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German Pages 412 [408] Year 2022
M. A. NEUMARK LINEARE DIFFERENTIALOPERATOREN
MATHEMATISCHE L E H R B Ü C H E R U N D M O N O G R A P H I E N
H E R A U S G E G E B E N VON D E R D E U T S C H E N A K A D E M I E D E R W I S S E N S C H A F T E N ZU B E R L I N I N S T I T U T E F Ü R MATHEMATIK
II. A B T E I L U N G
MATHEMATISCHE
MONOGRAPHIEN
BAND XI
LINEARE
DIFFERENTIALOPERATOREN VON
M. A. NEUMARK
AKADEMIE
- VERLAG 19 6 0
•
BERLIN
LINEARE DIFFERENTIALOPERATOREN von M. A. N E U M A R K
IN DEUTSCHER SPRACHE BEARBEITET UND HERAUSGEGEBEN VON
P R O F . D R . H E I N Z OTTO C O R D E S , LOS A N G E L E S PROF. DR. FRITZ RÜHS, F R E I B E R G
AKADEMIE
- VERLAG 19 6 0
•
BERLIN
M. A. HafiMapK JlHHeiiHBie HH$$epeHUHaJibHBie onepaTopbi Erschienen im Staatsverlag für technisch-theoretische Literatur Moskau 1954 Übersetzt aus dem Russischen: HELMUT LIMBERG
Herausgegeben mit Unterstützung des Kulturfonds der DDR
Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, Berlin W 1, Leipziger Str. 3—4 Lizenz-Nr. 202 . 100/571/59 Copyright 1960 by Akademie-Verlag GmbH, Berlin Alle "Rechte vorbehalten Gesamtherstellung: V E B Druckerei „Thomas Müntzer** Bad Langensalza Bestellnummer: 5304 Printed in Germany ES
19 B 4
VORWORT DES VERFASSERS ZUR DEUTSCHEN AUSGABE Seit der Niederschrift dieses Buches sind eine große Zahl von Arbeiten über gewöhnliche Differentialoperatoren veröffentlicht worden. Es ist unmöglich, hier einen vollständigen Überblick über diese Arbeiten zu geben. Wir beschränken uns daher auf die Angabe einiger Publikationen. In einer Arbeit von MAUTNER [56] wurde eine einfache Methode für die Entwicklung nach Eigenfunktionen aus dem allgemeinen Spektralsatz angegeben. Eine noch einfachere Methode wurde unlängst von BEBESANSKI [3] vorgeschlagen. B. M. LEWITAJST [46] hat einen recht allgemeinen Satz erhalten, mit dessen Hilfe das Konvergenzproblem bei der Entwicklung nach den Eigenfunktionen eines Differentialoperators auf das analoge Problem einer klassischen FouRiERschen Reihe zurückgeführt werden kann. In einer Monographie von I. M. RAPOPORT [78] sind asymptotische Methoden zur Untersuchung selbstadjungierter Differentialoperatoren beliebiger Ordnung entwickelt worden. In einigen Arbeiten [63] habe ich das Spektrum untersucht und Entwicklungen nach Eigenfunktionen für einige Klassen singulärer, nichtselbstadjungierter Differentialoperatoren gewonnen; eine einfachere Herleitung dieses letzten Ergebnisses wurde kürzlich in einem Artikel von B. J. LEWTN [44] angegeben. Darüber hinaus habe ich in einer weiteren Arbeit [62] hinreichende Bedingungen für die Vollständigkeit eines Systems von Eigen- und zugeordneten Funktionen bei einigen Klassen singulärer nichtselbstadjungierter Differentialoperatoren angegeben; unabhängig davon wurden ähnliche Resultate sowie einige andere Bedingungen für die Vollständigkeit von J. SCHWARZ [88] gewonnen. Eine weitere Entwicklung haben diese Ergebnisse in einem Artikel von W. B. LIDSKI [47] erfahren. Eine andere Methode zum Studium nichtselbstadjungierter Differentialoperatoren, die auf einer Analogie zur Reduktion eines Operators auf Dreiecksgestalt beruht, stammt von M. S. LIFSCHITZ [50]. In allen diesen Arbeiten werden solche singulären nichtselbstadjungierten Operatoren behandelt, die sich infolge der Störung eines selbstadjungierten Operators durch einen in bestimmtem Sinne „kleinen" Operator ergeben; andere nichtselbstadjungierte Differentialoperatoren hat man bisher überhaupt nicht untersucht. Hingewiesen sei noch auf wichtige Arbeiten von MOSER [59], SEARS [80], PUTNAM [75], S. A . ORLOW [66], W . B . LIDSKI [48], M . G. K R E I N [36], CODDINGTON [12], ELLIOT [16], HEYWOOD [20], E . SCHNOLL [86], I . M . GELFAND und
VI
Vorwort des Verfassers zur deutschen Ausgabe
B . M. LEWITAX [20], MABTSCHENKO [54] und LIND POTTER [51], die der Störungstheorie, dem Defektindex, der Untersuchung des Spektrums, den asymptotischen Eigenschaften der Eigenfunktionen, der Eigenwerte und der Spektralfunktion von Differentialoperatoren, dem Umkehrproblem für Differentialoperatoren und anderen verwandten Fragen gewidmet sind. Besonders zu erwähnen ist schließlich die äußerst wichtige Arbeit von I. M. GELFAND und A. G. KOSTIUTSCHENKO [19], in der sowohl gewöhnliche, als auch partielle Differentialoperatoren nicht nur im HiLBERTraum, sondern auch in linearen topologischen Funktionenräumen untersucht werden. Die Berücksichtigung aller dieser Arbeiten würde zur Vervollkommnung und Ergänzung einzelner Paragraphen führen; eine entsprechende Bearbeitung hätte jedoch eine beträchtliche Verzögerung beim Erscheinen der deutschen Ausgabe des Buches zur Folge. Deshalb habe ich mich auf geringfügige Abänderungen und Korrekturen redaktionellen Charakters beschränkt. Ich sehe es als meine angenehme Pflicht an, Herrn Prof. Dr. CORDES und Herrn Prof. Dr. FRITZ R Ü H S , unter deren wissenschaftlicher Redaktion die Übersetzung des Buches durchgeführt wurde, meinen tiefempfundenen Dank auszusprechen. Auch Herrn Prof. Dr. NAAS und dem Berliner Akademie-Verlag danke ich vielmals für die Mühe bei der Vorbereitung der deutschen Herausgabe des Buches. Die im Vorwort angeführten Arbeiten stehen im Anhang zum Literaturverzeichnis.
Moskau, April 1958
M . A . NEUMABK
VORWORT
ZUR RUSSISCHEN
AUSGABE
Viele Probleme der mathematischen Physik führen zu der Aufgabe, Eigenwerte und Eigenfunktionen von Differentialoperatoren zu bestimmen sowie eine willkürliche Funktion in eine Reihe (oder ein Integral) nach Eigenfunktionen zu entwickeln. So stößt man beispielsweise immer auf derartige Probleme, sobald man die PouRiERSche Methode anwendet, um die Lösung einer partiellen Differentialgleichung zu finden, die vorgegebenen Anfangs- und Randbedingungen genügt. Deshalb wurde und wird den Differentialoperatoren große Beachtung geschenkt, und es gibt darüber viele Arbeiten. Der größte Teil dieser Arbeiten behandelt das oben erwähnte Hauptproblem — die Spektraltheorie der Differentialoperatoren, d. h. die Untersuchung der Spektren von Differentialoperatoren sowie die Entwicklung vorgegebener Funktionen nach ihren Eigenfunktionen. Besonders stieg das Interesse an diesem Problem in den letzten Jahrzehnten im Zusammenhang mit der Entwicklung der Quantenmechanik. Die Spektraltheorie der Differentialoperatoren scheint der grundlegende mathematische Apparat bei der Lösung vieler Aufgaben der Quantenmechanik zu sein. Dabei erfordern die Ansprüche der Quantenmechanik eine ausführliche Untersuchung sogenannter singulärer Differentialoperatoren, beispielsweise der in einem unendlichen Intervall gegebenen Operatoren. Solche Operatoren können im allgemeinen außer einem diskreten Spektrum auch ein Streckenspektrum besitzen, im Zusammenhang damit stellt sich eine Entwicklung nach ihren Eigenfunktionen im allgemeinen Falle als SnELTJES-Integral dar. Man muß sagen, daß während der letzten Zeit in diesen Fragen von sowjetischen Mathematikern die bedeutendsten Resultate erzielt worden sind. Solche Ergebnisse, wie der Beweis der Existenz einer Entwicklung nach den Eigenfunktionen eines singulären selbstadjungierten Operators von beliebiger gerader Ordnung, die Lösung der Umkehrung der STUEM-LiotrvxLLEschen Aufgabe (siehe Kapitel VIII), die Vollständigkeit der Eigenfunktionen und zugeordneten Funktionen für breite Klassen nichtselbstadjungierter Differentialoperatoren und viele andere Ergebnisse, gehen vollständig oder fast vollständig auf sowjetische Mathematiker zurück. Ungeachtet dieser fundamentalen Resultate kann man das Problem der Spektraldarstellung von Differentialoperatoren noch nicht als erschöpft ansehen. Hier muß man in erster Linie auf das Problem der Bestimmung der Vielfachheit des Spektrums und des Defektindex eines Differentialoperators in Abhängigkeit von den Eigenschaften seiner Koeffizienten sowie auf die Frage nach der Auswahl und
VIII
Vorwort zur russischen Ausgabe
der Normierung eines minimalen Systems von Eigenfunktionen in einem kontinuierlichen Spektrum hinweisen. Insbesondere für den Fall eines Operators, der von einem System von Differentialausdrücken erzeugt wird, also für Differentialoperatoren im Raum der Vektorfunktionen (vgl. Kapitel V und VII) bleiben diese Fragen heute noch zumeist offen. Nicht weniger wichtig und interessant ist das Problem der Entwicklung nach den Eigenfunktionen eines nichtselbstadjungierten Differentialoperators; für den Fall eines regulären Differentialausdrucks (und im allgemeinen nichtregulärer Randbedingungen) wurde dieses Problem unlängst durch eine Arbeit von M. W. KELDISCH [34] merklich vorangebracht; der Fall eines nichtselbstadjungierten singulären Differentialausdrucks ist dagegen bis in die letzte Zeit hinein nicht untersucht worden. Unter den anderen Problemen der Theorie der Differentialoperatoren weisen wir noch auf das Problem hin, den sogenannten Störungsansatz, der in der Quantenmechanik viel verwendet wird, mathematisch zu begründen (siehe diesbezüglich [29e], [39], [44], [79a], [94b] und [17b]. Trotz aller Wichtigkeit der Theorie linearer Differentialoperatoren für die Anwendungen und trotz der großen Fülle von Resultaten fundamentalen Charakters, die im Rahmen dieser Theorie bereits erzielt wurden, ist sowohl unsere als auch die ausländische mathematische Literatur äußerst arm an Büchern, die dieser Theorie gewidmet sind. So gibt es in der ausländischen Literatur lediglich ein im Jahre 1946 erschienenes Buch von TITCHMAESH [94 a], in dem eine vollständige und exakte Darlegung der grundlegenden Fragen in der Theorie der Differentialoperatoren zweiter Ordnung geboten wird. In unserer Literatur existiert eine im Jahre 1950 erschienene Monographie von B. M. LEWITAN [46 a], in der eine andere, und zwar sehr elementare Darstellung der Theorie der Differentialoperatoren zweiter Ordnung gegeben wird. Was die Differentialoperatoren von höherer Ordnung anbelangt, so ist bis jetzt kein Buch vorhanden, welches auf sie eingeht. Überdies hat eine Reihe von Fragen aus der Theorie der Differentialoperatoren zweiter Ordnung keinen Eingang in die Bücher von TITCHMAKSH und LEWITAN gefunden. Im vorliegenden Buch wird eine Theorie linearer gewöhnlicher Differentialoperatoren beliebiger Ordnung entwickelt. Die Begriffsbildungen und Ergebnisse der Funktionalanalysis, hauptsächlich der Theorie linearer Operatoren im HILBERT raum werden dabei weitgehend herangezogen. Zur Bequemlichkeit für den Leser werden alle notwendigen Tatsachen aus der Funktionalanalysis im Buche selbst entwickelt, so daß, wie der Autor glaubt, das Buch einem recht großen Leserkreis zugänglich ist. Viele Fragen aus der Theorie linearer Differentialoperatoren kann man auch ohne Verwendung der Funktionalanalysis behandeln, als Beispiel kann die Darstellung von TITCHMARSH dienen [94 a]. Der Autor hält eine solche Darlegung jedoch nicht für zweckmäßig, weil ein tieferes Verständnis der Theorie, aber auch die Erlangung allgemeinerer Resultate, nur unter Verwendung von Vorstellungen und Methoden der Funktionalanalysis möglich ist.
Vorwort zur russischen Ausgabe
IX
Das Buch besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil, den man eine elementare Theorie der Differentialoperatoren nennen kann, ist die Anwendung von Methoden der Funktionalanalysis auf ein Minimum reduziert. Darin wird eine Theorie der Differentialoperatoren in einem endlichen Intervall, einschließlich einer Theorie nichtselbstadjungierter Differentialoperatoren, unter der Voraussetzung, daß ihre Koeffizienten hinreichend oft differenzierbar sind, entwickelt. Zu ihrem Verständnis werden vom Leser nur die elementarsten Kenntnisse aus der Theorie der gewöhnlichen Differential- und Integralgleichungen und aus der Funktionentheorie vorausgesetzt. Der zweite Teil des Buches ist der Darstellung einer Theorie der Differentialoperatoren im HiLBERTraum gewidmet. Hier wird vom Leser, in Ergänzung zu dem oben Gesagten, noch die Kenntnis der grundlegendsten Tatsachen aus der Theorie des LEBESGUESschen Integrals verlangt. In das Buch sind viele neue Ergebnisse aufgenommen, die hauptsächlich von sowjetischen Mathematikern gewonnen wurden, insbesondere sind dies Ergebnisse, die mit dem Defektindex und dem Spektrum eines Differentialoperators zusammenhängen. Der Autor möchte M. O. WISCHTE seinen Dank dafür aussprechen, daß er das Buch im Manuskript durchgesehen und eine Reihe wertvoller Anmerkungen gemacht hat. Juli 1952
M. A . NEUMAKK
INHALTSVERZEICHNIS Vorwort des Verfassers zur deutschen Ausgabe
V
Vorwort zur russischen Ausgabe
VII TEIL
I
ELEMENTARE THEORIE D E R LINEAREN DIFFERENTIALOPERATOREN Kapitel I.
Grundlegende B e g r i f f e und S ä t z e § 1 Definition und Haupteigenschaften des linearen Differentialoperators
Kapitel II.
1
§ 2 Eigenwerte und Eigenfunktionen eines Differentialoperators . . . .
12
§ 3 Die GREENsche Funktion eines linearen Differentialoperators . . .
24
A s y m p t o t i s c h e s V e r h a l t e n der E i g e n w e r t e und Eigenfunktionen, Entwicklung nachEigenfunktioneneines Differentialoperato'rs § 4 Das asymptotische Verhalten der Eigenwerte und Eigenfunktionen für große Werte von |A|
37
§ 5 Entwicklung nach Eigenfunktionen
70
Kapitel I I I . D i f f e r e n t i a l o p e r a t o r e n in einem R a u m von V e k t o r f u n k t i o n e n § 6 Grundlegende Begriffe
97
§ 7 GREENsche Funktion eines Differentialoperators
105
§ 8 Asymptotisches Verhalten der Eigenwerte eines Differentialoperators
108
§ 9 Entwicklung nach Eigenfunktionen eines Differentialoperators
114
. . .
T E I L II LINEARE DIFFERENTIALOPERATOREN IM HILBERTRAUM Kapitel IV. E i n i g e s aus der allgemeinen T h e o r i e l i n e a r e r Operatoren im HiLBERTraum § 10 Der HiLBERTraum
121
§ 11 Einige allgemeine Begriffe und Sätze aus der Theorie linearer Operatoren im HiLBERTraum 127
Inhaltsverzeichnis
XII
Kapitel V.
§ 12 Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren
131
§ 13 Vollstetige Operatoren
138
§ 14 Erweiterung eines symmetrischen Operators
142
Symmetrische Differentialoperatoren § 15 Grundlegende Begriffe
162
§ 16 Verallgemeinerte lineare Differentialgleichungen
165
§ 17 Operatoren, die von selbstadjungierten Differentialausdrücken erzeugt werden
Kapitel VI.
Kapitel VII.
,. .
172
§ 18 Selbstadjungierte Erweiterungen des Operators L 0
185
§ 19 Besolventen selbstadjungierter Erweiterungen des Operators L0
193
S p e k t r a l t h e o r i e der D i f f e r e n t i a l o p e r a t o r e n § 20 Vielfachheit der Spektren selbstadjungierter Operatoren
206
§ 21 Die Entwicklung nach Eigenfunktionen
215
U n t e r s u c h u n g des D e f e k t i n d e x und S p e k t r u m s von Differ e n t i a l o p e r a t o r e n in A b h ä n g i g k e i t vom V e r h a l t e n i h r e r Koeffizienten § 22 Asymptotisches Verhalten der Lösungen von Differentialgleichungen bei großen Argumentwerten 249 § 23 Der Defektindex eines Differentialoperators
290
§ 24 Untersuchung des Spektrums eines Differentialoperators . . . .
306
Kapitel VIII. Die U m k e h r u n g der STUBM-LIOTTVILLEsehen Aufgabe § 25 Orthogonalisierende Kerne
354
§ 26 Die Lösung der Umkehrung der STURM-LiOTTViLLEschen Aufgabe 363 Anhang: Umkehrformel von STIELTJES
378
Literaturverzeichnis
381
Sachverzeichnis
393
TEIL I ELEMENTARE THEORIE DER LINEAREN DIFFERENTIALOPERATOREN
KAPITEL I G R U N D L E G E N D E B E G R I F F E UND SÄTZE § 1. Definition und Haupteigenschaften des linearen
Differentialoperators
1. Allgemeine Definition des linearen Vektorraumes und linearen Operators. Eine Gesamtheit R von Elementen x,y, . .. bezeichnen wir als linearen Vektorraum, wenn sie folgendermaßen beschaffen ist: 1°. Für je zwei Elemente x,y eR ist eine Summe x -f- y erklärt mit folgenden Eigenschaften: aj) mit x,yeR ist auch x + y e R; t>i) « + 2/ = y + x\ °i) [x-\-y)+z = x + {y + z)\ dj) In R existiert ein „Nullelement" 0 derart, daß x-\-0 = x für alle xeR gilt. 20. Für jedes Element xeR und jede reelle bzw. komplexe Zahl X ist ein Produkt X x erklärt mit folgenden Eigenschaften: a2) Mit xeR ist auch Xxe R; b2) X(nx) = {X/i)x\ c2) l-x = x; d2) 0 • x = 0 (links ist die Zahl 0 gemeint, rechts aber das Nullelement); e2) A(x + y) =Ax + Ay; f 2 ) (A + /u) x = A x + (x x. Das Element (—l)a; wird hierbei mit — x bezeichnet. Auf Grund der Eigenschaften c2), f2) und d2) gilt: x + (— x) = (1 + (— l))a; = 0a; = 0 . Die Elemente x, y, . . . des Raumes R heißen Vektoren aus R. Wir weisen darauf hin, daß die Natur der Elemente x, y, . . . bei dieser Definition vollkommen gleichgültig ist; genau so ist es belangslos, wie nun im besonderen Falle die Begriffe der Summe x-\-y und des Produktes aus einem Element x mit einer Zahl X erklärt sind. Verlangt wird nur, daß diese Begriffe allen oben aufgezählten Bedingungen genügen. Zwei beliebige, diese Bedingungen erfüllende Operationen können wir rechtmäßig als Addition von Vektoren bzw. als Multiplikation eines Vektors mit einer Zahl auffassen und die Gesamtheit der Elemente, für die diese Operationen definiert sind, dürfen wir dann einen linearen Vektorraum nennen. 1 Neumark
2
Grundlegende Begriffe und Sätze
Wenn im Raum R die Multiplikation lediglich für alle reellen Zahlen zugelassen ist, dann wird R ein reeller Raum genannt; ist dagegen die Multiplikation mit einer beliebigen komplexen Zahl erlaubt, so nennt man R einen komplexen Raum. Wenn nicht ausdrücklich etwas anderes gesagt wird, werden wir R als komplexen Raum voraussetzen. Ausdrücke von der Form Aj x1 + A2x2 + • • • + lnxn heißen Linearkombinationen der Vektoren xlt x2, . . ., xn\ eine Linearkombination wird trivial genannt, falls alle Zahlen A1; A2, . . . , An gleich Null sind, andernfalls heißt sie nichttrivial. Die Vektoren xlt x2, ..., xn heißen linear abhängig, wenn mindestens eine ihrer nichttrivialen Linearkombinationen verschwindet, und linear unabhängig, wenn es eine solche Linearkombination nicht gibt. Ein Raum R wird endlich-dimensional, genauer w-dimensional genannt, sobald es in ihm n, aber nicht mehr als n linear unabhängige Vektoren gibt. Ein solches System von n Vektoren bezeichnet man dann als eine Basis in R. Gibt es dagegen beliebig viele linear unabhängige Vektoren in B, so heißt B unendlich-dimensionäl. Eine Teilmenge R' des (endlich- oder unendlich-dimensionalen) Raumes B nennt man Unterraum von B, falls jede Linearkombination von Elementen aus B' auch ein Element aus R' ist. % sei eine gewisse Teilmenge im linearen Raum R. Eine Funktion A, die jedem Element x aus ® ein bestimmtes Element x' = A(x) aus R zuordnet, heißt Operator im Raum R mit dem Definitionsbereich Man schreibt an Stelle von A{x) häufig A x, wenn dadurch kein Mißverständnis hervorgerufen werden kann. Falls es nötig ist hervorzuheben, daß 2) gerade der Definitionsbereich des Operators A ist, werden wir an Stelle von % schreiben. Die Gesamtheit aller Vektoren Ax, xe nennt man den Wertebereich des Operators A und bezeichnet ihn mit oder mit A Wenn allgemein § eine beüebige Menge ist, dann bedeutet AS die Gesamtheit aller Vektoren Ax, x eS, d.h. die Menge aller Vektoren, die man durch Anwendung des Operators A auf alle Vektoren der Menge S erhält. Ein Operator A heißt linear, wenn ein Unterraum ist und für beliebige Vektoren x, y e und für jede Zahl A folgendes gilt: A (A x) = A A x, A(x + y)=Ax + Ay. Zwei Operatoren A und B im Raum R werden dann und nur dann als gleich angesehen, wenn sie ein und denselben Definitionsbereich 2) hohen und Ax = Bx für alle s i e ® ist. Ein Operator A heißt eine Erweiterung eines Operators B und man schreibt dafür A^> B oder BCA, wenn 5 ist und auf die Operatoren A und B gleich sind, d. h. wenn A x = Bx für jedes xe%B ist. I n diesem Fall nennt man den Operator B auch eine Einschränkung des Operators A auf
3
Definition und Haupteigenschaften des linearen Differentialoperators
Im folgenden werden wir nur lineare Operatoren betrachten, ohne dies jeweils besonders zu erwähnen und daher den Ausdruck „Operator" stets im Sinne von „linearer Operator" verwenden. 2. Lineare Differentialausdrückc. Als linearer Differentialausdruck Aggregat der Form
wird ein
I{y) = y{n) + 2/"- 1 ' + • • • + Pn(x) y bezeichnet. Die Funktionen p0(x), pt(x) Pn(x) heißen Koeffizienten, die Zahl n heißt Ordnung des Differentialausdruckes.
(i) und
In diesem Kapitel wollen wir annehmen, daß die Funktionen — , p^x), p2(x), . .pn{x) in einem festen, abgeschlossenen, endlichen Intervall [a, 6] stetig sind; in einigen Fällen werden wir an sie noch zusätzliche Bedingungen stellen. Mit C(n) bezeichnen wir die Gesamtheit aller Funktionen y{x), die im Intervall [a, 6] stetige Ableitungen bis zur w-ten Ordnung einschheßlich besitzen. Für jede Funktion y e O w ist der Differentialausdruck l(y) definiert. Er stellt eine im Intervall [a, 6] stetige Funktion dar. 3. Randbedingungen. Wir bezeichnen die Werte der Funktion y und ihrer n — 1 ersten Ableitungen in den Randpunkten a und b des Intervalles [«, b] der Reihe nach mit y«, y'a, . . . . y ? - 1 ' ; yb,y6,---,
itf-1'.
(2)
U(y) sei eine Linearform in den Veränderlichen (2), also u(y) = «•> ya + «i y'a+ • • • + « » - i y
+
ßo y»+A % •+ • • •+ß»-i
yt~l)
• (3)
Sind mehrere solcher Formen Uv(y), v = 1, 2, . . ., m vorgegeben und stellt man an die Funktion y(x) e C(m) die Forderung Uv(y)=0,
v=l,2,
. . . , m,
(4)
so spricht man von Randbedingungen, denen die Funktion y genügen soll. Wir bezeichnen mit ® die Gesamtheit aller Funktionen y e C(n), die einem vorgegebenen System von Randbedingungen der Form (4) genügen. Offensichtlich ist S ein linearer Unterraum in C(?l), der nur dann mit Gin) übereinstimmt, wenn die Bedingungen (4) vollkommen fehlen, oder ihre Koeffizienten alle verschwinden. Gegeben sei ein gewisser Differentialausdruck l(y) und eine bestimmte durch Bedingungen der Form (4) definierte Mannigfaltigkeit Jeder Funktion y e 2) lassen wir die Funktion u = l(y) entsprechen. Diese Zuordnung ist ein linearer Operator mit dem Definitionsbereich 2). Wir bezeichnen ihn mit L. In der oben eingeführten Schreibweise gilt also u =
Ly.
Man nennt den Operator L den durch den Differentialausdruck l(y) und die Randbedingungen (4) erzeugten Differentialoperator.
4
Grundlegende Begriffe und Sätze
Auf diese Weise, und das wird im folgenden sehr wesentlich sein, kann ein und derselbe Differentialausdruck verschiedene Differentialoperatoren erzeugen, je nachdem, wie die Randbedingungen (4) gewählt sind. Wenn insbesondere die Bedingungen (4) fehlen, bekommt man einen Differentialoperator mit dem Definitionsbereich S = C(n), den wir mit Lx bezeichnen. Er ist offenbar eine Erweiterung aller anderen Operatoren L, die durch denselben Differentialausdruck l{y) erzeugt werden. Es stellt sich nun heraus, daß es für viele Fragen vorteilhaft ist, nicht nur diesen Operator L t mit umfassendstem Definitionsbereich zu untersuchen, sondern auch die oben betrachteten Operatoren, die jeweils Einschränkungen von L x darstellen. Einige der Formen Uv{y) können sich als Linearkombinationen der übrigen erweisen. Die zugehörigen Bedingungen Uv(y) = 0 folgen dann bereits aus den übrigen Bedingungen und können als überflüssig fortgelassen werden. Darum kann man die Formen Uv(y) von Anfang an als linear unabhängig ansehen. Bekanntlich bedeutet dies, daß der Rang der aus den Koeffizienten dieser Formen gebildeten Matrix gleich m ist. Für m = 2 n sind die Gleichungen (4) gleichbedeutend mit ya = y'a = --- = y % = % = = ^ ^ = o. Den durch diese Bedingung erzeugten Differentialoperator werden wir mit L0 bezeichnen. Den Randbedingungen kann man noch folgende geometrische Fassung geben: Mit dem Buchstaben TJ wollen wir kurz das ganze System (2) bezeichnen, so daß
v=
(ya,y'a>--->Vb,yi»--->ytf'")
ist. Offenbar kann man r\ als einen Vektor des 2 n-dimensionalen Baumes Ä 2 n auffassen. Die Bedingungen (4) sondern aus diesem Raum einen bestimmten Unterraum SDt von der Dimension 2 n — to aus. Diese Bedingungen besagen, daß der Vektor tj, der einer Funktion y entspricht, dem Unterraum SJt angehört.
4. Die homogene Randwertaufgabe. Das Problem, eine Funktion y e C(n> zu bestimmen, die den Bedingungen i(y) = o , Uv(y) = 0 ,
(5) v = 1, 2, . .
m
(6)
genügt, wird homogene Randwertaufgabe genannt. Ist L der Operator, der durch den Differentialausdruck l(y) und die Randbedingung (6) erzeugt wird, so läuft die homogene Randwertaufgabe darauf hinaus, im Definitionsbereich 2) des Operators L eine Funktion y zu finden, für die L verschwindet. Offensichtlich hat jede homogene Randwertaufgabe mindestens eine Lösung, und zwar die Lösung y = 0. Diese Lösung heißt triviale Lösung. Eine homogene Randwertaufgabe kann aber noch andere „nichttriviale" Lösungen, d. h. Lösungen y ^ 0, besitzen. Wir wollen nun klarstellen, unter welchen Bedingungen eine homogene Randwertaufgabe nichttriviale Lösungen hat.
Definition und Haupteigenschaften des linearen Differentialoperators
5
Es seien yu y2, . . ., yn linear unabhängige Lösungen der Differentialgleichung l(y) = 0. Wie aus der Theorie der linearen Differentialgleichungen bekannt ist (siehe z.B. [90]), muß jede Lösung der Gleichung l{y) = 0, darunter auch die Lösung der homogenen Randwertaufgabe mit gewissen Konstanten c1; c2, . . cn in der Form V = • • •,
Vb,
und C = iza> za> • • • > zo"
z
b> zb> • •
z
•
Der durch die Formel (11) definierte Differentialausdruck l*(z) heißt adjungiert zum Differentialausdruck l(y). Die Formel ( 1 0 ) wird Formel von LAGBANGE genannt. 2 m a x |«/W(x)| nehmen. k=0 agxgft 2 ) 5 bedeutet die zu z konjugiert komplexe Zahl und z = z(x) die Funktion, deren Werte zu den Werten von z(x) konjugiert sind. *) Als Norm in CM kann man \y\ =
Definition und Haupteigenschaften des linearen Differentialoperators
7
Wendet man die vorhergehenden Überlegungen auf das Integral b / l*(z) • y dx a an, so gelangt man zu einer Formel von der Gestalt fl*(z) • ydx = Q(V, 0 + Jz • l(y) dx.
a
'
a
Folglich ist der Differentialausdruck l(y) adjungiert zu l*(z): l**(y) = l(y). Mit anderen Worten, die Differentialausdrücke l(y) und l*(y) sind wechselseitig zueinander adjungiert. Aus der Definition (11) des adjungierten Ausdruckes sieht man unmittelbar, daß (h + h)* = lt + Ii (12) und, wenn X eine Zahl ist, (A l)*=Xl* (13) gilt. Ein Differentialausdruck l{y) heißt selbstadjungiert, wenn l*(y) = l(y) ist. Aus (12) und (13) folgt: III. a) Eine Summe selbstadjungierter Differentialausdrücke ist ebenfalls ein selbstadjungierter Differentialausdruck. b) Das Produkt eines selbstadjungierten Differentialausdrucks mit einer reellen Zahl ist ebenfalls ein selbstadjungierter Differentialamdruck. Wir wollen nun die allgemeine Gestalt aller selbstadjungierten Differentialausdrücke ermitteln. VI. Jeder selbstadjungierte Differentialausdruck ist eine Summe von Differentialausdrücken der Form
K,(y) = (P yM)(v);
(Y) =
y ^ P + (*?
2/w)('"1)].
wobei p jeweils eine Funktion ist, die nur reelle Werte annimmt. Beweis. Wir betrachten die Integrale b b f l2r(y) zdx, f l 2 ,_j(i/) 2 dx a
a
mit y, z e Cin); durch partielle Integration wird sofort klar, daß l2P{y), hv—iiy) selbstadjungierte Differentialausdrücke sind. Infolgedessen ist eine Summe von Ausdrücken der Form l2r(y) und L v^{y) ebenfalls ein selbstadjungierter Differentialausdruck. Sei nun umgekehrt i(y) = Po y(n} + Pi y(n"l) + --- + Pny ein selbstadjungierter Differentialausdruck; wir werden nachweisen, daß l(y) eine Summe von Ausdrücken der Form l2r(y) und l2r—i(y) darstellt.
8
Grundlegende Begriffe und Sätze
Definitionsgemäß muß l(y) mit dem adjungierten Ausdruck l*(y)
=
( — 1)» (PO») +
( - 1 ) — 1 (FT y ) ^
(n)
+
--_-+p 1
n
y
(n
= (Po y + [(— 1)" »#, + (— l)"übereinstimmen. Daraus folgt insbesondere, daß
P,] y -v
+
•••
Po = ( - l ) " P o (14) Sei n gerade, n = 2/u; dann folgt aus (14), daß p0 = p0 ist, daher nimmt po nur reelle Werte an. Subtrahieren wir von l(y) den selbstadjungierten Ausdruck h,(y)
= (Po yw)w
= Po y(n)
+ (/*-!) p0 y(n-1]
+
•••,
so bekommen wir den selbstadjungierten Ausdruck l(y) — l2li{y) von der Ordnung n — 1. Nun sei n ungerade, n = 2/u — 1, dann folgt aus (14) die Relation p0 = — p0. Also ist Po — i P, und p nimmt dabei nur reelle Werte an. Durch Subtraktion des selbstadjungierten Ausdrucks h n—iiy) = y [(< p 2/("-1))(") + (ip y^y-v] = (» p) y{2lJ~l)
+jf*ip'y
i 2ß
=
~ 2 ] ) + ---=Po
y(n) +
p0 y ^
+
•••
von l(y) erhält man den selbstadjungierten Ausdruck l(y) —12 ß—i{y) von der Ordnung n — 1. Aus diesen Überlegungen ergibt sich: subtrahiert man von l(y) nacheinander selbstadjungierte Ausdrücke der Form l2v(y) und lzv—i(y), so wird man letzten Endes einen selbstadjungierten Ausdruck nullter Ordnung erhalten. Dieser muß notwendigerweise mit l0(y) = py übereinstimmen, wobei p eine reelle Funktion bedeutet. Die Aussage IV ist damit bewiesen. Wenn l(y) insbesondere ein selbstadjungierter Differentialausdruck mit reellen Koeffizienten ist, dann kann er keine Summanden der Form I(y) haben. Folglich gilt: V. Jeder selbstadjungierte Differentialausdruck mit reellen Koeffizienten ist notwendig von gerader Ordnung und hat die Form (ly) = (Po yM)(M) + (Pi 2/ ( "- 1) ), zb, z'b, ..., zf~~l) sind. Wir bezeichnen diese Formen mit F 2 n> so daß die Formel von
LAGBANGE
—1> • • • > >
die Gestalt
fl(y) • zdx = U, V2n + ü2 F2„_! + --- + Ü2nV,+ ¡y lW)dx (15) a a annimmt. Die Formen Vlt V2, • • • , V2n sind linear unabhängig. Um diese Behauptung zu beweisen, stellen wir zunächst einmal fest, daß die Form P(rj, t) sich durch zweimaliges Einsetzen, einmal des Wertes x = a und zum anderen des Wertes x = b, in die bei der partiellen Integration auftretenden Randglieder ergab. Folglich hat sie die Gestalt P M
= P
i
M - 2
,
a M
;
und es enthalten jetzt Pa(fj, C) und Pb(r], £) jeweils nur die Funktionswerte von ; z, z', . . . , z{n an den Stellen x = a bzw. x = b. y,y y Demzufolge hat die Matrix der Form P(rj, £) die Gestalt -¿a 0
0
(16)
A wobei Aa und Ab Matrizen der Form Pa{t], f) bzw. Pb(rj, £) und 0 die Nullmatrix bedeuten. Aus der Formel (9) sieht man aber sofort, daß jede der Matrizen Aa, Ab die Form .
(-1)- -zPo
(-i 0
r-'Po
0 0 • —Po • 0 0 Po 0 hat, wobei p0 an der Stelle x = a bzw. x = 6 zu nehmen ist. Die über der Diagonale stehenden Elemente dieser Matrix sind nicht hingeschrieben, weil ihre Werte keine Rolle spielen. Die Determinanten dieser beiden Matrizen sind aber ungleich Null. Nach (16) folgern wir hieraus, daß auch àie Determinante der Form P{rj, f) nicht verschwindet. Der Übergang von den Variablen ya,y'a, ... , yb,y'b, . . . , y{bn~1} zu den Variablen U1, U2, . . . , U2n ist eine lineare Transformation mit von Null verschiedener Determinante. Deshalb verschwindet auch die Determinante der Matrix von P in den Veränderlichen z(n—1) z 2(m—1) ült ü2,. . . , ü2nundza,z'a, 4 b
nicht. Diese Matrix ist jedoch gleichzeitig die Koeffizientenmatrix der Formen F „ . V2n—i> • • • > V1. Diese Formen sind also linear unabhängig.
10
Grundlegende Begriffe und Sätze
Die Randbedingungen V1 = 0,V2 = 0
V2 n-m = 0
(17)
(sowie alle Randbedingungen, die ihnen gleichwertig sind) heißen adjungiert zu den Randbedingungen üi = 0, CTg = 0, . . . , -Um = 0 . (18) Randbedingungen heißen selbstadjungiert, wenn sie mit ihren adjungierten Bedingungen äquivalent sind. Sei L der durch den Ausdruck l(y) und die Randbedingungen (18) erzeugte Operator. Den Operator, der von l*(y) und den Randbedingungen (17) erzeugt wird, nennt man adjungiert zu L. Der zu L adjungierte Operator wird mit L* bezeichnet. Aus Formel (15) und den Randbedingungen (17) und (18) folgt, daß für die Operatoren L und L* die Gleichung b
b
JLy • z dx = j y L*zdx (19) a a besteht, und zwar für jedes?/ aus dem Definitionsbereich von L und jedes z aus dem Definitionsbereich von L*. Wir führen die abkürzende Bezeichnung b
(:y. 2) = / y(x) z(x) dx a
ein. Dann nimmt die Gleichung (19) die Gestalt (Ly,z) = (y,L*z) (20) an. Aus der Definition des adjungierten Operators ergibt sich, der Operator L ist zu L* adjungiert: L** = £. Ein Operator L heißt selbstadjungiert, falls L* = L ist. Aus der Definition des Operators L* folgt: Ein Operator L ist dann und nur dann selbstadjungiert, wenn er von einem selbstadjungierten Differentialausdruck und selbstadjungierten Bandbedingungen erzeugt wird. Für einen selbstadjungierten Operator L nimmt die Formel (20) die Gestalt {Ly,z)
= {y,Lz)
(21)
an. 7. Die adjungierte Randwertaufgabe. Ist L* der zu L adjungierte Operator, so nennt man die homogene Randwertaufgabe L*z = 0 (22) adjungiert zur homogenen Randwertaufgabe Ly = 0 .
(23)
Definition und Haupteigenschaften des linearen Differentialoperators
11
Ausführlicher kann man die Randwertaufgabe (22) in der Torrn l*(z) = 0 , Vv(z) = 0,
(24)
» = 1,2,..., 2 n — m
(25)
schreiben. Dabei ist l*(z) der zu l(y) adjungierte Differentialausdruck und (25) sind Randbedingungen, die zu denen von L adjungiert sind. Wir wollen nun eine Beziehung herstellen zwischen den Rängen von Randwertaufgaben, die zueinander adjungiert sind. Es seien z1, z2, • • • > linear unabhängige Lösungen der Gleichung l*(z) = 0, und r' sei der Rang der Matrix Vfo) Füfo)
••• VAZn) .. . V2{zn)
VI n — • ••
n—m(zn)
Dann hat die adjungierte Randwertaufgabe (24), (25) genau n — r ' unabhängige Lösungen. Wenn andererseits y eine beliebige Lösung der Randwertaufgabe (23) ist, dann verschwindet für z — zv die linke Seite der Formel von LAGRANGE (15). Außerdem ist TJ^y) = • • • = Um(y) = 0. I n diesem Fall vereinfacht sich also die Formel von LAGRANGE folgendermaßen: Um+M
Vzn^n(Zv) + • • • + U2n(y) V&,) = 0 .
Setzen wir in ihr v = 1, 2, . . . , n, so erhalten wir für die Formen Um+1(y), . . . , U2n(y) das Gleichungssystem Um+1(y) Vin^mih) Um+l(y) Vzn-m^i)
+ • • + ü2n(y) VM = 0, • + U (y) F ^ ) = 0, + • 2n
Um+1{y) V2n^m(zn)
+ • • + ü2n(y)
F^zJ
=
0
.
'
(27) .
Dieses System hat mindestens n — r unabhängige Lösungen, nämlich Um+1(yj), . . . , U2n(yj) (j = 1,2, . . . , n — r), wenn r den Rang der Randwertaufgabe (23) und y1} . . . , yn—r ein System linear unabhängiger Lösungen von (23) ist. Folglich ist der Rang seiner Matrix nicht größer als 2 n — m — (n — r) = n — m r. Da die Matrix des Systems (27) aber bis auf die Anordnung der Zeilen und Spalten mit der Matrix (26) übereinstimmt, gilt also r' ^ n — m + r .
(28)
Um zu zeigen, daß hier das Gleichheitszeichen steht, berücksichtigen wir, daß die beiden betrachteten Randwertaufgaben einander wechselseitig adjungiert sind; darum kann man sie in ihren Rollen vertauschen. Dabei vertauschen r' und r ihre Rollen, während m in 2 n — m übergeht; folglich ist r iS n — (2 n — m) + r', d. h.: r TO — n + r'. (29)
12
Grundlegende Begriffe und Sätze
Durch Gegenüberstellung von (28) und (29) gewinnen wir: r' = n — m + r .
(30)
V I . Der Rang r einer Randwertaufgabe ist mit dem Rang r' ihrer adjungierten Randwertaufgabe durch die Relation r' — n — m + r verknüpft. Für den Spezialfall m = n folgt aus der Formel (30) die Gleichung r' = r. Also: V I I . Wenn die Anzahl der unabhängigen Randbedingungen gleich der Ordnung des Differentialausdrucks ist, dann ist der Rang der Randwertaufgabe gleich dem Rang ihrer adjungierten Randwertaufgabe. Insbesondere ergibt sich hieraus: V I I I . Ist die Anzahl der unabhängigen Randbedingungen gleich der Ordnung des Differentialausdrucks und hat die zugehörige homogene Randwertaufgabe lediglich die triviale Lösung, so besitzt auch die adjungierte Randwertaufgabe keine andere als die triviale Lösung. § 2. Eigenwerte und Eigenfunktionen
eines
Differentialoperators
1. Definition von Eigenwert und Eigenfunktion. Eine Zahl A heißt Eigenwert eines Operators L, wenn es im Definitionsbereich des Operators L eine Funktion y ^ 0 gibt derart, daß Ly=Xy (1) gilt. Die Funktion y wird eine zum Eigenwert X gehörende Eigenfunktion des Operators L genannt. Der Operator L werde von dem Differentialausdruck l(y) und den Randbedingungen U M = 0 , . . . , ü m (y) = 0 (2) erzeugt. Da eine Eigenfunktion y dem Definitionsbereich des Operators L angehören muß, muß sie auch den Bedingungen (2) genügen. Außerdem ist Ly = l(y), demnach ist (1) gleichbedeutend mit l(y)=Xy. (3) Also gilt: Die Eigenwerte eines Operators L sind diejenigen Parameterwerte X, für die die homogene Randwertaufgabe l(y)=Xy,
Ur(y) — 0,
v = l,2 ,...,m
(4)
nichttriviale Lösungen hat; jede dieser nichttrivialen Lösungen ist eine zu X gehörige Eigenfunktion. Eine Linearkombination von Eigenfunktionen, die zu ein und demselben Eigenwert X gehören, ist wieder eine zu X gehörige Eigenfunktion. In der Tat, falls Ly1=Xy1 und Ly2 = Xy2 ist, gilt auch L (q y1 + c2 y2) = X (cx y1 + c2 y2) für beliebige Konstanten Cj, c2.
Eigenwerte und Eigenfunktionen eines Differentialoperators
13
Weil eine homogene Gleichung (3) bei vorgegebenem A nicht mehr als n linear unabhängige Lösungen besitzen kann, folgt hieraus, daß die Gesamtheit aller Eigenfunlctionen, die zu ein und demselben Eigenwert gehören, einen endlich-dimensionalen Raum der Dimension iS n bildet. Die Dimension dieses Raumes ist einfach die Anzahl der linear unabhängigen Lösungen der Randwertaufgabe (4) bei vorgegebenem Eigenwert A; diese Anzahl heißt Vielfachheit des Eigenwertes. Wir wollen Bedingungen zur Bestimmung von Eigenwerten angeben. Mit 2/i(*>
Vzix, A ) , . . . , yn{x, A)
(5)
bezeichnen wir ein Fundamentalsystem vonLösungen der Differentialgleichung (3), die folgende Anfangsbedingungen erfüllen: ,
«
i 0
^ • H i
für
^
j 4= v ,
)zv,
j, v = 1, 2, . . . , n . Aus allgemeinen Sätzen über Lösungen linearer Differentialgleichungen ergibt sich, daß die Funktionen (5) für jeden festen Wert x aus [a, b] ganze analytische Funktionen des Parameters A sind. Nach den Ergebnissen aus § 1, 4 hat die Randwertaufgabe (4) dann und nur dann eine nichttriviale Lösung, wenn der Rang r der Matrix UM
. • U^Vn)
UM • • Um(yn) kleiner als n ist: Mit m) sind. Die Zahl k heißt Länge des Systems zugeordneter Funktionen. Man sagt, eine Eigenfunktion q>(x) hat die Vielfachheit m, wenn es zu 1 + "" + >Z) 1 (A), ' wobei A-L(X) eine ganze analytische Funktion ist und Zl1(A0) = det HCyH, i,j — 1, 2, . . . , n mit Uij — U((y>j) für i = 1, . . . , n, j = p + 1, p + 2, . . . , n, aber i = u ^ ) +
1 dU i
(n
mj-i)
1 d2Ui 1 dm?Ui