Liberalisierung und Deregulierung im Europäischen Binnenmarkt für Versicherungen [1 ed.] 9783428487691, 9783428087693

Im Juli 1994 ist in Deutschland das Dritte Gesetz zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien der Europäischen

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German Pages 381 Year 1997

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Liberalisierung und Deregulierung im Europäischen Binnenmarkt für Versicherungen [1 ed.]
 9783428487691, 9783428087693

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THOMAS RABE

Liberalisierung und Deregulierung im Europäischen Binnenmarkt für Versicherungen

Schriftenreihe des Instituts für Versicherungswissenschaft an der Universität zu Köln Begründet von Professor Dr. jur. Dr. phil. W. Rohrbeck t und fortgeführt von Professor Dr. sc. pol. P. Braeß t Herausgegeben von Professor Dr. rer. pol. D. Farny

Neue Folge Heft 51

Liberalisierung und Deregulierung im Europäischen Binnenmarkt für Versicherungen

Von Dr. Thomas Rabe

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Rabe, Thomas: Liberalisierung und Deregulierung im Europäischen Binnenmarkt für Versicherungen / von Thomas Rabe. Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriftenreihe des Instituts für Versicherungswissenschaft an der Universität zu Köln; H. 51) Zug!.: Köln, Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08769-0 NE: Institut für Versicherungswissenschaft (Köln): Schriftenreihe des Instituts ...

Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7190 ISBN 3-428-08769-0

e

Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Inhaltsverzeichnis Einleitung I. Einfiihnmg II. Vorgehensweise

19 ..................... . . . ..............

20

III. AbgrenZlDlg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..... . .. . .

22

A.Regulierung der Versicherungs märkte I. Regulienmgsbegriffe II. BegründlIDg der Regulienmg

24 ..............................

1. BegründlIDg der Regulienmg der Märkte

25 25

a)Wettbewerb IIDd Wettbewerbsfimktionen

...................

25

............................

26

.............................

30

aa) Gnmdlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

30

bb) Normative Theorie der Regulienmg

....................

30

cc) Positive Theorie der Regulienmg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

b)Wettbewerbskonzeptionen c)Theorien der Regulienmg

2. BegründlIDg der Regulienmg der Versichenmgsmärkte

............

35

a)Informationsprobleme der Versichenmgsnehmer . . . . . . . . . . . . . ..

36

b)Informationsprobleme der Versicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

c)Besondere Gläubigerposition der Versichenmgsnehmer

..........

42

d)Interessenkonflikte der Vermittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

e) Elastische Kapazität der Versicherer

......................

44

........................

45

4. Gefahren der Regulienmg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

47

3. Kosten IIDd Nutzen der Regulienmg

III. Gnmdmodell eines Regulienmgssystems

......................

48

.......................

48

2. Regulienmgsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

49

3. Regulienmgs- IIDd Aufsichtsinstitutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

4. Regulienmgsobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

l. Elemente eines Regulienmgssystems

6

Inhaltsverzeichnis

50

5. Regulierungsinstrumente IV. Realtypen von Regulierungssystemen

51

1. Regulierungsziele .. . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

2. Regulierungs- \md Aufsichtsinstitutionen .... . . . . . . . . . . . . . . . ..

53

3. Regulierungsobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

4. Regulierungsinstrumente

...............................

54

5. Zusammenfass\mg zu FaUgruppen von Regulierungssystemen . . . . . . . .

57

6. Ergebnisse

57

........................................

B. Uberalislerung der Versicherungs märkte I. Begriff der Liberalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

61

11. Beschränlnmgen der Liberalisierung (Marktzugangsbeschränkungen) .....

62

ill. Begriind\mg der Liberalisierung

......... . ..................

1. Ansätze der Außenhandelstheorie 2. Vorteile der Liberalisierung

65 65

.............................

3. (Versuch der) Quantifizierung der Vorteile des Binnenmarktes

.......

70 70

72

IV. Formen des Marktzugangs (Tätigkeitsformen) 1. Export von Versicherungsschutz

72

2. Produktion von Versicherungsschutz vor Ort

74

V. Modell eines liberalisierten Versicherungsmarktes Exkurs: Modell einer Konzernaufsicht

................

74

........................

77

VI. Praktische Schritte der Liberalisierung im europäischen Binnenmarkt

....

80

1. Binnenmarkt (allgemein) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

a) Tätigkeits- versus Herkunftslandprinzip

....................

80

b)Harmonisierung versus gegenseitige Anerkenn\mg .... . . . . . . . . ..

82

2. Binnenmarkt fiir Versicherungen

..........................

85

a)Niederlass\mgsfreiheit: Tätigkeitslandprinzip \md Harmonisienmg . . ..

86

b)Dienstleist\mgsfreiheit: Übergang zum Herkunftslandprinzip

86

.......

c)Niederlass\mgs- \md Dienstleist\mgsfreiheit: Herkunftslandprinzip \md gegenseitige Anerkenn\mg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

c. Regulierungssystem der EU-Richtlinien und Regulierungssystem in Deutschland I. Grundlagen

....................... . ..................

91

Inhaltsverzeichnis

n.

m.

Regulienmgsziele

7

.....................................

Regulienmgs- und Aufsichtsinstitutionen

91

......................

94

...................................

97

V. Regulienmgsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

97

IV. Regulienmgsobjekte

1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . " 2. Versicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a)Zulassung zum Geschäftsbetrieb und Zulassungsbedingungen

97 98 98

aa) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

98

.......................

98

bb) Bestimmungen der Richtlinien

(l)Zulassung eines rechtlich selbständigen Versicherers

.......

98

(2)Zulassung fiir die Tätigkeit im Dienstleistungsverkehr und fiir eine rechtlich unselbständige Niederlassung cc) Bestimmungen des VAG dd) Verhältnis zu Drittstaaten (l)Reziprozität (2)EU - Schweiz

. . . . . . . . . . . . . . 101

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

(3)EU - Mittel- und osteuropäische Länder

. . . . . . . . . . . . . . . 106

(4)OECD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (5)GATI-Dienstleistungsabkommen (6)Zusammenfassung

107

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

b)Qualifikation der Unternehmensfiihnmg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 aa) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 108 bb) Bestimmungen der Richtlinien cc) Bestimmungen des VAG

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

c) Kontrolle der Beteiligungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 aa) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 109 bb) Bestimmungen der Richtlinien cc) Bestimmungen des VAG

109

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

d)Verbot versichenmgsfremder Geschäfte

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

aa) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 110 bb) Bestimmungen der Richtlinien cc) Bestimmungen des VAG

111

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

e) Versichenmgskonzeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 111 aa) Spartentrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . "

111

(I)Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 111 (2)Bestimmungen der Richtlinien (3)Bestimmungen des VAG

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

8

Inhaltsverzeichnis bb) Finanzkonglomerate . . .... . ...... .. .. . . . . . . . . . . . . . 116 (l)Gnmdlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 116 (2)Bestimmungen der Richtlinien (3)Bestimmungen des VAG

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

f) Eigenkapital(-ausstattung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gnmdlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Bestimmungen der Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (I)Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) So11- SoIvabilität (3)Ist-Solvabilität

121 l21 l21 l21 122 123

(4) Mehtfachbelegung des Eigenkapitals . . . . . . . . . . . . .. .... 124 cc) Bestimmungen des VAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l26 dd) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 g) Versicherungstechnische Rückstellungen

.... . .. . . . . . . . . . . . . 128

aa) Gnmdlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 128 bb) Bestimmungen der Richtlinien (I)Zuständigkeit

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. l29

(2)Schaden- und Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 129 (3) Lebensversicherung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 131

cc) Bestimmungen des VAG

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

h)Kapitalanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 aa) Gnmdlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 135 bb) Bestimmungen der Richtlinien

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

(l)Mischung und Streuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 (2)Währungskongruenz und Lokalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . 137 cc) Bestimmungen des VAG

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

i) Rechnungslegung und Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 aa) Externe Rechnungslegung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

(l)Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 (2)Bestimmungen der Richtlinien

141

(a)Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . , 142 (b)Ausweis der Rückversicherung . .. .. . .. .... ... .. .. 143 (c)Abschlußkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (d)Bewertung der Kapitalanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 144 (e)Abzinsung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . ..... . ... 145

(3)Bestimmungen des VAG und HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (a)Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 145 (b)Ausweis der Rückversicherung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

Inhaltsverzeichnis

9

(c) Abschlußkosten . . . . . . . . . . . . . .. ......... . .... 146 (d) Bewertung der Kapitalanlagen ..... . . . .... . ....... 146 (e)Abzinsung (4)Bewertung

. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . ....... .. ... 148

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

bb) Interne Rechnungslegung . . .......... . . . .. . .. . ... . .. 150 (l)Gnmdlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 150 (2)Bestimmungen der Richtlinien (3)Bestimmungen des VAG

..... .. ... . ... . .. .. .. 151

...... . ... .. . . ........ . ... 151

j) Informationspflichten ......... . .... . . .. .. ....... . .... aa) Gnmdlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Bestimmungen der Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bestimmungen des VAG und VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k)Behördliche Eingriffs- und Prüftmgsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gnmdlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Bestimmungen der Richtlinien cc) Bestimmungen des VAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I) Konkursregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bestimmungen der Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bestimmungen des VAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

151 151 152 154 156 156 156 157 157 157 159

3. Versicherungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 a) Versicherungsprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 aa) Versicherungsvertragsrecht .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 161 (l)Bestimmungen der Richtlinien (a) Harrnonisierungsversuche

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

(b)Kollisionslösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (aa) Gnmdlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 162 (bb) Schaden- und Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . 163 (cc) Lebensversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (dd)Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 (2)Bestimmungen des VVG

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

bb) Versicherungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (l)Gnmdlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 167 (2)Bestimmungen der Richtlinien (3)BestimmungendesVAG

169 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

cc) Allgemeininteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (I)Bestimmungen der Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (2)Bestimmungen des VAG dd) Unverbindliche Empfehlungen

..... . . . . . . . ........ .. ... 172 172

10

Inhaltsverzeichnis b) Versichenmgsprämien Wld ÜberschußbeteiligWlg . . . . . . . . . . . . . . 172 aa) Gnmdlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 bb) BestimmWlgen der Richtlinien

173 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

cc) BestimmWlgen des VAG

4. Versichenmgsvermittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 177 a) Gnmdlagen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

b) BestimmWlgen der Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 aa) ZulassWlg zum Geschäftsbetrieb Wld ZulassWlgsbedingWlgen .... 178 (l)GeltWlgsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 (2)Polarisienmg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (3)Fachliche Wld persönliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . 180 (4)Finanzielle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 181 bb) Registrienmgszwang Wld Eingriffsbefugnisse cc) Einheitliche ZulassWlg

. . . . . . . . . . . ... 181

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

c)BestimmWlgen des VAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 VI. Flankierende Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... .. ...... 183 1. Wettbewerbsrecht

a)Gnmdlagen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

b)BestimmWlgen der Richtlinien Wld VerordnWlgen . . . . . . . . . . . . .. 185 aa) Kartellverbot des EU-Vertrags Wld GruppenfreistellWlgsverordnWlg. 186 bb) Fusionskontrolle

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 cc) Verbot staatlicher Beihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 c)BestimmWlgen des GWB

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

2. Allgemeines Verbraucherschutzrecht

194

3. Öffentliches Auftragswesen

194

4. Wechselkursmechanismus Wld WähnmgsWlion . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

D. Ergebnisse des Binnenmarktes ffir Versicherungen aus deutscher Sicht I. Beschränkte Liberalisienmg

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

1. Gnmdlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 199

2. Rechtliche BeschränkWlgen a) Versicherer

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

aa) ZulassWlg zum Geschäftsbetrieb bb) Laufende BeaufsichtigWlg

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

(I)Gnmdlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 201 (2)Finanzaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202

Inhaltsverzeichnis

11

(3) Rechtsaufsicht

203

cc) Beschränkungen bei der Übernahme deutscher Versicherer dd) Neuordnung der Aktivitäten ausländischer Versicherer ee) Besteuerung

206

. . . . . . . . 207

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

(l)Besteuerung der Tätigkeit im Dienstleistungsverkehr und über eine rechtlich unselbständige Niederlassung

. . . . . . . . . . . . . . 210

(2)Besteuerung der Tätigkeit über eine Tochtergesellschaft b) Versicherungs geschäfte

212 214

aa) Versicherungsprodukte

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

bb) Versicherungsprämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 cc) Rolle der Versicherungsverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 dd) Besteuerung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

(I)Versicherungsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 (2)Abzugsfiihigkeit der Versicherungsprämien und Besteuerung der Versicherungsleistungen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

ee) Sozialversicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

11) Kapital- und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Altbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Versicherungsvermittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d)Sonstige rechtliche Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

226 227 228 228

3. Faktische Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 a) Etfordernis der Präsenz vor Ort

......................... 229

b)Kundeneinstellung und -verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 c) Vertriebsstrukturen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

d) Vertragslaufzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 4. Bewertung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

5. Weitere Maßnahmen der EU

237

6. Liberalisierung ausländischer Märkte aus Sicht der deutschen Versicherer. 239 II. Deregulierung und Mehrregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 239 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 239 2. Deregulierungswirkungen der Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 239 3. Das Regulierungssystem in Deutschland vor und nach Umsetzung der EURichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 4. Mehrregulierung und sonstige kompensierende Maßnahmen . . . . . . . . . 242 a)Regulierungs- und Aufsichtsinstitutionen aa) Bundesaufsichtsamt bb) Schiedsstelle

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247

12

Inhaltsverzeichnis cc) Verantwortlicher Aktuar 248 b) lnfonnationsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 aa) Versichenmgsprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (l)Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (2)~usterbedingungen

(3)Preis-Leistungs-Vergleiche und öffentliche Aufklänmg (4) Werbung

251 ...... 252

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . '"

bb) Versichenmgsvennittlung

255

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

cc) lnfonnationspflichten der Versicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 dd) Rechnungslegung, Publizität und Rating-Systeme

. . . . . . . . . . . 259

ee) lnfonnationspolitik des BAV 262 c) Gläubiger- und Schuldnerinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 aa) Eigenkapitalausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .... . 264 bb) Kapitalanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........ . 267 cc) Versichenmgstechnische Rückstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 dd) Versichenmgsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 ee) Konkurssichenmg(-sfonds) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 (l)Gestaltungsmöglichkeiten (2)Bewertung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

11) Widerrufs-, Rücktritts- und Kündigungsrechte . . . . . . . . . . . . . . 272 5. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. ....... 273 6. Weitere ~aßnahmen der EU

275

ill. Wettbewerb der Regulienmgssysteme

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

1. Wettbewerb zwischen den Regulienmgssystemen der ~itgliedstaaten ... 277 a)Grundlagen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

b)Versicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ...... . ....... 280 aa) Eigenkapitalausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 bb) Kapitalanlagen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

cc) Rechnungslegung und Publizität

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

dd) Spartentrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ....... "

285

ee) Besteuenmg der Versicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 c) Versichenmgsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 d)Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 288 2. Wettbewerb zwischen den Regulienmgssystemen fiir Kreditinstitute und Versicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 290 a) Eigenkapitalausstattung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

b) Rechnungslegung und Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295

13

Inhaltsverzeichnis

E. Einzel- und gesamtwirtschaftliche Effekte des Binnenmarktes für Versicherungen aus Sicht der deutschen Versicherer I. Einzelwirtschaftliche Effekte ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 1. Sortiments- lUld ProduktgestaltlUlg

297

a) Rechtliche Rahmenbedingmgen

297

b) GestaltlUlgsmöglichkeiten

..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 298

aa) Gnmdlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 298 bb) Möglichkeiten lUld Grenzen der Produktgestaltung . . . . . . . . . . . 300 cc) Auswahl der Tätigkeitsregionen und der Tätigkeitsformen 2. PrämiengestaltlUlg

303

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306

a) Rechtliche Rahmenbedingmgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 b) Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 3. GestaltlUlg des Vertriebsverfahrens .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 4. Sonstige Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 312 II. Gesamtwirtschaftliche Effekte

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312

1. RegulierWlgs- lUld Wettbewerbsintensitäten

2. Wettbewerbseffekte

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316

a)Prämienniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 b) Ergebnislage der Versicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 c) Verfügbarkeit von VersicherWlgsschutz

325

d)Konzentration der VersicherWlgsmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 e) Variabilität der Marktanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

Zusammenfassung RegulierWlg

329

LiberalisierWlg

330

RegulierWlgssystem der EU-Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 Ergebnisse des Binnenmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Effekte des Binnenmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339

Literaturveneichnis

341

Sachwortveneichnis

373

Abkürzungsverzeichnis ABI

Association ofBritish Insurers

AbI.

Amtsblatt

Abs.

Absatz

a.F.

alte Fassung

AG

Aktiengesellschaft

AGB-Gesetz

Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz)

AgV

Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände e.Y.

AIDA

Association Internationale de Droit des Assurances

AktG

Aktiengesetz

AO

Abgabenordnung

AVAD

Auskunftsstelle über den Versicherungsaußendienst

B

Belgien

BAV

Bundesaufsichtsamt fiir das Versicherungswesen

BB

Betriebsberater

BCCI

Bank of Credit and Commerce International

BerVersV

Verordnung über die Berichterstattung von Versicherungsunternehmen gegenüber dem Bundesaufsichtsamt fiir das Versicherungswesen

BEUC

Bureau Europeen des Unions de Consommateurs

BewG

Bewertungsgesetz

BIPAR

Bureau International des Producteurs d' Assurances et de Reassurances

BMF

Bundesminister der Finanzen

CEA

Comite Europeen des Assurances

CH

Schweiz

D

Deutschland

DAV

Deutsche Aktuarvereinigung e. Y.

DB

Der Betrieb

DBA

Doppelbesteuerungsabkommen

AbkürZWlgsverzeichnis DK

Dänemark

DTI

Departrnent ofTrade and Industry

E

Spanien

ECU

European Curreny Unit

EEA

Einheitliche Europäische Akte

E(E)C

European (Economic) Commwlity

15

EFTA

European Free Trade Association

EGVVG

Einfillmmgsgesetz zum Versicherungsvertragsgesetz

endg.

endgültig

EStG

Einkommensteuergesetz

EU

Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EuZW

Europäische Zeitschrift fiir Wirtschaftsrecht

EVÜ

EWG-Übereinkommen über das aufversicherungsvertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht

E(W)G

Europäische (Wirtschafts-) Gemeinschaft(en)

EWR

Europäischer Wirtschaftsraum

EWS

Europäisches Währungssystem

F

Frankreich

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Fimbra

Financial Intermediaries, Managers and Brokers Regulatory Association

fm.

fmal

FSA

Financial Services Act

GATS

General Agreement on Trade in Services

GATT

General Agreement on Tariffs and Trade

GDV

Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.v.

GewStG

Gewerbesteuergesetz

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GP

Geneva Papers on Risk and Insurance

GR

Griechenland

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

HB

Handelsblatt

HdV

Handwörterbuch der Versicherung

16 HdWW HWB

Abkürzungsverzeichnis Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften Handwörterbuch der Betriebswirtschaft Italien

IASC

International Accounting Standards Committee

lOB

Insurance Ombudsman Bureau

IRL

Irland

k.A.

keine Angaben

KGaA

Kommanditgesellschaft auf Aktien

KO

Konkursordnung

KStG

Körperschaftsteuergesetz

L'Argus

L' Argus, Journal International des Assurances

Lautro

Life Insurance and Unit Trust Regulatory Organisation

NAFTA

North American Free Trade Association

NAlC

North American Insurance Commissioners

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NL

Niederlande

OECD

Organisation for Economic Cooperation and Development

O.J.

Official Journal

o.y.

ohne Verfasserangabe

PIAS

Personal Insurance Arbitration Service

R

Rundschreiben

RechVersV

Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen

RIW

Recht der International Wirtschaft

sm

Securities and Investment Board

Slg.

Sammlung der Entscheidungen des Gerichtshofs

Sp.

Spalte(n)

SRO

Self Regulatory Organisation(s)

UK

United Kingdom

UStG

Umsatzsteuergesetz

UWG

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

VAG

Gesetz über die Beaufsichtigung von Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz)

VerBAV

Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamtes fur das Versicherungswesen

Abkürzungsverzeichnis VersR

Versicherungsrecht

VerStG

Versicherungsteuergesetz

VersVerm

Versicherungsvermittlung

VK

Versicherungskaufmann

VO

Verordnung

Vol.

Volume

VP

Die Versicherungspraxis

VRundschau

Versicherungsrundschau

VStG

Vennögensteuergesetz

WaG

Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit

WG

Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz)

VW

Versicherungswirtschaft

WPg

Die Wirtschaftsprüfimg

WTO

World Trade Organisation

ZfB

Zeitschrift für Betriebswirtschaft

ZfbF

Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung

ZN

Zeitschrift für Versicherungswesen

ZVD

Zentralregister für Versicherungsvermittler in Deutschland

ZVersWiss

Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft

2 Rabe

17

Einleitung I. Einführung Das Dritte Gesetz zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Union (EU), kurz Drittes Durchführungsgesetz/EWG zum VAG genannt, ist am 29. Juli 1994 in Kraft getreten. Die damit verbundenen Gesetzesänderungen dienen vor allem der Umsetzung der sogenannten "dritten Richtlinien" der EU, die den Binnenmarkt für Versicherungen vollenden sollenl . Die Meinungen über mögliche Auswirkungen der neuen rechtlichen Rahmenbedingungen auf den deutschen Versicherungsmarkt gehen weit auseinander. Sie liegen in der Bandbreite von "tiefster Einschnitt seit Einführung der Versicherungsaufsicht im Jahre 1901" bis "es bleibt alles - oder zumindest vieles - so wie es war',2. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.Y. (GDV) kommt in einer ersten Bewertung zu dem Ergebnis, daß die Vollendung des europäischen Binnenmarktes bereits Veränderungen auf dem deutschen Versicherungsmarkt bewirkt hat. Zu Struktureinbrüchen ist es allerdings nicht gekommen. Der Wandel vollzieht sich kontinuierlich 3 .

1 Drittes Gesetz zur Durchfiihnmg versichenmgsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften (Drittes DurchfiihnmgsgesetzJEWG zum VAG) vom 2l. Juli 1994, BWldesgesetzblatt, Jahrgang 1994, Teil I, S. 1630-1669; Richtlinie des Rates 92/491EWG vom 18. Juni 1992 zur Koordinienmg der Rechts- Wld VerwaltWlgsvorschriften fiir die Direktversichenmg (mit Ausnahme der LebensversicherWlg) sowie zur Ändenmg der Richtlinien 731239IEWG Wld 88/3571EWG (Dritte Richtlinie SchadenversicherWlg), AbI. der EG Nr. L 228, 1l. August 1992, S. 1-2; Richtlinie des Rates 92/961EWG vom 10. November 1992 zur Koordinienmg der Rechts- Wld VerwaltWlgsvorschriften fiir die Direktversichenmg (Lebensversichenmg) sowie zur Ändenmg der Richtlinien 791267IEWG Wld 90/6191EWG (Dritte Richtlinie LebensversicherWlg), AbI. der EG Nr. L 360, 9. Dezember 1992, S. 1-2. 2 o.V.: Eine Revolution fmdet nicht statt, in: VK 1993, S. 21-23; Verband der Lebensversichenmgs-Untemehmen e.v. (Hg.): Die deutsche Lebensversichenmg, Jahrbuch 1993, Karlsruhe 1993, S. 10. 3 Gesamtverband der deutschen Versichenmgswirtschaft e.v. (Hg.): Die deutsche Versichenmgswirtschaft, Jahrbuch 1995, Karlsruhe 1995, S. 13.

2*

20

Einleitung

n. Vorgehensweise Nach der Definition der Regulierungsbegriffe in Kapitel AI. wird in Kapitel All. die Regulierung der Märkte im allgemeinen und der Versicherungsmärkte im besonderen begründet. Betrachtet werden die Informationsprobleme der Versicherungsnehmer und Versicherer, die besondere Gläubigerposition der Versicherungsnehmer, die (möglichen) Interessenkonflikte der Versicherungsvermittier und die (vergleichsweise) elastische Kapazität der Versicherer. Aufgezeigt werden ferner Kosten und Nutzen der Regulierung sowie die mit ihr verbundenen Gefahren. In Kapitel AIII. wird ein Grundmodell eines Regulierungssystems entwickelt, das aus Regulierungszielen, -institutionen, -objekten und -instrumenten besteht. Darauf aufbauend werden in Kapitel AIY. die Eckpunkte der Regulierungssysteme in den EU-Mitgliedstaaten vor Umsetzung der Richtlinien dargelegt. Das deutsche System steht dabei für die kontinentaleuropäischen Mitgliedstaaten, das britische für die angelsächsischen Mitgliedstaaten sowie die Niederlande. In Kapitel B.I. wird die Liberalisierung als Abbau von rechtlichen Beschränkungen des Marktzugangs für ausländische Anbieter und ihre Produkte definiert. Die möglichen Marktzugangsbeschränkungen werden in Kapitel B.II. besprochen und zwar differenziert nach Tätigkeitsverboten als strengster Form, mengenmäßigen Beschränkungen, tarifären Beschränkungen und nach nicht-tarifären Beschfänkungen. In Kapitel B.III. wird die Liberalisierung der Märkte begründet. Dabei wird der Versuch unternommen, die Ansätze der Theorie des Außenhandels auf die Versicherungsmärkte zu übertragen und auf dieser Grundlage die Vorteile der Liberalisierung aufzuzeigen. Eingegangen wird auch auf den Ansatz der EU-Kommission, die Kosten der Nicht-Verwirklichung Europas zu quantifizieren. Der Marktzugang kann auf verschiedene Weise erfolgen, vor allem durch Produktion von Versicherungsschutz und Export in den Mitgliedstaat (oder das Land) des Versicherungsnehmers beziehungsweise des versicherten Risikos oder durch Produktion vor Ort. Die Zugangsformen werden in Kapitel B.IY. erörtert. In Kapitel B.Y. wird dann ein Modell eines liberalisierten Versicherungsmarktes entwickelt, das als Maßstab für die in Kapitel D.I. aufgestellte These der "beschränkten liberalisierung" dient. Eckpunkte sind die Zulassung und Beaufsichtigung der Versicherer durch eine Aufsichtsbehörde verbunden mit dem Recht, in allen EUMärkten ihre Produkte über alle Tätigkeitsformen zu vertreiben und Vermögenswerte anzulegen. In Kapitel C wird das Regulierungssystem beschrieben, das sich aus den EURichtlinien ergibt, und das Regulierungssystem, das in Deutschland nach Umsetzung der Richtlinien entstanden ist. Es werden auch Hinweise gegeben auf

11. Vorgehensweise

21

die Bestimmungen der Mitgliedstaaten, die den Richtlinien als Vorbild gedient haben. Die Darstellung erfolgt getrennt nach Regulierungszielen und Regulierungsinstitutionen. Den Regulierungsobjekten werden die maßgeblichen Regulierungsinstrumente zugeordnet. Die Liberalisierungseffekte der Richtlinien aus Sicht eines ausländischen Versicherers, der auf dem deutschen Markt tätig werden möchte, werden in Kapitel D.I. erörtert. Es wird gezeigt, daß die EU-Richtlinien den deutschen Versicherungsmarkt nur partiell liberalisieren, daß also von dem in Kapitel B entwickelten Modell eines liberalisierten Versicherungsmarktes Abstriche gemacht werden müssen. Es bleiben vielfältige rechtliche und faktische Beschränkungen bestehen. Diese Beschränkungen werden erläutert und bewertet und zwar differenziert nach Tätigkeitsformen, Versicherungszweigen und nach Typen von Versicherungsnehmern. Anschließend wird geprüft, welche weiteren Maßnahmen der Union oder der Mitgliedstaaten nötig sind, um eine weitergehende Öffnung der Versicherungsmärkte zu erreichen4 . In Kapitel D.II. werden die Deregulierungseffekte der Richtlinien besprochen. Es wird dargelegt, daß die EU-Richtlinien den deutschen Versicherungsmarkt deregulieren und die Struktur des Regulierungssystems verändern. Die Deregulierung wird teilweise kompensiert durch staatliche Maßnahmen der Mehrregulierung sowie Maßnahmen der Selbstregulierung des Marktes oder der Marktteilnehmer. Erörtert wird die zweckmäßige Gestaltung des deutschen Regulierungssystems, wobei sowohl die Schutzinteressen der Versicherungsnehmer als auch die Anforderungen des Binnenmarktes berücksichtigt werden ("wettbewerbsfähiges Regulierungssystem"). Die Struktur der Regulierungssysteme und die Regulierungsintensität in den EU-Mitgliedstaaten (und den EWR-Vertragsstaaten) sind auch nach Umsetzung der EU-Richtlinien unterschiedlich. Da ein im Herkunftsland zugelassener Versicherer seine Geschäfte in allen anderen Mitgliedstaaten betreiben darf, kann es zu einem Wettbewerb der Regulierungssysterne kommen. Denn ein Versicherer mit Sitz in einem weniger regulierten Markt kann Vorteile gegenüber Wettbewerbern aus einem stärker regulierten Markt haben. Die Voraussetzungen für einen Wettbewerb der Regulierungssysteme, die Bereiche des Wettbewerbs sowie die möglichen Auswirkungen auf die Regulierungsinstitutionen und die betroffenen Regulierungsobjekte werden in Kapitel D.III.I. besprochen. In Kapitel D.III.2. wird schließlich kurz auf den Wettbewerb der Regulierungssysteme der Kreditinstitute und Versicherer eingegangen. 4 Die Kommission hat in ihrem Arbeitsprogramm fiir 1996 allerdings angekündigt, sich mit neuen Richtlinienvorhaben zurückzuhalten. Sie möchte insgesamt nur 16 neue Vorschläge vorlegen.

22

Einleitung

Für die Versicherer verändert der Binnenmarkt das rechtliche Umfeld' . Die Liberalisierung erhöht tendenziell den Wettbewerb von außen, die Deregulierung den Wettbewerb von innen. In Kapitel E.I. werden mögliche Reaktionen der deutschen Versicherer erörtert. Im Vordergrund stehen die Programmentscheidungen zu Sortimenten und Produkten sowie die Gestaltung von Prämien und Vertriebsverfahren. Die Reaktionen der Versicherer führen zu gesamtwirtschaftlichen Effekten, die in Kapitel E.II. in bezug auf Prämienniveau, Ergehnislage der Versicherer, Verfügbarkeit von Versicherungsschutz, Konzentration der Versicherungsmärkte und Variabilität der Marktanteile untersucht werden. Es wird dabei versucht, aus den Erfahrungen in offeneren und weniger regulierten Märkten Aussagen über mögliche Entwicklungen im deutschen Versicherungsmarkt abzuleiten.

ill. Abgrenzung Die Arbeit befaßt sich vorwiegend mit der Erstversicherung. Auf die Rückversicherung wird nur eingegangen, wenn sie für die Regulierung der Erstversicherung relevant ist. Beispiele hierfür sind das Brutto- oder Nettoprinzip beim Ausweis der versicherungstechnischen Rückstellungen im Jahresabschluß sowie die Berücksichtigung der Rückversicherung bei der Berechnung der Soll-Solvabilität6 . Behandelt werden nur Versicherer und Versicherungsgeschäfte im engeren Sinne, nicht dagegen Pensions- und Sterbekassen. Für sie gelten die EU-Versicherungsrichtlinien nicht. Sie waren Gegenstand eines gesonderten Richtlinienvorschlags7 , den die Europäische Kommission Ende 1994 zurückgezogen hat. Nicht eingegangen wird ferner auf die Angleichung des Deckungsum-

5 Famy, D.: Künftige Umwelten und Versichenmgen: Das System der Umwelten, die zukünftigen Verändenmgen und die Beziehungen zu den Versichenmgen, in: ZVersWiss 1992, S. 27, 29. 6 Schmidt, M.: Auswirkungen des EG-Binnenmarktes auf die Rückversichenmg, in: VW 1992, S. 1072-1074. 1 Mit dem Richtlinienvorschlag verfolgte die Europäische Kommission folgende Ziele: Recht auf grenzüberschreitende Vermögensanlage der Pensionsfonds lDld Recht auf grenzüberschreitende Verwaltung von Pensionsfonds, vgl. Vorschlag fiir eine Richtlinie des Rates über die Freiheit der Vermögensanlage und Vermögensverwaltung fiir Einrichtungen zur Altersversorgung, AbI. der EG Nr. C 312, 3. Dezember 1991, S. 3-5. In einem zweiten Schritt beabsichtigte die Kommission, die grenzüberschreitende Mitgliedschaft in Pensionsfonds sicherzustellen, vor allem fiir Expatriates.

m. Abgrenzung

23

fangs in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung8 sowie auf die staatliche Exportkreditversicherung9 . Das Regulierungssystem in Deutschland nach Umsetzung der Richtlinien in das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und andere Gesetze wird in Kapitel C beschrieben. Es ist zu beachten, daß bei der Auslegung der neuen Bestimmungen des VAG noch zahlreiche Unklarheiten bestehen und mehrere Ausführungsbestimmungen (vor allem Verordnungen) fehlen 1o . Die Ergebnisse und Effekte des Binnenmarktes werden in den Kapiteln D und E vorrangig aus Sicht des deutschen Regulierungssystems und Versicherungsmarktes erörtert. Die Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die Literaturangaben entsprechen dem Stand von Oktober 1995.

u.:

8 Vgl. Lemor, Europa und die Autoversicherung, in: VW 1992, S. 17-18; Ffinch, C. / Rabe, T.: Motor Insurance, in: Butterworths European Law Service, Insurance Law, Heft L 41, hrsg. von Alastair Sutton, London 1993. 9 o. V.: Richtlinie zur Harmonisierung der Bestimmungen über die Exportkreditversicherung, in: EuZW 1995, S. 38. 10 Wesselkock, K.: Die deutsche Lebensversicherung 1995: Qualität und Sicherheit im Binnenmarkt, in: VW 1995, S. 696-697.

A. Regulierung der Versicherungsmärkte I. Regulierungsbegriffe Regulierung bedeutet die Beeinflussung oder Beschränkung des freien Wettbewerbs auf Märkten durch rechtliche und behördliche Bestimmungen sowie Vereinbarungen zwischen Marktteilnehmern 1 . Regulierungen sind entweder rechtlich normiert, vor allem im Versicherungsaufsichtsrecht, Versicherungsvertragsrecht, Wettbewerbsrecht und im allgemeinen Verbraucherschutzrecht, oder werden von einer Behörde gegenüber einzelnen oder allen Regulierungsobjekten erlassen. In ihrer strengsten Form verlangen Regulierungen eine bestimmte Verhaltensweise, schließen also alle anderen aus. Weniger streng sind Verbote bestimmter Verhaltensweisen, wenn alle übrigen zulässig bleiben. Eic1mof definiert staatliche Regulierung als "direkte Kontrolle (das heißt unmittelbare Festlegung oder nachträgliche Überprüfung) der ökonomischen Aktivitäten erwerbswirtschaftlich tätiger Unternehmen [... ] durch staatliche Institutionen". Im einzelnen gehören dazu Bestimmungen über Marktzutritt und -austritt, Preise, Produktionsmengen und -kapazitäten, Qualitäten, Konditionen und über andere Aktionsparameter. Deregulierung wird verstanden als Abbau bestehender Regulierungen oder als Rückführung von Regulierungszielen und vor allem Regulierungsinstrumenten auf ein niedrigeres Niveau3 . Eisen4 faßt unter Deregulierung den Al>bau marktwidriger Eingriffe in den Wettbewerbsprozeß durch staatliche Regelungen, Vorschriften oder Auflagen.

1 Famy, D.: Über Regulienmg und Deregulierung von Versicherungsmärkten, in: ZfB 1987, S. 1001. 2 Eickhof, N.: Wettbewerbspolitische Ausnahmebereiche und staatliche Regulienmg, in: Jahrbuch für Sozialwissenschaft 1985, Band 36, S. 64. 3 Famy, D.: Über Regulierung und Deregulierung von Versicherungsmärkten, in: ZfB 1987, S. 1001; Famy, D.: Über mögliche Untemehmensstrategien deutscher Erstversicherer im deregulierten Versicherungsmarkt, in: Risiko Versicherung Markt, Festschrift für Walter Karten, hrsg. von Dieter Hesberg, Martin NeU und Winfried Schott, Karlsruhe 1994, S. 246. 4 Eisen, R: Regulierung und Deregulierung in der deutschen Versicherungswirtschaft, in: ZVersWiss 1989, S. 157.

n. BegriindlDlg der RegulierlDlg

25

D. Begründung der Regulierung 1. Begründung der Regulierung der Märkte

a) Wettbewerb und Wettbewerbsfunktionen

Die Marktwirtschaft ist gekennzeichnet durch die dezentrale ex-post Koordination der Wirtschaftspläne über eine Vielzahl von Märkten, das Privateigentum an den Produktionsfaktoren, die individuelle Haftung, die Souveränität der Anbieter und Nachfrager, die Vertragsfreiheit und durch den Wettbewerb~. Wettbewerb bedeutet, daß die Anbieter auf den Märkten um die Gunst der Nachfrager ringen, zum Beispiel über einen günstigen Preis, gute Produktqualität, vorteilhafte Konditionen, kurze Lieferzeiten oder eine günstige Finanzierung6 • Aberle 7 definiert Wettbewerb als das "selbständige Streben sich gegenseitig im Wirtschaftserfolg beeinflussender Anbieter oder Nachfrager (Mitwettbewerber), Geschäftsverbindungen durch Einräumen von möglichst günstigen Geschäftsbedingungen zu erlangen". Die wichtigste Funktion des Wettbewerbs ist die optimale Allokation der Produktionsfaktoren8 . Der Wettbewerb leitet die knappen Ressourcen einer Volkswirtschaft in die Verwendungen, die den größten Nutzen versprechen. Eine zentrale Rolle spielen die im Wettbewerb gebildeten Preise, die die relativen Knappheiten der Güter und Dienstleistungen angeben. Werden die Preise nicht im Wettbewerb ermittelt, verlieren sie ihre Funktion. Damit verbunden ist die Gefahr der Fehlleitung von Ressourcen. Wettbewerb verbessert zudem die Marktversorgung. Er begrenzt oder verhindert Preisanhebungen oder sorgt für Preissenkungen. Wettbewerb führt zu ständigen Versuchen, Rationalisierungsmaßnahmen zu treffen und damit knappe Ressourcen einzusparen. Er schafft Innovationsdruck und steigert die Anpassungsfähigkeit. Gleichzeitig verhindert Wettbewerb starre Strukturen und sorgt damit für eine geringere Konjunktur- und Strukturanfälligkeit9 .

~ Aberle, G.: Wettbewerbstheorie lDld Wettbewerbspolitik, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1980, S. 15; Kantzenbach, E.: Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, Göttingen 1966, S. 12. 6 Wagenblaß, H.: Volkswirtschaftslehre, öffentliche Finanzen lDld Wirtschaftspolitik, 5. Auflage, Heidelberg 1993, S. 39-40. 7 Aberle, G.: Wettbewerbstheorie lDld Wettbewerbspolitik, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1980, S. 10. 8 Zu den Funktionen des Wettbewerbs, vgl. Berg, H.: Funktionen des Wettbewerbs in der Sozialen Marktwirtschaft, in: ZVersWiss 1979, S. 5-24. 9 Aberle, G.: Wettbewerbstheorie lDld Wettbewerbspolitik, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1980, S. 14.

26

A Regulienmg der Versichenmgsmärkte

Ein fundamentales Prinzip im Wettbewerbssystem der Marktwirtschaft ist, daß jeder Marktteilnehmer das mit seinen Entscheidungen verbundene Risiko selbst trägt. Derjenige, der sich arn Markt zweckmäßig verhält, wird mit einer hohen Zielerfüllung belohnt, derjenige, der sich unzweckmäßig verhält, wird mit einer niedrigen oder gar negativen Zielerfüllung bestraft lO . b) Wettbewerbskonzeptionen

Die volkswirtschaftlichen Wettbewerbskonzeptionen beantworten die Frage nach der optimalen Intensität des Wettbewerbs unterschiedlich. So gehen die nationalökonomischen Klassiker von der Idee des unbeschränkten Wettbewerbs aus - verstanden als dynamischer Prozeß von Aktion und Reaktion - der lediglich durch die Aktivitäten der Mitbewerber begrenzt wird. Das klassische Wettbewerbskonzept nach Adam Smith läßt sich als Koordinationsprozeß ohne staatliche Lenkung verstehen, in dem durch das freie Spiel der Kräfte eine allgemeine Harmonie der (Eigen-)Interessen entsteht, die durch staatliche Eingriffe nur gestört werden kann 11 . Der Staat soll sich darauf beschränken, Rechtsschutz nach innen und Verteidigung nach außen zu gewährleisten, und andere Aufgaben nur dann übernehmen, wenn die einzelnen dazu aufgrund mangelnder Gewinnmöglichkeiten nicht bereit sind, etwa im Infrastrukturbereich. Smith definiert diese Aufgaben wie folgt: ,,Public works of such nature, that the profit could never repay the expense to any individual or small number of individuals, and which it therefore cannot be expected that any individual or small number of individuals should erect or maintain,,12. Die Wettbewerbskonzeption der Klassiker unterstellt, daß die Wirtschaftssubjekte unabhängig handeln, keine Absprachen (Kartelle) bestehen, es eine ausreichende Zahl tatsächlicher und potentieller Wettbewerber gibt, so daß keine außergewöhnlichen Gewinne entstehen können, daß die Marktteilnehmer ein ausreichendes Wissen über die Marktverhältnisse haben und es genügend Zeit gibt für Anpassungen bei der Faktorallokation.

10 Famy, D.: Die Versichenmgswirtschaft im Wettbewerbsprozeß der Marktwirtschaft, in: ZVersWiss 1979, S. 45. 11 Schmidt, 1.: Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 4. Auflage, Stuttgart, Jena, New York 1993, S. 3. 12 The sovereign is discharged from the "duty of superintending the industry of private people, and of directing it towards the employments most suitable to the interest ofthe society", vgl. Smith, A: The Wealth ofNations, Books I-rn, London 1986, S. 77-82; Kruse, A: Geschichte der volkswirtschaften Theorien, 3. Auflage, Berlin 1959, S.57.

II. Begründung der Regulierung

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Das neoklassische Gleichgewichtsmodell der vollständigen Konkurrenz beruht auf einem statischen Zustand der Wirtschaft13. Er ist gekennzeichnet durch eine gegebene Technik und damit Produktions- und Ertragsfunktion, eine gegebene Bevölkerung und Ausstattung mit Produktionsfaktoren sowie eine gegebene Güterpalette mit Bedürfnisstruktur, Einkommen und entsprechender Nachfrage. Merkmale der vollständigen Konkurrenz sind, daß sich Anbieter und Nachfrager rational verhalten, sachliche, persönliche, räumliche und zeitliche Präferenzen fehlen (vier Homogenitätsbedingungen), der Markt transparent ist, die Marktteilnehmer gewillt sind, sich über das Marktgeschehen vollständig zu informieren, daß die Produktionsfaktoren und die produzierten Waren und Dienstleistungen beliebig teilbar und beweglich sind, es keine rechtlichen oder faktischen Zutrittsbeschränkungen für Anbieter und Nachfrager gibt, die Anbieter und Nachfrager auf veränderte Rahmenbedingungen sofort reagieren, der Staat in die Preisbildung nicht eingreift und die Zahl der Anbieter und Nachfrager sehr groß ist. In einem solchen Markt können Anbieter und Nachfrager aufgrund ihres geringen Marktanteils den Preis nicht beeinflussen. Sie verhalten sich als Mengenanpasser. Unter diesen Bedingungen führt die vollständige Konkurrenz zu einer marktgerechten Einkommensverteilung, einer optimalen Faktorallokation und Angebotssteuerung entsprechend den Käuferpräferenzen. Dieses sogenannte Pareto-Optimum ist ein Zustand höchstmöglicher wirtschaftlicher Effizienz im Sinne der Allokation. Das Modell der vollständigen Konkurrenz wird aus verschiedenen Gründen angegriffen: - Es bestehen Zielkonflikte zwischen atomistischer Konkurrenz und Skaleneffekten. Wenn die Produktionsfunktionen durch steigende Skalenerträge gekennzeichnet sind, dann erfordert die Wohlstandsoptimierung größere (unter Umständen größte) Anbieter. Da diese jedoch dem Wettbewerb nicht in dem Maße ausgesetzt sind wie kleinere Anbieter, besteht die Gefahr, daß sie Kostenvorteile nicht realisieren oder nicht an die Nachfrager weitergeben (Dilemmathese). - Unterschiedliche VerbraucheTWÜnsche erfordern differenzierte (also heterogene) Waren und Dienstleistungen. Bei heterogenen Waren und Dienstleistungen besitzt jeder Anbieter seinen Teilmarkt, auf dem er den Preis beeinflussen kann (world of monopolies). - Es fehlen Anreize, weil Preis und Qualität als Aktionsparameter ausfallen.

13 Schmidt, I.: Wettbewerbspolitik und KarteUrecht, 4. Auflage, Stuttgart, Jena, New York 1993, S. 5-9.

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A. Regulienmg der Versicherungsmärkte

- Das Modell ist statisch, es kann Entwicklungen nicht erklären. - Die Voraussetzungen für den vollständigen Wettbewerb sind meist nicht erfüllt oder erfüllbar. Nach Mahr 14 geben in den meisten und vor allem den wichtigsten Märkten einige Unternehmen den Ton an. Aus technischen Gründen ist eine große Zahl kleiner Unternehmen nicht existenzfarug. Sachliche, persönliche, räumliche und zeitliche Präferenzen lassen sich in der Realität nie ganz ausschalten und vollständige Markttransparenz ist von Ausnahmen, etwa der Börse, abgesehen - nicht vorhanden. Die Mehrheit der Konsumenten sind Laien, die eher die Markennamen als die Warenqualität kennen. Der eigentliche "Sprengsatz" im Konzept der vollständigen Konkurrenz sind die vier Homogenitätsbedingungen, insbesondere die sachliche Homogenität einer Ware. Sie besteht weder bei Investitions- und Konsumgütern noch bei Dienstleistungen. Es besteht auch keine Tendenz zur Vereinheitlichung, sondern eher zur Differenzierung, um sich von Konkurrenten abzuheben 15 . Versicherungsmärkte weisen in der Realität zahlreiche Unvollkommenheiten auf. Die angebotenen Produkte sind nicht homogen. Es gibt meist ausgeprägte Präferenzen der Versicherungskunden für einen Versicherer oder Vermittler, mit dem sie in Geschäftsbeziehungen stehen und keine negativen Erfahrungen gemacht haben 16 . Die Markttransparenz ist auf den Versicherungsmärkten beschränkt. Die meisten Versicherungskunden sind außerstande, die angebotenen Produkte zu überblicken17 . Die Versicherungsmärkte sind vom ,,Modellfall der vollständigen Konkurrenz weit entfernt, da bei einer kleinen Preisänderung nicht die gesamte Nachfrage einem einzigen Anbieter zuströmt beziehungsweise verlorengeht"18 . Die später entwickelten Workability-Konzepte halten zwar (zunächst) am Ziel des vollständigen Wettbewerbs fest, den sie als first-best-solution bezeich-

14 Mahr, W.: Markt- Wld Wettbewerbsprobleme in der Versichenmgswirtschaft, in: ZVersWiss 1971, S. 361-406. IS Mahr, W.: Markt- Wld Wettbewerbsprobleme in der Versichenmgswirtschaft, in: ZVersWiss 1971, S. 369. 16 Mahr, W.: Markt- Wld Wettbewerbsprobleme iIi der Versicherungswirtschaft, in: ZVersWiss 1971, S. 369-371. 17 Famy, D.: Die Versichenmgsmärkte - Eine Studie über die Versicherungsmarkttheorie, Berlin 1961, S. 26-35. 18 Famy. D.: Die Versicherungsmärkte - Eine Studie über die Versichenmgsmarkttheorie, Berlin 1961, S. 157, zu den Unvollkommenheiten der Versichenmgsmärkte im einzelnen, vgl. S. 26- 71.

ll. BegriindWlg der ReguIierWlg

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nen 19 . Weil es aber vollständigen Wettbewerb tatsächlich nicht gibt, betrachten sie es als Aufgabe der Wettbewerbspolitik, einen Zustand zu schaffen, der die nächstbesten Ergebnisse liefert. Das verstehen sie als funktionsfahigen Wettbewerb (workable competition). Bei der Abgrenzung der Bedingungen für einen funktionsfahigen Wettbewerb zeigt sich, daß trotz zunehmender Unvollkommenheiten des Wettbewerbs bessere Marktergebnisse erzielt werden können (Gegengiftthese). Genannt wird das Beispiel der Oligopolmärkte, die besser funktionieren, wenn Produkthomogenität und damit Markttransparenz sinken. Dadurch reduziert sich die Neigung der Anbieter zu bewußtem Parallelverhalten und abgestimmten Verhaltensweisen2o . Die Weiterentwicklung der Workability-Konzepte wurde stark durch die Schumpeterschen Thesen der Innovation geprägt. Clark, der Begründer des Konzepts des funktionsfähigen Wettbewerbs, rückte von seiner Theorie des second best ab. Er erkannte, daß bei technischem Fortschritt Marktunvollkommenheiten und monopolistische Elemente zwangsläufig auftreten, auch um dem ,,Erfinder" einen Anreiz zu geben (zum Beispiel Patentschutzi 1 . Die Anhänger der Workability-Konzepte analysieren das Verhältnis von Markt und Wettbewerb mit Hilfe des Schemas Marktstruktur - Marktverhalten - Marktergebnis. Marktstruktur und -verhalten werden dabei als Ursachen, das Marktergebnis als Wirkung angesehen. Die Marktstruktur umfaßt die Zahl der Anbieter und Nachfrager und die jeweilige Konzentration auf dem relevanten Markt, den Grad der Produkthom0genität und Markttransparenz sowie die Anpassungsgeschwindigkeit, die Höhe und Wirksamkeit der Zutrittsschranken, die Produktions- und Absatzflexibilität, die konjunkturelle Lage und die Auslastung der Kapazitäten, die Marktphase und den Unternehmertypus, die interne Unternehmensstruktur, die Sortimentsbreite sowie personelle und finanzielle Verflechtungen. Marktverhalten meint die Verhaltensweise der Marktteilnehmer. Sie ist Ausdruck unternehmerischer Entscheidungen über bestimmte Aktionsparameter, vor allem Preise, Rabatte und Konditionen sowie Mengen, Qualitäten und Service. Die Marktergebnisse lassen sich an den oben definierten Wettbewerbsfunktionen messen. Da diese nicht operational sind, wird meist zurückgegriffen auf die Höhe der Preise und Gewinne, die Produktionsmenge und Produktionskosten, 19 Aberle, G.: Wettbewerbstheorie Wld Wettbewerbspolitik, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1980, S. 25. 20 Aberle, G.: Wettbewerbstheorie Wld Wettbewerbspolitik, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1980, S. 25-26. 21 Schmidt, I.: Wettbewerbspolitik Wld Kartellrecht, 4. Auflage, Stuttgart, Jena, New York 1993, S. 5-9, 11.

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A. Regulienmg der Versichenmgsmärkte

den technischen Fortschritt (oder technischen Stand) sowie auf die (räumliche und zeitliche) Verfügbarkeit der Waren und Dienstleistungen. Wichtig ist die Frage, welches Marktergebnis erreicht werden muß, damit der Wettbewerb noch als wirksam betrachtet werden kann22 . c) Theorien der Regulierung

aa) Grundlagen Es gibt Wettbewerbsbeschränkungen, die auf dem Verhalten der Marktteilnehmer beruhen, zum Beispiel Vereinbarungen über Preise und Konditionen. Sie können durch wettbewerbspolitische Maßnahmen verringert oder beseitigt werden. Daneben gibt es sogenannte Ausnahmebereiche, in denen Wettbewerb als Kontroll- und Steuerungsmechanismus aus ökonomischen oder politischen Gründen abgelehnt und durch andere Mechanismen ersetzt (oder zumindest ergänzt) wird. In der Literatur finden sich zwei Ansätze, die sich mit diesen Bereichen befassen: die normative Theorie der Regulierung und die positive Theorie der Regulierung23 . Die normative Theorie der Regulierung (auch Theorie des Marktversagens) versucht zu begründen, warum in bestimmten Bereichen Wettbewerb unmöglich oder unerwünscht ist und welche Kontrollund Steuerungsmechanismen besser geeignet sind. Die positive Theorie der Regulierung untersucht die politischen und wirtschaftlichen Ursachen für Ausnahmebereiche und die Folgen der eingesetzten Steuerungsinstrumente. bb) Normative Theorie der Regulierung Wenn ein wirtschaftspolitisches Ziel darin besteht, daß der Wettbewerb seine Funktionen erfüllt (oder erfüllen kann), dann muß jede Entscheidung oder Empfehlung, bestimmte Bereiche nicht dem Wettbewerb auszusetzen oder den Wettbewerb zu beschränken, begründet werden. Dabei wird unterschieden zwischen natürlichen Ausnahmebereichen, wenn Wettbewerb nicht zu den ge-

22 Schmidt, 1.: Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 4. Auflage, Stuttgart, Jena, New York 1993, S. 50-55. 23 Schmidt, I.: Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 4. Auflage, Stuttgart, Jena, New York 1993, S. 35-43; Gäfgen, G. / Andres, A.: Regulienmg und Versichenmgswirtschaft - Die ökonomische Perspektive, in: Versichenmgsmärkte und Wettbewerb, hrsg. von der Forschungsgesellschaft für Wettbewerb und Untemehmensorganisation, Baden-Baden 1989, S. 13-15.

n. BegriindWlg der Regulier\Ulg

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wünschten Ergebnissen führt, und politischen Ausnahmebereichen, wenn sonstige Ziele nicht durch Wettbewerb erreicht werden24 . Führt Wettbewerb nicht zu den gewünschten Ergebnissen, spricht man von Marktversagen, das ein staatliches Eingreifen durch Regulierung erfordert. Mögliche Ursachen für Marktversagen sind natürliche Monopole, externe Effekte und ruinöse Konkurrenr 5 . Ein natürliches Monopol liegt vor, wenn die Kostendegression in Relation zur gegebenen Marktgröße so wichtig ist, daß im Wettbewerb langfristig nur ein Unternehmen überleben kann?6 Dies hängt damit zusammen, daß (bei langfristig abnehmenden Durchschnittskosten) ein Unternehmen eine Ware oder eine Dienstleistung zu niedrigeren Kosten herstellen kann, als jede andere Anbieterzahl. In Produktion und Vertrieb sind hohe Mindestgrößen erforderlich, die eine Vielzahl kleiner Betriebsgrößen und freien Marktzugang nicht zulassen. Beispiele sind Energieversorgungsunternehmen mit Leitungsnetzen und Eisenbahnbetriebe27 . Eine weitere Voraussetzung für natürliche Monopole ist, daß auch bei Wettbewerb (also mehr als einem Anbieter) keine Produkt- oder Prozeßinnovationen zu erwarten sind, so daß die Mehrkosten der Investitionen nicht durch Kostensenkungen infolge von Innovationen ausgeglichen werden können. Produziert ein natürliches Monopol nach der Optimalitätsbedingung des Modells der vollständigen Konkurrenz, und liegen die langfristigen Durchschnittskosten aufgrund der hohen Investitionen bei jeder Ausbringungsmenge über den Grenzkosten, dann entsteht bei der Preisbildung (Preis gleich Grenzkosten) ein Fehlbetrag. Der Monopolist wird dann zur Gewinnmaximierung die Angebotsmenge unter dem gesamtwirtschaftlichen Optimum halten. Dadurch entstehen Wohlfahrtsverluste. Liegt ein natürliches Monopol vor, muß der Staat (durch Regulierung) mit Kontroll- und Anreizmechanismen dafür sorgen, daß der Monopolist nicht eine geringere Menge zu einem höheren Preis anbietet als dies bei Wettbewerb der Fall wäre. Da der Monopolist bei der wohlfahrtsoptimalen Preisbildung einen Fehlbetrag erwirtschaftet, muß

24 Einen Überblick gibt Eickhof, N.: Theorie des Markt- Wld Wettbewerbsversagens, in: Wirtschaftsdienst 66, 1986, S. 468-470. 2S Eickhof, N.: Wettbewerbspolitische Ausnahmebereiche Wld staatliche ReguliefWlg, in: Jahrbuch für Sozialwissenschaft 1985, Band 36, S. 66. 26 Schmidt, I.: Wettbewerbspolitik Wld Kartellrecht, 4. Auflage, Stuttgart, Jena, New York 1993, S. 36-37. 27 Aberle, G.: Wettbewerbstheorie Wld Wettbewerbspolitik, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1980, S. 64.

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A. Regulienmg der Versichenmgsmärkte

der Staat zudem einen Ausgleich schaffen, etwa durch staatliche Subventionen oder feste Durchschnittskostenpreise. Externe Effekte bedeuten, daß die Aktivitäten eines Wirtschaftssubjekts wenigstens auf ein anderes wirken, ohne daß jenes, wenn sie vorteilhaft (positiv) sind, etwas bezahlen muß oder, wenn sie nachteilig (negativ) sind, entschädigt wird. Ein Beispiel ist die Nutzung sauberer Luft oder sauberen Wassers durch ein Industrieunternehmen, ohne at). diejenigen ein Entgelt zu zahlen, deren Wasser oder Luft es dadurch verschmutzt28 . Die Preise geben bei externen Effekten falsche Signale für die Allokation knapper Ressourcen, wenn nicht alle Kosten, die beispielsweise bei der Produktion eines Gutes oder einer Dienstleistung anfallen, berücksichtigt (internalisiert) werden. Für den Staat wird daraus die Aufgabe abgeleitet, in die Allokation der Ressourcen einzugreifen und etwa über Steuern oder sonstige Abgaben die verursachten negativen Effekte zu belasten. Nach dem property-rights-Ansatz gibt es externe Effekte nur, weil die Eigentumsrechte an Ressourcen in diesen Fällen nicht vollständig garantiert sind. So kann ein Wirtschaftssubjekt, das von den Aktivitäten eines anderen Wirtschaftssubjektes positiv beeinflußt wird, von der kostenlosen Realisierung des positiven Effekts nicht ausgeschlossen werden, weil das Wirtschaftssubjekt, das den positiven Effekt verursacht, kein exklusives Recht hat, dafür belohnt zu werden. Ein Extremfall externer Effekte sind öffentliche Güter, von deren Verwendung (oder Verbrauch) niemand ausgeschlossen werden kann und für die der einzelne daher keinen Preis zahlen möchte. Beispiele sind die Landesverteidigung, die Justiz, das Gesundheitswesen oder die innere Sicherheif9 . Ist der Ausschluß einzelner möglich, hängt es von den Kosten der Durchsetzung des Ausschlußprinzips ab, ob die Güter öffentlich oder privat angeboten werden (Bau und Betrieb von Autobahnen). Ist ein Ausschluß nicht möglich (oder wirtschaftlich nicht vertretbar), stellt sich bei positiven externen Effekten das Problem der Trittbrettfahrer (free rider). Verbrauchen oder nutzen viele Wirtschaftssubjekte das Gut oder die Dienstleistung, ohne einen entsprechenden Beitrag zu leisten, stellt der Markt diese Güter oder Dienstleistungen nicht mehr bereit. Merkmale der ruinösen Konkurrenz als dritter Form des Marktversagens sind Preisverfall, unterdurchschnittliche Gewinne oder gar Verluste, hohe Un-

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Samuelson, P. /Nordhaus, W.: Volkswirtschaftslehre 1, 8. Auflage, Köln 1987, S. Samuelson, P. / Nordhaus, W.: Volkswirtschaftslehre 1, 8. Auflage, Köln 1987, S.

II. Begründung der Regulierung

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ternehmenssterblichkeit und eine niedrige Faktorentlohnung30 . Ruinöse Konkurrenz kennzeichnet eine Politik, bei der ein oder mehrere Anbieter ihre Produkte unter Selbstkosten verkaufen, um ihre Marktanteile zu erhöhen, andere Anbieter zu verdrängen und eine beherrschende MarktsteIlung zu erreichen. Nach gelungener Verdrängung der Wettbewerber kann es dazu kommen, daß der oder die Überlebenden die Preise monopolistisch erhöhen31 . Diese Politik ist vor allem bei Überkapazitäten in einem Wirtschaftszweig in Verbindung mit hohen Marktaustrittsschranken aufgrund teurer Anlagen anzutreffen, die bei Einstellung der Produktion nicht verkauft werden können, oder bei geringer Mobilität der Anbieter. Bei ruinöser Konkurrenz kann es dazu kommen, daß Anbieter aus dem Markt ausscheiden, deren Verbleiben aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen wünschenswert gewesen wäre. Oft triffi: es Anbieter, die ihre Preise realistisch kalkulieren. Dem Nachfrager wird unter solchen Bedingungen die Auswahl (des tatsächlich leistungsfähigsten Anbieters) erschwert. Insofern ist die ruinöse Konkurrenz auch ein Informationsproblem32 . Eickhof verweist auf eine Reihe von Schwächen der normativen Theorie der Regulierung. So ist die staatliche Regulierung nicht kostenlos. Es kann nur im Einzelfall festgestellt werden, ob Regulierung die gesamtwirtschaftlich effizienteste Alternative zur Marktkoordination ist. Außerdem zeigt sich, daß auch Märkte mit funktionsfähigem Wettbewerb vor staatlicher Regulierung nicht geschützt sind. In diesem Fall ist die These widerlegt, daß Regulierung allein der Korrektur von Marktversagen diene 3 . Neben wirtschaftlichen Gründen (oder Begründungen) für staatliches Eingreifen in den Markt gibt es Ziele, die auch mit Wettbewerb nicht erreicht werden können. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen: - Die bedarfsgerechte Verteilung des Sozialproduktes kann der marktleistungsgerechten Einkommensverteilung widersprechen. Neben den Instrumenten der Umverteilung können beispielsweise die Preise staatlich administriert werden. - Staatliche Eingriffe in den Markt lassen sich mit der Bereitstellung einer politisch gewollten Infrastruktur begründen, etwa im Sinne der Betriebssi30 Aberle, G.: Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1980, S. 66. 31 Famy, D.: Die Versicherungsmärkte - Eine Studie über die Versichenmgsmarkttheorie, Berlin 1961, S. 50-51. 32 Krause, 1.: Die Deregulierungsdiskussion - theoretische Grundlagen und Bedeutung für die Versicherungswirtschaft, in: VW 1988, S. 350. JJ Eickhof, N.: Wettbewerbspolitische Ausnahmebereiche und staatliche Regulierung, in: Jahrbuch fiir Sozialwissenschaft 1985, Band 36, S. 66.

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cherheit, des Verbraucherschutzes, der Vorsorge für den Krisenfall (,,nationale Unabhängigkeit") oder der erfolgreichen Entwicklung der Wirtschaft. - Schließlich wird für staatliche Eingriffe ins Feld geführt, daß der gesellschaftliche Nutzen bestimmter Güter und Dienstleistungen nach Ansicht der Politik größer ist als der, der dem individuellen Nutzen entspricht (meritorische Güter). cc) Positive Theorie der Regulierung Die positive Theorie der Regulierung versucht, die Existenz beziehungsweise das Zustandekommen staatlicher Regulierung in einigen Bereichen zu erklären. Ein Denkansatz geht dahin, daß ein Markt für Ausnahmebereiche und Regulierung besteht. Politiker treten dabei als Anbieter und Unternehmen mit ihren Arbeitnehmern als Nachfrager auf. Während die Politiker vor allem Wählerstimmen und sonstige Unterstützungen benötigen, ziehen die Unternehmen die Ergebnisse einer vorhersehbaren Regulierung den unsicheren Ergebnissen des Wettbewerbs vor. Sie sind bestrebt, sich den ,,marktlichen Herausforderungen" zu entziehen und fordern von den Politikern mit Hinweis auf Branchenbesonderheiten eine wettbewerbsbeschränkende Regulierung34 . Nach der Interessengruppentheorie (Capture Theory of Regulation) berücksichtigen die Regulierungsinstanzen eher die Interessen der Anbieter als die der Nachfrager oder der tatenlosen Mehrheit, die schlecht informiert und nicht gut organisiert ist und nur begrenzte politische Möglichkeiten zur Durchsetzung ihrer Interessen hae 3 . Eickhof 36 meint, daß für wettbewerbsbeschränkende Bestrebungen vor allem schlecht angepaßte Unternehmen und Unternehmen auf neurotischen Märkten anfällig sind. Schlecht angepaßt sind dabei jene Unternehmen, die "von Personen mit einer geringen Leistungsmotivation geführt werden und nichtinnovative Organisationsstrukturen aufweisen". Solche Unternehmen kommen vor allem in späten Marktphasen vor, wenn die Nachfrage stagniert oder zurückgeht und die Kapazitäten nicht mehr ausgelastet sind. l4 Eickhof, N.: Wettbewerbspolitische Ausnahmebereiche und staatliche Regulierung, in: Jahrbuch fiir Sozialwissenschaft 1985, Band 36, S. 67. 3~ Stöfller sieht in der "Strategie des Dialoges" zwischen dem BAV und der Versicherungswirtschaft die Gefahr, daß durch zu große Rücksichtnahme des Amtes der Schutz des Publikums vernachlässigt wird. Für die Lebensversichenmg nennt er die Bestimmungen zu den Beispielsrechnungen, die wenig erfolgreichen Bemühungen des BAV zur Verbesserung der Geschäftsergebnisse einiger Lebensversicherer und die unzureichende Zeitnähe bei der Gewinnbeteiligung, vgL Stöfller, M.: Markttransparenz in der Lebensversicherung, Karlsruhe 1984, S. 112-113. 36 Eickhof, N.: Wettbewerbspolitische Ausnahmebereiche und staatliche Regulierung, in: Jahrbuch fiir Sozialwissenschaft 1985, Band 36, S. 67-68.

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Neurotische Märkte sind gekennzeichnet durch eine relativ hohe Angebotselastizität und relativ niedrige Nachfrageelastizität. 2. Begründung der Regulierung der Versicherungsmärkte

Die Versicherungsmärkte unterliegen in allen marktwirtschaftlieh ausgerichteten Ländern einem System von Regulierungen, das die Autonomie der Marktteilnehmer begrenzt. Dies beruht auf der Annahme, daß die Ergebnisse auf regulierten Versicherungsmärkten besser sind als auf unregulierten oder, anders ausgedrückt, daß unregulierter Wettbewerb aufgrund der Unvollkommenheiten der Versicherungsmärkte nicht die gewünschten Ergebnisse bringt37 . Braeß38 drückt das wie folgt aus: "Wenn es richtig ist, daß Banken und Versicherungen [... ] als Elemente der Sicherheit und Stabilität für die gesamte Volkswirtschaft fungieren sollen, so wird man letztlich wohl zu dem Ergebnis kommen, daß diese beiden typischen 'Stabilisatoren' aus einem reinen Konkurrenzsystem herausgenommen werden müssen." Gewünschte Ergebnisse sind insbesondere die bestmögliche Versorgung der Nachfrager mit Versicherungsschutz hoher Qualität zu möglichst niedrigen Preisen, eine hohe Anpassungsfähigkeit des Angebots an veränderte Nachfrage sowie Innovationen bei Produkten und versicherungs- und betriebstechnischen Verfahren, wobei die Steigerung des Produktnutzens und die Senkung der Betriebskosten besonders erstrebenswert sind39 . Unvollkommenheiten bestehen in den Informationsproblemen der privaten Nachfrager, der asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Anbietern und Nachfragern, der geringen Bereitschaft der Nachfrager, sich selbst Informationen zu beschaffen, auch wegen der damit verbundenen Kosten, den möglichen Interessenkonflikten der Vermittler, der hohen ,,Elastizität der Angebotskapazität" der Versicherer und den unsicheren Kalkulationsgrundlagen40 .

37 Famy, D.: Versichenmgsaufsicht, Wirtschaftliche Theorie der, in: HdV, hrsg. von Dieter Famy, Peter Koch, Elmar Helten Wld Reimer Schmidt, Karlsruhe 1988, S. 1003. 38 Braeß, P.: Über das Wettbewerbs system der Versichenmg, in: ZVersWiss 1962, S.267. 39 Famy, D.: Versichenmgsmarkt, in: HdV, hrsg. von Dieter Famy, Peter Koch, EImar Helten Wld Reimer Schmidt, Karlsruhe 1988, S. 1047; Famy, D.: Die Versiehenmgswirtschaft im Wettbewerbsprozeß der Marktwirtschaft, in: ZVersWiss 1979, S. 67. 40 Llewellyn, D.: Consumer Protection in Retail Investment Services: Protection Against What?, in: Journal ofFinancial Regulation and Compliance 1995, S. 45.

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Ein anderer (nicht überschneidungsfreier) Ansatz begründet die Regulierung in erster Linie mit dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Versicherungswirtschaft. Hingewiesen wird auf die besondere Natur des Wirtschaftsguts Versicherungsschutz, die gerade bei privaten Nachfragem rationale Entscheidungen erschwert oder ausschließt, auf die besonderen Produktionsbedingungen, vor allem die schwach ausgeprägten Kapazitätsgrenzen, die große Bedeutung von Zufallsprozessen und auf die Langfristigkeit der meisten Versicherungsgeschäfte, die teilweise mit Spar- und Entsparprozessen verbunden sind41 . Die Gründe für die Regulierung der Versicherungsmärkte werden im folgenden besprochen. Dabei wird unterschieden zwischen Informationsproblemen der Nachfrager, Informationsproblemen der Anbieter, Interessenkonflikten der Vermittler, der besonderen Gläubigerposition der Nachfrager (oder Versicherungsnehmer) und der (relativ) elastischen Kapazität der Versicherer. a) lnjormationsprobleme der Versicherungsnehmer

In weiten Teilen der Bevölkerung sind die Kenntnisse über Risiken und Versicherung und die Fähigkeit, damit sachgerecht umzugehen, gering. Ursachen dafür sind Abstraktheit und Immaterialität, Zeitraum- und Zukunftsbezogenheit (Dauerschutzversprechen) und mangelnde Erfahrbarkeit des Versicherungsschutzes42 . Die meisten privaten Versicherungsnehmer und kleinen Gewerbetreibenden sind daher nicht in der Lage, zweckmäßige Versicherungsentscheidungen zu treffen, das heißt, aus den angebotenen Produkten das nach ihrem Nutzenkalkül beste herauszusuchen43 . Für eine zweckmäßige Versicherungsentscheidung muß der Versicherungsnehmer seine eigene Risikolage bestimmen und dann die Angebote am Markt beziehungsweise deren Preis-Leistungs-Verhältnisse vergleichen. Berücksichtigen muß er dabei auch

41 Famy, D.: Versichenmgsaufsicht, Wirtschaftliche Theorie der, in: HdV, hrsg. von Dieter Famy, Peter Koch, Elmar Helten Wld Reimer Schmidt, Karlsruhe 1988, S. 1004-1005. 42 Sönnichsen, C.: Rating-Systeme am Beispiel der Versichenmgswirtschaft, Berlin 1992, S. 69-74. 43 White, L.: The Theory ofFinancial Regulation in the New Environment ofLiberalization, Paper presented at the Seminar on Financial Sector Liberalization and Regulation, Cambridge (Massachusetts), 1990, S. 13 (nicht veröffentlicht). Die Allgemeinen Versichenmgsbedingwtgen sind für die meisten KWlden nicht (oder nur schwer) lesbar. Sie sind daher nicht in der Lage, Wlterschiedliche Bedingwtgswerke zu erfassen Wld dann das günstigste auszusuchen, vgl. Angerer, A.: Wettbewerb auf den Versichenmgsmärkten aus der Sicht der Versichenmgsaufsichtsbehörde, in: ZVersWiss 1985, S. 224.

11. Begriindtmg der Reguliertmg

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die zurückfließenden Gewinnanteile44 , die Dienstleistungs- und Servicequalität der Versicherer sowie ihre langfristige finanzielle Leistungskraft4s • Die Informations- und Entscheidungsprobleme der privaten Versicherungsnehmer belegen verschiedene Studien, beispielsweise die eines Forschungsinstituts in den Vereinigten Staaten. Es kam zu folgendem Ergebnis: ,,Due in large part to the inherent eharaeteristies of the produets, the average person feels far less self-eonfident as a buyer of life insurance than of any other major purehase. Indeed, the entire act of purchasing life insurance is fraugth with anxiety, people are not confident about their ability to comprehend the pros and cons of alternative plans; they are tmsure on how much influence the agent's commission has on his recommendations; they are tmsure about what amotmt of coverage is adequate or desirable; they feel locked into the poliey choice once it is made; they have a suspicion ofthe 'fme print' in the life insurance contract,,46.

Auch Studien über den deutschen Markt zeigen, daß die meisten Kunden schlecht über Versicherungen informiert sind, auch wenn die Informiertheit in den letzten Jahren gestiegen ist47 . Versicherungsprodukte sind Erfahrungs- oder Vertrauensgüter (experience goods), weil sich ihre Qualität erst im Versicherungsfall zeigt. Sie unterschei-

44 Stöffier umschreibt dies wie folgt: In der Lebensversichertmg wird nur ein vorläufiger Preis erhoben, der dann nachträglich durch eine Beteiligtmg an den entstehenden Überschüssen korrigiert wird. Über den endgültigen Preis eines bestimmten Angebots kann daher bei Vertragsabschluß keine zuverlässige Aussage gemacht werden, vgl. Stöffier, M.: Markttransparenz in der Lebensversichertmg, Karlsruhe 1984, S.7. ., Sönnichsen, C.: Zur Notwendigkeit der Qualitätssichertmg von Versichertmgsprodukten, in: Festschrift fiir Dieter Farny zur Vollendtmg seines 60. Lebensjahres von seinen Schülern, hrsg. von Hans-Peter Mehring tmd Volker Wolff, Karlsruhe 1994, S. 243-247; zu den Informationsproblemen der Nachfrager im einzelnen, vgl. Farny, D.: Die Versichertmgswirtschaft im Wettbewerbsprozeß der Marktwirtschaft, in: ZVersWiss 1979, S. 47. 46 Rabe, T.: Non-Life and Life Insurance in Germany, Switzerland and the Netherlands, Paper prepared for the World Bank (draft), Berlin 1992, S. 3 (nicht veröffentlicht). 47 Wähling, S.: Qualitätsdifferenzen tmd Marktstrukturen aufVersichertmgsmärkten - Discussion paper des Forschtmgsschwerptmkts Strukturpolitik des Wissenschaftszentrums Berlin, Berlin 1990; Finsinger, l: Verbraucherschutz aufVersichertmgsmärkten - Wettbewerbsbeschränktmgen, staatliche Eingriffe tmd ihre Folgen, München 1988, S. 109; Finsinger, l / Grüne-Henze, R. / Schulenburg, l-M., von der: Zum Verhalten der Nachfrager auf dem Kraftfahrzeugbaftpflichtmarkt - Ergebnis einer Repräsentativumfrage - Discussion paper des Forschtmgssehwerptmkts Strukturpolitik des Wissenschaftszentrums Berlin, Berlin 1987, S. 9; Sehulenburg, l-M., von der / Wähling, S.: Die Lebensversicherten: lltre Informationsquellen, ihr Informationsstand tmd ihr Nachfrageverhalten, in: ZVersWiss 1991, S. 298-302.

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den sich von Suchgütern (search goods), deren Qualität vor Erwerb durch einfache Prüfung ermittelt werden kann und die innerhalb bestimmter Fristen umgetauscht werden können. Wenn ein Versicherungsnehmer aufgrund fehlender Informationen nicht in der Lage ist, die Qualität eines Versicherungsprodukts vor Vertragsabschluß zu erfassen, dann ist der Marktmechanismus kein Garant mehr für befriedigende Marktergebnisse. Es besteht die Gefahr des Marktversagens, wenn sich die angebotenen Produktqualitäten durch Wettbewerb verschlechtern. Das kann wie folgt geschehen: Die Kunden können die Qualität der Anbieter nicht beurteilen, wissen aber, daß es am Markt eine Qualitätsstreuung gibt. Daher orientieren sie sich mit ihrer Zahlungsbereitschaft an den "durchschnittlichen" Anbietem. Anbieter mit höherer Qualität müssen aus dem Markt ausscheiden oder sich anpassen, weil sie für ihre Produkte keine kostendeckenden Prämien mehr durchsetzen können. Dadurch sinkt die durchschnittliche Qualität am Markt, die Zahlungsbereitschaft der Kunden geht zurück. Es entsteht eine Spirale aus Rückgang der Durchschnittsqualität, Absinken der Zahlungsbereitschaft der Nachfrager und Ausscheiden der Hochqualitätsanbieter, bis der Markt zusammenbricht oder sich auf niedrigem Niveau stabilisiert. Nach dem informationsökonomischen Ansatz läßt sich die Abwärtsbewegung durchbrechen, wenn die Verbraucher aus wiederholten Käufen von Erfahrungsgütern lernen und sich langfristig Anbieter qualitativ hochwertiger Produkte mit guter Reputation durchsetzen (good-will Mechanismus). Es ist allerdings äußerst zweifelhaft, ob dieser Ansatz weiterhilft48 . So werden Versicherungsverträge meist langfristig abgeschlossen. In der Lebensversicherung liegt die durchschnittliche Vertragslaufzeit bei rund 28 Jahren49 . Der Wechsel zu einem anderen Versicherer (mit besserer Reputation) ist gerade in der Lebens- und Krankenversicherung wirtschaftlich oft ungünstig. Außerdem kann bereits ein (nicht gedeckter) Versicherungsfall die Existenz des Versicherungsnehmers gefährden. Das Fehlen von Markttransparenz führt im statischen Modell der vollständigen Konkurrenz zu Marktversagen. Aus Sicht des dynamischen Wettbewerbs ist ihr Fehlen dagegen ein Charakteristikum innovativer Wachstumsmärkte. Durch mangelnde Transparenz werden Informations- und Suchprozesse ausgelöst, um günstige Preis-Leistungs-Verhältnisse von ungünstigen unterscheiden zu können. Transparente Märkte sind nach dieser Argumentation das Er48 Schlappa, W.: Die Kontrolle von Allgemeinen Versichenmgsbedingungen im deutschen Versichenmgsaufsichtsrecht und der freie Dienstleistungsverkehr im EGRecht, Karlsruhe 1987, S. 174-176. 49 Stöftler, M.: Markttransparenz in der Lebensversichenmg, Karlsruhe 1984, S. 6.

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gebnis des Wettbewerbs, nicht dessen Vorbedingung. Eine strenge Regulierung - etwa durch Standardisierung der Produkte und Prämien - nimmt dem Nachfrager den Anreiz, nach den besten Angeboten zu suchen. Gerade dieses Suchen der Käufer nach günstigen Angeboten bezeichnet Finsinger~O als wichtiges Element des Wettbewerbsprozesses. Ohne Suchen verliert der Markt seine Informationsfunktion, der Qualitätswettbewerb schläft ein~l . Damit zusammen hängt der Gedanke eines Marktes für ,,Produzenten" von Informationen. Beispiele sind Rating-Agenturen, die Veröffentlichungen von Testinstituten, Wirtschaftsmedien und Verbraucherverbänden sowie die Informationsbeschaffung und -verarbeitung durch Versicherungsvermittler~2 . b) Informationsprobleme der Versicherer

Informationsdefizite bestehen auch bei den Versicherern~3. Eine wichtiger Punkt ist dabei das moralische Risiko, nach dem der Abschluß eines Versicherungsvertrags das Risikoverhalten des Versicherungsnehmers beeinflußt, wenn er zum Beispiel risikomindernde Maßnahmen unterläßt. Solche Verhaltensweisen entstehen aufgrund der asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer. Während der Versicherungsnehmer sein sorgloses Verhalten kennt (und steuern kann), bleibt dies dem Versicherer bei Vertragsabschluß verborgen. Er kann daher ein derartiges Verhalten bei Vertragsgestaltung und Prämienberechnung nicht ausreichend erfassen, so daß ihm lediglich eine pauschale Umlage auf den gesamten Bestand bleibt, die alle Versicherungsnehmer gleich belastet. Für den Versicherungsnehmer entsteht ein Anreiz, seine Sorgfalt bis auf das vom Versicherer erkennbare Maß zu senken. Die dabei eingesparten Kosten kommen ihm in voller Höhe zugute. Den zusätzlich verursachten Schaden kann er dagegen weitgehend auf das ,,Kollektiv" abwälzen~4 . Es entstehen Wohlfahrtsverluste, wenn nicht nur einzelne, sondern viele Versicherungsnehmer die Strategie der (individuellen) Nutzenmaximierung verfolgen. Eine solche Entwicklung wird F insinger, 1.: Versichenmgsmärkte, Frankfurt am Main, New York 1983, S. 55. Fetzer, M.-U.: OrdnWlgspolitische Probleme einer Libera1isienmg des internationalen DienstleistWlgsverkehrs - Das Beispiel der Banken Wld Versichenmgen in der EG, München 1992, S. 234-235. 32 Vgl. D.IIA.b). 33 Monopolkommission (Hg.): Die WettbewerbsordnWlg erweitern, Siebentes Hauptgutachten 1986/87, Baden-Baden 1988, S. 235; Vittas, D.: Introduction and Overview, in: Financial Regulation, Changing the Rules of the Game. hrsg. von Dimitri Vittas, Washington 1992, S. 5-6. 34 Adams, M.: Ökonomische Analyse der GefährdWlgs- Wld Verschuldenshaftung, Volkswirtschaftliches Institut der Universität Bem, Bern 1983, S. 165. 30

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A. Regulierung der Versicherungsmärkte

begünstigt, weil die verantwortungsbewußten Versicherungsnehmer dauerhaft nicht bereit sein werden, für die sorglosen einzustehen. Mahr sS bezeichnet dies als einen Ansteckungsprozeß, der früher oder später dazu führt, daß die ,,guten" zu "schlechten" Risiken werden. Die Konsequenz ist (oder kann sein), daß die Märkte zusammenbrechen oder nur unter wohlfahrtsmindernden Bedingungen aufrecht erhalten werden können. Schlappas6 spricht in solchen Fällen von "informationellern Marktversagen". Ein weiteres Problem, das sich aus den Informationsdefiziten der Versicherer ergeben kann, ist die negative Risikoauslese (adverse selection). Sie entsteht, wenn der Versicherer nicht alle Risikomerkmale der Versicherungsnehmer vor Vertragsabschluß erfassen und deswegen die Prämien nicht risikogerecht gestalten kann. So haben die Versicherungsnehmer ein verständliches Interesse, bei ihnen verfügbare aber für sie ungünstige Informationen zurückzuhalten oder gar falsche Informationen an den Versicherer weiterzugebenS7 . Die Folge ist, daß Risiken mit unterdurchschnittlichem Schadenerwartungswert Risiken mit überdurchschnittlichem Schadenerwartungswert subventionieren. Das kann dazu führen, daß im Bestand der einzelnen Versicherer Risiken mit unterdurchschnittlichem Schadenerwartungswert und im Verhältnis dazu überhöhten Prämien abwandern, Risiken mit überdurchschnittlichem Schadenerwartungswert und im Verhältnis dazu unzureichenden Prämien dagegen zuwanderns8 . Der betroffene Versicherer muß die Prämien erhöhen, was weitere (vergleichsweise) gute Risiken zum Abwandern veranlaßt. Dieser Prozeß setzt sich fort, bis nur noch die schlechtesten Risiken im Bestand sind. Die negative Risikoauslese kann zu Marktversagen führen, wenn die Versicherer einen bestimmten Versicherungsschutz nicht oder nicht mehr in ausreichendem Maße anbieten S9 .

55 Mahr, W.: Zur Interdependenz von Prämien \Uld Schäden: Das moralische Risiko, in: Praxis \Uld Theorie der Versicherungsbetriebslehre, Festgabe fiir H. L. Müller-Lutz zum 60. Geburtstag, hrsg. von Paul Braeß, Dieter Famy \Uld Reimer Schmidt, Karlsruhe 1972, S. 241. 56 Schlappa, W.: Die Kontrolle von Allgemeinen Versicherungsbeding\Ulgen im deutschen Versicherungsaufsichtsrecht \Uld der freie Dienstleist\Ulgsverkehr im EGRecht, Karlsruhe 1987, S. 150-151. 57 Möller, H.: Wettbewerb auf den Versicherungsmärkten aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht, in: ZVersWiss 1985, S. 169-199. 58 Famy, D.: Versicherungsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 55-56. 59 Mahr, W.: Einfiihrung in die Versicherungswirtschaft, 3. Auflage, Berlin 1970, S. 187; Schlappa, W.: Die Kontrolle der Allgemeinen Versicherungsbeding\Ulgen im deutschen Versicherungsaufsichtsrecht \Uld der freie Dienstleist\Ulgsverkehr im EGRecht, Karlsruhe 1987, S. 162-163.

II. Begründung der Regulierung

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Moralisches Risiko und negative Risikoselektion zwingen die Versicherer, detaillierte Informationen über das zu versichernde Risiko zu sammeln, den Kunden stärker in die Verantwortung einzubeziehen (Anzeigepflichten, vorvertragliche Obliegenheiten, Obliegenheiten im Versicherungsfall) sowie die Produkte und Prämien zu differenzieren (Risikozuschläge oder -ausschlüsse, Selbstbehalte, Bonus-Malus-Systeme)6o. Dadurch verstärken sich wiederum die Informationsprobleme bei den Versicherungsnehmern61 . Informationsprobleme gibt es schließlich bei den Prämien, die die Versicherer bei hoher Unsicherheit über Zahl und Höhe späterer Versicherungsfalle exante berechnen müssen. Sie gehen dabei von Schadenerwartungswerten aus, von denen die Schaden-Istwerte als Folge von Zufallen oder Risikoänderungen abweichen können (versicherungstechnisches Risiko). Schätzen die Versicherer ihren künftigen Schadenaufwand falsch ein, verlangen sie also zu niedrige Prämien, treten Verluste auf, die bis zur Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit führen können. Es gibt keinen anderen Wirtschaftszweig, in dem die größte Aufwandsart so unsicher ist. Die Schadenerwartungswerte leiten sich aus Schadenstatistiken ab. Die Qualität der Statistiken nimmt zu, wenn Erfahrungen über Risiken und Schäden überbetrieblich erfaßt und ausgewertet werden. Dies geschieht vor allem durch Verbände. Die Statistiken sind besonders aussagefähig, wenn die Daten auf einheitlichen Deckungen für bestimmte Risiken beruhen. Auch hierfür ist die Produktvereinheitlichung zweckmäßig. Zudem gestatten es überbetriebliche Schadenstatistiken auch kleineren oder neuen Anbietern, auf aussagefähige Kalkulationsunterlagen zurückzugreifen. Ein Wettbewerbsvorsprung großer Anbieter mit breiter statistischer Basis wird dadurch vermieden62 . Überbetriebliche Auswertung von Erfahrungen über Risiken und Schäden bedeutet nicht,daß die Versicherer einheitliche Prämien verlangen. Die ge60 Eine Übersicht der möglichen Maßnahmen der Versicherer gibt Schlappa, W.: Die Kontrolle der Allgemeinen Versicherungsbedingungen im deutschen Versicherungsaufsichtsrecht und der freie Dienstleistungsverkehr im EG-Recht, Karlsruhe 1987, S. 155-161, 163-173; vgl. auch Finsinger, J.: Versicherungsmärkte, Frankfurt am Main, NewYork 1983, S. 17. 61 Vittas, D.: Economic and Regulatory Issues of Contractual Savings Institutions, The World Bank, Washington 1990, S. 25-26. 62 Zech, 1.: Strategische Überlegungen zur Freigabe des KR-Tarifs, in: Versicherungen in Europa heute und morgen, Geburtstags-Schrift für Georg Büchner, hrsg. von Franz Wilhelm Hopp und Georg Mehl, Karlsruhe 1991, S. 135; Klaue, S.: Zur Rolle der Versicherungswirtschaft in der Marktwirtschaftlichen Ordnung, in: Festschrift für Karl Sieg, hrsg. von Horst Baumann, Helmut Schirmer und Reimer Schrnidt, Karlsruhe 1976, S. 270, 273.

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A. Regulienmg der Versichenmgsmärkte

meinsamen Statistiken bilden lediglich den Ausgangspunkt der Prämienberechnung. In einem zweiten Schritt berücksichtigen die Versicherer die besondere Struktur ihres Bestands, vor allem eine günstige Risikoselektion. Der häufig erhobene Einwand, die "einheitliche Tarifierung der Risikoprämien" würde den Anreiz zur Risikoselektion mindern oder gar ausschalten, geht daher an der Realität vorbei 63 . Nach Eisen64 ist die Kalkulation marktgerechter Prämien deshalb schwierig, weil ein enger Zusammenhang besteht zwischen Prämien und Schäden (negative Auslese und moralisches Risiko). Er nennt das Beispiel eines Versicherers, der ein neues Produkt auf den Markt bringt. Er zieht damit die guten Risiken von den bestehenden Versicherern ab, so daß bei diesen nur noch die schlechten Risiken bleiben und sie das verlustbringende Angebot vom Markt abziehen. Dies veraniaßt auch die schlechten Risiken, zum neuen Anbieter zu wechseln, der dadurch möglicherweise auch in die Verlustzone gerät. Die Konsequenz dieser These ist, daß kein Marktgleichgewicht entsteht. Dies ist allerdings umstritten. Insbesondere wird darauf hingewiesen, daß die Versicherungsnehmer meist nicht über das gesamte Marktangebot informiert sind und beim Wechsel Transaktionskosten entstehen.

c) Besondere Gläubigerposition der Versicherungsnehmer In den meisten Wirtschaftszweigen werden Leistung und Gegenleistung Zug-um-Zug abgewickelt. Wenn zum Beispiel der Käufer eines Fahrzeugs am Tage nach der Auslieferung und Begleichung der Rechnung erfährt, daß der Hersteller zahlungsunfähig ist, so mag dies im Hinblick auf die künftige Ersatzteilbeschaffung ungünstig sein. Eine Katastrophe wäre es nicht, vorausgesetzt, das Fahrzeug ist in Ordnung. Anders ist die Lage im Versicherungsbereich, vor allem in der langfristig abgeschlossenen Lebens- und Krankenversicherung mit Spar- und Entsparprozessen6s . Versicherungsprämien werden einschließlich der Sparanteile meist im voraus bezahlt. Dadurch entsteht eine Gläubigerposition der Versicherungsnehmer gegenüber den Versicherern im Hinblick auf künftigen Versicherungsschutz, Schadenleistungen und Gewinn63 Fetzer, M.-V.: Ordnungspolitische Probleme einer Liberalisierung des internationalen Dienstleistungsverkehrs - Das Beispiel der Banken und Versicherungen in der EG, München 1992, S. 231. 64 Eisen, R.: Regulienmg und Deregulienmg in der deutschen Versicherungswirtschaft, in: ZVersWiss 1989, S. 161-162. 65 In der Lebensversichenmg besteht die Möglichkeit, das Risikogeschäft teilweise vom Spar- und Entsparprozeß zu trennen, etwa durch Verbindung einer Risikolebensversichenmg mit anderen Spanormen.

II. BegriindWlg der RegulierWlg

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ausschüttungen. Der Versicherungsnehmer vertraut dem Versicherer Verm~ gen an, häufig über mehrere Jahrzehnte. Der Zusammenbruch eines Versicherers kann für ihn existentielle Folgen haben. Konkurse lösen außerdem negative externe Effekte aus, wenn sie das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Versicherungswesen untergraben. Es entsteht dadurch die Gefahr, daß ,,gute" Versicherer durch "schlechte" Versicherer negativ berührt werden. Eisen nennt dies eine "informationsmäßig negative Externalität", die zu einem Zusammenbruch des Marktes im Sinne einer "Versicherungskrise" führen kann 66. Das Versicherungsschutzversprechen des Versicherers hat nach Albrecht67 nur dann einen Sinn, wenn es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch eingelöst werden kann. Er definiert den Versicherungsschutz als die quasi sichere Garantie, bei Eintreten eines Versicherungsfalls die vertraglich vereinbarte Leistung zu erbringen. Die Sicherheit und finanzielle Leistungsfähigkeit des Versicherers sind Qualitätsmerkmale und Bestandteil des Produktes und damit Bestimmungsfaktor der Produktqualität68 . Wie am Beispiel des Kraftfahrzeugs verdeutlicht, ist dieser Sachverhalt im Warenbereich nicht (so) bedeutend. d) Interessenkonflikte der Vermittler Die Vermittler stehen in einem ständigen Interessenkonflikt. Bei vielen Vertragsabschlüssen weichen ihre Interessen von denen der Versicherer und der Versicherungskunden ab. So ist der Vermittler - ob abhängig von einem Versicherer oder unabhängig - in erster Linie darauf bedacht, seine Provisionserträge zu maximieren. Sein Interesse ist damit hauptsächlich auf den Abschluß eines Versicherungsvertrages gerichtet, auch wenn dies nicht im Interesse des Versicherers oder des Versicherungsnehmers liegt69. Für den Versicherungsnehmer ist problematisch, daß der Vermittler (in der Regel) keine un-

66 Farny, D.: Die Versichenmgsmärkte - Eine Studie über die Versichenmgsmarkttheorie, Berlin 1961, S. 45; Eisen, R.: RegulierWlg Wld Deregulienmg von Versiehenmgsmärkten, in: ZVersWiss 1989, S. 168. 67 Albrecht, P.: Gewinn Wld Sicherheit als Ziele der VersicherWlgsWlternehmWlg: Bernoulli-Prinzip vs. Safety first-Prinzip, in: Dieter Farny Wld die VersicherWlgswissensehaft, hrsg. von Robert Schwebler Wld den Mitgliedern des Vorstands des deutschen Vereins fiir Versichenmgswissenschaft, Karlsruhe 1994, S. 3-4; Daykin, C. / Bernstein, G. u.a.: Assessing the Solvency and Financial Strength of a General Insurance Company, London 1987, S. 11. 68 Schneider, U. / Troberg, P.: FinanzdienstleistWlgen im EG-Binnenmarkt: Sitzland oder Gastlandrecht?, in: Zeitschrift fiir Wirtschafts- Wld Bankrecht 1990, S. 166. 69 Farny, D.: Die VersicherWlgsmärkte - Eine Studie über die VersicherWlgsmarkttheorie, Berlin 1961, S. 24.

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A. Regulienmg der Versichenmgsmärkte

abhängige Beratungsinstanz ist. Hauptpflicht des gebundenen Vermittlers ist, dem Versicherer Versicherungsgeschäfte zu vermitteln und dabei dessen Interessen wahrzunehmen. e) Elastische Kapazität der Versicherer

Im Unterschied zu den meisten anderen Wirtschaftszweigen ist die Kapazität von Versicherern mittel- bis langfristig keine feste Größe. Farny70 definiert die Kapazität eines Versicherers im Risikogeschäft "als sein Leistungsvermögen bei der Übernahme von Risiken ('Zeichnungskapazität'), und zwar bei der Übernahme einzelner Risiken, bei der Übernahme vieler Risiken einer bestimmten Art und bei der Übernahme vieler Risiken verschiedener Art". Bei einer gegebenen Ausprägung der Unternehmensziele und Ausstattung mit Potentialfaktoren wird die Zeichnungskapazität eines Versicherers für Einzelrisiken mit Großschadenpotentialen durch die Größe und Zusammensetzung des vorhandenen Versicherungsbestands, die Rückversicherungspotentiale und das Sicherheitskapital begrenzt. Die Gesamtkapazität im Risikogeschäft ist aufgrund der gesetzlichen Solvabilitätsanforderungen auf ein Mehrfaches des vorhandenen Eigenkapitals beschränkt. Insgesamt ist die Kapazität im Risikogeschäft - abgesehen von Risiken mit Großschadenpotential und Risiken mit Kumulneigung - weich, da sich zusätzliche Potentialfaktoren bei entsprechenden Gewinnerwartungen leicht beschaffen lassen. Den wichtigsten Faktor, das Geld für Versicherungsleistungen, stellen die Versicherungsnehmer selbst durch Vorauszahlung zur Verfügung. Eine Vorfinanzierung durch den Versicherer oder seine Eigner ist nicht nötig. Die Kapazität im Dienstleistungsgeschäft definiert Farny71 als das Leistungsvermögen eines Versicherers bei der Abwicklung der Versicherungsgeschäfte, das heißt, als das Potential ,,für interne und externe Leistungen in den Endfunktionen Absatz, Vertrags- und Schadenbearbeitung und in den vorgelagerten Funktionen (zum Beispiel Beschaffung, Personalwirtschaft und Informationsverarbeitung)". Im Dienstleistungsgeschäft besteht ebenfalls eine "weiche Kapazität", weil die Versicherer

10 Farny, D.: Kapazitätsmesstmg, Kapazitätsgestalttmg, Kapazitätsoptimienmg - eine betriebswirtschaftliche Kernfrage, in: Sonderdruck· aus der Festschrift fiir Werner Kern, hrsg. von Hans Corsten, Richard Köhler, Heiner Müller-Merbach tmd HansHorst Schröder, Stuttgart 1992, S. 264. 11 Farny, D.: Kapazitätsmesstmg, Kapazitätsgestalttmg, Kapazitätsoptimienmg - eine betriebswirtschaftliche Kernfrage, in: Sonderdruck aus der Festschrift für Werner Kern, hrsg. von Hans Corsten, Richard Köhler, Heiner Müller-Merbach tmd HansHorst Schröder, Stuttgart 1992, S. 266.

11. Begründung der Regulierung

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auch hier die Potentialfaktoren - Personal, Geschäftsräume und informationstechnische Anlagen - verhältnismäßig leicht erweitern können. Die relativ elastische (oder weiche) Kapazität der Versicherer bedeutet, daß auf den Versicherungsmärkten tendenziell ein Angebotsüberhang besteht72 . Wenn die Versicherer unter dem Druck des Wettbewerbs ihr Angebot zu nicht kostendeckenden Prämien ausweiten, entsteht die Gefahr der ruinösen Konkurrenz und des Verdrängungswettbewerbs, gekennzeichnet durch Verfall des Prämienniveaus und Verluste bei den Versicherern73 . Der GDV formulierte das wie folgt74: ,,Das Fehlen wesentlicher Kapazitätsschranken erleichtert nicht nur den Marktzutritt. Es begünstigt tendenziell auch im Zusammenspiel mit der Ungewißheit über den zukünftigen Schadenbedarf Prämienunterbietungen bis hin zur ruinösen Konkurrenz." Mit anderen Worten: Wettbewerb führt zu unzureichenden Prämien, zu Insolvenzen und letztlich zu einer monopolistischen Marktstruktur beziehungsweise hohen Marktkonzentration7S . Dieses sogenannte Kapazitätsargument ist in seiner absoluten Form (der Versicherungsschutz ist "beliebig vermehrbar") ungenau. Wie gezeigt, gibt es harte Kapazitätsgrenzen im Risiko- und im Dienstleistungsgeschäft, insbesondere auf kurze Sicht und bei bestimmten Risiken sowie bei fehlenden oder ungenügenden Gewinnerwartungen. 3. Kosten und Nutzen der Regulierung

Regulierungs- und Aufsichtsinstitutionen produzieren Dienstleistungen, die mit Kosten verbunden sind. Diese Kosten schlagen sich in den Prämien für den Versicherungsschutz nieder. Der Kunde zahlt also einen Preis für die Regulierung beziehungsweise seinen Schutz. Die Kosten der Regulierung setzten sich zusammen aus den direkten Kosten für die Regulierungs- oder Aufsichtsinstitutionen, den Kosten der Regulierungsobjekte für "die Befolgung der Regulierungen" (etwa die Offenlegung bestimmter Informationen) sowie aus den Kosten der Freiheitsbeschränkungen, die die Ware Versicherungs schutz ver-

Famy, D.: Versicherungsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 464-465. Krause, 1.: Die Deregulierungsdiskussion - theoretische Grundlagen und Bedeutung für die Versicherungswirtschaft, in: VW 1988, S. 353. 74 Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.(Hg.): Die deutsche Versicherungswirtschaft, Jahrbuch 1985, S. 106. 75 Eisen, R.: Regulierung und Deregulierung in der deutschen Versicherungswirtschaft, in: ZVersWiss 1989, S. 159. 72 13

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A. Regulienmg der Versichenmgsmärkte

teuern und Innovationen behindern können 76 . Nach einer Studie der London Business School liegen die direkten Kosten für die Regulierungsinstitutionen im Vereinigten Königreich bei über 200 Mio. DM im Jahr, in den Vereinigten Staaten bei knapp 2 Mrd. DM. Darüber hinaus entstehen den Regulierungsobjekten in den Vereinigten Staaten im Jahr Kosten zwischen 11 und 23 Mrd. DM für die Befolgung der Regulierungen, vor allem die umfängliche Berichterstattung gegenüber den Aufsichtsbehörden77 . Die Versicherungsmärkte sind in der Realität nicht vollkommen, so daß bei einem Verzicht auf Regulierung suboptimale Marktergebnisse entstehen würden. Regulierung führt außerdem zu Skaleneffekten. Sie erspart dem Nachfrager zeitlichen Einsatz und Kosten, vermeidet eine Vervielfachung der Aufsicht und sichert eine höhere Qualität, als sie der einzelne erreichen könnte. Sie trägt schließlich dazu bei, daß die Nachfrager Vertrauen in die Anbieter gewinnen (oder zurückgewinnen), und fordert somit die Stabilität der Märkte. Die Regulierung stiftet also aufvielfältige Weise Nutzen. Die optimale Regulierung ist erreicht, wenn sich Grenznutzen und Grenzkosten entsprechen. Anders ausgedrückt: Eine zusätzliche Regulierungseinheit ist dann sinnvoll, wenn ein positiver Saldo (Nettonutzen) aus Nutzen und Kosten besteht. Eine genaue Aussage über die optimale Regulierung ist jedoch nicht möglich, weil sich Kosten und Nutzen der Regulierung nicht quantifizieren lassen und es keinen Markt für Regulierung gibes. Über das optimale Maß muß daher politisch entschieden werden. Dabei geht es nicht um die Frage ,,freier Markt" oder "staatliche Kontrolle", sondern um den trade-off zwischen Kostenvorteilen und Wohlfahrtsverlusten79 • Die Kosten-Nutzen-Relationen der Regulierung sind für die einzelnen Typen von Versicherungsnehmern unterschiedlich. Beispielsweise sind Informationsprobleme bei industriellen und gewerblichen Nachfragern weniger ausge-

16 Beispielsweise liegen die positiven Wirlnmgen der Deregulienmg nach Auffassung der (deutschen) Deregulienmgskommission in der "Vermehrung lohnender, nutzen stiftender wirtschaftlicher Transaktionen, in der Eröffuung kostengiinstigerer Wege der Bereitstellung von Waren und Diensten und in der Freisetzung von Kreativität", vgl. Deregulienmgskommission (Hg.): Marktöffuung und Wettbewerb, Erster Bericht, Deregulienmg als Programm?, Das Versichenmgswesen, das Verkehrswesen, 1990, s. 8,42-43. 11 o.V: Hooked on fmancial red tape, in: The Economist, 22. Juli 1995, S. 74. 18 Auf den Wettbewerb der nationalen Regulienmgssysteme im Binnenmarkt für Versichenmgen wird in Kapitel D.m.I. eingegangen. 19 Eisen, R.: Regulienmg und Deregulienmg in der deutschen Versichenmgswirtschaft, in: ZVersWiss 1989, S. 158.

II. Begründung der Regulierung

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prägt als bei privaten Nachfragern. Dies spricht für eine Differenzierung der Regulierungssysteme. 4. Gefahren der Regulierung

Die Regulierung von Märkten ist mit Gefahren verbunden 80 . So können die Kosten der Regulierung erheblich sein. Ferner kann exzessive Regulierung entstehen, wenn eine risikoaverse Regulierungsinstitution den Nutzen der Regulierung (im Vergleich mit den Kosten) überschätzt, die Regulierung nicht an veränderte Bedingungen anpaßt oder sich die Regulierung "von selbst verstärkt"Sl . Das Problem besteht darin, daß eine laufende Erfolgskontrolle der Regulierungen nicht stattfindet und bestehende Regulierungen nicht ständig auf ihre Notwendigkeit und Berechtigung überprüft werden 82 . Weiter kann die Regulierung den Wettbewerb verzerren, beispielsweise wenn Anbieter gleicher oder ähnlicher Produkte (etwa Bank- und Lebensversicherungsprodukte) oder Anbieter aus unterschiedlichen Ländern nicht einheitlich reguliert werden. Ferner kann das Vertrauen der Nachfrager in staatliche Regulierung dazu führen, daß sie eigene Anstrengungen unterlassen, vor allem bei der Informationssuche (moralisches Risiko der Regulierung). Donges83 gibt zum Beispiel zu bedenken, daß die Urteilsfähigkeit des Nachfragers auf einem stark regulierten Markt (wie dem deutschen Versicherungsmarkt) nach und nach verkümmert. Bei selbstregulierenden Organisationen besteht die Gefahr, daß sie Regulierungen einführen oder beibehalten, die den Marktzugang und damit den (potentiellen) Wettbewerb erschweren oder gar ausschließen. Schließlich verfolgen die Mitarbeiter einer Regulierungs- oder Aufsichtsbehörde spezielle Berufsinteressen, die an die weitere Existenz der Regulierung gekoppelt sind. Die Behörden sind daher bestrebt, ihre Zuständigkeiten zu erhalten und mög-

80 Eine Übersicht gibt Llewellyn, D.: Consumer Protection in Retail Investment Services: Protection Against What?, in: Journal of Financial Regulation and Compliance 1995, S. 44. 8' Famy, D.: Die Versicherungswirtschaft im Wettbewerbsprozeß der Marktwirtschaft, in: ZVersWiss 1979, S. 74. 82 Finsinger, J: Versicherungsmärkte, Frankfurt am Main, New York 1983, S. 14. Erwägenswert sind auch Sunset-Regelungen, die nach einer bestimmten Zeit von selbst außer Kraft treten, vgl.Eickhof, N.: Wettbewerbspolitische Ausnahmebereiche und staatliche Regulierung, in: Jahrbuch fiir Sozialwissenschaft 1985, Band 36, S. 77. 83 Donges, J.: Wieviel Regulierung brauchen wir fiir den EG-Binnenmarkt?, in: Die Verwirklichung des EG-Binnenmarktes, Beihefte der Konjunkturpolitik, Heft 36, Berlin 1990, S. 173.

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A. Regulienmg der Versichenmgsmärkte

liehst auszubauen. Einmal eingeführten Regulierungen ist daher meist ein langes Leben beschieden 84 . IH. Grundmodell eines Regulierungssystems 1. Elemente eines Regulierungssystems

Elemente eines Regulierungssystems sind die politisch vorgegebenen Ziele, die mit der Regulierung oder Beaufsichtigung befaßten Institutionen8s , die Regulierungsinstrumente und die Regulierungsobjekte, die in ihrem Marktverhalten beeinflußt werden sollen86 . Das Gerüst eines Regulierungssystems für Versicherungsmärkte läßt sich vereinfachend wie folgt darstellen 87 : Regulienmg

I

Regulienmgsziele

I

Regulienmgs- und Aufsichtsinstitutionen

I

Regulienmgsinstrumente

I

Regulienmgsobjekte - Versicherer - Versichenmgsvermittler - Versichenmgsgeschäfte - Versichenmgsnehmer

84 Eickhof, N.: Wettbewerbspolitische Ausnahmebereiche und staatliche Regulienmg, in: Jahrbuch fiir Sozialwissenschaft 1985, Band 36, S. 75. 85 Regulienmgsinstitution ist die Einrichtung, die Regulienmgen erläßt, Aufsichtsinstitution die Einrichtung, die aufgnmd dieser Regulienmgen die Aufsicht fiihrt. Eine eindeutige Abgrenzung ist nicht möglich, weil auch die Aufsichtsbehörde mit Verordnungen, Anweisungen ua. regulierend in den Markt eingreift. 86 Famy, D.: Deregulienmgspotentiale in der deutschen Versichenmgswirtschaft, in: VP 1987, S. 106. 87 Famy, D.: Über Regulienmg und Deregulienmg von Versichenmgsmärkten, in: ZfB 1987, S. 1007.

ill. Gnmdmodell eines Regulienmgssystems

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2. Regulierungsziele

Das oberste Regulierungsziel wird von politischen Instanzen festgelegt. Es ist deshalb geprägt durch die wirtschaftliche, gesellschaftliche und rechtliche Grundordnung in einem Land. Der Regulierung liegt die Annahme zugrunde, daß die oben aufgezeigten Mängel in der Funktionsfähigkeit der Versicherungsmärkte die Versicherungsnehmer stärker belasten als die Versicherer. Deshalb wird das Ziel der Regulierung häufig mit der Formel "Schutz der Versicherungsnehmer" beschrieben. Die Regulierung und Beaufsichtigung wird so in die Nähe des Verbraucherschutzes gerückt88 . Schutzwürdige Interessen der Versicherungsnehmer sind vor allem Informations-, Gläubiger- und Schuldnerinteressen. Der Versicherungsnehmer ist Gläubiger des Versicherungsschutzes und der vom Versicherer im Versicherungsfall zu leistenden Entschädigung, er ist Schuldner der Versicherungsprämie. Das Gläubigerinteresse ist auf eine sichere zukünftige Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen durch den Versicherer gerichtet und damit auf' ausreichende Prämien für einen angemessenen Versicherungs schutz, Gewinne und auf ein hohes Eigenkapital. Das Schuldnerinteresse steht dagegen für niedrige Prämien und einen möglichst umfassenden Versicherungsschutz. Gläubiger- und Schuldnerinteresse der Versicherungsnehmer sind gegenläufig. Bei der Gestaltung des Regulierungssystems muß deshalb eine Gewichtung vorgenommen werden. Neben den Interessen der Versicherungsnehmer gibt es schutzwürdige Interessen Dritter. Dritte sind insbesondere Drittgeschädigte in der Haftpflichtversicherung, Bezugsberechtigte in der Lebensversicherung und Hypothekengläubiger in der Gebäudeversicherung. Ihr Interesse ist deckungsgleich mit den Gläubigerinteressen der Versicherungsnehmer. 3. Regulierungs- und Aufsichtsinstitutionen

Regulierungs- oder Aufsichtsinstitutionen sind staatliche oder privatrechtliche Einrichtungen, die die Regulierung und Beaufsichtigung der Versicherungsmärkte wahrnehmen. Staatliche Einrichtungen können beispielsweise Ministerien (Finanz-, Wirtschafts-, Justizministerium) oder nachgeordnete Behörden sein. Privatrechtliche Einrichtungen sind selbstregulierende oder 88 Famy, D.: Versichenmgsaufsicht, Wirtschaftliche Theorie der, in: HdV, hrsg. von Dieter Famy, Peter Koch, Elmar Helten und Reimer Schrnidt, Karlsruhe 1988, S. 1005; Büchner, G.: Fragen des aufsichtsrechtlichen Verbraucherschutzes, in: ZVersWiss 1994, S. 350.

4 Rabe

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A. Regulienmg der Versichenmgsmärkte

selbstverwaltende Organisationen, wie Verbände oder Berufsstände. Regulierung kann aber auch von Vereinbarungen zwischen den Marktteilnehmern oder von Verhaltensweisen bestimmter Marktteilnehmer ausgehen. 4. Regulierungsobjekte

Die Regulierungsinstrumente können grundsätzlich gegenüber den Versicherern, den Versicherungsvermittlern, den Versicherungsnehmern eingesetzt werden oder sich auf das Versicherungsgeschäft selbst beziehen. Aus praktischen Gründen zielen die Regulierungsinstrumente meist auf die Versicherer, weil die Anzahl der Versicherungsnehmer und Versicherungsgeschäfte um ein Vielfaches größer ist als die der Versicherer. 5. Regulierungsinstrumente

Die Gewichtung der Interessen der Versicherungsnehmer schlägt sich unmittelbar in der Auswahl der Regulierungsinstrumente nieder. Für die folgenden Überlegungen ist es zweckmäßig, drei Systeme zu unterscheiden: das Publizitätssystem, das Normativsystem und das System der materiellen Staatsaufsicht. Das System der materiellen Staatsaufsicht schließt Instrumente der beiden anderen Regulierungssysteme ein. Das Publizitätssystem89 verlangt als Mittel der öffeIJ.tlichen Kontrolle weitreichende Informationen von Versicherern über ihre Geschäfte und deren Ergebnisse. Versicherungsnehmer und Vermittler sollen sich ein Bild von Qualität und Sicherheit der Anbieter machen und danach ihre Entscheidungen treffen. Gesetzgeber und Aufsichtsbehörde können das Publizitätssystem erweitern, indem sie Form und Inhalt der zu veröffentlichenden Informationen vorgeben. Darüber hinaus kann die Aufsichtsbehörde die Daten der Versicherer aufbereiten und in geeigneter Form veröffentlichen. Eine höhere Regulierungsintensität ergibt sich durch die Vorgabe von Normen (Normativsystem), zum Beispiel über zulässige Rechtsformen, den Inhalt von Satzung und Geschäftsplan, die Ausstattung mit Eigenkapital, die Solvabilität, die Bildung und Berechnung von versicherungstechnischen Rückstellungen, die Kapitalanlagen oder die Rechnungslegung. Aufgabe der Aufsichtsbehörde ist es, die Einhaltung der Normen zu überprüfen. Das Normativ89 Schlappa, W.: Die Kontrolle von Allgemeinen Versichenmgsbedingungen im deutschen Versichenmgsaufsichtsrecht und der freie Dienstleistungsverkehr im EGRecht, Karlsnlhe 1987, S. 84.

IV. Realtypen von Regulienmgssystemen

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system kann ergänzt werden durch die Erfassung aller Versicherer in einem öffentlichen Register. Einen Schritt weiter geht das sogenannte Konzessionssystem. Die Zulassung wird nur Versicherern erteilt, die alle Normen erfüllen. Die höchste Regulierungsintensität besteht, wenn die Aufsichtsbehörde in den laufenden Geschäftsbetrieb der Versicherer eingreifen darf. Dieses System der materiellen Staatsaufsicht räumt der Aufsichtsbehörde weitgehende Kontroll- und Eingriffsbefugnisse ein. Sie betreffen nicht nur die Rechts- und Finanzaufsicht, sondern erstrecken sich auf das gesamte Geschäftsgebaren des Versicherers. Die Aufsichtsbehörde ist zu vorbeugenden Maßnahmen berechtigt, wenn die Interessen der Versicherungsnehmer gefährdet sind. Grundlage sind generalklauselartige Handlungsvollmachten, die der Aufsichtsbehörde erhebliche Ermessensspielräume einräumen. IV. Realtypen von Regulierungssystemen In allen EU-Mitgliedstaaten ist das oberste Ziel der Regulierung und Versicherungsaufsicht der Schutz der Versicherungsnehmer und Dritter90 . Die "ersten Richtlinien" der EU zur Niederlassungsfreiheit weisen ausdrücklich darauf hin, daß es notwendig ist, einen angemessenen Schutz der Versicherungsnehmer und Dritter zu wahren91 . Dieser Schutz, so die einhellige Auffassung, ist bei einem unbeschränkten Wettbewerb auf den Versicherungsmärkten nicht sichergestellt. Deshalb müssen Wettbewerb und unternehmerische Autonomie durch Regulierung begrenzt werden. Trotz dieser grundsätzlichen Übereinstimmung gab und gibt es erhebliche Unterschiede in der Struktur der Regulierungssysteme und in der Intensität der Regulierung in den EUMitgliedstaaten. Ausschlaggebend dafür sind unterschiedliche Annahmen darüber, mit welchen Regulierungsinstrumenten und bezogen auf welche Regulierungsobjekte die Regulierungsziele erreicht werden können und welcher Grad der Zielerreichung wünschenswert ist. Im folgenden werden die typischen Regulierungssysteme der Mitgliedstaaten besprochen: Das deutsche Regulierungssystem (bis Juli 1994) stellvertretend für das System der materiellen Staatsaufsicht, das britische Regulierungssy90 o. v.: Objectives and methods of insurance supervision, Bericht der Konferenz der Europäischen Aufsichtsbehörden, Paris 1990, S. 6-8; F insinger, J.: Versichenmgsmärkte, Frankfurt am Main, New York 1983, S. 11. 91 Richtlinie des Rates 731239fEWG vom 24. Juli 1973 zur Koordinienmg der Rechts- Wld VerwaltWlgsvorschriften betreffend die Aufuahme der Tätigkeit der Direktversichenmg (mit Ausnahme der Lebensversichenmg), AbI. der EG Nr. L 228, 16. August 1973, S. 3.

4*

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A. Regulienmg der Versichenmgsmärkte

stern stellvertretend für das Normativsystem, das jedoch seit den 70er Jahren mit Elementen der materiellen Staatsaufsicht angereichert wurde 92 . 1. Regulierungsziele

Die Mitgliedstaaten nennen als oberstes Ziel der Regulierung und Aufsicht den Schutz der Versicherungsnehmer und Dritter. Dabei bewertet der deutsche Gesetzgeber das Gläubigerinteresse der Versicherungsnehmer höher als das Schuldnerinteresse93 . Gläubigerschutz bedeutet die langfristige Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus Versicherungsverträgen. Sie ist beeinträchtigt, wenn ein Versicherer in Konkurs geht94 . In anderen Mitgliedstaaten, zum Beispiel im Vereinigten Königreich und in den Niederlanden, sind Gläubiger- und Schuldnerinteressen dagegen weitgehend gleichrangig. Die Mitgliedstaaten berücksichtigen in ihren Regulierungssystemen die unterschiedliche Schutzbedürftigkeit der Versicherungsnehmer. Meist wird zwischen privaten sowie gewerblichen und industriellen Versicherungsnehmern unterschieden9~. Schwierigkeiten bereitet die Abgrenzung. Möglich ist ein "Splitting" nach Versicherungszweigen, der Größe der Versicherungsnehmer, ihrem Verhalten bei Vertragsabschluß und der Vertragslaufzeit96 . Die deutsche Aufsicht differenziert beispiel weise zwischen Privatkundengeschäft und (großgewerblichen) Firmenkundengeschäft, längerfristigen Versicherungen mit Spar- und Entsparprozessen und kurzfristigen Versicherungen sowie zwischen Pflichtversicherungen und freiwilligen Versicherungen.

92 Rabe, T.: Life Insurance Regulation in the United Kingdom and Germany, in: Financial Regulation, Changing the Rules ofthe Game, hrsg. von Dimitri Vittas, The World Bank, Washington 1992, S. 353-368. 93 Famy, D.: Die deutsche Versichenmgswirtschaft - Markt, Wettbewerb, Konzentration, Reihe Entwicklung von Konzentration und Wettbewerb, in: Samlung Arbeitsdokumente, Kommission der EG, Band 56, Brüsse11982, S. 20; Famy, D.: Versiehenmgsaufsicht, Wirtschaftliche Theorie der, in: HdV, hrsg. von Dieter Famy, Peter Koch, Elmar Helten und Reimer Schmidt, Karlsruhe 1988, S. 1007. 94 Famy, D.: Versichenmgsmarkt, in: HdV, hrsg. von Dieter Famy, Peter Koch, EImar Helten Wld Reimer Schmidt, Karlsruhe 1988, S. 1047. 95 Der Gedanke der gestuften Regulienmg liegt den "zweiten Richtlinien" der EU zugnmde. 96 Famy, D.: Die Regulierung der privaten Versichenmgswirtschaft: Von einer guten Vergangenheit in eine bessere Zukunft?, in: Versichenmgen in Europa heute Wld morgen, Geburtstags-Schrift für Georg Büchner, hrsg. von Franz Wilhelm Hopp Wld Georg Mehl, Karlsruhe 1991, S. 288-289.

IV. Realtypen von Regulienmgssystemen

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2. Regulierungs- und Aufsichtsinstitutionen

Träger der Versicherungsaufsicht in Deutschland ist in erster Linie das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV). Ihm zugeordnet ist ein Versicherungsbeirat, der aus 60 Mitgliedern besteht. Das BAV beaufsichtigt alle überregional tätigen Versicherer. Wichtigste Rechtsgrundlage ist das VAG. Eine bedeutende Rolle spielen ferner die Verbände, zum Beispiel bei der Entwicklung der Versicherungsbedingungen oder der Führung von Schadenstatistiken97 . Allerdings unterliegen die Verbände, soweit sie marktregulierende Beschlüsse treffen, den Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und des europäischen Wettbewerbsrechts. Aufsichtsfunktionen nehmen zudem der Abschlußprüfer sowie der Treuhänder und der mathematische Sachverständige in der Lebens- und Krankenversicherung (jetzt der verantwortliche Aktuar) wahr98 . Im Vereinigten Königreich existiert neben der staatlichen Versicherungsaufsicht eine ausgeprägte Selbstregulierung. Der Financial Services Act (FSA) von 1986 gestattete es dem mit der Aufsicht betrauten Department of Trade and Industry (DTI), einen Teil seiner Aufgaben auf den Securities and Investment Board (SIB) zu übertragen. Der SIB ist als "overall watchdog" befugt, gesetzesähnliche Regeln zu erlassen und über deren Einhaltung zu wachen. Er hat einen Teil seiner Aufsichtsbefugnisse auf sogenannte Self Regulatory Organisations (SRO) übertragen. Es gibt derzeit fünf SRO. Sie sind nach Investmentbranchen gegliedert. Für Versicherer beziehungsweise deren (gebundene) Vermittler waren bislang die Life Assurance and Unit Trust Regulatory Organisation (Lautro) zuständig, für ungebundene Vermittler von Lebensversicherungsprodukten die Financial Intermediaries, Managers and Brokers Regulatory Association (Fimbrar. Lautro und Fimbra wurden im Juli 1994 zu einer neuen SRO zusammengefaßt, der Personal Investment Authorityloo .

Famy, D.: Versichenmgsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 231-232. Wesselkock, K.: Unterschiedliche Systeme der Versichenmgsaufsicht, in: Versichenmgen in Europa heute und morgen, Geburtstags-Schrift für Georg Büchner, hrsg. von Franz W ilhelm Hopp und Georg Mehl, Karlsruhe 1991, S. 410-411. 99 Isringhaus, R.: Financial Services Act in Großbritannien, in: VW 1988, S. 12201222; Neuhaus, R.: Die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen der Versichenmgswirtschaft in Großbritannien, Karlsruhe 1994, S. 29-31, S. 214-230. 100 Morris, S.: Financial Services: Regulating Investment Business, London 1995, 2. Auflage, S. 9-10. 97

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A. Regulienmg der Versichenmgsmärkte

In der Lebensversicherung beteiligen sich auch der appointed actuary und das Government Actuaries Department an der Aufsicht. Das Department beschäftigt 30 Aktuare und unterstützt das DTI 101 . Daneben gibt es zwei Instanzen für Schieds- und Vermittlungsverfahren, das Insurance Ombudsman Bureau (lOB) und das Personal Insurance Arbitration Service (PIAS). Am lOB nehmen über 300 Versicherer teil, am PIAS etwa 60. Ihre Tätigkeit beschränkt sich auf private Versicherungsnehmer, Verträge mit Versicherern, die ihren Sitz im Vereinigten Königreich haben und auf bestimmte Streitwerte. Ziel beider Einrichtungen ist es, Konflikte der Versicherungsnehmer mit ihrem Versicherer oder Vermittler außergerichtlich beizulegen 102 . Entscheidungen des Ombudsmans sind für Versicherer und Vermittler bindend. Dagegen kann der Versicherungsnehmer auch nach der Entscheidung noch ein ordentliches Gericht anrufen. 3. Regulierungsobjekte

In Deutschland waren die Regulierungsinstrumente bislang vorwiegend auf die Versicherer und deren Geschäfte gerichtet. Im Vereinigten Königreich beziehen sich die Regulierungsinstrumente in erster Linie auf die Versicherer und den Vertrieb. 4. Regullerungsinstrumente

Das in Deutschland (bis Juli 1994) gültige Regulierungssystem entsprach dem der materiellen Staatsaufsicht. Besonders wichtig war die Praxis des Aufsichtsamtes bei der Genehmigung von Versicherungsbedingungen. Das Amt sorgte für eine gewisse Produktvereinheitlichung. Der Produktwettbewerb sollte begrenzt, der Prämienwettbewerb durch gute Markttransparenz belebt werden. Allerdings waren die Bedingungswerke nicht starr. Das BAV gestattete einzelnen Versicherern seit Mitte der 80er Jahre individuelle Bedingungen. Die Genehmigung erfolgte nicht mehr im Sammelverfahren, sondern gegen-

101 Daykin, C.: The Supervision of Life Insurance Business in the United Kingdom, London 1988, S. 2-4 (nicht veröffentlicht); Neuhaus, R.: Die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen der Versichenmgswirtschaft in Großbritannien, Karlsruhe 1994, S.214-230. 102 Neuhaus, R.: Die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen der Versichenmgswirtschaft in Großbritannien, Karlsruhe 1994, S. 206-212.

IV. Realtypen von Regulienmgssystem.en

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über den einzelnen Versicherern 103 . In der Lebens-, Kranken- und Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung genehmigte das BAV auch die Versicherungsprämien. Gleichzeitig sorgte es in diesen Zweigen für eine angemessene Beteiligung der Versicherungsnehmer an den Überschüssen der Versicherer. Bei der laufenden Aufsicht war das BAV berechtigt, durch Anordnungen in den Geschäftsbetrieb der Versicherer einzugreifen. Damit sollten die Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen und des Geschäftsplans sichergestellt sowie drohende oder eingetretene Mißstände beseitigt werden. Bis auf die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung gibt es keinen Konkurssicherungsfonds. Die Versicherungsvermittler unterliegen nicht unmittelbar der Versicherungsaufsicht. Das Aufsichtsrecht wirkt nur mittelbar über die Versicherer. Der Grundsatz ,,freedom with publicity" hat das Aufsichtssystem im Vereinigten Königreich über 100 Jahre geprägt. Anfang der 70er Jahre trat eine Kehrtwende ein. Die Regulierungsintensität wurde verstärkt. Gründe hierfiir . waren zahlreiche Zusammenbrüche von Versicherern in den 60er Jahren und Anfang der 70er Jahre 104 sowie die Umsetzung der "ersten Richtlinien" in britisches Rechtm. Bremkamp l06 kommt in seiner Untersuchung des deutschen und britischen Sachversicherungsmarktes zum Ergebnis, daß sich die Regulierungsdichte im Vereinigten Königreich inzwischen kaum noch von der in Deutschland unterscheidet. Die britische Aufsicht umfaßt heute den Konzessionszwang, die Vorgabe von Normen, vor allem zur Solvabilität, und eine umfangreiche Publizität. Das DTI muß immer dann eingreifen, wenn ein Versicherer gegen Rechtsvorschriften oder den Geschäftsplan verstößt. Dabei reicht ein begründeter Verdacht für einen Verstoß aus. Außerdem gibt es eine generalklauselartige Eingriffsbefugnis, wenn die dauernde Erfiillbarkeit der Verpflichtungen nicht (mehr) gesichert ist 107 . 103 Hohlfeld, K.: Zukunft des Verbraucherschutzes durch Versichenmgsaufsicht, in: Versichenmgen in Europa heute tmd morgen, Geburtstags-Schrift für Georg Büchner, hrsg. von Franz Wilhelm Hopp tmd Georg Mehl, Karlsruhe 1991, S. 373. 104 Neuhaus, R.: Die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen der Versichenmgswirtschaft in Großbritannien, Karlsruhe 1994, S. 1-2. 10' Müller spricht sogar von der Einfiihnmg der materiellen Staatsaufsicht (anderer Art), vgl. Müller, H.: Die zukünftige Rolle des Btmdesaufsichtsamtes für das Versiehenmgswesen, in: VW 1993, S. 555. 106 Bremkamp, D.: Der englische tmd deutsche Sachversichenmgsmarkt, Versuch eines Vergleichs aus der Sicht eines Praktikers, in: Versichenmgsmärkte im Wandel Herausfordenmgen für Theorie tmd Praxis, Karlsruhe 1987. 107 Neuhaus, R.: Die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen der Versichenmgswirtschaft in Großbritannien, Karlsruhe 1994, S. 159-160.

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A. Regulienmg der Versichenmgsmärkte

Im britischen Versicherungsmarkt herrscht weitgehende Vertragsfreiheit. Der staatliche Einfluß auf die Versicherungsgeschäfte ist gering. Bei den für Versicherungsverträge bedeutenden Obliegenheiten (warranties) kam es in den 70er Jahren aufgrund zunehmender öffentlicher Kritik zu einer Kurskorrektur. Die Versicherungswirtschaft verpflichtete sich in den Statements of Insurance Practice, gegenüber den Versicherungsnehmern nicht die ganze Härte des britischen Versicherungsrechts anzuwenden 108 . Nach den Statements müssen die Versicherungsnehmer ihre Angaben vor Vertragsabschluß und im Versicherungsfall nur noch nach bestem Wissen und Gewissen machen. Fehlende, unvollständige oder fehlerhafte Angaben führen nicht mehr automatisch zur Vertragsauflösung oder Leistungsverweigerung. Als Reaktion auf die erwähnten Insolvenzen wurde 1975 der Policyholders Protection Act erlassen. Zentrale Maßnahme war die Einrichtung eines Konkurssicherungsfonds. Der Fonds tritt ein, wenn ein Versicherer die Ansprüche der Versicherungsnehmer nicht mehr aus seinem Vermögen befriedigen kann. Bei Pflichtversicherungen werden die Ansprüche voll gedeckt, in den anderen Zweigen zu 90 Prozent. Die Finanzierung erfolgt bei Bedarf durch eine Umlage auf die Versicherer. Die Umlage soll ein Prozent der Prämieneinnahmen der Versicherer für eigene Rechnung des Vorjahres nicht übersteigen 109 . Für die Regulierung des Vertriebs gibt es im Vereinigten Königreich detaillierte Bestimmungen. Dazu gehört vor allem die Polarisierung zwischen ungebundenen und gebundenen Vermittlern. Der Kunde soll wissen, wer ihn bei der Suche nach optimalem Versicherungsschutz unterstützt. Gebundene Vermittler müssen dem Versicherungsnehmer das "passendste" Produkt ihres Unternehmens anbieten. Ungebundene Vermittler müssen den Interessenten mit Blick auf den gesamten Markt bestmöglich beraten (best advice). Seit 1995 sind alle Vermittler verpflichtet, dem Kunden ihre Provisionen offenzulegen. Darüber hinaus ist der Versicherungsnehmer vor Abschluß eines Vertrages und während der Laufzeit umfassend über das Angebot und den Anbieter zu informieren llo .

108 Mit dieser Selbstbeschränkung konnte die britische Versicherungswirtschaft verhindern, daß der Unfair Contract Terms Act (vergleichbar mit dem deutschen AGBGesetz) auch Versicherungsverträge eIfaßt. 109 Neuhaus, R.: Die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen der Versichenmgswirtschaft in Großbritannien, Karlsruhe 1994, S. 187-192. 110 Neuhaus, R.: Die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen der Versicherungswirtschaft in Großbritannien, Karlsruhe 1994, S. 193-200; o.v.: Taming the fmancial advisers, in: Which?, Heft 5/1995, S. 22.

IV. Realtypen von Regulienmgssystemen

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5. Zusammenfassung zu Fallgruppen von Regulierungssystemen

Die unterschiedliche Struktur der beschriebenen Regulierungssysteme läßt sich wie folgt zusammenfassen 111 : Regulienmgsziele Regulienmgsinstitutionen Regulienmgsobjekte Regulienmgsinsturmente

Beispiele

Schutz der Versichenmgsnehmer, Schwerpunkt auf dem Gläubigerinteresse primär staatlich Versicherer Versichenmgsgeschäfte Publizität Vorgabe von Normen Zulassungszwang Genehmigungspflicht fiir Bedingungen und Prämien materielle Eingriffe der Aufsichtsbehörde Deutschland Italien Spanien Frankreich

Schutz der Versichenmgsnehmer, Gläubiger- und Schuldnerinteresse gleichrangig staatlich privatrechtlich Versicherer Versichenmgsvermittler Publizität Vorgabe von Normen Zulassungszwang Konkurssichenmgsfonds

Vereinigtes Königreich Irland Niederlande

6. Ergebnisse

Farny ll2 ist der Auffassung, daß die materielle Staatsaufsicht in Deutschland ihre Ziele im wesentlichen erreicht und gute Ergebnisse gebracht hat. Er verweist vor allem auf den fairen und qualitativ hochwertigen Versicherungsschutz ll3 , die Transparenz und auf die Tatsache, daß die Ansprüche der Versicherungsnehmer immer erfüllt wurden. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat es keine spektakulären Zusammenbrüche von Versicherern gegeben. In den ver111 Frutos, M., de: EC Insurance Law - General Introduction, in: Insurance and EC Law Commentary, hrsg. von Martijn van Empel und Rumbert Drabbe, Amsterdam 1994, S. 16-17. 112 Famy, D.: Ein Konkurssichenmgsfonds in der Versichenmgswirtschaft, Ei des Kolumbus oder Windei, Karlsruhe 1990, S. 8; Famy, D.: (De--)Regulienmg von Versichenmgsmärkten, in: ZfB 1987, S. 1010; Famy, D.: Die Regulienmg der privaten Versichenmgswirtschaft: Von einer guten Vergangenheit in eine bessere Zukunft?, in: Versichenmgen in Europa heute und morgen, Geburtstags-Schift fiir Georg Büchner, hrsg. von Franz Wilhelm Ropp und Georg Mehl, Karlsruhe 1991, S. 286-287; Famy, D.: Versichenmgsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 82-83. 113 Famy, D.: Die Versichenmgswirtschaft im Wettbewerbsprozeß der Marktwirtschaft, in: ZVersWiss 1979, S. 68.

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gangenen 25 Jahren sind lediglich zwei Versicherer in Konkurs gegangen, ein spezialisierter Transportversicherer 1l4 und die Niederlassung eines niederländischen Kraftfahrzeugversicherers. Das Prämienniveau war auch im internationalen Vergleich angemessen. Die Lebensversicherer brachten den Versicherungsnehmern durchschnittlich über 97 Prozent der Überschüsse gut. Farny verweist darauf, daß sich in den vergangenen Jahren die Zahl der Anbieter von 8 138 auf 2 789 vermindert hat. Eine große Zahl nicht mehr wettbewerbsfähiger Versicherer ist damit aus dem Markt ausgeschieden. Nachteilig wirkten sich nach seiner Auffassung die eingeschränkten Wettbewerbseffekte aus, insbesondere die geringen Anreize zur Produktinnovation (aufgrund der aufsichtsbehördlichen Genehmigungspraxis bei den Versicherungsbedingungen) und zur innerbetrieblichen Effizienzsteigerung. Insgesamt stellt FarnyllS fest, daß die Versicherer in Deutschland dem Typus autonomer Unternehmer entsprachen, auch wenn die materielle Staatsaufsicht ihre Autonomie einschränkte. Die deutsche Versicherungswirtschaft war grundsätzlich nach dem Prinzip der Marktwirtschaft mit Wettbewerb unter Anbietern und Nachfragern organisiert und der Wettbewerb auf den Versicherungsmärkten funktionsfähig. Büchner1l6 weist darauf hin, daß der deutsche Markt offen und der Konzentrationsgrad gering war, sich die Marktanteile der Versicherer über die Jahre (in einigen Versicherungszweigen) deutlich verändert haben, wegen der hohen Markttransparenz ein intensiver Preiswettbewerb herrschte, die Produkte ,,made in Germany" einem internationalen Qualitätsvergleich ohne weiteres standhielten und es Innovationen gab. Deregulierungs- und Monopolkommission kamen 1987 zu einem anderen Ergebnis. Sie stellten in ihren Gutachten über die (De-)Regulierung des deutschen Versicherungsmarktes fest, daß die Regulierung die Bereitstellung eines ausreichend differenzierten und preiswürdigen Versicherungsschutzes behindert hat, maßgeschneiderter Versicherungsschutz nicht erhältlich war, die Verträge häufig zu viele oder zu wenige Risiken deckten und Neuentwicklun-

114 Rittner, F.: Wettbewerb auf den Versichenmgsmärkten aus rechtswissenschaftlicher Sicht, in: ZVersWiss 1985, S. 203. 115 Famy, D.: Privatversichenmg, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften, hrsg. von Willi Albers u.a., Stuttgart, New York, Tübingen, Göttingen, Zürich 1977/83, 6. Band, S. 233, 252-254; Famy, D.: Versichenmgsbetriebslehre: Wirtschaftliche Theorie des Versichenmgsunternehmens und seiner Beziehungen zur Umwelt, in: ZVersWiss 1990, S. 14-17,27-29. 116 Büchner, G.: Die Versichenmgswirtschaft in der Wettbewerbsordnung, in: VW 1988, S. 394-395; Büchner, G.: Wettbewerb auf den Versichenmgsmärkten aus der Sicht der Anbieter, in: ZVersWiss 1985, S. 614-615.

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gen oft erst mit langen Verzögerungen auf den Markt gebracht wurden!17 . Außerdem schützte die Regulierung die dominierende Vertriebsform (gebundene Vermittler) und erhielt Marginalanbieter, die unter Wettbewerbsbedingungen aus dem Markt ausgeschieden wären" 8 . Monopol- und Deregulierungskommission forderten eine weitgehende Aufhebung der Vereinheitlichung der Versicherungsbedingungen und Tarifmerkmale. Sie versprachen sich davon einen intensiveren Innovations- und Bedingungswettbewerb, bezcr gen auf DeckungsumIange, Selbstbehalte und Tarifmerkmale. Die Monopolkommission erwartete auch einen Wettbewerb der Absatzverfahren. Sie nahm an, daß die gebundenen Vermittler Marktanteile verlieren, weil sie teuer sind und die Informationsbedürfnisse der Kunden nicht optimal befriedigen 1l9 . Im Vereinigten Königreich betraf die größte Insolvenz 1971 die Vehicle and General Insurance Company mit mehr als 800 000 Versicherungsnehmern. Als wichtigste Gründe für den Zusammenbruch wurden damals Nachlässigkeiten und mangelnde Qualifikation der DTI-Mitarbeiter sowie eine personelle Unterbesetzung ausgemacht. Außerdem war die interne Rechnungslegung der Versicherer gegenüber dem DTI mangelhaft 120 . 1974 folgte der Zusammenbruch der National Life Insurance Company, einem Lebensversicherer mit etwa 80 000 Kunden. Nach den erwähnten Veränderungen im Regulierungssystem seit 1975 hat sich der Markt stabilisiert, auch wenn die Zahl der Konkurse in den 90er Jahren deutlich höher lag als in allen anderen europäischen Ländern l2l . Das Produktangebot britischer Versicherer ist vielfältig. In internationalen Preisvergleichen schneiden sie meist gut ab 122 . 117 Deregulienmgskommission (Hg.): Marktöffinmg lUld Wettbewerb, Erster Bericht, Deregulienmg als Programm?, Das Versichenmgswesen, das Verkehrswesen, 1990, S. 69-73; Monopolkommission (Hg.): Die WettbewerbsordnlUlg erweitern, Siebentes Hauptgutachten 1986/87, Baden-Baden 1988, S. 240-241; Finsinger, 1.: Zur Deregulienmg von Versichenmgsmärkten, in: ZfB 1988, S. 702. 118 Krause, 1.: Die Deregulienmgsdiskussion - theoretische Gnmdlagen lUld BedeutlUlg für die Versichenmgswirtschaft, in: VW 1988, S. 406. 119 Monopolkomission (Hg.): Die WettbewerbsordnlUlg erweitern, Siebentes Hauptgutachten 1986/87, Baden-Baden 1988, S. 246; Gäfgen, G. / Andres, A: Regulienmg lUld Versichenmgswirtschaft - Die ökonomische Perspektive, in: Versichenmgsmärkte lUld Wettbewerb, hrsg. von der ForschlUlgsgesellschaft für Wettbewerb lUld Unternehmensorganisation, Baden-Baden 1989, S. 13-33. 120 Neubaus, R.: Die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingwgen der Versichenmgswirtschaft in Großbritannien, Karlsruhe 1994, S. 16. 121 Schweizer Rück (Hg.): InsolvenzentwickllUlg lUld BedeutlUlg der Bonität in der Assekuranz, in: Wirtschafts studien, Heft 7/1995, S. 6. 122 VgJ. Carter, R.: The UK Insurance Industry and the European CommlUlity, in: Risiko Versichenmg Markt, Festschrift für Walter Karten, hrsg. von Dieter Hesberg, Martin NelllUld Winfried Schott, Karlsruhe 1994, S. 149-150.

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A. Regulienmg der Versichenmgsmärkte

Daß die Anzahl der Konkurse allein kein geeigneter Maßstab ist, um ein Regulierungssystem zu beurteilen, zeigt das Beispiel der Vereinigten Staaten. Die Regulierung geht in den meisten Bundesstaaten auf dem Papier von einem System der materiellen Staatsaufsicht aus 123 . Trotzdem sind allein zwischen 1958 und 1968 über 100 Kraftfahrzeugversicherer zahlungsunfähig geworden. In der Lebensversicherung hat es in den 80er Jahren weit über 100 Versicherungskonkurse gegeben. Häufigste Ursachen waren Managementfehler sowie ungenügende Aufsicht durch personell und sachlich schlecht ausgestattete Behörden in einigen Bundesstaaten.

123 Oehmke, R.: Gläubigerschutz durch Insolvenzsichenmgsfonds in einem deregulierten Versicherungsmarkt, Karlsruhe 1990, S. 103.

B. Liberalisierung der Versicherungsmärkte I. Begriff der Liberalisierung

Liberalisierung bedeutet nach Mogwitz 1 den ,.Abbau von Beschränkungen im zwischenstaatlichen Austausch von Waren und Dienstleistungen mit dem Ziel ihrer Beseitigung". Nach dieser Definition umfaßt Liberalisierung nicht die Beseitigung faktischer Beschränkungen des Marktzugangs, die meist eine ähnliche Wirkung haben, sich aber durch (staatliche) Maßnahmen nur bedingt ausräumen lassen. Liberalisierung ist ein Unterbegriff der Deregulierung. Die Begriffe werden in dieser Arbeit unterschieden, um die Wirkung von Liberalisierung (Liberalisierungs- oder Binnenmarkteffekte) und Deregulierung (Deregulierungseffekte) getrennt analysieren zu können. Der von der EU angestrebte Binnenmarkt gilt als Prototyp eines liberalisierten Marktes. Er umfaßt nach Artikel 7a des EU-Vertrags2 "einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital [... ] gewährleistet ist". Der Begriff des Binnenmarktes wird gegenüber dem des Gemeinsamen Marktes in Artikel 2 des EU-Vertrags teils als weitergehend, teils als enger betrachtee . Es handelt sich im wesentlichen um juristische Feinheiten. Wirtschaftlich besteht kein Unterschied. Beim Binnenmarkt handelt es sich um den Gemeinsamen Markt in seiner Vollendung4 • Der Europäische Gerichtshof (EuGH) definiert die Schaffung des Bin1 Mogwitz, H.: Liberalisienmg, in: Handwörterbuch des Versichenmgswesens, hrsg. von Eberhart Finke, Band 1, Darmstadt 1958, Sp. 1306. 2 Der EG-Vertrag wurde zuletzt geändert durch den Vertrag über die Europäische Union, den sogenannten "Vertrag von Maastricht", der als Bestandteil der Schlußakte am 7. Februar 1992 von den Vertretern der Mitgliedstaaten in Maastricht \Dlterzeichnet worden ist, vgl. Vertrag über die Europäische Union (Maastricht-Vertrag) mit sämtlichen Protokollen \Dld Erkläf\Dlgen \Dld Vertrag zur Gtiind\Dlg der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag). 3 Zur Diskussion, vgl. Müller-Graf, P.-C.: Binnenmarktziel \Dld Rechtsordn\Dlg, Bergisch Gladbach, Köln 1989, S. 8-13. 4 Geiger, R.: EG-Vertrag, Kommentar zu dem Vertrag zur Gtiind\Dlg der Europäischen Gemeinschaft, München 1993, S.57. Die Einheitliche Europäische Akte (EEA) setzte der EU das Ziel, bis zum 31. Dezember 1992 einen Binnenmarkt zu verwirklichen. Sie schaffie vor allem die VoraussetZ\Dlgen, um das Konzept des Gemeinsamen Marktes besser \Dld schneller zu verwirklichen. Dazu gehörte insbesondere die Einfiihf\Dlg der Beschlußfass\Dlg des Rates mit qualifizierter Mehrheit.

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B. Liberalisienmg der Versichenm.gsmärkte

nenmarktes als die Beseitigung aller Hemmnisse im innergemeinschaftlichen Handel. Die nationalen Märkte verschmelzen zu einem einheitlichen Markt, in dem freier Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr herrscht. Ein System von Wettbewerbsregeln soll vor VerfaIschungen durch staatliche Maßnahmen (vor allem Beihilfen) oder private Maßnahmen (vor allem Vereinbarungen zwischen den Marktteilnehmern und Mißbräuche marktbeherrschender Stellungen) schützen. Nach außen erfordert ein solcher Markt eine gemeinsame Zoll- und Handelspolitik (Zollunion). Die Wirtschafts- und Währungsunion wurde durch den Europäischen Unionsvertrag als die dem Binnenmarkt folgende Integrationsstufe in den EUVertrag aufgenommen (Artikel 2 EU-Vertrag). Sie umfaßt vor allem eine gemeinsame Wirtschaftspolitik, die unwiderrufliche Festlegung der Wechselkurse als Basis für eine gemeinsame Währung sowie eine einheitliche Geld- und Wechselkurspolitik, die vorrangig dem Ziel der Preisstabilität verpflichtet ist5 .

11. Beschränkungen der Liberalisierung (Marktzugangsbeschränkungen) Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Marktzugang für Versicherer rechtlich zu beschränken. Entsprechend der klassischen Einteilung im Warenbereich wird im folgenden unterschieden zwischen Tätigkeitsverboten, Kontingentierungen, tarifären Hemmnissen und nicht-tarifären Hemmnissen6 . Die strengste Zugangsbeschränkung ist ein Tätigkeitsverbot für ausländische Versicherer. Monopolisierung der Versicherungswirtschaft oder Einräumung territorialer Monopolrechte für alle oder bestimmte Versicherungszweige, meist für staatliche Versicherer, kommen dabei einem Tätigkeitsverbot für andere Anbieter gleich. Ein Beispiel sind die Monopolrechte der öffentlichrechtlichen Versicherer in einigen Bundesländern, die erst Mitte 1994 gefallen sind. Ähnlich zu bewerten sind die Verpflichtung, die beim Handel mit Entwicklungsländern häufig besteht, Importe und in einigen Fällen auch Exporte bei einem inländischen Anbieter zu versichern oder die Vergabe öffentlicher Aufträge an inländische Anbieter.

S Zu den Integrationsstufen, vgl. Siebert, H.: Zölle IV, Zolhmionen und Präferenzzonen, in: HdWW, 9. Band, hrsg. von Willi Albers~ Karl Erich Born u.a., Stuttgart, Tübingen, Göttingen 1988, S. 666-667; vgl. C.V1.4. 6 Carter, L.: Obstacles to cross frontier insurance services, London 1990; Dassesse, M.: Tax obstacles to banking activities in the EEC, in: Butterworths Journal ofInternational Banking and Finance, Heft 4/1988, S. 315-319; Mukherjee, N.: Multilateral Negotiations and Trade Barriers in Service Trade, in: Journal of World Trade, Heft 5/1992, S. 45-49.

11. Beschränkungen der Liberalisienmg

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Kontingentierungen können unterschiedlich gestaltet werden. Neben der Festlegung einer Höchstzahl von Zulassungen für ausländische Versicherer (beispielsweise im Rahmen einer Bedürfnisprüfung) kann die Anzahl der Verträge begrenzt werden, die inländische Versicherungsnehmer bei ausländischen Versicherern abschließen dürfen. Häufig wird die Deckung eines Risikos bei einem nicht zugelassenen (ausländischen) Versicherer auf die Fälle beschränkt, in denen inländische Anbieter nicht bereit oder in der Lage sind, die Risiken (allein) zu decken. Ein Beispiel dafür ist das sogenannte excess business in den Vereinigten Staaten. Tarifäre Hemmnisse in Form von Zöllen gibt es im Versicherungsbereich nicht. Eine ähnliche Wirkung - nämlich ausländische Produkte künstlich zu verteuern - kann indes von steuerlichen Bestimmungen ausgehen. Am gravierendsten sind die höhere Besteuerung ausländischer Versicherungsprodukte, vor allem durch höhere Versicherungsteuern (etwa die Versicherungsfluchtsteuer in Österreich), die Versagung der Abzugsfahigkeit der Versicherungsprämien vom zu versteuernden Einkommen oder die höhere Besteuerung der Leistungen im Versicherungsfall. Weitere Formen sind die steuerliche Diskriminierung bestimmter Tätigkeitsformen. Nicht-tarifäre Hemmnisse des Marktzugangs treten in vielfältiger Form auf7 . Sie sind eng verbunden mit den Regulierungssystemen der einzelnen Länder und haben häufig den Nebeneffekt, inländische Anbieter vor ausländischen Konkurrenten zu schützen. Die in der Praxis häufigsten Formen nichttarifärer Marktzugangsbeschränkungen werden nachstehend besprochen: - An erster Stelle steht das Verbot, für im Inland belegene Risiken Versicherungsschutz bei einem ausländischen Versicherer zu erwerben, der im Inland nicht zugelassen ist beziehungsweise das Verbot für ausländische Versicherer, Versicherungsschutz für im Inland belegene Risiken ohne aufsichtsbehördliche Zulassung anzubieten. In die gleiche Richtung geht das Verbot für Versicherungsvermittler, für im Inland belegene Risiken Versicherungsschutz von ausländischen Versicherern zu vermitteln. Die Zulassung eines ausländischen Versicherers wird oft mit der Verpflichtung verbunden, im Inland eine Niederlassung zu errichten. Die Folge: Die Versicherer benötigen für jeden Markt, in dem sie tätig werden wollen, eine eigene Zulassung. Das ist mit erheblichen Kosten verbunden. Die Zulassungsbedingungen sind

7 Eine Synopse der nicht-tarifaren Handelshemmnisse gibt Donges, J.: Handelshemnisse, nicht tarifäre, in: HdWW, 3. Band, hrsg. von Willi Albers, Karl Erich Born u.a., Stuttgart, Tübingen, Göttingen 1988, S. 785.

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B. Liberalisienmg der Versichenmgsmärkte

zudem nicht immer eindeutig. Häufig hat die Aufsichtsbehörde Ermessensspielräume. Sie kann zum Beispiel die Zulassung verzögern. - Der Marktzugang kann für ausländische Versicherer dadurch erschwert werden, daß sie einen Teil ihres Geschäfts an einen inländischen (meist staatlichen) Rückversicherer zedieren müssen, wie etwa bis 1993 in Italien. - Devisenkontrollen können die Überweisung von Prämien inländischer Versicherungsnehmer an ausländische' Versicherer und von Leistungen im Versicherungsfall einschränken (oder verbieten8 ). Sie machen es Versicherern oft unmöglich, ihre Verpflichtungen mit währungskongruenten Vermögenswerten zu decken, so daß ein Währungsrisiko entsteht oder bestehen bleibt. - Ausländische Anbieter werden daran gehindert, die Produkte, die sie in ihrem Heimatmarkt verkaufen, in andere Märkte zu exportieren. Sie müssen die Produkte den Verhältnissen des jeweiligen Importlandes anpassen. Durchgesetzt wird dies in der Regel durch aufsichtsbehördliche Genehmigungspflichten für Versicherungsbedingungen und/oder -prämien. - Ausländische Anbieter dürfen für ihre Produkte nur beschränkt werben. Werbung, die sich an einzelne Kunden richtet, ist oft nicht gestattet. - Ausländische Anbieter sind häufig verpflichtet, die Vermögenswerte, die die versicherungstechnischen Rückstellungen decken, im Tätigkeitsland zu halten und einen Teil in staatliche Anleihen anzulegen. Es ist verboten, die Vermögenswerte im Ausland zu investieren. - Die Übernahme inländischer Versicherer (oder deren Bestände) kann vielfaItigen Beschränkungen unterliegen, zum Beispiel gibt es Höchstgrenzen für die Beteiligung von Ausländern an inländischen Versicherern oder die Verpflichtung, Inländer an einer zu errichtenden Gesellschaft zu beteiligen. Neben den rechtlichen Beschränkungen gibt es viele faktische Beschränkungen des Marktzugangs. Die Motive für Marktzugangsbeschränkungen sind vielfaItig. In den Entwicklungsländern (häufig aber auch in entwickelten Ländern) steht der Schutz der einheimischen Wirtschaft im Vordergrund, der meist mit dem Infant-Industry-Argument begründet wird. Danach werden die ausländischen Anbieter (vorübergehend) ausgeschlossen, weil die dadurch entstehenden Wohlfahrtsverluste geringer eingeschätzt werden als die langfristigen Vorteile des Aufbaus "eigener Anbieter". Dies gilt insbesondere in Branchen, in denen inlän-

8

In diesem Fall besteht praktisch ein Tätigkeitsverbot.

III. Begründung der Liberalisierung

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dische Anbieter einen komparativen Vorteil besitzen, den sie unter dem Druck erfahrener ausländischer Konkurrenten nicht entwickeln könnten. Ebenfalls hauptsächlich Entwicklungsländer versuchen, durch Marktzugangsbeschränkungen für ausländische Anbieter eine ausgewogene beziehungsweise diversifizierte Wirtschaftsstruktur zu schaffen. Das betrifft oft Dienstleistungsbereiche mit Infrastrukturcharakter, von deren Entwicklung positive Effekte für den Aufbau anderer Wirtschaftszweige erwartet werden. Beispiele sind die Telekommunikation sowie Banken und Versicherungen. Weiterhin kann eine Devisenknappheit oder generell eine unausgeglichene Zahlungsbilanz dazu verleiten, ausländische Anbieter vom inländischen Markt fernzuhalten, um so den (weiteren) Abfluß von Devisen zu unterbinden, etwa für Importe oder Gewinntransfers. Häufig wird der beschränkte Marktzugang auch damit gerechtfertigt, daß Inländer die Verfügungsrnacht über Schlüsselbereiche der Wirtschaft behalten . sollen. Dabei wird meist mit nationaler Unabhängigkeit argumentiert, etwa der Bedeutung des nationalen Bankensystems für geldpolitische Maßnahmen. Schließlich wird für Beschränkungen des Marktzugangs angeführt, daß inländische Verbraucher geschützt werden müssen und dies nur dann wirkungsvoll geschehen kann, wenn auslänische Anbieter im Inland eine Niederlassung errichten und der entsprechenden Regulierung in vollem Umfang unterliegen. Bei Aufnahme von Handel schrumpfen die Wirtschaftszweige, die einen relativen Preisnachteil haben. Produktionsmenge und Beschäftigung gehen zurück. Diese Nachteile konzentrieren sich meist auf einen oder wenige Wirtschaftszweig(e) oder auf eine Region, während die Vorteile des Handels der gesamten Volkswirtschaft zu Gute kommen. Die Betroffenen können sich in der Regel gut organisieren und einen (staatlichen) Schutz durchsetzen9 . ill. Begründung der Liberalisierung 1. Ansätze der AuBenhandelstheorie

Ausgangspunkt der nachstehenden Ausführungen ist die Frage, ob und unter welchen Bedingungen die aus dem internationalen Warenhandel bekannte Außenhandelstheorie auf den internationalen Dienstleistungshandel übertragen werden kann. Die theoretische Behandlung dieser Frage befindet sich noch in den Anfangen. In den Standardwerken der Außenhandelstheorie sucht man 9

Siebert, H: Außenwirtschaft, 6. Auflage, Stuttgart 1994, S. 168-169.

5 Rabe

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B. Liberalisienmg der Versichenmgsmärkte

vergeblich nach einem Kapitel über den Dienstleistungshandel, obwohl die Bedeutung der Dienstleistungen in den entwickelten Ländern in den vergangenen Jahren enorm zugenommen hat. So beträgt ihr Anteil am Bruttosozialprodukt der Vereinigten Staaten bereits 52 Prozent. Fast 80 Prozent der Erwerbstätigen sind dort im Dienstleistungssektor tätig10 . Der internationale Handel mit Dienstleistungen lag 1992 bei rund 810 Mrd. $. Das waren knapp 20 Prozent des gesamten Handelsvolumens ll . Dienstleistungen werden genauso wie Waren durch Kombination von Produktionsfaktoren hergestellt und unterliegen den gleichen ökonomischen Regeln. Allerdings weisen sie andere Charakteristika auf als Waren. Es muß daher untersucht werden, ob die Außenhandelstheorie auf Dienstleistungen anwendbar ist oder angepaßt werden muß l2 . Warenaustausch zwischen zwei Ländern kommt zustande, wenn ein Land für eine Ware bei einem bestimmten Wechselkurs einen absoluten Preisvorteil hat. Eine weitere Bedingung ist, daß die Tauschwünsche der Länder reziprok sind, daß ein Land für die ausgeführten Waren also eine Gegenleistung erhält. Warenaustausch zwischen zwei Ländern kommt ferner zustande, wenn ein Land komparative Preisvorteile hat. Das ist dann der Fall, wenn es für eine Mengeneinheit einer Ware A weniger Mengeneinheiten einer Ware B hergeben muß als in einem anderen Land, es also günstigere Opportunitätskosten hat. Das kann zum Beispiel darauf zurückzuführen sein, daß die Ware A zu geringeren Kosten hergestellt werden kann oder nicht so stark nachgefragt wird!3 . Hat ein Land komparative Preisvorteile für eine Ware, so wird es sich auf die Produktion und den Export dieser Ware spezialisieren. Relative Preisvorteile signalisieren damit, wo der Produktionsstandort der Ware sein soll. David Ricardo erkannte bereits 1817, daß relative Preisvorteile durch komparative Kostenvorteile erklärt werden können, die sich aus unterschiedlichen Arbeitsproduktivitäten ergeben. Danach exportiert ein Land eine Ware, wenn es relativ weniger Arbeit zu seiner Produktion aufwenden muß.

10 Broadman, H: GATS: Tbe Uruguay Rotmd Accord on International Trade and Investment in Services, in: Tbe World Economy 1994, S. 283. 11 Broadman, H: GATS: Tbe Uruguay Rotmd Accord on International Trade and Investment in Services, in: Tbe World Economy 1994, S. 283. 12 Fetzer, M.-V.: Ordntmgspolitische Probleme einer Liberalisiertmg des internationalen Dienstleisttmgsverkehrs - Das Beispiel der Banken tmd Versichertmgen in der EG, München 1992, S. 80-91. 13 Siebert, H: Außenwirtschaft, 6. Auflage, Stuttgart 1994, S. 16-27; Siebert, H: Einführung in die Volkswirtschaftslehre, 11. Auflage, Stuttgart, Berlin, Köln 1992,

S.371.

ill. Begründung der Liberalisierung

67

Neben der Arbeitsproduktivität gibt es eine Reihe von Bestimmungsfaktoren für relative Preisvorteile, die im folgenden kurz aufgezeigt werden l4 : - Nachfragebedingungen. Ist die Nachfrage in einem Land für eine bestimmte Ware gering, so wird der Preis im Vergleich zu einem anderen Land, in dem die Nachfrage nach der Ware höher ist, niedrig sein. Eine relativ geringe Nachfrage begründet also einen Preisvorteil. Bei identischen Produktionsbedingungen und identischer Faktorausstattung exportiert ein Land diejenige Ware, die vor Aufnahme des Handels in diesem Land relativ weniger stark und in einem anderen Land relativ stärker nachgefragt wird. - Produktivitätsniveau. Neben dem eben diskutierten Ricardo-Fall der Arbeitsproduktivität können die Produktionsfaktoren unterschiedlich effizient sein, etwa aufgrund unterschiedlicher Qualität oder eines unterschiedlichen technischen Niveaus. - Faktorausstattung (im Sinne der Faktorreichlichkeit). Faktoren sind Arbeit, Kapital, technisches Wissen, Boden, natürliche Rohstoffe und Umwelt. Siebert1S nennt außerdem die politische und soziale Stabilität eines Landes. Ein Land kann kapitalreich sein, ein anderes arbeitsreich. Wenn in einem kapitalreichen Land das Kapital kostengünstiger ist als die Arbeit, kann dort eine kapitalintensiv produzierte Ware günstiger hergestellt werden, so daß Preisvorteile entstehen. Es importiert dafür arbeitsintensivere Waren 16 . Für Dienstleistungen, die der Anbieter im Herkunftsland produziert und an den Kunden im Importland exportiert, ist die Theorie der komparativen Kosten- oder Preisvorteile ohne weiteres anwendbar. Die meisten Dienstleistungen können aber nur am Ort des Kunden erbracht werden und mußten es bei Versicherungen aus aufsichtsrechtlichen Gründen bislang auch meist. Es handelt sich bei Versicherungen somit überwiegend um nicht handelbare Güter (non-tradeable goods)17 . Die Anbieter müssen im Importland eine dauerhafte

14 Siebert, H: Außenwirtschaft, 6. Auflage, Stuttgart 1994, S. 42, 44, 46; Siebert, H: Einführung in die Volkswirtschaftslehre, 11. Auflage, Stuttgart, Berlin, Köln 1992, S.371-372; Hesse, H: Außenhandel I, Determinanten, in: HdWW, 1. Band, hrsg. von

Willi Albers, Karl Erich Born u.a., Stuttgart, Tübingen, Göttingen 1988, S. 372-383. I' Siebert, H: Außenwirtschaft, 6. Auflage, Stuttgart 1994, S. 81; Europäische Kommission (Hg.): Trade and Investment, Discussion Paper, Brüsse11994, S. 3. 16 Diese Aussage wird durch eine empirischen Untersuchung fiir die Vereinigten Staaten widerlegt, vgl. Siebert, H: Außenwirtschaft, 6. Auflage, Stuttgart 1994, S. 7779. 11 Marcus, K. I Webster, A.: Comparative Advantage and the Location of Inward Foreign Direct Investment: Evidence from the UK and South Corea, in: Tbe World Economy 1995, S. 316; Siebert, H: Außenhandel, 6. Auflage, Stuttgart 1994, S. 86; 5'

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B. Liberalisienmg der Versichenmgsmärkte

Präsenz errichten, das heißt die Produktionsfaktoren dorthin bringen oder dort beschaffen 18 . Die Standardmodelle der traditionellen Außenhandelstheorie beruhen jedoch auf der Annahme, daß die Produktionsfaktoren international weitgehend immobil sind. Sie sind daher auf diese Form die Dienstleistungserbringung nur bedingt anwendbar. Im übrigen ist zweifelhaft, ob bei Versicherungen absolute oder relative Preisvorteile überhaupt bestehen. Um dies zu zeigen, ist es zweckmäßig, die wesentlichen Kostenbestandteile bei der Prämienberechnung zu analysieren. Die Kosten für das Risikogeschäft werden als Risikokosten bezeichnet. Sie umfassen die Kosten für die Erbringung der Versicherungsleistung für eigene Rechnung (Schadenkosten), die Rückversicherungskosten und die Kosten für die Verzinsung des Sicherheitskapitals 19 . Die Schadenkosten hängen neben risikopolitischen Entscheidungen der Versicherer wesentlich von lokalen oder regionalen Gegebenheiten ab, die sich erheblich (von Land zu Land) unterscheiden. Kostenvorteile eines Landes oder eines Standorts können daher nicht auftreten. Die Rückversicherungskosten stellen den Erwartungswert der rückversicherten Schäden zuzüglich eines Zuschlags dar. Sie sind ebenfalls abhängig von den lokalen und regionalen Gegebenheiten. Die Verzinsung des Sicherheitskapitals richtet sich nach den Renditeerwartungen der Kapitalgeber, die meist standortunabhängig sind. Die Betriebskosten setzen sich zusammen aus den Kosten für die angestellten Mitarbeiter, die Dienstleistungen der Vermittler und andere Lieferanten sowie für sachliche Betriebsmittel, Hilfs- und Betriebsstoffe. Hier können erheblichen Kostenunterschiede zwischen den Ländern auftreten, die allerdings meist durch Qualität und Effizienz kompensiert werden. Schließlich fließen in die Prämienberechnung (explizit oder implizit) Zinserträge ein. Die Höhe der Zinserträge ist neben der Kapitalanlagepolitik der Versicherer unter anderem von der Struktur und Effizienz der Kapitalmärkte abhängig. Standortabhängige Vorteile ergeben sich aber nur, wenn die Versicherer nicht zwischen unterschiedlichen Kapitalmärkten (bei der Anlage ihrer Vermögenswerte ) wählen dürfen, etwa aufgrund von Bestimmungen über Lokalisierung oder Währungskongruenz. Kostenunterschie-

Europäische Kommission (Hg.): Trade and Investment, Discussion Paper, Brüssel 1994, S. 7-8. 18 Originäre Produktionsfaktoren von Versicherern sind die Arbeitsleistungen von Mitarbeitern, Dienst- und Werkleistungen Dritter, Betriebsmittel, Hilfs- und Betriebsstoffe, Geld fiir Versichenmgsleistungen, Rückversichenmg und Kapitalnutzungen, vgl. Famy, D.: Versichenmgsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 424-439. 19 Famy, D.: Versichenmgsbetrieblehre, Karlsruhe 1989, S. 45.

III. Begründung der Liberalisierung

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de (und damit komparative Vorteile) können sich aus einer unterschiedlichen Regulierung der Märkte und Besteuerung der Versicherer ergeben20 . Ein für den Versicherungsbereich besser geeigneter Erklärungsansatz sieht die Triebfeder für Dienstleistungshandel nicht in relativen Kosten- oder Preisvorteilen, sondern in der Produktdifferenzierung und Präferenzvielfalt. Danach werden vor allem Dienstleistungen mit unterschiedlichen Markennamen, Aufmachungen, tatsächlichen oder vermeintlichen QuaIitätsunterschieden ausgetauscht21 . Wird im Ausland ein besser auf inländische Nachfragebedürfnisse zugeschnittenes Produkt angeboten, so besteht ein Grund, Dienstleistungen aus dem Ausland einzuführen. Nach einem anderen Erklärungsansatz ist für die Produktion von Versicherungsschutz Know-how erforderlich. Es wird angenommen, daß vor allem solche Länder Versicherungsschutz exportieren, die über dieses Know-how verfügen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß das Know-how (vor allem das Humankapital) immer weniger an ein Land gebunden, sondern aufgrund der Entwicklungen vor allem in der Informationstechnologie zunehmend international verfügbar ist. Eine letzter Erklärungsansatz für Dienstleistungshandel ist, daß potentielle Kostenvorteile der Massenproduktion (economies of scale) und bestehende Produktionskapazitäten nur dann ausgenutzt werden können, wenn ein Anbieter auch ausländische Märkte erschließt, der Heimatmarkt also zu klein isf2 . Bei Versicherungen ist umstritten, ob Größenvorteile bestehen23 beziehungsweise etwaige Vorteile, vor allem beim Risikoausgleich im Kollektiv, nicht durch größenbedingte Ineffizienzen aufgezehrt werden24 .

20 21

Vgl. D.III.l.b)ee). Samuelson, P. / Neuhaus, W.: Volkswirtschaftslehre 2,8. Auflage, Köln 1987, S.

648. 22 Bergeijk, P., van / Kabel, D.: Strategie Trade Theories and Trade Policy, in: Journal ofWorId Trade 1993, S. 176-178; Samuelson, P. / Neuhaus, W.: Volkswirtschaftslehre 2, 8. Auflage, Köln 1987, S. 647-648. 23 Größenvorteile werden vor allem bei den Risikokosten vermutet, weil der Variations- und Streuungskoeffizient des Gesamtschadens als Risikomaß von Versicherern mit zunehmender Größe kleiner wird sowie bei den Betriebskosten, vgl. Kotseh, H: Größenvorteile von Versicherungsunternehmen und Versicherungsaufsicht, KarIsruhe 1991, S. 262, 272-273. 24 Die wichtigste Kostenkomponente von Versicherern sind die Risikokosten. Durch das Gesetz der großen Zahl kommt es bei der Produktion des Gutes Versicherungsschutz zum Risikoausgleich im Kollektiv. Die Risikokosten werden mit zunehmender Größe eines Versicherers geringer. Für Einzelheiten, vgl. Kotseh, H: Größenvorteile von Versicherungsunternehmen und Versicherungsaufsicht, Karlsruhe 1991.

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B. Liberalisienmg der Versichenmgsmärkte

2. Vorteile der Uberalisierung

Die außenhandelstheoretischen Ansätze gehen davon aus, daß jedes Land für sich und die Welt insgesamt vom freien internationalen Handel profitiert. So führt der Handel über Spezialisierungen zu einer besseren Allokation der Ressourcen. Diese Effekte lassen sich nicht nur mit der Theorie der komparativen Kosten oder Preise begründen, sondern auch mit der Nichtverfügbarkeie5 , mit differenzierten Nachfragepräferenzen, Produktdifferenzierungen und mit Skalenerträgen. In diesen Fällen können die Kunden Dienstleistungen einer bestimmten Art zu Weltmarktpreisen erwerben, die sie ohne Handel nicht oder nur zu höheren Preisen erwerben könnten. Der internationale Handel führt jedoch nicht nur zu (statischen) Wohlfahrtsgewinnen, sondern verändert auch die Art und Weise, wie produziert wird. Solche (dynamischen) Wohlfahrtsgewinne entstehen, wenn sich inländische Anbieter unter dem Druck ausländischer Konkurrenz ständig bemühen müssen, ihre Effizienz zu steigern. Der internationale Handel führt außerdem zu Know-How-Transfer. 3. (Versuch der) Quantifizierung der Vorteile des Binnenmarktes

Die möglichen Effekte der Liberalisierung im Binnenmarkt hat die Europäische Kommission in einer Studie über die Kosten der Nichtverwirklichung Europas dargelegt (Cecchini-Berichti6 . Ausgangspunkt ist der Abbau der materiellen und technischen (der sogenannten nicht-tarifären) Handelshemmnisse. Unter dem Druck zunehmenden Wettbewerbs durch Öffnung der Märkte27 fallen die Preise, die Gewinnmargen der Unternehmen reduzieren sich. Dieser "Angebotsschock" löst einen eigendynamischen Prozeß aus. Durch sinkende Preise erhöhen sich die Realeinkommen. Dies führt nach der absoluten Einkommenshypothese zu einer Belebung der Nachfrage. Eine entscheidende Rolle spielen im Binnenmarkt Größenvorteile (Skaleneffektei8 , das heißt die 25 Hesse, H: Außenhandel I, Determinanten, in: HdWW, l. Band, hrsg. von Willi Albers, Karl Erich Born o.a., Stuttgart, Tübingen, Göttingen 1988, S. 367-372. 26 Es handelt sich um modellhafte Annahmen, eine genaue Quantifizienmg der Integrationseffekte ist nicht möglich, vgl. Schlecht, 0.: Europäische Gemeinschaft und Unternehmung, in: HWB, hrsg. von Waldemar Wittmann, Werner Kern u.a., 5. Auflage, Stuttgart 1993, Sp. 995-996. 27 Dabei ist zu berücksichtigen, daß 1987 rast 60 Prozent der Exporte der Mitgliedstaaten in andere EU-Mitgliedstaaten gegangen sind, 1958 waren es weniger als 40 Prozent. In Deutschland hängt jeder fiinfte Arbeitsplatz von der Ausfuhr in andere Mitgliedstaaten ab, vgl. Krips, U: Zur Vollendung des europäischen Binnenmarktes Erreichtes und Geplantes (I), in: VW 1988, S. 1371. 28 Industriepolitik in einem offenen und wettbewerbsorientierten Umfeld, Ansätze fiir ein Gemeinschaftskonzept, KOM (90) 556 endg., 16. November 1990, S. 12-13.

III. Begründung der Liberalisierung

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Senkung der Stückkosten, und zunehmende Erfahrung (Lern- oder Erfahrungskurveneffekte), das heißt die Kosten pro Stück sinken bei einer Verdoppelung der Produktionsmenge um einen bestimmten Prozentsatz 29 . Durch Anpassung an die veränderten Bedingungen können sich die Unternehmen für den europäischen und weltweiten Wettbewerb rüsten, vor allem mit amerikanischen und japanischen Anbietern30 . Mit seinen über 370 Millionen Einwohnern ist der Binnenmarkt der größte westliche Markt, gefolgt von den Vereinigten Staaten mit 246 Millionen Einwohnern31 . Die geringeren Preisspannen zwingen die Unternehmen, ihre interne Effizienz zu steigern. Dies gilt vor allem für frühere nationale Monopole und Oligopole sowie Unternehmen in bislang abgeschirmten Märkten. Durch die wirtschaftliche Belebung erhöhen sich die Steuereinnahmen. Die öffentliche Verschuldung kann zurückgeführt werden, die Lage am Arbeitsmarkt entspannt sich. Für Verbraucher eröffnet der Binnenmarkt nach dem Cecchini-Bericht ebenfalls günstige Perspektiven. So soll das derzeitige PreisgefaIle zwischen den Mitgliedstaaten verschwinden (These der Preiskonvergenz). Daneben soll die Produktpalette breiter und vielfältiger werden32 . In einem Vortrag vor dem Comite Europeen des Assurances (CEA) im November 1989 in Brüssel nannte Sir Leon Brittan, der damals für Finanzdienstleistungen zuständige Kommissar, als wichtigstes Ziel des Binnenmarktes für Versicherungen die größtmögliche Wahlfreiheit für die Versicherungsnehmer, also die bedarfsgerechte Risikodeckung zu einer günstigen Prämie33 . Nach dem Cecchini-Bericht wird die Marktintegration bei den finanziellen Dienstleistungen weitreichende Konsequenzen haben. Der "wachsende Kon29 Die Erfahrungskurve beschreibt den Verlauf der Stückkosten mit zunehmender kumulierter Produktionsmenge. Jede Verdoppelung ermöglicht eine Senkung der Stückkosten um einen festen Satz - meist zwischen 20 und 30 Prozent, vgl. Frese, E.: Untemehmensfiihrung, Landsberg am Lech 1987, S. 136. 30 Heath, E.: The Right Programme for Europe, Vortrag vor dem Royal Institute for International Relations, Brüssel, 29. Mai 1989, S. 14-15 (nicht veröffentlicht). 31 Hort, P. / Stabenow, M.: Die Unvollendete, in: FAZ vom 2. Januar 1993, S. 11. Bei der North American Free Trade Association (NAFTA) handelt es sich um eine Freihandeszone, nicht um einen Binnenmarkt. 32 Cecchini, P.: Europa '92: Der Vorteil des Binnenmarkts, 1. Auflage, Baden-Baden 1988,S. 17-18. " Brittan, Sir Leon: The Single Market for Insurance, Prospects for 1992, Speech to the Comite Europeen des Assuranees, Brüssel, 27. November 1989, S. 5 (nicht veröffentlicht).

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B. Liberalisienmg der Versichenmgsmärkte

kurrenzdruck wird sich stark auf das häufig überhöhte Preisniveau in diesen Branchen auswirken, [obwohl] auch nach dem Wegfall der Hindernisse [00'] in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU recht unterschiedliche Marktbedingungen herrschen dürften, die sich mit landes- und regional spezifischen Traditionen oder unterschiedlichen Risikofaktoren erklären lassen,,34. Ein Vergleich zwischen acht Mitgliedstaaten prognostiziert für die drei wichtigsten Bereiche, Banken, Versicherungen sowie Börsen- und Wertpapierhandel, Preissenkungen von insgesamt 22 Mrd. ECU3~ . Die größten Unterschiede bestehen nach Cecchini in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, dem Wertpapierhandel und den Hypothekenfinanzierungen. Am stärksten sollen die Preise in Spanien, Italien, Frankreich und Belgien zurückgehen. Recht deutliche Preisreduzierungen sieht Cecchini ferner auf dem britischen, deutschen und luxemburgisehen Markt. Die Kostenvorteile der Marktintegration sollen absolut gesehen im britischen und deutschen Markt am größten sein36 . Iv. Formen des Marktzugangs (Tätigkeitsformen)37 1. Export von Versicherungsschutz

Bei der Tätigkeit ohne Niederlassungen produziert der Versicherer den Versicherungsschutz mit im Inland befindlichen Produktionsfaktoren und liefert ihn gegen Prämienzahlung über Grenzen hinweg an ausländische Versicherungsnehmer. Im Herkunftsland des Versicherers finden die Risikogeschäfte und in einigen Versicherungszweigen auch die Spar- und Entspargeschäfte statt. Mindestteile des Dienstleistungsgeschäfts müssen aber aufgrund der Besonderheiten der Produktion von Versicherungsschutz am Ort des Versicherungsnehmers oder des Versicherungsfalls, also im Tätigkeitsland produziert werden. Das gilt vor allem für die Beratung des Kunden vor Abschluß des Versicherungsvertrags und während der Laufzeit des Vertrags sowie die Schadenbearbeitung und -abwicklung im Versicherungsfall. Nach Reuter38 liegt Export von Versicherungsschutz vor, "wenn der Risikoausgleich und die Auf34 Cecchini, P.: Europa '92: Der Vorteil des Binnenmarktes, 1. Auflage, BadenBaden 1988, S. 121-122. 35 o.y.: Der europäische Finanzraum, in: Europäische Dokumentation, Heft 4/1989, Brüssel, S. 7. 36 Cecchini, P.: Europa '92, Der Vorteil des Binnenmarktes, 1. Auflage, BadenBaden 1988, S. 61-66, 74 -75; vgl. E.II.2.a). 37 Zur Abgrenzung im einzelnen, vgl. Reuter, F.: Gnmdzüge der Internationalen Unternehmenspolitk des Versichenmgsunternehmens, Berlin 1983, S. 44-54. 38 Reuter, F.: Gnmdzüge der Internationalen Unternehmenspolitk des Versiehenmgsunternehmens, Berlin 1983, S. 46-47.

IV. Formen des Marktzugangs (Tätigkeitsformen)

73

gaben der Vertragsbearbeitung im [Herkunftsland], die Aufgaben des Absatzes und der Leistungserstellung, die an den Ort des· Versicherungsnehmers gebunden sind, im [fätigkeitsland]" erfolgen. Der Versicherer kann Teile der Aufgaben im Tätigkeitsland auf untemehmensfremde Organe übertragen, etwa auf Schadenregulierungsbüros oder Kooperationspartner. Er kann außerdem eine selbständige Agentur oder einen Makler im Tätigkeitsland einschalten. Das Exportmodell entspricht grundsätzlich dem freien Dienstleistungsverkehr im Sinne der EU-Richtlinien. Dienstleistungsverkehr bedeutet nach dem EU-Recht, daß ein Versicherer seine Dienstleistungen im Mitgliedstaat des Empfangers erbringt, ohne dort niedergelassen zu sein. Es wird zwischen aktiver und passiver Dienstleistungsfreiheit unterschieden. Aktive Dienstleistungsfreiheit bezeichnet den Normalfall. Der in einem Land niedergelassene Erwerbstätige geht in ein anderes Land, um dort seine Dienstleistung zu erbringen. Beispiele: ein Handels- oder Versicherungsvertreter, der sich zu seinen ausländischen Kunden begibt, ein Rechtsanwalt, der seinen Mandanten vor dem Gericht in einem anderen Land vertritt, oder ein Arzt, der seinen Patienten in dessen Heimatort operiert. Passive Dienstleistungsfreiheit beschreibt dagegen die Fälle, in denen sich der Dienstleistungsempfanger in ein anderes Land zum Dienstleistungserbringer begibt. Beispiele: ein Patient, der sich in einem anderen Land einer medizinischen Behandlung unterzieht, oder ein Privatmann, der bei einer Urlaubs- oder Dienstreise in einem anderen Land eine Lebensversicherung abschließt. Bei der dritten denkbaren Variante überschreiten weder Dienstleistungserbringer noch der Dienstleistungsempfanger eine nationale Grenze. Beispiele: ein Student, der an einem Fernkurs im Ausland teilnimmt, ein Rechtsanwalt, der seinen ausländischen Kunden berät, oder ein Verbraucher, der zu einem ausländischen Versicherer per Telefon, Telefax oder per Post Kontakt aufnimme 9 . LandA

LandB

Versicherer +-

~

Versicherer ~

~

Versichenmgsvermitte1er (ungebunden)

~

Versichenm.gsnehmer

~

Versichenmgsnehmer

39 Kennedy, M.: Services join GATI: An Analysis of the General Agreement on Irade in Services, in: International Irade Lawyer 1995, S. 12; Moshirian, F.: Irade in Financia1 Services, in: The World Economy 1994, S. 357-360.

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B. Liberalisienmg der Versichenmgsmärkte

2. Produktion von Versicherungsschutz vor Ort

Die Produktion von Versicherungsschutz im Ausland bedeutet nach Reuter40 , daß (zumindest) die Aufgaben der Vertragsbearbeitung als Teil der Leistungserstellung ins Tätigkeitsland ausgegliedert werden. Dafür ist es erforderlich, daß der Versicherer dort eine Niederlassung errichtet. Im Falle rechtlich unselbständiger Niederlassungen produziert der Versicherer den Versicherungsschutz teils im Herkunftslan~ teils im Tätigkeitsland. Im Herkunftsland findet meist der Risikoausgleich statt und in einigen Versicherungszweigen auch die Spar- und Entspargeschäfte, das heißt, die im Tätigkeitsland belegenen Risiken werden in den Gesamtbestand des Versicherers einbezogen. Außerdem wird im Herkunftsland das erforderliche Eigenkapital bereitgestellt. Nach den EU-Richtlinien müssen rechtlich unselbständige Niederlassungen von EU-Versicherern nicht mit Eigenkapital ausgestattet werden. Die rechtlich unselbständige Niederlassung ist nach dem EU-Recht jede ständige Präsenz, zum Beispiel eine Zweigniederlassung, Geschäftsstelle, Repräsentanz oder ein Service- oder Akquisitionsbüro. LandA

LandB

Versicherer ~

) Niederlass\Dlg

) Versichenmgsnehmer

Bei der Tätigkeit über rechtlich selbständige Tochtergesellschaften erfolgt die Produktion des Versicherungsschutzes überwiegend oder vollständig im Tätigkeitsland. Dazu bedarf es eines hinreichend großen Versicherungsbestands für den Risikoausgleich. Die Tochtergesellschaft muß nach den EURichtlinien mit Eigenkapital ausgestattet werden. LandA

LandB

Versicherer ~

) Tochtergesellschaft

) Versichenmgsnehmer

V. Modell eines liberalisierten Versicherungsmarktes

Der Versicherungsmarkt ist "der ökonomische Ort, an dem Versicherungsschutz angeboten und nachgefragt wird beziehungsweise an dem zwischen den Versicherungsunternehmen und Versicherungsnehmern das Wirtschaftsgut Versicherungsschutz gegen Zahlung eines Preises (Prämie) ausgetauscht 40 Reuter, F.: Grundzüge der Internationalen Untemehmenspolitk des Versiehef\Dlgs\Dltemehmens, Berlin 1983, S. 46-47.

V. Modell eines liberalisierten Versichenmgsmarktes

75

wird,,41. Er ist gekennzeichnet durch die Marktteilnehmer, die Arten und Gegenstände der Beziehungen zwischen den Marktteilnehmern, den Autonomiegrad und durch die Informationslage bei Anbietern und Nachfragern. In der Realität gibt es keinen einheitlichen Versicherungsmarkt, sondern ein System von Teilmärkten, abgegrenzt zum Beispiel nach geographischen Grenzen, Versicherungszweigen, Merkmalen der Anbieter und Nachfrager sowie nach Absatz- und Beschaffungsverfahren. Das Modell eines Versicherungsmarktes läßt sich vereinfacht wie folgt darstellen: Marktparteien sind die Versicherer, die Versicherungsvermittler und die Versicherungsnehmer. Objekt des Marktverkehrs ist das immaterielle Gut Versicherungsschutz. Die Marktteilnehmer treffen ihre Entscheidungen grundsätzlich autonom nach den jeweiligen Zielen und Nutzenkalkülen aufgrund der verfügbaren Informationen. In einem liberalisierter Versicherungsmarkt werden die nationalen Versicherungsmärkte zu (regionalen) Teilmärkten, die allen Marktteilnehmern offenstehen. Es bestehen keine rechtlichen Marktzugangsbeschränkungen, daß heißt, die Versicherer und die Vermittler dürfen ihre Geschäfte über alle denkbaren Tätigkeitsformen in allen Teilmärkten betreiben, also: - im reinen Dienstleistungsverkehr, bei dem die Produkte ohne Einschaltung Dritter an Kunden in einem anderen Mitgliedstaat verkauft werden; - im Dienstleistungsverkehr, bei dem im Tätigkeitsland ein unternehmensfremdes Organ eingeschaltet wird; - über eine rechtlich unselbständige Niederlassung im Tätigkeitsland; - über eine (rechtlich selbständige) Tochtergesellschaft, die im Tätigkeitsland gegründet oder erworben wird. Sie dürfen außerdem die Produktionsfaktoren auf allen Teilmärkten beschaffen und ihre Produkte - Versicherungsschutz, Kapitalanlagen und sonstige Dienstleistungen - absetzen, ohne sie an die Bedingungen des jeweiligen Tätigkeitslandes anpassen zu müssen. Ein Versicherer mit Sitz in München darf also die Produkte, die er in Dresden oder Hamburg anbietet, in gleicher Form auch in Paris oder Madrid anbieten42 . Aus Sicht der Versicherungsnehmer bedeutet der liberalisierte Versicherungsmarkt, daß sie ihre Risiken bei allen Versicherern decken können. 41 Famy, D.: Versichenmgsmarkt, in: HdV, hrsg. von Dieter Famy, Peter Koch, EImar Helten und Reimer Schmidt, Karlsruhe 1988, S. 1043. 42 Jürgens, U. / Rabe, B. / Rabe, T.: Der europäische Versichenmgsmarkt, hrsg. von Ingo Friedrich, Bonn 1993, S. 1.

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B. Liberalisienmg der Versichenmgsmärkte

Um die Versicherungsmärkte zu liberalisieren, müssen die nationalen Regulierungen abgebaut werden, die dem Marktzugang entgegenstehen. Die Liberalisierung ist damit - je nach Struktur des Regulierungssystems - auch mit einer Deregulierung verbunden. Beispiele dafür sind die Aufhebung der territorialen Monopolrechte für öffentlich-rechtliche Versicherer und die Abschaffung der Genehmigungspflicht für Versicherungsbedingungen und -prämien. Es ist fraglich, ob ein liberalisierter Versicherungsmarkt ein einheitliches Regulierungssystem und eine Aufsichtsbehörde voraussetzt oder ob dies auch bei einem Nebeneinander mehrerer (nationaler) Regulierungssysteme und Aufsichtsbehörden möglich ist. Dies wird an anderer Stelle besprochen43 . Für einen liberalisierten Versicherungsmarkt ist es (jedenfalls) erforderlich, daß ein Versicherer von einer Aufsichtsbehörde zugelassen und beaufsichtigt wird, daß er also für die Tätigkeit in anderen nationalen (Teil-)Märkten keine zusätzliche Zulassung braucht. Wenn es keine Aufsichtsbehörde gibt, die für alle Versicherer zuständig ist, kann das nur erreicht werden, wenn ein Versicherer von der Aufsichtsbehörde eines Landes (des Sitzlandes) eine Zulassung erhält, die von allen anderen Ländern anerkannt wird und die es ihm gestattet, in allen Teilmärkten seine Geschäfte zu betreiben. Dies ist der Grundsatz der Herkunftslandkontrolle oder das Herkunftslandprinzip. Unbestritten ist, daß das Herkunftslandprinzip in einem liberalisierten Versicherungsmarkt für die Tätigkeit im Dienstleistungsverkehr und über rechtliche unselbständige Niederlassungen gelten muß. Strittig ist dagegen, ob das auch für die Tätigkeit über eine Tochtergesellschaft gilt oder gelten muß. Nach den bestehenden nationalen Regulierungssystemen (und den EU-Richtlinien) ist Anknüpfungspunkt für die Zulassung und Beaufsichtigung die jeweilige rechtliche Einheit. Zuständig ist dabei die Aufsichtsbehörde des Sitzlandes, auch wenn die Tochtergesellschaft zu einem Konzern gehört, mit dem sie wirtschaftlich eine ,,Einheit" bildet. Das spricht dafür, daß auch in einem liberalisierten Versicherungsmarkt für die Tätigkeitsform Tochtergesellschaft das Herkunftslandprinzip nicht gilt, die Zulassung der Muttergesellschaft also nicht ausreicht, um eine Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat (ohne weitere Zulassungen) zu gründen. Diese Einschränkung des Herkunftslandprinzips ist vor dem Hintergrund der tatsächlichen Verhältnisse auf den Versicherungsmärkten aber problematisch. Die beliebteste Tätigkeitsform der Versicherer in anderen Märkten ist die Tochtergesellschaft, vor allem aufgrund der höheren Marktakzeptanz im Tätigkeitsland und der steuerlichen Vorteile gegenüber der (rechtlich unselbständigen) Niederlassung. Daher soll im (Soll-) 43 Das Für l.Uld Wider der Integrationsstrategien wird im einzelnen l.Ulter D.rn.I. besprochen.

V. Modell eines liberalisierten Versichenmgsmarktes

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Modell eines liberalisierten Versicherungsmarktes, das in Kapitel 0.1. dem IstZustand aus Sicht eines ausländischen Versicherers, der im deutschen Markt tätig werden möchte, gegenübergestellt wird, das Herkunftslandprinzip auch für die Tätigkeit über eine Tochtergesellschaft in einem anderen Markt gelten. Voraussetzung ist, daß die Tochtergesellschaft zu einem Konzern gehört, in den sie rechtlich, wirtschaftlich und organisatorisch eingegliedert ist. Dies entspricht dem Gedanken der Konzernaufsicht, der derzeit im Zusammenhang mit der Beaufsichtigung von Versicherungsgruppen diskutiert wird. Exkurs: Modell einer Konzernaufsicht

In einem ersten Schritt müssen die Gesellschaften abgegrenzt werden, die unter die Konzernaufsicht fallen. Es bietet sich an, auf die Bestimmungen des Handelsgesetzbuches (HGB) über die Abgrenzung des Konsolidierungskreises zurückzugreifen. Nach § 290 Abs. 1 HGB besteht eine Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses bei einer Mutter-rrochterbeziehung, die durch eine einheitliche Leitung begründet wird. Die Muttergesellschaft muß außerdem an der Tochtergesellschaft eine Beteiligung nach § 271 Abs. I HGB halten (Konzept der einheitlichen Leitung). Die Pflicht zum Konzernabschluß besteht auch dann, wenn die Muttergesellschaft im Verhältnis zu einer anderen Gesellschaft eine bestimmte Rechtsposition innehat, das heißt ihr die Mehrheit der Stimmrechte zusteht, sie berechtigt ist, die Mehrheit der Mitglieder der Leitungsorgane zu besetzen oder sie einen beherrschenden Einfluß aufgrund eines Beherrschungsvertrags oder einer Satzungsbestimmung ausüben kann (Control-Konzept)44. Für die Abgrenzung von Gesellschaften, die unter die Konzernaufsicht fallen, ist das Kriterium Beteiligung an Kapital und Stimmrechten besonders geeignet, nicht zuletzt aufgrund seiner Eindeutigkeit. Konzernaufsicht bedeutet, daß die Aufsichtsbehörde des Sitzlandes der Muttergesellschaft auch für die Zulassung und Beaufsichtigung einer Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat zuständig ist4~ . Eine Tochtergesellschaft ist als juristische Person selbst Trägerin von Rechten und Pflichten, etwa gegenüber Versicherungsnehmern und anderen Gläubigern. Das unter44 Havermann, H.: Erläutenmgen der Rechnungslegung und Prütimg im Konzern nach dem Handelsgesetzbuch, in: Wirtschaftsprüfer-Handbuch, Band I, Düsseldorf 1992, S. 663-674. 45 The setting up of banking subsidiaries in other Member States is not covered by the single licence concept ofthe Directives, vgl. Smits, R.: Freedom of establish-ment and freedom to provide services under the Second Banking Directive, in: Banking and EC Law Commentary, hrsg. von Martijn van Empel and Rene Smits, Amsterdam 1993, S. 56-58.

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B. Liberalisienmg der Versichenmgsmärkte

scheidet sie von einer rechtlich unselbständigen Niederlassung, die keine eigenständige Rechtsperson ist, sondern Teil einer (rechtlich selbständigen) Gesellschaft. Daher muß die Tochtergesellschaft, anders als die rechtlich unselbständige Niederlassung, entsprechend den aufsichtsrechtlichen Bestimmungen des Sitzlandes der Muttergesellschaft46 mit Eigenkapital ausgestattet werden, versicherungstechnische Rückstellungen bilden und diese mit Vermögenswerten decken. Die Aufgabe der Behörde des Sitzlandes der Muttergesellschaft besteht darin, die Einhaltung dieser Bestimmungen zu beaufsichtigen und ergänzend eine gruppen- oder konzernbezogene Aufsicht durchzuführen. Diese umfaßt neben der Konzernstruktur und den Beteiligungsverhältnissen vor allem die Eigenkapitalausstattung sowie die Angemessenheit der Geschäftsbeziehungen zwischen den einzelnen Gesellschaften47 . Die Rechtsaufsicht über Tochtergesellschaften kann ähnlich wie bei rechtlich unselbständigen Niederlassungen gestaltet werden48 . Danach ist grundsätzlich die Aufsichtsbehörde des Sitzlandes der Muttergesellschaft zuständig. Die Aufsichtsbehörde des Tätigkeitslandes (der Tochtergesellschaft) darf nur eingreifen, wenn die Tochtergesellschaft in ihrem Hoheitsgebiet gegen Rechtsvorschriften zum Schutz des Allgemeininteresses verstößt. Die Zuständigkeit für die Beaufsichtigung und Zulassung von Konzernen nach dem oben definierten Soll-Modell zeigen die folgenden Beispiele: - Die Muttergesellschaft befindet sich in Mitgliedstaat A, die Tochtergesellschaft in Mitgliedstaat B, die Enkelgesellschaft in Mitgliedstaat C: Zuständig für die Mutter-, Tochter- und Enkelgesellschaft ist die Aufsichtsbehörde von Mitgliedstaat A. - Die Muttergesellschaft befindet sich außerhalb der EU, die Tochtergesellschaft in Mitgliedstaat B, die Enkelgesellschaft in Mitgliedstaat C: Zuständig für die Tochter- und Enkelgesellschaft ist die Aufsichtsbehörde von Mitgliedstaat B. - Die Muttergesellschaft befindet sich außerhalb der EU, eine Tochtergesellschaft in Mitgliedstaat B, eine andere Tochtergesellschaft in Mitgliedstaat C: Zuständig für die Tochtergesellschaften sind die jeweiligen Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten Bund C. Problematisch ist, daß sich die Zuständigkeiten für die Beaufsichtigung im Laufe der Zeit ändern können, vor allem wenn sich die Beteiligungsverhältnis46 Dies gilt, wenn sich die Muttergesellschaft in einem Mitgliedstaat der EU (des EWR) befindet, sonst ggf. Zwischenholding in der EU. 47 Vgl. C.V.2.e). 48 Vgl. C.v.2.k).

V. Modell eines liberalisierten Versichenmgsmarktes

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se ändern oder die EU neue Mitgliedstaaten aufnimmt. Das kann dazu führen, daß eine Tochtergesellschaft aus der Konzernaufsicht fällt (oder in die Konzernaufsicht einbezogen wird) und dann (wieder) der Aufsicht der Behörde ihres Sitzlandes (des Sitzlandes der Muttergesellschaft) unterliegt. Eine Folge kann beispielsweise sein, daß die Tochtergesellschaft Kapitalanlagen veräußern muß, wenn in ihrem Sitzland strengere (diesbezügliche) Bestimmungen gelten als im Sitzland der Muttergesellschaft. Es ist deshalb erforderlich, die Höhe der Beteiligung an Kapital und Stimmrechten als Kriterium für die Einbeziehung einer Gesellschaft in die Konzernaufsicht deutlich über 50 Prozent festzulegen und damit die Absicht einer dauerhaften Bindung zu unterstreichen. Bei Erwerb einer bestehenden Gesellschaft kann außerdem zeitlich befristet vom Herkunftslandprinzip abgewichen werden. Die Tatsache, daß für Tochtergesellschaften anders als für rechtlich unselbständige Niederlassungen das Herkunftslandprinzip nicht gilt, wird von verschiedenen Seiten kritisiert. Insbesondere wird darauf hingewiesen, daß es keine sachliche Rechtfertigung dafür gibt, Niederlassungen der Beaufsichtigung des Herkunftslandes und Tochtergesellschaften der des Tätigkeitslandes zu unterwerfen. Die rein rechtliche Differenzierung, die den EU-Richtlinien zugrunde liegt, ist wirtschaftlich unbefriedigend. Niederlassungen unterscheiden sich in der Realität häufig nicht von Tochtergesellschaften, insbesondere nehmen sie meist die gleichen betrieblichen Funktionen wahr. Die unterschiedliche Behandlung widerspricht zudem der Rechtsprechung des EuGH. Nach dem EuGH gewährleistet Artikel 52 EU-Vertrag das Recht auf freie Wahl der (rechtlichen) Form einer Auslandstätigkeit und verbietet damit die (in dem vom EuGH entschiedenen Fall steuerliche) Diskriminierung zwischen Tochtergesellschaft und Niederlassung49 • Im Bankenbereich haben die EU-Richtlinien die ersten Schritte in Richtung konsolidierter Beaufsichtigung von Bankkonzernen bereits gemacht. Eine konsolidierte Beaufsichtigung erfolgt bei der Eigenkapitalausstattung sowie den Beschränkungen für Großkredite und für Beteiligungen an Nicht-Banken. Am Ende dieses Weges könnte eine "echte Konzernaufsicht" in der oben beschriebenen Form stehen.

49 Case 270/83, Judgement of the Court, 28 January 1986, Commission v French Republic (Freedom of establishment in regard to insurance - Corporation tax and shareholders' tax credit), in: Reports ofCases before the Court 1986, Vol. 1, S. 274; vgl. auch Brittan, Sir Leon: The Internal Market for Financial Insitutions: Legallmplications for their Secondary Establishments, in: Butterworths Journal of International Banking and Financial Law, Heft 111993, S. 3-5.

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B. Liberalisienmg der Versichenmgsmärkte

VI. Praktische Schritte der Liberalisierung im europäischen Binnenmarkt 1. Binnenmarkt (allgemein)

Nach Beseitigung der ,,fossilen Abschottungsinstrumente in Form von Zöllen und Warenkontingentierungen"50 bis 1967 hatte vor allem das in Artikel 30 EU-Vertrag enthaltene Verbot von Maßnahmen gleicher Wirkung (nichttarifare Handelshemmnisse) bei d~r Einfuhr von Waren aus anderen Mitgliedstaaten überragende Bedeutung. Das Verbot erwies sich als wirkungsvollstes ,,Mittel zur Bekämpfung subtilerer Zugangshindernisse zu den nationalen Märkten,61 . a) Tätigkeits- versus Herkunjlslandprinzip

Am Anfang der Bemühungen der EU, einen Gemeinsamen Markt zu schaffen, stand das Prinzip des Tätigkeits- oder Bestimmungslandes. Angestrebt wurde, den Marktzugang vor allem für Unternehmen und Waren zu erleichtern. Die unterschiedliche Behandlung von Import- und Inlandsware wurde untersagt. Für die Tätigkeit der Unternehmen beziehungsweise die Einfuhr der Waren galt das Tätigkeitslandprinzip, das heißt die Bestimmungen des importierenden Mitgliedstaates. Dies erleichterte zwar den Marktzugang, ließ aber die nationalen Märkte nebeneinander bestehen. Später kam es im wesentlichen durch Richterrecht zu einem schrittweisen Übergang vom Tätigkeits- auf das Herkunftslandprinzip. Richtungsweisend waren die Urteile des EuGH in den Fällen Dassonville im Jahre 1974 und Cassis de Dijon im Jahre 197952 . Im Fall Cassis de Dijon befaßte sich der EuGH erstmals mit einer nationalen Regelung, die Inlands- und Importware gleichermaßen betraf. Nach Auffassung des EuGH verstieß die deutsche Bestimmung, nach der bestimmte Liköre nur mit einem Mindestalkoholgehalt von 25 Prozent verkauft werden dürfen, gegen den EU-Vertrag, weil dadurch der Import von Fruchtsaftlikören aus Dijon mit geringerem Alkoholgehalt verhindert wurde. Die mit solchen nationalen Bestimmungen verbundenen Handelsbeschränkungen müssen nur hingenommen werden, wenn sie notwendig sind, um zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses zu erfüllen, und wenn auf 50 Müller-Graf, P.-C.: Binnenmarktziel 1Uld Rechtsordn1Ulg, Bergisch Gladbach, Köln 1989, S. 18. 51 Müller-Graf, P.-C.: Binnenmarktziel 1Uld Rechtsordn1Ulg, Bergisch Gladbach, Köln 1989, S. 18. 52 Geiger, R.: EG-Vertrag, Kommentar zu dem Vertrag zur Gründ1Ulg der Europäischen Gemeinschaft, München 1993, S. 96-101.

VI. Praktische Schritte der Liberalisienmg

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europäischer Ebene keine Angleichung erfolgt ist. Als zwingend gelten Erfordernisse zur steuerlichen Kontrolle und Lauterkeit des Handelsverkehrs sowie zum Schutz der Gesundheit und der Verbraucher. Derartige Kriterien konnte der EuGH bei den Fruchsaftlikören aber nicht feststellen~3 . Im Interesse des freien innergemeinschaftlichen Warenverkehrs ist der EuGH im Fall Cassis de Dijon zum ersten Mal über den Grundsatz der Gleichbehandlung von Import- und Inlandsware hinausgegangen. Danach setzte sich die Auffassung durch, daß die Garantie des freien Warenverkehrs in Artikel 30 EU-Vertrag auch nicht-diskriminierende Bestimmungen des Tätigkeitslandes verbietet, wenn sie tatsächlich oder potentiell, unmittelbar oder mittelbar Einfuhren erschweren, indem sie andere Anforderungen an Waren stellen als das Herkunftsland. Zwei Beispiele sollen das verdeutlichen~4 : Nach dem Reinheitsgebot für Bier von 1516 dürfen in Deutschland nur solche Getränke als ,,Bier" bezeichnet werden, die ausschließlich aus Malz, Hopfen, Hefe und Wasser gebraut sind. Biere mit Zusatzstoffen durften nicht in den Verkehr gebracht werden. Mit seinem Urteil vom 12. März 1987 zwang der EuGH die Bundesrepublik Deutschland, das Reinheitsgebot für Importbiere aufzuheben, die beispielsweise auch Reis oder Mais enthalten. Für im Inland gebraute Biere blieb das Reinheitsgebot dagegen bestehen. Der Marktanteil der nach dem Reinheitsgebot gebrauten Biere liegt in Deutschland noch immer bei 98 Prozent. Rechtliche Bestimmungen lassen sich offenbar leichter ändern als Verbrauchergewohnheiten. 1977 untersagte die dänische Regierung die Einfuhr alkoholfreier Getränke in Dosen oder Einwegflaschen. Die Europäischen Kommission intervenierte. Daraufhin wurde das Verbot 1980 durch eine subtilere Bestimmung ersetzt, die die Vermarktung von alkoholfreien Getränken und Bieren in Einwegflaschen untersagte. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Verkauf von Mehrwegflaschen aufgrund der hohen Transportkosten nur in einem Umkreis von 200 Kilometern rentabel ist. Die neue Bestimmung schloß so die meisten ausländischen Anbieter faktisch vom dänischen Markt aus. Die bedeutendste Einschränkung oder Grenze des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs liegt darin, daß die Tätigkeitsländer zum Schutz zwingender Erfordernisse des Allgemeininteresses nicht-diskriminierende Bestimmungen beibehalten oder erlassen dürfen, wenn noch keine Angleichung auf europäischer Ebene erfolgt ist. Dabei müssen die Mittel zur Erreichung der SchutzzieVgl. C.Y.3.a) cc). Müller-Graf, P.-C.: Binnenmarktziel und Rechtsordnung, Bergisch Gladbach, Köln 1989, S. 19-2l. 53

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6 Rabe

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B. Liberalisienmg der Versichenmgsmärkte

le verhältnismäßig sein. So hielt der EuGH im ,,Bierurteil" das Bezeichnungsverbot (als Bier) für unverhältnismäßig, da ein angemessener Verbraucherschutz auch mit einem entsprechenden Etikett zu erreichen gewesen wäre. Ebenso beurteilte er das Zusatzstoffverbot als unverhältnismäßiges Mittel des Gesundheitsschutzes, da es undifIerenziert alle Zusatzstoffe erfaßte.

b) Harmonisierung versus gegenseitige Anerkennung In ihren ersten 25 Jahren setzte die EU hauptsächlich auf das Harmonisierungskonzept: die materielle Angleichung des Rechts der Mitgliedstaaten an einen gemeinschaftsrechtlich definierten Standard. Nach anfänglichen Fortschritten wurden die praktischen Unzulänglichkeiten dieses Ansatzes schnell deutlich. Es kam zu erheblichen Verzögerungen bei der Schaffung des Gemeinsamen Marktes und in den 70er Jahren zur sogenannten Eurosklerose55 . Aus den Erfahrungen mit der Normierung von Waren zog der Europäische Rat im Juli 1984 den Schluß, daß die Ziele nationaler Gesetze im wesentlichen gleichwertig sind und die gegenseitige Anerkennung eine mögliche Alternative zur Harmonisierung darstellt. Ein Jahr später legte die Kommission dem Europäischen Rat ihr Weißbuch zur Vollendung des Binnenmarktes vor56 . Darin stellte sie ebenfalls fest, daß die Ziele der nationalen Gesetze auf den Gebieten Gesundheit, Sicherheit, Umwelt und Verbraucherschutz im wesentlichen übereinstimmen. Für ihre künftigen Initiativen zur Verwirklichung des Binnenmarktes kündigte sie an, nur in unerläßlichen Fällen eine gemeinschaftsweite Harmonisierung anzustreben, den Schwerpunkt aber auf die gegenseitige Anerkennung der nationalen Gesetze zu legen. Sie führte dazu aus: "Wenn ein Erzeugnis in einem Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt Wld in den Verkehr gebracht worden ist, ist nicht einzusehen, warum es nicht überall in der Gemeinschaft Wlgehindert verkauft werden sollte,,'7 .

55 VollendWlg des Binnenmarktes, Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat, KOM (85) 310 endg., 14. JWli 1985, S. 18; Cockfield, W.: The Changing Face of Europe - Britain's OpportWlity to "rouse and bestir", Vortrag vor dem Institute for Cost and Management AccoWltants, Brüssel, 24. November 1986, S. 8 (nicht veröffentlicht); zu der EntwicklWlg im einzelnen, vgL Teske, H.: Europa zwischen gestern Wld morgen, Köln 1988. '6 VollendWlg des Binnenmarktes, Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat, KOM (85) 310 endg., 14. JWli 1985, S. 18. 51 VollendWlg des Binnenmarktes, Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat, KOM (85)310 endg., 14. JWli 1985, S. 17.

VI. Praktische Schritte der Liberalisienmg

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Das Weißbuch der Europäischen Kommission nennt drei Arten von Handeishemmnissen, die abgebaut werden müssen, um einen Binnenmarkt für Unternehmen und Verbraucher zu schaffens8 : Erstens: Materielle Schranken sind vor allem die Personen- und Warenkontrollen an den Binnengrenzen. Im Vordergrund stehen nach Abschaffung der Zollkontrollen die Einhaltung der Bestimmqpgen über die indirekten Steuern (Umsatzsteuer und sonstige Verbrauchsteuern), die Erhebung von Statistiken, die Überwachung von Pflanzen- und Tierseuchen sowie die Prüfung von Genehmigungen für bestimmte Exporte und Importe. Zweitens: Technische Schranken ergeben sich zum Beispiel aus einzelstaatlichen Produktnormen, technischen Bestimmungen und dem öffentlichen Auftragswesen. Einzelstaatliche Bestimmungen und Normen zwingen Unternehmen, spezifische Produkte für einzelne Märkte zu entwickeln. Zu unterscheiden ist zwischen technischen Bestimmungen, Normen sowie Prüfungs- und Zulassungsverfahren. Technische Bestimmungen sind rechtsverbindliche Anforderungen, die die Verbraucher, die Gesundheit und die Umwelt schützen sollen. Normen sind dagegen nicht rechtsverbindlich. Sie werden durch private Ausschüsse bestimmt. Dennoch haben abweichende Normen, etwa DIN in Deutschland, AFNOR in Frankreich und BSI im Vereinigten Königreich, die gleiche handelshemmende Wirkung wie technische Bestimmungen. Sie sind häufig Grundlage für öffentliche und private Aufträge und spielen eine wichtige Rolle bei der Produkthaftung. Eine Schlüsselrolle bei der Angleichung der Normen kam den europäischen Normungsinstituten zu. Diese Einrichtungen wurden mit der Entwicklung einheitlicher europäischer Industrienormen beauftragt. Die Kommission beschränkte sich darauf, Mindestnormen für gesetzlich fixierte technische Bestimmungen vorzugeben. Prüfungs- und Zulassungsverfahren dienen dazu, Produkte und Herstellungsverfahren auf freiwillige Normen und gesetzliche Bestimmungen hin zu prüfen und eine Betriebserlaubnis zu erteilen. Bislang erkannten die meisten Mitgliedstaaten Prüfungen und Zulassungen anderer Mitgliedstaaten nicht an. In der Praxis bedeutete das nationale Prüfungs- und Zulassungsanträge für die einzelnen Märkte. Drittens: Steuerliche Schranken ergeben sich aus Unterschieden bei der Umsatzsteuer und anderen Verbrauchsteuern sowie bei den direkten Steuern, sofern sie die grenzüberschreitende Tätigkeit von Unternehmen behindern.

58 Vollendung des Binnenmarktes, Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat, KOM (85) 310 endg., 14. Juni 1985, S. 9-52; Kommission der EG (Hg.): Start in den Binnenmarkt, BrüsseI 1991, S. 29-52.

6*

B. Liberalisienmg der Versichenmgsmärkte

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Wie erwähnt, wird das Herkunftslandprinzip immer dort durch das Tätigkeitslandprinzip begrenzt, wo eine Bestimmung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses erforderlich ist. Das ist zum Beispiel im Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherschutz der Fall. Das Weißbuch bezeichnet deshalb die Angleichung solcher Bestimmungen als Voraussetzung für die Liberalisierung der Märkte. Nach erfolgter Angleichung kann ein Mitgliedstaat im betroffenen Bereich den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr nicht mehr behindern. Daß in der Praxis trotzdem Probleme auftreten, zeigt unter anderem die Debatte über ein deutsches Einfuhrverbot für britische Rinder. Die Bundesregierung war der Meinung, daß ein solche Maßnahme aus Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt ist (Stichwort Rinderwahnsinn oder BSE). Diese Auffassung teilten (zunächst) weder die EU-Kommission noch die britische RegierungS9 . Ein weiteres Beispiel: Deutsche Inspektoren entdeckten in aus Spanien eingeführter Kindernahrung einen Pestizidgehalt, der über dem in Deutschland zulässigen Wert lag, jedoch innerhalb der EU-Vorgaben. Zwar konnte die Einfuhr nicht verboten werden. Die Negativpublizität hatte aber für den spanischen Hersteller eine vergleichbare Wirkung60 . Der Kommission wurde häufig Überharmonisierung, Überregulierung und Zentralisierung vorgeworfen61 . Hierbei wird übersehen, daß eine gemeinschaftliche Harmonisierung häufig deshalb erforderlich ist, weil sich die Mitgliedstaaten auf "zwingende Erfordernisse" versteifen und eine Harmonisierung zur Voraussetzung für den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr machen. Ein Beispiel ist der Vorschlag für eine Richtlinie zur Angleichung der Sattelschleppersitze. Hintergrund war die Einführung entsprechender Bestimmungen der deutschen Berufsgenossenschaft, die die Bauern vor Bandscheibenschäden bewahren sollte. Da dieses Ziel als im Interesse des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt angesehen und deshalb anders gebauten Sattelschleppern der Zugang zum deutschen Markt verwehrt wurde, stellte sich zwangsläufig die Harmonisierungsfrage. In den 80er Jahren herrschte in den meisten westlichen Ländern eine große Deregulierungseuphorie, die von den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich ausging. Sie war Teil der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik, die die auf makroökonomischen Interventionismus und Ausweitung der

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o.v.: Something dodgy in Europe's single market, in: The Economist, 21. Mai

1994, S. 67. 60

o.v.: Something dodgy in Europe's single market, in: The Economist, 21. Mai

1994, S. 67. 61

Müller-Graf, P.-C.: Binnenmarktziel und Rechtsordnung, Bergisch Gladbach,

Köln 1989, S. 50-53.

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Staatstätigkeit gerichtete Politik der 70er Jahre ablöste. Trotz berechtigter Kritik an einzelnen Maßnahmen kann festgehalten werden, daß die EU auf den Deregulierungszug aufgesprungen ist. Ihr Weißbuch wird daher nicht zu Unrecht auch als "Wettbewerbsbelebungsprogramm" bezeichnet, das vor allem die Wirtschaftszweige betrifft, die bislang stark reguliert waren. 2. Binnenmarkt für Versicherungen

Der Verwirklichung des Binnenmarktes für Versicherungen standen in den EU-Mitgliedstaaten zahlreiche Beschränkungen entgegen. Die Gründe lagen vor allem in unterschiedlichen Anforderungen und Zielen der Versicherungsaufsicht, Beschränkungen des Kapitalverkehrs und diskriminierender Besteuerung ausländischer Anbieter. So war es Versicherern, die in einem Mitgliedstaat nicht zugelassen (und niedergelassen) waren, meist nicht gestattet, dort belegene Risiken zu decken, selbst wenn die Initiative zum Vertragsabschluß vom Versicherungsnehmer ausging (Korrespondenzversicherung)62 . Zuwiderhandlungen wurden mit teilweise drakonischen Strafen belegt, in Belgien und Frankreich sogar mit Freiheitsstrafen. Gleiches galt für Versicherungsvermittler, die sich an solchen unerlaubten Geschäften beteiligten63 . Ausländische Anbieter wurden in mehreren Mitgliedstaaten angehalten, vorgegebene Versicherungsbedingungen und Rechnungsgrundlagen für ihre Prämienkalkulation zu verwenden. Damit konnten sie ihre "heimischen" Produkte nicht in andere Märkte exportieren. Solche und ähnliche Bestimmungen sollten nach dem Weißbuch der Kommission beseitigt oder durch Regelungen ersetzt werden, die mit dem Binnenmarkt zu vereinbaren sind und zu einer Öffnung der nationalen Versicherungsmärkte führen. Die Marktöffnung erfolgte im Versicherungsbereich in drei Etappen64 : - Niederlassungsfreiheit, beruhend auf dem Tätigkeitslandprinzip; - DienstIeistungsfreiheit, beruhend auf dem Tätigkeitslandprinzip für schutzbedürftige Versicherungsnehmer und auf dem Herkunftslandprinzip für weniger schutzbedürftige Versicherungsnehmer; - Niederlassungs- und DienstIeistungsfreiheit, beruhend auf dem Herkunftslandprinzip. 62 o. V.: Freier Dienstleistungsverkehr bei der Vermittlung von Versicherungsverträgen, in: RIW 1983, S. 856-860. 63 Preuss, F.: Grenzüberschreitender Versicherungsverkehr unter Staatsaufsicht, Eine Betrachtung nach geltendem deutschen Recht, Karlsruhe 1972, S. 20-21. &I Schweizer Rück (Hg.): EG 92 - Auf dem Weg zum gemeinsamen Versicherungsmarkt, in: Wirtschaftsstudien, Heft 1/1990.

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B. Liberalisienmg der Versichenmgsmärkte

a) Niederlassungsfreiheit: Tätigkeitslandprinzip und Harmonisierung Niederlassungsfreiheit bedeutet, daß ein Versicherer seine Geschäfte in einem anderen Mitgliedstaat nach den dort geltenden (aufsichtsrechtlichen und sonstigen rechtlichen) Regeln über eine Niederlassung betreiben c:lart5 . Die Niederlassungsrichtlinien66 der EU gehen vom sogenannten Teilmarktmodell aus. Danach gilt grundsätzlich das Tätigkeitslandprinzip, das Herkunftslandprinzip dagegen nur bei einer vorherigen Harmonisierung der nationalen Aufsichtsrechte. Eine unkonditionierte und unkoordinierte Öffnung der nationalen Märkte lehnten die Mitgliedstaaten ab, weil sie Wettbewerbsverzerrungen befürchteten. Die IntegrationsefIekte der Niederlassungsrichtlinien waren gering. Dem Ziel, die nationalen Teilmärkte zu überwinden, kamen sie nicht näher67 . In Deutschland zum Beispiel ist die Zahl der Niederlassungen ausländischer Versicherer seit den 70er Jahren sogar zurückgegangen. b) Dienstleistungsfreiheit: Übergang zum Herkunjlslandprinzip Dienstleistungsfreiheit bedeutet, daß ein Versicherer seine Dienstleistungen im Mitgliedstaat des Empfangers erbringen darf, ohne dort selbst niedergelassen zu sein. Die Europäische Kommission legte Anfang der 70er Jahre einen ersten Richtlinienvorschlag zur Dienstleistungsfreiheit vor. Danach sollte die Aufsicht im grenzüberschreitenden Dienstleistungsgeschäft bei der Herkunftslandbehörde des Versicherers liegen. Um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern, schlug die Kommission eine Angleichung der nationalen Aufsichtsund Vertragsrechte vor. Dabei unterschied sie zwischen der Großrisikoversicherung und dem strenger zu beaufsichtigenden "Jedermann-Geschäft". Bei Jenssen, H.-G.: Die europäische Mitversichenmg, Karlsruhe 1990, S. 3. Richtlinie des Rates 731239fEWG vom 24. Juli 1973 zur Koordinienmg der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufuahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversichenmg (mit Ausnahme der Lebensversichenmg), AbI. der EG Nr. L 228, 16. August 1973, S. 3-19; Richtlinie des Rates 79/267fEWG vom 5. März 1979 zur Koordinienmg der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufuahme und Ausübung der Direktversichenmg (Lebensversichenmg), AbI. der EG Nr. L 63, 13 März 1979, S. 1-17. 67 Jenssen, H.-G.: Die europäische Mitversichenmg, Karlsruhe 1990, S. 12; Carter, R.: The UK Insurance Industry and the European Community, in: Risiko Versichenmg Markt, Festschrift für Walter Karten, hrsg. von Dieter Hesberg, Martin NeU und Winfried Schott, Karlsruhe 1994, S. 156. 65

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VI. Praktische Schritte der Liberalisienmg

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der Großrisikoversicherung gewerblicher und industrieller Kunden sollte die Bedingungs- und Tarifaufsicht entfallen und weitgehende Rechtswahlfreiheit herrschen. Dagegen sollte die Bedingungs- und Tarifaufsicht im "JedermannGeschäft" - allerdings als reine Legalitätskontrolle - zulässig bleiben. Gelten sollte nach einer entsprechenden Harmonisierung auf europäischer Ebene das Versicherungsvertragsrecht des Herkunftslandes des Versicherers 68 . Dieser Vorschlag stieß bei den Mitgliedstaaten auf erheblichen Widerstand. Nach mehrheitlicher Auffassung berücksichtigte er die Schutzinteressen der Versicherungsnehmer nicht ausreichend. Daraufhin legte die Kommission 1975 einen geänderten Vorschlag vor, der auf dem Herkunftslandprinzip beruhte. Im Unterschied zum ersten Entwurf räumte er der Aufsichtsbehörde des Tätigkeitslandes größere Kompetenzen ein. Der Vorschlag wurde mehrere Jahre im Ministerrat ergebnislos diskutiert. Zwar bestand Einigkeit über die verfolgten Ziele. Über die Modalitäten, vor allem das notwendige Maß an Harmonisierung der nationalen Aufsichtsrechte, konnten sich die Mitgliedstaaten jedoch nicht einigen69 . Die Kommission sah sich daher zu einer Klage vor dem EuGH gezwungen. Anlaß war neben dem sogenannten Fall Schleicher, einem Versicherungsmakler, der deutschen Kunden Rauchwarenversicherungen ausländischer Versicherer vermittelte, die nach Auffassung der Kommission mangelhafte Umsetzung der Mitversicherungsrichtlinie durch einige Mitgliedstaaten70 . In seinem Urteil vom 4. Dezember 1986 stellte der EuGH dann fest, daß die Dienstleistungsfreiheit des EU-Vertrags auch für den Versicherungsbereich unmittelbar gilt. Er räumte aber ein, daß es sich um einen sensiblen Bereich handelt, in dem Verbraucher und Drittgeschädigte angemessen zu schützen sind, wobei nicht alle Versicherungsnehmer den gleichen Schutz benötigen. Es gibt Versicherungsnehmer, vor allem im Privatkundengeschäft, die besonders schutzbedürftig sind, und solche, vor allem im industriellen und gewerblichen Geschäft, die weniger schutzbedürftig sind. Bis zu einer weiteren Angleichung der nationalen Aufsichtsrechte auf europäischer Ebene, so der EuGH, dürfen die Mitgliedstaaten von Versicherern aus anderen EU-Mit68 Hahn, v.: Die "europäischen" Kollisionsnonnen für Versichenmgsverträge, Karlsruhe 1992, S. 8-9; vgl. C.V.3.a)aa). 69 Angerer, A.: Aufsichtsrechtliche Ausgangspunkte der Dienstleistungsfreiheit für Versichenmgsuntemehmen im Gemeinsamen Markt, in: VW 1987, S. 418-426; Jenssen, H.-G.: Die europäische Mitversichenmg, Karlsruhe 1990, S. 13; Ludford, S.: A not so common market, in: The Review, Heft 5/1987, S. 6. 70 Biagosch, P.: Europäische Dienstleistungsfreiheit und deutsches Versichenmgsvertragsrecht, Karlsruhe 1991, S. 64-65; Jenssen, H.-G.: Die europäische Mitversichenmg, Karlsruhe 1990, S. 94.

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gliedstaaten weiterhin eine vorherige Zulassung und die Einhaltung ihres Aufsichtsrechts verlangen, wenn sie in ihrem Territorium das Versicherungsgeschäft mit schutzbedürftigen Verbrauchern betreiben wollen. Der Gedanke einer gestuften Regulierung der Versicherungsmärkte ist nicht neu. So verzichtete der deutsche Gesetzgeber von Anfang an auf eine behördliche Zulassung bei Kursverlust-, Transport- und Rückversicherungen 71 . In diesen Zweigen sind die Versicherungsnehmer kaufmännisch erfahren und brauchen keinen besonderen Schutz von der Versicherungsaufsicht. Für private Versicherungsnehmer bestand die Möglichkeit, im Korrespondenzwege Risiken bei ausländischen Versicherern zu decken. Auch in diesem Fall befürchtete der deutsche Gesetzgeber keine Preisgabe schutzwürdiger Interessen72 . Die Dienstleistungsfreiheit wurde in dem vom EuGH gesteckten Rahmen durch die "zweiten Richtlinien" verwirklicht 73 . In der Schaden- und Unfallversicherung wurde die Schutzbedüftigkeit nach Versicherungszweigen und der Größe des Versicherungsnehmers definiert. Kriterien sind die Zahl der Beschäftigten, die Bilanzsumme und der Umsatzes. Die Richtlinie zur Lebensversicherung stellt ab auf das (aktive oder passive) Verhalten des Versicherungsnehmers bei Vertragsabschluß. Mit dem freien Dienstleistungsverkehr hängt unmittelbar die Liberalisierung des Kapitalverkehrs zusammen. Artikel 61 Abs. 2 EU-Vertrag bestimmt, daß mit der Liberalisierung im Banken- und Versicherungsbereich die Beschränkungen des Kapitalverkehrs aufgehoben werden. So sah bereits die erste Richtlinie des Rates vom 11. Mai 1960 zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs

71 Die Transportversichenmg \ll1terliegt seit dem 1. Februar 1976 der Versichenmgsaufsicht. Dies ist eine Folge der UmsetZ\ll1g der ersten Richtlinie zur Schaden- \ll1d Unfallversichenmg in deutsches Recht. 72 Schmidt, R. / Frey, P.: Prölss Versichenmgsaufsichtsgesetz, 9. Auflage, München 1983, S. 951; Jenssen, H-G.: Die europäische Mitversichenmg, Karlsruhe 1990, S. 19. 73 Richtlinie des Rates 88/357/EWG vom 22. J\ll1i 1988 zur Koordinienmg der Rechts- \ll1d VerwaltWlgsvorschriften fiir die Direktversichef\ll1g (mit Ausnahme der Lebensversichenmg) \Dld zur Erleichtenmg der tatsächlichen Ausüb\Dlg des freien Dienstleist\Dlgsverkehrs sowie zur Ändef\ll1g der Richtlinie 73/239/EWG, AbI. der EG Ni. L 172,4. Juli 1988, S. 1-14; Richtlinie des Rates 90/619/EWG vom 8. November 1990 zur Koordinienmg der Rechts- \Dld VerwaltWlgsvorschriften fiir die Direktversichenmg (Lebensversichenmg) \Dld zur Erleichtef\ll1g der tatsächlichen Ausüb\Dlg des freien DienstleistWlgsverkehrs sowie zur Ändef\ll1g der Richtlinie 79/267/EWG, AbI. der EG Nr. L 330, 29. November 1990, S. 50-61.

VI. Praktische Schritte der Liberalisierung

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vor 74 , daß die Mitgliedstaaten die erforderlichen Devisengenehmigungen für Transferzahlungen zur Erfüllung von Versicherungsverträgen erteilen müssen, soweit die Versicherungsgeschäfte nach Artikel 59 EU-Vertrag gestattet sind. Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß grenzüberschreitender Dienstleistungsverkehr für Versicherungen ohne liberalisierten Kapitalverkehr schlechterdings unmöglich ist. Geld ist nicht nur Zahlungsmittel der Versicherer bei der Beschaffung von Produktionsfaktoren. Es dient selbst als Produktionsfaktor, weil die Versicherer ihre Leistungen nach Eintritt eines Versicherungsfalls meist in Nominalgüterform erbringen. Die Versicherungsnehmer beschaffen sich die zum Ausgleich des Schadens benötigten Realgüter selbse 5 . c) Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit: Herkunjislandprinzip und gegenseitige Anerkennung In ihrem Weißbuch zur Vollendung des Binnenmarktes betont die Europäische Kommission, daß der Austausch der ,,finanziellen Produkte" auf Gemeinschaftsebene zu erleichtern ise 6 . Erreicht werden soll dies durch eine minimale Angleichung als Grundlage für die gegenseitige Anerkennung der jeweilien einzelstaatlichen Bestimmungen zum Schutz der Interessen des anlagewilligen Publikums. Die Angleichung, insbesondere bei der Beaufsichtigung der laufenden Tätigkeiten, soll auf dem Herkunftslandprinzip beruhen77 . Die Kommission strebte mit den "dritten Richtlinien" kein einheitliches europäisches Regulierungssystem (mehr) an, in dem alle rechtlichen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten aufgehoben werden 78 . Diese Form der Vereinheitlichung war nicht durchsetzbar79 . Abweichend von ihrem bisherigen

74 Pearson, P. / Smulders, B.: EC Treaty provisions relevant to the Insurance Sector, in: Insurance and EC Law Commentary, hrsg. von Martijn van Empel und Humbert Drabbe, Amsterdam 1994, S. 47-49. " Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 133. 76 Vollendung des Binnenmarktes, Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat, KOM (85) 310 endg., 14 Juni 1985, S. 27; 0.Y.: Der europäische Versicherungsmarkt, Was geschieht ab l. Juli 19947, in: EU-Nachrichten Nr. 4, 24. Mai 1994, S. 4; Marette, 1.-1.: Europe: Une liberte encore surveillee, in: L' Argus 1990, S. 1172-1173. 77 o.V: Der europäische Versicherungsmarkt, Was geschieht ab l. Juli 1994?, in: EU-Nachrichten Nr. 4, 24. Mai 1994, S. 4; Key, S.: Mutual Recognition: Integration of the Financial Sector in the European Community, in: Federal Reserve Bulletin 1989, S.601-603. 7. Vgl. D.ID.2. 79 Jannott, E.: Auswirkungen der Deregulierung des Aufsichtsrechts auf den Versicherungsvertrieb, in: VW 1994, S. 613.

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Ansatz verzichtete die Europäische Kommission - gestützt auf die CassisRechtsprechung des EuGH - auf eine weitgehend gleiche und wettbewerbsneutrale Ausgangsbasis für alle Marktteilnehmer. Die "dritten Richtlinien" führen die einheitliche ("europäische") Zulassung zum Geschäftsbetrieb ein. Die Versicherer dürfen das Versicherungsgeschäft mit der Zulassung ihrer Herkunftslandbehörde gemeinschaftsweit über Niederlassungen und im Dienstleistungswege betreiben. Auch die laufende Beaufsichtigung liegt weitgehend bei der Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes. Dagegen darf die Tätigkeitslandbehörde nur in bestimmten Fällen eingreifen.

C. Regulierungssystem der EU-Richtlinien und Regulierungssystem in Deutschland I. Grundlagen

Das EU-Regulierungs system für Versicherungen folgt im wesentlichen den Systemen im Vereinigten Königreich, in Irland und den Niederlanden. Wichtigstes "Auswahlkriterium" war dabei die Schaffung eines Binnenmarktes für Versicherungen - also die Öffnung der Märkte! . Mit dem Gedanken des Binnenmarktes waren nach Auffassung der Europäischen Kommission vor allem Genehmigungs- oder Vorlagepflichten für Versicherungsbedingungen, Prämien oder Rechnungsgrundlagen nicht zu vereinbaren2 . 11. Regulierungsziele Die Richtlinien definieren als primäres Ziel der Regulierung der Versicherungsmärkte den Schutz der Versicherungsnehmer und Drittgeschädigten. Andere, vor allem wirtschaftspolitische Ziele werden abgelehnt. Dies ergibt sich beispielsweise aus der Begründung der Kommission für die Abschaffung von nationalen Bestimmungen, nach denen die Versicherer einen Teil ihrer Vermögenswerte in staatliche Anleihen anlegen müssen. Weitere Beispiele sind die Beseitigung der Monopolrechte öffentlich-rechtlicher Versicherungsanstalten in einigen deutschen Bundesländern durch die dritte Richtlinie zur Schaden- und Unfallversicherung3 sowie das Verbot der Zwangszession in der

I Jürgens, U. I Rabe, T.: Wozu dienen die Vorschläge fiir eine dritte EG-Richtliniengeneration?, in: VW 1992, S. 664-665; Drabbe, H: Vetwirklichung des Binnenmarktes fiir Versicherungen - Was bleibt zu tun?, in: VW 1994, S. 550-551. 2 Die Regulierung der Versicherungsgeschäfte wäre nur bei Schaffung einer europäischen Aufsichtsbehörde mit dem oben beschriebenen Binnenmarktgedanken des freien Dienstleistungsverkehrs zu vereinbaren gewesen, vgl. Drabbe, H: Vetwirklichung des Binnenmarktes fiir Versicherungen - Was bleibt zu tun?, in: VW 1994, S. 550. 3 Die dritte Richtlinie zur Schaden- und Unfallversicherung sieht vor, daß die in einigen deutschen Bundesländern bestehenden Monopole in der Gebäudeversicherung aufgehoben werden müssen. Die betroffenen Anstalten werden damit zu öffentlichrechtlichen Wettbewerbsunternehmen. Sie können auch in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und anschließend privatisiert werden, wie dies beispielsweise in Baden-

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C. ReguliefWlgssystem der EU-Richtlinien und in Deutschland

italienischen Lebensversicherung an das Instituto Nazionale delle Assicurazioni durch die zweite Richtlinie zur Lebensversicherung. Der Schutz der Gläubigerinteressen der Versicherungsnehmer kommt in verschiedenen Bestimmungen der EU-Richtlinien zum Ausdruck. Zum Beispiel4 müssen die versicherungstechnischen Rückstellungen nach Artikel 56 der Richtlinie zum Jahresabschluß der Versicherer ,jederzeit gewährleisten, daß das Versicherungsunternehmen alle seine aus den Versicherungsverträgen resultierenden Verpflichtungen [... ] erfüllen kann"s. Dieser Grundsatz der dauernden Erfüllbarkeit der Verträge verlangt bei der Bildung der versicherungstechnischen Rückstellungen eine größere Vorsicht als in anderen Wirtschaftszweigen, in denen die Passivseite keine so überragende Bedeutung hat. Nach Artikel 19 der dritten Richtlinie zur Lebensversicherung müssen zudem die Prämien für die neuen Geschäfte hoch genug sein, damit das Versicherungsunternehmen all seinen Verpflichtungen nachkommen kann. In seinem bereits angesprochenen Vortrag vor dem CEA im November 1989 führte Sir Leon Brittan aus, daß auch der größtmögliche Wettbewerb im Interesse der Versicherungsnehmer liegt, Gläubiger- und Schuldnerinteressen also gleichberechtigt nebeneinander stehen. Dieser Gedanke schlägt sich auch in den Erwägungsgründen zu den "dritten Richtlinien" nieder. Danach bedeutet "Verbraucherschutz [... ] auch das Recht zur größtmöglichen Auswahl zwischen neuartigen Versicherungsprodukten zum günstigsten Preis,,6. Die Kommission räumt ein, daß in einem Versicherungsmarkt, in dem Produkt- und Prämienwettbewerb herrscht, Informationsprobleme bei privaten Versicherungskunden auftreten können und dies Fehlentscheidungen auslösen kann. Sie hält aber eine Regulierung der Versicherungsprodukte und -prämien zur Förderung der Markttransparenz für unangemessen und mit dem Binnenmarkt nicht vereinbar. Die Richtlinien sehen als Lösung statt dessen umfasWürttemberg geschehen ist. Insgesamt sind zwölf Pflicht- und Monopolversicherer mit einem Beitragsaufkommen von 1,6 Mrd. DM betroffen. 4 Richtlinie des Rates 911674IEWG vom 19. Dezember 1991 über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von VersichefWlgsuntemehmen, AbI. der EG Nr. L 374, 31. Dezember 1991, S.23. 5 Das ist nur dann gewährleistet, wenn Prämien und Kapitalanlageerträge die Aufwendungen für VersichefWlgsfiille und sonstigen Aufwendungen der Versicherer dekken und die Kapitalanlagen die passivierten Verpflichtungen. Das ist Aufgabe der Finanzaufsicht, wobei die Kontrolle künftig nur noch im nachhinein erfolgen kann. Die Vorlage der technischen Geschäftsgrundlagen kann von der Aufsichtsbehörde nicht mehr verlangt werden. 6 o.v.: Der europäische VersichefWlgsmarkt, Was geschieht ab 1. Juli 1994, in: EUNachrichten Nr. 4,24. Mai 1994, S. 3.

II. Regulienmgsziele

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sende Informationspflichten der Versicherer gegenüber den Versicherungsnehmern im Privatkundengeschäft und die Offenlegung von Informationen (Jahresabschluß) vor. Außerdem empfiehlt die Kommission den Mitgliedstaaten, die Versicherungsvermittler zu regulieren, um eine seriöse und qualifizierte Beratung der Versicherungsnehmer zu gewährleisten. Leitbild der Europäischen Kommission ist der mündige Versicherungsnehmer, der ohne hoheitlich erzwungene Markttransparenz auskommt und bereit ist, Zeit zu opfern, um Versicherungsbedingungen zu studieren7 • Für den Versicherungsnehmer wird im Binnenmarkt aus "dem Recht auf Uninformiertheit" eine ,,Pflicht zur Informiertheit". Die Aufgabe der Versicherungsaufsicht besteht nach den EU-Richtlinien darin, Mißstände zu vermeiden oder zu beseitigen und so die Belange der Versicherungsnehmer zu schützen. Nach den Erwägungsgründen zur dritten Richtlinie zur Schaden- und Unfallversicherung sind "die geordnete Ausübung der Tätigkeit des Versicherungsunternehmens zu gewährleisten [... ] und insbesondere Unregelmäßigkeiten und Verstöße gegen Bestimmungen des Aufsichtsrechts zu verhindern". Offen bleibt hier, was Unregelmäßigkeiten sind. Artikel 11 der Richtlinie geht weiter. Dort ist nicht nur von Rechtsverstößen die Rede, sondern auch von der Vermeidung und Beseitigung von Mißständen: Es ist sicherzustellen, daß "der Geschäftsbetrieb mit den Rechts- und Verwaltungsvorschriften [... ] und insbesondere mit dem Tätigkeitsplan [... ] im Einklang bleibt und Mißstände, die eine Gefährdung der Versicherteninteressen darstellen, vermieden oder beseitigt werden"s. Umstritten ist, ob diese Bestimmung es gestattet oder verlangt, eine umfassende Mißstandsaufsicht beizubehalten oder einzuführen. Einzelheiten werden in Kapitel D besprochen9 . Die Europäischen Kommission ging in den ,,zweiten Richtlinien" vom Konzept einer gestuften Marktregulierung und Marktliberalisierung aus - abhängig vom Schutzbedürfnis der Versicherungsnehmer. Diese Differenzierung wird in den "dritten Richtlinien" eingeschränkt. Sie bleibt nur bei einigen Regulierungsinstrumenten erhalten, zum Beispiel bei der Wahl des anwendbaren Versicherungsvertragsrechts.

7 Brittan, Sir Leon: Der Europäische Binnenmarkt der Versichenmgen: Was noch zu tun bleibt, in: VW 1990, S. 759; Weiser, C.: Der Binnenmarkt für Versichenmgen, in: EuZW 1993, S. 31. 8 Artikel 11 der Richtlinie des Rates 92/49/EWG. 9 Dreher, M.: Inhalt und Grenzen einer künftigen Mißstandsaufsicht des VAG, in: VersR 1993, S. 1443; vgl. D.I.2.a)bb)(3).

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C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien wtd in Deutschland

III. Regulierungs- und Aufsichtsinstitutionen

Die EU-Richtlinien legen die Regulierungs- und Aufsichtsinstitutionen nicht fest. Bei der Zulassung zum Geschäftsbetrieb wird von der ,,zuständigen Behörde der Mitgliedstaaten" gesprochen lO . Es bleibt den Mitgliedstaaten überlassen, welche Behörde sie mit der Aufsicht betrauen. In Frage kommen beziehungsweise zulässig sind staatliche und privatrechtliehe Einrichtungen, also Ministerien, nachgelagerte Behörden sowie selbstregulierende und selbstverwaltende Einrichtungen, Verbände und Berufsstände. Für die Arbeit von Verbänden und für Vereinbarungen zwischen Marktteilnehmern sind wettbewerbsrechtliche Bestimmungen relevant, auf die später eingegangen wird. Für die Beaufsichtigung der Versicherer bleiben im Binnenmarkt die jeweiligen nationalen Aufsichtsbehörden oder die anderen Einrichtungen zuständig. Es ist nicht vorgesehen, eine zentrale europäische Aufsichtsbehörde zu schaffen, auch wenn diese Diskussion immer wieder aufkommt l l . Damit gibt es im Binnenmarkt fünfzehn Aufsichtsbehörden in den Mitgliedstaaten der EU und drei in den Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR)12. Jede dieser Institutionen ist im Grunde eine europäische Aufsichtsbehörde, weil ihre Zulassung es einem Versicherer gestattet, das Geschäft in der gesamten EU und dem EWR zu betreiben. Mit anderen Worten: Der Aufsichtsbehörde eines Mitgliedstaats obliegt nicht nur die Beaufsichtigung des Versicherungsgeschäfts im Inland, sondern auch des Geschäfts, das inländische Versicherer über Niederlassungen oder im Dienstleistungsverkehr in anderen Mitgliedstaaten tätigen. Damit kann sich die Zuständigkeit für die Aufsicht über das Versicherungsgeschäft in Deutschland oder für in Deutschland belegene Risiken auf bis zu achtzehn Behörden in der EU und dem EWR verteilen. Das zeigt, daß eine enge Zusammenarbeit zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden im Binnenmarkt unerläßlich ist. Wichtige Bereiche der Zusammenarbeit sind die Übermittlung von Unterlagen (etwa Solvabilitätsbescheinigungen) bei der Errichtung einer Niederlassung in einem anderen Mit-

Artikel 5 Abs. 2 der Richtlinie des Rates 731239fEWG. Im Bankenbereich wurde darüber nachgedacht, der europäischen Zentralbank Aufsichtsfimktionen zu übertragen, vgl. Schneider, U. / Troberg, P.: Finanzdienstleistwtgen im EG-Binnenmarkt: Sitzland- oder Gastlandrecht?, in: Zeitschrift fiir Wirtschafts- wtd Bankrecht 1990, S. 166. Eine europäische Versichenmgsaufsichtsbehörde wäre auch mit dem neuen Grwtdsatz der Subsidiarität des EU-Vertrags nicht zu vereinbaren, vgl. GraB, P.: Bwtdesaufsichtsamt im deregtllierten Markt, in: VK 1994, S. 10; o.y.: Vorläufig noch keine europäische Aufsicht, in: VW 1994, S. 764. 12 Müller, H: Verbraucherschutz im Versichenmgswesen durch Information der Versicherten, Karlsruhe 1992, S. 17. 10 11

ID. Regulienmgs- und Aufsichtsinstitutionen

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gliedstaat, der Austausch von Informationen, Prüfungen vor Ort und die Abstimmung von Maßnahmen bei Rechtsverstößen oder Mißständen. Verstärkt werden soll auch die Zusammenarbeit zwischen den Banken- und Versicherungsaufsichtsbehörden, um eine wirkungsvolle Beaufsichtigung von sogenannten Finanzkonglomeraten sicherzustellen 13 • Auf EU-Ebene wurde ein Versicherungsausschuß errichtet, der aus Vertretern der einzelnen Mitgliedstaaten sowie der Europäischen Kommission besteht 14 . Der Ausschuß soll Durchführungsbestimmungen zu den Richtlinien erlassen, wenn notwendig die Richtlinien anpassen und die Kommission bei der Vorbereitung neuer Richtlinienvorschläge unterstützen. Zu den Durchführungsbestimmungen gehören vor allem Maßnahmen, die gegenüber Versicherern aus Drittstaaten ergriffen werden müssen (Reziprozität 15 ). Anpassungen der Richtlinien dürfen vor allem bei den Bestimmungen über zulässige Rechtsformen, Kapitalanlagen sowie über die Eigenkapitalausstattung vorgenommen werden. Für die laufende Aufsicht ist der Ausschuß nicht zuständig. Aufsichtsfunktionen nimmt auch der Abschlußprüfer wahr. Die Richtlinie zum Jahresabschluß der Versicherer in Verbindung mit der achten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie sieht vor, daß Jahresabschluß und konsolidierter Abschluß vor Feststellung von einem Abschlußprüfer zu testieren sind. Die Rolle der Abschlußprüfer wurde insbesondere nach dem Zusammenbruch der Bank of Credit and Commerce International (BCCI) diskutiert. Das Europäische Parlament vertrat die Auffassung, daß sich die Abschlußprüfung nicht auf eine reine Ordnungsmäßigkeitsprüfung beschränken darf, sondern auch Unregelmäßigkeiten bis hin zu Unterschlagungen und betrügerischen Geschäften aufdecken muß. Außerdem soll der Abschlußprüfer in erster Linie der Aufsichtsbehörde verantwortlich sein und erst in zweiter Linie dem Auftraggeber, das heißt dem zu prüfenden Unternehmen 16 . Die Forderungen des Parlaments wurden teilweise in der sogenannten BCCI-Richtlinie berücksichtigt17. Da-

VgI. C.Y.2.e)bb). Richtlinie des Rates 911675IEWG vom 19. Dezember 1991 über die Errichtung eines Versichenmgsausschusses, AbI. der EG Nr. L 374, 31. Dezember 1991, S. 3233; Pearson, P.: Institutional Arrangements, in: Insurance and EC Law Commentary, hrsg. von Martijn van Empel und Humbert Drabbe, Amsterdam 1994. 1~ VgI. C.Y.2.a)dd). 16 Report ofthe Committee on Legal Mairs and Citizens' Rights on fmancial stability and regulation ofEC markets, PE 202.639/fm., 9. November 1993, S. 8-9. 17 Artikel 5 der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Ändenmg der Richtlinien 771780IEWG und 89/6461EWG betreffend Kreditinstitute, der Richtlinien 73/2391EWG und 92/491EWG betreffend Schadenversichenmgen, der Richtlini13

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C. ReguIienmgssystem der EU-Richtlinien und in Deutschland

nach muß der Abschlußprüfer über alle Tatsachen und Entscheidungen berichten, von denen er bei der Abschlußprüfung Kenntnis erhält und die gegen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften verstoßen, die weitere Entwicklung des Versicherers beeinträchtigen oder dazu führen können, daß er den Bestätigungsvermerk verweigern oder einschränken muß. Die Aufsichtsbehörde kann außerdem vom Abschlußprüfer ergänzende Berichte verlangen. Weitere Einzelheiten enthalten die Richtlinien nicht. In Deutschland gibt es beispielsweise ein detailliertes Rundschreiben des Bundesaufsichtsamtes über die Durchführung des Rechnungsabschlusses und den Inhalt des Prüfungsberichts 18 . Der Abschlußprüfer muß unter anderem berichten über Unternehmensverträge, Art und Umfang der Rückversicherungsbeziehungen, Kapitalanlagen, Liquidität, Kostenverteilung zwischen verbundenen Unternehmen und Solvabilität. Er muß darüber hinaus die Angemessenheit der versicherungstechnischen Rückstellungen beurteilen. Nach § 57 Abs. 1 VAG hat der Abschlußprüfer ferner festzustellen, ob der Versicherer seinen Anzeigepflichten gegenüber dem BAV sowie den Verpflichtungen nach dem Geldwäschegesetz nachgekommen ist. Bei der Vorbereitung der dritten Richtlinie zur Lebensversicherung beauftragte die Europäische Kommission die Groupe Consultatif des Association d' Actuaires des Pays des Communautes Europeennes 19 , den europäischen Verband der Versicherungsmathematiker, eine Studie über die Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen in den Mitgliedstaaten anzufertigen und Vorschläge für die dritte Richtlinie zur Lebensversicherung zu unterbreiten. Die Versicherungsmathematiker empfahlen unter anderem, die Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen einem ausreichend qualifizierten und erfahrenen Versicherungsmathematiker zu übertragen. Diesem Vorschlag folgte die Kommission in der Richtlinie zum Jahresabschluß von Versicherern. Dort wurde festgelegt, daß "die Berechnung der Deckungsrückstellungjährlich von einem Versicherungsmathematiker oder einem anderen Sachverständigen auf der Grundlage anerkannter versicherungsmathemaen 79/267fEWG und 92/96fEWG betreffend Lebensversichenmgen, der Richtlinie 93122fEWG betreffend Wertpapierlirmen sowie der Richtlinie 85/611fEWG betreffend

bestimmte Organismen fiir gemeinsame Anlagen in Wertpapieren zwecks verstärkter Beaufsichtigung dieser Finanzuntemehmen, Gemeinsamer Entwurf gebilligt vom Vermittlungsausschuß nach Artikel 189b Absatz 4 des EG-Vertrags, Sitzungsdokument des EP 3608/95, 1l. Mai 1995. '8 Rundschreiben 3/82 des BAV, Durchfiihrung der Prüfung des Rechnungsabschlusses und Inhalt des Prüfungsberichts, in: VerBAV 1982, S. 409-412; Richter, H: Erläutenmgen zu den fiir Versichenmgsuntemehmen geltenden ergänzenden Vorschriften zur Rechnungslegung und Prüfung, in: Wirtschaftsprüfer-Handbuch, Band I, 10. Auflage, Düsseldorf 1992, S. 629-63l. '9 Vgl. C.Y.2.g)bb)(3).

V. Regulienmgsinstrumente

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tischer Methoden vorzunehmen ist,,20. Die Richtlinie läßt offen, wie diese Bestimmung institutionell umzusetzen ist und welche Anforderungen (berufliche Erfahrung und fachliche Qualifikation) an den Versicherungsmathematiker oder Sachverständigen zu stellen sind. In Deutschland wurden bei der Umsetzung der "dritten Richtlinien" wichtige bisherige Aufgaben des BAV in der Lebens- und Krankenversicherung einem unabhängigen Sachverständigen übertragen, dem verantwortlichen Aktuar. IV. Regulierungsobjekte Regulierungsobjekte der Richtlinien sind in erster Linie die Versicherer. Die Regulierung der Versicherungsgeschäfte ist schwach ausgeprägt. Zur Regulierung der Vermittler liegt eine Empfehlung der EU-Kommission vor. V. Regulierungsinstrumente 1. Grundlagen

Die Regulierungsinstrumente werden im Zusammenhang mit den Regulierungsobjekten wie folgt besprochen:

Versicherer - Zulassung zum Geschäftsbetrieb und Zulassungsbedingungen, - Qualifikation der Unternehmensführung, - Kontrolle der Beteiligungsverhältnisse, - Verbot versicherungsfremder Geschäfte, - Versicherungskonzerne (Spartentrennung und Unternehmensverträge), - Eigenkapital, - versicherungstechnische Rückstellungen, - Kapitalanlagen, - Rechnungslegung und Publizität, - Informationspflichten, - behördliche Eingriffs- und Prüfungsbefugnisse, - Konkursregeln. Versicherungsgeschäjle - Versicherungsprodukte, - Versicherungsprämien und Überschußbeteiligung.

20

Artikel 59 der Richtlinie des Rates 911674/EWG.

7 Rabe

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C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien und in Deutschland

Versicherungsvermittler - Zulassung zum Geschäftsbetrieb, - Zulassungsbedingungen, - Registrierungszwang und Eingriffsbefugnisse. Es werden jeweils die Grundlagen der Regulierungsinstrumente dargestellt, dann die Bestimmungen der Richtlinien und die Bestimmungen des VAG nach Umsetzung der Richtlinien. Dabei zeigt sich, daß auch nach Umsetzung der Richtlinien einige Besonderheiten des deutschen Regulierungssystems bestehen bleiben. Dies kann darauf zurückzuführen sein, daß die Richtlinien: - nur Mindestanforderungen für einige Regulierungen vorsehen oder den Mitgliedstaaten Wahlrechte einräumen, - unklar und damit interpretationsbedürftig sind, - zu einigen Regulierungen keine Bestimmungen enthalten und/oder - nicht korrekt in nationales Recht umgesetzt wurden. 2. Versicherer

a) Zulassung zum Geschäftsbetrieb und Zulassungsbedingungen aa) Grundlagen Die Gründung eines Versicherers oder die Erweiterung der Tätigkeit auf andere Geschäftsfelder , vor allem andere Produkte und Regionen, ist meist mit langwierigen Prüfungen, Feststellungen und Entscheidungen durch die zuständige Aufsichtsbehörde verbunden. Sie enden bei einem positivem Ergebnis mit der Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb. Den Versicherern ist es nicht gestattet, Versicherungsgeschäfte ohne Erlaubnis zu betreiben. Die Erlaubnis muß beantragt werden, dem Antrag ist unter anderem ein Geschäftsplan beizufügen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht dokumentiert der Geschäftsplan Entscheidungsergebnisse, die teilweise die Unternehmensziele betreffen, teilweise das Aktivitätenprogramm (insbesondere das Sortiment) und teilweise die betrieblichen Verfahrensweisen. Rechtlich gesehen enthält der Geschäftsplan die Sachverhalte, die von der Aufsichtsbehörde genehmigt werden müssen. bb) Bestimmungen der Richtlinien (1) Zulassung eines rechtlich selbständigen Versicherers

Die Richtlinien der EU sehen einen Erlaubniszwang vor. Nach Artikel 4 der dritten Richtlinie zur Schaden- und Unfallversicherung ist "die Aufnahme der

V Regulienmgsinstrumente

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Direktversicherung [... ] von einer vorherigen Zulassung abhängig". Seit dem Inkrafttreten der "dritten Richtlinien" im Juli 1994 gestattet es die Erlaubnis oder Zulassung der Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes einem Versicherer, seine Geschäfte in allen Mitgliedstaaten der Union im Dienstleistungsverkehr oder über rechtlich unselbständige Niederlassungen zu betreiben. Einzelzulassungen in den jeweiligen Tätigkeitsländern sind dafür nicht mehr erforderlich. Versicherer mit Sitz in der Union haben ein Recht auf Zulassung in anderen Mitgliedstaaten, wenn dem keine gesetzlichen Versagungsgründe entgegenstehen. Eine Bedürfnisprüfung ist nicht mehr zulässig. Etwas anderes gilt für Versicherer aus Drittstaaten. Die Entscheidung über die Zulassung liegt im Ermessen der einzelnen Mitgliedstaaten, wobei Verpflichtungen aus internationalen Verträgen oder Vereinbarungen zu berücksichtigen sind21 . Die EU und einige Mitgliedstaaten der European Free Trade Association (EFTA) haben zum 1. Januar 1994 den EWR geschaffen. Für Versicherungen bedeutet der EWR, daß die EU-Richtlinien bis auf wenige Übergangsbestimmungen auch in den EFT A-Mitgliedstaaten gelten. Der Binnenmarkt umfaßt somit insgesamt achtzehn Staaten. Neben den fünfzehn EU-Mitgliedern gehören dazu die EFT A-Mitglieder Island, Liechtenstein und Norwegen22 . Der Zusammenbruch der BCCI hat erhebliche Defizite in der Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten im Bankenbereich offengelegt. Diese sollen mit der bereits erwähnten BCCI-Richtlinie abgestellt werden. Sie sieht insbesondere vor, daß sich Sitz und Hauptverwaltung eines Versicherers in ein und demselben Mitgliedstaat befinden müssen. Dadurch soll Regulierungsdumping vermieden und die laufende Aufsicht (vor allem durch höhere Transparenz der Strukturen) verbessert werden23 . Die BCCI-Holding hatte ihren Sitz in Luxemburg, die operativen Tochtergesellschaften in Luxemburg und auf den Cayman Islands. Der Geschäfte wurden aber überwiegend über Niederlassungen in London und anderen Städten abgewickelt. Die Zulassung zum Geschäftsbetrieb ist an Bedingungen geknüpft: Das Unternehmen muß eine bestimmte Rechtsform annehmen, seinen Gesellschaftszweck auf Versicherungsgeschäfte beschränken24 , einen detaillierten Ge21 Zu beachten sind aber internationale Abkommen, vor allem der Liberalisienmgskodex der OECD und das GATS-Abkommen des GATT. 22 Die meisten Vertrags staaten des EWR sind am 1. Januar 1995 VolJmitglieder der EU geworden, vgl. Nentwich, M.: Der Beitrittsvertrag Österreichs zur Europäischen Union vom 12. April 1994, in: EuZW 1994, S. 309-310; Department ofTrade and Industry (Hg.): The European Economic Area, London 1992, S. 12. 23 Briefkastenbanken mit ungenügender Eigenkapitalausstattung und laxer Beaufsichtigwtg. 24 Vgl C.V2.d).

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C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien und in Deutschland

schäftsplan vorlegen, die Geschäfte teilweise spartengetrennt betreiben25 , eine Mindestausstattung mit Eigenkapital26 nachweisen und die Aktionäre benennen, die eine qualifizierte Beteiligung halten27 . Die Unternehmensleitung muß ausreichend qualifiziert sein28 . Die EU-Richtlinien nennen für die einzelnen Mitgliedstaaten die zulässigen Rechtsformen für Erstversichere?9 . Die Rechtsformen gelten als gleichwertig. Eine europäische Rechtsform, die auf die Bedürfnisse international tätiger Versicherer zugeschnitten ist, gibt es noch nicht. 1970 legte die Kommission den ersten Vorschlag für das Statut einer Europäischen Aktiengesellschaft vor. Er wird seitdem verhandelt. Umstritten ist vor allem die Mitbestimmung der Arbeitnehmer auf Unternehmensebene. Auch das 1992 vorgeschlagene Statut für Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit hat zur Zeit geringe Aussichten auf Erfolg30 . Die in den Richtlinien genannten Rechtsformen schließen grundsätzlich natürliche Personen (Einzelunternehmen), Personengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) aus. Diese Rechtsformen sind ungeeignet, weil ihr Bestand vom Wechsel der Gesellschafter nicht unabhängig ist und sie nur bedingt die Bildung von Konzernen zulassen. Die für sie geltenden Publizitätsbestimmungen reichen nicht aus. Außerdem ist ihr Zugang zu Kapitalmärkten begrenzt, was vor allem die Aufnahme von Eigenkapital (auch für die Erfüllung der Solvabilitätsanforderungen) beeinträchtigt. Der Geschäftsplan muß Angaben enthalten zum Sortiment, zur Rückversicherungspolitik, zur Eigenkapitalausstattung sowie einen Finanz- und Erfolgsplan für die ersten drei Geschäftsjahre. Versicherungsbedingungen, Tarife und Rechnungsgrundlagen, also die Produktausprägungen und Preise, gehören mit Ausnahme der Pflichtversicherungen und der substitutiven Krankenversicherung nicht mehr zum Geschäftsplan. Die Aufsichtsbehörde darf ferner die Vorlage der Satzung verlangen und alle sonstigen Auskünfte einholen, die zur ordnungsmäßigen Aufsicht erforderlich sind. Eine Definition des Versicherungsbegriffs liefern die EU-Richtlinien nicht. Sie schlagen vielmehr einen pragmatischen Weg ein und sagen, daß unter "die Tätigkeit der Direktversicherung" in der Schaden- und Unfallversicherung die Vgl. C.Y.2.e)aa). Vgl. C.Y.2.f). 27 Vgl. C.Y.2.c). 28 Vgl. C.Y.2.b). 29 Die Rechtsformbeschränkungen gelten nicht für reine Rückversicherer. In Deutschland dürfen reine Rückversicherer alle Rechtsformen annehmen. 30 Moltke, H, von: Zum Statut der Europäischen Gegenseitigkeitsgesellschaften, in: VW 1993, S. 668-690. 2'

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V. Regulienmgsinstrumente

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Versicherungszweige fallen, die im Anhang zur "ersten Richtlinie" nach Risikoursachen (versicherten Gefahren) gegliedert sind3 ! und in der Lebensversicherung die Versicherungen und Geschäfte, die die erste Richtlinie zur Lebensversicherung nennt. Nach herrschender Meinung ist eine abschließende (rechtliche) Definition des Versicherungsbegriffs nicht erforderlich, einer dynamischen Begriffsentwicklung möglicherweise sogar hinderlich 32 . (2) Zulassung [ur die Tätigkeit im Dienstleistungsverkehr und filr eine rechtlich unselbständige Niederlassung Ein in einem Mitgliedstaat zugelassener Versicherer, der in einem anderen Mitgliedstaat im Dienstleistungsverkehr oder über eine rechtlich unselbständige Niederlassung tätig werden möchte, muß zunächst die Aufsichtsbehörde seines Herkunftslandes davon unterrichten. Er muß ihr mitteilen, in welchem Mitgliedstaat er die Niederlassung errichten möchte und einen Geschäftsplan vorlegen, in dem er vor allem die Art der vorgesehenen Geschäfte (das Sortiment) und die Organisation der Niederlassung darlegt. Er muß ferner einen Hauptbevollmächtigten benennen33 . Die Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes prüft die Unterlagen und schickt sie mit einer Solvabilitätsbescheinigung an die Aufsichtsbehörde des Tätigkeitslandes. Diese hat dann zwei Monate Zeit, um die Bedingungen mitzuteilen, die die Niederlassung in ihrem Hoheitsgebiet aus Gründen des Allgemeininteresses beachten muß. Danach darf der Versicherer die Niederlassung errichten. Das Verfahren zur Geschäftsaufnahme im Dienstleistungsverkehr ist ähnlich, die Fristen sind jedoch kürzer. Für die Frage, ob die Bestimmungen über den Dienstleistungsverkehr oder über die Niederlassung maßgeblich sind, ist die Definition der Niederlassung wichtig34 . Nach den EU-Richtlinien urnfaßt die Niederlassung nicht nur die Form einer Zweigniederlassung oder Agentur, sondern auch ein Büro, das von eigenem Personal oder einer Person geführt wird, die unabhängig (und rechtlich selbständig) ist, aber dauerhaft für den Versicherer handelt. Es ist unstrittig, daß ein gebundener Vermittler (Einfirmen- oder Konzernvertreter) eine Niederlassung des Versicherers ist. Dagegen ist ein (tatsächlich) ungebundener Vermittler (Makler) ,,Bundesgenosse" des Versicherungsnehmers und daAnhang der Richtlinie des Rates 73/239/EWG. Schmidt, R.: Weitere Gedanken zum Versichenmgsbegriff, in: Risiko Versiehenmg Markt, Festschrift für Walter Karten, hrsg. von Dieter Hesberg, Marin Nell und Winfried Scholl, Karlsruhe 1994, S. 4-5. 33 Weitere Bedingungen, vgl. D.I.2.a)bb). 34 Biagosch, P.: Europäische Dienstleistungsfreiheit und deutsches Versichenmgsvertragsrecht, Karlsruhe 1991, S. 74-77, 84-90. 31

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C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien \Uld in Deutschland

mit keine Niederlassung des Versicherers. Umstritten ist die Stellung des Mehrfachagenten, bei dem die Verhältnisse im Einzelfall zu prüfen sind33 . cc) Bestimmungen des VAG Nach § 5 Abs. 1 VAG brauchen Versicherer zum Geschäftsbetrieb die Erlaubnis der Aufsichtsbehörde. Dem Antrag auf Erlaubnis ist ein Geschäftsplan beizufügen. Er enthält neben den oben genannten Angaben die Satzung sowie Untemehmens- und Funktionsausgliederungsverträge. Nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 VAG muß der Geschäftsplan die betriebenen Versicherungszweige und die Risiken angeben, die gedeckt werden sollen. Versicherer, die die substitutive Krankenversicherung betreiben, müssen nach § 5 Abs. 5 Nr. 1 und la VAG außerdem die Versicherungsbedingungen und die Grundlagen für die Berechnung von Prämien und mathematischen Rückstellungen einreichen, die Versicherer, die Pflichtversicherungen betreiben, die Versicherungsbedingungen. Der Geschäftsplan wird durch geschäftsplanmäßige Erklärungen der Versicherer ergänzt, mit denen sie sich zu bestimmten Verhaltensweisen oder Auslegungen bestimmter Einzelfalle verpflichten. § 7 Abs. 2 VAG verbietet versicherungsfremde Geschäfte. Für Versicherer sind nach § 7 Abs. 1 VAG nur die Rechtsformen Aktiengesellschaft (AG), Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG), öffentlich-rechtliche Körperschaft oder Anstalt zulässig. Dazu kommen Niederlassungen ausländischer Versicherer, die rechtlich unselbständig sind36 . Der VVaG ist eine Rechtsform eigener Art für Versicherungen, die der Genossenschaft ähnelt. Sie ist in §§ 15 bis 53 VAG im einzelnen geregelt. Ergibt die Prüfung des BAV, daß der Antragsteller den materiell-rechtlichen Bedingungen genügt, ist die Erlaubnis zu erteilen37 •

3S Henning, W.: Das EuGH-Urteil vom 4.12.1986 aus der Sicht der LebensversicherlUlg, in: VW 1987, S. 837; Gaertner, F.-G., von: The rise ofthe middleman, in: The Review, Heft 5/1987, S. 11; Jenssen, H-G.: Die europäische Mitversichenmg, Karlsruhe 1990, S. 98-107. 36 Das HGB geht vom Begrißf der Zweigniederlass\Ulg aus, die \Ulselbständiger Teil des GesamtlUlternehmens ist (§§ 13, Ba, 13b HGB). Dies bedeutet, daß Leist\Ulgsbezieh\Ulgen zwischen der Hauptniederlass\Ulg, als die das HGB das "Stammhaus" bezeichnet, \Uld der Zweigniederlass\Ulg, oder zwischen mehreren Zweigniederlass\Ulgen keine rechtliche Wirklmg haben. Sie begründen keine gegenseitigen Fordenmgen \Uld Verbindlichkeiten. Inländische Zweigniederlass\Ulgen ausländischer Unternehmen behandelt das HGB dagegen wie Hauptniederlass\Ulgen. 31 Fahr, U. / Kaulbach, D.: Versichenmgsaufsichtsgesetz - VAG - \Uld Gesetz über die ErrichtlUlg eines B\Uldesaufsichtsamtes fiir das Versichenmgswesen: Kommentar, München 1993, S. 147.

V. Regulierungsinstrumente

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Für Versicherer aus anderen EU-Mitgliedstaaten, die in Deutschland über eine Niederlassung oder im Dienstleistungsverkehr tätig werden möchten, gelten die Bestimmungen der §§ 110a und 11 Ob VAG, die den EU-Richtlinien entsprechen. Das VAG definiert den Versicherungsbegriff nicht. Der Gesetzgeber hat die Begriffsbildung bewußt der Praxis und der Rechtsprechung anvertraut. Es sind in Theorie und Praxis viele Versuche unternommen worden, die Merkmale der Versicherung zu einem Begriff zusammenzufassen. Trotzdem gibt es einige Grenzfälle. Fahr38 nennt zum Beispiel Ölgesellschaften, die einen Fonds gründen, an den sie Beiträge zahlen und der Dritten, die durch Öl Schaden erleiden, Leistungen gewährt. Andere Beispiele sind die Verkehrsopferhilfe e.Y., die Einlagensicherung der Kreditinstitute und der Pensionssicherungsverein. dd) Verhältnis zu Drittstaaten Drittstaat ist jedes Land, der nicht EU-Mitgliedstaat oder EWR-Vertragsstaat ise 9 . (1) Reziprozität

Von der Schaffung des Binnenmarktes profitieren nicht nur europäische Versicherer, sondern auch Versicherer aus Drittstaaten, die mit einer Tochtergesellschaft in der EU ansässig sind. Maßgebliches Kriterium für die Ansässigkeit ist nach der in der EU geltenden modifizierten Sitztheorie, daß die Tochtergesellschaft in der EU inkorporiert ist und eine tatsächliche und dauerhafte Verbindung besteht. Die Tochtergesellschaft eines Versicherers aus einem Drittstaat gilt also als EU-Unternehmen. Eine Diskriminierung nach der Anteilseignerschaft ist unzulässig. 40 . In den 80er Jahren häuften sich die Klagen von europäischen Unternehmen, daß sie im Zugang zu den Märkten von Drittstaaten behindert oder diskriminiert werden. Besondere Schwierigkeiten bestanden im ostasiatischen Raum, 38 Fahr, U. / Kaulbach, D.: Versichenmgsaufsichtsgesetz - VAG - und Gesetz über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen: Kommentar, München 1993, S. 123-124. 39 Ffinch, C. / Rabe, T. / Zeyen, C.: Third Country Relations, in: Butterworths European Law Service, Insurance Law, Heft L 101, hrsg. von Alastair Sutton, London 1993. 40 Grabitz, E. / Bogdany, A, von / Nettesheim, M.: Europäisches Außenwirtschaftsrecht, München 1994, S. 47l.

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C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien Wld in Deutschland

in Japan und den Vereinigten Staaten. Die EU entschloß sich daher, den Zugang zum Binnenmarkt mit der Marktöffnung in Drittstaaten zu verknüpfen. Dabei ging sie davon aus, daß eine Marktöffnung nicht mit den sich dahinschleppenden Verhandlungen über ein Dienstleistungsabkommen im Rahmen der Uruguay-Runde des General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) erreicht werden kann, sondern nur über bilaterale Verhandlungen auf der Grundlage der Reziprozität. Nach den EU-Richtlinien müssen die Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Kommission Anträge auf Zulassung oder den beabsichtigten Erwerb eines EU-Versicherers durch einen Versicherer aus einem Drittstaat melden, wenn das Herkunftsland des Versicherers auf der schwarzen Liste der Union steht41 . Auf diese Liste werden Länder gesetzt, die Versicherer aus der EU nicht wie inländische Versicherer behandeln und im tatsächlichen Marktzugang behindern (national treatment and effective market access42 ). Die Zulassung oder der Beteiligungserwerb kann bei Versicherern aus solchen Ländern solange ausgesetzt werden, bis die Kommission durch Verhandlungen eine befriedigende Lösung erreicht hat. Die Kommission kommt in einer umfassenden Untersuchung zum Ergebnis, daß Banken und Versicherer aus der EU in den wichtigsten Märkten, vor allem den Vereinigten Staaten und Japan, im wesentlichen wie inländische Anbieter behandelt werden. Sie weist aber auf einige Bestimmungen hin, die dazu führen, daß beispielsweise im amerikanischen Markt ~r EU-Versicherer nicht die gleichen Möglichkeiten bestehen wie im europäischen Binnenmarkt. Insbesondere gibt es dort keine einheitliche Zulassung, die für alle Bundesstaaten gilt. Diese Beschränkungen treffen aber europäische und amerikanische Versicherer gleichermaßen. Eine Diskriminierung europäischer Versicherer und Banken hat die Europäische Kommission dagegen in Brasilien, China, Indien, Indonesien und Südkorea festgestellt43 . Der Zugang von Banken und Versicherern aus Drittstaaten zum europäischen Binnenmarkt wurde Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre unter der Überschrift ,,Festung Europa" kontrovers diskutiert. Daß diese Diskussion noch nicht beendet ist, zeigt ein Bericht des Europäischen Parlaments zur

Vgl. § 8 Abs. 3 VAG. Key, S.: Is National Treatment Still Viable? US Policy in Theory and Practice, Genf 1990, S. 5-7 (nicht veröffentlicht). 43 Report from the Commission to the COWlcil on Treatment Accorded in Third COWltries to CommWlity Credit Institutions and Insurance Companies, COM (95) 303 [m., 29. JWli 1995. 41

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V. Regulienmgsinstrumente

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,,Financial Stability and Regulation of Ee Markets,,44 . Darin fordern die Parlamentarier, die Reziprozitätspolitik gegenüber den Vereinigten Staaten zu überprüfen, weil die Staaten entgegen früherer Erwartungen der Kommission die Beschränkungen im interstate branching nicht aufgehoben haben. Versicherer mit Sitz außerhalb von EU und EWR, die in der EU über Niederlassungen Geschäfte tätig werden wollen, unterliegen der Aufsicht des Tätigkeitslandes43 . Den Tätigkeitsländern steht es frei, solchen Niederlassungen die Zulassung zu versagen46 . (2) EU - Schweiz

Das Versicherungsabkommen zwischen der EU und der Schweiz über die Niederlassungsfreiheit in der Schaden- und Unfallversicherungen hat nach dem Votum der Schweizer Bürger gegen den EWR am 6. Dezember 1992 eine neue Dimension bekommen47 . Das Abkommen sieht für Schaden- und Unfallversicherer das Recht aufNiederlassungsfreiheit vor, das heißt Versicherer aus der Schweiz haben in den EU-Mitgliedstaaten Anspruch auf Erteilung einer Zulassung, wenn sie die dafür geltenden Bedingungen erfüllen. Dies gilt entsprechend für Versicherer aus der EU, die in der Schweiz tätig werden möchten. Für Niederlassungen muß keine Kaution mehr gestellt werden. Die Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes des Versicherers ist für die Solvabilitätsaufsicht verantwortlich. Für die Lebensversicherung gelten dagegen die Bestimmungen für Versicherer aus Drittstaaten. Schweizer Versicherern ist es nicht gestattet, von der Schweiz aus Geschäfte in der EU im Dienstleistungsverkehr zu betreiben. Allerdings können die Mitgliedstaaten Ausnahmen zulassen. Die großen Schweizer Versicherer sind seit langem über Tochtergesellschaften und Niederlassungen in der EU tätig. Die praktischen Folgen der Ablehnung des EWR und damit der EU-Mitgliedschaft sind daher begrenzt48 .

44 Report ofthe Committee on Legal Affairs and Citizen's Rights on fmancial stability and regulation ofEC markets, PE 202. 639/fin., 9. November 1993. 4S Präve, P.: Das neue Aufsichtsrecht, in: VW 1994, S. 807-810. 46 Artikel 23 der Richtlinie des Rates 73/239/EWG. 47 Drolshammer, J. / Walter, R.: Die Schweiz und die Gestaltung ihrer Beziehungen zur EG nach dem 6.12.1992, in: EuZW 1994, S. 549. 48 Pfund, B.: Die aufsichtsrechtlichen Folgen des Abkommens zwischen der Schweiz und der EWG, in: Schweizerische Versichenmgszeitschrift 1989, S. 356-358; Wyninger, C.: Das Versichenmgsabkommen SchweizlEWG aus Sicht der Schweizer Assekuranz, in: Schweizerische Versichenmgszeitschrift 1989, S. 364-366.

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C. Regulienm.gssystem der EU-Richtlinien und in Deutschland

(3) EU - Mittel- und Osteuropäische Länder

Die Union hat mit den meisten Ländern Mittel- und Osteuropas sogenannte Assoziierungsabkommen geschlossen, die vor allem den Warenverkehr durch Abbau von mengenmäßigen Beschränkungen und Zöllen erleichtern sollen. Die Abkommen sehen auch die Angleichung des Versicherungsrechts der Länder Mittel- und Osteuropas an die EU-Richtlinien vor. Auf dieser Grundlage sollen die Märkte schrittweise geöffnet werden. Die EU leistet technische Hilfe im Rahmen verschiedener Programme, vor allem bei der Schulung von Mitarbeitern49 . Im Mai 1995 hat die Kommission ein Weißbuch vorgelegt über die Vorbereitung der assoziierten Länder Mittel- und Osteuropas auf die Integration in den Binnenmarkt'o und - in einem zweiten Schritt - auf den Beitritt zur EU. Addressaten des Weißbuchs sind zunächst die zehn assoziierten Länder, also Polen, Ungarn, die Tschechische Republik, die Slowakei, Bulgarien, Rumänien, die drei baltischen Staaten und Slowenien. (4) OECD

Für den Versicherungsbereich ist der Kodex der Liberalisierung der laufenden unsichtbaren Geschäfte besonders wichtig. Der Kodex enthält unter anderem das Niederlassungsrecht, insbesondere gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung von in- und ausländischen Versicherern. Dies bedeutet, daß Versicherer aus Staaten, die der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) angehören, in der EU einen Rechtsanspruch auf Zulassung zum Geschäftsbetrieb nach Maßgabe der jeweiligen nationalen Bestimmungen haben'l . Es ist jedoch unter anderem zulässig, für Niederlassungen von Versicherern aus Drittstaaten die Stellung einer Kaution zu verlangen. Der Kodex erklärt darüber hinaus den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr für ,,frei". Die Mitgliedstaaten dürfen den Versicherungsvermittlern aber verbieten, "ausländischen" Versicherungsschutz an inländische Versicherungsnehmer zu vermitteln. Sie können den Dienstleistungsverkehr auf die sogenannte Korrespondenzversicherung beschränken, was weitgehend auch geschehen ist. 49 Kuschel, H-D.: Die Niederlassungsfreiheit für Unternehmen der Europäischen Gemeinschaft in den Europa-Abkommen der EG mit Bulgarien und Rumänien, in: EuZW 1993, S. 443. '0 Preparation ofthe Associated Countries ofCentral and Eastern Europe for the integration into the Internal Market ofthe Union, White Paper, COM (95) 163 fm., 3. Mai 1995. Eine detaillierte Darstellung der wirtschaftliche Hintergründe des EUBeitritts der assoziierten Länder geben Brunner, P. / Ochel, W.: Die europäische Union zwischen Vertiefung und EIWeitenm.g, in: Ifo Schnelldienst, Heft 32/1995, S. 9-20. '1 Müller, H: Versichenm.gsbinnenmarkt, München 1995, S. 195.

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(5) GA TT-Dienstleistungsabkommen

Am 15. Dezember 1993 wurde sieben Jahre nach Verhandlungsbeginn die Uruguay-Runde des GATI erfolgreich beendet. Die vereinbarten Abkommen wurden auf einer Ministerkonferenz am 15. April 1994 in Marrakech unterzeichnet. Besondere Bedeutung hat das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen, das General Agreement on Trade in Services (GATS)52. Das GATS besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil enthält Bestimmungen über einen allgemeinen rechtlichen Rahmen für den Handel mit Dienstleistungen, der zweite Teil bindende Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, ihre Märkte zu öffnen. Kern des GATS ist neben der Meistbegünstigungsklausel die Inländergleichbehandlung und die Gewährung von Marktzugang. Inländergleichbehandlung bedeutet, daß ausländischen Anbietern dieselbe Behandlung gewährt werden muß wie inländischen. Die Marktzugangsverpflichtung verbietet einige besonders oft vorkommende Hindernisse, vor allem die Beschränkung der Zahl zugelassener Anbieter, die Bedürfnisprüfung und die Niederlassungspflicht. Die Mitgliedstaaten waren gehalten, eine Liste mit Liberalisierungsangeboten vorzulegen, die bei Inkrafttreten des GATS wirksam wird53 . Dabei war es ihnen gestattet, einzelne Dienstleistungsbereiche auszuklammern oder die Liberalisierungsangebote an Bedingungen knüpfen54 . Für die Finanzdienstleistungen mußten die Mitgliedstaaten ihre Liberalisierungsangebote bis Mitte Juni 1995 unterbreiten. Auf dieser Grundlage sollte bis Ende Juni 1995 ein Abkommen geschlossen werden. Das gelang nicht. Die Vereinigten Staaten waren (und sind) der Auffassung, daß die Angebote vor allem der südamerikanischen und asiatischen Schwellenländer nicht ausreichen, um Anbietern aus diesen Ländern (im Gegenzug) gleichberechtigten Zugang zum amerikanischen Markt zu gewähren55 . Sie zogen daher am 30. Juni 1995 ihr Liberalisierungsangebot zurück. Die übrigen Staaten haben inzwi-

'2 Barth, D. / Putscher, N.: Liberalisienmg der Finanzdienstleistungen im Rahmen des GATI, in: Die Bank 1994, S. 132; Jackson, 1.: Constructing a Constitution for Trade in Services, in: The World Economy 1988, S. 187-202; Broadman, H: GATS: The Uruguay ROWld Accord on International Trade and Investment in Services, in: The WorId Economy 1994, S. 281-292. '3 Errens, M.: AuswirkWlgen des GATS-Abkommens auf den Beruf des Rechtsanwaltes, in: EuZW 1994, S. 461. '"' Barth, D.: Das Allgemeine Übereinkommen über den internationalen Dienstleistungshandel (GATS), in: EuZW 1994, S. 457. ss o. V.: WTO cOWltries begin new bilateral talks on liberalization of financial services, in: International Trade Reporter 1995, S. 858-859.

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C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien und in Deutschland

sehen ein Abkommen (ohne die Vereinigten Staaten) geschlossen, das bis Ende 1997 läuft und dann durch ein endgültiges Abkommen ersetzt werden soll. (6) Zusammenfassung Der regionale Geltungsbereich der EU-Richtlinien und das Verhältnis zwischen der EU und Drittstaaten sind in der folgenden Tabelle nach Herkunftsland des Versicherers und Tätigkeitsform zusammengefaßt. Tätigkeitsform Herkunftsland des Versicherers·) EU-Mitgliedstaat EWR-Vertragsstaat OECD-Mitgliedstaat (u.a. Schweiz)

Tochtergesellschaft Anspruch auf Zulassung Anspruch auf Zulassung Anspruch auf Zulassung

Niederlassung Zulassung nicht erforderlich Zulassung nicht erforderlich Anspruch auf Zulassung

Sonstiger Drittstaat Reziprozität kein Anspruch auf Zulassung (u.a. Mittel- und Osteuropäische Länder) .. aJ Das GATS-Abkommen Wll'd rucht berückSIchtIgt.

Dienstleistungsverkehr Zulassung nicht erforderlich Zulassung nicht erforderlich Anspruch auf Korrespondenzversichenmg kein Anspruch auf Korrespondenzdenzversichenmg

b) Qualifikation der Unternehmensfohrung aa) Grundlagen Die Unternehmensführung ist verantwortlich für die mittel- bis langfristige Unternehmenspolitik, die Organisation und Koordination der mit Führungsaufgaben betrauten Teilbereiche, die laufende und nachträgliche Kontrolle von delegierten Geschäftsführungsaufgaben und für die Besetzung von FührungsstellenS6 . Die Bedeutung einer qualifizierten Unternehmensführung unterstreichen Untersuchungen in den Vereinigten Staaten. Sie zeigen, daß Managementfehler die häufigste Ursache von Versicherungskonkursen sinds7 . Frese, E.: Untemehmensfiihrung, Landsberg am Lech 1987, S. 111-112. Grace, M. / Barth, M.: The Regulation and Structure ofNonlife Insurance in the United States, Policy Research Papers, The World Bank, Washington 1993, S. 16; Bench, R: Modernization of Regulation and Supervision of LDC F inancial Institutions, Paper presented at the Seminar for Financial Sector Liberalisation and Regulation, Washington 1990, S. 22 (nicht veröffentlicht); 56 57

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bb) Bestimmungen der Richtlinien Die EU-Richtlinien sehen vor, daß die Geschäftsleiter der Versicherer und die Hauptbevollmächtigten von Niederlassungen bestimmte persönliche und fachliche Voraussetzungen erfüllen müssen. Gefordert werden insbesondere fundierte theoretische und praktische Kenntnisse in Versicherungsgeschäften und Leitungserfahrung. Die Richtlinien führen nicht aus, welche Anforderungen im einzelnen an die Unternehmensführung zu stellen sind. Sie überlassen dies den Mitgliedstaaten. cc) Bestimmungen des VAG Nach § 7a Abs. 1 VAG müssen die Geschäftsleiter eines Versicherers fachlich geeignet und zuverlässig sein. Geschäftsleiter sind diejenigen natürlichen Personen, die die Geschäfte des Versicherers führen und den Versicherer nach außen vertreten. Das sind etwa bei einer AG die Mitglieder des Vorstands. Sie müssen in ausreichendem Maße praktische und theoretische Kenntnisse im Versicherungswesen sowie Leitungserfahrung besitzen. Dies wird angenommen, wenn eine dreijährige leitende Tätigkeit bei einem Versicherer vergleichbarer Größe und Geschäftsart vorliegts8 . c) Kontrolle der Beteiligungsverhältnisse aa) Grundlagen Mit der Offenlegung und Kontrolle der Beteiligungen, die an Versicherern gehalten werden, soll eine wirksame Aufsicht auch bei komplizierten Konzernstrukturen sichergestellt werdens9 . Präve60 sieht ihren Zweck auch in der Bekämpfung organisierter Kriminalität, einschließlich der Geldwäsche. bb) Bestimmungen der Richtlinien Die Versicherer müssen der Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes mit dem Antrag auf Zulassung die Beteiligungsverhältnisse offenlegen, das heißt InhaSB Fahr, U. / Kaulbach, D.: Versichenmgsaufsichtsgesetz - VAG - Wld Gesetz über die Errichtwtg eines BWldesaufsichtsamtes fiir das Versichenmgswesen: Kommentar, München 1993, S. 123-124. S9 Präve, P.: Das Dritte DurchfiihnmgsgesetzlEWG zum VAG - Ausgewählte Fragen des neuen Aufsichts- Wld Vertragsrechts, in: ZN 1994, S. 200. 60 Präve, P.: Das neue Aufsichtsrecht, in: VW 1994, S. 804.

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ber von sogenannten qualifizierten Beteiligungen benennen. Qualifiziert ist jede Beteiligung über 10 Prozent der Stimmrechte oder des gezeichneten Kapitals einer AG (oder des Gründungsstocks eines VVaG) oder jede andere Möglichkeit, maßgeblichen Einfluß auf die Geschäftsleitung der Gesellschaft auszuüben. Natürliche oder juristische Personen, die eine qualifizierte Beteiligung an einem Versicherer so erhöhen wollen, daß Schwellen von 20, 33 oder 50 Prozent der Stimmrechte oder des Kapitals erreicht oder überschritten werden, müssen dies ebenfalls der Aufsichtsbehörde mitteilen61 . Die Inhaber qualifizierter Beteiligungen müssen nach den EU-Richtlinien zuverlässig sein, also den Ansprüchen einer soliden und umsichtigen Unternehmensführung genügen. Welche Maßstäbe im einzelnen anzuwenden sind, bleibt unklar62 . Die Aufsichtsbehörde kann den Erwerb einer Beteiligung oder die Ausübung der Stimmrechte versagen, wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Die BCCI-Richtlinie verstärkt die Beaufsichtigung von Unternehmensgruppen. Eine Gruppe besteht, wenn ein Versicherer an einem anderen Unternehmen mindestens 20 Prozent der Kapitalanteile oder Stimmrechte hält oder andere Möglichkeiten hat, beherrschenden Einfluß auszuüben. Nach der Richtlinie müssen die Unternehmen, die zu einer Gruppe gehören, der jeweiligen Aufsichtsbehörde die Gruppenstruktur und spätere Änderungen mitteilen. Ist aufgrund der Struktur eine wirksame Aufsicht nicht mehr möglich, kann die Aufsichtsbehörde die Zulassung entziehen oder verlangen, daß ein Restrukturierungsplan mit Maßnahmen für eine bessere Transparenz vorgelegt wird. cc) Bestimmungen des VAG Die Bestimmungen der §§ 7a Abs. 2 und 104 VAG entsprechen denen der EU-Richtlinien. d) Verbot versicherungsfremder Geschäfte aa) Grundlagen Das Verbot versicherungsfremder Geschäfte soll vermeiden, daß Versicherer selbst Risiken eingehen, die nicht mit dem Betrieb von Versicherungsgeschäften zusammenhängen. 61 Das gilt auch, wenn eine qualifizierte Beteiligung unter diese Schwellenwerte gesenkt wird. 62 Vossen, 1. W., van der: Authorization Requirements, in: Banking and EC Law Comrnentary, hrsg. von Martijn van Empel und Rene Smits, Amsterdam 1992, S. 47.

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III

bb) Bestimmungen der Richtlinien Versicherer müssen ihren Gesellschaftszweck auf Versicherungsgeschäfte und damit unmittelbar zusammenhängende Geschäfte beschränken. Versicherungsfremde Geschäfte sind den Versicherern verboten. Ein Bericht der Konferenz der Aufsichtsbehörden zeigt, daß die genaue Abgrenzung zwischen zulässigen und unzulässigen Geschäften schwierig ist und von den Mitgliedstaaten unterschiedlich vorgenommen wird63 . Das Verbot versicherungsfremder Geschäfte gilt nur für die Versicherer selbst. Es ist ihnen aber gestattet, solche Geschäfte auf eine rechtlich selbständige Tochtergesellschaft zu übertragen. Sie dürfen zudem Beteiligungen an branchenfremden Unternehmen eingehen. cc) Bestimmungen des VAG

§ 7 Abs. 2 VAG verbietet Versicherern versicherungsfremde Geschäfte. Sie dürfen aber alle Geschäfte betreiben, die mit Versicherungsgeschäften unmittelbar zusammenhängen. Sie dürfen ferner Funktionen für andere Versicherer (als übernehmender Vertragsteil einer Funktionsausgliederung) wahrnehmen. Zulässig ist auch die Vermittlungstätigkeit für einen anderen Versicherer in den Zweigen, die der Versicherer selbst nicht betreibt, die Vermittlung von Bausparverträgen, anderen Sparverträgen und von Bankkrediten. Eindeutig unzulässig ist, daß Versicherer selbst Bankgeschäfte betreiben oder (wie etwa RaifIeisenbanken) im Warenhandel tätig sind64 • Das BAV hat kürzlich (erneut) mitgeteilt, daß es mit dem Verbot versicherungsfremder Geschäfte nicht zu vereinbaren ist, wenn Versicherer Fremdmittel am Kapitalmarkt aufnehmen, um sonst nicht finanzierbare Kapitalanlagen zu erwerben. e) Versicherungskonzerne

aa) Spartentrennung (1) Grundlagen

Ziel der Spartentrennung ist es, die Interessen der Versicherungsnehmer durch Trennung der Erträge und Aufwendungen, Gewinne und Verluste, Ver63 O.V.: The Activities of insurers in business other than insurance, Final report of the Conference ofSupervisory Authorities, Paris 1990, S. 4-6. 64 Fahr, U. / Kaulbach, D.: Versichenmgsaufsichtsgesetz - VAG - tmd Gesetz über die ErrichtWlg eines Btmdesaufsichtsamtes für das Versichenmgswesen: Kommentar, München 1993, S. 123-124.

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mögenswerte, Verpflichtungen und Eigenkapitalbeträge der einzelnen Versicherungszweige zu schützen65 . Vor allem in der Lebens- und Krankenversicherung sollen die Prämien sowie die Erträge aus Kapitalanlagen nur für die eigenen Versicherungsnehmer, das heißt für Versicherungsleistungen und Überschußbeteiligungen verwendet werden66 . Die Quersubventionierung anderer Versicherungszweige soll ausgeschlossen werden. In der Rechtsschutzversicherung wurde die rechtliche Spartentrennung durch eine EU-Richtlinie aufgehoben. Die Spartentrennung sollte Interessenkonflikte aus Rechtsschutzund Haftpflichtversicherungen bei Versicherungsfällen vermeiden. Die Bildung von Versicherungskonzernen scham erhebliche Konflikte mit der Versicherungsaufsicht67 . Im Konzern kann die Spartentrennung unterlaufen werden. Bestimmte Aufwendungen und Erträge lassen sich nur dem Konzern insgesamt zurechnen, nicht aber einzelnen Konzerngesellschaften. Spielräume gibt es zum Beispiel bei der Verrechnung konzerninterner Dienstleistungen und Gemeinkosten sowie bei der Rückversicherungen. Kritisch zu sehen sind auch Unternehmensverträge, die die Abführung von Gewinnen und den Ausgleich von Verlusten vorsehen. Dies gilt vor allem für Versicherungszweige, in denen die Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Beteiligung an den Überschüssen des Versicherers haben. Die Spartentrennung kann dadurch erfolgen, daß die Versicherungszweige in rechtlich selbständigen Einheiten geführt werden (rechtliche Spartentrennung) oder innerhalb einer rechtlichen Einheit geführt, aber getrennt verwaltet werden. Die Trennung nach Sparten (also Versicherungszweigen) wird teilweise als nicht mehr zeitgemäß angesehen. Es gibt Überlegungen, sie durch eine kundenbezogene Trennung in das gewerbliche und industrielle Geschäft sowie das Privatkundengeschäft abzulösen. Dies würde dem Gedanken der gestuften Marktregulierung folgen.

6' Famy, D.: Versicherungsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 98-99.

66 In der Krankenversichenmg wird außerdem auf die Spiege1bildfunktion zu der gesetzlichen Krankenversicherung hingewiesen, vgl. List, J.: Situation und Entwicklung der privaten Krankenversichenmg in den Europäischen Gemeinschaften, in: Versiehenmgen in Europa heute und morgen, Geburtstags-Schrift für Georg Büchner, hrsg. von Franz Wilhelm Hopp und Georg Mehl, Karlsruhe 1991, S. 86-87. Für eine umfassende Begründung der Spartentrennung in der Krankenversichenmg, vgl. Verband der privaten Krankenversicherung e.v. (Hg.): Stellungnahme zur Koordinienmg der Spartentrennung in der Krankenversicherung, Köln 1980 (nicht veröffentlicht). 61 Famy, D.: Versichenmgsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 216-217; Doerry, A.: Versichenmgskonzeme, in: HdV, hrsg. von Dieter Famy, Elmar Helten, Peter Koch und Reimer Schmidt, Karlsruhe 1988, S. 1039-1042.

V. Regulienmgsinstrwnente

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(2) Bestimmungen der Richtlinien Außer in Deutschland68 bestand die rechtliche Spartentrennung für die Lebensversicherung 1979 in Frankreich, den Niederlanden, Dänemark und in Irland. Im Vereinigten Königreich, in Belgien, Italien und Luxemburg gab es dagegen auch sogenannte A11branchenversicherer69 . Nach langen Verhandlungen vereinbarten die Mitgliedstaaten in der ersten Richtlinie zur Lebensversicherung, die rechtliche Spartentrennung für Neuzulassungen in allen Mitgliedstaaten festzuschreiben. Den Mitgliedstaaten wurde dabei ein Wahlrecht eingeräumt. Sie dürfen bestehenden Allbranchenversicherern die Fortführung des Geschäfts gestatten oder die Übertragung des Lebens- oder des Schaden- und Unfallversicherungsbestands auf eine rechtliche selbständige Einheit verlangen. Allbranchenversicherer müssen die Lebensversicherung und die Schaden- und Unfallversicherung getrennt verwalten. Die Gesellschaft muß mit dem jeweiligen Mindesteigenkapital ausgestattet werden, die Solvabilitätsanforderungen erfüllen und getrennt Rechnung legen. Quersubventio- . nierungen sind grundsätzlich nicht zulässig. Allbranchenversicherer dürfen in anderen Mitgliedstaaten über Niederlassungen nur das Schaden- und Unfallversicherungsgeschäft betreiben. Für das Lebensversicherungsgeschäft müssen sie eine rechtlich selbständige Gesellschaft errichten. In einer umfassenden Studie kam die Europäische Kommission 1990 zu dem Ergebnis, daß sich die getrennte Verwaltung bewährt und es seit Umsetzung der ersten Richtlinie zur Lebensversicherung bei Allbranchenversicherern keine Schwierigkeiten gegeben hae o . In den letzten zehn Jahren sind von 4 000 in der EU zugelassenen Versicherern lediglich vier in Konkurs gegangen. Betroffen waren ausschließlich spartengetrennt arbeitende Versicherer. Außerdem können Quersubventionierungen auch in Konzernen mit rechtlich selbständigen Versicherern auftreten. Insgesamt kam die Kommission zu dem Ergebnis, daß die Beschränkungen bei der Auslandstätigkeit, die den A11bran-

68 Gesellschaften, die in Deutschland neben der Lebens- auch die Unfallversichenmg betrieben, mußten bis 1984 den Betrieb der Lebens- oder Unfallversichenmg aufgeben. 69 Renning, W.: Die Spartentrennung auf dem Prüfstand - neue EG-Entwicklungen in der Lebensversichenmg, in: Versichenmgen in Europa heute und morgen, Geburtstags-Schrift für Georg Büchner, hrsg. von Franz Wilhelm Ropp und Georg Mehl, Karlsruhe 1991, S. 50; zu den Bestimmungen in den Mitgliedstaaten, vgl. Müller, H.: Der Grundsatz der Spartentrennung im Gemeinsamen Markt nach Verabschiedung der Koordinienmgsrichtlinie für die Lebensversichenmg, in: ZVersWiss 1979, S. 151-160. 70 Report of the Commission to the Council Concerning the Operations Referred to in Directive 791267fEEC of 5th March and Undertaken by Composite and Specialised Companies, Com (91) 55 [m., 22. Februar 1991.

R Rahe

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chenversicherern durch die erste Richtlinie zur Lebensversicherung auferlegt wurden, nicht mehr gerechtfertigt sind. Die dritte Richtlinie zur Lebensversicherung beseitigt die Beschränkungen bei der Auslandstätigkeit. Mit dem darüber hinausgehenden Vorschlag, die rechtliche Spartentrennung in der Lebensversicherung ganz abzuschaffen, also auch neue Allbranchenversicherer zuzulassen, konnte sich die Kommission jedoch nicht durchsetzen. Die dritte Richtlinie zur Lebensversicherung gibt den Mitgliedstaaten nur ein Wahlrecht, den gleichzeitigen Betrieb von Unfall-, Kranken- und Lebensversicherung (Personenversicherungen) zu gestatten. Die erste Richtlinie zur Schaden- und Unfallversicherung erlaubte es dem deutschen Gesetzgeber, die rechtliche Spartentrennung in der Kranken-, Rechtsschutz- sowie in der Kredit- und Kautionsversicherung bis zu einer weiteren Koordinierung fortzuführen. Das behinderte ausländische Versicherer, die in Deutschland das Geschäft über Niederlassungen betreiben wollten. Die Richtlinie zur Kredit- und Kautionsversicherung hebt die rechtliche Spartentrennung für diese Versicherungszweige auf71 . Sie sieht vor, daß Versicherer Schwankungsrückstellungen bilden müssen, um die in diesen Zweigen typischen Schwankungen im Schadenverlauf über die Rechnungsperioden auszugleichen. Außerdem erhöht die Richtlinie das Mindesteigenkapital für diesen Versicherungszweig auf 1,4 Mio. ECU. Die Richtlinie zur Rechtschutzversicherung beseitigt die rechtliche Spartentrennung in der Rechtschutzversicherung. Zur Vermeidung von Interessenkonflikten muß die Schadenregulierung der Rechtsschutzversicherer aber organisatorisch von anderen Zweigen getrennt werden 72. Das kann nach der Richtlinie durch getrenntes Personal oder Ausgliederung der Schadenregulierung auf eine rechtlich selbständige Einheit geschehen73 . Die dritte Richtlinie zur Schaden- und Unfallversicherung schließlich schafft die rechtliche Spartentrennung für die Krankenversicherung ab. Für inländische Versicherer darf der deutsche Gesetzgeber sie aber aufrechterhalten. " Richtlinie des Rates 87/343/EWG des Rates vom 22. Juni 1987 zur Ändenmg hinsichtlich der Kreditversichenmg und der Kautionsversichenmg der Ersten Richtlinie 73/239/EWG zur Koordinienmg der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und die Ausübung der Tätigkeit der Direktversichenmg (mit Ausnahme der Lebensversichenmg), AbI. der EG Nr. L 185,4. Juli 1987, S. 73. 12 Richtlinie des Rates 87/344/EWG vom 22. Juni 1987 zur Koordinienmg der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Rechtschutzversichenmg, AbI. der EG Nr. L 185,4. Juli 1987, S. 78-79. 73 Fahr, u.: Die Entwicklung des Versichenmgsaufsichtsrechts im europäischen Binnenmarkt, in: VW 1990, S. 153-154.

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Nach der ersten Richtlinie zur Lebensversicherung dürfen die Ergebnisse von Versicherern, die zu einem Konzern oder einer Gruppe gehören, nicht durch "Vereinbarungen verfälscht werden,,74. Detailliertere Bestimmungen über zulässige Konzernstrukturen und die Genehmigung von Unternehmensverträgen durch die Aufsichtsbehörden enthalten die EU-Richtlinien nichtu . Dies liegt vor allem daran, daß die Versuche der Europäischen Kommission, das Konzernrecht zu harmonisieren, bislang nicht erfolgreich waren. Der Entwurf für die neunte gesellschaftsrechtliche Richtlinie über Konzernrecht wurde bis auf weiteres zuriickgestelle 6 . (3) Bestimmungen des VAG Nach § 8 Abs. 1 a VAG schließen die Erlaubnis zum Betrieb der Lebensversicherung, der substitutiven Krankenversicherung und der anderen Versicherungszweige einander aus. In der Rechtsschutz- und der Kredit- und Kautionsversicherung wurde die Spartentrennung 1990 aufgeben. Versicherer, die die Rechtsschutzversicherung zusammen mit anderen Versicherungszweigen betreiben, müssen die Leistungsbearbeitung nach § 8a Abs. 1 VAG auf ein anderes Unternehmen übertragen. Dieses Schadenabwicklungsunternehmen darf keine anderen Versicherungsgeschäfte betreiben oder in anderen Versicherungszweigen Leistungen bearbeiten. Es muß außerdem bei der Bearbeitung einzelner Versicherungsfälle von Weisungen des Versicherer unabhängig sein, um Interessenkonflikte auszuschließen. Unternehmensverträge sind nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 VAG als Teil des Geschäftsplans genehmigungspflichtig. Im einzelnen handelt es sich um die in §§ 291 und 292 Aktiengesetz (AktG) bezeichneten Unternehmensverträge, also um Beherrschungs-, Gewinnabführungs-, Gewinngemeinschafts-, Teilgewinnabführungs-, Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge. Das BAV lehnt Gewinnabführungsverträge ab, die Lebens- oder Krankenversicherer mit Schaden- und Unfallversicherern oder Rückversicherern abschließen, weil jene dann nach § 302 Abs. 1 AktG auch die Verluste dieser Gesellschaften ausgleiArtikel 13 der Richtlinie des Rates 79/267fEWG. Die BestimmWlgen in den Mitgliedstaaten weichen deutlich voneinander ab, vgl. o. V.: The Activities of insurers in business other than insurance, Final Report of the Conference ofSupervisory Authorities, Paris 1990, S. 17-20; Golz, J.-F.: Ausgewählte Fragen der UmsetZWlg der dritten Versicherungsrichtlinien, Karlsruhe 1993, S. 10. 76 Wiesner, P.: Stand des Europäischen Unternehmensrechts, in: EuZW 1994, S. 592; eine ZusammenfassWlg der Vorschläge gibt Schmidt, R.: Studien zum VersieherungsWltemehmensrecht, in: Festschrift fiir Karl Sieg, hrsg. von Horst Baumann, Helmut Schirmer Wld Reimer Schmidt, Karlsruhe 1976, S. 501-503. 74

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chen müßten. Nicht genehmigungsfähig sind ferner Gewinnabführungsverträge mit branchenfremden Unternehmen. Eine weitere Möglichkeit, die Spartentrennung zu unterlaufen, sind Funktionsausgliederungsverträge, die betriebliche Funktionen auf ein oder mehrere rechtlich selbständige Konzernunternehmen oder auf andere Unternehmen verlagern. § 5 Abs. 3 Nr. 4 VAG nennt folgende Funktionen, die nach Auffassung des Gesetzgebers zum Kernbereich des Versicherungsgeschäfts gehören: Vertrieb, Bestandsverwaltung, Leistungsbearbeitung, Rechnungswesen, Vermögensanlage und Vermögensverwaltung. Verträge, mit denen solche Funktionen ausgegliedert werden, müssen vom BAV genehmigt werden. Dabei achtet das Amt vor allem auf angemessene Konditionen. Sie müssen einem Fremdvergleich standhalten, so daß Gewinntransfers verhindert werden. bb) Finanzkonglomerate (1) Grundlagen

Versicherer, Banken und andere Finanzdienstleister verbinden sich seit einigen Jahren vermehrt miteinander, um "Allfinanz" oder ,,Bancassurance" zu betreiben. Es gibt in der Union nach einer Studie des CEA mittlerweile über 200 sogenannte Finanzkonglomerate, definiert als Versicherungen, Kreditinstitute und Wertpapiemrmen, die Beteiligungen von mindestens zehn Prozent an Unternehmen des anderen Bereichs halten77 . Bei Finanzkonglomeraten handelt es sich um Finanzkonzerne mit heterogenem Sortiment, also "a group of companies with specific control relationships or under joint management, and whose activities consist largely or exclusively of providing services in at least two of the following sectors: banking, insurance, securities,,78. Untersuchungen der OECD und des CEA zeigen, daß neben der "institutionellen Ebene" auch auf ,,Produktebene" die Grenzen zunehmend durchlässiger werden, vor allem zwischen Lebensversicherungen und anderen Sparformen79 .

77 Comite Europeen des Assurances (Hg.): Finanzkonglomerate, in: CEA Info, Sonderheft Nr. 1, Paris 1993. 78 O.Y.: Focus on ... The Supervision ofFinancial Conglomerates, Center for European Policy Studies, Brüsse11994, S. 1. 79 OECD (Hg.): Insurance and other Financial Services, Structural trends, Paris 1991; Schwebler, R.: Allfinanz und Versicherung - ein vorläufiges Fazit, in: Dieter Farny und die Versicherungswissenschaft, hrsg. von Robert Schwebler und den Mitgliedern des Vorstands des deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft, Karlsruhe 1994, S. 462-463.

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Konglomeratsspezifische Risiken sind Ansteckungsrisiken (Mehrfachbelegung des Eigenkapitals, rechtliche oder faktische Mithaftung, interne Fremdfinanzierung), Vertrauensverluste, die Intransparenz der Strukturen und die Quersubventionierung80 . Ein Ansteckungsrisiko besteht, wenn finanzielle Probleme einer Gesellschaft, die Teil eines Finanzkonglomerats ist, nicht auf diese beschränkt bleiben, sondern auf andere Gesellschaften und möglicherweise auf das gesamte Konglomerat übergreifen. Auf die Mehrfachbelegung des Eigenkapitals wird später eingegangen81 . Eine Mithaftung in Finanzkonglomeraten kann entstehen, wenn eine Muttergesellschaft für eine Tochtergesellschaft über den Beteiligungsbuchwert (also das eingelegte Eigenkapital) hinaus eintreten muß, sei es aus rechtlichen oder aus moralischen (beziehungsweise faktischen oder marktmäßigen) Gründen. Entscheidend dafür ist die Gestaltung des Konzerns und die sich daraus ergebenden Verpflichtungen der Muttergesellschaft, die im einzelnen im Aktienrecht der Mitgliedstaaten geregelt sind. Europäische Bestimmungen gibt es dazu nicht. Haftungstatbestände können sich auch durch Bürgschaften, Garantien oder Patronatserklärungen der Muttergesellschaft zugunsten der Tochtergesellschaft ergeben. Interne Fremdfinanzierungen begründen zwischen den Gesellschaften eines Finanzkonglomerats Schuldner-Gläubiger-Verhältnisse. Forderungen dieser Art unterliegen (wie alle Forderungen) einem Ausfallrisiko. Die Versicherer können ihr versicherungstechnisches Fremdkapital im Rahmen der Kapitalanlagebestimmungen bei einer dem Finanzkonglomerat zugehörigen Gesellschaft (etwa einer Bank) anlegen. Banken können einer Gesellschaft des Konglomerats Darlehen gewähren, wobei die Bestimmungen über Großkredite zu beachten sind. Problematisch ist, daß Darlehen an eine unterkapitalisierte Gesellschaft haftendes Eigenkapital werden können, ohne daß ein Rangrücktritt erklärt wurde. Dies setzt voraus, daß die (empfangene) Gesellschaft mit dem vorhandenen Eigenkapital nicht mehr existenzfähig ist, sie insbesondere ihren Kapitalbedarf nicht durch fremde Kredite zu marktüblichen Bedingungen decken kann, sondern (eigentlich) Eigenkapital benötigt82 .

80 Berghe, L., van den: Financial conglomerates: Opportunity or threat, in: Risiko Versichenmg Markt, Festschrift fiir Walter Karten, hrsg. von Dieter Hesberg, Martin Nell und Winfried Schott, Karlsruhe 1994, S. 449-451. n Vgl. C.Y.2.f)bb)(4). 82 Müller, W.: Unterbilanz und Überschuldung, in Wirtschaftsprüfer-Handbuch 1992, Band I, 10. Auflage, DüsseldOlf 1992, S. 1449-1450.

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C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien und in Deutschland

Vertrauensverluste können dazu führen, daß finanzielle Probleme einer Gesellschaft das Vertrauen der Kunden in andere Gesellschaften des Finanzkonglomerats erschüttern, so daß ein ,,Run" auf die Einlagen beginnt. Im Versicherungsbereich ist ein solcher ,,Run" äußerst unwahrscheinlich, auch in der Lebensversicherung. Der Vertrauensverlust kann aber das Neugeschäft beeinträchtigen und damit unter Umständen langfristig die Existenz des Versicherers gefährden. Die Intransparenz der Strukturen von Finanzkonglomeraten erschwert die Beurteilung der Risikolage und damit die Aufsicht. Quersubventionierungen schließlich erfolgen dadurch, daß Gewinne und Verluste zwischen den einzelnen Gesellschaften eines Konglomerats "verschoben" werden. Wie ausgeführt, ist dies vor allem in den Versicherungszweigen problematisch, in denen die Kunden Anspruch auf Gewinnbeteiligung haben. Im Bankenbereich sind diese Sachverhalte unbekannt.

(2) Bestimmungen der Richtlinien Die Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten wirft einige aufsichtsrechtliche Fragen und Probleme auf, mit denen sich neben der EU-Kommission auch der Bankenausschuß der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sowie die Internationale Vereinigung der Wertpapieraufseher befassen. Die Notwendigkeit der Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten wird generell wie folgt begründet83 : - Die Zugehörigkeit eines Einzelunternehmens zu einem Finanzkonglomerat ist mit besonderen Risiken verbunden, vor allem der Mehrfachbelegung des Eigenkapitals und der Gefahr intransparenter Konzernstrukturen. - Wenn Banken und Versicherungen, die zum Teil ähnliche Produkte anbieten, unterschiedlichen Bestimmungen (oder Regulierungen) unterliegen, können Wettbewerbsverzerrungen entstehen84 . - Eine branchenbezogene Beaufsichtigung von Banken und Versicherungen, die zu einem Finanzkong)omerat gehören, ist nicht möglich. Es gibt zwei Methoden, Finanzkonglomerate zu beaufsichtigen. Bei der Solo-plus-Methode wird die Aufsicht über die einzelnen Teile des Konzerns ergänzt durch eine Prüfung der Beziehungen zwischen den einzelnen Konzern-

83 84

Häusele, S.: Aufsicht über Finanzkonglomerate, in: ZVersWiss 1994, S. 566-567. Vgl. D.lli.2.

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gesellschaften. Die Konsolidierungsmethode sieht den Konzern dagegen als eine Risikoeinheit. Die Vertreter der Aufsichtsbehörden haben sich für die Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten nach der Solo-plus Methode ausgesprochen. Die EUKommission wird dem voraussichtlich folgen, auch wenn noch kein Entwurf für eine Richtlinie vorliegt 8s . Vorgesehen ist vor allem eine Beaufsichtigung der Verträge und Geschäfte zwischen den einzelnen Unternehmen, durch die oft ein Haftungs- oder Risikoverbund entsteht, so daß Verluste oder Zahlungsschwierigkeiten eines Unternehmens auf den gesamten Konzern durchschlagen86 . Weiterhin sollen die Banken- und Versicherungsaufsichtsbehörden eng zusammenarbeiten und vor allem Informationen austauschen. In besonderen Fällen soll eine der beiden Behörden bei der Aufsicht die Führung übernehmen 87 . Die Frage der Mehrfachbelegung des Eigenkapitals stellt sich in Finanzkonglomeraten in ähnlicher Form wie in Versicherungsgruppen 88 • Erschwert wird die Beseitigung der Mehrfachbelegung dadurch, daß sich die Solvabilitätsanforderungen für Banken und Versicherer voneinander unterscheiden, was aufgrund der jeweiligen Risikolage auch gerechtfertigt ist89 . Eine höhere Transparenz der Strukturen von Finanzkonglomeraten wird schließlich durch die BCCI-Richtlinie erreicht, die von den Mitgliedstaaten noch in nationales Recht umgesetzt werden muß. (3) Bestimmungen des VAG

Im Versicherungsbereich ist eine Mehrfachbelegung des Eigenkapitals nach dem VAG zulässig (auch wenn dies umstritten ist). Die Mithaftung für Ver85 Die Vertreter der Versichenmgsaufsichtsbehörden haben sich für die Solo-plusMethode ausgesprochen Die EU-Kommission wird dem folgen, vgl. Drabbe, H.: Verwirklichung des Binnenmarktes für Versichenmgen - Was bleibt zu tun?, in: VW 1994, S. 554. 86 Eine nur auf die einzelnen Glieder eines Finanzkonglomerats gerichtete Beaufsichtigung reicht nicht aus, vgl. Müller, H.: Die Kooperation der Versichenmgsaufsichtsbehörden in der Europäischen Gemeinschaften, Vortrag auf der 4. Wissenschaftstagung des Bundes der Versicherten, Bad-Bramstedt, 5.16. Mai 1994, S. 2 (nicht veröffentlicht). 81 Der noch weitergehende Vorschlag von Müller, für grenzüberschreitend tätige Finanzkonglomerate ab einer bestimmten Größenordnung eine zentrale europäische Aufsichtsbehörde zu schaffen, dürfte (Stichwort Subsidiarität) derzeit nicht mehrheitsfahig sein, vgl. Müller, H.: Überlegungen zur Vereinheitlichung der aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen für Versichenmgsuntemehmen und Kreditinstitute, Karlsruhe 1995, S. 29. 88 Vgl. C.V2.f)bb)(4). 89 Vgl. D.ill.3.a).

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bindlichkeiten anderer Gesellschaften sowie die Quersubventionierung wird im Versicherungsbereich durch die Genehmigungspflicht für Unternehmensverträge (und das Verbot bestimmter Konzernstrukturen) und für Entgelte für ausgegliederte Funktionen unterbunden. Nach § 53d VAG müssen interne Leistungen von Nicht-Versicherern einem Fremdvergleich standhalten. Bei der konzerninternen Leistungsverrechnung bestehen "begrenzte" Spielräume. Das deutsche Aktiengesetz unterscheidet zwischen Vertragskonzernen und faktischen Konzernen. Ein Vertragskonzern entsteht durch Abschluß eines Unternehmensvertrags (siehe §§ 291 bis 292 AktG), wobei der Gewinnabführungsvertrag und der Beherrschungsvertrag besondere Bedeutung haben. Wie ausgeführt, dürfen Versicherer Unternehmensverträge nur in einem engen rechtlichen Rahmen abschließen 90 . Für den faktischen Konzern (bei dem nur eine faktische Leitungsmacht besteht) gibt es keine eindeutigen Bestimmungen. Nach § 311 Abs. I AktG muß die herrschende Gesellschaft alle Nachteile ausgleichen, die der abhängigen Gesellschaft durch nachteilige Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen entstehen. Dadurch wird die abhängige Gesellschaft so gestellt, als ob sie unabhängig wäre. Ein qualifiziert faktischer Konzern ist vor allem dadurch gekennzeichnet, daß kein Beherrschungsvertrag besteht, der Einfluß der herrschenden Gesellschaft aber so stark ist, daß die abhängige Gesellschaft laufend und umfassend wie eine Betriebsabteilung geführt wird. In einem solchen Fall läuft das Schutzsystem der §§ 311 bis 318 AktG leer. Daher ist die herrschende Gesellschaft unter anderem verpflichtet, Verluste der abhängigen Gesellschaft zu übernehmen, die während der Zeit der qualifiziert faktischen Konzernierung entstehen91 . Das BAV hat angekündigt, die Abgabe von Patronatserklärungen und anderen Garantieerklärungen durch Versicherer für andere Gesellschaften (etwa Banken) zu untersagen92 . Dies gilt auch für Freistellungserklärungen bei Hilfeleistungen zugunsten einer Bank, die das Statut des Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken von Mehrheitsaktionären verlangt93 . Nach § 82 Abs. I VAG kann das BAV ferner einem Versicherer den Erwerb einer Beteiligung an einem anderen Unternehmen verbieten, das nicht der Aufsicht unterliegt, wenn die Beteiligung den Versicherer gefährden kann. Das BAV kann außerdem verlangen, daß ein Versicherer eine solche BeteiliVgL C.Y.2.e)aa). Müller, W.: UntemehmensverbindWlgen, in: Wirtschaftsprüfer-Handbuch 1992, Band!, 10. Auflage, Düsseldorfl992, S. 1331-1335. 92 o.Y.: Aufsichtsamt achtet auf die Erfiillbarkeit der Versichenmgsverträge, in: FAZ vom l. JWli 1994, S. 16. 93 Hohlfeld, K.: KooperationIKonzembildWlg zwischen Kreditinstituten Wld Versichenmgsgesellschaften, in: VW 1995, S. 564. 90 91

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gung veräußert oder eine Abschlußprüfung nach den Bestimmungen der §§ 57 bis 59 VAG durchführen läßt. Die konglomeratsinterne Fremdfinanzierung wird durch die Kapitalanlagebestimmungen begrenzt. So dürfen Versicherer nicht mehr als 2 Prozent des gebundenen Vermögens zuzüglich 25 Prozent des Eigenkapitals bei einer Adresse anlegen (insgesamt nicht mehr als 5 Prozent des gebundenen Vermt>gens). Der Konzern gilt dabei als eine Anlageadresse. Außerdem dürfen im gebundenen Vermögen Aktien und Genußrechte derselben Gesellschaft 10 Prozent des gezeichneten Kapitals dieser Gesellschaft (etwa einer Bank) nicht übersteigen. Die restlichen Anteile müssen aus dem freien Vermögen (das heißt mit Eigenkapital) finanziert werden. Um sich diesen einengenden Bestimmungen zu entziehen, haben einige Versicherer Holdinggesellschaften gegründet, die nicht der Versicherungsaufsicht unterliegen94 .

j) Eigenkapita/(-ausstattung) aa) Grundlagen Das Eigenkapital hat zwei wesentliche Funktionen. die Finanzierungsfunktion für das betriebsnotwendige Aniagevermögen9S und die Haftungs- oder Voraushaftungsfunktion. Dies bedeutet, daß Verluste zunächst gegen das Eigenkapital verrechnet werden. Erst danach, dann allerdings mit der Folge von Konkurs oder Vergleich, berühren die Verluste das Fremdkapital. Die besondere Bedeutung des Eigenkapitals unterstreichen die rechtlichen Bestimmungen über die Eigenkapitalausstattung von Versicherern. bb) Bestimmungen der Richtlinien (J) Zuständigkeit

Zuständig für die Beaufsichtigung der Eigenkapitalausstattung eines Versicherers ist die Herkunftslandbehörde. Die Bestimmungen (oder Anforderungen) beziehen sich auf das gesamte Geschäft in der Union und den Vertrags-

94 Hohlfeld, K.: KooperationIKonzembi1dung zwischen Kreditinstituten und Versichenmgsgesellschaften, in: VW 1995, S. 566. 95 Die Versicherer müssen vor allem die Innen- und Außenorganisation sowie die Vertragsabschlüsse mit Eigenkapital fmanzieren, vgl. Fuß, F.: Risikogerechte Eigenkapitalausstattung und Solvabilitätssystem der Schadenversichenmgsdirektive - eine betriebswirtschaftliche Untersuchung, Karlsruhe 1971, S. 57-62.

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staaten des EWR. Niederlassungen in anderen Mitgliedstaaten brauchen kein (eigenes) Eigenkapital beziehungsweise keine Kaution96 .

(2) Soll-Solvabilität Das absolute Mindesteigenkapital eines Versicherers richtet sich in der Schaden- und Unfallversicherung. nach dem Risikogehalt der betriebenen Versicherungszweige. Es liegt zwischen 0,2 und 1,4 Mio. ECU. In der Lebensversicherung gilt ein einheitlicher Betrag von 0,8 Mio. ECU für AG und 0,6 Mio. ECU für VVaG. Die Beträge wurden 1973 beziehungsweise 1979 festgelegt. Sie haben durch Inflation seitdem deutlich an Wert verloren. Das Solvabilitätssystem der EU-Richtlinien geht davon aus, daß die Sicherheit eines Versicherers vor allem vom Verhältnis zwischen dem verfügbaren Sicherheitskapital und der Risikolage abhängig ist. Das Eigenkapital soll den Fortbestand des Versicherers gewährleisten. Die Risikolage wird in einer Sol1Solvabilitätsgröße, das Sicherheitskapital in einer Ist-Solvabilitätsgröße gemessen. Ist das Verhältnis zwischen Sol1- und Ist-Größe kleiner als eins, muß die Aufsichtsbehörde eingreifen. Der betroffene Versicherer ist dann verpflichtet, einen Plan zur "Wiederherstellung gesunder Finanzverhältnisse" vorzulegen97 • Unterschreitet die Ist-Solvabilität den Garantiefonds, muß die Aufsichtsbehörde einen kurzfristigen Finanzierungsplan verlangen. Sie kann außerdem die freie Verfügung des Versicherers über die Vermögenswerte einschränken und schließlich die Zulassung zum Geschäftsbetrieb entziehen. Das Solvabilitätssystem hat damit auch den Charakter eines Frühwarnsystems. Die Soll-Solvabilität eines Schaden- und Unfallversicherers hängt ab von den jährlichen Prämieneinnahmen, den durchschnittlichen Aufwendungen für Versicherungsfälle in den vergangenen drei (sieben in der Elementarschadenversicherung) Geschäftsjahren und vom Selbstbehalt des Versicherers. Sie errechnet sich nach einem Prämien- und einem Schadenindex, wobei der höhere Wert maßgeblich ist. Vereinfachend gelten folgende Formeln:

96 Eine Gesamtübersicht der Finanzaufsicht in allen großen Versichenmgsmärkten gibt Schmidt, R.: Financial Supervision of Insurance Companies (with special view to fmancial ressources required for insurance operations), Association Internationale de Droit des Assurances (AIDA), Kopenhagen 1990. 91 Farny, D.: VersicherlDlgsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 612-614.

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Prämienindex = 0,18 (0,16) x Prämienerträge x Selbstbehaltsquote (mindestens 0,5r Schadenindex = 0,26 (0,23) x Schadenaufwendungen x Selbstbehaltsquote (mindestens 0,5) In der Krankenversicherung, die nach Art der Lebensversicherung betrieben wird, ermäßigen sich die Werte auf ein Drittel. Bei einem Lebensversicherer drückt sich die Risikolage in zwei Größen aus: das versicherungstechnische Risiko im riskierten Kapital, der Differenz zwischen den im Bestand versicherten Summen - maximal mögliches Leistungsvolumen - und dem dafür angesparten Kapital (Risikokapital), sowie das Kapitalanlagerisiko in der DeckungsTÜckstellung und den um Kostenanteile gekürzten Beitragsüberträgen (mathematische Rückstellung). Vereinfachend berechnet sich die Soll-Solvabilität wie folgt: 0,04 x mathematische Rückstellungen x Selbstbehaltsquote (mindestens 0,85) zuzüglich 0,003 x Risikokapital x Selbstbehaltsquote (mindestens 0,5) Für Zusatzversicherungen errechnet sich die Soll-Solvabilität nach dem Beitragsindex in der Schaden- und Unfallversicherung. Für fondsgebundene Lebensversicherungen und kurzfristige Versicherungen gibt es Sonderregeln. Der Mindestgarantiefonds beträgt ein Drittel der Soll-Solvabilität, darf aber die oben genannten Mindesteigenkapitalbeträge nicht unterschreiten. (3) Jst-Solvabilität

Bestandteile der Ist-Solvabilität können nur sogenannte freie, unbelastete Eigenmittel sein. Dazu gehören insbesondere das eingezahlte gezeichnete Kapital oder der eingezahlte GTÜndungsstock, die Kapital- und GewinnTÜcklagen, der Gewinnvortrag sowie bis zu einer bestimmten Höhe und unter bestimmten Bedingungen Genußscheine und nachrangige Verbindlichkeiten99 . Abzuziehen sind in der Bilanz des Versicherers ausgewiesene immaterielle 98 Die Selbstbehaltsquote entspricht den AufwendlDlgen fiir Versichenmgsfälle fiir eigene RechnlDlg im Verhältnis zu den BruttoaufwendlDlgen fiir Versichenmgsfälle im letzten Geschäftsjahr. 99 Mudrack, 0.: Genußscheinkapital als ,,freie lDlbelastete Eigenmittel" bei VersichenmgslDltemehmen, in: BB, Beilage 5 zu Heft 18/1986, S. 16-23. Insbesondere müssen die Genußscheine an den Verlusten des Versicherers teilnehmen lDld ihm fiir mindestens fiinf Jahre zur VerfiiglDlg stehen. Sie dürfen außerdem erst nach BefriediglDlg der übrigen Gläubiger zurückgezahlt werden.

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C. ReguIienmgssystem der EU-Richtlinien Wld in Deutschland

Vermögensgegenstände, vor allem die Innen- und Außenorganisation sowie die Vertragsabschlüsse. Die Mitgliedstaaten haben das Wahlrecht, auch sogenanntes weiches Eigenkapital anzuerkennen. Das sind vor allem stille Reserven aus überbewerteten Passiva und unterbewerteten Aktiva, abzüglich der bei Realisierung anfallenden Ertragsteuern. In der Lebensversicherung dürfen zudem die freien Teile der Rückstellung für Beitragsrückerstattung einbezogen werden, sofern sie für die Deckung von Verlusten eingesetzt werden können, den Versicherungsnehmern also noch nicht zugewiesen worden sind, sowie sogenannte künftige Überschüsse aus dem Lebensversicherungsgeschäft 100 und nicht gezillmerte Abschlußkosten 101 , 102 .

(4) Mehrfachbelegung des Eigenkapitals Besonders kritisch ist das sogenannte "double gearing", die mehrfache Nutzung des Eigenkapitals in einem Konzern 103 . In mehrstufigen Konzernen können Eigenkapitalpyramiden aufgebaut werden, weil das Eigenkapital der Obergesellschaft bei der Tochtergesellschaft wieder als Eigenkapital dient und zur Ausweitung des Geschäfts eingesetzt werden kann lO4 . Auf diese Weise läßt sich Eigenkapital mehrfach verwenden. Es entsteht ein Finanzierungsvorteil, den alle Konzerne gegenüber Einzelunternehmen habenlo~. Ein spartengetrennt arbeitender Versicherungskonzern benötigt dabei unter sonst gleichen Bedingungen weniger Eigenkapital als ein A1lbranchenversicherer 106 . Das folgende Beispiel zeigt den Multiplikator- oder DoppelzählefIekt: Eine Oberge100 Dem liegt der Gedanke zugnmde, daß die VerwendWlg vorsichtiger RechnWlgSgnmdlagen zu hohen Überschüssen (Wld der BeteiligWlg der Versichenmgsnehmer daran) fiihrt. 101 Mindestens 50 Prozent der Soll-Solvabilität sowie der Mindestgarantiefonds mÜSsen durch ,,harte" Eigenmittel gedeckt werden, das heißt eingezahltes gezeichnetes Kapital, Kapital- Wld Gewinnrücklagen, Gewinnvorträge Wld freie Teile der RückstellWlg für BeitragsrückerstattWlg. 102 Gezillmerte Abschlußkosten kommen nur bei Lebensversicherern vor. Sie beruhen auf einem speziellen Verfahren für die VerrechnWlg von AuszahlWlgen für den Abschluß von VersicherWlgsverträgen, das nach seinem Erfmder Zillmer als ,,zillmern" bezeichnet wird, vgl. Farny, D. Buchfiihnmg Wld PeriodenrechnWlg im VersichenmgsWlternehmen, 4. Auflage, Wiesbaden 1992, S. 156. 103 Famy, D.: Solvabilität Wld Solvabilitätspolitik der VersichenmgsWltemehmen, in: ZVersWiss 1984, S. 52-59. 104 Schroff, W.: Konzern, in: HWB, hrsg. von Waldemar Wittmann, Werner Kern u.a., 5. Auflage, Stuttgart 1993, Sp. 2284. 10' Komath, N.: SolvabiIität von VersichenmgsWlternehmen Wld Finanzkonzemen, in: VRWldschau 1995, S. 12. 106 Famy, D.: Solvabilität Wld Solvabilitätspolitik der VersichenmgsWltemehmen, in: ZVersWiss 1984, S. 57.

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seIlschaft (Versicherer oder eine Bank im Finanzkonglomerat) hält eine 10Oprozentige Beteiligung an einem Versicherer, der im abgelaufenen Geschäftsjahr Brutto-Prämienerträge von 100 Mio. DM erwirtschaftet hat und mit einem Eigenkapital (Ist-Solvabilität) von 10 Mio. DM ausgestattet ist. Bei einer Rückversicherungsquote von 40 Prozent ergibt sich nach dem Beitragsindex (16 Prozent) eine Soll-Solvabilität von 10 Mio. DM, so daß die Kapazität des Versicherer ausgelastet ist. Erhöht die Obergesellschaft das Eigenkapital des Versicherers um 2 Mio. DM, steigt dessen Zeichnungskapazität um 20 Mio. DM, ohne daß sich das konsolidierte Eigenkapital des Finanzkonglomerats erhöht hat. Der Doppelzähleffekt ist bei wechselseitigen Beteiligungen noch deutlicher 107 . Es gibt verschiedene Methoden, die Mehrfachbelegung des Eigenkapitals zu vermeiden 108 . Das Abzugsverfahren sieht eine Kürzung der Ist-Solvabilität der ObergeseIlschaft um die Buchwerte der Versicherungsbeteiligungen vor. Die ObergeseIlschaft muß auch nach Abzug über eine ausreichende Ist-Solvabilität zur Deckung der SoIl-Solvabilität verfügen. Der Vorteil des Abzugsverfahrens liegt in der leichten Anwendbarkeit, der Nachteil besteht in seiner Pauschalität und der Vernachlässigung der tatsächlichen Risikolage des Konzerns. Dieser Nachteil läßt sich (zumindest teilweise) dadurch ausräumen, daß die Soll-Solvabilität der Untergesellschaft(en) von der Ist-Solvabilität der Obergesellschaft abgezogen wird. Der Doppelzählungseffekt innerhalb eines Konzerns läßt sich ferner vermeiden, wenn die Soll-Solvabilität aufgrund konsolidierter Daten berechnet und die Ist-Solvabilität um den Buchwert der Beteiligungen der Obergesellschaft gekürzt wird. Beim Aggregationsverfahren wird die Soll-Solvabilität für die einzelnen Gesellschaften (in einem Finanzkonglomerat nach den jeweiligen Bestimmungen) berechnet und aggregiert. Ihr wird dann die um die Buchwerte der Beteiligungen der Obergesellschaft bereinigte Ist-Solvabilität gegenübergestellt. Die genannten Methoden haben den Nachteil, daß sie die tatsächliche Risikolage des Konzerns (oder Finanzkonglomerats) ungenau abbilden. Vor allem beziehen sie alle Konzerngesellschaften ein, auch wenn die Risikolagen unabhängig oder gar negativ korreliert sind109 . Sie führen daher zu Eigenkapitalanforderungen, die nicht (oder nicht in voller Höhe) durch die Risikolage gerechtfertigt sind. Dadurch erhöhen sich auch die Kosten für die Kunden. Häusele, S.: Aufsicht über Finanzkonglomerate, in: ZVersWiss 1994, S. 597-598. Konrath, N.: Solvabilität von VersichenmgsWlternehmen Wld Finanzkonzernen, in: VRWldschau 1995, S. 12-13. 109 Hesberg, D. / Karten, W.: Supervision ofFinancial Conglomerates - Remarks on Solvency Control and Alleged Double Gearing, in: GP 1994, S. 18. 107

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Die Bankenrichtlinien der EU sehen eine konsolidierte Beaufsichtigung von Konzernen vor 110 . Für Versicherungen hielt die Kommission dies bislang nicht für erforderlich, vor allem weil in Versicherungskonzernen die Risikolagen nicht positiv korrelieren. Entsprechend beziehen sich die geltenden Bestimmungen auf den einzelnen Versicherer, auch wenn er Teil eines Konzerns oder einer Gruppe ist. Eine Mehrfachbelegung des Eigenkapitals ist damit möglich. In einem kürzlich vorgelegten "vorläufigen Entwurf eines Vorschlags für eine Richtlinie über die Beaufsichtigung von Versicherungsunternehmen in einer Versicherungsgruppe" rückt die Kommission von dieser Position ab. Der Entwurf sieht vor, daß Versicherungsgruppen aufgrund der Gefahr des Beteiligungsverlustes, des Risikokumuls und der Haftung für Tochtergesellschaften künftig eine "bereinigte" Soll-Solvabilität berechnen und dekken müssen, wobei den Mitgliedstaaten ein Wahlrecht zwischen den oben beschriebenen Methoden eingeräumt werden SOll111. Vorläufige Rechnungen zeigen, daß die Methoden, je nach Art und Lage des Versicherungskonzerns, zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen. cc) Bestimmungen des VAG Die Kapitalausstattung (Solvabilität) der Versicherer regeln § 53c VAG, die Kapitalausstattungs-Verordnung vom 13. Dezember 1983 und (für die Schaden- und Unfallversicherung) das Rundschreiben 9/76 des BAV. Das Rundschreiben enthält eine genaue Beschreibung der Solvabilitätsbestimmungen, insbesondere ein Schema zur Berechnung der Soll-Solvabilität und eine Definition der Ist-Solvabilität. Die Bestimmungen zur Soll-Solvabilität entsprechen den EU-Richtlinien. Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, strengere Bestimmungen zu erlassen. Bei der Soll-Solvabilität hat der Gesetzgeber die Wahlrechte der Richtlinien nur teilweise genutzt. So läßt das BAV stille Reserven nur in Ausnahmefällen zur Deckung der Solvabilitätsspanne zu. Dabei muß gewährleistet sein, daß die stillen Reserven ihrer Art nach eine vergleichbare Sicherheit bieten wie die (übrigen) Eigenmittel. Das BAV hat erklärt, daß es nur stille Reserven auf der Aktivseite anerkennen wird, vermindert um die latenten Ertrag- und Verkehrsteuern 112 . In der Lebensversicherung hat der Gesetzgeber alle sonstigen Wahlrechte der Richtlinien genutzt. Er erkennt als "implizite Eigenmittel" nicht nur die freien Teile der Rückstellung für Beitragsrückerstattung an (sofern sie zur Deckung von Fehlbeträgen zur VerfüVgl. D.III.2.a). BAV (Hg.): Geschäftsbericht 1994, Teil A, Berlin 1995, S. 17. 112 Schmidt, R. / Frey, P.: Prölss Versichenmgsaufsichtsgesetz, 9. Auflage, München 1983, S. 552. 110 111

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gung stehen)1J3 , sondern auch sogenannte künftige Überschüsse, die sich aus den durchschnittlichen Rohüberschüssen des laufenden und der vier vorangegangenen Geschäftsjahre aus dem selbst abgeschlossenen Geschäft ergeben, multipliziert mit der durchschnittlichen Restlaufzeit der Policen, höchstens aber mit einer Restlaufzeit von zehn Jahren. Die Bestimmungen des VAG sehen nicht vor, daß die Beteiligungsbuchwerte von Tochtergesellschaften von der Ist-Solvabilität der Muttergesellschaft abgezogen werden müssen. Dies ist allerdings strittig, weil Konzernbeteiligungen (teilweise) nicht als "unbelastetes" Eigenkapital angesehen werden 114 . Die Eigenkapitalausstattung deutscher Schaden- und Unfallversicherer liegt deutlich über den gesetzlichen Anforderungen llS . Dies zeigt ein Blick auf die Eigenkapitalquote, also das Verhältnis zwischen dem offen ausgewiesenen Eigenkapital und den verdienten Prämien für eigene Rechnung. Die Eigenkapitalquote lag 1993 bei den Schaden- und Unfallversicherern im Durchschnitt bei 36 Prozent (Bruttoquote 25,4 Prozent), bei den Krankenversicherern bei 10,7 Prozent. Anders sieht es in der Lebensversicherung aus. Maßgröße für die Eigenkapitalausstattung ist hier das Verhältnis zwischen dem offen ausgewiesenen Eigenkapital und den Deckungsrückstellungen für eigene Rechnung, die das Verpflichtungsvolumen der Lebensversicherer darstellen. Die durchschnittliche Eigenkapitalquote liegt lediglich bei 1,4 Prozent. Das zeigt, daß die Gesellschaften ihre Soll-Solvabilität überwiegend durch "weiches" Eigenkapital decken 116 . dd) Bewertungll7 Die Bestimmungen zur Soll-Solvabilität bilden die tatsächliche Risikolage eines Versicherers ungenau ab. Sie beruhen aus praktischen Gründen auf PauI" Die Geschäftspläne der meisten deutschen Lebensversicherer enthalten einen Vorbehalt, der es ihnen gestattet, die Rückstellungen für Beitragsrückerstattung zur Deckung von Verlusten zu veIWenden. 114 Schmidt, R. / Frey, P.: Prölss Versicherungsaufsichtsgesetz, 9. Auflage, München 1983, S. 553. 115 BAV (Hg.): Geschäftsbericht 1993, Berlin 1994, S. 49*, 52*, 77*, 81*, 87*, 93*. 116 Zloch, B.: Eigenkapitalausstattung von Versicherungsunternehmen, in: Festschrift für Dieter Farny zur Vollendung des 60. Lebensjahres von seinen Schülern, hrsg. von Hans-Peter Mehring und Volker Wolff, Karlsruhe 1994, S. 191-192. 111 Für eine umfassende Kritik der Solvabilitätsbestimmungen der EU-Richtlinien, vgl. Wagner, F.: Solvabilitätspolitik als Unternehmenspolitik von Kompositversicherungsunternehmen, Berlin 1992, S. 166-215; Fuß, F.: Risikogerechte Eigenkapitalausstattung und Solvabilitätssystem der Schadenversicherungsdirektive - eine betriebswirtschaftliche Untersuchung, Karlsruhe 1971, S. 68-99.

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schalgrößen, die sich theoretisch nicht begründen lassen. Wichtige risikopolitische Instrumente bleiben unberücksichtigt, etwa eine günstige Risikoselektion. Sicherheitszuschläge werden sogar bestraft, weil sie den Prämienindex erhöhen. In der Schaden- und Unfallversicherung wird einseitig auf das versicherungstechnische Risiko abgestellt, das Kapitalanlagerisiko wird vernachlässigt. In der Lebensversicherung bezieht sich die Soll-Solvabilität primär auf die mathematischen Rückstellungen, für deren Berechnung es in der EU keine einheitlichen Bestimmungen gibt. . Bei der Definition der Ist-Solvabilität ist kritisch, daß die stillen Reserven externen Einflüssen unterliegen, die der Versicherer nur bedingt steuern kann. Stille Reserven lassen sich zudem nur schwer quantifizieren. Gleiches gilt für die Zukunftsgewinne der Lebensversicherer. Insgesamt hat die Aufweichung der Ist-Solvabilität dazu geführt, daß die deutschen Lebensversicherer nur knapp mit hartem Eigenkapital ausgestattet sind. Unbefriedigend ist ferner die Behandlung der ausstehenden Einlagen auf das gezeichnete Kapital, die nur teilweise berücksichtigt werden dürfen, auch wenn die Zahlungsfahigkeit der Aktionäre gewährleistet ist. Umstritten ist schließlich die Behandlung der Schwankungsrückstellung und der Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften 118 . g) Versicherungstechnische Rückstellungen

aa) Grundlagen Die versicherungstechnischen Rückstellungen sind der weitaus größte Posten auf der Passivseite der Bilanzen von Versicherern. Es handelt sich dabei um Verbindlichkeiten, Rückstellungen oder Rechnungsabgrenzungsposten, die sich auf einzelne Versicherungsverträge oder den gesamten Bestand beziehen. Farny119 unterteilt die versicherungstechnischen Rückstellungen wie folgt: - versicherungstechnische Rückstellungen für in Zukunft zu gewährenden Versicherungsschutz, mit dessen Konkretisierung durch den Eintritt von Versicherungsfällen noch zu rechnen ist: Beitragsüberträge, Schwankungsrückstellungen, Rückstellung für drohende Verluste;

118 Fuß, F.: Risikogerechte Eigenkapitalausstattung und Solvabilitätssystem der Schadenversichenmgsdirektive - eine betriebswirtschaftliche Untersuchung, Karlsruhe 1971, S. 51. 119 Famy, D.: Buchfiihrung und Periodenrechnung im Versichenmgsuntemehmen, 4. Auflage, Wiesbaden 1992, S. 129.

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- versicherungstechnische Rückstellungen für bereits eingetretene Versicherungsfalle, für die die Versicherungsleistungen noch nicht ausgezahlt wurden: Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfalle; - versicherungstechnische Rückstellungen für künftige Auszahlung von Gewinnanteilen: Rückstellung für BeitragsTÜckerstattung; - versicherungstechnische Rückstellungen für Spar- und Entspargeschäfte: DeckungsTÜcksteIl ung, AlterungsTÜckstellung. Ausreichende versicherungstechnische Rückstellungen sind nicht nur für die Gläubiger des Versicherers wichtig, vor allem Versicherungsnehmer und Drittgeschädigte, sondern auch für die Aufsichtsbehörde 120 . Sie bilden die Grundlage für die dauernde Erfüllbarkeit der versicherungsvertraglichen Verpflichtungen. Deshalb verlangt die Richtlinie zum Jahresabschluß von Versicherern, die versicherungstechnischen Rückstellungen so zu bemessen, daß sie den künftigen Bedarf decken können. Die Bedeutung der versicherungstechnischen Rückstellungen bestätigte der EuGH in seinen Urteilen vom 4. Dezember 1986. Er betonte, daß die Liberalisierung der Versicherungsmärkte im Privatkundengeschäft eine Angleichung der nationalen Bestimmungen über Ansatz und Bewertung der versicherungstechnischen Rückstellungen voraussetzt. bb) Bestimmungen der Richtlinien (1) Zuständigkeit

Zuständig für die Aufsicht über die versicherungstechnischen Rückstellungen eines Versicherers ist die Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes. (2) Schaden- und Unfallversicherung 1979 legte die Konferenz der Aufsichtsbehörden einen Bericht vor (AngererBericht), in dem sie Vorschläge für Mindestregeln für die versicherungstechnischen Rückstellungen unterbreitete 121 . Die Mindestregeln enthalten eine De120 Perlet, H.: Die RückstelllDlgen fiir noch nicht abgewickelte Versicherungsfalle in Handels- und Steuerbilanz, Karlsruhe 1986, S. 2. 121 o.V.: Möglichkeiten der Harmonisierung auf dem Gebiet der Berechnung der technischen Reserven in der Nicht-Lebensversicherung, 81. Sitzung der Konferenz der Versicherungsaufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten der EG, Namur, 18./19. Oktober 1979.

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finition der einzelnen Rückstellungen sowie Grundsätze für die Bewertung. Die EU-Kommission übernahm sie (im wesentlichen) in die Richtlinie zum Jahresabschluß von Versicherern. Die Beitragsüberträge sind ein Rechnungsabgrenzungsposten für den Teil der gebuchten Prämien, der in der Rechnungsperiode fällig ist, aber die Folgeperiode betrifft l22 . Die Zurechnung der Beiträge muß nach der Richtlinie grundsätzlich für jeden Vertrag einzeln und zeitanteilig (pro rata temporis) erfolgen. Besteht keine zeitliche Proportionalität zwischen Risikoverlauf und Beitrag, ist dem Rechnung zu tragen. Näherungsverfahren, vor allem das Bruchteilssystem (zum Beispiel 1/24-Methode), sind zulässig, wenn die Einzelbewertung mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden ist und sie zu annähernd gleichen Ergebnissen führen. In der Schaden- und Unfallversicherung ist die wichtigste Einzelrückstellung die Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle. Bei vielen Versicherern macht sie über 100 Prozent der jährlichen Prämienerträge aus. Die Rückstellung utnfaßt nach der Richtlinie die bis zum Ende eines Geschäftsjahrs angefallenen Versicherungsfälle, unabhängig davon, ob sie dem Versicherer bereits gemeldet wurden oder nicht (Spätschäden). Die Rückstellung ist grundsätzlich für jeden Versicherungsfall einzeln zu berechnen oder zu schätzen. Statistische oder mathematische Methoden sind zulässig, wenn sie zu annähernd gleichen Ergebnissen führen. Neben den eigentlichen Versicherungsleistungen sind die Regulierungsaufwendungen einzubeziehen. Regresse und Provenues sind abzuziehen oder als Forderung zu aktivieren. Die Richtlinie gestattet es den Mitgliedstaaten, die Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle abzuzinsen. Die Schwankungsrückstellung dient dem Risikoausgleich in der Zeit durch Verrechnung von Über- und Unterschäden der einzelnen Rechnungsperioden 123. Die schwankende Schadenbelastung in den einzelnen Jahren soll geglättet werden. Die Richtlinie überläßt es den Mitgliedstaaten, die Bildung einer Schwankungsrückstellung zu verlangen und die Berechnungsmethode festzulegen. In einigen Mitgliedstaaten ist die Bildung von Schwankungsrückstellungen vorgesehen, in anderen Mitgliedstaaten dagegen nicht oder nur in einigen Versicherungszweigen. Die EU-Richtlinien schreiben eine SchwankungsrücksteIlung lediglich in der Kredit- und Kautionsversicherung zwingend vor. 122 Farny, D.: Buchfiihrung und Periodenrechnung im Versichenmgsunternehmen, 4. Auflage, Karlsruhe 1992, S. 130. l23 Karten, W.: Zur Begründung einer sachgerechten Schwankungsrückstellung, in: Sorgen, Vorsorgen, Versichern, Festschrift fiir Heinz Gehrhardt zum 70. Geburtstag, hrsg. von Hans Kalwar, Karlsruhe 1975, S. 215-239.

Y. Regulienmgsinstrwnente

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Die Mitgliedstaaten dürfen dabei zwischen versicherungsmathematischen und pauschalen Berechnungsmethoden wählen. (3) Lebensversicherung

Die Bestimmungen über die versicherungstechnischen Rückstellungen in der dritten Richtlinie zur Lebensversicherung beruhen auf einer Studie, die der Europäische Verband der Versicherungsmathematiker, die Groupe Consultatif des Associations d' Actuaires, 1990 für die EU-Kommission anfertigte 124 . Die wichtigsten Grundlagen für die Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen sind Sterblichkeit und Zins. Den Einfluß dieser Größen soll folgendes Beispiel zeigen: Versicherungssumme 1 000 Einheiten, männlicher Versicherungsnehmer, Alter bei Abschluß 35 Jahre, Laufzeit 25 Jahre, Rechnungszins vier Prozent. Nach den Sterbetafeln der Lebensversicher in den Mitgliedstaaten ergeben sich folgende Jahresprämien (ohne sonstige Kosten): Griechenland Frankreich Deutschland Dänemark Italien Niederlande Vereinigtes Königreich

26,29 Einheiten 26,06 Einheiten 25,75 Einheiten 25,59 Einheiten 25,07 Einheiten 25,03 Einheiten 23,85 Einheiten

Nach obigen Annahmen und der niederländischen Sterbetafel ergeben sich bei Variation der Rechnungszinsen folgende Jahresprämien: 2,5 Prozent 3,0 Prozent 3,5 Prozent 4,0 Prozent 4,5 Prozent 5,0 Prozent 5,5 Prozent

30,40 Einheiten 28,51 Einheiten 26,71 Einheiten 25,03 Einheiten 23,44 Einheiten 21,95 Einheiten 20,54 Einheiten

124 0.Y.: Notes on Technical Provisions for Life Insurance, A submission by the Groupe Consultatif des Associations d' Actuaires des Pays des Communautes Europeennes to the Commission of the European Communities, Brüssel 1990 (nicht veröffentlicht); 0.Y.: Report by the Groupe Consultatif des Associations d'Actuaires des Pays des Communautes Europeennes for the Commission of the European Communities through Directorate General XV on the Calculation ofTechnical Reserves of Life Insurance in the Countries of the European Communities, Brüsse! 1990 (nicht veröffentlicht).

9*

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C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien lUld in Deutschland

Es gibt enorme Sterblichkeitsunterschiede in den Mitgliedstaaten. So liegt in Deutschland die Sterblichkeit bis zu einem bestimmten Alter deutlich über der im Vereinigten Königreich, weil Kindersterblichkeit und Zahl der Verkehrsunfalltoten höher sind. Die meisten Mitgliedstaaten arbeiten mit Bevölkerungssterbetafeln, die auf landeseigenen Erhebungen beruhen. Dagegen gehen die Sterbetafeln im Vereinigten Königreich von der (geringeren) Sterblichkeit der versicherten Bevölkerung aus. Sie werden zudem laufend aktualisiert. Die Groupe Consultatif schlägt vor, daß die Sterblichkeit, die den versicherungstechnischen Rückstellungen zugrunde liegt, die tatsächlichen Verhältnisse des Mitgliedstaates, in dem der Versicherungsnehmer wohnt, berücksichtigen soll. So soll ein Versicherer aus dem Vereinigten Königreich bei deutschen Versicherungsnehmern nicht mit britischen Sterbetafeln arbeiten. Die Einführung oder Entwicklung einer europäischen Sterbetafel ist aufgrund der national unterschiedlichen Sterblichkeiten nicht möglich 12S . Die Zinsniveaus in den Mitgliedstaaten weichen ebenfalls deutlich voneinander ab. Woran sich bis zur Einführung einer einheitlichen Währung nichts ändern wird. Die versicherungstechnischen Rückstellungen werden in allen Mitgliedstaaten mit Zinssätzen berechnet, die deutlich unter den von den Versicherern in der Vergangenheit tatsächlich erwirtschafteten Erträgen aus Kapitalanlagen oder den Zinsen auf öffentliche Anleihen liegen. I NL E B DK D F UK IRL Geschäftsjahre 1989 lUld 1994 - alle Angaben in Prozent 444 6 4,75 4,5 3,5 4,5 0-8 kA. 3-4

Technischer (Höchst-)Zins') Durchschnittliche 7,4 11,2 5,7 kA. 10,4 7,7 kA. Kapitalanlageerträgeb) kA. kA. Zinsen auf 9,0 12,4 7,8 11,8 öffentliche Anleihenc) 8,4 9,1 7,7 8,2 8,9 .) 0.Y.. Actuanal Factors Related to Life Insurance Prachces m the European Com mlUlities COlUltries, Groupe Consultatif des Associations d' Actuaires des Pays des CommlUlautes Europeennes, London 1989; Pfaffenzeller, D. / Schenk, H.: Besondere Lebensversichenmgstarife in EG-Ländem, in: VW 1990, S. 372-373. b) Die lUlterschiedlichen BewertlUlgsmethoden fiir die Kapitalanlagen erschweren den Vergleich, vgl. Scheizer Rück (Hg.): Die Kapitalanlagen der Erstversicherer, in: Wirtschafts studien, Heft 5/1991, S. 15. c) 0.Y.: Nur zwei Länder erfiillen die Maastricht-Kriterien, in: FAZ vom 16. Februar 1995, S. 15.

-

125 Pfaffenzeller, D. / Schenk, H: Besondere LebensversicheflUlgstarife in EG-Ländem, in: VW 1990, S. 372.

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Die Groupe Consultatif lehnt die Festlegung von Höchstzinssätzen (für jede Währung) ab. Die Zinssätze sollen aber vorsichtig gewählt werden, damit die Versicherer sie auch tatsächlich dauerhaft erwirtschaften können. Die Groupe Consultatif zeigt mit Modellrechnungen, daß unterschiedliche Methoden und Berechnungsgrundlagen für die mathematischen Rückstellungen den Wettbewerb nicht wesentlich verzerren. Um einen angemessenen Schutz der Versicherungsnehmer zu gewährleisten, schlägt die Groupe Consultatif einige versicherungsmathematische Grundsätze vor, die die Mitgliedstaaten oder berufsständischen Organisationen präzisieren sollen. Danach müssen die Versicherer ihre versicherungstechnischen Rückstellungen so bemessen, daß sie ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllen können. Die Rückstellungen dürfen nicht zum (risikoneutralen) Erwartungswert der Verpflichtungen angesetzt werden, sondern müssen aus Vorsichtsgründen einen Risikozuschlag für negative Abweichungen enthalten. Die Berechnung muß die tatsächlichen Verhältnisse in dem Mitgliedstaat berücksichtigen, in dem der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz hat und auf dessen Währung der Vertrag lautet. In die Bewertung sind die garantierten Überschußanteile der Versicherungsnehmer und die garantierten Rückkaufswerte einzubeziehen. Ein Aktuar soll die Berechnung durchführen. Die Europäische Kommission ist den Vorschlägen der Groupe Consultatif weitgehend gefolgt. In einem wichtigen Punkt konnte sie sich aber nicht durchsetzen. Nach der dritten Richtlinie zur Lebensversicherung darf für Verträge, die eine Zinsgarantie enthalten, der Höchstzinssatz 60 Prozent des Zinssatzes auf Anleihen des Staates, auf dessen Währung der Vertrag lautet, nicht überschreiten. Die Mitgliedstaaten, in denen die Kapitalanlagen zum Zeitwert bewertet werden, dürfen den Höchstzinssatz auch nach den tatsächlichen Erträgen aus Kapitalanlagen festlegen. ce) Bestimmungen des VAG Für Ansatz und Bewertung (teilweise Schätzung) der versicherungstechnischen Rückstellungen gelten die Bestimmungen der §§ 341 ff. HGB und, soweit nicht anders vorgeschrieben, die allgemeinen Bestimmungen des HGB. Nach § 249 Abs. 1 HGB sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten, drohende Verluste aus schwebenden Geschäften sowie für bestimmte Aufwendungen und Gewährleistungen zu bilden, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden. Nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB sind die Rückstellungen mit dem Betrag anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Bewertung nötig ist. Sie dürfen nur abgezinst werden, wenn die zugrundliegende Ver-

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C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien und in Deutschland

bindlichkeit einen Zinsanteil enthält. Versicherer müssen versicherungstechnische Rückstellungen nach § 341e Abs. 1 HGB auch insoweit bilden beziehungsweise bewerten, wie dies zur dauernden Erfüllbarkeit der vertraglichen Verpflichtungen erforderlich ist. Diese Bestimmung, die aus § 56 Abs. 3 des VAG a.F. stammt, bedeutet nach dem Willen des Gesetzgebers eine Erweiterung der allgemeinen Bestimmungen sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach 126. Das heißt, für Ansatz und Bewertung der versicherungstechnischen Rückstellungen gilt ein besonderes Vorsichtsprinzip 127 . § 341e Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 HGB zu Ansatz und Bewertung der Beitragsüberträge sowie die ergänzenden Bestimmungen der Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen (RechVersV) entsprechen den Bestimmungen der Richtlinie. Für Ansatz und Bewertung der Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle sind neben den allgemeinen Bestimmungen des HGB der § 341g Abs. 1 bis 4 HGB die ergänzenden Bestimmungen der RechVersV maß-geblich. Die Bestimmungen entsprechen den Richtlinien. Der deutsche Gesetzgeber hat die Wahlrechte der Richtlinie so ausgeübt, daß die Forderungen aus Regressen, Provenues und Teilungsabkommen weiterhin von der Rückstellung abzuziehen sind. Eine Abzinsung ist auch künftig nur zulässig, wenn die zugrunde liegende Verbindlichkeit einen Zinsanteil enthält. Die Schaden- und Unfallversicherer müssen nach §§ 341h Abs. 1 HGB und 29 RechVersV (einschließlich Anlagen) zum Ausgleich von Schwankungen im Schadenverlauf künftiger Jahre eine Schwankungsrückstellung bilden. Nach § 34lf HGB und §§ 25 und 32. Abs. 2 RechVersV müssen die Dekkungsrückstellungen (und in der nach der Art der Lebensversicherung betriebenen Krankenversicherung die Alterungsrückstellungen) grundsätzlich nach der prospektiven Methode berechnet werden. Die Deckungsrückstellung ist definiert als der Barwert des Erwartungswerts der künftigen Verpflichtungen abzüglich dem Barwert künftiger Prämieneinnahmen. Bei der Berechnung sind die gegenüber den Versicherungsnehmern eingegangenen Zinsverpflichtungen (technische Zinssätze) zu berücksichtigen. Die Abschlußkosten sind nach einem versicherungsmathematischen Verfahren (Zillmerung) über die Vertragslaufzeit zu verteilen. Gegebenenfalls ist die Deckungsrückstellung mit dem höheren garantierten Rückkaufswert oder einer höheren beitragsfreien 126 KPMG (Hg.): Rechnungslegung von Versichenmgsuntemehmen nach neuem Recht, Frankfurt am Main 1994, S. 112. 127 Schmidt, R. / Frey, P.: Prölss Versichenmgsaufsichtsgesetz, 9. Auflage, Miinchen 1983, S. 660.

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Versicherungsleistung anzusetzen. Diese Bestimmungen des HGB und der RechVersV werden ergänzt durch die §§ 12c und 65 VAG. Sie ermächtigen den Bundesminister der Finanzen, eine Rechtsverordnung über die versicherungstechnischen Berechnungsparameter zu erlassen. Der vorliegende Entwurf128 begrenzt bei Versicherungsverträgen mit Zinsgarantie, die auf deutsche Währung lauten, den Höchstzinssatz auf vier Prozent und den Höchstzillmersatz auf vier Prozent der Summe aller Prämien. Die Verordnung verlangt ferner, daß der verantwortliche Aktuar bei den Rechnungsgrundlagen angemessene Sicherheitszuschläge verwendet. h) Kapitalanlagen

aa) Grundlagen Versicherungstechnische Rückstellungen sind Verpflichtungen der Versicherer gegenüber den Versicherungsnehmern, also Kapital, das ihnen die Versicherungsnehmer für eine bestimmte Zeit überlassen und das sie anlegen müssen 129. Unter dem Aspekt des Gläubigerschutzes spielt die Sicherheit der Kapitalanlagen eine große Rolle. Das unterstreichen Erfahrungen aus den Vereinigten Staaten. Dort sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Lebensversicherer wegen einer verfehlten Anlagepolitik in Schwierigkeiten geraten, vor allem durch Anlage in sogenannte junk bonds (high yield high risk)130 . bb) Bestimmungen der Richtlinien Die Bestimmungen der Mitgliedstaaten zu Kapitalanlagen unterscheiden sich deutlich 131 . In den meisten kontinentaleuropäischen Ländern sind Sicherheit oder Erhaltung der Kapitalanlagen vorrangig. Die Aufsichtsrechte legen die zulässigen Kapitalanlagearten fest und bestimmen für einzelne Anla128 Entwwffür eine Verordnung gemäß § 65 des VAG über den für die Deckungsrückstellung festzusetzenden Höchstrechnungszins, die Höchstbeträge für die Zillmenmg und die versichenmgsmathematischen Rechnungsgnmdlagen (Rückstellungs-VO). 129 Anders ausgedrückt: Die Prämien werden meist im voraus gezahlt, der Einzahlungsstrom geht dem Auszahlungsstrom zeitlich voraus. Daraus resultiert das Kapitalanlagegeschäft, vgl. Famy, D.: Versichenmgsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 133-

134.

130 Wright, K.: The Life Insurance Industry in the United States, An Analysis of Economic and Regulatory Issues, Washington 1992, S. 16-17,29,40 (nicht veröffentlicht). 131 Rabe, T. / Winkler, B.: Kapitalanlagevorschriften für Versicherungsunternehmen in den Mitgliedstaaten der EG, in: VW 1990, S. 1041-1042.

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C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien und in Deutschland

gearten oder -gruppen Höchstgrenzen. Im Vereinigten Königreich dagegen stehen Sicherheit und Rentabilität der Anlagen fast gleichberechtigt nebeneinander. Es sind keine Kapitalanlagearten per se verboten. Besonders riskante Anlagen oder Anlagen, die bestimmte Höchstgrenzen überschreiten, müssen aber bei der Ermittlung der Ist-Solvabilität mit Null angesetzt werden 132 . In der Lebensversicherung liegt ein wichtiger Grund für die unterschiedlichen Regelungen im Charakter der Produkte. So steht im Vereinigten Königreich nicht die Alters- und Hinterbliebenenvorsorge im Vordergrund, sondern die Geld- beziehungsweise Kapitalanlage. Die Versicherer investieren durchschnittlich fast 50 Prozent ihrer Vermögenswerte in Aktien und beteiligen die Versicherungsnehmer neben den laufenden Erträgen auch an (realisierten und unrealisierten) Wertsteigerungen 133 . Bei deutschen Lebensversicherern dagegen betrug der Anteil von Aktien 1994 im Schnitt nur reichlich 2 Prozent. Festverzinsliche Wertpapiere und Darlehen dominierten mit über 60 Prozent. Vor diesem Hintergrund war es schwierig, in den "dritten Richtlinien" konsensfähige Bestimmungen über die Kapitalanlagen zu finden. (1) Mischung und Streuung

Die "dritten Richtlinien" definieren die Grundsätze 134 der Erhaltung der Kapitalanlagen (Sicherheit), der Erzielung von Erträgen aus Kapitalanlagen (Rentabilität) und der Liquiditätssicherung. Sicherheit bedeutet vor allem, daß die Kapitalanlagen bestimmte qualitative Anforderungen erfüllen müssen und keine übermäßige Abhängigkeit von einer bestimmten Anlageart oder -adresse oder einem Markt entstehen darf. Die Grundsätze werden durch einen Katalog zulässiger Anlagearten und Höchstgrenzen konkretisiert. Der Anlagekatalog ist weit gefaßt. Er nennt alle Anlagearten, die in den Mitgliedstaaten schon zulässig waren und geht teilweise deutlich darüber hinaus. Neben klassischen Anlagen wie Grundbesitz, Realkrediten, Darlehensforderungen, Policendarlehen, Wertpapieren und Anteilen sowie Bankeinlagen lassen die Richtlinien (für die Deckung der versicherungstechnischen Rückstellungen) auch andere Sachanlagen, abgegrenzte Abschlußkosten, Zinsen, Mieten und sonstige Abgrenzungsposten zu. 132 Neuhaus, R.: Die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen der Versichenmgswirtschaft in Großbritannien, Karlsruhe 1990, S. 84-96. 133 Für eine Gesamtübersicht, vgl. KPMG (Hg.): Investment Regulations for Insurance Companies in Selected European Countries, Köln 1991. 134 Die Bestimmungen beschränken sich auf die Kapitalanlagen, die die versiehenmgstechnischen Rückstellungen decken, also auf das gebundene Vermögen.

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Die Höchstgrenzen für die Anlage in bestimmte Vermögenswerte beziehen sich auf die versicherungstechnischen Bruttorückstellungen. Maximal zehn Prozent dürfen in ein Grundstück und Gebäude angelegt werden, fünf Prozent in Aktien, Schuldverschreibungen, Anleihen und andere Geld- und Kapitalmarktpapiere ein und desselben Ausstellers (Schuldners), fünf Prozent in ungesicherte Darlehen, wobei auf das einzelne Darlehen nicht mehr als ein Prozent entfallen darf, und zehn Prozent in Aktien und Schuldverschreibungen, die nicht am geregelten Markt gehandelt werden. Kritisch ist, daß fünf Prozent der versicherungstechnischen Bruttorückstellungen die Ist-Solvabilität eines Versicherers deutlich übersteigen können, der Ausfall einer Anlageadresse also seinen Bestand gefährden kann. Es wäre deswegen besser gewesen, die Höchstgrenzen (auch) an die Ist-Solvabilität des Versicherers zu knüpfenm. Die Mitgliedstaaten dürfen bei der Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht strengere Bestimmungen vorsehen, etwa bestimmte Kapitalanlagearten nicht oder nur in einer geringeren Höhe zulassen. Das kann allerdings inländische Versicherer im Wettbewerb mit ausländischen Anbietern benachteiligen 136. In begründeten Ausnahmen dürfen die Aufsichtsbehörden einzelnen Versicherern auch andere Kapitalanlagen und Höchstgrenzen genehmigen. Die Bestimmungen der "dritten Richtlinien" sind der größte gemeinsame Nenner der Mitgliedstaaten. Es kann kein Mitgliedstaat behaupten, daß sie die Kapitalanlagemöglichkeiten unzumutbar begrenzen, oder die Versicherer zwingen würden, ihre Kapitalanlagepolitik umzustellen 137 . (2) Währungskongruenz und Lokalisierung

Bei Versicherern, die Geschäfte in fremder Währung betreiben, ergeben sich spezielle Risiken aus Wechselkursänderungen (Wechselkursrisiko) und aus Störungen beim Transfer von Geld und Kapital (Transferrisiko).

In Hohlfeld, K.: Finanzaufsicht und Rechnungslegung auf dem Versichenmgssektor nach der Deregulienmg, in: Dieter Farny und die Versichenmgswissenschaft, hrsg. von Robert Schwebler und den Mitgliedern des Vorstands des deutschen Vereins fur Ver. sichenmgswissenschaft, Karlsruhe 1994, S. 230. 136 Hohlfeld, K.: Finanzaufsicht und Rechnungslegung, auf dem Versichenmgssektor nach der Deregulienmg, in: Dieter Farny und die Versichenmgswirtschaft, hrsg. von Robert Schwebler und den Mitgliedern des Vorstands des deutschen Vereins fur Versichenmgswissenschaft, Karlsruhe 1994, S. 232. 137 Köhler, G.: Harmonisienmg der Kapitalanlagevorschriften in der EG, in: Versichenmgen in Europa heute und morgen, Geburtstags-Schrift fur Georg Büchner, hrsg. von Franz Wilhelm Hopp und Georg Mehl, Karlsruhe 1991, S. 71.

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C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien und in Deutschland

Das Wechselkursrisiko entsteht durch Änderungen des Außenwerts der Heimatwährung gegenüber den Fremdwährungen, in denen die Versicherungsgeschäfte getätigt werden. Seine Wirkung ist abhängig von der Form der Auslandstätigkeit. Bei Geschäften über Tochtergesellschaften ist das Risiko kleiner als bei Geschäften im Dienstleistungsverkehr und über rechtlich unselbständige Niederlassungen 138 . Die EU-Richtlinien verlangen, die versicherungstechnischen Rückstellungen ("die Verpflichtungen") grundsätzlich währungskongruent zu decken, das heißt Verpflichtungen und Vermögenswerte müssen auf die gleiche Währung lauten 139 . In der Lebensversicherung lauten die Verträge meist auf eine bestimmte Währung. In der Schaden- und Unfallversicherung ist dies unter Umständen weniger eindeutig. Für den Fall, daß eine Verpflichtung nicht in einer bestimmten Währung ausgedrückt ist, gilt sie in der Währung des Landes als erfüllbar, in dem das Risiko belegen ist oder in der die Prämie gezahlt wird. Die Versicherer sind berechtigt, bis zu 20 Prozent ihrer Vermögenswerte nicht währungskongruent anzulegen. Außerdem können die Mitgliedstaaten den Versicherern gestatten, Verpflichtungen, die auf die Währung eines EUMitgliedstaates lauten, durch Anlagen in ECU zu decken 140. Sie können außerdem auf die währungskongruente Deckung verzichten, wenn die betreffende Währung Transferbeschränkungen unterliegt. Die Versicherern dürfen ihre Vermögenswerte in allen Mitgliedstaaten der EU und des EWR anlegen, wenn sie versicherungstechnische Rückstellungen für dort belegene Risiken decken. Die "dritten Richtlinien" heben zwar die Verpflichtung auf, die Vermögenswerte im Tätigkeitsland zu halten, die währungskongruente Deckung bleibt davon aber unberührt. Das hat zur Folge, daß bis zur Einführung einer einheitlichen europäischen Währung oder der unwiderruflichen Festschreibung der Wechselkurse eine EU-weite Anlage der Vermögenswerte durch die Versicherer nur begrenzt möglich ist. Einzelheiten werden in Kapitel D erörtert 141 .

Famy, D.: Versichenmgsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 414-415. Die Möglichkeit der Absichenmg offener Devisenpositionen durch Termingeschäfte ist in den Richtlinien nicht ausdrücklich vorgesehen. 140 Der deutscher Gesetzgeber hat von diesem Wahlrecht aufgnmd der Turbulenzen im Europäischen Währungssystem keinen Gebrauch gemacht. 141 Vgl. D.I.2.a)bb)(2). 138

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cc) Bestimmungen des VAG Das VAG definiert das gebundene Vermögen als Teilmenge der Kapitalanlagen, die sich aus dem Deckungsstock nach § 66 V AG und dem übrigen gebundenen Vermögen zusammensetzt. Das gebundene Vermögen ist dadurch gekennzeichnet, daß es aus versicherungstechnischem Fremdkapital finanziert wird, also aus den versicherungstechnischen Rückstellungen sowie den aus den Versicherungsverhältnissen entstandenen Verbindlichkeiten und Rechnungsabgrenzungsposten. Das gebundene Vermögen darf nur in ausdrücklich nach § 54a Abs. 2 V AG zulässige Kapitalanlagearten angelegt werden. Diese entsprechen im wesentlichen dem Katalog der "dritten Richtlinien", wobei qualitative Anforderungen erfüllt werden müssen. Nicht zugelassen sind allerdings "unkonventionelle" Anlagearten, vor allem Sachanlagen und Abgrenzungsposten. Die Bestimmungen des § 54a Abs. 4 und 5 V AG zur Mischung und Streuung sind deutlich strenger als die Anforderungen der EU-Richtlinien. So dürfen Aktien und Genußrechte derselben Gesellschaft 10 Prozent des gezeichneten Kapitals dieser Gesellschaft nicht übersteigen. Anlagen in voll eingezahlte Aktien und Genußrechte, in Geschäftsanteile von GmbH, Kommanditanteile, Beteiligungen als stiller Gesellschafter und nachrangige Verbindlichkeiten, Anlagen in Anteile an Wertpapier- und Beteiligungs-Sondervermögen sind insgesamt auf jeweils 30 Prozent des Deckungsstockvermögens und des gebundenen Vermögens begrenzt. Ferner dürfen auf ein und denselben Aussteller (Schuldner) nicht mehr als die Summe aus 2 Prozent des gebundenen Vermögens und 25 Prozent der Eigenmiuel des Versicherers entfallen, insgesamt aber nicht mehr als 5 Prozent des gebundenen Vermögens. Nach § 54a Abs. 3 VAG müssen die Versicherer das gebundene Vermögen in Vermögenswerte anlegen, die auf die gleiche Währung lauten, in der die Verpflichtungen erfüllt werden müssen. Verwiesen wird auf Anlage C zum VAG, die den Kongruenzregeln der EU-Richtlinien entspricht. Die Vermögenswerte, die versicherungstechnische Rückstellungen für Risiken in der EU oder dem EWR decken, dürfen in allen Mitgliedstaaten angelegt werden. i) Rechnungslegung und Publizität

aa) Externe Rechnungslegung (1) Grundlagen

Rechnungslegung und Publizität, verstanden als die Abgabe von Informationen über einen Versicherer nach außen, ist ein wichtiges Instrument der Auf-

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C. Regulierungssystem der EU-Richtlinien und in Deutschland

siche 42 . Die Publizität ist in der Versicherungswirtschaft deutlich ausgeprägter als in anderen Wirtschaftszweigen, nicht zuletzt wegen des hohen Vertrauensbedarfs. Die Informationen sollen die Umwelt des Versicherers in die Lage versetzen, rationale Entscheidungen über bestehende oder zu eröffnende Geschäftsbeziehungen zu treffen. Die Empfänger der Informationen und die jeweiligen Interessen können wie folgt gegliedert werden 143 : Die Versicherungsnehmer sind Schuldner der Prämien und Gläubiger des Versicherungsschutzes, bei VVaG außerdem Mitglieder. Sie interessieren sich für Informationen, mit denen sie die Sicherheit der Vertragserfüllung und die Preiswürdigkeit beziehungsweise Kostengünstigkeit der Versicherer beurteilen können. Da in der externen Rechnung meist keine Preise genannt werden, achten sie besonders auf die Entstehung und Verwendung der Gewinne, vor allem die Höhe der Überschußbeteiligung144 . Die Faktorlieferanten sind Gläubiger der gelieferten Produktionsfaktoren und Schuldner der Faktorlieferungen. Die angestellten und freien Mitarbeiter interessieren sich für Informationen über die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze, die Rückversicherer für Informationen über das Wachstum, die Struktur und die Rentabilität des Geschäfts und des davon rückversicherten Teils 145 . Die Eigenkapitalgeber wünschen sich Informationen über Sicherheit und Rentabilität ihrer Einlagen. Fremdkapitalgeber sind in erster Linie die Versicherungsnehmer selbst.

142 Farny, D.: Buchfiilmmg \U1d Periodenrechn\U1g im Versicherungs\U1ternehmen, 4. Auflage, Wiesbaden 1992, S. 99. 143 Detaillierte Analysen der Informationsinteressen der verschiedenen Gruppen fmden sich bei Horbach, L.: Der EG-Versicherungsbilanzrichtlinien-Entwurf, Bergisch Gladbach, Köln 1988, S. 4-32; Farny, D.: Buchfiilmmg \U1d Periodenrechn\U1g im Versicherungs\U1ternehmen, 4. Auflage, Wiesbaden 1992, S. 99-100. Coenenbergnennt als wichtigste Gruppen von Interessierten die Anteilseigner, Gesellschafter \U1d potentielle Anleger, aktuelle und potentielle Kreditgeber, Banken, Lieferanten \U1d K\U1den, aktuelle und potentielle Arbeitgeber und deren Interessenvertret\U1gen, die interessierte Öffentlichkeit und die Unternehmensleitung, vgl. Schuster, L.: Jahresabschlußanalyse, in: HWB, hrsg. von Waldemar Wittmann, Werner Kern u.a., 5. Auflage, Stuttgart 1993, Sp. 2064-2065; Havermann, H: Der Aussagewert des Jahresabschlusses, in: WPg 1988, S. 613. 144 Horbach, L.: Der EG-Versicherungsbilanzrichtlinien-Entwurf, Bergisch Gladbach, Köln 1988, S. 15-16. 145 Farny, D.: Buchfiilmmg und Periodenrechn\U1g im Versicherungs\U1ternehmen, 4. Auflage, Wiesbaden 1992, S. 99; Horbach, L.: Der EG-Versicherungsbilanzrichtlinien-Entwurf, Bergisch Gladbach, Köln 1988, S. 17-20.

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Die Aufsichtsbehörde hat ähnliche Interessen wie die Versicherungsnehmer. Sie ist allerdings nicht auf die externe Rechnungslegun~ allein angewiesen, sondern erhält im Rahmen der internen Rechnungslegung umfangreiche zusätzliche Informationen. Weitere Informationsinteressenten sind die Kapitalanlagekunden (etwa Schuldner und Mieter), die Finanzverwaltung sowie die Öffentlichkeit, einschließlich Presse. (2) Bestimmungen der Richtlinien

Gegenstand der Richtlinie zum lahresabschluß und konsolidierten Abschluß von Versicherern ist die Angleichung der Bestimmungen über die externe Rechnungslegung146 . Dadurch soll die Vergleichbarkeit der veröffentlichten Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage in- und ausländischer Versicherer verbessert werden 147 . Im Unterschied zu anderen Richtlinien beruht die Richtlinie zum lahresabschluß und konsolidierten Abschluß daher nicht auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, sondern strebt eine möglichst weitgehende Vereinheitlichung oder Harmonisierung der nationalen Bestimmungen zur Rechnungslegung an. Sie legt zu diesem Zweck einheitliche Gliederungen für die Gewinn- und Verlustrechnung und die Bilanz sowie für den Inhalt des Anhangs und des Lageberichts fest und enthält Bestimmungen über Ansatz und Bewertung der einzelnen Positionen. Die Richtlinie zum lahresabschuß von Versicherern baut auf der vierten 148 und siebenten 149 gesellschaftsrechtlichen Richtlinie auf und paßt die Bestimmungen dieser Richtlinien an die Besonderheiten des Versicherungsgeschäfts

146 Zum Hintergnmd der Richtlinie, vgI. Rabe, T.: Annual ACCOlUlts, in: Insurance and EC Law Commentary, hrsg. von Matijn van Empel und Humbert Drabbe, Amsterdam 1994, S. 9; Pool, B.: The creation ofthe interna 1 market in insurance, Luxemburg 1990, S. 83-84. 147 Richter, H.: Versicherungsbilanzen in Europa, Karlsruhe 1993, S. 1; Rutteman, P.: Regulation: The Insurance Accounts Directive, Is Comparability an Illusion?, Den Haag 1989, S. 2-3 (nicht veröffentlicht). 148 Vierte Richtlinie des Rates 78/660/EWG vom 25. Juli 1978 aufgnmd von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, AbI. der EG Nr. L 222, 14. August 1978, S. 11-31. 149 Siebente Richtlinie des Rates 83/349/EWG vom 13. Juni 1983 aufgnmd von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluß, AbI. der EG Nr. L 193, 18. Juli 1983, S. 1-17.

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an 150 . Die Harmonisierung der Rechnungslegung in der EU beruht auf folgenden Leitlinien 151 : - Abweichungen von den Bestimmungen der vierten und siebenten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie über den Jahres- und Konzernabschluß von Unternehmen sind nur zulässig, wenn sie aufgrund der Besonderheiten des Versicherungsgeschäfts erforderlich sind. - Die Angleichung der Rechnungslegung soll keinen Zwang ausüben, die Versicherungsprodukte in den Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen. - Die Angleichung soll steuerneutral sein und keine Diskriminierung bewirken, weder der Versicherer untereinander noch zwischen der Versicherungswirtschaft und anderen Wirtschaftszweigen. (a) Geltungsbereich Die Richtlinie gilt im Interesse der Wettbewerbsgleichheit für Erst- und Rückversicherer aller Rechtsformen. Für Lloyd's of London sieht sie Anpassungen vor, die nach Auffassung der Kommission wegen der Eigenarten des Geschäfts und der besonderen Struktur erforderlich waren i52 . Diese Anpassungen gehen sehr weit, ihre Wettbewerbsneutralität ist fragwürdig l53 . Sie beeinträchtigen außerdem die Vergleichbarkeit des Jahresabschlusses von Lloyd's mit denen anderer Versicherer. Zum Beispiel darf Lloyd's im Unterschied zu Versicherern anderer Rechtsformen die Prämien ohne Abschlußprovisionen ausweisen. Der geschätzte Anteil muß nur im Anhang angegeben werden. Zudem braucht Lloyd' s keinen konsolidierten Jahresabschluß vorzulegen, weil dies nach Auffassung der Kommission bei über 300 Syndikaten zu aufwendig wäre. Verlangt wird lediglich ein aggregierter Abschluß der einzelnen Syndikate. Damit weist Lloyd' s seine Umsätze und Ergebnisse insgesamt zu hoch aus. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund des beträchtlichen ISO Richter, H.: Anpassung der Rechnungslegung der Versichenmgsuntemehmen an das Bilanzrichtlinien-Gesetz, Karlsruhe 1988, S. 5. ISI Jannott, H.: Rechnungslegung der Versichenmgsunternehmen - Überlegungen zur EG-Versichenmgsbilanzrichtlinie, in: ZVersWiss 1991, S. 90. IS2 ZU Einzelheiten, vgl. Rabe, T.: Annual Accounts, in: Insurance and EC Law Commentary, hrsg. von Martijn van Empel und Rumbert Drabbe, Amsterdam 1994, S. 17-22. Zu den Besonderheiten von Lloyd's, vgl. Mower, P. I Rayer, 1.: What's in a Name - an introduction to underwriting at Lloyd's, London 1985. IS3 Konrath, N.: Wettbewerbsaspekte der Rechnungslegungsharmonisienmg in der EG, in: Versichenmgen in Europa heute und morgen, Geburtstags-Schrift für Georg Büchner, hrsg. von Franz Wilhelm Ropp und Georg Mehl, Karlsruhe 1991, S. 258259.

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Rückversicherungsgeschäfts zwischen den einzelnen Syndikaten problematisch. Außerdem muß Lloyd's während der ersten beiden (offenen) Jahre der Drei-Jahres-Rechnungsperiode nur eine Einnahmen-/Ausgabenrechnung vorlegen, braucht also keine versicherungstechnischen Rückstellungen zu bilden. (b) Ausweis der Rückversicherung

Die Versicherer geben zur Minderung ihres versicherungstechnischen Risikos einen Teil ihres Geschäfts an Rückversicherer ab. Der Rückversicherer ist also an zahlreichen Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung und der Bilanz beteilige~4. Die Richtlinie folgt beim Ausweis der passiven Rückversicherung keinem klaren Konzept. Die versicherungstechnischen Rückstellungen dürfen nach dem Brutto- oder dem Nettoprinzip bilanziert werden. Der Anteil der Rückversicherer an den versicherungstechnischen Rückstellungen kann als Forderung aktiviert, in der Vorspalte der Bilanz offen von den versicherungstechnischen Rückstellungen abgesetzt oder im Anhang zum Jahresabschluß angegeben werden. In der Gewinn- und Verlustrechnung verlangt die Richtlinie bei einigen (den vermeintlich wichtigsten) Positionen den Bruttoausweis, bei anderen den Nettoausweis. Die passive Rückversicherung muß nicht für alle Versicherungszweige einheitlich ausgewiesen werden. (c) Abschlußkosten Die Richtlinie räumt den Mitgliedstaaten bei der Aktivierung der Abschlußkosten in der Schaden- und Unfallversicherung ein Wahlrecht ein. Ziel der Aktivierung ist es, die Abschlußkosten auf die Laufzeit des Versicherungsvertrags zu verteilen. Damit werden die einmalige Belastung des Ergebnisses bei hohem Neugeschäft vermieden und der Einblick in die Ertragslage verbessert lSS . Die Aktivierung spielt in der Schaden- und Unfallversicherung vor allem im angelsächsischen Raum eine Rolle. In der Lebensversicherung sieht die Richtlinie ebenfalls ein Wahlrecht vor. Die Abschlußkosten können im Jahr der Entstehung als Aufwendungen verbucht oder aktiviert und über die

154 Farny, D.: Buchfiihnmg und Periodenrechnung im Versichenmgsunternehmen, 4. Auflage, Karlsruhe 1992, S. 105-106. ISS Eine Aktivienmg erfolgt in der internen Rechnung. Dort würde es der Fordenmg nach einer periodengerechten Abgrenzung widersprechen, wenn die Kosten für Vertragsabschlüsse in der Rechnungsperiode des Abschlusses in voller Höhe erfolgswirksam würden, vgl. Farny, D.: Buchfiihrung und Periodenrechnung im Versichenmgsunternehmen, 4. Auflage, Karlsruhe 1992, S. 71-74.

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C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien Wld in Deutschland

Laufzeit des Vertrages abgeschrieben oder ganz oder teilweise gegen die Dekkungsrückstellung verrechnet werden (Zillmerung). (d) Bewertung der Kapitalanlagen Die Richtlinie geht bei der Bewertung der Kapitalanlagen vom Anschaffungswertprinzip aus, erkennt aber die Bewertung zum Zeitwert als gleichwertige Alternative an 156 . Versicherer, die beim bilanziellen Ausweis dem Anschaffungswertprinzip folgen, müssen im Anhang den Zeitwert der Kapitalanlagen ausweisen (und vice versa). Damit entsteht eine doppelte Vergleichsgrundlage. Diese Bestimmung der Richtlinie weicht von der vierten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie 157 ab, die in erster Linie auf dem Anschaffungswertprinzip beruht und die Bewertung zu Zeitwerten nur ausnahmsweise zuläße 58 . Die unrealisierten Gewinne, die sich aus der Zeitbewertung gegenüber einer Bewertung zu Anschaffungskosten ergeben, sind nach der vierten Richtlinie einer speziellen Rücklage (Neubewertungsrücklage) zuzuführen. Eine Ausschüttung ist bis zur tatsächlichen Realisierung der stillen Reserven grundsätzlich ausgeschlossen1 59 . Begründet wurde die Abweichung von der vierten Richtlinie mit der besonderen Bedeutung der Kapitalanlagen für die Erfüllbarkeit der versicherungsvertraglichen Verpflichtungen, dem besseren Einblick in die Vermögenslage der Versicherer und der besonderen Gläubigerposition der Versicherungsnehmer. Die Mitgliedstaaten dürfen den Ausweis unrealisierter Gewinne in der Gewinn- und Verlustrechnung zulassen. Die unrealisierten Gewinne können entweder sofort an die Versicherungsnehmer oder Aktionäre ausgeschüttet oder einem Fonds für spätere Zuweisungen zugeführt werden. Bei der Wahl des Anschaffungswertprinzips gilt das gemilderte Niederstwertprinzip, das heißt Wertminderungen bei Vermögensgegenständen sind nur dann zu berücksichtigen, wenn sie voraussichtlich dauernd sind. Für Wertpapiere dürfen die Mitgliedstaaten auch das strenge Niederstwertprinzip vorschreiben, wonach ein niedrigerer Wert am Bilanzstichtag auch dann anzusetzen ist, wenn die Wertminderungen nur vorübergehender Natur sind. 156 Horbach, L.: Der EG-Versichenmgsbilanzrichtlinien-Entwwf, Bergisch Gladbach, Köln 1988, S. 163. IS1 Artikel 32, 33 der Vierten Richtlinie des Rates 78/660lEWG vom 25. Juli 1978. m Welzel, H.-I.: Versichenmgsbilanzen im Umbruch, in: ZVersWiss 1988, S. 603. IS9 Wetzei, H.-J.: Das Vorsichtsmotiv im EG-Versichenmgsbilanzrecht, in: Risiko Versichenmg Markt, Festschrift für Walter Karten, hrsg. von Dieter Hesberg, Martin NeU Wld Winfried Schott, Karlsruhe 1994, S. 508.

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(e) Abzinsung Abzinsung einer Rückstellung bedeutet, daß die Erträge aus Kapitalanlagen, die den zurückgestellten Verpflichtungen gegenüberstehen, in die Bewertung einfließen. Die Folge ist, daß die Rückstellung mit einem niedrigeren Betrag als dem Erfüllungsbetrag angesetzt wird. Nach der Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten die Abzinsung der Schadenrückstellungen unter bestimmten Bedingungen zulassen 160 • Dazu gehören eine geschätzte Abwicklungsdauer von mehr als vier Jahren, eine vorsichtige Prognose der Auszahlungsstruktur und des Zinssatzes sowie eine umfassende Offenlegung der Berechnungsparameter. (3) Bestimmungen des VAG und HGB

(a) Geltungsbereich Nach den Bestimmungen des HGB und der RechVersV161 müssen neben· den AG und WaG auch die nach Landesrecht errichteten und der Landesaufsicht unterliegenden öffentlich-rechtlichen Anstalten sowie die Rückversicherer einen Jahresabschluß aufstellen. Rechtlich selbständige Niederlassungen von Versicherern mit Sitz in der EU (oder dem EWR) müssen keinen gesonderten Jahresabschluß mehr vorlegen, weil sie mit Inkrafttreten des Durchführungsgesetzes zur Umsetzung der dritten Richtlinien nicht mehr der deutschen Finanzaufsicht unterliegen. Für rechtlich selbständige Niederlassungen von Versicherern mit Sitz außerhalb der EU (oder des EWR) wird dagegen weiterhin ein gesonderter Jahresabschluß verlangt. (b) Ausweis der Rückversicherung

Nach den Bestimmungen des HGB und der RechVersV werden Brutto- und Nettoprinzip weiterhin kompromißhaft und in den einzelnen Versicherungszweigen unterschiedlich angewendet. In der versicherungstechnischen Rechnung weisen die Versicherer teils brutto, teils netto aus. Bei einigen Positionen werden neben den Nettobeträgen in der Vorspalte auch die Bruttobeträge und 160 Angerer, A.: Zur Abzinsung der Rückstellung fiir noch nicht abgewickelte Versicherungsfalle, in: Dieter Farny und die Versicherungswissenschaft, hrsg. von Robert Schwebler und den Mitgliedern des Vorstands des deutschen Vereins fiir Versieherungswissenschaft, Karlsruhe 1994, S. 39, 42; Guasch, F.: Is it safe to discount?, in: The Review, Heft 4/1987, S. 11-13. 161 Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen (RechVersV) vom 8. November 1994, in: VerBAV 1995, S. 15-56.

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die Rückversicherungsbeträge angegeben. In der Bilanz werden die versicherungstechnischen Rückstellungen in der Schaden- und Unfallversicherung nach dem Nettoprinzip mit Vorspaltenangaben ausgewiesen, in der Lebensversicherung gilt weiterhin der Bruttoausweis. (c) Abschlußkosten Abschlußkosten gelten in der Schaden- und Unfallversicherung handelsrechtlich als non-valeurs. Ihre Aktivierung ist nach § 248 Abs. 3 HGB verboten 162 , weil das mit den Abschlußkosten erworbene Recht auf künftige Prämien nicht greifbar und selbständig verwertbar ist. In der Lebensversicherung werden die (rechnungsmäßig gedeckten) Abschlußkosten dagegen gezillmert, also gegen die Deckungsrückstellung verrechnet. Entsteht durch die Zillmerung eine negative Deckungsrückstellung, muß der Negativbetrag unter den Forderungen gegenüber den Versicherungsnehmern aus rechnungsmäßig gedeckten Abschlußkosten aktiviert werden. Die Forderungen werden in den Folgejahren durch Prämieneinzahlungen getilgt. Nach geltendem deutschen Recht bedeutet die Zillmerung nicht eine (periodengerechte) Abgrenzung der Ausgaben, sondern die bilanzielle Berücksichtigung eines geschäftsplanmäßigen Anspruchs des Versicherers auf Tilgung der Abschlußkosten. Das Ausfallrisiko wird dabei durch eine Pauschalwertberichtigung oder eine Stornorückstellung berücksichtigt163 . (d) Bewertung der Kapitalanlagen Die Kapitalanlagen werden wie bisher mit den Anschaffungs- und Herstellungskosten angesetzt. Namensschuldverschreibungen, Hypothekendarlehen und andere Forderungen können abweichend davon mit ihrem Nennwert angesetzt werden. Für die Bewertung der Kapitalanlagen sind - mit Ausnahme der Wertpapiere - die für das Anlagevermögen geltenden Bestimmungen des HGB maßgeblich. Dagegen gelten für Aktien, Anteile an Investitionsfonds sowie für sonstige nicht festverzinsliche Wertpapiere die Bestimmungen über die Bewertung des Umlaufvermögens, vor allem das strenge Niederstwertprinzip. Die Kapitalanlagen für Rechnung und Risiko von Lebensversicherungs162 Richter, H.: Erläutenmgen zu den fiir Versichenmgsuntemehmen geltenden ergänzenden Vorschriften zur Rechnungslegung und Prüfung, in: Wirtschftsprüfer-Handbuch, Band I, 10. Auflage, DüsseldOlf 1992, S. 531. 163 Welzel, H.-J.: Das Vorsichtsmotiv im EG-Versichenmgsbilanzrecht, in: Risiko Versichenmg Markt, Festschrift fiir Walter Karten, hrsg. von Dieter Hesberg, Martin NeU und Winfried Schott, Karlsruhe 1994, S. 513.

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nehmern (fondsgebundene Lebensversicherung) sind grundsätzlich mit dem Zeitwert anzusetzen. Ab Geschäftsjahr 1997 müssen die Versicherer für alle Kapitalanlagen, die sie zum Anschaffungswert ausweisen, die Zeitwerte im Anhang angeben. Für "Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten" ist dies erst ab Geschäftsjahr 1999 vorgeschrieben. Der Ausweis der Zeitwerte im Anhang des Jahresabschlusses widerspricht nach deutscher Auffassung dem Realisationsprinzip und dem Imparitätsprinzip. Er wirkt sich zwar nicht unmittelbar auf den Gewinn und die Ausschüttung aus, weckt aber Begehrlichkeiten bei Versicherungsnehmern und Aktionären und erschwert notwendige Kapitalerhöhungen l64 . Zeitwerte sind stichtagsbezogen und teilweise subjektiv geprägt. Zwischen dem Abschlußstichtag und der Veröffentlichung des Jahresabschlusses liegen meist fünf Monate. Die Volatilität der Börsen und mögliche Umschichtungen im Anlagenportefeuille zwischen Bilanzstichtag und Tag der Veröffentlichung schmälern den Informationsgehalt von Zeitwerten 165 . Schließlich ist ein Teil der stillen Reserven praktisch nicht realisierbar (und damit illiquide), nämlich Beteiligungen an Tochtergesellschaften oder an selbstgenutzten Grundstücken und Gebäuden 166 . Die Versicherer müssen künftig nach § 280 Abs. 1 HGB eine Zuschreibung vornehmen, wenn die Gründe weggefallen sind, die zu einer außerplanmäßigen Abschreibung oder niedrigeren Bewertung geführt haben (Wertaufholungsgebot). Die Zuschreibungen müssen erfolgswirksam in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen werden. § 280 Abs. 2 HGB hebt das Wertaufholungsgebot allerdings weitgehend wieder auf. Es kann danach von einer Zuschreibung abgesehen werden, wenn sie mit steuerlichen Nachteilen verbunden ist. Das ist immer dann der Fall, wenn nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz, EStG) der handelsrechtliche Wertansatz auch steuerlich gilt. Eine Ausnahme gibt es nur für Beteiligungen an Personengesellschaften, für die der handelsrechtliehe Wertansatz steuerlich unbedeutend ist. Hier bleibt es bei der strengen Wertaufholung. Eine Wertaufholung ist schließlich auch zwingend vorgeschrieben, wenn die Gründe für eine nur steuerlich zulässige Abschreibung nach § 254 HGB entfallen sind. Zu beachten ist, daß im Anhang die im Geschäftsjahr aus steuerlichen Gründen unterlassenen Zuschreibungen anzugegeben sind. o.Y.: Stille Reserven, in: ZN 1994, S. 224. Meyer, L.: Das Vorsichtsprinzip bei der Bilanzienmg von VersichenmgsWlternehmen im Licht der Deregulienmg, in: Festschrift für Dieter Famy zur VollendWlg seines 60. Lebensjahres von seinen Schülern, hrsg. von Hans-Peter Mehring Wld Volker Wolff, Karlsruhe 1994, S. 106-107. 166 Richter, H.: Versichenmgsbilanzen in Europa, Karlsruhe 1993, S. 11. 164 16S

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(e) Abzinsung Nach deutschem Bilanzrecht müssen Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten mit ihrem Erfüllungsbetrag angesetzt werden. Das ist der Betrag, den der Schuldner aufbringen muß, um eine Verpflichtung erfüllen zu können. Muß die Verpflichtung erst geraume Zeit nach dem Bilanzstichtag erfüllt werden, stellt sich die Frage, wie hoch der Erfüllungsbetrag ist. Ist es der Betrag, der bei Fälligkeit aufgewendet werden muß, oder ist es der auf den Bilanzstichtag abgezinste Betrag. Es ist zwischen zwei Fällen zu unterscheiden: Enthält die Rückstellung einen Zinsanteil, so ist die Abzinsung geboten (etwa bei Rentenverpflichtungen). Rückstellungen, die unverzinslich sind und die auch keinen verdeckten Zinsanteil enthalten, dürfen dagegen nach § 253 Abs. 1 HGB nicht abgezinst werden 167 . Die Abzinsung nimmt künftige, noch nicht realisierter Kapitalanlageerträge vorweg und verstößt damit gegen das Realisationsprinzip. Sie bezieht sich auf geschätzte Rückstellungsbeträge, kann gegebenenfalls eine Unterreservierung verschärfen und ermöglicht es dem Versicherer, vorübergehend höhere Gewinne auszuweisen oder seine Prämien zu senken. Dem stehen steuerliche Nachteile gegenüber 168 . (4) Bewertung

Das Ziel der Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse von Versicherern wird durch die Richtlinie zum Jahresabschluß nur ansatzweise erreiche 69 . Es ist nicht gelungen, den Widerstreit zwischen angelsächsischer und kontinentaleuropäischer Bilanzierung zu überwinden. Die angelsächsische Bilanzierung geht vom unbestimmten Rechtsbegriff des true and fair view aus 170 . Dieser Ansatz befürwortet den Ausweis unrealisierter Kapitalanlageerträge, die Aktivierung immaterieller Vermögensgegenstände und die Verteilung einmaliger Aufwendungen über ihre wirtschaftliche Nutzungsdauer. Zudem gestattet er es, den Versicherungsbestand als Barwert der künftigen Erträge zu 161 Angerer, A.: Zur Abzins\Ulg der Rückstell\Ulg für noch nicht abgewickelte Versichenmgsfalle, in: Dieter Farny \Uld die Versichenmgswissenschaft, hrsg. von Robert Schwebler \Uld den Mitgliedern des Vorstands des deutschen Vereins für Versiehenmgswissenschaft, Karlsruhe 1994, S. 38-39. 168 Konrath, N.: Wettbewerbsaspekte der Rechn\UlgsleglUlgsharmonisienmg in der EG, in: Versichenmgen in Europa heute \Uld morgen, Geburtstags-Schrift für Georg Büchner, hrsg. von Franz Wilhlem Hopp \Uld Georg Mehl, Karlsruhe 1991, S. 261. 169 Richter, H: Versichenmgsbilanzen in Europa, Karlsruhe 1993, S. 2-5; Philpott, J.: Seeking a consistent approach, in: The Review, November 1988, S. 34-37. 170 Eisolt, D.: Unterschiede in der Bilanzier\Ulg \Uld BewertlUlg von Kapitalgesellschaften in Deutschland \Uld Großbritannien, in: DB 1986, S. 1237-1241.

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bilanzieren (embedded value 171 ) sowie Markennamen und good wills auszuweisen 172 . Die kontinentaleuropäische Bilanzierung ist stärker normiert und vom Vorsichtsprinzip geprägt173 . Der Jahresabschluß soll ein möglichst getreues Bild der tatsächlichen Verhältnisse liefern, diese aber nicht gestalten. Entsprechend trägt die Richtlinie der unterschiedlichen Produkt- und Prämiengestaltung in den EU-Mitgliedstaaten Rechnung, vor allem in der Lebensversicherung174 • Zugelassen wird insbesondere der Ausweis unrealisierter Wertsteigerungen bei den Kapitalanlagen. Wichtig ist das für die Überschußbeteiligung der Versicherungsnehmer im with-profit Geschäft britischer Versicherer. Weil unrealisierte Wertsteigerungen nicht gleichmäßig anfallen, gestattet die Richtlinie eine bilanzielle Reservierung unter dem sogenannten Fonds für spätere Zuweisungen. Problematisch ist, daß in einigen Mitgliedstaaten - auch in Deutschland Jahresabschluß und Besteuerung eng miteinander verknüpft sind17S . Die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz ist de facto eine umgekehrte Maßgeblichkeit. Sie schränkt die Aussagekraft des Jahresabschlusses je nach Sachlage deutlich ein 176 . Um steuerliche Nachteile zu vermeiden, mußte beispielsweise die ursprünglich in der Richtlinie vorgesehene Aktivierungspflicht für die Abschlußkosten wieder gestrichen werden, weil sie in Deutschland mit

171 Rutteman, P.: Regulation: The Insurance Accounts Directive, Is Comparability an Illusion?, Den Haag 1989, S. 6-9 (nicht veröffentlicht); Sieben, G.: Zur Ermittlung des Gesamtwertes von Lebensversicherungsgesellschaften - eine Analyse aus Sicht der Unternehmensbewertungstheorie, in: Dieter Farny und die Versicherungswissenschaft, hrsg. von Robert Schwebler und den Mitgliedern des Vorstands des deutschen Vereins fiir Versicherungswissenschaft, Karlsnilie 1994, S. 488-489. 172 Taylor, S.: Accounting: truly fair or fairly true?, in: The Review, Heft 8/1985, S. 8-11. 113 Meyer, L.: Das Vorsichtsprinzip bei der Bilanzierung von Versicherungsunternehmen im Licht der Deregulierung, in: Festschrift fiir Dieter Farny zur Vollendung seines 60. Lebensjahres von seinen Schülern, hrsg. von Hans-Peter Mehring und Volker Wolff, Karlsnilie 1994, S. 99-110; Konrath, N.: Wettbewerbsaspekte der Rechnungslegungsharmonisierung in der EG, in: Versichenmgen in Europa heute und morgen, Geburtstags-Schrift fiir Georg Büchner, hrsg. von Franz Wilhlem Hopp und Georg Mehl, Karlsnilie 1991, S. 257; Moxter, A.: Das Realisationsprinzip - 1884 und heute, in: BB 1984, S. 1780-1783. 174 Konrath, N.: WeichensteIlung fiir die Europäische Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen, in: VW 1987, S. 1498. m Schulze-Osterloh, J.: Steuerbilanz und Handelsbilanz, in: HWB, hrsg. von Waldemar Wittmann, Werner Kern u.a., 5. Auflage, Stuttgart 1993, Sp. 4030-4031. 176 Havermann, H.: Der Aussagewert des Jahresabschlusses, in: WPg 1988, S. 614615.

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einer steuerlichen Aktivierungspflicht verbunden gewesen wäre 177 • Auch wird, wie gezeigt, das Wertaufholungsgebot des HGB durch die umgekehrte Maßgeblichkeit unterlaufen l78 . Schließlich räumt die Richtlinie den Mitgliedstaaten zahlreiche Wahlrechte ein l79 . Die Mitgliedstaaten haben sich nach Kräften bemüht, möglichst viele Regelungen ihres nationalen Rechts in der Richtlinie unterzubringen '80 . Insgesamt gestattet es die Richtlinie den Mitgliedstaaten, ihre bisherige Bilanzierungspraxis weitgehend unverändert fortzuführen. Abgesehen von der Angabe der Zeitwerte der Kapitalanlagen im Anhang ändern sich die bestehenden Bestimmungen in Deutschland nicht wesentlich l8l . Das trifft auch auf die meisten anderen Mitgliedstaaten zu. Ein Vergleich der Jahresabschlüsse von Versicherern aus verschiedenen Mitgliedstaaten wird damit auch nach Umsetzung der Richtlinie nicht aussagefahig sein. Er kann sogar zu Fehlschlüssen bei der Einschätzung der finanziellen Leistungsfahigkeit führen. bb) Interne Rechnungslegung (1) Grundlagen

Neben dem für externe Interessenten bestimmten Jahresabschluß sind die Versicherer in den meisten Mitgliedstaaten verpflichtet, der Aufsichtsbehörde interne Rechnungen vorzulegen. Die Versicherungsnehmer können veröffentlichte Jahresabschlüsse oft nicht richtig interpretieren. Daher muß die Aufsichtsbehörde diese Kontrollfunktion als Stellvertreterin übernehmen. Die internen Rechnungen sind ausführlicher als der veröffentlichte Jahresabschluß. In einigen Mitgliedstaaten gibt es sogar besondere Bewertungsregeln. Die Aufsichtsbehörden können sich anhand der internen Rechnungen, den Erläute-

171 Konrath, N.: Wettbewerbsaspekte der Rechn\DlgsleglDlgsharmonisienmg in der EG, in: Versichenmgen in Europa heute \Dld morgen, Geburtstags-Schrift fiir Georg Büchner, hrsg. von Franz Wilhlem Hopp \Dld Georg Mehl, Karlsruhe 1991, S. 260261. 178 KPMG (Hg.): Rechn\DlgsleglDlg von Versichenmgs\Dlternehmen nach neuem Recht, Frankfurt am Main 1994, S. 17; vgl. § 280 Abs. 2 HGB. 179 Die vierte gesellschaftsrechtliche Richtlinie enthält allein über 40 Wahlrechte. 180 Havermann, H.: Der Aussagewert des Jahresabschlusses, in: WPg 1988, S. 615. 181 Generell zur Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen nach Umsetzung der EURichtlinien, vgl. Küting, K. H.: Die Bilanzienmg in Europa ist noch nicht harmonisiert, in: Blick durch die Wirtschaft vom 13. Mai 1994, S. 1, 8; Schmitz, R.: Die Bilanzrichtlinie \Dld ihr Beitrag zur Harmonisienmg der Rechn\DlgsleglDlg in den EGStaaten, in: zm, Ergänzungsheft 1/1988, S. 1-35.

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rungen und dem Prüfungsbericht des Abschlußprüfers durch Unternehmensvergleiche, Durchschnittsbildung und Mehrjahresvergleiche sowie der eigenen Erfahrung ein Bild von der finanziellen Lage der Versicherer machen und Fehlentwicklungen erkennen l82 . (2) Bestimmungen der Richtlinien

Die EU-Richtlinien enthalten keine Bestimmungen zu Form und Inhalt der internen Rechnung. Die Versicherer müssen nach den "dritten Richtlinien" nur noch gegenüber der Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes Rechnung legen. Die Aufsichtsbehörde des Tätigkeitslandes erhält lediglich zusammengefaßte Informationen über die Prämienerträge, die Anzahl der Versicherungsfälle, die durchschnittlichen Versicherungsleistungen, den Gesamtbetrag der Aufwendungen für Versicherungsfälle und über die Bruttorückstellungen, die auf das Geschäft entfallen, das ein ausländischer Versicherer im Dienstleistungsverkehr oder über Niederlassungen in ihrem Hoheitsgebiet betreibt. (3) Bestimmungen des VAG

Nach § 55a Abs. I VAG ist der Bundesminister der Finanzen ermächtigt, durch Rechtsverordnung Bestimmungen über die Buchführung sowie Form und Inhalt der internen Rechnungslegung gegenüber der Aufsichtsbehörde zu erlassen. Die interne Rechnung ist wesentlich ausführlicher als die externe. Sie ist jährlich vorzulegen, ist aber nicht nach §§ 57 bis 59 VAG prüfungspflichtig. Vielmehr ist das BAV selbst nach § 83 VAG zur Prüfung befugt. j) Informationspflichten

aa) Grundlagen Auf den Versicherungsmärkten gibt es Informationsprobleme, vor allem bei privaten Kunden. Befürchtet wird, daß sich die Informationsdefizite nach Wegfall der Produkt- und Prämienregulierung vergrößern.

182 Stöffier, M.: Markttransparenz in der Lebensversichenmg, Karlsruhe 1984, S. 122-123.

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C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien und in Deutschland

bb) Bestimmungen der Richtlinien In der Lebensversicherung sehen die EU-Richtlinien besondere Informationspflichten der Versicherer über alle wichtigen Vertragsinhalte vor, damit der Versicherungsnehmer aus der Vielfalt der Angebote das auswählen kann, das seinen Bedürfnissen am besten entspricht. Die Versicherer müssen dem Kunden vor Vertragsabschluß eine schriftliche Verbraucherinformation geben. Darin müssen sie ihre Firma und Rechtsform, den Mitgliedstaat, in dem sich ihr Sitz oder ihre Niederlassung befindet und ihre Anschrift angeben. Das Produkt muß genau beschrieben werden. Zu erläutern sind vor allem das Widerrufs- und Rücktrittsrecht, die Laufzeit, die Kündigungsfristen, die zuständige Beschwerdestelle, der Rückkaufswert, die Überschußbeteiligung sowie alle Optionen und Garantien. Änderungen während der Laufzeit müssen dem Versicherungsnehmer unverzüglich mitgeteilt werden. Für die Schaden- und Unfallversicherung schreiben die EU-Richtlinien keine besonderen Informationspflichten vor. Die Gründe dafür sind unklar. Entscheidend für die Wirksamkeit der Informationspflichten ist ihre Rechtsnatur. Die Richtlinien legen sich in dieser Frage nicht fest. Wird der einzelne Versicherungsnehmer bei Verletzung der Informationspflichten nur mittelbar durch die Aufsichtsbehärde geschützt, bedeutet die Verletzung der Informationspflichten eine Ordnungswidrigkeit, die von der Aufsichtsbehärde geahndet wird. Das Vertragsverhältnis zum Versicherungsnehmer bleibt unberührt. Deutlich besser ist der Versicherungsnehmer gestellt, wenn er unmittelbar Rechte gegenüber dem Versicherer geltend machen kann, etwa Rücktritts- und Widerrufsrechte und gegebenenfalls sogar Schadenersatzansprüche. Der Sinn und Zweck der Informationspflichten, den Kunden zu schützen, ist nur gewährleistet, wenn sich der Kunde mit seinen Ansprüchen direkt an den Versicherer wenden und seine (vertraglichen) Rechte geltend machen kann 183 . Vorbild für die Informationspflichten der dritten Richtlinie zur Lebensversicherung ist der FSA, der allerdings deutlich weiter geht l84 . Der SIB und die nachgeordneten SRO haben detaillierte Regeln aufgestellt, die Versicherer und Vermittler bei Vert~agsabschluß beachten müssen. Danach soll der Kunde rechtzeitig und umfassend über die wesentlichen Vertragsinhalte unterrichtet werden, vor allem über die Verpflichtungen, die er eingeht. Der Vermittler 183 Präve, P.: Die Disclosure-Regeln des VAG, in: VW 1994, S. 556-557; ReichertFacilides, F.: Informations- und Beratungspflichten des Versicherers: Privat- oder aufsichtsrechtliche Zuordnung?, in: VW 1994, S. 561-562. 184 Müller, H: Verbraucherschutz im Versichenmgswesen durch Information der Versicherten, Karlsruhe 1992, S. 24-27.

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muß potentielle Kunden ausführlich über die Angebote informieren (illustration). Er muß prüfen, welchen Versicherungsbedarf der Kunde hat, welchen Versicherungsschutz er bezahlen kann und welcher Schutz aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse für ihn am besten geeignet ist (best advice). Der Vermittler muß gegenüber dem Kunden ausweisen, ob er unabhängiger Makler oder gebundener Vertreter ist. Makler sind verpflichtet, dem Kunden das beste am Markt vorhandene Produkt anzubieten, gebundene Vermittler das am besten geeignete Produkt aus dem Programm ihres Versicherers. Der Vermittler muß seine Empfehlungen seit 1995 schriftlich dokumentieren. Nachdem der Kunde den Antrag unterschrieben hat, erhält er vom Versicherer weitere Erläuterungen, die sogenannten product particulars. Sie enthalten Angaben zum Tarif, zur Prämienhöhe und -fälligkeit und legen dar, wie sich die Kosten, vor allem die Provisionen, auf das Deckungskapital und die Erlebensfallrendite auswirken. Die product particulars liefern eine individuelle Hochrechnung, geben eine langfristige Vorschau über die Rückkaufswerte und enthalten Hinweise zur steuerlichen Behandlung des Vertrages. Sie klären den Kunden außerdem über sein Widerrufsrecht auf. Der Kunde erhält mit den product particulars eine Checkliste, mit der er folgende Fragen prüfen soll: - Erfolgte die Beratung durch einen gebundenen oder durch einen ungebundenen Vermittler? - Wurden alle Informationen gegeben, um die Tragweite des Vertrages beurteilen zu können? - Entspricht der Vertrag den persönlichen Bedürfnissen? - Wie hoch sind die Zahlungsverpflichtungen? - Welche Leistungen gibt es im Todesfall? - Welche Leistungen sind garantiert, welche sind abhängig von der künftigen Überschußbeteiligung und der Wertentwicklung der Kapitalanlagen? - Welche Folgen hat die vorzeitige Beendigung des Vertrages? Wenn der Kunde nicht alle Fragen beantworten kann, soll er sich an den Vermittler oder den Versicherer wenden. Er kann seinen Antrag außerdem mit einem vorbereiteten Formular innerhalb von 14 Tagen nach Zugang der Checkliste widerrufen. In diesem Fall muß ihm der Versicherer die bereits gezahlten Prämien erstatten. Der sogenannte acceptance letter teilt dem Kunden dann mit, daß der Versicherer das Risiko ab der ersten Prämie zu den vereinbarten Bedingungen deckt. Dem Kunden wird außerdem erläutert, welche Folgen eine verspätete Prämienzahlung hat und welche sonstigen Obliegenheiten er erfüllen muß.

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Auf Wunsch werden ihm weitere Unterlagen zugeschickt, zum Beispiel eine Kopie seines Antrags, ein Leitfaden zur Überschußbeteiligung oder allgemeine Informationen über seinen Versicherer, wie Kapitalanlagepolitik, Struktur der Kapitalanlagen, Solvabilität und Grundsätze der Überschußbeteiligung. cc) Bestimmungen des VAG und VVG Die Verbraucherinformationen sind in § lOa VAG und Anlage D zum VAG beziehungsweise in § 5a Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geregelt. Anlage D ist in zwei Abschnitte unterteilt: Der erste Abschnitt betrifft die Verbraucherinformationen vor Vertragsabschluß, der zweite Abschnitt die Verbraucherinformationen während der Laufzeit des Vertrags. Der erste Abschnitt ist unterteilt in Verbraucherinformationen für alle Versicherungszweige und in Verbraucherinformationen für Lebens- und Unfallversicherungen mit PrämienTÜckgewähr und für Krankenversicherungen. Die Verbraucherinformation muß schriftlich erfolgen, eindeutig formuliert, übersichtlich gegliedert und verständlich in deutscher Sprache oder der Muttersprache des Versicherungsnehmers abgefaßt sein. Der Versicherer muß den Versicherungsnehmer aber nicht bis ins (letzte) versicherungstechnische oder steuerrechtliche Detail eines Produktes einweihen. Eine solche Information ist für den Laien unverständlich und undurchschaubar 18s • 186 . Nach alter Rechtslage unterzeichnete der Versicherungsnehmer das ausgefüllte Antragsformular, das meist eine Antragsbindungsfrist enthielt. Der Versicherer nahm den Antrag spätestens durch Übersendung der Police an und legte die Versicherungsbedingungen bei, die in den Vertrag einbezogen wurden. Der Versicherungsnehmer war an die Versicherungsbedingungen gebunden, ohne sie vorher gelesen zu haben. Dies wurde damit begründet, daß das BAV die Bedingungen (zuvor) stellvertretend für die Versicherungsnehmer gelesen und gebilligt hat(te). Die neuen Bestimmungen über die Informationspflichten räumen den Versicherern ein Wahlrecht ein. Nach dem Antragsmodell in § 10a VAG muß der Versicherer (oder sein Vermittler) den Versicherungsnehmer zunächst über die wesentlichen Vertragsinhalte informieren. Danach unterzeichnet der Versicherungsnehmer den ausgefüllten Antrag und der Versicherer nimmt den Antrag innerhalb der Bindungsfrist durch Übersendung der Police an. AlterPräve, P.: Die Disclosure-Regeln des VAG, in: VW 1994, S. 556. Bach, P.: Vorvertragliche Informationspflichten des Versicherers nach der VAGNovelle, in: Recht und Ökonomie der Versichenmg, Festschrift fiir Egon Lorenz, hrsg. von Ulrich Hübner, Elmar Helten und Peter Albrecht, Karlsruhe 1994, S. 52-53. 185

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nativ kann der Versicherer das Policenmodell nach § 5a VVG wählen, bei dem er den Versicherungsnehmer erst nach Antragstellung bei Aushändigung der Police unterrichtet. Dann gilt der "Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der [... ] Verbraucherinformationen als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich widerspricht". Die Frist beginnt erst, wenn der Versicherungsnehmer die oben genannten Unterlagen vollständig erhalten hat und über das Widerspruchsrecht belehrt worden ist. Anderenfalls erlischt das Widerspruchsrecht erst ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie. Sonderregeln gelten, wenn der Versicherer sofortigen Versicherungsschutz gewährt 187 . Das Antragsmodell hat für die Versicherer eine Reihe von Nachteilen. Insbesondere müssen die Vermittler mit den neuesten (oder aktuellsten) Bedingungen, Klauseln und Verbraucherinformationen ausgestattet sein und sie ständig bei sich führen. Außerdem verursacht das Antragsmodell höhere Kosten als das Policenmodell, weil die Unterlagen auch Kunden überlassen werden (müssen), die sich anschließend für ein anderes Angebot entscheiden 188 . Nach den Erwägungsgründen der EU-Richtlinien sollen die ausführlichen Informationen der Versicherer über den Vertragsinhalt den Versicherungsnehmer vor Vertragsabschluß in die Lage versetzen, die angebotenen Produkte miteinander zu vergleichen. Es ist daher fraglich, ob das Policenmodell - das die Versicherer in der Praxis bevorzugen 189 - dieses Ziel erreicht. Rein formell betrachtet ist (oder wird) der Versicherungsvertrag auch beim Policenmodell erst abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer die Verbraucherinformationen erhalten hat und nicht innerhalb von 14 Tagen widerspricht. Es wird darauf hingewiesen, daß die EU-Richtlinien nicht genau definieren, wann die Unterrichtung noch vor Vertragsabschluß erfolgt ist. Dem deutschen Gesetzgeber stand es daher frei, diesen Zeitpunkt selbst festzuiegen 190 . Problematisch

187 Wandt, M.: Verbraucherinfonnation und Vertragsschluß nach neuem Recht Dogmatische Einordnung und praktische Handhabung, Karlsruhe 1995, S. 5-12; Ludwig, R: EU-Binnenmarkt: (R)evolution im Vertrieb, in: VK 1995, S. 20-21. 188 Ludwig, R: EU-Binnenmarkt: (R)evolution im Vertrieb, in: VK 1995, S. 20-21. 189 Die Versicherer folgen nach ersten Erkenntnissen zu 70 bis 80 Prozent dem Policenmodell, vgl. Ludwig, R: EU-Binnenmarkt: (R)evolution im Vertrieb, in: VK 1995, S.20. 190 Vgl. Lorenz, E.: Infonnationspflichten des Versicherers und Vertragsabschluß nach neuem Recht, in: ZVersWiss 1995, S. 127; Bach, P.: Vorvertragliche Infonnationspflichten des Versicherers nach der VAG-Novelle, in: Recht und Ökonomie der Versichenmg, Festschrift für Egon Lorenz, hrsg. von Ulrich Hübner, Elmar Helten und Peter Albrecht, Karlsruhe 1994, S. 58-59. Kritisch dazu, vgl. Werber, M.: Alte und

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C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien und in Deutschland

ist, daß der Versicherungsnehmer beim Policenmodell der endgültigen Wirksamkeit des Vertrags nur entgehen kann, wenn er selbst die Initiative ergreift und widerspricht. Außerdem ist das Policenmodell mit dem Zweck der Verbraucherinformationen nicht zu vereinbaren, dem Versicherungskunden den Vergleich verschiedener Angebote und die anschließende Entscheidung zu erleichtern. Dafür ist es nach Antragstellung (bereits) zu spät. Die Verletzung der Informationspflichten gilt als Ordnungswidrigkeit, die vom BAV geahndet wird. Der Versicherungsnehmer kann gegenüber dem Versicherer selbst keine Ansprüche geltend machen. k) Behördliche EingrifJs- und Prüfungsbefugnisse

aa) Grundlagen Neben der Zulassung zum Geschäftsbetrieb und der Finanzaufsicht sind die behördlichen Eingriffs- und Prüfungsbefugnisse Eckpfeiler der laufenden Aufsicht. Die Aufsichtsbehörde wird dabei nicht auf Antrag tätig, sondern von Amts wegen. Dies erfordert eine genaue Beobachtung des Marktgeschehens. Besondere Bedeutung haben dabei die Auskunftspflichten der Versicherer und die Informationsrechte der Aufsichtsbehörde. bb) Bestimmungen der Richtlinien Für die laufende Beaufsichtigung der Versicherer ist die Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes zuständig. Sie erläßt gegenüber den Versicherern die erforderlichen Verwaltungsakte und trifft sonstige Maßnahmen um sicherzustellen, daß Mißstände vermieden oder beseitigt werden, die die Interessen der Versicherungsnehmer gefährden. Sie ist für örtliche Prüfungen zuständig, auch wenn sie Niederlassungen in einem anderen Mitgliedstaat (dem Tätigkeitsland) betreffen. Die Aufsichtsbehörde des Tätigkeitslandes muß dem Versicherer vor Aufnahme des Geschäfts die Bestimmungen mitteilen, die er aus Gründen des Allgemeininteresses (in ihrem Hoheitsgebiet) beachten muß. Kommt ein ausländischer Versicherer solchen Bestimmungen nicht nach, unterrichtet die Aufsichtsbehörde des Tätigkeitslandes die des Herkunftslandes und ersucht um Zusammenarbeit. Ist das Ersuchen erfolglos, oder bleiben die Maßnahmen neue Informations- und Beratungspflichten des Versicherers und des Vermittlers, in: ZVersWiss 1994, S. 338-339.

V. Regulienmgsinstrumente

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wirkungslos, kann die Aufsichtsbehörde des Tätigkeitslandes selbst eingreifen. In dringenden Fällen kann sie sogar ohne vorherige Unterrichtung der Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes des Versicherers handeln. cc) Bestimmungen des VAG

§ 81 VAG 191 enthält die aufsichtsbehördliche Generalklausei, die im Kern von den EU-Richtlinien unberührt bleibt. Das BAV ist weiterhin befugt, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um eingetretene oder drohende Mißstände zu beseitigen. Mißstand ist dabei umfassend definiert. Er schließt Gesetzesund Geschäftsplanverstöße ebenso ein wie die sonstige nicht ordnungsgemäße Durchführung des Geschäftsbetriebs, soweit dies die Belange der Versicherungsnehmer berührt l92 . Der unbestimmte Rechtsbegriff der Wahrung der Belange der Versicherungsnehmer unterliegt der gerichtlichen Nachprüfung. Die aufsichtsbehördlichen Maßnahmen müssen geeignet und erforderlich sein (Grundsatz der Verhältnismäßigkeiti 93 . Nach § 111 b VAG darf das BAV Maßnahmen nach § 81 VAG auch gegenüber ausländischen Versicherern treffen, die über eine Niederlassung oder im Dienstleistungsverkehr im deutschen Markt tätig sind. Das Verfahren, insbesondere die Zusammenarbeit mit der Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes des Versicherers, entspricht den Bestimmungen der Richtlinien. /) Konkursrege/n

aa) Bestimmungen der Richtlinien Zur Zwangsliquidation von Versicherern liegt seit mehreren Jahren ein Vorschlag für eine Richtlinie der Europäischen Kommission vor 194 • Die Verhandlungen sind bislang ergebnislos geblieben, obwohl Einigkeit darüber besteht, daß einheitliche Bestimmungen über die Zwangsliquidation eine notwendige Ergänzung zu den "dritten Richtlinien" sind193 . Der Zusammenbruch der BCCI hat dies unterstrichen. Für Einzelheiten, vgI. D.1.2.a)bbX3). BAV (Hg.): Geschäftsbericht 1994 (Teil A), Berlin 1995, S. 13. 193 Präve, P.: Das neue Aufsichtsrecht, in: VW 1994, S. 806. 194 Geänderter Vorschlag fiir eine Richtlinie des Rates zur Koordinienmg der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Zwangsliquidation der Direktversichenmgsuntemehmen, AbI. der EG Nr. C 253, 6. Oktober 1989, S. 3-18. 19S Drabbe, H: Versichenmgen in Europa nach den Dritten Richtlinien, Vortrag an der Universität Münster am 14. November 1992, Anlage, S. 2 (nicht veröffentlicht). 191

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C. Regulierungssystem der EU-Richtlinien Wld in Deutschland

Die EU-Richtlinien bestimmen lediglich, daß im Konkursfall alle Versicherungsnehmer gleich zu behandeln sind. Ein Unterschied nach Staatsangehörigkeit darf nicht gemacht werden (Diskriminierungsverbot) 196 . Die meisten Mitgliedstaaten folgen bei der Liquidation der separate entity Methode l97 . Bei der Liquidation behandeln sie eine rechtlich unselbständige Niederlassung eines ausländischen Versicherers wie eine Tochtergesellschaft. Für die Durchführung der Liquidation, vor allem die Verteilung der Vermögenswerte, wenden sie ihre jeweiligen Bestimmungen an. Die separate entity Methode steht im Widerspruch zu den "dritten Richtlinien", nach denen allein die Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes des Versicherers für den Widerruf der Zulassung zuständig ist. Der Widerruf der Zulassung hat neben der Zwangsliquidation des Versicherers auch die seiner ausländischen Niederlassungen zur Folge. Wie erwähnt, sind Versicherer nach den "dritten Richtlinien" grundsätzlich berechtigt, die Vermögenswerte, die die versicherungstechnischen Rückstellungen decken, in allen EU-Mitgliedstaaten anzulegen. Die Behörden des Tätigkeitslandes können daher bei einem Konkurs nicht mehr problemlos auf die Vermögenswerte des Versicherers oder seiner Niederlassung zugreifen, die den Verpflichtungen im Tätigkeitsland gegenüberstehen l98 . Der Richtlinienvorschlag geht von der single entity Methode aus. Danach bilden ein Versicherer und seine (ausländischen) Niederlassungen auch für Zwecke der Liquidation eine Einheit. Die Verantwortung für die Liquidation liegt bei der Aufsichtsbehörde und den Gerichten des Herkunftslandes des Versicherers. Der Richtlinienvorschlag unterscheidet zwischen der normalen und der besonderen Zwangsliquidation. Eine normale Zwangsliquidation wird eingeleitet, wenn dem Versicherer die Zulassung entzogen wird, die besondere Zwangsliquidation, wenn der Versicherer überschuldet oder zahlungsunfähig ist. In der Realität ist ein Konkurs durch Überschuldung weitaus wahrscheinlicher als durch Illiquidität.

196 Zu den BestimmWlgen im einzelnen, vgl. Kühlein, B.: Die Liquidation von VersicherungsWltemehmen, in: VW 1994, S. 104-111. 197 Pearson, P.: EC Banking Law - General Introduction, in: Banking and EC Law Commentary, hrsg. von Martijn van Empel Wld Rene Smits, Amsterdam 1992, S. 4749. 198 Fahr, U. / Kaulbach, D.: Versicherungsaufsichtsgesetz - VAG - Wld Gesetz über die ErrichtWlg eines BWldesaufsichtsamtes fiir das Versicherungswesen: Kommentar, München 1993, S. 280; Hetmann, H.: Sicherheit der Ansprüche an die Lebensversicherung im künftigen Binnenmarkt, in: VW 1991, S. 1198.

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Bei der normalen Zwangsliquidation wird versucht, den Bestand auf einen anderen Versicherer zu übertragen. Gelingt dies nicht, werden die Verträge gekündigt. Ein Auslaufen würde wegen der langen Laufzeiten viele Jahre dauern, in der Lebens- und Krankenversicherung oft sogar Jahrzehnte. Bei der besonderen Zwangsliquidation enden die Verträge 30 Tage nach Bekanntgabe der Eröffnung des Verfahrens. Die Frist kann sich verlängern, wenn erfolgversprechende Verhandlungen über eine Bestandsübertragung laufen. Die Erlöse aus der Verwertung der Vermögenswerte, die den versicherungstechnischen Rückstellungen gegenüberstehen, werden nach einer bestimmten Rangfolge verteilt. Grundsätzlich werden die Ansprüche der Versicherungsnehmer unmittelbar nach den Forderungen befriedigt, die nach Verfahrenseröffnung entstanden sind. Die Versicherungsnehmer sind die größten Gläubiger der Versicherer. Von den Bilanzsummen aller deutschen Lebensversicherer entfielen zum 31. Dezember 1994 fast 90 Prozent auf Verpflichtungen gegenüber Versicherungsnehmern, in der Schaden- und Unfallversicherung waren es etwa 71 Prozene 99 . bb) Bestimmungen des VAG Nach § 87 Abs. 1 und 2 VAG kann das BAV die Zulassung eines Versicherers in bestimmten Fällen widerrufen. Die Folge ist, daß keine Verträge mehr abgeschlossen und bestehende Verträge nicht verlängert werden dürfen, der Geschäftsbetrieb also ausläuft. § 88 Abs. 1 VAG räumt dem BAV ein Konkursantragsprivileg ein, wenn ein Versicherer überschuldet und/oder zahlungsunfähig ist. Das BAV soll damit die Chancen einer Sanierung ungestört von Konkursanträgen einzelner Gläubiger prüfen können. Liegt ein Antrag des BAV vor, muß das Konkursgericht nicht (mehr) untersuchen, ob einer der Konkursgründe des § 102 Konkursordnung (KO) vorliegt. Der Antrag des BAV ist dafür ausreichend. Durch die Eröffnung des Konkursverfahrens wird der Versicherer aufgelöst. Er wandelt sich in ein Abwicklungsunternehmen um. Der bestellte Konkursverwalter übt das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über das zur Konkursmasse gehörende Vermögen aus. Alternativ zum Konkursverfahren kann das BAV - auch wenn Konkursgründe vorliegen Maßnahmen nach § 89 V AG treffen. Dazu gehören unter anderem die Änderung der Geschäftsgrundlagen, das zeitweilige Verbot von Zahlungen und die Herabsetzung der Verpflichtungen eines Lebensversicherers2oo . BAV (Hg.): Geschäftsbericht 1994, Berlin 1995, Teil B, S. 49*, 87*. Kühlein, B.: Die Liquidation von Versichenmgsunternehmen, in: VW 1994, S. 102-103. 199

200

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C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien 1.Uld in Deutschland

Das BAV hat auch in bezug auf die deutsche Niederlassung eines ausländischen Versicherers das Konkursantragsrecht. Das Verfahren umfaßt nach § 238 KO nur das im Inland befindliche Vermögen, wobei ausländische Gläubiger an dem Verfahren beteiligt werden201 . In der Lebensversicherung, der (substitutiven) Krankenversicherung und der Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr haben die Versicherungsnehmer im Konkursfall nach §§ 77 und 79 VAG ein Konkursvorrecht. In der Schadenund Unfallversicherung privilegiert § 80 VAG die Ansprüche auf Ersatz eines Schadens und (sodann) die Erstattung überbezahlter Prämien. Nach Eröffnung des Konkursverfahrens eingetretene Versicherungsfälle und gezahlte Prämien sind dagegen (nicht privilegierte) Masseschulden202 . 3. Versicherungs geschäfte

a) Versicherungsprodukte

Das Produkt Versicherung wird vor allem durch das Versicherungsvertragsrecht und die Versicherungsbedingungen festgelegt. Die Versicherungsbedingungen beschreiben das Versicherungsprodukt mit Risiko-, Spar-, Entspar- und Dienstleistungsgeschäft in rechtlicher Form. Sie definieren das versicherte Risiko mit den Merkmalen Versicherungsfall, versicherter Schaden und Versicherungsleistungen und regeln die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien. Sie unterscheiden sich damit von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Warenbereich, die im wesentlichen die (sekundären) Modalitäten der Leistungserbringung und -abwicklung festlegen, die Ware in ihrer materiellen Substanz aber unberücksichtigt lassen203 . Die Produktgestaltung kann durch zwingende und halbzwingende Normen des Versicherungsvertragsrechts sowie durch die Praxis der Aufsichtsbehörde bei der Genehmigung der Versicherungsbedingungen eingeschränkt werden. So sind zwingende Normen des Versicherungsvertragsrechts der Disposition

201 Sieg, K.: Versichenmgskonlrursrecht, in: RdV, hrsg. von Dieter Famy, Elmar ReIten, Peter Koch 1.Uld Reimer Schmidt, Karlsruhe 1988, S. 1029-1033; Uhlenbruck, W.: Insolvenzrecht, Baden-Baden 1979, S. 140-141. 202 Fahr, U. / Kaulbach, D.: Versichenmgsaufsichtsgesetz - VAG - Gesetz über die Erricht1.Ulg eines B1.Uldesaufsichtsamtes für das Versichenmgswesen: Kommentar, München 1993, S. 319-326. 203 Schlappa, W.: Die Kontrolle der Allgemeinen VersichenmgsbedingWlgen im deutschen Versichenmgsaufsichtsrecht 1.Uld der freie Dienstleist1.Ulgsverkehr im EGRecht, Karlsruhe 1987, S. 10-11.

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der Vertragsparteien entzogen. Halbzwingende Normen dürfen nur zum Vorteil des Versicherungsnehmers geändert werden. Die Versicherungsprodukte werden außerdem geprägt durch Vereinbarungen zwischen wirtschaftlich selbständigen Versicherern oder durch Empfehlungen der Verbände. Versicherungsprodukte genießen keinen Nachahmungsschutz. Neue Produkte können von allen Wettbewerbern übernommen werden. aa) Versicherungsvertragsrecht (1) Bestimmungen der Richtlinien

(a) Harmonisierungsversuche Die Europäische Kommission vertrat lange die Meinung, daß das grenzüberschreitende Versicherungsgeschäft behindert wird, wenn das Vertragsrecht des Mitgliedstaates anzuwenden ist, in dem das zu versichernde Risiko belegen ist. Sie schlug daher in den 70er Jahren als Anknüpfungspunkt für das anwendbare Vertragsrecht den Sitz des Versicherers vor, um so ein breites Angebot rechtlich unterschiedlich ausgestalteter Produkte zu ermöglichen. Mit diesem Vorschlag konnte sich die Kommission aber nicht durchsetzen, weil er nach Auffassung der Mitgliedstaaten den Schutz der Versicherungsnehmer vernachlässigte. Zwar hielt die Kommission zunächst an ihrem Vorschlag fest, ergänzte ihn aber durch einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Angleichung der wichtigsten zwingenden und halbzwingenden Bestimmungen der nationalen Versicherungsvertragsrechte204 : -

Zustandekommen der Verträge, Mindestinhalt und Sprache; Anzeigepflichten des Versicherungsnehmers bei Vertragsabschluß; Gefahrenerhöhung und -minderung; Folgen der verspäteten Prämienzahlung; Obliegenheiten des Versicherungsnehmers nach Eintritt des Versicherungsfalls; - Beendigung und Kündigung des Vertrags.

204 Biagosch, P.: Europäische DienstleistlUlgsfreiheit lUld deutsches Versichenmgsvertragsrecht, Karlsruhe 1991, S. 138-140; Ändenmg des Vorschlags fiir eine Richtlinie des Rates zur Koordinienmg der Rechts- lUld VelWaltlUlgsvorschriften über Vers ichenmgsverträge, AbI. der EG Nr. C 190,28. Juli 1979, S. 2-6, Nr. C 355, 31. Dezember 1980, S. 30-39.

11 Rabe

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C. Regulienm.gssystem der EU-Richtlinien und in Deutschland

Der Richtlinienvorschlag wird seit 1983 nicht mehr verhandelt. Strittig war vor allem der Umfang der zwingenden und halbzwingenden Bestimmungen20S . Später setzte sich bei den Mitgliedstaaten die Auffassung durch, daß eine Angleichung des Versicherungsvertragsrechts nicht erforderlich ist, um den Binnenmarkt zu verwirklichen. Dem schloß sich die Kommission an. Die ,,zweiten" und später die "dritten Richtlinien" gehen von Kollisionslösungen aus. Sie legen eindeutig fest, welches Vertragsrecht in welchem Fall gilt und welche Wahlrechte der Versicherungsnehmer hae o6 . Die materielle Angleichung des Versicherungsvertragsrecht wurde bis auf weiteres zurückgestellt. (b) Kollisionslösungen

(aa) Grundlagen Das römische Übereinkommen der EU-Mitgliedstaaten über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (EVÜ) vom 16. Juni 1980 gilt nicht für Erstversicherungsverträge, die in der EU belegene Risiken decken. Es gilt lediglich für Rückversicherungs- und Erstversicherungsverträge über Risiken, die außerhalb der EU belegen sind. Das EVÜ beruht auf dem Grundsatz der freien Rechtswahl. Hilfsweise sieht es die objektive Anknüpfung an das Recht des Landes des Versicherers vor. Für Erstversicherungsverträge über Risiken, die in der EU belegen sind, gelten die Kollisionsnormen der Richtlinien, die zwischen der Schaden- und Unfallversicherung und der Lebensversicherung unterscheiden.

m Brittan, Sir Leon: Mehr Wettbewerb (Auszug aus einer Rede) in: VK 1993, S. 34. 206 Damit wurde auch eine Lücke im Römischen Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht geschlossen; Basedow, J.: Das neue Internationale Versichenm.gsvertragsrecht, in: NJW 1991, S. 785-795; Raymond, B.: Quelle loipour les contrats europeens?, in: L'Argus 1990, S. 190-198; Ffmch, C. / Rabe, T.: Applicable Law and Jurisdiction, in: Butterworths European Law Service, Insurance Law, hrsg. von Alastair Sutton, London 1993. Die Europäische Kommission versuchte zunächst, die Bestimmungen, die Gegenstand einer zwingenden Vorschrift in den Mitgliedstaaten sein dürfen, zu beschränken, das heißt in einer Liste abschließend aufzuzählen. Die Konkretisierung der Bestimmungen sollte den Mitgliedstaaten überlassen bleiben, vgl. Biagosch, P.: Europäische Dienstleistungsfreiheit und deutsches Versicherungsvertragsrecht, Karlsnlhe 1991, Anhang I.

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(bb) Schaden- und Unfallversicherung Anknüpfungspunkt für das anwendbare Vertragsrecht ist die Belegenheit des zu versichernden Risikos. Die Schaden- und Unfallversicherung definiert die Belegenheit wie folgt: - Bei Versicherungen von unbeweglichen Sachen, insbesondere Bauten, Anlagen und von darin befindlichen Sachen (etwa Warenlager), die in einem Vertrag versichert sind, ist das Risiko in dem Mitgliedstaat belegen, in dem sich diese unbeweglichen Sachen befinden. - Bei der Versicherung von Fahrzeugen aller Art (Land-, Wasser- und Luftfahrzeuge) ist das Risiko im Mitgliedstaat der Zulassung belegen. - Bei der Versicherung von Reise- und Ferienrisiken mit einer Laufzeit von bis zu vier Monaten ist das Risiko in dem Mitgliedstaat belegen, in dem der Vertrag geschlossen wird. Erfaßt sind die Fälle, in denen der Versicherungsnehmer auf Reisen, also außerhalb des Mitgliedstaats seines gewöhnlichen Aufenthalts, eine Versicherung zur Deckung eines (vorübergehenden) Risikos abschließt (zum Beispiel Reiserücktritts- und Reisegepäckversicherung). - Trifft keiner dieser Sonderfälle zu, ist das Risiko in dem Mitgliedstaat belegen, in dem der Versicherungsnehmer, wenn er eine natürliche Person ist, seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat oder, wenn er keine natürliche Person ist, der Mitgliedstaat, in dem sich sein Sitz oder seine Niederlassung befindefo7 . Maßgeblich für die Risikobelegenheit sind die Verhältnisse bei Vertragsabschluß. Bei den Wahlrechten für das anwendbare Vertragsrecht unterscheiden die Richtlinien zwischen Groß- und Massenrisiken. Großrisiken werden nach dem Versicherungszweig und bei bestimmten Versicherungszweigen zusätzlich nach Eigenschaften des Versicherungsnehmers bestimmt, vor allem Größenmerkmalen: - Versicherungszweige (nach Risiken): Schienfahrzeug-Kasko, LuftfahrzeugKasko, See-, Binnensee- und Flußschiffahrts-Kasko, Transportgüter, Luftfahrzeughaftpflicht, See-, Binnensee- und Flußschiffahrtshaftpflicht; - Kredit und Kaution bei gewerblichen und industriellen Versicherungsnehmern; 207 Hahn, v.: Die "europäischen" Kollisionsnormen für Versichenmgsverträge, Karlsruhe 1992, S. 11-14.

11"

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C. ReguliefWlgssystem der EU-Richtlinien und in Deutschland

- alle anderen Zweige der Schaden- und Unfallversicherungen mit Ausnahme der Versicherungen gegen UnfaIle und Krankheit sowie für Rechtsschutz, wenn der Versicherungsnehmer zwei der drei folgenden Größenkriterien erfüllt: Bilanzsumme von mehr als 6,2 Mio. ECU, Umsatzerlöse von mehr als 12,8 Mio. ECU und mehr als 250 Arbeitnehmern im Durchschnitt des Geschäftsjahrs. Gehört der Versicherungsnehmer zu einem Konzern, für den ein Konzernabschluß aufzustellen ist, beziehen sich die Kriterien auf den Konzernabschluß. Bei Verträgen über Großrisiken besteht weitgehende Rechtswahlfreiheit. Industrielle und gewerbliche Versicherungsnehmer können zudem für Verträge, die Risiken in mehreren Mitgliedstaaten decken, das Vertragsrecht eines Mitgliedstaates für den gesamten Vertrag wählen. Bei Massenrisiken, also vor allem den privaten Kunden und kleinen bis mittleren Handwerks- und Gewerbetreibenden, gilt für Versicherungsverträge grundsätzlich das Vertragsrecht des Mitgliedstaats, in dem das Risiko belegen ist. Meist ist das der Mitgliedstaat, in dem sich der Wohnsitz oder Sitz des Versicherungsnehmers befindet. Die Rechtswahlfreiheit beschränkt sich damit auf die Fälle, in denen ein starker Auslandsbezug besteht, beispielsweise die Risiken im Ausland belegen sind, etwa eine Ferienwohnung. Sonderregeln gibt es für die Pflichtversicherungen und die substitutive Krankenversicherung. Der Mitgliedstaat, der die Versicherungspflicht vorschreibt, darf verlangen, daß dem Vertrag sein Versicherungsvertragsrecht zugrunde gelegt wird. (cc) Lebensversicherung In der Lebensversicherung ist das Risiko im Mitgliedstaat des Wohnsitzes des Versicherungsnehmers belegen. Es gilt grundsätzlich das Versicherungsvertragsrecht des Mitgliedstaats der Risikobelegenheit. Bei abweichender Staatsangehörigkeit kann der Versicherungsnehmer ausnahmsweise auch das Recht des Landes seiner Staatsangehörigkeit wählen. Für Gruppenverträge gelten diese Regeln entsprechend. Werden solche Verträge zur betrieblichen Alters- und Hinterbliebenenvorsorge geschlossen, sind darüber hinaus die arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen des Mitgliedstaats zu beachten, in dem die versicherten Arbeitnehmer beschäftigt sind. Schließt zum Beispiel ein Arbeitgeber einen Gruppenvertrag für seine in Deutschland tätigen Arbeitnehmer bei einem ausländischen Lebensversicherer ab, müssen die deutschen Bestimmungen über Pensionsalter, Unverfallbarkeit der Ansprüche, Mitbestimmung u.a. beachtet werden.

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Materiell angeglichen wurde in der Lebensversicherung das Rücktrittsrecht der Versicherungsnehmer. Private Kunden sind berechtigt, von einem Vertrag innerhalb einer von den Mitgliedstaaten festzulegenden Frist von mindestens 14 und höchstens 30 Tagen nach Vertragsabschluß zurückzutreten. Die Wahl des Vertragsrechts erfolgt entweder ausdrücklich, wenn die Parteien im Vertrag ein bestimmtes Recht für anwendbar erklären, oder stillschweigend. Im letzteren Fall haben Rechtsprechung und Lehre eine Reihe von Indizien entwickelt, die helfen, den tatsächlichen Parteiwillen zu ermitteln. Meist gilt in strittigen Fällen das Vertragsrecht, zu dem der Vertrag die engste Beziehung hat, im Zweifel also das Recht des Mitgliedstaates, in dem das Risiko belegen ist. (dd) Bewertung Die Interessen der Versicherer richten sich danach, ob sie in größerem Umfang in anderen Märkten tätig werden wollen oder ob sie nur Gelegenheitsgeschäfte anstreben208 . Im ersten Fall sind sie daran interessiert, Verträge nach dem Recht des jeweiligen Marktes anzubieten, weil das für die Versicherungsnehmer attraktiver ist. Bei Gelegenheitsgeschäften sind sie dagegen daran interessiert, ihr eigenes Recht anzuwenden, um unverhältnismäßigen Aufwand zu vermeiden. Weil das die EU-Richtlinien bei privaten Kunden nur als Ausnahme zulassen, sind Gelegenheitsgeschäfte hier fast ausgeschlossen. Für die Versicherer haben die Kollisionslösungen zur Folge, daß ihr Versicherungsbestand im ungünstigsten Fall allen achtzehn Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der EU und des EWR unterworfen ist. Sie führen zudem zu Rechtsunsicherheiten, weil die nationalen Gerichte bei Streit oft darauf bedacht sind, die zwingenden Schutzbestimmungen ihres Rechts durchzusetzen209 . Kritisch ist außerdem, daß die Anknüpfungen für die Kollisionsnormen (vor allem die Risikobelegenheit) zu detailliert und unflexibel sind. Genannt wird das Beispiel einer ausländischen Fluggesellschaft, die auch bei einer nur vorübergehenden Inlandstätigkeit deutschem Recht unterliegt, so daß ein eigener Versicherungsvertrag abgeschlossen werden muß210 . 208 Hahn, V.: Die "europäischen" Kollisionsnormen fiir Versichenmgsverträge, Karlsruhe 1992, S. 162-163. 209 Biagosch, P.: Europäische Dienstleistungsfreiheit und deutsches Versichenmgsvertragsrecht, Karlsruhe 1991, S. 175-202; Hahn, V.: Die "europäischen" Kollisionsnormen fiir Versichenmgsverträge, Karlsruhe 1992, S. 164. 210 Basedow, J.: Das neue Internationale Versichenmgsvertragsrecht, in: NJW 1991, S.794.

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C. Regu1ienmgssystem der EU-Richtlinien und in Deutschland

Insgesamt würdigen die Kollisionslösungen im Privatkundengeschäft die Schutzinteressen der Versicherungsnehmer. Die Differenzierung zwischen Groß- und Massenrisiken in der Schaden- und Unfallversicherung berücksichtigt zudem die unterschiedliche Schutzbedürftigkeit der Versicherungsnehmer. Neue Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag zur Angleichung des Versicherungsvertragsrechts hat die Europäische Kommission für den Fall angekündigt, daß die Kollisionslösungen zu Problemen führen, vor allem den freien Verkehr von Versicherungsprodukten im Binnenmarkt behindern211 .

(2) Bestimmungen des WG Die Bestimmungen der EU-Richtlinien zum anwendbaren Versicherungsvertragsrecht finden sich im zweiten Teil des Einführungsgesetzes zum Versicherungsvertragsgesetz (EGVVG) unter dem Titel ,,Europäisches Internationales Vertragsrecht,a12. Zentraler Begriff ist - entsprechend den Richtlinien - die Belegenheit des Risikos, die das EGVVG für die Schaden- und Unfallversicherung und die Lebensversicherung im einzelnen definiert213 . Sind bei ,,Massenrisiken" Risikobelegenheit und gewöhnlicher Aufenthalt des Versicherungsnehmers identisch, scheidet eine Rechtswahl aus (Art. 8 EGVVG). Ist das nicht der Fall (sogenannte DivergenzfaIle), läßt das EGVVG die Wahl zwischen den beiden Rechtsordnungen zu (Art. 9 Abs. I und 2, Art. 10 Abs. 2 EGVVG). Weitere Wahlmöglichkeiten eröffnet das EGVVG bei der Versicherung von Auslandsschäden (wenn ein Vertrag nur SchadenfaIle trifft, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Risikobelegenheit eintreten), bei der Korrespondenzversicherung (wenn der Versicherer das Erstversicherungsgeschäft in Deutschland ohne Mittelsperson betreibt) und bei Großrisiken, die freie Rechtswahl genießen214 . 211 Drabbe, H.: Versichenmg in Europa nach den Dritten Richtlinien, Vortrag an der Universität Münster am 14. November 1992, Anlage, S. 2 (nicht veröffentlicht). 212 Basedow, J.: Das neue Internationale Versichenmgsvertragsrecht, in: NJW 1991, S. 785-795; Raymond, B.: Quelle loi pour les contrats europeens?, in: L' Argus 1990, S. 190-198. Eine ausführliche Diskussion der Gesamtkonzeption des deutschen internationalen Versichenmgsvertragsrechts findet sich bei Mewes, H.: Internationales Versichenmgsvertragsrecht unter besonderer Berücksichtigung der europäischen Dienstleistungsfreiheit im Gemeinsamen Markt, Karlsruhe 1995, S. 271-293. 213 Zu den Kollisionsnormen in der Lebensversichenmg, vgl. Lorenz. E.: Das auf grenzüberschreitende Lebensversicherungsverträge anwendbare Recht - eine Übersicht über die kollisionsrechtlichen Rechtsgrundlagen, in: ZVersWiss 1991, S. 121-144. 214 Zur momentanen Diskussion in Deutschland, vgl. Armbrüster, C.: Aktuelle Streitfragen des Internationalen Privatversicherungsrechts, in: ZVersWiss 1995, S. 139-148.

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Besteht nach deutschem Recht eine gesetzliche Versicherungspflicht, dann gilt nach Art. 12 Abs. 2 Nr. 1 EGVVG grundsätzlich deutsches Versicherungsvertragsrecht. "Gesetzlich" ist die Versicherungspflicht dabei auch, wenn ihre Rechtsgrundlage Gesetz im materiellen Sinne ist, also zum Beispiel das Standesrecht der Wirtschaftsprüfer und Steuerberaterm . bb) Versicherungsbedingungen (J) Grundlagen

Mit den Versicherungsbedingungen legt der Versicherer die Vertragsbeziehungen zum Versicherungsnehmer inhaltlich fest. Wesensmerkmal ist, daß sie in der Regel nicht das Ergebnis individueller Verhandlungen zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer sind, sondern für eine Vielzahl von Verträgen standardisiert verwendet werden ohne Rücksicht auf die individuelle Risikolage der Versicherungsnehmer. Sie reduzieren damit die Transaktionskosten (Rationalisierungsfunktion der Versicherungsbedingungen)216 . Bei der Gestaltung der Versicherungsbedingungen spielt die Aufsicht eine große Rolle. Es kann zwischen folgenden Methoden unterschieden werden: - vorherige Vorlage- und Genehmigungspflicht mit weitgehenden Mitgestaltungsrechten (prior approval), - vorherige Vorlagepflicht und reine Legalitätskontrolle (file and use), - nachträgliche Vorlage im Einzelfall oder auf Anfrage der Aufsichtsbehärde (use and file upon request). In Deutschland durften Versicherungsbedingungen bislang erst dann verwendet werden, wenn das BAV sie genehmigt hatte. Davon ausgenommen waren seit dem Inkrafttreten der zweiten Richtlinie zur Schaden- und Unfallversicherung zum 1. Juli 1990 sogenannte Großrisikoversicherungen. Begründet wurde dies damit, daß die Kunden in diesen Versicherungszweigen selbst in der Lage sind, sich optimalen Versicherungsschutz zu besorgen oder mit dem Versicherer auszuhandeln. Im Privatkundengeschäft nahm das Aufsichtsamt dagegen großen Einfluß auf Form und Inhalt der Versicherungsbedingungen. Es beschränkte sich dabei nicht auf eine reine Legalitätskontrolle, also die Prüfung der Einhaltung vor allem der Bestimmungen des VVG, sondern war 215 Basedow, J.: Das neue Internationale Versichenmgsvertragsrecht, in: NJW 1991, S.794. 216 Schlappa, W.: Die Kontrolle von Allgemeinen Versichenmgsbedingungen im deutschen Versichenm.gsaufsichtsrecht und der freie Dienstleistungsverkehr im EGRecht, Karlsruhe 1987, S. 8.

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C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien Wld in Deutschland

bestrebt, einen Ausgleich zu finden zwischen den Interessen der Versicherer und der Versicherungsnehmei 17 . Das Amt achtete darauf, daß Versicherungsbedingungen eines Versicherungszweigs oder einer Versicherungsart einheitlich sind. Das Ziel hieß Markttransparenz218 . Wollte ein Versicherer ein neues Produkt oder eine Produktvariante anbieten, mußte er (nach Genehmigung durch das BAV) in den Versicherungsbedingungen eine entsprechende Bezeichnung wählen, um sich von den am Markt befindlichen Produkten abzuheben. Bloße Kosmetik an vorhandenen Produkten war nach Auffassung des BAV keine Innovation219 . Die Verbände beteiligten sich an der überbetrieblichen Produktgestaltung. Eingeschaltet wurden ferner das Kartellamt und Kundenverbände (zum Beispiel Bundesverband der Deutschen Industrie). Die Versicherungsbedingungen wurden regelmäßig in den Veröffentlichungen des BAV bekanntgegeben. Frankreich hob die strenge Genehmigungspflicht für Versicherungsbedingungen 1990 auf220 . Im Privatkundengeschäft mußte ein Versicherer, der ein neues oder abgewandeltes Produkt einführen wollte, zunächst die Aufsichtsbehörde unterrichten. Diese konnte dann innerhalb von 10 Tagen die Vorlage der Versicherungsbedingungen verlangen. Die Aufsichtsbehörde hatte nach Eingang 20 Tage Zeit, um zu prüfen, ob die Bedingungen mit dem geltenden Recht in Einklang stehen (Legalitätskontrolle). Stellte sie einen Verstoß fest, konnte sie Änderungen fordern, bevor die Versicherer die Bedingungen verwendeten. Bei Großrisikoversicherungen durfte die Aufsichtsbehörde die Unterlagen auch anfordern, der Versicherer konnte sie aber sofort verwenden. Im Vereinigten Königreich mußten die Versicherer der Aufsichtsbehörde die Versicherungsbedingungen beim Antrag auf Zulassung zum Geschäftsbetrieb vorlegen. Sie waren aber nicht genehmigungspflichtig und durften sofort verwendet werden. In der Praxis stimmen die Versicherer neue Produkte vor Markteinführung meist mit dem DTI und dem Government Actuaries Department ab221 .

211 Müller, H.: Verbraucherschutz im Versichenmgswesen durch Information der Versicherten, Karlsnlhe 1992, S. 4-5. 218 Angerer, A: Grundlinien der Versichenmgsaufsicht, Karlsnlhe 1985, S. 18-19. 219 Angerer, A: Wettbewerb auf den Versichenmgsmärkten aus der Sicht der Vers ichenmgsaufsichtsbehörde, in: ZVersWiss 1985, S. 224-225. 220 Müller, H: Neue Rolle der Aufsicht, Versicherer, Vermittler Wld KWlden Wlter den neuen RahmenbedingWlgen der Versichenmgsaufsicht, in: VersVerm 1991, S. 577. 221 Daykin, C.: The Supervision of Life Insurance Business in the United Kingdom, London 1988, S. 7 (nicht veröffentlicht).

V. Regulienmgsinstrumente

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(2) Bestimmungen der Richtlinien Ziel des Binnenmarktes ist, daß sich durch MarktöfInung der Wettbewerb zwischen den Versicherern aus den Mitgliedstaaten belebt und das Produktangebot breiter und vielfältiger wird. Produktwettbewerb heißt zwingend auch Wettbewerb der Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Die Europäische Kommission schrieb dazu im sogenannten Schwarz-Papier: "Competition in respect of conditions of insurance is as necessary as competition in the terms of transactions for products, if we are to malm sure that optimal insurance coverage can be obtained and competition can take place,a22 . Deutschland und andere Mitgliedstaaten mußten ihre bisherige Praxis daher aufgeben. Die "dritten Richtlinien" bestimmen, daß eine vorherige Vorlage- und Genehmigungspflicht für Versicherungsbedingungen nicht mehr zulässig ist. Verlangt werden kann nur noch eine fallweise (nicht-systematische und nachträgliche) Vorlage der Bedingungen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Rechtsverstöße vorliegen, zum Beispiel wegen der Beschwerde eines Versicherungsnehmers oder Konkurrenten. Für die Pflichtversicherungen und die substitutive Krankenversicherung dürfen die Mitgliedstaaten den Deckungsumfang verbindlich festlegen. Sie müssen einen Versicherungsvertrag nur dann anerkennen, wenn er diesen Bedingungen genügt. Außerdem dürfen die Aufsichtsbehörden von den Versicherern auch künftig die Vorlage der Versicherungsbedingungen vor ihrer Verwendung verlangen. Eine aufsichtsbehördliche Genehmigung muß aber nicht mehr abgewartet werden223 .

(3) Bestimmungen des VAG Die Genehmigungspflicht für Versicherungsbedingungen durch das BAV ist entfallen. In den Pflichtversicherungen und der substitutiven Krankenversicherung müssen die (in- und ausländischen) Versicherer die Versicherungsbedingungen dem BAV als Teil des Geschäftsplans nach § 5 Nr. la VAG vorlegen. Sie sind aber nicht mehr genehmigungspflichtig. In den einzelnen Pflichtversicherungsgesetzen ist der (zwingende) Deckungsumfang geregelt. Für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung hat der Gesetzgeber eine Ver222 Errichtlmg des Gemeinsamen Marktes fiir Schadenversichenmgen (SchwarzPapier), KOM (71) 542 endg.; 7. Oktober 1971; Schlappa, W.: Die Kontrolle der Allgemeinen Versichenmgsbedingungen im deutschen Versichenmgsaufsichtsrecht und der freie Dienstleistungsverkehr im EG-Recht, Karlsruhe 1987, S. 41. 223 Präve, P.: Das Dritte DurchfiihrungsgesetzlEWG zum VAG - Ausgewählte Fragen des neuen Aufsichts- und Vertragsrechts, in: 'ZN 1994, S. 199.

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C. Regulierungssystem der EU-Richtlinien \Uld in Deutschland

ordnung erlassen, die im wesentlichen die bisherigen Versicherungsbedingungen festschreibf 24 . In den anderen Versicherungszweigen kann das BAV die Vorlage der Versicherungsbedingungen nur nachträglich und bei konkreten Verdachtsmomenten für Rechtsverstöße verlangen. Die Versicherungsbedingungen sind vorformulierte Texte, die dem Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (ABG-Gesetz) unterliegenm. cc) Allgemeininteresse (1) Bestimmungen der Richtlinien

Nach den "dritten Richtlinien" muß jeder Mitgliedstaat den Versicherungsnehmern gestatten, einen Vertrag über ein in seinem Hoheitsgebiet belegenes Risiko mit einem in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Versicherer zu schließen, wenn der Vertrag nicht gegen Rechtsvorschriften zum Schutz des Allgemeininteresses verstößt226 . Mit anderen Worten: Die Versicherungsnehmer dürfen Versicherungsprodukte bei Versicherern aus anderen Mitgliedstaaten kaufen. Die Versicherer dürfen ihre Produkte in allen Mitgliedstaaten verkaufen. Der Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist, darf nur einschreiten, wenn das Produkt (oder abstrakt der Vertrag) gegen Bestimmungen zum Schutz des Allgemeininteresses verstößf27 . Eine solche Beschränkung gibt es nach dem europäischen Recht auch im Warenbereich. So muß eine importierte Ware den Bestimmungen des Tätigkeitslandes genügen, durch die ein im allgemeinen Interesse liegendes Ziel verfolgt wird, das dem freien Warenverkehr vorangeht228 . Zwingende Bestimmungen müssen nach der EuGH-Rechtsprechung folgende Kriterien erfüllen ("Gemeinschaftsfilter"):

224 Verordn\Ulg über den Versicherungsschutz der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (Kraftfahrzeug-Pflichtversicherungsverordn\Ulg - KfZPflVV), in: VerBAV 1994, S.389-391. 22S Vgl. D.I.2.b)aa). 226 Artikel 28 der Richtlinien des Rates 92/49/EWG \Uld 92/96/EWG. 227 Lorenz, E.: Zur Kontrolle der Lebensversicherungsverträge anband der ,,Rechtsvorschriften des Allgemeininteresses" im freien Dienstleist\Ulgsverkehr innerhalb der EG, in: Versicherungen in Europa heute \Uld morgen, Geburtstags-Schrift fiir Georg Büchner, hrsg. von Franz Wilhelm Hopp \Uld Georg Mehl, Karlsruhe 1991, S. 91; Biagosch, P.: Europäische Dienstleist\Ulgsfreiheit \Uld deutsches Versicherungsvertragsrecht, Karlsruhe 1991, S. 95-104. 228 Vgl. D.VI.1.

V. Regulienmgsinstrumente

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- Die Bestimmungen müssen ein im allgemeinen Interesse liegendes Ziel verfolgen, vor allem die wirksame steuerliche Kontrolle, den Schutz der öffentlichen Gesundheit, die Lauterkeit des Handelsverkehrs oder den Verbraucherschutz. - Die Bestimmungen müssen für alle Versicherer gelten, eine Diskriminierung ausländischer Versicherer ist nicht zulässig (Nicht-Diskriminierung). - Die Bestimmungen sind erforderlich, um den Schutzzweck zu erreichen (Verhältnismäßigkeiti29 . - Die entsprechenden Bestimmungen im Herkunftsland des Versicherers reichen nicht aus (Verbot der Duplizität). Die EU-Richtlinien lassen die Reichweite des Allgemeininteresses offen230 . Unklar ist auch, wer die Beweislast trägt: der Mitgliedstaat, der das Allgemeininteresse geltend macht, oder der betroffene Versicherei31 . Der EuGH hat das Versicherungswesen in seinen Urteilen vom 4. Dezember 1986 vor allem im Hinblick auf den Verbraucherschutz als besonders sensiblen Bereich bezeichnet232 . Das heißt aber nicht, daß das Allgemeininteresse jede Bestimmung rechtfertigt, die (auch) dem Schutz der Versicherungsnehmer dient. Die Regelungen müssen den genannten Kriterien entsprechen. Zu berücksichtigen ist nach der EuGH-Rechtsprechung auch die unterschiedliche Schutzbedürftigkeit der Versicherungsnehmer, also der privaten sowie der gewerblichen und industriellen Kunden233 .

229 Geiger, R.: EG-Vertrag, Kommentar zu dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, München 1993, S.99. 230 Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Durchführung versichenmgsrechtlicher Richtlinien des Rates der EG (Drittes DurchführungsgesetzlEWG zum VAG), Drucksache 23/94, 14. Januar 1994, S. 130; Lannoo, K.: A First Assessment ofthe Working ofthe Single Market in Banking, in: The Single Market in Banking: From 1992 to EMU, Brüsse11995, S. 5, 13-16. 231 Die Europäische Kommission geht davon aus, daß die Beweislast bei dem Mitgliedstaat liegt, der das Schutzinteresse geltend macht, vgl. Jürgens, U. 1 Rabe, T.: Wozu dienen die Vorschläge für eine dritte EG-RichtIiniengeneration? in: VW 1992, S.667. 232 Puskas, G., von: Das Urteil, Wegweiser zu einem europäischen Versichenmgsmarkt, in: VW 1987, S. 309. m Präve, P.: Das Vertragsrecht und der Schutz des Allgemeininteresses im Zeichen der europäischen Einigung, in: VW 1992, S. 9.

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C. ReguliefWlgssystem der EU-Richtlinien lDld in Deutschland

(2) Bestimmungen des VAG

Der deutsche Gesetzgeber faßt unter Bestimmungen zum Schutz des AUgemeininteresses die Generalklausei des § 81 VAG. Das BAV hat auf dieser Grundlage erklärt, daß es bestimmte Produkte auch künftig auf dem deutschen Markt verbieten wird. Einzelheiten werden in Kapitel D behandele34 . dd) Unverbindliche Empfehlungen Für Empfehlungen der Verbände und Vereinbarungen zwischen den Versicherern, beispielsweise zu Musterbedingungen, sind wettbewerbsrechtliche Bestimmungen zu beachtenm. b) Versicherungsprämien und Überschußbeteiligung

aa) Grundlagen In den meisten kontinentaleuropäischen Mitgliedstaaten mußten die Versicherer bislang die Versicherungsprämien und die Überschußbeteiligung der Versicherungsnehmer in einem engen rechtlichen und faktischen Rahmen gestalten. Besonders wichtig waren die Genehmigungspflicht für Prämien und Rechnungsgrundlagen sowie die Arbeit mit überbetrieblich geführten Schadenstatistiken, die die Verbände oft durch Prämienempfehlungen ergänzten. Dazu kamen (teilweise verbindliche) Vereinbarungen zwischen einzelnen Versicherern oder Vereinbarungen über die Verbände, vor allem wenn die Märkte im Ungleichgewicht waren, weil die Versicherer anhaltend hohe Verluste erwirtschafteten (Sanierungskartelle). In den Versicherungszweigen mit genehmigungspflichtigen Prämien und Rechnungsgrundlagen, vor allem in der Lebens- und Krankenversicherung, gab es zudem aufsichtsrechliche Bestimmungen, wie die Versicherungsnehmer an den Überschüssen zu beteiligen sind. Meist wurde auch die Mindesthöhe der Überschußbeteiligung vorgegeben236 .

Vgl. D.I.2.b)aa). Vgl. C.Vl.l.b)aa). 236 Famy, D.: VersichefWlgsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 60; Angerer, A.: Gnmdlinien der VersichefWlgsaufsicht, Karlsruhe 1985, S. 22. 234

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V. Regulienmgsinstrurnente

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bb) Bestimmungen der Richtlinien Die dritte Richtlinie zur Schaden- und Unfallversicherung verbietet die vorherige Genehmigungs- oder Vorlagepflicht für Prämien und Rechnungsgrundlagen. Das gilt auch für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, für die in den meisten Mitgliedstaaten bisher eine Genehmigungspflicht bestand. Bei der substitutiven Krankenversicherung darf die Herkunftslandbehörde weiterhin vor Aufnahme des Geschäfts die Vorlage von Prämien und Rechnungsgrundlagen verlangen. Eine Genehmigung muß aber nicht mehr abgewartet werden. In der Lebensversicherung darf die Vorlage erst gefordert werden, nachdem die Produkte auf den Markt gebracht wurden. Es ist den Aufsichtsbehörden nicht mehr gestattet, den Versicherern Rechnungsgrundlagen verbindlich vorzugeben, etwa Rechnungszinsen, Sterbetafeln oder Kostensätze. Die dritte Richtlinie zur Lebensversicherung bestimmt jedoch, daß die Prämien in der Lebens- und Krankenversicherung ausreichen müssen, um die versicherungsvertraglichen Verpflichtungen erfüllen und eine ausreichende Dekkungs- oder Alterungsrückstellung bilden zu können. Anders ausgedrückt: Die Rückstellungen müssen dauerhaft und planmäßig aus den Prämien dotiert werden. Auf andere Quellen darf nur ausnahmsweise zurückgegriffen werden. Das Neugeschäft muß sich vollständig aus sich selbst heraus finanzieren. Offen bleibt, was unter "anderen Quellen" zu verstehen ist, ob darunter beispielsweise Erträge aus Kapitalanlagen oder Nachschüsse der Aktionäre oder Mitglieder fallen237 . Fraglich ist auch, ob sich diese Bestimmung auf den Gesamtbestand des Versicherers oder auf Tarifgruppen bezieht, ob ein Versicherer also die Prämien nach Geschäftsfeldern differenzieren darf. So wäre es beispielsweise möglich, daß bestimmte Kundengruppen oder Regionen zur besseren Vermarktung der Produkte auf Kosten anderer bevorzugt werden. Dies könnte etwa dadurch geschehen, daß den Altk:unden die Überschüsse gekürzt werden, um unzureichende Prämien im Neugeschäft auszugleichen238 . In Deutschland soll das der Grundsatz der Gleichbehandlung der Versicherungsnehmer verhindern, der eine nicht begründbare Prämiendifferenzierung verbietet. In der Praxis ist dieser Grundsatz aber kaum durchsetzba?39 . 237 Schwierigkeiten entstehen dann, wenn die Versicherer hohe Rechmmgszinsen garantieren Wld das Zinsniveau während der Vertragslaufzeit sinkt. Die japanischen Versicherer stehen derzeit vor solchen Schwierigkeiten, vgl. Hohlfeld, K.: Die deutsche Lebensversichenmg im EG-Binnenmarkt Wlter aufsichtsrechtlichen Gesichtspunkten, in: Recht Wld Ökonomie der VersicherWlg, Festschrift fiir Egon Lorenz, hrsg. von Ulrich Hübner, Elmar Helten Wld Peter Albrecht, Karlsruhe 1994, S. 303. 238 Claus, G.: Lebensversichenmgsaufsicht nach der Dritten EG-Richtlinie, Was bleibt? Was ändert sich?, in: ZN 1994, S. 140. 239 Famy, D.: Versichenmgsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 537.

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C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien und in Deutschland

Die Frage, ob stark überhöhte oder völlig unzureichende Prämien einen Mißstand darstellen, gegen den die Aufsichtsbehörde vorgehen darf, wird in Kapitel D beantwortet. Die dritte Richtlinie zur Lebensversicherung regelt die Überschußbeteiligung der Versicherungsnehmer nicht. Sie überläßt es den Mitgliedstaaten festzulegen, wie die Versicherungsnehmer an den Überschüssen (mindestens) zu beteiligen sind. Die Richtlinie sagt nur, daß die Verbraucherinformationen die Methoden der Gewinnberechnung und -beteiligung erläutern müssen. Vereinbarungen zwischen den Versicherern, die Erstellung von Schadenstatistiken und Prämienempfehlungen durch Verbände unterliegen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen240 . cc) Bestimmungen des VAG Die Genehmigungspflicht für Prämien und Rechnungsgrundlagen ist in der Lebens-, Kranken- und Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung entfallen. Nach § 5 Abs. la VAG sind in der substitutiven Krankenversicherung die Grundsätze für die Berechnung der Prämien sowie die Rechnungsgrundlagen Teil des genehrnigungspflichtigen Geschäftsplans. In der Lebensversicherung darf das BAV die Vorlage dieser Unterlagen von den Versicherern nach Aufnahme des Geschäfts verlangen. In der Lebensversicherung und der Unfallversicherung mit PrämienTÜckgewäh~41 sind die Prämien nach § 11 Abs. 1 VAG so zu bemessen, daß der

Versicherer seine Verpflichtungen erfüllen und für die einzelnen Verträge eine ausreichende DeckungsTÜckstellung bilden kann. Dies gilt nach § 12 Abs. 4 VAG auch für die substitutive Krankenversicherung. Der Versicherer darf dabei nicht dauerhaft und planmäßig Mittel einsetzen, die nicht aus Prämien stammen. Ein verantwortlicher Aktuar muß sicherstellen, daß der Versicherer diese Bestimmung einhält (§ 11a Abs. 3 VAG)242. In der substitutiven Krankenversicherung243 müssen die Prämien nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 auf versicherungsmathematischer Grundlage berechnet werden. Der Rechnungszins ist auf 3,5 Prozent begrenzt. Dem Versicherer steht kein Vgl. C.Vl.l.b)aa). Vgl. § lld VAG. 242 Zwn verantwortlichen Aktuar, vgI. D.II.4.a)cc). 243 Die Ausfiihnmgen gelten für die nichtsubstitutive Krankenversichenmg (also die Zusatzversichenmg) entsprechend, wenn sie nach Art der Lebensversichenmg betrieben wird, § 12 Abs. 5 VAG. 240 241

V. Regulienmgsinstrurnente

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Kündigungsrecht ZU (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 VAG). Er muß eine Alterungsrückstellung nach § 341fHGB bilden. Weitere Einzelheiten, wie die Bedingungen für die Gewährung des Arbeitgeberzuschusses und die Rolle des Treuhänders bei Prämienerhöhungen, werden in Kapitel D besprochen244 . Die Lebensversicherer müssen Prämien und Leistungen bei gleichen Voraussetzungen gleich bemessen (§ 11 Abs. 2 VAG). In der substitutiven Krankenversicherung dürfen die Prämien nicht niedriger sein als die Prämien, die sich im Altbestand für gleichaltrige Versicherungsnehmer ergeben würden, wenn die Alterungsrückstellung unberücksichtigt bliebe (§ 12 Abs. 4 VAG). Für Lebensversicherungs- und Krankenversicherungsverträge sowie Verträge über Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr, die vor dem Inkrafttreten des Durchführungsgesetzes (am 29. Juli 1994) abgeschlossen wurden, gilt der genehmigte Geschäftsplan in vollem Umfang weiter. Änderungen bedürfen der Genehmigung des BAV (§ llc VAG). Der deutsche Gesetzgeber ist der Auffassung, daß mit Wegfall der Genehmigungspflicht für die Versicherungsprämien in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung auch der strenge Kontrahierungszwang nicht mehr gerechtfertigt ist, weil er ohne staatlich genehmigte Prämien nicht durchzusetzen ist245 . Das kann zu einem Versicherungsnotstand führen, wenn "schlechte" Risiken keinen (bezahlbaren) Versicherungsschutz mehr finden. Um das zu vermeiden, bestimmt das Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinien, daß die Versicherer jedem Antragsteller ein risikogerechtes Angebot unterbreiten müssen. Die Staatsangehörigkeit darf dabei kein Risikomerkmal sein246 . Das heißt, die Versicherer dürfen bei der Prämienberechnung die Versicherungsnehmer nicht aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit oder Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe diskriminieren. Ansonsten bleibt es dem Wettbewerb überlassen, daß es nicht zu überhöhten Prämien kommt. Alternativ hätte eine Auffangeinrichtung für schwer versicherbare Risiken geschaffi werden können, zum Beispiel als Versicherungspoof47 .

Vg1. D.I.2.b)aa). Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Durchfiihnmg versichenmgsrechtlicher Richtlinien des Rates der EG (Drittes DurchfiihnmgsgesetzlEWG zum VAG), Drucksache 23/94, 14. Januar 1994, S. 133-134. 246 Vg1. § 5 Pflichtversichenmgsgesetz. 247 Molitor, B.: Die deutsche Kraftfahrtzeug-Haftpflichtversicherung im Europäischen Binnenmarkt, in: Versichenmgen in Europa heute und morgen, GeburtstagsSchrift fiir Georg Büchner, hrsg. von Franz Wilhelm Ropp und Georg Mehl, Karlsruhe 1991, S. 98-99. 244

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C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien und in Deutschland

In der Lebensversicherung und der Krankenversicherung sollten nach Auffassung des BAV bislang mindestens 90 Prozent der Überschüsse für die Versicherungsnehmer verwendet werden, entweder durch Barausschüttung, Verrechnung mit der Folgeprämie, (Einmalprämie zur) Erhöhung der Versicherungsleistung oder durch verzinsliche Ansammlung. Die Mindestquote von 90 Prozent war nicht im VAG selbst geregelt, sondern wurde vom BAV bei der Genehmigung der Geschäftspläne und Versicherungsbedingungen sichergestelle48 . In der Praxis lag die Überschußbeteiligung der Versicherer in den vergangenen Jahren durchschnittlich bei 97 bis 98 Prozent. Trotzdem kam es vor, daß die Überschüsse (absolut) gering ausfielen, zum Beispiel bei hohen Betriebskosten oder Abschreibungen auf Kapitalanlagen. Um eine (dauerhaft) niedrige Überschußbeteiligung auszuschließen, durfte das BAV nach § 81c VAG unter bestimmten Bedingungen eingreifen. Mit Hilfe eines einheitlichen Berechnungsmodus ermittelte das Amt den Durchschnitt der von allen Lebensversicherern geleisteten Überschußbeteiligungen einschließlich des Rechnungszinses und der Direktgutschrift und "bewertete" ihn mit 100 Punkten (Rückgewährrichtsatz). Erreichte ein Versicherer (im Durchschnitt der) drei abgelaufenen Geschäftsjahre nicht mindestens 90 Punkte, so forderte das BAV ihn auf, einen ,,Plan zur Sicherstellung angemessener Zuführungen zur Rückstellung für Beitragsrückerstattung" vorzulegen249 . Diese Regelung gilt für Verträge, die vor dem 29. Juli 1994 abgeschlossen wurden, unverändert weiter. Für danach abgeschlossene Verträge ist dagegen der neue § 8lc Abs. 1 und 3 VAG maßgeblich. Danach liegt ein Mißstand vor, wenn bei überschußberechtigten Verträgen keine angemessene Zuführung zu den Rückstellungen für Beitragsrückerstattung erfolgt. Näheres soll eine Verordnung des Bundesministers der Finanzen regeln, die allerdings erst im Entwurf vorliegt. In der substitutiven Krankenversicherung gelten die Bestimmungen des § 12a VAG. Danach müssen 80 Prozent des Überzinses (höchstens 2,5 Prozent), der auf die Alterungsrückstellung für die Krankheitskosten- und Pflegekrankenversicherung entfällt, zusätzlich der Alterungsrückstellung gutgeschrieben werden. Davon gehen 50 Prozent an alle Versicherungsnehmer und 50 Prozent an Versicherungsnehmer, die am Bilanzstichtag das 65. Lebensjahr vollendet haben. § 12a VAG ist Teil der Bemühungen des Gesetzgebers, die Prämiensteigerungen bei älteren Versicherungsnehmern einzudämmen.

248 Schmidt, R. / Frey, P.: Prölss Versichenmgsaufsichtsgesetz, 9. Auflage, München 1983, S. 241-242. 249 Fahr, U. / Kaulbach, D.: Versichenmgsaufsichtsgesetz - VAG - und Gesetz über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes fiir das Versichenmgswesen: Kommentar, München 1993, S. 343-344.

V. Regulienmgsinstrumente

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4. Versicherungsvermittler

a) Grundlagen

Versicherungsvermittler sind selbständige Gewerbetreibende, die Versicherungsvermittlungen als Dienstleistung produzieren. Die Dienstleistung umfaßt den Absatz von Versicherungsschutz und die Pflege von Versicherungsbeständen, oft aber auch das Prämieninkasso und andere Serviceleistungen. Es gibt gebundene und ungebundene Vermittler. Die Rechtsbeziehungen zwischen dem gebundenen Vermittler und dem Versicherer regelt ein Vertretervertrag. Hauptpflicht des Vermittlers ist die Vermittlung von Versicherungsgeschäften für den Versicherer, dessen Interessen er vertritt. Hauptpflicht des Versicherers ist die Zahlung der vereinbarten Abschluß- und Folgeprovisionen. Bei Beendigung des Vertreterverhältnisses hat der (selbständige) Vermittler nach § 89b HGB einen Ausgleichsanspruch gegenüber dem Versicherer. Er umfaßt pauschal Vermittlerentgelte, die noch nicht ausgezahlt sind, sondern erst im Laufe der Jahre als Teil der Folgeprämie dem Vermittler zufließen würden. Viele Versicherern haben zudem ein Versorgungswerk für (selbständige) Vermittler. Die Versorgungsansprüche sind häufig so gestaltet, daß die Einzahlungen in Abhängigkeit vom Provisionsaufkommen teilweise vom Versicherer, teilweise vom Vermittler geleistet werden250 . Der gebundene Vermittler kann für einen einzigen Versicherer tätig sein (Ausschließlichkeits- oder Einfirmenvertreter), für mehrere Versicherer eines Konzerns (Konzernvertreter) oder für mehrere voneinander unabhängige Versicherer oder Konzerne (Mehrfirmenvertreter)251. Nach den allgemeinen rechtlichen Bestimmungen haftet der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer für Fehler seines Vermittlers. Der ungebundene Vermittler (Makler) ist nicht ständig oder ausschließlich für einen Versicherer tätig. Er muß nicht die Interessen des Versicherers vertreten, sondern ist nach allgemeiner Auffassung ,,Bundesgenosse" und Sachverwalter der Belange des Versicherungsnehmers. Die Vergütung (Courtage) erhält er aber vom Versichererm .

2S0 Jannott, E.: Versichenmgsvermittlung, Recht der, in: HdV, hrsg. von Dieter Farny, Elmar Helten, Peter Koch und Reimer Scbmidt, Karlsruhe 1988, S. 1164. 2S1 Die Abgrenzung des Mehrlirmenvertreters vom Versichenmgsmakler ist schwierig, die Grenzen sind fließend. 2S2 Farny, D.: Versichenmgsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 574-576.

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C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien und in Deutschland

b) Bestimmungen der Richtlinien Durch den Wegfall der Genehmigungspflicht für Versicherungsbedingungen nimmt der Informationsbedarf der Versicherungskunden zum. Sie sind mehr denn je auf eine umfassende und seriöse Beratung und Betreuung durch Vermittler angewiesen254 . Um diese Aufgabe erfüllen zu können, müssen Vermittler nach Auffassung der Europäischen Kommission bestimmte fachliche, persönliche und finanzielle Voraussetzungen erfüllen. Einzelheiten ergeben sich aus einer rechtlich unverbindlichen Empfehlung zur Regulierung der Versicherungsvermittler, die die Kommission im Dezember 1991 auf der Grundlage eines Positionspapiers des Bureau International des Producteurs d' Assurances et de Reassurances (BIPAR) vorlegtem . Die Mitgliedstaaten mußten der Kommission bis Ende 1994 mitteilen, welche Bestimmungen sie zur Regulierung der Vermittler nach der Empfehlung erlassen haben. Für den Fall, daß die Maßnahmen der Mitgliedstaaten nicht ausreichen, hat sich die EU-Kommission vorbehalten, die Empfehlung in eine rechtlich verbindliche Richtlinie umzuwandeln256 . aa) Zulassung zum Geschäftsbetrieb und Zulassungsbedingungen

(1) Ge/tungsbereich Die Empfehlung gilt für alle Personen, die selbständig oder in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis Versicherungsvermittlung betreiben. Sie erfaßt alle Formen der Vermittlung, das heißt ungebundene und gebundene Vermittler aber auch Banken, Warenhäuser, Tankstellen oder Autohändler, wenn sie 253 Jannott, E.: Auswirkungen der Deregulierung des Aufsichtsrechts auf den Versichenmgsvertrieb, in: VW 1994, S. 612. 254 Brittan, Sir Leon: Financial Solvency and Liberalization of the Insurance Industry before the 21st Century, in: VW 1992, S. 671; Brittan, Sir Leon: Single Insurance Market in Europe: The place ofIntermediaries, Speech to the 1990 BIPAR Congress, Amsterdam, 28. Mai 1990, S. 4 -5, 15 (nicht veröffentlicht). 255 BIPAR (Hg.): General outline for a European regulation goveming insurance intermediaries and persons exercising similar activities, Brüssel 1989; Ffmch, C. / Rabe, T.: Insurance Intermediaries, in: Butterworths European Law Service, Insurance Law, Heft L 51, hrsg. von Alastair Sutton, London 1993, S. 1-10. 256 In Deutschland gibt es seit langem eine Diskussion über die Notwendigkeit, Versicherungsvermittler zu beaufsichtigen, vor allem eine gewerbliche Konzession zwingend vorzusehen. Verschiedene Gesetzesentwürfe wurden ausgearbeitet, von denen aber keiner Gesetz wurde, vgl. Preuss, F.: Grenzüberschreitender Versichenmgsverkehr unter Staatsaufsicht, Eine Betrachtung nach geltendem deutschen Recht, Karlsruhe 1972, S. 92.

V. Regulienmgsinstrumente

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Versicherungen vermitteln. Die Mitgliedstaaten können Personen, die die Vermittlertätigkeit als Annex zu einer anderen gewerblichen Tätigkeit betreiben, von der Empfehlung ausnehmen. Unklar ist, ob das auch für nebenberufliche Vermittler gilf~7 . Die Empfehlung betrifft nicht den Direktvertrieb. (2) Polarisierung

Die Empfehlung geht von einer strikten Trennung zwischen gebundenen und ungebundenen Vermittlern ausm . Dieses Prinzip der Polarisierung, das Zwischenformen, etwa Mehrfirmenvertrete?~9 , nicht zuläßt, stammt aus dem britischen FSA. Die Polarisierung soll gewährleisten, daß der Versicherungsnehmer weiß, ob er es mit einem gebundenen oder ungebundenen Vermittler zu tun hat und was er (infolgedessen) erwarten kann. Der ungebundene Vermittler hat eine bessere Marktübersicht. Er kann aus einer großen Zahl von Angeboten das beste für seinen Kunden heraussuchen. Der gebundene Vermittler kann dagegen nur auf das Sortiment seines Versicherers zurückgreifen. Wichtig ist die Unterscheidung auch für Haftungsfragen. Der FSA, der in zwei Stufen am 1. April und am 1. Juli 1988 in Kraft trat und seitdem mehrfach präzisiert wurde, schaffie im Vereinigten Königreich für die Vermittlung von Lebensversicherungen neue Bedingungen26o . Nach dem FSA sind nur noch gebundene und ungebundene Vermittler zugelassen. Mehrfirmenvertreter sind verboten. Seit dem 1. Januar 1995 müssen alle Vermittler dem Kunden ihre Provision offenlegen. Die Vermittler sind verpflichtet, die Kunden bestmöglich zu beraten (best advice). Gebundene Vermittler müssen dem Kunden das beste Produkt ihres Versicherers anbieten, ungebundene Vermittler das beste im Markt angebotene Produkt. Die ungebundenen Vermittler beschaffen sich die nötigen Informationen vor allem über kommerzielle Datenbanken (INVIEW, PRESTEL). Abgefragt werden können die Angebote der Versicherer, Angebotstexte, Antragsformulare und Informationen über einzelne Anbieter. In den vergangenen Jahren haben sich viele Makler als gebundene Vermittler einem Versicherer angeschlossen, um den sehr hohen Anforderungen des FSA zu entgehen. Im deutschen Markt sind über 300 000 nebenberufliche Vennittler tätig. Insurance Intermediaries in the Internal Market, Discussion Document, Commission ofthe EC, Brüssell990. 259 Die Empfehhmg der EU-Kommission enthält keine Hinweise darauf, daß Mehrftrmenvertreter nicht mehr zulässig sein sollen, vgl. Krauß, H.: EG-Vermittlerempfehhmg - Der Markt hat das Sagen, in: VersVerm 1993, S. 337. 260 Barteis, H. -J.: Der britische Wld der deutsche Lebensversichenmgsmarkt - eine vergleichende Analyse aus der Sicht eines deutschen Aktuars, Karlsruhe 1992, S. 4-5. m

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Die Empfehlung der Kommission sieht für ungebundene Vermittler umfassende Offenlegungspflichten vor. Vor allem muß er seine tatsächliche Unabhängigkeit beweisen261 . Mitzuteilen sind sämtliche rechtlichen, wirtschaftlichen und faktischen Beziehungen zu Versicherern, etwa Beteiligungen, Treuegelder, Einladungen zu Seminaren oder Nutzung von Hard- und Software des Versicherers. Die ungebundenen Vermittler müssen einer von den Mitgliedstaaten zu benennenden staatlichen oder berufs ständischen Organisation zeigen, wie sich ihr Geschäft auf die einzelnen Versicherer verteilt. Maßgrößen sind die Zahl der Versicherer, mit denen sie Geschäfte machen, die jeweiligen Stückzahlen und Prämien, differenziert nach Neu- und Bestandsgeschäft sowie die Provisionserträge. Der ungebundene Vermittler vertritt trotz der obigen Regeln nicht allein die Interessen der Versicherungsnehmer, sondern will auch möglichst hohe Provisionen erzielen. Das schränkt seine Unabhängigkeit ein. In einigen Mitgliedstaaten haben die Versicherer deshalb Höchstprovisionen vereinbart. Sie wollen vermeiden, daß sie sich auf Kosten der Kunden gegenseitig im Werben um die Vermittlerdienste überbieten. Da sich die tatsächlich gezahlten Provisionen meist an der Obergrenze bewegen, verschwindet der Anreiz für ungebundene Vermittler, den Versicherer zu wählen, der die höchsten Provisionen zahlt. Der Vermittler ist ,,frei", den Versicherer auszusuchen, der das beste Angebot für seinen Kunden hat. Die Kommission beabsichtigte zunächst, Vereinbarungen zu Höchstprovisionen in die Gruppenfreistellungsverordnung für den Versicherungsbereich aufzunehmen. Weil solche Vereinbarungen angeblich nicht häufig vorkommen, verzichtete sie später darauf. Vereinbarungen zu Höchstprovisionen gelten aber im Einzelfall als freistellungsfähig262 . (3) Fachliche und persönliche Voraussetzungen Die Empfehlung fordert für alle Vermittler ausreichende allgemeine, kaufmännische und fachliche Kenntnisse, die vor Aufnahme der Tätigkeit in einer schriftlichen oder mündlichen Prüfung nachgewiesen werden sollen. Einzelheiten, etwa die erforderliche praktische Erfahrung und theoretische Ausbildung, überläßt die Empfehlung den Mitgliedstaaten. Außerdem können die 261 Insurance Intermediaries in the Internal Market, Discussion Document, Commission ofthe EC, Brüsse11990, S. 13. 262 W orking Document for the govemmental experts from the Member States of the EC in the matter of competition law on group exemptions in the insurance sector, Brüsse11989, S. 6 (nicht veröffentlicht); Artikel I des preliminary draft Council Regulation (EEC) on the application of Article 85 (3) of the Treaty to categories of agreements, decisions and concerted practices in the insurance sector, vgl. C. VI. I. b).

V. Regulienmgsinstrumente

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Mitgliedstaaten unterschiedliche Anforderungen an gebundene und ungebundene Vermittler stellen. Die Kommission empfiehlt, persönliche Anforderungen für Vermittler vorzusehen. Vor allem sollte der Vermittler einen guten Leumund besitzen und konkursfrei sein. (4) Finanzielle Voraussetzungen

Nach der Empfehlung sollen ungebundenen Vermittler eine Berufshaftpflichtversicherung abschließen oder über gleichwertige Sicherheiten verfügen, damit sie Versicherungsnehmer bei fehlerhafter Beratung entschädigen können. Bei gebundenen Vermittlern ist das nicht nötig, weil die Versicherer für Fehler einstehen müssen. Verwaltet der ungebundene Vermittler auch Kundengelder, fordert die Empfehlung zudem ein Mindesteigenkapital. bb) Registrierungszwang und Eingriffsbefugnisse Vermittler, die die Zulassungsbedingungen erfüllen, sollen getrennt nach den Kategorien gebunden (abhängig) und ungebunden (unabhängig) in einem zentralen Register erfaßt werden. Vermittlertätigkeit ohne Registrierung soll strafbar sein. Den Vermittlern wird empfohlen, ihre Registrierung gegenüber dem Kunden nachzuweisen, zum Beispiel mit einem Ausweis oder auf ihren Briefbögen. Das Register kann von einer staatlichen Stelle, etwa der Aufsichts-behörde, oder einer berufsständischen Organisation geführt werden. Beratungsfeh1er der Vermittler sollen bestraft werden. Die Strafe kann auch in der Löschung aus dem Register bestehen. Eine geschützte Berufsbezeichnung für Vermittler verlangt die Empfehlung nicht. cc) Einheitliche Zulassung Die EU-Richtlinien sehen für Versicherungsvermittler keine einheitliche Zulassung zum Geschäftsbetrieb in allen Mitgliedstaaten vor. Die Vermittler müssen in jedem Land vor Aufnahme des Geschäfts eine Zulassung beantragen. Die Richtlinie zu den Versicherungsvermittlern von 1976 sagt nur, daß das Tätigkeitsland die beruflichen Erfahrungen und fachlichen Kenntnisse, die der Vermittler in seinem Herkunftsland erworben hat, anerkennen muß263 .

263 Richtlinie des Rates 77/92fEWG vom 13. Dezember 1976 über Maßnahmen zur Erleichtenmg der tatsächlichen Ausübung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die Tätigkeiten des Versichenmgsagenten und des Versi-

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C. Regu1ienmgssystem der EU-Richtlinien und in Deutschland

c) Bestimmungen des VAG

Die gebundenen Versicherungsvermittler sind wirtschaftlich Teil des Versicherers und werden daher zusammen mit diesem beaufsichtigt. Da sie kein Risiko übernehmen, unterliegen sie weder der Zulassungspflicht noch der laufenden Aufsiche 64 . Das BAV kann aber mittelbar gegen Mißstände in der Versicherungsvermittlung vorgehen. So kann es andere Behörden oder die Verbände auf Mißstände aufmerksam machen oder dem Versicherer Anordnungen geben, insbesondere bei der Auswahl, Einstellung oder Überwachung der Vermittler. Nach einem Rundschreiben des BAV darf beispielsweise ein Agenturvertrag erst abgeschlossen werden, wenn der Versicherer sich von der Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit des Vermittlers überzeugt hat. Der Versicherer muß ein Führungszeugnis und eine Auskunft beim Auskunftsdienst über den Versicherungsaußendienst (AVAD) einholen265 . Ungebundene Versicherungsvermittler (mit Ausnahme der Versicherungsberater) unterliegen ebenfalls nicht der Zulassungspflicht und der laufenden Aufsicht des BAV. Da sie nicht in einer vertraglichen Beziehung zum Versicherer stehen, ist auch die mittelbare Aufsicht nur beschränkt möglich. Deutsche Versicherungsvermittler, die in anderen Mitgliedstaaten Geschäfte betreiben wollen, erhalten die nach der Vermittlerrichtlinie erforderlichen Tätigkeitsnachweise von der zuständigen Industrie- und Handelskammer sowie den Nachweis der Zuverlässigkeit und Konkursfreiheit vom Bundeszentralregistei66 . Für ausländische Vermittler, die im deutschen Markt im Wege des Dienstleistungsverkehrs oder über eine Niederlassung tätig werden wollen, geltend die Bestimmungen für inländische Vermittler entsprechend. Im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Richtlinie wurde die Notwendigkeit einer umfassenden staatlichen Regulierung der Versicherungsvermittler eingehend diskutiert. Herausgekommen ist eine Branchenlösung, die gewisse persönliche und fachliche Mindestanforderungen an die Vermittler stellt. Die Bundesregierung hat es bislang abgelehnt, die Branchenlösung gesetzlich zu flankieren. Einzelheiten werden in Kapitel D.Il. besprochen.

cherungsmak1ers (aus ISIC-Gruppe 630), insbesondere Übergangsmaßnahmen für solche Tätigkeiten, AbI. der EG Nr. L 26, 31. Januar 1977, S. 14-19. 264 o.v.: Dienstleistungsfreiheit für Versicherungsvermittler, in: VW 1994, S. 314. 265 Schmidt, R. / Frey, P.: Prö1ss Versichenmgsaufsichtsgesetz, 9. Auflage, München 1983, S. 135-142. 266 Schmidt, R. / Frey, P.: Prölss Versicherungsaufsichtsgesetz, 9. Auflage, München 1983, S. 136.

VI. Flankierende Maßnahmen

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VI. Flankierende Maßnahmen 1. Wettbewerbs recht

a) Grundlagen

Das Wettbewerbsrecht ist Teil der rechtlichen Grundlegung einer Marktwirtschaft, das heißt der Wirtschaftsverfassung, die den Wettbewerb ordnet und mitsteuert. Aufgabe des Wettbewerbsrechts ist es, den Wettbewerb dort, wo er Garant für Leistungsfähigkeit und allgemeine Wohlfahrtsforderung ist, zu erhalten und strukturell zu sichern267 . Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß Wettbewerb sich nicht von selbst erhält. Nach den Auswirkungen auf die Wirtschaftsstufe können drei Arten von Wettbewerbsbeschränkungen unterschieden werden268 : - Horizontale Wettbewerbsbeschränkungen zwischen Unternehmen der gleichen Wirtschaftsstufe; - vertikale Wettbewerbsbeschränkungen zwischen Unternehmen vor- oder nachgelagerter Wirtschaftsstufen; - diagonale Wettbewerbsbeschränkungen zwischen Unternehmen, die nicht auf dem gleichen relevanten Markt tätig sind. Nach den Ursachen können folgende Wettbewerbsbeschränkungen unterschieden werden: - Verhandlungsstrategie bedeutet eine Beschränkung der Handlungsfreiheit rechtlich selbständiger Unternehmen durch einen Vertrag, Beschluß oder aufeinander abgestimmtes Verhalten. Die wichtigsten Formen der Verhandlungsstrategie sind Kartelle aller Art (Preis, Konditionen, Mengen, Produktion) sowie vertikale Preisbindungen und Preisempfehlungen. Im Versicherungsbereich spielen vor allem Vereinbarungen eine Rolle, die die Prämien, die Versicherungsbedingungen (Konditionen) und die Vergütungen der Versicherungsvermittler betreffen oder die gemeinsame Deckung von Risiken im Rahmen von Rück- und Mitversicherungspools regeln. Die wettbewerbspolitische Beurteilung von Kartellen ist überwiegend negativ. Führt ein Kartell zu Kosten- und Preiserhöhungen, dann drücken die Kartellpreise nicht mehr die relativen Knappheitsverhältnisse aus und können zu Fehlallokationen führen. Auch mindern Preiskartelle die Anpas267 Bechthold, R.: Kartellgesetz: Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränlomgen, Kommentar, München 1993, S. 9. 268 Schmidt, 1.: Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 4. Auflage, Stuttgart, Jena, NewYork 1993, S. 107.

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C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien Wld in Deutschland

sungsfähigkeit der Produkte und Kapazitäten an veränderte Bedingungen. Preiskartelle behindern zudem den technischen Fortschritt, insbesondere wenn sie in reifen und stagnierenden Märkten zustande kommen. Mit Preiskartellen sind meist Mengenkartelle verbunden, die die Absatzmenge (eines Marktes) auf die Kartellmitglieder verteilen, um einen Preisdruck zu verhindern und eine gleichmäßige Auslastung der Kapazitäten zu sichern. Konditionenkartelle sind wettbewerbspolitisch zweischneidig, weil sie den Wettbewerb mit anderen Aktionsparametern transparenter machen können, vor allem den Preiswettbewerb. - Behinderungsstrategie bedeutet eine rechtliche Beschränkung der Handlungsfreiheit eines Mitwettbewerbers durch Verträge oder faktisches Marktverhalten. Die wichtigsten Formen der Behinderungsstrategie sind Boykott und Lieferverweigerungen, Preisdifferenzierungen und Preisdiskriminierungen sowie Ausschließlichkeits- und Koppelungsbindungen269 . - Konzentrationsstrategie bedeutet eine mittelbare Beschränkung der Handlungsfreiheit, weil sich die Zahl der Wettbewerber vermindert. Nach Untersuchungen der EU-Kommission lagen die Motive für Konzentrationen (externes Wachstum) in den Jahren 1990/91 vor allem in der Stärkung der Machtposition (35 Prozent der Zusammenschlüsse), der Expansion (20 Prozent) und der Restrukturierung (10 Prozenti70 . Horizontale Zusammenschlüsse können zu Skalenerträgen führen, sie können aber bei Überschreiten der optimalen Betriebs- und Unternehmensgröße auch negative Effekte auslösen271 . Aus wettbewerbstheoretischer Sicht erleichtert die zunehmende horizontale Konzentration eines Marktes die Verhaltenskoordinierung der Unternehmen, wodurch etwa der Preiswettbewerb beschränkt werden kann. Dies wiederum kann zu überhöhten Preisen und Gewinnen sowie höheren Kosten aufgrund von Ineffizienzen führen und den Wettbewerb vom Preis- auf den Nicht-Preis-Wettbewerb verlagern. Vertikale Zusammenschlüsse können die Transaktionskosten mindern und die Bezugs- oder Absatzwege sichern. Allerdings entstehen auch zusätzliche Koordinationskosten. Aus wettbewerbspolitischer Sicht ist es bedenklich, wenn ein Unternehmen seine starke Marktstellung auf vor- oder nachgela269 Auf eine wettbewerbspolitische BeurteilWlg der Behindenmgsstrategien wird verzichtet, weil sie bei Versichenmgen eine Wltergeordnete Rolle spielen, vgl. dazu Schmidt, I.: Wettbewerbs- Wld Kartellrecht, 4. Auflage, Stuttgart, Jena, New York 1993, S. 115-122. 210 Europäische Kommission (Hg.): 21. Bericht über die Wettbewerbspolitik, BTÜSsei, Luxemburg 1992, S. 437. 211 Schmidt, I.: Wettbewerbs- Wld Kartellrecht, 4. Auflage, Stuttgart, Jena, New York 1993, S. 127.

VI. Flankierende Maßnahmen

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gerte Märkte ausweitet und damit (nicht integrierte) Wettbewerber behindert oder aus dem Markt drängt beziehungsweise den Marktzugang für andere Unternehmen erschwert. Diagonale oder konglomerate Zusammenschlüsse schließlich erfolgen meist zwecks Diversifikation (Risikostreuung) und Erzielung von Verbundvorteilen (economies of scope), die allerdings (zumindest teilweise) durch Koordinierungskosten kompensiert werden. Die wettbewerbspolitische Gefahr besteht darin, daß diversifizierte Unternehmen eine strategische Überlegenheit erlangen können verbunden mit Marktmacht und der Möglichkeit der politischen Einflußnahme (too big to fail). b) Bestimmungen der Richtlinien und Verordnungen 272

Nach Artikel 3g des EU-Vertrags gehört es zu den Aufgaben der Union, ein System zu schaffen, das den Wettbewerb schützt. Die neuen Wettbewerbsmöglichkeiten des Binnenmarktes sollen nicht privat beeinträchtigt oder hoheitlich verfaIscht werden, etwa durch Vereinbarungen zwischen den Marktteilnehmern, den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung oder staatliche Subventionen (oder Beihilfen). Der EU-Vertrag enthält in den Artikeln 85 bis 94273 und den auf dieser Grundlage erlassenen Verordnungen sowie den Entscheidungen der EUKommission und des EuGH ein umfassendes Wettbewerbsrecht. Artikel 85 EU-Vertrag verbietet Vereinbarungen, Beschlüsse und abgestimmte Verhaltensweisen, die den Wettbewerb verhindern, beschränken oder verfaIschen, wenn sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Im Unterschied zum GWB unterscheidet Artikel 85 nicht zwischen horizontalen und vertikalen Beschränkungen, sondern erfaßt alle Vereinbarungen. Außerdem baut Artikel 85 noch entschiedener auf dem Verbotsprinzip auf als das GWB. Artikel 85 Abs. 3 sieht die Möglichkeit vor, Kartelle auf Antrag im Einzelfall freizustellen oder eine sogenannte Gruppenfreistellungsverordnung zu erlassen. Eine Freistellung setzt voraus, daß die wirtschaftlichen Vorteile des Kartells überwiegen und ein angemessener Wettbewerb bestehen bleibt. 274 .

272 Berücksichtigt wird auch die Entscheidungspraxis der EU-Kommission und des EuGH. 273 Artikel 90 regelt öffentliche und rnonopo1artige Unternehmen. Er ist für den Versicherungsbereich ohne Belang. 274 Kartte, W.: Kartelle, in: HWB, hrsg. von Waldemar Wittrnann, Werner Kern u.a., 5. Auflage, Stuttgart 1993, Sp. 2138.

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Artikel 86 EU-Vertrag verbietet den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Das Mißbrauchsverbot gilt anders als das des GWB unmittelbar, das heißt es muß keine Verbotsentscheidung vorausgehen. Der Mißbrauch ist mit zivil- und bußgeldrechtlichen Sanktionen versehen. Seit 1990 ist die Kommission auch für die Kontrolle von Zusammenschlüssen mit gemeinschaftsweiten Bedeutung zuständig. Artikel 92 schließlich untersagt es den Mitgliedstaaten, bestimmten Unternehmen oder Wirtschaftszweigen staatliche Beihilfen zu gewähren, wenn diese den Wettbewerb verfälschen und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. aa) Kartellverbot des EU-Vertrags und Gruppenfreistellungsverordnung 1987 stellte der EuGH im sogenannten Feuerversicherungsfall (Kommission gegen den deutschen Verband der Sachversicherer e.Y.) fest, daß das Kartellverbot des EU-Vertrags auch im Versicherungsbereich uneingeschränkt gilt. Es erklärte daher die vom Verband ausgegebenen Empfehlungen für Bruttoprämien (-erhöhungen), die von allen Versicherern befolgt wurden, für UßZUlässigm . Nach diesem Urteil gingen bei der Europäischen Kommission über 300 Anmeldungen von Vereinbarungen zwischen Versicherern aus allen EUMärkten ein276 . Sie betrafen vorwiegend Musterbedingungen, die den Versicherungsverträgen zugrunde gelegt oder bei der Zusammenarbeit zwischen Versicherern regelmäßig und häufig verwendet werden. Die Kommission gelangte zu der Auffassung, daß viele dieser (besonders oft vorkommenden) Vereinbarungen die Voraussetzungen für eine generelle Freistellung vom Kartellverbot erfüllen. Nach intensiven Beratungen mit den Mitgliedstaaten, den Versicherern, den Verbraucherverbänden und den Unternehmensverbänden schlug sie eine sogenannte Gruppenfreistellungsverordnung vor. Sie wurde im Mai 1991 vom Ministerrat verabschiedef 77 . Die Ausführungsverordnung, die die Voraussetzungen für die Freistellung im einzelnen regelt, legte die Kom275 Commission Decision 85/75/EEC of 5 December 1984 relating to a proceeding under Article 85 ofthe EEC Treaty (lV/30-307), in: O. 1. L 35, 7. Februar 1985, S. 2034; Case 45/85 Verband der Sachversicherer e.v. v EC Commission, in: Sammlung 1987, S. 405,447. 276 Büchner, G.: Die Versichenmgswirtschaft in der Wettbewerbsordnung, in: VW 1988, S. 398-399. 271 Verordnung (EWG) Nr. 1534/91 des Rates vom 31. Mai 1991 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf bestimmte Gruppen von Vereinbanmgen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Bereich der Versichenmgswirtschaft, AbI. der EG Nr. L 398, 31. Dezember 1992, S. 7-14.

VI. Flankierende Maßnahmen

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mission Ende 1992 vor278 . Der Aufbau der Ausführungsverordnung entspricht dem üblichen Schema. Zunächst werden die Sach-verhalte aufgeführt, auf die sich die Freistellung bezieht. Dann werden für jeden dieser Sachverhalte die (positiven) Voraussetzungen genannt, die erfüllt sein müssen, um die FreisteIlung zu erhalten und die (negativen) Bedingungen, bei deren Vorliegen eine Freistellung nicht gewährt wird. Insbesondere nennt eine "schwarze Liste" solche Klauseln, bei deren Vorliegen eine empfohlenes Bedingungswerk nicht freigestellt wird279 . Die Gruppenfreistellungsverordnung soll den Versicherern eine vernünftige Zusammenarbeit ermöglichen, gleichzeitig aber die Wahlfreiheit der Versicherungsnehmer erhalten28o . Verbraucherverbände sehen die Verordnung kritisch. Sie befürchten, daß sie der Branche Tür und Tor für Absprachen öffnet und die staatliche durch eine privatrechtliche Regulierung abgelöst wird281 . Im einzelnen nimmt die Gruppenfreistellungsverordnung folgende Vereinbarungen zwischen Versicherern oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen vom Kartellverbot aus282 : Die Versicherer oder ihre Verbände dürfen gemeinsame Schadenstatistiken mit Angaben zur Schadenhöhe und -häufigkeit für die einzelnen Versiche278 Verordnung (EWG) Nr. 3932 der Kommission vom 21. Dezember 1992 über die Anwendung von Artike185 Absatz 3 EWG-Vertrag auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Bereich der Versicherungswirtschaft, AbI. der EG Nr. L 398, 31. Dezember 1992, S. 714. 279 Büchner, G.: Die GruppenfreisteIlungen der EG-Kommission im Versicherungsbereich - insbesondere die Tatbestandsgruppe der ,,Muster allgemeiner Versicherungsbedingungen", in: Dieter Farny und die Versicherungswissenschaft, hrsg. von Robert Schwebler und den Mitgliedern des Vorstands des deutschen Vereins für Versieherungswissenschaft, Karlsruhe 1994, S. 48-49. 280 Fitzsimmons, A.: EEC Insurance Anti-trust Law, London 1994 (nicht veröffentlicht); Büchner, G.: Die GruppenfreisteIlungen der EG-Kommission im Versieherungsbereich - insbesondere die Tatbestandsgruppe der ,,Muster allgemeiner Versieherungsbedingungen", in: Dieter Farny und die Versicherungswissenschaft, hrsg. von Robert Schwebler und den Mitgliedern des Vorstands des deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft, Karlsruhe 1994, S. 46-47; Working document for the governmental experts from the Member States of the EC in the matter of competition law on group exemptions in the insurance sector, Brüsse11989, S. 2-3 (nicht veröffentlicht). 281 o.V: ,,EG-Kommission öfihet Tür und Tor für Kartelle", in: HB vom 11. Mai 1992. S. 15. 282 Einen Überblick über die bisherigen Entscheidungen der Europäischen Kommission und die Urteile des EuGH in Wettbewerbsfiillen im Versicherungsbereich gibt Brealey, M.: ESC 11th Intemational Anti-Trust Conference, Financial Services, London 1992 (nicht veröffentlicht); Schweizer Rück (Hg.): Wettbewerbsrecht - Zunehmende Bedeutung für die Assekuranz, in: Wirtschaftsstudien, Heft 5/1992, S. 12-16.

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rungszweige erstellen und auswerten und daraus Empfehlungen für Risikoprämien (oder Nettoprämien) ableiten. Dies entspricht der Entscheidungspraxis der EU-Kommission in den Fällen Nuovo CEGAM283 und Feuerversicherung284 . Die Kommission erkennt damit an, daß überbetriebliche Schadenstatistiken eine wichtige Voraussetzung für die Schätzung der Schadenerwartungswerte sind. Die Statistiken dürfen aber keine Angaben (beziehungsweise Erfahrungswerte) von einzelnen Versicherern enthalten. Nicht zulässig sind Vereinbarungen oder Empfehlungen über Bruttoprämien, die neben der Risikoprämie andere Bestandteile der Prämie einschließen, vor allem die Sicherheits- oder Betriebskostenzuschläge. Diese Einschränkung wurde vom EuGH im Feuerversicherungsfall ausdrücklich gebilligt. Die einzelnen Empfehlungen oder Vereinbarungen müssen unverbindlich sein. Es muß dem Versicherer freistehen, von den empfohlenen Prämien abzuweichen. Verbindliche Sanierungskartelle sind verboten, auch wenn sie den Markt stabilisieren würden. Die Gruppenfreistellungsverordnung läßt ferner unverbindliche Vereinbarungen oder Empfehlungen über Musterbedingungen und Beispielrechnungen zu. Die Kommission ist der Auffassung, daß Musterbedingungen ,,günstige Auswirkungen" haben, weil sie Preis-Leistungs-Vergleiche ermöglichen und auf diese Weise die Markttransparenz für die Nachfrager verbessernzss . Die Kommission möchte aber sicherstellen, daß die einzelnen Versicherer von den Musterbedingungen abweichen dürfen, um vor allem die Bedürfnisse der einzelnen Nachfrager berücksichtigen zu können. Die Musterbedingungen müssen daher ausdrücklich vermerken, daß auch zu anderen Bedingungen abgeschlossen werden kann. Systematische Ausschlüsse, auch von Naturkatastrophen und Nuklearunfällen, sind nur gestattet, wenn auf mögliche Sondervereinbarungen hingewiesen wird. Nicht gestattet sind ferner Vertragsklauseln, die den Versicherungsnehmer zu stark binden, vor allem durch Vertragslauf283 In Nuovo CEGAM führte die Kommission folgendes aus: ,,Der Nettoprämientarif (gemeint sind die Risikoprämien) werden zwar von den Konsortialorganen festgelegt, sonstige Zuschläge bleiben aber Wlberührt. Eine solche RegelWlg kann als annehmbar angesehen werden, wenn sie die Unternehmen des Konsortiums nicht daran hindert, die Bruttoprämie [... ] selbständig festzulegen", vgI. Nuovo CEGAM, EntscheidWlg vom 30. März 1984, AbI. der EG Nr. L 99, 11. April 1984. 284 Case 45/85 Verband der Sachversicherer e.v. v EC Commission, in: SammlWlg 1987, S. 405. 285 So führte die Kommission beispielsweise in Concordo Incendio folgendes aus: ,,Durch die Standardbedingwtgen wird den Verbrauchern der Vergleich zwischen den von den verschiedenen Versichenmgsgesellschaften angebotenen Konditionen erleichtert [.. .]. Dank der Nettoprämien Wld der Standardbedingwtgen können die Verbraucher vergleichen Wld wählen", vgI. Concordato Incendio, EntscheidWlg vom 20. Dezember 1989, AbI. der EG Nr. L 15, 19. Januar 1990.

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zeiten von mehr als drei Jahren oder durch Prämienanpasssungsklauseln, wenn dem Versicherungsnehmer nicht gleichzeitig ein Kündigungsrecht zusteht. In der Lebensversicherung sind gemeinsame Beispielrechnungen über die Überschußbeteiligung der Versicherungsnehmer zulässig. Sie dürfen aber nicht auf einheitlichen Rechnungszinsen oder Kostensätzen beruhen. Vereinbarungen über Mitversicherungs- oder Rückversicherungspools sind ebenfalls unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Nach Auffassung der Europäischen Kommission eröffnen sie Anbietern den Zugang zu Märkten, in denen sie aufgrund ungenügender Kapitalausstattung oder fehlenden Knowhows allein nicht tätig sein könnten. Pools machen zudem Versicherungsschutz in neuen, verlustbringenden oder sehr risikoreichen Versicherungszweigen häufig überhaupt erst möglich und sind daher auch volkswirtschaftlich zu begrüßen286 . Die Versicherer dürfen Vereinbarungen über die Art der Risiken, die Kriterien für die Aufnahme anderer Versicherer und die Kündigungsmodalitäten treffen. Bei der gemeinsamen Rückversicherung dürfen außerdem die Selbstbehalte der Mitglieder und die Rückversicherungsprämien festgelegt werden. Die Aufnahmekriterien sollen möglichst objektiv sein, so daß andere Interessenten dem Pool beitreten können. Außerdem müssen die Mitglieder berechtigt sein, die Poolvereinbarung mit einer Frist von sechs Monaten zu kündigen. Eine Freistellung ist nicht möglich, wenn der Marktanteil der beteiligten Versicherer bei der Mitversicherung über 10 Prozent und bei der Rückversicherung über 15 Prozent liegt. Vereinbarungen sind auch bei der gemeinsamen Schadenabwicklung, der Prüfung und Anerkennung von Sicherheitsvorkehrungen und Erstellung von Verzeichnissen über erhöhte Risiken zur Betrugsverhinderung zulässig. Auf Vereinbarungen über Höchstprovision an Vermittler wurde bereits eingegangen287 .

286 Famy, D.: Die Versichenmgsmärkte - Eine Studie über die Versichenmgsmarkttheorie, Berlin 1961, S. 56-57; siehe Entscheidung der Kommission im Fall Assurpol, einem Rückversichenmgspool für die Rückversichenmg von Umwelthaftpflichtrisiken, vgI. Assurpol, Entscheidung vom 14. Januar 1992, AbI. der EG Nr. L 37, 14. Februar 1992. 281 Commission Notice 97/C120/05 pursuant to Artic1e 13 (3) ofCouncil Regulation No. 17/62 conceming ca se IV/31.822 - Insurance Intermediaries, 0.1. Nr. C 120,6. Mai 1987.

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C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien und in Deutschland

Die Verletzung des Kartellverbots kann folgende Konsequenzen haben: - Geldstrafen von bis zu zehn Prozent des Vorjahresumsatzes. Nach anfänglicher Zurückhaltung nutzt die EU-Kommission jetzt ihre Kompetenzen. Die höchste bislang verhängte Strafe betrug 50 Mio. britische Pfund. - Zivilrechtliche Konsequenzen, nach denen die Vereinbarungen nichtig sein können. Im Einzelfall richtet sich das nach den Bestimmungen der Mitgliedstaaten. - Schadenersatzpflicht gegenüber betroffenen Dritten, vor allem Zulieferern, Abnehmern und Konkurrenten. bb) Fusionskontrolle Für Versicherungen ist neben dem Kartellverbot die EU-Verordnung über die Fusionskontrolle wichtig288 . Die Verordnung gilt für Zusammenschlüsse mit gemeinschaftsweiter Bedeutung. Sie ist gegeben, wenn die Bruttoprämienerträge der beteiligten Versicherer bei mehr als fünf Milliarden ECU liegen, mindestens zwei der beteiligten Versicherer in der EU Bruttoprämienerträge von mehr als 250 Mio. ECU erwirtschaften und mindestens ein beteiligter Versicherer weniger als 2/3 seiner auf die EU entfallenden Bruttoprämienerträge in ein und demselben EU-Mitgliedstaat erzielf89 . Zusammenschlüsse mit gemeinschaftsweiter Bedeutung müssen bei der Kommission angemeldet werden. Eine gleichzeitige Meldung bei der nationalen Kartellbehörde ist nicht nötig. Die Kommission untersagt einen Zusammenschluß, wenn er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt und dadurch den Wettbewerb behindert. Bei den bislang entschiedenen Zusammenschlüssen im Versicherungsbereich - sie wurden ausnahmslos ohne Auflagen genehmigt290 betonte die Kommission vor allem die geringe Konzentration des europäischen Versicherungsmarktes. Das heißt aber nicht, daß Zusammenschlüsse von Ver288 Kirchhoff, W.: Europäische Fusionskontrolle, in: BB, Beilage 14 zu Heft 1111990; Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, AbI. der EG Nr. L 395, 30. Dezember 1989, S. 1-12. 289 Die EU-Kommission beabsichtigt, die Schwellenwerte deutlich zu senken. Der Gesamtumsatz soll auf 3 Mrd. Ecu und der in der EU erzielte Umsatz auf 100 Mio. ECU reduziert werden. Dies hätte zur Folge, daß alle großen und mittleren Zusammenschlüsse von der Kommission entschieden werden, die Zuständigkeit der nationalen Kartellbehörden würde sich dann auf kleinere Zusammenschlüsse beschränken. 290 Probleme wären allerdings bei der Übernahme des Erstversichenmgsgeschäfts der Schweizer Rückversichenmg durch die Allianz entstanden, wenn sich die Allianz nicht bereit erklärt hätte, die Anteile an der Vereinten Versichenmg an einen Dritten zu veräußern.

VI. Flankierende Maßnahmen

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sicherem mit gemeinschaftsweiter Bedeutung grundsätzlich genehmigt werden. Ein Zusammenschluß kann auch dann untersagt werden, wenn er den Wettbewerb in einem Teilmarkt der EU behindert, etwa in einem nationalen Versicherungsmarkt oder in einem bestimmten Versicherungszweig. Die A~ grenzung des relevanten Teilmarktes ist schwierig. Das Bundeskartellamt zum Beispiel vertritt die Auffassung, daß das Binnenmarktprogramm nicht in jedem Wirtschaftszweig (automatisch) einen europäischen (Binnen-)Markt geschaffen hat. Über den relevanten Markt muß daher im Einzelfall entschieden werden. Dies belegen auch Entscheidungen der EU-Kommission291 . Im Fall UAPrrransatlantic/Sun Life292 wies die Kommission daraufhin, daß der relevante geographische Markt im Geschäft mit Privatkunden nicht der gesamte EU-Markt ist, sondern der jeweilige nationale Markt. Sie begründete das damit, daß die nationalen Versicherungsmärkte wegen der Unterschiede in der Regulierung und Besteuerung der Versicherer, im Vertrieb der Versicherungsprodukte, in der Einstellung der Verbraucher und in den Sozialversicherungssystemen im wesentlichen noch bestehen. In der Rückversicherung geht die EU-Kommission dagegen von einem internationalen, weltweiten Markt aus. Entsprechend sieht sie den relevanten Markt für Zwecke der Fusionskontrolle im EU_Markf 93 . Unklar und bislang nicht entschieden ist die Behandlung des Marktes beziehungsweise des Geschäfts mit industriellen und gewerblichen Kunden. Die Kommission unterstellt offenbar, daß hier durch die Liberalisierung Schritt für Schritt ein EU-Markt entstehen wird, der dann der relevante Markt sein wird. Den relevanten Produktmarkt hat die Kommission bisher ebenfalls nicht klar umrissen. Sie deutete im Fall UAPrrransatlantic/Sun Life lediglich an, daß es so viele Produktmärkte wie Versicherungszweige gibt oder geben kann294 , daß 291 Bael, 1., van 1 Bellis, J.-F.: Competition Law ofthe EEC, 2. Auflage, Oxfordshire 1990, S. 40; Emmerich, Y.: Fusionskontrolle 1988/89, in: Die Aktiengesellschaft 1989,S. 372. 292 UAPlTransatlantic/Sun Life (Case No. NIM141), in: EEC Merger Control Reporter, hrsg. von Gerwin van Gerven und Stephen Kinsella, Deventer, Boston, 1991, S. 485-492; davor bereits bei AG/AMEV (Case No. NIM018), in: EEC Merger Control Reporter, hrsg. von Gerwin van Gerven und Stephen Kinsella, Deventer, Boston, 1991, S.13. 293 ,,Der Markt fiir Rückversicherungen kann als weltweit betrachtet werden [... ]. Alle anderen Versicherungsmärkte werden als nationale Märkte angesehen [.. .]. Dies gilt insbesondere fiir Versicherungen, die an Privatkunden verkauft werden", vgl. Schweizer RücktELVIA (Case No. NIM 183), in: EEC Merger Control Reporter, hrsg. von Gerwin van Gerven und Stephen Kinsella, Deventer, Boston, 1991, S. 638. 294 ERCINRG Victory (Case No. NIM 433), in: EEC Merger Control Reporter, hrsg. von Gerwin van Gerven und Stephen Kinsella, Deventer, Boston, 1991, S. 1437-1440.

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C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien und in Deutschland

also mindestens zwischen Lebensversicherungen, den verschiedenen Schadenund Unfallversicherungen (genannt wurden bislang Feuer, Unfall, Kranken USw.) sowie der Rückversicherungm unterschieden werden muß. Offen ist, ob die Kommission auch bei der Abgrenzung des relevanten Produktmarktes zwischen den verschiedenen Kundentypen unterscheiden und ob und inwieweit sie den Markt für Lebensversicherungen mit dem (gleicher oder vergleichbarer) Bankprodukte zusammenfassen wird. Auch für die Definition einer marktbeherrschenden Stellung gibt es bislang nur Anhaltspunkte. Wichtigstes Kriterium ist für die Kommission der Marktanteil der beteiligten Unternehmen nach dem Zusammenschluß. In einigen Fällen hat die Kommission Marktanteile von über 25 Prozent für unbedenklich erachtet296 . Sie bezieht in ihre Betrachtungen vor allem die Marktstruktur ein, insbesondere die Konkurrenzsituation, gemessen beispielsweise an der Konzentration der Märkte. cc) Verbot staatlicher Beihilfen Staatliche Beihilfen an bestimmte Unternehmen oder Wirtschaftszweige sind nach Artikel 92 Abs. 1 EU-Vertrag verboten, wenn sie den Wettbewerb im Binnenmarkt verfälschen. Der Begriff der staatlichen Beihilfe erfaßt nicht nur unmittelbare finanzielle Zuwendungen, sondern auch die Befreiung von Abgaben, Zinszuschüsse, Übernahme von Bürgschaften zu nicht marktgerechten Bedingungen, die unentgeltliche oder besonders preiswerte Überlassung von Gebäuden und Grundstücken, den Erlaß von Verbindlichkeiten oder die Übernahme von Verlusten. In einem Verfahren nach Artikel 93 Abs. 1 EU-Vertrag kann die EU-Kommission einzelne Beihilfen vom Verbot freistellen. In dem ersten Fall staatlicher Beihilfen 1994 im Bankenbereich ging es um die spanische Bank Banesto. Die Kommission genehmigte den Sanierungsplan, weil sich andere Banken an der Finanzierung beteiligten und eine rasche Gesundung von Banesto in Aussicht stand297 . Die Kommission betonte in ihrer Begründung die Verantwortung der nationalen Aufsichtsbehörden (einschließlich der Notenbank) für die Stabilität des Bankwesens. Der zweite Fall betraf den französischen Credit Lyonnais. Der Credit Lyonnais übertrug Ver295 WinterthurlDBV (Case No. lVlM 429), in: EEC Merger Control Reporter, hrsg. von Gerwin van Gerven und Stephen Kinsella, Deventer, Boston, 1991, S. 1442. 296 AG/AMEV (Case No. lVIM018), in: EEC Merger Contro1 Reporter, hrsg. von Gerwin van Gerven und Stephen Kinsella, Deventer, Boston, 1991, S. 15. 291 Europäische Kommission (Hg.): 21. Bericht über die Wettbewerbspolitik, BrüsseI, Luxemburg 1992.

VI. Flankierende Maßnahmen

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mögenswerte mit einem Buchwert von rund 190 Mrd. FF und Schulden mit einem Buchwert von 50 Mrd. FF auf eine staatliche Auffanggesellschaft. Die drohenden Verluste, vor allem aus notleidenden Immobilienfinanzierungen, sollen (teilweise) durch Veräußerung von Beteiligungen der Credit Lyonnais (vor allem im europäischen Ausland) gedeckt werden. Die Kommission hat erklärt, daß sie staatliche Beihilfen im Bankenbereich nicht beanstanden wird, wenn sie erforderlich sind, um eine allgemeine Krise (systemic crisis) abzuwenden und das Vertrauen der Öffentlichkeit wieder herzustellen. Kritischer sieht die Kommission dagegen staatliche Beihilfen an einzelne Banken, die beispielsweise aufgrund von Managementfehlern in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind. In solchen Fällen bevorzugt die Kommission eine (ganze oder teilweise) Übernahme oder Liquidation, wobei vor allem die Kleinanieger geschützt werden sollen298 . Im Versicherungsbereich steht in kürze die erste Entscheidung der Kommission an. Betroffen ist die französische Groupe des Assurances Nationales, die im Geschäftsjahr 1994 einen Fehlbetrag von 5,3 Mrd. FF erwirtschaftet hat. Die französische Staat beabsichtigt, der Groupe des Assurances Nationales Mittel von rund 2,8 Mrd. FF zuführen, unter anderem durch Übertragung von im Staatsbesitz befindlichen Aktien299 .

c) Bestimmungen des GWB Das Kartellgesetz enthält ein Verbot von beziehungsweise eine Mißbrauchsaufsicht über horizontale und vertikale wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen300 , ein Verbot des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung301 und eine Kontrolle - und bei Entstehung oder Verstärkung einer marktberrsehenden Stellung - ein Verbot von Zusammenschlüssen302 •

§ 102 GWB stellt Versicherer in den Bereichen, in denen sie der Aufsicht durch das BAV unterliegen, vom Kartellverbot frei, unterwirft sie aber einer kartell rechtlichen Mißbrauchsaufsicht. Kartelle müssen seit der Fünften GWBNovelle 1989 bei der Kartellbehörde angemeldet werden. Sie werden erst wirksam, wenn die Kartellbehörde nicht binnen drei Monaten widerspricht. In 290 Europäische Kommission (Hg.): 21. Bericht über die Wettbewerbspolitik, Brüssei, Luxemburg 1992. 299 o.V: Die französischen Versicherungen wachsen bei schmalen Erträgen, in: FAZ vom 10. Juli 1995, S. 14. 300 §§ 1-21 GWB. 301 § 22GWB. 302 §§ 23-24c GWB.

13 Rabe

194

C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien tmd in Deutschland

der Anmeldung muß dargelegt werden, daß die Kartelle ,,im Zusammenhang mit Tatbeständen stehen, die aufgrund eines Gesetzes der Genehmigung oder Überwachung durch das BAV unterliegen und geeignet und förderlich sind, die Leistungsfähigkeit der beteiligten Versicherer in technischer, betriebswirtschaftlicher oder organisatorischer Beziehung [... ] insbesondere durch zwischenbetriebliche Vereinbarungen oder durch Vereinheitlichung von Vertragsbedingungen zu heben oder zu erhalten und dadurch die Befriedigung des Bedarfs zu verbessern,,303 . Nach der Rechtsprechung des EuGH gehen Artikel 85 und 86 EU-Vertrag dem nationalen Recht (also dem GWB) vor. Dies bedeutet allerdings nicht, daß auf denselben Sachverhalt deutsches und europäisches Kartellrecht nicht nebeneinander angewendet werden dürfen. Nur bei Konflikten setzt sich aufgrund der Vorrangsregel das europäische Kartellrecht durch. Das heißt beispielsweise, daß die Kartellbehörde eine nach Artikel 85 Absatz 3 von der EUKommission freigestellte Vereinbarung nicht verbieten kann. 2. Allgemeines Verbraucherschutzrecht

Es gibt mehrere EU-Richtlinien mit Bestimmungen zum Verbraucherschutz, die auch für Versicherungen gelten. Besonders wichtig ist die Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen. Sie ist das Pendant zum deutschen AGB-Gesetz 304 . Zu nennen sind ferner die Richtlinien zur Werbung, zum Fernabsatz und zu Haustürgeschäften30~. 3. Öffentliches Auftragswesen

Im öffentlichen Beschaffungswesen bestehen in der EU erhebliche Hemmnisse. Nach Berechnungen der Kommission werden zum Beispiel in Deutschland nur rund vier Prozent des öffentlichen Auftragsvolumens an ausländische Unternehmen vergeben. Im Vereinigten Königreich sind es sogar nur 0,56 Prozent. Das jährliche Volumen aller öffentlichen Aufträge in der EU schätzt die Kommission auf eine Billion DM, das sind fast 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der (zWölf) Mitgliedstaaten306 . § 102 Abs. I GWB. Die Richtlinie wird das AGB-Gesetz nicht wesentlich verändern. 30S Müller, H.: Versichenmgsbinnenmarkt, München 1995, S. 50-51. 306 Eichhorn, P.: Die Öffutmg der nationalen Märkte im öffentlichen Auftragswesen tmd bei der Telekommtmikation, in: Schritte zum Europäischen Binnenmarkt, hrsg. von Erwin Dichtl, 2. Auflage, München 1992, S. 135-136. 303 304

VI. Flankierende Maßnahmen

195

Nach der 1992 verabschiedeten Richtlinie zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungen müssen Dienstleistungsaufträge öffentlicher Auftraggeber (Staat, Gebietskörperschaften, Einrichtungen des öffentlichen Rechts und Verbände) in der gesamten EU und dem EWR ausgeschrieben werden. Die Richtlinie erfaßt Dienstleistungen aller Art - auch Versicherungen. Die Auftraggeber sind verpflichtet, Dienstleistungsaufträge ab einer bestimmten Größenordnung (meist 200 000 ECU) in einem offenen, einem geschlossen Verfahren oder einem Verhandlungsverfahren zu vergeben. Der Auftrag wird vom Amt für amtliche Veröffentlichungen der EU bekanntgegeben. Der Zuschlag ist grundsätzlich dem günstigsten Bieter zu erteilen. Neben dem Preis können auch andere Kriterien berücksichtigt werden, wie Qualität und Kundendienst 307 . 4. Wechselkursmechanismus und Währungsunion

Die EU hat sich im Vertrag von Maastricht das Ziel gesetzt, eine Wirtschafts- und Währungsunion zu schaffen. Sie verabschiedete dafür einen DreiPhasen-Plan. Die Vorbereitungsphase hat am 1. Juli 1990 mit der Herstellung des freien Geld- und Kapitalverkehr in der EU begonnen. In dieser Phase wurde der Binnenmarkt vollendet. Die Übergangsphase läuft seit dem 1. Januar 1994. An diesem Tag wurde der Vorläufer der Europäischen Zentralbank, das Europäische Währungsinstitut, gegründee0 8 . Die Zuständigkeit für die Geldpolitik bleibt allerdings zunächst bei den Mitgliedstaaten beziehungsweise deren Zentralbanken. In der Übergangsphase soll die wirtschaftliche Konvergenz der Volkswirtschaften vorangetrieben werden. Die dritte Stufe der Währungsunion beginnt am 1. Januar 1997, wenn mindestens acht Mitgliedstaaten bestimmte Konvergenzkriterien erfüllen. Sie beginnt spätestens am 1. Januar 1999 mit den Mitgliedstaaten, die dann die Konvergenzkriterien erfüllen. Die Europäische Zentralbank, die im wesentlichen der Deutschen Bundesbank nachgebildet wurde, nimmt die Arbeit auf. Die Wechselkurse der Mitgliedstaaten werden festgeschrieben, die nationalen Währungen durch eine einheitliche Währung ersetzt309 .

307 Weiser, C.: EG-weite Ausschreibung von Versicherungsdienstleistungen, in: VW 1992, S. 224-232. 308 Häde, u.: Das Europäische Währungsinstitut und die Kommission, in: EuZW 1994, S. 685-687. 309 Tietmeyer, H.: Chancen und Perspektiven fiir eine europäische Wirtschafts- und Währungsunion, in: Versicherungen in Europa heute und morgen, Geburtstags-Schrift fiir Georg Büchner, hrsg. von Franz Wilhelm Hopp und Georg Mehl, Karlsruhe 1991, S.122.

13*

196

C. Regulierungssystem der EU-Richtlinien und in Deutschland

Die Konvergenzkriterien im einzelnen: - Die Inflationsrate des Mitgliedstaats darf nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte über der durchschnittlichen Inflationsrate der drei Mitgliedstaaten mit der niedrigsten Rate liegen. - Die Netto-Neuverschuldung des Mitgliedstaats darf nicht mehr als 3 Prozent und die Gesamtverschuldung nicht mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu Marktpreisen betragen. - Die Währung des Mitgliedstaats muß die im Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems vorgesehenen normalen Bandbreiten zumindest in den letzten beiden Jahren vor Prüfung der Konvergenz eingehalten haben. - Im Jahr vor der Prüfung der Konvergenz darf der durchschnittliche langfristige Nominalzinssatz des Mitgliedstaats nicht mehr als 2 Prozentpunkte über dem durchschnittlichen Nominalzinssatz der drei Mitgliedstaaten mit dem niedrigsten Nominalzinssatz liegen310 . Die Währungsunion wird nicht vor 1999 verwirklicht. Den meisten Mitgliedstaaten fällt es schwer, die Vorgaben zur öffentlichen Verschuldung zu erfüllen. Die Entwicklung der Wechselkurse zeigt, daß die Konvergenz derzeit nicht zU-, sondern abnimmt. Die italienische Lira, das britische Pfund und die griechische Drachme nehmen seit 1992 nicht mehr am Wechselkursmechanismus teil. Der Konvergenzansatz EU-Kommission ist nicht unumstritten. Verschiedene Seiten plädieren für eine Einheitswährung ohne vorherige wirtschaftliche Konvergenz. Sie verweisen darauf, daß es auch zwischen Mailand und Sizilien oder zwischen Ostfriesland und Bayern erhebliche wirtschaftliche Unterschiede gibt. Trotzdem kommt niemand auf den Gedanken, für die Gebiete eine eigene Währung zu fordern. Ein anderes Konzept schlägt den Wettbewerb der Währungen vor. Er soll zeigen, ob die Bürger Europas eine gemeinsame Währung überhaupt wollen. Wenn Geld ein natürliches Monopolgut, die Einheitswährung also effizient ist, so die Vorstellung, zerstört sich der Wettbewerb von selbst. Nur die beste Währung bleibt als gemeinsame Währung übrig311 . Die Vorteile einer einheitlichen Währung liegen vor allem in der Beseitigung der Transaktionskosten (Umtauschkosten und Kosten für die WährungsIssing, 0.: Einfiihnmg in die Geldpolitik, 5. Auflage, München 1993, S. 31-35. Vaubel, R.: Grundfragen einer gemeinsamen Wähnmgspolitik, in: Schritte zum Europäischen Binnenmarkt, hrsg. von Erwin Dichtl, 2. Auflage, München 1992, S. 223. 310 311

VI. Flankierende Maßnahmen

197

absicherung)312 sowie in der Erleichterung des Handels und ausländischer Direktinvestitionen313 . Dies gilt um so mehr, als nach Beseitigung der Beschränkungen im Kapitalverkehr die Wechselkurse mehr und mehr durch spekulative Kapitalflüsse bestimmt werden. Beispielsweise ist der Wert der italienischen Lira gegenüber der Deutschen Markt in den vergangenen drei Jahren trotz guter Wirtschaftsdaten um über 30 Prozent gefallen314 . Zudem entfällt bei einer Währungsunion die Möglichkeit, eine bewußte (protektionistische) Schwachwährungspolitik zu betreiben. Eine schwache beziehungsweise unterbewertete Währung hat die Wirkung einer Ausfuhrbeihilfe, die absolute oder relative Preisnachteile eines Landes überdecken kann m . Die Währungsunion ist (jedenfalls aus deutscher) Sicht mit dem Risiko verbunden, daß die neue Währung nicht so stabil wie die Deutsche Mark sein wird, auch wenn das Statut die Europäische Zentralbank verpflichtet, für eine stabiles Preisniveau zu sorgen. Ferner weisen die Volkswirtschaften in der EU strukturelle Unterschiede auf. Insbesondere bei sogenannten asymmetrischen realen Schocks entfällt in einer Währungsunion die Möglichkeit, regional differenzierte geldund wechselkurspolitische Maßnahmen zu treffen. Die Umstellung auf eine einheitliche Währung ist schließlich mit erheblichen Kosten verbunden316 . Im Versicherungsbereich beseitigt die Währungsunion das Wechselkursrisiko für das Geschäft in der EU. Die Anlagemöglichkeiten der Versicherer verbessern sich, weil auf eine währungskongruente Deckung der Verpflichtungen oder andere Instrumente der Währungs sicherung verzichtet werden kann. Eine einheitliche Währung erleichtert zudem den Erwerb von Versicherungsschutz bei ausländischen Anbietern, vor allem in der Lebensversicherung317 . Sie vereinfacht auch Preis-Leistungs-Vergleiche zwischen in- und ausländischen An312 Institute ofDirectors (Hg.): A Single European Currency, Irnplications for the UK Economy, London 1995, S. 1,6-7. 313 Es gibt allerdings eine Reihe empirischer Studien, die keinen ,,robusten" Zusammenhang zwischen Volatilität der Wechselkurse und Volumen des internationalen Handels feststellen konnten, vgl. Institute of Directors (Hg.): A Single European Currency, Irnplications for the UK Economy, London 1995, S. 8-10. 314 Action Centre for Europe (Hg.): The Kingsdown Enquiry, Report by the Ace Working Group on the Irnplications of Monetary Union for Britain, London 1995, S.

4-5.

m Action Centre for Europe (Hg.): The Kingsdown Enquiry, Report by the Ace Working Group on the Irnplications of Monetary Union for Britain, London 1995, S.

13.

316 Institute of Directors (Hg.): A Single European Currency, Irnplications for the UK Economy, London 1995, S. 20; Green Paper ofthe European Commission on the practical arrangements for the introduction ofthe single currency, Brüsse11995. 311 Es besteht allerdings bereits jetzt die Möglichkeit, bei ausländischen Versicherern Policen abzuschließen, die auf Deutsche Mark lauten.

198

C. Regulienmgssystem der EU-Richtlinien \Uld in Deutschland

bietern. So müssen derzeit bei Renditevergleichen zwischen deutschen und ausländischen Lebensversicherungen Annahmen über die voraussichtliche Wechselkursentwicklung während der Vertragslaufzeit getroffen werden. Die Kommission veröffentlichte im Mai 1995 ein Grünbuch über die praktischen Schritte zur Einführung einer einheitlichen Währung. Darin schlägt sie einen "delayed big-bang" vor, also ein Vorgehen in drei Phasen. In Phase A trifft der Ministerrat den Beschluß, eine einheitliche Währung einzuführen. Die Europäische Zentralbank wird errichtet, die notwendigen rechtlichen Bedingungen für die einheitliche Währung werden geschaffen. In Phase B, die höchstens drei Jahre dauern soll, werden die Wechselkurse zwischen den teilnehmenden Währungen endgültig festgelegt. Die Europäische Zentralbank übernimmt die Verantwortung für die Geld- und Wechselkurspolitik. Die ECU (beziehungsweise der ,,Euro") wird eine vollwertige Währung (mit Zahlungsfunktion). Zudem wird eine sogenannte ,,kritische Masse von Maßnahmen" auf Euro umgestellt. Dazu gehören Maßnahmen der Geld- und Währungspolitik, die Kreditaufnahme durch die öffentliche Hand, die Interbank-Geschäfte sowie Geschäfte auf den Geld- und Kapitalmärkten. In Phase C wird der Übergang zur Einheitswährung abgeschlossen. Der Euro wird zum einzigen gesetzlichen Zahlungsmittel. Es werden Münzen und Geldscheine ausgegeben. Der Zahlungsverkehr erfolgt ausschließlich in Eur0318 .

318 Green Paper of the European Commission on the practical arrangements for the introduction ofthe single currency, BfÜSse11995, S. 15-22.

D. Ergebnisse des Binnenmarktes für Versicherungen aus deutscher Sicht I. Beschränkte Liberalisierung 1. Grundlagen

Eckpunkte eines liberalisierten Versicherungsmarktes sind nach dem Modell, das in Kapitel B entwickelt wurde, die Zulassung und Beaufsichtigung des Versicherers durch die Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes verbunden mit dem Recht, ohne weitere Zulassungen in allen Märkten, über alle Tätigkeitsformen, Produkte zu vertreiben und Vermögenswerte anzulegen. Im folgenden wird aus Sicht eines Versicherers mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU (oder des EWR), der auf dem deutschen Markt seine Geschäfte betreiben möchte, gezeigt, daß auch nach Umsetzung der EU-Richtlinien zahlreiche rechtliche und faktische Beschränkungen bestehen. Rechtliche Beschränkungen der Liberalisierung finden sich vor allem im VAG und VVG, aber auch im Steuer- und Gesellschaftsrecht. Faktische Beschränkungen ergeben sich insbesondere aus der Struktur des deutschen Versicherungsmarktes und den Einstellungen und Gewohnheiten der deutschen Verbraucher (,,nationale Versicherungskultur"). 2. RechtUche Beschränkungen

a) Versicherer

aa) Zulassung zum Geschäftsbetrieb Ein (rechtlich selbständiger) Versicherer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU (oder des EWR) darf nach § 110a Abs. 1 und 2 VAG ohne weitere Zulassung vom BAV seine Geschäfte im deutschen Versicherungsmarkt im Dienstleistungsverkehr oder über eine rechtlich unselbständige Niederlassung betreiben. Er muß aber dem BAV über die Aufsichtsbehörde seines Herkunftslandes die Aufnahme der Geschäftstätigkeit anzeigen und einen (verkürzten) Geschäftsplan in deutscher Sprache einreichen. Das Dienstleistungsgeschäft darf sofort aufgenommen werden, die Niederlassung darf ihre

200

D. Ergebnisse des Binnenmarktes für Versicherungen

Geschäfte zwei Monate nach Eingang des Geschäftsplans beim BAV aufnehmen, wenn das Amt sie nicht vorher unterrichtet. Für die Niederlassung muß nach § 106 Abs. 3 VAG ein Hauptbevollmächtigter mit unbeschränkbarer Vollmacht für alle Rechtshandlungen der Niederlassung ernannt werden. Die Niederlassung ist so einzurichten, daß sie auch selbständig geführt werden könnte. Das Personal muß die deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrschen l . Für das Dienstleistungsgeschäft muß der ausländische Versicherer in Deutschland einen Steuerbevollmächtigten und in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung zusätzlich einen Schadenbevollmächtigten benennen2 . Der Steuerbevollmächtigte ist für die ordnungsmäßige Abführung der Versicherungsteuer zuständig3 , der Schadenbevollmächtigte für die Regulierung der Schäden. Beides widerspricht dem Konzept des Dienstleistungsverkehrs und erschwert das grenzüberschreitende Geschäft. Bei der Umsetzung der EU-Richtlinien wurde die Gewährung des Arbeitgeberzuschusses in der substitutiven Krankenversicherung neu geregelt. Danach gibt es den Zuschuß (u.a.) nur, wenn der Versicherer die Krankenversicherung spartengetrennt betreibt. Diese Bestimmung verstößt zwar gegen die dritte Richtlinie zur Schaden- und Unfallversicherung, die die Spartentrennung (jedenfalls für ausländische Versicherer) in der Krankenversicherung abschafft, schottet den deutschen Markt aber (bis zur Klärung durch den EuGH) wirkungsvoll ab4 . Interessierte ausländische Krankenversicherer müßten nämlich entweder in ihrem Herkunftsland eine rechtlich selbständige Tochtergesellschaft gründen, die in Deutschland im Dienstleistungsverkehr oder über eine Niederlassung tätig wird, oder in Deutschland eine rechtlich selbständige Tochtergesellschaft errichten, die nur die Krankenversicherung betreibt. Möchte der Versicherer im deutschen Versicherungsmarkt über eine rechtlich selbständige Tochtergesellschaft tätig werden, muß er - wie deutsche VerI Entwurf eines Gesetzes zur Durchfillmmg versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften (Drittes DurchfillmmgsgesetzlEWG zum VAG), Drucksache 23/94, 14. Januar 1994, S. 192-195. 2 Zu den Spielräumen der Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung des Schadenrepräsentanten, vgl. Lemor, u.: Europa und die Autoversicherung, in: VW 1992, S. 21-22. 3 Vgl. D.I.2.b)dd)(I). 4 Dreher, M.: Krankenversicherung und Spartentrennung, in: VersR 1993, S. 288290. Anders sieht es Reiter, H.: Möglichkeiten zum Ausbau der sozialversicherungsrechtlichen Qualitätskontrolle des die gesetzliche Krankenversicherung substituierenden privaten Krankenversicherungsschutzes im Hinblick auf die Liberalisierung des europäischen Versicherungsmarktes, Rechtsgutachtliche Stellungnahme für den Verband der privaten Krankenversicherung e.v., Köln 1993, S. 50-53.

1. Beschränkte Liberalisienmg

201

sicherer auch - nach § 5 Abs. 1 V AG eine Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb beim Bundesaufsichtsamt beantragen. Die Tochtergesellschaft unterliegt (in vollem Umfang) der Aufsicht durch das BAV. Das VAG beruht damit - entsprechend den EU-Richtlinien - auf dem Grundsatz, daß für jede rechtlich selbständige Einheit (also Tochtergesellschaft) im Mitgliedstaat ihres Sitzes eine Zulassung erforderlich ist, für die Tätigkeitsform Tochtergesellschaft das Herkunftslandprinzip (nach dem Modell der Konzernaufsicht) also nicht gilt. Dies ist problematisch, weil die Errichtung einer Tochtergesellschaft oder der Erwerb einer Beteiligung an einer bestehenden Gesellschaft die beliebteste Form der Geschäftstätigkeit ausländischer Versicherer im deutschen Markt und deutscher Versicherer in ausländischen Märkten ist. So waren auf dem deutschen Markt im Geschäftsjahr 1993~ im Erstversicherungsgeschäft zwar 77 rechtlich unselbständige Niederlassungen und (nur) 58 Tochtergesellschaften ausländischer Versicherer tätig6 . Die Niederlassungen erzielten aber lediglich Brutto-Prämienerträge von DM 6,2 Mrd. (Marktanteil 3,1 Prozent), die Tochtergesellschaften dagegen DM 23,8 Mrd. (Marktanteil 11,9 Prozent). Niederlassungen oder Tochtergesellschaften ausländischer Versicherer unterliegen in Deutschland den allgemeinen rechtlichen Bestimmungen, vor allem dem Gesellschafts-, Steuer-, Sozial-, Arbeits- und Schadenersatzrecht. bb) Laufende Beaufsichtigung (1) Grundlagen

Ein wesentliches Element eines liberalisierten Versicherungsmarktes ist, daß die Beaufsichtigung eines Versicherers, der in einem anderen Mitgliedstaat seine Geschäfte betreibt, bei der Aufsichtsbehörde seines Herkunftslandes liegt. Wie bereits ausgeführt, gilt dieser Grundsatz für die Tätigkeit über Tochtergesellschaften nicht, aber auch bei der Tätigkeit im Dienstleistungsverkehr oder über Niederlassungen wird er (wiederholt) durchbrochen. So liegt nach § llOa Abs. 3 VAG die Finanzaufsicht über Geschäfte, die ein Versicherer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat im deutschen Markt im Dienstleistungsverkehr oder über eine rechtlich unselbständige Niederlassungen betreibt, bei der Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes. Die "übrige Aufsicht" (Rechtsaufsicht) liegt dagegen beim BAV und der Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes des Versicherers. BAV (Hg.): Geschäftsbericht 1993, Berlin 1994, S.31 *-34*. Versicherer mit Sitz in Deutschland, die sich unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 50 Prozent in ausländischem Eigentum befanden. 5

6

202

D. Ergebnisse des Binnenmarktes fiir Versichenmgen

(2) Finanzaujsicht

Die Finanzaufsicht umfaßt insbesondere die Eigenkapitalausstattung, die versicherungstechnischen Rückstellungen und die Kapitalanlagen. Zuständig ist nach den Bestimmungen des VAG ausschließlich die Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes des Versicherers. Sie muß aber in vielerlei Hinsicht die Verhältnisse im deutschen Markt berücksichtigen. Krankenversicherer müssen die substitutive Krankenversicherung in Deutschland nach Art der Lebensversicherung betreiben. Bei der (erforderlichen) Bildung einer Alterungsrückstellung müssen sie vor allem das Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko in Deutschland beachten. In allen anderen EU-Mitgliedstaaten (mit Ausnahme der Niederlanden) kann die Krankenversicherung nur als Zusatzversicherung abgeschlossen werden. Ein ausländischer Lebensversicherer muß bei der Berechnung der Dekkungsrückstellungen die Sterblichkeit der deutschen Versicherungsnehmer berücksichtigen. Die Sterblichkeiten weichen in den Mitgliedstaaten deutlich voneinander ab7 . Bei den Rechnungszinsen müssen die Versicherer grundsätzlich von der Verzinsung der Kapitalanlagen in der Währung ausgehen, auf die die Verträge lauten. Schaden- und Unfallversicherer müssen bei den Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle, die in Deutschland eingetreten sind oder bei denen deutsche Gerichte im Streitfall über die Entschädigung befinden, deutsches Schadenersatzrecht beachten. Für die Anlage des gebundenen Vermögens gelten die Bestimmungen des Herkunftslandes des Versicherers (und nicht die deutschen Bestimmungen). Die Versicherer dürfen die Vermögenswerte in allen EU-Mitgliedstaaten anlegens. Eingeschränkt wird diese Freiheit aber durch die Pflicht zur währungskongruenten Deckung, wonach Verpflichtungen und Vermögenswerte auf die gleiche Währung lauten müssen, um Wechselkursrisiken zu vermeiden oder einzuschränken. Grundstücke gelten nach dem VAG als in der Währung des Landes angelegt, in dem sie belegen sind, Aktien und Anteile als in der Währung des Landes angelegt, in dem sie an der Börse zum amtlichen Handel zugelassen sind. Ein Versicherer, der in Deutschland Verträge abschließt, die auf Deutsche Mark lauten (oder in Deutscher Mark zu erfüllen sind), muß also die sich daraus ergebenden Verpflichtungen durch Vermögenswerte decken, die auf Deutsche Mark lauten, etwa ein in Deutschland belegenes Grundstück. 1

8

Vgl. C.V.2.g)bb)(3). Vgl. § 54a Abs. 6 VAG.

I. Beschränkte Liberalisienmg

203

Diese Beschränkungen können erst entfallen, wenn es eine einheitliche europäische Währung gibt beziehungsweise die Wechselkurse endgültig festgeschrieben sind und auch dann nur für Geschäfte in den Mitgliedstaaten, die an der Währungsunion teilnehmen. Niederlassungen von Versicherern aus anderen EU-Mitgliedstaaten müssen für ihre Geschäfte in Deutschland nicht mehr getrennt Rechnung legen. Der deutsche Gesetzgeber hat die Pflicht zur Vorlage getrennter Rechnungen (freiwillig9 ) mit der Begründung aufgehoben, daß künftig die Herkunftslandbehörde des Versicherers für die Finanzaufsicht (auch für die Geschäfte der Niederlassung) zuständig ist. Die steuerliche Buchführungspflicht für Niederlassungen bleibt aber bestehen lO . Nach § 110a Abs. 3 VAG darf die Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes in den Geschäftsräumen der deutschen Niederlassung ,,in Ausübung der Finanzaufsicht" Prüfungen vornehmen. Sie kann aber über die Amtshilfe auch das BAV damit beauftragen, was wegen der sprachlichen Schwierigkeiten, der mangelnden Kenntnis des deutschen Rechts und aus Kostengründen regelmäßig der Fall sein wird. Das BAV ist darüber hinaus in jedem Fall berechtigt, an örtlichen Prüfungen ausländischer Aufsichtsbehörden im Inland teilzunehmen (§ Illb Abs. 2 VAG) II . (3) Rechtsaufsicht

Das BAV unterrichtet die Aufsichtsbehörden der anderen EU-Mitgliedstaaten oder EWR-Vertragsstaaten fortlaufend über die Bestimmungen, die Versicherer mit Sitz in ihrem Hoheitsgebiet bei Geschäften im deutschen Markt aus Gründen des Allgemeininteresses beachten müssen und deren Einhaltung das BAV im Rahmen der Rechtsaufsicht überprüft. Bestimmungen, die nicht auf 9 Die Mitgliedstaaten dürfen von rechtlich unselbständigen Niederlassungen ausländischer Versicherer eine getrennte Rechnungslegung verlangen. Die dreizehnte gesellschaftsrechtliche Richtlinie, die diese Verpflichtung aufhebt, gilt nicht für Banken und Versicherungen. Für Banken wurde eine entsprechende Richtlinie inzwischen verabschiedet. Danach müssen Niederlassungen nur noch bestimmte Positionen der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung offenlegen. Eine entsprechende Regelung für Versicherungen gibt es (noch) nicht. 10 KPMG (Hg.): Rechnungslegung von Versichenmgsunternehmen nach neuem Recht, Frankfurt am Main 1994, S. 21; Seitz, H: Steuerliche Gewinnermittlung von Zweigniederlassungen EG-ausländischer Versicherungsunternehmen, in: RIW 1994, S. 964; Mössner, M. / Baumhoff, H u.a.: Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Köln 1992, S. 584-585. 11 Hohlfeld, K.: Was bleibt von der materiellen Versichenmgsaufsicht nach Vollendung des Binnenmarktes?, Karlsruhe 1992, S. 26.

204

D. Ergebnisse des Binnemarktes für Versichenmgen

diese Weise bekanntgegeben wurden, teilt das BAV der Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes eines Versicherers bei Aufnahme der Geschäftstätigkeit mit. Was unter Bestimmungen zum Schutz des Allgemeininteresses im einzelnen zu verstehen ist, bleibt unklar. Umstritten ist vor allem, ob die EU-Richtlinien (aus denen diese Bestimmung stammt) die Beibehaltung oder Einführung einer umfassenden Mißstandsaufsicht gestatten oder sogar verlangen. Das war ein Schwerpunkt der Diskussion in Deutschland bei der Umsetzung der "dritten Richtlinien,,12 . Nach Auffassung der deutschen Versicherungswirtschaft erfassen die "dritten Richtlinien" nur Rechtsverstöße, nicht aber darüber hinausgehende Mißstände, das heißt Mißstände, die weder gegen eine Rechtsvorschrift noch gegen den Geschäftsplan verstoßen, sondern ,,nur" die Interessen der Versicherungsnehmer gefährden 13. Die Versicherer weisen darauf hin, daß sich die deutsche Fassung der Richtlinie von der französischen und englischen unterscheidet. Dort ist nicht von ,,Mißstand", sondern von ,,irregularite" beziehungsweise "irregularity" die Rede, also von Rechtsverstößen. Die deutsche Versicherungswirtschaft folgert daraus, daß künftig lediglich eine Legalitätsaufsicht zulässig ist, die Befugnisse des BAV also begrenzt werden müssen. Eine weitere umfassende Mißstandsaufsicht würde deutsche Versicherer gegenüber der ausländischen Konkurrenz benachteiligen. Der Gesetzgeber und das BAV gehen davon aus, daß die "dritten Richtlinien" die weitere umfassende Überwachung der Geschäfte von Versicherern im Sinne einer materiellen Aufsicht nicht nur zulassen, sondern sogar verlangen 14 . Der strittige Wortlaut wurde von deutscher Seite in die Verhandlungen über die zweite Richtlinie zur Schaden- und Unfallversicherung eingebracht, um das deutsche System der materiellen Staatsaufsicht EU-weit zu verankern. Inländer werden nicht diskriminiert, weil die umfassende Mißstandsaufsicht 12 Dreher, M.: Inhalt und Grenzen einer künftigen Mißstandsaufsicht, in: VersR 1993, S. 1443. 13 Gesamtverband der Deutschen Versichenmgswirtschaft e.v. (Hg.): Die deutsche Versichenmgswirtschaft, Jahrbuch 1994, Karlsruhe 1994, S. 23; Wesselkock, K.: Die Versichenmgswirtschaft vor veränderten Rahmenbedingungen, in: VW 1991, S. 1450; Büchner, G.: Umbrüche - Aufbrüche, in: VW 1992, S. 1464; Büchner, G.: Der Referentenentwurf eines Dritten DurchfiihrungsgesetzeslEWG zum VAG auf dem Prüfstand, Karlsruhe 1993, S. 2-14. . 14 Deutscher Bundestag, Drucksache 12/4279 vom 5. Februar 1993, Vorsorgender Verbraucherschutz im europäischen Versichenmgswesen, abgedruckt in: VersR 1993, S. 812; Hohlfeld, K.: Die Zukunft der Versichenmgsaufsicht nach Vollendung des Binnenmarktes, in: VersR 1993, S. 145-146; Müller, H.: Die zukünftige Rolle des Bundesaufsichtsamtes für das Versichenmgswesen, in: VW 1993, S. 548, 550-551; O.v.: Wie das VAG den EG-Richtlinien angepaßtwird, in: VW 1993, S. 1059.

I. Beschränkte Liberalisienmg

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für in- und ausländische Anbieter gilt. Der deutsche Gesetzgeber verweist in diesem Zusammenhang auf die künftige Rechtsprechung des EuGH. Sollte der Gerichtshofbestimmte Tatbestände nicht als Mißstand ansehen und dem BAV entsprechende aufsichtsbehördliche Maßnahmen gegen ausländische Versicherer verbieten, dann wird dies auch für inländische (deutsche) Versicherer gelten 1~ . Darüber hinaus hebt der Gesetzgeber hervor, daß auch die Aufsichtsrechte der anderen Mitgliedstaaten vergleichbare Klauseln enthalten 16 . Nach § 81 Abs. 1 VAG bleibt es Ziel der Versicherungsaufsicht und damit Aufgabe des BAV, die Belange der Versicherungsnehmer und Dritter zu wahren. Das BAV darf gegenüber den Versicherern und ihren Organen alle geeigneten Maßnahmen treffen, um Mißstände zu vermeiden, die gegen die Ziele der Versicherungsaufsicht verstoßen. Trifft das Aufsichtsamt auf der Grundlage von § 81 Abs. 2 VAG Aufforderungen oder Anordnungen, denen der (ausländische) Versicherer nicht nachkommt, so unterrichtet es die Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes und ersucht um Zusammenarbeit. Bleibt das Ersuchen erfolglos und scheitern Versuche, Anordnungen mit Zwangsmitteln durchzusetzen, dann kann das BAV dem Versicherer die weitere Geschäftstätigkeit (ganz oder teilweise) untersagen. In dringenden Fällen kann das BAV auch ohne Unterrichtung der Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes handeln. Die Abwicklung von Versicherern beziehungsweise von deutschen Niederlassungen ausländischer Versicherer erfolgt in Deutschland nach der separate entity Methode. Die Niederlassung wird als selbständige Einheit betrachtet, über deren Vermögen ein Konkurs durchgeführt werden kann 17 . Ausländische Versicherer müssen in Deutschland die Bestimmungen über die Vermittlung von Versicherungen beachten. Das BAV hat im Rundschreiben 2/94 über den Versicherungsaußendienst ausländischen Versicherern Hinweise zur Überprüfung der Zuverlässigkeit von Versicherungsvermittlern und

I~ Entwwf eines Gesetzes zur Durchfiihnmg versichenmgsreehtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften (Drittes DurchfiihnmgsgesetzlEWG zum VAG), Drucksache 23/94, 14. Januar 1994, S. 245-246. 16 Artikel L 310-17, L 310-18 Code des Assurances; Seetion 34 Supervisory Insurance Business Act; Artikel 43 Loi du 6. Deeembre 1991 sur le seeteur des assurances; Artikel 28-29 loi du 9. Juillet 1975 relative au controle des entreprises d'assurances; Seetions 37 Abs. 2a und 45 Abs. 1 Insurance Companies Act; vgl. Neuhaus, R.: Die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen der Versichenmgswirtschaft in Großbritannien, Karlsruhe 1990, S. 159-160. 17 Fahr, U. / Kaulbach, D.: Versichenmgsaufsichtsgesetz - VAG - und Gesetz über die Einrichtung eines Bundesaufsichtsamtes fiir das Versichenmgswesen: Kommentar, München 1993, S. 280.

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D. Ergebnisse des Binnenmarktes fiir Versichenmgen

Mitarbeitern des Versicherungsaußendienstes an die Hand gegeben 18 . Einhalten müssen die ausländischen Versicherer ferner die Informationspflichten gegenüber den Versicherungsnehmern nach § lOa VAG (in Verbindung mit Anlage Teil D) beziehungsweise § 5a VVG, auch wenn sie über die Mindestanforderungen der EU-Richtlinien hinausgehen, sowie die einschlägigen Bestimmungen über Werbung, Haustürgeschäfte u.a. 19 . cc) Beschränkungen bei der Übernahme deutscher Versicherer Die Zahl der Übernahmen ist im deutschen Markt im Vergleich zu anderen Märkten gering. Dafür gibt es mehrere Gründe20 . Der deutsche Kapitalmarkt ist im Verhältnis zu anderen Märkten unterentwickelt. So gibt es in Deutschland nur 2 500 AG, aber über 350 000 GmbH. Lediglich 497 AG sind an einer oder an mehreren Börsen zum amtlichen Handel zugelassen, weitere 163 zum Freiverkehr. Am Londoner Stock Exchange notieren dagegen über 2 500 AG (stock corporationsi 1 . Die deutschen Unternehmen finanzieren sich in erster Linie über Bankdarlehen, die Finanzierung über die Börse ist im internationalen Vergleich gering. Die enge Beziehung zwischen Unternehmen und Bank (Hausbank) sowie umfangreiche Überkreuzbeteiligungen sind ebenfalls deutsche Besonderheiten, die bei der Abwehr von (feindlichen) Übernahmen hilfreich sein können. Nach § 134 Abs. 1 AktG kann die Satzung das Stimmrecht eines (Groß-) Aktionärs einschränken oder abstufen. Begrenzungen dieser Art gibt es bei 17 an der Börse notierten AG. Es ist ferner zulässig, vinkulierte Namensaktien Rundschreiben R 2/94 Versichenmgsaußendienst, in: VerBAV 1994, S. 411-412. Versicherer, die im Vereinigten Königreich Geschäfte betreiben wollen, unterliegen in vollem Umfang den Bestimmungen des FSA sowie den weiterfiihrenden Bestimmungen des sm und der nachgelagerten SRO. Nach Auffassung des britischen Gesetzgebers gelten insbesondere die Regeln über "independence, advertising and marketing, customer relations, including disclosure, dealing for customers", vgl. Department ofTrade and Industry (Hg.): Implementation ofthe EC Third Insurance Directives, A Consultative Document with draft legislation, London 1993, S. 39-40. 20 Carter, R. / Maier-Reimer, G.: Protection against hostile takeovers in Germany: Banks and limitations on voting rights, in: European takeovers, Law and practice, hrsg. von Klaus Hopt und Eddy Wymeersch, London 1992~ S. 242-249. 21 Der Anteil ausländischer Versicherer am britischen Markt ist seit den 70er Jahren durch Übernahmen britischer Versicherer deutlich gestiegen, in der Schaden- und Unfallversichenmg von 14 auf 25 Prozent und in der Lebensversichenmg von 12 auf 20 Prozent, vgl. Carter, R.: The UK Insurance Industry and the European Community, in: Risiko Markt Versicherung, Festschrift fiir Walter Karten, hrsg. von Dieter Hesberg, Martin NeU und Winfried Schott, Karlsruhe 1994, S. 159. 18

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I. Beschränkte Liberalisierung

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auszugeben, die die Übertragung (und Ausübung der Stimmrechte) an die Zustimmung der Gesellschaft binden. Damit kann die Gesellschaft verhindern, daß Aktien in die Hände von Personen gelangen, die ihr als Aktionär nicht angenehm sind22 . Rund 90 Prozent des gezeichneten Kapitals börsennotierter deutscher Versicherer ist vinkuliert23 . Die Ausgabe von Mehrstimmrechtsaktien ist nach § 12 Abs. 2 AktG grundsätzlich unzulässig. Ausnahmen kann nur die für Wirtschaft zuständige oberste Behörde des Landes genehmigen, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, wenn dies aus übergeordneten (gesamtwirtschaftlichen) Gründen gerechtfertigt ist. Mehrstimmrechtsaktien, die vor Inkrafttreten des Aktiengesetzes 1937 ausgegeben worden sind, bleiben gültig. Die Hauptversammlung kann Mehrstimmrechte aber mit einer Mehrheit von drei Vierteln des gezeichneten Kapitals beseitigen oder einschränken. Ein weiteres praktisches Problem bei (feindlichen) Übernahmen ergibt sich aus der Struktur deutscher AG mit Aufsichtsrat und Vorstand (two-tier-system). Mitglieder des Vorstandes können aus wichtigem Grund nach § 84 Abs. 3 AktG ohne größere Schwierigkeiten vom Aufsichtsrat abberufen werden, Mitglieder des Aufsichtsrats dagegen nach § 103 Abs. 1 AktG vor Ablauf ihrer Amtszeit grundsätzlich nur mit einer Mehrheit der Hauptversammlung von mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen. WaG können nicht übernommen werden. Denkbar sind hier allenfalls Bestandsübertragungen, die aber einige rechtliche Probleme aufwerfen. Ein Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie über öffentliche Übernahmeangebote wurde noch nicht verabschiedet. Mit der Richtlinie will die Kommission unter anderem die Gleichbehandlung der Aktionäre sicherstellen und vermeiden, daß die Unternehmensleitung der betroffenen Gesellschaft das Übernahmeangebot durch Kapitalerhöhungen oder sonstige ungewöhnliche Rechtsgeschäfte (Abwehrmaßnahmen oder Verteidigungsmittel) unterläuft24 . dd) Neuordnung der Aktivitäten ausländischer Versicherer Die Umstrukturierung der Geschäfte ausländischer Versicherer auf dem deutschen Markt unterliegt einigen Beschränkungen, die sich neben dem VAG auch aus dem Gesellschafts- und Steuerrecht ergeben. 22 Wöhe, G.: Einfiihnmg in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 18. Auflage, München 1993, S. 861. 23 Gaulke, J.: Die vinkulierte Versicherungswirtschaft, in: FAZ vom 23. Januar 1994, S. 13. 24 o. y.: Übemahmeangebote, Vorschlag fiir eine Dreizehnte Richtlinie, in: Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 3/1989, Brüsse11989.

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D. Ergebnisse des Binnenmarktes für Versichenmgen

Die Fusionsrichtlinie2~, die am 1. Januar 1992 in Kraft getreten ist, soll steuerliche Nachteile grenzüberschreitender Fusionen, Spaltungen, Einbringungen von Unternehmensteilen und grenzüberschreitender Austausche von Anteilen an Kapitalgesellschaften vermindern. Um dieses Ziel zu erreichen, untersagt sie insbesondere die Besteuerung der bei solchen Transaktionen oft aufgedeckten stillen Reserven. Gleichzeitig sichert sie dem Sitzstaat der einbringenden oder erworbenen Gesellschaft das Besteuerungsrecht. Bei Fusionen sieht die Richtlinie vor, daß die in den Wirtschaftsgütern der einbringenden Gesellschaft enthaltenen stillen Reserven nicht aufgedeckt, sondern die Buchwerte von der übernehmenden Gesellschaft fortgeführt werden, und zwar in der Bilanz der aus der einbringenden und untergehenden Gesellschaft hervorgehenden Betriebsstätte. Die stillen Reserven werden bei einer späteren Auflösung besteuert. Die gleiche Aufschubtechnik gilt für Spaltungen, also für die Übertragung der gesamten Aktiva und Passiva einer Gesellschaft auf mindestens zwei andere Gesellschaften gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen unter gleichzeitiger Auflösung ohne Abwicklung26 . Die Bestimmungen zur grenzüberschreitenden Verschmelzung und Spaltung hat der deutsche Gesetzgeber zunächst nicht in das deutsche Steuerrecht umgesetzt und das mit den EU-weit fehlenden zivilrechtlichen Grundlagen begründet. Das Zivilrecht sieht für solche grenzüberschreitenden Transaktionen bislang nicht die Möglichkeit der Gesamtrechtsnachfolge vor, die nach der Fusionsrichtlinie Voraussetzung für eine Pflicht zur Umsetzung der betreffenden Bestimmungen ise 7 . Der Anteilstausch, bei dem beispielsweise eine Gesellschaft A eine zur Stimmrechtsmehrheit führende Beteiligung an Gesellschaft B von deren Gesellschaftern C gegen Gewährung von Anteilen an Gesellschaft A erwirbt, kann zur Besteuerung der in den eingetauschten Anteilen enthaltenen stillen Reserven führen. Das vermeidet die EU-Fusionsrichtlinie ebenfalls auf dem Weg des Steueraufschubs, indem Gesellschafter C die erworbenen Anteile an 25 Zur Umsetzung in Deutschland, vgl. Endres, D.: Steuerliche Aspekte der europäischen Integration, in: RlW 1994, S. 576-580. Die Umsetzung der Fusionsrichtlinie erfolgte im Umwandhmgsteuerrecht, vgl. § 20 Abs. 6 und 8, § 21 Abs. 1, § 25 Abs. 4 und § 28. 26 Die Verschmelzung zwischen AG ist nur dann genehmigungspflichtig, wenn sie eine Satzungsändenmg mit sich bringt, was bei der Verschmelzung durch Aufuahme schon aufgrund der Kapitalerhöhung meist der Fall ist. Verschmelzungen zwischen VVaG bedürfen dagegen nach § 44a VAG der Genehmigung des BAV. Die Prüfung des BAV beschränkt sich auf die Einhaltung der Rechtsbestimmungen und die Beschlußfassung der zuständigen Organe der Vereine. 27 Herzig, N.: Spaltung und Verschmelzung, in: Steuergestaltung bei verbundenen Unternehmen in Europa, Düsseldorf 1994, S. 188-189.

I. Beschränkte Liberalisienmg

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Gesellschaft A zu dem Buchwert ansetzen kann, mit dem die hingegebenen Anteile an B bilanziert waren. Die Einbringung von Unternehmensteilen, bei der eine Gesellschaft ihren Gesamtbetrieb beziehungsweise einen oder mehrere Teilbetriebe in eine andere Gesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen einbringt, wird steuerlich wie die oben beschriebene Fusion behandelt, das heißt, die Buchwerte des eingebrachten Betriebs können fortgeführt werden28 . Nach § Illd VAG ist es ausländischen Versicherern grundsätzlich gestattet, den Versicherungsbestand, den sie im Dienstleistungsverkehr oder über Niederlassungen im deutschen Markt geschlossen haben, auf eine andere Gesellschaft mit Sitz in der EU (oder im EWR) zu übertragen. Erforderlich ist dafür allerdings die Zustimmung des BAV, soweit der Versicherungsbestand aus in Deutschland belegenen Risiken besteht. Das Aufsichtsamt genehmigt die Übertragung nur, wenn die Belange der Versicherten ausreichend gewahrt sind und die übernehmende Gesellschaft die "Verpflichtungen aus den Versicherungen [... ] als dauerhaft erfüllbar" dartun kann. Eine Bestandsübertragung, vor allem an einen ausländischen Versicherer, der in Deutschland nicht niedergelassen ist, ist aus Sicht der Versicherungsnehmer problematisch. Sie erhalten durch die Bestandsübertragung einen Vertragspartner, den sie sich nicht ausgesucht haben29 . Bei Verschmelzungen geht ein Versicherer im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in einem anderen Versicherer auf, der alle Aktiva und Passiva übernimmt. Das Aktiengesetz unterscheidet zwischen Verschmelzungen durch Aufnahme und durch Neubildung. Sie bedürfen in der Regel der Genehmigung durch das BAV. Das gleiche dürfte für Spaltungen gelten30 .

28 Richtlinie des Rates 90/4341EWG vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem fur Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Untemehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, AbI. der EG Nr. L 225, 20. August 1990, S. 1-5. Einen Überblick über die Gestaltungsmöglichkeiten nach Umsetzung der Fusionsrichtlinie in deutsches Recht geben Herzig, N. / Förster, G.: Steuerändenmgsgesetz 1992: Die Umsetzung der Fusionsrichtlinie in deutsches Steuerrecht, in: DB 1992, S. 911-916,959-963. 29 Fahr, V. / Kaulbach, D.: Versicherungsaufsichtsgesetz - VAG - und Gesetz über die Einrichtung eines Bundesaufsichtsamtes fur das Versicherungswesen: Kommentar, München 1993, S. 198-199. 30 Schmidt, R. / Frey, P.: Prölss Versicherungsaufsichtsgesetz, 9. Auflage, München 1983, S. 290-291.

14 Rabe

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D. Ergebnisse des Binnenmarktes fiir Versichenmgen

ee) Besteuerung (1) Besteuerung der Tätigkeit im Dienstleistungsverkehr

und über eine rechtlich unselbständige Niederlassung

Das wichtigste Anknüpfungsmerkmal für die Besteuerung inländischer Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist die Betriebsstätte. Der steuerliche Begriff der Betriebsstätte geht deutlich über den handelsrechtlichen Begriff der Zweigniederlassung hinaus. Er umfaßt nach § 12 Abgabenordnung (AO) jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Betriebsstätten sind insbesondere "die Stätte der Geschäftsleitung, Zweigniederlassungen, Geschäftsstellen, Fabrikations- und Werkstätten, Warenlager" u.a. Besteht ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Deutschland und einem anderen Mitgliedstaat, ist der Betriebsstättenbegriff des § 12 AO ohne Bedeutung. Es gilt dann der wesentlich enger gefaßte Begriff des jeweiligen DBA31 . Beispielsweise ist ein Einkaufsbüro eines belgischen Unternehmens in Deutschland zwar Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO. Die Besteuerung seiner Einkünfte in Deutschland wird aber dadurch ausgeschlossen, daß nach Art. 7 Abs. 1 DBA-Belgien die Besteuerung Belgien zusteht, weil das Einkaufsbüro keine Betriebsstätte im Sinne des Art. 5 DBA-Belgien ist und somit ein Anknüpfungspunkt für die deutsche Besteuerung fehlt. Auch wenn keine Betriebsstätte unterhalten wird, liegen inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor, wenn für das ausländische Unternehmen ein inländischer Vertreter tätig wird. Nach § 13 AO ist ein Vertreter eine Person, die nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmers besorgt und dabei dessen Weisungen unterliegt, etwa ein sogenannter gebundener Versicherungsvermittler . Besondere Probleme bereitet in der Praxis die Ermittlung des Betriebsstättengewinns. Es gibt zwei Methoden: die direkte und die indirekte Methode32 . Bei der direkten Methode wird die Betriebsstätte für Zwecke der Gewinnermittlung wie ein selbständiger Gewerbebetrieb behandelt. Der Betriebsstättengewinn wird aufgrund einer gesonderten Buchführung ermittelt. Die Abrechnung der Leistungsbeziehung zwischen Betriebsstätte und Stammhaus erfolgt wie zwischen fremden Dritten (dealing at arm's length). Im Unterschied dazu geht die indirekte Methode vom Gesamtgewinn des Unternehmens aus und leitet den Betriebsstättengewinn mit Hilfe von Verrechnungsschlüsseln ab. Verteilungsmäßstäbe sind meist die Umsätze und die Lohnsumme. Vgl. Art. 5 OECD-Musterabkommen. Mössner, M. / Baumhoff, H. u.a.: Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Köln 1992, S. 184-191. 31

32

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Betriebsstätten ausländischer Unternehmen unterliegen nach § 23 Abs. 3 in Verbindung mit § 23 Abs. 2 S. I Körperschaftsteuergesetz (KStG) seit dem l. Januar 1994 grundsätzlich einem Steuersatz von 42 Prozent. Dagegen liegt die Ausschüttungsbelastung inländischer Tochtergesellschaften lediglich bei 30 Prozent Körperschaftsteuer zuzüglich 5 Prozent Kapitalertragsteuer, die aber gegenüber anderen EU-Mitgliedstaaten am l. Juli 1996 entfallen ist. Diese SchlechtersteIlung von Niederlassungen verstößt nach der Rechtsprechung des EuGH eindeutig gegen das Verbot des EU-Vertrags, die Niederlassungsfreiheit und den freien Kapitalverkehr zu behindern33 . Ob und inwieweit ausländische Unternehmen Verluste ihrer Betriebsstätten in Deutschland mit Gewinnen verrechnen dürfen, richtet sich nach dem Steuerrecht des Mitgliedstaats ihres Sitzes34 . Die Europäische Kommission ist der Auffassung, daß eine solche Verrechnung, die bei reinen Inlandssachverhalten selbstverständlich ist, auch bei Auslandssachverhalten gelten soll. Sie hat daher einen entsprechenden Richtlinienvorschlag vorgelege'. Vorgesehen ist, daß die steuerlichen Verluste einer ausländischen Betriebsstätte mit dem inländischen Ergebnis des Stammhauses verrechnet werden dürfen. In Folgejahren entstehende Gewinne der ausländischen Betriebsstätte werden dann dem inländischen Ergebnis bis zur Höhe der vorher abgezogenen Verluste hinzugerechnet (Nachversteuerungsmethode). Alternativ schlägt die Richtlinie die Anrechnungsmethode vor. Danach werden Gewinne und Verluste ausländischer Betriebsstätten unmittelbar beim inländischen Stammhaus berücksichtigt. Die Doppelbesteuerung der Gewinne wird dadurch vermieden, daß die im Ausland gezahlten Steuern im Inland angerechnet werden. Bei ausländischen Versicherern, die im deutschen Markt im Dienstleistungsverkehr tätig werden, fehlt es an einer institutionalisierten Aktivität im Inland. Es gibt keinen Anknüpfungspunkt für die inländische Besteuerung. Die Besteuerung des Gewinns aus dem Dienstleistungsgeschäft erfolgt daher in dem Mitgliedstaat, in dem sich die dienstleistungserbringende Niederlassung oder Tochtergesellschaft befindet. Ausländische Versicherer, die das Geschäft in Deutschland über eine Niederlassung betreiben und dafür eine Betriebsstätte unterhalten oder einen ständigen Vertreter bestellen (was aufsichtsrechtlich 33 Bachmann, B.: Diskriminienmgsverbote bei direkten Steuern im Regehmgsbereich des EG-Vertrags, in: RIW 1994, S. 852-853. 34 Nach § 2a EStG dürfen negative Einkünfte aus einer in einem ausländischen Staat belegenen Betriebsstätte unter bestimmten Bedingungen mit inländischen Einkünften verrechnet werden. 3S Vorschlag fiir eine Richtlinie des Rates über eine Regelung fiir Unternehmen zur Berücksichtigung der Verluste ihrer in anderen Mitgliedstaaten belegenen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften, Kom (90) 595 endg., 24. Januar 1994.

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verlangt wird), sind dagegen in Deutschland nach § 2 KStG beschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Sie unterliegen nach § 2 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG) auch der Gewerbesteuer und nach § 2 Vermögensteuergesetz (VStG) mit ihrem Inlandsvermögen im Sinne des § 121 Bewertungsgesetz (BewG) der Vermögensteuer36 . Die Unterschiede in der Besteuerung, auf die später eingegangen wird, können den Dienstleistungsverkehr behindern. So werden Erträge aus Kapitalanlagen der Lebensversicherer im Vereinigten Königreich und in Irland besteuert. Die anderen Mitgliedstaaten verzichten darauf, wenn die Erträge auf die Überschußbeteiligung der Versicherungsnehmer entfallen. Das beeinträchtigt die Rentabilität britischer und irischer Lebensversicherungen und macht ihren ,,Export" unattraktiy 7 . (2) Besteuerung der Tätigkeit über eine Tochtergesellschaft § I Abs. I KStG zählt abschließend die Rechtsformen des inländischen Rechts auf, die selbständig subjektiv steuerpflichtig sind. Dazu gehören auch AG, VVaG und Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Der Umfang der Steuerpflicht richtet sich laut § lAbs. 2 KStG danach, ob die Gesellschaften ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland hat. Ist das der Fall, ist die Gesellschaft unbeschränkt mit ihrem Welteinkommen körperschaftsteuerpflichtig. Auf die Trägerschaft (in- oder ausländische Anteilseigner) kommt es nicht an. Ein Steuerausländer, der sich an einer inländischen Kapitalgesellschaft beteiligt, ist in Deutschland beschränkt steuerpflichtig. Er bleibt auch dann beschränkt steuerpflichtig, wenn er die Beteiligung in einer inländischen Betriebsstätte hält.

Der Normaltarif bei Gewinnthesaurierung beträgt 45 Prozent. Schüttet eine Gesellschaft Gewinne aus, wird die Ausschüttungsbelastung von 30 Prozent hergestellt, sei es durch Körperschaftsteuerminderung bei Gewinnen, die dem vollen Thesaurierungssatz von 45 Prozent unterlegen haben (verwendbares Eigenkapital 50 oder 45), sei es durch Körperschaftsteuererhöhung bei Gewinnen, die nicht der Körperschaftsteuer unterlegen haben (verwendbares Eigenkapital 0). Auf die verbleibende Dividende (70 Prozent des Gewinns vor Körperschaftsteuer) wird die Kapitalertragsteuer von 25 Prozent erhoben, so daß die Ausschüttung mit 30 Prozent (zuzüglich 17,5 Prozent) belastet ist. Unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter können sowohl die Ausschüttungsbe16

Rose, G.: Gnmdzüge des Internationalen Steuerrechts, 3. Auflage, Wiesbaden

1995, S. 129-137. 37

Vgl. D.m.l.a)ee).

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lastung als auch die Kapitalertragsteuer auf ihre Einkommen- oder Körperschaftsteuerschuld anrechnen beziehungsweise die Erstattung verlangen (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 und 3 EStG). Sie müssen allerdings die empfangene Dividende selbst versteuern (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG). Dagegen können beschränkt Steuerpflichtige weder die Ausschüttungsbelastung noch die Kapitalertragsteuer anrechnen oder erstattet verlangen, es sei denn, sie halten die Beteiligung in einem inländischen Betrieb (Betriebsstätte oder Personengesellschaft). Die SchlechtersteIlung beschränkt Steuerpflichtiger wird vor allem mit dem Grundsatz der Einmalbesteuerung der im Inland erwirtschafteten Gewinne mit inländischer Steuer begründees. Der Ausweg bestand für nicht anrechnungsberechtigte Anteilseigner lange Zeit darin, inländische Kapitalgesellschaften mit ungesicherten Gesellschafterdarlehen zu finanzieren. Die Zinsen wurden bei der Gesellschaft als Betriebsausgaben abgezogen. Die Zinserträge wurden nur einmal, nämlich im Ausland besteuert. Im Extremfall wiesen die inländischen Kapitalgesellschaften keine Gewinne mehr aus. § 8a KStG schränkt diese Gestaltung seit 1994 wesentlich ein. Er erfaßt Gesellschafter-Fremdfinanzierungen, für die ein nicht anrechnungsberechtigter Gesellschafter ein Vergütung erhält, die das zu versteuernde Einkommen der Kapitalgesellschaft mindert. Solche Vergütungen gelten nach § 8a KStG unter bestimmten Bedingungen als verdeckte Gewinnausschüttungen, die das zu versteuernden Einkommen nach § 8 Abs. 3 KStG nicht mindern 39 . Nach den deutschen DBA hat der Quellenstaat bei Streubesitzbeteiligungen ein begrenztes Recht zum Quellensteuerabzug. Der Staat, in dem der Anteilseigner ansässig ist, darf die Einkünfte (Dividenden) in vollem Umfang besteuern, muß aber die in Deutschland gezahlte Kapitalertragsteuer anrechnen. Die Höchstsätze für die Kapitalertragsteuer sind unterschiedlich. Zum Teil decken sie sich mit dem im Inland geltenden Satz von 25 Prozent, in der Regel liegen sie bei 15 Prozent40 . Schachtelbeteiligungen werden in den DBA üblicherweise privilegiert. So darf der Quellenstaat meist nur einen geringeren Kapitalertragsteuersatz als bei Streubesitzdividenden erheben. Der (empfangende) Staat

38 Mössner, M. / Baumhoff, H. u.a.: Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Köln 1992, S. 61l. 39 Einen Überblick über § 8a KStG gibt Krausharr, R.: Gesellschafter-Fremdfmanzienmgen (§ 8a KStG), in: Steuergestaltung bei verb\D1denen Unternehmen in Europa, Düsseldorf 1994, S. 251-292. 40 Es wird Z\Dlächst die Kapitalertragsteuer mit dem allgemeinen Satz von 25 Prozent einbehalten. Der Unterschiedsbetrag zum DBA-Höchstssatz muß im Wege der ErstattlDlg zurückgefordert werden. Für Schachteldividenden ist daneben auch das Freistell\D1gsverfahren möglich, vgl. Mössner, M. / Baumhoff, H. u.a.: Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Köln 1992, S. 621-622.

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muß die Schachtelerträge (üblicherweise) beim Dividendenempfanger freistellen, um die Doppelbesteuerung zu vermeiden. Nach der EU-Mutter-/fochterrichtlinie ermäßigt sich bei Schachtelbeteiligungen die Quellensteuer für Dividenden, die ab 1992 von einer deutschen Tochtergesellschaft an eine Muttergesellschaft mit Sitz in einem anderen EUMitgliedstaat ausgeschüttet werden, auf 5 Prozent. Am 1. Juli 1996 ist die Quellensteuer entfallen. Eine Schachtelbeteiligung liegt bei einer Beteiligung von 25 Prozent vor41 . Im Sitzstaat der Tochtergesellschaft soll nur der Gewinn besteuert werden, nicht dagegen die Ausschüttungen42 . Um die Doppelbesteuerung der Dividenden bei der Muttergesellschaft zu vermeiden, kann der Sitzstaat der Muttergesellschaft wählen, ob er die Schachteldividende von der Steuer freistellt oder die in Deutschland auf die Gewinne der Tochtergesellschaft bereits gezahlte Körperschaftsteuer anrechnet43 . Ob ausländische Gesellschafter (oder Gesellschaften) die Verluste einer deutschen Tochtergesellschaft geltend machen können (oder gegebenenfalls die Beteiligung wertberichtigen dürfen), richtet sich nach dem Steuerrecht des betreffenden Mitgliedstaats. Die Kommission hat, wie erwähnt, eine Richtlinie vorgeschlagen, die eine solche Verrechnung ermöglichen soll. b) Versicherungsgeschäfte

aa) Versicherungsprodukte Der Wegfall der Genehmigungs- und Vorlagepflicht für Versicherungsbedingungen bedeutet nicht, daß (in- und) ausländische Versicherer ihre Produkte künftig beliebig gestalten und in allen Märkten vertreiben können. Es gibt mehrere Einschränkungen. Die Produkte dürfen nicht gegen Bestimmungen zum Schutz des Allgemeininteresses verstoßen. So hat das BAV angekündigt, Versicherungen gegen die finanziellen Folgen eines alkoholbedingten Führerscheinentzugs oder einer

41 Die Beteiligungsgrenze wird in Deutschland auf 10 Prozent gesenkt, wenn der Staat der Muttergesellschaft Gegenseitigkeit gewährt (wie etwa die Niederlanden). 42 Vgl. § 44d EStG. 43 Richtlinie des Rates 90/4351EWG vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- Wld Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, AbI. der EG Nr. L 225, 20. August 1990, S. 6-9; Sass, G.: Die Fusionsrichtlinie Wld die MutterlTochterrichtlinie, in: DB 1990, S. 2345-2346.

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Entführung zu verbieten44 • Der französische Kassationsgerichtshof hat entschieden, daß Verträge mit privaten Kunden aus Gründen des Allgemeininteresses in französischer Sprache abgefaßt sein müssen4S . Ein weiterer Streitfall betrim die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung. Die französische Aufsichtsbehörde bestand aus Gründen des Allgemeininteresses auf einem einheitlichen System der Schadenfreiheitsrabatte. Die EU-Kommission lehnte dies ab, auch weil sie sich nicht überzeugen ließ, daß Schadenfreiheitsrabatte die Autofahrer zu vorsichtigerem Fahren veranlassen. Der Vorbehalt des Allgemeininteresses scham eine rechtliche Grauzone, den die EU-Kommission mit einer Bekanntmachung zumindest teilweise ausräumen möchte46 . Trotzdem wird es bis zur Klärung durch den EuGH oder die nationalen Gerichte in der Praxis zu Schwierigkeiten kommen47 . Für Verträge mit privaten Versicherungsnehmern gilt nach dem EGVVG grundsätzlich das deutsche VVG. Eine weitgehende Rechtswahlfreiheit besteht nur für gewerbliche oder industrielle Kunden. Sie müssen das VVG nicht beachten, wenn sie sich (zulässigerweise) für das Vertragsrecht eines anderen Mitgliedstaates entscheiden. Kritisch ist, daß das deutsche VVG zahlreiche zwingende und halbzwingende Bestimmungen enthält, die die Versicherungsprodukte prägen. Das schränkt die Gestaltungsfreiheit der Versicherer ein. Die zwingenden und halbzwingenden Bestimmungen des VVG gelten dabei immer und nicht nur, wenn sie dem Schutz des Allgemeininteresses dienen. Die EU-Richtlinien verbieten es dem deutschen Gesetzgeber nicht, das VVG zu ergänzen, etwa bisherige Versicherungsbedingungen zu kodifizieren48 . Außerdem können zum Beispiel für die einzelnen Versicherungszweige Grobraster entwickelt werden, die insbesondere den Versicherungsfall beschreiben. Auch wenn diese Bestimmungen nicht zwingend wären, gäben sie doch ein 44 o.y.: Aufsichtsamt achtet auf die Erfiillbarkeit der Versichenmgsverträge, in: FAZ vom 1. Juni 1994, S. 16. 45 Loheac, F.: Binnenmarkt fiir Versichenmgen: Chancen, Grenzen und Perspektiven, in: VW 1994, S. 1126. 46 The Concept ofthe General Good in the Third Insurance Directives (draft), Brüssei 1995 (nicht veröffentlicht). 47 Eine klare Linie des EuGH ist dabei nicht zu erkennen, vgl. Ress, G.: Abschied von Cassis de Dijon und Dassonville, in: EuZW 1993, S. 745; Devine, P. / Ffmch, C.: Third time lucky?, in: The Review, Heft 6/1991, S. 11; Rabe, T. / Winkler, B.: Gegenseitige Anerkennung und Herkunftslandkontrolle im EG-Binnenversicherungsmarkt, in: VW 1990, S. 1108. 48 Baumann, H: Allgemeine Versichenmgsbedingungen und Deregulienmg im Rahmen der EG-Dienstleistungsfreiheit, in: Versichenmgen in Europa heute und morgen, Geburtstags-Schrift fiir Georg Büchner, hrsg. von Franz Wilhelm Hopp und Georg Mehl, S. 278.

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gesetzliches Leitbild. Das AGB-Gesetz erlaubt, Versicherungsbedingungen für unwirksam zu erklären, die davon erheblich abweichen49 . Obwohl in Deutschland ein breiter Konsens bestand, das VVG unter Verbraucherschutzaspekten zu überarbeiten, ist eine umfassende Reform bei der Umsetzung der EU-Richtlinien ausgeblieben. Begründet wurde das mit dem Zeitdruck, unter dem die Richtlinien umgesetzt werden mußten50 . Eine Ausnahme ist die Krankenversicherung. Der deutsche Gesetzgeber hat die geltenden Versicherungsbedingungen weitgehend in das VVG übernommen, um den Status quo im Krankenversicherungsvertragsrecht zu erhalten51 . Die substitutive Krankenversicherung darf in Deutschland weiterhin nur nach Art der Lebensversicherung betrieben werden 52. Das bedeutet Prämienberechnung auf versicherungsmathematischer Grundlage, Bildung von Alterungsrückstellungen und Ausschluß des ordentlichen Kündigungsrechts des Versicherers. Der Versicherungsnehmer muß darüber hinaus innerhalb einer Gesellschaft in einen Tarif mit gleichartigem Versicherungsschutz wechseln dürfen. Die erworbenen Rechte einschließlich Alterungsrückstellung sind ihm dabei anzurechnen 53 . Das Sozialversicherungsgesetz legt fest, an welche Bedingungen die Arbeitgeberzuschüsse zur substitutiven privaten Krankenversicherung geknüpft sind. Neben den oben genannten Bedingungen muß der Versicherer einen sogenannten Standardtarif für ältere Versicherungsnehmer anbieten und die Krankenversicherung spartengetrennt betreiben54. In Deutschland kommt es damit, anders als zunächst befürchtet, nicht zu einem Nebeneinander von versicherungsmathematisch kalkulierten Prämien und reinen Risikoprämien. Die Auswirkungen eines solchen Nebeneinanders zeigt folgendes Beispiel: Für die reine Risikoversicherung zahlt ein 30jähriger eine Monats49 Verschiedenen Seiten sehen darin eine Möglichkeit fiir neue Beschränktmgen der Produktgestalttmgsfreiheit, vgl. o.v.: Ohne Hannonisienmg des Vertragsrechts kein gemeinsamer Versichenmgsmarkt, in: VW 1992, S. 89-90. so Entwurf eines Dritten Gesetzes Gesetzes zur Durchfiihnmg versichenmgsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften (Drittes DurchfiihnmgsgesetzlEWG zum VAG), Drucksache 23/94, 14. Januar 1994, S. 299; Präve, P.: Das Dritte DurchfiihnmgsgesetzlEWG zum VAG - Ausgewählte Fragen des neuen Aufsichts- und Vertragsrechts, in ZN 1994, S. 23. SI ZU den Ändenmgen im einzelnen, vgl. Moser, H.: Der Referentenentwurf der WG-Novelle auf dem Prüfstand, Karlsruhe 1993. S2 ZU den Besonderheiten der privaten Krankenversichenmg in Deutschland, vgl. Timmer, H. G.: EG-Hannonisienmg in der Krankenversichenmg vor dem Hintergnmd versichenmgstechnischer Vielfalt - Zwiespalt zwischen Realität tmd Utopie, in: VW 1990, S. 774-782; Sahmer, S.: Chancen der privaten Krankenversichenmg in Europa, in: ZN 1994, S. 246-250. S3 Vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 4 VAG. S4 Vgl. D.I.2.a)aa).

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prämie von 60 bis 70 Einheiten. Sonstige Kostensteigerungen vernachlässigend, müßte der Versicherungsnehmer im Alter von 80 Jahren für die Risikoversicherung 530 Einheiten aufbringen. Die versicherungsmathematisch berechnete Prämie würde dagegen weiter 100 Einheiten betragenSS . Bei Pflichtversicherungen darf der deutsche Gesetzgeber die Bedingungen im einzelnen festlegen, insbesondere den Deckungsumfang. In der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung ist dies geschehen. Der deutsche Gesetzgeber hat die bisher geltenden Versicherungsbedingungen weitgehend in eine Verordnung auf der Grundlage des Gesetzes über die Pflichtversicherung von Kraftfahrzeughaltern übernommen und damit den Umfang des notwendigen Versicherungsschutzes festgeschrieben s6 . Dazu gehören der räumliche Geltungsbereich und die Mindestdeckungssummen, der sachliche Deckungsumfang und das versicherte Risiko, die versicherten Personen, die Ausschlußtatbestände, die Obliegenheiten vor und nach Eintritt des Versicherungsfalls, die Sanktionen, die Rentenberechnungsgrundlagen und der vorläufige Deckungsschutz. Darüber hinaus enthält die Verordnung einige Kann-Bestimmungens7 . Ausländische Versicherer, die im deutschen Markt die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung betreiben wollen, müssen dem BAV vor Aufnahme des Geschäfts die Versicherungsbedingungen vorlegen, damit das Aufsichtsamt die Einhaltung der vorgegebenen Bedingungen überprüfen kann. Die Versicherungsbedingungen sind allgemeine Geschäftsbedingungen. Sie unterliegen dem Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz). Überraschende Klauseln und Bestimmungen sind unwirksam, wenn sie den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligenS8 . Die Versicherungsbedingungen müssen transparent sein, das heißt Rechte und Pflichten der Vertragspartner klar und eindeutig darstellens9 . Die Versicherungsbedingungen werden nur Bestandteil des Vertrages, wenn sie 55 List, F.: Situation und Entwicklung der privaten Krankenversichenmg in den Europäischen Gemeinschaften, in: Versichenmgen in Europa heute und morgen, Geburtstags-Schrift fiir Georg Büchner, hrsg. von Franz Wilhelm Hopp und Georg Mehl, Karlsruhe 1991, S. 85-86. 56 Vgl. § 4 Pflichtversicherungsgesetz. 57 Schirmer, H.: Einige Bemerkungen zum EntwuIf einer Kraftfahrzeug-Pflichtversicherungsverordnung, in: Recht und Ökonomie der Versicherung, Festschrift fiir Egon Lorenz, hrsg. von Ulrich Hübner, Elmar HeIten und Peter Albrecht, Karlsruhe 1994, S. 529-567. 58 Vgl. § 3 AGB-Gesetz. 59 Baumann, H.: Allgemeine Versicherungsbedingungen und Deregulierung im Rahmen der EG-Dienstleistungsfreiheit, in: Versicherungen in Europa heute und morgen, Geburtstags-Schrift fiir Georg Büchner, hrsg. von Franz Wilhelm Hopp und Georg Mehl, Karlsruhe 1991, S. 271.

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dem Versicherungsnehmer bei Abgabe eines bindenden Antrags vorliegen. Anderenfalls kommt der Versicherungsvertrag zwar zustande, die Versicherungsbedingungen sind aber nicht einbezogen6o . Wenn die Parteien individuelle Bedingungen aushandeln, gilt das AGB-Gesetz nicht. Im Privatkundengeschäft spielen solche Vereinbarungen kaum eine Rolle. Nach dem AGB-Gesetz können Verbraucher- oder Wirtschaftsverbände sowie Industrie- und Handelskammern einzelne Versicherungsbedingungen prüfen lassen und einen Unterlassungsanspruch gegen deli Versicherer erwirken (Verbandsklage). Künftig muß dabei das BAV stets gehört werden61 . Trotz der Genehmigung durch das BAV unterlagen die Versicherungsbedingungen auch vor Umsetzung der "dritten Richtlinien" dem AGB-Gesetz. In mehreren Fällen mußten sie nach Gerichtsentscheidungen aufgehoben oder angepaßt werden62 . Die Gerichte werden sich nach Wegfall der Genehmigungspflicht voraussichtlich häufiger mit Versicherungsbedingungen befassen müssen, so daß die vorherige Kontrolle des BAV zumindest teilweise durch eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle ersetzt wird63 . Parallelen gibt es zum Bankenbereich. Dort stehen Geschäftsbedingungen oft auf dem Prüfstand der Rechtsprechung. Nachteil der gerichtlichen Kontrolle ist, daß Entscheidungen nur für den Einzelfall gelten und die Gerichte unterschiedlich entscheiden64 . In der Lebensversicherung sind Versicherungsgeschäfte stark von steuerlichen Förderbedingungen geprägt6S . Es ist darauf hinzuweisen, daß auch Rückversicherer an einer Standardisierung im Erstversicherungsgeschäft interessiert sind, um die Transaktionskosten niedrig zu halten. 60 Bach, P.: Vorvertragliche lnfonnationspflichten des Versicherers nach der VAGNovelle, in: Recht Wld Ökonomie der Versichenmg, Festschrift für Egon Lorenz, hrsg. von Ulrich Hübner, Elmar Helten Wld Peter Albrecht, Karlsruhe 1994, S. 59. 61 Der Vorschlag, dem BAV selbst eine Klagebefugnis einzuräumen, wurde nicht umgesetzt, vgl. Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände e.v. (Hg.): StellWlgnahme für den BWldesminister der Justiz zum Teildiskussionsentwurf für ein Drittes ~ setz zur Durchfiihnmg von versichenmgsrechtlichen Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften, Bonn 1993, S. 9; Präve, P.: Das Dritte Durchfiihnmgsgesetz/EWG zum VAG - Ausgewählte Fragen des neuen Aufsichts- Wld Vertragsrechts, in: ZN 1994, S. 258. 62 Hofmann, E.: Privatversichenmgsrecht, 3. Auflage, München 1991, S. 17-18. 63 Hübner, U.: AuswirkWlgen der Deregulienmg des Aufsichtsrechts auf den Vers ichenmgsvertrieb - Rechtliche Gnmdlagen, Karlsruhe 1994, S. 6-7. 64 Schwintowski, H-P.: Die MarktöffuWlg der KfZ-Versichenmg, in: VersR 1994, S. 650; Hohlfeld, K.: Die ZukWlft der Versichenmgsaufsicht nach VollendWlg des Binnenmarktes, in: VersR 1993, S. 146. 6S Vgl. D.I.2.b)ddX2).

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bb) Versicherungsprämien Die Prämiengestaltung unterliegt auch nach Wegfall der Genehrnigungsund Vorlagepflichten für Tarife und Rechnungsgrundlagen einigen Beschränkungen. In der Lebensversicherung und substitutiven Krankenversicherung müssen die Prämien so bemessen sein, daß ausreichende Deckungs- und Alterungsrückstellungen gebildet werden können66 . Es ist nicht zulässig, planmäßig und dauerhaft Rückstellungen aus anderen Quellen als den Prämienerträgen zu dotieren. Deshalb gilt der Höchstzinssatz für die Deckungsrückstellung mittelbar auch für die Prämienberechnung. In Deutschland muß in der Lebens-, substitutiven Kranken- und in der Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr ein unabhängiger Treuhänder Prämienerhöhungen und Änderungen des Geschäftsplans genehmigen. Voraussetzung für die Erhöhung oder Änderung ist neben einer entsprechenden Veränderung des Leistungsbedarfs des Versicherers, daß sie zur Gewährleistung der Versicherungsleistung notwendig ist. Die Zustimmung des Treuhänders ist auch erforderlich für eine Anpassung der Versicherungsbedingungen. Dies wird damit begründet, daß bei langfristigen Verträgen, bei denen der Versicherer kein Kündigungsrecht hat, während der Vertragslaufzeit Änderungsbedarf entstehen kann. Anpassungen sollen aber nicht dem Versicherer allein überlassen, sondern der Kontrolle eines unabhängigen Dritten (des Treuhänders) unterliegen, der die Interessen der Versicherungsnehmer wahrnimmt67 • Vereinbarungen zwischen Versicherern und Empfehlungen der Versicherungsverbände über Risikoprämien sind wettbewerbsrechtlich zulässig, wenn sie unverbindlich sind. Das gilt auch für überbetriebliche Schadenstatistiken von Verbänden. Sie können auch künftig Grundlage für die Prämienberechnung der Mitglieder sein. Unklar dagegen ist, ob das BAV gegen Versicherer vorgehen darf, die mit stark überhöhten oder völlig unzureichenden Prämien arbeiten. Nach den EURichtlinien sind derartige Eingriffe nur nachträglich bei der Finanzaufsicht zulässig68 , zum Beispiel wenn erhebliche Verluste des Versicherers die dauernde Erfiillbarkeit der Verpflichtungen gefährden. Gegen überhöhte Prämien kann dagegen nichts unternommen werden. Vgl. §§ 11 Abs. 1, 12 Abs. 1,65 Abs. 1 VAG. Präve, P.: Versichenmgsaufsicht, Treuhänder und Verantwortlicher Aktuar, in: VersR 1995, S. 736-737. 68 Die Zuständigkeit liegt damit allein bei der Herkunftslandbehörde des Versicherers. 66 67

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cc) Rolle der Versicherungsverbände Die Verbände werden auch künftig in erster Linie auf nationaler Ebene arbeiten69 . Schwerpunkte sind die Führung von Schadenstatistiken, daraus abgeleitete Empfehlungen (für Risikoprämien) und die Erarbeitung von Musterbedingungen. Versicherer, die in einem anderen Mitgliedstaat eine Aufbaustrategie verfolgen und keine Erfahrungen (des Zielmarktes) mitbringen, werden sich bei der Produkt- und Prämiengestaltung an diesen Empfehlungen und Statistiken orientieren (müssen). Es ist nicht geplant, das CEA zu einem echten Verband auszubauen. Aufgabe des 1953 in Paris gegründeten CEA ist und bleibt die Abstimmung zwischen den nationalen Versicherungsverbänden und die gemeinsame Interessenvertretung bei den EU-Organen7o . dd) Besteuerung71 (1) Versicherungs/euer

Die Umsatzsteuer ist bei Versicherern von untergeordneter Bedeutung. Die Umsätze aus dem Absatz der Hauptprodukte sind weitgehend von der Umsatzsteuer befreit, nämlich - alle Prämienumsätze (Versicherungsentgelte) und zwar auch dann, wenn sie nicht der Versicherungsteuer unterliegen, etwa in der Lebens- und Krankenversicherung (§ 4 Nr. 10 Umsatzsteuergesetz, UStG); - die Umsatzerlöse aus der Überlassung von KapitaInutzungen, etwa Zinsen auf Darlehen und Wertpapiere (§ 4 Nr. 8 UStG); - die Umsatzerlöse aus der mietweisen Überlassung von Grundstücken und Gebäuden (§ 4 Nr. 12a UStG), auch wenn nach § 9 Abs. 1 UStG die Möglichkeit besteht, auf die Umsatzsteuerbefreiung zu verzichten, wenn der Umsatz "an einen anderen Unternehmer ausgeführt wird".

69 Büchner, G.: Fragen des aufsichtsrechtlichen Verbraucherschutzes, in: ZVersWiss 1994, S. 365. 70 Wilke, H-J.: Aufgaben der Verbände bei der Gestaltung des Gemeinsamen europäischen Versicherungsmarktes, in: Versichenmgen in Europa heute und morgen, Geburtstags-Schrift fiir Georg Büchner, hrsg. von Franz Wilhelm Ropp und Georg Mehl, Karlsruhe 1991, S. 225. 7I Für einen Überblick, vgl. Dassesse, M.: The EC Insurance Market in the Light of 1992: Tariff and Fiscal Barriers, in: The Leading European Insurers, 3. Auflage, London 1989, S. 703, 713-715.

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Die Befreiung der Hauptumsätze der Versicherer von der Umsatzsteuer bedeutet, daß sie nach § 15 Abs. 2 UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind und damit die Umsatzsteuer, die sie in den Preisen für bezogene Produktionsfaktoren gezahlt haben, nicht geltend machen können. Vorsteuern fallen vor allem bei sachlichen Betriebsmitteln an, etwa beim Kauf von Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie beim Kauf oder der Errichtung von Gebäuden. Die Prämienzahlungen des Versicherungsnehmers unterliegen dann der deutschen Versicherungsteuer, wenn das versicherte Risiko in Deutschland belegen ist. Das Versicherungsteuergesetz (VerStG) unterscheidet vier Fälle72 : Für die Versicherung mit Bezug auf unbewegliche Sachen, insbesondere Grundstücke und Gebäude und Anlagen sowie darin befindliche Sachen, entsteht die Steuer im Belegenheitsstaat (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VerStG). Schließt beispielsweise der italienische Eigentümer eines in Deutschland belegenen Gebäudes eine Feuerversicherung bei einem niederländischen Versicherer ab, so muß der niederländische Versicherer die deutsche Versicherungsteuer berechnen, mit der Prämie erheben und an den deutschen Fiskus abführen, und zwar unter Beachtung der dafür geltenden Fristen, Formulare und Verfahrensvorschriften. Wie erwähnt, darf der deutsche Fiskus von Versicherern aus der EU oder dem EWR, die in Deutschland Versicherungsgeschäfte betreiben wollen, verlangen, daß sie im Inland einen Steuerbevollmächtigten bestellen. Für die Versicherung von Risiken, die sich auf Fahrzeuge aller Art beziehen, entsteht die Versicherungsteuer in dem Staat, in dem das Fahrzeug das Kennzeichen erhalten hat oder in ein amtliches Register eingetragen ist. Eine Sonderregel gilt für Reiseversicherungen (Reisegepäck- und Reiserücktrittsversicherung) mit einer Laufzeit von bis zu vier Monaten. Die Versicherungsteuer entsteht in dem Staat, in dem der Vertrag zustande kommt. In allen anderen Fällen (Auffangregel) kommt es bei natürlichen Personen darauf an, wo der Versicherungsnehmer bei Prämienzahlung seinen Wohnsitz hat. Bei sogenannten nicht-natürlichen Personen - also Personen- und Kapitalgesellschaften - ist die Belegenheit des Unternehmens oder der Betriebsstätte maßgeblich, auf die sich die Versicherung bezieht. Bei reinen Inlandssachverhalten ist diese Bestimmung einfach zu handhaben. Schwierig wird es, wenn der Versicherungsvertrag sich auch auf ausländische Betriebsstätten oder Tochtergesellschaften bezieht. Die Aufteilung der Prämie soll dann nach vernünftigen kaufmännischen Grundsätzen erfolgen. Dabei kann es zu Meinungs72 Pering, W.: Steuerliche Aspekte im Zusammenhang mit VersichefWlgsverträgen, in: VP 1995, S. 185-189.

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verschiedenheiten mit den betroffenen Finanzverwaltungen kommen und - bei einer einseitigen Anpassung - zur Doppelbesteuerung. Die Bestimmung des Versicherungsteuergesetzes, die auf die EU-Versicherungsrichtlinien zurückgehen, haben das Ziel, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, die bei einem Übergang auf das Urspungslandprinzip aufgrund der unterschiedlichen Versicherungsteuersätze und der fehlenden Regelung der Aufteilung des Steueraufkommens entstanden wären. D

F UK E I NL Versichenmgsteuersätze in Prozent der Prämien 2,5 0 0 0 0 0 15 9 2,5 0 2,25 7 D) 15 IS 2,5 12,5 7 10 + S") 5 + 0,5 C) 30 2,5 21,25 7 2,5 8) 15 9 2,5 21,25 7 0) 15 a) 2,5 0 9 2,5 D) 2,5 2,5 0 0 7

Leben Allgemeine Haftpflicht Kraftfahrt Feuer EinbruchIDiebstahl Unfall Kranken a) F euerschutzsteuer. b) Steuerähnliche Abgabe. c) Sonderfonds für die Versichenmg außerordentlicher Risiken. d) 2,4 Prozent für Unfallversichenmg mit Prämienrückgewähr.

(2) Abzugsjähigkeit der Versicherungsprämien und Besteuerung der Versicherungsleistungen

Für die Rentabilität und Produktgestaltung in der Lebensversicherung ist die steuerliche Behandlung wichtig, vor allem die Abzugsfähigkeit der Versicherungsprämien und die Besteuerung der Versicherungsleistungen. Lebensversicherungsprodukte, die der Alters- und Hinterbliebenenvorsorge dienen, sind sozialpolitisch erwünscht. Sie ergänzen die gesetzliche und betriebliche Altersversorgung und werden deshalb in fast allen Mitgliedstaaten gefordert. Meist können die Versicherungsprämien unter bestimmten Bedingungen bis zu einer bestimmten Höhe als Sonderausgaben steuerlich geltend gemacht werden. Die Versicherungsleistungen und die darin enthaltenen Zinserträge bleiben in der Regel steuerfrei. Einige Mitgliedstaaten gewähren diese Vorteile nur, wenn die Verträge mit im Inland niedergelassenen Versicherern abgeschlossen werden. Da sich die Besteuerung unmittelbar auf das Preis-Leistungs-Verhältnis des Versicherungsschutzes auswirkt, werden ausländische Angebote künstlich verteuert und so im Wettbewerb benachteiligt.

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Im sogenannten Bachmann-Urteil behandelte der EuGH die steuerliche Diskriminierung ausländischer Lebensversicherungen. Bachmann, ein deutscher Staatsbürger, wurde von seinem Arbeitgeber nach Belgien versetzt73 . Vor seinem Umzug nach Belgien hatte Bachmann in Deutschland eine Berufsunfähigkeits- und eine Lebensversicherung abgeschlossen. Die Beiträge wollte Bachmann in Belgien steuerlich geltend machen. Dies lehnte die belgische Finanzverwaltung ab. Im einzelnen sah das belgische Steuerrecht folgendes vor: Beiträge, die an in Belgien nicht niedergelassene Versicherer gezahlt werden, werden steuerlich nicht anerkannt. Dafür bleiben die Versicherungsleistungen steuerfrei. Beiträge an in Belgien niedergelassene Versicherer werden dagegen steuerlich anerkannt, die Versicherungsleistungen werden im Gegenzug besteuert. Die belgische Finanzverwaltung verwies darauf, daß sie nur bei in Belgien niedergelassenen Versicherern sicherstellen kann, daß die Versicherungsleistungen in Belgien besteuert werden. Der EuGH sah in dieser Bestimmung des belgischen Steuerrechts zwar eine Beschränkung der Artikel 48 und 59 EU-Vertrag. Er bewertete die ,,innere Kohärenz" des belgischen Steuersystems, also den Zusammenhang zwischen Abzugsfähigkeit der Prämien und Besteuerung der Leistung, höher als die genannten Artikel des EU-Vertrags. Das Urteil ist problematisch, weil es fiskalische Interessen der Mitgliedstaaten höher bewertet als den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr. Ob es ausländische Versicherer tatsächlich im Wettbewerb benachteiligt, ist allerdings vom Einzelfall abhängig, das heißt von den Einkommensverhältnissen des Kunden. Er muß die Vorteile der Steuerersparnis während der Vertragslaufzeit den Nachteilen der Besteuerung der Versicherungsleistung gegenüberstellen. Das Urteil hat aber auch eine positive Seite. Eine steuerliche Diskriminierung ausländischer Produkte ist danach nämlich nur dann gerechtfertigt, wenn eine "innere Kohärenz" besteht. In Mitgliedstaaten, die die Versicherungsleistungen nicht besteuern, gibt es eine solche ,,innere Kohärenz" nicht, zum Beispiel in Deutschland. Der deutsche Gesetzgeber hat entsprechend reagiert und das Einkommensteuergesetz 1993 geändert. Die steuerliche Gleichbehandlung in- und ausländischer Anbieter (aus der EU und dem EWR) ist nun sichergestelle 4 . Nach § 10 Abs. I Nr. 2a EStG sind Versicherungsprämi13 Moore, 1.: Case C 204/90 Bachmann v Belgium, in: Butterworths European Law Service, Insurance Law, Heft C 72, London 1992, S. 1-3; Dassesse, M.: The Bachmann case: A major setback for the single market in financial services, in: Butterworths Journal ofIntemational Banking and Financial Law 1992, S. 257. 74 Loheac glaubt, daß ausländische Versicherer das Geschäft über Niederlassungen bevorzugen werden, um die steuerliche Klippe zu umschiffen, vgl. Loheac, F.: Der Binnenmarkt für Versicherungen, Chancen, Grenzen und Perspektiven, in: VW 1994, S. 1123; zur Änderung in Deutschland, vgl. § 52 Abs. 12 EStG in Verbindung mit § 10 Abs. 2 EStG.

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en dann abzugsfahig, wenn sie an einen Versicherer entrichtet werden, der Sitz oder Geschäftsleitung in einem Staat der EU oder dem EWR hae s . In der Angelegenheit Wielockx machte der EuGH im August 1995 teilweise einen Rückzieher. Wielockx, ein Belgier, wohnt in Belgien, ist aber in den Niederlanden selbständig tätig und erzielt dort seine gesamten Einkünfte. Nach dem niederländischen Einkommensteuerrecht ist er in den Niederlanden beschränkt steuerpflichtig. Wielockx beantragte bei der niederländischen Finanzverwaltung die Anerkennung der Zuführungen zu einer AltersTÜckstellung als Betriebsausgabe. Solche Zuführungen werden bei (unbeschränkt steuerpflichtigen) Selbständigen in den Niederlanden unter bestimmten Bedingungen anerkannt, nicht jedoch bei beschränkt Steuerpflichtigen. Gegen diese SchlechtersteIlung klagte Wielockx. Der EuGH bezog sich in seinem Urteil auf sein Urteil in der Angelegenheit Schumacker, wonach ein gebietsfremder Steuerpflichtiger, der seine gesamten Einkünfte in einem Staat erzielt, in dem er seine berufliche Tätigkeit ausübt, steuerlich wie eine gebietsansässiger (also unbeschränkt) Steuerpflichtiger behandelt werden muß. Der EuGH bejahte daher im vorliegenden Fall eine gemeinschaftsrechtswidrige Diskriminierung. Insbesondere führte der EuGH aus, daß eine Diskriminierung nicht dadurch gerechtfertigt werden kann, daß Rentenzahlungen, die der gebietsfremde (beschränkt) Steuerpflichtige später aus der AlterSTÜckstellung bezieht, nicht in diesem Staat besteuert werden, sondern in dem Staat des Wohnsitzes des Beziehers (DBA zwischen Belgien und der Niederlande). Das gilt nach dem EuGH auch dann, wenn infolge einer generellen Einräumung der steuerlichen Abzugsfahigkeit eine genaue Übereinstimmung zwischen Abzugsfahigkeit der Zuführungen und der Besteuerung der Bezüge nicht gewährleistet ise 6 . Der deutsche Gesetzgeber ist (EU-rechtlich) nicht verpflichtet, alle Arten von Lebensversicherungsprodukten zu fordern. Er kann beispielsweise verlangen, daß die Produkte der Alters- und Hinterbliebenenvorsorge dienen und kann dafür Kriterien festlegen. So bleiben Versicherungsleistungen in der Lebensversicherung nur dann steuerfrei, wenn die Vertragslaufzeit mindestens zwölf Jahre beträge 7 . Reine Sparpläne oder Produkte, die überwiegend "Anla-

7~ Bachmann, B.: Diskriminienmgsverbote bei direkten Steuern im Regelungsbereich des EG-Vertrages, in: RlW 1994, S. 855-856. 76 o.V.: EuGH: Diskriminienmgsverbot bei der Besteuenmg Gebietsfremder, in: EuZW 1995, S. 177-180, 703-705. 77 Doetsch, P.: Steuerliche Aspekte der Lebensversichenmg im europäischen Binnenmarkt, in: VW 1995, S. 810-813.

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gecharakter" haben, werden nicht anerkannt's. Ein Beispiel sind die sogenannten single premium bonds, die im Vereinigten Königreich beliebt sind. Es handelt sich um eine Anlage in Investmentfonds, verpackt als Lebensversicherung. Im Todesfall werden mehr als 100 Prozent des Rücknahmepreises der Fondsanteile gezahlt, zum Beispiel 101 Prozent'9. Wie stark steuerliche Bestimmungen die Lebensversicherungsprodukte prägen, zeigt auch der französische Versicherungsmarkt. Er erlebte in den 80er Jahren einen beachtlichen Aufschwung mit sogenannten Kapitalisierungsgeschäften, eine Art Sparvertrag ohne TodesfalleistungSo . Neben der hohen Fungibilität war vor allem die steuerliche Behandlung attraktiv. Die Versicherungsleistung blieb nach einer Mindestlaufzeit von acht Jahren steuerfrei. Die Kapitalisierungsgeschäfte gingen zurück, als ein staatliches Sparforderprogramm, der Plan d'Epargne Populaire, eingeführt wurde und die Versicherungsteuer auf Lebensversicherungen wegfiel SI. ee) Sozialversicherungsrecht Für die Produktgestaltung in der Lebens- und Krankenversicherung ist auch das Sozialversicherungsrecht wichtig. Es bestimmt nicht nur das Marktvolumen für private Anbieter in den einzelnen Mitgliedstaaten82 , sondern ist auch Ausgangspunkt für zusätzliche private Vorsorge. So decken private Krankenzusatz- und -ergänzungsversicherungen in Deutschland die Leistungen, für die die gesetzliche Krankenversicherung gar nicht, nicht mehr oder nicht vollständig aufkommt. Die private Lebensversicherung baut auf der gesetzlichen

78 Der deutsche Gesetzgeber schreibt vor, daß bei Verträgen, die nach dem 31. März 1996 abgeschlossen wurden, der Todesfallschutz der Lebensversichenmg stets mindestens 60 Prozent aller eingezahlten Beiträge entsprechen muß. 79 Seuferle, J.: Britische Lebensversichenmgen gegen Einmalbeitrag - Chancen in Deutschland, in: VW 1994, S. 473-474. 80 Kapitalisienmgsgeschäfte sind in Deutschland steuerlich nicht begünstigt, vgl. Claus, G.: Lebensversichenmgsaufsicht nach der Dritten EG-Richtlinie, Was bleibt? Was ändert sich?, in: ZN 1994, S. 139. 81 Schriever, W.: Frankreich: Was den Versichenmgsmarkt vom deutschen unterscheidet, VW 1994, S. 472-473. 82 Beispielsweise ist in Deutschland die Krankenversichenmgsdichte aufgnmd der Möglichkeit, sich von der gesetzlichen Krankenversichenmg befreien zu lassen, deutlich höher als in anderen entwickelten Märkten, vgl. Schweizer Rück (Hg.): Gesundheitswesen in 8 Ländern: Ausgabenwachstum als Problem für Sozialversichenmgssysterne und Privatversicherer, in: Wirtschaftsstudien, Heft 111993, S. 11-12.

15 Rabe

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und betrieblichen Altersvorsorge auf 3 . Ausländische Versicherer, die im deutschen Markt ihre Geschäfte betreiben wollen, müssen ihre Produkte an diese ,,Bedarfssituation" anpassen. ff) Kapital- und Zahlungsverkehr

Am 1. Juli 1990 trat die Richtlinie zur vollständigen Liberalisierung des Kapitalverkehrs in Kraft. Sie verbietet jede Beschränkung des Kapitalverkehrs in der Union, vor allem bei grenzüberschreitenden Überweisungen. Nach wie vor ist der grenzüberschreitende Zahlungsverkehr jedoch teuer, langsam und unzuverlässig. Das beweist eine Studie des Europäischen Verbraucherverbandes (BEUC) von 199284 . BEUC führte 160 grenzüberschreitende Überweisungen durch. Die durchschnittliche Gebühr lag bei knapp 15 Prozent des Überweisungsbetrages. Die teuerste Überweisung von 130 ECU kostete 52 ECU - also 40 Prozent des Überweisungsbetrags. Die Banken brauchten im Durchschnitt sechs Arbeitstage, um eine grenzüberschreitende Zahlung auszuführen. Drei Überweisungen kamen gar nicht beim Empfänger an. Die beteiligten Banken konnten auch auf Nachfrage nicht ermitteln, wo das Geld geblieben ist. Diese Ergebnisse bestätigt eine Untersuchung, die die Londoner Beratungsfirma Retail Banking Research Limited 1993 für die Europäische Kommission durchführte 8s . Danach kosteten die grenzüberschreitenden Überweisungen von 100 ECU durchschnittlich 20 ECU. Unberücksichtigt blieben dabei Gebühren, die die Empfängerbank zusätzlich erhob. In einem Fall waren das immerhin 42,5 ECU. Dafür wurden die Überweisungen inzwischen etwas schneller ausgeführt. Der Durchschnitt lag bei fünf Arbeitstagen. Bei drei von 987 Überweisungen verschwand das Geld spurlos. Zwei Überweisungen wurden nicht ausgeführt, weil die Empfänger angeblich unauffindbar waren. Die Absender bekamen ihr Geld abzüglich der Überweisungskosten zurück. Zu bemängeln war auch, daß die Kunden über die Kosten der Überweisung, die zweckmäßigste Überweisungsform und die voraussichtliche Dauer nicht ausreichend informiert wurden. 83 Der Umfang der gesetzlichen Altersvorsorge ist in den Mitgliedstaaten sehr Wlterschiedlich. In den Niederlanden gewährt die Sozialversicherwtg nur eine Mindestrente. In Mitgliedstaaten mit geringem Wohlstand hat die gesetzliche Altersvorsorge dagegen einen höheren Stellenwert. Betriebliche Wld private Vorsorgemaßnahrnen entwickeln sich dort erst. Eine Gesamtharmonisierwtg ist nicht möglich Wld auch nicht beabsichtigt, vgl. Tegtmeier, W.: Europäische Integration Wld deutsche Sozialpolitik, in: Betriebliche Altersversorgwtg, Heft 4/1989, S. 98. 84 o.v.: Reise ins Ungewisse, in: Finanztest, Heft 111993, S. 57-58. 8S o.y.: Müde Münze, in: Finanztest, Heft 111994, S. 46-47.

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Die Probleme beim grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr behindern vor allem den Dienstleistungsverkehr. Preisvorteile ausländischer Versicherer können durch hohe Gebühren zunichte gemacht werden. Die langen Überweisungszeiten können außerdem zu einer verspäteten Prämienzahlung führen mit entsprechenden vertragsrechtlichen Folgen. Lösungswege könnten darin bestehen, daß die Versicherer im Land des Versicherungsnehmers ein Sammelkonto für die Prämien einrichten oder daß die Versicherungsnehmer die Prämien über Kreditkarte zahlen. Es gibt verschiedene Empfehlungen der Europäischen Kommission zum grelUÜberschreitenden Zahlungsverkehr. Sie setzen vor allem auf die Aufklärung der Kunden und auf freiwillige Maßnahmen der Banken86 . Wegen der insgesamt gesehen unbefriedigenden Fortschritte verabschiedete der Ministerrat 1995 eine Richtlinie. Danach dürfen Überweisungen nicht länger als sechs Arbeitstage dauern. Eine doppelte Gebühr (der Absender- und der Empfangerbank) ist nicht zulässig. Die Banken müssen den Kunden schriftlich vor allem über Dauer und Kosten der Überweisung unterrichten. Der Überweisungsbetrag ist zu erstatten, wenn er nicht innerhalb von 20 Arbeitstagen dem Konto des Empfangers gutgeschrieben wurde87 . gg) Altbestand In Deutschland gelten für Verträge in der Lebens- und Krankenversicherung, die vor dem 29. Juli 1994 abgeschlossen wurden, die EU-Richtlinien nur teilweise. Insbesondere bleiben die genehmigten Geschäftspläne bestehen. Änderungen muß das BAV zustimmen. Ziel der Liberalisierung ist nach Auffassung des deutschen Gesetzgebers, daß alle Versicherungsprodukte in der Union über nationale Grenzen hinweg für alle Versicherungsnehmer zugänglich sind. Eingriffe in bestehende Versicherungsverhältnisse und Änderungen ohne Zustimmung der Versicherungsnehmer sind nicht beabsichtigt88. Die Liberalisierung des deutschen Versicherungsmarktes wird durch den Schutz des Altbestandes nur mittelbar beschränkt. Den Versicherungsnehmern steht es frei, einen neuen Vertrag zu schließen oder den Versicherer zu wech86 Vgl. beispielsweise Discussion Paper on Making Payments in the Internal Market, Com (90) 447 fm., 26. September 1990. 87 o. V.: Les paiements transfrontaliers regis par une Directive a partir de 1997, in: DG XV News, Heft 4/1994, S. 9-10. 88 Entwurf eines Gesetzes zur Durchfiihrung versichenmgsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften (Drittes DurchfiihrungsgesetzlEWG zum VAG), Drucksache 23/94, 14. Januar 1994, S. 151; vgl. § Hc VAG.

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seIn. Damit sind allerdings erhebliche Nachteile verbunden. In der Krankenversicherung verliert der Kunde die angesammelte Alterungsrückstellung, in der Lebensversicherung sind die Rückkaufswerte (meist) nicht attraktiv89 . Ein Neuabschluß beruht zudem auf dem mittlerweile gestiegenen Morbiditäts- und Sterblichkeitsrisiko und ist mit erheblichen Kosten verbunden. c) Versicherungsvermittler Für Versicherungsvermittler sehen die EU-Richtlinien keine einheitliche Zulassung vor. Der Zugang zu den Versicherungsmärkten der einzelnen Mitgliedstaaten wird dadurch erleichtert, daß die im Tätigkeitsland für die Beaufsichtigung der Versicherungsvermittler zuständige Behörde oder Einrichtung die im Herkunftsland erworbenen Erfahrungen und fachlichen Kenntnisse anerkennen muß. Aufgrund der fehlenden staatlichen Regulierung steht der deutsche Markt ausländischen Vermittlern weitgehend offen. d) Sonstige rechtliche Beschränkungen Die EU-Richtlinien sind teilweise unvollständig oder unklar. Bei ihrer Umsetzung in nationales Recht kommt es daher regelmäßig zu unterschiedlicher Auslegung und damit ungleichmäßiger Anwendung. Außerdem werden die Richtlinien in die Landessprachen der Mitgliedstaaten übersetzt. Die jeweiligen Sprachfassungen sind verbindlich. Weil diese meist nicht deckungsgleich sind, entstehen auch hier Differenzen. Wichtige Einzelfragen müssen dann oft gerichtlich geklärt werden, vor allem durch den EuGH. Der Stand der Umsetzung der Richtlinien durch die Mitgliedstaaten ist unterschiedlich, teilweise schon bedingt durch gestaffelte Umsetzungsfristen. Griechenland, Spanien, Portugal und Irland wurden meist längere Fristen eingeräumt. Kritischer ist, daß die Mitgliedstaaten die Richtlinien häufig nicht fristgemäß umsetzen und die Europäische Kommission die inhaltlich richtige Umsetzung nur unzureichend überwacht90 . Nach Urteilen des EuGH kann allerdings eine nicht termingerecht oder nicht korrekt umgesetzte Richtlinie un89 Claus, G.: Lebensversichenmgsaufsicht nach der Dritten EG-Richtlinie, Was bleibt? Was ändert sich?, in: ZN 1994, S. 112; Erkelenz, G.: Wettbewerb auf den Versichenmgsmärkten aus Sicht privater Nachfrager, in: ZVersWiss 1985, S. 262. 90 Für Beispiele, vgl. o.v.: Something dodgy in Europe's single market, in: The Economist, 21. Mai 1994, S. 67-68; zum Stand der Umsetzung der Richtlinien, vgl. o.v.: Rapport de la Commission au Conseil Europeen sur le marche unique, in: DG XV News, Heft 4/1994, S. 3-8.

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mittelbar gelten und zur Staatshaftung führen. Dies setzt aber voraus, daß die Bestimmungen klar und eindeutig sind, ihre Anwendung nicht an bestimmte materielle Voraussetzungen geknüpft ist und (beim Primärrecht) nicht von weiteren Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane abhängt91 . 3. Faktische Beschränkungen

a) Erfordernis der Präsenz vor Ort

Versicherungsmärkte sind lokal oder regional 92 . Es gilt der Grundsatz "all business is local,,93. Verschiedene Tätigkeiten, die mit dem (Versicherungs-) Geschäft verbunden sind, wie die Abwicklung der Versicherungsgeschäfte, die Kundenberatung, Risikoanalyse und -bewertung und die Schadenregulierung, müssen am Standort des Kunden, der Belegenheit des Risikos oder am Ort des Schadeneintritts erfolgen. Anders ausgedrückt: ,,Man kann [... ] Versicherungsschutz nicht in einem Land herstellen, in Kisten verpacken, in ein anderes Land zum Kunden transportieren und dort verwenden,,94. Außerdem werden die Risiken und ihre Versicherungen durch die jeweiligen lokalen Gegebenheiten geprägt, vor allem durch die Rechtsordnung, Kriminalität, Geschäftsusancen, Kaufpräferenzen, Trink- und Fahrgewohnheiten, durch den Lebensstil und ähnliche Faktoren. Versicherungsprodukte müssen überwiegend aktiv verkauft werden, sie werden selten gekauft. Die Gründe liegen auf der Hand: Die meisten Kunden kennen ihre individuelle Risikolage und Bedarfssituation nicht. Die Produkte sind erläuterungs- und erklärungsbedürftig. Der (abzudeckende) Versicherungsfall ist oft mit negativen Assoziationen verbunden, die gern verdrängt werden9~ .

91 Zum Schadenersatzanspruch gegen einen Mitgliedstaat wegen Nichtumsetzung einer Richtlinie, vgl. o.Y.: EuGH Rs 611990 und 9/1990, in: NJW 1992, S. 165. 91 Porter bezeichnet das Versicherungswesen (etwas pauschal) als länderspezifische Branche, in der der Wettbewerb innerhalb eines Landes (oder einer kleinen Gruppe von Ländern) im wesentlichen unabhängig ist vom Marktgeschehen in anderen Ländern, vgl. Porter, M.: Einfiihrung und Zusammenfassung, in: Globaler Wettbewerb, hrsg. von Michael Porter, Wiesbaden 1989, S. 20. 93 Farny, D.: Corporate Strategy ofEuropean Insurers, in: GP 1990, S. 380. 94 Farny, D.: Erfolgsfaktoren der Versicherungsmakler vor dem Hintergrund der Entwicklungen auf den nationalen und internationalen Versicherungsmärkten, in: ZVersWiss 1993, S. 344. 95 Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.v. (Hg.): Wettbewerbsfaktoren von Lebensversicherungsunternehmen in Deutschland, Karlsruhe 1994, S. 5.

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Deshalb wird sich der Dienstleistungsverkehr im Privatkundengeschäft auf bestimmte Bereiche beschränken. Sie lassen sich wie folgt skizzieren96 : Kundentypen - großes Wissen und intellektuelle Fähigkeiten in bezug auf Risiko, Risikopolitik und Versicherungen; - hohe Intensität der Bedürfnisempfindung, etwa bei Pflichtversicherungen (Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung) oder bei der Finanzierung des Eigenheims; - starke Aktivität, Bereitschaft am Versicherungsgeschäft mitzuwirken, auch an der Schadenabwicklung; - Fähigkeit, Preis-Leistungs-Relationen zu beurteilen; - Bereitschaft und Fähigkeit zur Kommunikation, auch in fremden Sprachen. Anbieter - hoher Bekanntheitsgrad, auch durch gezielte Werbemaßnahmen, wie direct mailing, Zeitungsanzeigen mit Coupon oder Fernsehen. Produkt - genormte Ausprägung des Versicherungsschutzes, geringer Informationsund Gestaltungsbedarf; - schwacher Änderungsbedarf des Versicherungsschutzes im Zeitablauf; - Jahresprämien oder Einmalprämien; - geringe Schadenhäufigkeit.

Nach diesen Kriterien bieten sich für den Dienstleistungsverkehr vor allem die Lebensversicherung und die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung an, gegen letztere könnte aber die Schadenhäufigkeit und die damit verbundenen Regulierungsprobleme sprechen. In der Lebensversicherung ist vor allem das Währungsrisiko problematisch, wobei ausländische Lebensversicherer auf dem deutschen Markt auch DM-Policen anbieten können. Die anderen Versicherungszweige sind für den Export von Versicherungsprodukten ungeeignet, auch wenn ungebundene Vermittler eingeschaltet werden97 . Das überwiegende Geschäft mit Privatkunden wird auch künftig über Niederlassungen zustande kommen, obwohl mit dem Aufbau oder Erwerb solcher Niederlassungen für die Versicherer deutlich höhere Kosten und Risiken verbunden sind.

96

582.

In Anlehmmg an Famy, D.: Versicherungsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 581-

97 Farny, D.: Versichenmg, in: HWB, hrsg. von Waldemar Wittmann, Werner Kern ua., 5. Auflage, Stuttgart 1993, Sp. 4596.

I. Beschränkte Liberalisienmg

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Selbst die Versicherer beurteilen die Geschäftsmöglichkeiten im Dienstleistungsverkehr äußerst skeptisch. Es ist daher fraglich, ob sich die umfangreichen EU-Richtlinien zum Dienstleistungsverkehr überhaupt lohnen beziehungsweise gelohnt haben. Für das industrielle und gewerbliche Geschäft ist der Dienstleistungsverkehr besser geeignet. Allerdings erfordert eine gute Kundenbetreuung auch hier oft Präsenz vor Ort, vor allem in Versicherungszweigen mit hoher Schadenhäufigkeit. Bessere Chancen bietet die Lebensversicherung, die im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge abgeschlossen wird (Gruppenverträge). b) Kundeneinstel/ung und -verhalten

Bei vielen Konsum- und Verbrauchsgütern ist der Binnenmarkt bereits Alltag. Ein ganz anderes Bild zeigt sich bei Dienstleistungen, vor allem bei Versicherungen98 . Nach einer Untersuchung des Springerverlags im Frühjahr' 1994 können sich nur 23 Prozent der Befragten in Deutschland vorstellen, bei einem ausländischen Versicherer eine Police abzuschließen. Die größte Offenheit besteht dabei in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung. Die Akzeptanz ausländischer Versicherer ist sehr unterschiedlich. Am besten haben die Schweizer Anbieter abgeschnitten, obwohl die Schweiz kein EU-Mitglied ist. Ihnen bringen die Befragten das größte Vertrauen entgegen. Die Versicherer aus Italien schnitten am schlechtesten ab. Zahlen über die Aktivitäten ausländischer Versicherer auf dem deutschen Markt untermauern diese Ergebnisse. 1993 waren insgesamt 77 Niederlassungen und 58 Tochtergesellschaften ausländischer Versicherer in Deutschland tätig, davon allein 106 in der Schadenund Unfallversicherung. Einzelheiten zeigen die folgenden Übersichten99 : Zahl und Prämienerträge der ausländischen Niederlassung (NL) und deutscher Versicherer (VU). die mehrheitlich in ausländischem Eigentum stehen

Leben Land EUIEWR Drittstaaten dav. Schweiz Summe

Kranken SchadenJUnfall Summe Zahl die Niederlassungen und Versicherer

NL

VU

NL

VU

NL

VU

NL

VU

2 4 4 6

11 8 6 19

1 0 0 1

2 1 1 3

59 11 8 70

18 18 15 36

62 15 12 77

31 27 22 58

98 Geiger, H.: EG-Binnenmarkt: Möglichkeiten und Wirklichkeiten, in: VW 1991, S.92-95. 99 BAV (Hg.): Geschäftsbericht 1993, Berlin 1994, S. 31*-32*.

232

D. Ergebnisse des Binnenmarktes fiir Versichenmgen Leben

Kranken Schaden/Unfall Brutto-Prämienerträge in Mio. DM VU a) VU B} NL NL

VUa) Land NL EUIEWR 241 4478 0 Drittstaaten 2420 2905 0 0 dav. Schweiz 2420 2778 Swnme 2661 7383 0 Marktanteil in Prozent 3,5 9,6 0,0 .. .. B) Mehrhelthch m auslandlschem EIgentum

527 3730 3730 4257

1045 2520 2456 3565

7636 4524 4351 12160

Swnme NL 1286 4940 4876 6226

16,6 3,7 12,6 3,1 stehende deutsche VersIcherer.

VU B}

12641 11 159 10 859 23800 11,9

Das Prämienaufkommen der ausländischen Versicherer betrug im Geschäftsjahr 1993 rund 30 Mrd. DM. Die Schweiz lag mit knapp 16 Mrd. DM unangefochten an der Spitze, gefolgt von Versicherern aus den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich (8,5 Mrd. DM und 3,3 Mrd. DM). Die Gründe für den hohen Marktanteil der Schweizer Versicherer liegen vor allem in der sprachlichen, geschichtlichen und geographischen Nähe 100 . Eine Umfrage der Consumers' Association von 1989 zeigt, daß die Verhältnisse im Vereinigten Königreich nicht anders sind. 84 Prozent der Befragten haben eine eindeutige Präferenz für britische Produkte 1ol . Aus diesen Zahlen lassen sich keine mittel- bis langfristigen Prognosen ableiten. Die Akzeptanz ausländischer Produkte kann durch Werbung, PreisLeistungs-Vergleiche und ähnliche Maßnahmen mittel~ bis langfristig steigen. Außerdem war es ausländischen Anbietern bisher kaum möglich, sich im deutschen Markt zu profilieren. Der Dienstleistungsverkehr beschränkte sich auf die Korrespondenzversicherung, die keine direkte Werbung ausländischer Anbieter zuließ. Beim Geschäft über rechtlich unselbständige Niederlassungen mußten die ausländischen Versicherer deutsches Aufsichtsrecht beachten. Eine deutliche Abgrenzung von inländischen Anbietern war daher nicht möglich 102 . Es wird erwartet, daß sich die ausländischen Versicherer auch künftig

100 Famy, D.: Die deutsche Versichenmgswirtschaft - Markt, Wettbewerb, Konzentration, Reihe Entwicklung von Konzentration und Wettbewerb, in: Sammlung Arbeitsdokumente, Kommission der EG, Band 56, Brüssel 1982, S. 13; Heilmann, W.R., Was bringt der Binnenmarkt den Versichenmgskunden?, in: VW 1993, S. 344. 101 Palmer, T. J.: A Common Market in Financial Services, Practical Possibility or Unattainable Ideal, in: European Business Journal, Heft 4/1990, S. 21. 102 Deutlich größer ist die Akzeptanz von Tochtergesellschaften. Die Übernahme von Beteiligungen an bestehenden Versicherern wird vom Kunden meist nicht wahrgenommen.

I. Beschränkte Liberalisienmg

233

meist den Gegebenheiten des deutschen Marktes anpassen werden, die bewußte Abgrenzung von heimischen Anbietern also die Ausnahme bleibeo3 . Versicherungsnehmer wechseln den Versicherer meist nur nach schlechten Erfahrungen, etwa einer kundenunfreundlichen Schadenregulierung. Nach verschiedenen Umfragen wollen viele Versicherungsnehmer auch im Binnenmarkt bei ihrem bewährten Versicherer bleiben. Nur 15 Prozent beabsichtigen, sich eine möglichst günstige Versicherung zu suchen lO4 . Ein ähnliches Bild zeigt sich bei anderen Dienstleistungen (oder generell Erfahrungsgütern), die auf einem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Dienstleistungserbringer und -empfanger beruhen, etwa dem Arzt oder Rechtsanwalt. c) Vertriebsstrukturen

Versicherungsschutz wird in Deutschland überwiegend über Versicherungsvermittler verkauft. Die bedeutendste Vermittlergruppe sind die angestellten und selbständigen haupt- und nebenberuflichen Versicherungsvertreter, die einen Marktanteil von 70 bis 80 Prozent haben. Der Rest entfallt auf Versicherungsmakler, Banken und den Direktvertrieb. Rund 80 bis 90 Prozent der selbständigen hauptberuflichen Versicherungsvertreter sind sogenannte Einfirmen- oder Konzernvertreter , die nur für einen Versicherer oder einen Konzern tätig sind,03 . Neben der Versicherungsvermittlung nehmen sie häufig auch andere Funktionen wahr, etwa die Vertrags- und Schadenbearbeitung, manchmal auch das Prämieninkasso. Wirtschaftlich sind die Einfirmen- oder Konzernvertreter von "ihrem" Versicherer abhängig. Sie sind nach § 86 Abs. I HGB verpflichtet, die Interesses des Versicherers wahrzunehmen, sich vor allem um Vertragsabschlüsse zu bemühen, Weisungen zu folgen und Bericht zu erstatten. In dem Vertretungsvertrag wird meist festgelegt, daß der Einfirmen- oder Konzernvertreter ausschließlich für "seinen" Versicherer Versicherungsschutz vermitteln darf. Er wird deshalb auch als Ausschließlichkeitsvertreter oder gebundener Vertreter bezeichnet. Der Wissensstand der Privatkunden in Versicherungsfragen ist gering. Es verwundert daher nicht, daß in den meisten Versicherungszweigen der Vermittler der wichtigste Ansprechpartner ist. Den Vermittlern gelingt es dabei häufig, Präferenzen subjektiver Art zu schaffen. Diese Bindung an den Ver103 Famy, D.: Erwartungen europäischer Versicherer an den Binnenmarkt, in: ZVersWiss 1989, S.83. 104 o.Y.: Mißtrauen im Zeichen der Freiheit, in: VK, Heft 8/1995, S. 4. 105 Ludwig, R.: Vergütungssysteme in der Versicherungswirtschaft im Spannungsfeld zwischen Anbieter, Vermittler und Verbraucher, Karlsnilie 1994, S.12-19.

234

D. Ergebnisse des Binnenmarktes für Versichenmgen

mittler verhindert, daß sich der Kunde am Markt umsieht und nach anderen (möglicherweise besseren) Anbietem suche o6 . Für einen ausländischen Versicherer, der auf dem deutschen Markt tätig werden möchte, wirkt die Dominanz der gebundenen Vermittler und die enge Beziehung zwischen Vermittler und Privatkunden wie eine Zutritts schranke. Um Fuß fassen zu können bleiben ihm - zumindest im Privatkundengeschäft nur zwei Möglichkeiten: Aufbau eioes eigenen oder Erwerb eines bestehenden Vertriebssystems. Die Aufbaustrategie ist äußerst zeitaufwendig und war bislang nicht besonders erfolgreich l07 . Leichter, vor allem weniger zeitaufwendig, kostspielig und risikoreich ist der Eintritt in Märkte, in denen ungebundene Vermittler (Versicherungsmakler) einen hohen Marktanteil haben. Ein Beispiel ist der britische Markt, in dem traditionell ungebundene Vermittler dominieren, auch wenn ihr Marktanteil nach dem FSA deutlich zurückgegangen ist. Trotzdem lag er 1990 zwischen 17 Prozent in der fondsgebundenen Lebensversicherung gegen Einmalprämien und 67 Prozent im nicht fondsgebundenen Geschäft gegen Einmalprärnien 108 .

d) Vertrags/aufteilen Die Nachfrageseite ist im deutschen Versicherungsmarkt geprägt durch langjährige Kundenbeziehungen. Die durchschnittliche Vertragslaufzeit liegt in der Schaden- und Unfallversicherung bei 10 bis 15 Jahren, in der Lebensversicherung bei 28 Jahren l09 . In einigen Schaden- und Unfallversicherungszweigen werden Mehrjahresverträge abgeschlossen, die das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers ausschließen. Die ,,Langläufer" waren wiederholt Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen. Kritisiert wird vor allem, daß sie den Wettbewerb zu Lasten des Versicherungsnehmers beschrän-

106 Erkelenz, G.: Wettbewerb auf den Versichenmgsmärkten aus Sicht der privaten Nachfrager, in: ZVersWiss 1985, S. 260-261. 107 Carter, L. / Greenaway, D.: The Implications for the Insurance Industry of Economic and Monetary Union in the European Commmlity, A Report of the Association ofBritish Insurers, London 1991, S. 3; Schirmer, H.: Ist der deutsche Versichenmgsmakler bereits ein Makler europäischen Zuschnitts?, in: VP 1994, S. 201. 108 Barteis, H.-J.: Der britische und der deutsche Lebensversichenmgsmarkt - eine vergleichende Untersuchung aus der Sicht eines deutschen Aktuars, Karlsruhe 1992, S. 3,4,27. 109 Reich spricht von einem dinglich geschützten Kundenstamm, vgl. Reich, N.: Zur gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit sogenannter 10-Jahres-Verträge für Schadenversicherungen im Massengeschäft, Rechtsgutachten im Auftrage des Bundes der Versicherten e.v., Bremen, Hamburg 1994, S. 12-13.

I. Beschränkte Liberalisienmg

235

ken und der Versicherungsschutz nur schwer an veränderte persönliche oder finanzielle Verhältnisse, etwa durch Heirat, Scheidung oder Arbeitslosigkeit, angepaßt werden kann. Mehrjahresverträge machen es dem Kunden außerdem unmöglich, bei Unzufriedenheit zu kündigen oder zumindest mit der Kündigung zu drohen. Bei der Umsetzung der "dritten Richtlinien" hat der deutsche Gesetzgeber die Mehrjahresverträge neu geregelt und dabei die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs berücksichtigt. Der Bundesgerichtshof hat in seinen Urteilen am 13. Juli 1994 entschieden, daß formularmäßige Bestimmungen über eine zehnjährige Laufzeit des Versicherungsvertrags gegen § 9 AGB-Gesetz verstoßen und damit unwirksam sind llo . Mehrjahresverträge (mit Ausnahme der Lebens- und Krankenversicherung) können nun nach Ablauf des fünften Jahres und danach jährlich von beiden Seiten mit einer Frist von drei Monaten zum Ende des Versicherungsjahres gekündigt werden. In fast allen anderen EU-Mitgliedstaaten sind langfristige Verträge außer in der Lebensversicherung unbekannt, oder sie wurden vor kurzem abgeschafft. Im Vereinigten Königreich müssen die Versicherungsnehmer die Verträge in den meisten Versicherungszweigen jährlich selbst erneuern. 4. Bewertung

Die Richtlinien liberalisieren den deutschen Markt nur teilweise, vom Idealmodell in Kapitel B müssen erhebliche Abstriche gemacht werden. Die EU-Richtlinien erfassen nur zwei Tätigkeitsformen im deutschen Markt, den Dienstleistungsverkehr und die rechtlich unselbständige Niederlassung. Die von ausländischen Versicherern bevorzugte Tätigkeitsform der rechtlich selbständigen Tochtergesellschaft bleibt dagegen ausgenommen. Die ausländischen Versicherer dürfen in Deutschland zwar eine Tochtergesellschaft errichten oder eine Beteiligung an einer bestehenden Gesellschaft erwerben und müssen dabei wie Inländer behandelt werden. Die Tochtergesellschaft wird aber vom BAV zugelassen und nach deutschem Recht beaufsichtigt. Außerdem kann der Erwerb von Versicherern in Deutschland auf vielfältige Weise beschränkt werden. Auch bei der Tätigkeit im Dienstleistungsverkehr und über Niederlassungen wird das Herkunftslandprinzip wiederholt durchbroehen. Besonders problematisch ist, daß ausländische Versicherer im deutschen Markt Bestimmungen beachten müssen, die dem Schutz des Allgemeininteresses dienen. Die Reichweite des Allgemeininteresses ist unklar und bedarf der Auslegung durch den EuGH oder die nationalen Gerichte. Der deutsche Ge-

110

o.Y., in: VerBAV 1995, S. 110.

236

D. Ergebnisse des Binnenmarktes für Versichenmgen

setzgeber leitet aus demA11gemeininteresseunteranderemdasRechtab.gegen Mißstände vorzugehen, die die Interessen der Versicherungsnehmer gefährden, auch wenn dies ausländische Versicherer betrifft. Bei der Finanzaufsicht über das Geschäft ausländischer Versicherer im deutschen Markt im Wege des Dienstleistungsverkehrs und über Niederlassungen muß die Herkunftslandbehörde die örtlichen Verhältnisse berücksichtigen. Bei der Bildung der versicherungstechnischen Rückstellungen in der Lebens- und Krankenversicherungen gilt das vor allem für das Sterblichkeits- und Morbiditätsrisiko sowie für die Zinssätze, die auf Anlagen in Deutsche Mark erzielt werden, sofern der Vertrag nicht auf eine andere Währung lautet. Die Neuordnung der Aktivitäten ausländischer Versicherer im deutschen Markt ist ebenfalls rechtlich beschränkt, vor allem durch das VAG sowie das Steuer- und Gesellschaftsrecht. Beispiele dafür sind grenzüberschreitende Fusionen oder Bestandsübertragungen. Bei der Besteuerung der Tätigkeit in Deutschland ist insbesondere die Schlechterstellung von Niederlassungen gegenüber Tochtergesellschaften kritisch. Der Grundsatz der EU-Richtlinien, daß Versicherer Produkte aus ihrem Herkunftsland grundsätzlich auch auf dem deutschen Markt anbieten dürfen, ist "reine Fiktion". Die Produkte müssen insbesondere im Privatkundengeschäft den rechtlichen und faktischen Gegebenheiten angepaßt werden, vor allem den zwingenden und halbzwingenden Bestimmungen des WG, dem AGB-Gesetz, den ,,Bedingungen" für die Pflichtversicherungen, den steuerlichen (und sonstigen) Förderbedingungen in der Lebens- und Krankenversicherung sowie dem Deckungsumfang der gesetzlichen Sozialversicherung. Versicherungsprodukte können nicht in einheitlicher Form auf der ganzen Welt angeboten werden, wie beispielsweise Kraftfahrzeuge, Benzin oder Computer. Die Anlage der Vermögenswerte in allen Mitgliedstaaten ist ebenfalls nur in engen Grenzen möglich. Die Lokalisierungspflicht wurde zwar gestrichen, die Pflicht zur währungskongruenten Deckung bleibt aber - von Lockerungen abgesehen - bestehen. Bis zur Einführung einer einheitlichen Währung oder der endgültigen Festlegung der Wechselkurse beschränkt sich die Vermögensanlage daher im wesentlichen auf die jeweiligen nationalen Märkte. Der Zugang zum deutschen Versicherungsmarkt im Dienstleistungsverkehr oder über Niederlassungen wird auch durch die faktischen Gegebenheiten in erheblichem Maße beschränkt. Der hohe Marktanteil gebundener Vermittler, die langen Vertragslaufzeiten und die teilweise ablehnende Haltung der Versicherungsnehmer gegenüber ausländischen Anbietern erschweren den Marktzutritt. Im Versicherungsgeschäft gilt zudem der Grundsatz "all business is 10cal", das heißt, es ist in fast allen Versicherungszweigen eine Präsenz in Kun-

1. Beschränkte Liberalisienmg

237

dennähe erforderlich. Gelegenheitsgeschäfte schließlich sind im Dienstleistungsverkehr praktisch ausgeschlossen, weil der Aufwand zu hoch ist (Steuerbevollmächtigter, Schadenbevollmächtigter, Treuhänder, Vertragsrecht usw.) und der grenzüberschreitende Zahlungsverkehr nicht reibungslos funktioniert. Der Dienstleistungsverkehr ist daher ungeeignet, um auf dem deutschen Markt im Privatkundengeschäft Fuß zu fassen. Ein anderes Bild zeigt sich im gewerblichen und industriellen Geschäft, in dem der Dienstleistungsverkehr in einigen Versicherungszweigen seit langem üblich ist, etwa in der Transportversicherung. Die rechtlichen und faktischen Beschränkungen sind hier deutlich geringer, vor allem sind die Kunden aktiver und stehen ausländischen Angeboten aufgeschlossener gegenüber lll . Insgesamt gesehen werden die Wirkungen der Liberalisierung (Binnenmarkteffekte ) auf den deutschen Markt gering sein. 5. Weitere Maßnahmen der EU

Die faktischen Beschränkungen des Zugangs zum deutschen Markt lassen sich nicht durch Richtlinien beseitigen. Das kann nur durch "die Kräfte des Marktes" geschehen, etwa durch Werbernaßnahmen. Kritischer sind die verbleibenden rechtlichen Beschränkungen, die nur durch weitere Richtlinien der EU, die Rechtsprechung des EuGH und nationaler Gerichte oder durch freiwillige Maßnahmen der Mitgliedstaaten ausgeräumt werden können. Maßnahmen sind insbesondere in folgenden Bereichen empfehlenswert: - Ausländische Versicherer werden auf dem deutschen Markt überwiegend über Tochtergesellschaften tätig. Um dem Rechnung zu tragen, sollte das Modell der Konzernaufsicht, also die Zulassung und Beaufsichtigung von Versicherungskonzernen durch die Aufsichtsbehörde der Muttergesellschaft, eingehend geprüft werden. Der Übergang von der Einzelaufsicht auf die Konzernaufsicht wäre allerdings mit einer weitreichenden Umstellung der Versicherungsaufsicht in den Mitgliedstaaten verbunden und erscheint daher zumindest auf kurze Sicht nicht realistisch. Es gibt aber Diskussionsansätze im Zusammenhang mit der konsolidierten Beaufsichtigung von Versicherungskonzernen, an deren Ende eine Konzernaufsicht stehen könnte. - Die Bestimmungen, die in den Mitgliedstaaten zum Schutz des Allgemeininteresses gelten, sollten offengelegt werden, um die Rechtsunsicherheit zu mindern. Diese Aufgabe könnte zum Beispiel der EU-Versicherungsaus111 o.y.: Dialoge 3, Orientienmgen in Gesellschaft, Konsum, WerbWlg Wld Lifestyle, Hamburg 1990.

238

D. Ergebnisse des Binnenmarktes für Versichenmgen

schuß oder die Konferenz der Aufsichtsbehörden übernehmen. Die Europäische Kommission hat für den Bankenbereich bereits eine Bekanntmachung vorgelegt, in der sie ihre Position in dieser Frage darlegt und vor allem auf die bisherige Rechtsprechung des EuGH verweise 12 . - Eine umfassende Harmonisierung des Versicherungsvertragsrechts ist aufgrund der unterschiedlichen Rechtstraditionen in den Mitgliedstaaten schwierig. Denkbar (und durchsetzbar) wäre allenfalls, die zwingenden und halbzwingenden Bestimmungen der nationalen Vertragsrechte einzuschränken, wie es die EU-Kommission ursprünglich plante. - Für Versicherungsvermittler gibt es keine einheitliche Zulassung. Grundlage für eine einheitliche Zulassung könnte die Empfehlung der Kommission zur Regulierung der Vermittler sein, die detaillierte Bestimmungen zu fachlichen, persönlichen und finanziellen Anforderungen enthält. - Zur Erleichterung der Neuordnung der Aktivitäten ausländischer Versicherer im deutschen Markt sollten die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen für grenzüberschreitende Fusionen und Spaltungen geschaffen und die Bedingungen für grenzüberschreitende Bestandsübertragungen angeglichen werden. - Die steuerliche Benachteiligung von Niederlassungen gegenüber Tochtergesellschaften muß beseitigt werden. Die Schlechterstellung ausländischer Produkte in der Lebens- und Krankenversicherung ist in Deutschland nach dem Bachmann-Urteil des EuGH entfallen. In anderen Ländern bestehen die Probleme aber fort. Bei den Versicherungsteuern bereitet das Territorialitätsprinzip in der Praxis Schwierigkeiten. Ein neuer Harmonisierungsversuch sollte bei der (diskutierten) Einbindung der Prämienumsätze in das Umsatzsteuersystem unternommen werden. - Die für 1997/99 geplante Währungsunion wird das Währungsrisiko der Versicherer in der Union (beziehungsweise in den teilnehmenden Mitgliedstaaten) und die Beschränkungen der grenzüberschreitenden Vermögensanlage beseitigen. - Die Europäische Kommission muß die termingerechte und korrekte Umsetzung der Richtlinien durch die Mitgliedstaaten besser überprüfen. Hier ist auch über eine höhere Transparenz der Richtlinien nachzudenken, etwa durch Kodifizierung und Einrichtung eines Umsetzungsregisters. 112 Draft Commission Communication on Freedom to provide services and the interest ofthe general good in the Second Banking Directive, AbI. der EG Nr. C 291, 4. November 1995, S. 7-20.

II. Deregulienmg Wld Mehrregulienmg

239

6. Liberalisierung ausländischer Märkte aus Sicht der deutschen Versicherer

Die vorstehenden Ausführungen beruhen auf der Sicht eines ausländischen (EU-)Versicherers, der im deutschen Markt Geschäfte betreiben möchte. Die Sicht eines deutschen Versicherers, der in einem anderen (EU-)Markt tätig werden möchte, kann in dieser Arbeit nicht behandelt werden. Dafür wäre eine detaillierte Analyse der jeweiligen rechtlichen und faktischen Bedingungen in den einzelnen Mitgliedstaaten erforderlich. ß. Deregulierung und Mehrregulierung 1. Grundlagen

Die EU-Richtlinien verändern die Struktur des deutschen Regulierungssystems. Sie schaffen einige Sachverhalte der Regulierung ab, führen also zu Deregulierung, gestatten es dem Gesetzgeber aber auch, neue Regulierung einzuführen, also eine Mehrregulierung vorzunehmen. Sachverhalte der Regulierung meint dabei Regulierungen, die durch verschiedene Merkmale (Arten, Intensitäten, Ziele, Instrumente und Objekte) gekennzeichnet sind. Im folgenden werden zunächst die Deregulierungswirkungen der EU-Richtlinien aus Sicht des deutschen Regulierungssystems erörtert. Anschließend werden mögliche Mehrregulierungen und sonstige kompensierende Maßnahmen dargestellt und bewertet. Maßstab dafür sind die Regulierungsziele, die in Kapitel A besprochen wurden ll3 . 2. Deregulierungswirkungen der Richtlinien

Für die Beurteilung der Deregulierungswirkungen der Richtlinien ist es zweckmäßig, die Bestimmungen in folgende (nicht überschneidungsfreie) Fallgruppen zu unterteilen: - Bestimmungen, die bestimmte Regulierungssachverhalte gebieten. Der deutsche Gesetzgeber muß Regulierungssachverhalte dieser Art einführen oder beibehalten. Das bedeutet Mehrregulierung oder unveränderte Regulierung. Beispiele sind die Zulassungspflicht, die zulässigen Rechtsformen für Versicherer, die Qualifikation der Unternehmensleitung, das Verbot versicherungsfremder Geschäfte, die Spartentrennung zwischen Lebensversi-

IlJ Müller, R: Die zukünftige Rolle des BWldesaufsiehtsamtes fiir das Versiehenmgswesen, in: VW 1993, S. 551.

240

D. Ergebnisse des Binnenmarktes fiir Versichenmgen

cherung und Schaden- und Unfallversicherung sowie die Eigenkapitalausstattung114 . - Bestimmungen, die bestimmte Regulierungssachverhalte verbieten llS . Der deutsche Gesetzgeber muß Regulierungssachverhalte dieser Art beseitigen. Das bedeutet echte Deregulierung. Betroffen sind hauptsächlich Regulierungen, die die Versicherungsgeschäfte betreffen, vor allem das Verbot der aufsichtsbehördlichen Genehl]1igungs- und Vorlagepflicht für die Versicherungsbedingungen in den meisten Versicherungszweigen. Ein anderes Beispiel ist das Verbot der "nationalen Lokalisierung" der Vermögenswerte. - Bestimmungen, die ein Mindestausmaß für bestimmte Regulierungssachverhalte festlegen. Der deutsche Gesetzgeber kann bei Regulierungssachverhalten dieser Art das Regulierungsniveau selbst bestimmen, solange er das Mindestausmaß der Richtlinien nicht unterschreitet. Das bedeutet entweder Deregulierung oder Mehrregulierung. Betroffen sind vor allem Regulierungssachverhalte im Rahmen der Finanzaufsicht, etwa die Bestimmungen der EU-Richtlinien über die Kapitalanlagen. Sie legen nur Mindestanforderungen für zulässige Kapitalanlagearten und Höchstgrenzen fest und überlassen es dem deutschen Gesetzgeber, zulässige Kapitalanlagen und Höchstgrenzen enger zu fassen. Ein weiteres Beispiel sind die Bestimmungen über den Ansatz und die Bewertung der versicherungstechnischen Rückstellungen. - Bestimmungen, die neue Regulierungssachverhalte einführen. Der deutsche Gesetzgeber muß Regulierungssachverhalte dieser Art einführen. Das bedeutet Mehrregulierung. Neue Regulierungssachverhalte sind die Regulierungsinstitution des verantwortlichen Aktuars, die Kontrolle der Beteiligungsverhältnisse der Versicherer, die OfIenlegung der Zeitwerte der Kapitalanlagen im Anhang des Jahresabschlusses sowie die Informationspflichten der Versicherer gegenüber den Versicherungsnehmern. - Dem deutschen Gesetzgeber werden bestimmte Regulierungssachverhalte zur Selbstentscheidung überlassen. Beispiele dafür sind die Bestimmungen des VVG, die ,,Bedingungen" für Pflichtversicherungen sowie die Bestimmungen über Vermittler, Werbung und über Unternehmensverträge. Es wird deutlich, daß die EU-Richtlinien dem deutschen Gesetzgeber bei der Gestaltung des Regulierungssystems erhebliche Spielräume einräumen. Er Mit Ausnahme der Wahlrechte bei der Ist-Solvabilität. Präve spricht von "zwingenden Vorgaben", vgl. Präve, P.: Das neue Aufsichtsrecht, in: VW 1994, S. 800. 114

115

11. Deregulienmg lUld Mehrregulienmg

241

kann, abgesehen von den Fallgruppen ,,Regulierungssachverhalte, die die Richtlinien gebieten oder verbieten" und oberhalb des vorgegebenen Mindestausmaßes für bestimmte Regulierungssachverhalte den Grad der Regulierung (oder Deregulierung) selbst bestimmen. 3. Das Regulierungssystem in Deutschland vor und nach Umsetzung der EU-Richtlinien

Die folgende Übersicht zeigt das Regulierungssystem in Deutschland vor und nach Umsetzung der EU-Richtlinien. Dabei werden die Regulierungsziele und -instrumente den drei wichtigsten Gründen für die Regulierung der Versicherungsmärkte zugeordnet l16 , das sind die Informationsprobleme der Versicherungsnehmer und der Versicherer sowie die besondere Gläubigerposition der Versicherungsnehmer. Regulienmgssystem nach UmsetZWlg der EU-Richtliniena) vor UmsetZWlg der EU-Richtlinien Informationsprobleme der Versichenmgsnehmer Ziel: Schutz der Informationsinteressen der Versichenmgsnehmer - MindestdecklUlg für Pflichtversiche- Genehmigtmgspflicht für Versichenmgen nmgsbedingtmgen lUld Genehmigtmgs- überbetriebliche lUlverbindliche Mupraxis des BAV mit dem Ziel einer einheitlichen Produktgestalttmg sterbedingtmgen lUld (Risiko-)Prämien- Genehmigtmgspflicht für RechnlUlgsempfehllUlgen grundlagen lUld Prämien in der Lebens-, - Informationspflichten der Versicherer gegenüber den Versichenmgsnehmem Kranken- lUld Kraftfahrt-Haftpflichtversichenmg vor lUld während des Vertrages - persönliche lUld fachliche Anfordenmgen für Versichenmgsvermittler - RechnlUlgslegtmg lUld Publizität der - RechnlUlgslegtmg lUld Publizität der Versicherer Versicherer Informationsprobleme der Versicherer Ziel: Verbessenmg der Gnmdlagen für die PrämienberechnlUlg durch überbetriebliche SammllUlg lUld Auswertung von Risiken lUld Schäden - lUlverbindliche Vereinbanmgen zwi- Vereinbanmgen zwischen Marktteilschen Marktteilnehmern lUld EmpfehllUlnehmem lUld EmpfehllUlgen der Vergen der Verbände für Musterversichebände für alle wettbewerbswirksamen Größen, wie Produktgestalttmg, (Risiko-) nmgsbedingtmgen, Risikoprärnien lUld (Höchst-)Provionen Prämien lUld Provisionen .. B) Ohne Beruckslchtlgtmg kompenslerender Reguhenmgen lUld sonstlger Maßnahmen.

I

116

Vgl. A.II.2.

16 Rabe

242

D. Ergebnisse des Binnenmarktes für Versichenmgen

ReguliefWlgssystem vor UmsetZ\Dlg der EU-Richtlinien nach UmsetZ\Dlg der EU-Richtlinien") Gläubigerposition der VersichefWlgsnehmer Ziel: Schutz der Gläubigerinteressen der VersichefWlgsnehmer - ZulasslDlg zum Geschäftsbetrieb - ZulasslDlg zum Geschäftsbetrieb - Verbot versichefWlgsfremder Geschäfte - Verbot versichenmgsfremder Geschäfte - SpartentrennlDlg - SpartentrennlDlg - EigenkapitalausstattlDlg - EigenkapitalausstattlDlg - versiehefWlgstechnische RückstelllDl- versichenmgstechnisehe RüekstelllDlgen lDld Kapitalanlagen gen lDld Kapitalanlagen - GenehmiglDlgs- beziehlDlgsweise Vor- Vorlagepflicht für VersichefWlgsbelagepflicht für VersichenmgsbedinglDldinglDlgen in Pfliehtversiehenmgen lDld gen, RechnlDlgsgfWldlagen lDld Prämien KrankenversichefWlg sowie für RechnlDlgsgfWldlagen in Lebens- lDld KrankenversichefWlg - ÜberschußbeteiliglDlg der Versiehe- ÜberschußbeteiliglDlg der VersichefWlgsnehmer in Lebens- lDld KrankenfWlgsnehmer in Lebens-, Kranken- lDld Kraftfahrzeug-Haftpflichtversichenmg versiehenmg .. a) Ohne BeruckslchtlglDlg kompensIerender Regullenmgen lDld sonstIger Maßnahmen .

I

4. Mehrregulierung und sonstige kompensierende Maßnahmen

Maßstab für Mehrregulierung und sonstige kompensierende Maßnahmen sind die Regulierungsziele, vor allem der Schutz der Interessen der Versicherungsnehmer ll7 . Bei den Informationsinteressen der Versicherungsnehmer ist bedeutend, daß die Genehmigungspflicht für die Versicherungsbedingungen und Prämien durch das BAV entfallen ist. Dadurch sinkt die Markttransparenz. Die Informationsdefizite der Versicherungsnehmer wachsen, wenn sie nicht durch alternative Instrumente ausgeglichen werden. Gleichzeitig verschärft sich der Produkt- und Prämienwettbewerb. Dadurch verbessern sich tendenziell die Preis-Leistungs-Relationen für die Versicherungsnehmer. Die Preis-Kosten-Relationen für die Versicherer verschlechtern sich entsprechend. Die Folge ist, daß sich die Gewichte zwischen dem Schutz der Schuldner- und Gläubigerinteressen der Versicherungsnehmer verschieben. Mehrregulierungen und sonstige kompensierende Maßnahmen können sowohl staatliche und private als auch marktimmanente Regulierungen und Maßnahmen sein. Sie müssen sich im Rahmen der Vorgaben der Richtlinien 117 Die Informationsprobleme der Versicherer lassen sich, abgesehen von den wettbewerbsrechtlichen RahmenbedinglDlgen für die erforderliche Kooperation lDld den BestimmlDlgen des WG, nicht durch staatliche Regulienmgen lösen. Sie werden daher im folgenden nicht weiter erörtert.

TI. Deregulienmg lUld Mehrregulienmg

243

bewegen und dürfen vor allem nicht verbotene Regulierungssachverhalte betreffen oder gegen Bestimmungen des europäischen Wettbewerbs rechts verstoßen. Der deutsche Gesetzgeber muß ferner darauf achten, daß Mehrregulierungen die Wettbewerbsfahigkeit der Versicherer, die der Aufsicht des BAV unterliegen, nicht beeinträchtigen. Wettbewerbsneutral sind Mehrregulierungen dann, wenn sie auch gegenüber ausländischen Versicherern durchgesetzt werden können (und dürfen), die auf dem deutschen Markt im Wege des Dienstleistungsverkehrs oder über Niederlassungen tätig sind. Wettbewerbsschädlich für deutsche Versicherer sind dagegen Mehrregulierungen, wenn sie für ausländische Versicherer nicht gelten, die im deutschen Markt ihre Geschäfte betreiben. Voraussetzungen und mögliche Auswirkungen ,,konkurrierender" nationaler Regulierungen werden in Kapitel D.III. besprochen 1l8 .

a) Regulierungs- und Aufsichtsinstitutionen aa) Bundesaufsichtsamt Aufgabe des BAV bleibt es nach § 81 VAG, den gesamten Geschäftsbetrieb eines Versicherers zu beaufsichtigen und sicherzustellen, daß Mißstände, die die Interessen der Versicherten gefährden, vermieden oder beseitigt werden. Müller 1l9 betont, daß es nach Wegfall einiger Regulierungsinstrumente darum geht, die (unveränderten) Aufsichts- und Regulierungsziele mit anderen Mitteln zu erreichen. Nach Hohlfeld120 ist die Aufgabe des Amtes unverändert geblieben, nur die Aufsichtsmittel wurden eingeschränkt. Das BAV muß vor allem frühzeitig Fehlentwicklungen bei Versicherern erkennen können. Das ist bei einer reinen Finanzaufsicht schwierig (schleichende Unterdotierung der Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle)121. Das BAV denkt daher über ein Frühwarnsystem auf der Grund-

Vgl. D.m.l.a). Müller, H: Die zukünftige Rolle des BlUldesaufsichtsamtes für das Versiehenmgswesen, in: VW 1993, S. 551; Müller, H: Verbraucherschutz im Versichenmgswesen durch Information der Versicherten, Karlsruhe 1992, S. 18. 110 Hohlfeld, K.: Die deutsche Lebensversichenmg im EG-Binnenmarkt lUlter aufsichtsrechtlichen GesichtspWlkten, in: Recht lUld Ökonomie der Versichenmg, Festschrift für Egon Lorenz, hrsg. von Urlich Hübner, Elmar HeIten lUld Peter Albrecht, Karlsruhe 1994, S. 298. 121 Sievers, H: Die nationalen Versichenmgsmärkte innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, in: VW 1988, S. 338. 118

119

16*

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D. Ergebnisse des Binnenmarktes für Versichenmgen

lage monatlicher oder quartalsweiser Berichte nach 122 . Rechtliche Basis für die unterjährige Berichtspflicht ist § 55a Abs. I Nr. la VAG. Danach darf der Bundesminister der Finanzen (BMF) Inhalt und Form der vierteljährigen Zwischenberichterstattung auf dem Verordnungswege regeln 123 . Ein Frühwarnsystem könnte, ähnlich wie in den Vereinigten Staaten, so gestaltet werden, daß das BAV detailliertere Prüfungen vornimmt, wenn ein Versicherer bei bestimmten Kennzahlen von (aufsichtsbehördlichen) Normwerten abweicht. Das würde es dem Amt gestatten, seine knappen personellen und sachlichen Ressourcen zielgerichtet(er) einzusetzen. Die Aufsichtsbehörden in den Vereinigten Staaten arbeiten in der Schaden- und Unfallversicherung mit zwölf Kennziffern. Dazu gehören die Schadenquote, die Gesamtquote und die Verzinsung der Kapitalanlagen sowie die Entwicklung der Ergebnislage des Versicherers, der versicherungstechnischen Rückstellungen und die Entwicklung der Prämienerträge über mehrere Jahre. Besonderes Augenmerk gilt außerordentlichen Veränderungen, zum Beispiel einem extrem hohen Wachstum oder einem deutlichen Rückgang des Geschäfts. Weicht ein Versicherer bei vier oder mehr der zwölf Kennzahlen von den Normwerten ab, führt die Aufsichtsbehörde weitergehende Prüfungen durch 124 . Eine wichtige Informationsquelle für das BAV sind die örtlichen Prüfungen nach § 84 VAG, die das BAV in regelmäßigen Zeitabständen (etwa alle fünf Jahre m ) durchführen soll. Nach § 83 VAG ist das BAV berechtigt, sich von den Versicherern unterrichten zu lassen. Es ist dem BAV gestattet, sich bei dem Versicherer durch Inaugenscheinnahme selbst umfassend zu informieren. Den Prüfern des Amtes müssen alle Auskünfte erteilt und auf Verlangen Bü122 Müller, H: Die zukünftige Rolle des Bundesaufsichtsamtes für das Versiehenmgswesen, in: VW 1993, S. 554; Hohlfeld, K.: Finanzaufsicht und Rechnungslegung auf dem Versichenmgssektor nach der Deregulienmg, in: Dieter Farny und die Versichenmgswissenschaft, hrsg. von Robert Schwebler und den Mitgliedern des Vorstands des deutschen Vereins für Versichenmgswissenschaft, Karlsruhe 19094, S. 233-234. Frühwarnsysteme von Unternehmen dienen dem rechtzeitigen Erkennen von Umweltverändenmgen, die die gegenwärtigen oder künftigen Erfolgspotentiale gefährden, mit dem Ziel, rechtzeitig eine geeignete Strategie zu entwickeln und umzusetzen, vgl. Böhler, H: Früherkennungssysteme, in: HWB, hrsg. von Waldemar Wittmann, Werner Kern, u.a., 5. Auflage, Stuttgart 1993, Sp. 1257. 123 Vgl. Verordnung über die Berichterstattung von Versichenmgsunternehmen gegenüber dem Bundesaufsichtsamt für das Versichenmgswesen (BerVersV), in: VerBAV 1995, S. 237-262. 124 Cummins, D. / Weiss, M.: Structure, Conduct and Regulation of the PropertyLiability lnsurance lndustry, Pennsylvania 1991, S. 31 (nicht veröffentlicht). l2S Fahr, U. / Kaulbach, D.: Versichenmgsaufsichtsgesetz - VAG - und Gesetz über die Einrichtung eines Bundesaufsichtsamtes für das Versichenmgswesen: Kommentar, München 1993, S. 351-352.

11. Deregulienmg Wld Mehrregulienmg

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cher, Belege u.a. vorgelegt werden. 1994 konzentrierten sich die Prüfungen des BAV auf die versicherungstechnischen Rückstellungen, die Kapitalanlagen und die Kostenverteilung in Unternehmensgruppen. Nach Auffassung des BAV gilt "die zutreffende Berechnung der Verpflichtungen aus bestehenden Versicherungsverträgen nach wie vor als wesentliches Kriterium für die Wahrung der Belange der Versicherten,,126 . Ein weiterer Prüfungsschwerpunkt war 1994 der Einsatz derivater Finanzinstrumente. Das BAV hat erklärt, künftig stärker vor Ort zu prüfen. Die bisherigen Zeiträume zwischen den Prüfungen von durchschnittlich acht bis zehn Jahren sollen deutlich verkürzt werden 127 . So nahm das BAV 1994 insgesamt nur 49 örtliche Prüfungen bei insgesamt über 800 aufsichtspflichtigen Versicherern vor, 1985 waren es noch 66 128 . Eine wichtige Aufgabe des BAV ist es, sich mit Eingaben zu befassen, also Anfragen allgemeiner Art und Beschwerden über Versicherer von Versicherungsnehmern, Verbraucherverbänden, anderen Marktteilnehmern oder in den Medien. Das BAV ist nach dem Petitionsrecht des Grundgesetzes verpflichtet, Beschwerden entgegenzunehmen und zu prüfen. Beschwerden geben dem BAV Anhaltspunkte für ein mögliches Fehlverhalten der Versicherer. Stellt das Aufsichtsamt bei der Prüfung von Beschwerden Mißstände fest, ist es unter anderem berechtigt, sich von der betroffenen Gesellschaft die Versicherungsbedingungen vorlegen zu lassen. Bei Bedarf kann das Amt selbst oder gegebenenfalls zusammen mit der Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes des Versicherers Maßnahmen ergreifen. Zwar entsteht so kein vorbeugender Schutz, es kann aber Schaden für die Zukunft verhindert werden. 1994 bearbeitete das BAV 30 065 Anfragen oder Beschwerden abschließend. In seiner Statistik unterscheidet das BAV zwischen begründeten, abgeholfenen und nicht abgeholfenen sowie unbegründeten Beschwerden. Als abgeholfen gelten auch Beschwerden, die nicht begründet sind, bei denen die Versicherer den Wünschen des Versicherungsnehmers aus Kulanz oder aufgrund von Unsicherheiten über die Sach- oder Rechtslage nachgekommen sind. Nicht abgeholfene Beschwerden sind solche, die nicht offensichtlich unbegründet sind oder für die das BAV zwar zuständig ist, die aber nicht im Sinne des Versicherungsnehmers gelöst werden konnten. 1994 konnte das BAV in rund 30 Prozent der Fälle helfen, sei es, daß die Beschwerden begründet waren (7 Prozent), oder daß die Versicherer Abhilfe schafften l29 . Das BAV rechnet damit, BAV (Hg.): Geschäftsbericht 1994, Teil A, Berlin 1995, S. 27. Holhfe1d, K.: Was bleibt von der materiellen Versichenmgsaufsicht nach VollendWlg des Binnenmarktes, in: VersR 1993, S. 17-18. 128 BAV (Hg.): Geschäftsbericht 1994, Teil A, Berlin 1995, S. 50-51. 129 BAV (Hg.): Geschäftsbericht 1993, Berlin, 1994, S. 14-16. 126 127

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D. Ergebnisse des Binnenmarktes für Versichenmgen

daß die Zahl der Beschwerden zunehmen wird, vor allem als Folge des Wegfalls der Genehmigungspflicht für Versicherungsbedingungen und Prämien 130 .

Die Aufgabe des BAV wird nach der (partiellen) Liberalisierung und Deregulierung deutlich schwieriger. Deswegen braucht das Amt nach Müller l3l fähige und erfahrene Fachleute. Das neue rechtliche Umfeld erfordert mehr Kreativität, Motivation, Flexibilität, Schnelligkeit und Entscheidungsfreude sowie Fachwissen und Sprachkenntnisse. Mitarbeiter, die dieses Anforderungsprofil erfüllen, sind schwer zu bekommen, auch wenn der Gesetzgeber bei der Umsetzung der EU-Richtlinien dem BAV eine bessere personelle und sachliche Ausstattung in Aussicht gestellt hat. Andere Länder versuchen, diese Probleme durch die Privatisierung der Aufsichtsbehörden zu lösen, zum Beispiel die Niederlande und Portugal. Das BAV ist nach den EU-Richtlinien auch für den Schutz der ausländischen Versicherungsnehmer zuständig, die über den Dienstleistungsverkehr oder über rechtlich unselbständige Niederlassungen bei Versicherern mit Sitz in Deutschland versichert sind. Umgekehrt beaufsichtigen die Aufsichtsbehörden der anderen Mitgliedstaaten die Geschäfte, die ,,ihre" Versicherer im deutschen Markt betreiben. Die wirksame Aufsicht im Ausland erfordert ausreichende Kenntnisse über den betreffenden Mitgliedstaat. Zu sprachlichen Barrieren kommen unterschiedliche Mentalitäten und Einstellungen, vor allem über die im Einzelfall notwendigen aufsichtsbehördlichen Maßnahmen. Die beteiligten Aufsichtsbehörden müssen eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten, um gegen drohende oder eingetretene Mißstände schnell und entschlossen vorgehen zu können. Form und Inhalt der Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden regelt ein Protokoll der Konferenz der europäischen Aufsichtsbehörden 132 . Diskutiert wird derzeit auch über eine elektronische Vernetzung der nationalen Aufsichtsbehörden für einen reibungslosen Informationsaustausch 133 . Müller schlägt als "vertrauensbildende Maßnahmen" außerdem

130 Hohlfeld, K.: Die Zukunft der Versiehenmgsaufsieht nach Vollendung des Binnenmarktes, in: VersR 1993, S. 146. 131 Müller, H.: Die zukünftige Rolle des Bundesaufsichtsamtes für das Versiehenmgswesen, in: VW 1993, S. 555. 132 Müller, H.: Die zukünftige Rolle des Bundesaufsichtsamtes für das Versiehenmgswesen, in: VW 1993, S. 550. ll3 Department of Trade and lndustry (Hg.): lmplementation of the EC Third lnsuranee Directives, A Consultative Document with draft legislation, London 1993, S.12; Loheac, F.: Der Binnenmarkt für Versiehenmgen: Chancen, Grenzen lDld Perspektiven, in: VW 1994, S. 1120.

11. Deregulienmg und Mehrregulienmg

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Ausbildungsprogramme, den Austausch von Beamten und die Mitarbeit in internationalen Organisationen vor 134 . Die Qualität der Aufsichtsbehörden in den Mitgliedstaaten ist unterschiedlich, vor allem die personelle und sachliche Ausstattung. Trotzdem sehen die Richtlinien eine regelmäßige Überprüfung der Aufsichtsbehörden und entsprechende Konsequenzen bei ,,Mißständen" nicht vor. Hier ist auf das (vorbildliche) Akkreditierungsprogramm der North American Insurance Commissioners (NAIC) hinzuweisen, mit dem eine Angleichung der Aufsichtsrechte in den einzelnen Bundesstaaten erreicht werden soll. Die NAIC entwickelt Modellanforderungen, die die Bundesstaaten, die teilnehmen möchten, bei ihrer Gesetzgebung erfüllen müssen. Vor der Akkreditierung prüft die NAIC nicht nur die Gesetzgebung, sondern darüber hinaus auch die qualitativen und quantitativen Ressourcen der Aufsichtsbehörden. bb) Schiedsstelle Im Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinien ist kein Hinweis auf einen Ombudsmann oder eine Schiedsstelle zu finden. Das Thema wird aber diskutiert, angeregt durch die Berufung eines Ombudsmanns durch den Bundesverband deutscher Banken im März 1992 135 . Fühlt sich ein Bankkunde falsch behandelt, kann er sich über den Bundesverband deutscher Banken an einen Ombudsmann wenden. Seine Entscheidungen sind für Banken bis zu einem Streitwert von 6 000 DM bindend. Ombudsmann oder Schiedsstelle können staatliche oder privatrechtliche Einrichtungen sein. Ein möglicher ,,Kandidat" ist auch das BAV. Es verfügt auf diesem Gebiet bereits über Erfahrungen. Ombudsmann oder Schiedsstelle entlasten die Gerichte, vor allem bei kleinen Streitwerten. Sie erleichtern den Versicherungsnehmern zudem den Zugang zum Recht 136 , weil sie ihre Ansprüche nicht mehr unbedingt vor Gericht durchsetzen müssen, sondern sie zügiger und ohne finanzielle Risiken auch außergerichtlich klären könnenm.

134 Müller, H.: Die Kooperation der Versichenmgsaufsichtsbehörden in der Europäischen Gemeinschaft, Vortrag auf der 4. Wissenschaftstagung des Bundes der Versicherten, Bad Bramstedt, 5./6. Mai 1994, S. 3 (nicht veröffentlicht). m Heilner, T., Bankenverband beschließt Ombudsmannsystem, in: Die Bank 1991, S.666. 136 Hohlfeld, K.: Die Zukunft des Versichenmgsaufsicht nach Vollendung des Binnenmarktes, in: VersR 1993, S. 147. 137 Hoeren, T.: Der englische Versichenmgs-Ombudsman - ein Modell auch für die deutsche Versichenmgswirtschaft?, in: ZVersWiss 1992, S. 487.

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D. Ergebnisse des Binnenmarktes für Versichenmgen

Im Vereinigten Königreich lagen dem lOB 1993 über 8 000 Beschwerden von Versicherungsnehmern vor (46 Prozent mehr als im Vorjahr). Der Ombudsmann entschied nur in einem Drittel der Fälle für die Versicherungsnehmer. Dafür griffen ihn die Verbraucherverbände scharf an. Es ist aber zu berücksichtigen, daß der Ombudsmann auch für Hypothekenfinanzierungen zuständig ist. Hier hat es im Vereinigten Königreich aufgrund der schlechten Konjunktur in den vergangenen Jahren erhebliche Probleme gegeben 138 . cc) Verantwortlicher Aktuar Bei der Umsetzung der EU-Richtlinien wurden in der Lebens- und Krankenund Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr wesentliche bisherige Aufgaben oder Befugnisse des BAV auf einen Sachverständigen übertragen, den verantwortlichen Aktuar 139 . Er löst den versicherungsmathematischen Sachverständigen ab, der bislang die versicherungstechnischen Rückstellungen bestätigte. Alle Lebens- und Krankenversicherer müssen nach §§ l1a Abs. 1 und 12 Abs. 2 VAG einen verantwortlichen Aktuar bestellen, der zuverlässig und fachlich geeignet ist 140 . Fachliche Eignung erfordert Kenntnisse der Versicherungsmathematik und eine mindestens dreijährige Berufserfahrung als Versicherungsmathematiker bei einem Versicherer vergleichbarer Größe und Geschäftsart 141 . Das Aufsichtsamt kann einen Aktuar ablehnen, wenn er die nötigen Voraussetzungen nicht erfüllt 142 . In bestimmten Fällen kann das BAV den Aktuar auch selbst bestellen 143 • Berufsständische Organisation für Aktuare in Deutschland ist nach britischem Vorbild die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) 144 . Die Mitglieder müssen eine Aufnahmeprüfung bestehen und sich zur Einhaltung der Standesregeln verpflichten. Nach den Standesregeln muß der Aktuar vor allem die Belange der Versichertengemeinschaft wahren. o.v.: Ombudsman-Idee droht zu verwässern, in: VW 1994, S. 435. Für die Allgemeine Haftpflicht-, die Kraftfahrzeug-Haftpflicht-, die KraftfahrtUnfall- und sowie die Allgemeine Unfallversichenmg ohne Prämienrückgewähr beschränkt sich die Aufgabe des verantwortlichen Aktuars auf die Kontrolle der ordnungsgemäßen Berechnung der Deckungsrückstellung für Renten (§ lle in Verbindung mit § 11a VAG). 140 Vgl. §§ 11a, 12 Abs. 2,3 VAG. 141 Präve, P.: Versichenmgsaufsicht, Treuhänder und Verantwortlicher Aktuar, in: VersR 1995, S.735. 142 Einzelheiten ergeben sich aus dem Entwwf für eine Verordnung gemäß §l1a Abs. 6 des VAG über die versichenmgsmathematische Bestätigung und den Erläutenmgsbericht des verantwortlichen Aktuars (Aktuar-VO). 143 Vgl. § 11a Abs. 2 VAG. 144 Vgl. Daykin, C.: The Supervision of Life Insurance Business in the United Kingdom, London 1988, S. 2-3 (nicht veröffentlicht). 138

139

ll. Deregulienmg Wld Mehrregulienmg

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Der verantwortliche Aktuar hat eine Zwitterposition zwischen BAV und Versicherer. Er ist zwar Angestellter des Versicherers (kann sogar Mitglied des Vorstands sein14~), übernimmt aber als "Vorposten der Aufsicht,,146 auch Aufsichtsfunktionen. Interessenkonflikte und berufliche Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber sind daher programmiert. Deshalb wurde die Schaffung eines tatsächlich unabhängigen, freiberuflich tätigen Aktuars nach dem Vorbild des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer vorgeschlagen. Der Gesetzgeber lehnte diesen Vorschlag mit dem Hinweis ab, daß auch im Vereinigten Königreich der appointed actuary meist beim Versicherer angestellt ist und seine Unabhängigkeit durch einen traditionellen und einflußreichen Berufsstand sowie durch umfassende berufsständische Regeln gesichert wird147 . Der verantwortliche Aktuars muß gewährleisten, daß die Prämien und Dekkungsrückstellungen nach § 11 Abs. 1 VAG, der Rechtsverordnung nach § 65 Abs. 1 VAG und nach § 34lfHGB berechnet werden. Dabei muß er prüfen, ob die dauernde Erfüllbarkeit der versicherungsvertraglichen Verpflichtungen gewährleistet ist und die Eigenkapitalausstattung (Ist-Solvabilität) ausreicht. Der verantwortliche Aktuar ist verpflichtet, die korrekte Berechnung und Angemessenheit der Deckungsrückstellung unter der Bilanz des Versicherers zu bestätigen und dem Vorstand über die Kalkulationsgrundlagen und sonstigen Annahmen der Bestätigung zu berichten. Kann er die Bestätigung nicht oder nur unter Vorbehalten erteilen, muß er den Vorstand unterrichten. Schafft der Vorstand keine Abhilfe, ist das BAV einzuschalten. Der Vorstand muß den Aktuar bei seiner Arbeit unterstützen, ihm vor allem alle notwendigen Informationen geben. Die Aufgaben des verantwortlichen Aktuars lassen sich wie folgt unterteilen: Unternehmensbezogene A ufkaben - Überwachungder finanziellen Lage des Versicherers, vor allem der Deckung der Soll-Solvabilität; - Berechnung der Deckungsrückstellung; - Unterbreitung von Vorschlägen für die Überschußbeteiligung der Versicherungsnehmer nach einer noch zu erlassenen Verordnung des BMF; 145 Präve, P.: Versichenmgsaufsicht, Treuhänder Wld Verantwortlicher Aktuar, in: VersR 1995, S.735. 146 Präve, P.: Das Dritte DurchfiihnmgsgesetzfEWG zum VAG - Ausgewählte Fragen des neuen Aufsichts- Wld Vertragsrecht, in: ZfV 1994, S. 201. 147 Entwurf eines Gesetzes zur Durchfiihnmg versicherWlgsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften (Drittes DurchfiihnmgsgesetzfEWG zum VAG), Drucksache 23/94,14. Januar 1994, S. 166-167.

D. Ergebnisse des Binnenmarktes für Versicherungen

250

- Erteilung des versicherungsmathematischen Bestätigungsvermerks; - Anfertigung eines Bericht über die Kalkulationsgrundlagen und Annahmen, die dem Bestätigungsvermerk zugrunde liegen für den Vorstand zur Weiterleitung an das BAV. Produktbezogene A ujgaben - Sicherstellung der Gleichbehandlung der Versicherungsnehmer bei den Prämien, der Überschußbeteiligung u,ä.; - Festlegung der Rechnungsgrundlagen, vor allem der Sterbetafeln, Rechnungszinsen und Kosten für Prämienberechnung und Überschußbeteiligung; - Schutz des Altbestands und Unterbindung dauerhafter Quersubventionierungen zwischen den Tarifen; - Sicherstellung ausreichender Prämien im Neugeschäft zur Bildung von DekkungsTÜckstellungen.

Die Einbindung des verantwortlichen Aktuars und der DAV in das deutsche Aufsichtssystem läßt sich wie folgt darstellen:

--'I

B_A_V_ _ _ _

L -_ _ _ _

Bm':1

V_er_s_ic_h_er_e_r_ _ _-'

L-_ _ _ _

Beaufsichtigung

t

Offenlegung

AbstiImmmgsprozeß

t

t

~

temehmensbezogene Aufgaben

t

Mitglied

DAV

Produkt- \Dld \Dl-

Verantwortlicher Aktuar

~

Standesregeln

b) lnjormationsinteressen

aa) Versicherungsprodukte (1) Grundlagen

Mit dem Wegfall der (aufsichtsbehördlichen) Produktkontrolle und -vereinheitlichung verändert sich für die Versicherungskunden der Informationsbe-

11. Deregulienmg Wld Mehrregulienmg

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darf. Der Informationsbedarf bezieht sich künftig neben der durch Differenzierung breiter werdenden Produktpalette und deren Preis-Leistungs-Relationen auch auf die Bonität der Anbieter. Anstelle der bislang staatlichen Fürsorge ist eine individuellere Informationsbeschaffung durch die Marktteilnehmer selbst erforderlich. Dies setzt unter anderem voraus, daß ihnen bestimmte Informationsrechte zustehen und die Versicherer bestimmten Informationspflichten nachkommen müssen l48 . Die Informationsbeschaffung und -verarbeitung kann aber auch auf andere Art und Weise - unabhängig von staatlichen Eingriffen - erfolgen, nämlich durch ,,Produzenten" von Informationen l49 . (2) Musterbedingungen

Der Wegfall der Genehmigungspflicht für die Versicherungsbedingungen bedeutet trotz der noch bestehenden rechtlichen Beschränkungen, daß die Gestaltungsfreiheit der Versicherer und damit die Produktvielfalt zunehmen werden. Um dem Versicherungsnehmer eine Orientierungshilfe zu geben, wird von verschiedenen Seiten vorgeschlagen, daß BAV und Versicherer beziehungsweise Versicherungsverbände gemeinsam unverbindliche Musterbedingungen erarbeiteniSO . Die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen der EU lassen unverbindliche Musterbedingungen unter bestimmten Bedingungen zu 1Sl . Ursprünglich wollte das Aufsichtsamt den Versicherern eine freiwillige Prüfung der Bedingungen anbieten und Gütesiegel erteilen. Vor allem sollte eine einheitliche Terminologie sichergestellt werden, zum Beispiel bei der Definition des Versicherungsfalls 1s2 . Das BAV hat von seinem Vorhaben später wieder Abstand genommen. Es bestanden erhebliche Bedenken, ob Prüfung und Gütesiegel mit den EU-Richtlinien vereinbar sind1s3 und ob sie den Wettbewerb nicht (zu) massiv behindern 1S4 . 148 Hesberg, D.: Ist die Externe RechnWlgslegWlg der VersichenmgsWlternehmen überflüssig?, in: Risiko Versichenmg Markt, Festschrift fiir Walter Karten, hrsg. von Dieter Hesberg, Martin Nell Wld Winfried Schott, Karlsruhe 1994, S. 529-530. 149 Vgl. D.II.4.b)aa)(3) Wld D.II.4.a)dd). ISO Deregulienmgskommission (Hg.): MarktöffilWlg Wld Wettbewerb, Erster Bericht, Deregulienmg als Programm?, Das Versichenmgswesen, das Verkehrswesen, 1990, S. 65; Eggerstedt, H: Regulienmg Wld Deregulienmg von Versichenmgsmärkten - eine Replik, in: ZfB 1988, S. 706. ISI Vgl. C.Vl.l. lS2 Müller, H: Verbraucherschutz im Versichenmgswesen durch Information der Versicherten, Karlsruhe 1992, S. 21. IS3 Schildt, M.: Die VollendWlg des Binnenmarktes, in: VW 1992, S. 705. 1S4 Schlecht, 0.: Wettbewerb Wld Deregulienmg im gemeinsamen Markt - Herausfordenmg Wld Chance fiir die deutsche Versichenmgswirtschaft, in: Versichenmgen in

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D. Ergebnisse des Binnenmarktes fiir Versichenmgen

Inzwischen hat die Versicherungswirtschaft selbst die Initiative ergriffen und Musterbedingungen auf Verbandsebene erarbeitet l55 . Die Verbraucher können sie bei den Verbänden anfordern, um festzustellen, welchen Umfang ein Standardangebot haben sollte. Das Aufsichtsamt kann nur prüfen, ob die Musterbedingungen das zwingende Recht beachten (oder einhalten). Mit einem solchen Negativattest dürfen die Versicherer aber nicht werben, weil Werbung mit Selbstverständlichkeiten nach den Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft und dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) nicht zulässig ist. Insbesondere dürfen die Versicherer ein bloßes Negativattest nicht als Gütesiegel ausgeben 1S6 . Die Wirkung der Musterbedingungen wird vom Verhalten der Versicherer abhängen. Sie sind nicht gezwungen, die Musterbedingungen anzuwenden, sie beim Verkaufsgespräch vorzulegen oder ausdrücklich auf abweichende Bedingungen in ihrem Produkt hinzuweisen. Das gleiche gilt für den (noch weitergehenden) Vorschlag, daß die Versicherer dem Kunden auch einen Abschluß zu den Musterbedingungen anbieten müssen 1S7 .

(3) Preis-leistungs-Vergleiche und öffentliche Aufklärung Eine weitere Informationsquelle für die Verbraucher sind produktbezogene Preis-Leistungs-Vergleiche oder Produktratings 1S8 • Ziel eines Produktratings ist es, die Versicherungsprodukte unterschiedlichen Qualitätsklassen zuzuordnen. Maßstab ist dabei die Fähigkeit der Produkte, die Erwartungen der Versicherungskunden zu erfüllen 1S9 . Preis-Leistungs-Vergleiche oder Ratings mindern den zeitlichen und sonstigen Aufwand für informationssuchende VerEuropa heute \U1d morgen, Geburtstags-Schrift fiir Georg Büchner, hrsg. von Franz Wilhelm Ropp und Georg Mehl, Karlsruhe 1991, S. 338. ISS Wesselkock, K.: Die deutsche Lebensversicherung 1995: Qualität und Sicherheit im Binnenmarkt, in: VW 1995, S. 698. IS6 Büchner, G.: Fragen des aufsichtsrechtlichen Verbraucherschutzes, in: ZVersWiss 1994, S. 366. IS7 Deregulienmgskommission (Hg.): Marktöffuung und Wettbewerb, Erster Bericht, Deregulienmg als Programm?, das Versichenmgswesen, das Verkehrswesen, 1990, S. 89-90. ISS Allgemein zu veröffentlichten Preis-Leistungs-Vergleichen, vgl. Wolff, Y.: Probleme des Vergleichs von Versicherungsprodukten aUs journalistischer Sicht, in: Festschrift fiir Dieter Farny zur Vollendung seines 60. Lebensjahres von seinen Schülern, hrsg. von Hans-Peter Mehring und Volker Wolff, Karlsruhe 1994, S. 319-327; zu Produktratings, vgl. Sönnichsen, C.: Rating-Systeme am Beispiel der Versichenmgswirtschaft, Berlin 1992, S. 291-318. m Sönnichsen, C.: Rating-Systeme am Beispiel der Versicherungswirtschaft, Berlin 1992, S. 30l.

11. Deregulienmg und Mehrregulienmg

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braucher. Für die Anbieter sind sie ein Anreiz, die Qualität ihrer Produkte zu verbessern und die Testergebnisse als Gütesiegel für Werbezwecke zu nutzen. Im Gegensatz zum Warenbereich wurden Dienstleistungstests erst in den vergangenen Jahren stärker entwickelt. Eine Ursache ist die außergewöhnliche Testsituation bei Dienstleistungen. Es ist schwierig, das Preis-Leistungs-Verhältnis von Angeboten zu bewerten, die Dienstleistungs- und Servicequalität der Anbieter einzuschätzen, zum Beispiel bei Vertragsabschluß oder im Versicherungsfall, und die "dauerhafte Solvenz" zutreffend zu beurteilen 160 . Finanztest und Test von Stiftung Warentest und andere Zeitschriften (etwa Capital 161 und DM) versuchen, diese Probleme unter anderem mit Modellverträgen zu lösen. Sie definieren zum Beispiel einen bestimmten Leistungsumfang und bestimmte persönliche Verhältnisse (Geschlecht, Alter, Beschäftigung) und vergleichen auf dieser Grundlage die Prämien oder Renditen der Anbieter. Die Daten werden über Fragebögen bei den Versicherern erhoben oder über kommerzielle und nichtkommerzielle Datenbanken. Bei einigen Untersuchungen bieten die Zeitschriften den Lesern zusätzlich einen Computerservice an. Nach persönlichen Daten und einer (subjektiven) Bewertung der Leistungskriterien ermittelt ein Computerprogramm das individuelle "Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis,,162 . Die Zeitschriften wollen damit der Kritik begegnen, daß die Testergebnisse nur für Modellverträge gelten und eine Verallgemeinerung unzulässig ist 163 . Bei der Servicequalität hat beispielsweise die Stiftung Warentest vor allem die Schadenregulierung von Versicherern anhand konkreter Fälle getestet l64 . Sie stellte dabei fest, daß es keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Prämienhöhe und Servicequalität gibt. Einige billige Anbieter (auch Direktversicherer) haben gute Ergebnisse erzielt, einige teuere Anbieter dagegen schlechte. Die verschiedenen Zeitschriften berichten ferner über die Produkte selbst, vor allem über neue Produkte, die Notwendigkeit einzelner Versicherungen und Auswahlkriterien.

160 Wolff, V.: Probleme des Vergleichs von Versichenmgsprodukten ausjournalistischer Sicht, in: Festschrift fiir Dieter Famy zur Vollendung seines 60. Lebensjahres von seinen Schülern, hrsg. von Hans-Peter Mehring und Volker Wolff, Karlsruhe 1994, S. 322-323. 161 o.y.: Lebensversichenmg (feil 2), Was TImen in 20 Jahren blüht, in: Capital, Heft 5/1994, S. 84-95. 162 o.y.: Premiere als Privatpatient, in: Finanztest, Heft 2/1995, S. 27. 163 Sönnichsen, C.: Rating-Systeme am Beispiel der Versichenmgswirtschaft, Berlin 1992, S. 94-95. 164 o.y.: Schadensregulienmg der Hausratversicherer, Reine Nervensache, in: Finanztest, Heft 1/1994, S. 14-23.

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D. Ergebnisse des Binnenmarktes für Versichenmgen

Die Zeitschrift Finanztest der Stiftung Warentest hat eine verkaufte Auflage von knapp 350 000 Heften (zweimonatlich), die Zeitschrift Test von 850 000 (monatlich). Die tatsächliche Leserzahl ist bedeutend größer. Der Bekanntheitsgrad der Stiftung Warentest liegt nach einer Untersuchung des EmnidInstituts16~ bei 36 Prozene 66 . Trotz dieser beachtlichen Zahlen erreichen die Zeitschriften nur einen bestimmten Teil der Bevölkerung. Das dürfte der Personenkreis sein, der Versicherungsfragen ohnehin aufgeschlossen gegenübersteht. Das Informationsproblem der breiten Bevölkerung lösen sie niche 67 . In diesem Zusammenhang ist auch auf die Vertretung der Verbraucherinteressen durch ,,Kollektivbildung" hinzuweisen, etwa in Verbraucherverbänden. Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß sich die Interessen gemeinsam im politischen Raum besser vertreten lassen als durch den einzelnen Verbraucher. In der ökonomischen Theorie werden Zweifel an der (freiwilligen) Organisierbarkeit der Verbraucher geäußert. Olson 168 meint zum Beispiel, daß gleichlaufende Interessen nicht ausreichen, um Individuen zu kollektivem Handeln zu bewegen. Ein Beleg dafür ist, daß es in Deutschland keinen großen Verbraucherverband gibt, der ,,freiwillig" entstanden ist. Die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV), die Verbraucherzentralen und die Stiftung Warentest sind "staatliche Konstrukte", die durch Bund und Länder (mit-)finanziert werden 169 . Insgesamt stellte die öffentliche Hand für solche Informationsmaßnahmen im Jahre 1991 fast 50 Mio. DM zur Verfügung, der Anteil für Versicherungen ist nicht bekannt. Die Wirkung ist allerdings begrenzt. Nach der bereits erwähnten Emnid-Untersuchung liegt zum Beispiel der Bekanntheitsgrad der Verbraucherzentralen bei unter 20 Prozent. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat 1993 einen sogenannten Verbraucherpaß eingeführt. Gegen eine Jahresgebühr von 30 DM kann der Verbraucher Sonderleistungen beanspruchen, etwa eine Intensivberatung in Versicherungsfragen. Die Akzeptanz dieser Maßnahme ist gering. Nach Emnid wären nur 10 Prozent der erwachsenen Bevölkerung bereit, einen Beratungspaß zu erwerben.

16S Emnid-Institut (Hg.): Die Verbraucherberatung in Nordrhein-Westfalen aus Sicht der Bevölkerung 1984/85 (Kurzfassung), Bielefeld 1985, S. 3,4, 11. 166 Bornecke, 1.: Verbraucherorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland Empirische Analyse, Bonn 1986, S. 151,179. 167 Erkelenz, G.: Wettbewerb auf den Versichenmgsmärkten aus Sicht privater Nachfrager, in: ZVersWiss 1985, S. 260. 168 Olson, M.: The Logic of Collective Action - Public Goods and the Theory of Groups, Cambridge (Massachusetts) 1965, S. 21,45,50. 169 Hippel, E., von: Verbraucherschutz, 3. Auflage, Tübingen 1986, S. 28-29.

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(4) Werbung Bei wachsender Produktvielfalt kann vergleichende Werbung zu einer besseren Marlettransparenz führen, wenn zum Beispiel ein Versicherer die Vorzüge seiner Produkte im Vergleich zu denen anderer Anbieter darstellt. In Deutschland sind die rechtlichen Möglichkeiten einer vergleichenden Werbung beschränkt 1?o. Das wird sich nach Umsetzung einer EU-Richtlinie ändern, nach der vergleichende Werbung zulässig ist, wenn sich der Vergleich auf objektiv feststellbare Sachverhalte bezieht und nicht irreführend ist l7l . Die sonstige Werbung der Versicherer ist im Hinblick auf die Informationsinteressen der Versicherungsnehmer differenziert zu sehen. Ziel der Werbung eines Versicherers ist es, ein günstiges Bild bei den relevanten Kundengruppen zu erzeugen und Verkaufsinteresse auszulösen. Ein vollständiges und vor allem zutreffendes Bild der Angebotslage ergibt sich für die Versicherungsnehmer daraus niche n . Das gilt auch für die Gemeinschaftswerbung der Verbände. Zweck zum Beispiel der Gemeinschaftswerbung des Verbandes der Lebensversicherungs-Unternehmen ist es, die Nachfrage durch Aufklärung über die Möglichkeiten einer Lebensversicherung sowie durch Informationen über Fragen der Lebensversicherung und Marktentwicklungen anzuregen. Der Schwerpunkt liegt auf der Vorteilhaftigkeit der Lebensversicherung gegenüber anderen Sparformen. Insgesamt ist der Informationsgehalt gering1?3 . bb) Versicherungsverrnittlung . Unter dem bisherigen deutschen System der Genehmigung der Versicherungsbedingungen und zusätzlich in einigen Versicherungszweigen der Prämien und Rechnungsgrundlagen (sowie der Überschußbeteiligung) war eine Aufsicht über die Vermittler weitgehend entbehrlich. Die Kunden konnten zumindest darauf vertrauen, daß die angebotenen Produkte staatlich geprüft und 170 Vogt, S.: Wettbewerbsrecht, in: Wirtschaftsrechts-Handbuch, hrsg. von Jürgen Pelka, München 1995, S. 1437-1438. 171 Hübner, u.: Auswirkungen der Deregulienmg des Aufsichtsrechts auf den Versicherwtgsvertrieb - Rechtliche Grundlagen, Karlsruhe 1994, S. 7; Comrnission proposal for a European Parliament and COWlcil Directive conceming comparative advertising and amending Directive 84/4501EEC conceming misleading advertising, AbI. der EG Nr. C 136, 19. Mai 1994, S. 4-10 (der Ministerrat hat im November 1995 einen gemeinsamen Standpunkt verabschiedet). 172 Sönnichsen, C.: Rating-Systeme am Beispiel der Versicherwtgswirtschaft, Berlin 1992, S. 88-93. 173 Stöfller, M.: Markttransparenz in der Lebensversicherwtg, Karlsruhe 1984, S. 8182.

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D. Ergebnisse des Binnenmarktes für Versichenmgen

zugelassen sind. Die zunehmende Produkt- und Prämienvielfalt nach dem Wegfall der Genehmigungspflicht erhöht den Beratungsbedarf (beziehungsweise den Informationsbedarf) der Kunden und erfordert eine bessere Qualifikation der Versicherungsvermittler. Hübner 174 spricht vom Ersatz des Produktschutzes durch den Beratungsschutz. Anfang der 90er Jahre war Deutschland neben Dänemark der einzige EUMitgliedstaat, in dem es keine Berufsregeln für Versicherungsvermittler gab. 1990 führte die deutsche Versicherungswirtschaft dann ein Ausbildungsprogramm zumIzur Versicherungsfachmann-/fachfrau ein. Es sieht eine mindestens einjährige Ausbildung vor, die sich in einen theoretischen und einen praktischen Teil gliedert. Die Ausbildung selbst findet bei den Versicherern statt und kostet den Versicherer rund 40 000 DM pro Person m . Die Abschlußprüfung nimmt eine überbetriebliche Kommission des Berufsbildungswerks der Versicherungswirtschaft ab. Der erfolgreiche Absolvent erhält ein Zertifikat und einen Lichtbildausweis, mit dem er sich gegenüber dem Kunden ausweisen kann. Bislang wurden fast 38 000 Prüfungen durchgeführt. Die Durchfallquote lag bei über 20 Prozent 176 . Das beweist nach Auffassung der Versicherungswirtschaft, daß es sich nicht um eine reine Alibiveranstaltung handelt, sondern um ein echtes Ausleseverfahren 177 . Die Registrierung der Vermittler erfolgt bei der AVAD beziehungsweise einer Unterorganisation, dem Zentralregister für Versicherungsvermittler in Deutschland (ZVD). Der AVAD ist eine Selbsthilfeeinrichtung der Branche, die unseriöse Personen von der Vermittlertätigkeit fernhalten soll. Das Register erfaßt die wichtigsten persönlichen Daten, spezifische Vermittlerdaten, vor allem zur Berufsausbildung, und das Bestehen einer Berufshaftpflichtversicherung. Es ist vorgesehen, zwischen gebundenen und ungebundenen Vermittlern zu differenzieren 178 .

114 Hübner, u.: AuswirkWlgen der Deregulienmg des Aufsichtsrechts auf den Versichenmgsvertrieb - Rechtliche Gnmdlagen, Karlsruhe 1994, S. 4. '" Jannott, E.: AuswirkWlgen der Deregulienmg des Aufsichtsrechts auf den Versichenmgsvertrieb - Eine StellWlgnahme aus der deutschen Versichenmgswirtschaft, Karlsruhe 1994, S. 9. 116 Krätzig, 1.: Mit Lichtbildausweisen, Verlagsbeilage zur FAZ vom 14. März 1995, S. B 11. 177 Jannott, E.: AuswirkWlgen der Deregulienmg des Aufsichtsrechts auf den Vers ichenmgsvertrieb, in: VW 1994, S. 614. 118 Der BWldesverband FinanzdienstleistWlgen, der Verband Deutscher Makler, die Deutsche VereinigWlg für Vermögensberater, der Arbeitgeberverband der fmanzdienstleistenden Wirtschaft sowie der BWldesverband der Bau-Finanz-Berater haben ein eigenes Register gegründet, das Zentrahegister Deutschland für Finanzdienstleister.

11. Deregulienmg Wld Mehrregulienmg

257

Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß diese Branchenlösung den Anforderungen der Empfehlung der Europäischen Kommission über die Regulierung der Versicherungsvermittler genügt. Eine gesetzliche Rahmenregelung, auf die die Versicherungswirtschaft drängt, wird mit Hinweis auf das Grundrecht auf Gewerbefreiheit abgelehne 79 . Das Konzept der Branche zur Regulierung der Vermittler weist in die richtige Richtung. Trotzdem sind einige Kritikpunkte angebrache so . Die Versicherer haben sich bislang nicht verpflichtet, nur mit qualifizierten Vermittlern zusammenzuarbeiten l81 . Das Aufsichtsamt ist der Auffassung, daß es in Deutschland neben sehr guten, seriösen und hervorragend ausgebildeten Versicherungsvermittlern auch viele schlechte Mitglieder des Berufsstandes gibt. Das zeigen die Erfahrungen in den neuen Bundesländern und die stark gestiegene Zahl der Beschwerden über Vermittler. Besonders problematisch sind Strukturvertriebe l82 . In einem Rundschreiben zur Überprüfung von Versicherungsvermittlern und zu Meldungen über Veruntreuungen vom 28. März 1994 183 betont das BAV, daß gerade in einem deregulierten Versicherungsmarkt eine umfassende Beratung der Versicherungsnehmer durch zuverlässige Versicherungsvermittler unverzichtbar ist. Das erfordert vor allem, daß die Versicherer vor Beginn der Zusammenarbeit die persönliche und fachliche Eignung der Vermittler prüfen. Wichtig ist die Vorlage eines Führungszeugnisses und gegebenenfalls eines Auszuges aus dem Gewerbezentralregister. Hier kann der AVAD genutzt werden. Ein weiterer Kritikpunkt ist, daß die von der EU-Kommission geforderte und für den Kunden äußerst wichtige Trennung zwischen gebundenen und ungebundenen Vermittlern noch nicht geklärt ist. Es fehlen klare Kriterien für die Abgrenzung zwischen ungebundenen und gebundenen Vermittlern. Völlig offen ist bisher auch, wie, wo und wem ungebundene Vermittler ihre Unab-

179 Deutscher BWldestag, Drucksache 12/4279 vom 5. Februar 1993, Vorsorgender Verbraucherschutz im europäischen Versichenmgswesen, abgedruckt in: VersR 1993, S. 812-813; Michaels, B.: Der Versichenmgsstandort Deutschland vor neuen Herausfordenmgen, in: VW 1990, S. 1489. 180 Müller, H: Neue Rolle der Aufsicht, Versicherer, Vermittler Wld KWlden Wlter den neuen RahmenbedingWlgen der Versichenmgsaufsicht, in: VersVerm 1991, S. 579. 181 Die sogenannten Altvertreter - Vertreter mit zweijähriger Berufserfabnmg - mußten sich keiner Prüfimg Wlterziehen. 182 Müller, H: Verbraucherschutz im Versichenmgswesen durch Information der Versicherten, Karlsruhe 1992, S. 29. 183 o.y.: BAV zur Überprüfimg von Versichenmgsvermittlem Wld zu MeldWlgen über VenmtreuWlgen, in: VW 1994, S. 774-775.

17 Rabe

258

D. Ergebnisse des Binnenmarktes für Versichenmgen

hängigkeit (zum Beispiel durch Offenlegung der Provision) beweisen sollen, wie es die Empfehlung der Kommission verlangt. Es ist darauf hinzuweisen, daß im ersten Prüfungsjahr 1991/92 lediglich 95 ungebundene Vermittler an der Ausbildung teilgenommen haben. Diejenigen, die in erster Linie den Beratungsschutz der Kunden gewährleisten könnten, sind damit unterrepräsentiert. Abgesehen davon erscheint fraglich, ob das einjährige, nebenberufliche Ausbildungsprogramm angesichts der Erwartungen an die ungebundenen Vermittler im neuen Umfeld ausreicht. Schließlich muß der in ganz Europa tätige Makler nicht nur die Versicherungsprodukte und -prämien der in- und ausländischen EU-Versicherer kompetent einschätzen und vergleichen können, sondern auch über die sonstigen Verhältnisse informiert sein, etwa die steuerliche Behandlung der Produkte und andere Rahmenbedingungen l84 . Die Empfehlung der Kommission sieht aus guten Gründen vor, daß die Mitgliedstaaten an ungebundene Vermittler strengere fachliche Anforderungen stellen dürfen 183 . Daß die Regulierung der Vermittler kein Allheilmittel ist, zeigt das britische Beispiel. Die umfassenden Bestimmungen des FSA funktionieren in der Theorie besser als in der Praxis. So forderte der sm die Versicherer kürzlich auf, die Kundenberatung bei den seit 1988 abgeschlossenen Umsteigeversicherungen von der gesetzliche Rentenversicherung in private Lebensversicherungen (personal pensions) zu überprüfen. Eine Stichprobe von 1 000 Abschlüssen ergab, daß die Versicherer und Vermittler in 80 Prozent der Fälle die Informationspflichten verletzt hatten. Der Vorsitzende des sm versprach Schadenersatz, der sich nach Expertenmeinung auf mehrere hundert Millionen Pfund belaufen könnte. Insgesamt müssen die betroffenen Versicherer und Vermittler über 500 000 Verträge kontrollieren 186 . Im Vereinigten Königreich wird aufgrund dieser Erfahrungen über eine umfassende Reform nachgedacht 187 .

184 Hübner, U.: Deregulienmg \Dld Versichenmgsverrnitt1\Dlg - Verbraucherschutz oder Berat\Dlg, in: Recht \Dld Ökonomie der Versichenmg, Festschrift für Egon Lorenz, hrsg. von Ulrich Hübner, Elmar He1ten \Dld Peter Albrecht, Karlsruhe 1994, S. 325. 18S Hübner, U.: AuswirklDlgen der Deregulier\Dlg des Aufsichtsrechts auf den Versichenmgsvertrieb - rechtliche Gnmd1agen, Karlsruhe 1994, S. 12. 186 F1esch, C.: Wenn fIktive K\Dlden um ProvisionsermäßiglDlg feilschen, in: VW 1994, S. 694-695. 187 o.v.: Rewritingtheru1es, in: TheEconomist, 15. Januar 1994, S. 80.

11. Deregulierung und Mehrregulierung

259

cc) Informationspflichten der Versicherer Die Erfahrung zeigt, daß Informationen über den Versicherungsschutz von privaten Kunden häufig gar nicht angenommen, in den seltensten Fällen gelesen und kaum je vollständig verstanden werden. Ein Zuviel an gedruckten Texten schreckt die meisten Kunden ab, die Schmerzgrenze liegt sehr niedrig l88 . Mit dieser Einschränkung erhöhen die Informationspflichten oder Verbraucherinformationen der Versicherer die Produkttransparenz. Markttransparenz entsteht für die Versicherungsnehmer dadurch allerdings niche 89 . Der deutsche Gesetzgeber ist bei den Informationspflichten des Versicherers deutlich über die Mindestanforderungen der EU-Richtlinien hinausgegangen, vor allem hat er auch die Schaden- und Unfallversicherung einbezogenl90 . Kritisch ist, daß die vorvertraglichen Informationspflichten nicht im WG geregelt wurden, obwohl sie eigentlich das Vertragsverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer betreffen. Außerdem haben die Versicherer ein Wahlrecht, ihre Informationspflichten vor Vertragsabschluß (AntragsmodelI) oder - und dies ist in der Praxis der übliche Weg - nach § 5a WG erst nach Vertragsabschluß (policenmodell) zu erfüllen. Dem Kunden steht dann zwar ein zweiwöchiges Rücktrittsrecht zu, dies erfordert aber "aktives Handeln". Die Bestimmung des § 5a WG widerspricht insofern dem Zweck der Informationspflichten der EU-Richtlinien 191 . Die Verbraucherverbände sind mit der Umsetzung der Informationspflichten durch den deutschen Gesetzgeber nicht einverstanden. Sie haben bereits bei der Kommission vorgesprochen und wollen notfalls vor dem EuGH klagen l92 . dd) Rechnungslegung, Publizität und Rating-Systeme Die Richtlinie über den Jahresabschluß von Versicherern bringt für Deutschland teilweise Publizitätsfortschritte, etwa die Offenlegung der Zeitwerte der Kapitalanlagen, teilweise aber auch Rückschritte, vor allem den Wegfall der 188 Büchner, G.: Der Referentenentwurf eines Dritten DurchfiihrungsgesetzeslEWG zum VAG aufdem Prüfstand, Karlsruhe 1993, S. 11-12. 189 Hübner, u.: Versicherung quo vadis?, in: Versicherungen in Europa heute und morgen, Geburtstags-Schrift für Georg Büchner, hrsg. von Franz Wilhelm Hopp und Georg Mehl, Karlsruhe 1991, S. 307. 190 Vgl. § 10a VAG. 191 Vgl. C.Y.2.j)cc). 192 Zur kontroversen Diskussion in Deutschland, vgl. Matusche, A.: Verbraucherschutz durch aufsichtsrechtlich normierte Informations- und Beratungspflichten, in: VW 1994, S. 1298-1299.

17*

260

D. Ergebnisse des Binnenmarktes für Versichenmgen

Spartenrechnung193 . Die Europäische Kommission unterstellt, daß sich Kunden und Vermittler künftig intensiver mit den Jahresabschlüssen von Versicherern befassen werden, um vor allem die Sicherheit der Vertragserfüllung, die Preiswürdigkeit des Versicherungsschutzes und die Überschußbeteiligung beurteilen zu können 194 . Diese Vorstellung geht an der Realität vorbei. Die meisten Versicherungsnehmer sind weder in der Lage noch bereit, Jahresabschlüsse von Versicherern zu lesen und zu vergleichen. Sie setzen die finanzielle Leistungsfähigkeit von Versicherern voraus. Die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen gilt als selbstverständlich, nicht zuletzt weil es im deutschen Markt bislang keine nennenswerten Schieflagen von Versicherern gegeben hat. Diese Einstellung der Verbraucher kann sich ändern, falls spektakuläre Konkurse eintreten. Dazu kommt, daß der Jahresabschluß von Natur aus stichtagsbezogen ist. Er zeigt die im Geschäftsjahr erreichten Ergebnisse, ist also primär vergangenheitsbezogen. Zukunftsbezogene Informationen, die für Versicherungskunden besonders interessant wären, sind spärlich. Eine wichtige Entscheidungshilfe für die Versicherungsnehmer bieten verdichtete Finanzinformationen über die Anbieter, zum Beispiel ein Kennzahlensystem der Aufsichtsbehörde oder ein Rating von entsprechenden Agenturen. Ziel von Ratings ist es, den Versicherungskunden bei seinen Entscheidungen zu unterstützen. Ratings vermindern den Ressourceneinsatz der Entscheidungsträger, erfordern aufgrund der einfachen Darstellung der Ergebnisse nur eine geringe Aufnahmekapazität und können dadurch die Komplexität von Entscheidungen mindern 19s . Rating wird allgemein als ,,klassifizierende Beurteilung bestimmter Sachverhalte verstanden,,196. Sönnichsen 197 definiert Rating als "das Ergebnis einer

193 KPMG (Hg.): Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen nach neuern Recht, Frankfurt am Main 1994, S. 10; Hesberg, D.: Ist die Externe Rechnungslegung der Versichenmgsuntemehmen überflüssig?, in: Risiko Versichenmg Markt, Festschrift für Walter Karten, hrsg. von Dieter Hesberg, Martin Nell und Winfried Schott, Karlsruhe 1994, S. 538. 194 Brittan, Sir Leon: European Insurance in a Single Market, Speech to the Centre for Insurance Sciences, Universität Leuven, 19. März 1990, S. 12 (nicht veröffentlicht). 195 Sönnichsen, C.: Rating-Systeme am Beispiel der Versichenmgswirtschaft, Berlin 1992, S. 126. 196 Trautvetter, M. / Lust, D.: Modell eines Untemehmensratings für Lebensversicherungsunternehmen, in: Blätter der Gesellschaft für Versicherungsmathematik 1994, S.525. 197 Sönnichsen, C.: Rating-Systeme am Beispiel der Versichenmgswirtschaft, Berlin 1992, S. 117.

11. Deregulierung Wld Mehrregulierung

261

Bewertung wirtschaftlicher Sachverhalte, das [00'] jederzeit eine Klassifikation der betrachteten Sachverhalte durch einen Entscheidungsträger [00'] zuläßt". Ratings entstanden zu Beginn dieses Jahrhunderts, als in den Vereinigten Staaten zum ersten Mal auf diesem Wege die Bonität von Schuldnern beurteilt wurde. Noch heute ist die Bewertung der Bonität von Emittenten oder Emissionen durch Credit-Ratings das hauptsächliche Betätigungsfeld sogenannter Rating-Agenturen. In den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Königreich gibt es RatingAgenturen seit langem. In beiden Ländern ist (beziehungsweise war) die Versicherungsaufsicht nicht so umfassend wie in Deutschland. Versicherungskonkurse kamen in diesen Märkten in der Vergangenheit häufiger vor, so daß die Sicherheit der Anbieter ein wichtiges Entscheidungskriterium für die Versicherungskunden ist 198 . Bedeutende Rating-Agenturen sind die A. M. Best Company, New Jersey, die nahezu alle größeren amerikanischen Versicherer und Niederlassungen ausländischer Versicherer bewertet (insgesamt 2 300 Schaden- und Unfallversicherer, 1 400 Lebens- und Krankenversicherer) sowie die Insurance Solvency International, London, die Moody's Investor's Service Ltd., London und Standard & Poor's, New York199 . Es spricht einiges dafür, daß Rating-Agenturen infolge der Deregulierung auch in Deutschland entstehen werden. Erste Ansätze sind bereits zu erkennen200 . Es gibt zahlreiche Modelle für Ratings oder die Beurteilung der Qualität der Anbieter. Meist stehen drei Aspekte im Vordergrund: Sicherheit, Ertrag und Wachstum. Die Sicherheit drückt die Fähigkeit eines Versicherers aus, seine vertraglichen Verpflichtungen dauerhaft zu erfüllen. Der Ertrag erfaßt die Fähigkeit eines Versicherers, die Unternehmensziele zu erreichen, vor allem Gewinnziele und das Ziel der Bedarfsdeckung. Das Wachstum bildet die Marktposition eines Versicherers ab, das heißt seine relative Wettbewerbsstärke201 .

198 Sönnichsen, C.: Rating-Systeme am Beispiel der Versicherungswirtschaft, Berlin 1992, S. UO. 199 Schmidt, R: Überlegungen zur UmsetZWlg der Dritten Versicherungsrichtlinien, Karlsruhe 1992, S. 41-42; Standard & Poor's: International Insurer Rating List, London 1995. 200 Schmidt, R: Überlegungen zur UmsetZWlg der Dritten Versicherungsrichtlinien, Karlsruhe 1992, S. 41; Kasten, H.-K.: Rating von LebensversicherungsWltemehmen, in: VW 1995, S. 703-704. 201 Trautvetter, M. / Lust, D.: Modell eines Unternehmensratings für LebensversicherungsWltemehmen, in: Blätter der Gesellschaft für Versicherungsmathematik 1994, S. 525; Sönnichsen, C.: Rating-Systeme am Beispiel der Versicherungswirtschaft, Berlin 1992, S. 233-234.

262

D. Ergebnisse des Binnenmarktes für Versicherungen

Weiche "Qualitätsmerkmale" sind das Humanpotential sowie das versicherungstechnische und nichtversicherungstechnische Potential202 . Das Problem der Ratings besteht darin, daß sich die Risikolage der Versicherer oder deren Ruinwahrscheinlichkeit nicht mit wenigen Daten errechnen läßt, schon gar nicht mit Zahlen aus veröffentlichten Jahresabschlüssen203 . Die Risikolage eines Versicherer ist vielschichtig. Im Versicherungsgeschäft hängt das Risiko vor allem von der Struktur des Bestands ab, das heißt der Streuung der Gesamtschadenverteilung (versicherungstechnisches Risiko). Dieses Risiko kann durch verschiedene Maßnahmen begrenzt werden, vor allem durch die Gestaltung der Prämien und Rückversicherung sowie die Bereitstellung von Eigenkapital. Im Kapitalanlagegeschäft bestimmt die Qualität der Kapitalanlagen das Risiko, das heißt ihre Werthaltigkeit und Liquidierbarkeie 04 . Aufgrund dieser Komplexität ist es nicht verwunderlich, daß in den Vereinigten Staaten auch Versicherer, die mit einem AAA-Rating eingestuft waren, kurze Zeit später in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind205 . ee) Informationspolitik des BAV Ein weiteres Informationsinstrument sind die Veröffentlichungen des BAV. Es gibt Hinweise, daß das Aufsichtsamt künftig eine aktivere Informationspolitik betreiben wird206 . Besonders interessant ist die Bekanntgabe der Beschwerden über einzelne Versicherer. Um keinen schiefes Bild zu geben, sollten die Zahlen relativiert werden. Die Beschwerden bei der Vertragsanbahnung könnten zum Beispiel ins Verhältnis zur Zahl der abgeschlossenen Verträge gesetzt werden, die Beschwerden bei der Schadenregulierung zur Zahl der Versicherungsfalle oder der bestehenden Verträge (complaint ratiosi0 7 • 202 Sönnichsen, C.: Rating-Systeme am Beispiel der Versicherungswirtschaft, Berlin 1992, S. 234. 203 In den Vereinigten Staaten benutzen Rating-Agenturen bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit eines Schuldners regelmäßig Bilanzkennzahlen, vgl. Möller, H. P.: Empirische Bilanzforschung, in: HWB, hrsg. Waldemar Wittmann, Werner Kern u.a., 5. Auflage, Stuttgart 1993, Sp. 521. 204 Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 406-407. 20S Hohlfeld, K.: Finanzaufsicht und Rechnungslegung auf dem Versicherungssektor nach der Deregulierung, in: Dieter Farny und die Versicherungswissenschaft, hrsg. von Robert Schwebler und den Mitgliedern des Vorstands des deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft, Karlsruhe 1994, S. 234. 206 Hohlfeld, K.: Was bleibt von der materiellen Versicherungsaufsicht nach Vollendung des Binnenmarktes?, Karlsruhe 1992, S. 23. 207 Hohlfeld, K.: Was bleibt von der materiellen Versicherungsaufsicht nach Vollendung des Binnenmarktes?, Karlsruhe 1992, S. 23-24.

11. Deregulienmg Wld Mehrregulienmg

263

Statistiken des BAV zeigen, daß Beschwerden oft unberechtigt sind. Daher ist es angemessen, nur die berechtigten Beschwerden zu berücksichtigen. Das BAV könnte schließlich noch mehr an die Öffentlichkeit treten, um frühzeitig in allgemeiner Form auf bedenkliche Produkte und Geschäftspraktiken hinzuweisen. Das Problem besteht darin, einen Maßstab für die Bedenklichkeit oder Unbedenklichkeit zu finden. Als eindeutig bedenklich wurden bislang nur wenige Produkte bezeichnero8 . Informationen des BAV über einzelne Versicherer, ihre Produkte, Prämien, Solvabilität oder Servicequalität sind rechtlich bedenklich. Das BAV sieht sich selbst nicht als Rating-Agentur und kann dies nach dem VAG auch nicht sein. Zudem ergeben sich Konflikte mit den Aufsichtszielen. So kann eine Veröffentlichung finanzieller Schwierigkeiten bei einem Versicherer durch das BAV das Vertrauen der Versicherungsnehmer erschüttern und eine Kündigungswelle auslösen209 . Generell kann Negativpublizität des BAV für einzelne Versicherer weitreichende Folgen haben. In solchen Fällen stellt sich dann auch die Frage der Amtshaftung. c) Gläubiger- und Schuldnerinteressen Kern des Versicherungsgeschäfts ist das Risikogeschäft, der Transfer von Wahrscheinlichkeitsverteilungen von Schäden vom Versicherungsnehmer auf den Versicherer. Das Risikogeschäft hinterläßt beim Versicherer das versicherungstechnische Risiko, verstanden als mögliche Abweichung des kollektiven Effektivwerts der Schäden vom geschätzten Erwartungswert210 . Die Versicherer versuchen, das versicherungstechnische Risiko zu begrenzen. Sie erheben zum Beispiel Sicherheitszuschläge auf die Risikoprämien, um negative Abweichungen von den Schadenerwartungswerten auszugleichen211 . Die Deregulierung erhöht das Insolvenzrisiko der Versicherer fast zwangsläufig. Durch den Wettbewerb sollen sich für die Kunden die Preis-LeistungsRelationen verbessern. Entsprechend verschlechtern sich unter sonst gleichen Voraussetzungen für die Versicherer die Preis-Kosten-Relationen, wenn sie im Wettbewerb ihre Prämien senken müssen und Sicherheitszuschläge nicht oder nicht mehr in bisheriger Höhe erheben können212 . Vgl. D.I.2.b)aa). Sönnichsen, C.: Rating-Systeme am Beispiel der Versichenmgswirtschaft, Berlin 1992, S. 180-182. 210 Famy, D.: Versichenmgsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 70. 211 Famy, D.: Versichenmgsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 48. 212 Famy, D.: Ein Konkurssichenmgsfonds in der Versichenmgswirtschaft, Ei des Kolumbus oder Windei?, Karlsruhe 1990, S. 5. 208

209

264

D. Ergebnisse des Binnenmarktes für Versichenmgen

Das höhere Insolvenzrisiko kann in einem deregulierten oder schwächer regulierten Versicherungsmarkt aufgefangen werden, wenn zum Beispiel höhere Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung sowie die versicherungstechnischen Rückstellungen und Kapitalanlagen der Versicherer gestellt werden oder ein Konkurssicherungsfonds eingerichtet wird. Diese Maßnahmen werden im folgenden besprochen. Die EU-Richtlinien beruhen bei den Regulierungen, die die Gläubigerinteressen der Versicherungsnehmer betreffen (Finanzaufsicht), auf Mindestanforderungen, die deutlich hinter den Anforderungen des bisherigen VAG zurückbleiben. Strengere Anforderungen kann der deutsche Gesetzgeber also nur im nationalen Alleingang vorsehen. Das kann, wie oben ausgeführt, deutsche Versicherer im Wettbewerb mit ausländischen Versicherern benachteiligen, die im deutschen Markt Geschäfte betreiben, aber der (Finanz-)Aufsicht ihres Herkunftslandes unterliegen, die weniger streng ist als die des VAG. Höhere oder strengere Regulierungen wären unproblematisch, wenn Außenstehende (hier die Versicherungskunden) die höhere Sicherheit erkennen, einschätzen und in ihre Entscheidungskalküle einbeziehen wiirden (Sicherheit als Qualitätsmerkmal). Dies ist aber (noch) nicht der Falf 13 . aa) Eigenkapitalausstattung Es gibt von verschiedenen Seiten den Vorschlag, von den Versicherern eine höhere Mindestausstattung mit Eigenkapital zu verlangen. Zum Beispiel regt Müller 14 an, die Anforderungen in der Lebens-, Kranken-, Kredit-, Haftpflicht- und Transportversicherung langfristig an die der Banken anzupassen, das heißt auf 5 Mio. ECU aufzustocken. Die 1973 beziehungsweise 1979 festgelegten Werte wiirden aufgrund der Inflation dem Erfordernis der Sicherheit nicht mehr genügenm.

213 Hohlfeld geht dagegen davon aus, daß strengere Kapitalanlagevorschriften größere Sicherheit bieten und sich als Werbeargument nutzen lassen, vgl. Hohlfeld, K.: Finanzaufsicht und Rechnungslegung auf dem Versichenmgssektor nach der Deregulienmg, in: Dieter Famy und die Versichenmgswissenschaft, hrsg. von Robert Schwebler und den Mitgliedern des Vorstands des deutschen Vereins für Versichenmgswissenschaft, Karlsnme 1994, S. 232. 214 Müller, H.: Überlegungen zur Vereinheitlichung der aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen für Versichenmgsuntemehmen und Kreditinstitute, Karlsnlhe 1995, S.16-17. 215 F insinger, J.: Versichenmgsmärkte, Frankfurt am Main, N ew York 1983, S. 45.

II. DereguliefWlg und MehrreguliefWlg

265

Eine höhere Eigenkapitalausstattung allein löst das Konkursproblem aber nichf 16 . Die Risikolage eines Versicherers (Wahrscheinlichkeitsverteilung der Schäden) ändert sich durch zusätzliches Eigenkapital nicht. Der Versicherer kann nur seine Verluste ("besser") ausgleichen und damit eine mögliche Überschuldung mit Konkursfolge vermeiden. Eigenkapital steht außerdem nicht in beliebiger Höhe zur Verfügung. Es verursacht Kosten, zum Beispiel die kalkulierten oder effektiven Zinsen auf das Eigenkapital217 . Die Aktionäre erwarten eine gewisse Rendite ihrer Anlage, vor allem Dividendenausschüttungen218 . Für WaG sind die Möglichkeiten, Eigenkapital von außen zu beschaffen, in der Regel auf die Gründungsphase beschränkt, wenn die Garanten den Gründungsstock zeichnen. Später wird Eigenkapital von innen gebildet, indem versteuerte Gewinne einbehalten und den Rücklagen zugeführt werden219 . Ein WaG kann ferner Kapital von außen durch Ausgabe von Genußscheinen oder über nachrangige Verbindlichkeiten aufnehmen. Genußscheine und nachrangige Verbindlichkeiten akzeptiert der Gesetzgeber jedoch nur unter bestimmten Bedingungen (bei überwiegendem Eigenkapitalcharakter) und bis zu einer bestimmten Höhe als Bestandteil der Ist-Solvabilität. Weitere (in der Literatur aber umstrittene) Wege zur Eigenkapitalbeschaffung von außen sind zum Beispiel die nachträgliche Auflage eines weiteren Gründungsstocks, der Verzicht auf die Tilgung des Gründungsstocks, die Erhebung von Eintrittsgeldern für Mitglieder, die Ausgabe von Geschäftsanteilen und die Ausstattung des WaG mit Grundkapital. Es gibt Überlegungen, das Solvabilitätssystem neu zu gestalten, vor allem besser an die Risikolage der Versicherer anzupassen220 . Die Konferenz der Aufsichtsbehörden hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die die Solvabilitätsanforderungen überprüfen und Verbesserungsvorschläge unterbreiten soll. Nach den "dritten Richtlinien" muß die Europäische Kommission bis zum 30. Juni 1997 einen Bericht vorlegen, in dem sie zur Notwendigkeit einer weiteren Angleichung der Solvabilitätsbestimmungen Stellung nehmen soll. Ausgangs-

Farny, D.: Über ReguliefWlg und DereguliefWlg von VersichefWlgsmärkten, in: 1987, S. 1019. 211 Farny, D.: VersichefWlgsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 46. 218 Weidenfeld, G.: Eignung des Shareholder-Value-Ansatzes zur Performancemessung und internen SteuefWlg von LebensversichefWlgs-Aktiengesellschaften?, in: Festschrift für Dieter Farny zur Vollendung des 60. Lebensjahres von seinen Schülern, hrsg. von Hans-Peter Mehring und Volker Wolff, Karlsruhe 1994, S. 165. 219 Farny, D.: VersichefWlgsbetriebslehre, Karlsruhe 1989, S. 167. 220 Die Schwächen des aktuellen Solvabilitätssystems wurden in Kapitel C dargestellt. 216

zm

266

D. Ergebnisse des Binnenmarktes fiir Versichenmgen

punkt könnten hier die Solvabilitätsregeln des NAIC sein, die auf dem Konzept des Risk-Based-Capital beruhen221 . In der Folge wachsender Bedenken über die finanzielle Lage der Versicherer in den Vereinigten Staaten beschloß die NAIC 1990, die Beaufsichtigung deutlich zu verbessern und unter anderem allgemein gültige (und von allen Bundesstaaten zu beachtende) Standards für eine risikobasierte Mindesteigenkapitalausstattung für Versicherer .zu entwickeln. Die Standards wurden für die Lebensversicherung Ende 1992 und für die Schaden- und Unfallversicherung Ende 1993 verabschiedet. Die Eckpunkte lassen sich wie folgt zusammenfassen: Zum Bilanzstichtag wird das vorhandene Eigenkapital ermittelt und dem notwendigen risikobasierten Eigenkapital (Soll-Solvabilität) gegenübergestellt. Liegt das tatsächliche Eigenkapital unter dem geforderten Soll, muß die Aufsichtsbehörde eingreifen. Insgesamt sehen die Standards - je nach Verhältnis zwischen Ist und Soll - vier Eingriffsstufen vor, die von einer schlichten Aufforderung, der Aufsichtsbehörde die Gründe für das Unterschreiten eines bestimmten Wertes zu erläutern bis hin zu materiellen Eingriffen reichen, einschließlich der Übernahme der Geschäfte und der Einleitung eines Rehabilitations- oder Liquidationsverfahrens. Das Risk-Based-Capital setzt sich aus vier Risikokategorien zusammen, dem Kapitalanlagerisiko, dem außerbilanziellen Risiko, dem Risiko des Forderungsausfalls und dem versicherungstechnischen Risiko, das sich wiederum aufteilt in das Prämienrisiko und das Risiko unterdotierter Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle. Die einzelnen Risikokategorien werden mit Gewichtungsfaktoren multipliziert und adjustiert, sofern besondere Risiken vorhanden sind, etwa eine hohe Konzentration bei den Kapitalanlagen oder eine starke Abweichung von Marktdurchschnittswerten (Schadenquote, Wachstum). In einem letzten Schritt werden Doppelzählungen durch eine K~ varianzrechnung beseitigf22 . Die EU-Kommission wird in Kürze einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Beaufsichtigung von Versicherungsgruppen vorlegen223 . Danach sollen Versicherungsgruppen einer zusätzlichen Beaufsichtigung unterzogen wer221 Schweizer Rück (Hg.): Der US Property/Casualty Markt aus europäischer Perspektive: ein Marktüberblick, in: Wirtschafts studien, Heft 4/1994, S. 9, 12-14. 222 Einzelheiten finden sich bei Müller, E. 1 Reischel, M.: Vom theoretischen Konzept des Risikoreserveprozesses zur praktischen Mess1Ulg 1Uld SteueflUlg des Risikokapitals, in: Risiko VersicheflUlg Markt, Festschrift fiir Walter Karten, hrsg. von Dieter Hesberg, Martin Nell1Uld Winfried Schott, Karlsruhe 1994, S. 465-500. 223 Egger, E.: Die Aufsicht von Versichenmgsgruppen, in: VR1Uldschau 1995, S. 6-7; Konrath, N.: Solvabilität von Versichenmgs1Ultemehmen 1Uld Finanzkonzernen, in: VR1Uldschau 1995, S. 7-14.

II. Deregulienmg Wld Mehrregulienmg

267

den. Vor allem sollen die Aufsichtsbehörden Zugang zu Informationen über Holdinggesellschaften erhalten, die selbst keine Versicherungsgeschäfte betreiben, gruppeninterne Geschäfte (die grundsätzlich zu Bedingungen wie unter fremden Dritten abgeschlossen werden sollen) wirksamer beaufsichtigen und die Mehrfachbelegung von Eigenkapital unterbinden. Zu letzterem wird die EU-Kommission den Mitgliedstaaten ein Wahlrecht zwischen verschiedenen Methoden einräumen. Die Neuregelung wird dazu führen, daß die Eigenkapitalanforderungen deutlich steigen, was wiederum den Versicherungs schutz verteuert224 . Allerdings verbessert sich auch die Sicherheit der Anbieter. Die von der Kommission vorgeschlagenen Methoden zur Vermeidung der Mehrfachbelegung des Eigenkapitals bilden die tatsächliche Risikolage einer Versicherungsgruppe allerdings nicht genau ab22~ . Besonders kritisch ist, daß alle Konzerngesellschaften einbezogen werden, auch wenn ihre Risikolagen unabhängig oder gar negativ korreliert sind. So entsteht die Gefahr, daß die Eigenkapitalanforderungen nicht durch die tatsächliche Risikolage eines Versicherungskonzerns gerechtfertigt und die damit verbundenen Kosten unnötig sind. bb) Kapitalanlagen Die Bestimmungen des VAG über zulässige Kapitalanlagen sowie ihre Mischung und Streuung bleiben nach Umsetzung der EU-Richtlinien im wesentlichen unverändert. Der deutsche Gesetzgeber hat die Bestimmungen der EURichtlinien über zulässige Kapitalanlagen sowie Höchstgrenzen nicht ausgeschöpft226 . Die deutschen Lebens- und Krankenversicherer müssen im Unterschied zu ihrer ausländischen Konkurrenz einen Deckungsstock bilden und unter die Kontrolle eines Treuhänders stellen227 . Der Deckungsstock ist für die Ansprüche der Versicherungsnehmer reserviert und damit dem Zugriff anderer Gläubiger entzogen.

224

BAV (Hg.): Geschäftsbericht 1994, Teil A, Berlin 1995, S. 17.

m Vgl. C.V.2.f)bb)(4).

226 Hohlfeld, K.: Die deutsche Lebensversichenmg im EG-Binnenmarkt Wlter aufsichtsrechtlichen GesichtspWlkten, in: Recht Wld Ökonomie der Versichenmg, Festschrift fiir Egon Lorenz, hrsg. von Urlich Hübner, Elmar Helten Wld Peter Albrecht, Karlsruhe 1994, S. 307-308. 227 Pestenhofer, H.: Die Wesensmerkmale der deutschen Lebensversichenmg vor Wld nach der Liberalisienmg, in: Dieter Farny Wld die Versichenmgswissenschaft, hrsg. von Robert Schwebler Wld den Mitgliedern des Vorstand des deutschen Vereins fiir Versichenmgswissenschaft, Karlsruhe 1994, S. 383.

268

D. Ergebnisse des Binnenmarktes fiir Versichenmgen

cc) Versicherungstechnische Rückstellungen Bei den versicherungstechnischen Rückstellungen hat der deutsche Gesetzgeber verschiedene Mitgliedstaatenwahlrechte der Richtlinien nicht ausgeübt. Sie waren aus seiner Sicht nicht mit dem Vorsichtsprinzip und damit den Schutzinteressen der Versicherungsnehmer zu vereinbaren. Ein Beispiel ist das Abzinsungsverbot für Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfalle. § 253 Abs. 1 HGB untersagt die Abzinsung von Rückstellungen, wenn die zugrunde liegenden Verbindlichkeiten keinen Zinsanteil enthalten. § 65 Abs. 1 VAG ermächtigt das BAV, eine Verordnung über die Berechnung der Deckungsrückstellung zu erlassen. Die Verordnung soll für Versicherungsverträge mit Zinsgarantie einen oder mehrere Höchstzinssätze festlegen. Grundlage dafür bildet der Zinssatz auf Anleihen des Staates, auf dessen Währung der Vertrag lautet, wobei der Höchstzinssatz 60 Prozent dieses Zinssatzes nicht übersteigen darf. Nach dem vorliegenden Entwurf für eine Verordnung soll der Höchstzinssatz für Versicherungsverträge mit Zinsgarantie, die auf Deutsche Mark lauten, auf 4 Prozent begrenzt werden, obwohl die meisten Versicherer in der Vergangenheit regelmäßig Kapitalanlagerenditen von mehr als 7 Prozent erzielt haben. Damit will der Gesetzgeber sicherstellen, daß die Versicherer dauerhaft die den Versicherungsnehmern garantierten Zinsen erwirtschaften können. Eine Sonderregel gilt für Verträge gegen Einmalprämie mit einer Laufzeit von acht Jahren. Hier darf der Höchstzinssatz 85 Prozent des letzten von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Monatswerts der Umlaufrenditen von festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten mit einer vergleichbaren Restlaufzeit nicht überschreiten. dd) Versicherungsgeschäfte Die Versicherer müssen bei der Produktgestaltung auch nach dem Wegfall der Genehmigungspflicht für die Versicherungsbedingungen einige Bestimmungen beachten, vor allem die zwingenden und halbzwingenden Bestimmungen des WG, das AGB-Gesetz, die ,,Bedingungen" für die Pflichtversicherungen und die Förderungsbedingungen in der Lebensversicherung und substitutiven Krankenversicherung228 .

228

Vgl. D.I.2.b).

11. Deregulienmg \Uld Mehrregulienmg

269

ee) Konkurssicherung(-sfonds) (1) Gestaltungsmöglichkeiten

Ein Konkurssicherungsfonds soll die Gläubigeransprüche der Versicherungsnehmer und Drittgeschädigter beim Konkurs eines Versicherers schützen. Im Konkursfall übernimmt der Fonds die unerfüllten Verpflichtungen des betroffenen Versicherers gegenüber den Versicherungsnehmern229 . Der Konkurssicherungsfonds wird von verschiedenen Seiten als Ausgleich für die höhere Konkurswahrscheinlichkeit der Versicherer nach der Deregulierung empfohlen. Die Monopolkommission zum Beispiel schlägt vor, ,,für den seltenen Fall eines nicht mehr abzuwendenden Konkurses" für bestimmte Versicherungszweige Konkurssicherungsfonds einzurichten. Für die Schadenversicherung, die Rechtsschutz- und die Kredit- und Kautionsversicherung empfiehlt sie eine Entschädigungsquote von 90 Prozent, für die Pflichtversicherungen von 100 Prozent und für die Lebensversicherung von 90 Prozent des Rückkaufswerts oder der faIligen Versicherungsleistung. Die Kosten sollen durch eine Umlage auf die Versicherer finanziert werden. Sie soll ein Prozent der Prämienerträge für eigene Rechnung nicht übersteigen230 . Konkurssicherungsfonds gibt es vor allem in den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Königreich. In Deutschland existieren der Einlagensicherungsfonds der privaten Banken und der Pensionssicherungsverein. Konkurssicherungsfonds können unterschiedlich gestaltet werden231 : Der Fonds kann durch Gesetz oder durch privatrechtliehe Vereinbarung zwischen den Fondsträger errichtet werden. Die Trägerschaft liegt dann beim Staat oder bei den Versicherern beziehungsweise ihren Verbänden. Die Mitgliedschaft kann freiwillig oder zwingend sein. Der Konkurssicherungsfonds kann einen Kontrahierungszwang oder aber ein Ablehnungsrecht vorsehen, vor allem bei erkennbaren Existenzkrisen. Es ist möglich, die Mit229 Oehmke, R.: Gläubigerschutz durch Insolvenzsicher\Ulgsfonds in einem deregulierten Versichenmgsmarkt, Karlsruhe 1990, S. 2-3. 230 Monopolkommission (Hg.): Die Wettbewerbsordn\Ulg erweitern, Siebentes Hauptgutachten 1986/87, Baden-Baden 1988, S. 265-269; Farny, D.: Ein KonIrurssichenmgsfonds in der Versichenmgswirtschaft, Ei des Kolumbus oder Windei?, Karlsruhe 1990, S. 6. 231 Farny, D.: Ein Konkurssichenmgsfonds in der Versichenmgswirtschaft, Ei des Kolumbus oder Windei?, Karlsruhe 1990, S. 17-27; Oehmke, R.: Gläubigerschutz durch Insolvenzsichenmgsfonds in einem deregulierten Versicher\Ulgsmarkt, Karlsruhe 1990, S. 159-226.

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D. Ergebnisse des Binnenmarktes fiir Versichenmgen

gliedschaft an Bedingungen zu knüpfen, etwa an finanzielle Mindestnormen. Dem Konkurssicherungsfonds können Informations-, Prüfungs- und Eingriffsrechte eingeräumt werden. So unterliegen die Mitglieder des Einlagensicherungsfonds der privaten Banken einer besonderen Kontrolle durch den Prüfverband des Bankenverbandes232 . Wenn die Versicherungsnehmer selbst Mitglied im Fonds werden, hat der Konkurssicherungsfonds den Charakter einer Kreditversicherung. Der Leistungsumfang des Konkurssicherungsfonds kann umfassend sein, das heißt neben der Erfüllung der Ansprüche auch die Fortführung der Versicherungsverträge vorsehen. Letzteres ist vor allem in der Lebens- und Krankenversicherung wichtig. Der Leistungsumfang kann aber auch eingeschränkt werden, zum Beispiel einen (prozentualen oder absoluten) Selbstbehalt der Versicherungsnehmer verlangen. Es kann ferner eine absolute Obergrenze für die Leistung des Konkurssicherungsfonds im Einzelfall festgelegt werden. Den Konkurssicherungsfonds können die Versicherer oder die Versicherungsnehmer finanzieren. Außerdem ist zwischen Vor- und Nachfinanzierung im Konkursfall zu unterscheiden. Besonders schwierig ist die Bemessung der Prämien (oder Abgaben) an den Garantiefonds. Der Fonds kann pauschale oder differenzierte Prämien erheben, die die Risikolage und die Konkurswahrscheinlichkeit des Versicherers berücksichtigen. Die Konkurswahrscheinlichkeit könnte beispielsweise über ein Rating-System bestimmt werden. Der Konkurssicherungsfonds kann als Generalfonds alle Versicherungszweige und Versicherungsnehmer umfassen oder sich als Spezialfonds auf bestimmte Versicherungsnehmer oder Versicherungszweige beschränken. (2) Bewertung

Es gibt im Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinien keinen Hinweis auf eine staatliche Initiative für einen Konkurssicherungsfonds233 . Die Bundesregierung hat den oben skizzierten Vorschlag der Monopolkommission als ,,nicht unbedenklich" bezeichnee34 • Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß der Gesetz232 Famy, D.: Ein Konkurssichenmgsfonds in der Versichenmgswirtschaft, Ei des Kolumbus oder Windei?, Karlsruhe 1990, S. 10. m Dagegen wurden auf EU-Ebene fiir die Einlagensichenmg bei den Banken Mindeststandards festgelegt. Ähnliche Bestreb\Ulgen gibt es im Bereich der Wertpapierdienstleist\Ulgen, vgl. Präve, P.: Das Dritte Durchfühnmgsgesetv'EWG zum VAG Ausgewählte Fragen des neuen Aufsichts- \Uld Vertragsrechts, in ZN 1994, S. 203. 234 Stell\Ulgnahme der B\Uldesregienmg zum Siebten Hauptgutachten der Monopolkommission 1986/87, B\Uldestagsdrucksache 1114804, 15. J\Uli 1989, S.14.

II. Deregulienmg und Mehrregulienmg

271

geber seine Meinung ändert, falls Konkurse eintreten und öffentlicher Druck entsteht. So wurde der Einlagensicherungsfonds der privaten Banken nach dem Konkurs der Herstatt-Bank gegründet. Im Vereinigten Königreich war der Konkurssicherungsfonds Folge des Zusammenbruchs mehrerer Versicherer in den 60er und 70er Jahren235 . Die Haltung des BAV ist unklar. Hohlfeld236 hält es für vertretbar, wenn ein geringfügiger Teil der Prämie für die Absicherung des Insolvenzrisikos verwendet wird. Die Mitgliedschaft sollte nach seiner Auffassung an Bedingungen geknüpft und freiwillig sein. Versicherer, die nicht Mitglied sind, sollen darauf in den Versicherungsangeboten ausdrücklich hinweisen müssen. Die Versicherungswirtschaft lehnt den Konkurssicherungsfonds wegen seiner ordnungspolitischen Bedenklichkeit ab237 . Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Das Konzept des Konkurssicherungsfonds ist mit marktwirtschaftlichen Prinzipien nicht zu vereinbaren, weil es die Zuordnung von Chancen und Risiken auf die Entscheidungsträger durchbricht. Es führt dazu, daß seriöse Versicherer für die verfehlte Geschäftspolitik anderer Versicherer einstehen müssen. Die Versicherungsnehmer erhalten die Chance auf billigen Versicherungsschutz, ohne das damit verbundene Risiko tragen zu müssen. Zu berücksichtigen ist allerdings, daß ein Konkurs mit erheblichen Zeitverzögerungen bei der Befriedigung der Ansprüche und sonstiger Mühe und Ärger verbunden und der Versicherungsnehmer mit einem Selbstbehalt belastet sein kann238 . Untersuchungen in den Vereinigten Staaten zeigen, daß das Sicherungsnetz des Konkurssicherungsfonds die Versicherer bewußt oder unbewußt zu risikoreicheren Geschäften verleitet. Konkurssicherungsfonds erhöhen die Konkurswahrscheinlichkeit der Mitglieder tendenziell, können also Fehlsteuerungen auslösen. Es handelt sich um ein moralisches Risiko eigener Art, daß sich auch mit einem Selbstbehalt der Versicherer oder Versicherungsnehmer nicht lösen, sondern höchstens mindern läßt.

235 Oehrnke, R. H.: Gläubigerschutz durch Insolvenzversichenmgsfonds in einem deregulierten Versichenmgsmarkt, Karlsruhe 1990, S. 159. 236 Hohlfeld, K.: Was bleibt von der materiellen Versichenmgsaufsicht nach Vollendung des Binnenmarktes, in: VersR, S. 20; Hohlfeld, K.: Finanzaufsicht und Rechnungslegung auf dem Versichenmgssektor nach der Deregulienmg, in: Dieter Famy und die Versichenmgswissenschaft, hrsg. von Robert Schwebler und den Mitgliedern des Vorstands des deutschen Vereins für Versichenmgswissenschaft, Karlsruhe 1994, S.235-236. 231 Gesamtverband der Deutschen Versichenmgswirtschaft e.v. (Hg.): Die deutsche Versichenmgswirtschaft, Jahrbuch 1994, Karlsruhe 1994, S.24. 238 Eisen, R.: Regulienmg und Deregulienmg in der deutschen Versichenmgswirtschaft, in: ZVersWiss 1989, S. 170.

272

D. Ergebnisse des Binnenmarktes für Versicherungen

Akzeptabel wäre allenfalls eine echte Versicherungslösung, die auf autonomen Entscheidungen der Beteiligten und marktmäßigen Bedingungen beruht. Besondere Bedeutung kommt dabei der Bemessung der Beiträge zu. Bei einer echten Versicherungslösung müßten die Beiträge nach dem versicherungstechnischen Äquivalenzprinzip kalkuliert werden, also auf der Grundlage der Konkurswahrscheinlichkeit der einzelnen Versicherer und dem voraussichtlichen Konkursschaden in Höhe der unerfüllten Verpflichtungen. Eine solche Kalkulation ist praktisch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. So müßte für die Ermittlung der Konkurswahrscheinlichkeit ein umfassendes RatingSystem entwickelt werden. Zur Schätzung der Höhe der Konkursschäden müßten außerdem Annahmen über die Konkursquote für die einzelnen Verbindlichkeiten eines (überschuldeten) Versicherers getroffen werden239 . Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß auch die Leistungsfahigkeit eines Konkurssicherungsfonds Grenzen hat. Die Entschädigung der Versicherungsnehmer bei einem Konkurs, der unternehmensspezifische Ursachen hat, ist - je nach Größe des Versicherers - finanzierbar. In Deutschland wurden solche Fälle in der Vergangenheit durch die Übertragung der Bestände auf andere Versicherer gelöst. Kritisch dagegen sind Konkurse oder Krisenfälle, die nicht vereinzelt, sondern in größerer Zahl auftreten, also strukturelle Ursachen haben. Dann ist auch ein Konkurssicherungsfonds überfordert und der Staat gefordert, wie das Beispiel der amerikanischen Sparkassen zeigt240 . ff) Widerrufs-, Rücktritts- und Kündigungsrechte Der deutsche Gesetzgeber hat bei der Umsetzung der EU-Richtlinien die Widerrufs- und Kündigungsrechte der Versicherungsnehmer neu geordnet. Es handelt sich um flankierende Maßnahmen zum Schutz der Versicherungsnehmer, die vor allem eine Korrektur von falschen oder vorschnellen Entscheidungen bei der Auswahl eines Anbieters erlauben241 . In der Lebensversicherung wurde ein Rücktrittsrecht eingeführt. Es gestattet dem Versicherungs239 Famy, D.: Ein Konkurssicherungsfonds in der Versicherungswirtschaft, Ei des Kolurnbus oder Windei?, Karlsruhe 1990, S. 24-25. 240 The costs to the US Govemment from this episode (S&L) will be huge, vgl. White, L.: The Theory of Financial Regulation in the New Environment of Liberalization, Paper presented at the Seminar on Financial Sector Liberalization and Regulation, Cambridge (Massachusetts) 1990, S. 19 (nicht veröffentlicht); Beneh, R.: Modernization of Regulation and Supervision of LDC Financial Institutions, Paper presented at the Seminar on Financial Sector Liberalization and Regulation, Washington 1990, S. 20 (nicht veröffentlicht). 241 Präve, P.: Das neue Widerrufs- und Rücktrittsrecht, in: VW 1994, S. 676-679.

11. Deregulienmg und Mehrregulienmg

273

nehmer, von einem abgeschlossenen Vertrag innerhalb von 14 Tagen zurückzutreten. In der Schaden- und Unfallversicherung bleibt es beim Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers. Die Frist wurde von bislang zehn auf 14 Tage verlängert, um mit der Lebensversicherung gleichzuziehen und Verwirrung zu vermeiden. Die Fristen sind künftig gewahrt, wenn der Widerruf rechtzeitig abgesendet wird. Bisher war der rechtzeitige Eingang beim Versicherer maßgeblich. Diese Regelung ist vor allem für den Widerruf von Anträgen oder den Rücktritt von Verträgen mit ausländischen Anbietern wichtig, weil sie die teilweise noch langen Postlaufzeiten berücksichtigt. Die Frist für das Widerrufsund Rücktrittsrecht beginnt erst, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer über seine Rechte belehrt und die Informationspflichten erfüllt hat. Die Versicherungsnehmer dürfen künftig bei jeder Prämienanpassung den Vertrag innerhalb eines Monats kündigen, wenn nicht gleichzeitig der Leistungsumfang entsprechend erhöht wird. Mehrjahresverträge können nach Ablauf von fünf Jahren und danach jeweils zum Ende des Versicherungsjahres mit einer Frist von drei Monaten von beiden Seiten gekündigt werden. 5. Bewertung

Die folgende Tabelle faßt die Deregulierungsgrade nach Typen von Versicherungsnehmern und Versicherungszweigen aus deutscher Sicht zusammen. Ein hoher Deregulierungsgrad wird angenommen, wenn die Regulierung der Versicherungsgeschäfte deutlich abnimmt. Bei der Lebens- und Krankenversicherung wird berücksichtigt, daß die Produktgestaltung von steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Förderbedingungen abhängig ist. Krankenversichenmg

Lebens-

Pflicht-

I versichenmgen I versichenmg I Deregulienmgsgrad im Privatkundengeschäft a)

Sonstige Versichenmgen

0/+ 0/+ 0 I I I Deregulienmgsgrad im industriellen und gewerblichen Geschäft 0/+ 0 + I I I Prämien in Mrd. DM b) 82,35 80,15 28,40 23,80 I I I Marktanteil in Prozent 38 38 13 11 I I l B) Getrennte Zahlen hegen nur fiir die Kraftfahrzeug-Haftpfhchtverslchenmg vor. b) Gesamtverband der Deutschen Versichenmgswirtschaft e.v. (Hg.): Die deutsche Versichenmgswirtschaft, Jahrbuch 1994, Karlsruhe 1994, S.31, 63. (+ ) hoch, (0) mittel, (-) niedrig. Alle Angaben fiir das Geschäftsjahr 1993.

-

18 Rabe

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D. Ergebnisse des Binnenmarktes für Versichenmgen

Bei der Bewertung der Deregulierung aus Sicht der Versicherungsnehmer ist zwischen Kundentypen zu differenzieren. Der rationale Kundentyp mit gutem Wissen und guter Einsicht in Versicherungsgeschäfte hat wenig Beratungsbedarf. Er ist bereit, Entscheidungen nach ausführlicher Informationssuche und Angebotsauswertung eigenverantwortlich zu treffen. Die Deregulierung (und Liberalisierung) und die daraus folgende größere Produkt- und Prämienvielfalt begreift er als Chance. Dieser Kundentyp kommt vor allem im gewerblichen und industriellen Geschäft vor, selten dagegen unter Privatkunden242 . Der habitualisierte Kundentyp verfügt dagegen über ein geringes Wissen über Versicherungsgeschäfte. Seine Bereitschaft, aus eigenem Antrieb auf Informationssuche zu gehen, ist gering. Er ist nicht in der Lage, die Qualität der Angebote zu bewerten und hat nicht die notwendige Verhandlungsmacht, um Prämienhöhe oder Produktgestaltung aktiv zu beeinflussen und auf seine Risikolage abzustimmen. Diesen Kundentyp, der unter den Privatkunden weit verbreitet ist, stellt die Deregulierung vor Probleme. Er benötigt fremde Hilfe243 . Die Informationsinteressen der privaten Kunden müssen nach Einschränkung der Produkt- und Prämienregulierung auf andere Weise geschützt werden. Vor allem ist sicherzustellen, daß qualifizierte Vermittler den Kunden betreuen und beraten. Ob die Initiative der deutschen Versicherungswirtschaft ausreicht, bleibt abzuwarten. In jedem Fall ist eine bessere Ausbildung der ungebundenen Vermittler und ihre Abgrenzung von den gebundenen Vermittlern nötig. Die Wirksamkeit von Musterbedingungen als Informationsinstrument für den Verbraucher ist abhängig von der Geschlossenheit der Versicherungswirtschaft. Alternative Informationsinstrumente, vor allem Publikationen und öffentliche Beratung, reichen allein nicht aus. Sie werden von der breiten Bevölkerung nicht in Anspruch genommen. Die Deregulierung stärkt tendenziell die Schuldnerinteressen der Versicherungsnehmer zu Lasten der Gläubigerinteressen. Kompensierende Maßnahmen des deutschen Gesetzgebers sind problematisch, weil sie die Versicherer, die der Aufsicht des BAV unterliegen, im Wettbewerb benachteiligen können. Insofern ist die Initiative der Kommission zu begrüßen, die Solvabilitätsanforderungen und die Mehrfachbelegung des Eigenkapitals in Versicherungsgruppen auf europäischer Ebene zu überprüfen beziehungsweise zu regeln.

242 Eine andere Ansicht vertritt Meyer-Kahlen, W.: Wettbewerb auf den Versiehenmgsmärkten aus Sicht der gewerblichen Nachfrager, in: ZVersWiss 1985, S. 244. 243 Famy, D.: (De-)Regulienmg von Versichenmgsmärkten: Wettbewerb und Kundenwiinsche im Versichenmgsgeschäft, in: VW 1989, S. 12.

ll. Deregulienmg und Mehrregulienmg

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Das Bundesaufsichtsamt muß neue Wege beschreiten, vor allem neue Informationsquellen erschließen und bestehende besser nutzen. Erforderlich ist dafür eine bessere personelle und sachliche Ausstattung. Problematisch ist vor allem die Position des verantwortlichen Aktuars, insbesondere, ob der Berufsstand seine Unabhängigkeit sicherstellen kann. Die Deregulierung ist nicht das eigentliche Ziel des Binnenmarktes, sondern Nebenprodukt. Sie verändert das deutsche Regulierungssystem, wobei die Deregulierungseffekte höher sind als die Liberalisierungseffekte. Nach Farny wird die deutschen Versicherungswirtschaft eine deutliche Veränderung nicht primär deshalb erfahren, "weil sie Teil der EG-Assekuranz wird, sondern weil neue Rahrnenbedingungen auf dem nationalen Versicherungsmarkt gelten'