a\rto'i~ ~Eva ~aiVetaLI94 Dem sie am meisten, ihn austragend (austragsam) zugekehrt sind, dem A.6yo~, (gerade) mit dem bringen sie sich auseinander, - worauf sie tagtäglich treffen, (eben) dieses ihnen fremd erscheint,195 Dem sie am meisten, von ihm durchgängig getragen, zugekehrt sind, dem Aoyo;, mit dem bringen sie sich auseinander; und so zeigt sich denn: das, worauf sie täglich treffen, dies bleibt ihnen (in seinem Anwesen) fremd. l96 Der Teil des Spruches, der das in Fr. 45 Gesagte anders wieder aufnimmt, sind die Worte bis IhacpEpOVtat. Die Rede ist vom A6'Yo~ als solchem, womit sie (die Menschen) am meisten Oj.ltAoUat, Umgang haben, bzw. wobei sie sich am meisten aufhalten, u. zw. St1'\VElC&~: durchgängig, unablässig, fortwährend. At1'\VElC~ ist gebildet aus SUI und EVE'YlCE'iv, welches als Aorist zu CPEPEtv (tragen) steht. AUI meint hier soviel wie durch-hindurch, SWCPEPEtv entsprechend durchtragen, u. zw. mit dem Grundton des "durch-und-durch", "ganz durch", "bis zum Ende", wie er im Wort Austragen anklingt, so daß Heidegger St1'\VElC~ mit "austragsam" übersetzt. 197 Am meisten, nämlich mehr als bei jedem Anwesenden, mehr, weil im Grundbezug ihres Wesens, verweilen die Menschen in der Weise des Austragens beim Sux selbst als der Versammlung ins Durchgängige. 194 Nach ol1tAoilcn steht bei Marc Aurel: A.6YC!> t ta ÖA.a Otot lCoilvtl - dem A.6yo~, der das Ganze des Seienden verwaltet (ihm die Stätte bereitend es durchwaltet). Die Meinungen darüber, ob das A.6YC!> heraklitisch sei, sind geteilt. Hier wird es (u. a. mit Diels, Reinhardt, Diano, Held) in den Spruch aufgenommen. Schwierigkeiten mit einer derartigen Lösung haben freilich all jene (siehe jedoch Diano, S. 109, der übrigens den gesamten zweiten Teil als unecht ansieht), die A.6yo~ durchweg als Rede auffassen, von welcher Rede sich in der Tat nicht einsehen läßt, wie sie dazu kommen mag, "die Welt zu regieren" (siehe dazu Conche, S. 65). 195 GA55, S.318f. 196 VA, S. 272. Der Spruch ist auch angeführt und übersetzt in EiM, S.99. 197 »Das, was ausgetragen wird, bei dem verweilen und das bewahren die Tragenden in irgendeiner Weise (00') Das Austragsame ist die Auszeichnung des Verweilens bei etwas (00')« (GA 55, S. 319). Verweilen bei etwas heißt niemals nur: in Anwesenheit von etwas auch noch mit danebenstehen.
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Dritter Teil: Das vorsokratische Denken des Seins
Angesichts der hier waltenden Bezüge ist von einem Weilen-bei im strengen Sinne nicht zu sprechen. Auf das sich von sich aus Erbringen des 01.0 ist der Mensch allem zuvor und im Wesen, es mitvollbringend (offenthaltend, durchtragend), versammelt. Zugleich ist das sich Erbringen des 01.0 - die einzige Einigung -, was dem Menschen die Wege des Wegsamen herträgt und durchhält und so den Menschen selbst in seinem gehenden Wesen durchweg weiterträgt. Weil das selbe eine (gegenwendige ) Geschehen des Austrages mit dem Ol.llVEIC~ angesprochen ist, dieses aber nach zwei Hinsichten ausgelegt werden kann - nach derjenigen des Aoyor; und nach der des menschlichen AOyor; -, deshalb ist sowohl die Übersetzung mit "ihm austrag sam zugekehrt", als auch die mit "von ihm durchgängig getragen" möglich; wo auch die eine der anderen vorgezogen wird, sind beide stets zusammenzudenken. 198 Die wesenhafte Zukehr keht sich in dem, was folgt, in die Abkehr um: 'tou'tO>l. otacpepov'tat - mit diesem, dem sie, als dem sie durchgängig Tragenden, austragsam am meisten zugekehrt sind, gerade mit diesem, mit dem Aoyor;, otacpepov'tat, bringen sie sich auseinander, von diesem wenden sie sich ab. Das selbe Wort OtacpepEl.V sagt - in nunmehr partitiver Bedeutung des 01.0 - das sich Wegtragen, sich Auseinanderbringen und Entzweien (ol.acpopo - der Streit, die Verschiedenheit). Anders als im Fall des OtacpepEtV der Gleichrangigen, das bisher begegnete, ist dieses Auseinandergehen nicht ein Eingehen ins eigene Wesen der je verschiedenen Gehörigkeit ins Selbe. Allerdings meint auch hier die Wegwendung keinen Schnitt, kein Auseinanderfallen in die gegenseitige Abgesondertheit; denn das Wovon-weg des OtacpepEaSat ist gerade die Gegenwart, von der gilt: 1t~ clV 'tl.r; A.o8ol.; Das otacpepEcr8at sagt, auf welche Weise das OUIC E~E'UpicrJCEl.V geschieht: Auf seinen Gängen hält sich der Mensch in einer Abgewandtheit, kehrt sich in einem fort ab von dem, welchem er wesenderweise zugekehrt ist. Dieses sich Auseinanderbringen ist die Abkehr von den äußersten Ausgängen in die entgegenkommende Versammlung und d. h. auch vom Bergenden der äußersten Ausgänge - davon, daß, wie das Fr. 21 sagt, 8ovmor; Ecrnv oICocra EYEp8ev'tEr; OpeollEv (... ), was wir als Wache ständig schauen, (der) Tod iSt. I99 Das Ge-birg der Gegenwart wartet weiter entgegen und west doch ab, bleibt in gewisser Weise - statt mächtig aus der Reinheit ihres Unscheinbaren - unmächtig und verschwunden, überschattet in seinem bergenden Durchdunkeln des Anwesens. In dieser Weise ist der Aoyor; als gegenwärtiger, ist die Gegenwart selbst abwesend. Die Wendung "abwesende Gegenwart" will nicht eine paradoxe Struktur anzeigen, nach der Art: gegenwärtig und doch (was das Gegenteil davon ist) abwesend. Sondern gesagt ist eine bestimmte Weise des Verborgen- und Verhülltbleibens 198 Die erste Übersetzung expliziert das am meisten zugekehrt Sein von der Weise der Zukehr her, die zweite vom Wohin der Zukehr. Das austragsame Zugekehrtsein geht in den Austrag; das durchgängige Tragen trägt ein ertragendes Durchgehen: es waltet der durchgängig kehrige Austrag als Unterschied. 199 Das Fragment fährt fort: ... ()1coaa Ili:: EOOOV'tE~ Ü1tvO~. Diels übersetzt: Tod ist alles, was wir erwacht schauen, was aber im Schlummer, Schlaf (Dämmerung).
3. Kap.: Heraklit - Das homologische Denken des Seins
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des sich verbergenden Bergens: jene, wonach dieses Bergen sich derart entzieht, daß es vergessen und das Anwesende von ihm verlassen bleibt. Abwesende Gegenwart sagt: nicht an-wesende Gegenwart, sagt: nicht ins Anwesen geborgene Gegenwart, sagt: Anwesendes "ohne" Gegenwart. In seinem BtacptpEaeat vergißt der Mensch den Aoyor;, d. h.: er vergißt sich selbst hinsichtlich seines Gegenwarts-Bezuges. Er vergißt sich selbst, d. h. er bleibt sich selbst verborgen hinsichtlich dessen, daß sein Selbst eigentlich bestimmt ist aus dem in die Wahrung gewiesenen, wahrenden AOyor; der 'I''llxiJ. Im BtacpEpEoSat herrscht die Vergessenheit, in welcher dasjenige, dem der Mensch unausgesetzt austragsam zugekehrt bleibt, statt als verborgenes sich zu zeigen, in seinem Ver-bergen erlischt, und das Anwesende, dem der Mensch sich selbstvergessen zuwendet, in seinem Anwesen erloschen (ungeborgen, unwahr) ist. Beides, Vergessenheit des Aoyor; und Verlassenheit vom Aoyor;, gründen in ihrer Zusammengehörigkeit im Grundzug des sich Verbergens. Ver-Iassenheit vom Aoyor;: das Gegenwort zur ver-spielten Ein-gelassenheit: die aus dem Verhalt heraus gelassene Ausgelassenheit (also selbst noch eine Weise des Lassens und in der Vollendung der Metaphysik gerade der Anklang des Ereignisses). Diese Verlassenheit ist, wiederum mit Blick auf den Bezug des Menschen, im zweiten Teil des Spruches gesagt: »... und so zeigt sich denn: das, worauf sie täglich treffen, dies bleibt ihnen (in seinem Anwesen) fremd.« otr; ... taiYta, das meint das KaS' ';lJ.€pav, alltäglich, begegnende Seiende - alles, was irgendwie aus der Gegend anwest. Indem das Kai als "und so zeigt sich denn" expliziert wird, soll deutlich werden, daß dasjenige, was über den Bezug des Menschen zum Anwesenden gesagt wird, aus dem Davorstehenden hervorgeht, daß also das Kai konsekutiven Sinn hat in der Weise einer Wesensfolge: Weil die Menschen sich zumeist von den offenstehenden äußersten Ausgängen herum- und wegreißen; weil sie sich ins unbeendete Anwesen zurückfallen lassen und sich dem so Anwesenden verschreiben und so die Ausgänge gewissermaßen mit dem Anwesenden verschließen, deshalb erscheint ihnen, worauf sie in ihren täglichen Verhaltungen treffen, in einem fremden Licht (dem "Anwesendes-und-sonst-nichts-Licht"). 3Eva will hier kaum heißen, daß das täglich Angetroffene bei den es Besorgenden Befremden auslöst. Im Gegenteil: Indem das »ruhige Licht«2°O der unscheinbaren Fügung überdeckt ist vom vordrängenden Schein der lichtungslosen Anwesenheit, steht das Erscheinende als solches und von ihm selbst her (auto'ir; cpaivEtat heißt hier nicht "scheint ihnen" i. S. v.: "kommt ihnen vor") in einem abgestumpften, nicht aus dem Durchlaß geleichterten, hellen Licht; in einem Licht, das nicht in Ergrenztheit herhebt, sondern in dumpfer, unterschwelliger Aufdringlichkeit begegnen läßt. Dabei ist das Erscheinende zumeist sehr wohl vertraut, umgänglich, aufgehend im Gebrauch, bald unauffällig bald offen aufdringlich, bald bekannt bald ungewohnt, als bloß Anwesendes also gerade ganz und gar nicht fremd im Sinne des 200
GA 55, S. 327.
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Dritter Teil: Das vorsokratische Denken des Seins
Ungewöhnlichen. Vielmehr ist es dem Menschen als das Wobei seines Aufenthalts in der Welt entfremdet hinsichtlich seiner durchgängigen Vereinzelung (aus der Welt). Indem die durchgängig tragende Gegend, indem das "Ev ständig in Anspruch genommen, zugleich aber außer Acht gelassen ist, verblassen 'ta mlv'to hinsichtlich ihres Herkommens aus der Gegend, d. h. ihrer Wesensherkunft. Die Versammeltheit ihres Aufgehens und Entgehens im Selben; die Verfügtheit des Anwesens ins Abwesen; das Anwesen als übergängliches und d. h. als Kulmination und Vollendung - all das ist nun fremd: weggekehrt, hintangehalten, übertönt. Die fügliche Beständigkeit und führige Kostbarkeit (kosten von lat. constare, zusammenstehen) gerät gegenüber der in sich erstarrten Beharrung ins Hintertreffen. Der Grundton verkehrt sich in einen Mißton. Ta öv'to blicken den Menschen an in einer lästigen Stummheit, indem ihr eigentlich Befremdliches schweigt. Das Fr. 72 siedelt sich in unmittelbarer Nähe des angeführten Anaximander-Wortes an, wobei das Wort des Heraklit eigens auf den Menschen hin gesprochen ist. Heraklit nennt das Illl ÖtOOVat öbCllv, die Nicht-Verwindung der oivEa90t selbst in seiner Unscheinbarkeit und Geschiedenheit und Unzerstörbarkeit offenhält. Das AE'YEtv ist als das Entbergen eigentlich ein 0I10Ao'YEtV tql «I>oivEa90t e:omql. Die Entbergung und das erwidernde Entbergen geschehen nicht einmalig, gleich als müßte Seiendes aus einem Versteck oder einem ,,Nicht-sein" (= Nichtvorhandenheit) heraus auf die Weltbühne treten, um dann dort eine zeitlang vorzuliegen (innerzeitliche Einmaligkeit, Einmaligkeit ursächlicher Wirkungszusammenhänge ). Sondern überall, wo Erscheinendes vorliegt, insgleichen dort, wo noch nicht Erschienenes ins Erscheinen kommt oder aus diesem in die Verborgenheit abgeht, geschieht unablässig die in sich widerwendige, in Angang und Erwiderung schwingende (kehrende) Entbergung. Das menschliche Entbergen reicht in das Entbergenselbst und entnimmt ihm das Maß; es west überhaupt zuerst als das sich Sammeln auf und Vernehmen des Maßes, wobei Maß immer heißt: (sich) mäßigendes Übermaß (Klarheit). Das menschliche Entbergen geschieht in der Weise der eigentümlich eingestehenden Bestätigung (Gegenzeichnung), in der entsagenden Nachfolge der schon erfolgenden, gemäß und entlang der schon ergehenden und erreichenden Maßgabe des in sich zurück gehenden Aufgehens: KOta «I>uc:nv. Im Schutz, in der Umhaltung der so
3. Kap.: Heraklit - Das homologische Denken des Seins
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freigehaltenen Bahn kommt das von sich aus Erscheinende eigens her aus der Verborgenheit und vor in seinen Stand in der Unverborgenheit, welcher Stand die freigehaltene Bahn des ins Abwesen verfugten Anwesens ist. Das Anwesende ist gebracht und aufgestellt in den Übergang und Verhalt des füglichen Stehens. Hervorbringen, herstellen heißt griechisch 1tOtetv. Das oAT)9ta AE"(Etv ist in sich schon ein (noch ganz in das Wahrungsgeschehen gehörendes) 1tOtetv lcatO ljIumv. Das AE"(Etv (nämlich lcata OAi)9Etav) und das 1tOtEtv (nämlich lcata ljIucrtv) beruhen im Selben und sind im Verein das crq)~Etv, das Retten und Wahren des sich Zeigenden, der ljIatvo/lEva. Das Retten besteht darin, daß mit dem Innestehen des Seienden im Unverborgenen die Entbergung (ljIum~) - das stets im Kommen begriffene (E1tEA90v) Gewähren der Unverborgenheit - selbst hervorgebracht und entborgen, im klaren Umriß des Erscheinenden in den Stand und in eine Ständigkeit gebracht ist - u. zw. eigentlich so, daß das Aufgehen ins Offene reines Aufgehen bleibt im bleibenden in sich Zurück-Gehen. Im crq)~Etv ist somit ein einziges, in sich zwiefältiges, bei den Griechen so nie ausdrücklich befragtes Geschehen gesammelt und ausgestanden: Das Erscheinende - tO ljIatVO/lEVOV - steht (zeigt sich) im Erscheinen: Das reine Erscheinen - tO ljIaivEcr9at eumo - steht (birgt sich) im Erscheinenden. Die oben vermerkte Seltsamkeit ist in sich zweifach. Zum einen braucht das von sich aus Aufgehen als solches eine erwidernde und bergende Vollbringung. Zum anderen geschieht diese Erwiderung als das menschliche nicht Verborgen-bleibenkönnen zwar in gewisser Weise ständig, sofern Menschsein west; dieses Geschehen bedarf jedoch seinerseits eines ausdrücklichen Eingeständnisses, das erst das "von sich aus" eigentlich birgt und die in der ÖilCT) ziehende oÖtlCia verwindet. Geschieht eine solche Einkehr in die Erwiderung nicht, herrscht das Verfallen und das sich Einrichten im ÖtaljltpEcr9at; dann lebt der Mensch unfrei (abwesend, 01tCov), während die ljIatvo/lEva preisgegeben sind dem ~Eva ljIaivEcr9at. Dieses meint ein sich Entziehen des Anwesenden, ein »verdeckt und verdunkelt«254 Werden in einem erstarrten, sinn-losen Herstand (in der Vergessenheit der Weisen des Anwesens, so daß das Anwesen von vornherein nur noch als einförmige Vorhandenheit, als Gegenständigkeit, Bestand usf. west und herrscht). Das Lassen, in dem das crq)~Etv beruht, ist somit ein durch und durch strittiges Geschehen, das gebrauchte Verwinden der oÖtlCia im sich Sammeln in die äußersten Ausgänge für das freie Ausschwingen der Schickung des ljIaivEcr9at selbst. Statt "das Seltsame" können wir auch sagen: das Befremdliche und Erstaunliche, zum Staunen Bringende. Das vielberufene 8atlllO~Etv hat dann nichts damit gemein, daß man sich (nämlich in Ermangelung einer adäquaten verstandesmäßigen Handhabe) aufgerissenen Mundes von einem "überwältigenden" (,,Natur"-)Eindruck berieseln läßt; sondern im 9atllla~Etv ist der Mensch angegangen in seiner A6"(o~-haften Einbezogenheit in das mittige Entbergungsgeschehen und genötigt, in der Bestehung 2!!4
GA55, S. 364.
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Dritter Teil: Das vorsokratische Denken des Seins
des 1tOA:UÖT\Ptv it'A.E.'YX.ov, in der Auseinandersetzung das Anwesende als solches und im Ganzen zu retten aus der aushaltenden Zurücklegung in die alles wahrende Verbergung. Daß das aÄ.T\geCl A.EYE.tv in sich bereits - u. zw. vor diesem her, es vorbereitend - das 1tO\etv lCCl1:0 cpumv ist, besagt: dieses ist die Weise, in der jenes geschieht. Das A.EYE.tv und das 1tO\etv wollen wir allerdings gewöhnlich auseinandergehalten haben. Ersteres bezieht sich doch auf schon Vorliegendes, das wir dann eigens noch im Bedenken und Besprechen hinsichtlich seiner Wesenszüge freilegen und sammeln und in diesem Sinne in der Tat ,,retten" können; das 1tO\etV hingegen bringt hervor, was vordem noch nicht im Erscheinen stand und erst in der Unverborgenheit errichtet werden muß. Eines sind, so meinen wir, die Betrachtungen, die wir über ein dastehendes Haus (oder einen Baum oder Berg) anstellen können, ein anderes ist die wirkliche Erbauung des Hauses. Solche Erwägungen halten sich in der ohne weiteres Nachfragen zugrundegelegten Unterscheidung zwischen Betrachten und Tun, zwischen Theorie und Praxis. Allein, das "schon dastehende" Haus liegt keineswegs schon eigentlich vor; es ist ganz und gar nicht aufgestellt, bevor es nicht in seinem Heranwähren aufgenommen und in dieses zurückgestellt ist; und es west nur so lange und in dem Maße an, wie es in seinem Innehalt gehalten, hat seinen Stand im Unverborgenen nur, sofern es ständig und immer neu hervorgebracht und hergestellt, in dem es unentwegt bringenden und stellenden Aufgehen gewahrt ist. Jedes wirkliche Herstellen wiederum beruht in jedem seiner Schritte in einem Bereiten von Unverborgenheit, das sich durchweg auf ein einendes Heraufkommenlassen versammelt und dieses verwahrt, so daß das 1to\E.'iv allem zuvor ein Wissen ist um das Erscheinen selbst. Mithin haben sowohl das A.EYE.tv als auch das 1tO\etV als Grundzug das erwidernde Eröffnen des Aufgehens ins Unverborgene. Dieses, das Aufgehen ins Unverborgene ist für beide das "Schon" (der Maßgabe) und zumal das "Immer noch und wieder und eigens" (der Maß-nehmenden Entsprechung).255 Das Sammeln des Unverborgenen aus der und in der Verbergung in der Weise des Hervorbringens in die dem Aufgehen gemäße Gestelltheit (Gestalt) - all das geschieht in einem Hören und Merken und Verstehen - E1tCltEtv. Das E1ti - gegen, hinauf - ist das selbe wie im E1tiCYtCla9Cl\ YVolllT\V, dem entgegen- und ausstehenden, vernehmenden Verweilen im vor-legenden und -liegenlassenden Angang des "Ev, worin nach Fr.41 das eigentliche Wissen (aocpov) besteht. 'Aic.o meint das sich schikkende und sammelnde, sich ins Gehören einlassende Hinhören - das selbe wie das auf den Aoyor; gehende alCOUEtv, aus welchem heraus nach Fr. 50 sich Geschickli2!IS Der A6yot; als die ursprünglich einende Verwahrung birgt das Seiende »in das EntwederOder der Entbergung und Verbergung« (GA 55, S. 379), d. h. in eine Unentschiedenheit, in welche das menschliche Atyew zur Wahrung der Unabhängigkeit des Seins (siehe ebd.) als Bergung des Seienden gerufen ist. Das menschliche Atyew ist ein Abgewinnen (Entreißen) des Unverborgenen der Verbergung unter Wahrung der Verbergung selbst- ein Ent-bergen die VerBergung.
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ches (O'ocpOv) ereignet.2s6 Da nun in Fr. 112 ein EmiiEtV genannt ist, in welchem die O'OCPlT\ bestehen soll, kann die Ergänzung um ein mitzudenkendes tOÜ Aoyo'U kaum noch als willkürlich betrachtet werden: eigentliches Wissen, O'OCPlT\ als cptAE1V tO ~ cpov, geschieht nur in einem A.€YEtv und 1tOtE'iv als OllOAoYE1V und d. h. im E1tOtEtv tOÜ Aoyo'U. Wenn die O'OCPlT\ in dieser Weise das Wissen des Einzigen und einzig an sich haltenden Edlen ist, dann kann tO cppovElv, das sinnende Denken, das Denken, das sich einzig in die O'OCPlT\ sammelt - dann kann das »gesammelt-sammelnde Innestehen im Wissen«257 (ohne daß ein verstärkender Superlativ vonnöten wäre) Edelmut genannt werden. Edelmut sagt: "Mut zum Edlen", nicht aber im Sinne einer Courage, sondern als das Vermuten der Anmutung des schlechthin Edlen. Das cPpovE'iv vermutet das anmutig Zugemutete, so wie es sinnt auf das Ansinnen (1tÜP CPPOvtllov), d. h. ihm nach-sinnt (EA1tE0'90t), sich sinnend ihm zumutet (EA1tl1;Etv) und zugleich sich besinnt und sinnend in das eigene Wesen einkehrt (EÖt1;T\mXIlT\V EIlEO>'Utov) - ein Wesen, »dessen Eigenes ja gerade besteht im Hingehören zu dem, worauf alles Hinhören geht. «258 'to cppoveiv apen, J,Leyia'tT\, Kat aocpiT] aAT]gea Myew Kat 1tOleiv KO'ta cpixnv e1tatov'tac; ('tot> AOyou). Das sinnende Denken ist der Edelmut und dies, weil das Wissen ist: das Unverborgene (aus der Verbergung für diese) zu sammeln im Hervor-bringen seiner gemäß dem Aufgehen - (all dies doch) im Hinhorchen auf die ursprüngliche Versammlung. 259
256 Heidegger (GA 55, S.370) bringt atm im Sinn von wahrnehmen und hören (wie aia9aVOJ,Lat) zusammen mit dem gleichlautenden, nach Bedeutung und Herleitung allerdings unsicheren, weil schwach bezeugten ätco, welches am ehesten ..(aus)atmen, aushauchen, wehen" bedeutet (nach Liddell-Scott-Jones zu äT]J,Lt); ein etymologischer Zusammenhang zwischen den beiden W6rtern wird von Chantraine ausgeschlossen. Mit der Annäherung der beiden gleichlautenden Wörter weist Heidegger darauf hin, daß das Hören als ein Hin- und Hergehen in der 'lfUxi! als dem ausholenden Einholen beruht. 2S7 GA55, S. 371. 258 GA55, S.373. 259 GA55, S. 373 f. Das Beiwort ,,höchste" (zu Edelmut) wurde gemäß der leicht abgeänderten Übersetzung auf S. 375 weggelassen.
Vierter Teil
Abschluß § 28
A6ro~ und Sprache
An sich hat MYEtV mit Sagen und Sprache nichts zu tun; wenn jedoch die Griechen das Sagen als MYEtv begreifen, dann liegt darin eine einzigartige Auslegung des Wesens von Wort und Sage, deren noch unbetretene Abgründe keine spätere "Sprachphilosophie" je wieder ahnen konnte.· (... ) für die Griechen wird die aÄ1'\9Eta als Myo~ sichtbar, - und Myo~ besagt, viel ursprünglicher als >sprechen spricht, hieß es, daß es »den Grundzug alles Verhaltens zu An- und Abwesendem, wenn nicht gar den Grundzug des An- und Abwesens selbst nennt.«4 Im Verein mit Fr. 16 - tO ~il öuvov 1tOt€ 1tffiv ist der Mensch in seinem Wohnen U""'1tOAt~ ä1tOAt~ (V. 370): »hochüberragend die Stätte, verlustig der Stätte«.9 Diese griechische Entrückung (EKo'taat~) in das Zwischen ist aber gerade - wie wir mit einem hier eigentümlich deplaziert klingenden Wort sagen müssen - eine "sprachliche", nämlich 1..6yo~-hafte, indem das AtYEtV aus dem Bezug in das im A6yo~ verborgene Zwischen die Wahrung des Unverborgenen zustandebringt oder verfehlt. Das Wohnen im Wesen der Sprache als A6yo~ meint somit, daß das Sprachgeschehen das ursprüngliche Entbergungsgeschehen selbst ist, was sich in der Bedeutung von AtYEtV als entbergen ( ... omE AtYEt OVtE Kptm'tEt ... - Fr. 93) und später noch als offenbarmachen (ÖT\WUV - Platon) und zum-sich-zeigen-bringen bzw. ins Erscheinen treten lassen (o1tocpatvEo9at - Aristoteles) zeigt (01tO = weg von der Verbergung). Weil die Griechen im Sprechen sich entbergenderweise in ihren Aufenthalt fanden, konnte Heraklit als der Stifter dieses Wohnens das Anwesen des Anwesenden in den Namen A6yo~ (sammelnde Entbergung) versammeln. Zu Beginn des Parmenides-Abschnittes wurde daran erinnert, wie Heraklit die Sache seines Denkens gegen das Unzureichende beispielsweise im Denken Hesiods bestimmt. Diese Sache lautet jetzt formelhaft: CPUat~ : A6yo~ : das selbe (aus OAtl9Eta). Das Sein - anwesenlassende Aufgehung - ist Grund - anfängliches gesammeltes Vorliegenlassen - ist ... Sprache - Sage und Zeige _10, das alles aber ursprünglich aus dem Ereignis des sich verbergenden Bergens. Doch Heraklit denkt die Sprache (ihr Wesen) nicht als A6yo~. Es ergibt sich ein merkwürdiger Sachverhalt: Zum einen denkt Heraklit das Sein als Grund vom A6yo~ her und als AtYEtv, als welches die Griechen auch das Sagen erfahren; doch das Wesen des Sagens ist nicht eigens in das Sein - als mit ihm selbig - zurückgelegt. Dieser Sachverhalt zeitigt wiederum zwei Fragen, die im Grunde nur eine einzige sind: Was heißt es, daß Heraklit den A6yo~ zum Namen für das Sein erhebt? Was blieb in Folge der EiM, S.I13 und 116f. Sagen gehört wie sehen zur idg. Wurzel *sek*- "bemerken, sehen", eigentlich ,,[mit den Augen] verfolgen" (siehe lat. seqUl), die sich zur Bedeutung "ankündigen, sehenlassen, zeigen" fortgebildet hat. Sagen und zeigen (öeucvUvat) meinen beide ein Bemerkenlassen, zum Sehen Bringen und vor Augen Führen, über welche Bedeutung der Bezug zu äugnen (vor Augen stellen, zeigen) und ereignen besteht. Die Sage als Zeige ist Einweisung ins Eigene; sie läßt erfahren, wenn erfahren heißt: eundo assequi (siehe GA 12, S.229, Anm.). Alles Nachdenken, Nachsinnen, Nachfolgen, sich Einlassen, alles voe"iv, E7tea8at, 7tei.8ea8at, o7tTjöe"iv ist im Sinne dieses sequi von der Sage als dem alles merkenden Bemerkenlassen gebraucht. 9
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Vierter Teil: AbschluS
Tatsache, daß das Sprach wesen nicht eigens als Stiftung aus?
A.6yo~
323 gedacht wurde, in dieser
Wenden wir den Blick noch einmal zu Pannenides, so finden wir dort ein Zeugnis für einen zwar weniger augenfälligen, jedoch um nichts weniger ursprünglichen Bezug zwischen Sprache und Sein. Es genügt, Fr. III neben das in Fr. VIII, 34ff. Gesagte zu stellen: 'to yap aUto VOEtV EO'ttv 'tE lCat Eivat - 'to VOEtV EV 'tq, EOV'tt 1tEcpa'ttO"~vov EO'ttv. Das cpavat ist auch von der weisenden Göttin gesagt: deren Zureden (9Ea ... maE ö' €ltO~ cpa'to lCat j.I.E ltpocnrUöa - die Göttin ... also aber sagte das Wort und ging redend mich an; I, 22f.) ist weder ,,realistisch" noch "metaphorisch", sondern meint das entbergend-verbergende O"TJJ.1atvEtv, in welches die 'AJ..it9Eta selber sich schickt (auf dem Weg, welcher 'AJ..TJ9EtTJt OltTJÖEt, crTtJ.1a't' €am ltoUa J.1al..' - sind der Zeigungen gar viele; VIII, 2f.). Vom cpavat des EOV heißt es, in ihm sei - aus der Zugehörigkeit zum EOV selbst - das den Menschen ausmachende Vernehmen zugesagt, so daß ou yap äVE'U 'tou EOV'tO~ ... EUpitO"Et~ 'to vOEtV. l1 Wiederum ist vom EuptO"lCEtv, vom Finden die Rede. Das heißt hier nicht antreffen und darauf stoßen (EYlC'UPEtV), sondern das sich Einfinden im voE'iv als dem Geschehnis des aVEI..1ttO"'tOV (d. h. des O"ocpov). Das im alCOUEtv und EltatEtv bzw. aus dem AEYEtv (VI, 1) geschehende vOEtv, das einvernehmliche Vernehmen, ist zugesagt, zugeeignet im sich Entfalten der Zwiefalt ('BOv, ~Ev ßav'ta). Das sagt: Was dem Vernehmen zur Vernehmung vorgelegt ist, west an aus dem Einiggehen des AEYEtv mit der selbst zwiefältigen, erscheinenlassenden am~: das VOEtV als AEYEtv ist von der anwesenlassenden am~ er-lichtet. Das "Ev ist somit als am~ (Sage) das Sehenlassen und zum Vorschein Bringen als unscheinbares Erbringen des cpatvE0"9at, wodurch alles cpatvoj.I.Evov anwest. 12 Die am~ ist Vorlegen in das verhüllte, abgründig-ruhende dimensionale Auge, welches den Menschen im Grunde des AEYEtv erblickt. Dieses Erblicken verbirgt sich in das überführ-, übersetzsame OÜVElCEV, welches das vOTJJ.1a unterwegs läßt. Weil die am~ west als das erblickende sich Bekunden des zu Denkenden und so das voouj.l.Evov des VOEtV in der Entfaltung des 'BOv schon vor- und zugedacht ist als das VOTJ'tov, deshalb kann Pannenides sagen, das bezughafte vOEtv sei ltEcpa'ttO"J.1€VOV EV 'teilt EOV'tt. Aoyo~ und am~ sagen in anderer Weise das Selbe. Auf den Aoyo~ hörend, im 0J.10I..oyEtV ist der Mensch gelassen zum ~cpov als dem ltav'tO>v lCEXo>ptO"J.1€VOV; in der am~ unterwegs, im AEYEtv und vOEtv, ist der Mensch gelassen zum zwiefälti-
Siehe dazu erneut VA, S. 235 ff. Die Wortgruppen um cpaivro (zeigen, erscheinen lassen, kundtun, verheißen) und um cpry.ti (sagen) gehen auf dieselbe idg. Wurzel zurück, die nach Chantraine sowohl "eclairer, briller" (erhellen, scheinen, glänzen) als auch "expliquer, parler" (erklären, sagen) bedeutet; von daher heiSt cpamc; dann sowohl Erscheinung als auch Rede. Die Übersetzung von cpamc; mit Sage (oder Zeige), in der das Sagen im erläuterten Sinn als Sehen- und Erscheinenlassen spricht, zeigt neu in die Einheit der beiden vermeintlich getrennten Bedeutungen: »cI>amc; ist die Sage; sagen heiSt: zum Vorschein bringen.« (VA, S. 236) 11
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Vierter Teil: Abschluß
gen 'EQv. Beide, cpaO"l~ und AOYO~, brauchen den Menschen in den Unterschied, der als ein stiller Riß durch das 1l1l ÖUVOV 1tOtE zieht. Die cpaO"l~ beruht im tO aUto von VOEtV und EiVat; der AOYO~ beruht im 0IlOV von AEYElV und Aoyo~: in dieser Weise waltet im tO aUto wie im AOyo~ die aÄi\9Ela als jene unterschiedliche Entbergung, die rißhaft zwar und grenzhaft, ein einziges Lassen, ein »Anwesen lassen« ist. 13 Wir können nun auf die oben gestellten Fragen zurückkommen und das, was Heidegger zum Aoyo~ zu bedenken gibt, auch auf die cI>aO"l~ beziehen: »Was hätte sich ereignet, wenn Heraklit - und seit ihm die Griechen - eigens das Wesen der Sprache als Aoyo~, als die lesende Lege gedacht hätten! Nichts Geringeres hätte sich ereignet als dieses: die Griechen hätten das Wesen der Sprache aus dem Wesen des Seins, ja sogar als dieses selbst gedacht.«14 Frage und Antwort klingen, als werde hier mit einiger Emphase das Versäumnis einer ontologischen Fundierung des Sprachdenkens herausgestellt. Doch nicht davon ist die Rede. Was hätte sich ereignet ... - das sagt nicht: Was wäre geschehen, wenn ... , sondern: Was hätte sich anfanglich gezeigt, wenn ... Heraklit eigens das Wesen der Sprache als Aoyo~ (lesende Lege), Pannenides eigens das Wesen der Sprache als cI>aO"l~ (Zwiefalt) gedacht hätte? Vielleicht dieses: Der Me n s c hai s H ü t erd e s U ntersc hiedes im Brauch der aÄi\9Ela - es hätte sich ein anderer An-fang ereignet: »Doch all dieses ereignete sich nicht (... ) Einmal jedoch, im Beginn des abendländischen Denkens, blitzte das Wesen der Sprache im Lichte des Seins auf. Einmal, da Heraklit den Aoyo~ als Leitwort dachte, um in diesem Wort das Sein des Seienden zu denken. Aber der Blitz verlosch jäh. Niemand faßte seinen Strahl und die Nähe dessen, was er erleuchtete.«15 Gleichsam in diesen verloschenen Blitz hineinsprechend und bereits im Horizont des Menschen als ~q>ov AOYOV EXOV, der Sprache als cprov1l v oi äptCJ'tot, lCAioe; aevaov 9vT)'tcOv· oi ÖE 1tOAAo1. lCElCOPT)V'tat ÖlCC!)(J1tEP lC-nlVEa. Es wählen nämlich Eines vor allem anderen die Edelsten: Ruhm, ständig verbleibend gegenüber dem, was stirbt; die Vielen aber sind satt wie das Vieh. 31
Die Edlen sind solche, deren Verpflichtung jenem gilt, ohne welches selbst die ausnahmslose Ansammlung aller Güter der Welt nur ein craplla eilcft 1Cex'U~vo>v bleibt, ein Haufen sinnloser Dinge, und die Gemeinschaft der Menschen ohne Zusammenhalt. Worum es den äPlcrtOl vor allem anderen und im Grunde einzig geht, ist: 1CA.iO~ aivaov - nicht: in alle Zeit währende Berühmtheit, sondern der stille Ruhm dessen, der, über sich hinaus und gleichsam von sich selbst unabhängig, dem Bleibenden durch dieses verpflichtet bleibt. So leuchtet dieser Ruhm nicht auf den Edlen zurück, sondern der Edle geht ins Unscheinbare zurück, indem der Ruhm hineinruft und freigibt auf das aivaov und dieses im Andenken des Gerühmten anwesen läßt. Die Edelsten stehen im ständig verbleibenden Ruhm als die vom Bleibenden Gerufenen. Sie sind edel, weil sie als die Unscheinbaren im Ruf des Ständigen ruhen. Die Vielen aber sind satt, weil sie inmitten der aufdringlichen Erscheinung abgekehrt bleiben vom A6'Yo~-haften Bezug ins Übermaß und gefangen im Bereich der unbegrenzten Habbarkeit des Seienden. Weil dort, wo ein Edelmütiger ist, das Bleibende und Verbindliche offengehalten ist, d. h. aber jenes, was erst alles Anwesen aushändigt, deshalb sagt Heraklit: ete; E1101. I1UPWt, Mv äptCJ'toe; ttt. Einer gilt mir zehntausend, wenn er ein Edelmütiger ist. 32
Der Eine, Edelmütige ist nicht "gleich viel wert" wie zehntausend, er "wiegt" nicht zehntausend "gewöhnliche" Sterbliche "auf'. Ein solches gegeneinander Aufrechnen sagt zugleich zuviel und zuwenig: Es sagt zuviel, weil Ungemäßes, da das Menschsein in sich keine Abstufung und Quantifizierung verträgt und stets im Unermeßlichen wurzelt; es sagt zuwenig, weil das Eigene des äPlcrtO~ nicht in einer in hohem Grade vorhandenen menschlichen Qualität besteht, sondern gerade darin, gelassen zu sein zum Überfluß (zum Gebirg), das den IJ:UPlOl als ein Vergessenes eignet. Der äPlcrtO~ ist vereinzelt in seinem Einstehen für das Unabhängige, das keinem zusteht und doch allen gebührt. 31 EiM, S.79. Heidegger übersetzt 6vT)'tcOv nicht, wie sonst üblich, parallel zu a1tov'tCJ>v (Diels: »[Denn] eins gibt es, was die Besten allem anderen vorziehen: den ewigen Ruhm den vergänglichen Dingen ... «), sondern als Erläuterung zu OEvaov. 32 Fr. 49; GA 55, S. 395.
Vierter Teil: Abschluß
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Das Verhältnis von q,povE'iv und iöta q,pov"m~ gründet im Unterschied, der sich im Mv verbirgt. Das Denken, das auf das mxvtrov KEX,roptO\lEVOV geht, überschneidet sich nirgends mit dem bloßen Gegeneinanderhalten der Mvta, das vor dem Blicksprung in das Unscheinbare zurücksteht. Der Abstand zwischen dem Denken der ursprünglichen Maß-nahme und demjenigen, das das Maß aus sich selbst nimmt, läßt sich nicht durch gegenseitige Annäherung verringern: Wo das Maßgebende nicht im Blick steht und die Hybris herrscht, ist selbst eine begrenzte Übereinstimmung oder auch nur Berührung nicht möglich; auch von einem Gegensatz kann nicht geredet werden, da dieser noch einer gemeinsamen Ebene und Vergleichsbasis bedarf. Das unaufhebbar Unvereinbare von wissendem und unwissendem Denken beruht im Gesetz des Durchlasses selbst, wonach das am meisten Austragsame sich in das Durchlassen allen Anwesens entzieht. Ebensowenig wie die Zwiefalt ist auch das Denken in verschiedenem Maße unter die Menschen verteilt. 33 Das schon angeführte Fr. 116 sagt: av9pomotm mIm ~tE an 'YtvoXncEtv Ero'UtOU~ Kat aroq,povE'iv, d. h.: Der Mensch ist seinem Wesen nach ein Mit-denkender; er gehört als Denkender in das geschicklich sich entziehende ~u vov und kommt erst aus dieser Zugehörigkeit jeweils zurück zu sich selbst. Im geschicklichen sich Entziehen teilt sich das ~uvov zu als ein ~tPOV, welches vollbringend ein jeder auf seine Weise - d. h. als ein aUto~ - in das Selbe gehört. In dieser Gehörigkeit gibt es Unterschiede; Heraklit sagt (Fr. 104): n~ yap ommv voo~ i'1 cIlp1\v; öTULoov aotöo1