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German Pages 518 [520] Year 1994
LINGUISTIGE SCIENTLE COLLECTANEA
LINGUISTIGE SCIENTLE COLLECTANEA Ausgewählte Schriften von
Wolfgang P. Schmic anläßlich seines 65. Geburtstages herausgegeben von Joachim Becker, Eckhard Eggers, Jürgen Udolph und Dieter Weber
W G DE
Walter de Gruyter • Berlin • New York 1994
@ Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Schmid, Wolfgang P.: Linguisticae scientiae collectanea : ausgewählte Schriften / von Wolfgang P. Schmid. Anläßlich seines 65. Geburtstages hrsg. von Joachim Becker ... - Berlin ; New York : de Gruyter, 1994 ISBN 3-11-013440-3 NE: Becker, Joachim [Hrsg.]
© Copyright 1994 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berfin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Der Computersatz wurde mit dem Drucksatzprogramm e m T g X 3.1415 auf der Rechenanlage des Sprachwissenschafdichen Seminars der Universität Göttingen durchgeführt. Druck: Werner Hildebrand, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer-GmbH, Berlin
Editorische Notiz Die Bibliographie der Schriften übernimmt die Form der Titelaufnahme, wie sie bei der Erstveröffentlichung der Arbeiten vorlag. Die Schriften W. P. Schmids kommen, mit Ausnahme der thematisch zusammengefaßten Baltischen Beiträge, in chronologischer Folge zum Neuabdruck. Für die Seitenzählung wurden zwei Verfahren gewählt: Die fortlaufende Paginierung dieser Auswahlausgabe wird ergänzt durch die originale Seitenzählung der jeweiligen Veröffentlichung, die durch eckige Klammern hervorgehoben ist. Durch die Angabe der ursprünglichen Seitenzählung soll eine einfache Zitierbarkeit der Arbeiten gewährleistet werden. Folgenden Verlagen, die die hier versammelten Arbeiten betreuen, ist für die Genehmigung zum Neuabdruck zu danken: Almqvist + Wiksells Förlag AB, Stockholm Böhlau Verlag, Köln Walter de Gruyter, Berlin u. New York Institut für Sprachwissenschaft, Graz Verlag J. G. Herder-Institut, Marburg/Lahn Lund Humphries Publishers Ltd, London Institut für Sprachwissenschaft, Innsbruck Leipziger Universitätsverlag, Leipzig Peeters Publishers and Booksellers, Leuven Societas Uralo-Altaica, Göttingen Franz Steiner Verlag Wiesbaden, Stuttgart Vandenhoek & Ruprecht Verlagsbuchhandlung, Göttingen Carl Winter Universitätsverlag, Heidelberg Ihre Zustimmung machte diese Auswahlausgabe erst möglich.
Vorwort Wenn mit diesen Collectanea eine Auswahl der Schriften W. P. Schmids vorgelegt wird, so soll damit ein Forscher geehrt werden, der seit vier Jahrzehnten die Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft in besonderer und unnachahmlicher Weise gefördert und befruchtet hat. Die weitgespannte Palette von Themen, die er behandelt hat und zu denen er immer wieder zurückkehrt, entspricht einer ganzheitlichen sprachwissenschaftlichen Schau, die bei einer historischen Fragestellung das AllgemeinSprachwissenschaftliche ebensowenig unberücksichtigt läßt wie umgekehrt bei einer „modernen" Grammatiktheorie den Ausblick auf mögliche historische Dimensionen oder vergleichende Anwendungsmöglichkeiten. Seine Methodik ist gekennzeichnet durch das Streben nach einer strengen theoretischen Fundierung; es ist ein behutsames Forschen, das nur Ergebnisse anerkennt, die aufgrund gesicherter sprachlicher Fakten gewonnen wurden. Diese strenge Selbstbeschränkung hat W. P. Schmid — sollte man sagen: glücklicherweise? — immer daran gehindert, irgendwelchen spekulativen Überlegungen nachzuhängen. Man sollte in seinen Arbeiten jedem Gedankengang in allen einzelnen Schritten aufmerksam folgen, um der Vielseitigkeit gerecht zu werden, die sich in seinen Schriften ausdrückt. Wolfgang P. Schmid wurde am 25. Oktober 1929 in Berlin geboren. Dort erlebte er den ausgehenden 2. Weltkrieg aus nächster Nähe mit und durchstand auch die Wirren der Nachkriegszeit. Nach dem Abitur entschloß er sich zunächst zum Studium der Theologie an der Kirchlichen Hochschule in Berlin-Zehlendorf, wechselte dann aber nach kurzer Zeit Studienfach und Studienort. In Tübingen kam er durch das Studium der Vergleichenden Sprachwissenschaft in den Kreis um Hans Krähe, den dortigen Indogermanisten und Namenforscher, in dem er einen lebhaften Förderer fand. Mit einer Arbeit aus dem indo-iranischen Bereich (Untersuchungen zur Stellung der Nasalpraesentia im indo-iranischen Verbalsystem) wurde er im Jahre 1955 promoviert und gleichzeitig dafür mit dem „Preis der Philosophischen Fakultät" ausgezeichnet. Zusammen mit der Dissertation lassen die ersten Aufsätze in den Fachzeitschriften und seine Habilitationsschrift mit dem Titel Studien zum baltischen und indogermanischen Verbum (1963) bereits erkennen, welcher Programmatik sich W. P. Schmid verschreiben wird: es ist der große Bereich zwischen Indien und Europa, wobei das Baltikum einen wichtigen Schwerpunkt bildet.
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Vorwon
Wenig später erging an ihn ein Ruf auf den sprachwissenschaftlichen Lehrstuhl der Universität Innsbruck, den er allerdings nur ein Semester lang innehatte, da sich bereits ein weiterer Wechsel abzuzeichnen begann: im Jahre 1965 nahm er den Ruf auf den Lehrstuhl für Allgemeine und Indogermanische Sprachwissenschaft an der Universität Göttingen an, den er bis heute bekleidet. Seine Antrittsvorlesung galt dem Thema Alteuropa und der Osten im Spiegel der Sprachgeschichte. Kurz nach Antritt seiner Professur in Göttingen erreichte ihn die Nachricht vom Tode seines Lehrers Hans Krähe, mit dem er immer auch freundschaftlich verbunden war. Für W. P. Schmid bedeutete dies die Übernahme neuer Aufgaben. So berief ihn (noch auf Krahes Empfehlung) die Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur zum Ordentlichen Mitglied und übertrug ihm die Leitung des Archivs für Gewässernamen und der Hydronymia Germaniae, die vorher Hans Krähe betreut hatte. Gleichzeitig übernahm er die alleinige Redaktion der traditionsreichen Indogermanischen Forschungen, für die ebenso vorher sein Lehrer verantwortlich gewesen war. Diese publizistischen Arbeiten waren ein weiterer Impuls seiner Forschungsarbeit, die vor allem darin bestand, einmal verstärkt die Probleme der sogenannten Alteuropäischen Hydronymie anzugehen, zum anderen aber auch immer wieder Fragen der Allgemeinen und Vergleichenden Sprachwissenschaft zu erörtern. Als Ergebnis dieser Forschungen wurde er aufgrund methodischer Uberlegungen gezwungen, das Krahesche Bild von der Alteuropäischen Hydronymie als einer im wesentlichen wes c tritt vor ai sonst nicht ein (vgl. sakkait — sacit, raugait — ravdzit). Tatsächlich lehrt die Zahl der konkurrierenden Formen, daß die Endung -ait(a) die Ausnahme, dagegen die Endung -öEf(a) die Regel ist. Das läßt sich deutlich bei topaita — topcet (für a), tyccaita — tyccat, tycccet und warraitu — warrcetu (beide für b) sehen. Von hier aus wird man dann statistisch nicht faßbare Fälle wie
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stawaita —stawceta (101,2) oder tur(r)aita —turrcet(a), turrcetes (19,17; 20,11; 14; 108,12) beurteilen können. Auffallend sind jedoch die Verhältnisse bei dodait{a) 41,21; 86,8; 90,24) „date", ne addodaita (95,11) ,,vergeltet nicht", padodaita (97,15) ,,exhibete" gegenüber dodat (20,15), dodata (113,28) ne dodates (42,17), nee addodata (20,11) und ne dodceta (110,13), da hier dodceta zahlenmäßig zurücksteht. Doch muß dabei berücksichtigt werden, daß dot ,,geben" bei G. Elger noch nicht vollständig in die thematischen Verben eingegliedert worden ist, denn die 1. Pers. Sing, heißt regelmäßig domu (57,14; 63,20; 69,11; 87,21) ,,do" neben der 3. Person doda (87,21), död (13,27). Ein Funktionsunterschied ähnlich dem von sakkat — sakkaita ist bei dodat—dodaita nicht zu erkennen. Wenn aber die Endung -ait(a) bei den In diesem Paragraphen aufgezählten Fällen offensichtlich mit der Einführung der thematischen Flexion im Zusammenhang steht, dann läßt sich daran denken, daß f ü r das Verhältnis dodat— dodaita dasjenige von sakkat-sakkaita als Vorbild gedient hat^®. Allerdings besteht dabei die Gefahr, daß man sich allzusehr vom Schriftbild her beeinflussen läßt, da dieses die Quantität des a ohnehin nur selten und an dieser Stelle überhaupt rücht verrät. Es kommt hinzu, daß bei einer solchen Annahme eine deutlichere Scheidung von Indikativ und Imperativ ( < Optativ) auch bei den thematischen Verben zu erwarten wäre. So bleibt die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß bei den themavokalischen Stämmen auch der thematische Optativ mit -ai- < *-oi- mitgespielt hat. In diesem Falle dürfte man das zitierte augaita mit einem gotischen *aukaip formal gleichsetzen. Unterstützt wird diese Möglichkeit durch das Altpreußische, wo ebenfalls die Endung -aiti bei den thematischen Verben (z. B. immaiti) und den Verben auf -inti vergleichsweise häufig ist {tickinnaiti)^''. " J. Endzelin, Lett. Gramm. 654 = Latv. val. gram. 846. " Vgl. Chr. S. Stang, a.a.O. 260. Da zu der 2. Plur. auf -aitia) auch eine 2. Sing, auf -ais (refl.) bezeugt ist (turraia labbu pratu (114,17) „confide") liegt es m. E. näher, diese mit altlit. rmgstais, mekstaisi (A. Bezzenberger, Beitr. z. Gesch. d. lit. Sprache 193) zu verbinden, als in letzteren eine Vorform für die Endimg der 2. Pers. Sing, auf -ie zu sehen (so Chr. S. Stang, Die Welt der Slaven 1, 1956, 137-139).
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§ 4. Nach den vorangegangenen Ausführungen sollte man die Endung -at{a) als zunächst indikativische Form bei den ä-Stämmen und den rein thematischen Verben antreffen, wobei die Infinitive auf -ät nach § 2 Schwankungen zwischen -at(a) und -aiat{a) aufweisen können. Hinsichtlich der ä-Verben wird diese Erwartung auch bestätigt, dagegen weichen die thematischen Verben teilweise aus. — An Material werden hier nur diejenigen Verben zitiert, die keine 2. Plural auf -ait{ä) bei G. Elger kennen: ne bcedaiates (105,7) ,,nolite solliciti esse" und (mit ungewöhnlichem ce)^® ne bcedceiata (104,26) „ne solliciti sitis": bedät, -äju. — dzedata (111,14) „singet": dziedät, -u. —precates (6,10) ,,laudate", frecates (7,7) ,,gaudete", precaiates (93,19) „congratulamini": friecätiies). —slavenat (6,3) ,,honorificetis": slavinät, -äju. — staigaiat (42,10) ,,ambulate", staigaiata (107,19) ,,ambuletis": staigät, -äju. —yztaujata (113,25) ,,tentatis": iztaujät, -äju. — ne tesat (8,10) ,,nolite iudicare", tesata (68,27) ,,iudicate": tiesät, -äju. —waicata (51,29) „interrogate" = waicaiat (52,1): vaicät, -äju. —Hierher auch atiaunates (110,9) „renovamini" zu bisher nur dürftig bezeugtem jaunät statt geläufigem jaunot. — Ferner sumnaiat (30,12) ,,salutaveritis": suminät, -äju und mit wurzelhaftem -ä-: apklaiata (72,10) ,,operite": apklät, -äju; sakraiata (23,1; 3) „colHgite", ne sakraiates (29,11) „nolite thesaurizare": sakrät, -äju. Die Verben auf -ät, -äju lassen sich in eine größere Gruppe von Verben mit der Infinitivendung -t nach Langvokal einordnen, die von der mit postkonsonantischem -t abgetrennt werden muß. a) Wie bcedaiates, precaiates, staigaiat{a), waicaiat, sumnaiat, apklaiata, sakraiata flektieren: sfceiat (20,14) ,,ihr vermögt": spet, -eju. —gawceiat (29,5) ,,jejunatis": gavet, -eju. —kalpoiat (19,13) ,,dienet": kalpot, -oju. —uzlukoiat (5,18) „respicite": uzlükot, -oju. —miloiat (82,17), miloiates (63,20) „diligite": milot, -oju. —swcetiata (19,15; 16) ,,benedicite": svetU, -lju. —dabbuiat (24,12f.) ,,ut comprehendatis": dabüt, -üju (bei G. Elger dabuit). Berücksichtigt man das Nebeneinander von staigaiat{a) — staigaiete (oben § 2), miloiat —miloietes (19,llf.), uzlukoiat — lukoieta (111,9), kalpoiat — kalpoicBt (86,8), dann wird man in " Beachte auch tosccaiat (24,12) „currite", das wohl eine Kreuzung aus
tekät und tecet darstellt.
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dem e bzw. ce keine neuen Formen der 2. Plur. entdecken wollen, sondern e imd ce als orthographischen Ausdruck des palatalisierenden Einflusses des vorangehenden -j- betrachten. Aus diesem Grunde sind die § 2 schon erwähnten Formen aicenaieta, domaieta, kurrenaieta, außerdem ne grcekoieta (110,12) „nolite peccare": grekot-, mcBkloeieta (119,9) ,,quaeritis": meklet (s. o. mceklaita) und — mit ce statt a/e — d u s m o i a i a (110,12) ,,irascimini": dusmot-, maioiceta (19,5) „seid gastfreimdlich": mäjot] mesloiceta (111,14) „jubelt" wohl zu mieslot „spielen" (heute kokledami„^sa,\leTitea"); cenicet (82,17) ,,honorate": cienit, -Iju] kristiet (89,23f.),,taufet": kristlt, -lju hier anzureihen. Daraus ergibt sich, daß die thematischflektierendenVerben mit den Stämmen auf-ö/o-, -eja-, -oja-, -Ija-, -üja- normalerweise die indikativische Endung Langvokal + 7 + ata auch in imperativischer Funktion verwenden, deren a vor der Personalendung, nach dem j häufiger e, seltener OB geschrieben wird. Nach dem Vorbild von Verben wie precaiates — precates ist wohl auch miloiat — milote (30,7) geschaffen worden. Es muß jedoch damit gerechnet werden, daß dieser einheitlichen Betrachtungsweise die Realität verschiedener Endungen gegenübersteht, denn Mancelius kennt durchaus sarrgahjeetees, dsiewojeeta mit ee = [ie]. b) An Verben mit postkonsonantischem Themavokal seien genannt: ne bystates seuw (9,22) ,,nolite timere" = ne bystat^ (37,10), ne bystates (31,3): bist. — ne uzcelliai (127,16) „ne suscitetis": uzcelt. — paceszat (25,22) ,,sustinetis": ciest.— ne iemmat (31,15) ,,ne recipiatis": jemt. —laidat (76,14) ,,lasset": laist. —ludzat (64,30) „orate": lügt. —pamettat (90,23) „dimittite", mcettat (93,2) „werfet", mcettat ndst (110,11) „leget ab", yzmettata (94,21) „laxate": (pa-, iz-) mest. —pancessata (25,21) „suflfertis": panest. — patteicata (22,18) „danket": pateikt(ies).— tyccat (57,12) „creditis": ticet. —noe töpai (29,5) „nolite fieri": tapt. Während bei der Gruppe a) die Endung -ai{a) als die regelmäßige zu gelten hatte, zeigen die Verben der Gruppe b), die aoder /a-stämmig flektieren, daß in allen Fällen, wo mehr als ein oder zwei Belege vorhanden sind, die Normalform nicht mit -at{a) gebildet wird. Zeugnis dafür können etwa laidat — laidcet, tyccat — tycccet, iemmat —ioe.mmceta, topat —topcet ablegen.
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§ 5. Sieht man von der in § 4a genannten aus -jat{a) entstandenen Endung -icet(a) und von gelegentlichen Entgleisungen (ratigcet, 12,10; 21,30; sakkceta 111,14) ab, dann erweist sich als Heimat der für Elger besonders charakteristischen Endung -CBta die thematische Flexion (nach Konsonant), in welche natürlich auch — wie schon erwähnt — ehemalige i- und athematische Stämme aufgenommen sind. Hier sind zu nennen: a) dzerrcBt (62,23) „bibite": dzert, -ru. —iemmcet (30,14), iemmceta (80,19; 112,11; 124,4), ioemmcet (68,26), icemmcBta (71,7; 91,9; 112,7) „accipite": jemt, -mu.— cUkäpoetes nost (114,20) „recedite": atkäpties, -pjos. —kritceta (72,9) „cadite": krist, krltu. — laydcBt (22,30; 31,18; 19; 99,6; 9; 11; 105,16?) „lasset": laist, laizu. —ludzoet (30,8; 115,15), ludzoeta (129,9) „diligite": lügt, lüdzu. —mdcml (89,23; 24) ,,docete", pamacceta (105,18) „instruite": mäkt, mäcu. —mcettceta (111,4) „mittite": mest, metu. — ndc(Bt (32,24; 40,17), nacoeta (110,22) „venitV: näkt, näku. — ne yzplüccet (22,30) ,,ne eradicetis": izplükt, -cu. —topcet (99,7), töpceta (101,3; 111,10), tappcet (100,5) „werdet": tapt, topu. — atweddceta (59,24) ,,adducite": atvest, -vedu. —ne pazistcet (7,25) ,,nescitis": pazit, -zlstu. b) ne dcewcetes (38,12; 14) ,,nolite vocari": devä, -eju. — dzirdceta (102,14) „auditis: dzirdet, -du. —gribbcet (70,18), gribbceti (70,12), „vultis": gribet, -bu. — ne lädoet (19,16) „nolite maledicere": lädet, -du. —rcedzceta (102,12, 13) „videtis": redzet, -dzu. —apscedcete (32,24) ,,possidete": apsedet, -du. —slawcet (6,10) „laudate": slavet, -eju. —stawceta (101,2) „statis": stävet, -vu. —tyccceti (57,11; Z. 12 tyccat) ,,crediti8", [n(B)tycccBt (57,25; 26; 87,25; 123,4) „nolite credere, credite, credatis, creditis", tyccceta (115,19; 122,18; 123,5) „credite": ticet, -cu. —turrceta (19,17; 108,12) „habete" = turrcet (20,14), noB turrcetes (20,11) „haltet nicht", noturrcetes seuw (82,7) „enthaltet euch", patturrceta (101,4) ,,teneti8": tur&, -ru. —warrcet (6,14), warrcetu (39,1; 57,26), warrcEto (103,19; 104,25; 110,1; 112,4; 8; 9; 114,27; 29) ,,potestis": varet, -ru. c) Von den ehemals bzw. bei G. Elger noch teilweise athematischen Verben ist hier an erster Stelle die 2. Pers. Plur. Praes. von bat zu nennen: essceti (6,24; 20,12; 22,13; 57,12), esscet (22,1; 30,5; 32,26; 28; 33,10), essceta (22,12; 31,3; 32,29). Statt -cet{i, a)
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steht häufig auch -et{i, a): cesset (19,13; 33,17; 40,22; 82,11; 15; 87,22), essete
(19,14), esseta
(30,13; 32,25), esset
(32,27; 93,3;
95,10), oesseta (33,6; 7; 76,13; 100,4; 101,2; 104,29; 105,17; 124,4), msseti (57,11; 62,8; 63,21; 82,17; 95,13; 99,30; 122,29). Diese Formen gehören zu dem Praesensparadigma cesmi (57,16), normalerweise cesmu, gelegentlich anscheinend als Substantiv aufgefaßt: mask. cBsms (65,6), fem.cesma (47,12); 2. Pers. Sing, es; 3. P e r s . ir; 1. P l u r . cessem, essmm, cessemi. S e l t e n d a g e g e n ist ne dodcBta (110,13) ,,nolite d a r e " : domu, döda ( s . o . ) . — Z u cedcet
(62,21; 91,9) ,,manducate" scheint es bei G. Elger keine athematischen Formen mehr zu geben, vgl. 3. Pers. cede (44,21), dagegen gehört zu emu ,,ich gehe" 3. Pers. et, 1. Pers. Plur. etam (22,28) eine 2. Pers. Sing. Imp. ey (95,1) und regelmäßig eine 2. P l u r . eyta, eita. D a s Beispiel v o n CBsset{a), esscet{a), d a s ü b r i -
gens im gedruckten Evangelientext zugunsten von -et verändert wird, lehrt, daß man den Wechsel ce/e wie in der Wurzel, so auch in der Stammsilbe als orthographische Variante auffassen darf. Während man also ce/e als Widergabe eines Lautes betrachten und folglich bei den Verben mit -cetj-et als Endung der 2. Plur. in dieser nur eine Form sehen darf, gibt es Hinweise darauf, daß der Wechsel a/ce (natürlich mit Ausnahme der Stellung nach j) durch zwei verschiedene Formen bedingt ist. Dies wird einerseits durch das Lautliche, andererseits vielleicht auch durch syntaktische Gegebenheiten glaubhaft gemacht. Der Fall ndccet(a) zum Praesens näku (87,22), 3. Pers. näke (87,26), näka (56,17; 59,28; 60,5; 71,29) zeigt, daß vor -ce- Palatalisierung eintritt. Gleichzeitig weist laidceta zum Praesens laizu darauf hin, daß diese Palatalisierung nicht von einem -j- herrührt, denn dann wäre *laizcet zu erwarten, sondern von einem palatalen Vokal. Vor a jedoch tritt keinerlei Konsonantenerweichung ein. Mit näccet{a), laidcet wird auch die an sich denkbare Möglichkeit ausgeschlossen, daß das ce von den -ja- bzw. von den thematisierten -i-Stämmen seinen Ausgang genommen hätte und erst von dort aus auf alle thematischen Stämme übertragen worden wäre. Beide Verben weisen also auf eine unabhängige Bildungsweise, zugleich aber auch darauf, daß sakkcet und raugcet unrichtige Formen sind, da bei echtem ce ein *saccet und *raudzcet zu erwarten wäre. Auf das Syntaktische ist dagegen kein be-
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sonderes Gewicht zu legen, da — wie das Material zur Genüge beweist — indikativische Formen in modaler, Modalformen in indikativischer Verwendung vorkommen. Dennoch wird man eine ursprüngliche Verteilung: Indikativ: -at{a) (im Baltischen ist der Themavokal a < *o verallgemeinert worden), Imperativ: -cet{a) voraussetzen dürfen. Einer solchen Voraussetzung entsprechen: tyccat (57,12) „creditis" —tycccet (57,26) „credite"; parkapcU (44,21) ,,transgredimini" (Ind.) — atkdpcetes nost (114,20) „recedite". Aus dem Gesagten ergeben sich folgende Bedingungen, die von einer Erklärung der Endung -cet(a) erfüllt werden müssen: a) Die Endung muß bei den thematischen Stämmen beheimatet sein. b) Sie muß außerhalb des Praesens-Indikativ-Paradigmas gestanden haben, da sie der Ausbreitung des a-Vokals nicht erlag. c) Der Vokal CB hat die Wirkung eines palatalen Vollvokals. d) Der mit ce wiedergegebene Laut steht einem palatalisierten a nahe, ist aber von ie verschieden, da ie nicht mit ceje, sondern nur mit e/e wiedergegeben wird. e) Die Endung -cet{a) muß neben dem Ausgang -ait(a) bestanden haben können. Alle diese Bedingungen treffen auf die Imperativendung der 2. Plural auf idg. *-ete zu, die uns aus dem Griechischen, Lateinischen, Germanischen und mit e > o auch aus dem Altindischen sicher bezeugt ist. Neben -te hat es im Baltischen auch -ta gegeben. Vor -ta aber mußte im Lettischen e> e werden, was bei G. Elger normalerweise mit OB, gelegentlich auch mit e wiedergegeben wird, e palatalisiert k und g, aber nicht t und d (ndccet, Ivdzcet aber kritceta, laydcet). Die Imperativendung -eta stand ursprünglich neben der Optativendung -ait{a) wie got. bairiß neben bairaip und war grundsätzlich unabhängig vom Praesens. Erst mit der Verallgemeinerung des Themavokals a, der Vermischung von ä und a-Praesentien und der Verwendung des Optativs im Imperativischen Sinne trat eine Vermischung von -at, -cet, -ait ein, die begreiflicherweise zuungunsten des *-eta auslief. Eine 2. Plural auf -et wird bestätigt durch moderne Dialekte, bei denen auch
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J . Endzelin (Lett. Gramm. = Latv. val. gram. § 671) schon an griech.-STC gedacht hat. § 6. Aus der letzten Gruppe, Verben mit der Endimg -et{a), muß zunächst eine Reihe von unechten Formen ausgesiebt werden, die nur eine orthographische Variante anderer, bereits besprochener Typen darstellt. Am sichersten gehören hierher die § 4 a und § 2 zusammengestellten Verben mit -ia-, -ice-, -ie- wie sargaiete, aicenaieta, domaieta, kurrenaieta, staigaieta, grcekoieta, lukoieta, miloietes, mceklceieta, kristiet. Auszuscheiden sind ferner Verben mit der Doppelheit ceje, obgleich hier bereits die Gefahr vorliegt, daß man zwei verschiedene Endungen vermischt. (So ist z. B. ein Nebeneinander von smeiiat — smeiiet, s. u. S. 63f., bei Elger's Orthographie nicht zu erkennen.) Immerhin fällt es methodisch schwer, esscet, cesset, esset (s. o. § 5c) auseinanderzureißen. Das Gleiche möchte man für iemmceta — iemmet{a) (62,20; 23; 121,5), uziemmetes (6,4) ,,suscipite", warroetu — warret{a) (18,4; 30,17; 129,9)", atweddceta (59,24 falls richtig gelesen) — atweddet (41,21) ,,adducite", näcceta — näcet{a) (46,30; 116,23; 121,3), dzerrcet — pedzerretes (111,11), gnbbcet{i) -gribbeta (119,10), mäcaet —macetes (121,5) gelten lassen, wobei meistens auch das ungefähre statistische Verhältnis beider Formen für -ce- als Ausgangsform spricht. Zieht man also alle Beispiele ab, die eine ins Gewicht fallende Variante mit -CE- aufweisen, dann bleiben nur noch die Futura auf -set und eine bescheidene Zahl thematischer Verben auf -et ohne Variante übrig. Die 2. Pers. Plur. Fut. erscheint so regelmäßig mit dem Ausgang -set, daß die Angabe einer repräsentativen Auswahl an Beispielen genügt: cediseta (104,26), dabbuiset (30,15), dzerseta (91,12), dziwöseti, -a (98,8; 9), nokauwset (12,22), mceklceset (37,16), mirseti (98,8), pepildiseta (104,9), atrasset (9,25), rcedzceset (5,21), sittiset (12,22), saseset (44,9), slapceseta (98,9), szautiset (12,23), waiaset (12,23), apwilkseta (104,27)20. Für die Dieselbe Evangelienstelle wird 39,1 mit ar warrostu iüa to bykker dzert, 129,9 mit ar warreta iüs to bykkeru dzert übersetzt. Seltene Ausnahmen: mcekloesaitia) (56,12; 15), attrasswta (56,12) = atraaseta (56,15), newarrcesaita (56,16), pamettiaceta (80,19), patturroesceta (80,20). Die Ausnahmen auf S. 80 sind im Druck (Günther, a.a.O. I 158) getilgt und durch die Endimg -aet ersetzt. Für die auf S. 56 gibt der Druck
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Auffassung von -set von größter Wichtigkeit sind die Schreibungen mit -set-, paaukstenaset (37,27), dabbuiset (30,11), eseta (133,21), pelugset (46,20), mirset (37,17; 21; 22), tyccceset (37,21), warrcesete (43,19), pazinnoeset (37,27), denn während e vieldeutig ist, zeigt e —wenn auch nicht konsequent — d e n Diphthongen ie an. Damit läßt sich die zunächst mehrdeutige Form der 2.PIur. Fut. als -siet bestimmen. Eine 2. Plur. Fut. auf -siet ist im Lettischen keineswegs ungewöhnlich^^; das Auffallende an der Verteilung bei G. Elger ist nur dies, daß der sonst zu beobachtende Einfluß der i- bzw. thematischen Stämme hier so schwach ist (s. Anm. 20). Vielmehr steht bei ihm die Endung des Futurums — von Ausnahmen abgesehen — den praesentischen Bildungen gegenüber. Die Konstanz der Futurendimg wird noch dadurch hervorgehoben, daß auch der Evangeliendruck die Futurendung stets mit -set schreibt, während er die praesentischen häufig verändert. So bietet er für atncesset (41,19f.) ,,proferte" (vgl. nesseta 19,28; panesseta 105,20, panoesseta 107,20), apwelcet (41,20) ,,induite" (vgl. apwelceta 110,9), atweddet (41,21) „adducite", nokauwet (41,22) der Reihe nach atnesscet, apwelcceta, atweddcet, nokauwcet (Günther, a.a.O. I 63), so daß man wenigstens für diese Beispiele die Endimg -eta — nicht etwa -iet{a) — annehmen möchte. Unsicher bleiben celletes (37,10) „surgite", pacellet(e) (5,18; 47,6) „levate". Für cellete (64,29) setzt der Druck wakieti ein: smeUeta (19,28) ,,haurite", lecet (45,2) ,,sinite", deren Endung im Druck unverändert bleiben. Für saseneta (23,2) ,,alligate" erscheint sasenata (vielleicht nach vorangehendem sakraiata ?) imd parwcertetes (18,3) ,,reformamini", redete (20,14) ,.rächet euch", apterpetes (22,7), aptcerpetes (112,4) ,,indmte" stehen in Episteltexten, sind also nicht im Druck erschienen. Eine Gleichsetzung von cellet{e) etwa mit uzcelliat (127,17) nach dem Muster von miloiat — miloietes wird man wegen der fehlenden Palatalisierungen in parwcertetes, redetes nicht riskieren. (Günther I 100): mekklceaaita, attrasaeta, mekklaiaeii, attraaaeta, newarraesaita. J. Endzelin, Lett. Gramm. = Latv. val. gram. § 674. Das ie geht auf ei ziirück, dessen Herkimft freilich umstritten ist, vgl. J. Endzelin, Altpreuß. Grammatik 183 gegen Chr. S. Stang, Verbum 259f. Neuere Literatur bei I. Kazlauskas, Voprosy Jazykoznanija 1962, 4, 23, Anm. 17.
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-welcet und lecet: velku, vilkt; lieku, likt können keine Entscheidung darüber herbeiführen, ob e hier für e oder für ie steht. Für e = e ließe sich jedoch die Tatsache ins Feld führen, daß die Endung -et außerhalb des Futurums in Elgers Manuskript nicht mit e geschrieben wird. Eine Herleitung aus -a- ist auch für die Endung -et außer nach -j- aus denselben Gründen wie für -cd unmöglich. Zu dem Argument der Palatalisation läßt sich auch hier wieder der formale und funktionelle Gegensatz iüs pancessata (25,21) ,,ihr ertragt" und pancesseta (107,20) ,,ertraget" hinzufügen. § 7. Überblickt man das vorgeführte Material als Ganzes und läßt einmal die Ausnahmen, die wenigstens zum Teil auf Rechnung des um Korrektheit ringenden ,,Kirchenlettisch" (s. IF. 66,101) zu setzen und damit im strengen Sinne nicht sprachwirklich sind, beiseite, dann ergibt sich folgende Verteilung der Ausgänge der 2. Pers. Plur. für G. Elgers Evangelien und Episteln (für Mancelius z. B. gilt diese Gliederung nicht I)^®: 1. -ait{a): bei ä-Praesentien. Hier überwiegend in imperativischer Funktion; entstanden aus ä -\-i. Falls es sich bei den thematischen Verben nicht um eine Nachahmung des Typus sakkat — sakkait handelt, muß hier das ai auf das bekannte Optativsuffix *-oi- zurückgeführt werden. Der Gegensatz -atj-ait hat bei den thematischen Verben keine klare Funktionsdifferenz. 2. -at{a) ist die zu erwartende Indikativform bei ä-Praesentien und bei ursprünglichen ebenso wie bei umgebildeten thematischen Verben mit indikativischer und imperativischer Bedeutung. 3. -ai{a) = cet{a) — et(a) steht regelmäßig bei /a-stämmig flektierenden primären und sekundären Stämmen auf Langvokal {-äia-, -eia-, -lia-, -oia-, -üia-). Herkunftsmäßig ist die Endung mit 2. identisch. 4. -cet{a) ist die bei den thematischen Stämmen am häufigsten auftretende Endung. Sie tritt auch an die bei G. Elger themaAuch er kennt darraita, klauaaaita, die Futura auf -aiet, z.B. tapseeta. Eine Entsprechung der Endung -set scheint z. B. in jemmeia vorzuliegen, da \ie\ ja ee geschrieben wird, -eta ist jedoch im Vergleich zu -eeta selten.
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Baltische Beiträge
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tisch flektierenden ehemaligen i-Stämme an. In ihr hat sich ein sonst im Baltischen nicht mehr vorkommender Rest der idg. Imperativ-Endung *-ete gehalten. In vielen Fällen ist die Schreibung -eta nur eine Variante von -cBt(a). 5. -et{a) < -iet{a) erscheint fast ausnahmslos im Futurum. Außerhalb dieses Tempus ist -iet wegen der Vieldeutigkeit des e nicht sicher nachzuweisen. Als wichtigste Konsequenzen für die baltische imd idg. Sprachwissenschaft seien genannt: Das Optativzeichen -ei- im Preußischen imd -ie- im Ostbaltischen (lit. te-sukie) darf nach Ausweis des hier vorliegenden Materials kaum auf *-ai- zurückgeführt werden. Die idg. Imperativ-Endung *-ete ist im Altlettischen und dialektisch noch erhalten. Damit rückt das Baltische in diesem Punkt dem Germanischen näher als dem Slavischen. Die i-Konjugation ist mit der thematischen Flexion zusammengefallen. Indikativ imd Imperativ werden im Lettischen formal verschmolzen.
Baltische Beiträge II 3. Die Futurparadigmen im litauischen Dialekt von Kupiskis 4. Zum altpreußischen Flexionstyp endyritwei „ansehen" Indogermanische Forschungen 69 (1964), S. 122-129
Die Ausführungen in diesem Abschnitt stützen sich im wesentlichen auf folgende Materialquellen: 1. A. Doritsch, Beiträge zur litauischen Dialektologie (Tilsit 1911) CXCIXf. 2. A. Baranowski-F. Specht, Litauische Mundarten I (Leipzig 1920), spez. Mundart R 5, S. 1-31; II (Leipzig 1922), Mundart R 5, S. 1-73. 3. G. GeruUis, Litauische Dialektstudien (Leipzig 1930) 93flF. 4. Elvyra Dülaitiene Glemzaite, Kupiskenn Senove (Vilnius 1958). 5. Mündliche Auskünfte von Herrn P. Gabriünas, Tübingen, dessen Heimatort, Laukminiskiai, zum Dialektgebiet von Kupiskis gehört. Im nordostlitauischen Dialekt von Kupiskis finden sich im Gegensatz zu dem einen, ausgeglichenen Paradigma des Schriftlitauischen drei verschiedene Flexionsweisen des Futurums der Verben auf schriftlit. -eti: II III I Infinitiv (schriftlit.): tureti galeti tiketi Infinitiv (Kupiskis): tureti galati tiketi Sing. 1. Pers. turesiu gälasiu tikesiu 2. Pers. turesi tikesi galasi Plur. 1. Pers. turasma galasma tikesma 2. Pers. turasta galasta tikesta 3. Pers.
turas
galas
tikes
Diese drei Reihen stehen hier stellvertretend für eine zahlenmäßig nicht festzulegende Menge von Verben, d.h. es handelt sich nicht um isolierte Restformen, sondern um Flexionstypen. Da diesen drei Typen tureti—turas, galati—galas, tiketi—tikes * Fortsetzung der Beiträge von IF. 68 (1963) 47-64.
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Baltische Beiträge II
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im Schriftlitauischen stets tureti—tur^, galeti—galSs, tiketi — HHs antworten, erhebt sich die Frage, unter welchen Bedingungen in Kupiskis schriftlit. e als e bzw. als o erscheint. Die Angaben von A. Doritsch (a.a.O.) zu dieser Frage sind völlig ungenügend, diejenigen von F.Specht (a.a.O. I I 9 f.) reichen nicht aus, um die drei Futurreihen erklären zu können. Seine Bemerkungen zu den hier in Rede stehenden Paradigmen verraten, daß sich auf Grund des relativ bescheidenen Materials, das ihm zur Verfügung stand, keine Einsicht in die Dialektverhältnisse gewinnen ließ. Erst die reichlicher fließenden Quellen 4. und 5. vermögen Klarheit zu schaffen. Auszugehen ist von der schon von F. Specht (a.a.O. II 9) richtig aufgestellten Grundregel: ,,Zweimoriges e und dreimoriges e ( = e, e und ß, e) werden zu a bezw. ä, falls kein palataler Laut folgte und wenn sie nicht nach k, g, sz, z stehen". Diese Regel zeigt einerseits den Tatbestand, d.h. die Öffnung des e und auch des e nach o bzw. ä in nicht-palataler Umgebung, andererseits aber auch dies, daß die Neuerung im Dialekt von Kupiskis zu suchen ist, denn offensichtlich verhinderten k und g den Übergang, weil sie zuvor durch die e-Laute palatal affiziert waren. Deutlich zeigen die Deminutiva auf -elis, -Bis und die Komparative a u f - ^ n i s den beschriebenen Lautwandel, z.B. paukStala = schriftlit. paukStelef.,,Vögelchen", bitala —bitele ,,Bienchen", vietala = vietele „Örtchen", gegutala = gegutSle „Kuckuck (dem.)", aber maskulin paukStelis, Plur. paukSteliai. Mit dem lautlich einwandfreien Verhältnis: Sing. Plur.
f. pauMtala paukStalas
m. paukStelis paukSteliai
lassen sich die Komparative meilasna: meilüs ,,lieb", aber puikesna: puiküs,,hübsch", slaunasna: slaünas „berühmt, prächtig" aber grazesna: grazus ,,schön" vergleichen. Auf diese Weise erklärt sich auch der Gegensatz: tureti—iurasma, aber tiketi — tikesma. Doch die Spechtsche Regel reicht nicht aus. Sie erklärt nicht kalnalis, Gen. kalnalio „Berg (dem.)" (mit a trotz folgendem palatalem -1-), auch nicht den Unterschied im Akkusativ Sing.
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Idg. Forsch. 69 (1964)
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galvali „Kopf (dem.)", aber strazdeli „Drossel (dem.)", oder die Futurformen galasiu, aber turesiu. — Die Differenzen klären sich sofort, wenn man sich weiteres Material derjenigen Futurformen ansieht, die zur Gruppe II gehören. Zu ihr zählen z.B. gelhati = schriftlit. gelbäi „helfen", gulati = guleti „liegen", kalbati = kalbeti „sprechen", mylati = myleti „lieben", tylati = tyleti ,,schweigen" etc. Aus diesem Material läßt sich mühelos ablesen, daß ein -l- in der dem -e- vorangehenden Silbe die Einwirkung der palatalen Folgesilbe aufhebt und der Wandel e > a in jedem Falle eintritt. Deswegen geht also das o durch das ganze Futurparadigma von galati, deswegen heißt es kalnalis aber paukStelis, galvali aber strazdeli. Wir können daher drei Regeln formulieren: 1. Im Dialekt von Kupiskis werden e und e zu ä und a, wenn kein palataler Laut folgt. 1.1. Geht dem e, c ein -l- voraus, gilt die Einschränkung in 1. nicht. 1.2. Gehen dem e, e, ein k, g, S oder z voraus, gilt Regel 1. überhaupt nicht. Aus diesen Regeln ergeben sich nun jedoch Konsequenzen, die auch das Interesse des Indogermanisten wecken müssen. Wendet man sie nämlich auf das Futurparadigma turesiu, turesi, turas an, dann ergibt sich daraus notwendig, daß hinter dem -s der 3. Person nie ein i gestanden hat, ein Ergebnis also, das unsere auf anderen Wegen gewonnene Erkenntnis, in der 3. Person des litauischen Futurums müsse man von einem athematischen -s < *-st ausgehen (und nicht etwa von -si)^, vollauf bestätigt. Bis auf die erste Person Singular ist also das Futurparadigma in Kupiskis athematisch. Die Existenz von del „wegen" und vel „noch" in Kupiskis zeigt, daß in beiden Wörtern nach dem -l ein palatalisierender Laut geschwunden sein muß2. Dies wird durch lett. de\ und vel bestätigt. Auf Grund des lettischen Materials kommt man zu Vorformen wie halt. *deliai und *veli. — Unregelmäßige Ausnahmen sind das Kontraktionsprodukt nera ,,ist nicht" und jema „nahm" (z.B. in I W. P. Schmid, Studien zum baltischen und indogermanischen Verbvim (Wiesbaden 1963) 67. ^ Vgl. K. Büga, Rinktiniai Raätai II 426; J. Endzelins, Latvieäu valodas gramatika (Riga 1951) 652; E. Fraenkel, Lit. etym. Wb. I 86f., II 1217.
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Baltische Beiträge II
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do mono galvalajjdo nieko nera, Glemzaite 237; Jon% jema neramumas, Glemzaite 204)®. In den Präterita auf -ejo muß in Kupiskis regelmäßig -ejo bleiben, nur nach -l- hat -ajo zu erscheinen. Das wird durch das bei F. Specht (a. a. 0 . II 9) gesammelte Material bestätigt: norejo, turijo aber guläjo, gelbajo, galdjo, kalbdjo etc. Die bei Baranowski-Specht I 7,16 belegte Form taturäjo muß in t'atur&jo verbessert werden. Unter den bei Specht II 10 aufgezählten Deminutiva auf -elis findet sich nur eine falsche Form ugnäli. Prüft man diese am Text nach (das Zitat 439,26 muß in 439,39 geändert werden), so zeigt sich, daß diese Form eine falsche Verbesserung von Baranowskis Ugnäeli küria, bulbäeläes kepa darstellt. Richtig muß sie ugnell lauten. IV. Zum altpreußischen Flexionstyp endyritwei „ansehen". Das Verbum endyritwei ,,ansehen" (R. Trautmann, Altpreuss. Sprachdenkmäler 75,11) gehört zu jener Klasse von e-Verben (I), die innerhalb des Baltischen nur noch im Altpreußischen vorkommt und über deren Präsensflexion in Studien (s. Anm. 1) 16-32 geliandelt wurde. Hier soll uns jedoch nicht die Präsensflexion, sondern die Bildung des Präteritums interessieren. — Im Enchiridion heißt es (67,11) Bhe Deiws endeirä wissan kan tans bei teiküuns „Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte". In der Form endeirä ,,er sah an" taucht eine neue Besonderheit des Altpreußischen auf, an der die ostbaltischen Dialekte keinen Teil haben: ein Präteritum auf -ä zum Infinitiv auf -U{wei) mit i < *e. Diese Besonderheit ist keineswegs auf endeirä beschränkt, sondern findet sich in den altpreußischen Sprachdenkmälern noch mehrmals: billa ^billä (63,18; 25), billäts (49,7) „er sprach"^ billai (65,27) ,,ich sprach" zum Infinitiv billit. Die Zugehörigkeit eines ö-Präteritums zu den Präsentia auf -ia-j-ei- hat im Altpreußischen nun auch im Präsens ä-Formen hervorgerufen: billä (27,36; 29,2; 67,14) „spricht", stallä (43,7) „steht" zum Infinitiv =
" Dazu F.Specht, a.a.O. I I 10,11. Nera neben regelmäßigem n'abära ne-be-yra. * S. Studien 24.
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stallü (53,22) und vielleicht auch giwu (53,33) „du lebst" • Praet. K^eKje
3.1. Die Regel (1) gilt für alle Verben, bei denen der Wurzelvokal e mit K^ keine ablautfähige Verbindung (Diphthong) eingeht, d.h. K^ muß verschieden von i, l, r, m, n (im Folgenden mit N symbolisiert) sein. Praesensstämme dieser Art können entweder als KjC-N-a oder als K^eN-e-a (s.u.) interpretiert werden. Im ersteren Falle gilt die Regel: (1.1)
Praes.
K^eNa
^
Praet.
K^Ne
d. h., der Diphthong lautet im Praeteritum ab und zeigt Schwundstufe, z.B.: gimti
gema
girne
giMi
gena
gine
minti
mena
mine
difti
dera
dyre
„geboren werden" ,,jagen, treiben" ,,gedenken" ,,schinden"^
Bei der Interpretation K^eN-o-a wird das Praeteritum nach Regel (3) s.u. §5 mit o gebildet. Hierher gehörige Verben scheinen 1 Die gedehnte Schwundstufe ist korrekt neben dem Praesens diria.
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jedoch z.T. schriftsprachlich nicht üblich, sondern älter und dialektisch zu sein. Eine andere — schriftsprachlich normale — Praesensbildung pflegt daneben zu stehen, vgl. z.B.: dilti —dela (neben dilsta, dila)— diüo ,,sich abscheuern"^ svilti — svela (neben svilsta, svlla) — svilo ,,schwelen"® v^i — veja (regulär neben dial. inja) — vijo ,,1. verfolgen, 2. winden" Man darf also zusammenfassend sagen, daß man bei rein thematischen Verben mit e-stufigem Wurzelvokalismus mit einer Einteilung und auskommt. Die vonA. Senn in seinem soeben erschienenen Handbuch der litauischen Sprache I (Heidelberg 1966) § 487,2 gegebene Gliederung in Stämme auf gutturalen und labialen Verschlußlaut, Zischlaut, d, t wird damit überflüssig. 4. Wir setzen nun in der Formel K^ VK^- den Wurzelvokal F = a : bdrti — kaMi — kaMi — läUi — mdlti — •ßaldi —
bära — Icäla — käsa — läka — mala — pläka —
häre „schelten" käU „schmieden" käse „graben" läke „lecken" male ,,mahlen' pläke ,,schlagen, peitschen"*
Für die lit. Schriftsprache® gilt also die Regel: (2)
Praes. K^aK^a => Praet. KiaK^e
Eine unterschiedliche Behandlung abhängig von K^ existiert hier nicht. 5. Die nächste Formel leitet sich von den Praesensstämmen ab, bei denen V = e-stuflger Diphthong ist, also nach unseren bis' Vgl. lett. dflu, dilstu, J. Endzelins, Latviesu valodas granoatiks (Riga 1961) 728. » Vgl. E . Fraenkel, Lit. etym. Wb. 954; lett. avfl, avilat, J . Endzelins, a.a.O. 731. * Über diese Gruppe von Verben mit *o > o-Vokalismus s. Chr. S. Stang, Das slavische u. baltische Verbum (Oslo 1942) 39ff., 106f.; J . Endzelins, a.a.O. 726f. Anm. 338, 784f.; R. Hiersche, IT. 68 (1963) 149-159. ® Für Dialekte und das Lettische gilt ä-Praeteritum. Außer der in Anm. 4 angegebenen Literatur vgl. J . Otr^bski, Gramatyka j^zyka litewskiego n (Warszawa 1965) 312, 313.
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Baltische Beiträge IV
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herigen Formulierungen V = eN (s.o. 3.1.)- Für diese Verben gilt: (3)
Praes. KjcNK^a => Praet. K^NK^o
d.h. Praesensstämme, die einen ablautfähigen Diphthongen zwischen an-und auslautenden Wurzelkonsonanten haben, bilden ihr Praeteritum mit Schwundstufe des Wurzelvokals und *ä > oSuffix. Dafür einige Beispiele: kifpti kifsli kimSti listi milzti vilkti Ukti «
— — — — — — —
kefpa kefta kemSa lenda melza velka Ueka
— kifpo — kifto — kimh — lindo — milzo — vilko — Uko
,,schneiden, scheren' „hauen, fällen" ,,stopfen" „kriechen" „melken"« „ziehen" „bleiben"
Es gibt also in diesem Schema die Diphthonge ei(ie), eZ, em, en, er, es fehlt *eu (> iau). Es hat den Anschein, als ob der Ablaut ül{i)au im Litauischen überhaupt nur noch in etymologischem, nicht aber in lebendigem paradigmatischem Zusammenhang existiert, tupeti — tauppi, lett. hluset, lit. klaus'ßi, lett. tusU — lit. taus'ßis sind nur noch etymologisch zusammengehörig F Fälle mit K^—N gibt es unter dieser Regel nur dann, wenn das Verbum auch und besser als K^eN-o-a aufzufassen ist. (Beispiele s. o. §3.1.), eine Eigenart, die sich leicht aus der allgemeinen Wurzelstruktur des Verbums erklärt, denn bei den rein thematischen Primärverben gibt es eine Verbindung -N^N^- nicht®. 6. Ein weiterer Typus von Verben wird von den Praesensstämmen mit schwundstufiger Wurzelsilbe gestellt, in welchen also • Daneben auch korrektes io-Praesens: meliti — mMiiu — mMiiau. ' Unbefriedigend ist die Darstellung dieses Ablauts bei A. Senn, Hdb. I 78.
' Wo diese Lautgrappen auftreten; vgl. lit. mürma, niufna handelt es sich entweder nicht um Primärverben (rmirm&i, nvurnüi) oder wie im Falle der Typen kduja, gduna um-ja- oder -na-Praesentien, nicht um rein thematische!
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F = iV^ und N = i,u, ir, ur, il, vi, im, um, in, un zu setzen ist. Für diese Verben gilt die Regel: (4)
Praes. K^NK^a ^ Praet. K^NK^o
d.h. rein thematische Primärverben mit schwundstufigem Wurzelvokalismus im Präsens haben schwundstufiges o-Praeteritum: BMi suldi difbti
— — —
kiSa suka difba
— kiSo — suko — difbo
„hineinstecken" „drehen" „arbeiten"
Ist aber K^—o, tritt Dehnung des Vokals und e-Praeteritum ein: (4.1)
Praes. K^Na ginti minti pilti güUi
— — — —
gina mina pila gula
Praet. K^Ne — g^ne — m^ne — p^ld — güU
„wehren" „treten" „füllen" „legen"®
7. In die letzte Gruppe gehören alle Praesensstämme mit echtem langvokalischem Wurzelvokalismus. Für sie gilt: (5)
Praes. K^VK^a => Praet. K^VK^o gn^bti grüati begti Sökli
— — — —
gnyba grAda bega S6ka
— — — —
gn^bo grüdo bego Söko
„kneifen" „stampfen" „fliehen" „springen"
Als Langvokal fungieren auch diphthongische Verbindimgen -VN- mit F=t=e, deshalb flektieren nach Regel (5) auch: dugti kqsti
— —
duga kända
— —
äugo kdndo
„wachsen" „beißen"
Wenn man wollte, könnte man diese Beispiele auch parallel zu Regel (3) als K^aNK^a => K^aNK^o formulieren, was dann wieder eine Komplizierung von (2.1) nach sich ziehen müßte. 8. Besonders zu erwähnen ist hier wiederum der Fall weil seine Besonderheit nur dem Wandel i > y,u > ü vor K zuzuschreiben ist, d.h. diese Verben gehören ordnxmgsgemäß in die Normslerweise gidi, die Länge ist dialektisch bezeugt.
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Reihe der nasalinfigierenden Praesentien^", nicht hierher. Andererseits nimmt das Verb 'pulti, puola, puole (dial. puolo) eine Sonderstellung ein, die uns nicht berechtigt, einen ganzen Typ zu konstituieren". 9. Die Zusammenfassung in Formeln soll zunächst den Zweck haben, die Beschreibung des litauischen Verbalsystems zu vereinfachen, wird aber erst dann sinnvoll, wenn sich daraus weitere linguistische Konsequenzen ziehen lassen. Stellen wir die gewonnenen Regeln hier zunächst übersichtlich zusammen: Inf. KiVK^ti Praesensvokal F=e V=a V=eN f = f
(l.l.)K^eNa K^Ne {l)KjeK2a ^ KjeK^e ^KjüNe {2)K^aKia ^ K^aK^e (2.1.) KjuNa (3) KieNK^a=> K^NK^o (3.1.) K^eNm ^ K^Noo (4) K^NK^a => K^NK^o (4:.!.) Kj^Naa ^K^Nm KjNa^KjNe'i (5) KjK^a ^ K^VK^o (5.1.)
Aus diesen fünf Regeln lassen sich nun eine Reihe wichtiger Aussagen ableiten, die ihrerseits eine weitere Vereinfachung dieser Aufstellung ermöglichen: 1. Auch im Rahmen der rein thematischen Primärverben des Typus KjVK^ti ist die Form des Praeteritums in der Regel eindeutig bestimmbar, wenn die Praesensform bekannt ist. Der Satz ist nicht umkehrbar [s. etwa (3) imd (4)]. 2. Die Wahl zwischen den Praeteritalsuffixen -e, -o ist demnach eine Funktion des Wurzelvokalismus im Praesens. 2.1. Wurzelablaut gibt es nur bei diphthongischen Verbindungen in den beiden Formen e- imd Schwundstufe xmd Schwundstufe — gedehnte Schwundstufe, letzteres nur bei e-Praeterita. "Vgl. J. OtrQbski, a.a.O. §527, S. 316ff.: gyti—gyja—gljo,
dilti—
dyla—dllo, birti—byra—biro etc. Es bedarf wohl keines besonderen Hinweises, daß einige Verben — meist ursprünglich athematischer Flexionsweise — Ausnahmen zu den aufgestellten Regeln bilden: büti, d&i, düoti, ^ti sind Unregelmäßigkeiten zu Regel (5), iihti bildet eine Ausnahme zu (4.1), vlrti gehörte seinem Praeteritum nach zu (1.1), hat aber ein Praesens virda.
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2.2. Unter Berücksichtigung von 2.1. tritt e-Praeteritum ein, wenn der Wurzelvokal e oder o ist, in der Verbindung VK2= VN ist der Wurzelvokal beliebig^^^ jn allen anderen Fällen erscheint o-Praeteritum, d.h. unsere fünf Formeln lassen sich auf zwei sich gegenseitig ausschließende und deshalb streng genommen auf eine Formel zurückführen: I a. Praes. 7x^:2» ^ Pv&et. KiV^K^e I b . Praes. KjViK^a Praet. K^V^K^ Das Verhältnis von Fi zu Fg regelt 2,1.
{V^=e,alViK2=VN}
10. Sehr viel einfacher sind die Regeln für die übrigen thematischen Primärverben, weil hier jeweils nur ein Praeteritalsuffix je Praesensklasse Verwendung findet und weil keine Besonderheiten von K^ zu berücksichtigen sind. Zur Sicherung geben wir jedoch je ein Beispiel nach den 5 Bildungsregeln der rein thematischen Praesentien. (1) F=e: K^eK^ia => K^eK^e: sUpti — slepia — siSpe ,,verbergen" KjcNia => KjiNe : gelti — gelia — gele „stechen" girti — geria — gere ,,trinken" Umti — lemia — lerne ,,brechen" (2) V=a: KjaK^ia => KjoK^e: vögti KioNia => K^oNe : kärti
— vägia — käria
— vöge — köre
,,stehlen" „hängen"
(3) V=eN,aN: Hier muß beachtet werden, daß der systematisch zu erwartende Langdiphthong phonetisch nicht realisierbar ist, wenn K^^ 0. Ist K2=N, zählte der zweite Bestandteil des Diphthongen zur folgenden Silbe, und die Dehnung des Wurzelvokals tritt ein. KjeNK^ia
K^eNK^e: zeisti — zeidzia stiepti — stiepia
— zetde — stiepe
,, verwunden" ,,rechen"
^^ In dieser Fassung muß man die Regel 3.1 entweder als Ausnahme zulassen, oder Kriterien angeben, wie sie von (1.1) zu unterscheiden ist. Die in §3.1 gegebenen Beispiele imterscheiden sich durch die Akzentuierung des Infinitivs. — Femer muß bei ¥1X2= VN daran erinnert werden, daß y imd ü als i und verstanden werden müssen und deshalb zu den nasalinfigierenden Praesentien mit o-Praeteritum zählen.
[293] kldusti rnäM vefkli griisti KjcNb^
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— — — —
sUmbti — => K^eNe: kätUi — piduti —
„fragen" „melken" „weinen" „schaben" stimbia — stimbe „widerstehen" vgl. oben unter (1) und für eu> {i)au käuna — kove „kauen"i® piav^ — piove „schneiden"
kläusia müzia vefkia grdndzia
— kldv^e — müU — vefke — grinde
Bei i-Diphthongen beachte, daß -e nach -j- nicht möglich ist, d.h. hier tritt stets -o ein: glieti
— glieja
— gliejo
,,bestreichen".
(4) V=N (Zur Dehnung der Diphthonge vgl. zu (3)): K^NK^ia
=> gr^i jüngti simti
KjNoia
K^NK^: — grindzia — jungia — aiuncia
=> K^Nee: dirti — kurti — vilti — kvlti — dümti —
diria küria vilia kuUa dümia
— — —
grinde junge siunte
„dielen" ,,ins Joch spannen' „senden"
dpi — kure — vyU — kme — düme
„zerreißen" „anzünden" ,,täuschen" ,,dreschen" „blasen"
— dobe
.stechen'
—
(5)
V=V: K^VK^ia ^ KiVK^e: dobti — döbia K j o j a Kj^^jl jöti — jöja seti — seja
— jöjo — sejo
,,reiten' „säen"
— Släve
,,fegen'
unregelmäßig: iluoti
—
Slüoja
Unter Berücksichtigung der lautlichen Besonderheiten (Fehlen von Langdiphthongen, Unmöglichkeit von -je) läßt sich also die Älter kävo wie auch in gduti — gauna — gävo, vgl. E. Fraenkel, EF. 51 (1933) 140f.; Lit. etym. Wb. 232; J. OtrQbski, a.a.O. §550, Chr. S. Stang, a.a.O. 139.
82
Idg. Forsch. 71 (1966)
[294]
Bildungsregel der Praeterita von -ia- oder -«a-Verben in die einfache Regel fassen: II. Fr&ea. KiVK^ita ^
Fr&et. K^VK^e
11. Ohne in weitere Einzelheiten zu gehen, sei hinzugefügt, daß sich von wenigen Ausnahmen abgesehen, auch für die -n-infigierenden und für die -sto-Praesentia ebenso einfache Bildungsregeln angeben lassen: III. Praes. K^V-n-K^a ^ Praet. KiVK^o IV. Praes. K^VK^-sta ^ Praet. KiVK^o 12. Die in den vorangegangenen Paragraphen aufgestellten Regeln I-IV sind nun auch für die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft von Interesse. Doch bevor jene Regeln dieser Disziplin übergeben werden können, müssen erst die übrigen baltischen Sprachen zum Vergleich herangezogen werden, der dann zugleich die einzelsprachlichen Veränderungen des Bildungsschematismus erkennen lassen wird. Nur auf eine sich aufdrängende Parallele außerhalb des Baltischen sei hier schon hingewiesen, da sie von weiteren Einzelheiten nicht betroffen wird. Bekanntlich wird auch das Praeteritum der germanischen starken Verben vom Wurzelvokalismus des Praesensstammes bestimmt. Oben § 2 wurde erwähnt, daß der Wurzelablaut (A), bestimmte Tempuszeichen (T) und besondere Personalendungen (P) zur Charakterisierung des Praeteritums verwendet werden können. Die kleine Tabelle: Germanisch Baltisch
A + +
T
— +
P
+ —
mag zeigen, daß die Vergleichbarkeit zwischen Baltisch und Germanisch nur im Bereich des Wurzelablauts (A) möglich ist. Und hier zeigen sich in der Tat auffällige Übereinstimmungen, die deshalb Interesse beanspruchen, weil sie zuweilen auch die Unregelmäßigkeiten auf beiden Seiten einer Erklärung zuführen können.
[295]
83
Baltische Beiträge IV
Wurzel vokalismus Kl. I II III IV V
Germanisch (Got.) Praes. Praet. ei aiji i aiji eu auju u auju eNK^ aNKJuNK^ eNo aNojeNa eK^(j) aKJeK^
VI aK^d) oK^ VII
ohne
Kl. Ib(3) Ib(4) Ib(4) Ib(3)
Baltisch (Lit.) Praes. Praet. Suffix ie i o i i 0 u u eNK^ iNK^
lett. nem II 1 eK^ ( a b e r l a l : eK^ 112 aK^ ( a b e r l a 2 : aK^ Entsprechung
0 o"
nema (lit. Sme) eK^ e eK^ e) oK^ e aK^ e)
Aus dieser Tabelle geht hervor, daß das Ablautsverhältnis Praesens : Praeteritum im Germanischen und Baltischen in den Pluralformen weitgehend übereinstimmt. In beiden Sprachkreisen muß das e-stufige Praesens als Grundlage f ü r die Praeteritalbildung angesehen werden. Der qualitative e/o-Ablaut, der im Germanischen das Verhältnis zwischen Praesens und Sing. Praeteritum regelt, fehlt in der baltischen Praeteritalbildung. Hier gibt es nur den quantitativen Ablaut (Schwund- und Dehnstufe). Deshalb kann es nur Übereinstimmungen mit dem germanischen Praeteritum im Plur. geben. Geht der Wurzelvokal c m i t Xg eine ablautfähige Verbindung ein, setzt das Litauische e-Praeteritum, ebenso bei ta-Praesentien und wenn e zwischen Konsonanten nicht schwinden kann (die Dehnstufe bleibt auf die ia-Praesentien beschränkt). Steht der Wurzelvokal e ohneÄ'ain ablautfähiger Verbindung, setzt das Litauische o-Praeteritum. Bei F = a steht e-, bei V = Langvokal oder aiV-Diphthong o-Praeteritum. Diese Reihe V — e, a, F, aN bestimmt auch die germanische Tempusbildung (e/a; ajö; F, aiV^/redupl.). Die ia-Verba im Litauischen haben sich beträchtlich ausgedehnt, dagegen sind die starken yan-Verben im Germanischen nur noch in Resten vorhanden. N = r, l, m, n; germ. uN, lit. iN < *N.
84
Idg. Forsch. 71 (1966)
[296]
Fälle wie lett. mmt können aber lehren, daß wir es mit Systemneubildungen auf beiden Seiten zu tun haben, die den Vergleich in der obigen Tabelle zunächst einmal zulassen (beachte auch lat. venio — veni, fodio — födi, lego — legl)^^. Mögen diese knappen Andeutungen vorerst genügen, um zu zeigen, daß der Prozeß der Verschmelzung ererbter und der der Ausbildung neuer Praeteritaltempora in Europa auf der einen Seite doch etwas komplizierter ist als zuweilen angenommen, andererseits aber auch über die Einzelsprachen hinaus auf Gemeinsamkeiten weist, deren Klärung wiederum ziu: Erhellung einzelsprachlicher Verhältnisse beitragen mag. (Wird fortgesetzt)
Zu den Einzelheiten vgl. einstweilen: O. Wiedemann, Das litauische Praeteritum (Straßburg 1891); N. van Wijk, IF. 34 (1914/15) 367-383; E. Sandbach, Die idg. zweisilbigen schweren Basen und das baltische (litauische) Praeteritum (Heidelberg 1930); E. Fraenkel, IF. 51 (1934) 140-143; Chr. S. Stang, a.a.O. 188ff.; J. Endzelynas, Baltq kalbxi garsai r foraaos (Vilnius 1957) 185ff.
Baltische Beiträge V Zur Praeteritalbildung im Lettischen Indogermanische Forschungen 72 (1967), S. 116-122
In Baltische Beiträge IV (IF. 71, 1966, 286-296) wurde der Versuch gemacht, die Verteilung von e- und ä-Praeteritum im Litauischen in Abhängigkeit von der Form des Praesensstammes darzustellen und auf einfache Formeln zu bringen, die es ermöglichen, zu einem vorgegebenen Praesens das Praeteritum in der litauischen Schriftsprache vorherzusagen. Im Folgenden wird die Frage zu untersuchen sein, wie weit sich das Lettische (und das Altpreußische) in die aufgestellten Formeln einfügen lassen oder mit anderen Worten, inwiefern diese Formeln auf eine gemeinbaltische Ebene projiziert werden können. Wir beschränken uns dabei auf die Behandlung der rein thematischen Verben und lassen die -ja-, -n-, -st- Praesentien mit den ihnen zugehörigen Praeterita beiseite. 1. Das heutige Schriftlettisch bedarf solcher Formeln nicht, da das Praeteritum nur noch mit ä gebildet wird^. Daß dieser Zustand auch in der lettischen Schriftsprache verhältnismäßig jung ist, verraten gewisse Lauteigentümlichkeiten (z. B. geschlossenes Ü in vedu, nesu, begw, Praes. näku, aber näcu im Praet.), die sich nur als Folge eines einst hellen Vokals in der Folgesilbe erklären lassen, zeigen die südwestkurländischen und ein Großteil der hochlettischen Mundarten^ und beweisen die lettischen Sprachdenkmäler des 16. und 17. Jahrhunderts®. Die Verallgemeinerung der aus dem Litauischen gewoimenen Formeln wird sich also auf 1 T. Budi^a Lazdi^a, Teach Yourself Latvian (London 1966) § I I I ; Müsdienu latvieäu literäräs valodas gramatika I (Riga 1959) § 729ff.; J. Endzelynas, Baltii kalbii garsai ir formos (Vilnius 1957) §388; J. Endzelins, Latvieäu valodaa gramatika (Riga 1951) § 680f. • J. Endzelins, a.a.O. § 681; M. Rudzite, Latvieiu Dialektologija (Riga 1964) 136f., 367f.; LatvieSu izloka^u teksti (Rigä 1964). * J. Endzelin, Zum lettischen Praeteritum. KZ. 43 (1910) 1-41. Das hier gesammelte Material kann ergänzt werden aus G. Elger, Evangelium und Episteln ins Lettische übersetzt ed. K. Dravii;^ (Lund 1961).
86
Idg. Forsch. 72 (1967)
[117]
altlettisches und Dialektmaterial zu stützen haben. Wir werden zunächst die fünf für die litauischen rein thematischen Verben gültigen Bildungsregeln der Reihe nach am Lettischen prüfen. (1) lit. Praes. K^eK^a => Pretet. K^eK^e (Typ: lit. vesti, veda, vede): altlett. vest, Praet. 3. Pers. vede (Mancelius); woedde, wedde, atwedde (Elger, 36,28; 43,29; 47,21); dial. vM vede (Rudzite, a.a.O. 136); mest, dial. mete (KZ. 43,18); best, altlett. yzhoedde (Elger 40,10). Diese Beispiele zeigen, daß wir die Regel (1) zunächst für das Ostbaltische, mit altpreuß. weddedin „brachte sie" (63,24 = Maziulis, Prüsij kalbos paminklai, Vilnius 1966, 213,17) für das Gemeinbaltische in Anspruch nehmen dürfen. Auf dieser Ebene ist jedoch die Schreibung: (1) balt. Praes. K^eK^a => Praet. K-^eKe, vorzuziehen. 2. Schwieriger zu beurteilen sind die Fälle mit K^ = N, also die Regeln (1.1) Praes. K^eNa Praet. K^Ne (Typ: lit. gema, gime), (3.1) Praes. K^eNOa ^ Praet. K^NOo (Typ: lit. dela, dilo)nnd (4.1) Praes. jK'jiV^a => Praet. Ä'^.^e (Typ: lit. mina myne), denn das Lettische kennt (1.1) überhaupt nicht und (3.1) und (4.1) werden vermengt. Daraus ergeben sich z. B.: dzit (lit. ginti) dzenu — dzina, dzyna, dzeina dzimt (lit. gimti) dzemu — dzima, dzyma mit (lit. mlnti) minu — mina, myna*. Zur historischen Interpretation dieses Befundes müssen folgende Punkte beachtet werden; a) Die Altertümlichkeit der Praesentia ist gewährleistet, b) Die Dehnimg des Wurzelvokals verlangt stets e-Praeteritum, c) Wenn das Lettische e-Praeterita bietet, ist die Wahrscheinlichkeit einer Neuerung auf lettischer Seite gering (s. aber unten § 6), d. h. man darf die Regeln (3.1) und (4.1) als alt voraussetzen : * Material s. J. Endzelin, KZ. 43, 12f.; Lat. val. gr. §§ 603, 623.
[118]
Baltische Beiträge V
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balt. Praes. KieN(0)a => Praet. K^N(0)ä halt. Praes. KiN{0)a => Praet. In diesem Zusammenhang muß nun aber auch des singulären Falles jemu, jemu (e) bzw. mmu, iwmu gedacht werden, der wegen seiner litauisch-lettischen Entsprechung auf der einen, wegen seiner Parallelen im Germanischen und Lateinischen auf der anderen Seite zweifellos Altertümlichkeit beanspruchen kann. Dieser verbindet sich mit den beiden vorangegangenen Typen zu einer einfachen Alternative: Konnte die sonantische Verbindung des Praes. in die Schwundstufe gesetzt werden, trat ä-Praeteritum ein, war das nicht möglich, trat die Dehnstufe mit c-Praeteritum ein. Da die erste Möglichkeit nichts weiter als einen Sonderfall der Regel (3) K^eNK^a K^NK^ä mit K^ = 0 darstellt, wird damit die Frage nach den sonantischen Verbindungen ± a vor Vokal gestellt, die jedoch weit über das Baltische hinausreicht und deshalb hier nicht weiter verfolgt werden kann. Tatsache ist, daß das Baltische den Ablauttyp eNjeN isolierte und den schwundstufigen Praeteritalformen den Vorzug gab, während das Germanische gerade umgekehrt verfuhr. Die im Baltischen sich ergebenden Praeterita lassen sich dann als Kontaminationsprodukte aus folgender Matrize ablesen:
Wurzelablaut m N N
Praeteritalkennzeichen ä e eNä eNe Nä Ne Nä Ne
eA^äimod. schriftlett. nema > eNe: altlett. neme Nä :dial. dzima Ne :lit. gime Nä : dial. dzyma, ostlett. dieina. Da die gedehnte Schwundstufe sich aus baltischem Systemzwang herleiten läßt und sonst Schwundstufe mit ä und Dehnstufe mit e verbimden sind, femer bei der idg. Wurzel ein -a- nicht
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Idg. Forsch. 72 (1967)
[119]
bezeugt, also KN0ä nicht zu rechtfertigen ist, dürften germ. quemum und lat. veni Älteres bieten als die im Baltischen vorkommenden Formen, d. h. auch lit. glme müßte eine Neuerung sein. Demnach muß die lit. Regel (1.1) Praes. K^eNa => Praet. K^Ne durch eine gemeinbaltische® Regel (1.1) Praes. K^eNa => Praet. KjßNe ersetzt werden. 3. I m Typ lit. bdrti — bära — bäre {K-fiK^a => Praet. K^aK^e)
wird im Lettischen, auch in den Dialekten, die sonst e-Praeterita bewahren, ä-Praeteritum gesetzt: bart — bara, halt — kala, malt
— mala. Die von J. Endzelin (KZ. 43,21) zitierten e-Praeterita von bart haben zugleich Länge der Wurzelsilbe. Das wäre dann natürlich als Angleichung an die jo-Verba zu verstehen, die ja nahelag, weil gerade das Lettische das Praesens dieser Verba mit palatalisiertem K^ flektiert. Wenn aber das Lettische auch im Typ bafu — bara das ä-Praeteritum festhält, außerdem das äPraeteritum auch in litauischen Dialekten belegt ist, dann wird man mit Chr. S. Stang' das Ältere wohl doch im ä-Praeteritum zu sehen haben, während das Litauische — vielleicht im Anschluß an den ne^ti-Typ (unveränderter Wurzelvokalismus im Praesens und Praeteritum) — das e-Praeteritum durchgeführt hat. Die lettische Bildungsregel wäre dann zugleich die gemeinbaltische : (2) balt. Praes. K^aK^a => Praet. K^aK^ä. Dies gilt auch für K^, — N. 4. Einfach und klar sind die lettischen Entsprechungen zum litauischen Typ (3) Praes. K-^eNK^a => Praet. K^NK^o: lett. cirpt milzt krimst Ust
(lit. (lit. (lit. (lit.
kifpti), milztis), krimsti), listi),
cerpu, cirpa melzu, milza kremtu, krimta liedu, lida.
® Das Altpreußiache bietet dafür allerdings keinen Beleg. Die Schrei-
bungen ymmits, ymmeita, ymmeyta, jmmitz „er nahm" weisen auf Kürze der ersten Silbe. « Das slavische und baltische Verbum (Oslo 1942) 106f.
[120]
Baltische Beiträge V
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Oben (§ 2) wiirde bereits gezeigt, daß diese Regel auch für K^ = 0 gilt. Gemeinbaltisch' ist also anzusetzen: (3) halt. Praes. K^eNK^a => Praet. K^NK^ä. 5. Auch diejenigen Verben mit Wurzelvokalismus i oder u im Praesens (K^NK^ => Praet. K^NKo) entsprechen ganz der lettischen Flexionsweise: rist, ritu, rita sist, situ, sita skust, skutu, skuta, so daß einer Verallgemeinerung: (4) balt. Praes. K^NK^a => Praet. K^NK^ä nichts im Wege steht. Über die abweichende Behandlung für Verben mit K^ — 0 s. oben § 2. 6. Die litauische Regel (5) Praes. KjVK^a Praet. K^fK^o kann ebenfalls verallgemeinert werden, vgl. lett. b^t, begu, bega, säkt, säku, säka^, allerdings gibt es hier eine häufig gebrauchte Ausnahme: lett. näkt „kommen" hat in den alten Texten regelmäßig e-Praeteritum: näee bei Elger (10,12; 11,19; 16,10; 17,1; 20,27; 21,28; 22,28 u. ö.) zum Praesens näk (21,7). Der gedruckte Text ersetzt das -e schon hier und da durch -a (z. B. näce 44,13 = näca A. Günther, Altlettische Sprachdenkmäler I, Heidelberg 1929, 69). Die Dialekte kennen aber auch hier näka (KZ. 43,25; Lat. val. Gram. 737f.). Abgesehen von dieser schwer zu erklärenden Ausnahme darf also gelten: (5) balt. Praes. K j K ^ a => Praet. KjVK^äK 7. Für das Gemeinbaltische lassen sich die Regeln in folgendes Schema zusammenfassen: ' Daß diese Regel ziimindest hinsichtlich des Wtirzelablauts auch im Altpreußischen Gültigkeit besitzt, zeigt altpreuß. senrinka „sammelt" (Trautmann 33,10 = Maziulis 157,16) mit -in- aus dem Praeteritum (J. Endzelin, Altpreußische Grammatik, Riga 1944, § 227). ® Vgl. das Material bei J. Endzelin, KZ. 43,23,25 und Lat. val. gram. 737, 738. ' Im Lettischen ergeben sich durch den Lautwandel *in > l, *un > ü, *an > uo, *en > ie Schwierigkeiten der Beschreibung, da in diesen Fäl-
90
Idg. Forsch. 72 (1967)
Praesensvokal V V V V
= = = =
e a eN N
F - F
K^
(1) KjeK^ (2) K^aK^a (3) K^eNK^a (4) K^NK^a
[121]
N ^ => =>
KjcK^e K^aK^ä K^NK^ä K^NK^
(1.1) (2.1) (3.1) (4.1)
K^eNa K^aNa K^eNOa K^N0a
^ ^
K^eNe K^aNä K^NOä ^ Z^i^e
(5) Kj^K^a ^ K j K ^ ä
Dieses Schema läßt sich in je zwei Bildungs- und Ablautregeln formulieren: la Bildungsregel: halt. Praes. K^V^K^a ^ Praet. K^V^K^e {Fj = e, V^K^ = N) Ablautregel: Fa = Dehnstufe F^ für V^K^ = eN,N; sonst Fi = V^. Ib Bildungsregel: balt. Praes. K^V^K^a => Praet. K^V^K^ä (F^ + e, V^K^ + iV^} Ablautregel: Fg = Schwundstufe Fj für Vj = eN, sonst V^ = V^. Die disjunkten Regeln la und Ib müssen im Laufe der baltischen Sprachentwicklung schon deshalb Veränderungen erleiden, weil die Phonemfolge eN von eN0 nicht mehr scharf genug unterschieden werden kann. 8. Die Transformation der baltischen in litauische Regeln macht folgende Änderungen notwendig: 1. Bildungsregel la gilt auch für F^ = a Ablautregel la: die Dehnstufe gilt nur noch für V^K^ — N, für FjZj = eN gilt Ablautregel Ib. Die (} muß dementsprechend in Ib geändert werden. 9. Im Altlettischen dagegen gilt die Bildungs- und Ablautregel Ib mit Ausnahme von nemmergu), d. h. eskonnte nicht der im Enchiridion zu beobachtenden Diphthongierung des langen ü (vgl.büton, boüton, baüton; busennien, bousennien,bamennienu. a.) unterliegen. Das bedeutet weiter, daß asmau anders erklärt werden muß. Die einfachste Erklärung scheint folgende zu sein: ebenso wie das vorauszusetzende *-mi durch den Einfluß der thematischen Verben zu -mai wird, ändert sich auch die gewissermaßen lautgesetzhche Nebenform -mu durch denselben Einfluß zu -mau. 4.2 War erst einmal -mai die Normalform im Paradigma, konnte auch die Form assei zu assai umgebildet werden. Der Wandel *-si > *-sei ist aber sehr viel älter als der von *-mi > -mai, denn er wird zumindest auch von den ostbaltischen Dialekten vorausgesetzt (Daukäa essiegu)". Die erste Person vom Typ ht. duomies könnte unter gewissen Voraussetzungen auf ein *-m/ii zurückgehen, repräsentiert aber wahrscheinlicher ein älteres *-me,i. Demnach lassen sich die Neuerungen im Baltischen und speziell im Altpreußischen in folgendes Schema bringen: Idg.
Baltisch
Lit.
Altpreußisch
1. *-mi
*-me.i -mie-s + *-ä >-ma,i, -mu, -mMU t i 2. *-si -f *ei > *-sei -ste-s -sei, -sai 3. *-ti > *-ti l-ti ^ -t{i) Die Tatsache, daß die analogischen Umbildungen hier niu- die 1. und 2. Person betreffen, während die 3. Person unverändert " Auf die Implikationen für die Erklärung von slav. -si, -äi möchte ich hier nicht eingehen. Vgl. Chr. S. Stang, Verbum S. 214f., 225f.; Grammatik S. 409.
98
Idg. Forsch. 73 (1968)
[361]
bleibt, entspricht ganz der Theorie E. Benvenistes, der die drei Personen in eine Opposition Person (1.2) — Nicht Person (3) und in eine Opposition Subjektiv (1) — Nicht-Subjektiv (2) gliedert^®. Die Form der Nicht-Person bleibt von den Vorgängen innerhalb der Subjektivitätskorrelation unberührt. 6. Die hier angenommenen Umbildungsprozesse haben im Altpreußischen in den beiden ersten Personen zu auslautenden iDiphthongen (-oi, -ei) geführt. Es ist deshalb wenig verwunderlich, wenn diese auch auf den Plural ausgedehnt wurden. Ohne hier, wo es uns nur um eine plausible Erklärung der von den Sprachvergleichem gelegenthch mißbrauchten ersten Sing, aamai geht, auf alle Einzelheiten einzugehen, möchten wir vermuten, daß auch im Plural das vorauszusetzende *-m8 bzw. *-tö durch den Sing, zu -mai bzw. zu ti, tei, tai umgeformt wurden. Es liegt m.E. hier keine hypothetische emphatische Partikel vor^®, sondern nur eine Angleichung an den Singular. Weiter ist es auch kaum möglich, eine Übertragung der athematischen Form der 1. Sing, auf -mai auf den Plural anzunehmen, weil dann die konsequente Verwendung der Endung -mai in der 1. Plural in aUen Konjugationsklassen nicht begreiflich würde. 6. Der vorgetragene Deutungsversuch vermag mit Hüfe zweier im Baltischen tatsächlich zu beobachtenden Entwicklungstendenzen^® nicht nur eine einzelne Form, sondern im Grunde das ganze Präsensparadigma der athematischen Verben im Altpreußischen zu erklären. Doch nicht nur das, er ist auch in der Lage, die vom Normalparadigma abweichenden Varianten, asmu, asmau und assai, ohne Zuhilfenahme zusätzlicher Hypothesen in die Erklärung einzubeziehen. Von der Diskussion um die griechischen Medialendungen muß altpreußisch asmai m.E. auf jeden Fall femgehalten werden.
" Vgl. E. Benveniste, BSL. 43 (1946) 1 - 1 2 = Problömes de linguistique gönörale (Paris 1966) p. 225-236, ebd. 251-257; 258-266. " So Chr. S. Stang, Grammatik S. 417ff. ^ Zvan Begriff der Tendenz vgl. E. Coseriu, Sincronfa, Diacronfa y Tipologia (Acta« del X I Congreso international de lingüfstica y filologla romanicas Madrid 1965), Madrid 1968, p. 269fr.
Altindisch vmati Indogermanische Forschungen 70 (1965), S. 1-10
Das indo-iranische Verbum *vaina- — altind. vina- = avest. vaena- = altpers. vaina- gibt sowohl dem Vedaphilologen als auch dem Indogermanisten eine Reihe von Problemen auf. Während es sich auf der iranischen Seite, z.T. bis heute, als übliches Wort für „sehen" gibt, läßt es sich auf der indo-arischen Seite bestenfalls nur in das Wortfeld der Wörter mit der Bedeutung „sehen" eingliedern und bemüht die Philologie, seinen Platz darin genauer zu bestimmen^. Darüber hinaus ist dieses Verbum auch noch ein formales Ärgernis, weil es eine Wurzelform aufweist, die sich mit den gängigen Wurzeltheorien nicht vereinigen läßt. Zerlegt man es in *vai-n-a- mit vollstufiger, betonter Wurzelsilbe, wird man — gleichgültig, welche Vorstellungen man von Verbalwurzeln hat — auf eine thematische Nasalklasse geführt, die man dann auch prompt für das Indogermanische gefordert hat^. Mit einer solchen Forderung wird aber dem auf das Indoiranische beschränkten Wort eine Beweislast aufgebürdet, die es gar nicht zu tragen vermag. Fällt es doch auf, daß in einem Sprachkreis, der die altertümlichsten Nasalpraesentia konserviert hat, dies der einzige sichere Vertreter der angeblich indogermanischen Bildung wäre. Außerdem ist es auch wenig wahrscheinlich, daß bei der zu beobachtenden starken Tendenz im Indoiranischen, die athematischen Nasalklassen zu thematisieren, gerade diejenigen Verben verloren gingen, die eine solche Tendenz nur hätten unterstützen können. Es scheint daher nicht abwegig, die formale Analyse des Verbums altind. venati erneut einer Prüfung zu unterziehen, wenn auch von vome herein Klarheit darüber besteht, daß die Resultate von einem gewissen Punkt an (hier ab § 5) wegen der isolier1 Zuletzt J. Gonda, The Vision of the Vedic Poets (The Hague 1963) 349-358 (mit Lit.). " A. Meillet, MSL. 15 (1908/9) 99f.; F. B. J. Kuiper, Die indogermanischen Nasalpraesentia (Amsterdam 1937) 67, 70, III Arnn. 2.
100
ten Stellung von vinati Wert erhalten können^.
Idg. Forsch. 70 (1965)
[2]
notwendigerweise nur hypothetischen
1. Wenn es richtig ist, daß vinati semasiologisch in den Sinnbezirk des Sehens gehört, dann wird man zunächst einen Blick auf dieses Wortfeld werfen und dabei entdecken, daß sich dieses auch im Altindischen in eine Dreifelderwirtschaft gliedern läßt. Auf dem einen Feld blühen jene Wurzeln, die das Sehen als einen (aktiven) Leuchtvorgang bezeichnen (z.B. köA-, caks-), auf dem anderen diejenigen, die es als einen (rezeptiven) Erkenntnisvorgang fassen (z.B. ci-, cit-, dM-)*, auf dem dritten, neutralen, endlich kümmern die altererbten Wurzeln dahin, die zumindest primär, nur das Sehen allgemein bedeuten (z.B. iks-, dri-, (s)paS-)^.
Diese drei Gruppen, die im Laufe der Sprachgeschichte durchaus ihre Grenzen verschieben (beachte etwa klassisch cif-, darianam), können sich bei der Komposition mit dem Praeverb vi ,,auseinander" verschieden verhalten. Bei den LeuchtVerben wird vi eine Intensivierung (nach allen Seiten hin strahlen, alles ringsum (einzeln) betrachten etc.) hervorrufen. Ihnen schließt sich die neutrale Gruppe an. Bei den Verben der geistigen Tätigkeit aber besteht die Möglichkeit, daß vi entweder ein genaueres Unterscheiden oder aber eine Zerfahrenheit, Unentschlossenheit, ein (ratloses) Hin- und Herblicken anzeigt. Umgekehrt läßt sich feststellen, daß, wenn ein Verbum des Sehens ® Mit den folgenden Ausführungen werden Gedanken überarbeitet, ergänzt iind korrigiert, die ich bereits in meinen Untersuchungen zur Stellung der Nasalpraesentia im indo-iranischen Verbalsystem (maschinenschriftl. Diss. Tübingen 1955) 26-35 vorgetragen habe. * Über ähnliche, auch theoretisch behandelte Vorstellimgen im Griechischen vgl. Charles Mugler, Dictionnaire historique de la terminologie optique des Grecs (Paris 1964) 7ff.; F. Bechtel, Lexilogus zu Homer (Neudruck Hildesheim 1964) 74f.; E. Fraenkel, Ergänzungshefte zur KZ., Nr. 14 (Göttingen 1947) 46f., Litauisches etym. Wörterbuch 130 (s.v. galäati), 345 (s.v. laükti). — J. Gonda, a.a.O. 23ff., geht an dieser Gliederung des Wortfeldes vorbei und berücksichtigt — den Zielen seines Buches entsprechend — nur den Sehvorgang als Erkenntnisquelle. ® Über die Verwendimg dieser Verben zur Bezeichnung des geistigen Schauens s. J. Gonda, a.a.O. 27ff.
[3]
Altindisch v ^ t j
101
im Kontext negative Bedeutungen bei der Komposition oder Kollokation mit vi annimmt, dies auf seine Zugehörigkeit zur Gruppe II (Sehen als Erkenntnisvorgang) schließen läßt. Auf der Grundlage dieser Voraussetzungen ergeben sich für vinati drei sprachgeschichtlich wichtige Konsequenzen. RV. IV 24, 6 sadhrictnena mänasä dvivenan „with a concentrated mind, by no means inattentive" (J. Gonda, a.a.O. 351; Geldner: „ungeteilten Herzens, nicht unlustig") und Stellen wie RV. V 31, 2 == V 36, 4 = VI 44, 10 harivo mä vi venah ,,Indra, wende deinen Bhck nicht ab" (ähnlich V 75, 7 = V 78, 1 näsatyä mä vi venatam) zeigen, daß vi-venati etwa „seinen Bhck abwenden" bedeutet, also die Grundbedeutung des Verbums nicht verstärkt, sondern in ihr Gegenteil verkehrt. Demnach kann vinati (1) nicht zu jenen Verben gehören, die von jeher „sehen" bedeuten, sondern muß (2) zu jener Gruppe zählen, deren Mitglieder das Sehen im Rahmen einer umfassenderen geistigen Tätigkeit benennen. Die dritte Folgerung ergibt sich aus einem Vergleich mit anderen Verben dieser Gruppe. Unter ihnen ruft vi nämlich gerade bei der Wurzel dhi- eine ähnliche Bedeutungsveränderung hervor wie bei vinati, vgl. RV. VIII 21, 6 ächä ca tvaind nämasä vadämasi kirn mühuscid vi didhayah ,,Wenn wir dich mit dieser Verbeugung einladen, was wirst du dich auchnur einen Augenblick besinnen" (Geldner; Gonda, a.a.O. 205 „ . . . wilt thou even for a moment look in different directions"). Wesentlich für die Analyse von vena- ist außerdem, daß in ältester Zeit nur Formen des Praesensstammes belegt sind. Zusammenfassend können also folgende Punkte festgehalten werden: 1.1. v4na- ist im vedischen Sanskrit nur als Praesensstamm bezeugt. 1.2. Soweit es das verhältnismäßig spärliche Belegmaterial erkennen läßt, stehen ven- und dhi- semasiologisch in engerer Beziehung zueinander. 1.3. Die Grimdbedeutung des Verbums kann nicht das generelle Sehen sein. Sie muß im Bereich jener Wiirzeln zu suchen sein, die das Sehen als eine geistige Funktion fassen.
102
Idg. Forsch. 70 (1965)
[4]
2. Prüft man die Ergebnisse von § 1 am Iranischen nach, so ergibt sich Folgendes: Im Altiranischen sind sowohl von avest. vaenaiti als auch von altpers. *vainatiy nur Formen des Praesensstammes belegt. Das übrige Paradigma wird — und das bis heute — von der Wz. dl- besetzt®. Dadurch wird Punkt 1.1 bestätigt, Punkt 1.2 präzisiert^. Die Bedeutung von beiden Wurzeln ist im Iranischen — von kontextbedingten Nuancen abgesehen — allein „sehen". Abweichend von der herrschenden Lehrmeinung, daß „sehen" die Grundbedeutung der Wurzel sei, von der auch der altindische Gebrauch des Verbums venati abzuleiten wäre, möchten wir die jüngere Entwicklimg auf der iranischen Seite annehmen. Die nötige Handhabe bietet uns Punkt 1.3 und die Tatsache, daß auch die Wurzel dhl- auf der iranischen Seite in gleicher Beschränkung verwendet wird wie der Praesensstamm vaina-^. Eine interessante, aber wohl doch nicht altertümliche Abweichung vom mitteliranischen Gebrauch bietet das Sogdische. Hier wird zum Praesensstamm wyn- „sehen" das praeteritale Partizip nicht von di- aus gebildet. Es erscheint statt dessen als wyt-^. Das Verbum wyn- { = [ven-]) wird also im Sogdischen wie ein reguläres Nasalpraesens behandelt. Es reiht sich ein in die Gruppe zyn-jzyt- „wegnehmen" (vgl. altpers. adinä) "fryn-j 'fryt- „segnen" (vgl. altind. prinäti), sfryn-jsfryt- „schöpfen". Der Vokalismus des Verbums im modernen Ausläufer des " Vgl. A. Meillet — E. Benveniste, Grammaire du vieux perse (Paris 1931) 117, femer mittelpers. ven- jdtö (C. Saleman, GIPh. I, 1, 303; W. B. Henning, ZU. 9, 1933/4, 200; P. Tedesco, MO. 15, 1921, 237f.), parth. wyn-jdyd (M. Boyce, Hynm Cycles 187), neupers. btn-/didan. ' Die naheliegende Vermutung, daß auch im Altindischen ven- und dhi- ein suppletives Paradigma gebildet hätten, kann vom Belegmaterial nicht sicher bestätigt werden. Nimmt man jedoch an, daß die belegten Formen von dM- einem ursprünglichen Perfektparadigma entstammen (Ähnliches bei der Wz. bhi-), ließe sich Punkt 1.3 auch für das Altindische noch präziser fassen. ® Vgl. lat. videre und griech. l8eTv, das paradigmatisch und semasiologisch zu öpdo, etymologisch aber zu olSa gehört (A. Prevot, RPh. 9,1939, 152ff.). ® I. Gershevitch, A Grammar of Manichean Sogdian (Oxford 1954) § 579; Zum buddh. Sogd. vgl. Vess. Jat. III 3 ywßnw wytw d'r'm „j'ai vu un senge" (E. Benveniste, Vessantara Jätaka, Paris 1946, 2); Belege aus dem Christi. Sogd. bei F. W. K. Müller, Soghdische Texte I (Berlin 1913) 105, 106.
[5]
Altindisch vmati
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Sogdischen, im Jagnobi, wen-jwßa„sehen"^" verrät, daß sogdisch wyt- als *[we nicht fsB. Vergegenwertigt man sich, daß im 7. Jahrhundert v.Chr. die lingua latina in Rom, d.h. das Lateinische, kaum eine größere Rolle spielte als die übrigen Dialekte in seiner Umgebung, dann wird man der Selbständigkeit des Praenestinischen, die durch vhevhaked dokumentiert wird, die gebührende Aufmerksamkeit schenken. Die Sprache der Manios-Spange darf also nur latinisch, nicht aber lateinisch (dialektisch) genannt werden, wenn man sich nicht historische Ungenauigkeiten zu Schulden kommen lassen will. Wenn auf dem Naevius-Epigramm Klage geführt wird obliti sunt Romai loquier lingua Latina, so darf man für eine vierhundert Jahre ältere Zeit nicht vergessen, daß man in Rom einen latinischen Dialekt sprach, nicht aber in Praeneste einen lateinischen!
Alteuropäisch und Indogermanisch Akademie der Wissenschaften und der Literatur (Mainz) Abh. d. Geistes- u. Sozialw. Kl. 1968, Nr. 6, S. 243-258
Vor sechs Jahren, in der Plenarsitzung vom 27. Juli 1962, hat Ihnen von dieser Stelle aus eine zusammenfassende Darstellung der „Alteuropäischen Hydronymie" gegeben und seine Alteuropa-Theorie in fünf Thesen vorgetragen. Unser Anliegen heute ist es - wie ich es bereits in meiner Antrittsrede vor nun einem Jahr andeutete die AlteuropaTheorie H A N S K B A H E S , die ein sprachlich verhältnismäßig einheitliches Europa im onomastischen Bereich konstatieren und im linguistischen Bereich postulieren kann, auf ihre Tragfähigkeit zu überprüfen, schärfer zu fassen und für die Sprachgeschichte und Sprachgeographie des alten Europa fruchtbar zu machen^. Eine solche Überprüfung ist nicht nur deshalb dringend erforderlich, weil von ihrem Ergebnis die Art der Weiterführung der „Hydronymia Germaniae" abhängt, sondern sie ist auch aus dem Grunde geboten, weil es zwar an kritischen Stimmen zu dieser Theorie nicht f e h l t w o h l aber an einer gründlichen Auseinandersetzung®. Damit gerät H. K B A H E S nun bald zwanzig Jahre alte^ Alteuropa-Konzeption in Gefahr, ohne weitere Diskussion von Einigen angenommen, von Anderen abgelehnt, im Wesentlichen aber von zahllosen neuen Vorschlägen, die man gegenwärtig in anderen Bereichen der Sprachwissenschaft vorbringt, überwuchert zu werden. Sie scheint uns jedoch viel zu wichtig, um sie etwa einer Modekrankheit® zum Opfer fallen zu lassen. HANS KBAHE
' Siehe Jahrbuch der Akademie der Wissenschaften und der Literatur 1967, S. 69. ' R. A. CBOSSLAND, Past and Präsent 12 (1957) 16-46; A. SOMMEBFBLT, NTS. 18 (1958) 442; E. RISCH, Kratylos 5 (1960) 90; H. KBONASSEB, Linguistique Balkanique 4 (1962) 23 [dazu vgl. H. KBAHE, IF. 69, 1964/65, 211f.]; V. GEOBGIEV, Proceedings of the Eighth Int. Congress of Onom. Sciences (The Hague - Paris 1966) 193-195; BLZ. 1967, 8, Sp. 690-692; D.P. BLOK, BNF. 2 (1967) 13-20; W. MEID, Indogermanisch und Keltisch (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft, Sonderheft 25), Innsbruck 1968, 7f. ' Einer solchen am nächsten kommt die Besprechung von H. KBAHE, Unsere äUesUn Flußnamen (Wiesbaden 1964) durch H. KUHN, AfdA. 78,1 (1967) 1-22. * Vgl. die Aufsatzreihe Alteuropäische Flußnamen in BzN. 1 (1949/50) 24-51 und folgende Bände. " Vgl. W . KAMLAH, P . LORENZEK, Logische
( 3 )
Propädeutik
(Mannheim 1967) l l f . -
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Alteuropäisch und Indogermanisch
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Versucht man, die Bemerkungen der Kritiker zusammenzufassen, so kann man sie - grob gesprochen - in zwei Klassen einteilen: Auf der einen Seite stehen die Argumente der Lokalforscher, die auf Grund von Fehldeutvmgen einzelner Namen das Ganze in Zweifel zu ziehen suchen, auf der anderen finden sich - vorgefaßte Meinungen, z. B. die, daß man das Baltische und Slavische nicht auseinanderreißen dürfe, oder daß die Kentum-/Satemgrenze mitten durch das alteuropäische Gebiet verlaufe, u. dgl. mehr. Während die Ersteren zu einer höchst willkommenen Säuberung des außerordentlich umfangreichen Materials führen, köimen die Einwände der zweiten Gruppe bequem außer Betracht bleiben, weil sie den Kern der KBAHEschen Thesen überhaupt nicht berühren. Es empfiehlt sich daher, die Theorie der alteuropäischen Gewässernamen nicht anhand der unzulänglichen Einwände zu überprüfen, sondern die einzelnen Thesen dieser Theorie selbst einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Diesem Verfahren müssen zwei G r u n d v o r a u s s e t z u n g e n vorangestellt werden, die bisher von niemandem bezweifelt worden sind imd angesichts des reichen, noch gar nicht vollständig erfaßten Materials auch gar nicht bestritten werden können: (1) D i e Gewässernamen E u r o p a s sind h i s t o r i s c h g e s c h i c h t e t , und (2) Die N a m e n der ä l t e s t e n S c h i c h t e n z e i g e n v i e l f a c h eine V e r b r e i t u n g , die größer i s t als die V e r b r e i t u n g der E i n z e l s p r a c h e n , in deren B e r e i c h sie b e z e u g t sind. Der erste Satz bedarf kaum einer Erläuterung, denn es ist ja evident, daß z. B. Rhein, Main, Elbe, Saale ältere Namentypen darstellen als die zahllosen Steingräben und Mühlbäche, welche aus unserem heutigen Sprachschatz verständlich sind. Der zweite Satz aber ist genau derjenige, den die Theorie H. K B A H E S zu erklären versucht, denn man möchte doch eine Begründung dafür haben, daß z. B. der Name der Thüringischen imd Fränkischen Saale auch am Plattensee in Ungarn, in Spanien, Frankreich, Schottland, Norwegen, Litauen und im Dnjepr-Gebiet Entsprechungen hat Und das ist bekanntlich kein Einzelfall! I m Kähmen der historischen Sprachwissenschaft sind weder die Laryngaltheorie noch DTTMÄZIL'S Ideologie tripartite ausdiskutiert worden. ' Zum Namen Sola, Salia und seiner Verbreitvmg s. H. KRAEE, Unsere ältesten Flußnamen 49f.; W . P . SCHMID, AÜeuropa und der Osten im Spiegel der Sprachgeschichte (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft, Sonderheft 22), Innsbruck 1966, 4,6; BzN. 16 (1965) 208; E. ULBBICHT, Das Flußgebiet der Thüringischen Saale (Halle 1957) 243; K. BISCHOFP, Sprache und Oeschichte an der mittleren Elbe und unteren Saale (Mitteldeutsche Forschungen 52), Köln-Graz 1967, 1. ( 4 )
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Zur Deutung dieses Faktums hat H . K R Ä H E fünf Thesen aufgestellt^, die es nun im Einzelnen zu besprechen gilt. I. ,,Diese Hydronymie [d. h. also die Namengebung der ältesten Schichten, W.P. Seh.] ist in ihrem Wortschatz und in ihren formalen Bildungsmitteln indogermanischer Herkunft, umfaßt aber nicht den Gesamtbereich der indogermanischen Sprachen, sondern nur einen bestimmten, fest umgrenzbaren Teil von ihnen. Sie ist in einer noch voreinzelsprachlichen Periode des westlichen indogermanischen Raumes entstanden, gehört also nicht einer der aus historischen Zeiten bekannten Sprachen allein an." Läßt man die Frage der Entstehung und Verbreitung vorerst noch beiseite, dann handelt es sich bei näherem Zusehen gar nicht um einen zu beweisenden oder zu widerlegenden Satz, sondern um eine auf den erwähnten Voraussetzungen beruhende Definition des Begriffes „Alteuropa". Bekanntlich sind Eigennamen nur dann als Geschichtsquelle verwertbar, wenn man sie in Namenlandschaften anordnen und ganz oder teilweise etymologisieren, d. h. auf ein Appellativum oder wenigstens auf eine bekannte Wortstruktur zurückführen und damit einer bestimmten Sprache oder Sprachengruppe zuweisen kann. Wir dürfen damit K R A H E S erste These als Namensatz der Alteuropa-Theorie formulieren: (3) Alle Gewässernamen der in der Voraussetzung (2) genannten ältesten Namenschicht Europas, die sich mit indogermanistischen Mitteln befriedigend erklären lassen, werden ,,alteuropäisch" genannt. Eine solche Formulierung bedeutet zugleich, daß alle Namen, die - aus welchen Gründen auch immer - auf diese Weise nicht erklärt werden können, gar nicht zur Diskussion stehen. Die vielfach erörterte Frage, ob in Mitteleuropa auch nicht-indogermanische Sub- oder Adstrate anzunehmen sind, kann daher bis zu einer vollständigen Sammlung und Analyse der fraglichen Gewässernamen vom linguistischen Standpunkt aus gar nicht entschieden werden. Nach dem augenblicklichen Stand der Dinge könnte derjenige, welcher auf die Suche nach solchen nicht-indogermanischen Namen in Mitteleuropa ginge, nur ein begrenztes Inventar recht umstrittener Namen aufstellen, das sich neben den alteuropäischen Verzeichnissen recht kümmerlich ausnähme. Die zweite und dritte These H. K B A H E S behandeln das Verbreitungsgebiet : ^ H. KBAHB, Die Struktur der alteuropäischen Hydronymie (Abh. d. Akad. d. Wiss. u. d. Lit. zu Mainz, Geistes- u. sozialwiss. Kl. 1962, 5), Wiesbaden 1963, 3f.; Unsere ältesten Flußnamen 32 f. ( 5 )
[246]
Alteuropäisch und Indogermanisch
121
II. „Das Verbreitungsgebiet der alteuropäischen Hydronymie reicht einerseits von Skandinavien bis nach Unteritalien, andererseits von Westeuropa einschließlich der britischen Inseln bis zu den baltischen Ostseeländern. Von den drei südeuropäischen Halbinseln ist Italien am stärksten, die Balkanhalbinsel am wenigsten (fast nur mit ihren nördlichen Gebieten) beteiligt." III. „Während die alteuropäische Hydronymie nördlich der Alpen dem ältesten uns überhaupt noch erreichbaren Sprachgut zugehört, ist sie in Südfrankreich und den Mittelmeerländem erst sekundär eingeführt und hat dort ältere Schichten überlagert^." Die hier angegebenen räumlichen Begrenzungen vermitteln zwar eine erste ungefähre Vorstellung von der Ausdehnung der alteuropäischen Hydronymie, sind aber alles andere als präzis und bedürfen noch eingehender Untersuchungen. Niemand vermag im Augenbhck zu sagen, ob ganz Skandinavien wirklich dazu gehört^, ob es im Alpengebiet, in Südfrankreich und Spanien oder auf dem Balkan erkennbare Grenzen gibt und wo sie gegebenenfalls verlaufen. Ein Versuch, wenigstens ein Teilstück der ursprünglichen Landgrenzen herauszupräparieren, läßt sich im Dnjepr-Gebiet anstellen, wo die Scheidung zwischen Namen baltischen und Namen iranischen Ursprungs möglich ist. Die alteuropäischen Namen finden sich nur auf der b a l t i s c h e n Seite®. Auch das Verhältnis der alteuropäischen Namen zu den - nach H. R E A H E - überlagerten Namen etwa in Italien bedarf noch der Aufklärung^. Doch all dies sind Dinge, die nur zeigen, wie sehr wir noch am Anfang stehen. Wir dürfen also die zweite und die dritte These K B A H E S vorbehaltlich weiterer Präzisierungen übernehmen. Grundsätzliche Einwände sind gegen sie nicht vorzubringen. - Diese setzen aber ein bei der vierten und fünften These K B A H E S : IV. „Aus dem Kaum dieser Hydronymie stammen von den historisch bezeugten indogermanischen Einzelsprachen das Germanische, Keltische, IlljTische, die sog. „itahsche" Gruppe, d. h. das Latino-Faliskische und Oskisch-Umbrische mit dem Venetischen, ferner das Baltische, während das Slavische nur geringen Anteil daran hat. Diese Sprachen sind auch durch andere Merkmale des Wortschatzes und der Grammatik miteinander verbunden und gegen die übrigen indogermanischen Sprachen abgegrenzt." V. „Die alteuropäische Hydronymie ist strukturell und semasiologisch von hoher Altertümlichkeit. Sie muß bereits in der ersten Hälfte > Siehe oben S. 5 Anm. 1. » Vgl. H. K U H N , a.a. O., 19f. ' Vgl. W.P. SCHMID, Alteuropa und der Osten 8ff. * H . K B A H E , Struktur 2 0 ; S T O L Z - D B B B U N N B B - S C H M I D , Geschichte der lat. Sprache (Berlin 1966) 64. (6)
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des zweiten vorchristlichen Jahrtausends voll ausgebildet gewesen sein."i Zum besseren Verständnis dieser Sätze und der notwendigen Kritik sei noch Folgendes hinzugefügt: Jeder Name setzt einen Namengeber voraus, jeder Namengeber eine Sprachgemeinschaft. Wenn also eine über große Räume hin weitgehend einheitliche Hydronymie faktisch gegeben ist, darf aus ihr eine ebenfalls einheitliche Sprachgemeinschaft erschlossen werden. H. K B A H E identifiziert nun diese erschließbare Sprachgemeinschaft mit der Vorstufe der historisch bezeugten Sprachen aus diesem Raum, wobei er durchaus einräumt, daß zu diesem Verbände auch noch andere - ebenfalls indogermanische - Sprachen gehört haben werden, die jedoch bereits in der Vorgeschichte verschollen waren^, und meint weiter, daß die einstige Einheit dieser Sprachen durch Grammatik und Wortschatz noch in historischer Zeit beweisbar sei. Aus der vergleichenden Grammatik dieser Sprachen und aus der Tatsache, daß Hethitisch, Indisch-Iranisch und Griechisch schon um die Mitte des 2. Jahrtausends V. Chr. selbständige Einzelsprachen waren, erschließt er den Zeitansatz in seiner fünften These. Aus dem onomastischen Begriff ,,Alteuropa" seiner ersten These ist damit unter der Hand ein linguistischer Begriff geworden. Wir sind nun gezwungen, den Nachweis zu führen, daß der Schluß vom Verbreitungsgebiet einer einheitlichen alteuropäischen Hydronymie auf die Einheit der Sprachen, die aus diesem Raum bekanntgeworden sind, der Kritik n i c h t standhält. Es wurde bereits zu These III festgestellt, daß die räumliche Begrenzung der Hydronymie äußerst unscharf ist. Es ist also schon aus diesem Grunde möglich, daß noch eine ganze Reihe anderer Sprachen aus diesem noch näher zu bestimmenden Räume stammt. Ich denke z. B. an das Tocharische. Es zeigt so auffallende Beziehungen zu den westindogermanischen Sprachen, daß es möglicherweise ebenfalls in diesen Verband zu stellen ist. Wenn aber das Tocharische in die Gruppe der alteuropäischen Sprachen eingeordnet wird, dann wird das Argument hinfällig, daß Hethiter, Inder, Iranier und Griechen deshalb auszuschließen seien, weil sie in ihren Ländern keine Gewässer nach alteuropäischen Mustern benannt hätten; das haben die Tocharer in Zentralasien auch nicht getan. Sie fanden ja schon b e n a n n t e Gewässer in ihrer neuen Heimat vor. ' Siehe oben S. 5 Anm. 1. ' Vgl. H . K B A H E , Vorgeschichtliche Sprachbeziehungen von den haitischen Ostseeländern bis zu den Gebieten um den Nordteil der Adria (Abh. d. Akad. d. Wiss. u. d. Lit. zu Mainz, Geistes- u. sozialwiss. Kl. 1957, 3), Wiesbaden 1957, 21. ( 7 )
[248]
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Daraus ergibt sich, daß die Frage der Identifizierung der alteuropäischen Hydronymie mit einer Gruppe indogermanischer Sprachen nicht von den jeweiligen Verbreitungsgebieten abhängt, sondern nur davon, ob eine solche Gruppe tatsächlich - wie K B A H E meinte - beweiskräftige gemeinsame Züge erkennen läßt. Um dies zu überprüfen, müssen wir uns einen sehr flüchtigen, für den Augenblick aber ausreichenden Überblick über einige charakteristische Paragraphen der historischen Grammatik verschaffen und teils nach neuen Argumenten Ausschau halten, teils bereits vorgebrachte zu widerlegen suchen. 1. Phonologische Ebene: 1.1. Der bekannte Gegensatz kentumlsatem, auf welchem die herkömmliche Unterteilung der indogermanischen Sprachen z. T. beruht, spielt hier insofern eine Rolle, als das Baltische nach H. K E A H E die einzige alteuropäische Satemsprache ist. Es handelt sich dabei um zwei Hand in Hand gehende Prozesse, die aus der ursprünglichen Dreiheit:
K im Osten eine Opposition KfR mit R weiter zu Zischlaut oder Sibilant, im Westen eine Opposition KjK" entstehen lassen. Man hat nun guten Grund für die Annahme, daß die Satemisierung, d. h. der Wandel von >S, eine aus dem Osten kommende Neuerung darstellt. Das Baltische hat daran gar keinen vollen Anteil mehr: es hat zwar K" vollständig mit K in K zusammenfallen lassen, hat aber den Wandel ^ > Ä nicht konsequent durchgeführt. Wenn sich die von H . K B A H E geforderte Einheit der alteuropäischen Sprachen erst nach dieser Neuerung entwickelt hätte, würde man sich in Widersprüche verwickeln, denn dieser Wandel hebt die Einheitlichkeit ja gerade auf. Setzt man aber die alteuropäische Einheit vor diese Neuerung, dann stimmt K B A H E S Datierung nicht mehr. Das Alter der Gewässernamen wäre dann noch höher, als K E A H E in seiner fünften These angibt. 1.2. Die Vertretung der nasalen und liquiden Sonanten r, l, m, 9 ist in sämtlichen sog. alteuropäischen Sprachen verschieden, so daß für ihre gemeinsame Epoche, deren Alter also heraufgesetzt werden muß, nichts anderes als eben r, l, m, 9 angesetzt werden kann. Eine gemeinsame Entwicklung ist in diesem Punkt nicht zu beobachten. 1.3. Die Mediae Aspiratae: bh, dh, gh, g-h sind für die Geschichte der Einzelsprachen ebenfalls charakteristisch. Das Lateinische entwickelt dund dh- verschieden {dens < facere < *dh-), ebenso das Germanische ( 8 )
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{tunpus < *d-, ga-deps „Tat" < *dh-), andere Sprachen lassen djdh zusammenfallen. Eine gemeinsame Entwicklung ist auch hier nicht zu beobachten. Für die geforderte Einheit können nur die aspirierten Laute selbst vorausgesetzt werden^. Schon aus diesen wenigen Punkten, die sich jedoch mühelos vermehren ließen, geht hervor, daß das von den sog. alteuropäischen Sprachen vorausgesetzte Phoneminventar mit dem für das Indogermanische postulierten zusammenfällt. Eine gemeinsame Neuerung aller westindogermanischen Sprachen ist nicht zu erkennen. Zu diesem Ergebnis gelangt man auch auf der morphologischen Ebene:
2. Morphologie: 2.1. Für den Genitiv Sing, der o-Stämme kann keine gemein-idg. Vorform rekonstruiert werden: Im Lateinischen, Keltischen und Messapischen wird dieser Kasus mit *-i gebildet, im Germanischen und Westbaltischen mit -*eloso, im Faliskischen mit -i und -osio, im Ostbaltischen fällt dieser Kasus mit dem Ablativ auf *-öd zusammen^, d.h. die sog. alteuropäischen Sprachen zeigen keinerlei Neuerung, an der sie alle teilhaben, vielmehr kommt man mit ihrer Hilfe zu einer ähnhchen Formenvielfalt, allerdings mit anderen Verteilungen, wie sie auch von den übrigen indogermanischen Sprachen vorausgesetzt wird. Eine Neuerung wie der Genitiv auf -l deckt nur einen Teil der sog. alteuropäischen Sprachen. 2.2. Die Vereinfachung der Praeterital-Tempora in den idg. Sprachen Europas, die sämtlich die formale Dreigliedrigkeit Imperfekt/Aorist/Perfekt nicht besitzen, ist ofifensichtlich ebenfalls erst einzelsprachlich erfolgt. Eine gemeinsame Umbildung des Praeteritalsystems ist nicht erkennbar. Unabhängig davon ist ja auch eine typologisch vergleichbare Vereinfachung in Indien und Iran vor sich gegangen. Auch in der Umbildung der Praesensstammklassen gibt es zwar manche Gemeinsamkeiten zwi^ Vgl. H. RRAHE, Sprachliche Aufgliederung und Sprachbewegungen im aUen Europa (Abh. d. Akad. d. Wiss. u. d. Lit. zu Mainz, Greistes- u. sozialwiss. Kl. 1959, 1), Wiesbaden 1959, 3FF. Aufgliederung in /- luid 6-Sprachen erst nach der Südwärtswanderung der die Apenninhalbinsel besiedelnden westidg. Stämme (S. 9). S T O L Z - D E B R U N N B R - S C H M I D , Geschichte der lat. Sprache 3 1 f. m i t Lit. ' Zu den Schwierigkeiten der Rekonstruktion v o n lit. -o, lett. -o, slav. -a vgl. J. E N D Z E L I N , Slavjano-haltijskie etjudy (Charkow 1911) 132; E . F R A E N K E L , Die baltischen Sprachen (Heidelberg 1950) 78; C H R . S . S T A N G , Vergleichende Grammatik der baltischen Sprachen (Oslo 1966) 43 f. Dagegen J. OTR?BSKI, Ling. Posn. 2 (1950) 272. Zum Genitiv Sing, im Altpreußischen vgl. W. P. S C H M I D , Studien zum baltischen und indogermanischen Verbum (Wiesbaden 1963) 103f. Adda Po, Adula, Fluß in Lettland; neben *Adua gibt es auch eine *Adra-. Adrov, Odra (-> Dnjepr), Adra in Attersee und Attergau*. Heth. amiiara- „Kanal", griech. afiapv) (hom.) „Kanal" ist als Amara > Ammer ein häufiger Flußname in den Niederlanden. Ja, die Gewässernamen erlauben erst eine Analyse in *am- -f Suffix(e) Ai. dänu- ,,Tropfen", av. dänu- „Fluß", oss. don findet sich nicht nur im Namen der Donau, sondern auch in Donwy (Nord-Wales)®. Das indo-iranische Verbum drav- „laufen" ist ebenfalls in europäischen Gewässernamen bezeugt: Dravos > Drau (->• Donau), Drawa (->• Netze, Pommern), Drawe (1303, Ostpreußen), Drawen (Radnor). Von dieser ' Vgl. W. N I C O L A I S E N , B Z N . 8 (1957) 255f. '' K. B Ü G A , Rinktiniai Rastai I (Vilnius 1 9 5 8 ) 5 1 1 . » Material bei H . K R Ä H E , Unsere ältesten Flußnamen 39f. «Material bei H . K R Ä H E , Unsere ältesten Flußnamen 4 1 ; V . N . T O P O B O V O . N . TRUBAÖEV, LingvistiSeskij analiz gidronimov verchnego podneprovhja (Moskva 1962) 175 mit imrichtiger Etymologie. Zu odw-zviletztW. '^vsT,AÜpersisch«Studien (München 1966) 9fr. ' Heth. amiiara- ist nur einmal belegt (s. J . F B I E D R I C H , Hethitiaches Wörterbuch, Heidelberg 1952, 20), die Bedeutung aber durch den Wechsel mit dem sumerischen Ideogramm PAj gesichert. Zum griechischen Wort vgl. Hj. F R I S K , Oriech. etym. Wb. (Heidelberg 1960) 86; G . N E U M A N N , Untersuchungen zum Weiterleben hethitischen und luwischen Sprachgutes in hellenistischer und römischer Zeit (Wiesbaden 1961) 91 f. Den Hinweis auf die unsichere Beleglage des hethitischen Zeugnisses verdanke ich Herrn H. OTTEN, Marburg. • Weiteres Material bei W. N I C O L A I S E N , B Z N . 8 (1957) 245f. ( 15 )
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Alteuropäisch und Indogermanisch
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Wurzel konnte im Altindischen ein Partizip als Flußname gebildet werden: Dravanti. Die genauen Entsprechimgen dazu sind die ostpreußischen Gewässernamen Dravnntia, DrawarUa. In Indien gibt es ein Appellativum dravara- „schnell laufend". Auch dies finden wir mit einer «-Erweiterung, und zwar im ostpreußischen Namen Draverna^. Im Sanskrit gibt es ein bisher etymologisch nicht aufgeklärtes Verbum timyati „feucht sein", erst klassisch bezeugt, aber durch die mittel- und neu-indischen Belege genügend gesichert. Mit dessen Wurzel findet der FIN. Timävus in Venetien eine einwandfreie Deutung, der mit dem gleichen Suffix wie Sarävus = Saar, luvävus — Salzach, Aläva (Fluß in Anglesey), Ahvi (Fluß in Litauen) von der Wz. Hirn- abgeleitet ist^. DieReiheindo-iranischerAppellativa,dieindenGewässemamenEuropas eine Entsprechung haben,ließe sich noch beträchtlich verlängern®.- Wir wollen hier noch auf ein grammatisches Argument zu sprechen kommen. Wie schon das Beispiel des indischen Flußnamens Dravanti zeigt, der in dem Namen Avanti {*Avantia in der alteuropäischen Hydronymie) eine Parallele hat, dürfen wir mit Partizipialbildungen in der Gewässernamengebung rechnen. Für das Indo-Iranische ist folgendes System vorauszusetzen : Akt. Med. Praes. -ntPerf.
-Ttiejono-
-ues-j-us-
-lo-j-no-
Dieses System ist in keiner europäischen Sprache indogermanischer Provenienz erhalten, läßt sich aber in den Gewässernamen nachweisen. Von der Wurzel -nt-
:
-mejono-: -no-
:
*el-l*ol-
„fließen" sind etwa bezeugt:
lit. Alantas (-> Minija) und zahlreiche Verwandte 1075 Alrmna (->• Lippe, heute Alme) lit. Alna (Lazdijai).
1 Material bei H . K B A H B , Unsere ältesten Flußnamen f. iW. N I C O L A I S E N , a.a.O. 233. Bezeichnenderweise hat H. K B A S B bei seinen Flußnamenetymologien stets die ost-indogermanischen Sprachen mit herangezogen, ohne jedoch die sachlichen Konsequenzen aus dieser Methode zu ziehen. »Hierher wohl auch Timachus, heute Timoh „affluente del Danubio al confine tra Bulgaria e Jugoslavia" (V. G E O B G I E V , a.a.O. 371, mit anderer Etymologie). » Über die iranischen Appellativa als Entsprechung des Flußnamens Nahe s. W . P . SCHMID, Festschrift Pagliaro (im Druck), über indisch-iranisch k(h)an„graben" in europäischen Gewässernamen s. Oedenkschrift Brandenstein (Innsbruck 1968). Weiteres demnächst in W.B.Henning Memorial Vohtme.
( 16 )
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Akad. d. Wiss. u. d. Lit. (Mainz), Abh. 1968, Nr. 6
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Eine zu erwartende *Alusia ist bis jetzt nicht bekannt. Von dem Wasserwort *uer-l*vor- sind u.a. belegt: -nt-mejono-us-710-
*Varantia (heute Wörnitz Donau) 13. Jh. Varmena (heute Warmenau) Variisa (Tab. Peut., heute Versa Po) 1072 Werna (heute Werre -> Schwarza, Thür.).
Von dem Wasserwort *sal- „Bach, fließendes Wasser" gibt es: -nt: -mejono-: -IIS:
*Salantia (heute Salanze -> Rhone), lit. SalarUas (-> Minija) 794 Salmana (heute Salm Mosel) 763 Salusia (heute Selz Rhein b. Bingen).
Diese Zusammenstellungen sind in mehrfacher Weise aufschlußreich. Zum ersten bieten sie uns eine erste Handhabe, um eine sprachliche Ordnung in die von H. REAHE aufgestellten Suffixketten zu bringen. Zum zweiten können sie zeigen, daß sämtliche Partizipialsuffixe auch denominal verwendet werden konnten. Die Semantik bedürfte noch besonderer Untersuchungen. Zu Bildungen wie Salusia: sal-, Varusa zu var- vergleiche man griech. (hom.) dcYuia ,,Straße" zu „treiben". Endlich aber muß noch etwas bedacht werden: Wenn man die verschiedenen Suffixe der Gewässernamen mit den Wortbildungsmitteln der älteren idg. Sprachen in Zusammenhang bringt, dann fällt auf, daß der bei der Wortbildung vielfach verwendete Ablaut der Wurzelsilbe zwar von den Gewässernamen insgesamt vorausgesetzt wird, im Einzelfall aber fehlt, d. h. wir kommen bei den Gewässernamen ohne die Annahme von Erstarrung und Verallgemeinerung einzelner Ablautformen der Wurzel und von Übertragungen der Suffixe gar nicht aus, - also ist uns die Hydronymie schon gar nicht mehr in ihrer ältesten Form greifbar! Aber stets lassen sich aus den Gewässernamen-Suffixen die indogermanischen Wortbildungsmittel herauspräparieren. Die in aller Knappheit vorgeführten Beispiele, die noch vermehrt werden könnten, mögen zum Beweis unseres 7. Satzes ausreichen: (7) Grammatische und l e x i k a l i s c h e B e s o n d e r h e i t e n der indogermanischen Sprachen außerhalb Europas f i n d e n sich in großer Zahl in der europäischen Gewässernamengebung w i e d e r , d. h. die a l t e u r o p ä i s c h e H y d r o n y m i e s e t z t die Einheit aller indogermanischen Sprachen voraus, nicht nur eines T e i l e s , und e r m ö g l i c h t zugleich eine noch zu präzisierende L o k a l i s i e r u n g dieser indogermanischen Gemeinsprache. ( 17 )
[258]
Alteuropäisch und Indogermanisch
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Das Gesamtbild, das sich aus den negativen und positiven Argumenten ergibt, läßt sich nun etwa wie folgt skizzieren: Von den Sprechern einer relativ einheitlichen indogermanischen Gemeinsprache wurden die Gewässer in Europa - genauere Grenzen müssen noch bestimmt werden mit appellativischen Bezeichnungen versehen. Dann zogen die späteren Indo-Iranier, Hethiter und Griechen ab und kamen in Gebiete, wo die Gewässer schon von der einheimischen Bevölkerung benannt waren, wo also zu einer neuerlichen Namengebung nur noch begrenzt Anlaß gegeben war. Die in Europa verbliebenen Sprachen und Sprachengruppen machten inzwischen unabhängig voneinander grammatische und lexikalische Veränderungen durch, die zugleich die alten Gewässerbezeichnungen zu Namen erstarren lassen mußten. Neue Namen wurden mit alten Bildungsmitteln geschaffen. Die Flexionsweise wurde den jeweils lebendigen Sprachsystemen angepaßt. Volksetymologische Umdeutungen gab es wie eh und je. Es gibt also eine auch in sich noch historisch gegliederte alteuropäische Hydronymie indogermanischer Provenienz, und diese aufgedeckt zu haben, ist das bleibende Verdienst H A N S K R A H E S , - eine alteuropäische Gemeinsprache, die jünger ist als das Indogermanische, gibt es dagegen nicht. Als ich am 24. Juni 1965 von Göttingen nach Tübingen reiste, um die damals noch nicht ausgereiften Grundgedanken meiner heutigen Ausführungen vorzutragen und sie mit ihm zu diskutieren, war es dafür bereits zu spät: Am 25. Juni 1965 schloß er seine Augen für immer. HANS K B A H E
( 18 )
Zur Bildung der Abstrakta in den Zigeunerdialekten Europas Wortbildung, Syntax und Morphologie Festschrift Hans Marchand (1968), S. 210-216 Die Abstraktbildung in den Zigeunerdialekten war schon einmal Gegenstand unserer Betrachtungen in / F 6 8 (1963), 276-283. Wir kamen dort zu dem Ergebnis, dass sich ein ursprünglich denominales Suffix -tvana- (> -pen) mit einem ursprünglich deverbativen Suffix -{i)tavya- (> -ben) in den Zigeunerdialekten vermischt habe, so dass die einzelnen Dialekte verschieden ausgeglichen haben: bald standen beide Suffixe in annähernd ursprünglicher Verteilung nebeneinander, bald wurde -ben, bald -pen verallgemeinert, bald wurde das Suffix als lebendiges Bildungsmittel ganz verdrängt. Gegen diesen Versuch hat sich K. Kostov in MSS 18 (1965), 41-51, gewandt und folgendes vorgeschlagen: Das denominale -tvana- habe sich mit dem Absolutivsuffix -tvänam vermischt und nur ein zigeunerisches Suffix -pe{n) ergeben. Dieses Suffix hat dann in den obliquen Kasus -pnas- > -bnas- > -mnas-{> -mas-) in den einzelnen Dialekten verschieden weiter entwickelt werden müssen, so dass aus einem Paradigma -pe(n)/-bnas- eine Nebenform -ben im Nominativ entstehen und u.U. zu sekundärer Diflferenzierung verwendet werden konnte. Beiden Vorschlägen gemeinsam ist die Annahme, dass man von zwei Suffixen auszugehen habe. Welcher Art aber diese Suffixe waren, wann sie vertauschbar wurden und wie das zigeunerische Nebeneinander zu erklären ist — in diesen Punkten gehen unsere Ansichten auseinander. Bevor wir nun die Abstraktbildungen im Zigeunerischen weiterverfolgen können, muss die Ansicht Kostovs überprüft werden, um, wenn nicht die Richtigkeit, so doch die Berechtigung unseres Ausgangspunktes zu sichern. Zunächst stösst die Annahme einer sekundären Differenzierung zweier gleichwertiger, lautlich aus einem Paradigma erklärbarer Suffixe im Zigeunerischen auf beträchtliche Schwierigkeiten: (1) Geht man von nur einem Suffix mit paradigmatischem Wechsel -penj-bn- aus, dann muss es diesen Wechsel in jedem Paradigma gegeben haben, und es bliebe nicht recht einsichtig, wie verschiedene Dialekte' gerade zu einer Differenzierung denominaler und deverbaler Ableitungen kommen konnten. (2) Geht man von nur einem Suffix -pen aus, dann wird es unerklärlich, warum Vgl. IF 6S (1963), 277fr.; MSS 18 (1965), 49f., Antn. 2.
[211]
Zur Bildung d. Abstrakta i. d. Zigeunerdialekten Europas
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eine Bildung wie etwa xaben ,Essen' mit Ausnahme der deutschen Zigeunerdialekte auch in jenen Dialekten entstehen und sich durchsetzen konnte, die weder eine sekundäre Differenzierung, noch im Obliquus die Lautform -bn- kennen.^ (3) Formen wie xaben u.a. werden aber völlig unerklärbar in jenen Dialekten, die konsequent ihre obliquen Kasus von -mos- aus bilden.' (4) Endlich bleibt uns K. Kostov auch den Beweis schuldig, dass sekundäres -pn- > -bn- wurde (primäres -pn- wurde ohnehin zu -n-, vgl. suno, sunt ,Traum': altind. svapna-): sapnl fem. ,Schlange' bleibt auch dort erhalten, wo -ben- verallgemeinert wurde.* Diese vier Argumente zeigen, dass das Nebeneinander von -pen und -ben nicht durch paradigmatischen Ausgleich zu erklären und deshalb die Annahme einer sekundären DiflFerenzierung nicht zu halten ist. Wenn man aber von -pe{n) und -be{n) ausgehen muss, dann verbietet sich zugleich die Annahme eines vorhistorischen Zusammenfalls von -tvana- und -tväna-, da das letztere eben nicht -ben ergeben konnte. Die Zurückführung einer zigeunerischen Verbalabstraktbildung auf das alt- und mittelindische Absolutivsuffix -tvänam hätte jedoch noch weitere Schwierigkeiten, denn wir haben einerseits nirgends einen Hinweis darauf, dass sich das Absolutivum -tväna, das vorwiegend aus poetischer Sprache bezeugt ist,' überhaupt ins Neuindische fortsetzte, und wir haben andererseits keinerlei Handhabe, den Übergang von einem nicht flektierten Absolutivum zu einem flektierten Verbalsubstantiv zu postulieren. Soweit sich Absolutiva ins Neuindische gerettet haben, sind sie Absolutiva geblieben. Damit können wir den Vorschlag Kostovs als unhaltbar aufgeben und zu unserem Nebeneinander von produktiven und bis ins Neuindische hinein erhaltenen Suflixen -tvana- und -{i)tavya- zurückkehren. Allerdings bleibt dabei ebenfalls eine lautliche Schwierigkeit bestehen, auf die K. Kostov mit Recht hingewiesen hat (a.a.O. 51, Anm. 17). -itavya- hätte im Zigeunerischen gar nicht sein -t wie etwa in mähärästri -iyavva verlieren dürfen. Das -t- hätte vielmehr ein zig. -/- ergeben müssen und davon ist nirgends eine Spur. Tatsächlich ist xäben nur auf khäditavya- zurückzuführen, wenn wir den Weg über ein -iyavva- gehen dürfen. Man wird zu bedenken haben, dass dieses Suffix — an den Verbalstamm angefügt — im Zigeunerischen stets eine Lautfolge ergab, die der Synkopierung unterlag. Deshalb lassen sich auch keine überzeugenden Parallelen anführen. Dass in einzelnen Dialekten in allen Fällen, wo man für das Praeteritum von einem Partizip auf -(/)/o ( < *-ita-) auszugehen hat, das Paradigma -wm -tan -ias also mit Schwund des -/'- gebildet wird,' reicht für eine ' Zu den ersteren zählen die kymrischen, zum zweiten die schwedischen Zigeuner. ' Vgl. O. Gjerdman — E. Ljungberg, The Language of the Swedisk Coppersmith Gipsy Johan Dimitri Taikon (Uppsala-Kobenhavn, 1963), 384 xaben, 385 xamös. • J. Sampson, The Dialecl ofthe Gypsies of Wales (Oxford, 1926), 326. ' Vgl. J. Bloch, L'Indo-aryen (Paris, 1934), 284f.; W. Geiger, Päli, Literatur und Sprache (Strassburg, 1916), 153f.; F. Edgerton, Buddhist Hybrid Sanskrit I, Crammar (New Häven, 1953), 174. • Vgl. J. Sampson, a.a.O., 196ff.; R. von Sowa, Die Mundart der slovakischen Zigeuner (Göttingen, 1887), 88. In den Piesni Papuszy ed. J. Ficowski (Wrociaw, 1956), passim. In einem russischzigeunerischen Lied (Tonband) javiöm .ich kam*.
136
Festschrift H. Marchand (1968)
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Erklärung nicht aus, weil das zu erwartende -/- schon in vorhistorischer Zeit geschwunden sein muss. Nun gibt es aber noch einen Punkt in der Darstellung K. Kostovs, den man gewissermassen als einen produktiven Irrtum bezeichnen könnte, denn er führt uns auf ein weiteres Problem der Abstraktbildung im Zigeunerischen. Er bezieht sich nämlich auf einen Passus bei T. Pobozniak,' den ich der Bequemlichkeit wegen hier einrücke: „Abstract terms formed in Romani by means of the suffixes -ben and -pen ( < Skr. -tvanä) passed in the Vlach dialects into another word formation as a result of phonetical changes of the suffix -ben in accusative case (-ben-es > bnes > mes). To the oblique cases with the -mes ending a new form of nominative case -mo {-mos in Kelderari) has been created and this suffix has replaced the former -ben in our dialect. Being rather productive it forms various abstract nouns as for example: phanglimo ,prison', bolimo .baptism', nasvalimo ,disease', ,illness' (in non-Vlach dialects bolipen, nasvalipen)." Es lohnt sich, die in diesem Absatz aufgestellten Behauptungen am Material zu überprüfen. Zu diesem Zweck stellen wir den Dialekt der kymrischen Zigeuner mit dem Suffix -ben (Sampson = S) und den Kalderaä-Dialekt Taikons mit dem Suffix -mos (Gjerdman-Ljungberg = L) gegenüber und führen ausgewähltes Material getrennt nach deverbativer und denominativer Ableitung vor (s. Tabelle S.213). Die Tabelle gibt schon in dieser Form einige wichtige Aufschlüsse. Zunächst zeigt sie, dass Taikons Dialekt konsequent das Suffix -Unös zur Ableitung verwendet, wo die kymrischen Zigeuner -iben, -ipen verwenden.' Wichtig aber ist, dass sich das -imösSuffix auch bei den letzteren findet (s. Nr. 3, 5, 11, 14, 16, 17, 18) und -ben wenigstens einmal auch bei Taikon (Nr. 21). Das kann nicht auf phonetischem Wege erklärt werden, denn -bn-, -pn- bleiben bei Sampsons Gewährsleuten erhalten (k'abni .schwanger', lubnl ,harlot', sapni ,Schlange') und -ben kann bei Taikon nicht aus den obliquen Kasus erklärt werden. Daraus ergibt sich, dass -iben, -ipen und -imös verschiedene Ableitungssuffixe sein müssen. Während -ben in Wales produktiv ist, ist es in Schweden -imös, das ständig neue Verbal- und Adjektiv-Abstrakta bildet. Noch interessanter wird die Tabelle aber, wenn man die obliquen Formen der angeführten Abstrakta betrachtet. Es genügt, das an einigen wenigen Beispielen zu zeigen: pekiben pekimös pekimäs-ko, -ki
,Backen' ,zum Backen gehörig'
z.B. pekimdsko divis ,baking day', pekimdski fdrja ,toasting-fork' (Sampson), pekimdski lopdta ,baker's peel', pekimdhko plivo ,baking plate' (Gjerdman-Ljungberg). ' T. Pobozniak, Grammar of the Lovari Dialect (,= Polska Akademia Nauk Oddzial w Krakowie, Prace Komisji Orientaiistycznej 3), (Kraköw, 1964), 59. * Es dürfte kaum Zufall sein, dass selbst in dieser Auswahl -pen-Be\eee sich nur in der Spalte der Denominativa finden! Zur Verteilung vgl. auch J. U p a , Pfiruika cikdnStmy(Vx^i, 1963), §22, S. 76f.
To
1. k'är-, akhar2. kü!-, akuS3. as4. aluker5. bä!-, baS-
k'äriben küSiben asaviben 1 asavimos
,call' .insult' ,laugh*
bärö, barö barvalo beng
bäriben bärvalipen beoiben
barimös barvalimös bengimös
.greaf .rieh' ,devil(ry)'
alukerimös baSimös
,waif ,crow, bark'
di(m)lo gudio, giigio
diniliben gtidliben
dilimös guglimös
,foolish(ness)' .sweet'
biliinimös bolimös daraimös kamimös kidimös khelimös
.seil' .baptise' .fear* ,love' .collect' ,play, dance'
kälo, kalo kiSlo taio, laSo mülo nasvalo nevo
käUben kiSliben haben mütiben nasvaliben neviben
kalimös kiSUmös laSimös mütimös nasvaUmös nevimös
.black,thin' ,good' ,kind' ,iir ,new'
mangimös marimös merimös
.bog.knock, kiir .dy'
pärnö, porno p'ärö, pharo p'urö, phuro
pärniben p'äriben p'uriben p'urimos SuvUben tatiben tatimos tärniben
parnimös pharimös phurimös
.white' .heavy' .cid'
üuvlimös tatiimös
.swollen' .hot'
tarnimds
.young'
taiiben talimos t'uUpen coripen yüiiben
tSatümös
,true'
Ihulimös tiorimös vulimös
.thick' .poor' .clean'
12. mag-, mang13. mär-, mar14. mer15. nai16. pek-
naSiben pekiben
naSimös pekimös
,flee' ,bake'
Suvto lato
17. p'ir-, phir-
fp'iriben \p'irimos roviben
phirimös
,walk'
tärnö, terno
rofimös
,weep'
laiö, lialSo
i o . t'ov-, thav21. xä-, xa-
siviben l'oviben xäben
,sew' ,wash' ,eat'
t'ulö, thulo iorö, tSoro yüiö, vuio
22. xoxav23. Ja-, la-
xoxiben Javiben
suimös Ihoimös (xaben 1 [xamös f xoxaimös iaimös
bikin-, bitiinbolav-, bolder-, daravkamked-, kidk'el-, khel-
18. rov19. siv-,
Silv-
L
akharimös akulimös asaimös
bäiiben bäüimos bikiniben bolaviben deriben kamiben kediben k'eliben ' k'elimos maoiben märiben meriben
6. 7. 8. 9. 10. U.
S
Grundwort
L
S
Grundwort
^
Denominativa
Deverbativa
cN >-t W a! c crs p-
> 2 S p-
,Iie' .go'
N
1 sr
9r n -I o K
•TS
138
Festschrift H. Marchand (1968) märiben marimös marimas-ko, -ki
.slaying, beating' ,zum Schlagen, Töten gehörig*
z.B. märimäskero ,Mörder', märimäsko ,Krieger' (Gjerdman-Ljungberg). meriben merimös merimas-ko, -ki
[214]
drab ,Gift' (Sampson), marimähko
manüS
,Tod' ,Todes-'
z.B. merimdskö (eriklö .Todesvogel' (Sampson), merimdski tsirikli ,Todesvogel, Eule' (Gjerdman-Ljungberg). Das Gleiche gilt für die Adjektivableitungen: vgl. z.B. pe mislimas-te ,in guter Weise' (Gjerdman-Ljungberg) gudlimdske kok ,sweetmeats' (Sampson). Diese Beispiele stehen hier stellvertretend für die grammatisch regelmässige Kasusbildung. Damit zeigt es sich, dass die obliquen Kasus auf der Form -mas (und nicht etwa -mes, wie Pobozniak und Kostov irrtümlich annehmen!) aufbauen, gleichgültig ob der Nominativ auf -ben oder -mos ausgeht. Wenn daneben bei Sampson auch Formen mit -b{e)nas- vorkommen, dann sind diese unter dem Einfluss des Nominativs entstanden. Weder der Wechsel -benj-mas-, noch der von -m6s/-maslässt sich aus dem Zigeunerischen erklären. In welcher Richtung aber eine Erklärung gesucht werden darf, darauf weisen die Pluralformen der Kalderas-Zigeuner, die im Verhältnis natürlich selten sind, da sie ja meist eine Konkretisierung der Verbaloder Adjektiv-Abstrakta zur Voraussetzung haben. akharimdta kätar o amperdto but aiukerimdta sas kate guglimdta tie nevimdta asundcän sa xoxaimdta phenin mänge
»Aufrufe vom König' ,Viel Warten war dort' ,Süssigkeiten' ,Welche Neuigkeiten habt ihr gehört' ,Sie sagen mir nur Lügen'®
Das Material kann noch durch das vom Plural abgeleitete Adjektiv barimatdngo ,hochmütig''" ergänzt und durch Belege aus verwandten Dialekten erweitert werden. Als Briefschluss französischer Kalderaä-Zigeuner kommt vor: tradav tuke but bax, sastipe aj but cumidimata^^ „ich sende dir viel Glück, Gesundheit und viele Küsse", mit cumidimata als Plural von (umidimos ,Kuss, Küssen' Ableitung von fumi-dav ,Kuss g e b e n ' " Auf Gastarbeiter in der Bundesrepublik bezieht sich die Äusserung einer jugoslavischen Zigeunerin: kas varekana nas Ii gras, akana phiren pe vundjije e punrendji e barimatandar ,die nie ein Pferd hatten, gehen jetzt hochmütig (barimatan' Gjerdman-Ljungberg, a.a.O. 194, 204, 299, 388. In den in diesem Buch abgedruckten Texten kommen keine Pluralformen auf -mdta vor. " kerel pe barimatdngo ,he puts on airs' (Gjerdman-Ljungberg 207) " Dies und die folgenden Belege verdanke ich freundlichen Auskünften von Herrn Heinschink, Wien. " J. Sampson kennt iumeriben: iumer- .küssen' und erwähnt Paspatis tchumidibi. S. A. Wolf, Grosses Wörterbuch der Zigeunersprache (Mannheim, 1960), 242 notiert s.v. ium auch iumidipi (Uhlik).
[215]
Zur Bildung d. Abslrakta i. d. Zigeunerdialekten Europas
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dar, S.O. barimatango) herum mit Handschuhen und Stiefeln'. Dem Dialekt derselben Zigeunerin gehört auch (erimata .Zaubermittel' an, das zu Sampsons keriben ,deed work, trouble' als plurale tantum zu stellen ist." Dort, wo xaben ,Essen' als Rest der alt ererbten Abstraktbildung zu gelten hat, wird auch von -ben der Plural auf -ata gebildet, was die Funktionsgleichheit von -mos und -ben noch unterstreicht. So verzeichnen Gjerdman-Ljungberg xabenata als ,exceptional plur. form' (a.a.O. S. 384)" neben xamös haipimös ,Essen und Trinken' (S. 160, 7 xaben ... pimös. Plural: but xabenata aj but pimata [Heinschink]). Dass es sich dabei tatsächlich um eine maskuline Pluralform handelt, zeigt eine doppelte Pluralform in lenge dilimatura maj but na sidjuv ,lerne nicht mehr ihre Dummheiten' mit dilimatura zu dilimata,^^ plur. zu dilimös (Gjerdman-Ljungberg 225) und der maskulinen Pronominalform lenge. Zum Singular auf mö(s) gehört also regelmässig ein Plural auf -mcita, obl. sing. -mas, obl. plur. -matan-}^ Dass es sich hierbei nicht um eine Lautentwicklung im Zigeunerischen handelt, sondern um einen Fremdeinfluss, muss man gegenüber Pobozniak und Kostov betonen, obwohl es längst bekannt ist (und der Plural auf -ata lässt nicht den geringsten Zweifel daran aufkommen), dass es sich hier um die Übernahme einer neugriechischen Bildungsweise handelt." Eine gewisse Uneinigkeit besteht nur noch darin, welche griechische Bildungsweise hier als Quelle anzusehen ist. Auf Grund der Zigeunerdialekte muss die griechische Quelle folgende Eigenheiten aufweisen: (1) (2) (3) (4)
Nominativ -imo-, oblique Kasus -imaGenus neutrum ( > zig. masculinum) Funktion: Bildung von Verbal- und Adjektivabstrakta Die Bildung muss auch in der griechischen Volkssprache produktiv sein.
Tatsächlich gibt es im Neugriechischen eine solche Bildung, die diesen Vorschriften genügt, interessanterweise der dritten nur teilweise. Es sind die Verbalabstrakta auf -ffino. Gen. -ainatou, oder -ainaioi;, Plur. -ginoTo: z.B. ypö(pco 'schreiben' : t ö ypd\(>ino, xä y p a v i n a i a xp^Xö) 'laufen' : t 6 xpe^ino, xd xpe^inaxa" " Dass Gjerdman-Ljungberg kein kerimös verzeichnen, ist nur Zufall. " Unrichtig S. A. Wolf, a.a.O.: „/4/j/.: xabinata".—In dem von C. J. Popp Serboianu beschriebenen rumänischen Zigeunerdialekt gehört zu einem Sing. mask. auf -pi regelmässig ein Plural auf -mala (s. C. J. Popp Serboianu, Les Tsiganes, Paris, 1930, 101; zahlreiche Belege in seinem dictionnaire 297 ff.). " Unrichtig S. A. Wolf, a.a.O.: „Aber/. : dilimäU". Zum Plural auf-uro, -urgä vgl. zuletzt Gjerdman-Ljungberg, a.a.O. 49, 4a. Vgl. Gjerdman-Ljungberg, a.a.O. 50, 66: tSorimös .misery', ISorimdla, tSorimäs-, tiorimatän. " Vgl. J. Sampson, a.a.O. 77, der sich mit Recht gegen Miklosich (X 52-53) wandte; J. Knobloch, Romäni-Texte aus dem Burgenland (= Burgenländische Forschungen 24), 72 §16 mit Verweis auf Miklosich XI 4; zuletzt Gjerdman-Ljungberg, a.a.O. XXIL » Vgl. A. Thumb, Handbuch der Neugriechischen Volkssprache (Strassburg, 1895), 43 f.; J. Kalitsunakis, Grammatik der Neugriechischen Volkssprache, 3. Aufl. (Berlin, 1963), 68f.
140
Festschrift H. Marchand (1968)
[216]
Diese Bildungen können von jedem Verbum abgeleitet werden, dagegen nicht von Adjektiva. Wie weit auch die seit hellenistischer Zeit produktiven Ableitungen auf -na, -noToq (denominal: hellen. viKTina, dydTtrina) mitgespielt haben, wird sich kaum klar erkennen lassen. Dadurch, dass das -a- mit dem wurzelauslautenden Konsonanten verschmilzt, wurde die falsche Ablösung seitens des Zigeunerischen begünstigt. Fassen wir abschliessend die wesentlichen Züge der Geschichte der zigeunerischen Abstraktbildung zu einem Gesamtbild zusammen: (1) Aus der indoarischen Vorgeschichte hatte das Zigeunerische zwei Suffixe ererbt: a) -be{n) < *-Uavya- zur Bildung von Verbalabstrakta, b) -pen < *-tvana- zur Bildung von Adjektivabstrakta. (2) Beide Bildungen begannen sich früh zu vermischen. (3) Die europäischen Zigeunerdialekte übernahmen aus der neugriechischen Volkssprache -(a)ino, Gen. -(- Wupper, 1189 duripe) (D. § 82 mit weiteren Belegen)
lit. Durupis (->• Siause)
Wenn dieser Vergleich richtig ist, scheidet aus lautlichen Gründen Dittmaiers Verweis auf die Dörrbäche aus, der von dem Beleg duripe ohnehin nicht empfohlen wird. Beide Belege weisen auf ein älteres *Durä, das zwar nicht im Baltikum, wohl aber innerhalb des alteuropäischen Bereiches weit verbreitet ist, z. B. *DuTa > franz. la Dore Allier), > Thür (->- Rhein, 886 Dura, Tura); *Duria (->- Flossadi Mindel - > Donau). Vgl. J. Hubschmid, Praeromanica (1949) 113, 114. 7. *A i 1 a p a : Eilper Bad} (MackingerBadi •> Selbecke Volme - v Ruhr) (12. Jh. Eilepe, 15. Jh. Eylepe, D. § 18)
lit. Ailupis (->- Nerys)
Bei der Eilpe verweist man auf norw. dial. eil „Rinne, Furche", bei dem lit. Beleg auf lit. ailk, aiU, eile „Reihe", lett. eile, iela „Straße"". Die Flußnamen erlauben ein germ.-balt. *ailä zu rekonstruieren, das zu den in jüngeren Namensdiiditen nicht mehr produktiven -/-Ableitungen zählt (vgl. 930 Ar-la ->• Salzach; Ula (< Aula) Merkys", lett. Aula; preuß.-lit. Aule; *Eisla > lit. lesla [Kaunas], Isla [Polen]; 765 Iselam fluvium Rheinmündungsarm). 8. »G e 1 d a p a : Gellep (Krefeld, Plin. Tac. Gelduba, 904 Geldapa) (D. § 55)
lit. Geldupe (Kaltininai) Geldupis 0 . Lazduona 2. Vadaktis 3. Alantas 4. Vadakstis) Geldupis (-> Dubysa)
» Zu o < a vgl. Gerullis, a . a . O . 214; J. Endzelin, Altpreuss. Grammatik {Riga 1944) § 5 h; K.Büga, Rinktiniai RaJtai I 156; 160 A 1. " Vgl. Ditbnaier § 18; K. Büga, Rinktiniai Rastai I 367; lU 328; 329; 487. " K. Büga, Rinktiniai RaStai I 513; Aula Fulda, Rozwadowski, Shidia nad nazwami w6d slowiÄnskich (Kraköw 1948) 216 ff.; R. Speifcer, Hydronymia Germaniae A 5 (Wiesbaden 1966) 5.
144
Gedenkschrift W. Brandenstein (1968)
[390]
Der vorauszusetzende Flußname *Gelda ist im Litauisdien aus dem Bezirk Raseiniai, und im Lettischen als Dzelda, Nebenfluß der Venta bekannt^'. Der vor g e r m a n i s c h e Charakter von Gellep wird dadurch bestätigt, die vor i n d o g e r m a n i s c h e Herkunft ausgeschlossen. In der Bildungsweise läßt sich oben Nr. 5 *Düdapa vergleichen, so daß man an die Farbwurzel *ghel- denken darf, die bekanntlich im Baltischen sowohl mit Palatal als auch mit Velar vorliegt {ielti „grünen*, geltas „gelb"). Es ist vielleicht nicht unwiditig, daß die -(/^-Erweiterung bei den palatalen Belegen nicht vorkommt. Ein ebenso interessantes wie schwieriges Problem bilden diejenigen Namen, deren Bestimmungswort nach der germanischen Lautverschiebung mit h- anlautet, denn im Baltischen sind entweder k- oder f - als Entsprechungen zu erwarten. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf die palatale oder velare Herkunft, sondern kann — wie das in der Bemerkung zu Nr. 8 schon angedeutet wurde — bei ein und demselben Etymon eintreten". Drei Namen dieser Art sollen hier besprochen werden: 9. »K a 1 a p a : Halappa (->- Dieksbach - > lit. Kalupe (Silale) Stever, Westf.), Halft (->- Sieg b. Eitorf, Kalupis (Akmene, Silale) Siegkreis) Kalupys (SimkaiCiai, Vieksniai) lett. Kalupe ( - v D u b n a ; Sece) Daneben gibt es einen lit. Bach Salupi's (Vandziogala). Wegen der zahlreichen echt baltischen Namen vom Typ Saltupis, Saltoja, Salna wird man diesen Namen jedoch eher an Sala „Frost", das heute nur nodi in Komposita {grynSala, plikiala „Frost ohne Schnee") vorliegt, anknüpfen. Will man die baltischen /TaZ-Namen innerbaltisch deuten, bietet sich nur lit., lett. kale „Hündin* an, das angesichts der Verbreitung und der Altertümlidikeit dieser Namen semasiologisch wenig wahrscheinlicJi ist. Auch die von J. Endzelin vorgeschlagene Möglichkeit der Deutung aus *kalv-upe zu kalvä „Hügel* läßt sich durdi lett. Sumpfnamen wie kale, kalace, kalacis ausklammern. Eine Etymologie, die bei Halappa und Kalupe in gleicher Weise befriedigt, wäre die Deutung als „Steinbadi". Die Namen sind dann zu got. hallus „Fels", an. hallr „Stein", kelt. caleto- „hart", air. calath, cymr. caled) zu stellen. Vielleicht läßt sich nach einem alten, auf S. Brügge zurückgehenden Vorschlag auch altind. Silä „Stein" hier anknüpfen. Dann hätte man in den baltischen Namen dieselbe ^-Vertretung wie auch in akmuo „Stein", O N . AkmenP*. 10. »K a n a p a : 1325 Haenepperherger sypen (->- Wupper); Hanf (->- Sieg b. Hennef, 948 Hanapha) u. a. (D. § 62)
lett. Kanupe (-*• Gauja)" lett. Kanupe
Dazu gehören die litauischen Suffixbildungen Kanavi, Kanävas, Kane, Kanii, Kanys. Schon dieses Nebeneinander von Kana- und Kania- verrät, daß das Hanfwort (z. B. im Flußnamen Kanäpine) fernzuhalten ist^'. Fraglich ist — wie in Nr. 9 — die Zugehörigkeit des vereinzelten Namens Sanupis. " Vgl. auch den apr. ON. Geldilen, Gerullis, a. a. O. «. v. " Vgl. W. P. Schmid, Aheuropa und der Osten im Spiegel der Sprachgeschichte (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft, Sonderheft 22, Innsbruck 1966) 9 ff. " Möglicherweise gehört hierher mit schwundstufigem Ablaut zemaitisch küUs .Stein' (anders E. Fraenkel, Lit. etym. Wb. 307). Die Schwundstufe könnte auch im FIN. Holpe (D. § 69) vorliegen, falls dieser auf ein 'Kulapa zurückzuführen ist. Beachte auch im Dnjepr-Gebiet die Kolonka als Nebenfluß einer Kamenkal (Toporov-Trubaiev 181 mit anderer Etymologie). " Weiters s. J. Endzellns, Latvijas PSR. vietvärdi I,, 40; 41. " Das seiner Herkunft nach dunkle ukrainische kanäva .Graben' dürfte kaum als Quelle der baltischen Namen in Frage kommen.
[391]
Neues zum a/w-Problem
145
Ebenso wie das Nebeneinander von Asupis, Asavas, Asys ein *Asä voraussetzen, weisen *Kanupe, Kanava{s), Kanys auf ein Bestimmungswort *kanä, *kanio-. J. Endzelin denkt bei den Sumpfbezeidinungen kana (Turaida, Lejasciems) an livisdies kanä „ H u h n " . Ebenso müßte man dann bei N r . 9 auf ostseefinnisch kala „Fisch* hinweisen. Diese Etyma würden aber nicht nur die Simplicia von den Ableitungen und Komposita trennen, sondern ließen sich auch mit der geographischen Verbreitung des jeweiligen Namenkomplexes nidit in Einklang bringen. Wir gehen also von der Voraussetzung aus, daß die /fan-Namen einheitlich erklärt werden sollten. Gerade wenn man sieht, daß diese Namen audi zur Bezeidinung von stehenden Gewässern und Sumpfwiesen verwendet werden können, wird man auch der Verknüpfung mit lat. canere „singen", dt. Hahn (s. D. § 62) keinen Glauben schenken können. Es empfiehlt sich also nach einem anderen Etymon Umschau zu halten. — Wie ich an anderer Stelle ausführlicher zu zeigen und zu begründen suchte, muß man bei alteuropäischen Gewässernamen stets damit rechnen, daß sie etymologisdien Anschluß im appellativen Wortschatz der ostldg. Sprachen finden. Diese Tatsache möchte ich_ mir hier zunutze machen und auf die im Indo-Iranischen weit verbreitete Wurzel iran. kan-, altind. khan- „graben" hinweisen. Zu dieser im Alt-, Mittel- und Neuiranischen ebenso wie im Alt-, Mittel-, Neuindischen belegten Wurzel (vgl. av., ap. kan- „graben"; sogd. kn-, yaghnobi kan- „graben", mp.-parth. -kn- in wyg'n- „zerstören", oss. niganyn „begraben", np. kandan „graben", altind. khanati, pkr. khanat, hindi khannä, zig. xan- „graben") gehört auch altind. khä „Quelle, Brunnen", av. xä, parth. x'n{y%) „Quelle" und aus der Shughni-Gruppe kawn, kayn „Quelle, Brunnen", die mit pasto Cina „dass." ein *kanyä voraussetzen (Morgenstierne). Man darf also von einem indo-iranischen k{h)an(i)- „graben* (zweisilbig wegen altind. khanitum, khanitra-) ausgehen und ohne die Frage nadi dem Verhältnis von "klkh zu diskutieren, diese direkt an die europäisdien Kan-'Nimen anschließen. Der N a m e Sanupis bleibt bei dieser Etymologie völlig fern. 11. »K a r a p a : Herfa (-> Werra, HessenNassau, 779 Herifa, 1003 Herafa), Herpf (->- Werra, Thüringen, 788 Heripfa)
lit. Karupts (Baisogala) Karupis (Skuadas)
Die lit. Belege mit -e- wie Kerupis sind hier nicht aufgeführt, weil ihr Zusammenhang mit keras „Baumstumpf* nicht ausgeschlossen werden kann. Andererseits ist das e- von Herfa nicht notwendigerweise durch Umlaut entstanden. Es kann hier auch altes e sein. Falls der Ansatz *Karapa hier gültig ist, gehört dieser Komplex zu den Namen, die H . Krähe unter der Wurzel kar- „hart. Stein, steinig" zusammengefaßt hat (Unsere ältesten Flußnamen 58 f.). Gerade im Hinblick auf unsere Bemerkungen zu N r . 10 sollte auch altind. khara- „hart, rauh, scharf", neupers. xär{ä) „Fels" nicht vergessen werden, die zusammen mit den halt. Jfar-Belegen geeignet sind, iberisch-mediterranen Ursprung mancher in diesen Zusammenhang gestellten Namen auszuschließen. Wir möchten hier die Aufzählung abbrechen und betonen, daß sie um mehr als das Dreifache verlängert werden könnte. Dabei gibt es jedoch auch einige Fälle von Entsprechungen, die höchst wahrscheinlich unabhängig voneinander entstanden sind. Ein solcher Fall ist etwa die bei Dittmaier § 41 aufgeführte Widapa, die mit Recht zu ags. widu „Wald, Baum, H o l z " gestellt wird, während die lit. Vidupe zu lit. vidüs „Mitte" gehört. Das Interessante daran ist nur dies, daß das baltische vidüs mit dem germanischen widu etymologisch verwandt ist. *(tidhu- heißt germanisch und keltisch „Wald,
146
Gedenkschrift W. Brandenstein (1968)
[392]
Baum", baltisdi ,mitte(n)*, *medh}o- heißt germanisdi und keltisdi ,Mitte(n)", baltisdi „Baum". SAwierig wird die Frage erst, wenn man Flußnamen wie Vidunia (Weidling Donau b. Wien) zu beurteilen hat. Angesichts von *medhio- wird man wohl auch für *vidhu- von der Bedeutung „Mitte" auszugehen haben und die Bedeutungsversdiiebung als keltisch-germanisAe Isoglosse anzusehen haben. Damit wäre dann Vidunia als „Mittelbach' zu interpretieren. Ähnlich unabhängige Bildungen dürfen die Gardape, lit. Gardupis oder die Berfa (Biberaffa) neben lit. Bebrupe in Anspruch nehmen. Fassen wir die Ergebnisse unserer Zusammenstellungen kurz zusammen: 1. Unter den -apa-Namen gibt es solche, die sicher germanischer und sicher vorgermanischer H e r k u n f t sind, und soldie, deren Zugehörigkeit zu einer dieser beiden Klassen nidit sicher entschieden werden kann. 2. Dieses -apa darf vom baltischen ape, upe nidit getrennt werden. Über die Aufnahme von -apa mit unverschobenem -p- ins Germanische wird erst dann Klarheit zu gewinnen sein, wenn die b/p-Fra^e, die nicht nur das Germanische, sondern auch das Baltisdie in starkem Maße betrifft, zusammenhängend geklärt ist. 3. Für alle hier behandelten Fälle, und ich glaube sagen zu dürfen, auch f ü r diejenigen, die hier nidit vorgeführt werden konnten, kann nicht-indogermanische H e r k u n f t ausgeschlossen werden. Das gilt auch dann, wenn wie bei Asapa keine sichere Etymologie vorgesdilagen werden kann. Die ältesten -apa-Namen sind Bestandteil der alteuropäischen Hydronymie, die also noch sehr kleine Gewässer erfaßte. 4. Die meisten der alten apa-Namenkomposita setzen einfache Simplicia voraus: Ala, Ära, Arna, Düda, Dura, *Aila, Gelda, Kala, Kana, Kara, die teils als alteuropäische Namen mit untersdiiedlicher geographischer Verbreitung schon bekannt sind, teils erschlossen werden können. 5. Das baltisdie Sprachgebiet zeigt im Bereich der Gewässernamen eine besondere Affinität zum apa-Komplex auf germanischem Boden. Ein ähnliches Ergebnis hatte sich bereits bei der Betrachtung der baltischen und germanisdien Praeteritalstammbildung ergeben (vgl. IF. 71, 1966, 286—296; 72, 1967, 116—122). 6. Zur Deutung der Namen innerhalb der alteuropäischen H y d r o n y m i e erweist sich der appellativisdie Wortschatz ostindogermanischer Sprachen, vor allem des Indoiranischen als besonders nützlich. In jedem Falle muß erst dieser gemustert werden, ehe man einen Namen als nicht-indogermanisch erklärt. Die Grundlagen für diese Methode werden in zwei in Kürze erscheinenden Arbeiten untersucht (Abh. d. Akad. d. Wiss. u. d. Lit. in Mainz, geistes- u. sozialwiss. Kl. Jg. 1968, 6; Gedenkschrift W. B. Henning, London).
Indisch-Iranische Appellativa und alteuropäische Gewässernamen W. B. Henning Memorial Volume (1970), S. 376-384 1. In unserem Vortrag 'Alteuropäisch und Indogermanisch'^ wurden folgende zwei Thesen aufgestellt und begründet: '(6) Die von der alteuropäischen Hydronymie vorausgesetzte einheitliche Gemeinsprache ist nichts Anderes als das Indogermanische selbst' (S.14) und ferner: '(7) Grammatische und lexikalische Besonderheiten der indogermanischen Sprachen ausserhalb Europas finden sich in grosser Zahl in der europäischen Gewässernamengebung wieder, d.h. die alteuropäische Hydronymie setzt die Einheit aller indogermanischen Sprachen voraus, nicht nur eines Teiles, und ermöglicht zugleich eine noch zu präzisierende Lokalisierung dieser indogermanischen Gemeinsprache' ( S . 1 7 ) . — Z u r Stütze dieser Thesen wurden bereits einige Beispiele gebracht, die den folgenden Ausführungen in verkürzter, tabellarischer Form vorangestellt werden sollen: indisch-iran. Appellativa
alteuropäische Gewässernamen
avest. ahu- 'Bach, Kanal'
Adua (heute Adda-->?o) Adra (Oi/rß->Dnjepr), Attersee Adula (Lettland)
altind. ^i;an am braucht hier nicht näher eingegangen zu werden. Die germanische Entsprechung liegt vor in Umpfer (-^Tauber).^^ Die Schwundstufe liegt ferner vor im Namen der Ütnmel (-^Espolde, Northeim), der sich auf ein *Umhila zurückführen lässt.i^ In Ambergo, 973 Ambergeuue, 979 Ambraga, looi Ambargau liegt ebenfalls ein altes *Ambräzu Grunde, das der Nette (-»-Innerste) als alter FIN. zugeordnet wird. Hier ebenso wie im Namen der heutigen Emmer (->Weser, < Ambra, Hambrina) dürfte aber kaum mit keltischem Einfluss zu rechnen sein,i^ so dass in diesen Fällen die Ablautstufe von griech. o/j-ßpos mit *o> germ. a vorliegen wird.^® 2.5. Wenn erst einmal die Berechtigung unseres Prinzips anerkannt ist, alte indisch-iranische Appellativa in den Gewässernamen Europas wiederzuentdecken, dann wird sich auch der Streit um manches umstrittene Wort schlichten lassen. Wir denken hier etwa an altind. kulyä 'Bach, Strom, Fluss', das im Rigveda dreimal bezeugt ist {Itraddm kulyä iva äsata RV. I I I 45, 3; sydndantäm kulyäh RV. V 83, 8; äpo nd stndhum . . .kulyä iva liraddm RV. X 43, 7). Form und Bedeutung können durch die mittel- und neuindischen Dialekte bestätigt werden (präkrit kullä 'stream, Channel', nep. kulo 'Channel', hindi külä 'irrigation Channel' s. R. L. Turner, A " H. Krähe, Unsere ältesten Flussnamen, QO f. Vgl. auch A. Schmid, BzN., X I I I , 1962,I18-20. H. Krähe, a.a.O. 91. " B . - U . Kettner, a.a.O. 668 f. Vgl. H. Kuhn, Grenzen vor- und frühgeschichtlicher Ortsnamentypen, (Ak. d. Wiss. u. d. Lit. z. Mainz, Geistes- u. Sozialwiss. Kl., 1963, 4) Wiesbaden, 1963, 8 ff.; Anzeiger f . dt. A., L X X V I I I , 1, 1967, 20 f.; s. auch B . - U . Kettner, a.a.O. 24. " V g l . noch die Ablautverhältnisse in *lJoda-*Udra (lit. Gewässernamen: Vadä F I N . — O d a r ä , Udrelis aber auch Vädre; hierher wohl auch die Uder [1089/1109 Udra'] alter Name des A s s b a c h L e i n e , anders B. - U . Kettner, a.a. 0 . 6 6 7 ; appellativisch avest. vadi- 'Kanal', slav. voda 'Wasser', - altind. samudra- 'Meer') und * Uoga - *Ugra (lit. Gewässernamen Vagä-Ugra), dazu O N . Waake bei Göttingen < FIN. * Wakana [B.-U. Kettner, a.a.O. 675 f.] (appellativisch vgl. aisl. vgkr 'feucht' - griech. üypos 'feucht').
[380] Comp.
151
Ind.-Irati. Appellativa u. alteurop. Gewässernamen Dict.
ofthe
Indo-Aryan
Languages,
N r . 3352). A u f d i e v e r s c h i e d e n e n
e t y m o l o g i s c h e n V o r s c h l ä g e ( : d t . hohl\ o d e r t a m i l kulam ' t a n k ' ) sei h i e r n i c h t e i n g e g a n g e n . N u r s o v i e l sei g e s a g t , d a s s das d i a l e k t i s c h e -/- i m R V . u n d d i e s p ä t e r s c h w a n k e n d e Q u a n t i t ä t d e s -u- n o c h k e i n e a u s r e i c h e n d e n sind, darin ein nichtidg. W o r t z u suchen. W i r m ö c h t e n die
Gründe
Wagschale
z u g u n s t e n i n d o g e r m a n i s c h e r H e r k u n f t n u n d u r c h die T a t s a c h e belasten, dass d a s i n d i s c h e W o r t kulyä L a u t f ü r L a u t e n t s p r e c h e n d m e h r f a c h in litauischen
und
lettischen
Gewässernamen wiederkehrt.
D u s e t o s ) lässt s i c h a u f ein *kul}ä m u n e l i s ) a u f ein L e t t i s c h e n . Kulis
L i t . KuU
z u r ü c k f ü h r e n , lit. Kulys
(Bach bei
( S e e bei P a n e -
Beide N a m e n haben genaue Entsprechungen im ist ein S e e in O s t l e t t l a n d , Kule
ist ein F l u s s (östlich v .
J e l g a v a ) . ! ' ' D i e E i g e n n a m e n s i n d v o n kulti ' d r e s c h e n ' aus s e m a s i o l o g i s c h e n , v o n z e m . külis 'Stein'^s a u s f o r m a l e n u n d d i a l e k t g e o g r a p h i s c h e n
Gründen
fernzuhalten. 2 . 6 . 1 . I n n e r h a l b d e r a l t e u r o p ä i s c h e n H y d r o n y m i e g i b t es eine von Ableitungssuffixen mit *-us{i)ä
einem
( b z w . *-s{{)os, *-es{i)os,
-i-Element:
*-is{i)os,
H e r k u n f t dieser Bildungsweisen
*-s{i)ä,
*-es{i)ä,
Reihe *-is{i)ä,
*-us{i)os).^^ A u f die F r a g e nacli d e r
glaubten
p f u n g an d i e P e r f e k t p a r t i z i p i e n -ues-j-us-
w i r f ü r *-us{i)ä
eine
Anknü-
v o r n e h m e n z u dürfen.20 F ü r d i e
S u f f i x e -es- u n d -is- m ö c h t e n w i r a n n e h m e n , d a s s sie i h r e n U r s p r u n g in d e n alten s u b s t a n t i v i s c h e n
und
in j e n e n B i l d u n g e n , d i e m i t
a d j e k t i v i s c h e n - i - S t ä m m e n h a b e n , also g e r a d e den
oben
besprochenen -ro-Bildungcn
eng
z u s a m m e n g e h ö r e n . F ü r d i e H e r l e i t u n g d e s -es- u n d - i s - S u f f i x e s aus alten i - S t ä m m c n lassen s i c h f o l g e n d e G r ü n d e ins F e l d f ü h r e n : ( 1 ) D i e in 2 . 1 - 2 . 4 v o r g e f ü h r t e n
B e i s p i e l e z e i g e n , dass - i - S t ä m m e in
Wasserwörtern vorkommen können. (2) D i e
formalen
Zusammenhänge
der
-i-Stämme
mit
anderen
B i l d u n g s w e i s e n , z . B . d e r -ro- u n d - « - A d j e k t i v a , lassen v i e l f a c h a u c h d e n S c h l u s s a u f e i n e n alten - i - S t a m m z u . (3) E s g i b t e t y m o l o g i s c h e G l e i c h u n g e n . (4) G e r a d e i m I n d i s c h - I r a n i s c h e n g i b t es v o n d e r g l e i c h e n W u r z e l -esund
-w-Bildungen.
Diese
Erscheinung
wiederholt
sich
in
der
alteuropäischen Gewässernamengebung. D i e Punkte (2)-(4) bedürfen der Erklärung und der Bestätigung a m M a t e r i a l , P u n k t ( i ) d a r f m i t 2 . 1 - 2 . 4 als g e g e b e n b e t r a c h t e t w e r d e n . 2 . 6 . 2 . (a) A u s d e m A n m . Udrelis
15 g e g e b e n e n
B e i s p i e l a l t i n d . -udra-,
d a r f m a n s c h l i e s s e n , dass a u c h ein *uejodos-
lit.
v o r k o m m e n sollte. D a s
Lietuvos TSR upin ir e£eri( vardynas, 82. " J. Endzelins, Latvijas PSR vietvärdi, I2, Riga, 1961, 168. Vgl. Gedenkschrift Brandenstein, S. 390, Anm. 14. Vgl. H. Krähe, Unsere ältesten Flussnamen, 64. S. Alteuropäisch und Indogermanisch, 16 f.
152
W. B. Henning Memorial Volume (1970)
[381]
ist tatsächlich der Fall. I m D n j e p r - B a s s i n gibt es eine wohl als baltisch anzusprechende Vodosa (Vedosa, Fat/oja)->Vop'->Dnjepr,2i die die gesuchte - i - B i l d u n g darstellt. (b) A n d e m indisch-iranischen Material lässt sich ein N e b e n e i n a n d e r nicht nur zwischen -s- u n d - r - B i l d u n g e n , sondern auch zwischen -s- u n d -M-Bildungen feststellen: ved.
äthhas-
'Enge'
- ved.
athhü-
ddthsas-
'Wunderkraft'
- ved.
damsü-
'wunderkräftig'
ved.
präthas-
'Ausdehnung'
- ved.
prthü-
'weit'
repas-
'Schmutz'
- ved.
ripü-
'Betrüger'
ved.
vdras-
'Weite'
- ved.
urü-
'weit'
'Tiefe'
- griech. ßadvs
griech. jSeVöos
'eng'
'tief'22
A u s diesen Beispielen geht hervor, dass neben einem substantivischen i - S t a m m mit vollstufiger W u r z e l ein adjektivischer -u- S t a m m mit meist schwundstufiger W u r z e l erwartet w e r d e n darf. D i e S c h w u n d s t u f e kann aber auch fehlen bzw. a u f g e g e b e n w e r d e n . U n t e r der erst unter 2.6.4. zu behandelnden Voraussetzung, dass auch die -is- Ableitungen hier einzuordnen sind, möchten wir hier die Gewässernamen einordnen: Glems,
Rems,
\xnA Jagst. (a) D i e Glems (769 etc. in pago Glcmisgonue)-^ r. z. Enz wird mit Recht auf eine V o r f o r m *Glamis{i)a
z u r ü c k g e f ü h r t . D e r dadurch vorausgesetzte
i - S t a m m liegt - allerdings mit e-stufiger W u r z e l - in lett. glemesis
'Etwas
Glattes, Schlüpfriges', lit. gUmesos 'dass.' vor. Das u-stämmige A d j e k t i v mit schwundstufiger 'schleimig,
Wurzelsilbe
schlüpfrig'^"* u n d
ist
bezeugt
als
lit. glumüs,
lett.
glums
wird durch griech. yXa[j.v-p6s 'blear-eyed'
vorausgesetzt (vgl. Xiyvpos 'hell t ö n e n d ' : Aiyvj). (ß) D i e Rems (1080 Ramesdal, setzt ein *Rä}nis{i)a
1274 Rcemse, 1298 Ramesf^
r.z. N e c k a r
voraus. D a z u gehört das (nicht abgelautete) schon
altlitauische w-stämmige A d j e k t i v r o w i « 'ruhig'. D e r appellativische j - S t a m m (mit e-stufiger W u r z e l ) wird durch got. rimis (n) ' R u h e ' vorausgesetzt. D i e Verhältnisse sind also weitgehend parallel zu (a): *Glamis{i)a
- glemesis -
*Rämis(i)a
- rimis
glumiis
- romüs
M . Vasmer, Wörterbuch der russischen Gewässernamen, I, Berlin-Wiesbaden, 1961, 333.—V. N. Toporov—O. N. T r u b a f e v , Linguisticeskij Analiz gidronimov verchnego Podneprov'ja, Moskva, 1962, 178. Vgl. J. Wackernagel—A. Debrunner, Altindische Grammatik, II, 2, Göttingen, 1954, 228 f. 23 Belege und Deutung bei A. Schmid, 'Das Flussgebiet des Neckar', Hydronymia Germaniae Aji, Wiesbaden, 1962, 40; ßsAT., X I I I , 1962, S5 f. ^ Lit. Belege in Lietuvüi kalbos Sodynas, I I I , Vilnius, 1956, 440. 25 Belege und Deutung bei A. Schmid, 'Das Flussgebiet des Neckar' 92; BzN., X I I I , 1962, 56 ff.
[382]
153
Ind.-Iran. Appellativa u. akeurop. Gewässernamen
(y) Ein schwierigeres, dafür interessanteres Kapitel stellt der N a m e der Jagst r. 2. Neckar dar. D i e alten Belege {Jagesa, in pago Jagesgouue 8. Jh.) erlauben einen Ansatz *Jagesa, den man auf die W u r z e l *ieg-, jog-, ig- 'Eis' zurückgeführt hat.^® N a c h d e m bisher Gesagten genügt diese Etymologie j e d o c h nicht den formalen Verhältnissen der ^-Ableitungen. D i e Form *Jagesa lässt einen adjektivischen - « - S t a m m der F o r m *ig{h)u-odtT vermuten,
der
im
Indisch-Iranischen
als Beiwort von
*jag{h)u-
Wasserwörtern
vorkommen müsste. Ein solches Adjektiv ist in der T a t belegt in der Form yahü- (thematisiert ^flAt^a-), fem. yahvt und in der «/-Erweiterung D i e Altertümlichkeit
dieses Wortes
wird
bewiesen
durch
gav.
yazu-
( Y . 31, 8), fem. y3zivi ( Y . 53, 3). Das W o r t kommt im R V . als Attribut von Wasserwörtern vor {sravdtah 35, 14 vgl. yahvätir saptd yahvih
saptd yahvth
I 7 1 , 7 ; dpo . . . yahvih
apdh I, 105, 1 1 ; yahvdtir
I X , 92, 4 ; yahvyä
II,
dpah I X , 113, 8; nadyäh
'vdnth X , 99,
Betrachtet man sich die
übrigen Verwendungsweisen dieses Adjektivs und seine Weiterentwicklung zur
Bedeutung
'Sohn',28 dann
( K . F. Geldner), 'juvenile' ( L .
wird
man die
Übersetzungen
Renou), 'jugendkräftig' (H.
'jüngst'
Humbach)
dahingehend zu interpretieren haben, dass damit ein 'immer wieder neu entstehend, neu entstanden' gemeint ist. So sind die von Indra befreiten Wasser die jüngst entstandenen; die Falben, die den Sonnenwagen ziehen, sind - ebenso wie A g n i - täglich neu; so ist A h u r a M a z d ä der erste {paourvim) und auch der immer wieder neue (yazüm, Bedeutungsangabe
Y . 33, 8). A l s knappste
empfiehlt sich daher 'frisch'29. W e n n wir also der
f o r m a l e n Beziehung Jagesa - yazu-,
yahü-
den V o r z u g vor s e m a s i o -
l o g i s c h e n E r w ä g u n g e n geben, wäre Jagesa als 'die Frische' zu deuten. Das avestische -z- < gh- schliesst dabei eine V e r k n ü p f u n g mhjeg(s. A n m . 26). D i e ebenfalls anzusetzende F o r m *ighra-
'Eis' aus
könnte in dem
litauischen FIN. Jgarä (mit -g-!) vorliegen. 2.6.3. Unser Nachweis, dass die Flussnamensufiixe *-es{i)ä, *-is(i)ä auf alten i - S t ä m m e n beruhen, wobei durchaus mit einer analogen Ausbreitung des Suffixes zu rechnen ist, kann sich auch auf etymologische Gleichungen stützen. In Litauen gibt es bei Zarasai einen linken Zufluss der D ü n a :
Belege und diese Deutung bei A . Schmid, 'Das Flussgebiet des Neckar', 55 f.; BzN., X I I I , 61 f r . ; P. L . M . T u m m e r s — D . P. Blok, Watemamen in Limburg en Drente, Amsterdam, 1968, 26 z u m FIN. Jeker.—Wenn auch lit. iza 'erstes Eis auf den Flüssen' wohl nicht hierhergehört, so ist diese W z . dennoch nicht auf das Keltische und Germanische beschränkt; vgl. sogd. ynyyn'k i als Grundlage, und ist deswegen für unsere Frage nur insofern relevant, als man erwägen kann, ob hinter manchen Belegen auf -asa in den Gewässernamen nicht auch ein *-3s- zu suchen ist. Dagegen ist in folgenden Fällen ein Nebeneinander von -as- und -is- zu konstatieren: (1) altind. (2) avest. (3) altind. avest.
mdnasraocah-sokassaocahin-
'Denken' 'Licht' 'Flamme' 'mit Flammen versehen'
- ap. E N . Haxämanis - R V . rocis- (V 26,1)33 - altind. socis- 'Licht, Flamme'
äoVgl. K . Büga, Rinktiniai Raltai, I . V i l n i u s , 1958, 415, 517 f.; I I I , V i l n i u s , 1961, 530 f . ; T o p o r o v — T r u b a i e v , a.a.O., 194 f. Das Suffix -esä ist keineswegs typisch baltisch, sondern gehört der Alteuropäischen Hydronymie an. Z u r W z . *leuk- als Bezeichnung von Gewässern vgl. auch hom. O d . 5. 70: KpTjvai S'f^drj! Ttiavpis p(ov vSan XevKw. Z u altind. rödhas- 'Wall, D e i c h ' nach Wackernagel - Debrunner, Altind. Grammatik, II, 2, 221. Vgl. auch T u r n e r , A Comp. Dict., N r . 10846.
[384]
Ind.-Iran. Appellativa u. alteurop. Gewässernamen
(4) altind. sddas'Sitz' (5) altind. öjas'Kraft, "I avest. aojahStärke' J (6) avest. zbarah' ?' 1 altind. hvdras'Trug, F r e v e r J Diese Reihe lässt sich nun auch durch namen erweitern: (7) avest. avah'Wasser' \ FIN. *Avesa / (Das Beispiel gehört zugleich zu 2.6.3.)
155
- ap. hadU- 'Residenz' - avest. aoftf- (Yt. 15, 46 unsicher) - avest. vi-zbärü- 'deformity'3^ einen europäischen GewässerFIN. *Avisa
3. Die vorangegangenen Ausführungen werden bestätigen, dass zwischen -es-j-is- in den Gewässernamen einerseits und den indoiranischen f-Stämmen andererseits gewisse Beziehungen nicht zu leugnen sind. Unsere in 2.6.1. aufgestellten Thesen zum Beweis dafür haben sich durch das Material, das zweifellos noch ergänzungsbedürftig ist, erhärten lassen. Darüber hinaus ist vielleicht deutlich geworden, dass der Vergleich der alteuropäischen Hydronymic mit dem Indoiranischcn über die Anführung von Wort- und Wurzelgleichungen hinausgeht und die Grammatik, d.h. die Wortbildung mit einschlicsst. Wir glauben daher, dass die hier vorgeführten Materialien geeignet sein können, unsere in i. erwähnten Ansichten über die Identität des sog. Alteuropäischen mit dem Indogermanischen weiter abzusichern.
33 Wackernagel—Debrunner, Altind. Gramm., II, 2, 365, sehen auch hierin eine ie;-Wurzel. R. E. Emmerick, TPS, 1966, 22 f., zbar-, hvar- 'sich krümmen, krumm bewegen'.
Zur primären-«-Ableitung in einigen baltischen Gewässernamen Donum Balticum Festschrift Christian S. Stang (1970), S. 469-479
1.0. In IF, (1969), 126-138 wurde der Ableitungstyp idg. *-äyßs (lit. -cmas, -(yve) behandelt und als voreinzelsprachliche Suffixbildung *-ä- + *-uos gedeutet. Wenn das richtig ist, wird man dem primären Formans *-mo5, das also nicht an ö-Stämme, sondern direkt an das bedeutungstragende Element angefügt wird, erst recht voreinzelsprachlichen Charakter zuschreiben dürfen, da es ja durch den ""-ä^s-Typ schon vorausgesetzt wird. 1.1. Es ist nun allgemein anerkannt, dass sich eine solche -^-Ableitung in alten Farbadjektiven erhalten hat^. Man vergleiche z. B.: ahd. bläß 'blau'Nevezis^ Nemunas)2o, wenn nicht gerade die u-Ableitung mehrdeutig wäre. Diese könnte einerseits mit lit. salveti 'langsam rinnen' zu lit. salti, seleti 'fliessen' und damit zu den bei H. Krabe (Unsere ältesten Flussnamen 49 f.) zusammengestellten Namen {Sala auch lit., Salma, lit. Salantas etc.) gehören, andererseits führt aber gerade der Ansatz *sal-'ua- zu ahd. sah „schmutziggrau, trübe", aisl. SQIT „schmutzig", russ. solovöj „gelblich-grau", russ.-ksl. slavo-o&ije 'Blau-äugigkeit'^i, also zu einem Farbadjektiv, das in die Reihe der oben 1.1. aufgezählten Beispiele zu stellen ist. In BzN. 16 (1965) 208 habe ich mich für die erste Möglichkeit entschieden. Da nun aber die Sumpfbezeichnungen gern auf Farbwörtem beruhen {bala:balas, baltas „weiss", palios, pelke:palvas 'weiss, grau', purvas: griech. Ttuppo? 'röthch')^" und Sdlvis Name eines Moores ist, darüber hinaus mit dem Anschluss an die Farbbezeichnung einerseits eine Wurzeletj^nologie vermieden, andererseits das fehlende Zwischenglied zwischen Germanisch und Slavisch mit diesem Namen geboten wird, scheint eine Zusammenstellung mit dem Farbwort doch vorzuziehen zu sein. Unter der Voraussetzung, dass das Salz-Wort (Pokorny 1. sal-) und das Farbwort (Pokomy 2. aal-) nicht voneinander zu trennen sind^®, ergibt sich, dass eine Reihe, die denen in 3.1. und 3.2. entspricht, nun auch für Sdlva, Salvis aufgestellt werden kann: lit. Salä^* — lit. Sdlva — ksl. shm 'salzig' — apr. salmois Nachtigall"®®.
[474]
Zur p r i m ä r e n A b l e i t u n g
161
3.4. Die lettische Palva (Vietalva, Kr. Wenden)^® und die weissrussische PolovaNoruta), lett. FIN. Falsa, lit. palsas, lett. palss 'fahl'; russ. polosä 'Landstrich, Flur', gall.-lat. olca 'zum Pflügen taugliches Land'. *pel-ko-:\\t. pelke 'Moorbruch' (mit -k-), russ. pelesyj 'bunt, gefleckt', ksl. peles^ 'cpaio;;, pullus' (mit -£-). *pl-ko-:\it. FIN. Pilke; pilkas 'grau', griech. TtaXxoc'TajXoi; (Hesych) 'Lehm, Schlamm, Morast'. *pol-to-:\ett. palts, palte 'Pfütze, Lache', russ. FIN. Pohla (->Düna) mit ON. Polock, lit. PaÜls WiesennameS^ •j?ei-Werra), 786 Irans fluvium Feldaha^^. *pl-to-:as. folda 'Boden', FIN. Fulda (^Weser). Die ältesten Belege Fuldae, Uulta (743 ff.) zeigen noch keine -aha- Erweiterung, die erst zu Beginn des 9. Jh.'s antritt (823 Vultahaf^. Damit wird die Fulda < eine Ablautvariante von Polota < *pol-tä^''. *pol-no- :\it. Paine (Moosbruch), palne 'Art Sumpfmoor'. : griech. n£.'Kk6(;Mare bei Leiden, Holland, *Marna>Meern (Zuidholland, Utrecht), s. H . K r ä h e , Flussnamen S. 47. Vgl. auch lit. mernas „feucht, k l a m m " . 39. D a z u zuletzt W . P . Schmid, I F . 74 (1969) 132. 40. Vardynas 42 durch ein * als ,,unsicher" bezeichnet. 41. Weitere Fälle, f ü r die sich jedoch nicht alle in 3.0 aufgestellten Kriterien geltend machen lassen, könnten etwa sein: Karve, Karvys nicht zu kdrve , , K u h " , sondern zu einem F a r b a d j e k t i v , das auch in karvelis ,,Taube" vorliegt, oder zu Karupis (dazu Oedenkschrijt Brandenstein, Innsbruck 1968, S. 391); Kälve (See), apr. Kalve, nicht direkt zu kalvä „Hügel", sondern zu got. hallus, an. hallr ,,Stein" < *kolno- (vgl. Kalupe, Oedenkschrijt Branden-stein S. 390); Külve : Kule (dazu Henning Memorial Volume S. 379 f.); Rausve : Raitda (dazu Henning Memorial Volume S. 383). Zu JtdZw würde sieh auch die Halver (->- Volme) mit ON. 11. J h . Halvara (D. Schmidt, Hydr. Germ. A 6, S. 27) stellen, mit kulve vergleiche m a n ahd. huliwa ,.Lache, S u m p f " , m h d . hulwe „Pfüt*e, Pfuhl".
Primary uo-Derivations in some Baltic River-Names The well-known primary suffix *uo- (forming adjectives which often but not exclusively denote colours) can also be met with among Baltic river-names. Since it has been shown elsewhere that the secondary suffix *-ä-yo- belongs to the oldest layers of the Central-European hydronymy, the assumption seems to be justified that at least some of the Baltic names formed by a primary ^-suffix ought to be traceable to a similar period. This paper is mainly concerned with names of the structure *KioK2-uo- and suggests three criteria for dating them to prehistoric times:
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Festschrift Chr. S. Stang ( 1 9 7 0 )
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(1) A semantic relationship between the river-name in question and a homonymous noun does not exist or is at least most unlikely. (2) The base of the derivation is an old river-name or a common Baltic or even Indo-European noun denoting river, water etc. (3) The derivation is paradigmatically related to other morphemes which are of prehistoric age (e.g. *-mo-, *-no-, *-ko-, *-to-). According to these criteria Lithuanian names like Bdlvis, Sana, Sdlva, Latvian Palva, Byelo-russian Polova etc. belong—together with their cognates (s. §§ 3.1-3.4)—to the oldest layer of the Baltic hydronymy. Morphological considerations, ablaut and also the semantic features of this layer integrate the ^-derivations into the Indo-European morphemic inventory (see list § 3.4) to such a degree, that occasional statements about the non-Indo-European character of the European hydronymy seem to be rather absurd. Judging by the material available at present the primary -Mo-derivation seems to have been especially productive in the Baltic area of the Old European hydronymy.
Das Griechische und die alteuropäische Hydronymie Donum Indogermanicum Festschrift Anton Scherer (1971), S. 82-89 1. Die These, daß die von der alteuropäiachen Hydronymie vorausgesetzte einheitliche Gemeinsprache nichts Anderes als das Indogermanische selbst sei^, habe ich schon in mehreren Beiträgen durch Heranziehung weiterer grammatisch-morphologischer Besonderheiten zu erhärten vei-sucht®, u. a. auch durch den Nachweis, daß Lexeme und Morpheme, die appellativisch nur in idg. Sprachen außerhalb Europas bezeugt sind, auch innerhalb der alteuropäischen Hydronymie vorkommen. Wenn diese These Gültigkeit für sich in Anspruch nehmen will, dann muß auch das Griechische einerseits zur Erhellung alteuropäischer Gewässernamen beitragen und andererseits von diesen Namen aufgehellt werden können. Die Richtigkeit dieser Konsequenz soll im Folgenden an einem Beispiel, nämlich an griech. Xi(i:?)v „Hafen", XC[XVY) ,,See, Teich", Xetjxcov „feuchte Wiese" und dem Ableitungssuffix -men-j-vion- nebst seinen Verwandten in der alteuropäischen Gewässemamengebung gezeigt werden. 2. Folgende Gewässernamen kommen in Betracht: (1) lAmene (r. z. Sventoji, Anyksöiai, Litauen), (2) lAminaa (15 Seen im engeren und weiteren Umkreis von Utena, westlichster Beleg: Vadokhai, östlichster: Salakas, südlichster: 2qsliai)', (3) lAmonia 1. z. Söara, Kr. Slonim (Weißrußland)*, (4) Lemnja 1. z. Verza -» Dnjepr (G. Smolensk)®, (5) Ljamna, Lemnan, Limna 1. z. Livna (G. Smolensk)'. ' W. P. Schmid, Alteuropäisch und Indogermanisch (Akad. d. Wiss. u. d. Lit. Mainz, Abh. d. Geistes- u. Sozialwiss. Kl. 1968, G), Wiesbaden 1968, S. 14. « W. B. Henning Memorial Volume (London 1970) S. 376-384; IF. 74 (1969) 126-138; Donum Balticum, To Professor Christian S. Stang (Stockholm 1970) S. 469-479. ' Dazu kommen einige Seenamen lAminilia im selben Gebiet. - Weitere Einzelheiten: Lietuvos TSR upiij ir ezeri{ vardynas (Vilnius 1963) S. 92 f. - Die meisten Belege fallen in das ostaukStaitische Dialektgebiet. Vgl. dazu Z. Zinkeviiius, Lietuviij Dialektologija (Vilnius 1966) S. 15 f., ders., Lietuvii} kalbos tarmös (Kaunas 1968) S. 28 ff. * Vgl. K. Büga, Rinktiniai Baätai I (Vihiius 1958) S. 312, 505. Die Ablautstufe des stanunbildenden Suffixes wird durch den lit. Wiesennamen LimanUkb (im Kirchspiel Vadokliai) bestätigt. M. Vasmer, Wörterbuch der russ. Gewässernamen, Lfg. 7, Berlin/ Wiesbaden 1964. S. 64. • M. Vasmer, a. a. O. S. 43; wohl < 'Lbmbnia. • M . Vasmer, a . a . O . 173; V. N. Toporov - O. N. Trubadev, Lingvistiöeskij analiz gidronimov verchnego podneprovbja (Moskva 1962) S. 192.
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Festschrift A. Scherer (1971)
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Zu diesen Namen gesellt sich noch apr. Lima Wiese im Samland mit weiteren Ableitungen wie Lymaio (See), ON. Lymeyeyn, I/ymiten, Limszen ( ~ lit. FIN. LimSiusy. Wahrscheinlich dürfen dazu auch gestellt werden (6) lett. Limeni Gehöft in Preiji und der Wiesenname Limai^i^. Abgesehen von den lettischen Belegen hat man diese Orts- und Gewässernamen längst mit griech. Xi(it)v, Xi(xvif), Xei[x,cüv verbunden® und damit das von H. Frisk*® vermißte Gegenstück zu den griechischen Appellativa geliefert. Fassen wir zunächst die verschiedenen Formen -men-, -man-, -min- unter *-men- zusammen (weiteres dazu unter §§ 4, 8), dann lassen sich die Belege (1)(6) zunächst unter einer Form Hirnen- subsumieren. Sie gehören sämtlich zum Ostrand der alteuropäischen Hydronymie" und haben eine genaue Entsprechung an deren Westrand, nämlich in England: (7) (8) (9) (10)
Limenan (95G), Leomanan (1033) heute Leam[lem] —• Avon bei Warwick'^, Lymenstream, heute Lemon -> Teign (Devonshire), Limine, Limina (12, 13. Jh.) heute Lymn\\\m] —> Wash (Lincolnshire), Liminaea, Limenoß (7, 8. Jh.) heute Lymjme -> Kanal bei Rye (Kent).
Die Namen (7) - (10) hat E. Ekwall mit air. lern, kymr. Uicyf „Ulme" verbunden. Dagegen sind zunächst Bedenken auf phonologischer Ebene zu erheben. Die Eigennamen auf der britischen Insel stimmen im Vokalismus keineswegs zu dem durch kymr. llteyf vorausgesetzten *ei. Gegen den Vergleich mit dem altirisclien Um spricht die konsequente i-Schreibung der ältesten Belege. Dazu kommen Schwierigkeiten auf der morphologischen Ebene, denn die Struktur der Namen ist durch das „elm"-Etymon nicht erklärt und endlich wird man auch Baumbezeichnungen in einstämmigen Gewässernamen nicht als selbstverständlich ansehen können. Aus diesen Gründen möchten wir in diesen Namen dasselbe Hirnen- wiederfinden, das oben schon als zusammenfassende Formel für die b.altischcn Gewässernamen diente. Dieses Etymon hat E. Ekwall (a. a. O. S. 274) übrigens für Lyme in Devon-Dorset (Lim, Lyme) anerkannt". 3. Hinsichtlich der Verteilung dieser Namen: eine Gruppe auf einstigem oder heutigem baltischen Sprachgebiet, eine zweite auf ursprünglich keltischem ' Vgl. G. Gerullis, Die altpreußischen Ortsnamen (Berlin-Leipzig 1922) S. 88 f. • J. Endzeltns, Latvijas PSR vietvärdi 1, (Riga 1961) S. 306. » K. Büga, R. R. I, S. 312, 505; G. Gerullis, a. a. O. S. 88; Toporov-Trubaöev, a. a. O. S. 192. " H. Frisk, Griech. Etym. Wb. Lfg. 12 (Heidelberg 1961) S. 98. Die durch ostslavische Lautentwicklung gegangenen Namen sind nicht ganz eindeutig, so daß man scheinbare Entsprechungen auf ehem. finnisch-ugrischen Territorium ausklammern muß. Die Belege (7) - (10) sind entnommen aus E. Ekwall, English River Names (Oxford 1928, reprint 1968) S. 243 f. »» Vgl. auch W. Nicolaisen, BzN. 8 (1957) 219 f.
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Das Griechische u. d. alteurop. Hydronymie
169
Territorium, stehen die *Zmc7i-Namen keineswegs isoliert. Es sei hier nur an den ^övo-jydva-Komplex erinnert^^ oder an die im Baltischen und Keltischen verbreiteten dtti-Namen. A. Schachmatov hatte damit Keltenspuren in Osteuropa nachweisen wollen. Dagegen hatte sich schon K. Büga im Jahre 1913 gewandt und solche Namengleichungen mit der Bemerkung kommentiert: „Hier kann man eben nur sagen: indogermanisch!"^®. 4. Auf der Grundlage der Verteilung der Namen dürfen wir zunächst annehmen, daß die im § 2 aufgezählten Namen im wesentlichen der alteuropäischen Hydronymie angehören. Deshalb können sie mit griech. Xifi^, Xeijjitov, X((i.v7) etymologisiert werden. Aus der Etymologie ergibt sich weiter eine Strukturanalyse : Lexem *ki-lli- + Ableitungssuffix -tnelon- + einzelspr. Flexionssuffixe''. Die Folge aus einer solchen Analyse ist, daß apr. Lima ebenso wie engl. Lyme als frühe Verselbständigungen aus einem ursprünglich n-stämmigen Paradigma angesehen werden müssen, und daß apr. Lymaio, Limszen, lit. LimSius und - wie unten noch gezeigt wird - vielleicht auch Liminas nicht mehr von ^lei-ßi- aus gebildet sind, sondern von einer neuen Namenwurzel *lim-. Die wichtigste Konsequenz aber, um welche wir uns im Folgenden kümmern wollen, ist die, daß weder das baltische Paradigma vom Typ akmuö, akmens noch die griechische Flexionsweise Xiixrjv, XI(I£voi; oder Xeipicov, XEI|XÜVO finn. karva. A. BIELENSTEIN, a.a.O. 48. I'« A . BIELENSTEIN, a . a . O . 4 0 , 6 9 , 3 6 4 .
15 E. BIELENSTEIN, a.a.O. 193, dagegen K. BCGA, a.a.O. III 243f. 1« W . P. SCHMID, Baltistica 9 , 2 ( 1 9 7 3 ) 1 8 9 - 1 9 4 .
1 ' T. E. KARSTEN, Finnar
och Germanar
(Helsingfors 1943) 54.
240
Akad. d. Wiss. u. d. Lit. (Mainz), Abh. 1978, Nr. 1
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wandten im oberen Dnjeprgebiet, die lautgerecht auf ein *Akenä^^ zurückgehen. Eine ganze Reihe von Gewässernamen im finnisch-livisch-estnischen Gebiet verrät also, daß das Ostseefinnische sich über eine ältere idg., d. h. wohl frühbaltische, Namenschicht ausgebreitet hat. Beide Befunde bestätigen sich gegenseitig. Wenn die Ostseefinnen eine ältere vor- oder frühbaltische Namenschicht erst überlagern, können sie nicht schon vorher mit der postulierten idg Grundsprache Kontakt gehabt haben, also auch keine idg. Lehnwörter übernommen haben und umgekehrt. Auf das Ostseefinnische wird gleich noch einmal zurückzukommen sein, wenn wir uns die Verhältnisse zwischen Baltikum und Don etwas näher angesehen haben, also jenes Gebiet, das in unserem Modell die Sektoren Indo-Iranisch und Slavisch umfaßt. Es wurde bereits gesagt, daß sich der Außenring des Modells als vorhistorische Expansion indogermanischer Sprachgruppen verstehen läßt, d.h. man muß zunächst Indoarisch und Iranisch auf eine gemeinsame Vorstufe zurückführen und diese in den Innenkreis schieben. Geographisch ergäbe sich grob gesprochen der Raum zwischen Pruth und Pripjet', Don und Schwarzem Meer. In historischer Zeit bewegen sich in diesem Raum eine ganze Reihe iranischer Stämme: Skythen, Sarmaten und Alanen, doch alle diese sind erst von Osten her eingedrungen und dürfen deshalb nicht als Beweis oder Bestätigung der Hypothese angesehen werden. Wenn nun aber unsere These vom idg. Charakter der alteuropäischen Hydronymie richtig ist, d.h. die Anfänge ihrer Ausbildung vor der Aufteilung in Kentum- und Satemsprachen anzusetzen ist, dann müssen die ältesten Namen der großen Flüsse dieses Raumes ebenfalls voriranisch sein, d.h. man sollte sich davor hüten, in den Gewässernamen um jeden Preis iranische Etyma zu suchen. Vielmehr können wir wegen des angenommenen stetigen Übergangs auch Etyma aus dem Baltischen, Slavischen, Tocharischen und Thrakischen heranziehen, ohne daß diese Namen deswegen einer dieser Sprachgruppen zuzuweisen wären. An zwei - auch von der Methode her gesehen - interessanten Paradebeispieleri möchte ich das verdeutlichen, nämlich am Namen des Don und des Pruth i». Die älteste Form des Namens „Don" haben uns die am Don wohnenden Griechen ebenso wie Herodot als Tänais überliefert. Diese läßt sich nach den M. VASMER, Wörterbuch der russischen Gewässernamen III (Berlin-Wiesbaden 1965) 470. - V. N. TOPOROV - O. N. TRUBACEV, Lingvisticeskij analiz gidronimov verxnego Podneprov'ja (Moskva 1962) 200. 1» Zum Namen des Don und des Pruth vgl. zuletzt G. SCHRAMM, Nordpontische S t r ö m e ( G ö t t i n g e n 1 9 7 3 ) 33FF., 48FF. D a g e g e n W . P . SCHMID, I F . 8 1 ( 1 9 7 6 ) 437FF.
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Indogermanistische Modelle
241
Regeln der Wortbildung auf ein *dänavya- zurückführen und zu indischiranisch dtn- sich in russ. stto < *satawiederholt. Zur Diskussion vgl. W. P. SCHMID, IF. 81 (1976) 440, Handbuch der Geschichte Rußlands (im Druck). Zum Kompositionstyp vgl. noch PN. XapaSYjvoi; (Olbia,
[20]
Indogermanistische Modelle
243
Mit dem Namen des Dnjepr gewinnt man also einen Schichtungsanzeiger für die vorhistorische Zeit: I. Varos: Zugehörigkeit zur alteurop. Hydronymie II. Borysthenes-. ältere iranische Periode III. Dampris, Dnjepr-. jüngere iranische Periode Von den immer komplizierter werdenden späteren Verhältnissen, die durch das Vordringen der Germanen und Slaven von Westen, Hunnen und Turkotataren von Osten her entstehen, soll hier nicht die Rede sein. Vielmehr müssen wir nun abschließend versuchen, eine Verbindung zwischen dem nördlichen alteuropäisch-baltischen und dem südlichen alteuropäischiranischen Raum auch außerhalb der Hydronymie herzustellen. Etwa in der Zeit, als die ältesten Benennungen den Gewässern Osteuropas bis zum Don beigelegt wurden, müssen wir auch mit der Ausbreitung des Wandels von *k zum Zischlaut rechnen, denn dieser setzt ja noch Nachbarschaftsbeziehungen zwischen den betroffenen Sprachen voraus. Scharfe Sprachgrenzen gab es noch nicht, so daß man weder ältere noch jüngere iranische Lehnwörter im Baltischen finden kann2«. Diese Beziehungen erscheinen als gemeinsames Erbe, aber eben nur in diesem östlichen Teilbereich. Daß die späteren in Vorder-, Süd- und Zentralasien gesprochenen Einzelsprachen Indisch und Iranisch ihre sprachlichen Vorfahren in dem von unserem Modell geforderten Raum hatten, läßt sich zwar nicht strikt beweisen, wohl aber durch eine Reihe von Indizienbeweisen wahrscheinlich machen. 1) Das Indische und Iranische setzen den in diesem Bereich verwendeten Wortschatz in ihren Appellativa fort 28». Zur Illustration möge ein typisches Beispiel dienen. Von der idg. Wurzel „feucht, sein" kommen im Baltischen und Slavischen zwei Bedeutungsverzweigungen vor: a) z.B. lit. vdlgyti „essen", russ. vologa „flüssige Nahrung, Suppe", b) vilgti „feucht sein", kirchenslav. vlaga „Feuchtigkeit". Diese Wurzel kommt auch in Flußnamen vor, von welchen der bekannteste der Name der Wolga ist mit Entsprechungen im Polnischen und Tschechischen Auf der iranischen Latyäev 91) „Schwarzesel", 'AaTtoupYo? (CIRB. 40) „mit starkem Pferd" gegenüber BopadTTo? (Tanais, Latyäev II 423), „Rotfuchs". Junge iranische Lehnwörter sind ins Litauische stets durch Vermittlung des Slavischen gelangt: vgl. büras- „grau" < slav. buryj < iran. bor (vgl. BopaoTco?) gegen lit. burys „Menge, Haufen" urverwandt mit altind. bbüri- „viel". 28« Material bei W. P. S C H M I D , I F . B. Htming Memorial Volume (London 1970) 376-384. Vgl. M. V A S M E R , Ems. Etym. Wb. I 261 f. Zur Diskussion über die Wolga-Namen
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Akad. d. Wiss. u. d. Lit. (Mainz), Abh. 1978, Nr. 1
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Seite sind ebenfalls beide Varianten vertreten. Herodots 'Afiopyioui; S a x a ? (VII 64) kann mit dem altpersischen Sakä haumavrgä (DNa 25) als „somatrinkende Saken" gleichgesetzt werden. Die griechische Wiedergabe des iranischen vrg-i[s -yrg- kehrt wieder in dem Flußnamen Hyrgis, der mit dem Donez identifiziert wird®". 2) In der epischen Überlieferung Irans spielen die T u r a n i e r als Feinde der Arier eine große RolIe®i. Im Altiranischen werden sie u.a. zusammen mit den Dänavas, die im Altindischen als von Indra besiegte Dämonen fungieren, und den Sarimas erwähnt. Obwohl sie nach Ausweis der Personennamen, die das Avestische für turisch ausgibt, als ein iranischer Stamm anzusehen sind, werden sie später mit den Turkvölkern identifiziert32. Daß sich der Name der Dänavas an iran. dänu- „Fluß" anknüpfen läßt, wird allgemein anerkannt. Aber könnte man nicht noch einen Schritt weitergehen und die Dänavas als Anwohner des Dänavya- „Don" betrachten? Dann sind die Turas zunächst Anwohner des Tyras und auch der dritte Stamm, die Sarimas, läßt sich unter dieser Voraussetzung mit Sepi[iov, einer von Ptolemaios genannten Stadt am Dnjepr, identifizieren Es hat den Anschein, als ob noch weitere Einzelheiten der indoiranischen Mythologie in den Raum zwischen Dnjestr und Don weisen könnten. 3) Wie schon bei der Kentum-Satem-Frage der direkte Kontakt des Indoiranischen mit dem Baltischen und Slavischen vorausgesetzt werden mußte, um die Ausbreitung dieser Lautveränderung zu ermöglichen, so muß auch für eine ganze Reihe von Neuerungen, auf dem Gebiet der Phonologie, Morphologie und des Wortschatzes, die das Indoiranische mit dem Griechischen verbinden, ein solcher Kontaktraum angenommen werden. Schon W. Porzig hatte dabei an die Gegend nördlich des Schwarzen Meeres gedacht®*. All das sind gewiß kühne Vermutungen, aber sie fügen sich vorzüglich in die Gesamtrekonstruktion ein. Wichtig nun aber ist der Umstand, daß in diesem Raum und in dieser Zeit keinerlei Kontakt mit finnisch-ugrischen Stämmen nachzuweisen ist. vgl. noch G. S C H R A M M , a.a.O. 113ff. W. P. S C H M I D , in: Handbuch der Geschichte Rußlands (im Druck). 30 Vgl. G. S C H R A M M , a.a.O. 186ff., W. P. S C H M I D , a.a.O. Zu den Turaniem vgl. R. F R Y E , Persien (Zürich 1962) 83ff. M. BOYCE, A History of Zoroastrianism I (Leiden-Köln 1975) 104ff. M . BOYCE, a . a . O . I 2 5 0 ; Vgl. auch griech. TOUPTJVFIS = parth. Twrgstn {Res gestae divi Saporis [ed. Maricq] I 42). 33 M. V A S M E R , a.a.O. I, 194. W. PORZIG, Die Gliederung des indogermanischen Sprachgebiets (Heidelberg 1954) 157161.
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Indogermanistische Modelle
245
Diese tauchen erst später auf, am Ende der älteren iranischen Periode und müssen im mittleren Wolgagebiet gesucht werden. - Man pflegt gegen die jüngere Datierung der iranischen Lehnwörter von finno-ugristischer Seite einzuwenden, daß es ja noch Wörter mit bewahrtem gibt, während für das Gemeiniranische doch bereits s > h gilt, z. B. mordvinisch azoro: avest. ahura- „Herr", sazoro: altind. svasar- „Schwester", sed': avest. haitu„Brücke, Damm"^®. Dagegen ist jüngst wieder hervorgehoben worden, daß man noch in nachchristlicher Zeit nördlich des Kaukasus mit -sSprachen zu rechnen hat (SivSoi: ai. sindhu- „Strom")^«. Und in der Tat sollte man sich von der Vorstellung befreien, daß alle Arier, die ihr -s- bewahren wollten, nach Indien ins Exil verbannt wurden, zumal in den Kafirsprachen im Hindukusch-Gebiet solche Idiome zu finden sind, die mit ihrem Lautsystem nicht eindeutig dem Indischen oder Iranischen zugeordnet werden können, in jedem Falle aber mit dem bewahrten -j- auf der indischen Seite stehen^^. Kurzum, das bewahrte -s- in den Lehnwörtern im Finnisch-Ugrischen zwingt uns nicht, ihre Datierung ins 2. Jahrtausend v. Chr. hinaufzurücken. Vielmehr wird man sie kaum früher als um 500 v. Chr. ansetzen können. Dies mag für die Vorstellung der finno-ugristischen Kollegen erschreckend sein, denn die Konsequenzen für ihre Modelle sind beträchtlich; doch vom Standpunkt des hier vorgelegten indogermanistischen Modells gibt es kaum eine andere Wahl. Fassen wir nun die Ergebnisse unserer Versuche zusammen: 1) Um Zeit und Raum, die im Sprachvergleich verloren gehen, wiederzugewinnen, haben wir ein Modell konzentrischer Kreise konstruiert. 2) Dieses Modell beruht a) auf dem Gegensatz Nachbarschaft oder Verwandtschaft zum Baltischen, b) auf der Annahme des stetigen Übergangs von einer Sprache in die andere und c) auf der Annahme einer ungefähren Konstanz der relativen Lage der Sprachen zueinander. 3) Auf der Grundlage der alteuropäischen Hydronymie wird die Entsprechung des Zentrums des Modells im heutigen Baltikum lokalisiert. 4) Das Modell erlaubt dann Angaben darüber zu machen, unter welchen Bedingungen ein Vergleich zweier oder mehrerer Sprachen eine Projektion in die Vorgeschichte erlaubt. Dabei wurde einerseits zur Vorsicht bei der ®® E. JoKi, a.a.O. s. vv. 3® O . N . TRUBA6EV, V o p i o s y j a z y k o z n a n i j a 1 9 7 6 , 4 , 3 9 - 6 3 .
" G. MORGENSTIERNE, Report on a Linguistic
Mission to Afghanistan,
Oslo o. J. 50 ff.
246
Akad. d. Wiss. u. d. Lit. (Mainz), Abh. 1978, Nr. 1
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traditionellen Vergleichsmethode aufgerufen, andererseits die mögliche Sonderrolle des Hethitischen betont. 5) Die sternförmige Anordnung alteuropäischer Gewässernamen, die bisher nur in der westlichen Hälfte ge2eigt worden ist, wurde auf der östlichen Seite von der Oka im Norden bis zum Don im Süden ausgedehnt. 6) Die Vertiefung der Lehnwortschichten im Finnisch-Ugrischen über die Verlängerung der Achse Germanisch-Baltisch-Iranisch ins Tocharische wird nahegelegt. 7) Die Tatsache, daß in den Außenring des Modells auf allen Seiten nur Kentum-Sprachen geraten, mit Ausnahme eines Sektors, der sich vom Baltikum über den Kaukasus nach Vorderasien erstreckt, legt die Vermutung nahe, daß die Ausbildung dieser Besonderheit grob gesprochen in Südrußland lokalisiert werden darf. Ältere Hinweise in dieser Richtung, die mit unzureichenden Argumenten begründet wurden, können auf diese Weise wieder aufgegriffen werden. 8) Der Dnjepr-Name erlaubt eine grobe Schichtung in drei Perioden, eine voriranische, die spätestens mit dem Kimmerier-Einbruch zu Ende geht, eine ältere und eine jüngere iranische Periode. Die beiden letzteren entsprechen in etwa der Unterscheidung von Skythisch und Sarmatisch. 9) Die Datierung der iranischen Lehnwörter in den finnisch-ugrischen Sprachen wird erheblich herab- und an der mittleren Wolga frühestens etwa um 500 v. Chr. angesetzt. 10) Die gewichtigsten Auswirkungen haben unsere Darlegungen jedoch für das Modell selbst. In ihm haben wir - wie schon gesagt - Sprachverwandtschaft und geographische Lage in Beziehung gesetzt und es hat sich - hoffentlich - herausgestellt, daß man damit nicht nur Bekanntes bestätigen, sondern auch n e u e Gesichtspunkte einbringen kann. Wenn sich aber unsere theoretischen Annahmen bewähren, dann muß es auch möglich sein, die geographischen Angaben in zeitlicher und räumlicher Hinsicht zu verfeinern und auf solche Verwandtschaftsbeziehungen anzuwenden, die unabhängig vom Baltischen sind, so daß in einer weiteren Fassung des Modells z.B. auch die Verwandtschaft des Griechischen mit dem Indoiranischen ablesbar und verständlich wird. In diesem Augenblick aber wird der Begriff „Indogermanisch" nur noch im Sinne einer Menge von zeitlich und räumlich geordneten Verwandtschaftsrelationen zwischen zwei oder mehr Sprachen gebraucht, überhaupt nicht mehr in der Bedeutung einer verlorenen, vielleicht doch noch aufzufindenden Grundsprache.
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Indogermanistische Modelle
247
Die Einheit Indogermanisch ist somit nur die perspektivische VerEngerung unseres Kegelstumpfes bis an seine abstrakte Spitze. Urindogermanisch, Protoindogermanisch und ähnliche Begriffe sind verschiedene Abstraktionsgrade, mit welchen man die auffindbaren Gemeinsamkeiten zusammenfaßt und deren Ausgestaltung von der gewählten Formelsprache abhängig ist. Das Indogermanische ist eine ähnliche Abstraktion wie das Griechische oder das Deutsche. - Angesichts einer solchen Konsequenz muß jedoch noch einmal unterstrichen werden, daß wir sie aus einem M o d e l l abgeleitet haben, dem Modell eines Indogermanisten (mit Genitivus subjectivus), aus welchem vielleicht ein Modell des Indogermanischen werden kann (mit Genitivus objectivus) I
Zur Frage der Datierung iranischer Lehnwörter in den finnisch-ugrischen Sprachen Festschrift Wolfgang Schlachter (1979), S. 265-270 Es gehört schon eine beträchtliche Portion Vermessenheit dazu, wenn ein Indogermanist sich anschickt, zu Streitfragen einer Nachbardisziplin wie der Finnougristik Stellung zu nehmen. So kann es sich denn im folgenden auch nicht darum handeln, die von den Finnougristen aufgestellten Thesen zu widerlegen, sondern nur darum, sie in Frage zu stellen, und vielleicht dadurch zu einer Präzisierung des Für und Wider beizutragen. Für die Datierung iranischer Lehnwörter in den finnisch-ugrischen Sprachen muß zunächst im Auge behalten werden, daß sich der Entlehnungsprozeß über einen langen Zeitraum erstreckt haben muß, so daß mit Mehrfachentlehnungen zu rechnen ist. Das heißt zugleich, daß die Frage des Entlehnungsdatums für jedes in Betracht kommende Wort neu gestellt werden muß. Aus diesem Wortgut sollen uns hier nur die ältesten Lehnwörter interessieren, vor allem aber jene, denen man auf finnisch-ugrischer Seite indoiranisches Alter zuzusprechen bereit ist.^^ Wenn man eine Entlehnung aus dem Indoiranischen für möglich hält, dann muß man bereit sein, 1. zeitlich ins dritte vorchristliche Jahrtausend zurückzugehen, denn das Mitanni-Indische in der ersten Hälfte des 2. Jt. ist nicht mehr indoiranisch, 2. räumlich eine Kontaktzone w e s t 1 i c des Don zu suchen, denn das Indoiranische zeigt nun einmal unleugbar enge Beziehungen zum Griechischen und 3. in lautlicher Hinsicht für die fraglichen Wörter nicht nur ein a- statt iranischem h-, sondern auch bewahrte Diphthonge vorauszusetzen. Der erste Punkt macht den Finnougristen zum Erstaunen der Indogermanisten keine Schwierigkeiten, weil ihre Rekonstruktionen der finnischDas Material wird im wesentlichen aus A. J. Joki: Uralier und Indogermanen. MSFOu 151, 1973, 418 S. geschöpft.
[266]
Zur Frage d. Datierung iran. Lehnwörter
249
ugrischen Gemeinsprache sie in solch frühe Zeiten führen.^^ Ob sich dies dann noch mit dem zweiten Punkt in Einklang bringen läßt, vermag ich nicht zu sagen. Deswegen sollen Punkt (1) und (2) hier vorerst ausgeklammert werden und allein der dritte Punkt einer weiteren Prüfung unterzogen werden.
Als Musterbeispiel säd', äed'
für die in Rede stehende Problematik mag mordw. sed',
'Brücke, Diele, Fußboden, Bodenbrett, Planke' dienen (Joki
a.i.O. 515 ff. Nr. 159).
Der Anlaut trennt das mordwinische Wort zwingend von ung. hid
'Brücke'
(Joki a.a.O. 265, Nr. 42), so daß hier ein Fall der oben erwähnten Mehrtachentlehnung vorliegt. Während ung. hid mühelos mit ossetisch xid,
xed
'Brücke' verbunden werden kann, muß für die Quelle von mordw. sed' ein vorausgesetzt werden, und eben dieses *s- ruft nicht altiranisch kaetu-
'Brücke', sondern altindisch setu- auf den Plan. Die Projektion
in das Indoiranische setzt aber einerseits voraus, daß man für das Mordwinische von einem *saitu-
ausgehen muß und andererseits, daß die
Bedeutung 'Damm, Brücke' ebenfalls ins Indoiranische gehört.
Ein Ansatz *saitu- wird aber von den Finnougristen nicht riskiert, und die Bedeutung 'Damm, Brücke' kann für das Indoiranische nicht werden, denn ein Vergleich von ved. setu- und gatfa-avestisch
gewagt haetu-
hae-fa- etc. lehrt^^ , daß man für die älteste Zeit nur mit der etymologischen Bedeutung
'Band, Netz' operieren kann.
Daraus ergibt sich, daß das anlautende s- als Argument für die Altertümlichkeit der Entlehnung zu Widersprüchen im Vokalismus und in der Semantik führt und folglich eine andere Erklärung verlangt. Darüber hinaus wird man es wohl doch als wenig wahrscheinlich empfinden müssen. Vgl. Gy. Dfecsy: Die linguistische Struktur Europas. Wiesbaden 1975, lo; ders.: Einführung in die finnisch-ugrische Sprachwissenschaft. Wiesbaden 1965, 152 ff.; P. HajdO: Finnisch-ugrische Urheimatforschung. UAJb 41, 1969, 252-264- J. Guly^^ Prarodina finno-ugrov i razdelenie finno-ugorskoj etniiJeskoj obscnosti. In: Osnovy finnougorskogo jazykoznanija. Moskau 1974, 28-42; J. Harmatta: IrSniak 6s finnugorok, iräniak &s magyarok. In: Magyar östört&neti tanulmSnyok. Hgb. von A. Bartha, K. Czegledy, A. R6na-Tas. Budapest 1977, 167 ff. 3) Vgl. drujo hva däagn haerTahyä ga% Y. 46.6 _|^der geht in das Netz des Drug-Genossen' mit däma ^Netz' (neupers. dam 'Netz') und hae^a zu hitra-'i. 54.lo 'Genosse' ahae-fa-\. 52.14 'Gefangenschaft' gegenüber anrtcsya setau RV. X 67,4 'ins Netz der Unwahrheit'. Dazu S. Insler: The Githas of Zarathustra, Acta Iranica 8, Leiden 1975, 267.
250
Festschrift W. Schlachter (1979)
[267]
daß zwischen ung. hld und der baltischen Entlehnung in den ostseefinnischen Sprachen, z.B. fi. silta
'Brücke' einerseits und mordw. sed'
andererseits ein Zeitraum von mehreren tausend Jahren liegen soll. Ein indoiranisches -ai- wäre auch die Voraussetzung für mordw. M'sme 'Kette' (Joki a.a.O. 3o8, Nr. 127) und Verwandte, das eher mit neupersisch risman
als mit altindisch raimi-
nicht wegen fi. rihma
'Strick' zu verbinden ist, falls 41 an ein baltisches Lehnwort zu denken ist.
(S. aber unten). Ebenso gibt tscher. miz, mez
'Wolle, Haar', syrj. mez
'Widder' (Joki a.a.O. 285 , Nr. 8o) nicht altiranisch maesi
'Schaf,
sondern mittel- und neuiranisches me^ 'Widder, S c h a f , yaghnäbi mez 'Schaf
wider. Und endlich läßt sich ung. tehen
'Kuh'
(Joki a.a.O.
326 f., Nr. 171) eher auf eine mitteliran. Lautung den 6yn
'Frau'
als auf altiran. daenu-
zurückführen.
(vgl. chvarezm.
In all diesen
Fällen ist also nicht von einer indoiranischen, sondern von einer mitteliranischen Lautung auszugehen. Einen bewahrten uriranischen oder indoiranischen i- Diphthong hat man für fi. aiva
'lauter, bloß',aisa
'Deichsel' und taivas
'Himmel' an-
genommen (Joki a.a.O. 247, Nr. 1; 253 f. Nr. 15; 323 Nr. 163). Doch im Gegensatz zu den vorher erwähnten Beispielen häufen sich hier die Schwierigkeiten in den Beziehungen zwischen den ostseefinnischen Wörtern und ihren angeblichen Etyma so sehr, daß man das -ai- kaum noch als eine reguläre Entsprechung eines arischen Diphthongs ansehen kann. Fi. aiva paßt zu keiner Sprachstufe des Iranischen in seiner Bedeutung (,*aiva(ka) = 'eins', sogd.
'yu 'eins', neupers. yek
'eins'). Seine
Beschränkung auf das Ostseefinnische und Lappische hat auch Joki zu Zweifeln an der arischen Herkunft vcra'nlaßt. Will man fi. aisa
'Deichsel' mit altiranisch aeXa-'Pflug'
dann hat man nicht nur Schwierigkeiten mit der Bedeutung
verbinden, (die sich
durch altind. isä 'Deichsel' überbrücken ließe) und mit der ebenfalls begrenzten Verbreitung, sondern man setzt sich auch in Widerspruch zur Lautung von fi. viha-, leitet wird
falls dies richtig von iran. visa-
'Gift' abge-
(Joki a.a.O. 346, Nr. 216).
TT ' J. Kalima: Itämerensuomalaisten kielten balttilaiset lainasanat. Helsinki 1936, 155 f. ^^ Zu chvarezmisch &ijn 'Frau' vgl. W. B. Henning: Handbuch der Orientalistik. 1. Abteilung: Der Nahe und Mittlere Osten. Bd. 4: Iranistik, 1. Abschnitt: Linguistik. Leiden-Köln 1958, 116.
[268]
Zur Frage d. Datierung iran. Lehnwörter
251
Fi. taiuas 'Himmel' endlich kann aus Bedeutungsgründen Uberhaupt nicht iranisch sein, denn das Iranische hat der *daiva-Sippe
eine negative
Bedeutung gegeben. Wollte man hier ins Arische ausweichen, käme die Wortbildung als Gegenargument hinzu, da daivä-
zunächst eine Adjektiv-
bildung darstellt. Eine Entlehnung aus dem Baltischen liegt hier viel näher. Damit käme man zu einer ähnlichen Verteilung der Lehnwörter wie bei fi. ailta und mordw. sed', Glück' < iran. baga-
denn das Mordwinische hat pavae
'Gott, Glück'
'Gott,
(Joki a.a.O. 3o1, Nr. 112)®^ und
auch dies ist erst jüngerer Ersatz für das ins Negative abgedrängte daiva-.
Daraus ergibt sich, daß es überhaupt kein sicheres Beispiel für iran. ai > fgr. -ai- gibt, in allen sicheren Fällen ist bereits mit dem Monophthong -e- in der gebenden Sprache zu rechnen.
Bleibt allein die Frage nach dem -8-, wo die iranische Seite regelmäßig a > h hat. Und diese betrifft nicht nur aed',
sondern auch mordw.
azoro
'sieben' (Z< *s),
'Herr', aazoro
'Schwester', ostj. läpat/läptä
wotj . Sur 'Bier', iumia
'Riemen'. In all diesen Fällen passen die in-
doarischen Sprachen besser als die iranischen: mordw. aed'
'Brücke
altind. aetu-
azoro
'Herr'
"
aazoro
'Schwester'
ostj.
läpat
wotj.
'Band', später'Brücke'
äaura-
'Herr'
"
aväaar-
'Schwester'
'7'
"
aapta
'7'
aur
'Bier'
"
aurä
'alkoholisches Getränk'
iumia
'Riemen
"
ayuman-
'Riemen' (Joki a.a.O.
253,
Nr. 14; 312, Nr. 136; 313, Nr. 138; 317, Nr. 147; 318, Nr. 151). Es ist nun zunächst bemerkenswert,
das das Ostseefinnische an diesen
Entsprechungen nicht beteiligt ist. Das Finnische hat dafür in der Regel baltische Lehnwörter Zahlwort
67
(Ausnahmen: das Wort für 'Herr', und das
'sieben'):
aed'
: fi.
ailta
'Brücke'
aazoro
: "
aiaar
'Schwester'
aur
: "
olut
'Bier'
iumia
: "
hihna
'Riemen'
(zu den fi. Wörtern vgl. Kalima a.a.O. 162, 143, 1o1).
'. Schmid in: Handbuch der Geschichte Rußlands,. Stuttgart Druck) .
1978
252
Festschrift W. Schlachter (1979)
[269]
Schon diese Verteilung spricht entschieden dagegen, daß man mit Hilfe der Lehnwörter in die finnisch-ugrische Gemeinsprache einerseits, ins Indoiranische andererseits
zurückgeht.
Wenn man aber nun aus lautlichen, zeitlichen und räumlichen Gründen auf die indoiranische These verzichten muß, dann bleibt zur Erklärung der Wörter mit - s - nur die Annahme übrig, daß es noch in historischer Zeit außerhalb des indischen Subkontinents indoarische Sprachen mit bewahrten - s - gegeben haben muß. Für das Mitanni-Indische, für die Kafirsprachen und für das Zigeunerische ist dies längst bekannt und unbestritten. Für den skythischen Raum hat Jüngst 0. N. TrubaJ^ev einen groß angelegten Versuch unternommen, Indo-Arisches, nicht Iranisches, vor allem auf der Krim nachzuweisen.'^ Wenn man auch seinen Etymologien zum großen Teil sehr skeptisch gegenüber stehen muß, so wird man doch auch aufgrund der oben genannten Beispiele in der Grundtendenz mit ihm übereinstimmen können. Wenn man khotansakisch daha-
'Mann' mit dem Völker-
namen der Daher östlich des Kaspischen Meeres verbindet, der in der griechischen Oberlieferung nicht nur als Daai , sondern auch als Dasai
er-
scheint®] dann hätte man bereits einen ersten Hinweis, in den seit PKretschmer viel zitierten Zi'väoi am Ostrand der Maiotis einen zweiten. Und sollte Trubac^ev mit seiner Verbindung der Ortsnamen Sita, Indien 91 mit setu- 'Brücke' recht haben \ dann hätte man dasselbe Problem, von welchem wir hier mit mordw. sed' ausgegangen sind: Auf der einen Seite bewahrtes -s-, auf der anderen Seite die Entwicklung von ai > e > i. Mit all diesem Material gelangte man in eine Zeit etwa um 5oo v. Chr., da auf der einen Seite die Monophthongisierung schon eingesetzt hat, auf 0. N. Trubai^ev; 0 Sindach i ich jazyk. VJa 4, 1976, 39-63; LingistiKeskaja Periferija drevnej^kego slavjanstva. Indoarijcy v severnom pricernomor'e. VJa 6, 1977, 13-29. Zu khotansaka daha-, altind'. dasa-, avest. , bara häufig in Jugoslawien und Bulgarien, außerdem in Ungarn, in der Karpato-Ukraine, im südlichen Polen, in Schlesien und in der DDR vor. In den Karpaten bis ins Dnjestr-Gebiet hinein fällt eine Ableitung baryöb auf, die auf ein *-ükio- zurückgeführt werden kann, aber aus dem Rahmen der üblichen slawischen Ableitungen in Gewässernamen völlig herausfällt. Das Interessante an diesem Namenwort ist nun dies, daß gerade das seltenere *bar-b, die seltene Ableitung haryüt neben bara im Karpatengebiet auftreten, in den slawischen Randgebieten aber völlig fehlen.'® Zur Deutung ist auszugehen von einer Wurzel *bher- „fließen, rieseln", die mit schwundstufiger Wurzelsilbe vor allem im Altindischen, Altiranischen und Baltischen bezeugt ist. Dazu sollte nach gut indogermanischer Manier auch ein Substantiv *bhoro-, *bhorä existieren, und das gibt es auch, z. B. in den lit. Gewässernamen Barys, im messapischen Sybaris und vermutlich auch in der Dnjeprbezeichnung der alten Griechen: Bopu(36^vr,e Das eigentlich Slawische an bara jedoch ist die Dehnstufe der Wurzel, die noch einmal im Iranischen vorkommt: bär „Küste, Ufer", juy-bär „wasserreiches Gelände". Der Langvokal in bara ist jedoch kein Einzelfall; man kann eine ganze Reihe von Parallelen beibringen: idg. *bhoro*souo*dro^o*roy.o*rodh-
balt. Barys Savelis Sandravä Ravai Radütis
slaw. bara Sava Drava Rava Rad^ca
9) Das sprachliche Material für die folgenden Ausführungen verdanke ich im wesentlichen der in Anm. 5 zitierten Dissertation meines Schülers J . U d o 1 p h und seinen Verbreitungskarten. 10) Vgl. U d o 1 p h , Studien, S. 57—66 mit K a r t e 2. 11) W. P. S c h m i d , in: Indogermanische Forschungen 81 (1976), S. 440; d e r s . , Indogermanistisdie Modelle, S. 19.
260
Zeitschr. f. Ostforsch. 28 (1979)
[411]
Aus dieser Liste kann man entnehmen, daß außerhalb des Slawischen der Kurzvokal das übliche ist, im Slawischen der Langvokal. Das geht so weit, daß vorslawische Namen wie Savus (Plinius), Draus (Plinius) bei der Übernahme in das Slawische nicht nur das Genus, sondern auch den Wurzelvokalismus ändern. Solche Dehnstufen gibt es auch anderswo: so steht neben Ravai auch lit. rovä „Wasserrückstand" wie in den Gewässernamen Navä neben Nova, aber sie bleiben Einzelfälle wie im Deutschen das Verhältnis MeerlMoor, Hahn/Huhn. Im Slawischen scheint es jedoch umgekehrt zu sein. Auch hier gibt es den Kurzvokal (zu Rava auch russ. rov „Graben, Loch", vgl. auch das Verhältnis von slovo zu slava), doch die Dehnstufe als nominales Wortbildungsmittel wird häufiger " und schließt damit eng an das Indisch-Iranische an, wo die Dehnstufe als Ableitungsmittel ganz geläufig ist. Auch im Vokalismus der Suffixe spielt sich etwas ähnliches ab. Auch hier hat der Westen mit Einschluß des Baltischen allgemein die Kürze bevorzugt, das Slawische die Länge. Baryct selbst ist ein Zeugnis dafür. Die Reihe der dehnstufigen Bildungen soll noch um ein weiteres Beispiel erweitert werden, und zwar um das nur im West- und Ostslawischen belegte V/ort bagno: poln. hagno „Sumpf, Moor", ukr. bahno „Sumpf, Morast". Als einfacher Orts- und Gewässername zieht er sich von Pommern südostwärts den Karpaten-Bogen entlang bis nach Rumänien hinein. Wieder scheidet das Pripjet'-Gebiet völlig aus, und wieder sind die Karpaten maßgeblich beteiligt. Südlich der Donau kommt der Name nicht vor. Die Verbreitung des Namens weist jedoch darauf hin, daß auch das Appellativ als gemeinslawisch anzusetzen ist.'® Die litauischen Entsprechungen bagnä und erst recht bognas und bognä „Sumpf" sind sehr der Entlehnung aus dem Slawischen verdächtig und müssen deshalb außer Betracht bleiben. Wohl aber darf man den Namen des südlichen Bug, altruss. Bog-b, ukr. Boh (Konstantin Porphyrogenetos), Boyov als außerslawische Entsprechung hier anschließen, welcher Name gewöhnlich mit unserem Wort „Bach" verglichen wird.'"* Mit dem Verhältnis Bog-b-bagno wird die Reihe Barys-bara um ein v/eiteres Beispiel verlängert. Bemerkenswert ist auch hier, daß -nt- Ableitungen dieser Wurzel nur im Westen Alteuropas bezeugt sind. b) izvor-b und nak-blt> und frühe slawische Komposita Das kirchenslawische izvor-b „Quelle" mit seinen Fortsetzern vor allem im Südslawischen (bulg. izvor „Quelle", serbokroat. izvor „Quelle", vgl. auch das rumän. Lehnwort izvor „Quelle") hat auch im Polnischen und
12) Vgl. T. M a t h i a s s e n : Studien zum slavisdien und indoeuropäischen Langvokalismus, Oslo, Bergen, TromS0 1974, S. 210 ff. 13) U d o l p h , Studien, S. 324—336 mit Karten 41, 42. 14) V. G e o r g i e V , in: Proceedings of the Eighth International Congress of Onomestic Sciences, Den Haag, Paris 1966, S. 189; A. G r e u l e : Vor- und frühgermanische Flußnamen am Oberrhein, Heidelberg 1973, S. 30 ff.
[412]
Urheimat u. Ausbreitung d. Slawen
261
Ukrainisdien Entsprechungen mit zum Teil etwas abweichenden Bedeutungen. Die von diesem Wort abgeleiteten Orts- und Gewässernamen zeigen eine starke Konzentration in den galizischen Karpaten, ziehen am Westufer des Dnjestr entlang und erstrecken sich dann nach Süden durch Rumänien und Bulgarien bis ins südliche Jugoslawien. Im Westen reichen sie bis an den Oberlauf der Oder. Das Pripjet'-Gebiet fehlt ganz." Die Komposition iz + vor-b muß sehr alt sein, weil einerseits im Slawischen zwar das Verbum vbriti „sprudeln" vorhanden ist, aber nicht ein selbständiges *t;or-b. Zum anderen haben die nicht gedehnten Wurzeln nach dem im vorigen Abschnitt Gesagten einen gewissen Anspruch auf Altertümlichkeit. Dies gilt auch hier, denn das Russische kennt auch das geradezu zu erwartende vor „siedendes Wasser", so daß man vergleichen kann: lit. birti — Barys — slaw. bor(o) lit. vlrti — Väre (sl.*uor-b) — russ. var Mit der o-Stufe gewinnt das slawische Wort Anschluß an die in der alteuropäischen Hydronymie verbreiteten Var-Namen (Südfrankreich, Deutschland, Baltikum, alter Dnjepr-Name "Oapo;). Die Dehnstufe von russ. var kehrt wie bei bara wieder im Altindischen und Iranischen (vär, väri „Wasser" etc.)." Interessanter noch liegen die Dinge bei dem im west- und südslawischen Gebiet bezeugten nak-bl-b „feuchte Stelle". Die Verbreitung der Namen, die von diesem Appellativ abgeleitet sind, geht erheblich über den durch die Appellativa gesetzten Rahmen hinaus und erfaßt in beträchtlichem Umfange auch Galizien." Wichtig ist hier jedoch etwas anderes. Während man bei iz-vor-b noch an eine im Slawischen vorhandene Verbalwurzel anknüpfen konnte, gelingt dies bei diesem Kompositum *na-kulo- nicht. (Die Anknüpfung an russ. kol „Pfahl", kirchenslav. koljg, klati „stechen" überzeugt nicht.) Das Grundwort erscheint aber in baltischen Gewässernamen Kulys < *fcul}0- und Kule < *kuliä. Damit gewinnt man zunächst Anschluß an altind. kulyä „Bach, Strom, Fluß"." Aber auch im Baltischen kommt dieses Flußwort komponiert vor: lit. Priekulys, lett. Pakuji. Bemerkenswerterweise bildet die Brücke von den altindischen Appellativa zu den baltischen und slawischen Namen erneut ein iranischer Gewässername Südrußlands: der bei Herodot überlieferte Name des Kalanöak: •rniixupis. Dieser läßt sich als *upa-fculjo- rekonstruieren und ist dann eine genaue Entsprechung zum lett. Paku}i. Es zeigt sich also, daß das Slawische die Tendenz, die Wurzel kul- in einer Verbindung mit einem Präverb zu gebrauchen, aus dem Vorslawischen fortsetzt. 15) U d o l p h , Studien, S. 163—170 mit Karte 13. 16) H. K r ä h e : Unsere ältesten Flußnamen, Wiesbaden 1964, S. 39 f. Zu Sapof = Dnjepr s. G. S c h r a m m : Nordpontische Ströme, Göttingen 1973, S. 99 ff. 17) U d o l p h , Studien, S. 434—439 mit Karte 64. 18) W. P. S c h m i d , in: W. B. Henning Memorial Volume, London 1970, S. 379; d e r s ., Indogermanistische Modelle, S. 18.
262
Zeitschr. f. Ostforsch. 28 (1979)
[413]
c) sig-bla, gh-bl-b und die slawischen l-Ableitungen Russ. (dial.) sigla „Moor, Sumpf" und seine Entsprechungen im Ukrainischen, Polnischen, Tschechisch-Slowakischen geben die Grundlage für Orts- und Gewässernamen ab, die — von wenigen Ausnahmen abgesehen — nur am Nordrand der Karpaten belegt sind." Man hat dies Wort schon der Herkunft aus dem Baltischen, Rumänischen oder Türkischen bezichtigt. Die Verbreitung der Namen spricht gegen solche Annahmen. Vielmehr handelt es sich um eine -ula-Ableitung -der Wurzel *seigv-, die auch im Nord- und Westgermanischen bekannt ist (norw. dial. sikla „kleiner Bach", altisl. sik „stehendes Wasser", niederdt. siek „sumpfige Niederung mit einem Wasserlauf"). Die Variante *seikv- ist verbreiteter, am bekanntesten wohl aus der Seine < Sequana.'" Auch bei dem süd- und westslawischen Wort *gb-bl-b (bulg. vümbel, polab. wümbal „Brunnen") handelt es sich um eine altertümliche ulaAbleitung, die in Namen vorwiegend in Bulgarien, an der jugoslawischen Küste und in Galizien vorkommt. Ein naher Verwandter dieses Namens ist der Ümmel-Bach in der Nähe von Göttingen: *uTnbilä." Zu Grunde liegt eine Wurzel *ombh-, *mbh-, die mit verschiedenen Suffixen versehen in der alteuropäischen Hydronymie verbreitet ist.^ Das Etymon liegt vor in altind. ambhah „Wasser". Ob die bittere Hypanisquelle Exampaios, von der Herodot spricht, wiederum ein Zwischenglied darstellt oder zu „Ampfer" gestellt werden sollte, ist vorerst nicht zu entscheiden. Wichtig für den Augenblick ist dies: beide Appellativa sind -l-Ableitungen zu Wurzeln, die aus dem Slawischen verschwunden sind. Sie ordnen sich jedoch ein in die alteuropäische Hydronymie, in der es wenig primäre -l-Ableitungen, aber häufiger ila- und wla-Ableitungen gibt. Damit sind wir bereits an der Grenze, wo Slawisch und Alteuropäisch kaum noch zu trennen sind. Dies sei noch an einem weiteren Beispiel verdeutlicht. Am oberen Dnjestr gibt es einen Fluß Opor (ukr. Opir, poln. Opör), den man mit baltischen Orts- und Gewässernamen Apara verbinden und mit einem im Lettgalischen bewahrten Appellativ opors „Wasser, Teich" etymologisieren kann.'^ Damit läßt sich die schon bekannte Reihe: aqua : *Aquantia — *Aquila — * Aquara nun in Parallele setzen mit: äp- : *Apantia — * Apula — * Apara 19) U d o 1 p h , Studien, S. 388—393 mit K a r t e 52. 20) J . P 0 k 0 r n y : Indogermanisches etymologisches Wörterbuch, Bern 1949—1959, S. 893 f. Zu S i e k in ON vgl. W. L a u r : Historisches Ortsnamenlexikon von Schleswig-Holstein, Schleswig 1967, S. 188. 21) U d o 1 p h , Studien, S. 439—443 mit K a r t e 65; d e r s . , Zum Stand der Diskussion, S. 25; B . - U . K e t t n e r : Hydronymia Germaniae, Fase. A 8, Wiesbaden 1973, S. 137; d e r s . : Flußnamen i m Stromgebiet der oberen und mittleren Leine, Rinteln 1972, S. 317. 22) K r ä h e , S. 90. 23) O. N. T r u b a C e v : Nazvanija rek pravobereinoj Ukrainy [Die Fluß-
[414]
Urheimat u. Ausbreitung d. Slawen
263
Fassen wir nun die Ergebnisse aus unserem dritten Abschnitt zusammen: 6. Wir haben einige slawische Appellativa f ü r „Sumpf, Wasser, Quelle" ausgewählt. Gleichgültig ob sie nun im Ost- West- und Südslawischen (bara, izvor-b), im Ost- und Westslawischen (bagno, sig-bla) oder im Westund Südslawischen (nak-bl-b, gh-blti) bezeugt sind, immer tauchen sie in den Namen der galizischen Karpaten auf. Wir können also gar nicht anders, als dieses Gebiet als Ausstrahlungszentrum f ü r die späteren Einzelsprachen anzusehen. Von diesem Gebiet sind die Slawen in nordwestlicher, nordöstlicher Richtung und nach beiden Seiten um den Karpatenbogen herum ausgewandert." 7. In dieses Gebiet fallen auch Namen, die einerseits aus dem Slawischen überhaupt nicht gedeutet werden können, andererseits aber die Reihe der alteuropäischen Namen vervollständigen. 8. Zugleich zeigt sich hier, daß das Slawische, teils mit dem Baltischen, teils gegen das Baltische, auch sonst bekannte Wortbildungsmittel entweder produktiv werden oder in Vergessenheit geraten läßt. -nt-Bildungen sind im slawischen Namengebiet selten, in anderen mit Einschluß des Baltischen häufig. -I-Bildungen nehmen im Osten zu, im Westen treten sie zurück. Dehnstufen in der Wurzel und im Suffix sind im Westen selten, im Osten ein übliches Bildungsmittel. Ähnliches gilt f ü r den Wortschatz. Während im germanischen Westen das oqua-Wort und das BachWort das alte op- verdrängen, ist im Osten das Gegenteil geschehen. Äpverdrängt auch oquo, das noch in der Oka enthalten ist. 9. Die Einbindung des galizischen Gebiets in die alteuropäische Hydronymie und die Hervorhebung slawischer Eigentümlichkeiten auf diesem Hintergrund erlauben weiter, das vorgeschlagene Modell der indogermanischen Verwandtschaftsverhältnisse auszubauen. Die vieldiskutierte baltoslawische Sprachgemeinschaft erweist sich in diesem Rahmen jedenfalls in der bisher üblichen Fragestellung als ein Pseudoproblem. Die weitere These, daß das Slawische an der alteuropäischen Hydronymie keinen oder n u r geringen Anteil hatte, w a r schon mit der Ausweitung dieser alten Schicht bis zum Don unwahrscheinlich geworden. Wir haben versucht zu zeigen, wie es sich organisch aus dieser Schicht herausentwickelt. Dies w a r eine Skizze, wie sie mit Mitteln der Sprachwissenschaft und Namenforschung gezeichnet werden kann. Ob sie mit Bildern, die die Archäologie entwirft, in Einklang zu bringen ist, wird die Diskussion erweisen.
namen der rechtsufrigen Ukraine], Moskau 1968, S. 215, 261; U d o l p h , Studien, S. 617 f.; A. B r e i d a k s , in: Latvieäu folklora [Lettische Folklore], Riga 1977, S. 218. 24) U d o l p h , Studien, S. 622, Karte 118.
Zeitschr. f. Ostforsch. 28 (1979)
264
[415]
Summary The
Original
Home
of the
Slavs
and
their
Expansion
Based on his model of linguistic relationship and a selection of material of S l a v and p r e - S l a v w a t e r - n a m e s collected by J . Udolph, the author attempts to draw a sketch of the Slavs' original home along the northern fringe of the Carpathian Mountains to be ascertained through linguistics and onomatology. Simultaneously, the means of word-formation (lengthening-grade, - n t - , - l - s u f f i x e s , composition, and stock of words) are given the particular attention required for characterizing the area under discussion within the f r a m e of the old European hydronymics. In detail it is the appellatives bara, bagno, * izvort>, * nak-blt>, * sig-bla, * gb-bl-b, and the diverse distribution of the means of word-formation that are used as arguments.
Zur Etymologie des Wortes „Pflug" Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen Philolog.-Hist. Kl., 3. Folge, N r . 116 (1980), S. 77-81
Zu den mit Sicherheit ins Indogermanische zu projizierenden Bedeutungsträgem gehört die zweisilbige Wurzel *ar3- „pflügen". Sie ist - unerweitert im Griechischen und Lateinischen ebenso bezeugt wie im Keltischen, Germanischen, Baltischen, Slavischen, Armenischen und TocharischenEbenfalls als noch voreinzelsprachlich wird man die Bezeichnung für das Instrument des Pflügens, die deverbale Ableitung *ar3trom „Pflug" ansehen dürfen. Als Belege für diesen Ansatz dienen griech. agorgov, lat. arätrum, mir. arathar (kymr. aradr, korn. aradar), anord. ardr und armenisch arawr. Die Tatsache, daß lit. ärklas auf ein *-t/o-Suffix und slav. ralo auf ein *-dhlo-Suitix weisen, könnte die Vermutung nahelegen, daß auch griech. agorgov und lat. arätrum erst einzelsprachlich zu ägöcu, bzw. aräre gebildet sind. Einer solchen Annahme widerspricht im Griechischen der Umstand, daß das aus dem Ansatz *ar3trom zu erwartende ägargov in Gortyn noch belegt ist, so daß das seit Homer bezeugte agorgov sein -o- in der zweiten Silbe dem sekundären Einfluß des Grundverbums verdankt^. Eine ähnliche Annahme darf man auch für lat. arätrum: aräre riskieren, zumal die -fro-Bildung im Lateinischen seine Produktivität verlor'. Auch das nordgermanische arör „Pflug", dessen Altertümlichkeit durch seine Entlehnung in die ostseefinnischen Sprachen (finn. aura, karel. atra, estn. ader, liv. a'ddarz) * bewiesen wird, muß ein altes Erbwort sein da auch hier das Suffix keine einzelsprachliche Produktivität mehr besitzt®. Endlich ist auch armen. arawr< *ar3trom nur als Erbwort verständlich^. ' J . P o k o r n y , Indogermanisches etymologisches Wörterbuch. Bern-München 1959, 6 2 f . O. S c h r ä d e r u. A. N e h r i n g , Reallexikon der indogermanischen Altertumskunde. Berlin u. Leipzig 1 9 1 7 - 1 9 2 3 , 1 8 4 - 1 9 2 . - C . D . B u c k , A Dictionary of Seleaed Synonyms in the Principal Indo-European Languages. Chicago 1949, 4 9 5 (. ^ H. F r i s k , Griechisches Etymologisches Wörterbuch I. Heidelberg 1 9 6 0 , 147. - Lexikon des Frühgriechischen Epos, Lfg. 8. Göttingen 1976, Sp. 1 3 3 4 f . - E. S c h w y z e r , Griechische Grammatik 1. München 1959, 3 6 2 , 6 8 3 . - Zur Bildung auf -tro-, ebd., 5 3 2 . - E. R i s c h , Wortbildung der homerischen Sprache. Berlin u. New York 1974^, 4 1 ff. ' E. L e u m a n n , J . B . H o f m a n n , A. S z a n t y r , Lateinische Grammatik. München 1 9 6 3 , 2 1 8 . * Vgl. L. K e t t u n e n , Livisches Wörterbuch. Helsinki 1 9 3 8 , 2. - Zur Entlehnung s. T . E . K a r s t e n , Finnar och Germaner. Helsingfors 1943, 7 4 f . u. B . C o l l i n d e r , Die urgermanischen Lehnwörter im Finnischen. Uppsala u. Leipzig 1932, 2 0 8 . ' J . de V r i e s , Altnordisches etymologisches Wörterbuch. Leiden 1962, 12. Venta) ein Ortsname/l^oi^o in Witebsk entsprechen. Aber eben dieser Name ist nun als slavischer Import des Mittelalters auch als griech. Ortsname 'O/iiroßd auf dem Peleponnes bekannt^". Aber wie sah das in vorhistorischer Zeit aus? Woher weiß man, daß der Flußname Arno in Etrurien gegenüber dem der Orne {-*• Mosel) sekundär ist? Woher nimmt man die Argumente, um zu zeigen, daß der griechische Name 'Aoüiiröq in Böotien sekundär, die Marburger Asphe aber alteuropäisch sei? Gewöhnlich pflegt man auf das Vorhandensein nichtindogermanischer Namen in Etrurien und Griechenland zu verweisen. Aber der Beweis, daß es in Mitteleuropa nur alteuropäische Namen gibt, ist auch noch nicht erbracht^^. Darüber hinaus ist die zeitliche Abfolge der Namen in Italien und auf dem Balkan keineswegs gesichert. Sollten etwa die Etrusker erst nach den Gebern alteuropäischer Namen auf der italischen Halbinsel erschienen sein? Jedenfalls für das Baltikum scheint der Q W. P. Schmid, Indogennanistische Modelle und osteuropäische Frühgeschichte, Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, geistes- und sozialwissenschaftliche Klasse 1978,1,23; W. P. Schmid, Zeitschrift für Ostforschung 28 (1979) 405-415. Q Studien zu slavischen Gewässernamen und Gewässerbezeichnungen, Heidelberg 1979. ^^ Ph. Malingoudis, Studien zu den slavischen Ortsnamen Griechenlands, Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, geistes- und sozialwissenschaftliche Klasse 1981 (im Druck), mit anderer Erklärung. Man vergleiche: A. Tovar, Krahes alteuropäische Hydronymie und die westindogermanischen Sprachen, Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse 1977, 2. Dagegen: J. Udolph, Kratylos 22 (1977/78) 123-129; W. P. Schmid, IF. 82 (1977) 314-317.
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Beiträge z. Namenforsch. N. F. 16 (1981)
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sekundäre Charakter der livisch-estnischen Besiedlung wahrscheinlich zu s e i n ' ^ . Hier ist also noch viel Arbeit nötig, die leider durch die Fachgrenzen und Landesgrenzen eher behindert als gefördert wird. 3. Wir k o m m e n zum dritten Argument für die Altertümlichkeit alteuropäischer Namen, und das ist die sprachliche S t r u k t u r der Namen. In unseren einleitenden Bemerkungen hatten wir schon darauf hingewiesen, daß Eigennamen vom synchronen S t a n d p u n k t aus stets Substantiva sind, das heißt, vom diachronen S t a n d p u n k t aus können einfache Substantiva, abgeleitete Substantiva, substantivierte Adjektiva, Verbalsubstantiva vorliegen. Alle diese Substantiva lassen sich morphologisch auf eine Struktur: Lexikalisches Element (L) + wortbildendes Element ( M j ) + flexivisches Element (M2) zurückführen. Das heißt, diesem Substantiv wird eine indogermanische Struktur zugewiesen. Für die alteuropäischen Namen wird verlangt, daß L niemals Wort, sondern stets Wurzel ist. Weiter gilt, d a ß M ^ -1- M2 niemals = O ist. Das heißt, in den Gewässernamen gibt es keine WurzelKonsonantstämme (nur sekundäre «-Stämme können vorkommen). Das heißt zugleich, daß wir in ein und demselben Namen keinen Wurzelablaut zu erwarten haben. Wohl aber können Ablautformen in etymologisch verwandten Namen a u f t a u c h e n : *pel-, *pol-, *pl*ued-, *uod-, *ud*mei-no, *moi-no-, *minoAuf der Grundlage dieser Beispiele kann man auch das bekannte Wasserwort äp- (im Indoiranischen als Konsonantstamm) in seinen verschiedenen Ablautformen in der Gewässernamengebung wiederfinden: *32ep- > *ap-, *32op- > *op- (in griech. ÖTTÖ?, 'Aaco7rö >), rj > ei, El > T stets die Quantitäten bewahren, während der Koine-Wandel von ai > e, Y), et > i dies nicht tut, m. a. W . es handelt sich um prinzipiell zwei ganz verschiedene Prozesse: der eine findet vor Aufhebung der Quantitätsopposition s t a t t , der andere danach. Der Koine-Itazismus kann also gar nicht das Boiotische als Quelle haben. Auch sonst weicht das Boiotische in Lautsystem, Morphologie und Wortschatz soweit von der Koine ab, daß letztere auf keiner dieser Ebenen als Fortsetzung des Boiotischen betrachtet werden kann. E s stellt sich also heraus, daß aIHnai nichts mit dem Boiotischen zu tun haben, wohl aber als Koine-Zeugnis in Unteritalien dienen kann. Wenn nun schon aOinai nichts für das Boiotische beweist, dann lassen sich allenfalls, d.h. nur dann, wenn die Worttrennung richtig ist, auch m i n " ' und ikonalon'' nur für die Koine in Unteritalien, nicht aber für das Boiotische in Anspruch nehmen Falls die mess.ipischen Wörter auf-ü'.f wie z. B. konkolaslis, mogaiiiatis, mimeteos tatsächlich mit dem griechischen Suffi.\ -TT,; in Verbindung gebracht werden dürfen'", dann lassen sie sich als „spie" genau so umkehren wie bereits aOinai, denn für tlas Boiotisi^he ist mit der .Suffi.\-Form -Ta; zu rechnen Lassen wir noch Fraglicheres beiseite ( z . B . messap. ke: gricch. xa£, wobei es darauf ankäme, ob ke —, falls es überhaupt „und" bedeutet — als xr; (boiot.) oder xE (Koine) zu verstehen ist, oder -!)i als Endung der 3. Sing, (für das Boiotische kann nur eine 3. Plural -v!)i in Anspruch genommen werden) , dann bleibt noch die anspruchsvolle These übrig, daß die messapisehen Personennamen graheos, grahis, (jraias, graivaihi etc. von dem Ortsnamen TpiTa = Tanagra in Boiotien abgeleitet seien und daß l'paixot nicht — wie allgemein angenommen — nach Epirus weise--, sondern die Boioter meine--'. Demgegenüber venlient festgehalten zu werden, daß auf der einen Seite graias gar nicht auf das Messapische beschränkt, sondern auch im Lateinischen Graiiis belegt ist-^, zum anderen ist kein Grund zu sehen, warum
In ai min kon kroseti, O. Parlangeii, Studi Messapici 7. 26. 3; H. Krähe, Die Sprache der IlijTier (Wiesbae^ und entspricht anderen preußischen Grußformeln oder Trinkspiüchen mit kaylesT. Die beiden schwierigsten Wörter unseres Textes sind thoneaw und kbonache. Für das erste hat Maäulis bereits das Richtige getroffen. Er analysiert thoneaw in tho = apr. thu (Apr. Sprachd. 7,14) „du" und neaw in nijau (mit -e- als Ausdruck der Palatalisation wie in pannean „Sumpf, Elb. Vok. 288) „nicht mehr"«. Dagegen scheint uns für labonache eine neue Deutung möglich. Kein Zweifel besteht darüi, daß hier eine Fonn von labas „gut", im Altpreußischen auch „das Gut", vorliegt, aber der Ansatz
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eines *labans < *labms, oder gar 'labamts'* ist nicht recht abzusichern. Statt dessen möchten wir von dem wegen seines ch sicher zu korrigierenden labomche zunächst labo(n) ablösen und mit apr. labban oder labbai „wohl" vergleichen. Die sonst im Altpreußischen gut bezeugte Umfarbung eines a > u nach Labial ist in den Katechismen bei labs gerade nicht belegt. Man darf sie jedoch auch für dieses Wort voraussetzenio. Die Form labban dient in den Katechismen zur Übersetzung von „wohl ergehen" = labban eit (25,3; 59,28), sonst steht labbai „wohl". Für unseren Text könnte man also von einem *labu(nl ausgeheni"«. Wie der Rest des Wortes zu verstehen ist, hängt wesentlich davon ab, ob dasa-Zeichen in -ache gleichwertig mit dem von kayle oder lab- ist, oder einen /-uo-/ oder /-ou-/Wert besitzt. Die Schreibung 2. Hinsichtlich der Bedeutung der ersten Zeile laufen beide Interpretationen auf den gleichen Inhalt hinaus: „Salve, Herr, du bist wohl nicht mehr unser Vater", in welchen Satz in der Möglichkeit (a) das „unser", in der Möglichkeit (b) das „bist" eingeklammert werden muß. Die spöttische Anspielung auf das Vaterunser (Täwa noüson) ist unverkennbar. In der zweiten Zeile muß nun der Grund dafür angegeben werden, warum Gott nicht mehr unser Vater ist. Und das ist auch der Fall. Das Eg koyte hat man mit Recht mit apreuß. iquoitu bzw. iquoi tu „wenn du willst" (Apr. Sprachd. 51,15; 33; (»ft, selbständig sonst ikai „wenn"]) verglicheni^, 14. Darüber hinaus hält W. R. Schmalstieg auch eine 3. Person fiir möglich'^. Nun steht aber in den Katechismen neben quoi (z.B. as quoi „ich will" 45,20; 63,19; 65,20) auch ein Stamm quoitä- bzw. quoite (vgl. quoithnan) „wollen"!^, ftir welchen man mit thematischer Präsensflexion rechnen darf. Die Stämme mit Infinitiv auf -if haben eine erste Person auf -i, -e < *-iä (< *-i5y. Mit anderen Worten, Eg koyte kann eine völlig korrekte 1. Person Smg. darstellen. Das auslautende -e freilich kann wie im Altlettischen alle Kurzvokale vertreten oder überhaupt keinen Wert haben und macht damit die Form mehrdeutig. - Hinsichtlich poyte „trinken" können wir uns wieder ganz auf die schon vorhandenen Vorschläge berufen'«. Es gehört als Infinitiv zu apreuß. poüt, poutwei „trinken" (wobei das y hier wohl nur die Länge des ö bezeichnete!«) ähnlich wie doyte zu dätwei, lit. duoti, lett. dot „geben". In nykoyte steckt zunächst die in neaw verbaute Negation = apreuß. ni mit dem eben behandelten Verbum koyte „wollen", allerdmgs sollte hier nun das auslautende -e als -u interpretiert werden, und damit mit quoitu (s. o.) übereinstimmen^o.
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„Jesus, ich leid"
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Ein letztes Wort noch zu pehega, denn hier weichen V. Mafiulis und W. R. Schmalstieg voneinander ab. Mafiulis hält pehega für einen Akkusativ Sing, (auslautendes -n nicht geschrieben)^!, während W. R. Schmalstieg das Wort zu den vermeintlichen Belegen für einen altpreußischen Genitiv Sing. mask. auf -a rechnet^J. Nach dem Zeugnis der altpreußischen Katechismen kommt in der Bedeutung „Geld" nur der Plural pemingans vor: noüson Tawischas penningans bhe labban ni immimai „unsers nechsten Gelt noch Gut nicht nemen" {21,2), Pecku, Penningans, Labbas „Vieh, Geld, Gut" (37,14). Das stimmt sowohl zum litauischen pinigai „Geld" als auch zum polnischen pieniqdze „Geld". Also erwartet man auch hier einen Plural, d.h. pehega(n) ist als Genitiv Plural zu verstehen wie apr. grikan. Nach k, g ist ein Übergang von a über o zu u wie mgrekun und den ON Chucumbrast, Tlokunpelk zu erwarten, und dies könnte auch hier wieder durch das besondere a-Zeichen ausgedrückt sein wie oben bei na*se (falls gleich noüson). Als Beweis für einen Genitiv auf -a entfällt also auch pTnega^^. Daß hier in der negierten Wendung der Genitiv steht, im Katechismus aber der Akkusativ, sollte bei der mangelhaften Syntax der Katechismen nicht verwundern. Damit können wir nun den ganzen Vers verstehen: Salve, o Hen! Du bist wohl lücht mehr unser Vater (Väterchen). Wenn ich trinken will, willst du kein Geld geben. Dem trinkfreudigen Studenten (der Theologie?) ist also das Geld ausgegangen (Jesus, ich leid) und angesichts der vierten Bitte des Vaterunsers: nouson deinennin geitien dais noümans schon deinan (37,3) zieht er nun infolge des Fehlens des täglichen Brotes, das ja auch Ist = ,3ssen", Poüt = „Trinken" und Penningans „Geld" umfaßt, den Herrgott und Vater in Zweifel. Mir scheint, dieser Ulkvers ist zusammen mit dem Spruchband sowohl sprachlich als auch theologisch klar und keineswegs „incomprehensible to us because we are too far removed from the cultural context which gave rise to the e p i g r a m S o weit sind wir auch heute noch nicht von derartigen Situationen und Spaßen entfernt!
Anmerkungen: 1
Ein Faksimile mit Umschrift und Übersetzung ist „An OW Prussian Grammai" von William R. Schmalstieg (The Pennsylvania State University Press, University Park and London 1974) vorangestellt. Einen zweiten Faksimile-Abdruck findet man in V. Maüulis, Baltistica XI,2 (1975), S. 1 2 5 - 1 3 1 : Seniausias balt>j rafto paminklas, S. 126. Vgl. ferner S. C. McCluskey, W. R. Schmalstieg, V. Zeps, The Basel epigram, a new minor Text in Old Prussian, General Linguistics 15 (1975) 1 5 9 - 1 6 5 . Die letzte Diskussion dieses Verses bei W. R. Schmalstieg, Studies in Old Prussian (The PennsyNania State University Press, University Park and London 1976) 87 ff.
2 Allerdings ist c in kayle und lab- anders geschrieben als in -mche, thoneaw und pTnega. S. Anm. 8. 3 V.Maiiulis,a.a.O. 131. 4
Vgl. V. Maiiulis, a . a . O . 127; W. R. Schmalstieg, Studies, S. 8 7 , 9 3 . Das auslautende-e ist eine Zutat dem Vers zuliebe wie auch in thewelyse und ohne sprachlichen Wert. A. Girdenis bei Schmalstieg, Studies 419 verweist auf solche Hinzufiigungen nach -s im 2emaitischen, die als Sprachfehler verhöhnt werden. Über die Hinzufügung eines -e in altlettischen Texten s. A. Ozols, Veclatvieäu rakstu valoda (R«ä 1965) 76.
5
V. Maiiulis, a. a. 0 . 1 2 8 , 1 3 0 ; W. R. Schmalstieg, Studies 89, 95.
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6 7
V. Maüulis, a.a.O. 127; W. R. Schmalstieg, Studies 89, 95. K. Büga, Rinktiniai RaStai III (Vilnius 1961) 132 f. zu KaileSs noussen gingis ,Jch trincke dir zu unser freundt"; V. Maüulis, Prüsif kalbos paminklai (Vilnius 1966) 31; W. R. Schmalstieg, Studies 92 f.
8
V. Maüulis, Baltistica XI,2 (1975) 127. Zustimmend W. R. Schmalstieg, Studies 94. iau ist im Apr. belegt: Sta ast iau perarwisku arwi ,J5as ist je gewifilich war" (41,31). - Für den Fall, daß das als a gelesene Zeichen mehr als eine Schreibvariante darstellt, handeK es sich in Einklang mit
•nache und pehega um ein labialisiertesa. 9 V.Maiiulis,a.a.O. I 2 7 f . 10 Das tut auch V. Maüulis a. a. O. 10a Morphok>gisch möglich wäre auch ein Genitiv Plural zum Akkusativ Plural labbans „Güter". Doch dieser müßte dann von thewelyse abhäi^ig sein und das ist inhaltlich und syntaktisch wenig wahrscheinlich. 11 12
Zu den verschiedenen Wiedergaben von -j- im Altlettischen s. A. Ozols, a. a. 0 . 77. W. R. Schmalstieg, Studies 141; I. Steponavi£iene, Baltistica X,2 (1974) 166. Nicht-Schreibung des auslautenden -n b^egnete in diesem Text dann gleich 3x: laboln), na^se(n)
und penega^fn). 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24
Falls J. Endzelins, Senprüäu Vatoda (Riga 1943) 183 recht hat mit dem Ansatz einer Länge für *ft-, dann stünde hier e für i wie üi rekyse. V. Maüulis, a.a.O. 129; W. R. Schmalstieg, Studies 88,95. A.a.O. 88. Dazu zuletzt W. R. Schmalstieg, 0kl Prussian Grammar 174 f.; Studies 72,198. Vgl. W. P. Schmkl, Studien zum baltischen und indogermanischen Verbum (Wiesbaden 1963) 7 f. (zu *-ö > a), 25 ( z u a j segge, as billi, beides Stämme, die zur gleichen Klasse wie quoite gehören). V. Maüulis, a. a. O. 129; W. R. Schmalstieg, Studies 88,95. Vgl. W. R. Schmalstieg. Studies 154; Agathe Lasch, Mittebiiederdeutsche Grammatik (2. Aufl. Tübingen 1974) 24 f . V. Maüulis, a.a.O. 129f. V. Maüulis,a.a.O. 130;s.o.Anm. 12. W. R. Schmalsti^, Studies 88 f. Ebenso wie tUku undgdtka. dazu W. P. Schmid. IF 84 (1979) (im Druck). W. R. Schmalstieg, Studies 96.
Korrekturnachträge: 1. Angesichts der von den altpreufiischen Katechismen abweichenden Orthographie (vgl. Anm. 12 und doyte, poyte) darf die Annahme, dafi thewelyse hier „Väterchen" und nicht „Onkelchen" bedeutet, auch gegen das einhellige Zeugnis der Katechismen riskiert werden. 2. Die Interpretation von neaw = nijau läßt auch an litauisch nejau als Fragepartikel denken. Vgl. z. B. Adomas MickeviCius, Velines (übersetzt von J. MarcinkeviCius), Vilnius 1976, 173: Nefaugi dievas juos be reikalo pasejo? Dies würde die Stellung der Negation entfernt von *asse (falls = assei) erklären.
Zum baltischen Dialekt auf der Kurischen Nehrung Indogermanische Forschungen 88 (1983), S. 257-268
Durch zwei Veröffentlichungen hat Richard Pietsch (*1915, Nidden) die Aufmerksamkeit auf den baltischen Dialekt der Kurischen Nehrung gelenkt: Durch sein im Kern aus dem Nachlaß des Hemeler Rektors Paul Kwauka (f 1970) stammendes Kurisches Wörterbuch (Berlin 1977) und durch sein Textbuch: Fischerleben auf der Kurischen Nehrung (Berlin 1982), durch welches erstmalig umfangreichere Texte in die Hand des interessierten Sprachwissenschaftlers kommen. Das erste Buch hat noch E. Hofmann mit einem Vorwort versehen, das zweite hat F. Scholz eingeleitet. F. Scholz's Einleitung könnte wegen ihrer begrifflichen Unklarheit leicht dazu führen, falsche Vorstellungen hervorzurufen. Um diese zu vermeiden, muß vor allen Einzelheiten zunächst einmal der Begriff Kurisch festgelegt werden. Im Folgenden wird unterschieden zwischen: 1. dem einheimischen baltischen Dialekt auf der Kurischen Nehrung bis 1945 (im Folgenden nehrungskurisch, abgekürzt: nkur.), 2. den heutigen kurisch-lettischen Dialekten (im Folgenden kurländisch, abgekürzt: kurl.) und 3. dem nur aus Ortsnamen, Glossen, Entlehnungen und Substrat-Einwirkungen zu erschließenden Altkurischen (abgekürzt: altkur.). Auf der Grundlage dieser Differenzierungen wird man Sätzen wie: ,,Es ist nun durchaus möglich, daß wir in den Kuren der • Die folgenden Ausführungen bieten eine kritische Würdigung des Buches von Richard Pietsch, Fischerleben auf der Kurischen Nehrung, dargestellt in kurischer und deutscher Sprache mit einer Einleitung von Prof. Dr. Friedrich Scholz und mit 24 Zeichnungen des Verfassers, Verlag Ulrich Camen, Berlin 1982. Die jeweils in Klammern angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf dieses Buch.
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Idg. Forsch. 88 (1983)
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Nehrung Reste des alten Kurenvolkes vor uns haben" (Einleitung S. 6) schon wegen der historischen Nachrichten^ eine gehörige Portion Mißtrauen entgegenbringen. Noch problematischer ist F. Scholz's Behauptung, daß sich die Sprache der vorliegenden Texte schon auf einer weiteren Entwicklungsstufe präsentiere als die der kurzen Texte aus den Jahren 1888 und 1927 (Einleitung S. 7)''. Zum einen wird man berücksichtigen müssen, was R. Pietsch in seinem Vorwort selbst schreibt : ,.Leider geht die Kenntnis der kurischen Sprache allmählich verloren, aber die meisten der Gewährsleute bedienten sich ihrer zur Zeit ihrer Befragung noch gelegentlich" (S . 3), d. h. es bleibt offen, wie weit nicht die Nachkriegs jähre und die neue Umgebung auf die Sprecher eingewirkt haben. Zum zweiten wird man die Möglichkeit nicht ausschließen können, daß gewisse Differenzierungen entweder überhört oder hineininterpretiert wurden, je nach der Muttersprache der Beobachter. Zum dritten stellt sich heraus, daß die schriftliche Fixierung von R. Pietsch keineswegs dekkungsgleich ist mit dem, was ich selbst aus den Tonbandproben, die mir Herr A. Bernowskis, Eutin, freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat, zu hören vermag. Endlich ist eine Reihe von Erscheinungen, die man vielleicht für jüngere Entwicklungsstufen halten könnte, schon von K. Büga in den zwanziger Jahren beschrieben worden®, so daß man schon jetzt vor denselben Interpretationsschwierigkeiten steht, wie sie uns aus den altpreußischen Texten zur Genüge bekannt sind. Weder die heutige litauische Dialektologie noch die lettische können uns Hilfestellungen noch Kontrollmöglichkeiten bieten. Leider sind nun auch R. Pietsch's Textwiedergaben und Übersetzungen nicht immer zuverlässig. Das beginnt mit reinen Druckfehlern wie ziahs (S. 256) für zaibs. Hake (S. 52) für laike oder ratse (S. 236) für raste, dziemes (S. 200) statt dziesmes, id (S. 82) für is. Zwei ganze Zeilen sind S. 132 doppelt gesetzt. — ^ Zu diesem zuletzt J. Kabelka, Baltij filologijos jvadas, Vilnius 1982, S. 63ff. ^ Gemeint sind die Veröffentlichungen von A. Bezzenberger, Über die Sprache der preußischen Letten, Göttingen 1888, und J. Pläkis, Kursenieku valoda, Riga 1927. ' Vgl. K. Büga, Rinktiniai Rastai III, Vilnius 1961, S. 156-251.
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Zum baltischen Dialekt auf der Kurischen Nehrung
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Damit wird fraglich, ob sameniekes (S. 238) statt saimeniekes oder plaudume (S. 208) gegen sonstiges ^j^w^Mme (S. 136) sprachrichtig oder einfache Druckfehler sind. Außerdem werden zwischen Präverb ( + Reflexiv) und Verb häufig Pausen gesetzt (z.B. sase enge S. 18, iese urbe S. 60, pase zurgaj S. 70, gegen richtiges pasezurgaj S. 76, par plece S. 132, nuoa stipes S. 130, piese prasties S. 264 etc.), welche weder phonetisch noch phonologisch verständlich sind. Endlich wird der Diphthong -uo- (wie schon im Wörterbuch) konsequent als uoa wiedergegeben, was phonologisch ein Unding ist und phonetisch durch andere Aufnahmen nicht bestätigt wird. Der Diphthong -ei- wird konsequent als -e- geschrieben {reze, vede, cetunge, mestums, grete, rekate, ON. Prele). Da selbst cetunge = Zeitung vorkommt, wird es fraglich, ob die Angabe ,,e wie in Ehre" (S. 16) eine ausreichende Umschreibung ist. — Anders als in altlettischen Texten, in welchen auslautendes -e oft als Rest eines auslautenden Vokals gewertet werden kann, hat hier das auslautende -e z.B. in lasete (S. 20), büse (S. 192, 198), darise (S. 236), aber auch saltize{S. 32) neben saltize „Schultheiß" (S. 20), grundize „Grundeis" (S. 28), petroleume (S. 246) keine historische Aussagekraft. Welchen Wert es überhaupt hat ([0], bestimmt nicht ,,e wie in wenn" S. 16), bleibt unklar, da es von anderen Texten und Tonbändern nicht bestätigt wird. Auch sonst hat es den Anschein, als ob phonologische Differenzen nicht gehört wurden (z.B. sjz: svejesjzvejes, kjg: üksmasjügsmas, eje: vezumsjvezums). Den Übergang von der orthographischen und lautlichen Seite auf die den Texten gegenübergestellte Übersetzungsseite bildet S. 56: zuves zvejibe, welchem S. 57 ,,Aalfischerei" entspricht, d.h. man muß zuves in zuSes verbessern. S. 118 wird die 1. Pers.Plur. vise laike iesejemam mes virtes edines par seves mit der 3. Pers. Sing. ,,man nahm überwiegend gekochte Gerichte zu sich" (S. 119) übersetzt, wobei außerdem vise laike ,,die ganze Zeit, immer" mit ,,überwiegend" auch nicht eben treffend wiedergegeben wird. (Ebenso sacijame S. 120 ,,nannte man" statt ,,nannten wir".) S. 32/33 sind die Aufzählung der Hotels und Pensionen und die Übernachtungskosten in der Reihenfolge vertauscht; S. 40 fehlt raugies ka is vadezvejibe in der Übersetzung S. 41 ganz. Die Aufzählung ließe sich beliebig verlängern.
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Zusammenfassend wird man also sagen müssen, daß wir in R. Pietsch's Fischerleben zwar eine hochinteressante, leider aber keine zuverlässige zweisprachige Textausgabe in die Hand bekommen haben. Allen Unsicherheiten zum Trotz läßt sich doch eine Reihe von Aussagen über das Nehrungskurische festhalten. Zunächst wird es ganz klar, daß das Nehrungskurische zum L e t t i s c h e n gehört. Das geht hervor 1. aus der Form der Pronomina vini „er", vinge „sie", 2. der Form des bestimmten Adjektivs: tas magaiSs kruoagirs (S. 44) ,,Der kleine Kolonialwarenladen" (S. 45) gegen viens ma6 nare kauls (S. 102) ,,ein kleiner Gelenkknochen" (S. 105), 3. aus der Form der Lokative auf -a ( = lett. -ä), z.B. mara un jüra (S. 22, 44) ,,im Haff und in der Ostsee", pavasara (S. 196) ,,im Frühjahr", vasara (S. 22) ,,im Sommer", rudina un ziema (S. 32) „im Herbst und Winter", nakta (S. 32) „bei Nacht", tumsa (S. 28) ,,in der Dunkelheit", 4. aus den Deminutivbildungen : menistens (S. 196) ,,Mond", acemirstins (S. 208),,Augenblick" (aber auch zingstines, S. 252, ,,Schritte") und endlich aus dem verbalen Suppletivparadigma iet-gäj ,,gehen" und ese-bij ,,sein". Das bedeutet, daß man die lettische Vertretung von interkonsonantischen *an ( > lett. uo), *en ( > lett. ie), *in ( > lett. i) und *un ( > lett. ü) als Normalvertretung anzusehen hat. Ihr entsprechen denn auch mit *an > uo : luoages (S. 74) ,,Fenster", ruoakes (S. 76),,Hände", tasuoatraiis (S. 70),,der andere", suoahe (S. 70) „Säge", suoabe, zuoahe (S. 110) „Zahn", tuoap (S. 72) „wird", uoageles (S. 120, 236) „Kohle", uoazuoales (S. 142) „Eichen", parsekuoadas (S. 162) ,,stärkten sich"; mit *en > ie : viegile (S. 76) ,,leicht", pieces, tas piektaiis (S. 104) ,,fünf, der fünfte", mit *in > i : pazistames (S. 68) ,,Bekannte", tikiles (S. 68) „Netze" (tikile, Lokativ tikla S. 94, 126), grides (S. 114) ,,Fußboden", ietite (S. 176) ,,eingepackt", und mit *un > ü : ar üdine (S. 76) „mit Wasser", üksmas (S. 28, 30, 196, 252) „Schatten"«. Nun bietet aber das Nehrungskurische eine Fülle von Beispielen mit bewahrtem an, en, in, un. Sie sind nicht einheitlicher * Vgl. auch die Zusammenstellung in E. Hofmanns Einleitung zu P. Kwauka/R. Pietsch, Kurisches Wörterbuch, Berlin 1977, S. 11.
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Herkunft. Zum einen handelt es sich um litauische Lehnwörter wie z.B. landzaj (S. 252) : lit. landzioti „kriechen"; ar gares rankäves (S. 76) „mit langen Ärmeln": \it. rankove\ dangs (S. 76, 252, 258) „Himmel" : \it.dangus-, zvejibe zenkile (S. 194) „Fischereischein", zenkile (S. 234) ,,Erlaubnisschein" ( : lit. zenklas „Zeichen"); linksmes un laiminge (S. 176) ,,froh und glücklich" (vom Markttreiben in Heidekrug); apsejinkluoate (S. 130) ,.bewaffnet" : lit. g^mHas ,,Waffe"; dzaugsminks (S. 236), dzaugsminge (S. 254): lit. dziaugsmingas ,,froh". Natürlich wurden diese Lehnwörter dem nehrungskurischen morphologischen System eingepaßt, so daß man nicht nur Adjektive wie slinkaiSs ,,der Faule" (S. 268), hrangaiSs vins (S. 282) „herrlicher Wein" (Akkusativ: branguoase dzerume, S. 282) oder Ableitungen wie zingstine (S. 196) ,,Schritte" : lit. zingsnis, sondern auch Sventinatume (S. 144) „Feier" : \it. Sventinti findet'. Ein zweiter Teil von Wörtern zeigt nun aber neben bewahrtem -n- lett. Lautvertretung. Als Musterbeispiel mag dzintars ,,Bernstein" (Kur. Wb. S. 31; hier S. 234: dzintäres lasate ,,Bernstein sammeln" dienen. Es kann nicht litauisch sein, denn hier heißt es gintaras; lett. muß es dzitars lauten. Die Verbreitung des Wortes dzintars, ebenso wie das in den lettischen Dainas vorkommende dzintärzeme ,,Bernsteinland" weisen auf einen Streifen vom preußischen Samland bis zum nördlichen Livland. Schon 1253 wird aus dem Bereich Bihavelanc der ON. Sintere bezeugt. ' Weitere Lituanismen, die durch Religions- und Schulunterricht, durch Handel und Verkehr, durch die Verwaltung und durch Einheiraten
ins Nehrungskurische gelangten, sind etwa: suoale virauaibe nu mieate (S. 20) ,,Schulbehörde aus Memel"; zvejea virauaibe ,.Fischereibehörde" (S. 150); virauaibe ,,Behörde" (S. 318) : lit. vyriauayhe; aiäke ,,laut" (S. 60) : lit. aiskus ,,klar"; dzaugaa ,.freuten sich" (S. 94) : lit. diiaugti; pradzea ..Anfang" (S. 94) : lit. pradiia-, kumara „irgendwo" (S. 110): lit. kurnora; lasinga ..Speck" (S. 110) : lit. lasiniai; apege ..Frost" (S. 78, 112, 292) : lit. apeigaa; Jcauaea ..Eier" (S. 116): lit. kiauaia; kerdea ..Hirten" (S. 126) : lit. kerdiiua; preäaate „Grund" (S. 206) : lit. prieiaatia-, kulae ..Hüfte" (S. 208) : lit. kuläe; aere ..fütterten" (S. 242) : lit. aeHi;panaea „Fesseln" (S. 250): lit. pandoa; iaiba ,,Blitz" (S. 256) : lit. iaibaa; prankea ,, Enten" (S. 302): lit. (Memel) pranka; Ifele ,.einige"
(S. 310): lit. keli; iasimtina „Altenteil" (S. 318): lit. iaimtine; adrielpea atodrekia.
..Tauwetter" (S. 266): lit.
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SO daß man mit gutem Recht dzintars für ein altkurisches Lehnwort hält«. Ein weiteres Beispiel dieser Art ist apselanceties „(sich) besuchen" (S. 138), aplancij „besuchte", tape aplanccUe „wurde besucht" (S. 108). Dieses Wort steht einem litauischen ap(si)lankyti ,,besuchen" gegenüber und zeigt ähnlich wie dzintars bewahrtes -an-, aber -c- gegenüber lit. -k-. Auch die Fischnamen hruncs ,,Plötze" (S. 166) und mence, mencs ,,Dorsch" (S. 40, 166) können als altkurisch angesehen werden'. Wenn nun aber im Nehrungskurischen wie in den lettischen und litauisch-zemaitischen Mundarten mit altkurischen Lehnwörtern zu rechnen ist, dann wird in all den Fällen die Entscheidung schwierig, in denen zwar an, en, in, un bewahrt sind, aber eine dem widersprechende ,,lettische" Lautvertretung nicht vorkommt. So ist allein auf Grund lautlicher Indizien in folgenden Fällen eine Entscheidung zwischen Kuronismus und Lituanismus nicht möglich: banges ,,Wogen" (S. 168, 170) mit banguoate jüre „wogendes Meer" (S. 52); pabandij „versuchten" (S. 84, 92, 120, 140, 214), nuoasegandas ,,erschrak" (S.200); sagrandij ,,kratzte" (S. 120) mit sagrandate (S. 140); saselenkumes ,,Verrenkungen" (S. 244), duies rindes ,,zwei Reihen" (S. 102), saserenke ,,sammeln sich" (S. 22), ierinke „sammelte" (S. 126)», tanke „dicht" (S.74), tvanke „Hitze" (S. 22, 96), spindules „Strahlen" (S. 252), sprande „Nacken" (S. 254), ventirs „Art Fischnetz" (S. 54, Kur. Wb. S. 83). * Vgl. A. Bielenstein, Die Grenzen des lettischen Volksstammes, St. Petersburg 1892, S. 218; dazu K. Büga, R R . III, Vilnius 1961, S. 170, 179; J. Endzelins, Darbu izlase II, Riga 1974, S. 506; Latvijas P S R vietvärdi I, Riga 1956, S. 259; E. Fraenkel, Die baltischen Sprachen, Heidelberg 1950, S. 61f.; Litauisches etymologisches Wörterbuch I, Heidelberg 1962, S. 152; A. Gäters, Dzintarzeme (Bernsteinland) in den Dainas und die lettische Bezeichnung für Bernstein, in: Festschr. für Haralds Biezais, Uppsala 1979, S. 283-294. Über das Verhältnis von gintaras, dzintars zu russ. jantar' vgl. V. Urbutis, Baltistica 5,2 (1969) S. 159; J. Lauöiute, Kalbotyra 22,2 (1971) S. 86; Slovar' baltizmov V slavjanskich jazykach, Leningrad 1982, S. 26. Anders O. N. Trubaöev, fitimologija, 1978, S. 7ff., der lit. gintaras aus slav. jantar' herleiten möchte. ' Vgl. K. Büga, R R . III, S. 179, 194; B. Laumane, Zivju nosaukumi latviesu valodä, Riga 1973, S. 135-137; 200. ' Dagegen ist aurinlpime ,,Versammlung" (S. 306) eindeutig lit. Lehnwort.
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Manchmal vermag hier die Verbreitung des Wortes auch in den kurländischen Dialekten ein Indiz für die Bodenständigkeit des Wortes liefern. So können z.B. banga „Welle, Woge"®, rinda ,,Reihe"!®, tvanke „Hitze, Schwüle"" oder ventirs „Netz"!^ auch als kurisch gelten. Auch dann, wenn lautliche Kennzeichnungen fehlen, wird man einige in Pietsch's Texten vorkommende Wörter auf Grund ihrer geographischen Verbreitung dem Altkurischen zuschreiben dürfen. Hierher gehören z.B.: pabengti ,,beendigen" (S. 130, 138, 144, 160) mit iem.bengti gegen \it. pabaigti, -beigti^^; dag ,,Ernte" (Kur. Wb. S. 29) mit zem. daga ,,Ernte", apr. dagis ,,Sommer" gegen \it. derlius^'^. dizs „groß" (passim) gegen ^t.didelis, lett. liels^^; dui ,,zwei" (Kur. Wb. S. 31) gegen Mi. du, lett. d m " ; dzievuoat im Sinne von ,,arbeiten" (passim) gegen lit. dirbti, lett. strädät^''-, jät im Sinne von ,,fahren" (Kur. Wb. S. 40)i®, kadiks „Wacholder" (S. 114, Kur. Wb. S. 41), vgl. kadegis „Wacholder" (Elb. Vok. S. 208), lit. kadagys „Wacholder", lett. kadags^^; Ifiekuzes „Tannenzapfen" (S. 96, Kur. Wb. S. 43) gegen lett. ciekuzis, lit. kankorezis^°-, kimine ,,Moos" (S. 50, 74, 238) mit zem.. kiminai gegen \it. samanos, lett. sÄna^^; kurne zvejibe (S. 164 mit Beschreibung der Kurrenfischerei und des Netzes S. 167) vgl. zem. kurnai „ Z u g n e t z " l a u n a g e ,,Mittagessen", « Dazu K. Büga, R R . III, S. 188. E. Fraenkel, Die baltischen Sprachen S. 62. » K. Büga, R R . III, S. 197. " K. Büga, R R . III, S. 187. " K. Masiliünas, Kalbotyra 21 (1970) S. 45. " K. Masiliünas, a.a.O. S. 26. « K. Büga, R R . III, S. 205. " K. Büga, R R . III, S. 165, 224. " K. Büga, R R . III, S. 206f. E. Fraenkel, Die baltische Sprachwissenschaft in den Jahren 19381940, Helsinki 1941, S. 86. " K. Büga, R R . III, S. 208; E. Fraenkel, Lit. etym. Wb. I, S. 201. K. Büga, R R . III, S. 209. " K. Masiliünas, a. a. O. S. 48. K. Masiliünas, a.a.O. S. 31 mit Belegen von der Venta-Mündung. Hinsichtlich der Bewahrung von -In- und -rn- sind die vorliegenden Texte nicht einheitlich: vile „Wolle" (S. 128) < vüna-, vels „Teufel" (S. 288,
290) neben vilna (Kur. Wb. S. 83); birnes „Kinder" (S. 92, 94, 98)
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palaunage „Nachmittag" (S. 90, Kur. Wb. S. 51 palaunags) gehört zuzem. palaunage, launagas „Vesperbrot" (dafür nkur. vakarine, S. 90), lett. launags, palaunadze. Dazu launadz ,,Süden" (S. 37). Dieses Wort wird für eine frühe Entlehnung aus dem Ostseefinnischen (vgl. liv. S ü d o s t e n " , , , M i t t a g s m a h l z e i t " , estn. louna) in das Altkurische gehalten''®, mac, magaih ,,klein" (S. 102, 44) ist auch aus dem Dialekt von Perkuhnen (westl. des Libauer Sees) bezeugt®^ und steht apr. massais ,,weniger", lit. mazas, lett. mazs ,,klein" gegenüber. — Auch pü^es ,,Kaulbarsch" (S. 116, 160, pülfs S. 166) zeigt eine typisch kurische Verbreitung (vgl. püce aus Usma, Kurland, zem. puokys) im Unterschied zu lett. ^isis, Mt.pügüys „Kaulbarsch" — ruoans „Seehund" (S.206) geht mit lett.ruonis und zem. rwm's (Memelgebiet)^®; smiZÄJis ,,Sand" (Kur. Wb. S. 72), smilks (S. 122), smilkse kruoage ,,Sandkrug" (S. 68) weichen durch den i-Einschub von lit. smiltis, lett. smilts a b " ; — strikts, strikte „Köder" (S. 24, 260, 224) geht mit zem. strigtas ,,Köder" gegen lit. striegalas ,,Köder", aber mit lett. strigts „Köder"«S; truS{e), truies „Rohr, Schilf" (S. 70, 134, Kur. Wb. S. 79, unrichtig mit „Stroh" übersetzt: S. 30, 70) verbindet sich mit zem. tr{i)uSis, lett. trusis „Schilfrohr". Die Opposition truSe ,,Schilf" — salme ,,Stroh" kann im Litauischen durch nendre-Siaudas, im Lettischen durch niedresalms zum Ausdruck gebracht werden^'. Wahrscheinlich wird auch valte, valts „ K a h n " (S. 44, 142), dessen Bau S. 142ff. beschrieben wird, mit lett. valte, lit. valtis, und valktis zunächst ein altkurisches Wort sein®®. — Das Wort für „Reisig" cäkare (S. 20), neben Urs (S. 96, Kur. Wb. S. 26), immer kaln, kalns „Hügel" (Kur.
Wb. S. 41), kalnea (S. 28), kalne (S. 30), kalns (S. SO), pile „voll" (S. 228) < pilns. " E. Fraenkel, Lit. etym. Wb. S. 346; K. Masiliünas, a.a.O. S. 34; L. Kettunen, Livisches Wörterbuch, Helsinki 1938, S. 191a. E. Fraenkel, Die baltische Sprachwissenschaft S. 81 f. " K. Büga, RR. III, S. 228; E. Fraenkel, Lit. etym. Wb. II, S. 664; B. Laumane, Zivju nosaukumi S. 113. " K. Büga, RR. III, S. 228; E. Fraenkel, Lit. etym. Wb. II, S. 746. " K.Büga,RR.III,S.214f. Vgl. E.Fraenkel, Lit. Etym. Wb. II, S. 846f. " K. Büga, RR. III, S. 215f. " K. Masiliünas, a.a.O. S. 40; E. Fraenkel, Lit. Etym. Wb. II, S. 1133. '» E. Fraenkel, Lit. etym. Wb. II, S. 1192, 1193.
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iäkares (S. 232) hängt sicherKch mit lit. zägaras „dürrer Ast", iagarat „Reisig" zusammen. Die Lautverhältnisse bleiben allerdings auch bei Hinzuziehung alter Ortsnamen wie Sagare (Semgallen) unklar. — Für das im vorliegenden Text häufig vorkommende paraÄ;Moa< „erzählen" (parakvoaje S. 22, parkuoajume ,.Erklärung" S. 24, parakuoanieks ,,Erzähler" S. 32, parakuoajumea „Vorträge" S. 82, parakuoajume „Erzählung" S. 206, paseräkuoajes „erzählten sich" S. 214 vgl. auch ni apräkuoate ,,unberechenbar" S. 24) kann man zwar auf üt. rokuoti, parokuoti „erzählen" verweisen, eine speziell zemaitische oder gar kurische Verbreitung scheint sich jedoch nicht zu ergeben Um so mehr gibt das nkur. Wort und seine Bedeutung Anlaß, die Herleitung aus poln. rokowac ,,verhandeln" bzw. rachowac ,.abrechnen" in Zweifel zu ziehen®®. Abgesehen vom Wortschatz kann auch auf die Präverbien äz(lett. aiz-) und «oaz- (lett. uz-) verwiesen werden, äz- liegt vor z.B. in äzmirst „vergessen" (S. 92), äzbars „Gewürz" (S. 124), äspelnij ,,verdienten" (S. 116), assepelnijas „verdiente sich" (S. 130), äzdrauste „verboten" (S. 160), äzmaksate „bezahlt" (S. 162, 204), asserävas „zogen sich" (S. 224), ästiekifi) „genug, ausreichend" (S. 228, 318, Kur. Wb. S. 23), äzsiste „zugeschlagen" (S. 250). Dieses äz- statt lett. aiz- läßt sich auch in den kurländischen Dialekten ebenso wie in den altkurischen Ortsnamen nachweisen®*. Das sehr häufige Präverb uoaz-, das stets deutschem auf - entspricht (z.B. uoazdalet „aufteilen", uoazduot „aufgeben", uoaskart „aufhängen", uoazieta „Aufgang", uoasaildat ,,aufwärmen", uoazzobinat ,,aufzäumen") läßt sich ebenfalls im Kurländischen belegen®®, während pic, pita ( < l e t t . pec) ,,in, nach, zu" oflFenbar auf die Kurische Nehrung beschränkt bleibt®'. " K. Büga, RR. III, S. 257. " Vgl. die Belege in Lietuviq kalbos zodynas XI, Vilnius 1978, 8. 821 ff. E. Fraenkel, Lit. etym. Wb. II, 8. 742. " Belege bei K. Büga, Rinktiniai Rastai III, 8. 203, 238. J. Endzelins, LatvieSu valodas gramatika, Riga 1951, § 573. Bei D. Nitina, Prievärdu sistema latviesu rakstu valodä, Riga 1978, fehlt ein entsprechender Hinweis. J. Endzelins, a.a.O. §556; E. Fraenkel, Die baltische Sprachwissenschaft 8. 84.
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Die Steigerung der Adjektive mit juoa + Positiv begegnet ebenso auf der Kurischen Nehrung wie in SW.-Kurland®'. — Das Vordringen des maskulinen Genus (tas mars „HafF" S. 160, tas maizs „Brot" S. 118, tas mikils ,,Teig" S. 118, tas smiekils „Gelächter" S. 140^8, tas laivs „Boot" S. 208, 2123», tas ikirs „Rogen" S. 216, tas rupuzs „Kröte" S. 254 [hier Schimpfwort]) wurde auch in der Gegend von Goldingen (Kuldigs) registriert Endlich sei hier noch erwähnt, daß die für die kurisch-lettischen Dialekte bezeugte Vereinfachung von -Iv- > -l- in den vorliegenden Texten nur für cileks „Mensch" (S. 110, 140, 256, 260, 288), nicht für galve, gaivs „ K o p f " " gilt. Die starke Kürzung auslautender Längen, der Schwund der Kürzen und die Schwächung der Binnensilben wird man ebenfalls bereits dem Altkurischen zuschreiben dürfen, da diese Folgen eines Anfangsakzents sowohl in den kurländischen als auch in den zemaitischen Dialekten ihre Spuren hinterlassen haben. Aus der vorgelegten Auswahl des Materials, die weder hinsichtlich des Materials selbst noch hinsichtlich der angeführten Belege Vollständigkeit anstrebt, geht m. E. klar hervor, daß das Nehrungskurische ein kurländischer Dialekt ist und sich von den kurländischen Dialekten — von Kleinigkeiten einmal abgesehen — durch einen starken litauischen und noch stärkeren deutschen Einfluß unterscheidet^^. " J. Endzelins, a . a . O . § 3 2 6 b ; E. Fraenkel, D i e baltische Sprachwissenschaft S. 82. " Beispiele dieser Art zeigen, daß m a n mit dem Ansatz eines kurischen Suffixes -ila- vorsichtig sein muß. Einerseits handelt es sich u m anaptyktisches kil- < *kl-, zum anderen ist es wohl mit Schwächung der Mittelsilbe aus -ela- entstanden. Vgl. noch J. Kabelka, Baltij filologijos jvadas S. 72. Beachte aber auch ht. laivas, laive neben lett. laiva. " E. Fraenkel, Baltische Sprachwissenschaft S. 79. " D a z u K. Büga, R R . III, S. 223. Ein schönes Beispiel für eine falsche U m s e t z u n g aus dem Deutschen ist e t w a Pradieme es hij tw vale un iesite tuoa cele pits jüre plüdume (8. 252) ,,Bald war ich auf der Vordune und s c h l u g den W e g zum Ostseestrand e i n " mit ieaiat ,,einschlagen" (z. B. v o n Nägeln), u m v o n Fällen wie vecaiss aievea vaaara „Altweibersommer" (S. 254) gar nicht erst zu reden.
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Es erhebt sich abschließend die Frage, wie sich denn das Nehrungskurische und die kurländischen Dialekte zum Altkurischen verhalten. Zunächst ist hervorzuheben, daß sich mit Ausnahme der Diphthongierung vor r die wichtigsten lautlichen Merkmale wie k > c, g > dz, Bewahrung von an, en, in, un, von ei (> c), S > s, z > z*^ sowohl aus den kurländischen Dialekten als auch in den altkurischen Ortsnamen belegen lassen. Aus der Morphologie kann man dazu auch noch den Dat. Plur. auf -ams stellen. Diese Merkmale finden sich auch in Simon Grunaus Vaterunser aus dem Jahre 1526''^. Abgesehen von F. Scholz's eingangs erwähnter Meinung (oben S. 257f.) ist man jedoch der Ansicht, daß das Nehrungskurische nicht die Fortsetzung des Altkurischen ist^®. Die Aussage, daß das Altkurische einen Übergangsdialekt zwischen West- und Ostbaltisch darstellt^«, beruht im Wesentlichen auf Fällen des oben besprochenen Typus dzintars, mence, sowie auf einer beträchtlichen Reihe preußisch-altkurischer Ortsnamengleichungen Da uns aber ein Einblick in das kurische Flexionssystem fehlt, könnte der Beweis, daß die kurländischen Dialekte direkte Nachfolger des Altkurischen sind, nur dadurch erbracht werden, daß z.B. die Wörter, die an, en, un bewahrt haben, nicht zum kurischen Substrat gehören, sondern zu kurländischen Dialekten, während die Wörter mit normaler lettischer Vertretung entlehnt sind. Das trifft in manchem Einzelfall gewiß zu (z.B. für priede ,,Kiefer"), führt aber zu schwerwiegenden Widersprüchen in der Morphologie (z. B. im bestimmten Adjektiv, in der Nominal- und Verbalflexion), so daß man das
" Vgl. dazu J. Endzelins, Darbu izlase II, Riga 1974, S. 440-453 (1912); S. 454-465 (1912); II, S. 504-512 (1913/14); III 1, Riga 1979, S. 431434; S. 549ff. (1926, 1931); III 2, Riga 1980, S. 553-565 (1940); Latviesu valoda8 gramatika § 2; K. Büga, RR. III, Vilnius 1961, S. 156251 (1924). J. Kabelka, Ivadas S. 63-73. A. Girdenis in: lä lietuviq etnogenezes, Vilnius 1981, S. 19-26. Vgl. auch M. Rudzite, Latviesu Dialektologija, Riga 1964, S. 149ff. " Dazu W. P. Schmid, IF. 67 (1962) S. 261-273. Zuletzt J. Kabelka, Ivadaa S. 73. " J. Endzelins, Darbu izlase II, S. 443, 456. " Dazu zuletzt W. P. Schmid, Baltische Namen längs der Ostseeküste (im Druck).
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Altkurische besser auch weiterhin als baltisches Substrat von den kurländischen Dialekten getrennt hält. Die vorangehenden Ausführungen können nur ein erster Versuch sein, mit den Problemen, die das Nehrungskurische bietet, fertig zu werden. Ihr Hauptanliegen war es, den Zusammenhang mit den kurländischen Dialekten darzustellen, so daß andere Fragen wie z.B. die slavischen Lehnwörter (wie z.B. nebastiks ,,der Verstorbene" S. 318, < lit. nabaStikas [weißruss. poln. niehoszczyk'\, viiere „Abendmahl" S. 296: smertaiäs „der Tote", oder cists ,.sauber" und miest „Stadt = Memel") oder die deutschen Einflüsse auf Syntax und Wortschatz unberücksichtigt blieben. Man wird hoffen, daß weiteres, sorgfältiger publiziertes Material das jetzt vorliegende abzusichern, zu ergänzen und aufzuhellen vermag.
Das sprachgeschichtliche Problem Alteuropa Sprachwissenschaft 8 (1983), S. 101-113
Wenn ein Indogermanist sich des Begriffs Alteuropa bedient und dieses auch noch als sprachgeschichtliches Problem* bezeichnet, dann ist von vorneherein klar, daß er nicht über Alteuropa im Sinne der Prähistoriker^ und auch nicht über die geographischen Grenzen Europas in der europäischen Sowjet-Union^ zu reden beabsichtigt. Also ist er verpflichtet anzugeben, was er unter dem Terminus Alteuropa verstehen will. Lassen Sie mich daher als erste These festhalten: 1. Alteuropa ist ein Begriff der Namenforschung, mit weichem eine noch niher zu bestimmende Klasse von GewSssemamen in Europa bezeichnet wird.
Es geht also nicht um Sprachen, sondern um Gewässernamen, die als Namen im Gegensatz zu den Appellativen keine Abstrakta bilden können. Zum Adjektiv lauter kann man ein Abstraktum Lauterkeit bilden, von grün das Grüne, aber von der Lauter, der Lutter, dem Lauterbach oder der Grone ist das nicht möglich. Weiterhin unterscheiden sich die Namen von den Appellativen dadurch, daß sie keine Wortfelder bilden. Die Farbadjektiva, Wörter der Geschwindigkeit, oder auch die Wasserwörter wie Rinnsal, Graben, Bach, Fluß, Strom lassen sich in Wortfelder anordnen. Die Namen, auch dann, wenn sie mit Wasserwörtern komponiert sind, ergeben kein Wortfeld. Namen sind endhch (im Gegensatz zu Personalausweisen) grundsätzlich übertragbar: von Gewässern auf Orte oder umgekehrt, von Personen auf Orte, Hunde oder Kühe. Ihr Vorteil aber liegt darin, daß sie in der Regel eindeutig einem bestimmten, geographisch genau angebbaren Ort oder Gewässer zugeordnet werden könOberarbeitete Fassung eines Vortrags, der am 10. Dezember 1982 an der Universität Münster gehalten wurde. ^ Man vergleiche M. Gimbutas, Old Europe in the fifth Millennium B. C., in: The Indo-Europeans in the Fourth and Third Millennia, ed. E. C. Polom^, Ann Arbor 1982, S. If. ^ Sieh M. Hellmann, Die Geschichte Osteuropas im Rahmen der europäischen Geschichte, Historisches Jahrbuch 94 (1974) S. 1-24.
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nen. Selbst dann, wenn sie bei großräumiger Betrachtungsweise mehrfach vorkommen, wie Schwarzbach, Weißbach, sind sie doch in dem Bereich, in dem sie als Namen fungieren, eindeutig bestimmt. Der weiße Bach ist eine Bezeichnung, der Weißbach ist eine Benennung, der mit dem Adjektiv weiß gar nichts mehr zu tun hat. Seine Benennung erhält er erst von dem Gewässer, das er benennt'. Doch welche Namen sind nun alteuropäisch? Wenn man sich ein beliebiges Untersuchungsgebiet auswählt, dann finden sich darin immer eine Fülle der verschiedensten Gewässernamen: Elbe, Eider, Schwentine, Trave, Steinbach, Dieksee, Gösebek, Kremper Au, Stramin. Welche Kriterien gibt es, aus diesen nur durch die Geographie zusammengehaltenen Namen eine bestimmte Klasse von Namen auszuwählen und diese mit dem Terminus alteuropäisch zu belegen? Obwohl die eben angeführten Gewässer alle in heute deutschem Sprachgebiet liegen, deren Namen also der deutschen Sprache angehören, sind sie doch historisch von recht unterschiedlicher Herkunft. Das heutige Nebeneinander wird in ein historisches Nacheinander aufgelöst: Der Name Steinbach könnte so noch heute gebildet werden. Dieksee und Gösebek führen ins ältere Niederdeutsche. Die Kremper Au steht für einen älteren Namen Krempine, und dieser ist ebenso wie Schwentine und Stramin slavischer Herkunft^. Bei der Zuordnung von Trave (älter Travena). Eider (älter Egidora), bestehen Unsicherheiten, und erst mit der Elbe kommen wir in die antike Überlieferung (Albis, Tacitus). Das allein reicht jedoch noch nicht aus, diese Namen für alteuropäisch zu halten. Wenn es auch richtig ist, daß die ältesten Namen häufig den größten Flüssen anhaften, darf das doch nicht verallgemeinert werden. Der größte Fluß Europas, die Wolga, trägt ebensowenig einen alten Namen wie Dnjepr oder Dnjestr. Dagegen sind die Asphe bei Marburg oder die Waake (zur Leine) kleine Flüsse mit alten Namen. Halten wir also fest, daß aus der Menge der überlieferten Gewässernamen zunächst all diejenigen ausgesondert werden, die von der Sprachgeschichte erfaßt und aus bekannten Einzelsprachen erklärt werden können. Dann bleiben einige Namen übrig, die sich einer solchen Zuweisung ' Zur Abgrenzung der Namen von den Appellativen zuletzt: Proceedings of Thirteenth International Congress of Onomastic Sciences, Cracow, August 21-25, 1978, ed. by K. Rymut, I, Wrocfaw, Warszawa, Krakow, Gdansk, todz 1981; darin auch: W. P. Schmid, Das Verhältnis Eigenname/Appellativum innerhalb der alteuropäischen Hydronymie, S. 91-100; W. P. Schmid, Die alteuropäische Hydronymie. Stand und Aufgaben ihrer Erforschung, BNF. NF. 16 (1981) S. Iff. ^ Zu diesem Namen. Antje Schmitz, Die Orts- und Gewässernamen des Kreises Ostholstein, Kieler Beiträge zur Deutschen Sprachgeschichte 3, Neumünster 1981, s.v. dazu W. P. Schmid BNF. NF. 17 (1982) S. 250-252.
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widersetzen. Ihre Zahl Hegt in der Regel unter 5 Prozent der Namen des jeweiligen Untersuchungsgebiets. Unsere zweite These lautet daher: 2. Eine Voraussetzung für die Zuweisung zu den alteuropäischen Gewässernamen ist unter anderem die, daß der jeweilige Name nicht aus den Sprachen erklärt werden kann, die heute oder in historischer Zeit an den Ufern des von ihm benannten Gewässers gesprochen wurden.
Am Beispiel der Eider und der Elbe haben wir jedoch bereits gesehen, daß die Altertümlichkeit des Namens und die antike Überlieferung nicht ausreichen, um einen Namen für alteuropäisch zu erklären. Als weitere Bedingung kommt hinzu: 3. Ein alteuropäischer Name muß aus der Gesamtheit des indogermanischen Wortschatzes und seiner Morphologie erklärbar sein.
Das bedeutet, daß die alteuropäische Hydronymie nicht ausschließt, daß es in ihrem Gebiet auch nichtindogermanische Namen geben kann^. Auf der anderen Seite impliziert diese These aber auch, daß wir damit rechnen, in Europa auch Namen zu finden, die nur mit Hilfe jenes Wortschatzes zu erklären sind, der appellativisch nur außerhalb Europas erhalten ist. So läßt sich zum Beispiel der Name der Sinn Main) nur mit Hilfe von altind. sindbu- 'Fluß', der der Donau mit iran. dänu 'Fluß' deuten. Im Falle von Eider und Elbe reicht jedoch auch diese Bedingung nicht aus. Der Name Eider geht auf ein Kompositum egi-dora zurück. Gleichgültig, ob man in egi einen Verwandten von got. agis 'Furcht' erblickt, oder an anord. ^gir'Gott des Meeres' anknüpft^, es handelt sich um ein Kompositum, und Komposita dieser Art können nicht zur Gesamtheit des indogermanischen Wortschatzes gerechnet werden. Aus dem gleichen Grund muß die Oker im Harz {{Ovakara') ausgeschieden werden. Auch hier handelt es sich um einen alten Namen, aber nicht um einen alteuropäischen. Dagegen hält der Name der Elbe auch unserer dritten These noch stand, denn die Wurzel *albh- kommt zwar im Germanischen vor, (zum Beispiel ahd. albiz 'Schwan'), im Nordgermanischen auch als Appellativum für Fluß (anord. elfr), aber die älteste Überlieferung des Namens schließt eine direkte Herleitung aus diesen Appellativen aus. Damit gelangen wir zur vierten These: 4. Ein alteuropäischer Name muß die Struktur: Lexikalisches Wurzelelement L + Derivationsmorphem M^ * (meist einzelsprachlich angepaßtes) Flexionsmorphem M^ besitzen.
® Sieh W. P. Schmid, IF. 82 (1977) S. 314. ^ Sieh Guörun Kvaran Yngvason, Untersuchungen zu den Gewässernamen in JUtland und Schleswig-Holstein, Dissertation Göttingen 1981, S. 15-17. ^ H. Krähe, Unsere ältesten Flußnamen, Wiesbaden 1964, S. 79.
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Die lexikalischen Wurzelelemente vom Typ *el/ol-, *pel-/pol-, "er-for-, *av-, "y^ed/y^od- und viele andere gruppieren sich im Wortfeld von fliessen, Fluß, Flüssigkeit, Feuchtigkeit, Nässe, Meer, Sumpf et cetera. Die Derivationsmorpheme wie -a, -o-, -nt-, -r-, -/-, -»-, -m-, -eso-/-iso- ergeben häufig eine ganze Reihe von Namen, die von der gleichen Wurzel abgeleitet sind. So fügt sich der Name Elbe in eine Kette von Namen wie *Alba, *Albina, *Almos, *Albantia, Albula, Albira et cetera® ein. Auf diese Weise läßt sich auch der griechische Gewässername Alpheiös ausklammem, denn einerseits ist likifi&: 'weiß' im Griechischen bezeugt, zum anderen ist die Ableitung -eios typisch griechisch und gehört nicht zu dem alteuropäischen Suffixinventar. Wichtig ist weiter, daß M^^ + M2 niemals einen Konsonantstamm ergeben dürfen. Man könnte meinen, daß das mit dem allgemeinen Schwund der Konsonantstämme in den indogermanischen Sprachen zusammenhängt. Doch das fuhrt zu Widersprüchen, denn im Litauischen ist der «-Stamm akmuo bis heute erhalten. In den Gewässernamen gibt es jedoch nur ein Akmena. So scheidet der griechische Flußname der Unterwelt Styx aus, sein Namenvetter Stugna (-»• Dnjepr) erfüllt die bisher aufgesteUten Bedingungen. Damit kommen wir zur fünften Bedingung: 5. AlteuropUach ist ein GewiMcmame dann, wenn er in Europa mindestens einen altertümlichen Wurzel- und strukturverwandten Namen als Entsprechung hat.
Für den Namen der Elbe haben wir einige solche Verwandte schon aufgezählt, so daß wir diesen Namen nun definitionsgemäß als alteuropäisch bezeichnen dürfen. Dagegen scheidet der Eider-N^me aus, weil er die Bedingungen vier und fünf nicht erfüllt. Doch hier taucht eine ernste Gefahr auf. Bei den Namen Rhein und Donau wissen wir, daß sie mehrfach übertragen worden sind, so daß Wiederholungen nichts beweisen. Außerdem können die zugrunde liegenden Appellativa einzelsprachlich erhalten geblieben sein. So ist der Ausgangspunkt von Rhein *rei-no- in kelt. rian 'Meer' bewahrt. Iran, dänu- findet sich in osset. don wieder, und *Avant(i)a, Grundlage einer ganzen Reihe alteuropäischer Namen, ist in lett. avots 'Quelle' bewahrt, so daß Wiederholungen der jeweiligen Namen, also Reno im Keltischen, Don im Kaukasus, Avanta im bahischen Bereich für die Zuweisung des Attributs alteuropäisch nicht in Anspruch genommen werden können. Fassen wir zusammen: Alteuropäisch nennen wir Namen von Gewässern, die (1) nicht einzelsprachlich, (2) aus der indogermanischen Grammatik lexikalisch und morphologisch als Ableitungen aus der Wurzel ® H. Krabe, ebenda, S. lOlf.
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Das sprachgeschichtl. Problem Alteuropa
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erklärt werden können, und (3) eine übereinzelsprachliche Verbreitung aufweisen. Namen dieses Typs flnden wir von Spanien bis an den Don, von Skandinavien bis auf den Balkan in unterschiedlicher Dichte und Verbreitung. Trägt man nun diese Namen auf eine Karte ein, dann zeigt sich immer wieder, daß es im Baltikum eine kaum glaubliche Verdichtung, ein Häufigkeitszentrum gibt'. Ist das ein Ballungszentrum, ein Ausstrahlungszentrum oder noch etwas anderes? Zum Verständnis dieses Zentrums muß man wissen, daß die baltischen Sprachen im Sprachvergleich eine wichtige Rolle spielen. Gleichgültig, ob man Wortschatz und Grammatik der westlichen, südlichen oder östlichen Sprachen untersucht, immer wieder gibt es auffallende Entsprechungen im Baltischen. Die indogermanischen Isoglossen überschneiden sich im Baltikum. Man kann weiter feststellen, daß die meisten indogermanischen Sprachen erhebliche Wanderbewegungen durchgemacht haben. Kelten, Germanen, Italiker, Griechen, Slaven, Armenier, Indo-Iranier sind gewandert. Von den Balten dagegen wissen wir nur, daß sich ihr Sprachraum im Laufe der Geschichte erheblich eingeengt hat. Auch die historischen Kriegszüge und Handelszüge der Wikinger und der Hanse haben zwar auf der Düna durch das Baltikum geführt, haben aber dort abgesehen von den Rändern kaum Spuren hinterlassen. Als die Litauer zur Zeit der Kreuzzüge selbst eine politisch bedeutende Macht Osteuropas darstellten, haben sie sich slavischer Idiome als Verkehrssprache bedient. Das heißt, das Baltische ist eine sehr bodenständige, konservative Sprache geblieben. Man konnte also noch Namen nach alten Mustern bilden zu einer Zeit, wo man im übrigen Europa schon längst zu neuen Bildungstypen gegriffen hatte. Das baltische Zentrum ist also weder ein Ballungszentrum noch ein Ausstrahlungszentrum, sondern einfach ein Kontinuitätszentrum. Solche Brüche wie im germanischen Gebiet mit Namen ohne erste Lautverschiebung wie Lippe, Leine « * Lagina), Neckar, Donau, Oder, Regen, oder wie Arno in Italien (statt zu erwartendem *Omo) gibt es im Baltischen nicht. Aus der Existenz eines solchen Kontinuitätszentrums ergibt sich zugleich, daß die in der alteuropäischen Hydronymie verwendeten Wortbildungsmittel nicht gleichmäßig über das gesamte Gebiet verteilt sind. So sind -wf-Suffixe in Mitteleuropa und im Baltikum häufig, nach Osten werden sie immer seltener. Umgekehrt sind die v Suffixe im Osten sehr häufig, im Westen aber ausgesprochen selten {Saar < Sarävus)^°,
' W. P. Schmid, IF. 77 (1972) S. 1-18; W. P. Schmid, Indogermanische Modelle und osteuropäische Frühgeschichte, Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur. Geistes- und sozialwissenschaftliche Klasse 1978, 1. W. P. Schmid, Zeitschrift fUr Ostfoischung 28 (1979) S. 405ff.
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und das heißt, daß mit zunehmender Materialkenntnis auch dieMögUchkeit einer dialektalen Gliederung des Gesamtgebiets wächst und damit Übergänge zu den Einzelsprachen sichtbar werden. Außer dem Kontinuitätszentrum lassen sich noch weitere Besonderheiten aus der alteuropäischen Hydronymie ablesen. Erwähnen möchte ich die Baltikum-Balkan-Linie, wobei Linie vielleicht besser durch Streifen ersetzt werden soUte, denn man kann diese 'Linie' nicht nur von Ostpreußen nach Griechenland ziehen, sondern ebenso von den WaldajHöhen zum Balkan. Lassen wir hier die Kentum/Satem-Frage und mit ihr die Frage der Labiovelarvertretung beiseite, dann bleibt zum Beispiel übrig, daß westlich dieser Linie sonantisches *-r- eine einfache Vertretung hat (germ. -ur-, kelt. -ir-). östlich davon gibt es aber eine Mehrfachvertretung {-ir-, -ur-, -ar-). Das schon erwähnte Flußwort dänu- erscheint in diesem Streifen als dan- oder dun-. Das bekannte Wasserwort äp/aperscheint im Westen nur als ap-, an der Baltikum-Balkan-Linie als äp-/ ap-/up-, im Osten nur als äp/ap-. Die Wurzel *dhü- 'aufwirbeln' wird im Westen für Sandaufschüttungen und Erdaufschüttungen gebraucht, längs der Baltikumlinie und Balkanlinie auch für Wasserbewegungen^'. Wenn wir nun geneigt sind, die Existenz einer alteuropäischen Hydronymie zu bejahen und auch das baltische Kontinuitätszentrum zu akzeptieren, dann wird man fragen, welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Ich möchte zunächst ein paar Bemerkungen zum Baltikum vortragen, dann einiges zum Verhältnis Griechenland und Alteuropa anschließen und endlich auch noch das Germanische in Augenschein nehmen, ehe wir die Ergebnisse für das Indogermanische zusammenfassen können. Wenn wir vom baltischen Zentrum sprechen, dann muß die Frage auftauchen, wie sich denn dieses zu den dort gesprochenen ostseefinnischen Mundarten, also zum Livischen an der kurischen Küste und zum Estnischen in Estland verhält. Sucht man doch auch ostseefinnische Lehnwörter und Namen selbst in Litauen und im ehemaligen Ostpreußen^ ^. Nehmen wir den Namen des Volcbow, der den limensee mit dem Ladoga-See verbindet und der Nowgorod zu seinen historischen Berühmtheiten zählen darf. Der Name läßt sich aus dem Russischen nicht erklären. Vergleicht man ihn mit seiner finnischen Form Olhava, dann wird klar.
W. P. Schmid, Gewässernamen zwischen Danuvius und Don, Festschrift M. Braun (im Druck). ^^ H. Gomowicz, Toponomia Powisfa Gdanskiego, Pomorskie monografie toponomastyczne 4, Gdarisk 1980, S. 253 zum FIN. Lima. Dagegen J. Udolph, BNF. NF. 16 (1981) S. 425ff. A. Vanagas, Lietuvi^ Hidronimij etimologinis Sodynas, Vilnius 1981, passim. Man vergleiche W. P. Schmid, Indogermanistische Modelle, S. 16.
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Das sprachgeschichtl. Problem Alteuropa
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daß Volchow eine Russifizierung des finnischen Namens darstellt. Den f-Vorschlag kennen wir auch aus russ. vosem "acht", und daß a > o wird, ist keinem Slavisten fremd. Aber Olhava ist auch kein finnischer Name. Das finnische h setzt (wie die baltischen Lehnwörter im Finnischen beweisen) ein baltisches s voraus. Und so ergibt sich eine Form *Al!ava. Diese rekonstruierte Form hat aber eine genaue Entsprechung in lett. Aisava (mit lett. s < s), so daß sich der heutige Volchow als ein alter baltischer Name entpuppt. Auch in den weiter westlich gelegenen Gebieten läßt sich zeigen, daß die finnischen Namen, zumindest der größeren Flüsse, Fennisierungen darstellen. Die Dvina (heute Daugava), estn. Väina, liv. Vena, kann schon wegen ihrem Anlaut keinen finnischen Namen tragen. Die Gauja ist fennisiert zu Coiwa und hat mit finn. koivu 'Birke' nichts zu tun. Die Lone und Ruoja, kleinere Gewässer in Nordlivland, erweisen sich als gut baltische Namen. Wir können also feststellen, daß das Ostseefinnische bereits auf eine gut baltische Namenschicht trifft und dort als Superstrat angesehen werden muß. Die Liven und Esten sind also keine von den Balten abgedrängten ostseefinnischen Reste, sondern nachträglich eingedrungene, in Livland allmählich vom Lettischen aufgesogene Einwanderer. Eine ähnliche Überschichtung können wir auch am Namen des Dnjepr beobachten. Der älteste Name des Dnjepr scheint in dem Namen Oaros bei Herodot überliefert zu sein, und das ist nichts anderes als der in Alteuropa und im Baltikum weitverbreitete Name Varus, Varia et cetera, welcher zu altind. väri 'Wasser' gehört. Die antike Überlieferung nennt den Fluß, offenbar vom Mündungsgebiet aus, Borysthenes. Dieser Name ist ein iranisches Kompositum (bär-ustana 'ausgedehnter Sumpf). Ihm folgt im 10. Jahrhundert ein anderes iranisches Kompositum Danapris, welches seinerseits Grundlage einer am Mittellauf eingetretenen Slavisierung zu D-bneprh unterliegt^'. Ein besonderes Problem der alteuropäischen Hydronymie stellen ihre Grenzen dar. Am wenigsten untersucht ist der Westen^"^. Solide auf breitem Material aufgebaute Untersuchungen fehlen, so daß wir über den Grenzverlauf in Spanien oder Frankreich keine gesicherten Erkenntnisse haben. In Italien kennen wir eme Fülle alter Namen, die man nicht ^^ W. P. Schmid, Indogermanistische Modelle, S. 18ff. Genauer demnächst im Reallexikon der Germanischen Altertumskunde s.v. Dnjepr. 14 Die jüngsten Veröffentlichungen, wie A. Tovar, Krahes alteuropäische Hydronymie und die westindogermanischen Sprachen, Sitzungsberichte der Heideiberger Akademie der Wissenschaften. Phil.-Hist. Klasse, 1977,2; A. Tovar, Die Indoeuropäisierung Westeuropas, Innijruck 1982j W. F. H. Nicolaisen, Thirty Years Later, Thoughts on a Viable Concept of an Old European Hydronymy, Festschrift fUr Johannes Hubschmid zum 65. Geburtstag, Bern - München 1982, S. 139-148, enthalten kein weiterführendes Material.
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ohne weiteres als Übertragungen ansehen kann. Doch ein kleines Stückchen weiter scheint man jetzt auf dem Balkan vorankommen zu können. Auf einst thrakischem Gebiet, also jenen Gegenden, die heute zu Bulgarien und Nordgriechenland gehören, finden sich eine Fülle von Namen, die Anschluß im Baltikum oder überhaupt in der alteuropäischen Hydronymie finden. Hier nur einige wenige Beispiele: Almus (heute Lom, " Donau) i4f germ. *Walhöz^^
und der Völker-
genannt, um anzudeuten, daß die
germanischen Stämme sowohl jenes Waldgebirge In noch vorkeltischer Form (die germanischen Formen setzen noch das p- voraus, das in der keltischen Form schon zu Aristoteles Zeiten geschwunden ist) kennenlernten,
als auch keltische Völkernamen der
Lautverschiebung unterwerfen konnten. Auch der Name des Rheins wurde ihnen noch in vorkeltischer Form bekannt^®. Dagegen blieb der Ncime der Donau (Danuviua)
von der germanischen Lautverschie-
bung verschont. Aus alledem ergibt sich, daß es germanisch-keltische Kontakte noch vor Ausbildung der typischen lautlichen Eigenschaften beider Sprachgruppen gegeben haben muß, die anhielten auch über die Zeit der Lautverschiebung hinaus, bis Entlehnungen oder Veränderungen dieser Art auftauchen (got. kslikn,
siponeis).
Das
Wichtigste daran aber ist dies, daß die Lautverschiebung noch nicht abgeschlossen war, als germanische Stämme den Rhein erreichten. Man kann das auch etwas anders, provokativer, ausdrücken und feststellen, daß das Germanische in lautlich-phonologischer Hinsicht noch kein Germanisch war, als es In Berührung mit keltisch sprechenden Stämmen kam. Da die Lautverschiebung nun aber zum Wesenszug des Gemeingermanischen gehört, fragt es sich, ob man im sprachlichen Sinne eigentlich schon von Germanisch sprechen darf, als die in antiken Quellen Germanen genannten Stämme der Herkynischen Wald oder den Rhein erreichten. ^^ KRÄHE (wie Anm. 1) S. 127f.; RUDOLF MUCH, Die Germania des Tacitus, 3. Äufl. von HERBERT JANKUHN und WOLFGANG LANGE, Heidelberg 1967, S. 366, 377; BIRKHAN (wie Anm. 1) S. 239. KRÄHE (wie Anm. 1) S. 142f.; MUCH (wie Anm. 13) S. 351f.; JAN DE VRIES, Kelten und Germanen, Bern-München 1960, S. 71f. MARCEL LE GLAY, Artikel 'Volcae' (Der Kleine Pauly 5, München 1975, Sp. 1318-1319); DE VRIES (wie Anm. 14) S. 68. Beachte auch die Entlehnung dieses Namens in die slav. Sprachen (russ. voloch, poln. alooh etc.). ^^ Wahrend der Rhein ist, muß der Reno,
{Rhenue, Rtn) ein vorkeltischer alteuropäischer Name an welchem Bologna liegt, ein keltischer Name sein).
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Bei diesen Überlegungen muß darauf hingewiesen werden, daß bis jetzt ausschließlich von lexikalischen Oberelnstiinniungen die Rede war. Die Betrachtung morphologischer Vergleichspunkte zeigt auffallend magere Ergebnisse. Man kann z.B. verweisen auf got. manag-du^B "Menge", altir. bethu "Leben" (allerdings spielt bei dem hier verwendeten Abstraktsuffix *tüt- auch das Lateinische mit {virtus, eeneatus)^^, oder auf ahd. fiohta, fiuhta "Fichte" neben altir. oohtaoh "Fichte", die beide mit einem Dentalsuffix erweitert sind, während lit. puSie, altpreuss. peuse, griech. iieöiin diese vermissen lassen. Die verschiedenen Ablautstufen in lit. pueie und apr. peuse wiederholen — — 18 sich in der kelt.-germ. Entsprechung (*puhtako-/ peühta) Sieht man von Einzelheiten dieser Art ab, läßt sich feststellen, daß sich die germanisch-keltischen Gemeinsamkeiten fast völlig auf das Lexikon beschränken, während Neuerungen, die das grammatische System betreffen - von einer noch zu besprechenden Ausnahme abgesehen - zu fehlen scheinen. Das bedeutet, daß der grammatische Bau des Germanischen und Keltischen mehr oder weniger abgeschlossen gewesen sein muß, als diese Sprachen noch vor der germanischen Lautverschiebung in Berührung kamen. Wenn wir uns aber bereit finden, auch noch vor der Lautverschiebung vom Germanischen zu sprechen, dann kann uns dazu nur der grammatische Bau die Berechtigung geben und dieser ist - wie sich sogleich zeigen wird - in Nachbarschaft vor allem des Baltischen entstanden. Wir werden also im Folgenden auf die Besprechung von lautlichen Besonderheiten verzichten, obwohl z.B. die Seltenheit des idg. *b gerade in den germanisch-baltischen
Beziehungen nicht gilt. Wir werden auch nicht auf die zahl19
reichen germanisch-baltischen Isoglossen eingehen, obwohl diese die germanisch-keltischen Übereinstimmungen weit in den Schatten stellen. Wir beschränken uns also auf einige morphologische Gemeinsamkeiten, die die Pronomina, Adjektiva und Verben in beiden Sprachkreisen aufweisen. Zum Abstraktsuffix *-tüt- vgl. MÄNU LEUHANN, Lateinische Grammatik I , München ^1977, S. 375; WOLFGANG MEID, Indogermanisch und Keltisch, Innsbruck 1968, S. 12; zuletzt SCHMIDT (wie Anm. 1) S. 132. 1 fl
19
PAUL FRIEDRICH, Proto-Indoeuropean Trees, Chicago-London 1970, S. 31-38. Dazu CHRISTIAN S. STANG, Lexikalische Sonderübereinstimmungen zwischen dem Slavischen, Baltischen und Gennanischen, Qslo-Bergen-Troms^ 1972.
[717]
353
Bemerkungen zum Werden des „Germanischen"
1) Dem gotischen Dativ des io-Pronomens: [ amma
(mit * sm > mm)
steht ahd. demu mit einfachem -m- gegenüber. Bevor man versucht, dies als Vereinfachung in schwachtoniger Stellung zu erklären^®, wird man darauf hinweisen, daß eben dieses Nebeneinander auch im Baltischen zu belegen ist. Neben dem altpreußischen Dativ stesmu steht das ostbaltische tam(ui), das auch das Slavische kennt (russ. tomu)^^, In jedem Falle aber scheint das pronominale -(s)m-
der Ausgangspunkt für die sogenannten ra-Kasus
im Germanischen, Baltischen und Slavischen zu sein. Ein Zusammenhang mit Punkt (2) und (3) ist unverkennbar. 2) Diese drei Sprachgruppen haben eine doppelte Adjektivflexion ausgebildet (mit im Einzelnen divergierender Verwendungsweise) , wobei allerdings das Baltische und Slavische zur Bildung des schwachen Adjektivs das Pronomen -jis anfügen, das Germanische aber von der in ihm so produktiven n-stämmigen Flexion Gebrauch macht.
3) Bemerkenswert ist nun aber, daß das germanische starke Akjektiv dort pronominale Endungen aufweist, so sie auch das Baltische besitzt und dies dazu noch in allen vergleichbaren Stammklassen: Nom. Sing.
Dat. Sing.
Nom. Plur.
Dat. Plur.
Got.
blinds
blindamma
blindai
blindaim
Lit.
geraa
geram
gevi
geriems
Got,
midjie
midjamma
midjai
midjaim
Lit.
didis
didziam
didi
didiems
Got.
hardus
hardjamma
hardjai
hardjaim
Lit.
bvangua
brangiam
brangus
brang-Cems
[Der nicht-pronominale Nom. Sing, wird in dieser Tabelle nur zur Angabe der jeweiligen Stammklasse aufgeführt.]
Dazu hat das Gotische noch Pronominalformen im Akkusativ Sing, und Genitiv Plural, wo das Litauische sie nicht kennt. Das
20 21 22
HANS KRÄHE, Germanische Sprachwissenschaft I, Berlin 1966, S. 113 (§ 98,1), II, Berlin 1967, S. 61. FRANZ SPECHT, Litauische Mundarten II, Leipzig 1922, S. 105; JÄNIS ENDZELINS, Latviesu valodas gramatika, Riga 1951, S. 525.
Die dem got. haPdjai entsprechende For erscheint in der bestimmten P o m bpanaie,ii.
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Festschrift R. Schmidt-Wiegand (1986)
[718]
Litauische dagegen hat eine pronominale Endung auch noch Im Lokativ Sing., der Im Germanischen nicht vorhanden Ist. Die aufgeführte Tabelle bedarf wohl keines weiteren Kommentars. Die Frage, warum gerade diese Kasus dem Einfluß des Pronomens unterlagen, der Genitiv Singular oder der Akkusativ Plural aber nicht, ist nicht zu beantworten. 4) Auch bei der Stelgerung der Adjektlva gibt es auf den ersten Blick zwar nur schwer erkennbare Übereinstimmungen. Das got. Komparativsuffix -izan-
wird völlig unabhängig von der
Stammbildung des Adjektivs an die Wurzel angefügt. Wie einige Substantive beweisen *auhsa
(got. aha
ahne;
"Ehemann", Genitiv Plur.
"Ochse", Genitiv Plur. aukene),
darf im n-stämmigen Para-
digma auch mit schwundstufigen Formen des Suffixes gerechnet werden, d.h. neben -izin-
*-izn-
kann in obliquen Kasus auch ein
angenommen werden. Das litauische Komparativ-Suffix -esnia
ist
ebenfalls unabhängig von der Stammbildung des Adjektivs. Alte Texte zeigen, daß die heutige -io-stämmige Flexion auf i-stämmlge Formen weisen und dies spricht für eine ältere konsonanti-ies-/
sche Flexion. Das bedeutet, daß das Komparativ-Suffix
-jos- sowohl Im Gotischen als auch im Litauischen^^ in die n-Stämme überführt wurde mit dem Unterschied, daß man auf der germanischen Seite die Schwundstufe des Suffixes *-is-, auf der baltischen Seite seine vollstufige Form verallgemeinert. 5) Unter den meist denominativen Verben der zweiten schwachen Klasse finden sich in den germanischen Sprachen auch Deverbativa, mit o-Ablaut der Wurzelsilbe und Stammsuffix
-a.
Sie haben genaue Entsprechungen im Baltischen: got. wairban - uarbon
"wandeln"
- llt. feerpjJ - karpaS
"schneiden"
ahd. grlfan
- greifon
"greifen"
- lit. griebiu
- graibcäl
"greifen"
ahd. dinaan
- danaon
"ziehen"
- lit. tfaiü
- tfscn!
"dehnen"
ahd. drivgan
- drangon "drängen"
- lit. trenkiü
- trankm! "schlagen".
Zu *-je8- > lit. -es- vgl.: JÄNIS ENDZELINS, Comparative Phonology and Morphology of the Baltic Languages, translated by WILLIAM R. SCHMALSTIEG and BENJAMINS JEGERS, The Hague-Paris 1971, S. 174; CHRISTIAN S. STANG, Vergleichende Grammatik der Baltischen Sprachen, Oslo 1966, S. 267f.
[719]
Bemerkungen zum Werden des „Germanischen"
355
Dieser Typ^^ kommt vereinzelt auch anderswo vor (vgl. griech. Tp£iiu/Tpoit4u) . In seiner Ausweitung und in seinen etymologischen Entsprechungen kann er jedoch für eine baltisch-germanische Gemeinscunkeit in Anspruch genommen werden. 6) Zu den Charakteristika des Germanischen gehört auch der Aufbau des Verbalsystems auf der Grundlage der Lautstruktur des Praesensstammes. Die Ablautreihen bestimmen den Praeterltalstamm. Es Ist nun auffallend, daQ sich der Teil des baltischen Verbalsystems, der dem germanischen starken Verbum entspricht, ebenfalls nach den Regeln der germanischen Ablautreihen ordnen läßt, wenn man berücksichtigt, daß das Baltische die starken ja-Verben hat produktiv werden lassen, während das Germanische dieses weitgehend verdrängt hat. Weiter ist zu beachten, daß das Baltische die im Plural beheimatete Schwund25
stufe auch auf den Singular Ubertragen hat sich zum Beispiel: I. III. IV. V. VI.
got. lit. got. lit. got. lit. got. lit. got. lit.
greipan
-
graip
lieka wairpan
-
warp
kerpa niman
- nam
lemia bidjan
-•
bat
slepia faran karia
- for
. So entsprechen
"greifen" "linquere" uaurpum "werfen" - kirpo "schneiden - nemum "nehmen" - Ihmk "brechen" "bitten" - bedum "verbergen' - elepe - forum "fahren" - köre "hängen" -
gripum
-
liko
Das Merkwürdige an dieser Parallelität ist dies, daß genau an der Stelle, wo das Germanische statt der erwarteten Schwundstufe die Dehnstufe einsetzt (Klasse IV), dies auch das Baltische tut und zu einem im Ostbaltischen produktiven Bildungstyp werden läßt. 24 25
Heiteres und ältere Literatur bei NOLFGANG P. SCHHID, Studien zum baltischen und Indogermanischen Verbum, Wiesbaden 1963, S. 4ff, vgl. WOLFGRNG P. SCHMID, Baltische Beiträge IV (Indogermanische Forschungen [IF] 71, 1966, S. 286-296); OERS., Baltische Beiträge V (IF 72, 1967, S. 116-122); OERS., Das sprachgeschichtliche Problem Alteuropa (Sprachwissenschaft 8, 1983, S. 101-113) S. llOf.
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[720]
Geht man einmal davon aus, daß der Wechsel der Ablautstufe zwischen Singular una Plural im Germanischen den älteren Zustand repräsentiert, dann gehört auch das Lateinische teilweise hierher, das in sedimus
(= got. setum Kl. V), in emimus
(: got. nemum, Kl. IV) die Pluralform, in liqui (: got. laihi, Kl. I) in füdi
(: got. gaut, Kl. II), die Ablautform des Sin-
gulars und in fodi (vgl. for - forum, Kl. VI) die dem Singular und Plural gemeinsame Dehnstufe durchgeführt hat. Wenn nun aber das Lateinische Spuren des im Baltischen und Germanischen durchgehenden Praeterital-Typs aufweist, dann sollte man erwarten, daB auch das Keltische wenigstens Reste davon kennt. Das ist nun offenbar auch der Fall, allerdings mit einer neuen Variante der Ablautverteilung. In Fällen wie altir. rethid "läuft" : Praet. -r&ith oder techid "flieht" : Praet. -täioh liegt offen26
bar die gedehnte o-Stufe vor
, d.h. das Keltische hat hier die
o-Stufe des Singulars mit der Dehnstufe des Plurals zu einem Paradigma verbunden. Aus den Beispielen (1) - (6) geht deutlich hervor, daß der grammatische Aufbau des Germanischen in Nachbarschaft des späteren Baltischen vor sich gegangen sein muß, denn selbst die Praeteritalbildung führt im Keltischen und Lateinischen zu anderen Ergebnissen als im Baltischen und Germanischen. Da diese Neuerungen aber nach Ausweis der vorauszusetzenden Akzentverhältnisse
älter sind als die Lautverschiebung, verraten sie
eine Westwärts-Bewegung des Germanischen etwa nördlich des Herkynischen Waldes. Die Nachbarschaft zum Baltischen einerseits, zum Keltischen andererseits, die beide auch das Nordund Ostgermanische einschließen, macht eine Urheimat des Germanischen in Südskandinavien unmöglich, da die sich auf antike Autoren stützende Meinung, Kelten haben auch in Jütland gesessen, nicht zu halten ist^' und von Balten in Skandinavien ebenfalls keine Rede sein kann. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt man auch, wenn man die skandinavische Gewässernamengebung im Vergleich mit der Hydronymie des übrigen Europa untersucht. Es fehlt ihr dort nicht nur die Kontinuität, die man bei einer "Urheimat" erwarten sollte, es fehlen ihr auch Vgl. HENRY LEWIS - HOLGER PEDERSEN, A Consise Comparative Celtic Grammar, Göttingen 1961, S. 293, 300. JOHN M. JCWES, A Welsh Granmar, Oxford 1955, S. 388. So DE VRIES (wie Anm. 14) S. 39ff. Von den Sprachbeziehungen sind die Kulturbeziehungen erst einmal zu trennen. - Vgl. BIRKHAN (wie Anm. 1) S. 170-180.
[721]
Bemerkungen zum Werden des „Germanischen"
357
eine Reihe von in Europa verbreiteten Grundwörtern und Ableitungen, die gerade die Altertümlichkeit der europäischen 28 Hydronymie ausmachen
.
Wenn man also von keltisch-germanischen Kontakten spricht, dann dürfen Zeit und Raum nicht vernachlässigt werden, denn 29 gerade das Kriterium der Lautverschiebung zeigt
, daß man in
sprachlicher Hinsicht vielfach noch gar nicht von Germanen sprechen kann, wo antike Autoren und heutige Historiker damit gar keine Probleme haben.
28
29
WOLFGANG P. SCHMID, Alteuropa und das Germanische (im Druck). Auf die mir etwas unverständlichen Einwände gegen das "Alteuropäische" von SCHMIDT (wie Anm. 1) S. 133ff. kann hier nicht näher eingegangen werden. Es zeigt sich also, daß man in diesem Punkte differenzierte Kriterien suchen muß, als das etwa BIRKHAN (wie Anm. 1) S. 60, 62 tut.
Zur Dehnstufe im Baltischen und Slavischen Festschrift Herbert Bräuer (1986), S. 457-466
Im Jahre 19 78 hat W. Winter in einem Aufsatz "The Distribution of Short and Long Vowels in Sterns of the Type Lith. esti : visti : rn&st-i cind OCS jasti : vesti : mesti in Baltic and Slavic Languages'' die These aufgestellt; In Baltic and Slavic languages the Proto-Indo-European sequence of Short vowels plus voiced stop was reflected by lengthened vowel plus voiced stop, while short vowel plus aspirate developed into short vowel plus voiced stop (S.439).
Mit dieser These sollte der Langvokal z.B. in lit. begti
'lau-
fen* : griech. (pSßouaL 'auf der Flucht sein', lit. esti 'essen' : lat. edere, lit. sesti, sedeti puodas
'setzen, sitzen', lit.
'Gefäß' : ahd. fas, lit. peda, pedas
pedis, lit. nuogas
'nackt' : got. naqaps
'Fuß' : lat. pes,
'nackt' auf phonolo-
gischer Ebene erklärt, das Baltische und Slavische in die Reihe derjenigen Sprachen eingereiht werden, die idg. Media und Media aspirata zu unterscheiden erlauben, und endlich ein neues Argument zugunsten einer baltoslavischen Einheit eingeführt werden. W. Winters Lautregel wurde sogleich von F. Kortlandt positiv aufgenommen,2 von A. Bammesberger zur Erklärung des Paradigmas von lit. duodu = ksl. dadq 'ich gebe' in Erwägung gezogen^ und von M. Mayrhofer zumindest für möglich gehalten." In; J. FISIAK (ed.); Recent Developments in Historical Phonology (= Trends in Linguistics, Studies and Monographs 4). Den Haag-Paris-New York 1978, S.431-446. 2 Ibid., S.447. 3 A . B A M M E S B E R G E R in IF 87, 1982, S.242. * M. MAYRHOFER; Sanskrit und die Sprachen Alteuropas. Zwei Jahrhunderte des Widerspruchs von Entdeckungen und Irrtümern. Nachdr. d. A k a d . d. Miss, in Göttingen 1. Phil.-bist. Kl. 1983, 5, S.147.
[458]
Zur Dehnstufe im Baltischen und Slavischen
359
Es ist also höchste Zeit, den Vorschlag W. Winters zu überprüfen und zu fragen, ob die Längen vor baltischen und slavischen Mediae tatsächlich auf den idg. Gegensatz Media / Media apsirata zurückzuführen sind, oder ob nicht mit in der Nominal- und Verbalbildung des Baltischen und Slavischen üblichen Dehnstufen zu rechnen ist. Die Entscheidung soll im Folgenden vornehmlich am baltischen Material herbeizuführen versucht werden. Wenn nicht anders vermerkt, sind die etymologischen Verknüpfungen dem "Litauischen Etymologischen Wörterbuch" von E. Fraenkel entnommen. In der Darbietung seines Materials der Wurzeln TieT^- schreibt W. Winter zu Ta - p, t, S: no examples found, und zu Ta - ?c gibt er nur -sekti
'schneiden' :
lat. seaare an (S.434). Er erweckt damit den Eindruck, als gäbe es gedehnte Formen vor stimmlosem Auslaut nicht oder kaum. Demgegenüber sei auf ostlit. tuopa 'Pappel' : russ. topol 'Pappel' oder lit. slopus apr. noatis
'stickig' : dt. schlaff-, lit. notere,
'Nessel' : germ. *natilön
'Verstand' : got. frapi
'Nessel'; lit. protas
'dss.'; lit. tuokti
'heiraten' : teke-
ti 'dss.' oder auf lit. toSis (lett. täss) 'Birkenrinde' : lit. taSyti 'behauen, glätten' hingewiesen, die zeigen können, daß auch vor stimmlosem VJurzelablaut Dehnungen vorkommen, um von komplizierten Fällen wie kapas
'Hügel' : kuopa
'Haufe' oder
von solchen, wo der Langvokal auch außerhalb des Baltischen und Slavischen vorkommt (lit. troba 'Haus' : osk. tr-i-Cbüm 'Haus', lett. lops [Zuop] : alb. lope 'Vieh') oder von etymologisch unklaren Fällen wie Sekas 'Gras, Grünfutter' gar nicht zu reden. Dies aber deutet bereits darauf hin, daß es nicht möglich ist, die Fälle mit Ta = [+ stimmhaft] mit To = [- stimmhaft] in Opposition zu stellen, wie W. Winter es S. 437 tut. Man müßte dann in der Lage sein, die phonologisch bedingte Dehnung von einer morphologisch und semantisch bedingten Dehnstufe unterscheiden zu können.
II 1. Nun hat schon W. Winter selbst einige Gegenbeispiele zu seiner These besprochen und wie mir scheint, ohne Erfolg teilweise wegzudiskutieren versucht. So möchte er lit. padas
'Fuß-,
360
Festschrift H. Bräuer (1986)
[459]
Schuhsohle, Dreschboden u.a.', lett. -pads 'Estrich' von peda 'Fuß' trennen und wegen der Bedeutungen lage' etc. zu padeti
'Dreschtenne, Griind-
(idg. *dhe-) 'unterlegen' stellen
Wenn das angesichts von indas
'Gefäß', nuodas
(S.439).=
'Gift' auch mor-
phologisch nicht ganz auszuschließen ist, so lassen sich doch einige Gegenargumente geltend machen: a) Die Bedeutung 'Fußsohle' läßt sich nicht aus 'Grundlage, Dreschboden' herleiten. Diese ist gut bezeugt, z.B.: Nuog pado kojos net ik virSui galvos dai niezti, reiks begt
'von Kopf bis Fuß', Kai koÖM pa-
'wenn die Fußsohlen jucken, soll man
fliehen'; Visas padas — zaizda, kur aS primysiu?
'Die ganze
Fußsohle ist eine Wunde, wohin soll ich treten? — Dazu kommen einige Redewendungen, z.B. i padus duoti 'Fersengeld geben', is padii kristi
'(vor Lachen) umfallen',® die sehr wohl mit
'Fußsohle', nicht aber mit 'Grundlage' vereinbar sind. b) Die Ableitungen von peda
'Fuß' wie etwa papede
'Fußunter-
lage, -gestell' zeigen, daß 'Grundlage' eine Bedeutung ist, die sich von der Grundbedeutung 'Fußsohle' sehr wohl übertragen läßt. c) Aus griech. neöüXov 'Sandale', ti^öov
'(Fuß-, Erd-)boden',
neödov 'Ebene' ist bekannt, zu welchen metaphorischen Ausdrükken die 'Fuß'-Wurzel fähig ist. Sie entsprechen denen von padas ('Schuhsohle, Boden, Grund'). d) padas badas
: peda hat eine morphologische Parallele z.B. in
'Hunger' : beda
'Not'.
Aus (a) bis (d) geht klar hervor, daß man nur dann, wenn man die Grundbedeutung mit der übertragenen vertauscht, eine Verknüpfung mit padeti
'unterlegen' riskieren kann, d.h. padas
muß als Gegenbeispiel gegen W. Winters Thesen bestehen bleiben. 2.
Lit. segti
'anheften' (: altind. sajati) hat W. Winter als
true aounterexample
(S. 440) selbst anerkannt, bedarf hier
außer des Hinweises auf sage, sege 'Fibel, Brosche, Schnalle' (ohne Dehnung) keinerlei weiterer Ausführungen. = Diese Möglichkeit hatte bereits E. FRAENKEL: Litauisches etymologisches Wörterbuch I (Heidelberg 1962), S.56 f. in Erwägung gezogen. 6 Belege aus Lietuviv kalbos zodynas (LKZ) IX (Uilna 1973), S.37f.
[460]
Zur Dehnslufe im Baltischen und Slavischen
361
3. Auf die Überlegungen W. Winters, um russ. sedlo
'Sattel'
und Verwandte (mit Kürze des Wurzelvokals) als Gegenbeispiel durch die Annahme, es sei eine Entlehnung aus got. sitls
'Ses-
sel', zu beseitigen, braucht man nicht einzugehen, da sie durch altpreuß. saddinna prlki
'stellt' (Trautmann 61, 21)' sedinna sien
(ebd. 57, 13) ensadinsnan
'Einsetzung, Ordnung' (ebd.
69, 17; 69, 5), alle mit Kurzvokal in der Wurzelsilbe, widerlegt werden. Altpreuß. saddinna muß also ebenso wie russ. sedlo ebenfalls als Gegenbeispiel gegen die Längung vor altem -dangeführt werden. 4. Auch russ. voda 'Wasser' ist W. Winter bereit, als exaeption stehen zu lassen (S. 442). Man kann das Gewicht dieser Ausnahme noch erhöhen, indem man auf die litauischen Vada^ Vadak8ta, Vadaksnis, Vadre verweist, die alle mit der in lit. vanduo 'Wasser' vorliegenden Wurzel verbunden werden und in lit. vade 'trockene Furche, die bei starkem Regen zum Bach wird', vada (= lett. vada)
'baumfreie, feuchte Stelle im Wald' Ent-
sprechungen hat.® Selbst wenn man bei den Namen etymologisch auch an lat. vadum, deutsch Watt denken kann, bleiben diese Namen gewichtige Gegenbeispiele. 5. S. 442 wird kurz russ. bog 'Gott' diskutiert. Wenn es mit altpers. baga-
'Gott' urverwandt ist, dann ist es eine weite-
re Ausnahme, ist es aber eine Entlehnung, dann entfällt es. Wenn aber W. Winter seine Dehnungsregel bis ins zweite nachchristliche Jahrhundert gelten lassen will (S. 441), dann mUßte bog wohl doch wegen seiner früheren Entlehnung auch in diesem Falle gegen die Annahme einer Dehnxing sprechen.
' AltpreuBische Zitate nach R. TRAUTMANN: Die altpreußischen Sprachdenkmäler (Göttingen 1910, Neudruck 1970). Allerdings möchte V. MAZIULIS: Prüsti kalbos paminklai II (Wilna 1981), S.31221» unbetonter Stellung aus *sad- herleiten. ® Zu diesem Namen vgl. zuletzt A. VANAGAS: Lietuvi«^ hidronimy etimologinia zodynas (Wilna 1981), S.357f.
362
Festschrift H. Bräuer (1986)
[461]
6. Zur Sippe ohod-/Sed-
'gehen' meint W. Winter, daß die übli-
che Anknüpfung an *sed- nicht sicher sei und deshalb auch das wurzelauslautende -d- etymologisch unklar bliebe und damit nicht gegen ihn ausgespielt werden dürfe (S.442f.). So einfach sollte man sich jedoch über die einhellige Meinung in der etymologischen Literatur® nicht hinwegsetzen, sondern auch diese im Slavischen verbreitete Sippe als Widerspruch hinnehmen. Im Gegensatz zu W. Winter, der naturgemäß die Bedeutung der von ihm besprochenen Ausnahmen herunterspielen muß, aber dann doch eine Erklärung schuldig bleibt, möchte ich meinen, daß sechs Beispiele mit unterbliebener Längung gegen 18 mit der von W. Winter erwarteten Länge schon zu Zweifeln Anlaß geben sollten. Aus diesen 18 Fällen müßte grebti wegen altem *-bh-, peda
'Fuß' wegen der Länge auch außerhalb des Baltischen und
Slavischen, lit. aS, ei, lett. ea, ksl. azv 'ich' wegen des unklaren Verhältnisses von ego : altind. aham, palegti
'nie-
derlegen' (wegen *gh und apr. lasinna 'leget', laato 'Bett') vedia 'Brautführer' wegen altem -dh- und schließlich lit. ozya 'Ziegenbock' aus *ägio-
einer korrekten Ableitung zu altind.
aja- ohnehin noch gestrichen werden. Im Grunde ruht also W. Winters Lautregel im Wesentlichen auf lit. obelia esti 'essen', puodas
'Gefäß', aedeti
uosti 'riechen', vedaraa
'Eingeweide', begti
'nackt', uoga 'Beere', ferner auf ksl. agn^ lich', pasti
'Apfel',
'sitzen', aeati
'setzen',
'laufen', nuogaa 'Lamm', nagln
'plötz-
'fallen'. Rechnet man sedeti und aesti als ein Bei-
spiel, bleiben also noch 12 Beispiele.
III
Weiter als alles Abzählen von Beispielen und Gegenbeispielen führt jedoch der Versuch, die von W. Winter für seine Regel in Anspruch genommenen Belege in die Menge der im Baltischen (und Slavischen) üblichen Ablautreihen zu stellen. » M. VASMER: Russisches etymologisches Wörterbuch III (Heidelberg 1958), S.253f.; 0. N. TRUBACEV: fitimologiceskij slovaf slavjanskich jazykov 8 (Moskau 1981), S.47-53; F. SlAWSKI: Siownik etymologiczny j«zyka polskiego I (Krakau 1952-1956), S.73f.
[462]
Zur Dehnstufe im Baltischen und Slavischen
363
1. Wenn man lit. nuogas
'nackt' (*nog^-) mit got. naqaps
puodas und
'Topf
(*p5d-)
'nackt'
(*noq^-)
mit ahd. fas 'Faß' (*pod-)
uosti
'riechen' (*5d-) mit lat. odor, olet
uoga
'Beere' (*ög~-)
mit got. akran
(*od-)
'Frucht' (*og~-)
vergleicht, dann ist nicht einzusehen, warum man diesen Fällen eine Sonderrolle einräumen soll gegenüber: lit. öuokae
'Scherz'
: lat. ioaus
kuolas
'Pfahl'
: russ. kol 'Pfahl' (: lit. kalti 'schla-
nuoma
'Miete'
: got. niman
suolas
'Bank'
: lat. sol-ium 'Sessel'
uola
'Fels'
uolektis
: *el/*ol-
'Elle'
'Scherz' 'nehmen'
'fließen'
; lit. alkune
'Ellenbogen'
uolus 'emsig'
: falls zu lat. adolere
uosis
: lat. ornus
'Esche'
gen')
'lodern'
'wilde Bergesche'
Zeigen doch diese Beispiele, daß eine Dehnstufe nicht nur vor nicht aspirierten Medien, sondern u.a. auch vor k, l, m, s zu belegen ist. In all diesen Fällen dürfte wohl kaum etwas anderes zu suchen sein als jenes Verhältnis, das auch aus deutsch Meer — Moor, Hahn — Huhn, oder altind. äapha-, avest. safa- : deutsch Huf bekannt ist.
2. Wenn man lit. obelis
: deutsch Apfel ins Feld führt, um eine
phonologische Regel zu beweisen, obwohl die Annahme eines alten Konsonantstammes bereits Wurzelablaut befürchten läßt, dann können die folgenden Beispiele darauf hinweisen, daß die Dehnstufe auch in diesem Fall nicht von dem Charakter des dem gedehnten Vokal folgenden Konsonanten abhängig ist. Vgl.: grozis
'Schönheit'
: grazus
'schön'
klonis
'Niederung'
: klanas
'Pfütze'
lobis 'Besitz, Gut' roges
'Schlitten'
stogas zodis
'Dach' 'Wort'
sprogti
: labas 'gut' : rages
'Schlitten'
: russ. stog : zadas
'knallen, bersten' ; sprageti
vogti, vagiu 'stehlen'
: vagis
'Heuschober'
'Rede, Laut' 'bersten'
'Dieb'
•"»Dazu ausführlich W. P. SCHMID: Wasser und Stein. [In:] Festschrift Knobloch (im Druck).
364
Festschrift H. Bräuer (1986)
[463]
Das Interessante an diesen Beispielen ist, daß (a) die Dehnstufe ein gängiges denominales und auch verbales Ableitungsniittel darstellt, (b) der folgende Konsonant dabei keine Rolle spielt und (c) russ. stog, lit. sprageti,
vagis mit altem
g weitere Ausnahmen zu Winters Regel bieten. 3. Was den Langvokal e in begti, esti, sesti anbelangt, so wird man zunächst festhalten müssen, daß auch dieser keineswegs auf die Stellung vor alter Media beschränkt ist (vgl. grebti nen', lekti 'fliegen', megti
'mögen', rekti
'rech-
'schreien', repti
'raffen'). Darüber hinaus handelt es sich bei begti, esti, sesti wenigstens im Baltischen sämtlich um altlitauische athematische Praesentien,
die in unterschiedlicher Weise in die
gängigen Flexionsklasseneingegliedert werden. Das Lateinische und das Germanische {edimus — got. etum, sedimus — setum) setzen aber voraus, daß auch das Baltische, dem das Dehnungspraeteritum geläufig ist, im Praeteritum den Langvokal gekannt hat. Diese Verben wurden dann im Litauischen entweder in die io-Klasse mit Ablaut lekiu, lekiau, lekti; vogti, vagiu, vogiau (dies entspricht der germanischen Ablautklasse V und VI) oder mit Verallgemeinerung des Langvokals in die langvokalische Klasse mit o-Praeteritum (der im Gotischen die reduplizierende Klasse entspricht) übernommen. Daß ein solcher Ausgleich stattgefunden hat, können Verben wie rekiu neben slav. rekq, grebiu neben lett. grebu zeigen. Weiter liefert megti, Praet. megau die im Germanischen vermißte Ablautstufe *meg-, die man zum Sing, mag 'vermögen' (vgl. lit. mageti) erwarten sollte. Man darf annehmen, daß auch begti in diese Klasse gehört. Die erheblichen Konsequenzen, die sich aus dieser Annahme ergeben, können übergangen werden, da es sich hier allein um den Nachweis handelt, daß die Vokalquantität nicht von folgender Media oder Media aspirata abhängt, esti und sesti sind also ebenso wie pedas schon deswegen wenig aussagekräftig, weil die Dehnung auch außerhalb des Baltischen und Slavischen vorkommt.
•"••A. SABALIAUSKAS: Atematiniai lietuviy kalbos veiksmazodziai. [In:] Kai kurie lietuvi^ kalbos gramatikos klausimai. Wilna 1957, S.77-119. •"^DazuW. F. SCHMID in IF 71, 1966, S.286-296.
[464]
Zur Dehnstufe im Baltischen und Slavischen
365
4. Ober die Dehnstufe in lit. vedaras
'Eingeweide', lett. vedars
'Bauch', deren preußische Entsprechung weders
'Bauch, Magen'
(Elb. Vok. 122, 132) auf Grund des Ostbaltischen als [veders] interpretiert wird, ''3 läßt sich keine Entscheidung in der einen oder anderen Richtung treffen. Versteht man dieses Wort auf der Grundlage von altind. udara-
'Bauch' als Rest eines
alten r-Stammes (wie obelis als alten l-Stamm), dann sollte mein daran erinnern, daß in diesen Fällen das Baltische oft nicht mit der Schwundstufe antwortet. Verbindet man vedaras außerdem mit altind. üdhar-
'Euter','"' so beweist es nicht,
was W. Winter will (*uld(h)- mit einem laryngalbedingten Wechsel von dh/d wie in avest. pantä, Genitiv papö es entspricht lit. auSra lit. vasaras ind. udaka-
'Pfad'), aber
'Morgenröte' zu altind. u^ar-
'dass.',
'Frühling' zu griech. £ap, lit. vanduo zu alt'Wasser', d.h. auch auf dieses Wort muß man ver-
zichten. IV Im Verlauf unserer bisherigen Ausführvmgen hat sich gezeigt, daß die von W. Winter angezogenen Beispiele nicht auf der phonologisehen Ebene als Dehniing vor nicht aspirierter Media, sondern besser als Dehnstufen unabhängig vom folgenden Konsonanten zu erklären sind. — Abschließend seien noch einige Wörter und Namen genannt, die ebenfalls der aufgestellten These widersprechen und von W. Winter nicht berücksichtigt wurden. Erwähnt seien die lettischen Flußnamen Abula, Abuls, die mit Recht ebenso wie der lit. Gewässername Abista i® auf *ab-, die europäische Variante von *ap- 'Wasser' zurückgeführ werden.
Ebensowenig zeigen der lett. Flußname Adula, i® ein
•"^V. Maziulis,
1981, S.303.
•"•Fraenkel, Lit. etym. Wb., S.553 s.v. paüdre 'trächtig sein'.
'Unterleib' und
• " J . ENDZELINS: Latvijas PSR vietvirdi. I. Riga 1956, S.3. ••"A. Vanagas, 1981, S.35. •"H. KRÄHE: Unsere ältesten Flußnamen. Wiesbaden •"J. Endzellns, 1956, S.5.
1964, S.41.
üdroti
366
Festschrift H. Bräuer (1986)
[465]
Verwandter des Namens der Oder, oder der lett. Flußname Aga (vgl. den norwegischen Gewässernamen Aka) die von Winter geforderten Dehnungen. Der bekannte kurische Ortsname 1253 Grobin = lett. GruobiTja,''® verwandt mit slav. grabv im Ablaut mit altpreuß. grabis in wosigrabis
'Hagebuche', steht 'Spindelbaum'
(Elb. Vok. 611) und dies ist mit griech. Ypdßuov 'Holz einer Eichenart' zu v e r b i n d e n . W ä h r e n d sich altpreuß. grabis : russ. grab wie der oben unter 111,1 behandelte Ablaut a/uo verhält, weist altpreuß. gabawo
'Kröte' (Elb. Vok. 779) mit
russ. zaba 'Kröte' auf den oben II,1d erwähnten Ablaut a/e. Allerdings bleibt der Ansatz des wurzelauslautenden Konsonanten *b(h) unsicher.^'' Aus den baltischen Gewässernamen sei noch lit. Nediene, Nedingis, Nedeja zitiert, die zu der weit verbreiteten Sippe ned- gehören, das appellativisch zu altind. nadl 'Fluß' zu stellen ist. Der lit. Flußname Vaga, samt Appellativ vaga 'Acker, Furche, Flußbett' und der damit im Ablaut stehende Name Ugra sind unter der Wurzel *ueg'i- 'feucht'
dat.
uvidus, griech. üyp6g) a u f z u n e h m e n . E n d l i c h könnte auch vadinti
'nennen', falls zu altind. vadati
'reden' gehörig, hier
erwähnt werden.
Mit den in Abschnitt IV genannten Belegen übersteigt bereits die Zahl der Gegenbeispiele die Zahl jener Fälle, die sich im Sinne W. Winters interpretieren lassen. Es zeigt sich, daß sich die Dehnung vor medialen Konsonanten nicht anders verhält als jene vor allen anderen Konsonanten, d.h. es handelt sich nicht um eine auf phonologischer Ebene zu erklärende Erschei•"V. KIPARSKY: Die Kurenfrage. Helsinki 1939, S.103; J. Endzellns, 1956, S.333f. 20 J. ENDZELINS: Senprüsu valoda. Riga 1943, S.277; J. ENDZELlNS: Darbu izlase III.2. Riga 1980, S.88f.; V. Maziulis, 1981, S.296 s.v. oSeksnis. V. N. TOPOROV: Prusskij jazyk, slovar' E-H. Moskau 1979, S.127,314. Zum Verhältnis grab/gabr zuletzt Ph. MALINGOUDIS: Studien zu den slavischen Ortsnamen Griechenlands (Abh. der Akad. d. Wiss. u. d. Lit. zu Mainz, geistes- u. sozialwiss. Kl. 1981,3), S.37f. 21 Vgl. Endzelins, Semprüsu valoda, S.174; Toporov 1979, S.124-127. " Z u den weiteren Verwandten W. P. Schmid bei B.-U. KETTNER: Flußnamen im Stromgebiet der oberen und mittleren Leine. Rinteln 1972, S.320f. mit Anm. 3.
[466]
Zur Dehnstufe im Baltischen und Slavischen
367
nung, sondern um eine als Wortbildungsmittel dienende Ablauterscheinung. " Diese spielt auch in den Gewässernamen besonders Osteuropas eine erhebliche Rolle, 2*» so daß man darin ein vom Altindischen über das Iranische, Slavische, Baltische bis ins Germanische sich erstreckendes, nach Westen hin allmählich abnehmendes morphologisches Bildungsmittel erblicken kann. Als Konsequenz aus den obigen Ausführungen ergibt sich also, daß W. Winters eingangs zitierte Lautregel nicht aufrecht erhalten werden kann und die sich auf sie stützenden Folgerungen hinfällig werden.
" V g l . T. MATHIASSEN: Studien zum slavischen und indoeuropäischen Langvokalismus. Oslo-^ergen-Troms0 1974; Zum Germanischen G. DARMS: Schwäher und Schwager. München 1978; R. VENCKÜTfi in Baltistica 19.2, 1983, S.125129. ^''W. P. Schmid, ZfO 28, 1979, S.410f.
Eine revidierte Skizze einer allgemeinen Theorie der Wortarten* M o t et parties du discours (1986), S. 85-99
0. Im Jahre 1970 wurde der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz eine Skizze einer allgemeinen Theorie der Wortarten [im Folgenden kurz Skizze genannt], vorgelegt, die den Zweck verfolgte, mit vier auf alle Wortarten einheitlich angewandten Kriterien eine Klassifikation zu erreichen, die ihrerseits sowohl der vor allem in der deutschen Grammatik üblichen, meist semantisch orientierten Kriterienvielfalt, als auch der unbefriedigenden Wortdefinition: «was zwischen zwei Pausen steht», entgegenzutreten versuchte. Darüber hinaus sollte gerade den Sprachhistorikern eine allgemeine Definitionsmöglichkeit in die Hand gegeben werden, die es ihnen erlaubte, z. B. ein Verbum der einen Sprache mit dem Verbausdruck einer anderen Sprache auch dann zu vergleichen, wenn die aus der Antike übernommene, morphologische Definition gar nicht mehr anwendbar ist. Es war klar, daß ein solcher Versuch sich von allen morphologischen Argumenten lösen und auf allgemeine zeichentheoretische Funktionsmerkmale stützen mußte. Das bedeutete aber zugleich, daß man mit der seit de Saussure üblichen Zweigliederung: Bezeichnendes - Bezeichnetes nicht mehr auskommen konnte, sondern außerdem die syntaktische Funktion der Zeichen zu berücksichtigen hatte. Als zweite Neuerung kam hinzu, daß neben der semantischen Funktion ( ± SEM) und syntaktischen Funktion ( ± SYN) nun auch die sogenannte pragmatische Funktion ( ± PRAG) eingeführt wurde, welche alle diejenigen Funktionen des sprachlichen Zeichens umfaßt, die es nicht in Relation zu irgend einem Gegenstand oder Sachverhalt setzen, sondern in Bezug zu Sprecher und Sprechsituation. Gemeint sind damit vor allem diejenigen Zeichen, die beim Wechsel des Sprechers oder bei der Veränderung der Sprechsituation ebenfalls ersetzt
• Die folgenden Ausführungen sind eine Weiterentwicklung von Schmid (1970). Besondere Abweichungen werden genannt. Auf die seitdem erschienene, reiche Literatur zur Zeichentheorie und zu den einzelnen Wortarten kann hier im Einzelnen nicht eingegangen werden.
[86]
Eine revidierte Skizze e. allgem. Theorie d. Wortarten
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werden müssen, wie z.B. die Personal- und Demonstrativpronomina, aber auch bestimmte temporale, modale und lokale Ausdrücke. Als viertes Kriterium kam die Entscheidung über die Frage hinzu, ob die Zeichen allein oder nur in Verbindung mit anderen Zeichen einen Satz oder eine Satzkonstituente bilden können ( ± AUT). Dies implizierte natürlich gewisse Voraussetzungen hinsichtlich der Zahl und der Art der Satzkonstituenten. Für die Frage der Wortartenklassifizierung reichte der Hinweis darauf aus, daß man im Einklang mit der einfachsten Schulgrammatik, aber auch mit der Dependenzgrammatik, der Kasusgrammatik oder auch der generativen Grammatik mit einer Satzkonstituente Adverbiale zu rechnen hat. Auf diese Weise gelangte man dazu, jedem Zeichenträger ein Funktionsmerkmalbündel: Z = [ ± SEM, ± SYN, ± P R A G , ± AUT] zuzuordnen, wobei die Reihenfolge prinzipiell zwar beliebig, die gegebene mit der Vorausstellung von [ ± SEM] aus praktischen, aber auch aus theoretischen Gründen vorzuziehen ist. Die sich so ergebenden = 16 Möglichkeiten reichten aus, um die gewünschte Zeichenklassifikation zu erreichen. Eine geringere Zahl von Funktionsmerkmalen würde dieses Ziel verfehlen, eine größere Zahl von Merkmalen, die bei Hinzufügung nur eines weiteren Merkmals bereits 32 verschiedene Zeichensorten erzeugen, würde nicht nur eine Tabelle mit vielen nicht ausgenutzten Möglichkeiten ergeben, sondern auch den Beweis vermissen lassen, daß eine solche Funktion zur Differenzierung von mehr als einer Wortart notwendig wäre. Beispielsweise könnte man sich vorstellen, daß eine Unterscheidung von Substantiv und Eigenname sinnvoll wäre, da sie auch einzelsprachlich eine Reihe syntaktischer Konsequenzen hat. Da es aber keine zweite Wortart gibt, die sich in entsprechender Weise aufgliedern läßt, wird der Eigenname besser als Subkategorie des Substantivums aufgefaßt und damit wie alle anderen Subklassifizierungen aus der vorgelegten Tabelle verbannt. 1. Im Laufe der Zeit wurde die Interpretation der Matrix in einzelnen Punkten gegenüber der veröffentlichten geändert. Darauf einzugehen ist angesichts der im Folgenden vorzunehmenden Revision überflüssig geworden. Den Hauptgrund für eine Neuinterpretation der vorgeschlagenen Matrix lieferte das Kardinalzahlwort, das implizit unter dem Einfluß einiger grammatischer Darstellungen > unter dem Adjektiv einge' Vgl. Dudengrammatik (§527; 1532ff.); Grundzüge einer deutschen Grammatik (1981: 495, 607).
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ordnet worden war, obwohl es im Gegensatz zum Ordinale in den verschiedenen indogermanischen und auch nicht-indogermanischen Sprachen soviele Besonderheiten aufweist, daß eine Unterordnung unter die Wortart Adjektiv zu erheblichen Schwierigkeiten führt. Bemerkenswerterweise hat schon G. Frege das Kardinale scharf vom Adjektiv getrennt (Frege 1884:58). Die historisch-etymologische Untersuchung der Zahlwortreihe: eins, zwei, drei ... führt zu einem Gemisch aus Pronomina, Adjektiven und Substantiven, in Einzelfallen zu überhaupt keinem Ergebnis (etwa bei fünf und sechs). Die Notwendigkeit einer Trennung des Kardinale von den Adjektiven ergibt sich aber auch unabhängig von mathematisch-philosophischen Überlegungen aus folgenden linguistischen Argumenten: 1) Die Kardinalzahlwörter nehmen vielfach eine andere Stellung im Satz ein als die Adjektiva. So geht z. B. im Lateinischen das Zahlwort in der Regel dem Substantiv voraus, während das Adjektiv ihm folgt Noch deutlicher wird das im Neupersischen, wo das Adjektiv mit Hilfe der /ia/fr-Konstruktion dem Substantiv angehängt wird, während das Zahlwort ohne besondere Kennzeichnung dem Substantiv vorangestellt wird^. 2) Während Ausdrücke wie «fleissige Schüler» aus der prädikativen Stellung hergeleitet werden können oder bei sekundären Adjektiven wie «die serbische Fichte» aus präpositionalen Verbindungen wie «die Fichte ist aus Serbien», ist eine solche Transformation bei den Kardinalzahlen nicht möglich. 3) In den Sprachen, die beim Adjektiv Deklinationsendungen bewahren, tendieren die Kardinale zur Flexionslosigkeif^. 4) Im Germanischen, Baltischen und Slavischen, denen eine doppelte Adjektivflexion eigen ist, haben die Kardinalia keinen Anteil an dieser Unterscheidungsmöglichkeit. 5) Die Kardinalia können nur mit sich selbst, nicht aber mit dem attributiven Adjektiv durch «und» verbunden werden. Dies müßte der Fall sein, wenn die Kardinaha Adjektiva wären. 6) Kardinalia können bestimmte Kasusformen des Substantivs regieren (z. B. im Russischen, das odin, odna, odno «ein(s)» adjektivisch konstruiert, dva, tri, cetyre «zwei, drei, vier» mit dem Substantiv im Genitiv ^ Vgl. Szantyr (1965: 406, 408) mit weiteren Einzelheiten und Abweichungen. ' Salemann - Shukovski (1947: §21, §26d); Lazard (1963: 201, 217ff.) mit Ausnahmen, die dem Lateinischen vergleichbar sind. * Eine Ausnahme macht das Lettische, das die Zahlen l-IO adjektivisch dekliniert. Vgl. aber Punkt 4.
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Sing, und ab pjat' «fünf» das Substantiv im Genitiv Plur. verbindet und einen Satz wie eti dva poslednich pacienta prichodit «diese (Nom. Plur.)zwei (Nom.)-letzten (Gen. Plur.)-Patienten (Gen. Sing.)-kommen (3. Pers. Sing.)» als grammatisch akzeptiert (vgl. Comrie 1981: 101-104). 7) Kardinalia sind im Gegensatz zu den primären Adjektiven nicht steigerungsfahig. Sie spielen die Rolle von definiten Plurativa zu den Indefinitpronomina und können durch Substantivierung zu Kollektiva werden, die dann mit Mehrheit, Vielheit etc. auf einer Stufe stehen. 8) Kardinalia können in ihrer Klasse nur zu Dvandva-Komposita führen, während die Adjektiva auch Determinativkomposita bilden können. 9) Aus (8) ergibt sich, daß sich Adjektiva in semantische Felder ordnen lassen. Die Kardinalia können nur Reihen bilden. 10) Im Falle, daß die Bezeichnung des gezählten Gegenstandes das Merkmal [-zählbar] trägt, treten Zählwörter auf (deutlicher noch im Chinesischen und Japanischen), die dann Unterscheidungen wie Holz [-zählbar], drei Hölzer ( = drei Holzarten), drei Stück Holz ermöglichen'. Aus diesen zehn- Punkten geht mit wünschenswerter Deutlichkeit hervor, daß es ganz unmöglich ist, in einem übereinzelsprachlichen Klassifikationsversuch die Kardinalzahlwörter als eine Unterklasse der Adjektiva zu betrachten, m. a. W., die Kardinalia bilden eine eigene Klasse im System der Wortarten, die — wie hier nicht weiter ausgeführt werden kann — zu anderen Wortarten eigene Beziehungen unterhält. Wenn dieses Ergebnis richtig ist, dann bedarf unsere eingangs erwähnte Skizze einer gründlichen Korrektur, denn es muß für die Kardinalia ein Platz geschaffen werden, ohne daß sich die Gesamtzahl der Wortarten ändert, d. h. die Matrix bleibt konstant, ihre Interpretation wird geändert. Das läßt sich dadurch erreichen, daß man das Funktionsmerkmal «Syntaktisch» [ ± SYN] etwas schärfer faßt. Das Merkmal [+ SYN] soll nur denjenigen Wortarten zugeschrieben werden, die innerhalb einer Satzkonstituente andere Wortarten oder darüber hinaus sogar andere Satzkonstituenten regieren, während [- SYN] auf Wortarten bezogen wird, die regiert werden. Auf einige Konsequenzen, die diese Neubestimmung in sich birgt, muß bei der Besprechung der einzelnen Wortarten eingegangen werden. Damit können wir die vier verschiedenen Zeichenfunktionen wie folgt umschreiben: ' Zur Form und Geschichte des Ausdrucks vom Typ «drei Glas Bier» vgl. Paul (1919: §185); Behaghel (1923: 53Iff., 541).
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[+ SEM]:
Das Zeichen bezieht sich auf Lebewesen, Gegenstände oder Sachverhalte, bzw. Klassen von ihnen. Die Bedeutungen sind im Lexikon angebbar. [ - SEM]: Das Zeichen hat keine eigene Bedeutung im Sinne von [ + SEM], kann aber eine solche aus dem jeweiligen Textoder Situationszusammenhang erhalten. [+ SYN]: Das Zeichen übt einen Einfluß auf andere Zeichen (u. U. mit morphologisch verändernder Wirkung) aus, es regiert. [ - SYN]: Das Zeichen wird regiert, kann aber aus Transformationen sekundär syntaktische Eigenschaften annehmen, die ihm seiner Art nach eigentlich nicht zukommen. [+ PRAG]: Das Zeichen gibt den Bezug zum Sprecher oder zur Sprechsituation an. Gemeint sind damit Beziehungen zum Sprecher, Angesprochenen, Besprochenen, die verschiedenen Arten der Deixis, der temporalen, lokalen und modalen Beziehungen, sofern sie sprecherbezogen und nicht lexikaHsiert sind. Nicht gemeint ist damit K. Bühlers Ausdrucksfunktion der Zeichen und auch nicht G. Hammarströms ß-Ebene (s. Skizze S. 8). [ - PRAG]: Das Zeichen hat keinen ihm eigenen Bezug zur Sprechsituation, kann aber solche aus bestimmten Sprechsituationen übernehmen. [+ AUT]: Das Zeichen kann allein eine Satzkonstituente bilden. [ - AUT]: Das Zeichen kann nur in Kombination mit anderen Zeichen eine Satzkonstituente bilden®. Eine Kombination aus diesen vier jeweils positiv oder negativ spezifizierten Funktionsmerkmalen der kleinst möglichen Lautfolge einer Äußerung als Zeichenträger zugeordnet nennen wir Wort einer natürlichen Sprache''. Aus den negativ spezifizierten, bzw. nicht markierten Merkmalen ergibt sich schon hier, daß wir bei den verschiedenen Wortarten sowohl mit Neutralisierungen einzelner Merkmale als auch mit Vererbung von Merkmalen aus dem Kontext im weitesten Sinne des Wortes rechnen müssen. 2. Aus rein praktischen, mnemotechnischen Gründen empfiehlt es sich, statt der « ± » Zeichen die Kennzeichnung durch 1/0 vorzunehmen. In ' Zum Problem der Autonomie vgl, Fran^ois (1970). ' Man beachte die Abweichung gegenüber der von Bloomfield (1926: 156). Vgl. auch Marchand (1969: 1 mit Anm. 1).
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der folgenden Tabelle wird also «1» mit « + » und «0» mit « - » identifiziert. So ergeben sich folgende Variationen: ± SEM
± SYN
± PRAG
± AUT
I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII.
1 1 1 1 1 1 1 1
1 1 1 1 0 0 0 0
1 1
1
IX. X. XI. XII. XIII. XIV. XV. XVI.
0 0 0 0 0 0 0 0
1 1 1 1 0 0 0 0
1 1
1 1 1
1 1 1 1
1 1 0 0
1 1 0
3. Wenigstens für den Kreis der indogermanischen Sprachen kann man nun eine Zuordnung dieser Variationen zu je einer Wortart vornehmen, so daß bei einer Übertragung von Begriffen wie Substantiv, Verbum, Adverb, Adjektiv auf andere, auch nicht-indogermanische Sprachen die ihnen jeweils zugeordneten Funktionsmerkmale gegeben sein müssen. Wir gelangen also zu folgenden Interpretationen: I. 1 1 1 1 = [+ SEM, + SYN, + PRAG, + AUT] entspricht der Wortart finites Verbum. Beispiel: lat. dixi. Die semantische Funktion wird durch das Morphem *deik-, die syntaktische Funktion durch die Rektion (case frame), die pragmatische Funktion durch Tempussuffix und Personalendung zum Ausdruck gebracht. Die Autonomie ergibt sich aus der Tatsache, daß dixi allein eine Satzkonstituente, ja sogar einen Satz bilden kann. Werden die vier Funktionen nicht in einem Wort ausgedrückt wie in vielen modernen Sprachen, kann man also erst dann von einem fmiten Verbum sprechen, wenn durch das obligatorische Hinzutreten anderer Wortarten die Funktionsbedingungen
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erfüllt werden, so daß 1 1 1 1 gar nicht mehr durch ein Wort, sondern durch einen Wortkomplex zum Ausdruck kommt. Zugleich ergibt sich daraus, daß das, was gewöhnlich in einem Verbparadigma zusammengefaßt wird, aus ganz unterschiedlichen Wortarten (finite Verben, Infinitive, Partizipien) besteht. Pointiert gesagt heißt das, daß der nicht spezifizierte Begriff Verbum entweder nur ein Lexem oder ein Wortkomplex oder ein Paradigma, aber keine Wortart ist. Eine einheitliche Definition des Verbums, die das gesamte Paradigma umfaßt, gibt es nicht. Anzumerken wäre noch, daß auch vom morphologischen Standpunkt aus betrachtet infinite Formen (Partizipien, Infinitive) die Funktion finiter Verben annehmen können wie z. B. die russischen Praeterita, das altindische Futurum in der 3. Person Sing, oder die Ausdrucksweise des Nominalstils im klassischen Sanskrit. Da die vorliegende Klassifizierung unabhängig von der Morphologie ist, entsteht dadurch kein Widerspruch. II. 1 1 1 0 = [+ SEM, + SYN, + PRAG, - AUT] entspricht dem finiten Hilfsverbum (vgl. Palmer 1979). Beispiel: dictum EST, dictum HABEO, deutsch: ich HABE gesagt, ich WERDE sagen u. a. Finite Hilfsverben sind also dadurch charakterisiert, daß sie stets mit anderen Wortarten eine obligatorische Verbindung eingehen, nie selbständig auftreten. Sie tragen aber stets einen Teil der semantischen, vor allem aber die syntaktische und pragmatische Funktion. Treten Verben wie sein, haben, werden oder englisch to do selbständig auf z. B. als Existenz-, Besitz- oder Vorgangs-Verbum, gehören sie zur Klasse I, falls es sich nicht um aus dem Kontext zu ergänzende Ellipsen handelt. III. 1 1 0 1 = [+ SEM, + SYN, - PRAG, + AUT] entspricht der Wortart Substantiv. Man sieht, daß diese Wortart nicht — wie es gern, vor allem in der inhaltbezogenen Grammatik, aber zu Unrecht geschieht — durch semantische Differenzen von der Wortart finites Verbum getrennt wird, sondern allein durch das Fehlen der pragmatischen Komponente. In der Tat zeigen ja Substantiva wie dictio, dictator dasselbe Lexem wie dixi. Der Satz: Die Sonne geht auf und das Substantiv Sonnenaufgang lassen sich zwar semantisch gleichsetzen, aber nicht pragmatisch. Man beachte, daß erst durch die Vernachlässigung der pragmatischen Komponente in der Government and Binding-Theory Chomskys John proved the theorem and John 's proof of the theorem ein und derselben Struktur zugewiesen werden können. Die Nominalisierung des finiten Verbums erfolgt also durch Streichung der pragmatischen Funktion (also durch den Verzicht auf den Bezug zu Sprecher und
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Sprechsituation), was für das Auffinden der pragmatischen Elemente wesentlich ist. Dabei kann es in den Einzelsprachen sehr wohl vorkommen, daß Infinitive und Verbalsubstantive von verschiedenen Tempusstämmen aus gebildet werden. Daraus ergibt sich, daß dann die an sich pragmatische Kategorie Tempus teilweise lexikalisiert worden ist. — Die Autonomie folgt daraus, daß Substantiva allein einen Satzteil bilden können. Das Merkmal [-1- SYN] spiegelt die Tatsache wider, daß das Substantiv andere Wortarten (z. B. wiederum das Substantiv oder das Adjektiv) regiert und in Subjekt-Stellung auch Einfluß auf das Prädikat haben kann. In anderen Stellungen, z. B. als Objekt, als Attribut oder als Adverbiale wird das Merkmal [ + SYN] neutralisiert. Das bedeutet, daß das Substantiv in unterschiedlichen Relationen zum finiten Verbum stehen kann, die man mit Zuordnung (Subjekt), Unterordnung (Objekt) und Beiordnung (Adverbiale) bezeichnen könnte. Das Verkettungssymbol « + » in früheren Versionen der Chomsky-Grammatik reicht daher nicht aus, diesen Abhängigkeitsverhältnissen Rechnung zu tragen. Richtig ist, daß man heute in den unterschiedlichen Grammatiktheorien geneigt ist, der Subjekt-Stellung eine Sonderrolle zuzuweisen, aber das geschah bereits auch in traditionellen, historischen Grammatiken, die sich auf besondere Ablautformen des Nominativs berufen konnten. IV. 1 1 0 0 = [ + SEM, + SYN, - PRAG, - AUT], In Korrektur unserer Skizze (S. 11 ff.) interpretieren wir jetzt diese Variation mit dem Kardinalzahlwort und entnehmen die Begründung dafür den in Abschnitt 1 vorgebrachten Argumenten. Am wichtigsten ist dabei vielleicht die Charakterisierung durch [ - AUT]. Das bedeutet nämlich, daß vom sprachlichen Standpunkt aus gesehen, das Kardinale primär ein Zählwort ist, also immer einer Ergänzung durch ein Substantiv bedarf. Die Verwendung in arithmetischen oder zahlentheoretischen Sätzen, die Aussagen über Zahlen oder eine bestimmte Zahl machen, impliziert stets eine Substantivierung des Zahlworts®. Aus der Substantivierbarkeit folgt auch die positive Markierung der semantischen Funktion. Aus Punkt (6) und (10) ergibt sich [+ SYN], aus der Unabhängigkeit von der Sprechsituation, d. h. der Objektivierbarkeit aller Zahlenangaben ergibt sich [ - PRAG]. Das Kardinalzahlwort kann nun jedoch nicht nur substantiviert werden, es kann auch adjektiviert werden in Gestalt des Ordinalzahlworts. Daß in der Adjektivierung nicht nur syntaktische, sondern auch pragmatische Unterschiede zur Geltung kommen, läßt sich an » Über den Zahlbegrifif vgl. Frege (1884); Scriba (1968); Hammerich (1966); Artmann (1983: 176ff.).
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einem einfachen Beispiel verdeutlichen. Darüber, daß fünf Bücher auf einem Tisch liegen, werden sich alle diejenigen, die an dem Tisch sitzen, schnell einigen. Welches der Bücher aber als das fünfte gelten soll, bedarf einer situationsgebundenen Absprache. V. 1 0 1 1 = [ + SEM, - SYN, + PRAG, + AUT] entspricht der Wortart Adverb, sofern es sich dabei nicht um präpositionale Verbindungen, um pronominale Adverbien oder um Partikeln handelt (s. Nr. XIII, XIV). Die Morphologie der Adverbien in den Einzelsprachen zeigt, daß sie stets mit Suffixen (mit Einschluß des 0-Morphems) gebildet werden, die die Abhängigkeit von den Kasusbeziehungen zum Verbum aufheben (vgl. lat. maxime, libenter). Selbst wenn das Adverb mit zum Kasussystem gehörigen Endungen ausgestattet ist, werden diese in der Stellung des Adverbiale neutralisiert und nehmen dann nicht mehr an der Flexion teil. So ist lat. universus als Adverb synchron kein Nominativ, partim kein Akkusativ, cito kein Ablativ mehr. Das Satzadverb ist dem Verbum beigeordnet und deswegen in seiner Stellung freier als die in zuordnender oder unterordnender Funktion auftretenden Satzkonstituenten. Es kann hier nur angedeutet werden, daß sich aus der relativ freien Adverbialstellung nähere Bestimmungen aller übrigen Satzkonstituenten ableiten lassen, wobei die nähere Bestimmung des Verbums nur eine von mehreren Möglichkeiten ist. Vgl. (Sprecher): Die Mutter bringt die Suppe X auf den Tisch 1— heiß schnell geschickt wahrscheinlich VI. 1 0 1 0 = [ + SEM, - SYN, + PRAG, - AUT] wird in Abweichung von Skizze S. 11 als Adjektiv interpretiert. Beispiel: lat. dicax, dicens, dictus. Die Begründung dafür ist praktisch mit der in Abschnitt 1 ausgeführten Gegenüberstellung mit dem Zahlwort mitgeliefert worden (vgl. auch IV). Das Adjektiv ist abhängig [ - AUT] entweder vom Hilfsverbum (II) oder vom Substantiv (III) und ist stets in seiner Form fremdbestimmt [ - SYN], Es enthält besonders dann, wenn es gesteigert wird, eine pragmatische Komponente, die man nicht erst — wie noch in Skizze S. 12 versucht — als Vererbung aus der prädikativen Stellung herleiten muß®. Dagegen wird man nicht umhin können, eine
' Vgl. schon Bierwischs (1967) Merkmal [+ Observe]; anders Skizze, S. 12.
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solche Erklärung für die Fälle zu Hilfe zu nehmen, in denen vom attributiven Adjektiv wieder bestimmte Kasus abhängig sind {«gleich» + Dat., «ähnlich» + Dat., «teilhaftig» + Gen. etc.). Besonders deutlich wird das bei den Partizipien, die als Adjektivierung des finiten Verbums verstanden werden, und aus dieser Wortart bestimmte Kasusrektionen und Adverbverbindungen mitbringen. VII. 1 0 0 1 = [+ SEM, - SYN, - PRAG, + AUT] ist den lexikalisierten Onomatopoetika zuzuschreiben'", die in fast jeder Satzkonstituente unverändert auftreten können, und daher ihre syntaktische Bestimmung stets von den anderen Wortarten erhalten. Ein reiches Material für diese Wortart liefert das Litauische''. VIII. 1 0 0 0 = [+ SEM, - SYN, - PRAG, - AUT] entspricht den lexikalisierten Interjektionen, die in der Regel außerhalb des syntagmatischen Zusammenhangs im Satz vorkommen, gelegentlich in Analogie zu anderen Verbindungen jedoch bestimmte Kasusrektionen haben können {vae victis). Man könnte daran denken einige von ihnen auch der Klasse XIV (0 0 1 0 ) zuzuordnen. Hinzugefügt sei, daß auch der Vokativ der Substantiva, dessen Form als Nicht-Kasus allen anderen Kasus gegenübersteht (Schmid 1972: 17), in diese Klasse einzugliedern ist. Die bisher aufgezählten Wortarten I-VIII haben alle eine im Lexikon angebbare semantische Funktion. Die folgenden acht Wortarten beziehen ihre semantischen Werte aus dem Text- oder Situationszusammenhang. IX. 0 1 1 1 = [ - SEM, + SYN, + PRAG, + AUT] entspricht den Personal- und Demonstrativpronomina. Sie können wie die Substantiva allein eine Satzkonstituente bilden, sind in der Art ihrer Deixis sprecherbezogen (Schmid 1972: 9ff.). Im Gegensatz zu der in meiner Pragmatischen Komponente gegebenen Darstellung scheint es jedoch empfehlenswert, das Pronomen der 3. Person nicht als neutralisiertes Demonstrativum aufzufassen, sondern es der Wortart XI zuzuordnen'^. X. 0 1 1 0 = [ - SEM, + SYN, + PRAG, - AUT] scheint mehrere traditionelle Wortarten zu umfassen, denn sowohl der Artikel als auch das Possessivum (vgl. Seiler 1973, 1983) erfüllen die durch die Matrix vorgegebenen Bedingungen. Beide können nicht allein eine Satzkonsti"> Zur Bildungsweise vgl. Wissemann (1954); Hoffmann (1952). " Leskien (1902/3); Lieluvitt kalbos gramatika II (1971: 715ff., 734-746). Vgl. darüber Beifuss - Czepluch - Tuschinsky - Schmid (1985).
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tuente bilden, sondern richten sich in ihrer Form nach dem übergeordneten Substantiv. Man sollte daher meinen, sie müßten mit [ - SYN] ausgezeichnet werden. Dagegen sprechen jedoch diejenigen Sprachen, die eine doppelte Adjektivflexion kennen. In diesen Sprachen entscheidet — soweit vorhanden — der Artikel oder das Possessivum über die Wahl der Adjektivform. Definitionsgemäß muß deshalb [ + SYN] eingesetzt werden. Allerdings ist hinzuzufügen, daß der Artikel nicht in allen indogermanischen Sprachen als eigene Wortart vorkommt und daß auch die Rektion des Possessivums einzelsprachlich abweicht. Griechisch, Deutsch, Litauisch und Lettisch zeigen hier beträchtliche Unterschiede, die weiterer Untersuchung bedürfen. Wenn man sich darüber einig ist, daß der bestimmte Artikel eine determinierende, in die Sprechsituation einbeziehende Funktion hat, dann muß man einräumen, daß er nicht gleichzeitig eine generalisierende Funktion haben kann, wie in manchen grammatischen Darstellungen behauptet wird. Tatsächlich aber wird die Generalisierung durch Pluralbildung und Fehlen des Artikels zum Ausdruck gebracht {Igel sind Stacheltiere), eine definitorische Einführung durch den Singular mit unbestimmtem Artikel {ein Igel ist ein Stacheltier) erreicht, während der Igel ist ein Stacheltier immer schon ein Vorverständnis des Igel-Begriffes voraussetzt. Der bestimmte Artikel hat also pragmatische Funktion, unter welche sich seine determinierenden, definierenden, identifizierenden, klassifizierenden, individualisierenden, konkretisierenden und wie auch immer genannten Funktionen subsumieren lassen. XI. 0 1 0 1 = [ - SEM, + SYN, - PRAG, + AUT] läßt sich ähnlich dem Artikel (X) auch historisch aus der Wortart IX herleiten. Es handelt sich um das Pronomen der 3. Person, in welchem die deiktische (meist jener-deiktische) Funktion gegen null tendiert. In diese Klasse gehören auch die Relativa und Fragepronomina. Sie alle verweisen auf oder fragen nach einem semantischen Objekt, können deswegen in allen nicht-verbalen Satzkonstituenten auftreten und diese selbst bilden, wobei Relativa und Fragepronomina häufig ein und dieselbe Quelle h a b e n ' ' . Eine Unterklasse dieser Wortart wird man mit anders gearteter pragmatischer Relation in den Indefinitpronomina zu sehen haben. XII. 0 1 0 0 = [ - SEM, + SYN, - PRAG, - AUT] umfaßt Konjunktionen, Prä- und Postpositionen samt Präverbien. Sie alle bilden keine eigene Satzkonstituente, empfangen ihre semantische oder pragmaAuch hier gibt es eine Abweichung gegenüber Skizze, S. 14.
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tische Funktion aus den Sätzen oder Wörtern, die sie verbinden, denen sie vorausgehen oder folgen und deren Syntax sie in Wortstellung oder Kasusrektion beeinflussen. Vom Standpunkt der Sprachgeschichte sind sie oft aus Adverbien ( 1 0 1 1 ) hervorgegangen, indem sie ihre semantische und syntaktische Eigenständigkeit aufgegeben haben. Dabei wurde zugleich das syntaktische Verhältnis umgekehrt. Während die Adverbien zunächst auch zur semantischen Spezifizierung mehrdeutiger Kasusbeziehungen dienten, dient die Präposition u. U. als Kasusanzeiger und erhält ihre semantische Funktion (temporal, lokal, modal) von den Substantiven, die sie regiert. — In Abweichung von meiner früheren Darstellung wird man in diese Klasse auch die Satznegationen (lat. non, ne. altind. mä) zu stellen haben, die in einigen Sprachen syntaktische Konsequenzen haben (Altindisch, Avestisch, Griechisch, Lateinisch) oder entwickeln (in den slavischen Sprachen). Die teilweise vorhandene pragmatische Komponente der Modalität ergibt sich aus dem von ihnen verlangten Modus. Wortnegationen und Modalitätspartikel (wie griech. äv, Ke(v)) wird man eher der Wortart XIV zuweisen. XIII. 0 0 1 1 = [ - SEM, - SYN, + P R A G , + AUT] entspricht der Klasse der sogenannten Proadverbien, wie lat. hic, nunc, deutsch heute, jetzt, bald, dann, die wie die Adverbien eine eigene Satzkonstituente, das Adverbiale, bilden, aber ihre Semantik aus ihrem Bezug zur Sprechsituation beziehen. XIV. 0 0 wiederum hebungs-, lat. magis,
1 0 = [ - SEM, - SYN, + P R A G , - AUT] umfaßt mehrere traditionell verschiedene Wortarten, nämlich HervorNegations- und Modalitätspartikel sowie Wortadverbien wie deutsch sehr, besonders, zu.
XV. 0 0 0 1 = [ - SEM, Satzpause.
SYN, -
P R A G , + AUT] meint die
XVI. 0 0 0 0 = [ - SEM, - SYN, - P R A G , - AUT] meint die Wortpause. Die Auffassung der Pausen als Wörter, möglicherweise vergleichbar mit dem Wort der Länge Null in formalen Sprachen, ist nicht nur eine Folge des Zuordnungszwanges zu unserer Matrix, sondern bietet interessante Perspektiven für das bedeutungsvolle Schweigen (vgl. Guardini 1983: 51 ff.). Auf der anderen Seite werden dadurch Wortdefinitionen mit Hilfe der Pausen zirkulär, da nicht nur ein Wort zwischen zwei Pausen, sondern auch eine Pause zwischen zwei Wörtern steht. In jedem Falle wird der Satz zu einer wie auch immer strukturierten Folge von
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Wörtern, die in ihrer Summe wieder [ + SEM, + SYN, + PRAG, + AUT] ergeben müssen. Die Unterscheidung von Wort- und Satzpausen ist nicht nur wegen ihrer unterschiedlichen Verlängerbarkeit notwendig, sondern wird auch durch die altindischen Sandhiregeln, für welche diese Unterscheidung wesentlich ist, nahegelegt. 4, Aus der in Abschnitt 3 versuchten Zuordnung zu den 16 Möglichkeiten der Variation der vier Zeichenfunktionen lassen sich eine Reihe von Konsequenzen ableiten. 1) Eine Klassifikation der Wortarten mit vier durchgehend angewandten Kriterien ist möglich. 2) Es gibt keine eineindeutige Zuordnung, da sowohl einer traditionellen Wortart mehrere Zeilen der Matrix, als auch einer Matrixzeile mehrere traditionelle Wortarten zugeordnet werden. Wegen der Unterschiedlichkeit der jeweils benutzten Kriterien ist das auch gar nicht verwunderlich. 3) Die traditionellen Wortarten erzwingen keinerlei zusätzliches Kriterium. Die Verminderung um ein Kriterium würde die Wortarten nicht umfassen können. 4) Die Wortartentabelle ermöglicht den übereinzelsprachlichen Vergleich und verdeutlicht zugleich, daß auf der einen Seite nicht jede Sprache alle aufgezählten Wortarten besitzen muß (z. B. Artikel), und auf der anderen Seite die Zuordnung im Laufe der Zeit sich auch ändern kann (vgl. Präpositionen). 5) Da es keinen Satz ohne Sprecherbezogenheit geben kann, wird man versuchen, wissenschaftliche, allgemeine Aussagen, mathematische Sätze, theologische Wahrheiten etc. mit einer minimalen pragmatischen Komponente, poetische Sätze mit einer maximalen pragmatischen Komponente zu formulieren. 6) Die vorgeschlagene Klassifizierung will und kann nicht allen historisch gewachsenen Feinheiten der Einzelsprachen gerecht werden. Deren Untersuchung muß zunächst zu Subklassifizierungen, dann aber auch zu Modifikationen der revidierten Skizze führen. 7) Es ist selbstverständlich, daß die hier vorgelegte Klassifizierung, die in erster Linie dem Sprachvergleich einheitliche Kriterien in die Hand geben und von nur intuitiver Übertragung von Wortarten auf andere Sprachen wegführen will, die Bedürfnisse einer maschinellen Textanalyse (Bergenholtz - Schaeder 1977) nicht erfüllen kann. Dennoch bin ich überzeugt, daß die augenblickliche Inkompatibilität nicht grundsätzlicher Art sein muß, sondern durch weitere einzelsprachliche Subklassifizierungen überwunden werden kann.
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8) So gewiß es auch ist, daß die jüngste Entwicklung der ChomskyGrammatik, die Government and Rinding Theory mit ihren lexikalischen Kategorien [aN, ßV], die zu Substantiv, Verb, Adjektiv und Präposition führen, wegen der Vieldeutigkeit von [-N, -V] eine Fülle von Wortarten Undefiniert läßt und Annahmen machen muß, die jeder Sprachgeschichte zuwider laufen, so sicher ist es auch, daß gewisse Ansätze zur Konfigurationalität der Sprachen, zur «move a»-Transformation und zum Kasusverständnis Grundlage einer fruchtbaren allgemeinsprachwissenschaftlichen Auseinandersetzung bilden könnten, sofern sich nur die erforderliche Gesprächsbereitschaft und damit eine Öffnung der fachsprachlichen Terminologie einstellt.
Literatur Artmann, B. 1983. Der Zahlbegriff. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Behaghel, O. 1923. Deutsche Syntax. Eine geschichtliche Darstellung I. Heidelberg: C. Winter. Beifuss, K. - H. Czepluch - J. Tuschinsky - W.P. Schmid. 1985. «Zur Klassifikation pragmatischer Elemente in der grammatischen Beschreibung». Sprachwissenschaft 10. 81-106. Bergenholtz, H. - B. Schaeder, 1977. Die Wortarten im Deutschen. Stuttgart: Klett Verlag. Bierwisch, M. 1967. «Some semantic universals of German adverbials». Foundations of Language 3. 1-36. Bloomfield, L. 1926. «A set of postulates for the science oflanguage». Language 2. 153-164. Comrie, B. 1981. Language universals and linguistic typology. Oxford: Blackwell. Dudengrammatik der deutschen Gegenwartssprache bearbeitet von F. Grebe. 1973\ (= Der Große Duden, Bd. 4). Mannheim-Wien-Zürich: Bibliographisches Institut-Dudenverlag. Franpois, F. 1970. «De l'autonomie fonctionnelle». La Linguistique 6. 5-21. Frege, G. 1884. Die Grundlagen der Arithmetik. (Neuausgabe HildesheimNew York: G. Olms, 1977). Grundzüge einer deutschen Grammatik, von einem Autorenkollektiv unter der Leitung von K.E. Heidolph, W. Flämig, W. Mötsch. 1981. Berlin: Akademieverlag. Guardini, R. 1983. «Die religiöse Sprache». M. Kaempfert ed., Probleme der religiösen Sprache, 50-71. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Hammerich, L. 1966. Zahlwort und Zahlbegriff. Mannheim: Bibliographisches Institut-Dudenverlag. Hoffmann, K. 1952. «Wiederholende Onomapoetika im Altindischen». Indogermanische Forschungen 60. 254-264 [= Aufsätze zur Indoiranistik I, 3445. Wiesbaden: L. Reichert Verlag, 1975]. Lazard, G. 1963. La langue des plus anciens monuments de la prose persane. Paris: Klincksieck.
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Mot et panies du discours (1986)
[99]
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Zur thrakischen Grabinschrift aus Kölmen Zeitschrift für Vergleichende Sprachforschung 100 (1987), S. 351-357 Die 1965 in der N ä h e von Kölmen ( N o r d b u l g a r i e n ) g e f u n d e n e , in griechischem Alphabet geschriebene Inschrift w u r d e zunächst d u r c h V. Besevliev als Inschrift in u n b e k a n n t e r Sprache b e k a n n t ' ) . N a c h dem sich V . G e o r g i e r ^ ) u n d R . S c h m i t t - B r a n d t ' ) um Lesung u n d D e u t u n g b e m ü h t haben, g e h ö r t die Inschrift heute in die L e h r b ü c h e r der thrakischen Sprache'). Für unsere A u s f ü h r u n g e n wird folgende, auch von R . S c h m i t t Brandt') benutzte Lesung z u g r u n d e gelegt:
EBAPOZEEAENHNETEIAirEKOA
NBAABAHrN
NYAZNAETEANYEANENIAAKA TPOEO Als Ausgangspunkte d e r D e u t u n g k ö n n e n drei Einzelheiten dienen: 1. Die archäologischen F u n d e weisen auf eine G r a b i n s c h r i f t eines Kriegers, 2. Die D a t i e r u n g in die Mitte des I . J a h r t a u s e n d s vor Christus wird von d e r Art der griechischen Schrift nahegelegt, 3. D a ß es sich um thrakische Sprache handelt, beweist die Verw a n d t s c h a f t mit dem Ring von Ezerovo, insbesondere die F o r m des P e r s o n a l p r o n o m e n s asn 'ich' u n d der W o r t a u s g a n g -koa, welche auf beiden Inschriften bezeugt sind. In der ersten Zeile des angegebenen Textes stechen sowohl das von V. Georgiev e r k a n n t e asn 'ich' als auch das W o r t etesa hervor, so d a ß sich als Lesung mit W o r t t r e n n u n g empfiehlt:
EBAPOZEIAIN
HN ETEEA IFEKOA
') V.Besevliev, Gl.43 (1965) 317-322. V. Georgiev, Linguistique Balkanique 11 (1966) 9-24. ») R.Schmitt-Brandt, GI.45 (1967) 40-47. ') V. Georgiev, Trakite i technijat ezik (Sofia 1977) 119-125; I.Duridanov, Ezikst na Trakite (Sofia 1976) 88-90; ders., Die Sprache der Thraker (Neuried 1985) 95-98. ') Diese Lesung weicht nur wenig von denen bei R. Schmitt-Brandt und V. Georgiev ab und unterscheidet sich im Wesentlichen nur in der Aufassung von EBAPOZES (s.u.).
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Zeitschr. f. Vergl. Sprachforschung 100 (1987)
[352]
Durch den Vergleich mit dem Anfang der Ringinschrift von Ezerovo POAIITENEAZN ergibt sich, daß man EBAPOZEZ als einen Personennamen verstehen muß. Georgievs Auffassung als Personenname + Vatersname im Genitiv führt zu unnötigen Komplikationen. Nach dem Muster von Aiov^rjg : Diuzenes^), Mukazeis : Mukazenis wird man in EBAPOZEZ die Kurzform des thrakischen Namens 'Eßgv^EVig^) und einen Verwandten des in Tanais belegten Namens 'Aßgo^eog sehen dürfen'). Man gewinnt also einen PN. * Eßgv^rjg, mit anaptyktischem a in der Lautgruppe -br-''). Da 'Eßgv^eig ebenso wie Eßgv^eÄßig wahrscheinlich den Namen des Flusses "Eßgog, Hehrus (Marica) zum ersten Bestandteil haben'"), erhält man einen einheimischen Beleg eines sonst nur aus der Fremdüberlieferung seit Alkaios (77 D) und Herodot (VII, 59) bekannten Namens"). Das klar lesbare etesa ist durch seinen griechischen Verwandten Srea 'Jahre' einwandfrei gedeutet. Da es wegen des erhaltenen -skein Lehnwort sein kann, muß das Fehlen des anlautenden u- auf thrakische Rechnung gehen. Ein einheitliches Bild von dem Schicksal des «- im Thrakischen läßt sich z.Zt. nicht gewinnen"). Wenn aber etesa 'Jahre' bedeutet, dann müssen die vorangehenden Zeichen HN eine Zahlangabe, das folgende igekoa so etwas wie 'ich lebte' bedeuten. Die Besonderheit an HN ist allein die, daß man
') D.Detschew, Die thrakischen Sprachreste (Wien 1957) 142; 313. ') D.Detschew, Sprachreste 163; G.Mihailov, Inscriptiones Graecae in Bulgaria repertae II (Sofia 1958) Nr. 538. ') D.Detschew, Sprachreste 3; L.Zgusta, Die Personennamen griechischer Städte der nördlichen Schwarzmeerküste (Praha 1955) 61, §42. Durch EBAPOZEZ vergrößert sich die Wahrscheinlichkeit, daß auch 'Aßgo^eg zu den thrakischen Namen an der Schwarzmeerküste gehört (Zusammenstellung bei L.Zgusta, a.a.O. 278-293). Die iranischen Deutungen von M.Vasmer und V.I.Abaev überzeugen ohnehin nicht. ') Zur Anaptyxe vgl. D. Decev ( = Detschew), Charakteristik der thrakischen Sprache, Linguistique Balkanique 2 (1960) 186. " ) D.Detschew, Sprachreste 163. " ) Zur Etymologie des Namens und seiner bulgarischen Entsprechung Ihär vgl. die Vorschläge von V. Georgiev, Introduzione alla storia delle lingue indeuropee (Roma 1966) 370; G. Schramm, Eroberer und Eingesessene (Stuttgart 1981) 291; J. Rozwadowski, Studia nad nazwami wod stowianskich (Krakow 1948) 85 ff. - In der enghschen Fassung: Introduction to the History of the Indo-European Languages (Sofia 1981) schließt neuerdings V. Georgiev den Namen an griech. Eögog (Alkman), griech. evgvg an (S.351). " ) Vgl. D.Detschew, Charakteristik 164-166; W.P.Schmid, BNF. NF. 17 (1982) 464, 466.
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Zur thrakischen Grabinschrift aus Kölmen
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wohl annehmen muß, daß hier die Einer vor den Zehnern stehen, also 8 + 50. Dazu hat F.Gschnitzer bei R.Schmitt-Brandt (a.a.O. S.43, 45) eine schöne Parallele aus Nikopolis (Donau) mit 2 + 500 = ^^'beigesteuert ( = G.Mihailov, Inscriptiones Graecae II, Nr. 687). Erhebliche Schwierigkeiten bereitet nun die offensichtlich eine Praeteritalform der 1. Fers. Sing, darstellende Form igekoa 'ich lebte'. Auf den griechischen Inschriften erscheint bald ein AoristPartizip, bald ein finites Verbum {Cjfaaq, ^ f j ) . Die Endung -koa findet sich, ebenfalls mit dem Pronomen asn verbunden, auch auf dem Ring von Ezerovo: POÄIITENEAZN ... HCKOA .... Eine solche Worttrennung wird wegen unseres igekoa den Vorzug vor anderen Trennungen bekommen müssen. Ebenso wie man HCKOA mit griech. fjoxe (Alkman 84 D) wenigstens hinsichtlich des ^a-Suffixes vergleichen kann, wird man auch igekoa mit griech. e^rjxa in Parallele setzen, wie immer man das griech. -xa und sein Verhältnis zu thrak. -koa phonologisch und morphologisch erklären mag. Wenn auch R. Schmitt-Brandt eine völlig andere Auffassung auch von igekoa vertritt, so ist doch sein Einwand gegen eine Gleichsetzung von igekoa mit ^^Tjxa, nämlich, daß in einer Satemsprache die Lautverbindung *g''j- kaum g- ergeben kann (a.a. S.43), völlig berechtigt. Aber muß denn überhaupt *g>'j- vorliegen? Es gibt doch auch hom. ße(i)ofiai^^), zu welchem sich eine dehnstufige Praeteritalbildung nicht nur vom griechischen Standpunkt sehr wohl denken ließe. Gerade in den Satemsprachen begegnen Nominal- und Verbalformen, die von der Basis *g*ei-l *g^oi- gebildet sind (vgl. z. B. altind. gayah, avest. gaya- 'Leben' in avest. gaemca ajyätimca Y. 30.4, litauisch at-gajus 'erholend, erfrischend', poln. goic 'heilen' u. a.). Für das Thrakische liegt demnach der Ansatz eines Praeteritums *(e}g^e(i)- im Bereich des Möglichen. Allerdings kann dieses nicht mit griech. i^rfxa unter einer anständigen Sternchenform verbunden werden. - In dem anlautenden i- von igekoa, kann man nur eine Präposition sehen, sei es en > in (mit Schreibung eines einfachen g statt j^g)"), sei es vi-. Beweisbar ist keine von beiden. Zur zweiten Zeile NBAABAHFN und ihrer Trennung in NBAABAH-FN kann kaum etwas Neues begeistert werden. Zunächst wird man sagen müssen, daß die Anordnung dieses Text" ) E.Schwyzer, Griechische Grammatik P (München 1959) 780; H.Frisk, Griechisches etymologisches Wörterbuch P (Heidelberg 1973) 238. " ) V.Georgiev, Trakite 130f.; R.Schmitt-Brandt, a . a . O . 43, 55.
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stücks an zweiter Stelle nicht zwingend ist. Man könnte diese Zeile vielleicht auch (sogar besser) als Schluß der Inschrift verstehen. Wie in der ersten Zeile das Wort etesa den Schlüssel zum Verständnis der ganzen Zeile in die Hand gibt, so ist es hier das Wort BAABAH. Von Anfang an ist man sich darüber einig, daß in diesem Wort griech. ßXdßa, ßXaßrj steckt, das hier selbstverständlich als griechisches Lehnwort (im Gegensatz zu etesa) betrachtet werden muß. Nicht so sicher ist die Formenbestimmung. Nachdem bereits aus der ersten Zeile hervorgegangen ist, daß das Zeichen E für historisch kurzes e wie auch für historisch langes e verwendet werden kann, sieht es so aus, als ob H für unechtes e (aus Kontraktion oder sekundärer Dehnung hervorgegangen) verwendet wurde"). Wenn das richtig ist, dann kann BAABAH nicht Imperativ der 2. Person Sing, -e sein, sondern muß als eine Konjunktivform verstanden werden. BAABAH kann - nachdem EBAPOZEI zeigt, daß auslautendes -s erhalten bleibt - nur als 3. Sing. Konj. eines denominativen Verbums *hlabä{i)ö, d.h. als *blabä(J)e-e (-t) aufgefaßt werden. Aus asn ist bereits deutlich, daß unbetonte Kurzvokale synkopiert oder zumindest nicht geschrieben werden können, so daß einer Lesung des N als ne- und des -PN als -gen, oder -ken nichts im Wege steht. Damit ergibt sich als Deutung ne hlabaie{t)-ken 'man soll [dem Denkmal] keinen Schaden zufügen'. - Inhaltlich sind Verbote auf Grabinschriften der antiken Welt vom farblosen Nicht-beschädigen bis hin zum pompejanischen ne meias ossa mit und ohne Androhungen von Strafen gut bekannt. Die größten Schwierigkeiten und damit die größten Meinungsverschiedenheiten verursacht aber die Zeile NYAZNAETEANYEANENIAAKA TPOEO Den Zugang zur Deutung dieses Inschriftteils erhält man durch einen Widerspruch. Aus etesa (und wenn man - wie R.SchmittBrandt es tut - auch den //e^roi-Namen auf *uep- zurückführt, aus Ebarozes) geht hervor, daß es auf dieser Inschrift kein anlautendes «- geben kann. Das bedeutet, daß das Zeichen Y nicht als anlautendes «- interpretiert werden darf, oder anders ausgedrückt, daß YAIN nicht als *uäsom und YEAN nicht als thrakisches Wort für 'eigen' zu deuten sind"). Folglich muß NY-AZN getrennt werden. " ) Eine solche Verteilung läßt sich übrigens auch auf die Ringinschrift von Ezerovo anwenden und würde dann manche Deutungsvorschläge unwahrscheinlich machen. " ) Vgl. V. Georgiev, Trakite 131 f.; R. Schmitt-Brandt, a. a. O. 45, 46; I. Duridanov, Die Sprache I I I .
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Zur thrakischen Grabinschrift aus Kölmen
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Die Folgen dieser Entscheidung sind erheblich. Da kurzes « auf dieser Inschrift mit o wiedergegeben wird (Eharozes, wahrscheinlich igekoa, ferner katroso, s.u.), kann NV nur nü repräsentieren. Angesichts der Verbreitung des Adverbs *nä "nun, jetzt' wird man keine Bedenken hegen, es auch für das Thrakische anzunehmen. Das folgende Wort ist dann natürlich das bereits in der ersten Zeile vorgekommene asn "ich', d. h. der Bestattete redet selbst. Aber wovon kann er mit der Einleitung nü reden, wenn sein Leben schon ein (wahrscheinlich gewaltsames) Ende gefunden hat? Dieser Satz kann doch eigentlich nur von seinem Eingang in die Unterwelt handeln. Auch das läßt sich durch eine griechische Inschrift aus Plovdiv'O absichern: Tgeiaxovraerrjg
fjÄvdov eig
'AiSrjv
Ferner sei erinnert an homerische Ausdrücke wie sövv öößOV "A 'iöog eiao) (A263), Svaoßai eig AtSao (n383). Die einzige Zusatzannahme, die noch erforderlich ist, ist die, daß unsere Inschrift nicht vom Hades, sondern von der Lethe spricht, sei es im appellativischen Sinne (in die Vergessenheit), sei es im Sinne eines nachhomerischen, mythischen Eigennamens (Äfj&rjg öö/xot, ÄTj&tjg neöiov, Arj&rjg vöcog, 6 TfjgÄTj&Tjg nomßög). Der Text NY AIN AETEANY mag also gelesen werden: nü asn lete(i) d{u)nü "jetzt tauche ich in die Lethe (Vergessenheit) ein'"). Das bedeutet, daß mit Ute das zweite griechische Lehnwort in der Kölmen-Inschrift sichtbar wird, und zwar eines aus dem Ionischen. Echt thrakisch kann das Wort wegen e und t nicht sein. Anders steht es mit d{u)nü. Das synkopierte (oder nicht geschriebene) -«- stimmt zwar zum epischen nicht zum attischen H, und die 1. Person Sing, mit 5 > ü setzt den aus thrakischen Eigennamen bekannten Lautwandel ö > ü voraus"). Die Frage nach dem Kasus von lete ist nicht zu entscheiden. Will man nicht mit einem nicht geschriebenen -n des Akkusativs operieren, dann muß man einen langdiphthongischen Dativ-Lokativ auf -c(i) postulieren. Die bisherige Deutung der letzten Zeile zwingt nun aber auch dazu, von der bisherigen Auffassung des Restes EANENIAAKATPOIO ganz abzugehen. In dakatro-so einen Verwandten von
" ) G . M i h a i l o v , Inscriptiones Graecae III (Sofia 1961) S . 8 4 f . , Nr. 1020. '") Im inhaltlichen Gegensatz zum homerischen Wunsch: nr]Se ae Xi)dr)
geiTO).
ai-
Beispiele bei D . D e t s c h e w , Charakteristik 178 f. Vgl. die ähnliche Lautentwicklung im Ostbaltischen mit *ö > uo, im Auslaut aber -«.
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phryg. -Saxerog sehen zu wollen^"), wird durch asn unwahrscheinHch. Man erwartet in diesem Satz eine Verbform in der 1. Person Sing. Nachdem man etwas vom Leben des Sprechers und von seinem Eintauchen in die Lethe erfahren hat, möchte der Leser der Inschrift auch noch etwas über das Sterben des Bestatteten wissen. Eben diese Information bietet die Inschrift, wenn man liest: ed{a)nen ida katroso. Das Verbum ist in eä(a)nen zu suchen. Es kann auf der Grundlage der dem Makedonischen zugeschriebenen Glossen Sävo^ T o d ' (Plutarch), Savwv xaxonoiäiv, xreivcov (Hesych) als 'ich starb, wurde getötet' gedeutet und mit griech. davarog etymologisch verbunden werden^'). Die Deutung setzt voraus, daß das Thrakische zu den Augment-Sprachen gehört, was bei seiner Zwischenstellung zwischen Griechisch und Indoiranisch nicht überrascht, und daß es einen medialen e-Aorist besitzt"). ed{a)nen verhält sich zu griech. idavov wie griech. ixgd Neetze oder in dem venetischen Gewässernamen Natiso vorliegen. Die Beziehung vom norweg. FlußN Fala zum litauischen Pala wurde genannt. Die Ableitungen wie deutsch Fils (891 Filisa) mit der Parallele lit. Pelä - Pelesä aber gibt es nicht. Für Vara kann man Belege auch im Nordgermanischen finden.^" Der Suffixbildung * Varisa begegnet man dagegen im pommerschen FlußN Wierzyca (—> Weichsel) (1192 Verissa) oder in JVerse (8. Jh. Weresi) —> Ems. Dem Namen Glems (—> Neckar) entspricht nur der norweg. Glomm. Deswegen darf man Zweifel haben, ob die Zurückführung des schwedischen Namens A^«ssan,| Niz auf ein *Nitisio, *Nidisia und die Anknüpfung des dänischen Filsheek an Filisc?^ aufrecht erhalten werden können. — Dieses zumindest weitgehende, wenn nicht sogar völlige Fehlen ist deswegen so bemerkenswert, weil den nordgermanischen Sprachen s-Ableitungen im appellativischen Wortschatz keineswegs zu fehlen scheinen.^^ Eine zweite Divergenz findet sich unter den -^-Suffixen. Ich möchte das Problem an dem vermeintlichen Völkernamen der Veneti verdeutlichen. Schon die Verbreitung dieses Namens seit homerischen Zeiten von Kleinasien über den Balkan, Oberitalien, Gallien bis in die Danziger Bucht (heute: Zatoka Gdariska) läßt darauf schließen, daß es sich nicht um einen Völkernamen handeln kann. Der den Veneti an der Danziger Bucht benachbarte, baltische Stamm der Aestii hat seinen Namen zweifellos von dem Gewässernamen Aistä. Dieser erlaubt eine morphologische Reihe aufzustellen:
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Namenkundl. Informationen 56 (1989)
FlußN.
*Aisia
Aistä
Aisetä
Alse
—
Aisetä
Neris
—
Neretä
Verys
—
Veretä
[22/23]
Man beachte, daß diese Bildungen sämtlich von Wurzeln abgeleitet sind, die auch in der nordgermanischen Hydronymie verwendet werden. Die eia-Bildungen aber fehlen dort. In Analogie zu *Aisia — Aistä — Aisetä kann man nun auch die Reihe Venys - Venta — *y,enetobilden und den lit. Seenamen und Venys mit dem Laut für Laut entsprechenden got. winja 'Weide', altisl. vin f. 'Grasplatz', ahd. winne f. 'Weideplatz' in Verbindung bringen, also wiederum mit einer Wurzel, die auch das Nordgermanische kennt. Veneti ist also ein Name für Weidelandoder Flachland-Bewohner und stellt sich hinsichtlich seiner Bedeutung zu Angrivarii ( : nhd. Anger), Vangiones ( : got. waggs 'Aue'), Poljane (slaw. pole 'Feld') und ist damit auch mit dem lacus venetus : Bodensee, ein See mit Weideland vereinbar. In der Ableitung des Namens haben wir so getan, als wäre er baltisch, da hier die -ta- und -e i vor Vokal vergleiche man nicht nur folgendes l A I sondern auch inschriftlich ium = eum (CIL. P 401 = Diehl 257), iei[s] (CIL. P 402 = Diehl 265), leis (CIL. P 792 = Diehl 654). eo, io sind es, und nicht ego, die als Vorformen des romanischen Pronomens der 1. Pers. Sing, anzusehen sind. Das was das redende Gefäß nun verlangt ( P E T O ) , folgt dem Verbum im Konjunktiv: I T E S , aJso 2. Sing. Konj. des Verbums itase^*. Als syntaktische Parallelen können pompeiemisches rogo vos fadatis oder cave putes gelten. Eine gewisse Unsicherheit entsteht bei der Interpretation des folgenden lAI. Zunächst liegt es wohl nahe, daxin mit R. Thurneysen ein umgangssprachliches eae zu s e h e n , a l s o ein auf virgo sich beziehender Dativ des Ziels (vgl. Vergil Aen. V 451: it clamor caelo). Der Grund, diese Auffassung abzulehnen, liegt aber nicht im Lautlichen, sondern im Kontext. Wenn virgo - wie oben angenommen - eine Göttin meint, ergibt ites iai 'geh zu ihr' keinen rechten Sinn. Der Angesprochene steht in Ungnade, die Göttin kann also nicht von ihm umgestimmt werden. Deshalb möchten wir IAI mit lat. if gleichsetzen und gewinnen damit eine zweite Stütze der bisher nur durch faliskisch pe:parai belegten Endung der 1. Sing. Perf. auf -ai.^® Von IAI ist abhängig der finale Infinitiv P A K A R I mit dem Pronomen V O I S = vobis, womit wir uns der schon bei E. Goldmann (a.a.O., 98f) vertretenen Auffassung anschließen. VOIS bezieht sich also auf die Versöhnung des Angeredeten mit der virgo. Sprachhistorisch wichtig ist der Umstand, daß damit die mediopassive Infinitivbildung zu den r-Endungen (wie in ßgier, utier etc.) gestellt und von den aktiven Infinitiv-Endungen auf ' - s e getrennt werden muß.^^ Die hier vertretene Ansicht impliziert, daß wir den Vorschlägen von G. Radke nicht folgen können. Seine Lesung ( N E V ) A S T E D NOISI O P E T O I F E S I A I ( S ) P A K A R I V O I S , die durch Ergänzung von ( N E V ) und (S), durch eine Änderung von T E S I A I zu F E S I A I und durch die Annahme eines hypothetischen Festes: *feriae pakariva und einer fraglichen Deutung O P E T O I = optivo beladen genug ist, scheitert schon daran, daß NOISI nicht gleich nisi sein kann (s. o.) und das Suffix -ivus ein altlateinisches *-eivo- voraussetzt (vgl. einerseits plaut. capteivei, andererseits lit. keleivis 'Reisender', kareiva, kareivis 'Krieger' u . a . ) . " Ob die in Kauf genommene Inkongruenz F E S I A I S P A K A R I V Q I S tatsächlich durch die von G . Radke angeführten Parallelbeispiele (S. 89) erträglich wird, bleibt unsicher. Immerhin muß auch er mit der Anaptyxe in P A K A R I V O I S mit umgangssprachlichem Einfluß rechnen.
Die 2. Plur. des Grundverbs ire müßte auf dieser Inschrift *eites lauten. Mit Recht bezweifelt von F. Sommer, a.a.O., 418; M. Leumann, a.a.O., 467. " Vgl. F. Sommer, a.a.O., 574; M. Leumann, a.a.O., 606. Zu peparai E. Vetter, Handbuch Nr. 241, S. 280, 283. F. Sommer, a.a.O., 593f. Anders M. Leumann, a.a.O., 581. Vgl. M. Leumann, a.a.O., 303-305 ohne Einbeziehung der litauischen Bildungen.
[266]
Vulgärlateinisches im ältesten Latein
445
In dem folgenden S a t z D V E N O S M E D F E C E D E N M A N O M E I N O M N E NOP® kann man den Ausführungen G. Radkes insoweit folgen, wie hier das übliche Schema, das auch auf der Maniosspange vorliegt, : N a m e des Herstellers im Nominativ - Form von facere - Dativ des Adressaten Verwendung findet, m.a.W. D V E N O S und M N E N O I (?) sind Eigennamen. Der zweite N a m e läßt sich mit G. Radke auf eine Form 'Menenus zurückführen, wobei offen bleibt, ob es sich um eine Nicht-Schreibung oder um eine Synkopierung handelt.^® Der schwierigste und umstrittenste Komplex ist jedoch die Buchstabenfolge E N M A N O M E I N O ( M ) . G. Radke sieht darin ein 'mano-meitnom und übersetzt 'als Manengeschenk' und knüpft dabei an seine Auffassung von M I T A T an.^^ Etwas weniger problematisch wäre es, in M A N O M den vorangestellten Genitiv Plural zu dem von ihm gesuchten Konsonantenstamm zu manes zu vermuten. Doch sollen nach unserer Interpretation hier nicht die Manen besänftigt werden, sondern die V I R G O . Infolgedessen soll hier auf ältere Vorschläge zurückgegriffen werden und M A N O M zu altlat. m a n u s = bonus gestellt werden.^^ Eine Verbindung mit lat. immanis unter Einbeziehung des EN scheidet wegen der abweichenden Stammbildung aus. E s bleibt ( M ) E I N O ( M ) . D a ein einfaches E I NOM = i nunc überhaupt nicht passen will und ein Substantiv 'minus oder *minnus (< *meitno-) aus dem Lateinischen nicht zu belegen ist, ist man in jedem Falle auf eine Konstruktion angewiesen. Für diese bietet sich die Verbindung R. Thurneysens mit altir. m/an 'Wunsch, Verlangen' ( < 'meino-), ahd. meina 'Meinung, Absicht' ( < *moiiia)^' eher an, als das völlig hypothetische 'meitno- G. Radkes. R. Thurneysens Ubersetzung 'zu guter Absicht' fügt sich in den Kontext bestens ein. Im letzten S a t z N E M E D ' M A R O S T A T O D folgen wir der jüngsten Lesung G. Radkes (a.a.O., 83f), nicht jedoch seiner weithergeholten Deutung von maTo(d) 'bei einem Speiseopfer' (a.a.O., 92). D a auf dieser Inschrift der Dativ als -Ol und der Ablativ als -OD erscheinen muß^^, kann für M A R O entweder nur ein n - S t a m m (wie in V I R C O ) oder wegen des folgenden Sauch ein ' M A R O S angenommen werden. Damit entfällt zugleich auch eine Vergleichsmöglichkeit, die sich bei der Lesung mala angeboten hätte. E s wäre in diesem Falle naheliegend, mit 'en manom meinom das sine dolo, und mit 'malo das dolo malo der Haininschrift von Spoleto (CIL. P 366 = Diehl 256 a) zum Vergleich heranzuziehen. Wenn man nun aber um M A R O ( S ) nicht herumkommt, dann könnte man an die Bezeichnung von Magistratsbeamten in Falerii, Umbrien und wohl auch im Sikulischen: falisk. maro, umbr. plur. marone, sikul. maru denken oder aber "
Lesung MNENOI nach G. Radke, a.a.O., 83. G. Radke, a.a.O., 91; vgl. R. Plister, a.a.O., I I I . a.a.O., 90 und 93. " Vgl. E. Goldmann, a.a.O., 123ff. Gegen diesen Vorschlag s. den Bericht von E. Goldmann, a.a.O., 12611. Daß hier schon -od neben -o ste-hen könnte, ist angesichts des hohen Alters der Inschrift wenig wahrscheinlich. " Vgl. E. Vetter, Handbuch Nr. 287a, S. 234, 514.
446
Festschrift G. Ineichen (1989)
[267]
an einen aus dem lateinischen Gentilnajnen Maro zu gewinnenden Personennamen Maro(s). Im ersteren Falle käme dem maro die Funktion des dica.tor auf der Haininschrift zu, der also die Zahlung von Bußgeldern und die Darbringung von Opfern zu überwachen hat. Dem Sinne nach könnte aJso hier gemeint sein, daß man die Versöhnung nicht einem Gemeindebeamten überlassen will. Die Schwierigkeit liegt dabei jedoch darin, daß man diese Amtsbezeichnung auch für Rom postulieren müßte. Einfacher ist es daJier, in MARO(S) einen Personennamen zu s e h e n . D a s h ä t t e den großen Vorteil, daß auf der Duenos-Inschrift alle Akteure auch namentlich genannt werden, denn es liegt dann auf der Hand, daß in dem Satz: 'Nicht soll mich Maro aufstellen' auf denjenigen Bezug genommen wird, der bei der Göttin in Ungnade gefallen ist und ersucht wird, wegzugehen. Aus unserer Erörterung ergibt sich also folgende Situation: Jemand (Maro) hat vielleicht durch eine Grabschändung den Zorn der Göttin auf sich gezogen und ist selbst nicht in der Lage, sie wieder zu versöhnen. Diese Aufgabe ü b e r n i m m t 'Menenus, der ein von Duenos gefertigtes Gefäß als Opfer (auf das geschändete Grab) stellt. Mit dieser privaten Lösung werden Opfer und amtliche Strafzahlungen vermieden. Die Ubersetzung der Inschrift lautet dementsprechend: Es schwört bei den Göttern (Menenus), der mich (da^ Gefäß) darbringt: "Wenn die (göttliche) Jungfrau gegen dich (Maro) nicht wohlgesinnt ist, soll sie uns (dem Gefäß und dem Absender Menenus) helfen. Ich (Menenus) ersuche dich (Maro), geh weg. Ich bin gegangen, euch (Maro mit Virgo) zu versöhnen". Duenos hat mich für Menenus in guter Absicht gemacht. Maro soll mich nicht aufstellen. Unser Vorschlag versucht, die Konstruktionen und Rekonstruktionen auf ein Minimum zu reduzieren {'meinom). Durch die Auffassung von V I R C O als Gottheit wird das Drillingsgefäß zu einer Votivgabe, zu einem Versöhnungsgeschenk privater Natur, wie sie aus Italien gut bekannt sind. Der private Charakter wird durch die Sprache unterstrichen. Es werden häufiger Pronomina gesetzt und diese in umgangssprachlicher Form (lo, nois, vois), s t a t t der einfachen Verben werden Intensiva gebraucht {mitare, itare). Die Inschrift gewinnt sprachhistorisches Interesse nicht nur durch die Pronomina io, nois, vois sondern auch durch PAKARI (mit r und einfachem -f und vor allem durch iai = if. Auch über die Dreizahl der Gefäße ließe sich manche Spekulation anstellen, doch dies geht über unser Anliegen weit hinaus, dem Romanisten zu zeigen, in welch hohes Alter für ihn wichtiges, sog. vulgärlateinisches Sprachgut zurückreichen kann.
Zu Maro, Marus vgl. W. Schulze, Zur Geschichte der lateinischen 189 und 360.
Eigennamen,
Index
Abkürzungen abulg ae afgh afränk air akymr alat alett alit ap aruss as AV avest bal bret bulg cech cerem dak dän dial faJ gall.-lat ir ital karel keltiber khot korn kymr lang lat mhd
altbulgarisch altenglisch afghanisch altfränkisch altirisch altkymrisch altlateinisch altlettisch altlitauisch altpersisch altrussisch altsächsisch Atharvaveda avestisch Baluchi bretonisch bulgarisch cechisch ceremissisch dakisch dänisch dialektal faJiskisch gallo-lateinisch irisch italienisch karelisch keltiberisch khotansakisch kornisch kymrisch langobardisch lateinisch mittelhochdeutsch
mir mittelirisch mnd mittelniederdeutsch mordw mordwinisch mp mittelpersisch ndl niederländisch norw norwegisch np neupersisch osk oskisch osset ossetisch ostj ostjakisch parth parthisch polab polabisch poln polnisch praen praenestinisch rum rumänisch russ.-ksl. russisch-kirchenslavisch RV Rgveda schwed schwedisch skr serbo-kroatisch sogd sogdisch syrj syrjänisch ukr ukrainisch umbr umbrisch ung ungarisch ved vedisch westf westfälisch wotj wotjakisch wruss weißrussisch xwar xwarezmisch Y Yasna Yt Yast zig zigeunerisch zem zemaitisch
Index
450
Stellenindex Veda AV VI 5,5 26 VIII 5,11 i XII 3,29 149 RV I 16,9 24 I 25,16 4 I 62,2 14 I 71,1 153 I 91,13 3 I 105,11 153 I 112,12 148 I 114,9 4 I 139,7 1 I 173,3 5 II 2,9 7, 13 II 35, H 153 III 45,3 150 III 57,1 5 III 60,7 6 IV 8,5 4 IV 24,6 101 IV 33,5 22 IV 41,5 6 IV 42,10 3 V 31,2 101 V 53,7 148 V 58,6 148 V 63,4 150 V 75,7 101
V 83,8 150 V 84,3 150 VI 35,1 22 VI 49,7 7 VII 2,2 1 VII 13,1 1 VII 27,5 6 VIII 3,20 20 VIII 21,6 101 VIII 32,3 20 VIII 92,12 3 VIII 100,11 7 VIII 101,15 13 VIII 101,16 7, 13 IX 73,2 149 IX 87,9 150 IX 92,4 153 IX 94,2 5 IX 96,7 149 IX 113,8 153 X 11,5 4 X 16,1 22 X 16,2 22 X 23,6 4 X 42,7 22 X 43,7 150 X 49,7 19, 20 X 50,5 20 X 99,4 153
X 100,10 4 X 101 9 6 X 127,8 4 Avesta Y 29,1 l l f . 29,6 13 29,9 llf. 31.9 11 32,14 12 33.3 8 33.4 13 33,12 10 34,14 13 44,6 9 44,20 11 45.4 9 45.10 12 46.6 249 47.2 9 47.3 9 50,2 9 50.7 8 51.5 14 51,7 10 Yt 10,14 148
Wortindex *äp/b- 149
*b 312 *bhära- 242
*ag- 132
*ap- 262f., 308, 326, 336, 341, 365, 422
*ägio- 362
*ar- 328
*bher- 242, 259
*akHä 142
*ara- 265
*bheudh- 33
*al- 142, 328
*ar8trom 265
*bhleug»ö 323
*albh- 2771, 305
*ar|- 277f., 405
*bhleukH- 323
*aid- 411
*atno- 181
*bhleuo- 156, 164
*am- 130
*ävisön 409
^bhlougHjos 323
Indogermanisch *ab- 342, 365, 422
*bhel- 277f.
451
Index * b h l u o - 156
* k l e u s - 35
* o m b h - 262
• b h o r ä 259
* k l u p / b - 149
* ö m b h o s - 150
* b h o r o - 259
* k o l n o - 165
* o n - 408
* d ä n e ) j i o - 241
* k r e u - 396
* o p - 276
* d e i £ - 373
* k u l i ä / * k u U o - 151, 241
* o r - 328, 411
* d e i - u ö - 156
* k u a p / b - 149
* o r b h o - 348
* d e y - 350
• l a g - 321
* p a l - 328
* d h e - 360
*laku 320f.
• p e k H o - 158
* d h e u p / b - 149
* l e u g / g - 33
* p e l - 276, 328, 340f., 408
* d h e u - 143, 350
* l e u k - 154
* p e l - k o - 162
* d h ü - 308
* l i m e n - 168
* p e l - n o - 162
- m - 344, 430
* p e l o - 161
* m a n - 399
* p e l - t o - 162
* m ä n - 399
*pel-)}0- 161
* d r e u - 342, 396, 423 * d r o u o - 259 * d u b r o - 187 * e i - 156, 348 * e l - 131, 326, 328, 363, 393, 408 * e n - 408 * 9 2 e p - / * S 2 o p - 276 * e r - 328, 411 * e r ( s ) - 408 * - e s ä 73, 183f., 340, 421 - e t a 422 * g h e l - 144 * | h e l ! } 0 - 156 * g h r e ) } 0 - 156
*ig- 153 *ighra- 153 * i g ( h ) u - 153 - i l a - 262 * - i s a - 184, 340 -isia 421 * i a g ( h ) u - 153 n e g - 153 * - i e s - 354
* m ä r y a - 126
* p e n - 408
* m b h r 6 - 150
* p e r k » u n i ä 127
* m e d h i o - 126, 146
*perkHus 127
*mei-no 276
* p e r ( s ) - 408
* - m e ( n ) 93
* p l - 276
- m e n - 167fF.
* p l e 6 - 268
- m e n o - 131f.
* p l e u - 33
* m i n o 276
* p l - k o - 162
* m l d v i - 158
* p l l o - 161
*moi-no 276
* p l - n o - 162
- m o n - 167fF. * - m ö ( n ) 171 - m o n o - 131f. * m o r i - 126 * m u n - 399 * n a - k u l o - 261 n e r - 187 - n o - 131, 132 *nögH- 363 *noqH- 363 n o r - 187
*plöfc- 268 * p l - t ä / - t o - 162 *pl-UO- 161 * p o d - 363 * p o l - 276, 328, 340 * p o l - £ o - 162 * p o l - n o - 162 * p o l o - 161 * p o l - t o - 162 * p o l y o - 156, 161 * p u r - 241
•^-ios- 354
* n s - 143 308 - n t - 131f., 213, 241, 258fF., * r a u p / b - 149 263, 278, 307 * r e i n o - 188, 306, 323 * o d - 363
*kait- u n - ia 349
* o g » - 363
* k a n ä 145
* o i k o - 323
* r e u - 396
* o l - 131, 326, 328, 363, 393
- r / n - 314
^ i e u d h - 33 V g - 153
* k a n i o - 145 k a r - 145
* r e u d - 33
* r o d h - 259
452 *roiko- 323 *ro)jo- 259 - s - 277f. *sal- 132 *saI-uo- 160 *sed- 362 *seigH- 262 *sekH- 105 *ser- 160, 342, 423 *seu(3)- 106 *sindhnl 130, 148 *skap/b- 149 *ske/oudos 149 *skey- 405 *skudrös 149 *skund- 149 *skundrä 148 *sor- 342, 423 *souo- 259 *s(t)reu- 396 * - t - 336, 341, 421 *tek- 187 *-ter- 172 *teutä 125f. *tim- 131 - t o - 131 *tok- 187 *-tör- 172 *tüt- 352 *üd- 276, 324 -ula 262 *up- 241, 276 -US- 131f. -V- 307, 336 *var- 328 *Hed- 276, 324 *Ued(h)- 365 *Ue/odos- 151 *Ueg«- 322, 366 *Uejl- 106 *Uei9- 106 *«elg- 243
Index
*Uelp- 409 •jjeneto- 422 *Uer- 132, 328 *l}erp- 410 -Ues- 131 *Uidhu- 126, 127, 145, 368f. *Uip- 409 *Uod- 276, 324 *Uolp- 409 *Hor- 328 Indo-Iranisch ä p - 276f. dan-apra- 242 *dänavya- 241 dänu-311, 399 drav- 130 k(h)an(i)- 145 *vaina- 103 Altindisch abhrä- 150 ädri- 409 aham 362 a j a - 362 ämbhas- 150, 262 ämhas- 152 aiiihü- 152 äp- 148 arsati 406 asau 200 asita- 143 äsura- 251 ayam 200f. asman- 170, 172 bhüri- 243 buddhä- 33 budhna- 170 daiva- 251 däihsas- 152 dariisü- 152
dänu- 130, 147 dasa- 252 devä- 156 dhautih 411 dhävate 411 dhT- lOlf. dhumah 411 drav- 147 dravanti 147 dravara- 131, 147 eka- 156, 189, 323 enä- 156 esah 200f. garbha- 409 gaya- 385 gräma- 350 hvar- 155 hväras- 155 iha 388 indu- 130, 147 -(i)tavya- 134, 140 Isä 250 jäyati 105 jlva- 156 karoti 15ff. khä 145 khäditavya- 135 khan- 145, 148 khara- 145 kitavä- (ved.) 19 krnöti 15ff. kulya- 150, 171, 241 ksodas- 148 ksud- 148 mänas- 154 manisä (ved.) 5 mrsyate 67 nadl 148, 366 ojas- 155 pakva- 158 panthäh 267 plävate 31
Index
p l u t ä - 33 p r ä t h a s - 152 präyuta- {ved.) 5
453
t u r ä - 241
Neuindisch {Zig. unbez.)
tvam 200 - t v a n a - 134, 140
akharimos 137 akusimös 137 a s - 137 u d a r a - 365 asaimös 137 unatti 324 a s a v - 137 u r ü - 152 azuker137 u s a r - 365 bar-, b a r - 137 vadati 366 r i p ü - 152 baro, baro 137 v a d i - 150 roci's- 154 barval-, bärval- 137 vämiti 33 r ö d h a s - 154 b i s - , b a s - 137 v ä r a s - 152 - b e n 134fF., - b e ( n ) 140 r u g n ä - 33 v ä r ( i ) - 130,147f.,241,327 beng(-), beg 137 s ä d a s - 155 vasanta 278 bikin-, b i t y n - 137 sajati 360 väyati 105 binnä (hindi) 105 s a m u d r a - 150 Vena- 103 bol(av)- 137 sapta 251 venati 99ff. cerimata 139 s e t u - 249, 251f. cor-, t s o r - 137 s i n d h u - 130, 148, 245, 305 v e p a s - 149 veti 105 c u m e r - 138 siram 266 vT-/veti 104f. cumidimos 138 s k u n d a t e 148 daraimös 137 *vlnäti 106ff. surä 251 der-, darav 137 sute 106 v i p r ä - 149 dhonä (hindi) 411 suväti 106 y a h ü - 153, 410 di(ni)]- 137 s v a p n a - 135 y a h v a - 153 gav 350 s v a s a r - 245, 251 yahvant- 153 svayam 200 gudl-, gugl- 137 yahvi' 153 prlnäti 102 p r s a t - 406 p r t h ü - 152, 158 prthvT 158 r a s m i - 250 repas- 152
u d a k a - 365
s y u m a n - 170, 251 s a p h a - 363 s a t r u - 388 silä 144 sithilä- (ved.) 21 so e i s - 154 - s o k a s - 154 sveta 340 s y ä v a - 157 taks- 13 t ä m a s - 154 tämisrä 154 t ä v a s - 154 tavisä- 154 timyati 131, 147
*yödhas- 150
j a - , z a - 137 javiben 137
y u d d h a - 33 y u d h - 149 * y u d h r ä - 150 y u d h y a - 149 Mittelindisch apavinati (palt) 105 idha {pali) 388 jinäti (pali) 105 khanai (prakrit) kullä (prakrit)
145 150
pavTnati (pali) 105 vinäti (pali) 105
jinal (maharashtri) 105 k ' a b n l 136 kal-, kal- 137 k a m - 137 k ' ä r - , a k h a r - 137 ked-, k i d - 137 k'el-, khel- 137 keriben 139 k h a n n ä (hindi) 145 kidimos 137 kisl-, kisl- 137 külä (hindi) 150 kulo (nepali) 150
454 kus-, a k u s - 137 lac-, las- 137 lubnr 136 m a g - , m a n g - 137 mär-, m a r - 137 märimask- 138 m e r - 137 merimasko, -ki 138 mist- 137 -mo(s), - m a s - , - m a l a 137fF., 140 nasval- 137 n a s - 137 n e v - 137 p ' ä r - , p h a r - 137 parn-, p a r n - 137 p e k - 137 pekimäsko, -ki 136 - p e n 134ff., 140 p'ir-, phir- 137 p ' u r - , p h u r - 137 roj,imös 137 rov- 137 sapnl135 siv-, s u v - 137 suimös 137 suno, suni 135 suvl- 137 tac-, t s a t s - 137 tarn-, t e r n - 137 t a t - 137 thoimös 137 t ' o v - , t h a v - 137 t ' u l - , t h u l - 137 t s a t s - 137 tsorimös 137 vuzimös 137 xa-, x a - 137 xamös 137 x a n - 145 xoxaimös 137 xoxav- 137 xoxiben 137
Index yuz-, vuz- 137 zaimös 137
Iranisch *aiva- 323 *baga- 251 bär-ustana 309 bor 243 d ä n u - 241, 244, 306, 308 h a i t u - 245 kan- 145 *kanyä 145 *nävya(ka)- 148 *upa-kulio- 241, 261 ustäna 242
Altiranisch (Avest. unbez.) adlnä (ap.) 102 a6u-130, 147 aeva- 156, 189 aesa- 250, 266 a h u r a - 245 §.nm3nl 12 a o j a h - 155 ärmaiti- 9 aojis- 155 avah- 155 awra- 150 baga- (ap.) 361 d a e n u - 250 dai)ha- 252 d ä n u - 130, 147 döisT 19 gaya- 385 hadis- (ap.) 155 h a e t u - 249 hapta hindava 130 Haxämanis- (ap.) 154 hindus (ap.) 130 hunäiti 106 hunämi 106
k a n - 145 k a n - (ap.) 145 karanaoiti 15 kunautiy (ap.) 15 maesl 250 maraza- 126 mar-j-ä 126, 148, 183 mraoT 12 panta 267, 365 raocah- 154 raoSah- 154 safa 363 saocahin- 154 t9vis- 154 tas- 13 u p ä p a - 150 vaena- 99 vaina- (ap.) 99 vairi- 130, 242 vär- 130, 148 vayeiti 106 vifra- 149 vT-zbäris- 155 Visa- 250 vouro-stäna 242 vyeinti 106 xa 145 xsaodah- 148 xsudra- 148 x s u s t a - 148 y a u d - (ap.) 149 yaoz- 149 y a z u - 153, 410 yazivi 153 yui6ya- 149 z b a r - 155 z b a r a h - 155
Mitteliranisch " f r y n - / ' f r y t - (sogd.) 102 ' m ' x s - (mp.) 266 'yw (sogd.) 250
Index
ß'r [sogd.) 242 daha- (khot.) 252 Syn (zwar.) 250 -kn- {mp., parth.) 145 kn- {sogd.) 145 kr- (parth.) 15 kwn- {mp., sogd.) 15 mr-r (sogd.) 126 mes (mp.) 250 sfryn-/sfryt- {sogd.) 102 tw5yh {sogd.) 125 ven-/dT6 (mp.) 102 wn- {sogd.) 15 wyn-/dyd {parth.) 102 wyn-/wyt- {sogd.) 102 x'n(yg) {parth.) 145 yan- {khot.) 15 ynyyn'k {sogd.) 153 ywdy- {parth.) 149 zyn-/zyt- {sogd.) 102 Neuiranisch {Np. unbez.) ämäj 266 bär 242, 259 bm-/dTdan 102 cina {afgh.) 145 don {osset.) 130, 306 haur {bal.) 150 juy-bär 259 kan- {yaghnobi) 145 kandan 145 kawn {shughni) 145 kayn {shughni) 145 kaenyn {osset.) 15 kun- 15 kürän 350 mal {osset.) 126 marg 183 mar-f 126 mez {yaghnobi) 250 mörj {shughni) 126
näv 148 nigaenyn (osset.) 145 töde 125 wen-/weta- (yaghnobi) 103 xär(ä) 145 xes 266 xid, xed (osset.) 249 yaxni (afgh.) 153 yek 250 Griechisch i p t a 132 ie^cü 34 ä;Ti[xi 170 axficdv 170 (iXipö.; 306, 310 4[jidpa 406 atfiapri 130 avaupo; 274, 310 öivxXEÜ) 407 avxXTjfi« 407 av-cXo? 407f. avxpov 408f. ap6w 310 apoxpov 265 äpöü) 266 aoi? 310 iifjLTiv 170 aux^iTiv 170 aOtoj 200 äxXü; 310 ßaBü? 152 ßE(t)opiat 385 ߣv0oc 152 ^Xa^Lupöi; 152 Tpdßtov 366 SeXyü; 409 lap 365 ija 200 I^Tixa 385 löavov 388
455 etßw 310 -£io; 306 ixetvo? 200 33 fjeXto? 34 tt'iwv 409 iOafEVTi? 388 iXu; 310 IxBüi 310 xoio? 388 Xdxxo; 321 Xei|j,wv 167fr. Xr|xav 32 Xt-cupö? 152 Xt-i-üi; 152 XtfiTiv 167ff., 183 XITIVT) 167fF. XuGpo? 408 -(iT)V- 171 vöxto; 340, 420 5 200 'Oapo; 327 85e 200 öptßpo? 150 ÖÄO? 276 öp(pavöi; 348 406 o5to? 200 ;cdXxo; 162 iceBiXov 360 JceSov 360 TteXXa 409 TceXXö? 162 TteiixT) 352 Ttioo? 310 TcXaxii? 420 Tcota 310 Tcoijjiaiv 170f. icoXto? 161 TcöXt? 350 TCOöc 276 TCuOfATlV 170
456 JcuvGdvofjiat 41 TCÖv 170 ^aßSo? 410 ^«TCXW 410 ^eeBpov 408 ^ETCW 410 408 ^ÖTtaXov 410 ^ÖTZZpOV 411 411 aü 200 xefTfw 310 ipercw 355 xponao) 355 uypö? 150, 322, 366 u[jifiv 170 ifißofiai 358 9Xeüj 323 (pXewi; 323 323 (pXüw 323 XeXwvT) 412 XeXüvTi 412 Xew 408 XutXOV 408
Thrakisch asn 383 blabae 386 d(u)nu 387 - d a v a {dak.) 350 - d e v a {dak.) 350 Ebarozes 384 ed(a)nen 388 etesa 383f. -g(e)n 386 ida 388 igekoa 384f. iskoa 385 katroso 387f. lete 387 n ( e ) - 386
Index
nu 386f,
declarare 405 deivos (alat.) 440 Messapisch dens 123 dicax 376 aGänas 283 dicens 376 aSenai 283 dictus 376 aöinai 283f. dIvus 156 graias 284f. dixi 373ff. ke 284 edere 358 klaohi, klohi 35 edimus 364 konkoiastis 284 ef (umbr.) 443 mimeteos 284 ego 200, 362, 443 mogamatis 284 emimus 330, 356 en (alat.) 445 Italische Sprachen {Lat. unbez. endo (alat.) 442 f[if]iqod (fal.) 115 adolere 363 facere 123 aitu (umbr.) 116 factud (osk.) 116 albus 326 fakust (umbr.) 116 almus 419, 423 fecit 113fF. amnis 330 fefacust (osk.) 113 annus 181 aqua 70ff., 241, 262f., 311, fetu (umbr.) 116 314, 319f., 407f., 423 fifiked (fal.) 115 aquarius 319 fifikus (os/fc.) 115 aquatus 319 fileai, fileia (praen.) I I I aquosus 319 flävus 156 aquula 319 flumen 323 aräre 265 fluo 323 arätrum 265 fluvius 323, 424 astare 443 {odi 356 asted (alat.) 443 fodiö 330 aurum 324 fragilis 328 brevis 158 fregimus 330 canere 145 füdi 356 capteivei 444 fumus 411 cito 376 fundo 331 clarus 405 gradus 328 divus 324 gravis 158 cömis 442 helvus 156 conflouont (alat.) 323 hic 200f. conflüges 323 homo 172 cosmis (alat.) 442 iai (alat.) 444
Index iI444 pe:parai (fal.) 444 i'iV (osJk.) 443 pes 276, 358 ille 200f. peto (alat.) 443 io (alai.) 443 plaustrum, plostrum 266 iocus 363 polluo 408 iovesat, iovestod (a/at.) pullus 162 440 quattuor 328 ipse 200 quercus 127 is(te) 200f. rävus 156 lacüna 320 rivus 156, 188, 323f., 424 lacus 183, 320, 424 salum 322, 424 libenter 376 scabö 330 linquo 331 secare 359 iTquI 356 sedimus 330, 356, 364 litus 327 senectus 352 lutum 321, 424 sentina 407f. magnus 328 sied (alat.) 442 mänäre 399 siem, sies 125 manom (alat.) 445 siom (osk.) 112 manus (alat.) 445 solium 363 mare 321, 328, 424 statod (alat.) 445 maro (fal.) 445 svävis 158 maxime 376 tango 331 meinom (alat.) 445 ted (alat.) 442, (praen.) med 112, ( M ) 112 112 mergere 323 tenebrae 154 mitat (alat.) 440 tiom (umbr.) 112 mollis 158 tn'i'büm (osk.) 359 nei (alat.) 442 tu 200 nT442 über 327 nis 443 üdus 322, 424 nobis 443 flllgo 322 nois (alat.) 443 umor 322 nomesina (fal.) 110 unda 324, 424 odor 322, 363 universus 376 oinos (alat.) 156, 323 unus 188, 323 olca (gall.-lat.) 162 uveo 322 olet 322, 363 uvidus 322, 366 orbus 348 vadum 322, 361, 424 ornus 363 venimus 330 pakari (alat.) 444 verbera 411 palus 327 vhevhaked (praen.) 113ff. partim 376 vibräre 149
457 virco (alat.) 442 virtus 352 vTvus 156 vobis 444 vois (alat.) 444 Romanisch il (ital.) 201 izvor (rum.) 260 quello (ital.) 201 questo (ital.) 201 Keltisch ambactus 350 caleto- 144 dunum 349 isarno- 349 loch 321 *m6ni- 399 rian 306 -rix 350 silaPuf (keltiber.) 349 Irisch (Air. unbez.) arathar (ir.) 265 bethu 352 calath 144 dobur (ir.) 187 dün 349 en (mir.) 408 enach (mir.) 408 guidid 330 lem 168 mi'an 445 moin 399 ochtach 352 oeth 348 orbe 348 orpe 348 rethid 330, 356 n'an (mir.) 416
458 techid 330, 356 Britannisch an-udon (kymr.) 348 aradar [kom.) 265 aradr {kymr.) 265 caled (kymr.) 144 coet [hret.) 349 coid (akymr.) 349 llwyf {kymr.) 168 mawn {kymr.) 399 Germanisch *agHj6 320 -aha 72, 142, 311 *ailä {germ.-balt.) 143 drangön 179 dringen 179 *eg«ja- 320 fere-eih 127 ga-dej)s 24 *hvita- 340 *-izan- 430 -izin- 354 *-izn- 354 *laho 320 mag 364 *mariska 323 *nata- 340, 420 *natil6n 340, 359, 420 *-6sn- 431 *-6zan- 430 *pl6gaz 267f. tunjjus 124 -und 336 *vip-ra- 149 Gotisch aba 354, 431 agis 305 ah;a 70, 73, 319
Index ai>s 348 akran 363 alt)iza 430 andbahts 350 arbi 348 arhjazna 431 a))n 181 *auhsa 354, 431 *aukai> 52 bai'rail) 57 bai'rij) 57 bidjan 312, 343, 355 biwaibjan 149 blinds 353 brekum 330 etum 364 fairguni 127, 351 fani 408 faran 313, 343, 355 filusna 431 fralsi 359 giutan 331 greipan 312, 343, 355 guma 172 hailji 349 hai))iwisks 349 hallus 144, 165 hanins 170 hardus 353, 430 hlaiwasnos 431 hlaupan 312 *-isn- 431 -izan- 354 kelikn 351 leiluan 331 lei{)u 327 lieka 331 magus 158 manag-du)3s 352 manags 430 mawi 158 midjis 353
mins 433 naga>s 363 namo 431 niman 312, 343, 355, 363 qemum 330 *reiks 350 rimis 152 sailuan 412 setum 330, 364 siponeis 351 sitls 361 skaban 330 slepan 312 sniumundo 434 sutis 430 tekan 331 pamma 353 Jsius 158 l)iwi 158 waggs 422 wairban 354 wairpan 312, 343, 355, 410 wairs 434 weipan 149 winja 422 Altnordisch ä 423 ffigir 305, 320 arör 265 arfr 348 aurr 274, 311, 417 ausa 426 eiör 348 eisa 179 elfr 311 fjall 341, 429 flä 268 flatr 340, 420 fors 406 foss 406
Index hallr 144 165 heiör 349 iQgr 320 merki 126 mgrk 126 plögr 266 si'k 262 sQlr 160 sveigja 410 vin 422 vgkr 150 vQkva 322 Nordisch dude (dän.) 143 ed-gäng (schwed.) 348 eil (norw.) 143 fold (noru;.) 341 plov (dän.) 266 sikla {norw.) 262 Althochdeutsch aha 70, 314, 319 albiz 305 bläo 156 demu 353 dinsan 354 dringan 354 eid 347f. facha, fah 417 falo 156, 161 fas 358, 363 feld 162 felis(a) 429 fiohta 352 flahan 268 fliogan 33 fliosan 33 folda 162 gelo 156 gräo 156 grifan 354
hadu 289 ham-edii {afränk.) 348 heida 349 hlosen 35 huliwa 165 hulwe {mhd.) 165 letto 327 tneina 445 phluog 266 plovum (lang.) 266 salo 160 tutilcholbo 143 wat 322 Winne 422 zun 350 Deutsch -ach 311 Amt 347 Anger 422 Apfel 363 Aue 320 Bach 260, 303, 311 Bann 347 der 200 dieser 200 du 200 Dude143 Eid 347 Eisen 349 er 200 Erbe 347f. Esche 143 Espe 143 ffl (westf.) 161 Fels 341, 409 Fluß 303 frei 347 Geisel 347 Graben 303 greifen 312, 340 Hader 388f
459 Hahn 145, 260, 363, 418 Haube 312 helfen 312, 340 Huf 363 Huhn 260, 363, 418 ich 200 jener 200 Karpfen 391 Lache 321 laufen 312, 340 Mark 183 Marsch 323 Meer 260, 363, 418 Moor 260, 363, 418 naß 340 Nessel 340 Pfad 267, 312 pflegen 266, 312 Pflug 265ff., 312 Pfote 312 rauben 312 raufen 312, 340 Reich 347 reif 312, 340 Rinnsal 303 schaben 312 schaffen 312, 340, 408 scheiden 394 schlafen 312, 340 schlaff 359 schöpfen 408 selber 200 steif 312, 340 Stint 395 Strom 303 taufen 312, 340 tief 312, 340 Ufer 422 Vater 418 Vetter 418 Watt 361 weiß 340
460 werfen 312, 340, 410 Niederdeutsch lagu (as.) 320 plog (as.) 266 wat {mnd.) 322 plog 266 plögen 268 Siek 262, 311 wak (ndl.) 322 Englisch eagor (ae.) 320 flean (ae.) 268 lake 321 merece (ae.) 126 plough 266 sweorcan (ae.) 342 sulh 266 town 350 tun (ae.) 350 widu (ae.) 145 Baltisch *-ais-is 437 *aka 70ff. - a k a 72, 142 *akmenes 173 *akus 72 *alang- 397 -anga 398 a p a - 72, 422 - a p p e 72 *dan- 399 *dun- 399 - e t a 401 *glum- 341 *kuliä- 261 •kulio- 261 - m e n a 171 -mene 171
Index *ples-ti 268 sad- 361 tauras 401 *unden- 324 vidus 126 Altpreußisch ackins 70 aglo 310 alcunis 412 ape 141 apus 141 asmai 92if. assai 94 asse(i) 94, 288 est 95 astits 95 atträiti 50 atträtwei 50 auwirpis 411 billät 68 bleusky 323 crauyawirps 411 dagis 297 dätwei 288 doyte 288 eg 288 endyrltwei 65fF. etträi 50 ettrais 50 etwierpt 410f. gabawo 366 gillin 158 grabis 366 ikai 288 ilmis 393 immaiti 52 ymmits 88 iquoitu 288 kadegis 297 kayle(s) 287 kirdTt(wei) 68
koyte 288 kuslaisin 437 labbai, labban 288, 436 labonache 288 lasinna 362 lasto 362 maldaisei 434 maldaisin 437 massais 298, 435f. milijt 68 neaw 287 nykoyte 288 noatis 72, 340, 359, 420 noüson 288 palwe 161 pannean 408 patowelis 287 penega(n) 289 penningans 289 percunis 412 peuse 352 pirmois 435 poyte 288 polinka 331 poüt 288 powierpt 410 quoi 288 quoitisnan 288 rekis 287 rekyse 287 rikijs 287 saddinna 361 salowis 160 salus 72 schumeno 170 semmai 436 senrTnka 89 sklstai 436 stesmu 353 stesse(i) 94 suckis 72 tebbe(i) 94
Index
thäws 287 thewelyse 287 thewis 287 tho 287 thu 287 tickinnaiti 50, 52 tickinnimai 50 turrais 52 unds 324 uraisin 434 weddedin 86 weders 365 wosigrabis 366
Litauisch ailä 143 aili 143 aiskus 295 aiskiis 405 akinis 191 akis 70 akmuö 144, 169f., 306 alkune 363 almuö 170f. alpti 404 ampalas 161 anas 200 apklaüsineti 39 apkläusti 39 ap(si)lankyti 296 ärklas 265f. armenys 170 armuö 170 arzüs 405 as 362 atgajus 385 atodrekis 295 atsikläusti 39 äugti 34, 78 -auju 213 äuksas 324
austi 34 ausra 365 äusti 34 as 200 badas 360 bagna 260 bala 159 balva 159 bangä 338, 420 bärti 76 bäudinti 33 baugiis 33 beda 360 begti 78 358, 362, 364 bengti (zem.) 297 birti 261 bitala (dial.) 63 bitele 63 blandytis 40 blfstis 39 bliaukti 323 bljsti 40 bognä 260 bognas 260 brangus 353 brezti 268 bruozas 268 budeti 33 bugti 33 büras 243 burys 243 ciaupytis 34 ciäupti 34 däbras 395 daga (zem.) 297 dangus 295 daüg 32 däuginti 32 degti 75 del (dial.) 64 derlius 297 dervä 401
461 didelis 297 didesnis 431 didis 353 dievas 156 dilti 76 difbti 78, 297 difti 75 dirti 81 döbti 81 du 297 dumburys 187 dümti 81 duodu 358 düseti 35 dziaugsmingas 295 dziaugti 295 - e i k - 394 eile 143 eme 330 ertme 172 erzüs 405 -esnis 354, 431, 437 esti 358, 362, 364 galati (dia/.) 62 galva 157 gauras 239 gausä 32 gäusinti 32 gaüsti 31 gäuti 81 gegutala (dial.) 63 gegutele 63 geibti 40 gelbati (dial.) 64 gelml 171f. gelmenys 171 geltas 144 gelti 80 geras 353 geresnis 431 geriausias 437f. germe 171f.
462 germena 171 gerti 80 gerve 157 gybti 40 gili 158 gilme 171 gilmena 171 gilüs 158 •gilvT 158 gimti 41, 75 ginklas 295 gintaras 295 gifiti 75 ginti 78 gyvas 156 glaüsti 31 glemesos 152 glieti 81 glodüs 31 glösti 31 gludüs 31 glumüs 152 gnybti 78 grazesnis 431 graüsmas 32 grazesna (dial.) 63 grazüs 63 grebti 362, 364 greiciaü 436 gr f sti 81 griäusti 32 griaüsti 33 griebiü 354 grjsti 81 grozis 363 grusti 33, 78 g u d r ü s 404 gulati (dial.) 64 giilti 78 indas 360 intaka(s) 72
Index iza 153 isimtine 295 isklausyti 39 iskläusti 39 isküs, ysküs 405 jaudinti 33 jaüsti 32, 41 j a u t o t i s 32 jis 200 jöti 81 j u d e s ^ 149 j u d e t i 33, 149 j u d r ä 149 j u d r ü s 149 jüngti 81 j u o d a s 278 juokas 363 kadagys 297 kaiva 391 kalbati (dial.) 64 kale 144 kalnalis (dial.) 63 kälti 76 kalti 363 kalvä 144 kankorezis 297 kapas 359 karia 313, 343, 355 karti 80 karvelis 165 kästi 76 k?sti 78 kaubras 312 kaüpas, kaupas 32, 312 käupinti 33 kaüpti 32 käuti 31, 81 kausas 32 kaOsti 32 keleivis 156, 444 keli 295 kenteti 40
keras 145 kerdzius 295, 394 kerpa 312, 343, 355 kerpü 354 kfsti 40 kevinklioti 40 kiausis 295 kiemas 278 kiminai (iem.) 297 kiihsti 77 kirgauti 395 kirgu 395 kirmuö 171 kifpti 77 kifsti 77 kisti 394 kisti 78 klänas 327, 363 klaüpti 33 klaüsineti 34 klausyti 34fF., 77 kläusti 29ff., 81 klonis 327, 363 klubas 312 klupoti 33 klupti 312 klüsas 39 klüsti 39 kniaükti 31 kniäuktis 31 kräuti 31 külis (iem.) 144, 151 külti 81, 151 kulse 295 kuolas 363 kuopa 359 küpeti 35 kurnai (zem.) 297 kurnors 295 kiirti 81 küslas 435 labaf 436
463
Index labas 363 lafvas 397 läkti 76 landzioti 295 launagas (zem.) läuzti 33
mernas 165 mesti 358
298
lasiniai 295 lekiu 364 lekme 171 lekmene 171 lekti 364 lemia 312, 343, 355 lemti 80 lesti 75 liäukotis 32 liaükti 32 liaupse 32 liäupsinti 32 lieka 312, 343, 355 liemuö 169 lygme 171f. lygmenas 171 lygmuö 171 likti 77 Ijsti 77 lobis 363 lüketi 67 mageti 364 maiva 324 mälti 76 margas 126 mazaf 435f. mazas 298 m e d a a s 127 megstais {alü.) 52 megti 364 meilasna (dial.) 63 meilüs 63
mylati {dial.) 64 milzti 77 minti 75 minti 78 mifti 41 mökesnis 433 mökestis 433 mumreti 77 nabastikas 302 nekfsti 40 nerti 187 nesti 75 niaükti 31 niaukti 31 niurneti 77 notere 340, 359, 420 nukifsti 42 n u k l a u s ^ i 39 nuodas 360 nuogas 358, 362, 365 nuoma 363 obelis 3621, 365 ozys 362 pabaigti, -beigti 297 padas 359 padeti 360 p a j a u t a 32 paklüsnas 39 palaunage {zem.) 298 palegi 362 palios 161 palne 162 pälsas 161f. palvas 156, 161 pancios 295 parokuoti 299 pats 200
mekstaisi {alit.) 52 melzti 81
paukstala {dial.) 63
mergä 126 merkti 323
paukstele 63 paukstelis {dial.) 63
pavydeti 35 peda 358, 360, 362 pedas 358 pelke 162 piäuti 81 piemuö 170f. pietus 158 pieva 310 pyla 165 pilis 350 pilkas 162 pilti 78, 327, 350 pilve 161 piumes {alit.) 171 p j u m e n e {alit.) 171 p j u m u o {alit.) 171 pläkti 76 platüs 340, 420 pläukioti 32 plaükti 32f. pläusti 33 piäuti 31, 33 plesimas 268 plesinys 268 plesti 268 plotme 172 plugas 266 pradzia 295 pranka {dial.) 295 priezastis 295 protas 359 pügzlys 298 puikesna {dial.) 63 puiküs 63 puodas 358, 362f. puokys {zem.) 298 pusis 352 rages 363 rankove 295 rauda 157 raudas 154 raüpti 33
464 räusti 33f. räuti 31 rekti 364 repti 364 retme 172 rezti 268 rytai 158 roges 363 rokuoti 299 romüs 152 rovä 260 ruinis (iem.) 298 ruozas 268 rupesnis 433 rusvas 157 sage 360 sakai 412 salä 396 salti 160 salveti 160 samanos 297 santakä 187 sarvalai 160 säule 34 sausaf 436 sedeti 358, 362 segti 360 sekti 75 -sekti 359 seleti 160 semti 407 sesti 268, 358, 362, 364 seti 81 siäucioti 32 siaüsti 32 sykas 397 Silke 391, 397 silpti 42 siysti 81 skalauti 163 skaudrüs 148 skerdzius 394
Index
skiäusti 33 skiaute 33 ski'esti 394 skisti 394 skudrus 148 skiisti 33 skütas 33 slabnas 312 slaünas 63 slaunasna {dial.) 63 slepia 343, 355 sl^pti 80 slopus 312, 359 smäukioti 32 smaükti 32 smiltis 298 smulkme 171 smulkmenä 171 sodas 268 spaudä 32 spaüdas 32 späusti 32 speigas 295 sprageti 363f. sprausme 32 spräusti 32 sprogti 363 statesnis 431 stembti 81 stiepti 80 stogas 363 straumuö 171 striegalas 298 strigtas (iem.) 298 sükti 78 suolas 363 svaigti 410 svariis 404 sveikinti 33 sveikti 33 svefti 404 sviegas 410
sviegti 410 svilti 76 sala 144 sarvas 157 sekas 359 serti 295 siäure 34 siaurys 34 siaurüs 34 silas 349 sirvas 157 sis 200 sitas 200f. syvas 157 slainüs 324 sleivas 324 slüoti 81 sökti 78 sventinti 295 tam(ui) 353 tankme 172 tas 200 taupyti 77 tausytis 77 tasyti 359 teketi 72, 359 tekme 171 tekmene 171 tgsiü 354 tylati (dial.) 64 toliaü 436 tosis 359 tr(i)usis (iem.) 298 troba 359 tu 200 tuokti 359 tuopa 359 tupe'ti 77 tustesnis 431 üodas 396 uodegä 396 üoga 362f., 396
Index
uolä 363, 396f., 409 uolektis 363 uolus 363 üosis 363, 396 uosti 362f. (-)upe 72, 141ff., 241 ufkioti 402 vada 361 vade 322, 361 vadinti 366 vagä 322, 366, 417 vagis 363f. vagiu 330 vakarai 158 välgyti 243 val(k)tis 298 vanduö 324, 361, 365 vafgti 42 värpa 411 varpste 411 vasara 278 vasaras 365 vedaras 362, 365 vedis 362 vel (dial.) 64 vemti 33 verti 81 verkti 402 verpetas 411 verpti 410 vefsti 32 vesti 34 vesti 75, 358 vezti 75 vidüs 145 viepti 149 vietala (dial.) 63 vietele 63 vilgti 243 vilkti 77 vilpisys 409 vilti 81
virbas 411 vyriausybe 295 virpeti 410 vüti 261 virve 157 virsüne 412 vyti 76 vögti 80 vogti 363f. vüodas 396 vuodega 396 vüogä 396 vüosis 396 zadas 363 zelsti 80 zalsvas 157 zelsvas 157 zelvas 156 zägaras 299 zagre 266 zaibas 295 zelti 144 zenklas 295 zingsnis 295 zemaT 436 zodis 363 zuvis 310 Lettisch (ae = e, y = i) acs 70 addod- 52 aicenaieta 50 aicinät 50 aiz- 299 aka 70, 311, 314, 320 ala 397, 409 alogs 397 apklaiata 53 apklät 53 apklaust 39 apklausinät 39 apsaedaete 55
465 apsedet 55 aptaerpetes, - t e r p - 59 apwelcaet{a), - c e t - 59 apwilkseta 58 atiaunates 53 atkäpaetes 55 atkäpties 55 atklausties 39 atnaesset, -nessaet 59 atraisaita 48 atraisit 48 atfasset(a) 58 atsakkait 48 atträiti 49 attrassaeta, -eta 58 atvest 55 atwedde (alett) 86 atweddaet(a), -et 59 augaita 51 aügt 34, 51 aüksts 34 aüst 34 austrumi 158 avots 273, 306, 327 bala 159 balva 159 bart 88 baedaiates 53 bedät 53 baedaeiata 53 begt 89 best 86 bist 54 bystates 54 braükät 32 bräukt 32 büt 55, 56 cellete(s) 59 ceniaet 54 *cid- 394 ciekuzis 297 cienTt 54
466 ciest 54 Girmens 171 cirpt 88 dabbuiat 53 dabbuiset 58f. dabuit 53 dabüt 53 danga 338 dagava 399 därait(e) 49 darit 48 darrait(a) 48f. darriat 48 devet 55 daswaetes 55 divi 297 d6d(a) 52 dodait(a) 52 d o d a t - 52 dodaeta 52, 56 domaieta 50 domät 50 dömu 52 dot 52 dsiewojeeta 54 dubra 187 duqavas 399 duset 51 dusmoiaeta 54 dusmot 54 dussaita 51 dzedata 53 dzerraet 55 dzerseta 58 dzert 55 dziedät 53 dzimt 41, 86 dzirdaeta 55 dzirdet 38, 55 dzTt 86 dzTtars 295 dziwöseta, - i 58
Index
aede 56 aedaet 56 aediseta 58 eile 143 eita, ey(ta) 56 elküne 412 elkuone 412 elsat 32 Mst 32 emu 56 enydaita 51 enidaet 51 es 56, 362 eseta 59 aesma [usw.) 56 essaem, aessem(i) 56 essaet, esset, aesset 55f. et(am) 56 ettrais 49 gädaita 50 gädät 50 gaudät 34 gaüst 31, 34 gavet 53 gawaeiat 53 glaüst 31 glemesis 152 gluds 31 glums 152 godaita 50 godät 50 grebu 364 graekoieta 54 grekot 54 gribbaet(i) 55 gribet 55 grimt 41 grimt 41 gulet 51 gullaita 51 iela 143 iemmaet(a), iaemm- 54f.
ienidet 51 ieplesties 268 ir 56 yzbaedde (alett.) 86 izklausTt(ies) 39 izklaust 39 yzmettata 54 izmaezaita 51 izmezt 51 yzplücaet 55 izplükt 55 iztaujät 53 y z t a u j a t a 53 j a u n ä t 53 jaunot 53 j a ü t ä t 32 j a u t ä t 37f. jemt 54f. kadags 297 kaiva 391, 397 kale 144 kalpoiat 53 kalpot 53 kalt 88 kaücinät 33 kaükät 33 käukt 33 klafgät 32 kläusai 49 klausaita 48f. klaüsaite 49 kläusinät 34 klausit 34, 36ff., 48 klaust 36fF. kläusinät 34 kliegt 32 kluset 39, 77 kluss 39 klust 39 kokledami 54 kraistit 38 kratTt 38
Index krest 38
malt 88
kriet 38 krimst 88 krist 55 kristiet 54
mazs 298
kristit 54 kritaeta 55 kurinät 38
mekkleiseti 59 mekklaesaita 59 maeklaita 51 maeklaeieta 54 maeklaesait(a) 58 maeklaeset 58 meklet 51, 54 mercet 38 merkt 38
kurrenaieta 50 kurrenaiuszi 50 kurt 38 kusls 435 ^idas, - d e s , - d i 394 ^Tsis 298 ladet, lädaet 55 laidat 54 laydaet 55 laist 54f. laiva 397
masttat 54 maettasta 55 mieslot 54 miloiat(es) 53f. milot 53 milöte 54
lakmenä 321 launags 298 lecet 59 leja 169 lekät 32 lekmenis 321 lekmens 171 lekt 32 liels 297
milzt 88 mirset 59 mirseti 58 mirt 41 mrt 86 näcaet(a) 55f. näka, - e , - u 56 näkt 55, 89 nätre 340, 420
likt 41 likt 41 llst 88 lops 359
nesseta 59 newarraesaita 58f. nicinaita 50 nicinät 50 nokauwaet, - w e t 59 nokauwset 58
ludzaet(a) 55 ludzat 54 lügt 54f. mäcast 55 maiqa 324, 327 maioiaeta 54 maitaita 50 m a i t ä t 50 mäjot 54 mäkt 55
mesloiaeta 54 mest 54f.
467 palaunadze 298 palss 162 palte 162 palts 162 pali 161 p a m e t t a t 54 pamettisaeta 58 panaessata 54 panassseta, - n e s s e t a 59 panest 54 paradaita, - t e s 48 parädit 48 parwaertetes 59 pateikt(ies) 54 patteicata 54 patturraesaeta 58 patturraeta 55 pazinnaeset 59 pazistast 55 pazit 55 pec 299 pelugset 59 peminnaita 51 peminnam 51 pepildaita 48 pepildiseta 58 perküns, -uons 412 pieminet 51 piepildlt 48 pile 161 pirmais 435 plesiens 268 plest 268 plesums 268
noklausities 39
plogs 266
noturraetes 55 opors 262
plosit 268
paaukstenaset 59 pacellet(e) 59 paceszat 54 padodaita 52 pads 360
pomacaeta 55 prasTt 48 prassait 48 precaiates 53 precates 53 priecät(ies) 53
468 püce [dial.) 298 raudät 48 raudzit 48 raugait(a) 48, 50 raugat 50 rauge 51 raugaet 50 r e d e t e 59 raedzaeset 58 redzet 55 raedzaeta 55 rieva {kur.) 323 rist 89 runät 50 runnait 50 ruonis 298 sacTt 48 sakkait(a) 48, 49 sakkat 49 sakkaeta 50 sakraiata, -tes 53 sakrät 53 säkt 89 salaka, salaks 395 saprast 51 saprotait(a) 51 sargaietes 50 sargaita 48 sargät 48 sarrgahjeetees 54 sasenata, -eta 59 sciseset 58 saükat 32 säukt 32 sirgt 41 sist 51, 89 sittaita 51 sittiset 58 skaitaita patarus 48 skaitlt 48 skust 89 slapaeseta 58
Index
slavenat 53 slavet 55 slavinät 53 slawaet 55 smelleta 59 smilts 298 sodaita 48 sodit 48 spaeiat 53 spet 53 staigaiat(a) 53 staigaiet(e) 50 staigät 32, 50, 53 stävet 51, 55 stawa 51 stawaita 51 stawaeiaita 51 stawaeta 52, 55 stMgt 32 strädät 297 straume 171 strigts 298 suminät 53 sumnaiat 53 süna 297 svaigs 410 svefcinät 33 sveikt 33 svetlt 53 swaetiata 53 szautiset 58 tappaet 55 tapt 51, 54f. täss 359 taeccaiat 53 tecet 53 tekät 53 tesat(a) 53 teterva, tetirvä 401 tyccaita 51 tyccat 51, 54f. tyccaeset 59
tyccaet, -a, -i 55 ticet 51, 54f. tiesät 53 topaita 51 topat 54 topaet 51, 55 topaeta 55 trenkät 38 trenkt 38 trusis 298 turet 51, 55 turra, - u 51 tur(r)aita 51 turraet(a) 52, 55 turraetes 52, 55 tuset 77 üdens 173, 324 urga 402 uzcelliat 54 uzcelt 54 uzlukoiat 53 uzlükot 53 uzmodenaita 50 uzmodinät 50 vaicät 37f., 53 valte 298 varet 51, 55 värgt 42 värpats 411 vedars 365 velet 51 verpata 411 vest {alett.) 86 virpulis 411 virsuone 412 waiaset 58 waicaiat 53 waicata 53 wakieti 59 warraitu 51 warram 51 warraesete 59
Index warraet, - a , - u 55 waedde (alett.) 86 waelaita 51 zinät 49 zinnait, - a , - u 48f. Zinnat 49 zirbt 40 Nehrungskurisch acemirstins 294 adrie^es 295 aiske 295 apsejinkluoate 295 ap(se)lanc- 296 äz- 299 banga 296f. bernes 297 bers 298 brangaiss 295 branguoase 295 bruncs 296 cileks 300 cTsts 302 dag 297 dangs 295 dizs 297 dui 297 dzievuoat 297 dzintars 295f. dzaugas 295 dzaugsminge 295 dzaugsminks 295 galve 300 gndes 294 ierinke 296 ietlte 294 issimtins 295 juoa 300 kadiks 297 kaln(s) 298 kerdes 295 kimine 297
kulse 295 kurnars 295 kurne zvejibe 297 Nauses 295 tele 295 ^iekuzes 297 laiminge 295 landzaj 295 lasings 295 launadz 298 launage 297 linksmes 295 luoages 294 mac 298 magaiss 298 mence, mencs 296 menistens 294 miest 302 nakta 294 nebastiks 302 nuoasegrandas 296 pabandij 296 pabengti 297 palaunage 298 panses 295 paräkuoat 299 parsekuoadaÄ 294 pavasara 294 pazTstames 294 pic 299 pieces 294 piektaiss 294 pile 298 pradzes 295 prankes 295 presaste 295 pü^es 298 rankäves 295 rinda 296f. rudina 294 ruoakes 294 ruoans 298
469 sagrandate 296 sagrandij 296 salme 298 saselenkumes 296 saserenke 296 slinkaiss 295 smertaiss 302 smilkts 298 spege 295 spindules 296 sprande 296 strikts 298 suoabe 294 Suriname 296 sere 295 sventinatume 295 tanke 296 tlkiles 294 trus(e) 298 tumsa 294 tuoap 294 tvanke 296f. üdine 294 üksmas 294 uoageles 294 uoatraiss 294 uoaz- 299 uoazuoales 294 vakanne 298 valte 298 vasara 294 vels 297 ventirs 296f. vicere 302 viegile 294 vile 297 vinge 294 vins 294 virauslbe 295 ziema 294 zuoabe, suoabe 294 zaibs 295
470 zenkile 295 zingstine 295 Slavisch bagno 259f., 263 bara 242, 259fF. * b a n . 259f. barycb 259f. chod- 362 grab 366 izvon. 260f., 263, 327 loky 321 *muna 399 n a k t l - 241, 261, 263 •ghtl-b 262f. ocbin. 191 pole 161 ralo 265 reka 156, 188, 323 rekp 364 sig-bla 263 slava 260 slovo 260 s t t o k b 187 sed- 362 tonja 187 vbreti 261 voda 150, 322 •vor-b 261 Altkirchenslavisch agng 362 az-b 362 dadg 358 d-bbri. 187 glad-bk-b (abulg.) 31 g r a d t 350 jasti 358 klati 261 koljp 261 kotora 388 kovp {abulg.) 31
Index kryj9 (abulg.) 31 sedlo 361 kypeti (abulg.) 35 sigla 262, 311 mesti 358 socha 266 naglb 362 sok 412 pasti 362 solovöj 160 pelesT, 162 Stög 363f. plavb 156 Strumen' 171 preplovp (abulg.) 31 svigat' 410 prilbpeti 67 STjto (aruss.) 242 r'bvp (abulg.) 31 tok 72 severi, (abulg.) 34 tomu 353 siv-b 157 topol 359 slan-b 160 var 261 slavo-ocije (russ.-ksl.) 160 vi'det' 35 slysati (abulg.) 34 voda 361 stuzdb 126 vodopol'e 161 vesti 358 voloch 351 vlaga 243 vologa 243 zivb 156 voröba 411 voröcat' 32 Russisch vorotit' 32 vosem' 309 bog 361 zaba 366 bolon' 159 buryj 243 cuzoj 126 dochnüt' 35 dysät' 35 klypät' 33 kol 261, 363 mereca 323 neret 187 norä 187 omac 266 pelesyj 162 pIugT, (aruss.) 266 polosä 162 polovöd'e 161 polovyj 161 pölyj 161 ralo 266 rov 260 rydät' 33f.
S o n s t i g e slavische S p r a c h e n (Poln. unbez.) bagno 260 bahno (ukr.) 260 blana (cech.) 159 bolöna (wruss.) 159 izvor (bulg.) 260 izvor (skr.) 260 kanäva (nkr.) 144 kükati (skr.) 33 morokva (ukr.) 323 nieboszczyk 302 opoka 409 pole 422 rachowac 299 rokowac 299 rypac 33 rzeski 405
471
Index
rzezac 405 rzezwy 405 slisati (skr.) 34 vidjeti {skr.) 35 vräcati (skr.) 32 vrätiti (skr.) 32 vümbel (bulg.) 262 wark 402 wümbal (polab.) 262
märsetär B 67 mäsketär B 68 plusäm B 31 *ruwam B 31 sruketär B 68 war B 130, 242 war A 130 was 238 yasa- 238
Hethitisch
Finnisch
alpant- 404 alpu- 404 alpüs 404 altanni- 411 amiiara- 130, 406 GISAPIN 266 ark~ 405 arra- 411 ars- 406 han- 407 hapa 406 harp- 348 hars- 266 h^elpi- 409f., 412 iskunahh- 405 kutruwa- 404 pappars- 406 sakui- 412 sakuni- 41 If, saku)})ja- 412 suwaru- 404f. tuzzi- 125 yarp- 410 Tocharisch kausäm B 31 klyausäm 35 lipetär B 67 lyam A 183 lyäm B 183 lyüketär B 67
ahven 239 aisa 250 aiva 250 aja- 238 ala- 398 alanko 398 ase- 238 atra (karel.) 265 aura 265, 274 hihna 251 ilma 392 järvi 239 joki 239 juusto 345 kala 145 karva 239 kärki 395 kidus 394 kirkas 395 kita 394 koivu 239, 309, 400 muna 399 musta 394 oja 239 olut 251 orpo 348 pelto 345 ranta 345 rauta 345 rihma 250 saarva 400
silta 250f. sisar 251 suo 396 suoja 396 taivas 250f. tarvas 401 teke- 238 terva 345, 401 terve 401 *t6ke- 238 tuo 238 vaski 238 vie- 238f. viha- 250 vuo 396, 402 vuoksi 402 vuolaasti 396 vuolas 396 ylä- 398 ylänkö 398 Estnisch ader 265 ilm 392 koiw 400 korge 395 löuna 298 must 394 pärn 400 saarmas 400 salakas 395 Livisch a'dderz 265 ilma 392 kanä 145 kidud 394 lenaG 298 lenagist 298 saläk 395 urga 402
472 Sonstige finn.-ugr. Sprachen amedz {wotj.) 266 azoro (mordw.) 245, 251 hi'd (ung.) 249f. läpet, läptä (ostj.) 251 mez (syrj.) 250 miz, mez {cerem.) 250 pavas (mordw.) 251 fisme (mordw.) 250 sazoro (mordw.) 245, 251
Index sed' (mordw.) 245, 249, 251 sur (ostj.) 251 sumis (ostj.) 251 tehen (ung.) 250
ausa 328 balsa 328 calpa 328 carna 328 carpa 328 clana 328 Mediterrane Sprachen ganda 328 gava 328 alba 328 alga 328 lama 328 alma 419 sala 328 arna 328
Namenindex Aa 239 Abano 326 Abava 275 Abista 365 Abovo 275 'AßpoCeo; 384 Abula 365 Abuls 365 Acasy 73 Acher 320 Adda 130, 147 (*)Adra 130,147, 182, 409 Adria 182 Adrov 130 (*)Adua 130, 147 Adula 130, 147, 365 Aesontius 330 Aestii 421 Aga 184, 338, 366, 420 Ahne 408 Ahr 400, 418 Ahra 418 Ahse 406 Ahvenan maa 239, 320 *Aila 146 *Ailapa 143 Ailupis 143 (*)Aisä 179, 182, 187
Arse 182, 213 Aisetä 422 *Aisia 432 Aisne 184 Aista 278, 421 (*)Aitra 338, 340, 420 (*)Aka 184, 338, 366, 420 Ake 420 Akele 70, 73 *Akenä 240f. *Akesä 73, 320 Akicz 70 Akis 70 Akmenä 169 Akmene 144 Akmin-yne 174 'AxjAovta 169 •AkHantia 314, 424 *Ak»ara 314 *AkHenä 239, 314, 424 *akHesa 424 *AkHina 424 (*)Ala 142, 146, 159, 184, 192, 311, 326, 337, 339, 400, 409, 418, 420, 425 Äland-Inseln 239, 320 Alanga 337, 397f., 402 *Alanta 337
Alantas 131, 278 Alantia 419 *Alapa 142, 341 Alara 278, 419 Aläva 131 (*)Alba 306, 326 Albaek 341 *Albantia 306 *Albina 306 Albira 306 Albula 306, 326, 330 Alia 184 *Alio- 326 Aller 142 Allia 326, 328, 423, 425 Alling Ä 337 Alma 326, 337, 419f.,423, 425 Almana 131, 169 Alme 131, 393 Alme 310, 326 *Almena 326 Almenas 169, 171 Almo 170, 326, 419, 423 *Almos 306 Almoyn 393 Almuone171 Almus 310, 326
473
Index (*)Alna 131,159, 337, 419f. Aquae Sextiae 320 (*)Aquantia 73, 262, 320, Aloe 159 322, 423 Alove 131 (*)Aquara 262, 320, 332, Alpe 142, 341 423 Alpfen 142 *Aquesa 423 Alpheiös 306 (*)Aquila 70, 73, 262, 320, 'A>.(pEtö? 310 423 Alsa 184, 337, 420 Aquileia 320 Aisava 309 *Aquina 320 Alse 422 Aquinum 320 Alsetä 422 (*)Ara 142, 146, 181, 400 Alupe 142, 341 *Arapa 142 *Alusia 132 Arar 415 *Alva 400 Arda 310 Alys 184, 326 Ardappen 141 *Alsava 309, 402 Ardija 310 A m a r a 130 *Aresa 154, 181 Ambargau, Ambergo 150 Arfe 142 (*)Ainbrä 150 Arga 184, 278 Ambraga 150 *Arisa 154 Amisia 406 Arize 154 Ammer 130, 150 'Apxuvia SpT) 351 Amper 150 Ar-la 143 Ana 408f. Armenä 169 Anaceta I I I 'Ap[iovla 169 'Avaupo; 310 (*)Arna 142f., 146 Angrivarii 422 • A r n a p a 142f. Anner 408 *Arnava 143 Anyksciai 408 Arno 181, 275, 307, 327 Anyksta 408 Arnus 181, 327f., 423 - a p a 141 Arpe 142 C*^)Apantia 262, 341, 422 *Arsana 406 H A p a r a 262, 341, 422 Arse 184 Aponus 326, 330, 423 Arsia 184 Appia 326, 330, 423 Arupe 142 Apposyn 141 *Arva 400 Apsa 184 *Asä 143, 145, 338 (*)Apsöna 184, 213 Asandi 338 Apsos 184 (*)Asapa 142f, 146, 338, Apsuonä 184, 213 341 (*)Apula 262, 341, 422 Asava 143f. Aquae 320 Asbaek 341
'Aownö? 275f., 310 Aspe 142 Asphe 142, 272, 275, 304, 338, 341 'AoTCoupYo? 243 Assakaym 142 Asundi 338 Asupe 142 Asupis 142ff., 338, 341 Asupys142 Asys 338 Asva 157 A t a 181f., 184 Atese 181, 190 Atesys 181, 183f., 213 At(h)esis 181f., 213, 423 Attergau 130 Attersee 130, 182 Auclappen 141 A u d a 326 • A u d a n a 311 Audena 326f., 423 Audenis 311, 327 *Audera 311 Audra 311, 327 Aue 311 Aufentum 326, 423 Aufidus 326 (*)Au]a 143 Aule 143 A u m a 338, 420 Aumagi 338 Aura 192, 239, 274, 338, 416, 420 Aura-joki 192 Auras 274, 310f. Aure 310 *Ausa 425 Ausente 425 Austrene 158 A u s u n d a 425 Ava 409 Avancia 147
474
(*)Avanta 273, 327 A v a n t ! - 147 *Avant(i)a 306 Avangon 273 Aventia 327, 330, 423 Aventio 273 (*)Avesa 154f, Aveze 154 *Avisa 155 *Avisus 154 Avre 400 Balaitis 278 *Baläviä 159 *Balna 159 Balnys 159 Baiowe 159 Balta 278 *Balvä 159 Bälvis 159, 338 Balweniken 159 Bang 338, 420 Bangas 338, 420 Bangi 338, 420 Barys 2 5 9 f r . Bebrupe 146 Beloc' 73 Bereg 345 Berfa 146 Bialystok 187 BiberafFa 146 Bingen 420 Bjolva 338 Bleve 164 Blögge 164 Bodensee 422 Bo-j-ou 260 B o g t 260 Bogu 311 Boh 260 Boicus 285 Boiov 5po5 285 Bolvupe 159
Index Bolwa 159 Bopaono; 243 Borysthenes 241fF., 259, 309 Braunlauf 141 Brigulos 415 Bug 257 Bug (Südlicher) 260, 311 Caesia silva 351 Caisioi I I I C a r r o d u n u m 350 C a u p e a p s 141 C a y m e n a p e 141 Cetobriga 349 Cetynia 349 Chiana 327 Clanis 327, 423 Clanius 327, 423 Coiwa 239, 309, 400 Colanioi I I I C a e t o - 349 Cicirys 402 A a a t 252 Däbrakas 395 Daengh 338 Danapris 309 Dange 338 Dänuvius 147, 351 Aap5aveii; 189 Aap5avta 189 Dardania 279 A a o a i 252 Daugava 239, 272, 309 Daun 350 D a u t p h e 143 Dengso 338 Dhaun 350 Dieksee 304 Ditva 157 Dnjepr 257, 272, 304, 309, 314; D-bnepr-b 242f., 309
Dnjestr 257, 272, 304; D-bnestri. 242f. Don 2 4 0 f , 257, 277, 306 Donau 130, 188,241,277, 306f., 351 Donne 399 Donwy 130, 147, 241 Dore (la) 143 Aoutava 241 Dovine 411 Dörpe 143 Drau 130, 182, 213, 418 Dräva 182, 259 Dravantl 131 *Dravena 311 Draverna 131 *Dravina 182, 342, 423 Drävinel82,190,213,311 Dravos 130, 147 Apdßo? 182, 213 Dravus 260 Drawa 130 Drawanta 131 Drawantia 131, 147 Drawe 130, 182, 213 Drawen 130, 182, 213 Drawerna 147 *Drawina 213 Drevenz 418 Drewen 182 D r u j a 396 D r u o j a 396 D ü d a 143, 146 *Düdapa 143f. D ü d u p e 143 Düdupys143 D ü n a 239, 272, 411 *Dunia 399 (*)Durä 143, 146 * D u r a p a 143 *Duria 143 Durupis 143 • D v e i n ä 239
475
Index
Dvenos 445 Dvina 239, 309 Dzelda 144 EßapoCt? 384 'Eßpo? 279, 384 'EßpuCevi? 384 Echaz 73, 320 Eger 257 *Egidora 320 Ehn 320 Eichel 70, 73, 320 Eider 304ff., 311, 320 Eilper Bach 143 *Einatia 71 Eisa 179, 182, 213 Eisand 179 *Eisla 143, 182 Eisrä 278 Eitra 338, 340, 420 Elbe 304ff, 311 Elbentas 278 Eime 393 *Elmena 326 Elmone 393 Elpe 142 Emmer 150 Ems 277, 406 Erft 142 Erla 278 Ernupis 142 Erse 406 Erupis 142 Erzvilkaf 405 Etsch 181, 213, 423 Euteraha 149 Exampaios 262 Fala 184, 213, 311, 339f., 420 Felda 162 Feldaha 162 Fergunna 127, 351 Filisa 311, 421 Fils 184, 213, 341, 421
Filsbaek 421 Fold 341 Fulda 162, 277, 341 Gala 163 Gälnis 163 Gälve 163 Gardape 146 Gardupis 146 Gästamas 174 Gästaminas 174 Gauja 239, 309, 400 Gawsis-lawks 71 (*)Gelda 144, 146 •Geldapa 143, 341 Geldbaek 342 Geldilen 144 Geldupe 143, 341 Geldupis 143 Gellep 143f, 341 Gerre 398 Gilbing-See 158 Gilis 402 Gilse 402 Gilwe 158 Girmuonys 174 *Glamis(i)a 152, 341 Glemisgouue (in pago) 152 Glems 152, 341, 421 Glomm 341, 421 Gösebek 304 rpat)? 285 Tpata 284 Graiarum Alpium 285 Graikos 285 Graius 284 Graumuö 170 Grobin 366 Grone 303 GruobiQa 366 Haenepperberger sypen 144 Halappa 144 Halft 144
Halver 165 Hambrina 150 Hanf 144 Hebros 310 Heisingen 351 Heissi-Wald 351 Helmana 170 Helme 170 Herclo I I I Hercynia silva 127 Hercynius saltus 351 Herfa 145 Herpf 145 Holpe 144 Hypakyris 241 Hypanis 241 Hyrgis 241 Harisa 429 Ibar 279 Ibri, 279 Ibra 279 *Ienacia 71 leslä 143 Igara 153 Ijssel 182, 213 'IXtooo; 310 Ilma 392 Il'ma 393 *Ilmajärvi 392 Ilmakoski 392 Ilmasoo 392 Ilmatsalu 392 Ilmedas 392f. Ilmeenjoki 392 Ilmena 393 Ilmen-See 392 Ilmer-b 392 Ilmjärve 392 Ilmo 393 Ilmune 393 Inacus 72 Indura 130, 147
476 Indus 130, 147 Inn 408 Inoca 71f. Inocka 71 Int-urke 402 lovio I I I Isla 143, 182, 213 Isteklis 278 Itera 420 Itter 149 lunai I I I luras 310 luvävus 131 *Jagesa 153 Jagesgouue (in pago) 153 Jagst 153, 277, 410 Jara 398, 402 J a t r a 338 Jesa 182 Jieslä 182, 213 Jiesmuö 170 Jode 71 Jodisacko 71 Jögnupe 397 J u d a 149 Judacis 149 Judeikas 149 Judis 149 Judrä 149 Jud^a-ezers 149 Jüdre 149 Judreika 149 Judrinas 149 Juodmis 190 Juosta 278 J u r a 310 Justozero 345, 393 J u t r a 149 Kaixoßpi? 349 Kaivadys 397 Kala 146 Kalancak 261
Index
•Kaiapa 144 Kalupe 144 Kalupe 165 Kalupis 144 Kalupys 144 Kälve 165 *Kalv-upe 144 Kamenka 144 Kana 146 *Kanapa 144 Kanäpine 144 Kanavä 144f. Kanävas 144 Kane 144 Kaniä 144, 398 Kanupe 144f. Kaqupe 144 Kanys 144f, Kara 146 *Karapa 145 Karupis 145, 165 Karve 165 Karvys 165 Katra 340 Kaupre 278 Keßpriv 189 Keßpo; 189 Kidaraf 394 Kidaraistis 394 Kide 394, 402 Kidemaa 394 Kidiskis 394 Kidöliskiai 394 Kiduliaf 394 Kidurga 394 Kiementas 278 *Ki-kirys 402 Kifgas 395 Kirgozero 395 Kifgus 395 Kirsappen 141 Kirsnappe 141
Kodra 340 Kolonka 144 Körubis 397 Koxu; 288 Kremper Au 304 Kruoja 396 *Kulapa 144 Kule 151, 171, 241, 261 Kulis 151 Kulme 171 Kulmenä 171 Kulys 151, 241, 261 Kürantas 397 Kurmine 174 Kürmis 174 Kyros 241 lacus venetus 422 Laghena 239 *Lagina 307, 321 Läiva 397 Laka 183f, 213, 321 Lakajä 183, 321 Lakajaf 183 Läkesas 183f., 190, 321 Lakina 321 *Lakja- 182 Lakmeniä 321 Lämbe 397 Lange 239 Latavä 327 Latavio 327 Latis 327 Latium 327 Lat-upis 327 Laucesa 154 Laukappe 141 Laukesä 73, 154, 190 Lauter(bach) 303 Leam [lem] 168, 213 Leck 321 Leine 307, 321, 324 Leita 327
Index Lek 182, 213, 321 Lekmene 321 *Lemanä 174 Lemetoi 422 Lemetorei 422 Lemnan 167 Lemnja 167 Lemon 168 Leubasna 431 Leubius 431 Libau 400 Lielupe 273 Liepäja 400 Lima 168f. Limagi 168, 170 Limaniske 167, 174 *Limena 183, 213 Limene 167, 183, 213 Limeni 168, 170 Liminas 167, 169, 173f. Liminllis 167, 173 *Lbmi.nia 167 Limna 167 *Limonä 174, 183 Limonia 167, 174, 183 Limszen 168f. Limsius 168f. *Limu5 170 Lina 324 Lippe 267, 307 Liüde 310 Liwa 308 Ljamna 167 Lom 310, 326 Lone 309 Loudias 310 Lucesa 73, 154 Luci§,za 321 Lutetia 321 Luteva 321 Lutter 272, 303 Lutynia 321
Lymaio 168f. Lyme 168f. Lymeyeyn 168 Lymiten 168 Lymn [lim] 168 Lympne 168, 213 Lywa 324 Main 324, 327 Manios 110 Manneius 110 Man(n)ius 110 Mano 112 Mara 184, 192 Marano 321 *Marapa 342 Marbaek 342 Mare 165 Marecchia 321 Marga 126, 183, 213, 310 Märgava 183 Margis 126 Mdp-j-o? 126 Mapyo; 148 Map-ro; 183 Margus 126,183, 213, 310 Marica 310 Maro 445ff. Marupe 342 Marvele 162 Marycha 396 *Mätra 311 Meern 165 Memel 399 ^Menenus 445 Menerva I I I Merdze 126, 148, 183 Mefge 126, 148, 183 Messapii 285 Messäpion 277 Messäpium 326 Mignione 327, 423 Minija 327
477 Minio 327, 423 Misa 273 Mnenoi (?) 445 Moder 311 =^Moinos 324 Monis 399 Morava 126, 183, 213 Morga 126 Moroza 126 Motera 311 Mroga 126, 310 Münas 399, 402 Muncken 399 Munelis 399 Murg 126, 310 Must-afici 394 Musteikä 394 Musteikiai 393 Mustupe 394 Musturezers 394 Musturin 394 Musturka 394 Mußtsche becke 394 Naba 239 Nadra 182 Nadravia 182 Nahe 131, 183, 213 Nara 72 Narus 72 Natiso 421 *Natissa 421 Natopa 72, 141 Nava 169, 183, 213, 260 Neckar 307 Nedd 184 Nede 184, 339, 420 Nedeja 366 Nediene 366 Nedingis 366 Neetze 421 Nemunas 188, 399 Neretä 422
478 Neris 422 Neta 184, 339, 420 Nette 150 Netze 421 Neuroi 237 •Nidisia 421 Nieda 184 Nimpel'da 345 Nissan 421 *Nitiso 421 Niumsis 110 Niz 421 Norälis 397 Nörupis 397 Nota 182, 398 Notangia 398 Notec 421 Nova 169, 183, 213, 260 Novenä 183 Nuhne 183 Numasioi 110 Numerius, Numesius 110 Numisies, Numisius 110 Nur 237 Nycappe 141 ' O a p o ; 241, 261 Oaros 309 Ocesa 73, 320 Oder 257, 272, 307, 311, 366 Odra 130, 147, 182 Oka 70, 73, 311, 320 Okena 320 Oker 305 Olanga 397 Olhava 308f., 402 Olonga 397 Olpke 142 Olve 400 'O(iiioßä 275 Opir 262 Opoka 409 Opör 262
Index Orbius 348 Oresa 154, 181 Orna 327, 418 Orne 275 *Orno 307 (*)Osä 143, 338 Osova 143 Osowa 142f. Ossa 142f. Osyna 142 Pabalne 159 Pabalve 159 Pader 267 Paglia 161, 327, 423, 425 Paglione 327 Pakuli 241, 261 Pala 161, 184, 192, 213, 311, 327, 339f., 398, 400, 409, 420, 425 Palangä 398 Paine 161f. Palo 327 Palonis 327 Palsa 161f. Pälsis 162 Paitis 162 Palva 161, 400 Parä 400 Parsgta 406 Parva 400 Pela 161, 184, 396, 409, 421 Peläkis 396 Pel'doza 345 Pelesa 184, 213, 311, 341, 421 Perapien 141 Peresna 274 Peresuta 274, 277 Perkunas 127 Pernava 399f., 402 Pernen 400 Persante 274, 277, 406
Perse 274 Philippopolis 350 Pietve 158 Pilele 161 Pilica 341 Pilke 162 Pilve 161 Pilwe 161 Pilwin 161 Pirna 400 Pirsna 274 Pola 161 Poljane 422 Polock 162 Polota 162, 341 Polova 161 Poltava 277 Porata 241, 258 *Poträ, 267 Priekule 241 Priekulys 261 Pruth 258 Pulpu-deva 350 *Purnto 258 Pylä 161 Pyretos 241 IIupEToc 258 Rada 418 Radgca 259 Radütis 259 Rames(dal) 152 *Rämis(i)a 152 Randale 345 Raseika 156 Raudesä 154, 190, 213 Raudone154 Raudönupe 154 Raupa 239 Rava, Ravaf259f. Rega 418 Regen 307, 418 *Reinos 324
479
Index Rems 152 Raemse 152 Reno 306, 351 Rhein 188, 258, 306, 323, 351, 416 Rhenus 156, 258 Rhone 418 Rhume 311 RTwa 323f. Rovdina Gora 345 Ruhr 311 Ruja 396 *Rüma 311 Ruoja 309, 396 (*)Rüra 311 Rytupis 158 Rywainen 323 Saale 322 Saar 131, 160, 307 Sagare 299 Saire 160 *Saji,no, Sajno 396 Sakuonä 412 (*)Sala 71f., 119,160, 184, 192, 322, 396, 400 Salaca 395 Sälakas 395f., 402 Salantas 132, 160, 278 *Salantia 132 Salanze 132 Salara 278 *Sale 71 Saletsa 395 *Salia 119 Salis 395 Salm 132 Salma 160, 192 Salmana 132 Salmo 322 Salusia 132 Sälva 160, 400 Sälvis 160 Salzach 131
Sampe 397 Sandravä 182, 259 *San-upe 397 Saone 415 Sara 192, 311 Särakas 395f. Sarävus 131, 160, 307 Sariä 396, 400 Sarimas 244 Sarnus 160 Safte 402 Sartupis 154 Särva 160, 192, 400, 402 Sarw 400 Sarwe 400 Sarwo 400 Sava 184, 192, 259 Savelis 259 Savus 260 Sawlis-kresil 71 Schede 395 -scheid 245 Scheidbach 395 Scheideau 395 Scheidebach 395 Scheidebek 395 Scheidegraben 395 Scheidsbach 395 Schlei 311 Schondra 148 Schunter 148 Schutter 148 Schwarzbach 304 Schwentine 272, 304 Seine 188, 262 Sejny 396 Selz 132 Semigaller Aa 273 *Sequana 262 Serappin 141 Serenappe 141 Sereth 241
Eepi^iov 244 Shannon 130, 148 Shin 130 Sieber 272 Siesartis 402 Silkine 397 Sifkupis 397 Silküte 397 Etv6ot 245, 252 Sinn 130, 148, 305 Sinna 130 Sita 252 EixaxTi 252 Skala 163 Skalve 163 Skalvys 163 Skäudinis 149 Skaüdupelis 149 Skidele 394 Skidupys 394 Skiedupis 394 Skiedyne 394 ExoudvE^ 241 Skudupis 149 Skudütis 149 Skuüdis 149 Slaven 237 Soar 160 Söja 396 *Söjinan 396 Solja 71f. *Sorä 160 *Sorävus 160 Sorka 342 (*)Sornä 160 *Sorvä 160 *Sö(u)iä 396 Srove 396 Sruoja 396 Steinbach 304 Stekelappe 141 Stramin 304
480 *Strauj-upa 239 Stugna 306 S t y x 306 Suojä 396, 402 Suojys 396 Svaige 410 Swerepe 141 Sybaris 259 Syke 397 Salna 144 Salteike 156 Saltoja 144 Saltupis 144 Salupis 144 Sanupis 144f. Selmuö 170 Tain 187 Tänais 240f. *Taniä 187 Tattapis 141 Tautesnis 433 Tean 187 Tenze 310 Terpentinfluß 401 Tervajärvi 401 Tervalampi 401 Tervete 401f. Tervozero 345 Terwaete 401 Terwajöggi 401 Terwenden 401 Tetefve 401 Themse 277 Thür 143 Timachus 131, 147 T i mäv us 131, 147 Timok 131 Tiroi I I I Titoi I I I Töpexat 241 Toca 72 Toup7)VTi; 244
Index Traea 342, T r ä i 423 Trave 304, 314 Treene 342, 423 Tundza 310 Turanier 244 Türe 241 Twrgstn 244 T y r a s 241
Vahalis 351 Väinä 239, 309 Vaire 213 Vaka 339, 420 *Vakana 339 Vakarinis 158 Vangiones 422 V a r - 261 Vara 148, 184, 337, 4 Üdarä 150 *Varantia 132 Uder 150 Vardar 272 (*)Udra 150 Vare 184, 213, 261, : Udrelis 150 338 Ufens 326 Varia 213, 309 Uge 322 Varina 184 (*)Ugra 150, 322, 366, 397 Varine 184 Üide 397 •Varisa 421 Ula 143 Varma 337, 420 Ulmena 393 Varme 338 *Umbilä 150, 262 Varmena 132 Ümmel(-Bach) 150, 262 •Varos 241fF. Umpfer 150 Vafpe 411 Varus 309, 327, 423 Uolastis 397 Varusa 132, 327, 423 'YTcaxupi? 261 Vasa 402 Upe 141 Vedosa 152 Upele 141 Velikij Lug 242 Upelis 141 Upeliukas 141 Urka 402 Urke 402 Urkionis 402 Urkivenai 402 Uzepa 72, 141 Vacalus 351 Vada 150, 322, 361, 398 Vadaksnis 322, 361 Vadaksta 361 Vadinis 322 Vadosa 152 Vädre 150, 361 Vadva 157 Vaga 150, 322, 339, 366, 417, 420
Vefpe 409 Velpesiai 409 Vena 309 Veneti 421 Venta 71, 239, 422 •Ventiä 239 Venys 422 Veretä 422 *Verisa 338, 341 Verissa 421 Verma 337, 420 Verme 338 Vermene 170 *Vermuö 170 Verpelis 411 Versa 132
Index
Versla 337, 420 Verslava 338 Verys 422 V i d i 342 Vidapa 342 Vidasus 127 Vidunia 127, 146 Vidupe 145, 342 Viemuoniä 174 Vilpene 409 Vilpesys 409 Virke 402 Vjaca 71, 239 Vodosa 152 Vogoeaps 141 Vöke 402 Voksa 402 Vokselis 402
Waake 150, 272, 304, 322, 339, 417 Waal 183, 351 Wad^g 398 Wadangen 398 *Wakana 150 *Walh5z 351 Walpusz 409 Wangrapia 141 Warmenau 132 Waterop 141 Weichsel 257 Weidling 127 Weißbach 304 Welpin 409 Welpinskie Jezioro 409 Wermana 170 Werna 132
Vop' 72, 141
Werre 132 Werse 338, 421 Widapa 145 Wierzyca 338, 421
Vultaha 162
Wipper 149
Vuolastä 396, 402
*Uoda- 150
Volcae 351 Volchov 308f., 314, 402
481 *Üoga 150 Wogenapp 141 Wohra 148 Wolga 243, 304 Wolpin 409 Wosis-pile 71 Wörmke-Bach 170 Wernitz 132 Wulping-See 409 Xapa^Tivo; 242 Ya-ynöb 153 Ylmayen, terra 393 Ylmede 393 Ymasta 397 Zaop'je 72, 141 Zenn 187 Zextoi I I I Ziemelene 158 Ziemia Nurska 237 Zora 71 Zare 71 Zelmuö 170 Zukopa 72, 141