242 39 66MB
German Pages 260 Year 1983
Linguistische Arbeiten
130
Herausgegeben von Hans Altmann, Herbert R Brekle, Hans Jürgen Heringer, Christian Rohrer, Heinz Vater und Otmar Werner
Sigmund Kvam
Linksverschachtelung im Deutschen und Norwegischen Eine kontrastive Untersuchung zur Satzverschränkung und Infinitiwerschränkung in der deutschen und norwegischen Gegenwartssprache
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1983
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Kvam, Slgmnnd: Linksverschachtelung im Deutschen und Norwegischen / e. kontrastive Unters, zur Satzverschränkung u. Infmitivverschränkung in d. dt. u. norweg. Gegenwartssprache / Sigmund Kvam. - Tübingen : Niemeyer, 1983. (Linguistische Arbeiten ; 130) NE:GT ISBN 3-484-30130-9
ISSN 0344-6727
) Max Niemeyer Verlag Tübingen 1983 Alle Rechte vorbehalten. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus photomechanisch zu vervielfältigen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt.
VORWORT
Die vorliegende Arbeit wurde im Mai 1981 an der Universität Freiburg als Dissertation angenonrien. In der Zwischenzeit ist die Arbeit vor allem in bezug auf neuerschienene Werke überarbeitet. Der vorliegenden Untersuchung, die sog. Liinksverschachtelung, ist eine Konstruktion, die in den skandinavischen Sprachen sehr häufig vorkommt, im Deutschen aber eine sehr niedrige Frequenz aufweist. Es ist meine Hoffnung, daß diese Dissertation zu einer weiteren Diskussion von topologischen Fragestellungen zwischen dem Deutschen und den skandinavischen Sprachen führen wird. Außerdem ist das Thema dieser Arbeit unter verschiedenen linguistischen Gesichtspunkten interessant, sei es als syntaktische Problemstellung sowie unter Gesichtspunkten der Funktionalität und Ökonomie. Diese sehr wichtige Erkenntnis ist mir durch zahlreiche, eingehende Diskussionen mit meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Otmar Werner, immer deutlicher geworden. Herrn Prof. Dr. Werner möchte ich meinen besonderen Dank aussprechen, nicht nur für diese Anregung, sondern auch für seine sonstige hilfreiche Kritik und Förderung meiner Arbeit. Insbesondere möchte ich seine Bemühungen erwähnen, Kontakte zwischen Inlandsund Auslandsgermanisten in bezug auf diese Problematik herzustellen. Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Prof. Dr. Wilfried Kürschner, mit dem ich die Arbeit diskutiert habe und der dabei auch wichtige Anregungen gegeben hat. Außerdem möchte ich Herrn Docent Dr. Sven-Gunnar Andersson (Uppsala) herzlich danken, mit dem ich viele wichtige Aspekte der Satzverschränkung diskutiert habe. Unsere sog. 'Kompaktseminare1 zur Satzverschränkung in Uppsala, Freiburg und Oslo waren äußerst anregend, nicht nur für die vorliegende Arbeit, sondern entscheidend für das Entstehen einer gemeinsamen Arbeit über die Satzverschränkung und deren Alternativkonstruktionen (vgl. ANDERSSON/KVAM 1981 im Literaturverzeichnis). Mein Dank gilt auch den Nordisten Jan Terje Faarlund und Jarle Retnhovd (Trondheim) sowie den Germanisten Herbert Pütz (Trondheim) und John Öle Askedal (Oslo) für interessante Diskussionen. Ein herzlicher Dank auch an Lektor Knut Otto Bermingrud, der mir seine Staatsexamensarbeit über die Satzverschränkung im Norwegischen zur Verfügung gestellt hat.
VI
Außerdem mochte ich meinen Schülern bei Gauldal videregaende skole in Staren sowie meinen Studenten an der 0stfold Distriktsh0gskole für interesssante Satzverschränkungsfehler danken, die mich hoffen lassen, daß die vorliegende Dissertation für Deutsch als Fremdsprache im skandinavischen Raum von Nutzen sein wird. Zuletzt möchte ich meinen Eltern für jede Unterstützung und Ermunterung in schwierigen Phasen der Arbeit herzlichst danken, i1s Ausdruck dieses Dankes sei daher diese Dissertation ihnen gewidmet.
Freiburg i. Br./Halden, im Dezember 1981
"Hvor seer jeg glad igien de mange Yndigheder, Sem den maa vaere blind, der ey kan see hos eder." (Johan Herman Wessel, aus: Kierlighed uden Str0mper)
Sigmund Kvam
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort Inhaltsverzeichnis
V VII
§ 1-2
O.
EINLEITUNG
1
§ 3-13
1.
DEFINITIONEN
6
§14-35
§ 36-41
1.1. Untersuchungsproblematik: Linksverschachtelung 1.2. Zum Terminus 'Linksverschachtelung' 1.3. Gegenstand der Untersuchung: Eingebettete Sätze und Infinitivphrasen
14
2.
ZUR FORSCHUNGSIAGE
21
2.0. 2.1. 2.2. 2.3. 2.4. 2.5.
Vorbemerkung Universalien Linksverschachtelung im Deutschen Linksverschachtelung im Norwegischen Kontrastive Darstellungen zur Linksverscnachtelung Schlußbemerkung
21 21 25 41 48 53
3.
METHODE
55
3.0. Vorbemerkung 3.1. Regelgewinnung und Materialgrundlage 3.2. Datenbewertung und Hypothesengewinnung 3.2.1. Zur Rolle der Intuition und des Korpus bei der Hypothesengewinnung 3.2.2. Informantenbefragung
3.3. Probleme einer kontrastiven Analyse von Linksverschachtelung
§ 42-1O3 4.
6 13
55 55 58 58 59
62
3.3.O. Vorbemerkung 3.3.1. Probleme des 'tertium comparationis 1
62 63
RESTRIKTIONEN DER LINKSVERSCHACHTELUNG
66
4.0. Vorbemerkung 4.1. Zur strukturellen und inhaltlichen Äquivalenz der Linksverschachtelung 4.2. Restriktionen der Linksverschachtelung im Deutschen
66 68 70
VIII 4.2.1. 4.2.1.1.
Die Satzverschränkung Die Satzverschränkung bei nicht-substantivischen Nebensätzen 4.2.1.2. Die Satzverschränkung bei substantivischen Nebensätzen 0.2.1.2.O. Vorbemerkung 4.2.1.2.1. Die Satzverschränkung im Relativsatzgefüge und im Hauptsatz-Gliedsatzgefüge 4 . 2 . 1 . 2 . 1 . 1 . Eingebettete daß-Sätze 4 . 2 . 1 . 2 . 1 . 2 . Ob- und w-Sätze 4 . 2 . 1 . 2 . 1 . 3 . Konstituentenfragen
7O 73 73 ....
73 73 79 8O
4 . 2 . 1 . 2 . 1 . 4 . Der Sonderfall Komparativsätze
85
4.2.1.3. 4.2.2. 0.2.2.O. 4.2.2.1.
85 9O 9O
4.2.2.2. 4.2.2.3. 4.2.2.3.1. 4.2.2.3.2. 4.2.2.3.3. 4.2.2.4. 4.2.3.
Schlußfolgerungen Die Infinitivverschränkung Vorbemerkung Die Infinitivverschränkung und unterschiedliche Matrixsätze Einteilung der Infinitivkonstruktionen nach Extraposition Restriktionen der Infinitivverschränkung bei extraponierten Infinitivphrasen Allgemeines Kasusrestriktionen Die Korrelatrestriktion Restriktionen der Infinitivverschränkung bei Infinitivphrasen in der Neutralstellung Die Linksverschachtelung im Deutschen. Die Satzverschränkung und die Infinitivverschränkung im Vergleich
4.3. Itestriktionen der Linksverschachtelung im Norwegischen 4.3.1. 0.3.1.O. 4.3.1.1. 4.3.1.2. 4.3.1.2.1. 4.3.1.2.2. 4.3.1.2.3. 4.3.1.3. 4.3.2.
DER RESTRIKTIONSVERGLEICH
5.0. Vorbemerkung 5.1. Die Satzverschränkung 5.1.1. 5.1.2. 5.1.3.
91 95 98 98 100 104 105 108
115
Die Satzverschränkung 115 Vorbemerkung 115 Die Satzverschränkung bei substantivischen Nebensätzen 115 Die Satzverschränkung bei nichtsubstantivischen Nebensätzen 122 Zur Extraposition 122 Die Satzverschränkung bei Relativsätzen .... 124 Die Satzverschränkung bei adverbiellen Nebensätzen 127 Schlußbemerkung 129 Die Infinitivverschränkung 131
4.4. Das Matrixprädikat § 104-115 5.
7O
Der eingebettete Satz Die LV-Größe Zusammenfassung
5.2. Die Infinitivverschränkung
134 147
147 147 147 15O 155
156
IX
5.3. Die Linksverschachtelung als Beispiel einer topologischen Pegelsystematik im Deutschen und Norwegischen 5.3.1. 5.3.2. 5.3.3. § 116-144 6.
158
Asyndese und Parenthese Infinitivverschränkung und Einsyntagmatisierung Zusammenfassung
158 161 163
ZLM STELLENWERT DER LINKSVERSCHAOrrELUNG
166
6.1. Satzsyntaktische Aspekte 6.1.1. 6.1.2. 6.1.3. 6.1.3.1. 6.1.3.2.
Zur syntaktischen Zuordnung der LV-Größe ... Zum Status des Matrixsatzes Zum Problem Beschreibungsmodell Die generative Transformationsgrammatik .... Die Feldanalyse
6.2. Textlinguistische Aspekte
6.3. Schlußfolgerungen § 145-15O 7.
166
LINKSVEI^CSACHTELUNG UND SPRACHGEBRAUCH
166 168 171 171 176
186
189 198
7.1. Zum Problem Sprachsystem - Sprachnorm - Sprachgebrauch .. 198 7.2. Einige Ubersetzungsprobleme 7.2.1. 7.2.2.
Zur Übersetzung belletristischer Werke Zur Übersetzung im Fremdsprachenunterricht
200 200 . 206
Quellenverzeichnis
21O
Belegverzeichnis
212
Vorbemerkung Belege/Deutsch Belege/Norwegisch Übersetzungsbelege
212 212 218 23O
Testverzeichnis
237
Vorbemerkung Tests
237 237
Literaturverzeichnis
243
Abkürzungsverzeichnis
247
§ 1 - 2 u.
E I N L E I T U N G
§ 1 1 Die vorliegende Arbeit behandelt ein zumindest in der neueren deutschen Sprachwissenschaft wenig beachtetes syntaktisch—topologisches Problem. Es handelt sich um diskontinuierlich angeordnete eingebettete Sätze und Infinitivphrasen (IP). Dabei steht ein Satzglied der eingebetteten IP oder des eingebetteten Satzes diskontinuierlich links im Ilatrixsatz, während der Fest der eingebetteten IP oder des eingebetteten Satzes kontinuierlich nach dem Matrixsatz folgt. Hierzu die Beispiele: (die Satzglieder der eingebetteten Sätze und IPen sind kursiv) (1) In Hannover würde ich zweifeln, daß das jemand sagt. (vgl. Ich würde zweifeln, daß das jemand in Hannover sagt.) /24/ (2) So glauben die Wähler in Schleswig-Holstein, daß die Mahlen ausgehen werden. /12/ (vgl. Die Wähler in Schleswig-Holstein glauben, daß die Wahlen so ausgehen werden.) (3) Ich möchte auf Ihre präzise Frage versuchen, eine präzise Antwort zu geben. /42/ (vgl. Ich möchte versuchen, auf Ihre präzise Frage eine präzise Antwort zu geben.)
Eine genaue Abgrenzung dieser diskontinuierlich angeordneten Strukturen ist bei PAUL iv 192O zu finden. Er redet von Konstruktionen, bei denen "ein Glied eines abhängigen Satzes dem regierenden vorangestellt wird, während der Rest diesem folgt", (ebd. 319) Bei PAUL IV 1920 sowie auch bei BEHAGHEL in 1928 findet sich eine recht große Anzahl von Beispielen jedoch meistens älteren Datums: (4) "lassen Sie mich alles wissen, was Sie wünschen, daß das Publikum erfahre". (BEHAGHEL III 1928,548) (5) "wie sagtet ihr, daß der Kaiser hieß", (ebd. 549) (6) "auf welche will er denn, daß wir uns berufen sollen", (ebd.) (7) "tiefe mantel wit sach man daz sie truogen". (PAUL IV 1920,319) (8) "Anforderungen..., denen ich nicht weiß, wie ich begegnen soll". (ebd. 322) BEHAGHEL in 1928, 547 nennt diese diskontinuierliche Anordnung von Nebensätzen (Satz)"Verschränkung".
§ 1
Eine solche Satzverschränkung ist aber auch in anderen mit dem Deutschen verwandten Sprachen zu beobachten. Allerdings zeigen Übersetzungen von Sätzverschränkungen bei eingebetteten daß-Sätzen im Deutschen, Englischen und Norwegischen, daß hier verschiedene grammatische Restriktionen anzunehmen sind. (Die Satzglieder der eingebetteten Sätze sind kursiv) Kontinuierliche Anordnung: (9a) (9b) (9c)
Ich weiß, daß ich das Ideal nie erreichen werde. I know that I will never reach the ideal. Jeg vet at jeg aldri när idealet.
Diskontinuierliche Anordnung, hier Satzverschränkung: (9d) "Das Ideal weiß ich, daß ich nie erreichen werde. (9e) ?The ideal I know that I will never reach. (9f) Idealet vet jeg at jeg aldri när.
Wie (9a-c) zeigen, ist eine kontinuierliche Anordnung des eingebetteten doßSatzes in allen drei Sprachen möglich, während eine Permutation des Objektes des eingebetteten (Topic) Comment ansetzt, keinen Versuch, diese Topic-Kbnstituente weiter zu klassifizieren. § 22 BAUMGÄRTNER 1959 sieht dagegen die Satzverschränkung (bei ihm "Satzverschlingung") als einen "Vorgang der Herausstellung". (BAUMGÄRTNER 1959, 106) Dabei ist "das Thema ... das Erfragte oder das Hauptmoment der gedanklichsprachlichen Absicht und damit zuletzt beides in einem." (ebd. 92} Als Beispiele dieser 'Herausstellung' erwähnt BAUMGÄRTNER Kbnstituentenfragen wie (1) "wan hasd'n so gedachd, das mer gen misn?' (ebd. 1O7) und RDpiekonstruktionen mit einer Kopie der LV-Größe wie (2)
"mai gled, das mus'ch emä sän, ob dl mir das noch änderd·". (ebd. 106)
§ 23 Auch bei PAUL 192O wird die Satzverschränkung (bei ihm: "Satzverschlingung") als eine Art 'Voranstellung' bezeichnet. Diese Voranstellung eines Gliedes wird dadurch erklärt, "daß dasselbe das psychologische Subjekt ist". (PAUL IV l920, 320) Wie später BAUMGÄRTNER 1959 betont auch er die häufige 'Voranstellung eines Fragepron. oder -adv...., dem ja diese Stelle durch die Gesetze der Wortstellung angewiesen ist". (PAUL 192 , 320) PAUL gibt eine große Anzahl von Belegen an, die aber alle älteren Datums sind: (1) "Wer sagen die Leute, das des menschen Son sey". (ebd. 320) (2) "was meinen Sie, daß hieraus für eine Fabel geworden", (ebd. 321) (3) "weitläufige Umstände..., in welchen kleine Geister... sich einbilden, daß die artige Lebensart bestehe", (ebd.)
36
§ 24
Bei BEHAGHEL 1928 findet sich eine Klassifizierung verschiedener Varianten von sowohl der Satzverschränkung wie auch der Infinitiwerschränkung. Er gibt folgende Gruppen von Satzverschränkungen an: - Die LV-Größe sei ein anaphorischer Begriff. Sie trete häufig als Relativpronomen oder als Adverbium auf. (BEHAGHEL in 1928, 547-548) (1) "lassen Sie mich alles wissen, was Sie wünschen, daß das Publikum erfahre", (ebd. 548) (2) "hüben an die Krancken vmbher zu füren auff Betten, wo sie höreten, das er was", (ebd.)
- Die LV-Größe sei ein nicht relatives ananhorisches Pronomen, (ebd.) (3) "den muß ich schaun, daß ich find."
(ebd. 549)
- Eine große Gruppe sind die Konstituentenfragen: ("der übergeordnete Satz beginnt mit einem Fragewort".) (ebd.) (4) "wie sagtet ihr, daß der Kaiser hieß", (ebd.) (5) "an was verlangt ihr, daß ich glauben soll", (ebd.)
- Möglich seien auch nominale Begriffe als LV-Größen. (ebd. 55O) (6) "auch auf dem Theater glaube ich, daß sie ein Glück machen werde", (ebd.)
Den beiden letzten Gruppen sei gemeinsam, daß die LV-Größe ein Begriff
sei,
"der für den Sprechenden im Vordergrund des Interesses steht, also schleunige Verkörperung verlangt", (ebd. 549) Außerdem sei die Satzverschränkung bei Aussage-, Frage- oder Aufforderungssätzen zu beobachten, (ebd. 547) BEHAGHEL liefert also eine detaillierte Klassifizierung verschiedener struktureller Varianten der Satzverschränkung, nach den verschiedenen LV-Größen eingeteilt. Eine wichtige Restriktion ist,
daß die Satzverschränkung
nur bei einer Teilklasse von eingebetteten Nebensätzen - also nur bei substantivischen Nebensätzen - sowie bei einer Teilklasse von Matrixprädikaten möglich sei:
Nur nach Verba sentiendi und declarandi komme eine Satzver-
schränkung vor.
(ebd. 547) Sie werde außerdem benutzt, um einen Begriff, der
für den Sprechenden im Vordergrund steht, hervorzuheben. Auf BEHAGHELS Thesen kann in diesem Kapitel nicht eingegangen werden. Seine syntaktischen wie auch pragmatischen Überlegungen werde ich dann in 4. und 5. ausführlicher erörtern. Zum Schluß soll noch erwähnt werden, daß BEHAGHEL in 1928 auch die Infinitiwerschränkung als strukturelle Möglichkeit verzeichnet. Er erwähnt Beispiele der häufigsten Art der Infinitiwerschränkung, nämlich in der Folge Relativsatz + IP:
37 § 24
(7) "der reinsten menschlichen Natur, der wir streben müssen uns zu nähern", (ebd. 552) (8) "es giebt Staaten, aus denen es kein Unglück ist verwiesen zu werden", (ebd.)
§ 25 Auch BLATZ 1896 gibt eine strukturelle Klassifizierung der Linksverschachtelung. Er beschreibt Relativsätze irit untergeordnetem daß-Satz wie (1) "Verlasse den Unglücklichen jetzt nicht, dem ich weiß, daß du schon viele Unterstützung gewährt hast." (BLATZ II 1896, 93O)
sowie Konstituentenfragen. Hier trete "das Fragewort vor das regierende Verb, und der Inhaltssatz folgt mit daß nach ..." (ebd. 977) Er gibt u.a. folgendes Beispiel an: (2)
"Wer, sagte ich, daß der Entdecker des gewesen sei ? " ( ebd . )
Sauerstoffes
Auch BLATZ behauptet, nur bei einigen Matrixprädikaten finde eine Verschlingung (= Satzverschränkung) statt: bei Verben der Empf indung , des Glaubens, des Wissens, (ebd. 93O, 977) Als Beispiele erwähnt er hier glauben, sagen, behaupten, wissen, erzählen, meinen . . . Allerdings werde eine Verschlingung oft durch andere Konstruktionen ersetzt. In der Fügung Relativsatz + daß-Satz sei eine Umschreibung mit von + Relativ und einer Kopie des Relativs durch ein demonstratives Pronomen (Pronominaladverb, Possessiv) üblich, wie in (3) "Er wählte sich Bücher, von denen (von welchen, wovon) er glaubte, daß sie ihm von besonderem Nutzen sein würden", (ebd. 931)
Bei Konstituentenfragen könne ein als Frageglied stehendes Subjekt "durch grammatische Rektion mit dem regierenden Verb als Objekt verbunden werden". (ebd. 978) Dieses Frageglied ist dann syntaktisch in den Matrixsatz integriert. Ein Beispiel hierzu ist (4) "Wen lesen wir, daß dem Moses erschienen ist?" (ebd.) (statt: "Wer lesen wir, daß erschienen ist?")
Eine andere Umschreibungsmöglichkeit sei eine wie bei den Relativsätzen vorhandene -Konstruktion mit pronominaler Wiederaufnahme im eingebetteten wie (5) "Von wem lesen wir, daß er dem Moses erschienen ist?" (ebd.)
ELATE' Thesen können im Rahmen dieses Kapitels nicht ausführlich diskutiert werden. Wie BEHAGHEL 1928 behauptet er, das Prädikat des Matrixsatzes könne
38
§ 25 nicht beliebig gewählt werden, außerdem erkennt er die Möglichkeit an, die LV-Größe in den Matrixsatz syntaktisch zu integrieren (vgl. ( 4 ) ) . § 26 Bei EBERT 1973 wird die Linksverschachtelung als ein Kriterium zur Bestimmung von Satzeinbettungen benutzt: Ist eine Struktur in einen übergeordneten Satz als Satz eingebettet oder ist sie nur Teil eines einfachen Satzes? Er versucht den Begriff 'subordinate clause' im Rahmen der GTG zu beschreiben. Dabei verwendet er Reflexivierungs- und Permutationsregeln als Kriterien zur Unterordnung von Sätzen. Seine Hauptthese lautet: "... the domain of reflexivization and movement rules increases as the embedded sentence is broken down." (EBERT 1973, 166)
Für die vorliegende Arbeit interessiert in erster Linie seine Diskussion der Linksverschachtelung. Er sieht die Linksverschachtelung als eine Permutationstransformation, bei der ein Element einer untergeordneten IP oder eines untergeordneten Satzes in den Matrixsatz hineinpermutiert wird ("rules which "chop1 elements") (ebd.). EBERT 1973 behauptet, eine Satzverschränkung sei im heutigen Deutsch abgesehen von einigen Sprichwörtern älteren Ursprungs nicht möglich: "In regard to rules which 'chop' elements, subordinate clauses with finite verb form virtually inviolable islands." (ebd.) Eine Ausnahme bildet ein Sprichwort wie (1) "Was du nicht willst, daß man dir tu' das füge keinem anderen zu." (ebd. 167)
Eine weitere Ausnahme bilden Ausrufe wie (2)
"Wie dumm glaubst du denn, daß ich bin,
du Idiot!" (ebd.)
Bei IPen komme diese Permutation weit häufiger vor. (ebd. 17O) Hier unterscheidet EBERT 1973 zwischen extraponierten Infinitivkonstruktionen mit zu, nicht-extraponierten Infinitivkonstruktionen mit zu und Infinitivkonstruktionen ohne zu. Die Restriktionen dieser Infinitiwerschränkung seien bei extraponierten IPen mit zu am strengsten, während die beiden anderen Klassen eine wesentlich größere Permutationsfreiheit aufweisen, (ebd. 173ff.) Beispielsweise sei eine Diskontinuität der Infinitivkonstruktion in dem folgenden nicht-extraponierten Fall möglich (3)
"Ich habe ihn vergeblich zu überreden versucht", (ebd. 171)
während die entsprehende Konstruktion mit extraponiertem Infinitiv sich "on the borderline of grammaticality" bewege, (ebd.) (4)
"?? Ich habe ihn vergeblich versucht zu überreden", (ebd.)
39
§ 26 Es gibt einige extraponierte IPen, die keine Infinitiwerschränkung erlauben. Hier erwähnt EBERT 1973 dieselbe Restriktion wie BIERWISCH 1973: "movement of an element of the infinitival phrase into the dominating sentence is impossible when a pronoun ooreferential with the extraposed complement is present". (EBERT 1973, 173) Ein Satz wie (5) "Ich habe dich darum gebeten, deinen Bruder mitzubringen", (ebd.) ist nicht umformbar in einen Fragesatz wie (6) "*Wen hast du mich darum gebeten mitzubringen?"
(ebd.)
Außerdem sei eine Infuiitdwerschränkung bei IPen, die mit anstatt, ohne oder um eingeleitet sind, nicht möglich. Aus der IP in (7) "Er ist gekommen, um das Buch abzuholen", (ebd.) kann nichts herausgeholt werden, vgl. (8) "*Das Buch ist
er gekommen, um abzuholen",
(ebd.)
Aus diesen Beobachtungen folgert EBERT 1973, daß Restriktionen von Permutationstransformationen ein Kriterium unterschiedlicher Einbettungen darstellen: Während die Einbettung von Sätzen mit finitem Verb als "most clausy" angesehen wird, seien IPen durchaus weniger "clausy", weil hier eine Linksverschachtelung weit freier operieren könne. Eine Art "middle position" zwischen Sätzen mit finitem Verb und Infinitiven ohne zu nehmen extraponierte IPen ein - insbesondere IPen nach anstatt^ ohne, um - und diejenigen, die eine pronominale Vertretung im Matrixsatz haben. Hier seien die Restriktionen einer Infinitiwerschränkung weit strenger als bei Infinitivkonstruktionen ohne zu. (ebd. 173) Bei EBERT 1973 wird eine für die Infinitivsyntax sehr wichtige Problematik angesprochen: Sind Infinitivkonstruktionen oder zumindest eine Teilklasse von ihnen als satzäquivalent zu betrachten? Die verschiedenen Restriktionen einer Infinitiwerschränkung könnten hierzu einen sehr wesentlichen Beitrag leisten. Allerdings beschäftigt sich EBERT 1973 nur mit klaren extraponierten und nicht extraponierten Infinitivkonstruktionen. Es gibt bekanntlich auch Infinitivkonstruktionen, bei denen unklar ist, ob eine Extraposition vorliegt, wie in (9) Peter behauptet, ihn gesehen zu haben.
Diese Fälle komplizieren das Bild, insofern liegt bei EBERT 1973 eine Vereinfachtung vor. Außerdem scheinen mir seine Aussagen zur Satzverschränkung zu
40
§ 26 strikt. Sie kommt nicht nur bei älteren Sprichwörtern und bei gewissen Ausrufen vor, sondern auch in der normalen Rede: (10) Wie findest du, daß er aussieht? /4/ (11) In der ersten bis zweiten Maiwoche rechne ich, daß alles abgeschlossen ist. /18/
Allerdings sind EBERTS Restriktionen und besonders die These, Restriktionen einer Linksverschachtelung zeigen verschiedene Grade von Einbettung, für die vorliegende Arbeit sehr zentral und sie werden in 4. ausführlicher besprochen. § 27 In der internationalen Germanistik ist also das Problem Linksverschachtelung nicht allzu häufig diskutiert worden. Zwar erwähnen einige Grammatiker diese strukturelle Möglichkeit, insbesondere die Infinitiwerschränkung, die ja die häufigere Variante ist, aber die Linksverschachtelung an sich wird allzu oft als eine unerwünschte Konstruktion gesehen. Eine ausführliche Klassifizierung verschiedener Typen von Linksverschachtelung findet sich nur in älteren Werken wie BLATZ n 1896, PAUL 192 und BEHAGHEL in 1928. Diese Studien zeigen mit aller Deutlichkeit, wie wichtig es ist, mit einem Korpus zu arbeiten, statt sich ausschließlich auf theoretische Aussagen zu verlassen oder nur die eigene Kompetenz zu befragen. Die drei oben erwähnten Werke haben durch eine genaue Beobachtung und Klassifizierung einen wesentlichen Beitrag zur Erforschung der Linksverschachtelung geleistet. Allerdings wurden in jüngster Zeit einige wichtige Annahmen formuliert, die weiter zu diskutieren sind. Dies betrifft vor allem Aussagen zur restringierenden Kraft des Matrixprädikats. Außer Versuchen semantischer Klassifizierung dieser Verben bei PAUL 192O, BEHAGHEL 1928 und BLATZ 1896 ist die These von PÜTZ 1975a über Verben, die eine es-Vertretung einer extraponierten Objekts-NP im Matrixsatz zulassen, zu diskutieren. Im Bereich der Infinitiwerschränkung ist besonders die These von EBERT 1973 zu erörtern, der ja behauptet, ein Abbau der zweisyntagmatischen Struktur Matrixsatz + eingebetteter Satz zu Infinitivkonstruktionen ergebe eine größere Anazhl von Mermutationsmöglichkeiten. Dabei ist natürlich die Frage nach der Satzäquivalenz von Infinitivkonstruktionen zu diskutieren. Ein zentrales Problem der Linksverschachtelung ist die Rolle der LV-Größe. Diese ist syntaktisch dem Konstituentensatz zuzuordnen, steht aber linear im Matrixsatz. BLATZ 1896 erwähnt die Möglichkeit, bei Konstituentenfragen die LV-Größe in den Matrixsatz auch syntaktisch zu integrieren (vgl. § 25). Dadurch wird die zentrale Problematik angesprochen, ob bei einer Linksverschachtelung die LV-Größe als Konstituente des Matrixsatzes zu sehen ist, oder ob diese Betrachtungsweise sich zumindest in einigen Fällen rechtfertigen ließe. 13 In einem später erschienenen Werk (EBERT 1978) scheint EBERT diese strengen Regeln aufgegeben zu haben: Die Satzverschränkung wird nicht allgemein verboten, sie "scheint aber im 19. und 2O. Jh. zurückgegangen zu sein", (ebd. 33)
41
2.3.
Linksversdiachtelung im Norwegischen
§ 28 Wie in der deutschen Sprachwissenschaft wird die Linksverschachtelung auch von norwegischen Grammatikern selten behandelt. Obwohl diese strukturelle Möglichkeit in den meisten Werken erwähnt wird, gibt es meines Wissens außer BERMINGRUD 1979 und FAARLUND 198O keine systematische Beschreibung der Problematik. Es ist geradezu erstaunlich, daß man eine ausführliche syntaktische Beschreibung dieser in der norwegischen Gegenwartssprache häufigen Struktur in der Fachliteratur gemieden und sich nur auf das Konstatieren von deren Belegbarkeit beschränkt hat. Dies ist wohl darauf zurückzuführen, daß die Linksverschachtelung lediglich als eine interessante Konstruktion im Altnorwegischen betrachtet wird, teilweise auch als eine in der Gegenwartsprache belegbare stilistische Besonderheit, die es aber zu vermeiden gilt. Die wenigen kurzen Beschreibungen einer 'setningsknute' (= Satzverschränkung) in der Gegenwartsprache bemühen sich hauptsächlich damn, zu erklären, wie man die Konstruktion vermeiden kann. Ein gutes Beispiel ist hier N£S 1972. Cbwohl er einräumt, "setningsknuter ... er noksa alminnelige i vart sprak" (N/ES 1972, 374), könne die Konstruktion dadurch gemieden werden, daß man den laut N£s immer kurzen Matrixsatz streiche, (ebd.) Ein Satz wie (1)
"Jeg spurte han hva han trodde det ville koste",
(ebd.)
könne ohne den Matrixsatz erscheinen "uten at det har noen virkning pa resten ... Jeg spurte harn hva det ville koste", (ebd.) Diese Ersatzkonstruktion einer Satzverschränkung ist zwar grammatisch einwandfrei, bedeutet aber einen klaren semantischen Verlust gegenüber (1) durch die Tilgung des Matrixsatzes, so da R auf keinen Fall eine Paraphrasenbeziehung zwischen diesen Konstruktionen besteht. Man vergleiche hierzu die folgenden Beispiele a) b) ' c) d) (3) Den baten hadde
trodde alle visste alle var alle sikker pa sä alle Per solgt.
at Per hadde solgt.
Zwischen den in (2) aufgeführten Sätzen, bei denen nur das Matrixprädikat variiert, liegen meiner Meinung nach große Bedeutungsunterschiede vor. Beispielsweise ist der eingebettete at-Satz at Pet hadde solgt den baten in (2b) als präsupponiert zu betrachten, während dies von (2a) wohl nicht behauptet werden kann. Eine Tilgung des Matrixsatzes wie in (3) zeigt aber, daß man hier zwar strukturell mögliche, aber semantisch unterschiedliche Sätze erhält, die keineswegs als eine äquivalente Konstruktion betrachtet werden können.
42
§ 28
Die Linksverschachtelung scheint im Norwegischen wie auch im Deutschen keine Neuschöpfung zu sein. Schon im Altnorwegischen ist die Struktur belegt. FALK/TORP 19OO reden von at-Sätzen, bei denen "Et til at-satningen h0rende led kan for at udhaeves stilles i spidsen af hovedsastningen. Dette er i oldnorsk hyppigt, hvor hovedsaetningens verbum udtrykker vilje, mening, kunskab eller udsagn". (FALK/ TORP 19oo, 25o) Sie geben hier u.a. folgende Beispiele an: (4) (5)
"Hrist ok Mist, vil ek, at mer horn beri". (ebd.) "bar et komin son Kveldulfs, sem ek sag9a y3r, at Kveldulfr mundi senda". (ebd. 251)
§ 29 In der norwegischen Sprachwissenschaft wird die Linksverschachtelung der heutigen Sprache in erster Linie als ein stilistisches Problem angesehen. Erst in jüngster Zeit hat die Liriksverschachtelung durch Untersuchungen im Bereich des Sprachgebrauchs und der Sprachnorm eine gewisse Blüte erlebt, die über ffog bloße Erwähnen der Struktur hinausgeht. 14 Hier nehmen vor allem VINJES Darstellungen eine Sonderstellung ein. Die ausführlichste Beschreibung von 'setningsknute1 findet sich in seinem Werk 'Moderne norsk1 (VINJE 1976). vINJE 1976 beschreibt hier nur die Satzverschränkung ('setningsknute1), er legt aber eine gute Klassifizierung vor. Eine Satzverschränkung ('setningsknute1) liege vor, "när et ledd i en underordnet setning blir trukket fram i spissen av en overordnet setning: bilen tror jeg han har solgt (av: jeg tror han har solgt bilen) ...". (VINJE 1976, 2O3) VINJE 1976 nennt auch einige Restriktionen der Satzverschränkung. Dabei steht aber eine stilistische Bewertung in dem Mittelpunkt. Satzverschränkungen in der geschriebenen Sprache seien bei eingebetteten at-Sätzen erlaubt, während dies bei anderen Nebensätzen nicht akzeptabel sei, obwohl solche Satzverschrähkungen ab und zu in der gesprochenen Sprache auftauchen, (ebd.) Einige Beispiele sind (1) (2)
"det er et krav som han er dum hvis han neglisjerer." (ebd. 204) "det forliste flyet, som det ser ut som om man kan redde." (ebd.)
Als LV-Größe ist laut VINJE 1976 jedes Satzglied möglich, obwohl Nicht-Subjekte (Objekte, Adverbiale, Prädikative) überwiegen. Aber auch Subjekte kämen als LV-Größen vor, meistens aber nur in asyndetischen at-Sätzen, wie in (3)
"ballen tror jeg ligger der borte", (ebd. 2O3)
VINJE 1976 sieht aber die Satzverschränkung als eine häufige topologische Besonderheit "i talespräk og ledig skriftspräk" (ebd. 2O4), die meistens durch "normalere" Konstruktionen zu ersetzen sei: "I saksprosa er det i regelen 14 Zu erwähnen sind hier u.a.
LIE 1979, 119-12O und 0YSLEB0 1978,211.
43
§ 29 grunn til
a unnga setningsknute derscm den uten videre kan erstattes av 1
mer'normal uttrykksform1. (ebd. 2O5) VINJE 1976 liefert eine große Anzahl von Beispielen, die er klassifiziert und analysiert. Sein Material bietet daher eine gute Grundlage für eine systematische syntaktische Analyse der Satzverschränkung im Norwegischen. Seine stilistisch motivierten Regeln ('spräkriktighetsregler') sind aber zu streng, um den tatsächlichen Sprachgebrauch und dessen zugrundeliegendes System zu beschreiben: dies ist auch nicht überraschend. Seine Ihesen werden in 4. weiter diskutiert, ebenso die Ergebnisse von BERMINGRUD 1979, der eine ausführliche Studie zur Grammatikalität der Satzverschränkungen im modernen Norwegisch vorgelegt hat.
§ 3O
BERMINGRUD 1979 definiert 'setningsknute1 (= Satzverschränkung1) folgendermaßen: "En setningsknute er en setningskonstruksjon pä helsetningsniväet. Den bestar av en overordnet setning og en leddsetning som er innordnet i denne. Det saeregne ved konstruksjonen er at et av leddsetningens ledd star i spissen av helsetningen". (BERMINGRUD 1979, 7)
Die LV-Größe wird bei BERMINGRUD 1979 'frontledd1 genannt, der Matrixsatz 'O-ledd' (overordnet ledd), der eingebettete Satz 'i-ledd' (innordnet ledd) und der eingebettete Satz * LV-Größe 'i-ledd
'(Innordnet ledd O . Ein
1
'setningsknute habe somit die folgende Struktur: "Frontledd - O-ledd - i-ledd *" (ebd. 1O) Ein Beispiel hierzu ist: Mordet (frontledd) var det tydelig at hun hadde begatt (i-ledd *)
(O-ledd)
BERMINGRUD 1979 untersucht Satzverschränkungen bei substantivischen, adjektivischen und adverbiellen Nebensätzen. Dabei unterscheidet er zwischen a. Nebensätzen, die einem Relativsatz untergeordnet sind, 'leddstorsetning' genannt, wie in (1)
"Hun kjtfpte en kjole som han syntes var for dyr." (ebd. 97)
und
b) Nebensätzen, die anderen Matrixsätzen untergeordnet sind, 'storsetning' genannt, wie in (2)
"Litt bleik synes jeg nok han er." (ebd. 5O)
Eine Satzverschränkung ist bei einem 'storsetning' sowie bei einem
44
§ 30 'leddstorsetning' im heutigen Norwegisch sehr häufig. Bei substantivischen Nebensätzen läßt sich eine Satzverschränkung in den allermeisten Fällen belegen, vgl. hierzu die Beispiele (3) Subjekt als LV-Größe: "Det tror jeg er riktig". (ebd. 49) (4) Objekt als LV-Größe: "Det trodde ban at jeg hadde gjort". (ebd.) (5) Adverbial als LV-Größe: "I morgen häper jeg at jeg blir ferdig". (ebd. 50) (6) Prädikativ als LV-Größe: "Det liker jeg ikke at du kailer meg", (ebd.) (7) Teil einer PP: "Det sp0rsmälet tror jeg ikke vi skal komme inn pa". (ebd.) (8) Prädikatsteil: "Reist tror jeg enna ikke at ban har". (ebd.)
Steht aber ein eingebetteter at-Satz als Subjektsprädikativ, sei eine Satzverschränkung nicht möglich: (9) "»'«Eilen er saken at jeg ikke vil kj0pe (av Sahen er at jeg ikke vil kjvpe bilen.)" (ebd. 74)
Auch bei adjektivischen Nebensätzen, also bei Relativsätzen, läßt sich eine Satzverschränkung belegen, obwohl sie hier nur bedingt möglich ist. Laut BERMINGRUD 1979, 77 ist eine Satzverschränkung nur dann möglich, wenn das Relativpronomen Subjekt des Relativsatzes ist. In anderen Fällen habe man es mit eindeutig ungrammatischen Satzverschränkungen zu tun: (10) "Det har jeg en bat som heter". (ebd. 76) ( 1 1 ) " se + Adjektiv. Allerdings möchten wir behaupten, daß bei den Matrixprädikaten sanantisch determinierte Restriktionen bzw. Tendenzen erkennbar sind, die sich aber nur schwer formalisieren lassen. Dies zeigen unzureichende Kriterien wie semantische Dominanz bei ERTESCHICK 1973 wie übrigens auch syntaktische Klassifizierungsversuche bei PÜTZ 1975a. Diese beiden Darstellungen zeigen auch, daß man es hier mit einer Problematik zu tun hat, die sich nicht im Rahmen einer satzsyntaktischen Analyse beschreiben läßt. Um die Rolle des Matrixprädikats für die Restriktionen einer Linksverschachtelung adäquat zu beschreiben, ist unserer Ansicht nach eine textlinguistisch orientierte Analyse erforderlich. Dabei würde es aber nicht nur um die Linksverschachtelung gehen, sondern auch um funktional synonyme Konstruktionen, die mit der Linksverschachtelung zu vergleichen wären (vgl. kurz hierzu 7.2.).
1O4-115 5.
5.0.
DER RESTRIKTIONSVERGLEICH
Vorbemerkung
§ 1O4 Zwischen dan Deutschen und dem Norwegischen bestehen in bezug auf die Linksverschachtelung große Frequenz- und Restriktionsunterschiede. Ein Vergleich der Restriktionen weist zwar trotzdem viele Gemeinsamkeiten auf, aber auch einzelsprachlich bedingte Unterschiede. Vor allem wird zu zeigen sein, daß der Umfang dieser Restriktionen in beiden Sprachen von der Art des eingebetteten Syntagmas abhängig ist. 5.1.
Die Satzverschränkung
5.1.1. Der eingebettete Satz Eine sehr wichtige Gemeinsamkeit der beiden Sprachen ist, daß der eingebettete Satz in der Extraposition stehen muß. Dies läßt sich im Norwegischen an Hand von Adverbialsätzen und Relativsätzen gut zeigen. In dem Beispiel Test XV, 5: Dette ville det vaere svaert beklagelig om noen gjorde.
liegt ein extraponierter Adverbialsatz mit einer einwandfreien Satzverschränkung vor. In dem entsprechenden nicht-extraponierten Fall Test XV, 6: *Dette ville det vaere, om noen gjorde, svaert beklagelig.
ist eine Satzverschränkung eindeutig inakzeptabel, während die kontinuierlichen Strukturen (1) Det ville v«re beklagelig om noen gjorde dette. (2) Det ville vare, om noen gjorde dette, svaert beklagelig.
beide als akzeptabel gelten müssen. Vgl. auch entsprechende Strukturen bei den Relativsätzen: (3) Denslags kjenner jeg mange svaert godt soro har spist. Test XIV, 7: *Denslags kjenner jeg mange som har spist, svaert godt. (4) Jeg kjenner mange svaert godt som har spist denslags. (5) Jeg kjenner mange som har spist denslags, sv«rt godt.
148
§ 1O4 Auch bei deutschen Nebensätzen läßt sich eine solche Analyse rechtfertigen, obwohl dies hier nicht so deutlich zum Ausdruck kcrmtt wie im Norwegischen. Ein einwandfreier Satz wie (6) Die Wähler haben tatsächlich geglaubt, daß die Wahlen so ausgehen werden!
läßt sich zur Not umformen in Test VIII, 1: ?Die Wähler haben, daß die Wahlen so ausgehen werden, tatsächlich geglaubt!
Dieser Satz wurde von 14 von 3O Informanten akzeptiert. Deutlich inakzeptabler ist aber hier eine Satzverschränkung, Test VIII, 2: *So haben die Wähler, daß die Mahlen ausgehen werden, tatsächlich geglaubt!
der nur von 3 Informanten akzeptiert, von 27 Informanten abgelehnt wurde. In Test VIII, 2 liegt im Gegensatz zu (6) keine Extraposition des daß-Satzes vor. In Verbindung mit dem extraponierten Fall (6) läßt sich auch ohne weiteres eine Satzverschränkung konstruieren, vgl. (7) So haben die Wähler tatsächlich geglaubt, daß die Wahlen ausgehen werden!
Dies zeigt, daß eine Satzverschränkung nur bei extraponierten rt f$r. /146/
F. Relativsätze/Subjekt als LV-Größe
(vgl. § 84)
(19) *Ingen har jeg en onkel som vil vite av.
M
κ
155
§ 1O8 G. Relativsätze/Sonderrestriktionen (vgl. § 84) Test XIV, 5: *Dette kjenner jeg mange som Per har sagt til. Test XIV, 2: *Denne boka kjenner jeg butikken som seigrer.
H. Adverbielle Nebensätze/Subjekt als LV-Größe/Einzel fälle bei Konditionalsätzen und irrealen Vergleichssätzen (vgl. § 89) (20) En overf!0dig, som gjerne kunne forsvinne, som det var aldeles utmerket om forsvant. / 2 7 l / (21) De danset ute pä havet, i salongen, omgitt av fülle barnesvensker, som de matte late som om ikke eksisterte. /272/
I. Adverbielle Nebensätze/Subjekt als LV-Größe/sonstige Fälle (vgl. § 89) (22)
*Varen blir det bedre när Aommer.
J. Adverbielle Nebensätze/Sonderrestriktionen (vgl. auch 4.3.1.3.) Test XV, 2: (Han fant ut at han hadde latt kassen sta ut pä fortauet.) *Den hadde han hatt det sä travelt at han hadde glemt. Test XV, 1: *Dette blir man sint pä deg fordi du har gjort. Test XV, 3: *Dette blir man sint pä deg selv om du har gjort. (23) "*Denne boka d0de Anne om hun leste". (BERMINGRUD 1979, 88).
§ 1O9 5.1.3. Zusammenfassung Dieser Überblick zeigt, daß die Restriktionen der Sätzverschränkung im Deutschen und im Norwegischen syntaktischer Art sind. Die Restriktionen lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Als Einbettungsrestriktion könnte man die gemeinsame pcsitionssyntaktische Extrapositionsrestriktion bezeichnen: Der eingebettete Nebensatz muß in beiden Sprachen extraponiert sein, um eine Satzversc^ränkung zu erlauben. Eine zweite Einbettungsrestriktion ist die Art des eingebetteten Satzes: Hier lassen in beiden Sprachen substantivische Nebensätze, also hier Cbjektsätze, wesentlich mehr Satzverschränkungen zu als attributive und adverbielle Nebensätze. Allerdings sind diese Restriktionen im Deutschen weit strenger als im Norwegischen. Eine zweite Hestrikticnsgruppe betrifft die Bedingungen der syntaktischen Funktion der LV-Größe. In beiden Sprachen kann man von einer Subjektrestriktion reden. Diese wirkt aber im Deutschen strenger. Während im Deutschen fast überall ein Subjekt als LV-Größe blockiert ist, ist dies im Norwegischen nur bei Relativsätzen der Fall. Allerdings weist das Subjekt als LV-Größe auch in Norwegischen Restriktionen bei sämtlichen Nebensatztypen auf, was bei keinem anderen Satzglied als LV-Größe der Fall ist. (vgl. B, C und H auf der Skizze
156
§ 1O9 für das Norwegische in § 1O8) Dies spricht dafür, daß das Subjekt eigene, strenge Permutationsbedingungen aufweist, wodurch ein diskontinuierlich angeordnetes Subjekt äußerst beschränkt möglich ist. Das Subjekt hat somit in satztopologischer Hinsicht eine Sonderstellung, die es rechtfertigt, es als ein Satzglied mit besonderen Eigenschaften zu betrachten, das nicht mit anderen Satzgliedern gleichgesetzt werden kann. Das Deutsche weist in bezug auf syntaktische Bedingungen der LV-Größe nicht nur strengere, sondern auch zusätzliche Restriktionen zum Norwegischen auf. Eine Objektrestriktion läßt sich im Norwegischen nicht nachweisen: Bei allen drei Nebensatztypen sind Satzverschränkungen mit einem Objekt als LVGröße belegbar. Im Deutschen ist aber ein Objekt, sei es als Kasusobjekt, sei es als Präpositionalobjekt, kaum als LV-Größe möglich. Eine Exklusionsregel liegt aber hier nicht vor. Vereinzelte Belege lassen sich bei daßSätzen finden, wenn das als LV-Größe stehende Objekt keine flexivischen Kasusmerkmale aufweist. Hier wird auch die Rolle flexivischer Merkmale für die Restriktionen einer Satzverschränkung ersichtlich. Eine Satzverschränkung ist - außer bei Konstituentenfragen - nur dann möglich, wenn das als LV-Größe stehende Objekt keine "äußeren", flexivischen Merkmale hat. Eine Parallele hierzu ist die in 4.2.2.3.2. besprochene Kasusrestriktion bei der Infinitivverschränkung. In beiden Fällen macht eine flexivische Markierung von Objekten diese als LV-Größen weniger akzeptabel. 5.2.
Die Infinitiwerschränkung
§ 110 Ein Vergleich der Infinitiwerschränkung zwischen den beiden Sprachen ist schwierig. Im Norwegischen ist die Infinitiwerschränkung sehr frei; keine der Restriktionen bei der Satzverschränkung sind hier wirksam. Dies ist eigentlich nicht verwunderlich, da bei der Satzverschränkung im Norwegischen die wesentlichen Restriktionen in Verbindung mit dem Subjekt als LV-Größe auftreten. Bei einer IP liegt bekanntlich kein Subjekt vor. Außerdem ist es im Norwegischen schwierig zu entscheiden, ob eine Infinitivkonstruktion ein eigenes Syntagma ist oder ob sie nur ein Teil eines einfachen Satzes ist. Eine Einklammerung wie im Deutschen, wo die Infinitivkonstruktion eindeutig nicht extraponiert und kein eigenes Syntagma ist, gibt es im Norwegischen nicht, vgl. (1) *Jeg hadde dette a gjere tenkt. (Jeg hadde tenkt ä gj0re dette)
Im Deutschen ist die Beschreibung der Infinitivverschränkung eine nicht so offene Frage wie im Norwegischen. Hier steht fest, daß nur extraponierte IPen
157
§ 11O als eigene Syntagmen betrachtet werden können, daß ebenfalls Einklairrterungskonstruktionen keine eigenen Syntagmen sind. Bei der Neutralstellung ist diese Frage etwas problematischer. Da eine größere Freiheit der Penrutaticoen der Elemente einer Infiriitivkoristruktion ein Argument gegen ein eigenes Infinitivsyntagma ist und gleichzeitig strenge Permutationsregeln ein Indiz für eigene Infinitivsyntagmen sind - dies läßt sich ja durch den Vergleich der Permutaticnsregeln zwischen extraponierten IPen und Einklannerungskonstruktiorien nachweisen -, nehmen Neutralstellungsfälle hier eine Zwischenstellung ein. Trotzdem würden wir Infinitivkonstruktionen in der Neutralstellung nicht als eigene Infinitivsyntagmen betrachten: Viele Restriktionen bei extraponierten IPen sind mit den Neutralstellungsfallen nicht vergleichbar. Die Korrelatrestriktion (vgl. 4.2.2.3.3.) ist ja nur bei extraponierten IPen zu finden, vgl. Test XII, 2: *Diesen Sieg hätte niemand es gewagt, vorherzusagen.
Ein Kasusaufprall (vgl. 4.2.2.3.2.) läßt sich zwar bei beiden Fällen feststellen, weist aber bei extraponierten IPen zusätzliche Restriktionen auf. Bei passivischen Matrixprädikaten, die es ja bei der Neutralstellung nicht geben kann, könnt diese Restriktion deutlich zum Ausdruck, vgl. (2) *Dies ist ein Roman von Sacharow, den ihm erlaubt wurde, nur im Westen herauszugeben.
In den übrigen Fällen von Kasusaufprall weisen extraponierte IPen oft eine niedrigere Akzeptabilität auf als Neutralstellungsfälle, vgl. Test XI, 1: ?Dies ist ein Wunsch, dem das Kind versucht, zunächst durch Schreien Ausdruck zu geben. Test XI, 2: Diesem Wunsch versucht das Kind zunächst durch Schreien Ausdruck zu geben.
Die einzige identische Restriktion, daß nämlich eine Infinitiwerschränkung bei adverbiellen IPen - also nach anstatt, ohne, um - blockiert ist, ist aber auf den Sonderstatus von adverbiellen IPen zurückzuführen. Sie sind inner als eigene Syntagmen zu betrachten, aus denen kein Element herauspermutiert werden kann. Diese Restriktion ist überall wirksam und somit unabhängig von der Art der Einbettung einer Infinitivkonstruktion: Sowohl bei extraponierten IPen wie auch bei Infinitivkonstruktionen in der Neutralstellung und in der Einklammerung ist keine Diskontinuität der Infinitivkonstruktion möglich: (3) *£>as ist Peter gekommen, ohne zu tun. (4) *Das kommt Peter, ohne zu tun. (5) *Das ist Peter, ohne zu tun, gekommen.
158
§ 110 Wo Neutralstellungsfälle und extraponierte IPen in bezug auf Restriktionen vergleichbar sind, weisen also extraponierte IPen strengere Restriktionen auf. Außerdem haben extraponierte IPen eigene, strenge Restriktionen, die es bei Neutralstellungsfallen aus anderen Gründen nicht geben kann. Da freiere Perrautationsregeln als ein Indiz für einen Abbau des Syntagnenstatus gesehen werden kann, halten wir es für angebracht, Infinitivkonstruktionen in der Neutralstellung als Teile von einsyntagmatischen Strukturen zu betrachten. Ein weiteres Indiz ist das afcer-Kriterium von PÜTZ 1975a, 139ff. (vgl. § 60) Diese Annahme bedarf aber einer genauen Nachprüfung nach anderen, zusätzlichen Kriterien. Wir wollen sie aber in unserem Rahmen als gültig annehmen. Eine ausführliche Erörterung dieses komplizierten syntaktischen Problems ist im Rahmen einer kontrastiven Untersuchung der Linksverschachtelung nicht möglich. 5.3.
Die Linksverschachtelung als Beispiel einer topologischen Regelsysteratik im Deutschen und Norwegischen
5.3.1. Asyndese und Parenthese § 111 Bei dem Vergleich zwischen dem Deutschen und dem Norwegischen könnt ein wichtiges Problem zum Vorschein, das in den Skizzen in § 1OÖ nicht erwähnt wird und für die Systematik der Permutationsregeln in beiden Sprachen relevant ist. Es handelt sich um die klare Regel, daß im Deutschen eine Satzverschränkung bei asyndetischen daß-Sätzen nicht möglich ist, vgl. Test II, 6: *So glauben die Wähler in Schleswig-Holstein, die Wahlen werden ausgehen. Test V, 2: *Was glaubst du, er wird dir schicken?
Im Norwegischen ist dies nicht nur möglich, sondern auch die deutlich bevorzugte Variante der Satzverschränkung bei at-Sätzen, vgl. ( 1 ) Hvordan synes De han er? /218/ ( 2 ) Han hadde et godt bibliotek og gode malerier - og en vinkjeller som han hevdet kunne täle enda et par ars krig. /142/ (3) Der kunne jo lereren tillate seg a gi en 0refik en gang imellom og det tror jeg vi elevene hadde veldig godt av. /279/
Dieser Unterschied zwischen den beiden Sprachen läßt sich aber auf eine prinzipiell gleiche Systematik zurückführen. Diese Segelsystematik zeigt, wie im Bereich der Linksverschachtelung eine größere Anzahl von Pernutationsmöglichkeiten erzielt werden kann. In Strukturen wie
159 §111
(4) Denne boken tror alle at Per har skrevet. (5) *Dieses Buch glaubt jeder, daß Peter geschrieben hat.
liegen hypotaktisch organisierte Sätze vor. Der untergeordnete daß/at-Satz weist klare Merkmale eines Nebensatzes auf, wie die Konjunktion daß/at, im deutschen Satz auch die Endstellung des finiten Prädikatsteils. Diese Nebensatzmerktnale können aber weggelassen werden. Trotzdem bleibt hier die hypotaktische Relation zwischen Hauptsatz und substantivischem Nebensatz erhalten. Der Unterschied zu (4) und (5) besteht lediglich darin, daß die Hypotaxe nicht durch konjunktionale Merkmale gezeigt wird, vgl. (6) Denne boken tror alle Per har skrevet (7) *Dieses Buch glaubt jeder, Peter hat geschrieben.
Diese Variante ist ja bei norwegischen -Sätzen die durchaus üblichste. Für das Norwegische scheint also zu gelten, daß bei einer Satzverschränkung auf möglichst viele Einbettungssignale verzichtet wird. Eine v/eitere Abschwächung von Einbettungsmerkmalen sind kurze Matrixsätze mit psychologischen Prädikaten wie syneSj mene, tro, vite usw. solche Fälle können weit häufiger vor als "längere" Matrixsätze. Dies ändert aber nichts daran, daß man es mit einem Hypotagme bestehend aus Matrixsatz + Konstituentensatz zu tun hat: Es liegen inner noch zwei Sätze vor, indem (6) zwei Nexusverbindungen hat -alle tTodde und denne boken vor. Der einzige Unterschied zu (4) ist, daß auf die Einbettungssignale des at-Satzes verzichtet wird. Es ist einleuchtend, daß der Matrixsatz nicht zu einem parenthetischen Einschub reduziert worden ist, vgl. hierzu die Argumentation in § 5 und in § 48 und die parenthetische Variante von (6) (6a) Denne boken, (det) tror alle, har Per skrevet.
Eine Parenthese ist im Norwegischen hier zwar möglich, sie wird aber sehr selten verwendet. Ein Beispiel hierzu ist (8) Og nä to stortingsmeldinger med helt motsatt fortegn der alt i samfunnet skal gjtzsres mykt, godt og naert. Fine tanker de faerreste har motforestillinger mot, men som - frykter vi - vanskelig vil overleve konfrontasjonen med de harde verdier. (Dagbladet /2S.8.79/3)
Statt einer Parenthese wird also eine Satzverschränkung mit einem asyndetischen at-Satz, also ohne Einbettungssignale, verwendet, wie in den Sätzen (9) Hvordan mener De H0yre skal mete utfordringene der? /268/ (10) NTH ser alvorlig pa det "tillitsbrudd" dere mener studentene har gjort seg skyldig i. /255/ (11) Og de billedene jeg har gjort derfra sier de er gode. /228/
160
§ 112
Im Deutschen ist eine Satzverschränkung bei syndetischen daß-Sätzen mit sehr strengen Restriktionen verbunden. Gleichzeitig ist eine Satzverschränkung bei asyndetischen daß-Sätzen voll blockiert. Es wird hier auf die Hypotaxe ganz verzichtet und ein parenthetischer Einschub verwendet. Dies hat eine weit größere Permutationsfreiheit zur Folge. Die strengen Stellungsregeln bei der Satzverschränkung sind aufgehoben. Sätze wie (1) "Wieviel Auflage, glaubst du, hat die Chronik?" (FALLADA 1964, 214) (2) "Geld hat er, glaube ich, nötig", (ebd. 27) (3) Diese Anstalten, sagte der Minister, seien in vieler Hinsicht benachteiligt. (Texte I, 142)
sind alle einwandfreie parenthetische Konstruktionen, während die entsprechenden Satzverschränkungen teils inakzeptabel, teils wenig gebräuchlich sind: (4) Wieviel Auflage glaubst du, daß die Chronik hat? (5) ?*Geld glaube ich, daß er nötig hat. (6) *Diese Anstalten sagte der Minister, daß in vieler Hinsicht benachteiligt seien.-^
36 Ein Vergleich zwischen ( l ) - ( 3 ) einerseits und ( 4 ) - ( 6 ) andererseits zeigt außerdem, daß eine hypotaktische Relation zwischen Matrixsatz und Konstituentensatz in ( l ) - ( 3 ) nicht nachweisbar ist. Trotz eines Abbaus der Hypotaxe erscheint es problematisch, hier von Parataxe zu reden. Die definitorischen Merkmale der Parataxe, gleiche Distribution und syntaktische Funktion der beiden Teile des Paratagmas, lassen sich bei parenthetischen Konstruktionen nicht generell nachweisen. Parenthetische Einschübe wie in Geld hat er
glaube ich das glaube ich ich glaube es
nötig
sind in bezug auf syntaktische Funktion mit dem ganzen Satz kaum vergleichbar. Auch die Distribution ist problematisch. Ein Satz wie glaube ich wäre kaum gebräuchlich, während ein Satz wie Geld hat er nötig einwandfrei ist. Außerdem wäre im oben genannten Satz eine Parenthese wie ich glaube wohl nicht möglich. Dies zeigt, daß zwischen dem Satz Geld hat er nötig und der Parenthese distributionelle Unterschiede vorliegen: Die Parenthese glaube ich weist somit eine Art distributioneile Abhängigkeit von dem Satz Geld hat er nötig auf. Außerdem besteht bei der Parenthese ein topologisches Abhängigkeitsverhältnis, indem die Abfolge glaube ich zumindest durch eine deutliche Präferenz vorgeschrieben ist. Die Parenthesen das glaube ich und ich glaube es weisen dagegen weitgehend dieselbe Distribution auf wie der ganze Satz. Diese Überlegungen zeigen, daß zwischen Parenthese und parataktischer Verbindung Berührungspunkte bestehen, daß aber hier kein 1:1-Verhältnis vorliegt. Charakteristisch für die Parenthese ist, daß sie einen Einschub in die Rede beinhaltet, semantisch wie auch durch die relative Stellungsfreiheit der Parenthese, vgl. die Stellungsmöglichkeiten Geld - glaube ich - hat er nötig, Geld hat er - glaube ich - nötig usw.
161
§ 113 Dieser Vergleich zeigt, daß eine Satzverschränkung, also eine Mischung der Konstituenten von Matrixsatz und Konstituentensatz, in beiden Sprachen nicht inner bevorzugt wird. Dies hat aber unterschiedliche Gründe: Im Deutschen muß eine Satzverschränkung in den meisten Fällen gemieden werden, weil sonst strukturell inakzeptable Sätze entstehen würden. Im Norwegischen läßt sich hier eine stilistische Begründung geben: Eine Satzverschränkung läßt sich bei syndetischen Nebensätzen belegen, besonders zu erwähnen sind hier eine Satzverschränkung bei om/hv-Sätzen, bei denen eine asyndetischen Einbettung nicht möglich ist. Eine Satzverschränkung wird bei syndetischen -Sätzen aus stilistischen und nicht aus strukturellen Gründen relativ selten verwendet. Daß der daß-Satz asyndetisch eingebettet ist, heißt nicht, daß die Satzverschränkung als Struktur aufgegeben ist. In den überwiegenden Fällen wird auf die äußeren Merkmale der Hypotaxe verzichtet. Weil die Satzverschränkung als voll akzeptable strukturelle Möglichkeit in der geschriebenen wie in der gesprochenen Sprache gegeben ist, zieht man es also vor, die Hypotaxe beizubehalten und nicht den Matrixsatz in einen parenthetischen Einschub zu verwandeln. Eine Parenthese wie in (8) in § 111 wird ja im Norwegischen sehr selten verwendet. Im Deutschen wird dagegen eine Parenthese gegenüber einer Satzverschränkung deutlich bevorzugt. Da die Satzverschränkung in sehr vielen Fällen nicht möglich ist, wird, um eine größere Permutationsfreihert zu erreichen, die hypotaktische Konstruktion in eine Parenthese umgewandelt. Dies gilt auch manchmal für Fälle, wo eine Satzverschränkung strukturell möglich wäre, wie ein Vergleich zwischen (1) und (4) in § 112 zeigt. Wenn die Hypotaxe "aufgehoben" wird, werden die Permutationsmögliclikeiten, den Verhältnissen im einfachen Satz entsprechend, auch größer, wie ein Vergleich zwischen (3) und (6) in § 112 zeigt. § 114 5.3.2. Infinitiwerschränkung und Einsyntagmatisierung Eine zweite Möglichkeit, hier strenge, strukturelle Regeln zu vermeiden, besteht darin, daß eine Satzverschränkung in eine Infinitiwerschränkung umgewandelt wird. Diese Möglichkeit ist natürlich ziemlich begrenzt, denn nicht jeder