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German Pages 813 [816] Year 2002
Lexikon der antiken Gestalten in den deutschen Texten des Mittelalters
W G DE
Lexikon der antiken Gestalten in den deutschen Texten des Mittelalters Herausgegeben von
Manfred Kern und Alfred Ebenbauer unter Mitwirkung von
Silvia Krämer-Seifert
Walter de Gruyter · Berlin · New York
2003
Θ Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
ISBN 3-11-016257-1
Bibliografische
Information Der Deutschen
Bibliothek
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© Copyright 2003 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Datenkonvertierung und Satz: Readymade, Berlin Umschlaggestaltung: Christopher Schneider, Berlin
Vorwort Das „Lexikon der antiken Gestalten in den deutschen Texten des Mittelalters" ist Ergebnis und Endprodukt eines am Institut für Germanistik der Universität Wien in den Jahren 1992-2001 durchgeführten Forschungsprojekts, das von Alfred Ebenbauer geleitet und vom österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) finanziert wurde. Verzeichnet sind die mythologischen und historischen Gestalten der klassischen Antike (von den mythischen Anfängen bis zur Zeit Konstantins des Großen), die in der deutschen höfischen Lyrik und Epik, in der didaktischen, chronistischen und geistlichen Literatur des Zeitraums von ca. 1050-1350 genannt werden. Das „Lexikon der antiken Gestalten" will somit einen grundlegenden und umfassenden Beitrag zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Antikerezeption des Mittelalters leisten. Da sich sein Horizont naturgemäß nicht auf den engeren Gegenstand, die mittelhochdeutsche Literatur, beschränken kann, sondern ein grundsätzlich komparatistischer ist, steht zu hoffen, dass es nicht nur der Germanistik, sondern allen an der mediävistischen Forschung und an der Erforschung der Antikerezeption beteiligten Disziplinen eine solide Grundlage bietet und dass es zudem das Interesse eines breiteren Benutzerkreises findet. Die ursprüngliche Konzeption des Forschungsprojekts stammt von Alfred Ebenbauer und Lydia Miklautsch. An der weiteren Konzeption war Manfred Kern maßgeblich beteiligt. Anfangs sollte sich das Unternehmen auf die weltliche Literatur beschränken, im Laufe der Forschungsarbeiten erwies sich aber die Ausweitung des Corpus als notwendig. Ein erstes Artikelmodell wurde ebenfalls von Alfred Ebenbauer und Lydia Miklautsch entworfen, das endgültige Modell hat Manfred Kern konzipiert. An der computergestützten Erhebung des Textcorpus haben Manfred Kern (19932000), Ursula Klingenböck (1993-1994), Silvia Krämer-Seifert (1995-2001), Bettina Mattig-Krampe (1997-1998) und Lydia Miklautsch (1992) mitgearbeitet. Die Artikel haben Manfred Kern und Silvia Krämer-Seifert verfasst. Dafür wurden die rund 10.000 Datensätze zusammengeführt, die antiken und mittelalterlichen Quellen bestimmt und die Kommentare erstellt. Die Gesamtredaktion des Lexikons hat Manfred Kern, seit 2000 am Institut für Germanistik der Universität Salzburg, besorgt. Das Verzeichnis der Abkürzungen, der Quellen und der Forschungsliteratur wurde unter Mitwirkung von Silvia Krämer-Seifert, das Register der Varianten und der Artikel in Zusammenarbeit mit dem Verlag erstellt. Zu danken ist an erster Stelle allen Mitarbeiterinnen des Forschungsprojekts, vor allem Silvia Krämer-Seifert, ferner dem FWF für die Finanzierung sowie dem Verlag für die Aufnahme und die vorzügliche Zusammenarbeit, namentlich Herrn Dr. Heiko
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Vorwort
Hartmann für die professionelle und geduldige verlegerische Betreuung, Herrn Peter Franzkowiak und Frau Susanne Rade fiir die drucktechnische und organisatorische Begleitung, Herrn Wolfram Burckhardt fur die geleistete Arbeit bei der Erstellung der Register und Herrn Dr. Stephan Koban für die Unterstützung bei der Kontrolle der Fahnenkorrekturen. Zu besonders herzlichem Dank sind wir schließlich Herrn Dr. Herwig Gottwald (Institut für Germanistik, Salzburg) fiir die ebenso kompetente wie kritische Lektüre sämtlicher Artikel und Frau Ruth Hager-Kern für die aufwendige und umsichtige Lektorierung des Manuskripts wie der Fahnen verpflichtet. Salzburg und Wien, im Oktober 2002
Manfred Kern, Alfred Ebenbauer
Inhalt Vorwort
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Einführung in Gegenstand und Konzeption (von Manfred Kern)
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I. Antikerezeption im Mittelalter und in der deutschen Literatur Ziele und Ergebnisse des Lexikons 1. Allgemeines IX 2. Phasen mittelalterlicher Antikerezeption X 2.1. Voraussetzungen: Heidnische und christliche Antike X 2.2. Karolingische „Renovatio" XII 2.3. Hochmittelalterliche „Renaissance" XIV 3. Antikerezeption in der deutschen Literatur XX 3.1. Lexikographischer Ertrag und grundlegende Konturen der deutschen Antikerezeption XXI 3.1.1. Ein Fallbeispiel: Die ,Metamorphosen' Albrechts von Halberstadt XXI 3.1.2. Interessenlagen und Fragmentierung XXIII 3.1.3. Heterogenität und Fragilität XXVIII 3.2. Vermittlungswege XXIX 3.2.1. Der Einfluss der französischen und lateinischen Literatur . . . . XXX 3.2.2. Die Bedeutung der „kanonischen" Autoren und Werke . . . . XXXV 3.2.3. Grundzüge der Entwicklung XXXVII 3.3. StofFgeschichtliche Aspekte XL 3.3.1. Konturen der Stoffgeschichte XL 3.3.2. Rhetorik und Topik XLIII 3.4. Deutungsverfahren XLV 3.4.1. Historische, allegorische und physikalische Tradition XLVI 3.4.2. Literarische Tradition XLIX 3.4.3. Deutungen in der deutschen Literatur LI 4. Zusammenfassung: Deutsche Antikerezeption, Literatur- und Bildungsgeschichte LIII II. Hinweise zur Benutzung 1. Gestalten- und Textcorpus 2. Aufbau der Artikel 3. Modellfälle fur die Benutzung
LVIII LX LXIV
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Inhalt III. Abkürzungen, Quellen, Forschungsliteratur
1. 2. 3. 4. 5.
Allgemeine Abkürzungen Abgekürzt zitierte Literatur, Reihen, Zeitschriften Mittelhochdeutsche Quellen Übrige antike und mittelalterliche Quellen Forschungsliteratur
Artikel A - Z Register der Einträge nach Autoren und Werken Register der Namensvarianten Register der Artikel
LXVI LXVII LXX LXXXII LXXXVIII 1-680 683 696 710
Einführung in Gegenstand und Konzeption von Manfred Kern I. Antikerezeption im Mittelalter und in der deutschen Literatur — Ziele und Ergebnisse des Lexikons 1. Allgemeines Das „Lexikon der antiken Gestalten in den deutschen Texten des Mittelalters" will erstmals einen systematischen Uberblick über die in der mittelalterlichen deutschen Literatur von ca. 1050 bis 1350 genannten mythologischen und historischen Gestalten der griechisch-römischen Antike bieten. Die zeitliche Eingrenzung des Textcorpus auf die mittelhochdeutsche Literatur im engeren Sinn und die thematische Beschränkung auf die Rezeption der klassischen Antike haben inhaltliche wie pragmatische Gründe. Die gegenständliche Zeitspanne umfasst eine literatur- wie kulturgeschichtlich abgrenzbare Phase (auch wenn der Grenzziehung wie jeder Epocheneinteilung natürlich eine gewisse Willkürlichkeit anhaftet): Sie erstreckt sich vom Neuansatz der deutschen Literatur im 11. Jahrhundert bis zum Ubergang von der mittelhochdeutschen zur spätmittelhochdeutschen Literatur in der Mitte des 14. Jahrhunderts, der wesentliche gattungsgeschichtliche und sozioliterarische Veränderungen mit sich bringt. Im Zentrum steht die höfische Literatur des 12./13. Jahrhunderts. Sie entwickelt - bei fortwährendem Bezug auf die provenzalische, altfranzösische und mittellateinische Literatur - ein spezifisches Profil und (im Unterschied zur althochdeutschen Literatur) eine eigene Tradition, die bei aller Heterogenität der Gattungen und Sujets, der Autoren und des Publikums klar zu fassen ist und auch über die Grenze von 1350 fortwirkt. Mit der Beschränkung auf die Gestalten der aus christlicher Sicht „heidnischen" Antike - von Okeanos bis zu Constantinus dem Großen - ist eine thematische Begrenzung des Gegenstandes gegeben, die auch aus der Sicht des Mittelalters ihre Berechtigung hat: Die wesentliche Zäsur besteht nicht zwischen einer mythischen und einer historischen Zeit, das entscheidende, epochenbildende Datum ist für das christlich-mittelalterliche Geschichtsverständnis vielmehr ein heilsgeschichtliches, nämlich Christi Geburt. Was zuvor ist, gehört der „alten Zeit", der Zeit „ante gratiam" an. Mit Constantinus wird das römische Imperium gleichsam Instrument der neuen Epoche „sub gratia". Nicht scharf voneinander abheben lassen sich daher mythologische und historische Gestalten. Zwar hat die Gestalt Iuppiters aus mittelalterlicher Sicht zweifelsohne einen anderen Charakter und Status als jene Vergils. Die Zerstörung Trojas galt jedoch nicht
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Einführung
weniger als historisches Ereignis denn die Eroberungszüge Alexanders des Großen. Dass die Gestaltungen der Troja- und Aeneas-Sage gleichwohl einen höheren Grad an „Poetizität" aufweisen und Figuren wie Helena, Hector oder Achilles in höherem Grad literarische Figuren bleiben, kann als Rest angesehen werden, der ihr Herkommen aus dem Heroenmythos verrät, erklärt sich zudem aber auch aus dem Einfluss der antiken epischen Dichtung. Die pragmatischen Gründe der vorgenommenen Beschränkungen liegen auf der Hand. Eine Ausweitung des Textcorpus und die Einbeziehung der Gestalten des orientalischen Altertums wie der christlichen Antike hätte die Möglichkeiten der gewählten Darstellungsform und den organisatorischen Rahmen des Forschungsvorhabens gesprengt. Grundsätzliches Ziel dieses Lexikons ist es, einen fundierten lexikographischen Beitrag zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Antikerezeption des Mittelalters zu liefern. Dabei handelt es sich um einen prominenten Forschungsgegenstand, der in der Geisteswissenschaft immer von Interesse gewesen ist.1 Angesichts der epochalen Umbrüche des 20. Jahrhunderts, der geänderten bildungspolitischen Voraussetzungen, des Aufbrechens einer homogenen abendländischen Kulturtradition und angesichts der kulturwissenschaftlichen Neuansätze selbst, mag er wieder an Aktualität gewonnen haben. Die Beschäftigung mit der Antikerezeption des Mittelalters impliziert jedenfalls fundamentale und für jede geistesgeschichtliche Forschung paradigmatische Fragestellungen und Erkenntnismöglichkeiten: sei es in Hinblick auf eine Theorie der Epochenprofile oder der kulturellen Translation, sei es in Hinblick auf Fragen der Bildungsgeschichte oder literarhistorischer wie literarästhetischer Prozesse.
2. Phasen mittelalterlicher Antikerezeption 2.1. Voraussetzungen: Heidnische und christliche Antike Der Ubergang von der klassischen griechisch-römischen zur christlichen Kultur markiert eine der zentralen epochalen Schwellen der europäischen Geistesgeschichte und beschreibt einen Prozess, der sich in der Spätphase der Antike selbst vollzieht. Maßgeblich ist die 1
Vgl. für die germanistische Literaturwissenschaft u.a. Carl Leo Cholevius, Geschichte der deutschen Poesie nach ihren antiken Elementen. Erster Teil: Von der christlich-römischen Cultur des Mittelalters bis zu Wieland's französischer Gräcität. Leipzig 1854, N D Darmstadt 1968; Friedrich von Bezold, Das Fortleben der antiken Götter im mittelalterlichen Humanismus, Bonn/Leipzig 1922; Richard Newald, Nachleben des antiken Geistes im Abendland bis zum Beginn des Humanismus. Eine Überschau, Tübingen 1960; Volker Riedel, Antikerezeption in der deutschen Literatur vom Renaissance-Humanismus bis zur Gegenwart. Eine Einfuhrung, Stuttgart 2000. Zur geistes- und literaturgeschichtlichen Bedeutung des antiken Mythos vgl. besonders: Terror und Spiel. Probleme der Mythenrezeption. Hg. von Manfred Fuhrmann, München 1971 (Poetik und Hermeneutik IV). Die im Folgenden in Kurzzitaten angeführten Titel finden sich auszitiert im Verzeichnis der Forschungsliteratur unter III.5.
Antikerezeption im Mittelalter
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Öffnung der neuen Religion und ihrer Missionierungsbewegung hin zu den „gentes", den heidnischen Völkern, zumal eben zur griechisch-römischen Trägerkultur der Zeit. Christliches kulturelles Selbstverständnis entwickelt sich damit nicht nur in Abgrenzung vom Alten Bund, sondern in Auseinandersetzung mit der Welt der klassischen Antike. Dass dies nicht zu einer esoterischen Abschottung fuhrt, sondern in ein diffiziles politisches und kulturelles Arrangement mit dem römischen Imperium und mit antiker Philosophie, Kunst und Literatur mündet, ist ein eigentlich paradoxer Effekt, der mitverantwortlich für den Erfolg des Christentums zeichnet. Begünstigt hat ihn die grundlegende synkretistische Stimmung des ausgehenden Hellenismus. Die auch machtpolitisch geschickte Strategie der „Infiltration" mag man - in Anlehnung an Hans Blumenberg — als Arbeit an der dominierenden kulturellen Tradition ansehen. Ihre grundlegende Methode ist nicht die der völligen Verwerfung, sondern der reservierten Anverwandlung. Das Christentum tritt nicht oder nicht grundsätzlich mit dem Anspruch an, paganes kulturelles Wissen und pagane kulturelle Tradition zu tilgen. Vielmehr vermag es sie als freilich defiziente Präfigurationen, die auf den eigenen Geltungsanspruch, die christliche Wahrheit, vorausweisen, zu lesen und auf diesem Wege auch zu kompensieren. Beispiele für diese grundlegende Denkhaltung finden sich in den verschiedensten Ausprägungen. Anführen lässt sich bereits Paulus' Predigt auf der Athener Agora über den „ägnostos theos" (den „unbekannten Gott"). 2 Diese theologische Leerformel, die ursprünglich als unscheinbarer Lückenbüßer des polytheistischen Horror vacui gemeint ist — wer viele Götter kennt, muss Angst haben, einen zu vergessen —, wird unter der Hand des geschickten Missionars zur Allformel, zur vorgeahnten Chiffre des Allmächtigen, des plötzlich großen Unbekannten, dem schlussendlich die Altäre der bekannten Götter weichen müssen. In seiner ,Mahnrede an die Heiden' (,Exhortatio ad Graecos' 1.1,3f.) fuhrt der christliche Apologet Clemens von Alexandrien (um 150-215) zunächst scharfe Klage gegen die heidnischen Sänger der Mythologie, Orpheus und Amphion. Er meint in ihnen Besessene und Verführer zur Immoralität zu erkennen, die die Menschen in die Sklaverei eines teuflischen Irrglaubens gelockt hätten, um dann auf seinen neuen Sänger, Christus, zu sprechen zu kommen und ihn — unter Anwendung christlicher Allegorese des Mythos - mit den Attributen des eben verdammten Orpheus zu feiern: Das Lied Christi, die frohe Botschaft, bringe nicht Sklaverei, sondern Befreiung. Sie vermöge es tatsächlich, die wilden Tiere, die Vögel als Symbole der Leichtfertigen, die Löwen als die der Jähzornigen, die Schweine als die der Wollüstigen zu zähmen. Selbst die harten Steine, das seien die Heiden in ihrem Unverstand, könne Christi Gesang zum Leben erwecken. Der falsche Mythos wird zum Medium der wahren Verheißung umgeformt. Möglich ist dies dank einer an antiken Deutungsverfahren geschulten christlichen Hermeneutik, hier der Allegorese und der Typologie (alter/falscher - neuer/wahrer Orpheus). Clemens' argumentative Methode erklärt sich nicht bloß als kluge didaktische NT, Apg 17,22ff. In seiner theologischen Argumentation gegenüber den Athenern greift der Paulus der Apostelgeschichte bezeichnenderweise auch zu einem Aratzitat (Apg 17,28),
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Einführung
Vorgehensweise, sondern dokumentiert zugleich die Wirkungsmacht mythologischer Vorstellungen und Prägungen, die sich nicht einfach vergessen lassen, sondern nach interpretativer Anstrengung verlangen. Der Akt der Uberwindung impliziert zugleich einen Akt der Bewahrung, der in der Macht der Tradition gründet. Ihren architektonischen Niederschlag findet dies in der Uberbauung der heidnischen Tempel mit christlichen Kirchen. Ein spätes, aber besonders griffiges Beispiel gibt der Benennung wegen die 1280 über den Ruinen des Minervatempels errichtete Kirche „Santa Maria sopra Minerva" in Rom. Auch hier weist der N a m e darauf hin, dass das Neue vom Alten nicht Besitz ergreifen kann, ohne dessen Spuren zu bewahren. Die jungfräuliche Gottesmutter thront nicht anstelle, sondern über der Heidengöttin. Wiederum mag die typologische Denkfigur (Maria als neue, wahre Pallas Athene, vielleicht als Sinnbild christlicher Bescheidenheit und Klugheit - man denke an die lesende Maria in der Verkündigungs-Ikonographie) im Hintergrund stehen. Natürlich kommt in den genannten Beispielen zugleich deutlich die Abwehrhaltung des Christentums gegenüber der Antike zum Ausdruck. Sie findet seitens der Literatur ihren Niederschlag in der Apologetik, seitens der Geschichte der Kunst im unheilvollen Ikonoklasmus. 3 Mit der Etablierung des Christentums als römischer Staatsreligion verliert die Auseinandersetzung an polemischer Schärfe. Die christliche Spätantike kann sich in einer weniger „aufgeregten" Weise der systematischen Anverwandlung der griechisch-römischen Tradition widmen, die aus Gründen ihrer kulturellen wie politischen Bedeutung nicht zu umgehen war. Der Prozess erstreckt sich auf Theologie, Philosophie, Schulbildung, Wissenschaft, Kunst, Dichtung und politische Ideologie. Der Zusammenbruch des weströmischen Reiches 4 7 6 und die Wirren der Völkerwanderung bedeuten demnach eine Gefährdung nicht bloß der griechisch-römischen, sondern der christlich-spätantiken Bildungstradition insgesamt. Vom 6. bis zum 8. Jahrhundert hat sich erstmals die Kirche als Institution zu bewähren, der die Bewahrung kulturellen Wissens anheim gestellt ist. 2.2. Karolingische „Renovatio" Der politische und kulturelle Neubeginn in der Karolingerzeit führt zur Etablierung einer neuen Herrschaftsstruktur und einer neuen institutionalisierten Bildung im lateinischen Die „Chiesa Santa Maria sopra Minerva" wird man angesichts ihrer Entstehungszeit nicht mehr mit den ikonoklastischen Bewegungen in Verbindung bringen können. Bau- und Stilgeschichte weisen vielmehr auf ein unproblematisches Verhältnis zur Antike hin, daher ist auch die Namengebung nicht Ausdruck verspäteter apologetischer Verve. Sie bleibt dennoch für den christlichen Umgang mit der Antike signifikant. Für eine mögliche „kulturelle" Psychologie der Uberbauung sei im Übrigen an das Romgleichnis in Sigmund Freuds ,Das Unbehagen in der Kultur' (Gesammelte Werke. Bd. 14: Werke aus den Jahren 1925-1931, Frankfort a. M . 1999, 419-506, hier 426ff.) erinnert. Auf „Santa Maria sopra Minerva" als Modell städtebaulicher Schichtung wird dort gesondert hingewiesen (ebd., 428).
Antikerezeption im Mittelalter
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Europa, deren Spuren bis heute zu fassen sind. Der neue fränkische Herrschaftsanspruch bezieht seine Legitimation dabei nicht nur aus den rein machtpolitischen Gegebenheiten, sondern behauptet sie in einem Bezug auf die Antike. Der Zugriff auf das Erbe des römischen Reiches wird quasi-mythologisch begründet: Wie die Römer über Aeneas so sollen auch die Franken über einen gewissen Franco aus Troja stammen fll.lj).
Aeneas
Die zentrale politische und kulturelle Idee der Zeit findet in den Schlagworten
der „translatio" und „renovatio", der Übernahme und Erneuerung antiker Tradition, ihren präzisen Ausdruck. 4 Während sich die Entstehung der spätantiken christlichen Kultur in unmittelbarem Kontakt mit der heidnischen Antike vollzog und also deren kulturelles Wissen einer christlichen „transformatio" zu unterziehen hatte, wenn sie erfolgreich sein wollte, beschreiben „renovatio" und „translatio" einen kulturellen Bruch, den es zu überwinden gilt: Nunmehr befinden wir uns auf dem Boden einer neuen Epoche, die die Renaissance als Mittelalter benennen wird. In der Terminologie kommen zugleich die Unterschiede zum Ausdruck, die gegenüber der Neuzeit und deren Verhältnis zur Antike bestehen: Es geht nicht um die Wiedergeburt von etwas, das verloren ist, sondern um die Erneuerung des Überkommenen. Die epochale Schwelle wird durch den Willen zur Kontinuität abgeflacht. Kontinuität bedeutet dabei auch die Weiterführung und Erneuerung der paganen Antike, freilich mit den bewährten Instrumentarien und Verfahren christlicher Deutung. „Translatio" und „renovatio" vollziehen sich also nicht — wie später in der Renaissance - im Bewusstsein der historischen Distanz zur Antike und im Bewusstsein ihrer Historizität, sondern auf der Basis einer kontinuierlichen Auslegungs- und Deutungstradition, die schon in karolingischer Zeit zu einer schleichenden Mediävalisierung der Antike führt. Primär beziehen sich die Begriffe „Übertragung" und „Erneuerung" auf die „translatio et renovatio imperii", in weiterer Folge auch auf die „translatio et renovatio artis et studii". In beiden Fällen spielen die Gestalten der klassischen Antike eine zentrale Rolle. Am Modell des Aeneasmythos orientiert sich die behauptete genealogische Verwandtschaft mit den Römern. Karl der Große wird bei seiner Kaiserkrönung als „piissimus Augustus", also mit dem säkularen römischen Kaisertitel gepriesen und nicht etwa als „novus Constantinus". Zu den maßgeblichen Auetores zählen - neben den christlichen Dichtern — die römischen Klassiker, allen voran Vergil. Mit der so genannten karolingischen „Renovatio" ist somit der Grundstein zu einer neuen, nunmehr genuin mittelalterlichen Auseinandersetzung gelegt, die eine Sicherung
Z u den folgenden beiden Kapiteln vgl. u.a. Panofsky, Die Renaissancen; Entretiens sur la renaissance du 12 c siecle. Sous la direction de Maurice de Gandillac et fidouard Jeauneau, Paris 1 9 6 8 (Decades du centre culturel international de Cerisy-La-Salle 9); August Buck, Die Rezeption der Antike in den romanischen Literaturen der Renaissance, Berlin 1 9 7 6 ; Rüdiger Schnell, Die Rezeption der Antike, in: Neues Handbuch der Literaturwissenschaft. Bd. 7: Europäisches Hochmittelalter. Hg. von Henning Krauß, Wiesbaden 1 9 8 1 , 2 1 7 - 2 4 2 .
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Einführung
der Überlieferung und eine erste mittelalterliche Hochblüte der Rezeption antiker Philosophie, Dichtung und Mythendeutung bringt. Sie ist ihrerseits die Voraussetzung fiir die Antikerezeption des Hochmittelalters.
2.3. Hochmittelalterliche „Renaissance" Die so genannte hochmittelalterliche „Renaissance" des 11.-13. Jahrhunderts ist mehr ein kulturelles als ein politisches Phänomen, das in seiner Breite die vorausgehende karolingische Phase u m vieles übertrifft. Die Mediävalisierung der antiken Tradition wird nunmehr ausdifferenziert und vollendet. Die Interpretationsverfahren — vor allem der antiken Mythologie - werden weiterentwickelt, Philosophie und Historiographie finden zu einer Systematisierung, die sich einerseits in einem philosophischen Synkretismus aus christlich-neuplatonischen und christlich-aristotelischen Konzeptionen niederschlägt, die andererseits zu einem konzisen weltchronistischen Konzept fuhrt, das der Profangeschichte zunehmendes Interesse entgegenbringt. Ein prägnantes und bis in humanistische Zeit wirkendes 5 Beispiel gibt die ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (um 1160), Hauptquelle der, Weltchronik' Rudolfs von E m s (um 1240). Die „Kanonisierung" Ovids trägt wesentlich zur Entstehung und Entwicklung der weltlichen Literatur bei. Antike Stoffe, Themen, historische wie mythologische Gestalten zählen zum festen Repertoire geistlicher wie weltlicher Dichtung. Die Rechtfertigung der Beschäftigung mit den „figmenta", den „Lügen" der Dichter, ist mit der Integumentenlehre längst gegeben. Schon u m 8 0 0 hatte Theodulf von Orleans, ein Mitglied der Hofakademie Karls des Großen, die entscheidenden Worte gesagt: Dass manche Wahrheit in den Lügen der Dichter, namentlich in den Frivolitäten Ovids, verborgen sei. 6 Die Methode der Allegorese hatte - wie das Beispiel Clemens von Alexandria zeigte - schon die christliche Apologetik angewendet. Nunmehr wird sie, etwa in der Hildebert von Lavardin zugeschriebenen ,Philosophia moralis' (Ende 11. Jh.) systematisiert. In der D e u t u n g der Mythen als „Präfigurationen christlicher Wahrheiten" erzielt das „allegorische Genie des Mittelalters", wie es Jean Seznec nennt, 7 seine Höchstleistungen. Dabei wird zumindest partiell davon ausgegangen, dass derartiger tieferer Sinn nicht erst von außen durch eine „interpretatio christiana" zu gewinnen, sondern mitunter in den Texten und mythologischen Prägungen selbst angelegt sei (so etwa bei Johannes von Salisbury). Die Mythologie erscheint somit nicht mehr als dichterisches Hirngespinst, das aus bekehrungsstrategischen wie bildungspolitischen Gründen und aufgrund seiner Wirkungsmacht durch christliche Allegorese anverwandelt wird, sondern als eine in der „fabula" verborgene Weisheitslehre, dies vor allem 5 6
7
Seznec, Das Fortleben, 21 f. Theodulfi Carmina IV. 1 (,De libris quos legere solebam'), PL 105, Sp. 331d. Hierzu Seznec, Das Fortleben, 70f.; Brisson, Philosophie des Mythos, 177ff. Seznec, Das Fortleben, 70.
Antikerezeption im Mittelalter
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in der moralisch-allegorischen Deutungstradition. So können Ovids .Metamorphosen' als „Bibel der Heiden" gelesen werden und entwickeln sich „Konkordanzen" zwischen biblischen und mythologischen Gestalten. Ein Beispiel gibt die ,Ecloga Theoduli' (10. Jh.), ein Streitgespräch zwischen dem heidnischen Hirten Pseustis, dem „Lügner", und der christlichen Aletheia, der personifizierten wahren Lehre. Entstanden ist der Text an der Schwelle von karolingischer und hochmittelalterlicher Renaissance. Dass die alte apologetische Polemik nicht verschwunden ist, verraten bereits die Namen der handelnden Personen. In ihnen ist der Ausgang des Disputs vorgezeichnet, der natürlich im Triumph der wahren Lehre besteht. Aber immerhin wird um die Mythologie viel Aufhebens gemacht. Analoges gilt für die (weitaus schärfere) Abrechnung mit den antiken Heidengöttern im Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden in der Barlaamlegende, die in der mittelhochdeutschen Literatur durch die Versionen Ottos von Freising und Rudolfs von Ems vertreten ist. Die karolingische Rezeption der griechisch-römischen Antike ist von einem Bildungsoptimismus getragen, den eine gewisse Naivität kennzeichnet. Diese Naivität erklärt sich vielleicht daraus, dass man sich das kulturelle Wissen erst neu anzueignen hatte, was für sich schon eine enorme Leistung bedeutete. Der Zugang des Hochmittelalters ist differenzierter. Er gründet in zunehmender Kenntnis und Kompetenz auch im Sinne einer „aemulatio", eines Wettstreit mit den antiken Vorbildern, etwa auf stilistischem und rhetorischem Gebiet. Auch wird der engere monastische Kontext der Rezeption aufgebrochen. Antikerezeption steht nicht mehr nur im Dienste christlicher Bildung, Dichtung und Wissenschaft, sondern fördert die Ausbildung eines profanen, säkularen Bewusstseins, zumindest in weltlicher Dichtung und Kunst. Poesie und Malerei können die Sicherheit ihrer geistlichen Rückbindung ablegen und im fiktionalen Freiraum zu einer tatsächlich neuen Weltlichkeit finden. Sie äußert sich beispielsweise in der Faszination an antiken Bildwerken, wie sie im Lob der antiken Götterbilder bei Hildebert von Lavardin 8 (um 1100) und im Bericht über eine Venusstatue in Rom zu fassen ist, den ein gewisser Magister Gregorius um 1200 liefert (Kap. 1.12, -* Venus [II.3CJ). Beide Belege sind angesichts der christlichen Statuenphobie erstaunlich. Ein hervorragendes Zeugnis von der „aemulatio" vergilianischer Dichtkunst gibt die ,Alexandreis' Walters von Chatillon (um 1180). Sie eifert der Aeneis' nicht bloß sprachlich nach, sondern entwickelt in Analogie zur Götterwelt des klassischen Epos einen allegorischen Apparat halbheidnischen Zuschnitts, der neben Fortuna und Victoria auch den Teufel Leviathan in der Manier der Götter der antiken Epik auftreten lässt. Es ist bezeichnend, dass sich der Dichter am Ende von seinem antikisierenden Spiel distanziert, indem er die Welt der Musen und des Apollo verabschiedet und ankündigt, nunmehr vom wahren Brunnen der Weisheit trinken zu wollen, der im Unterschied zum antiken Helikon den Durst der Seele für immer stille (»Alexandreis' X,455ff.). Als Jünger der Venus .Carmina miscellanea' LXIII, ,De Roma' („Par tibi, Roma, nihil"), PL 1 7 1 , Sp. 1409; Seznec, Das Fortleben, 157.
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Einfuhrung
(II. IB) oder des Bacchus (112) zeigen sich die Dichter der mittellateinischen Lyrik. Das Pathos der Weltlichkeit in der Literatur des Hochmittelalters profiliert sich somit dezidiert an der Auseinandersetzung mit klassischer antiker Mythologie und Rhetorik, mit klassischen antiken Sujets und Dichtergestalten, allen voran Ovid. Erwin Panofsky spricht in diesem Zusammenhang von einer gefährlichen Affinität des Hochmittelalters zur Antike. 9 O b dies in der Weise gelten mag, sei dahingestellt. Wesentlich ist das „Prinzip der Disjunktion", das Panofsky als zentrales Verfahren hochmittelalterlichen Umgangs mit der Antike festmachen will und das dazu da sei, Distanz zu schaffen. Dem „Prinzip der Disjunktion" zufolge verbindet sich antike Form immer mit einem christlich-mittelalterlichen Inhalt: So repräsentiert die nackte Venus die „luxuria". Dort wo antike Inhalte tradiert werden, wo die Götter als solche auftreten, zeigen sie sich im mittelalterlichen Gewand, wie beispielsweise die Illustrationen zum ,Roman de la Rose' und später zum ,Ovide moralise' zeigen. Das Prinzip lässt sich grundsätzlich auch auf die Literatur anwenden. Jean Seznec 10 deutet es - vor Panofsky — weniger „aufgeregt" als Auseinanderklaffen einer ikonographischen und einer literarischen Tradition ab der Karolingerzeit: Die ikonographische Tradition löse sich zusehends vom antiken Inhalt, die literarische von der antiken Form. Die authentischen antiken Vorbilder (etwa illustrierte Handschriften zu Mythographie und mythologischer Epik) seien nicht mehr greifbar. Dies führe zu einer neuen (verbalen wie bildnerischen) „Illustration" der antiken Sujets nach mittelalterlichen Standards; deren Gestalten erscheinen in mediävalisiertem Gewand, fassbar nicht zuletzt in den Konstruktionen der mittelalterlichen Allegoriedichtung. Man wird die philosophischen, literarischen und künstlerischen Errungenschaften des Hochmittelalters nicht zur Gänze aus einem neuen Zugang zur klassischen Antike erklären können. Entscheidende Impulse bezieht es aber zweifelsohne aus dieser fruchtbaren und zugleich zunehmend ambivalenten Auseinandersetzung. Dies gilt zumal für die hoch entwickelte poetische Sprache, die - etwa im Bereich der Liebeskonzeption und Liebesdarstellung — auch die Entstehung der volkssprachlichen Literaturen entscheidend prägt. Die hochmittelalterliche „Renaissance" entwickelt sich aus einem geistesgeschichtlichen Kontinuum, das seine Wurzeln in der christlichen Spätantike selbst hat. Ihren spezifischen Zugang zur Antike untermauert nicht zuletzt der Gestus, der in dem berühmten Bild zu fassen ist, das Johannes von Salisbury (Mitte 12. Jh.) zufolge auf Bernhard von Chartres (Anfang 12. Jh.) zurückgehen soll: Dicebat Bernardus Carnotensis nos esse quasi nanos gigantum umeris insidentes, ut possimus plura eis et remotiora uidere, non utique proprii uisus acumine, aut eminentia corporis, sed quia in altum subuehimur et extollimur magnitudine gigantea." 9 10 11
Panofsky, Die Renaissancen, 112ff. Seznec, Das Fortleben, 157ff. Johannes von Salisbury, ,Metalogicon' III.4. Das Zitat ist eines der wenigen von Bernhard erhaltenen Fragmente. Reflektiert ist es auch im ,Wilhelm von Österreich' Johanns von Würzburg,
Antikerezeption im Mittelalter
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(Bernhard von Chartres pflegte zu sagen, dass wir gleichsam Zwerge seien, die auf den Schultern von Riesen sitzen, sodass wir mehr und weiter zu sehen imstande seien, nicht kraft der Schärfe unseres eigenen Sehvermögens oder der Erhabenheit unseres Leibes, sondern weil wir in die H ö h e gehoben und empor getragen werden durch eine riesenhafte Größe.)
Einerseits betont das Gleichnis nach wie vor den Aspekt der Uberbietung, formuliert also die Beziehung zwischen klassischer Antike und Christentum im Sinne eines typologischen Verständnisses (dort defiziente antike Präfiguration - hier ihre christliche Erfüllung). In der Betitelung der christlichen Nachgeborenen als Zwerge im Vergleich zu den Alten als Riesen kommt andererseits eine Demut zum Ausdruck, die eine genuin mittelalterliche Auffassung widerspiegelt. Einschränkend muss betont werden, dass wir erstens nicht sicher wissen, welche Autoren, Werke und „Wissensbereiche" Bernhard hier als vorbildhaft ansieht. Es ist nicht gesagt, dass bloß an die heidnische Antike gedacht ist. Vielleicht inkludieren Bernhards „Riesen" antik-heidnische wie antik-christliche Auetores. 12 Freilich ist schon für sich erstaunlich, dass die heidnischen Auetores nicht explizit ausgeschlossen sind. Zweitens ist Bernhards Gleichnis natürlich nicht theologisch zu verstehen. Ginge es um die Heilstatsachen, ginge es um die Religion, würde er sich niemals als christlicher Zwerg auf den Schultern eines heidnisch-antiken Riesen sehen können. Das Bild beschränkt sich vielmehr auf den Bereich der säkularen Kultur. Dass dieser jedoch eine derartige Bedeutung zugeschrieben wird, dass Bildungstradition offensichtlich als etwas gefasst ist, das eigenen Wert hat und in dem sich die „Saecula" auch messen, ist bemerkenswert genug und spricht fiir die neue Bedeutung, die das Wissen um die Dinge „hienieden" und das Interesse an ihnen jenseits der theologischen Rückbindung erlangt haben. Für dieses allgemeine Grundbedürfnis menschlicher Neugierde und „säkularen" Erkenntnisstrebens sind antike Wissenschaft, Dichtung und Kunst immer von paradigmatischer Bedeutung gewesen. Auf Bernhards Bild wären die christliche Apologetik und die christliche Spätantike jedenfalls nie gekommen. Sie behaupten ja auch dort eine antithetische Überlegenheit, wo sie sich deutlich von der paganen Antike inspiriert zeigen, wie an der orphischen Christus-Aretalogie bei Clemens von Alexandria zu sehen war. Aus der Polemik formuliert sich dort Respekt nur unfreiwillig, indem etwa der pagane Mythos als traditionelles attraktives Muster nach wie vor (wenn auch allegorisch überhöht) durchschlägt und nicht verabschiedet werden kann. Die Geste der Demut differenziert die hochmittelalterliche Sicht zugleich aber auch von der Renaissance und ihrem Grundgefühl der Kongenialität gegenüber der Antike.
wird dort aber dem Philosophen -* Themistius zugeschrieben. Z u m Bild und zu seiner Tradition vgl. Edouard Jeauneau, Nains et geants, in: Entretiens [Anm.4], 21-52; Elisabeth Gössmann, „Antiqui" und „moderni" im 12. Jahrhundert, in: Antiqui und Moderni. Traditionsbewußtsein und Fortschrittsbewußtsein im späten Mittelalter. Hg. von Albert Z i m m e r m a n n , Berlin/New York 1974 (Miscellanea Mediaevalia 9), 40-57. 12
Johannes von Salisbury spricht im Folgenden vor allem von Aristoteles, unmittelbar vor dem Zitat ist von der „opulenta doctrina p a t r u m " die Rede.
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Einfuhrung
So griffig und einprägsam Bernhards Bild auch ist, es darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Hochmittelalter keine einheitliche Vorstellung von der Antike und keine einheitliche Haltung ihr gegenüber hatte. 13 Zum einen fehlt ein Epochenkonzept im neuzeitlichen Sinn. Unterschieden werden die Zeit „ante gratiam" und die Zeit „sub gratia", also vor und nach Christi Geburt. Die pagane Antike vor Christi Geburt kann grundsätzlich positiver gesehen werden als jene danach, da ihren Vertretern der offenbarte Gott nicht zugänglich sein konnte. Die antiken Philosophen sind in diesem Zusammenhang mitunter als die heidnischen Erahner Gottes aufgefasst - ganz im Sinne der „Präfiguration": Dies gilt für die „Tugendphilosophen" wie Sokrates Socrates) oder Piaton (-» Plato), dann zumal für die antiken Meister um die Zeitenwende, allen voran fur Vergil (-* Vergilius), der seiner vierten Ecloga wegen leicht christlich zu vereinnahmen war. Als Prophetinnen der Heilstatsachen gelten auch die Sibyllen (-» Sibylla). Positive Herrschergestalten können die frühen römischen Kaiser abgeben, allen voran Caesar, Augustus, der Zerstörung Jerusalems wegen auch Titus und Vespasianus. Dante richtet diesen guten Heiden im,Inferno' (canto IV) bekanntlich einen eigenen, wohnlichen Höllenraum ein. Die mittelalterliche Mythendeutung kann wie angesprochen auch in den Mythen verborgene Weisheiten, christlich lesbare Sinnbilder fassen. Neben Orpheus gilt dies etwa auch fur Odysseus (der zugleich eine negative Gestalt abgibt; Ulixes). Grundlegende Unterschiede zeigt die Antikerezeption zum anderen nach Disziplinen wie Philosophie und Literatur sowie nach deren einzelnen Gattungen. Zudem erfahren Gestalten der antiken Geschichte und Philosophie eine andere Rezeption als die der Mythologie. Letztere kann als das Kernstück der mittelalterlichen Antikerezeption angesehen werden. Für sie gilt beispielhaft das Phänomen der Heterogenität der Zugänge: Die unterschiedlichen Deutungsverfahren führen zu widersprüchlichen Funktionalisierungen beispielweise der Göttergestalten, die moralisch-allegorisch, historisch (als vergöttlichte Menschen), physikalisch oder dämonisch aufgefasst werden können. Dabei ist keineswegs ausgeschlossen, dass ein und derselbe Text je nach seinen kontextuellen Bedürfnissen die unterschiedlichsten Auslegungsmethoden anwendet. Ein signifikantes Beispiel gibt die Sirenenerklärung in den .Etymologien' (XI.3,30-31) Isidors von Sevilla (um 560-636): Sie verbindet eine rationalistische Deutung der Mischwesen als Dirnen, die die männlichen Passanten verführt haben sollen, mit einer allegorischen Auslegung, die ihre Ikonographie das Wesen der Liebe bedeuten lässt: Man stelle die Sirenen mit Flügeln und Krallen vor, weil auch die Liebe fliege und verwunde. Am Ende steht ein Datum, das keine weitere Erklärung kennt als eine mythologisch-mythographische: Die Sirenen werden im Meer angesiedelt, weil auch Venus im Meer geboren worden sei. In diesem mythologischen Relikt, das von der ansonsten umsichtigen Deutung nicht mehr aufgelöst werden kann, ließe sich durchaus jener Aspekt erkennen, den Hans
13
Zusammenfassend hierzu Schnell [Anm.4], 222ff.
Antikerezeption im Mittelalter
XIX
Blumenberg das Unerledigte und Unerledigbare des Mythos nennt. 14 Die Erklärung einer mythologischen Vorstellung mündet jedenfalls auffälligerweise auch in einem Werk, das sich der „restlosen" Aufklärung, der „Etymologie" der Dinge verschrieben hat, in eine tautologische Explikation, die über den Mythos nicht hinausgelangt, den sie gerade explikativ neutralisieren wollte. Dass dies offenbar gar nicht bemerkt wird, weist auf die „Selbstgenügsamkeit" der mythologischen Vorstellung, die nicht zuletzt in ihrer präzisen Bildlichkeit zu fassen ist. Der mythologische Literalsinn behauptet auch im deutungsseligen Mittelalter sein Recht, wie vor allem an der weltlichen Literatur zu sehen ist. Die unterschiedlichen Deutungsschlüssel, die das Mittelalter kennt, eröffnen mehrere Zugänge und erschließen unterschiedlichen Sinn. Die Widersprüche, die sich ergeben, wenn mehrere Schlüssel gleichzeitig entsperren sollen, nimmt eine enzyklopädische Tradition — so der Begriff von Jean Seznec für die Kombination der Deutungstraditionen 15 — in Kauf. Auf diese Weise werden Mythen und mythologische Gestalten auch in der einfachen rhetorischen Anwendung durch die Literatur mehrfach lesbar. Paris und Helena können als mustergültiges Liebespaar oder als Liebesverbrecher fungieren, Helena kann als Schuldige am Trojanischen Krieg ein abmahnendes exemplum abgeben, als Vergleichsfigur fur Frauenschönheit kann das Ende ihrer Geschichte aber auch ausgeblendet werden. -* Venus firmiert als personifizierte Liebe, euhemeristisch als züchtige Jungfrau, sie tritt als Göttin der Muslime und als Planetengöttin in Erscheinung. Wahr und überzeugend ist nicht, was mythographisch korrekt ist, sondern was unter den Gegebenheiten des jeweiligen Sujets, der jeweiligen Gattung, des Textes und des Kontextes plausibel ist. Die mittelalterliche Antikerezeption kennt somit nicht nur keinen einheitlichen Altertumsbegriff, sondern praktiziert eine umfassende Fragmentierung der Antike auf den verschiedensten Ebenen. 16 Diese Fragmentierung ermöglicht die unterschiedlichen Auslegungen wie Funktionalisierungen der Mythologie und kennzeichnet in der Philosophie den hochmittelalterlichen Synkretismus platonischer und aristotelischer Konzeptionen. Zumal was die allegorische Mythendeutung betrifft, ist sie bereits in der Antike selbst zu beobachten. So hat die Homerallegorie nie auf eine konzise Gesamtdeutung abgezielt, sondern immer nur einzelne Stellen mit wechselnden Methoden ausgelegt. Der interpretative Zugriff bedeutet somit strenge Perspektivierung, Reduktion und eben schließlich Fragmentierung des antiken Gegenstands, des Mythos, der Historie, der Gestalt. Die Antikerezeption in der deutschen Literatur steht am Ende des gesamten Prozesses. Sie spiegelt den hochmittelalterlichen Zustand wider. Als entscheidenden weiteren
14 15 16
Hans Blumenberg, Arbeit am Mythos, 5. Aufl., Frankfurt a. M. 1990, bes. 291ff. Seznec, Das Fortleben, 95ff. Vgl. zum Begriff der Fragmentierung jenen der „Dekomposition" bei Seznec, Das Fortleben, 157, jenen der „Zerlegung" bei Panofsky, Die Renaissancen, 1 0 2 und jenen der „Atomisierung" bei Newald [Anm.l], 217ff.
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Einführung
Schritt setzt sie die Aneignung lateinischer literarischer Verfahren durch die maßgebliche volkssprachliche Literatur des Mittelalters, die französische, voraus. Bildlich gesprochen fassen wir in ihr somit die äußersten Verästelungen des breiten Stromes der Kontinuität kulturellen Wissens. Insofern kommt ihr besondere Signifikanz und Relevanz zu. Aufmerksamkeit verdient sie zudem, da sich hier die Aneignung lateinischer Bildungstradition durch eine Literatur vollzieht, die sich erst konstituieren muss. Sie muss von den volkssprachlichen Autoren erst zum Trägermedium von Bildungswissen gemacht werden und hat dieses Wissen an ein Publikum zu vermitteln, dem sowohl die Fakten als auch die Methoden und sprachlichen Verfahren mittelalterlicher Schriftkultur erst beizubringen sind. In dieser Hinsicht erweisen sich sowohl antike Stoffe wie dieTroja-Aeneassage als auch rhetorische und hermeneutische Verfahren, die aus der Antike kommen und - sofern es sich um Metaphern wie den Liebespfeil, um Exempla oder Allegorien handelt — mit Gestalten der antiken Mythologie und Geschichte operieren, als wesentlich an der Genese dessen beteiligt, was wir die erste poetische Sprache der deutschen Ziimziwrgeschichte nennen können, wenn wir von den zaghaften und allzu schnell vergessenen Anfängen in althochdeutscher Zeit absehen. Auch in dieser Hinsicht erweist sich somit das „Fortleben der antiken Gestalten" als zentraler Gegenstand geistesgeschichtlicher und philologischer Forschung - abgesehen von der grundsätzlichen Tatsache, dass es zumal der Fundus an antiken Sujets und ihren Gestalten ist, der die mittelalterlichen Literaturen als ein gemeinsames Band verbindet.
3. Antikerezeption in der deutschen Literatur Ein modernes Lexikon der antiken Gestalten setzt eine altehrwürdige lexikographische Tradition fort, die zugleich Teil ihres Gegenstandes ist: In gewisser Weise ist es ein später Abkömmling der Mythographie. Die Anordnung nach Gestalten ist nicht nur ein mögliches und sinnvolles Prinzip der Systematisierung, sondern eine wissenschaftliche Gewohnheit, die notgedrungen selbst jene Fragmentierung betreibt, die sie konstatieren will. Andererseits ist die Methode ein zuverlässiger Weg, um zu einem „Index" oder - um im Metier zu bleiben - zu einem zuverlässigen Faden zu gelangen, der günstigstenfalls durch das Labyrinth der europäischen Tradition führen könnte. Das „Lexikon der antiken Gestalten in den deutschen Texten des Mittelalters" will eine konkrete, historisch wie kulturell abgrenzbare Rezeptionsstufe aufarbeiten und deren Voraussetzungen in der lateinischen und romanischen Literatur des Mittelalters berücksichtigen. Insofern kann es das Desiderat einer systematischen Erfassung der gesamten mittelalterlichen Antikerezeption wenigstens ansatzweise einlösen. Der primäre Sinn des Unternehmens erschließt sich unmittelbar aus seinem lexikographischen Ertrag: Das Lexikon hat zunächst die Aufgabe, die in den mittelhoch-
Antikerezeption im Mittelalter
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deutschen Texten genannten antiken Gestalten zu sichten und zu identifizieren (was angesichts der Verzerrungen, sei es in Namensform, sei es im „Wesen", nicht immer leicht ist). Die Zusammenstellung hat die Parallelstellen und - so weit möglich — die Quellen zu benennen und einen Eindruck von der Gesamtrezeption zu geben. Damit erweitert sich freilich der thematische Horizont um folgende Fragestellungen: -
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W i e dicht ist die Rezeption einer Gestalt, welche Rezeptionsinteressen bedingen diese Dichte und lassen sich aus ihr ablesen? Uber welche Vermittlungswege wird das entsprechende Wissen verbreitet und überliefert? Auf welchen (gattungs- und stoffgeschichtlich divergenten) Traditionen basiert die deutsche Antikerezeption? Wie, in welchem Umfang und in welcher Gewichtung rezipiert die deutsche Literatur die Deutungsverfahren des (lateinischen) Mittelalters? Gibt es in diesem Zusammenhang spezifische Sonderentwicklungen, etwa im Bereich der weltlich-höfischen Literatur? Inwiefern beleuchtet die deutsche Antikerezeption die Traditionalität der mittelalterlichen Literaturen insgesamt, inwiefern zeugt sie von einer fundamentalen interliterarischen Rückbindung? Schließlich: Welche bildungsgeschichtliche und literarästhetische Leistung erbringt die Antikerezeption?
Die Ergebnisse, die das Lexikon zu diesem Ensemble rezeptionsgeschichtlicher Problemstellungen erbringt, sollen im Folgenden zusammenfassend dargestellt und dabei zugleich die Konturen deutscher Antikerezeption nachgezeichnet werden. 3.1. Lexikographischer Ertrag und grundlegende Konturen der deutschen Antikerezeption Blickt man auf die bloße Zahl der antiken Gestalten, die in der mittelhochdeutschen Literatur genannt werden, so mag zunächst die Fülle erstaunen. Sie dokumentiert die Uberlieferungsleistung des Mittelalters auch in der nur halb literarisierten Kultur der Volkssprachen. Eine adäquate Bewertung des mythographischen und geschichtlichen Wissens, das sich aus den Belegen ableiten lässt, muss freilich einige Einschränkungen vornehmen: Ein Großteil der Einträge beschränkt sich auf einfache Nennung oder auf eine nur geringe Zahl von Belegen zu einem Lemma. Zu berücksichtigen ist dabei auch die Nachwirkung, die der jeweilige Uberlieferungsträger selbst erfährt.
3.1.1. Ein Fallbeispiel: Die ,Metamorphosen' Albrechts von Halberstadt Ein eindrückliches Zeugnis von diesem mitunter prekären Sachverhalt gibt die ,Metamorphosen'-Ubersetzung Albrechts von Halberstadt. Sie ist um 1190 oder 1210 im „literarischen Milieu" des Thüringer Landgrafen Hermann, eines der bedeutendsten Förderer der mittelhochdeutschen Literatur, entstanden und weist auf dessen grundsätz-
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liches Interesse an antiken Sujets hin. Das ambitionierte Projekt steht in Zusammenhang mit dem ,Eneasroman' Heinrichs von Veldeke (um 1170/84) und dem ,liet von Troye' Herborts von Fritzlar (nach 1190). Es ist in mehrfacher Hinsicht ein Unikat. Zum einen handelt es sich um die früheste vollständige volkssprachliche Ovidübertragung. 17 Sie greift - für die mittelhochdeutsche Literatur ungewöhnlich, in diesem Falle freilich nicht anders möglich - auf den lateinischen Originaltext zurück. Dabei hat sich der Autor, über dessen Lebensumstände nichts Näheres bekannt ist (außer dass er seiner Lateinkenntnisse wegen Kleriker gewesen sein muss), in der Darstellungsweise relativ genau an seine Vorlage gehalten. Dies lässt sich aus den Fragmenten des mittelhochdeutschen Originaltextes erschließen. 18 Beibehalten scheinen Ovids häufige Apostrophen an die handelnden Figuren 19 und der rasche Wechsel der Sujets. Patronymika sind nicht durchgehend aufgelöst und der stark allusorische Charakter, der Ovids Poeta-doctus-Stil wesentlich kennzeichnet, wird nur bedingt zurückgenommen. Auf eine „interpretatio christiana" oder sonstige, längst bekannte Deutungsverfahren, wie sie ab dem 14. Jahrhundert zum Erfolg des ,Ovide moralise' wesentlich beitragen, wird fast durchgehend verzichtet. Es finden sich nur vereinzelt volksmythologische Deutungen, vor allem der „niederen Mythologie" wie der Nymphen, die als Wald- oder Wasserfrauen erscheinen, oder der Kentauren, die nach dem Vorbild der Heldendichtung als Riesen aufgefasst sind. Der Text ist einem breiteren Publikum dort, wo er nicht narrativ ausgestaltet, wohl nur schwer nachvollziehbar gewesen. Dies alles mag zu dem mutmaßlichen Misserfolg beigetragen haben. Rezeptionsspuren lassen sich jedenfalls nicht klar festmachen, Autor und Werk werden in den mittelhochdeutschen Dichterkatalogen nicht erwähnt. Die Ovid-Anspielungen in der deutschen Literatur können in keinem der Fälle mit Sicherheit auf Albrecht von Halberstadt bezogen werden. Zwar ist im Laufe des 13. Jahrhunderts in der deutschen Literatur eine Zunahme mythologischer Kenntnisse, mithin ovidianischer
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Ansonsten sind für das höfische Mittelalter bis zur Entstehung des altfranzösischen ,Ovide moralist zu Beginn des 14. Jahrhundert nur Übertragungen einzelner ovidianischer Episoden zu verzeichnen Ovidius //.): Chretien de Troye soll eine,Philomela' verfasst haben, altfranzösische Verserzählungen („Lais") sind u.a. zu Narcissus (II. 1) und Pyramus und Thisbe (II.l) überliefert. Letzteres ist eines der beliebtesten ovidianischen Sujets im Hochmittelalter und erfährt im 14. Jahrhundert auch eine deutsche Bearbeitung (-* Pyramus und Thisbe [I.A1J). Es handelt sich insgesamt um fünf Fragmente, von denen zwei aufgrund ihres Zustands keinen weiteren philologischen Wert haben; hierzu Brigitte Rücker, Die Bearbeitung von Ovids .Metamorphosen' durch Albrecht von Halberstadt und Jörg Wickram und ihre Kommentierung durch Gerhard Lorichius, Göppingen 1997 (GAG 641), 54ff. Vgl. die Apostrophe an Midas in Fragment Β („daz diu suze uon deme galme/ Dich bewegete, myda,/ wen du were uon geschieht da", „sodass dich die Süße des Tones [von Pans Lied] bewegte, Midas, da du zufällig zugegen warst", 15f.; Text nach Rücker [Anm.18], 352), in diesem Fall sogar ohne Entsprechung bei Ovid, ,Metamorphosen' ll,161ff.; es sei denn, es hätte Albrecht eine Variante zu 11,162 vorgelegen, die statt „aderat [Midas] nam forte canenti" („er hatte nämlich zufällig den Singenden vernommen") „aderas nam forte canenti" („du hattest nämlich" usw.) lautete.
Antikerezeption im Mittelalter
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Provenienz, zu bemerken, sie ist aber zu punktuell, um mit Albrechts ,Metamorphosen' in Verbindung gebracht werden zu können. Offensichtlich handelt es sich um Leistungen des je individuellen Textes und nicht um Ergebnisse eines zusammenhängenden Rezeptionsprozesses. Der vollständige Text ist uns nur in der Bearbeitung durch Jörg Wickram erhalten. Dass Wickram eine solche überhaupt vornahm, könnte nun doch auch für eine beschränkte Verbreitung der Ubersetzung sprechen, sofern es sich nicht um einen Zufallsfund handelte, der dem frühneuzeitlichen Dichter überhaupt erst den Anstoß dazu gab, einen deutschen Ovid in Druck zu bringen. Die Adaptionen, die nun Wickram seinerseits vornimmt, sprechen für sich: Zum einen erfolgt jene erzähltechnische Glättung, die schon fur den mittelalterlichen Autor zu erwarten gewesen wäre. Die Apostrophen werden bereinigt und es wird eine konsequent distanzierte narrative Perspektive eingenommen. Die wiederum zeittypische, wichtigste Neuerung in Wickrams Druckfassung besteht in der Beigabe von Auslegungen durch Gerhard Lorichius. Das Verfahren steht in der Tradition des ,Ovide moralise'. Albrecht von Halberstadt hätte dessen verfrühter Vorläufer werden können, so sind Wickram/Lorichius die verspäteten Nachfolger geworden - ein für die deutsche Literaturgeschichte typischer Befund. Die zahlreichen einmaligen Belege mythologischer Gestalten, die das Lexikon unter dem Titel der .Metamorphosen'-Ubersetzung Albrechts von Halberstadt verzeichnet, sprechen somit für die Fragilität der mythographischen Kenntnisse in der deutschen Literatur. Abseits der prominenten Sujets und Gestalten kann von keinem zusammenhängenden mythologischen Wissen gesprochen werden. Anspielungsreihen wie der Katalog antiker Klageexempla in der ,Cröne' Heinrichs von dem Türlin oder auch die im .Tristan' Gottfrieds von Straßburg genannten antiken „senemaere", die tragischen „Liebesgeschichten" von Byblis, Phyllis, Canace und Dido, die sich Tristan und Isolde erzählen, zeigen aber doch, dass sich in Ansätzen eine Vorstellung eines zusammenhängenden Repertoires mythologischer Gestalten entwickelt.
3.1.2. Interessenlagen und Fragmentierung Die bloße Anzahl an Belegen für eine Gestalt ist ein unmittelbarer Indikator für die Verbreitung mythologischer Sujets und für die damit verbundenen mythologischen Interessen und Präferenzen, die von jenen der Neuzeit und der Moderne mitunter stark divergieren. Auch hier ist freilich eine genauere Analyse notwendig. Die prominentesten Sujets auf Seiten der Mythologie sind mit Abstand Troja- und Aeneassage (von deren
Gestalten vor allem
Helena,
Hector,
Dido und
Aeneas), außerdem einige
klassische „fabulae Ovidianae" wie Pyramus und Thisbe. Aus neuzeitlicher und moderner Perspektive betrachtet, zeigen sich eklatante Unterbewertungen vor allem bei Prometheus, der in der mittelhochdeutschen Literatur bloß einmal zu belegen, allerdings in der lateinischen Mythographie durchaus von höherer Bedeutung ist, bei Oedipus, aber auch bei Odysseus (-* Ulixes) und Medea. Die Gründe dafür sind vielschichtig
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und nicht immer einfach zu benennen. Vor etwaigen „weltanschaulichen" Rückschlüssen sind Stoff- und Uberlieferungsgeschichte zu beachten. Für die mangelhafte PrometheusRezeption lässt sich veranschlagen, dass dem Mittelalter die Kenntnis eines entsprechenden prominenten antiken Basistextes fehlt: Aischylos' Trilogie war dem lateinischen Mittelalter so wie alle anderen griechischen Dichtungen nicht bekannt und — was wichtiger ist — die beiden für die gesamte mittelalterliche Mythenrezeption grundlegenden Epen, Vergils ,Aeneis' und Ovids .Metamorphosen', berichten nichts oder nichts Ausführliches von der Gestalt. Eine nur mangelhafte Stofifvermittlung ist auch der primäre Grund für die geringe Zahl an Ödipus-Belegen. Im Falle von Odysseus und Medea zeigt die Rezeption eine interessante divergente Gewichtung. Odysseus repräsentiert im Trojaroman eine eher negative Gestalt. In der lateinischen Mythenallegorie erfährt vor allem sein Sirenenabenteuer eine christliche Allegorese, die die deutschen Odysseus-Belege freilich nicht reflektieren.20 Medea erscheint in der höfischen Literatur weitgehend idealisiert. Keine Rolle spielt die für das euripideische Drama und die moderne Rezeption wesentliche Thematik der fremden Barbarin, der Geschlechterrollen und des Geschlechterkonflikts. Die höfische Medea ist dieser Züge entledigt und gibt im Wesentlichen ein Beispiel für Liebesunglück. Nach Berücksichtigung Stoff- und überlieferungsgeschichtlicher Bedingungen stellt sich natürlich die Frage nach den sozusagen „epochalen" Gründen für Modernität oder Fremdheit bestimmter Gestalten. Unter diesem Aspekt mag das Desinteresse an Prometheus und Odipus signifikant sein. Die Figur des Aufbegehrenden fand im Mittelalter offensichtlich kein besonderes Echo, die allegorischen Deutungen zeigen uns Prometheus den Menschenbildner als Symbolfigur des Pädagogen, den an den Kaukasus geschmiedeten Büßer als Allegorie der Mühen des gelehrten Astronomen. Der Aspekt des „titanischen" Aufbegehrers, der das neuzeitliche Interesse bedingt und für das Mittelalter gerade ein Skandalon vorstellen würde, ist also getilgt. Für den Umgang mit der zentralen Crux der Ödipussage oder genauer: des sophokleischen Odipusdramas, der UnVerhältnismäßigkeit von persönlichem Vergehen und schrecklichem Schicksal, sind die legendarischen Inversionen des Mythos in der Gregor- und Judaslegende bezeichnend. In dem einen Fall löst sich die Diskrepanz in einem göttlichen Gnadenakt, im anderen weisen Vatermord und Inzest auf die sündhafte Disposition des späteren Gottesverräters. An Medea und Odysseus ist die je spezifische Akzentuierung antiker Mythologeme, beispielsweise im Kontext des höfischen Minnethemas, abzulesen. Dieses Verfahren zeigt sich deutlicher bei den prominenten Stoffen und den divergenten Exempelfunktionen, die deren Gestalten übernehmen können. Helena kann ein (positives oder negatives) Exempel weiblicher Schönheit abgeben, die ihretwegen gefallenen Helden illustrieren die Macht der Liebe oder die verderblichen Folgen der Immoralität. Hector ist Symbolgestalt ritterlicher Tapferkeit, Dido ist in der höfischen Literatur die exemplarische
20
-* Ulixes (II.4). Reflexe finden sich freilich unter den Sirenen-Einträgen (-» Sirenes
[II.2/4]).
Antikerezeption im Mittelalter
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Liebesleidende. Dabei ist eine gattungsspezifische Verteilung der Interessen zu erkennen. Besonders signifikant ist der Befund bei Aeneas. Hier lassen sich eine höfische, eine chronistische und eine didaktische Konzeption der Gestalt voneinander abheben. Innerhalb der höfischen Konzeption zeigt sich zudem eine auffällige Differenz zwischen Troja- und Eneasroman: Der Trojaroman setzt die aeneaskritische Tradition fort, der Eneasroman die aeneasfreundliche, die ihr wirkungsmächtigstes Vorbild natürlich in Vergils >Aeneis' findet. An den prominenten Gestalten ist zu sehen, dass nicht von einem Interesse, sondern von Interessenlagen zu sprechen ist. Sie divergieren je nach Gattung, Kontext und der davon abhängigen Topik, in deren Rahmen die Gestalten zitiert werden. Wieder fassen wir das Phänomen der Fragmentierung des Mythos, der hinter dem jeweiligen Namen steht. Insgesamt lassen sich aus den unterschiedlichen Zugängen und ihren Veränderungen - bei aller Vorsicht - geistesgeschichtliche, literarhistorische und literarästhetische Epochenprofile entwickeln. 21 Nicht anders ist es bei den historischen Gestalten. Die meisten Belege verzeichnen unter den Herrschern Alexander, Caesar oder Augustus, unter den Autoren Vergil (-» Vergilius) und Ovid Ovidius). Der Befund, den die mittelhochdeutschen Belege rein zahlenmäßig bieten, entspricht im Wesentlichen der Bedeutung der jeweiligen Gestalt für die mittelalterliche Universalgeschichte und Bildungstradition. 22 Besondere Aufmerksamkeit verdient der mittelalterliche Alexander. Er ist nicht nur als Gründer des dritten der vier Weltreiche, des griechischen, von Bedeutung, sondern Kristallisationsfigur einer seit dem Hellenismus ungebrochen wirkungsmächtigen literarischen Tradition. Die Bedeutung des Alexanderstoffs für die literarhistorische Entwicklung in den Volkssprachen darf ähnlich hoch eingeschätzt werden wie jene der Troja-Aeneassage. Wie Helena, Hektor, Paris, Achilleus, Aeneas und Dido wird auch Alexander zu einer volkssprachlichen literarischen Gestalt, die allgemein bekannt ist. Er ist nicht bloß Protagonist der mittelhochdeutschen Alexanderromane, sondern auch traditionelle Exempelfigur, die von einer entsprechenden Topik aufrufbar ist und diese zugleich zu entwickeln hilft - sei es im Falle des „exemplum vanitatis", sei es im Herrscherlob. Auch hier legt sich die Rezeption nicht auf ein spezifisches exemplarisches Merkmal fest, vielmehr kann der jeweilige Topos eine je eigene Facette der wiederum „fragmentierten" Alexandergestalt präsentieren. Deutlich bewusst gehalten bleibt freilich ihr historischer Charakter, dies im Unterschied zu den trojanischen Helden, die dem Mittelalter zwar grundsätzlich ebenso als historische Gestalten gelten, dennoch aber einen höheren Grad an „Poetizität" aufweisen. Wie eingangs ausgeführt, erklärt sich die Differenz zum einen aus dem unterschiedlichen Herkommen der Figuren: die einen aus
21
22
Ansätze dazu bei Kern, Mittelalterliche und moderne Mythen. Ein Missverhältnis besteht u.a. bei -» Aesopus und -* Quintiiianus. deutschen Beleg.
Beide verzeichnen nur einen
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Einführung
der Mythologie, die andere aus der Historie. Zum anderen liegt sie in der literarischen Tradition der Texte begründet: Auch wenn der mittelalterliche Trojaroman stofflich weitgehend auf den pseudohistoriographischen Berichten der so genannten Augenzeugen Dictys Cretensis und Dares Phrygius beruht, so hält er in der narrativen Ausgestaltung dennoch deutlich Verbindung zur klassischen Epik. Dies zeigen zum einen die an Ovids ,Metamorphosen' geschulten Liebeshandlungen im ,Roman de Troie' Benoits de SainteMaure oder bei Konrad von Würzburg, der Eneasroman hält ohnehin direkten Kontakt zur mythologischen Epik. Im Unterschied dazu steht der höfische Alexanderroman in einer Tradition, die ihrem Selbstverständnis nach grundsätzlich historiographisch bleibt, mögen die fabulösen Züge auch noch so überhand nehmen. Die universalgeschichtliche Bedeutung des Stoffes bleibt in den deutschen Bearbeitungen, zumal im Alexander' Rudolfs von Ems, fassbar, dominant ist hier zudem der explizit lehrhafte Charakter. Dieser liegt dem Trojaroman grundsätzlich ferner, wenngleich bei Konrad von Würzburg Hector und Achilles natürlich auch als vorbildliche Ritter gezeichnet sind. Umso höher ist die brillante literarische Leistung einzuschätzen, die die Alexandreis' Walters von Chatillon vollbringt. Der Grad an „Poetisierung" des Sujets färbt dabei - wenngleich auf anderem Niveau - auf deren mittelhochdeutsche Bearbeitung, den Alexander' Ulrichs von Etzenbach (um 1280), durchaus ab. Den Intentionen des Alexanderromans entsprechend, finden sich die meisten Anspielungen im Bereich der didaktischen Topik. Alexander kann freilich auch ein genuines höfisches Liebesexemplum abgeben. Das Beispiel mag zeigen, wie die Erkenntnisse aus dem rein lexikographischen Ertrag unmittelbar zu Fragen der Stoffitradition fuhren. Caesars Bedeutung erklärt sich aus dem Einfluss römischer imperialer Ideologie auf mittelalterliche Reichs- und Herrschaftsvorstellung. Als deren Symbolgestalt fungiert er auch in der deutschen Literatur. Dass er zudem im ,Moriz von Craün' Caesar [I.B3]) eine Beispielfigur ritterlicher Idealität abgibt, zeigt, wie auch historische Gestalten für spezifisch höfisch-literarische Interessen vereinnahmt werden können. Die AugustusNennungen stehen durchgängig in mittelbarem oder unmittelbarem Zusammenhang mit dem biblischen Bericht bei Lukas. Die Gegenwärtigkeit der Idee einer „pax Augusta" weist wiederum auf die Übernahme eines römisch-imperialen Herrscherbildes. Darin, dass die augusteische Friedenszeit das Heilswerk Christi und die Erwartungen des ewigen Friedens am Ende der Zeiten freilich nur präfiguriert, fassen wir abermals den mittelalterlichen Uberbietungsgedanken. Gerade bei Augustus zeigt sich die Rezeption somit unmittelbar von christlich-mittelalterlicher Weltsicht und heilsgeschichtlicher Konzeption geprägt. Dies mag für die römischen Kaisergestalten generell gelten. Die Vermittlung historiographischer „Fakten" bleibt dabei ein Nebenaspekt. Das primäre Interesse gilt der - je nach Text und Gattung mitunter stark divergierenden — exemplarischen Signifikanz: Die Gestalt ist nicht als historisches „Subjekt" mit Biographie, sondern als Verkörperung, als Figuration eines Sinns, einer Lehre von Bedeutung. Die volkssprachliche Chronistik zeigt zudem einen starken Hang zum Anekdotischen. Davon zeugen die Legenden, die sich um Nero (II.4) und Vergilius (II.3/4) ranken. Zumal die
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unterschiedlichen Bilder, die in der mittelhochdeutschen Literatur von Vergil kursieren, sprechen fiir eine Formbarkeit von historischen Gestalten, die jener der mythologischen Gestalten in nichts nachsteht. Für die Dichter und Philosophen gibt neben Vergil der mittelhochdeutsche Aristoteles davon den besten Eindruck. Die Zahl der Belege spiegelt in beiden Fällen ihre Bedeutung im Mittelalter insgesamt wider, verrät zugleich aber die unterschiedlichen Interessen von gelehrter lateinischer und „laikaler" deutscher Rezeption. Natürlich firmiert Aristoteles auch in der mittelhochdeutschen Literatur als „der" Philosoph schlechthin, die Konturen bleiben allerdings wenig ausgeprägt. Genaueres über seine Philosophie oder das, was das lateinische Mittelalter dafür hielt, vermitteln die Belege nicht. Einige Plastizität gewinnt die Gestalt freilich als Lehrmeister Alexanders und vor allem als einer der wichtigsten Frauensklaven. Die singulären Belege zu -* Anaxagoras, Euclides, Parmenides und anderen, zumal bei Thomasin von Zerklaere (1215/16), weisen einerseits neuerlich auf die erstaunliche Fülle an Gestalten, die sich auch in der deutschen Literatur belegen lassen, zeigen andererseits, dass es um ihre Bekanntheit mitunter prekär bestellt ist. An den Autoren- und Herrscherkatalogen im ,Renner' Hugos von Trimberg, der bedeutendsten didaktischen Enzyklopädie des deutschen Mittelalters (um 1300), lässt sich zudem die Eigenart ermessen, die dieser Form von Vermittlung lateinischen Bildungswissens an ein mehr oder weniger „ungelehrtes" Publikum zukommt: Meist erschöpfen sich die Zitationen in katalogartigen Aufzählungen. Der Sinn dieses bloßen „name-droppings" ist es gerade nicht, spezifische Fakten weiterzugeben, sondern einen bestimmten didaktischen Sachverhalt durch möglichst viele Namen - für die meisten Ohren wohl leere Hüllen — zu untermauern. Dass der Name das Argument ersetzt, entspricht dem mittelalterlichen „ A u c t o r i t a s " - G e d a n k e n . Dies gilt für die Exempla ebenso wie für die (meist trivialen) Lebensmaximen und Erkenntnisse, für die die antiken Meister bürgen. Aus der bloßen Zusammenstellung, die das „Lexikon der antiken Gestalten" bietet, lassen sich schließlich folgende grundlegende Rezeptionstendenzen ablesen: Die mythologischen Gestalten bieten vorwiegend den Themen, der Topik und den Sujets des höfischen Romans und des Minnesangs ein adäquates Repertoire. Die „Wissensliteratur" im engeren Sinn — volkssprachliche Chronistik, didaktische Literatur und Sangspruchdichtung — bezieht sich vorwiegend auf Gestalten der Historie. Die Aufteilung entspricht dem höheren poetischen Potenzial, das der Mythologie grundsätzlich zukommt. Die fingierte „fabula" ist probates Medium poetischer Redeweise. Hier zeigen sich — zumeist mittelbar über die mittellateinische und die altfranzösische Literatur - Traditionen und Verfahren antiker Dichtung fortgesetzt. In den „facta" der antiken Historie und Gelehrsamkeit finden hingegen die belehrenden Gattungen füglich ihren Bezugspunkt. Gemeinsames Interesse besteht an den prominenten Sujets und Gestalten wie an der Trojasage, an Alexander und — bedingt — an der römischen Reichsgeschichte, in der ja maßgebliche „geschichtsphilosophische" und ideologische Theoreme des Mittelalters wurzeln.
Einführung
XXVIII 3.1.3.
Heterogenität und Fragilität
Somit erweist sich in der volkssprachlichen Antikerezeption jene Heterogenität verschärft, die die mittelalterliche Antikerezeption insgesamt kennzeichnet. Zum Ausdruck kommt sie in einer jeweils spezifisch perspektivierten Wahrnehmung: So wie es keine übergreifende, grundsätzlich gültige Konzeption der Antike als Epoche insgesamt gibt, gibt es auch keine grundsätzlich festgelegte Funktion eines mythologischen oder historischen Sujets oder einer mythologischen oder historischen Gestalt. Zu bedenken ist zudem die „Fragilität" des Wissens, von der die volkssprachliche Rezeption aufgrund der mangelnden Bildungsvoraussetzungen bestimmt ist. Sie hat keinen enzyklopädischen Rückhalt. Dass sich dennoch gewisse Vorstellungen davon entwickeln, was das Altertum als eine abgrenzbare Epoche und was antike Gestalten ausmacht, wird über andere Wege erreicht: Zum einen über die Rückkoppelung an das kodifizierte Antikewissen der gelehrten lateinischen Literatur oder über die kanonisierten antiken Sujets der französischen Literatur; zum anderen über die prominenten Gestalten, die der volkssprachlichen Literatur vertraut geworden sind. Exempel- und Vergleichsfiguren wie Tantalus oder Hippolytus, Parmenides oder Anaxagoras erschließen sich in ihrer Bedeutung insofern, als sie wenigstens im Rahmen derselben Topik oder in einem Atemzug mit Dido oder Pyramus, Aristoteles oder Vergil genannt werden. Auf diese Weise sind sie auch einem laikalen, noch nicht oder kaum literarisierten Publikum als Typen lesbar, auch wenn ihm die Geschichte zum jeweiligen Namen nicht im Einzelnen nachvollziehbar ist. Beispiele für diesen Zusammenhang und für die „Schlüsselfunktion", die den bekannten Gestalten zukommt, geben die Exempelkataloge in der ,Cröne' Heinrichs von dem Türlin für die Mythologie, jene im .Welschen Gast' Thomasins von Zerklaere und im ,Renner' Hugos von Trimberg für die antike Historie. Das intensive „name-dropping" weist einerseits auf die Fragilität volkssprachlicher Antikerezeption hin, wenn man Einzelbelege an der Verbreitung und Nachwirkung jenes Textes misst, der sie nennt. Andererseits wird gerade an der insgesamt erstaunlichen Masse der Einträge auch in einem so spezifischen Segment mittelalterlicher Schriftkultur und Bildungstradition, wie es die mittelhochdeutsche Literatur vorstellt, die immense Uberlieferungsleistung des Mittelalters fassbar. Gerade an den äußersten Verästelungen, an den „Kapillaren" des Uberlieferungsstromes, wie sie in den,Metamorphosen' Albrechts von Halberstadt oder in den Katalogen bei Heinrich von dem Türlin, Thomasin von Zerklaere oder Hugo von Trimberg zu fassen sind, wird die mittelalterliche „Ehrfurcht" sichtbar, nichts an kulturellem Wissen verloren gehen zu lassen, und sei es nur der Name, der bewahrt wird. Schon deshalb wäre es falsch, vom bloßen ÜbeAzbzn oder AfocMeben der Antike zu sprechen. Der rein lexikographische Ertrag des vorliegenden Lexikons kann somit die Breite mittelalterlicher Antikerezeption sowie ihre essenzielle Bedeutung für das mittelalterliche Bildungswissen und die mittelalterliche literarische Kultur dokumentieren. Antike Sujets und Gestalten bilden deren Grundlage, eine „materia", die freilich nach spezifischen
Antikerezeption im Mittelalter
XXIX
Bedingungen und Interessenlagen ihre Form findet. Die Strategien der dabei zum Tragen kommenden Mediävalisierungen sind im Folgenden in Hinblick auf ihre volkssprachlichen Erscheinungsformen zu resümieren. Einen ersten Eindruck von den Interessenlagen geben Verdichtungen und „Lücken" im Corpus, wie sie die Belege zu Venus und
Aeneas,
Alexander und
Aristoteles auf der einen, zu
Prometheus und
Oedipus,
Anaxagoras und Hannibal auf der anderen Seite widerspiegeln. Betrachtet man schließlich die zeitliche Schichtung der Belege, so kann insgesamt von einer zunehmenden Kenntnisnahme gesprochen werden: Die volkssprachliche Literatur erschreibt sich „Zug um Zug" den Bildungshorizont des Mittelalters. Das Wissen um mythologische und historische Gestalten nimmt im Laufe des 13. Jahrhunderts merkbar zu, dies gilt ebenso für die vermehrt exotischeren mythologischen Interessen des volkssprachlichen Romans (ein Kronzeuge wäre der ,Reinfried von Braunschweig') wie für die historischen Exempla in der späteren Sangspruchdichtung und Versdidaxe, die einen versierten Umgang mit den Namen der antiken Auetores pflegen, sowie für die umfassende Gelehrsamkeit, die die spätere Chronistik, konkret die ,Weltchronik' Rudolfs von Ems, zu verarbeiten weiß. Auch diese spezifische Rezeption kann auf den Vorleistungen aufbauen, die in einer ersten Phase Eneas- und Alexanderroman erbracht haben.
3.2. Vermittlungswege Dass die mittelhochdeutsche Antikerezeption kein zusammenhängendes, enzyklopädisches Wissen repräsentiert, resultiert aus den verschiedenen Vermittlungswegen, über die die einzelnen Rezeptionsweisen zustande kommen. Die mittelhochdeutsche Literatur stellt keinen autarken Organismus dar, der sich aus einer systematischen und kontinuierlichen eigenen Tradition entwickeln würde. Sie ist vielmehr eingebunden in das Konzert mittelalterlicher Literaturen, in denen jeweils unterschiedliche Gattungstraditionen zusammenspielen. Zentraler Bezugspunkt ist dabei zweifelsohne die lateinische Literatur im engeren Sinn, in einem weiteren Sinn die lateinisch-mittelalterliche Bildungstradition, die der volkssprachlichen Literatur den Zugang zu den antiken Quellentexten eröffnet. Was für die Entwicklung der deutschen Literatur des Mittelalters generell gilt, gilt natürlich auch für die deutsche Antikerezeption: Ihre Leistung liegt nicht in der Erschließung, sondern in der Übernahme und Adaption der Prozesse, die in den zentralen „Spender-Literaturen", der lateinischen wie der französischen, vorgeprägt sind. Die deutsche Literatur tritt in eine Phase kultureller Entwicklung ein, die bereits ihre Konturen gefunden hat.
XXX
Einführung 3.2.1. Der Einfluss der französischen und lateinischen Literatur
Die unterschiedlichen Vermittlungswege korrelieren weitgehend mit den unterschiedlichen Gattungstraditionen. Die weltliche höfische Literatur orientiert sich maßgeblich am französischen Vorbild. Dies gilt zumal für die Romane mythologischen Sujets, die Antikeromane im engeren Sinn. 23 Sowohl der ,Eneasroman' Heinrichs von Veldeke als auch das ,liet von Troye' Herborts von Fritzlar basieren auf den beiden wirkungsmächtigen französischen Antikeromanen, dem anonymen ,Roman d'Eneas' (um 1165) und dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure (um 1170). Dass sie nicht direkt auf die entsprechenden antiken Basistexte zurückgreifen, beruht nicht auf Unkenntnis, sondern entspricht einer prinzipiellen literarischen „Ökonomie": Die mittelhochdeutsche Literatur „erfindet" nicht, wenn es genügt zu „finden". In den französischen Quellen liegen ihr zum einen Texte von einem literarästhetischen Standard vor, den es für die deutsche Literatur der Zeit erst zu erreichen gilt. Zum anderen aber bieten sie ihre Sujets in einer zeit- und gattungsgemäßen Adaption. Die französischen Antikeromane haben jene höfische Antike geschaffen, die den Erfolg und die Aktualität von Genre und Stoff erklärt. Aus der Perspektive mittelalterlicher Antikerezeption betrachtet, die grundsätzlich auf Verfahren der Aneignung und Transformation basiert, steht der ,Roman d'Eneas' seinem deutschen Bearbeiter somit prinzipiell näher als Vergils ,Aeneis', wenngleich es dessen Autorität ist, auf der die Bedeutung des Sujets beruht und auf die sich Heinrich von Veldeke auch beruft. Nicht anders ist es im Falle Benoits und Herborts, wobei Benoits Leistung insofern höher einzuschätzen ist als die des ,Roman d'Eneas', weil er auf keine hoch stehende literarische Vorlage zurückgreifen konnte (seine stofflichen Quellen sind die literarästhetisch dürftigen pseudohistoriographischen Trojaberichte des Dares Phrygius und des -» Dictys Cretensis). Dass Konrad von Würzburg ein Dreivierteljahrhundert später Benoit keineswegs mehr bloß übersetzt, sondern in Rückgriff auf antike Epik und unter virtuoser Beherrschung der narrativen Technik des hochhöfischen Romans mehr oder weniger neu schreibt, ist Folge einer literarhistorischen Entwicklung, aber natürlich auch des Talents und der Bildung des Autors. Der französische Antikeroman prägt die Rezeption antiker Sujets durch die höfische Literatur. Er gibt die thematische und „ikonographische" Gestalt vor, in der die höfische Dido, die höfische Helena, der höfische Hector und der höfische Aeneas erscheinen. Die Adaptionen, die die deutschen Bearbeitungen des ausgehenden 12. Jahrhunderts vornehmen, gehen - was die Aneignung der mythologischen Sujets und Gestalten betrifft - nicht über ihre Quellentexte hinaus. Ihre Leistung ist weniger eine grundsätzlich konzeptionelle als eine sprachschöpferische und eine Leistung der Vermittlung. Dies gilt zumal für den ,Eneasroman' Heinrichs von Veldeke. Er setzt neue Standards einer
23
Zur Gattung des Antikeromans Alfred Ebenbauer, Antike Stoffe; Elisabeth Lienert, Deutsche Antikenromane des Mittelalters, Berlin 2 0 0 1 (Grundlagen der Germanistik 39).
Antikerezeption im Mittelalter
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poetischen Sprache, verankert mit der Troja-Aeneas-Sage einen kanonischen Stoff in der deutschen höfischen Literatur und vermittelt zentrale rhetorische und hermeneutische Verfahren, die besonders am mythologischen Apparat der Liebesgötter hängen und aus einer ovidianischen Liebesdarstellung gespeist werden. Der Antikeroman zweiter Generation, wie er in Konrads von Würzburg,Trojanerkrieg' vorliegt, ist in seiner neu erwirkten konzeptionellen und narrativen Unabhängigkeit von der unmittelbaren Vorlage das Produkt einer mittlerweile konsolidierten Erzähltradition, die ihrerseits die fundamentale Leistung erst ermessen lässt, die der frühe Antikeroman in der deutschen Literatur noch deutlicher erbringt als in der französischen. Für die Anspielungen auf antike Gestalten in der höfischen Lyrik und Epik lassen sich nur in Einzelfällen konkrete Quellentexte benennen. Die rhetorischen Formen, die Kontexte und die Anspielungstopik finden freilich ihre Vorbilder in der romanischen wie mittellateinischen Literatur. Zeitgleich mit dem Antikeroman übernimmt die deutsche Rezeption somit auch die entsprechenden Typen der mythologischen Anspielung. Die poetischen Verfahren lassen sich dabei bis in die antike Literatur zurückverfolgen. Auch hier kommt, was die konkrete Sinngebung vor allem im Rahmen des höfischen Liebesdiskurses betrifft, der französischen Literatur eine entscheidende Vorbildfunktion zu. Die grundlegende Arbeit der Tradierung und Vermittlung der entsprechenden Topoi ist freilich eine Leistung der mittellateinischen Literatur. Sie schafft ein aus der Antike kommendes rhetorisches Repertoire, dessen sich die weltlichen Literaturen des Mittelalters als gemeinsame poetische Ausdrucksform bedienen können. In dieser mythologischen Topik lässt sich einerseits klar jene auf Latinität und antike Tradition beruhende Kontinuität festmachen, auf deren Darstellung Ernst Robert Curtius abzielte.24 Sie weist andererseits in den spezifischen Nuancierungen, die sie in den unterschiedlichen Stillagen der mittelalterlichen Literaturen findet, eine erstaunliche Flexibilität auf, die das traditionelle Textmuster zugleich ein Instrumentarium spezifischer Bedeutungssetzung sein lässt. Jede Realisation setzt konkrete Akzente, die den Einzeltext an eine übergeordnete Tradition rückbinden, zugleich dem traditionellen Exemplum und dem traditionellen Vergleich aber auch je individuelle Konturen geben. Gerade die Zusammenstellung, die das „Lexikon der antiken Gestalten" vornimmt, lässt diese Produktivität topischer Textmuster sichtbar werden. Die auch hier gegebene Vorbildlichkeit der romanischen Literatur, in diesem Fall der provenzalischen Lyrik, dokumentiert beispielsweise das Narziss-Gleichnis bei Heinrich von Morungen. 25 Hier ist zwar keine unmittelbare Vorlage zu benennen, es greift aber offensichtlich auf eine höfische Prägung von Gestalt und rhetorischer Form zurück, wie sie die romanische Literatur vorgibt. In der Schönheitsüberbietung - einem der profiliertesten Topoi - zeigt sich zudem die Parallelität von lateinischer und volkssprachlicher Topik. Beispiele geben die entsprechenden Einträge
zu
Helena oder
Venus.
24
Curtius, Europäische Literatur.
25
-» Narcissus (I.C1/IL).
XXXII
Einführung
Schon die frühesten Belege — etwa das Aeneas-Zitat bei Friedrich von Hausen und das Turnus-Zitat bei Ulrich von Gutenburg 26 — zeigen, dass die Anspielungsrezeption die Romanrezeption der antiken Stoffe voraussetzt. Beide Autoren beziehen sich mit ihren Exempla auf den ,Eneasroman' Heinrichs von Veldeke und dokumentieren auf diese Weise, wie rasant sich der moderne höfische Antikeroman seine eigene Tradition erzeugt. Geschwindigkeit und Breite des Prozesses lassen sich auch an der raschen Wirkung des von Veldeke in die deutsche Literatur eingebrachten allegorischen Apparats der Liebesgötter ermessen. 27 Hier eignet sich die höfische Literatur poetische Ausdrucksmittel an, die sich letztlich seit Homer bewährt haben. Deren Durchschlagskraft dokumentieren Belege wie die Amor-Zitate bei Wolfram von Eschenbach. Er bedient sich ihrer gerade nicht aus einem elitären, antikisierenden Selbstverständnis heraus, wie man es Gottfried von Straßburg nachsagen könnte, 28 sondern versteht sie offensichtlich bereits als poetische Topoi einer laikalen, volkssprachlichen Epik. Wenn sich spätere Anspielungen, vor allem auf den Trojastoff, aber auch auf andere mythologische Sujets, nicht immer einem der deutschen Romane zuordnen lassen, so weist dies auf die zunehmende Verankerung einer literarischen Kompetenz bei den Autoren wie beim Publikum, die allerdings mit der Romanrezeption in Verbindung zu bringen ist. Der Rückgriff auf antike oder mittellateinische Quellen ist anfangs die Ausnahme. Albrechts von Halberstadt ,Metamorphosen' mögen dokumentieren, dass es der deutschen Literatur und den deutschen Autoren zunächst auch an der Kompetenz fehlt, ohne französische Vorlage zu einer adäquaten Mediävalisierung zu gelangen. Dass dies später auf der Basis einer mittlerweile entwickelten höfischen Erzählkultur in deutscher Sprache möglich ist, zeigt eben Konrads .Trojanerkrieg'. Für den Alexanderroman geben Rudolf von Ems ein früheres, Ulrich von Etzenbach ein mit Konrad etwa zeitgleiches Beispiel. Der eine orientiert sich vor allem an der ,Historia' des Quintus Curtius Rufus, der andere an dem mittellateinischen Epos Walters von Chätillon, das überhaupt eines der herausragendsten und innovativsten mittelalterlichen Beispiele seiner Gattung darstellt. Ulrich kann zwar nicht als sein kongenialer deutscher Bearbeiter betrachtet werden, durchschaut aber immerhin die Strategien der Literarisierung, indem er die „aemulatio" Vergils, die Walter pflegt, analog als „aemulatio" der mittlerweile kanonisierten mittelhochdeutschen Epik, konkret Wolframs von Eschenbach, fortsetzt. Früh sind innerhalb der deutschen höfischen Literatur somit Tendenzen zu eigenständiger Traditionsbildung zu beobachten. Der wichtigste kanonische Text ist für die Antikerezeption zweifelsohne der ,Eneasroman' Heinrichs von Veldeke, dessen narrative Technik und dessen neue Standards einer poetischen Sprache weit über die Sujetgrenzen ausstrahlen. Für die mythologischen Anspielungen in Lyrik und Epik scheinen die Schönheitsüberbietungen bei Heinrich von Morungen 2 9 und im .Tristan' Gottfrieds von 26 27 28 29
-» Aeneas (I.C1), -* Turnus (I.C1). -» Amor/Cupido (II.2), -» Venus (11.2/4). Hierzu Kern, Isolde; vgl. bes. -» Helena (I.B1), Musae (I.B1) und -> Sirenes (I.B2). Vor allem das so genannte „revidierte Parisurteil", -* Paris (I.C1).
Antikerezeption im Mittelalter
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Straßburg 30 sowie Gottfrieds antike Minneleidexempla, die senemaere, die er Tristan und Isolde einander erzählen lässt,31 und das Bildzitat im ,Erec' Hartmanns von Aue (der auf den Sattelbögen von Enites Pferd abgebildete „Eneasroman") 32 traditionsbildend gewirkt zu haben. 33 Das zuletzt genannte Textmuster übernimmt H a r t m a n n aus seiner Vorlage, dem ,Erec' Chretiens de Troyes, seine Tradition lässt sich über mittellateinische Beispiele bis Vergil und schließlich bis zu Homer zurückverfolgen. Hier fassen wir jene klassische Form der mythologischen Ekphrasis, die den Blick auf die stupende poetische Kontinuität in der europäischen Epik freigibt. Anders als in der höfischen Literatur ist für didaktische, chronistische und geistliche Texte die lateinische Wissenstradition a priori der eigentliche Bezugspunkt. Die frühesten Beispiele mittelhochdeutscher Chronistik, namentlich das ^Annolied' (um 1080) und die ,Kaiserchronik' (um 1140/50), greifen für ihre Berichte zur antiken Geschichte und für ihre Geschichtsauffassung und Geschichtsdeutung auf die lateinische historiographische Tradition zurück, repräsentieren zugleich aber eminent eigenständige Modelle einer volkssprachlichen Geschichtsdichtung. Einen einheitlichen lateinischen Quellentext gibt es für beide Texte nicht. Die universalhistorische Lehre von den vier Weltreichen im ,Annolied' ist zentraler Bestandteil gelehrter mittelalterlicher Geschichtshermeneutik, die von Hieronymus' Danielkommentar geprägt wurde. Für die profangeschichtlichen Daten, vor allem den Bericht vom Trojanischen Krieg und dessen Nachgeschichte, gibt Vergils >Aeneis' den Basistext ab. D e m auf heilsgeschichtliche Signifikanz abzielenden historiographischen Prinzip des Mittelalters entsprechend, bleibt der Text freilich nicht beim Referat der Fakten stehen, sondern organisiert sie im Sinne der zentralen universalgeschichtlichen Theoreme, der Idee der „translatio imperii" und eben der Weltreichslehre. Auf den antiken Originaltext wird somit - wie für die mittelalterliche Antikerezeption insgesamt typisch — mit dem entsprechenden hermeneutischen Deutungsinstrumentarium zugegriffen, das die christlich-lateinische Tradition bereithält. Das Annolied' entwickelt bei aller Traditionalität seiner historiographischen Denkmuster ein ganz spezifisches, unikales Modell, eine für die Zeit erstaunliche Leistung. Dies gilt im Prinzip auch für die ,Kaiserchronik', die in ihrer Gesamtanlage ebenso wenig ein unmittelbares Vorbild hat, sondern historiographische und legendarische Traditionen verbindet. Für Einzelpassagen können auch hier antike Quellen benannt werden, wie etwa Ovids ,Fasten' für die so genannte Lucretialegende (-> Lucretid). Zu betonen ist der narrative Charakter der Chronik, der sich in einem stark anekdotischen Z u g niederschlägt, fassbar an den Binnenerzählungen zu Nero (I.EI), an der so genannten Astrolabiuslegende, dem wichtigsten Zeugnis für die Sage von der Statuenliebe
30 31 32 33
-» Helena (I.B1) und Sirenes (I.B2). -» Bylis (I.B1), -» Canace (Bl), Dido (I.B3) und -» Phyllis (I.B1). -» Aeneas (I.B1/II.3). Kern, Edle Tropfen, passim.
XXXIV
Einfuhrung
in der deutschen Literatur des Mittelalters, 34 oder an der Verarbeitung der römischen Geschichtslegende von Mucius Scaevola. Die ,Kaiserchronik' repräsentiert einen durchaus eigenständigen volkssprachlichen historiographischen Typus, der spezifische Interessen eines möglicherweise laikalen, jedenfalls aber nicht im Sinne mittelalterlicher Gelehrsamkeit gebildeten Publikums bedient. Das „anekdotische" Konzept hat natürlich seine „seriösen" politischen Implikationen, die wiederum mit translatorischen Ideen und imperialer Ideologie verzahnt und natürlich von den grundlegenden heilsgeschichtlichen Theoremen (Weltreichslehre) getragen sind. Ein noch schärferes Profil gewinnt diese volkssprachliche Chronistik schließlich in der ,Weltchronik' des Jans Enikel. Dass alle drei genannten chronistischen Texte aufeinander Bezug nehmen, zeigt im Übrigen auch hier die rasche Entstehung einer spezifisch volkssprachlichen Tradition. Anders liegt der Fall bei der ,Weltchronik' Rudolfs von Ems, die Mitte des 13. Jahrhunderts verfasst und somit über 150 Jahre später als das Annolied' den ambitionierten Versuch unternimmt, den Typus der gelehrten lateinischen Chronik an die Sphäre volkssprachlicher Bildung zu vermitteln. Damit verbunden ist die Übernahme eines historischen Deutungsverfahrens der antiken Mythologie und eine Hermeneutik antiker Geschichte, die bis dahin in der deutschen Literatur ohne Beispiel ist. Hauptquelle ist die ,Historia scholastica' des Petrus Comestor, die ihrerseits eine Summe aus der spätantiken und mittelalterlichen lateinischen Chronistik zieht und zu einem Darstellungsmodus findet, der bis weit in die Renaissance das „Geschichtsbild" von der Antike prägt. 35 Die antike Mythologie wird dabei Teil der antiken Profangeschichte, die parallel zur Heilsgeschichte verläuft und in Form von „Incidentia", profangeschichtlichen Exkursen zur heilsgeschichtlichen Haupterzählung, erinnert wird. Möglich ist die genaue historiographische Festlegung, die Datierung dessen, was in der Antike Theogonie und das Zeitalter der Heroen gewesen ist, durch ein konsequent angewendetes euhemeristisches Deutungsverfahren, das in den Göttern und Heroen ihrer Wohltaten und Fähigkeiten wegen vergöttlichte Menschen erkennt. Auf lateinischer geistlicher wie didaktischer Tradition basiert schließlich das breite Repertoire an Beispielfiguren aus antiker Herrschaftsgeschichte, Philosophie und Literatur. Die Zitationen der antiken Auetores beziehen sich auf den Bereich mittelalterlicher Schulbildung, wie sie in der Artesliteratur zu fassen ist. Deutliche Zeugnisse geben davon Thomasin von Zerklaere und Hugo von Trimberg. Hier bleibt die deutsche Rezeption freilich weitestgehend auf dem flachen Niveau eines ganz allgemeinen „Wissens". Detailliertere Informationen und Kenntnisse der mittelalterlichen philosophischen Tradition und ihrer Sicht der Antike werden nicht verarbeitet. Ebenso nur in Spuren greifbar ist eine direkte Rezeption der mittelalterlichen Mythographie. Ambitionierte Reflexe gelehrter Mythendeutung fassen wir bei Rudolf von Ems immer mittelbar über Petrus
34 35
-> Venus (I.E1/II.3C). Seznec, Das Fortleben, 16ff.
Antikerezeption im Mittelalter
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Comestor, Beispiele geben die Einträge zu -* Palaephatus und Pallas Athene Pallas [1] [I.E2]). Umso bemerkenswerter sind die entsprechenden Belege im ,Reinfried von Braunschweig'. Sie zeigen eine Kenntnis mythographischer Traditionen und Texte, wie sie fur die volkssprachliche Literatur und zumal für die Gattung des späthöfischen Abenteuerromans einzigartig sind. 36
3.2.2. Die Bedeutung der „kanonischen" Autoren und Werke Auch wenn die konkrete Quellenlage nicht immer gesichert ist, lassen sich insgesamt klare Konturen der Vermittlungswege nachzeichnen, auf denen die deutsche Antikerezeption basiert. Grundsätzlich gilt auch hier, dass nach Gattungen und den entsprechenden Rezeptionsinteressen zu unterscheiden ist. Dort wo die tatsächlichen Quellen benannt werden können, bringt eine lexikographische Zusammenstellung für die Frage nach den Wegen der Uberlieferung aufschlussreiche Ergebnisse. Beachtung verdienen in diesem Zusammenhang gerade die Randgestalten etwa der Trojaüberlieferung. Man mag sie auf den ersten Blick als das ansehen, was sie natürlich in den Romanen auch sind: Statisten, redundante Figuren, die den Blick und den lexikographischen Aufwand kaum lohnen. Sieht man freilich genauer hin, so lassen sich aber an einer Gestalt wie Agamemnons Herold Talthybius wesentliche Prinzipien der Überlieferung illustrieren. Zum einen nimmt sich sein Weg durch die Fährnisse einer europäischen Literaturgeschichte erstaunlich trittfest aus. Er verliert sich gerade nicht in unzählbaren Zwischenstufen einer nebulösen Tradition, sondern lässt sich an wenigen fassbaren Texten präzise zurückverfolgen: Konrad von Würzburg und Herbort von Fritzlar fuhren uns zu Benoit de Sainte-Maure, von dort gelangen wir zu Dictys Cretensis und von diesem können wir getrost „ad fontem", zu Homers ,Ilias' gehen — weil wir uns hier auf dem Boden einer konsistenten antiken Tradition befinden, auch wenn wir nicht genau wissen, welche Zwischenstationen wir anzunehmen haben (möglicherweise gar keine). Dasselbe gilt fur noch „entlegenere" Figuren wie etwa den Priamiden -* Gorgythion. Das Beispiel zeigt erstens, dass die literarische Überlieferung in Form einer Sukzession von wenigen, jeweils kanonischen Einzeltexten (Homer - Dictys - Benoit) abläuft, und dokumentiert somit auch die literaturgeschichtliche Bedeutung des individuellen Textes; zweitens wird hier unmittelbar die Sicherheit mittelalterlicher Überlieferung und ihre Leistung fassbar: Im Archiv der mittelalterlichen Tradition geht wenig verloren, weil das Überkommene per se von Bedeutung ist und weitergetragen wird. Dafür, dass dies sozusagen nicht in Form von Leichenzügen geschieht, sorgt der interpretative Zugriff, der die Gestalten am poetischen Leben hält. Er ist - wenn auch nicht besonders signifikant - auch bei Talthybius zu fassen: Vom homerischen Herold wechselt er in den
36
Vgl. bes. -» Atlas (I.B1), -» Claudianus (I.B1),
Orpheus (I.B4).
XXXVI
Einführung
Stand des antiken Boten bei Dictys und von dort schließlich in jenen des Dienstmanns der mittelalterlichen Feudalära. Ein im Sinne mittelalterlicher Deutungsverfahren aufschlussreicheres Beispiel gibt Rhadamanthys. Auf seinem Weg durch die Saecula durchläuft der antike Totenrichter aus Vergils ,Aeneis' signifikante Metamorphosen: Der ,Roman d'Eneas' lässt ihn zur mediävalisierten Teufelsgestalt einer christlichen Hölle werden, die in Topographie und Personal zugleich den Charakter der antiken Unterwelt bewahrt. Der , E n e a s r o m a n ' Heinrichs von Veldeke vermittelt ihn an die deutsche höfische Tradition, wo er nun im ,Parzival' Wolframs von Eschenbach als gefallener Engel ein ganz spezifisches Weiterleben führt. Diese letzte Deutungsstufe ist nicht mehr Ausdruck eines allgemeinen mittelalterlichen Deutungsverfahrens, sondern eine hermeneutische Leistung des Einzeltextes. Sie setzt die vorangegangenen Stadien des Wandels der Gestalt voraus und entwickelt sie nach spezifischen kontextuellen Bedingungen weiter. Die rein faktische Nachzeichnung der Uberlieferung einer Gestalt markiert gleichzeitig die Stadien ihrer Verwandlungen. Aufschluss über die Deutungsleistung, die ihr genuin mittelalterliches oder höfisches Profil ausmacht, ist damit freilich nicht unmittelbar gegeben: So erklärt zwar die Linie „Homer - Dictys - Benoit", warum im mittelalterlichen Trojaroman der Götterapparat fehlt (weil der pseudohistoriographische Bericht diesen weitgehend ausspart). Sie erklärt aber nicht die spezifische Umgestaltung, die Benoit an seinen Hauptquellen, Dares und Dictys, vornimmt. Die höfische Adaption besteht in einer Konzentration des Stoffes auf das Minnethema, und dafür orientiert sich der französische Autor nun wiederum an einem kanonischen antiken Dichter, nämlich an Ovid, wie insbesondere die Medea- oder die Briseis-Handlung 37 zeigt. Auf diese Weise werden die weitgehend auf das „Faktische" konzentrierten, poetisch dürftigen pseudohistoriographischen Berichte re-poetisiert. Konrad von Würzburg wird diesen Schritt wiederholen, indem er - wiederum vor allem in Rückgriff auf Ovid — Benoits Roman entsprechend ausgestaltet. Ahnliches gilt unter anderen Vorzeichen für den Eneasroman, wenngleich hier der Überlieferungsweg — im Unterschied zur Trojaliteratur — nicht aus der episch-literarischen Tradition heraustritt und wenigstens die Liebesgötter als handelnde Figuren auch im mittelalterlichen Roman „überleben". Dass Vergils mythologischer Apparat freilich zum allegorischen Apparat umgedeutet und aus der antiken Unterwelt eine christliche Hölle wird, ist Folge des Einflusses der antiken und mittelalterlichen mythographischen Tradition. Die Adaption der ,Aeneis' zum höfischen Minneroman greift wiederum auf ovidianische Liebestopik zurück. Auch in dieser Hinsicht setzt die deutsche Bearbeitung eine Strategie fort, die schon der .Roman d'Eneas' angewendet hat. Dies beweist, dass neben der jeweiligen Stofftradition eine mithin ebenso konkret benennbare Gestaltungstt^mon die spezifische mittelalterliche Erscheinungsform eines
37
-» Briseis (II.2) und -> Medea (IIA).
Antikerezeption im Mittelalter
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antiken Sujets prägt. Sie ergibt sich aus dem Zusammenspiel mehrerer Traditionen, die sich bisweilen auf die Namen weniger kanonischer Texte reduzieren lassen. So fassen wir in Ovids ,Metamorphosen' und in Vergils ,Aeneis' grundsätzlich die entscheidenden Basistexte mittelalterlicher Mythenrezeption, und dies über alle Grenzen der Gattungen, Rezeptionsweisen und Literaturen hinweg. Die Bedeutung des individuellen, im generellen oder genrespezifischen Sinn kanonischen Textes lässt sich ebenso an der Entwicklung eines Repertoires exemplarischer mythologischer und historischer Gestalten sowie der Topik, in deren Rahmen sie aufgerufen werden, ablesen. Hier erzeugen die jeweils wirkungsmächtigsten deutschen Texte nun selbst Tradition: So gibt der ,Eneasroman' Heinrichs von Veldeke einerseits eines der wichtigsten Sujets vor, wie die zahlreichen Dido-Exempla zeigen, schafft mit seinem allegorischen Apparat aber auch ein vorbildliches rhetorisches Medium für die Liebesdarstellung im nachfolgenden höfischen Roman, wie die Geschichte der Amor-Allegorie in der deutschen Literatur belegt. Nicht anders, wenngleich nicht immer in ähnlich präziser Weise nachzuzeichnen, ist der Befund in der didaktischen, geistlichen und chronistischen Literatur. Abgesehen von den antiken Autoren, die auch hier wesentliche Impulse setzen, und abgesehen von dem Einfluss der gelehrten Historiographie ist eine volkssprachliche Tradition zumal an den Verbindungen zwischen Annolied', ,Kaiserchronik' und Jans Enikel zu erkennen. "Weniger konkret festzumachen sind analoge Prozesse bei den didaktischen Exempla. Hier ist wohl von einer verfügbaren Topik auszugehen, die von lateinischen Florilegien, von Exempelsammlungen und — insbesondere was die Rezeption der „Auetores" betrifft - von der Artes-Literatur geprägt und gespeist wird. Die Didaxe kann dabei aber auch auf die höfische Tradition zugreifen, wie die Lektüreempfehlungen bei Thomasin von Zerklaere zeigen. 38 Eine konkrete Linie führt in dieser Gattung von Ciceros ,De offieiis' über das ,Moralium dogma philosophorum' (vor 1150) zu dem frühen didaktischen Werk Wernhers von Elmendorf (um 1180). Hier lassen sich die beiden zentralen rhetorischen Muster der Anspielung auf antike Gestalten - die Meisterberufung und das didaktische Exemplum - auf einen bestimmten antiken Text zurückverfolgen. Die Topoi und Gestalten, die Wernher vorgibt, sind in der Folge auch in der späteren Didaxe - sei sie episch oder lyrisch, gesprochen oder sangbar — zu fassen.
3.2.3. Grundzüge der Entwicklung Aus dem Befund zur stoffgeschichtlichen Überlieferung, den das „Lexikon der antiken Gestalten in den deutschen Texten des Mittelalters" vermittelt, lassen sich folgende grundsätzliche Tendenzen ablesen, die je nach Gattung freilich differenziert sind: Zunächst orientiert sich die deutsche Antikerezeption klar an ihren romanischen und lateinischen
38
-> Helena [1] (I.DI) und
Penelope (I.DI).
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Einführung
Vorbildern. Der Antikeroman - zweifellos die zentrale Gattung fur die höfische Rezeption - beschränkt sich in der ersten Generation weitgehend auf die Übernahme der in den französischen Quellen ausgeprägten Modelle. Seine weitere Geschichte beschreibt einen Weg, der vom mehr oder weniger strikten Bezug auf eine Quelle zu einem umfassenderen Quellenhorizont führt, wobei die antike Tradition zunehmend mit ins Blickfeld gelangt. Dies zeigt vor allem das Beispiel Konrads von Würzburg. Vom Prinzip der Höfisierung der Antike wird dabei freilich nicht Abstand genommen, der Text zeigt aber doch eine gewisse mythographische Neugier, die über die Grenzen seines Sujets hinausgeht und der man ein prä-humanistisches Interesse nicht gänzlich absprechen kann (fassbar ist es in Konrads „Ovid-aemulatio", wie sie die Bezüge auf die ,Heroides' im Gespräch zwischen Paris und Helena und die Hercules-Erzählung des Philoktet39 — nach dem Muster von Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf in den ,Metamorphosen' - zeigen). Die poetische Kompetenz gegenüber der Tradition nimmt im höfischen Roman zweifellos am deutlichsten zu, die literarischen Entwürfe werden zunehmend ambitionierter. Dies zeigt auch die Geschichte des Alexanderromans: Lamprechts Alexander' überträgt Alberic de Pisan^on und steht damit noch ganz im Rahmen der „trivialen" Alexandertradition. Rudolf von Ems und Ulrich von Etzenbach orientieren sich an der „seriösen", historischen bzw. hochliterarischen Tradition, wie sie in der ,Historia Alexandri Magni' des Quintus Curtius Rufus und in deren hochmittelalterlicher epischer Bearbeitung, in der Alexandreis1 Walters von Chätillon, vorliegt. Beide Texte zielen dabei in Konzeption, Form und Verarbeitung ihrer Thematik durchaus auf eigenständige Entwürfe, die sich von ihren Quellen auch emanzipieren - der eine im Sinne einer ambitionierten lehrhaften Epik, der andere auf der Basis des höfischen Romans der Zeit. Analoges gilt fiir die Chronistik und für das zunehmend breiter werdende Repertoire an Gestalten und rhetorischen Mustern in den mythologischen wie historischen Anspielungen. Insgesamt kann von einer Verfestigung des Wissens und der Bildungstradition, die sich in den antiken Stoffen und Gestalten materialisiert, gesprochen werden. Sie geht einher mit einer Vernetzung der unterschiedlichen Traditionen, wie sie sich in den Bezügen zwischen den Sujets — sichtbar etwa an der Amazonenrezeption in Troja- und Alexanderroman Amazones) — oder in den Verbindungen zwischen mythologischen Exempla in „belletristischer" und didaktischer Dichtung fassen lässt. Der Befund ist nun für sich genommen kein überraschendes Ergebnis, da sich in ihm ja nur ein folgerichtiger und bekannter literarhistorischer Prozess abbildet, der sich zudem nicht bloß auf die Antikerezeption beschränkt. Ziel des Lexikons ist es freilich nicht, ihn überhaupt erst zu konstatieren, sondern an den Wegen, die konkrete Gestalten nehmen, transparent und belegbar zu machen. Dabei sollen unter anderem die prinzipiell auf wenige Rezeptionsstufen konzentrierten Wege der Tradition und die Bedeutung und Leistung kanonischer Texte neu zu ermessen sein, und zwar sowohl was die Geschichte einer Gestalt von der Antike bis ins deutsche 39
V g l . vor allem die A n s p i e l u n g a u f die erste E n t f ü h r u n g H e l e n a s d u r c h - » Theseus (1.A2) -* Hercules
(Ί.Α4'); ausführlicher hierzu Lienert, G e s c h i c h t e u n d Erzählen, 1 9 4 f f .
sowie
Antikerezeption im Mittelalter
XXXIX
Mittelalter als auch was die Zusammenhänge innerhalb der deutschen Antikerezeption betrifft. Deren zunehmende Profilierung ist nicht nur Folge literarischer Entwicklung, sondern auch eine Leistung des individuellen Autors, seiner Bildung und seiner Fähigkeiten. Die herausragendsten Beispiele geben — um einige zu nennen - für den Antikeroman Heinrich von Veldeke und Konrad von Würzburg, für den Alexanderroman, die Weltchronistik und die Mythenrezeption in der Tradition christlicher Apologetik Rudolf von Ems. Für den mythologischen Vergleich und das mythologische Exemplum im Roman setzt Gottfried von Straßburg Maßstäbe; in der Liebeslyrik Heinrich von Morungen — dies vor allem in Hinblick auf ein versiertes Spiel mit der Ambivalenz und Problematik, die Gestalten wie Narcissus, den Sirenen (-» Sirenes), Helena oder den
„Verbrechern aus Liebe"
Dido,
Phyllis,
Byblis und
Canace zukommen. Für die
didaktische Literatur sind Thomasin von Zerklaere und Hugo von Trimberg zu nennen; erstaunliche mythographische Kenntnisse zeigen der ,Reinfried von Braunschweig' fur den späteren Roman und der Marner für die spätere Lyrik, ebenso versiert und mustergültig ist der Umgang mit mythologischen wie historischen Gestalten bei Frauenlob, bemerkenswert hier auch der beherzte und unterschiedlichste Traditionen verbindende Deutungszugriff. 40 Für eigenwillige Sonderwege sei auf ,Diu Cröne' Heinrichs von dem Türlin hingewiesen, deren mythologische Rezeption durch Extravaganz (-* Parcae), aber auch durch gravierende Fehler Eteocles und Polynices [I.B1]) besticht, dennoch freilich mehr und Signifikanteres darstellt als bloßen „antikisierenden Flitterkram" 41 . Die Nachwirkung des jeweiligen Textes muss natürlich differenziert bewertet werden, insgesamt mag aber das Register der Einträge nach Autoren und Werken einen ersten Eindruck von den zentralen Texten geben. Die lexikographische Zusammenstellung, wie sie das „Lexikon der antiken Gestalten" unternimmt, kann ein profiliertes Bild von Traditionszusammenhängen bieten. An der Geschichte einer Gestalt werden die gattungsspezifischen Bahnen der Uberlieferung zumindest andeutungsweise, im günstigen Fall präzise nachvollziehbar. Sie dokumentiert die Verbindungen zu den anderen Literaturen, die Prozesse der Traditionsbildung innerhalb der deutschen Literatur und die Grundzüge einer literarhistorischen Entwicklung. Was die Uberlieferungswege und Traditionszusammenhänge betrifft, so ist dezidiert im Plural zu sprechen: Sie differieren nach Gattungen, Sujets und den damit in Verbindung stehenden textuellen Interessen. Dies gilt noch viel mehr für die Stoffgeschichte und die Deutungsverfahren, die in der deutschen Antikerezeption zu fassen sind. Die Divergenz der Uberlieferungswege weist auf die Divergenz der rezeptionsgeschichtlichen Interessen und der mit ihnen verbundenen hermeneutischen Verfahren, die vor allem die mittelalterliche Rezeption der Mythologie prägen. 40 41
Vgl. bes. Hermaphroditus. Fritz Peter Knapp, Heinrich von dem Türlin. Literarische Beziehungen und mögliche Auftraggeber. Dichterische Selbsteinschätzung und Zielsetzung, in: Die mittelalterliche Literatur in Kärnten. Hg. von Peter Krämer, Wien 1981 (WAGAPH 16), 145-187, hier 163.
XL
Einfuhrung 3.3. Stoffgeschichtliche Aspekte 3.3.1. Konturen der Stojfgeschichte
Die stoffgeschichtliche Entwicklung in der deutschen Antikerezeption des Mittelalters korrespondiert zunächst natürlich unmittelbar mit dem sich verändernden Spektrum an Quellen, die die Texte heranziehen. Der Prozess lässt sich an den prominenten Stoffen wie — auf Seiten der Mythologie — des Trojastoffes oder — auf Seiten der antiken Historie - des Alexanderstoffes am sinnfälligsten nachzeichnen. Der entscheidende literarhistorische Prozess einer wachsenden „Kompetenz" seitens der Autoren und des Publikums wird dabei deutlich sichtbar. Mit der zunehmenden Bildung der Autoren, mit der zunehmenden Entwicklung der narrativen Möglichkeiten in der Volkssprache, mit einer etablierten und konsolidierten poetischen Sprache verändert sich auch die stoffgeschichtliche Orientierung: Die späteren Antikeromane entwickeln einen Sinn für den umfangreichen Horizont ihrer Stoffe. Dies führt zu literarischen Entwürfen, die mitunter divergente Traditionen berücksichtigen und eine gewissermaßen enzyklopädische Tendenz zur „Summe" aus dem, was überliefert ist, zeigen. Die eindrücklichsten Beispiele hierfür geben Konrads von Würzburg,Trojanerkrieg' sowie die Alexanderromane Rudolfs von Ems und Ulrichs von Etzenbach. Auf der Ebene der narrativen Ausgestaltung zeigen die Texte insofern ein spezifisch volkssprachliches Profil, als sie auf strukturelle wie motivische Verfahren zurückgreifen, die der höfische Roman unabhängig vom antiken Stoff entwickelt hat. Die epische Darstellungsweise im späteren Antikeroman ist somit nicht nur von einer erweiterten Kenntnis der Traditionen eines Sujets abhängig, sondern rekurriert auf die erfolgreichen Muster einer mittlerweile konsolidierten höfischen Romantradition. Dies gilt etwa für die Zeichnung Helenas bei Konrad, die wesentlich von jener Isoldes im ,Tristan' Gottfrieds von Straßburg beeinflusst ist. 42 Das narrative Verfahren im Alexander' Ulrichs von Etzenbach zeigt deutliche Anlehnung an die Erzähltechnik Wolframs von Eschenbach. Der frühe Antikeroman, insbesondere der ,Eneasroman' Heinrichs von Veldeke, der frühe Alexanderroman, die frühe volkssprachliche Chronistik legen die Basis für die deutsche Antikerezeption. Sie setzen mit ihren Sujets (Troja-/Aeneas-Sage, Alexandergeschichte, römische Historie) die zentralen stoffgeschichtlichen Orientierungsmarken. Die weitere Geschichte lässt sich als Geschichte einer sukzessiven Erschließung neuer Stoffe und eines neuen Gestaltenrepertoires lesen. Dies gilt sowohl für den Bereich der Mythologie wie für jenen der antiken Historie und Gelehrsamkeit. Die Ausweitung des Stoffspektrums, das in den Gesichtskreis der deutschen Literatur des Hochmittelalters gerät, lässt sich dabei als Agglomeration an die zentralen Sujets verstehen. Für die Mythologie ist die Orientierung an Ovid maßgeblich. Dass die deutsche Literatur in diesem Zusammenhang eine Vorstellung davon entwickelt, was einen antiken Gott
42
Zusammenfassend hierzu Lienert, Geschichte und Erzählen, 207fF. und 328ff.
Antikerezeption im Mittelalter
XLI
oder eine Gestalt der antiken Sage ausmacht, kommt fallweise auch terminologisch in der Verwendung des Begriffs der „fabula" zum Ausdruck. 4 3 Die Vermittlung neuer Sujets oder Gestalten rekurriert zumeist auf das bereits Bekannte. Dies dokumentiert zumal die Rezeption der literarisch-mythologischen Gestalten in den Anspielungen: Neue Sujets und erlesenere Figuren erschließen sich, indem sie beispielsweise gemeinsam mit traditionellen Gestalten genannt werden, so in dem Katalog der Liebesleidenden Byblis, Phyllis, Canace und Dido im .Tristan' Gottfrieds oder in dem Panorama mythologischer Unglücksfälle in der .Crone' Heinrichs von dem Türlin. Weniger bekannte Gestalten wie Hippolytus, Myrrha oder Thyestes werden hier dem Publikum lesbar, weil die Liste bei so bekannten Sujets wie Troja oder Pyramus und Thisbe ansetzt, auch wenn die Angaben zum jeweiligen Mythos mitunter äußerst vage ausfallen und über ein „auch so einer" nicht hinausgelangen. Wichtig für diese „Lesbarkeit" einer antiken Gestalt ist zudem ihre Einbindung in vorgeprägte rhetorische Muster, etwa in das Exemplum für Minneleid wie bei Gottfried und Heinrich oder in die Schönheitsüberbietung. Analoges gilt für die Beispielkataloge in der didaktischen Literatur. Auch Gestalten wie Anaxagoras, -* Maecenas, -* Parmenides, Xenophon und Zeno erschließen sich über jene bekannten Meister und Herrscher, mit denen sie gemeinsam genannt werden, so vor allem im ,Renner' Hugos von Trimberg. Die Aufzählungen begnügen sich dabei wiederum meist mit der Feststellung „auch so einer", mitunter ist das „meister'-Attribut ausreichend, um den genannten Autor als den exemplarischen Typus, als der er figurieren soll, zu kennzeichnen. Die stoffgeschichtliche Entwicklung trifft sich hier mit Formen der Rhetorik. Der konkrete Inhalt, der individuelle Mythos oder die individuelle Biographie einer Gestalt ist nicht das Entscheidende. Es reicht, wenn sie einen klaren Typus repräsentiert, den des oder der Minneleidenden, des tapferen Ritters, der schönen Frau, des mustergültigen Gelehrten, des Kunstförderers oder des reichen Herrschers. Uber diese exemplarische Funktion erhält das zunächst „blind" erscheinende „name-dropping", das die Meisterkataloge der späteren Didaxe oder auch die mythologischen Exempla in der .Crone' Heinrichs von dem Türlin pflegen, seinen Sinn. Auf diese Weise erklärt sich auch die Unerheblichkeit mythographischer Fehlleistungen, wie jener bei dem von Gliers, der Hippolytus einen sein lässt, der der Liebe wegen und nicht, weil er der Liebesgöttin abgeschworen hat, sein Leben lassen musste: 44 Wahr ist nicht, was mythographisch oder historisch korrekt ist, sondern was im Kontext plausibel ist. So kann Alexander bei Hugo von Trimberg auch Sokrates anstelle von Diogenes grüßen, um ein Beispiel für die geforderte Hochachtung der Gelehrsamkeit zu geben. 45
43
So u.a. im .Reinfried von Braunschweig' (-» Atlas [I.B1], Rudolfs von E m s
44 45
(-* Cerberus [I.EI]). -» Hippolytus (I.C1). -> Socrates [1] (I.D2).
Claudianus [II.]) und in der
.Weltchronik'
XLII
Einfiihrang
Über rhetorische Muster und gängige Topik ergibt sich schließlich auch eine mehr oder weniger kohärente Vorstellung von antiken Gestalten. Eine systematische Stoffkenntnis ist hingegen nur für klar abgegrenzte Sujets erweisbar, namentlich für Trojaund Aeneas-Sage, für Alexander und — um einiges bedingter — für die römische Reichsgeschichte (insbesondere für Herrschergestalten wie Caesar, Augustus, Nero, Constantinus).
Die stoffgeschichtliche Entwicklung beruht dabei allerdings nicht auf einem Prozess, der innerhalb der deutschen Literatur homogen und kontinuierlich abliefe. Vielmehr weist er erstaunliche Brüche auf: So scheint im Bereich der Trojaliteratur Herborts ,liet von Troye' keinen Einfluss auf Konrad von Würzburg ausgeübt zu haben.46 Dessen Neuansatz greift vielmehr ein weiteres Mal auf den altfranzösischen Basistext, Benoits .Roman de Troie', zurück. Für die narrative Gestaltung gibt nicht die eigentliche Tradition des deutschen Antikeromans das Maß vor, sondern generell die Gattung des höfischen Romans. Konrad vermutlich zeitgleich zur Seite steht der anonyme ,Göttweiger Trojanerkrieg', der in seinem Zugriff auf das Sujet überhaupt einen ganz eigenwilligen Weg wählt und es über weite Strecken nach dem Modell des Artusromans erzählt.47 Analoges gilt fur die Geschichte des mittelhochdeutschen Alexanderromans, die ebenfalls keine literarische Reihe von Lamprecht über Rudolf von Ems zu Ulrich von Etzenbach konstituiert, sondern jeweils neu ansetzt. Stoffgeschichtliche Entwicklungen in der deutschen Literatur vollziehen sich somit in jeweils neuer Stoffgestaltung, die auf entsprechende lateinische und romanische Basistexte zurückgreift. Dies dokumentiert die eminent interliterarische Orientierung der deutschen Literatur des Mittelalters. Sie kennt keine Sprachgrenzen und ist in Form eines „nationalliterarischen" Organismus auch gar nicht existent. Die Geschichte der prominenten antiken Sujets und Gestalten ist somit als Geschichte einer Tradition zu schreiben, die im Begriff einer europäischen Literatur des Mittelalters zu fassen ist. Die Zusammenstellung des „Lexikons der antiken Gestalten" zielt nun nicht bloß auf eine rein faktische Darstellung stoffgeschichtlicher Prozesse, sondern soll zugleich eine Geschichte der „Interessen" an den antiken Sujets und Gestalten widerspiegeln. Dies führt wiederum zurück zum Phänomen der „Fragmentierung". Die unterschiedlichen Möglichkeiten, ein mythologisches oder historisches Sujet zu lesen, bilden gattungsspezifische Optionen, die durchaus so etwas wie eigene, in einem weiteren Sinn zusammenhängende Traditionen vorstellen. Dass diese auch untereinander kommunizieren können, dass höfische Exempla auf geistliche Deutungstraditionen referieren können, unterstreichen dabei etwa die Belege zu den Sirenen: Wenn Gottfried von Straßburg den erotischen wie den künstlerischen Eindruck, den die singende Isolde auf ihr Publikum macht, veranschaulicht, indem er sie mit den Sirenen vergleicht, so bezieht er sich deutlich auf
46 47
Konrad dürfte Herbort allerdings gekannt haben; vgl. Lienert, Geschichte und Erzählen, 187ff. Hierzu Kern, Agamemnon weint.
Antikerezeption im Mittelalter
XLIII
die Tradition der geistlichen Allegorese des Mythos. Diese fasst die Sirenen als Sinnbild sündhafter Verfuhrung auf. Die negative Deutung wird nun im ,Tristan' gerade nicht ausgeblendet (was wohl gar nicht möglich wäre), sondern im Sinne einer ambivalenten Steigerung des Sinnhorizonts fruchtbar gemacht: Eine Sirene Isolde ist der vertrackten Problematik des Romans um vieles gemäßer als eine Isolde als Muse. Die Signifikanz der Stelle erweist sich dabei wiederum an ihrer Nachwirkung in späteren Texten. 48
3-3.2. Rhetorik und Topik Zentraler Garant für „Lesbarkeit" einer antiken Gestalt ist wie gesagt ihre Einbindung in feste rhetorisch-topische Muster. Diese fuhren einerseits die unterschiedlichen (bekannteren wie unbekannteren) Sujets zu Ensembles einer Bedeutungskategorie zusammen (so Dido, Pyramus und Thisbe, Narziss, Phyllis und Hippolytus unter der Kategorie der Liebesleidenden), formen andererseits aber auch rhetorische Traditionen, die ihre kontinuierliche Geschichte haben. Somit sind bei aller Fragmentierung der einzelnen Gestalten doch auch Tendenzen zur Ausbildung eines konsistenten „Repertoires" zu beobachten. Ahnlich früh wie die zentralen Sujets bilden sich auch die wichtigsten Formen und Topoi aus, in deren Rahmen antike Gestalten zitiert werden. Sie werden ebenfalls aus den prägenden literarischen Traditionen übernommen und lassen sich zumeist auf die Antike selbst zurückfuhren. Auch hier zeigen weltlich-höfische Lyrik und Epik auf der einen Seite und mittelalterliche Wissensliteratur auf der anderen Seite grundsätzlich unterschiedliche Präferenzen. Zu den zentralen rhetorischen Formen in der höfischen Literatur zählen das Minneleid-Exemplum, der Vergleich, vor allem im Rahmen des höfischen Frauenpreises (hier meist in der Sonderform der Überbietung), ferner als Sonderform der Descriptio das Bildzitat (die Beschreibung von bildnerischen Kunstwerken, die antike Sujets, zumeist Troja- und Aeneas-Sage, abbilden), außerdem Formen der Allegorie, zumeist in Verbindung mit den Liebesgöttern. Für alle diese Muster können normative Texte benannt werden: Im Bereich der Liebesallegorie etwa der ,Eneasroman' Heinrichs von Veldeke, fur Exemplum, Vergleich und Uberbietung der ,Tristan' Gottfrieds von Straßburg; in letzterem Fall finden sich vorbildliche Beispiele auch im klassischen Minnesang, insbesondere bei Heinrich von Morungen. Für das Bildzitat gibt das erste und prägende Zeugnis der ,Erec' Hartmanns von Aue ab. Gerade die Geschichte dieses Topos ist signifikant für die Traditionalität und die innovatorische Akzentuierung, die derartige literarische Muster kennzeichnen: Das Motiv der auf dem Sattel von Enites Pferd dargestellten Aeneassage findet sich bereits in Hartmanns Vorlage, dem ,Erec' Chretiens de Troye. Hartmann adaptiert es unter deutlichem Bezug auf Stofifgestaltung und Handlungsstruktur bei Heinrich von Veldeke und wirkt seinerseits
48
-> Sirenes (I.B2/II.3).
XLIV
Einführung
nachweislich auf spätere Manifestationen des Topos ein, auch wenn diese von Fall zu Fall ihre je spezifische, meist französische Quelle haben. 49 Damit ergibt sich ein komplexes Bild literarischer Vernetzungen: mit romanischer und lateinischer Literatur, aber auch innerhalb der deutschen höfischen Literatur. Ähnlich lässt sich am „revidierten Parisurteil" eine konkrete Toposgeschichte nachzeichnen, die bei Ovid angelegt ist und bei Heinrich von Morungen ihren höfischen Anfang nimmt. 5 0 Bei aller Traditionalität derartiger textueller Verfahren - sowohl in Hinblick auf die jeweils zitierten Gestalten und Sujets als auch in Hinblick auf ihre rhetorische Form - lassen sich dennoch spezifische Akzentuierungen feststellen. Dies gilt zumal auch für so feste Topoi wie jenen vom Frauensklaven (zumeist mit Aristoteles, Vergilius oder Alexander verbunden): Er soll unter der Perspektive des höfischen „Minnemythos" nicht mehr mit klar misogyner Tendenz die unheilvolle Dominanz der Frau, selbst über den hervorragendsten Mann, sondern die Macht der Liebe demonstrieren. Zu betonen bleibt, dass diese Anspielungspraxis nicht einfach rhetorisches Beiwerk ist. Sie entwickelt innerhalb des jeweiligen Textes durchaus einen signifikanten poetischen und poetologischen Sinn. In einem wechselseitigen Prozess reiht sich der Text auf diesem Wege nicht nur in eine Tradition ein, sondern akzentuiert sie zugleich neu. So kann gerade scheinbare rhetorische Konventionalität zu innovativer poetischer Rede führen. Weniger deutlich lassen sich derartige Prozesse innerhalb der didaktischen, chronistischen und geistlichen Literatur nachzeichnen. Auch hier gibt es natürlich die entsprechenden Muster, sie bleiben insgesamt aber konventioneller. Die beiden zentralen Formen, zumal für Zitationen antiker Dichter und Philosophen, bilden die Meisterberufung und das didaktische Exemplum. Zentrale Topoi sind „laus temporis acti" und Zeitklage, „vanitas", Herrscherlob und Herrscherkritik, Lob der Gelehrsamkeit und die stereotype Klage über deren gegenwärtige Geringschätzung. Jeder Topos hat dabei sein spezifisches Gestaltenrepertoire: einerseits die antiken Auetores und Herrscher, andererseits die entsprechenden mythologischen Beispielgestalten für weibliche Schönheit Venus, Helena) oder männliche Tapferkeit Achilles, Hector) und für Liebesleid (vor allem -* Dido, Pyramus und Thisbe). So wie das Spektrum der in der mittelhochdeutschen Literatur genannten antiken Gestalten ein im Wesentlichen repräsentatives Bild mittelalterlicher Antikerezeption abgibt, entsprechen auch Gattungen, Rhetorik, Sujets und Interpretationsweisen jener Bandbreite an Rezeptionsstrategien, die die mittelalterliche Literatur insgesamt kennt. Auch dies sollte an der Geschichte der Gestalten, die das vorliegende Lexikon verzeichnet, ablesbar sein.
49 50
Kern, Edle Tropfen, 31 Off.; -» Aeneas -» Paris (II.3).
(113).
Antikerezeption im Mittelalter
XLV
3.4. Deutungsverfahren Das „Herzstück" mittelalterlicher Antikerezeption bildet zweifelsohne die Mythologie, die zur Zeit des Aufkommens des Christentums längst auch und vor allem eine literarische Mythologie geworden ist. Insofern zählt sie zum essenziellen antiken Bildungsgut in Dichtung, Philosophie und Kunst. Zugleich bleibt sie aus christlicher Perspektive natürlich geglaubte pagane Religion, die nicht nur als poetische Fiktion existiert und daher auch bekämpft werden muss. Das Christentum gesteht dem antiken Mythos eine Ernsthaftigkeit zu, die er möglicherweise nie hatte, und legt an ihn die Maßstäbe einer dogmatischen Offenbarungsreligion an, denen er sich grundsätzlich nicht fügt. Das Verfahren ist einerseits inadäquat, ermöglicht andererseits aber jene argumentative Schärfe, durch die die christlich-apologetische Polemik erst richtig zur Wirkung kommen kann (im Sinne einer Selbstvergewisserung ebenso wie als Instrument im intellektuellen Glaubenskampf). Sie lernt die entsprechenden Varianten, Spekulationen und opulenten Bilder, die die Mythologie stellt, zu analysieren und zu destruieren. Hans Blumenberg hat über das Verfahren ausgiebig gehandelt. 51 Dabei ist bereits in der ersten Phase der Auseinandersetzung zu sehen, dass die Polemik gerade nicht ohne die rhetorische Leistungsfähigkeit und die eindringliche und griffige Bildlichkeit auskommt, die der antike Mythos bietet, wie das Beispiel des neuen Orpheus bei Clemens von Alexandria zeigte. Mit dem so genannten Sieg des Christentums beruhigt sich die apologetische Verve. Die Ausbildung einer neuen christlich-spätantiken und einer mittelalterlichen Kultur auf der Basis der Antike machte nun eine Verständigung, eine „Versöhnung" mit der Mythologie notwendig. Dafür konnte man auf eine ebenfalls bereits antike Tradition der Deutung zurückgreifen. In der Antike sollte sie die mythologische Wahrheit mit den Standards einer durch Philosophie und Wissenschaft bereits aufgeklärten Intellektualität vereinbar machen und ließ die Mythologie zu einer quasi autonomen Welt der poetischen Spekulation werden. Der Literalsinn des Mythos tritt in ein metaphorisches Verhältnis zur herrschenden Wirklichkeitsauffassung und diese Konstellation kann von der christlichen Bildungskultur mehr oder weniger direkt übernommen werden. Es sind im Wesentlichen drei hermeneutische Verfahren, die den interpretativen Zugriff auf den Mythos lenken: die euhemeristische oder historische, die physikalische und die allegorisch-moralische Tradition. 52
51
Hans Blumenberg, Wirklichkeitsbegriff und Wirkungspotential des Mythos, in: Terror und Spiel [ A n m . l ] , 1 1 - 6 6 (wieder abgedruckt in: Ders., Ästhetische und metaphorologische Schriften. Auswahl und Nachwort von Anselm Haverkamp, Frankfurt a. M . 2 0 0 1 , 3 2 7 - 4 0 5 ) .
52
Die Terminologie folgt Seznec, Das Fortleben.
XLVI
Einführung 3.4.1. Historische, allegorische
und physikalische
Tradition53
Die euhemeristische oder historische Deutung behauptet, die Götter seien einst bedeutende Menschen gewesen, die ihrer Wohltaten oder besonderen Fähigkeiten wegen von den Späteren als Götter verehrt worden seien. Der Begriff leitet sich von dem griechischen Autor Euhemeros ab, der die Methode in seinem (verlorenen) Roman .Hiera anagraphe („Die heilige Inschrift", 3. Jh. v. Chr.) erstmals breit angewendet hat. Es handelt sich um ein Verfahren der Rationalisierung, wie es schon in den frühesten mythenkritischen Aussagen des Xenophanes (6. Jh.; die anthropomorphen Götter als Projektionen des Menschen) der Erklärung des im Mythos transportierten Unfasslichen, Vernunftwidrigen dient. Sein spiegelbildliches Vorbild ist dabei im Bereich des Mythos selbst zu finden, nämlich in der Apotheose: Wenn Herakles aufgrund seiner Taten nach dem Tode zum Gott wird, so ist es für einen vernunftgelenkten Zugang nahe liegend, dieses Prinzip umzukehren und allgemein zu behaupten, dass sämtliche Götter nichts anderes als Apotheosen darstellen. In die Kategorie der historischen Deutung lassen sich auch rationalistische Erklärungen mythologischer Gestalten einordnen, wie sie etwa die ,Apista' des Palaiphatos Palaephatus) bieten: Bei ihm gilt es, in allen mythologischen „Phantasmen" Überhöhungen ganz und gar profaner Vorgänge und Erscheinungen zu fassen, die sich aus der Naivität der Alten erklären. So sind die Kentauren nach Palaiphatos nichts anderes als die ersten und hervorragendsten Reiter gewesen, die einer reitunkundigen Bevölkerung natürlich so erscheinen mussten, als wären sie mit ihren Pferden verwachsen (,Apista' 1). Der Euhemerismus zählt zu den in der mittelalterlichen Mythenrezeption erfolgreichsten Interpretationsmethoden. Er kann je nach Intention polemisch oder explikativ eingesetzt werden, Ersteres vor allem in der Tradition christlicher Apologetik, Letzteres in extenso in der mittelalterlichen Kosmo- und Historiographie. Die physikalische Methode hat ebenfalls eine lange Tradition. Am deutlichsten zu fassen ist sie im Bereich der Astrologie. Nach babylonischem Vorbild ordnet schon die griechische Antike ihre Götter und Heroen den Planeten und Sternbildern zu. Der Prozess ist im Hellenismus abgeschlossen. Die Planeten sind in der Folge jene neuen „Domänen", in denen die alten, vom Olymp vertriebenen Götter Homers ihre Plätze wieder einnehmen können. Insofern die Astrologie den Sternen im Sinne des selbst wiederum mythischen Modells eines Zusammenhangs von Mikro- und Makrokosmos einen direkten Einfluss auf Weltvorgänge und Menschenleben zugesteht, können die Planetengötter nunmehr sozusagen physikalisch nachweisbare Wirkung entfalten. In weiterer Folge führt daher gerade die physikalische Deutung der Götter zu ihrer Dämonisierung in der christlich-mittelalterlichen Astrologie:54 Die Planeten können von ihr nicht bloß als mit antiken Götternamen bezeichnete Himmelskörper, sondern tatsächlich als Sitze der nunmehr zu Dämonen degradierten Iuppiter (II.1B), Mars (II. 4), Mercurius (II.3), Saturnus (II.3) und Venus (II.3B) aufgefasst werden. Dieses „Absinken" der Götter ist außerdem in einem Bereich zu fassen, der einen der Hauptansatzpunkte christlicher Kritik an der heidnischen Religion bildet, nämlich
Antikerezeption im Mittelalter
XLVII
in der Idolatrie. Das Christentum entwickelt eine ganz erstaunliche Phobie gegenüber den antiken Götterstandbildern, in denen es Dämonen wirken sieht. In der Literatur verbindet sich das Motiv zumal mit Apollo (IIA) und mit Venus (II.3C). Der Ikonoklasmus, von dem dabei meist die Rede ist, zielt nicht bloß auf eine symbolische Zerstörung ihrer Macht, sondern bedeutet zugleich eine exorzistische Handlung, die den als Dämon weiterlebenden Gott austreibt. Erstaunlicherweise verwirft diese besonders polemische und aggressive Deutung die Götter nicht einfach als nicht existent, sondern setzt sie gewissermaßen unfreiwillig in Recht und Amt, indem es ihnen nach wie vor eine nicht unerhebliche Wirkung zugesteht. Die besondere Bedeutung christlicher Statuenfeindlichkeit erklärt sich zum einen aus dem jüdisch-christlichen Bilderverbot, mag zum anderen aber auch auf die antike Ästhetik einer möglichst lebensechten Darstellung zurückzufuhren sein, die auf die christliche Wahrnehmung des antiken Götterbildes eine ambivalente Faszination ausgeübt hat. Letzteres manifestiert sich punktuell im Rombericht des Magister Gregorius (um 1200), der sehr anschaulich den Eindruck schildert, den eine Venusstatue auf ihn gemacht hat; außerdem in dem bekannten Sagentypus von der Statuenliebe, der sich auf die antiken Anekdoten zurückführen lässt, die sich um die knidische Aphrodite des Praxiteles ranken. Der Bericht des Gregorius steht im Übrigen durchaus in mittelbarer Beziehung zu dieser Sage. 55 Unter dem Titel „allegorische Deutung" sind die vielfältigsten und produktivsten Strategien der Auslegung antiker Mythologeme zu subsumieren. Grundsätzlich will sie im jeweiligen Mythos oder in der jeweiligen mythologischen Gestalt einen verborgenen Sinn, eine tiefere Wahrheit erkennen, die sich im Gewand der Fiktion, der „Fabel", verbirgt. Die Denkfiguren, die dabei im Hintergrund stehen, sind mannigfaltig. Meist ist die Botschaft moralischer Art: Hercules liest sich unter diesem Aspekt als Sinnbild der Tugend, Odysseus, der an den Sirenen vorbeifährt, symbolisiert den Sieg des Vernünftigen über die Begierde, christlich verstanden den Sieg des Gläubigen über die Sünde, Orpheus' Gang in die Unterwelt kann den Versuch der Rettung der geliebten Seele und Pyramus' Selbstmord gar Christi Opfertod bedeuten. 56 Das letztgenannte Beispiel findet sich im ,Ovide moralise' (IV, 1150ff.). Es zeigt, dass die Deutungen zunehmend kühner werden können und dass man selbst „in den Liebesaffären der Götter nach den Sakramenten des Evangeliums sucht", wie es Jean Seznec 57 formuliert. Damit bekommt der Mythos eine überraschende Qualität zugestanden: Er kann mitunter gar heilsgeschichtliche Tatsachen beglaubigen, weil sie in ihm zu einer Zeit als „erahnt" zu fassen sind, die sie noch nicht als offenbart wahrnehmen konnte. Die Einkleidung des
53 54
55 56 57
Zum Folgenden Seznec, Das Fortleben, passim und Brisson, Philosophie des Mythos, passim. Seznec, Das Forleben, 34ff.
-» Venus (II.3C). -» Hercules (II.l), -> Ulixes (IIA), -> Orpheus (II.2), Seznec, Das Fortleben, 2 1 0 .
Pyramus und Thisbe (IIA).
Einfuhrung
XLVIII
wahren moralischen Sachverhalts kann außerdem als bewusster Akt des Autors verstanden werden: D e r Mythos vermittelt nach dieser Anschauung einem unkundigen Publikum - ähnlich wie etwa die Tierfabel — vernünftige Lehre in eingängiger, fassbarer Form. M i t u n t e r können mythologische Gestalten und antike Autoren auf diese Weise auch als heidnische Propheten oder gar als Kryptochristen vereinnahmt werden: Besonders deutlich wird dies an der christologischen D e u t u n g der vierten Ekloge Vergils gilius
Ver-
[II.1B]).
Allegorische Deutung macht nun auch insofern eine „Nobilitierung" des Mythos möglich, als sie ihn gleichnishafit auf christologische Sachverhalte im engeren Sinn anwendbar macht. W i r sind dieser Strategie bei Clemens von Alexandria und seinem Lobpreis Christi als des neuen Orpheus begegnet. Hier fassen wir eine wichtige Sonderform allegorischer Deutung, die jener der Typologie entspricht (der Gegenüberstellung alttestamentarischer und neutestamentarischer Gestalten nach dem Muster von Verheißung und Erfüllung): W e n n Clemens Christus als den wahren Sänger preist, so konstruiert er implizit eine typologische Relation zwischen dem alten, defizienten mythologischen und dem neuen, wahren Orpheus. D e r Relation kann wie hier, muss aber nicht ein polemischer Sinn unterlegt sein. Für die Wirksamkeit des mythologischen Bildes ist aufschlussreich, dass es auch in diesem Fall gerade umgedeutet aufgerufen und eben nicht einfach verworfen wird, was aus apologetischer Sicht ja das Konsequentere wäre. Das typologisierende Muster ist jedenfalls für die Geschichte christlicher Mythenrezeption von eminenter Bedeutung und dokumentiert das ungebrochene „Wirkungspotenzial des M y t h o s " (Hans Blumenberg). Er ist auch in der christlichen Epoche unverzichtbarer Bestandteil jeder Form poetischer Rede, selbst wenn es sich um einen theologischen Diskurs handelt. Systematisch angewendet wird das Verfahren in Konkordanzen biblischer und mythologischer Sujets und Gestalten, wie sie beispielhaft die ,Ecloga Theoduli' bietet. Bei den allegorischen Interpretationsweisen ist im Einzelnen zu unterscheiden, welcher Grad an Wahrheitsfähigkeit der Mythologie zuerkannt wird: Die Palette reicht von der Ansicht, ein Autor hätte die Wahrheit bewusst im „figmentum" des Mythos verpackt, über die These, im Mythos werde (christliche) Wahrheit erahnt, bis hin zur „sekundären" Konstruktion, die den Mythos als eingängiges Gleichnis auffasst, ohne ihm zuzugestehen, diese Wahrheit von selbst und ursprünglich zu implizieren. Hinter allen drei Möglichkeiten verbergen sich signifikante intellektuelle T h e o r e m e : D i e T h e se von der bewussten „Codierung" der Wahrheit in der Lüge ist letztlich ein elitäres Modell, das die Fähigkeit zur Wahrheit nur einem bestimmten Kreis von Gebildeten und Eingeweihten zugesteht; die Ahnerthese setzt die mythenfreundlichste Perspektive voraus und findet nicht zufällig ihre Verfechter unter den christlichen „Humanisten" des Mittelalters, wie Theodulf, Johannes von Salisbury oder Hildebert von Lavardin. 58 Die These von der sekundären Konstruktion zeugt immerhin davon, dass diejenigen,
58
Hierzu Seznec, Das Fortleben, 69 ff. und Brisson, Philosophie des Mythos, 177ff.
Antikerezeption im Mittelalter
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die sie anwenden, von der ästhetischen und rhetorischen Qualität des Mythos nach wie vor überzeugt sind.
3.4.2. Literarische Tradition Die aufgelisteten Deutungsverfahren sind — um mit Seznec zu reden59 — die entscheidenden und handlichen Schlüssel, die dem Christentum den Zugang zur antiken Mythologie und damit zum Zentrum antiker Kultur eröffnen. In diesem Faktum liegt zugleich die geistesgeschichtliche Bedeutung der Mythenhermeneutik begründet. Zum Zeitpunkt des Einsetzens der deutschen Rezeption handelt es sich natürlich um längst etablierte, konsolidierte und systematisierte Verfahren. Die mit ihnen garantierte Akzeptanz der Mythologie, insbesondere als Medium poetischer Darstellungsweise, führt dazu, dass sich die Texte dort, wo sie mythologische Sujets behandeln, also etwa im Antikeroman, keine großen Gedanken über den Widerspruch zwischen paganem Göttermythos und christlicher Religion zu machen haben. Die Götter und Heroen der antiken Mythologie können wieder als die erscheinen, die sie schon waren: als Götter und Heroen der Literatur. Wir begegnen somit neben den genannten Deutungstraditionen auch einer literarischen Tradition, die antike Mythen durchaus ohne weiteren deutenden Kommentar narrativ berichten kann. Beispiele geben Heinrichs von Veldeke ,Eneasroman', in dem Venus nicht nur „allegorisch" als Personifikation der Liebe, sondern auch als göttliche Mutter des Aeneas auftritt und ihm als solche von ihrem göttlichen Gatten Vulcanus wie bei Vergil göttliche Waffen besorgt. Hier und in der angeschlossenen Erzählung vom „Adulterium Veneris" (das von Vulkan entdeckte Ehebruchsverhältnis zwischen Venus und Mars) behält der Mythos seinen Literalsinn im Sinne einer poetischen Erzählung. Ahnliches gilt für die .Metamorphosen' Albrechts von Halberstadt, die bezeichnenderweise gerade auf jenes umfassende Deutungsprogramm verzichten, das ein gutes Jahrhundert später der ,Ovide moralise' aufbieten wird. Auch hier steht die mythologische Weltgeschichte, die das ovidianische Werk bietet, für sich selbst. Im Prolog wird zwar explizit auf deren „lügenhaftes" Wesen verwiesen. Angesichts des erzählerischen Aufwands der in den folgenden Büchern betrieben wird, kann diese Polemik aber als nicht mehr denn ein wohlfeiler Topos angesehen werden. Zu dieser literarischen Tradition sind nun auch die standardisierten rhetorischen Typen zu rechnen, in denen mythologisches Personal - sei es im Exemplum, sei es im Vergleich - umfassend zitierbar bleibt. Die Rhetorisierung der Mythologie setzt die genannten Deutungsverfahren insofern voraus, als diese erst eine „unproblematische" Rezeption ermöglichen. Auch hier hat der Mythos zumeist keine andere Bedeutung als die, die sein Literalsinn hergibt, mitunter zeigen sich freilich gerade im Rahmen des Vergleichs und des Gleichnisses die Verfahren der Mythendeutung assoziiert. Dass dies
59
Seznec, Das Fortleben, 95.
L
Einführung
aber nicht einmal dann notwendigerweise der Fall sein muss, wenn sich ein Mythologem besonders zur allegorischen Deutung anbieten würde, zeigen sehr schön die Parzen, die in der ,Cröne' Heinrichs von dem Türlin für Artus' Lebensweg verantwortlich zeichnen (-> Parcae [I.B1J). Natürlich wird man die Rede, dass Clotho und Lachesis den Lebensfaden des Königs lang gesponnen haben, Atropos ihn aber dennoch leider kappen musste, als gleichnishafte Rede auffassen. Eine explizite allegorische Deutung fehlt freilich. Das Mythologem genügt sich als poetisches Bild, das nicht weiter hinterfragt oder gedeutet wird, sondern im Sinne auch des literarischen Sujets, das der Roman bietet, plausibel ist. Festzustellen ist nun natürlich, dass die literarische Tradition den Göttern keine besonderen „divinen" Fähigkeiten zugesteht oder diese wenigstens nicht forciert. Sie erscheinen vielmehr grundsätzlich in höfischer Verkleidung (und dies in ganz wörtlichem Sinn). Venus, Vulkan und das übrige Personal der ,Metamorphosen' handeln und treten auf als höfische Damen und Herren, als höfische Menschen. Diese Form der Mediävalisierung lässt sich nun wiederum als Reflex des Euhemerismus fassen. Dies belegt nicht zuletzt der ,Trojanerkrieg' Konrads von Würzburg, der mit der Darstellung eines Götterfestes anlässlich der Hochzeit von Peleus und Thetis beginnt und in dem Defilee der Gäste ein besonders markantes Beispiel höfischer Travestie bietet. Sie entspricht durchaus der Mediävalisierung antiker Sujets in der bildenden Kunst, zumal in der Buchmalerei. Wir fassen hier klar die eine Ausprägung des „Prinzips der Disjunktion": Antiker Inhalt erscheint in mittelalterlicher Form.60 Angeschlossen ist bei Konrad der ausführlichste euhemeristische Exkurs, den die mittelhochdeutsche Literatur kennt. 61 Er bringt die entsprechenden Erklärungen: Die Götter, die hier auftreten, seien natürlich keine gewesen, sondern als solche nur aufgrund ihrer magischen und wohltätigen Fälligkeiten betrachtet worden. So erscheint auch Venus als euhemerisierte höfische Dame, also menschlich und sterblich, avanciert beim Streit mit Pallas und Iuno aber gleichwohl zur Herrin und Allegorie der Liebe. Dies dokumentiert zum einen, dass die Deutungsperspektiven zwanglos ineinander greifen können. Zum anderen ist zu betonen, dass der nüchternen, rationalisierenden Deutung eine besonders inspirierte und poetische Szenenführung gegenübersteht, die dem mythologischen Panorama doch auch wieder seinen angestammten poetischen Reiz zurückgibt. Auch hier bedeuten die Götter somit grundsätzlich nichts anderes, sind sie keine Allegorien, sondern plastische literarische Figuren, die wie ihre homerischen Kollegen nach wie vor mehr vermögen und anderes sind als ihre höfisch-menschlichen Pendants, auch wenn der euhemeristische Exkurs dies zunächst negieren will.
60
61
Hierzu Panofsky, Renaissancen, 88ff. Eine interessante Ausnahme bilden die Miniaturen der Berliner Handschrift von Veldekes Eneasroman (Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 282). Sie zeigen die Gestalten in einer weitgehend antikisierenden Ikonographie, sieht man von den ritterlichen Kampfdarstellungen ab. ,Trojanerkrieg' 858ff.; -» Iuppiter (I.A4/II.1A).
Antikerezeption im Mittelalter 3.4.3.
Deutungen
in der deutschen
LI
Literatur
Konrad gibt eines der signifikantesten Beispiele für die Verarbeitung der Deutungsverfahren auch in der deutschen Mythenrezeption. Seine „theoretische" Äußerung weist auf eine genauere Kenntnis der mythographischen Tradition des Mittelalters und auf den Bildungshorizont des Autors hin, der sich auch in seinem versierten Umgang mit antiken Quellen, vor allem mit den Werken Ovids manifestiert. Der „angewandte" Euhemerismus repräsentiert nun grundsätzlich auch in der deutschen Literatur ein beliebtes und flexibles Deutungsverfahren. Vertreten ist dabei das gesamte Spektrum: Die rein historisierende Deutung ist vor allem in direktem Bezug auf die mittellateinische Weltchronistik in der ,Weltchronik' Rudolfs von Ems rezipiert; 62 hier findet sich unter anderem auch ein Hinweis auf Palaiphatos Palaephatus). Die polemische Variante ist in den beiden ,Barlaam'-Legenden Ottos von Freising und Rudolfs von Ems in extenso zu fassen. Eine popularisierte Anwendung findet sich in der Schönheitsüberbietung: So beerben etwa bei Wolfram von Eschenbach oder bei Rudolf von Rotenburg die jeweiligen Minneherrinnen eine als verstorben gedachte Venus oder die alten Liebesgöttinnen als Verkörperungen weiblicher Schönheit und erotischer Attraktivität. 63 Die Vergleichsrelation zeigt sich dabei durchaus typologisch akzentuiert. Direkt greifbar ist dies in der Helena-Uberbietung durch Isolde bei Gottfried von Straßburg Helena [I.B1J). Die Stelle entwickelt in Analogie zur Idee der „translatio imperii" die Vorstellung einer „translatio amoris", wenn die neue Sonne von Irland, Isolde, die alte Sonne von Mykene, Helena, überbietet. Eine analoge Denkfigur ist in den revidierten Parisurteilen zu fassen. Die Beispiele zeigen, dass die höfische Literatur durchaus fähig ist, traditionelle hermeneutische Verfahren der Mythographie zu übernehmen und innovativ im Sinne kontextueller Intentionen anzuwenden. Dabei werden nicht nur vorhandene Methoden (die apologetische, die historiographische, die typologische) unter je gattungsspezifischen Bedingungen fortgesetzt, sondern es lassen sich mitunter mit einiger Wahrscheinlichkeit auch eigene Traditionslinien innerhalb der deutschen höfischen Literatur nachM
weisen. Ahnliches gilt auf der Ebene der allegorischen Deutung für die zentrale Form der Liebesallegorie. Hier sind die Entwicklungsvoraussetzungen und -zusammenhänge am besten nachzuzeichnen, und es bestätigt sich auch der Befund, den die Analyse der Vermittlungswege und der Stoffentwicklung erbracht hat: Die mittelhochdeutschen Belege
62
Z u den griffigsten Beispielen zahlen die D e u t u n g der N y m p h e lateinischen Alphabets und die ihres Sohnes vgl. ferner vor allem -» Ganymedes (I.E2), -* Triptolemus (I.EI)
63 64
Venus
und -* Atlas (I.EI)
Nicostrata
Pluto (I.EI),
den als Kulturbringer aufgefassten
als den ersten Astronomen.
(I.C2/C7).
So am Beispiel des „revidierten Parisurteils",
als Erfinderin des
Latinus (I.EI) als Reformer der lateinischen Sprache,
Paris (II.3),
Venus
(II.2B).
LII
Einführung
halten einerseits Kontakt zu den entsprechenden Vorbildern in der romanischen und lateinischen Literatur. Gleichzeitig bilden sich wiederum eigene höfische Traditionen aus, wie zumal am Beispiel der „ B i l d a l l e g o r i e " z u erkennen ist. Die kanonischen Texte sind Heinrichs von Veldeke ,Eneasroman' und für einen ganz spezifischen Typus Wolframs ,Willehalm'. 65 Die spätere lyrische und diaktische Amor- und Venus-Allegorie zeigt klare Kenntnisse der mythographischen Tradition. Produktivität und innovatorische Umsetzung manifestieren sich in Texten wie den Leichs des wilden Alexander und Konrads von Würzburg. An der Geschichte der Liebesallegorie werden somit insgesamt inter- und innerliterarische Zusammenhänge sowie Entwicklungsprofile der deutschen Antikerezeption in nuce und idealiter nachvollziehbar. Ansonsten ist die allegorische Deutung neben dem Euhemerismus die verbreitetste „gelehrte" Methode, die auch in der Volkssprache zu fassen ist. Beispiele finden sich zumal unter den Belegen zu den Musen Musae), den Sirenen (-> Sirenes), nimmt man die mythologischen Gleichnisse hinzu, so außerdem unter Tantalus und Narziss (-* Narcissus). Im Falle der Sirenen lässt sich wieder ein besonders breites Bedeutungsspektrum ausmachen: Wir fassen bei Konrad von Würzburg die christlich-moralische Deutung mit klar negativer Sinngebung. Dagegen fungiert der Vergleich der singenden Isolde mit den Sirenen in Gottfrieds .Tristan' als ambivalentes Bild, das die negative geistliche Sinngebung des Mythologems durchaus aufruft, aber zum affirmativen Bild für Kunstschönheit und erotische Attraktivität umformt. Das Beispiel zeigt, wie sich gerade über derartige traditionelle Muster der hermeneutische Horizont eines Textes zu öffnen vermag. Nicht zufällig hat die Stelle eine entsprechende Nachwirkung in der folgenden Literatur erfahren. Unterrepräsentiert ist im Corpus des „Lexikons der antiken Gestalten" schließlich die physikalische Interpretation, die keineswegs in der Breite zu fassen ist, in der sie Seznec nachweist. Die Planetennamen sind natürlich auch der mittelhochdeutschen Literatur bekannt und astrologische Kenntnisse werden zumal in der „Wissensliteratur" (Sangspruchdichtung, Didaxe, geistliche Kommentarliteratur) verarbeitet. Ausführlichere Konzeptionen kommen dabei freilich kaum zur Sprache und nur in wenigen Fällen wird die Vorstellung vom Planetengott greifbar, wenn vom Planetennamen die Rede ist. Die dämonologische Interpretation ist freilich durchaus in Zusammenhang mit der christlichen Polemik gegen die Idolatrie zu belegen. Beispiele finden sich unter Apollo (II. 1/4) und natürlich unter Venus (II.3C).66 Eine eigene Kategorie bildet schließlich die Vorstellung, dass die antiken Götter auch die Götter der zeitgenössischen Muslime seien. Hier wird jene Polemik gegen den heidnischen Götzendienst und die Abgötter wieder aktuell, die in der Mythenrezeption ansonsten kaum mehr von Bedeutung ist. Der wichtigste rezente Heidengott ist Apollo (II. 1/4), die Vorstellung verbindet sich auch mit Iuppiter (II.4), schließlich 65 66
-* Amor/Cupido (H.4), hierzu Kern, Amors schneidende Lanze. Für Weiteres vgl. die Äußerungen zur Entstehung der Idolatrie in der Weltchronik' Rudolfs von Ems (-» Belm [I.EI/II.], -» Daedalus [I.E1/II.2J).
Antikerezeption im Mittelalter
LIII
selbst mit Venus (II.3D), was angesichts der Bekanntheit und der Präsenz der Göttin als Liebespersonifikation irritiert. Die Mythenrezeption verträgt somit auch in der mittelhochdeutschen Literatur eine erstaunliche Widersprüchlichkeit und zeigt sich äußerst diversifiziert. In den unterschiedlichen hermeneutischen Zugangsweisen zu den Gestalten der antiken Mythologie wird neuerlich jenes Phänomen fassbar, das wir „Fragmentierung" genannt haben. Formen der „interpretatio christiana", um dies abschließend anzumerken, zeigen nicht nur die allegorischen Leseweisen der Mythologeme, sondern auch die Bewertungen einiger historischer Gestalten. So werden die antiken Dichter und Philosophen als dem Christentum nahe stehende Auetores gefasst, namentlich gilt dies für CiceroPlato, Ovidius, Seneca, Statius und Vergilius, Als heidnische „Erahnerinnen" des göttlichen Heilsplans gelten außerdem die Sibyllen, zu denen sich im Mittelalter, basierend auf antiken Vorstellungen, eine komplizierte und lebendige Tradition ausbildet Sibylla [II.]). Eine spezifische Form der „interpretatio christiana" entwickelt schließlich die christliche Historiographie: Der heilsgeschichtliche Blick lässt die Weltgeschichte auf wenige signifikante Daten und Gestalten zusammengedrängt erscheinen, beispielhaft zu sehen ist dies an den Reflexen der Theorie von den vier Weltreichen in der Chronistik. 67 Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass in der Mythenrezeption und Mythendeutung auch der mittelhochdeutschen Literatur die interessantesten und geistes- wie literaturgeschichtlich aufschlussreichsten Beispiele für den gesamten Forschungsgegenstand zu erkennen sind. Die mittelhochdeutsche Rezeption bestätigt die Vieldeutigkeit des Mythos, sein Potenzial zur Produktion literarischer Bedeutsamkeit und nicht zuletzt seine ästhetische Qualität. Auch hier sind entsprechende Prozesse abzulesen, entwickeln sich komplexere Verfahren und kristallisiert sich besonders im Bereich von Lyrik und Roman ein spezifisches Interessenprofil heraus. Die kontextuelle Funktion der zitierten Mythologeme erschöpft sich dabei nicht in der Reproduktion traditioneller hermeneutischer Verfahren und rhetorischer Topik, sondern dient der Entwicklung mehrschichtiger, mitunter unkonventioneller Sinndimensionen. Diese poetische Produktivität lässt sich zumal an den kanonischen Beispielen, so bei Gottfried von Straßburg, Heinrich von Morungen oder Konrad von Würzburg luzide ablesen.
4. Zusammenfassung: Deutsche Antikerezeption, Literatur- und Bildungsgeschichte Die Antikerezeption ist für die mittelalterliche Geistesgeschichte im Allgemeinen und für die mittelalterliche Literatur im Besonderen von grundsätzlicher Bedeutung. Die in der Antike entwickelte und vom Mittelalter tradierte und neu gefasste europäisch-literarische
67
-> Aeneas (II.l),
-» Alexander
( I I I ) , -> Augustus
(IIA),
Caesar (IIA 12).
LIV
Einfuhrung
Tradition bildet eine sichere und von allen mittelalterlichen Literaturen geteilte Basis, über die nicht zuletzt interliterarischer Austausch stattfindet. Die Antikerezeption der deutschen Literatur ist dabei weitgehend eine mittelbare. Sie orientiert sich an den französischen und lateinischen Vorbildern. Natürlich erklären sich Entwicklung und zunehmende Profilierung der deutschen Literatur nicht alleine aus der Rezeption der Antike. Doch beziehen sie aus ihr entscheidende Impulse: Der höfische Roman ist wesentlich von der Arbeit am antiken Sujet geprägt, die der ,Eneasroman' Heinrichs von Veldeke erbracht hat. Für den Erfolg von Veldekes neuer poetischer Sprache und fur die Durchschlagskraft seiner neuen Gestaltung des Minnethemas zeichnen nicht zuletzt jene metaphorischen und allegorischen Darstellungsmuster verantwortlich, die aus antiken Mythologemen gewonnen werden. Uber die mythologischen Anspielungen in der höfischen Lyrik und Epik erarbeiten sich die deutschen Texte eine traditionelle Rhetorik und Topik, die sie mit den anderen Literaturen verbindet und die zentrale Strategien intertextueller Vernetzung darstellen. Formen des Exemplums und des Vergleichs - ursprünglich und traditionell die Domäne antiker Gestalten - sind auch auf die mittelalterlichen Sujets übertragbar: Dem DidoExemplum tritt das Tristan-Exemplum zur Seite, dem Helena-Vergleich der mit Enite. Mythologische Rhetorik und Topik liefern somit die Muster konkreter intertextueller Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen aktuellen Literatur. 68 Da den mythologischen Sujets zudem eine besondere „Poetizität" eignet, schärft sich über deren Rezeption auch der Sinn fur komplexe poetische Setzungen, wie der Vergleich Isoldes mit den Sirenen im .Tristan' Gottfrieds von Straßburg schlaglichtartig erkennen lässt. Hier finden wir auch ein eindringliches Zeugnis für die Entdeckung poetischer Ambivalenz. Sie ergibt sich wie gesagt aus der Spannung einer negativen Auslegungstradition in der geistlichen Literatur und der positiven Akzentuierung des mythologischen Bildes im höfischen Frauenpreis. Uber Zitationen antiker Sujets und Gestalten mag außerdem eine durchaus betonte und wiederum ambivalente „Welthaltigkeit" einfließen, die sich in Aspekten wie Erotik, Sinnlichkeit und moralischer Subversion greifen lässt — Aspekte, die mit Gestalten wie Venus, Amor, Helena oder Dido unweigerlich aufgerufen werden. Der antike Mythos zeichnet sich durch die hohe ästhetische Qualität der Bilder und Vorstellungen aus, die er vermittelt. Nicht zufällig ist er bis in die Gegenwart das Medium der Literatur schlechthin, sind die Götter der Mythologie vor allem die Götter der Literatur. An der Affinität zum mythologischen Bild, zumal in der höfischen Epik und Lyrik, ist somit auch die Entwicklung eines Verständnisses der ästhetischen Wirkungsmöglichkeiten von Literatur und der fur sie konstitutiven Poetizität abzulesen. Dass diese Poetizität eine Qualität des literarischen Textes ist, die nichts über sie Hinausgehendes bedeuten muss, sondern für sich steht, ist eine „Erkenntnis", die den 68
Dies zeigen insbesondere die Anspielungen Wolframs von Eschenbach auf Heinrich von Veldeke; hierzu Kern, Edle Tropfen, 27 Iff.; -» Aeneas (I.B2), -» Amor/Cupido (I.B2/B3), -» Camilla (.I.B1/B2'), ~> Drances (I.B1), -» Rhadamanthys (I.B1).
Antikerezeption im Mittelalter
LV
Prozess der Genese jeder Literatur begleitet. In der mittelhochdeutschen Literatur wird dies zumal dort sichtbar, wo mythologische Zitate die poetische Eindringlichkeit der Texte vertiefen, wie etwa bei Heinrich von Morungen und Gottfried von Straßburg, oder wo die Mythologie zum literarischen Spiel gerät, wie in der ,Cröne' Heinrichs von dem Türlin oder im ,Trojanerkrieg' Konrads von Würzburg (Hochzeit von Peleus und Thetis, Parisurteil, Paris und Helena). Konrads,Trojanerkrieg' zeigt zudem, dass antike Sujets auch für die weitere Romanentwicklung von entscheidender Bedeutung sind, ein Faktum, das in der Geschichte des mittelhochdeutschen Alexanderromans mit seinen unterschiedlichen Konzeptionen und Interessen am deutlichsten zutage tritt. Der poetischen Kapazität der Antikerezeption steht ihre bildungsgeschichtliche Bedeutung zur Seite. Die zunehmende Erschließung antiker Sujets und die Aneignung der entsprechenden rhetorischen, hermeneutischen und historiographischen Verfahren in allen literarischen Gattungen sind Indikator eines tatsächlich bedeutenden Prozesses. Die volkssprachliche Literatur erarbeitet sich sukzessive einen umfassenden mittelalterlichen Bildungshorizont, den sie an ein Publikum vermittelt, das mit den kognitiven und ästhetischen Möglichkeiten einer hoch entwickelten Schriftkultur erst vertraut gemacht werden muss. Damit verbunden ist nicht nur die Vermittlung von Faktenwissen, sondern auch die Vermittlung von Strategien der Wirklichkeitserschließung und die Ausbildung einer Kompetenz im Umgang mit komplexen sprachlichen und bedeutungsgebenden Verfahren. Sie wirken zweifelsohne auf die intellektuelle Entwicklung der Gesellschaft bzw. ihrer Eliten entscheidend ein und können Weltauffassungen nicht bloß transportieren, sondern sie auch formulieren. Diese bildungs- und geistesgeschichtliche Vermittlungsleistung ist der volkssprachlichen Literatur als zentrale Aufgabe anheim gegeben und begründet ihre ästhetische wie historische Qualität. Sie ist nicht zuletzt ein essenzielles „Implikat" der Antikerezeption und manifestiert sich idealerweise in der konkreten Rezeptionsgeschichte eines Mythologems oder einer historischen Gestalt. Stellt man abschließend die Frage nach dem ,Antikebild" in der deutschen Literatur des Mittelalters, so ist noch einmal zu betonen, dass es sich aus verschiedenen Facetten zusammensetzt. Diese Facetten haben ihre je eigene Funktion, die nach mythologischen und historischen Sujets sowie nach den unterschiedlichen Rezeptionsstrategien der Gattungen differiert. Die „Diffusion" der Zugänge wird durch Schnittstellen etwa zwischen der poetischen, der didaktischen und der historischen Rezeption in den Gestalten der Trojasage oder der Alexanderhistorie kompensiert, die die einzelnen Zugangsweisen durchaus zusammenfuhren. Als eine solche Schnittstelle kann auch die entsprechende Rhetorik und Topik angesehen werden, die bekanntere und unbekanntere Gestalten der Mythologie, der antiken Historie oder Gelehrsamkeit in einheitlichen Kategorien des Exemplarischen oder Gleichnishaften verbindet. Abgesehen von diesen spezifischen bildungs- und literaturgeschichtlichen Aspekten lässt sich die Besonderheit der deutschen Antikerezeption im Wesentlichen auf zwei Ebenen skizzieren: Erstens an den rein stoffgeschichtlichen Akzenten, die sie setzt. Diese sind wiederum von mehreren Faktoren abhängig, so etwa davon, welche lateinischen und
Einfuhrung
LVI
romanischen Quellen ins Deutsche übersetzt werden. D i e zweite Besonderheit besteht in den aus der Rezeptionsdichte ablesbaren Interessenlagen. Sie gründen sich in der höfischen Lyrik und Epik auf die Eignung eines Sujets für die zentralen literarischen Grundthemen: Liebe und ritterliche Bewährung. In der Historiographie reüssieren jene Gestalten, die im Sinne legitimatorischer, dynastischer und reichspolitischer T h e o r e m e sowie der mittelalterlichen Geschichtsauffassung funktionalisierbar sind. Hier lassen sich zwei Zugänge feststellen, einerseits ein typisch laikaler, der im Erstaunlichen und Anekdotischen sein primäres Interesse findet, andererseits ein ambitionierter „wissenschaftlicher", der sich an der gelehrten Historiographie orientiert. Das eine Modell fassen wir in der ,Kaiserchronik' und in der ,Weltchronik' des Jans Enikel, das andere in der ,Weltchronik' Rudolfs von Ems. D i e grundsätzliche Vorstellung, die die deutsche Literatur von der Antike hat, stimmt mit der dominanten mittelalterlichen Auffassung überein. D i e Antike wird nicht - wie in der Renaissance — als Epoche sui generis angesehen, die durch eine lange Zwischenzeit von der Gegenwart abgeschnitten sei und daher „wiedergeboren" werden müsse. 6 9 An der Historizität der Antike und an ihrer historischen Besonderheit besteht im Mittelalter kein ausgeprägtes Interesse. A u f diese Weise wird sie jedoch gerade zu j e n e m Fluchtpunkt, auf den sich die Gegenwart im Sinne eines ambivalenten „VorBilds" bruchlos beziehen kann. D i e antike Kultur wird von der mittelalterlichen nicht als fremde, sondern als eigene Vergangenheit angesehen. D a h e r ist sie auch jene Zeit, auf die sich die zeitgenössische Reichsidee, die zeitgenössische Bildung, die Vorstellung von „chevalerie" und die Konzeption „höfischer Liebe" rückprojizieren lassen. W i e präsent dieser Gedanke auch den volkssprachlichen Autoren ist, belegt der Prolog von Chretiens de Troyes ,Cliges' (um 1 1 7 6 , Verse 30ff.). Er bietet eine kurze Geschichte des Rittertums und der „clergie", die vom antiken Griechenland ihren Ausgang n i m m t und über R o m in die französische Gegenwart mündet. D i e Stelle ist vielleicht das Vorbild für den Bericht von den Zeitaltern der Ritterschaft im ,Moriz von Craün' ( - » Caesar [I.B3D,
der von Troja über Alexander und R o m bis in die Zeit Karls des G r o ß e n führt. 7 0
W i r fassen in beiden Texten Reflexe der Idee einer „translatio" und die Ausläufer des Bildes von den Zwergen auf den Schultern von Riesen (wobei Chretien freilich betont, dass der R u h m der Griechen und R ö m e r vergangen sei, und somit die Gegenwart ins Recht setzt). Festzuhalten bleibt, dass die mittelalterliche Wahrnehmung einen epochalen Einschnitt tatsächlich kennt, der mitten in jene Periode fällt, die wir die römische Antike nennen: nämlich Christi Geburt. Sie markiert die wesentliche Zäsur zwischen einer Zeit „ante gratiam" und einer Zeit „sub gratia". D i e heidnische Antike, die in die erste Phase fällt, wird dabei als u m vieles weniger problematisch wahrgenommen. Kulturell betrachtet
69 70
Hierzu Panofsky, Die Renaissancen, 112ff. Kern, Edle Tropfen, 339ff.
Antikerezeption im Mittelalter
LVII
gilt sie mithin sogar als paradigmatisch. Weitaus ambivalenter ist die Wahrnehmung der paganen Epoche nach Christi Geburt, wie insbesondere der mittelalterliche Blick auf die römische Reichsgeschichte und deren Kaisergestalten zeigt. Er bleibt auf den Antagonismus von Christen- und Heidentum hin perspektiviert. Entsprechend fällt die Bewertung aus: Wer im Sinne der Heilsgeschichte zu vereinnahmen ist, gilt als positiv (man vergleiche Kaisergestalten wie Augustus, Titus oder Vespasianus); wer sich auf die Konfrontation mit der neuen Religion eingelassen hat, gerät zum Exemplum von Verderbtheit und Sünde. Die christlich-mittelalterliche Sicht entspricht dabei über weite Strecken der römisch-imperialen Perspektive. So ließe sich auch sagen, dass jene Gestalten, die die Geschichtsschreibung des Imperiums als positiv wahrgenommen hat, im Mittelalter christlich vereinnahmt werden (Ähnliches gilt für die Auetores wie Vergil, Ovid oder Seneca), diejenigen, die der „damnatio memoriae" verfallen sind, aber zusätzlich noch die christliche Verdammung erfahren (allen voran Nero). Auf dieser heilsgeschichtlichen Grundfolie einer Welt „ante gratiam" ist jedenfalls das Antikebild des Mittelalters zu sehen. Aus ihr ergibt sich auch seine fundamentale Ambivalenz. Die Antike wird nicht in ihrer Historizität, sondern in ihrer Exemplarität wahrgenommen. Sie dient als mehrdeutige Projektionsfläche der Gegenwart, auf die diese ihre eigene Verfasstheit in unterschiedlicher Weise zurückführt: Sei es, dass man in der antiken Gelehrsamkeit, Dichtung und Kunst den Maß- und Leitstab eigener Bildung erkennt, sei es, dass man an antiken mythologischen oder historischen Gestalten die zentralen gegenwärtigen Fragen - Rittertum, Liebe, Herrschaft, Vergänglichkeit - paradigmatisch diskutiert. Die Antike bildet einen Fokus mittelalterlicher Bildung und Kunst, der für die Entwicklung säkularer Kultur zentral ist. Sie stellt zugleich - nicht zuletzt aufgrund der Uberlieferungsleistung, der Arbeit der Aneignung und der Auseinandersetzung, die das Mittelalter erbracht hat — die Basis der europäischen kulturellen Tradition bis in die Gegenwart dar, unabhängig davon, wie man diese Tradition beurteilen will. Stellt man daher die Frage nach der mittelalterlichen Antikerezeption in der Volkssprache, so impliziert dies, nach jenen Verfahren und Prozessen zu forschen, die nichts weniger bedeuten, als in unserem Fall den „Eintritt" der deutschen Literatur in die europäische Literaturgeschichte. In diesem „Akt", der zuallererst die Herausbildung einer entsprechenden poetischen Sprache erfordert und zugleich einen zivilisatorischen Prozess darstellt, ist eine der zentralen Leistungen der deutschen Literatur des Mittelalters zu fassen. Eine solide Materialbasis zu bieten, aus der dieser Akt zu erschließen ist und in der er sich gewissermaßen materialisiert, mag die allgemeinste Aufgabe sein, die sich das „Lexikon der antiken Gestalten in den deutschen Texten des Mittelalters" stellt, und nicht zuletzt darin sollte sich die Relevanz und der Ertrag des Unternehmens erweisen.
Einfuhrung
LVIII
II. Hinweise zur Benutzung 1. Gestalten- und Textcorpus Aufgenommen sind alle mythologischen und historischen Gestalten der griechischrömischen, „paganen" Antike bis zur Zeit Constantinus' des Großen (gest. 337), die in der deutschen Literatur des Mittelalters von ca. 1050-1350 genannt werden. Antikheidnische und antik-christliche Gestalten, die ausschließlich im Zusammenhang mit dem biblischen Bericht oder der Legendenliteratur stehen (so die frühchristlichen Heiligen oder Pilatus und Quirinus), sind nicht berücksichtigt, Gestalten des Vorderen Orients nur dann, wenn sie mit Bezug auf die antike Mythologie oder die Alexanderhistorie genannt werden. Grundsätzlich werden nur namentlich genannte antike Gestalten erfasst, nicht namentliche Erwähnungen sind nur d a n n berücksichtigt, wenn sie sich eindeutig auf eine bestimmte antike Gestalt beziehen (so z.B. das „törichte Kind an der Q u e l l e " bei Heinrich von M o r u n g e n unter Narcissus, die personifizierte Saelde unter Fortuna
nicht aber alle Belege für
oder für die personifizierte M i n n e unter Venus). A u f g e n o m m e n
sind außerdem nur jene Gestalten, die sich auf die antike Tradition zurückführen lassen, also keine von den mittelhochdeutschen Texten zwar als antik vorgestellten, aber allem Anschein nach erfundenen Gestalten. Ausnahmen gibt es im Bereich der Alexandertradition: Hier entscheidet fallweise die Belegbarkeit in einem der mittellateinischen Quellentexte, namentlich im .Alexander' des Leo Archipresbyter , in der ,Historia de preliis' oder in der ,Alexandreis' Walters von Chätillon für die Aufnahme. Gestalten, die sich in der Form ihres N a m e n s auf ein antikes Vorbild beziehen oder beziehen könnten, aber nicht mit ihm identisch sind, erscheinen unter „ N a c h b e n e n n u n g e n " a m E n d e des jeweiligen Artikels.
Das Corpus der mittelhochdeutschen Quellen umfasst Texte der höfischen Epik und Lyrik (Minnesang und Sangspruchdichtung), der didaktischen und der Wissensliteratur, der Chronistik und der geistlichen Literatur. Die höfische Großepik und die Lyrik sind, sofern sie in Editionen zugänglich vorliegen, vollständig berücksichtigt, ebenso die Corpora der „kanonischen" Autoren, auch wenn sie nicht der weltlichen Epik oder Lyrik angehören (namentlich betrifft dies Hartmann von Aue und Konrad von Würzburg). Die Lyrik wurde dabei nach den vorhandenen Einzelausgaben und den entsprechenden Sammeleditionen (MF, KLD, SMS, HMS), die Heldenepik nach dem Katalog von Gillespie aufgearbeitet. Die höfische Kleinepik ist abgesehen von den im Verzeichnis der mittelhochdeutschen Quellen genannten separat edierten Einzeltexten und Autorensammlungen (Stricker, Konrad von Würzburg) nach den Anthologien GA und N G A erfasst. Höfische Minneallegorien und Minnereden, didaktische und Wissensliteratur, Chronistik und geistliche Literatur sind in einer repräsentativen Auswahl berücksichtigt. Die vorgenommenen Einschränkungen (im Corpus der Gestalten wie der Quellen) und die Auswahl der repräsentativen Texte mögen im Einzelnen kritisierbar sein, waren aber aus organisatorischen Gründen notwendig. Das Forschungsvorhaben hätte ansonsten nicht finanziert und in der vorgegebenen Zeit abgeschlossen werden können. Die Konzeption des Lexikons zielt im Sinne seines Gegenstandes, der Antikerezeption des
Hinweise zur Benutzung
LIX
Mittelalters, jedenfalls auf möglichst hohe Stringenz, das Corpus kann insgesamt als umfassend bezeichnet werden. Im Falle der höfischen Epik konnten nicht alle Fassungen berücksichtigt werden, so bei Lamprechts .Alexander' (nur Fassung V und S), beim .Herzog Ernst' (nur Β und D) und bei der Heldenepik. ,Karl und Galie' sowie ,Morant und Galie' sind nach der ,Karlmeinet'-Kompilation erfasst. Minneallegorie und Minnerede sind durch ,Die Jagd' Hadamars von Laber, Johanns von Konstanz .Minnelehre', .Die Minneburg' und .Der Minne-Falkner' vertreten, die didaktische und die Wissensliteratur durch den so genannten .Altdeutschen Physiologus', die Bearbeitung des ,Moralium dogma philosophorum' durch Wernher von Elmendorf, den ,Lucidarius\ Thomasins von Zerklaere .Welschen Gast' und den ,Renner' Hugos von Trimberg, die Chronistik durch das ,Annolied', die ,Kaiserchronik' sowie die Weltchroniken von Rudolf von Ems und Jans Enikel. Abgesehen von den im Quellenverzeichnis genannten Autoren und Werken wurden erhoben, blieben aber ohne Belege: a) Aus dem Bereich der weltlichen Literatur: ,Die gute Frau', Heinrich der Glichezare, ,Reinhart Fuchs', Herrands von Wildonie Mären, .Oswald', ,Der Trierer Floyris', die im Verzeichnis der mittelhochdeutschen Quellen nicht angeführten Heldenepen, die übrigen epischen Werke der verzeichneten Autoren, die nicht verzeichneten Lyriker. b) -
Aus dem Bereich der geistlichen Literatur: Ägidius', Albert von Augsburg, ,Ulrichsleben', .Altdeutsche Genesis', .Anegenge', .Ezzos Gesang', ,Der Friedberger Christ', ,Das Hamburger Jüngste Gericht', (Armer) Hartmann, ,Rede vom Glauben', Heinrich von Melk, .Von des todes gehugede', Konrad von Heimesfurt, ,Urstende', ,Die Hochzeit', (Pfaffe) Lamprecht, .Tobias', .Das Lob Salomonis', .Die Mariensequenz aus Muri', .Die Mariensequenz aus Seckau', .Das Melker Marienlied', .Die Millstätter Sündenklage', Noker, .Memento Mori', .Der Oberdeutsche Servatius', (Bruder) Philipp, .Marienleben', ,Das Rheinische Marienlob', ,Das St. Trudperter Hohelied', ,Die Summa theologiae', ,Die Warnung', (Priester) Wernher ,Driu liet von der maget'.
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Einfuhrung
2. Aufbau der Artikel Die einzelnen Artikel sind in zwei Teile gegliedert: den Belegteil, bezeichnet durch die Ziffer „I.", und den wirkungs-, Stoff- und quellengeschichtlichen Kommentar, bezeichnet durch die Ziffer „II.". Bei Artikeln, die nur einen Beleg verzeichnen, wird auf diese Gliederung verzichtet. Kommentierende Angaben werden dort in Form einer Anmerkung gegeben. Findet sich keine solche Anmerkung, so ist über die Quelle des Belegs hinaus, die in der Kurzangabe nach dem Lemma angeführt wird, aus der Sicht des Verfassers/der Verfasserin nichts weiter Substanzielles (etwa zu Abweichungen von der jeweiligen Quelle) zu vermerken. Bloße Verweiseinträge finden sich a) zu jenen Gestalten, die in den mittelhochdeutschen Texten zwar erwähnt, aber nicht namentlich genannt werden (z.B. Iocasta Oedipus), b) zu jenen Gestalten, die mit einer anderen Gestalt in einem Artikel zusammengefasst sind (z.B. Polynices Eteocles und Polynices), c) fallweise auch zu Patronymika oder zur griechischen Namensform, wenn die mittelhochdeutschen Belege solche verwenden (z.B. Alcides Hercules, Zeus Iuppiter).
2.1. Lemma Das Lemma, unter dem die im Lexikon verzeichneten Gestalten erscheinen, bietet die „normalisierte" lateinische Namensform. Wenn sich die Einträge auf eine konkrete lateinische Quelle zurückführen lassen (wie z.B. auf Ovids,Metamorphosen', an mittellateinischen Texten auf den Alexander' des Leo Archipresbyter, die ,Historia de preliis' oder die Alexandreis' Walters von Chätillon), entspricht die Namensform dieser Quelle (weshalb sich vereinzelt, vor allem bei Bezügen auf Ovids ,Metamorphosen', auch griechische Endungen finden können). Die Anordnung erfolgt alphabetisch. Gleichnamige Gestalten sind durch eine Zusatzzahl in eckiger Klammer (z.B. Darius [1], Darius [2] usw.) unterschieden. Die Reihung erfolgt in diesem Fall nach zeitlicher Folge (wobei mythologische Gestalten vor historischen gereiht werden). Innerhalb des gesamten folgenden Artikels wird die jeweilige Gestalt mit dem Anfangsbuchstaben des Lemmas bezeichnet (z.B. Α für Achilles, Η für Helena).
2.2. Angaben zur antiken Konzeption einer Gestalt Auf das Lemma folgen in eckiger Klammer kurze Ausführungen zur antiken Konzeption einer Gestalt. Lässt sich der folgende mittelhochdeutsche Belegeintrag oder lassen sich sämtliche folgenden mittelhochdeutschen Belegeinträge auf eine bestimmte Quelle beziehen, so wird diese anschließend in Kurzform genannt. (Bei den Romanen des
Hinweise zur Benutzung
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Troja-/Aeneas-Stoffs wird zusätzlich zu der meist mittelbaren lateinischen Quelle auch die unmittelbare französische verzeichnet.) Die inhaltlichen Angaben beziehen sich in diesem Fall auf die genannte Quelle, in den übrigen Fällen in der Regel auf die entsprechenden Daten im ,Kleinen Pauly'. Für die hier genannten Quellen werden folgende Kurzformen verwendet: -
Achilleis' = Statius, Achilleis', ,Acneis' = Vergil, Acneis', Benoit = Benoit de Sainte-Maure, ,Roman de Troie', Chatillon = Walter von Chätillon, Alexandreis',
-
Curtius = Quintus Curtius Rufus, ,Res gestae Alexandri Magni', Dares = Dares Phrygius, ,De excidio Troiae historia', Dictys = Dictys Cretensis, ,Ephemeridos belli Troiani libri',
-
H d P = .Historia de preliis',
-
,Historia Apollonii' = ,Historia Apollonii regis Tyri', Leo = Leo Archipresbyter, Alexanderroman', M M = Ovid, .Metamorphosen',
-
RdE = ,Roman d'Eneas', Valerius = Iulius Valerius, ,Res gestae Alexandri'.
2.3. Angaben zu Wesen, Genealogie, Rang und Namensform D e m Belegteil sind bei Artikeln mit mehrfachen Einträgen folgende zusammenfassende Angaben vorangestellt, sofern in den Texten Entsprechendes explizit ausgesagt wird: -
unter der Kategorie „ W " Angaben zu Wesen (z.B. Gott, Mischwesen, Teufel), unter der Kategorie „ G " Angaben zu Genealogie und sozialen Bindungen (z.B. Gatte, Tochter, Freund, Geliebte/r), unter der Kategorie „ R " Angaben zu Rang und Tätigkeit (z.B. Königin, Fürst, Prophetin, Bote); unter der Kategorie „ N f . " werden die in den Texten vorkommenden Namensvarianten angeführt, wobei grundsätzlich nur signifikantere Abweichungen verzeichnet sind. Nicht namentliche Nennungen werden unter „n.n." subsumiert.
Die jeweils in Klammer beigegebene Buchstaben-Zahlen-Kombination (z.B. A5, B2, E l ) bezieht sich auf die Sigle, unter der die mittelhochdeutschen Einträge im Belegteil gereiht sind. In den wenigen Fällen, in denen die Texte derartige Angaben bieten, erscheint außerdem die Kategorie „Etymologie". 2.4. Belegteil Im Belegteil („I.") werden sämtliche Einträge zu einer Gestalt verzeichnet, die sich im Corpus der mittelhochdeutschen Quellentexte finden. Die Einträge sind nach folgenden fünf Kategorien geordnet:
LXII -
-
Einführung
unter „A" sind die Nennungen in den höfischen Antikeromanen verzeichnet, unter „B" die Nennungen in der übrigen höfischen Epik (fallweise auch Anspielungen in den Antikeromanen), unter „C" die Nennungen in der mittelhochdeutschen Lyrik (Minnesang und Spruchdichtung), unter „D" die Nennungen in den didaktischen und wissensvermittelnden Texten (Minnelehren und -allegorien, im engeren Sinn didaktische Werke wie der ,Welsche Gast' Thomasins oder Hugos von Trimberg ,Der Renner', ferner ,Physiologus' und ,Lucidarius'), unter „E" schließlich die Nennungen in der mittelhochdeutschen chronistischen und geistlichen Literatur.
Innerhalb dieser fiinf Kategorien werden die Einträge (grob) chronologisch geordnet und durchgezählt. Bei zeitgleich entstandenen Werken erfolgt die Reihung alphabetisch, nicht sicher datierbare anonyme Werke sind an das Ende gestellt. Aus der Kombination von Kategorie und Ziffer ergibt sich die Sigle des Eintrags. Mit dieser Sigle wird der jeweilige Eintrag auch in den Kopfangaben zu Wesen, Genealogie, Rang und Namensform sowie im Kommentarteil zitiert. Bei Artikeln mit nur einem Beleg erfolgt ebenfalls eine Klassifizierung nach den fünf Kategorien kombiniert mit der Ziffer „1".
2.5. Belegeintrag Auf die Sigle folgen Autorname und Titel des Textes sowie die Stellenangabe (in der Regel die Verszahl). Bei nicht namentlichen Nennungen erscheint die Stellenangabe in eckiger Klammer. Wird eine Gestalt mehrfach genannt, sind die Stellenangaben in die Ausführungen zum Inhalt integriert (in runder Klammer). Bei mehrfachen Nennungen innerhalb einer inhaltlich zusammenhängenden Textpassage werden nur die erste und die letzte Namensnennung verzeichnet (z.B. 1 0 6 8 - 1 2 5 4 ) . Nicht namentliche Erwähnungen sind bei mehrfachen Nennungen nur dann gesondert (in eckigen Klammern) ausgewiesen, wenn sie in einigem Abstand zu einer namentlichen Nennung erscheinen. Die Form der Stellenangabe folgt der Zählung der jeweiligen Ausgabe.
Die angeschlossenen Inhaltsangaben geben zusammenfassend wieder, was über die jeweilige Gestalt berichtet wird. Sie zielen auf eine möglichst schlüssige und gut lesbare Darstellung, entsprechende Brüche und Widersprüche im jeweiligen Text wurden aber nicht geglättet. Insbesondere bei den Anspielungen in Lyrik und Epik finden sich dort, wo es für das Verständnis notwendig ist, in Klammern Angaben zum Kontext und zur rhetorischen Funktion der Nennung. Fallweise folgen Anmerkungen (u.a. bei widersprüchlichen, sinnstörenden oder unverständlichen Angaben der Texte). Sie werden mit Zahlen in eckigen Klammern bezeichnet.
Hinweise zur Benutzung
LXIII
2.6. Kommentarteil Bei mehrfachen Belegeinträgen zu einem Lemma folgt dem Belegteil ein Kommentar („II."), der die Wirkungsgeschichte einer Gestalt (mit Bezug auf die antike, mittellateinische und romanische Literatur), die Rezeptionsinteressen und Quellen der mittelhochdeutschen Belege, wechselseitige Abhängigkeiten, Stoff- und Motivgestaltung, rhetorische Formen, in deren Rahmen eine Gestalt erscheint, sowie mögliche Besonderheiten und spezifische Traditionen innerhalb der deutschen Literatur zusammenfassend darstellt. Ubersteigt die Länge des Kommentars eine Spalte, so ist ihm ein kurzes „Inhaltsverzeichnis" vorangestellt. Auf die mittelhochdeutschen Belege wird im Kommentar unter der jeweiligen Sigle verwiesen.
2.7. Anmerkungen, Literaturangaben Die Anmerkungen zum Kommentarteil verweisen in erster Linie auf die entsprechende grundlegende Forschungsliteratur. Innerhalb des Lexikons mehrfach genannte Untersuchungen werden dabei in Kurzform (Name, Kurztitel, gegebenenfalls Seiten- oder Spaltenzahl) zitiert und sind im Verzeichnis der Forschungsliteratur mit vollem Zitat angegeben. Die übrigen Untersuchungen erscheinen mit Vornamen (abgekürzt), Namen, Titel, Erscheinungsjahr. Angaben mit bloßer Namensnennung und beigefügtem „(Hg.)" oder „(Ubers.)" (gegebenenfalls spezifiziert durch die Sigle des Belegeintrags) beziehen sich auf den Herausgeber/die Herausgeberin oder den Übersetzer/die Übersetzerin des jeweiligen Textes. Die Vollzitate finden sich in diesem Fall im Verzeichnis der mittelhochdeutschen Quellen bzw. im Verzeichnis der übrigen antiken und mittelalterlichen Quellen. Artikel in Enzyklopädien, Lexika und Wörterbüchern sind unter Angabe ihres Lemmas (kursiv) und des Namens des Verfassers/der Verfasserin (in Klammern) sowie der Abkürzung des jeweiligen Werkes, gegebenenfalls des Bandes und der Seiten- oder Spaltenzahl, angeführt. Seitenzahlen werden durch keinen Zusatz ausgewiesen, Spaltenzahlen ist „Sp." vorangestellt. 2.8. Nachbenennungen Auf den Kommentarteil folgen fallweise Einträge zu so genannten Nachbenennungen (NB), das sind Gestalten, die mit der jeweils durch das Lemma bezeichneten antiken Gestalt zwar nicht identisch sind, deren Namensform (mitunter auch Konzeption) sich aber möglicherweise von ihr ableitet. Hier besteht kein Anspruch aufVollständigkeit. Auch haben viele der angeführten Nachbenennungen nur Vorschlagscharakter. Über deutlichere Bezüge geben wiederum Anmerkungen Auskunft. Motivliche Nachgestaltungen, die sich auf eine antike Gestalt beziehen lassen, werden im Kommentarteil behandelt.
LXIV
Einfuhrung 2.9. Verfassersiglen
Am Ende des jeweiligen Artikels findet sich die Sigle des Verfassers/der Verfasserin ([mk] = Manfred Kern, [sks] = Silvia Krämer-Seifert). 2.10. Verweise Es wird darauf verzichtet, innerhalb des jeweiligen Artikels sämtliche übrige Gestalten, die im Lexikon ebenfalls verzeichnet sind, durch ein Verweiszeichen zu kennzeichnen, da dies das Druckbild über Gebühr belastet hätte. Die Namensformen aller im Lexikon aufgenommenen antiken Gestalten sind innerhalb der Artikel durchgehend normalisiert, sodass sie auf diese Weise oder mit Hilfe des Registers der Artikel leicht zu finden sind. Verweise werden somit nur dann gegeben, wenn auf einen anderen Artikel aus spezifischen Gründen hingewiesen werden soll. Das jeweilige Lemma erscheint in diesem Fall kursiviert und durch einen vorangestellten Pfeil (-*) markiert. 2.11. Hervorhebungen, Zitate In Fettdruck erscheinen die Lemmata, in Halbfettdruck die Kategorien W, G, R, Nf. und Etymologie im Artikelkopf, die römischen Einleitungsziffern zu Beleg- und Kommentarteil und die Siglen der Einträge. Kursiviert sind im Fließtext verwendete (nicht aber die unter der Kategorie „Nf." aufgelisteten) Namensvarianten sowie im Kommentarteil zusammenfassende Angaben zu Motiven und rhetorischen Formen, sofern dies der Übersichtlichkeit halber angezeigt ist. Originalzitate und Ubersetzungen aus den Quellen sowie Zitate aus der Forschungsliteratur erscheinen unter doppelten Anführungszeichen. Einfache Anführungszeichen bezeichnen Werktitel. Benutzungshinweise zum Verzeichnis der Abkürzungen, der Quellen, der Forschungsliteratur und zu den Registern finden sich am entsprechenden Ort.
3. Modellfälle für die Benutzung Das „Lexikon der antiken Gestalten in den deutschen Texten des Mittelalters" bietet aufgrund seiner Konzeption und Struktur mehrere Möglichkeiten zur Benutzung. Einige exemplarische Fälle sollen im Folgenden skizziert werden:
— Fragestellung: Ist eine bestimmte antike Gestalt in der mittelhochdeutschen belegt?
Literatur
Strategie: Entweder (nach der lateinischen Namensform) direkt im Artikelteil nachschlagen oder Konsultation des Registers der Artikel.
Hinweise zur Benutzung
LXV
Fragestellung: Ist eine bestimmte antike Gestalt in einem bestimmten mittelhochdeutschen Text belegt? Strategie: Konsultation des Registers der Einträge nach Autoren und Werken, von dort über die Sigle zum jeweiligen Artikel und zum konkreten Belegeintrag. Fragestellung: Ist eine in einem mittelhochdeutschen Text genannte Gestalt mit einer antiken Gestalt zu identifizieren? Oder: Mit welcher antiken Gestalt ist eine in einem mittelhochdeutschen Text genannte Gestalt zu identifizieren? Strategie: Ist die antike Namensform einer Gestalt, die in einem mittelhochdeutschen Text genannt wird und die sich möglicherweise auf eine antike Gestalt bezieht, zu erschließen, dann Konsultation des Registers der Einträge nach Autoren und Werken. Es führt direkt zur Sigle, unter der der jeweilige Beleg im Artikel gereiht ist. Ermöglicht eine entstellte Namensform nicht unmittelbar die Identifizierung der Gestalt, bietet das Register der Namensvarianten Hilfe. Suche nach sämtlichen in einem bestimmten mittelhochdeutschen Text belegten antiken Gestaltern Strategie: Konsultation des Registers der Einträge nach Autoren und Werken, von dort über die Siglen zu den Belegeinträgen in den Artikeln. Suche nach allgemeinen Informationen zur mittelalterlichen und mittelhochdeutschen Rezeption einer antiken Gestalt (Fragen der Quellen- und Stojfgeschichte; welche mit einer bestimmten Gestalt verbundenen antiken Motive werden in der mittelhochdeutschen Literatur refelektiert? usw.)·. In diesem Fall empfiehlt es sich, vom Kommentarteil auszugehen, der so konzipiert ist, dass er auch für sich gelesen werden kann.
Einführung
LXVI
III. Abkürzungen, Quellen, Forschungsliteratur 1. Allgemeine Abkürzungen A. Abb. Abtl. afrz. ahd. Anm. Aufl. Ausg. Bd. Bde. bearb. ders. dies. dt. durchges. E. ebd. ed. eingel. erl. frz. FS geänd. gf· H. Hg-, hg. hs., Hs., Hss. Jb. Jh. Komm., komm. krit. lat. Lit. Μ. ΜΑ ma.
Anfang (nur bei Datierungen) Abbildung Abteilung altfranzösisch althochdeutsch Anmerkung(en) Auflage Ausgabe Band Bände bearbeitet derselbe dieselbe(n) deutsch durchgesehen Ende (nur bei Datierungen) ebenda edidit, ediderunt, edite (par), edited (by) eingeleitet erläutert französisch Festschrift (für) geändert griechisch Hälfte (nur bei Datierungen) Herausgeber, herausgegeben (von) handschriftlich, Handschrift, Handschriften Jahrbuch Jahrhundert(s) Kommentar, kommentiert kritisch lateinisch Literatur Mitte (nur bei Datierungen) Mittelalter(s) mittelalterlich
Abkürzungen, Quellen, Forschungsliteratur mhd. mlat. Nachw. NB ND Nf., Nff. N.F. nhd. n.n. prov. rec. röm. RV Str. s.v. übers., Ubers. unters., Unters. V. VD veränd. verb. verm. vol. Wb. Ζ. zit.
mittelhochdeutsch mittellateinisch Nachwort Nachbenennung Nachdruck, Neudruck Namensform, Namensformen Neue Folge neuhochdeutsch nicht namentlich provenzalisch recensuit, recensuerunt römisch Rückverweis Strophe sub voce übersetzt, Übersetzung untersucht, Untersuchung Viertel (nur bei Datierungen) Vorausdeutung verändert verbessert vermehrt volumen, volumina Wörterbuch Zeile zitiert
2. Abgekürzt zitierte Literatur, Reihen, Zeitschriften AT ATB Beiträge BgdNL BIVSt C CB CCCM CCSL CSEL DDM
Altes Testament Altdeutsche Textbibliothek Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur Bibliothek der gesammten deutschen National-Literatur Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart Walther von der Vogelweide, hg. von Chr. Cormeau Carmina Burana Corpus Christianorum Continuatio Mediaevalis Corpus Christianorum Series Latina Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum Deutsche Dichtungen des Mittelalters
LXVII
LXVIII DKP
DNP
DTM DVjs EM
GA
GAG GRM Hdp HMS
HWDA
JOWG KLD
KTRMA L LCI LMA MF
Einführung Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike. Auf der Grundlage von Pauly's Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter bearb. und hg. von Konrat Ziegler, Walther Sontheimer und Hans Gärtner. 5 Bde., Stuttgart/München 1964-1975. Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Begründet von August F. Pauly. Hg. von Hubert Cancik, Helmuth Schneider und Manfred Landfester, Stuttgart 1996ff. Deutsche Texte des Mittelalters Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. Hg. von Kurt Ranke [u.a.], Berlin/New York 1977fr. Gesammtabenteuer. Hundert altdeutsche Erzählungen [etc.]. Hg. von Friedrich Heinrich von der Hagen. 3 Bde. Stuttgart/Tübingen 1850, N D Darmstadt 1961. Göppinger Arbeiten zur Germanistik Germanisch-romanische Monatsschrift Historia de preliis Minnesinger. Deutsche Liederdichter des 12., 13. und 14. Jahrhunderts [etc.]. Von Friedrich Heinrich von der Hagen. VierTheile. Aalen 18381861, N D Aalen 1963. Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Hg. unter besonderer Mitwirkung von E. Hoffmann-Krayer und Mitarbeit zahlreicher Fachgenossen von Hanns Bächthold-Stäubli. 10 Bde. Berlin/Leipzig 1927-1942. 3., unveränderte Aufl. mit einem neuen Vorwort von Christoph Daxelmüller, Berlin/New York 2000. Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft Deutsche Liederdichter des 13. Jahrhunderts. Hg. von Carl von Kraus. Bd. I: Text. Bd. II: Kommentar. Besorgt von Hugo Kuhn. 2. Aufl., durchges. von Gisela Kornrumpf, Tübingen 1978. Klassische Texte des romanischen Mittelalters Walther von der Vogelweide, hg. von K. Lachmann Lexikon der christlichen Ikonographie. Hg. von Engelbert Kirschbaum SJ und Wolfgang Braunfels. 8 Bde., Freiburg i. Br. 1968-1976. Lexikon des Mittelalters. 9 Bde., München/Zürich 1977-1998. Des Minnesangs Frühling. Unter Benutzung der Ausgaben von Karl Lachmann und Moriz Haupt, Friedrich Vogt und Carl von Kraus bearb. von Hugo Moser und Helmut Tervooren. I: Texte. 38. Aufl., Stuttgart 1988. [Bei Angaben aus M F ist in Klammern die Zählung nach der alten Ausgabe beigegeben.]
Abkürzungen, Quellen, Forschungsliteratur MGH MJb MM MTU Myth. Vat. NGA
NT OGS PhilStQu PL RAC
RdE S SCBO SMS SWbM
V VL
WAGAPH ZfdPh ZfdA
LXIX
Monumenta Germaniae Historica Mittellateinisches Jahrbuch Ovid, Metamorphosen Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters Mythographus Vaticanus, Mythographi Vaticani Neues Gesamtabenteuer. Das ist Fr. H. von der Hagens Gesamtabenteuer in neuer Auswahl. Die Sammlung der mittelhochdeutschen Mären und Schwanke des 13. und 14. Jahrhunderts. 1. Bd. hg. von Heinrich Niewöhner. 2. Aufl. hg. von Werner Simon. Mit den Lesarten besorgt von Max Boeters und Kurt Schacks, Dublin/Zürich 1967. Neues Testament Oxford German Studies Philologische Studien und Quellen Patrologia Latina. Ed. Jaques-Paul Migne. 217 Bde., Paris 1844-1864. Reallexikon für Antike und Christentum. Sachwörterbuch zur Auseinandersetzung des Christentums mit der antiken Welt. Begründet und hg. von Franz Joseph Dölger [u.a.], Stuttgart 1950ff. Roman d'Eneas Straßburger Fassung von Lamprechts Alexander Scriptorum Classicorum Bibilotheca Oxoniensis Die Schweizer Minnesänger. Nach der Ausg. von Karl Bartsch neu bearb. und hg. von Max Schiendorfer. Bd. I: Texte, Tübingen 1990. Sachwörterbuch der Mediävistik. Unter Mitarbeit zahlreicher Fachgelehrter und unter Verwendung der Vorarbeiten von Hans-Dieter Mück, Ulrich Müller, Franz Viktor Spechtler und Eugen Thurnher hg. von Peter Dinzelbacher, Stuttgart 1992. Vorauer Fassung von Lamprechts Alexander Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Begründet von Wolfgang Stammler, fortgeführt von Karl Langosch. Zweite, völlig neu bearb. Aufl. unter Mitarbeit zahlreicher Fachgelehrter hg. von Kurt Ruh [u.a.]. Bd.Iff., Berlin/New York 1978ff. Wiener Arbeiten zur germanischen Altertumskunde und Philologie Zeitschrift für deutsche Philologie Zeitschrift für deutsches Altertum
Einführung
LXX
3. Mittelhochdeutsche Quellen Aufgelistet sind die im Register der Einträge nach Autoren und Werken genannten mittelhochdeutschen Quellen sowie die in den Artikeln zitierten, aber beleglosen oder jenseits des erfassten Zeitraums zu datierenden mittelhochdeutschen Werke, namentlich das ,Eckenlied' 1 , das ,Nibelungenlied' 2 , die Lieder Neidharts 3 sowie Seifrits »Alexander' 4 . Den bibliographischen Angaben sind in Kleindruck Angaben zur Gattung und zur Datierung beigegeben (nach VL oder nach: Das Mittelalter in Daten. Literatur, Kunst, Geschichte 750-1520. Hg. von Joachim Heinzle. Durchges. und erg. Neuausg., Stuttgart 2002). Angeschlossen ist die Sigle der Bearbeiterin/des Bearbeiters ([bmk] = Bettina Mattig-Krampe, [Im] = Lydia Miklautsch, [mk] = Manfred Kern, [sks] = Silvia Krämer-Seifert, [uk] = Ursula Klingenböck). Nicht gesondert verzeichnet sind die anonym überlieferten Lieder aus KLD und H M S . [Alber, Tnugdalus =] Visio Tnugdali. Lat. und Altdt. Hg. von Albrecht Wagner, Erlangen 1882. [Geistliche Dichtung, Visionsliteratur, um 1 1 9 0 ] [mk]
Albrechts Jüngerer Titurel. Hg. von Werner Wolf und Kurt Nyholm. 5 Bde., Berlin 1955-1992 ( D T M 45/55/61/73/77). [Strophisches Epos der Artus-Gral-Sage, um 1 2 7 2 - 1 2 9 4 ] [mk]
[Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen =] Georg Wickram, Sämtliche Werke. Hg. von Hans-Gert Roloflf. Bd. 13: Ovids Metamorphosen. 2 Teilbde., Berlin/New York 1990 (Ausgaben deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts 134/135). [Antikeroman, verlorene Originalversion um 1 1 9 0 oder 1 2 1 0 , frühnhd. Druckfassung 1545] [mk]
Alexander, Der wilde, in: KLD, Nr. 1. [Liebes- und Spruchlyrik, 3. V. 13. Jh.] [mk]
Das Annolied. Mhd./Nhd. Hg., übers, und komm, von Eberhard Neilmann. 3. Ausg., Stuttgart 1986. [Heiligenvita mit universalgeschichtlicher Einleitung, um 1080] [mk]
Aristoteles und Phyllis, in: GA I, Nr. II. [Schwankerzählung, 2. H. 13. Jh.] [uk]
Athis und Prophilias, in: Mittelhochdeutsches Übungsbuch. Hg. von Carl von Kraus. 2., verm. und geänd. Aufl., Heidelberg 1926 (Germanische Bibliothek 111,2), 63-82. [Höfischer Roman antikisierenden Sujets, um 1 2 1 0 ] [mk]
1 2
3 4
-> Centauri (II.3). -» Achilles (I.EI, Anm.l), Alexander (II.4E), -» Amphimedon (Anm. 1),-* Drances (I.B1, Anm. 1), -* Lavinia (II., Anm. 2), -» Nero (I.E3, Anm. 2), -» Pyrrhus (II.3), Telegonus (Anm. 1). -» Amor (11.2/4). -* Agenor (Anm. I), -* Ambira (Anm. 1).
Abkürzungen, Quellen, Forschungsliteratur
LXXI
[Ava, Frau =] Die Dichtungen der Frau Ava. Hg. von Friedrich Maurer, Tübingen 1966 (ATB 66). [Geistliche Dichtung, vor 1 1 2 7 ] [bmk]
Baseler Bruchstück, in: Danielle Buschinger, La poeme de La Guerre de Troie consigne dans le manuscrit Ε VI,26 de la bibliotheque universitaire de Bäle, in: La Representation de l'Antiquite au Moyen Age. Actes du Colloque des 26, 27 et 28 Mars 1981. Publies par les soins de D. B. et Andre Crepin, Wien 1982 (WAGAPH 20), 121-139 [Text 131-139]. [Chronistischer Bericht von der ZerstörungTrojas, in der oben bezeichneten Hs. der ,Sächsichen Weltchronik' überliefert, E. 13. Jh.] [mk]
Berthold von Holle, Demantin. Hg. von Karl Bartsch, Tübingen 1875 (BIVSt 123). [Höfischer Roman, 3. V. 13. Jh.] [uk]
Berthold von Regensburg, Predigten. Vollständige Ausgabe seiner deutschen Predigten. Hg. von Franz Pfeiffer und Joseph Strahl. 2 Bde. 1862. N D mit einem Nachw. von Kurt Ruh, Berlin 1965 (Deutsche Neudrucke, Reihe Texte des Mittelalters). [Predigtliteratur, um 1 2 4 0 - 1 2 7 2 ] [bmk]
Birne, Die halbe, in: GA I, Nr. X. [Schwankerzählung, E. 13. Jh.] [uk]
Boppe, in: H M S II, Nr. 138. [Spruchlyrik, 2. H. 13. Jh.] [mk]
Brun von Schönebeck, Das hohe Lied. Hg. von Arwed Fischer. Tübingen 1893 (BIVSt 198), N D Hildesheim/New York 1973. [Geistliche Kommentarliteratur, 1276] [mk]
Carmina Burana. Die Lieder der Benediktbeurer Handschrift. Vollständige Ausgabe des Originaltextes nach der von B. Bischoff abgeschlossenen krit. Ausg. von A. Hilka und O. Schumann, Heidelberg 1930-1970. Ubers, der lat. Texte von Carl Fischer, der mhd. Texte von Hugo Kuhn. Anm. und Nachw. von Günter Bernt, München 1979. [Sammelhandschrift, u.a. lat. und dt. Liebeslyrik, um 1230] [mk]
Der Dürinc, KLD, Nr. 8. [Liebes- und Spruchlyrik, 2. H. 13. Jh.] [mk]
Dukus Horant. Hg. von P. F. Ganz, F. Norman und W. Schwarz. Mit einem Exkurs von S. A. Birnbaum, Tübingen 1964 (ATB, Ergänzungsreihe 2). [Heldendichtung aus dem Bereich der Hildesage, um 1300] [mk/sks]
Das Eckenlied. Mhd./Nhd. Text, Ubersetzung und Komm, von Francis B. Brevart, Stuttgart 1986. [Heldendichtung aus dem Sagenkreis um Dietrich von Bern, früheste Fassung vor 1230] [mk]
LXXII
Einführung
Eilhart von Oberg, Tristrant. Edition diplomatique des manuscrits et traduction en frangais moderne avec introduction, notes et index par Danielle Buschinger, Göppingen 1976 (GAG 202). [Frühhöfischer Tristanroman, um 1 1 7 5 / 8 0 ] [mk]
Jansen Enikels Werke. Hg. von Philipp Strauch. Hannover 1891/1900, N D Dublin/Zürich 1972 ( M G H , Deutsche Chroniken 3). [Chronik, nach 1277] [sks]
Die Erlösung. Hg. von Karl Bartsch, Quedlinburg/Leipzig 1858 (BgdNL 37). [Heilsgeschichtliche geistliche Dichtung, A. 14. Jh.] [bmk]
Konrad Fleck, Flore und Blanscheflur. Hg. von Emil Sommer, Quedlinburg/Leipzig 1846 (BgdNL 12). [Höfischer Liebesroman historisierenden Sujets, um 1220] [sks]
Frau, Die böse, in: Zwei altdeutsche Schwänke. Die böse Frau. Der Weinschwelg. Neu hg. von Edward Schröder. 3. Aufl., Leipzig 1935. [Schwankerzählung, 2. H. 13. Jh.] [mk]
Frauen, Drei listige, I, in: N G A I, Nr. 17. [Schwankerzählung, 13-/14. Jh.] [uk]
Der Frauen Turnei, in: GA I, Nr. X V I I . [Schwankerzählung, E. 13. Jh.] [uk]
Frauenlist, in: GA II, Nr. X X V I . [Schwankerzählung, nach 1300] [uk]
Frauenlob (Heinrich von Meißen), Leichs, Sangsprüche, Lieder. 1. Teil: Einleitungen, Texte. 2. Teil: Apparate, Erläuterungen. Auf Grund der Vorarbeiten von Helmuth Thomas hg. von Karl Stackmann und Karl Bertau, Göttingen 1981. [Ders. =] Heinrichs von Meissen des Frauenlobes Leiche, Sprüche, Streitgedichte und Lieder. Hg. von Ludwig Ettmüller. Quedlinburg/Leipzig 1843 (BgdNL 16), N D Amsterdam 1966. [Zitate nach dieser Ausgabe sind mit „(Ettm.)" gekennzeichnet.] [Liebes- und Spruchlyrik, um 1 2 8 0 / 1 3 1 8 ] [mk]
Freidank, Bescheidenheit. Hg. von Η. E. Bezzenberger. N D der Ausg. von 1872, Aalen 1962. [Lehrhafte Spruchdichtung in Reimpaarversen, um 1 2 1 5 - 1 2 3 3 ] [uk]
Hermann Fressant, Ehefrau und Buhlerin, in: GA II, Nr. X X X V . [Schwankerzählung, 2. H. 14. Jh.] [uk]
Friedrich von Hausen, in: MF, Nr. X. [Liebeslyrik, um 1 1 7 0 - 1 1 9 0 ] [mk]
Friedrich von Schwaben. Hg. von Μ . H. Jellinek, Berlin 1904 ( D T M 1). [Späthöfischer Liebes- und Abenteuerroman, nach 1314] [sks]
Abkürzungen, Quellen, Forschungsliteratur
LXXIII
Gliers, Der von, in: SMS, Nr. 8. [Liebeslyrik, 2. H. 13. Jh.] [mk]
Der Göttweiger Trojanerkrieg. Hg. von Alfred Koppitz, Berlin 1926 (DTM 29). [Späthöfischer Antikeroman, um 1280] [mk]
Gottfried von Straßburg, Tristan. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu hg., ins Nhd. übers., mit einem Stellenkomm, und einem Nachw. von Rüdiger Krohn. Bd. 1: Text, Verse 1-9982. 6. Aufl., Stuttgart 1993. Bd. 2: Text, Verse 9983-1948. 3. Aufl., Stuttgart 1985. Bd. 3: Komm., Nachw. und Register. 3. Aufl., Stuttgart 1991. [Hochhöfischer Tristanroman, um 1 2 1 0 ] [mk]
Graf Rudolf. Hg. von Peter F. Ganz, Berlin 1964 (PhilStQu 19). [Frühhöfischer Kreuzzugsroman, um 1 1 8 5 ] [mk]
Gundacker von Judenburg, Christi Hort. Hg. von J. Jaksche, Berlin 1910 ( D T M 18). [Geistliche Dichtung, E. 13. Jh.] [bmk]
Hadamars von Laber Jagd und drei andere Minnegedichte seiner Zeit und Weise. Des Minners Klage, Der Minnenden Zwist und Versöhnung, Der Minne-Falkner. Hg. von Johann Andreas Schmeller, Stuttgart 1850 (BIVSt 20). [Allegorische Liebesdichtung, 2. V. 14. Jh.] [mk]
Hartmann von Aue, Erec. Hg. von Albert Leitzmann. 6. Aufl., besorgt von Christoph Cormeau und Kurt Gärtner, Tübingen 1985. [Hochhöfischer Artusroman, um 1 1 8 0 ] [uk]
Ders., Iwein. Bd. 1: Text, Bd. 2: Handschriftenübersicht und Lesarten. Hg. von Georg Friedrich Benecke und Karl Lachmann. Neu bearb. von Ludwig Wolff, Berlin 1968. [Hochhöfischer Artusroman, um 1 1 9 0 / 1 2 0 0 ] [uk]
Die Heidin, in: GA I, Nr. XVIII. [Versnovelle, nach 1250] [uk]
Heinrich, Der treue, in: GA III, Nr. LXIV. [Versnovelle, 13./14. Jh.] [uk]
Heinrich von Breslau, in: KLD, Nr. 23. [Liebeslyrik, 2. H. 13. Jh.] [mk]
Heinrich von dem Türlin, Diu Crone. Zum ersten Male hg. von Gottlob Heinrich Friedrich Scholl. Stuttgart 1852 (BIVSt 27), N D Amsterdam 1966. [Artusroman, um 1225] [uk]
Heinrich von Freiberg, Die Legende vom heiligen Kreuz, in: Heinrich von Freiberg. Hg. von Alois Bernt, Halle a. S. 1906, 213-238. [Geistliche Dichtung, um 1280] [bmk]
Ders., Tristan. Hg. von Reinhold Bechstein. Leipzig 1877, N D Amsterdam 1966 (DDM 5). [Späthöfischer Tristanroman, Fortsetzung Gottfrieds von Straßburg, um 1280] [mk]
LXXIV
Einführung
Heinrich von Hesler, Das Evangelium Nicodemi. Hg. von Karl Helm. Tübingen 1902, N D Hildesheim/New York 1976. [Geistliche Dichtung, vor 1260] [bmk]
Heinrich von Morungen, in: MF, Nr. XIX. [Liebeslyrik, um 1190/1220] [mk]
Heinrichs von Neustadt Apollonius von Tyrland nach der Gothaer Handschrift, Gottes Zukunft und Visio Philiberti nach der Heidelberger Handschrift. Hg. von Samuel Singer. Berlin 1906 ( D T M 7), N D Dublin/Zürich 1967 (Deutsche Neudrucke, Reihe Texte des Mittelalters). Leben und Abenteuer des großen Königs Apollonius von Tyrus zu Land und zur See. Ein Abenteuerroman von Heinrich von Neustadt, verfaßt zu Wien um 1300 nach Gottes Geburt. Übertragen mit allen Miniaturen der Wiener Hs. C, mit Anm. und einem Nachw. von Helmut Birkhan, Bern [u.a.] 2001. [Späthöfischer Abenteuerroman antikisierenden Sujets bzw. geistliche Dichtung, um 1300] [mk]
[Heinrich von Veldeke =] Henric van Veldeken, Eneide. Hg. von Gabriele Schieb und Theodor Frings. Bd. 1: Einleitung - Text, Berlin 1964 ( D T M 58). Bd. 2: Unters, von Gabriele Schieb unter Mitwirkung von Theodor Frings, Berlin 1965 ( D T M 59). Bd. 3: Wörterbuch von Gabriele Schieb mit Günter Kramer und Elisabeth Mager, Berlin 1970 ( D T M 62). [zit.] Ders., Eneasroman. Mhd./Nhd. Nach dem Text von Ludwig Ettmüller ins Nhd. übers., mit einem Stellenkomm, und einem Nachw. von Dieter Kartschoke, Stuttgart 1986. [Frühhöfischer Antikeroman, um 1170-74/1185] [Im]
Herbort's von Fritslar liet von Troye. Hg. von Karl Frommann, Quedlinburg/Leipzig 1837 (BgdNL 5). [Antikeroman, nach 1190] [mk]
Hero und Leander, in: GA I, Nr. XV. [Versnovelle antiken Sujets, A. 14. Jh.] [uk]
Herzog Ernst. Ein mittelalterliches Abenteuerbuch. In der mhd. Fassung Β nach der Ausg. von Karl Bartsch mit den Bruchstücken der Fassung A. Hg., übers., mit Anm. und einem Nachw. versehen von Bernhard Sowinski. Durchges. und verb. Ausg., Stuttgart 1979. [Abenteuerroman historisierenden Sujets, um 1208/1209] [mk]
Das heselin, in: GA II, Nr. XXI. [Schwankerzählung, um 1300] [uk]
Hugo von Langenstein, Martina. Hg. von Adelbert von Keller, Stuttgart 1856 (BIStV 38). [Heiligenlegende, 1293] [mk]
Hugo von Trimberg, Der Renner. Hg. von Gustav Ehrismann. 4 Bde. Tübingen 19091911. N D mit einem Nachw. und Ergänzungen von Günther Schweikle, Berlin 1970 (Deutsche Neudrucke, Reihe Texte des Mittelalters). [Moralische und didaktische Lehrdichtung, nach 1290] [mk]
Abkürzungen, Quellen, Forschungsliteratur
LXXV
Johann von Konstanz, Die Minnelehre. Ed. by Frederic Elmore Sweet, Paris 1934. [Lehrhafte und allegorische Liebesdichtung, um 1300] [mk]
Johann von Würzburg, Wilhelm von Österreich. Aus der Gothaer Handschrift hg. von Ernst Regel, Berlin 1906 (DTM 3). [Späthöfischer Liebes- und Abenteuerroman, um 1 3 1 4 ] [sks]
Johans von Brabant, in: H M S I, Nr. 9. [Liebeslyrik, 4. V. 13. Jh.] [mk]
Die Kaiserchronik eines Regensburger Geistlichen. Hg. von Edward Schröder. Hannover 1892, ND Berlin/Zürich 1964 (MGH, Deutsche Chroniken 1,1). [Chronik, um 1140/50] [sks]
Der Kanzler, in: KLD, Nr. 28. [Liebes- und Spruchlyrik, E. 13. Jh.] [mk]
Karl Meinet. Hg. von Adelbert von Keller, Stuttgart 1858 (BIVSt 45). [Epenkompilation aus der Karlssage, um 1320/40] [sks]
König Rother. Mhd. Text und nhd. Übers, von Peter K. Stein. Hg. von Ingrid Bennewitz unter Mitarbeit von Beatrix Koll und Ruth Weichselbaumer, Stuttgart 2000. [Frühhöfischer Brautwerbungsroman, um 1160/70] [mk]
[Pfaffe Konrad, Rolandslied =] Das Rolandslied des Pfaffen Konrad. Mhd./Nhd. Hg., übers, und komm, von Dieter Kartschoke, Stuttgart 1993. [Epos der Karlssage, um 1 1 7 2 ] [mk]
Priester Konrad, Deutsche Predigten, in: Altdeutsche Predigten. Hg. von Anton E. Schönbach. Bd. 3, Graz 1891. [Predigtliteratur, um 1 1 8 0 ] [bmk]
Konrad von Fußesbrunnen, Die Kindheit Jesu. Hg. von Hans Fromm und Klaus Grubmüller, Berlin/New York 1973. [Geistliche Literatur, um 1200] [bmk]
Konrad von Kirchberg, in KLD, Nr. 33. [Liebeslyrik, 2. H. 13. Jh.] [mk]
[Konrad von Stoffeln =] Der Ritter mit dem Bock: Konrads von Stoffeln Gauriel von Muntabel. Neu hg., eingeh und komm, von Wolfgang Achnitz, Tübingen 1997 (Texte und Textgeschichte 46). [Späthöfischer Artusroman, 2. H. 13. Jh.] [mk]
Konrad von Würzburg, Engelhart. Hg. von Ingo Reiffenstein. 3., neu bearb. Aufl. der Ausg. von Paul Gereke. Halle a. S. 1912, Tübingen 1982 (ATB 17). [Späthöfischer Liebesroman, vor 1260] [uk]
[Ders., Lyrik, in:] Ders., Kleinere Dichtungen. Hg. von Edward Schröder. Mit einem Nachw. von Ludwig Wolff. 3 Bde. Bd. III: Die Klage der Kunst, Leiche, Lieder und Sprüche. 4. Aufl., Dublin/Zürich 1970. [Liebes- und Spruchlyrik, um 1255/87] [mk]
LXXVI
Einführung
Ders., Pantaleon. Hg. von Winfried Woesler. 2. Aufl., Tübingen 1974 (ATB 21). [Heiligenlegende, um 1277/87] [bmk]
Ders., Partonopier und Meliur. Aus dem Nachlaß von Franz Pfeiffer hg. von Karl Bartsch. Mit einem Nachw. von Rainer Gruenter. N D der Ausg. Wien 1871, Berlin 1970 (Deutsche Neudrucke, Reihe Texte des Mittelalters). [Späthöfischer Liebes- und Abenteuerroman, 1277] [sks]
Ders., Die goldene Schmiede. Hg. von Edward Schröder. 1926, ND Göttingen 1969. [Geistliche Dichtung, Marienpreis, um 1273/87] [mk]
[Ders., Silvester, in:] Ders., Die Legenden I. Hg. von Paul Gereke, Tübingen 1925 (ATB 19). [Heiligenlegende, 1260/74] [bmk]
Ders., Der Trojanische Krieg. Nach den Vorarbeiten K. Frommanns und F. Roths zum ersten Male hg. von Adalbert Keller. Stuttgart 1858 (BIVSt 44), N D Amsterdam 1965. [Späthöfischer Antikeroman, unvollendet, 1281/87, anonyme Fortsetzung ab Vers 4 0 4 2 5 , um 1 3 0 0 ] [uk/mk/sks]
Ders., Der Welt Lohn, in: Ders., Kleinere Dichtungen. Hg. von Edward Schröder. Mit einem Nachw. von Ludwig Wolff. 3 Bde. Bd. I: Der Welt Lohn, Das Herzmaere, Heinrich von Kempten. 10. Aufl., Dublin/Zürich 1970. [Verserzählung, vor 1260] [uk]
Lamprechts Alexander. Nach den drei Texten mit dem Fragment des Alberic von Besangon und den lateinischen Quellen hg. und erklärt von Karl Kinzel, Halle a. S. 1884 (Germanistische Handbibliothek VI). [Alexanderroman, Original um 1150/60, Vorauer Fassung (V) 4. V. 12. Jh., Straßburger Fassung (S) um 1 1 7 0 ] [uk]
[Lohengrin =] Thomas Cramer, Lohengrin. Edition und Untersuchung, München 1971. [Roman des Schwanritterstoffs, um 1285] [mk]
Lucidarius. Aus der Berliner Handschrift hg. von Felix Heidlauf, Berlin 1915 ( D T M 28). [Kosmologische und heilsgeschichtliche Lehrdichtung nach dem ,Elucidarium' des Honorius Augustodunensis, um 1190/95] [sks]
Mai und Beaflor. Eine Erzählung aus dem dreizehnten Jahrhundert. Hg. von Alois J. Vollmer. Leipzig 1848, N D Hildesheim 1974 (DDM 7). [Späthöfischer Liebes- und Abenteuerroman, um 1270/80] [sks]
Der Marner. Hg. von Philipp Strauch. Mit einem Nachw., einem Register und einem Literaturverzeichnis von Helmut Brackert, Berlin 1965 (Deutsche Neudrucke, Reihe Texte des Mittelalters). [Liebes- und Spruchlyrik, um 1230/70] [mk]
[Der Meißner =] Georg Objartel, Der Meißner der Jenaer Liederhandschrift. Untersuchungen, Ausg., Komm., Berlin 1977 (PhilStQu 85). [Spruchlyrik, 4. V. 13. Jh.] [mk]
Abkürzungen, Quellen, Forschungsliteratur
LXXVII
[Meißner, Der junge =] Der junge Meißner, Sangsprüche, Minnelieder, Meisterlieder. Hg. von Günter Peperkorn, München 1982 (MTU 79). [Liebes- und Spruchlyrik, E. 13. Jh.] [mk]
Die Minneburg. Nach der Heidelberger Pergamenthandschrift (cpg. 455) unter Heranziehung der Kölner Handschrift und der Donaueschinger und Prager Fragmente hg. von Hans Pyritz, Berlin 1950 (DTM 43). [Allegorische Liebesdichtung, 2. V. 14. Jh.] [mk]
Der Minne-Falkner, in: Hadamars von Laber Jagd und drei andere Minnegedichte seiner Zeit und Weise. Des Minners Klage, Der Minnenden Zwist und Versöhnung, Der Minne-Falkner. Hg. von Johann Andreas Schmeller, Stuttgart 1850 (BIVSt 20). [Allegorische Liebesdichtung, 2. V. 14. Jh.] [mk]
Moriz von Craün. Unter Mitwirkung von Karl Stackmann und Wolfgang Bachofer im Verein mit Erich Henschel und Richard Kienast hg. von Ulrich Pretzel. 4. Aufl., Tübingen 1973 (ATB 45). [Höfische Versnovelle, nach 1210/15] [mk]
[Neidhart =] Die Lieder Neidharts. Hg. von Edmund Wießner. Fortgeführt von Hanns Fischer. 5. Aufl. hg. von Paul Sappler. Mit einem Melodieanhang von Helmut Lomnitzer, Tübingen 1999 (ATB 44). [Liebes- und Schwanklyrik, um 1210/40] [mk]
Das Nibelungenlied. Nach der Ausg. von Karl Bartsch hg. von Helmut de Boor. 22., revidierte und von Roswitha Wisniewski erg. Ausg., Mannheim 1988. [Heldenepos der Nibelungensage, um 1200] [mk]
Orendel, in: Spielmannsepen II. Sankt Oswald, Orendel, Salman und Morolf. Texte, Nacherzählungen, Anm. und Worterklärungen. Hg. von Walter Johannes Schröder, Darmstadt 1976. [Legendenhaftes Brautwerbungsepos, 4. V. 12. Jh.] [mk]
Ortnit, in: Das Straßburger Heldenbuch. Rekonstruktion der Textfassung des Diebolt von Hanowe. Hg. von Walter Kofler. 2 Bde., Göppingen 1999 (GAG 667), Bd. 1, Bl. 13r-50v. [Heldendichtung des Ortnit-Wolfdietrich-Stoffes, Urfassung um 1230, zitierte Fassung aus der Gruppe Ortnit/Wolfdietrich D, 1. H. 14. Jh.] [sks/mk]
Otte, Eraclius. Hg. von Winfried Frey, Göppingen 1983 (GAG 348). [Legendenhafter Roman, A. 13. Jh.] [sks]
[Otto von Freising, Laubacher Barlaam =] Der Laubacher Barlaam. Eine Dichtung des Bischofs Otto II. von Freising (1184-1220). Hg. von Adolf Perdisch, Tübingen 1913 (BIVSt 260). [Legende, um 1200] [bmk]
LXXVIII
Einführung
[Physiologus =] Der altdeutsche Physiologus. Die Millstätter Reimfassung und die Wiener Prosa. Hg. von Friedrich Maurer, Tübingen 1967 (ATB 67). [Allegorische Naturlehre, älteste Fassung um 1070, jüngere Fassungen um 1175] [sks]
[Der Pleier =] Garel von dem blühenden Tal. Ein höfischer Roman aus dem Artussagenkreise von dem Pleier. Hg. von Michael Walz, Freiburg i. Br. 1892. Ders., Meieranz. Hg. von Karl Bartsch. Stuttgart 1861 (BIVSt 60), N D Hildesheim/New York 1974. [Ders. =] Tandareis und Flordibel. Ein höfischer Roman von dem Pleiaere. Hg. von Ferdinand Khull, Graz 1885. [Späthöfische Artusromane, um 1270]
[Prosa-Lancelot =] Lancelot. Nach der Heidelberger Pergamenthandschrift Pal. germ. 147 hg. von Reinhold Kluge. 3 Bde., Berlin 1948/1963/1974 (DTM 42/47/63). [zit.] Lancelot und Ginover. Prosalancelot. Nach der Heidelberger Handschrift Cod. Pal. germ. 147, hg. von Reinhold Kluge, ergänzt durch die Handschrift Ms. allem. 8017-8020 der Bibliotheque de l'Arsenal Paris. Ubers., komm, und hg. von Hans-Hugo Steinhoff. 2 Bde. [bisher], Frankfurt a. M. 1995 (Bibliothek der deutschen Klassiker 123, Bibliothek des Mittelalters 14/15). [Artusroman in Prosa, vor 1250] [mk]
Pyramus undThisbe, in: Deutsche Sammelhandschriften des späten Mittelalters. Hg. von Rolf Max Kully und Heinz Rupp. Cod. Vindobon. 2885. Bearb. von Ursula Schmid, Bern/München 1998 (Bibliotheca Germanica 26), 98-110. [Versnovelle antiken Sujets, 1. H. 14. Jh.] [mk]
Regenbogen, in: HMS III, Nr. 126. [Spruchlyrik, um 1290/1320] [mk]
Reinbot von Durne, Der heilige Georg. Nach sämtlichen Handschriften hg. von Carl von Kraus, Heidelberg 1907 (Germanische Bibliothek 111,1). [Romanhafte Heiligenlegende, 1231/53] [mk]
Reinfried von Braunschweig. Hg. von Karl Bartsch, Tübingen 1871 (BIVSt 109). [Späthöfischer Liebes- und Abenteuerroman historisierenden Sujets, nach 1291] [sks]
Reinmar von Brennenberg, in: KLD, Nr. 44. [Liebeslyrik, 2. H. 13. Jh.] [mk]
[Reinmar von Zweter =] Die Gedichte Reinmars von Zweter. Hg. von Gustav Roethe. Leipzig 1887, N D Amsterdam 1967. [Spruchlyrik, um 1230/50] [mk]
Rudolf von Ems, Alexander. Ein höfischer Versroman des 13. Jahrhunderts. Zum ersten Male hg. von Victor Junk. 2 Bde. Leipzig 1928 (BIVSt 272/274), N D 1970. [Alexanderroman, unvollendet, um 1240] [uk]
Abkürzungen, Quellen, Forschungsliteratur
LXXIX
Ders., Barlaam und Josaphat. Hg. von Franz Pfeiffer. Leipzig 1843 (DDM 3), ND Berlin 1965 (Deutsche Neudrucke, Reihe Texte des Mittelalters). [Legende, um 1225] [bmk]
Ders., Der guote Gerhart. Hg. von John A. Asher. 2. Aufl., Tübingen 1971 (ATB 56). [Legendenhafter Roman, um 1210/20] [uk]
Ders., Weltchronik. Aus der Wernigeroder Handschrift hg. von Gustav Ehrismann. Berlin 1915 (DTM 20), ND Dublin Zürich 1967 (Deutsche Neudrucke, Reihe Texte des Mittelalters). [Chronik, unvollendet, um 1250/54] [mk/sks]
Rudolf von Rotenburg, in: KLD, Nr. 49. [Liebeslyrik, um 1220/50] [mk]
Rumelant, in: HMS III, Nr. 20. [Spruchlyrik, um 1270/90] [mk]
Salman und Morolf, in: Spielmannsepen II. Sankt Oswald, Orendel, Salman und Morolf. Texte, Nacherzählungen und Worterklärungen. Hg. von Walter Johannes Schröder, Darmstadt 1976. [Legendenhaftes Brautwerbungsepos, 4. V. 12. Jh.] [mk]
Der Schüler zu Paris, in: GA I, Nr. XIV. [Liebesnovelle, 13./14. Jh.] [uk]
Seifrits Alexander. Aus der Straßburger Handschrift hg. von Paul Gereke, Berlin 1932 (DTM 36). [Spätmhd. Alexanderroman, 1352]
Sigeher, in: H M S II, Nr. 134. [Spruchlyrik, 3. V. 13. Jh.] [mk]
Der Stricker, Daniel von dem Blühenden Tal. Hg. von Michael Resler, Tübingen 1983 (ATB 92). [Artusroman, um 1220/50] [uk]
Ders., Die Eule und der Habicht, in: Die Kleindichtung des Strickers. Gesamtausgabe in 5 Bden. Hg. von Wolfgang Wilfried Moelleken [u.a.], Göppingen 1973-1978 (GAG 107,1-V), Bd. 111,1, Nr. 55. [Fabel, um 1220/50] [uk]
Ders., Vom heiligen Geist, in: Die Kleindichtung des Strickers. Gesamtausgabe in 5 Bden. Hg. von Wolfgang Wilfried Moelleken [u.a.], Göppingen 1973-1978 (GAG 107, I-V), Bd. II, Nr. 11. [Geistliche Dichtung, um 1220/50] [uk]
Ders., Karl der Große. Hg. von Karl Bartsch, Quedlinburg/Leipzig 1857 (BgdNL 35). [Epos der Karlssage, Bearbeitung von Konrads ,Rolandslied', um 1220/25]
LXXX
Einfuhrung
Ders., Der Pfaffe Amis. Hg. von Κ. Kamihara, Göppingen 1978 (GAG 233). [Schwankzyklus, um 1 2 2 0 / 5 0 ] [uk]
[Der Tannhäuser =] Johannes Siebert, Der Dichter Tannhäuser. Leben — Gedichte — Sage. Halle a. S. 1934, N D Hildesheim/New York 1980. [Liebes- und Spruchlyrik; u m 1 2 4 5 / 6 5 ] [mk]
[Thomasin von Zerklaere, Der welsche Gast =] Der Wälsche Gast des Thomasin von Zirclaria. Hg. von Heinrich Rückert. Quedlinburg/Leipzig 1852 ( B g d N L 30). Mit einer Einleitung und einem Register von Friedrich Neumann, Berlin 1965 (Deutsche Neudrucke, Texte des Mittelalters). [Moralische und didaktische Lehrdichtung, 1 2 1 5 / 1 6 ] [mk]
Tristan als Mönch. Unters, und krit. Edition von Betty C. Bushey, Göppingen 1974 (GAG 119). [Episodenerzählung aus d e m Tristanstoff, u m 1250] [mk]
Ulrich von dem Türlin, Arabel. Die ursprüngliche Fassung und ihre Bearbeitung kritisch hg. von Werner Schröder, Stuttgart/Leipzig 1999. [Legendenroman der Willehalmsage, Vorgeschichte zu Wolframs ,Willehalm', u m 1 2 6 1 / 6 9 ] [mk]
Ulrich von Etzenbach, Alexander. Hg. von Wendelin Toischer. Stuttgart/Tübingen 1888 (BIVSt 183), N D Hildesheim/New York 1974. [Alexanderroman, u m 1280] [sks]
Ders. (?), Herzog Ernst D . Hg. von Hans-Friedrich Rosenfeld, Tübingen 1991 (ATB 104). [Abenteuerroman historisierenden Sujets, Bearbeitung des .Herzog Ernst', u m 1290] [sks]
Ders., Wilhelm von Wenden. Krit. hg. von Hans-Friedrich Rosenfeld, Berlin 1957 ( D T M 49). [Legendenhafter R o m a n , vor 1297] [sks]
Ulrich von Gutenburg, in: MF, Nr. XII. [Liebeslyrik, u m 1200] [mk]
Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst. Hg. von Reinhold Bechstein. 2 Bde., Leipzig 1888 ( D D M 6,1/2). [zit.] Ulrich von Lichtenstein. Mit Anmerkungen von Theodor von Karajan. Hg. von Karl Lachmann. Berlin 1841, N D Hildesheim/New York 1974. [Die Verszählung dieser Ausgabe ist in den Einträgen in Klammer beigegeben.] [Romanhafte Sängerbiographie, 1255] [mk]
Ulrich von Singenberg, in: SMS, Nr. 12. [Liebes- und Spruchlyrik, 1. H . 13. Jh.] [mk]
Ulrich von Türheim, Rennewart. Aus der Berliner und der Heidelberger Handschrift hg. von Alfred Hübner, Berlin 1938 ( D T M 39). [Legendenroman der Willehalmsage, Nachgeschichte von Wolframs ,Willehalm', nach 1243] [mk]
Ulrich von Winterstetten, in: K L D , Nr. 59. [Liebeslyrik, u m 1 2 4 0 / 8 0 ] [mk]
Abkürzungen, Quellen, Forschungsliteratur
LXXXI
Ulrich von Zatzikhoven, Lanzelet. Eine Erzählung. Hg. von Κ. A. Hahn. Mit einem Nachw. und einer Bibliographie von Frederick Norman. ND der Ausg. Frankfurt a. M . 1845, Berlin 1965 (Deutsche Neudrucke, Reihe Texte des Mittelalters). [Artusroman, nach 1 1 9 4 ] [uk]
Virginal, in: Deutsches Heldenbuch. 5. Teil. Hg. von Julius Zupitza. Berlin 1870, N D Dublin/Zürich 1968 (Deutsche Neudrucke, Reihe Texte des Mittelalters). [Heldendichtung aus dem Sagenkreis um Dietrich von Bern, 1. Fassung 2. V. 13. Jh.] [sks/mk]
Wachsmut von Mühlhausen, in: KLD, Nr. 61. [Liebeslyrik, 2. H. 13. Jh.] [mk]
Walther von der Vogelweide, Leich, Lieder, Sangsprüche. 14., völlig neu bearb. Aufl. der Ausg. Karl Lachmanns mit Beiträgen von Thomas Bein und Horst Brunner hg. von Christoph Cormeau, Berlin/New York 1996. [Stellenangaben nach dieser Ausgabe sind durch ein vorangestelltes „C" gekennzeichnet.] Die Gedichte Walthers von der Vogelweide. Hg. von Karl Lachmann. 13. Ausg. aufgrund der 10. von Carl von Kraus bearb. Ausg. neu hg. von Hugo Kuhn, Berlin 1965. [Stellenangaben nach dieser Ausgabe sind durch ein vorangestelltes „L" gekennzeichnet.] [Liebes- und Spruchlyrik, um 1198/1230] [mk]
Der Wartburgkrieg. Krit. hg. von Tom Albert Rompelman, Amsterdam/Paris 1939. Der Wartburgkrieg. Hg., geordnet, übers, und erl. von Karl Simrock, Stuttgart/Augsburg 1858. [Zitate nach dieser Ausg. sind mit „(Simrock)" gekennzeichnet] [Spruchlyrischer Zyklus, älteste Schicht 2. V. 13. Jh., jüngere Schicht 2. H. 13. Jh.] [mk]
Der Weinschwelg, in: Zwei altdeutsche Schwanke. Die böse Frau. Der Weinschwelg. Neu hg. von Edward Schröder. 3. Aufl., Leipzig 1935. [Schwankdichtung, 2. H. 13. Jh.] [mk]
Wernher der Gartenaere, Helmbrecht. Hg. von Friedrich Panzer und Kurt Ruh. 10. Aufl. besorgt von Hans-Joachim Ziegeler, Tübingen 1993 (ATB 11). [Lehrhafte Verserzählung, um 1280/90] [mk]
Wernher von Elmendorf. Unter Mitarbeit von Udo Gerdes, Joachim Heinzle und Gerhard Speilerberg hg. von Joachim Bumke, Tübingen 1974 (ATB 77). [Moralische Lehrdichtung, um 1170/80] [mk]
Wigamur. Ed. avec Introduction et Index par Danielle Buschinger, Göppingen 1987 (GAG 320). [Artusroman, vor 1245] [uk]
[Williram von Ebersberg, Das Hohe Lied =] Willirams deutsche Paraphrase des Hohen Liedes. Hg. von Joseph Seemüller, Straßburg 1878 (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgeschichte der germanischen Völker 28). [Geistliche Kommentarliteratur, um 1065] [bmk]
[Die Winsbeckin =] Winsbeckische Gedichte nebst Tirol und Fridebrant. Hg. von Albert Leitzmann. 3. neubearb. Aufl. von Ingo Reiffenstein, Tübingen 1962. [Lehrhafter spruchlyrischer Zyklus, um 1210/20] [mk]
Einführung
LXXXII
[Wirnt von Grafenberg, Wigalois =] Wigalois der Ritter mit dem Rade von Wirnt von Gravenberc. Hg. von J. M . N. Kapteyn. 1. Bd.: Text, Bonn 1926 (Rheinische Beiträge und Hülfsbücher zur germanischen Philologie und Volkskunde 9). [Artusroman, um 1210/20] [uk]
Claus Wisse und Philipp Colin, Parzifal. Eine Ergänzung der Dichtung Wolframs von Eschenbach. Hg. von Karl Schorbach. Straßburg/London 1888 (Elsässische Literaturdenkmäler aus dem XIV.-XVII. Jahrhundert V), N D Berlin/New York 1974. [Artus-Gralroman, 1 3 3 1 - 3 6 ] [sks]
Wolfdietrich, in: Das Straßburger Heldenbuch. Rekonstruktion der Textfassung des Diebolt von Hanowe. Hg. von Walter Kofler. 2 Bde., Göppingen 1999 (GAG 667), Bd. 1, Bl. 53r-201r. [Heldendichtung der Ortnit-Wolfdietrichsage, Urfassung um 1 2 3 0 , zitierte Fassung aus der Gruppe Ortnit/Wolfdietrich D, 1. H. 14. Jh.] [sks/mk]
Wolfram von Eschenbach, Lieder, in: MF, Nr. XXIV. [Die in Klammer angegebenen Stellenangeben mit der Sigle „L" beziehen sich auf: Wolfram von Eschenbach. Hg. von Karl Lachmann. 6. Ausg. Berlin/Leipzig 1926, N D Berlin 1965.] [Liebeslyrik, um 1200/20] [mk]
Ders., Parzival. Studienausgabe. Mhd. Text nach der sechsten Ausg. von Karl Lachmann. Ubers, von Peter Knecht. Einfuhrung zum Text von Bernd Schirok, Berlin/New York 1998. [Hochhöfischer Artus-Gral-Roman, um 1200/10] [uk/mk]
[Ders., Titurel =] Wolfram von Eschenbach. Hg. von Karl Lachmann. 6. Ausg. Berlin/ Leipzig 1926, N D Berlin 1965. [Fragmentarisches strophisches Epos der Artus-Gral-Sage, um 1217/20] [uk]
Ders., Willehalm. Nach der Handschrift 857 der Stiftsbibliothek St. Gallen. Mhd. Text, Übers., Komm. Hg. von Joachim Heinzle, Frankfurt a. M . 1991 (Bibliothek deutscher Klassiker 69, Bibliothek des Mittelalters 9). [Legendenroman der Willehalmsage, um 1210/20] [mk]
4. Übrige antike und mittelalterliche Quellen Aufgelistet und bibliographisch erfasst sind im Lexikon und in der Einführung zitierte und konsultierte, nicht aber bloß erwähnte Autoren und Werke. Ambrosius Mediolanensis, De obitu Theodosii oratio, PL 16, Sp. 1383ff. Andreae Capellani regii Francorum De Amore libri tres. Ree. E. Trojel. Editio altera, München 1972. Apollodorus, The Library [Bibliotheca]. W i t h an English translation by James George Frazer. 2 Bde., London 1961/1963 (The Loeb Classical Library 121/122). Flavius Arrianus, Anabasis/Der Alexanderzug. Gr./Dt. Hg. und übers, von Gerhard Wirth und Oskar von Hinueber, München/Zürich 1985 (Sammlung Tusculum).
Abkürzungen, Quellen, Forschungsliteratur
LXXXIII
Sancti Aurelii Augustini De civitate Dei libri. 2 Bde., Turnhout 1955 (CSEL 47/48). Benoit de Sainte-Maure, Roman de Troie. Ed. par Leopold Constans. 6 Bde. Paris 1904-11, N D 1968. Bernart de Ventadorn, Can vei la lauzeta mover, in: Mittelalterliche Lyrik Frankreichs I. Lieder der Trobadors. Altprov./Dt. Auswahl, Ubers, und Komm, von Dietmar Rieger, Stuttgart 1980, Nr. XVI, 108-113. Boethius, Trost der Philosophie/Consolatio Philosophiae. Lat./Dt. Hg. und übers, von Ernst Gegenschatz und Olof Gigon. Eingel. und erl. von Olof Gigon. 5. Aufl., Düsseldorf/Zürich 1998 (Sammlung Tusculum). Carmina Burana. Die Lieder der Benediktbeurer Handschrift. Vollständige Ausgabe des Originaltextes nach der von B. Bischoff abgeschlossenen krit. Ausg. von A. Hilka und O. Schumann, Heidelberg 1930-1970. Übers, der lat. Texte von Carl Fischer, der mhd. Texte von Hugo Kuhn. Anm. und Nachw. von Günter Bernt, München 1979. [Chretien de Troyes =] Christian von Troyes, Sämtliche Werke. Zum ersten Male hg. von Wendelin Foerster. Bd. 1: Cliges. Halle 1884, N D Amsterdam 1965. Ders., Erec et Enide/Erec und Enide. Afrz./Dt. Ubers, u. hg. von Albert Gier, Stuttgart 1987. M . Tulli Ciceronis De officiis. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit W. Winterbottom, Oxford 1994 (SCBO). Ders., Gespräche in Tusculum/Tusculanae disputationes. Lat./Dt. Mit ausfuhrlichen Anm. neu hg. von Olof Gigon. 6. Aufl., Darmstadt 1992 (Sammlung Tusculum). Des Clemens von Alexandreia Ausgewählte Schriften. Bd. 1: Mahnrede an die Heiden, Der Erzieher. Aus dem Griechischen übers, von Otto Stählin, München 1934 (Bibliothek der Kirchenväter, Zweite Reihe, Bd. VII, 1). Clementis Alexandrini Protrepticus. Ed. M . Marcovich, Leiden [u.a.] 1995 (Supplements to Vigiliae Christianae 34). Q. Curtii Rufi De gestis Alexandri Magni regis Macedonum libri qui supersunt octo. Mit krit. und exegetischen Anm. hg. von Julius Mützell, Berlin 1841. Dante Alighieri, Die Göttliche Komödie. Italienisch und Dt. 6 Bde. Übers, und komm, von Hermann Gmelin. Stuttgart 1949-1957, N D München 1988. Ders., Vita nova/Das neue Leben. Übers, und komm, von Anna Coseriu und Ulrike Kunkel, München 1988. Daretis Phrygii De excidio Troiae historia. Ree. Ferdinandus Meister. Leipzig 1873, N D Stuttgart/Leipzig 1991 (Bibliotheca Teubneriana). Dictyis Cretensis Ephemeridos belli Troiani libri a Lucio Septimio ex graeco in latinum sermonem translati. Ed. Werner Eisenhut, Leipzig 1958 (Bibliotheca Teubneriana). [Ecloga Theoduli =] Bernard d'Utrecht, Commentum inTheodulum (1076-1099). Ed. par R. B. C. Huygens, Spoleto 1977 (Biblioteca degli „Studi Medievali" VIII).
LXXXIV
Einführung
[Ekkehard von Aura, Chronicon universale =] Ekkehardi Uraugiensis Chronica edente v. cl. G. Waitz, PL 154, Sp. 433flf. Epistola Alexandri Magni ad Aristotelem. Ad codicum fidem ed. et commentario critico instruxit Walter Boer, Meisenheim am Glan 1973 (Beiträge zur klassischen Philologie 50). Euripidis Fabulae. Ed. J. Diggle. 3 Bde. 2. Aufl., Oxford 1986-1987 (SCBO). Excidium Troie. Hg. von Alan Keith Bate, Frankfurt a. Μ. [u.a.] 1986 (Lateinische Sprache und Literatur des Mittelalters 23). Floire et Blancheflor. Ed. critique par Margaret Pelan, Paris 1937. [Florus =] P. Annii Flori Opera quae exstant omnia. Curavit et ed. Ladislaus Havas, Debrezen 1997 (Agatha, Series Latina). [Frechulf von Lisieux =] Freculphi episcopi Lexoviensis Chronicorum tomi duo [etc.], PL 106, Sp. 917ff. [Fulgentius =] Fabii Planciadis Fulgentii v. c. Opera. Ree. Rudolfus Helm. Accedunt Fabii Claudii Gordiani Fulgentii v. c. De aetatibus mundi et hominis et S. Fulgentii Episcopi Super Thebaiden, Leipzig 1898 (Bibliotheca Teubneriana). [Geoffrey von Monmouth =] The Historia Regum Britanniae of Geoffrey of Monmouth. Ed. by Acton Griscom, London 1929. [Georgslied =] Lied vom heiligen Georg, in: Althochdeutsches Lesebuch. Zusammengestellt und mit Wörterbuch versehen von Wilhelm Braune. Fortgeführt von Karl Helm. 16. Aufl. bearb. von Ernst A. Ebbinghaus, Tübingen 1979, 132-135. [Gottfried von Viterbo =] Godefridi Viterbiensis Pantheon sive Memoria saeculorum [etc.], PL 198, Sp. 87Iff. Magister Gregorius (12 c ou 13c siecle), Narracio de mirabilibus urbis Rome. Ed. par R. B. C. Huygens, Leiden 1970 (Textus Minores XLII). Guido de Columnis, Historia destruetionis Troiae. Ed. Nathaniel F. Griffin, Cambridge (Mass.) 1936. Guillaume de Lorris und Jean de Meun, Der Rosenroman. Übers, u. eingel. von Karl August Ott. 3 Bde., München 1976-1979 (KTRMA 15,1-3). Herakleitos, in: Die Vorsokratiker. Gr./Dt. Auswahl der Fragmente, Übers, und Erläuterungen von Jaap Mansfeld, Stuttgart 1987. Herodot, Historien. Gr./dt. Hg. von Josef Feix. 2 Bde. 4. Aufl., Düsseldorf/Zürich 1988 (Sammlung Tusculum). Herrad von Landsberg, Hortus Deliciarum. Hg. von Otto Gillen, Neustadt 1979. Hesiodi Theogonia, Opera et Dies, Scutum. Ed. Friedrich Solmsen. Fragmenta selecta ed. R. Merkelbach et M . L. West. Editio altera cum appendice nova fragmentorum, Oxford 1984 (SCBO). [Hieronymus, Chronik =] S. Eusebii Hieronymi, Stridonensis presbyteri, Interpretatio chronicae Eusebii Pamphili [etc.], PL 27, Sp. 33ff.
Abkürzungen, Quellen, Forschungsliteratur
LXXXV
S. Hieronymi Presbyteri Opera. Pars I: Opera exegetica. Vol. 5: Commentarium in Danielem libri III , Turnhout 1964 (CCSL 75a). [Hildebert von Lavardin, Carmina =] Ven. Hildeberti [Cenomanensis] Carmina miscellanea, tarn sacra quam moralia. Sive libellus qui dicitur Floridus adspectus, PL 171, Sp. 1381ff. Historia Apollonii regis Tyri. Ed. Gareth Schmeling, Leipzig 1988 (Bibliotheca Teubneriana). [Historia de preliis =] Oswald Zingerle, Die Quellen zum Alexander des Rudolf von Ems. Im Anhange: Die Historia de preliis. Breslau 1885 (Germanistische Abhandlungen IV), N D Hildesheim/New York 1977. Homer, Odyssee. Hg. von Anton Weiher. 10. Aufl., München/Zürich 1994 (Sammlung Tusculum). [Ders. =] Homeri Opera. Recognoverunt brevique adnotatione critica instruxerunt David B. Monro et Thomas W. Allen. Tomi I et II Iiiados libri XXIV continentes. Editio tertia, Oxford 1920 (SCBO). Honorii Augustodunensis De imagine mundi libri tres, PL 172, Sp. 115ff. Ders., Elucidarium sive Dialogus de summa totius christianae theologiae, PL 172, Sp. 1109ff. Ders., Speculum ecclesiae, PL 172, Sp. 807ff. [Ders., Timaios-Kommentar =] Commentarius in Timaeum Piatonis auctore, ut videtur Honorio Augustodunensi, PL 172, Sp. 245ff. [Hrabanus Maurus, De inventione linguarum =] B. Rabani De inventione linguarum. Ab Hebraea usque ad Theodiscam [etc.], PL 112, Sp. 1579ff. Hygini, Fabulae. Ed. Peter K. Marshall, Stuttgart/Leipzig 1993 (Bibliotheca Teubneriana). [Jacobus de Voragine =] Die Legenda aurea des Jacobus de Voragine. Aus dem Lat. übersetzt von Richard Benz. 13. Aufl., Gütersloh 1999. [Johannes von Salisbury =] Ioannis Saresberiensis Metalogicon. Ed. J. B. Hall, Turnhout 1991 ( C C C M 98). [Jordanus Lemoviclensis (Jordanes) =] Jornandis seu Jordani episcopi Ravennatis De Getarum sive Gothorum origine et rebus gestis, PL 69, Sp. 1254ff. Iosephi Flavi Opera omnia. Post Immanuelen! Bekkerum recognovit Samuel Adrianus Naber. 6 Bde., Leipzig 1888-1896 (Bibliotheca Teubneriana). Isidori Hispalensis episcopi Etymologiarum sive Originum libri XX. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit W. M . Lindsay. 2 Bde. Oxford 1911, N D 1957, 1962 (SCBO). Iuli Valeri Res gestae Alexandri Macedonis translatae ex Aesopo Graeco. Ed. Michaela Rosellini, Stuttgart/Leipzig 1993 (Bibliotheca Teubneriana). [Lai de Narcisse =] Narcisse: Conte ovidien frangais du XIIe siecle. Ed. par Martine Thiry-Stassin et Madeleine Tyssens, Liege 1976.
LXXXVI
Einführung
[Laktanz =] L. Caeli Firmiani Lactanti Opera omnia. Ree. Samuel Brandt et Georgius Laubmann. Pars I: Divinae institutiones et Epitome divinarum institutionum, Prag [u.a.] 1890 (CSEL 19). [Leo Archipresbyter =] Der Alexanderroman des Archipresbyters Leo. Unters, und hg. von Friedrich Pfister, Heidelberg 1913 (Sammlung mittellateinischer Texte 6). Titi Livi Ab urbe condita libri. Iterum recognovit W. Weissenborn. 5 Bde., Leipzig 1860-1885 (Bibliotheca Teubneriana). Marcus A. Lucanus, Bellum civile/Der Bürgerkrieg [Pharsalia]. Hg. und übers, von Wilhelm Ehlers. 2. Aufl., München 1978 (Tusculum-Bücherei). Titus Lucretius Carus, De rerum natura. Welt aus Atomen. Lat./Dt. Ubers, und mit einem Nachw. hg. von Karl Büchner, Stuttgart 1986. [Macrobius =] Ambrosii Theodosii Macrobii Saturnalia. Ed. Iacobus Willis, Leipzig 1963 (Bibliotheca Teubneriana). [(Pseudo-)Methodius =] Die Apokalypse des Pseudo-Methodius. Hg. von Anastasios Lolos. 2 Bde., Meisenheim am Glan 1976/1978 (Beiträge zur klassischen Philologie 83/94). [Mythographi Vaticani =] Scriptores rerum mythicarum latini tres Romae nuper reperti. Ed. ac scholiis illustravit Georgius Henricus Bode. 2 Bde., Celle 1834. [Notker von St. Gallen =] Notker der Deutsche, Martianus Capella, „De nuptiis Philologiae et Mercurii". Hg. von James C. King, Tübingen 1979 (Die Werke Notkers des Deutschen. Neue Ausgabe, Bd. 4; ATB 87). Pauli Orosii Historiarum adversum paganos libri VII. Ree. et commentario critico instruxit Carolus Zangemeister, Wien 1882 (CSEL 5). Otfrids Evangelienbuch. Hg. von Oskar Erdmann. 6. Aufl. besorgt von Ludwig Wolff, Tübingen 1973 (ATB 49). [Otto von Freising, Chronik =] Otto Frisingensis, Chronica sive historia de duabus civitatibus. Editio altera recognovit Adolfus Hofmeister, Hannover [u.a.] 1912 (MGH, Scriptores rerum Germanicarum 45). Ovide moralise. Poeme du commencement du quatorzieme siecle. Publie d'apres tous les manuscrits connus par C. de Boer. 5 Bde. Amsterdam 1915-1938 (Verhandelingen der Koninklijke Akademie van Wettenschappen, Afdeling Letterkunde, Nieuwe Reeks 15/21/30/38/43), N D 1966. Publius Ovidius Naso, Briefe aus der Verbannung. [Tristia, Epistolae ex Ponto.] Lat./Dt. Übertr. von Wilhelm Willige. Eingel. u. erl. von Niklas Holzberg, München/Zürich 1990 (Sammlung Tusculum). Ders., Die Fasten. Hg., übers, und komm, von Franz Börner. 2 Bde., Heidelberg 1957/58. Ders., Heroides. Briefe der Heroinen. Lat./Dt. Übers, und hg. von Detlev Hoffmann, Christoph Schliebitz und Hermann Stocker, Stuttgart 2000.
Abkürzungen, Quellen, Forschungsliteratur
LXXXVII
Ders., Liebesgedichte/Amores. Lat./Dt. Hg. von Walter Marg und Richard Harder. 7. Aufl., München/Zürich 1992 (Sammlung Tusculum). Ders., Liebeskunst, Heilmittel gegen die Liebe. [Ars amatoria, Remedia amoris.] Lat./Dt. Hg. von Niklas Holzberg. 3. Aufl., München/Zürich 1991 (Sammlung Tusculum). Ders., Metamorphoses. Ed. William S. Anderson, Leipzig 1988 (Bibliotheca Teubneriana). [Palaiphatos =] Die Wahrheit über die griechischen Mythen. Palaiphatos' .Unglaubliche Geschichten'. Gr./Dt. Ubers, und hg. von Kai Bodersen, Stuttgart 2002. [Petrus Comestor, Historia scholastica =] Eruditissimi viri Magistri Petri Comestoris Historia scholastica [etc.], PL 198, Sp. 1049ff. Pindar, Oden. Gr./Dt. Übers, und hg. von Eugen Dönt, Stuttgart 1986. Piaton, Werke in acht Bänden. Gr. und Dt. Hg. von Gunther Eigler, Darmstadt 1990. [Plinius der Altere =] C. Plini secundi Naturalis historiae libri XXXVII. Ed. Carolus Mayhoff. Editio stereotypa editionis prioris 1865-1909, Stuttgart 1967-1980 (Bibliotheca Teubneriana). Plutarch, Fünf Doppelbiographien in 2 Bdn. Teil 1: Alexandras und Caesar, Aristeides und Marcus Cato, Perikles und Fabius Maximus. Teil 2: Gaius Marcius und Alkibiades, Demosthenes und Cicero. Gr./Dt. Ausgewählt von Manfred Fuhrmann. Einfuhrung und Erläuterung, München/Zürich 2001 (Sammlung Tusculum). [Quaestiones Veteris et Novi testamenti =] Appendix tertii tomi Operum S. Augustini complectens aliquot in Scripturam tractatus ipsi olim falso adscriptos [etc.], PL 35, Sp. 2205ff. Le Roman d'Eneas. Ubers, und eingel. von Monica Schöler-Beinhauer, München 1972 (KTRMA 9). Le Roman de Thebes. Publie par Guy Raynaud de Lage. 2 Bde., Paris 1969/1971 (Les Classiques F r a ^ a i s du Moyen Age 94/96). Servii Grammatici qui feruntur in Vergilii carmina commentarii. Ed. Georg Thilo et Hermann Hagen. 3 Bde. 1881-87, N D Hildesheim/New York 1961. [Simon Aurea Capra, Ilias =] A. Boutemy, La version Parisienne du poeme de Simon Chevre d'Or sur la Guerre de Troie (Ms. lat. 8430), in: Scriptorium 1 (1946/47), 267-288. Sophoclis fabulae. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit A. C. Pearson, Oxford 1983 (SCBO). [Statius =] P. Papini Stati Thebais et Achilleis. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit H. W. Garrod, Oxford 1962 (SCBO). C. Suetoni Tranquilli Opera. Vol. 1: De vita Caesarum libri VIII. Ree. Maximiiianus Ihm. Leipzig 1908, N D Stuttgart 1993 (Bibliotheca Teubneriana).
LXXXVIII
Einführung
P. Cornelius Tacitus, Annalen. Lat./Dt. Hg. von Erich Heller. Mit einer Einführung von Manfred Fuhrmann, München/Zürich 1992 (Sammlung Tusculum). [Theodulf von Orleans, Carmina =] Theodulfi [Aurelianensis] Carmina, PL 105, Sp. 283ff. Albius Tibullus, Elegische Gedichte. Lat./Dt. Ubers, und hg. von Joachim Lilienweiß, Arne Malmsheimer und Burkhard Mojsisch, Stuttgart 2001. Vergil, Aeneis. Lat./Dt. In Zusammenarbeit mit Maria Götte hg. und übers, von Johannes Götte. Mit einem Nachw. von Bernhard Kytzler. 8. Aufl., München/Zürich 1994. Ders., Landleben (Catalepton, Bucolica, Georgica). Lat./Dt. Hg. von Johannes und Maria Götte. Vergil-Viten. Lat./Dt. Hg. von Karl Bayer. 5. Aufl., München/Zürich 1987. [Walter von Chätillon =] Galteri de Castellione Alexandreis. Ed. Marvin L. Colker, Padua 1978 (Thesaurus mundi 17).
5. Forschungsliteratur Aufgelistet sind die im Lexikon mehrfach genannten und in Kurzform zitierten Werke. Sammelwerke werden nach ihrem Titel gereiht. Die Einordnung erfolgt nach dem ersten Nomen. Klemens Alfen, Petra Fochler und Elisabeth Lienert, Deutsche Trojatexte des 12. bis 16. Jahrhunderts. Repertorium, in: Die deutsche Trojaliteratur, 7-194. Antike Mythen in der europäischen Tradition. Hg. Heinz Hofmann, Tübingen 1999 (Attempto Studium generale). Der antike Mythos und Europa. Texte und Bilder von der Antike bis ins 20. Jahrhundert. Hg. von Francesca Cappelletti und Gerlinde Huber-Rebenich, Berlin 1997 (Ikonographische Repertorien zur Rezeption des antiken Mythos in Europa, Beiheft II). Karl Bartsch, Albrecht von Halberstadt und Ovid im Mittelalter, Quedlinburg/Leipzig 1861. Adolf Birch-Hirschfeld, Über die den provenzalischen Troubadours des XII. und XIII. Jahrhunderts bekannten epischen Stoffe. Habil., Leipzig 1878. Luc Brisson, Einfiihrung in die Philosophie des Mythos. Band 1: Antike, Mittelalter und Renaissance. Aus dem Frz. übers, von Achim Russer, Darmstadt 1996. Jane Chance, Medieval Mythography. From Roman North Africa to the School of Chartres. A. D. 433-1177, Gainesville [u.a.] 1994. Frank W. Chandler, A Catalogue of Names of Persons in the German Court Epics. An Examination of the Literary Sources and Dissemination, together with Notes on
Abkürzungen, Quellen, Forschungsliteratur
LXXXIX
the Etymologies of the More Important Names. Ed. with an Introduction and an Appendix by Martin H. Jones, London 1992. Ulrike Cova, Antike Beispielfiguren in deutschsprachiger didaktischer Literatur und darstellender Kunst des 13. Jahrhunderts, Diss. Wien 1973. Ernst Robert Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter. 11. Aufl., Bern/München 1993 [erstmals 1948], Die deutsche Trojaliteratur des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Materialien und Untersuchungen. Hg. von Horst Brunner, Wiesbaden 1990 (Wissensliteratur im Mittelalter 3). Alfred Ebenbauer, Antike Stoffe, in: Epische Stoffe des Mittelalters. Hg. von Volker Mertens und Ulrich Müller, Stuttgart 1984, 247-289. Ders., Spekulieren über Geschichte im höfischen Roman um 1300, in: Philologische Untersuchungen gewidmet Elfriede Stutz zum 65. Geburtstag. Hg. von Α. E., Wien 1984 (Philologica Germanica 7), 151-166. Trude Ehlert, Deutschsprachige Alexanderdichtung des Mittelalters. Zum Verhältnis von Literatur und Geschichte, Frankfurt a. M . 1989 (Europäische Hochschulschriften, Reihe I: Deutsche Sprache und Literatur, 1174). Louis-Fernand Flutre, Table des noms propres avec toutes leurs variantes, figurant dans les romans du Moyen Age ecrits en frangais ou en proven9al et actuellement publies ou analyses, Poitiers 1962 (Publications du Centre d'Etudes Superieures de Civilisation Medievale de l'Universite de Poitiers 2). Elisabeth Frenzel, Stoffe der Weltliteratur. Ein Lexikon dichtungsgeschichtlicher Längsschnitte. 9., überarbeitete und verm. Aufl., Stuttgart 1998. Peter Ganz, Tristan, Isolde und Ovid. Zu Gottfrieds .Tristan' Z. 17182ff., in: Mediaevalia litteraria. FS Helmut de Boor zum 80. Geburtstag. Hg. von Ursula Hennig und Herbert Kolb, München 1971, 397-412. George T. Gillespie, A catalogue of persons named in German heroic literature (700-1600). Including named animals and objects and ethnic names, Oxford 1973. Frantisek Graus, Troja und trojanische Herkunftssage im Mittelalter, in: Kontinuität und Transformation der Antike im Mittelalter. Veröffentlichung der Kongreßakten zum Freiburger Symposion des Mediävistenverbandes. Hg. von Willi Erzgräber, Sigmaringen 1989, 25-43. Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon [etc.]. Sorgfältigst durchgesehen, ansehnlich vermehret und verbessert von Johann Joachim Schwaben. Leipzig 1770, N D Darmstadt 1996.
xc
Einführung
Herbert Hunger, Lexikon der griechischen und römischen Mythologie mit Hinweisen auf das Fortwirken antiker Stoffe und Motive in der bildenden Kunst, Literatur und Musik des Abendlandes bis zu Gegenwart. 5. Aufl., Wien 1959. Hans Robert Jauß, Allegorese, Remythisierung und neuer Mythos. Bemerkungen zur christlichen Gefangenschaft der Mythologie im Mittelalter, in: Ders., Alterität und Modernität der mittelalterlichen Literatur. Gesammelte Aufsätze 1956-1976, München 1977,285-307 [erstmals in: Terror und Spiel. Probleme der Mythenrezeption. Hg. von Manfred Fuhrmann, München 1971 (Poetik und Hermeneutik IV), 187-210], Manfred Kern, Agamemnon weint oder arthurische Metamorphose und trojanische Destruktion im ,Göttweiger Trojanerkrieg', Erlangen und Jena 1995 (Erlanger Studien 104). Ders., Amors schneidende Lanze. Zur Bildallegorie im ,Willehalm', ihrer Lesbarkeit und ihrer Rezeption im späthöfischen Roman, DVjs 73 (1999), 567-591. Ders., Edle Tropfen vom Helikon. Zur Anspielungsrezeption der antiken Mythologie in der deutschen höfischen Lyrik und Epik, Amsterdam/Atlanta 1998 (Amsterdamer Publikationen zur Sprache und Literatur 135). Ders., Isolde, Helena und die Sirene. Gottfried von Straßburg als Mythograph, OGS 29 (2000), 1-30. Ders., Mittelalterliche und moderne Mythen. Zur Differenz der Rezeption antiker Mythologie in Mittelalter und Gegenwart, in: Die Gegenwart des Altertums. Formen und Funktionen des Altertumsbezugs in den Hochkulturen der Alten Welt. Hg. von Dieter Kuhn und Helga Stahl, Heidelberg 2001, 217-235. Renate Kistler, Heinrich von Veldeke und Ovid, Tübingen 1993 (Hermaea N.F. 71). Fritz Peter Knapp, Der Selbstmord in der abendländischen Epik des Hochmittelalters, Heidelberg 1979. Gerhard P. Knapp, Hector und Achill: Die Rezeption des Trojastoffs im deutschen Mittelalter. Personenbild und struktureller Wandel, Bern/Frankfurt a. M . 1974 (Utah Studies in Literature and Linguistics 1). Ernest Langlois, Table des noms propres de toute nature compris dans les chansons de geste. 2 Bde., Paris 1904. Matthias Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. Zugleich als Supplement und alphabetischer Index zum Wörterbuche von Benecke-Müller-Zarncke. 3 Bde. Leipzig 1872-1878, N D Stuttgart 1965. Elisabeth Lienert, Geschichte und Erzählen. Studien zu Konrads von Würzburg ,Trojanerkrieg', Wiesbaden 1996 (Wissensliteratur im Mittelalter 22). Dies., Ritterschaft und Minne, Ursprungsmythos und Bildungszitat -Troja-Anspielungen in nicht-trojanischen Dichtungen des 12. bis 14. Jahrhunderts, in: Die deutsche Trojaliteratur, 199-243.
Abkürzungen, Quellen, Forschungsliteratur
XCI
Hans-K. und Susanne Lücke, Antike Mythologie. Ein Handbuch. Der Mythos und seine Uberlieferung in Literatur und bildender Kunst, Reinbek bei Hamburg 1999. Dies., Helden und Gottheiten der Antike. Ein Handbuch. Der Mythos und seine Überlieferung in Literatur und bildender Kunst, Reinbek bei Hamburg 2002. Manfred Lurker, Wörterbuch der Symbolik. 5. Aufl., Stuttgart 1991.
Stefan Merkle, Troiani belli verior textus. Die Trojaberichte des Dictys und Dares, in: Die deutsche Trojaliteratur, 491-522. Ulrich Mölk, Alberics Alexanderlied, in: Alexanderdichtungen im Mittelalter. Kulturelle Selbstbestimmung im Kontext literarischer Beziehungen. Hg. von Jan Cölln [u.a.], Göttingen 2000 (Literatur- und Kulturräume im Mittelalter 1). Friedrich Ohly, Sage und Legende in der Kaiserchronik. Untersuchungen über Quellen und Aufbau der Dichtung. Münster 1940, ND Darmstadt 1968. Erwin Panofsky, Der blinde Amor, in: Ders., Studien zur Ikonologie. Humanistische Themen in der Kunst der Renaissance, Köln 1980,153-202 [Originalausgabe: Studies in Iconology, New York 1939]. Ders., Die Renaissancen der europäischen Kunst. Übers, von Horst Günther. 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1996 [Originalausgabe: Renaissance and Renascences in Western Art, Stockholm I960]. Hugo Rahner, Griechische Mythen in christlicher Deutung. Mit einem Geleitwort von Alfons Rosenberg, Basel 1984 (Sammlung Überlieferung und Weisheit). Die Rezeption der,Metamorphosen' des Ovid in der Neuzeit: Der antike Mythos in Text und Bild. Internationales Symposion der Werner Reimers-Stiftung Bad Homburg v. d. H. (22. bis 25. April 1991). Hg. von Hermann Walter und Hans-Jürgen Horn, Berlin 1995 (Ikonographische Repertorien zur Rezeption des antiken Mythos in Europa, Beiheft I). Rüdiger Schnell, Causa amoris. Liebeskonzeption und Liebesdarstellung in der mittelalterlichen Literatur, Bern/München 1985 (Bibliotheca Germanica 27). Jean Seznec, Das Fortleben der antiken Götter. Die mythologische Tradition im Humanismus und in der Kunst der Renaissance. Aus dem Frz. von Heinz Jatho, München 1990 [Originalausgabe: La Survivance des Dieux Antiques, London 1940]. Venus. Bilder einer Göttin. Hg. von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, München 2001. Sabine Wedner, Tradition und Wandel im allegorischen Verständnis des Sirenenmythos. Ein Beitrag zur Rezeptionsgeschichte Homers, Frankfurt a. M . [u.a.] 1994 (Studien zur klassischen Philologie 86).
A Abaris [Gefolgsmann des Phineus; MM 5,86]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,146: A, ein Gefährte des Phineus, fällt in dem von diesem provozierten Kampf auf dem Hochzeitsfest von Perseus und Andromeda (Katalog). [mk]
Abas [König von Argos, Sohn des Lynkeus und der Hypermestra, Nachkomme des Zeus, Vorfahre des Perseus]
G: Sohn des Belus, Nachkomme des Iuppiter, Vorfahre des Darius (Al) R: König von Argos (El) Nf.: Arbas (El) I. Al Ulrich von Etzenbach, yAlexander'·. Α ist ein Nachkomme Iuppiters und Vorfahre der persischen Könige. Darius beruft sich auf diese göttliche Abstammung, um seinen Männern vor dem Kampf gegen Alexander Mut zuzusprechen (6975-6977; Katalog der Vorfahren des Darius). Ε1 Rudolf von Ems,, Weltchronik' 19901: Α ist der zwölfte König von Argos (Katalog). II. Α ist der antiken Sage nach einer der frühen Könige von Argos. Seine Genealogie kennt einige Varianten. Al folgt vermutlich einer Glosse zu der knappen Berufung des Darius auf Belus als Stammheros der Perser in Walters von Chatillon ,Alexandreis'. [1] Die Darius-Genealogie reflektiert den Typus der orientalischen, durch gr.-röm. Deutung modifizierten Herrschergenealogie.
In El sind die mythologischen Daten dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend rein historisch gefasst und werden in profangeschichtlichen Exkursen („incidentia") zur Heilsgeschichte erinnert. Sie erschöpfen sich wie hier meist in katalogartigen Aufzählungen von Herrscherhäusern, auf narrative Darstellung wird dabei verzichtet. Das Muster ist in der Hauptquelle von El, der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor, vorgegeben, die Α jedoch nicht nennt. [2] [1] Vgl. die Glosse der ,Alexandreis'-Hs. R zu 11,326, Colker (Hg.), 501 (wie in Al ist Α dort Sohn des Belus; die Hs. datiert allerdings auf das 14. Jh., also nach Al); Belus. [2] Für die Erwähnung As verweist Ehrismann (Hg.), 277 auf die Herrschertabellen in der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 216). [mk]
Abdalonymus [König von Sidon, 332 v. Chr. von Alexander eingesetzt; Curtius IV. 1,19]
Al Rudolf von Ems, Alexander'(Abdalominus): Der verarmte Α wird von Alexander als König von Sidon eingesetzt. Bedenken seiner Gefolgsleute über diese Wahl zerstreut Alexander in einer Lehrrede über Tugend, Armut und Reichtum (8406-8525). [1] [ 1 ] Die Ausgestaltung der Episode steht in Zusammenhang mit der weitgehenden Idealisierung Alexanders zum tugendhaften und weisen Herrscher in A l . [sks]
Abistamenes [Statthalter Alexanders in Kappadokien; Curtius 111.4,1]
Al Rudolf von Ems, ^Alexander' 5601 (Istamenes): Alexander setzt Α als Statthalter von Kappadokien ein. [mk]
2 Absyrtus
Absyrtus — Achaemenides I.
Medea
Acamas [1]
Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen' 8,596: Α ist einer der Jäger des Kalydonischen Ebers (Katalog). A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. A beneidet Peleus um dessen künftigen Ruhm, nimmt ihn gefangen und verbirgt ihn in einer Höhle. Nach dem Trojanischen Krieg befreit Pyrrhus Peleus, nimmt Α gefangen und tötet dessen Söhne Menalippus und Pleisthenes. Auf Thetis' Bitte kommt Α frei und gibt Peleus das Land zurück. A's Reich übernimmt Pyrrhus (17825-18123; Nachgeschichte des Trojanischen Krieges).
[Sohn des Theseus und der Phaedra, Bruder des Demophon; Dares 24,4; Dictys 114,27; Benoit 26313]
II.
Abulites [Persischer Satrap von Susiana, übergibt Alexander 331 v. Chr. die Stadt; Curtius V.2,8]
Al Rudolf von Ems, ^Alexander': Α übergibt Alexander die Stadt und das Land Susa und überlässt ihm seinen Sohn als Geisel (13441-13469). [sks]
A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' (Achamas)·. A, ein Dienstmann Agamemnons, nimmt nach dem Untergang Trojas Clymena, die Tochter des Idomeneus, zur Frau (16361). Α und Demophon müssen vor Aegisthus weichen und überlegen auf Nestors Rat weitere Schritte (17314). [1] [1] Das Motiv von Ä s und Demophons Racheplänen wird nicht weiter ausgeführt. Aegisthus wird von Orestes getötet. [mk]
Acamas [2] [Mit den Trojanern verbündeter Thrakerfürst; Dares 22,19; Benoit 6 7 3 7 Acamus]
A l Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg (Achalmus): Α ist König von Indien und ein Verbündeter der Trojaner (24939; 36722). [1] [1] Aufgrund von Nf. und Kontext wird der bei Dares und Benoit genannte Α gemeint sein, der dort allerdings Thrakerkönig und nicht König von Indien ist. [sks]
Acastus [Sohn des Pelias, nimmt an der Kalydonischen Eberjagd und an der Argonautenfahrt teil]
G: Ahnherr des Pyrrhus, Vater von Menalippus, Pleisthenes und Thetis (A2)
Die Jagd auf den Kalydonischen Eber ist in der ma. Mythenrezeption ein nur wenig verbreitetes Motiv. Die Nennung A's in Al folgt direkt Ovids ,Metamorphosen' (8,306). Der dem argonautischen Sagenkreis zugehörige Α und Peleus werden bereits bei Apollodor (3.13,3) verbunden, Peleus kommt als Flüchtling zu A, wird von dessen Gattin verleumdet (Phaidra-Motiv) und daraufhin im Gebirge ausgesetzt. Er rächt sich später an Α. [1] Der Handlungsgang in A2 folgt mittelbar über den Trojaroman Benoits de Sainte-Maure (29097) dem Trojabericht des Dictys Cretensis (125,19ff.), die veränderte Genealogie (Thetis als A's Tochter) stammt von Benoit. [1] S.v. Akastos (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 1, Sp. 216. [mk]
Achaemenides [Gefährte des Ulixes; M M 14,161]
Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen' (Achimedes): Α ist von Ulixes bei Polyphem vergessen worden und wird von Aeneas gerettet. Auf dessen Schiff trifft er seinen Gefährten Machareus, berichtet ihm von seinen Erlebnissen und bittet ihn, von Ulixes' weiterem Geschick zu erzählen (14,136-140).
Achaimenes — Achilles NacHbenennung Konradvon Würzburg,, Trojanerkrieg 30868 (Achimanis)·. A ist der Fahnenträger des Achilles. [1] [ 1 ] Ein Achimanis lässt sich weder bei Dares noch bei Benoit belegen. Vielleicht stammt der Name von dem im ,Excidium Troie' genannten Acimenides (32), der mit Α identisch sein könnte. [mk]
Achaimenes
Achelous [Fluss, Flussgott, Rivale des Hercules um die H a n d Deianiras; M M 8,549]
Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen '·. A, ein Flussgott, kann sich in einen Menschen, eine Schlange und einen Stier verwandeln. Er berichtet, wie Hercules ihm einst im Kampf um Deianira ein Horn abgebrochen hat (8,1047-9,200; RV 9,417). [mk]
[Sohn des Perseus oder des Aegeus, Stammvater und Eponymos des persischen Königshauses]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander' 6990 Achillas (Achanes): Α ist ein Nachkomme des Perseus [Gefolgsmann des Darius; Chatillon IV,72] und Vater des Arsames. Darius nennt ihn in einem Katalog seiner Vorfahren, über die er Al Ulrich von Etzenbach, vAlexander': Α wird von Darius mit einer Friedensbotschaft zu sich auf Iuppiter zurückführt. [1] [1] O b der genannte Achanes tatsächlich mit A, dem Alexander gesandt und bietet ihm im Namen Stammvater der Achaimeniden, identisch ist, bleibt fragdes Königs die Hand Roxanes und kaukasilich. Der Katalog der Vorfahren des Darius in A l bezieht sches und arabisches Gold. Alexander will nur sich auf die knappe Anspielung in der .Alexandreis' Walters unter der Bedingung zustimmen, dass sich von Chatillon 11,326, zu der A l wohl Glossen vorlagen, vgl. die bei Colker (Hg.), 501 abgedruckte Glosse (ohne Darius von ihm belehnen lässt, sich also unN e n n u n g A's). terwirft. A's Mission scheitert (10575; 10600[mk/sks] [10899]). [sks]
Achates
Achilles
[Gefährte des Aeneas, von sprichwörtlicher Treue; .Aeneis' 1,120]
[Sohn der Thetis und des Peleus, wichtigster Held der Griechen vor Troja, tötet Hector und fällt durch Paris]
Dl Hugo von Trimberg, ,Der Renner' 6364: Α und Aeneas werden als vorbildliches heidnisch-antikes Freundespaar genannt. Die christliche Gegenwart kenne keine wahre Freundschaft mehr. [1]
G: Sohn der Thetis (A2, A3, A4, B6, El, E2) und des Peleus (A2, B5, El), Vater des Pyrrhus (A2, A5), von Chiron ausgebildet (A3, B4, B6, El, E2) Nf.: n.n. (Dl)
[ 1 ] Exempla im Rahmen von laus temporis acti und Zeitklage sind in der didaktischen Literatur üblich. Die Aufwertung der Heidenzeit gegenüber der christlichen Gegenwart in D l m ü n d e t freilich in eine ungewöhnliche Hyperbel. Als weitere Freundespaare aus vorchristlicher Zeit werden Tydeus und Polynices, Orestes und Pylades, Achilles und Patrodus sowie David u n d Jonathan genannt. Als treuer Freund erscheint Α in Vergils Aeneis'. Aufgrund deren Autorität repräsentieren Α und Aeneas (wie die anderen Gestalten auch) entsprechende Exempelfiguren, ohne dass ein bewusster Rückgriff auf Vergil vorliegen müsste (was wegen des umfassenden Bildungshorizonts von D l freilich auch nicht auszuschließen ist). [mk]
A5, A3, A3, A4,
B5, A4, A4, A5,
I.
Al Heinrich von Veldeke, .Eneasroman 3346·. Α befindet sich unter den vor Troja gefallenen Griechen in der Unterwelt (Unterweltfahrt des Eneas; Katalog). A2 Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen': Α ist von Peleus und Thetis gezeugt worden (7,877). Proteus hat vorausgesagt, dass die ganze Welt von seinem Rittertum erzählen
4
Achilles
werde ([11,400]; 11,490). Er tötet vor Troja Hector und erwürgt den unverwundbaren Cygnus (12,147-339; 12,617). Aus Rache dafür stiftet Neptunus Apollo an, Α von Paris töten zu lassen (12,822-905). Beim Streit um As Waffen beruft sich Aiax auf seine Verwandtschaft mit A. Ulixes erinnert daran, dass er den als Frau verkleideten Α enttarnt und nach Troja gebracht habe (13,17-542). Der Geist des Α fordert zu seinem Ruhme die Opferung Polyxenas (13,616-711). [1] [ 1 ] Alles nach Ovids .Metamorphosen'. Der Verweis auf Äs literarischen Nachruhm ist Zusatz von A l ; bei Ovid fällt Cygnus klarerweise vor Hector (12,72ff.).
A3 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Α ist von Chiron erzogen worden, hat von Vulkan geschmiedete Waffen, ist überaus kampfstark, gastfreundlich, aber auch jähzornig (2977; Descriptio). Er beteiligt sich mit 50 Schiffen am Heerzug gegen Troja, befragt das Orakel in Delphi über dessen Ausgang, trifft dort auf Calchas und überredet ihn, zu den Griechen überzulaufen, zerstört Teuthras' Reich und tötet ihn (2839-3970); jagt bei der Landungsschlacht Hector bis zur Mauer (4573-4858), beklagt den von Hector getöteten Patroclus, lässt ihn aufwendig bestatten und will ihn rächen (6074); in der Folge kämpft er mehrmals gegen Hector (62339406) und kann ihn schließlich töten. Priamus verspricht reichen Lohn für As Tötung (9873-10928). Α sieht bei der Trauerfeier zu Hectors Todestag Polyxena und verliebt sich in sie; sendet Boten zu Hecuba, setzt sich für einen Abzug der Griechen ein, scheitert aber (11152-11533); will trotz der Überredungsversuche von Ulixes, Nestor und Diomedes nicht mehr kämpfen, stellt jedoch seine Truppen zur Verfügung; greift ein, als die Griechen von Troilus bedrängt werden, und wird von diesem verwundet; tötet am folgenden Tag Troilus, lässt die Leiche von Kalon schleifen und erschlägt Memnon, als dieser Kalon tötet (11863-13280). Hecuba bestellt Α unter dem Vorwand, Polyxena mit ihm vermählen zu wollen, in den Tempel Apollos, wo er und sein Begleiter Antilochus von Paris
getötet werden. Beider Leichen wirft man vor Hectors Grab. Agamemnon erwirkt ihre Rückgabe und lässt auf A's Grab eine Statue Polyxenas errichten. Aiax rächt A an Paris (13445-14030). Pyrrhus kämpft in A's Waffen (14635-14785). Cassandra fürchtet wegen der hinterhältigen Tötung A's den Zorn Apollos (15824; 16003). Der Sturm, den die Furien nach dem Fall Trojas senden, legt sich, als Pyrrhus Polyxena am Grab des Α opfert. Aiax hält eine Lobrede auf A (16413-16674; RV 17805-58; 18145). A4 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg'·. Α ist von einer Löwin gesäugt, von Chiron in Kampf und höfischen Künsten ausgebildet worden und kämpft mit Lapithen und Centauren (5796-6622; 11177). Thetis macht ihn wegen der Prophezeiung, er werde vor Troja den Tod finden, unverwundbar und lässt ihn von Delphinen zu Lycomedes nach Skyros bringen. Α verliebt sich dort in Deidamia und duldet es ihretwegen, Frauenkleider zu tragen. Er tritt als Jocundille auf und wird von den Jungfrauen am Hofe als Freundin umworben (13409-15343), unterrichtet Deidamia im Saitenspiel, eröffnet sich ihr beim Fest des Bacchus (Liebesvereinigung) und schwört ewige Treue (15443-17321; RV 23683). Α soll von Ulixes nach Troja gebracht werden, weil nur er Hector besiegen könne. Α verrät sich durch sein Interesse an den Waffen der Griechen und wird enttarnt, als er bei einem fingierten Alarm seine Frauenkleider zerreißt und zu den Waffen greift. Er gesteht Lycomedes den Betrug, wird mit Deidamia verheiratet und fährt mit den Griechen nach Troja, wo ihn sein Freund Patroclus empfängt (27113-29643). Als dieser in der folgenden Schlacht von Hector getötet wird, schwört Α Rache, kämpft gegen Hector und wird von diesem blau geschlagen (30521-36697; 38768-38945: Leichenrede auf Patroclus). Ein zweiter Kampf zwischen beiden endet ebenfalls unentschieden (39146-40363). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung: Α tötet gefangene Trojaner aus Rache für Patroclus und wirft sie
Achilles Vögeln und Hunden zum Fraß vor. Er lauert Hector auf, tötet ihn und schleift die Leiche. Priamus und Polyxena erwirken die Rückgabe des Toten, Priamus bietet Α Polyxena als Gattin an (40544-42030). Im folgenden Amazonenkampf tötet A Penthesileia, dann Memnon und schließlich den wehrlosen Troilus (42404-43600); unter dem Vorwand, mit Polyxena, die er seit der ersten Begegnung liebt, verheiratet zu werden, wird Α in den Tempel Apollos gelockt und von Paris und Deiphobus hinterrücks erstochen. Aiax und Ulixes finden den Sterbenden, er nennt seine Mörder. As Leiche wird verbrannt und mit der des Patroclus in einer silbernen Urne in die Heimat überstellt (43683-44126). A's Sohn Pyrrhus wird nach Troja gebracht (44164 u.ö.: genealogische Angabe zu Pyrrhus). Apollo zürnt den Trojanern wegen der Ermordung A's in seinem Tempel (44944; 47575). Nach der Zerstörung Trojas wird Polyxena, die A's Tod verschuldete, dem Pyrrhus überlassen (48580; Resümee: 49378-49753).
A5 , Göttweiger Trojanerkrieg': Α ist von Chiron erzogen und von Thetis bei Lycomedes versteckt worden; er führt als Mädchen verkleidet mit elf Jungfrauen, die er alle defloriert, ein geistliches Leben im Dienste der Götter. Medea sieht dies in den Sternen und empfiehlt Agamemnon, Α nach Troja zu holen. Ulixes wird mit der Fahrt beauftragt (14951-15661). Α verrät sich durch sein Interesse für die Waffen an Bord des gr. Schiffes, wird überwältigt, schwört Treue und nimmt Chiron und Patroclus mit nach Troja (16296-16679). Thetis kommt ins Lager und beschimpft A, ihr Gebot nicht befolgt zu haben. Als er sich weigert zurückzukehren, übergibt sie ihm seinen Sohn Pyrrhus (1771817906). Α zeichnet sich in einer Schlacht aus (17979-18105), versucht Patroclus vom Zweikampf mit Hector abzuhalten, wird nach dessen Tod vor Trauer fast wahnsinnig, will ihn rächen und fordert Hector zum Zweikampf (18739-18901). Dieser schlägt dem von Thetis unverwundbar gemachten (18886) Α zweimal die Rüstung vom Leib, Α muss nackt
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fliehen. Am dritten Kampftag kann A - von Agamemnon mit Rüstung und besonders gutem Schild [Motivreflex des von Hephaistos verfertigten Schildes] ausgestattet — Hector töten und schleift seine Leiche dreimal um die Stadt. Hecuba stirbt bei diesem Anblick (18968-19150). Α wird von Paris nach einer Andacht im Venustempel gestellt und zum Zweikampf herausgefordert. Er schlägt ihn in die Flucht. Als er bei der Verfolgung stürzt, verletzt ihn Paris an den verwundbaren Füßen, enthauptet ihn und schleudert das Haupt in die Stadt, Polyxena pflanzt es auf der Stadtmauer auf, Agamemnon schwört ihr Rache (19348-19384). A's von Vulcanus geschmiedete Waffen bekommt Ulixes (19580; 19801), dann Euander, ein Verwandter des Aiax, der Ulixes tötet (19913-20062). Pyrrhus erwürgt aus Rache Polyxena am Grab des A, wofür ihm wiederum Elyoss das Haupt abreißt (2311423143; RV 21742/52; 25129).
B1 Lamprecht, Alexander'VI333, S1843: A,
Hector, Aiax und Nestor waren die tapfersten Trojakämpfer. Mit Alexander können sie sich aber nicht messen. [1] [1] Die Stelle verweist auf ein „Trojalied". Der Verweis kann sich aus Datierungsgründen (Fassung V um 1170) auf keinen mhd. Trojaroman beziehen, wenn er sich schon in der afrz. Vorlage von A l , dem Alexander' Alberics de Pisanc^on fand, auch nicht auf den .Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure.
B2 Konrad Fleck,,Flore und Blanscheflur' 1630: Die Tötung Hectors durch Α ist neben anderen Troja-Szenen auf einem Pokal abgebildet, der einst in Caesars Besitz war und um den byzantinische Händler Blanscheflur kaufen. B3 Prosa-Lancelot' III.479,7: Α und Hector waren die besten Ritter der Antike („zu der alten Zeit") und mussten mit vielen anderen wegen einer Frau sterben, die Paris entführt hatte (Ermahnung Bohorts an Ginover, von ihrem Zorn gegen Lancelot abzulassen). B4 Kon rad von Stoffeln,, Gauriel': Α wurde von Chiron aufgezogen (4669). A, Paris, Hector und andere verloren wegen Helena vor Troja das Leben (4382,12; Beschreibung eines Wandgemäldes vom Untergang Trojas in einem von Pallas Athene erbauten Palast).
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Achilles
B5 Ulrich von Etzenbach, Alexander'·. Alexander besichtigt A's Grab vor Troja und hält eine Lobrede. A's Ruhm sei von Homerus verbreitet worden, Alexander wünscht, dass auch seine Taten gepriesen werden (48454937; Exkurs). Α wollte dem Trojanischen Krieg fernbleiben, weil ihm der Tod vor Troja prophezeit war. Er versteckte sich bei Lycomedes und trug Frauenkleider. Diomedes [! ] verriet ihn (18458-18498; Verteidigungsrede des Philotas). [1] Alexander ist stark wie A und schön und tugendreich wie Hercules (1302). Er fordert seine Männer auf, wie A und andere berühmte Fürsten nach Kampfesruhm zu streben (7510). [1] Die Exkurse 4845ff. und 18458ff. nach Walter von Chätillon I,468ff. und VIII,235ff. (die Angabe, dass A von Diomedes verraten worden sei, beruht auf einem Missverständnis).
Zu diesen befähigte sie ihre Tugend (Katalog antiker und arthurischer Helden). C3 Frauenlob 141,13 (Ettm.): Α verlor einer Frau wegen das Leben (Exempelreihe biblischer, antiker und arthurischer Frauensklaven, rechtfertigt das Leid des Sängers). D l Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast' [3388]: Anspielung auf die Schleifung der Leiche Hectors (Α wird nicht namentlich genannt). D2 Hugo von Trimberg, ,Der Renner': Α und Patroclus werden in einer Reihe vorbildlicher heidnisch-antiker Freundespaare genannt. Die christliche Gegenwart kenne keine wahre Freundschaft mehr (6363; Katalog). [1] Die trojanische Tragödie und A's Tod zeugen von den verderblichen Folgen von Ehebruch, Hoffart und Unrechter Minne (15871). [1] Weitere Beispiele geben Aeneas und Achates, Tydeus
B6,Reinfried von Braunschweig'·. Α wurde von und Polynices, Orestes und Pylades, sowie David und Chiron erzogen und von Thetis zu Beginn des Jonathan. Trojanischen Krieges bei Lycomedes versteckt. E l Jans Enikel, ,Weltchronik': Α wird von Α zeugte dort mit Deidamia Pyrrhus. Ulixes Chiron erzogen, hört von Deidamia, begibt brachte ihn nach Troja (22571; Exkurs mit sich in Frauenkleidern zu Lycomedes, wird als Verweis auf Statius' Achilleis' 22593). Die Lehrerin Deidamias eingestellt und schwänMeeresgöttin Thetis hätte sich an ihm nicht gert sie, nachdem er vorgegeben hat, durch ärger rächen können, wenn er Α getötet hätte, Zauberei sein Geschlecht gewandelt zu haben meint der Anfuhrer der Sarazenen nach seiner (14515-15061). Ulixes, der Α zu Lycomedes Niederlage gegen Reinfried im Heiligen Land geführt hat, wird beauftragt, ihn nach Troja (16426). Reinfried kämpft so tapfer wie A, zu bringen, und erkennt ihn wegen seines Hector und Paris (20166; Katalog). Yrkane Interesses für die mitgebrachten Waffen. wünscht, sie könnte Reinfried einen so schöΑ und Deidamia fliehen mit den Griechen nen Liebesbrief schreiben wie Briseis dem A nach Troja, weil sie die Aufdeckung ihrer (24550; Katalog berühmter Liebespaare; Anheimlichen Liebe durch Lycomedes fürchten spielung auf Ovids ,Heroides'). (15087-15505). Α fordert Hector zum ZweiB7 Heinrich von Neustadt, ^ApolLonius'12499: kampf, dieser endet unentschieden. Menelaus Bei einem Turnier erringen Apollonius und nimmt Deidamia unter dem Vorwand, Α sei seine Gefährten mehr Ruhm als Hector, gefallen, zu sich. Als ihn Α zur Rede stellt, Paris und A. behauptet er, Deidamia sei gestorben. A B8 Johann von Würzburg, , Wilhelm von Ös- bleibt aus Trauer dem Kampf fern (15552terreich' 17734: Graf Ogen kämpft tapferer 15719). Patroclus bittet A, in dessen Rüstung als A. kämpfen zu dürfen. Hector verwechselt ihn C1 Der Tannhäuser, Leich IV,40: Α rächte nicht, mit Α und tötet ihn. Α errichtet Patroclus was Opris der Sarmena zu Leide tat. [1] ein Mausoleum und will ihn rächen (15734[1] Die Stelle ist dunkel, der Text spielt mit literarischen 15899). Er fordert Hector zum Zweikampf Motiven und verfremdet sie. (sie kämpfen tapferer als Dietrich von Bern C2 Frauenlob VII.27,3: Von A, Hector u.a. und Iran, 16296 [1]), tötet ihn, die Trojaner wird wegen ihrer Heldentaten noch erzählt.
Achilles flüchten in die Stadt (15905-16304). Α wird von Paris beim Venustempel, wo er täglich für die totgeglaubte Deidamia betet, überfallen und getötet (ein Weissager hat Paris von As verwundbarer Ferse berichtet). Die Griechen sind verzweifelt, die Trojaner feiern (1640916532). [1] Bei Iran könnte es sich um Iram aus der Thidrekssaga (vgl. .Weinschwelg' 98ff.) oder um iriru aus dem .Nibelungenlied' handeln (vgl. Gillespie, Catalogue, 85).
E2,Baseler Bruchstück'·. Α ist von Chiron zum Kämpfer ausgebildet und von Thetis in Griechenland verborgen worden, weil sie weiß, dass er vor Troja fallen soll. Er trägt Frauenkleider. Agamemnons Astrologe empfiehlt, ein Schiff nach ihm auszusenden, ihn mit Waffen anzulocken, zu enttarnen und nach Troja zu bringen. So geschieht es, Chiron begleitet A (134; 136). Hector schlägt Α im Zweikampf zweimal die Rüstung vom Leib. Der unverwundbare Α kann fliehen und tötet Hector am dritten Tag mit Hilfe eines Kampftricks des Chiron (140-193). A will Chirons Tod an Paris rächen, wird von diesem aber mit einer Keule erschlagen (224-257). E3 ,Die Erlösung'·. Entsprechend der Prophezeiung der Sibylle in Vergilius' Werk (1941) ist ein neuer A (= Christus) nach Troja geschickt und aller Unfriede getilgt worden (6097). Der alte Α wird laut Sibylle mit anderen Frevlern beim Jüngsten Gericht verdammt werden (6508). [1] [ 1 ] Der Katalog der Verdammten nennt an antiken Figuren noch Apollo, Iuppiter, Alexander, Venus, Pallas Athene, Aeneas, Paris, Hector, Hercules, Ulixes und Nero.
II. 1) Α im Antikeroman; 2) Einzelmotive; 3) Nennungen in den Anspielungen
1) Aufgrund der Bedeutung derTrojasage im ma. Geschichtsdenken und in der ma. Literatur zählt Α zu den bekanntesten Gestalten des antiken Mythos im MA. Er ist der wichtigste Held der Griechen vor Troja und bildet mit Hector ein mustergültiges Gegnerpaar. Seine ma. „Biographie" in den Antikeromanen (und in den Exkursen von B5 und B6) reflektiert die Daten der spätantiken Sagenversionen
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(v.a. Dares, Dictys, Statius, ,ExcidiumTroie'). Dabei lassen sich Motivgemeinschaften, aber kaum direkte Abhängigkeiten zwischen den Texten feststellen. Von einer einheitlichen Version kann nicht gesprochen werden. Insgesamt zeigen sich weitgehende Ubereinstimmungen zwischen A3 und A4 (Dares/Dictys-BenoitTradition), wobei A4 bei der Vorgeschichte zum Trojanischen Krieg (Erziehung des A, Α bei Lycomedes) nach Statius' ,Achilleis' erweitert. In der Tradition des Statius sind auch die Exkurse in B5 und B6 zu sehen (B6 verweist auf ihn auch explizit). Eigene Wege gehen A5, E l und E2 (mit manchen Ubereinstimmungen, auffallend v.a. zwischen A5 und E2). A5 zeigt Reflexe der Trojahandlung in Ovids .Metamorphosen' (Streit um die Waffen des A), denen A2 direkt folgt. Bei der Bewertung der Gestalt durch die Texte steht naturgemäß As außergewöhnliche Kampfkraft im Vordergrund, kontrastiv dazu wird das Minnethema (Deidamia, Polyxena) nur in A4 ausführlich, in A3 und El ansatzweise entwickelt. Problematisiert wird As Kampfwut vor allem bei der Schleifung von Hectors (A4) bzw. Troilus' (A3) Leiche. Aufgrund der trojafreundlichen Perspektive des MA ist das Kräfteverhältnis zwischen A und Hector ausgeglichen, in A5 und E2 sogar auffällig zugunsten Hectors verschoben. Beide gelten als vorbildliche höfische Ritter. Bei Hector ist diese zeitgemäße Vorbildfunktion noch deutlicher ausgeprägt als bei A, der nach wie vor Züge des übernatürlichen und auch berserkerhaften Helden trägt (vgl. etwa das Motiv von der Säugung durch eine Löwin in A4). [1] 2) Zu den Motiven im Einzelnen: Die Erziehung durch Chiron erwähnen A3, A5, B4, B6, El und E2, ausführlich nur A4 (Reflexe davon bei E2); dazu zählt in A4 und A5 die Unterweisung in höfischen Künsten (schon in der antiken Tradition lehrt Chiron Α auch Musik). Die Verbergung bei Lycomedes durch Thetis berichten die späteren Texte A4, A5, B5, B6, E l (wo Α selbst zu Lycomedes fährt) und E2; sie ist nur angedeutet in A2 und fehlt
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Achilles
in A3. Von zentralem Interesse ist dabei das Schwank-Motiv der Travestie, das durchaus unterschiedlich nuanciert wird: A4 schildert einlässlich A's anfängliche Weigerung, Frauenkleider zu tragen. Dass er sich aus Liebe zu Deidamia fügt, reflektiert den Topos des Frauensklaven. Groteske Züge zeigen v.a. die Gestaltungen der Episode in A5 (bes. die „Klosteratmosphäre" bei Lycomedes) und El (A's fingierte Geschlechtsumwandlung). As Liebe zu Deidamia ist in A4 als breite höfische Minnehandlung angelegt; auffällig ist das Motiv vom Unterricht, den Α der Deidamia in A4 (Saitenspiel) und El erteilt; wenigstens für A4 ist ein Bezug auf Gottfrieds .Tristan' anzunehmen, wo Tristan Isolde Sprach- und Musikunterricht gibt (vgl. die Anspielung in A4, 17222). Die Enttarnung durch Ulixes berichten A4, A5, El und E2 (in B6 ist das Motiv auf Diomedes übertragen), wobei A4 im Gegensatz zu A5 die Deidamia-Handlung zu Ende führt; in El begleitet Deidamia A nachTroja. Der Tod des Patroclus gib: (von E2 abgesehen) durchgängig die Motivation für die Tötung Hectors. In A3 und A4 liegt allerdings - der Dares-Benoit-Tradition entsprechend - eine längere Kriegsphase zwischen beiden Ereignissen, in A5 und El fällt Hector wie in der klassischen „homerischen" Tradition (vermittelt durch das ,Excidium Troie') in einem vereinbarten Zweikampf unmittelbar nach Patroclus, in E2 gleich nach A's Ankunft vor Troja. Bemerkenswert ist Hectors Aufwertung gegenüber A in A5 und E2. Hier erscheint A Hector prinzipiell unterlegen, sein Sieg als reiner Glücksfall. Die Schleifiing von Hectors Leiche bringen A4 und A5 (mit scharfer Kritik), eine Anspielung findet sich in D1. In A3 ist ein nur hier belegter Dienstmann des A, Kalon, der Täter (ev. ein Missverständnis des Textes bei Benoit, den A3 übersetzt), das Motiv wird außerdem aufTroilus übertragen. Von der Lösung der Leiche durch Priamus, dem Schlussmotiv der ,Ilias', berichtet nur die Fortsetzung von A4 (nach Dictys) und leitet damit die Minnehandlung zwischen Α und Polyxena ein (A3, A4). Die Liebesbeziehung zwischen
Α und Briseis erwähnt nur B6, mit direktem Bezug auf Ovids ,Heroides'. Das homerische Motiv von A's Kampfenthaltung wegen Briseis ist bereits bei Dares und Dictys aufgegeben (die ma. Trojaromane wissen hingegen von einer Liebe des Diomedes zu der Tochter des Calchas, Briseis). Ein Reflex findet sich nur noch in E l , wo sich Α vor dem Tode Hectors vom Kampf zurückzieht, allerdings nicht aus Zorn wegen Briseis, sondern aus Trauer um die vermeintlich tote Deidamia. Vom Kampf mit Penthesilea wird wiederum nur in der Fortsetzung von A4 berichtet (in A3 ist er auf Pyrrhus übertragen). Die Tötung Memnons berichten A3 und A4. Troilus' Tod durch Α ist in A3 und A4 Anlass für A's Ermordung durch Paris im Apollotempel, auch hier mit unterschiedlicher Nuancierung. In El lauert Paris Α vor dem Venustempel auf, in A5 fordert er ihn zum offenen Zweikampf, beide Male als Rache für Hector, in A2 als Rache für Cygnus, in E2 will Α Chiron an Paris rächen. A's Ferse als einzig verwundbare Stelle wird dabei nur von A5 und El genannt, nicht aber von der Fortsetzung von A4 und von E2 (trotz Erwähnung der Unverwundbarkeit). Den Streit um A's Waffen (von Vulcanus verfertigt — A2, A3, A5) zwischen Aiax und Ulixes bringen A2 und A5, in A3 gehen sie auf Pyrrhus über. Die Opferung Polyxenas erzählen A2, A3 und A5 (wo Polyxena die Ermordung A's betrieben hat), nicht aber die Fortsetzung von A4. 3) Auf A's Kampfkraft und Tapferkeit ist auch das Interesse der Anspielungen gerichtet. Auffällig ist die häufige gemeinsame Nennung mit seinem wichtigsten Gegner Hector (Bl, B3, B4, B6, B7, C2). Als einschlägige Exempelfigur fungiert Α in B5, C2 (Tugend), im Vergleich mit den Romanprotagonisten in B5, B6, im überbietenden Vergleich in Bl, B7 und B8. Zahl und analoge Funktion dieser Belege unterstreichen den Topos-Charakter, lassen auf einen Prozess der Traditionsbildung schließen und erweisen die Präsenz des Trojastoffes und seiner Hauptfiguren in der mhd. Literatur.
Acis — Acrisius A's Tod gibt außerdem ein Exemplum für die verderbenbringende Minne in B3, B4, C3 (mit positivem Wechsel in der Argumentation) und besonders vehement in D2, alle mit Schuldzuweisung an Helena (in C3 vielleicht an Polyxena). Α und Patroclus als exemplarisches Freundespaar nennt D2; Α und Briseis als exemplarisches Liebespaar B6. Trotz der entsprechenden Passagen im Antikeroman spielt A als Liebender in der Anspielungsrezeption sonst keine Rolle. Im Rahmen einer Descriptio wird A in B2 (Darstellung der Tötung Hectors auf einem Pokal) und Β4 (A's Tod, Beschreibung eines Troja-Freskos) erwähnt. [2] Für sich stehen der wohl bewusst dunkle Beleg in C1 sowie die typologische Relation zwischen Α und Christus und A's Verdammung in E3. Beides ist im Kontext geistlicher Mythen- bzw. Geschichtsdeutung zu sehen. Die Erwähnung des „neuen A", der nach Troja kommen wird, bezieht sich direkt auf Vergils 4. Ekloge. [3] [1] Vgl. Alfen/Fochler/Lienert, Dt. Trojatexte; G. P. Knapp, Hector und Achill, [A3, A4, A5]; Kern, Agamemnon weint [A5, E2]; Lienert, Geschichte und Erzählen [A4, A5, El, E2], [2] Zu den Anspielungen im Einzelnen Kern, Edle Tropfen, passim (Reg.). [3] Zum Bezug auf Vergils 4. Ekloge Saturnus (II.2)\ zur typologischen Deutung antiker Mythologie grundsätzlich Rahner, Gr. Mythen, passim. Nachbenennungen ,Kaiserchronik'7427(Achilles)-. Herrscher von Rom, baut die Stadt prächtig aus, wird von Postumus aus Rache für den Mord an dessen Vater getötet. ,Orendel' 3476 u.ö. (Achille): Ein alter Torhüter der Burg Minolts; hilft Orendel bei der Befreiung Brides und wird in den Himmel entrückt. Berthold von Holle, ,Demantin' (Achilant)·. Aventiureritter aus England, hat seiner Geliebten Dienstergebenheit geschworen (9880; 10956). Heinrich von Neustadt, „Apollonias' (Achilles, Archilon): Α von Warcilon ist ein Gefährte des Apollonius (11367). Archilon von Falcidran, der Freund des Patrochel [!], nimmt am Turnier von Antiochia teil, siegt, entführt die Turnierkönigin Florica und wird getötet. Patrochels Rache [!] scheitert (18974-19057). [1] [1] Die beiden genannten Gestaltend von Warcilon und Archilon von Falcidran, sind nicht identisch. Die mit Archilon verbundenen Motive weisen aber eindeutig auf das Vorbild
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des antiken A. Bei den übrigen aufgelisteten Belegen erinnert außer der Nf. nichts an A. [mk]
Acis [Sohn des Faunus und einer Nymphe, Geliebter der Galatea; MM 13,750]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen '·. A, der wunderschöne Sohn einer Fee [ 1 ], liebt Galatea. Er wird von Polyphem aus Eifersucht erschlagen und verwandelt sich in eine Quelle, aus der zuerst Blut, dann lauteres Wasser fließt (13,956-13,1219; Erzählung Galateas an Scylla). [1] Die Deutung von A's Mutter als Fee (bei Ovid ist sie eine Nymphe) entspricht den „volksmythologischen" Adaptionen, die Al insbesondere bei den Gestalten der niederen Mythologie (Nymphen als Waldfrauen, Centauren als Riesen) vornimmt Centauri, Dryades). Die Geschichte von Α und Galatea ist ab dem Barock ein beliebtes Opernsujet, das u.a. Händel und Haydn aufgreifen (s.v. Polyphemos, in: Hunger, Lexikon, 296). [mk]
Acrisius [Sohn des Abas und der Aglaia, Vater der Danae]
G: Aus dem Geschlecht des Cadmus (Al), Nachkomme des Abas, Vorfahre der Danae (A2)
R: König von Argos (El) Nf.: Acriseus (El) I.
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen'
Α ist der letzte Vertreter aus dem Geschlecht des Cadmus. Er lässt alle Bacchustempel in Griechenland zerstören, leugnet, dass Bacchus von Iuppiter abstamme und Iuppiter als Goldregen mit Danae Perseus gezeugt habe. Perseus ist darüber sehr erzürnt. 4,1121:
A2 Ulrich von Etzenbach, Alexander': Α wird in einem Katalog der Nachkommen Iuppiters genannt. Auf diese göttliche Abstammung beruft sich Darius, um seinen Männern vor dem Kampf gegen Alexander Mut zuzusprechen (6977; 6981).
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Acron — Actaeon
El Rudolf von Ems,, Weltchronik'·. Der mächtige Α ist der vierzehnte und letzte König von Argos (19903; Katalog). Er wird von Perseus erschlagen, sein Reich zerfällt (19840-19875; RV: 19903). II. Α repräsentiert im antiken Mythos den Typus des Gottesleugners, der v.a. in Zusammenhang mit Dionysos/Bacchus mehrfach anzutreffen ist, so eben auch in Ovids Metamorphosen'. Dort erhält Α das Orakel, er werde durch seinen Enkel — nämlich Perseus - sterben (4,608). Die Andeutung auf A's Versteinerung durch Perseus und die genealogische Relation zwischen beiden werden in Al nicht mehr durchschaut, das Motiv von Perseus' Rache bleibt offen. In El werden die mythologischen Ereignisse nach dem Prinzip ma. Weltchronistik historisch aufgefasst und in profangeschichtlichen Exkursen zur Heilsgeschichte (wie hier meist in Katalogform) erinnert. Die Nennungen A's beziehen sich wohl auf die Herrschertabelle in der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 226). [1] Der Beleg in A2 basiert vermutlich auf einer Glosse, die Darius' Berufung auf den persischen Stammesheros Belus in Walters von Chatillon ,Alexandreis' mit einer ausführlichen Herrschergenealogie erklärt. [2] Die antike Genealogie zu Α kennt mehrere Varianten.
Gott als Buße für Sünden auferlegt wurden (Katalog). [ 1 ] Die Zuordnung von Macer ist nicht ganz sicher. Vermutlich handelt es sich um Akron, einen Arzt des 5. Jh. v. Chr aus Agrigent. Es könnte aber auch Machaon, der mythische Arzt der Griechen vor Troja, gemeint sein. [sks/mk]
Acrota [König von Rom; MM 14,617]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Α ist der Sohn des Tiberinus und der Bruder des Remulus. Nach Tiberinus regiert er in Rom zunächst gemeinsam mit Remulus, nach dessen Tod alleine. Als er die Bürde der Herrschaft nicht länger tragen will, [1] tritt er sie an Aventinus ab (14,604-611). [ 1 ] In Ovids .Metamorphosen' ist von einer Amtsmüdigkeit A's keine Rede. [mk]
Actaeon [Sohn des Aristaios und der Autonoe, von Artemis in einen Hirsch verwandelt; MM 3,230]
Nf.: Acteon (Al, El) I.
Al Albrecht von Halberstadt, ,Metamorphosen \ A, ein Freund des Cadmus, trifft beim Jagen [1] Hinweis bei Ehrismann (Hg.), 276 (zu 19871). zufällig auf die badende, nackte Diana, wird [2] Vgl. die Glosse zu 11,326; Colker (Hg.), 501; zur Stelle deshalb von ihr in einen Hirsch verwandelt, inA2 -» Belus (II.). von seinen Jagdgefährten nicht erkannt und [mk] von seinen Hunden gerissen. Manche Götter loben, manche tadeln die Härte Dianas (3,348-597). Acron El Rudolf von Ems, ,Barlaam'\ Im Glaubens[Arzt aus Agrigent; 5. Jh. v. Chr.] disput mit dem Christen Barlaam stellen El Berthold von Regensburg, Predigten, Bd. I, die Griechen ihre Götter vor. Α und Adonis XXXII, 517,3 (Macer)·. Der Arzt Macer [1] behüten die Großtiere (9765; Katalog). wird gemeinsam mit Galenus, Constanti- Α sei vor seinen Hunden in einen Hirsch nus, Avicenna und Bartholomäus als Meis- verwandelt worden, eine derartig jämmerliche ter der Heilkunst genannt. Sie alle können Figur könne kein Gott sein, lautet Barlaams aber die Krankheiten nicht heilen, die von polemische Replik (10198; Katalog).
Actor — Adonis II. A's Verwandlung und Tod sind in der ma. Mythographie zwar bekannt, [1] werden aber erst mit der Ovid-Rezeption des ausgehenden MA und der frühen Neuzeit zum populären mythologischen Sujet. Die ausführliche Erzählung von Al folgt direkt Ovid. In El gibt die Metamorphose ein typisches Beispiel für eine heidnische Lügengeschichte. Die klar polemische Haltung steht in der Tradition christlich-apologetischer Literatur. Dass auch hier Ovid die (wenigstens mittelbare) Quelle ist, legt die gemeinsame Nennung mit Adonis nahe. [1] So wiederholt bei den ,Mythographi Vaticani'; weitere Belege bei Chance, Medieval Mythography, Reg. [mk]
Actor [Vater der Actoriden, die an der Kalydonischen Eberjagd teilnehmen; M M 8 , 3 0 8 ]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 8,605: Α und sein Sohn [1] nehmen an der Jagd auf den Kalydonischen Eber teil (Katalog). [1] Der Wortlaut von A l („Sampt seinem fast lieben Sun Actor") ist mehrdeutig („A und sein geliebter Sohn" oder „A, der geliebte Sohn des [vorgenannten] Hippothous", nehmen an der Jagd teil). Die erste Möglichkeit ist wahrscheinlicher, sie ließe sich aus einer missverstandenen Glosse zu dem Patronymikon „Actoridae" erklären, das bei Ovid A s Söhne meint. Die antike Mythologie kennt mehrere Heroen des Namens. Auf welchen sich Ovid bezieht, ist unklar, wahrscheinlich auf A, den Vater des Menoitios und Großvater des Patroldos, s.v. Aktor [1.] (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 1, Sp. 224. [mk]
Actorides [Kämpfer im Heer Alexanders; Chatillon 111,96]
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von Walter von Chatillon erfunden, in Anlehnung an das geläufige Patronymikon .Actorides" fur Patroclus (vgl. Anm. zu Actor). [mk]
Adonis [Sohn des Cinyras und der Myrrha, Geliebter der Venus]
G: Sohn des Cinyras und der Myrrha (Al), Geliebter der Venus (Al, El, E2) W: Gottheit (El, E2) R: Jäger (Al, El, E2) Nf.: Adonides (E2) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': A, der Sohn des Cinyras und der in einen Baum verwandelten Myrrha, wird von den Naiades aufgezogen. Er ist schöner als Cupido. Α zieht mit Venus durch den Wald und wird bei der Eberjagd tödlich verletzt. Venus verwandelt ihn in eine Anemone (10,963-1011; 10,1305-1321). El Otto von Freising,,Laubacher Barlaam'·. Der von den Griechen als Gott verehrte Α interessierte sich für die Jagd und wurde von einem wilden Eber getötet. Venus fuhr seinetwegen zur Hölle, um ihn von Persephone zurückzugewinnen (11238-11252; Götterkatalog; aus christlicher Sicht ein Beispiel für eine heidnische Lügengeschichte). E2 Rudolf von Ems,,Barlaam': Im Glaubensdisput mit dem Christen Barlaam stellen die Griechen ihre Götter vor: Α und Actaeon seien die Behüter der Großtiere (9765; Götterkatalog). A, der Geliebte der Venus (10337), sei von einem Eber getötet worden und könne daher kein Gott sein, lautet die christliche Replik (10185; Götterkatalog). II.
Al Ulrich von Etzenbach, ^Alexander'·. Α, der Ab der Renaissance wird der Α-Mythos zum Vater von Dorilus, wird von Negusar, dem beliebten mythologischen Sujet in Kunst, Neffen von Ninus, im Kampf erschlagen Literatur und Oper. Im MA ist er wenig verbreitet. [1] Al, der einzige Beleg aus der (8235; 8238; Schlacht bei Issos). [1] höfischen Literatur, erzählt ihn direkt nach [ 1 ] Bei Q. Curtius Rufus, der Hauptquelle der Alexandreis' Ovid (MM 10,503ff.). Die Polemik in El Walters von Chatillon, findet sich kein A. Die Figur ist ev.
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Adrastus [1] —Adrastus [2]
und E2, den beiden dt. Versionen der im MA beliebten und verbreiteten Barlaamlegende, steht in der mythenkritischen Tradition christlich-apologetischer Literatur. E2 bietet die breitere Fassung (der Götterkatalog ist erweitert, hier etwa um Actaeon). In beiden Belegen beweist der Mythos Immoralität und Absurdität des antiken Götterglaubens. Die Methode euhemeristischer Mythendeutung ist klar erkennbar: Da Α stirbt, kann er kein Gott sein (was er in der klassischen Mythologie auch gar nicht ist; ursprünglich soll er ein vorderorientalischer Vegetationsgott und mit Astar, nach gr. Deutung eben Aphrodite, verbunden gewesen sein [2]). Das Motiv von Venus' „Höllenfahrt" in El ist wohl (von El selbst?) aus dem Orpheusmythos eingespiegelt. Der gesamte Götterkatalog in E l und E2 bezieht sich mittelbar, die zusätzliche Nennung Actaeons in E2 vielleicht sogar direkt auf Ovid. [1] Zu den Belegen in der ma. Mythographie vgl. Chance, Medieval Mythography, Reg. [2] S.v. Adonis (W. Fauth), in: DKP, Bd. 1, Sp. 70f. [mk]
Adrastus [1] [Herrscher von Argos, einer der Sieben gegen Theben]
G: Schwiegervater des Polynices (B2) R: König (Bl, D l ) von Griechenland (B2) Nf.: Adrast ( D l )
dennoch mehr (1446; Katalog). Α fiel wie viele andere (Tydeus, Parthenopaeus) im Kampf um Theben, der durch den Bruderhass von Eteocles und Polynices ausgelöst wurde (14177; Verweis auf Statius' ,Thebais'). II. Die Erwähnung der Sieben gegen Theben (Adrastus, Polynices, Tydeus, Capaneus, Parthenopaeus, Hippomedon und Amphiaraus) in Β1 gibt den entsprechenden Katalog im afrz. Eneasroman (2669) wieder. Dieser verweist wiederum auf den afrz. Thebenroman [1], der als einziger der drei afrz. Antikeromane (Theben, Troja, Aeneas) nicht ins Dt. übersetzt wurde. Kenntnis und Nachwirkung des thebanischen Mythos (Odipus, Siebensage) sind in der dt. Literatur entsprechend gering (-» Oedipus). B2 und D l beziehen sich auf die dem lat. MA gut bekannte ,Thebais' des Statius (vgl. den Verweis in D l ) , der Exkurs in B2 mittelbar über entsprechende Glossen zu der kurzen Anspielung in Walters von Chätillon ,Alexandreis' (1,302). [2] In D l gibt A im Sinne gängiger didaktischer Topik ein Exemplum für (eitlen) weltlichen Reichtum und die verderbenbringenden Folgen des Hasses (als eine der sieben Todsünden). [1] Α wird auch in Vergils .Aeneis' VI,480 genannt, nicht aber alle Sieben. [2] Vgl. die bei Colker (Hg.) 365 abgedruckte Glosse aus Hs. V. [mk]
I. Β1 Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman '3313: A befindet sich in der Unterwelt unter den vor Theben gefallenen Kämpfern (Unterweltfahrt des Eneas). B2 Ulrich von Etzenbach, ^Alexander'·. Α zog mit seinem Schwiegersohn Polynices gegen Theben, um dessen Herrschaftsanspruch gegen Eteocles durchzusetzen. Die Sieben wurden nach tapferem Kampf erschlagen (31403153; Exkurs zur Geschichte Thebens). D l Hugo von Trimberg, ,Der Renner': Α wird als Exempelfigur für reiche und mächtige Herrscher genannt; der Tugendreiche besitze
Adrastus [2] [Trojanischer Bundesgenosse aus Zelia, Bruder des Amphius; Dares 22,15; Benoit 6668 bzw. 6887 Edras]
Nf.: Esdras (Al, A2) I. A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye\ A, Pandarus und Amphius sind Verbündete der Trojaner aus Sizilien (3980; 4070; Katalog), sie kämpfen bei der Landung der Griechen in der Schar des Pythagoras. Α befreit Amphius aus den Händen der Griechen (4697; 4712;
Adrastus [3] — Aeas 5493-5519), wird von Ulixes niedergestochen und verliert sein Pferd (6844-6916; als Kämpfer erwähnt: 9706; 13285). A2 Konrad von Würzburg, , Trojaner krieg'·. A ist ein Verbündeter der Trojaner aus Colabia (24825), er kämpft mit 6000 Fußsoldaten und 500 Berittenen in der Schar des Pythagoras und hat einen prächtigen Streitwagen aus Ebenholz (29994; 36456; als Kämpfer erwähnt: 36652).
II. Α ist schon in Homers ,Ilias' Bundesgenosse der Trojaner. Die Belege A l und A2 verarbeiten die Angaben imTrojaroman Benoits de Sainte-Maure, der wiederum den spätantiken, pseudohistorischen Trojaberichten von Dares und Dictys folgt. Sizilien als Herkunftsort des Α beruht auf einem Missverständnis von „de Zelia" bei Dares durch Benoit. Bei Benoit könnte die Gestalt gedoppelt sein (in Α und Edras [1]), entsprechend verteilt sind auch die Nff. in A l und A2. [2] Allerdings kommt es an keiner Stelle zu effektiven Doppelnennungen, die Namen der Gefährten von Α und Esdras (bes. A l , 3980 und 4070) deuten eher auf eine einheitliche Gestalt auch bei Benoit (die Namensvarianten lassen sich auf Abweichungen in der Daresüberlieferung zurückführen). [1] Entsprechend dem Ausweis bei Constans (Hg.), Reg. [2] Variante Esdras in A l : 4070; 4697; 4712; 5493-5519; 13285, in A2: 29994; 36456. [mk]
Adrastus [3]
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Α gemeint ist, bleibt unsicher. A war zwar in der spätantiken Philosophie geschätzt, zumal einem volkssprachlichen ma. Autor aber schwerlich bekannt. [mk]
Aeacus [Sohn des Zeus und der Aegina, Vater des Telamon und des Peleus; MM 7,474]
A l Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen'·. A, Sohn des Iuppiter und der Aegina, lehnt Minos' Aufforderung zur Teilnahme am Krieg gegen Athen ab und unterstützt vielmehr auf Cephalus' Bitte die Athener. Sein altes Volk ist durch eine von Iuno gesandte Pest zugrunde gegangen. Iuppiter hat ihm ein neues Volk gegeben, indem er die Ameisen auf einer Eiche aus Dodona in die Myrmidones verwandelt hat (7,843; 8,5). Α wird trotz seines Alters von Iuppiter nicht verjüngt (9,807; genealogische Angaben: Vater des Telamon 11,390; Großvater des Aiax Telamonius 13,55). [1] [1] Alle Stellen direkt nach Ovids .Metamorphosen'. Die komplexen mythographischen Zusammenhänge (Minos gegen Athen, Myrmidonen-Metamorphose) waren dem ma. Publikum wohl kaum verständlich. [mk]
Aean tides [Sohn des Aiax Telamonius und der Glauca; Bruder des Eurysaces; Dictys 118,11; Benoit 27313/18 Eantides]
A l Herbort von Fritzlar, ,lietvon Troye' 16901 (Antides): A, der Sohn von Aiax und Glauca, wird nach Aiax' Tod gemeinsam mit seinem Halbbruder Eurysaces von Teucer aufgezogen. Beide Söhne geraten ganz nach dem Vater. [mk]
[A von Aphrodisias, peripatetischer Philosoph, 2. Jh. n. Chr.]
El Jans Enikel,, Weltchronik', Prosa nach20942 (Esdras)·. Α ist einer der Ratsherren, die über Rom herrschen (Katalog). [1]
Aeas
[1] Die Aufzählung bietet eine kuriose Senatorenliste, erwähnt werden u.a. Plato, Sibylla, Seneca, Aristoteles und Hippokrates. Für den Katalog weist Strauch (Hg.), 400, Anm. 3 auf,De imagine mundi' des Honorius Augustodunensis (PL 172, Sp. 177, „de consulibus et dictatoribus Romae"). Ob mit Esdras tatsächlich der spätantike Peripatetiker
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 1,1128: Α und weitere Flussgötter besuchen den über das Schicksal seiner Tochter Daphne trauernden Peneus (Katalog).
[Flussgott; MM 1,580]
[mk]
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Aeetes — Aegeus
Aeetes [König von Colchis u n d Vater der Medea; M M 7 , 1 0 7 ; Benoit 1164 Oetes]
G: Vater der Medea (Al, A2, A3) R: König von Colchis (Al) bzw. Jaconite (A2, A3) Nf.: Oeries (A2), Oetas (A3), n.n. (Al) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Α empfängt Iason gastfreundlich in Kolchis und warnt ihn eindringlich vor den Gefahren, die mit der Gewinnung des Goldenen Vlieses verbunden sind ([7,8]). Medea fürchtet, A's Huld zu verlieren, wenn sie Iason unterstützt, entscheidet sich aber schließlich aus Liebe für diesen ([7,43]). Α wohnt den Kämpfen Iasons bei ([7,247]), verfolgt ihn und Medea, als sie mit dem Vlies aus Kolchis fliehen, und liest die Leichenteile seines von Medea zerstückelten Sohnes [Absyrtes] auf ([7,345]). A2 Herbort von Fritzlar,, liet von Troye': Α empfängt Iason und die Argonauten freundlich an seinem Hof in Jaconite und bewirtet sie. Er rät Iason davon ab, das Goldene Vlies gewinnen zu wollen, da es seinen sicheren Tod bedeuten und dies wiederum A's Ansehen schmälern würde (457; 1060; Argonautenfahrt). A3 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg'·. A bereitet Jason und den Argonauten einen prächtigen Empfang in Jaconite, übt vorbildliche Gastfreundschaft und stellt den Gästen seine Tochter Medea vor. Als er Iasons Kummer bemerkt, fordert er Medea auf, sich des Helden anzunehmen. Er warnt Iason vor den Gefahren, die mit der Gewinnung des Goldenen Vlieses verbunden sind (7240-7386; 7934). II. Die Argonautenfahrt bildet in der spätantiken Trojatradition, u.a. im Trojabericht des Dares, und daher auch im ma. Trojaroman die Vorgeschichte des Trojanischen Krieges. Dares nennt Α allerdings nicht, der afrz. ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure führt die
Gestalt in Rückgriff auf Ovids Metamorphosen' wieder ein. Was den Aufenthalt in Kolchis betrifft, zeigen sich zentrale Motive der klassischen antiken Version [1] aufgegeben, so insbesondere der Konflikt zwischen Iason und Α. Α wird als gastfreundlicher König geschildert, die negativen Züge treten vollständig in den Hintergrund (insbesondere wird A's „Barbarentum" nicht thematisiert, die ma. Tradition zeigt ihn vielmehr als höfischen Herrscher). Α sperrt sich auch nicht grundsätzlich gegen Iasons Vorhaben, sondern warnt ihn vielmehr vor den damit verbundenen Gefahren. Die Versionen in A2 und A3 folgen Benoit und übernehmen von dort die wesentlichen Umdeutungen. A3 erweitert insbesondere bei der Minnehandlung zwischen Iason und Medea nach dem ,Tristan' Gottfrieds von Straßburg (Auftritt und Schilderung Medeas nach dem Beispiel Isoldes). Das Motiv von Medeas Konflikt zwischen Vatertreue und ihrer Liebe zu Iason wird nach Ovid restituiert. Es fehlt bei Benoit und in A2. [2] Al folgt direkt der Darstellung Ovids, nennt Α aber nicht namentlich. Auch hier wird der König von Kolchis (unter Einfluss von A2?) deutlich positiver geschildert als im lat. Epos (Gastfreundschaft, ehrliche Warnung vor den Gefahren; 7,8ff.). [1] Vgl. v.a. Ovid, M M 7,Iff.; zu A s.v. Aietes (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 1, Sp. 155. [2] Ausführlich zur Quellenverarbeitung im ma. Trojaroman (v.a. A2) Lienert, Geschichte und Erzählen, 57ff. [mk]
Aegeus [Sagenhafter König von Athen, Vater des Theseus, zweiter Gatte der Medea; 7 , 4 0 2 ]
G: Vater des Theseus (Al, El), Gatte der Medea (Al) R: König von Athen (El) Nf.: Egeus (El) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': A, der Vater von Theseus, nimmt Medea nach
Aegiale — Aegina ihrer Flucht aus Korinth zur Frau. Er reicht dem unerkannt heimgekehrten Theseus einen von Medea zubereiteten Gifttrank, erkennt den Sohn aber rechtzeitig an seinem Schwertknauf und schlägt ihm den Becher aus der Hand. A's Freude über Theseus' Rückkehr wird getrübt, weil Minos sein Land verheert (7,763-7,852; genealog. Angabe: 8,330). E l Rudolf von Ems, , Weltchronik'·. A war König von Athen und Vater des Theseus (20103; 20115; Katalog von Herrschern verschiedener Länder). II. Der mythische König Α ist in der ma. Mythenrezeption von nur geringer Bedeutung. Die Details aus dem A-Theseus-Mythos und ihre eklektische Anordnung übernimmt Al direkt aus Ovids .Metamorphosen' (7,402ff.). Sie waren dem ma. Publikum in ihrem Zusammenhang wohl kaum verständlich. Die genealogische Angabe (Al; 8,330) hat keine Entsprechung bei Ovid und beruht vermutlich auf einer Glosse zur Nennung des Theseus. Die historische Deutung mythologischer Herrschergenealogien in El repräsentiert ein typisches Verfahren ma. Weltchronistik und hat ihre direkten Vorbilder in der lat. Historiographie (Hieronymus, Petrus Comestor). Die profangeschichtlichen Daten werden wie dort zumeist in katalogartigen Exkursen zur Heilsgeschichte erinnert. [1] [ 1 ] Für den Α-Beleg vgl. die Nennungen in den Herrschertabellen der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 89 und 239). [mk]
Aegiale [Gattin des Diomedes, trachtet ihm wegen seiner Affäre mit Briseis nach dem Leben; Dictys 120,13; Benoit 2739 Egial\
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' (Egial, Egyal): A, die Gattin des Diomedes, erfährt durch Oeax von Diomedes' Liebesbeziehung zu Briseis, überfällt die heimkehrenden Griechen bei Euböa (wobei A's Bruder Thes-
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sandrus von Telephus getötet wird) und verweigert Diomedes die Rückkehr (1720117229). Als Diomedes Aeneas zum Bündnispartner gewinnt, gibt sie ihren Widerstand auf (17367). [1] [ 1 ] Die Ausgestaltung der Nachgeschichte des Trojanischen Krieges geht über den afrz. Trojaroman Benoits de SainteMaure auf den spätantiken Trojabericht des Dictys Cretensis zurück. Zur chronologisch nicht korrekten Angabe zum Tod des Thessandrus durch Telephus -* Thessandrus. [mk]
Aegialeus [Sohn des Inachos und einer Okeanide, myth. Gründer von Sikyon in Achaia]
El Rudolf von Ems,, Weltchronik' (Eialeus): A war der erste König von Sicyon, sein Nachfolger ist Europs (3554; 3557; 3561; Katalog der Könige von Sicyon; 8615; Katalog von Herrschern verschiedener Länder). [1] [1] Die historische Deutung mythologischer Daten und ihre Präsentation in (meist nur) katalogartigen profangeschichtlichen Exkursen zur Heilsgeschichte sind typische Verfahren ma. Weltchronistik. E l greift direkt auf lat. Vorbilder (Hieronymus, Petrus Comestor) zurück. Für die Nennung A's vgl. den Beleg in der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 111) und im .Pantheon' Gottfrieds von Viterbo (PL 198, Sp. 1025a). [mk]
Aegina [Tochter des Asopos, Mutter des Aeacus, von Zeus in Adleroder Feuergestalt geschwängert; M M 6,113]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Asopis, Egina)·. Α wird von Iuppiter in Feuergestalt geschwängert (6,234; [1] Abbildung auf dem Teppich der Arachne; Descriptio; Katalog der Geliebten Iuppiters). A's Sohn Aeacus benennt sein Land Oenopia in ,A" um. Iuno lässt aus Rache für Iuppiters Ehebruch eine Pest über die Insel kommen, die das gesamte Volk hinwegrafft (7,845; 7,925). [1] 6,234 hat nach Ovid die Nf. Asopis, d.i. das Patronymikon A's, das von Al offensichtlich nicht mehr durchschaut wurde. [mk]
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Aegisthus — Aeneas
nicht explizit auf eine Verwandtschaft von A und Agamemnon hin. [Sohn des Thyestcs, Liebhaber der Klytaimestra, tötet Die Zeichnung des Ehebrechers und Mörders den heimkehrenden Agamemnon; Dictys 120,19; Benoit 2 8 0 5 2 Egistus] Α ist klar negativ, wie insbesondere As Tod und die Behandlung seiner Leiche in Al G: Geliebter der Clytaemestra (Al, A2), Vater zeigen. Auffallend ist außerdem die Angabe der Erigone (Al) über A's niederen Stand („Einschildritter") in R: König von Mykene (El), Ritter niederen Al: Das Motiv der Verführung einer hochStandes (Al) stehenden Dame durch einen Ritter während Nf.: Egistus (Al, A2, El) der kriegsbedingten Abwesenheit des Gatten könnte reale Ehebruchsfälle oder -ängste wiI. derspiegeln. Es reflektiert in jedem Fall das Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. A, Ehebruchsthema der höfischen Literatur (v.a. ein besitzloser Ritter von niederem Stand, der Lyrik), gestaltet die Episode also als einen hat ein moralisch und ständisch verwerfliches aktuellen, höfischen Casus (im Gegensatz zum Verhältnis zu Clytaemestra, aus dem Erigone Tristanstoff aber mit eindeutiger moralischer hervorgeht. Die Ehebrecher planen Aga- Verurteilung). memnons Ermordung, Α tötet Agamemnon In El wird Α in einem Katalog gr. Herrgleich bei seiner Landung (17258; 17262). scherhäuser als König von Mykene erwähnt, Agamemnons Gefolgsleute, Demophon und auf nähere Angaben wird verzichtet. Die Acamas, sinnen auf Rache (17322). A will mythologischen Daten sind nach dem Vorbild der von Orestes bedrohten Clytaemestra zu lat. Weltchronistik historisch aufgefasst und Hilfe kommen, wird überwältigt und zu werden in profangeschichtlichen Exkursen Tode geschleift. Seine Leiche wird vor der zur Heilsgeschichte erinnert. [1] Stadt Mykene aufgehängt (17389-17430). As [ 1 ] Für Α vgl. die N e n n u n g in der C h r o n i k des Hieronymus (PL 27, Sp. 231). Tochter Erigone erhängt sich, als sie davon [mk] erfährt (17509). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung: Α geht während Agamemnons Aegyptus [Zwillingsbruder des Danaos, seine 50 Söhne werden mit Kriegszug gegen Troja ein Verhältnis mit Clyden 50 Töchtern des Danaos verheiratet u n d von diesen bis taemestra ein, sie planen einen Mordanschlag. auf Lynkeus in der Hochzeitsnacht getötet] Α tötet den heimgekehrten Agamemnon im El Jans Enikel, , Weltchronik' 13477: Α ist Bade, als dieser sich gerade ein Hemd überder Bruder des Danaus, seine 50 Söhne ziehen will. Orestes rächt Agamemnon an A werden von Danaus' 50 Töchtern bis auf (49547-49698). El Rudolf von Ems,, Weltchronik' 19910: A war einen getötet. [1] [ 1 ] Quelle fiir diesen singulären Beleg des Danaidenmythos einer der Könige von Mykene (Katalog). Aegisthus
II. Das seit Aischylos' Agamemnon' berühmte Motiv von Agamemnons Ermordung durch A im Bade bringt A2 direkt nach dem Trojabericht von Dictys (120,19ff.). In Al ist es, dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure folgend, zu einem ehrenhafteren Tod bei der Landung umgestaltet. Den Geschlechterfluch kennen beide Belege nicht, sie weisen auch
in der m h d . Literatur ist nach Strauch (Hg., zur Stelle) ,De imagine m u n d i ' des H o n o r i u s Augustodunensis. [sks]
Aeneas [Rom. Staatsheros, S o h n der Venus u n d des Anchises, flüchtet aus d e m b r e n n e n d e n Troja nach Italien, wo er die Herrschaft ü b e r n i m m t u n d den Grundstein des Rom. Reiches legt]
G: Sohn der Venus (Al, A2, B5) und des Anchises (Al, A2, Dl), Bruder des Amor
Aeneas (Al, B5) und [!] des Cupido (Al), Geliebter der Dido (Al, A2, B l , B2, B4, B5, B l l , Β13, CI, C2), Gatte der Creusa (E3) und der Lavinia (Al, A2, B l , B4, B5, E3), Vater des Ascanius (Al, A2, E3), Vater des Silvius Aeneas (E3), Vorfahre Caesar^ (A2), Sohn des Absolon und der Clara [!] (A6) R: Trojanischer Fürst (Al, A3, A4, A5, D2, E3), König von Italien (Al, B l , E3), Gründer von Alba longa (Al, El, E5), Gründer Roms (B9) Nf.: Eneas (alle), n.n. ( D l ) I. A l Heinrich von Veldeke, ,EneasromanΑ ist trojanischer Herzog, verlässt auf göttlichen Befehl Troja, wird von Iuno verfolgt und durch einen von ihr gesandten Seesturm nach Karthago verschlagen, wo er von Dido ehrenvoll empfangen wird und vom Untergang Trojas berichtet. Dido verliebt sich in A (37-1659). Er begleitet sie auf die Jagd, vereinigt sich mit ihr während eines Unwetters, heiratet sie, wird von den Göttern zur Weiterfahrt ermahnt und verlässt Dido mit dem Hinweis auf seinen göttlichen Auftrag. Dido verbrennt alles, was sie an Α erinnert, und stürzt sich in sein Schwert (1744-2522). Als A am Grab des Anchises dessen Todestag begeht, erscheint ihm der Geist des Vaters und befiehlt ihm, nach Italien zu ziehen und in die Hölle hinabzusteigen (2544-2659). Α sucht die Sibylle auf, sie essen ein schützendes Kraut und begeben sich in die Hölle. Α fürchtet sich vor Charon und Cerberus, begegnet den Seelen der ungeboren Gestorbenen, den Opfern der Minne (darunter Dido) und den vor Theben und Troja Gefallenen, trifft im Elysium auf Anchises, der ihn seine Zukunft sehen lässt, und kehrt mit Sibylle zurück (2687-3730). Α landet an der Tibermündung, sendet Boten zu Latinus und erhält eine günstige Antwort. Er errichtet die Burg Montalbane (Alba longa), erhält durch Venus von Vulcanus geschmiedete Waffen, begibt sich zu Euander, um ihn als Bundesgenossen zu gewinnen. Euanders Sohn Pallas beglei-
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tet Α mit einer Streitmacht (3741-6294). A befreit das inzwischen von Turnus belagerte Montalbane, beklagt Pallas, der von Turnus getötet wird, und lässt dessen Leiche nach Hause überführen (6303-8426). Latinus will sich mit Α versöhnen, auf Drances' Vorschlag wird ein Zweikampf zwischen Turnus und A vereinbart (8465-9736). Die Königin Amata warnt Lavinia vor A. Als Lavinia Α sieht, wird sie vom Pfeil der Venus getroffen und sendet ihm einen Brief. Α wird von Amor verwundet, als er Lavinia anblickt, leidet Liebesschmerzen und klagt deshalb seine Mutter und seine Brüder, Amor und Cupido, an (9768-11583). Vor A's Zweikampf mit Turnus provozieren Turnus' Mannen eine Schlacht, in der der unbewaffnete Α verwundet wird. Vom Arzt Iapyx schnell geheilt, wütet Α gegen Turnus' Heer, trifft aufTurnus, wird durch den Anblick Lavinias bestärkt, besiegt und tötet ihn aus Rache für Pallas (11609-12634). Α schließt mit Latinus Frieden, opfert seinen Göttern, nimmt Lavinia zur Frau, wird König und lebt glücklich (12636-13322). Sein gleichnamiger Urenkel wird der Ahnherr von Remus und Romulus (13348-13492). [1] [1] Die Berufungen 379 und 13510 nennen eine „Eneide" als Quelle, gemeint ist Vergils ,Aeneis' und nicht die eigentliche Vorlage, der,Roman d'Eneas'.
A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Α flieht mit Anchises und Ascanius aus Troja. Er weiß um sein künftiges Geschick und will nach Italien, fährt nach Athen, wird, bevor er Scylla und Charybdis erreicht, von einem Sturm nach Karthago zu Dido verschlagen (9,788; 13,818-915), meidet Circe, wird in Laurentum von Latinus empfangen und nimmt nach dem Krieg gegen Turnus Lavinia zur Frau. Α soll auf Venus' Bitte vergöttlicht werden, Numicius vollzieht die heilige Waschung, Venus bringt ihn in den Himmel, die Römer verehren ihn als Gott (14,102-594). Α ist Vorfahre Caesars (15,487). A3 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Der kleine, dicke und rotbärtige A (3209; Descriptio) nimmt an der trojanischen Gesandtschaft zur Rückforderung Hesionas von den Grie-
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Aeneas
chen teil und stimmt Paris' Vorschlag zu, Helena zu entführen (2368; 2554). Er bewacht ein Stadttor und führt eine Heerschar in die Schlacht mit den landenden Griechen (38494719; 5538). In den folgenden Schlachten rettet A Hector vor Achilles, Paris vor Menelaus (6259-6793), tötet Amphimachus (71177607), beklagt Hectors Tod (9702-10961), die Schleifung des Troilus durch Achilles (11607; 13222-13286) und Paris'Tod (13902; 14098), kämpft weiter (14827). Α fordert mit Antenor, Polydamas und Anchises die Rückgabe Helenas, der erzürnte Priamus plant einen Anschlag gegen die vier, die sich daraufhin mit den Griechen verschwören (14988-15268). A und Antenor beraten mit den Griechen den Raub des Palladiums, Α überredet Priamus, das hölzerne Pferd der Griechen anzunehmen (15488-15987), wird von Hecuba als Verräter beschimpft (16260-16339), versteckt Polyxena, wird aber von Antenor verraten (1682916973). Für A's weiteres Geschick wird auf Al verwiesen (17331-17383). A4 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg: A unterstützt Paris bei der Entführung Helenas (19428; 23080), ist einer der trojanischen Heerführer (25074; 26806) und bewährt sich im Kampf (30114-30138; 32658-34210; 36630; 39920). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung·. Α ist bestürzt über die Ermordung des Achilles im Tempel Apollos, will nicht mehr kämpfen und Helena zurückgeben. Helenus prophezeit A's Verrat an Troja (44938-45820). Α ist über die Heirat von Deiphobus und Helena nach Paris' Tod erbost und strebt ein Ende des Krieges an. Priamus denkt an einen Anschlag gegen ihn und Antenor. Α schließt gemeinsam mit diesem ein geheimes Bündnis mit den Griechen, die die Hälfte des königlichen Schatzes versprechen. Α und Antenor bergen den Schatz im Tempel der Athena (45820-48009). A's Leute werden beim Untergang Tirojas von den Griechen geschont, er soll in allen Ehren mit nach Griechenland fahren (4819748926). Α hat durch Verrat großes Unglück über Troja gebracht (49761; RV).
A5, Göttweiger Trojanerkrieg'·. Α ist trojanischer Fürst (13256) und von Priamus aufgezogen worden (19219), wird als künftiger Verräter Trojas vom Erzähler verflucht (13831; 13968; 22727; 22818), überbringt die Herausforderungen mehrerer Griechen zum Zweikampf an Hector (18629-18791), führt nach Hectors Tod gemeinsam mit Nastes und Ilus [!] Geheimverhandlungen mit Agamemnon und will einen gr. Elitetrupp bei dem von ihm bewachten Tor einlassen. So geschieht es (1946819560 [Untergang Trojas, erste Version]). A verrät Troja um 1200 v. Chr., kommt auf Agamemnons Bitte ins Griechenlager, empfiehlt, einen Rückzug vorzutäuschen und auf sein Licht- und Nestors Hornsignal hin mit einem Elitetrupp zum Tor zu ziehen. Der Plan wird ausgeführt (22691-22929 [Untergang Trojas, zweite Version]). A will Polyxena vor Pyrrhus schützen, muss sie aber ausliefern (23130; 23138), verlässt Troja, gelangt über Antiochia nach Rom und erbaut dort mit Nestor das Colosseum (23219-23248 [Gründung Roms, erste Version]). Α bereut den Verrat Trojas, hält sich in Kreta versteckt und zettelt mit Romulus und Remus einen Aufstand gegen Agamemnons Sohn Memnon an. Sie werden geschlagen, fliehen nach Italien und gründen Rom, Α erbaut das Colosseum (24956-25087; RV 25148 [Gründung Roms, zweite Version]). [1] [ 1 ] Sowohl der Verrat Trojas als auch die Gründung Roms werden in zwei Versionen erzählt, dazu Kern, Agamemnon weint, 158ff.
A6 Heinrich von Neustadt, »Apollonius' 4074: Α wird von Absolon, einem Gefährten des Apollonius, mit Clara gezeugt. Er ist noch heute berühmt. B1 Hartmann von Aue, ,Erec\ Auf der Satteldecke von Enites Pferd ist abgebildet, wie Α nach seiner Flucht aus Troja von Dido in Karthago aufgenommen wurde, wie er sein Versprechen ihr gegenüber brach und sie verließ, wie er dann Laurentum unterwarf, Lavinia heiratete und bis zu seinem Tode vorbildlich herrschte (7553-7579). B2 Wolfram von Eschenbach, ,Parzival\ Dem Α kann Karthago, wo sich Dido später seinet-
Aeneas wegen tötete, nicht schöner erschienen sein als die Stadt Ascalun dem Gawein (399,12). Mit dem Heilkraut, das Α von der Sibylle zum Schutz gegen den Höllendunst erhalten hat, versucht man auch Amfortas' Wunde zu behandeln (482,2).
B3 ,Μοήζ von Craün, 50: Α und Pandarus kämpften heldenhaft vorTroja (Prolog; Entstehung des Rittertums vor Troja).
B4 Wirnt von Grafenberg, ,Wigalois' 2717:
Eine persische Prinzessin lässt sich ein Buch vorlesen, das von der Flucht des Α aus Troja, von seiner Aufnahme durch Dido und von seinen weiteren Erlebnissen berichtet. [1] [1] B4 betont explizit die Bekanntheit der Geschichte („als ez iu ofte ist geseit"; 2722) und bezieht sich damit wohl auf A l .
B5 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Cröne': A wurde von Dido aufgenommen und brachte ihr großes Unglück, erkämpfte sich Lavinia (531; 534; Abbildungen auf einem Wandteppich, ein Geschenk der Königin Lenomie an Artus). Didos Selbstmord wegen Α wurde heftig beklagt (11561; Exempelreihe großer Klage-Anlässe, die von der Klage über Ginovers Entführung überboten werden). Venus und Amor schützten Α im Kampf mit Turnus um Lavinia. Sie hätten auch Gawein schützen müssen, beklagt dessen Geliebte Amurfina, als sie von Gaweins vermeintlichem Tod erfährt (17265).
B6 Rudolf von Ems, »Alexander' 17777: A wurde vor Laurentum u.a. von Camilla heftig bekämpft. [1] [1] Die Stelle verweist auf die Bekanntheit der Geschichte.
B7 ,Prosa-Lancelot'11.476,17: Ein Künstler auf Morganes Burg malt in einem Bilderzyklus As Flucht aus Troja und sein weiteres Geschick. Dies veranlasst den gefangenen Lancelot, seine Zelle mit Fresken auszumalen, die seine Liebe zu Ginover darstellen (Morgane kann ihn so später vor Artus verleumden).
B8 Der Pleier,,Meieranz' 592: As Flucht aus
Troja und sein weiteres Geschick sind auf der Bettdecke Tydomies, der Geliebten des Meieranz, dargestellt (außerdem Paris und Helena als Liebespaar).
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B9 Albrecht, Jüngerer Titurel' 93,2: Α musste aus Troja fliehen und gründete Rom, dessen Ehre und Ansehen somit in Troja ihren Ursprung haben.
BIO Wernherder
Gartenaere,,Helmbrecht'50:
Auf Helmbrechts Haube ist u.a. abgebildet, wie Α zu Schiff aus Troja floh.
B l l ,Reinfried
von Braunschweig':
Als A
Dido verließ, wurde sie wahnsinnig und verbrannte sich (3213; Yrkane fürchtet ein ähnliches Schicksal und zögert, Reinfrieds Liebe zu erwidern; [1] 15265; Yrkane wäre nach Reinfrieds Abfahrt ins Heilige Land dasselbe geschehen, wäre sie nicht schwanger gewesen). Yrkane wünscht, sie könnte Reinfried einen so schönen Brief schreiben wie Dido dem A (24545 [2]). [1] Die Stelle verweist auf Vergil und dessen Schilderung von Didos Flammentod. [2] Die Stelle spielt auf Ovids ,Heroides' an.
B12 ,.Friedrich von Schwaben' 4830: Α ist einer von vielen, die ihrer Geliebten wegen großes Leid auf sich nehmen mussten (Exempelreihe [1]). [1] Die Exempelreihe nennt literarische Gestalten von Erec bis Wilhelm von Österreich und gibt so einen „literaturgeschichtlichen" Abriss bis hinauf zu B12 selbst. An antiken Gestalten ist neben Α noch Paris genannt.
B13 ,Die böse Frau' 439: Als Α aus Troja zu Dido nach Karthago kam, erfuhr er andere Zuwendung als der Erzähler, den seine Frau schlägt und kratzt.
C1 Friedrich von Hausen, MF 1.1,3 (42,3): Auch wenn der Sänger ein Α wäre, würde die Minneherrin niemals seine Dido sein wollen. Der Sänger versteht diese ihre Aussage nicht, weil nicht er seiner Minneherrin, sondern vielmehr sie ihm das Herz geraubt habe.
C2 Frauenlob, 354,5 (Ettm.): Αfloheiner Frau
wegen aus Tyros [ 1 ], die von der Minneherrin des Sängers an Schönheit überboten wird. [1] Es kann Dido oder Lavinia gemeint sein.
Dl Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche
Gast' [3403]: Α musste mit Anchises aus
Troja fliehen.
D2 Hugo von Trimberg, ,Der Renner': Trojas Untergang und As Schicksal zeugen von den verderblichen Folgen von Ehebruch, Hoffart
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Aeneas
und Unrechter Minne. Venus half A, dass er davonkam (15873; Katalog). Α und Achates waren vorbildliche Freunde (6364; Katalog). A's fürstlicher Reichtum wird von Petrus' Tugendreichtum übertroffen (1442; Katalog); auf A's Reichtum verzichtet, wer geistlich leben will (19649; Katalog). Der .Eneas' ist wie andere Romane ein Buch voller Lügen [1] (21641; Katalog). [1] .Eneas' ist Romantitel, der sich vermutlich a u f A l bezieht, weiters werden .Parzival', .Tristan', .Wigalois' und ,Iwein' genannt.
D3 ,Die Minneburg' 4176·. Α hatte Respekt vor der streitbaren Camilla (der Minneritter muss seine Minneherrin noch mehr fürchten). [1] [1] Die Anspielung ist mit einem Verweis a u f A l verbunden („von der [Camilla] in .Eneas' man saget").
E l »Annolied' 23,13: Α eroberte nach dem Fall Trojas Italien und gründete an der Stelle, wo er eine Sau mit 30 Ferkeln fand, Albane (Alba longa), von wo aus später Rom gegründet wurde. E2 ,.Kaiserchronik'371: Α eroberte nach dem Fall Trojas das Land der Römer und ließ sich an der Stelle nieder, wo er eine Sau mit dreißig Ferkeln fand. E3 Rudolf von Ems, ,Weltchronik': Der kluge und tapfere Α fährt mit seinen Gefolgsleuten auf 20 Schiffen von Troja nach Italien, tötet Turnus aus Rache für Pallas, gewinnt aufgrund seines tapferen und mannhaften Verhaltens die Hand von Latinus' Tochter Lavinia und übernimmt nach Latinus' Tod die Herrschaft über Italien (26396-26512). Α gründet für Lavinia die nach ihr benannte Stadt Lavinium. Er herrscht streng und ist der schlimmste Kriegsführer. Wegen seiner Habsucht, Hartherzigkeit und Wildheit tötet ihn Gott durch einen Blitzstrahl. Nach seinem Tod gebiert Lavinia Silvius Aeneas. Ascanius übernimmt die Herrschaft (26542-26586; 33478: Α ist Vater des Silvius). E4 Jans Enikel, , Weltchronik' 16899: Nach dem Fall Trojas zerstreuen sich die übrig gebliebenen Trojaner, Α zieht nach Rom. E5 ,Baseler Bruchstück': Α führt Geheimverhandlungen mit den Griechen, verspricht, sie
bei dem von ihm bewachten Tor einzulassen (287), und fährt nach dem Untergang Trojas mit 30000 Mann nach Italien (315). E6 ,Die Erlösung' 6511: Α wird den Prophezeiungen der Sibylle zufolge beim Jüngsten Gericht zur Hölle verdammt werden (Katalog). [1] [ 1 ] G e n a n n t werden antike Götter wie Venus, Pallas, Iuppiter, Apollo und bekannte Helden wie Hector, Paris, Achilles, Ulixes und Hercules neben biblischen Figuren und Gruppen wie Juden und Sarazenen.
II. 1) A's Bedeutung in der ma. Geschichtskonzeption; 2) A im Antikeroman; 2A) Aeneasroman; 2 B ) Trojaroman; 3) Anspielungen; 4 ) Zusammenfassung
1) Als Gründerheros des röm. Weltreiches ist Α im MA eine Gestalt von eminenter universalgeschichtlicher Bedeutung. In Anlehnung an die nationalepische Geschichtskonstruktion bei Vergil bildet die frühe fränkische Chronistik (Fredegar, 7.Jh.) den Gedanken einer Trojanerabstammung der Franken aus. Damit in Zusammenhang steht die Idee der translatio imperii·, der Übernahme und Erneuerung des Röm. Reiches durch die Franken. Sie ist das ganze MA hindurch zentraler Bestandteil geschichtsphilosophischer Theorien. Beginnend bei Karl dem Großen greifen ma. Herrscher und Dynastien immer wieder auf das Modell der Trojaabstammung und einer daraus folgenden Verwandtschaft mit den Römern zurück, um ihren Herrschaftsanspruch zu legitimieren. Für die translatio-Konzeption der Stauferzeit geben die entsprechenden Partien im,Pantheon', der Weltchronik Gottfrieds von Viterbo (E. 12 Jh.), aufschlussreiche Auskunft, auf Troja und Α werden auch die Herrscher Britanniens in der ,Historia regum Britanniae' Geoffreys von Monmouth (12.Jh.) zurückgeführt (der erste Britenherrscher Brutus ist A's Enkel). [1] Auf den universalhistorischen Vorstellungskomplex, der sich mit der Gestalt des Α verbindet, gründet sich insbesondere das Interesse in den chronistischen Texten E l , E2 und E4, die auch in dieser Folge voneinander abhängen. Als wichtiger Herrscher der Profan-
Aeneas geschichte wird Α auch in E3 behandelt, nach dem Prinzip ma. Weltchronistik (v.a. nach der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor) im Rahmen eines profangeschichtlichen Exkurses zur Heilsgeschichte. Die mythologischen Daten sind historisiert, im Unterschied zu Nennungen anderer Gestalten wird von Α aber relativ ausführlich berichtet. Auffallend ist die Spaltung der Α-Handlung in eine positive Phase der Reichsgründung und in eine zweite Phase der negativen Herrschaftsführung. Die aufgepfropfte rex-iniustus-Topik (H. Fromm) ist angesichts des positiven Α-Bildes, das zur Entstehungszeit von E3 in Chronistik und Literatur vorherrscht (u.a. bei Gottfried von Viterbo und A l ) , bemerkenswert. Sie spiegelt das Geschichtsmodell von Aufstieg und Verfall wider und führt die beiden seit der Antike fassbaren A-Konzeptionen, die positive, v.a. durch Vergil vermittelte „Gründer-Tradition" und die negative, in der Troj asage entwickelte „Verräter-Tradition", in einer Version zusammen. Ähnliches bietet ansonsten nur die Chronik Ottos von Freising (12.Jh.), die beide Traditionen einander gegenüber stellt (1.25), freilich ohne sie wie E3 zu verknüpfen. Quelle für die Angaben zur negativen Herrschaft und zum Tod des Α durch Blitzschlag in E3 ist die Chronik des Frutolf von Michelsberg (E. 11.Jh.; H. Fromm) bzw. deren Fortsetzung im ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 524f.). [2] Nach dem Beispiel des Α berichtet E3 außerdem von weiteren Trojaflüchtlingen wie As Bruder Phrygius, dem Ahnherrn der Franzosen, Franze (in El Franco), dem der Franken, und Britus, dem der Briten (Brutus bei Geoffrey von Monmouth). B3 gibt zwar eine translatorische Geschichte des Rittertums (von den Griechen über die Römer zu den Franken), nennt Α aber nicht in diesem Zusammenhang. Im Antikeroman wird die Reichsgründung durch Α zum höfisch-literarischen Thema. Für den Eneasroman ist allerdings die Liebeshandlung in Vergils Epos von höherem Interesse, sie erfährt in der dt. Literatur durch
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Al eine mustergültige und breit rezipierte Gestaltung. Die Anspielungen begreifen A daher in erster Linie als exemplarische Minnefigur, seine universalgeschichtliche Rolle betont eigentlich nur B9. 2) Auch die literarische Rezeption ist von den beiden divergierenden Α-Bildern der Gründer· und der Verräter-Tradition gekennzeichnet. Schon Vergil hat deutliche Mühe, den Vorwürfen gegen den „profugus", der im schlimmsten Falle als „proditor" der Heimatstadt gilt, mit seinem Konzept des „pius Aeneas" zu begegnen. Hinzu kommt das Problem des „Liebesverrats" an Dido, das dann für die höfische Literatur, insbesondere für die Anspielungen in Roman und Lyrik, im Zentrum steht. Das Α-Bild der Antikeromane zeigt eine dementsprechend klare Aufspaltung. Al und A2 folgen der klassischen röm. Epik (Vergil, Ovid) und fassen Α als weitgehend positiven Charakter, die Trojaromane (A3, A4, A5) reflektieren hingegen die „Verräter-Tradition", wie sie v.a. in den pseudohistorischen spätantiken Trojaberichten des Dares Phrygius und des Dictys Cretensis vorliegt. Ihnen folgen A3 und A4 (über Vermittlung des Trojaromans von Benoit de Sainte-Maure; die Fortsetzung von A4 direkt nach Dictys) sowie - mit Sonderstellung - A5. Da die antiken Götter im Trojaroman aufgrund der rationalisierenden Darstellung, die auf Dares und Dictys zurückgeht, keine handelnde Funktion mehr haben, kennen auch nur A l und A2 Α als Sohn der Venus (vgl. auch D2). A l macht sich A's göttliche Genealogie für die Gestaltung der Minnehandlung nutzbar und wirkt auch hierin stark auf die folgenden Texte (etwa auf B5). [3] 2A) A's Flucht aus Troja begründen Al und A2 nach dem Vorbild Vergils bzw. Ovids mit dem göttlichen Auftrag. Didos Selbstmord\st in A l für Α nicht vorhersehbar und wird auf das Wirken des Teufels zurückgeführt. Aus einer kontextuellen Perspektive gesehen bleibt Äs Verhalten gegenüber Dido dennoch problematisch, wie auch die Szene in der Unterwelt
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Aeneas
zeigt. Als vorbildlicher Liebender und ritterlicher Fürst und Kämpfer erweist sich Α hingegen in der Liebeshandlung mit Lavinia und im Kampf mit Turnus. Insbesondere die beiden komplementären Liebesverhältnisse, die zwei klassische höfische Liebesfälle - unglückliche und geglückte Liebe - repräsentieren, erklären Erfolg und Wirkung von Al in der späteren Literatur. Mit der Unterweltfahrt bietet Al außerdem ein spektakuläres Szenario, das für die Antikerezeption der höfischen Literatur insgesamt aufschlussreich ist: Handlung, Topographie und Personal Vergils sind weitgehend beibehalten. Christliche Deutung ist v.a. bei den Beschreibungen von Charon, Cerberus und Rhadamanthys greifbar, die als Teufelsgestalten aufgefasst werden, vor denen sich der ma. Α im Gegensatz zum antiken Helden auch fürchtet. Aufgegeben ist natürlich die Vorstellung einer Wiedergeburt der Seelen, aufschlussreich hingegen die Beibehaltung der von Vergil erfundenen Gruppe der Liebestoten. Unter diesen und nicht unter den Selbstmördern befindet sich auch Dido, die damit weitgehend exkulpiert wird. Der literarische Text setzt sich somit über jenen moralischen Wertungsmechanismus hinweg, den die christliche Moral nahelegen würde. Die besondere Kategorie der „Liebesverbrecher", die in erster Linie auf das Mitleid der Texte zählen können, findet sich auch noch in Dantes .Inferno' (canto V). In den wesentlichen Änderungen zu Vergil (stärkere Betonung der beiden Liebeshandlungen, umfassende Höfisierung) folgt Al dem afrz. ,Roman d'Eneas', hat nebenher aber auch eigenständig auf Vergil und Ovid zurückgegriffen. [4] 2B) In den Trojaromanen wird aus dem Flüchtling Α der Verräter Trojas. A3 und A4 zeigen Α zunächst als wichtigen Kämpfer auf trojanischer Seite und rechtfertigen den Verrat mit der verzweifelten Lage der Stadt, der Verblendung der trojanischen Führung und den Anschlagsplänen des Priamus auf Α und seine Gefährten. Problematisch bleibt, dass sich Α Anteile am Schatz Trojas
sichert, grundsätzlich wird er allerdings so weit wie möglich exkulpiert, wie auch sein Einsatz für Polyxena (A3) zeigt. Die eigentliche zwielichtige Rolle übernimmt Antenor (Verhandlungsführung, Ubergabe des Palladiums). Scharf negativ charakterisiert wird Α hingegen in A5, wo er auch als Kämpfer nicht in Erscheinung tritt. Die Abwertung der Figur korrespondiert mit der Aufwertung des Paris, der hier am Untergang Trojas völlig schuldlos ist. Die Fahrt nach Italien und die Gründung Roms geraten in A5 zu einem Akt politischer Irrläufer, was angesichts der universalgeschichtlichen Bedeutung der Ereignisse irritiert. Ahnlich bemerkenswert ist, wieA6 die „geschichtlichen" und literarischen Daten ignoriert. 3) In den Anspielungen sind As Flucht aus Troja (B9, BIO), seine Ankunft in Karthago und die Liebesbeziehungen zu Dido (B2, C l , C2, Β13), die Fahrt nach Italien, der Krieg gegen Turnus (B6, D3), As Liebesbeziehung zu Lavinia (B12) und die Herrschafisgründung (B9) stehende Motive (zusammenfassend Β1, B3, B4, B5, B7, B8). Α als Trojakämpfer erwähnt nur B3, seine Unterweltfahrt nur B2. Interessant und aufschlussreich ist die in Al angelegte Tendenz zur Rehabilitierung Didos: Dido wird in der Folge eine tragische Figur, der die Texte ein geradezu sentimentales Mitleid entgegenbringen (vgl. bes. Bl, B5, B11, mit mehr oder weniger deutlicher Kritik an A). Aufgrund der hohen Zahl und der inhaltlichen Interessen der Zitate kann die Anspielungsrezeption zu Α insgesamt als Rezeption von Al verstanden werden, dies gilt besonders für Bl, B2, B5 und C l [5] und wird von den Verweisen in B4, B6, Β11 und D2 bestätigt. Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang auch die Gedankenexperimente in C l und B l l . Sie entwickeln — offenbar in Rücksicht auf Al - Identifikationsmodelle und spielen diese nach den jeweiligen kontextuellen Bedingungen durch (die Minneherrin und Yrkane verweigern die Rolle der Dido, der Sänger sieht sich als besserer A).
Aeolus Literarhistorisch ebenso signifikant sind die Zitate in der Descriptio: As Geschichte wird zum beliebten Sujet bildnerischer Darstellungen in B1 (mit Vorbildwirkung auf die anderen Texte), B5, B7, B8 und BIO. Diese Bildzitate repräsentieren eine Form der Anspielung, die zwar auf antike Vorbilder (etwa Vergil) zurückgeht, in der höfischen Literatur aber ihre eigene Tradition entwickelt und die Bedeutung des Α-Stoffes für die Repräsentation höfischer Ideologie unterstreicht. [6] Belege finden sich ebenso in der afrz. Literatur, so etwa im ,Erec' Chrestiens de Troyes, von dem B1 abhängt. Α ist weiters Exempelfigur für einen, der der Minne wegen großes Leid auf sich nimmt in Β12, für den glücklichen Liebenden in Β13, für den treuen Freund in D2, für den tapferen Kämpfer in B3. Im Rahmen eines überbietenden Vergleichs der Minnedame mit Dido oder Lavinia nennt ihn C2. Seine Begegnung mit der Amazone Camilla vergleicht D3 mit der Beziehung des Liebenden zu seiner im metaphorischen Sinn streitbaren Minnedame. 4) Insgesamt ist A, nicht zuletzt aufgrund der Wirkung von Al, eine der prominentesten Figuren der höfischen Antikerezeption, mit deutlichem Vorbildcharakter in Rittertum, Herrschaft und Minne. Kontrastiv dazu und offenbar mit geringer Resonanz begreifen ihn die didaktischen und geistlichen Texte als Beispiel für den reichen Weltmann im Kontext des Vanitastopos (D2) bzw. überhaupt als Sünder, der beim Jüngsten Gericht die ewige Verdammnis zu gewärtigen hat (E6). Ein ambivalentes Α-Bild (, Α der Verräter") zeichnen dieTrojaromane und E3. Mit der universalhistorischen Vorstellung einer translatio imperii verbunden ist v.a. der Α-Beleg in El. [1] Vgl. Graus, Troja; H. Kugler, Das Eigene aus der Fremde. Über Herkunftssagen der Franken, Sachsen und Bayern, in: Interregionalität in der dt. Lit. im europäischen MA. Hg. H. Kugler, 1995, 175-193; s.v. Translatio Imperii (H.Thomas), in: LMA, Bd. 8, Sp. 944-946 und s.v. Trojaabstammung (Ph. Contamine), ebd., Sp. 1041. [2] H. Fromm, Aeneas der Verräter, in: FS W. Haug und B. Wachinger. Hg. J. Janota, 1992, Bd. 1, 139-163, bes. 146ff.
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Für eine Benutzung Ekkehards sprechen auch die Angaben zu -* Latinus (II.). [3] Hierzu Kistler, Heinrich von Veldeke, passim. [4] Ebd.; Ebenbauer, Spekulieren über Geschichte; Lienert, Geschichte und Erzählen (zu A4); Kern, Agamemnon weint (zu A5). [5] Vgl. U. Draesner, Wege durch erzählte Welten. Intertextuelle Verweise als Mittel der Bedeutungskonstitution in Wolframs .Parzival', 1993 (zu B2); Kern, Edle Tropfen (zu Bl, B5 und C l ) . [6] Zum Typus des Bildzitats Kern, Edle Tropfen, 31 Off. (mit weiterer Lit.). [mk]
Aeolus [Gott der Winde]
W: Gott der Winde (Al, A2, Bl, El) G: Vater der Alcyone und Schwäher des Ceyx (A2) R: König (A3) N£: Eol (A3), Eolus (Al, Bl, El) I. Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman\ Getarnt als einfacher Kämpfer Sinon berichtet Ulixes den Trojanern, dass die Griechen ihn opfern wollten, um A's Gunst zu gewinnen (1040; 1078; Trojanisches Pferd; Lügengeschichte, des Sinon/Ulixes). A2 Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen '·. Α gebietet über die Winde Eurus und Zephyrus (1,115-120). Er wird von Iuppiter beauftragt, die Sintflut auszulösen, indem er den trockenen Wind Aquilo bindet und den regenbringenden Auster loslässt (1,494). Alcyone warnt Ceyx davor, sich bei der Seefahrt auf Α zu verlassen (11,752-758). Α schenkte Ulixes einen Sack mit Winden, den ein Gefährte trotz Verbots öffnete (14,228; Erzählung des Macareus). A3 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 17622·. Ulixes kommt nach dem Abenteuer bei Polyphem in das Land des Α und begegnet dort Circe. Bl Rudolf von Ems, ,Derguote Gerhart'2566·. Der muslimische Fürst Stranmur empfiehlt Gerhart den heidnischen Göttern, Α möge
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Aesacus — Aeschines
ihm für die Heimfahrt einen sanften Rückenwind schicken (Götterkatalog). [1] [1] Neben Α werden Iuppiter, Pallas Athene, Iuno, Machmet, Mercurius, Thetis und Neptunus als Götter der Muslime genannt.
El Rudolf von Ems, ,Barlaam': Im Glaubensdisput mit dem Christen Barlaam stellen die Griechen ihre Götter vor. Α beherrsche den Wind mit göttlicher Meisterschaft (9757; Götterkatalog). Den Wind gab es bereits vor der Geburt des Α und es wird ihn auch nach dessen Tod noch geben, antwortet Barlaam (10229). II. Die Daten aus dem Α-Mythos, die A2 berichtet, reflektieren ein spezifisches mythographisches Wissen, das direkt von Ovid übernommen und sonst kaum rezipiert wird. Auf die Begegnung des Ulixes mit Α verweisen A2 und A3. Das Motiv vom Menschenopfer fiirAinAl folgt dem,Roman d'Eneas' (1016). Es ist nach Aeneis' 11,116ff. gestaltet, wo explizit auf die Opferung Iphigenias verwiesen wird (wie vor der Fahrt nach Troja verlangen die Götter, freilich nicht Α selbst, auch für die Heimfahrt ein Menschenopfer für günstigen Wind, so Sinon). Der polemische Ton in El entspricht der Tradition christlich-apologetischer Literatur. Α ist hier zudem euhemeristisch gedeutet. In Β1 ist er als Gott der Muslime aufgefasst, eine Vorstellung, die ursprünglich mit Apollo verbunden ist und sich später auf andere antike Götter überträgt. [mk]
Aesacus [Sohn des Priamus und der Alexirhoe, wird in einen Vogel verwandelt; MM 11,762]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 11,1323 (Esacon): A, ein Nachfahre des Laomedon, des Ilus und des Assaracus, Sohn des Priamus und Bruder Hectors, verliebt sich in Hesperie, die auf der Flucht vor ihm an einem Schlangenbiss stirbt. Α fühlt sich schuldig. Als er sich ins Meer stürzen will, verwandelt ihn
Thetis [1] in einen Vogel, den Taucher. Die Trojaner trauern um ihn. Α wäre ein ebenso starker Held wie Hector geworden. [ 1 ] Bei Ovid ist es natürlich Tethys und nicht Thetis, die Α verwandelt (MM 11,784). Aufgrund der ähnlichen Nf. werden beide im MA meist gleichgesetzt; Thetis (ΪΙ.3). [mk]
Aeschines [390/89-315 v. Chr., athenischer Redner, Anhänger der Makedonischen Partei und entschiedener Gegner des Demosthenes]
R: Burggraf (A2) von Athen (Al, A2); Gefolgsmann Alexanders (A2), Gelehrter („meister"), Redner, Ratgeber (Al) Nf.: Eschinus (A2), Eskilus (Al) I. Al Rudolf von Ems, vAlexander': Α rät den Athenern vergebens vom Kampf gegen Alexander ab (3663). Nach der Einnahme Athens befragt Alexander die dortigen Gelehrten, darunter A, nach der rechten Lebensführung (3818). A2 Ulrich von Etzenbach, vAlexander': Burggraf Α von Athen bekennt, Alexander zu Unrecht Widerstand geleistet zu haben. Er reitet alleine vor die Stadt, um Friedensverhandlungen zu führen, ergibt sich auf Ratschlag des Dymnus (2565; Belagerung Athens durch Alexander) und zählt von nun an zu den angesehensten Mitstreitern Alexanders (4669; Katalog). Als die Thebaner die Griechen angreifen, tötet A deren Herzog Orestes im Kampf (3580; Sieg Alexanders über Theben). II. Der historische Α wurde militärisch nicht tätig, er musste wegen eines verlorenen Prozesses 330 v. Chr. ins Exil nach Rhodos. In Al wird er nach Q. Curtius Rufus historisch korrekt als Redner eingeführt. A2 macht ihn - Walters von Chätillon Alexandreis' (1,277 u.ö.) folgend — zum Mitstreiter Alexanders und Heerführer. Dass A, historisch gesehen eine ambivalente Gestalt [1], in Al und A2 als grundsätzlich positive Figur erscheint, erklärt sich aus seiner makedonenfreundli-
Aeschylus — Aesculapius chen Haltung, die der grundsätzlich alexanderfreundlichen Perspektive des Alexanderromans entspricht. [2] [1]S.v.Aischines[2.](H. Gärtner), in: DKP, Bd. l,Sp. 190f., hierSp. 191. [2] Als negative Gestalt erscheint dagegen -» Demosthenes. [mk/sks]
Aeschylus [Befehlshaber Alexanders über Ägypten; Curtius IV.8,4]
A l Rudolf von Ems, ^Alexander' 10622 (Echalus): A, ein ehrenvoller Fürst, hat die Befehlsgewalt über Alexandria inne. [sks]
Aesculapius [Gott der Heilkunde, Sohn des Apollo und der Coronis, Vater des Podalirius und des Machaon]
G: Sohn des Apollo und der Coronis, Enkel des Iuppiter (Al), Vater des Podalirius und des Machaon (A2) Nf.: Ascalofius (A2), Asclepius (El, E2, E3), Esculapius (Al) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 2,1380: Der noch ungeborene Α wird von Apollo aus dem Leichnam seiner Mutter Coronis geborgen, als diese am Scheiterhaufen verbrannt werden soll, und später von Chiron erzogen. Ocyrhoe, Chirons Tochter, prophezeit ihm eine große Zukunft als Arzt. Sein heilsames Wirken für die Menschen werde die Götter so erzürnen, dass ihn Iuppiter mit dem Blitz töten werde. Seinem Tod soll aber die Apotheose folgen. Α erweist sich nachmals als Erfinder der Heilkunst. A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': A, der Vater von Machaon und Podalirius (3364), bildet mit seinen Söhnen bei der Landungsschlacht zwischen Griechen und Trojanern eine Schar (4911; Katalog des Griechenheeres). El Otto von Freising, ,Laubacher Barlaam' 11161: Der Arzt Α wird im Glaubensdis-
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put zwischen Christen und Heiden als Exempelfigur für die Lasterhaftigkeit der gr. Götter genannt (Götterkatalog). Α verstand sich auf die Herstellung von Heiltrünken und Pflastern, blieb aber immer arm und wurde schließlich vom Blitz erschlagen. Sein Lebensweg ist bemitleidenswert. E2 Rudolf von Ems,,Barlaam': Ks Fähigkeiten werden im Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden von den Griechen gelobt. Er verhilft mit großer Weisheit zu Gesundheit und nach Krankheit und Schwäche zu kraftvollem Leben (9730; Götterkatalog). Aus christlicher Sicht gibt Α hingegen ein Beispiel für die Lasterhaftigkeit der gr. Götter. Die Bezeichnung „Gottheit" muss ihm verwehrt werden, da er aus Armut gezwungen war, seinen Lebensunterhalt mit der Herstellung von Medizin aus Wurzeln zu verdienen. Schließlich wurde er vom Blitz erschlagen (10083; Götterkatalog). E3 Konrad von Würzburg, ,Pantaleon' 1065: Ein von Kaiser Maximianus angeordneter Versuch der heidnischen Priester, einen Gelähmten durch die Anrufung von Heilgöttern und Ärzten wie A, Galenus und Hippocrates zu heilen, scheitert. Als Pantaleon ihn mit Hilfe Gottes heilt, lassen sich viele Heiden taufen und werden daraufhin auf Befehl Maximianus' getötet. II. Α wird in sämtlichen Belegen als Mensch aufgefasst. Die euhemeristische Deutung liegt hier insofern nahe, als Α in der gr. Mythologie zunächst nur als Halbgott gedacht ist. Al referiert das Motiv seiner Tötung durch Iuppiters Blitz direkt nach Ovids Metamorphosen' (nur hier auch die weiteren Motive des Α-Mythos, die Rettung des ungeborenen Α und seine Erziehung durch Chiron). In El und E2 ist A's Tod zum gewöhnlichen Tod durch Blitzschlag rationalisiert. Α repräsentiert den zwielichtigen Typus des ma. Heilpraktikers. Der polemische Ton erklärt sich aus der christlich-apologetischen Tradition, der beide Texte angehören.
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Aesopus — Agamemnon
Bereits bei Homer sind A's Söhne Machaon und Podalirius die Heeresärzte der Griechen vor Troja. Dares vermittelt das Motiv an den Trojaroman Benoits de Sainte-Maure. Dass A in A2 selbst mit nach Troja kommt, erklärt sich aus einem Missverständnis der dortigen genealogischen Angabe. Dass den Heiden in E3 die Ärzte Hippocrates und Galenus ebenso wie Α als Götter gelten, erklärt sich als hyperkorrekte Form der euhemeristischen Deutung (der übliche Gedanke, dass die Götter ursprünglich berühmte Menschen waren, wird zu der Vorstellung generalisiert, dass alle berühmten Menschen von den Heiden als Götter aufgefasst wurden). Ansonsten differenziert die ma. Rezeption deutlich zwischen Α als mythologischer Figur und Hippocrates und Galenus als den historischen auctores der Heilkunst. [1] [1] -» Galenus, Hippocrates. Nachbenennung Heinrich von Neustadt, Apollonias' (Asclepidan)·. Α ist einer von 12 riesenhaften Brüdern und wird von Apollonius im Zweikampf getötet (9279-9328; 9781). [1] [1] Mehr als ein Anklang an die gr. Nf. Asklepios ist nicht festzustellen.
Aethion [Seher, stirbt beim Hochzeitsfest des Perseus, M M 5,146]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,249 (Echion) [1]: Α ist ein Wahrsager und der Vogelschau kundig. Im Vertrauen auf sein Zukunftswissen agiert er sorglos und fällt im Kampf, der bei Perseus' Hochzeitsfest ausbricht. [1] Die Nf. Echion erklärt sich als Lesefehler aus Aethion bzw. Ethion. [mk]
Aethon [A, Pyrois, Eous und Phlegon sind die Pferde des Sonnengottes; M M 2,153f.]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': A, Pyrois (2,332) [1], Eous und Phlegon (2,333) sind die windschnellen Pferde des Sonnenwagens. Als Phaeton den Wagen besteigt, bemerken sie sofort, dass nicht der richtige Wagenlenker die Zügel hält, und gehen durch. Phaeton kann Pferde und Wagen nicht mehr unter Kontrolle bringen und löst einen Weltenbrand aus (Phaetons Fahrt mit dem Sonnenwagen). [1] Al hat fiir Α die Nf. Aeteon, fur Pyrois Pirois. [mk]
Aesopus [Gr. Fabeldichter, soll im 6. Jh. v. Chr. gelebt haben; unter seinem Namen steht die gr. Fabelüberlieferung]
Dl Hugo von Trimberg,, Der Renner' (Esopus): Α hat wie andere alte Meister seinen Verstand auf den verschiedensten Gebieten („materjen") erwiesen (9352; Katalog). Α wird als Gewährsmann fur mehrere Fabeln genannt (1931: Wolf und Kranich; 7344: Der feiste Hund und der magere Wolf; 9745: Empörung von Füßen und Händen gegen den Bauch). [1] [l]DieGattungder Fabel hatte fiir die ma. Literaturen große Bedeutung. Α galt dem MA neben Avian us als die Autorität des Genres (der Katalog in D l nennt Avian auch neben A, außerdem u.a. noch Vergil, Ovid, Plinius und Horaz). Wie Homer war sein Name zugleich auch ein Gattungsname, unter dem Titel „A" stehen nach lat. Vorbild u.a. die Fabeln von Marie de France (um 1180/90) und ab der Mitte des 14.Jh. auch einige dt. Sammlungen. Genauere Kenntnis und Vorstellungen hatte man nicht, schon in der Antike sind die Nachrichten über ihn historisch zweifelhaft; s.v. Aisopos (R. Keydell), in: DKP, Bd. 1, Sp. 199f.; s.v. Fabel (E. Rauner u.a.), in: LMA, Bd. 4, Sp. 201-208. ,, f
Aethra
Clymena [2]
Afer [Perser, im Kampf mit den Griechen getötet; Chätillon V.262]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander' (Affer): Fürst Α greift mit dem Schlachtruf „Iuppiter" Alexander an und wird von diesem getötet (13919; 13927; Schlacht bei Arbela). [sks]
Agamemnon [Sohn des Atreus, Heerführer der Griechen vor Troja]
G: Bruder (A2, A3, A4, A5) oder Schwiegervater [!] (E3) des Menelaus, Schwager (A3, A4) oder Vater [!] (A5, E3) der Helena, Gatte der Clytaemestra (A3, A4, El) oder der Floranda [!] (A5), Vater der Iphigenia (A2, A4) und des Orestes (A3, A4)
Agamemnon R: König (A4, E l ) von Mykene (E2), Kaiser von Athen (A5), Heerführer der Griechen vor Troja (A2, A3, A4, A5, B2, E l ) Nf.: Agamennon, Agomennon (Al, A3, A4, A5, B l , E2), Ag(e)monen (A5), Agmennon, Agumennon (B2), Atrides (A2) I.
Al Heinrich von Veldeke, .Eneasroman
3346:
Α befindet sich unter den gefallenen Griechen in der Unterwelt (Unterweltfahrt des Aeneas; Katalog).
A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Α erhebt keinen Anspruch auf die Waffen des Achilles (12,883; 13,493) [1]; hat vor Troja den Euphorbus getötet, dessen Seele in Pythagoras weiterlebt (15,142; Pythagoras' Theorie von der Seelenwanderung). [1] 1 2 , 5 8 opfert Menelaus Iphigenia, er ist auch als ihr Vater gedacht. D e r Irrtum erklärt sich aus einem Missverständnis von „rexque patrem vicit" („der König [in A] besiegt den Vater") bei Ovid M M 1 2 , 3 0 oder aus einer falschen Glossierung. Die Nf. „Atrides" 1 2 , 8 8 3 könnte als eigene Figur aufgefasst sein; 1 3 , 4 9 2 ist „Atrides" Patronymikon.
A3 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Α ist schweigsam, ernst und nachtragend, groß gewachsen und hat ein gütiges Antlitz (2947; Descriptio). Als ihm Menelaus von Helenas Entfuhrung durch Paris berichtet, sammelt er Freunde und Untergebene, wird zum Heerführer bestimmt und führt 100 Schiffe aus Mykene zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen; lässt Achilles in Delphi nach dem Erfolg der Heerfahrt fragen; gewinnt auf Calchas' Rat die Gunst der Diana, der zu opfern man vergessen hat, durch reichliche Opfer zurück; fährt das Heer nach Tenedos und fordert Priamus zur Rückgabe Helenas auf (2801-3761); landet nach dessen Weigerung vor Troja, lässt ein Lager errichten und Protesilaus ehrenvoll bestatten (4109-4936; 6105); Α wird in seinem Amt bestätigt, als Palamedes seine Führung in Frage stellt, verspricht Lohn für Hectors Tötung und führt das Heer in der folgenden Schlacht (62127395); rügt Achilles wegen eines Streits mit Hector beim Waffenstillstand, rettet Diomedes vor Troilus (7992-9574); nach Hectors Tod ist Α siegessicher, wird aber nach neuer-
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licher Kritik des Palamedes von diesem abgelöst (9871-11128); nach Palamedes'Tod wieder eingesetzt, versucht Α zweimal erfolglos, Achilles zum Wiedereintritt in den Kampf zu bewegen, und denkt an Abzug (1175712615); fordert nach dem Mordanschlag des Paris von Priamus die Rückgabe der Leichen von Achilles und Antilochus, lässt Achilles ein Grabmal mit einer Statue Polyxenas errichten und Pyrrhus von Menelaus nach Troja bringen (12715-14817); fährt mit Antenor und Aeneas Geheimverhandlungen, man vereinbart einen vorgetäuschten Abzug und baut das Trojanische Pferd (15305-15712). Α verliebt sich nach der Zerstörung der Stadt in Cassandra, übergibt Polyxena an Pyrrhus, der sie tötet, und spricht Ulixes das Palladium zu (16353-16724). Cassandra warnt A vor einem Anschlag Clytaemestras und vor der Rache der Pallas Athene und Apollos für die von den Griechen begangenen Frevel; A muss - von Pyrrhus des Mordes an Aiax beschuldigt - abfahren (16779-16886). Oiax hat Α bei Clytaemestra verleumdet, sie stiftet Aegisthus zum Mord an, er tötet den heimkehrenden Α direkt am Strand. Orestes, von Talthybius zu Idomeneus in Sicherheit gebracht, rächt A (17214-17459).
A4 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg: A tröstet Menelaus wegen der Entfährung Helenas und wirbt Verbündete für einen Rachefeldzug. Ein von Diana erregter Sturm hält die Flotte in Aulis fest (A hat eine Hinde Dianas getötet). Α ist schweren Herzens bereit, als Sühne seine Tochter Iphigenia zu opfern (23454-24509). Nach der Zwischenlandung auf Tenedos und der Landungsschlacht vor Troja fordert Α Priamus durch Ulixes und Diomedes zur Rückgabe Helenas auf, Ulixes warnt vor Hector und wird von Α beauftragt, Achilles nach Troja zu holen (25732-26941); bewährt sich im Kampf (30516-30734; 33738-33831; 36738). A's Heerfährung wird von Palamedes kritisiert, er wird abgesetzt, Palamedes übernimmt den Oberbefehl, Α erhält ihn nach der folgenden verlustreichen Schlacht zurück (39045-40379).
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Agamemnon
, Trοjanerkrieg-Fortsetzung·. Α beteiligt sich an den Ritterspielen bei der Siegesfeier des Achilles nach Hectors Tod und wird von den Griechen für seine Kampfkraft gerühmt (40929-43467); lässt nach dem Tod des Achilles Pyrrhus von Menelaus nachTroja bringen, fuhrt Geheimverhandlungen mit Antenor und Aeneas über eine Preisgabe der Stadt (4346744814); nach der Zerstörung Trojas (vorgetäuschter Abzug, Trojanisches Pferd) wird ihm Cassandra zugesprochen, sie sagt ihm seinen Tod voraus; Α spricht das Palladium Ulixes zu, weil sich Aiax für Helenas Tod ausgesprochen hat (46577-48888). Tyndareus empfängt A in Sparta und lobt ihn für die Unterstützung des Menelaus. In Mykene wird Α von Clytaemestra und Orestes empfangen und im Bad von Aegisthus erstochen, als er in ein von Clytaemestra vorbereitetes Hemd schlüpfen will, das keine Öffnung für den Kopf hat [!]; Orestes rächt ihn (49264-49647). A5 ,Göttweiger Trojanerkrieg'·. Α residiert als Kaiser von Griechenland in Athen, ist Gatte der Floranda [!] und Vater [!] der Helena, veranstaltet im Mai ein Turnier, bei dem sich der junge Paris auszeichnet. Α nimmt ihn am Hof auf (2904-3280). Er siegt mit Paris' Hilfe im Krieg gegen Matribulus, der Helena entführen will, lässt Paris bei einem großen Fest zum Ritter schlagen und verleiht ihm sein Wappen (goldener Elephant) (3721; 3859). A's Ritter Aiax de Curtin und Paris helfen den bedrängten Damen Landorie bzw. Orgaloyse (4229-4901). Α besiegt mit Paris' Hilfe Trifon, der Athen wegen Helena belagert, dann Gamoret, der Trifon rächen will (5638-6047); er gibt einen prächtigen Empfang, als Paris aus der Gefangenschaft durch Gamoret heimkehrt (7113; 7200); verlobt Helena mit Menelaus während Paris' Indienfahrt, erlaubt dem zurückgekehrten Paris, nach seinem Bruder Hector zu suchen (10333-10680); empfängt Paris und Hector in Athen, Hector bewährt sich an seinem Hof und übernimmt für Α eine Kriegserklärung (11929-12327). Α lässt Paris, der Helena am
Tag der Hochzeit entführt, verfolgen, sein Heer wird aber von den Trojanern besiegt. Α ist untröstlich, sammelt innerhalb von 12 Jahren eine Streitmacht von 700 Königen mit je 80000 Kämpfern in Konstantinopel und schwört seinen Göttern die Zerstörung Trojas (13499-13872). A, vor Troja glücklos, lässt auf Ulixes' Rat hin Medea nach Troja holen; erfährt durch Medeas Sternbeschau von dem bei Lycomedes versteckten Achilles und beauftragt Ulixes, ihn nach Troja zu bringen (14873-14931); empfängt ihn im Lager (16826), verliert bei den folgenden Zweikämpfen aber weitere Helden (17308), will daher seinen Bruder Atrides [!] vom Zweikampf mit Paris abhalten, liegt nach dessen Tod drei Tage im Koma, zu seiner Erheiterung werden alle Spiele erfunden, die man heute noch kennt (17658-17861); lässt zu einer Schlacht rüsten, freut sich über die hohen Verluste der Trojaner, vereinbart einen Frieden zur Bestattung der Toten und gibt ein Fest (18159-18496); begleitet Achilles mit reichem Gefolge zum Zweikampf mit Hector, stattet ihn am dritten Kampftag eigenhändig mit einem guten Schild [!] aus und freut sich über Hectors Tod und das Schleifen der Leiche ([1886919158]). Während der vierzehntägigen Begräbnisfeier für Hector bieten ihm Aeneas, Nastes und Ilus die Preisgabe der Stadt an. A ist über die Tötung des Achilles durch Paris entsetzt und schwört Polyxena, die das Haupt des Achilles auf einer Lanze aufspießt, Rache. Α zieht auf Rat des Aeneas mit seinen 4000 besten Kämpfern zu dem mit einem Rosshaupt verzierten Stadttor und wird eingelassen ([19203]-19535 [Eroberung Trojas, erste Version]). Α zürnt Ulixes wegen Aiax' Selbstmord nach dem Streit um die Waffen des Achilles und rät ihm abzufahren; wird von Euander wegen Aiax' Tod gerügt (1968219809). Gamille, der Onkel Medeas, wirft A vor, den untreuen Iason bei sich zu dulden, und tötet diesen im Zweikampf (22595). A bestellt Aeneas zu sich, überzeugt ihn von Paris' Schuld am Krieg und bewegt ihn zum
Agamemnon
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[zweiten!] Verrat der Stadt. Α täuscht auf Aeneas' Rat einen Rückzug vor und fällt auf sein Signal mit 1 0 0 0 0 0 Eliterittern beim Stadttor mit dem Rosshaupt ein; wird nach dem Sieg von Helena um Gnade für sie, Frauen und Kinder gebeten, gestattet die T ö t u n g Polyxenas durch Pyrrhus, lässt die Stadt schleifen und kehrt mitTrojas Schätzen heim ( 2 2 7 4 3 2 3 2 2 6 [Eroberung Trojas, zweite Version]). Α lehnt Bevars Werbung um Helena ab und besiegt ihn in der Schlacht ( 2 3 3 3 0 - 2 3 9 9 7 ) ; muss vor Segramans aus Athen fliehen, dieser entführt Helena. Α rüstet drei Jahre, fällt in Persien ein, kann von Segramans zu keiner friedlichen Lösung bewogen werden, fällt in der folgenden Schlacht durch diesen und wird ehrenvoll bestattet. Sein Sohn M e m n o n übernimmt die Herrschaft ( 2 4 0 3 5 - 2 5 1 3 4 ) .
II.
E 3 ,Baseler Bruchstück': A, der Vater Helenas und Schwiegervater des Menelaus [!], ist mit diesem auf Kriegszug, als Paris Helena entfuhrt (12). U m Troja endlich erobern zu können, lässt er auf Rat seines Astrologen Achilles nach Troja bringen ( 9 3 - 1 3 2 ) .
2) Die Anspielungen auf die Trojasage zeigen generell kein großes Interesse an der Gestalt. Für ritterliche Tapferkeit geben Achilles und Hector die gängigen Beispielfiguren ab, die Minnediskussion konzentriert sich auf Paris. Lediglich B 2 nennt Α als großen Heerführer.
1) Α im ma. Trojaroman; 2) Anspielungen; 3) Sonderwege
1) Als Heerführer der Griechen vor Troja ist Α eine der zentralen Gestalten im ma. Trojaroman. A 3 und A 4 folgen mittelbar über den frz. Trojaroman Benoits de Sainte-Maure den Trojaberichten von Dares Phrygius und Dictys Cretensis, A4 mit eigenständigen Erweiterungen. Entsprechend sind die drei mit Α verbundenen Hauptmotive, die Opferung Iphigenias, seine Heerführung und sein Tod gestaltet. Die Opferung Iphigenias ist in A3 nach B e n o i t zu einem einfachen Versöhnungsopfer umgedeutet (ohne Erwähnung des h e m m e n d e n Sturmes), A 4 restituiert das Motiv in Anlehnung an Ovids M e t a morphosen' (12,8ff.) [1], in A2 ist es wegen B1 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Cröne' eines Ubersetzungsfehlers auf Menelaus über11595'· Α wurde auf Betreiben Dirces er- tragen. Die Kritik an A's Heerführung, in der ,Ilias' mit dem Zorn des Achilles verbunden, mordet (Katalog großer Trauerfälle). B 2 ,Reinfried von Braunschweig'·. Α belagerte übernimmt nach Dares/Benoit in A 3 und A4 Palamedes. Problematisiert wird auch A's Rolle 13 Jahre lang [!] Troja und hatte dennoch im Streit zwischen Ulixes und Aiax um das nicht so viele Männer, wie sie die Könige von Palladium in A3, wo Α durch Pyrrhus des Ascalon und Assyrien in den K a m p f führen Mordes an Aiax beschuldigt wird. Analogien ( 1 9 9 4 8 ; Exempelkatalog). [1] Wegen Calchas' hierzu zeigt die Kritik des Euander bzw. A's Prophezeiung beauftragte A Ulixes, Achilles Aufforderung an Ulixes, das Lager zu verlasnach Troja zu bringen ( 2 2 5 8 5 ; Exkurs). sen, in A5 (allerdings in Verbindung mit dem [1] D e r Katalog großer Feldherren nennt außer Α noch klassischen, aus Ovids,Metamorphosen' überAlexander, Pompeius, Hannibal, Paligan (.Rolandslied') nommenen Motiv vom Streit um die Waffen und Terramer (.Willehalm'). El, Anno lied' 22,15" Die Griechinnen hatten des Achilles). A's Ermordung durch Aegisthus und Clytaemestra (in A3 direkt am Strand, während der zehnjährigen Belagerung Trojas in A 4 im Bade) wird weder mit A's Liebe zu neue Männer genommen und trachteten ihCassandra noch mit der Opferung Iphigeniren alten Gatten nach dem Leben. Deshalb as begründet, sondern nur mit Clytaemestras wurde König Α nach seiner Heimkehr aus Ehebruch (A4, in A 3 zusätzlich mit der InTroja getötet. trige des Oeax). Erstaunlich ist der frühe BeE 2 Rudolf von Ems,,Weltchronik': Α ist einer leg des Motivs in E l (nach Vergils .Aeneis') der Könige von Mykene ( 1 9 9 0 9 ; Katalog; und dessen Übertragung auf alle Gattinnen 2 0 3 4 9 ; Katalog von Herrschern verschieder Griechen. dener Länder).
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Agapenor - Agavus
Der Kriegszug der Griechen gegen Troja hat hingegen ganz allgemein häufig paradigmatische Funktion. A's Ermordung erwähnt nur Β1 (wer mit „Dirces" als Betreiber oder Betreiberin des Anschlags gemeint ist, bleibt dunkel [2]). Ansonsten wird davon nicht berichtet, was im Kontext misogyner Topik und angesichts der Gestaltung des Motivs in A3, A4 und E l durchaus zu erwarten wäre. 3) Dass sich die höfischen Trojabearbeitungen auch über die traditionelle Rollenverteilung unter den Hauptakteuren hinwegsetzen können, illustriert Jans Enikels ,Weltchronik': Hier ist Menelaus Heerführer der Griechen, Α wird nicht einmal erwähnt. Einen bezeichnenden Sonderweg geht schließlich A5, wo A im ersten Teil zu einem zweiten Artus stilisiert wird, für den und dessen Tochter Helena Paris die Taten eines Aventiureritters vollbringt. Im zweiten Teil gibt Α den schwachen und desillusionierten König. Besonders bemerkenswert ist die Doppelung des Entführungs- und Kriegszugsmotivs. Reflexe dieser tiefgreifenden Umgestaltung zeigt E3. [3] Der Beleg in E2 findet sich in einem profangeschichtlichen Exkurs zur Heilsgeschichte. Der Tradition ma. Weltchronistik entsprechend, wird diese in Herrschaftsgenealogien gegeben, auf narrative Darstellung wird weitgehend verzichtet, so erwähnt E2 hier weder A's Kriegszug gegen Troja noch seine Ermordung. [4] [1] Lienert, Geschichte und Erzählen, S . 1 1 8 f . [2] Eventuell Kirke, vgl. Kern, Edle Tropfen, 3 0 0 . [3] Vgl. Kern, Agamemnon weint. [4] Vgl. zur Stelle die Nennung in den Herrscherlisten der Chronik des Hieronymus (PL 2 7 , Sp. 2 3 1 ) . [mk]
schlacht vor Troja eine Schar (Katalog der Griechen). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg'·. König Α von Capadia kämpft als Verbündeter der Griechen tapfer vor Troja (23898; Katalog) und befehligt in der zweiten Schlacht eine Schar (30695; 33737; Katalog).
II. Α ist in den spätantiken Trojaberichten des Dares und des Dictys gr. Heerführer aus Arcadien, im afrz. Trojaroman Benoits de Sainte-Maure König von Capadien. Die unterschiedlichen Nff. erklären sich aus Varianten bei Benoit. [sks]
Agathon [1] [Sohn des Priamus; Dictys 8 7 , 9 ]
A l Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg', Fortsetzung 43230: Der junge Held Α fällt im Kampf gegen Aiax Telamonius. [sks]
Agathon [2] [Befehlshaber von Babylon; Curtius V. 1,43]
A l Rudolf von Ems, yAlexander'·. Fürst A, ein tapferer Held, wird von Alexander als Befehlshaber von Babylon eingesetzt (13364; Eroberung Persiens) und soll in dessen Auftrag den der Verschwörung verdächtigten Parmenio töten (20327). [sks]
Agapenor [Heerführer der Griechen aus Arcadien; Dares 19,5; Dictys 1 4 , 1 7 ; Benoit 5 6 9 1 ]
Nf.: Accapador (A2), Capador (Al), Cappadon (A2) I. A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'4935: Α aus Capadien befehligt in der Landungs-
Agavus [Sohn des Priamus; Dictys 8 7 , 9 ]
A l Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung 43229'. Α fällt im Kampf gegen Aiax Telamonius. [sks]
Agelaus — Aglauros Agelaus
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Agilos
Ilus
[Perser, kämpft gegen die Griechen; Chätillon 111,72]
Agenor [1] [Mythischer König von Phönizien, Vater von Europa und Cadmus]
G: Vater von Europa und Cadmus (Al) R: Gründer (A2, A3) und König (Al, A3) von Tyrus I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 3,7'. Α befiehlt seinem Sohn Cadmus, nach der verschwundenen Europa zu suchen und nur heimzukehren, wenn er sie gefunden hat. A2 Rudolf von Ems, ,Alexander'·. Α gründete einst das von Alexander belagerte Tyros (9396, 9449). A3 Ulrich von Etzenbach, Alexander': Α erbaute einst das von Alexander belagerte und zerstörte Tyros (9207, 9585). II. Α wird in Al nach Ovids ,Metamorphosen' (3,51) im Rahmen des Gründungsmythos von Theben genannt. In A2 und A3 ist er als der historische Gründer von Tyros aufgefasst, die Angaben folgen Quintus Curtius Rufus (IV.4,15) bzw. Walter von Chätillon (111,330). [mk]
Agenor [2] [Herrscher von Seres und Indien]
AI Ulrich von Etzenbach, Alexander'27021·. Α und Taxiles erhalten Alexanders Testament zufolge die Herrschaft über Seres und Indien. [1] [1] In der Alexandreis' Walters von Chätillon, der Hauptquelle von A l , findet sich keine entsprechende Angabe. Seifrits .Alexander' erwähnt nur Taxiles als Alexanders Nachfolger, er wird dort mit Ländereien am Kaukasus bedacht (8519; vgl. Chandler, Catalogue, 271). Sämtliche Α-Belege bei Walter beziehen sich auf Agenor [1], Eventuell erklärt sich die Nennung in Al aus einer (falsch zugeordneten?) Glosse oder einer Variante in der .Historia de preliis', der Quelle der Passage (hierzu Ehlert, Alexanderdichtung, 199ff.). [mk/sks]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander' 8145 (Agilon)·. Der persische Fürst A, Elas und Cherippus von Arabien werden von Parmenio in der Schlacht bei Issos getötet. [sks]
Agis [König von Sparta, Führer der peloponnesischen Opposition gegen die Makedonen, von Antipater besiegt; Curtius IV. 1,39]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 8665 (Hagis): König Α ist einst aus Lakedaemonien vertrieben worden. Er fällt während Alexanders Persienfeldzug mit 8000 Kämpfern in Makedonien ein. [sks]
Aglauros [Tochter des Cecrops, Schwester der Herse und der Pandrosus, wird von Mercurius versteinert; MM 2,560]
Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen '·. Die Cecropstöchter A, Herse und Pandrosus erhalten von Pallas Athene einen Schrein zur Verwahrung. Α öffnet ihn trotz Verbots und erschrickt, als sie darin ein Kind [Erechtheus] und einen Drachen erblickt (2,1197). [1] A lässt sich von Mercurius bestechen und verspricht, ihm eine Liebesnacht mit Herse zu arrangieren. Pallas gerät darüber in Zorn und lässt Α vom personifizierten Neid Missgunst gegen Herse einflößen. Α löst daraufhin ihr Versprechen gegenüber Mercurius nicht ein und wird von ihm in Marmor verwandelt (2,1568-1749). [ 1 ] Die knappen Anspielungen Ovids auf die Erechtheussage konnten von Al in ihrem Zusammenhang offenbar nicht mehr nachvollzogen werden, der Text ist nicht konsistent. [mk]
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Agrippa — Aiax [1]
Agrippa [64/63 v. Chr.-12 v. Chr., röm. Feldherr, Statthalter der Provinz Gallia transalpina]
I. E l Annolied' 29,7: Fürst Α wird von Augustus zur Befriedung der germanischen Länder ausgesandt und gründet die Stadt Colonia, die nach ihm auch den Namen Agrippina trägt. E2 ,Kaiserchronik' 643: Α ordnet die Länder am Rhein und gründet die Stadt Agrippina, das heutige Köln. E3 Jans Enikel,, Weltchronik': Α zieht an den Rhein und gründet die Stadt Agrippa, das heutige Köln (21895; 21901). II. Die von E l berichtete Gründung Kölns durch Α entspricht nur im Groben den historischen Tatsachen. Α nahm als Statthalter Galliens 39 v. Chr. Köln als verbündete civitas ins Imperium auf, den Namen „Agrippina" hat die Stadt von der hier geborenen Iulia Agrippina, der Mutter Neros. [1] Eine Quelle für El kann nicht namhaft gemacht werden, derartige Gründungsberichte sind zur Entstehungszeit des Textes aber bereits gängige historiographische Tradition (weitere Berichte über andere Städte folgen in El). Die Angaben zur Gründung Kölns finden sich später auch in der Chronik Ottos von Freising (3,3). [2] E2 hängt direkt von El ab, E3 von E2. [1] S.v. Colonia Agrippinensis (H. Cüppers), in: DKP, Bd. 1, Sp. 1247f.; s.v. Köln (P. Noelke, M. Groten, H. Seibert), in: LMA, Bd. 5, Sp. 1254-1268, hierSp. 1254f. [2] Hinweis bei Nellmann (Hg.), lOlf. [mk/sks]
Agyrtes [1] [Waffenträger des Cepheus, hatte seinen Vater ermordet, wird beim Kampf während des Hochzeitsfestes des Perseus getötet; M M 5,148]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,256 (Ogyges): Α sollte beim Hochzeitsfest
des Perseus das Schwert von König Cepheus tragen. Als zwischen den Gästen ein Kampf ausbricht, wird er von Thoactes getötet, worauf der König, die Königin und Andromeda schreiend aus dem Saal stürzen (Kämpferkatalog). [1] [1] Bei der Nf. könnte es sich um einen Lesefehler oder eine Überlieferungsvariante handeln. Wickram korrigiert in seinem Randkommentar zu Ogurges. Ovids Andeutung auf Äs Vatermord fehlt. [mk]
Agyrtes [2] [Tubabläser; Statius, Achilleis' 1,875]
A l Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg' (Agirres): A, ein Meister des Posaunenspiels, begleitet Ulixes auf der Fahrt um Achilles. Nach der Landung bei Lycomedes bläst er das Horn wie zum Kampf, Achilles legt die Rüstung an und wird entdeckt (27518; 28470). [1] [1] Zur Verarbeitung der ,Achilleis' durch Al Lienert, Geschichte und Erzählen, 134ff. [mk/sks]
Aiax [1] [A Telamonios, Sohn des Telamon und der Eriboia, später auch der Hesiona, Führer der Salaminier vor Troja]
G: Sohn des Telamon (A2, A3, A4) und der Hesiona (A3, A4), Gatte der Tecmessa und Geliebter der Glauca, Vater des Aeantides und des Eusrysaces, Bruder des Teucer (A3), der Medea und des Hercules [!] (A5), Onkel des Euander (A5), Neffe des Peleus (A2) und des Priamus (A4), Cousin des Achilles (A2), des Paris und des Hector (A3), Verwandter des Hector und des Pyrrhus (A4), Enkel des Aeacus (A2), Urenkel des Iuppiter (A2), Gefährte des Thoas (A3) und des Iason (A5) Nf.: Aiaus (Al), Aigax, Aigiax (A5), Thelamonius (A4), Telamon (A3) I. A l Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'3347: Α befindet sich unter den vorTroja gefallenen Griechen in der Unterwelt (Katalog).
Aiax [1] A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen \ Α beruft sich im Streit mit Ulixes um Achilles' Waffen auf seine Tapferkeit, seine Abstammung und seine Verwandtschaft mit Achilles. Ulixes hingegen sei feige und schwach und daher unwürdig, Achilles' Waffen zu führen. Als er unterliegt, begeht er Selbstmord. Sein Blut wird zur selben Blume, in die einst Hyacinthus verwandelt wurde (12,887-895; 13,5539; V D bei Hyacinthus: 10,368-392). A3 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Α fuhrt 50 Schiffe aus Salamis zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3009-3328). In der Landungsschlacht vor Troja befehligt er eine Schar und nimmt Polydamas gefangen. Hector erkennt in Α seinen Verwandten (44325998). Α wird von Paris verwundet (66747617). Gemeinsam mit Menestheus, Ulixes und Diomedes bringt er Briseis ins Griechenlager (8545), rettet Achilles (9096), sticht in einer weiteren Schlacht Polydamas vom Pferd und schlägt mit Achilles die Trojaner in die Flucht (9872-10159). Α beklagt Palamedes' Tod und bittet Achilles vergeblich, wieder am Kampf teilzunehmen (11759-11936). Mit seinem Gesuch um einen Waffenstillstand an die Trojaner verhindert er Agamemnons Kapitulation und eine völlige Niederlage (12716-12896). Nach Achilles' Tod rät er den Griechen, Pyrrhus nach Troja zu holen (13289, 13842). Α tötet Paris und wird von Telamon [!], Agamemnon, Aiax Oilades, Diomedes, Menestheus und Ulixes vor den Trojanern gerettet (13888-13987). Im folgenden Kampf verhindert er eine Flucht der Griechen und sticht Penthesilea vom Pferd (14478-14818). Antenor zufolge sollten die Trojaner um A's willen auf die Bedingungen der Griechen eingehen (15406-15713). Α und die anderen Griechenfiihrer leisten Priamus einen zweideutigen Eid auf die Vereinbarungen mit Antenor, die auf eine Ubergabe der Stadt hinauslaufen (16002). Nach der Eroberung Trojas hindert Ulixes Α an der Ermordung Helenas (16345). Als das von Α geforderte Palladium Ulixes zugesprochen wird, bedroht Α die Griechen und wird am nächsten Tag
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zerstückelt aufgefunden. Pyrrhus bestattet ihn in dem für Priamus bestimmten Sarg. Menelaus, Ulixes, Agamemnon und Diomedes werden des Mordes verdächtigt (1652316759). Seine beiden Söhne Aeantides und Eurysaces, die er mit Glauca bzw. Tecmessa gezeugt hat, werden von Teucer aufgezogen, bis sie das Schwert nehmen können (1686416899; RV: 17307; 17545). A4 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg'·. A, Herrscher von Salamis und Demonie, kämpft auf Seiten der Griechen vor Troja (2380623827). Α wirft Hector mit einem Stein vom Pferd und gibt seine Herkunft preis (3713837396; RV auf die Entführung Hesionas durch Telamon). Sie erkennen ihre Verwandtschaft und schließen Frieden (37549). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung·. In einer weiteren Schlacht nimmt A 40 Trojaner gefangen (40516) und erringt bei den Ritterspielen anlässlich der Feier des Sieges von Achilles über Hector den höchsten Preis im Speerkampf (40953). Gemeinsam mit Aiax Oiliades drängt er die Amazonen zurück (4239242439), verwundet Memnon von Äthiopien (42885-43003), tötet Polydamas und wird dafür von den Griechen gepriesen (4306843334). Α und Ulixes bergen den Leichnam des im Apollo-Tempel getöteten Achilles (43818-44026) und kämpfen an Pyrrhus' Seite (44822-45525). Α zählt für Antenor zu den stärksten Griechen (46578), er ist unter den zehn Fürsten, die zu Friedensverhandlungen nach Troja gesandt werden (47798). Nach dem Fall Trojas will Α Helena töten. Als Lohn für seine Mühen verlangt er das Palladium und gerät darüber mit Ulixes und Diomedes in Streit. Als das Palladium Ulixes zugesprochen wird, schwört A Rache und wird am nächsten Tag ermordet aufgefunden. Pyrrhus lässt ihn in einem goldenen Sarg bestatten, die Fürsten schwören den Mördern Rache (48607-49073). A5 Göttweiger Trojanerkrieg. Α zeichnet sich in einem Turnier Agamemnons aus (1061710713). Als er im Kampf mit den Trojanern schwer verwundet wird, lässt Ulixes
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Aiax [1]
A's Schwester, die Ärztin Medea, nach Troja bringen, sie kann Α heilen (14551-14877). Α begleitet Ulixes auf der Fahrt um Achilles und zeichnet sich in den Kämpfen gegen verschiedene Wundervölker aus (15007-15365; 15412-15476; 15614; 15846; 16013; 1611616133; 16251). Gemeinsam mit Hercules überwältigt er Achilles, als dieser nach seiner Enttarnung Ulixes attackieren will (16409). Nach Hercules' Tod beklagt A, dass Helena je geboren wurde. A will an Hector Rache nehmen und fällt im Zweikampf gegen diesen (17466-17610 [erster Tod des Α!]). Α streitet mit Ulixes um Achilles' Waffen und stürzt sich ins Schwert, als sie Ulixes zugesprochen werden [zweiter Tod des Α!]. Α wird im Venustempel neben Achilles beigesetzt (1958419799). Euander gibt Agamemnon die Schuld an A's Tod (19832-19869) und rüstet zu einem Rachefeldzug gegen Ulixes (19930-19947). Iason erzählt am Hof des Minos von A's Tod im Streit um die Waffen des Achilles und von Euanders Rache (21743-21750). B1 Pfaffe Lamprecht, Alexander' S1844: A zählt mit Achilles, Nestor und Hector zu den tapferen Helden, die vor Troja kämpften und tausende Männer töteten, aber keiner von ihnen kann sich mit Alexander vergleichen (Katalog). B 2 Ulrich von Etzenbach, Alexander' 18457: Α beschuldigte Ulixes, in Rom [!] das Banner aus dem Tempel der Pallas gestohlen zu haben (Verteidigungsrede des Philotas). II. 1) Allgemeines; 2) Motive im Trojaroman; 3) Zusammenfassung
1) Α zählt auch in den mhd. Belegen zu den wichtigsten Kämpfern der Griechen vor Troja (Al, A2, A3, A4, A5, B l ) . Zur Differenzierung von A Oiliades wird er in A2, A3 und A4 meist als Sohn Telamons ausgewiesen und trägt (wie schon bei Homer) den Beinamen ,der Große'. Eine klare Unterscheidung ist freilich nicht immer möglich. In A3 kommt es außerdem zu Verwechslungen mit Telamon.
2) Die Trojaromane A3 und A4 folgen im Handlungsgang den spätantiken Trojaberichten von Dares und Dictys über Vermittlung des afrz. Trojaromans von Benoit de Sainte-Maure (die Fortsetzung von A4 direkt nach Dictys). Die zentralen Motive sind der Kampf mit Hector und die darauffolgende Entdeckung ihrer Verwandtschaft, die versuchte Tötung Helenas als Urheberin des Krieges, weiters der Streit um das Palladium und A's Ermordung. Den Streit um das Palladium reflektiert auch die Anspielung in B2. Die dortigen mythographischen Fehler erklären sich aus einem Missverständnis der entsprechenden Stelle in der Alexandreis' Walters von Chatillon (111,230) und aus einem möglichen Einfluss der Sage, das Palladium sei nach Rom gelangt [1], Direkt nach Dictys berichtet die Fortsetzung von A4 von A's Teilnahme an den Kampfspielen des Achilles und an der Bergung von dessen Leiche. Sonderwege geht A5 [2] mit der genealogischen Verbindung von A, Hercules und Medea und dem zweifachen Tod des Aiax (zuerst im Kampf mit Hector und dann — mythographisch korrekt - nach dem Streit mit Ulixes). Die Quelle für die Schilderung vom Streit um die Waffen des Achilles und von A 's Selbstmord sind Ovids .Metamorphosen' (direkt nach Ovid A2, hier auch die Metamorphose des Α zur Hyazinthe). Dass diese klassischen Motive in A3 und A4 durch den Streit um das Palladium und A's Ermordung ersetzt sind, unterstreicht die Vorrangstellung, die die ma. Trojaliteratur der spätantiken pseudohistoriographischen Tradition vor der epischen Gestaltung bei Vergil und Ovid einräumt. Die Rache des Euander für A in A5 zeigt im Grundmotiv Analogien zu den Racheplänen des Pyrrhus gegen die Mörder des A in A3 und A4, der Handlungsgang selbst ist frei erfunden. 3) Insgesamt wird Α durchwegs positiv gezeichnet. Er ist schön (A4), groß (A3), stark (A2), edel (A4), tapfer (Al, A4, A5, B l ) , ritterlich (A5), tugendhaft (A4, A5) und berühmt (A4, A5). A2 belegt ihn auch
Aiax [2] mit schlechten Eigenschaften wie Plumpheit, Dummheit und fehlendem Kunstsinn, freilich alles Vorwürfe aus dem Mund des Ulixes. Äs exemplarische Kampfkraft unterstreicht die Anspielung in Bl, einer der frühesten Belege flir den topischen Tapferkeitsvergleich, in dem ansonsten meist Hector und Achilles [3] erwähnt werden. Alle genannten Helden werden freilich von Alexander übertroffen. [1] S.v. Palladion (W. Pötscher), in: DKP, Bd. 4, Sp. 431f., hier 432. [2] Vgl. Kern, Agememnon weint, bes. 166f. (zum zweifachen Tod des A). [3] Vgl. die entsprechenden Belege bei Achilles und Hector. [mk]
Aiax [2] [A Oiliades, Sohn des Oileus und der Eriopis, Führer der Lokrer vor Troja]
Nf.: Ajax Orleus (A2), Ajax Oileus (A3 [Forts.]) I.
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A3 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg': A befehligt im Kampf um Troja gemeinsam mit Thoas die 8. Rotte des Griechenheeres (30629; 32816; 36767; Katalog). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung: Α gewinnt bei den Ritterspielen anlässlich der Feier von Achilles' Sieg über Hector den Preis für Schnelligkeit (40938). Gemeinsam mit Aiax Telamonius drängt er die Amazonen zurück (4239142439), kämpft zusammen mit Idomeneus, Achilles, Diomedes und Ulixes (43144-43166; als Kämpfer genannt: 42906). Die Griechen preisen seinen Kampfgeist (43343). Α erschlägt viele Gegner, kämpft auf Seiten des Pyrrhus (44037-45434). Antenor zählt Α zusammen mit Aiax Telamonius zu den stärksten noch lebenden gr. Helden (46580), er wird als Bote nach Troja gesandt (47100; 47313) und organisiert das Material für den Bau des hölzernen Pferdes (47781). Bei der Erstürmung Trojas nimmt er Cassandra im Tempel der Pallas Athene gefangen (48450). II.
Obwohl Α bei den Kriegsereignissen eine nur untergeordnete Rolle spielt, zählt er traditionell zu den wichtigsten gr. Kämpfern vor Troja, so auch in Al, A2 und A3. Sein Beiname Orleus (A2) bzw Oileus (A3) soll ihn von Ajax Telamonius unterscheiden, an dessen Seite er häufig kämpft (A2, A3). A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. A Mittelbar über den .Roman deTroie' Benoits führt 40 Schiffe zum Sammelpunkt der gr. de Sainte-Maure folgen die Trojaromane A2 Flotte nach Athen (3001-3345) [1], attackiert und A3 im Handlungsgang den spätantiken in der Landungsschlacht vor Troja Antenor Trojaberichten von Dares und Dictys (die (4885; 5431), rettet mit Agamemnon und Fortsetzung von A3 direkt nach Dictys). anderen Aiax Telamonius vor Paris' Männern Zu den mit Α verbundenen Motiven zählen (13993; als Kämpfer genannt: 7617; 98) und die Rettung von Aiax Telamonius vor Paris' hindert bei der Eroberung Trojas Cassandra Männern (A2, A3), die Gefangennahme Casund Andromache an der Tötung Helenas sandras (A2, A3) und der Schiffbruch auf der (16304). Laut Dictys erleidet Α auf der Heimreise (A2), wobei die Beschreibung der Heimfahrt Schiffbruch. Die Uberlebenden entstellten Überlebenden grotesk anmutet. brauchen aufgrund ihrer Verunstaltungen Im Unterschied zur antiken Epentradition ist lange, um einander zu erkennen (17109). Α durchwegs positiv gezeichnet. Das Motiv [ 1 ] Der 3344 genannte Caspus, der mit Α nach Athen zieht, von der Vergewaltigung Cassandras fehlt. A lässt sich weder bei Benoit noch bei Dares belegen. Vielleicht ist jung (Al), groß (A2), vortrefflich (Al), leitet sich die Nf. von Oileus, dem bei Dares an der Stelle tapfer (A3), stark (Al, A3), ungestüm (A2), (18,4) genannten Patronymikon her. Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen' 13,496: Α wäre Ulixes zufolge ein würdigerer Bewerber um Achilles' Waffen als Aiax Telamonius, wenn in diesem Fall nicht der Weise den Vorzug vor dem Starken verdienen würde.
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Alastor — Alcithoe
hass- und neidlos (A2) und ein vorzüglicher Redner (A2) und Läufer (A3). Nachbenennungen Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'3377'. Α führt 20 Schiffe zum Sammelpunkt der gr. Flotte in Athen. [1] , Göttweiger Trojanerkrieg·. A, Fürst von Curtin [2], soll seiner Schwester Landorie gegen Ursyan helfen (4163), er tötet ihn und wird am Agamemnonhof freundlich empfangen (4267-4392). [ 1 ] Der explizit als der dritte bezeichnete Aiax findet sich nur bei Herbort. Die Nennung ist vielleicht auf einen Uberlieferungsfehler in der Herbort vorliegenden Benoit-Fassung zurückzufuhren. [2] Der Herkunftsname „Kurtin" könnte auf den „kleinen [„kurzen"] Aiax" (also Aiax Oiliades) zurückgehen. [mk/sks]
Alastor [Lykier, wird von Ulixes getötet; M M 13,257]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 13,376 (Alostor): A, ein Gefährte des Dolon, wurde von Ulixes während eines nächtlichen Spähgangs erschlagen (Katalog). [1] [1] Bei Ovid bezieht sich der Katalog nicht auf die Dolonie (,Ilias' 10), sondern auf den Kampf des Odysseus gegen die Lykier unter der Führung Sarpedons (,Ilias' 5). [mk]
Alba [König von Alba longa, Nachfolger des Silvius; MM 14,612]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 14,595 (Clarius) [ 1 ]: Α folgt auf Silvius als König Italiens (Katalog der Könige Italiens). [1] Die Nf. erklärt sich aus einem Missverständnis der Formulierung „clarus Alba" bei Ovid. [mk]
Al can drus [Gefährte des Dolon; MM 13,258]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 13,379: A, ein Gefährte des Dolon, wurde von Ulixes während eines nächtlichen Spähgangs erschlagen (Katalog). [1] [ 1 ] Bei Ovid bezieht sich der Katalog nicht auf die Dolonie (.Ilias* 10), sondern auf den Kampf des Odysseus gegen die Lykier unter der Führung Sarpedons (,Ilias' 5). [mk]
Alcathoe Alcides
Alcithoe Hercules
Alcinous [König der Phaeaken, Vater der Nausicaa; Dictys 124,23; Benoit 28951 Alcenon]
A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' (Aleeon)·. Α stellt Ulixes Männer zum Kampf gegen die Freier zur Verfügung. Nach seinem Sieg verheiratet Ulixes A's Tochter Nausicaa mit Telemachus (17756-17789). [1] [1] Nf. und Handlungsgang nach der entsprechenden Stelle im ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, der wiederum Dictys folgt. [mk]
Alcippus [Lehrer Alexanders des Großen]
A l Rudolf von Ems, Alexander' 1364: Der Gelehrte Α unterrichtet den jungen Alexander in Musik (Katalog von Alexanders Lehrern). [1] [1] Als Alexanders Lehrmeister in Musik wird Α bei Iulius Valerius erwähnt (Chandler, Catalogue, 14). Die Hauptquelle von A l , Q. Curtius Rufus, nennt ihn nicht. [sks]
Alcithoe [Oder Alcathoe, Schwester von Leucippe und Arsinoe, wird von Hermes in eine Fledermaus verwandelt; MM 4,1]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 4,538: Α erzählt ihren beiden Schwestern [1] beim Weben, dass das Wasser des nahen Salmacisbrunnen jeden Menschen zu einem Zwitter mache. Wegen Missachtung der Bacchusruhe werden die drei Schwestern in Fledermäuse, ihre Handarbeiten in Weinstöcke verwandelt. [1] Arsinoe wird in Al nicht namentlich genannt. [mk]
Alcmena — Alecto Alcmena [Gattin des Amphitryon, wird von Iuppiter in Gestalt ihres Gatten geschwängert, Mutter des Hercules und des Iphicles]
G: Gattin des Amphitryon (Al, El), Geliebte des Iuppiter (Al), Mutter des Hercules (Al, Bl) und des Iolaus (Al), Göttin des Windes (A2)
Nf.: Alkme(i)na (A2) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Auf dem von Arachne gewebten Teppich ist abgebildet, wie Α von Iuppiter in Gestalt ihres Gatten Amphitryon geschwängert wird (6,226-228; Katalog der Geliebten Iuppiters; Wettstreit zwischen Pallas Athene und Arachne im Weben). Α und die schwangere Iole beklagen den Tod von Hercules, Α wünscht Iole eine glückliche Geburt und erzählt, wie die Geburtsgöttin Lucina sie fast getötet habe, indem sie Herkules' Geburt hinauszögerte (9,573-656). As Trauer über Dryopes Verwandlung wird durch die Verjüngung des Iolaus gemildert (9,769-797). A2 Heinrich von Neustadt,,Apollonias' 6842: Die Windgöttinnen Α und Proserpina, die Liebesgöttin Venus und Iuppiter werden von Albedacus durch Zauber dazu gezwungen, Apollonius' Schiff aus dem Klebermeer zu befreien (Götterkatalog). Bl Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg' 14479: Α rettete Hercules vor den Mordabsichten seiner Stiefmutter, indem sie ihm Frauenkleider anzog (Exemplum der Thetis an Achilles). El Rudolf von Ems, ,Barlaam' 10000: A, die von Iuppiter in Gestalt ihres Gatten Amphitryon verführt wird, wird in einem Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden als Exempelfigur für die Lasterhaftigkeit der gr. Götter genannt (Götterkatalog).
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prominente Motiv von der Zeugung des Hercules durch Iuppiter/Amphitryon hat bei Ovid ironische Funktion (Arachne webt nur insofern einen gotteslästerlichen Teppich, als sie die Laster der Götter verbildlicht). Die Ironie scheint in Al unterdrückt (Arachne wird zu Recht von Athene bestraft). Im Sinne christlicher Polemik wird die Episode in El erwähnt. Die übrigen von Al übernommenen mythologischen Andeutungen Ovids waren für das höfische Publikum schwerlich nachvollziehbar. In Β1 will Thetis mit dem Hercules-Exemplum Achilles dazu überreden, sich als Mädchen verkleidet bei Lycomedes zu verbergen und sich auf diese Weise dem Feldzug gegen Troja zu entziehen. Die Stelle greift auf Statius' .Achilleis' zurück [1], das Beispiel ist dort wohl ad hoc erfunden. Für die Auffassung von Α und Proserpina als Windgöttinnen in A2 kann keine konkrete Quelle namhaft gemacht werden. [1] Lienert, Geschichte und Erzählen, 85. Nachbenennung Heinrich von Neustadt, Apollonius' 13657(Altimena) [l]: A, die Tochter von Apollonius und Diamena, wird am Tag vor Apollonius' Abreise aus Crisa gezeugt. [1] Hs. Α überliefert die Nf. Altmena, was eine Deutung als Alcmena (c-t-Verschreibung) möglich macht. [mk]
Alcyone [Tochter des Aeolus und der Enarete, Gattin des Ceyx, wird in einen Eisvogel verwandelt; M M 11,384]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Alcinoe): Königin A, die Tochter von Aeolus, rät ihrem Gatten Ceyx vergeblich von einer Seefahrt ab. Der Traumgott Morpheus unterrichtet sie später in Ceyx' Gestalt von dessen Tod. Als A Ceyx' Leiche am Morgen findet und sich ins Meer stürzen will, werden beide in Vögel verwandelt (11,675-1230).
II. Α wird in Al, Bl und El als Geliebte Iuppiters und Mutter des Hercules erinnert. Das
[mk]
Alecto
Furiae
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Alexander [1]
Alexander [1] [Α der Große, 356-323 v. Chr., Sohn Philipps II. von Makedonien, Gründer des gr. Großreiches]
G: Sohn Philipps (Al, A4) bzw. des Nectanebus (A2, A3) und der Olympias (Al, A2, A3), Schwiegersohn des Darius (Al, A2, A3), Gatte der Roxane (Al, A2, A3, E8), Geliebter der Candacis (Al, A3) und derThalestris (A2, A3), Schüler des Aristoteles (Al, A2, A3, A4, Β12, D3, D4) R: Gründer und Herrscher des dritten, gr. Weltreichs (Al, A2, A3, A4, B6, B9, B12, B16, C l , C6, CIO, D2, D3, D4, E l , E2, E8, E7), durchwegs als König betitelt I.
A l Pfaffe Lamprecht, Alexander': Α ist der rechtmäßige Sohn Philipps (Verweis auf AT, Makk 1) und, abgesehen von Salomon, der mächtigste und weiseste Herrscher auf Erden, aber ein Heide (V6-95, S6-127, Autornennung). As Geburt wird von Wunderzeichen begleitet (Unwetter, Erdbeben), er hat ein Drachen- und ein Greifenauge und dichtes löwenartiges Haar (durch Traumgesichte der Olympias während der Schwangerschaft prophezeit), erhält eine profunde Ausbildung in ritterlichen Tugenden, Kampftechnik, den sieben Künsten (Aristoteles lehrt ihn Astrologie) und Rechtslehre, tötet mit 12 Jahren den lügnerischen Nectanebus, von dem manche fälschlicherweise behaupten, er sei As Vater (VI03-222, S127-318); zähmt durch seinen herrischen Blick das wilde Pferd Bucephalus, besiegt mit 15 Jahren König Nicolaus, versöhnt seine Eltern (S: Philipp hat Olympias wegen Cleopatra verlassen) (V275-459, S318-494). Α missachtet die Tributforderung des Darius, wirft den Aufstand in Telamon nieder, lässt Pausanias, den Entführer seiner Mutter und Mörder seines Vaters, hängen und wird 20-jährig Philipps Nachfolger (V485560); bringt Rom und Ägypten unter seine Herrschaft, zerstört die widerständische Stadt Tyrus (V560-1033, S960-1488); erhält von Darius als Zeichen der Verachtung
einen Ball, ein Schuhband und eine kleine Schatulle mit Gold, interpretiert sie zu Zeichen für seine künftige Weltherrschaft, die Unterwerfung und Tributpflicht des Darius um und stellt ihm ein dreimonatiges Ultimatum (V1033-1225, S1488-1713); überschreitet den Euphrat, tötet in einer ersten verlustreichen Schlacht den persischen Heerführer Memnon und schlägt die Perser in die Flucht (V1225-1385, S1713-2036). Schluss von V: Α zieht nach Mesopotamien und enthauptet Darius in der Schlacht (VI 385-1518). Fortsetzung S: Α sammelt in Makedonien ein neues Heer, erobert Abdera und Theben, wird in Korinth gekrönt, unterwirft Athen und besiegt die Spartaner (S2045-2603), marschiert in Armenien ein, gründet eine Stadt und überschreitet den Euphrat, entgeht knapp dem Attentat eines Persers, den er schont, weil dieser wegen einer Frau (Roxane) so gehandelt hat (S2638-2792); siegt in Baktrien über die Perser, nimmt Kinder, Mutter und Frau des Darius als Geiseln, lehnt die Auslieferung des Darius durch einen persischen Überläufer ab; erhält in einem Traumgesicht von Philipp den Rat, sich als sein eigener Bote verkleidet zu Darius zu begeben (S2819-3004), fordert Darius zur Schlacht, wird beim Mahl erkannt, entkommt, siegt in der folgenden Schlacht am Fluss Stranga (S3020-3639); verfolgt Darius zu den Kaspischen Toren, findet ihn durch Attentäter schwer verwundet vor, es kommt zur Aussöhnung und Machtübergabe, Darius warnt Α vor Überheblichkeit, überantwortet ihm Roxane und stirbt in seinen Armen. A schwört Rache und lässt ihn feierlich bestatten (S3683-3888), ordnet das Reich, lässt die Mörder des Darius hängen, nimmt Roxane zur Frau; zieht gegen Porus, der Α für den Tod des Darius verantwortlich macht, erleidet große Verluste durch Porus' Kampfelefanten, enthauptet Porus im Kampf; unterwirft Mauretanien und gelangt zu den Occidrates [Oxydrakai], reagiert zornig auf deren Ermahnung zum Maßhalten (S3891-4873); berichtet in einem Brief an Aristoteles und Olympias von seinen Kämpfen und Erlebnissen mit den in-
Alexander [1] dischen Wundertieren und -Völkern (paradiesisches Waldleben mit den Blumenmädchen) und von seinem Vorstoß zum Ende der Welt, wo sich die Nabe befindet, um die sich der Himmel dreht (S4908-f5510]); berichtet weiter, wie er der Königin Candacis ein Bild seines Gottes Ammon sandte und von ihr reich beschenkt wurde, wie er sich unter dem Namen Antigonus zu ihr begab, von ihr aber erkannt und ohne Waffen bezwungen wurde, wie sie sich liebten und wie er in ihrer Göttergrotte nach dem Zeitpunkt seines Todes fragte, aber nur den Ort, Alexandria, erfuhr ([S5511-6588]; Ende des Briefes). Die Amazonen parieren As Tributforderung mit dem Hinweis, dass eine Niederlage für Α eine große Schande, ein Sieg über Frauen aber nicht ehrenvoll wäre. Α zieht zum irdischen Paradies, um es zu unterwerfen, gerät in ein schreckliches Unwetter und wird an der Paradiesesmauer von einem alten Mann abgewiesen, der ihn zur Mäßigung auffordert und ihm einen wundersamen Stein schenkt, den A vergeblich mit Gold aufzuwiegen versucht, der aber leichter als eine Feder wird, als ihn ein alter Jude mit Erde bedeckt. Der Stein weist auf die Vergänglichkeit irdischer Macht und die Unbedeutendheit jedes Menschen nach dem Tode hin. Α geht in sich, herrscht gottesfürchtig 12 Jahre in Frieden und erlangt Vergebung. Nach seinem Tod (es bricht Α das Haupt [Ein Hinweis auf Tod durch Gift?]) bleiben ihm von seinen Eroberungen nur die sieben Fuß seines Grabes, als ob er der ärmste Mann gewesen wäre (S6591-7235). A2 Rudolf von Ems, »Alexander'·. 1. Buch: A wird von dem zauberkundigen Nectanebus gezeugt (der Olympias in der Gestalt Amnions erscheint), seine Geburt wird von Naturzeichen begleitet, Α hat ein gelbes und ein schwarzes Auge, Haare wie ein Löwe; erhält ab dem siebten Lebensjahr Unterricht, übertrifft die Gelehrten an rhetorischer und intellektueller Begabung, lernt mit 12 den Waffengebrauch und die sieben Künste; sein Hauptlehrer Aristoteles unterweist ihn in Fürstenethik. Α tötet seinen As-
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trologielehrer Nectanebus, damit sich dessen Prophezeiung, er werde durch den eigenen Sohn sterben, nicht erfülle. Olympias gesteht ihm daraufhin Nectanebus' Vaterschaft (721967). Der 15-jährige Α zähmt mit seinem alles bezwingenden Blick das menschenfressende Pferd Bucephalus, unternimmt einen Heerzug gegen Nicolaus von Korinth und tötet ihn. Er versöhnt seine Eltern (Philipp hat Olympias verstoßen und Cleopatra zur Frau genommen) (2150-2680), lehnt die Tributforderung des Darius ab, siegt gegen die Armenier und tötet Pausanias, der inzwischen in Makedonien eingefallen ist und Philipp getötet hat (2779-3040). 2. Buch: A wird zum König von Makedonien gekrönt, erobert Sizilien, Theben und Korinth, schont Athen, weil er von seinem alten Lehrmeister Anaximenes überlistet wird (Begegnung vor der Stadt, Α lehnt es vorweg ab, Anaximenes' Bitte zu erfüllen, dieser bittet daraufhin um die Zerstörung der Stadt); erobert weiters Byzanz, Konstantinopel und Abdera, dann Afrika, A's Gott Ammon prophezeit ihm den Tod durch Gift (3305-4110); erhält von Darius einen Schmähbrief und seine Verachtung ausdrückende Geschenke, die Α umdeutet (Ball, Rute: Weltherrschaft; Goldtäfelchen: Tributpflicht unterworfener Länder), begnadigt die persischen Boten und lehnt ihr Angebot, Darius auszuliefern, ab; verwirft in seinem Antwortschreiben die Gottgleichheit des Darius (4154-4514); zieht nach Kleinasien und erobert Phrygien (4526-4889), dann Lykien, Paphlagonien und Kilikien und setzt Statthalter ein (4889-5722); lehnt ein weiteres Angebot zur Auslieferung des Darius ab und bereitet eine Schlacht vor (5722-6087); begibt sich aufgrund einer Traumerscheinung des Ammon zu Darius, fordert ihn zur Schlacht, wird zunächst für Apollo gehalten, dann erkannt, kann aber rechtzeitig fliehen (6137-6793). Es kommt zur ersten Schlacht mit Darius am Stranga, Α schlägt die Perser in die Flucht, verhält sich vorbildlich gegenüber den gefangenen Perserinnen und begnadigt einen persischen Attentäter (6829-8005). 3. Buch: A
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Alexander [1]
verlangt Darius' Unterwerfung, erobert und zerstört nach langem KampfTyrus, lässt 2000 Bürger hängen (8053-9652); zieht gegen Jerusalem, betet das Tetragrammaton an, opfert Gott und begünstigt die Juden (965910166); zieht weiter nach Ägypten, wird dort als Herrscher empfangen, opfert dem Ammon (10187-10655); überquert Euphrat und Tigris, schlägt ein Friedensangebot des Darius aus und beendet durch einen entscheidenden Sieg dessen Herrschaft (10719-12911; A wird zum Rächer Gottes an den persischen Heiden stilisiert). 4. Buch: Α erobert Babylon und teilt den persischen Staatsschatz auf, besiegt weitere persische Völker, entlohnt seine Männer in Persepolis (13014-14459); [1] erfährt von Darius' Flucht und Gefangennahme in Bactra, trifft ihn schwer verwundet an, sie versöhnen sich. Der sterbende Darius belehrt Α über Herrschertugenden, Α lässt ihn bestatten, heiratet Roxane, übernimmt die persische Herrschaft und erstattet Aristoteles und Olympias in einem Brief Bericht (1467515369). Äs Weltreich wird durch den ehernen Teil der Statue in Nebukadnezars Traum symbolisiert, es ist das eiserne Zeitalter, dem das stählerne röm. folgt (15549-15630; Exkurs zu Nebukadnezars Traum und der Deutung durch Daniel [vgl. unten II.l]; angeschlossen ist eine universalgeschichtliche Deutung nach dem Zeitalter-Modell, die den historischen Niedergang betont). 5. Buch: Α beendet die 220-jährige persische Weltherrschaft und ist der mächtigste Herrscher („monarchus") (15651-15748). Er will Darius rächen, setzt seine Eroberungszüge fort und gelangt bis ins kaspische Gebiet. Dort lässt Gott auf sein Gebet hin die Berge, zwischen denen die Ismaelitischen Juden und Gog und Magog eingeschlossen sind, noch näher zusammenrücken (15970-17285 [2]); trifft mit der Amazonenkönigin Thalestris zusammen, wundert sich über ihre Sitten und stellt ihr einen Wunsch frei, sie wünscht sich ein Kind. A hat wegen Roxane Skrupel, erfüllt aber die Bitte, der Abschied schmerzt beide (1762918422); unternimmt weitere Eroberungen ge-
gen Bessus und Satibarzanes, vereitelt eine Verschwörung und lässt Parmenio hinrichten (18519-20524). 6. Buch·. Α setzt den Zug gegen Bessus fort (20685-21607; der Text bricht mit 21643 ab). [1] 1294Iff. finden sich folgende Quellenangaben: Leo habe zur Zeit Konstantins Nachrichten des Aristoteles über Alexander übersetzt (gemeint ist die Alexandergeschichte Presbyter Leos von Neapel [10. Jh.!], Vorlage der ,Historia de preliis'), die Übersetzung sei von Q. Curtius Rufus überarbeitet worden (vgl. zu den zum Teil widersprüchlichen Angaben U. Klingenböck, doch weiz ich ez von wärheit niht ... Fiktionalisierung und Historisierung im .Alexander' Rudolfs von Ems, Diss. Wien, 1994). [2] Für die eingeschlossenen Juden und Gog und Magog wird auf Flavius Josephus und Methodius verwiesen.
A3 Ulrich von Etzenbach, »Alexander: 1. Buch: Α wird von Nectanebus mit Olympias gezeugt, seine Geburt wird von Wunderzeichen begleitet (zwei kämpfende Adler, eine Henne gebiert einen Drachen, sprechendes Schaf in Ägypten, drei Kometenabstürze in Indien); Philipp hält ihn für seinen leiblichen Sohn und nennt ihn Α. Α ist stark wie Achilles und schön und tugendsam wie Alcides [Hercules]. Sein Lehrer Aristoteles unterweist ihn in Herrschertugenden. A will als künftiger Herrscher Darius keinen Tribut mehr zahlen und denkt bereits jetzt an einen Feldzug; zähmt das bissige Pferd Bucephalus (12121671); tötet Lysias, der Philipp während Äs Feldzug gegen Nicolaus von Korinth veranlasst hat, Olympias zu verstoßen und Cleopatra zu heiraten, verjagt Cleopatra und setzt Olympias wieder als Königin ein; lehnt die Tributforderungen des Darius ab und erhält von ihm einen krummen Stab, einen Diskus und eine goldene Kanne als Schmähgeschenke. Α deutet sie zu Zeichen der Unterwerfung aller Könige, der Gunst der Fortuna und der Götter um (1727-1980). A tötet Pausanias, den Mörder Philipps, wird zum König der Makedonen gekrönt und will sein Land von der Tributpflicht gegenüber Darius befreien; unterwirft das tributpflichtige Athen und vergibt Demosthenes, dem reuigen Anführer des Widerstands. Die Athener beteiligen sich am Heeraufgebot gegen die Perser (2052-2483). Α zieht gegen das
Alexander [1] aufständische Theben, lässt die Männer töten, die Stadt zerstören und neu errichten (3174-3939; Exkurs zur Geschichte Thebens). Darius bietet Α Griechenland als Lehen, A lehnt ab und droht mit Krieg (3986-4256); bricht im Frühjahr zum Feldzug auf, überlässt Olympias das Reich, überquert das Meer und landet am Thanais in Kleinasien, zieht nach Troja, besucht die Gräber der gr. Helden, hält eine Lobrede auf Achilles und hofft auf ähnlichen Nachruhm (4368-4997). A erobert Tyrus, in Jerusalem wird ihm die Krone Palästinas angeboten, Α erkennt unter den jüdischen Engelsgestalten den Himmelsboten wieder, der ihm im Traum die Weltherrschaft prophezeit hat, würdigt Salomon und opfert in dessen Tempel (5047-5361). 2. Buch·. Darius rüstet gegen A, schmäht ihn als Kind und schickt ihm Peitsche, Ball und Pfennige, die Α als Zeichen für die Züchtigung des Darius, seiner künftigen eigenen Weltherrschaft und der Übernahme von Darius' Besitztümern umdeutet. Die von Α zum Granikos entsandte Heeresabteilung besiegt die persische Übermacht (5406-5875). Α erobert Sardes, zieht nach Gordion, zerschlägt im Tempel des Midas mit dem Schwert den gordischen Knoten, dessen Inschrift für die Lösung des Knotens die Weltherrschaft prophezeit; zieht durch Kappadokien und Kilikien und erkrankt nach dem Bad im eiskalten Kydnos (5879-6558). Issos wird durch A's Heerführer Parmenio zerstört. Darius beklagt A's Ungehorsam, ein trügerischer Traum verspricht ihm den Sieg über A (6650-7124). Die Heere treffen bei Issos zusammen, Fortuna schlägt sich auf die Seite der Griechen, Α wird siegen (VD) (7248-7495). 3. Buch: Α schont den Seher und Gelehrten Zoroas, wird von ihm verwundet und beklagt ihn, als ihn Meleager tötet; schlägt die Perser in die Flucht und beruhigt die trauernde Gattin des Darius (7838-8899); gewinnt den Perserschatz, wird überheblich und will als Sohn Iuppiters verehrt werden; führt Darius' Tross mit sich, nimmt Damascus und Sidon ein und zerstört Tyrus. Vor Gaza wird ein
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Anschlag auf Α vereitelt und die Stadt erobert (8961-[9747]). Α zieht weiter nach Ägypten und Libyen, besucht den Ammontempel, erfährt von Darius' neuerlicher Heersammlung und vergleicht den Kampf gegen diesen mit dem des Hercules gegen Antaeus und Hydra; sammelt sein Heer in Memphis und zieht zum Euphrat. Eine Mondfinsternis deutet er als Vorzeichen seines Sieges (9822-10095). 4. Buch: Darius bietet A die Hand seiner Tochter und Lösegeld. Α lehnt ab, lässt aber die gefangenen Frauen frei. Darius schickt seine tapfersten Männer gegen A (1033310964). Die Heere treffen bei Arbela aufeinander, A will trotz persischer Übermacht eine offene Schlacht riskieren, die Göttin Victoria sendet ihm vor der Schlacht den personifizierten Schlaf, Α erwacht erst zu Mittag und ordnet das Heer (10987-12823). 5. Buch: Das Kriegsglück begünstigt A, er tötet die Kampfelefanten und den persischen Riesen Geon und schlägt die Perser in die Flucht. Darius setzt sich nach Arbela ab (1307214304). Α überlässt seinen Männern die gesamte Kriegsbeute, unterwirft Syrien und zieht gegen Babylon, wo ihm König Mazaeus einen triumphalen Empfang bereitet (Candacis schickt Α ein Festgewand) ([14428]14711). 6. Buch: Α übernimmt auch Susa kampflos, belagert und erobert Uxia, erringt einen vernichtenden Sieg gegen die Perser, nur Darius kann fliehen, Α verfolgt ihn nach Persepolis, das er nach verlustreicher Belagerung erobert und zerstört, weitere Verfolgung des Darius (14865-16098). 7. Buch: Α erfährt von Nabarzanes' und Bessus' Verschwörung gegen Darius, will ihn retten, findet ihn aber von den Verschwörern tödlich verwundet vor. Darius übergibt ihm Reich, Krone und die Hand seiner Tochter und fordert Rache, A lässt ihn aufwendig bestatten und Bessus und Nabarzanes hinrichten (16451-17060); belehnt die Fürsten des Darius, wird vom Baruc Ackerin [!] gekrönt und mit Roxane verheiratet (weitere Belehnungen und Schwertleiten). Α führt nebenher einen geheimen Briefwechsel mit Candacis; beide lieben ein-
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Alexander [1]
ander, obwohl sie sich nie sahen (1706817229). 8. Buch: Ein weiterer Eroberungszug führt Α zu den Amazonen, deren Königin Thalestris sich in Α verliebt. Α zeugt mit ihr ein Kind und lässt ihr ihre Ländereien (1745617577). Α erobert die Stadt Bractan. Ein geplanter Anschlag auf Α durch Dymnus, Demetrius und Ioleus wird aufgedeckt, die Verräter werden hingerichtet, auf unbegründeten Verdacht hin auch A's Feldherr Parmenio und Philotas, der Α nicht gewarnt hat (17718-18387). Α überschreitet den Thanais und plündert das Land der Skythen, die sich schließlich unterwerfen (18608-18871). 9. Buch: Α tötet den Knaben Hermolaus, in dem er einen künftigen Rivalen sieht, dessen Lehrer Callisthenes und seinen Gefolgsmann Clitus, der bei einem Fest As Ruhm geschmälert hat (18914-19247). Die Skythen weisen Α den Weg nach Indien, alle indischen Könige außer Porus unterwerfen sich und empfangen Α wie einen Gott; Α sieht wundersame Tiere und Völker (Verweis auf den ,Lucidarius'); kämpft gegen Porus seine härteste Schlacht (Kriegselefanten), verliert sein Pferd Bucephalus und will es rächen; verwundet Porus im Zweikampf und nimmt ihn mit ins Lager. Taxiles und Carator schließen Frieden, Candaceus (Sohn der Candacis, Carators Bruder und Porus' Schwiegersohn) zieht ab und sinnt auf Rache (19275-20241). Α begibt sich als sein eigener Bote getarnt zu Candacis, die ihn erkennt (A hat ihr ein Bild von sich gesandt), ihm den Tod vieler Männer vorwirft und ihn gefangen nimmt. Carator, der Α freies Geleit zugestanden hat, hindert Candaceus, sich an Α zu rächen. A verbringt mit der versöhnten Candacis eine Nacht und kehrt zurück ins Lager der Griechen (20255-20545); unternimmt trotz Bedenken seiner Männer eine Heerfahrt über den Ozean durch die Länder des Porus, um die Wunder zu sehen, von denen er gehört hat (20567-20849) und zieht zu den jüdischen Völkern Gog und Magog, die von Gott abgefallen sind. Auf sein Gebet lässt Gott die Berge zusammenrücken, Gog und Magog
bleiben gefangen, bis sie der Antichrist dereinst befreien wird. Α wird von Porus in seinem prächtigen Palast empfangen und belehnt ihn mit den eroberten indischen Ländern (20864-21041). 10. Buch·. Α zieht den Tigris aufwärts, findet die Gräber der persischen Könige, besiegt die aufständischen Meder und Parther, erobert Carpia und Albania, zieht unter Strapazen durch eine große Wüste, kämpft gegen Ungeheuer und das sechsarmige Volk der Agrestes; Weiterzug nach Baktrien zum Volk Seres und zu den zwei goldenen Säulen, wo er eine von Hercules gegründete freie Felsenstadt unterwirft. Begegnet bei einem neuerlichen Zug durch die Wüste weiteren Wundervölkern (Frauen in silberner Rüstung, kahlköpfige und bärtige Riesenfrauen, wie Tiere behaarte Menschen, Frauen mit Eberzähnen und Ochsenschwänzen sowie die Lanich, schöne Frauen mit Pferdefüßen), gerät in einen Schnee- und Feuersturm, begegnet den Gymnosophistes, die völlig mittellos leben und nur Gott fürchten, A's Geschenke ablehnen und ihm vorwerfen, die Welt ins Verderben zu stürzen. Α rechtfertigt sein Tun als gottbestimmt (21121-22308); zieht weiter ins Land der Brachmanes, mit denen er über ihre Lebensführung (Weisheit und Bescheidenheit) disputiert, die für ihn eine bloße Folge der abgeschiedenen Lage ihres Landes ist. Nach Kämpfen mit Riesen in Hactea und der Begegnung mit den Agrestes (borstige Riesen) gelangt Α zu einem goldenen Palast und Tempel („Haus der Sonne") und befragt den dort von Weihrauch und Balsam lebenden Greis ohne Erfolg nach seinem Lebensende; begegnet weiteren Wundertieren und Wundervölkern (Cynocephali sowie Menschen mit Pferdeköpfen, Greifenklauen und Feueratem, Wolfsameisen, Cyclopes, Kopflose) (2236223263); nimmt den Entfuhrer von Candaceus' Gattin gefangen und lässt ihn töten, wird auf Candaceus' Hof prächtig empfangen und von Candacis zum Dank gekrönt. Zurück in Persien sendet Α Boten zu Aristoteles und Olympias, errichtet Säulendenkmäler für seine Ta-
Alexander [1] ten; Vorzeichen weisen auf seinen baldigen Tod (Traum von der Ermordung durch Cassander, eine Babylonierin gebiert eine Mißgeburt, deren menschliche Hälfte tot, deren tierische Hälfte lebendig ist, Deutung durch Ariolus auf Α und seine üblen Nachfolger; 23319-23972). Α unternimmt eine Ozeanexpedition, nimmt den Seeräuber Piratas gefangen und taucht in einer Glaskugel ins Meer. Als Roxane die Kette loslässt (aus Schwäche oder Rache für Darius), tötet er einen Hahn. Die Kugel steigt daraufhin an die Oberfläche, weil das Meer alles Tote ausspeit. Die Mannschaft beteuert Roxanes Unschuld, Α berichtet von seinen Wahrnehmungen (Exkurs: Fürstenlehre des Tullius Cicero (NB)]; Warnung vor dem tiefen Fall); begegnet auf einer Felsinsel Elias und Enoch, die auf Gottes Wiederkunft warten, sie geben Α einen leuchtenden Stein, der nicht aufgewogen werden kann. Als man aber ein Sandkorn auf ihn legt, hält er mit einer Feder das Gleichgewicht. Α erschrickt über die daraus abgeleitete Erkenntnis, dass er als Lebender zwar mächtig, als Toter aber nichts ist; fliegt danach mit den Greifen, kann den Flug aus Furcht aber nicht genießen, landet in Candacis' Burggarten und bleibt einige Zeit (23998-24786); will trotz Warnungen der Gelehrten (Bericht vom Höllenherrscher Leviathan und den Qualen der Sünder) eine Fahrt in die Hölle unternehmen. Leviathan bittet Gott um Hilfe (nach einem Sieg über ihn könnte Α auch Gott heimsuchen wollen), klagt über A's Maßlosigkeit, die personifizierte Natur will Α mit dem Tod strafen. Α begegnet auf der Suche nach Leviathan weiteren Wundervölkern (Pygmäen, Menschen mit einem Auge, einem Arm und einem Bein, Hundsköpfigen, Gansköpfigen, Skiapoden), gelangt zur Insel der Unsterblichen, dann zu einem Gebirge, wo ihn zwei eherne Statuen zur Umkehr mahnen (24833-25252). Α zieht nun zum irdischen Paradies, gelangt zu einer glänzenden Mauer, der er sich aber nicht nähern kann. Ein alter Mann gibt ihm einen Stein, der wie ein Auge aussieht und — der
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Deutung eines heidnischen Gelehrten zufolge - den maßlosen Menschen bezeichnet, in dessen Augen die ganze Welt zu klein ist (253l4ff.); besteht weitere Abenteuer auf dem Weg zu Sonnen- und Mondbaum (Kämpfe mit Ungeheuern, Insel der nackten Frauen, die A's Männer mit Liebesdrogen verführen) und hat einen allegorischen Traum (ein Mann klettert auf einen Baum und fällt, der Baum symbolisiert die Welt). Die Bäume prophezeien Α den baldigen Tod durch Gift (2545426037). Α gründet Alexandria, weitere Vorzeichen weisen auf seinen Tod (Angriff einer Natter beim Bad im Euphrat). Α erlaubt den Juden den Bau eines Tempels, Rom bietet A die Krone an, Britannien, Spanien u.a. stellen sich in seinen Dienst (26142-26621). Antipater, A's Statthalter in Griechenland, gerät mit Olympias in Streit und wird zu A nach Babylon zitiert. Angestiftet von dem Teufel Leviathan, mischen er und Patron bei einem Fest Gift in A's Wein. Der sterbende Α macht auf Roxanes Betreiben sein Testament. Bei seinem Tod tobt ein Unwetter. Er wird in einem marmornen Grabmal beigesetzt, Roxane lässt sich daneben eine Klause errichten (26627-26944). Unter A's Statthaltern brechen Nachfolgekämpfe aus, Ptolemaeus, der Herrscher Ägyptens, lässt A's Leichnam nach Alexandria überstellen, errichtet ein Grabmal und für Roxane einen Palast. Alle Herrscher beklagen A, Gelehrte halten Trauerreden. Roxane bewahrt A's Gebeine in ihrem Palast auf, weshalb Caesar A's Grabmal leer vorfinden wird (Verweis auf Lucanus). Laut Daniel war Α eine Strafe Gottes für die Menschheit. Als der Prophet für Darius betete, erschien ihm ein Mann, der einen Welteroberer ankündigte, dessen Macht nur von kurzer Dauer sein und in die vier Himmelsrichtungen zerstreut werde. Dies deute auf die vier Nachfolger A's (2713427697). Anhang: Eroberung der Stadt Tritonia (freie Stadt mit präsidialer Verfassung, Heimat der Astronomie, Alchemie und Magie, daher kommen Weisheit, Reichtum und Uneinnehmbarkeit der Stadt; Aristoteles rät
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Alexander [1]
Α zu schonender Behandlung, die Tritonier fügen sich nach A's Hinweis auf seine von Gott sanktionierte Weltherrschaft; 1151992). [1]
Pferd bekam (12280; Ermahnung Ginovers an Gawein und Gasozein, ihren Kampf einzustellen). [1]
[ 1 ] Hauptquelle ist die .Alexandras' Walters von Chätillon, daraus erklärt sich die breite Ausgestaltung (Exkurse bei T h e b e n u n d Troja), die epische Szenenregie (allegorischer Apparat, Fortuna u n d Victoria); von Ulrich von Etzenbach selbst stammen eine Reihe von Anspielungen auf die höfische Literatur, insbesondere auf Wolframs von Eschenbach .Parzival' (Vergleich von Bucephalus mit Parzivals Pferd, G a h m u r e t s Zelt, Meisterberufungen) u n d Texte aus der Wolframschule (Baruc Ackerin, der Α krönt, reflektiert die in Albrechts J ü n g e r e m Titurel' so benannte orientalische Herrschergestalt aus der G a h m u r e t h a n d l u n g bei Wolfram). Im 10. Buch finden sich Quellenberufungen a u f L u c a n u n d Valerius. Z u m Verhältnis zur ,Historia de preliis' vgl. C. Medert, Der .Alexander' Ulrichs von Etzenbach. Studien zur Erzählstruktur u n d zur Gattungsproblematik, 1989.
.Alexandreis', wo Bucephalus bei A's Zweikampf mit Porus
A4 Aristoteles und Phyllis', GA I, II: Α ist der Sohn Philipps, mächtigster aller Herrscher; wird von Aristoteles unterrichtet und ist sehr gelehrig, bis er in Liebe zu Phyllis entbrennt. Aristoteles deckt das Verhältnis auf, verbietet Α den Umgang mit Phyllis und fällt ihr selbst zum Opfer (28-95). B1 Pfaffe Konrad, ,Rolandslied' 3974: Selbst Α könnte, wenn er noch lebte, die Reihen der christlichen Kämpfer nur unter großen Mühen durchbrechen (Roland über seine Schlachtordnung). B2 ,König Rother' 4955: Α stieß bis zum Paradies vor, wohin noch nie ein Mensch zuvor gekommen war, und brachte von dort den Stein Claugestian mit, der nun den Helm Berchters, des Herzogs von Meran, ziert. [1] [1] Die Stelle bezieht sich auf A l , S6932ff.
B3 Hartmann von Aue, ,Erec' 2819: Die Freigebigkeit Erecs lässt sich nur mit jener A's vergleichen (Lobpreis Erecs nach seinem Turniersieg). B4 Wolfram von Eschenbach, ,Parzival'773,23: A, Pythagoras und Heraclius werden als Experten für Edelsteine genannt. B5 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crone': Der Tod A's durch Gift wurde sehr beklagt (11578; Exempelreihe für große Klagen, von der Klage über Ginovers Entführung überboten). Als Α im Zweikampf mit Porus sein Pferd verlor, pausierte er, bis er ein neues
[1] 12280 reflektiert offensichtlich Walters von Chätillon
getötet wird (IX,266), vgl. A 3 (20044).
B6 ,Μοήζ von Craün' 94: Α eroberte viele Länder für die Griechen, die später wieder alles verloren und tributpflichtig wurden, weil sie das Rittertum nicht pflegten (Prolog, Geschichte des Rittertums). B7 Der Stricker, ,Karl' 4902: Selbst Α würde große Verluste erleiden, wollte er die Schlachtordnung Rolands durchbrechen (Kampfrede Rolands). B8 Der Stricker, ,Pfaffe Amis': A's Sieg über Porus und seine übrigen Taten sind auf einem Wandgemälde des Pfaffen Amis dargestellt (658-661; das Gemälde ist nur für ehelich Geborene sichtbar). B9,Prosa-Lancelot'11.79,32: Bis an die Grenzen von A's Reich wird Helain der Weiße, Bohorts Sohn, nach dem Gral suchen. BIO Ulrich von Türheim,,Rennewart': Α sah viele außergewöhnliche Dinge, doch Rennewart erregt mit seinem Elefanten mehr Erstaunen (8154); Malefer erlebt mit den Riesen noch Außergewöhnlicheres als A (30756). Bll Ulrich von Liechtenstein, ,Frauendienst', 3. Büchlein 146 (387,2): A, der berühmte Wundermann, wurde von den Greifen über die Sterne hinausgetragen. Dennoch erlebte er nie so große Freude wie Ulrich, der auf Geheiß seiner Minnedame ins Heilige Land fahren soll. B12 Albrecht, Jüngerer Titurel': A war Schüler des Aristoteles, wurde von diesem unterwiesen, wie man mit Hilfe des Spiegels den Basilisken überwinden kann (3988,3); wird als beispielhafter Stratege genannt, weil er mit einem kleinen Heer die ganze Welt unterwarf (3127,1-4; 5001,3); besiegte Darius aufgrund überlegener Strategie und bezeugt daher die Klugheit der Griechen; erforschte die Wunder der Erde, des Meeres und der Luft und flog mit den Greifen (4802,4-4811,2; Bericht eines Riesen und gleichnamigen Nachkommen von A: 4836,3); vereinigte am Höhepunkt seiner
Alexander [1] Macht alle Kronen der Welt auf sich (5395,2; Sigune würde Tschinotulanders Leiche nicht im Tausch dafür hergeben). Β13 Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg·. A war ein Makedone, sein Volk brach ihm die Treue (13808; weshalb Thetis Achilles anderswo verbergen will); ist in die Tiefen des Meeres getaucht, um dessen Wunder zu erforschen (14078; Achilles, von Thetis durchs Meer zu Lycomedes gebracht, vergleicht sich mit A). [ 1 ] , Trojanerkrieg'-Fortsetzung (42240): Die Ausführungen über die Amazonen berufen sich auf den wahrheitsgemäßen Bericht im Buch von Α (gemeint ist vermutlich A2). [ 1 ] Die Exempla stellen (im Sinne eines literarischen Spiels?) einen erstaunlichen Verstoß gegen die Chronologie dar.
Β14 ,Göttweiger Trojanerkrieg' 16272: A wird dereinst den Rest der Roten Juden bezwingen, die dem Kampf mit den Griechen entkommen und in ein Gebirge flüchten (Abenteuer der Griechen während der Fahrt um Achilles). B15 Heinrich von Freiberg, Tristan-Fortsetzung 4514·. Die Krone Isoldes ist schöner als die von A, Artus oder Saladin. B16 ,Reinfried von Braunschweig': Α besiegte Darius und dessen Weltreich (Verweis auf Daniel), war der erste Herrscher, dem sich die Griechen unterordneten, starb kinderlos. Die 12 von ihm erwählten Jünglinge teilten sein Reich auf, seine Macht ging verloren (26772; 26810). Α wurde von Laudavine [Identität unklar] betrogen, sie ließ die Kette seiner Tauchglocke los, und er versank im Meer (15159; Exempelreihe treuloser Frauen, kontrastiv zur treuen Yrkane, Reinfrieds Gattin); schloss die falschen Juden in einem von Bergen, Mauern und Sandmeer umgrenzten Gebiet ein; über dieses herrschen die Amazonen (19551); gelangte bis zu der Mauer, die das Ende der Welt markiert, dort gab ihm ein Alter einen Stein als Symbol seines Lebens. Er war schwerer als alle Berge, aber leichter als eine Feder, als man ihn mit Erde bedeckte. So ist auch die Macht des Königs vergänglich (21857; Bericht eines forschungsreisenden Kapitäns).
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Α flog mit den Greifen, sah den Vogel Gamaleon und die Wunder des Meeres; sie lassen sich aber nicht mit der Sirene vergleichen, der Reinfried begegnet (22514). Die Heeresaufgebote von Α und Darius werden von denen des Königs von Ascalon und des Königs von Assyrien übertroffen (19940). B17 Heinrich von Neustadt, ,Apollonias'·. A kämpfte nie so heftig wie Apollonius und Absolon (3239), sah nie einen so heftigen Zweikampf, wie ihn Apollonius und Glorant austragen (19451). Alles, was Α hatte, würde Sirinus für die Liebe einer Jungfrau geben (11951). B18 ,.Karlmeinet' 122,46·. Α gibt ein Beispiel für Kühnheit, die Sieg und Ruhm einbringt (Kampfrede des Sarazenenfürsten Belin). Β19 Wisse/Colin, ,Niuwer Parzival': Α hat zu seiner Zeit nie so viele Menschen versammelt, wie sie zu einem Turnier von Artus kommen (72,37). [1] Nicht einmal der Schätze von A oder Porus wegen hätte Parzival seinen Onkel Trevrizent belogen (404,21). [1] Α hat den unverständlichen Beinamen „von Alier". B20 .Die Heidin', GA I, XVIII, 1134: Auch Α könnte sich nach Ansicht der heidnischen Königin nicht mit Alpharius messen, der für sie zehn Jahre lang kämpfend durch die Lande zog. B21 ,Der treue Heinrich', GA III, LXIV, 922: Ein Jungherr, der ein festliches Abendessen gibt, wird für Α oder Artus gehalten. B22 , Virginal': Α würde am Hofe der Zwergenkönigin Virginal, deren hochgemute Ritter ein lockeres Leben führen und Turniere veranstalten, auf Seinesgleiches treffen. Wollte er um hunderttausend Mark ein teures Abenteuer suchen, er fände es hier (936,9). Der Riese Videlnstoz wünscht sich im Kampf gegen Dietleib Α als Zuseher (868,10). C1 Ulrich von Gutenburg, MF Leich V,4l (73,5): Α bezwang zwar die Lande, musste sich aber wegen einer schönen Frau der Minne unterwerfen; hatte seine Geliebte in einem Wald erblickt und hätte in seinem Liebeswahnsinn fast den Verstand verloren (genauso ergeht es dem Sänger). [1]
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Alexander [1]
[1] D i e Stelle reflektiert die C a n d a c i s - G e s c h i c h t e ( M F
[ 1 ] D i e Erlösungstat Christi bezeugt erstaunlicherweise die
zur Stelle) oder auch die Blumenmädchen-Episode (Wald-
M a c h t des Todes.
motiv) in A l .
C l l Der junge Meißner, Β1.66,17: Α tauchte in die Tiefen des Meeres. Dennoch konnte er wie auch Aristoteles und Vergil Gottes Naturordnung nicht völlig ergründen. C12 Sigeher, HMSII. 134, VI. 1,12: Α gibt ein Beispiel für den freigebigen Herrscher, dies erklärt seinen Ruhm in allen Landen. C13 Sigeher, HMSII. 134, VII.5,1/16: Α führte ein mächtiges Heer gegen die Perser. A's Mut, Heeresstärke und Reichtum habe nun der böhmische König Ottokar (II.). Ein Staufer [1] solle wie Α um Ehre kämpfen.
C2 Walther von der Vogelweide, C 8.1,13 (L 17,9): Α handelte klug, er gab viel, und die personifizierte Freigebigkeit schenkte ihm dafür alle Reiche. C3 Reinmar von Zweier, 162,2 [ 1 ]: A's Tauchgang zum Grund des Meeres gibt ein Beispiel für eine wunderbare Begebenheit; sie lässt sich aber nicht mit dem vergleichen, was täglich passiert (Zeitklage). [1] D e r Spruch ist in Hs. Α unter Ulrich von Singenberg ( S M S 28.11) überliefert.
C4 Ulrich von Singenberg, SMS 28.11,2: Inhalt wie C3. C5 .Wartburgkrieg' 3,11: Hermann von Thüringen gleicht A, er ist freigebig, mutig, tugendhaft und befindet sich immer in hohem Flug [1], [ 1 ] D i e Metapher vom hohen Flug verweist auf As Greifenflug und motiviert so den Vergleich.
C6 Frauenlob, VI9,1: Nachdem er alle Länder bis zum Paradies erobert hatte, erhielt Α einen Edelstein, der erst aufgewogen werden konnte, als ihn ein Weiser mit Erde bedeckte. So wiegt auch der edle Ritter nach seinem Tod nicht mehr als eine Maus. C7 Frauenlob, V.20,7: Eine Jungfrau, die sich auf Giftzauber verstand und einen tödlichen Blick hatte, wollte Α töten und ihr Land befreien. Ein Weiser durchschaute den Anschlag und gab Α eine Wurzel, die ihn schützte (das Beispiel wendet sich an Fürsten, die ihr Volk unterdrücken). C8 Frauenlob, IX.4,17: Α starb in hoher Würde und gibt mit Artus ein Beispiel für den ruhmvollen Herrscher (verbunden mit einer Zeitklage: die heutigen Fürsten würden nur nach Reichtum streben). C9 Frauenlob, 141,7 (Ettm.): Wie mächtig Α auch war, er ließ sich dennoch von einer Frau betören (Exempelkatalog; rechtfertigt das Liebesleid des Sängers). CIO Frauenlob, 280,5 (Ettm.): Α unterwarf die ganze Welt und wurde dennoch vom Tod, dem nicht einmal Gott selbst entkam, hinweggerafft. [1]
[1] W e r mit „Staufer" gemeint ist, ist ungeklärt (vgl. Ehlert, Alexanderdichtung, S. 139, A n m . 3 5 ) .
C14 Regenbogen, HMS III, 486k.I,10 (zu Ton V): Wie mächtig Α auch war, er bekam nur geringen Lohn von den Frauen, wurde in schwere Kämpfe verwickelt und erlitt hohe Verluste (Exempelkatalog von Frauensklaven, von Adam bis Aristoteles). D l Wernher von Elmendorf, 402: Α schenkte einem Armen, der ihn um ein Almosen gebeten hatte, eine wohl errichtete Wohnstatt. [ 1 ] Als der Arme die Gabe nicht annehmen wollte, weil sie zu großzügig sei, meinte A, er kümmere sich nicht darum, was dem Armen angemessen sei, und wisse sehr gut, was er schenken solle (Exemplum für Freigebigkeit). [1] D e r Wortlaut ist: „eine wole gebuwete stat". Es könnte sich auch um eine ganze Stadt handeln.
D2 ,lucidarius': Α schloss die Völker Gog und Magog in Indien ein (11,1); gibt ein Beispiel für den Weltherrscher, dessen Macht im Vergleich zum Himmelreich nichts ist (74,8; 75,30). D3 Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast': Junge Adelige mögen sich an A's Tugend ein Beispiel nehmen (1050; Katalog, nennt u.a. auch Gawein, Artus und Tristan). Α förderte die Wissenschaft, ehrte die Gelehrten, wurde von Aristoteles unterrichtet und beraten (6493); Aristoteles fände heute keinen König, der ihn so ehrenvoll behandeln würde wie A (6416). A war sehr gebildet und hatte immer Gelehrte um sich (9209). A's Aufstieg war
Alexander [1] mit großen Mühen verbunden und währte dennoch nur 12 Jahre (3371; 3375). Obwohl er viele Länder und Lehen vergeben hat, hat er nun nichts mehr davon, Ruhm ist vergänglich (3767). Eine Pfeilwunde lehrte A, dass es falsch war, sich als Gott betiteln zu lassen (3578). Α schickte aus Angst vor Messerattentaten immer seinen Kämmerer vor, wenn er zu seiner Frau ging (3433). Auch wenn einer so viel besitzt wie A, wird er immer mehr haben wollen (2919). D4 Hugo von Trimberg, ,Der Renner'·. Zu A wurde eine Jungfrau gesandt, die mit Natternfleisch genährt worden war; sie sollte ihn in ihren Bann schlagen und mit ihrem Gift töten. Aristoteles, A's Lehrer, vereitelte den Anschlag (14567). Α achtete die Gelehrten und soll einmal von seinem Wagen gesprungen sein, um Socrates [!] zu-grüßen (16413). [1] A hatte in zwölfJahren mehr erreicht als andere in 30 Jahren. Zwölf Städte wurden nach ihm benannt. Zu solchem Ansehen zu gelangen, ist mit großen Mühen verbunden, und dennoch stirbt man wie ein Bauer (19082). A wird in einem Katalog mächtiger Herrscher genannt, deren Reichtum vom Tugendreichtum des Petrus überboten wird (1441); auf A's Reichtum verzichtet, wer bescheiden lebt (19648). Der Pfennig ist kühn wie A (19001; Macht des Geldes). Man kann unbesiegbar und angesehen sein wie A, kennt man die Liebe nicht, ist es umsonst, meinte Augustinus (21021). Von As Wundertaten will heute mancher erzählen hören (16198; Katalog literarischer Sujets). [1] D i e Stelle reflektiert die Anekdote von Α und Diogenes.
E l Jbinolied': Α wird in Daniels Vision vom dritten Tier, einem Leoparden mit vier Flügeln, symbolisiert; zog mit vier Heeren durch die Länder bis ans Ende der Welt, durchquerte die Indische Wüste, besprach sich mit zwei Bäumen (Sonnen- und Mondbaum), flog mit zwei Greifen, tauchte in einer Glasglocke durchs Meer; beschäftigte sich mit vielen Wundern und gewann die drei Weltteile (14,3); durchzog in zwölf Jahren die Welt
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bis an ihre Grenzen, starb in Babylon. Vier seiner Männer teilten sein Reich unter sich auf, andere zogen in die Ferne, darunter die Vorfahren der Sachsen (21,6; universalgeschichtliche Einleitung). [1] [1] D e r Bericht verarbeitet die ,Historia de preliis' und die .Epistola Alexandri ad Aristotelem'.
E2 ,Kaiserchronik'·. Α wird nach Daniels Deutung von Nebukadnezars Traum durch das erste [!] der vier Tiere, einen geflügelten Leoparden, symbolisiert; zog mit vier Heerscharen bis ans Ende der Welt, flog mit den Greifen, tauchte in einer Glasglocke durchs Meer (538); starb in Babylon, vier Könige teilten sich sein Reich auf. Ein Teil seiner Gefolgsleute zog an die Elbe und wurde nach dem dortigen Wort für das Messer „Sachsen" genannt (328). [1] [1] D e r Bericht zeigt deutliche Anlehnung an E l . Daniels Vision ist mit dem Motiv vom Traum Nebukadnezars (vgl. unten I I . l ) gekreuzt.
E3 Otte, .Eraclius' 5526A, 560IC: Α schloss die Ismaeliten hinter den Kaspischen Bergen ein (Eraclius will sie befreien und wird dafür von Gott gestraft). E4 Der Stricker,, Vom Heiligen Geist'·. Auf A's Sarg steht geschrieben: „Gestern warst du groß und jeder fürchtete dich, heute fürchtest du dich!" Auch wenn jemand so viel leistet wie A, wer sich dem Vergänglichen hingibt, verliert die Gunst der Welt und Gottes (853-855). E5 Reinbot von Durne, ,Der heilige Georg' 2363: Α wurde vom Glücksrad an die oberste Stelle gesetzt. Der heidnische König Dacian wünscht dies auch Georg, den er wegen seiner Freigebigkeit einen zweiten Α nennt. E6 Rudolf von Ems,,Weltchronik': Α schließt Gog und Magog hinter den Kaspischen Bergen ein (1478; 1489; Wundervölker Indiens), gründet in Ägypten die Stadt Alexandria (2026) und bezwingt - was vor ihm nur Semiramis gelang - Indien (3345; 3590). E7 Berthold von Regensburg, Predigten: Α gibt ein Beispiel für die schwere Sünde der Gewaltanwendung. Seine Lebenszeit wurde deshalb verkürzt, und er stank bei seinem Tode, sodass keiner bei ihm sein wollte (Bd. 1, VI.89,19); unterwarf die Welt und übergab wie der Teu-
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Alexander [1]
fei die Herrschaft an zwölf Helfer. Α stank bei seinem Tod auch wie der Teufel, der nach 5000 Jahren Herrschaft durch den Sieg des Heilands am Kreuz überwunden wurde (Bd. 1, XXXIΠ.522,13). Α beging die Sünde der Superbia, weil er tun wollte, was Gott vorbehalten ist: die Sterne vom Himmel holen, mit dem Pferdewagen übers Meer und mit dem Schiff übers Land fahren, die höchsten Berge auf einer Waage wiegen und dem Sturm Einhalt gebieten (Bd. 1, XXV.398,25; Bd. 1, XXX.485,4). Α eroberte den oberen Teil der Welt, in dem nur Christen leben sollten, doch sie verfielen dem teuflischen heidnischen Unglauben (Bd. 1, XXXIII.530,2). E8 Jans Enikel, , Weltchronik'·. Α ist entsprechend der Deutung von Nebukadnezars Traum durch Daniel [vgl. unten II. 1 j der Herrscher des vierten, eisernen Reichs und erobert die gesamte Welt (17192, 17198); regiert über Griechenland, besiegt Darius und gewinnt Persien, gründet Alexandria, unterwirft Porus und beherrscht die Welt bis an die Grenzen des Paradieses (18929-18947); will das Paradies erobern, erhält von einem alten Mann einen Stein, der nur aufgewogen werden kann, wenn er mit Erde bedeckt ist. Er symbolisiert die Vergänglichkeit von A's Macht (19067); taucht in einer Kugel zum Meeresgrund; als Roxane die Kette loslöst, tötet er eine mitgeführte Katze, worauf das vom Blut aufgewühlte Meer ihn an Land spült (19229-19405); lässt sich von zwei Greifen in die Lüfte tragen, nimmt die Erde als auf dem Wasser schwimmenden Helm wahr, wird von einer Stimme gemahnt, Gott nicht herauszufordern, landet und findet erst nach einem Jahr verarmt und verletzt zu seinem Heer zurück (19497-19590); zieht zu Sonnenund Mondbaum, von denen ihm der Tod durch einen Gefolgsmann prophezeit wird; wird von seinem Kämmerer vergiftet, seine Herrschaft hat 24 Jahre gedauert (19627, 19657). [1] [1] Universalgeschichtliche Einleitung und chronistischer Bericht reflektieren die von El und E2 repräsentierte ältere chronistische Tradition, obwohl zur Entstehungszeit
des Textes eine breite Romantradition ( A l , A2, ev. A3) vorliegt.
E9 Brun von Schönebeck, , Hohelied': Α beklagte am Totenbett, sich nur den weltlichen, vergänglichen Dingen hingegeben zu haben (4220; 4225; der Erzähler will sich daher mit Mariens Hilfe Jesus zuwenden); war einst ein Fürst der Fürsten und ist nunmehr nichts (10296). E10 Hugo von Langenstein, .Martina' 192b,37: Α schloss die jüdischen Völker Gog und Magog hinter den Kaspischen Bergen ein, wo sie bis zum Erscheinen des Antichrist unter der Gewalt der Amazonen stehen. El 1 ,Die Erlösung' 6509: Α wird mit anderen Frevlern beim Jüngsten Gericht verdammt werden (Berufung auf eine Prophezeiung der Sibylle). [1] [ 1 ] Der Katalog nennt an antiken Figuren noch Apollo, Iuppiter, Venus, Pallas Athene, Achilles, Aeneas, Paris, Hector, Hercules, Ulixes und Nero. Α trägt den Titel „meister".
E12 Heinrich von Neustadt, ,Gottes Zukunft' 5814: Α hat das Volk Gog und Magog hinter die Kaspischen Berge getrieben. Sie werden dort von den Amazonen festgehalten, bis sie mit dem Antichrist in den Kampf ziehen. II. 1) Α in der ma. Geschichtskonzeption; 2) Entwicklung der A-Literatur; 3) A-Roman; 4) Dt. A-Romane; 4A) A's Jugend; 4B) A's Weltherrschaft; 4 C ) As Wunderfahrten; 4D) Eschatologie, Α als exemplum vanitatis; 4E) Zusammenfassung; 5) A-Anspielungen; 5A) Didaxe; 5B) Minnethematik; 5C) Universalgeschichte; 6) Resümee
1) Die zentrale Stellung A's des Großen im MA erklärt sich aus der universalgeschichtlichen Bedeutung, die ihm die ma. Weltreichstheorie beimaß [1], Entsprechend der Auslegung der Danielschen Vision von den vier Tieren durch Hieronymus (407 n. Chr.) wird das von Α gegründete Reich nach dem babylonischen und dem persischen als das dritte Weltreich aufgefasst. Es wird bei Daniel durch den Leoparden symbolisiert. Ihm folgt als letztes das röm. Reich. Diese Geschichtskonstruktion geht auf antike Konzeptionen zurück und ist sowohl biblisch als auch durch eine breite patristische Kommentarliteratur abgesichert. Sie bestimmt das gelehrte ma. Geschichtsver-
Alexander [1] ständnis und wird insbesondere in den frühen Texten mit geistlich-chronistischer Intention (El, E2) verarbeitet (in Anlehnung an diese Tradition auch E8) und in Al (4., 5. Buch), A3 (10. Buch) und B16 explizit erwähnt. Mit Daniels Vision ist das ebenfalls universalgeschichtlich wichtige Motiv von Nebukadnezars Traum (Statue mit goldenem Haupt, silberner Brust, bronzenem Unterleib, eisernen Beinen und tönernen Füßen, von Daniel auf eine Reichsabfolge gedeutet, Dan 2,29-45) verbunden in A2, gekreuzt in E2; es ersetzt Daniels Vision in E8. Die universalgeschichtliche Bedeutung A's kommt auch in Genealogien zum Ausdruck, die zunächst mit den Trojagenealogien gleichwertig waren, wie die Rückführung der Franken auf Α bei Otfrid von Weißenburg (,Evangelienbuch' 1.1, um 870) zeigt. Ε1 und E2 geben eine A-Genealogie der Sachsen. Sie werden von den aus Troja stammenden und also mit den Römern verwandten Franken unterworfen. Das Konstrukt bildet offensichtlich die Weltreichsabfolge (von Α auf die Römer) nach und weist auf den nunmehr höheren Rang der Trojagenealogie hin. Das Modell von den vier Weltreichen ist auch die Folie der Zeitalter des Rittertums in B6, das in Troja erfunden wurde, in Griechenland unter Α seine erste Blüte erlebte und sich in der Folge auf die Römer und die Franken übertrug (eine solche translatio des Rittertums gibt bereits der Prolog des ,Cliges' von Chretien de Troyes mit möglichem Einfluss auf B6). 2) Α prägte sich als exemplarische Eroberer-, Herrscher- und Forschergestalt dem ma. Geschichtsbild ein und galt ihm als typische Weltfigur, als exemplum vanitatis. Seine Lebensbeschreibung wurde Gegenstand der Historiographie und in beispielhafter Weise internationaler Erzählstoff, der byzantinische, abendländische, arabische, persische und jüdische Traditionen verbindet. Den Ausgangspunkt der Α-Literatur bildete jene biographische Tradition, die sich bereits zu Lebzeiten A's bzw. unmittelbar nach seinem Tod entwickelte, allem voran die im Auftrag
49
As entstandenen Aufzeichnungen des Kallisthenes, in weiterer Folge die Biographie des Kleitarchos, die bereits romanhafte Züge aufweist, und das Genre der Α-Briefe, aus dem der Briefroman des 1. Jh. v. Chr. hervorging und das im MA vor allem durch die verbreitete ,Epistola Alexandri Magni ad Aristotelem' (zu den Wundern Indiens) repräsentiert wird. Einen direkten Reflex dieser ,Epistola' bildet der lange Briefbericht A's in A l , A2 und A3. Dieses erste Α-Schrifttum wurde in dem fälschlicherweise dem Kallisthenes zugeschriebenen A-Roman des 3. Jh. n. Chr. gebündelt. Seine Verbindung von Historiographie und Fabulistik wurde für die folgende A-Literatur richtungweisend und gibt generell ein Paradigma des Romans ab. Der ,PseudoKallisthenes' wurde im 4. Jh. n. Chr. zunächst von Iulius Valerius ins Lat. übersetzt. Größere Wirkung erzielte die Ubersetzung des Archipresbyters Leo von Neapel (lO.Jh.). Erweiterte Fassungen kursierten unter dem Titel ,Historia de preliis' und hatten entscheidenden Einfluss auf die volkssprachige A-Tradition. Die ,Historia de preliis' ist mittelbar über den ,Roman d'Alexandre' des Alberic de Pisangon (um 1120, verloren) die Quelle von A l und Nebenquelle von A2 und A3. Die mlat. ALiteratur stützte sich vor allem auf die A-Historie des Quintus Curtius Rufus (Datierung vom 1. bis ins 4. Jh. n. Chr.) mit ebenfalls romanhaften Zügen. Sie ist die Hauptquelle von A2 und bildete die Grundlage des überaus erfolgreichen Hexameterepos Walters von Chätillon, der Alexandreis' (um 1180), der Quelle von A3. El und E2 repräsentieren einen älteren Strang dt. Α-Literatur, die auf der lat. chronistischen Tradition (,Epistola\ ,Iter ad paradisum') fußt, den „Mirabilia" (Greifenflug, Meeresfahrt, Paradiesfahrt) den Vorzug vor einem linearen und konsistenten narrativen Bericht gibt und deren zentrales Interesse dem belehrenden Charakter gilt („vanitas", „superbia"). In dieser Linie steht auch E8, obwohl zur Entstehungszeit des Textes in Al und A2 (eventuell auch A3) bereits eine breite höfische Α-Literatur vorlag. [2] 3) Der Α-Roman verfolgt grundsätzlich zwei
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Alexander [1]
große narrative Stränge. Der erste, historisch fundierte Teil konzentriert sich auf die Einigung der gr. Stadtstaaten durch A, die folgende Auseinandersetzung zwischen Griechen und Persern und auf As Eroberungen als Akt der Gründung eines Großreichs. Der politisch-militärische Konflikt verdichtet sich literarisch-modellhaft in der Auseinandersetzung zwischen Α und Darius, dem jungen und dem alten Herrscher. Mit Darius' Tod und der Übernahme der Weltherrschaft durch Α mündet dieser erste Strang in die Erzählung von der eher forscherisch als militärisch motivierten Erkundungsfahrt an die Grenzen der Erde, zu der der historische Indienzug As umgestaltet wird. Der A-Roman verbindet so auf überaus erfolgreiche und wirkungsmächtige Weise Historiographie mit Kosmographie und zeigt ein Weltbild, in dem ein quasi rationales Verständnis von geschichtlichen Abläufen, das im MA freilich auf eine religiös motivierte Geschichtsteleologie zielt, mit hartnäckigen mythischen Weltrand-Vorstellungen durchsetzt ist. Diese Dichotomie kennzeichnet historiographische wie literarische Α-Tradition insgesamt. Der volkssprachliche Roman verstärkt die phantastischen Züge des Α-Lebens im Vergleich zur lat. Chronistik und Α-Literatur nur teilweise. Eine wesentliche Neuerung bringt aber die Stilisierung As zum höfisch-ritterlichen Herrscher, wodurch höfische Inszenierung (Fest), Aventiure- und Minnethematik einfließen können. Akzentuiert wird auch das für die Α-Tradition von Beginn an wichtige Thema der Konfrontation von Orient und Okzident. Es nimmt im höfischen ARoman (bes. A3) deutlich Züge der Kreuzzugsdichtung an. 4) Die mhd. A-Romane zeigen in den großen Handlungszügen trotz unterschiedlicher Quellen klare Ubereinstimmungen in Thematik, Motivik und narrativer Struktur. 4A) Die Wunderzeichen weisen A's Geburt als kosmisches Ereignis aus, die Symbolik (Unwetter, Erdbeben, A l , A2; Kometeneinschläge A3) deutet auf die Veränderung
der Weltordnung hin. Die Abstammung
vom
ägyptischen Zauberer Nectanebus reflektiert das Selbstverständnis des historischen Α als Sohn des Ammon-Zeus (A2, A3). A l weist diese für den Heldentypus bezeichnende „obskure Genealogie" zurück und beruft sich dafür auf den biblischen Bericht im ersten Makkabäerbuch. Auch das wundersame Aussehen des Kindes deutet auf A's außergewöhnliche Biographie voraus. Seine Jugend reflektiert Motive des „hero pattern", eine signifikante Episode ist die Zähmung des wilden Pferdes Bucephalus (Al, A2, A3). Der zweite zentrale Aspekt ist A's Erziehung und Ausbildung en den Sieben Freien Künsten und in den Fürstentugenden, bei der Aristoteles, dem hohen MA das Musterbeispiel antiker Gelehrsamkeit, die tragende Rolle spielt. In A2 nimmt die Passage den Charakter eines regelrechten Fürstenspiegels an. Somit wird bereits in der Gestaltung der A-Jugend die produktive Mischung didaktischer und phantastischer Erzählintentionen prägnant fassbar. A4 gestaltet sie unter dem Einfluss des mit Aristoteles verbundenen Frauensklaventopos zur burlesken vornovellistischen Casuserzählung um.
4B) Die Überleitung zu A's Herrschafisantritt bildet ein erster Kriegszug gegen Nicolaus von Korinth, verbunden mit dem Motiv der Ermordung Philipps. Es folgt A's Eroberungszug
durch Griechenland
(den Widerstand Athens
reflektieren A2 und A3, wobei nur A3 den historischen Gegner Demosthenes auftreten lässt). Die universalhistorisch zentrale Ausein-
andersetzung mit Darius und dem Weltreich
der Perser wird durch die Unterwerfungsaufforderung des persischen Herrschers eingeleitet (Al, A2, A3). Die Zeitenwende ist durch eine stereotype Konfiguration markiert, die an das in dieser Hinsicht prägende biblische Muster David-Goliath erinnert: der alte steht gegen den jungen Herrscher, die hybride Machtverteidigung des ersten gegen den hybriden Machtanspruch des zweiten. Die Symbole
des Konfliktes, Darius' provokante
Geschen-
ke,, sind doppelt lesbar, ihre Definierbarkeit
Alexander [1] und Neudefinition durch Α dokumentieren Folgerichtigkeit, Kausalität und Bedeutsamkeit des „historischen" Prozesses. Auffallend ist im höfischen Α-Roman die zunehmende Stilisierung des Konflikts zur Konfrontation zwischen Orient und Okzident. Das erzählte vergangene Geschehen präfiguriert auf diese Weise die aktuelle zeitgenössische Auseinandersetzung, beides ist aufeinander beziehbar. Der Erfahrungshorizont der Kreuzzüge wird insbesondere in A2 und A3 greifbar, in A3 lassen sich explizite Einflüsse des chanson de g«ie-Romans, zumal von Wolframs ,Willehalm', festmachen. [3] Der Kriegszug wird von A l bis A3 zunehmend breiter ausgestaltet, die wesentlichen Phasen sind eine erste Schlacht gegen Memnon ( A l ) bzw. am Stranga (A2) bzw. bei Issos (A3), dann die Gefangennahme des Trosses des Darius und dessen Flucht, eine zweite, entscheidende Schlacht am Stranga ( A l ) bzw. bei Arbela (A2, A3) und schließlich die Verfolgung und Einholung des durch ein Attentat tödlich verwundeten Da-
rius, die zur Versöhnungsszene zwischen Darius
und Α überleiten (Al, A2, A3; in der Version V von A l , die der chronistischen Konzeption der Handschrift entsprechend stark rafft und kaum als originales Ende der Lamprecht'schen „Urfassung" anzusehen ist, fällt Darius durch A [4]).
AC) Mit der Übernahme der Herrschaft über das persische Weltreich ist die universalgeschichtlich relevante Handlung abgeschlossen. As Indienzug repräsentiert den zweiten großen narrativen Strang des A-Romans. Als Unternehmen, das auf Expansion zielt (Eroberungszug gegen Porus), bezeichnet er andererseits den Punkt, in dem das neue Weltreich das alte überbietet. Das zentrale Interesse der Handlung gilt nunmehr aber der kosmographischen und didaktischen Perspektive: Die Begegnungen mit den Wundervölkern bedienen typische Vorstellungsmodelle von den Grenzen der erfahrbaren Welt. Die höfischen A-Romane setzen dabei nicht nur Motive und Ereignisse ihrer Quellentexte fort, sondern lassen sich auch mit jener höfischen Erzähltradition der Ori-
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entfahrt verbinden, die im,Herzog Ernst' vorliegt. Die Ausgestaltung der Wunder-Episoden nimmt von A l bis A3 deutlich zu, hat entscheidenden Einfluss auf analoge narrative Muster im späthöfischen Aventiureroman und macht somit die engen Vernetzungen innerhalb der höfischen Literatur transparent (vgl. bes. den Exkurs Β16). Insbesondere die Amazonenepisode gibt davon ein anschauliches Zeugnis. Wird in A l nur von einem Austausch von Botschaften berichtet, so schildern A2 und A3 in Rückgriff auf Quintus Curtius Rufus bzw. Walter von Chätillon die Begegnung von Α und Thalestris. Sie wird als höfische Minnehandlung gestaltet und von Exkursen zur Gesellschaftsordnung der Amazonen gerahmt, die wiederum Beziehungen zur Amazonenhandlung im Trojaroman zeigen (vgl. den Verweis auf den A-Roman in Β13). Einen der wenigen Ansätze für das höfische Minnethema bietet auch die Beziehung zwischen Α und Candacis (Al, A3; vgl. fiir A3 v.a. das Motiv der „Fernliebe" im 7. Buch; die Anspielung in C1 kann sich auf Candacis beziehen oder ein Reflex der Blumenmädchen-Episode von A l sein). 4D) In der Begegnung mit den Völkern Gog und Magog bzw. den Ismaelitischen oder Roten Juden streift der Α-Roman (A2, A3) ein eschatologisches Thema (Gog und Magog gehören zu den Heerscharen des Antichrist, vgl. E10 und E12, Anspielungen in B14, B16, D2, E3). Den „Wundermann" Α präsentieren schließlich die Episoden von A's Tauchfahrt und Greifenflug, die zur ältesten Schicht der Wundererzählungen von Α gehören, in den chronistischen Berichten El, E2 und E8 erwähnt sind (die Meerfahrt wie in A3 verbunden mit dem Motiv des gefährdeten Herrschers) und auch in den Anspielungen oft rezipiert werden (BIO, Β11, Β12, Β13, Β16, C3, C l l ) . Hinzu kommt A's versuchte Katabasis in A3 (von Walter von Chätillon nach dem Vorbild der Unterweltfahrt des Aeneas bei Vergil eingeführt). In diesen Passagen setzt sich die didaktische Perspektive durch, die sich in den Begegnungen mit den indischen
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Alexander [1]
Asketen (Oxydrakai in A l , Brachmanen und Gymnosophisten in A3) ankündigt. As superbia wird nun das entscheidende Thema. Den Höhe- und Wendepunkt bildet A's Zug zum Paradies·. A's Eroberungs- und Entdeckungsbestrebungen stoßen hier an die entscheidende Grenze, die Bedeutung des Geschehens wird durch den Stein sinnfällig, der Α überreicht wird und der nur aufzuwiegen ist, wenn man ihn mit Erde bedeckt. Er symbolisiert die Hinfälligkeit des mächtigen, aber sterblichen Weltherrschers und die Anmaßung und Eitelkeit von A's Machtstreben und Weltbezogenheit (Al, A3 mit Doppelung des Motivs). Auch diese Episode wird in den Anspielungen häufig rezipiert (B2, B16, C6). Die Warnung führt in A l zur inneren Umkehr A's, er lässt von „urlöge" und „giricheit", den Todsünden ira und avaritia, ab (Al; 7285) und erlangt Vergebung. In A3 folgt die Fahrt zu Sonnenund Mondbaum (so auch E8), die Α den baldigen Tod prophezeien. A's Tod durch Gift ist somit nicht direkte Folge seiner Hybris, sondern einer Verschwörung gegen den nun positiv gezeichneten mächtigen Herrscher (auf Betreiben des Teufels Leviathan durch Antipater in A3, durch seinen Kämmerer in E8; ob der „Tod durch zerborstenes Haupt" in A l auf den Giftanschlag anspielt, ist unklar). Ein ähnlicher Wechsel in der Erzählintention ist beim Mordanschlag auf Darius festzustellen. Trotz A's Umkehr, die das Erzählmuster des Sünderheiligen reflektiert, führt A's Tod jedenfalls zurück zu Α als exemplum vanitatis: Dem Weltenherrscher bleibt nicht mehr Erde als die, die seinen Leichnam bedeckt. [5] A3 inszeniert ihn hingegen als bedeutsames, tragisches Ereignis von universalhistorischer Tragweite. Es folgt ein Ausblick auf die Geschichte der Diadochenreiche (angedeutet auch in E l , E2 und B16). 4E) Trotz des im Wesentlichen konstanten Handlungsgerüsts und der relativ einheitlichen Grundthematik und -konzeption der Α-Figur (universalgeschichtliche Relevanz und kosmographische Intention, außerge-
wöhnlicher Herrscher und Forscher, Hybris und Vergänglichkeit, Weltlichkeit) weist die Geschichte des höfischen Α-Romans auf eine enorme Entwicklung in der höfischen Epik. Die Fassungen V und S von A l können als relativ einfache Grundformen didaktisch und geschichtlich orientierten frühhöfischen Erzählens aufgefasst werden, mit der Tendenz zur Öffnung in Richtung Minnethematik und dem Erzählthema des Erstaunlichen und Außergewöhnlichen, mit gewisser Entsprechung zum „Sensationellen" in der Heldendichtung (vgl. die Kategorie „Wunders vil", .Nibelungenlied', Str.l). Auf die Heldendichtung wird in A l auch explizit hingewiesen. Die ambitionierteste Konzeption stellt sicher der unvollständige Text A2 dar, der trotz der Verdikte der lat. Poetik den Anspruch stellt, mit einem volkssprachlichen Α-Roman gelehrtes Geschichtswissen und theologisch fundierte (Fürsten-) Didaxe auf höchstem Niveau zu vermitteln. [6] Die Eigenheit und Fortschrittlichkeit von A3 ist sicherlich der Quelle, Walters von Chätillon Alexandreis', zuzuschreiben, die den Stoff bewusst und reflektiert zum Epos in der Tradition Vergils umgestaltet und zu seiner literarischen Vollendung führt. Anspruch, Stil, Szenenregie, allegorischer Apparat, literarische Virtuosität und Selbständigkeit des Textes weisen dabei deutlich auf die Renaissance voraus. A3 vermag der ,Alexandreis' in diesem Punkt zwar nicht gerecht zu werden, folgt ihr aber insofern „methodisch", als er ganz deutlich die Gestaltungsmittel seiner Tradition, d.h. der höfischen Literatur, einfließen lässt. Dies zeigt sich an der Gestaltung des Konfliktes OrientOkzident nach dem Muster der Kreuzzugsliteratur, an der Minnehandlung und schließlich an konkreten Szenen und Motiven (bes. stark und gewollt ist der Einfluss von Wolfram von Eschenbach; so zitiert etwa das Bild von Roxane in der Klause deutlich jenes von der um Schionatulander trauernden Sigune in Wolframs .Parzival' bzw. im Jüngeren Titurel' Albrechts).
Alexander [1] 5) Den Intentionen des Α-Romans entsprechend dominiert auch in den zahlreichen Anspielungen die universalhistorische und didaktische Deutung der Α-Gestalt. Sie erklärt nicht nur die Sonderstellung des A-Romans im Gefüge der höfischen Epik (Minne als untergeordnetes Thema), sondern auch die Verteilung der Anspielungen: Α ist im Minnesang (nur C l ) und im Kontext der Minnehandlung des höfischen Romans signifikant unterrepräsentiert. Dagegen sind die Nennungen in der Spruchdichtung und im Zusammenhang mit den epischen Themen „Herrschaft" und „Kampf überaus zahlreich, sodass sich durchaus von einer gattungsbezogenen Exempelfigur sprechen lässt (wie vice versa bei Paris). 5A) Im Einzelnen zeigen die exempla Α als den
hervorragenden Strategen und Heerführer, so Β1 und B7 (jeweils verbunden mit dem Gedankenexperiment, Α könnte die Schlachtreihen Rolands nicht durchbrechen), Β12, Β18, C13;
als fairen Kämpfer B5; als vorbildlichen und freigebigen Herrscher B21, C2, C5, C8 (gemeinsam mit Artus), C12, D l , D3 (Vorbild
für die Jugend), E5; als reichen Herrscher Β19 und B22, verbunden mit der Mahnung zur Mäßigung D3 und D4. Stark betont wird auch A's Vorbildlichkeit als Forscher und För-
derer der Wissenschaft und Gelehrsamkeit, so
in B12 (A bezeugt die Klugheit als typische Eigenschaft der Griechen), B4 (Experte für Edelsteine), Β16, C l l (verbunden mit dem Topos vom unzureichenden menschlichen Wissen), D3, D4, unter besonderer Betonung des Wundersamen und Kühnen in
BIO, B l l , C3, El, E2 und E8. As sprichwörtliche Macht thematisieren B9, B12 und
B17 (verbunden mit dem höfischen Topos vom höheren Rang der Minne), unter dem
Aspekt der Gefahrdung des Herrschers Β13
und mit Verweis auf den Giftanschlag B5, C7, D3, D4; als ein eindringliches Beispiel für Vergänglichkeit und vanitas fassen A's Tod CIO, D2, D3, D4, E4, E9, mit Hinweis auf den symbolträchtigen Paradiesstein Β16 und C6; mit scharfer Verurteilung von A's superbia und Weltbezogenheit E7 und El 1.
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Trotz dieser zentralen Thematik von vanitas und superbia überwiegt in den Anspielungen insgesamt ein positives Α-Bild, dessen zentrale argumentative Wirkung auf Elemente der Fürstenlehre abzielt (so vor allem in den Anspielungen auf A's Freigebigkeit und Interesse an der Gelehrsamkeit). Daher ist Α auch
eine beliebte Vergleichsfigur im Fürstenpreis:
Einen „neuen" Α wollen etwa B3 in Erec, B21 in einem adeligen Jungherren, C5 in Hermann von Thüringen, E5 im Heiligen Georg (Freigebigkeit) und C13 in Ottokar II. von Böhmen (Heeresstärke und Reich-
tum) erkennen. Im überbietenden Vergleich werden A's Taten, Kämpfe und wundersame Erlebnisse von jenen Rennewarts und Malefers (BIO), Reinfrieds und der Könige von Ascalon und Assyrien (B16), des Königs Apollonius (B17), des Ritters Alpharius (B20) und von den wundersamen Vorgängen der Gegenwart übertroffen (C3 bzw. C4, ironisch und verbunden mit der Zeitklage, so auch im Vergleich des „kühnen" Pfennigs mit A in D4). Freudvoller als Α sieht sich der Minnesänger Ulrich von Liechtenstein in B l l , Isoldes Krone ist schöner als die von Α und Artus in Β15, mit Α vergleicht sich auch der durch das Meer tauchende Achilles in Β13. Indem diese Vergleiche einen prominenten und breit rezipierten literarischen Stoff evozieren, betonen sie die Außergewöhnlichkeit dessen, wovon eigentlich erzählt oder gesungen wird. Die Uberbietung von A's weltlicher Macht durch die Macht des Himmelreichs in D2 führt zurück zum Thema Weltlich-
keit und vanitas.
5B) Im Kontext des Minnethemas wird Α von Β16, C l , C9 und C14 genannt. B4, C l und C9 bezeugen im Sinne epischer und lyrischer Minneideologie die Macht der Minne, wobei C l Α wertfrei als Identifikationsfigur für den leidenden Sänger begreift. Β16 und C14 sind hingegen im Kontext des Frauensklaventopos zu sehen, in C l 4 mit deutlicher Polemik, wie sie für die didaktische Perspektive der Spruchdichtung typisch ist. Eine Kreuzung beider Argumentationstypen kann in C9 be-
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Alexander [2] — Alexander [3]
obachtet werden, wenn sich der Sänger mit Α identifiziert und sich so nicht wie in C1 als exemplarischer Minneleidender, sondern als Frauensklave präsentiert. 5C) Äs universalhistorische Bedeutung (Lehre von den vier Weltreichen) reflektieren schließlich B6 und Β16, B6 verschlüsselt in der Geschichte von den Zeitaltern des Rittertums, das Α zu einer ersten Blüte führt, die Römer von den Griechen übernehmen und an die Franken weitergeben. In den Anspielungen auf Äs Begegnung mit den Ismaeliten, Roten Juden oder Gog und Magog (B14, Β16, D2, E3, E6, Ε10, Ε12) klingt die skizzierte eschatologische Perspektive des A-Stoffes an. Aitiologische Funktion hat schließlich B2 (Krone Berchters, vgl. die Ursprungssage des Waisen der Kaiserkrone im .Herzog Ernst'). Zum Bildsujet wird Äs Geschichte in B8, was durchaus mit der breiten ikonographischen Tradition in Verbindung gebracht werden kann, die sich im MA zur Α-Sage entwickelte. [7] 6) Insgesamt bleibt zu sagen, dass Α in der volkssprachlichen Literatur des MA die bekannteste historische Gestalt der Antike abgibt. An der Entwicklung der Figur und der mit ihr verbundenen Topik lassen sich in nuce entscheidende literar- und bildungshistorische Prozesse ablesen. [1] S.v. Weltende, Weltzeitalter (M. Gerwing), in: LMA, Bd. 8, Sp. 2168-2172. [2] S.v. Alexander d. Gr. in Kunst und Literatur (K. Wessel u.a.), in: LMA, Bd. 1, Sp. 354-366; Ehlert, Deutschsprachige Α-Dichtung, 12ff.; Chr. Mackert, Die Alexandergeschichte in der Version des „Pfaffen" Lambrecht. Die frühmhd. Bearb. der Alexanderdichtung des Alberich von Bisinzo und die Anfänge weltlicher Schriftepik in dt. Sprache, 1999; Alexander the Great in Fact and Fiction. Ed. Α. Β. Bosworth and Ε. J. Baynham, 2000; Alexanderdichtungen im MA. Kulturelle Selbstbestimmung im Kontext lit. Beziehungen. Hg. J. Cölln [u.a.], 2000. [3] Vgl. Β. K. Vollmann, Ulrich von Etzenbach, Alexander', in: Positionen des Romans im späten MA. Hg. W. Haug und B. Wachinger, 1991, 54-66. [4] Zu Konzeption und Schluss der Fassung V vgl. Ehlert, Deutschsprachige Alexanderdichtung, 38ff.; dafür, dass Darius schon in der Vorlage von A l , im (nur fragmentarisch überlieferten) afrz. Alexanderlied Alberics fallt, argumentiert hingegen Mölk, Alberics Alexanderlied. [5] Zum exemplum vanitatis in A l vgl. P. K. Stein, Ein
Weltherrscher als vanitas-Exempel in imperial-ideologisch orientierter Zeit? Fragen und Beobachtungen zum ,Straßburger Alexander', in: Stauferzeit. Geschichte, Lit., Kunst. Hg. R. Krohn [u.a.], 1979, 144-180. Zum Muster des Sünderheiligen Ehlert, Deutschsprachige Alexanderdichtung, 76. [6] Zum poetologischen Konzept s.v. Rudolf von Ems (W. Walliczek), in: VL, Bd. 8, Sp. 322-345, hier Sp. 332ff.; W. Haug, Literaturtheorie im dt. MA, 1992, 299ff. [7] Zur Exempeltradition: Exemplum et similitudo. Alexander the Great and Other Heroes as Points of Reference in Medieval Literature. Ed. W. J. Aerts, 1988. [8] Zur bildnerischen Rezeption im ΜΑ: S.v. Alexander der Große (O. Holl), in: LCI, Bd. 1, Sp. 94-96; D. J. A. Ross, Illustrated Medieval Alexander-Books in Germany and the Netherlands. A Study in Comparative Iconography, 1971; S.v. Alexander d. Gr. in Kunst und Literatur [Anm. 2], Sp. 354f. Nachbenennungen Wolfram von Eschenbach, ,Parzival\ A war Kaiser der Griechen und Geliebter der Surdamur, die seinetwegen das Wesen der Minne schmerzhaft erfahren musste (586,27; [712,9]; warnendes Beispiel für Minneleid, von Artus an Itonje, Surdamurs Schwester, gerichtet). [1] yAthis und Prophilias' C6,28 (Alexandir): Name eines Kämpfers. Der Pleier, ,Garel\ Junger und tapferer Fürst im Heer des Eskilabon (2481 u.ö.) Albrecht, Jüngerer Titurel\ Ein Riese, Bruder des Philipp, Nachfahre As, daher der Name, von Tschinotulander besiegt, berichtet von As Kämpfen und Forschungen (4836,1; 4854,1), bekehrt sich zum Christentum (6117,1; 6119,1). — König von Assim, Führer einer Schar in Ackerins Heer (3157,1 u.ö.). [1] Gemeint ist A, der Vater von Clig£s; dass er als Griechenkaiser zur Zeit des Artus den Namen Α trägt, erklärt sich wohl aus dem Vorbild As des Großen. [mk]
Alexander [2] [Bruder der Olympias und Onkel von -» Alexander 342-330 v. Chr. König der Molosser]
[1],
Al P f a f f e Lamprecht, yAlexanderlied': A war der Bruder der Olympias und Onkel von Alexander dem Großen; er besaß Ländereien in Persien, wollte nie einem König Untertan sein und floh aus keinem Kampf (V95-103). [mk]
Alexander [3]
Paris
Alphenor — Amazones
Alphenor [Sohn der Niobe, wird von Apollo getötet; M M 6 , 2 4 8 ]
A l Albrecht von Halberstadt, ,Metamorphosen ' 6,515: Die Söhne der Niobe üben sich im Ritterspiel [1], als Apollo an ihnen die Schmähung Latonas durch Niobe rächt. A, der fünfte Sohn Niobes, will seinen von Pfeilen getroffenen Brüdern Phaedimus und Tantalus zu Hilfe eilen und wird dabei selbst tödlich verwundet (Katalog der getöteten Söhne Niobes). [ 1 ] Die sportlichen Ertüchtigungen bei Ovid werden von A1
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nen inneren Konflikt zwischen Mutter- und Schwesterliebe. Schließlich wirft sie aus Rache für ihre beiden Brüder das Scheit, das sie von den drei Höllengöttinnen bekommen hat und an dem Meleagers Leben hängt, ins Feuer und begeht anschließend Selbstmord (8,847; 8,942). [1] [1] W i e Ovid lässt auch A l die Schwester in Α über die Mutter siegen, A l legt sich aber in der Bewertung fest: die Mutter verkörpert das Gute, die Schwester das Schlechte. [mk]
Amata
Latinus, Lavinia
der Zeit entsprechend als Ritterspiele gedeutet. [mk]
Amazones [Sagenhaftes Volk kriegerischer Frauen, kämpfen u.a. vor
Alpheus
Troja]
[Fluss, Flussgott; M M 2 , 2 5 0 ; 5 , 5 9 9 ]
Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen': Als der von Phaeton gelenkte Sonnenwagen außer Kontrolle gerät und der Erde zu nahe kommt, werden Α und weitere Flüsse ausgetrocknet (2,516; Katalog). Α verliebt sich in die Jungfrau Arethusa, die in seinem Wasser ein Bad nimmt. Als sie aus Angst zerfließt, verwandelt sich auch Α in Wasser, um sich mit ihr zu vereinigen. Arethusa aber kann entkommen, weil ihr Diana einen unterirdischen Flusslauf eröffnet (5,1081-1149). [1] [1] Z u r aitiologischen Funktion des Mythos bei Ovid Arethusa. [mk]
Althaea [Königin von Calydon, Mutter des Meleager, den sie aus Rache für ihre Brüder zu Tode bringt; M M 8 , 4 4 6 ]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Althea)·. A, die Tochter von Thestius, Gattin von Oeneus, Mutter von Meleager und Schwester von Toxeus und Plexippus, opfert den Göttern zum Dank dafür, dass Meleager den Kalydonischen Eber erlegen konnte. Als sie erfährt, dass ihr Sohn ihre beiden Brüder im Streit getötet hat, gerät sie in ei-
W: Volk kriegerischer (A2, A4, B4, D2, E l , E4) Frauen (Al, A2, A3, A4, B4, D l , D2, E l , E4); Land (Al, B3, C I , E2), das nur von Frauen (A5, C l ) bzw. Männern (A5) bewohnt wird; Mannfrauen (B2), Wundervolk (D2) Nf.: Amasones (Dl), Amazanes (B2), Amazon (A5, B3), Amazonum (E2), Amazonun (E3), Amazun (B3), Ammasones (B4), Damie (Cl), n.n. (Bl); ihr Land: Amazonia (Al), Azoma (A2) Etymologie: Der Name bedeutet in der Landessprache „Brust" (A4) I. Al Pfaffe Lamprecht, Alexander' S6471: Als Alexander gegen die Α ziehen will, geben ihm diese zu bedenken, dass für ihn als Mann sowohl eine Niederlage als auch ein Sieg Schande bedeuten würde. Komme er in Frieden, würden sie ihm dienen. Einst siegten die Α über Cyrus. A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Die Α vereinigen sich jedes Jahr für drei Monate mit ausgewählten Rittern des Nachbarlandes. Die aus dieser Verbindung hervorgehenden Töchter bleiben bei den Α und werden zum Ritterleben erzogen, die Söhne kehren zu ihren Vätern zurück. Nach Paris' Tod ziehen
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Amazones
die Α unter Penthesileas Führung nach Troja ( 1 4 3 0 3 ; 14322), sind im Kampf den Griechen überlegen und werden nach der Schlacht von Priamus mit einem Festmahl belohnt ( 1 4 4 9 0 1 4 5 9 3 ) . Als Penthesilea von Pyrrhus getötet wird, fliehen sie ( [ 1 4 9 0 6 ] ) .
A3 Rudolf von Ems, »Alexander': Die Α leben in der Nähe von Caspia ( 1 6 0 4 2 ) in einem reinen Frauenstaat, niemand k o m m t ihnen an Ritterschaft gleich, sie sind überaus schön. Sie sind aus dem Volk der Skythenkönige Plinius und Scolopetius hervorgegangen. Als deren Heer von Feinden sukzessive aufgerieben wurde, nahmen die Frauen ihre Verteidigung selbst in die Hand. Sie töteten ihre übriggebliebenen Männer und eroberten mit Waffengewalt ein mächtiges, natürlich und künstlich befestigtes Reich. Einmal im Jahr, beim Fest zu Ehren Iuppiters, verbinden sie sich mit Männern. Die strikte Geschlechtertrennung soll verhindern, dass die Frauen neuerlich von den Männern geknechtet werden. Die Söhne schicken sie im Alter von sieben Jahren zu ihren Vätern, die T ö c h t e r behalten sie bei sich und brennen ihnen die rechte Brust ab. Die Α tragen auf der linken Seite Frauenkleider, auf der rechten nur knielange Bekleidung. Ihr G o t t ist Iuppiter. Sie kämpften einst vor Troja gegen die Griechen. Die Α Camilla kämpfte gegen Aeneas ( 1 7 7 7 1 - [ 1 8 1 3 8 ] ; Bericht der A-Königin Thalestris an Alexander).
A4 Konrad
von Würzburg, , Trojanerkrieg'
15199: D e r als Frau verkleidete Achilles ähnelt nach Ansicht der Thetis in seinem Kampfeifer den A. , Trojanerkrieg'-Fortsetzung: Die Α wohnen in Asien. Sie verbinden sich jährlich 3 0 Tage lang mit Männern. Die Söhne schicken sie zu ihren Vätern, die Mädchen behalten sie und schneiden ihnen die rechte Brust ab. Das W o r t für Brust in der Landessprache („amazon") erklärt den Namen der Α. [1] Die Α kommen den Trojanern nach Hectors Tod zu Hilfe ( 4 0 5 8 4 ; 4 2 1 8 7 - 4 2 4 4 6 ) , behaupten sich im Kampf gegen die Griechen und fliehen nach Penthesileas Tod ( 4 3 3 8 8 ) .
[1] Zur (schiefen!) Etymologie vgl. Isidor, Etym. I X . 2 , 6 2 f f . Für die Angaben über den A-Staat wird auf ein Buch über Alexander (A3?) verwiesen ( 4 2 2 3 9 f . ) .
A5 Ulrich von Etzenbach,
.Alexander'·. Auf
dem Schild des Darius sind der Sieg der Amazone Tomyris über Cyrus und dessen Enthauptung abgebildet. Der Dichter klagt über die Unbeständigkeit der Welt und über den Tod, der einen Mann wie Cyrus von einer schwachen Frau besiegen lässt ( 7 7 6 5 ; 7 7 7 6 ; Exkurs). Alexander trifft auf die A-Königin Thalestris, die von 2 0 0 einbrüstigen Jungfrauen begleitet wird. Ihr Land reicht vom Phasidon bis zum Kaukasus. Frauen und Männer leben in getrennten Gebieten, die Männer werden nur für bestimmte Zeit zur Zeugung von Nachkommen ins Frauenland geholt. Die Söhne werden von den Α zu ihren Vätern zurückgeschickt ( 1 7 4 2 1 - 1 7 4 3 6 ) .
B1 Wirnt von Grafenberg , Wigalois' [9133]: Die Königin von Tyrus, Elamie, erscheint zur Hochzeit von Wigalois mit einem Gefolge von zwölf aus Alarie stammenden, ritterlich gerüsteten Jungfrauen. Deren Anführerin Marine entschloss sich einst zum Ritterleben, nachdem Roaz ihren Großvater Adnan von Damaskus gefangen genommen hatte.
B2 Ulrich von Türheim, ,Rennewart'
31972:
Die Α-Königin Penthesilea trifft mit ihrem zukünftigen Gatten Malefer zusammen und erklärt ihm, sie sei eine einbrüstige Α gewesen. D a sie Malefer heiraten sollte, gab ihr Gott zwei Brüste. Als Jungfrau besitze sie Stärke, als Frau verliere sie ihre Kraft.
B3 ,Reinfried von Braunschweig':
Die Kö-
nigin der Α nimmt mit 2 0 0 0 Kriegerinnen, die tapferer als die Männer kämpfen, an der Schlacht zwischen den Königen von Ascalon und Assyrien teil ( 1 9 4 1 7 ; 1 9 4 2 8 ) und wird von Reinfried besiegt. Weil er ihr das Leben schenkt, gibt sie ihm auf seine Fahrt zum Magnetberg eine Heilpflanze mit ( 2 0 0 8 1 ; 2 0 7 2 4 - 2 0 9 8 1 ; 2 2 0 7 4 ; RV: 2 4 0 1 1 ) . Die A wurden einst auf Befehl des damaligen Königs von ihren Männern ohne Grund schlecht behandelt, weshalb sie sie in einer gemeinsamen Aktion töteten und eine reine Frau-
Amazones engesellschaft gründeten, in die nur T ö c h t e r aufgenommen werden, die Söhne kehren zu ihren Vätern zurück. Die Α sind die besten Kämpferinnen, sie schneiden sich die linke Brust ab, um den Schild tragen zu können ( 1 9 4 3 0 ; Exkurs).
B4 Johann von Würzburg,, Wilhelm von Osterreich '7739: Die Α leben in der Nachbarschaft des wilden Volkes der Jakobin, die unter den kriegerischen Frauen leiden.
C1 Frauenlob V.26,1: Die A [Damie] [1] leben in einem reinen Frauenland. Die Knaben werden gesondert aufgezogen und nach ihrer Geschlechtsreife weggeschickt. Genauso sollte man Böse und Gute gesondert behandeln. [1] Die Nf. Damie ist ungeklärt. Ettmüller (Hg., zu 99,1) deutet sie als „d'amie" (Amazonen sind nur Geliebte, aber keine Ehefrauen), möglich wäre auch ein Zusammenhang mit dem Namen Elamie in Β1, vgl. Kern, Edle Tropfen, 370, Anm. 660.
D l ,Lucidarius' 15,7: Die Α leben im Kaukasusgebiet und kämpfen wie Ritter.
D 2 Hugo von Trimberg,,Der Renner' 24166: Die Α sind kämpfende Frauen, die sich schon mancher Männer erwehrten. Sie geben ein Exemplum für die Unbilden der Welt.
E l Rudolf von Ems, ,Weltchronik' 2038: Die mutigen, kampftüchtigen und kühnen A, die in frecher Weise wie die Männer kämpfen wollen, leben in der Nähe von Caspia und Kaukasus in einem von Gebirge und Meer umschlossenen Land.
E2 Jans Enikel, , Weltchronik':
Die A-Kö-
nigin besiegt Cyrus und lässt ihn enthaupten ( 1 8 8 5 4 ; [ 1 8 9 3 1 ] ) .
E3 Hugo von Langenstein,,Martina'
192b,47:
In der Gewalt der Α stehen die von Alexander hinter den Kaspischen Bergen eingeschlossenen jüdischen Völker G o g und M a gog, bis der Antichrist erscheint und sie in sein Heer aufnimmt.
E4 Heinrich von Neustadt, , Gottes Zukunft': Die Α-Königin bewacht das von Alexander hinter die Kaspischen Berge vertriebene Volk G o g und Magog so lange, bis der Antichrist erscheint ( 5 8 2 0 ) und sich alle — auch die A — dienstbar macht ( 5 5 5 1 ) .
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II. 1) Α in Antike und MA; 2) Epische Belege; 3) „Soziologie" der A; 4) Anspielungen
1) Der Α-Mythos gehört zu den bekanntesten und verbreitetsten antiken Mythen, seine möglichen realhistorischen Hintergründe sind nach wie vor ungeklärt. M i t den in einem reinen Frauenstaat sozialisierten Kämpferinnen verbinden sich jedenfalls aufschlussreiche Phantasien literarischer, erotischer und soziologischer Natur, die bis heute, etwa in der Matriarchatsdiskussion, wirksam sind. Die Antike kennt von der frühen Epik an zahlreiche literarische Zeugnisse und Adaptionen, von denen die Camilla-Episode in Vergils Aeneis' eine der wirkungsmächtigsten darstellt. Daneben existiert eine breite ikonographische Tradition [1]. Für das M A ist der Mythos von besonderer Brisanz, da die amazonische Gesellschaftsordnung gegen Gottes ordo verstößt. Sie repräsentiert eine verkehrte Welt. Aufgrund dieser grundsätzlich negativen Konzeption wird dem Mythos großes Interesse entgegengebracht, wobei die Rezeption im höfischen Roman aufschlussreiche Wege geht: Wesentlich ist, dass die Α als Wundervolk am Rande der Welt aufgefasst sind, das nicht nur in der Antike lebte, sondern — wie E 3 und E 4 zeigen — bis an den Jüngsten Tag existiert. Daher können auch ma. Romanhelden den Amazonen begegnen. Der Mythos, der schon in der Antike mit mehreren Heroenmythen (Herakles, Theseus, Troja) und geschichtlichen Gestalten (Alexander, Sulla) gekoppelt wird [2], bleibt also verfügbar. 2) Die Vorstellung von den Α wurde durch röm. Epik, spätantike Troja- und Alexanderliteratur und mlat. Mytho- und Historiographie (Isidor, Orosius) [3] in die volkssprachlichen Literaturen des H o c h M A vermittelt. Die Α-Handlungen der mhd. Troja- und Alexanderromane folgen der jeweiligen Stofftradition. DieTrojaromane (A2, A4) reflektieren mittelbar über den ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure die Daten bei Dares und Dictys. Die Α kommen unter der Führung Penthesileas den Trojanern zu Hilfe und be-
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Amazones
währen sich im Kampf gegen die Griechen. Als Penthesilea (A2, A4) durch Pyrrhus (A2) fällt, ziehen sie unter großen Verlusten ab (A2). Die Alexanderromane nennen die A beim Eroberungszug Alexanders ans Ende der Welt (Al, A3, A5). Von einem früheren Sieg der Amazonen über Cyrus berichten A l , A5 und E2, A5 in Form einer Bilddarstellung (Descriptio von Darius' Schild). Die Stellen reflektieren die bereits bei Herodot berichtete Sage von der wehrhaften Königin Tomyris. Der ,Historia de Preliis' entsprechend haben die Α und Alexander in A l nur „diplomatischen" Kontakt. A3 und A5 folgen Quintus Curtius Rufus bzw. Walter von Chätillon und wissen von einem Treffen Alexanders mit der Α-Königin Thalestris, das zur höfischen Minnebegegnung stilisiert wird. Bemerkenswert sind die Α-Handlungen in den Romanen nicht-antiken Sujets. Diese Nachgestaltungen dokumentieren Bekanntheit und Breitenwirkung des Mythologems und präsentieren in B2 und B3 ein für den späteren Aventiureroman typisches extravagantes Abenteuer. Handlungsstruktur und Motivik in B3 und der Name der Amazonenkönigin in B2 zeigen Bezüge zum Trojaroman. Die in der rein motivlichen, nicht namentlichen Adaption von B1 fassbare positive Konzeption ist wohl von der Camilla-Handlung im ,Eneasroman' Heinrichs von Veldeke beeinflusst. [4] Der Beleg in El findet sich in einem profangeschichtlichen Exkurs zur Heilsgeschichte. Die mythologischen Daten werden der Tradition ma. Weltchronistik entsprechend historisch aufgefasst, auf eine breitere narrative Darstellung wird verzichtet. 3) Die epischen Belege und der lyrische Beleg C1 bringen Exkurse, die gängige Vorstellungen über die Gesellschaftsordnung der Α referieren. Lokalisiert werden die Α im zentralasiatischen Raum (A5), genauer im Kaspischen Gebiet (A3, A4, E l ) bzw. am Kaukasus (A5, D l , El). Berichtet wird von der jährlichen Verbindung der Α mit Männern aus dem Nachbarland zum Zweck der Fortpflanzung (A2, A3, A4, A5, B3, C l ) , vom Verbleib der Töchter bei den
Α und deren Ausbildung zu Kämpferinnen sowie von der Rückkehr der Söhne zu ihren Vätern (A2, A3, A4, B3, C l ) . Das Motiv der Einbrüstigkeit findet sich in A3, A4, A5, B2 und B3. In A4 wird den jungen Α die rechte, in B3 die linke [!] Brust abgeschnitten, in A3 die rechte Brust abgebrannt. In B2 haben die Α von Geburt an [!] nur eine Brust. Die Antikeromane beziehen ihr Wissen im Wesentlichen aus den genannten Quellentexten, wobei sich auch Querverbindungen zeigen: A3 verweist auf die Α-Handlung des Troja- und Eneasromans und könnte seinerseits auf A4 (wo auf ein Alexanderbuch verwiesen wird), B2 und B3 eingewirkt haben. Aufschlussreich sind die Ausführungen zur
Entstehung des Frauenstaates in A3 und B3.
Sie wird durch ein „männliches Defizit" begründet (mangelnde Wehrfähigkeit in A3, Misshandlung der Frauen durch ihre Männer in B3). Ahnlich argumentiert B l . Ein positives Α-Bild entwickelt auch B3. Diese Erklärungsansätze zur Entstehung der amazonischen Gesellschaft stehen unter dem Einfluss der lat. Chronistik und Kosmographie. So nehmen die Α wegen der langen kriegsbedingten Abwesenheit ihrer Männer Sklaven zu Geliebten, töten die heimkehrenden Gatten und gründen einen Frauenstaat (,Quaestiones Veteris et Novi Testamenti', PL 35, Sp. 2357, mit misogyner Tendenz), bzw. müssen sie sich bei Jordanes gegen feindliche Angriffe zur Wehr setzen und entschließen sich wegen des Erfolgs zur Gründung eines Frauenstaates (Jordanus Lemoviclensis, ,De origine et rebus gestis Gothorum', PL 69, Sp. 1257). Der Bericht von A3 entspricht den Angaben bei Frechulf (Freculphus Lexoviensis, Chronica', PL 106, Sp. 960) und im ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 726ff.), das Rudolf von Ems als Nebenquelle für seine Weltchronik benutzte [5]. Die eigentliche Gestaltung der Gründungssage in B3 mag allerdings durchaus unabhängig sein (besonders die Einführung des Danaidenmotivs). Jedenfalls findet die weltliche Literatur in diesen Belegen zum ambivalenten Thema
Ambira — Amnion [1] der kämpfenden Frau einen durchaus differenzierten Zugang, der die gängigen Rollenbilder aufbricht und die naheliegende misogyne Polemik (vgl. A2 zu Penthesilea) hinter sich lässt (interessant ist in dieser Hinsicht zumal die Rechtfertigung der Geschlechtertrennung und der Gleichwertigkeit der Geschlechter in A3, freilich aus dem Munde der A-Königin selbst). [6] Wesentlichen Einfluss auf dieses positivere Α-Bild dürfte die Figur Camillas, vermittelt durch Veldekes ,Eneasroman', gehabt haben. Eine interessante „Bändigung" der starken Frau bietet B2 mit Rückgriff auf das Brünhildenmotiv (Verlust der Jungfräulichkeit bedeutet Verlust der Stärke), in A3 und A5 wandelt sich die Α-Königin bei der Begegnung mit Alexander zur höfischen Liebenden und also vom „problematischen Mannweib" zur perfekten höfischen Dame. 4) In den Anspielungen dient das A-Mythologem als ein Gleichnis für den spruchdichterischen Topos, dass man Böse und Gute leicht unterscheiden können sollte (Cl), und als Exemplum für die Unbilden der Welt (D2). Im eschatologischen Kontext (E3, E4) sind die Α als Bewacher der Endzeitvölker Gog und Magog vorgestellt. Sie werden zu den Heerscharen des Antichrist überlaufen (E4), hier und in D2 wieder deutlich negative Sinngebung. [1] S.v. Amazones (J. H. Blok, A. Ley), in: DNP, Bd. 1, Sp. 575f. [2] S.v. Amazones (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 1, Sp. 291293. [3] S.w. Amazones (T. Lewicki), in: LMA, Bd. 1, Sp. 514f. [4] Kern, Edle Tropfen, 370ff.; C. Tuczay, femina armata - armis feminae. Zum Α-Mythos im Lichte der mhd. Lit., in: Ir suit sprechen willekomen. Grenzenlose Mediävistik. FS H. Birkhan. Hg. C. Tuczay [u.a.], 1998, 307-329; C. Brinker-von der Heyde, Ez ist ein rehtez wiphere. Α in ma. Dichtung, Beiträge 119 (1998), 399-424. [5] -» Aeneas (II.l), Latinus (II.). [6] Kern, Edle Tropfen, 374f. [mk]
Ambira [Gegner Alexanders]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander' (Ambra)·. A, der angesehene und stolze König einer
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prächtigen Stadt (22963), anerkennt nur Gott als Herrscher über sich und weist die Tributforderungen Alexanders zurück. Mit Hilfe Amnions, der Alexander im Traum ein Gegenmittel gegen die vergifteten Pfeile der Städter verrät, siegen die Griechen gegen A (22969), der aufs Meer flüchtet. Über sein weiteres Schicksal weiß der Erzähler nichts zu berichten (23018; A's Zug gegen Wundervölker). [ 1 ] In Seifrits Alexander (6179) heißt der Yj3m%Ambyras, bei Orosius (111.19,11) und Leo Archipresbyter (Hs. S) Ambira (Chandler, Catalogue, 14). [sks]
Amedines [Schreiber des Darius; Curtius VII.3,4]
A l Rudolf von Ems, Alexander'20725 (Amenidas): Der aus Persien stammende Α wird von Alexander zum Herzog über Evergetas eingesetzt; A war zuvor Schreiber des Darius (Alexanders Zug gegen Bessus). [sks]
Ammon [1] [Hauptgott des ägyptischen Theben, meist widdergestaltig gedacht]
W: Gott mit Stierhörnern (A2), in Widdergestalt (A3), Gott Alexanders (Al, A2), höchster Gott (A3), Gott der Sarazenen (Bl), Gottheit (El) G: Angeblicher Vater Alexanders (A3) Nf.: Amon (Al, A2, A3), Hammon (A2), Hamon (A3, Bl), Hamone (El) I. Al Pfaffe Lamprecht, Alexander': Alexander schickt Candacis ein Porträt A's und erhält dafür eine Krone (S5533; S5568). A2 Rudolf von Ems, Alexander': Nectanebus prophezeit Olympias, Α werde in Nectanebus'
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Ammon [1]
Gestalt mit ihr einen Sohn zeugen. Α schickt Philippus einen Traum, der die Schwangerschaft der bisher kinderlosen Olympias erklärt (701; 897-933). Alexander opfert A und möchte von ihm die Zukunft, v.a. die Umstände seines Todes erfahren. Im Traum wird ihm sein Tod durch Gift prophezeit, aber nicht der Todeszeitpunkt (4102). Α rät Alexander im Traum, sich inkognito zu Darius zu begeben, und sagt ihm seinen Beistand zu (6172). Im Wald des Α opfert Alexander den Göttern (10435; 10457; 10567; Anrufung A's durch Alexander: 2446). A3 Ulrich von Etzenbach, ^Alexander': Α wird in einem libyschen Tempel in Widdergestalt verehrt. Alexander und seine Männer bringen ihm Opfer dar. In der Nähe des Tempels befindet sich eine Quelle namens Clitorius, deren Wasser um Mitternacht brennend heiß und zu Mittag eiskalt ist (9770; 9862). Der Schlachtruf der Perser lautet „A" (14017; 15396). Nach seinem Sieg über acht feindliche Könige lässt Alexander einen Tempel für Α errichten und Dankopfer darbringen (21969). Alexander nennt sich selbst Herr über alle Könige und Sohn von Α und Olympias (22417). Α verrät Alexander im Traum eine Pflanze, die vor dem Gift der Pfeilschützen von König Ambira schützt (22996). B1 Ulrich von Türheim, ,Rennewart': A, ein Gott der Muslime, wird dem christlichen Gott gegenübergestellt (258; 453; 12143; 12168; 13504;14160;16846; 18447; 18643; 27137; 27660;27914;28019;28213;28730; 28851) und von den Heiden angerufen (969; 12479; 12577;13317;18845; 18849; 24759; 29874; 32934). E l Rudolf von Ems, , Weltchronik' 9015: A's Abbild ziert die Krone des Pharao, die der kleine Moses zu Boden wirft (Moses beim Pharao). II. Der ägyptische Hauptgott Α wurde bereits Ende des 6. Jh. v. Chr. in den gr. Götterhimmel aufgenommen und als Hypostase des Zeus („Zeus-Α") verehrt. Relativ große Be-
deutung hatte vor allem das Α-Orakel in der Oase von Siwah. Die A-Verehrung nahm in hellenistischer Zeit aufgrund der vorherrschenden synkretistischen Tendenzen zu. Großen Einfluss hatte Alexander der Große, der sich unter dem Eindruck der orientalischen Vorstellung vom göttlichen Herrscher als Sohn des Zeus-Α betrachtete. [1] Insbesondere über die Alexandertradition wird der Gott dem europäischen MA bekannt. Auch die ma. Alexanderromane wissen von Alexanders besonderer Verehrung für A. In Al und A2 ist Α Alexanders Lieblingsgott. In A2 zeugt der Zauberer Nectanebus als vermeintlicher Gott Α mit Olympias Alexander (vgl. auch A3). Vom Besuch des Α-Orakels in der Wüste Siwah wird in A3 berichtet. Auch das Opfer im „Α-Wald" in A3 wird wohl darauf anspielen. Die Episode in A2 beschränkt sich auf eine Opferung im Tempel. Alexanders göttliche Abstammung von Α und sein davon abgeleiteter Herrschaftsanspruch werden in den christlichen Texten naturgemäß nicht für wahr befunden. Der spätere ma. Abenteuerroman Β1 fasst vom Alexanderroman beeinflusst - Α neben Mahmet, Apollo u.a. als einen der Götter der Muslime auf. Dahinter steht die Vorstellung, dass die antiken Götter von den zeitgenössischen Muslimen weiter verehrt werden. [2] Die Zerstörung des Α-Idols auf der Krone des Pharaos durch Mose in El symbolisiert die Uberwindung des Heidengottes durch den wahren Gott und zeigt in der Geste Analogien zu ähnlichen ikonoklastischen Handlungen in mhd. Legenden und in der Epik mit Kreuzzugsthematik. [3] Die Stelle folgt der Darstellung in der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1144A). [1] S.v. Ammon
[2.] (W. Sontheimer), in: DKP, Bd. 1,
Sp. 304f. [2] Vgl. zu dieser Auffassung -» Apollo (II. 1/4). [3] Ebd., vgl. auch die Zerstörung eines Venus-Idols im .Reinfried von Braunschweig' ( - » Venus
[I.B14J). [mk/sks]
Amnion [2] — Amor/Cupido
Ammon [2] [Bruder des Broteas [2], Gefährte des Perseus, wird von Phineus getötet; M M 5,107]
Al Albrecht von Halberstadt,,.Metamorphosen' 5,185: Α und sein Bruder Broteas, die beide nicht mit Schwertern, sondern mit Binden und langen Stöcken kämpfen, werden während des Kampfes auf dem Hochzeitsfest des Perseus getötet. Sie hätten überlebt, hätten sie nicht Pampinus getötet [oder: hätte sie Pampinus nicht getötet] (Katalog). [1] [1] Bei Ovid werden Broteas u n d Α von Phineus getötet, von einem Pampinus ist nicht die Rede. Das undurchsichtige Motiv der Binden, mit denen sie kämpfen, ist ein Missverständnis der im Z u s a m m e n h a n g genannten Priesterbinden des Cerespriesters Ampycus ( M M 5,110). [mk]
Amonta [Heerführer des Darius; Leo 1.40]
R: Herzog (Al), Herrscher von Arabien (A2) Nf.: Amenta (Al) I. A l Pfaffe Lamprecht, ,Alexander' S2132: Herzog Α wird von Alexander in Arabien besiegt. A2 Rudolf von Ems, Alexander': Α, der Herrscher Arabiens, versperrt Alexander den Weg, muss aber im Kampf gegen ihn fliehen (46524740; Alexanders Zug gegen Persien). II. Beide Belege folgen dem Alexanderroman des Leo Archipresbyter. Die Hauptquelle von A2, die Alexanderhistorie des Q. Curtius Rufus, nennt Α nicht. [mk/sks]
Amor/Cupido [Rom. Liebesgott, Sohn der Venus]
W: Α und C sind als zwei Gestalten aufgefasst (Al, B2, B 5 , C 5 , D 3 , D4); Α ist Gott der Liebe (Al, B3, BIO, C4), heidnische Liebesgöttin
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(A4), die frz. Personifikation der Liebe (A4, Bl, ev. B6, C l ) ; C ist Gott der Liebe (Bl, D l ) , das personifizierte Liebesverlangen (D1, D4), Α heißt auch C (E2) G: Α und C sind Brüder (Al, B2, D3), Söhne der Venus (Al, B2, D3) bzw. der Minne (B5, C5, D4) und Brüder des Aeneas (Al); Α ist Sohn der Venus (Bl 1, B12, C4, E2), C ist Sohn der Venus (A2) bzw. der Minne (B12, Dl) R: Α ist König (B9, D4, E2), Königin (A4), Fürst (C4, C6), Epitheton: herre (B4, D4), vrouwe (A4, Bl) Nf.: Amur (Bl, B6, BIO, Bl 1, C l ) , Cupide (A2), Cupidus (El) I. A l Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman': C entfacht Didos Liebe zu seinem Bruder Aeneas (48; 743) und hält seine Fackel an ihre Liebeswunde (864). Α verwundet Lavinia mit dem goldenen Speer, sie entbrennt in Liebe zu Aeneas (10110). A (10157; 10242), C (10156; 11060) und Venus sind für Lavinias Liebesqualen verantwortlich und demonstrieren an ihr ihre Macht. A (10271) habe sich bitter an ihr gerächt, falls sie jemals sein Gebot gebrochen habe, meint Lavinia in einem Klagemonolog. Aeneas wird von A's goldenem Speer verwundet, als er Lavinia erblickt (10982), der Speer dringt durch das Auge in sein Herz (11198). Aeneas beklagt sich darüber zunächst bei Venus, Α und C (11060; 11179), dankt dann aber A, dass er ihn ermutigte, einen Brief an Lavinia zu schreiben (11272). Das Α-Bild im Tempel von Laurent symbolisiert die allmächtige Minne. Α trägt einen goldenen und einen bleiernen Speer und eine Salbenbüchse. Wer vom goldenen Speer getroffen wird, entbrennt in beständiger Liebe, der bleierne macht den Getroffenen zum Feind der rechten Liebe. Die Büchse bezeichnet die Salbe, mit der die Liebeswunde geheilt wird (9911; Königin Amata im Gespräch mit ihrer Tochter Lavinia). A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': C schießt auf Apollo den goldenen und auf
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Amor/Cupido
Daphne den bleiernen Pfeil, weil ihn Apollo geschmäht hat, er sei des Bogens nicht würdig. Apollo entbrennt daraufhin in Liebe zu Daphne, sie aber lehnt jedes Mannes Liebe ab (4,43; Apollo und Daphne). C verwundet auf Venus' Befehl Pluto mit dem schärfsten seiner tausend Liebespfeile, Pluto entbrennt in Liebe zu Proserpina (5,710; Entführung Proserpinas). C zwingt Byblis, ihren Bruder zu lieben. Der Gott hat sie, das schwache Mädchen, besiegt (9,982; Klage der Byblis). Als Venus C küsst, verwundet er sie irrtümlich mit seinem goldenen Pfeil, sie entbrennt in Liebe zu Adonis (10,969), der schöner ist als C (10,958; Venus und Adonis). [1] [ 1 ] Ovid vergleicht Adonis mit Α-Darstellungen der Malerei ( M M 1 0 , 5 1 6 ) und stellt ihn diesen gleich.
A3 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg 964: C ist Gast bei der Hochzeit von Thetis und Peleus und stiftet Unruhe, weil er viele mit dem Pfeil der Minne verletzt. [1] [ 1 ] Das Motiv könnte aus Ovids .Metamorphosen' entlehnt sein, vgl. A 2 ( 1 0 , 9 6 9 ) .
A4 Ulrich von Etzenbach, Alexander'·. Frau [!] Α und andere Heidengötter werden von Nectanebus um Hilfe gebeten, damit er die Liebe von Olympias, der Gattin Philipps, gewinne (301). Wen der Pfeil der Königin Α ins Herz trifft, der wird von der Liebe bezwungen, wie der Erzähler selbst erfahren musste (346). Α ist die Wappenfigur einer Abteilung im Heer des Darius (6204). B1 Eilhart von Oberg, .Tristrant'2464: Isalde klagt nach dem Liebestrank über ihre Liebesschmerzen und bittet Frau A (2464), wieder süß für sie zu werden. C (2467), der Gott der Liebe, habe sich schwer an ihr gerächt, falls sie je eines seiner Gebote verletzt habe. Er habe ihr Herz gebrochen, sie könne nicht genesen, wenn er sich nicht gnädig erweise. [1] [1] Die Klage Isaldes zeigt Parallelen zu jener Lavinias in A l , die Nennung von C könnte a u f einen Einfluss von A l deuten, Kern, Edle Tropfen, 4 3 2 f f .
B2 Wolfram von Eschenbach, ,Parzival': „A" war der hochmütige Kampfruf des Amfortas. Amfortas wurde vom Speer des Gottes zum Kampf getrieben und von der Lanze eines Heiden am Geschlecht verwundet (478,30;
Trevrizent zu Parzival). Viele Dichter behaupten, A (532,1), C (532,2) und Venus würden mit Speer, Pfeil und Fackel in den Menschen Liebe auslösen. Diese Liebe ist in den Augen des Erzählers unheimlich. Ihn werden C's Pfeil (532,11) und A's Speer (532,13) immer verfehlen, denn wahre Liebe ist Treue (Erzählerkommentar). B3 Wolfram von Eschenbach,, Willehalm': Α ist zu Ehren der Minne auf dem Lanzenbanner des heidnischen Ritters Noupatris abgebildet (24,5). Von Noupatris geführt durchsticht Α mit seinem goldenen Speer und seiner Salbenbüchse den Unterleib des christlichen Ritters Vivianz (25,14). B4 Wirntvon Grafenberg, ,Wigalois'831: Ein lebensecht wirkendes A-Figürchen aus Karfunkel ziert die Mantelspange der Geliebten Gaweins, Florie. Α hält in der Rechten einen goldenen Speer, in der Linken eine Fackel. Die Figur glänzt am Tag und leuchtet in der Nacht, daher wird es überall hell, wo Florie ist. B5 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crone': C (4843) habe Ginover dem Gasozein zugedacht, und A (4953) habe schon in frühester Jugend Ginovers Liebe zu Gasozein entflammt (Gasozein erhebt gegenüber Artus Ansprüche auf Ginover). Α ist blind, schamlos und unstet. Er hat seinen scharfen Pfeil in Amurfinas Herz geschossen, er und die Minne hätten daher auch Gawein schützen müssen, so wie sie einst Aeneas beschützt haben (17251, Amurfinas Klage um ihren vermeintlich toten Gatten Gawein). [1] [1] 3 4 1 9 und 1 0 8 1 8 ist vom „Gott der M i n n e " die Rede, dem Gasozein folgt.
B6 ,Prosa-Lancelot' 11.438,14: Der unselige Ritter der Königin von Amur [1] macht Gawein zufolge die Lösung der Gralsaventiure unmöglich. Ginover bezieht dies auf Lancelot und seine unheilvolle Liebe zu ihr. [1] „Königin von A m u r " kann als dunkle Umschreibung der personifizierten Liebe, der Lancelot verpflichtet ist, verstanden oder auf Ginover bezogen werden.
B7 Der Pleier, ,Meieranz': Α und Venus sind aufTydomies Mantelspange dargestellt. Α hält in der einen Hand einen goldenen Speer, in
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der anderen eine goldene Büchse mit der heilenden Salbe (670). Α verwundet Meieranz mit dem Speer. Meieranz leidet daraufhin wegen Tydomie Liebesqualen (856).
[1] In 9192, 11180 und 14816 wird die C-Figur auf Wilhelms Helm als „Wilhelms kindel" umschrieben.
Sirgamot mit seinen scharfen Pfeilen verwundete, ließ sie sich von Demantin entfuhren (5056).
[1] Die rote Farbe bringt Bucktzinos' Minnerittertum zum Ausdruck, vgl. das Allegorem vom roten Grund des Amorschildes in C5.
B9 Albrecht, Jüngerer Titurel': Die Liebe ist
zwang Melioth, Parzival und Cliges, großes Minneleid zu ertragen. Die Liebe des Sängers ist aber noch beständiger.
B8 Berthold von Holle, ,Demantin': Weil A
zweigeschlechtig, als männliche Liebe trägt sie den Namen A (733,3; 734,1; Tschinotulander zu Sigune). Nur Α könnte erklären, warum sich Amfortas in Orgeluse und nicht in Kondwiramurs verliebt (1765,4; 1766,1). Α ist auf dem Kampfbanner des heidnischen Fürsten Sabelle abgebildet, hält in der rechten Hand einen goldenen, in der linken einen bleiernen Pfeil; mit dem einen trifft er die Freudvollen, mit dem andern die Freudlosen (4035,3-4037,4).
BIO Konrad von Würzburg,
,Partonopier'
20724·. A, der Gott der süßen Minne, ist auf dem Schild des heidnischen Frauenritters Galathis als geflügelter und nackter Mann auf rotem Grund abgebildet. Das prächtige Bild wirkt lebensecht.
B l l .Die halbe Birne' GA I, X.280: Α und Venus lassen die Königin beim Anblick des erigierten Geschlechtsorgans eines Narren wie Zunder entbrennen.
Β12 Johann von Würzburg, , Wilhelm von Österreich'·. A (648) bzw. A, C (3021) und
Venus haben Wilhelm und Aglye in Liebe aneinander gefesselt (Aglye an Wilhelm), sie quälen Aglye mit Sehnsucht nach Wilhelm (6954). Α und Venus fördern die natürliche Liebe zwischen Wilhelm und Aglye (1908). C fördert die Verbindung zwischen Aglye und König Walwan, sie wird aber keinen Bestand haben (2618). Wilhelm erhält von Joraffin einen Helm, dessen Zimier einen in Flammen stehenden, nackten C in Kindesgestalt zeigt, ein Kranz aus Edelsteinen bildet die Inschrift „C". Joraffin besitzt außerdem einen Schild, auf dem C abgebildet ist (3974). Wilhelm trägt den C-Helm (5606), die C-Figur leuchtet bei seinen Kämpfen für Aglye hell auf (8469; 12161; 14243).
B13 ,Friedrich von Schwaben' 6748·. Auf Geheiß von A, C und Venus trägt der Ritter Bucktzinos einen rotgoldenen Harnisch. [1]
C1 Rudolf von Rotenburg, KLD ΙΙΙ,48·. A
C2 Ulrich von Winterstetten, KLD XVI.·4,6: C
hat das Herz des Sängers getroffen, worüber dieser unglücklich ist, da ihm seine Geliebte nur Sorgen bereitet.
C3 Konrad von Kirchberg KLD 1.3,6: As heiße Fackel kann dem Sänger nichts anhaben. Nicht Venus, sondern Schönheit, Güte und Tugend der Minnedame lassen ihn lieben, wahre Liebe vergoldet die Minne. [1] [1] Die Stelle reflektiert den Erzählerkommentar von B2.
C4 Konrad von Würzburg, Leich 2: Α wurde von Mars unterworfen, seither ist die Welt freudlos, der Minnedienst wird vernachlässigt (2,16; 2,53). Der Sänger fordert Α auf, sich zur Wehr zur setzen, die Damen, die nicht mehr geehrt werden, zu rächen und die kriegerischen Männer mit seinen Pfeilen zu quälen, bis sie sich wieder zur Minne bekehren (2,67). A erhört die Bitte und will gemeinsam mit Venus in den Kampf ziehen (2,101).
C5 Der wilde Alexander, KLD VII, 85: Α ist
auf dem Schild der Minne auf rotem Grund als nacktes, blindes, geflügeltes und gekröntes Kind mit Pfeil und Fackel abgebildet. Mit Pfeil und Fackel macht er liebeswund und entzündet die Begierde, er handelt tückisch wie ein Kind und trägt die Krone, weil er selbst Könige bezwungen hat. Seine Blindheit und Nacktheit bezeichnen Wahl- und Schamlosigkeit der Liebe, das Gefieder Hoffen und Sehnsucht des Liebenden. Der rote Grund verweist darauf, dass schon viele der Liebe wegen den Tod fanden. Wer den Schild führen will, muss sich von Α dazu zwingen lassen, dem Schlachtruf des Paris zu folgen, der bei der Zerstörung Trojas nur „Ach" und „Wehe" war.
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C6 Frauenlob, VIII. 15,18: Α zieht triumphierend in die Herzen der Liebenden ein, nachdem sich ihre Blicke gefunden und Liebe entstehen haben lassen. [1] [ 1 ] Die Spruchstrophe entwickelt eine komplexe Allegorie zur Entstehung der Liebe: Der Blick dringt ins Herz und besiegt es, ihm folgen Liebe und Minne, Α siegt über alle.
C7 Frauenlob, 355,8 (Ettm.)·. Α hat seinen goldenen Speer in das Herz des Sängers gestoßen und zwingt ihn zu beständiger Liebe. Die Wunde könnte für ihn aber auch tödlich sein. D l Johann von Konstanz, ,Minnelehre'·. In einem Fiebertraum begegnet der Erzähler C ([202-570]). Der schöne, blinde, nackte, gefiederte und gekrönte Gott sitzt auf einer goldenen Säule am brennenden Ufer eines Blutsees und hält in der einen Hand einen stählernen Speer, in der anderen eine brennende Fackel. Er bezeichnet den Erzähler als seinen und seiner Mutter, der Minne, Feind, weil er der Liebe entsagen wollte. Auf die Fragen des Erzählers gibt C über die Bedeutung seines Wesens und seiner Attribute Auskunft: Sein Name C bedeute die Lust der Liebe, sein Gefieder bezeichne seine Schnelligkeit, mit dem Speer schlage er Wunden, was Schmerz und Liebesdienst zur Folge habe, mit der Fackel entzünde er die Herzen. Er sei blind wie die Liebe und ihre Diener, nackt, weil es am schönsten sei, wenn Liebende nackt beisammen liegen. Die Krone bedeute seine umfassende Macht, die goldene Säule die Aufwendungen des Minnedieners, sein erhabener Sitz das Hochgefühl des Liebenden, das brennende Ufer das Liebesfeuer. Der Blutsee weise auf die vielen Gewalttaten, die der Minne wegen begangen wurden, ζ. B. die Entführung einer verheirateten Dame, vor der C warnt (277; 279; 283; 1357). D2 Hadamar von Laber, ,Die Jagd': Wenn A das Wild (die Dame) antriebe, käme es so in Hitze, dass es stehen bleiben und auf seinen Jäger (den Erzähler) warten müsste (151,4; Minnehandlung als Jagdallegorie). Α nimmt dem Liebenden die Freude. Er erwartet von ihm, dass er ausharre und nicht in der Hit-
ze der Minne dem geliebten Wild nachjage (191,3; Empfehlung des alten, erfahrenen Minnejägers an den Erzähler, dessen Ankündigung, dem Wild bis in die Hölle nachjagen zu wollen, er mit den Worten: „Dummer A!" quittiert - 190,5). D3 ,Der Minne-Falkner': Venus, Α und C wirken Wunder, sie machen Alte froh und Junge traurig. Damit beraubt die Liebe die Natur ihres Rechts, sie will über alles herrschen (2,1; Minnereflexion im Prolog). A raubt dem Erzähler die Sinne und rät ihm, um eine Dame zu werben, die unerreichbar hoch steht (7,5). D4 ,Die Minneburg': Die Minne wird aufgrund ihrer Macht über die Männer zu Recht männlich aufgefasst und König Α genannt (2206). Α wird vom Erzähler gebeten, das Herz der Minnedame zu zuckern und honigsüß zu machen (2383). Α ist der Name des in der Minneburg gezeugten Minnekindes (2822). Α versucht gemeinsam mit C (2729; 2737; 2741), dem personifizierten Liebesverlangen, die Burg Freudenberg zu erobern. C's Mitstreiter Maßlosigkeit, Unsittlichkeit, Verwegenheit, Unbesonnenheit und Schnelligkeit werden von Maßhalten, rechtem Sinn, Mannhaftigkeit, Weisheit und Sittlichkeit besiegt, die Weisheit löscht A's brennenden Pfeil. Α und C (2891) harren vor der Burg aus und gewinnen Maßhalten, Klugheit und Sittlichkeit als neue Mitkämpfer. Α überzeugt die Burgherrin, dass auch die Minne zu den Tugenden gehöre, und erhält Einlass. Die Minne gebiert das Kind Gegenliebe und es herrscht größere Freude, als u.a. Paris und Helena je empfinden konnten (Allegorie des Liebeskrieges). Der Erzähler begegnet in einem Gebirge Α und Venus, die auf einem Thron sitzend die Liebe lenken. Sie fragen nach seinem Leid und seiner Geliebten (3305). Α empfiehlt dem Erzähler, seiner Dame so wie Jakob der Rachel sieben Jahre lang treu zu dienen (3552). E l Rudolf von Ems, ,Barlaam' 10106: C und Vulcanus fesselten Mars, als sich dieser mit Venus der Liebe hingab. [1]
Amor/Cupido [1] Das mythographisch nicht korrekte M o t i v von C's Mithilfe bei der Fesselung von Venus und Mars könnte auf eine allegorische Auslegung verweisen: C , das Liebesverlangen, lockt die beiden Ehebrecher in die Falle. Zur festen Ikonographie zählt A / C auch in den neuzeitlichen Gemälden von Venus und Mars (so etwa bei Botticelli, Tintoretto, Rubens u.a.)
E2 Brun von Schönebek, ,Das Hohelied'·. Die Farbe A's ziert das Antlitz des jungen Salomon (1370). Α ist der Vater der Liebe, er bezwingt alles und trägt daher eine Krone, verwundet mit seinem Pfeil und heilt mit seiner Salbe. Seine Augenbinde bezeichnet die Blindheit, sein Gefieder die hochfliegenden, eitlen Gedanken, seine Nacktheit die Schamlosigkeit derer, die ihm folgen. [1] Seine rote Haut zeigt, dass Schmerz sein Lohn ist. Die Guten mögen A's Fesseln scheuen (Anhang V,2-35). A's zweiter Name ist C (Anhang V,35). [1] Die Formulierung „di da volgen sime [A's] done" (V,30) deutet auf eine Abhängigkeit der Allegorie von jener in C 5 hin.
II. 1) A / C in ma. Mythographie und Allegoriedichtung, Einfluss auf die volkssprachliche Literatur; 2) A / C in der dt. höfischen Literatur, höfische A/C-Attribute; 3) A/C-Attribute aus der lat. Mythographie; 4 ) Minnetopik, Bildallegorie und andere allegorische Vorstellungen; 5) Zusammenfassung
1) In Anlehnung an die Mytheninterpretation der Antike hat das MA aus den antiken Liebesgöttern einen „allegorischen Apparat" entwickelt, der der Darstellung der Liebe als psychische Erfahrung oder als metaphysisches Prinzip dient. A/C und Venus sind so zu zentralen Gestalten ma. Mythographie und Allegoriedichtung geworden. Die Deutungen zeigen eine breite Entwicklung von der simplen Metapher zu umfassenden allegorischen Konzeptionen, wie sie für Α insbesondere in der hochma. Allegoriedichtung der Schule von Chartres (Alan von Lille, 12. Jh.), im ,Tractatus de Amore' des Andreas Capellanus (um 1180) und in der Folge in volkssprachlichen Minneallegorien, vor allem im afrz. Rosenroman Guillaumes de Lorris (um 1235), vollendet von Jean de Meun (um 1275), vorliegen. [1]
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Die höfische Literatur bezieht ihre grundlegenden allegorischen Bild- und Sprachtopoi zwar aus einer durch die Epik Vergils und Ovids geprägten literarischen Tradition (vgl. bes. A l , A2). Ma. Mythographie und gelehrte Allegoriedichtung stellen ihr aber das methodische Instrumentarium für den Umgang mit den antiken Liebesgöttern bereit. In den späteren höfischen Texten, vor allem in der volkssprachlichen Minneallegorie des ausgehenden 13. und des 14. Jh. (C5, D l , D4, vgl. auch E2) sind auch direkte Rückgriffe auf lat. Mythographie und Allegorie erkennbar. Besonderen Einfluss hat die allegorische Deutung der Liebesgötter auf die Ausgestaltung der volkssprachlichen Liebespersonifikation, im romanischen Bereich Amors, im dt. Bereich Minne. Dabei zeigen sich mitunter interessante Interferenzen, etwa in den A-Nennungen, die die frz. Personifikation meinen (erkennbar am Epitheton „vrouwe" bzw. an der Nf. Amur, vgl. A4, Β1, vermutlich auch B6 und C l ) . Rezeptionslenkend wirkt die Sprache. Im Romanischen ist der Lautkörper von Α und Amors identisch, und es ist im Einzelfall schwer zu entscheiden, ob die volkssprachliche Personifikation oder der antike Gott gemeint ist. In den dt. Texten erklärt das grammatische Geschlecht von „Minne" einen Uberhang bei den Venusbelegen gegenüber A/C. Die nach antiken Vorbildern mit Hilfe ma. Deutungsstrategien gestalteten höfischen Liebespersonifikationen entwickeln jedenfalls eine Eigendynamik, die den poetischen Vorstellungshorizont und die poetische Rede über die Liebe entscheidend beeinflusst und somit jenen „Minnemythos" zu formulieren hilft, der in der höfischen Literatur fassbar wird. [2] 2) Die Α-Rezeption der dt. höfischen Literatur ist von Al maßgeblich beeinflusst. In Rückgriff auf den frz. ,Roman d'Eneas', auf Vergil und Ovid vermittelt der Text mit seinem Götterapparat Vorstellungs- und Darstellungsmuster, die die Minnediskussion und die Gestaltung der Liebespersonifikation in der dt. höfischen Literatur prägen. Dies wird konkret in der von
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Amor/Cupido
Al vorgenommenen Aufspaltung As und C's Minne in Lied L 40,19 Walthers von der Voin zwei Gestalten greifbar. Sie ist in B2, Β12, gelweide und in Sommerlied 9 Neidharts. B13 und D4 beibehalten und reflektiert die Beide Gestaltungen sind durchaus im Lichte unterschiedliche Deutung und Konzeption As von Al zu sehen. Goldenen und bleiernen und C's in Antike und MA. C symbolisiert ein Pfeil differenziert außer Al und A2 nur noch stark sexuell konnotiertes Liebesverlangen, A B9 (wie in Al mit kontextueller Funktion). weist eher auf den psychologischen oder metaDie übrigen Belege beschränken sich auf den physischen Aspekt der Liebe. Daher trägt die einen goldenen Pfeil (oder Speer) und zielen Liebespersonifikation in der mlat. Allegorieauf eine allegorische Beschreibung der Entdichtung vorwiegend den Namen ,A", in den stehung von Liebe bzw. auf den Topos von moralischen Auslegungen der Mythographie der Liebeswunde (A3, A4, B2, B3, B4, B5, „C". Die Unterscheidung lässt sich bis zu den B7, C2, C4, C5, C7, D l [stählerner Speer], beiden Aphroditen Pandemos und Urania in D4, E2). Die Salbenbüchse (Al, B3, B7, E2) Piatons,Symposion' zurückverfolgen, stellt ein könnte eine ma. Umdeutung von A's Köprominentes mythographisches Muster dar cher darstellen. [6] Die neue Konstellation und findet sich auch in Notkers von St. Gallen der A-Attribute - Pfeil und Salbe — ermögKommentar zu Martianus' Capella ,De nuptiis licht jedenfalls die Verbindung derTopoi von Mercurii et Philologiae' (76,7; 79,17ff). [3] vulnera und remedia amoris in der AllegoAl dürfte mit seiner Trennung zwischen A rie selbst. Α heilt als Arzt die Wunde, die er und C bewusst auf diese Deutungstradition schlägt. Diese Vorstellung wird in Al explizurückgegriffen haben. Im Rahmen der stark zit thematisiert und im ,Tristan' Gottfrieds sinnlich geprägten Liebeshandlung zwischen von Straßburg (12164ff.) wiederum auf die Dido und Eneas agieren jedenfalls bezeichpersonifizierte Minne übertragen. Die Fackel nenderweise Venus und C, bei Lavinia und ist gewöhnlich Attribut der Venus oder des C Eneas hingegen Venus und A. Greifbar wird (Al), wird in C3 aber Α zugeordnet, in B4 die Differenz auch in D4 und E l . und C5 hält sie A. In D1 hält C Pfeil und Eindeutige Bezugnahmen auf Al liegen ferFackel in Händen. ner in B2, B3 und B5 vor. Enorme Breiten3) Die übrigen allegorischen Attribute oder wirkung zeigen insbesondere die allegorischen Eigenschaften A/C's reflektieren Allegoreme Attribute, die Al dem Liebesgott bei der Beaus der gelehrten Mythographie, unter deren schreibung des Α-Bildes im Tempel von LauEinfluss die höfische „Grundform" von Al rent zuweist. Das Allegorem vom goldenen in den späteren Texten (etwa ab 1250) ausund vom bleiernen Pfeil greift - über den gestaltet wird. Sie basieren ebenfalls auf zu,Roman d'Eneas' vermittelt — zurück auf meist gängigen antiken Attributen undTopoi Ovids ,Metamorphosen' (l,468ff.; Apollo [7], die unter einer spezifisch ma. Perspekund Daphne, vgl. A2). Es ist aber neu aktive weiterentwickelt werden können. So verzentuiert: Der vom goldenen Pfeil bzw. Wurfsinnbildlicht A/C's Krone (C5, D l , E2) das speer Getroffene ist der rechte Minner, der vergilianische Dictum „omnia vincit Amor" vom bleiernen Pfeil Getroffene der Feind der (Ecl. 10,69), lässt sich aber auch mit dem Minne. [4] Der Liebespfeil ist in der Folge das (lyrischen) Topos vom Verzicht auf die Köprominenteste mit Α verbundene Allegorem nigswürde zugunsten der Liebe [8] verbinden. [5] und kann auch Attribut der volkssprach- A/C's Blindheit (C5, D l , bzw. Augenbinde in lichen Minne oder bloße Metapher für die D4) und Kindesgestalt (B12, C5, D l ) betoEntstehung der Liebe (vor allem durch Ernen den Zufälligkeitscharakter der Liebe oder blicken der/des Geliebten) sein. Die Belege - unter einer moralischen Deutungsperspekfür diese Übertragungen sind zahlreich. Ein tive - ihre Immoralität, wie sie insbesondere eingängiges Beispiel gibt die pfeilschießende A/C's Nacktheit bezeichnet (BIO, Β12, C5,
Amor/Cupido E2; nicht negativ in D l ) . Der gefiederte AJC (BIO, C5, D l , E2) reflektiert den Topos von der Gedankenverlorenheit bzw. von Hoffen und Verzweiflung des Liebenden. Der rote Hintergrund Atr Α-Darstellungen (BIO, C4), A's rote Haut in E2 und der Blutsee in D l repräsentieren hingegen ein ma. Allegorem. Es erhält im Kontext des Minnethemas spezifischen Aussagewert und verweist auf die exemplarischen Minnetragödien und Minnetoten, wie an der Verbindung von A-Allegorie und Troja-Exemplum in C5 zu sehen ist (einen impliziten Hinweis gibt D l ) . Ferner werden hier wie in den Belegen fur Α als Wappenfigur generell (A4, B3, B9, BIO, insbesondere C5) Verbindungen zwischen A-Bildallegorie und ma. Wappenallegorese deutlich. [9] Trotz des parallelen Rückgriffs auf mythographische Traditionen in diesen Belegen lässt sich nur zwischen C5 und E2 mit hoher Wahrscheinlichkeit eine direkte Abhängigkeit annehmen. Deutliche Parallelen zu C5 zeigt auch D l , wo der Bezug zur lat. Myelographie im Namen C und in der Form der Allegorese (Frage-Antwort-Struktur, so ansatzweise auch in C5) besonders markant ist. Beide Texte bieten die umfangreichsten A/C-Allegorien der mhd. Literatur. 4) Insgesamt sind Nennungen und Ausgestaltungen der Liebespersonifikation Α im Lichte ma. und vor allem höfischer Minnetopik zu sehen. Die zentralen metaphorischen Vorstellungs- und Darstellungsmuster sind Liebeskrieg und Liebeskrankheit. Aus ihnen spricht eine zunächst stark affektive Auffassung der Liebeserfahrung. Sie wird durch die A-Allegoreme, insbesondere die Waffen des Liebesgottes, verstärkt. Auf dieses affektive Verständnis zielt Wolframs von Eschenbach Polemik gegen den allegorischen Apparat von Al in B2 (die Stelle wird offensichtlich von C3 verarbeitet). Dem gegenüber stehen spätere Konzeptionen, die in Α eine Art metaphysisches Prinzip Liebe darstellen, so vor allem der „ A m o r triumphans" in C5 und C6. In Zusammenhang mit der Polemik gegen die Liebesgötter in B2 kann auch die Bildallegorie
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von B3 gesehen werden. Sie greift auf das Α-Bild von Al zurück, zerstört aber den konstruktiven allegorischen Zeichenwert, da der auf der Waffe eines Sarazenen dargestellte A mit Pfeil und Salbe den christlichen Ritter Vivianz nicht mehr metaphorisch, sondern tatsächlich tödlich verwundet. Die allegorische Szene setzt die Thematik des Textes, den verheerenden Kampf zwischen vorbildlichen christlichen und muslimischen (aus christlich-ma. Sicht: heidnischen) Rittern, ins Bild. Das prägnante Motiv der mit einem A- oder C-Bild verzierten Waffe versinnbildlicht das Minnerittertum des jeweiligen Kämpfers, wird in mehreren späteren Belegen reflektiert (A4, B9, BIO, B12, vgl. auch C4) und kann auch aufVenus übertragen werden. Die ambivalente Sinngebung von B3 zeigt sich dabei allerdings zurückgenommen. [10] Die allegorischen A-Idole von B4 und B7 verdinglichen hingegen den Liebreiz ihrer Trägerinnen. Auch hier kommuniziert die Bildallegorie mit entsprechenden literarischen Topoi, so mit dem Glanz, den die schöne Minnedame ausstrahlt (B4) bzw. mit der Liebe, die ihr Anblick auszulösen vermag (B7). An den epischen Belegen jenseits der Bildallegorie ist auffällig, dass Α vorwiegend in der Figurenrede genannt wird (A4, Bl, B5, B6, B8). Spricht der auktoriale Erzähler von der Liebe, so lässt er kaum Α oder Venus (A4, B9), sondern meist die personifizierte Minne auftreten. Damit scheint Α (wie auch Venus) weitgehend auf eine binnenfiktionale Ebene beschränkt. Dafür spricht auch, dass der Trojaroman (vgl. A3) auf eine Einbindung des allegorischen Apparats von Al weitgehend verzichtet. Die volkssprachliche Personifikation Minne nimmt hingegen durchaus den Status einer postallegorischen, mythischen Gestalt an, vor allem in Texten wie Wolframs ,Parzival' und Gottfrieds .Tristan'. Insgesamt kennzeichnet die Personifikation einen hohen Stil und zielt auf eine idealisierte Darstellung des Liebesverlangens. [11] Dies unterstreichen gerade parodistische Nennungen, wie sie in
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Amor/Cupido
B l l oder in der Berufung auf die pfeilschießende Minne durch die Gestalt der „geilen Alten" bei Neidhart (Sommerlied 9) vorliegen. Angesichts der Breitenwirkung der allegorischen Deutung der Liebesgötter ist A's und Venus' Auffassung als rezente Götter der Muslime, denen das christliche MA Vielgötterei unterstellt, bemerkenswert (andeutungsweise in B3, B9 und BIO, vgl. auch A4). Sie erklärt sich aus der Erweiterung des heidnisch-sarazenischen Götterhimmels, zu dem traditionell Apollo gehört, um andere antike Gottheiten. Ansonsten ist eine Dämonisierung A's in den höfischen Belegen nicht greifbar. 5) A / C und Venus fungieren somit als Gestalten einer innerliterarischen Liebesmythologie, die im Kontext des höfischen Minnemythos zu sehen ist. Sie stellen spezifische und spezifisch verwendete Varianten der personifizierten Liebe dar. Die Allegorisierung der antiken Liebesgötter in Spätantike und MA ermöglicht die Vermittlung elementarer antiker Darstellungs- und Vorstellungsformen des poetischen Diskurses über die Liebe. Sie werden von der höfischen Literatur ausgestaltet, weiterentwickelt und in andere Formen (Gestaltung der volkssprachlichen Personifikation, Minnetopik) übertragen und haben somit entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung des Minnethemas. In den dt. Belegen dominieren zunächst einfache, insbesondere von A l aus der frz. und antiken Literatur vermittelte allegorische Vorstellungen (zum Großteil auf die epische Figuren- und die lyrische Rede beschränkt). In den nachklassischen Texten zeigen sich Rückgriffe auf allegorische Strategien der gelehrten Mythographie (vgl. auch den Topos von der Zweigeschlechtigkeit der Liebe in B9 und die Allegoreme von D4) und — vor allem in der späteren Lyrik - Ansätze zu einer ausgereiften und rhetorisch elaborierten Minnetheorie zu Liebesleid (C5) und Liebesentstehung (C6). Sie erreichen in der eigenständig entwickelten allegorischen Szene von C4 einen Höhepunkt (Venus und Α als Repräsentanten höfischer Kultur und höfischen
Kunstverstandes bekämpfen Mars, die Verkörperung einer barbarischen Welt des Krieges; der Beleg könnte auf das Mythologem vom Liebespaar Venus und Mars zurückgegriffen und es weiterentwickelt haben). Eine besondere Stellung kommt der A-Bildallegorie zu, die ausgehend von A l und B2 innerhalb der dt. höfischen Literatur eine breite Rezeption erfährt und den produktiven Einfluss ikonographischer Traditionen auf die literarische Allegorie unterstreicht. Ihre unterschiedlichen Sinngebungen lassen eine intensive literarische Diskussion erkennen, die im Medium des eingängigen und sinntragenden poetischen Bildes geführt wird. [12] Der Einfluss des negativ konnotierten, blinden und nackten „A der Mythographie" (E. Panofsky) [13] verschärft dabei die grundlegende Ambivalenz, die der personifizierten Liebe und den Liebesgöttern auch im höfischen Gewände zukommt, verhilft aber keineswegs einer konsequent ablehnenden Sicht zum Durchbruch. [1] Vgl. Jauß, Allegorese; Schnell, Causa Amoris, 373ff.; zu Α in der ma. M y t h o g r a p h i e vgl. C h a n c e , Medieval Mythography, Reg. [2] Kern, Edle Tropfen, 479ff. [3] Z u r Trennung von Α und C in A l Kistler, Heinrich von Veldeke, 200ff.; zu A / C bei Notker Chance, Medieval Mythography, 383f. [4] Z u r kontextuellen Funktion der Stelle (Amata sieht in Eneas den vom bleiernen Pfeil Verwundeten u n d bezichtigt ihn der Homosexualität) Schnell, Causa amoris, 215ff.; Kern, Edle Tropfen, 448f. [5] Vgl. für die höfische Ikonographie etwa das Autorenbild zum Corpus des W a c h s m u t von Mühlhausen im .Codex Manesse' (183v), wo die Geliebte den goldenen Speer auf den Sänger richtet. [6] J. Schwietering, Typologisches in ma. Dichtung, in: Ders., Philologische Schriften, 1969, 269-281, hier 272f.; dagegen Kistler, H e i n r i c h von Veldeke, 148ff., die die Büchse als aus d e m antiken Topos vom Arzt Α entwickeltes, neues Attribut auffasst. Mit einem Einfluss nicht miss-, sondern neuverstandener ikonographischer Tradition ist aber durchaus zu rechnen. [7] S.v. Eros (W. Fauth), in: DKP, Bd. 2, Sp. 361-363. [8] Vgl. G . Schweikle, Minnesang, 1995, 202. [9] I. Glier, Der Minneleich im späten 13.Jh., in: Werk - T y p - Situation. FS H . Kuhn. Hg. I. Glier [u.a.], 1969, 161-183, hier 173f. [10] Vgl. Kern, Amors schneidende Lanze. [11] Schnell, Causa Amoris, 393ff. [12] Kern, Amors schneidende Lanze, 584ff.
Amphiaraus — Amphilocus [13] Zum „blinden Α" der Mythographie und zu dessen ikonographischer Tradition noch immer maßgeblich: Panofsky, Der blinde Amor. Nachbenennung ,Göttiveiger Trojanerkrieg'·. Venus' Vater Avinör (2159) kämpfte einst gegen Apolisz [Apollo?] und Anamor (2160). Seine Waffen werden von Venus an Paris übergeben. Ein Fürst Amur wird von Hector im Zweikampf besiegt (9521085). Der König von Achaia, Eminor [Nf. Amor 22387, 22442], nimmt die von Jason verlassene Meiera (Medea) zur Frau (22297-22477). [1] [ 1 ] In der Nf. Anamor könnte sich der Name As verbergen (im Sinne von Anti-Amor; Kern, Agamemnon weint, 54f., Anm. 128). Die zweite Stelle kreuzt Jason- und Theseusmythos Iason, Theseus). Eminor vertritt die Rolle des Dionysos, der die zurückgelassene Ariadne zur Geliebten nimmt. Ob eine bewusste Nachbenennung vorliegt oder die variierenden Nff. reine (oder auch deutende?) Schreiberfehler darstellen, bleibt unklar. [mk]
Amphiaraus [Sohn des Oicles und der Hypermestra, berühmter Held und Seher; nimmt am Zug der Sieben gegen Theben teil]
Nf.: Amphioras (Al), Amphioraus (Bl)
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zur Oedipussage). Nennungen über die beiden Belege hinaus verzeichnen v.a. Eteocles und Polynices. [1] -> Oedipus. [2] Der,Roman d'Eneas' bezieht sich aufVergils Anspielung (vgl. VI,479ff.), nennt aber, ev. unter dem Einfluss des Thebenromans (oder aufgrund von Glossen?), alle Sieben. [mk]
Amphictyon [Sagenhafter dritter König von Athen]
El Rudolf von Ems,,Weltchronik' (Ampficteon, Amphitrione): Α ist einer der Könige von Athen (15776; 15780; Katalog). [1] [1] Der Tradition lat. Weltchronistik entsprechend wird die Profangeschichte in Exkursen zur Heilsgeschichte („incidentia") erörtert, wie hier meist in Form ausführlicher dynastischer Genealogien. Die mythologischen Daten werden dabei rein historisch aufgefasst. Für die Nennung A's verweist Ehrismann (Hg.), 216 auf,De Imagine mundi' des Honorius Augustodunensis. Aufgrund der Nf. ist eine Verwechslung mit Amphitryon nicht auszuschließen. [mk]
I.
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'3316: Α befindet sich unter den vor Theben gefallenen Helden in der Unterwelt (Katalog; Unterweltfahrt des Aeneas). Bl Ulrich von Etzenbach, Alexander' 3165'· Fürst Α nahm einst am Zug der Sieben gegen Theben teil (Alexander vor Theben; Exkurs zur Geschichte Thebens). II. Der thebanische Mythos und die Siebensage sind in der mhd. Literatur wenig bekannt. [ 1 ] Der afrz. Thebenroman (um 1150), der nach Statius' ,Thebais' den Stoff unter Einschluss der Oedipussage behandelt, wurde im Unterschied zum Troja- und zum Eneasroman nicht ins Mhd. übersetzt. Die Nennung A's in Al bezieht sich auf den .Roman d'Eneas' (2672) [2], Bl führt die entsprechenden Anspielungen in der ,Alexandreis' Walters von Chätillon (I,302ff.) wohl mit Hilfe von Glossen relativ breit aus (hier auch ausführlich
Amphidamas [Name mehrerer Helden der gr. Sage: Argonaute, lokrischer Held, dessen Sohn der junge Patroklos tötet; oder Held aus Kythera und Vorbesitzer der Sturmhaube, die Meriones dem Odysseus fur seinen Spähergang leiht]
Al Konrad von Würzburg, Trojanerkrieg, Fortsetzung 46830 (Ampfidamas)·. Der Trojaner A nimmt an den Beratungen der Verrätergruppe um Aeneas teil. [1] [ 1 ] Der Name ist bei Dictys, der Quelle von A l , nicht belegt, die gr. Sagentradition kennt nur Griechen mit Namen A, aber keinen Trojaner (vgl. Chandler, Catalogue, 17). [sks]
Amphilocus [Persischer Kämpfer; Chätillon 111,60]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander' (Amphilicon): Α wird im Kampf gegen die Griechen von Craterus getötet (8059; 8068). [sks]
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Amphimachus [1] — Amphimachus [3]
Amphimachus [1] [Gr. Heerführer der Epeier vor Troja, Gefährte des Aiax Telamonius; Dares 18,15; Dictys 14,15; Benoit 5624]
Nf.: Amfimachus (A2), Amphimacus, Eufimacus (Al) I. Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': A kommt mit Diores, Thalpius, Teucer und Polyxenus in Aiax' Flotte nach Athen (3338; „Schiffskatalog") und bildet mit ihnen in der Landungsschlacht vor Troja die 10. Schar (4878). Im Kampf um den gefangen genommenen Polydamas wird Α von Hector geköpft (5359). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg': A kämpft als Verbündeter der Griechen (23814; Katalog) gemeinsam mit Diores und Thalpius vor Troja (36758; Katalog). II. Beide Nennungen basieren auf dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, der wiederum Dares und Dictys folgt. Die unterschiedlichen Nif. erklären sich aus Varianten bei Benoit. Dort ist die Figur auch gedoppelt: Der eine Α fällt wie bei Homer (Jlias' 13,185) durch Hector, der andere nach Dares durch Aeneas (-* Amphimachus [2]). Letzterer ist auch als Fürst von Elis und Führer der Epeier ausgewiesen (so nach Dictys, die Zuordnung bereits bei Homer). [mk/sks]
Amphimachus [2] [Bei Dares 18,15 und Dictys 14,15 identisch mit -» Amphimachus f l j ; bei Benoit 5671 gr. Heerführer aus Elis]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' (Anfimacus, Eufimacus)·. Der aus Lize bzw. Lide (Elis) stammende Α führt mit seinem Gefährten Antiphus 13 Schiffe zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3384) und bildet mit ihm in der Landungsschlacht vor Troja die 19. Schar (4921; Katalog). Seine Tötung durch Aeneas löst ein schweres Gefecht aus (7607). [1]
[ 1 ] Zur Doppelung der Figur bei Dares/Dictys durch Benoit Amphimachus [1]. Die variierende Nf. nach Benoit. [mk]
Amphimachus [3] [König von Caria, Verbündeter derTrojaner; Dares 22,16; Dictys 47,14; Benoit 6687 Fimacus aus Colophon]
Nf.: Amfimachus, Anfimachus (A2), Phimacus (Al) I. Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. A, ein Verbündeter der Trojaner aus Colophon, bildet in der Schlacht gegen die landenden Griechen zusammen mit Pandarus, Amphius u.a. eine Schar (3986; [4845]; Katalog). A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg'·. A, der König von Lykien, ist ein Verbündeter der Trojaner (24814; 36644; Katalog). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung: A, der Herrscher von Caria, fällt im Kampf gegen Aiax Oiliades, als er Asius an den Griechen rächen will (44050; 44063). II. Al folgt dem .Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, A2 hier hingegen vermutlich direkt den Trojaberichten von Dares und Dictys. [1] Die abweichende Nf. bei Benoit und Al erklärt sich aus Varianten bei Dares, die Zuordnung ist daher gesichert. Wie die Herkunftsbezeichnung Lykien in A2 zu erklären ist, bleibt unklar: Kolophon ist die Hauptstadt Lydiens, vielleicht liegt eine Verwechslung mit Lykien vor, dann wäre freilich ein Rückgriff von A2 auf Benoit denkbar. Außerdem ist mit etwaigen Glossierungen zu rechnen, die für die Abweichungen verantwortlich sein könnten. Die Fortsetzung von A2 bezeichnet Α nach Dictys (91,1) korrekt als Herrscher von Caria. [2] [1] Lienert, Geschichte und Erzählen, 123f. [2] Zur schwierigen Zuordnung vgl. Chandler, Catalogue, 17 u. 296. Die dort gesondert geführten Ampfimach [1] und Amfimachus [1] (ebd., 17), sowie Phimachus (ebd., 296) sind als ein und dieselbe Figur anzusetzen. [mk/sks]
Amphimachus [4] — Amphion Amphimachus [4] [Bastardsohn des Priamus, soll die Friedenspläne Antenors durch ein Attentat vereiteln; Dares 45,13; Benoit 24578]
G: Jüngster Sohn des Priamus (Al), unehelicher Sohn des Priamus (A2) Nf.: Anfimacus (Al), Amfimachus, Amphimach (A2) I. Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': A kritisiert Antenors Friedensvorschlag und wird dafür von Aeneas gerügt. Priamus stiftet Α zu einem Attentat auf Antenor, Aeneas, Anchises und Polydamas an, das aber fehlschlägt, weil sie rechtzeitig davon erfahren (15033-15202). Aeneas und Antenor raten den Griechen, bei den offiziellen Friedensverhandlungen A's Verzicht auf die Herrschaft über Troja zu fordern, was Priamus freilich ablehnt (15574-15690). A2 Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg', Fortsetzung: Α lehnt den Friedensvorschlag Antenors ab und soll die zu den Griechen entsandten Boten auf Priamus' Befehl töten (46627-46797). Die Griechen fordern in den Verhandlungen mit den Trojanern den Verzicht A's auf die trojanische Krone als Bedingung für einen Friedensschluss (47125). II. Der Handlungsgang in Al folgt Benoit de Sainte-Maure, dieser wiederum Dares. A2 arbeitet grundsätzlich nach Dictys. Die Episode um A, den Dictys nicht erwähnt, ist aber nach Dares eingefügt [1] und daher nur lose mit dem nach Dictys geschilderten Hauptgeschehen verbunden (das Anschlagsmotiv bleibt offen). [ 1 ] Lienert, Geschichte und Erzählen, 337. [mk/sks]
Amphimedon [Gefährte des Phineus; M M 5,75]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen 5,121·. Der starke und tapfere A, ein Gefährte
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des Phineus, kämpft beim Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus so lange mit Phorbas, bis sie wegen des vielen Bluts im Saal [1] nicht mehr stehen können und ausrutschen. Perseus sticht ihm durch die Kehle, Phorbas durch die Hüfte (Katalog). [1] Das Motiv vom blutgetränkten Saal bezieht sich nicht etwa auf das .Nibelungenlied', sondern findet sich bereits bei Ovid. [mk]
Amphion [Sohn des Iuppiter und der Antiope, Gatte der Niobe]
W: Gottheit (El, E2) G: Sohn des Iuppiter (El, E2), Gatte der Niobe (Al, Bl) R: König (E3) von Theben (Al, B l ) Nf.: Amphio (E3) I. Al Albrecht von Halberstadt,,.Metamorphosen ': Α und seine sieben Söhne werden von Apollo aus Rache für die Schmähung Latonas durch Niobe mit Pfeilen erschossen, worauf Niobe vor Schmerz stumm und mit zerrauftem Haar durch die Stadt läuft (6,554). Seine Kinder und er werden von den Thebanern beklagt (6,828; [6,850]). Bl Ulrich von Etzen bach, »Alexander': A war König von Theben und Gatte der Niobe, die ihre Kinder verlor, weil sie Latona geschmäht hatte (2771). Nach Α herrschte König Laius (2826; Alexanders Zug nach Theben; Exkurs zur Geschichte Thebens). El Otto von Freising, ,Laubacher Barlaam' 11116: Α ist einer der außerehelich gezeugten Sprößlinge Iuppiters und gibt im Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden ein Beispiel für die Lasterhaftigkeit der gr. Götter und Heroen (Katalog). E2 Rudolf von Ems,,Barlaam' 10019: Inhalt wie El. E3 Rudolf von Ems, ,Weltchronik' 19937: A war ein mächtiger König. Sein Harfenspiel war nach dem Bericht der Fabel so schön, dass sich Steine nach der Melodie bewegten
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Amphissus — Amphitryon
- sinnbildlich ist damit gemeint, dass hartherzige Menschen bei A's Musik weichherzig wurden und ihre Traurigkeit vergaßen. II. Al und B1 bieten zwei der wenigen Belege fiir die Rezeption der Thebensage in der mhd. Literatur. Α wird im Kontext des Niobemythos erinnert. Dass Niobes Frevel gegen Latona auch seinen Tod durch Apollo bedingt, wird nur in Al (nach Ovids,Metamorphosen' 6,221) berichtet. Β1 bezieht sich auf die kurze Anspielung in der ,Alexandreis' Walters von Chätillon (1,340). Sie ist unter Rückgriff auf Glossen relativ breit ausgeführt. [1] Die beiden dt. Bearbeitungen der Barlaamsage E l und E2 beschränken sich auf die bloße Namensnennung in einem Katalog der Nachkommen Iuppiters, die dessen außerehelichen Affären entsprungen sind. Der ausführliche mythographische Exkurs geht letztlich auf ovidianische Tradition zurück. Die polemische Deutung folgt dem Prinzip christlicher Apologetik und erklärt sich aus dem Kontext, dem Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden. E3 erwähnt Α im Rahmen eines umfassenden profangeschichtlichen Exkurses zur Heilsgeschichte. Die Darstellungsweise entspricht der Tradition lat. Weltchronistik. Die mythologischen Daten werden dabei — wenn nicht überhaupt ausgeblendet - vollständig historisiert. Bei Α liegt der für E3 seltene Fall vor, dass der Mythos als solcher erzählt und dann nach dem Prinzip allegorischer Deutung rationalisiert wird. Das Motiv von Α als Erfinder der Leier bzw. berühmter Leierspieler geht auf Pausanias zurück. [2] Der Rückgriff auf lat. Mythographie wird im Hinweis auf die „Fabel" deutlich. Als Quellentexte kommen u.a. Mythographus Vaticanus I (97,26ff.) [3], die ,Ecloga Theoduli' (für das Deutungsprinzip) und die Chronik des Hieronymus in Frage (PL 27, Sp. 227). Am wahrscheinlichsten bezieht sich E l jedoch auf die entsprechende Angabe und Deutung im ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 519). [4]
Im Lichte der rein historiographischen Nennungen anderer mythologischer Gestalten [5] überrascht es, dass Α gerade nicht als König von Theben ausgewiesen wird. [ 1 ] Vgl. die bei Colker (Hg.) abgedruckten Glossen; genauer zur Gestaltung der Thebensage in Β1 Oedipus. [2] S.v. Amphion (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 1., Sp. 314. Das Motiv der klingenden oder dem Klang der Musik folgenden Steine ist sonst mit dem Orpheusmythos verbunden, vgl. M M 11,1 Off.; l l , 5 0 f f . und -» Orpheus. [3] Weitere Belege aus der Mythographie verzeichnet Chance, Medieval Mythography, Reg. [4] Für eine Benutzung Ekkehards durch E l sprechen auch die Belege zu Aeneas (Ϊ.Ε3/ΙΙ.1) und Latinus. [5] Vgl. die enstprechenden Belege zu psthus.
Aegeus,
Ae[mk]
Amphissus
Dryope
Amphitryon [Sohn des Königs Alceus von Tiryns, Gatte der Alcmene, mit der Iuppiter in A's Gestalt Hercules zeugt]
G: Gatte der Alcmene (Al, E l ) Nf.: Amphitrion (Al, E l ) I. A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 6,227'. In A's Gestalt schwängert Iuppiter dessen Gattin Alcmene. Arachne stellt diese und andere Affären Iuppiters auf dem von ihr im Wettstreit mit Pallas Athene verfertigten Teppich dar (Katalog der Geliebten Iuppiters; Descriptio des Teppichs der Arachne). E l Rudolf von Ems, ,Barlaam' 10002: In A's Gestalt erobert Iuppiter Alcmene. Die Begebenheit gibt im Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden aus christlicher Sicht ein Beispiel für die Lasterhaftigkeit der gr. Götter (Katalog). II. Obwohl im MA die Kenntnis des HerculesMythos verbreitet ist und Hercules auch in der volkssprachlichen Literatur zu den wichtigsten antiken Heroengestalten zählt, blieb der AMythos weitgehend unbekannt. Der einzige
Amphius [1] — Ampycus Beleg in der weltlichen Literatur, A l , gibt nur eine knappe Anspielung, die direkt Ovids .Metamorphosen' (6,112) folgt. In E l dient der Mythos gemeinsam mit anderen IuppiterMetamorphosen als einschlägiges Beispiel in der polemischen Auseinandersetzung mit dem gr. Götterglauben. Auch hier ist ein Rückgriff auf Ovid denkbar. Ab dem 16. Jh. wird der A-Mythos - v.a. aufgrund der Wiederentdeckung der Komödie des Plautus - zum beliebten Sujet von Komödie und komischer Oper, die bekanntesten Beispiele geben Purcell, Moliere und eben Kleist. [1] [1] S.v. Amphitryon, in: Hunger, Lexikon, 28f. [mk]
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[1] Die abweichende Nf. erklärt sich aus der Nf. Fion bei Benoit. Dares kennt nur einen A (-* Amphius [1]) [mk]
Amphoterus [Befehlshaber der makedonischen Flotte; Curtius III.1,19]
Al Rudolf von Ems, »Alexander (Amphoterj: Der hochgesinnte, vornehme Fürst Α soll über den Hellespont wachen (5067) und übernimmt dort die Herrschaft: (8613). Gemeinsam mit Hegelochus erobert er alle Länder zwischen Asien und Achaia sowie die Stadt Kiun (9499-10681), gewinnt das von Darius besetzte Kreta für Alexander zurück und schlägt die Perser in die Flucht (10709). [sks]
Amphius [1] [Verbündeter des Priamus aus Zelia; Dares 22,15; Benoit
6668 Ampon]
Amphrysos
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' (Ar-
[Fluss in Südthessalien, Flussgott; MM 1,580]
pon)\ Α ist ein Verbündeter der Trojaner aus Sizilien (3980). [1] Bei der Landung der Griechen bildet er mit Pandarus eine Schar (4846; Katalog der Trojaner). In einer späteren Schlacht wird er von Palamedes in die Flucht geschlagen (6849; 6920; Katalog).
Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen'
[1] Dares hat die Herkunftsangabe „de Zelia", woraus bei Benoit „Sizilien" wird. Auf Benoit geht auch die Doppelung der Figur in Amphion /// und Amphion [2] zurück, Grund dafür ist vielleicht eine Verderbnis in der DaresÜberlieferung. [mk]
(Amphrysus; Amphrise): Der sanfte Α und zahlreiche andere Flussgötter besuchen den über das Schicksal seiner Tochter Daphne trauernden Peneus (1,1127; Katalog). Beim Fluss A findet Medea das zur Verjüngung Aesons nötige Zauberkraut (7,499; Katalog). [mk]
Ampycus [Priester der Ceres, Gefährte des Perseus; M M 5,109]
Amphius [2] [Verbündeter des Priamus; Dares 22,15; Benoit 6887 Fion]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' (Fion, Phiun, Phyon) [1]: A, der Sohn des Glaucus, unterstützt mit Adrastus die Trojaner (4070). Sie kämpfen bei der Landung der Griechen in der von Pythagoras geführten Schar. Α wird kurzzeitig gefangen genommen (4696-4712; 5493-5509); er stürzt sich in die nach dem Tod Memnons entbrennende Schlacht (13285).
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Alphicus)·. Α tritt beim Hochzeitsfest des Perseus als Spielmann auf, wird in den Kampf, der zwischen Perseus und Phineus ausbricht, verwickelt und mit der Harfe in der Hand von Paetalus getötet. Lycormas will ihn rächen (5,191; 5,198; Katalog). [1] [1] Al identifiziert den Cerespriester A, der bei Ovid von Phineus getötet wird, mit dem bei Ovid unmittelbar danach genannten Sänger Lampetides, der durch Paetalus fällt (MM 5,111). [mk]
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Ampyx — Amyntor
Ampyx [Sohn des Titaron, Gefährte des Phineus, wird im Kampf gegen Perseus versteinert; M M 5,184]
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen'
5,322 (Amphix)·. A, ein Gefährte des Phineus, wird so wie andere beim Kampf während des Hochzeitsfests des Perseus in der Pose des Kämpfenden versteinert, als er das von Perseus gezückte Medusenhaupt anblickt (Katalog). [mk]
Amycus [Kentaur; MM 12,245]
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen'
12,470\ Der Riese A [1] erschlägt Celadon mit einem stählernen Lampenreif (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf, Katalog).
11975 [Heeresaufstellung]; 12333; 12451; 13413; Kataloge), muss mit seiner Schar vor den „Untoetigen" (Unverwundbaren) die Flucht ergreifen (7278), nimmt Tripolis und Zypern ein, verbreitet in Ägypten die Nachricht vom Sieg Alexanders, tötet Mazaces, unterwirft Pelusium und stellt in Makedonien ein neues Heer fiir den Agyptenfeldzug auf (8534-8578; 10348). Während des Persienfeldzuges stößt Α mit neuen Scharen zu Alexander (13323; 13410; 13802). Dieser übergibt Α und Craterus das Reich (15972). A wird wie Polemon und Simmias der Mitwisserschaft an der Verschwörung gegen Alexander beschuldigt, hält eine Verteidigungsrede und wird für unschuldig befunden (18893; 19453; 19695; 20033-20261).
A2 Ulrich von Etzelbach, Alexander': A, ei-
Amyntas [1]
ner der angesehensten Mitstreiter Alexanders (4707), kämpft unter der Führung von Nicanor auf der rechten Seite des Heeres (7417), rettet Philotas das Leben (8266) und vereitelt später dessen Begnadigung (18383; 18386; Verschwörung gegen Alexander). Alexander überlässt Α in seinem Testament die Herrschaft über Patrianos (27030).
[Amyntas III., König von Makedonien 393/2-370 v. Chr., Vater Philipps II.]
II.
[1] Die Kentauren sind in Al als Riesen gedacht (bes. 12,400ff.) und nur an einer Stelle andeutungsweise Mischwesen (12,636). Die Adaption greift auf „volksmythologische" Vorstellungen zurück, die dem Publikum aus der Heldensage vertraut sind; Centauri. [mk]
B1 P f a f f e Lamprecht, Alexander'S99 (Omin): Α wird durchwegs positiv gezeichnet, er ist A, ein Vorfahre Philipps, führte viele Kriege gegen Xerxes, sein Machtbereich erstreckte sich bis übers Meer. [sks]
Amyntas [2] [Kämpfer im Heer Alexanders d. Gr., Freund des Philotas]
G: Bruder des Polemon ( A l ) R: Heerführer Alexanders (Al), Gefolgsmann Alexanders (A2), Herzog (Al), Fürst (Al), Graf (A2), Herrscher über Patrianos (A2) Nf.: Aminctas (A2), Amintas ( A l ) I.
von hoher Abkunft und Gesinnung ( A l ) , angesehen (Al), klug (Al), tapfer (Al, A2), und strebt nach Ruhm (A2). In A2 dient er als Exempelfigur für einen tüchtigen Heerführer. Sowohl A l als auch A2 nennen Α in Zusammenhang mit dem Hochverratsprozess gegen Philotas, wobei A l auch von Anklage und Freispruch des Α berichtet. [sks]
Amyntor [Vater des Phoenix; MM 8,307]
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen'
Al Rudolf von Ems, Alexander': Α kämpft im
8,606(Amintor): Ks Sohn Phoenix nimmt an der Jagd auf den Kalydonischen Eber teil.
rechten Flügel von Alexanders Heer (6994;
[mk]
Anapis — Anchises
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Anapis
Anaximenes
[Fluss in Sizilien, Flussgott, Geliebter der Nymphe Cyane; MM 5,417]
[Gelehrter aus Lampsakos, E. 4. Jh. v. Chr., zahlreiche Anekdoten verbinden ihn mit Philipp und Alexander d. Gr.]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,790: Α hat die Liebe Cyanes durch Bitten und nicht durch Gewalt gewonnen (Exemplum der Cyane an Pluto, der Proserpina mit Gewalt erringen will).
Al Rudolf von Ems, Alexander' (Anaximenes, Naximena): Der weise Α lehrt den jungen Alexander Rhetorik (1355 [1]; 1377; Katalog der Lehrmeister Alexanders). Α rettet Athen, indem er Alexander überlistet: Als Alexander ihm versichert, seine Bitte nicht zu erfüllen, bittet ihn Α um die Zerstörung Athens. Alexander muss daraufhin Athen verschonen (3735). Alexander befragt Α und andere Meister nach der richtigen Lebensführung (3815; Katalog).
[mk]
Anaxagoras [Gr. Philosoph, 500/496-428 v. Chr.]
D1 Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast' 6412: Α ist ein beispielhafter Vertreter der Gelehrsamkeit. Heute gibt es keine Gelehrten mehr wie A, Aristoteles, Zeno, Parmenides, Plato oder Pythagoras, weil die Pflege und Förderung der Wissenschaft im Argen liegt (Katalog antiker Gelehrter; Zeitklage). [1] [1] Der singulare Beleg fiir Α und Parmenides dokumentiert den lat. Bildungshorizont Thomasins. Die Stelle selbst entspricht gängiger didaktischer Topik: Äs Name steht fiir den Exempel-Typus des rechtschaffenen Gelehrten, den sonst (und auch hier) vor allem prominentere Gestalten wie Plato und Aristoteles verkörpern. Die entsprechenden Namenskataloge sind je nach Wissensstand des Autors erweiterbar. [mk]
Anaxerete [Geliebte des Iphis, wird wegen ihrer Hartherzigkeit versteinert; MM 14,699]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Anaxerete) 14,823: Die erbarmungslose, hartherzige Α verschmäht die Liebe von Iphis so lange, bis sich dieser vor ihrer Tür erhängt. Als Α den Leichnam entdeckt, wird sie versteinert. Den Stein kann man in Salamis noch sehen (Exempel des Vertumnus an Pomona gegen Hartherzigkeit). [1] [ 1 ] Das Motiv, dass Α als Adelige die Liebe Iphis', eines Jünglings niederer Herkunft, ablehnt, wird von Al interessanterweise nicht aufgegriffen, obwohl es sich im Sinne analoger Konzeptionen der höfischen Liebeslyrik (der Sänger dient einer höher gestellten Dame/Herrin) anbieten würde. [mk]
[1] 1355 hat die Nf. Naximenea. Die Anekdote von der Überlistung Alexanders stammt nach Junk (Hg.) aus den Alexander-Regesten des Iulius Valerius (1,326), wo sie allerdings vor Lampsacus spielt. [sks]
Anchises [Troerfiirst, Vater des Aeneas, Geliebter der Venus]
G: Gatte (A2) oder Geliebter der Venus (El, E2), Vater des Aeneas (Al, A2) I.
A l Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman: Α erscheint Aeneas im Traum und fordert ihn auf, in die Hölle hinabzusteigen ([2547]). Sibylla stellt dem Fährmann Charon Aeneas als Sohn des Α vor (2998-3123). Aeneas trifft im Elysium („Elysii gevilde") auf A (3579). Dieser lässt ihn in einem klaren Wasser die Zukunft schauen (3612-3729; RV: 3800). Euander nimmt Aeneas gastfreundlich auf, weil er einst in Troja von Α ehrenvoll empfangen wurde (6139). A2 Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen': Venus ist wegen As Alter besorgt und will ihn ebenso verjüngen wie Iolaus verjüngt wurde (9,787). [1] Α wird von Aeneas aus Troja gerettet und bekommt von Anius ein Szepter geschenkt (13,822-903). [1] Α wird in Vers 9,787 als Vater des Aeneas ausgewiesen. Der Zusatz zu Ovid erfolgt mit Rücksicht auf die Kenntnisse des ma. Publikums.
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Andraemon
A3 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': A, Anterior, Aeneas und Polydamas verlangen die Rückgabe Helenas. Als sie erfahren, dass Priamus ein Attentat gegen sie plant, verschwören sie sich mit den Griechen (14987-15312). Diese sichern ihnen Schonung und Gold zu. Α schafft mit Aeneas das Palladium aus der Stadt (15905; 15987). Beim Untergang Trojas folgt er mit Aeneas und Antenor den Trojanerinnen in den Turm Ylion und wird wie vereinbart von den Griechen geschont und belohnt (16260; 16339). A4 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung41632: Α wird beim Brand Trojas verschont bleiben (Rede des Priamus). Dl Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast' 3403: Α musste beim Brand Trojas große Leiden ertragen, wurde mit Gewalt aus der Stadt vertrieben und starb schließlich während der Uberfahrt des Aeneas nach Italien (Exemplum; der Untergang Trojas gibt ein Beispiel für die Vergänglichkeit weltlicher Macht). E l Otto von Freising, ,Laubacher Barlaam' 11238: A's Liebesverhältnis zu Venus gibt im Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden ein Beispiel für die Lasterhaftigkeit der gr. Gottheiten (Katalog gr. Götter). E2 Rudolf von Ems, ,Barlaam' 10338: Inhalt wie E l . II. 1) Α in der ma. Literatur; 2) Motivtraditionen; 3) Α als Exempelfigur
1) Α ist für die ma. Literatur zum einen im Kontext der Aeneassage (Al, A2) als Vater des röm. Staatsheros von Interesse. Im Trojaroman (A3, A4) spielt er zum anderen beim Untergang der Stadt eine nicht ganz zweifelsfreie Rolle. Die Gestalt ist somit wie die des Aeneas selbst nicht einheitlich gezeichnet. Die eine Tradition bezieht sich auf die klassische röm. Epik, die andere auf die spätantiken pseudohistoriographischen Trojaberichte von Dares und Dictys. 2) Beschrieben wird Α in den mhd. Belegen als alter (Al, A2, D l ) , weiser (Al) und mächtiger Mann (Dl). Zu den prominentesten Motiven
aus Vergils Aeneis' zählt A's Rettung aus dem brennenden Troja durch Aeneas. Es wird in Al gerade nicht aufgegriffen und in A2 nach Ovid nur knapp referiert. Mittelbar über den ,Roman d'Eneas' gibt Al A's prophetischen Auftritt in der Unterwelt wieder. Der pathetische Ton, der der Szene als Angelpunkt des Reichsgründungsmythos bei Vergil zukommt, ist allerdings zurückgenommen. A's Rolle beim Untergang Trojas in A3 entspricht dem Handlungsgang im ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure (dort nach Dares und Dictys). In A4 wird direkt nach Dictys nur A's Rettung prophezeit. D l spricht von A's Vertreibung aus der Stadt und bezieht sich damit auf die Aeneastradition des röm. Epos und nicht auf Dares/Benoit. A's Liebesbeziehung zu Venus ist in Al zum bloßen genealogischen Faktum reduziert. In El und E2 ist sie willkommenes Argument für die christliche Polemik gegen die antik-heidnische Göttervorstellung. Das Motiv der versuchten Verjüngung A's durch Venus in A2 gibt eines der zahlreichen Beispiele typisch ovidianischer Mythen-Persiflage. Sie war dem höfischen Publikum und dem Autor selbst kaum noch nachvollziehbar. 3) D l sieht in Α eine Exempelfigur für die Vergänglichkeit und das Scheitern weltlicher Macht. Die Stelle reflektiert die gängige didaktische Vanitas-Topik. Dass Α dabei in einer Reihe mit so prominenten Gestalten wie Alexander, Caesar und Hannibal genannt wird, erklärt sich aus der Bedeutung der Aeneassage. Avertritt hier gewissermaßen seinen Sohn, der sich als einer der prominentesten ma. Reichsgründer nicht in die Reihe fügt, weil er letztlich reüssiert. [mk]
Andraemon [Gatte der Dryope; M M 9,333]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 9,672 (Andremon): Α nimmt die von Phoebus entjungferte Dryope zur Gattin und zeugt mit ihr ein Kind. Als Dryope in einen
Androgeus - Andromacha Baum verwandelt wird, bittet sie A, ihr gemeinsames Kind [Amphissus] einer Amme zu übergeben, die es unter dem Baum spielen lassen und ihm erklären soll, dass der Baum seine Mutter sei. [mk]
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ma. Weltchronistik. Quelle ist die ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1283b). [1] Sp. [2] Al
S.v. Androgeos (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 1, 346. Vgl. die Tötung der Söhne Niobes beim Ritterspiel in (-» Niobe). [mk]
Androgeus [Sohn des Minos und der Pasiphae, erster Sieger der Panathenäen, in Attika von Neidern ermordet]
G: Sohn des Minos (Al, E l ) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen'·. Α betreibt in einer Athener Schule eifrig sein Studium, wird deshalb von Neidern aus einem Fenster ins Meer gestoßen und stirbt. Um ihn zu rächen, entschließt sich Minos zu einem Kriegszug gegen Athen ([7,829]; 7,851). El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 20215: A wird in Athen aus Neid auf seine ständigen Siege bei den höfischen Ritterspielen erschlagen. Sein Vater Minos führt daraufhin einen Kriegszug gegen Athen, in dem die Kreter das Land verwüsten und die Kinder hochstehender Athener als Geiseln nehmen, die dem menschenfressenden Minotaurus geopfert werden. II. In antiken Quellen wird Α als erster Sieger bei den Panathenäen von den Unterlegenen in Attika ermordet. [1] Bei Ovid (MM 7,458) ist nur davon die Rede, dass Minos den Mord an Α rächen will. Dass der Mord in einer Athener Schule geschehen sei, ist ein Zusatz von Al, der auf eine Glosse zurückgehen könnte (vielleicht „in gymnasio", aufgefasst nicht als „Sportanstalt", sondern als „Schule"). In El werden die antiken Sportspiele gut mittelalterlich als Ritterspiele gedeutet. [2] Der mythische Kriegszug des Minos gegen Athen, zu dem A's Ermordung den Anlass gibt, ist Teil eines umfassenden profangeschichtlichen Exkurses zur Heilsgeschichte und völlig historisiert. Das Prinzip entspricht der Tradition
Andromacha [Tochter des Königs Eetion, Gattin des Hektor, Mutter des Astyanax]
G: Tochter des Priamus [!] (A2), Gattin des Hector (Al, A2, El), Mutter des Laodamas und des Astyanax (Al), Geliebte des Pyrrhus (Al), Nebenbuhlerin der Hermione (Al), Gattin des Helen us (El) Nf.: Andrimacha, n.n. (El) I. Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. A pflegt mit Hecuba, Helena und Polyxena den verwundeten Hector ([9207]). Nach einem warnenden Traum versucht sie vergeblich, Hector vom Kampf abzuhalten, und fleht Priamus an, ihn zurückzuhalten (9610-9787). Hectors Tod stürzt sie in tiefe Verzweiflung (10601). Bei der Eroberung Trojas verhindert Menelaus die Tötung Helenas durch Α und Cassandra, Aiax Oiliades bewacht die beiden (16302; 16368). Nach der Zerstörung der Stadt wird Α von Pyrrhus nach Griechenland gebracht. Sie vereitelt ihre und ihres Sohnes Tötung sowie die Befreiung der von Pyrrhus entführten Hermione durch Menelaus und gebiert Pyrrhus einen Sohn, der nach Pyrrhus' Tod für Laomedon die Herrschaft über Troja zurückgewinnt (18126-18203). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg'·. Α beklagt mit ihrem Vater [!] Priamus den Tod Laomedons im ersten Trojanischen Krieg (13266; Katalog der Priamustöchter), empfängt den aus dem Kampf zurückkehrenden Hector freudig (37676) und kann Agamemnon zufolge auf ihren siegreichen Mann stolz sein (40306).
78
Andromachus — Andromeda
, Trojanerkrieg '-Fortsetzung40999: Α begleitet Priamus zu den Griechen, um Hectors Leichnam für ein standesgemäßes Begräbnis zurück zu erbitten.
Dl Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast' 1030: Königin Α dient als Exempelfigur für eine vorbildliche Frau, von der die adeligen Jungfrauen lesen und die sie sich zum Vorbild nehmen sollen. Wenn die Leserinnen auch keine Königinnen sind, so sollen sie es doch im Herzen und in ihrem Verhalten sein (Katalog vorbildlicher Frauen aus der Literatur). [1] [1] An antiken Gestalten werden außerdem Penelope und Oenone genannt.
E l Annolied' [23,4]: Die Witwe Hectors wurde nach dem Trojanischen Krieg die Frau des Helenus, der die Herrschaft über Griechenland übernahm und ein neuesTroja gründete (Universalhistorische Einleitung; Untergang Trojas).
II. Sowohl in den Antikeromanen als auch in den Anspielungen erfüllt Α das Klischee der liebenden Gattin, das sich bis zu Homer zurückverfolgen lässt. DieTrojaromane A l und A2 folgen im Handlungsgang dem,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, der wiederum in der Tradition der Trojaberichte von Dares und Dictys steht. Die fälschliche Nennung A's im Katalog der Priamustöchter in A2 geht auf eine Variante in der Benoitüberlieferung zurück, A l nennt nach der korrekten Fassung Creusa. [1] Das sentimentale homerische Motiv vom Abschied Hectors von A am Skäischen Tor fehlt bei Dares und Dictys und daher auch im ma. Trojaroman. Dieser bringt dafür das Motiv von As unheilverheißendem Traum (Al nach Benoit; A2 bricht zuvor ab, die Fortsetzung von A2 folgt Dictys). Die Schilderung von A's maßloser Trauer über Hectors Tod in Al folgt Benoit, so auch die Angaben über A's Schicksal nach der Zerstörung Trojas. Benoit selbst basiert hier auf dem Bericht des Dictys, der seinerseits Motive aus Euripides' Drama Andromache' verarbeitet. E l greift direkt auf
die ,Aeneis' Vergils zurück (III,294ff.), ohne namentliche Nennung A's. Das von Α verkörperte stereotype Rollenbild erklärt auch, dass D l die Nebenfigur gemeinsam mit so prominenten Gestalten wie Enite (aus Hartmanns ,Erec') und Blanscheflur (aus Konrad Flecks ,Flore') als vorbildhafte literarische Frauengestalt nennt. Die Stelle ist rezeptionshistorisch hochinteressant, sie gibt den jungen Leserinnen Empfehlung zur Identifikation, wobei vor dem negativen Beispiel Helena eindringlich gewarnt wird.
[2] [1] Lienert, Geschichte und Erzählen, 187. [2] Kern, Edle Tropfen, 511. [mk]
Andromachus [Aufseher Syriens, wird von Samaritern verbrannt; Curtius VI.5,9]
A l Rudolf von Ems, Alexander': Α, ein stolzer, fürstlicher Kämpfer und Held, wird von Alexander als Verwalter über die Israeliten eingesetzt (9892) und von den Samaritern bei lebendigem Leibe verbrannt. Alexander lässt As Mörder töten (10665-10676). [sks]
Andromeda [Tochter des Cepheus und der Cassiope, Gattin des Perseus; M M 4,671]
G: Tochter des Cepheus (Al), Gattin des Perseus (Al, E l ) Nf.: Andromache (Al) [!] I.
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Zur Sühne fur die Schmähungen ihrer Mutter gegen Iuppiter wird A, die schöne Tochter des Cepheus, an einen Felsen geschmiedet und soll einem Meerungeheuer geopfert werden. Sie wird von Perseus gerettet und mit ihm vermählt ( 4 , 1 2 4 9 ) . Ihre Klage über den
Andronicus — Anius Kampf, der zwischen Perseus und Phineus während der Hochzeitsfeier ausbricht, wird vom Kampfeslärm übertönt. Α und ihre Eltern verlassen fluchtartig den Saal (5,263).
El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 19853: A
und Perseus sollen der Fabel zufolge nach ihrem Tod in den Himmel aufgefahren sein, wo zwei Sterne nach ihnen benannt sind.
79
Andronicus [Teilnehmer an den Feldzügen Alexanders, Feldherr des Antigonus von Tyros und Berater des jüngeren Demetrius; Curtius VII.3,2]
Al Rudolf von Ems, vAlexander'·. Fürst Α wird von Satibarzanes bedrängt und von Alexander mit Hilfstruppen unterstützt (20708; 21105; Alexanders Zug gegen Bessus).
II. Der Α-Mythos wird in A l nach Ovids M e t a morphosen' (4,67Iff.) referiert. Die Nf. Andromache könnte auf ein Missverständnis oder auf eine Variante in der Ovid-Überlieferung zurückgehen. Während bei Ovid nur von einer durch Ammon verhängten Strafe die Rede ist, deretwegen Α geopfert werden soll, spricht A l , vielleicht unter Rückgriff auf Glossen, von einer Schmähung Iuppiters durch A's Mutter. Im klassischen Mythos schickt Poseidon das Meerungeheuer, weil As Mutter geprahlt hat, schöner als die Nereiden zu sein. Das Orakel Ammons empfiehlt als Abhilfe gegen die Plage die Opferung A's. [1] Der Beleg in El findet sich in einem breiten profangeschichtlichen Exkurs zur Heilsgeschichte. Nach der Tradition ma. Weltchronistik wird der Mythos historisiert und in genealogischen Katalogen aufbereitet (auf eine narrative Darstellung wird dabei weitgehend verzichtet). A und Perseus erscheinen als Königspaar. Das Motiv der Verstirnung lässt sich bereits für das 5. Jh. v. Chr. nachweisen (Ovid und A l erwähnen es nicht). [2] Belege finden sich auch in der ma. Historio- und Mythographie. Für einen Zusammenhang mit der mythographischen Deutungsmethode spricht der explizite Hinweis von El auf den mythologischen („fabulösen") Charakter der Verstirnung. [3] [1] S.v. Andromeda (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 1, Sp. 348. [2] Ebd. [3] Vgl. etwa Isidor, Etym. 111.71,33. Als naheliegendste Quelle kommt für Ε1 die Chronik des Hieronymus in Frage, die ebenfalls von A's und Perseus Verstirnung berichtet (PL 27, Sp. 201). Eventuell lag El dazu eine Glosse vor, die die Angaben als mythische Fabel („fabulose") qualifiziert. [mk]
[sks]
Anepolis [Persischer Fürst am Hofe des Darius; Leo 92,5]
Al Rudolf von Ems, Alexander'6541: Der persische Fürst Α hat einst die Tributforderungen des Darius nach Makedonien überbracht und erkennt daher Alexander wieder, als dieser als sein eigener Bote getarnt bei Darius tafelt. [1] [1] Die Episode wird auch in der Straßburger Fassung von Lamprechts .Alexander' (3145ff.) berichtet, Α wird dort aber nicht namentlich genannt. [sks/mk]
Anius [Sohn des Apollo und der Rhoio, Seher und Priesterkönig auf Delos; M M 13,632]
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen'
13,832: A, der gastfreundliche, ehrbare König von Athen [1] und Priester des Apollo, empfängt Aeneas und sein Gefolge in Athen und berichtet Anchises, dass sein Sohn ein Vogelflugdeuter im Dienste Apollos sei und seine vier Töchter in weiße Tauben verwandelt worden seien. Bei der Abreise schenkt er Anchises ein Szepter, Ascanius ein Gewand und Aeneas einen Kelch und erhält dafür ein Schwert, einen Speer und einen Bogen. [1] Die Lokalisierung der Begebenheit in Athen ist eine eigenständige Neuerung von A l . Α wird als Priesterkönig von Delos auch bei Vergil erwähnt (Aeneis' 111,80). Aeneas befragt bei ihm das Delische Orakel nach dem Ziel seiner Fahrt. Die Stelle fehlt im ma. Eneasroman. [mk]
80
Anna — An tenor
Anna [Schwester der Dido; Aeneis' 4,9; RdE 1273]
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman (Anne): Α empfiehlt ihrer liebeskranken Schwester Dido, den Eid, den sie ihrem verstorbenen Gatten Sicheus geleistet hat, zu brechen, sich wieder zu verheiraten, und berät sie, wie sie sich Aeneas gegenüber verhalten soll (14511585). Nach Aeneas' Abfahrt schickt Dido A zu einer Zauberin, um ein Heilmittel gegen ihre Liebe zu besorgen (2306), lässt Α die Geschenke des Aeneas zusammentragen und verbrennen (2324-2336) und nimmt sich das Leben. Α beklagt sie (2461-2477). [1] [1] Der Handlungsgang von Al folgt dem,Roman d'Eneas', der wiederum auf Vergil basiert. [sks]
Antaeus [Riesenhafter Sohn des Poseidon und der Ge> von Herakles getötet]
G: Sohn der Erde Nf.: Anteus (El), Antheon (Al), Antheus (Bl) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Der Riese Α ist ein Sohn der Erde und bezieht von dieser seine Kraft. Hercules muss ihn deshalb im Kampf vom Boden heben, um ihn töten zu können (9,396; 9,405; Katalog der Taten des Hercules; der sterbende Heros beruft sich auf diese in einer Klagerede gegen Iuno). Bl Ulrich von Etzenbach, Alexander' 9937: Angesichts der persischen Übermacht sieht sich Alexander in derselben Situation wie Hercules im Kampf gegen Α und Hydra. Sooft Α zu Boden ging, gewann er dreimal soviel Kraft, ein abgeschlagener Kopf Hydras wuchs dreifach nach (Exemplum; Schlacht bei Arbela). El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 20133·. Der berühmte Held Α wurde von Hercules besiegt.
II. Hercules' Kampf mit Α zählt nicht unmittelbar zum so genannten Dodekathlos, den zwölf Arbeiten, Hercules besteht das Abenteuer aber auf dem Weg zu den Hesperiden (11. Arbeit). Obwohl der Hercules-Mythos im MA relativ bekannt war, repräsentiert das Α-Motiv mythographisches Spezialwissen. Die drei Belege basieren daher auch direkt auf lat. Quellen. Al bezieht sich auf Ovids ,Metamorphosen'. Die knappen Anspielungen zu den Taten des Hercules dort sind - unter Rückgriff auf Glossen, Scholien oder Nebenquellen [1] - breit ausgeführt, so auch der Kampf mit A (12 Verse zu Ovids „saevoque alimenta parentis Anteo eripui"; MM 9,183f.). Das Exemplum in Bl gibt die entsprechende Stelle in der Alexandreis' Walters von Chätillon (111,434) wieder (auch hier vielleicht unter Zuhilfenahme von Glossen). El erwähnt Α im Rahmen eines umfassenden profangeschichtlichen Exkurses zur Heilsgeschichte. Der Tradition ma. Weltchronistik entsprechend, wird auf eine narrative Darstellung weitgehend verzichtet. Quelle des Belegs ist die ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1283b). Mit Α in einem Spruch des Marner ist -* Perseus gemeint. [1] Bartsch, Albrecht von Halberstadt, CLV1. [mk]
Antenor [Trojanischer Fürst, rät zur Rückgabe Helenas, nach röm. Tradition Gründer von Padua]
G: Vater des Polydamas (A2) und des Glaucus (A2, A3) R: Graf, Fürst (A2, A3), Ritter (A3), König (A3), Botschafter (A2, A3) und Ratgeber des Priamus (A3) Nf.: Anteno(r)is [gen.] (E4), Anthenor (Al, A2, A3, El, E2) I. Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman 3326: Der weise Α befindet sich unter den gefal-
Antenor lenen Trojanern in der Unterwelt (Katalog; Unterweltfahrt des Aeneas). A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von TroyeA erhält von Priamus den Auftrag, Hesiona von den Griechen zurückzufordern, wird von diesen aber schmählich behandelt. Peleus verweist ihn des Landes, Telamon blendet ihn beinahe, Castor und Pollux verjagen ihn, Nestor bedroht ihn mit dem Tod. Auf der Heimfahrt gerät Α in einen Sturm (19192286; [3808]). [1] Mit Aeneas, Deiphobus und Polydamas begleitet er später Paris nach Griechenland und stimmt dessen Plan zu, Helena zu entführen (2368; 2554; 3221; 3232). Α bewacht ein Tor Trojas (4098; Kriegsvorbereitungen), nimmt bei der Landung der Griechen mit Deiphobos und Hector Thoas gefangen (5423; 6669; 6856; Katalog), beteiligt sich an den Beratungen (7035-7289), wird in der folgenden Schlacht selbst gefangen genommen und gegen Thoas ausgetauscht (7600; Katalog; 7824-7879; 9703; Katalog), beklagt Hectors Tod (10169; Katalog; 10549), unterstützt Paris (12917) und verliert durch Pyrrhus seinen Sohn Glaucus (14842), den er später bergen und bestatten lässt (1534815725). Mit Polydamas, Anchises und Aeneas fordert er die Rückgabe Helenas. Als die vier von Priamus' geplantem Anschlag gegen sie erfahren, verbünden sie sich mit den Griechen. Α wird von Aeneas als Bote bei den offiziellen Verhandlungen eingesetzt und verspricht den Griechen die Übergabe Trojas, wenn Priamus Helenas Rückgabe weiter verweigere (14988-15309). Α empfiehlt den Trojanern neuerlich die Rückgabe Helenas und wird von ihr um Fürsprache bei den Griechen gebeten. Als Priamus ablehnt, schlägt A Diomedes und Ulixes den Raub des Palladiums vor, unterbreitet Priamus die Geldforderungen der Griechen, entlockt Theano das Palladium und übergibt es Ulixes und Diomedes, die ihm, Aeneas und Anchises dafür Schonung und Gold versprechen. Im Wissen um die bevorstehende Eroberung arrangiert A die Übergabe der Reparationszahlungen, dabei leisten die Griechenführer Priamus einen
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doppeldeutigen Eid auf die mit Α getroffenen Vereinbarungen, also auf die Eroberung Trojas (15348-15725; 15842-15994). Gemeinsam mit Aeneas und Anchises folgt Α bei der Eroberung Trojas den Troerinnen in den Turm Ilion, wird von den Griechen geschont und belohnt, übergibt ihnen Polyxena, verrät, dass Aeneas sie verbergen wollte, und verlässt Troja (16262-16432). Nach der Abfahrt der Griechen wird Α von Aeneas nach Troja zurückbeordert, beschimpft und fortgeschickt. Im Land des Oenideus errichtet er eine Burg, wohin ihm die restlichen Trojaner folgen (16808-17046). [ 1 ] Eines der sechs Haupttore von Troja trägt den Namen Antenoridas (1844). Al nennt wie Benoit nur vier Tore namentlich, das Skäische und Trojanische fehlen. Dares hat alle sechs.
A3 Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg·. A fordert als Bote des Priamus Hesiona zurück, verlangt von den Griechen Buße, schweigt, als er des Landes verwiesen wird, kehrt nach Troja zurück und überlässt es Priamus, sich zu rächen (17970-18368; RV: 26608). In den Kämpfen erwirbt er sich große Ehren (30220-30243; 33361-33442; 36634; Kämpferkataloge). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung: Α wird beim Brand Trojas verschont bleiben (41632-43073). Helenus sagt A's Verrat voraus. Α möchte Helena ausliefern, strebt ein Ende des Krieges an, unternimmt einen Botengang zu den Griechen und bietet ihnen Freundschaft an. Priamus wirft er Hoffart und Unterdrückung der Trojaner vor (45208-46140). Gemeinsam mit seinen Söhnen schließt er ein Bündnis mit den Griechen. Auf seinem Botengang nach Troja verbreitet Α die Nachricht, dass sich die Griechen mit den Trojanern verbünden und die Stadt mit einem hölzernen Pferd ehren wollen (46140-46397). In einer Rede erhebt er Anschuldigungen gegen Priamus, tritt für die Rückgabe Helenas und für einen baldigen Frieden ein und will nicht länger in der Stadt bleiben. Auf einem neuerlichen Botengang trägt er den Griechen Helenas Bitte um Verzeihung vor und soll auf ihre Zusage nach der
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Antenor
Eroberung der Stadt gemeinsam mit Helenus über das Land herrschen (46397-47195). A lädt die gr. Boten zu sich, erzählt ihnen von der Gründung Trojas durch Ilus und versichert sie seiner Vertragstreue. Von Theano, der Priesterin des Minerva-Tempels, fordert er das Palladium und lässt es nach Griechenland bringen. Α legt gegenüber den Trojanern einen falschen Sühne-Eid ab und wird von ihnen wie ein Gott verehrt (47195-48198), schlägt sich bei der Eroberung Trojas mit seiner Schar auf die Seite der Griechen und schützt Cassandra vor deren Zorn (4819848903; 49762). E l Annolied 23,9'. Α flüchtet aus Troja, als er merkt, dass die Stadt fallen wird. Er gründet Padua (Patavium) am Fluss Timavus (universalgeschichtliche Einleitung; Nachgeschichte des Trojanischen Krieges). E2 Kaiserchronik 367'· Α gründet nach Trojas Fall Mantua und Padua (Caesars Zug zu den Franken, deren Ahnen aus Troja stammen). E3 Rudolf von Ems, , Weltchronik' 26709'. A hat Troja verraten. Seine Nachkommen besiedeln die zerstörte Stadt neu, die Herrschaft übernehmen später die Nachkommen Hectors (Nachgeschichte des Trojanischen Krieges, Herrschaftsgründungen; Quellenverweis auf ein „buochTroie" [26714]). E4 Jans Enikel,, Weltchronik' 16889: Α flieht nach der Zerstörung Trojas nach Italien und gründet Städte und Burgen, darunter Mantua und Passau in Bayern an der Donau (Zerstörung Trojas; Schicksal der Trojaner). II. 1) Allgemeines; 2) Α im Trojaroman; 3) Α als Städtegründer
1) Α zählt bereits in der ,Ilias' zu den wichtigsten trojanischen Fürsten. Schon dort rät er zur Rückgabe Helenas (7,347). In weiterer Folge verbindet sich mit ihm das Motiv vom Verrat der Stadt, so insbesondere in den spätantiken pseudohistorischen Trojaberichten von Dares und Dictys. [1] Diesen folgen über den ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure die mhd. Trojaromane A2 und A3
(die Fortsetzung von A3 direkt nach Dictys), in derselben Tradition steht auch E3. Ein anderes, positives Α-Bild vermittelt die röm. Trojatradition, namentlich Vergil, von dem Al (über den frz. ,Roman d'Eneas') sowie die chronistischen Belege (mit Ausnahme von E3) abhängen (El direkt nach Vergil, E2 nach E l , E4 nach E2). 2) Die Trojaromane Al und A2 berichten zunächst von A's misslungener Botenfahrt zur Rückforderung Hesionas, wobei Α in A2 zum „Unglücksraben" stilisiert wird, der bei den Griechen von einer Gefahr in die andere gerät (nach Benoit). Α wird weiters als Kämpfer genannt. Die Hauptmotive stellen Äs Verrat bzw. sein Bündnis mit den Griechen dar (A2, A3), beides begründet mit seiner vergeblichen Forderung nach Helenas Rückgabe (A2, A3), mit Priamus' Anschlagsplan (A2) und mit A's Bestreben nach Frieden und Landbesitz (A3). Das Motiv des Verrats verbindet sich mit A's Rolle als Bote und Unterhändler in den Verhandlungen der Kriegsparteien (A2, A3), mit dem Raub des Palladiums (A2, A3), mit dem Trojanischen Pferd (A3), mit der Rettung Cassandras (A3) sowie mit A's Schonung und Belohnung durch die Griechen (A2, A3). Seinem ambivalenten Charakter wird in der Personenbeschreibung Rechnung getragen, die neben seiner Klugheit (A2, A3), Sprachenkenntnis (A2), Redegewandtheit (A3) und seinem höfischen Verhalten (A2, A3) auch seine Treulosigkeit und Falschheit (A2, A3) betont. 3) Die chronistischen Berichte E l , E2 und E4 nennen Α ausschließlich im Zusammenhang mit seinen Städtegründungen nach der Zerstörung Trojas, namentlich von Mantua (E2, E4) und Padua (El, E2) bzw. Passau [!] (E4). Diese Gründungssagen basieren auf röm. Tradition, konkret auf der in Vergils ,Aeneis' erwähnten Gründung Paduas (1,242). Die Erwähnung von Passau in E4 geht auf die entsprechende Variante zu Patavium in der Rezension Β von E2 zurück. [2] Die Nennung A's in E3 steht im Rahmen eines profangeschichtlichen Exkurses zur Heilsgeschichte
Antigenes — Antigonus [1] und entspricht der Tradition lat. Weltchronistik, repräsentiert also einen anderen ChronikTypus als El, E2 und E4. Die Wertung folgt der pseudo-historiographischen Troja-Tradition bei Dares und Dictys, auf die sich auch der Quellenverweis beziehen mag. [1] S.v. Anterior [1.] (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 1, Sp. 369. [2] Strauch (Hg.), 320, Anm. 2. [mk/sks]
Antigenes [Heerführer Alexanders; Curtius VIII. 14,15]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 13406 (Antigenis): Der weise Fürst Α übernimmt bei der Teilung der Heerscharen durch Alexander die Führung der 2. Schar (Eroberung Persiens).
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Antigone [2] [Tochter des Laomedon, wird von Iuno in einen Storch verwandelt; M M 6,93]
Al Albrecht von Halberstadt, .Metamorphosen' 6,171: Weil sie sich gegen Iuno aufgelehnt haben, werden A, die Tochter des Laomedon, und ihr Volk in Störche verwandelt. Wegen ihrer Streitsucht klappern die Störche noch heute, wenn man sie aus dem Nest jagen will (Descriptio; Darstellung auf dem Teppich, den Pallas im Wettstreit mit Arachne webt; zugleich ein abmahnendes Exemplum an Arachne). [1] [1] Bei Ovid wird nur Α verwandelt. Dass sich der Storch mit seinem Klappern noch heute selbst Beifall zolle, ist der Sinn des Aitions bei Ovid. Nähere Angaben zu As Vergehen gibt Ovid nicht. Α soll sich ihrer schönen Haare wegen mit Iuno verglichen haben; s.v. Antigone [3.] (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 1, Sp. 380. In Al hat es den Anschein, als hätten sich Α und ihr Volk gegen Iuno erhoben.
[sks] [mk]
Antigone [1] [Tochter des Oidipus, wird wegen der Bestattung ihres Bruders Polyneikes von Kreon zum Tode verurteilt] Nachbenennungen Wolfram von Eschenbach, .Parzival'404,23 u.ö. (Antikonie)·. Schwester König Vergulahts, empfängt den des Mordes an ihrem Vater beschuldigten Gawan in Schamfänzun, sie verlieben sich ineinander, werden aber entdeckt, Gawan wird festgenommen. Α setzt sich bei Vergulaht fur Gawan ein. [1] Der Pleier,, Tandareis' (Anticonie)·. Α ist die Schwester Vergulahts, Gattin des Dulcemar und Mutter des Tandareis (226 u.ö.). Albrecht, Jüngerer Titurel' (Antikonye): Α ist eine von 80 Damen am Artushof (1645,4; 1814,1). [1] Die Nf. legt eine Verbindung mit der ansonsten in der mhd. Literatur nicht belegten thebanischen Antigone nahe. J. M. Clifton-Everest (Wolfram und Statius: Zum Namen Antikonie' und zum VIII. Buch des Parzival, ZfdPh 117, 1997, 321-351) denkt an einen Einfluss der Antigonefigur aus der im MA verbreiteten .Thebais' des Statius (beide versuchen eine Versöhnung zwischen verfeindeten Verwandten herbeizuführen). Die motivischen Bezüge sind allerdings dünn, und die Frage von Wolframs Kenntnis der ,Thebais' (eventuell über den afrz. Thebenroman?) ist nicht geklärt. Die Nennungen beim Pleier und bei Albrecht beziehen sich direkt auf Wolfram. [mk]
Antigonus [1] [Makedonischer Feldherr, Satrap von Phrygien, erhält nach Alexanders Tod Pamphylien und Lykien, gründet Antigoneia am Orontes und nimmt als erster Diadoche den Königstitel an]
R: Fürst (Al, A2), König (Dl) Nf.: Antigon (A2), Antigonis, Antugenes (Dl) I.
Al Rudolf von Ems, Alexander': Der starke und mutige Fürst Α wird von Alexander als Verwalter von Lydien eingesetzt, wehrt den Angriff der Perser ab und macht viele Gefangene (8591; Eroberungszug der Perser gegen Kleinasien). Er soll Licaon verwalten (94889491; Alexanders Zug gegen die Perser) und übernimmt bei der Eroberung Persiens die Führung der fünften Schar (13412). A2 Ulrich von Etzenbach, Alexander'·. Α, einer der angesehensten und kampftüchtigsten Gefolgsmänner Alexanders (4721; Katalog),
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Antigonus [2] — Antilochus [2]
kämpft bei Issos unter der Führung Parmenios im linken Flügel (7465; Katalog), tötet Phylax (8043; 8049) und nimmt auch an der Schlacht von Arbela teil (13969; 16676). In A's Begleitung besichtigt Alexander einen herrlichen Palast aus Gold, einen goldenen Tempel namens „Haus der Sonne" und einen Weingarten mit Trauben aus Perlen und Edelsteinen (22637; Eroberungszug nach Indien). Aufgrund von Alexanders testamentarischer Verfügung erhält Α die Herrschaft über Phrygien und Makedonien (27011) und bleibt bis zu seinem Tod ein Vorbild an Tapferkeit und Zuverlässigkeit (27676). D l Wernher von Elmendorf, 384: Α wollte einem Armen, der ihn um ein Pfiind bat, soviel nicht geben. Als der Arme daraufhin um einen Pfennig bat, meinte er, es wäre schändlich, würde er als König so wenig geben. II. Der historische A war einer der wichtigsten Fürsten um Alexander, die Gestalt ist im ma. Alexanderroman durchwegs positiv gezeichnet. Al folgt in seinen Angaben im Wesentlichen Quintus Curtius Rufus (IV. 1,35). Da der Text Fragment geblieben ist, wird über A's weiteres Schicksal nichts berichtet. Die Angaben von A2 folgen der ,Alexandreis' Walters von Chätillon (11,432 u.ö.). Ob mit dem in Dl genannten Α tatsächlich der Feldherr Alexanders und Diadoche gemeint ist, ist nicht ganz sicher. Er gibt jedenfalls ein negatives Exemplum für einen nicht freigebigen Herrscher. Die folgenden Verse nennen Alexander als positives Gegenbeispiel.
Antilochus [1] [Ältester Sohn des Nestor, Freund des Achilles]
G: Sohn des Nestor (Al, A2) R: Fürst (A2), Held (A2) N£: Antiloch (A2), Antilocus (Al) I. Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': A, ein kräftiger Kämpfer in einem weißen Waffenrock, tötet einen Kebssohn des Priamus (12939-12953) und begleitet Achilles zum Apollo-Tempel von Troja, wo die beiden von Paris und seinen Mannen aus dem Hinterhalt überfallen und ermordet werden. Ihre Leichen werden vor Hectors Grab geworfen, dann aber den Griechen übergeben. Nestor beklagt seinen toten Sohn und lässt ihn in die Heimat überstellen (13538-13745). A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg, Fortsetzung·. Der weise und mächtige Α nimmt an der Siegesfeier des Achilles nach Hectors Tod teil (40949) und fällt im Kampf gegen Memnon (42953). Die Griechen beklagen seinen Tod, sein Leichnam wird Nestor zur Bestattung übergeben (43289). II. Der Nestorsohn Α ist schon in der ,Ilias' Vertrauter des Achilles. Die ,Odyssee' berichtet von seinem Tod durch Memnon. [1] Diese Variante findet sich auch im Trojabericht des Dictys (86,5), von dem sie A2 direkt übernimmt. Die Version von Al geht mittelbar über denTrojaroman Benoits de Sainte-Maure (22144) auf die Schilderung der Ereignisse im Trojabericht des Dares (41,13) zurück. [1] S.v. Antilochos Sp. 384.
( H . von Geisau), in: DKP, Bd. 1, [mk/sks]
[mk/sks]
Antilochus [2] Antigonus [2] Deckname Alexanders d. Gr. während seines Aufenthalts bei Candacis: Pfaffe Lamprecht, vAlexander' (S5650-5868), Ulrich von Etzenbach, Alexander' (20262; 20270; 20280). [sks]
[Persischer Satrap; Leo 67,31 ]
R: Fürst (A2), Herzog (Al) Nf.: Marios, Tybotes, Typotes (Al) I. Al Pfaffe Lamprecht, Alexander': Die Herzöge A (VI 166, S1597) und Primus (VI 166,
Antimachus [1] — Antiochus [2] S I 5 9 5 ) sollen im Auftrag des Darius den Euphrat sichern und Alexander gefangen nehmen. Sie weigern sich mit dem Hinweis auf Alexanders Stärke. Der erzürnte Darius gibt den Befehl an Memnon weiter. A2 Rudolf von Ems, »Alexander': Die Fürsten A (4440; 4466) und Primus (4440; 4465) werden von Darius mit der Gefangennahme Alexanders am Granikos beauftragt, sehen sich der Aufgabe aber nicht gewachsen und teilen dies Darius brieflich mit. Darius beauftragt daraufhin Memnon. II. Die beiden Satrapen tragen in der ,Historia de preliis' die Namen Primus und Anti(l)ochus, bei Pseudo-Kallisthenes heißen sie Spinther und Hydaspes. [1] Al und A2 folgen hier beide der ,Historia'-Tradition, Al zeigt stark abweichende Nff. und spricht von Marios und Tybotes (S) bzw. Typotes (V). Tybotes wird wohl Α zuzuordnen sein, Marios dem Primus. [1] Kinzel (Hg. Al), 137f., Anm. zu S1578-1611. [mk]
Antimachus [1] [Kentaur, fällt durch Caeneus; M M 12,460]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12,704: Der überaus starke Α wird mit vier anderen Riesen [1] von Caeneus erschlagen, Latreus will sie rächen (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf; Katalog). [1] Die Kentauren sind in A l als Riesen gedacht (bes. 12,400ff.) und nur an einer Stelle andeutungsweise Mischwesen (12,636). Die Adaption greift auf „volksmythologische" Vorstellungen zurück, die dem Publikum aus der dt. Heldensage vertraut sind, vgl. -» Centauri. [mk]
Antimachus [2] [Trojaner, Gegner Antenors, seine Söhne werden von den Griechen nach der Eroberung Trojas getötet; Dictys 98,9]
AI Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung (Anthimach, Antimach): Α hat einst
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die gr. Boten schmählich behandelt, weshalb seine beiden Söhne nach der Eroberung Trojas gesteinigt werden (45583-46487). [sks]
Antiochus [1] [A I. Soter, gest. 261 v. Chr., Sohn des Seleucus I., Schwiegersohn des Ptolemaeus, stellt die von Alexander gegründete und danach zerstörte Stadt Antiochia im nördlichen Parthien wieder her]
E l Jans Enikel,, Weltchronik' 19768: König A, ein guter Herrscher, folgt auf Seleucus und gründet die Stadt Antiochia. [1] [1] Strauch (Hg.) verweist für die Stelle auf Honorius Augustodunensis, ,De imagine mundi' (PL 172, Sp. 176: .Antiochus qui et Sother filius eius [des Seleucus] regnat post eum."). [sks/mk]
Antiochus [2] [A IV. Epiphanes, 175-163 v. Chr., Herrscher über Syrien]
Nf.: Anthyochus (B3), Antjochus ( E l ) I. B1 Ulrich von Etzenbach, Alexander'27147: A wird als Beispiel fur einen Judenfeind genannt (Berufung auf das Buch Makkabäer). B2 Albrecht, Jüngerer Titurel'3126,2/4: A, der sich mit 40000 Mann den 1000 Mann des Judas Makkabäeus geschlagen geben musste, gibt ein Beispiel dafür, dass nicht die Truppenstärke ausschlaggebend für den Sieg ist (Exemplum; Kampfrede Ackerins vor der Schlacht gegen die Babylonier). B3 ,Reinfried von Braunschweig'26816: Nach dem Tod Alexanders wurde sein Reich aufgeteilt und verlor an Bedeutung, bis Α die Herrschaft antrat (Exkurs zur Geschichte Babylons; Warnung vor den Folgen einer Reichsteilung). E l Rudolf von Ems, ,Barlaam' 2403: Α dient als Exempelfigur für schlechte Herrscher, die Feinde Gottes waren. Er wurde von Judas Makkabäus geschlagen (Katalog).
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Antiochus [3] — Antiochus [4]
II. Die negative Bewertung As in B l , B2 und El als Judenverfolger geht mit der biblischen Sichtweise der Ereignisse (AT, 1 Makk) konform und basiert historisch auf As Vorliebe für die gr. Kultur und seinem Verbot des Jahvekultes. Dies hatte die Erhebung der Makkabäer im Jahre 168 v. Chr. zur Folge. [1] In B3 wird Α als machtstabilisierender Herrscher eher positiv gesehen.
schlagen wird, zieht Apollonius als Nachfolger festlich in Antiochia ein (2282; 2293; 2391; RV: 17606; 17993; 19281, 20359). Bl Pfaffe Lamprecht, Alexander' (V1011; S1405): Α vertrieb Apollonius, als dieser brieflich das von ihm gestellte Rätsel löste und so seinen Inzest mit der eigenen Tochter enthüllte.
II. Die ,Historia Apollonii Regis Tyrii', ein spät[1] Sie ist natürlich auch das zentrale mit Α verbundeantiker Roman des 2./3. Jh. n. Chr. ist im MA ne Datum in der mlat. Chronistik, vgl. den Zusatz zur gut bekannt. Ausgangspunkt der Handlung Nennung As in der syrischen Herrscherliste bei Honorius Augustodunensis, ,De imagine mundi', PL 172, Sp. 177: ist das von Α gestellte Rätsel, dessen Lösung „sub hoc Machabaeorum bella". A's inzestuöses Verhältnis mit der Tochter [mk/sks] enthüllt. Α ist Herrscher des syrischen Antiochia, die Nf. greift auf den bekannten historischen Königsnamen Α zurück, lässt sich aber auf keine konkrete historische Gestalt Antiochus [3] zurückführen. [1] [König von Antiochia, Gegner des Apollonius; ,Historia Apollonii' cap. 1; die Gestalt hat Züge von A I. Soter B l gibt einen sehr frühen Beleg für die Antiochus [1J) bzw. A IV. Epiphanes (-» Antiochus [2])] Bekanntheit des Romans auch in der volkssprachlichen Literatur. Die Nennung wird R: König von Antiochia (Al, B l ) sich vermutlich schon im afrz. . A l e x a n d e r ' Nf.: Anthiochius (Al), Antioch (Bl) des Alberic de Pisan$on gefunden haben. I. Al bietet die einzige romanhafte Gestaltung Al Heinrich von Neustadt, ^Apollonius'·. A, des Stoffes in der mhd. Literatur. [2] Α erscheint natürlich als krass negative Gestalt. ein Nachkomme bzw. Enkel von PtolemaeDas inzestuöse Verlangen weckt wie üblich us (17993), ist der mächtige, reiche (100; der Teufel (145; vgl. auch Hartmanns von 623), aber auch ehrlose und verderbte (225; Aue ,Gregorius'). Angeschlossen ist eine 851) König der nach ihm benannten Stadt Klage gegen das verderbenbringende WirAntiochia. Nach dem Tod seiner Frau zwingt ken der Minne. Sie weist Bezüge zu einem er seine Tochter zum Inzest. Um ihre Heirat entsprechenden Kommentar in Wolframs zu verhindern, verlangt er von den Freiern die von Eschenbach ,Parzival' (291,22) auf. Lösung eines Rätsels. Obwohl bisher alle Be[1] Von -» Antiochus [1] stammt die Genealogie, von werber scheiterten und auf Befehl des Α geAntiochus [2] stammen Herrschaftssitz und negative köpft und ihre Häupter auf der Stadtmauer Bewertung. aufgespießt wurden (97; 524), geht Apollo[2] Zur epischen Ausgestaltung der Abenteuerfahrten nach dem Muster des späthöfischen Aventiureromans nius das Wagnis ein und kann das Rätsel lösen Apollonius. (die Antwort enthüllt As Inzest). Α behauptet [mk] jedoch, die Antwort sei falsch, und gewährt Apollonius eine Frist von 30 Tagen, um eine neue Lösung zufinden,beauftragt aber gleichAntiochus [4] zeitig Thaliarchus, ihn zu ermorden. Als A [A IV. Epiphanes (-» Antiochius [2])·, oder A II. von von der Flucht Apollonius' erfährt, setzt er Kommagene, wird von Octavianus 29 v. Chr. nach Rom ein Kopfgeld aus (623-871; 918; 973). Als geladen und wegen Mordes hingerichtet; oder A IV. von er zur Strafe für seinen Inzest vom Blitz erKommagene, in Rom aufgewachsen, später Statthalter von
Antiochus [5] — Antipater Kommagene und wieder in Rom interniert, gest. nach 72 n. Chr.]
El Jans Enikel, .Weltchronik'20990·. A, der als Geisel in Rom war, gibt ein Beispiel für das Schicksal derer, die sich gegen Rom erheben: Sie verlieren ihre Güter und müssen Geiseln stellen. [1] [ 1 ] Aufwelche historische Figur sich die Stelle bezieht, ist unklar. Strauch (Hg.) verweist auf HonoriusAugustodunensis, ,De imagine mundi', PL 172, Sp. 177: „Antiochus Illustris [„Epiphanes"] Romae obses" (-* Antiochus [2]). In Frage kommen außerdem die Klientelkönige Antiochus II. und Antiochus IV. von Kommagene. Letzterer stand wechselweise in Gunst und Missgunst Claudians und Vespasians, wurde schließlich interniert und starb in Rom in Gefangenschaft (s.v.Antiochus[15·](H.Volkmann),in:DKP,Bd. l,Sp. 392). Züge von Antiochus II. von Kommagene scheinen in der Nennung von Marcus Antonius in Ulrichs von Etzenbach Alexander' verarbeitet zu sein.
[mk/sks]
Antiochus [5]
Papirius
Antiochus [6]
Antilochus [2]
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II. Α ist in der ma. Mythenrezeption eine Randgestalt. Die Belege reflektieren mythographisches Spezialwissen. Al bezieht es direkt von Ovid (MM 6,111) und übernimmt von dort auch die patronymische Nf. Der Α-Mythos ist einer jener „gotteslästerlichen" Mythen, die Arachne in ihren Teppich einwirkt. [1] Die dt. Barlaamlegenden El und E2 gehen ebenfalls auf lat. Fassungen zurück. Einige Details, so auch der Α-Mythos, weisen dabei auf Ovid als mythographische Quelle der Barlaamtradition. Dass sich Iuppiter der Α in der despektierlichen Gestalt eines Satyrs nähert, ist willkommener Anlass mythenkritischer Polemik, die im Kontext des Glaubensdisputes traditionell ist. Der Satyr erscheint in beiden Belegen adaptiert als Waldschrat, eine Figur der Volksmythologie. Ahnliche Adaptionen finden sich in Al an anderen Stellen. [2] [1] -» Arachne. [2] -* Centauri, Nymphae. [mk]
Antiope
Antipater
[Tochter des Flussgottes Asopos oder des Nykteus, wird von Zeus in Satyrgestalt verführt, Mutter der Zwillinge Amphion und Zethos]
[Vater des Kassandros, Vertrauter Philipps v. Makedonien und Alexanders d. Gr., Reichsverweser Makedoniens unter Alexander, gilt später als Urheber von Alexanders Vergiftung]
G: Geliebte des Iuppiter (Al, El, E2), Mutter des Zethus (El, E2) Nf.: Nicteida (Al) I. Al Albrecht von Haiherstadt,,Metamorphosen' 6,225'· Α wird von Iuppiter in Gestalt eines Satyrs geschwängert (Darstellung auf dem Teppich der Arachne). El Otto von Freising, ,Laubacher Barlaam' 11107: Α wurde von Iuppiter in Gestalt eines Waldschrats verführt. Dies dient aus christlicher Sicht als Beispiel für die Lasterhaftigkeit der antiken Götter, insbesondere Iuppiters (Katalog der Geliebten Iuppiters; Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden). E2 Rudolf von Ems, ,Barlaam' 9995: Inhalt wie El.
R: Fürst (Al) I. Al Rudolf von Ems, Alexander': Der mächtige, kluge und tapfere Fürst Α wird von Alexander vor dessen Aufbruch zum Feldzug gegen Darius als makedonischer Reichsverweser eingesetzt (3386) und erhält 600000 Pfund (5081). Α sendet Alexander aus Makedonien ein großes Heer, besiegt die Perser, macht reiche Beute und schlägt Agis zurück (8622; 8674). In den folgenden Kämpfen unterstützt er Alexander mit Truppen aus verschiedenen Ländern (13328; Eroberung Persiens; 18722; Zug gegen Bessus). A2 Ulrich von Etzenbach, »Alexander': A, der Vater von Cassandrus (23617) und Patron
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Antiphates — Antiphus [1]
(26644), ist Statthalter Alexanders in Griechenland (26627). Alexander träumt, dass er von A's Sohn Cassandrus mit einem Schwertstoß getötet wird (23610). Als Α mit Olympias in Streit gerät, reist er nach Babylon, um sich vor Alexander zu rechtfertigen. Auf dem Weg plant er unter dem Einfluss des Teufels Leviathan Alexanders Tod (26641; 26684) und vergiftet ihn mit Hilfe seines Sohnes Patron, Alexanders Kämmerer, während eines Festes (26854). Ptolemaeus rächt den Mord, indem er Α und Patron tötet (27198).
des Ulixes, als sie an das Ufer seines Landes kommen (Erzählung des Macaraeus von den Abenteuern des Ulixes). A2 Herbort von Fritzlar,, liet von Troye' 17578: Α und Polyphemus berauben wie schon ihre beiden Väter den auf Sizilien gelandeten Ulixes und kerkern ihn und seine Gefährten ein. Sie werden von Polyphemus' Schwester [Arene] befreit (Nachgeschichte des Trojanischen Krieges; Abenteuer des Ulixes).
II. Α gilt bereits in der antiken Geschichtsschreibung zunächst als Vertrauter Alexanders, dann als Drahtzieher des Giftattentats auf ihn. Al folgt in Darstellung und (zunächst positiver) Charakterisierung der Alexanderhistorie des Quintus Curtius Rufus. Da Al nicht fertiggestellt wurde, bleibt die weitere Konzeption der Gestalt unsicher. [1] Handlungsgang und Konzeption von A2 folgen der .Alexandreis' Walters von Chätillon. Deren mythologisierende Tendenz mit der Einführung des Teufels Leviathan steht in der Tradition klassischer röm. Epik, allen voran Vergils.
Der kurze und mythographisch korrekte Bericht des Laestrygonenabenteuers in Al folgt direkt Ovids .Metamorphosen' (MM 14,234). Die Umdeutung der Episode in Al geht über Vermittlung des ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure auf Dictys Cretensis (124,4) zurück. Dessen pseudohistoriographischer Intention entsprechend, werden die sagenhaften Motive getilgt. Bei Dictys hält sich die Genealogie im Übrigen an die mythologischen Gegebenheiten, Polyphemus ist hier Sohn des Cyclops, Α der des Laestrygon. Die Zuordnung in Al ist nicht eindeutig, bei Benoit (28629) ist Α jedenfalls fälschlicherweise der Sohn des Cyclops.
[1] Bei Quintus Curtius Rufus wird Α der Vergiftung Alexanders immerhin verdächtigt (X. 10,14: „regi suspectus fuit eumque veneno necasse creditus est"). In Lamprechts . A l e x a n d e r ' wird ein Giftattentat nur angedeutet, Α wird in diesem Zusammenhang aber nicht erwähnt. [mk/sks]
Antiphates [König der Laestrygonen; verspeist einen der drei Gefährten, die Odysseus als Kundschafter ausschickt, und attackiert dessen Schiffe]
G: Sohn des Cyclops, Neffe des Laestrygon, Cousin des Polyphemus [!] (A2) R: König (Al) Nf.: Auriphates (Al), Olifeus (A2) I. Al Albrecht von Halberstadt,,.Metamorphosen' 14,256·. König Α ertränkt viele Gefährten
II.
[mk]
Antiphus [1] [Heerführer der Griechen aus Calydna, wird von Hector getötet; Dares 18,5; Benoit 5641)
G: Verwandter des Phidippus (Al) Nf.: Cantipus (Al), Santippus (A2) I. Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. GrafA führt mit seinem Neffen Phidippus 40 Schiffe von Calcedonien nach Athen (3347; Katalog der Griechen). Als er Phidippus an Hector rächen will, wird er von diesem im Kampf getötet (8814-8840). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg': A und Phidippus aus Calcidon nehmen am Heerzug der Griechen gegen Troja teil und
Antiphus [2] — Antipodes begeben sich zum Sammelpunkt der Flotte nach Athen (23832; als Kämpfer genannt: 36770). II. Bei Homer finden sich mehrere gr. Helden des Namens. [1] Bei Dares hat Α die beiden Herkunftsbezeichnungen e Calydna (18,5) und e Elide (18,15), weshalb Benoit de Sainte-Maure die Gestalt verdoppelt, so auch A l . Α wird bei Benoit und in Al wie bei Dares von Hector getötet. Nf. und Herkunftsbezeichnung in Al und A2 erklären sich aus Varianten bei Benoit. [1] S.v. Antiphos
(H. von Geisau), in: DKP, Bd. 1,
Sp. 399. [mk]
Antiphus [2] [Heerführer der Griechen aus Elis; Dares 18,15 (identisch mit -» Antiphus [1])\ Benoit 5671]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' (Cantipus): Α aus Lize (Elis) führt mit Amphimachus (-* Amphimachus [2]) 13 Schiffe zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3383; Katalog) und bildet mit ihm in der Landungsschlacht eine Schar (4920; Katalog). [mk]
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den verwundeten Troilus (4669; Katalog; 5084; 5106). Α wird von Diomedes tödlich verwundet (7464). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg: A rüstet sich zum Kampf gegen die Griechen (29744; Katalog) und attackiert Menestheus, um Troilus zu befreien (31492). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung 43229: Α wird im Kampf gegen Aiax Telamonius getötet. II. Α wird bereits bei Homer als Führer der Mäonier genannt (,Ilias' 2,864), so auch bei Dares, allerdings mit starken Divergenzen in der Uberlieferung. Benoit de SainteMaure folgt offensichtlich den Redaktionen L/G und ordnet Α Phrygien zu. Die bloße genealogische Nennung des Talaemenes als Vater von Α und Mesthles bei Dares ist bei Benoit missverstanden: Talaemenes begleitet die beiden nach Troja, so auch in A l . Die Nf. in Al erklärt sich aus Varianten bei Benoit. A2 folgt direkt Dictys, wo Α durch Aiax den Telamonier fällt. [1] [1] Die Zuordnung von A in A2 zu einem Antiphonus bei Dictys (Chandler, Catalogue, 25) ist irreführend. [mk]
Antipodes [Von Piaton geschaffener Begriff für die Bewohner der südlichen Hemisphäre]
Antiphus [3] [Sohn des Talaemenes, Verbündeter der Trojaner aus Mäonien, wird von Diomedes getötet; Dares 23,2; Benoit 6769; wird von Aiax Telamonius getötet; Dictys 47,17]
R: König, Ritter (A2) Nf.: Antipus (Al, A2 [Forts.]), Cantipus, Centipus (Al), Santippus (A2) I. Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. A aus Frisce (Phrygien) unterstützt mit Mesthles und Talaemenes die Trojaner (4019; Katalog der Trojaner). Sie kämpfen in der Landungsschlacht in der von Troilus geführten Schar, attackieren Menestheus und befreien
I. Al Ulrich von Etzenbach, »Alexander' 20833: Alexander hat von den Α gehört und möchte sie besiegen (Alexanders Zug nach Indien; Rede Alexanders). B1 Hartmann von Aue, ,Erec'2089: Α ist das Land der Zwerge Bilei und Brians, die am Hochzeitsfest Erecs und Enites teilnehmen (Katalog der Gäste). II. Die platonische Vorstellung von den Α galt seit Augustinus an sich als häretisch und war wohl v.a. durch Isidors Etymologien bekannt, dort
Antoninus — Apelles
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auch der entsprechende Einspruch (IX.2,133; weil die Unterseite der Erde keine Festigkeit habe und keinen Mittelpunkt kenne). [1] Die Nennung in A l geht auf die >Alexandreis' Walters von Chätillon (IX,596) zurück. Alexanders Vorhaben dort unterstreicht dessen Hybris und hat wohl auch ironische Züge. Der Beleg in Β1 bezieht sich auf die Nennung bei Chretien de Troyes (,Erec' 1942). Dass selbst die Α an der höchst internationalen Hochzeitsgesellschaft teilnehmen, ist wohl ebenfalls ironische Übertreibung. [1] S.v. Antipoden (B. Krause), in: SwbM, 41. [mk]
Antoninus [Α Pius, röm. Kaiser 138-161, Nachfolger Hadrians]
El,Kaiserchronik'7363 (PiusAntonius): Α hält nach der Ermordung des Hadrianus und der Ausrufung des Commodus zum röm. Kaiser ein Stadttor von Rom vor den heranrückenden Truppen des Gegenkaisers Alaricus. Alaricus erobert die Stadt, Commodus wird getötet. [1] [1] Kaiserabfolge und historische Ereignisse sind stark verzerrt. Α Pius folgt als Kaiser Hadrian, Commodus herrschte später von 186-192. Alaricus dürfte eine Erfindung von E l sein, so Schröder (Hg.), 215, Anm. 1. [sks]
Antonius [Marcus A. 82-30 v. Chr., Anhänger Caesars und zunächst Verbündeter Octavians, später von diesem 31 v. Chr. bei Actium entscheidend besiegt und in den Selbstmord getrieben]
R: Schwager des Augustus ( B l ) Nf.: Anthiochus ( B l ) , Anthonius ( E l )
eines Überbietungstopos: Weder Augustus noch Caesar wurden so triumphal empfangen wie Alexander in Babylon).
E l Jans Enikel, , Weltchronik'·. A's Ratschläge an seinen Sohn zeugen von seiner Weisheit. Als A an die Herrschaft: gelangt, wird er Augustus [!] genannt. Er bringt Rom Frieden ([215831-21785; 21794; Herrscherliste; Exempelfigur für einen weisen Herrscher).
II. Α ist der mhd. weltlichen und chronistischen Literatur kaum bekannt, beide Belege zeigen gravierende Entstellungen. B l bezieht sich auf das entsprechende Exemplum in der ,Alexandreis' Walters von Chätillon (V,494), fuhrt dieses aber breiter aus und vermischt dabei offensichtlich die Gestalt A's mit Zügen von Antiochus II. von Kommagene, den Augustus gefangen nehmen und hinrichten ließ, und Antiochus IV. Epiphanes, der mit dem Verbot des Jahvekults den Aufstand der Makkabäer auslöste (so erklärt sich der deplazierte Verweis auf das „Buch der Juden"). [1] Die korrekte Lokalisierung des Geschehens auf der Insel Leukas bei Actium stammt von Walter. Angeschlossen ist eine Anspielung auf Gawein, der von dort Orgeluse einen Kranz geholt habe ( B l ; I4668f£). Sie verweist auf den ,Parzival' Wolframs von Eschenbach. Die Stelle gibt so insgesamt ein Beispiel für die vielfachen, mitunter hybriden literarischen Bezüge in Β1. In E l ist A gar mit Augustus verwechselt, was für das eigenwillige chronistische Selbstverständnis dieses Textes spricht. [1] -» Antiochus [4] bzw. -» Antiochus [2], Nachbenennung rAthis und Prophilias' CHS (Anthonius): Α kämpft auf der Seite des Athis gegen Bilas (Katalog). [mk7sks]
I.
Bl
Ulrich von Etzenbach, ,Alexander': A
wurde von Augustus auf Leucade, einer Au, gefangen genommen und im Triumphzug nach Rom geführt. Er hat Schande über Rom gebracht, wie im Buch der Juden zu erfahren ist (14661; 14666; Anspielung im Rahmen
Apelles [Sohn des Pytheas von Kolophon, Zeitgenosse Alexanders d. Gr., berühmter Maler]
Nf.: Appelles ( B l )
Aphareus — Apollo I.
A l Ulrich von Etzenbach, ,Alexander': A, ein großer hebräischer Künstler und weiser Gelehrter, schmückt die Wände des herrlichen Grabmals von Darius' Gattin Carafilie mit Gemälden, die Szenen aus dem AT darstellen (11118; 11817; Descriptio des Grabmals von Carafilie; Schlacht bei Arbela). B1 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen 3,1050: Im Gesicht von Narcissus verbinden sich rote und weiße Farbe so schön, als hätte es Α gewirkt (Vergleich). II. Der Maler A war auch dem MA als hervorragender Künstler bekannt. Sein Name ersetzt in B1 sogar Ovids Vergleich von Narcissus mit Apollo (MM 3,421), vermutlich aufgrund einer Glosse. Die Nennung in Al geht auf die Alexandreis' Walters von Chatillon (IV, 179) zurück. Schon dort wird Α als Hebräer bezeichnet, wählt er Bilder mit Motiven aus dem AT und ist nicht nur Maler, sondern auch Steinmetz. Denkbar ist, dass Α und der Bildhauer Apellas (aus Megara, 400 v. Chr.) als eine Künstlerperson aufgefasst sind. Weibliche Porträtstatuen des Apellas erwähnt u.a. Plinius der Altere (nat. hist. 34,86). [1] [1] Hinweis s.v. Apellas (H. G. Gundel), in: DKP, Bd. 1, Sp. 421. [sks/mk]
Aphareus [Kentaur, wird beim Kampf zwischen Lapithen und Kentauren genannt; M M 12,341]
Al Albrecht von Halberstadt,,.Metamorphosen' 12,576 (Phereus): A, einer der Centauri, das sind herumziehende Riesen [1], will seinen Gefährten Dictys an Pirithous rächen und diesen mit einem Felsbrocken erschlagen, Theseus zertrümmert ihm aber mit einem Eichenstamm den Arm (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf; Katalog). [1] Die Kentauren werden von A l als Riesen aufgefasst. Die Adaption greift offenbar auf vertraute Vorstellungen aus der
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dt. Heldensage zurück. Dass sie Mischwesen sind, wird nur 12,631 angedeutet. [mk]
Apheidas [König von Athen, aus dem Stamme des Theseus]
El Rudolf von Ems,, Weltchronik'26719 (.Amphiades): A war in der Zeit nach der Zerstörung Trojas einer der Könige von Athen (Katalog). [1] [1] Der Beleg fintier sich im Rahmen eines profangeschichdichen Exkurses zur Heilsgeschichte. Der Tradition ma. Weltchronistik folgend, werden die mythologischen Daten historisiert und in genealogischen Katalogen aufbereitet. Auf narrative Darstellung wird weitgehend verzichtet. Für die Nennung As weist Ehrismann (Hg.), 374 auf die Herrschaftstabellen in der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 284) als Quelle hin. [mk]
Aphobetus [Verschwörer gegen Alexander; Curtius VI.7,15]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 18889 (Apobetus): Α wird wegen seiner Teilnahme an der Verschwörung gegen Alexander gesteinigt (Katalog der Verschwörer). [sks]
Apidanus [Flussgott, einer der Hauptflüsse in Thessalien; M M 1,580]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 1,1129: Der alte Flussgott Α besucht den über das Schicksal seiner Tochter Daphne trauernden Peneus (Katalog der Flüsse). [mk]
Apis -» Epaphus Apollo [Einer der zwölf Olympischen Götter, Sohn des Zeus und der Leto, Gott der Mantik und des Gesanges, Heilgott, später mit Helios identifiziert]
W: Antiker Gott (Al, A2, A3, A4, A5, A6, A7, El, E2, E3, E4, E6), Orakelgott (A2, A3, A5,
92
Apollo
E2, E3, E4), Entdecker der Heilkunde und des Arzneiwesens (A5), Gott des Gesanges und Musagetes (B2), Erfinder (A2) bzw. Gott des Saitenspiels (E2, E3), Gott der Bogenschützen (E3), Sonnengott (A2, E3, E5), Schwurgott (Bl, E5), zeitgenössischer Gott der Muslime (Bl, B3, B4, B5, B6, B7, B8, B9, BIO, Bl 1, B12, B13, B14, B15, B16, B17, B18, B19, E5, E7), Abgott (A5, B5, B8, Β16, E7), Teufel (A3, BIO, E5) G: Sohn des Iuppiter (A2, E2, E3) und der Latona (A2, A6, E4), Bruder der Diana (A2, A6, E3), Geliebter der Daphne, der Coronis, der Isse, der Dryope, des Cyparissus und der Chione, Vater des Phaeton, des Aesculapius, des Orpheus und des Philammon (A2) Nf.: Ab(b)olle, Abollon (B17), Ap(p)olle (A5, B5, B7, B14, B15, B17, B18, B19, E4, E7), Apollin (E7), Apollius (B15), Phebus (Al, A2, A3, A6, E3, E8), Phiton (E4), Pitius (Cl) I. A l Heinrich von Veldeke,,Eneasroman' 1800: Aeneas gleicht A, als er mit Dido zur Jagd ausreitet, Dido gleicht Diana. A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Α und Diana wurden von Latona auf Delos geboren (6,696). Α wird von den Menschen gebeten, die Schlange Python zu töten, benötigt dazu tausend Pfeile und stiftet zur Erinnerung an seinen Sieg die Spiele „Pythia" (1,791-827). Α schmäht Cupido, er könne mit Pfeil und Bogen nicht umgehen, wird deshalb von diesem mit dem goldenen Pfeil verwundet und verliebt sich in Daphne; rühmt sich ihr gegenüber als Erfinder des Saitenspiels und verfolgt sie. Als er sie einholt, verwandelt sie sich in einen Lorbeerbaum, den A als ihm heilig erklärt. Er trägt hinfort einen Lorbeerkranz, den er zum allgemeinen Siegeszeichen bestimmt (1,843-1084). Α stellt Phaeton einen Wunsch frei, dieser will den Sonnenwagen lenken. Α warnt ihn vor den Gefahren und unterweist ihn in der Route (1,1513-2,334); beklagt den toten Phaeton, will im Zorn das Amt des Sonnengottes niederlegen, führt es auf Befehl Iuppiters aber
weiter (2,704/5; 2,826-877), tötet seine mit Aesculapius schwangere Geliebte Coronis, weil sie ihm untreu gewesen ist, rettet das Kind und gibt es Chiron zur Erziehung; kann die Strafe Iuppiters für Chirons Tochter Ocyrhoe nicht aufheben (2,1142/50; 2,1287-1441). Mercurius stiehlt dem Α Vieh (2,1445/57). Α verkündet in seinem Tempel auf dem Parnassus [Delphi] die Zukunft und befiehlt dem Cadmus die Gründung Thebens (3,30-66; 3,314). Er bemerkt als Sonnengott Venus' Ehebruch mit Mars und verrät ihn Vulcanus. Venus schlägt ihn dafür mit Liebe zu Leucothoe. Er bleibt länger am Himmel, um Leucothoe sehen zu können, sucht sie in Gestalt ihrer Mutter heim, gibt sich ihr zu erkennen und schwängert sie; kann sie nicht mehr retten, als sie von ihrem Vater zur Strafe lebendig begraben wird, und bricht mit seiner früheren Geliebten Clytie, die Leucothoe aus Eifersucht verraten hat (4,284-495; Aition für die unterschiedlich langen Tage). Α flüchtet wie die anderen Götter vor dem Götterfeind Typhoeus bis an den Nil und verwandelt sich in einen Raben (5,594; gotteslästerliches Lied der Töchter des Pierus; Aition für die Tiergötter Ägyptens; Götterkatalog). As Bildnis ist auf dem von Arachne im Wettstreit mit Pallas Athene gewebten Teppich eingewirkt: A trägt in Gestalt eines Habichts Frauen durch die Lüfte und erschreckt sie mit Schwingenschlägen, verwandelt sich in einen Löwen, betört in Gestalt eines Hirten die schöne Isse (6,249; Descriptio). Α und Diana rächen die Schmähung Latonas durch Niobe und töten Niobes sieben Söhne und Töchter und ihren Gatten Amphion (6,444-535). Α zieht dem Zwerg Marsyas die Haut ab, als sich dieser mit ihm im Flötenspiel messen will (6,792804). Α hat einst seine Harfe auf dem Turm der Burg des Nisus liegen gelassen, seither klingen die Mauersteine (8,38). Α und Diana senden als Strafe für ein versäumtes Opfer einen ungeheuren Eber nach Kalydon (8,535). Α lenkt den Pfeil Meleagers auf das Untier, Diana verhindert dessen Verwundung (8,671-675). Α raubt Dryope die Jungfräu-
Apollo lichkeit (9,669); liebt Cyparissus über alles. Als dieser versehentlich seinen zahmen Hirschen tötet, kann ihn Α nicht trösten und seine Verwandlung in die Zypresse nicht verhindern (10,225; 10,267). Als A Hyacinthus beim Diskuswerfen tödlich verwundet, verwandelt er ihn in eine Blume, in deren Blüte er „Hya" bzw. „Aia" einschreibt (10,313-389; Lied des Orpheus); versteinert die Schlange, die Orpheus' Harfe verschlingen will (11,110); wettstreitet auf seiner Harfe mit dem Flöte spielenden Pan. Als Midas die Entscheidung des Schiedsrichters Tmolus für Α kritisiert, verpasst ihm Α Eselsohren (11,272-305). Α zeugt mit Chione Philammon, mit dem sich niemand im Harfenspiel messen kann. Als sich Chiones Vater Daedalion aus Trauer über den Tod der Tochter vom Parnassus stürzen will, verwandelt ihn Α in einen Habicht (11,574-640). Α und Neptunus erbauen die Stadtmauern Trojas, werden aber von Laomedon um ihren Lohn geprellt (11,349; 11,359). Α wird von Neptunus daran und an Hectors Tod erinnert und zur Rache aufgefordert, leitet Paris zu Achilles und verleiht ihm genügend Mut, um Achilles zu töten (12,830-866). Α hat den Sohn seines Priesters Anius mit der Kunst der Vogelschau begabt (13,835; 13,853). Der bogenschießende Minos erscheint Scylla so schön wie A (8,60). [1] [1] Α trägt in A2 die Nf. Phebus ersetzt auch Sol bei Ovid.
(außer 10,225 Apollo),
sie
A3 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Α hat in Delphi ein Orakel, wird von Achilles und Patroclus nach dem Ausgang der Heerfahrt gegen Troja befragt, prophezeit den Untergang der Stadt nach zehn Jahren Belagerung und empfiehlt dem trojanischen Seher Calchas, zu den Griechen überzulaufen. In Wahrheit ist Α ein Trugbild, durch das der Teufel Satanas spricht (3462-3576). Calchas beruft sich auf A, als er seine Tochter Briseis ins Griechenlager holen will (8689). Neben A'sTempel wird Hectors Grabmal errichtet (10736). Cassandra zufolge zürnt Α den Trojanern, weil Achilles in seinem Tempel ermordet wurde (15772; 15820). Priamus wird bei der Eroberung Tro-
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jas von Pyrrhus im Α-Tempel getötet (16237), wofür Α laut Cassandra Rache nehmen werde (16791; 16796). Pyrrhus will As Orakelstätte in Delphi aufsuchen (18143). [1] [1] 10736; 15820; 16237; 16791 und 18143 haben die Nf. Phebus.
A4 Rudolf von Ems, vAlexander': Alexander besucht den Α-Tempel auf der Insel Tragakantes (3406). Alexander wird seiner Gestalt und seines Wesens wegen für Α gehalten (6376). A5 Konrad von Würzburg,,Trojanerkrieg·. A, der Erfinder der Heilkunst und des Arzneiwesens, bringt Heilsäfte zum Fest des Iuppiter anlässlich der Hochzeit von Peleus und Thetis mit (944; Katalog). Als ein Unwetter die gr. Flotte auf Aulis festhält, wird Α von Calchas beschworen und weissagt, dass Diana Agamemnon zürne, weil er eine ihrer Hinden getötet hat; sie verlange die Opferung der Iphigenia als Sühne (24267-24359). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung: Α hat einen Tempel bei Troja, in dem jährlich ein Fest abgehalten wird; bei diesem Anlass wird Achilles in einen Hinterhalt gelockt und getötet (43697). Α zürnt den Trojanern (44946) und verweigert daher laut Cassandra die Annahme ihrer Opfer (47497-47571). Α und Neptunus haben vor Troja aufwendige Grabmäler, sie werden zusammen mit der Stadtmauer geschleift, um das hölzerne Pferd in die Stadt führen zu können (48065). A6 Ulrich von Etzenbach, Alexander': A, Kahun, Tervigant, Mahmet und Amor sollen Nectanebus helfen, die Liebe Olympias' zu gewinnen (387; Katalog). Α tötet gemeinsam mit Diana die sieben Söhne und sieben Töchter der thebanischen Königin Niobe, weil sie Latona geschmäht hat (2803). In A's Dienste tritt der nach seinem Vater suchende Ödipus, Α rät ihm, sich in Phocides nach seiner Herkunft zu erkundigen (2926; 2939; 3056; Exkurs zum Thebenmythos bei Alexanders Zug nach Theben). Α erbaut gemeinsam mit Neptunus die Burg Ilion, Laomedon prellt sie um ihren Lohn und wird zur Strafe erschlagen, Ilion von Achilles zerstört (4831; Exkurs zur Geschichte Trojas bei Alexanders Besuch
94
Apollo
der Stätte). Croesus träumt, dass Α ihm die Füße wasche, was auf seinen Tod durch den Strang hindeutet (7743; 7759; Darstellung von Croesus' Schicksal auf dem Schild des Darius). [1]
von Arimathia die Heilung eines verwundeten Sarazenen ermöglicht. B5 Der Stricker, ,Karl\ Α ist der höchste Gott der Sarazenen (8565). Karl verlangt von ihnen, dass sie Α und Mahmet abschwören (1407); [1] Außer 387 immer die Nf. Phebus. die Heiden berufen sich in Kampf und BeA7 Heinrich von Neustadt, yApollonius'·. Apol- drängnis auf A (2871; 5695; 8462; 9652). lonius befreit die Mohrenkönigin Palmina von Nach der Niederlage des Heidenfuhrers Marihren Belagerern, sie meint, Α habe ihr Apol- silie lässt dessen Gattin Tempel und Standlonius zu Hilfe gesandt (13838). Der harfe- bilder der Götter zerstören (8565). spielende Apollonius erscheint den Leuten B6 Ulrich von dem Türlin, »Arabel': Α ist am Hofe des Archistrates eher als Α denn als Schutzgott der Sarazenen (43,30), Tybald Apollonius (1801). befiehlt ihm Arabel an (90,8), er ist als Hüter B1 P f a f f e Konrad, ,Rolandslied'·. Α wird ge- ihrer beider Liebe auf dem Baldachin Arameinsam mit Mahmet (308; 806; 1039; 1998) bels und auf einem Wandteppich dargestellt bzw. Mahmet und Tervigant (8137) als Sara- (225,19; 261,2; Descriptio). Α könnte die zenengott genannt. Er ist eigentlich ein Teu- Wunden nicht heilen, die Willehalm bereit fel (806), die Heiden schwören bei A (2364; ist, für Arabel zu schlagen (115,5). Α wird 2372; 2481), fuhren ein Standbild A's mit in im Rahmen des Bekehrungsthemas erwähnt den Kampf (4683) und treten es aus Zorn (146,6; 180,25: Arabel schämt sich für ihren über ihre Niederlage mit Füßen (7140). Glauben an A). B2 Gottfried von Straßburg, ,Tristan' 4871: B7 Albrecht, Jüngerer Titurel': Α wird neben Α herrscht mit den neun Camenen [Musen] Kahun, Mahmet und Tervigant von den Saüber den Helicon, von dem die Quelle der razenen als Gott verehrt, vor dem Kampf anSprache und der Kunst entspringt, sie teilen gebetet (2850,4; 3253,1; 6097,1) und für das seine Gaben nach Ermessen zu und spenden Schicksal der heidnischen Kämpfer verantaus dem Brunnen ihrer Kunst so reichlich, wortlich gemacht (3045,4). Er ist schwach dass sich der Erzähler auch einen Tropfen im Vergleich zum Christengott (4225,1), erwartet. Er hofft, dass ihm der wahre Helicon der heidnische Heerführer Ackerin hätte A und seine Himmelschöre seine Bitte erfüllen und Mahmet abgeschworen, wäre ihm das (Erzählerexkurs zur Schwertleite Tristans). Christentum früher nahegebracht worden B3 Wolfram von Eschenbach, ,Willehalm': (3133,3). Willehalm will das Christentum gegen die B8 Konrad von Würzburg, ,Partonopier': Sarazenengötter A, Tervagant und Mahmet Mehrere heidnische Gefährten Partonopiers verteidigen (17,20). A, Tervagant und Mahmet schwören seinetwegen dem Sarazenengott A sind nach Ansicht der Heiden in der ersten ab (10138; 10314; 13193). Schlacht von Alischanz geschändet worden B9 ,Mai und Beaflor': Die Heiden rufen im (106,7; 339,11). Rennewart bekennt sich Namen von A, Mahmet und Tervigant zum gegenüber Gyburg zu A, Mahmet und Ter- Kampf gegen die Christen auf (118,15), die vagant (291,23). Terramer führt Götterbilder Götter können ihnen in der Schlacht aber von A, Tervagant, Mahmet und Kahun mit in nicht helfen (123,16) die zweite Schlacht von Alischanz (358,12), BIO Ulrich von Türheim,,Rennewart': Α wird die Götter helfen den Heiden wenig (399,6; gemeinsam mit Mahmet, Ammon, Kahun 449,18). und Tervigant in Figurenreden im Rahmen B4,Prosa-Lancelot' 11.123,7: Den Sarazenen- des Bekehrungsthemas genannt (222; 12168; göttern A, Iuppiter, Tervagant und Mahmet 14194;16849;18046;27914;28145;30423) steht der wahre Gott gegenüber, der Joseph und ist dem Christengott unterlegen (6249;
Apollo 13463). Die Sarazenen berufen sich aufA, beten zu und klagen über A (5958; 6078; 11547; 12029; 18849; 22144; 26653; 26854).
B11 Ulrich von Etzenbach,, Wilhelm von Wenden': Wilhelm schwört im Heiligen Land A und den anderen Heidengöttern um Christi Willen ab (2703; 2955; 6109: Bericht eines Pilgers an Wilhelms Gattin Guta) und lässt nach seiner Rückkehr die Götterstatuen zerstören ([8055]). Die Heiden führen goldene Standbilder As und anderer Götter mit in die Schlacht gegen die Christen (3881) und berufen sich auf A, Mahmet und Tervigant (4743). A, Mahmet und Tervigant werden beim Jüngsten Gericht zur Linken Gottes stehen und also verdammt werden (6207).
B12 Ulrich von Etzenbach (?), .Herzog Emst D':
Götzenbilder A's und anderer Götter werden von den Heiden in den Kampf um das Heilige Grab mitgeführt, sie können aber nicht helfen, die Heiden unterliegen gegen Ernst und das Christenheer (4711; 4789). B13 ,Lohengrin'·. Α und die anderen Sarazenengöttern werden von den Heiden um Hilfe gebeten (4543), können ihnen aber nicht helfen (4237).
Β14,Reinfried von Braunschweig' 16399: Der heidnische Heerführer macht Α und die anderen Sarazenengötter für seine Niederlage gegen Reinfried und die Christen im Heiligen Land verantwortlich (Götterkatalog).
B15 Johann
von Würzburg, ,Wilhelm
von
Österreich': Die heidnische Prinzessin Aglye, Wilhelms zukünftige Geliebte, wird in A's Tempel „getauft" (609). Α hat Wilhelm zu König Agrant, Aglyes Vater, gesandt (1284; 1290; Figurenrede), Aglye heißt Wilhelm im Namen A's willkommen (1376). Agrant setzt Wilhelm um A's Willen als seinen Erben ein, dieser befiehlt Agrant der Obhut A's (1327-1349). B16,Karlmeinet': Rolands Horn lässt A's und Mahmets Kampfeifer schwinden (401,66), in Α und den anderen Sarazenengöttern wohnt der Teufel (430,49), die Christen wollen sie vernichten (434,64), die Heiden führen ihre Götter im Banner in die Schlacht (478,23),
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rufen sie um Hilfe im Kampf an (448,44; 478,42) und beschuldigen sie nach der Niederlage gegen die Christen (483,29). B17 ,Ortnit': Α und Mahmet sind Sarazenengötter und werden von den Heiden um Hilfe angerufen (1093; 1097; 1119; 1519; 1849; 1851). Alberich, Ortnits Vater, schmäht die Heidengötter Α und Mahmet (1055), wird von der heidnischen Königstochter, um die Ortnit wirbt, fur Α gehalten (1539). Er bringt die in den Burggraben gestürzten Standbilder A's und Mahmets in die Burg zurück und gaukelt dem Heidenkönig vor, sie würden sprechen. In Wahrheit spricht er selbst zugunsten seines Sohnes Ortnit (1711, 1723). B18 , Wolfdietrich': A, Iuppiter, Mahmet und Tervigant sind Götter der Sarazenen. Sie werden von diesen vor den Kämpfen gegen Wolfdietrich angerufen (3384; 5414). Β19, Virginal': Α, Iuppiter, Mahmet und Treviant sind Götter der Sarazenen. Sie werden von dem Heiden Orkise und von dessen Gefährten vor dem Kampf gegen Dietrichs Waffenmeister Hildebrand um Hilfe angerufen (63,4; 73,8) C1 Frauenlob, XII.7,1: Unter der Bischofsmütze versteckt sich der streitsüchtige Pitius [1], der dem Basilisken gleicht. Weil er so nahe bei den Königen sitzt, beginnen sie zu stinken (Schelte gegen den verderbten und machtgierigen Klerus). [1] Pitius meint wohl „Pythios", den Beinamen des delphischen A, und wird als Teufelsname zu verstehen sein, der den Typus des verderbten Bischofs bezeichnet. Als Quelle für die Nf. kommen Isidor, Etymologien, VIII.54f. oder die Mythographi Vaticani in Frage (vgl. unten Anm. 2 zu E4).
El,Kaiserchronik' 104: Α werden im antiken Rom von den Kindern Opfer dargebracht, wenn sie in die Pubertät kommen.
E2 Otto von Freising, ,Laubacher
Barlaam':
Α musste den Bogen tragen, Harfe spielen, Pfeife blasen und wahrsagen, um sich seinen Unterhalt zu verdienen (11115; 11215; Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden, Exemplum für die Verkommenheit der gr. Götter, Katalog). E3 Rudolf von Ems,,Barlaam': Α wird als Gott der Pfeilschützen verehrt. Er bereitet seinen
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Apollo
Anhängern weiters durch schönes Saitenspiel angenehme Empfindungen (9750). Der Sonnengott Phoebus ist ebenfalls mächtig (9758; die Griechen erklären im Glaubensdisput mit den Christen ihre Götter). A war in Wirklichkeit ein Jäger, der mit Pfeil und Bogen jagte, Harfe spielte und gegen Bezahlung das vorhersagte, was man hören wollte (10021; 10153; 10172). Der Sonnengott Phoebus ist tot, die Sonne aber scheint noch immer (10217; christliche Erwiderung). E4 Rudolf von Ems, , Weltchronik': Α ist einer der Götter, die aufgrund der List des Teufels von den heidnischen Griechen angebetet wurden, er galt als Sohn der Latona (3220 [1]; Götterkatalog; 3238; 19763: RV auf Α als treulosen, unredlichen Sohn Latonas). Die Seherin Pythonisse [Pythia] zu Endor weissagt mit Hilfe von Pythius (Phitons). Nach Iosephus ist Pythius mit Α identisch, einem nichtigen, närrischen, treulosen und falschen Gott, dem die unverständigen Heiden Weissagekraft zuschreiben. Α gibt das bekannt, was man ihn mit Zauberlist zu sagen zwingt (25712-25729; Saul befragt die Pythia zu Endor; Exkurs). [2]
Georg (1749; 1861; 2297; 2310) und Dacian und Alexandrina (4209; 4335; 4402) genannt, Dacian preist ihn als höchsten Gott, der über die Sonne gebietet, Alexandrina sieht in ihm einen Teufel, der einem Affen mit Schwanz gleicht und dessen drei Gewänder Feuer, Pech und Schwefel sind (4503-4569). E6 Jans Enikel, , Weltchronik'·. In A's Tempel betet Achilles täglich für seine totgeglaubte Frau, Paris lauert ihm dort auf und tötet ihn ([16450]). Jeden Montag wird Α im antiken Rom von den 12-jährigen Knaben mit Laternenumzügen verehrt (20288). E7 Hugo von Langenstein,,Martina'·. Die Heiden opfern A (4d; 5), berufen sich auf A (7), Martina widersagt ihm (9; 14b; 53; 82). Der Glaube an Α stürzt die Seele ins Verderben (84b), Gott erzeigt an Α seine Macht (105d), indem er aufgrund von Martinas Gebet A's Statue wie Wachs zerschmelzen lässt (113; 171 d; 179b-182c). Α wurde wie Artemis und Zeus von Christus den Engeln der Hölle überantwortet, die Gott an diesen falschen Göttern rächten (225,5; Martina zu Kaiser Alexander). Martina bringt die Abgötter A, Artemis und Zeus zu Fall (226,3).
[1] Neben Α wird auch Phoebus als eigene Gottheit ge-
E8 ,Die Erlösung' 6508: Α wird - wie es die Sibylle prophezeit hat - beim Jüngsten Gericht wie andere Frevler in die Hölle verbannt werden. [1]
nannt. [2] M i t Iosephus ist der jüdische Historiker Flavius Iosephus gemeint ( 3 7 - 1 0 0 n. Chr.). Dieser wird auch im entsprechenden Kapitel der .Historia scholastica' des Petrus Comestor, der Quelle von E 4 , zitiert ( P L 198, Sp. 1320f., Buch der
[1] Der Katalog nennt an antiken Göttern noch Iuppiter,
Könige I, cap. X X V I , Saul befragt die „Pythia" von Endor),
Venus und Pallas Athene, an Helden Achilles, Hector, Paris,
aber nicht in Zusammenhang mit einer mythographischen Erklärung zum Namen „Pythius" wie in E 4 . Die Erklärung gibt (vielleicht in Rückgriff auf eine Glosse zur Stelle) die entsprechenden Angaben in der lat. Mythographie wieder,
Aeneas, Hercules und Ulixes sowie an historischen Gestalten Alexander und Nero.
II.
vgl. die Etymologie zu Pythius bei Myth. Vat. III.8,1 (vgl.
1) Α als antiker G o t t und G o t t der Sarazenen; 2) Antike
auch Myth. Vat. 1,113 und Myth. Vat. 11,19).
Motive; 3) Α im Antikeroman; 4 ) Α im Kontext von Kreuz-
E5 Reinbot von Durne,,Heiliger Georg: Α ist Heerzeichen der Heiden (1230), Schwurgott (1899) und wird mit Gesang [!] verehrt (2485). Vor ihrer Bekehrung glaubt Alexandrina, die Gattin des Heidenherrschers Dacian, an Α und Hercules (1955; 1959). Georg soll Α opfern (1736), Α erscheint aufgrund der Beschwörung Georgs und wird als Teufel aus seinem Standbild ausgetrieben (3239-3320), wird im Religionsdisput zwischen Dacian und
zugsthematik und Heidenkampf; 5) Übrige Anspielungen
1) Α ist eine der vielschichtigsten Göttergestalten der gr. Mythologie. Er ist Gott der Mantik, der Musik, Führer der Musen, göttlicher Bogenschütze, er ist Heilgott und jener Gott, der die Pest schickt. In späterer Zeit wird er gleichgesetzt mit Helios/Sol. Sein Wesen ist bereits in der Antike überaus widersprüchlich, und dies wird auch von der ma. Rezeption reflektiert: Die Dämonisierung der antiken
Apollo Götter, zu der die christliche Auseinandersetzung mit dem antiken Heidentum führte, bleibt mit Α in aller Schärfe verbunden. In der weltlichen Literatur des HochMA ist sie sonst kaum mehr zu fassen. Die anderen Götter, vor allem die Liebesgötter, sind längst durch die Allegorie „gebändigt" worden und gehören zum festen allegorischen Apparat des höfischen Liebesdiskurses. [1] Der Sonderweg der Α-Rezeption erklärt sich daraus, dass das christliche MA in Α nicht nur einen Gott der antiken Heiden, sondern auch einen Hauptgott der Muslime sieht, denen es fälschlicherweise Vielgötterei unterstellt. Greifbar ist diese Auffassung vornehmlich in der Kreuzzugsdichtung (nicht aber in der lat.-christlichen Mythographie [2]). Sie dürfte auf spätantike synkretistische Vorstellungen zurückgehen, die Α mit orientalischen Göttervorstellungen verbinden und (wie der Mithraskult) sehr früh in Kontakt und Konflikt mit christlichen Konzeptionen geraten. [3] Die Verbindung zwischen Α und dem Orient wird jedenfalls die Umdeutung As zum Hauptgott der Sarazenen befördert haben und erklärt auch die in diesem Punkt gegebene Vorrangstellung As vor Iuppiter und den anderen antiken Göttern, die ebenfalls als rezente Heidengötter aufgefasst werden können, dabei aber nie in der massiven und konsequenten Weise Ziel christlicher Polemik sind. 2) Reminiszenzen an die antike Göttergestalt zeigen nicht nur die Antikeromane: Α ist Gott der Musik in Al, B2, E2 und E3, Pfeilgott in A2, E2 und E3, Orakelgott in A2, A3, A5, E2, E3 und E4, Gott der Heilkunst in A2, A5 und B6, Sonnengott in A2, E3 und E5. A5 fasst Α allerdings euhemeristisch als Erfinder des Arzt- und Arzneiwesens auf und weiß von einem Grabmal A's vor Troja. Eine polemische euhemeristische Deutung A's als musizierender Jäger, der sich außerdem als Pseudomantiker durchs Leben schlagen musste, geben E2 und E3 (motiviert durch den Kontext des Glaubensdisputes), ähnlich polemisch E4. E2 und E3 deuten Α und Phoe-
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bus außerdem als zwei verschiedene Götter. In A3 wird das delphische Orakel als dämonisches Blendwerk angesehen (vgl. auch E4). Reminiszenzen an antike Kultpraktiken im Zusammenhang mit der Ephebie referieren El und E6. Schnittstellen zwischen der Vorstellung von A als antikem und Α als zeitgenössischem Heidengott sind im Alexanderroman (A6) und im Apolloniusroman (A7) zu erkennen. Beide Texte spielen auch weitgehend in einem orientalischen Raum. Auffällig ist, dass die rezenten Heidengötter wie Mahmet (Mohammed), Kahun oder Tervigant als Götter der antiken Orientalen aufgefasst werden. Es wird also nicht nur der antike Götterhimmel in die ma. Gegenwart versetzt, sondern es werden auch die „angestammten" Sarazenengötter in die Antike rückprojiziert. So ist davon auszugehen, dass der antike und der sarazenische Α nicht scharf auseinander gehalten wurden und in den Α-Nennungen zumeist der aktuelle Religionskonflikt zwischen Christen und Muslimen impliziert ist. 3) Dass auch die Α-Gestalt des Antikeromans vom Sarazenengott Α beeinflusst ist, belegt seine Verteufelung in A3 und auch in E4 und E6. Für den Antikeroman ist das antike Heidentum ansonsten kaum Anlass für christliche Polemik. Er nimmt die Götter als zum Stoff gehörendes Figureninventar hin und erklärt die falsche Glaubensvorstellung bestenfalls mit Hilfe des Euhemerismus. Für Α gebraucht der Antikeroman üblicherweise den Beinamen Phoebus, und mit dieser Nf. scheinen auch die problematischen Aspekte weitgehend ausgeblendet (so vor allem A2, man beachte auch die Verteilung der Nff. in A3). Die Details des Α-Mythos von A2 stammen direkt aus Ovids .Metamorphosen' und reflektieren ein mythographisches Spezialwissen, das in keinem der anderen Belege greifbar ist. Ausnahmen bilden die Erbauung Trojas durch Α und Neptunus und der Niobe-Mythos, die auch A6 in Rückgriff auf Walters von Chätillon Alexandreis' erwähnt. Als einziger Text nennt A6 Α im Zusammenhang mit
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Apollo
monen beherbergen (so auch A3). Von der Austreibung des Dämons Α aus seiner Statue berichtet bereits das ahd. Georgslied (E. 9. Jh.), eine entsprechende Passage bringen der Rolle As bei der Tötung Achills, wie sie E5 und E7 (vgl. auch das delphische Orakel in A3). Im Übrigen weiß schon die ApostelA2 nach Ovid und antiker epischer Tradition geschichte von der Austreibung des wahrsaschildert, wissen die Trojaromane nichts, da genden Geistes „Python" durch Paulus (Apg sie, den Trojaberichten von Dares und Dic16,16-18). Schwankhaft abgewandelt ist das tys entsprechend, die Götter als Handelnde Motiv vom weissagenden Dämon A in Β17. weitgehend ausblenden. So bleiben für den Trojaroman (A3, A5) nur die Prophezeiun- Die mit der Vorstellung verbundene Polemik gen des delphischen Α über den Ausgang des erklärt sich auch aus dem jüdisch-christlichen Bilderverbot, [4] sie wird insbesondere Krieges (A3) bzw. über den Sturm, der die in den geschilderten Aggressionen der Saragr. Flotte in Aulis festhält (A5), die Tötung zenen gegen ihre Götterbilder greifbar: A's Achills im Α-Tempel von Troja, A's Zorn über Standbild wird mit Füßen getreten (Bl), die die Entweihung seines Tempels und die ZuGötterbilder werden nach der Niederlage der rückweisung des Opfers der Trojaner (A3, A5). Heiden (B5) bzw. nach der Bekehrung (Bl 1) Diese Motive haben allerdings keine Handgeschleift bzw. in den Burggraben gestürzt lungsfunktion, sondern dienen als epische Vor(B17). Diese Szenen und die Schmähungen ausdeutungen auf den Untergang der Stadt. der Götter durch die Sarazenen selbst (Bl, Im Alexanderroman ist A's Rolle marginal, BIO, Β16) erweisen mit durchaus zynischnur A4 weiß von Alexanders Verehrung für propagandistischem Unterton A's Schwäche den Gott zu berichten. im Vergleich zum Christengott und den sa4) Sämtliche Α-Belege der übrigen epischen razenischen Irrglauben als Torheit (B3 sieht Gattungen stehen — von B2 abgesehen — im die Sarazenen objektiver als von ihren GötKontext der Kreuzzugsthematik bzw. des tern Betrogene, spricht ihnen also ein wahrKampfes zwischen Christen und Heiden haftiges religiöses Empfinden nicht ab [5]). und meinen somit den Sarazenengott. Seine Die Belege berühren somit auch das TabutheRolle wurde insbesondere von den Texten der ma der Blasphemie. Sie verbietet sich für die chanson de geste (frz. Heldendichtung über Christen, obwohl diese mitunter ebenso groden Kampf Karls bzw. Wilhelms gegen die ßen Anlass zur Desperatio hätten (was in B3 Araber in Spanien bzw. Südfrankreich), naauch angesprochen wird [6]). mentlich von B1 und B3, geprägt und später Auch christliche religiöse Vorstellungen und auf andere Gattungen, so auch auf die späPraktiken werden auf die Sarazenengötter te Heldenepik übertragen (B17, B18, B19). übertragen. So scheint, wenngleich nicht Wie die Christen sich auf Gott berufen, so durchgehend, in Bl und B3 eine Göttertriberufen sich die Heiden auf Α und die anas aus A, Machmet und Tervigant vorzuliegen, deren Götter, tragen ihnen Bitten und Klagen möglicherweise eine Analogie zur christlichen vor ( B l , B3, B5, B6, B7, B9, BIO, B11, B12, Trinität. Β15 weiß von einer „Taufe" im AΒ13, Β16, Β17, Β18, Β19). Sie führen StandTempel. Hier zeichnet sich wie im späteren bilder ihrer Götter mit in die Schlacht (Bl, Aventiureroman generell (B8, Β14) eine EntB3, B7, Bl 1, B12, B16). Auch dieses Motiv schärfung des literarisch ausgetragenen Reliist als Übertragung des antiken heidnischen gionskonflikts ab. Sie ist dann möglich, wenn Ritus auf die Muslime anzusehen. Dabei wird der Kampf zwischen Heiden und Christen mitunter auch die alte christliche Vorstellung nicht mehr zentrales Thema des Textes ist, reflektiert, dass die antiken Götterbilder Däsondern ein Abenteuer unter vielen. Entscheidem Ödipusmythos, er erscheint hier allerdings euhemeristisch gedeutet als Dienstherr und Förderer und nicht als der göttliche Widersacher, der Ödipus ins Unglück stürzt. Von
Apollodorus — Apollonides denden Einfluss hatte auch die Vorstellung vom „guten und vorbildlichen Heidenritter", wie sie vor allem in B3 entwickelt wird (vgl. B7, B8, Β14). Die Entideologisierung fuhrt schließlich zu der erwähnten Erweiterung des heidnischen Götterhimmels um weitere antike Gottheiten, wie sie besonders im Götterkatalog von Β14 zu fassen ist (vgl. auch Hercules in E5 [7]). 5) Angesichts der durch eine christliche Perspektive geprägten negativen Rolle A's als Sarazenengott nimmt der Beleg in B2 eine bemerkenswerte Sonderstellung ein. Es handelt sich um die einzige Musenanrufung in der dt. Literatur des MA. Sie wendet sich an Α als Herrscher über den Helikon und Musagetes und ist in zweifacher Weise gebrochen: Erstens wird der Typus der antiken Musenanrufung mit Elementen des christlichen Inspirationsgebets kombiniert, wobei typologische Strategien einfließen (Helicon - wahrer Helicon). Zweitens ist die Bitte nur als Gedankenexperiment formuliert. Das Mythologem von Α und den Musen präsentiert sich so als Inspirations- und Kunstallegorie mit ironischer Färbung. [8] Die problematischen Aspekte A's werden auch in den drei auszeichnenden Vergleichen von Al (mit Aeneas), A4 (mit Alexander) und A7 (mit Apollonius) unterdrückt. Diese Vergleiche haben topische Funktion und lassen sich auf antike Vorbilder zurückführen. [9] Die Metapher in C1 nimmt schließlich in rhetorischer Hinsicht eine Sonderstellung ein. Die Nf. Pitius reflektiert offensichtlich A's Beinamen Pythius und ist als Teufelsname aufgefasst, was sich gut in das Bild vom Sarazenengott Α einfügt. Eine explizite Etymologie zu Pythius bringt E4. Als weitere rhetorische Sonderformen sind die A-Abbildungen in B6 zu erwähnen. Sie reflektieren den für die mythologische Anspielung geläufigen Typus der bildnerisch gedachten Darstellung literarischer Motive, des so genannten Bildzitats [10], dem hier neben der Repräsentationsfunktion spezifische Aussagekraft zukommt: Α als Hüter
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der heidnischen Eheliebe Arabels undTybalds unterliegt der christlichen Eheliebe zwischen Arabel/Gyburg und Willehalm. Die Sinngebung erklärt sich wiederum aus dem Kontext des Religionskonflikts. Die fur das ma. A-Bild bezeichnende Dämonisierung ist schließlich ganz offen zu fassen, wenn in E7, E8 und Β11 von einer Verdammung des Heidengottes die Rede ist. [1] Zur Dämonisierung Seznec, Das Fortleben, 35ff.; Schnell, Causa amoris, 372f.; zur Allegorisierung Jauß, Allegorese. [2] Den frühesten dt. Beleg bietet das ahd.,Georgslied' (E. 9. Jh.), zu den frz. Belegen vgl. Langlois, Noms Propres, 38f.; zu den Α-Belegen in der Mythographie Chance, Medieval Mythographie, passim. [3] S.v. Apollo (F. Graf, A. Ley), in: DNP, Bd. 1, Sp. 863870, hier Sp. 868. [4] S.v. Bilderverbot (H. Künzl, J. Engemann, R. Paret), in: LMA, Bd. 2, Sp. 151 f. Eine interessante ma. Erklärung zur Entstehung der Idolatrie bringt der Beleg El bei Belm (I.EI). [5] Wolfram, .Willehalm' 399,2. [6] Ebd., 101,3ff.; 456,lf. [7] Kern, Edle Tropfen, 395f. mit weiteren Belegen. [8] Ebd. 174ff. [9] Zum Vergleich in A7 vgl. .Historia Apollonii' cap.16., Ovid M M 8,31 vergleicht Minos mit A. [10] Musterbeispiel ist die abgebildete Eneassage in Hartmanns ,Erec'; vgl. Aeneas (11.3). Nachbenennungen ,Graf Rudolf 71 AB (Appollinart)·. Name des Knappen Rudolfs. , Göttweiger Trojanerkrieg' 2160 (Apolisz): Der unübertreffliche Held Α und Antamor [!] wurden einst von Venus' Vater Avinör [!] erschlagen. [mk]
Apollodorus [Gefolgsmann Alexanders; Curtius V. 1,43]
A l Rudolf von Ems, Alexander' 13377: Alexander betraut A, Menes, Bagophanes und Mazaeus mit der Verwaltung von Babylon (Eroberung Persiens). [sks]
Apollonides [Persischer Gefolgsmann, erhält gemeinsam mit Athenagoras von Pharnabazus den Befehl über Kiun; Curtius IV.5,15-17]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 9528: Der tapfere Fürst Α und Athenagoras übernehmen
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Apollonius [1]
von Pharnabazus die Herrschaft: über Kiun, während dieser gegen Makedonien zieht. A wird von Amphoter und Hegeloch besiegt und gefangen genommen (Eroberung Persiens). [sks]
Apollonius [1] [Protagonist des antiken Romans ,Historia Apollonii Regis Tyri']
G: Sohn des Chalides, Gatte der Lucina, Vater der Tarsia und des Apollonius, Gatte der Cirilla, Vater des Hermogenes, Gatte der Diomena, Vater des Ptolemaeus [!] und der Altimena, Gatte der Palmina, Vater des Garamant und der Marmacora (Al) R: König von Tyrus (Al, Bl), Antiochia, Pentapolis, Tarsis, Galacia, Crisia und Jerusalem, Kaiser von Rom, Begründer der Tafelrunde (Al) I. A l Heinrich von Neustadt, Apollonius'·. Α ist ein gebildeter, tapferer, tugendhafter und den Frauen dienstergebener Königssohn aus Tyrus, begibt sich nach Antiochia, löst das Rätsel, das Antiochus den Freiern seiner Tochter stellt, und enthüllt so Antiochus' inzestuöses Verhältnis zu dessen Tochter (405-752), erfährt in Tarsis von seiner Ächtung durch Antiochus, lindert die dortige Hungersnot, lässt die Stadt sanieren und wird mit einem Denkmal geehrt (755-1226); erleidet bei der Überfahrt nach Pentapolis Schiffbruch, zeichnet sich dort bei den Spielen des Archistrates aus (1245-1574), unterrichtet dessen Tochter Lucina im Harfenspiel, sie verlieben sich, Archistrates gibt Α Lucina zur Frau, sie zeugen Tarsia (16921954). Als Antiochus stirbt, bricht Α mit Lucina nach Antiochia auf, um seine Herrschaft anzutreten; lässt die nach der Geburt Tarsias scheintote Lucina auf See beisetzen, gibt Tarsia seinem Getreuen Stranguillio in Tarsis in Pflege, will sich bis zu ihrer Verehelichung nicht mehr Bart und Nägel schneiden, begibt
sich aus Kummer auf Abenteuerfahrt, die ihn zunächst nach Ägypten führt, und wird von nun an „der Bärtige" genannt (2055-2917); unterstützt König Paldin von Warcilon gegen die Völker Gog und Magog und besiegt sie (3045-4118). Der von Venus, Pallas Athene und Iuno gesandte Astrologe Albedacus verkündet A, er sei von den drei Göttinnen mit Minne, Klugheit und Reichtum begnadet worden, prophezeit ihm ein Wiedersehen mit Lucina und die Herrschaft über das Wunderland Galacia (4186-4264), wohin Α aufbricht (4853-4897). Arettet unterwegs die Sirene vor dem Kentauren Achiron Chiron], nimmt Achirons Bogen an sich, erhält von der Sirene einen Ring, der unsichtbar macht; sie singt ihm ein Loblied, Α führt ihr Bild hinfort als Schildwappen (4975-5345); tötet in Galacides das Ungeheuer Kolkan [-» Vulcanus\, dessen Sohn Terkis und dessen Mutter Flata, heiratet die Königstochter Cirilla und zeugt mit ihr Hermogenes (5419-6021), zieht zu einem Turnier, wird für ein Jahr auf eine Insel verschlagen (6137-7070); unterstützt Balthasar gegen Abacuk (7155-7796), wird von Abacuks Gefolgsmann Nemrot gefangen, gibt sich ihm gegenüber als „Lonius mit dem Barte" aus (7837-8066), erkundet für ihn die wüste Stadt Babylon, raubt dem Kentaurenpaar Piramort und Pliades das Schachspiel Nebukadnezars und bringt es Nemrot (8074-8806); kämpft gegen mehrere Ungeheuer (8817-9749), wird von Nemrot scheinbar entlassen und in einen Hinterhalt geführt (9759-10216), rüstet zu einem Rachefeldzug und verbannt den besiegten Nemrot (1032510535); zieht ins goldene Tal Crisia, besteht die Tugendprobe am Eingang, den Ritt über das goldene Rad (10651-11318), zieht bis zur Hauptstadt Crisa, wird von König Candor zur Burg seiner Tochter Diamena gefuhrt, besteht weitere Tugendproben (11503-12217), siegt in einem Turnier, überwindet Candors Löwen und erhält endlich die Herrschaft über Crisia und die Hand Diamenas, mit der er Ptolemaeus [!] und Altimena zeugt (1229113491); verlässt Crisia, um nach seiner Toch-
Apollonius [1] ter Tarsia und seinen Ländern zu sehen, befreit die Mohrenkönigin Palmina von ihren Belagerern und zeugt mit ihr Garamant und Marmacora (13514-14289); wird von Diamena wegen seiner Untreue verstoßen, verlässt Palmina, wird auf dem Weg nach Galacia von einem Seesturm auf die Insel von Elias und Enoch verschlagen, berichtet ihnen von Jesus Christus und bekommt den Weg nach Galacia gewiesen (14301-14850), erfährt in Tarsis von Tarsias vermeintlichem Tod und besucht ihr Kenotaph, kommt nach Mytilene, wo er der von einem Bordellbesitzer versklavten, aber noch immer jungfräulichen Tarsia begegnet, lässt den Bordellbesitzer hinrichten und verspricht Tarsia dem Athenagoras, ihrem tugendhaften Freier; wird von der Stadt Mytilene für seine Wohltaten mit einem Denkmal geehrt, fährt nach Tarsis, lässt Stranguillio und seine Gattin Dionysias für ihre Untreue und die Misshandlung Tarsias steinigen (1491817165); begibt sich aufgrund eines Traumes nach Ephesos, wo er der totgeglaubten Lucina nach 15 Jahren wiederbegegnet. Α kann sich nun endlich rasieren und zeugt mit Lucina einen Sohn, den sie Α nennen (1725917342). Α besucht mit seiner Familie Lucinas Vater Archistrates, wird in Tyrus festlich empfangen, in Antiochia mit einem großen Fest geehrt und gekrönt, vom Heidenpapst aus Ninive gesegnet, vermählt Tarsia mit Athenagoras und übergibt ihnen die Herrschaft über Tyrland (17384-18412); gründet nach einem Turnier in Antiochia eine Tafelrunde, die sich Artus 200 Jahre später zum Vorbild nehmen sollte (18433-18910), vollbringt mit seiner Tafelrunde ritterliche Taten (19263-20090), erobert schließlich Jerusalem und befreit es von dem verbrecherischen König Jeroboam, zeugt noch zehn Kinder, wird röm. Kaiser und Christ und lebt weitere 45 Jahre glücklich. Es entsteht ein reiches A-Schrifttum, Al nennt als seine Quelle eine röm. Chronik (20437-20641). B1 Pfaffe Lamprecht, ,Alexander' (V1010; S1403): Α sollte das von Alexander zerstörte Tyrus dereinst neu gründen. Er musste vor
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Antiochus fliehen, als er das Rätsel löste, das Antiochus' Inzest mit seiner Tochter entlarvte. II. 1) Der Α-Stoff im MA; 2) Die Bearbeitung von A l ; 3) Anspielung in B1
1) Die von der,HistoriaApollonii Regis Tyri', einem spätantiken Roman des 2./3. Jh. n. Chr. erzählte Geschichte des lyrischen Königs Apollonius sollte einer der erfolgreichsten Erzählstoffe des MA werden. Es finden sich zahlreiche lat. und - ab etwa 1300 - auch volkssprachliche Bearbeitungen, der Stoff ist bis in die Neuzeit lebendig. [1] Typisch für die Gattung sind das Handlungsschema von Trennung und Wiederbegegnung eines Liebespaares, der mediterrane Schauplatz, die pseudohistorische Einkleidung und die schlichte, berichtende Prosa. Sie bieten den ma. Adaptionen viel Raum und Anreiz zu erzählerischer Ausgestaltung. 2) Mit A l (um 1310) erfährt der Stoff in der mhd. Literatur eine späte, dafür umso breiter angelegte Bearbeitung: Al fasst den Bericht der ,Historia' nur als Rahmenhandlung und entwickelt im Mittelteil (vom Scheintod Lucinas bis zur Wiedervereinigung A's mit ihr und Tarsia) im Rückgriff auf Motiv- und Strukturmuster der höfischen Epik einen breit angelegten Aventiureroman. Α wird höfischer Erzähltradition gemäß - zum Aventiureritter, der in einem von zeitgenössischem Kolorit geprägten mediterran-orientalischen Raum seine Abenteuerserien besteht. Sie zeigen den Einfluss von Artus-, Alexander- und Orientroman (Ungeheuer, Wundervölker, das goldene Land Crisia, der Kampf gegen Gog und Magog), auch Elemente der Kreuzzugsdichtung werden verarbeitet (A's Gefangennahme durch Nemrot, Eroberung Jerusalems). Eine tragende Funktion hat das Minnethema: Α „heiratet" sich durch seine Aventiurewelt. Auffällig sind auch Rolle und Funktion der Städte im Werk. Titelfigur und einige Handlungsteile sind von Wolframs ,ParzivaT inspiriert, Α erscheint mitunter als ein zweiter
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Apollonius [2] — Aquilo
Gahmuret (die Beziehung zur Mohrenkönigin Palmina spiegelt jene Gahmurets zu Belakane), Bezüge zeigen sich auch zum ,'Tristan' (A als Lehrer Lucinas im Saitenspiel). In A's Sirenenabenteuer und in seiner Begnadung durch Venus, Pallas und Iuno werden antike Motive verarbeitet. Insgesamt gibt der Text mit seinem strukturellen und motivlichen Synkretismus ein typisches Beispiel für den späthöfischen Aventiureroman, vergleichbar dem ,Reinfried von Braunschweig' oder Johanns von Würzburg .Wilhelm von Osterreich'. Die pseudohistorische Anbindung des Geschehens wird auf interessante Weise weiterentwickelt, A wird röm. Kaiser, Christ sowie Vorbild und Vorgänger Artus'. So entwickelt der Roman eine höfisch-literarische Form der Heilsgeschichte und versucht seinem entscheidenden Vorbild, dem Artusroman, den Rang abzulaufen. [2] 3) Die Verbreitung des Stoffes bezeugen zahlreiche Anspielungen in den ma. Literaturen. B1 (um 1150) gibt ein frühes, aber vereinzeltes Beispiel fur die dt. Literatur. Ob man von ihr auf die Bekanntheit des Stoffes bei einem breiteren Publikum schließen darf, bleibt freilich fraglich. [3] [1] S.v. Apollonius von Tyrus (D. Briesemeister u.a.), LMA, Bd. 1, Sp. 771-774; E. Archibald, Apollonius ofTyre. Medieval and Renaissance Themes and Motives, 1991. [2] Weiterführend hierzu Ebenbauer, Spekulieren über Geschichte; B. Wachinger, Heinrich von Neustadt: »Apollonius vonTyrland', in: Positionen des Romans im späten MA. Hg. W. Haug u. B. Wachinger, 1991, 97-115; Birkhan [Übers. Al], 393-440. [3] Eine Zusammenstellung der Anspielungen bei Archibald [Anm. 1], 217ff. [mk]
Apollonius [2] [Sohn des -* Apollonius flj; ,Historia Apollonii' cap.51]
Al Heinrich von Neustadt, Apollonius' 17331: Α wird von Apollonius und Lucina in der Nacht ihrer Wiederbegegnung gezeugt. Von seiner großen Wissenschaft und seinen ruhmvollen Taten berichten zahlreiche Bücher. [1]
[ 1 ] In der .Historia Apollonii' hat der Sohn des Königs Apollonius und der Lucina keinen Namen. Der Hinweis auf As Nachruhm lässt vermuten, dass Al Α mit dem Neupythagoräer und Wundertäter Apollonius von Tyana (1. Jh. n. Chr.) identifiziert hat (Birkhan [Übers.], 362, Anm. 355). [mk]
Apollonius [3] [Gefolgsmann Alexanders; Curtius IV.8,5]
Al Rudolf von Ems, Alexander (10632): A soll für Alexander Tributzahlungen eintreiben und nach Alexandria bringen. [sks]
Apollonius [4] [Heerführer, Gegner des Judas Makkabäus, von diesem getötet; AT, 1 Makk3,10]
E l Rudolf von Ems, ,Barlaam' 2404: Α wird als Beispiel eines schlechten Fürsten genannt, der ein Feind Gottes war und von Judas Makkabäus besiegt und getötet wurde (Geschichte des jüdischen Volkes, Makkabäeraufstand). [1] [1] El übernimmt die Sicht der Bibel und wertet Α daher scharf ab. [sks]
Aquilo [Personifizierter Nordwind]
Nf.: Aquilon (Al) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Der trockene, schnelle Α wird von Aeolus auf Geheiß des Iuppiter gebunden (1,495) und nach der Sintflut wieder losgelassen, um die Wolken zu vertreiben (1,620). B1 ,Lohengrin' 268 und ,Wartburgkrieg', Rätselspiel 27,8: Gott schuf Lucifer als einen der vier Winde und gab ihm das Wesen des Aquilo. II. Der Beleg für den personifizierten Wind A in Al folgt Ovids .Metamorphosen' (1,262).
Arachne In Hl fällt sein Name im Rahmen eines Rätselspiels zwischen Klingsor und Wolfram von Eschenbach. Die christliche Kosmologie der Stelle orientiert sich interessanterweise an antik-mythologischen Vorstellungen. Die Verbindung A's mit Lucifer verweist zudem auf die Tradition physikalischer Mythendeutung und die damit verbundene Dämonisierung mythologischer Gestalten. [1] [1] Vgl. Seznec, Das Fortleben, 35 ff. [mk]
Arachne [Weberin aus Lydien, fordert Athene zum Wettkampfheraus und wird von ihr in eine Spinne verwandelt; M M 6,5]
W: Göttin (Bl) Nf.: Aranje, Aragnes (Bl), Adriachnes (B2) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': A, eine in ganz Libyen [!] berühmte, kunstsinnige Weberin, behauptet, besser als Pallas Athene weben zu können. In einem Wettstreit mit der Göttin webt sie einen Teppich mit gotteslästerlichen Motiven. Abgebildet sind Iuppiters Affären mit Europa, Leda, Antiope, Alcmena, Danae und Semele, Verwandlungen des Neptunus, des Apollo und des Bacchus. Pallas schlägt Α aus Neid mit deren Spindel bewusstlos, Α verheddert sich dabei in einem Strick. Pallas erbarmt sich der Hängenden und verwandelt sie in eine Spinne, weshalb die Spinnen noch heute weben (6,13-314). B l Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'\ Die Göttin [!] Α forderte einst Pallas zu einem Wettstreit im Weben einer Heeresfahne heraus, der über die Vorrangstellung der beiden entscheiden sollte. Bevor Pallas' Sieg feststand, verwandelte sich Α aus Zorn über Pallas' Webekunst in eine Spinne. Noch heute weben sich die Spinnen zu Tode (5806-5814; Venus überbringt Aeneas die von Pallas gewebte Fahne als Heerzeichen). B2 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crdne' 11581: Α rächte sich mit dem Tod und löste damit eine große Klage aus (Katalog großer
Aratus [1]
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Klageanlässe, die von der Klage des Artushofs über Ginovers Entführung überboten werden). II. Der Α-Mythos zählt auch im MA zu den bekannteren ovidianischen Verwandlungssagen. Al referiert ihn direkt nach Ovid. Zu Beginn der Erzählung ist der Akzent allerdings deutlicher auf die Bestrafung der frevlerischen A gelegt, am Ende wird A's Verwandlung wie bei Ovid mit dem Neid der Pallas Athene begründet. A's Selbstmordversuch (bei Ovid aus Verzweiflung über die Zerstörung ihres Kunstwerks durch die Göttin; MM 6,134) ist in Al als Unglücksfall dargestellt. Die Metamorphose wurde vom afrz.,Roman d'Eneas' (4532ff.) in die Aeneashandlung eingearbeitet (Aeneas erhält seine Rüstung von Venus, darunter eine von Pallas Athene gewirkte Heeresfahne, letztere nicht bei Vergil). Β1 hat sie von dort übernommen. Die Abweichungen (A als Göttin und ihre Selbstverwandlung, Aition vom Tod der Spinnen beim Weben) erklären sich entweder aus einem Missverständnis des frz. Textes oder aus einer bewussten Glättung (um die moralische Integrität der Schöpferin von Aeneas' Heerzeichen zu wahren?). Der Hinweis im ,Roman d'Eneas', Mars habe Venus die Heeresfahne der Pallas geschenkt, fehlt in B l . Die Anspielung in B2 ist dunkel, Nf. und vorangehende Nennung des Theseus lassen auch an Ariadne denken. Das Selbstmordmotiv deutet eher auf A. In diesem Fall könnte auch ein Einfluss der Nennung in Bl vorliegen. [1] [1] Kern, Edle Tropfen, 229. [mk]
Aratus [1] [Gefährte des Pyrrhus; Dictys 125,22; Benoit 29111]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 17836 (Adrastus): Α und Chrysippus werden von
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Aratus [2]
Pyrrhus als Boten ausgesandt, um Näheres über die Gefangennahme des Peleus durch Acastus zu erfahren. [mk]
Aratus [2] [Befreit 251 v. Chr. Sikyun von derTyrannis und schließt es dem Achäischen Bund an, bekleidet öfter das Strategenamt]
El Rudolf von Ems, .Weltchronik'8646: Awar einer der Könige von Sicyon (Katalog). [1] [1] Der Beleg findet sich im Rahmen eines profangeschichtlichen Exkurses zur Heilsgeschichte. Das Prinzip der Darstellung in Herrschaftsgenealogien folgt der Tradition ma. Weltchronistik. Auf narrative Ausgestaltung wird dabei weitgehend verzichtet. Als mögliche Quellen kommen die Nennungen A's in der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 1745: Marathus) bzw. in ,De imagine mundi' des Honorius Augustodunensis (PL 172, Sp. 168: Eratho) in Frage. In beiden Fällen und in El datiert As Herrschaft allerdings in die gr. Heroenzeit. Ob Name und Gestalt also tatsächlich den historischen Α reflektieren (s.v. Aratos [2.] (H. Volkmann), in: DKP, Bd. 1, Sp. 487f.) oder ein sagenhafter Gründerkönig Marathios gemeint ist (vgl. die Anm. zu Hieronymus in PL), muss dahingestellt bleiben. [mk]
Areas [1] [Sohn des Iuppiter und der Callisto, Heros eponymos von Arkadien]
G: Sohn des Iuppiter (Al, El, E2) und der Callisto (Al, El) Nf.: Archas (El, E2) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen ': Α begegnet auf der Jagd seiner in eine Bärin verwandelten Mutter Callisto und will sie erlegen. Iuppiter verhindert dies, indem er die beiden als Siebengestirn an den Himmel versetzt. Die Sterne stehen nahe beisammen, wie man noch heute sehen kann (2,994; 2,1051). El Rudolf von Ems, ,Barlaam' 10004: Iuppiter brachte Callisto mit Betrug dazu, sich ihm
- Areas [1] hinzugeben, und zeugte mit ihr den Α (Katalog der Geliebten des Iuppiter). E2 Rudolf von Ems, ,Weltchronik': Α ist einer der falschen Götter, die in vorchristlicher Zeit von den Griechen verehrt wurden (3212; Katalog), er war der Sohn Iuppiters und bezwang die Meere, machte sie tributpflichtig und gründete das nach ihm benannte Land Arcadia (19704; Katalog mächtiger Heiden). II. Die Darstellung des A-Mythos in Al folgt Ovids .Metamorphosen' (2,468ff.). Bei Ovid bilden Callisto und Α die „vicina sidera" (2,507), gemeint ist das Sternbild des Großen Bären. Das Siebengestirn oder die Pleiaden sind an sich die verstirnten sieben Töchter des Atlas und der Pleione. Die Bezeichnung „Siebengestirn" könnte auf einer falschen Glossierung beruhen. Wahrscheinlich hat aber Albrecht von Halberstadt noch korrekt mit „sippen gestern" übersetzt und Jörg Wickram dies als „sieben gestern" (2,1065) missverstanden. Darauf deutet auch die folgende Erklärung („weil sie so nahe beisammen stehen") hin. Sie bezieht sich klar auf Ovids „vicina sidera". Die Benennung ist von Albrecht, dem ursprünglichen Bearbeiter, also offensichtlich noch durchschaut worden. In El gibt die Zeugung des Areas ein Beispiel für die Immoralität der heidnisch-gr. Göttervorstellung. Der polemische Ton entspricht der Tradition christlicher Apologetik. In E2 wird von Α im Rahmen profangeschichtlicher Exkurse zur Heilsgeschichte berichtet. Die historisierende Deutung des Mythos entspricht der Tradition ma. Weltchronistik. Als mögliche Quelle kommt der Α-Beleg in den Herrschertabellen der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 194) in Frage. Nachbenennung Heinrich von Neustadt, ,Apollonius' 18364 (Archades)·. König Α aus dem Mohrenland nimmt am Fest des Apollonius in Antiochia teil und schenkt Tarsia ein prächtiges Hochzeitskleid. [mk]
Areas [2]—Archelochus Areas [2] [Teilnehmer an der Kalydonischen Eberjagd; MM 8,391 ]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 8,741: Der junge, starke und tapfere Α neidet Tegeaea den Treffer auf den Kalydonischen Eber, eine Frau solle nicht den Ruhm davontragen, das Tier erlegt zu haben. Als er selbst auf den Eber schießt, wird er von dem wütenden Tier aufgeschlitzt. Pirithous will ihn rächen. [mk]
Arcesilaus [König von Böotien, Führer des böotischen Kontingents vor Troja; Dares 17,14; Dictys 11,23; Benoit 5608 Archelaus]
G: Bruder (A2) oder Verwandter (Al) des Prothoenor R: König (A2) Nf.: Archelaus (Al, A2) I. Al Herbort von Fritzlar; ,liet von Troye'·. A, ein Verwandter Prothoenors, führt mit diesem 50 Schiffe aus Böotien zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3314; Katalog). In der Landungsschlacht vor Troja zeichnen sie sich aus (4321; 4359; 4869; Kataloge). A kämpft in mehreren Schlachten (5178; 5796; Katalog) und versucht Hector am Raub der Leiche Prothoenors zu hindern (6444; 6507; weitere Nennungen: 6835; 7616). A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg': Der ehrenvolle, gütige, tapfere und mächtige König Α von Böotien und sein Bruder Prothoenor kommen als Verbündete der Griechen mit 66 Schiffen nach Troja (23791; Katalog), kämpfen tapfer in der Landungsschlacht, werden aber in die Flucht geschlagen (25433-25593), befehligen später eine Schar des Griechenheeres (30573) und kämpfen gegen Polydamas (31917-31942). Α kämpft an der Seite Telamons (36753; Katalog) und lässt den gefallenen Prothoenor bestatten (40068). II. Α ist schon in Homers ,Ilias' als Heerführer
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der Böoter genannt, dort auch bereits sein Tod durch Hector (15,329). Der Handlungsgang von Al und A2 folgt dem Trojaroman Benoits de Sainte-Maure, der wiederum nach den spätantiken Trojaberichten von Dares und Dictys gearbeitet ist. Die leichten Abweichungen erklären sich zum einen aus der unterschiedlichen Konzeption der beiden Texte, zum anderen als Übersetzungsvarianten. Bei Benoit ist Α Cousin bzw. Onkel des Prothoenor, in Al dessen Verwandter, in A2 dessen Bruder (bei Homer ist er der Vater, Dictys und Dares geben keine näheren Angaben). Abweichend von Dares (26,1) wird vom Tod des Α durch Hector bei Benoit nichts berichtet. Das Motiv ist auf Archelochus übertragen (Benoit 10849), so auch in A2. [mk/sks]
Arcesius [Sohn des Iuppiter, Großvater des Ulixes; M M 13,144]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 13,228 (Aurisius): Beim Streit um die Waffen des Achilles beruft sich Ulixes auf seine Abstammung von Iuppiter über seinen Großvater A, den Sohn Iuppiters und Vater des Laertes (Rede des Ulixes). [mk]
Archelaus [Feldherr Alexanders; Curtius V.2,16]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 13494·. Fürst Α wird von Alexander als Statthalter von Susa eingesetzt (Eroberung Persiens).
Archelochus [Thrakischer Verbündeter der Trojaner; Dares 23,4; Benoit 6876 Archilogus]
G: Sohn des Rhesus, Verwandter des Priamus (Al) Nf.: Archilogus (Al, A2)
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Archepolis — Areos
I. Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. A, der kluge und tapfere Sohn des Rhesus aus Thrakien und Verwandte des Priamus, unterstützt mit seinem Vater die Trojaner (4064; Katalog), kämpft bei der Landung der Griechen in der von Troilus geführten Schar (4666; Katalog) und verhindert gemeinsam mit Rhesus und Glaucus eine Gefangennahme Hectors (5013). Tiepolemus und Α stechen einander gegenseitig vom Pferd (6850; 6924; Katalog). A2 Konrad von Würzburg, , Trojaner krieg': König Α ist ein Verbündeter der Trojaner aus Grossia (24892; Katalog) und kämpft tapfer vor Troja (36692; Katalog). Er wird schließlich von Hector getötet (39840). II. Einen thrakischen Verbündeten der Trojaner namens Α nennen die Trojaberichte von Dares und Dictys, bei Homer ist er Sohn des Antenor und nicht Thrakerkönig. Als solcher erscheint in der ,Ilias' vielmehr Rhesus, den Dares und Dictys als A's Vater fassen; so auch imTrojaroman Benoits de Sainte-Maure, dem wiederum die Belege in Al und A2 folgen. Die Herkunftsbezeichnung Grossia in A2 ist offensichtlich eine entstellte Form von Thrakien. [mk/sks]
Archepolis
ter von Lucina, Schwäher von Apollonius und Großvater der Tarsia (14943; 15166; 15944; 16764; 17276), lädt den schiffbrüchigen Apollonius zu einem Mahl ein, ist von seinem Harfenspiel begeistert und bittet ihn, Lucina zu unterrichten (1504). Α willigt in die Hochzeit von Lucina und Apollonius ein, bietet seinem Schwiegersohn die Hälfte seines Reiches an (1976-2126) und freut sich, als Apollonius das Reich des verstorbenen Antiochus zufällt (2402). Apollonius wagt nicht, Α von Lucinas (vermeintlichem) Tod in Kenntnis zu setzen (2866; 12882). A's Freude über das Wiedersehen mit Lucina und Tarsia wird durch den Tod seiner Gattin getrübt (17054). Α nimmt an einem Fest in Antiochiateil (17386-17448; 17470-17510; 17633-17648), wird von Apollonius in die bei diesem Anlass gegründete Tafelrunde aufgenommen (18435-18667; 18927) und unterstützt Apollonius gegen Jeroboam, den verbrecherischen König von Jerusalem. Die Stadt wird befreit (20444). [1] [1] Α wird durchwegs mit den Eigenschaften eines idealen Herrschers belegt. Die Handlung basiert in ihren groben Zügen auf der .Historia Apollonii', zeigt in der Ausführung aber starke Anlehnung an den höfischen Roman, so erinnern der saitenspielende Apollonius und dessen Unterricht fur Lucina an den .Tristan' Gottfrieds von Straßburg, für weiteres Apollonius. [mk]
Arene
Elpenor
[Einer der Verschwörer gegen Alexander; Curtius VI.7,15]
AI Rudolf von Ems, »Alexander 18891 (Arzepolis): Α wird wegen seiner Teilnahme an der Verschwörung gegen Alexander gesteinigt (Katalog der Verschwörer).
Archistrates [Herrscher von Pentapolis, Vater der Lucina, Schwiegervater des Apollonius; ,Historia Apollonii' cap. 13]
Al Heinrich von Neustadt, Apollonius' (Altistrates): König Α von Pentapolis, der Va-
Areos [Kentaur, kämpft gegen die Lapithen; M M 12,310]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12,543 (Areus): Α flieht wie andere Riesen [1] vor Medon (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf; Katalog). [1] Die Kentauren sind in Al als Riesen gedacht (bes. 12,400ff.) und nur an einer Stelle andeutungsweise Mischwesen (12,636). Die Adaption greift auf „volksmythologische" Vorstellungen zurück, die dem Publikum aus der dt. Heldensage vertraut sind, vgl. Centauri. [mk]
Aretes — Argus [2] Aretes [Führer der Lanzenträger i m Heer Alexanders; C u r t i u s IV. 15,13]
A l Rudolf von Ems, Alexander' 12336·. A kommt den Makedonen im Kampf gegen die Schar des persischen Heerführers von Zitia zu Hilfe (Schlacht bei Arbela). [sks]
Arethusa [Nymphe, flieht vor Alpheus u n d verwandelt sich in eine Quelle; M M 5 , 4 0 9 ]
Al Albrecht von Halberstadt,,.Metamorphosen' (Aretusa, Aretuse, Arethuse): Die sizilianische Wassergöttin A [1] hat Proserpina bei Pluto gesehen, informiert die um ihre Tochter trauernde Ceres und bittet sie, der Erde nicht länger ihre Früchte vorzuenthalten (5,903; 5,938). Sie erzählt Ceres, wie sie einst als schöne Jungfrau von Alpheus verfolgt und von Diana mit einem schützenden Nebel umhüllt wurde. Aus Angst vor Alpheus zerfloss sie zu Wasser. Diana eröffnete ihr einen unterirdischen Flusslauf, sodass sie Alpheus entkommen konnte (5,1028-1080). [1] Die Q u e l l n y m p h e Α wird von A l volksmythologisch als „wasser Holde" gedeutet, die ursprünglich eine Jungfrau gewesen sei. Der Mythos bei Ovid gibt das Aition fiir eine Quelle bei Syrakus, die der Sage nach in Griechenland entspringt und unter dem Meer bis Sizilien verläuft (s.v. Arethusa [8.] (K. Ziegler), in: DKP, Bd. 1, Sp. 531). Die entsprechenden geographischen Gegebenheiten sind in A l nicht klar wiedergegeben. [mk]
Aretus -> Gorgythion Argonautae [Gefährten des Iason bei der G e w i n n u n g des Goldenen Vlieses]
El Rudolf von Ems, .Weltchronik'20285: Die Α fahren mit Iason um das Goldene Vlies nach Kolchis. [1] [1] Die Α werden im Rahmen eines profangeschichtlichen Exkurses zur Heilsgeschichte erwähnt. Nach dem Prinzip ma. Weltchronistik sind die mythologischen Daten rein historisch aufgefasst. Zur Stelle vgl. die Nennung in der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 242). Weitere m h d .
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Belege für die Α-Fahrt finden sich v.a. im Trojaroman, sie zählt in der ma. Trojatradition zur Vorgeschichte des Trojanischen Krieges; Iason. [mk]
Argus [1] [Hundertäugiges Wunderwesen, wird von Iuno zur Bewachung der Io abgestellt u n d von Mercurius getötet; M M 1,624]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': A, von dessen hundert Augen immer nur zwei schlafen, wird von Iuno zum Hirten der in eine Kuh verwandelten Io bestellt. Mercurius schläfert ihn mit seinem Flötenspiel und mit der Geschichte von der Erfindung der Panflöte vollständig ein und tötet ihn. Zu As Gedenken setzt Iuno seine Augen in die Schwanzfedern des Pfaus (1,1229-1456; Io und Iuppiter; Aition für die Pfauenfedern; 2,1133; RV). [mk]
Argus [2] [Baumeister des Schiffes Argo, Teilnehmer an der Argonautenfahrt; Dares 2,13; Benoit 894] I.
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von TroyeA, der beste Zimmermann Griechenlands, baut in Pelias' Auftrag für Iason in nur einem Monat ein großes, gut verfugtes, festes Schiff (274291; Argonautenfahrt). A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg 6840·. Der kluge Zimmermann A, ein Meister seines Fachs, baut dem Iason im Auftrag des Pelias für die Fahrt nach Kolchis ein seetüchtiges Schiff (Argonautenfahrt). II. Α wird im Zusammenhang mit der Argonautenfahrt erwähnt, die im ma. Trojaroman dem spätantiken Trojabericht des Dares entsprechend zur Vorgeschichte des Trojanischen Krieges zählt. Die Belege in Al und A2 folgen dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure. Das mythologische Motiv von der Mithilfe Athenes bei der Erbauung der Argo
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Argus [3] — Ariadne
ist - der pseudohistoriographischen Konzeption entsprechend - bereits bei Dares aufgegeben. [mk/sks]
Argus [3] [Heros eponymos der Stadt Argos und der Argolis, soll den Getreidanbau aus Libyen eingeführt haben]
El Rudolf von Ems, , Weltchronik'·. A, der Sohn des Apis, ist der Namensgeber von Argos und dessen Bewohnern (8657; Aition; Städtegründungen in Griechenland), führt den Getreideanbau ein und wird wie ein Gott verehrt (8671). Er ist der vierte König von Argos (19888; Katalog), nach ihm herrscht sein Sohn Creon (8671). [1] [ 1 ] Die Belege finden sich im Rahmen profangeschichtlicher Exkurse zum heilsgeschichtlichen Hauptgeschehen. Die mythologischen Daten werden nach dem Prinzip ma. Weltchronistik historisiert und in Herrschaftsgenealogien aufbereitet. Auf eine narrative Darstellung wird weitgehend verzichtet. Zur Stelle vgl. die Nennung in der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 148). [mk]
Ariadne [Tochter des Minos und der Pasiphae, Schwester der Phaedra, wird von Theseus aus Kreta entführt]
W: Göttin, Sternbild (Al) G: Tochter des Minos (Al), Geliebte des Theseus (Al, El) Nf.: Adriachnes (Bl), Adriagna (El), Adriagne (B2) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Α gibt Theseus von ihr verfertigte Pechklöße, die er dem Minotaurus ins Maul schießen soll, und einen Faden, mit dem er aus dem Labyrinth finden kann. Nach bestandenem Abenteuer lässt Theseus Α jedoch im Stich. Bacchus hört ihre Klagen, er findet Gefallen an ihr, setzt ihr eine Krone auf und nimmt sie mit in den Himmel, wo sie in Gestalt dieser Krone zu sehen ist und Göttin genannt wird (8,336-8,361).
Bl Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crone' 11581: Α rächte sich mit dem Tod und löste damit eine große Klage aus (Katalog großer Klageanlässe, die von der Klage des Artushofs über Ginovers Entführung übertroffen werden). B2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg' 22143: Α hatte ein Liebesverhältnis mit einem Fremden, das Leid nach sich zog (Helena räsoniert im Zwiegespräch mit Paris über die Gefahren der Liebe). El Rudolf von Ems, .Weltchronik'20186: Auf A's Bitte hin erschlägt Theseus den Minotaurus. Α belohnt ihn dafür mit ihrer Liebe. II. 1) Α im MA; 2) Mhd. Versionen; 3) Anspielungen
1) Der Α-Mythos zählt zu den Grundmythen der antiken Mythologie, er ist der ma. Mythographie durchaus bekannt, [1] spielt in der volkssprachlichen Mythenrezeption aber nur eine untergeordnete Rolle. 2) Al referiert ihn direkt nach Ovids .Metamorphosen' (8,172ff.). Zu dem relativ knappen Bericht lagen Al vermutlich Glossen vor (u.a. ist Α bei Ovid nicht namentlich genannt). Die gängigen Motive sind leicht abgewandelt: Die Pechklöße, die Theseus auf A's Rat hin dem Minotaurus ins Maul schießt, sind eine eigenständige Erweiterung, sie stammen von Daniels Kampf mit dem babylonischen Drachen (AT, Daniel 14,23). [2] Α scheint nicht erst auf Naxos, sondern schon auf Kreta zurückgelassen, bei Ovid verstirnt Bacchus außerdem nur A's Krone. El erwähnt Theseus und Α im Rahmen eines profangeschichtlichen Exkurses zur Heilsgeschichte. Der Tradition ma. Weltchronistik entsprechend sind die mythologischen Daten historisiert, auf eine breitere narrative Darstellung wird verzichtet (ein Hinweis auf Theseus' Treuebruch fehlt). Das Minnemotiv verleiht der knappen Anspielung allerdings einen deutlicher höfischen Charakter als sonst in El üblich. Quelle ist die Erwähnung in der ,Historia scholastica' des
Arimaspi — Aristarchus Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1283b, ohne namentliche Nennung As). Im ,Göttweiger Trojanerkrieg' wird der ATheseus-Mythos auf Medea und Iason übertragen. 3) In den Anspielungen gibt As Schicksal ein Beispiel für einen großen Klageanlass (Bl) bzw. für die Gefahren einer überstürzten Liebe (B2). Beide Belege sind stark verkürzt. In Bl könnte auch Arachne gemeint sein. [3] Die Exempla in B2 (neben Α werden noch Hypsipyle und Oenone genannt) stammen aus Helenas Brief an Paris in Ovids .Heroides' (17,191f.). [4] Der knappe Hinweis konnte wohl nur von Kennern im höfischen Publikum durchschaut und verstanden werden. [1] Vgl. Myth. Vat. 1.43 und 11.124. [2] Zur Einführung der Pechklöße könnte eine missverstandene Angabe zum Α-Faden Anlass gegeben haben, vgl. Myth. Vat. II.124,2f.: „Qui [Daedalus] eum [Theseus] intrantem tili globum post se jussit resolvere". Das Motiv findet sich außerdem (von Al übernommen?) bei der Überwindung des Minotaurus durch Iason im ,Göttweiger Trojanerkrieg'; Minotaurus (I.A2). [3]-» Arachne (I.B2/II.). [4] Lienert, Geschichte und Erzählen, 113. [mk]
Arimaspi
Cyclopes
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Aristander [Seher und Opferschauer aus Telmessos, befreundet mit Philipp von Makedonien, begleitet Alexander d. Gr. auf seinem Eroberungszug]
I. Al Rudolf von Ems, Alexander': Der Weissager Α deutet das aus einem Brot rinnende Blut als Zeichen für die Eroberung der Stadt Tyrus durch Alexander (8977) und Alexanders Traum vom Raben, der am Leim kleben bleibt, als Zeichen für die Eroberung von Gaza (10219; Eroberungszug Alexanders gegen Persien). Er lehrt Alexander, wie man den Göttern opfert (11898-11903; Vorbereitungen zur 2. Schlacht gegen die Perser). A2 Ulrich von Etzenbach, yAlexander'·. Meister A, der alte, berühmte, würdige und kluge Lehrer Alexanders, deutet eine Mondfinsternis als Zeichen für den Sieg der Griechen über die Perser (10096; 10197; Zug nach Arbela). Α ermahnt Alexander, seine Liebe zu Candacis aufzugeben. Candacis bringt ihn deshalb dazu, sie auf seinem Rücken wie auf einem Pferd reiten zu lassen. Α erkennt den Betrug, als Alexander ihn anspricht und Candacis flieht (23422-23527; Alexander bei Candacis). II.
Α ist eine historische Gestalt, Charakter und Handlung in Al basieren auf der Darstellung [Sohn des Artabazos, persischer Heerführer in der Schlacht in der Alexanderhistorie des Quintus Curtius bei Gaugamela, verteidigt die „Persischen Tore" gegen AleRufus. A2 folgt der ,Alexandreis' Walters xander; Curtius IV. 12,7] von Chätillon, führt Α aber selbständig in Al Rudolf von Ems, ^Alexander' (Arjobarzanes, die Candacis-Handlung ein. Das berühmte Arjobazanes): Der tapfere und kluge Fürst A Motiv vom gerittenen Aristoteles wird dabei befehligt die Schar der Marden im linken auf Α übertragen. Flügel des persischen Heeres (11655; 2. [sks/mk] Schlacht; Heeresaufstellung), eilt den Baktranen im Kampf gegen Alexander zu Hilfe (12265) und wird von Philotas in die Flucht geschlagen (12386). In Susidas Pilas („Tore von Susa") erwartet Α Alexander mit 20000 Aristarchus Mann (13637), wird besiegt und flieht nach [Aus Samothrake, ca. 217-145 v. Chr., bedeutender alexanPersepolis, wo ihm aber die Bürger den Einlass drinischer Grammatiker; Erzieher von Ptolemaeus VII.] in die Stadt verwehren. Schließlich wird er Dl Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast' von Craterus getötet (13850-13871). [sks] 8939: Der Gelehrte Α wird gemeinsam mit Ariobarzanes
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Aristogiton — Aristonicus
Donatus und Priscianus als einer der besten Grammatiker genannt (Katalog vorbildlicher Vertreter der Septem Artes, Meisterberufung). [1] [1] Die genannten Gestalten gelten der ma. Artes-Literatur als die entsprechenden Autoritäten und werden in den Einführungen zu den Schulautoren, den so genannten „accessus ad auctores", auch gewürdigt. Auf diese accessusLiteratur wird sich D l beziehen. Der Α-Beleg und weitere angeführte Namen (so u.a. nur hier -» Anaxagoras und -* Parmenides) unterstreichen jedenfalls den umfassenden Bildungshorizont Thomasins. [mk]
der tötet A's Kampfelefanten und besiegt A (13070). [sks]
Ariston [1] [Statthalter von Paeones; Curtius IV.9,24]
Al Rudolf von Ems, Alexander' (Aristona)·. A, der angesehene, edle Burggraf von Paeonien, zieht gegen die Perser, durchsticht Satropates die Kehle, nimmt dem Wehrlosen den Helm ab und enthauptet ihn, wofür er von Alexander reich belohnt wird (11073-11115). [sks]
Aristogiton [Gesandter Athens bei Darius; Curtius 111.13,15]
Ariston [2]
Al Rudolf von Ems, Alexander 7627'. Der tapfere, ritterliche Fürst Α führte mit Dropides und Iphicrates ein athenisches Corps zur Unterstützung des Darius nach Persien. Die drei geraten nach der Schlacht bei Issos in makedonische Gefangenschaft. [sks]
Aristomedes [Feldherr des Darius aus Thessalien; Curtius III.9,3]
[Feldherr Alexanders; Curtius IX.5,15 Aristonus; Chätillon IX,208]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander': Der tapfere und ehrenvolle Ritter Α erschlägt Rubricus im Kampf (19666; 19675; Katalog), kommt dem schwer verwundeten Alexander zu Hilfe, kämpft schließlich alleine weiter (20643-20691) und erhält von Alexander als Belohnung für seinen Einsatz die Herrschaft über die eroberte Stadt Sudracas zugesprochen (20759-20778). [sks]
Al Rudolf von Ems, Alexander': Der stolze, aus Thessalien stammende Fürst Α kämpft als Heerführer des Darius an der linken Flanke des persischen Heeres (6929; 7313; erste Schlacht der Perser gegen die Griechen). [sks]
Aristomenes [Feldherr des Darius; Curtius IV. 1,36; Chätillon V, 12]
Al Ulrich von Etzenbach, »Alexander' (Aristemones)·. A, der hochgelobte und treffliche farbige Herrscher von Kreta, kämpft bei Arbela auf Seiten seines Verwandten Darius (11971; Katalog). Sein Schlachtruf ,Tabron' nennt den Namen seiner Geliebten. Alexan-
Aristonicus [Tyrann von Methymnae auf Lesbos, gerät 332 in die Gewalt der Makedonen, wird von Alexander an die Methymnaeer ausgeliefert und von diesen grausam getötet; Curtius IV.5,19]
Al Rudolf von Ems, Alexander': Herzog A aus Methymnae raubt die Seefahrer aus und fügt den Makedonen großen Schaden zu. Als er in dem Glauben, die Stadt sei noch in persischer Hand, nach Kiun zieht, wird er von Amphoterus und Hegelochus gefangen genommen und auf Befehl Alexanders getötet (9590-9613; 10079; Eroberungszug Alexanders gegen Persien). [sks]
Aristoteles Aristoteles [Gr. Philosoph aus Stageira, 384-322 v. Chr., Schüler Piatons, Gründer einer eigenen philosophischen Schule, des Lykeions zu Athen, Lehrer Alexanders des Großen]
R: Philosoph (Bl, C6, E l , E4), Naturforscher (Β 1, C5), Weiser (Β 1), Meister/Gelehrter (Al, A2, A3, A4, B2, B3, B4, C5, C7, D l , D2, D3, El, E2), Ahnherr aller Wissenschaften (E6), Zauberer (C2), Ratsherr (E3), Lehrer Alexanders (Al, A2, A3, A4, D l , D2) Nf.: Aristes (A3), Aristiles (E6), Aristotel (Bl), Aristotiles (Al, A2, A3, B2, B3, C7, C6, C2, D2, D3, E3), Aristotilis (A2, A3, E2), Arstetilus (C5) I. Al Pfaffe Lamprecht, Alexander': Α unterweist Alexander in Astronomie, damit er sich an den Sternen orientieren kann (VI 90; S220; Kindheit Alexanders). Alexander berichtet A in einem Brief von seinen Erlebnissen auf dem Zug an die Grenzen der Welt (S4913; 6596). A2 Rudolf von Ems, vAlexander'·. Α wird als eine der Quellen des Werkes genannt, er genießt als Lehrer Alexanders besonderes Vertrauen und bürgt für die Wahrheit des Berichteten (82; Prolog zum 1. Buch). Presbyter Leo hat in Griechenland Schriften des Α gefunden, die von Alexander berichten (13015; Prolog zum 4. Buch). Α unterweist Alexander in Rittertugenden und höfischem Benehmen (1383-1842; 2157; Katalog der Lehrmeister Alexanders). Im Zuge der Vorbereitungen zu seinem Eroberungszug in Griechenland und Kleinasien unterstellt Alexander dem Α die Ratsherren und wird von Α tränenreich verabschiedet (3383-3401). A3 Ulrich von Etzenbach, Alexander': A, der beste Lehrer seiner Zeit, unterweist Alexander in Tugendlehre, Schreiben und Lesen (1289; 18927 RV), gibt ihm Ratschläge für die Herrschaftsführung (1337-1633) und lehrt ihn die heidnische Sprache (4103; RV). As Lehren entsprechend möchte Alexander bei der Eroberung Thebens Gnade walten lassen,
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aber sein Befehl wird missachtet (3748; Zerstörung Thebens). Alexander schickt A und Olympias Berichte von seinen Heldentaten und Eroberungen in Persien (23571). Α übermittelt Alexander brieflich Olympias' Sorgen über dessen Traum, Cassander werde ihn mit dem Schwert töten (23608). Α bittet um Gottes Beistand für Alexanders geplante Meerfahrt und rät ihm, wahrheitsliebend und gut zu seinen Untergebenen zu sein, dann stehe ihm Gott bei (23619). Alexander verfugt in seinem Testament, dass Α in allen Ländern goldene Alexander-Statuen aufstellen lassen soll (26989). [1] Anhang. Alexander berichtet Α in einem Brief von seinen erfolglosen Versuchen, Tritonia zu erobern und bittet ihn um Rat (575; [1027]). Α erinnert Alexander an den Unterschied zwischen erblicher und verliehener Herrschaft. Während einem Herrscher durch Geburt die Macht nur entzogen werden kann, wenn er sich als Tyrann gebärdet, schwindet die verliehene Macht, wenn sie zu wenig gefestigt ist. Auch die Freiheit kann von Geburt an bestehen oder vom Herrscher verliehen werden (1093). Alexander befolgt A's Rat und lässt gegenüber den Tritoniern Gnade walten ([1383]). [1] Bei dem 2 6 1 8 6 genannten Aristes, der den Angriff einer Natter auf Alexander als Vorzeichen für dessen nahenden Tod deutet, könnte es sich um Α handeln (vgl. D 2 , 14576). \V. Toischer, Über die Alexandreis Ulrichs von Etzenbach, Sitzungsber. der Kaiserl. Ak. der Wiss. Wien, Phil.-hist. Klasse 9 7 / 2 (Wien 1881), 311 -408, hier 392f., verweist auf eine Passage bei Albertus Magnus (.Philosophorum maximi de mineralibus libri quinque'): „et de hoc mentionem dicitur Aristoteles fecisse in libro de natura serpentum" (Hinweis bei Chandler, Catalogue, 29).
A4 Aristoteles und Phyllis' GA I, II: Α ist der Lehrmeister Alexanders, seine Lehren haben noch heute Gültigkeit. Er möchte das Liebesverhältnis zwischen Alexander und Phyllis unterbinden. Phyllis rächt sich, indem sie A betört und bloßstellt (43-81): Von der Liebe übermannt lässt sich Α von Phyllis zäumen und satteln. Sie reitet auf seinem Rücken durch den Garten. Die Szene wird von der Königin beobachtet. Α wird zum Gespött des Hofes und flüchtet nach Galicien (382).
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Aristoteles
B1 Albrecht, Jüngerer Titurel': Auch wenn der Erzähler so klug und gelehrt wie Α oder Salomon wäre, könnte er Titurel nicht adäquat preisen (108,3; Prolog; Unsagbarkeitstopos; Meisterberufung). Α lehrte Alexander, dass man Basilisken töten könne, indem man ihnen ihr Spiegelbild vorhalte (3988,3). B2,.Lohengrin' 115: Α wird vom Dichter neben Daniel als Gewährsmann seiner Rätselausdeutung genannt (Meisterberufung). B3 ,Reinfried von Braunschweig' (15183): Silarin [1] ritt auf Α und gab ihn dem Spott preis (Katalog schändlicher Frauen). [1] Die Herkunft des Namens Silarin (zu erwarten wäre Phyllis) ist nicht geklärt.
B4 Johann von Würzburg, , Wilhelm von Österreich ' 14315: Α wird als Gelehrter genannt, der um die Beschaffenheit der Schöpfung Bescheid wusste (Meisterberufung). C1, Wartburgkrieg': AufA, Daniel und Uranias beruft sich Wolfram im Rätselwettstreit mit Klingsor (15,5; Meisterberufung). [1] [ 1 ] In den zusätzlichen Strophen von C1 nach der Ausgabe von Simrock finden sich ferner folgende Angaben: Α ist ein Heide gewesen und hat jenen Fliegendämon in einem Glas verschlossen, der Vergilius später verraten hat, wie er Zabulons Zauberbuch gewinnen könne (160,16; 162,6; 162,12). Α hat Vergilius zur Fahrt zum Magnetberg veranlasst, um von dort Zabulons Buch zu holen (163,1). Zur Magnetbergfahrt des Vergil -* Vergilius (II.4)
C2 Boppe, HMSII, 138,1.22,7: Wäre der Sänger wie Α und Vergilius der Zauberei kundig und hätte er die Tugend Senecas, dann würde er bei seiner Geliebten reüssieren. [1] [1] Die Vorstellung vom Zauberer Α könnte sich auf C1 beziehen.
C3 Frauenlob, 141,11 (Ettm.): Α wurde von einer Frau geritten und ist somit einer von vielen, die von Frauen betrogen wurden (Katalog von Frauensklaven). C4 Frauenlob, 280,9 (Ettm.): Α wird gemeinsam mit Salomon als einer der Weisesten genannt. Trotz seiner Weisheit raffte ihn aber der Tod hinweg, dem nicht einmal Gott selbst entgehen konnte (Vanitastopos). C5 Der junge Meißner, Β 1.66,14: Auch Gelehrte wie A, der zahlreiche Schriften verfasste, oder Vergilius konnten Gottes Naturordnung nicht endgültig ergründen (Meisterberufung;
Topos vom unzureichenden menschlichen Wissen). C6 Regenbogen, HMS 111,126, 468k.4,ll: A trank mit seinem Verstand und seinem Herzen von der Philosophie, der Quelle aller Ehren und Krone der Sangeskunst, und nahm so den Ursprung der Kunst in sich auf. C7 Rumelant, HMS 111,20, II. 12,2: Wäre der Sänger ein A, Hippocrates, Galenus oder Socrates, wäre er in den Künsten so bewandert wie Plato, besäße er die Kunstfertigkeit eines Vergilius, Boethius, Cato, Seneca, Donatus und Beda, er könnte den hochgelobten Fürsten doch nicht angemessen preisen (Katalog von Meistern; Unsagbarkeitstopos). D l Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast': A, Boethius, Zenon und Porphyrius sind die bedeutendsten Dialektiker (8943; Septem Artes; Katalog). Α unterwies Alexander in allen Dingen (6497), heute gibt es keinen Α mehr, er fände auch keinen König, der ihn so ehrenhaft behandeln würde wie Alexander (6409; 6414 [1]; Katalog antiker Gelehrter; Zeitklage). [ 1 ] Neben Α werden noch Zenon, Parmenides, Plato, Pythagoras und Anaxagoras genannt.
D 2 Hugo von Trimberg, ,Der Renner': Α wird als einer jener heidnischen Gelehrten genannt, die vieles erkannten, aber auch in vielem blind waren (8453; Katalog antiker Gelehrter) [1], heute würden sie nicht mehr geehrt werden (10065; Zeitklage; Geringschätzung der Gelehrsamkeit) [2], sie bemühten sich um Tugend und ernteten Missgunst (14677) [3]. Α entlarvte die Jungfrau, die man Alexander gesandt hatte und an der er Gefallen gefunden hatte, als todbringendes, mit Nattern aufgezogenes Mädchen, warnte Alexander und vereitelte so den Anschlag (14576). Α versuchte wie andere auch, die Würde des Menschen zu ergründen, die nicht einmal Salomon auszulegen imstande wäre (19274). Α und Plinius berichten über die Tugend des Löwen (19295). Α dient als Gewährsmann bei der Beschreibung der Wirkung des Balsams (20288; Meisterberufung). Mit Zitaten verbundene Α-Berufungen: Α sagte, der Mensch
Aristoteles habe ein so edles Empfinden, dass er im Unterschied zum Tier nichts unter Zwang tun müsse (11528), Gott habe dem Menschen die Sprache zur Lebensbewältigung gegeben (22220), was man nicht zu Ende bringe, sei unnütz (22712). Der weise Α beklagte, er sei nackt auf die Welt gekommen, habe in Angst gelebt und sterbe betrübt und ohne Wissen und Verstand (24381; Vanitastopos). [1] Der Beleg thematisiert das Heidentum der antiken Auetores und schließt die im M A beliebte Anekdote an, Hieronymus habe ihre Lektüre der Bibel vorgezogen, sei eingeschlafen und im Schlaf geschlagen worden, worauf er wieder zur Bibel gegriffen habe. Der Katalog nennt neben A u.a. Plato und Socrates. [2] Der Katalog nennt u.a. noch Plato, Socrates, Seneca, Hippocrates. [3] Weiters werden Vergil und andere röm. Dichter genannt.
D3 ,Minneburg 3357: Selbst wenn der Dichter so weise wäre wie A, Salomon, Alanus oder Hippocrates, könnte er seine Minneherrin nicht adäquat loben (Meisterberufung; Unsagbarkeitstopos).
El Williram von Ebersberg, ,Das Hohe Lied'·. A, Plato, Socrates und Pythagoras versuchten den Schöpfer aus der Schöpfung zu erklären (Kap. 48,1-41; Katalog von Gelehrten; Meisterberufung) .
E2 ,Kaiserchronik'3218: Auf die Lehren von
Α und Plato wird bei einem theologischen Streitgespräch zwischen Faustinianus und Petrus verwiesen (Meisterberufung).
E3 Jans Enikel, , Weltchronik', Prosaeinschub nach 20942: Zu den Ratsherren in Rom zählen u.a. A, Plato, Pompeius, Seneca, Sibylla, Pythagoras und Hippocrates (Katalog röm. Ratsherren). [1] [1] Als mögliche Quelle für den Prosaeinschub verweist Strauch (Hg., 400, Anm. 3) auf ,De imagine mundi' des Honorius Augustodunensis (PL 172, Sp. 177, „de consulibus et dictatoribus Romae"), wo sich die Namen in anderem Zusammenhang finden.
E4 Brun von Schönebeck, ,Das Hohelied'·. A ist ein Jüngling (6957; 7171), der Autor von ,In elementis' (7122) und ,De anima' (7169) und setzt die Seele als das Höchste an. Nach Α ist jede Entscheidung auf den Verstand zu gründen (10562/7).
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E5 Hugo von Langenstein,,Martina ': Α hat über das Wesen des Adlers gehandelt (106d,92). Er bezeugt den verderblichen Einfluss böser Frauen, er vergaß auf seine Weisheit, ließ sich von einer Frau reiten und machte sich so zum Gespött (133,13; Katalog von Frauensklaven).
E6 Heinrich von Neustadt, ,Gottes Zukunft' 4808: A, Hippocrates, Ptolemaeus, Pythagoras, Galenus und Seneca dienten Gott durch die Erforschung der Natur. Mit dem Einzug Christi in den Himmel endet die Klage dieser edlen Heiden. Der Dichter vertraut darauf, dass sie erlöst sind. II. 1) Α und Aristotelismus im MA; 2) Α im Alexanderroman; 3) A-Anspielungen; 4) Α als Minnesklave; 5) Zusammenfassung
1) Α gilt im MA neben Piaton als der wichtigste Philosoph und Gelehrte des Altertums. Seine Philosophie erfuhr im europäischen, arabischen und jüdischen Kulturraum breite Rezeption. Im lat. Bereich war Α zunächst durch Boethius' Ubersetzungen der .Kategorien' und von ,De interpretatione' bekannt. Diese „logica vetus" machte ihn zur maßgeblichen Autorität auf dem Gebiet der Dialektik bzw. Logik und zum zentralen Auetor der Septem Artes Liberales. Die Α-Rezeption erfuhr im Zuge der so genannten Karolingischen Renaissance (8.-10. Jh.) einen ersten Höhepunkt, für den dt. Bereich sind die Übersetzungen Notkers III. von St. Gallen (10. Jh.) zu nennen. Im Laufe des 12. Jh. wurden die übrigen Werke des ,Organons' zum Teil parallel aus dem Gr. und dem Arabischen ins Lat. übersetzt und bildeten die „logica nova", es folgten Ubersetzungen der anderen dem MA bekannten Werke, darunter ,Physik',,Metaphysik', ,Nikomachische Ethik', ,Poetik' und die zoologischen Schriften. Zu betonen ist der spezifische Charakter des christlich-ma. Aristotelismus. Er verfährt eklektisch, kreuzt aristotelische Positionen mit neuplatonischen und wäre ohne eine konsequente „interpretatio christiana" nicht
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Aristoteles
denkbar. Wesentlich beeinflusst wurde er durch die Rezeption des hoch entwickelten islamischen Aristotelismus, namentlich der Α-Kommentatoren Avicenna und Averroes. Die neue Phase der Α-Rezeption war für die Ausbildung der scholastischen Philosophie maßgebend und erreichte im 13. Jh. mit Albertus Magnus und Thomas von Aquin einen Höhepunkt. Für die Breitenwirkung aristotelischer und pseudoaristotelischer Positionen und Dicta sorgten Florilegien und die pseudoaristotelische Schrift ,Secreta secretorum' (10. Jh.) mit diätetischen, moralischen und naturkundlichen Lehren, die A an Alexander in Briefform richtet. A war nunmehr in allen Wissensbereichen, v.a. in Naturphilosophie, Zoologie und Medizin erste Autorität, galt aber auch als einer der wichtigsten Ethiker. [1] Die populäre Α-Rezeption, der auch die dt. Α-Belege zuzuordnen sind, hat allerdings nur ein indifferentes Wissen von Α und aristotelischer Philosophie. Das zentrale Interesse gilt Α als dem Lehrer Alexanders und Α als dem exemplarischen Gelehrten. In dieser Funktion ist Α Teil eines umfassenden Katalogs antiker Exempelfiguren [2], die im Rahmen fester Topoi immer wieder zitierbar sind. Nur wenige Stellen vermitteln detailliertere und konkretere Vorstellungen. 2) Mit der exemplarischen und im Gegensatz zur historischen Realität [3] friktionsfreien und nachhaltigen Lehrer-Schüler-Beziehung zwischen Α und Alexander verbinden sich sowohl im Alexanderroman als auch in den Anspielungen der didaktischen Literatur die zentralen Fragen nach der richtigen Erziehung des Herrschers und dem Verhältnis zwischen Gelehrsamkeit und Politik. Die Alexanderromane zeigen hier eine unterschiedliche Gewichtung. In A l erscheint Α als Artes-Lehrer, allerdings auf dem Gebiet der Astronomie und nicht auf dem der Dialektik (was auf die zunehmende Verbreitung seiner Naturphilosophie zurückzuführen sein könnte). In A2 steht die Fürstenerziehung im Vordergrund, Α erscheint daher vor allem in der Rolle des
vorbildlichen Pädagogen und Ethikers. A3 kennt Α auch als Lehrer der heidnischen (arabischen) Sprache, was auf die Bedeutung der arabischen Α-Rezeption hinweist. Alle drei Alexanderromane wissen von einem ausführlichen Briefbericht Alexanders an A über seinen Zug zum Paradies. Diese für die Gattung grundlegende Passage reflektiert die im MA verbreitete ,Epistola Alexandri Magni ad Aristotelem'. A's briefliche, politisch-moralische Ratschläge an Alexander in A3 (v.a. zur Belagerung von Tritonia) und der Quellenverweis auf A in A2 könnten mit den ,Secreta secretorum' in Verbindung stehen. Als ideales Zusammenwirken von Gelehrsamkeit und Politik begreifen D l und D2 die Beziehung zwischen Α und Alexander. Alexander erscheint als Förderer einer von Tugend und hohem ethischen Anspruch geleiteten Gelehrsamkeit, wie sie Α verkörpert. Verbunden ist dies jeweils mit Zeitklagen über ihre jetzige Missachtung und Vernachlässigung. D2 weiß weiters von der Vereitelung des Giftanschlages auf Alexander durch Α (ein aus A l stammendes und verbreitetes Motiv, sonst allerdings nicht mit
Α verbunden, -* Alexander [II.5A]). In B1
belehrt Α Alexander über die Überwindung des Basilisken. Die schwankhafte Episode von der Betörung des Α durch Phyllis ist Inhalt von A4. Sie gestaltet den Topos vom berühmten Mann, der zum Frauensklaven wird, als Schwankgeschichte. Aufgrund der Beliebtheit dieses Topos ist das Motiv vom gerittenen Α im MA weit verbreitet [4] und zielt einheitlich auf eine Polemik gegen das höfische Minnethema. Ein direkter Zusammenhang zwischen A4 und den Anspielungen in B3, C3 und E5 ist nicht erweisbar. 3) Der ma. Tradition entsprechend sehen die meisten Anspielungen in Α den mustergültigen Gelehrten. C4 nennt ihn als einen der weisesten Menschen neben Salomon, C6 als den Philosophen schlechthin und verbindet dies mit der Allegorie von der Quelle der Philosophie und des Kunstverstandes, von der A
Aristoteles getrunken habe (dahinter verbirgt sich das mythologische Motiv von der Quelle der Musen am Helikon). D l sieht in Α ganz konventionell den Artes-Lehrer und wichtigsten Dialektiker. Auf As (christlich verstandene) theologische Lehren verweisen E l und E2, auf seine Ethik und Seelenlehre Ε4. Als Naturforscher und -philosoph wird Α in B4, C5, E l , E4 und E5 genannt, in D 2 (in Gegensatz zu B4) in Verbindung mit den Topoi von der Unergründlichkeit des Schöpfungswerkes Gottes und vom unzureichenden menschlichen Wissen. Ahnlich ist in C4 und D 2 mit der Α-Nennung der Vanitastopos gekoppelt, in D 2 wird er Α selbst in den Mund gelegt. C1 und C2 vermitteln die Vorstellung, Α sei der Zauberei kundig, ein Motiv, das ansonsten nur mit dem ebenfalls genannten Vergil fest verbunden ist. [5] Kurios ist A's Rolle als röm. Ratsherr in E3. Der Beleg unterstreicht die Präsenz und Zitierbarkeit des Philosophennamens in weitgehend beliebigen Kontexten. Die meisten Nennungen reflektieren die rhetorische Figur der Auctoritas oder Meisterberufung (Bl, B2, B4, C5, C7, C4, D l , D2, D3, E l , E2, E5), sie ist verbunden mit dem Unsagbarkeitstopos in D 2 (Frauenpreis), Bl und C7 (Herrscherlob). Wenngleich die Belege natürlich die umfassende A-Kenntnis des 13. Jh. widerspiegeln und Α nicht nur als Dialektiker kennen, werden abgesehen von den in E4 genannten Werktiteln und von Reflexen der Zoologie in D 2 und E5 kaum detailliertere Kenntnisse von Α und seinen Schriften greifbar. Nicht der historische Philosoph und seine spezifischen Positionen sind von Interesse, der Name A repräsentiert eben vielmehr einen Typus, der durch ein ganzes Repertoire von Exempelfiguren vertreten wird, über das die Texte auch verfügen. Die meisten A-Nennungen finden sich daher in Katalogen. Gemeinsam mit Α werden u.a. Plato (C7, D l , D2, E l , E2, E3), Socrates (C7, D2, E l ) , Vergil (C5, C7, C2, D2), Hippocrates (C7, D2, D3, E6; wie
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Α medizinische Autorität) und Plinius (D2; wie Α wichtiger Naturforscher), aber auch biblische Figuren wie Salomon (Bl, C4, D2, D3) oder Daniel (B2, C l ) genannt. 4) Eine völlig andere Rolle wird Α im Zusammenhang mit der erwähnten Minnetopik zugedacht: Er repräsentiert einen der berühmtesten Minnesklaven und gehört auch in diesem Fall einem festen Katalog entsprechender biblischer und antiker Exempelfiguren an. B3 nennt neben Α noch Samson und Vergil, C3 bietet eine regelrechte „Weltgeschichte" von Minnesklaven, die von Adam bis Parzival reicht und wiederum auch Vergil erwähnt. E5 nennt neben A Adam, David, Salomon und Samson. 5) Allen A-Anspielungen gemeinsam ist ein zumindest implizites didaktisches Anliegen. In dieser Hinsicht ist die Belegdichte in didaktischer und geistlicher Literatur auffällig hoch. Die lyrischen Α-Nennungen sind alle der ebenfalls didaktisch orientierten Sangspruchdichtung zuzuordnen. Der Minnesang verzeichnet keinen Beleg, die Nennungen im höfischen Roman sind spät und zielen auf Wissensvermittlung. Dies bestätigt die grundsätzliche Tendenz, dass die „fiktionale" höfische Epik und der Minnesang eher zur mythologischen und nicht zur historischen Exempelfigur greifen. [6] Für Wertschätzung und Autorität, die Α auch in der volkssprachlichen Literatur zukommen, spricht schließlich der Beleg E6, der auf die Erlösung des guten antiken Heiden, wie ihn Α mit Plato und anderen repräsentiert (vgl. auch E l ) , vertraut. [1] S.v. Aristoteles (V. Honemann), in: VL, Bd. 1, Sp. 436450 und s.v. Aristoteles (F. van Steenberghen u.a.), in: LMA, Bd. I, Sp. 934-948; Aristotle and the Later Tradition. Ed. H. Blumenthal, 1991. [2] Vgl. Cova, Antike Beispielfiguren. [3] S.v. Aristoteles (H. Dörrie), in: DKP, Bd. 1, 1964, Sp. 581-591, hier Sp. 582. [4] Für die afrz. Literatur gibt der ,Lai d'Aristote' des Henri d'Andeli ein Beispiel (Übers, in: Afrz. Liebesgesch. Hg. C. E. Paschold u. A. Gier, 1992, 60-74). Zum Thema C. Herrmann, Der „Gerittene Aristoteles": Das Bildmotiv des „Gerittenen Aristoteles" und seine Bedeutung für die
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Arruns — Artabazus
Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung vom Beginn des 13. Jh. bis um 1500, 1991; S. L. Smith, The Power of Women. Α Topos in Medieval Art and Literature, 1995, 66ff. [5] Weitere Belege bei Honemann [Anm. 1], Sp. 447. [6] Kern, Edle Tropfen, 1998, S.508ff. [mk]
Arruns [Etrusker, tötet Camilla und wird dafür von Dianas Nymphe Opis getötet; Aeneis XI,759; RdE 7139]
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'(Arras): Der feige Trojaner Α tötet Camilla auf dem Schlachtfeld und wird von Tarpeia erschlagen [1] (9046-9123; Kampf um Italien).
Arses [Jüngster Sohn des Artaxerxes III. Ochus, persischer König von 338-336 v. Chr., wird von Verschwörern getötet]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 15730 (Arxes): Α übernimmt nach seinem Vater Artaxerxes Ochus die Herrschaft, ihm folgt sein Sohn Darius, der Gegner Alexanders (Prolog zum 5. Buch; Katalog der Perserkönige vor Alexander). [1] [1] Der Katalog der persischen Könige bezieht sich auf die Angaben in der .Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198,Sp. 1483f.),vgl.den expliziten VerweisvonAl unter - * Artaxerxes [2], Petrus Comestor nennt als Sohn des Artaxerxes III. allerdings Arsames, historisch der Vater des Darius III. und Cousin von Artaxerxes. Die nicht ganz korrekten genealogischen Angaben in Al entsprechen Petrus Comestor, die korrekte Nf. mag aus einer Variante stammen.
[1] Die Rationalisierung des Tötungsmotivs geht auf den .Roman d'Eneas' zurück. [mk/sks]
[mk/sks]
Arsinoe
Alcithoe
Artabanus Arsames [1]
[Bruder des Darius und Oheim des Xerxes, wird von diesem zeitweilig mit der Regentschaft betraut]
[Großvater des Darius I.]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander' 6991 (Ortanes)·. Α ist der Sohn des Achaimenes und ein Gott. Er hat seinen Freunden immer geholfen und wird auch den Persern zur Seite stehen. Darius nennt ihn in einem Katalog seiner Vorfahren, über die er seine Abstammung auf Iuppiter zurückführt. [1] [1] Der Katalog der Vorfahren des Darius in Al bezieht sich auf die knappe Anspielung in der Alexandreis' Walters von Chätillon 11,326, zu der Al wohl Glossen vorlagen, vgl. die bei Colker (Hg.), 501 abgedruckte Glosse (ohne Nennung As). [mk]
Arsames [2]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 15717·. Α folgt Xerxes als Herrscher nach, nach ihm folgt Artaxerxes (Katalog der persischen Könige vor Alexander). [1] [1] Der Katalog der persischen Könige bezieht sich auf die Angaben in der ,Historie scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1483b), vgl. den expliziten Verweis von Al unter -» Artaxerxes [2], [mk/sks]
Artabazus [A III., Feldherr von Artaxerxes II. Mnemon, fällt von diesem ab und begibt sich als Begleiter von Darius III. Kodomannos zu Alexander; Curtius 111.10,13: Vertrauter von Darius; kommt als Gesandter zu Alexander; kämpft gegen Satibarzanes; wird Befehlshaber von Bactrien; Chätillon VI,374: besonderer Freund des Königs]
[Befehlshaber von Cilicien; Curtius III. 4,3]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 5623: A, der Befehlshaber von Cilicien, lässt das Land verwüsten, damit das heranrückende Heer Alexanders weder Unterschlupf noch Nahrung findet. [sks]
G: Vater des Ilioneus (Al) R: Fürst des Darius (Al, A2) Nf.: Archabatus (A2) I.
Al Rudolf von Ems, Alexander'·. A, der Vater von Ilioneus und weiteren acht Söhnen
Artaxerxes [1] — Ascalaphus [1] (17607), wird von Darius zum Fürsten erwählt. In der ersten Schlacht gegen die Griechen gerät er vorübergehend in makedonische Gefangenschaft (7616). Der alte, kluge Α ist Darius als Ratgeber und Leibwächter auf der Fahrt nach Bactra treu ergeben. Nach Darius' Gefangennahme durch Bessus und Nabarzanes flieht Α nach Parthien (14306-14654; Eroberung Persiens; Tod des Darius). Im Alter von 95 Jahren kommt er mit seinen Söhnen und einer großen Schar zu Alexander, preist ihn und übergibt ihm seine Männer (17607-17739). Als Α von Satibarzanes bedrängt wird, schickt ihm Alexander Hilfstruppen (20707; 21105) und belehnt ihn mit Bactria (21297).
A2 Ulrich von Etzenbach, Alexander'·. A will Darius auf dessen Flucht vor Alexander beistehen (15877), rät ihm aufgrund der prekären strategischen Situation zur Aussöhnung mit den Verschwörern Bessus und Nabarzanes, diese geben Α gegenüber Reue vor (1600516050), im folgenden Kampf gegen Alexander wird Α verwundet (16645-16705). II. Die Verschwörung gegen Darius thematisiert wie später auch jene gegen Alexander das Problem der Loyalität gegenüber dem Herrscher. Herrschertreue zählt für die Texte zu den Grundtugenden eines Vasallen. Daher ist der dem Darius treu ergebene Α im Gegensatz zu den Verschwörern Bessus und Nabarzanes positiv gezeichnet. Die Darstellung in A l folgt Q. Curtius Rufus, A2 der Alexandreis' Walters von Chätillon (ohne Erwähnung seiner Belehnung mit Bactrien).
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[1] Der Beiname des A, Longimanus (15721), wird in der Königsliste als eigene Gestalt aufgefasst. [1] Die Nennung bezieht sich auf die Angaben in der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1483c), vgl. den expliziten Verweis von A l unter Artaxerxes [2]. [mk/sks]
Artaxerxes [2] [Artaxerxes III. Ochus, König von Persien 359-338 v. Chr.; erobert Ägypten, festigt die persische Königsgewalt und wird 337 vermutlich durch Gift getötet]
Al Rudolf von Ems, Alexander' (Artaxerses)·. Der edle, mächtige Α herrscht über Persien. In der ,Historia scholastica' [des Petrus Comestor] wird er Ochus genannt (190/3; Vorgeschichte; 15725/9; Prolog zum 5. Buch; Katalog der persischen Könige vor Alexander; 17652). [1] Im Zuge von Landstreitigkeiten greift Α Ägypten an und unterwirft es, der ägyptische König Nectanebus flieht nach Makedonien (190; [418]; Vorgeschichte; 2762: RV auf Äs Tod). Drei Töchter Äs geraten in makedonische Gefangenschaft: (7607). [1] Der Verweis bezieht sich auf die Angaben zu den persischen Königen der .Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1495a). [mk/sks]
Artemis
Diana
Ascalaphus [1] [Dämon der Unterwelt, Sohn des Acheron und der Orphne; als er bezeugt, dass Proserpina in der Unterwelt vom Granatapfel gegessen habe und somit Pluto gehöre, wird er von ihr in einen Uhu verwandelt; M M 5,539]
Al Albrecht von Halberstadt,
Metamorphosen'
5,997 (Ascalephus)·. Α verrät, dass Proserpina sieben Körner einer Höllenfrucht [1] gekosArtaxerxes [1] tet hat, und wird von ihr dafür in den wi[Artaxerxes I. Longimanus; Sohn von Xerxes I., König von derwärtigen, verhassten Uhu verwandelt, der Persien 464-425/424 v. Chr.] den Menschen mit lauter, greulicher Stimme schlechte Neuigkeiten verkündet. Al Rudolf von Ems, Alexander' (Artaxerses)·. A [1] Ovids „pomus puniceus" wird als Höllenfrucht auffolgt Artabanus als König von Persien, nach gefasst, die Metamorphose ist etwas gekürzt (es fehlt das ihm herrscht Longimanus [1] (15718; Prolog Besprengen mit Wasser aus dem Phlegeton), das Aition fur zum 5. Buch; Katalog der persischen Könige den verhassten Uhu nach Ovid. vor Alexander). [mk] [sks/mk]
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Ascalaphus [2] — Ascanius [1]
Ascalaphus [2] [Führer der Griechen aus Orchomenos, kämpft vor Troja; Dares 17,15; Dictys 11,25; Benoit 5611]
G: Vater ( A l ) bzw. Bruder (A2) des Ialmenus R: König (A2) von Orchomenos (Al), Herzog (A2), Fürst (A3), Ritter (A3) Nf.: Ag(g)alon (A2), Aschalaphus (A2), Calaphus (A3), Toraloie ( C l ) I. A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': A führt mit Ialmenus 30 Schiffe aus Cumenie zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3318; Katalog), erleidet mit seinen Männern bei der Landung vor Troja schwere Verluste, bildet mit ihnen in der Landungsschlacht die fünfte Schar (4361; 4865; Katalog), trägt einen heftigen Kampf mit Hector aus (5132) und nimmt an weiteren Kämpfen teil (6835; Katalog). A2 Konrad von Würzburg,,Trojanerkrieg·. A, ein trefflicher und tapferer Verbündeter der Griechen, kommt mit 100 Schiffen aus Cumenie (23786; Katalog), befehligt mit Ialmenus die dritte Schar und kämpft tapfer gegen den Priamussohn Margariton (30551; Katalog; 31653-31905; 36744; Katalog). [1] , Trojanerkrieg'-Fortsetzung 42400: Α soll im Kampf der Griechen gegen die Amazonen mit Ialmenus die linke Flanke des Heeres sichern (Katalog). [1] Der mit den Griechen verbündete König
Ag(g)alon
(25510; 36039) könnte eine Variante zu Α sein.
A3 ,Göttweiger Trojanerkrieg': Der tapfere, mächtige und gut aussehende Α erscheint alleine in einem Nachen vor Troja, bietet sich Agamemnon als Kämpfer an, erhält von Menelaus ein Pferd und fordert Paris zum Kampf heraus. Nachdem Α Paris eine schwere Wunde zugefügt hat, wird er von diesem mehrfach verwundet und von Medea gesund gepflegt (18195). Kaum genesen, fällt er im Kampf gegen Hector (18503; 18566). C l Frauenlob, 356,5 (Ettm.): Α bemühte sich als Ritter um den Lohn der Damen und verlor
viel: Der Liebe wegen wurde er von Hector vor Troja getötet. Der Sänger fürchtet für sich ein ähnliches Schicksal (Minneklage; Exemplum). II. Die Brüder Α und Ialmenos, Söhne des Ares und der Astyoche, sind bereits in der Jlias' die Führer der Griechen aus Orchomenos. Als solche werden sie auch in denTrojaberichten von Dares und Dictys erwähnt. Al und A2 folgen im Handlungsgang Benoit de SainteMaure. Ihm entsprechend ist Α in Al der Vater des Ialmenus, A2 korrigiert vielleicht nach Dares. Die entstellte Herkunftsbezeichnung Cumenie geht auf Benoit zurück. Die Fortsetzung von A2 folgt direkt Dictys (82,16). Ob die Gestalt in A3 auf Α zurückgeht, lässt sich aufgrund der gravierenden motivischen Umformungen der Trojatradition in diesem Text nicht entscheiden, der Nf. nach scheint es immerhin denkbar. Bei Homer fällt Α durch Deiphobos, in A3 durch Hector. Dares, Dictys, Benoit, Al und A2 berichten nichts von seinem Tod. Ob in C1 tatsächlich Α gemeint ist [ 1 ], bleibt aufgrund der stark veränderten Nf. unsicher. Wenn ja, ist sein Tod durch Hector eine erstaunliche Motiv-Parallele zu A3. An eine Abhängigkeit ist aufgrund der schwachen Nachwirkung von A3 allerdings schwerlich zu denken. Die Stelle gibt jedenfalls ein für die Minneklage traditionelles Exemplum und reflektiert den Topos des Minnesklaven. [1] Ettmüller (Hg.) zur Stelle. [mk]
Ascanius [1] [Verbündeter der Trojaner aus Phrygien; Dares 23,1; Benoit 6770 Ascanius, Alchamus, Thalamus]
Nf.: Alchamus (Al), Aichamis (A2) I. A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Der Phrygier Α unterstützt mit Antiphus und Mesthles die Trojaner (4020; Katalog). Sie
Ascanius [2] — Ascanius [3] kämpfen bei der Landung der Griechen in der von Troilus geführten Schar, attackieren Menestheus und befreien den von diesem niedergestochenen Troilus (4670; Katalog; 5087-5104). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg'·. A kämpft gegen Menestheus, um Troilus zu befreien (29745; 31493). II. Beide Belege folgen Benoit de Sainte-Maure, der die Figur von Dares übernimmt. Die Nf. erklärt sich aus Varianten bei Benoit. Einen phrygischen Verbündeten der Trojaner namens Α kennt schon die ,Ilias'. [mk/sks]
Ascanius [2] [Verbündeter der Trojaner aus Boetia; Dares 23,1; hs. asimaus; Benoit 6781 Asimas]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 4023 (Funasj: Aus Philistea, unterstützt mit Portius und Sanius die Trojaner. [1] [1] Chandler, Catalogue, 303 identifiziert Α aufgrund der Herkunftsbezeichnung „Philistea" mit Filitoas bei Benoit, der allerdings als solcher in Al belegt ist (-* Phidippus). Ks Gefährten Portius (-» Phorcys) und Sanius lassen Α aber auf Asimas bei Benoit zurückfuhren, alle drei Nff. erklären sich aus einer Variante zu Dares 23,1 („de boetia sanius asamaus et porcius"; G, L). Die Nf. Funas erklärt sich als Lesefehler in der Überlieferung von A l . [mk]
Ascanius [3] [Sohn des Aeneas, von den Römern auch Ilus bzw. Iulus genannt; Stammvater der gens Iulia]
G: Sohn des Aeneas (Al, Al, E l ) und der Creusa (El), Stiefbruder des Silvius Aeneas (El), Vater des Iulus (El), Ahnherr des Iulius Caesar (Al) R: König von Italia (A2, E l ) Nf.: Ascanjus (Al) I. Al Heinrich von Veldeke, ,Eneas': Der junge, tapfere Α heißt mit zweitem Namen Iulus und
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ist einer der Ahnherren von Iulius Caesar (13318-13382; Katalog der Könige Roms). Venus belegt Α mit einem Liebeszauber, der bewirkt, dass sich Dido in Aeneas verliebt, als sie Α zur Begrüßung küsst (763-824). Α ist belustigt, als die Trojaner entsprechend der Verheißung des Anchises ihre aus Brot geformten Schüsseln essen (3781). Α löst einen Streit mit Tyrrhus aus, als er den zahmen Hirschen von dessen Tochter Silvia erlegt. Er tötet im KampfTyrrhus' älteren Sohn und wird von Tyrrhus und seinen Mannen bedrängt. Aeneas kommt ihm zu Hilfe, die Trojaner brennen die Burg des Tyrrhus nieder und plündern sein Land (4542-4737). Α hält während Aeneas' Aufenthalt bei Euander Montalbane gegen Turnus (5993; 6362; 6630), furchtet einen Vergeltungsschlag, nachdem er Turnus' Schwager getötet hat (7058; 7093), und wird vom Entsatzheer des Aeneas gerettet (11734-11747). Α holt für den von einem vergifteten Pfeil getroffenen Aeneas ärztliche Hilfe (11888). A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Aeneas flieht mit seinem Vater Anchises und allen seinen Kindern [!] ausTroja ([13,823]). Der junge Α erhält von Anius ein kostbares Gewand als Abschiedsgeschenk (13,905) und regiert nach Aeneas mit Macht über Italien (14,589; Katalog der Könige Italiens). E l Rudolf von Ems,,Weltchronik'·. Der weise Α folgt seinem Vater Aeneas von Troja nach Italien, übernimmt nach dessen Tod als mächtiger König von Laurentum die Herrschaft, holt seine aus Angst vor ihm in einen Wald geflüchtete Stiefmutter Lavinia und ihren dort geborenen Sohn Silvius Aeneas zurück, lässt seinen Stiefbruder liebevoll aufziehen, überlässt Lavinia die von Aeneas für sie errichtete Stadt Lavinium und gründet die Stadt Albane (Alba longa), die bis zur Gründung Roms Hauptstadt des Reiches bleibt. Nach 38-jähriger Herrschaft übergibt Α vor seinem Tod das Reich an Silvius Aeneas, da sein eigener Sohn Iulus noch zu klein ist. Nach Iulus [1] wird das Volk „Julorum gens" genannt (26543-26619).
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Asius [1] —Asteropaeus
[1] „lulus" (26601 und 26614 als Sohn des Α genannt) ist bei den Römern ein Beiname des A.
Asius [1]
II.
Al Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung: A, der tapfere, ritterliche Sohn von König Dymas und Bruder der Hecuba, fällt im Kampf gegen Aiax Oileus (4403144053).
Die ,Ilias' kennt nur zwei trojanische Verbündete mit Namen Askanios. Erst im epischen Kyklos wird A, der Sohn des Aeneas, erwähnt. [1] Wirkliche Bedeutung als Nachfolger des Aeneas erhält die Gestalt in der röm. Epik. Al und A2 folgen Vergil bzw. Ovid (Al mittelbar über den ,Roman d'Eneas'). Das berühmte vergilianische Bild vom fliehenden Aeneas, der Anchises auf den Schultern trägt und A am Arm führt, wird dabei nur in A2 reflektiert (über Ovid und ohne Namensnennung). Abgesehen von Kampf und Herrschaftsbegründung in Italien ist Α in Al vor allem in der Didoepisode von Bedeutung, da durch seinen Kuss der Liebeszauber der Venus auf Dido übertragen wird. Als Nachfolger des Aeneas und einer der ersten Könige Italiens erwähnt El Α im Rahmen eines profangeschichtlichen Exkurses zur Heilsgeschichte. Die mythologischen Daten sind historisiert, Prinzip und Darstellung folgen der Tradition ma. Weltchronistik, konkret der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1290 u. 1300). Das Motiv von Lavinias Angst vor Α setzt die Angaben zu Aeneas' korrumpierender Herrschaftsführung fort. Sie folgen dem ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 524f.). [2] Α erweist sich nachmals aber als guter Herrscher. Im Trojaroman werden nur die namensgleichen Bündnispartner der Trojaner erwähnt. Α selbst ist nicht belegt, weil die Texte in der Tradition der spätantiken ,Augenzeugenberichte" von Dares und Dictys stehen, die Aeneas eine grundlegend andere Rolle zuweisen (er gilt als Verräter Trojas, der nach der Einnahme der Stadt abreist und nicht flieht). [1] S.v. Askanios (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 1, Sp. 641 f. [2] -» Aeneas [II.]]. [mk]
[Sohn des Dymas, trojanischer Kämpfer; Dictys 48,3]
[sks]
Asius [2] [Sohn des Hyrtacus von Sestus, trojanischer Kämpfer; Dictys 48,2]
Al Konrad von Würzburg,,Trojanerkrieg', Fortsetzung 40510: Der aus königlichem Geschlecht stammende Α von Sestus kämpft auf Seiten der Trojaner und wird auf der Flucht von den Griechen gefangen genommen. [sks]
Asopis
Aegina
Assandrus [Verwandter bzw. Freund des Peleus; Dictys 125,24; Benoit 29125]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Α erzählt Chrysippus und Adrastus, den Boten des Pyrrhus, von Peleus' Gefangennahme durch Acastus (17842; 17846; Nachgeschichte des Trojanischen Krieges). [mk]
Assaracus [König der Dardaner, Bruder des Ilus und des Ganymedes; MM 11,756]
Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen 11,1311: Α ist wie Ilus und Laomedon ein Vorfahre des Aesacus (Katalog des trojanischen Herrscherhauses). [mk]
Asteropaeus [Verbündeter der Trojaner aus Päonien, wird von Achilles getötet; Dares 23,1; Benoit 6755 Steropeus-, Sohn des Priamus; von Achilles getötet; Dictys 87,10]
G: Neffe des Pyraechmes (Al) Nf.: Asteropeus (A2), Crepeus (Al)
Astraeus — Astyanax I.
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[1] Bei Ovid will Α den von Perseus irrtümlich versteinerten
A l Herbort von Fritzlar, .lietvon Troye'4016: Α und Pyraechmes aus Päonien unterstützen die Trojaner mit 1000 Rittern. A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung 43266: Der berühmte und ehrenvolle Held Α wird von Achilles im Kampf getötet. II. Schon Homers ,Ilias' erwähnt Α als Verbündeten der Trojaner und Führer der Paioner, er wird von Achilles getötet (21,137). Al folgt dem Trojaroman Benoits de Sainte-Maure (dieser nach Dares), erwähnt A's Tod aber nicht. [1] Bei Dictys, dem A2 folgt, gilt A als Sohn des Priamus. A l bringt jedoch keine Angaben zur Genealogie. [1] Die stark abweichende Nf. in Al nach Benoit. [mk/sks]
Astraeus [Titan, zeugt mit Eos den Morgenstern, die Gestirne und die Windgötter Zephyros, Boreas und Euros]
E l Rudolf von Ems, , Weltchronik' 19678 (Astreus): Α wird als Vater des Boreas genannt. [1] [1] Die Nennung fällt im Rahmen eines profangeschichtlichen Exkurses zur Heilsgeschichte. Die mythologischen Daten werden historisiert und in Herrschaftsgenealogien aufbereitet. Die Windgötter, so auch Boreas und A, sind euhemeristisch gedeutet. Exkurs und Deutungsprinzip entsprechen der Tradition ma. Weltchronistik; zur Stelle vgl. den Α-Beleg in der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 216). [mk]
As tyages [Gefährte des Phineus; M M 5,203]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,354(Astyagon): Beim Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus versucht Α die von Perseus mit dem Medusenhaupt versteinerten Kämpfer noch mit dem Schwert zu verwunden, [1] wird dabei selbst zu Marmor und steht noch heute so da, als sei er Zeuge einer wunderlichen Begebenheit (Katalog).
Aconteus töten. Aconteus wird in Al nicht genannt. [mk]
Astyanax [Sohn des Hector und der Andromache; Dares 29,9; Dictys 74,8; Benoit 15462 Asternates/Aternantes]
G: Alterer Sohn des Hector und der Andromache, Bruder des Laodamas (Al, A2) Nf.: Aternantes (Al), Aminactis (A2) I. A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Andromache beschwört Hector beim Wohl seiner Kinder Α und Laodamas, nicht in den Kampf zu ziehen (9650; Hectors Tod). Nach dem Untergang Troj as bitten Cassandra und Helenus die Griechen um A's und Laodamas' Schonung ([16376]). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung4l005'. Α und Laodamas begleiten Priamus zu Achilles, um die Leiche Hectors zurück zu erbitten. Sie werden später in die Obhut des Helenus gegeben. II. In Homers ,Ilias' (6,399ff.) nimmt Hektor am Skäischen Tor von Andromache und A Abschied (der eigentliche Name von Hektors Sohn ist Skamandrios, Α ist Beiname). Die berühmte Szene wird indirekt noch in Al reflektiert. Die Umgestaltung, die Al von Benoit de Sainte-Maure übernimmt, geht auf Dares zurück, ebenso die Angabe, Α sei nach der Zerstörung Trojas dem Helenus zur Obsorge übergeben worden. A2 berichtet Analoges, folgt aber direkt dem Trojabericht des Dictys. In früheren Quellen wird Α auf Betreiben des Odysseus oder des Neoptolemos getötet. [ 1 ] Einen Bruder des Α kennen weder Homer noch Dares, er findet sich bei Dictys, von dort übernehmen ihn Benoit und A2. [1] S.v. Astyanax Sp. 667f.
(H. von Geisau), in: DKP, Bd. 1,
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Astylus — Athenagoras [1]
Astylus [Wahrsagekundiger Kentaur; M M 12,308]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen 12,548·. Als Nessus beim Kampf zwischen Theseus und den Kentauren fliehen will, ermahnt ihn der Wahrsager Α innezuhalten, da er noch nicht jetzt, sondern erst dereinst von Hercules getötet werde (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf). [mk]
Atalante [A aus Tegea, beteiligt sich an der Kalydonischen Jagd; M M 8,317; A, Tochter des Schoeneus, sie und Hippomenes werden in Löwen verwandelt, als sie sich in einem heiligen Hain der Kybele vereinigen; M M 10,565]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Athalantis, Atalantis, Atalanthea, Athalante, Tegea)·. Die bekannte und bewährte Jägerin Α nimmt mit Tegeaea an der Jagd nach dem Kalydonischen Eber teil (8,613; Katalog). Meleager, der von ihrer makellosen Schönheit verzaubert ist, schenkt ihr den Schädel des Ebers, den ihr aber Plexippus aus Missgunst entreißt (8,804; 8,819). Eine Göttin warnt A vor der Ehe. Daher stellt Α ihren Freiern eine Aufgabe: Sie müssen sich mit ihr im Wettlauf messen, die Verlierer werden geköpft. Als Hippomenes gegen sie antritt, wirft ihr Venus während des Wettlaufes goldene Äpfel zu. Hippomenes siegt und gewinnt Α zur Frau. Als sich die beiden in einer Kapelle lieben, werden sie von den Göttern zur Strafe in Löwen verwandelt (10,1027-1276; Erzählung der Venus an Adonis). [1] [1] Bei Ovid werden „Tegeaea", die arcadische A, und A, die Tochter des Schoeneus, unterschieden. Ob sie in Al als eine Gestalt gefasst sind, ist unklar. Jedenfalls fasst Al die Herkunftsbezeichnung „Tegeaea" (wohl aufgrund von Glossierungen) als eigene Gestalt auf. A, die Tochter des Schoenus, wird bei Ovid von einem anonymen „deus" vor der Ehe gewarnt (MM 10,564). Dass ihre und Hippomenes' Verwandlung in Löwen eine Strafe darstellt, ergibt sich aus der antiken Vorstellung, dass sich Löwen nicht untereinander, sondern nur mit Pardern paaren (als Löwen können sich Α und Hipopomenes somit nicht mehr miteinander vergnügen). Dieser Zusammenhang wurde von A l nicht durchschaut. Die Umdeutung des Kybele-Tempels zur
Kapelle ist eine typische Mediävalisierung, die sich hier möglicherweise aus einem Missverständnis des Namens der Göttin erklärt. [mk]
Athamas [König von Böotien, Sohn des Aeolus und der Enarete, Gatte der Ino, Vater des Learchus und des Melicertes; von Iuno in den Wahnsinn getrieben, tötet er Learchus, Ino stürzt sich mit Melicertes ins Meer; M M 4,420]
Al Albrecht von Halberstadt,,.Metamorphosen': A, der Gatte der Ino, Bruder des Ixion und Vater des Melicertes, wird auf Betreiben der Iuno von der personifizierten Tobsucht mit Wahnsinn geschlagen, worauf er seine Gattin für eine Löwin und seine beiden Kinder für deren Junge hält. Er schleudert ein Kind [Learchus] [1] in die Luft, sodass es auf einem Stein aufschlägt und stirbt. Ino flieht vor ihm mit dem zweiten Sohn Melicertes (4,872; 4,925-4,991). [1] Learchus wird in Al nicht namentlich genannt. Nachbenennungen Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman' 3327: Der Trojaner A befindet sich in der Unterwelt (Unterweltfahrt des Aeneas; Katalog der vor Troja Gefallenen). [1] Konrad von Würzburg, .Trojanerkrieg'34286(Atamun)·. Der Grieche Α fällt durch Priamus. [1] Α wird weder bei Vergil noch im ,Roman d'Eneas' genannt. [mk]
Atharrhias [Gr. Fürst, Vertrauter Alexanders; Curtius V,2,5]
A l Rudolf von Ems, Alexander' 13403 (Adarias)\ A, ein gr. Fürst, ist Heerführer in Alexanders Armee und gewinnt Halikarnass. [sks]
Athenagoras [1] [Erhält gemeinsam mit Apollonides von Pharnabazus den Befehl über Kiun; Curtius IV.5,15-17]
A l Rudolf von Ems, Alexander'9530 (Atanagoras): A, ein tapferer persischer Fürst, erhält gemeinsam mit Apollonides von Pharnabazus den Befehl über die Stadt Kiun übertragen, wird von Amphoterus und Hegelochus
Athenagoras [2] — Atlas besiegt und gefangen genommen (Eroberungszug Alexanders gegen Persien).
Athene
123
Pallas [1]
[sks]
Athis [Gegner des Perseus; M M 5,47]
Athenagoras [2]
Al Albrecht von
[Gatte der Tarsia, Schwiegersohn des Apollonius; .Historia Apollonii' cap. 33]
Al Heinrich von Neustadt, ,Apollonius' (A(n)thanagoras, Attaganoras, Attaga/oner): A, der Fürst von Mytilene und spätere König von Tyrus und Pentapolis, ist ein tugendhafter, edler junger Mann. Bei der Versteigerung von Apollonius' versklavter Tochter Tarsia wird er von einem Bordellbesitzer überboten (15552), kann aber wenigstens als erster Freier zu ihr kommen, erbarmt sich der Klagenden, schenkt ihr 40 Gulden und respektiert wie die folgenden Freier ihre Keuschheit (15701-15767). Schließlich verdoppelt er die Spenden der Mytilener, damit sich Tarsia aus dem Bordell freikaufen kann (15993). Als der von einem Sturm nach Mytilene verschlagene Apollonius aus Trauer um seine vermeintlich tote Tochter den Empfang durch Α ausschlägt, schickt A Tarsia zu ihm, damit sie ihn mit Harfenspiel und Rätseln aufheitere (16224-16509). Nach der Wiedererkennung von Vater und Tochter bittet Α aufgrund seiner Verdienste um Tarsias Keuschheit um ihre Hand. Den Bordellbesitzer lässt er verbrennen (16796-17087). Α und Tarsia werden in Tyrland (17527) und Antiochia festlich empfangen (17830; 17859). Nach seiner Krönung zum König von Tyrland (18064; 18216) bittet Α Apollonius um die offizielle Verehelichung mit Tarsia. Die beiden verbringen eine beglückende Hochzeitsnacht (18228-18391). Apollonius ernennt Α zu einem der zehn Mitglieder der Tafelrunde, die er beim Turnier von Antiochia gründet (18434; 18669). Α unterstützt Apollonius bei der Befreiung Jerusalems von dem verbrecherischen König Jeroboam mit 40000 Mann (20461; Katalog). [mk]
Halberstadt,,Metamorphosen'
(At(h)ys): A, ein meisterhafter Bogenschütze, wird beim Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus von diesem mit einem brennenden Scheit im Gesicht getroffen und schwer verwundet. Sein Freund Lycabas will ihn rächen und schießt mit Ks Bogen auf Perseus, verfehlt ihn aber (5,85; 5,108). [mk]
Atlas [Sohn des Titanen Iapetos, Bruder des Prometheus, trägt den Himmel auf seinen Schultern]
W : Gott der Sterne (El), Riese ( A l , B l ) , Himmelsträger, Berg ( A l ) G: Onkel der Niobe ( A l ) R: König (El), Astronom, Erfinder der Astronomie ( D l , E l ) Nf.: At(h)laß ( A l ) I.
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen':
Als der Himmel wegen Phaetons unkontrollierter Fahrt mit dem Sonnenwagen zu glühen beginnt, kann ihn Α nicht mehr länger tragen und schwitzt aus Angst (2,637). Α versagt Perseus die Gastfreundschaft, weil ihm Themis prophezeit hat, dass ihm ein Sohn Iuppiters [Hercules] die goldenen Äpfel in seinem Garten „Hesperien" rauben werde (11,191). Perseus versteinert ihn deshalb mit dem Medusenhaupt, der so entstandene Berg trägt den Himmel und ist nach ihm benannt (4,1163-1231). Niobe beruft sich auf ihre Verwandtschaft mit A, um ihre Vorrangstellung vor Latona zu untermauern (6,370). Α ließ Hercules kurz das Firmament tragen, um die ermüdete Schulter zu entlasten und das Gewicht auf die andere Schulter zu setzen (9,438; Taten des Hercules). [1] Α merkt,
124
Atreus
dass der Himmel nach Hercules' Vergöttlichung schwerer wird (9,566). [1] In Ovids .Metamorphosen' 9,198 ist von einem Schulterwechsel keine Rede, Hercules erwähnt nur, dass er mit seinem Nacken den Himmel getragen habe. Das sehr pointierte Motiv könnte vielleicht auf eine Glosse zu der knappen Anspielung Ovids zurückgehen.
B1 ,Reinfried von Braunschweig' 25285: Die Riesen Α und Enceladus wurden einst von Iuppiter gefangen genommen, als sie Berge aufeinander türmten, um den Himmel zu stürmen. Pseustis (Phenstis) erzählt die Fabel der Aletheia (Alacie). Die Riesen, die Aschalon besetzen und später von Reinfried besiegt werden, übertreffen Α und Enceladus an Stärke (Katalog von Riesen; überbietender Vergleich). [1] [1] Neben Α und Enceladus nennt der Katalog noch Riesen aus der dt. Heldensage (Witolt, Asprian, Orte, Velle, Grimme, Kuprian, Isenbrant und Goldemar).
Dl Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast' 8958: A war der Vorfechter, Ptolemaeus der Fahnenträger und Albumasar [Amansur von Cordoba?] der Meister der Astronomie (Katalog; Meister der Septem Artes Liberales).
El Rudolf von Ems, ,Weltchronik': Der weise
Α betrieb auf dem Atlas Astronomie (2852) und wird von den vorchristlichen Griechen als Gott verehrt (3213; Götterkatalog), weil er mit seinen klugen Lehren die Astronomie erneuerte. Die Heiden glauben, dass er das Firmament trägt (8705). [1] [1] Die Identität des 8605 genannten „König Atlas von Assyrien" ist unklar.
II. 1) Antike Motive; 2) Euhemeristische Deutung
1) Der Α-Mythos stellt im MA kein allgemeines „Bildungsgut", sondern mythographisches Spezialwissen dar. [1] Die detaillierten Angaben in A l basieren direkt auf Ovids ,Metamorphosen', so auch das in der Neuzeit verbreitete (Bild-) Motiv vom Himmelsträger, das im MA nur wenig Resonanz gefunden hat. Β1 spielt auf die Gigantomachie an, der Verweis bezieht sich auf die ,Ecloga Theoduli' (Dialog zwischen dem heidnischen Pseustis [„Lügner"] und der christlichen Aletheia [„Wahrheit"]). Der direkte Rückgriff auf lat.
Mythographie ist für einen volkssprachigen Text bemerkenswert und dokumentiert den umfassenden Bildungshorizont des Verfassers. Das mythologische Motiv vom Himmelssturm ist an sich mit den in Berge verwandelten Riesen Otos und Ephialtes, den so genannten Aloaden, verbunden (so im MA noch bei Myth. Vat. 11,55). Später wird es auch auf die Giganten übertragen (vgl. M M 1,152), zu denen der Titane Α allerdings gerade nicht zählt. B1 hat Α und Enceladus also offenbar wegen der ähnlichen Nf. mit Otos und Ephialtes verwechselt. [2] 2) In El wird Α im Rahmen eines profangeschichtlichen Exkurses zur Heilsgeschichte genannt. Die mythologischen Daten sind nach gängiger euhemeristischer Methode historisch aufgefasst. Der mythische Himmelsträger wird zum ersten Himmelsforscher, der von den naiven Heiden vergöttlicht wurde. Exkurs und Deutungsprinzip entsprechen der Tradition ma. Weltchronistik, als konkrete Quelle von El kommt die Nennung A's in der Chronik des Hieronymus in Frage, sie bringt auch die entsprechende, im MA verbreitete euhemeristische Deutung des A (PL 27, Sp. 157). [3] Analog wird A in D1 als Begründer der Astronomie gedeutet. D l greift dafür auf die nämliche Deutungstradition zurück, wie sie in El vorliegt, datiert aber früher. [ 1 ] Α-Belege aus der lat. Mythographie verzeichnet Chance, Medieval Mythography (Reg.). [2] Zur Stelle Kern, Edle Tropfen, 210. [3] So etwa auch Augustinus, ,De civitate Dei' 18,8 und Isidor, Etym. 111.25. [mk]
Atreus [Myth. Herrscher von Mykene, Bruder des Thyestes, Vater des Agamemnon, setzt Thyestes dessen Kinder vor und wird von Thyestes' Sohn Aigisthos ermordet]
El Rudolf von Ems,,Weltchronik': Α herrscht gemeinsam mit seinem Bruder Thyestes über Mykene (19908; Katalog der Könige von Mykene; [1] 20107; Katalog von Herrschern verschiedener Länder).
Atrides — Augustus [ 1 ] Die Nennung findet sich in einem profangeschichtlichen Exkurs zur Heilsgeschichte. Der Tradition ma. Weltchronistik entsprechend werden die mythologischen Daten historisiert und in Herrschaftskatalogen aufgelistet. Auf narrative Darstellung wird weitgehend verzichtet. So wird in El auf den Konflikt zwischen Α und Thyestes nicht eingegangen. Zur Stelle vgl. den Beleg in den Herrschaftslisten der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 240). Abgesehen von El fehlt in der mhd. Literatur jeder Hinweis auf den Α-Mythos, obwohl Agamemnon zu den zentralen Gestalten des Trojaromans zählt. [mk]
Atrides
Agamemnon
Atropos
Parcae
Attalus
Philotas
Augustus [Gaius Iulius Caesar Octavianus, genannt A, 63 v. Chr.-14 n. Chr., erster röm. Kaiser]
G: Neffe Caesars (El), aus dem Geschlechte Caesars (Al, A2) R: Kaiser von Rom (Al, A2, B3, B4, B5, D l , El, E2, E5, E6, E7), König (Bl, E4) Nf.: Antonius [!] (E4), Cesar(e) Augustus (B4, E3), Octavian (B2, D l , E2), Octavianus (B5) I. A l Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman' 13398: Α ist der Nachfolger von Iulius Caesar, seine vorbildliche Herrschaft bringt Frieden und Gerechtigkeit. In seine Regierungszeit fällt auch Jesu Geburt (Katalog der röm. Kaiser). A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': A, der nach der Ermordung von Iulius Caesar die Herrschaft übernimmt, bezwingt die ganze Welt und übertrifft sogar Caesar an Ruhm (15,511). In der nun anbrechenden Friedenszeit wird der Erlöser geboren und das Heidentum überwunden (69; Prolog; 15,511; Epilog). Bl Ulrich von Zazikhoven, ,Lanzelet' 4762: Weder A, dem die ganze Erde Untertan war, noch Darius oder Salomon könnten das kostbare Zelt abgelten, das Lanzelot geschenkt bekommt (Katalog).
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B2 Albrecht, Jüngerer Titurel' 4613,1'. A war der erste röm. Eroberer Britanniens. Maxentius wollte es ihm nachtun und scheiterte. Ebenso wird Lucius scheitern, der Artus' Reich bedroht (Rede des Artus). B3 Ulrich von Etzenbach, »Alexander' 14658: Nicht einmal Α wurde, als er [Marcus] Antonius gefangen nach Rom brachte, so triumphal empfangen wie Alexander in Babylon. B4 Ulrich von Etzenbach (?), ,Herzog Ernst D':A wird als exemplarische Herrschergestalt genannt. Er forderte von seinen Untertanen allgemeinen Tribut (5443; 5445; Verweis auf das Lukasevangelium). B5 ,Reinfried von Braunschweig' 21676: Α herrschte in Rom, als Christus geboren wurde (Exkurs). D l Hugo von Trimberg,,Der Renner': Α wird in einem Katalog röm. Herrscher genannt, die den Wert der Künste für Ehre und Tugend erkannten (1265). Sein materieller Reichtum wird vom Tugendreichtum des Petrus überboten (1445; Katalog). Er lebte in fürstlicher Pracht; wer bescheiden sein will, verzichtet darauf (19649; Katalog). Wenn man mächtig wie Α oder weise wie Salomon ist, aber die Liebe nicht kennt, dann ist es umsonst, meint Augustinus (21019; Katalog). El νAnnolied': Α sichert sich nach Caesars Tod die Herrschaft über das röm. Reich. Nach ihm wird Augsburg, eine Gründung seines Stiefsohns Drusus, benannt. Der von Α nach Germanien entsandte Agrippa gründet Colonia (Köln) (29,3). Während A's Herrschaft wird der Himmelskönig Jesus Christus geboren. Das Ereignis wird von Wunderzeichen in Rom begleitet (31,1; universalgeschichtliche Einleitung). E2 Frau Ava 11,171: Die Geburt Christi des Heilands wurde in Rom von Heiden für die Herrschaftszeit des Α vorausgesagt. Ein Ring um die Sonne und ein plötzlich entspringender Ölbrunnen sind Zeichen des Wunders. E3 ,Kaiserchronik': Nach dem Tod Caesars übernimmt A, der Sohn von Caesars Schwester, die Herrschaft und schafft in allen Län-
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Augustus
dem einen unvergleichlichen Frieden. Gefangene werden freigelassen, geflüchtete Sklaven werden ihren Herren zurückgegeben, jeder muss an seinen Geburtsort zurückkehren und Tributzahlungen leisten. Ein neues Gewichtsmaß, das Didragma, wird eingeführt (604; 629). Es kommt zu zahlreichen Städtegründungen. A, nach dem die Stadt Augusta benannt ist, herrscht für 56 Jahre mit großer Macht in Rom, dann verüben die Römer einen Gifitanschlag auf ihn (661). E4 Jans Enikel,, Weltchronik': A, der zuvor Antonius [!] genannt wird [1], dient als Exempelfigur für einen weisen Herrscher, der Rom den Frieden bringt (21796; Herrscherkatalog). Er soll der Sohn seiner eigenen Schwester gewesen und also einem frevelhaften VaterTochter-Inzest entsprungen sein. [2] Als mächtigster Regent, von dem der Erzähler je gehört hat, leitet Α eine Friedenszeit ein, die in den Augen der Heiden sein Verdienst, in Wahrheit aber ein Werk Jesu ist, dessen Geburt in die Regierungszeit von Α fällt. Alle Gefangenen werden freigelassen, Fremde werden in ihre Heimat zurückgeschickt. Die Sicherheit im Land ist so groß, dass man das Gold offen liegen lassen kann. Α lässt goldene Augustiner prägen und führt die allgemeine Kopfsteuer ein, die unter Androhung der Todesstrafe eingefordert wird. Quirinus erobert in seinem Auftrag Syrien, Agrippa zieht an den Rhein und gründet die Stadt Agrippa (das heutige Köln), Α selbst gründet Augsburg (2180521950; RV 25165). [1] E4 berichtet zunächst korrekt von Marcus Antonius, identifiziert ihn aber dann mit A (-» Antonius). [2] Die kuriose Angabe zur inzestuösen Zeugung des A beruht offensichtlich auf einem Missverständnis von E3, wo die Schwester Caesars gemeint ist.
E5 Brun von Schönebeck, ,Das Hohelied': Mit Α endet eine lange Zeit der Zwietracht (10809), er herrscht als vorbildlicher Friedenskaiser. Die Freiheit und der Friede der Welt unter Α werden sich nicht messen können mit der Friedenszeit vor dem Jüngsten Tag (11980). E6 Hugo von Langenstein, ,Martina': Während A's Herrschaft wurde Christus gebo-
ren. Reich und Macht des Α sind im Vergleich zur Freude im Himmelreich nichts (255,10). Α hieß auch Octavianus und war der mächtigste Mann, ihm diente die ganze Welt, doch letztlich verfault alles Weltliche wie Mist (256,10). E7 Heinrich von Neustadt,, Gottes Zukunft': A sieht in der Nacht vor Christi Geburt einen Stern, der einer Jungfrau mit Kind gleicht. Sibylla deutet dies als Zeichen für die Geburt Christi, worauf Α sein eigenes Standbild, das zur Anbetung aufgestellt worden ist, zerstören lässt (1599). Als Sybilla dem Kaiser für den Zeitpunkt der Geburt dieses Kindes ferner den Einsturz des größten Tempels in Rom prophezeit, lässt ihn Α mit der Inschrift versehen, dies sei der Palast des Friedens und er werde ewig bestehen. [1] Bei Christi Geburt fällt das Gebäude dann aber in sich zusammen. Die Trümmer sind noch heute zu sehen ([1705]). Α dient außerdem als Exempelfigur für einen mächtigen Herrscher, dessen Reichtum aber im Vergleich zur Freude der Erlösten am Jüngsten Tag Armut ist (7760). [1] Mit dem Tempel könnte die „Ära pacis" gemeint sein.
II. 1) Α im MA; 2) Die Α-Gestalt in der mhd. Epik und Chronistik; 3) Anspielungen
1) Als jener röm. Kaiser, in dessen Regierungszeit die Geburt Christi fällt, ist Α neben Alexander und Caesar eine der wichtigsten antiken Herrschergestalten in ma. Theologie und Historiographie. Dass die Relation zwischen dem Weltenkaiser und dem Himmelskönig zum typologischen Topos wurde, erklärt sich wohl nicht zuletzt aus dem Einfluss des Weihnachtsevangeliums nach Lukas. Eine adäquate Basis für das positive christliche Α-Bild liefert zudem die Idealisierung durch die röm.-imperiale Ideologie, die schon zu A's Lebzeiten einsetzte und von Α selbst betrieben wurde (man denke an Vergils .Aeneis' und vierte Ekloge oder an Ovids ,Metamorphosen'). [1] In diesem Zusammenhang ist die so genannte „pax Augusta" die zentrale, christlich gedeu-
Augustus tete Vorstellung. Von der Kompatibilität des röm. und des christlichen Α-Bildes zeugen die Analogien zwischen den auf Vergil bzw. Ovid basierenden Belegen A l und A2 und den Nennungen in der geistlichen Literatur (E2) und in der mhd. Chronistik (bes. E l , E3), die in der Tradition christlich-ma. Historiographie stehen. A l und A2 ersetzen bzw. erweitern die panegyrischen Topoi ihrer röm. Quellen durch entsprechende christliche Interpretation. Die ansonsten weitgehend unangetastet bleibende mythologische Weltgeschichte, die die .Metamorphosen' darstellen, erfährt auf diese Weise in A2 an entscheidender Stelle, in Prolog und Epilog, ihre heilsgeschichtliche Einbettung. 2) Dem ma. Α-Bild entsprechend, wird Α in den mhd. Belegen als Friedenskaiser gepriesen ( A l , A2, E3, Ε4, E5), er ist weise (E4), vorbildlich ( A l , E5) und gerecht ( A l ) und bezwingt mit großer Macht (A2, B l , E3, E4) die ganze Welt (A2, B l ) . Auf Christi Geburt während As Herrschaft wird in A l , A2, B5, El, E2, E4, E6 und E7 explizit verwiesen. Das (unvollkommene, weltliche) Friedensreich des heidnischen Herrschers deutet auf das kommende Friedensreich Christi (El, E3). Die dem typologischen Gedanken entsprechende Defizienz des weltlichen Friedensreiches betonen E5, E6 und E7. Die göttliche Verehrung, die A in E7 mit der Anbetung seines Standbildes für sich fordert, reflektiert die historische Praxis des mit Α beginnenden, von diesem aber zunächst abgelehnten röm. Herrscherkults [2] und ist ein verbreitetes Motiv in den christlichen Märtyrerlegenden. Im Unterschied zu den negativen röm. Kaisergestalten und Christenverfolgern verzichtet A allerdings angesichts der Christusprophetie der Sibylla auf diese Form der Verehrung und präsentiert sich somit quasi als Bekehrter und Kryptochrist. Der Beleg ist ein Reflex der beliebten byzantinischen Legende von A's Befragung der Sibylla von Tibur, wer mächtiger sei als er. [3] Den Einfluss eschatologischer Deutungsmodelle zeigt insbesondere die Geschichtskonstruktion von E5.
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Fabulöse Züge nimmt die Schilderung von A's Friedensherrschaft in E3 und E4 an (mit Reflexen der augusteischen Finanz- und Verwaltungsreformen). Der Hinweis auf die röm.
Städtegründungen in Germanien in El, E3 und E4 ist im Zusammenhang mit der Vorstellung einer Verwandtschaft zwischen Römern und Franken zu sehen und dient der Legitimation des zeitgenössischen Reichsgedankens. [4] In E6 wird im Sinne des Vanitastopos die Vergänglichkeit von Äs Macht betont. Das Motiv vom Giftanschlag auf A in E3 könnte aus der Alexandertradition stammen, erweist jedenfalls die Fragilität des weltlichen Friedensreiches. 3) D1 nennt Α als Beispielfigur im Rahmen gängiger didaktischer Topoi, lobt einerseits seinen Kunstverstand und seinen Willen zur Kunstförderung, stellt andererseits seiner vergänglichen Macht den Reichtum der Tugend und christliche Bescheidenheit gegenüber. Spezifisch kontextuelle Funktion haben die Überbietungen in Bl und B3 und das Exemplum in B4. B3 bietet dabei die einzige konkrete Erwähnung von A's Machtkampf mit Marcus Antonius um die Nachfolge Caesars (Andeutungen nur in El und E3, E4 identifiziert die beiden). Sie basiert auf der entsprechenden Anspielung in der Alexandreis' Walters von Chätillon (V,491ff.). In B2 wird Α die erste Eroberung Britanniens zugeschrieben. Tatsächlich hat Α einen größeren Feldzug zur Erweiterung der von Caesar eroberten Gebiete geplant, aber nicht durchgeführt. [5] Insgesamt unterstreichen die historischen Ungenauigkeiten und Fehlinformationen, wie wenig sich das dt. MA für die historischen Ereignisse und die historische Α-Gestalt als solche interessiert. Die Konturen des mhd. Α-Bilds folgen vielmehr A's Bedeutung und Funktion unter christlichheilsgeschichtl icher Perspektive. [1] Vgl. T. Woodman (Hg.), Poetry and Politics in the Age of A, 1989; W. Eck, Α und seine Zeit, 1998; J. Bleicken, A, 1999; P. Southern, A, 1999. [2] S.v. Herrscherkult (Η. Volkmann), in: DKP, Bd. 2, Sp. lllOf.
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Aurora — Autolycus
[3] Hierzu existiert auch eine breite ikonographische Tradition, vgl. Augustus (Ikonographie) (G. Binding), in: LMA, Bd. 1, Sp. 1233; weiteres -» Sibylla (II.3). [4] Caesar. [5] S.v. Britannia (F. M. Heichelheim, Β. E. Thomasson), in: DKP, Bd. 1, Sp. 946-948, hier Sp. 947. [mk]
und Lichtmetapher, beides beliebte Topoi in der ma. Schönheitsbeschreibung, verbunden werden. Die kreative Umdeutung ist keine Fehlleistung, sondern lässt vielmehr auf detailliertere mythographische Kenntnisse des Autors schließen. [1] [1] Kern, Edle Tropfen, S.166ff. [mk]
Aurora [Göttin der Morgenröte, Tochter der Titanen Hyperion und Theia, Gemahlin des Tithonos, Mutter des Memnon]
W: Göttin der Morgenröte (Al) G: Geliebte des Cephalus (Al), Mutter des Memnon (A2), Mutter der Helena [!] (Bl) I. A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': A, die schöne Göttin der Morgenröte, schließt morgens eine Tür auf, um die Morgenröte auf Erden erscheinen zu lassen (2,251). Als Cephalus A's Liebkosungen mit der Begründung zurückweist, dass er ihrer nicht würdig sei und ihm eher Procris als Gattin zieme, zürnt A, schlägt ihn mit Eifersucht und lässt ihn an Procris Treue zweifeln (7,1217-7,1235; Cephalus und Procris). A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg', Fortsetzung 42615: Α ist die Mutter Memnons. Β1 Gottfried von Straßburg,, Tristan': Α wird von Isoldes Mutter, A's Tochter Helena [!] von Isolde selbst an Schönheit übertroffen. Nicht von Mykene, sondern von Dublin her erstrahlt die neue Sonne (Isolde) nach der neuen Morgenröte (Isoldes Mutter) (8266; [8281]; Tristan preist Isolde vor Markes Hofstaat). II. Α ist keine zentrale Gestalt in der ma. Mythenrezeption. Die Angaben in Al folgen direkt Ovids,Metamorphosen'. Hier findet sich auch der einzige Beleg für das in Antike und Neuzeit fest mit Α verbundene Motiv der rosenfarbigen Morgenröte. A's Erwähnung als Mutter Memnons in A2 beruht auf der Angabe bei Dictys (83,18). Dass Α in Bl als Mutter Helenas aufgefasst ist, erklärt sich aus der rhetorischen Strategie des Textes selbst. Auf diese Weise können mythologischer Vergleich
Auson [Gefolgsmann des Darius, gibt ihm für die Flucht vor Alexander ein Pferd; Chatillon 111,201]
A l Ulrich von Etzenbach, Alexander' (Ausones)·. Α bringt dem fliehenden Darius ein Pferd, dann überqueren sie den Euphrat (8569; 8577).
[sks]
Auster [Südwind, personifiziert; MM 1,264]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': A, der regenbringende warme Südwind (1,122; Katalog der Winde), trägt ein Kleid von dicken schwarzen Wolken, seine Stirn ist von Nebel umgeben, Haare, Bart und Fittiche sind regennass (1,499; Descriptio). [1] Auf Geheiß Iuppiters wird Α von Aeolus losgelassen, um die Sintflut auszulösen (1,499; Sintflut). Pallas Athene wirkt sein Bild in eine der vier Ecken des Teppichs, den sie im Wettstreit mit Arachne webt (6,130; Descriptio). Die tote Byblis zergeht wie der Schnee, wenn A weht (9,1179). [2] [1] Ovids Notus wird von A l mit Auster identifiziert. [2] Vermutlich wurde hier Ovids Favortius (Westwind) fälschlicherweise mit Auster glossiert. [mk]
Autolycus [Sohn des Mercurius und der Chione; MM 11,313]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 11,588 (Antolicus): A, der gewandte und listige Sohn von Mercurius und Chione, gerät ganz nach seinem Vater. Er macht Ceyx des öfteren ein weißes für ein schwarzes Pferd vor und umgekehrt. [1]
Aventinus [1] — Avianus [1] Ovid spricht davon, dass Α Schwarz fiir Weiß ausgibt. Das Pferd und Ceyx als Opfer von Äs Scherzen stammen offenbar von A l . [mk]
Aventinus [1] [Sohn des Hercules; Aeneis VII,655; RdE 3919]
A l Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'·. A, der junge, ehrenhafte, aufrichtige und tapfere Sohn des Hercules, kämpft im Heer des Turnus, dessen Gunst er besitzt (5046-5049; Katalog), stürmt mit Lausus die Burg Albane (7082) und soll als Unterhändler bei Aeneas einen Waffenstillstand erwirken (7951). [sks]
129
R: Gelehrter ( D l ) I. D l Hugo von Trimberg,,Der Renner'·. Α wird als einer jener Meister genannt, die Kenntnisse auf vielen Gebieten besitzen (9352; Katalog von Gelehrten). Für eine Exempelgeschichte wird auf Α verwiesen (15568; Quellenberufung). D 2 Johann von Konstanz,,Minnelehre'2006: Mit dem Α-Zitat „qui certa vult relinquere/ pro vanis peccat maxime" („Wer Sichres für Eitles fahren lässt, fehlt am meisten") untermauert die Minne, die im Herzen des Erzählers sitzt, ihre Kritik an dessen Zurückhaltung und fordert zu mehr Kühnheit gegenüber der Geliebten auf.
Aventinus [2]
II.
[König von Alba longa; M M 14,620]
Der Fabeldichter Α galt zusammen mit Aesopus als der Hauptvertreter der für die ma. Literaturen wichtigen Gattung der Fabel. [1] Im ma. Gelehrtenkanon war er einer der Auetores, seine Fabelsammlung war ein beliebtes Schulbuch. Α-Sentenzen fanden u.a. in Florilegien Verbreitung, der Beleg in D2 könnte darauf zurückgehen. [2] Traditionelle didaktische Topik repräsentieren die Belege in B l , zum einen der Meisterkatalog, zum anderen die Quellenberufung.
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 14,613: Α erhält von Acrota die Herrschaft über Italien, die er mit Macht ausübt. Sein Grab befindet sich unter einem Berg, der seinen Namen trägt (Katalog der Könige Italiens; Aition für den Aventin). [mk]
Avianus [Rom. Fabeldichter des 4. Jh., im MA war seine Fabelsammlung ein beliebtes Schulbuch]
[1] -» Aesopus. [2] S.v. Avianus (J. Gruber), in: LMA, Bd. 1, Sp. 1298. [mk]
Β noe und ihre dritte Schwester in Fledermäuse, weil sie ihn nicht als Gott anerkennen und [Sohn des Zeus und der Semele, Gott des Weines und der trotz Arbeitsverbotes während seines Festes rauschhaften Ekstase] weben (4,2; 4,5; 4,535; 4,737). Auch Acrisius W: Gott des Weines (Al, E2, E3), Gott der verweigert Β die Verehrung als Gott und leugnet seine Abstammung von Iuppiter (4,1122; Trunkenheit (El, E2), Erfinder des Weinmosts 4,1127). Ino zieht Β auf, erregt damit Iunos [!] (A2) G: Sohn des Iuppiter und der Semele (Al), Zorn (4,875) und flieht unter Anrufung B's vor ihrem von Iuno mit Tobsucht geschlagenen Geliebter der Ariadne und der Erigone (Al) Gatten Athamas (4,1013; 4,1017). Β flieht R: Gründer und Herrscher von Argos (E3) wie die anderen Götter vor dem Götterfeind Nf.: Bache (A2), Bachus (Al, A2, El, E2), Typhoeus an den Nil und verwandelt sich Bachus Dionisius (E3), Liber (El), Liberus aus Angst in einen Bock (5,593; Katalog der (E2) ägyptischen Tiergötter); um einen von seinem Sohn begangenen Diebstahl zu decken, nimmt I. Β die Gestalt eines Hirsches an (7,735). Β erscheint der von ihm begehrten Erigone in Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen '·. Gestalt einer Weinrebe (6,259; Darstellung Der ungeborene Β wird von Iuppiter aus Semeies Körper gerettet, von diesem selbst auf Arachnes Teppich). Β findet Gefallen an ausgetragen und aus Angst vor Iunos Rache der von Theseus verlassenen Ariadne, krönt in die Obhut von Nymphen gegeben (3,774). sie und nimmt sie mit in den Himmel, Β trägt einen Kranz aus Rebenlaub und ein wo sie in Gestalt einer Krone zu sehen ist (8,356; 8,364). Als Byblis ihren geliebten Fellkleid (3,1264-1380; Descriptio), er kann Bruder Caunus verfolgt, heult sie in ihrem Trauer lindern oder vergrößern und ist den Trunkenbolden wohlbekannt (3,774). Zu Liebeswahnsinn wie die Verehrerinnen des Β (9,1131). B-Verehrerinnen reißen den Β's Ehren wurden nach heidnischem Brauch singenden Orpheus in Stücke und werden dreimal jährlich die Bacchiades abgehalten von Β zur Strafe in Bäume verwandelt (11,7). (6,1302), an denen sich die B-AnhängeΒ kommt zum Volk derTmolen, zieht mit den rinnen betranken und sich wie wahnsinnig Zwergen umher (11,123-175), gewährt König benahmen. Kam ein Mann dazu, wurde er Midas für die Freilassung des Silenus einen zerrissen (6,1297). Dieses Fest wird noch Wunsch und rät ihm, sich im Fluss Pactalon heute bei Deutschen und Welschen begangen zu waschen, um den Zauber loszuwerden, ([3,1414]). Auf Bs Fest geraten Iuno und dass alles, was er berührt, zu Gold wird Iuppiter in Streit darüber, ob Männer oder (11,228-236). Β verlieh den vier Töchtern Frauen lüsterner seien (3,774). B's Einzug in des Anius die Gabe, durch ihre Berührung alles Theben wird von Tiresias vorhergesagt. Als zu Wein oder Getreide werden zu lassen. Als Pentheus den Gott schmäht, wird er von zwei von ihnen auf der Flucht vor Menelaus dessen Anhängerinnen in Stücke gerissen gefangen genommen wurden, flehten sie zu (3,1264-1380). Β verwandelt Alcithoe, LeucoBacchus
Bacchus Β und wurden von ihm in weiße Tauben verwandelt (13,857; 13,882; Erzählung des Anius). Pythagoras zufolge wird der Bock zu Bs Ehren geopfert, weil er den Weinstock benagt (15,92; Pythagoras rechtfertigt die Tötung schädlicher Tiere), f 1] [1] Die Nf. Liber bei Ovid ist durchgehend mit Β wiedergegeben.
A2 Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg: Β sorgt auf dem Fest Iuppiters für das leibliche Wohl der Gäste (986; Götterkatalog), er hat als Erster Wein erzeugt, das lockere Leben zu seinem Gebot gemacht und ist weithin berühmt. Während des ausgelassenen Festes zu Ehren des Β vereinigen sich Achilles und Deidamia (16150-16411). E l Otto von Freising,,Laubacher Barlaam'·. Β gibt aus christlicher Sicht ein Beispiel für die Lasterhaftigkeit der gr. Götter. Er sei nachts umhergestreift, habe Streit gesucht und fremde Frauen verführt. Schließlich sei er erschlagen worden, was nicht zu bedauern sei (11191; 13290; Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden; Götterkatalog). [1] [1] 11115 ist von Iuppiters Sohn Liber die Rede, er ist also nicht mit Β identifiziert.
E2 Rudolf von Ems,,Barlaam': Im Glaubensdisput mit dem Christen Barlaam stellen die Griechen ihre Götter und deren Fähigkeiten dar. Β sei ein mächtiger Gott, der den Wein an den Reben wachsen lasse (9741; Götterkatalog). Aus christlicher Sicht gibt Β freilich ein Beispiel für die Lasterhaftigkeit der gr. Götter: Er sei ein Trunkenbold und Wüterich gewesen, der sich an fremden Frauen vergangen habe und schließlich von den Titanen erschlagen worden sei (10117; Götterkatalog). [1] 10017 wird ein Sohn des Iuppiter namens Liberus genannt. Die Gestalt ist wie in El nicht mit Β identifiziert.
E3 Rudolf von Ems,, Weltchronik': Β flieht vor den Ägyptischen Plagen nach Griechenland, gründet Argos, fuhrt den Weinbau bei den Griechen ein und wird überall als Gott des Weines verehrt (10467; Städtegründungen in Griechenland). Mit Hilfe kampftüchtiger Frauen bezwingt er einen Teil Indiens (19691; Katalog mächtiger Heiden).
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II. 1) Β im MA; 2) B-Deutungen und B-Polemik, neuer „BKult"; 3) Historisierung
1) Β zählt in der ma. lat. Mythographie und Literatur, vor allem in der mlat. weltlichen Lyrik, zu den bekanntesten und am häufigsten genannten Göttergestalten der antiken Mythologie. Sein Name steht - insbesondere in den Trinkliedern — oft synonym für den Wein. In der volkssprachlichen Literatur ist die Kenntnis von Motiven des BMythos weniger verbreitet. Entsprechend gering sind die Belege in der mhd. Literatur. Die mit Β verbundenen Mythologeme in Al stellen ein aus Ovids,Metamorphosen' stammendes Spezialwissen dar, das zum Großteil wohl nicht mehr durchschaut und auch nicht weiter rezipiert wurde. 2) In A2, E l , E2 und E3 ist der Gott euhemeristisch als Erfinder des Weines (A2, E3) bzw. als notorischer Säufer (El, E2) gedeutet. Die damit verbundene scharfe Polemik in El und E2 steht in der Tradition christlicher Apologetik und ergibt sich aus dem Thema des Glaubensdisputs zwischen Christen und Heiden: An B, dem Gott des Rausches, kann die moralische Verwerflichkeit der polytheistischen Göttervorstellung leicht dargestellt werden. Β repräsentiert den Typus des aggressiven Säufers, der in der Gosse sein verdientes Ende findet. Bemerkenswert ist die Angabe zu seinem Tod durch die Titanen in E2. Sie reflektiert ein mythographisches Detailwissen, [1] das aus der gelehrten Mythographie stammt. So berichtet Mythographus Vaticanus III (p.246,6) von der Tötung des Β durch die Giganten und von Bs Wiederauferstehung. Eine andere Variante, auf die sich E2 bezieht, weiß von B's Zerstückelung in der Titanomachie, er wird von Zeus wieder zusammengesetzt. Das mythologische Motiv geht letztlich auf den Zagreus-Mythos zurück. Dieser Vegetationsgott wurde früh mit Β geglichen und war vor allem im orphischen Mysterienmythos von Bedeutung. Die Zerstückelung ist in der Folge fest mit dem B-Mythos verbunden und wird u.a. auf Pentheus und Orpheus übertragen. [2]
132
Bagistanes - Balacrus
Die in El und E2 greifbaren negativen Konnotationen sind in den Trinkliedern der mlat. Lyrik ironisch ins Positive gewendet. Deren neue „B-Verehrung" vermittelt interessante sozialhistorische Einblicke in eine ma. „Subkultur" und zeigt durchaus subversive Tendenzen. [3] (Analoges gilt in der dt. Literatur für das Lob des Weines im,Weinschwelg', der Β allerdings nicht nennt.) Die Anspielungen auf die B-Verehrung bei Welschen und Deutschen in Al (3,1414) könnte diese Tradition reflektieren. Durchaus burleske Züge zeigen auch die B-Passagen in A2. 3) Die historische Deutung B's in E3 folgt der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1153B). Dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend werden die mythologischen Daten in profangeschichtlichen Exkursen zur Heilsgeschichte („incidentia") dargestellt, wobei hier mit den Ägyptischen Plagen, die Β zur Auswanderung zwingen, [4] ein direkter Zusammenhang zwischen „incidens" und Heilsgeschichte konstruiert wird. Die Verbindung erklärt sich aus dem Motiv des wandernden, in Griechenland einziehenden Gottes Dionysos. Der Hinweis auf Bs Indienzug ist ein Reflex des entsprechenden Motivs aus dem antiken Dionysos-Mythos. Dass Β als Gründer von Argos aufgefasst ist, geht vielleicht auf ein Missverständnis der Stelle bei Petrus Comestor zurück („Dionysius Bacchus, qui agros coluit"). [1] S.v. Dionysos (W. Fauth), in: DKP, Bd. 2, Sp. 77-85, hier Sp. 79. [2] S.v. Zagreus (D. Wachsmuth), in: DKP, Bd. 5,Sp. 1446f.; vgl. auch -» Titanes. [3] Hierzu K. Smolak, Die Bacchusgemeinschaft (Drei mlat. Trinklieder), Wiener Studien 99, 1986, 267-287. [4] So auch bei Cearops. [mk]
nähme des Darius (Alexanders Eroberungszug nach Persien).
[sks]
Bagophanes [Persischer Statthalter von Babylon, Verwalter des königlichen Schatzes; Curtius V. 1,20]
Al Rudolf von Ems, Alexander' (Bagofanes)·. Der mächtige persische Schatzmeister Β bereitet Alexander in Babylon einen prächtigen Empfang (13241) und wird gemeinsam mit Mazaeus, Apollodorus und Menes mit der Verwaltung Babylons betraut (13378; Alexanders Eroberungszug nach Persien). Darius bedauert, dass Β und andere führende Perser zu Alexander übergelaufen sind (14281). [sks]
Bakchides [Verwalter Mesopotamiens unter Antiochus IV. Epiphanes, besiegt Judas Makkabäus und hält die Seleukidenherrschafit über Palästina aufrecht]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander' 10937 (Bachidis): Β von Persien zählt zu den tapfersten Männern in Darius' Heer (Alexanders Zug gegen Arbela; Kämpferkatalog). [1] [1] Ein Β findet sich weder in der ,Alexandreis' Walters von Chatillon noch in einem anderen Quellentext der Alexanderliteratur. Al bezieht den Namen wohl direkt aus AT, Makk 1,7-9 und macht Β gegen die Chronologie zum Gefolgsmann von Darius. [sks/mk]
Balacrus [Feldherr Alexanders, erobert 332 v. Chr. das von den Persern besetzte Milet zurück; Curtius IV.5,13]
[Babylonier; Curtius V. 13,3]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 14688 (Bagistan)·. Der kühne Babylonier Β überbringt Alexander die Nachricht von der Gefangen-
Al Rudolf von Ems, Alexander' 9493: Herzog Β erobert Milet und vertreibt den persischen Statthalter Hydarnes (Alexanders Eroberungszug nach Persien). [sks]
Barzaentes — Belus
Barzaentes
133
Belus
[Satrap der Drangen; Curtius V I . 6 , 3 6 ]
[Sohn der Libye und des Poseidon, Nachkomme Iuppiters,
A l Rudolf von Ems, »Alexander' 18733 (Barzentes)·. Graf B, der Heerführer der Drangen, ist an der Ermordung des Darius durch Bessus und Nabarzanes beteiligt und wird von Alexander nach Indien vertrieben (Alexanders Zug gegen Bessus). [sks]
Vorfahre des Perseus und sagenhafter König in mehreren vorderasiatischen dynastischen Genealogien; M M 4 , 2 1 3 ]
G: Enkel des Nimrod (El), Nachfahre des Epaphus (A2), Sohn des Assur ( E l , E2), Vater des Ninus (Al, E l , E2), R: König (Al) von Assyrien (El), Herrscher (E2) Nf.: Bel (E2), Belun (A2) I.
Battus [Messenischer Hirt, wird von Hermes versteinert; M M 2,688]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Β beobachtet Mercurius beim Diebstahl von Apollos Vieh und erhält von ihm für sein Schweigegelöbnis eine Kuh. Als ihn Mercurius in Gestalt eines Hirten auf die Probe stellt und ihm für die Wiederbeschaffung des gestohlenen Viehs eine Kuh und einen Stier verspricht, bricht Β sein Schweigeversprechen und wird zur Strafe in einen Stein verwandelt, der heute noch zu sehen ist und „Verrat" [1] heißt (2,1462-1505). [1] A l übersetzt den Namen des Steines (bei Ovid „index") mit „meldt". [mk]
Belides [D.s. die Danaiden, die zur Buße für die Ermordung ihrer Ehemänner Wasser in Fässer ohne Boden schöpfen müssen; M M 10,44]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 10,121: Die Β vergessen in ihrer Verzückung über Orpheus' Gesang, Wasser zu schöpfen und lassen die Eimer stehen (Orpheus in der Unterwelt; Katalog der Büßer). [1] [1] A l gibt keine genaueren Angaben, warum die Β büßen. Der Danaidenmythos wird in der mhd. Literatur sonst nur in der,Weltchronik' von Jans Enikei verarbeitet,
Danaus
(I.E2). [mk]
A l Rudolf von Ems, »Alexander' 15665'. Von der Herrschaft Nimrods bis zu der von Belus war Babylon das Zentrum der Weltherrschaft (Geschichte Persiens). A2 Ulrich von Etzenbach, „Alexander': Β wird als Nachfahre des Epaphus in einer Genealogie der Nachkommen Iuppiters genannt. Auf diese göttliche Abstammung beruft sich Darius, um seinen Männern vor der Schlacht bei Issos Mut zuzusprechen (6973; 6975). E l Rudolf von Ems,, Weltchronik'·. A, dem ersten König von Assyrien, folgt nach 75-jähriger Herrschaft Ninus nach (3392; 3555; 8596; Kataloge). Als Ninus nach B's Tod aus Liebe ein Standbild seines Vaters anfertigen lässt, ahmen die einfältigen Leute diese Sitte nach und beten schließlich in ihrer Unvernunft die Abbilder ihrer Toten an. Auf diese Weise sind die Götzenbilder entstanden, aus denen der Teufel zu den Leuten spricht. Die höchsten Abgötter werden nach Β Bel, Baal, Baalim und Beizebub genannt (3491). E2 Jans Enikei, , Weltchronik'·. Der tapfere Β war der Anführer des ersten Heeres, er war so mächtig, dass man ihm die erste Opfergabe darbrachte (3489; 3515; Abstammung der Völker). II. Der Name Β steht mit dem Gott Baal/Beel in Verbindung und ist in der gr.-röm. Mythologie in mehreren Herrschaftsgenealogien für den vorderasiatischen Raum anzutreffen, wobei mesopotamische mythische Vorstellungen
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Beroe — Bessus
einfließen. Deren gr.-röm. Deutung ist noch in der Iuppiter-Genealogie des Darius in A2 greifbar. Al und E2 scheinen hingegen genuin vorderasiatische Vorstellungen bzw. deren Reflexe in der Bibel widerzuspiegeln. Wie Nimrod ist auch Β in E2 eine Gründerfigur, er ist der erste Stratege. El folgt mit seinen Angaben der .Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1089f.). Die Stelle bringt ein wichtiges Aition für die Entstehung der Idolatrie, die einen wesentlichen Angriffspunkt für die christliche Polemik gegen die antiken Heidengötter darstellt, u.a. weil man der Auffassung war, dass die Götterstandbilder Dämonen oder den Teufel beherbergen. [1] [1] -» Apollo (IIA). [mk]
Beroe [Amme der Semele; M M 3,278]
A l Albrecht von Halberstadt,,.Metamorphosen' 3,653: Iuno tritt Semele in Gestalt von deren Amme Β gegenüber.
Bessus [Satrap von Bactrien, Befehlshaber im Heer des Darius in der Schlacht bei Gaugamela, tritt später als persischer Großkönig (mit Beinamen Artaxerxes) auf, fällt in die Hände des Ptolemaeus und wird in Bactra als Hochverräter zum Tod verurteilt]
R: Untertan des Darius (Al), Herrscher von Bactrien (A2), höchster Fähnrich der Perser (A2), Ratgeber des Darius (A2), Freund des Spitamenes (A2), Kämmerer des Darius (A3) Nf.: Bysan (Al) I. A l Pfaffe Lamprecht, Alexander'S3691\ Β [1] und Nabarzanes verüben einen Mordanschlag auf Darius und verwunden ihn trotz seiner Bitte um Gnade schwer. Sie heucheln zunächst Trauer, rühmen sich später ihrer Tat und
rechnen mit Alexanders Gunstbezeugung, werden von diesem aber zum Tod durch den Galgen verurteilt. [1] Die Nf. Bysan geht auf Bysso (Bessus) in Leo Archipresbyters .Alexander' (99,31) zurück.
A2 Rudolf von Ems, Alexander': Der mächtige und angesehene Β von Bactrien rät seinem Lehensherrn Darius, Verbündete für den Kampf gegen Alexander zu werben und sie reich zu entlohnen (10089-10111). In der zweiten Schlacht gegen die Griechen erhält er den Oberbefehl über den linken Flügel des Heeres (11646) und wird von Clitus in die Flucht geschlagen (12259). Nabarzanes empfiehlt Darius, die Herrschaft an Β abzutreten (14245-14254). Als Darius dies ablehnt, verschwören sich Β und Nabarzanes, nehmen Darius gefangen, verwunden ihn tödlich und rauben seine Schätze. Β flieht vor dem heranrückenden Alexander nach Bactra (1437614826: RV: 15732) und übernimmt dort die Herrschaft (15932-15936). Nabarzanes behauptet Alexander gegenüber, Β trage die alleinige Schuld an Darius' Tod (16018), flieht dann aber zu Β nach Bactra (17735). Alexander zieht gegen B, der Zithia und andere Länder bezwungen hat und sich zum König von Bactra ausrufen lässt. Satibarzanes läuft von Alexander zu Bessus über (18345; 1848018734; 20704; 20865). Beim Heranrücken der Griechen ist Β siegessicher, doch seine Verbündeten fliehen und lassen ihn wehrlos zurück. Β flieht nach Sogdian (20881-20984; 21101: Abtrünnige Alexanders kämpfen auf Seiten von B), Alexander verfolgt ihn. Spitamenes will Β ausliefern, um sich so Alexanders Gunst zu sichern (21303-21546). A3 Ulrich von Etzenbach, Alexander': Β und Nabarzanes, beide niederer Abstammung, werden von Darius protegiert und erlangen hohe Amter und Würden, nützen diese aber nur zu ihrem eigenen Vorteil. Sie beschließen Darius - gefangen oder tot - an Alexander auszuliefern, um dessen Gunst zu erlangen (15949). Im Falle eines Sieges über Alexander bekäme Β die Herrschaft über Medien, Nabarzanes die über Persien (15961). Nabarzanes
Betis — Bion rät Darius, die Herrschaft an Β abzutreten, um so das Perserreich zu retten. Als Darius den Verräter töten will, flieht dieser (15988). Β und Nabarzanes heucheln Artabazus gegenüber Reue und bitten ihn um Vermittlung bei Darius, der ihrem falschen Treueversprechen glaubt und sie wie Söhne aufnimmt (16038; [16076]). Patron läuft zu Darius über und warnt ihn vergeblich vor den Verschwörern (16107). Β leugnet und will seine Unschuld in einem Zweikampf mit Patron beweisen. Darius glaubt ihm und verbietet den Kampf (16135). Als er die Richtigkeit der Anschuldigung erkennt, will er sich lieber selbst töten als durch seine eigenen Männer sterben (16363). Β und Nabarzanes überwältigen Darius und fesseln ihn ([16404]). Beim Herannahen Alexanders bereiten die Verschwörer ihre Flucht vor und verwunden Darius schwer, als er sich weigert mitzukommen (16552). Β flieht nach Bactra, Nabarzanes nach Ircanien (16605). Nach Darius' Tod erwarten Β und Nabarzanes von Alexander eine Belohnung, werden aber stattdessen als Verräter zum Tod verurteilt und geköpft ([16898]). Unter dem Befehl des von Β eingesetzten Statthalters leistet Bactra Alexander heftigen, aber vergeblichen Widerstand (17615; 17621; 17702).
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Betis [Persischer Statthalter von Gaza, verteidigt die Stadt gegen Alexander; Curtius IV.6,7]
R: Herzog (Al) oder Fürst (A2) von Gaza N£: Jambri (A2) I. A l Rudolf von Ems, yAlexander'·. Der kühne persische Herzog Β von Gaza verwundet Alexander im Kampf, wird daraufhin selbst verwundet, gefangen genommen und zu Tode geschleift (10178-10329). A2 Ulrich von Etzenbach, yAlexander'·. Β wird im Kampf um Gaza getötet (9719-9734). II. Al folgt direkt Q. Curtius Rufus, A2 der Alexandreis' Walters von Chätillon (111,261; ohne Namensnennung [ 1 ]). Die Nf. von A2 ist stark entstellt, es muss jedoch Β gemeint sein. Das Motiv von B's Schleifung in Al könnte aus dem Trojaroman (dort mit Hector oder Troilus verbunden) übernommen sein. [ 1 ] Die Alexandreis' spricht nur vom „praefectus"; Auskunft über dessen Namen, B, gibt etwa Glosse 261 der Hs. V, Colker (Hg.), 398. [mk/sks]
Bianor [Kentaur, fällt im Kampf gegen die Lapithen; 12,345]
II. Mit Β verbunden ist das für den Alexanderroman generell wichtige Thema der Verschwörung gegen den Herrscher. Hier dient der Handlungsgang der Zeichnung Alexanders als positive Herrscherfigur: Alexander sinnt auf einen Ausgleich mit Darius und geht auf die Angebote der Verräter nicht ein, sondern verfolgt diese. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Handlung in Al, A2 und A3 erklärt sich aus den verschiedenen Quellentexten (,Historia de preliis', Q. Curtius Rufus, Walter von Chätillon), A2 ist zudem Fragment geblieben. In der Abwertung von Β und Nabarzanes geht A3 am weitesten, hier sind sie skrupellose Aufsteiger. [mk/sks]
MM
Al Albrecht von Halberstadt, .Metamorphosen' 12,588: Theseus zerschmettert dem baumlangen Riesen Β [1] den Schädel (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf; Katalog). [1] Mit der Deutung der Kentauren als Riesen (nur 12,631 sind sie explizit Mischwesen, -* Centauri) greift A l auf Vorstellungen zurück, die dem Publikum aus der dt. Heldensage vertraut sind. [mk]
Bias
Dryops
Bion [Persischer Überläufer; Curtius IV. 13,36]
AI Rudolf von Ems, ^Alexander': Der Uberläufer Β warnt Alexander vor den Falleisen, die
Bitias — Boreas
136
die Perser ausgelegt haben (12051; 12198; Alexanders Eroberungszug nach Persien). [sks]
geratenen Sonnenwagen so schnell es ihm sein eigener Wagen ermöglicht (Phaetons Fahrt mit dem Sonnenwagen). [mk]
Bitias [Trojaner, Bruder des Pandarus, Sohn des Alcanor; ,Aeneis' IX,672; RdE 5497 Bicias]
Boreas [Windgott, Nordwind; MM 1,65]
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman (Bedas)·. W : Windgott (Al, E l ) B, ein Riese [1] aus dem Gefolge des Aeneas, schließt Turnus innerhalb des Burgtores der Burg Albane ein und wird, als er seinem Bruder Pandarus das Burgtor öffnet, von Turnus getötet (7101-7207; Belagerung der Burg Albane durch Turnus). [1] Die Deutung von Β und Pandarus als Riesen findet sich schon im ,Roman d'Eneas' (5495) und erklärt sich aus dem Vergleich in Vergils .Aeneis' („ragend wie Tannen und Berge" IX,672ff.). [mk]
Boetius [Verbündeter derTrojaner aus Boetinum; Dares (Hss. G, L) Boetius-, Benoit 6795 Boetes]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 4030 (Boetes)·. Β und Epistrophus aus Botina kämpfen auf Seiten derTrojaner (Katalog). [1] [ 1 ] Bereits bei Dares gibt es starke Divergenzen im Kämpferkatalog, die entsprechende Stelle (23,1) in den Hss. G und L lautet „de boetino epystropolis et boetius". 23,5 wird nur Epistrophus als Führer der Halizonen genannt. [mk]
Bolon [Feldherr Alexanders; Curtius VI. 11,1]
Al Rudolf von Ems, Alexander
19816·. Ale-
xander überantwortet dem tapferen Β nach der Hinrichtung des Philotas dessen Besitztümer (Verschwörung gegen Alexander). [sks]
Bootes [Sternbild, „Ochsentreiber" zum „Großen Wagen", personifiziert; MM 2,176]
Al Albrecht von
Halberstadt,Metamorphosen'
2,377\ Β flieht vor dem außer Kontrolle
G: Gatte der Orithyia (Al, El), Vater des Calais und des Zetes (Al) I.
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen':
Der geflügelte Windgott Β wirbt um Orithyia. Als ihm Erechtheus ihre Hand verweigert, entführt er sie durch die Luft zum Volk der Cicones und zeugt mit ihr zwei Söhne, Zetes und Calais (6,1531/1568; RV: 7,1200/5). Β ist auf dem Teppich eingewirkt, den Pallas im Wettstreit mit Arachne webt. Der Teppich stellt die kosmologische Ordnung dar, B's Abbild bezeichnet den Norden (6,129; Descriptio). [1] [1] Der Nordwind wird in Al außerdem als Β benannt in I,128 (B bringt vom Nordmeer her Eis und Schnee und lässt Laub und Gras faulen; Katalog der Winde) und 7,1200 (B ist der stärkste Wind).
El Rudolf von Ems,,Weltchronik': Β freit um Erechtheus' Tochter Orithyia. Wegen seiner Schnelligkeit und Gewandtheit nennen ihn die einfältigen Griechen Gott des Windes. Nach ihm werden die zwölf Winde [!] „B" genannt (19670; 19676; Katalog mächtiger Herrscher).
II. Den Mythos von Β und Orithyia berichten Ovids ,Metamorphosen', denen A l direkt folgt. In El sind die mythologischen Daten, dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, historisch aufgefasst. Die Stelle bezieht sich vermutlich auf die Angaben in der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 216), dort auch die Erklärung, dass Β als Windgott eine „sekundäre" Deutung der „fabula" sei. Die lat. Nf. Β für den Nordwind belegt neben A l noch der Alexander' des Pfaffen
Briseis Lamprecht (S1060: Ein stürmischer Wind, der in den Büchern den Namen Β trägt, bringt die Makedonen beim Angriff auf Tyrus in Seenot). [mk]
Briseis [Tochter des Briseus aus Brisa, Kriegsgefangene, die Achilleus als Ehrengabe des Heeres erhält]
G: Tochter des Calchas (Al), Gattin des Troilus (Al), Geliebte des Diomedes (Al) Nf.: Briseida (Al, B l ) I. A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Β ist die tugendhafte, keusche und unvergleichlich schöne Tochter des Calchas (3107; Descriptio), die dieser von den Trojanern zurückfordert, nachdem er zu den Griechen übergelaufen ist (8555). Β wird von Hecuba und Helena beweint und nimmt klagend von ihrem Geliebten Troilus Abschied. Menestheus, Aiax, Ulixes und Diomedes eskortieren sie zu den Griechen. Dabei entbrennt Diomedes in Liebe zu ihr, wird von Β aber abgewiesen (8148; 8316-8539). Als er ihr Troilus' Pferd als Trophäe sendet, fühlt sich Β brüskiert. Uber seine Verwundung durch Troilus freut sie sich (8956-9076). Später gibt sie Diomedes auf sein Drängen hin den Ärmel ihres Kleides als Zeichen für sein Frauenrittertum, worauf Troilus sie der Untreue verdächtigt (9418; 9884). Schließlich pflegt Β den von Troilus verwundeten Diomedes und wendet sich ihm zu, da Troilus sie zurückgewiesen hat (12430; 12529). Die Trojanerinnen bezichtigen sie deshalb der Untreue (12794). Als Diomedes' Frau Aegiale von Oiax erfährt, dass Diomedes Β zu seiner neuen Gattin erwählt habe, mit ihr heimkehren und sie, Aegiale, verstoßen werde, sinnt sie auf Rache (17208). Bl ,.Reinfried von Braunschweig 24548·. Β schrieb dem vor Troja kämpfenden Achilles einen Liebesbrief. In ihrem Brief an Reinfried wünscht Yrkane, sie könnte auf ebenso schöne
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Weise ihre Liebe zum Ausdruck bringen (Exemplum, Katalog liebender Frauen). II. 1) Die homerische B; 2) Β bei Benoit; 3) Nachwirkung
1) Im ersten Buch der ,Ilias' fordert Agamemnon von Achilleus Β als Ersatz für Chryseis, die er ihrem Vater Chryses zurückgeben musste. Dies ist die Ursache für Achilles' Zorn und Kampfenthaltung. Direkt auf die homerische B-Gestalt bezieht sich nur die Anspielung von Β1. Als Verfasserinnen mustergültiger Liebesbriefe werden hier neben Β noch Penelope, Dido, Phyllis, Helena und Medea erwähnt. Die Stelle verweist damit auf Ovids,Heroides', Ovid wird im unmittelbaren Kontext auch genannt. Dieser direkte Rekurs auf einen antiken Text bei gleichzeitiger Übernahme des Textmusters ist für die mhd. Literatur bemerkenswert und spricht für den Bildungshorizont des unbekannten Autors. [1] 2) Im ma. Trojaroman ist das B-Motiv der ,Iliasl durch jenes von Achilles' Kampfenthaltung aus Liebe zu Polyxena ersetzt. Die homerische Kriegsgefangene lebt in Al und im,Trojanerkrieg' Konrads von Würzburg nur als unbedeutende Nebenfigur -* Hippodamia weiter, Quelle ist derTrojabericht von Dictys Cretensis. Eine neue B-Gestalt und -Handlung entwickelt der,Roman de Troie' Benoits de SainteMaure (eventuell angeregt durch Glossen?) aus der bei Dares Phrygius (17,7) ohne nähere Angaben erwähnten Β: Β wird zur Tochter des Calchas und zur Geliebten des Troilus. Im ,Trojanerkrieg' Konrads von Würzburg und im ,Göttweiger Trojanerkrieg' kommt auch diese Β nicht vor. Benoit gestaltet eine kleine Binnenerzählung, die gängige Topoi des höfischen Minnethemas abhandelt (Trennung der Liebenden, Untreue und neue Liebe der B, Frauenrittertum des Diomedes) und von Al übernommen wird. 3) Über die ,Historia destructionisTroiae' des Guido de Columnis (1287) findet die Episode weite Verbreitung. Zunächst verarbeitet sie
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Brises — Broteas [1]
Boccaccio in seinem ,Filostrato' (um 1350; hier erstmals Griseida statt Briseida, entweder ein Lesefehler oder eine Kontamination mit Agamemnons Chryseis). Auf Boccaccio greift Chaucers .Book ofTroilus and Criseyde' (um 1385) zurück, über mehrere Zwischenstufen rezipiert schließlich Shakespeare den Stoff und gestaltet aus ihm sein Drama ,Troilus and Cressida' (1602), auf dem nun die weitere Rezeption basiert. [2] [1] Vgl. Kern, Edle Tropfen, 198f. [2] Frenzel, Stoffe, 797ff. [mk]
II. Die Verschwörung von Bessus und Nabarzanes gegen Darius verhandelt das für den ma. Alexanderroman zentrale Motiv des Verrats am Herrscher, der grundsätzlich als Verbrechen gefasst ist. Als loyaler Gefolgsmann des Darius gibt Β deshalb eine positive Figur ab, während Bessus und Nabarzanes Alexanders Strafe finden, weil dieser - ebenso Herrscher wie Darius und insofern mit diesem solidarisch — den Treuebruch nicht hinnehmen kann. In der Ausgestaltung der Episode folgt Al Q. Curtius Rufus, A2 der Alexandreis' Walters von Chatillon.
Brises
[mk/sks]
[Oder Brisew, Vater der Briseis, bzw. bei Dictys der Hippodamia; Dictys 32,21 ]
Al Herbort von Fritzlar, ,lietvon Troye'16660: Β erhängte sich laut Dictys nach der Eroberung seiner Stadt Pedasos und der Entfuhrung seiner Tochter Hippodamia durch Achilles (RV auf die Taten des Achilles beim Streit um das Palladium). [1] [1] Zur Umgestaltung des homerischen Briseis-Motivs Briseis (II.2). [mk]
Brocubelus [Perser, Sohn des Mazaeus, berichtet Alexander von Bessus' Verrat; Curtius V.13,11; Chatillon VII,138]
G: Sohn des Mazaeus (Al) Nf.: Bocubel (A2) I. Al Rudolf von Ems, ,Alexander' 14761: Β berichtet Alexander von der Gefangennahme des Darius durch Bessus und Nabarzanes. A2 Ulrich von Etzenbach, ^Alexander': Der berühmte Kämpfer Β berichtet Alexander, dass Darius am Leben, aber von Bessus und Nabarzanes gefangen genommen worden sei und dass sich die Perser in der Nähe mit einer großen Heerschar auf den Kampf vorbereiten. Er führt die Griechen an das feindliche Lager heran (16503-16539).
Bromus [Kentaur; MM 12,459]
Al Albrecht von Halberstadt,,.Metamorphosen' 12,702 (Bromius): Der überaus starke Riese Β [1] wird von Caeneus erschlagen. Latreus will ihn rächen (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf; Katalog). [1] Mit der Deutung der Kentauren als Riesen (nur 12,631 sind sie explizit Mischwesen, Centauri) greift Al auf Vorstellungen zurück, die dem Publikum aus der dt. Heldensage vertraut sind. [mk]
Broteas [1] [Bruder des Ammon; M M 5,107]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,185: Β und sein Bruder Ammon, die beide nicht mit Schwertern, sondern mit Binden und langen Stöcken kämpfen, werden während des Kampfes auf Perseus' Hochzeitsfest getötet. [1] Sie hätten überlebt, hätten sie nicht Pampinus getötet [2] (Kämpferkatalog). [ 1 ] Bei Ovid werden Β und Ammon von Phineus getötet, von einem Pampinus ist nicht die Rede. Das undurchsichtige Motiv der Binden, mit denen sie kämpfen, ist ein Missverständnis der im Zusammenhang genannten Priesterbinden des Cerespriesters Ampycus (MM 5,110). [2] Oder: „Sie hätten überlebt, hätte sie Pampinus nicht getötet." Der Wortlaut ist nicht eindeutig. [mk]
Broteas [2] — Bucephalus
Broteas [2] [Lapithe, fällt im Kampf gegen die Kentauren; M M 12,262]
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen'
12,484: Β und Orios werden von dem Riesen Gryneus mit einem Tisch erschlagen und von Exadius gerächt (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf; Katalog). [mk]
Bucephalus [Lieblingspferd Alexanders]
W: Fohlen von Philipps Stute (Al), Pferd Alexanders (Al, A2, A3), Geschenk des Fürsten von Cappadocien an Philipp (A2) Nf.: Bucifal(e), Bucival (Al), Buzeval (A2) I. A l P f a f f e Lamprecht, vAlexander': Es gibt kein besseres Pferd als B. Es hat einen schlanken Kopf, eine Schnauze wie ein Esel, weite Nüstern, lange Ohren, Augen wie ein Adler, eine Mähne wie ein Löwe und die Zeichnung eines Leoparden an den Flanken. Β ist wild, ungestüm, kampflustig, schnell und kräftig und beißt und tritt alle zu Tode, die ihn reiten wollen. Wer Β zähmt, ist der künftige König Makedoniens. Als Alexander Β scharf anblickt, fällt dieser vor ihm in die Knie (V259-307; [V344]; [S270-392]; Descriptio). Alexander reitet Β in den Schlachten gegen die Perser (Schlacht am Stranga: VI 227; VI 308; S1696; Schlacht am Euphrat: S3224; S3641). A2 Rudolf von Ems, Alexander': Β stammt von einem Pferd und einem Greifen ab, hat ein kleines Horn an der Stirn und trägt als Brandzeichen den Kopf eines Auerochsen. Er ist schön, stärker als ein Löwe oder Elefant und frisst Menschen wie Heu. Wer das in eiserne Fesseln geschmiedete Pferd zähmt, wird der nächste König von Makedonien. Β kniet vor Alexander nieder. Alexander zieht auf Β gegen Nicolaus (2106), Amonta (4677)
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und die Perser. Β wird in den Schlachten mit eisernen Decken geschützt, kämpft wie ein Mann und tötet viele Feinde (7386; 12588-12648).
A3 Ulrich von Etzenbach,
AlexanderPhi-
lipp erhält Β als Geschenk der Griechen. Das Pferd beißt alle zu Tode, fällt vor Alexander aber nieder, lässt sich zähmen und satteln und ist schließlich besser zugeritten als das Pferd Parzivals ([1657]-1707). Β bewährt sich im Kampf gegen König Nicolaus (1749) und gegen die Perser (8297; 10623; 12758; 13309; 13339; 13346; 13954; 14185; 14276). Im Kampf gegen die Skythen wird Β verwundet (18868) und kommt daher gegen Porus nicht zum Einsatz, was Alexander den Sieg kostet (19996). Schließlich verendet B, Alexander will ihn rächen (20044), beklagt Bs Tod (21885), lässt ihn feierlich bestatten und eine Gedenktafel errichten, die von den Heldentaten, die er auf Β vollbrachte, berichtet (23541; 23554). II. Die fabelhafte Ausgestaltung der Eigenschaften Bs vom hervorragenden Pferd zum Wunderwesen macht die Tendenz zur Phantastik in der Alexanderliteratur deutlich. Sie dient auch der Heroisierung Alexanders, der das bissige (Al, A3) oder gar menschenfressende (A2) Pferd mit Leichtigkeit zähmt und damit eine quasi-mythische Heldentat vollbringt. Die Motive erinnern nicht zufällig an die Bändigung der menschenfressenden Stuten des Thrakerkönigs Diomedes durch Hercules (schon der historische Alexander sah in diesem sein Vorbild). Die Unterwerfungsgeste des Pferdes gegenüber Alexander bringt wie andere Vorzeichen in allen drei Belegen die Erwähltheit des künftigen Weltherrschers zum Ausdruck. Nachbenennung Johann von Würzburg, ,Wilhelm von Österreich' 17769 (Zephalus)·. Ζ ist der Name des Pferdes des Ritters Salaphat. [1]
[1] Ein direkter Bezug in der Namengebung auf Β ist wahrscheinlich. [mk/sks]
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Bunomus — Byblis
Bunomus [Sohn des Paris; Dictys 105,25]
Al Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg' Fortsetzung 47178 (Sunom): B, Corythus und Idaeus, die Söhne von Paris und Helena, werden bei der Zerstörung Trojas im Schlaf von einer Mauer erschlagen. [mk]
Busiris [König von Ägypten, opfert Fremde, wird von Hercules erschlagen; M M 9,183]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen 9,391 (Busiresj: Der Menschenfresser Β wird von Hercules überwunden (Katalog der Taten des Hercules). [mk]
Butes [Sohn des Pallas, Bruder des Clytus; M M 7,500]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Buten)·. Β und Clytus, die Söhne von König Pallas, begleiten Cephalus nach Aegina, um von Aeacus Hilfe für das von Minos bedrohte Athen zu erbitten (7,867). [mk]
Byblis [Tochter des Miletus und der Eidothea bzw. der Cyanea, ihre leidenschaftliche Liebe zu ihrem Bruder Caunus treibt sie in den Tod, weinend zerfließt sie zu einer Quelle oder erhängt sich]
G: Tochter des Miletus (Al), Schwester des Caunus (Al) Nf.: Biblis (Al, Bl, B2) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Die schöne Β hat wegen ihrer inzestuösen Liebe zu ihrem Bruder Caunus schwere Selbstzweifel. Sie sieht sich auch nicht durch die geschwisterlichen Liebespaare Iuppiter und Iuno, Thetis und Oceanus legitimiert, weil
diese Götter sind (Klagemonolog der B). Caunus flieht vor B's Liebesbeteuerungen, sie verfolgt ihn. Waldfrauen [1] verheißen ihr die Liebe des Bruders, Β aber stirbt und zerfließt zu einer Quelle, die noch heute bekannt ist (9,825-1183). [1] Die Nymphen, denen Β bei Ovid begegnet, werden „volksmythologisch" als Waldfrauen interpretiert.
Bl Gottfried von Straßburg, , Tristan' 17192: Unter einer Linde vor der Minnegrotte erzählen Tristan und Isolde einander traurige Geschichten („senemaere") von jenen, die einst der Liebe wegen ums Leben kamen. Sie beweinen das Schicksal von Phyllis, Canace, Dido und B, der aus Liebe zu ihrem Bruder das Herz gebrochen ist (Katalog unglücklicher Liebender). B2 Konrad Fleck,,Flare und Blanscheflur'2434: Der um die vermeintlich tote Blanscheflur trauernde Flore wird von seiner Mutter vor einem Selbstmord aus Liebe gewarnt. Als abschreckende Beispiele verweist die Königin auf B, Dido und Pyramus und Thisbe, die aus Liebe Selbstmord begingen und dafür zu Recht Höllenstrafen erleiden müssen (Katalog von Selbstmördern aus Liebe). II. Die nur von Al ausführlich erzählte Geschichte von Β gehört zu einer Reihe antiker bzw. ovidianischer Liebesgeschichten, die in der höfischen Literatur immer wieder als Exempla für Liebesleid zitiert werden. Quelle sind Ovids .Metamorphosen' 9,453ff. Belege finden sich auch in der prov. und frz. Literatur, [1] das B-Exemplum in B2 geht direkt auf den frz. Flore-Roman zurück. [2] Die BNennungen sind zwar zahlenmäßig geringer als jene Didos, für das höfische Liebesthema aber insofern signifikant, als Β die um vieles problematischere Gestalt darstellt (zum Selbstmord kommt noch der Inzest). Es liegt also nahe, dass sie wie in B2 ein paränetischabmahnendes Exemplum abgibt. Dieses Exemplum wird in B2 aber nicht vom Erzähler, sondern von Flores Mutter, einer negativen Figur, ausgesprochen. Die Wertung ist also
Byblis kontextuell motiviert und weist keineswegs auf eine konventionelle Bedeutung des von Β verkörperten Exempeltypus. Diese scheint vielmehr in Β1 [3] greifbar, wo die negativen Aspekte auffällig unterdrückt werden. Tristan und Isolde verurteilen Β und die anderen Exempelfiguren gerade nicht als Minneverbrecher, sondern identifizieren sich mit ihnen. Wesentlich ist der tragische Aspekt, der gerade auch diesen „unmoralischen" Liebesgeschichten zugestanden wird. Der Beleg weist auf einen durchaus differenzierten Zugang der
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höfischen Literatur zu den „worst cases", die die antike Mythologie aufbietet. Die Ambivalenz, die ihnen zukommt, wird eher verstärkt, als dass sie im Sinne einer gängigen Moral verwertet würden. Diesen Befund bestätigen insbesondere auch die zahlreichen Dido-Exempla. [4] [ 1 ] Belege s.v. Biblis, in: Flutre, Table, 29 und bei Bartsch, Albrecht von Halberstadt, CIII. [2] Floire et Blancheflor. Ed. critique par Margaret Pelan, Paris 1937, 580. [3] Kern, Edle Tropfen, 186ff. (mit weiterer Lit.). [4] Ebd., 351ff. [mk]
c Cacus [Sohn des Vulc.mus,riesenhaftes,feuerspeiendes Ungeheuer, haust in einer Höhle am Aventinus, wird von Hercules getötet; Aeneis' VIII, 194]
A l Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman' 6052: Das Ungeheuer C wurde von Hercules in Pallanteum [1] getötet (der Jahrestag wird von König Euander mit einem Herculesfest begangen). [1] Pallanteum ist der Sitz von Euander und am Aventin gelegen. [sks]
Cadmus [Sohn des Agenor und der Telephassa, Bruder der Europa, Gatte der Harmonia, Gründer Thebens]
G: Sohn des Agenor (Al), Bruder der Europa (Al), Verwandter der Ino und des Athamas (Al), Freund des Actaeon und der Semele (Al) R: Gründer (Al, A2) und König (Al) von Theben Nf.: Cathmus (A2) I. Al Albrecht von Halberstadt, ,Metamorphosen'·. Der großherzige und tapfere C sucht im Auftrag Agenors nach seiner Schwester Europa und darf, da die Suche erfolglos bleibt, nicht heimkehren. Dem Orakelspruch Apollos folgend, gründet er an der Stelle, zu der ihn eine Kuh führt, Theben, erlegt einen Drachen, der seine Gefährten getötet hat, und pflanzt auf Pallas' Rat die Gebeine des Drachen in die Erde. [1]
Daraus erwachsen Krieger, die sich bis auf fünf Männer gegenseitig töten (3,13-323; RV: 6,378). C trauert um Actaeon und Semele (3,741; 3,746). Nach dem Tod von Athamas und Ino wünscht der trauernde C, dass er und seine Frau [Harmonia] der Prophezeiung der Pallas entsprechend in Schlangen verwandelt werden (4,886-1116). [1] Bei Ovid sät C die Zähne des Drachen. Das Löwenfell, das C in Al trägt (3,139), die Rückverweise aufActaeon und auf die Prophezeiung Athenes fehlen bei Ovid. Harmonia wird in Al nicht namentlich genannt.
A2 Ulrich von Etzenbach, Alexander'3819\ C gründete einst Theben (Exkurs zur Geschichte Thebens). II. Der C-Mythos ist wie der thebanische Mythos insgesamt in der mhd. Literatur kaum bekannt. In der afrz. Literatur wurde er durch den,Roman de Thebes' zum volkssprachlichen Romanstoff, den die dt. Literatur im Unterschied zu Troja- und Aeneasstoff allerdings nicht rezipierte. Die Angaben in Al und A2 folgen direkt lat. Quellen, Al nach den entsprechenden Stellen in Ovids Metamorphosen', A2 nach der Anspielung auf den Thebenmythos in der Alexandreis' Walters von Chätillon (11,302), zu der A2 offensichtlich Glossen vorgelegen sind. [1] Die allegorische Deutung der Hochzeit von C und Harmonia auf die Ordnung des Kosmos hin [2] wird erst in der neuzeitlichen Mythographie wieder produktiv. [1] Vgl. die bei Colker (Hg.), 280 abgedruckte Glosse aus Hs. G. [2] S.v. Kadmos, in: Hunger, Lexikon, 175-177, hier 176 und s.v. Harmonia fJ.J (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 2, Sp. 941. [mk]
Caeneus — Caesar
Caeneus [Lapithe, Jäger des Kalydonischen Ebers, ursprünglich ein Mädchen, wird von Poseidon vergewaltigt, in einen unverwundbaren Mann verwandelt und beim Kampf mit den Kentauren getötet; M M 8,305]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': C, einer der Jäger des Kalydonischen Ebers, war einst eine Jungfrau (8,596; Katalog) mit Namen Caenis, wurde von Neptunus vergewaltigt und als Entschädigung in den unverwundbaren C verwandelt (12,328-377). C erschlägt beim Kampf mit den Kentauren fiinf Riesen [1], tötet Latreus und wird von den Gegnern schließlich mit Baumstämmen erschlagen. Nestor glaubt, dass C in den Vogel verwandelt wurde, der aus dem Haufen aufflog (12,698-816; Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf). [1] Die Kentauren werden in A l als Riesen aufgefasst. Die Adaption greift aufVorstellungen zurück, die dem Publikum aus der dt. Heldendichtung vertraut sind; Centauri. [mk]
Caenis
Caeneus
Caesar [Gaius Iulius C, 100-44 v. Chr., röm. Feldherr, Staatsmann und Schriftsteller, zum dictator auf Lebenszeit und zum Imperator ernannt, wird von den Republikanern an den Iden des März 44 erdolcht]
G: Nachfahre des Ascanius Iulus (Al), des Romulus (Al), des Aeneas (A2), Onkel des Augustus (El, E2) R: Kaiser (B5, D2, E2), röm. Kaiser (A2, B l , D l , El), Herrscher von Rom (B3, E3), König von Rom (B4, El), Fürst (Al), Eroberer (B3, El) Nf.: Julius (A2, B l , B2, B5, C l , D l , D2, E2, E3), Julius Caesar (B5, E2), Julius Cesar (B3, E2), Juljus (E2), Juljus Cesar (Al), Cesar (B4, E l , E2) I. A l Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman' 13387: C unterwarf einen großen Teil der Welt,
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wurde dann aber von den Senatoren verraten und ermordet (Katalog der Nachfahren des Aeneas). A2 Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen '·. C saß lange an oberster Stelle des Glücksrads, bezwang Britannien, Ägypten, Mithridates von Pontos und Juba von Numidien, besiegte Pompeius und dessen Anhänger, bewahrte das Röm. Reich und wurde schließlich, während er zu Gericht saß, aus Neid und Hass mit Griffeln erdolcht. C wurde von Augustus übertreffen (15,485-515). Bl Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': C ließ den Erdkreis vermessen, die Ergebnisse niederschreiben und den Menschen von den Wundern der Welt berichten (14191-14225; geographischer Exkurs). B2 Wolfram von Eschenbach, ,Parzival' 102,3: Pompeius floh vor C aus Rom. B3 ,Moriz von Craun 116: C empfing die personifizierte Ritterschaft, als sie von den Griechen nach Rom kam, unterwarf alle Reiche und erwarb so großen Ruhm, wie ihn niemand je wieder erlangen wird (Geschichte des Rittertums; Exemplum für Ritterlichkeit). B4 Konrad Fleck,,Flore und Blanscheflur'1563: C's Vorfahren waren lange im Besitz eines von Vulcanus verfertigten kostbaren Pokals, der die Ereignisse um den Trojanischen Krieg abbildet. Der Pokal wurde C in Rom gestohlen und ist der Kaufpreis für Blanscheflur (Descriptio und Geschichte des Pokals). [1] [1 ] In der frz. Vorlage bringt Aeneas den Pokal ausTroja nach Italien. In dem Dingmotiv manifestiert sich dort somit noch deutlicher die Idee einer translatio imperii von den Römern auf die Franken (Flore und Blanscheflur sind die Vorfahren Karls d. Gr.), vgl. Kern, Edle Tropfen, 328.
B5 Ulrich von Etzenbach, »Alexander': Nicht einmal C wurde in Rom nach seinem Sieg über Pompeius so herrlich empfangen wie Alexander in Babylon (14676; 14687; Exempelfigur für den siegreichen Herrscher). Als C das Grab Alexanders besuchte, fand er es leer vor und glaubte an ein Wunder (27224; 27228; Tod Alexanders). Cl Der von Gliers, SMS 1.111,2: Könnte der Sänger in derselben Weise die Welt bezwingen,
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Caesar
wie C Rom bezwang, so wäre er ohne Belohnung durch seine Minneherrin dennoch freudlos (Minneklage).
Dl Thomasin von Zerklaere, ,Der
welsche
Gast'·. C machte zahlreiche Eroberungen und wurde trotz seiner Macht zwei Jahre nach der Rückkehr von seinen Feldzügen ermordet (3378; Exempelfigur für einen mächtigen Herrscher; Vanitastopos). C, der erste Herrscher über das Rom. Reich, zog aufgrund seiner Gelehrsamkeit und Tugendhaftigkeit hervorragende Wissenschaftler an (9229; Exempelfigur für einen gebildeten Herrscher).
D2 Hugo von Trimberg, ,Der Renner': C gehörte zu jenen hochgeborenen Römern, die die Künste schätzten, weil sie Tugend und Ehre bringen (1265; Katalog edler Römer), sein Reichtum wird vom Tugendreichtum des armen Fischers Petrus überboten (1444; Katalog mächtiger Herrscher). El yAnnolied': Alle heutigen Herrscher werden nach C „Kaiser" genannt. Im Auftrag des röm. Senats zieht C gegen die dt. Lande und bezwingt innerhalb von zehn Jahren Schwaben, Bayern und Sachsen. Die Franken, mit C durch ihre gemeinsamen trojanischen Vorfahren verwandt, unterwerfen sich ihm (18,9-23,25). Während C's Aufenthalt in Germanien werden Worms, Speyer und Metz gegründet (30,7; 30,15). Als C die Rückkehr nach Rom verweigert wird, zieht er mit gallischer und fränkischer Unterstützung gegen Rom, vertreibt seine Gegner Pompeius, Cato und den Senat nach Ägypten und besiegt dort Pompeius (24,1-27,14), übernimmt die Alleinherrschaft; sein Neffe Augustus wird sein Nachfolger (29,1). Die Bekehrung der Franken zählt mehr als alle Taten C's (33,4). E2 ,Kaiserchronik': C zieht im Auftrag der Römer mit einem großen Heer gegen das aufständische dt. Volk, besiegt nach harten Kämpfen die Schwaben (258-296), bezwingt nach großem Blutvergießen die aus Armenien stammenden Bayern (297; 323), kämpft gegen die aufständischen Sachsen, die Gefolgsleute Alexanders waren ([326]), zieht dann zu
den Franken, deren Ahnen aus Troja stammen (343; 377), gründet am Rhein Herrensitze in Bocbarte, Andernach, Ingelheim und Oppenheim und lässt in Mainz eine Burg und eine Brücke errichten, die aber wegen der Untreue der Mainzer einstürzt (379). Durch eine List und mit Hilfe des Labienus erobert C Trier und überlässt die Herrschaft den Herren der Stadt (402-450). Als C die Rückkehr nach Rom verweigert wird, da er aus Ubermut einen Großteil des Heeres verloren habe und ohne Erlaubnis zu lange in den dt. Ländern geblieben sei, zieht er mit Unterstützung seiner dt. Getreuen nach Rom, verfolgt seine Gegner Cato und Pompeius und besiegt Pompeius in einer Seeschlacht. Als dieser später in Ägypten ermordet wird, rächt ihn C, kehrt nach Rom zurück, übernimmt die Alleinherrschaft und wird von den Römern mit „Ihr" angeredet, eine Sitte, die die Deutschen übernehmen (455-514). C belohnt die dt. Völker, die seither ein gutes Verhältnis zu Rom haben. Nach fünfjähriger Herrschaft wird C von den treulosen Römern erschlagen, seine Gebeine werden in einer Säule beigesetzt, und Augustus übernimmt die Herrschaft (591; 603). Nach Daniels Deutung des Traumes Nebukadnezars symbolisiert der Eber mit den zehn Hörnern Caesar (572; 575; Exkurs zur Traumdeutung Daniels). Wie einst C stellt auch Dietrich von Bern die Reichseinheit wieder her (14035). E3 Jans Enikel, , Weltchronik'·. C zieht im Auftrag der Römer gegen die aufständischen dt. Völker (21070; [21019]), unternimmt die dritte Heerfahrt [1] an den Rhein, kommt zum Berg Swebus, nach dem die Schwaben benannt sind, erobert Franken und Polan, besiegt Boymunt und Ingram von Bayern und erobert Sachsen. Dann verjagt C Plattfüßler und Einäugige nach Indien. C gründet am Rhein Burgen und Städte, lässt Brücken bauen und erobert Trier (21075-21165). Als ihm die Rückkehr nach Rom verweigert wird, da er die Eroberungen zu seinem persönlichen Nutzen gemacht haben soll, erobert er mit Unterstützung der dt. Fürsten Rom, seine
Caesar Gegner Cato, Plato, Rigidus und Pompeius fliehen. C lässt sich mit „Kaiser" und „Ihr" ansprechen (eine Sitte, die die Deutschen übernehmen), belohnt die dt. Hilfstruppen und lässt sie in ihre Heimat zurückkehren. Nach fünfjähriger Herrschaft wird C von den Römern erschlagen, für ihn wird eine Bildsäule errichtet ([21175-] 21251). [1] E3 spricht von der dritten Heerfahrt (21074), weil vermutlich die vorher erwähnten Züge des Lepidus und des Crassus mitgezählt sind, Strauch (Hg.) 403, Anm. 2.
II. 1) Die C-Gestalt im M A und in der mhd. Literatur; 2) C und die dt. Frühgeschichte in der mhd. Chronistik; 3) C's Tod; 4) C als Exempelfigur
1) C gilt dem MA neben Alexander und Augustus als eine der bedeutendsten antiken Herrschergestalten. Dies verdankt sich seinen militärischen Erfolgen und seiner entscheidenden Rolle bei der Entstehung des röm. Kaisertums, das wiederum für die ma. Geschichtsvorstellung und Weltreichstheorie zentrale Bedeutung hat. Aus diesem Grund und unter dem Einfluss der kaiserzeitlichen röm. Geschichtsschreibung (Livius) und Epik (Vergil, Ovid, Lucan) dominiert im MA ein idealisiertes C-Bild, das auch von den dt. Texten reflektiert wird. [1] Sie betonen insbesondere C's große Macht (A2, D l , D2, E2; E3), seinen Ruhm (B3), seine Kühnheit (Bl, E2, E3), Ritterlichkeit (B3), Ehrenhaftigkeit (E2), Tugendhaftigkeit (Dl, E2) und Gelehrtheit (Dl). C ist Beherrschereines großen Teils der Welt (Al, A2, D l ) , Bezwinger Roms ( C l ) , aller Reiche (B3) und Initiator der Vermessung des Erdkreises (Bl). (Letzteres könnte das biblische Motiv von der Volkszählung durch Augustus reflektieren.) Auf C's Kaisertum verweisen A2, B l , B5, D l , D2, El und E2. In diesem Zusammenhang geben A2 (unabhängig von Ovid [2]) und El eine etymologische Erklärung des Kaisertitels. Von der ehrenvollen Anrede C's mit „Ihr", die von den Deutschen übernommen worden sein soll, wissen E2 und E3. Quellen von A l und A2 sind im Wesentlichen die C-Passagen bei Vergil bzw. Ovid. Die ma.
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Chronistik steht vor allem unter dem Einfluss von Isidor, Orosius und Hieronymus, daneben auch von Lucan, zwischen El, E2 und E3 besteht zudem ein direktes Abhängigkeitsverhältnis. Als Schriftsteller war C dem MA kein Begriff, seine Schriften wurden nur schmal und ζ. T. unter falscher Zuschreibung überliefert. [3] Ein schwacher Reflex könnte der Hinweis auf C's Gelehrsamkeit in D l sein. 2) Die Chroniken El, E2 und E3 legen besonderes Augenmerk auf C's Taten in Germanien. C unterwirft die Schwaben, Bayern, Sachsen und Franken, wobei El auf die gemeinsame Abstammung der Franken und C's von den Trojanern hinweist (vgl. auch E2). C's Abstammung von den Trojanern bzw. von Aeneas betonen auch A l und A2. [4] Für die ma. Geschichtsauffassung waren auch die C zugeschriebenen röm. Städtegründungen wichtig (Worms, Speyer, Metz in El, diverse Herrschersitze am Rhein in E2 und E3). El, E2 und E3 betonen die Unterstützung durch dt. Fürsten bei C's Zug gegen Rom und ihre Belohnung durch C (E2, E3). Die Grundzüge dieser Angaben finden sich bei Lucan. C's Sieg über Pompeius referieren A2, B5, El und E2, B2 und E3 erwähnen Pompeius' Flucht. All dies dient der Legitimation des aus karolingischer Zeit stammenden und im dt. HochMA neu belebten Reichsgedankens und der Idee der translatio imperii von den Römern auf die Franken bzw. auf den dt. Kaiser. Diese Intention und die universalgeschichtliche Bedeutung C's stehen vor allem in El und E2 im Vordergrund (E2 bietet eine abgewandelte Version der ma. Weltreichstheorie, in der C durch den Eber, hier das dritte Tier der Danielschen Vision, symbolisiert wird [5]). In E3 ist die universalgeschichtliche Perspektive zugunsten von Wundermotiven, die C mit Alexander parallelisieren (Vertreibung der Wundervölker nach Indien), zurückgedrängt. [6] 3) Zu C's Tod finden sich mehrere Versionen: D1 spricht nur allgemein von seiner Ermordung, A l schreibt die Tat korrekt den Sena-
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Calais — Calas
toren zu, in E2 und E3 wird er von treulosen Römern erschlagen und in A2 mit Griffeln erdolcht (bei Ovid ist von den „coniurata arma" [MM 15,763] und von „gladii" [15,801] die Rede). Das Motiv bezieht sich augenscheinlich auf die Angabe bei Sueton (82,2), C habe sich gegen die Angreifer mit seinem Griffel verteidigt. A2 ist wahrscheinlich eine entsprechende Glosse vorgelegen. Die Übertragung auf die Verschwörer könnte auf diese oder auf ein Missverständnis von A2 zurückgehen. [7] 4) Wie Alexander und Augustus fungiert C in den Anspielungen als einschlägige Exempelfigur und repräsentiert den siegreichen (B5), mächtigen ( D l , D2, E2), vorbildlichen und gebildeten ( D l ) Herrscher und großen Eroberer (CI). B3 stilisiert C zum exemplarischen Ritter und zur Symbolfigur für die Blüte des Rittertums in Rom. B5 parallelisiert C explizit mit Alexander (nach Walters von Chatillon Alexandreis 1 V,493, der Vergleich ist schon in der Antike seit Plutarch 2.41,1 kanonisch [8]). Alexander erscheint als C's Vorbild, wobei die Triumphe des Griechen die des Römers übertreffen. Legitimatorische und geschichtskonstruierende Funktion hat auch die Angabe über die Herkunft des Pokals aus C's Besitz in B4. Der einzige lyrische Beleg C1 nennt C im Zusammenhang mit dem so genannten Kaisertopos (Liebesglück zählt mehr als weltliche Macht). In D1 ist mit der Nennung C's der Vanitastopos verbunden. Auf diese Vorstellung von der Vergänglichkeit weltlicher Herrschaft verweist auch das Motiv des Glücksrades in A2. Irdischer Reichtum und weltliche Macht C's werden schließlich in ebenfalls topischer Tradition vom Tugendreichtum Petrus' in D 2 überboten. [1] S.v. Caesar im MA (F. Brunhölzl u.a.), in: LMA, Bd. 2, Sp. 1352-1359; zur lit. Rezeption: F. Gundolf, C in der dt. Lit., 1904. [2] Ovid, .Metamorphosen* 15,758 spricht von „Praeses". [3] Caesar im MA [Anm. 1], Sp. 1353L [4] Zur Bedeutung der Trojagenealogie im MA vgl. Graus, Troja; G. AlthofF, Formen und Funktion von Mythen im MA, in: H. Berding (Hg.), Mythos und Nation, 1996, 11-33.
[5] Die Reihe beginnt mit dem Leoparden für Alexander, gefolgt vom Bären fur drei Königreiche (gemeint ist das Perserreich), dem Eber für C und dem Löwen fur den Antichrist. Die übliche Version (vgl. E l ) hat den Löwen für Babylon, den Bären für die Perser, den Leoparden für Alexander und den Eber für die Römer; -* Alexander (II. 1). [6] Vgl. Caesar im MA [Anm. 1], Sp. 1355f. [7] Das Motiv findet sich sonst noch mit dem Hl. Kassian verbunden, der von seinen Schülern mit eisernen Griffeln ermordet worden sein soll und nachmals als Schutzpatron der Schreiber gilt; s.v. Kassian von Imola (H. Hochenegg), in: LCI, Bd. 7, Sp. 285-287. [8] S.v. Caesar (W. Will), in: DNP, Bd. 2, Sp. 908-923, hierSp. 921. Nachbenennungen rAthis und Prophilias' (Iulium, Iulin, Julion, Iuliens)·. C kämpft auf röm. Seite gegen Bilas (A*/101; A**/47,65,67; C/16; Kämpferkatalog). Ulrich von Türheim, ,Rennewart' 12897 (Zesar)·. Der berühmte König Zesar von Karke kommt mit vielen Schiffen zu der Heersammlung des heidnischen Großkönigs Terramers gegen Willehalms Stadt Orense. ,Prosa-Lancelot'II.752,5 (Julius Cesar)·. Der junge und kühne C, Senator von Rom, führt die röm. Hilfstruppen für Claudas gegen Britannien (Artus' Krieg gegen Claudas). [1] [ 1 ] Die Spiegelungen der Gestalt sollen die Glaubwürdigkeit der pseudohistorischen Konstruktionen untermauern, die alle drei Texte vornehmen. Am weitesten geht dabei der .Prosa Lancelot', hier scheint der junge Senator mit dem historischen C identifiziert zu sein. [mk/sks]
Calais [Sohn des Windgottes Boreas und der Orithyia, Zwillingsbruder des Zetes, Teilnehmer am Argonautenzug; M M 6,716]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 6,1599: C und Zetes, die Söhne von Boreas und Orithyia, geraten ganz nach ihrem Vater, beiden wachsen eisgraue Federn an Händen und Füßen. Sie begleiten Iason nach Kolchis. [mk]
Calas [Präfekt von Paphlagonien; Curtius III. 1,24]
A l Rudolf von Ems, ^Alexander' (Kalos): König C erhält von Alexander die Befehlsgewalt über Paphlagonien (5107) und bezwingt viele Länder (9484). [sks]
Calchas Calchas [Seher der Griechen vor Troja]
G: Vater der Briseis (A2) R: Gelehrter (A4), Weissager (Al, A2, A3, Bl), Astrologe des Priamus (A4) oder der Griechen (Al), zu den Griechen übergelaufen (A2, A3), Zauberer (A3) Nf.: Calcas (A2, A3, Bl), Calcidius (A4), Kalcas (A2, A3) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12,43: C deutet eine große Schlange, die aus dem Altarfeuer erscheint, auf einen Baum kriecht [1] und einen Vogel mit acht Jungen verschlingt, als Zeichen für die Eroberung Trojas nach neun Jahren. Der Sturm, der die gr. Flotte in Aulis festhält, werde sich C zufolge legen, wenn man Iphigenia der Diana opfere. [1] Bei Ovid (MM 12,11) kriecht die Schlange auf eine Platane in der Nähe des Altars, aber nicht explizit aus dem Altarfeuer.
A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Auf Befehl des Paris befragt C Apollo in Delphi über die Folgen der Entführung Helenas. Der Gott prophezeit die Zerstörung Trojas und rät C, zu den Griechen überzulaufen. C schließt sich Achilles und Patroclus an, begleitet sie nach Athen und rät den Griechen aufgrund einer Sterndeutung, vor ihrer Abfahrt der Diana zu opfern (3512-3618). Vor Troja klagt er über angebliche Repressalien gegen seine in der Stadt verbliebene Tochter Briseis, fordert sie von ihrem Verlobten Troilus zurück und rechtfertigt sich vor ihr mit Apollos Orakelspruch (7973-8957). Briseis wird von den Trojanerinnen als ebenso untreu wie C geschmäht (12798). C versichert die Griechen eines guten Ausgangs des Krieges und verhindert so ihre Abfahrt (12320; 12344). Nach der Ermordung des Achilles prophezeit er, dass Achilles' Sohn den Vater ersetzen werde (13820; 13824). C deutet das missglückte Opfer der Trojaner an Apollo als Zeichen für Trojas baldigen Fall (15796) und übernimmt
147
das Palladium (15917). Den Sturm, der die Griechen an der Heimfahrt hindert, deutet er als Folge des Zorns der Furien Megaera, Alecto undTisiphone darüber, dass Polyxena, deretwegen Achilles starb, noch am Leben sei. Solange man sie nicht töte, werde sich der Sturm nicht legen (16401; 16428). A3 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg': Der weise, alte C deutet eine Schlange, die neun Vögel frisst, als Zeichen für den Fall Trojas nach neun Jahren; erfährt durch die Beschwörung Apollos, dass Diana für den Sturm verantwortlich ist, der die Griechen auf Aulis festhält, Diana verlange die Opferung Iphigenias als Sühne für die Tötung einer ihrer Hinden durch Agamemnon (24209-24356). C soll den Aufenthaltsort des Achilles durch eine Götterbeschwörung herausfinden, in deren Verlauf er sich im Zustand der Verzückung vom alten Mann zum Kind und wieder zurück verwandelt (27154-[27413]). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung: C, der den Untergang Trojas prophezeit hat, zählt mit Nestor zu den besten Ratgebern der Griechen (45252; 46568). In dem Adler, der das Opfertier der Trojaner zu den gr. Schiffen bringt, sieht C ein Zeichen für den baldigen Sieg der Griechen (47543). A4, Göttweiger Trojanerkrieg'55: Der weise C ist trotz seines astrologischen Wissens nicht imstande, Hecubas Fackeltraum zu deuten, und empfiehlt, den Astrologen Samlon aus Baldach zu konsultieren. Bl ,Reinfried von Braunschweig'22586: Aufgrund von C's Prophezeiung schickte Agamemnon Ulixes auf die Suche nach Achilles (Exkurs zur Geschichte des Achilles). [1] [1] Der Text verweist auf Statius' >Achilleis'.
II. 1) Die ma. C-Gestalt; 2) Antike Motive; 3) Zusammenfassung
1) Kalchas, der Seher der Griechen vor Troja, ist schon in Homers ,Ilias' in die wichtigsten Entscheidungen eingebunden. Der spätantike Trojabericht des Dares Phrygius macht ihn zum trojanischen Uberläufer, A2
148
Caligula
folgt mittelbar über Benoits de Sainte-Maure ,Roman de Troie' dieser Version. In A4 ist sie rudimentär reflektiert, wenn C als Priamus' Hofastrologe gedacht ist, ansonsten tritt die Gestalt hier ganz in den Hintergrund. A2 verarbeitet weiters nach Dares-Benoit das Motiv von C's Tochter Briseis, die der Seher ins Griechenlager bringen lässt. Hier knüpft die Troilus-Briseis-Handlung an, die nachmals ein weltliterarisches Sujet werden sollte. Zunächst hat sie Boccaccio nach Benoit bzw. Guido de Columnis zu dem Versepos ,11 Filostrato' (1337-39) ausgestaltet (hier erstmals Griseida statt Briseida); diesem folgt Chaucers Versepos ,Troylus and Cryseyde' (1385), auf das wiederum Shakespeares Drama ,Troylus and Cressida' zurückgreift. [1] 2) A3 folgt zwar grundsätzlich derselben Tradition wie A2, streicht aber sowohl das Motiv vom Überläufer C als auch jenes von der Rückforderung der Briseis, berichtet dafür wie A l von C's Deutung des Schlangenzeichens und des Sturmes in Aulis nach Ovids ,Metamorphosen' (12,11). Die Abschwächung des Motivs von der Opferung Iphigenias zu einer gewöhnlichen Opferhandlung in A2 wird dabei zurückgenommen. In A3 veranlasst C weiters die Fahrt um Achilles (so auch Β1, eventuell nach A3 oder direkt nach Statius), die Beschwörung Apollos wird mit Hinweis auf C's Metamophosen plastisch beschrieben. Bei C's Weissagungen vor dem Untergang Trojas stimmen A2 und die Fortsetzung von A3 überein (beide Male nach Benoit bzw. Dictys). Das Motiv, dass Polyxena auf C's Veranlassung als Sühneopfer für Achilles zu töten sei (A2), lässt sich über Benoit-Dictys und Ovids,Metamorphosen' bis zu Euripides' ,Hekabe' und ,Troerinnen' zurückverfolgen. 3) Eigene Züge entwickelt die Figur nur in A2 und in A3. In A2 zeigt C einen Hang zum Opportunismus, in A3 lässt die Beschwörung Apollos den heidnischen Zauberer grotesk erscheinen. [2] Tiefgreifende Kritik oder Skepsis gegenüber heidnisch-antikem Sehertum im historischen Sinne kommt darin allerdings nicht zum Ausdruck, weil der „vates"
weitgehend zum ma. Magier und Astrologen umgedeutet ist. [1] -» Briseis. [2] Hierzu Lienert, Geschichte und Erzählen, 119f. [mk]
Caligula [Gaius Iulius Caesar Germanicus, genannt C, 37-41 n. Chr. röm. Kaiser, Sohn des Germanicus und der Vipsania Agrippina, wird von Prätorianern ermordet]
R: König (El, E2), Kaiser (E3), Vorgänger Neros (E2) Nf.: Caligola (E3), Cayus (E2), Gajus (El) I. E l ,Kaiserchronik' 1116: C folgt Tiberius, unter seiner Herrschaft bricht in Rom ein unlöschbares Höllenfeuer aus. Iuppiter verlangt als Sühneopfer den freiwilligen Feuertod eines Ritters. Iovinus Curtius] erklärt sich dazu bereit, wenn ihm vorher alle Frauen Roms zu Willen sind. C wird nach einer Herrschaftszeit von 3 Jahren und 10 Monaten von einem Blitz getötet.
E2 Jans Enikel,, Weltchronik': Unter der Herr-
schaft des schrecklichen C wütet in Rom ein verheerendes Feuer, das laut Vergilius nur durch den Feuertod eines freiwilligen Opfers gelöscht werden kann, wozu ein Ritter bereit ist (22743). Nach C herrscht in Rom der schreckliche Nero (22935). [1] [1] Von Claudius, der historisch auf C folgte, berichtet E2 erst nach Vespasian.
E3 Heinrich von Hesler,,Evangelium
Nicode-
mi' 4598: C stirbt eines natürlichen Todes (Katalog röm. Kaiser).
II. Die Chroniken El und E2 tradieren ein traditionell negatives C-Bild und referieren in Verbindung mit C die röm. Volkssage von Marcus Curtius (Livius VII.6,1-6). [1] Die knappe Nennung in E3 bleibt überraschend neutral. [1] Zur Umgestaltung
Curtius. [sks/mk]
Callicrates — Callisto
149
Callicrates
I.
[Tributeintreiber Alexanders; Curtius V.2,17]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 1354·. C ist
Al Rudolf von Ems, vAlexander' 13501·. C soil
einer der Lehrmeister des jungen Alexander (Katalog).
im Auftrag Alexanders die Tributzahlungen eintreiben (Alexanders Eroberungszug nach Persien). [sks]
Callicratides [Perser, Gesandter aus Lacedaemonien; Curtius 111.13,15]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 7640 (Kallikratides)·. C kommt den Persern aus Lacedaemonien zu Hilfe und gerät in makedonische Gefangenschaft (Kampf der Griechen gegen die Perser in Babylon). [sks]
Calliope [Tochter des Zeus und der Mnemosyne, Mutter des Orpheus, vornehmste der neun Musen, Patronin des heroischen Epos und der Elegie; M M 5,339]
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen'
(Caliope)·. Die Jungfrau C tritt als eine der Musen im Sangeswettstreit gegen die neun Töchter der Euippe und des Pierus an. Sie singt zu ihrer Harfe von der Bestrafung des zuvor von ihrer Gegnerin frevelhafterweise gepriesenen Riesen Typhoeus, von der Entführung Proserpinas durch Pluto und von Ceres' Suche nach ihrer Tochter. Die Musen erhalten den Sieg zugesprochen, die Pieriden werden in Elstern verwandelt (5,610; 5,1221; Sangeswettstreit am Helicon).
A2 Ulrich von Etzenbach, »Alexander' 18925: C, neben Aristoteles der beste Lehrer, ermahnt seinen Schüler Hermolaus, nicht zu weinen, als dieser von Alexander gezüchtigt wird, da er ja ein Mann werden wolle. Alexander missversteht dies als Drohung, Hermolaus werde sich als Erwachsener an ihm rächen, und lässt Hermolaus und C hinrichten.
II. C ist vor allem als Pseudo-Autor des ersten Alexanderromans von literaturgeschichtlicher Bedeutung. Auf diesem basiert u.a. der Alexander' von Archipresbyter Leo (10. Jh.), dessen Überarbeitung, die ,Historia de preliis', maßgeblichen Einfluss auf die hochma. Alexanderliteratur hatte. Die Belege in Al und A2 erwähnen hiervon allerdings nichts, sondern nennen C als Lehrer Alexanders (Aristoteles' Unterrichtstätigkeit überträgt sich auch auf andere Gelehrte im Umkreis des Makedonenkönigs). Die Angaben über C's und Hermolaus' Hinrichtung in A2 gehen über die Alexandreis' Walters von Chätillon auf Quintus Curtius Rufus (VIII.8,21) zurück. Historischer Hintergrund ist die so genannte Pagenverschwörung, die von Hermolaus wegen einer Züchtigung durch Alexander angezettelt wurde. Als Hermolaus' Erzieher geriet auch C unter Verdacht [1]. [1] S.v. Hermolaos
[mk/sks]
[mk]
Callisthenes
[1.] (G. Wirth), in: DKP, Bd. 2,
Sp. 1085.
Callisto
[Philosoph aus Olynth, ca. 370-327 v. Chr., Verwandter des Aristoteles, begleitet Alexander als Hofhistoriker nach Asien, wird anlässlich der so genannten Pagenverschwörung hingerichtet oder gefengen genommen]
[Tochter des Lycaon, Mutter des Areas, Jagdgefährtin der Diana, wird von dieser wegen ihrer Schwangerschaft verstoßen, von Iuno in eine Bärin verwandelt und von Iuppiter gemeinsam mit Areas verstirnt (Sternbild des Großen Bären); M M 2,409ff.]
R: Gelehrter (Al, A2); Lehrer Alexanders (Al), des Hermolaus (A2) Nf.: Calestena (Al), Calistenes (A2)
G: Geliebte des Iuppiter, Mutter des Areas (Al, E l ) Nf.: Geta (El)
150
Calypso — Camilla
I.
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Calisto)·. C, die Tochter Lycaons und Gefährtin Dianas, wird von Iuppiter geschwängert und von Diana verstoßen, als ihre Schwangerschaft beim Baden entdeckt wird. Nach der Geburt des Areas verwandelt Iuno C aus Eifersucht in eine Bärin. Als Areas C auf der Jagd begegnet, erkennt er sie naturgemäß nicht und fühlt sich bedroht. Bevor er sie tötet, versetzt Iuppiter beide als Siebengestirn (die Pleiaden) an den Himmel. Iuno verhindert, dass es sich wie die anderen Gestirne im Meer abkühlt, deshalb geht es nie unter (2,927-1109). E l Rudolf von Ems,,Barlaam' 10004: Iuppiter brachte Callisto wie andere seiner zahlreichen Geliebten durch Betrug dazu, sich ihm hinzugeben, und zeugte mit ihr den Areas (Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden; Exemplum für die Verkommenheit der gr. Götter, Katalog der Geliebten des Iuppiter). II. Die ausführliche Darstellung des C-Mythos in Al folgt direkt Ovid. C wird bei Ovid allerdings nicht namentlich genannt, Al lag vermutlich eine glossierte Hs. vor. [1] In El gibt C's Verbindung mit Iuppiter ein Beispiel für die moralische Verwerflichkeit der gr.-heidnischen Göttervorstellung. Der stark polemische Ton steht in der Tradition der christlichen Apologetik. Die Nf. Geta beruht offensichtlich auf Textverderbnis. [ 1 ] Zur fälschlichen Bezeichnung des Sternbilds als Siebengestirn Areas. [mk]
Calypso [Tochter des Atlas, Nymphe auf der Insel Ogygia, verspricht dem von ihr geretteten schiffbrüchigen Odysseus Unsterblichkeit und hält ihn sieben Jahre gegen seinen Willen fest; Dictys 124,10; Benoit 28709 Calipsa]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 17685 (Calipsa): C ist so schön, dass Ulixes bei ihr geblieben wäre, wäre ihre Liebe beständig
gewesen. Wegen ihrer Untreue verlässt er sie aber [1] (Nachgeschichte des Trojanischen Krieges; Abenteuer des Ulixes). [1] Die Umdeutung des klassischen Motivs von Odysseus' Sehnsucht nach Heimat und Gattin zum Motiv von C's Untreue geht auf den afrz. Trojaroman Benoits de Sainte-Maure zurück. Sie erklärt sich als Aktualisierung im Sinne höfischer Minnethematik, so in Al etwa auch bei -* Clytaemestra. [mk]
Cambyses [Persischer Großkönig, 529-522 v. Chr., Sohn des Cyrus, erobert Ägypten]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 15705 (Cambises): C, der Sohn des Cyrus, folgt seinem Vater als König von Persien, nach ihm übernehmen zwei Zauberer die Herrschaft (Prolog zum 5. Buch; Katalog der persischen Könige vor Alexander). [1] [1] Der Katalog bezieht sich auf die Angaben zu den Perserkönigen in der .Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1474), auf die von Al (192) auch explizit hingewiesen wird (-» Artaxerxes [2]). Zu den beiden Magiern, die C folgen sollen, ebd., Sp. 1480b. Historischer Hintergrund ist der Aufstand des Magiers Gaumata. Um ihn niederzuschlagen, zog C zurück nach Persien und erlag auf der Fahrt einer Verletzung, s.v. Kambyses (J. Duchesne-Guillemin), in: DKP, Bd. 3, Sp. 99f. [mk]
Camenae
Musae
Camilla [Tochter des Volskerkönigs Metabus, Führerin der volskischen Reiterei, unterstützt Turnus im Kampf gegen Aeneas, wird von Arruns getötet; .Acncis' 11,432]
W: Amazone (B3) R: Königin von Volcane (Al), vrouwe (Epitheton) (Bl) Nf.: Camille (Al, B2), Kamilla (Al), Kamille (Bl, B3) I.
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman\ C unterstützt mit einem Heer von 500 Jungfrauen Turnus gegen Aeneas und reitet auf einem prächtigen Pferd in Laurente ein. Sie
Camilla ist hellblond, braunäugig, schön wie eine Göttin, jungfräulich und kämpft in ihrer Ritterrüstung wie ein Mann (5144-5291). Als sie den Kampf gegen die Trojaner eröffnet, furchten diese, C und ihre Mitstreiterinnen seien Göttinnen (8791-8964). C tötet Tarchon, weil er sie verhöhnt, einen weiteren Trojaner sowie Chloreus, dessen kostbaren Helm sie begehrt. Dabei fällt sie durch Arruns. Sogar Aeneas beklagt ihren Tod. C's Leiche wird in die Heimat überführt und in einem prächtigen, von Geometras erbauten Mausoleum beigesetzt. Die Grabinschrift betont ihre Tapferkeit (9006-9500). B1 Wolfram von Eschenbach, ,Parzival\ Als Gawan auf ein Pferd mit Damensattel trifft, vermutet er, dass es der edlen C gehören könnte, die ruhmvoll vor Laurentum kämpfte. [1] Wäre sie noch am Leben, würde er gegen sie antreten (504,25). Die Wundersäule von Schastel Marveille ist so solide gebaut, dass sie auch C's Sarg tragen hätte können (589,8; Descriptio).
151
II. C, Vergils „verkappte" Amazone, war für die ma. Literatur eine überaus interessante Gestalt. Sie repräsentiert wie die Amazonen selbst den tabuisierten Typus der kämpfenden Frau. [1] Al widmet seiner C daher große Aufmerksamkeit, wie der rhetorische Aufwand bei ihrer Einführung in die Handlung und bei der Beschreibung ihres Grabmals zeigt. Die C Vergils wird zwar verritterlicht und höfisiert, [2] bleibt aber positive Gestalt (Kritik äußern nur die Gegner, selbst Aeneas trauert um sie). Der literarische Text weiß somit das Potential der Figur zu nutzen und durchbricht dabei die gängigen ma. Moralvorstellungen. Analoges lässt sich am Amazonen-Bild der höfischen Literatur beobachten. Den durchschlagenden Erfolg und die breite Rezeption der C-Gestalt belegen die übrigen Nennungen, die sämtlich auf Al bezogen werden können (man beachte die expliziten intertextuellen Verweise in Bl, B3 und Dl). Bemerkenswert sind vor allem die Belege in [1] Die Bemerkung, C habe „mit riterlichem maere" Bl und B2. Sie fügen sich in ein ganzes Bün(504,26) vor Laurentum gekämpft, kann als Hinweis auf del von Anspielungen Wolframs auf Al. Die Al verstanden werden. von Gawan imaginierte Aventiure mit C in B2 Wolfram von Eschenbach,, WiUehalm '229,29. Β1 lässt sich als männliche Wunschphantasie C und Tarpeia kämpften tapfer vor Laurentum des „chevalier errant" begreifen, B2 betont und hätten es dennoch der harnischgefärbten mit der Uberbietung C's durch Gyburg die Gyburg, die Oransche verteidigt, nicht gleichDramatik der geschilderten Ereignisse. [3] tun können (Überbietung). Überbietung und Gedankenexperiment von B3 Rudolf von Ems, Alexander' 17776\ C war D l reflektieren die Liebeskrieg-Metaphorik eine Amazone und kämpfte vor Laurentum der höfischen Literatur. gegen Aeneas (Alexanders Begegnung mit den Anlässlich der Begegnung Alexanders mit der Amazonen). [1] Amazonenkönigin Thalestris bringt B3 C ex[ 1 ] Neben C wird auf den Kampf der Amazonen vor Troja plizit in Zusammenhang mit den Amazonen verwiesen. Der Erzähler erinnert das Publikum an bekannte Amazonenkämpfe („vil lihte ist iu daz wol erkant" 17772), und verbindet auf diese Weise zwei zentrale setzt also offenbar die Kenntnis von Troja- und Eneasroman Gestalten und Sujets des ma. Romans, Aevoraus. neas und Alexander sowie Eneas- und AleD l ,Minneburg' 4174·. Von der streitbaren xanderroman. und kühnen C wird im ,Eneas' [1] berichtet. [1] -* Amazonen. U. Schulze, Sie ne tet niht abe ein wip. Aeneas musste vor ihr Respekt haben. Der Intertextuelle Variationen der amazonenhaften Camilla, in: liebende Ritter, dessen Fall die personifizierte Dt. Lit. und Sprache von 1050-1200. FS U. Hennig. Hg. Treue vor das Minnegericht bringt, furchtet A. Fiebig und H.-J. Schiewer, 1995, 235-260. [2] Zur Differenz zwischen klassischer und ma. C-Figur vgl. seine Minneherrin der Liebe wegen noch E. Auerbach, C oder über die Wiedergeburt des Erhabenen, viel mehr, auch wenn sie keine C ist (Uber- in: ders., Literatursprache und Publikum in der lat. Spätanbietung). tike und im MA, 1958, 135-176. [1] ,Eneas' kann als ma. Titel von Al aufgefasst werden.
[3] Kern, Edle Tropfen, 273ff.
152
Canace — Candacis
Nachbenennungen Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crdne' 1614: C besteht wie auch andere Damen am Artushof die Tugendprobe mit dem Becher nicht. ,Prosa-Lancelot' (Canille)·. C ist eine Namensvariante zu Gartissie (1.457,6), der Herrin von Sachsenfels, die Artus in ein Liebesabenteuer verwickelt und ihn danach in den Kerker werfen lässt. Er wird von Lanzelot befreit, die überaus schöne, aber verschlagene Zauberin stürzt sich vom Felsen und verletzt sich schwer, der Sachsenfels wird erobert (1.479,4; 1.479,16). [1] ,Göttweiger Trojanerkrieg 24371 (Camille)·. C ist die Mutter Turpins und Schwester des Agamemnon. [2] [ 1 ] Ein Zusammenhang mit C aus dem,Roman d'Eneas' ist naheliegend. C kämpft hier - wie dort verlangt - mit den Waffen der Frau, vgl. Steinhoff (Hg.), Bd. II, 959, Anm. zu 1280,26. [2] Auch hier wird die C-Gestalt reflektiert, ihre Versippung mit Agamemnon ist bemerkenswert. [mk]
Canace [Tochter des Aeolus und der Enarete; begeht mit ihrem Bruder Macareus Inzest]
B1 Gottfried von Straßburg, ,Tristan' 17190 (Canazej: Tristan und Isolde erzählen einander unter der Linde bei der Minnegrotte Geschichten von unglücklich Liebenden wie C und betrauern deren Liebesleid (Exempelfigur; Katalog unglücklicher Liebender). [1] [ 1 ] Neben C werden Byblis, Phyllis und Dido genannt. Mögliche Quellen sind Ovids .Metamorphosen' und,Heroides' oder die Fabeln des Hyginus (so Knapp, Selbstmord, 258). Aufschlussreich ist, dass es sich durchwegs um „Verbrecher aus Liebe" handelt: Byblis und C begehen Inzest (was nur bei Byblis ausdrücklich erwähnt wird), Phyllis und Dido Selbstmord. Dennoch enthält sich der Text jedes moralischen Urteils und konzentriert sich auf den Prozess der Identifikation mit den Liebesleidenden durch Tristan und Isolde, die so in der Rolle der idealen Rezipienten einer tragischen Liebesgeschichte, eines „senemaere", wie es der Roman ja auch selbst ist, gezeigt werden; vgl. Kern, Edle Tropfen, 186ff. [mk]
Candaceus [Kämpfer auf Seiten des Porus gegen Alexander; Chätillon IX.212]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander' 19686 (Chandacor)·. C wird im Kampf zwischen Porus und Alexander von Glaucus (-» Glaucus [4]) getötet (Alexanders Zug nach Indien; Kämpferkatalog). [mk]
Candacis [D.i. Kandake, eigentlich der Titel der nubischen Königinnen des meroitischen Reiches, wird von den antiken Dichtern als Eigenname aufgefasst; Königin der Meroer, Mutter des Candaules und des Carator; Leo 112,17]
G: Gattin des Fizcator (A2), Mutter des Carator und des Candaules (Al, A2) R: Königin (Al, A2) von Meroe (Al), vrouwe (Epitheton) (Al) Nf.: Candacia (Al) I.
Al Pfaffe Lamprecht, ,Alexander'·. C, die schönste aller Frauen, lebt in einem Reich am Ende der Welt, erhält von Alexander ein Porträt des Gottes Ammon zugesandt, bedankt sich mit reichlichen Gaben und lässt Alexander durch einen Maler porträtieren. Auf diese Weise erkennt sie ihn, als er als sein Bote Antigonus getarnt an ihren Hof kommt. Sie warnt ihn vor Carator und sagt ihm ihren Schutz zu (S5522), geht mit ihm eine Liebesbeziehung ein, verschweigt seine wahre Identität, verteidigt ihn nach seiner Enttarnung gegenüber ihren Söhnen, indem sie sich auf das Gastrecht beruft, und schenkt ihm einen Mantel und eine Krone ([S62356461]; Briefbericht Alexanders über seinen Zug ans Ende der Welt). A2 Ulrich von Etzenbach, Alexander'·. Obwohl C und Alexander einander nie gesehen haben, fühlen sie sich zueinander hingezogen, C schickt ihm Liebesbriefe und lässt heimlich ein Bild von ihm malen, Alexander möchte C's Ritter sein (17209-17322; 15236: Alexanders Schlachtruf lautet „C"). C schickt Alexander aus Liebe ein kostbares Gewand, das dieser bei seinem triumphalen Einzug in Babylon trägt (14521; 14544). Sie trägt wie ihre Söhne Candaules und Carator die Krone ihres Landes (19445; Alexanders Zug nach Indien). Nach dem Sieg über Porus reitet Alexander als sein eigener Bote Antigonus verkleidet zu C (20264), die ihn erkennt, sich dies aber nicht anmerken lässt (20288). Sie erklärt dem vermeintlichen Boten, dass sie
Candaules Alexander nicht mehr liebe, da er Candaules und dessen Schwiegervater Porus getötet habe. Alexander versichert ihr, dass die beiden noch leben ([20315-20368]). CeröffnetAlexander, dass sie ihn sofort erkannt habe, gibt ihm die Schuld am Tod vieler Männer (20395), kündigt ihm die Freundschaft auf und lässt ihn gefangen nehmen. Als Alexander an C's Güte appelliert, will sie Candaules über sein Schicksal entscheiden lassen (20409), wird später aber von ihrer Liebe zu Alexander überwältigt (20457; 20469) und versteckt ihn vor Candaules, der schließlich widerstrebend Alexanders von Carator zugesagtes freies Geleit respektiert (20516). C stiftet Freundschaft zwischen Carator und Alexander (20550; 20783; 20868). Zum Dank für die Bestrafung der Entführer von Candaules' Gattin setzt C Alexander die Krone auf und schenkt ihm einen prächtigen Palast (23291; 23363). Als Aristander Alexander ermahnt, sein Verhältnis zu C aufzugeben, betört sie den Gelehrten und reitet ihn wie ein Pferd (23446; 23520). Nach seinem Greifenflug landet Alexander in C's Burggarten, wird von ihr freudig begrüßt, bleibt auf ihre Bitten einige Zeit und erhält beim Abschied ein herrliches Pferd (24750; 24771; Alexanders Zug ans Ende der Welt).
Anhang (Belagerung
Tritonias)·. Das Belage-
rungszelt Alexanders ist ein Geschenk von C (1718).
II. Die Meroerkönigin C erscheint schon im Alexanderroman des Pseudo-Kallisthenes, später auch bei Valerius und im Alexander' des Leo Archipresbyter, der Quelle für die C-Episoden in A l und A2. In der Alexanderhistorie des Q. Curtius Rufus wird sie nicht erwähnt, ebenso wenig in dem von diesem abhängigen mlat. Alexanderepos Walters von Chatillon (an sich Hauptquelle von A2) und im mhd. Alexanderroman des Rudolf von Ems. C wird als edle, mächtige, kluge und überaus schöne Königin dargestellt. Sie repräsentiert den in der höfischen Epik beliebten Typus
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der orientalischen Dame, die sich vor allem durch großen Reichtum und erotische Freizügigkeit auszeichnet. Die C-Gestalt von A l könnte möglicherweise Vorbildwirkung für spätere Romane gehabt haben, z.B. für Belakane in Wolframs ,Parzival'. Auf dessen Weiterentwicklung des Typus greift wiederum A2 in seiner Ausgestaltung zurück. Mit C werden im Alexanderroman gängige höfische Minnethematik und -motivik verarbeitet. In A2 ist die Liebeshandlung breit ausgeführt, das Motiv der Fernminne ist deutlicher, thematisiert wird auch die Problematik des Ehebruchs. A2 bringt in diesem Zusammenhang außerdem das Motiv vom „gerittenen Gelehrten", hier mit Aristander und nicht wie üblich mit Aristoteles verbunden. C erweist sich in beiden Texten aber auch als kluge Politikerin, die besonders in A2 äußerst diplomatisch agiert und die Aussöhnung zwischen Alexander und ihren Söhnen, wichtigen Herrschern des Orients, geschickt arrangiert. [mk/sks]
Candaules [Sohn der Candacis, Bruder des Carator, kämpft auf Seiten seines zukünftigen Schwiegervaters Porus gegen Alexander; Leo 113,14]
G: Sohn der Candacis ( A l , A2) und des Fizcator (A2), älterer (A2) Bruder des Carator (Al, A2), Schwiegersohn des Porus (A2) R: König (A2) Nf.: Candaulus (Al, A2) I. A l P f a f f e Lamprecht, vAlexanderC erhält von Ptolemaeus Unterstützung bei der Rückholung seiner entführten Frau, gerät mit Carator in Streit um das Schicksal des bei Candacis weilenden Alexander, respektiert aber schließlich das Gastrecht Alexanders (S5599-6283; Alexanders Zug ans Ende der Welt).
A2 Ulrich von Etzenbach, ^Alexander': C und sein Bruder Carator kämpfen auf Seiten des Porus gegen Alexander. Ihr ehrenhaftes Verhalten haben sie von ihrem Vater geerbt,
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Canopus — Capaneus
beide tragen gemeinsam mit ihrer Mutter die Krone ihres Landes (19437-19453). C fuhrt Bild und Namen seiner Minneherrin, der schwarzen Königin Agyris, auf seinem Schild, ist in der Schlacht gegen Alexander Wachposten der Inder (19769; 19775; 19780), besiegt Craterus im Zweikampf (19817-19878) und kämpft mit Carator an Porus' Seite (19940; 20015). Er verhindert, dass Porus seinen Bruder Taxiles wegen dessen Flucht in der Schlacht tötet (20068), und zieht nach dem Sieg Alexanders im Zweikampf gegen Porus ohne Friedensschluss ab (20103; 20108; 20247). C entlarvt den an Candacis' Hof als gr. Bote getarnten Alexander, muss aber dessen von Carator zugesagtes Gastrecht respektieren (20345-20532). Nach einer von Candacis eingefädelten Annäherung führt C Alexander zu dem Volk Gog und Magog (20871-20897). Alexander lässt die Entfuhrer von C's Frau töten und begleitet C zurück an seinen Hof, wo er prächtig empfangen wird und ihm Candacis als Dank die Krone aufsetzt (23290-23355). II. C wird bereits im Alexanderroman des Pseudo-Kallisthenes erwähnt, findet sich dann bei Valerius und schließlich bei Leo Archipresbyter, der Quelle von A l und A2. A2 bringt als einziger Text das Motiv der Entführung von C's Gattin (angeregt durch analoge Motive im zeitgenössischen Roman, etwa die Entführung Ginovers in den verschiedenen Lancelot-Versionen). Der Name ist womöglich von Kandaules, dem bei Herodot erwähnten, von Gyges gestürzten lydischen König [1] inspiriert. Mit der Gestalt erhält die CandacisEpisode jedenfalls eine politische Dimension. Produktiv ist das Motiv des feindlichen Sohnes der Geliebten vor allem in A2, wo es aufgrund des diplomatischen Geschicks der Candacis und wegen Alexanders Unterstützung für C gegen die Entführer von dessen Gattin schließlich zur Aussöhnung kommt. [1] S.v. Kandaules Bd. 3, Sp. 107.
(J. Duchesne-Guillemin), in: DKP, [mk/sks]
Canopus [Steuermann des Menelaus, von einer Schlange getötet; Dictys 122,22; Benoit 28452]
Al Herbort von Fritzlar,,liet von Troye'17474: C, der Steuermann des Menelaus, wird auf der Heimfahrt von Troja von einer Schlange gefressen (Bericht des Menelaus). [1] [1] Das Geschehen wird in anderen antiken Quellen in Ägypten lokalisiert. Nach C soll die Stadt Kanobos bzw. die Insel vor der entsprechenden Nilmündung benannt worden sein; s.v. Kanobos fl.J (H. W. Helck), in: DKP, Bd. 3. Sp. 108; einige Versionen sind aufgelistet s.v. Canobus, in: Hederich, Sp. 623-626. [mk]
Capaneus [Argiver, Sohn des Hipponoos und der Astyome, einer der Sieben gegen Theben, wird von Iuppiter mit einem Blitz getötet]
Nf.: Canepeus (Al) I.
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'3316: Der vor Theben gefallene C befindet sich in der Unterwelt (Unterweltfahrt des Aeneas; Katalog der vor Theben gefallenen Helden).
A2 Ulrich von Etzenbach, ^Alexander'3166: C ist einer der Sieben gegen Theben, die nach tapferem Kampf erschlagen werden (Belagerung Thebens durch Alexander; Exkurs zur Geschichte Thebens). II. Die Nennungen von C in A l und A2 gehören zu den wenigen Erwähnungen des Mythos von den Sieben gegen Theben in der mhd. Literatur. In der afrz. Literatur sorgte der ,Roman de Thebes' für eine relative Bekanntheit des Stoffes. Die Romanbearbeitung der ,Thebais' des Statius wurde aber nicht ins Dt. übersetzt. A l bezieht seine Informationen aus dem afrz. ,Roman d'Eneas', A2 lagen zu der knappen Anspielung auf den Thebenmythos in der Alexandreis' Walters von Chatillon Glossen vor. [1] [1] Vgl. etwa die bei Colker (Hg.), 364 abgedruckten Glossen der Wiener Hs. V. [mk/sks]
Capetus - Cassandra Capetus [König von Alba Longa; M M 14,613]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 14,597: C folgt auf Epytus als König von Italien (Katalog). [mk]
Capys [König von Alba Longa; M M 14,613]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 14,598: C folgt auf Capetus als König von Italien (Katalog). [1] [1] Bei Ovid herrscht Capys vor Capetus. [mk]
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A2 Ulrich von Etzenbach, Alexander': C und Candaules ziehen an Porus' Seite in den Kampf gegen Alexander, ihr ehrenhaftes Verhalten haben sie von ihrem Vater geerbt, der bei einem ritterlichen Zweikampf starb. Sie tragen gemeinsam mit ihrer Mutter die Krone ihres Landes (19437; 19443; 19939; 20015). Nach dem Sieg Alexanders im Zweikampf gegen Porus schließt C Frieden (20252) und gewährt dem als Boten verkleideten Alexander freies Geleit zum Hof der Candacis. Er bekräftigt sein Wort, als Candaules Alexander enttarnt, und geleitet ihn zurück. Candacis stiftet Freundschaft zwischen C und Alexander (20256-20537). II.
Caranus [Heerführer Alexanders; Curtius V l l . 3 , 2 ]
Al Rudolf von Ems, Alexander': Fürst C erhält von Alexander Hilfstruppen gegen Satibarzanes (20708; 21105; Alexanders zweiter Zug gegen Bessus). [sks]
Die Liebeshandlung zwischen Alexander und Candacis hat mit den beiden Söhnen der Meroerkönigin auch eine politische Dimension. Im Gegensatz zu Candaules, der verwandtschaftlich mit Porus verbunden ist, verhält sich C in A2 gegenüber Alexander versöhnlich und verhindert einen Rechtsbruch seines Bruders. Die Figur findet sich bei Valerius und bei Leo Archipresbyter, der Quelle von Al und A2.
Carator
[mk/sks]
[Sohn der Candacis, Bruder des Candaules; Leo 117,14]
G: Sohn der Candacis (Al, A2) und des Fizcator (A2), jüngerer (Al) Bruder des Candaules (Al, A2), Schwiegersohn des Porus (Al) R: König (A2) Nf.: Caracter (Al), Karacter (Al), Karator (A2)
Cassandra [Tochter des Priamus und der Hecuba, Zwillingsschwester des Helenus, Seherin, wird von Apollon dazu verurteilt, dass ihre Unheilsprophezeiungen keinen Glauben finden]
G: Tochter des Priamus und der Hecuba (Al, A2, A3), Schwester des Hector (Al, A2, A3), Al P f a f f e Lamprecht, Alexander: Candacis des Paris (Al, A2, A3), des Deiphobus (Al), warnt Alexander vor C, der über den ver- des Troilus (Al), des Helenus (Al, A2), der meintlichen Tod des Porus durch Alexander Creusa (Al) und der Polyxena (Al, A3) erzürnt ist. C und Candaules geraten in Streit R: Königstochter (A2, A3), Königin (A2), über das Schicksal des als Boten verkleideten Prophetin (Al, A2), Sibylle (Al), Schneiderin Alexander, respektieren aber schließlich Ale- (Bl, B2), Weberin (B2) xanders Gastrecht (S6229-6293; Alexanders Nf.: Cassandaria (A3), Cassander (A2, Bl), Casandra (A3), Cassandre (A3), n.n. (El) Zug ans Ende der Welt). I.
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Cassandra
I. A l Herbort von Fritzlar, ,lietvon Troye': C, die jüngste Priamustochter, ist eine Sibylle und hat die Geburt Christi prophezeit (1692; 1694). Unter Berufung auf ein Buch prophezeit sie wie Helenus ein von Paris drohendes Unheil, dem keiner entrinnen werde (2312; 2317). Bei Helenas Ankunft erneuert C ihre prophetische Klage, verdirbt mit ihrem Geschrei das Fest (2756-2772; 3261: Descriptio C's), wiederholt ihre Unglücksprophetie nach der Landung der Griechen, klagt, dass nur Helenus sie ernst nehme, verflucht Helena und wird von Priamus und Hecuba zum Schweigen gebracht (6129). C versorgt mit Hecuba und Polyxena den verwundeten Hector (7175). Priamus fürchtet Hectors Tod im Kampf und die Erfüllung von C's Prophezeiung. Als Hector in die Schlacht reiten will, schreit C so heftig, dass ihr beinahe das Haupt zerbirst (9599; 9729; 9731). Als Paris fällt, sieht Helena C's Prophezeiungen in Erfüllung gehen (14061). Antenor, Aeneas, Anchises und Polydamas erinnern an C's und Helenus' Vorhersagen und fordern Helenas Rückgabe (15002). C führt das Misslingen des Opfers der Trojaner an Apollo auf Achilles' Ermordung im Tempel des Gottes zurück und lässt die Zeremonie vor Hectors Grabmal wiederholen (15818; 15832). Beim FallTrojas flüchtet C schreiend in den Pallastempel und klagt der Göttin ihre Not. Gemeinsam mit Andromacha hätte sie Helena getötet, wäre Menelaus nicht dazwischen getreten. Aiax Oiliades hält die beiden Frauen in Schach. Agamemnon verliebt sich in C, will sie heiraten und erfüllt C's und Helenus' Bitte um Schonung von Hecuba und Hectors Söhnen (16240-16382). C beklagt den Tod von Priamus, Hecuba und Polyxena und warnt Agamemnon vor dem Hinterhalt, der ihn bei seiner Heimkehr erwartet, sowie vor Apollos und Pallas' Rache für die von den Griechen bei der Zerstörung Trojas begangenen Freveltaten (16773). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg': C nimmt am Fest Iuppiters anlässlich der Hoch-
zeit von Thetis und Peleus teil. Sie weiß nicht, dass Paris lebt (1098; Katalog), beklagt mit Priamus Laomedons Tod (13268; Katalog), spricht sich gegen Paris' Fahrt nach Griechenland aus (19359), prophezeit wiederholt ein Blutvergießen, Feuer, einen Krieg und die Zerstörung Trojas, wird aber in ihrer maßlosen Klage, in der sie sich die Haare ausreißt und die Haut aufkratzt, für wahnsinnig gehalten und von Priamus eingesperrt — hat aber Recht (23230; 23371; 23726). Hätten die Trojaner ihrer Prophezeiung geglaubt, müssten sie nicht sterben. C prophezeit erneut den Fall Trojas, rät zur Flucht und wird in einem Turm eingeschlossen (38968-39021). ,Trojanerkrieg'-Fortsetzung\ C führt das Erlöschen des Opferfeuers auf die Entehrung Apollos durch Achilles' Ermordung im Tempel des Gottes zurück (47566), flüchtet vor den Griechen in den Pallastempel (48324), wird von Aiax Oiliades gefangen genommen (48453), nach der Zerstörung Trojas Agamemnon überlassen (48582), soll die Zukunft der Griechen weissagen und prophezeit Agamemnons Tod sowie die glückliche Heimkehr von Menelaus (48877). A3 ,Göttweiger Trojanerkrieg'·. C trägt beim Empfang des Astrologen Samlon in Troja ein prächtiges Kleid (678; 739). Gemeinsam mit Hecuba empfängt sie Hector, als er mit dem wiedergefundenen Paris in Troja ankommt (11186), zieht mit dem trojanischen Hofstaat Paris, Hector und dessen Braut Pictorie zur Begrüßung entgegen (13345) und empfängt später gemeinsam mit Hecuba, Polyxena und Pictorie Helena herzlich in Troja (13726). C, Hecuba und Polyxena sind entsetzt, als Priamus selbst in die Schlacht mit den Griechen zieht, und beobachten von der Burgmauer aus das Kampfgeschehen (18043). Als Achilles Hector tötet und seine Leiche schleift, fällt C in Ohnmacht (19165). C wird wie Polyxena bei der Eroberung Trojas sterben (22711; VD; Katalog), sie schlägt sich aus Gram über den Tod Polyxenas (23149) mit einem Stein eigenhändig den Schädel ein (25139).
Cassandra B1 Gottfried von Straßburg,, Tristan'·. Der Verstand von C, der weisen Trojanerin, wurde im Himmel von den Göttern verfeinert. Auch wenn C Tristans Rittergewand unter Anwendung ihrer ganzen Kunst weben und Vulcanus seine Rüstung schmieden würde, könnten sie ihn nicht besser ausstatten, als es die Tugenden Hochgefühl, Reichtum, Anstand und höfische Gesinnung tun (4950; 4972; Tristans Schwertleite). B 2 ,Moriz von Craun' 1136\ Weder C noch sonst eine Weberin hätten etwas Schöneres wirken können als die Bettdecke der Gräfin von Beamunt. E l Jans Enikel, ,Weltchronik'·. C warnt die Trojaner vergeblich vor den als Geschenk getarnten, mit Kriegern besetzten ehernen Pferden [!] der Griechen ([16781]), beobachtet vom Turm aus den Fall Trojas und verflucht die Eroberer ([16878]). [1] [ 1 ] Beide Stellen sprechen von einfrou, die sich durch große Weisheit auszeichne.
II. 1) Die C-Gestalt im mhd. Trojaroman; 2) Anspielungen und Zusammenfassung
1) Dass C's Unheilsprophetien stets auf Unglauben stoßen, ist auch in den mhd. Trojaromanen Al und Al und im Trojabericht von E l das zentrale mit C verbundene Motiv. Erzähltechnisch hat es die Funktion der Vorausdeutung, die das trügerische Vertrauen der Trojaner auf ihre militärische Stärke und die scheinbare höfische Idylle, etwa bei der festlichen Stimmung nach der Entführung Helenas (Al), konterkariert. C warnt wiederholt vergeblich vor dem von Paris heraufbeschworenen Unheil (Al, A2) und dem drohenden Untergang Trojas (Al, A2, E l ) , in E l auch vor dem Trojanischen Pferd (eine Modifikation des Laokoon-Motivs aus Vergils ,Aeneis'). Al und A2 referieren weiters C's Deutung des misslungenen Opfers an Apollo, ihre Gefangennahme durch Aiax Oiliades, ihre Auslieferung an Agamemnon sowie ihre Prophezeiung von Agamemnons Tod bei seiner Heimkehr. Die Angaben folgen
157
den Berichten bei Dares und Dictys, vermittelt durch den ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, die Fortsetzung von A2 folgt direkt Dictys. [1] Dass C's Prophezeiungen von hysterischem Geschrei (Al) und einem an Wahnsinn grenzenden Verhalten (A2) begleitet sind, könnte das Motiv einer ekstatischen Trance während der Weissagungen reflektieren - vergleichbar den in Ekstase verkündeten Prophezeiungen der Sibyllen. (In Al wird C explizit als Sibylle bezeichnet, als solche soll sie auch die Geburt Christi prophezeit haben.) Aufgrund ihrer übertriebenen, antihöfischen Gesten erhält die C-Gestalt von Al aber vor allem groteske Züge, in A2 erklärt sich aus ihrem abnormen Verhalten das Misstrauen ihrer Umgebung. A3 weiß von C's seherischen Fähigkeiten nichts, die klassische C-Gestalt würde der Programmatik des Textes, der völligen Idealisierung der trojanischen Königsfamilie und der Unrechtmäßigkeit des Krieges (Paris hat legitime Ansprüche auf die unverheiratete Helena) [2] widersprechen. Als Relikte der im göttlichen Wahnsinn verzückten Prophetin bleiben in A3 nur C's krasse Reaktion auf Hectors Tod und ihr kurioser Selbstmord. C's Ermordung durch Clytaemestra in Mykene und ihre prekäre Beziehung zu Apollo werden nirgends thematisiert. Dass sie ihr Wissen aus einem alten Buch bezieht (Al), ist eine typisch ma. Umdeutung der antiken, vom Gott inspirierten Prophetin zur buchgelehrten Zauberin. 2) In den Anspielungen von B1 und B2 erscheint C als Exempelfigur für Kunstfertigkeit, beide Male verbunden mit einem Gedankenexperiment. B1 greift den literarischen Topos von der göttlichen Ausrüstung des Helden auf, konkretes Vorbild ist die im ,Eneasroman' Heinrichs von Veldeke geschilderte Rüstung des Aeneas durch Vulkan. Das mythologische Motiv wird in Β1 zitiert und mit dem Mittel der Allegorie, mit der „allegorischen" Ausstattung Tristans durch die höfischen Tugenden, überboten. [3] Die Vorstellung von C als Weberin lässt sich nur
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Cassandrus — Castor und Pollux
hier und in Β 2 belegen. [4] Dass B2 auf B1 zurückgreift, ist möglich. Alle Texte zeichnen ein wenngleich mitunter groteskes (Al), so doch grundsätzlich positives Bild C's, sie ist schön (Al, A2, A3), gebildet (A2, Bl) und besticht durch ihre Weisheit (Al, A2, Bl, El), Tugendhaftigkeit (Al, A2, A3) und Kunstfertigkeit (Bl, B2). [1] Zur Motivgeschichte in der antiken Literatur s.v. Kas145. [2] Vgl. Kern, Agamemnon weint, passim. [3] Zur Stelle Kern, Edle Tropfen, 161 ff. [4] Die von E. Schröder, Zu Moriz von Craon, ZfdA 4 3 (1899), 257-264, hier 257f. angeführte Stelle im afrz. .Roman d'Eneas' beruht auf einer Konjektur. [mk/sks]
sandra (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 3, Sp.
Cassandrus [Ältester Sohn des Antipater; Alexander träumt, von seiner Hand zu sterben; Curtius X. 10,17]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander' (Kassander): Alexander träumt, dass er von C mit einem Schwertstoß getötet wird, und behandelt ihn und dessen Vater Antipater daraufhin argwöhnisch (23597; 23617; VD auf Alexanders Ermordung durch Antipater und Patron). [1]
I. Al Albrecht von Halberstadt,,.Metamorphosen' 8,705/6: Wenn C und Ρ mit ihren Pferden bei der Jagd auf den Kalydonischen Eber nicht wegen des dichten Gestrüpps aufgehalten worden wären, hätten sie das Tier erlegt, ihr Lob gemehrt und sich eine Lorbeerkrone verdient. A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': C und Ρ gleichen einander in Aussehen und Wesen ([2915]; Descriptio) und führen beim ersten, von Hercules geleiteten Trojanischen Krieg eine Heerschar an. C wird verwundet und gefangen genommen und von Ρ befreit (1195-1488). C und Ρ verjagen Antenor, der in Priamus' Auftrag Hesiona zurückfordert (2004/5; 2083), sollen Sparta während Menelaus' Abwesenheit schützen, sind bei Paris' Ankunft aber selbst abwesend (2418/ 9; 2474/5) und kommen bei der Verfolgung des Entführers in einem Seesturm ums Leben (2873; 2875).
A3 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg': Die jungen, edlen, tugendhaften und mutigen Ritter C und Ρ unterstützen Hercules im ersten Krieg gegen Troja (11462/3) und führen einen Teil des Heeres an (11749/50; [1] Nach historischen Quellen soll sich C, nachmals 11892). C wird gefangen genommen und von König von Makedonien (305-297 v. Chr.), wegen seines Ρ befreit (11984-12096; 12276). Von C und Spotts über die von Alexander eingeführte Proskynese Ρ um Beistand bei einem Kriegszug gebeten, Alexanders Zorn zugezogen haben. Aufgrund dieses Streits entwickelte sich das Gerücht, C habe Alexander vergiftet, verlässt Menelaus Sparta, Paris kann Helena s.v. Kassandros [2.] (H. Volkmann), in: DKP, Bd. 3,Sp. 145- entführen (20862). Als C und Ρ davon erfah147, hierSp. 146. ren, schließen sie sich dem Rachefeldzug der [sks] Griechen gegen Troja an (23434; 23906), sie kämpfen vorTroja gegen Paris (34782-34900). C wird von diesem besiegt (34959-35390; als Castor und Pollux Kämpfer genannt: 36198-36216; 36743). [Zwillingssöhne des Zeus und der Leda, beide sind die so El Otto von Freising, ,Laubacher Barlaam' genannten Dioskuren] 11119/20: C und Ρ geben als im Ehebruch gezeugte Söhne Iuppiters ein Beispiel für W: Götter (E2, E3) G: Söhne des Iuppiter (El, E2), Zwillings- die Lasterhaftigkeit der gr. Götter (Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden; brüder (A3), Brüder (Al, A2) der Helena (A2, Götterkatalog). A3), Schwager des Menelaus (A3) R: Fürsten (A3), Dienstmannen des Menelaus E2 Rudolf von Ems,,Barlaam': C und Ρ zäh(A2) len für die Griechen zu den höchsten von Nf.: Pollus (A3) Iuppiter abstammenden Göttern (9761/2;
Catenes — Cato [1] Katalog), aus christlicher Sicht werden sie zu Unrecht Götter genannt, weil sie einer Affäre Iuppiters entstammen (10018; Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden; Katalog). E3 Rudolf von Ems,, Weltchronik' 3214·. C und Ρ zählen zu den von den Griechen in ihrer heidnischen Verblendung verehrten Göttern (Katalog). [1]
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Catenes [Verschwörer gegen Bessus, stiftet die Bactrier zum Aufstand an; Curtius VII.5,21]
Al Rudolf von Ems, yAlexander'·. C, Spitamenes und Dataphernes verschwören sich gegen Bessus und wollen ihn an Alexander ausliefern (21561-21615; Alexanders zweiter Zug gegen Bessus). [sks]
[ 1 ] Als weitere Götter werden Demiurgus, Mars, Saturnus, Iuppiter, Areas, Atlas, Apollo, Neptunus, Vulcanus, Mercurius und Hercules genannt.
Cato [1]
II. C und P, in der antiken Mythologie als die Dioskuren bekannt, sind nur in A3 explizit Zwillingsbrüder, in A2 impliziert dies die Aussage, sie seien einander völlig gleich. Ihre namentliche Nennung in Al könnte auf eine Glosse zu Ovids „gemini" (MM 8,372) zurückgehen. El und E2 zählen C und Ρ ohne nähere Angaben innerhalb eines Katalogs zu den im Ehebruch gezeugten Kindern Iuppiters. In E3 sind sie als gr. Götter genannt. Ovid folgend weiß Al von der Teilnahme der Dioskuren an der Jagd auf den Kalydonischen Eber. Die Trojaromane (A2, A3) betonen C's und P's Mut und Stärke im so genannten ersten Trojanischen Krieg, einem Motiv der späteren antiken Epik, und folgen in ihrer Darstellung dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, der wiederum in der Tradition von Dictys und Dares steht. Benoit entsprechend kommen C und Ρ in A2 bei der Verfolgung von Paris in einem Seesturm um. A3 weiß hingegen von ihrer Teilnahme auch am zweiten Trojanischen Krieg. Das populäre Motiv der Verstirnung der Dioskuren (Sternbild der Zwillinge) fehlt. El und E2 stehen in der Tradition christlich-apologetischer Literatur, C und Ρ dienen ihnen lediglich als Exempelfigur für die Verwerflichkeit der gr. Göttervorstellung (El, E2), ähnlich negativ urteilt E3 im Sinne heilsgeschichtlicher Konzeptionen über die gr. Götter. [mk/sks]
[Marcus Porcius C Censorius, 234-149 v. Chr., ausTusculum, Politiker und Schriftsteller]
R: Künstler (C2), Gelehrter (Dl) Nf.: Kato (Dl) I. CI Rumelant, HMS 111.20,11.1,1: Der weise C meinte, die Sünde sei ihm so verhasst, dass er keine begehen würde, auch wenn sie die Götter nicht rächen würden und sie den Menschen verborgen bliebe. Er lasse von der Sünde ihrer Unreinheit wegen. Der Sänger gibt den Christen zu bedenken, dass dies ein Heide sagte (Exemplum). C2 Rumelant, HMS 111.20, 11.12,4: Auch wenn der Sänger die Kunstfertigkeit eines C besäße, [1] könnte er den hochgelobten Fürsten nicht adäquat preisen (Fürstenpreis; Katalog exemplarischer Gelehrter; Gedankenexperiment). [ 1 ] Der Katalog antiker und christlicher Gelehrter erwähnt noch Vergil, Boethius, Seneca, Donatus, Beda, Plato, Aristoteles, Galenus und Socrates.
Dl Hugo von Trimberg,,Der Renner'·. C hat behauptet, dass es keinen fehlerlosen Menschen gebe. Deswegen soll man stets der guten Lehre folgen (3316; Exempelfigur; Auctoritas). In seinem Buch ,Disticha Catonis' meint C, dass Freunde mehr bedeuten als ein Königreich (16113; Exempelfigur; Auctoritas). II. C's Bekannheit im MA beruht vor allem auf den so genannten ,Dicta (oder Disticha)
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Cato [2] — Caynas
Catonis' (vermutlich 3. Jh. η. Chr.). Sie fanden weite Verbreitung, wurden ab der Mitte des 13. Jh. auch mehrfach ins Dt. übersetzt und ließen den rigiden, den altröm. Tugenden verpflichteten Staatsmann einen wichtigen und oft zitierten Gewährsmann werden. [1] Die historische Gestalt und ihre politische Position (u.a. im Konflikt mit Karthago) sind dabei kaum mehr zu fassen. In den dt. Belegen erscheint C vielmehr in stereotyper topischer Tradition als Exempelfigur für Tugendhaftigkeit ( C l , D l ) und Gelehrsamkeit (C2), sein Name verbrieft in der rhetorischen Figur der Auctoritas allgemeine Weisheiten (v.a. D1). Dass der C der .Disticha' außerdem eine Verschmelzung von C Censorius und seinem Urenkel, dem Stoiker M. Porcius C Uticensis (-» Cato [2]) darstellt, zeigt u.a. der Ausspruch in C l . Er erinnert an den ethischen Diskurs der späthellenistischen und röm. Stoa und die von ihr erhobene Forderung, das Gute um seiner selbst willen zu tun. Der Spruch in C2 steht im Kontext anderer Fürstensprüche Rumelants (11,12-15) und meint vermutlich Kaiser Ludwig den Bayern (1314-1347). Wie bei solchen Katalogen üblich, lässt sich keine klare Gliederung in antike Philosophen, Dichter und christliche Gelehrte erkennen. [1] S.v. Dicta Catonis (P. L. Schmidt), in: DKP, Bd. 2, Sp. 1; Cato im MA (G. Bemt), in: LMA, Bd. 2, Sp. 1576f.; s.v. Disticha Catonis (G. Bernt u.a.), ebd., Bd. 3,Sp. 1123-1127, bes. Sp. 1124. [mk/sks]
Cato [2] [Marcus Porcius C Uticensis, 95-46 v. Chr., Stoiker, Anhänger der Senatsaristokratie, Verbündeter des Pompeius u n d vehementer Gegner Caesars]
E2 ,Kaiserchronik'485: Rigidus C und Pompeius fliehen vor dem gegen Rom ziehenden Caesar und werden von ihm verfolgt (Bürgerkrieg in Rom). E3 JansEnikel,, Weltchronik'·. C (21209), Plato [!], Rigidus (21211) und Pompeius fliehen vor Caesar aus Rom (Bürgerkrieg in Rom).
II. Der Stoiker C tritt in der mhd. Chronistik nur als Gegner Caesars in Erscheinung (angeregt vermutlich durch Lucan [1]). Seine philosophischen Ansichten könnten das ma. Bild C's des Älteren beeinflusst haben (-* Cato [lj). Der Beiname „Rigidus", den er aufgrund seiner Sittenstrenge trägt, wird von E3 nicht mehr durchschaut, weshalb aus „Rigidus C" zwei Gestalten werden. (Um des Reimes willen ist hier auch Piaton ein Gegner Caesars.) Die Aufspaltung könnte bereits in E2 vorliegen. [2] [1] Neilmann (Hg. E l ) , 99, Kommentar zu 25,15. [2] Schröder (Hg. E2), 89, A n m . 1 u n d Strauch (Hg. E3), 406, A n m . 2. [mk7sks]
Caunus [Sohn des Miletus, Bruder der Byblis, flieht vor deren leidenschaftlichen Liebesbeteuerungen in die Fremde; M M 9,453]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': C, der Sohn des Miletus, zerbricht die Schrifttafel, auf der ihm seine Schwester Byblis ihre Liebe gesteht, und flieht vor ihr, um nicht Inzest zu begehen. Byblis verfolgt ihn, kann ihn aber nicht erreichen und verwandelt sich in eine Quelle (9,826; 9,898; 9,1126). [mk]
i. E l ,Anno lied' 25,15: C, Pompeius und der röm. Senat fliehen vor dem heranrückenden Caesar, der sie bis Ägypten verfolgt, wo es zu einem gewaltigen Krieg kommt (Bürgerkrieg in Rom; universalgeschichtliche Einleitung).
Caynas [Perser, kämpft bei Arbela auf Seiten des Darius u n d wird von Philotas erschlagen; Chatillon V,36 Caynan (acc.)]
A l Ulrich von Etzenbach, »Alexander (Kanaan): C, der treffliche Herrscher von Phrygien,
Cebalinus — Cecrops kämpft in der Schlacht bei Arbela auf Seiten seines Onkels Darius (12047; Katalog der Perser) und trägt wie sein Mitstreiter Enos eine Darstellung Iunos [1] in seinem Banner (13363); beide werden von Philotas getötet (13405). [1] Das Motiv vom Götterbild im Lanzenbanner könnte das Amorbanner des Noupatris in Wolframs .Willehalm' reflektieren (-» Amor [II.3]). [sks/mk]
Cebalinus [Bruder des Nicomachus, berichtet Alexander von der geplanten Verschwörung; Curtius VI.7,16; Chätillon VIII,83]
G: Bruder des Nicomachus (Al) R: Gefolgsmann Alexanders (A2) Nf.: Cebalin (A2), Zebalin (Al) I. A l Rudolf von Ems, ^Alexander'·. C erfährt durch seinen Bruder Nicomachus von der geplanten Verschwörung gegen Alexander, berichtet Philotas und Metron davon, muss vor Alexander aussagen und wird für unschuldig befunden (18956-19391; 19663). A2 Ulrich von Etzenbach, ,Alexander'·. C gehört zu den angesehensten und tüchtigsten Mitstreitern Alexanders (4685; Katalog). Als er durch Dymnus von der geplanten Verschwörung gegen den König erfährt, gerät er in einen Gewissenskonflikt, denn er will die Gefährten nicht verraten, aber auch keinen Treuebruch an Alexander begehen (18013; 18039). Schließlich erzählt er Metron von dem Mordplan, und sie informieren Alexander (18066-18114; RV: 18293). Philotas, als Mitverschwörer angeklagt, verteidigt sich mit dem Hinweis, dass C, Metron und Nicomachus ihn nicht als Verschwörer beschuldigt haben (18436; 18536). II. Die abweichenden Details in der Schilderung der Verschwörung gegen Alexander, deren historischer Hintergrund nicht geklärt ist, resul-
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tieren aus den unterschiedlichen Quellen von Al und A2 (Q. Curtius Rufus bzw. - diesen ausgestaltend - Walter von Chätillon). C entscheidet sich in dem für die mhd. Literatur interessanten Konflikt zwischen Herrschertreue und Solidarität unter den Fürsten für Alexander und erscheint so in beiden Texten als edler und treuer Gefolgsmann. Aufgrund des völlig idealisierten Alexanderbildes in Al wird die Verschwörung verurteilt, A2 zeigt aufgrund der hybriden Züge Alexanders Verständnis, kritisiert aber die Tat. [mk/sks]
Cecrops [Gründer und erster König Athens, ursprünglich mit schlangengestaltigem Unterleib vorgestellt]
G: Bruder des Erechtheus (El), Vater der Aglauros (Al) R: Gründer und erster König von Athen (El) Nf.: Cecropis (Al [gen.]) I. A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen'·. C ist der Vater der Aglauros (2,1685), seine drei Töchter wohnen in seinem Haus (2,1708). E l Rudolf von Ems,, Weltchronik'·. C flieht vor den Ägyptischen Plagen nach Griechenland, gründet Athen und übernimmt die Herrschaft über das mächtige Königreich, in dem die sieben Künste gelehrt werden (10454; 10463; Städtegründungen in Griechenland; 15762; 15773; Katalog der Könige von Athen; 19867: als Bruder des Erechtheus genannt). II. Die Nennung C's in Al beschränkt sich auf eine rein genealogische Angabe. Den bei Ovid (MM 2,555) nur implizit gegebenen Zusammenhang mit der Erechtheussage konnte Al wohl nicht mehr nachvollziehen (C's Töchter sollen den Schrein hüten, in dem Erechtheus verborgen ist).
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Celadon — Centauri
Von der wesendichen Tat des C, der Gründung Athens, berichtet El. Schon antike Quellen wissen dabei von einer Einwanderung C's aus Ägypten. [1] Dass das Motiv mit dem biblischen Geschehen der Ägyptischen Plagen verbunden wird, entspricht dem geschichtsphilosophischen Verständnis der ma. Weltchronistik: Die Profangeschichte ist nicht für sich, sondern nur in ihrem heilsgeschichtlichen Kontext von Interesse, wobei im Falle von C ein direkter Zusammenhang konstruiert wird. Die Angaben zu C in El folgen der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1153a). Das Motiv von der Begründung der Artes-Wissenschaften in Athen zu Zeiten des C passt zu der antiken Vorstellung von C als Kulturschöpfer. Er soll u.a. das Alphabet eingeführt haben. [2] Von C's schlangengestaltigem Unterleib (-» Erechtheus) wissen weder Al noch El. [1] S.v. Kekrops (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 3, Sp. 175f. [2] Tacitus, .Annalen' 11,14; Hinweis ebd. Nachbenennung Ulrich von Etzenbach, ^Alexander (Cicropides, Cycropides)·. Die Cecropides [d.s. die Athener] zählen mit ihrem Anführer Demosthenes zu den angesehensten und tüchtigsten Mitstreitern Alexanders (2739 u.ö.). [1] [1] Das in der antiken Epik gängige Ethnonymikon der Athener hat Ulrich aus der ,Alexandreis' Walters von Chätillon (1,272) übernommen. [mk]
Celadon [Lapithe, kämpft gegen die Kentauren; M M 12,250]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12,473: Der große, starke C wird von Amycus mit einem Lampenreif erschlagen (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf; Katalog). [mk]
Centauri [Söhne Ixions und einer anstelle Iunos von Zeus gesandten Wolkengestalt, Mischwesen aus Mensch und Pferd, gehen im Kampf mit den Lapithen zugrunde]
W: Riesen (Al), Mischwesen (Al) aus Mensch und Pferd (A2, Dl), Wunderwesen (Dl)
Nf.: Centauren (El), Centauros (Al), Kentauri (A2), Onocentaurus (Dl), Zentauri (A2) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Die C, ein Volk herumziehender starker Riesen, [1] sind zur Hochzeit des Pirithous mit Hippodamia geladen. Als der betrunkene Kentaur Eurytus die Braut an sich reißt, befreit sie Theseus und tötet Eurytus, es entbrennt ein erbitterter Kampf (12,403-631; Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf). [1] Die C werden erst 12,631 explizit als Mischwesen bezeichnet. Namentlich erwähnt sind die C Aphareus, Chromis, Demoleon, Dictys, Dorylas, Eurynomus, Eurytus, Helops, Lycus, Nessus, Petraeus, Pyracmos, Rhoetus, Ripheus, Styphelus und Teleboas.
A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg: Die C kämpfen gegen die Lapithen (6276;), sie sind stark wie Chiron, können sich aber nicht mit Achilles messen und werden von ihm besiegt (13558; Chiron berichtet Thetis von den Siegestaten des Achilles). Dl ,Physiologus' 45,1'· Der unkultivierte, wilde Centaurus deutet allegorisch auf jene Menschen, die gut scheinen, aber keine guten Werke tun (Tierkatalog; allegorische Deutung in Hinblick auf die christliche Heilslehre). El Rudolf von Ems,, Weltchronik'20135: Die C und Lapithen trugen zu Lebzeiten des Hercules einen großen Kampf aus. Dabei zeichneten sich die Lapithen Palaephatus [ 1 ] zufolge durch eine rossgleiche Schnelligkeit aus. [ 1 ] Den Hinweis auf Palaephatus entnimmt Ε1 der .Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1283b). Dort wird auf die Deutung der C als „nobiles equites Thessalorum" in ,De incredibilibus' des Palephactus verwiesen. El bezieht die Erklärung fälschlicherweise auf die Lapithen.
II. 1) C in ma. Literatur und Kunst; 2) C-Belege in der mhd. Literatur; 3) Nachgestaltungen des C-Motivs
1) Die C geben eines der bekanntesten antiken Beispiele für die mythische Vorstellung von Mischwesen. Im MA leben sie als Wundervolk weiter, das am Rande des orbis angesiedelt ist. Die Vorstellung von den C oder auch Onocentauren (nach Isidor) wurde durch Trojaliteratur sowie spätantike und frühma.
Cephalus Mythographie vermittelt und hat auch in der bildnerischen Kunst seit der Antike eine große Tradition. Der Centaurus ist als Teufelssymbol u.a. ein beliebtes Motiv in der ma. Sakralplastik und in der Marginalkunst der Buchmalerei. [1] In der ma. Mythographie findet sich die rationalisierende Deutung, die C seien besonders passionierte Reiter gewesen und deshalb als Einheit mit ihrem Pferd aufgefasst worden. [2] Abgesehen von der analogen Erklärung zur rossgleichen Schnelligkeit der Lapithen in El, die ursprünglich auf die C zu beziehen ist, wird sie in den dt. Belegen nicht reflektiert. Eine traditionelle christlichallegorische Deutung bringt D1. 2) Die Belege in den Antikeromanen Al und A2 verarbeiten das mythologische Motiv vom Kampf zwischen Lapithen und C nach Ovids ,Metamorphosen' (12,212ff.), wobei Al mit der Deutung der C als Riesen auf vertraute Vorstellungen der dt. Heldensage zurückgreift. (Riesen und C stellen hybride Wesen dar und reflektieren den gängigen Typus des Widersachers des Helden.) In El ist der Kampf als historisches Ereignis aufgefasst, von der Mischgestalt der C ist nichts erwähnt. Ansonsten findet die C-Vorstellung in der mhd. Literatur vor allem in der Gestalt Chirons, des Erziehers von Achilles, größere Verbreitung. Al und A2 erwähnen außerdem C-gestaltige Kämpfer im Gefolge des Epistrophus. [3] 3) Der mhd. Aventiureroman kennt einige interessante Nachgestaltungen. [4] Im ,Wigalois' Wirnts von Grafenberg findet sich Marrien (7030ff.), ein hundsköpfiger, schuppengepanzerter Teufel mit menschlichem Oberkörper und Pferderumpf. Er attackiert Wigalois mit unlöschbaren Feuerkugeln und wird von ihm getötet. Im ,Garel' des Pleier begegnet der Protagonist einem Mischwesen aus Mensch und Pferd mit Namen Vulganus (8165 u.ö.; Vulcanus). Das Meerungeheuer mit stahlharter Fischhaut besitzt einen Schild, auf dem ein Haupt abgebildet ist, dessen Anblick tötet (ein Reflex des Medusenhaupts auf dem Schild der Pallas Athene). Im,Eckenlied'
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(Fassung E2, Str. 52,3), einem Heldenlied aus dem Sagenkreis um Dietrich von Bern aus der ersten Hälfte des 13. Jh., tötet der Riese Ecke ein mit einem Hornpanzer gerüstetes Ungeheuer, halb Mensch, halb Pferd. In allen drei Nachgestaltungen repräsentiert der Kentaur den Typus des teuflischen Ungeheuers. Dass die Gestalt im ,Wigalois' mit dem Element des Feuers assoziiert ist, fugt sich gut zur Auffassung der C in Mythographie und bildnerischer Kunst und lässt an die C-gestaltigen Teufel in Dantes ,Comedia' denken (.Inferno' XII). Im Unterschied dazu ist Chiron eine durchwegs positive Gestalt mit bisweilen stark höfisierten Zügen. Der ,Apollonius' Heinrichs von Neustadt berichtet schließlich von den beiden scheinbar harmlosen Zwerg-C Piramort und Pliad.es (8330ff.). Sie sind schön und zierlich, weiß wie Elfenbein und prächtig gekleidet. Apollonius raubt ihnen das wertvolle Schachspiel Nebukadnezars und wird daraufhin von ihren 500 Drachen verfolgt. [1] S.v. Fabelwesen (J. Engemann, V. Filip), in: LMA, Bd. 4, Sp. 208-211 und Kentaur (Ch. Hünemörder), in LMA, Bd. 5, Sp. 1110. [2] Die Deutung ist in den .Apista' des Palaiphatos Pataephatus·, vgl. El) zu fassen, fur die ma. Mythendeutung vgl. Isidor, Etym. XI.3,36, Myth. Vat. 11,107, Petrus Comestor, ,Historia scholastica' (PL 198, Sp. 1283b) und den St. Galler Anonymus; dazu Chance, Medieval Myelography, 219 und passim (Reg.). [3] Epistrophus [1], [4] Vgl. Kern, Edle Tropfen, 368fF. [mk]
Cephalus [Geliebter der Aurora und Gatte der Procris, die er unabsichtlich mit einem unfehlbaren Speer der Diana tötet, M M 6,681]
A l Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen': C vermählt sich mit Procris, der Tochter des Erechtheus (6,1528). Er weist Aurora zurück, weil er sich ihrer nicht für würdig hält. Sie schlägt ihn deshalb mit Eifersucht gegenüber Procris, die ihn daraufhin verlässt und Gefährtin Dianas wird. Nach der Versöhnung
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Cepheus — Cerberus
erhält C von Diana den H u n d Lelaps und einen unfehlbaren Speer, mit dem er Procris irrtümlich tötet (7,868-8,4; Erzählung des C an Aeacus, den er gemeinsam mit Clitus und Butes um Hilfe gegen Minos bittet). [mk]
Cerberus [Höllenhund, Hüter des Hadestores, von Hercules bezwungen]
W: Oberteufel (Al), Untier (Al, A2), Höllenhund (A2, A3, E l ) , Pförtner der Unterwelt (Al)
Cepheus
Nf.: Creberum (A3)
[Sohn des Belus, Gatte der Cassiope, setzt seine Tochter Andromeda einem Ungeheuer aus; M M 4,738]
I. A l Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman\ Der stinkende, hundsgestaltige C bewacht die Pforte zur Hölle. Er ist ein Teufel, hat drei Köpfe, glühende Augen und Zähne, einen stinkenden Feueratem, scharfe Klauen, und statt eines Pelzes wachsen Schlangen an seinem Körper. Um Aeneas den gefahrlosen Eintritt in die Unterwelt zu ermöglich, versetzt Sibylle C mit Zauberworten in Schlaf. Er bleibt zusammengerollt liegen (3198-3270; Unterweltfahrt des Aeneas). A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen Der dreiköpfige, natternbehangene (10,49) C springt hervor und bellt dreimal, als Iuno mit dem Fuß die Höllentür berührt, lässt sich von ihr aber beruhigen. C's giftiger Mundschleim ist ein Ingrediens des Pulvers, das die personifizierte Tobsucht herstellt, um Ino in Iunos Auftrag mit Wahnsinn zu schlagen (4,825; 4,956; Iunos Höllenfahrt). Von Hercules einst in Scytia ans Tageslicht gezerrt, hat C vor Wut geschäumt, und sein Gebell ist im ganzen Land ertönt. Wo der Schaum auf die Erde gefallen ist, wächst seitdem die Giftpflanze Aconitum, die Medea dem Theseus verabreichen will (7,780; Medea; RV: 9,412: Katalog der Taten des Hercules; 10,49: Erwähnung in einem Lied des Orpheus).
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': C, der gütige u n d freigebige König von Mohrenland, [1] vermählt Perseus mit seiner Tochter Andromeda aus Dank für ihre Errettung vor einem Meerungeheuer und überlässt ihm sein Königreich. Als C s Bruder Phineus auf dem prächtigen Hochzeitsfest erscheint und Ansprüche auf Andromeda erhebt, wird er von C mit dem Hinweis abgewiesen, er habe Andromeda nicht gerettet. Als daraufhin ein erbitterter Kampf entbrennt, flieht C mit Andromeda aus dem Saal (4,1247; 4,1383; 5,73). [1] Die Ortsangabe „von Mohrenland" ist die Übersetzung von Aethiopia bei Ovid. Bei Ovid erklärt C dem Perseus Sitten und Gebräuche des Landes. Perseus berichtet ihm von der Enthauptung der Medusa. In Al ist an der entsprechenden Stelle (4,1487/9) von Lyncides (d.i. das Patronymikon des Perseus) die Rede, der Perseus den Brauch des Weintrinkens erklärt und um den Bericht von Medusa bittet. Die Abweichungen und das missverstandene Patronymikon erklären sich vielleicht aus einem verderbten Text in der Al zugrunde liegenden Ovid-Hs. [mk]
Cerastus [Gr. Kerastos, Vater des Pausanias, des Mörders Philipps II. von Makedonien]
A l Rudolf von Ems, ^Alexander'3043 (Zerastes): C ist der Vater des Pausanias, des Mörders Philipps. Er war zeit seines Lebens ein Diener der Frauen und hoch gerühmt. [1] [1] Der von Al (3047) eingeführte Vater des C, Oraste, erklärt sich aus einer falschen Deutung der Herkunftsbezeichnung „ab Horeste" in der .Historia de preliis' cap. 20 (Hinweis bei Junk, Hg., 791, s.v. Oraste). Der historische Kerastos stammt aus der Orestis, s.v. Pausanias [6.] (H. Volkmann), in: DKP, Bd. 4, Sp. 570. [mk]
A3 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'426\ C wurde von Hercules in der Hölle bezwungen (Argonautenfahrt; Exemplum für Hercules' Tapferkeit). El Rudolf von Ems,,Weltchronik' 19731·. Der rasende und tobende C soll nach Auskunft des Mythos („der Fabel") der Höllenhund sein. Tatsächlich war er der größte und stärkste
Ceres Hund aller Zeiten, sein Herr der Molosserkönig Orcus Pluto]. C biss Pirithous tot, als dieser der von Orcus entführten Proserpina nachjagte. Pirithous' Begleiter Theseus wurde von Hercules vor C gerettet.
II. C zählt wie Charon zum festen Figureninventar der antiken Unterwelt, in beiden Gestalten gehen das Schreckliche und das Groteske eine vor allem in hellenistischer und röm. Literatur produktive Symbiose ein (C tut eigentlich nichts, er muss nur möglichst gewitzt besänftigt werden, vgl. Iunos Unterweltfahrt und Hercules' Arbeit in Ovids M e tamorphosen'). Der antike Höllenhund ist folglich auch ein beliebtes Motiv ma. Unterweltfahrten vom Eneasroman bis zu Dante. Bei der Ausgestaltung sind der dichterischen Phantasie keine Grenzen gesetzt. [1] A l und A2 schildern ihn mittelbar über den ,Roman d'Eneas' nach Vergil bzw. direkt nach Ovid als dreiköpfiges Ungeheuer mit Schlangenfell (im Hintergrund stehen Muster der Ungeheuerbeschreibung, die auch von Hydra oder Medusa bekannt sind). Das populäre Motiv der Bezwingung C's durch Hercules findet sich in A2 und A3. Ovid folgend verbindet es A2 mit dem Aition für die Giftpflanze Akonit (Eisenhut). Komische Züge zeigt auch die Besänftigung des C durch Sibylle in A l (bei Vergil nicht mit Zaubersprüchen, sondern mit einem mit Schlafmitteln versetzten Honigkonfekt). C wird als Teufelsgestalt gedeutet (wichtig sind die Feuermotive), vor der sich der ma. Aeneas im Unterschied zum antiken Helden auch fürchtet. Eine rationalisierende Deutung bietet El mit Hinweis auf den mythologischen Bericht („die Fabel"). Das Motiv von der Entführung Proserpinas wird mit jenem von Pirithous' und Theseus' Unterweltfahrt verknüpft. Rationalisierung und Bericht im Rahmen eines profangeschichtlichen Exkurses zur Heilsgeschichte entsprechen dem Prinzip ma. Weltchronistik und Mythographie. Konkrete Quelle ist die ,Historia scholastica' des Petrus
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Comestor (PL 187, Sp. 1275c), dort bereits die entsprechenden Umdeutungen und derselbe Handlungsgang. [2] [1] S.v. Kerberos (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 3, Sp. 197f. [2] Petrus Comestor folgt wiederum der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 214), auf die Ehrismann (Hg. El), 274 verweist; vgl. auch Myth. Vat. 1,48. [mk]
Ceres [Göttin des Ackerbaus, Tochter des Saturnus und der Ops, Schwester des Iuppiter, Mutter der Proserpina]
W: Göttin des Korns (Al, A2, B l , E l ) und des Ackerbaus (El) G: Geliebte des Neptunus (Al), Gattin des Iasion ( A l ) , Mutter der Proserpina (Al, Bl) I.
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen '·. C lässt aus Trauer um die verlorene Tochter Proserpina alles Land mit Ausnahme Siziliens unfruchtbar werden. Ein lästerndes Kind wird von ihr in eine Eidechse verwandelt. Als sie durch Arethusa von der Entführung Proserpinas erfährt, bittet sie Iuppiter um Hilfe und geht auf seinen Kompromissvorschlag ein (Proserpina bleibt je ein halbes Jahr bei Pluto und bei C). C überlässt ihren Drachenwagen Triptolemus und beschützt ihn vor Lyncus (5,614-1211; Lied der Muse Calliope beim Sangeswettstreit auf dem Helicon). C wurde einst von Neptunus entführt (6,245; Descriptio; Darstellung auf dem Teppich der Arachne). In Kalydon werden C als Göttin des Korns schwere Garben geopfert (8,531; Jagd auf den Kalydonischen Eber). Als Erysichthon eine der C geweihte Eiche fällt, straft ihn die erzürnte Göttin mit Hunger (8,10861146). C macht sich große Sorgen wegen des fortgeschrittenen Alters ihres Gatten Iasion (9,784). Das Fest der C dauert neun Tage, man trägt mit Korn geschmückte Kleider, bringt der Göttin unter Gesängen Opfer dar und muss keusch bleiben. Der betrunkene Cinyras
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Cernus — Chaeremon
verbindet sich während des Festes unwissend mit seiner Tochter Myrrha (10,801). A2 Konradvon Würzburg,, Trojanerkrieg 1045: Die liebliche, tugendhafte C nimmt am Fest des Iuppiter anlässlich der Hochzeit von Thetis und Peleus teil, sie führt ein mit Kornsäcken beladenes Tragtier mit sich (Katalog). B1 ,Reinfried von Braunschweig' 16438: Der Heerführer der Sarazenen beklagt sich u.a. bei seiner Göttin C wegen der Niederlage gegen die Christen im Heiligen Land. Hätte er C's Tochter Proserpina entfuhrt, so wie dies Pluto einst getan habe, hätte sich C nicht ärger an ihm rächen können (Götterkatalog). E l Rudolf von Ems, ,Weltchronik': C brachte den Griechen das Saatgut, weshalb sie als Göttin verehrt wird (3235; Götterkatalog; 8666). Sie lehrt Triptolemus den Getreideanbau, den dieser dann bei den Griechen verbreitet (19723).
II. Der Raub der Proserpina ist das prominenteste Motiv des antiken C-Mythos. Es ist der ma. Mythographie aus Ovids .Metamorphosen' und aus Claudians ,De raptu Proserpina' bekannt. Neben Al (direkt nach Ovid) belegt es auch B l . [1] Die antike Göttin ist in B1 Göttin der Muslime, eine Vorstellung, die sich von Apollo ausgehend entwickelt. Im Hintergrund steht die christlich-ma. Ansicht, dass die Muslime der Vielgötterei huldigen würden. Die übrigen, zum Teil sehr detaillierten und ansonsten nicht rezipierten Motive des C-Mythos in Al stammen direkt aus Ovids ,Metamorphosen'. Ihr Hintergrund und ihre kontextuelle Funktion bei Ovid wurden von Al kaum mehr durchschaut. In A2 und E l ist C euhemeristisch gedeutet. E l gibt eine ausführliche, dem üblichen Verfahren ma. Weltchronistik entsprechende rationalisierende Erklärung unter Einschluss des Kulturentstehungs-Mythos von C und Triptolemus. Die Stelle folgt der .Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1124d). Der Götterkatalog von A2 greift
hauptsächlich auf Ovids .Metamorphosen' zurück. [2] [1] In B l wird an anderer Stelle (22478) auf Claudianus verwiesen, vielleicht war dessen Epos ,De raptu Proserpinae' dem Autor bekannt (-» Claudianus). [2] Lienert, Geschichte und Erzählen, 4Iff. [mk]
Cernus [Gr. Kämpfer vor Troja; Dares L 19,6; Benoit 5693 Crenos, Tenedeus]
A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'3403 (Tenedon): C unterstützt die Griechen mit 32 Schiffen. [1] [ 1 ] Der ansonsten nicht bekannte Kämpfer wird in der Dares-Hs. L genannt („Cernus ex pilo") und ist im .Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure übernommen. Auf diesen beziehen sich Nennung und Nf. von A l . [mk]
Ceyx [Gatte der Alcyone, kommt bei einem Seesturm ums Leben, er und Alcyone werden in Eisvögel verwandelt; M M 11,272]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Der freigebige König C von Thracien gewährt Peleus Asyl und erzählt von seinem Bruder Daedalion und von seiner Nichte Chione. Seine besorgte Gattin Alcyone hindert ihn an der Jagd auf den Wolf, der Peleus' Vieh gerissen hat. Als C von einer unerklärlichen Traurigkeit befallen wird, will er den Orakelgott befragen. Alcyone fürchtet ein Unglück und will ihn vergeblich von der Reise abhalten. C kommt in einem Seesturm ums Leben. Alcyone findet seinen an Land gespülten Leichnam. Als sie ihn küsst, verwandeln sich beide in Vögel (11,501-1281). [mk]
Chaeremon [Arzt, entdeckt den an Land gespülten Sarg Lucinas; .Historia Apollonii' 26,2]
A l Heinrich von Neustadt, Apollonius' (Cerimonius, Zerimonius): Der weise und edle Arzt C entdeckt den an den Strand von Ephe-
Charadrius sus gespülten Sarg Lucinas und möchte die Scheintote nach Anweisung der beigegebenen Bleitafel beisetzen. Sein Schüler Philumenus kann sie aber wiederbeleben, C nimmt sie an Tochters statt an und empfiehlt ihr, als Priesterin in den Tempel der Diana einzutreten (2628-2824). [mk]
Charadrius
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C3 Boppe, HMS 11,138, 1.5,2: Der in dem Land Galadite lebende schneeweiße C heilt Kranke durch seinen Blick. Der Stein in seinem rechten Bein dient zur Stärkung der Sehkraft. Ihn sollten die Herrscher besitzen, um sehen zu können, wem sie ihre Gunst erweisen sollen. Der Dichter möchte die Augen C's haben, um reichen Geizhälsen zu schaden und Freigebigen zu nützen.
Dl ,Physiologus' 168,1: Der weise C kann
vom Menschen nicht gegessen werden. Er [Wasservogel, Allesfresser, sprichwörtlich wegen seiner wendet sich von Sterbenden ab, Heilbaren Gefräßigkeit, sein Anblick soll Gelbsucht heilen] steckt er seinen Schnabel in den Mund und W : Vogel ( C l , D l ) , Wundervogel ( A l , B l , nimmt die Krankheit auf. Dann fliegt er in C2, C3) den Sonnenschein und läutert sich. Er beNf.: Caradrius ( D l ) , Galadrius ( A l , C3), zeichnet das Heilswerk Christi (Katalog wunGaladrot (Bl), Galandrius (B2), Kaladrius dersamer Tiere). (C2, C3), Karadrius ( C l ) II. Der C, eine in Erdlöchern und auf Klippen I. nistende Unterart des Regenpfeifers, dem Al Heinrich von Neustadt, yApollonius': C lebt seit der Antike sagenhafte Eigenschaften im Land Galacides. Sein Blick kann Kranke zugeschrieben werden, ist mit manchen Umheilen; fliegt er weg, sterben sie (4343). C deutungen im Wunderglauben des MA fest ist in ein Gewand des Ciprian eingewirkt, verankert. [1] Neben dem gängigen Motiv das Apollonius nach der Hochzeit mit Cyder Heilung durch seinen Blick - explizit in rilla erhält ([5983]). Ein C befindet sich im A l , B l , B2, C l und C3, angedeutet in C2 Garten Diomenas im „goldenen Land" Crisa und D l - erwähnt C2 auch das in der An(13155). tike geläufige Motiv seiner Gefräßigkeit. Die Β1 Albrecht, Jüngerer Titurel': C kann Kranke mhd. C-Belege stehen in der Tradition des mit seinem Blick heilen; wendet er die Augen ma. Physiologus, der gewöhnliche und fabuab, sterben sie (5213,1/3). Die um den toten löse Tiere im Sinne der christlichen Heilslehre Tschinotulander klagende Sigune will C finden typologisch bzw. allegorisch deutet ( D l ) . und sich seine Kunst zunutze machen (5214,3; Reflektiert wird diese Deutungstradition in Exkurs über Wundertiere). den Gleichnissen von C2 und C3. C2 interB2 ,Der Schüler zu Paris', GA I, XIV,778: pretiert den C christologisch, in C3 dient der C als eine Gleichnisfigur für die schwierige Die Geliebte wünscht, den toten Geliebten so Unterscheidung von guten und schlechten ansehen zu können wie der lautere C, dessen Menschen, ein in der mhd. Spruchdichtung Blick Kranke heilen kann. Cl Freidank, .Bescheidenheit' 143,7: C's Kräfte beliebter Topos. Interessant sind auch die Erwähnungen des C im Rahmen der Klagen übersteigen den menschlichen Verstand, er um den toten Geliebten von B l und B2. heilt Kranke durch seinen Blick, unheilbar Hinter dem Wunsch der Wiedererweckung Kranke sieht er nicht an. C2 Der Meißner, IV. 5,1: C wendet seine Au- des Toten durch den C steht wiederum dessen christologische Deutung. gen von unheilbar Kranken ab, den heilbaren saugt er die Krankheit heimlich aus dem [1] S.v. Charadrios (W. Richter), in: DKP, Bd. 1, Sp. 1130, Mund. Genauso ist Christus den Reulosen und Charadrius (Chr. Hünemörder, G. Binding), in: LMA, gram, heilt aber die Besserungswilligen. Bd. 2, Sp. 1716f. [mk/sks]
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Charaxus — Charybdis
Charaxus [Lapithc, fällt im Kampf gegen die Kentauren; M M 12,272]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Chaiaxum, Araxus): C wird von Rhoetus mit einem brennenden Scheit erschlagen (12,501; 12,508; Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf; Katalog). [mk]
Chares [Athenischer Kämpfer im persischen Heer; IV.5,22]
Curtius
Al Rudolf von Ems, ^Alexander' (Cares)·. Der athenische Überläufer C besetzt mit 2000 Persern Mytilene, wird von Alexanders Männern besiegt und zieht nach Imbrun (96419657).
A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 4,792·. C bringt die Toten gegen Entgelt über den Styx (Iunos Unterweltfahrt).
II. C, der Fährmann in der Unterwelt, ist in der antiken Literatur eine beliebte Figur mit mitunter komischen Zügen. Er zählt auch zum festen Personal der ma. Unterweltfahrten vom Eneasroman bis zu Dantes ,Inferno'. Al bringt unabhängig von Vergil und der eigentlichen Vorlage, dem ,Roman d'Eneas', eine ausführliche Beschreibung, die C ma. Teufels- und Dämonenvorstellungen entsprechend als grauenerregendes Mischwesen mit Feuerattributen darstellt (ähnlich wird auch Dante vorgehen, vgl. ,Inferno' III). Im Gegensatz zu seinem antiken Vorbild hat der ma. Aeneas vor C wie auch vor Cerberus Angst. [mk]
[sks]
Charon [Fährmann in der Unterwelt, bringt die Toten über die Unterweltsflüsse zu den Pforten des Hades]
W: Teufel (Al), Gott (A2) R: Fährmann (Al, A2) Nf.: Charo (Al) I. Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman\ Der furchterregende Fährmann und Teufel C bringt die Toten über den Phlegethon. Er ist missgestaltig, stark behaart, hat einen Raubtierkopf, Feueraugen, rote Zähne, Klauen, schwarze Hände und einen Hundeschwanz. Er schlägt die Seelen mit seinem Ruder aus glühendem Stahl und kommt niemals zur Ruhe. Als C Aeneas den Zutritt zur Unterwelt verwehren will, wird er von Sibylle mit einem goldenen Zweig besänftigt und lässt beide in sein Boot steigen. Es droht unter dem Gewicht der Lebenden zu sinken (30133118; Unterweltfahrt des Aeneas).
Charops [Sohn des Trojaners Hippasos, wird von Odysseus getötet; M M 13,260]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 13,379 (Charopes)·. Ulixes rühmt sich, bei der Ergreifung des trojanischen Spions Dolon u.a. auch C erschlagen zu haben (Katalog; Streit um Achills Waffen; Rede des Ulixes). [1] [1] Bei Ovid bezieht sich der Katalog nicht auf die Dolonie (,Ilias' 10), sondern auf den Kampf gegen die Lykier unter der Führung Sarpedons (,Ilias' 5). [mk]
Charybdis [Tochter des Poseidon und der Ge, in der Straße von Messina lokalisierter Meeresstrudel, bildet zusammen mit Scylla ein unentrinnbares Hindernis für die Seefahrer]
W: Meeresungeheuer (Al, A3), Höhle im Meer (Al), Meeresstrudel (Al, A2, D l ) , Insel (El) Nf.: Caribde (A3), Caribdis (El), Charibdis (Al, A2, D l )
Cherippus — Chimaera I.
A l Albrecht von Halberstadt, ,Metamorphosen': Die Meeresungeheuer C und Scylla befinden sich in der Nähe des Ätna (14,5). C verschlingt alle Schiffe. Medea würde sie und Scylla dennoch nicht scheuen, könnte sie nur mit Iason nach Griechenland fahren (7,161; Medea und Iason). Die von Minos zurückgewiesene Scylla, Tochter des Nisus, behauptet, Minos' Mutter sei nicht Europa, sondern die grausame C oder eine Löwin aus Armenien gewesen (8,225). Bevor Aeneas nach Karthago verschlagen wird, nähert er sich der Stelle, wo auf der einen Seite C, auf der anderen Scylla droht (13,923; Flucht des Aeneas). A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': C und Scylla sind ein [!] Meeresstrudel, der die Schiffe im Umkreis von zehn Meilen mit der Geschwindigkeit eines Pfeiles in die Tiefe zieht. Ulixes passiert den Wirbel unversehrt, verliert aber die meisten seiner Schiffe (17715; 17719). A3 Ulrich von Etzenbach, »Alexander' 9816: Alexanders Männer wären lieber auf dem Meer, wo C, Scylla und Syrtes die Schiffe in die Tiefe ziehen, als der mörderischen Hitze der libyschen Wüste ausgesetzt (Alexanders Zug nach Libyen). Dl ,Lucidarius' 17,20: Ein Schiff, das sich den beiden Meeresstrudeln Scylla und C nähert, ist verloren (1. Buch: „Von den Inseln im Meer"). El Rudolf von Ems,, Weltchronik'2968: C und Scylla sind zwei bei Sizilien gelegene Inseln (Geographischer Exkurs, Katalog). II. Die alles verschlingende C bildet auch in den mhd. Belegen mit Scylla ein Paar, wobei sich die Vorstellung vom Meeresstrudel C mit der des Meeresungeheuers Scylla verbindet (A3) bzw. auch Scylla als Strudel aufgefasst wird (A2, Dl). Den Angaben Ovids entsprechend, werden beide in Al mythographisch korrekt auseinandergehalten.
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Al und A3 betonen die Gefährlichkeit C's in den hyperbolischen Wünschen Medeas bzw. der Männer Alexanders. D1 zufolge gibt es vor Scylla und C kein Entrinnen. A3 nennt als dritte Meeresgefahr die Syrten, wandernde Sandbänke an der Küste Nordafrikas. [1] Lokalisiert werden C und Scylla der antiken Auffassung folgend bei Sizilien (Al, Dl). Dass Odysseus dem Meeresstrudel entkommt, wird in A2 nach dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure referiert, allerdings fehlt die Pointe der Geschichte, dass er sich an einen Zweig klammert, bis C sein Floß wieder ausspuckt. Dem Prinzip ma. Mythendeutung entsprechend, wie sie die Weltchronistik übernimmt, ist C in El völlig rationalisiert. [2] Genauere Angaben zur besonderen Beschaffenheit der Insel, die ihre mythologische Bedeutung erklären würden und wie sie sich bei anderen Mythologemen finden, [3] fehlen. [1] Nach Walter von Chätillon, .Alexandreis' II,379f.; die Nennung der drei Gefahren auch bei Isidor, Etym. XIII.18,5 [2] Vgl. Isidor, Etym. XIII, 18,5. [3] Etwa bei -* Cerberus (I.EI). [mk/sks]
Cherippus [Kämpfer auf Seiten des Darius; Chätillon 111,72]
Al Ulrich von Etzenbach, »Alexander'8147: C von Arabien, Agilos und Elas werden in der Schlacht bei Issos von Parmenio getötet. [mk]
Chimaera [Kind des Typhaon und der Echidna, dreigestaltiges, feuerspeiendes Mischwesen aus Löwe, Schlange und Ziege]
W: Ungeheuer (Al), Wunderwesen (Cl) Nf.: Chimera (Al), Tschimere (Cl) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 9,1147: C ist ein schreckliches Ungeheuer mit dem Haupt eines Löwen, dem Körper einer
170
Chione — Chiron
Ziege und dem Schwanz einer Schlange. Es haust in einer Höhle am Ende eines Gebirges. Bei seinem Anblick fällt Byblis kraftlos zu Boden. C l DerMarner, XV 16,310: Der Sänger könnte von den Sirenen, vom Phoenix oder vom Leib der C singen, sieht sich aber außer Stande, jenes wundersame Wesen zu beschreiben, das in Pfauenart unter den Menschen wandelt (Unsagbarkeitstopos). II. Der Beleg in Al folgt Ovids .Metamorphosen' (9,647). Ovid erwähnt nur Löwenhaupt und Schlangenschwanz C's, da sich der Rest aus der Bedeutung des Namens („Ziege") ergibt, die das röm. Publikum natürlich kennt. Die Zusatzinformation „Ziegenleib" in Al stammt vielleicht aus einer Glosse. Das Motiv, dass die C Feuer speit, fehlt. Der Hinweis auf C in C l ist angesichts der im Vergleich zu Sirenen und Phoenix nur geringen Bekanntheit des Mythologems bemerkenswert. Die Stelle bezieht sich wahrscheinlich auf die entsprechenden Informationen bei den ma. Mythographen. [1] Das hyperbolische Beispiel richtet sich gegen menschliche Eitelkeit und Heuchelei. [ 1 ] Mehrfache Belege finden sich etwa bei den Mythographi Vaticani I und II. [mk]
Chiron [Kentaur, Sohn des Kronos und der Nymphe Philyra, Gatte der Chariklo, Erzieher von Achilles, Aesculapius und Iason, lehrt Heilkunde, Jägerei und Leierspiel und wird im Kentaurenkampf von Hercules unheilbar verwundet]
W: Gott (Al), Centaur (Al, A2, A3, A4, B2, E l , E2), Meerwunder (A4) G: Vater der Ocyroe (Al) R: Prinzenerzieher (A3), Erzieher des Aesculapius (Al), des Achilles (A2, A3, A4, B l , B2, E l , E2) und des Patroclus (A3), Jäger (El), Harfenist (A4) Nf.: Chyron (Al, A2, B l ) , Ciron (A2), Schiro ( E l ) , Schiron (A3, E2), Schyro (A4), Schyron (A3, B2), Schirow (A4), Schirro (A4) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': C soll in Apollos Auftrag Aesculapius aufziehen. Als Ocyroe C prophezeit, er werde als Unsterblicher von einem giftigen Pfeil verwundet dahinsiechen, wird sie von Iuppiter zur Strafe in ein Pferd verwandelt (2,13431439). A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye\ C hat Achilles Kampftechniken und höfische Verhaltensformen gelehrt (6290; RV) und wird dafür von Thetis und Peleus so reich belohnt, dass er ein Fest veranstaltet, zu dem er die Musen und Poeten einlädt (1785217865; RV). [1] [1] Bei Dictys ( 1 2 5 , 2 7 f f . ) und B e n o i t de Sainte-Maure
Chione
( 2 9 1 4 3 f f . ) ist rückblickend vom Hochzeitsfest von Thetis
[Tochter des Daedalion, gebiert dem Mercurius Autolycus
Götternamen annehmen; die Hofdamen erscheinen als M u -
und dem Apollo Philammon, prahlt mit ihrer Schönheit und
sen. Das Fest findet im Hause C's, des Vaters von Thetis
und Peleus die Rede, bei dem die gr. Fürsten zum Vergnügen
[!], statt. Die Erziehung des Achilles durch C ist weder bei
wird deshalb von Diana getötet; M M 1 1 , 3 0 1 ]
Al Albrecht von Halberstadt,,.Metamorphosen' 11,565 (Chyone): C, die Tochter des Daedalion und Urenkelin Iuppiters, bleibt jungfräulich, bis Mercurius mit ihr Autolycus und Apollo mit ihr Philammon zeugt. Als sie Diana schmäht, wird sie von dieser mit einem Pfeil durch Zunge und Kehlkopf getötet, ihr Leichnam wird verbrannt (Erzählung des Ceyx). [mk]
Benoit noch bei Dictys und Dares erwähnt, eventuell hat A 2 auf das .Excidium Troie' zurückgegriffen und den Bericht Benoits entsprechend umgestaltet.
A3 Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg·. C lebt in einer dunklen Höhle, isst rohes Fleisch, verbreitet mit seinem Aussehen Furcht und Schrecken, ist ein hervorragender Kämpfer und Schütze, in höfischen Dingen bewandert und künstlerisch begabt. Er lehrt Achilles Kampftechniken und höfische Verhaltensformen, seine harte Erziehungstätigkeit
Chiron gleicht der Bildhauerei oder Wachsgießerei (5850-6449; RV: 11179; 23686; 29534). C berichtet Thetis von den Fähigkeiten ihres Sohnes, erlaubt ihr, ihn mitzunehmen, verlangt aber, dass sie ihn wieder zurückbringt (13452-13741; 14104-14324). Achilles erzählt von seinem Leben bei C (27141 -27341; 27953; 28441; 29461) und fragt sich, was C zum Tod seines Schülers Patroclus sagen würde (38880).
A4 ,Göttweiger Trojanerkrieg': C ist der Erzieher des Achillles und lehrt ihn diverse Sprungtechniken (14972), die Achilles später im Kampf gegen Paris anwendet (19364). Die Griechen wollen auch C nachTroja bringen. Bei ihrer Ankunft sitzt er Harfe spielend am Burggraben und ist sofort bereit mitzuziehen (16493; 16501). C unterhält die Hofgesellschaft bei Patroclus und später im Griechenlager vor Troja mit seinem Harfenspiel (16669-16677; 16833; 16847). Von Paris wegen seines teuflischen Aussehens und seiner vierbeinigen Gestalt verspottet, meint er, er müsse so sein, wie Gott ihn schuf. C verspottet seinerseits den Zwerg Passirius, wird von diesem zum Zweikampf gefordert und nach dreitägigem Kampf tödlich verwundet. Agamemnon und die Griechen trauern um ihn (16853-16951).
B1 Konrad von Stoffeln, ,Gauriel' 4667'. C erhielt für die Erziehung des Achilles von Thetis ein prächtiges Zelt, das er an König Kursami weiterverschenkte (Descriptio).
B2,Reinfried von Braunschweig'22574·. C war der Erzieher des Achilles (Exkurs zu Leben und Taten des Achilles). [1] [ 1 ] An der Stelle wird auf Statius' .Achilleis' verwiesen.
E l Jans Enikel,, Weltchronik'·. C lehrt Achilles Kampftechniken und Bogenschießen. Als Achilles in Frauenkleidern an den Hof Lycomedes' reisen will, gibt er ihm eine Pflanze, die den Bartwuchs hemmt (14549-14579; Trojanischer Krieg). E2,Baseler Bruchstück'·. C hat Achilles Kampftechniken gelehrt (115), begleitet ihn nach Troja (137) und gibt ihm Ratschläge, wie er Hector besiegen kann (178). Nach Hectors
171
Tod fordert er Paris zum Kampf auf und wird von diesem getötet. Achilles will C rächen und fällt gegen Paris (208-222).
II. 1) Die C-Gestalt in der höfischen Literatur; 2) C als Heldenerzieher; 3) C als Trojakämpfer
1) C, einer der bekanntesten Kentauren, wird bereits in der Antike im Gegensatz zu seinen Artgenossen mit positiven Wesensmerkmalen versehen und zeichnet sich durch Gerechtigkeit, Freundlichkeit, Klugheit und Liebe zu den Künsten - besonders zur Musik - aus. Auch die mhd. Belege betonen C's edles Wesen (A4), sein großes Ansehen (A3, A4), seine Tugendhaftigkeit (A3), Klugheit (A3) und Beherrschung aller höfischen Künste (A3). Seine Liebe zur Musik wird vor allem in A4 hervorgehoben, wo er als Harfenist die Hofgesellschaft unterhält. C's furchterregendes Äußeres (A3) wird durch einen schönen Kopf gemildert, Al beschreibt C als einen vom Bauch aufwärts wohlgestalteten Mann und weiß durch Ovid von seiner Unsterblichkeit und unheilbaren Verwundung. Seine geistigen und körperlichen Fähigkeiten — er ist behende (A3, A4), schnell (A3), kräftig (A3) und kampftüchtig (A4) - fließen in seine Erziehungstätigkeit ein. 2) Breit rezipiert ist das antike Motiv von der Erziehung verschiedener Heroen durch C, so von Aesculapius (Al), Patroclus (A3) und vor allem Achilles (A2, A3, A4, E2, B l , B2, E l ) . Quellen sind Ovids .Metamorphosen' (Al), Statius' Achilleis' (A3, B2) und das ,Excidium Troie' (A2 [?], A4), E2 greift auf A3 zurück. Abhängigkeiten zwischen A3, A4 und E l sind möglich, [1] aber nicht klar nachzuweisen. Im Mittelpunkt der Erziehung des Achilles durch C steht das Erlernen verschiedener Kampftechniken (A2, A3, E l , E2) wie Bogenschießen ( E l ) und Springen (A4) und höfischer Verhaltensformen (A2, A3). In A3 wird die Härte der Erziehung betont. A2 weiß von einer reichen Belohnung C's durch Thetis und Peleus. In B2 liegt vielleicht ein Reflex dieser Angabe vor. Die Rückführung
172
Chloreus — Chromis [2]
wertvoller Gegenstände auf bekannte antike Gestalten ist jedenfalls ein beliebtes Motiv (vgl. den aus Caesars Besitz stammenden Pokal im ,Flore' Konrad Flecks). 3) Von C's Teilnahme am Trojanischen Krieg wissen nur A4 und E2. In beiden Texten begleitet C Achilles nach Troja. C's Kampf gegen Paris in E2 entspricht dem gegen Passirius in A4. Es handelt sich wohl um eine Erfindung von A4, von der E2 abhängen dürfte, wie das sekundäre Motiv von Achilles' Kampf gegen Paris als Rache für C nahelegt (üblicherweise rächt Paris Hector an Achilles). [2] Nur in El findet sich das Motiv von der Bartwuchs hemmenden Pflanze, die C dem Achilles für sein „Exil" bei Lycomedes mitgibt. [1] Vgl. Lienert, Geschichte und Erzählen, passim (für eine Abhängigkeit von A4, El und E2 von A3). [2] Vgl. Kern, Agamemnon weint, 199f. Nachbenennung Heinrich von Neustadt, Apollonias ' (Achiron)·. Α ist ein hässlicher und schrecklicher Kentaur, der Gatte des Ungeheuers Flata und Vater der Ungeheuer Kolkan, Flegedein [ 1 ] sowie der Kentaurin Pliades, Neffe des Pluto, Fürst der Meerleute und ein berühmter Jäger. A will die Töchter der Sirene dem Kolkan geben, sie selbst vergewaltigen und treibt sie durchs Meer, wobei er von Pluto mit einem Seesturm unterstützt wird. Apollonius hört ihre Hilferufe (5042-5350) und tötet Α nach schwerem Kampf (5466; 5510; 5511). Auf Sirenes Rat nimmt Apollonius As Bogen an sich, mit dem er Kolkans Hornpanzer durchdringen kann (5676; 5864). Α hat einst den Speer Susan besessen, den Formosa Apollonius für den Kampf gegen Jechonias gibt (6179). Flegedein treibt aus Rache für As Tod Apollonius' Schiff ins Klebermeer (6797; 6902). Pliades stellt sich Apollonius als A's Tochter vor und bietet ihm für ihre Schonung zwei Ringe und eine Spange an, die sie von Α erhalten hat (8333; 9776). Apollonius fuhrt im Kampf gegen die Riesenschlange Serpanta As Schwert (9075; RV auf A's Tod: 8344; 10391; 14479). [ 1 ] Flegedein leitet sich wohl vom Unterweltfluss Phlegethon ab, was die Vermutung nahe legt, dass es sich bei Achiron um eine Vermischung von Chiron und dem Unterweltfluss Acheron handelt. Zum Motiv der auf Achiron zurückgehenden Waffen des Apollonius vgl. das Zelt der Thetis in Β1. [mk/sks]
Chloreus [Trojanischer Priester, fällt im Kampf gegen Turnus; Aeneis XI,769; RdE 7161]
A l Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'9064 (Chores): C ist Priester der Trojaner und ver-
siert im Umgang mit Buch [1] und Schwert. Er wird von Camilla getötet (Kampf um Italien). [ 1 ] Der Hinweis auf C's Buchgelehrsamkeit stammt von A l , der antike Priester wird nach dem Beispiel des ma. Klerikers als „litteratus" gezeichnet. [mk]
Chorith an [Sohn des Priamus, von Idomeneus getötet; Dictys 87,6]
A l Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg, Fortsetzung 43183 (Erita)·. C, einer von 13 Kebssöhnen des Priamus, und sein Bruder Dryops werden von Idomeneus getötet (Katalog). [1] Die Nf. Chorithan bei Dictys ist offenbar verderbt. Eine mögliche Korrektur wäre Gorython; vgl. Eisenhut (Hg.) zur Stelle. [mk]
Chromis [1] [Gefährte des Phineus; M M 5,103]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,177 (Cromus): C enthauptet den friedfertigen Emathion beim Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus. Der vom Rumpf getrennte Kopf schilt ihn dafür (Kämpferkatalog). [mk]
Chromis [2] [Kentaur, wird von Pirithous getötet; M M 12,333]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12,564·. Die Riesen [1] C, Lycus, Helops und Dictys werden von Pirithous erschlagen (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf; Katalog). [1] Die Deutung der Kentauren als Riesen greift auf Vorstellungen zurück, die dem dt. Publikum aus der Heldendichtung bekannt sind; Centauri. [mk]
Chromius — Cicero Chromius [Lykier im Gefolge Sarpedons, wird von Odysseus getötet; M M 13,257]
Al Albrecht von Halberstadt,,.Metamorphosen' 13,377(Chromus)·. Ulixes rühmt sich, bei der Ergreifung des trojanischen Spions Dolon u.a. auch C erschlagen zu haben (Katalog; Streit um Achills Waffen; Rede des Ulixes). [1] [1] Bei Ovid bezieht sich der Katalog nicht auf die Dolonie (,Ilias' 10), sondern auf den Kampf gegen die Lykier unter der Führung Sarpedons (,Ilias' 5). [mk]
Rückforderung der geraubten Tochter findet sich nach der Eroberung Trojas. [mk]
Chrysippus [Gefolgsmann des Pyrrhus; Dictys 125,22; Benoit 29117 Crispus]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 17835 (Crispus): C und Adrastus sollen im Auftrag von Pyrrhus Näheres über die Gefangennahme des Peleus herausfinden. Assandrus berichtet ihnen (Nachgeschichte des Trojanischen Krieges).
Chryses [Priester des Apollon, fordert von Agamemnon seine von Achilles entführte Tochter zurück; Dictys 30,18; Benoit 25723 Crises]
173
[mk]
Chrysolaus [Herrscher von Methymna; Curtius IV.8,11]
Nf.: Crises (Al, A2) I.
Al Rudolf von Ems, Alexander' 10680 (Crisolaus): Der tapfere Fürst C von Methymna wird in Kiun von Amphoter und Hegelochus gefangen genommen und auf Befehl Alexanders getötet.
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': C, ein trojanischer Überläufer, hütet mit Calchas das von den Griechen geraubte Palladium, [sks] lässt Epius das Trojanische Pferd bauen und bietet es den Trojanern als Sühnegeschenk Chthonius für das angeblich verlorene Palladium an (15917-15940). C trauert um seine während [Kentaur, wird im Kampf mit den Lapithen von Nestor des Krieges von Achilles geraubte Tochter getötet; M M 12,441] (16649). Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', 12,680·. C wird von Nestor erschlagen (Nestors Fortsetzung·. C, ein Priester im Apollo-Tem- Erzählung vom Kentaurenkampf; Katalog). pel zu Troja, berichtet den Griechen von [mk] den Voraussagen des Helenus zum Raub des Palladiums und zum Trojanischen Pferd Cicero (45125-45245). II.
[Marcus Tullius C, 106-43 v. Chr., röm. Staatsmann, Jurist und Verfasser von Reden und philosophischen Schriften]
Der Apollopriester C, der den Gott am Beginn der ,Ilias' um Rache bittet, weil ihm Agamemnon die Rückgabe seiner Tochter verweigert, kollaboriert bei Dictys mit den Griechen. C's Verräterrolle wird im ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure weitergesponnen, Al folgt dieser Version, A2 ist direkt nach Dictys gearbeitet. Das alte Motiv von der
R: Redner (D2), Gelehrter (D3) Nf.: Cycero (Dl), Tulius (Dl), Tullius (Dl, D2, D3, El) I. D1 Wernher von Elmendorf. C gibt ein Beispiel für einen maßvollen Menschen (945). Der Text bringt außerdem mehrere Berufungen auf
174
Cicero
ralium dogma philosophorum', das über frz. Vermittlung durch D l (um 1170) rezipiert wird. [1] In D l und El gilt C folgerichtig als Beispielfigur und als Autorität fur entsprechende moralische Lebensmaximen. El reiht ihn außerdem unter die so genannten guten Heiden. [2] Exempeltypus, Rhetorik und Topik der Berufung auf den Auetor, wie [1] Die Berufung ist mit dem Hinweis auf ein Buch C's sie in D1 vorliegen, werden in der folgenden verbunden, gemeint ist vermutlich ,De officiis'. mhd. didaktischen Literatur (D2 und D3) [2] Als Beispiel wird auf die Überlistung der Trojaner mit weiterentwickelt. dem hölzernen Pferd verwiesen. Hier im Übrigen das einzige Mal unter allen aufgeführten Belegen die Nf. Cycero. D3 nennt C gemeinsam mit Aristoteles, D2 Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast' Vergil u.a. als beispielhaften Vertreter der 8947'. C, Quintilian und Sidonius werden als antiken Gelehrsamkeit, die freilich von der die besten Lehrmeister der Rhetorik genannt christlichen Wissenschaft übertroffen wird. (Autoritäten der Septem Artes Liberales; Die mit den Nennungen verbundenen Klagen Katalog). über die Missgunst gegenüber den Gelehrten D3 Hugo von Trimberg, ,Der Renner'·. C wird und über den gegenwärtigen Niedergang der als Exempelfigur in mehreren Katalogen anGelehrsamkeit reflektieren ebenfalls beliebte tiker Meister genannt: C war ein edler Römer, didaktische Topoi. der den Wert der Kunst für die Ehre erkannDas C-Bild von D3 reflektiert insgesamt den te (1266); ein vorbildlicher heidnischer Gegängigen Typus der positiven Exempelfigur. lehrter, der aber doch in vielem irrte (8456); Die historische Gestalt ist wie in D l und er würde heute keine Anerkennung finden El - von dem möglichen Hinweis auf C's (10073) und stieß wegen seiner Tugend auf Nähe zur stoischen Philosophie abgesehen Missgunst (14675; Zeitklage; Missachtung (D3, 24189) — wenig konturiert. Die gerinder Gelehrsamkeit). C leitete den Namen ge Zahl der Nennungen entspricht insgedes röm. Senates aus dessen Ratgeber-Funksamt nicht dem Einfluss ciceronischer Rhetion (von Sinnen und Wissen) her (16239; torik und Ethik auf ma. Beredsamkeit und Meisterberufung; Exemplum: der röm. Senat Philosophie. als vorbildliche Institution) und verurteilte [1] S.v. CinMA und Humanismus (W. Rüeggu.a.), in: LMA, diejenigen, die Verbannung, Schmerzen, Leid Bd. 2, Sp. 2063-2077, bes. 2073f.; s.v. Cicero, Marcus Tullius und Tod fürchten (24189). [1]
Aussagen C's: Der Ratgeber müsse selbst nach Art des Weisen leben (91); Wahrhaftigkeit bedeute, alle Gelöbnisse einzuhalten (600) [1]; man solle keinem trauen, der gegenüber seinen Verwandten leicht erzürnt ist (642); der schlimmste Betrug sei der, der unter vorgetäuschter Freundschaft begangen wird (712). [2]
[1] 16239 verweist auf C's „alters buoche", 24189 auf ein „buoch". Welche konkreten Schriften gemeint sind, ist unklar (mit „alters buoche" eventuell der ,Cato maior vel de senectute').
El Hugo von Langenstein,,Martina'47b,39: C war ein weiser Heide und sagte, dass man das Leben achten und verständig leben solle. II. C galt dem MA auf dem Gebiet der Rhetorik, einer der Septem Artes Liberales, als die Autorität schlechthin und war Schulautor, worauf die Nennung in D2 direkt Bezug nimmt. C hatte außerdem große Geltung als Ethiker. So wirkt ,De officiis' auf das ,Mo-
(P. Kesting), in: VL, Bd. 1, Sp. 1274-1282; ebd. Sp. 1278f. auch zur Diskussion über einen möglichen Einfluss von ,De amicitia' auf die höfische Liebeskonzeption und von ,De officiis' auf das so genannte ritterliche Tugendsystem. [2] Vgl. hierzu auch -* Seneca (I.E3). Nachbenennung Ulrich von Etzenbach, Alexander' (Tulius)·. Seneca berichtet, dass Meister Tulius Alexander vor dem Hochmut gewarnt habe, dem meistens der tiefe Fall folge (24341). Er deutet außerdem Alexanders Traum von einem Mann, der auf einen herrlichen Baum klettert, herunter fällt und stirbt, auf die Unbeständigkeit der Welt (25971). [1] [1] Hinter der Gestalt steht mit Sicherheit C. Dass der berühmte Gelehrte als Lehrer- und Beraterfigur Alexanders auftritt, verstößt auch gegen ma. chronologische Standards, erklärt sich aber aus dem Vorbild des Aristoteles. Der Hinweis auf Seneca ist natürlich fiktiv. [mk]
Cingetorix — Circe Cingetorix
175
Circe
Labienus
Cinyras [1] [Mythischer Priesterkönig auf Zypern, Vater der Myrrha und des Adonis, begeht mit seiner Tochter Inzest; M M 10,299]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Cynaras): C, der Sohn des Pygmalion, Bruder des Paphus, Vater der Myrrha und des Adonis, wird, ohne es zu merken, von seiner Tochter Myrrha begehrt (10,565-691). Eine Amme fuhrt Myrrha dem Betrunkenen bei einem Ceresfest zu, C schwängert sie. Als er eines Nachts erkennt, dass seine Geliebte seine Tochter ist, will er sie töten, sie kann aber fliehen (10,815-827). [mk]
Cinyras [2] [Betrauert das Schicksal seiner von den Göttern zu Tempelstufen verwandelten Töchter; M M 6,98]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 6,184 (Cynaraß): C betrauert das Geschick seiner Töchter und umarmt die vier Tempelsäulen, in die sie von den Göttern verwandelt wurden (Darstellung auf dem von Pallas Athene im Wettstreit mit Arachne gewirkten Teppich; Exemplum für von Göttern Bestrafte). [1] [ 1 ] Die Identität von C ist schon bei Ovid unklar. Er könnte m i t - * C.myrüs [Ii identisch sein. Bei Ovid werden die Töchter des C in Tempelstufen, in Al in Säulen verwandelt. [mk]
[Tochter des Helios und der Perse, Schwester des Aeetes und der Pasiphae, Geliebte des Odysseus, Mutter desTelegonus, Zauberin auf der Insel Aiaia, verwandelt Picus in einen Specht und die Jungfrau Scylla in ein Meerungeheuer]
W: Göttin (Al) G: Tochter der Sonne (Al), Geliebte des Ulixes (A2), Mutter des Telegonus (A2) R: Königin (Al), Zauberin (Al, A2) Nf.: Circes, Cyrces (Al) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Von Glaucus wegen dessen Liebe zu Scylla zurückgewiesen, belegt C das Meer mit einem Zauber, der Scyllas Unterleib beim Bad in Hunde verwandelt (13,1334; 14,10-79). C wird von Ulixes gezwungen, seine von ihr in Stiere [!] verwandelten Gefährten zurückzuverwandeln; als sie von Picus abgewiesen wird, verwandelt sie ihn in einen Specht. Aufgrund dieser Berichte meidet Aeneas C (14,251-531; Abenteuer des Ulixes). A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Die betörende und unwiderstehliche C verabreicht Ulixes in Aeolus' Land einen Liebestrank und eine Liebesspeise, worauf Ulixes alle anderen Frauen vergisst und bei C bleibt. Schließlich ermannt er sich aber und kommt so von C los. C sorgt sich um ihren nach Ulixes' Abreise geborenen Sohn Telegonus, der allein nach seinem Vater suchen will. Nach Ulixes' Tod kehrt Telegonus zu C zurück (17624-17647; Nachgeschichte des Trojanischen Krieges; Abenteuer des Ulixes). II.
Cinyras [3] [Gefolgsmann des Acastus; Dictys 127,4; Benoit 29324]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 17996 (Cynerasj: Pyrrhus will an Acastus, der Peleus gefangen genommen hat, Rache nehmen. C, der Bote des Acastus, verrät ihm das Versteck seines Herren und wird von Pyrrhus getötet (Nachgeschichte des Trojanischen Krieges). [mk]
Die homerischen (Odysseus) und ovidianischen (Scylla, Picus) Motive des C-Mythos in Al folgen direkt Ovids ,Metamorphosen'. Dass Odysseus' Gefährten in Stiere und nicht in Schweine verwandelt werden, ist, wenn kein Missverständnis, ein Beschönigungsversuch. Der Handlungsgang in A2 folgt dem Trojaroman Benoits de Sainte-Maure, der seinerseits auf den Trojabericht des Dictys
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Clanis — Claudius [1]
zurückgreift. C's Zauberkunst ist in A2 in erster Linie Liebeszauber, die Motive zeigen Anklänge an den Tristanstoff. Odysseus erliegt wie Tristan einem Liebestrank, kann sich aber durch seine „Ermannung" von der Minne lösen, er wird so zu einer Art „Antitristan". Die Episode spinnt jedenfalls die erotischen Implikationen der antiken Version von C und Odysseus auf genuin ma. Weise weiter. [mk]
Clanis [Bruder des Clytius, Gefährte des Phineus, wird beim Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus getötet; MM 5,140]
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen'
5,244 (Danus): C, Bruder des Clytius und Anhänger des Phineus, wird beim Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus getötet (Katalog). [1] [1] Die Ν f. Danus erklärt sich als Verlesung von Clanis. [mk]
Claudianus [Claudius C, um 350-404 n. Chr., aus Alexandria, Verfasser historischer, panegyrischer und mythologischer Dichtungen, verherrlichte das augusteische Kaisertum]
R: Gelehrter ( D l ) , Dichter ( B l ) , Auetor (Dl) Nf.: Claudian (Dl), Claudiano ( B l ) I.
Bl ,Reinfried von Braunschweig
22488: C's
Erzählungen berichten vom herrlichen Klang von Orpheus' Lyra, mit der dieser die Tiere anlockte und friedlich beieinander verweilen ließ. Aber selbst dieser Klang ist nicht mit dem Gesang der Sirene vergleichbar (Reinfried begegnet der Sirene; Meisterberufung).
Dl Hugo von Trimberg,,Der Renner' 16450: C sagte einst, er ärgere sich über das Ansehen der Ungerechten nicht, denn sie werden nur deshalb so gelobt, damit sie umso schneller fallen (Meisterberufung).
II. C, der letzte große „mythologische" Epiker der Antike, [1] war vor allem wegen seines mythologisch-allegorischen Epos ,De raptu Proserpinae' für ma. Myelographie und Mythendeutung von Interesse. [2] Ein für die höfische Literatur überraschender Reflex gelehrter C-Rezeption ist die Quellenberufung in Β1. [3] Die Stelle spricht explizit vom integumentalen Sinn, also der allegorischen Deutbarkeit von C's Werk. [4] In D l könnte auch der Rhetor und Philosoph C gemeint sein (um 474 als Presbyter in Vienne gestorben), der als Mittler neuplatonischer Seelenmetaphysik das MA beeinflusste. [1] S.v. Claudianus [5.] (M. Fuhrmann), in: DKP, Bd. 1, Sp. 1202-1204, hierSp. 1202. [2] Vgl. den .Anticlaudianus' Alans von Lille und die .Ecloga Theoduli' (Chance, Medieval Mythography, 592, Anm. 6), zu C-Rezeption und Überlieferung im MA s.v. Claudianus (R. Kurz), in: LMA, Bd. 3, Sp. 2130f. [3] Β1 erwähnt außerdem vermutlich mit Bezug auf C den Raub der Proserpina. [4] C, heißt es, habe „mit fabellicher tiute" von Orpheus erzählt. [mk]
Claudius [1] [Titus C Caesar Augustus Germanicus, 41-54 n. Chr. röm. Kaiser, Gatte der Messalina und Agrippina, Vater des Britannicus und der Octavia, adoptiert Agrippinas Sohn Nero und wird von dieser vergiftet]
G: Bruder des Faustinianus (El) R: Kaiser (El, E3), König von Rom (E2) I. El,Kaiserchronik': C begehrt Mechthild, die Frau seines Bruders, doch diese ist ihrem Mann treu ergeben (1221; 1255). Simon hetzt C gegen die Christen auf (4038). Die Römer sind über Petrus' Verbannung aus Rom und über C's ausschweifendes Leben erbost, nach 13 Jahren Herrschaft wird er vergiftet (4069).
E2 Jans Enikel, , Weltchronik' 24373: Der mächtige, reiche, aber geizige C ist krank vor Gier nach Gold. Er lässt alle Einwohner
Claudius [2] — Cleades Roms und sogar die Kinder mit hohen Steuern belegen, alles Gold und Silber soll eingeschmolzen und in einer neuen Burg eingeschlossen werden. Sollte der Verwalter sich weigern, der Bevölkerung die Baukosten abzupressen, muss er die Burg aus eigenen Mitteln finanzieren. Der Verwalter hilft sich mit einer List - er lädt C in die Burg ein, überwältigt und tötet ihn, indem er ihm flüssiges Gold einflößen lässt (Exempelfigur für den geizigen Herrscher).
E3 Heinrich von Hesler,,Evangelium
Nicodemi'
4596\ C folgt Tiberius als Kaiser nach (Katalog röm. Kaiser).
II.
177
El Heinrich von Hesler,,Evangelium Nicodemi'·. Die Konsuln C und Vellio erhalten von Pilatus Briefe [1] mit Berichten über Christus (3806). Sie raten dem schwer kranken Tiberius, den Wunderarzt aus Palästina nach Rom kommen zu lassen (3825; 3927). [1] Das Motiv bezieht sich auf den altchristlichen, apokryphen Pilatusbrief, der an Kaiser C Claudius [1]) adressiert ist. In El scheint jedoch nicht der Kaiser, sondern der Freigelassene des Tiberius gemeint, der die Informationen an den kranken Kaiser Tiberius weitergibt. Die Übertragung erklärt sich aus dem Einfluss der mit Tiberius verbundenen Veronikalegende: Christus kann nicht mehr nach Rom gebracht werden, weil er bereits hingerichtet worden ist, Tiberius wird von Veronika mit dem Tuche Christi geheilt; Tiberius. Quelle von El ist vermutlich die .Legenda aurea' des Jacobus de Voragine. [mk]
C repräsentiert in El und E2 so wie die meisten Kaiser zwischen Tiberius und Konstantin d. Gr. den Typus des negativen Herrschers, was sich nicht zuletzt aus den beginnenden Christenverfolgungen erklärt (vgl. El). Die in El referierte Faustinianus-Mechthild-Legende ist eine freie Bearbeitung der ,Recognitiones Clementis'. [1] Die Motive von C's krankhaftem Geiz und von der Tötung durch Einflößen flüssigen Goldes (E2) werden im ,Renner' Hugos von Trimberg Crassus zugeordnet. [2] In der Kaiserliste von E3 folgt C direkt Tiberius, Caligula wird erst nach C genannt. [1] Vgl. Schröder (Hg.), 104, Anm. 1. [2] -» Crassus (I.DI). Nachbenennung Heinrich von Neustadt, ^Apollonius' (Claudicoj: C, ein junger und tugendhafter Herzog, bestreitet bei einem Festturnier in Antiochia einen Schaukampf mit Hercules [!] (17709) und wird von Apollonius als eines der zehn Mitglieder seiner Tafelrunde [!] auserwählt (18457; 18676; 1900619037). [1] [1] Ein konkretes historisches Vorbild der C-Figur im Apollonius' ist nicht auszumachen. [sks/mk]
Claudius [2] [Sklave aus Smyrna, wird von Tiberius freigelassen, begleitet Caligula nach Gallien, nimmt an der Niederschlagung des jüdischen Aufstands durch Vespasian teil, wird von Domitian verbannt, dann aber zurückgerufen]
Claudius Aelianus [170-230 n. Chr., Verfasser von ,De natura animalium', einer Quelle des .Physiologus']
Dl Hugo von Trimberg, ,Der
Renner'20285
(Adellin): C bezeugt mit anderen Meistern die Wirkkraft des Balsams (Katalog). [1] [1] Ob mit Adellin tatsächlich C gemeint ist (so Ehrismann, Hg., Reg.), ist fraglich. Als weitere Meister nennt der Katalog Aristoteles, Plato, Plinius und Solinus. [mk]
Clausus [Fürst der Sabiner aus Cures; Aeneis VII,706; RdE 3949]
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman (Claudjus; Claudius): Graf C, der Herrscher der Sabiner, ist ein Kampfgenosse des Turnus (5119; 7086; Katalog). [sks]
Cleades [Thebaner, versucht, Alexander von der ZerstörungThebens abzuhalten; Chätillon 1,326]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander'
(Cly-
ades): C, ein trefflicher Edelmann, bittet Alexander um Gnade für Theben, preist ihn in einem Loblied als Abkömmling der Götter,
178
Cleander — Clitomachus
dem Clotho, Lachesis und Atropos hold seien und der alle Tugenden des Hercules, der einst Theben bewohnte, geerbt habe (3722; 3784). Alexander ist C fur seine Wortkunst gewogen, lässt aber dennoch die Stadt zerstören und die Thebaner töten (3788; 3805). [sks]
Cleander [Vornehmer Makedone, 334-332 v. Chr. auf Söldnerwerbung in Griechenland, ist an der von Alexander befohlenen Ermordung Parmenios beteiligt und wird 324 wegen Raubes hingerichtet; Curtius 11.1,1]
Al Rudolf von Ems, »Alexander' (Kleander)·. C, ein treuer, gesinnungsstarker und tapferer Fürst, soll auf Befehl Alexanders in Griechenland Kämpfer gegen Darius werben (5018; 7010), befehligt die Peloponneser (7358), fuhrt den rechten Flügel des Heeres, kommt den Makedonen vor Tyrus zu Hilfe (91449188) und wird nach dem Fall der Stadt von Alexander auf Eroberungszug geschickt (9479). C, Parmenio, Sitalces und Agathon verwalten Medien. AufAlexanders brieflichen Befehl hin tötet C Parmenio, der zu Unrecht der Verschwörung gegen Alexander verdächtigt wird, und sendet das abgeschlagene Haupt an Alexander (20291-20542). [sks]
Cleopatra [Nichte des Attalos, zweite Gattin König Philipps II. von Makedonien, Mutter der Europe, wird nach der Ermordung Philipps von Olympias zum Selbstmord gezwungen]
G: Geliebte Philipps (Al), Braut Philipps (Al, A3), zweite Gattin Philipps (Al, A2), Mutter eines Sohnes (A2), Königin (A2) Nf.: Kaljopatra (A2)
die beiden aber wieder zusammen (25792667). A3 Ulrich von Etzenbach, »Alexander': Auf Rat des Lysias verstößt Philipp Olympias und nimmt die schöne, junge C zur Braut. Lysias weissagt ihnen einen Sohn. Alexander tötet Lysias im Zorn, verstößt C und holt Olympias als Königin zurück (1791; 1806). In seinem Testament verfugt Alexander, dass Ptolemaeus die Herrschaft über Afrika, Arabien und Ägypten und die Hand C s erhalten soll (26999). II. Philipps Liaison mit C gefährdet wie in der Realhistorie so auch im Alexanderroman Alexanders Machtposition. In A3 ist sie das Ergebnis einer Hofintrige. In A2 versöhnt Alexander selbst Philipp und Olympias. Die Mesalliance ist zudem das Pendant zu jener zwischen Olympias und Nectanebus, aus der in A2 und A3 Alexander selbst hervorgeht. Mit C, deren Hand Ptolmaeus erhalten soll (A3), könnte auch Alexanders (historisch ebenfalls belegbare) Schwester gemeint sein (sie wird im Text sonst aber nicht erwähnt). Die Ehe-Verfügung reflektiert wohl die zahlreichen historischen ägyptischen Herrscherpaare Ptolemaeus-C. Die berühmte C von Ägypten, Geliebte Caesars und Marc Antons, ist in der mhd. Literatur nicht belegt. [mk/sks]
Clitomachus [Thebaner, siegt im Kampf von Korinth und erhält die Herrschaft über die Stadt; Leo 74,25]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 3539 (Klitemach): Der angesehene, kluge und tapfere C, der Alexander bei der Belagerung Thebens I. Al Pfaffe Lamprecht, »Alexander': Wegen C entkommen ist, siegt in einem Schaukampf vor Korinth, wird von Alexander gekrönt und verstößt Philipp Olympias (V392; S458). A2 Rudolf von Ems, »Alexander': Wegen C mit Korinth belehnt. verstößt Philipp Olympias, Alexander führt [sks]
Clitomedes — Clymena [1] Clitomedes [Philosoph; Leo 71,7 Clitomidis]
Al Rudolf von Ems, Alexander 4867(Klitomedus)\ Der Gelehrte C ist Begleiter Alexanders und Verfasser eines ausführlichen Berichts über dessen Taten. Er weiß vergleichsweise mehr über Alexander zu berichten als Homer über die Trojaner. [1] [1] Dass C eine .Alexandreis' verfasst habe, ist eine Quellenfiktion von A l . Sie zeigt Analogien zu den fingierten Augenzeugenberichten vom Trojanischen Krieg, Dares und Dictys. Ansonsten gilt als Begleiter und Chronist Alexanders Callisthenes. [sks/mk]
Clitus [Heerführer Alexanders; Curtius IV. 13,26; Chatillon 11,428 Clytus]
Nf.: Daclym (Al) I. Al P f a f f e Lamprecht, Alexanderlied': C rettet Alexander in der Schlacht am Euphrat das Leben. Er tötet Spithridates, als dieser Alexander das Schwert durch die Kehle stechen will (VI 276-1309; S1762-1793). A2 Rudolf von Ems, Alexander'·. C fuhrt die erste Rotte im rechten Flügel des gr. Heeres gegen Darius (11954), tötet einen persischen Fähnrich und schlägt Bessus, den höchsten Fähnrich der Perser, in die Flucht, muss aber schließlich vor der Ubermacht der Perser zurückweichen (12232-12277; Schlacht bei Arbela). A3 Ulrich von Etzenbach, Alexander '·. C, dessen Schwester Alexanders Amme war (13429), assistiert Alexander bei der Heerschau in Korinth (2429; 2439), landet mit ihm in Asien (4619), kämpft in der Schlacht bei Issos im rechten Flügel des Heeres (7434), rettet Ptolemaeus aus persischer Bedrängnis (7923-7988) und tötet mehrere Perser in der Schlacht bei Arbela (13429-13573; als Kämpfer genannt: 16675). C wird von Alexander getötet, als er damit prahlt, Alexander mehrfach vor dem Tod bewahrt zu haben (19231-19271).
179
II. C erscheint in A2 und A3 als tapferer Fürst und bedeutender Heerführer Alexanders. Ein beliebtes Motiv der Alexanderliteratur ist die Rettung Alexanders durch C in der Schlacht am Granikos, auf die in A3 ansgespielt wird, die aber nur in Al geschildert wird (im Rahmen der Schlacht am Euphrat [1]). Ob das Motiv von seiner Tötung durch Alexander (A3 über Walter von Chatillon nach Q. Curtius Rufus VIII. 1,19) eine oppositionelle Haltung der historischen Gestalt reflektiert, ist fraglich. [2] Sein schmachvoller Tod unterstreicht jedenfalls in den Texten Auswüchse in Alexanders Hofstaat und dessen Niedergang. [1] Die Episode wird in den Quellen von Al (Leo Archipresbyter, .Historia de preliis') und bei Q. Curtius Rufus nicht berichtet. Erwähnung findet sie bei Arrian und bei Plutarch, vgl. Kinzel (Hg.), Anm. zu 1667-1908, 143fF. Al hat die Gestalt aus Alberic, seiner afrz. Quelle, worauf auch die Nf. (Daclym fiir „Don Clin") hinweist (Mölk, Alberics Alexanderlied, 27). [2] S.v. Kleitos [6.] (G. Wirth), in DKP, Bd. 3, Sp. 237. [mk/sks]
Clotho -» Parcae
Clymena [1] [Oceanide, Mutter des Phaethon; MM 1,765]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Climene)·. C beteuert ihrem Sohn Phaethon, dass Apollo sein Vater sei, und rät ihm, diesen zu besuchen (1,1529). Gemeinsam mit ihren drei Töchtern beklagt sie Phaethons Tod. Als die Töchter sich in Pappelbäume verwandeln, versucht C, sie aus der Rinde zu befreien, und reißt dabei einen Ast ab. Die Wunde wird von den heilwirkenden Tränen der Verwandelten [1] geschlossen (2,95; [2,717]). [1] Bei Ovid werden die Tränen der Pappeln zu Bernstein. Dass sie in Al als blutstillende Arznei gedeutet sind, entspricht den Vorstellungen über die Heilwirkung des Bernsteins; s.v. Bernstein (K. Olbrich), in: HWDA, Bd. 1, Sp. 1091-1093. [mk]
180
Clymena [2] — Clytaemestra
Clymena [2] [Tochter der Aethra, beide begleiten Helena nach Troja; Dictys 5,7; Benoit 26309 Climena]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 16358 (Dimena): C und Aethra (Ethra, 16359) sind Gefährtinnen der Cassandra. Nach dem Fall Trojas wird C mit Acamas und Aethra mit Demophon verheiratet. [1] [1] C und Aethra sind eigentlich Begleiterinnen Helenas, werden in Al aber Cassandra zugeordnet. Bei Dares wird Clymene nicht genannt, Benoit folgt hier Dictys. [mk]
Clymena [3] [Eigentlich -* Clymena [2]\ bei Benoit (28108) Tochter des Idomeneus und der Therasis]
Al Herbort von Fritzlar,,lietvon Troye'17293 (Clymona): C empfängt mit ihrer Mutter Thesaris [-> Meda] ihren heimkehrenden Vater Idomeneus (Nachgeschichte des Trojanischen Krieges). [1] [1] Benoit, die Vorlage von A l , missversteht offensichtlich Dictys (121,1), wo Menestheus mit Aethra und Clymena, den Dienerinnen Helenas, nach Athen zurückkehrt, und fasst Aethra (Nf. Therasis) als Gattin und C als Tochter des Idomeneus auf. [mk]
des Aegisthus (Al, A2), Mutter des Orestes (Al, A2) und der Erigone (Al) R: Königin (A2) von Mykene (Al) Nf.: Climestra (A2), Clitemestra (Al) I. Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': C geht während Agamemnons Abwesenheit ein verwerfliches Verhältnis mit dem niederen Ritter Aegisthus ein, sie zeugen Erigone. Als sie von der Heimkehr Agamemnons erfahren, planen sie seine Ermordung, die Aegisthus ausführt (17213-17260). C wird später von Orestes angegriffen, besiegt, aufgehängt und ihre Leiche den Hunden und Vögeln zum Fraß vorgeworfen (17409; 17411). Auf Menestheus' Betreiben hin wird Orestes vom Muttermord entsühnt ([17488]). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung·. C geht während der Abwesenheit Agamemnons ein Verhältnis mit Aegisthus ein und plant mit ihm die Ermordung Agamemnons. Aegisthus erschlägt ihn, während er ein von C genähtes Hemd ohne Öffnung für den Kopf anzieht (49508-49697). II.
Das C-Bild derTrojaromane ist denkbar negativ. C ist treulos und unkeusch. Das höfische Ehebruchsmotiv wird hier mit deutlich Clymenus misogyner Polemik abgehandelt, wie C's grausame Hinrichtung in Al unterstreicht. Real[Gefährte des Phineus; M M 5,98] historische Erfahrungen (Ehebruch während Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' der kriegsbedingten Abwesenheit der Männer) 5,162 (Clymenes)·. C, der beste Fürst im Saal, fließen vielleicht ein, der Hinweis auf Aewird während des Kampfes auf dem Hoch- gisths niedere soziale Stellung in Al bedient zeitsfest des Perseus von Hodites getötet [1] außerdem soziale Ressentiments. (Katalog). Das Verhältnis zwischen Aegisth und C in [1] Bei Ovid tötet Clymenus Hodites. Al ließe sich aber auch als Polemik gegen [mk] das Liebeskonzept der höfischen Lyrik (Ehebruchsliebe zwischen Minneherrin und Minnesänger, etwa im Tagelied) interpretieren. Die Clytaemestra Mediävalisierung ist jedenfalls deutlich. [Tochter des Tyndareos und der Leda, Schwester Helenes A2 reflektiert das antike Motiv von Agamemund der Dioskuren, Gattin Agamemnons, Geliebte des nons Tod im Bad, das Hemd ohne Öffnung Aigisthos, mit dem sie Agamemnon und Kassandra tötet] für den Kopf verleiht dem Verbrechen koG: Gattin des Agamemnon (Al, A2), Geliebte mische Züge.
Clytie — Coenus Der Handlungsgang in Al geht auf den Trojaroman Benoits de Sainte-Maure, jener in A2 direkt auf den Trojabericht des Dictys zurück. [mk/sks]
Clytie
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Cobares [Meder; Curtius Vll.4,8]
A l Rudolf von Ems, vAlexanderDer treffliche, weise und tapfere Meder C rät Bessus zur Aufgabe, läuft zu Alexander über und wird von diesem mit Land belehnt (20922-20974). [sks]
[Geliebte des Sol, macht sich aus Eifersucht an Leucothoes Tod schuldig und wird in eine Blume verwandelt; M M 4,206]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 4,487 (Clyde)·. Apollo trennt sich von C, weil sie aus Eifersucht verraten hat, dass Leucothoe von ihm schwanger ist. C blickt daraufhin nur mehr zur Sonne und verwandelt sich schließlich in die Blume „Wegweis", die noch heute dem Gang der Sonne folgt (Aition). [1] [1] Apollo und Sol werden in Al im Unterschied zu Ovid nicht auseinander gehalten. Bei Ovid ist Phoebus als Sonnengott gemeint. Indem C zur Sonne blickt, blickt sie ihren Geliebten an. „Wegweis" ist die Übersetzung von „Solsequium". [mk]
Clytius [Bruder des Clanis, Gefährte des Phineus, wird beim Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus getötet; MM 5,140]
A l Albrecht von Halberstadt .Metamorphosen 5,243 (Clitius): C, der Bruder des Clanis, wird beim Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus von Halcyoneus getötet (Katalog). [mk]
Codrus [Gr. Kodros; sagenhafter letzter König von Athen, opfert sich aufgrund eines Orakels für seine Stadt]
El Rudolf von Ems, ,Weltchronik' 26747: C ist der letzte König Athens. Aufgrund eines Orakelspruchs, der den Peloponnesern den Sieg über die Athener verspricht, falls deren König nicht sterben sollte, geht C in armseligen Gewändern ins feindliche Lager und reizt die Gegner so lange, bis sie ihn töten. Aus Dankbarkeit fur den Sieg wird C von den Athenern wie ein Gott verehrt. Auch Vergil spricht C großes Lob aus (Katalog der Könige von Athen). [1] [ 1 ] Die Opfersage des C war schon in der Antike verbreitet; s.v. Kodros (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 3, Sp. 264f. El bringt sie, dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, im Rahmen eines profangeschichtlichen Exkurses zur Heilsgeschichte. Quelle von El ist das ,Chronicon universale' Ekkehards von Aura (PL 154, Sp. 525), das auch den Verweis auf Vergil (Ecloga V , l l ) bietet. [mk]
Coenus [Heerführer Alexanders; Curtius 111.9,7; Chatillon 11,428]
Clytomedes
G: Schwager des Philotas (Al) R: Herrscher über Cilicia und Babylon (A2), Herzog (Al), Heerführer (Al), Gefolgsmann Alexanders (A2)
Clitomedes
Clytus [Athener, Sohn des Pallas, Bruder des Butes; MM 7,500]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Clitusj: C und Butes, die Söhne von König Pallas, erbitten von Aeacus Hilfe für das von Minos bedrohte Athen (7,867; [7,1152]). [mk]
Nf.: Cenos (Al, A2), Zenos (Al, A2) I. A l Rudolf von Ems, »Alexander': Der kluge C kämpft in der Schlacht von Issos an der rechten Flanke des gr. Heeres (6993), muss vor den Unverwundbaren in Darius' Heer
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Coeranus — Commodus
die Flucht ergreifen (7277), führt gemeinsam mit Nicanor in der Schlacht bei Arbela das Heer der Argyraspides (11967), durchbricht die Schar der Feinde und wird schwer verwundet (12432; 12653; 13801). C hält Philotas für schuldig an der Verschwörung gegen Alexander (19228; 19538; Katalog des Fürstenrates). A2 Ulrich von Etzenbach, vAlexander': C gehört zu den angesehensten und kampftüchtigsten Mitstreitern Alexanders (4719; Katalog), er kämpft in der Schlacht bei Issos unter der Führung Nicanors im rechten Flügel des gr. Heeres (7429; 8043; 16676), wird von Alexander gemeinsam mit Ptolemaeus gegen Taxiles in den Kampf geschickt (19911), erhält Alexanders Testament zufolge die Herrschaft über Cilicia und Babylon (27006; Katalog der Diadochen) und kümmert sich um die trauernde Roxane (27107). Anhang: Der vornehme, ausgezeichnete C nimmt bei der Belagerung Tritonias zwei Boten des Darius gefangen (763; 791).
II. Der historische Koinos war einer der wichtigsten Feldherrn und Ratgeber Alexanders, nahm an dessen Indienfeldzug teil und starb auf der Rückreise. Die Darstellung in Al folgt den Angaben bei Quintus Curtius Rufus, A2 jenen in der Alexandreis' Walters von Chätillon. [sks/mk]
Collatinus [Herrscher von Collatia, rächt sich für die Entehrung seiner Gattin Lucretia und beteiligt sich an der Verschwörung gegen Tarquinius, die den Beginn der röm. Republik markiert]
E l ,Kaiserchronik' (Conlatinus): Der tapfere, edle C flieht, nachdem er in Trier einen Mann getötet hat, nach Rom, freundet sich mit König Tarquinius an, erlangt großes Ansehen und heiratet Lucretia (Berufung auf Ovid). Aus Rache für einen Mordanschlag der Trierer auf C belagern die Römer Biterne (4313-4403). C rühmt sich im Heerlager, die tugendhafteste Römerin zur Frau zu haben. Tarquinius widerspricht dem, verliert aber die folgende Wette: Lucretia bewirtet den überraschend heimgekehrten C bereitwillig, die Königin ihren Gatten Tarquinius nicht. Um deren Ehre wiederherzustellen, schleicht sich Tarquinius bei Lucretia ein und vergewaltigt sie unter der Drohung, sie öffentlich des Ehebruchs zu zeihen. Um dem zuvorzukommen, lädt Lucretia am nächsten Abend zu einem Fest, macht Tarquinius' Verbrechen bekannt, fordert C auf, für sie Rache zu nehmen, und ersticht sich. Tarquinius flieht und wird von C verfolgt und getötet (4403-4808). [1] [ 1 ] Der Beleg verarbeitet die berühmte Lucretia-Legende. In der röm. Version wird Lucretia von Sextus Tarquinius, Tarquinius' Sohn, vergewaltigt, setzt ihren Mann und weitere Römer davon in Kenntnis und ersticht sich (so bei Livius, 1.57,6ff.). Ε1 verlegt das Geschehen in nachneronische Zeit. Der Verweis auf Ovid bezieht sich auf,Fasten' 11,721-852. [mk]
Coeranus [Sohn des Iphitus, Lykier im Gefolge Sarpedons, wird von Odysseus getötet; MM 13,257]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 13,375 (Cyranos): Ulixes rühmt sich, bei der Ergreifung des trojanischen Spions Dolon u.a. auch C erschlagen zu haben (Katalog; Streit um Achills Waffen; Rede des Ulixes). [1] Al fasst das Patronymikon fur C, Iphitides, als eigene Figur (13,376) auf. Bei Ovid bezieht sich der Katalog nicht auf die Dolonie (,Ilias' 10), sondern auf den Kampf gegen die Lykier unter der Führung Sarpedons (.Ilias' 5). [mk]
Commodus [Imperator Caesar M. Aurelius C Antonius Augustus, röm. Kaiser 180-192 n. Chr., wird nach militärisch glückloser und dekadenter Herrschaftsführung im Bade ermordet]
El,Kaiserchronik'(LuciusAcommodus)·. Nach der Ermordung des Hadrianus wird Commodus von den Römern zum Kaiser erhoben. Der in Apulien zum Gegenkönig ernannte Alaricus zieht gegen Rom und dringt in die Stadt ein. C wird getötet und auf Alaricus'
Concordia — Constantinus Befehl ehrenvoll bestattet. Seine Herrschaft hat fünfeinhalb Jahre gedauert (7246-7420). [ 1 ] D i e Kaiserliste ist historisch nicht korrekt. W i e der Westgotenkönig Alaricus, der R o m 4 0 8 belagert, in sie gerät, ist unklar. D i e Schilderung von Alarichs Heeresaufgebot zeigt Parallelen zu Lamprechts .Alexander' und Konrads .Rolandslied' (Schröder [Hg.], zur Stelle). [mk]
Concordia [Göttin der Eintracht; Allegorie]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander'12628: C, die Göttin der Versöhnung, Victoria und die personifizierten Tugenden thronen in einem wundersamen Palast bei Rom, den man nicht mit Absicht, sondern nur mit Glück finden kann [12519] (Exkurs; Allegorie). [1] [1] D i e Stelle bezieht sich auf Walters von Chätillon A l e xandreis' I V , 4 2 5 ; die Beschreibung des Palasts der Victoria entwickelt eine breite Staatsallegorie. Die Darstellung könnte vom Victoriatempel auf dem Palatin oder dem Pantheon beeinflusst sein. [sks/mk]
Constantinus [C der Große, röm. Kaiser 2 8 0 - 3 3 7 n. Chr., Sohn des C o n stantius und der Helena, gewährt 3 1 3 im Toleranzedikt von Mailand dem Christentum kaiserlichen Schutz, beruft 3 2 5 das Konzil von Nicaea ein, verlegt 3 2 6 die Hauptstadt nach Byzanz, das als Constantinopel neu gegründet wird, und lässt sich kurz vor seinem Tod taufen]
G: Unehelicher (El, E3) Sohn der Helena (B5, E l , E2, E3, E5) und des Constantius (El, E3) R: Röm. Kaiser (Bl, B2, B4, D l , E l , E2, E5), König (Bl, B2, B3, C l , C2, C3, C4, E l , E3, E4, E5), Richter (B4), Gründer Constantinopels (Bl) Nf.: Constantein (Bl/C), Constantin (Bl, B2, B3, C l , C2, C3, D l , E3, E5), Constantine (E4), Constantinus Augustus (El), Konstantin (B2) I. B l Otte, ,Eraclius\ Seit C's Sieg über die Griechen residieren die röm. Kaiser meistens
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in Griechenland (4566/A, B, C). C eroberte viele Städte und gründete Constantinopel, indem er Erde und Staub aus Rom ausstreuen ließ und vornehme Römer ansiedelte. Deshalb heißt das Land Romania (4566/A, B). Nach C beherrschten die [byzantinischen] Griechen für mehr als 500 Jahre das Röm. Reich (4598/A, [B]). B2 Rudolf von Ems, Alexander': C gab Constantinopel seinen Namen (3965), verlegte den Herrschersitz dorthin und ließ Johannes und Marinus als Statthalter in Rom zurück (12972; Prolog zum 4. Buch). B 3 , Göttweiger Trojanerkrieg 23755: C gründete in späterer Zeit auf dem Feld Estrelo, dem Schauplatz der Schlacht zwischen Bevar und Agamemnon, Constantinopel. B4 Albrecht,,Der jüngere TiturelUnter dem vorbildlichen, gerechten Richter C hätten sich die Juden nicht den Einfluss erkaufen können, den sie trotz Diaspora heute widerrechtlich genießen (111,3). C gibt ein Beispiel dafür, wie man durch vorbildliches Rittertum auf Erden und im Himmel Glück erlangen kann (1892,3). C trug zu Recht die Krone von Rom (3622,2), verlor durch Maxentius sein Ansehen bei den Römern und führte röm. Fürsten mit sich aus Rom fort. Sie fehlten Maxentius bei seinem Eroberungszug gegen Britannien (4612,2-4613,3). B5 ,Reinfried von Braunschweig' 18149: Zur Zeit Helenas, der Mutter C's, wurde Jerusalem wieder aufgebaut und das Grab Christi in eine Kirche verlegt (Reinfrieds Reise ins Heilige Land; Exkurs). Cl Walther von der Vogelweide C 3.IV,5 (L 10,29): C hätte nicht als erster Herrscher den Klerus am Reichtum teilhaben lassen, hätte er die schlimmen Folgen für das Reich absehen können. Aber damals besaß der Klerus noch Anstand und war frei von Hochmut. C2 Walther von der Vogelweide, C 10.XIII.1 (L 25,11): C übergab dem Hl. Stuhl in Rom Speer, Kreuz und Krone. Über Letzteres wehklagte der Engel, da die Macht des höchsten Fürsten durch den politischen Einfluss der Geistlichen eingeschränkt wird.
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Constan tinus
C3 Frauenlob, VIII. 14,10: C setzte den Klerus ein. Angesichts des Reichtums, den der Klerus seither anhäufen konnte, wäre es traurig, würde er C nicht ehren. C4 Frauenlob, IX. 11,13: C hat nicht gut daran getan, dem Klerus die Befehlsgewalt über die Verteidigung des Hl. Stuhls zu geben. Das Geld hat die Christenheit verdorben. D l Thomasin von Zerklaere,,Der welsche Gast' 6223: C war zwar reich und mächtig, errettet wurde er aber seiner Tugend wegen, denn Tugend und nicht Reichtum führt zu Gott. E l ,Kaiserchronik': Der in Trier geborene C wird wegen seiner jugendlichen Vollkommenheit gemeinsam mit Helena von seinem Vater nach Rom geholt und prachtvoll empfangen (7613; 7638). C besiegt Nepotianus, der Mainz besetzt hat, und bringt ihn nach Rom (7770; 7792). Als er nach dem Tod seines Vaters die Herrschaft übernimmt, lässt Gott ihn so schwer erkranken, dass ihm niemand helfen kann. Den Ratschlag eines Gelehrten, im Blut kleiner Kinder zu baden, lehnt C ab. Petrus und Paulus raten ihm im Traum, Papst Silvester um Hilfe zu bitten. Als Silvester C tauft, schwindet die Krankheit, Rom wird christlich (7809-8050; Silvesterlegende). Helena möchte C vom Christentum abbringen und droht mit der Zerstörung Roms. Silvester initiiert daraufhin ein Streitgespräch zwischen Christen, Juden und Heiden, das die Bekehrung der Heiden zur Folge hat (8206-9854; Konzil von Nicaea). C überlässt die Herrschaft in Rom Silvester und zieht mit seinen Männern durch Griechenland nach Troja. Ein Engel verkündet C, er solle in Byzanz, das jetzt nach ihm Constantinopel heißt, Hof halten. C lässt die Frauen aus Rom holen und in Constantinopel röm. Erde aufschütten. Seine Männer stünden so auf röm. Boden, würden aber Rom nicht Wiedersehen. C gründet zahlreiche Städte und herrscht über 30 Jahre (1041910491). C hat einst verboten, die Tore zu dem Gemäuer, in dem sich ein Venusbildnis befindet, aufzuschließen (13138; Astrolabiuslegende).
E2 Priester Konrad, ,Predigtbuch' 92,4: C wurde von Papst Silvester durch die Taufe vom Aussatz geheilt. Im Traum befahl ein Engel C, seinen Feinden mit einer roten Fahne, auf der ein Kreuz abgebildet sein solle, entgegenzureiten. E3 JansEnikel,, Weltchronik': C will nach dem Beispiel des Augustus eigene Münzen prägen lassen. Als er von der Liebe seiner Gattin zu einem Krüppel erfährt, lässt er beide töten, was heute noch auf einem Stein in Rom zu sehen ist. Der Mord an seiner untreuen Gattin ist auf der Münze C's dargestellt. Gott straft C mit Aussatz, der nur durch das Blut kleiner Kinder geheilt werden kann. Als C aus Mitleid mit den Kindern darauf verzichtet, erscheint ihm in der Nacht Petrus und verkündet ihm die Barmherzigkeit Gottes. C wird von Silvester getauft und so geheilt. Die Heiden bekehren sich. C herrscht im Jahr 306 n. Chr. (2513025521; Silvesterlegende). [1] [1] Zur Sage vom Krüppel vgl. Strauch (Hg.), 4 9 1 , A n m . 1; zur Münzbeschreibung ebd., 4 9 2 , A n m . 3. Die Silvesterlegende weicht stark von E l ab.
E4 Brun von Schönebeck, ,Das Hohelied' 10838: Mit C erfuhr die Auseinandersetzung zwischen Christen und Heiden eine Wende. E5 Konrad von Würzburg, ,Silvester': C wird für die Christenverfolgungen von Gott mit Aussatz bestraft, der nur durch ein Bad im Blut kleiner Kinder geheilt werden kann. Als C aus Mitleid mit den Opfern auf seine Heilung verzichtet und sogar Reichtümer an die verängstigten Familien verteilt, verkünden ihm Petrus und Paulus, dass er aufgrund seines noblen Verhaltens von Papst Silvester geheilt werde. Dafür soll C sich für die Ausbreitung und Förderung des Christentums einsetzen (874-1183). Silvester unterweist C in der christlichen Lehre und tauft ihn (1292-1718). Der durch die Taufe geheilte C erlässt an den folgenden sieben Tagen Gebote, um den christlichen Glauben zu verbreiten, und fasst am achten Tag den Entschluss, ein Münster bauen zu lassen. Aufgrund von Steuerbegünstigungen fur Bekehrte lassen sich 12000 taufen. Die Heiden werden ohne Ge-
Constantinus waltanwendung aus Rom verjagt (1828-1987). Als Helena versucht, C zum Judentum zu bekehren, bekräftigt er sein Bekenntnis zum Christentum und lädt seine Mutter und ihre Gelehrten zu einem Streitgespräch über den wahren Glauben ein ( 2 4 1 6 - 2 5 7 4 ; Streitgespräch zwischen Christen und Juden), das die Bekehrung Helenas und der Juden zur Folge hat (2695; 2 7 2 2 ; 5 1 4 7 ) . II. 1) C's Bedeutung im M A ; 2) „Konstantinische Schenkung"; 3) Silvesterlegende; 4 ) Zusammenfassung
1) C gilt dem M A als die wichtigste röm. Kaisergestalt neben Augustus. [1] Während sich Augustus' Bedeutung universalgeschichtlich erklärt (in seine Regierungszeit fällt die Geburt Christi und damit nach Augustinischer Theorie der Beginn des sechsten Zeitalters), spielt C eine zentrale realhistorische und realpolitische Rolle. Die Anerkennung des Christentums als röm. Staatsreligion (312/3) wird unbestritten als C's wichtigste Tat angesehen (vgl. E4) und erklärt das durchwegs positive C-Bild. C galt als erster christlicher Kaiser, obwohl er sich erst mit der Zeit der neuen Religion zuwandte und sich erst kurz vor seinem Tode taufen ließ. Aus zeithistorischen Gründen (Kreuzzüge) erkennt das HochMA in der Gründung Constantinopels (326, Einweihung 3 3 0 ) C's zweite große Leistung. Sie wird in B l , B2, B 3 und E l erwähnt, C gibt der Stadt seinen Namen (B2, B3, E l ) und macht sie zur neuen christlichen Hauptstadt (B2, E l ) . B l und E l berichten das sagenhafte Motiv vom Aufschütten röm. Erde. Die Einrichtung der Grabeskirche durch Helena und sonstige Bautätigkeit in Jerusalem in C's Auftrag werden in Β 5 erwähnt, die Angabe hat in Hinblick auf das Kreuzzugsthema legitimatorische Funktion. 2) Enorme politische Wirkung hatte die so genannte Konstantinische Schenkung (Abtretung der Herrschaft über Rom und das weström. Reich an Papst Silvester) [2], die im 15. J h . durch Nikolaus von Kues und Laurentius Valla als ma. Fälschung erwiesen
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wurde (um 8 0 0 auf päpstliche Veranlassung zur Legitimierung der so genannten Pippinschen Schenkung gegenüber den Kaisern von Konstantinopel verfasst). Sie bildet den Focus der das ganze H o c h M A bestimmenden Auseinandersetzung zwischen kirchen- und reichspolitischen Positionen. Mhd. Belege finden sich von E l abgesehen ausschließlich im politischen Spruch ( C l , C 2 , C 3 , C 4 ) , der seit Walther von der Vogelweide aus einer traditionell reichsfreundlichen Perspektive argumentiert. Die Historizität des Schenkungsaktes wird natürlich nie in Zweifel gezogen, und Grundtenor ist weniger Kritik an C's Entscheidung an sich als die Geißelung der daraus resultierenden politischen und finanziellen Korrumpierung des Klerus, verbunden mit dem Topos der Zeitklage. 3) In der ma. Chronistik und geistlichen Literatur nimmt die legendarische Bekehrung C's durch Papst Silvester, die so genannte Silvesterlegende, breiten Raum ein ( E l , E3, E5, zusammenfassend E2 und E4). C's Lebensweg folgt dem Muster des sündigen Heiligen. Beliebte Legendenmotive sind in diesem Zusammenhang Aussatz und verweigerte Heilung durch das Opfer unschuldiger Menschen. Sie finden sich auch im Armen Heinrich 1 Hartmanns von Aue. Insbesondere in E l tritt dabei der Aspekt der Unterordnung weltlicher Macht unter die geistliche in den Vordergrund. Betont werden C's Glaubensfestigkeit gegenüber seiner Mutter Helena und seine Friedfertigkeit in der Heidenmissionierung. C setzt aufArgumente und ökonomische Privilegien und nicht auf das Schwert ( E l , E5), was der behutsamen Religionspolitik des historischen C entspricht. Dass C's Geburtsort in E l nach Trier verlegt wird, erklärt sich aus der reichsgeschichtlichen Intention des Textes („translatio imperii"). Die Kreuzesvision C's vor der Schlacht an der Milvischen Brücke gegen Maxentius (312), das heute bekannteste mit C verbundene sagenhafte Motiv [3], wird nur in E 2 erwähnt. 4) Insgesamt zeichnen die mhd. Belege ein traditionell positives C-Bild, C ist mächtig
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Constantius — Cornelius Nepos
(B2, D l , El), edel (B4, El), tugendhaft (Dl, El, E5), gerecht (B4), mutig (El, E3) und fromm (E3). Er ist Exempelfigur für einen vorbildlichen Richter und Herrscher (B4), fur Tugendhaftigkeit ( D l , E l ) und wahres Rittertum (B4). [ 1 ] Vgl. Konstantin d. Gr. (R. Klein, U. Mattejiet), in: LMA, Bd. 5, Sp. 1372-1375; Constantine. History, Historiography and Legend. Ed. S. N. C. Lieu, 1998; Die Konstantinische Wende. Hg. E. Mühlenberg, 1998. [2] Vgl. Konstantinische Schenkung (H. Fuhrmann), in: LMA, Bd. 5, Sp. 1385f. [3] Ein motivlicher Reflex findet sich im ,Prosa-Lancelot' III.40,8ff.: König Evallet besiegt Tholomeus, weil ihm Joseph von Arimathia einen weißen Schild mit rotem Kreuz gibt, und lässt sich danach Mordelas taufen. Nachbenennungen ,Kaiserchronik' (Constantinus Leo): Als der tugendreiche und gläubige Kaiser Constantinus Leo schwer erkrankt, planen die Griechen einen Aufstand, versuchen dann aber die Heerfahrt der Römer durch Goldgeschenke abzuwenden. C verlangt die Herausgabe der Reliquien des Hl. Stephanus, die Königin Helena einst nach Griechenland gesandt hat, betet vor den Reliquien und gesundet. C herrscht 30 Jahre und sechs Wochen (13670-13813). [1] ,König Rother' (Constantin): Der reiche, mächtige C verbietet die Vermählung seiner Tochter mit Rother (69; u.ö.). Otte, ,Eraclius' (Constantinus) 5558/C. C ist der Sohn des Eraclius. [1] Constantinus Leo (Constantin V.?) ist nach Ε Ohly, Sage und Legende in der Kaiserchronik. Unters, über Quellen und Aufbau der Dichtung, 1940, 216 „nichts als ein erfundener Name eines typisch vorbildlichen Herrschers". Es zeigen sich einige Analogien zur C-Passage in der .Kaiserchronik' (Krankheit und Heilung, vgl. oben El). Normalerweise ist Theodosius II. mit der Translation der Reliquien des Hl. Stephanus verbunden. [mk/sks]
Trier nach Rom holen (7624; 7630). Unter C's Herrschaft bedrohen Aufständische das Röm. Reich. Gallus und Silvanus werden in Apulien besiegt, die Römer befreien das belagerte Capua, die Tyrannen Magnentius und Decentius begehen Selbstmord, Vetranio ergibt sich. Constantinus besiegt Nepotianus, der Mainz besetzt hat, und bringt ihn nach Rom. C herrscht 17 Jahre und 5 Monate (7718; 7800). E2 Rudolf von Ems,, Weltchronik '2254: C wird als Gründer von Konstanz genannt (Lob der rheinischen Städte). E3 Jans Enikel, , Weltchronik' 25145'· Der Heide C ist der Geliebte Helenas und Vater des unehelich geborenen Constantinus. II. Um seines Sohnes Constantinus willen ist die Darstellung C's durchwegs positiv. Die Belege sind allerdings nicht zahlreich. Der in El geschilderte Aufstand in Rom (77187800) fand historisch unter der Herrschaft von Constantius II., dem Sohn Constantinus' d. Gr., statt; auf diesen geht wohl auch die Gründung von Konstanz zurück, [1] die neben El noch E2 C zuschreibt (die knappe Nennung steht im Rahmen eines geographischen Exkurses). [1] S.v. Konstanz (H. Maurer), in: LMA, Bd. 5, Sp. 13991401, hier Sp. 1399. [sks/mk]
Constantius [CI., röm. Kaiser 293-306 n. Chr., Gatte der Theodora, Geliebter der Helena, mit der er Constantinus d. Gr. zeugt]
G: Geliebter der Helena (E3), Vater des Constantinus (El, E3) R: König (El), röm. Kaiser (E2) Nf.: Chonstantius (E2) I.
El ,Kaiserchronik': Zu C's Ehren wird Konstanz am Bodensee gegründet (7605; Aition). Als C von der Vollkommenheit seines unehelichen Sohnes Constantinus erfährt, lässt er ihn und seine Mutter Helena von
Cornelius Nepos [Röm. Schriftsteller, um 100-25 v. Chr., Freund Ciceros und Catulls]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 57 (Cornelius): Der Schriftsteller C übersetzte Dares' gr. Bericht vom Trojanischen Krieg [1] ins Lat. Der Übertragung vom Lat. ins Frz. folgt Herbort (Prolog). [1] Ob der fingierte Trojabericht des Dares Phrygius auf ein gr. „Original" aus hellenistischer Zeit zurückgeht, das tatsächlich von C übersetzt wurde, oder eine spätantike lat. Schöpfung darstellt, ist ungeklärt (-» Dares). [mk]
Coroneus — Crassus Coroneus
Corythus [2]
[Vater der von Pallas in eine Krähe verwandelten Jungfrau; M M 2,569]
[Sohn des Paris; Dictys 105,25]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 2,1221: Der mächtige König C ist der Vater der von Pallas in eine Krähe verwandelten Jungfrau.
187
Al Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung 47178 (Caratit)·. C, Bunomus und Idaeus, die Söhne von Paris und Helena, werden bei der Zerstörung Trojas im Schlaf von einer Mauer erschlagen.
[mk]
[mk]
Coronis
Granaus
[Geliebte Apollos, Mutter des Aesculapius, wegen ihrer Untreue von Apollo getötet; M M 2,542]
[König von Attika]
El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 15774 Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen ': (Granaus): C ist einer der Könige von Athen. Die schöne, aus Larissa in Hämonia stam- Er folgt auf Cecrops (Katalog). [1] [1] Dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, wird C mende C ist die Geliebte Apollos. Als er von ihrer Untreue erfährt, verwundet er sie mit ei- im Rahmen eines profangeschichtlichen Exkurses zur Heilsgeschichte genannt. Die Darstellung erfolgt weitgehend in nem Pfeil tödlich. Die Sterbende gesteht ihm, genealogischen Katalogen der verschiedenen Herrscherdass sie von ihm schwanger sei. Apollo rettet häuser, Muster sind die Herrschaftstabellen in der Chronik des Hieronymus (C wird PL 27, Sp. 186a genannt). das ungeborene Kind, Aesculapius, aus dem [mk] Mutterleib, als C's Leiche am Scheiterhaufen verbrannt werden soll (2,1284-1296). [mk]
Crantor [Gefährte des Peleus, wird beim Kentaurenkampf getötet; M M 12,361]
Corynaeus [Trojaner; >Aencis' VI,228]
B1 Gottfried von Straßburg, , Tristan' 16691 (Corineis): Die Minnegrotte, in die sich Tristan und Isolde zurückziehen, wurde vor der Herrschaftszeit des C von Riesen in den Berg geschlagen. [1] [ 1 ] C gilt seit Geoffrey von Monmouth als Trojaflüchtling, der in Cornwall landete und Heros eponymos des Landes wurde; Krohn (Hg.), Bd. 3, 229f. [mk]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': C wird von dem Kentauren Demoleon erschlagen und von Peleus, dem C als Geisel anvertraut worden ist, gerächt (12,613; 12,622; Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf). [mk]
Crassus [Marcus Licinius C, 115-53 v. Chr., bildet mit Caesar und Pompeius das 1. Triumvirat, wird von den Parthern geschlagen und nach Verrat getötet]
Corythus [1] [Lapithe, kämpft gegen die Kentauren; M M 12,290]
Nf.: Krassus (Dl)
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12,525 (Coritus): C, Euagrus und Dryas kämpfen gegen den Riesen Rhoetus (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf). [mk]
I.
D l Hugo von Trimberg,,Der Renner' 7531: C gibt ein Beispiel für einen Menschen, dessen Gier erst mit dem Tod endete. Ihm wurde
188
Craterus
flüssiges Gold in den Mund gegossen, bis es A2 Rudolf von Ems, »Alexander': Der kluge, beim Nacken ausfloss. Dies können Karthager tapfere C kämpft in der Schlacht bei Issos und Römer bezeugen (Exemplum). ruhmreich auf der linken Seite des makedoEl Jans Enikel, , Weltchronik'·. Als der tapfere nischen Heeres (7002; 7353), soll gemeinsam C am Rhein [!] ermordet wird, beginnen mit Perdiccas Tyrus erobern, führt mit Pnydie Schellen in Rom — ein Warnsignal bei tagoras den linken Flügel des Heeres (9033; Aufständen - zu läuten, und Caesar wird an 9165), befehligt bei Arbela die peloponneden Rhein gesandt (21041; 21061). sischen und locrischen Griechen (11985; 12512), tötet vor Persepolis Ariobarzanes und II. nimmt die Stadt ein (13716; 13835-13877), Sein sprichwörtlicher Reichtum ließ C im verwaltet gemeinsam mit Amyntas die eroMA zum „exemplum luxuriae" werden. Den berten Gebiete (15972), bringt Phradates, historischen Hintergrund liefern die gewis- der sich ergeben will, zu Alexander (17600), senlose Vermehrung seines Vermögens durch übernimmt von diesem den Befehl über Spekulationsgeschäfte und die Ausbeutung die belagerte Stadt Artana (18665-18702), der Proskribierten. [1] Die in D l berichte- neidet Philotas dessen Vertrauensstellung te sagenhafte Ausgießung C's mit flüssigem bei Alexander und beschuldigt deshalb ihn Gold erwähnt noch Dante (.Inferno' XX, 116). und dessen Vater Parmenio der Verschwörung Unklar ist, ob sie in D l postmortal oder bei gegen den König (19151-19227). lebendigem Leibe gedacht ist. Das Motiv fin- A3 Ulrich von Etzenbach, »AlexanderDer det sich erstmals in der Livius-Epitome des junge, kampftüchtige und ehrgeizige C gehört Florus (III. 11,11; 2. Jh.) und dann im ,Po- zu den angesehensten Mitstreitern Alexanders licraticus' des Johann von Salisbury (12. Jh.) (4721; Katalog), kämpft in der Schlacht bei [2] und könnte von der Midassage angeregt Issos unter der Führung Parmenios im linken sein. In El wird dasselbe von Claudius Flügel des Heeres (7456), zeichnet sich im berichtet. Kampf aus (8044; 8064; 8067), fungiert als Wachposten der Griechen gegen Porus Der Tod des C in El ist mit dem beliebten (19767), verliert einen Zweikampf gegen CanMotiv einer röm. Alarmapparatur für polidaules (19816-19880) und bittet Alexander tische Unruhen verbunden (Motiv von der im Namen der Griechen vergeblich, auf die so genannten „salvatio Romae"). [1] Vgl. Crassus [2.], in: DKP, Bd. 1, Sp. 1329f. gefährliche Meerfahrt zu verzichten (20803; [2] Hinweis bei Gmelin (Hg. Dante), Bd. 5, 327f. 20810; 20814). [mk/sks]
II. Der historische Krateros war einer der wichtigsten Feldherren Alexanders, kämpfte am [Feldherr Alexanders] Granikos, bei Issos und bei Gaugamela und soll Alexander dazu geraten haben, dem des R: Fürst (A2), Kämpfer (A2, A3), GefolgsVerrats verdächtigten Philotas den Prozess zu mann Alexanders (A3) machen. Die Zeichnung C's in A2 und A3 ist Nf.: Crateron (A2), Cratherus (A3), Gracto, zunächst durchwegs positiv, wird aber in A2 Glatte (Al), Kraterus (A2) im Rahmen der Philotasaffäre ambivalent. In I. A3 wird C in diesem Zusammenhang nicht A l P f a f f e Lamprecht, »Alexander': Alexander erwähnt. Die abweichenden Darstellungen erbeauftragt C und Perdiccas mit der Verwaltung geben sich aus den unterschiedlichen Quellen (Q. Curtius Rufus bzw. Walter von Chätilder bisher eroberten Gebiete, als er in den lon). Die knappe Nennung in A l folgt dem Libanon weiter zieht (V814; S i l 24). Craterus
Creon — Creusa [2] weitgehend verlorenen afrz. .Alexander' Alberics de Pisan Amor/Cupido (11.2).
[mk]
Dardanus [Sohn des Zeus und einer Sterblichen, Großvater des Tros und Urgroßvater des Ilos, des Gründers von Troja, Ahnherr des Aeneas]
G: Vorfahre des Aeneas (Al), Ziehvater des Paris (E2), Ahnherr der Trojaner (Al) R: Stifter von Dardania (El), Jäger (E2) I. Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman': D ist Vorfahre des Aeneas (61), stammte ursprünglich aus Italien (64) und wurde von Fortuna nach Kleinasien gesandt, wo sein Sohn Tros Troja gründete (11680; Bericht des Aeneas). El Rudolf von Ems, ,Weltchronik' 15758: D stiftet das Land Dardania, wo später Troja erbaut wurde (Aition). E2 Jans Enikel, , Weltchronik'·. Aufgrund des Unheil verheißenden Fackeltraumes der Hecuba lässt Priamus Paris von einer alten Frau zu dem Jäger D bringen. D zieht den Knaben auf, lehrt ihn schnelles Laufen sowie den Umgang mit der Steinschleuder und anderen Waffen (13631; 13651). Er bringt den 18-
Dares jährigen Paris zurück an Priamus' Hof, wo er zunächst unerkannt Hector besiegt. D enthüllt daraufhin Paris' Identität [13752], II. Das Motiv von D's Kolonialisierungsfahrt von Italien nach Kleinasien in Al geht auf Vergils ,Aeneis' zurück; die sekundäre Konstruktion legitimiert Aeneas' Anspruch auf die Herrschaft über Italien. Als trojanischen Gründerheros nennt auch El D. Die Angaben folgen der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1275) und finden sich nach dem Prinzip ma. Weltchronistik im Rahmen eines profangeschichtlichen Exkurses („incidens") zur Heilsgeschichte. Die relativ freie, nicht konsequent auf der Basis schriftlicher Quellen arbeitende Troj aversion von E2 bringt D nur mehr lose in Verbindung mit dem Trojamythos und verwendet seinen Namen für den Ziehvater des Paris, eine Figur, die sich auch in den späteren Trojaromanen (Konrad von Würzburg, ,Göttweiger Trojanerkrieg') findet und auf das ,Excidium Troie' zurückgeht. Im ,liet von Troye' Herborts von Fritzlar ist D nur im Namen eines der Tore Trojas (Dardanides, 1843 u.ö.) greifbar, die Namensgebung wird aber nicht mehr durchschaut. [1] [ 1 ] Sie lässt sich allerdings über den afrz. Trojaroman Benoits de Sainte-Maure (3148) und den spätantiken Trojabericht des Dares Phrygius (6,14) bis zu Homers ,Ilias' (5,789) zurückverfolgen. [mk]
201
nischen Krieges. Er hat einen Bericht in gr. Sprache verfasst, der von Cornelius [Nepos] ins Lat. und später ins Frz. übersetzt wurde (53; Prolog). Es folgen mehrere Berufungen aufD (1617: Erster Trojanischer Krieg; 2902; 2908: Beschreibung des gr. und des trojanischen Heeres, D hat sich während eines Waffenstillstands über die Kämpfer informiert; 3243: Die Damen des trojanischen Hofes; 4042: Ankunft eines Griechen; 12523: Waffenstillstand; 13759: Grab des Achilles). A2 Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg·. D kämpfte vor Troja und verfasste in gr. Sprache einen Bericht über den Krieg. Dieser wurde ins Lat. und Frz. übersetzt (296; Prolog; 13082). D überbringt Laomedon die Nachricht von der Einnahme Trojas durch die Griechen und rät zu einem nochmaligen Gegenschlag (12394-12493; Erster Trojanischer Krieg). Bl ,Moriz von Craün'37: D war beim Trojanischen Krieg dabei, er schrieb in der Nacht auf, was er am Tag mit eigenen Augen gesehen hatte. Auch sein Bericht kann die Ereignisse aber nicht angemessen schildern (Prolog; Entstehung des Rittertums in Troja). Dl Hugo von Trimberg,,Der Renner': D berichtet vom Tod vieler Fürsten, Ritter und Helden während des Trojanischen Krieges (15878). Er wird in einem Katalog antiker Meister genannt, die ihrer Tugend wegen angefeindet wurden (14677; Katalog; [1] Topos von der Missachtung der Gelehrten). [ 1 ] Der Katalog nennt u.a. noch Vergil, Horaz, Ovid, Piaton und Sokrates.
Dares
II.
[Priester des Hephaistos in Troja, fingierter Autor eines Tagebuchberichts vom Trojanischen Krieg, der ,Historia de excidio Troiae']
1) D im MA; 2) D im mhd. Trojaroman; 3) Anspielungen
G: Onkel der Hecuba (A2) R: Kämpfer auf Seiten der Trojaner (Al, A2), Ritter (A2), Schriftsteller (Al, Al, Bl), meister (Dl) I. Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. D ist als Teilnehmer der beste Kenner des Troja-
1) Die fingierten Augenzeugenberichte des Trojaners D Phrygius und des Griechen Dictys Cretensis über den Trojanischen Krieg wurden im MA als authentisch angesehen und galten somit als die besten Quellen (vgl. Al und Bl) für das als historisch aufgefasste Ereignis, verlässlicher als die der homerischen Tradition verpflichteten Trojaberichte bei Vergil und Ovid, von denen sie im Hand-
202
Darius [1] — Darius [3]
lungsgang erheblich abweichen. Ob D's Bericht wie das Tagebuch des Dictys auf einer in hellenistischer Zeit entstandenen gr. Fassung beruht, die von Cornelius Nepos ins Lat. übersetzt (vgl. Al) und dem Sallustius Crispus gewidmet war, oder ob er erst in der Spätantike (5. Jh.) nach dem Vorbild von Dictys entstanden ist, ist nicht geklärt. [1] D bildet jedenfalls gemeinsam mit Dictys die Hauptquelle des volkssprachlichen Trojaromans (während der Eneasroman der Version Vergils folgt). Für die Beliebtheit des Textes sorgte auch seine trojafreundliche Perspektive. Sie kommt der ma. Geschichtsauffassung entgegen, die Troja als der Mutterstadt Roms große, auch universalhistorische Bedeutung beimisst. 2) Al sieht sich explizit als mittelbarer Nachfolger, als „deutscher D", obwohl die eigentliche Vorlage, der .Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, den lat. Bericht tiefgreifend aus- und umgestaltet. Die Quellenangaben folgen im Wesentlichen Benoit, der aber nicht namentlich ausgewiesen wird. Dies ist für die ma. Berufiingstopik typisch [2]: D's Name wird gleichsam zum Gattungsnamen (so konnte auch jede Trojadichtung „Homerus" genannt werden). Ahnliches gilt für A2, wo ebenfalls nur D, nicht aber Benoit genannt wird. A2 verarbeitet jedoch mehrere Quellen [3] und lässt D deutlicher als handelnde Figur in Erscheinung treten. 3) In Anlehnung an Benoit oder Al wird D's Bericht auch von Β1 als verlässlichste Quelle angesehen, die Meisterberufung ist mit einem Unsagbarkeitstopos verbunden. D's Bedeutung und Bekanntheit unterstreicht schließlich D1, wo D als Exempelfigur des Gelehrten in einem Atemzug mit so prominenten Autoren wie Vergil und Ovid genannt wird. [1] S.v. Dares (Η. von Geisau), in: DKP, Bd. 1, Sp. 1392f. unds.v.DaresPhrygius{E. Heyse),in:LMA, Bd. 3,Sp. 571f.; Merkle, Trojani belli verior textus-, A. Beschorner, Untersuchungen zu D Phyrgius, 1992. [2] Auch Heinrich von Veldeke nennt ausschließlich Vergil, obwohl er den ,Roman d'Eneas' übersetzt. [3] Vgl. Lienen, Geschichte und Erzählen, bes. 185ff. [mk]
Darius [1] [Dareios I., persischer König 522-486 v. Chr., Sohn des Hydaspes, Begründer des persischen Weltreiches, veranlasste den ersten Kriegszug gegen die Griechen, der 490 bei Marathon scheiterte]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 15711: D ist der Sohn des Hydaspes und übernimmt nach zwei Zauberern die Herrschaft über das persische Reich (Prolog zum 5. Buch; Katalog der Perserkönige vor Alexander). [1] [1] D I., der Begründer des persischen Großreiches, wurde v.a. in den volkssprachlichen Texten des MA mitunter mit Dareios III., dem Gegner Alexanders, zu einer Figur verschmolzen (vgl. die Belege D l , El und E2 bei Darius [3])· Mit den beiden Zauberern, denen D laut Al folgte, muss der so genannte falsche Bardiya, der Magier Gaumata, gemeint sein, ein Usurpator gegen Kambyses, den wiederum D stürzte (eine vermutlich von D selbst in Umlauf gesetzte, seine Machtergreifung rechtfertigende Verschwörungstheorie; s.v. Smerdis (J. Duchesne-Guillemin), in: DKP, Bd. 5, Sp. 243f.). Die Angaben in Al folgen der .Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1463c und 1480b), auf die in Zusammenhang mit einer Nennung des Artaxerxes auch explizit hingewiesen wird (Al, 192, Artaxerxes [2J). Schon dort ist von zwei Magiern die Rede, die Kambyses folgen. [mk]
Darius [2] [Dareios II. Nothos, unechter Sohn des Artaxerxes I., persischer König 423-404 v. Chr.]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 15723'. D „qui et Nötus" folgt dem Sogdianus als persischer König nach (Prolog zum 5. Buch; Katalog der Perserkönige vor Alexander). [1] [1] Die Angabe folgt der .Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1490b). [mk]
Darius [3] [Dareios III., persischer König von ca. 336-330 v. Chr., wird nach den Niederlagen gegen Alexander d. Gr. von den Verschwörern Bessus und Nabarzanes ermordet]
G: Sohn des Baal (A3), Sohn der Sisygambis (A2, A3), Bruder des Oxyathres (Al, A2, A3), Gatte der Carafilie (A3), Vater der Roxane (Al, A2, A3) und des Xerxes (A3), Schwiegervater Alexanders (Al, A2, A3)
Darius [3] R: König (Al, A2, B l ) bzw. Kaiser (A3) von Persien, Herrscher über das zweite Weltreich (A2, A3), herre (Epitheton) (Al, A2) Nf.: Daries (Al), Darios (Al), Treverins [!] (B2)
I. A l P f a f f e Lamprecht, yAlexanderlied'·. D fordert von Philipp von Makedonien Tribut (V473: Verweis auf das Buch Daniel; Daniels Traum vom Kampf des Bocks gegen den Widder symbolisiert den Kampf zwischen D und Alexander). Nach der Eroberung von Tyrus durch Alexander will D Rache nehmen und sendet Geschenke als symbolische Aufforderung zur Unterwerfung (Ball, Schuhband und Gold weisen auf untergeordnete Stellung und Tributpflicht). Nach der Besetzung von Sardes durch Alexander überhebt sich D: Er will Alexander hängen und seine Leiche den Vögeln zum Fraß vorwerfen lassen. D wirbt Verbündete, hält in Mesopotamien Heerschau, zieht mit 630000 Mann gegen Alexander (V469-1495) und sendet ihm Mohnsamen, die die Größe seines Heeres symbolisieren sollen. Α antwortet mit einem Pfefferkorn, das die Schlagkraft der Makedonen bezeichnet (S1421-2701). Ende Fassung V: Alexander trifft in der Schlacht auf D und enthauptet ihn (VI 513). [1] Fortsetzung Fassung S: D's und Alexanders Heere treffen am Euphrat aufeinander. D's Kinder, Mutter und Frau werden von Alexander als Geiseln genommen. Ein persischer Uberläufer will D ausliefern. Alexander lehnt ab, begibt sich selbst inkognito zu D und fordert ihn zum Kampf (S2701-3207). D wird von Alexander am Stranga vernichtend geschlagen, lässt sein Heer im Stich und flieht. Er bietet Alexander für die Freilassung der Gefangenen Persien, Mesopotamien und seinen Staatsschatz (S3207-3586). Später bittet er Porus um Hilfe gegen Alexander und will an der Kaspischen Pforte mit ihm zusammentreffen. Dort fällt er einem Mordanschlag durch Bessus und Nabarzanes zum Opfer, wird von Alexander tödlich verwundet vorgefunden, versöhnt sich
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mit ihm, mahnt ihn, sich nicht zu überheben, überantwortet ihm Land und Familie, gibt ihm Roxane zur Frau, stirbt in Alexanders Armen und wird feierlich bestattet. Porus beschuldigt Alexander, er habe D töten lassen (S3586-4554; RV: 4928). [1] D s Tod durch Alexander in der Fassung V entspricht nicht den Quellen. Er erklärt sich aus der Redaktion des Textes durch die Vorauer Handschrift (auf die übrigen geistlichen Texte abgestimmter, gekürzter Bericht des universalhistorisch relevanten Ereignisses).
A2 Rudolf von Ems, Alexander'·. D folgt Arses als König über das persische Reich nach (15731; Prolog zum 5. Buch; Katalog der Perserkönige). 100 Länder und 50 Kronen sind ihm tributpflichtig. Er fordert auch von den Makedonen Tribut (2757-2785), sendet Alexander Geschenke als symbolische Aufforderung zur Unterwerfung (Ball, Rute, Täfelchen) und als Zeichen seiner Machtfülle (ein mit Mohn gefüllter Handschuh), Alexander antwortet mit einem Pfefferkorn als Symbol des kleinen, aber schlagkräftigen makedonischen Heeres (4150-4904). D sammelt in Babylonien ein Heer, stellt 30000 Reiter und 70000 Fußkämpfer (Schilderung des Heerzuges), sieht im Traum das Lager der Makedonen brennen und missdeutet dies als Vorzeichen seines Sieges. Alexander schleicht sich als sein eigener Bote getarnt bei D ein, wird erkannt, kann aber fliehen (4904-6398). D lässt den Staatsschatz in Sicherheit bringen und zieht mit dem Heer gegen Alexander (6756-7023). In der Schlacht am Stranga wird er verwundet, muss fliehen, überquert den Euphrat, ersucht Porus um Hilfe und macht Alexander ein Friedensangebot: Er bietet den persischen Staatsschatz und Ländereien als Lösegeld für die Gefangenen (darunter die Königin und Roxane), Alexander lehnt ab (7514-8193). D bleibt ihm unterlegen (8574; 8642), Bessus rät ihm, neue Verbündete zu werben (8812; 9494; 9510). D erobert mit Hilfe spartanischer Truppen vorübergehend Kreta, erfährt vom Tod seiner Frau, verdächtigt Alexander, stellt ein zweites Friedensangebot zur Befreiung der gefangenen Frauen und bietet Länder, Roxane als Gattin und
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Darius [3]
seinen Sohn als Geisel an. Alexander schlägt D's Angebot neuerlich aus und fordert ihn auf, sich zur Schlacht zu stellen. D sammelt in Mesopotamien ein Heer von 45000 Mann eigenen und 200000 Hilfstruppen, betet zu den Göttern und hält eine Kampfrede (10701-12095), schlägt sich tapfer, unterliegt aber und flieht nach Arbela (12491-12818; 13385). Alexander gewinnt D's Staatsschatz, teilt ihn auf und unterwirft Zug um Zug D's Länder. D wird in Bactra von Bessus und Nabarzanes gefangen genommen und von Alexander tödlich verwundet vorgefunden. Es kommt zur Aussöhnung, der sterbende D (Vanitastopos) belehrt Alexander über rechte Herrschaft, vertraut ihm Reich und Tochter an und setzt ihn als seinen Erben ein. Alexander lässt ihn prunkvoll bestatten (1422314895; 15254; RV: 15731; 15925; 17674; 20000-20013). A3 Ulrich von Etzenbach, ,Alexander': D stammt vom Gott Baal ab (1850: ist mit der Sonne und den höchsten Göttern verwandt), übernimmt die Weltherrschaft, nachdem er mit Cyrus in Babylon eingefallen ist und Belsazar getötet hat (21092; 27706: herrscht über das zweite Weltreich; Verweis auf die Weissagung Daniels). Juden, Heiden, Philister und viele weitere Könige sind ihm Untertan, Griechenland ist ihm tributpflichtig (1849: Er ist Kaiser und Herr aller Könige). Hätte er in seiner Macht Maß gehalten, wäre er mit vielen anderen gerettet worden, so aber starben seinetwegen viele Menschen (904-986; Exkurs zur Weltreichstheorie; Vanitastopos). Alexander lehnt D's Tributforderung ab, dieser sendet eine Scheibe, einen krummen Stab und eine goldene Kanne als Symbole für Alexanders Hochmut, die dieser zu Zeichen seiner künftigen Weltherrschaft umdeutet. D ist erbost und schickt Mohnsamen, die seine Heeresstärke bedeuten, Alexander schickt als Antwort Pfefferkörner als Symbol für die Schlagkraft der Makedonen (1364; 1650-1949). Alexander bereitet den Feldzug gegen D vor (2189; 2252), dieser fordert ein weiteres Mal Tribut und bietet
Alexander Griechenland als Lehen, Alexander lehnt ab und droht D mit Krieg und Tötung, D schwört Rache (3953; 3977; 4115-4300). Alexander fällt in dem von D befriedeten Asien ein (4510), D ist wegen der Eroberungen beunruhigt, sendet an das „Kind" Alexander Pfennige, Peitsche und Ball als Schmähgeschenke, die Alexander wiederum umdeutet (5414-5609). D schickt seinen Feldherrn Memnon mit 6000 Mann zum Granikos, Memnon fällt, die Perser erleiden große Verluste (5791; 5802; 5986). D sammelt ein großes Heer und glaubt an einen raschen Sieg (6007-6070), zieht mit einem prunkvollen Tross gegen Alexander (6073-6278; Descriptio), bringt den Staatsschatz in Sicherheit, hält eine große Kampfrede, sieht im Traum von den brennenden Zelten der Makedonen ein günstiges Vorzeichen und zieht siegessicher in die Schlacht bei Issos (6471-7362; Descriptio: D's Rüstung und Schild, der die Universalgeschichte bis D abbildet [Babylons Aufstieg und Niedergang] 7602/4). D verliert 20000 Mann, wird verwundet und flieht nach Babylon, seine Familie gerät in Alexanders Gefangenschaft, Carafilie trauert um ihren Gatten D (7838-9001). D verliert in der Folge Damaskus und damit den dort aufbewahrten Staatsschatz (9153), später auch Gaza (9623). Er rüstet ein neues, dreimal so starkes Heer und erwartet Alexander in Arbela (10026; 10214). Er ist über Carafilies Tod entsetzt und macht Alexander ein Friedensangebot, das dieser ablehnt (10486-[10849]). D bereitet sich daraufhin zur Schlacht vor (11073; 11841), ermutigt seine Heerführer (11953), leuchtet aus dem Heer hervor wie ein Stern [13594], erleidet in der Schlacht von Arbela eine vernichtende Niederlage und flieht, Alexander verfolgt ihn (13931 -14181). Noch kein Herrscher hat so große Verluste erlitten wie D. Er klagt, dass ihn Fortuna betrogen habe, zieht nach Baktrien und verliert Syrien, Babylon, Susa und Uxia ([ 14324] -15115). Das persische Heer wird von Alexanders Feldherrn Parmenio aufgerieben, D flieht alleine weiter (15268) und
Darius [3] will sich in Bactra noch einmal zum Kampf stellen (15765). Vor der Schlacht schmieden die von D protegierten Emporkömmlinge Bessus und Nabarzanes Umsturzpläne, D wird am Selbstmord gehindert und schließlich von Bessus und Nabarzanes gefangen genommen. Alexander will ihn retten ([15922] -16463). Als er mit seinem Heer heranrückt, verweigert D die Flucht und wird von den Verschwörern tödlich verwundet (16581). Der sterbende D übergibt Alexander Krone und Reich, empfiehlt ihm seine Mutter und bietet ihm die Hand Roxanes an (16791). Alexander lässt D ein aufwendiges Grabmal mit Inschrift und Statue errichten (17037; Descriptio) und übernimmt D's Herrschaftsgebiete (17180; 17737: Palästina; 19336: Indien; RV auf die Kämpfe zwischen D und Alexander: 21381; 21397; 26318: RV auf D's Tod: 24949). D's Sohn Xerxes rächt D an den Griechen und unterwirft Makedonien und Griechenland (27667). Anhang. D wird im Zusammenhang mit der Einnahme der zu seinem Herrschaftsgebiet gehörigen Stadt Tritonia durch Alexander erwähnt (133; 142; 781; 827; 838; 1787). B1 Ulrich von Zazikhoven, ,Lanzelet' 4761: Weder der mächtige König D, noch Salomon und Augustus, denen die ganze Erde Untertan war, könnten das kostbare Zelt abgelten, das Lanzelet geschenkt bekommt. B 2 Der Stricker,,Pfaffe Amis' 659: Auf einem wunderbaren Wandgemälde des Amis, das nur für ehelich Geborene sichtbar ist, sind Alexanders Siege über D [1] und Porus abgebildet. [1] Die Angabe wird sich trotz der entstellten Nf. Treverins auf D beziehen.
B 3 Albrecht, Jüngerer Titurel' 4805,3: D und sein Reich wurden von Alexander bezwungen (Alexander und Philipp, zwei riesenhafte Nachkommen Alexanders, berichten von dessen Taten). B 4 ,Reinfried von Braunschweig': D hatte gemäß Daniels Prophezeiungen die Weltherrschaft inne, bis er von Alexander besiegt wurde (26769; Berufung auf die Weltreichstheorie
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nach Daniel). D und Alexander boten nicht so große Heere auf, wie sie im Kampf zwischen dem König von Ascalon und dem König von Assyrien aufeinander treffen (19941; Katalog großer Heeresaufmärsche [1]). [1] Der Katalog nennt u.a. noch das Heeresaufgebot Agamemnons gegen Troja und Hannibals gegen die Römer.
D l Hugo von Trimberg,,Der Renner': D übernahm nach Balsazer die Herrschaft über Jerusalem (5697). Er gibt ein Beispiel für einen reichen und mächtigen Herrscher, den jedoch der arme Fischer Petrus an Tugendreichtum überbietet (1443; Katalog mächtiger Herrscher). [1] [1] Zur möglichen Verschmelzung von Dareios I. und Dareios III. vgl. unten I I . l .
E l Annolied' 13.7: Cyrus und D eroberten Chaldäa, zerstörten Babylon und begründeten so das zweite Weltreich, das durch den wilden Bären, das zweite Tier in Daniels Vision, symbolisiert wird. [ 1 ] [1] Möglicherweise sind Dareios I. und III. gleichgesetzt, ein gemeinsames Vorgehen von Kyros II. und Dareios I. gegen Babylon ist nicht historisch (vgl. unten II.l).
E2 JansEnikel,, Weltchronik': Nach einer Doppelregentschaft mit Cyrus herrscht D alleine über Persien. Als Alexander von Cyrus' Tod durch die Amazonen erfährt, besiegt er D ohne Gegenwehr und übernimmt die Herrschaft über Persien (18924-18967). [1] [1] Dareios I. und Dareios III. sind gleichgesetzt, die Doppelregentschaft von Kyros [II.] und D ist nicht historisch (vgl. unten II.l). Hs. 9 weiß von einer 31-jährigen Herrschaft des D (18943-18949).
II. 1) D's Bedeutung im ma. Geschichtsbild; 2) D im Alexanderroman; 3) Anspielungen
1) Als historischer Hauptgegner Alexanders des Großen ist D für Literatur und Historiographie des MA von zentralem Interesse. Die Bedeutung des glücklosen Perserkönigs wird durch die ma. Weltreichstheorie (nach AT, Daniel 4) erhöht. D markiert den Ubergang vom zweiten (persischen) zum dritten (gr.) Weltreich. Er repräsentiert daher im ma. Geschichtsbild eine jener exemplarischen Herrscherfiguren, auf die sich die Universalgeschichte reduziert: vor ihm sind dies
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Darius [3]
Nemrot und Balsazer als Vertreter des ersten (babylonischen) Weltreichs, nach ihm Alexander und schließlich Augustus für das vierte, das röm. Reich. Die universalhistorische Perspektive wird in Β4, D l , El und E2 und natürlich in den Alexanderromanen explizit thematisiert: Sie erklärt die Einbindung der Fassung V von Al in die Vorauer Handschrift als profangeschichtlicher Bericht im Rahmen geistlicher Texte, die heilsgeschichtliche Anordnung zeigen [1], dominiert als Leitthema A2 und wird auch in A3 breit ausgestaltet. In D l und El könnten Dareios I., der Nachfolger von Kyros II., des Eroberers von Babylon, und Dareios III. zu einer Gestalt verschmolzen sein. Der Gegner Alexanders wird in El jedenfalls nicht mehr eigens ausgewiesen. Diese Verschmelzung ist in E2 eindeutig gegeben. Von einem (historisch nicht belegbaren) gemeinsamen Vorgehen von Dareios I. und Kyros II. gegen Babylon spricht bereits Hieronymus in seinem Danielkommentar. [2] 2) Abgesehen von dem merkwürdigen Motiv der Tötung D's durch Alexander in der Fassung V von A l [3] läuft die Auseinandersetzung zwischen D und Alexander in allen drei Romanen nach demselben Grundmuster ab: Am Beginn steht die hochmütige Unterwerfungsaufforderung des D an die Makedonen, begleitet von symbolischen Geschenken, die entsprechend dem Topos vom zweideutigen Orakel zu Vorzeichen auf D's Niederlage umgedeutet werden. D wird in zwei großen Schlachten von Alexander geschlagen, verliert seine Familie, seinen Schatz und seine Herrschaft und fällt schließlich einem Attentat zum Opfer. Die Handlung folgt der stereotypen Dramaturgie vom Fall des Mächtigen und vom Konflikt zwischen altem und neuem Herrscher. Aufschlussreich ist der damit verbundene Wechsel in der Bewertung D's. Das negative D-Bild, das die Texte zu Beginn präsentieren (D wird in A l töricht, in A2 jähzornig, in A2 und A3 überheblich genannt), weicht einer positiven Charakterisierung: D erscheint als freigebig (Al [S]), ehrenhaft, tap-
fer, treu (Al, A2, A3) und beständig (A2). Der hybride, mächtige König wird schließlich zum unglücklichen, vom Schicksal geschlagenen Menschen (bes. A3). Demgemäß und der ma. Herrscherideologie entsprechend wird auch das Attentat auf D nicht als Befreiungstat, sondern als Verbrechen aufgefasst, das D's Nachfolger Alexander ahnden wird: Thema ist eben nicht die Frage der Herrschaft an sich (sie steht, sofern sie wie bei D legitimiert ist, immer außer Zweifel), sondern jene der Herrschaftsablöse. Dramaturgischer Scheitelpunkt ist die Begegnung zwischen dem sterbenden, alten Perserkönig und seinem jungen Nachfolger. Sie zeigt in allen drei Texten D als Mahner Alexanders, mithin als jenes exemplum vanitatis, das schließlich auch Alexander selbst abgeben wird. Die einzelnen Motive werden von Al bis A3 zunehmend ausgestaltet. In A2 dominiert der universalhistorische Aspekt. In A3 stehen Walters von Chatillon ,Alexandreis' entsprechend differenzierte Charakterzeichnung, detaillierte Handlungsfuhrung und traditionelle epische Fortunathematik im Vordergrund. 3) Die Anspielungen in B2, B3 und B4 sind literarische Verweise, die wie die unten angeführten Nachbenennungen die Bedeutung der ma. Alexanderliteratur unterstreichen. In B2 ist der beliebte Topos einer bildnerischen Darstellung literarisch-historischer Sujets aufgegriffen. Solche Bildzitate sind in der mhd. Literatur sonst meist mit Aeneas- oder Trojastoff verbunden. [4] Der Exempelkatalog von B4 begreift in der Auseinandersetzung zwischen D und Alexander wie in der Belagerung Trojas und in Hannibals Heerzug gegen Rom einen „historischen" Modellfall des Krieges. In Β1 und D1 exemplifiziert D den Typus des reichen und mächtigen weltlichen Herrschers. Dessen Kontrastierung mit dem christlichen Heiligen (hier Petrus) in D l reflektiert einen in der didaktischen Literatur beliebten Topos, für dessen Illustration das MA allerdings üblicherweise prominentere Gestalten als D kennt, etwa Alexander selbst.
Dataphernes — Decentius [1] Vgl. F. P. Knapp, Die Lit. des Früh- und HochMA (Gesch. d. Lit. in Österr., Bd. 1), Graz 1994, 455; s.v. , Vorauer Handschrift 276' (H. Gärtner), in: VL, Bd. 10, Sp. 516-521, hier 519f. [2] Nellmann (Hg. El), 86 zu 13. [3] Hierzu und zur unterschiedlichen Quellenbearbeitung -> Alexander (II. 4). [4] -» Aeneas (113). Nachbenennungen Konrad Fleck,,Flore und Blanscheflur' (Danes)·. Der Zöllner D unterstützt Flore bei der Suche nach Blanscheflur und bei ihrer Befreiung (3998-5482). Albrecht, Jüngerer Titurel': König D kämpft im Heer Ypomidons gegen Ackerin und fällt durch Morholt (3262,1; 3729,1). Heinrich von Neustadt, .Apollmuus': D, der Sohn des Persas, des Sultans von Ninive und Königs von Persien, wird von Apollonius mit Plagena verheiratet (10567; 10574). Erzieht mit Apollonius ins Goldene Land Crisia (11386). Johann von Würzburg, , Wilhelm von Österreich' 4499". D, der König von Medien, richtet während Wilhelms Fahrt nach Baldac eine Kriegserklärung an den dortigen Herrscher Melchinor von Marroch. [1] [1] Ob bei Konrad Fleck eine Nachbenennung vorliegt, ist fraglich. Die übrigen drei Gestalten lassen sich zwar aus chronologischen Gründen mit keinem historischen D identifizieren, sind aber aufgrund geographischer Angaben klar als Nachbenennungen (wohl von Danus [3]) erkennbar. Am deutlichsten sind die Reminiszenzen bei dem persischen Prinzen in Heinrichs von Neustadt Apollonius'. Apollonius' Eingreifen in die Geschichte des Perserreiches lässt jede historische Perspektive verschwimmen und entspricht der grundsätzlichen Neigung des Textes zur Geschichtsklitterung: Apollonius stiftet auch sonst „neue" Heilsgeschichte, er ist der erste christliche Kaiser Roms und gründet u.a. die Tafelrunde (vgl. Ebenbauer, Antike Stoffe, 259ff.; Kern, Edle Tropfen, 215f.). [mk]
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Daunus [Vater des Turnus; Aeneis' X,616]
G: Vater des Turnus (Al, El) R: Herrscher über Tuscan (El) Nf.: Dampnus (Al) I.
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman 7738·. Turnus landet bei der Burg seines Vaters D, nachdem er der Schlacht mit Aeneas zu Schiff entkommen ist.
El Rudolf von Ems, ,Weltchronik' 26404: D ist der Vater des Turnus (Kampf zwischen Aeneas und Turnus um Italien). II. Die Gestalt ist aus Vergils >Aeneis' bekannt. A l rezipiert sie über Vermittlung des .Roman d'Eneas' (5841, Nf. Daumus). Die Angabe in El dürfte sich, wie der gesamte Bericht von Aeneas' Flucht und seinen Kämpfen in Italien, auf A l beziehen. [1] [1] Die folgenden Ausführungen über Aeneas' korrumpierende Herrschaft basieren dann allerdings auf dem ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura; Aeneas (II. 1). [mk]
Decentius [Magnus D, Vetter oder Bruder des Usurpators Magnus Magnentius, der diesen 350 zum Caesar ernennt, begeht nach Magnentius' Tod 353 Selbstmord]
Dataphernes
El,Kaiserchronik'7751: D ist der Bruder des
[Baktrier, Vertrauter des Bessus, beteiligte sich an einem Aufstand gegen diesen; Curtius VII.5,21]
Al Rudolf von Ems, Alexander': D verschwört sich mit Spitamenes und Catenes gegen Bessus, den Mörder des Darius. Sie wollen ihn an Alexander ausliefern ( 2 1 5 6 2 - 2 1 6 1 6 ) . [1] [1] Da Al nicht vollendet wurde, fehlt der Ausgang. In der .Historia Alexandri' des Q. Curtius Rufiis wird Bessus Alexander übergeben und hingerichtet. [mk]
Magnentius. Sie erheben sich gegen Constantius, den Vater Constantinus des Gr. Als sie von ihm bei Capua besiegt werden, begehen sie Selbstmord: Magnentius stürzt sich ins Schwert, D erhängt sich. [1] [1] Die genaue Quelle von El ist nicht bekannt. Die historische Erhebung von D und Magnentius gegen Constans, den jüngsten Sohn von Constantinus d. Gr., wurde von Constantius II. in der Schlacht bei Mursa 351 niedergeschlagen. In El sind die Ereignisse auf Constantius I. übertragen. [mk]
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Decius — Deianira
Decius [C. Messius Q u i n t u s Traianus D , röm. Kaiser 249-251 n. Chr., Nachfolger des Philippus, den er bei Verona besiege, gibt den Befehl zu einer großen Christenverfolgung]
R: Röm. Kaiser (Al, E l , E2) I. A l ,Göttweiger Trojanerkrieg 25103: D herrscht nach Romulus gewaltsam über Rom und wird schließlich von Diocletianus vertrieben. E l ,Kaiserchronik'·. D tötet eigenhändig den christenfreundlichen Kaiser Philippus und dessen getauften Sohn, herrscht ein Jahr und zwei Monate und veranlasst eine große Christenverfolgung in Rom und Ephesus. Er lässt in Rom u.a. Hippolytus hinrichten und in Ephesus sieben Brüder einmauern (61156443). Sie werden bei dem von Theodosius einberufenen Konzil [381, Konstantinopel] lebend aufgefunden und berichten von D's Tat (13510, 13517; so genannte Siebenschläferlegende). E2 Jans Enikel, , Weltchronik': D lässt Philippus, den ersten christlichen Herrscher Roms, und dessen getauften Sohn töten und übernimmt die Herrschaft für ein Jahr und zwei Monate. Es kommt zu einer großen Christenverfolgung, u.a. werden Sixtus, Felicissimus, Laurentius, Agapitus, Hippolytus und sieben Brüder [die so genannten Siebenschläfer] hingerichtet. D muss dafür in der Hölle büßen, er stirbt 256 n. Chr. (24808-24831). II. Als einer der berüchtigsten Christenverfolger und folglich als Beispiel eines verkommenen Herrschers geht D in die volkssprachliche Chronistik ein. In E l ist seine N e n n u n g mit der so genannten Siebenschläferlegende verbunden. E2 folgt im Wesentlichen El und gibt den expliziten Hinweis auf D's Höllenverdammnis. Die Kaiserreihe in A l bezieht sich auf röm. Herrscher von Romulus bis zum Beginn des Christentums, stellt also eine voraugus-
teische Kaiserliste dar, für die die Namen prominenter nachaugusteischer Herrschergestalten (neben D und Diocletianus auch Nero) verwendet werden. Angesichts der universalhistorischen Bedeutung Roms auch in der volkssprachlichen Literatur des MA sind die krass unhistorische Konstruktion und die betont negative Sicht auf die röm. Reichsgeschichte bemerkenswert. [1] [1] Dazu Ebenbauer, Spekulieren über Geschichte, 162f.; Kern, A g a m e m n o n weint, 231 f. [mk]
Deianira [Gattin des Hercules, verursacht ungewollt seinen Tod, als sie ihm das mit Nessos' Blut getränkte H e m d sendet]
G: Geliebte des Hercules (Al, A2) R: Königstochter (Al), Königin (A2), vrouwe (Epitheton) (A2) Nf.: Deianire (Al), Dianira (A2), Deidamia [!] (Bl) I. A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': D wird von Hercules und Achelous umworben, Hercules gewinnt sie durch einen Sieg im Wettkampf (9,17). Als die beiden an einen reißenden Fluss gelangen, bietet sich der Kentaur Nessus an, D überzusetzen, und entführt sie. Von Hercules tödlich verwundet, übergibt er D ein mit seinem Blut getränktes Hemd, das ihr Hercules' Liebe sichern soll. Als D von Hercules' Verhältnis mit Iole erfährt, schickt sie ihm das Hemd, das Hercules bei lebendigem Leib verbrennen lässt (9,198294). D stirbt aus Kummer über den von ihr verschuldeten Tod des Geliebten (9,571). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg': Die überaus schöne D wird von Hercules errungen. Als sie an einen reißenden Fluss gelangen, bietet sich der Kentaur Nessus an, D überzusetzen. Als er sie am anderen Ufer vergewaltigen will, verwundet ihn Hercules mit einem Giftpfeil tödlich. Nessus tränkt sein Hemd im Blut und übergibt es D. Es soll ihr Hercules' Liebe sichern. Als D von
Deidamia Hercules' Liebesbeziehung zu Iole erfährt, schickt sie ihm das Hemd. Hercules' Haut schmilzt, als er es anzieht (37986-38537; Erzählung des Philoctetes an die Griechen vor Troja). Auch D ist von Hercules entführt worden (21431; Exemplum; Liebesgespräch zwischen Paris und Helena vor der Entführung; Rede des Paris). B1 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Cröne' 11588: D ging aus Kummer [um den von Iole verschuldeten Tod des Hercules?] lebendig ins Grab (Exemplum; Katalog großer Klageanlässe, die von der Klage des Artushofes über die Entführung Ginovers überboten werden). [1] [1] Dass trotz der Nf. Deidamia D gemeint ist, macht die vorausgehende Erwähnung vom Tod des Hercules durch das Nessushemd, der hier allerdings Iole angelastet wird, wahrscheinlich. Vielleicht sind Iole und D verwechselt. Das Motiv von der Bestattung bei lebendigem Leib ist freilich auch nicht mit Iole verbunden, findet sich aber in Ovids .Metamorphosen' (-» Leucothoe) oder im Antigonemythos; zur Stelle Kern, Edle Tropfen, 299f.
II. D bleibt in der ma. Mythenrezeption eine Randfigur, obwohl der Herculesmythos relativ bekannt war. Die Erwähnungen in Al und A2 (ev. auch Bl) hängen direkt von Ovids ,Metamorphosen' ab und fassen in der DGestalt Ovids den Typus der unglücklich liebenden (Ehe-)Frau. Die Geschichte vom Nessushemd ist in A2 zu einer entsprechenden Binnenerzählung ausgestaltet. Narrative Technik und Motive zeigen (unabhängig von A l ) bewusste Anlehnung an Ovid. [1] Der Text setzt aber (im Unterschied zu A l ) durchaus eigene Akzente und präsentiert in der tragischen Liebesgeschichte einen höfischen Minnecasus: D erscheint als die schöne, männlicher Gewalt (Nessus) und Untreue (Hercules) ausgelieferte höfische Liebende, die sich und ihren Geliebten aus Sorge um seine Treue unwissend ins Unglück stürzt. Das D-Exemplum, mit dem Paris Helena zur Entführung überreden will, ist nach dem Vorbild von Paris' Brief an Helena in Ovids,Heroides' (16,267f.) eingefügt. [2]
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Die bemerkenswerte Version vom Tod D's in Β1 lässt sich auf keine Quelle zurückführen und ist wohl ad hoc erfunden. [1] Ausführlich hierzu Lienen, Geschichte und Erzählen, 164ff. [2] Ebd., 106.
Nachbenennung
,Tristan als Mönch' (Diamire) merzofe Isoldes.
2222 u.ö.: Name der Kam[mk]
Deidamia [Tochter des Lykomedes, Geliebte des Achilleus, zeugt mit ihm Neoptolemos/Pyrrhos]
G: Tochter des Lycomedes (Al, A2, A3, El), Geliebte (Al, A3, B2, El) bzw. Gattin (A2) des Achilles, Mutter des Pyrrhus (Al, A2, B2) R: Königstochter (A2, El) Nf.: Dedamia (A3), Dyadamia (El), n.n. (Al) I. Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' [13848]: Achilles zeugte mit der Tochter des Lycomedes Pyrrhus, der den gefallenen Vater rächen soll. A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg': D, die die Göttin Pallas an Schönheit übertrifft, bändigt die Wildheit des von Thetis bei Lycomedes verborgenen und als Mädchen verkleideten Achilles. D sieht in ihm zunächst eine Freundin, schöpft dann aber Verdacht, er könnte ein Ritter sein (13906; 14618-15680). Beim Bacchusfest kommt es zur Liebesvereinigung, D wird schwanger und beklagt den Verlust ihrer Unschuld. Sie und Achilles lieben sich aber weiter heimlich und sind glücklicher als Tristan und Isolde [17222] (1568017300). Als die Griechen bei Lycomedes landen, mahnt D Achilles, sich wie eine Frau zu benehmen, damit er nicht erkannt werde. Sie weiß, dass er aus Troja nicht zurückkehren wird, gebiert heimlich einen Sohn (2773728670), gesteht ihrem Vater das Liebesver-
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Deidamia
hältnis und wird mit Achilles verheiratet. Sie will ihn in Männerkleidern nachTroja begleiten, der Abschied bereitet ihr große Schmerzen (28670-29471; RV: 40321). , Trojanerkrieg-Fortsetzung·. Als D von Achilles' Tod erfährt, wird sie ohnmächtig. Sie versucht erfolglos, Pyrrhus von der Fahrt nach Troja abzuhalten, und benimmt sich wie eine Wahnsinnige (44198-44622). A3 ,Göttweiger Trojanerkrieg' 16376·. D wird gemeinsam mit 10 Jungfrauen zu einem geistlichen [!] und den Göttern ergebenen Leben erzogen. Der als Mädchen verkleidete Achilles wirkt unter ihnen aber manches „Liebeswunder". Als die Griechen als Kaufleute getarnt bei Lycomedes landen, besichtigen D und Achilles eng umschlungen die Waren. D kann den von den Waffen faszinierten Achilles nicht mehr rechtzeitig warnen, das Schiff fährt mit ihm ab. [1] [1] Dass D und Achilles Pyrrhus zeugen, wird nicht explizit erwähnt. D wird bei der Einführung des Pyrrhus nicht mehr genannt.
B1 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Cröne' 11588: -» Deianira (I.B1). B2 ,Reinfried von Braunschweig' 22581: D und der von Thetis in Frauenkleidern bei Lycomedes untergebrachte Achilles zeugten Pyrrhus (Exkurs zur Jugend des Achilles). El Jans Enikel, , Weltchronik': Die edle Königstochter D lebt jenseits des Meeres. Als Achilles von ihr hört, will er sie gewinnen, begibt sich in Frauenkleidern zu Lycomedes und wird als D's Lehrerin eingestellt. Er behauptet, eine von ihnen beiden in einen Mann verwandeln zu können. Sie lieben sich heimlich. Die daraufhin schwangere D ersetzt eine Harnprobe des Lycomedes durch ihre eigene, der Arzt konstatiert eine Schwangerschaft und prophezeit Lycomedes den baldigen Tod. Eine weitere Untersuchung ist ohne Befund (14601). Achilles und D fürchten aufgrund von D's Schwangerschaft um ihr Leben. Achilles sieht mit der Landung der Griechen bei Lycomedes die Gelegenheit zur Flucht mit D gekommen. Als D und ihre Hofdamen die Waren der Griechen besichtigen, wird er von
Ulixes erkannt. Er und D fahren mit nach Troja und werden ehrenvoll empfangen. Lycomedes trauert um seine Tochter ([15069][15536]). Nach dem schweren Kampf zwischen Hector und Achilles nimmt Menelaus D zu sich, täuscht ihr den Tod des Achilles und diesem den Tod D's vor. Achilles zieht sich aus Trauer vom Kampfgeschehen zurück (15 593; 15645) und betet jeden Tag im Tempel vor Troja für die totgeglaubte D (16449). II. Als Geliebte des Achilles und Mutter des Pyrrhus gehört D zum festen Personal des ma. Trojaromans. Während sich aber Al auf die bloße genealogische Angabe beschränkt, bietet A2 in Anlehnung an Statius' Achilleis' eine breit ausgestaltete Liebesgeschichte, die ein Pendant zu der von Paris und Helena abgibt und Handlungsmotive und Darstellungsweisen des höfischen Romans (v.a. des .Tristan' Gottfrieds von Straßburg) verarbeitet [1]. Eine besondere Rolle spielt in allen späteren Texten (A2, A3, El) das Travestiemotiv von Achilles in Mädchenkleidern. Es bildet den Kern der D-Passagen von A3 und El. Mit dem Topos der Fernliebe zu D und mit den Motiven der gemeinsamen Flucht nach Troja und der Kampfenthaltung des Achilles wegen D (in der antiken Epik wegen Briseis, im ma. Trojaroman wegen Polyxena) zeigt El deutliche Abweichungen von der gängigen Handlung, die zusammen mit anderen Änderungen [2] auf eine „kondensierte" Trojaversion zielen. Die schwankhafte Ausgestaltung der Episode (vorgetäuschte Geschlechtsumwandlung des Achilles, Urinprobe des Lycomedes) unterstreicht zudem die auch für eine volkssprachliche Chronik ungewöhnlich dominante ankedotisch-fabulistische Darstellungsweise in El. B2 bringt eine rein genealogische Nennung, mit der Anspielung in B1 ist offensichtlich Deianira gemeint. [1] Vgl. Lienert, Geschichte und Erzählen, 81 ff. [2] U. a. übernimmt Menelaus die Rolle Agamemnons. [mk]
Deiphobus — Demades Deiphobus
211
, Trojanerkrieg'-Fortsetzung·. D soll nach Hecubas Plan mit Paris an Achilles Rache für Hector nehmen, D küsst und hält Achilles im Apollotempel umarmt, damit ihn Paris ungehindert töten kann, und wird von den Trojanern gefeiert (42914-44646). Helenus G: Sohn des Priamus (Al, A2), Bruder von macht D für die Entweihung des ApolloHector und Paris (Al, A2, Bl), Gatte der tempels verantwortlich. Dieser will eine raHelena (A2) sche Entscheidung des Krieges herbeiführen, R: Fürst (A2), Ritter, Held (A2) kämpft: gegen Ulixes, widersetzt sich nach Nf.: Deifebus (A2), Demefron (B2), DeiParis' Tod einer Auslieferung Helenas und phebus (Al) heiratet sie gegen den Willen des Fürstenrates I. (45172-45793). Bei der Eroberung der Stadt wird D gefangen genommen, Menelaus lässt Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. D ihm Ohren und Nase abschneiden und ihn gleicht Hector und Helenus an Aussehen, an Mund und Gliedmaßen verstümmeln, D unterscheidet sich von ihnen aber in Alter, Weisheit und Amt (3167; Descriptio). Er stirbt eines grausamen Todes (48375). stimmt Paris' Plan zu, die Entführung He- Bl Jvloriz von Craün 21: D verteidigte mit siones mit der Helenas zu vergelten, und be- seinen Brüdern Hector, Paris, Helenus und gleitet ihn nach Griechenland (1667-1681; Troilus Troja gegen die Griechen und fugte ihnen große Verluste zu (Prolog; Trojanischer 2223-2553); bewacht ein Stadttor (4100), Krieg; Ursprung des Rittertums). führt im Kampf mit den Griechen eine B2 ,Wigamur'3424·. Hector und D können Heerschar (4694), zeichnet sich im Kampf aus (5396-5677; 6046-6670; 7034; 9704), sich mit Artus nicht vergleichen. [1] [1] Aufgrund von D's Bedeutung und Bekanntheit (vgl. trauert über Hectors Tod (10546), übernimmt die Führung des Heeres (10959) und wird Bl), wird trotz der Nf. Demefron eher er als Demophon gemeint sein. von Palamedes verwundet. Paris bringt ihn II. in die Stadt und verspricht Vergeltung. D wünscht, neben Hector bestattet zu werden, Schon in der ,Ilias' ist D einer der wichtigsten erliegt seinen Verletzungen, wird beklagt und Kämpfer auf Seiten der Trojaner. Von seiner beigesetzt (11559-11958; 12053). Als Pen- Beteiligung an der Ermordung des Achilles, thesilea von D's, Hectors, Paris' und Troilus' seiner Heirat mit Helena nach Paris' Tod und Tod erfährt, kommt sie den Trojanern zu Hilfe der grausamen Verstümmelung durch Mene(14396), Antenor hält die Lage Trojas nach laus berichtet Dictys (die Verstümmelung auch dem Tod der vier Priamussöhne für aussichts- in Vergils Aeneis'). A2 folgt dieser Version, los (15021; 15117). während Al den auf Dares zurückgehenden A2 Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg·. Handlungsgang im afrz. Trojaroman Benoits D stimmt Paris' Plan zu, die Entführung de Sainte-Maure wiedergibt. D zeichnet sich in beiden Trojaromanen v.a. durch seine Hesiones mit der Helenas zu vergelten, und begleitet ihn nach Griechenland (13260; Kampfstärke aus. Diese betonen auch die Belege Bl und B2. 18968; 19426); erhält den Befehl über ein Fünftel des trojanischen Heeres und fuhrt die Die Nennung von Trojakämpfern im Tapfererste Schar in die Schlacht mit den Griechen keitsvergleich (B2) ist traditionell. [1] [1] -> Achilles (113) und -» Hector (11.3). Zum Topos Kern, (25069), ist Heerführer in weiteren SchlachEdle Tropfen, 137fF. ten (29920), kämpft u.a. gegen Menelaus [mk] und tötet zahlreiche Gegner (32381-32522; 36624; 39926). Demades Demetrius [2] [Sohn des Priamos, wichtigster Kämpfer der Trojaner nach Hektor und Paris, heiratet nach Paris' Tod Helena und wird bei der Eroberung Trojas von Meneiaos grausam verstümmelt]
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Demetrius [1] — Demiurgus Ratschläge über die richtige Lebensführung erteilen (Gelehrtenkatalog). [1]
Demetrius [1] [Makedone, Gefolgsmann Alexanders d. Gr.]
R: Fürst (A2) Nf.: Demostenes (A2) I. Al Rudolf von Ems, Alexander'·. D beteiligt sich an der von Dymnus angezettelten Verschwörung gegen Alexander und wird gesteinigt (18885; 19363; 19736; 20029) A2 Ulrich von Etzenbach, Alexander'·. D ist einer der angesehensten und tüchtigsten Mitstreiter Alexanders (4681 [1]; Katalog), zeichnet sich bei der Eroberung von Damaskus aus (9075) und plant aus Kriegsmüdigkeit mit Dymnus und Ioleus einen Mordanschlag auf Alexander, der durch Met ron aufgedeckt wird. Die Verschwörer werden festgenommen, D gesteht und wird hingerichtet (1797718214). [1] 4681 hat die Nf. Demostenes. Der bei der Belagerung von Tritonia belegte Ritter Dimitter (Anhang, 662) könnte D meinen.
II. Historizität und mögliche Hintergründe der Verschwörung gegen Alexander, an der sich D beteiligt haben soll, sind unklar. Die im Detail abweichenden Versionen von Al und A2 gehen auf die unterschiedlichen Quellen (Q. Curtius Rufus bzw. Walter von Chätillon) [ 1 ] zurück. In A2 wird D zunächst als positive Gestalt eingeführt, der Text zeigt für die Verschwörung auch ansatzweise Verständnis, da Alexanders Verhalten zunehmend problematisiert wird. [1]
Alexander
(II.2). [mk]
[1] Neben D werden Anaximenes, Demosthenes und Aeschines erwähnt. D könnte auch mit dem bei Valerius und Leo genannten athenischen Rhetor Demades, dem Gegenspieler des Demosthenes, zu identifizieren sein (Chandler, Catalogue, 65), dessen Diplomatie wesentlichen Anteil an der Schonung Athens durch Alexander hatte. [mk]
Demetrius [3] [DI. Soter, König von Syrien 162-150 v. Chr.; schlug die jüdischen Unruhen nieder, bei denen Judas Makkabäus fiel]
El Rudolf von Ems, ,Barlaam'\ D wird als Beispiel eines verkommenen Herrschers genannt, der ein Feind Gottes war und von Judas Makkabäus geschlagen wurde (Katalog gottesferner Herrscher). [1] [1] Die den historischen Ereignissen widersprechende Angabe erklärt sich aus der Darstellung des Makkabäerbuches im AT. Nachbenennungen Albrecht, Jüngerer Titurel'831,4 u.ö.: D ist ein Feind Ackerins und liegt zu Baldac gefangen. [1] Jans Enikel, , Weltchronik', Prosa nach 20942 (Demetricus): D ist einer der Ratsherren, die über Rom herrschen (Katalog). [2] Heinrich von Neustadt, Apollonius' 19273, 19286 (Demetercus): D folgt Antiochus als König von Syrien nach und fällt durch den Mohrenkönig Glorant. Die Syrer bitten daraufhin Apollonius um Hilfe. [3] [1] Vorbild der Figur könnten Demetrius [3] oder dessen Sohn D II. Nikator gewesen sein. [2] Der Katalog präsentiert eine kuriose Senatorenliste, erwähnt werden u.a. Plato, Sibylla, Seneca, Aristoteles und Hippocrates. Strauch (Ausgabe, 400, Anm. 3) weist in diesem Zusammenhang auf eine Stelle in ,De imagine mundi' des Honorius Augustodunensis (PL 172, Spl77, „de consulibus et dictatoribus Romae"), die freilich nur ein Muster abgibt, nicht aber die entsprechenden Namen auflistet. [3] Die Passage verarbeitet mit Namen wie Antiochus und D die Diadochengeschichte, die Umdeutungen lassen eine Identifikation mit historischen Gestalten wie Demetrius [3] aber nicht mehr zu. [mk]
Demetrius [2] [D von Phaleron, ca. 344-307 v. Chr., athenischer Staatsmann und Philosoph, Schüler des Aristoteles und Anhänger der makedonischen Partei]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 3817: Alexander lässt sich nach der Einnahme Athens von den dortigen Gelehrten, darunter D,
Demiurgus [Eigentlich „Handwerker", in Piatons .Timaios' der Name des Schöpfergottes, der aus dem Chaos den Kosmos wirkt]
El Rudolf von Ems, ,Weltchronik' 3205 (Demorgon): D war der erste, der von den Grie-
Democrates — Demophon
213
chen in ihrer heidnischen Verblendung als Gott angesehen wurde (Götter Griechenlands; Katalog). [1]
greift auf Vorstellungen zurück, die dem dt. Publikum aus der Heldendichtung vertraut sind. [mk]
[1] Als weitere Götter werden Mars, Saturnus, Iuppiter, Areas, Atlas, Castor und Pollux, Apollo, Neptunus, Vulcanus, Mercurius und Hercules genannt. Die euhemeristische Deutung und der polemische Hinweis auf das gr. Heidentum erklären sich aus der christlich-heilsgeschichtlichen Perspektive der Chronik. Auf welche Quelle die Nennung des platonischen Schöpfergottes zurückgeht, ist unklar. Er war außerhalb des ma. Piatonismus und gnostischer Traditionen wohl kaum bekannt, die Mythographi Vatican! verzeichnen keinen Beleg, auch bei Chance, Medieval Mythography findet sich kein Hinweis. Die Nennung ist umso erstaunlicher, als die übrige Götterreihe auf allgemein bekannte Gestalten zurückgreift. In der Mythographie der Renaissance wird D (in der Nf. Demogorgon) häufig genannt; vgl. Seznec, Fortleben, 165ff. [mk]
Demophon
Democrates [Athenischer Redner, 4. Jh. v. Chr., Anhänger der makedonenfreundlichen Partei; Curtius VI.5,9]
Al Rudolf von Ems, »Alexander' 17681 (Democritus)·. D, einer der gr. Gesandten zu Beginn des Konflikts mit Darius, stürzte sich ins Schwert, als sie von Darius festgesetzt wurden. Er würde seine Tat bereuen, könnte er noch von Darius' Tod und Alexanders Aufstieg erfahren (Bericht der befreiten Gesandten an Alexander). [1] [1] Die Stelle bezieht sich auf Q. Curtius Rufus (Vl.5,9), der D als D Atheniensis identifiziert. [mk]
Demoleon [Kentaur, fällt beim Kampf zwischen Lapithen und Kentauren durch Peleus; M M 12,356]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': D, ein Riese, halb Mensch, halb Ross, attackiert Theseus mit einem Eichenstamm und tötet dabei Crantor. Als Peleus diesen rächen will, schlägt D mit den Vorderhufen aus, [1] wird aber schließlich von Peleus' Lanze durchbohrt (12,606; 12,625; Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf)· [1] Nur hier (12,625) werden die Kentauren - wegen der spezifischen Kampfesdarstellung — explizit als Mischwesen vorgestellt. Sonst sind sie als Riesen gedeutet. Die Adaption
[Sohn des Theseus, nimmt am Trojanischen Krieg teil, verliebt sich auf der Heimfahrt in Phyllis, die sich erhängt, als er nicht rechtzeitig zurückkehrt; nach Menestheus' Tod wird er König von Athen]
G: Gatte der Aethra (Al), Geliebter der Phyllis (B2) R: König von Athen (El), Dienstmann des Agamemnon (Al) Nf.: Demesticus (Bl) I. Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': D, ein Dienstmann Agamemnons, heiratet nach der Eroberung Trojas Aethra, eine Dienerin Cassandras (16362). Er und Acamas wollen nach Agamemnons Ermordung das Land nicht kampflos räumen, können aber Aegisthus nicht erfolgreich Widerstand leisten und setzen sich auf Nestors Anraten nach Korinth ab (17314). Bl ,Wigamur'3424: -> Deiphobus (I.B2). B2 ,Reinfried von Braunschweig 24553'. In einem Brief an ihren fernen Gatten Reinfried wünscht Yrkane, sie könnte einen ebenso schönen Liebesbrief verfassen wie Phyllis an D (Exemplum; Katalog liebender Frauen). El Rudolf von Ems, ,Weltchronik' 26393: D herrscht zur Zeit des Abdon als König von Athen (Katalog mächtiger Herrscher). II. Mit dem Theseussohn D verbinden sich im Laufe der Antike mehrere Sagen. [1] In nachhomerischer Zeit erscheint er als Teilnehmer am Trojanischen Krieg, er und sein Bruder Akamas befreien nach der Einnahme Trojas ihre Großmutter Aithra, die nach ihrer Gefangennahme durch die Dioskuren Dienerin der Helena geworden ist und diese nach Troja begleitet hat. Motiv und Gestalt werden bei Dictys zu jener Version umgedeutet, die sich über Vermittlung Benoits de Sainte-Maure in Al findet.
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Demosthenes
Erst in hellenistischer Zeit ist die Sage von der unglücklichen Liebesbeziehung zwischen D und der Thrakerprinzessin Phyllis greifbar, die im MA ein typisch ovidianisches Liebesexempel abgibt. [2] Die Anspielung in B2 nennt außer Phyllis noch Penelope, Dido, Briseis, Helena und Medea als Verfasserinnen mustergültiger Liebesbriefe und bezieht sich auf Ovids ,Heroides'. Abgesehen von der direkten Referenz auf einen lat. Quellentext ist v.a. die Nachahmung des Textmusters in den sonstigen mythologischen Anspielungen der dt. höfischen Literatur ohne Beispiel und spricht für die Bildung des Autors. Allerdings fehlen genauere Hinweise zur Handlung, und es ist zu bezweifeln, ob alle genannten Gestalten, so insbesondere D, für das höfische Publikum zu identifizieren waren. Mit D in B1 ist wohl Deiphobus gemeint. El erwähnt D dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend im Rahmen eines profangeschichtlichen Exkurses („incidens") zur Heilsgeschichte. Die „historischen" Daten werden dabei wie hier meist in Form von Herrschaftskatalogen erinnert, auf narrative Darstellung wird weitgehend verzichtet. Mögliche Quelle sind die Herrscherlisten in der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 267). [1] S.v. Demophon Sp. 1481 f. [2] -» Phyllis.
[2.] (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 1,
[mk]
Demosthenes [Athenischer Redner, 384-322 v. Chr., schärfster Gegner einer makedonischen Hegemonie in Griechenland]
R: Herzog von Athen (A2), Gelehrter (Al, D l ) , Philosoph (Al, D l ) , meister (Epitheton) (Al, D l ) Nf.: Demostenes (Al, D l ) , Demosthena (A2)
I. A l Rudolf von Ems, Alexander'·. Vom Reichtum der Perser korrumpiert, fordert der kluge
Philosoph D die Athener zum Widerstand gegen Alexander auf (3655). Als Alexander nach der Übernahme Athens die Philosophen brieflich nach der richtigen Lebensführung befragt, antwortet ihm D nicht (3816).
A2 Ulrich von Etzenbach, Alexander'·. Unter D's Führung widersetzt sich Athen Alexander. Nach Verhandlungen bereut D den Treuebruch, die Athener stellen 100 Kinder als Geiseln und huldigen Alexander (2480; 2669). Später zählt D zu den tüchtigsten Mitstreitern Alexanders und fuhrt das Corps der Cecropiden [d.s. die Athener] (4665; Katalog). Dl Hugo von Trimherg, ,Der Renner' 8455: D wird in einem Katalog heidnischer Meister genannt, deren Bücher zwar viel lehren, aber auch in vielem irren. Als Hieronymus dieser Bücher wegen die Hl. Schrift weglegte, wurde er im Schlaf geschlagen (Katalog antiker Gelehrter). [1] [1] Neben D werden Plato, Aristoteles, Seneca, Socrates, Diogenes, Cicero und Empedocles genannt. Die angefügte Hieronymus-Anekdote war im MA beliebt.
II. Der sprichwörtliche Widerstand des historischen D gegen Philipp und die Hegemonie der Makedonen in Griechenland wurde mit dem Auftreten Alexanders bedeutungslos und erst mit dessen Tod wieder politisch relevant. Als die Erhebung gegen die Makedonen scheiterte, wählte D den Freitod. Die Alexanderromane schildern die Figur aus einer alexanderfreundlichen Sicht. D erscheint daher als korrumpierter Politiker (Al) oder als irregeleiteter Staatsmann (A2), der von Alexander zur Räson gebracht wird und sich gar seinem Heerzug anschließt. Die Episode in A2 unterstreicht Alexanders Charisma und Sendung. Als Rhetor und Gelehrter galt D dem MA zugleich auch als Philosoph (Al, D l ) . Dass man von seinen Reden keine Vorstellung hatte, belegt der Katalog in D l . Nachbenennung Athis undProphilias'(Dimothenes): Kämpfers (C/81; E/151).
Name eines athenischen [mk]
Deucalion — Diana
Deucalion [Sohn des Prometheus, Gatte der Pyrrha; sie sind die einzigen Überlebenden der Sintflut]
G: Gatte der Pyrrha ( A l ) R: König (El) I.
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen':
Als einzige gottesfürchtige Menschen werden D und Pyrrha von Themis in einem Boot vor der Sintflut gerettet. D fragt Themis, wie das Menschengeschlecht neu zu erschaffen sei, und deutet ihre Worte, sie sollen die Gebeine der Eltern hinter sich werfen, so: Die Erde sei die Mutter der Menschen, ihre Gebeine seien die Steine. Aus den Steinen, die D hinter sich wirft, entstehen Männer, aus denen Pyrrhas Frauen (1,605-744).
El Rudolf von Ems, ,Weltchronik'15777\ D war einer der Könige jenes Volkes, das am Fuße des Parnass siedelt (Katalog gr. Könige).
II. Die einzige mhd. Erwähnung des antiken Sintflut-Mythos in A l folgt direkt Ovids ,Metamorphosen' (l,318ff.). Die naheliegende Verbindung zu Noah wird nicht gezogen. Die Nennung in El findet sich im Rahmen eines profangeschichtlichen Exkurses („incidens") zur Heilsgeschichte. Nach dem Prinzip ma. Weltchronistik geschieht dies in Herrschaftskatalogen, auf narrative Darstellung wird weitgehend verzichtet. Die Nennung bezieht sich (direkt oder mittelbar) auf die Herrschaftstabellen in der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 173). Die Lokalisierung am Parnass ist ein Relikt des Mythos, der von D's dortiger Landung nach der Sintflut berichtet. [mk]
Diana [Gr. Artemis, Tochter von Zeus und Leto, Schwester Apollons, eine der 12 olympischen Gottheiten, Göttin der Jagd)
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W: Göttin (C2, E3) der Jagd (Al, A2, A4) oder des Waldes (Β 1) und Schützerin der Tiere (A4), Jägerin (El), Abgöttin (E4), Göttin der Sarazenen (B2) G: Schwester des Apollo, Tochter der Latona (A2, A5) Nf.: Artemia, Artemiden (E4), Diane (B2), Dijane (CI), Djone (C2), Dyana (A4, B l , E3) I.
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'\ Dido gleicht beim Jagdausflug mit Aeneas der D (1794). Der Riese Titius leidet Qualen in der Unterwelt, weil er D zur Frau begehrte (3518).
A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen '·. D wird von Latona auf Delos geboren (6,697), hat das Schwein zum Opfertier (15,91); verstößt Callisto aus ihrem Gefolge, als deren Schwangerschaft entdeckt wird (2,921-979); wird beim Bad von Actaeon überrascht und verflucht ihn. Actaeon verwandelt sich in einen Hirsch und wird von seinen Hunden gerissen. Die anderen Götter sind über die Angemessenheit der Strafe geteilter Meinung (3,380-444; 3,580-599). D flieht vor dem Götterfeind Typhon bis an den Nil und verwandelt sich aus Angst in eine Hinde (5,592; gotteslästerliches Lied der Pieriden beim Sangeswettstreit mit den Musen); rettet die Quellnymphe Arethusa vor den Nachstellungen des Flussgottes Alpheus, hüllt sie in Nebel und eröffnet ihr einen unterirdischen Flusslauf (5,1106-1157); tötet gemeinsam mit Apollo aus Rache für die Schmähung Latonas Niobes sieben Söhne und Töchter und ihren Gatten Amphion (6,445; 6,466); bildet mit Luna und Proserpina eine Göttinnentrias [1] und hat dabei den irdischen Bereich inne. Bei dieser dreifachen Gottheit schwört Iason Medea Treue (7,189). D schenkt Procris den Hund Lelaps und einen Speer mit goldener Spitze, der alles trifft (7,1297-1312); plagt Kalydon mit einem ungeheuren Eber, weil ihr und Apollo keine Opfer dargebracht wurden (8,523; 8,535); vereitelt bei der
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Diana
Eberjagd den von Apollo gelenkten Schuss Meleagers (8,678); tötet Chione aus Rache ftir deren Schmähungen mit einem Pfeil (11,607; 11,609); verlangt laut Calchas die Opferung Iphigenias, damit sich der Sturm lege, der die gr. Flotte auf Aulis festhält; erbarmt sich ihrer, entrückt sie in einer Wolke und lässt an ihrer Stelle eine Hinde opfern (12,55; 12,70; RV: 13,297). Daphne will wie D Jungfrau bleiben (1,923). Venus will nicht, dass Proserpina wie D Jungfrau bleibt (5,700). Der D gleichen Syrinx (1,1392; 1,1397), weiters eine namenlose Nymphe des Achelous (9,182) und Venus, als sie mit Adonis jagend durch die Wälder zieht (10,990; 10,991). [2] [ 1 ] Im Hintergrund steht die Vorstellung von der dreigestaltigen Hekate. [2] Alles nach den entsprechenden Stellen bei Ovid, bei dem sich D auf der Flucht vor Typhon aber in eine Katze ( M M 5,330) und nicht in eine Hinde verwandelt; das Schwein als D's Opfertier (15,91) erwähnt Ovid nicht.
A3 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': D ist laut Calchas' Sternschau für den Sturm verantwortlich, der die Griechenflotte auf Aulis zurückhält. Sie zürnt, weil ihr keine Ehre erwiesen wurde. Agamemnon gewinnt ihre Huld durch reichliche Opfer zurück (3601; 3609). A4 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg·. D ist eine der Göttinnen, die am Fest des Iuppiter anlässlich der Hochzeit von Thetis und Peleus teilnehmen (1078; Katalog). Mit Hilfe des Neptunus und des (anonymen) Wettergottes erregt sie einen Seesturm, der die Griechenflotte auf Aulis hemmt, und rächt sich so an Agamemnon, der eine ihrer Hinden erlegt hat. Als Sühne fordert sie die Opferung Iphigenias, die sie jedoch verschont und entrückt (24044-24629). A5 Ulrich von Etzenbach, »Alexander' 2802: Bei D und Apollo beklagt sich Latona über die Schmähung durch Niobe, Apollo rächt sie (Alexanders Zug nach Theben; Exkurs zum thebanischen Mythos). [1] [ 1 ] Zu der knappen Anspielung in der .Alexandreis' Walters von Chätillon (1,302) sind A5 offensichtlich Glossen vorgelegen (vgl. etwa die bei Colker [Hg.], 364 abgedruckte Glosse aus der Wiener Hs. V).
A6 Heinrich von Neustadt, »Apollonius': D ist in der Stadt Tarsis, ähnlich wie die heutigen Heiligen, in einem prächtigen Grabmal beigesetzt (1096) und hat in Ephesus einen Tempel. Witwen und Jungfrauen, die Keuschheit gelobt haben, sind ihre Priesterinnen. Lucina, Apollonius' erste Gattin, tritt in ihre Dienste (2811; 2815). Ein D-Tempel befindet sich auch am Eingang zum sagenhaften Land Crisia. Wer die dortige Tugendprobe (Ritt über ein goldenes Rad) nicht besteht, kann die Göttin nach den Gründen dafür fragen (11308). D wird neben anderen Göttern von Apollonius um Hilfe angerufen (4256). B1 ,Prosa-Lancelot' 1.6,3Iff.·. D war Königin von Sizilien, lebte zu Vergils Zeiten und wurde von den Heiden für die Göttin des Waldes gehalten, weil sie so gerne im Wald von Gaune [in Frankreich!] jagte. Der See, dem Lancelot seinen Beinamen („du Lac") verdankt, heißt nach ihr „Dyanen Lak". B2 ,Reinfried von Braunschweig' 16415: D wird in einem Katalog von Göttern genannt, die der Heerführer der Sarazenen nach dem Sieg der Christen im Heiligen Land heftig kritisiert. C1 Walther von der Vogelweide, C 91.IV, 6 (L 119,10): Die Geliebte des Sängers ist schöner und rühmenswerter als Helena und D. [1] [ 1 ] Der Vergleich könnte ironisch gemeint sein: Die Geliebte ist zwar schön wie Helena, aber noch spröder als D, vgl. Kern, Edle Tropfen, 10Iff.
C2 Der Tannhäuser, Leich IV.6: D, die einst eine Göttin war, und Isolde werden von der Minneherrin an Schönheit überboten. El Otto von Freising ,Laubacher Barlaam' 11225: D gibt im Glaubensdisput des Christen Barlaam mit den Heiden ein Beispiel für die Verkommenheit der gr. Götter. Sie sei eine Jägerin und den ganzen Tag mit ihren Hunden im Wald. Reiten und Jagen ziemen sich aber nicht für eine Frau (Götterkatalog). E2 Rudolf von Ems,,Barlaam': Die Griechen stellen im Glaubensdisput mit dem Christen Barlaam D als Göttin des Wildes vor (9783; Katalog der gr. Götter), aus christlicher Sicht ist sie eine Jägerin und in unweiblicher Ma-
Diana nier den ganzen Tag auf der Pirsch (10268; Katalog; Exemplum für die Verkommenheit der gr. Götter). E3 Rudolf von Ems,,Weltchronik'3234: D ist eine der Göttinnen, an die die Griechen auf Ratschlag des Teufels und in ihrer heidnischen Verblendung glaubten, weil sie es zu dieser Zeit nicht besser verstanden (Katalog). [1] [1] An weiteren Göttinnen werden Pallas, Juno, Venus, Ceres, Europa, Thetis und Latona genannt.
E4 Hugo von Langenstein,,.Martina: D wurde wie Apollo und Iuppiter von Christus den Engeln der Hölle überantwortet, die für Gott Rache an ihnen nahmen (225,23; Martina zu Kaiser Alexander). Martina bringt die Abgötter D, Apollo und Iuppiter zu Fall (226,1). D wird von den Heiden in einem Tempel verehrt (145), Martina soll sie anbeten (l49b-153c) und treibt den Dämon aus D's Statue aus, die Statue zerfällt zu Staub (15 7b-160c; 171 d; 179c-180). II. 1) Reflexe des antiken D-Mythos; 2) Euhemeristische Deutungen, D als Göttin der Sarazenen; 3) D-Belege im Schönheitsvergleich
1) Als Göttin der Jagd ist D in Al, A2, A4 und B1 vorgestellt, Jungfräulichkeit und Keuschheit als ihre typischen Merkmale reflektieren Al, A2, A4 (v.a. 24337) und womöglich C l . Die Trojaberichte konzentrieren sich auf D's Rolle bei der Hemmung der Griechenflotte in Aulis (A2, A3, A4), wobei A3 (dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure folgend) das Motiv der Opferung Iphigenies auffallend entproblematisiert. Da der ma. Trojaroman nach dem Vorbild der Trojaberichte des Dares Phrygius und des Dictys Cretensis den antiken Götterapparat weitgehend ausblendet, wird D darüber hinaus nicht erwähnt. Die übrigen Daten aus dem antiken D-Mythos in Al und A2 sind singulär überliefert, nur die Rache an Niobe findet zweimal Erwähnung (A2, A5; beide Texte mit lat. Vorlage). 2) Auffallend sind die euhemeristischen Deutungen in A6, Bl, C2, El und E2. [1] In
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A6 wird das Artemision von Ephesos zum Grabmal uminterpretiert und die Verehrung der heidnischen Göttin mit der der christlichen Heiligen verglichen. Außerdem wird ein Grabmal Mahmets erwähnt. A6 identifiziert also antike und sarazenische Heidengötter, so auch B2. [2] Vielschichtige Kontaminationen liegen in Β1 vor, etwa die Gleichsetzung Dianas mit der arthurischen Herrin vom See. [3] Die euhemeristische Deutung D's als Jägerin, wie sie in El und E2 verbunden mit einer Polemik gegen die antike Göttervorstellung vorliegt, ist en detail ausgeführt. D wird zur verehrten und daher vergöttlichten Königin mit Vorliebe für die Jagd, die sie als Sizilianerin auffälligerweise in der Britannia minor pflegt. [4] Dass sie zu Vergils Zeiten lebte, dient wohl dem pseudohistorischen Konstrukt (vielleicht liegt eine Assoziation mit der Sibylle von Cumae vor, die Aeneas zum Avernersee führt). Eine dämonologische Deutung bringt E4, die Statue der Göttin ist von einem Dämon bewohnt, der von der christlichen Heiligen ausgetrieben wird. Diese Vorstellung und die christliche Polemik gegen antike Gottheiten sind v.a. für die Gattung der Legende typisch und meist mit Apollo verbunden. In E3 ist der Glaube an D und die übrigen Götter, die auch hier weitgehend euhemeristisch gefasst sind, Ausdruck heidnischen Unvermögens und fehlender Offenbarung des wahren Gottes. 3) Weiters wird auf D im Frauenpreis angespielt. Der auszeichnende Vergleich der in Al und A2 genannten jagenden Frauen mit D ist mythologisch motiviert, die Überbietung durch die Minneherrin an Schönheit (und Sprödigkeit?) in Cl und C2 ist topisch. [5] [ 1 ] Vgl. die Angaben zur mythographischen Tradition bei Chance, Medieval Myelography, passim (Reg.). [2] Ausführlich hierzu -» Apollo (II. 1/4). [3] Diana wird schon im Frühmittelalter als Fee gedeutet, s.v. Fee, Feenland (F. Wolfzettel), in: EM, Bd. 4, Sp. 945964, hier 952f. [4] „Sizilien" ist möglicherweise ein Uberlieferungsfehler. [5] Zum Vergleichstopos -» Helena (II.3) und -* Venus (II.5A). Dass in C l und C2 auch Dione (als Antonomasie fiir Venus) gemeint sein könnte, ist unwahrscheinlich: Di-
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Dictys [1] — Dido
one ist der mhd. Literatur kaum vertraut, in C1 ist die Nf. eindeutig, außerdem könnte die gemeinsame Nennung mit Helena auf eine Pointe abzielen. In C2 wird Venus wenige Verse später genannt. [mk]
Dictys (E. Heyse), in: LMA, Bd. 3, Sp. 982; W. Eisenhut, Spätantike Trojaerzählungen, M J b 18 (1983), 1-28. S. Merkle, Trojani belli verior textus. [mk]
Didius
Dictys [1] [Kentaur, wird im Kampf zwischen Lapithen und Kentauren getötet; M M 12,336]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12,568: Der Riese D [1] wird von Pirithous von einem Felsen gestürzt, fällt auf eine Buche und wird in zwei Teile zerrissen, seine Gedärme bleiben in den Zweigen hängen. Phereus will ihn rächen (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf). [ 1 ] Die Kentauren werden im Text als herumziehende Riesen aufgefasst. Die Adaption greift auf Vorstellungen zurück, die dem Publikum aus der Heldendichtung vertraut sind. Dass sie Mischwesen sind, wird nur 12,631 explizit gesagt; Centauri. [mk]
[Imperator Caesar M . D. Severus Iulianus Augustus, nach der Ermordung des Pertinax am 28. 3. 193 n. Chr. zum Kaiser ausgerufen, unter dem Eindruck des Vormarsches des Gegenkaisers Septimius Severus bis Rom am 1 . 6 . 193 ermordet]
El,Kaiserchronik'(Julian)·. Der Fürst D wird von Pertinax bei Schaukämpfen, die sich edle Römer in einer marmornen Arena nackt vor den Frauen liefern, getötet. Sein Bruder rächt ihn (7177; 7196). [1] [1] Zur Stelle Pertinax. Es handelt sich um eine anekdotisch-verzerrende Darstellung der röm. Kaiserfolge. [mk]
Dido [Königin von Karthago, Geliebte des Aeneas, begeht Selbstmord, als er sie verlässt]
Dictys [2] [D Cretensis, Grieche, angeblicher Augenzeuge des Trojanischen Krieges und Verfasser eines Tagebuchberichts, der ,Ephemeris belli Trojani']
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' (Itis, Ytis): D berichtet wie Dares als Augenzeuge von Belagerung und Untergang Trojas (14938; 14945); Berufungen auf D finden sich bei der Plünderung des trojanischen Schatzes (16324), beim Selbstmord des Brises (16661), bei der Abfahrt des An tenor (16726) und der Heimfahrt der Griechen (17040; 17055). [1] [ 1 ] Der fingierte Tagebuchbericht des D wurde vermutlich im 1. Jh. in gr. Sprache verfasst und im 4. Jh. von einem Septimius ins Lat. übersetzt. Die lat. Version war aufgrund ihrer scheinbaren Authentizität neben dem Bericht des Dares Phrygius die wesentliche Quelle der Trojaromane des MA, Dares ist aufgrund seiner trojafreundlichen Perspektive aber der einflussreichere der beiden. D's Darstellung war (weil ausfuhrlicher) insbesondere für die Ereignisse um die Zerstörung Trojas und die Heimfahrt der Griechen wichtig; s.v. Diktys [6.] (W. Eisenhut), in: DKP, Bd. 2, Sp. 29f und
W: Göttin [!] (B9) G: Witwe des Sichaeus (Al), Gattin (Al, A2) oder Geliebte (A10, Bl, B2, B4, BIO, B l l , C l ) des Aeneas, Geliebte des Hector [!] (C5), Schwester der Anna (Al) R: Gründerin (El) bzw. Königin von Karthago (Al, B2, B5, B8), Tyrus (B3, C4) und Sidon (B3), vroutve (Epitheton) (A2, Bl, B2, B8, C2) Nf.: Dydo (BIO, El), Tido (Cl), n.n. (C4) I. Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman: D ist die Gründerin und Erbauerin Karthagos (288). Sie hat den Grundstein der Festung gelegt (339), Iuno einen Tempel („munster") errichten lassen (413; 416) und ist Landesherrin (444). D empfängt Aeneas freundlich in Karthago (456-730) und erhält prächtige Geschenke (801). Venus und Cupido lassen sie in Liebe zu Aeneas entbrennen (744), als
Dido sie Ascanius küsst; sie verbirgt zunächst ihre Liebe (821-863). D lässt sich von Aeneas den Untergang Trojas erzählen (888-1286) und leidet in der folgenden Nacht Liebesqualen (1363-1415). Sie gesteht ihrer Schwester Anna ihre Liebe und hat Bedenken, weil sie Sichaeus geschworen hat, keine neue Ehe einzugehen (1461-1615). Während eines Unwetters bei einem Jagdausflug kommt es zur Liebesvereinigung zwischen D und Aeneas (1661 -1899). Eine formelle Heirat soll die im Land kursierenden Gerüchte unterbinden (1907). Aeneas verschweigt D seine Absicht, nach Italien weiterzufahren, und bereitet heimlich seine Abreise vor. Als D dies entdeckt, stellt sie ihn zur Rede, gerät in Verzweiflung und droht mit Selbstmord (1981-2246; VD: 1631). Sie lässt Aeneas' Geschenke bringen, um sie zu verbrennen, klagt über ihre unglückliche Liebe und stürzt sich auf dem Scheiterhaufen in Aeneas' Schwert. Anna findet ihre sterblichen Überreste. Die Inschrift auf D's Grabmal besagt, dass sie um der Liebe willen gestorben sei (2334-2516). Aeneas begegnet D in der Unterwelt, sie befindet sich unter den Opfern der Minne und bereut ihren Selbstmord (3297). Königin Amata bezichtigt Aeneas gegenüber Latinus und Lavinia, an D's Tod schuld zu sein (4224, 10666). Als er wegen Lavinia Liebesqualen erleidet, erkennt Aeneas die Größe von D's Liebe; er hätte D niemals verlassen, wenn er die Liebe besser gekannt hätte (11180). A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': D empfängt Aeneas in Karthago, sie nimmt ihn zum Mann und verliert das Leben, als er sie verlässt (13,919; 14,108). [1] [1] W i e bei Ovid wird auf D nur angespielt. Die explizite Raffung (von D soll nicht ausführlich erzählt werden) verweist aber offensichtlich auch auf die zeitgenössische Romanversion von A l .
B1 Hartmann von Aue, ,Erec\ D nahm Aeneas bei sich auf und wurde von ihm betrogen, als er sie verließ. D schickte ihm vergeblich Boten nach und erlitt großes Unglück (7558; Darstellung der Aeneassage auf den Sattelbögen von Enites Pferd).
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B2 Wolfram von Eschenbach, ,Parzival'399,14: D's Tod war der Tribut für die Macht der Liebe. [1] [1 ] Die Anspielung folgt auf die Aussage, dass sich die Stadt Ascalun dem ankommenden Gawan glanzvoller präsentierte als Karthago dem ankommenden Aeneas.
B3 Gottfried von Straßburg, , Tristan': Der liebeskranken D erging es wegen ihrer Liebessehnsucht schlecht (17196; Tristan und Isolde besprechen und betrauern das Schicksal von D, Byblis, Canace und Phyllis). Tristan wird von Gandin aufgefordert, den Leich von Dido zu spielen (13347). B4 Wirntvon Grafenberg, .Wigalois'2720\ In dem Eneasroman, den sich eine Prinzessin vorlesen lässt, wird berichtet, dass D einst Aeneas bei sich aufgenommen habe. B5 ,Μοήζ von Craün 1152: D regierte einst über Karthago (nur dort gibt es den Vogel Alfurt, mit dessen Federn die Decken des Bettes der Gräfin, der Geliebten von Moriz, gefüllt sind). B6 Konrad Fleck,,Flore und Blanscheflur'2434: D hat aus Liebe Selbstmord begangen und erleidet dafür zu Recht Höllenqualen (Flores Mutter warnt den über den Verlust Blanscheflurs trauernden Sohn vor dem Selbstmord; Exempelkatalog). [1] [ 1 ] Als weitere Selbstmörder aus Liebe werden Byblis und Pyramus und Thisbe genannt.
B7 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Cröne': D erlitt einen schweren Schicksalsschlag, nachdem sie Aeneas empfangen hatte (530; Darstellung auf dem Teppich, den Königin Lenomie an Artus sendet). D erstach und verbrannte sich um Aeneas' willen. Die Klage über diesen Unglücksfall wird von der Klage des Artushofs über die Entführung Ginovers übertroffen (11561; Exempelkatalog für große Klageanlässe). B8 Rudolf von Ems, »Alexander' 8742: D war einst Königin von Karthago (Verweis im Rahmen der Belagerung von Tyrus durch Alexander). B9 Albrecht, Jüngerer Titurel' 5357,3: Den Göttinnen D, Venus und Pallas gestehen die beiden heidnischen Damen Alberose und Barbidele ihre Liebe zu Feirefiz.
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Dido
BIO ,Reinfried von Braunschweig': D verlor ihrer Liebe zu Aeneas wegen das Leben, als sie von ihm verlassen wurde. Vergil berichtet von ihrem Feuertod. Ein ähnliches Geschick fürchtet Yrkane, wenn sie Reinfrieds Minne erwidert (3211). D verfiel in Raserei und verbrannte sich, als Aeneas sie verließ. Yrkane wäre es nach Reinfrieds Abschied genauso ergangen, wäre sie nicht schwanger gewesen (15262; Exempelkatalog). [1] D schrieb Aeneas einen Liebesbrief, blieb aber erfolglos und verbrannte sich. In ihrem Brief an Reinfried wünscht Yrkane, sie könnte einen ebenso schönen Liebesbrief verfassen (24544; Katalog liebender Frauen). [2] [1] Es dürfte ein direkter Bezug auf Al vorliegen (in A l , 2192, wünscht D, sie wäre von Aeneas schwanger). [2] Als weitere Verfasserinnen mustergültiger Liebesbriefe werden Penelope, Briseis, Phyllis, Helena und Medea genannt. Die Stelle spielt auf Ovids .Heroides' an.
B l l ,Die böse Frau' 442·. D behandelte Aeneas in Karthago liebevoll, der Erzähler wird hingegen von seiner Frau geschlagen. B12 ,Der Weinschwelg'333: D fand wie Paris und Helena, Pyramus und Thisbe, Graland und Curaze der Minne wegen den Tod. Die Liebe des Weinschwelgs zum Wein bringt hingegen Freude. C1 Friedrich von Hausen MF 1.1,5 (42,5): Die Minneherrin sagte dem Sänger, sie wolle niemals seine D sein, selbst wenn er Aeneas hieße. Der Sänger versteht diese Worte nicht, da nicht er sie, sondern vielmehr sie ihn meide und sein Herz geraubt habe (Minneklage). [1] [1] Zum lyrischen Rollenspiel vgl. Kern, Edle Tropfen, 222ff. und J. Ashcroft, Renovatio Amoris — Translatio Imperii: Hausen und Aeneas, in: Ma. Lyrik: Probleme der Poetik. Hg. Th. Cramer und I. Kasten, 1999, 57-84.
C2, Carmina Burana' 155a, 1: Die Minnedame ist schöner als D, Helena, Pallas und Hecuba (Katalog). C3 Der Tannhäuser, Leich IV, 10: Alles, was die mächtige und unglückliche D einst besessen hatte, wurde verteilt (Katalog literarischer Figuren). [1] [1] Der Leich bringt eine Reihe knapper und z.T. bewusst dunkler oder verfremdeter Anspielungen auf literarische Sujets, Motive und Gestalten. Hier wird analog zu A l D s tiefer Fall betont.
C4 Frauenlob [354,5] (Ettm.): D, deretwegen Aeneas aus Tyrus floh, wird an Schönheit von der Minnedame des Sängers übertroffen (Überbietungskatalog). [1] [1] Statt D könnte auch Lavinia gemeint sein. Überboten werden weiters Condwiramurs und Gyburg.
C5 Anonym, HMS III, S.427, XXXII.3,14: Beim morgendlichen Abschied von seiner Geliebten meint der Ritter, so wie ihm müsse es Hector [!] ergangen sein, als er von D scheiden musste (Tagelied). El Rudolf von Ems,, Weltchronik'2795: D wird im Rahmen einer Beschreibung Afrikas als Gründerin Karthagos genannt (Beschreibung der Erdteile). II. 1) D im MA, die D-Handlung des ma. Eneasromans; 2) Einfluss des Eneasromans auf die D-Anspielungen; 3) Funktionen der D-Anspielungen; 4) Zusammenfassung
1) D's unglückliche Beziehung zu Aeneas ist als Musterfall tragischer Liebe von zentraler Bedeutung für die Liebesthematik der weltlichen Literatur des HochMA insgesamt. [ 1 ] Die breite Rezeption gründet in der Gestaltung des Stoffes durch Vergils A^eneis'. Das D-Bild der volkssprachlichen Literatur wird von der Bearbeitung durch den afrz.,Roman d'Eneas' entscheidend geprägt, der wiederum die direkte Vorlage von Al abgibt. Die D-Episode des röm. Epos wird hier zum gleichwertigen, tragischen Gegenstück der geglückten Liebesbeziehung zwischen Aeneas und Lavinia ausgestaltet. Die karthagische Königin avanciert zur Zentralfigur der Romanversion, die der Liebeshandlung wenigstens ebenso hohen Stellenwert einräumt wie dem Thema der Reichsgründung des Aeneas in Italien. An D werden Wirkung und Folgen der Liebe ausführlich und eingängig dargestellt. Liebe erscheint als Krankheit, die die mächtige und kluge Königin ihre Sinne verlieren und ins Unglück stürzen lässt. Die dem Prinzip der Fallhöhe folgende Dramaturgie wird in A l noch verstärkt, D im Gegensatz zum ,Roman d'Eneas' weitgehend exkulpiert. Ihr Selbstmord präsentiert sich entgegen der ma. Moralvorstellung als Akt der Verzweiflung und
Dido als Folge der fatalen Macht der Liebe. D befindet sich in der Unterwelt daher auch nicht in der Selbstmörderhölle, sondern unter den Toten aus Liebe, einer von der höfischen Literatur konstruierten Kategorie von Sündern, die noch in Dantes ,Comedia' (,Inferno', canto V) zu finden ist. [2] 2) Die D-Handlung von Al kann als eine der ersten mustergültigen epischen Gestaltungen des höfischen Minnethemas in dt. Sprache aufgefasst werden. Sie ist die Voraussetzung der breiten D-Rezeption in der mhd. Literatur und gibt auch die wesentlichen Deutungsaspekte vor. Auf die Vertrautheit des Publikums mit dem Stoff lässt sich aus den knappen Anspielungen in B2, B5, B8, B11, C3, C4 und El schließen. Ein direkter Bezug auf Al ist für die D-Belege A2, Bl, B3, B4, BIO (mit Verweis auf Vergil) und C1 aus zeitlichen und inhaltlichen Gründen wahrscheinlich. Die knappen „Inhaltsangaben" von Bl und B4, die Erweiterungen gegenüber dem ,Erec' Chretiens de Troyes und das „Urteil" über Aeneas in Β1, das lyrische Rollenspiel in C1 und die Raffung von A2 setzen die Rezeption von Al ganz offensichtlich voraus. Charakterisiert wird D in Bl, B8 und C3 wie in Al als mächtig („riche"), als edel („werde") in BIO. Liebeskrank und unglücklich nennen sie Al, B3 und C3, ihre Schönheit betonen CI, C4 und C5, töricht ist D nur für B12 (mit parodistischem Bezug auf das höfische Liebesleidmotiv). 3) Die Mehrzahl der Anspielungen begreift D als Exempelfigur für die unglücklich liebende und verlassene Frau, so Bl, B3, B7, BIO (in drei auf den Kontext abgestimmten Variationen), C1 und C5, wobei der mythographische Fehler in C5 angesichts der Verbreitung des Stoffes bemerkenswert ist. Eine negative Wertung erfolgt kontext- bzw. gattungsbedingt nur in B6 und Β11. Ansonsten wird D vielmehr das ganze „Mitleid" der Texte zuteil, wie insbesondere die Kritik an Aeneas in Β1, die Identifikation Tristans und Isoldes mit D in B3 und die ,Angst" der Dame vor einem D-Schicksal in BIO und C1 zeigen. [3]
221
C2 und C4 nennen D im Schönheitsvergleich, verbunden mit dem Überbietungstopos (die Minnedame ist schöner als D). Die Belege B3, B6, B7, BIO, Β12, C2, C3 und C4 stehen im Rahmen von Exempel- bzw. Vergleichskatalogen. In B9 wird D gemeinsam mit Venus und Pallas Athene als Sarazenen-Göttin aufgefasst. Hinter dieser Deutung könnte eine euhemeristische Interpretation stehen: Wenn die antiken Göttinnen ursprünglich berühmte Menschen waren, kann umgekehrt die Heroin D eine Göttin genannt werden. [4] Dass die antiken Heidengötter als Götter der Muslime weiterleben, ist eine gängige Vorstellung des christlichen MA. [5] Rhetorische Sonderformen repräsentieren die Bildzitate von Bl und B7 (die D-Handlung ist Sujet einer bildlichen Darstellung) und das „Buchzitat" von B4. Diese Belege, die Hinweise auf die Erzähl- und Leseerlebnisse der Romanfiguren in B3 und BIO sowie das lyrische Rollenspiel von C1 (die Minneherrin verweigert die D-Rolle und teilt dem Sänger die Rolle Aeneas' zu) weisen explizit auf den literarisch-traditionellen Charakter des Stoffes hin. 4) D's Geschichte präsentiert sich insgesamt gesehen als ein enorm produktiver literarischer Casus, der durch eine kontinuierliche Rezeption immer neu aufgearbeitet wird. Zu betonen ist, dass sich die Texte einer negativen Wertung, die sich von der christlich-ma. Moralvorstellung her anbieten würde, weitgehend enthalten (richtungweisend dafür war Al). Die höfische Literatur begreift die unglücklich liebende D vielmehr als eine Identifikationsfigur par excellence und „vereinnahmt" sie als ein Paradigma, das die Bedeutungssignatur des höfischen Minnethemas wesentlich mitformuliert. Dies gilt ebenso für die D-Nennungen in der prov. und afrz. Literatur und für die D-Gestalt in der weltlichen lat. Dichtung. [6] Somit kann von einem relativ einheitlichen D-Bild der hochma. weltlichen Literatur gesprochen werden, deren Deutung D's als exemplarische Liebesleidende eine auf
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Dimnus — Diocletianus
einfache Didaxe zielende, negative Sinngebung weitgehend unterbindet oder zumindest überlagert. [7] Gerade an der D-Gestalt ist also zu sehen, dass Literatur auch im MA gängige moralische Normen und Klischees unterlaufen kann. [1] Zur D-Rezeption im ΜΑ E. Semrau, Dido in der deutschen Dichtung, 1930; Kern, Edle Tropfen, passim; Μ. Mecklenburg, Verführerin oder Verführte? Zur Figur der Dido in der volkssprachigen Lit. des MA, in: Verfuhrer, Schurken, Magier. Mittelalter Mythen 3. Hg. U. Müller und W. Wunderlich, 2001, 173-191. [2] Zur D-Handlung der Eneasromane A. Syndicus, Dido zwischen Herrschaft und Minne, in: Beiträge 114 (1992), 57-107; M. Schausten, Gender, Identität und Begehren, in: Mänlichiu wip, wtpltch man. Zur Konstruktion der Kategorien „Körper" und „Geschlecht" in der dt. Lit. des MA. Hg. I. Bennewitz und H.Tervooren, 1999, 143-158; Mecklenburg [Anm. 1], [3] Zur genaueren Interpretation der Belege vgl. Kern, Edle Tropfen (Reg.). [4] Vgl. ebd., 394f. [5] Apollo (113). [6] Belege aus der prov. und afrz. Literatur verzeichnet Bartsch, Albrecht von Halberstadt, XXIIIf.; für die mlat. Literatur vgl. bes. CB 98, CB 99, CB 100. [7] In der mhd. didaktischen Literatur findet sich bemerkenswerter Weise kein D-Beleg; auch in theologischen Aussagen über den Selbstmord sind die D-Nennungen nicht auffallend negativ, vgl. Knapp, Der Selbstmord, 30 (Tertullian) und 61 (Albert der Große). [mk]
Dimnus
Dymnus
ihre triste Situation als besondere Sittlichkeit verkaufen wollten. Er wünscht, dass Gott ihnen nach dem Tod ein besseres Leben bescheren möge (22396-22503). [1] [ 1 ] Die D-Episode wird bei Walter von Chätillon, der Quelle von A1, nicht berichtet. A1 verarbeitet die im MA mehrfach überlieferte Pseudo-Korrespondenz Alexanders mit D, die ,Collatio Alexandri cum Dindimo, rege Bragmanorum, per litteras facta' (Chandler, Catalogue, 68). [mk]
Dinus [Persischer Krieger, wird von Parmenio getötet; Chätillon 111,65]
Al Ulrich von Etzenbach, yAlexander' 8090 (Dimon): Der persische Kämpfer D wird in der Schlacht bei Issos von Parmenio aus dem Sattel geworfen und getötet. [mk]
Diocletianus [C. Aurelius Valerius D, ca. 230-313 n. Chr., röm. Kaiser 284-305, konsolidierte das späte Röm. Reich durch zahlreiche Feldzüge und Verwaltungsreformen (so genannte Tetrarchie), veranlasste 303 eine große Christenverfolgung und dankte 305 krankheitshalber ab]
R: Röm. Kaiser (Al, El, E3), König (E2) Nf.: Dioclecinus (Al), Dyoclecjanus (E3), Dyocletianus (E2)
Dindimus
I.
[König der Brahmanen, führt mit Alexander eine philosophische Diskussion; ,Collatio Alexandri cum Dindimo']
Al ,Göttweiger Trojanerkrieg 25108: D ver-
Al Ulrich von Etzenbach, »Alexander': D ist der Herrscher der Brahmanen, in deren Land Alexander auf seinem Indienzug gelangt. Alexander beginnt mit D einen Briefverkehr über richtige Lebensführung. D erklärt Alexander, dass ihm Weisheit mehr als Gold bedeute, sein Volk eine einfache Lebensführung bevorzuge, keine Sünden begehe und keine Güter begehre, die nicht lebensnotwendig seien. Alexander antwortet, dass die Lebensweise der Brahmanen eine Folge ihrer abgeschiedenen Lage sei. Sie seien eigentlich Gefangene, die
trieb Decius vom röm. Kaiserthron, herrschte 70 Jahre und zeugte den verkommenen Arisius (Katalog der röm. Kaiser vor [!] Christi Geburt). El,Kaiserchronik'·. Unter der Herrschaft von D und Maximianus kommt es zu schweren Christenverfolgungen. Sie herrschen über 20 Jahre, D wird ermordet, Maximianus begeht in England Selbstmord (6451; 6610; 6618).
E2 Reinbot von Durne, ,Der heilige Georg'·. D teilt sich zur Zeit des Papstes Marcellus mit Maximianus die Herrschaft über das Röm. Reich, er hat den Orient inne (vgl. [492])
Diogenes und fürchtet Georg als Kämpfer gegen das Heidentum. König Dacian, Georgs unmittelbarer Gegner, ist D und Maximianus dienstbar (412; 454; 4868). E3 JansEnikel,, Weltchronik'·. D und Maximianus teilen sich die Herrschaft über Rom. D veranlasst die zehnte Christenverfolgung nach Nero, Kirchen werden zerstört, christliche Bücher verbrannt. Schließlich werden D und Maximianus vertrieben, D wird erschlagen, Maximianus flieht nach England und begeht Selbstmord (24833; 24875).
II. Von D's bedeutenden militärischen Operationen und administrativen Reformen wird in den Texten wenig berichtet, im Zentrum steht naturgemäß D als Christenverfolger ( E l , E2, E3). Die Zeichnung D's ist daher grundsätzlich negativ, besonders deutlich in E l . Die Polemik gegen D bleibt aber hinter der gegen Nero weit zurück, D wird interessanterweise auch nicht in den Beispielkatalogen der didaktischen Literatur für negative Herrscher genannt. [1] Von der Herrschaftsteilung zwischen D (Ostreich) und dem von ihm zum Augustus ernannten Maximianus (Westreich) wissen E l , E2 und E3. D's relativ lange Herrschaftszeit ist in E l ziemlich genau angegeben, in Al stark übertrieben. Die Angaben über D's Ermordung in E l und E3 sind nicht historisch. Die Kaiserreihe in Al bezieht sich auf röm. Herrscher von Romulus bis zum Beginn des Christentums, stellt also eine voraugusteische Kaiserliste dar, für die die Namen prominenter nachaugusteischer Herrschergestalten verwendet werden (nach [!] D etwa Nero). Angesichts der universalgeschichtlichen Bedeutung Roms, der sich auch die volkssprachliche Literatur bewusst ist, sind die krass unhistorische Konstruktion und die betont negative Sicht auf die röm. Reichsgeschichte bemerkenswert. [2] [1] -» Nero. [2] Dazu Ebenbauer, Spekulieren über Geschichte, 162f.; Kern, Agamemnon weint, 231 f. [mk]
223
Diogenes [D von Sinope, der Kyniker, gr. Philosoph, 4. Jh. n. Chr.]
R: Gelehrter ( D l ) Nf.: Diogeni [gen.] ( B l ) , Dyogenes ( D l ) I. Bl Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crone' 3158·. D sah einen Mann mit bloßen Händen von einer Quelle trinken und verzichtete daraufhin auf all sein Geld und Gut. Hätte er allerdings den kostbaren Becher gesehen, den ein Bote zum Artushof bringt, hätte er seinen Vorsatz gebrochen (Rede des Kei, der Bote solle nicht so handeln wie D und die Belohnung nicht ausschlagen). D l Hugo von Trimberg, ,Der Renner' 8455: D wird in einem Katalog heidnischer Philosophen genannt, deren Bücher zwar viel lehren, aber auch in vielem irren. Als Hieronymus ihretwegen die Heilige Schrift weglegte, wurde er im Schlaf geschlagen, fl] [ 1 ] Neben D werden Plato, Aristoteles, Seneca, Socrates, Demosthenes, Cicero und Empedocles genannt. Die angefügte Hieronymus-Anekdote war im MA beliebt.
II. Um den berühmten Kyniker D ranken sich zahlreiche Anekdoten [1], die auch im MA durchaus verbreitet waren. Zu den bekanntesten gehört die in B l reflektierte Becheranekdote (der bereits mittellose D verzichtet sogar auf seinen Becher, als er ein Kind mit Händen aus einer Quelle trinken sieht), deren Pointe allerdings verschenkt wird. Die ebenfalls berühmte Anekdote von D und Alexander („Geh mir aus der Sonne!", erstmals bei Cicero, Tusc. 5,92) ist interessanterweise nicht belegt. Offenbar passte sie nicht ins Konzept des Alexanderromans. Ein Reflex findet sich in D1, wo von einer Begegnung zwischen Alexander und Socrates [!] berichtet wird. [2] Dass D dort außerdem zusammen mit Socrates unter die Schriftsteller gereiht wird, zeigt, wie wenig das MA über sein tatsächliches Wirken weiß bzw. wie wenig Rücksicht derartige Exempelkataloge auf
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Diomedea — Diomedes
den spezifischen Charakter einer genannten Gestalt nehmen. [1] S.v. Diogenes [14.] (H. Dörrie), in: DKP, Bd. 2, Sp. 47f. [2] -» Socrates (I.D2). [mk]
Diomedea [Kriegsgefangene aus Lesbos, Tochter des Phorbas, Geliebte des Achilles; Dictys 69,2; Benoit 26837]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 16647: D wurde von Achilles geraubt, nachdem dieser ihren Vater Phorbas getötet hatte (Aiax rekapituliert beim Streit um das Palladium die Taten des Achilles). [mk]
Diomedes [Sohn des Tydeus, einer der wichtigsten gr. Helden vor Troja]
G: Sohn des Tydeus (A3), Gatte der Aegiale (A3), Geliebter der Briseis (A3), Gefährte des Ulixes (A2, A3, A4) R: Herrscher von Argos (A3), König, Fürst (A4), herre (Epitheton) (A3) Nf.: Titides, Tytides (Al, A2) I.
Al Heinrich von Veldeke, .Eneasroman'3345: D befindet sich unter den vor Troja gefallenen Griechen in der Unterwelt (Katalog).
A2 Albrecht von
Halberstadt,Metamorphosen':
D erhebt keinen Anspruch auf die Waffen des Achilles (12,882); er würde sie nach Meinung des Aiax aber eher verdienen als Ulixes, der ohne D nichts zustande gebracht habe; D könne außerdem bezeugen, dass Ulixes Nestor einmal im Stich gelassen habe (13,103; 13,148; 13,151; Streit um die Waffen des Achilles; Rede des Aiax). D habe sich ihn zum Gefährten erwählt und habe ihm beim Raub des Palladiums geholfen, wisse aber, dass nur der Kluge die Waffen verdiene, antwortet Ulixes (13, 357; 13,359; 13,478-485).
[1] Es ist nicht sicher, ob die Nf. Tytides (12,882; 13,103; 13,357; 13,478-485) als Patronymikon durchschaut oder als eigene Figur aufgefasst wird.
A3 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': D ist einer der gr. Fürsten, die in Sparta den Rachefeldzug gegen Troja beschließen und Agamemnon zum Oberbefehlshaber küren (2840). Er ist wortreich, von schnellem Entschluss, höfisch, ein vorbildlicher Minnediener und kräftig, aber auch lügnerisch und wortbrüchig (3041; Descriptio). Mit Sthenelus und Euryalus führt er 40 Schiffe zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3389), leitet mit Ulixes die gr. Gesandtschaft zur Rückforderung Helenas und antwortet auf Priamus' Weigerung mit scharfen Drohungen (3734; 3816). Bei der Landung vor Troja bildet er mit Sthenelus eine Schar (4927; Katalog), kämpft in einer weiteren Schlacht mit Troilus, sie heben sich gegenseitig aus dem Sattel (6234-6371). Später sticht D Aeneas vom Pferd und wird seinerseits von Hector niedergestochen (6784; 6821; 7463/7; 7616; 7726). Als er Briseis während eines Waffenstillstands ins Griechenlager geleitet, entbrennt er in Liebe zu ihr, sie weist seinen Antrag zurück (8002; 8547-8575). D erbeutet in der folgenden Schlacht Troilus' Pferd und sendet es Briseis. Diese freut sich, als ihn Troilus schwer verwundet (8940-9054). D beklagt Briseis' Hartherzigkeit und gesteht ihr neuerlich seine Liebe, Briseis gibt ihm immerhin einen Ärmel ihres Kleides, den D als Zeichen seines Frauenrittertums auf seinen Speer bindet (9411; 9483); D wird von Troilus neuerlich verwundet und von Menelaus gerettet (9873-9925; 10161). Er ist über Palamedes' Tod entsetzt (11576; 11756); soll mit Ulixes und Nestor Achilles zum Wiedereintritt in den Kampf überreden, bemerkt, dass Achilles verliebt ist, und rät im anschließenden Fürstenrat zur Heimfahrt (12190-12301); wird abermals von Troilus verwundet, nunmehr von Briseis gepflegt (12425-12598) und kämpft wieder (12718; 12796; 13287; 13904; 13993; 14475); wird von Penthesilea verwundet (14509), sperrt sich später gegen
Diomedes eine Auslieferung ihrer Leiche an Priamus, sie wird in den Fluss Xanthus geworfen (14819; 14973). D diskutiert mit Agamemnon und Ulixes das Kapitulationsangebot Antenors, erfährt durch diesen vom Palladium und verspricht ihm für dessen Ubergabe Schonung (15306; 15584-15998). D und Ulixes halten bei der Eroberung Trojas ihre Zusicherungen gegenüber den trojanischen Verschwörern (16343). D kritisiert Aiax' Ansprüche auf das Palladium und fordert es für sich. Ulixes überlässt es ihm bei seiner überstürzten Abfahrt aus Troja (16532; 16766). Aegiale plant gegen D wegen seiner Liebe zu Briseis einen Hinterhalt, überfällt ihn bei Euböa und verweigert ihm die Heimkehr, D flieht nach Salamis, von wo ihn Teucer vertreibt, weil er Aiax' Ermordung angestiftet haben soll (17203-17311). D kehrt auf Aeneas' Bitte nach Troja zurück und besiegt dessen aufständische Fürsten, Aeneas will ihm dafür bei der Rückgewinnung seines Landes helfen. Als Aegiale davon erfährt, gibt sie ihren Widerstand auf (17341-17368). A4 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg·. D nimmt am Heerzug gegen Troja teil (23839; Katalog), führt nach der Landung vor Troja mit Ulixes die Gesandtschaft zur Rückforderung Helenas, überbringt die Drohungen der Griechen, wird von Paris schroff abgewiesen und vereinbart einen halbjährigen Waffenstillstand (26362-26889), während dessen er mit Ulixes Achilles nach Troja bringt (27425-27760); befehligt mit Ulixes eine Heeresabteilung, führt 18000 Mann und kämpft tapfer (30662; 33263-33448; 36081; 36775). D und Ulixes handeln mit den Trojanern einen dreimonatigen Frieden aus (37773), D kämpft danach gegen Troilus (39677-39726). ,Trojanerkrieg'-Fortsetzung: D nimmt zwölf edle Trojaner gefangen, verhindert einen Sieg Penthesileas, trägt mit Glaucus einen Zweikampf aus und wird von den Griechen wegen seiner Tapferkeit gepriesen (4051343346). D, Aiax und Ulixes folgen Achilles heimlich zum Apollotempel und finden ihn
225
dort von Paris und Deiphobus tödlich verwundet vor (43817-43847). D beteiligt sich am Empfang des Pyrrhus vor Troja, an den offiziellen Friedensverhandlungen und an den Geheimverhandlungen mit den trojanischen Verschwörern, nennt die Kapitulationsbedingungen (5000 Pfund Gold) und leistet Priamus einen doppeldeutigen Eid auf die Vereinbarungen (44824-48630). D, Aiax und Ulixes erheben Anspruch auf das Palladium, D verzichtet zunächst, nimmt es aber nach der heimlichen Abreise des Ulixes an sich (48630-48870). B1 Ulrich von Etzenbach, vAlexander': D wollte sich wie Achilles vor der Heerfahrt gegen Troja drücken, stellte sich verrückt, pflügte den Sand und säte Salz in die Furchen. Als man aber sein Kind in die Spur legte, wich er aus und wurde so entlarvt. Er entschuldigte sich mit seiner Angst vor dem Tode (18466-18529; Exemplum; Verteidigungsrede des Philotas gegen den Vorwurf der Verschwörung gegen Alexander: Dymnus habe sich ebenso wie D aus Todesangst auf ihn ausgeredet). [1] [ 1 ] Die knappe Anspielung auf Odysseus' gespielten Wahnsinn in der .Alexandreis' Walters von Chätillon (8,233f.) wird auf den im Vers zuvor genannten D bezogen. W i e viele andere Anspielungen wird das Exemplum zu einer kleinen Binnenerzählung ausgebaut.
D l Hugo von Trimberg,,Der Renner 15872·. Die Zerstörung Trojas durch die Griechen wurde von einer Ehebrecherin, von Hoffart und Unrechter Liebe ausgelöst. Dies bezeugen D und andere mit ihrem Schicksal (Katalog, Exemplum). [1] [ 1 ] Neben D werden Priamus, Helena, Hector, Paris, Menelaus, Achilles, Patroclus, Ulixes u n d Aeneas genannt.
II. 1) D als Kämpfer vor Troja; 2) D u n d Briseis; 3) Anspielungen
1) D gilt auch im MA als einer der wichtigsten gr. Helden vor Troja. Aus der homerischen epischen Tradition bleibt D s enge Bindung an Odysseus festes Motiv. Ansonsten reflektiert die D-Gestalt des mhd. Trojaromans (A3, A4), so auch das „Porträt" in A3, mittelbar über
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Dionysias — Diores [1]
den,Roman deTroie' Benoits de Sainte-Maure die Angaben bei Dictys und Dares: D und Ulixes spielen eine wesentliche Rolle in den Verhandlungen vor dem Krieg und vor der EroberungTrojas. D ist weiters maßgeblich am Raub des Palladiums beteiligt (A3, A4), der in der Dares-Dictys-Tradition das klassische epische Motiv vom Streit um die Waffen des Achilles (vgl. A2) ersetzt. Von D's Geschick nach der Heimfahrt, seinem Konflikt mit Aegiale und seiner Unterstützung des Aeneas berichtet nur A3 (ebenfalls nach Benoit). 2) Nach Benoit ist außerdem in A3 die Liebeshandlung zwischen D und Briseis breit ausgestaltet. D wird als höfischer Frauenritter präsentiert, der sich mehrere Duelle mit seinem unmittelbaren Kontrahenten Troilus liefert. A4 hätte die Episode vermutlich noch gebracht (die Fortsetzung des Fragments berichtet sie nicht). Sie wird nachmals über Boccaccio, Chaucer und Shakespeare zum weltliterarischen Sujet. [1] 3) Al nennt D nur als gefallenen Griechenkämpfer bei der Unterweltsfahrt des Aeneas. In Β1 wird das Motiv von Odysseus' Versuch, dem Heerzug gegen Troja zu entgehen, auf D übertragen und fungiert im Kontext als Exemplum dafür, dass auch der Tapfere dem befürchteten Tod zu entgehen versucht. Der Untergang Trojas dient in D l schließlich als Beispiel für die fatalen Folgen von unmoralischer Liebe und Uberhebung. Ob dabei D so wie Helena und Priamus für schuldig befunden wird, ist unklar. [1] Zur Umgestaltung der homerischen Briseis-Handlung, zur Übertragung von Achilleus auf D und zur Entstehung des Stoffs von „Troilus und Criseida" -* Briseis (II.). [mk]
cina gibt Apollonius seine Tochter Tarsia in die Obhut seines Vertrauten Stranguillio und dessen Frau D (2850). Aus Eifersucht darüber, dass Tarsia ihrer leiblichen Tochter immer vorgezogen wird, aus Geldgier und im Glauben, Apollonius sei tot, beauftragt D ihren Meier Theophilus mit Tarsias Ermordung (15133; 15247), belohnt ihn, mimt vor den Bürgern die Trauernde und lässt ihr ein Kenotaph errichten (15496; 15953), zu dem sie Apollonius führt, als er von seiner Abenteuerfahrt zurückkehrt [16015]. Als Apollonius die von Piraten entführte Tarsia wiederfindet, stellt er D vor Gericht und überführt sie des geplanten Mordes. D und ihr Mitwisser Stranguillio werden gesteinigt, ihre Leichen Raben und Hunden zum Fraß vorgeworfen [17109]. [1] [ 1 ] Der Handlungsgang folgt im Wesentlichen der »Historia Apollonii'. D repräsentiert den Typus der bösen Stiefmutter. Trennung, Mordversuch und Kenotaph sind auch im ma. antikisierenden Roman beliebte Motive (so im .Flore und Blanscheflur'-Roman). [mk]
Dionysius [Sohn des Klearchos von Herakleia, Herrscher über Herakleia am Pontos von 337/6-305 v. Chr., hatte gute Beziehungen zu Alexander d. Gr. und konnte nach dem Niedergang der persischen Herrschaft seinen Einfluss ausbauen]
Al Pfaffe Lamprecht, Alexanderlied' (Dionisius): D wurde von Porus besiegt, Alexander will ihn rächen (S 4217-4278). Nachbenennung Athis und Prophilias' A*/l 12 u.ö. (Dionisius): Name eines Kämpfers, der Athis gegen Bilas unterstützt. [mk]
Diores [1] Dionysias [Gattin des Stranguillio, Ziehmutter von Apollonius' Tochter Tarsia; ,Historia Apollonii' 11]
[Gr. Kämpfer vor Troja; Dares 17,19]
R: König von Salatree (Al), Fürst („amiral") (A2) Al Heinrich von Neustadt, >Apollonius': Nach Nf.: Darion (Al), Dorion (Al, A2), Dormus dem vermeintlichen Tod seiner Gattin Lu(Al)
Diores [2] — Discordia
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I.
Dirce
A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. D kommt mit Aiax Telamonius zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3336; Katalog), kämpft bei der Landungsschlacht in der zehnten Schar (4878), wird von Hector schwer verwundet (5303) und fällt später durch ihn ([7646]). [1]
[Thebanische Quellnymphe, trachtet der Antiope nach dem Leben und erleidet selbst das Schicksal, das sie dieser zugedacht hat: Ein Stier schleift sie zu Tode]
[1] 7646 ist nur vom „König von Salatree" die Rede, dieser ist bei Benoit de Sainte-Maure identisch mit D.
A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg'·. D ist Verbündeter der Griechen (23814; Katalog), unterstützt Aiax Telamonius im Kampf (30616; 36758; Kataloge) und wird von Hector getötet (35204). II. Ein D wird schon bei Homer als Griechenkämpfer genannt. Die Dares Hss. L und G haben die Nf. „Dorius", so auch Benoit de Sainte-Maure, dem A l und A2 folgen. [1] [1] Bei Chandler (Catalogue, 63, 71) wird die Figur fälschlicherweise in Darion und Dorion aufgespalten. [mk]
Diores [2] [Sohn des Priamus, Gefährte des Aeneas, wird von Turnus getötet; .Aeneis' 5,297]
A l Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg'·, Fortsetzung43154: D ist einer von 13 Kebssöhnen des Priamus, er wird von Ulixes getötet. [1] [ 1 ] Die Stelle folgt Dictys 87,5f., wo allerdings kein Priamussohn Diores, sondern ein Aretus genannt wird, den Ulixes tötet. Vielleicht bezieht Al den Namen aus einer Glosse. [mk]
Dioxenus [Einer der Verschwörer gegen Alexander; Curtius VI.7,15]
AI Rudolf von Ems, Alexander' 18890·. D gehört zu der von Dimnus angeführten Verschwörergruppe gegen Alexander und wird gesteinigt. [1] [1] Hs. C von Q. Curtius Rufus hat die Nf. idioxenum (acc.) (so Chandler, Catalogue, 128, der die Gestalt als Theoxenus fiihrt). [mk]
B1 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Cröne' 11594 (Dirtes): D veranlasste, dass Agamemnon ermordet wurde. Die Klage darüber kann sich aber nicht mit der Klage des Artushofes über die Entführung Ginovers messen (Exemplum; Katalog großer Klageanlässe). [1] [1] Ob tatsächlich D gemeint ist, ist höchst unsicher, da D mit der Atridensage in keiner Verbindung steht (vgl. Kern, Edle Tropfen, 300). Angesichts der unbeschwerten „Mythographie" an dieser Stelle ist an eine bewusste Entstellung ebenso zu denken wie an ein völlig willkürliches Spiel mit bekannten und unbekannten Namen. [mk]
Discordia [Göttin des Streits, provoziert u.a. mit dem „Apfel für die Schönste" einen Streit zwischen Iuno, Pallas und Venus, der zum Parisurteil und dann zum Trojanischen Krieg fiihrt]
W: Göttin (A2) des Streits (Al, B l ) , Personifikation (CI, C2) Nf.: Distordia, Terius (A2) Etymologie: D bedeutet „Zwietracht" („missehellung") (Al) I.
A l Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg'·. D ist eine überaus schöne Göttin, die aber auf nichts anderes als auf Hass und Krieg sinnt und den Samen der Entzweiung („scheidelsämen" 1274) sät. Ihr Name bedeutet „Zwietracht" („missehellung" 1263). Sie kommt auf einem weißen Pferd zu Iuppiters Fest anlässlich der Hochzeit von Peleus und Thetis. Weil sie nicht geladen ist, will sie sich rächen, schleicht sich, durch einen Zauberring unsichtbar, in die Festgesellschaft ein und wirft einen kostbaren Apfel vor Iuno, Pallas und Venus, der je zur Hälfte golden und silbern ist. In der Mitte verläuft ein smaragdgrünes Band mit einer Inschrift aus Perlen, die den Apfel der
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Discordia
Schönsten zuschreibt und den jeweiligen Lesenden in ihrer Sprache erscheint. Auf diese Weise entfacht D unter den drei Göttinnen einen Streit, der einen großen Krieg auslösen wird (1254-1487; RV: 23663; 41757). Damit nicht genug, versucht sie auch, zwischen Iuppiter und Priamus einen Streit um Paris auszulösen (3502). A2 ,Göttweiger Trojanerkrieg'·. Die Göttinnen D (1794) und Terius (1795-1872) [1] beobachten, wie Paris den Streit zwischen zwei Stieren schlichtet, und geben sich ihm zu erkennen. Terius nennt ihm seine Herkunft und seinen Namen (um die er zuvor nicht weiß), gibt ihm einen goldenen Apfel und unterrichtet ihn davon, dass ihn am kommenden Tag drei Jungfrauen, Iuno, Pallas und Venus, um diesen Apfel bitten werden. Er solle ihn Venus überreichen. Paris handelt wie befohlen, die drei Jungfrauen versöhnen sich nach dem „Urteil". [1] Hinter der Nf. Terius steht vermutlich Eris, der gr. Name der Göttin D.
B1 Ulrich von Etzenbach, ^Alexander': D wird nicht wie Iuno, Pallas und Venus von Peleus zu seinem Hochzeitsfest geladen, fertigt daher einen goldenen Apfel an, der seiner Inschrift zufolge der Schönsten gehören soll, und wirft ihn unter die drei Göttinnen. Deren Streit führt zum Parisurteil, infolgedessen Iuno und Pallas die ZerstörungTrojas beschließen (4891; 4895; Exkurs zur Geschichte Trojas bei Alexanders Besuch der Stätte). [1] [1] Die Stelle verweist auf Ovid, der Genaueres berichten könne. Der Verweis könnte sich auf .Heroides' l6,53ff. beziehen; Ovidius (ΙΪ.3).
C1 Der Tannhäuser, Leich IV.4,14·. Eine lebensbedrohende D entzweite Helena und ihren königlichen Gatten. C2 Konrad von Würzburg, Leich 2,66: Dass Troja niedergebrannt wurde und der edle Paris fiel, war das Werk der D und belegt die verderbenbringenden Folgen der Herrschaft des Mars. [2] [1] Der D entspricht die 2,41 genannte Personifikation „frouwe Wendelmuot", die als Dienerin des Mars den Keim des Unheils („irresamen") in die Welt bringt.
El Jans Enikel, , Weltchronik'·. Weil sie zu einem Hochzeitsfest in Troja nicht eingeladen ist, fertigt D einen goldenen Apfel mit der Aufschrift „der Schönsten" an und wirft ihn in die Menge. Als es in der Folge zum Streit zwischen Iuno, Pallas und Venus kommt, ist D befriedigt (13807; 13987). II. 1) Der Apfel der D; 2) Anspielungen; 3) Umdeutung
1) Sämtliche Belege der antiken Göttin des Streits, D/Eris, stehen im Zusammenhang mit der in nachhomerischer Zeit geprägten Vorgeschichte des Trojanischen Krieges und reflektieren (außer C1 und C2) explizit das berühmte und auch im MA beliebte Motiv vom goldenen Apfel der D. Für seine Verbreitung sorgten spätantike und ma. Mythographie, etwa das ,Excidium Trojae' oder die Mythographi Vaticani. Die Episode ist integraler Bestandteil der Trojaromane A l und A2 [1] und desTrojaberichts in El, in Β1 Teil eines ausführlichen Exkurses. C1 und C2 erwähnen D in ihren Anspielungen auf den Untergang Trojas, wobei C1 stark verkürzt. Die Versionen vom Apfel der D in A l , B1 und El stimmen im Wesentlichen überein, ohne dass eine Abhängigkeit zwischen den Texten mit Sicherheit zu argumentieren wäre (El folgt eventuell A l ; B1 verweist auf Ovid als Quelle). Ausgangspunkt ist das bekannte Märchenmotiv von der übergangenen Unheilsfee, D erscheint ungeladen zum Hochzeitsfest von Thetis und Peleus (Al, B l ) bzw. zu einem Fest in Troja (El) und löst mit ihrem Apfel den Schönheitsstreit zwischen Iuno, Pallas und Venus aus, der dann zum Parisurteil führt. Al gestaltet die Episode breit aus und verleiht der Figur der D interessante und vielschichtige Konturen. Entgegen der antiken Tradition ist sie als überaus schöne Frau gezeichnet, wird wie die anderen Götter euhemeristisch gedeutet, ist zugleich aber Personifikation, die nach Aussage des Textes heute noch ihr Unwesen treibe. Ihr Charakter ist ihrer Erscheinung völlig entgegengesetzt, hier zeigen sich Parallelen zur Figur der Frau
Dodon — Dolon [1] Welt. Der preziöse Apfel erinnert durch das Motiv der wechselnden Schrift an den Gral bei Wolfram von Eschenbach. [2] 2) Verbindungen zeigen sich zwischen Al und C2, so in der Namensetymologie (in C2 heißt es, das Gesetz des Mars würde „missehellen"), D bzw. Frau Wendelmuot (C2) tragen beide Male den Samen der Zwietracht in die Welt. Zentral ist der Zeitbezug in C2 (aller Wahrscheinlichkeit nach auf die Wirren des Interregnums 1254-1273), der Text entwickelt eine „visionäre" politische Allegorie von der Uberwindung der Herrschaft des Mars und der D durch Venus und Amor. D und Mars tragen folglich die alleinige Schuld am Trojanischen Krieg, eine angesichts der traditionellen Schuldzuweisungen an Venus, Paris und Helena bemerkenswerte Deutung. [3] Der knappe Hinweis in C l findet sich in einem Katalog von z.T. bewusst verfremdeten literarischen Motiven. Der Name „D" kann im Übrigen auch als musikästhetische Kategorie auf die musikalische Form der Leichs C l und C2 bezogen werden. [4] 3) Aus der Tradition schert schließlich die Version von A2 aus. D wird in D und Terius (d. i. Eris) gedoppelt, beide erscheinen als Göttinnen und tugendhafte Jungfrauen, Paris entscheidet nicht selbständig für Venus, sondern handelt auf Befehl der Terius, die drei streitenden Göttinnen versöhnen sich nach dem Urteil. Die Umdeutung erklärt sich aus dem Programm des Textes, die Liebesbeziehung zwischen Paris und (der hier unverheirateten) Helena als Idealfall höfischer Minne zu zeichnen und ihr Verhältnis von einer ebenso idealisierten Venus beschützen zu lassen. [5] [ 1 ] Die Trojaberichte von Dares und Dictys streichen wie das meiste Mythologische auch dieses Motiv, es fehlt daher auch im afrz. .Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure und im ,liet von Troye' Herborts von Fritzlar. [2] Ausführlich zu Al Lienert, Geschichte und Erzählen, 41 ff. [3] Zu C2 Kern, Edle Tropfen, 466ff. [4] Vgl. H. Apfelböck, Tradition und Gattungsbewußtsein im deutschen Leich. Ein Beitrag zur Gattungsgeschichte ma. musikalischer „discordia", 1991, 139. [5] Kern, Agamemnon weint, 49ff. [mk]
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Dodon [Parther, wird von Ptolemaeus besiegt; Chatillon 111,33]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander' (Dodonton)\ D ist Fürst von Medien, er wird von Ptolemaeus in der Schlacht bei Issos besiegt (7933-7948). [mk]
Dolon [1] [Trojaner, wird bei einer nächtlichen Erkundungsmission von Odysseus und Diomedes gefangen genommen, verhört und getötet]
R: Kundschafter, Ritter (A2) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen'·. D wurde von Ulixes, der sich ins feindliche Lager geschlichen hatte, gefangen genommen, nach den Plänen der Trojaner befragt und getötet (13,366; Streit um die Waffen des Achilles; Rede des Ulixes). Ulixes habe D in der Nacht getötet, weil er sich bei Tage nicht zu kämpfen traue (13,142; Rede des Aiax). A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. D wird von den Trojanern als Kundschafter ausgesandt, begegnet Ulixes und Diomedes, die einen Waffenstillstand aushandeln sollen, geleitet sie in die Stadt und plaudert auf Ulixes' geschickte Fragen hin wichtige Stärken und Schwächen der Festung aus (8011-8095). A3 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung 46832: D ist einer der Verräter Trojas, die die Stadt den Griechen übergeben wollen, wenn sie und ihre Verwandten geschont werden. II. Die bekannte ,Ilias'-Episode von D's gescheiterter Erkundungsmission zum Griechenlager (10. Buch, so genannte „Dolonie") wird bei Dares zu einer Botenfahrt umgedeutet. A2 folgt dieser im ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure wiedergegebenen Version und lässt D als naiven Ritter erscheinen, der leichtfertig wichtige militärische Informationen weitergibt. Direkt nach Dictys (49,13) reiht A3
230
Dolon [2] — Domitianus
D unter die Verräter Trojas, wobei Dictys auch von seiner Erkundungsmission und seiner Tötung durch Diomedes und Ulixes berichtet. Al bietet die klassische epische Version nach Ovids ,Metamorphosen'. [mk]
Dolon [2] [Kebssohn des Priamus; Benoit 7996]
G: Kebssohn des Priamus, Halbbruder Hectors (Al, A2) Nf.: Delon (Al), Dolunt (A2) I. Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': D ist bei der Schlacht mit den landenden Griechen zum Schutz Hectors abgestellt (4779; 5369; 5372). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg'·. D kämpft in der Schar Hectors (30374; 36034). [1] [1] Der 3 0 6 8 4 und 3 3 5 6 6 genannte König Delonis dürfte wie im ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure eine Variante von D sein.
II. Die bei Benoit de Sainte-Maure belegte und von Al und A2 übernommene Gestalt könnte nach Dolon ///benannt oder als identisch mit diesem aufgefasst sein. Möglicherweise hat Benoit den Namen auch dem Katalog der Priamiden bei Hyginus (XC,4) entnommen. [1] [1] So Chandler, Catalogue, 65, s.v.
Delon. [mk]
Domitianus [T. Flavius D, röm. Kaiser von 81 -96 n. Chr., veranlasst eine große Stoikerverfolgung, lässt zahlreiche politische Gegner, darunter auch Christen, hinrichten, wird im Zuge der von seiner Gattin Domitia geführten Verschwörung getötet und
verfällt der damnatio
memoriae}
R: Kaiser (El, E2) bzw. König (E3) von Rom Nf.: Domicianus (El, E2), Domicjanus (E3)
I. E l ,Kaiserchronik'·. Unter D's Herrschaft, die zwei Jahre und zwei Monate dauert, kommt es in Rom zu schweren Christenverfolgungen. Der Evangelist Johannes wird gemartert und anschließend nach Patmos verbannt, wo er die Apokalypse verfasst. D erkrankt in der Folge an Aussatz. Da alle Aussätzigen aus Rom verbannt werden und ihm die Römer nach dem Leben trachten, flieht D zu Pferd und stürzt in den Tiber. Seine Seele wird von Teufeln gequält (5558-5665). E2 Priester Konrad, ,Predigtbuch' 17,30: D nahm in Rom den Evangelisten Johannes gefangen und wollte ihn in siedendem Ol töten. Als das Vorhaben scheiterte, verbannte er ihn auf die Insel Patmos, die Johannes nach D's Tod wieder verlassen konnte. E3 Jans Enikel, , Weltchronik' 23439. D will Antiochus [-» Papirius], den Sohn eines Senators, töten lassen, als dieser Ratsbeschlüsse weitererzählt. Da ihm seine Ratgeber abraten, greift er zu einer List und verhängt den Tod über den, der beim Abendessen seinen Fisch wendet. Antiochus tut dies, verurteilt sich auf diese Weise selbst, kann aber rechtzeitig fliehen. Fünf Jahre später erkrankt D an Aussatz und stürzt sich in den Tiber. Antiochus wird sein Nachfolger. II. Das stark negative D-Bild der Antike war eine Folge der damnatio memoriae, der er anheimfiel. Im MA resultiert es v.a. aus D's Gegnerschaft: zum Christentum. Eine systematische Christenverfolgung durch D, wie sie El berichtet, lässt sich historisch aber nicht nachweisen. [1] Die Angabe über eine Verbannung des Evangelisten Johannes nach Patmos durch D (El, E2) stammt aus der christlichen Geschichtsschreibung [2] und ist mit dem legendenhaften Motiv des Marterwunders verbunden. Legendenhaft sind auch die Nachrichten über D's Aussatz und seinen Tod im Tiber. [1] S.v. Christenverfolgungen
(C. Colpe), in: DKP, Bd. 1,
Sp. 1161-1164, hier 1162.
[2] S.M.Johannes fl.J (C. Colpe), in: DKP, Bd. 3, Sp. 1428.
[mk]
Donatus — Dorylas [2] Donatus [D Aelius, lat. Grammatiker, Mitte 4. Jh. n. Chr., Lehrer des Hl. Hieronymus, im MA einer der wichtigsten Auetores der Artes Liberales und Schulautor]
R: Gelehrter, meister (Epitheton) ( C l , D l , D2) I. C l Rumelant, HMS 111,20, 11.12,5·. Auch wenn der Sänger so kunstfertig wie D und andere Meister wäre, [1] könnte er den hochgelobten Fürsten nicht angemessen preisen.
wie: „wäre ich so weise wie Plato, so sprachbegabt wie Vergil und so tiefsinnig wie Beda" etc. [2] -» Paris (I.C3). [mk]
Doris [Tochter des Okeanos und der Tethys, Gattin des Nereus, Mutter der 50 Nereiden, darunter Galatea; M M 13,742]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 13,948·. D ist die Mutter der Galatea (Galatea rühmt sich gegenüber Scylla ihrer Abstammung). [mk]
[1] Der Katalog nennt außerdem noch Plato, Aristoteles, Hippocrates, Socrates, Vergilius, Boethius, Cato, Seneca und Beda.
D1 Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast' 8938: D war mit Priscianus und Aristarchus einer der besten Grammatiker (Katalog; ArtesAutori täten). D2 Hugo von Trimberg,,Der Renner'·. D wird in zwei Katalogen berühmter Gelehrter genannt, die heute nicht mehr geachtet werden (10077) bzw. tugendhaft lebten und dennoch Opfer von Neid und Missgunst wurden (14680). II. Als wichtiger Grammatiker und Lehrer des Hl. Hieronymus galt D dem MA als Autorität auf dem Gebiet der Grammatik schlechthin. Die Nennungen in D l und D 2 reflektieren den Topos der Meisterberufung und sind in D 2 mit einer ebenfalls topischen Zeitklage über die jetzige Missachtung der Gelehrsamkeit verbunden. Das Fürstenlob in C1 bezieht sich vermutlich auf Kaiser Ludwig den Bayern (1314-1347). Der Katalog nennt antike und christliche Auetores, ohne ihre jeweilige exemplarische Kompetenz rhetorisch fruchtbar zu machen. [1] Die Berufung auf sie unterstreicht jedoch die Vorliebe der späteren Spruchdichtung für das „Bildungszitat". Die rhetorische Figur des Adynatons könnte in den Liedern VIII-XI des Tannhäuser ihr Vorbild haben. [2] [ 1 ] Zu erwarten wäre in diesem Falle etwa eine Formulierung
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Dorylas [1] [Gefährte des Perseus, wird beim Kampf auf dessen Hochzeit getötet; M M 5,129]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Doryclus): D wird beim Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus von Halcyoneus unter der Schmähung getötet, er möge zwar einen großen Acker besitzen, hier werde sein Leib aber nur eine kleine Fläche bedecken. [1] Perseus rächt ihn (5,216-229; Katalog). [1 ] Al modifiziert die Schmähung D's bei Ovid („Dies bleibe dir von deinen vielen Äckern" M M 5,135f.) im Sinne des ma. Vanitastopos. [mk]
Dorylas [2] [Kentaur, wird im Kampf gegen die Lapithen getötet; MM 12,380]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen '·. Der Riese D [1] wird von Nestors Lanze an der Stirn getroffen und von Peleus aufgeschlitzt. Als er dennoch weiterläuft, treten seine Gedärme aus, er bleibt mit leerem Bauch liegen (12,640; 12,644; Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf). [ 1 ] Die Kentauren werden im Text als herumziehende Riesen aufgefasst. Die Adaption greift auf Vorstellungen zurück, die dem dt. Publikum aus der Heldensage vertraut sind. Nur 12,631 werden sie explizit als Mischwesen bezeichnet; Centauri. [mk]
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Dorylaus — Dropides
Dorylaus [Dorylaos, Freund Mithradates' V., oder dessen gleichnamiger Neffe, Stratege von Mithradates VI., der im mithradatischen Krieg ein Heer von 80000 M a n n nach Griechenland führte] Nachbenennung ^A this und Prophilias'C/7 (Dorilaus): D kämpft auf der Seite des Bilas gegen die Römer. [ 1 ] [1] Der Beleg könnte den historischen D reflektieren. Die Handlung ist allerdings nicht historisch. [mk]
Liddamus Gawans Hinrichtung. Als ihm Kingrimursel, der für einen Gerichtskampf eintritt, Feigheit vorwirft, meint Liddamus, wenn Kingrimursel Turnus sein wolle, so wolle er lieber D sein, und Kingrimursel solle ihn dann tadeln, wenn er wisse warum (419,13). [1] [1] Liddamus will außerdem kein Wolfhart (Held aus der Dietrichsage) sein, er würde eher wie Rumolt (der Koch aus dem .Nibelungenlied') handeln, der Gunther vom Zug zu Etzel abriet und ihm statt dessen in O l gebackene Krapfen versprach (420,22ff.).
II. Dorylus [Kämpfer im Heer Alexanders, wird in der Schlacht bei Issos von Negusar getötet; Chätillon 111,96 Dorilon]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander'8236: D und sein Vater Actorides fallen in der Schlacht bei Issos durch Negusar, den Neffen des Ninus, der gegen das gr. Heer wütet (Katalog). [mk]
Drances [Rutulerfürst, Ratgeber des Königs Latinus; ,Aeneis' 11,122]
R: Fürst (Al) Nf.: Tranzes (Bl) I.
Al Heinrich von Veldeke,,Eneasroman': D gehört dem Rat des Königs Latinus an, ist ein vorbildlicher, kluger und höfischer Mann, der allerdings nicht gerne kämpft, sondern lieber angenehm lebt. Er tritt zunächst für eine Verständigung mit Aeneas ein und spricht sich dann für einen Zweikampf zwischen Turnus und Aeneas aus. Turnus unterstellt ihm Feigheit, D will aber nur nicht um Turnus' willen sterben. Er nimmt dennoch am Kampf teil und wird von Turnus verspottet (8528-8772). Bl Wolfram von Eschenbach, ,Parzival\ Bei Beratungen über das Schicksal des gefangenen Gawan am Hofe von König Vergulaht fordert
Während D aufgrund seiner mangelnden Kampfesfreude bei Vergil eher negativ gezeichnet ist, erscheint er in Al als durchaus positive Figur, die eine diplomatische Konfliktlösung der militärischen vorzieht. Bl bezieht sich auf die D-Gestalt in Al und nennt sie im Rahmen eines komplexen literarischen Rollenspiels. Mit D scheint nicht nur Liddamus, sondern auch der Erzähler zu sympathisieren. Wie in Al propagiert der Roman am Beispiel der D-Figur die Möglichkeit einer politischen Alternative zum Kampf. [1] Die Ernsthaftigkeit der Exempelmoral wird zugleich unterlaufen, wenn sie von einer negativen Figur, die den Tod Gawans fordert, vertreten wird. [1] U. Wyss, ich täte e als Rumolt, in: 3. Pöchlarner Heldenliedgespräch. Die Rezeption des Nibelungenlieds. Hg. K. Zatloukal, 1995, 187-200, hier 197; zur Stelle auch Kern, Edle Tropfen, 278ff. [mk]
Dropides [Athenischer Gesandter bei Darius, fällt nach dessen Tod in die Hände Alexanders; Curtius III.13,5]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 7631: Der tapfere Fürst D führt mit Aristogiton und Iphicrates ein athenisches Corps zur Unterstützung des Darius nach Persien. Die drei geraten nach der Schlacht bei Issos in makedonische Gefangenschaft. [mk]
Drusus — Dryope Drusus [D Iulius Caesar, Sohn des Kaisers Tiberius, des Adoptivsohnes von Augustus, ca. 15 v. Chr.-23 η. Chr., führte v.a. die militärischen Operationen in Illyrien]
El ,Annolied' 29,6: D, der Stiefsohn des Augustus, gründet eine Stadt, die er nach Augustus Augsburg nennt (Universalhistorische Einleitung, röm. Städtegründungen in Deutschland). [1] [1] Ob Augsburg (.Augusta Vindelicum") tatsächlich von D gegründet wurde, ist zweifelhaft. Immerhin wurde die Absiedlung in der Nähe des röm. Truppenlagers Oberhausen angelegt, das im Zuge der Alpenfeldzüge von D und Tiberius errichtet wurde, s.v. Augusta Vindelicum (H. Cüppers), in DKP, Bd. 1, Sp. 738f. und Augsburg (J. Gruber u.a.), in: LMA, Bd. 1, Sp. 1211-1218, hier 121 lf. [mk]
Dryades [Bzw. Hamadryades, antike Baumnymphen, benannt nach gr. „drys" („Eiche")]
W: Waldgöttinnen, Waldfrauen (Al), Göttinnen, Königinnen der Bäume (A2) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 8,1141: Die D pflegen um die Eiche der Ceres im Reigen zu tanzen, zu lachen und zu singen. Im Tau sieht man oft ihre Fußabdrücke. Als Erysichthon die Eiche fällt, beklagen sie sich bei Ceres. A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg 1031: Die D erscheinen zum Fest des Iuppiter und bringen blühende Zweige mit, auf denen Vögel singen (Götterkatalog). II. Die antiken Baumnymphen, D oder Hamadryades, werden in Al als „Waldfrauen", Elfen im heutigen Sinn, gedeutet. Aus dieser volksmythologischen Deutung erklärt sich auch das bei Ovid (MM 8,746) fehlende Motiv der Fußabdrücke, die sie im Tau hinterlassen. [1] In A2 sind sie (wie auch die übrigen Götter) euhemeristisch als Königinnen gedacht, ihre Attribute, Blütenzweig und Vogelsang,
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sind topische Bestandteile des höfischen locus amoenus. Für ihre Nennung rekurriert wohl auch A2 auf Ovid. [2] [1] Zu den Spuren der Elfen s.v. Waldgeister HWDA, Bd. 9, Sp. 55-62, hier 56f. [2] Lienert, Geschichte und Erzählen, 195.
(Pehl), in:
[mk]
Dryas [Sohn des Ares, einer der Jäger des Kalydonischen Ebers; MM 8,307; bzw. Lapithe, beteiligt sich am Kampf gegen die Kentauren; MM 12,290]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Drias): D ist einer der Jäger des Kalydonischen Ebers (8,595; Katalog). [1] Er kämpft an der Seite der Lapithen gegen die Kentauren und attackiert den Riesen Rhoetus, der mit einem brennenden Scheit auf ihn losgeht (12,525; 12,530). Als Medon Rhoetus tötet, flieht D wie andere vor Medon (12,541; Katalog; Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf). [2] [1] Bei Ovid wird im Gegensatz zu Al zwischen dem Jäger D und dem Lapithen D klar unterschieden. [2] Bei Ovid tötet logischerweise D und nicht der Kentaur Medon den Kentauren Rhoetus, danach fliehen vor D auch andere Kentauren, unter diesen Medon; in Al sind die Namen D und Medon in 12,532 und 12,541 verwechselt. [mk]
Dryope [Nymphe aus Oechalia, Geliebte des Apollo, Gattin des Andraemon, wird in einen Baum verwandelt; MM 9,331]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': D wurde von Apollo entjungfert, später gebar sie dem Andraemon ein Kind. Als sie einen Ast von einem Lorbeerbaum [1] riss, begann dieser zu bluten. D blieb daraufhin am Boden haften und verwandelte sich in einen Baum. Sie bat ihren Gatten und ihren Vater, ihre Zweige zu schützen und ihr Kind unter ihr spielen zu lassen (9,666; 9,710; Erzählung der Iole an Alcmena). [1] Bei Ovid bricht D einen Lotuszweig; Al scheint mit dem Lorbeerzweig an die Daphne-Metamorphose anzuknüpfen. [mk]
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Dryops — Dymnus
Dryops [Sohn des Priamus, wird von Idomeneus getötet; Dictys 87,6]
Al Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg, Fortsetzung 43182 (Driapisbia): D, einer von 13 Kebssöhnen des Priamus, und sein Bruder Chorithan werden von Idomeneus getötet (Katalog). [1] [ 1 ] Die Nf. Driapisbia ist eine Verschmelzung der bei Dictys genannten D und Bias, sie findet sich bereits in den DictysHss. G, Β als Dryapisbia (Chandler, Catalogue, 71). [mk]
R: Herzog (A2), herre (Epitheton) ( A l ) Nf.: Dimus (A2), Dimnus ( A l ) I. A l Rudolf von Ems, yAlexander': D fühlt sich von Alexander vernachlässigt und plant eine Verschwörung. Sein Versuch, Nicomachus einzuweihen, führt zur Entdeckung, D's Selbstmordversuch wird vereitelt, er wird festgenommen, nennt seine Komplizen und wird geköpft, die anderen werden gesteinigt (18814-19735; 20030).
A2 Ulrich von Etzenbach, Alexander': D ist Duritus [Onkel des Darius, erhält nach dessen Tod die Herrschaft über Persien; Hdp cap. 75]
Al Rudolf von Ems, vAlexander' 15253: Nach dem Tod des Darius überträgt Alexander D, einem Onkel des Darius, die Vormundschaft über Darius' Sohn, den er wiederum mit der Herrschaft über Persien betraut. [mk]
Dyaspes [Perser, wird von Eumenidus getötet; Chätillon 111,74]
Al Ulrich von Etzenbach, yAlexander': D, ein persischer Kämpfer, wird in der Schlacht bei Issos von Eumenidus getötet (8157, 8167). [mk]
Dymas [Vater der Hecuba und des Asius; Dictys 9,6]
Al Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung 44032 (Climant)·. D ist Vater der Hecuba und des Asius, der von Aiax Oileus getötet wird. [mk]
Dymnus [Grieche, beteiligt sich an einer Verschwörung gegen Alexander; Curtius VI.7,2 Dimnus]
G: Bruder des Nicomachus (A2)
einer der tüchtigsten Mitstreiter Alexanders (4670; Katalog), wird mit der Führung der Friedensverhandlungen mit Athen betraut und empfiehlt Aeschines die Kapitulation (2547; 2623), führt Ubergabeverhandlungen mit Tyrus, die aber scheitern (5199-5261), und kämpft in der Schlacht bei Issos (7469; 8606). D plant mit Demetrius und Ioleus aus Kriegsmüdigkeit einen Anschlag gegen Alexander, der bekannt wird, als D beim Gebet im Tempel aufseufzt und sich Cebalinus mitteilt. Die Verschwörer werden gefangen genommen, D entzieht sich der Hinrichtung durch Selbstmord (17977-18151; RV: 18255; 18440-18445; 18530).
II. Der Verschwörungsversuch gegen Alexander, an dem sich D beteiligt haben soll, lässt sich historisch nicht klar festmachen. Die Abweichungen zwischen A l und A2 resultieren aus den unterschiedlichen Quellen (Curtius Rufus bzw. Walter von Chätillon) und den unterschiedlichen Konzeptionen der Alexanderfigur. In A l sind die Verschwörer aufgrund der Idealisierung Alexanders negativ gezeichnet, D erscheint als charakterschwach. In A2 ist D zunächst ein loyaler Herzog Alexanders, der Text zeigt für die Verschwörung unterschwellig auch Verständnis: D handelt nicht skrupellos, sondern durchlebt einen inneren Konflikt, der ihn schließlich auch verrat. [mk]
Ε
Echemmon [Gefährte des Phineus, wird im Kampf gegen Perseus mit dem Medusenhaupt versteinert; M M 5,163]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Ethemeon, Ethemus, Themon)·. E, ein Gefährte des Phineus, greift Perseus beim Kampf auf dessen Hochzeitsfest an, verfehlt ihn und zerschlägt sein Schwert an einer Säule. Er wird von Perseus in der Pose des Fliehenden mit dem Medusenhaupt versteinert (5,284303). [mk]
Echidna [„Urschlange", Mischwesen, halb Frau, halb Schlange, gebiert zahlreiche Ungeheuer]
W: Schlange (Bl), Tier (Cl), Untier (B2), Wunderwesen (B3), Engel (B3, C l ) Nf.: Ecidemon (Bl), Elidia (B2), Ezidemon (Cl), Ezsydemon (B3) I. Bl Wolfram von Eschenbach, ,Parzival': Alle Mittel gegen den Biss des Ecidemon und anderer giftiger Schlangen blieben bei der Behandlung von Amfortas' Wunde wirkungslos (481,8). Feirefiz trägt auf seinem Helm ein Ecidemon, ein Tierchen, das allen Giftschlangen den Tod bringt (736,10 u.ö.). [1] [1] Das Ε als Feirefiz' Helmzier nennt auch Wolframs .Willehalm' 379,26.
B2 Ulrich von Zazikhoven, ,Lanzelet' 7990: Lanzelet sucht nach der in eine hässliche Schlange („serpant") verwandelten Jungfrau
Elidia, findet sie und erlöst sie mit einem Kuss auf den Mund. B3 ,Lohengrin': Wolfram deutet das von Clingsor genannte Ezsydemon als Schutzengel (27; 68; Eingangsrätsel [1]). Ginover will Ezsydemon und dessen Geliebte Sibini zur Gralsbefragung mitnehmen (432; Aussendung Lohengrins). [1] Das Eingangsrätsel in B3 stammt aus C l .
C l ,Wartburgkrieg': Das von Clingsor genannte Tier Ezidemon wird von Wolfram als Engel gedeutet (Das Rätselspiel, 5,7; 9,8). II. Die Identität des Ecidemon ist unsicher. Bl reiht es zunächst unter die Giftschlangen, bezeichnet es später aber als deren Feind. Vielleicht ist das so genannte Ichneumon gemeint, [1] eine Verbindung zu Ε wäre aber dem Namen nach zumindest möglich. Die Belege B3 und C1 gehen auf Β1 zurück. Das Ecidemon wird dort - wie für solche Wunderwesen typisch — allegorisch gedeutet. Ein motivlicher Rest von E's Mischgestalt könnte in der Metamorphose von B2 gesehen werden, die freilich ein verbreitetes Märchenmotiv reflektiert. Der Zusammenhang mit Ε ist für sämtliche Einträge unsicher. Die Beleglage ist in der ma. Literatur insgesamt äußerst schmal. [2] [ 1 ] Auf das Ichneumon, eine in Afrika und Asien verbreitete Schleichkatzenart, verweist Heinzle (Hg.), 1054 (Komm, zu .Willehalm' 379,26f.); vgl. auch E. Martin, Wolframs von Eschenbach Parzival und Titurel, Bd. II, Kommentar, 1903, 367; s.v. Ichneumon (W. Richter), in: DKP, Bd. 2, Sp. 1333; von ihm berichtet u.a. Isidor, Etym. XII.2,37, es gilt gemeinhin als Feind des Krokodils (was in Bl mit dem Motiv von den getöteten Giftschlangen reflektiert zu werden scheint). [2] Im Unterschied etwa zu Chimaera. Bei den Mythographi Vaticani findet sich keine Nennung der E. [mk]
Echion [1] — Elephenor
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Echion [1] [„Schlangenmann", Gatte der Agaue, Vater des Pentheus, einer der letzten fünf Sparten (von Cadmus „gesäte" Männer) in Theben; MM 3,126]
Al Albrecht von Halberstadt,
,Metamorphosen':
E, der Vater des Pentheus, ist einer der Krieger, die aus den von Cadmus gepflanzten Drachenknochen gewachsen sind. Als diese sich im Streit, ob sie Cadmus angreifen sollen, gegenseitig bis auf fünf Krieger erschlagen, fordert Ε die Beendigung des Kampfes. Sie geloben Cadmus Treue und erbauen mit ihm Theben (3,303; 3 , 1 2 4 8 ; 3 , 1 2 5 3 ; Gründungssage Thebens). [mk]
Eclimus [Persischer Kämpfer, Verwandter des Cyrus, von Nicanor getötet; Chatillon 111,81]
Al Ulrich von Etzen bach, Alexander' (Edimus):
Echion [2] [Sohn des Hermes und der Antianeira, Argonaut, Jäger des Kalydonischen Ebers; MM 8,311]
Al Albrecht von
[1] Adaptionen wie die Deutung E's als Waldfrau finden sich in Al mehrfach, v.a. in Zusammenhang mit Gestalten der „niederen" Mythologie, Centauri, Dryades. Zum ENarcissus-Mythos im MA Narcissus. [2] „Der Echo" (masc.!) des Hercules in Vers 9,349 hat bei Ovid keine Entsprechung (vgl. „implevitque suis nemorosam vocibus Oeten", „es erhallte von seinen Schreien die waldreiche Oete" MM 9,165). Wahrscheinlich hatte Albrecht von Halberstadt noch „Oete" übernommen und den Berg als Maskulinum aufgefasst („der Oete", vgl. die Uberlieferungsvariante „nemorosum" in Hs. Μ der MM), Jörg Wickram aber „der Echo" gelesen. Zum E-NarcissusMythos im MA Narcissus. [mk]
Halberstadt,,Metamorphosen':
Der behende Ε nimmt an der Jagd auf den Kalydonischen Eber teil (8,602; Katalog) und versucht vergeblich, das Untier zu treffen. Sein Spieß bleibt in einer Eiche stecken (8,662; Katalog).
E, ein Verwandter des Cyrus, kämpft auf Seiten des Darius in der Schlacht bei Issos. Er ist von den Damen reich ausgestattet worden. Sein Tod durch Nicanor bringt den Herzen vieler Frauen Leid ( 3 1 8 2 - 8 2 1 8 ) . [1] [1] Die Motive von der Ausstattung des orientalischen Kämpfers durch die Damen und von deren Trauer um ihn stammen aus Wolframs von Eschenbach .Willehalm'. [mk]
[mk]
Echo
Elas
[Nymphe, hält Iuno mit ihrem Geschwätz auf, während Iuppiter bei anderen Nymphen weilt; als Strafe dafür darf sie nur mehr Gesagtes wiederholen; als Narcissus sie verschmäht, wird sie zur körperlosen Stimme, ihre Gebeine werden zu Stein; MM 3,358]
[Kämpfer auf Seiten des Darius; Chatillon 111,72]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen
\
Die Waldjungfrau Ε [1] hielt mit ihrem Geschwätz Iuno auf, als diese Iuppiter nachspürte, und kann seither nur mehr nachsagen, was man ihr vorsagt. Als Ε von Narcissus, dem sie verliebt folgt, verschmäht wird, zieht sie sich in eine Felsenhöhle zurück, wird aus Trauer zu Stein ( 3 , 8 7 4 - 9 6 3 ) und erwidert als solcher Narcissus' Liebesklage und die Klage über seinen Tod ( 3 , 1 2 0 1 - 1 2 2 9 ; Aition für das Echo). Ein Ε lässt die Schmerzensschreie des sterbenden Hercules über Berg und Tal widerhallen (9,349). [2]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander' 8145 (Elan)·. Fürst E, Agilos und Cherippus von Arabien werden von Parmenio in der Schlacht bei Issos getötet. [sks]
Elephenor [Teilnehmer am Zug gegen Troja; Dares 26,19]
Al Herbort von Fritzlar, ,lietvon Troye'[7649]·. Der König von Libanor wird im Kampf von Hector getötet. [1] [1] Der genannte „König von Libanor" ist bei Benoit de Sainte-Maure, der Quelle von A l , als Elpinor( 12327) identifizierbar, bei Dares (26,19) und Dictys (14,19) lautet die Namensform Elephenor. [mk]
Eliphas — Empedocles
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Eliphas
Elymus
[Herrscher von Ägypten, kämpft auf Seiten des Darius; Chätillon V,29/30]
[Kentaur, wird im Kampf mit den Lapithen getötet; M M 12,460]
A l Ulrich von Etzenbach, Alexander'(Eliphat): König Ε von Ägypten kämpft in der Schlacht bei Arbela auf Seiten des Darius (11989; 11998; Katalog), er und Pharos von Syrien tragen ein Iuppiter-Bildnis in ihrem Banner [1] und werden von Alexander im Kampf getötet (13166-13210).
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12,703 (Helenus): Der überaus starke Riese Ε [1] wird wie andere seiner Gefährten von Caeneus erschlagen. Nestor weiß nicht mehr, wie viele Wunden Caeneus ihnen zugefügt hat (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf; Katalog).
[1] Zum Iuppiter-Banner des Ε vgl. das Iuno-Banner des Enos. Das Motiv ist von Al hinzugefugt und bezieht sich auf das Amorbanner des Noupatris in Wolframs von Eschenbach .Willehalm'; -* Amor/Cupido (I.B3). [sks/mk]
[1] Die Kentauren werden von Al als Riesen gedeutet. Die Adaption greift aufVorstellungen zurück, die dem Publikum aus der dt. Heldendichtung vertraut sind; -* Centauri. [mk]
Emathion Elis
[Greis, wird von Chromis geköpft; M M 5,100]
[Kämpfer auf Seiten Alexanders, wird von Negusar getötet; Chätillon 111,95]
A l Ulrich von Etzenbach, Alexander' 8231 (Elim): Ε wird von Negusar aus Rache für den Tod des Eclimus der Schädel gespalten (Schlacht bei Issos). [sks]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,169 (Emachion): Ε will sich an dem Kampf, der auf dem Hochzeitsfest von Perseus und Andromeda ausbricht, nicht beteiligen, versucht durch Bitten und Flehen dem Blutvergießen ein Ende zu bereiten und wird von Chromis geköpft. Sein abgeschlagenes Haupt schilt den Mörder (Katalog). [mk]
Elpenor [Gefährte des Ulixes, verliebt sich in Polyphems Schwester Arene; Dictys 124,7; Benoit 28644 Alpbenor]
A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 17589 (Alfenor): Ε verliebt sich während der Gefangenschaft des Ulixes und seiner Gefährten bei Polyphem in dessen Schwester und zeugt mit ihr ein Kind. Sie verhilft den Griechen zur Flucht. [1] [ 1 ] Die Figur bei Dictys (vgl. Nf. helpenoris in Hss. Ε, V) geht wohl auf Ε in Homers .Odyssee' zurück (E stürzt bei Kirke betrunken vom Dach und bricht sich das Genick, Odysseus begegnet ihm in der Unterwelt, Od. 10,552fF.). Dass Ε mit Polyphems Schwester (bei Dictys Arene) ein Kind zeugt und dass sie den Griechen zur Flucht verhilft, sind von Al neu eingeführte Motive. Bei Dictys und Benoit de Sainte-Maure will Ulixes Arene wegen ihrer Liebesbeziehung zu Ε mitnehmen. Der Griechenkämpfer Alenpor, den Al (12918) nennt, könnte mit Ε identisch sein. [mk]
Empedocles [483/82-um 423 v. Chr., Naturphilosoph aus Agrigent, entwickelt die Lehre von den vier Elementen]
D l Hugo von Trimberg,,Der Renner'·. Ε wird in einem Katalog heidnisch-antiker Gelehrter genannt, deren Bücher zwar viel lehren, aber doch in vielem irren (8456). Ε pries Enthaltsamkeit, Streben nach ewigem Heil und klaren Sinn - Enthaltsamkeit sei ehrenhaft, Streben nach ewigem Heil nützlich, der klare Sinn verbinde beides (21258; Meisterberufung). [1] [ 1 ] Die beiden Stellen reflektieren gängige Topoi der didaktischen Literatur, in deren Kontext Aristoteles, Plato oder Seneca die prominenteren Exempelfiguren abgeben. Ε war im MA wenig bekannt, obwohl die Elementenlehre von der ma. Philosophie (v.a. über Aristoteles, mit der Erwei-
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Enacides — Ennomus
terung um die „quinta essentia") stark rezipiert wurde und die Atomistik verdrängte; s.v. Elemente (Η. H. Lauer), in: LMA, Bd. 4, Sp. 1800-1802; s.v. Elemente, vier (E. LawnThum), in: SwbM, 203. Der singulare dt. Beleg zeugt vom Bildungshorizont Hugos von Trimberg. Genaueres über Es Lehre wird freilich auch hier nicht gesagt, Ε erscheint vielmehr als Moralphilosoph. [mk]
Enacides [E Yulcon, Gefolgsmann des Darius, wird von Alexander getötet; Chätillon IX, 198]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander' 19654 (Enachus)·. Ε und Julkon [1] werden im Zweikampf von Alexander getötet (Alexanders Zug nach Indien; Kampf gegen Porus; Kämpferkatalog). [1] A l fasst den bei Walter von Chätillon genannten Enacides Yulcon als zwei Gestalten auf. [sks]
werden (Katalog von Riesen; überbietender Vergleich). [1] [1] Die Stelle spielt auf die Gigantomachie an, der Verweis bezieht sich auf die ,Ecloga Theoduli' (Dialog zwischen dem heidnischen Pseustis [„Lügner"] und der christlichen Aletheia [„Wahrheit"] über mythologische und biblische Gestalten und Geschichten). Der direkte Rückgriff auf lat. Mythographie ist fur einen volkssprachlichen Text bemerkenswert und dokumentiert den umfassenden Bildungshorizont des Verfassers. Das mythologische Motiv vom Himmelssturm ist an sich mit den in Berge verwandelten Riesen Otos und Ephialtes, den so genannten Aloaden, verbunden (vgl. z.B. Myth.Vat. 11,55), wird allerdings auch auf die Giganten übertragen (vgl. MM 1,152). Atlas ist aber kein Gigant. Somit hat Β1 offenbar Otos und Ephialtes wegen der ähnlichen Nf. mit Atlas und Enceladus verwechselt (Kern, Edle Tropfen, 210; zum Topos des überbietenden Vergleichs ebd. 137ff.). Die Stelle nennt außerdem Riesen aus der dt. Heldensage (Witolt, Asprian, Orte, Velle, Grimme, Kuprian, Isenbrant und Goldemar). [mk]
Enipeus [Fluss in Thessalien, Flussgott; MM 1,579]
Enaesimus
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen
[Sohn des Hippocoon, Jäger des Kalydonischen Ebers; MM 8,362]
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen'
8,689 (Enesimus): Ε ist einer der Jäger des Kalydonischen Ebers, wird von dem Untier am Knie aufgeschlitzt, stürzt zu Boden und stirbt.
Der schnelle, reißende Ε besucht den um seine Tochter Daphne trauernden Peneus ( 1 , 1 1 2 6 ; Flusskatalog). Arachnes Teppich zeigt die Verwandlung Neptuns in den Fluss Ε (6,242; Descriptio). Dort findet Medea das Kraut, das sie für die Verjüngung Aesons braucht (7,499; Flusskatalog). [mk]
[mk]
Enceladus
Ennomus
[Gigant, kämpft gegen Iuppiter und wird von dessen Blitz getötet]
[Lykier im Gefolge Sarpedons, wird von Ulixes getötet; MM 13,260]
B1 ,Reinfried von Braunschweig' 25284 (Enschelades)·. Ε und Atlas wurden vor langer Zeit
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 13,376(Eunomos): Ulixes rühmt sich, bei der
von Iuppiter gefangen genommen, weil sie sich bis zum Tor des Himmels erheben wollten, indem sie Berge auftürmten. Pseustis berichtet diese Fabel der Aletheia. Ε und Atlas werden von jenen Riesen an Stärke übertroffen, die Aschalon besetzen und von Reinfried besiegt
[1] Bei Ovid bezieht sich der Katalog nicht auf die Dolonie (,Ilias' 10), sondern auf den Kampf gegen die Lykier unter der Führung Sarpedons (,Ilias* 5). [mk]
Ergreifung des trojanischen Spions Dolon auch Ε erschlagen zu haben (Katalog; Streit um Achills Waffen; Rede des Ulixes). [1]
Enos — Epaphus Enos [Kämpfer auf Seiten des Darius; Chätillon V,36]
Al Ulrich von Etzenbach, ^Alexander': Der tapfere, treffliche Ε von Elamie kämpft in der Schlacht bei Arbela auf Seiten des Darius (12029; 12041; Katalog). Er und Caynas tragen ein Iuno-Bildnis im Banner [1] und werden von Philotas getötet (13361; 13395; 13405; Schlacht bei Arbela). [1] [1] Zum Iuno-Banner des Ε vgl. das Iuppiter-Banner des Eliphaz. Das Motiv ist von Al hinzugefügt und bezieht sich auf das Amorbanner des Noupatris in Wolframs von Eschenbach .Willehalm'; -> Amor/Cupido (I.B3). [sks/mk]
Eous
Aethon
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Es Name dient den Persern als Schlachtruf (14018; Schlacht bei Arbela). El Rudolf von Ems, , Weltchronik'·. Ε ist der dritte König von Argos (8654; RV: 19886; Katalog). Er schickt seinen Bruder nach Achaia und geht selbst nach Ägypten, wo er dem Pharao als zweiter König nachfolgt und nach seinem Tod als Gott Serapis verehrt wird. Wer ihn nicht als Gott anerkennt, wird getötet (8738). Er verheiratet seine Schwester Io (Isis) mit Osiris und gründet Memphis (8749; 8754). [1] [ 1 ] 8620 wird ein König Apis von Sicyon erwähnt, der dem Europs nachfolgt (vgl. die Chronik des Hieronymus, PL 27, Sp. 115).
II.
Ε zählt zu jenen mythologischen Gestalten, die nur der gelehrten lat. Mythenrezeption Epaphus bekannt sind. Die dt. Nennungen basieren [Sohn des Iuppiter und der Io, wird in Ägypten als Gott daher direkt auf lat. Quellen. Al folgt Ovids verehrt] .Metamorphosen' (1,748). Die Schmähung des Phaeton durch Ε leitet zur Geschichte W: Gott (Al, El) G: Sohn des Iuppiter (Al, A2) und der Io von Phaetons Fahrt mit dem Sonnenwagen (Al), Vorfahre des Belus (A2), Sohn des über (Phaeton bittet Apollo, ihm als Beweis Pharao [bzw. des Phoroneus], Bruder der seiner Vaterschaft einen Wunsch freizustellen, was ihm der Gott gewährt). Zu der AhnenIo [!] (El) reihe des Darius, auf die in der Alexandreis' R: König von Argos und Ägypten, Gründer Walters von Chätillon nur angespielt wird, ist von Memphis (El) A2 offenbar eine ausführliche Glosse vorgeNf.: Apis bzw. Serapis (El), Cefalon (A2), legen. [1] Der Katalog reflektiert den Typus Cefalus (A2) der orientalischen Herrschergenealogie, wobei I. die altorientalischen Gottheiten nach gr.-röm. Al Alhrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Deutung weitgehend durch Gestalten der klasΕ hat in Ägypten gemeinsam mit Phaeton, sischen Mythologie ersetzt sind. [2] der ihm an Alter und Gestalt gleicht, einen Auf einer solchen für den hellenistischen Tempel neben dem Tempel der Io. Als Phae- Synkretismus typischen Gleichsetzung beruht ton sich seiner Abstammung von Apollo auch die Identifizierung von Ε mit Apis in rühmt, behauptet E, Phaetons Mutter gebe El. [3] Die Angaben folgen im Einzelnen aus Rücksicht auf ihre Ehre nur vor, dass der .Historia scholastica' des Petrus Comestor Apollo Phaetons Vater sei (1,1505-1531; Io (PL 198, Sp. 1112d, Genealogie) bzw. der und Iuppiter). Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 143: A2 Ulrich von Etzenbach, vAlexander': Ε ist ein Apis als dritter König von Argos, Fahrt nach Sohn Iuppiters und Vorfahre des Darius, der Ägypten und Gründung von Memphis). Die genealogischen Daten zeigen schon bei sich auf diese göttliche Abstammung beruft, um seinen Männern vor der Schlacht bei Issos Petrus Comestor starke Abweichungen von Mut zuzusprechen (6970; 6973; Katalog). der antiken Genealogie: Apis/E ist Sohn des
Ephestius — Epistrophus [1]
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Phoroneus (von El als Pharao missverstanden) und Gatte von dessen Schwester Io (in der antiken Mythologie sind Io und Phoroneus Kinder des Inachos; Ε ist Sohn der Io und des Telegonos, so dann auch bei Petrus Comestor, Sp. 1152d). [1] Die bei Colker (Hg.) abgedruckten Glossen bringen keinen Hinweis. Einige Ε-Belege finden sich bei Myth. Vat. I u n d II. Die N f . Cephalus ist als Lesefehler aufzufassen, da dieser nirgends als Sohn Iuppiters gilt. [2] -» Belm
(II.).
Epistrophus [1] [Verbündeter der Trojaner, Führer der Halizonen; Dares 23,5]
R: König von Botine bzw. Ezenie oder Azurnen [Halizones?] (Al), Führer der Kentauren (A2) Nf.: Epistropus (Al), Epistroples (A2), Pistropleus, Pystropus (Al) I.
[3] Apis, der heilige Stier in Memphis, ist ursprünglich ein Fruchtbarkeitsträger, der nach späterer D e u t u n g stirbt u n d als Osiris-Apis begraben wird. Von hier leitet sich der Serapis-Kult ab. Er wird früh mit Epaphus gleichgesetzt, s.v. Apis (W. Helck), in DKP, Bd. 1, Sp. 432f.
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'4030\
E, wie Boetius aus dem fernen Botina stammend (4030) bzw. König von Ezenie (4074), unterstützt die Trojaner (Katalog). Er ist in [mk] den Septem Artes Liberales unterrichtet und zieht mit seinen 3000 Rittern in die Schlacht. Unter diesen befindet sich ein schwarzer Ephestius Kentaur, der mit seinem Bogen zahlreiche [Begleiter Alexanders] Griechen tötet, bis er umzingelt wird und Al Pfaffe Lamprecht, „Alexander' (Vestian): fällt (7680). [1] [1] 4 0 3 0 hat die N f . Epistropus, 4 0 7 4 Pistropleus, 7 6 8 0 Der junge Edelmann Ε ist Begleiter des Pystropus. jungen Alexander und unterstützt ihn bei A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg' der Zähmung des Bucephalus (V334; S326; 24992: Ε bringt zur Unterstützung der TroS334). [1] janer wundersame Kämpfer mit, die halb [1] Kinzel (Hg., 49, zu 324-333) verweist für die Nf. Vestian menschen- und halb tiergestaltig sind und auf den in der .Historia de preliis' (cap. 16) genannten E. als Waffen Bogen aus Horn tragen. Sein Land [mk] liegt in der Nähe jenes Reiches, in dem nur Frauen [die Amazonen] leben (Katalog). Ephialtes Enceladus
II. Epicurus [342/41-271/70 ν. Chr., Philosoph aus Samos, Begründer der epikureischen Schule]
El ,Kaiserchronik' 3215'. Auf Ε als seinen Lehrer beruft sich Faustinianus, als er im Streitgespräch mit Petrus die Lehre von der Unabänderbarkeit des menschlichen Schicksals vertritt. [1] [1] D e r singulare Beleg weist auf die starke A b l e h n u n g E's im M A (im Unterschied zu Stoikern wie Seneca). Sie gründet in der stoischen, von den Christen ü b e r n o m m e n e n Polemik (E als Philosoph der Lust), s.v. Epikurrezeption (Ε P. Knapp), in: SwbM, 215. Eine Prädestinationslehre entwickelt im Übrigen die stoische u n d nicht die epikureische Philosophie (s.v. Praedestinationslehre (H. Dörrie), in: DKP, Bd. 4, Sp. 1096f.). [mk]
Der Katalog der Verbündeten der Trojaner zeigt schon in der Dares-Uberlieferung mehrere Varianten. Ein „E de Boetina" findet sich in den Hss. G und L, die gemeinsam mit ihm einen Boetius erwähnen, der im ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure als E's Bruder bezeichnet wird (6795). Der schon bei Homer belegte Führer der Halizonen Ε wird bei Dares 23,5 genannt. Die aus diesen Varianten resultierende doppelte Nennung bei Benoit und Al wird in A2 zurückgenommen. Das Motiv vom (dunkelhäutigen!) Kentauren in Al (nach Benoit) wird in A2 generalisiert. A2 lokalisiert E's Land außerdem in Nachbarschaft der Amazonen. Dies entspricht der Tendenz des Textes, die Konfrontation von Griechen und
Epistrophus [2] — Epytus
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Trojanern zu einer von Okzident und Orient zu stilisieren, weshalb mit den trojanischen Verbündeten die für das ma. Orientbild typische Wundermotivik verbunden ist. [1] Warum Ε in A l eine besondere Kenntnis der Septem Artes zugestanden wird, ist unklar.
Epius
[1] Vgl. ähnliche Tendenzen im Alexanderroman, beim Heer des Darius. Zu A2 Lienert, Geschichte und Erzählen, 122f. [mk]
A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Ε erbaut auf Chryses' Veranlassung das Trojanische Pferd und lässt es zur Stadt schaffen. Da es durch kein Tor passt, muss die Mauer eingerissen werden (15929; 16062). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung: Ε besorgt das Material für den Bau des Trojanischen Pferdes und errichtet es nach den Anleitungen des Helenus (47782; 47990).
Epistrophus [2] [Verbündeter der Griechen, Führer der Schiffe der Phoker; Dares 17,16; Benoit319]
G: Zwillingsbruder des Schedius (Al) R: König (A2) Nf.: Epistropus (Al), Epistros (A2) I. A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Ε und Schedius kommen mit 50 Schiffen aus Phocis zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3326; Katalog der Griechen) und bilden nach der Landung vor Troja eine Schar. E, Aiax und Menelaus attackieren Hector und stechen dessen Pferd nieder, wobei Ε aus dem Sattel gehoben wird (4874; Katalog; 5338; 5365). Als Ε Hector neuerlich angreift und ihn schmäht, wird er getötet (7498; 7500). A2 Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg': Der treffliche, kluge König Ε bringt als Verbündeter der Griechen 50 Schiffe aus Defote [1] (23798; Katalog der Griechen), befehligt gemeinsam mit Schedius eine Rotte (30588; 32612), kämpft gegen Polydamas, bringt Hector in Bedrängnis und erwirbt sich Kampfesruhm (35489-36750). [1] Die Herkunftsbezeichnung erklärt sich aus de Phoce bei Benoit nach de Phocide bei Dares.
[Erbauer des Trojanischen Pferdes; Dictys 111,25; Benoit 25735]
R: Zimmermann (Al), Künstler (A2) I.
II. Schon in der ,Odyssee' (8,492ff.) ist Ε der Erbauer des Trojanischen Pferdes (mit Hilfe der Athene). Uber Dictys gelangt das Motiv in denTrojaroman Benoits de Sainte-Maure, von dem es Al mit den entsprechenden Modifikationen übernimmt. A2 greift direkt auf Dictys zurück. [mk]
Epopeus [Sohn des Aloeus oder des Poseidon, Herrscher von Sicyon]
El Rudolf von Ems,, Weltchronik' 19682 (Eppopius): Ε ist einer der Könige von Sicyon (Katalog). [1] Dem Prinzip ma. Welchronistik folgend, wird die Profangeschichte in Exkursen („incidentia") zu den biblischen Ereignissen erinnert. Die Angaben beschränken sich vielfach auf Herrschaftskataloge, so auch hier. Zur Stelle vgl. die Nennung des Ε in den Herrscherlisten der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 207). [mk]
II. Beide Belege folgen im Wesentlichen den Angaben im ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure. [ 1 ] A2 kann von E s Tod durch Η nicht mehr berichten, weil der Text zuvor abbricht. [1] Zu A2 vgl. Lienert, Geschichte und Erzählen, 157. [mk]
Epytus [König von Alba longa; M M 14,613]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 14,596 (Epitus): Ε folgt Clarius als König Italiens nach (Katalog). [mk]
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Erechtheus — Erichthonius
Erechtheus [Mythischer König von Athen, Sohn und Nachfolger des Pandion, Vater von Procris, Orithyia und Creusa]
G: Bruder des Cecrops (Al), Vater der Procris (Al) und der Orithyia (Al, El) R: König von Athen (Al, El) N£: Eritheus (Al), Euri(c)hteus (El)
[1] Vgl. M M 2,561: „infantemque vident adporrectumque draconem" („sie sehen ein Kind und eine sich reckende Schlange", ev. auch: „sie sehen eine kindsgestaltige und sich reckende Schlange"). [2] Al übersetzt „iustitita dubium validisne potentior armis" („man weiß nicht, war er durch Gerechtigkeit mächtiger oder durch starke Waffen"; M M 6,678) mit: „Welcher nitt hatt hares breyt/ An ritterschaft oder reichheyt" (6,1522f.) und verkehrt damit die Aussage ins Gegenteil. [mk]
I.
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen ': Die Göttin Pallas verschließt E, ein ohne Mutter geborenes Kind, in einem Schrein, den sie ihren Dienerinnen Herse, Pandrosus und Aglauros zur Verwahrung gibt. Aglauros öffnet ihn trotz Verbots, sieht neben dem Kind einen Drachen und erschrickt [2,1179]. Der arme und unritterliche König E, der Nachfolger des Pandion, ist Vater von vier Söhnen und vier Töchtern. Seine Tochter Procris wird mit Cephalus vermählt, um Es Tochter Orithyia freit Boreas (6,1521), der Procris genommen hätte, hätte Ε sie nicht Cephalus gegeben (7,1207). El Rudolf von Ems, , Weltchronik'·. Ε ist der Bruder des Cecrops (19870) und König von Athen. Boreas freit um seine Tochter Orithyia (19666; Katalog mächtiger Herrscher).
Erichtho [Thessalische Zauberin; Lucanus, .Pharsalia' VI,508]
B1 Hartmann von Aue, ,Erec 5217 (Ericto): Seit dem Tod von Ε und Sibylla besaß nie wieder eine Frau so profunde Kenntnisse in den Zauberkünsten wie Artus' Schwester Feimurgan. Nach Lucans Bericht konnte Ε sogar Tote auferstehen lassen (Exempelfigur fiir Zauberkunst). [1] [1] Dass ein direkter Bezug auf Lucan vorliegt, ist durchaus möglich, er galt dem MA als Schulautor (-» Lucanus). Der Beleg ist fiir einen volkssprachlichen Autor jedenfalls bemerkenswert und unterstreicht die Bildung Hartmanns. An der entsprechenden Stelle im ,Erec' Chrestiens (von Morgain stammt das Pflaster, mit dem Erecs Wunde behandelt wird; 4193ff.) ist Ε nicht erwähnt. [mk]
II. Die Angaben zum Ε-Mythos, der ansonsten nur der gelehrten Mythenrezeption des MA bekannt ist, folgen direkt lat. Quellen. Al basiert auf Ovids .Metamorphosen', wo Ε allerdings wohl selbst schlangengestaltig gedacht ist, [1] weshalb Aglauros auch erschrickt. Insgesamt war der nur andeutungsweise gegebene Zusammenhang bei Ovid dem dt. Text offensichtlich nicht mehr nachvollziehbar. Auch die Bemerkung über Es Armut erklärt sich aus einem Missverständnis. [2] Die Nennung in El greift vermutlich auf die Herrscherliste in der Chronik des Hieronymus zurück (PL 27, Sp. 195). Dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, werden die profangeschichtlichen Daten in katalogartigen Exkursen zur Heilsgeschichte erinnert.
Erichthonius [Mythischer König von Athen, ursprünglich mit Erechtheus identisch. Später kommt es zur (nicht konsequenten) Aufspaltung der Gestalt, Ε gilt als Großvater des Erechtheus]
R: König (E2) von Athen (El) Nf.: Erictonius (El), Frictonius (E2) I.
El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 15782: Ε ist König von Athen. Von ihm berichtet die Fabel, dass er den Wagen bei den Griechen eingeführt habe (Katalog). E2 Jans Enikel, , Weltchronik' 13491: König Ε ist der Nachfolger des Danaus. Er hat den ersten Wagen erfunden (Katalog).
Erigone [1] — Erysichthon
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II.
Erigone [2]
Dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, sind in beiden Chroniken die mythologischen Daten historisch gedeutet. In El werden sie in der üblichen Form in kurzen profangeschichtlichen Exkursen zur Heilsgeschichte referiert (wie hier meist in Form von Herrschaftskatalogen). E2 bietet mitunter ausführlichere Darstellungen (so im Folgenden zu Troja) und neigt insgesamt stark zu fabulierender Darstellung. Die Angaben in El folgen der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PI 198, Sp. 1153b). Dort gilt Ε als Sohn des Vulcanus. E2 basiert vermutlich auf ,De imagine mundi' des Honorius Augustodunensis (PL 172, Sp. 171b). [1] In beiden Fällen ist Ε als einer der Kulturbringer aufgefasst, ihm wird die Erfindung des Wagens zugeschrieben. [2]
[Tochter des Aegisthus und der Clytaemestra, wird von Diana vor Orestes gerettet und nach Attika entrückt, wo sie ihr als Priesterin dient; nach Dictys 123,8 bzw. Benoit 28524 erhängt sie sich]
[1] So Strauch, Hg., 255, Anm. 1. [2] Vgl. hierzu auch die Chronik des Hieronymus, PL 27, Sp. 197; ebd. Sp. 195 wird Ε mit Erechtheus identifiziert. Für weiteres vgl. TriptoUmus als Erfinder des Getreideanbaus. E2 berichtet zuvor von einem Honorius (13459), der den Pflug erfunden habe. [mk]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' (Erigena, Esyona): E, die Tochter des Aegisthus und der Clytaemestra (17261), erhängt sich, als ihr Halbbruder Orestes - vom Mord an Clytaemestra entsühnt - als König nach Mycenae zurückkehrt (17508). [mk]
Erigyius [Jugendfreund Alexanders, nimmt am Perserfeldzug teil, tötet Satibarzanes im Zweikampf; Curtius VII.4,34]
Al Rudolf von Ems, ^Alexander'(Eriguus): Fürst Ε und Craterus bringen den Perser Phradates, der sich ergeben hat, zu Alexander (17599; Eroberungszug Alexanders nach Asien). Ε ist Mitglied des Fürstenrates, der das weitere Vorgehen gegen die Verschwörer gegen Alexander berät (19228; Katalog). Als er später von Satibarzanes bedrängt wird, schickt Alexander Hilfstruppen. Ε tötet Satibarzanes im Zweikampf (20707; 21105-21295; Alexanders Zug gegen Bessus). [sks]
Erigone [1] [Tochter des Icarius, wird von Bacchus, der sich ihr als Traube eines Weinstockes nähert, verfuhrt; M M 6,125]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen \ Auf dem Teppich, den Arachne im Wettstreit mit Pallas Athene verfertigt, ist dargestellt, wie Bacchus in Gestalt einer Weinrebe so lange vor Ε schwebt, bis er sie verfuhrt hat (6,260). Ε ist in den Teppich außerdem als Kentaurin eingewirkt, die von Saturnus geschwängert wird (6,264; Descriptio). [1] [1] Al bezieht M M 6,126 (Saturnus zeugt den Kentauren Chiron) auf Erigone und macht sie ebenfalls zur Kentaurin, was vielleicht auf eine falsch interpretierte Glosse zu Chiron zurückgeht. [mk]
Erysichthon [Fällt den heiligen Baum der Ceres und wird dafür mit unstillbarem Heißhunger bestraft; M M 8,779]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Erisichthon, Erisichton)·. Der frevelhafte Ε fällt eine der Ceres geweihte Eiche. Der Baum blutet und droht ihm Unheil an. Ceres straft Ε mit unstillbarem Hunger, der dazu fuhrt, dass Ε sein Hab und Gut sowie (mehrmals!) seine Tochter [Mestra] verkauft und sich schließlich selbst auffrisst. Ε wird von Achelous als Beispiel für die Wundertaten der Götter genannt (8,1074-1263; Exemplum). [1] [1] Al wählt fur die Beschreibung von Es Gefräßigkeit andere Vergleiche als Ovid. Alles Essen im Hause ist ihm
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Erytus — Eteocles und Polynices
so viel wie eine Erdbeere, die gesamten Lebensmittel der Stadt sind ihm weniger als ein Ei (8,1244ff). Seine Tochter Mestra (in Al nicht namentlich und bei Ovid nur mit dem Beinamen Triopeis genannt) kann er aufgrund ihrer Verwandlungsfähigkeit mehrmals verkaufen (nach Ovid, MM 8,846ff.). [mk]
Erytus [Sohn des Actor, wird von Perseus mit einem Krug erschlagen; M M 5,79]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,132 (Elicuus): Ε wird beim Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus von diesem mit einem Kelch erschlagen (Katalog). [mk]
Eryx [Gefährte des Phineus, wird beim Anblick des Medusenhaupts versteinert; M M 5,196]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,348: Als Perseus beim Kampf auf seinem Hochzeitsfest seinen Gegnern das Medusenhaupt vorhält, wundert sich E, warum seine versteinerten Gefährten so still stehen und sich derart fürchten, wird dann aber selbst versteinert (Katalog). [mk]
Eteocles und Polynices [Söhne des Oidipus und der lokaste, streiten um die Herrschaft und töten sich gegenseitig im Kampf der Sieben gegen Theben]
G: Söhne des Oedipus und der Iocaste (A2, Dl), Brüder (A2), Ρ ist Schwiegersohn des Adrastus (A2) und Freund desTydeus (Dl) Nf.: Ethiocles (Bl, D l ) , Etiocles (A2, El), Polimides (Bl), Polimites (A2), Polinices (Al, D l ) , Polymices (Bl) I. Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman 3314: Ρ befindet sich unter den vor Theben gefallenen Kämpfern in der Hölle (Unterweltfahrt des Aeneas; Katalog).
A2 Ulrich von Etzenbach, „Alexander': Ε und Ρ entstammen der inzestuösen Verbindung von Oedipus und Iocaste (3009/10). Als sich Oedipus nach der Entdeckung des unwissend begangenen Inzests das Leben nimmt [!], fällt Ε durch Los die Herrschaft über Theben zu. Sein Bruder Ρ begibt sich nach Griechenland [!], heiratet die Tochter des Adrastus, sammelt ein Heer und zieht mit Adrastus, Tydeus, Parthenopaeus, Amphiaraus, Hippomedon und Capaneus gegen Theben, um Ε die Herrschaft zu entreißen. Dieser setzt sich erfolgreich zur Wehr, die sieben Angreifer finden in einem schweren Kampf den Tod (3132-3155; Exkurs zur Geschichte Thebens). Bl Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crone' 15542/3: Ε und Ρ waren einander treu verbunden und hätten, wenn nötig, für einander das Leben gelassen. Ganz anders verhalten sich Laamorz und Gawein bei ihrem Zweikampf. D l Hugo von Trimberg,,Der Renner': Ρ und Tydeus geben ein Beispiel für ein vorbildliches Freundespaar in alter Zeit. Im Unterschied zu damals gebe es heute keine wahre Freundschaft: mehr (6361; Exempelfigur; Zeitklage). [1] Wegen des Bruderhasses von Ε und Ρ ging Theben in Flammen auf und verloren Oedipus, Adrastus, Parthenopaeus, Tydeus und viele andere das Leben. Statius berichtet davon (14176). [1] Als weitere Freundespaare aus heidnischer und jüdischer Zeit werden Orestes und Pylades, Patroclus und Achilles, Aeneas und Achates sowie David und Jonathan genannt.
El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 19828/9: Ε und Ρ erschlugen einander. Wegen ihres großen Mutes und ihrer Macht erinnert man sich noch heute an sie (Exkurs; Katalog gr. Helden und Könige). II. 1) Siebensage im MA; 2) Thebenexkurs in A2; 3) Anspielungen
1) Die Sage von den Sieben gegen Theben war - wie der Thebenmythos überhaupt - in der mhd. Literatur weitgehend unbekannt, im Unterschied zur mlat. Literatur, die den Stoff aus der ,Thebais' des Statius kannte, und
Euander [1] der afrz. Literatur, die mit dem ,Roman de Thebes' eine höfische Bearbeitung des Statius besaß. Diese bildet gemeinsam mit dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure und dem ,Roman d'Eneas' das für die weitere Romangeschichte wichtige Corpus der afrz. Antikeromane. Während das Interesse der mhd. Literatur an der Troja-Aeneassage, u.a. aus Gründen der ma. Geschichtsauffassung, [1] groß war, fand der ,Roman de Thebes' keine dt. Bearbeitung. 2) Der einzige relativ ausführliche mhd. Bericht ist der Exkurs in A2. Er bezieht sich auf eine knappe Anspielung zum Thebenmythos in Walters von Chätillon .Alexandreis' (I,302ff.), zu der A2 offenbar ausfuhrliche Glossen vorlagen. [2] Ein direkter Rückgriff auf den ,Roman de Thebes' oder auf Statius als Nebenquellen ist nicht auszuschließen, aufgrund zahlreicher mythographischer „Fehler" (v.a. bei Oedipus) allerdings wenig wahrscheinlich. Die Siebensage wird nur knapp referiert, von der wechselweisen Tötung von Ε und Ρ ist keine Rede, vielmehr scheint Ε den Kampf zu überleben. 3) Die bloße Nennung im Katalog der vor Theben gefallenen Kämpfer in Al bezieht sich auf den ,Roman d'Eneas' (2670), schon dort ist nur Ρ mit den übrigen der Sieben, nicht aber Ε genannt. In D l gibt die Siebensage ein Beispiel für die verderblichen Folgen des Hasses. Die Kenntnis von Statius belegt der Verweis; sie ist für einen lat. gebildeten Autor nicht verwunderlich, da Statius wie Vergils Aeneis' als Schullektüre galt. Zugleich sind Ρ und Tydeus Exempelfiguren für wahre Freundschaft. Dass von der Siebensage an dieser Stelle also ganz abgesehen wird, ist für die mythologischen Anspielungen in der mhd. Literatur typisch: Der jeweilige Mythos oder die mythologische Gestalten werden nicht in ihrem Gesamtzusammenhang, sondern unter einer partikulären Perspektive wahrgenommen, die durch den kontextuellen und topischen Rahmen definiert ist. El verzichtet auf eine negative Sinngebung, Ε und Ρ geben vielmehr ein Beispiel für
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heroischen Ruhm. Der Beleg findet sich in einem profangeschichtlichen Exkurs zur Heilsgeschichte (zuvor sind die Könige Trojas erwähnt). Die mythologischen Daten sind - wie in der ma. Weltchronistik üblich - rein historisch aufgefasst. Die Hauptquelle von El, die ,Historia scholastica' des Petrus Comestor, nennt Ε und Ρ nicht, möglich ist ein Rückgriff auf eine der Nebenquellen, nämlich das ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 519), auf die lat. Thebentradition (Statius) oder auf die Mythographen. Das ansonsten geringe Wissen um den Thebenmythos wird durch die mythographische „Fehlleistung" in B1 eindrucksvoll dokumentiert. Ε und Ρ geben hier ein Exemplum mustergültiger Männerfreundschaft. [3] In Hinblick auf D l könnten Ρ und Tydeus gemeint sein. [1] Aeneas (U). [2] Vgl. die bei Colker (Hg.) abgedruckten Glossen, bes. 364f. [3] Die Stelle wird kaum ironisch zu verstehen sein und entspricht anderen mythographischen Fehlern im Text, denen wiederum zahlreiche weitgehend richtige mythologische Anspielungen gegenüberstehen; vgl. Kern, Edle Tropfen, 303. [mk]
Euander [1] [Gr. Heros, mythischer Gründer des Palatins]
G: Vater des Pallas (Al, El) R: König von Pallanteum (Al), Feind des Turnus (Al) Nf.: Evander (Al, D l ) , Evandirs (El) I. Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman\ Der alte E, den Aeneas auf Rat der Venus aufsucht, um von ihm Hilfe gegen Turnus zu erbitten (5858), empfängt Aeneas während des alljährlichen Herculesfestes, erinnert sich an Anchises, fordert Aeneas auf, vom Untergang Trojas zu berichten, lädt ihn zur Schwertleite seines Sohnes Pallas ein und gibt ihm diesen
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Euander [2] — Euctemon
und 1000 Ritter zur Unterstützung im Kampf gegen Turnus (6041-6297; 7293). Später beklagt er den Tod seines Sohnes (8137) und sorgt für dessen ehrenvolle Bestattung (8343). D l Hugo von Trimberg, ,Der Renner'·. E's Reichtum wird vom Tugendreichtum des armen Fischers Petrus überboten (1442; Herrscherkatalog). Wer nach Art des Vogels Galander ein bescheidenes, geistliches Leben führt, verzichtet auf den Reichtum eines Ε (19649; Herrscherkatalog). El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 26410: Ε ist Vater des Pallas, der Aeneas im Kampf um Italien unterstützt. II. E, ursprünglich ein arkadischer Heros, gilt seit dem 3. Jh. v. Chr. als erster, vortrojanischer Auswanderer nach Italien. [1] Vergil gestaltet die Sage im achten Buch der ,Aeneisl aus, Al folgt dieser Version über Vermittlung des afrz. ,Roman d'Eneas'. Die Mediävalisierung der Handlung wird v.a. am Motiv der Schwerdeite von E's Sohn Pallas und an E's Klagerede um den gefallenen jungen Ritter deutlich. Die genealogische Nennung in El findet sich im Bericht zur Geschichte des Aeneas. Er ist - wohl mit Rücksicht auf die (ausgehend von Al) breite volkssprachliche Rezeption - relativ ausführlich gehalten. Ansonsten erschöpfen sich die profangeschichtlichen Exkurse zur Heilsgeschichte, dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, meist in einer katalogartigen Aufzählung von Herrscherhäusern. In Dl fungiert Ε im Rahmen traditioneller didaktischer Topoi als Exempelfigur für den reichen und mächtigen Herrscher. Dass die Kataloge neben den in diesem Kontext häufig genannten Gestalten wie Alexander, Caesar, Croesus und Priamus auch Aeneas, Turnus und eben Ε nennen, lässt analog zu El auf eine bewusste Bezugnahme auf den durch Al bekannten Stoff schließen. [1] S.v. Euandros [l.J (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 2, Sp. 394f.
Nachbenennung ,Göttweiger Trojanerkrieg (EUander, AUander, Eiiander)·. E, ein Verwandter des Aiax und Bruder des Iason, rächt Aiax' Tod an Agamemnon und Ulixes (19806-20106) und befreit seine entführte Frau Amolita (20215-21515). [1] [1] Die motivlichen Übereinstimmungen mit Ε sind mehr als vage, dennoch könnte sich die Nf. aufgrund der Bekanntheit von Al auf die Ε-Gestalt beziehen; zu Stelle und Figur Kern, Agamemnon weint, 139ff. [mk]
Euander [2] [Sohn des Priamus; Dictys 69,26]
Al Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg', Fortsetzung (Evander): Der trojanische Königssohn Ε wird gefangen genommen und auf Befehl des Achilles aus Rache für Patroclus getötet (40521; 40561). [sks]
Euclides [4./3. Jh. v. Chr., der Mathematiker und Geometer, sein Hauptwerk sind die .Stoicheia']
Dl Thomasin von Zerklaere,,Der welsche Gast' 8954: Thaies und Ε sind die hervorragendsten Vertreter der Geometrie (Katalog von Autoritäten in den Septem Artes Liberales). [1] [1] Ε war fiir die ma. Geometrie, eine der Septem Artes, von hoher Bedeutung. Sein Werk war schon im 5. Jh. durch Übersetzungen aus dem Gr. und dann im 12. Jh. durch Übersetzungen aus dem Arabischen bekannt; s.v. EukUiäes [3.] (J. Mau), in: DKP, Bd. 2, Sp. 416-419. Außerhalb der gelehrten Kultur wird sein Name aber kaum geläufig gewesen sein, worauf auch der singulare mhd. Beleg hinweist. Er spricht für den Bildungshorizont des Autors. [mk]
Euctemon [Gefolgsmann Alexanders, wird von den Persern verstümmelt, erhält von Alexander als Entschädigung Land; Curtius V.5,9; Chätillon VI,218]
R: Ritter (A2) Nf.: Euticio, Euticion (A2) I. Al Rudolf von Ems, Alexander' 13997: Der verständige Ε klagt im Namen der Versehrten
Eudochius — Eumelus Kämpfer über den Verlust von Gut und Zuversicht. Er sieht es den Frauen gegenüber als Schmach an, verstümmelt heimzukehren, und rät, Alexander um Lehen zu bitten. Er setzt sich damit gegenüber Theaetetus durch, der die Rückkehr empfiehlt. A2 Ulrich von Etzenbach, »Alexander': Der weise Ritter Ε rät den im Kampf mit den Persern Versehrten Griechen, in der Fremde zu bleiben, da sie als Krüppel daheim von ihren Freunden und Frauen verächtlich behandelt würden. Frauen seien wankelmütig, und echte Freunde seien rar (15513; Zerstörung von Persepolis). Theaetetus widerspricht Es pessimistischen Ansichten, glaubt an den Beistand der Angehörigen und rät zur Heimkehr (15642; 15691). Die meisten Versehrten hören aber auf E, bleiben in der Fremde und werden von Alexander mit Ländereien und Reichtümern versorgt (15737). II. Gestalt und Handlung von Al und A2 sind weitgehend identisch. Die Unterschiede im Detail ergeben sich aus der Quellenlage: Al folgt Q. Curtius Rufus direkt, A2 mittelbar über die Alexandreis' Walters von Chätillon. Die im Vergleich zu Al heftigere misogyne Polemik E's in A2 findet sich schon bei Walter von Chätillon. [mk/sks]
Eudochius [Gefolgsmann des Darius; Chätillon 111,75]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander' (Eudochion): Ε wird von Eumenidus in der Schlacht bei Issos verwundet (8157; 8168). [sks]
Euippe [Gattin des Pieros; MM 5,303]
Al Alhrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,528: Ε ist Gattin des Pieros und Mutter
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der neun Schwestern, die den Musen aus Hochmut in einem Sangesstreit den Helikon streitig machen wollten und danach in Elstern verwandelt wurden (Sangeswettstreit am Helikon; Erzählung einer Muse an Pallas Athene). [mk]
Eumelus [Verbündeter der Griechen aus Pherae; Dares 18,8; Dictys 12,11; Benoit 5649 Emelius}
Nf.: Emelius, Eumelius, Eumelus (A2), Menelaus [!], Mennon, Merius (Al) I. Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Ε stammt aus Tygris und fuhrt 10 Schiffe zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3358); bildet bei der Landungsschlacht mit Ulixes eine Heerschar (4896) und attackiert in einer weiteren Schlacht mit Diomedes Troilus (8942). [1] [1] Die Nf. Merius (3358) lässt sich als Diplographie zu dem zuvor genannten Merion erklären, meint aber wohl Ε (Merius ist also nicht mit Merion identisch, wie Chandler, Catalogue, 203 vermutet). Die Variante Menelaus (4896) scheint aus der Nf. Emelius bei Benoit de Sainte-Maure verschrieben. Mit der Nf. Mennon (8942) ist wahrscheinlich Ε gemeint, da dieser im Unterschied zu dem Trojaner Memnon auch sonst gemeinsam mit Ulixes und Diomedes kämpft.
A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg: Der mächtige Graf Ε aus Tigerlant erwirbt sich als Verbündeter der Griechen vor Troja großen Kampfesruhm (23847; 36778; Katalog der Griechen). ,Trojanerkrieg'-Fortsetzung: Ε nimmt an der Siegesfeier des Achilles nach der Tötung Hectors teil (40930; Katalog) und fungiert als Bote bei den Friedensverhandlungen mit den Trojanern (47801; Katalog). II. E, der Sohn des Admet, wird schon bei Homer als gr. Kämpfer vor Troja genannt (,Ilias' 2,714). Die Angaben in Al (mit stark variierender Nf.) und A2 basieren auf dem
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Eumenidus — Euphemus
,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, die Fortsetzung von A2 folgt direkt dem Trojabericht des Dictys. Die Herkunftsbezeichnung Tygris oder Tigerlant erklärt sich aus der Entstellung von Pherai (Dares) zu Pigris bei Benoit. [mk/sks]
A2 Rudolf von Ems, »Alexander '·. Der mächtige Ε wird von Alexander mit einem Heer nach Sizilien gesandt (3416), erobert viele Küstenländer und kehrt mit Hilfstruppen und Geschenken der Römer für Alexander zurück (4036-4048). Ε begleitet Alexander auf seinem Botengang zu Darius bis zum Fluss Stranga (6201-6232).
Eumenidus
II.
[Gefolgsmann Alexanders, tötet Diaspes und verwundet Eudochius; Chätillon 111,73]
Dass Ε Alexander auf seinem Botengang zu Darius begleitet, ist ein gängiges Motiv der Alexandertradition. Seine Entsendung nach Sizilien scheint eine selbständige Erweiterung von A2 zu sein. Die Episode ist im Kontext der ma. Weltreichstheorie zu sehen und dient der Stilisierung Alexanders als Herrscher des dritten Weltreichs, dem die Römer als künftige Herrscher des letzten, vierten Weltreichs zu Recht huldigen.
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander' (Eumenidon)·. Der edle, angesehene und tapfere Graf Ε tötet im Kampf Diaspes, verwundet Eudochius (8158; Schlacht bei Issos), kämpft während eines Spähgangs mit dem persischen Kundschafter Mazaeus, verzichtet aber auf den entscheidenden Schlag, als Mazaeus vor Schwäche sein Schwert verliert. Die beiden trennen sich in Frieden (11835-11949; [1] Schlacht bei Arbela; als Kämpfer genannt: 13971). [ 1 ] Bei Walter von Chätillon wird an der entsprechenden Stelle ein nur hier belegter Menidas als Kundschafter von Alexander ausgesandt, hs. Varianten haben die Nf. Eumenidan (.Alexandreis' IV,278). Das Motiv vom Kampf, der wegen des zerbrochenen Schwertes eines Kämpfers beendet wird, übernimmt Al selbständig aus Wolframs ,Parzival' (744,10ff.; Kampf zwischen Parzival und Feirefiz). Nachbenennung Heinrich von dem Türlin, ,Diu Cröne'(Eumenides, Vinemdes)'. E, der Bruder des Sandarap, kämpft tapfer gegen Gawein (6449-6621). [1] [ 1 ] Möglicherweise liegt ein Reflex der antiken Nf. vor. [sks/mk]
Eumilo [Statthalter Alexanders; Leo 90,5]
[sks/mk]
Eumolpus [Sohn des Musaeus, gibt dessen Gedichte heraus, gilt als Initiator der eleusinischen Mysterien]
El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 20122 (Emolphis)·. Ε ist der Vater des Musaeus, der zur Zeit der Herrschaft des Theseus als Gelehrter („büchmeister") in Athen lebt (Katalog). [1] [1] Die Stelle könnte sich auf eine der Nebenquellen von E l , das ,Chronicon universale' des Ekkehardus Uraugiensis, beziehen, wo Ε wie hier gegen die antike Genealogie als Vater und nicht als Sohn des Musaeus genannt ist (PL 154, Sp. 521: „Museus, Emolpi filius", man beachte die ähnliche Nf.); vgl. auch die Nennung Es in der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 242; Hinweis bei Ehrismann [Hg.]), allerdings mit der richtigen Genealogie. [mk]
R: Fürst, Marschall, Krieger (A2) Nf.: Eumilio (A2), Eomulus (Al) I.
Euphemus
Al Pfaffe Lamprecht, ,Alexander' S 3022: Ε
[Führer der Trojaner aus Ciconia, wird von Achilles getötet; Dares 22,18; Dictys 47,10; Benoit 6695 Eufemis]
begleitet Alexander auf seinem Botengang zu Darius bis an den Fluss Stranga (Alexanders Zug nach Persien).
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' (Eufemes): Der alte, tapfere König Ε aus Lauco-
Euphorbus — Euripides nie unterstützt die Trojaner mit 1000 Rittern (3997; Katalog), kämpft bei der Landungsschlacht in Aeneas' Schar (4717; Katalog; 5541), greift in den späteren Kämpfen Achilles an und wird von diesem getötet. Priamus beklagt E, Hector will ihn rächen (6847; Katalog; 7630). Ε wird später wieder als Kämpfer genannt [!] (9706). [1] [1] Es neuerliche Nennung nach seinem Tod in Al erklärt sich aus den zwei Gestalten namens Eufemus bei Benoit de Sainte-Maure. Eine klare Unterscheidung der beiden ist in Al trotz zweier divergierender Herkunftsnennungen (3995 „Lauconie", 6846 „Calcedonie") nicht möglich. Die Gestalt findet sich im Übrigen schon in Homers ,Ilias' (2,846; Euphemos, Führer der Kikonen). Nachbenennung Ulrich von Türheim, ,Rennewart' (Eufemias, Boufinemias): König Ε von Parmenie kämpft in der Schlacht vor Orange im Heer des Sarazenenkönigs Terramer (20335; 23216; 23274). [mk]
Euphorbus [Dardaner, Sohn bzw. Vater des Panthus, Kämpfer vorTroja; Dares 10,16; Pythagoras behauptete, eine Verkörperung des Euphorbus zu sein; MM 15,161]
G: Vater des Panthus (A3) R: Lehrer des Panthus (A2), Wahrsager (A2, A3), Meister (A2), Kämpfer vor Troja (Al, A3) Nf.: Enforbius (A2), Ephorbus (Al), Eufebius (A3), Euforbius (A2), Euforbus (A3) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 15,144·. In Es Körper wohnte einst die Seele des Pythagoras. Sie wurde durch Agamemnons Speer aus ihm vertrieben. Zur Zeit ist diese Seele nun Pythagoras selbst (Exemplum für Pythagoras' Lehre über die Unsterblichkeit der Seele und die Seelenwanderung). A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'2299: Ε hatte dem Panthus 50 Jahre zuvor aus einem Zauberbuch vorhergesagt, dass Paris der Stadt Troja Unglück bringen werde. Panthus schließt sich deshalb bei den Beratungen des trojanischen Hofes dem Helenus an, der vor den Folgen einer Entführung Helenas durch Paris warnt.
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A3 Konrad von Würzburg, ,Trojaner krieg' 19254·. Der hundertjährige, weise Ε prophezeite den Untergang Trojas durch Paris, sollte dieser eine gr. Frau heiraten (Ratsversammlung in Troja vor der Entführung Helenas). , Trojanerkrieg-Fortsetzung' 43381·. Ε fällt wie viele andere Trojaner in der Schlacht zwischen den Heeren Memnons und der Griechen und wird beklagt (Katalog). II. Ε ist schon in Homers ,Ilias' als trojanischer Kämpfer genannt, er verwundet dort Patroklos (16,806). Die Angabe in Al folgt direkt Ovids ,Metamorphosen'. Ε dient hier Pythagoras als Exemplum für die Unsterblichkeit der Seele und die Seelenwanderung. Dass diese Theorie aus christlicher Sicht inakzeptabel ist, ist Al keinen Hinweis wert. Die Trojaromane (A2, A3) fassen Ε nach Dares und Benoit de Sainte-Maure als Wahrsager und referieren seine Prophetie zum FallTrojas. In A2 wird dabei Panthus als E's Schüler und nicht wie in A3 nach Dares (10,16) und Benoit de Sainte-Maure (4090) als sein Sohn vorgestellt. Die Nennung in der Fortsetzung von A3 folgt Dictys (67,24). Wie andere Prophetien (etwa die von Helenus, Cassandra und Medea) wird die Prophetie in A2 mediävalisiert als Buchprophetie aufgefasst (ein Vorbild für diese Adaption könnten die sibyllinischen Bücher sein). [mk/sks]
Euripides [480-406 ν. Chr., der jüngste der drei berühmten athenischen Tragödiendichter]
Dl Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast' [7097]·. Ein weiser Mann hat gesagt, wer kein Kind bekommen könne, sei in seinem Unglück glücklich, da Kinder immer Sorgen bereiten. [1] [1] Die Stelle zitiert Boethius, .Consolatio Philosophiae', III.7,17f.: „In quo Euripidis mei sententiam probo, qui carentem liberis infortunio dixit esse felicem" („Hierin stimme ich der Meinung meines Euripides zu, der den Kinderlosen
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Europa
als im Unglück glücklichen bezeichnete."). Das Zitat bezieht sich auf Euripides' .Andromache', 4 l 8 f f . (Beleg bei Gigon, Hg., 291). Ob D l mit dem Weisen Ε oder nicht vielmehr Boethius meint, ist unsicher. Wie Aischylos und Sophokles bzw. die gr. Dramatik überhaupt ist Ε dem abendländischen MA weitgehend unbekannt. [mk]
Europa [Tochter des phönikischen Königs Agenor und der Telephassa, wird von Iuppiter in Gestalt eines weißen Stieres nach Kreta entfährt und gebiert ihm Minos, Rhadamanthys und Sarpedon]
W: Göttin (E3) G: Tochter des Königs Agenor (Al), Schwester des Cadmus (Al), Geliebte des Iuppiter (Al, El), Mutter des Minos (Al) R: Königin von Sidon (Al) I. Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen': Die schöne Ε bemerkt beim Blumenpflücken am Strand von Sidonie einen weißen Stier in der Viehherde ihres Vaters. Als er ihr zugeht, umkränzt sie ihn mit Blumen, steigt auf seinen Rücken und wird von ihm übers Meer entführt. Am anderen Ufer gibt sich Iuppiter zu erkennen. Cadmus sucht im Auftrag Agenors vergeblich nach Ε (2,1826-3,4). Arachnes Teppich zeigt die Entführung E's durch Iuppiter in Gestalt eines Stieres. Ε sitzt auf seinem Rücken und hält ängstlich Ausschau nach Land (6,204; 6,207; Descriptio; Katalog der Geliebten des Iuppiter; RV). E's Schönheit wegen hat sich Iuppiter in einen Stier verwandelt. (8,131; Nennung als Mutter des Minos: 8,220). B1 Ulrich von Etzenbach, ^Alexander' 3981: Das Land Ε ist nach der Jungfrau Ε benannt (Exkurs zur Gründung Thebens). E l Otto von Freising, ,Laubacher Barlaam' 11096·. E, die von Iuppiter in Gestalt eines Stieres erobert wurde, gibt im Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden ein abschreckendes Beispiel für die Lasterhaftigkeit der gr. Gottheiten (Götterkatalog).
E2 Rudolf von Ems,,Barlaam' 9975'. Die trügerischen Bücher der Griechen berichten von der Entfuhrung der lieblichen Ε durch Iuppiter in Gestalt eines Stieres - aus christlicher Sicht eines der vielen Beispiele für die Verwerflichkeit des heidnischen Götterglaubens (Götterkatalog). E3 Rudolf von Ems,,Weltchronik'3235: Ε ist eine der Göttinnen, an die die alten Griechen aufgrund ihrer Torheit und des verderblichen Wirkens des Teufels glaubten (Götterkatalog). [1] [ 1 ] Der Katalog nennt außerdem Pallas, Juno, Venus, Diana, Ceres und Latona (3232ff.).
II. Die Entführung E's durch den stiergestaltigen Iuppiter ist in der ma. Myelographie ein populäres Motiv [1], ansonsten aber wenig bekannt. Sie wird in Al, E l und E2 referiert. Die Angaben in Al folgen den Metamorphosen' Ovids. E l und E2 stehen in der Tradition christlich-apologetischer Literatur. Der Ε-Mythos gibt daher wie zahlreiche andere Mythologeme ein Beispiel für die moralische Verwerflichkeit des gr.-heidnischen Götterglaubens. Ähnlich negativ argumentiert der Götterkatalog in E3 aus einer christlichheilsgeschichtlichen Perspektive. Dass sich unter den wenigen Götternamen auch der E's findet, ist angesichts ihrer eher untergeordneten Bedeutung erstaunlich. Ein Reflex des Ε-Mythos könnte noch in Konrads von Stoffeln ,Gauriel von Muntabel' (3923) vorliegen. Dort wird die nicht namentlich genannte Tochter des Grafen von Asterion von dem auf einem Wisent reitenden Riesen Jorant entführt. [2] Die mythologische Etymologie für das Toponym Ε bringt nur B1 und greift dafür vermutlich auf eine Glosse zur Alexandreis' Walters von Chätillon zurück. [3] [ 1 ] Erwähnungen finden sich bei Isidor, in der .EclogaTheoduli' und bei den Mythographi Vaticani, hierzu Chance, Medieval Mythography, passim (Reg.). [2] Achnitz (Hg.), 573 zur Stelle. [3] Vgl. etwa die Glosse zu Alexandreis' 1,396 bei Colker (Hg.), 313. [mk]
Europs — Eurydice Europs [König von Sikyon]
Al Rudolf von Ems, , Weltchronik'·. Ε folgt dem Aegialeus als zweiter König von Sicyon (3560; Katalog), sein Nachfolger ist Apis (8614; Katalog). [1] Dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, finden sich die profangeschichtlichen Daten in Exkursen zur Heilsgeschichte. Sie erschöpfen sich meist in katalogartigen Aufzählungen der einzelnen Herrscherhäuser und verzichten weitgehend auf narrative Darstellung, so auch hier. Für die Nennung Es vgl. die Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 111) und das .Pantheon' Gottfrieds von Viterbo (PL 198, Sp. 1025). [mk]
Eurus [Ostwind; M M 1,61]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Der wohltemperierte, milde Wind Ε hat sein Haus im Osten. Aeolus hält Ε in einer Höhle eingeschlossen (1,113; Kosmologie; Katalog der Winde). Ε ist in eine der vier Ecken des Teppichs eingewirkt, den Pallas Athene im Wettstreit mit Arachne verfertigt (6,130; Descriptio). Als sich Ceyx auf hoher See befindet, weht Ε stärker als gewöhnlich, Ceyx erleidet Schiffbruch und ertrinkt (11,837; [1] Ceyx und Alcyone). [1] Im Gegensatz zu Ovid ist Ε bei Al personifiziert (vgl. „herreE" 11,837). [mk]
Euryalus [1] [Aus Argos, zieht mit Diomedes gegen Troja; Dares 13,20; Benoit 5013]
R: König (Al, A2) Nf.: Eurialus, Euriolus (Al), Uriel us, Uriolus (A2)
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Argos nach Athen (3390; Katalog) und bildet mit den beiden in der Landungsschlacht eine Schar (4929; Katalog; als Kämpfer genannt: 6836; 6993 [1]). [ 1 ] Dem Wortlaut nach treten die beiden Griechen Thalpius (Nf. Theseus) und Euryalus gegeneinander an, was nicht sinnvoll ist. Vielleicht ist Theseus eine Verschreibung des im Kämpferkatalog zuvor (6836) genannten Trojaners Nesteus (-» Nastes).
A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg'·. Ε ist einer der gr. Heerführer vor Troja und befehligt die 13. Schar des gr. Heeres (30684; 33566). II. Ε wird als gr. Kämpfer vor Troja schon in Homers ,Ilias' genannt. Die Belege in Al und A2 folgen grundsätzlich dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, der die Gestalt von Dares übernimmt. Die detaillierteren Angaben in Al entsprechen Benoit. A2 verfolgt eine eigenständige Konzeption und konzentriert sich in der Kampfesdarstellung auf die zentralen Gestalten, weshalb sich bei Nebenfiguren wie Ε einige Unterschiede zu Benoit (und damit auch zu Al) ergeben. [mk]
Euryalus [2] [Trojaner, Begleiter des Aeneas, Freund des Nisus; .Aeneis' 5,294; RdE 4912 Eurialus]
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman' (Eurialus)·. Der tapfere E, der Torwächter von Montalbane, plant mit seinem Freund Nisus einen Überfall auf das Lager des Turnus und raubt aus dem Zelt des Messapus einen kostbaren Helm, dessen Funkeln Ε jedoch bei den Feinden verrät. Er wird gefangen genommen und auf Volcens' Befehl hin enthauptet. Die Trojaner trauern um ihn (6541-6830). [sks]
I. Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Ε ist Eurydice [Gattin des Orpheus; stirbt an einem Schlangenbiss, einer der gr. Fürsten, die nach der EntfühOrpheus' Versuch, sie aus der Unterwelt zurückzuholen, rung Helenas einen Rachefeldzug gegen Troja scheitert; M M 10,31] beschließen und Agamemnon zum Oberbefehlshaber küren (2841; Katalog). Er führt Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' mit Diomedes und Sthenelus 40 Schiffe aus (Euridice): Bei der Hochzeit von Ε und Or-
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Eurynome — Eurypylus [2]
pheus verheißt der Hochzeitsgott Hymenaeus Unheil. Als die tugendhafte Ε an einem Schlangenbiss stirbt, kann Orpheus sie von Pluto und Proserpina zurück erbitten, wendet sich beim Aufstieg zur Oberwelt aber nach ihr um, worauf Ε mit einem kaum zu hörenden „Lebewohl" [1] entschwindet (10,5; 10,17; 10,136). Ε empfängt den toten Orpheus in der Hölle (11,119). [1] E s „Vale!" bei Ovid ( M M 10,62) wird mit „Bis [nhd. „sei"] gesundt!" übersetzt. Zur ma. Rezeption des OrpheusE-Mythos Orpheus. [mk]
Eurynome [Mutter der Leucothoe; M M 4 , 2 1 0 ]
Al Albrecht von Halberstadt,,.Metamorphosen' (Eurimone, Eurinome): Apollo schleicht sich bei Leucothoe in Gestalt ihrer Mutter Ε ein, schickt die anderen Jungfrauen nach Hause, gibt sich ihr zu erkennen und schwängert sie (4,374; 4,399). [mk]
Eurynomus [Einer der Kentauren, fällt im Kampf mit den Lapithen; M M 12,310]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12,543 (Euricomus)·. Ε flieht wie viele andere Riesen vor Medon, nachdem dieser Rhoetus getötet hat (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf; Katalog). [1] [1] Die Kentauren werden im Text als herumziehende Riesen aufgefasst. Die Adaption greift offenbar auf vertraute Vorstellungen aus der Heldensage zurück. Nur in 12,631 werden sie explizit als Mischwesen bezeichnet. Bei Ovid fliehen Ε u n d die anderen Kentauren nicht vor Medon, der selbst ein Kentaur ist, sondern vor Dryas.
I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 13,488·. Auch Ε könnte legitime Ansprüche auf die Waffen des Achilles stellen, wenn in dieser Sache nicht der Starke zugunsten des Klugen zurücktreten müsste. Alle möglichen Bewerber wären jedenfalls würdiger als Aiax (Streit um die Waffen des Achilles; Rede des Ulixes). A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Ε führt seinem Schwur entsprechend 50 Schiffe zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3380; Katalog), bildet in der Landungsschlacht mit seinen Männern eine Schar (4915; Katalog) und wird in einem späteren Kampfvon Hector getötet (10238). A3 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg'·. Der ehrenvolle, starke Ε kämpft als Verbündeter der Griechen vor Troja (23870; 36787; Katalog). II. Einen Griechenkämpfer Ε kennt bereits die ,Ilias' (2,738). Seine Erwähnung in Al bezieht sich auf die entsprechende Stelle in Ovids ,Metamorphosen' (13,357). Die Nennungen E's in den Trojaromanen A2 und A3 stehen über den ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure (5665) in der Tradition des Trojaberichts von Dares Phrygius (18,14). Benoit (16054) folgend berichtet A2 von seinem Tod durch Hector. [mk]
Eurypylus [2]
[mk]
[Mysischer Heros, Sohn des Telephus, Verbündeter der Trojaner; Dictys 9 2 , 1 2 ]
[Thessalischer Heros aus Ormenion, Kämpfer vor Troja, bestreitet einen Zweikampf mit Hector und wird von Paris verwundet]
Al Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung (Euripilus)·. Der junge, tapfere König Ε von Mysia, der Sohn des Telephus und Nachfahre des Priamus, erhält von Priamus für die Unterstützung der Trojaner wertvolle Geschenke (44661; 44899), besiegt in den Kämpfen u.a. Peneleus und Nireus und wird
Eurypylus [1]
R: König (A3) von Orkanie (A2) Nf.: Euripilus (Al, A2, A3)
Eurysaces schließlich von Pyrrhus getötet. Die Trojaner beklagen ihn (44917-45048). [sks]
Eurytus [2]
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von Mykene (19907; 19933; Katalog). [1] [1] NfF. und Zuordnungen variieren: Eristeus, König von Mycenae (19907), Eurihteus, König von Mycenae, (19933) und Euristeus, König von Argos, (15755), meinen aber wohl ein und dieselbe Gestalt.
II.
Eurysaces [Sohn des Aiax Telamonius, wird von Teucer aufgezogen; Dictys 118,12; Benoit 27321]
Al Herbort von Fritzlar, ,lietvon Troye' 16904 (Eustatis)·. E, der Sohn des Aiax und der Tecmessa, und sein Halbbruder Aeantides werden nach Aiax' Tod von Teucer aufgezogen. Beide geraten ganz nach dem Vater. [mk]
Eurysthenes [Der Sage nach erster König der Spartaner, Stammvater der Agiaden]
El Rudolf von Ems,, Weltchronik'26778 (Euristus): Ε ist der erste König der Lacedaemonier (Katalog). [1] [ 1 ] Dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, sind die mythologischen Daten historisch aufgefasst und werden in profangeschichtlichen Exkursen zur Heilsgeschichte (meist in Katalogform) erinnert. Der Beleg greift vermutlich auf die Nennung E's in der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 291; Eurysteus) zurück. [mk]
Eurystheus [König von Tiryns oder Mycenae, für ihn muss Hercules die 12 Arbeiten erledigen]
G: Sohn des Sthenelus (El) R: König von Mycenae und Argos (El) Nf.: Eurihteus, E(u)risteus (El)
Die knappe Anspielung auf Ε bei Ovid (MM 9,274), der im Übrigen von einem fortgesetzten Hass des Ε gegen Hercules' Nachkommen spricht, wird in Al nicht erläutert und war dem ma. Publikum in seinem mythologischen Zusammenhang wohl kaum verständlich. Die Nennungen in El berichten von E's Rolle im Herculesmythos nichts. Dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, sind die mythologischen Daten historisch aufgefasst und werden in einem katalogartigen Exkurs zur Heilsgeschichte erinnert. Die Angaben beziehen sich auf die Nennung E's im ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 519), eine der Nebenquellen des Textes. [mk]
Eurytus [1] [Vater der Iole, wird von Hercules im Bogenschießen besiegt und schließlich getötet, als er ihm Iole als Siegespreis verweigert]
Al Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg' 38193 (Euritus)·. Der ehrenvolle, vornehme König Ε bricht sein Versprechen, dem Hercules seine Tochter Iole zur Frau zu geben, und wird deshalb von Hercules vertrieben (Erzählung des Philoctetes vorTroja). [1] [1] Quelle der Nennung sind Ovids .Heroides' 9,133, eventuell mit Glossen; Lienert, Geschichte und Erzählen, 166. [sks/mk]
I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 9,569'. Ε lässt nach Hercules' Tod von dem Zorn ab, den er gegen den Helden gehegt hat. El Rudolf von Ems,,Weltchronik': Ε gewinnt das Land der Argiver zurück (15755; Katalog der Könige von Argos) und ist der erste König
Eurytus [2] [Einer der Kentauren; fällt im Kampf mit den Lapithen; M M 12,228]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12,430 (Eurithus): Ε ist plump, ungestüm, unbesonnen und der grimmigste aller Riesen [ 1 ], die auf dem Hochzeitsfest des Pirithous und
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Exadius
der Hippodame erscheinen. Als er betrunken Pirithous' Braut Hippodame an sich reißt, wird er von dessen Freund Theseus getötet. Es entbrennt ein heftiger Kampf (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf). [1] Die Kentauren werden in Al als herumziehende Riesen aufgefasst. Die Adaption greift offenbar auf Vorstellungen zurück, die dem höfischen Publikum aus der dt. Heldendichtung vertraut sind. Nur in 12,631 werden sie explizit
als Mischwesen bezeichnet;
Centauri.
[mk]
Exadius [Lapithe, beteiligt sich am Kampf gegen die Kentauren; M M 12,266]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12,487: Ε sticht dem Riesen Gryneus, der Broteas und Orios getötet hat, mit einem Hirschgeweih beide Augen aus (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf; Katalog). [mk]
F Fama
Fortuna
[Göttin des Gerüchts; M M 12,43]
[Göttin des Glücks]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12,87-122 (Fama, Mere): Der Macht der F und ihren Botschaften, die Lüge wie Wahrheit sein können, kann sich niemand entziehen. Ihr Palast, von dem jedes Gerücht seinen Ausgang nimmt, steht am Scheidepunkt von Himmel, Erde und Meer, hoch oben, damit F alles vernehmen kann. Er ist aus widerhallendem Metall gebaut, hat mehr als tausend Öffnungen, und die Türen stehen auch nachts offen. [1] F verkündet den Trojanern die Ankunft der Griechen (Trojanischer Krieg; Descriptio).
W: Göttin der Heiden (B2, El) R: Königin (B2), vrouwe (Epitheton) (Bl) Nf.: Fortune (A3, Bl, El)
[ 1 ] Al adaptiert das Bild vom Klang im Palast F's, er ist nicht wie bei Ovid (MM 12,49fF.) mit Gewitterrollen oder Wellenrauschen, sondern mit dem Ton einer Glocke verglichen. Weitere Personifizierungen Ovids an dieser Stelle (Error, Credulitas u.a.m.) werden von Al nicht übernommen. [mk]
Faun us [König der Laurenter, Vater des Latinus]
El Rudolf von Ems,,Weltchronik'·. F folgt seinem Vater Picus als König von Italien. Sein Nachfolger ist wiederum sein Sohn Latinus (20072; 20092; Katalog der Könige von Italien). [1] [1] Die Stelle folgt der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1285d). Als frühitalischer König, Vater und Vorgänger des Latinus ist F auch bei Vergil (»Aeneis1 VII,47) und bei Ovid (MM 14,449) gedacht. Dass er mit dem Gott F, der röm. Entsprechung des gr. Pan, identifiziert wurde, ist wahrscheinlich (s.v. Faunus [W. Eisenhut], in: DKP, Bd. 2, Sp. 521f.). Dem Prinzip ma. Weltchronistik folgend, ist die sagenhafte Gestalt historisch aufgefasst. Die profangeschichtlichen Daten werden in Exkursen zur Heilsgeschichte geboten, die sich meist - so auch hier - in katalogartigen Aufzählungen von Herrschergenealogien erschöpfen.
I. Al Pfaffe Lamprecht, Alexander' S3416: F hilft — wenn sie will — den Armen und treibt mit den Reichen ihr Spiel. Ihr Rad dreht sich beständig: Wer eben noch fest oben saß, fällt im nächsten Moment tief hinunter (Schlacht am Stranga; Rede des Darius). A2 Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'\ F rettet Aeneas aus der Seenot (231). Einst hat sie Dardanus von Italien nach Troja geführt (11684). A3 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg': F gewährt keine Sicherheit vor Unglück. Ihr Glücksrad dreht sich beständig auf und nieder, weshalb man sich seiner Lage nie sicher sein kann. Keiner weiß, nach welcher Laune F Glück gewährt oder nicht. Deshalb kann sich niemand, auch der Liebende nicht vor Unglück bewahren (2344-2358; Streit der Göttinnen; Rede der Venus). F wendet sich von Priamus und Laomedon ab (5758; VD auf den Untergang Troj as) und schenkt Helena Glück (21827; Paris und Helena). A4 Ulrich von Etzenbach, Alexander': Die Griechen beklagen wegen Alexanders Erkrankung nach dem Bad im Fluss Kydnos die Wankelmütigkeit der F. F rechtfertigt sich damit, dass dies ihr Wesen sei und man sie eben so nehmen müsse, wie sie sei (6364; 6422). Darius spricht seinen Männern vor der Schlacht bei Issos Mut zu: F werde sich von Alexander abwenden und ihnen hold sein (7070). F jedoch verlässt die Perser (7370),
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Fortuna
Alexander vertraut auf sie, weil sie den Griechen stets treu war (7540). B1 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crone'·. F sitzt alleine und ohne Erben auf ihrem Rad, nachdem Atropos den von Lachesis gesponnenen Lebensfaden des Artus zerrissen hat (299). Wer findet, was er verlangt, dem hat es F gütig gewährt (4702). Der Zaubergürtel, den Gasozein Artus für Ginover gibt, bewirkt u.a., dass F den Träger des Gürtels nicht betrügt, sondern ihm stets Heil und Saelde folgen (4877). Wäre F Gawein wohlgesonnen, würde seinem Liebesleid rasche Abhilfe verschafft (8547; Gawein und Amurfina). Hätte F Gawein im Stich gelassen, wäre er auf seinen Abenteuerfahrten ums Leben gekommen (14985). Das Feldzeichen des Ritters Efroie zeigt F auf dem Rade, es wird später im Kampf zerstochen (18085; 18304). B2 Albrecht, Jüngerer Titurel': F gilt den Heiden fälschlicherweise als Göttin. Die Christen hingegen wünschen einander Glück und Heil in dem Bewusstsein, dass es von Gott kommt, auch wenn sie das nicht ausdrücklich hinzufügen (4209,2; Exkurs). F brachte Titurison ganz nach oben (131,2), verhalf Bolitars zu Ansehen (3252,2), verlieh den 80 Jungfrauen am Artushof Glück (1637,2) und verhilft zu Kampfesglück (2272,2; 4233,3; 2628,2; 4280,3; 2648,4). Orilus glaubt sich von F gehasst (4475,2). Die F Sigunes ist nichts anderes als Leid (5143,2). El Hugo von Langenstein,,Martina'218b,33: Als es dem heidnischen Kaiser Alexander nicht gelingt, die Christin Martina zu Tode zu bringen, beklagt er, dass ihm die segenspendende („selderiche") F und die Launen ihres Glücks („ir geluckes lüne") nicht gewogen seien. II. 1) F in der Antike; 2 ) F im M A ; 3) F u n d „Saelde"/„Gelücke" in der m h d . Literatur; 4 ) M h d . F-Belege
1) Die röm. Göttin F fand im antiken Italien frühe und breite Verehrung. Sie ist offenbar eine typische Gottheit des Kultes, die freilich keinen eigenen Mythos hat. Letzteres ist für Göttergestalten mit derart sprechenden
Namen typisch. Ebenso grundsätzlich ist die Tendenz zur allegorischen Deutung und ikonographischen Ausgestaltung, die für die Rezeption in Philosophie und Kunst eine maßgebliche Rolle spielt und die ursprünglich vielleicht v.a. auf weibliche Lebensabschnitte (Hochzeit, Mutterschaft) bezogene Göttin in den Status einer breit rezipierbaren Personifikation wechseln lässt. Entscheidenden Einfluss auf F-Allegorie und F-Ikonographie hat die Identifizierung mit der im gr. Hellenismus zu einiger Bedeutung aufgestiegenen, ebenfalls allegorischen Göttin Tyche. Die antike Ikonographie stellt F meist blind auf einer Kugel stehend dar. Dabei überwiegen die negativen Aspekte, u.a. aufgrund des Einflusses der stoischen Tyche-Konzeption (Zufall und Willkür als Akt der F, deren Macht der Philosoph überwindet). In der ma. Ikonographie dominiert die Vorstellung vom Glücksrad, entsprechende Darstellungen finden sich vermehrt ab dem 12. Jh. In der Renaissance werden die antiken Attribute - v.a. Kugel und Augenbinde - wieder erinnert. [ 1 ] 2) Entscheidenden Einfluss auf die ma. Konzeption und Darstellung der F hatte die ,Consolatio Philosophiae' des Boethius. Auch hier steht F im Sinne spätantiker, v.a. stoisch beeinflusster Ethik für die Widrigkeiten der Welt, von denen sich der Philosoph zu emanzipieren hat. Für die ma. Rezeption grundlegend ist die Spannung zwischen F als Verkörperung des Zufalls und der Vorstellung einer von göttlicher Vorsehung gelenkten Welt. Sie ist in Anschluss an Boethius meist so gelöst, dass F zwar das Glücksrad in Gang hält, auf den von Gott bestimmten Lauf der Welt aber keinen eigenständigen Einfluss hat, vielmehr Gottes Willen vollzieht. Damit ist das Dilemma zwischen Vorsehung und Fatum freilich nur bedingt bewältigt, hinzu tritt als dritter Aspekt die Diskussion um den freien menschlichen Willen. [2] Gerade an der umfassenden Rezeption der F-Gestalt, die trotz der aus theologischer Sicht gegebenen Problematik nie abreißt, erweist sich jedenfalls die Wirkungsmacht antiker
Fortuna mythologischer und bildlicher Topoi. Sie ergibt sich nicht zuletzt aus der möglichen Verknüpfung mit anderen, etwa astrologischen Vorstellungen. Ein beredtes Zeugnis dafür liefert das bekannte mlat. Gedicht ,Ο Fortuna velut Luna' (CB 17). 3) Neben der Liebespersonifikation zählt das personifizierte Glück in der volkssprachlichen Literatur des MA zu den verbreitetsten aus der antiken Mythologie kommenden allegorischen Gestalten. Der entsprechende mhd. Begriff lautet „saelde" oder auch „gelücke". Die Spannbreite reicht (ähnlich wie bei „minne") von der simplen Personifikation bis zur vollen, mit den entsprechenden Attributen ausgestatteten Allegorie. Vorstellung und Konzeption sind aus der lat. Literatur des MA übernommen. Insgesamt zeigt sich die Tendenz, dass „saelde" im christlichen Sinne nicht das blinde, sondern das nach göttlicher Vorsehung und rechtem Verhalten zu Recht zugeteilte Glück bezeichnet (vgl. B2), „gelücke" hingegen tendenziell die antike Konzeption des zufälligen Glücks fortsetzt. Ahnlich wie bei Venus/Minne erklärt sich der Rückgriff auf den Namen F meist aus den zugrunde liegenden antiken Quellen. Der antike Name ist jedenfalls der gelehrtere und gewähltere Ausdruck, der auch eine gewisse Distanz erzeugt und ein Mittel künstlicher und gekünstelter Rede darstellt (vgl. B l , B2). Eine „Regel", wann der antike, wann der volkssprachliche Name gewählt wird, gibt es freilich nicht, identifiziert sind z.B. die personifizierte Saelde und F in B2. Im Sinne der Gegenüberstellung einer christlichen und einer paganen Glückskonzeption gilt F als Göttin der antiken Heiden ( E l ) bzw. der Muslime (B2), denen das christliche MA fälschlicherweise Vielgötterei unterstellt hat. 4) Das prominenteste allegorische Attribut F's ist die „rota Fortunae", das Glücksrad. Es ist mit den Nennungen in A l , A3 (2344), Bl (18085) und B2 (131,2) direkt verbunden. Die Vorstellung ist in der mhd. Literatur auch sonst verbreitet, Beispiele geben u.a. der
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Glücks-Spruch Gottfrieds von Straßburg (MF 1.2) und dann die großangelegte allegorische Begegnung Gaweins mit „Frau Saelde" in B2 (15826ff.): Gawein bringt hier das Glücksrad zum Stillstand, sein ideales Rittertum kann sämtlichen Fährnissen des Zufalls trotzen. An die antike F-Tradition angeschlossen sind die Belege in A l und A4. A l bezieht sich mittelbar über den ,Roman d'Eneas' auf F in Vergils ,Aeneis', A4 auf F in der .Alexandreis' Walters von Chatillon. Der umfassende allegorische Apparat dieses mlat. Epos greift seinerseits bewusst auf die vergilianische Epik zurück. A l , A3 und"B2 nennen F im Rahmen der gängigen F-Topik (Unberechenbarkeit des Glücks, Topos von Aufstieg und Niedergang). Von besonderem Interesse ist Venus' Hinweis auf die Glücksgebundenheit der Liebe in A3, mit der sie ihren eben zuvor getätigten Allmachtsanspruch zugunsten F's zurücknimmt (dies, um den Vorwurf von Iuno und Pallas zu parieren, dass die Liebe ihre Anhänger ins Unglück stürze). Dass das Gelingen von Liebe letztlich eine Sache des Glücks ist, lehrt im Übrigen bereits Königin Amata ihre Tochter Lavinia in dem berühmten und wirkungsmächtigen Lehrgespräch des ,Eneasromans' Heinrichs von Veldeke. Auf die Frage, wie lange die Liebesqual dauere, antwortet sie: „tohter, daz stet an dem glucke" („Tochter, das ist eine Sache des Glücks"; 9897). Das prononcierteste F-Konzept der höfischen Literatur entwickelt Β1. Am Beginn des Textes ist die Göttin Teil des umfassenden antiken mythologischen Apparats, mit dem Artus' einleitende Biographie ausstaffiert wird. Der König erscheint als F's Kind, sein Leben steht unter den Ägiden der drei Parzen, über Artus' Tod führt auch Luna als Verkörperung seines Geburtsmonats Mai Klage. [3] Die Frage von Glück und Gelingen ist konstituierendes Thema des anschließenden Romans, dessen Höhepunkt die erwähnte Begnadung Gaweins mit beständigem Glück durch die personifizierte Saelde darstellt. Das Glücksrad steht während dieser „Weiheszene" still, auch die linke Seite der Saelde, ansonsten alt, grau
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Furiae
und zerschlissen, erstrahlt in schönem Glanz. [4] [1] S.v. Fortuna, in: DKP, Bd. 2, Sp. 597-600 (W. Eisenhut) und in: DNP, Bd. 4, Sp. 598-602 (Fritz Graf). [2] S.v. Fortuna, in: LMA, Bd. 4, Sp. 665f. (A. Miltenburg) und in: RAC 8, Sp. 182-197 (I. Kajanto); J. Frakes, The Fate of Fortune in the Early Middle Ages, 1988; Fortuna. Hg. W. Haug u. B. Wachinger, 1995; H.-W. Goetz, F in der hochma. Geschichtsschreibung, in: Providentia—Fatum - F. Hg. J. O. Fichte, 1996 (Das ΜΑ 1, 1996), 75-89; E. Meyer-Landrut, F. Die Göttin des Glücks im Wandel der Zeiten, 1997; zur Ikonographie s.v. Fortuna (G. Ristow, Redaktion), in: LCI, Bd. 2, Sp. 53f.. [3] Dazu Kern, Edle Tropfen, 285ff. [4] Zur F-Konzeption von Β1 vgl. F. Ε Knapp, Virtus und F in der .Krone'. Zur Herkunft der ethischen Grundthese Heinrichs von dem Türlin, ZfdA 106 (1977), 251-265; L. Jillings, Diu Crone of Heinrich von dem Türlin: The Attempted Emancipation of Secular Narrative, 1980. [mk]
Furiae [Dämonische Unterweltgottheiten bzw. Rachegöttinnen, gleichgesetzt mit den Erinyen, meist als Dreiheit (Alecto, Tisiphone, Megaera) aufgefasst]
W: Göttinnen der Hölle (A3), Höllenwesen (A2), Töchter der Nacht (A3), Erinyen (A2) Nf.: Allecto (A2), Erinyen (A3), Furie (A2), Megera (A2), Tisiphone (Al), Thesifone (A2) I.
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'3465: Tisiphone hat Sibylla einst durch die eigentliche Hölle in der Unterwelt geführt und ihr die Qualen gezeigt, denen die dort gefangenen Sünder ausgesetzt sind (Unterweltfahrt des Aeneas). A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Die F Alecto, Tisiphone und Megaera wohnen in der Unterwelt. Sie zürnen, weil Achilles wegen Polyxena sterben musste, diese aber noch am Leben ist, und entfachen deshalb einen Sturm, der die Griechen an der Heimfahrt hindert. Einer Prophezeiung des Calchas zufolge muss Polyxena getötet werden, damit sich der Sturm lege (16404-16406; Heimfahrt der Griechen).
A3 Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen'·. Die natternhaarigen Töchter der Nacht, Herzeleid („Hertzenleyt"), Vergessen („Vergessenheyt") und Tobsucht, werden von der in die Unterwelt hinabgestiegenen Iuno herbeigerufen (4,837-839). Sie sollen Ino und Athamas mit Wahnsinn schlagen. Die Tobsucht begibt sich daraufhin gemeinsam mit ihren Helfern Furcht und Schrecken in das Haus der beiden, verwehrt ihnen die Flucht mit Schlangen, gießt ihnen Gift ins Herz und kehrt dann zurück in die Hölle (4,899953). Die drei Göttinnen Herzeleid, Wahnsinn („Unsinn") und Vergessen, die über das Leben verfügen, [1] haben Altheia einst ein Scheit gebracht, an dem das Leben ihres Sohnes Meleager hängt. Sie wirft es unter Anrufung der drei aus Rache für die Tötung ihrer Brüder durch den Sohn ins Feuer ([8,865; 8,921]). [1] Bei Ovid (MM 8,482) sind die F gemeint („Eumenides"), der Zusatz in A3 scheint sie in ihrer Zuständigkeit mit den Parzen zu identifizieren.
II. 1) Ma. Rezeption; 2) F im Aeneas- und Trojaroman; 3) F in der Tradition der .Metamorphosen'
1) Die F sind der ma. Mythographie zwar bekannt, [1] ihre Rezeption bleibt aber trotz einer grundsätzlichen Deutbarkeit als teuflische Dämonen [2] im Wesentlichen auf diesen Bereich beschränkt. Daher werden sie nur in literarischen Texten genannt, die in direktem Zusammenhang mit antiker Tradition, v.a. der antiken Unterweltbeschreibung, stehen. So ist es auch bei den dt. Belegen. 2) Die nur kurze Anspielung in Al geht auf den ,Roman d'Eneas' (2727) zurück und hat keine unmittelbare Entsprechung bei Vergil. Dort sitzt Tisiphone bloß lauernd vor dem Eingang zum Tartaros (VI,555). Dass sie die Sibylla einst dorthin geführt habe, wird nicht gesagt. Vielleicht ist das Motiv aus der Unterweltfahrt der Iuno bei Ovid entlehnt (MM 4,45Iff.; vgl. A3). Die Nennung in A2 folgt dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure. Benoit ent-
Furiae wickelt das Motiv von den Erinyen, die die Griechen in Troja nach der Eroberung festsitzen lassen, aus dem Trojabericht des Dares Phrygius (51,5ff.)· Dort verlangen die Götter der Unterwelt und nicht dezidiert die F das Opfer. Vielleicht hat Benoit das vorliegende „inferis" in Anlehnung an die Nennung der F im,Roman de Thebes' entsprechend gedeutet. Das Motiv verrät sich im Übrigen leicht als eine Spiegelung der Ereignisse in Aulis vor dem Krieg. A2 schließt an die Nennung eine scharfe Kritik an diesem heidnischen Irrglauben an (A2; 16423ff.). Zusammen mit der Verurteilung des delphischen Orakels als satanisches Blendwerk (3497ff.) liegt hier eine der wenigen Stellen chrisdicher Polemik gegen das antike Heidentum in A2 und im mhd. Antikeroman überhaupt vor. 3) A3 folgt direkt Ovids ,Metamorphosen'. Dort (MM 4,45Iff.) werden die „sorores Nocte genitas" („die von der Nacht hervorgebrachten Schwestern") allerdings weder insgesamt „Erinyen" oder „F" genannt noch einzeln aufgezählt. Al kann wohl auf eine Glossierung zurückgreifen und übersetzt die sprechenden Namen. [3] Die Eindeutschungen
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kehren später als Übersetzungen von Ovids „Eumenides" (MM 8,482) wieder. Das ist ein klares Indiz für die planvolle Anlage der gesamten Übertragung und zugleich eines der wenigen Beispiele einer interpretierenden Adaption des ovidianischen mythologischen Apparats. Zudem gibt die Stelle ein besonders eindrückliches Beispiel für die Kontinuität in der epischen Darstellung antiker mythologischer Motive: Schon die ,Ilias' lässt Althaia die Erinys anrufen (9,571), über Ovid wird die Szene bis ins MA in analoger Regie fortgeschrieben. [1] Mehrere Nennungen finden sich bei den Mythographi Vaticani, vgl. auch die Belege bei Chance, Medieval Mythographie, passim (Reg.). [2] Man denke etwa an die Deutung von -» Rhadamantys bei Heinrich von Veldeke und Wolfram von Eschenbach, außerdem an die aus der antiken Mythologie übernommenen Teufelsgestalten in Dantes .Inferno'. [3] Ihrer gr. Bedeutung nach wörtlich „Mordrächerin" fur Teisiphone, „Hartnäckige" fiir Alekto (also gerade nicht „Vergessenheyt" wie in Al), „Verweigerin" fiir Megaira. Mythographus Vaticanus 1.109 glossiert mit „istarum vox" (Tisiphone, „Stimme von diesen"; „phone" fälschlicherweise als „Stimme" und „tisi" als das gr. Indefinitpronomen aufgefasst), „impausabilis (Alecto, „die Unaufhörliche") und „magna contentio" (Megaera, „großer Streit"). [mk]
G Galanthis [Tochter des Proetus, überlistet Lucina, die in Iunos Auftrag Hercules' Geburt verhindern will, und wird von Iuno zur Strafe in ein Wiesel verwandelt; M M 9,306]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Galantis, Galantiß)·. G, die Dienerin der Alcmena, überlistet die Geburtsgöttin Lucina, die in Iunos Auftrag vor Alcmenas Haus mit gekreuzten Beinen sitzt, um so die Geburt des Hercules zu verhindern. Mit der falschen Nachricht, Alcmena habe einen Sohn geboren, erschreckt sie Lucina derart, dass diese aufspringt und damit die Geburtshemmung löst. Weil G Lucina mit Worten überlistet hat, wird sie zur Strafe in ein Wiesel verwandelt, das noch heute aus dem Maul gebiert (9,620; 9,640). [1] [ 1 ] Das Aition für die Maulgeburt des Wiesels beruht auf einem verbreiteten antiken Aberglauben; s.v. Galinthias (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 2, Sp. 678. Eine Variante zum G-Mythos weiß von einer (ursprünglichen) Verwandlung in eine Katze und derselben Bestrafung, s.v. Galinthias, in: Hederich, Sp. 1135f. Hintergrund der seltsamen Vorstellung von der Maulgeburt soll nach Hederich die Beobachtung sein, dass Katzen ihre Jungen mit dem Maul tragen. Dies sei auf die Variante mit der Wieselmetamorphose übertragen worden, die ursprünglich erklären sollte, warum sich Wiesel in der Nähe menschlicher Behausungen aufhalten. [mk]
Galatea [Nereide, Geliebte des Acis, wird wider ihren Willen von Polyphem begehrt; M M 13,738]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Galathea, Gallathea)·. Die Meerfee G, die Tochter des Nereus und der Doris, wurde einst von Polyphem begehrt. Er sang ein (scheußlich klingendes) Preislied auf ihre Schönheit und beklagte ihr hartes Herz. G hasste Po-
lyphem ebenso sehr, wie sie Acis liebte. Als Polyphem die beiden Liebenden überraschte, tötete er Acis, G konnte fliehen (13,9391221; Erzählung G's an Scylla). [1] [ 1 ] Die Deutung der Meernymphe G als Meerfee entspricht anderen volksmythologischen Adaptionen in Al bei Gestalten der „niederen Mythologie", so erscheinen die Nymphen als Wald- oder Wasserfrauen (-» Dryades, Naiades) und die Kentauren als Riesen Centaurt). Nachbenennungen Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' (Galathea)·. G ist der Name des furchtlosen Pferdes, das Penthesilea Hector aus Liebe geschenkt hat (4793; 7797). Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crone' (Galaida, Calaida)·. G ist die Geliebte von Artus' Seneschall Kei (1437; 23893). [1]
[1] Ein Zusammenhang mit G ist für beide Belege der Nf. nach möglich, Heinrich von dem Türlin dürfte zudem Ovids,Metamorphosen' gekannt haben. [mk]
Galba [Servius Sulpicius G, röm. Kaiser 68-69 n. Chr., fällt einer Verschwörung des Otho zum Opfer]
G: Freund des Piso (E2) R: Herrscher von Rom (El), König von Rom (E2) I.
El,Kaiserchronik'·. Unter der Herrschaft von G und Piso kommt es in Rom zu Unruhen. Nach sieben Monaten werden die beiden in dem von G gegründeten Capua von Otho getötet (4836; 4840; 4843). E2 Jans Enikel, , Weltchronik': G, der nach Tarquinius an die Macht kommt, schickt Piso mit einem großen Heer auf Eroberungszüge aus. Otho erobert das von Piso gegründete Capua und tötet G und Piso (24256; 24285).
Galenus II.
Der historische G ist der Nachfolger Neros auf dem röm. Kaiserthron. Die Angaben in El und E2 reflektieren seine kurze, glücklose und schlechte Regierung und sein Vertrauensverhältnis zu seinem Adoptivsohn Lucius Calpurnius Piso Frugi Licianus. Die Gründung Capuas durch G oder Calpurnius ist nicht historisch, das Attentat auf G wurde von den Prätorianern in Rom verübt. [1] [1] S.v. Galba [2.] (R. Hanslik), in: DKP, Bd. 2, Sp. 670672. [mk/sks]
Galenus [Aus Pergamon, 129-199 n. Chr., Verfasser philosophischer, naturwissenschaftlicher u n d medizinischer Schriften, Leibarzt des Marc Aurel u n d des Verus]
W: Heidengott [!] (E3) R: König (El), Meister (Dl, D2), Philosoph (El), Naturforscher (B2, E2), Arzt (D2, El, E3) Nf.: Galien (Dl, D2), Galienus (Bl, B2, E2, E4), Gallien (E3), Gallienus (El, E2), Galyen (E2) I. Bl Ulrich von Türheim, ,Rennewart' 9181: Von G und seinem Diener gesammelte Kräuter hätten keinen besseren Wohlgeruch verströmen können als Alyses Leichnam (Geruchswunder bei Alyses Tod). B2 Albrecht, Jüngerer Titurel' 1790,3'. Weder die Naturforscher G, Hippocrates und Avicenna noch die gesamte Wissenschaft der Griechen besäßen die Kunstfertigkeit, solche Stoffe herzustellen, wie sie Artus von Ackerin erhält. C l Rumelant, HMS 111,20, II. 12,3: Wäre der Sänger ein G, Plato, Aristoteles, Hippocrates oder Socrates und besäße er die Kunstfertigkeit eines Cato, Vergilius, Boethius, Seneca, Donatus oder Beda, er könnte den hochgelobten Fürsten [1] doch nicht adäquat preisen (Fürstenpreis; Katalog). [ 1 ] Gemeint ist vermutlich Kaiser Ludwig der Bayer (reg. 1314-1347).
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D l Hugo von Trimberg, ,Der Renner'·. G, Plinius und Hippocrates empfehlen in ihren Büchern für ein langes, beschwerdefreies Leben Mäßigung beim Essen (9613). Die alten Gelehrten wie G würden heute keine Anerkennung mehr finden, da niemand mehr Krankheiten fürchtet (10085; Katalog). D2 ,Minneburg' 5416\ G, Avicenna, Pythagoras und Hippocrates, von Gott befähigte Meister der Heilkunst, beschäftigten sich nicht mit der Minnekrankheit, weil sie die Minne als zu mächtig erkannten (Katalog). El ,Kaiserchronik'·. Der weise, gelehrte und mächtige König G, der berühmteste Arzt Roms, fuhrt Christenverfolgungen durch und probiert seine Arzneien an den Verurteilten aus. Als er in den Sternen liest, dass seine Kämmerer ihn vergiften wollen, zwingt er die Attentäter, die Giftbecher selbst auszutrinken, und versenkt aus Rache eine Kiste voller Gift im Tiber, was den Tod vieler Römer zur Folge hat. Als die Römer ihm Rache schwören, flieht G nach Syrien und wird dort erschlagen. Seine Herrschaft hat vier Jahre gedauert (7453; 7474; 7508). E2 Brun von Schönebeck, ,Das Hohelied'·. G, der Verfasser einer Temperamentenlehre, meint, der Mensch sei gesund, solange sich die Temperamente (kalt, warm, feucht, trocken) die Waage halten (7076). Von seiner und anderer Weisheit ist nichts übrig geblieben (10307; Katalog). E3 Konrad von Würzburg, ,Pantaleon' 1062: Die Anrufung heidnischer Götter und Ärzte wie G, Hippocrates und Aesculapius zur Heilung eines Gelähmten zeigt keine Wirkung. Pantaleon aber kann ihn mit Gottes Hilfe heilen, woraufhin sich viele Heiden taufen lassen (Katalog). E4 Heinrich von Neustadt, ,Gottes Zukunft' 4804: Die edlen Heiden G, Hippocrates, Ptolemaeus, Pythagoras, Seneca und Aristoteles, die Gott dienten, zählen nach dem Dafürhalten des Dichters zum Kreis der Erlösten, deren Klage mit dem Einzug Christi in den Himmel endet (Katalog der erlösten Heiden).
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Ganymedes
II. 1) G-Rezeption im ΜΑ und in der mhd. Literatur; 2) G im mhd. Gelehrtenkatalog
1) G, der „letzte große Arzt der Antike" [1], wirkte in Pergamon und Rom und war im MA anerkannte Autorität auf dem Gebiet der Medizin und Naturwissenschaft. Die ma. Wissenschaft beschäftigte sich intensiv mit seinen in gr. Sprache verfassten Schriften, die durch arabische Vermittlung ins Lat. übersetzt wurden. [2] In der volkssprachlichen Literatur bürgt G (wie Plato und Aristoteles) für vieles. Durch einen medizinischen Kontext motiviert sind nur die Nennungen in D2, E2 und E3. Dass sie auf einer genaueren Kenntnis der Schriften G's beruhen, darf bezweifelt werden. Mit Ausnahme von E2 bleiben die Berufungen im Allgemeinen. Von G's Ansehen, aber auch von der stereotypen Funktion als Exempelfigur, die kaum spezifische Konturen entwickelt, zeugen die gemeinsamen Nennungen mit so prominenten Gestalten wie Plato, Aristoteles und Seneca (CI, E4) und seine Einordnung unter jene „vorbildlichen Heiden", die - quasi Kryptochristen - auf Erlösung hoffen dürfen (E4). Der dazu im Widerspruch stehende Bericht über den skrupellosen Arzt und brutalen Kaiser G in El erklärt sich aus einer Gleichsetzung mit Kaiser Gallienus (260-268 n. Chr.). 2) Die meisten Nennungen finden sich im Rahmen von Gelehrtenkatalogen (B2, C l , Dl, D2, E2, E3, E4). G wird als exemplarischer Vertreter der Heilkunst (D2, El, E3), Naturforscher (B2, E2) oder Gelehrter (Cl, D1, E4) genannt, in D1 und E2 verbunden mit dem Topos der Zeitklage, dass das Wissen der alten Meister heute nichts mehr gelte. Traditionelle Rhetorik reflektieren auch die Nennungen im Rahmen des Unsagbarkeitstopos in C l (in einem besonders wahllos zusammengewürfelten Katalog antiker Autoritäten) und in den hyperbolischen Gedankenexperimenten von Β1 und B2. Typisch für die Berufung auf den antiken Gelehrten ist, dass G fast ausschließlich in „wissenschaftli-
chem" oder didaktischem Kontext erwähnt wird. Der einzige Beleg im Rahmen der höfischen Liebestheorie (D2) unterstreicht die Macht der Liebe, vor der selbst die höchste Gelehrsamkeit kapitulieren muss, sei es theoretisch wie hier, sei es „praktisch" wie etwa bei Aristoteles, der als von Phyllis Gerittener selbst zum Sklaven der Minne wird. [3] [1] S.v. Galenos (F. Kudlien), in: DKP, Bd. 2, Sp. 674f„ hier 674. [2] Hierzu s.v. GalenimMA (H. Schipperges, R . J . Durling), in: LMA Bd. 4, Sp. 1082-1084. [3] -> Aristoteles (I.A4; IIA). [mk]
Ganymedes [Sohn des Dardanerkönigs Tros und der Kallirrhoe, Schönster der Sterblichen, wird von Zeus in den Olymp entfuhrt, dient ihm dort als Mundschenk und erfreut sich ewiger Jugend]
W: Gott (El), Jüngling (Al) G: Sohn des Tros (E2) R: Mundschenk der Götter (Al, Bl) Nf.: Ganimedes (Al, Bl, El, E2) I. Al Albrecht von Halberstadt, ,Metamorphosen' 10,291: Um ihn vor Unziemlichkeiten zu bewahren, wird der wunderschöne G von Iuppiter in einen Adler verwandelt [!], der die Krone unter den Vögeln trägt, und als Mundschenk der Götter in den Himmel aufgenommen (Lied des Orpheus). Bl Ulrich von Etzenbach, Alexander' 4851: Der makellose und liebliche Jüngling G jagte einst im Waldgebiet Ida, wurde von einem Adler in die Lüfte emporgetragen und diente den Göttern als Mundschenk, eine Aufgabe, die vorher Hebe innehatte (Exkurs zur Geschichte Trojas). El Otto von Freising, ,Laubacher Barlaam' 11130: G wird im Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden als Exempelfigur für die Lasterhaftigkeit der gr. Götter genannt (Götterkatalog). E2 Rudolf von Ems,, Weltchronik'19807: G, der Sohn des Tros, wird von Tantalus auf der Jagd gefangen genommen, worauf ein langer Krieg zwischen Tros und Tantalus ausbricht.
Geon — Gigantes II. Der in der Antike beliebte G-Mythos ist auch in der ma. Mythographie gut belegt [1] und wird in Al und B1 direkt nach lat. Quellen referiert. Al folgt Ovids ,Metamorphosen' (10,155). Dass dabei von einer Verwandlung G's in einen Adler die Rede ist, beruht auf einem Missverständnis der knappen Anspielung bei Ovid. Interessant ist der Hinweis auf eine nicht näher erläuterte moralische Gefährdung G's (Al, 10,295). Er könnte sich auf die homoerotischen Konnotationen des Mythos beziehen (ev. basierend auf einer Glosse). B1 folgt der Anspielung in der Alexandreis' Walters von Chätillon (1,455) bzw. entsprechenden Glossen. [2] Die Nennung in El steht in der Tradition christlicher Polemik gegen die antike Vielgötterei und erfolgt ohne nähere Angaben. In E2 ist der Mythos, dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, vollständig rationalisiert. Die euhemeristische Deutung von G's Entfuhrung durch Iuppiter als Gefangennahme durch Tantalus findet sich bereits in der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 221). Sie weist in diesem Zusammenhang explizit auf die eitlen („frustra") Fiktionen des Mythos hin. Die Angaben in El beziehen sich auf das ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL154, Sp. 517), einer Nebenquelle von El, die selbst wiederum von Hieronymus abhängt. Dessen Kritik der fingierten Fabel fehlt bei Ekkehard und folglich auch in El. [1] So bei Fulgentius, Isidor, Bernhard von Utrecht, bei den Mythographi Vaticani und in der .Ecloga Theoduli', hierzu Chance, Medieval Mythographie, Reg. [2] Vgl. die bei Colker (Hg.) abgedruckten Glossen 281 und 315. [mk]
Geon [Sohn eines Mohren und einer Gigantin, kämpft auf Seiten des Darius, wird von Alexander erschlagen; Chätillon V,39]
Al Ulrich von Etzenbach, »Alexander': Der Riese G ist der schwarz-weiß-häutige Sohn eines Mohren und einer Riesin, [ 1 ] herrscht als
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König über das Rote Meer, kämpft auf Seiten des Darius in der Schlacht bei Arbela (1207312107; 12335) und tötet jeden, der ihm in die Quere kommt, weshalb ihm Alexander Rache schwört. Als G Alexander verhöhnt, trifft ihn ein Speer durch die Zunge. Alexander sieht darin ein Zeichen, dass niemand einen Herrscher beschimpfen darf, wirft G zu Boden und tötet ihn (13243-13325). [1] Bei Walter von Chätillon hat G die Hautfarbe seines Vaters und die riesenhafte Gestalt der Mutter. Das Motiv vom schwarz-weiß gefleckten Menschen in A l stammt von der Gestalt des Feirefiz aus Wolframs .Parzival'. [sks/mk]
Gigantes [Aus den Blutstropfen des entmannten Uranos entstandene Riesen, die sich gegen die Götter erheben und in der so genannten Gigantomachie vernichtet werden]
W: Riesen (Al, A2, Bl) Nf.: Gigande (Bl), Giganden (B2), Gigant (Al, B2), n.n. (Al) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' [1,279]: Im Eisernen Zeitalter leben überaus starke Riesen, die die Berge Ossa, Pelion und Olympus auftürmen, um den Himmel zu stürmen und die Götter zu stürzen. Iuppiter aber spaltet mit Blitzen die Bergmassen, die Riesen werden darunter begraben. Aus ihrem Blut entsteht ein neues, ebenso frevelhaftes Menschengeschlecht. A2 Heinrich von Neustadt, Apollonias': Woletus, einer der zwölf Söhne Pesigems, ist ein Gigant. Er wird wie seine Brüder von Apollonia besiegt (9385; 9395; 9400). Bl ,Herzog Ernst'·. Die riesenhaften G benützen Stangen aus Stahl als Waffen. Als sie die Cyclopes unterwerfen wollen, werden sie von Ernst besiegt. Ernst nimmt einen Giganten gefangen, lässt ihn gesund pflegen (5039-5271) und behält ihn in seinem Gefolge (5323). Er zeichnet sich im Kampf gegen die babylonischen Heiden aus (5488;
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Clauca — Glaucus [2]
5580), wird mit nach Bayern genommen und Emsts staunenden Landsleuten vorgeführt (5991). B2 Pfaffe Konrad, ,Rolandslied' 8098: Die G bilden die erste Schar im Heer des Heidenkaisers Paligan (Schlacht bei Ronceval).
dei Giganti" im Palazzo Te (Mantua) das eindrucksvollste Beispiel. [2] Vgl. Chance, Medieval Mythography, Reg. [3] Atlas, Enceladus, Haemus und Rhodope·., zum Motiv in der mhd. Literatur Kern, Edle Tropfen, 210, Anm. 378. [4] Analoges findet sich im Falle der Centauri. [5] Sowinski (Hg. Bl), 394, Anm. zu 5013. [mk]
II. Die G sind in der homerischen Mythologie wie die Zyklopen ein frevelhaftes Riesenvolk, werden dann bei Hesiod in die Göttergenealogie eingefügt und zu einer ernsthaften Bedrohung der Olympischen Götter, von denen sie in einer apokalyptischen Schlacht mit Analogien zur Titanomachie besiegt werden. Dabei wird das ursprünglich mit den Aloaden Otos und Ephialtes verbundene Motiv vom Himmelssturm auf die G übertragen (so z.B. in Ovids ,Metamorphosen' l,152ff.). Die Gigantomachie ist in der Folge ein beliebtes literarisches und bildnerisches Motiv bis weit in die Neuzeit hinein. [1] Rezeptionsbelege für den antiken Mythos finden sich auch in der ma. Mythographie [2] und in vereinzelten dt. Anspielungen. [3] Direkt nach Ovid wird der Mythos in Al referiert. Die G sind hier im Sinne volksmythologischer und heldenepischer Vorstellungen als Riesen aufgefasst. [4] In den anderen mhd. Belegen ist der Name zum Gattungsnamen geworden, der u.a. für die kanaanäischen Riesen des AT (Gen. 6,4; Deut. 3,11 u.ö.) verwendet wird (gegen die Gleichsetzung spricht sich Isidor, Etym. XI.3,13f. aus). Dies reflektiert auch der Volksname „Canaan" für die G in Bl. [5] Die G werden somit als riesenhaftes, typisch orientalisches Wundervolk gedeutet (Bl, B2), gegen das sich der Held bewähren kann (Bl) oder das die Bedrohung des Christentums durch heidnische Heeresmacht verkörpert (B2, mit durchaus propagandistischem Unterton). Im späteren Roman (A2) geben sie eines unter vielen aufsehenerregenden Abenteuern ab. [1] S.v. Gigantes (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 2, Sp. 797f. Für die Kunst der Renaissance gibt Giulio Romanos „Sala
Glauca [Geliebte des AiaxTelamonius, Mutter des Aeantides; Dictys 30,1; Benoit 27319]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 16902: G ist die Geliebte des Aiax und gebiert ihm Aeantides, der ganz nach seinem Vater gerät (genealogische Angabe). [mk]
Glaucus [1] [Meeresgott, Geliebter der Scylla; M M 13,906]
Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen '·. Der Meeresgott G, ein Mischwesen aus Mensch und Fisch, verliebt sich in Scylla. Als sie vor ihm fliehen will, versichert er ihr, er sei kein Meeresungeheuer, sondern ein Gott. Einst habe er von einem Kraut gekostet, worauf es ihn ins Meer gezogen habe und er von den Meeresgöttern zum unsterblichen Wassermann gemacht worden sei. Als Scylla G abweist, bittet er Circe, die wiederum in ihn verliebt ist, um Hilfe. Als G nun Circes Liebe zurückweist, verwandelt diese Scylla aus Rache in ein Ungeheuer (13,12341331; 14,1-64). [mk]
Glaucus [2] [Heerführer der Trojaner aus Lykien; Dares 22,17; Dictys 47,15; Benoit 6685]
G: Vater des Amphius, Bruder des Sarpedon, Verwandter des Priamus (Al) R: König von Lycien (Al), Königssohn aus Lycien (A2) Nf.: Glaueon (Al), Glaukun (A2)
Glaucus [3] — Gog und Magog I.
265
einen Zweikampf mit Diomedes aus, wird von
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': G Agamemnon getötet (43071) und von den und Sarpedon unterstützen die Trojaner mit 3000 Rittern (3989; Katalog) und bilden in der Schlacht mit den landenden Griechen die trojanische Vorhut (4657; Katalog). G verhindert gemeinsam mit Theseus und Archelochus eine Gefangennahme Hectors durch Meriones (5011; 5016).
Trojanern beklagt (43384; RV: 46451).
II.
Glaucus [4]
II.
A2 berichtet in direktem Rückgriff auf den Bericht bei Dictys von der Tötung G's durch Agamemnon, die Angaben zu G's Tod durch Pyrrhus und zu seiner prunkvollen Bestattung A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg·. G ist in A l folgen dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, der in G und Pyrrhus zwei ein Verbündeter der Trojaner und unterstützt junge Kämpfer miteinander konfrontiert. Hector im Kampf (29715; Katalog). ,Trojanerkrieg'-Fortsetzung: G wird in einer [sks] späteren Schlacht von Aiax Telamonius getötet (43230).
Schon Homer kennt einen Glaukos, Sohn des Hippolochos, der mit Diomedes den berühmten schlechten Waffentausch unternimmt, als sie sich an ihre Verbundenheit durch Gastfreundschaft erinnern (,Ilias' 6,119ff.). Die Angaben in A l und A2 folgen dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure. A l berichtet im Unterschied zu Benoit aber nichts vom Tode des G. Die Fortsetzung von A2 greift hierfür direkt auf Dictys zurück. [mk]
Glaucus [3] [Sohn des Antenor, wird von Pyrrhus getötet; Dictys 63,16; Benoit 24213]
G: Sohn des Antenor (Al, A2), Bruder des Polydamas (Al) R: Fürst (A2) Nf.: Glaueon (Al)
[Kämpfer auf Seiten Alexanders gegen Porus; Chätillon
IX.212]
Al Ulrich von Etzenbach, vAlexander' 19683: G tötet im Kampf gegen Porus den Candaceus (Alexanders Zug nach Indien; Kämpferkatalog). [sks]
Gobares [Präfekt von Pasargadae; Curtius V.6,10]
Al Rudolf von Ems, »Alexander' 14131 (Globaris): Der tapfere und kluge Burggraf G übergibt Alexander die Städte Pasargadae und Regia (Alexanders Eroberungszug nach Persien). [sks]
I.
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': G wird von Pyrrhus im Kampf getötet (14840). Nach dem Beginn der Friedensverhandlungen mit den Griechen lässt Antenor G's Leiche bergen und in einem Marmorsarg bestatten (15364; 15516).
A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung·. G tötet viele Griechen, trägt
Gog und Magog [Nach jüdisch-apokalyptischer Tradition mythische Völkerheere der Endzeit]
W: Volk (Al, A2, A3, B l , D l , E l , E2, E3), Wundervolk, Mischwesen, Sarazenen (A3) Nf.: Goc ( D l ) , Gock (A3), Magoc ( D l ) , Magock (A3), O g (El)
266
Gog und Magog
I. Al Rudolf von Ems, ,Alexander': Die verfluchten Völker G und M, die von Ismahel abstammen (17226), werden von Alexander eingeschlossen, wovon Methodius berichtet (13045; Prolog zum 4. Buch; Quellenberufung). A2 Ulrich von Etzenbach, Alexander' 20903: Die von Gott abgefallenen Völker G und Μ werden nach einem Gebet Alexanders von Gott hinter den Bergen eingeschlossen, bis der Antichrist sie dereinst befreien wird (Alexanders Zug nach Indien). A3 Heinrich von Neustadt, Apollonius': Die G - 100000 an der Zahl - sind wilde, törichte, frevelhafte, übergroße Mischwesen mit einem Hundekopf, gelbgrünen Augen, schmalen Körpern und langen, storchenartigen Beinen. Sie sind nach den Ländern G, Μ und Kokk benannt, tragen ein Löwenfell, benützen Bogen und Lanze und ernähren sich von Hunde-, Wolf- und Menschenfleisch (2939; 2956; Descriptio). Als ihr König Ejectas Clara, die Tochter König Palatins, zur Gattin begehrt, verheeren sie Palatins Land (3175-3516) und werden von Apollonius durch eine List — er macht sie betrunken — besiegt (3646-4000). Die Völker G, Μ und Prigant sind in den Kaspischen Bergen eingeschlossen, die an das Land Crisia grenzen (10953; geographischer Exkurs). B1 Albrecht, Jüngerer Titurel' 6172,1: G und Μ waren zwei Völker. Dieselben Namen tragen die Berge, die das Volk der roten Juden einschließen (Beschreibung des Reiches des Priesters Johannes). B2 ,Reinfried von Braunschweig: G, Μ und das Gebiet der Juden befinden sich in der Hand der Amazonenkönigin (19547; 21930; Exkurs zu den Amazonen). Dl ,Lucidarius' 11,2: G und M, die nur rohes Tier- und Menschenfleisch essen, werden von Alexander in Indien eingeschlossen (1. Buch, „Von India und von ir ynselen"). El Rudolf von Ems,,Weltchronik': Die Völker G und Μ wurden von Alexander mit Got-
tes Hilfe zwischen den Kaspischen Bergen und dem Meer eingeschlossen. Wenn sie am Ende der Zeiten freigelassen werden, werden sie der Welt großes Leid zufügen (1480/81; Wundervölker Indiens). Nach Weissagungen der Propheten werden G und Μ am Jüngsten Tag mit dem Antichrist herrschen (22818/ 19). [1] [1] Zu dem 1017 als Sohn des Japhet genannten Magog vgl. AT, Gen 10,2.
E2 Hugo von Langenstein, Martina' 192b,31: Zum Gefolge des Antichrist gehören auch die Völker G und M, von denen oft berichtet wird. Sie sind Nachkommen der zehn Stämme Jakobs, von Alexander im Kaspischen Gebirge eingeschlossen worden und werden von der Amazonenkönigin beherrscht. Am Ende der Zeiten werden sie hervorbrechen. E3 Heinrich von Neustadt, ,Gottes Zukunft': Die zahllosen, schrecklichen G und Μ wurden von Alexander hinter die Kaspischen Berge gesperrt und werden von der Amazonenkönigin bis zum Erscheinen des Antichrist am Hervorkommen gehindert (5808). Der Antichrist wird sich G und Μ für den Kampf gegen Elias und Enoch dienstbar machen (5550; 5858). II. 1) G und Μ als apokalyptische Völker; 2) G und Μ in der Alexandertradition; 3) „Die roten Juden"
1) Die Vorstellung von den apokalyptischen Völkern G und M, die am Ende der Zeiten vom Antichrist zum letzten Kampf zusammengezogen werden, ist im MA weit verbreitet. Ihre Popularität erklärt sich aus der entsprechenden Erwähnung in der JohannesApokalypse (20,8f.), die ihrerseits jüdische Endzeit-Traditionen reflektiert und in der theologischen und chronistischen Literatur des MA auf komplexe Weise weitergesponnen wird. [1] Von den dt. Belegen verweisen A2, El, E2 und E3 direkt auf den apokalyptischen Kontext. Den Abfall G's und M's von Gott und ihre Verdammtheit betonen Al, A2 und A3, ihr schreckliches Wesen, das
Gorgatas — Gorgias [2] auch kannibalische Züge aufweist, schildern A3 und D l . 2) Das Motiv von der Einschließung G's und M s durch Alexander gelangt über Josephus Flavius' ,bellum Iudaicum' [2] in die ma. Alexandertradition und ist in Al, A2, D l , El, E2 und E3 aufgegriffen. Lokalisiert werden sie in Indien (A2, D l ) bzw. hinter den Kaspischen Bergen (A3, El, E2, E3). Die Vorstellung von den eisernen Toren, hinter denen sie Alexander einschließt, hat eine reale Entsprechung in (voralexandrinischen) Mauerbauten am Kaspischen Meer, die das Eindringen der Skythen, die mit G und Μ auch geglichen wurden, verhindern sollten. [3] In A2 werden G und Μ auf Alexanders Gebet hin (!) von Gott selbst in den Bergen Indiens eingeschlossen. Die Stelle bezieht sich direkt auf den so genannten Pseudo-Methodius, eine im 7. Jh. ins Lat. übersetzte syrische Apokalypse von breiter Wirkung. [4] Reflexe des Pseudo-Methodius sind auch in E3 zu erkennen. Die Version in El steht wohl in direktem Zusammenhang mit A2, zumal sie vom selben Autor stammt. Erst der Hinweis auf die Weissagungen der Propheten folgt der eigentlichen Quelle, der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1304d). A3 erwähnt Alexander nicht. B2, E2 und E3 verbinden die Gefangennahme mit dem Motiv der Bewachung durch die Amazonenkönigin, das auch Albertus Magnus kennt. [5] 3) Zu den eingeschlossenen Endzeitvölkern werden neben den Skythen, G und Μ auch die (arabischen) Ismaeliten oder die so genannten „roten Juden" und andere Völker [6] gerechnet. Die „roten Juden" sind in direkter Verbindung mit G und Μ in Β1 und B2 belegt, außerdem erwähnt sie der ,GöttweigerTrojanerkrieg' (16168flE; „rott Jüdischhaitt"): Hier begegnen ihnen Odysseus und die Griechen auf der Fahrt um Achilles und besiegen sie. Der verbliebene Rest des Volkes flieht hinter ein Gebirge, wo sie einst Alexander endgültig bezwingen wird. Wie in A3 wird das apokalyptische Volk zum orientalischen Wundervolk umgedeutet, das ein für
267
den späthöfischen Roman typisches, extravagantes Abenteuer abgibt. Der eschatologische Kontext ist weitgehend ausgeblendet. [1] S.v. Gog und Magog, in: HWDA, Bd. 3, Sp. 910-918 (F. Pfister) und in: LMA, Bd. 4, Sp. 1534 (S. Schmolinsky). Zur jüdischen Endzeit-Tradition vgl. die Prophetie des Hesekiel (AT, Hes 38f.), wo der Fürst G aus dem Lande Μ am Ende der Zeiten über die Israeliten herfallen wird. Den historischen Hintergrund bilden wohl frühe Überfälle der Skythen, die bei Iosephus Flavius auch mit Μ identifiziert werden (HWDA, Sp. 910). [2] LMA [Anm. 1), Ebd. [3] H W D A [Anm. 1], Sp. 91 lf. [4] H W D A [Anm. 1], Sp. 91 lf., und s.v. Methodius (E. Heyse), in: LMA, Bd. 6, Sp. 581. [5] Compendium theol. verit. 7,11 (ed. A. Borgnet, Bd. 34, 243f.), zitiert nach H W D A [Anm. 1], Sp. 918, Anm. 49. [6] So in der arabischen Reiseliteratur des 9. Jh. auch die Hunnen. Die gegen diese errichtete chinesische Mauer wird dort mit dem Alexanderwall identifiziert. Von der Mauer gegen G und Μ berichtet auch Mandeville; H W D A [Anm. 1], Sp. 917. [mk]
Gorgatas [Perser; wird von Amyntas bezwungen; Curtius VII. 1,38]
A l Rudolf von Ems, >Alexander' 20145 (Gorgatan): In seiner Verteidigungsrede verweist Amyntas, der der Verschwörung gegen Alexander bezichtigt wird, auf seine Taten, darunter die Unterwerfung des G (Katalog). [sks]
Gorge
Meleager [1]
Gorgias [1] [Perser; von Amyntas bezwungen; Curtius VII. 1,38]
A l Rudolf von Ems, Alexander' 20144·. In seiner Verteidigungsrede verweist Amyntas, der der Verschwörung gegen Alexander bezichtigt wird, auf seine Taten, darunter die Unterwerfung des G (Katalog). [sks]
Gorgias [2] [Feldherr des Antiochus IV. Epiphanes, Statthalter von Idumaea, kämpft mit wechselndem Erfolg gegen Iudas Makkabäus]
268
Gorgo — Guneus
El Rudolf von Ems, ,Barlaam '2405\ G war ein Feind Gottes und wurde von Iudas Makkabäus geschlagen (Geschichte des jüdischen Volkes; Katalog gottloser Herrscher; Exempelfigur für einen gottlosen Herrscher). [1] [ 1 ] Die Nennung bezieht sich vermutlich auf die Erwähnung G's im AT (1 Makk 3,38 u.ö.); vgl. s.v. Gorgias /3J (C. Colpe), in: DKP, Bd. 2, Sp. 850.
[sks/mk] Gorgo
Medusa
Gorgythion
[Kebssohn des Priamus, Dictys 87,6 Corithan\
A l Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg' 43183 (Erita): Der tapfere Ε ist ein Sohn des Priamus und wird von Idomeneus getötet. [1] [1] Die Nennung bezieht sich auf Dictys 87,6, wo Idomeneus mehrere Kebssöhne des Priamus tötet, darunter einen Corithan. Die Nf. ist offensichtlich verderbt, vielleicht ist hinter ihr der bereits bei Homer genannte G zu fassen (er wird von Teukros getötet; ,Ilias' 8,302). Dictys (66,3) nennt diesen allerdings schon zuvor mit der korrekten Nf., er fällt dort durch Patroclus. Mit Erita könnte außerdem der an der entsprechenden Stelle bei Dictys genannte Aretus gemeint sein, der allerdings von Ulixes getötet wird. [mk]
Gryneus [Kentaur, fällt im Kampf gegen die Lapithen; MM 12,260]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12,480·. Der Riese G [1] erschlägt Broteas und Orion mit einem Tisch, worauf ihm
Exadius mit einem Hirschgeweih beide Augen aussticht (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf). [ 1 ] Die Kentauren werden im Text als Riesen gedeutet, die Adaption greift aufVorstellungen zurück, die dem Publikum aus der dt. Heldensage vertraut sind (-» Centauri). [mk]
Guneus [König von Cyphus oder Cyphius, Verbündeter der Griechen; Dares 19,3; Dictys 15,10; Benoit 5685 Cuneus]
R: König (A2) Nf.: Cyneus, Cifen (A2), Eunuchus [!], Heleus (Al) I. Al Herbort von Fritzlar, ,lietvon Troye': G fuhrt 10 Schiffe aus Kypre zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3400; Katalog) und bildet mit seinen Mannen bei der Landung vor Troja eine Heerschar (4933; Katalog). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung·. G, ein gr. König, wird von Hector verwundet (40477; 40481). II. Ein gr. Trojakämpfer namens G ist schon im Schiffskatalog der ,Ilias' genannt (2,748). Die Nennungen in Al basieren auf dem,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, der seinerseits auf den Trojabericht des Dares zurückgreift. A2 folgt direkt dem Trojabericht des Dictys. Die entstellten Nff. in Al erklären sich aus Varianten bei Benoit. [mk/sks]
Η Hadrian us [Publius Aelius Hadrianus, 117-138 n. Chr. röm. Kaiser, Adoptivsohn und Nachfolger Traians, baut Jerusalem wieder auf]
E l ,Kaiserchronik' (Helius Adrianus): H, der nach Pertinax und Didius Iulianus die Herrschaft innehat, baut das von Chosroes zerstörte Jerusalem wieder auf, will die Stadt nach sich selbst „Helia" nennen und wird dafür von Gott gestraft: Er wird nach elfmonatiger Herrschaft in Damaskus erschlagen. Die Römer ziehen gegen Damaskus, um Η zu rächen (7212; 7220; Kaiserliste). [1] [1] Die Chronologie der Kaiserliste ist nicht korrekt: Hadrian folgte Traian als Herrscher nach, Didius Iulianus herrschte im 2. Vierkaiserjahr 193, Helvius Pertinax wurde 193 zum Kaiser ausgerufen und kurz danach von den Prätorianern ermordet. Der Wiederaufbau Jerusalems als Aelia Capitolina datiert auf 130 n. Chr.; dazu s.v. Hadrianus [1.] (R. Hanslik), in: DKP, Bd. 2, Sp. 908-911, hier Sp. 909f. Das Motiv von H's Ermordung ist ebenso wie die kurze Herrschaftsdauer legendarisch, Η starb am 10. Juli 138 eines natürlichen Todes in Baiae (ebd.). [sks]
Berge). Auf den thrakischen Bergen Η und R muss Orpheus auf Geheiß des Pluto drei und mehr Jahre alle Frauen meiden (10,186; Orpheus und Eurydice). [ 1 ] Die falsche Angabe, Η und R lägen in Arkadien - Ovid lokalisiert sie korrekt in Thrakien - basiert eventuell auf einer Überlieferungsvariante in der Al zugrunde liegenden Ovid-Hs. Das konkrete Vergehen von Η und R wird bei Ovid nur angedeutet: Sie nannten sich Zeus und Hera. Im Hintergrund steht das Motiv des Himmelsturmes der Aloaden Otos und Ephialtes bzw. der Giganten. [mk]
Halcyoneus [Gefährte des Phineus, Gegner des Perseus; M M 5,135]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Alcyones): Η tötet Dorylas beim Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus, wird daraufhin von Perseus mit einem Speer am Kopf getroffen und tötet mit dem im Schädel steckenden Geschoß noch Clytius und Clanis (5,219; 5,235; Katalog). [mk]
Haemus und Rhodope [Personifikationen des thrakischen Gebirges, Η ist Sohn des Boreas und der Orithyia und Gatte der R; M M 6,87]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Hemus, Henus): Die frevelhaften Riesen Η und R wollten einst gewaltsam Götter werden. Zur Strafe dafür wurden sie in arkadische Berge [1] verwandelt (6,159; Exemplum für von Göttern Bestrafte; in den Teppich eingewirkt, den Pallas Athene im Webewettstreit mit Arachne verfertigt). Η und Rfangen Feuer, als Phaeton die Kontrolle über den Sonnenwagen verliert, ihr Schnee schmilzt (2,462; Katalog der vom Sonnenwagen versengten
Halius [Gegner des Ulixes vorTroja; M M 13,258]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 13,378 (Halus)·. Ulixes rühmt sich, bei der Ergreifung des trojanischen Spions Dolon u.a. auch Η erschlagen zu haben (Katalog; Streit um Achills Waffen; Rede des Ulixes). [1] [ 1 ] Bei Ovid bezieht sich der auf die Erwähnung Dolons folgende Katalog von gefallenen trojanischen Kämpfern nicht auf die Dolonie (,Ilias' 10), sondern auf den Kampf gegen die Lykier unter der Führung Sarpedons (,Ilias' 5). [mk]
270
Hannibal — Hecate
Hannibal [247/46-183 v. Chr., Sohn des Hamilkar Barkas, Feldherr und Staatsmann Karthagos, überquert 218 die Alpen, vernichtet 216 bei Cannae das röm. Heer und wird 202 bei Zama von Scipio entscheidend geschlagen]
Nf.: Hanibal (Bl) I. Bl .Reinfried von Braunschweig' 19954·. Nicht einmal Η hatte bei der Belagerung Roms so viele Männer zur Verfügung, wie bei der Schlacht zwischen den Königen von Ascalon und Assyrien zusammenkommen (Katalog großer Heerführer). [1] [1] Der Katalog nennt Gestalten aus antiker und ma. Geschichte und Literatur, neben Η u.a. Agamemnon, Alexander und Darius, aus der chanson degeste Paligan und Karl, Terramer und Willehalm, aus der Parzivalsage (Wolfram, Albrechts Jüngerer Titurel') Pompeius, Ypomedon und den Baruc.
Dl Thomasin von Zerklaere,,Der welsche Gast' 3407'· Durch H's Siege verlor so mancher Mächtige in Rom seine Stellung. Das Beispiel belegt die Vergänglichkeit weltlicher Macht. [1] [1] Als weitere exempla vanitatis werden Hector, Hecuba und Anchises, Alexander und Caesar genannt.
Bl Ulrich von Etzenbach, yAlexander' 4861 (Ebe)\ Die Jungfrau Η war Mundschenk der Götter, bevor Ganymedes ihr Amt übernahm (Alexander in Troja; Exkurs). [1] [1] Das Mythologem von H's Ablöse durch Ganymedes ist im MA nur der gelehrten Mythographie bekannt (vgl. Myth. Vat. 1.184,14; 11.198,34; 111.15,11, p.256,30). Bl wird es wohl einer Glosse zu der Anspielung auf den Ganymed-Mythos in der .Alexandras' Walters von Chätillon entnommen haben (die bei Colker [Hg.], 281 und 315 abgedruckten Glossen bringen allerdings keinen Hinweis). Die euhemeristische Deutung („Jungfrau") könnte durchaus von Bl stammen. [mk/sks]
Hecataeus [Vornehmer Makedone, wird von Alexander zur Vernichtung des Attalos nach Asien geschickt; vermutlich identisch mit dem bei Curtius VII. 1,38 von Amyntas genannten H]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 20145 (Hegateus)·. H, Gorgias und Gorgatas wurden von Amyntas als Mitstreiter Alexanders angeworben (Verteidigungsrede des Amyntas, der der Verschwörung gegen Alexander beschuldigt wird). [sks]
II. Η dient in beiden Anspielungen als Exempelfigur für einen großen, siegreichen Heerführer, in Β1 im Rahmen eines überbietenden Vergleichs, in B2 in Verbindung mit dem Vanitas-Topos (im Hintergrund steht auch das Motiv von der wechselhaften Fortuna). Die geringe Zahl an Belegen zeigt, dass Η dem MA eine nur mäßig bekannte Gestalt war. Dafür sprechen auch die fehlenden Belege in der mhd. chronistischen Literatur. Β1 und Dl haben wohl aus der mlat. Geschichtsschreibung Kenntnis von H. [sks/mk]
Harmonia
Cadmus
Hebe [Tochter des Zeus und der Hera, Personifikation der blühenden Jugend, Mundschenk der Götter]
Hecate [V.a. in Kleinasien verehrte Göttin mit magischen und gespenstischen Zügen, Herrin der Gespenster, Hüterin der Tore und Dreiwege, später dreigestaltig gedacht]
W: Dreifaltige Göttin (Al), Göttin der Zauberei (A2) Nf.: Eckate (A2) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Mit Hilfe der dreifaltigen („drifältig") Η kann Medea die Lebenstage kürzen oder dehnen. Um Iasons Vater Aeson zu verjüngen, ruft sie daher Η an und errichtet zwei Altäre, den rechten für H, den linken für die Jugend (7,383-425; 7,528; Medea und Iason; Aesons Verjüngung).
Hector [1]
271
A2 Konrad von Würzburg, ,Trojaner krieg'
zu rächen (12,690; 12,840/3). Η hätte die Schiffe in Brand gesetzt, wäre er von Aiax nicht daran gehindert worden (13,13; Streit um die Waffen des Achilles, Argument des Aiax), Η ging aus dem Zweikampf mit Aiax unverletzt II. hervor, erst Ulixes brachte mit Achilles Η's Bezwinger nach Troja (13,286; 13,393/8; Beide Η-Belege beziehen sich direkt auf die Nennung in Ovids Bericht von der Verjün- Argument des Ulixes). Hecuba nimmt nach der Eroberung der Stadt H's Gebeine an sich gung Aesons (MM 7,174). A l deutet dabei und lässt Haare und Tränen am Grab zurück den Begriff der „diva triformis" (MM 7,187) — vielleicht mit Rückgriff auf eine Glosse - (13,591; 13,731; 13,876). [1] In Ovids .Metamorphosen' (12,76) tötet Achilles den gleichsam als Dreifaltigkeit aus Diana, Luna Cygnus richtigerweise lange Zeit vor H, der Kampf mit Η und Proserpina. 10528: Die zauberkundige Η wird von Medea bei der Verjüngung des Aeson beschworen (Iason und Medea).
[mk/sks]
Hector [1] [Sohn des Priamus und der Hecuba, Gatte der Andromacha, wichtigster Held der Trojaner, von Achilles getötet]
G: Sohn des Priamus und der Hecuba (A2, A3, A4, A5), Bruder des Paris (A2, A3, A4, A5, E4, E5) u.a., Gatte der Andromacha (A4, E l , E2) oder der Pictorie [!] (A5), Vater des Astyanax und des Laodamas (A3, A4), Geliebter der Dido [!] (C4) R: König (A4, E4), Fürst (A4, A5), Heerführer der Trojaner (A3, A4), Held (A2, A4, A5), Ritter (A2, A4), herre (Epitheton) (Al, A2, A3) Nf.: Ector (A3, A4, B2, C2), Ecktor (B8), Ektor (El), Hektor (Al, B6, B9, BIO) I.
Al Heinrich von Veldeke,,Eneasroman': Aeneas begegnet Η unter den gefallenen Trojanern in der Unterwelt (3325). Η hat einst Helenor, einem Mitstreiter des Aeneas, Schwert und Waffen verliehen (6972).
A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen \ Η trauert um seinen verwandelten Bruder Aesacon, der ein ebenso mächtiger Held wie er geworden wäre (11,1318/21). Bei der Landung der Griechen tötet er Protesilaus (12,4). Achilles ist ihm gram und tötet erst ihn, danach Cygnus (12,131-153). [1] Neptunus fordert Apollo auf, Η an Achilles
wird, wie es heißt, erst im 10. Kriegsjahr stattfinden.
A3 Herbort von Fritzlar, ,liet von
TroyeΗ
ist berühmt für seine Tapferkeit, Tugendhaftigkeit und Freigebigkeit, ähnelt im Aussehen Helenus und Deiphobus, im Charakter Priamus, hat schulterlanges, lockiges, braunes Haar und schielt leicht (3155/8; Descriptio). Er stimmt Priamus' Plan zu, Hesiona von den Griechen zurückzufordern, lehnt aber einen Rachefeldzug ab, weil die Trojaner dafür militärisch zu schwach seien (16662126). Nach der Entfuhrung Helenas wird er zum Oberbefehlshaber der Trojaner ernannt und weist den Verteidigern ihre Positionen zu (4090/3). Bei der Landung der Griechen tötet Η Protesilaus, am folgenden Tag Patroclus, raubt ihm die Rüstung, erschlägt weitere Griechen und kehrt als bester Kämpfer aus der Schlacht zurück (4544-6041). Η lässt die Mauern verstärken, raubt in der nächsten Schlacht Achilles das Pferd und wird von ihm verwundet, kämpft dreimal gegen ihn, wobei er einmal die Oberhand behält und zweimal von Aeneas, Troilus und seinen Halbbrüdern gerettet wird (6056-7269); sein Schlachtross Galathea, das ihm Penthesilea geschenkt hat, verliert er für kurze Zeit an Achilles (73867894). Er begegnet diesem außerdem auf einem Ausritt während eines Waffenstillstands. Beide provozieren einander, ein Kampf wird nur knapp verhindert (8050-8239). In der folgenden Schlacht wird Η von Achilles schwer verwundet und während eines sechsmonatigen Friedens in der für Paris und Helena
272
Hector [1]
eingerichteten Liebeskammer von Andromacha, Hecuba, Helena und Polyxena gesund gepflegt. Achilles ärgert sich über den guten Heilungsverlauf (8739-9407). Priamus und Andromacha wollen Η vom Kampf fernhalten. Als er dennoch eingreift, verwundet er zunächst Achilles, wird dann aber von ihm getötet. Seine Leiche wird unter den Klagen aller Trojaner in die Stadt gebracht (sogar Achilles rühmt seine Kampfkraft) und in einem aufwendigen, mit einer Inschrift versehenen Grabmal beim Apollotempel beigesetzt (9604-10844). Priamus fordert zur Rache auf, Deiphobus übernimmt H's Position (1086110959). Als sich Achilles bei der Feier zu H's erstem Todestag in Polyxena verliebt, bereut er, Η getötet zu haben (11137; 11276). Deiphobus und Troilus werden neben Η bestattet (11951; 13426). Die Leiche des ermordeten Achilles wird vor H's Grab geworfen (13498; 13552; 13693). Als Penthesilea vom Tod H's, den sie liebte, erfährt, kommt sie mit den Amazonen den Trojanern zu Hilfe und nimmt an den Griechen Rache für Η (14378-14424; 14540; 14786). Nach H's und Paris' Tod hält Antenor die Lage der Stadt für aussichtslos und verrät sie an die Griechen (15024; 15118; 15827). Helenus und Cassandra bitten diese nach der Eroberung Trojas um Schonung von H's Söhnen Laodamas und Astyanax (16376). Laodamas gewinnt später mit seinem Halbbruder [Molossus], dem Sohn von Andromacha und Pyrrhus, die Herrschaft überTroja zurück (18126-18202). A4 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg': Η ist zum Fest des Iuppiter anlässlich der Hochzeit von Thetis und Peleus geladen und trägt den Beinamen „der Kühne". Er führt die Sirene im Wappen (1096; Katalog der Gäste des Iuppiter). Als sich Priamus und Iuppiter streiten, zu welchem Gefolge Paris gehören soll, gewinnt ihn Η durch einen siegreichen Zweikampf gegen Peleus für die Trojaner (3520-4318). Beim Geburtstagsfest des Priamus liefern sich Η und Paris einen Schaukampf. Als Paris zu unterliegen droht, gibt der Hirte, der Paris aufgezogen hat, dessen
Identität preis und verhindert so einen Brudermord. Η freut sich über den wiedergefundenen Bruder (4707; 5012-5344). Nach der ersten Zerstörung Trojas rät Η dem Priamus, die Stadt wieder aufzubauen und an den Griechen Rache zu nehmen (13115; 1326213288); er empfiehlt, Hesiona von den Griechen zurückzufordern, wird Oberbefehlshaber des Heeres (17880-18760; 19125) und steht Paris bei der Entführung Helenas zur Seite (19348; 22326); organisiert die Heeresaufstellung zur Verteidigung Trojas, will die Griechen an der Landung hindern, tötet Protesilaus, richtet unter den Griechen ein Blutbad an und vereinbart mit Ulixes einen ersten Waffenstillstand (25054-26808). Ulixes lobt Η als den besten Kämpfer seit Hercules. Bevor er nicht besiegt sei, könne Troja nicht erobert werden. Nur Achilles sei dazu imstande, Ulixes ist bereit, ihn nach Troja zu bringen (26986-27213; 28572). Η freut sich über Achilles' Ankunft in Troja, hält vor der folgenden Schlacht eine flammende Rede, sieht das Recht auf Seiten Trojas (29632-30393), tötet Patroclus, raubt ihm aber nicht die Rüstung, wie fälschlicherweise behauptet wird; kämpft auch gegen Achilles, tötet zahllose Griechen (30825-33718), befreit Paris und Polydamas aus den Händen der Feinde, setzt die gr. Schiffe in Brand (34144-36274), verbläut Achilles, kämpft gegen AiaxTelamonius, erkennt in ihm einen Verwandten, schenkt ihm ein Schwert und gewährt den Griechen einen Waffenstillstand (36355-37578). Η wird in Troja ehrenvoll empfangen, seine Wunden werden mit einer Salbe geheilt; er rüstet sich erneut zum Kampf (3762638850). In der dritten Schlacht kommt es zu einem weiteren Zweikampf zwischen Η und Achilles, Η tötet neuerlich zahlreiche Griechen (39172-40410). ,Trojanerkrieg'-Fortsetzung·. In der vierten Schlacht zeichnet sich Η wiederum aus, will die Amazonen heimlich in Troja empfangen, wird von Achilles in einen Hinterhalt gelockt und trotz heftiger Gegenwehr getötet. Achilles bindet H's Leiche an seinen Wagen und
Hector [1] schleift sie. Die Nachricht von H's Tod löst in Troja große Klagen aus (40455-40785). Priamus erbittet von Achilles die Herausgabe von H's Leichnam und bringt ihn nach Troja, wo er standesgemäß begraben wird; mit Η haben die Trojaner alles verloren (40801-43989; RV auf H's Tod: 46587; 46742). Die Freude der Trojaner über Achilles' Tod ist so groß wie ihre Trauer um Η (44088), an seinem Grabmal wird ein Opfer dargebracht (47578), seine Söhne werden in Helenus' Obhut gegeben (48944; Resümee: 49745). A5, Göttweiger Trojaner krieg: Η bringt in Priamus' Auftrag den Traumdeuter Samlon aus Bagdad nach Troja (er soll den Fackeltraum der mit Paris schwangeren Hecuba deuten) und besteht unterwegs zahlreiche Abenteuer (124-1310), nimmt an einem Turnier teil, als der kleine Paris ausgesetzt wird, sonst hätte er es verhindert (1322). Η und Paris ähneln einander stark (6257), nur Η kann sich mit diesem an Tugend und Tapferkeit messen (10527; als Paris' Bruder genannt: 2068; 6406; 8234). Η begegnet Paris zufällig, sie erkennen einander nicht und beginnen einen Zweikampf. Als H's Schwert zerbricht, beendet Paris den Kampf, die Brüder erkennen einander und ziehen gemeinsam nach Troja (10977-11051).[1] Als H's Versuche, Paris mit den Eltern auszusöhnen, scheitern, ziehen die beiden an den Hof von Kaiser Agamemnon (11110-11298) und bestehen unterwegs einige Abenteuer (11373-11668), u.a. retten sie die Söhne des Orpheus vor einem Drachen (11699-11850). Η wird am Griechenhof herzlich empfangen, tötet den Angreifer Critogelan und will für Agamemnon eine Kriegserklärung an zwei feindliche Könige überbringen (11877-12185; 12330), befreit unterwegs die von zwei Zwergen gegeißelte Jungfrau Pictorie (12382-12549) und führt sie als seine Braut nach Troja (1266013014). Dabei begegnet er neuerlich Paris, der ihm klagend von Helenas Verlobung mit Menelaus berichtet. Η schlägt vor, in Troja ein Heer zu sammeln und Helena zu entführen (13105-13358). Er übernimmt selbst
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die Führung des Expeditionsheeres und besiegt die gr. Verfolger von Paris und Helena (13370-13483; 13607-13673). Η ist beim Anblick der herannahenden Griechenflotte überwältigt, riskiert mit Paris einen Ausfall und tötet 200 Griechen (14011-14240), aus der zweiten Schlacht kehren H, Paris und der Zwerg Passirius als einzige überlebende Trojaner zurück (14385-14590). Η verfolgt die Zweikämpfe von Passirius und Chiron, von Paris und dem Riesen Onopel (1687517276), tötet im Zweikampf Hercules und Aiax (17336-17613), begleitet Paris zum Zweikampf gegen Atrides (17756/91), aus der folgenden Schlacht kehren nur er und Paris zurück, Η sinnt auf Rache für den gefallenen [!] Priamus (18099-18166), rettet den durch Ascalaphus schwer verwundeten Paris (18328), tötet in weiteren Zweikämpfen Agamemnons Neffen Pantimulus (18395-18460), Antipolar (18607-18672) und schließlich Patroclus, den er vom Hals bis zu den Knien spaltet (18745-18842). Achilles fordert Η aus Rache zu einem Zweikampf, der drei Tage dauert. Η schlägt Achilles zweimal die Rüstung vom Leib, dieser muss nackt vor ihm fliehen (18978-19103). Am dritten Tag schlägt Achilles Η eine Wunde, die so stark blutet, dass er nichts mehr sieht, tötet ihn und schleift seine Leiche dreimal um die Burg. Die Griechen jubeln, Hecuba stirbt beim Anblick des geschändeten Sohnes sofort, Pictorie nach drei Tagen, Cassandra fällt in Ohnmacht. H, Pictorie und Hecuba werden in einem gemeinsamen Grab beigesetzt (19145; RV: 19631; 20066; 21739/53), Paris rächt Η an Achilles (19354). Aeneas hält die Lage der Stadt seit H's Tod für aussichtslos und plant einen Verrat, der zur Eroberung Trojas führt (22757). In Erzählerkommentaren wird H's früher Tod bedauert (22721; 23021; Resümee: 25128). [1] Der Bruderkampf zwischen Η und Paris (10977ff.) ist dem zwischen Parzival und Feirefiz in Wolframs von Eschenbach ,Parzival' 737,7ff. nachgebildet.
B1 P f a f f e Lamprecht, Alexanderlied' VI333, S1843: Das Trojalied [1] berichtet von den
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Hector [1]
tapferen Helden Η, Achilles, Aiax und Nestor; mit Alexander können sie sich aber nicht messen (Katalog). [1] Der Hinweis auf „der Troiäre liede" kann sich aus chronologischen Gründen weder auf Al noch auf A3 beziehen. Wenn ihn bereits der »Alexander' Alberics de Pisar^on, die frz. Vorlage von Β1, brachte, kommt auch Benoits,Roman de Troie' nicht in Frage. Vielleicht ist Vergils .Aeneis' oder die ,Ilias latina' gemeint (Kern, Edle Tropfen, 138, Anm. 268).
B2 ,Moriz von Craün': Η verteidigte viele Jahre mit seinen Brüdern Troja gegen die Griechen. Solange er lebte, waren die Trojaner im Vorteil, mit seinem Tod wurde ihr Widerstand von Tag zu Tag schwächer, bis die Stadt schließlich zerstört wurde (20-67; Prolog; Entstehung des Rittertums vor Troja). B3 Konrad Fleck,,Flore und Blanscheflur 1630·. Auf einem einst in Caesars Besitz befindlichen Pokal sind Szenen aus dem Trojanischen Krieg abgebildet, darunter auch die Tötung H's durch Achilles. Mit dem Pokal erkaufen byzantinische Händler Blanscheflur von Flores Eltern (Descriptio). B 4 , Wigamur'3424: Η und Deiphobus können sich mit Artus nicht vergleichen. B5,Prosa-Lancelot'III.479,7: Η und Achilles waren die besten Ritter der Antike („zu der alten zit") und mussten mit hunderttausend anderen wegen der Entführung Helenas durch Paris sterben (Bohort nennt Ginover Beispiele für die verheerenden Folgen unglücklicher Liebe und fordert sie auf, ihren Hass gegen Lancelot fahren zu lassen). [1] [1] Als weitere Beispiele werden David, Salomon, Samson und Tristan genannt.
B6 Konrad von Stoffeln,, Gauriel von Muntabel' 4382,12: H, Paris, Achilles und viele andere verloren wegen Helena vor Troja ihr Leben. Die Zerstörung der Stadt ist auf dem Wandgemälde eines prächtigen Burgsaals abgebildet, der einst von Pallas Athene errichtet wurde (Descriptio). B7,Reinfried von Braunschweig 20165: Reinfried kämpft so tapfer, dass er sich auch mit H, Achilles und Paris, die vor Troja kämpften, hätte messen können. B8 Heinrich von Neustadt, Apollonius' 12498: Beim Turnier im goldenen Land Crisia er-
ringen Apollonius und seine Gefährten größeren Ruhm als H, Paris und Achilles. [1] [1] Neben antiken Beispielen werden noch Kämpfer der Artussage und der chanson de geste genannt.
B9 ,Der Frauen Turnet, GA I, XVII, 104: Die Siegerin beim Frauenturnier erwirbt mehr Ruhm als Η und Paris. BIO .Die Heidin' GA I, XVIII,416: Der Frauenritter Alpharius erhofft sich von seiner Geliebten größeren Lohn, als Η und Paris je erringen konnten. C1 Der Tannhäuser, Leich IV,38: Η hatte zu Karidol den Gral genommen (geraubt?), weswegen Parzival seine Festung eroberte. [1] [1] Der Text ist eine Collage von z.T. stark verfremdeten literarischen Anspielungen. Mit Η könnte auch der arthurische Held gemeint sein (vgl. den Beleg im,Prosa-Lancelot' unter Nachbenennungen).
C2 Frauenlob VII.27,3: Von Η und anderen Helden [1] wird wegen ihrer Heldentaten noch heute erzählt. Zu diesen befähigten sie Freigebigkeit, Tugend und Güte. [1] Weiters genannt sind Achilles, Helden der Parzivalsage und Willehalm. Η ist eine Konjektur Ettmüllers für hs. Eckart (Stackmann [Hg.], Bd. 2, 892).
C3 Frauenlob 356,10 (Ettm.): Η tötete der Liebe wegen Toraloie und Beiidas vor Troja. [1] Der Sänger furchtet ein ähnliches Schicksal und fragt die Minne, warum sie ihre Freunde auf diese Weise belohne. [1] Die Identität von Beiidas und Toraloie ist nicht geklärt.
C4 Anonym, HMS III, p.427, XXXII.3,13: Ein Ritter meint beim morgendlichen Abschied von seiner Geliebten, so wie ihm müsse es Hector von Troja ergangen sein, als er von der schönen Dido [!] scheiden musste (Tagelied). [1] [1] Neben Η und Dido werden auch Tristan und Isolde genannt.
Dl Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast' 3388: H's Leiche wurde wie ein Wagen [!] um die Stadtmauern Trojas gezogen. Der Tod beendete seine Macht. Beim Fall Trojas wurden auch alle übrigen erniedrigt, die zuvor mächtig waren (Katalog; Vanitas-Topos). [1] [1] Neben Hecuba und Anchises geben noch Alexander, Caesar und Hannibal Beispiele für die Vergänglichkeit weltlicher Macht.
Hector [1] D2 Hugo von Trimberg, ,Der Renner' 15870: Die zehnjährige Belagerung und Zerstörung Trojas durch die Griechen war das Werk einer Ehebrecherin, der Hoffart und der Unrechten Minne. Das können Η und andere bezeugen (Katalog). E l yAnnolied' 23,4: H s Witwe Andromacha wird nach dem Krieg die Gattin des Helenus, der die Herrschaft über Griechenland übernimmt und ein neues Troja errichtet. [1] [1] Die Stelle bezieht sich auf .Aeneis' 3,294ff. (Aeneas begegnet Andromacha, die ihm von ihrem Schicksal nach der Eroberung Trojas berichtet).
E2,Kaiserchronik'364: Helenus heiratet nach der Zerstörung Trojas die Witwe Η's und zieht nach Griechenland. [1] [1] Die Stelle bezieht sich auf E l .
E3 Rudolf von Ems, , Weltchronik': H's und Helenus' Nachkommen erobern Troja von den Nachkommen des einstigen Trojaverräters Antenor zurück (26705; 26713; Berufung auf ein Buch über Troja).
E4 Jans Enikel, , Weltchronik': Η kämpft am Hof des Priamus gegen seinen unerkannten Bruder Paris, wird von ihm verwundet und besiegt (13699-13777). Er ist während der Belagerung Trojas durch die Griechen der tapferste Kämpfer (14491). Ein Zweikampf zwischen ihm und Achilles endet mit der völligen Erschöpfung beider (15543; 15559). [1] Η hält den in Achilles' Rüstung kämpfenden Patroclus für Achilles und tötet ihn (15777-15851). Achilles will Rache nehmen, er und Η tragen einen erbitterten Zweikampf aus, in dem Η schließlich getötet wird. Um Priamus zu schonen, spricht man nur von einer Verwundung (15910-16392). Paris rächt Η an Achilles (16491). [1] Bei ihrem Zweikampf übertreffen Η und Achilles Herzog Iran (Identität unklar) und Dietrich von Bern an Tapferkeit (15296f.).
E5, Baseler Bruchstück': Η und Paris sind Könige in Troja (1), sie bringen die Griechen bei der Belagerung Trojas in Bedrängnis. Η verbietet, dass dieTore der Stadt geschlossen werden, und wird im Kampfschwer verwundet (67-89), tritt dreimal gegen Achilles zum Zweikampf an, zerschlägt ihm zweimal die Rüstung, jagt ihn
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in die Flucht und wundert sich über Achilles' Unverwundbarkeit. Beim dritten Kampf wird er von Achilles getötet. In Troja herrscht große Trauer, man schließt dieTore (138-201). Mit H's Tod schwindet der WiderstandTrojas gegen die Belagerer (263). E6,Die Erlösung' 6512: Beim Jüngsten Gericht haben der Prophezeiung der Sibylle zufolge alle bösen Menschen die Hölle zu erwarten, so auch Η (Katalog von Verdammten). [1] [1] Der Katalog nennt antike Götter, weitere Helden der Trojasage (Achilles, Paris, Aeneas, Ulixes) und Nero.
II. 1) Zur Η-Gestalt im MA; 2) H's „Biographie" in Trojaroman und Chronistik; 3) Quellenlage und mögliche Abhängigkeiten; 4) H-Anspielungen
1) Im Sinne der generellen Beispielfunktion Trojas für die Ideale höfischer Zeit gelten v.a. Η und Achilles in der volkssprachlichen Literatur des HochMA als mustergültige Verkörperungen ritterlicher Kampfestugenden, als die ersten Ritter schlechthin. Dass Η noch deutlicher als Achilles eine positive Gestalt abgibt, entspricht der grundsätzlich trojafreundlichen Perspektive des MA. Sie erklärt sich im Allgemeinen aus der Bedeutung, die Troja im ma. Geschichtsbild als Mutterstadt Roms zukommt [1], und im Besonderen aus dem Einfluss des fingierten Tagebuchberichts des Trojaners Dares Phrygius, der im MA als authentische historische Quelle für die Ereignisse um den Trojanischen Krieg angesehen wurde und die Basis zahlreicher ma. Trojaversionen (über den ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure auch die von A3 und A4) bildet. Die Gestalt H's erscheint natürlich mediävalisiert, er wird zunächst als vorbildlicher ma. Kriegsheld und Heerführer (bes. A3), zunehmend auch als höfischer Ritter im engeren Sinn gezeichnet (v.a. A4, A5). 2) Wie schon in Homers ,Ilias' ist Η der wichtigste Verteidiger Trojas, sein Schicksal und jenes der Stadt sind untrennbar miteinander verbunden, nach seinem Tod ist Trojas Untergang nur noch eine Frage der Zeit (vgl. v.a. B2 und das Motiv der verschlossenen
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Hector [1]
Tore in E5). Nach der ersten Zerstörung Trojas, einem Motiv der nachhomerischen Troj asage, das sich auch bei Dares findet, rät Η in A3 und A4 zum Wiederaufbau Trojas und zur Rückforderung Hesionas, der von Telamon entführten Schwester des Priamus (womit die Entführung Helenas als legitimer Racheakt der Trojaner erscheint). Die späteren Trojaromane A4 und A5 und derTrojabericht in E4 stellen dem die Vorgeschichte von der Aussetzung des Paris und dessen Rückkehr in die trojanische Fürstenfamilie voran. Sie folgt in den Grundzügen ebenfalls spätantiken Quellen (u.a. dem ,ExcidiumTroie'). Dass Η bei der Hochzeit von Thetis und Peleus Paris für Priamus erkämpft, ist ein in A4 neu entwickeltes Handlungsmotiv. Vom Schaukampf zwischen Paris und Η (das Motiv hat Parallelen im ,ExcidiumTroie', bei Servius und bei Myth. Vat. II, 197) wissen A4 (Sieg Η's) und E4 (Sieg des Paris), in beiden Fällen verbunden mit der Identifizierung des bis dahin unerkannten Familienmitglieds. [2] Eine eigenständige Erfindung ist der Handlungsgang in A5 (zufällige Begegnung der beiden Brüder, Fahrt nach Troja und an den Griechenhof, wo Hector wie zuvor schon Paris in die Dienste Agamemnons tritt, zweite Begegnung, Entschluss zur Entführung Helenas). An der trojanischen Griechenlandexpedition, die zum Raub der Helena führt, nimmt Η in A3 nicht teil (was ihn weiter entlastet), in A4 und A5 unterstützt er Paris wissentlich bei dessen Vorhaben. Konstant bleibt H's Funktion als Oberbefehlshaber des trojanischen Heeres (A3, A4, weniger deutlich in A5). Von der Tötung des Protesilaus, des ersten Gefallenen auf gr. Seite, durch Η wissen A2, A3 (nach Ovid) und A4. Das auf die ,Ilias' zurückgehende Motiv, dass Η die gr. Schiffe in Brand setzt, referieren (nach Ovid) A2 und A4. In allen Trojaromanen (A3, A4, A5) und in den chronistischen Trojaberichten (E4, E5) bildet die Gegnerschaft zwischen Η und Achilles den Fokus der Kampfhandlungen bis zu H's Tod. Η und Achilles treffen im Schlachtgeschehen mehrmals aufeinander (A3, A4),
dabei wird Η in A3 schwer verwundet (vgl. auch E5; mit der Umfunktionierung der Liebeskammer von Paris und Helena zum Lazarett unterstreicht A3 die Dramatik des Geschehens). H's Tod durch Achilles ist in A3 und in der Fortsetzung von A4 ein Unglücksfall und nicht Folge eines a priori ungleichen Kräfteverhältnisses wie bei Homer. Auch hier greift die trojafreundliche Perspektive des MA. Aufschlussreich sind in dieser Hinsicht die „Umkehrungen" in A5 und (vermutlich in Abhängigkeit von A5) E5: Η demütigt Achilles, dieser muss zweimal nackt fliehen und kann Η beim dritten Zweikampf nur durch einen Zufall töten. Der antiken Epentradition entsprechend (wohl über Vermittlung des ,Excidium Troie'), ist H's Tötung durch Achilles nur in A5, E4 und E5 ein unmittelbarer Racheakt für die Tötung des Patroclus durch Η (E4 mit dem Motiv des in der Rüstung von Achilles kämpfenden Patroclus). In A3 hat Patroclus' Tod wie bei Benoit und Dares eher episodenhaften Charakter, in der Fortsetzung von A4 ist er zwar wichtige Motivation für Achilles' Rache, Patroclus' und H's Tod trennen aber zehntausend Verse. Vom Schleifen der Leiche H's durch Achilles berichten die Fortsetzung von A4, A5 und D l (A4 nach Dictys, A5 und D l vermutlich wiederum in Rückgriff auf das ,Excidium Troie'). Das Motiv von Η in der Unterwelt in A l und die Angaben über das weitere Schicksal Andromachas nach der Eroberung Trojas in E l und E2 basieren auf Vergils >Aeneis' (in A l mittelbar über den afrz. ,Roman d'Eneas'). Der Hinweis auf die Rückeroberung Trojas durch H's Nachkommen in E3 stammt aus der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor [3]; dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, wird auf das profangeschichtliche Datum in einem Exkurs zur Heilsgeschichte hingewiesen. Die spezifische Perspektive, unter der A2 die Trojahandlung referiert, basiert auf Ovids ,Metamorphosen'. In erster Linie erscheint Η im Trojaroman als hervorragender ritterlicher Kämpfer, die höfische Minnethematik klingt in A3 in
Hector [1] einzelnen Motiven (Lob der Frauen für seine Kampftaten) und in dem Naheverhältnis zwischen Η und Penthesilea an. Verstärkt zeichnet A4 Η als Minneritter. Eine Minnehandlung im eigentlichen Sinn bringt aber nur A5 in der Passage, die von Befreiung und Gewinnung der Pictorie (!) durch Η erzählt. [4] 3) Was das Verhältnis der Trojaromane und der chronistischen Trojaberichte zueinander sowie die Quellen betrifft, ist summarisch Folgendes festzuhalten: A l und A2 folgen der antiken epischen Tradition, namentlich Vergil und Ovid (Al mittelbar über den ,Roman d'Eneas'), A3 und A4 Benoit de Sainte-Maure (A4 mit hoher Eigenständigkeit in Konzeption, Gestaltung und Einbezug weiterer Quellen). Weit von der Tradition entfernt ist A5 (mit Dares, ,Excidium Troie' und Ovids .Metamorphosen' als möglichen antiken Quellen). Parallelen zeigen sich zu A4 und E5 (v.a. im Zweikampf zwischen Η und Achilles), eine Abhängigkeit von A4 ist möglich, E5 verarbeitet vermutlich A5. Für sich steht auch die Fassung von E4, hier finden sich einige Parallelen zu A4 und A5. [5] 4) Auch in den Anspielungen gibt Η (oft zusammen mit Achilles, so in B l , B5, B6, B7 und B8) in erster Linie ein Beispiel für Tapferkeit. Im Unterschied zu Paris ist er kein Held der Liebe (von BIO, C3 und C4 abgesehen). [6] Im Tapferkeitsvergleich wird Η genannt in B7, in Form einer Uberbietung in B l , B4, B8, B9 und BIO (in Bl wird Η von Alexander, in B4 von Artus überboten). Die zahlreichen Nennungen H's und anderer Trojakämpfer im Rahmen dieses beliebten Topos unterstreichen die Vorbildfunktion Trojas für die rezente ritterliche Ideologie. Als wichtigster Kämpfer der Trojaner wird Η weiters im Rahmen von so genannten Bildzitaten, das sind Beschreibungen von Kunstwerken, erwähnt, die Szenen aus dem Trojanischen Krieg abbilden (B3, B6). Im Kontext eines Exemplums für das Leid, das die Liebe bzw. Helena verursacht, nennen ihn B5 und B6.
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Von der Vergänglichkeit weltlicher Macht bzw. den verderblichen Folgen von Machtstreben und Ehebruch zeugt sein Tod in D1 und D2, beide Stellen reflektieren prominente Topoi der didaktischen Literatur. Der Vanitas-Topos in D l nennt u.a. noch Alexander, in diesem Kontext eine gängigere Beispielfigur als H. Wie andere Götter und Helden der Antike wird Η als zur Hölle Verdammter in Ε6, einem geistlichen Text, genannt. Der scharf polemische Ton ist im Lichte der übrigen Belege bemerkenswert. Eine angesichts der Verbreitung der TrojaAeneassage im höfischen MA erstaunliche mythographische „Fehlleistung" ist die von C4 behauptete Verbindung von Η und Dido. Der verfremdete Η-Beleg in C1 ist Ergebnis eines literarischen Spiels, das auf den hohen Grad von Literarizität hinweist, die dem Trojastoff bei aller historischen Relevanz in der höfischen Literatur zukommt. Aeneas
(III).
[2] Zum Kampf zwischen Η und Peleus um Paris in A4 und zur Motivtradition des Bruderkampfes zwischen Η und Paris Lienert, Geschichte und Erzählen, 47ff. [3] PL 198, Sp. 1300d: „Hectoris filii Ilium receperunt, expulsis posteris Nestoris" („Die Söhne Hectors haben nach der Vertreibung des Nachfahren Nestors Troja wieder in Besitz genommen."). Dass E3 von den Antenoriden spricht, die vertrieben werden, erklärt sich entweder aus einer Glosse oder aus einer Weiterentwicklung der entsprechenden Motive zur Nachgeschichte Trojas in Vergils .Aeneis' (vgl. auch die Rolle der Söhne des Helenus). [4] Zur Η-Gestalt in A3, A4 und A5 vgl. G. P. Knapp, Hector und Achilles; zu A4 Lienert, Geschichte und Erzählen, passim; zu A5 Kern, Agamemnon weint, passim. [5] Für eine Abhängigkeit von A5, E4 und E5 von A4 plädiert Lienert, Geschichte und Erzählen, 350ff.; gegen eine Abhängigkeit von A5 von A4 Kern, Agamemnon weint, 183ffi; zur Abhängigkeit von E5 von A5 ebd., 193ff. [6] Vgl. Kern, Edle Tropfen, Reg., bes. 137ff. Nachbenennungen Wolfram von Eschenbach,, Willehalm1353,1 u.ö. (Ector)·. Η ist ein heidnischer König und Fahnenträger Terramers; wird von Bernart von Brubant getötet. ,Prosa-Lancelot' 1.319,10 u.ö. (Hestor): Η von Mares befreit auf seiner Abenteuerfahrt u.a. Elaine Ohnegleichen (-* Helena). Johann von Würzburg,, Wilhelm von Österreich' 17636·. Der heidnische Kämpfer H, König von Jeskoni, wird von den Christen in die Flucht geschlagen. [mk]
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Hector [2] — Hecuba
Hector [2]
I.
[Sohn von Alexanders Feldherrn Parmenio; ertrinkt vor Alexandria; Curtius IV.8,7; Chätillon VIII, 175]
Al Heinrich von Veldeke, .Eneasroman' 794: Aeneas schenkt Dido das Gewand, das Η bei ihrer Krönung getragen hat. [1]
G: Sohn des Parmenio, Bruder des Nicanor und des Philotas (Al, A2) Nf.: Ector (Al) I. Al Rudolf von Ems, Alexander'·. Η erleidet vor Alexandria Schiffbruch und ertrinkt (10643; RV: 19517; 19751). A2 Ulrich von Etzenbach, Alexander'·. Η fuhrt mit den Thebanern im Auftrag Alexanders vergeblich Ubergabeverhandlungen (31933271), begleitet Alexander auf dem Heerzug gegen die Perser (4603), kämpft bei Issos im linken Flügel (7461), führt bei Arbela die Sturmfahne (13135) und fällt (18261; 18556; 18569). II. Im Unterschied zu seinen Brüdern Nicanor und Philotas ist H, der dritte Sohn des Parmenio, nur von untergeordneter Bedeutung. Die Angaben zu seinem Tod in Al folgen Q. Curtius Rufus. A2 weist ihm in den Kampfhandlungen eine größere Rolle zu als seine Quelle, die Alexandreis' Walters von Chätillon, die Η nur kurz als Gefallenen erwähnt. [mk]
Hecuba [Trojanische Königin, Gattin des Priamus, u.a. Mutter von Hector und Paris, Cassandra und Polyxena]
G: Gattin des Priamus (A3, A4, A5, Dl, El), Mutter des Hector (A2, A3, A4, A5), des Paris (A3, A4, A5, El), der Cassandra (A3, A4, A5), der Polyxena (A2, A3, A4, A5) u.a. R: Königin von Troja (Al, A2, A3, A4, A5, Dl, El), vrouwe (Epitheton) (A2, A3, A4, A5, C l ) Nf.: Ecuba (Al, A3, A4, A5, C l ) , Ecguba, Eckuba (El), n.n. (Dl)
[ 1 ] Die Angabe folgt dem .Roman d'Eneas' 756ff., in Vergils Aeneis' I,647ff. erhält Dido u.a. Helenas Schleier.
A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Nach dem Untergang Trojas wird Η vom Grab ihrer Kinder weggezerrt, nimmt Hectors Gebeine an sich, klagt nach der Opferung Polyxenas am Grabe des Achilles, findet am Strand Polydorus' Leiche, begibt sich zu Polymnestor, der Polydorus in Obhut hatte, und kratzt ihm die Augen aus. Von Polymnestors Mannen verfolgt, verwandelt sich Η in einen Hund, sogar Iuno bedauert ihr Schicksal (13,581-812). A3 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Η ist groß und mollig, klug, gerecht und in ihrem Verhalten männlich (1689; 3244; Descriptio). Η versucht Cassandra zu beruhigen, als diese Helena verflucht [2770; 6186], behandelt mit Cassandra und Polyxena die Wunden Hectors, fordert zur konsequenten Verteidigung der Stadt auf und empfängt ihre Söhne nach der Schlacht (7174-7312; 7837), trauert mit Helena über Briseis' Abschied aus Troja (8499), pflegt den von Achilles schwer verwundeten Hector (9207), zerreißt ihr Haargebinde, als Hector wieder in die Schlacht zieht (9730/ 4), sieht mit Hectors Tod Trojas Ende nahen, beklagt mit verhülltem Antlitz seine Leiche (10571; 10626); verspricht Achilles Polyxenas Hand, wenn er die Griechen zum Abzug bewegen kann (11320-11418), klagt mit Priamus über den Tod von Deiphobus und Sarpedon (11961/3), empfängt den aus der Schlacht zurückkehrenden Troilus (1276412781) und wird von Priamus wegen ihrer Verhandlungen mit Achilles getadelt, als dieser wieder in den Kampf eingreift (13085). Als Troilus durch Achilles fällt, wünscht sich Η von ihren Göttern Iuppiter, Mars und Pluto den Tod, aus Trauer ist sie wie versteinert, liegt drei Tage wie tot im Bett und plant dann den Mordanschlag gegen Achilles: Er
Hecuba soll unter dem Vorwand einer Vermählung mit Polyxena in den Apollotempel gelockt und dort von Paris getötet werden (13327; 13429; RV: 15807/34). Als Paris fällt, ist sie bereits des Klagens müde (14079). Während der Eroberung Trojas flieht sie in den Turm Ilion, beschimpft Aeneas als Verräter, vertraut ihm aber Polyxena an. Cassandra und Helenus bitten die Griechen um H's Schonung. Nach Polyxenas Tod wird sie aus Leid wahnsinnig, beißt wild um sich, ersticht einen gr. König und zwei Grafen, wird zu Tode gesteinigt und in einem schönen Grabmal beigesetzt. Der Ort wird nach H's Schicksal benannt und heißt „unselic stat alle verkart" [„heillose Stätte des Wahnsinns"; 16510] (1626716484; RV: 16837). A4 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg·. Die mit Paris schwangere Η träumt von einer Fackel, die aus ihrem Herzen wächst und so stark brennt, dass sie Stadt und Reich bis auf die Grundmauern in Asche legt. Sie erzählt den Traum Priamus, der ihn auf das ungeborene Kind bezieht und beschließt, es nach der Geburt töten zu lassen. Die mit der Tötung beauftragten Diener haben allerdings Mitleid mit Paris und setzen ihn nur aus (343; Η als Paris' Mutter genannt: 4957; 5072; 5307). Beim Kampf zwischen Hector und Peleus um den noch unerkannten Paris furchtet Η um Hectors Leben und freut sich über seinen Sieg (4137; 4307). Mit Helenas Entführung und dem Entschluss der Griechen zum Krieg gegen Troja beginnt sich H's Fackeltraum zu erfüllen (22292; 23367; 23642). Η freut sich über die Rückkehr Hectors aus der Schlacht mit den Griechen und salbt seine Wunden (37650-37677). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung·. Priamus berichtet in seiner an Achilles gerichteten Bittrede um die Rückgabe von Hectors Leiche von H's Fackeltraum (41619; RV). Η beklagt den toten Sohn (42210) und sinnt auf Rache für Hector und Troilus: Sie will Achilles unter dem Vorwand einer Vermählung mit Polyxena in den Tempel des Apollo locken, wo ihn Paris töten soll, und entsendet Boten zu
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Achilles. Der Plan gelingt (43674-44034; RV: 44289). Als Apollo und Pallas Athene wegen dieses frevelhaften Mordes das Opfer der Trojaner nicht annehmen, erschrickt Η (47554). Nach der Zerstörung Trojas wird Η Ulixes als Gefangene übergeben (48585; Resümee: 49731). A5 ,Göttweiger Trojanerkrieg'·. Die mit Paris schwangere Η träumt von einer goldenen Fackel, die aus ihrem Herzen wächst. Da der trojanische Wahrsager Calchas den Traum nicht deuten kann, bittet Η Hector, den Traumdeuter Samlon aus Baldach zu holen (1-85). Sie ist über dessen Deutung, ihr ungeborenes Kind werde Troja vernichten, entsetzt und will es nach der Geburt aussetzen lassen (576-999). Mit dem Auftrag an den Ritter Hylion, das Kind im Wald zu töten, begeht sie einen großen Frevel (1236-1328). Ihr Plan geht nicht auf, da Hylion Paris aussetzt und das Kind von dem Hirten Ribalin gerettet wird (1414; RV und genealogische Angaben: 1881; 2042; 2402). Als Hector Paris nach Troja bringt und seine Identität aufklärt, umarmt ihn Η weinend und bittet kniend um Verzeihung, die Paris verweigert. Η bereut die Aussetzung (10934-11287). Hector schenkt seiner Braut Pictorie [!] einen Ring H's (12627), Η empfängt Pictorie freudig in Troja (13289; 13345), erkennt bei der Ankunft von Paris und Helena in Troja die Wahrhaftigkeit ihres Fackeltraumes, lässt sich Helena zuliebe aber nichts anmerken (1367913736); bemerkt als erste die herannahende Griechenflotte (14003), verfolgt die Kämpfe mit Sorge (17441; 17737), ist bekümmert, als Priamus in die Schlacht zieht, verfolgt den Kampf von der Mauer aus, zerreißt ihr Kleid, als sie ihn fallen sieht, und trägt von da an einen Sack (18135); stirbt [ein erstes Mal!], als sie mitansieht, wie Achilles Hector tötet und seine Leiche schleifen lässt, und wird mit Hector und Pictorie in einem gemeinsamen Grab beigesetzt (19164; 19234). H, Priamus und die übrigen Trojaner feiern gerade die 14tägig stattfindende Venusandacht, als Aeneas die Griechen in die Stadt einlässt [22901].
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Hecuba
Η stirbt [ein zweites Mal!] aus Gram über die Tötung Polyxenas (23147; 25143). C1 ,Carmina Burana' 155a,4: Die Geliebte des Sängers ist schöner als Dido, Helena, Pallas Athene und Η (Katalog). D1 Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast' [3399]'. Als Troja fiel, wurden die Mächtigen der Stadt erniedrigt: Die Königin wurde wie ein Knecht durch den Dreck gezogen, Anchises wurde vertrieben und schon zuvor war Hectors Leiche um die Stadt geschleift worden. Troja gibt so ein herausragendes Beispiel für die Vergänglichkeit und Eitelkeit weltlicher Macht. [1] [ 1 ] Weitere exempla vanitatis
geben Alexander und Caesar.
El Jans Enikel, , Weltchronik'·. Η träumt von einer Fackel, die Troja in Brand setzt. Eine alte Frau deutet den Traum: Η werde einen Sohn gebären, der Troja zerstören werde (13513; 13559). Als Priamus von diesem Traum erfährt, befiehlt er der alten Frau, Paris der Mutter wegzunehmen und zu dem Jäger Dardanus zubringen [13565]. 18 Jahre später wird Paris von seinen Eltern und Geschwistern wieder freundlich am Hof aufgenommen [13685]. Η und Priamus empfangen Helena und Paris festlich in Troja (14387; 14393). Η legt Priamus die Rüstung an, verfolgt die Kämpfe von der Stadtmauer aus (15971; 15991; 16087) und fordert ihn nach Hectors Tod zum Rückzug aus der Schlacht auf (16341). [1] 15971-16341 nennen statt Η Thetis als Gattin des Priamus.
II. 1) Η als Leidensfigur; 2) Η-Motive im ma. Trojaroman; 3) Anspielungen
1) Η gehört zwar nicht zu den zentralen handelnden Figuren der Trojasage, ihre Rolle ist jedoch signifikant für die „Dramaturgie" vom Untergang der Stadt, der sich im tiefen Fall der großen Königin und kinderreichen Mutter exemplarisch vollzieht: Mit dem Tod jedes Sohnes verliert sie einen Teil ihres Status, am Ende ist sie zur Kriegsgefangenen und Sklavin degradiert, deren persönliches Leid keine Grenzen kennt. Ovid hat in der entsprechen-
den Szene der .Metamorphosen1 (13,422ff.) das Bild der erniedrigten Η mustergültig gezeichnet, die Trauernde wird durch den Tod Polyxenas und Polydorus' wahnsinnig, verliert ihre menschliche Identität und verendet als rasender, mit Spießen und Steinen beworfener Köter. Diese v.a. auf Euripides' Tragödie ,Hekabe' basierende Version, die noch bei Dante nachwirkt (,Inferno' XXX,13ff.), ist in A2 inhaltlich getreu wiedergegeben. Es fehlt aber der Hinweis auf den nach dem Geschehen benannten Ort, das Motiv findet sich in A3 (über Benoits ,Roman deTroie', 26550ff. nach Dictys 117,12: „Cynossema", „Mal des Hundes"), wobei mit „Ort des Wahnsinns" offenbar selbständig ein neuer Name eingeführt ist. Die Metamorphose wird rationalisiert: Bei Dictys stößt Η unsägliche Flüche aus, bei Benoit und in A3 beißt sie wie ein Hund um sich. Die unmittelbare Motivation durch den Tod der Polyxena macht einen Rückgriff Benoits auf die .Metamorphosen' wahrscheinlich. Auf Ovids Konzeption der Gestalt lassen sich auch die drastischen Klagegesten H's beziehen. In A3 rauft sich Η beim Auszug Hectors in seine letzte Schlacht die Haare, später ist von ihrer zunehmenden emotionalen „Versteinerung" die Rede, was an Niobe erinnert. In A5 zerreißt sie beim Tod des Priamus ihr Gewand. Das Motiv von der durch den Dreck geschleiften Königin in Dl erinnert ebenfalls an Ovid. 2) Die Handlungsinitiative ergreift Η in A3 und A4 nur beim Mordanschlag gegen Achilles. Das Motiv stammt aus dem spätantiken Trojabericht des Dares Phrygius, der maßgeblichen Quelle des ma. Trojaromans, und wird von A3 und A4 über deren Vorlage, den ,Roman deTroie' Benoits, übernommen. Ebenfalls aus der späteren antiken Trojatradition stammt H's Fackeltraum, der zur Aussetzung des Paris führt (es handelt sich vermutlich um eine Analogie zum Orakel des Laios und der Aussetzung des Odipus). Das Motiv findet sich u.a. im ,Excidium Troie' (cap.3) und wird in den späthöfischen Trojaromanen A4 und A5 und im chronistischen
Hegelochus
Trojabericht von El übernommen. [1] Die je unterschiedliche Akzentuierung macht die Frage der Abhängigkeit schwierig. In A4 und El ist von einer brennenden Fackel die Rede, die die Stadt in Asche legt. A5 spricht nur von einer goldenen Fackel, das Attribut verweist auf die Tugendhaftigkeit des Paris. Auch A4 betont im Kontext Paris' herausragende Ritterlichkeit, die im hellen Glanz des Feuers zum Ausdruck komme. Eine Schuldzuweisung wird vermieden, eher weist der Traum auf den tragischen Niedergang der am Beispiel Trojas geschilderten idealen höfischen Welt. [2] In A4 deutet Priamus, in El eine alte Frau den Traum, in beiden Fällen befiehlt Priamus die Beseitigung des Kindes. A5 gestaltet die schwierige Traumdeutung zu einer breiten Episode aus, die v.a. der Bewährung Hectors dient. Hier ist Η diejenige, die das Kind aussetzen lässt und deshalb (im Widerspruch zur Handlungslogik, aber der idealisierten Parisfigur entsprechend) vom Erzähler scharf kritisiert wird. Die stark episodisch orientierte Erzählweise von A5 erklärt auch den zweifachen Tod Η's, das erste Mal unmittelbar nach dem Tod Hectors (erklärbar als dramaturgischer Effekt), das zweite Mal an der traditionellen Stelle, nach dem Untergang Trojas. [3] 3) Diebeiden Anspielungen C1 und Dl nennen Η im Rahmen gängiger ma. Topoi. In C1 wird Η zusammen mit anderen Frauengestalten der antiken Mythologie im Schönheitsvergleich genannt. Das konventionelle rhetorische Muster findet sich auch sonst häufig in der dt. höfischen Lyrik und Epik, die meisten Nennungen verzeichnen natürlich Helena und Venus. [4] In Dl gibt Η ein drastisches und wohl von Ovid inspiriertes Beispiel für die Vergänglichkeit weltlicher Macht. Im Rahmen dieses in der didaktischen Literatur beliebten Vanitastopos dient Η auch CB 16.3,8 als Exempelfigur (Königin Hecuba liegt unter dem Rad der Fortuna). Die Ubergabe von H's Krönungskleid an Dido durch Aeneas in Al könnte auf das tragische Schicksal Didos vorausweisen.
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Insgesamt ist Η als durchwegs positive Figur gezeichnet. Eine ausführliche Beschreibung liefert A3 (nach Benoit). Ausdrücklich lobende Erwähnungen finden sich in A3, A4, El und (nach vorübergehender, scharfer Kritik) auch in A5. [1] Zur Geschichte des Motivs vgl. Lienert, Geschichte und Erzählen, 34ff. Es findet sich bereits in Ovid, .Heroides' 16,43ff.; außerdem bei Dictys (79,22ff.) und in der ,Ilias' des Simon Aurea Capra (Iff.). [2] Zu A4 ebd.; zu A5 Kern, Agamemnon weint, 45f.; zur Η-Gestalt im Trojaroman weiters L. Miklautsch, Studien zur Mutterrolle in den mhd. Großepen des zwölften und dreizehnten Jh., 1991, 187ff. [3] Zum zweifachen Tod H's und anderer Kern, Agamemnon weint, 166ff. [4] Vgl. Kern, Edle Tropfen, bes. 147ff. Nachbenennungen Wolfram von Eschenbach, .Parzival'336,1 (Eckuba)·. Η ist die Königin von Janfuse und eine Verwandte des Feirefiz. Albrecht, Jüngerer Titurel' (Ekuba): Η ist Königin von Lanfuse, der Name bedeutet in heidnischer [arabischer] Sprache „Tugend" (3204,1), sie ist die Mutter des Frigureisund einer gleichnamigen Tochter (3204,4 u.ö.). [1] [1] Wolfram begreift Η offensichtlich als orientalischen Königinnennamen, wobei er ihn am ehesten aus der Trojatradition (Al, A3) kennt (der von E. Martin, Wolframs von Eschenbach Parzival und Titurel. 2. Teil: Kommentar, 1903, 279 [zu 336,1] behauptete Rückgriff auf „Hecubae sepulcrum" bei Solinus 71,6 ist wenig plausibel; dazu Chandler, Catalogue, 75). Die Nennung bei Albrecht bezieht sich auf den .Parzival', die Etymologie ist selbständig erfunden und lässt sich vielleicht mit dem positiven H-Bild im Trojaroman erklären. [mk]
Hegelochus [Makedonischer Truppenführer Alexanders, historisch wahrscheinlich bei Gaugamela gefallen; Curtius III. 1,19]
Al Rudolf von Ems, Alexander' (Hegeloch): Der tapfere, angesehene Η und Lesbus unterstützen Amphoterus am Hellespont und erhalten dafür 500 Pfund (5073). Später erobern er und Amphoterus alle Länder zwischen Asien und Achaia sowie Kiun und nehmen Pharnabazus, Apollonides und Athenagoras gefangen (9499; 9539; 10683). Nach Philotas' Bericht soll Η seinem Vater Parmenio nach der ersten Niederlage des Darius gegen Alexander geraten haben, Alexander zu stürzen und die Krone an sich zu reißen; die weitere Verfolgung des
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Helena [1]
Vorhabens sei aber durch seinen Tod vereitelt worden (20004-20012). [1] [1] Ob der 5073-10683 und der von Philotas genannte Η bei Q. Curtius Rufus als zwei verschiedene Gestalten anzusetzen sind, ist unklar. Der Hinweis auf seinen Tod (20004ff., vgl. Curtius VI. 11,22) lässt jedenfalls darauf schließen, dass der historische Η fur alle Nennungen das Vorbild abgibt. Bei Curtius ist Η nicht Sohn, sondern Verwandter des Parmenio. [sks/mk]
Helena [1] [Tochter des Zeus und der Leda, Gattin des Menelaos, unvergleichlich schön; ihre Entführung durch Paris ist der Anlass des Trojanischen Krieges]
G: Tochter des Iuppiter (A4, El, E2) oder des Tyndareos (A4 [Forts.]) oder des Agamemnon [!] (A5, E5), der Aurora [!] (Bl) oder der Floranda [!] (A5), Schwester (A3) oder Mutter [!] (A2) der Dioskuren, Gattin des Menelaus (Al, A3, A4, E4) und des Paris (Al, A3, A2, A4, A5, E4, E5), Verlobte [!] des Menelaus (A5), Geliebte des Paris (B3, B4, B6, B8, B9, B l l , C8), Mutter der Hermione (A3, A4) R: Königin (A3, A4, B3, Dl, D3, E4, E5), Kaiserstochter (A5), vrouwe(Epitheton) (Al, A4), von Griechenland (Epitheton) (A4, B9, C6, Dl, E4, E5) Nf.: Ascholoie (Cl), Elene/a (A3, A4, B8, C6, D4, E4), Elyna (BIO), Heianna, Heleyna (A5), Ilion [!] (B12), klena (E5), Tyndarides (Bl), n.n. (B2, B5, C7) I. Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'\ Η wurde mit Hilfe der Venus (167) dem Menelaus von Paris geraubt (11693) und ihm nach der Zerstörung Trojas von den Griechen zurückgegeben (30). Dido beklagt den Raub der Η und die Zerstörung Trojas als indirekte Ursachen ihres Liebesleids (1398). A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Wegen Η und Paris wurde Troja unter der Herrschaft des Priamus zerstört (11,1316). Ihre Ankunft in Troja fällt mit dem Tod des Aesacon zusammen und bringt weiteres Leid über die Stadt (12,10). Vor Kriegsbeginn
wird Η durch Ulixes erfolglos zurückgefordert (13,309). Die gealterte Η wundert sich angesichts ihrer Falten, dass sie einst so umworben war (15,258/261; Exemplum des Pythagoras für stete Veränderung). Η hätte nicht so viele Werber gehabt, wenn sie so spröde gewesen wäre wie Pomona (14,765; Exemplum des Vertumnus an Pomona). [1] An der Jagd auf den Kalydonischen Eber nehmen auch die beiden Söhne [!] der berühmt-berüchtigten („beschreigten") Η teil (8,587). [2] [1] Bei Ovid meint Vertumnus, Pomona könnte so viele Freier wie H, Hippodame oder Penelope (letztere in A2 nicht erwähnt) haben. [2] Die falsche Genealogie könnte auf eine missverstandene oder verderbte Glosse zu den Dioskuren („fratres/filii Helenae" o.a.) zurückgehen.
A3 Herbort von Fritzlar; ,liet von Troye': Η ist tugendhaft, sanftmütig, sittsam, edel und klug, hat eine hohe Stirn, strahlende Augen, eine lilienfarbene Haut, gesunde Zähne und schöne Hände, sie ist die schönste Frau (2489; 2931/38; Descriptio) und wird Paris von Venus versprochen; begibt sich während Menelaus' Abwesenheit zu einem Fest auf Kythera und verliebt sich dort in Paris, der sie gewaltsam entführt und tröstet. Η's Trauer verringert sich stetig, nach einem halben Jahr ist sie Menelaus gram. Sie wird in Troja festlich empfangen (2402-2877; RV: 3517; 4872; 6385). Priamus will sie nur im Tausch gegen Hesiona zurückgeben (37193800), Cassandra wünscht sie nach der Landung der Griechen zum Teufel (6177/8). Η beobachtet mit den anderen trojanischen Frauen das Kampfgeschehen, besonders die Kämpfe des Paris (5635), erschrickt, als dieser von Menelaus vom Pferd gestochen wird (6385; 6910), tröstet ihn nach der Schlacht und lädt die trojanischen Fürsten zu einem Kamingespräch, bei dem über Liebe, Frauen und Abenteuer gesprochen wird (7068-7338). Η beklagt mit Hecuba die Auslieferung der Briseis an die Griechen (8500), pflegt mit Hecuba, Andromacha und Polyxena den verwundeten Hector, der in der Liebeskammer untergebracht wird, die für Paris und Η errichtet und mit Wunderapparaten ausgestattet
Helena [1] wurde (9208; 9379); klagt, als Hector wieder in den Kampf zieht (9736), und betrauert gemeinsam mit Hecuba Hectors Leiche (10530-10627; 10703). Der in Polyxena verliebte Achilles fordert Menelaus zum Verzicht auf Η auf (11503; 11510; 12288). Η beklagt den getötetenTroilus (13388), wünscht sich den Tod, als Paris fällt, sieht Cassandras Prophezeiungen wahr werden und wird ohnmächtig (14031). Antenor, Aeneas, Anchises und Polydamas fordern die Rückgabe H's, Antenor will die Stadt andernfalls den Griechen übergeben. Priamus stimmt zu. Η furchtet Menelaus' Rache und bittet Antenor, sich bei den Griechen für sie einzusetzen, auch Priamus bittet Menelaus um Gnade für Η (14992-15588; 16033). Die Griechen wollen Η vorerst noch bei Priamus lassen, um einen Vorwand für die Zerstörung der Stadt zu haben (16106). Bei der Eroberung Trojas wird Η von Menelaus vor Cassandra und Andromacha gerettet, Ulixes verhindert ihre von Aiax Telamonius geforderte Tötung und bekommt deshalb von Agamemnon das Palladium zuerkannt (16299; 16347; 16692). Als Η mit Menelaus nach Griechenland zurückkehrt, läuft das Volk zusammen, um die Verursacherin des Krieges zu sehen (17453; 17463). H's Tochter Hermione wird mit Orestes vermählt (17518; 18135). A4 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg'·. H, eine Frau so erhaben wie eine Kaiserin, brachte vielen den Tod, ihretwegen wurde viel Blut vergossen (314; Prolog). Sie ist Tochter des Iuppiter [21608] [in der Forsetzung von A4 Tochter des Tyndareus (49235) und Mutter der Hermione (49250)] und die Krone aller Frauen, schön und tugendhaft. Wie der Gesang der Sirene die Schiffe zieht ihre Schönheit die Menschen an (2654; Descriptio), von ihrem Ruhm künden christliche, jüdische und sarazenische Schriften (19680; Unsagbarkeitstopos). Venus verspricht Paris die Liebe H's, wenn er ihr den Apfel der Discordia zuerkennt. H's Beschreibung durch Venus macht Paris liebeskrank (2744; 4757; 5745), er vergisst Oenone und fordert das Verspre-
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chen ein (4357-4459). Mercurius überbringt Paris einen Brief der Venus, in dem sie ihn auffordert, nach Griechenland zu ziehen und Η dort zu gewinnen. Der trojanische Fürstenrat stimmt dem Unternehmen zu (1879319084), Cassandra prophezeit den Untergang Trojas wegen Η (19378). Diese erfährt von der Ankunft der Trojaner und will sie im Venustempel empfangen. Paris ist von ihrer Erscheinung überwältigt (19680-20199; Descriptio). Η verliebt sich ihrerseits in Paris, beide leiden Minnequalen (20398-20749). Als Menelaus Sparta verlässt, um Castor und Pollux auf einen Kriegszug zu begleiten, versucht Paris Η zur Flucht zu überreden. Sie lehnt ab, erinnert an ihre gescheiterte Entführung durch Theseus, an das Schicksal Ariadnes, Hypsipyles und Oenones, sieht ihren Ruf in Gefahr und fürchtet Krieg und Leid (20972-22387). Paris täuscht H, indem er ein Schiff landen lässt, das dieselben Segel wie jenes von Menelaus gesetzt hat, und entführt sie. Η denkt im Gewissenskonflikt an Selbstmord, gibt aber schließlich ihrer Liebe zu Paris nach, die beiden vereinigen sich auf dem Schiff. In Troja wird Η festlich empfangen, Cassandras Warnungen werden ignoriert, Paris und Η heiraten nach heidnischem Ritus (22514-23305). Wegen H's Entführung rüsten die Griechen zur Heerfahrt gegen Troja (23397-23426; 23710; 24777; 25620; 2627926721; 27891; 32066; Deidamia befürchtet, Achilles könnte sich in Η verlieben: 2913429323). Η beobachtet das Kampfgeschehen von der Burgmauer aus, beklagt, dass ihretwegen so viele sterben müssen und verfolgt besorgt und zugleich stolz die Kämpfe von Paris. Ihr Anblick gibt den Griechen Mut und lenkt viele vom Kämpfen ab (33036; 3395435399; 39017; 39242-40313). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung: Rückblick (4133041934; 44458; 46738). Als Paris von Philoctetes getötet wird, ist Η untröstlich (45611). Antenor spricht sich nun für die Rückgabe H's aus und gibt ihr die Schuld an der Katastrophe (45977:46504:46560). Η bittet ihn weinend um Fürsprache bei den Griechen, sie
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Helena [1]
will Menelaus treu sein, wenn er ihr vergibt. Antenor überbringt die Bitte, die der von den Griechen dazu gedrängte und in neuer Liebe zu Η entbrannte Menelaus gewährt (4694947035). Bei der EroberungTrojas wird Η gemeinsam mit Deiphobus, der sie nach Paris' Tod zur Frau genommen hat, gefangen genommen (48351; 48372). Sie wird Menelaus zurückgegeben, der seine Zuneigung zu Η nie verloren hat und ihr verzeiht, Η erwidert seine Liebe (48568). Sie kehren nach Griechenland zurück und werden von H's Vater Tyndareus festlich empfangen (49143-49276); durch H's Schuld haben viele das Leben verloren (49022; 49750; Resümee). A5 ,Göttweiger Trojanerkrieg': Venus prophezeit Paris H's beständige Liebe (2147). Sie ist die lobenswerte und unverheiratete Tochter von Kaiser Agamemnon, schöner als die Sonne (7047) und die Sirenen [11978] und führt Paris nach dessen Ankunft am Athener Hofe zu ihrem Vater (2905-3044). Paris wird sie nach 14-jährigem Ritterdienst gewinnen [3697; VD], Nach Agamemnons Sieg über Matribulus, der von H's Schönheit gehört hat und sie entführen will, lässt Η Paris für seine Schwertleite prächtig ausstatten (3316-3892). Auf Ersuchen H's überwindet Paris Ursyan (4089-4923) und tötet Trifon, der Η gewaltsam entführen will, nachdem sie seine briefliche Werbung mit der Begründung abgelehnt hat, sie wolle Jungfrau bleiben (4995-6083). Η ist wegen Paris' Gefangennahme durch Gamoret, Trifons Bruder, bekümmert (6144; 6157), freut sich über seine Rückkehr, herzt und küsst ihn (7014-7121). Auf seiner Fahrt nach Indien sehnt sich Paris nach H, nur ihretwegen erträgt er alle Mühen (7222-7418; 9715-9755; 10152). Η empfängt den Heimkehrer sehnsuchtsvoll und berichtet, dass sie während seiner Abwesenheit wider ihren Willen mit Menelaus verlobt worden ist (10170-10316). Als Ausdruck seines Minnerittertums tritt Paris in einem Kleidchen H's gegen den Riesen Pictogines zum Kampf an; Η freut sich, als Paris Menelaus beim Turnier niedersticht (10425-10536). Sie hat ihn mit
den Fesseln der Minne umstrickt (11603); empfängt Hector in Athen (11990; 12236). Als dieser von Paris erfährt, dass Agamemnon sie mit Menelaus vermählen wolle, obwohl Paris für sie so hervorragenden Ritterdienst geleistet hat, schlägt er ihre Entführung vor [13207; 13367]. Η wird von Paris am Tag vor der Hochzeitsnacht mit Menelaus entführt, in Troja festlich empfangen und mit Paris verheiratet (13541-13750; Segenswunsch des Erzählers für das Paar). Sie beobachtet von der Burgmauer aus Paris' Kämpfe und entschädigt ihn für seine Mühen (14197; 17281; 17295), klagt über Hectors Tod, der sie erbleichen lässt (19187). Beim Einfall der Griechen in Troja wird H's Schicksal von Paris bedauert (22955), Paris muss ihretwegen das Leben lassen (23041). Η bittet nach der Eroberung der Stadt Agamemnon kniend um Gnade für sich, die Frauen und Kinder, dieser vergibt ihr, 3000 trojanische Frauen begleiten Η nach Griechenland (23168). Agamemnon weiht Η seinem höchsten Gott, weil ihre Liebe nur Verderben bringe, und lehnt daher Bevars von Schottland Werbung um sie ab. Dieser will Η gewaltsam entführen, wird aber besiegt (23244-23682; 23944). Im Kampf gegen Segramans, einen weiteren Freier H's, fallen 60 Fürsten Agamemnons und H's zwei Brüder [Castor und Pollux?]. Als Agamemnon flieht, dringt Segramans in Athen ein, tritt Η gegenüber und stellt ihr frei, ihn zu töten. Η fühlt sich dazu als Frau zu schwach, verliebt sich in Segramans und folgt ihm nach Persien (24099-24436). Agamemnon sammelt ein Heer gegen Segramans und schlägt dessen reiche Entschädigungsangebote für Η aus. Als er in der folgenden Schlacht fällt, lässt ihn Η prunkvoll bestatten und wird mit Segramans glücklich (24849-24886; 25126). Dass sie je geboren wurde und ihretwegen so viele das Leben lassen müssen, beklagen Aiax (17472), Iason (21737), Agamemnon [22783] und der Erzähler (18145; 23041). B1 Gottfried von Straßburg, , Tristan' 8267: Tristan hat in den Büchern, die zu H's Ruhm verfasst wurden, gelesen, sie sei die schönste
Helena [1] aller Frauen. Seit er aber Isolde gesehen hat, weiß er, daß die vollkommene Schönheit nicht von Griechenland, sondern von Dublin her erstrahlt; H, die Sonne von Mycene, wird von Isolde, der neuen Sonne von Irland, überboten (Tristan preist Isolde vor Markes Hof). B2 ,Μοήζ von Craün'[15]'. Troja wurde wegen einer Frau von den Griechen belagert (Prolog; Entstehung des Rittertums vor Troja). B3 Konrad Fleck, ,Flore und Blanscheflur'·. Auf einem wertvollen Pokal sind Szenen der Trojasage dargestellt, u.a. wie Η Paris von Venus versprochen wurde, wie Paris Η entführte und wie viele H's wegen vor Troja das Leben lassen mussten (1604-1632; Descriptio). Als Flore später das Bild der eng umschlungenen Liebenden Paris und Η auf dem Pokal betrachtet, verzehrt er sich aus Sehnsucht nach Blanscheflur [3964], B4 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Cröne': Η floh mit Paris aus Griechenland (526; Descriptio; Darstellung auf dem Wandteppich, den die orientalische Königin Lenomie Artus als Geschenk sendet), [1] löste damit eine große Klage unter den Griechen aus und lieferte den Anlass für die Zerstörung Trojas (11550; Katalog von Klageanlässen, die von der Klage des Artushofs über Ginovers Entführung übertroffen werden). [1] Auf d e m Teppich Lenomies sind außerdem die Zerstörung Trojas, Didos Liebestod u n d Aeneas' Kampf u m Lavinia abgebildet.
B5 ,Prosa-Lancelot' [111.479,10]·. Paris entführte eine Frau aus Griechenland. Deswegen mussten Hector und Achilles, die besten Ritter der Antike („der alten Zeit"), mit hunderttausenden anderen sterben (Exemplum Bohorts an Ginover, sie möge ihren Hass auf Lancelot aufgeben, da dem Artushof sonst große Gefahr drohe). B6 Der Pleier, ,.Meieranz' 589: Auf der Bettdecke der Fee Tydomie (Meieranz' Geliebte) sind die Liebesbeziehung zwischen Paris und H, die Eroberung Trojas, Aeneas' Flucht und sein weiteres Schicksal dargestellt. B7 Konrad von Stoffeln, ,Gauriel von Muntabel' 4382,14: Wegen Η verloren Paris, Achilles,
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Hector und viele andere vor Troja ihr Leben. Die Zerstörung der Stadt ist auf dem Wandgemälde in einem von Pallas Athene errichteten prächtigen Burgsaal abgebildet. B8 Ulrich von Etzenbach, »Alexander' 4876: Alexander liest an einer Pappel bei Troja von Oenone, die H's wegen von Paris verlassen wurde. B9,Reinfried von Braunschweig': Weder Η von Griechenland, noch Isolde, Herzeloyde oder Gyburg, ja nicht einmal Venus selbst könnten Reinfried würdige Gattinnen sein. Deshalb sieht sich auch Yrkane der Ehre nicht gewachsen (9236; Katalog). Η hat sich trügerisch verhalten und sich manchem Mann hingegeben. Yrkane hingegen ist Reinfried treu ergeben (15187; Katalog trügerischer Frauen). [1] Η schrieb an Paris einen Liebesbrief. Yrkane wünscht, ihr Brief an Reinfried könnte ebenso schön sein (24554; Katalog liebender Frauen). [2] [ 1 ] Weitere negative Beispiele geben Dalila u n d die Verführerinnen von Alexander, Vergil u n d Aristoteles. [2] Die Stelle erwähnt als Verfasserinnen mustergültiger Liebesbriefe noch Penelope, Dido, Phyllis, Briseis u n d Medea u n d spielt damit auf Ovids ,Heroides' an, vgl. Kern, Edle Tropfen, 198f.
BIO Johann von Würzburg,, Wilhelm von Osterreich' 3603: Der wunderbare Vogel, dem Wilhelm bei seinem Ritt durch das Feuergebirge begegnet, hat vier Köpfe, von denen einer schöner als Η oder Thisbe ist und die Jugend symbolisiert. B l l ,Der Weinschwelg'329: Paris wurde H's wegen erschlagen. Seine Dummheit ist bedauernswert. Hätte er wie der Säufer den Wein geliebt, hätte ihm niemand etwas zu Leide getan. [1] [1] Als weitere Beispiele werden Dido, Graland sowie Pyramus u n d Thisbe genannt.
Β12 ,Dukus Horant' F 44.7,2: Hilde, um deren Hand Horant in Etenes Auftrag wirbt, ist schöner als Isolde und Ilion [Helena], die Königin von Troja. Ihretwegen wurde die Stadt zerstört, wie man es in einem Lied hören kann. Sie hätte besser nicht geboren werden sollen. Ihr rechtmäßiger Ehemann Menelaus verlor durch Paris sein Leben.
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Helena [1]
C1 Heinrich von Morungen, MF XVIII.5,1: Die besungene Geliebte sollte den Namen Ascholoie tragen. Wer sie lieben will, muss ein Paris von Troja sein. Müsste dieser unter den heutigen Schönsten wählen, würde er ihr den Apfel geben. [1] [1] Die Stelle reflektiert Ovids,Heroides' 16,137f. (wäre Η beim Parisurteil dabeigewesen, hätte er anders entschieden). Ascholoie ist ein Deckname für die Minneherrin. Ob er sich auf Η beziehen lässt (als falsches Patronymikon), ist aber unklar; vgl. Kern, Edle Tropfen, 81 ff.
C2 Walther von der Vogelweide, C 91. V,6 (L 119,10): Die besungene Geliebte ist schöner und rühmenswerter als Η und Diana. [1] [1] Die Überbietung hat ironische Funktion. Es handelt sich um eine Morungen-Parodie, der Sänger - Morungen - klagt über die Sprödigkeit seiner Dame und bittet in der fünften Strophe Walther um Hilfe; J. Ashcroft, Min trutgeselle von der Vogelweide. Parodie und Maskenspiel bei Waither, Euphorion 69 (1975), 197-218; vgl. auch Kern, Edle Tropfen, 96ff.
C3 Anonym, CB 155a,2: Die besungene Geliebte ist schöner als Dido, H, Pallas und Hecuba. C4 Rudolf von Rotenburg KLD Leich V,205: Η's wegen verloren Hunderttausende vor Troja ihr Leben. Deshalb wäre es nicht außergewöhnlich, wenn der Sänger als einziger seiner Minneherrin wegen ins Verderben stürzte. C5 Der Tannhäuser, Leich IV.4,13: Η war die Gattin eines Königs, eine lebensbedrohende Discordia entzweite die beiden. [1] [1] Die Collage literarischer Anspielungen verarbeitet mehrere Motive der Trojasage, hier den Streit um den Apfel der Discordia und die Entführung Helenas als dessen Folge; vgl. Kern, Edle Tropfen, 259ff. In IV, 18 heißt es außerdem, dass Troja einer Fau namens Avenant wegen zerstört worden sei. Vgl. dazu Jans Enikel, .Weltchronik' (16605f£), wo eine Frau namens Avenantden Griechen rät, zur Einnahme Trojas drei [!] große eherne Pferde als vermeintliche Geschenke an die Trojaner zu konstruieren, von denen jedes 500 Männer aufnehmen kann.
C6 Konrad von Würzburg, Spruch 32,292: Würde Η von Griechenland noch leben, sie würde sich beim Meißner für seinen edlen Gesang bedanken, den ihn eine Sirene lehrte. [1] [1] Die Stelle ist ein Fall von so genannten zwivellop und ironisch zu verstehen, vgl. B. Wachinger, Sängerkrieg. Untersuchungen zur Spruchdichtung des 13. Jh., 1973, 162f.
C7 Frauenlob [141,12 (Ettm.)]: Troja wurde einer Frau wegen zerstört. Deswegen wundert
es auch den Sänger nicht, dass er unter seiner Dame leidet. C8 Anonym, HMS III, p.442, XLI.7,9: Η war dem Paris hold, ebenso will es die Dame ihrem Ritter sein. Dl Thomasin von Zerklaere,,Der welsche Gast': An Η würden sich adelige Jungfrauen ein schlechtes Beispiel nehmen [774]. Sie sollen vielmehr erkennen, welch großes Unheil von ihr ausging. Sie war eine mächtige Königin von Griechenland, schön, aber töricht. Schönheit ohne Verstand ist eine schlechte Kombination (823; Exemplum). [1] [1] Die Stelle gibt Identifikationsanweisungen an die „lesende" adelige Jugend. Als positive Frauenfiguren werden u.a. Andromacha, Penelope, Oenone und Enite genannt.
D2 Hugo von Trimberg, ,Der Renner' 15869: Die zehnjährige Belagerung und Zerstörung Trojas durch die Griechen war das Werk einer Ehebrecherin, von Hoffart und Unrechter Minne. Das können H, Priamus und andere bezeugen (Katalog). [1] [1] Der Katalog nennt weiters Paris, Hector, Menelaus, Achilles, Patrodus, Diomedes, Ulixes und Aeneas.
D3 Johann von Konstanz, ,Minnelehre' 745: Die schöne und liebliche Η wurde von Paris nach Troja entführt, wie es ihm Venus prophezeit hatte. Die Entführung war der Anlass des Trojanischen Krieges, der auf dem Wagen der Minne dargestellt ist (Descriptio). D4 ,Die Minneburg': Die Schönheit der Geliebten des Erzählers erstrahlt so, als wäre sie Η (736). Η und Paris, Lanzelot und Yblis, Wigalois und Larie erlebten nie so große Freude, wie sie in der Minneburg bei der Geburt der Gegenliebe herrscht (3169; Allegorie). E l Otto von Freising, ,Laubacher Barlaam' 11127: Η wird in einem Katalog von Iuppiters außerehelichen Kindern genannt. E2 Rudolf von Ems,,Barlaam' 10023: Inhalt wie E l . E3 Reinbot von Durne,,Der heilige Georg': H, die falsche Griechin, raubte ihrem Mann Ehre und Liebe und löste damit ein Blutbad aus. Ebenso werde man von Alexandrinas Schandtat, der Taufe, in Orient und Okzident berichten, meint der heidnische König Dacian, Alexandrinas Gatte und Feind Georgs, der
Helena [1] Alexandrina bekehrt hat (4326; Exemplum). Damit Georg Alexandrina nicht wie Paris Η entführen kann, lässt sie Dacian streng bewachen (4601; Exemplum). E4 Jans Enikel,, Weltchronik'·. Η verliebt sich auf Venus' Einwirken hin in Paris, der sich als Dienstmann an Menelaus' Hof aufhält; verbirgt aus Züchtigkeit ihre Liebe, bis Venus ein Treffen der Liebenden arrangiert. Um ihr Ansehen fürchtend, warnt Η Menelaus, Paris werde ihm Ehre und Gut rauben, worauf Paris außer Landes verwiesen wird. Von Venus überwältigt flieht Η allerdings mit ihm, sie werden in Troja von Priamus und Hecuba festlich empfangen (14373). Η lebt glücklich in Troja (14453), Menelaus rüstet zum Krieg, um sie zurückzugewinnen (15073). Als er sie am Stadttor erblickt, fragt er sie nach den Gründen ihrer Flucht. Η gibt Venus die Schuld und beteuert, eher Menelaus tot sehen als Paris verlassen zu wollen (1599216091). Nach Hectors Tod fleht Η Paris an, sich aus der Schlacht zurückzuziehen, und wirft aus Verzweiflung ihre Krone zu Boden (16333-16372). Über Η's Schicksal nach der Eroberung Trojas weiß der Erzähler nichts zu berichten (16929). E5 ,Baseler Bruchstück': H, die Königin von Griechenland, ist die schönste Frau. Als Menelaus auf Kriegszug ist, kommt Paris, um sie zu sehen, und verliebt sich in sie. Auf Rat ihrer Amme lässt er auf seinem Schiff Menelaus' Flagge hissen, täuscht damit Η und entführt sie. Menelaus zieht gegen Troja (7). Η freut sich wegen Paris' Sieg über Achilles [258], bittet nach der EroberungTrojas ihren Vater [!] Agamemnon kniend um Vergebung, da sie nicht freiwillig nach Troja gekommen sei (308), und wird nach ihrer Rückkehr nach Griechenland vom König von Ungarn ein zweites Mal und endgültig entführt (324). II. 1) Das Η-Bild im M A und in der mhd. Lit.; 2) Antikeromane; 3) Anspielungen
1) Η gilt auch dem MA als eine Figur von „weltliterarischem" Rang und als die berühm-
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teste Frauengestalt des antiken Mythos. [1] Dies liegt zunächst in der universalhistorischen und politisch-legitimatorischen Bedeutung der Troj asage begründet. Gerade das Interesse an der Gestalt Η's zeigt aber, dass dieser Aspekt im HochMA zunehmend zurücktritt. Der Trojanische Krieg ist nunmehr v.a. eine der prominentesten und folgenreichsten Liebestragödien, ausgelöst von einer schönen, verführerischen Frau. Literarisch produktiv zeigt sich dabei auch im MA jene Ambivalenz der Figur, die in Goethes bekannter Formel („Bewundert viel und viel gescholten, Helena"; Faust II, 8488) auf den Punkt gebracht wird. Die mhd. Belege sind quer durch die Gattungen zahlreich und decken die ganze Spannbreite positiver und negativer Bewertungen ab. Grundsätzlich verkörpert Η das Urbild der schönen Frau, das im MA mit den entsprechenden christlichen Stereotypen und Typologismen überlagert wird (Körperlichkeit und Sündhaftigkeit, Verführung des Mannes, „Eva-Natur" der Frau). Das höfische Minnethema verleiht dem eine spezifische Bedeutsamkeit: An Η wird die ambivalente, trotz aller negativen Implikationen grundsätzlich positive Erfahrung der Liebe literarisch thematisiert. Im Unterschied zu Dido oder Thisbe ist Η freilich nicht willfähriges und bemitleidenswertes Opfer der Liebe, sondern vielmehr menschliche Verkörperung ihrer Ambivalenz. So ist sie auch fügliches Vorbild der höfischen Minnedame, zugleich Liebesobjekt und Liebessubjekt, das souverän und ohne einsichtige Gründe seine Gunst verteilt oder verwehrt. [2] Im Sinne des höfischen Frauenbildes zeigt sich in Roman und Lyrik die Tendenz zur Idealisierung H's, im Antikeroman ansatzweise in A3, programmatisch in A4 und A5. Höfischer Kalokagathie entsprechend, betont A4 die Tugendhaftigkeit H's, die wortreiche Descriptio wagt sich als einzige auch an das Mimesisproblem, Η nicht nur als schönste Frau der Welt zu betiteln, sondern ihr Bild auch mit allen Mitteln höfischer Rhetorik zu konstruieren. Die Idealisierung bei gleichzei-
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Helena [1]
tiger Beibehaltung der traditionellen Problematik (Untreue, Ehebruch) leistet der tragischen Konzeption des Romans Vorschub und klammert die Schuldfrage weitgehend aus. [3] E4 entschuldigt H's Verhalten mit dem Wirken der Venus. Die andere Konsequenz zieht A5 und lässt Η in einem bemerkenswerten Traditionsbruch die unverheiratete Tochter Agamemnons sein, die zunächst von allen negativen Aspekten gereinigt wird, der im Widerspruch dazu aber dann doch die Schuld an der trojanischen Katastrophe zugesprochen wird. [4] Eine höfisch idealisierte H-Gestalt reflektieren auch die Belege Bl, B3, B4, B6, C l , C2, C4, C7, C8, D3 und D4. 2) Die Trojaromane A3 und A4 stimmen im groben Handlungsgerüst überein. Grundlage beider Texte ist der in der Dares-Dictys-Tradition stehende ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, in A4 um zahlreiche, v.a. antike epische Quellen erweitert. H, beim Parisurteil von Venus dem Richter versprochen, wird im Zuge einer trojanischen Expedition entführt. Zu Paris' persönlichem Motiv tritt das politische der Rache für die Entführung Hesionas. In A3 entführt Paris Η gewaltsam von Kythera, in A4 landet er bei Menelaus, die Liebeshandlung ist unter Einbeziehung von Ovids ,Heroides' 16 und 17 breit ausgeführt [5], die Entführung gelingt aufgrund einer List (vgl. auch E5). Freiwillig folgt Η Paris in E4. Einen völlig anderen Handlungsgang bietet A5: Paris vollbringt in Griechenland Rittertaten im Dienste des Kaisers Agamemnon und erwirbt so legitime Ansprüche auf H, wie eine Vorausdeutung am Beginn der Handlung zeigt. Auch prophezeit Venus Paris erst nach dem Schönheitsurteil H's Liebe. H's Verlobung (!) mit Menelaus erscheint so als unangemessener Willkürakt Agamemnons, die Entführung der noch immer Unverheirateten als gerechtfertigte Reaktion. Vom festlichen Empfang H's in Troja berichten A3, A4 und A5 (in A3 und A4 verbunden mit Hinweisen auf Cassandras Unglücksprophetien). Alle drei Texte bringen das Motiv der die Kampfhandlungen beobachtenden H, das
sich bereits im dritten Buch der ,Ilias' (so genannte „Mauerschau") findet. E4 zeigt Η im Dialog mit Menelaus beim Stadttor. Mit der für Paris und Η eingerichteten Liebeskammer, die zum Lazarett Hectors umfunktioniert wird, weist A3 in nuce auf die für den Trojaroman typische, fatale Verbindung von Minne- und Kriegsthematik. Η klagt weiters über den Tod Hectors und Paris' und bittet den Stadtverräter Antenor um Fürsprache bei Menelaus (A3, A4). Nach der Zerstörung der Stadt, die Η unversehrt überlebt, versöhnt sie sich mit ihrem früheren Gatten und folgt ihm nach Griechenland (A3, A4). Starke Abweichungen zeigen A5 und - A5 folgend E5: Η unterwirft sich nach der Eroberung Trojas ihrem Vater Agamemnon, der sie zu einer quasi-klösterlichen Lebensführung verpflichtet. Beide Texte wissen auch von einer zweiten, endgültigen Entfuhrung H's durch den König von Persien bzw. den König von Ungarn (offensichtlich eine simple Motiv-Doppelung). E4 gibt vor, über H's Schicksal nach dem Krieg nichts zu wissen. Al bietet einen summarischen Bericht vom Handlungsgang, A3 folgt den Anspielungen bei Ovid. Grundsätzlich steht Η im Trojaroman und in den Trojaberichten der Chronistik nur bei der Entführung und bei ihrem Eintreffen in Troja im Zentrum der Handlung, bei der Schilderung der Kriegsereignisse tritt sie in den Hintergrund. Abgesehen von der topischen Klage in A5, dass Η jemals geboren wurde (die im Widerspruch zur Konzeption des Textes steht), und abgesehen von den scharfen Worten Cassandras in A3 fehlt krasse Polemik. A l , A2, A3, die Fortsetzung von A4, E4 und E5 weisen Η aber doch klar die Schuld am Krieg zu und werten sie so moralisch ab. Die Erklärung von H's Untreue mit dem Wirken der Venus in E4 reflektiert dabei den misogynen Topos von der „donna mobile", der triebhaften und leicht verführbaren Frau. Dass Η in A2 schnell getröstet ist, zielt in dieselbe Richtung. A4 tendiert mit seiner Idealisierung und seinem Minnepathos zu einer ähnlich paradoxen Rechtfer-
Helena [1] tigung des Ehebruchs und zu einer ähnlich fatalen Auffassung der Macht der Liebe, wie sie im .Tristan' Gottfrieds von Straßburg vorliegt. Die Konzeption der Η-Gestalt in A4 ist grundsätzlich stark an die Isoldes angelehnt (man denke u.a. an den Vergleich mit den Sirenen und das Motiv der Liebesvereinigung bei der Überfahrt nach Troja). [6] 3) Ein ambivalentes Η-Bild zeichnen auch die Anspielungen, [7] besonders anschaulich oszilliert die Bewertung Η's in B9. Als beispielhaft schöne Frau ist Η - wie auch in der mlat. und in der prov. und afrz. Literatur [8] - beliebte Vergleichsfigur im höfischen Frauenpreis (Bl, BIO, B12, C l , C2, C3, D 4), meist verbunden mit einem Uberbietungstopos (alle außer D4). Ihre ambivalenten Züge übertragen sich dabei durchaus auf die Ausgezeichnete. Dies gilt insbesondere für die Vergleiche Η s mit der lyrischen Minneherrin in C l und C2 und für den Vergleich H's mit Isolde in Bl, dessen typologische Akzentuierung in Analogie zur Idee der translatio imperii die Vorstellung einer translatio amoris entwickelt. [9] Eher kontrastiv scheint hingegen die Überbietung in Β12 mit dem Topos, Η hätte nie geboren werden sollen. Rein topische Funktion haben die Vergleiche in BIO, C3, C8 und D4. In der Rolle der Minneherrin erscheint Η auch im Gedankenexperiment von C6. H's Ehebruch und ihre Schuld am Trojanischen Krieg geben ein negatives Exemplum in B5, B9, D2 und E3 (vgl. auch B12), in B5 und E3 allerdings mit spezifisch paränetischer Intention, ausgesprochen durch eine (in E3 negative) Figur und nicht durch den Erzähler. In C4 und C7 dient der Hinweis auf den von Η verschuldeten Untergang Trojas der ironisch grundierten Selbstvergewisserung und Selbsttröstung des Minnesängers. Sein von der Minneherrin verursachtes persönliches Leid nimmt sich im Vergleich zu den Leiden, die Η verursacht, läppisch aus. Als mustergültiges Liebespaar nennen hingegen B3, B4, B6, B9, C8, D 3 und D4 Paris und H; die negative Bewertung ist wiederum — ähnlich wie in A4 — zugunsten einer pathe-
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tischen Minne-Leid-Konzeption weitgehend ausgeblendet. In B3, B4, B6 und D3 ist der Trojanische Krieg Sujet bildnerischer Darstellungen. Es handelt sich bei diesen Bildzitaten um eine rhetorische Sonderform der literarischen Anspielung, die seit der Darstellung der Aeneassage auf dem Sattel von Enites Pferd im ,Erec' von Chretien de Troyes bzw. Hartmann von Aue verbreitetes Muster ist. Auch hier überwiegen die Sympathien für die „Verbrecher aus Liebe" (bes. B3, B4 und B6). Eine parodistische Umkehrung des sentimentalen Minne-Exemplums stellt die Kritik an Paris und das Lob der Liebe zum Wein in Β11 dar. Die knappen Anspielungen auf H's Ehebruch (C5), Paris' Liebe zu Η (B8) und ihre Entführung (B2) belegen Bekanntheit und Omnipräsenz der Gestalt. Für die Bedeutung H's im Minnediskurs der höfischen Literatur spricht schließlich die Polemik gegen die törichte Schöne und die Warnung vor einer Identifikation mit ihr in D l . Der Topos erinnert an die berühmten Worte in Gottfrieds ,Tristan' (17803): „schoene daz ist hoene". [1] Einen stoffgeschichtlichen Überblick geben H. Homeyer, Die spartanische Helena und der Trojanische Krieg, 1977 und A. Classen, Helena von Troja, in: Verführer, Schurken, Magier. MA Mythen 3. Hg. U. Müller u. W. Wunderlich, 2001, 375-394. [2] Kern, Edle Tropfen, 206. [3] Vgl. E. Lienert, Helena - thematisches Zentrum von Konrads von Würzburg ,Trojanerkrieg', J O W G 5, 1988/89, 409-420 und dies., Geschichte und Erzählen, passim. [4] Kern, Agamemnon weint, passim. [5] Lienert, Geschichte und Erzählen, 98ff. [6] Ebd., passim. [7] Zu den Belegen im Einzelnen Kern, Edle Tropfen, passim (Reg.). [8] Vgl. etwa CB 56.3,4ff„ CB 77.8,3f./l4,4, CB 103.I.2b,lf./II.2,lf„ CB 142.3,3 bzw. Chretien de Troyes, ,Erec', 6292; Belege aus der prov. Lyrik verzeichnet Bartsch, Albrecht von Halberstadt, CXV. [9] Kern, Isolde, 9f. Nachbenennungen ,Prosa-Lancelot' (Elaine on Geliehen, Helen): Elaine trägt ihren Beinamen, weil sie unvergleichlich schön ist (1.441,3). Nur sie und Amide, die Mutter Galaads, können sich an Schönheit mit Ginover messen (1.29,2). Helen wird von ihrem Gatten Persides gefangen gehalten und von Hector befreit (1.437,34). Ginover lässt durch ihre Nichte Helen,
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Helena [2]
die Herrin vom See, zu sich bestellen, um sie nach Lancelots ungewissem Schicksal zu befragen (Π.230,5). [1] Johann von Würzburg,, Wilhelm von Österreich'(Elene)·. Elene, die Königin von Athen, hat ihren Ritter, König Alyant, prächtig ausgestattet (7792) und betrauert seinen Tod durch Wilhelm (8485; 8572). [1] Zu,Prosa-Lancelot', 11.230,5: Die Herrin vom See heißt eigentlich Niniane, vielleicht ist Helen als Name der Nichte zu verstehen. [mk]
stantius nach Rom (7635; 7660; 7808). Sie versucht Constantinus vom Christentum abzubringen, droht mit der Zerstörung Roms, lässt sich aber nach einem Streitgespräch zwischen Christen, Juden und Heiden taufen und schenkt Trier das in Jerusalem gefundene Heilige Kreuz (8200-10373; Silvesterlegende). Η hat die Reliquien des Hl. Stephan us nach Griechenland gesandt (13721; Stephanustranslation; RV).
Helena [2]
E2 Priester Konrad, ,Predigtbuch' 92,23 (40. Predigt)·. Η reiste nach Jerusalem, um das Kreuz Christi zu finden. E3 Konrad von Würzburg, ,Silvester'·. Die ehrenwerte, treue und makellose Jüdin Η versucht Constantinus vom Christentum abzubringen, bekehrt sich aber nach einem Streitgespräch zwischen Christen und Juden zum christlichen Glauben und lässt sich taufen (2417-2719; 5146). E4 Jans Enikel, , Weltchronik' 25143·. Die wunderschöne Η gebiert ihrem Geliebten Constantius den Sohn Constantinus (Silvesterlegende).
[Flavia Iulia H, um 257- um 337 n. Chr., Geliebte des Constantius, Mutter Constantinus' d. Gr., bekehrt sich zum Christentum, unternimmt eine Pilgerfahrt nach Jerusalem und findet der Legende nach das Hl. Kreuz]
G: Geliebte des Constantius (El, E2), Mutter des Constantinus (Bl, B4, El, E2, E3, E4) R: Kaiserin (E2, E3), Königin (El) Nf.: Elena (El), Elene (El, E2), Helene (El, E3) I. Bl ,König Rother' 4403: Η fand das Kreuz Jesu. Da sie und sieben Apostel einst in Konstantinopel lebten, soll die Stadt nach Asprians Meinung von Rother geschont werden. B2, Orendel'26: Maria hat den „Grauen Rock" Christi ohne Nähte gewirkt, die Heilige Η hat ihn verfertigt (Prolog). [1] [1] Die Aussage ist in sich widersprüchlich, vielleicht ist ursprünglich gemeint, dass ihn Η aufgefunden habe.
B3 Otte, ,Eraclius'4634/C. Η hat in Jerusalem das Heilige Kreuz gefunden, das Chosroes raubt und nach Persien bringt, von wo es Heraclius zurückgewinnt.
B4 ,Reinfried von Braunschweig'
18147: Zur
Zeit H's wurde Jerusalem wieder aufgebaut und das Grab Christi in eine Kirche verlegt (Reinfrieds Pilgerfahrt ins Heilige Land; Exkurs).
C1 Frauenlob, ,Kreuzleich' 11.21,1: H's Fund (das Kreuz Christi) ist eine entscheidende Waffe im apokalyptischen Kampf. El,Kaiserchronik'·. Η bringt in ihrer Heimatstadt Trier ihren aus einer unehelichen Beziehung mit Constantius stammenden Sohn Constantinus zur Welt und begleitet Con-
II. Die Popularität H's im MA spiegelt sich in den zahlreichen genealogischen Nennungen (Bl, B4, El, E2, E3, E4) wider. Sie erklärt sich aus der bedeutenden Rolle, die ihr Sohn Constantinus der Große aufgrund der Anerkennung des Christentums als röm. Staatsreligion und aufgrund seiner Bekehrung zum christlichen Glauben im ma. Geschichtsbild einnimmt. In direktem Zusammenhang damit stehen auch die zentralen Daten der ma. HRezeption: die Bekehrung der Kaiserin zum Christentum, von der im Rahmen der Silvesterlegende erzählt wird (El, E3; in B4 wird sie als Christin bezeichnet), sowie die Legende von der Auffindung des Heiligen Kreuzes in Jerusalem (Bl, B3, C l , El, E2). Letztere ist erstmals bei Ambrosius (,De obitu Theodosii' cap.43; PL 16, Sp. 1400; um 395 n. Chr.) belegt. Historischer Hintergrund ist H's Pilgerreise nach Palästina, wo sie in Bethlehem die Geburtskirche und in Jerusalem die
Helenor — Helenus Eleonakirche am Ölberg stiftete. [1] Die in B2 angesprochene Anfertigung des „Grauen Rocks" Christi durch Η verstößt krass gegen die Chronologie.
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des Achilles). An tenor, Aeneas, Anchises und Polydamas erinnern Priamus an Η's und Cassandras Prophezeiungen und fordern Helenas Rückgabe (15003). Η überlebt dank seiner [1] S.v. Helena [1.1 (R. Klein, Ε A. Sigal), in: LMA, Bd. 4, Feigheit und Kampfuntauglichkeit den Krieg Sp. 2117f. und den Fall Trojas und bittet gemeinsam [sks/mk] mit Cassandra die Griechen um Schonung Hecubas und der beiden Söhne Hectors (16364; 16372). Helenor A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg·. Der [Trojaner, Gegner des Turnus; .Aeneis' IX,544; RdE 5417] junge, schöne und ehrenhafte Η nimmt als Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman' (Ele- Gast am Fest des Iuppiter anlässlich der Hochzeit von Thetis und Peleus teil (1097; nor): Der tapfere Η verteidigt mit seinem Katalog). Η beklagt mit Priamus Laomedons Verwandten Lycus den Brückenturm von Tod bei der ersten Eroberung Trojas durch Montalbane, den Turnus in Brand setzt. Η Hercules (13259), warnt vor der von Paris kann sich zunächst retten, wird aber dann geplanten Entfuhrung Helenas, prophezeit als von Turnus getötet (6971-7032). Folge davon den Untergang Trojas und lehnt [sks] Rachemaßnahmen gegen die Griechen wegen der Entfuhrung Hesionas ab (18987-19096; 19167; RV auf Η's Prophezeiungen: 19397; Helenus 23727). [Sohn des Priamus, Weissager, prophezeit den Untergang , Trojanerkrieg'-Fortsetzung: Η rät den TrojaTrojas] nern vergeblich davon ab, den Griechen die G: Sohn des Priamus und der Hecuba (Al, Leiche des ermordeten Achilles zu rauben, da A2), Bruder von Hector (Al, A2, Bl), Paris er ein drohendes Unglück fürchtet (43993; (Al, A2, Bl), Deiphobus (Al, Bl), Troilus 43998); bittet den Apollo-Priester Chryses (Al, Bl), Creusa, Polyxena (Al) und Cassand- um ein Treffen mit den Griechen und beklagt ra (Al, A2), Gatte der Andromacha (El) dort die Unrechte Handlungsweise der TroR: Königssohn (A2), Weissager (Al, A2) janer und die Entehrung des Apollotempels Nf.: Elenus (Al, A2, Bl, E2) durch den Mord an Achilles. Da Η den nahenden Untergang Trojas fürchtet, möchte I. er Frieden schließen und bittet für den Fall Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Η der Eroberung Trojas um Land für sich und bezieht sein Wissen um die Zukunft aus seine Angehörigen, was ihm von den Grieeinem Buch, warnt vor der von Paris geplanten chen zugesichert wird (45122-45201). Η sagt Entführung Helenas, deretwegen den Troja- den Verrat durch Antenor und Aeneas und nern unermessliches Leid drohe, und bürgt die unabwendbare Zerstörung Trojas voraus für die Prophetie mit seinem Kopf. Troilus (45201; 45259; 45261), sieht nach dem Ververspottet ihn dafür als Kaplan und vom lust des Palladiums den Zeitpunkt dafür geTeufel Gerittenen (1666-1679; 2231-2306; kommen, läuft zu den Griechen über und Descriptio: 3175; Η sieht aus wie Hector und wird von Pyrrhus in seiner Trauer über den Deiphobus). Für Cassandra ist Η der einzige, drohenden Untergang getröstet. Er schwört den Griechen Treue und plant den Bau des der außer ihr die Zeichen des drohenden Unheils erkennt (6166). Η veranlasst Paris, hölzernen Pferdes (47692-48210; 47692: RV auf H's Bündnis mit den Griechen; 47989: die Leichen von Achilles und Antilochus den Griechen zu übergeben (13733; Ermordung RV auf den Bau des Pferdes). Nach dem Fall
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Helix
Trojas nimmt sich Η der Söhne Hectors an (48946). B1 ,Moriz von Craun 21: Der tapfere und kühne Η verteidigte Troj a mit seinen Brüdern viele Jahre lang gegen die Griechen, die deshalb mit Toten und Verwundeten ins Lager zurückkehrten (Prolog; Entstehung des Rittertums vor Troja). El yAnnolied' 23,3'· Η, einer der Trojaflüchtlinge, die lange nach einem neuen Wohnsitz suchen, nimmt Andromacha zur Frau, erringt die Herrschaft über Griechenland - das Land seiner Feinde - und gründet ein neues Troja, das man lange Zeit bewundern konnte (Universalgeschichtliche Einleitung; Untergang Trojas). E2 ,Kaiserchronik'363: Η nimmt nach dem Fall Trojas Hectors Witwe Andromacha zur Frau und zieht nach Griechenland (Caesars Zug zu den Franken; Geschichte Trojas). E3 Rudolf von Ems,, Weltchronik'26712·. H's und Hectors Nachkommen erobern Troja von den Nachkommen des einstigen Stadtverräters Antenor zurück (Berufung auf ein Buch über Troja). II. 1) Η im Trojaroman; 2) Η in der Nachgeschichte des Trojanischen Krieges
1) Bereits die ,Ilias' kennt Η als Seher der Trojaner. Im Epischen Kyklos warnt er wie Cassandra vor dem durch Paris drohenden Untergang Trojas. [1] Gestalt und Handlungsmotive in den Trojaromanen Al und A2 folgen mittelbar über den , Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure den spätantiken Trojaberichten von Dares und Dictys. In Al erscheint Η - ma. Vorstellungen entsprechend - als Buchprophet. Die Invektiven des Troilus gegen den „Besessenen" könnten durchaus die Meinung des Autors widerspiegeln, der auch das Orakel von Delphi als satanisches Blendwerk interpretiert (Al, 3474f£). Grundsätzlich erscheint Η aber als positive Gestalt, als der vernünftige und rechtschaffene Warner, der sich gegen die Exzesse des
Krieges wendet. Ahnlich A2, dessen Fortsetzung nach Dictys allerdings Η als einen der Stadtverräter zeigt. Als Kämpfer tritt Η im Unterschied zur ,Ilias' in den Trojaromanen nicht in Erscheinung, vielmehr wird von Al seine Kampfunfähigkeit betont. Dass er hingegen in Β1 als wichtiger Stadtverteidiger genannt wird, beruht entweder auf antiker Epentradition oder (wahrscheinlicher) darauf, dass er als einer der wichtigsten Söhne des Priamus erinnert und deshalb als Kämpfer gedacht wird. 2) Die Berichte von H's Flucht aus Troja, seiner Heirat mit Andromacha (El, E2), der Neugründung Trojas in Griechenland und der Übernahme der gr. Herrschaft (El) basieren auf den entsprechenden Angaben in Vergils ,Aeneis' (III,294ff.). Der Hinweis auf die Rückeroberung Trojas durch H's und Hectors Nachkommen in E3 folgt der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1300d: „Hectoris filii Ilium receperunt, expulsis posteris Nestoris"; „Die Söhne Hectors nahmen nach der Vertreibung der Nachkommen Nestors Troja wieder in ihren Besitz"). Dass E3 über Petrus Comestor hinaus von einer Teilnahme der Nachkommen des Η und statt der Nestoriden von den Antenoriden spricht, die vertrieben werden, erklärt sich vielleicht aus einer Weiterentwicklung der entsprechenden Motive zur Nachgeschichte Trojas in Vergils Aeneis'. Dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, findet sich der Beleg in einem profangeschichtlichen Exkurs zum heilsgeschichtlichen Bericht. [1] S.v. Helenos (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 2, Sp. 992. [mk]
Helix [Gefährte des Phineus, Gegner des Perseus; MM 5,87]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,147 (Elycie): Η stirbt im Kampf gegen Perseus und dessen Gefährten (Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus; Katalog). [mk]
Hellanicus — Hephaestio Hellanicus [Gefolgsmann Alexanders; Curtius V.2,5]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 13418 (Ellanicus)·. Fürst Η wird von Alexander zum Führer der achten Schar ernannt (Alexanders Eroberungszug nach Persien). [sks]
Helle [Tochter des Athamas und der Nephele, Schwester des Phrixus, stürzt auf der Flucht mit diesem in den nach ihr benannten Hellespont]
El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 19752 (Helles): Η und Phrixus lebten zur Zeit des Hercules. [1] [1] Der Beleg bezieht sich auf die Nennung H's in der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor, PL 198, Sp. 1275d (-» Phrixus). [mk]
Hellenicus [Tarsier; .Historia Apollonii' C 8,9]
Al Heinrich von Neustadt, Apollonius' (Elanicus): Der arme, alte und ehrliche Bauer Η aus Tarsis informiert Apollonius, dass Antiochus ihn geächtet und ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt habe. Apollonius' Belohnung lehnt er ab (897-929). Dem von seinen Abenteuerfahrten heimgekehrten Apollonius schenkt Η ein prächtiges Wisenthorn und wird als Dank dafür und für seine Warnung vor Antiochus mit der Burg und der Grafschaft Montfort belehnt (20355-20392). [mk]
Helops [Kentaur, im Kampf mit den Lapithen getötet; M M 12,334]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12,566: Der Riese Η [1] wird von Pirithous getötet (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf).
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[1] Die Kentauren werden als herumziehende Riesen gedeutet. Die Adaption greift offenbar auf dem Publikum vertraute Vorstellungen aus der dt. Heldensage zurück. Dass die Kentauren Mischwesen sind, wird nur in 12,631 explizit gesagt; Centauri. [mk]
Hephaestio [Enger Vertrauter und Heerführer Alexanders; t 324 v. Chr.]
R: Fürst (Al), Vertrauter (Al, A2) und Kampfgenosse Alexanders (A2) Nf.: Ephestion (Al), Eufestio (A2) I. Al Rudolf von Ems, vAlexander': H, ein enger Vertrauter Alexanders (7721-7809), soll die Herrschaft über das Land Sidonie einem geeigneten Mann übergeben, setzt nach Thronstreitigkeiten Abdalonymus als König ein (83578442) und wird nach dem Fall von Tyrus auf einen Eroberungszug geschickt (9476). In den Kämpfen gegen die Perser wird er verwundet (12685-12700). Nach dem Tod des Darius bringt er die gefangen genommenen persischen Frauen zu dessen Beisetzung (15070). Η beteiligt sich an den Beratungen über das weitere Vorgehen gegen die Verschwörer gegen Alexander (19227), nimmt gemeinsam mit Coenus deren Anführer Philotas gefangen und foltert ihn (19849-19888). A2 Ulrich von Etzenbach, Alexander': Der junge, angesehene, tugendreiche und tapfere Η ist so schön, dass die Frauen seinetwegen beim Aufbruch des Heeres nach Persien weinen. Er reitet an der Seite Alexanders in die Schlacht bei Issos (7478; als Kämpfer genannt: 7913), tötet in der Schlacht bei Arbela Phidias, der Alexander angreift (13895; als Heerführer genannt: 16672), und wird von diesem testamentarisch mit der Herrschaft über Susa betraut (27010; Katalog der Diadochen). II. Das enge Verhältnis zwischen Η und Alexander, die beide gemeinsam erzogen wurden, war in der romanhaften antiken Alexander-
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Hercules
literatur ein beliebtes Motiv. Das Ammonorakel verfügte nach Η's Tod Heroenverehrung. [1] In den ma. Alexanderromanen, die hier offensichtlich der historischen Alexandertradition folgen, ist von den homoerotischen Implikationen des Verhältnisses freilich nichts zu fassen, sie zeigen Η als loyalen Gefolgsmann und Vertrauten Alexanders, der sich in den Schlachten als tapferer Kämpfer erweist. Al folgt im Handlungsgang der Alexanderhistorie von Q . Curtius Rufus, A2 der Alexandreis' Walters von Chätillon und zählt ihn - historisch unmöglich, vom engen Vertrauensverhältnis her gesehen aber folgerichtig - zu den Diadochen. Mit der Betonung seiner Schönheit und dem Motiv der trauernden Damen beim Auszug in den Kampf werden Η hier außerdem Züge des höfischen Minneritters zugeschrieben. Das Motiv ist in Wolframs von Eschenbach ,Willehalm' vorgebildet. [1] Vgl. s.v. Hephaistion
[1.] (G. Wirth), in: DKP, Bd. 2,
Sp. 1022f. [mk/sks]
Hercules [Gr. Herakles, wichtigster Heros der antiken Mythologie, Sohn des Zeus und der Alkmene, Gatte der Deianeira, Geliebter der Iole, verrichtet im Auftrag des Eurystheus die zwölf Arbeiten (den so genannten Dodekathlos) und andere Heldentaten, erleidet tödliche Ätzwunden, als er das mit dem vergifteten Blut des Nessos getränkte H e m d anzieht, verbrennt sich am Berg Oite und wird als einziger Sterblicher in den Olymp aufgenommen]
W: Gott (El, E2), Gottheit (E3), Halbgott (A2), Gott der Sarazenen (E4), Sternbild (B2) G: Sohn des Iuppiter (A2, E l , E2) und der Alcmena (A2, A4), Gatte der Deianira und Geliebter der Iole (A2, A4), Vater des Aventinus (Al), des Iolaus (A4), des Sardus ( D l ) und des Telephus (A3), Bruder der Medea und des Aiax [!] (A5), Verwandter des Iason (A4) R: König (B6), Herrscher von Phönizien (E3), Held {degen, helt, wigant) (A2, A4, A5), Ritter (A4, A5) Nf.: Alcides (B5), Ercules (A3, B2, B6, Dl)
I. A l Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman\ Η vollbrachte zahlreiche hervorragende Taten, so tötete er einen Löwen, aus dessen Fell sein Sohn Aventinus einen Schild fertigte. Η vererbte an Aventinus auch seine Tapferkeit (5047; 5058). Er tötete das Untier Cacus, das in Pallanteum großen Schaden angerichtet hatte. Deshalb wird dort jedes Jahr ein Η-Fest abgehalten. Aeneas wird bei diesem Fest von König Euander empfangen (6044-6054). A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen Η hat einst den Cerberus in Skythien ans Tageslicht gezerrt (7,779); befreit Hesiona, die dem Neptunus geopfert werden soll. Als ihm Laomedon den Lohn dafür, eine Stute, vorenthält, belagert und erobert er mit Hilfe TelamonsTroja (11,380; 11,386; RV: 13,52); kämpft mit Achelous um Deianira, bricht ihm dabei ein Horn ab und tötet Nessus, der Deianira entführen will, mit einem vergifteten Pfeil (12,550). Als sich Η in Iole verliebt, sendet ihm Deianira durch Lichas das in Nessus' Blut getränkte Hemd. Η verätzt sich, als er es anzieht, erinnert in einem Klagemonolog an seine Taten, beschwert sich über Iunos Hass, verbrennt sich selbst am Berg Oetes (2,450) und wird vergöttlicht. Nach Η's Apotheose hat Atlas den Eindruck, der Himmel sei schwerer geworden (9,9-570). [1] [1] Zu den Η-Antonomasien bei Ovid („Tirynthius heros", M M 7 , 4 1 0 u.a.) lagen A2 wohl Glossen vor.
A3 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. H, der Bezwinger des Höllenhundes Cerberus, begleitet Iason auf der Fahrt nach dem Goldenen Vlies. Als Laomedon die vor Troja zwischengelandeten Argonauten des Landes verweist, gerät er in Zorn und droht mit Rache (213448), begleitet Iason in Kolchis zum Kampf mit dem Drachen, um notfalls einzugreifen (1059); sammelt nach der Argonautenfahrt Gefährten für den Rachefeldzug gegen Troja, dringt mit Telamon in die Stadt ein, enthauptet Laomedon, erobert die Stadt und lässt sie schleifen (1182-1544; RV: 3490; 5921). Η hat Teuthras einst gegen einen feindlichen
Hercules König unterstützt, weshalb dieser die Herrschaft über sein Reich an H's Sohn Telephus abtritt (3934).
A4 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg·. H, der Bezwinger von Riesen und Ungeheuern, begleitet Iason auf der Argonautenfahrt (6868; 7342; 9452), will für den Landesverweis der Argonauten durch Laomedon an Troja Rache nehmen (10224), sammelt ein Heer, landet vor Troja, fuhrt gemeinsam mitTelamon 6000 Ritter in die Schlacht, tötet Laomedon im Zweikampf, erobert und zerstört die Stadt mit tadelnswerter Brutalität, v.a. gegen die Frauen [12938ff.], und macht reiche Beute (11381-13084). Η entging einst den Mordabsichten seiner Stiefmutter Iuno und tarnte sich, obwohl er ein unvergleichlicher Held war, als Frau (14389-14516; Exemplum der Thetis an Achilles), entführte einst Deianira aus Calcidon (21430; Exemplum des Paris an Helena). An einem reißenden Fluss bot der Kentaur Nessus an, Deianira überzusetzen, am anderen Ufer angelangt, wollte er sie vergewaltigen, woraufhin Η ihn mit einem Giftpfeil tödlich verwundete. Nessus tränkte seine Kleider in seinem Blut und gab sie Deianira als vermeintlichen Liebeszauber. Als sich Η in Iole verliebte und Deianira verlassen wollte, schickte ihm diese die Kleider von Nessus, Η zog sie an und verätzte sich, bereute in einem Klagemonolog die erste Eroberung Trojas und verbrannte sich auf einem selbst errichteten Scheiterhaufen (37892-38745; Erzählung des Philoctetes). Seit H's Tod ist Hector der größte Held (27106). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung·. Nach H's Tod sei Achilles der größte Held gewesen, meint Pyrrhus (44810). Antenor erinnert bei den Friedensverhandlungen mit den Griechen an die Verwüstung des Landes bei der ersten Eroberung Trojas durch Η (45957-45962). A5 ,Göttweiger Trojanerkrieg'·. Η lebt mit seiner Schwester Medea in Pontus, wo die Griechen unter Ulixes' Führung landen. Als Ulixes von Aiax' Verwundung berichtet, sind Η und Medea sofort bereit, mit nach Troja zu fahren (14685-14841). Η und Aiax begleiten
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Ulixes bei der Fahrt um Achilles. Η zeichnet sich unterwegs bei den Kämpfen gegen die Suriande und gegen das rote Volk (1500915465), gegen Amorant, das Schnabelvolk und die roten Juden (15852-16013; 16210) aus. Als sich Achilles wegen seines Interesses für die Waffen der Griechen verrät, wird er von Η und Aiax überwältigt (16409). Nach der Rückkehr nach Troja fordert Η Hector zum Zweikampf. Sie bekämpfen sich mit schenkeldicken Speeren. Als Η stürzt, wird er von Hector enthauptet, Aiax will den Bruder rächen und fällt selbst durch Hector (17327-17429).
B1 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Cröne' 11582: Als Η in einem Hemd verbrannte und auch Iole seinetwegen starb, erhob sich große Klage (Katalog von Klageanlässen, die von der Klage des Artushofs um die entführte Ginover überboten werden). B2 Rudolf von Ems, »Alexander' 1975'. Das Sternbild des Η („Stella Erculis") scheint immer dann trübe, wenn Unrecht geschieht. B3 ,Prosa-Lancelot' 11.79,32: Die Gralssuche fuhrt Helain den Weißen bis zu den Säulen des Η. [1] [ 1 ] Die Säulen des Η sind eine Variante der Hs. a; die andere Variante fuhrt Helain bis an die Grenzen von Alexanders Reich.
B4 ,Lohengrin'215: Um Wolframs Kunst zu finden, müsste er weiter als Η reisen, meint Klingsor. [1] [1] Der Beginn von B4 folgt C l .
B5 Ulrich von Etzenbach, ,Alexander': Η kämpfte gegen Antaeus und Hydra. Immer wenn Antaeus zu Boden ging, gewann er dreimal so viel Kraft; immer wenn Η der Hydra einen Kopf abschlug, wuchsen ihr drei nach. In derselben Situation sieht sich Alexander, als Darius für die Schlacht von Arbela ein Heer aufstellt, das dreimal so groß ist wie jenes vor Issos (9937). [ 1 ] Alexander ist so schön und tugendreich wie Η (1308; 1309; 3759) [2]; er erobert eine von Η gegründete Stadt (21762-21772). [ 1 ] Das Exemplum folgt Walters von Chätillon .Alexandreis' 01,435. [2] Die an sich nur in der lat. Literatur übliche Nf. „Alcides"
Hercules
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(1308; 1309; 3759) ist aus Walters von Chätillon Alexandreis' (1,40; 1,338) übernommen.
B6,Reinfried von Braunschweig 21896: König Η wollte vor langer Zeit bis zum Ende des Meeres fahren. Als er nicht mehr weiter konnte, errichtete er Säulen aus Erlenholz und versah sie mit einer Inschrift, die die Stelle als Ende der Welt ausweist (bis dorthin gelangte auch der Kapitän von Reinfrieds Schiff).
C1 , Wartburgkrieg,
Rätselspiel 25,5'· Um
Wolframs Kunst zu finden, müsste er weiter als Η reisen, meint Klingsor. D l ,Lucidarius' 17,27: Sardus, der Gründer einer Burg in Sardinien, war der Sohn des Η . [1] [1] Der Beleg findet sich nur in Hs. M .
D2 Hugo von Trimberg, ,Der Renner' 4351: Η tötete einst eine Schlange, die drei Häupter hatte und der sofort drei neue nachwuchsen, wenn man eines abschlug, indem er alle drei auf einen Schlag abhieb. Genauso muss man sich aller Untugenden auf einmal entledigen.
El Otto von Freising, ,Laubacher
Barlaam':
H, eines von vielen außerehelichen Kindern des Iuppiter, litt an Trunksucht, erschlug seine Kinder und verbrannte sich. Ein Gott, der selbst so hilflos ist, kann schwerlich anderen helfen (11117; 11207; Götterkatalog; Exemplum für die Verkommenheit der gr. Götter).
E2 Rudolf von Ems, ,Barlaam': Η ist ein verehrenswürdiger Gott. Wer vor seinem Zorn sicher sein will, muss sein Gebot beachten (9747; Katalog; die Griechen stellen im Glaubensdisput mit den Christen ihre Götter vor). Η war in Wahrheit ein Trinker, der im Wahnsinn seine Angehörigen und sein Kind erschlug. Er verbrannte sich im Feuer (10019; 10143; Katalog; christliche Replik).
E3 Rudolf von Ems, , Weltchronik': Der berühmte Η wurde wegen seiner großen Tapferkeit, von der man noch immer viel Wunderbares hören kann, von den Griechen als Gott verehrt (3220; Götterkatalog; 8723; Götter der Griechen), rettete seinen Gefährten Theseus vor Cerberus (19745; Entführung Pro-
serpinas), erschlug die Hydra und besiegte Antaeus (20129; H s Taten; 19700: Nennung H's als Herrscher über Phönicien; 20127: Nennung H's als Schüler des Linus). [1] [1] Die Angaben folgen im Wesentlichen den entsprechenden Stellen in der .Historia scholastica' des Petrus Comestor (vgl. PL 198, Sp. 1275d: Errettung des Theseus; Sp. 1281 b: Η als Schüler des Linus; Sp. 1283a: Kampf gegen Antaeus). Nach dem Prinzip ma. Weltchronistik handelt es sich um profangeschichtliche Exkurse zum heilsgeschichtlichen Hauptgeschehen.
E4 Reinbot von Durne, ,Der heilige Georg': Η ist einer der von den Sarazenen verehrten Götter (1963; 2370) und gilt ihnen als stark und mächtig (1965). E5 ,Die Erlösung'6512: Beim Jüngsten Gericht haben der Prophezeiung der Sibylle zufolge alle bösen Menschen die Hölle zu erwarten, so auch Η (Katalog von Verdammten). [1] [1] Der Katalog nennt antike Götter, weitere antike Helden (Achilles, Hector, Paris, Aeneas, Ulixes) und Nero.
II. 1) Die Η-Gestalt im MA; 2) Motive des antiken H-Mythos; 3) Anspielungen; 4) Zusammenfassung
1) Als prominentester Heros des antiken Mythos ist Η auch eine zentrale Gestalt in ma. Mythographie und literarischer Mythenrezeption. Von entscheidendem Einfluss war die spätantike Deutung: Die verstärkte HVerehrung im kaiserzeitlichen Rom, die wohl mit der Auffassung der Göttlichkeit des röm. Kaisers zusammenhängt, führte einerseits zur polemischen Auseinandersetzung mit Η in der christlichen Apologetik (vgl. El, E2). [1] Andererseits wurde Η bereits von der Sophistik zum Sinnbild menschlichen Tugendstrebens stilisiert (man denke an den bekannten philosophischen Mythos des Prodikos von Η am Scheideweg). Dies ließ auch im MA ein positives Η-Bild fortbestehen. Mythologeme des Η-Mythos konnten moralisch gedeutet werden. Ein einflussreiches Beispiel dafür gibt die ,Consolatio Philosophiae' des Boethius (IV, carm.7,13ff.; Η als Beispiel für die Mühen des Tüchtigen und den steinigen Weg der Tugend), wichtig waren die mythographischen Ausführungen bei Laktanz und Fulgentius, die etwa die Mythographi Vaticani fortset-
Hercules zen. [2] Dieser Tradition entsprechend ist der Kampf mit Hydra in D2 als Sinnbild für den Kampf mit der Untugend aufgefasst. In B2 wird das Strahlen des H-Sternbilds zum Indikator für den rechten oder Unrechten Lauf der Welt. Dass sich der Beleg bei demselben Autor findet wie die negative Η-Deutung von E2, unterstreicht, dass die Funktionalisierung antiker Mythologeme von der Perspektive des Textes abhängt und diese wiederum in erster Linie eine Frage der Gattung ist. Die weltliche Literatur des HochMA fasst — zumeist in direktem oder indirektem Rückgriff auf die röm. Epik (Vergil, Ovid) - Η als (natürlich mediävalisierten) vorbildlichen Helden und Kämpfer und setzt damit das positive Η-Bild im Sinne der höfisch-ritterlichen Ideologie fort. Die dt. Belege nennen Η berühmt (A2), tapfer und kühn, (Al, A3, A2, A4, A5, B l , D2), vortrefflich und ehrenhaft (A2, A5, B5), er vereint alle Tugenden auf sich (A4). Sein einziger Schwachpunkt in A3 ist sein Jähzorn. In den geistlichen Texten erscheint Η hingegen im Sinne der christlich-apologetischen Tradition als Trunkenbold und Gewalttäter (El, E2), für E5 ist er gar (wie auch andere Helden, die in der weltlichen Literatur durchwegs positive Figuren abgeben, etwa Hector) zur ewigen Verdammnis bestimmt. 2) An Motiven des Η-Mythos werden referiert: aus dem Dodekathlos die Tötung des
Nemeischen Löwen (Al, vgl. auch das Wappen des Η in A3 und das Löwenfell des Zwergen Karrioz [s. Nachbenennungen]), der Lernäi-
schen Hydra (B5, D2, E3) und die Uberwindung des Cerberus (A3, A2). An anderen Taten werden erwähnt die Tötung des Ungeheuers Cacus (Al, über den ,Roman d'Eneas' mittelbar nach Vergils >Aeneisl), die Ringkämpfe mit Achelous (A2, nach Ovids ,Metamorphosen')
und mit Antaeus (B5, E3) sowie die Errettung
des Theseus vor Cerberus (E3). Interessanterweise fehlt das Motiv von der Betörung des
Η durch Omphale (der verweichlichte Η am
Spinnrocken), das gut zu dem auch in der höfischen Literatur verbreiteten Topos des
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Minne- oder Frauensklaven passen würde und etwa in der mlat. Lyrik beliebt ist (vgl. für Η CB 63). Eine zentrale Funktion erhält im MA die in Ovids .Metamorphosen 1 angedeutete erste Eroberung Trojas, eine klar sekundäre Konstruktion, die unterschiedliche Sagenstoffe zu einem Zyklus verbindet. Die spätantike Trojatradition (bes. Dares Phrygius) entwickelt daraus einen ersten, an die Argonautenfahrt anschließenden und von Η geleiteten Krieg gegen Troja, im Zuge dessen Hesiona von Telamon geraubt wird, was wiederum die Entführung Helenas durch Paris als legitimen Racheakt erscheinen lässt. Von diesem ersten Trojanischen Krieg erzählen A3 und A4. In A5 ist das Motiv aufgegeben, statt dessen tritt Η als Kämpfer im zweiten Trojanischen Krieg in Erscheinung und wird von Hector (!) getötet. Ein stehendes Motiv bilden auch die bei Gibraltar als Grenzbezeichnung des Orbis
von Η errichteten Säulen, auf sie verweisen B3, B4, B6 und C l .
Von der Tötung des Kentauren Nessus, von H's Liebe und Untreue gegenüber Deianira, der Ubersendung des Nessushemds und dem daraus folgenden qualvollen Tod des Helden berichten in Rückgriff auf Ovids Metamorphosen' A2 und A4 (A4 in Form einer eigenwertigen Binnenerzählung [3]), Anspielungen daraufbringen Β1, El und E2. Das ursprünglich komische Motiv von H's Trunksucht findet sich in El und E2 (es lässt sich bis ins gr. Satyrspiel zurückverfolgen und begegnet auch in Euripides' ,Alkestis'). Der Vorwurf der Gewalttätigkeit gegen seine Familie könnte sich auf die gemeinsamen Kinder mit Megara beziehen, die H, von Iuno mit Wahnsinn geschlagen, tötet (der Dodekathlos gilt mitunter als Buße für das Verbechen; bei Hyginus, Fab. XXXII, muss Η deshalb der Omphale Knechtsdienste leisten). Das Motiv ist in der ma. Literatur kaum bekannt. 3) Der Vergleich Alexanders mit Η in B5 reflektiert einen gängigen panegyrischen Topos und hat im antiken Herrscherlob eine lange
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Herculius — Hermaphroditus
Tradition. [4] Der Kampf mit Hydra und Antaeus ist allegorisches Vorbild für Alexanders Kampf gegen Darius, der Makedonenkönig ist durch diese Stellen als „H novus" ausgewiesen, als welchen er sich ja auch tatsächlich betrachtete. Die Anspielungen geben die entsprechenden Stellen in der Alexandreis' Walters von Chätillon wieder und weisen somit direkt auf die Verbindungen zwischen der Η-Gestalt in volkssprachlicher und mlat. Literatur. Der Tapferkeitsvergleich ist auch in der mhd. Epik beliebt, häufiger als Η werden hier allerdings die Helden der Trojasage, später auch der Artussage genannt. [5] Auf Deutungsstrategien der lat. Myelographie be-
zieht sich die allegorische Auslegung von Η's
Kampf mit Hydra in D2. Der Hinweis auf die Säulen des Η in Β4 und C1 fungiert als Adynaton, in B3 und B6 steht er sprichwörtlich für die weitest mögliche Reise. 4) Insgesamt betrachtet zählt Η zu jenen antiken Heldengestalten, die der mhd. Literatur gut bekannt sind und (unter dem Einfluss der afrz. Literatur) ein durchaus eigenständiges „höfisches" Profil entwickeln. Hierfür war v.a. Η's Rolle in der ma. Trojasage wesentlich. Das Η-Bild ist überwiegend positiv, im Vergleich zu den trojanischen Helden der „zweiten Generation" erscheint er freilich nach wie vor als der „urtümlichere" Held. Hector und Achilles übertreffen Η schließlich auch, was Bedeutung und Zahl der Nennungen betrifft. [6] Reflexe der breiten Η-Rezeption in Mythographie und gelehrter Mythendeutung der lat. Literatur sowie in der Ikonographie, die die spätantike Η-Tradition weiterführen [7], finden sich aber nur vereinzelt. [1] S.v. Hercules (W. Eisenhut), in: DKP, Bd. 2, Sp. 10541057 und s.v. Herakles (A. J. Malherbe), in: RAC, Bd. 14, 559-583; Herakles/Herkules I. Metamorphosen des Heros in ihrer medialen Vielfalt. Hg. R. Kray (u.a.), 1994. [2] Weitere Belege bei Chance, Medieval Mythography, passim (Reg.), bes. 175, 235. [3] Vgl. Lienen, Geschichte und Erzählen, 164AF. Zur HGestalt in A4 außerdem Ε J. Worstbrock, Der Tod des H. Eine Problemskizze zur Poetik des Zerfalls in Konrads von Würzburg,Trojanerkrieg', in: Erzählungen in Erzählungen. Phänomene der Narration in MA und Früher Neuzeit. Hg. H. Haferland und M. Mecklenburg, 1996, 273-284.
[4] Vgl. W Derichs, Herakles. Vorbild des Herrschers in der Antike, 1951. [5] Zum Topos vgl. Kern, Edle Tropfen, 137ff. [6] Von einem reicheren Nachleben H's erst in Humanismus und Renaissance kann allerdings mit Blick auf die ma. Myelographie (vgl. Chance [Anm. 2]) nicht die Rede sein; vs. s.v. Herakles (J. Engemann), in: LMA, Bd. 4, Sp. 2141. [7] Vgl. hierzu etwa K. Clausberg, Η-Metamorphosen, in: Herakles/Hercules I [Anm. 1], 47-72. Zur Ikonographie s.v. Herkules (P. Gerlach), in: LCI, Bd. 2, Sp. 243-246. Nachbenennungen Wirnt von Grafenberg, ,Wigalois' (Karriozj: Der Zwerg Karrioz hat mit bloßen Händen einen Löwen erschlagen, trägt dessen Fell und wird im Kampf mit Wigalois tödlich verwundet (6602-6749; 8629). [1] Heinrich von Neustadt, jipollonius' (Ercules): H, der Herrscher von Ephesos, erhält durch Apollonius in Antiochia die Schwertleite (17341; 17345), liefert sich einen Schaukampf mit Claudius (17691;17702),wirdinApollonius' Tafelrunde aufgenommen (18465,18675), von dem Mohrenkönig Glorant getötet und von Apollonius gerächt (19152-19200). [1] Das Motiv vom Löwenfell im ,Wigalois 4 stammt offensichtlich aus dem Η-Mythos, der Vermittlungsweg ist unklar. Dass der Name aus der gr. Form Herakles abgeleitet ist ([He]rakleos wird zu Karrioz), wie Kapteyn (Hg.), Reg. meint, ist wenig wahrscheinlich; Kern, Edle Tropfen, 369f. [mk]
Herculius
Maximian us
Hermaphroditus [Sohn des Hermes und der Aphrodite, wird durch Vereinigung mit der Nymphe Salmacis zu einem Zwitter]
W: Halb Jungfrau, halb Mann ( C l ) G: Sohn der Venus und des Mercurius Nf.: n.n. (Al, C l ) I.
Al Albrecht von Haiherstadt,
,Metamorpho-
sen ' [4,555-724/: Die Wassergöttin Salmacis (4,570-709), die an der gleichnamigen Quelle lebt, verliebt sich in den Sohn von Hermes und Aphrodite, wird von ihm aber zurückgewiesen. Als sie beobachtet, wie er seine Füße in ihre Quelle taucht, stößt sie ihn ins Wasser und umfängt ihn. [1] Die Götter erhören ihr Gebet und lassen die beiden zu einer Gestalt werden. Der Jüngling bittet Venus, der Quelle hinfort den Zauber zu geben, allen Männern, die in ihr baden, eine weibliche
Hermione Physiognomie zu verleihen, ihr tatsächliches Geschlecht aber nicht zu ändern. [1] Bei Ovid (MM 4,352ff.) wird Η nicht von Salmacis ins Wasser gestoßen, sondern beim Schwimmen von ihr umschlungen.
C1 Frauenlob, ,Minneleich'
[HI.9,1]: Be-
schrieben wird eine Gestalt, die - senkrecht geteilt - halb Jungfrau und halb Mann ist, wobei die eine Hälfte jungfräulich gegürtet, die andere männlich gekrönt ist. II. Der H, Ergebnis einer der vieldeutigsten und facettenreichsten Metamorphosen bei Ovid, war der ma. Mythographie bekannt. [1] A l folgt direkt der Darstellung in den .Metamorphosen' (4,287ff.). Η wird schon dort nicht namentlich genannt. Ansätze zu einer Deutung des Mythologems fehlen. Die Beschreibung des Zwitters in C1 entwickelt eine Allegorie der Beziehung zwischen Mann und Frau. Im Hintergrund stehen vermutlich alchemistische Deutungen des Η als Allegorie der Verbindung von Elementen und Temperamenten. [2] [1] So bei Myth. Vat. III, p.214,27, mit einer interessanten Deutung in Hinblick auf übertriebenen rhetorischen Ornat; ebd. p.239,35 ist er Sohn der „Venus voluptaria" (der lüsternen Venus) und verkörpert selbst sexuelle Ausschweifung. Zur antiken und frühma. Rezeptionsgeschichte s.v. Hermaphrodit (M. Delcourt, K. Hoheisel), in: RAC, Bd. 14, Sp. 649-682, bes. 670f. und 675ff. [2] Stackmann (Hg.), Bd. II, 693. [mk]
Hermione [Tochter des Menelaus und der Helena; von Menelaus dem Neoptolemos, von ihrem GroßvaterTyndareus dem Orestes versprochen]
G: Tochter des Menelaus und der Helena (Al, A2), Tochter oder Nachfahrin der Leda (A2), Cousine und Gattin des Orestes (Al), Gattin des Pyrrhus (Al), Königin (A2) Nf.: Armiona(e) (A2), Ermiona (Al), Hermiona (A2)
299
I.
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': H, die auf Idomeneus' Betreiben mit Orestes vermählt wurde (17517), wird von Pyrrhus entführt und geheiratet. Als dieser nach Delphi reist, fürchtet Η einen Anschlag durch ihre Nebenbuhlerin Andromacha und deren Sohn Laodamas und ruft Menelaus zu Hilfe, dessen Befreiungsversuch jedoch scheitert. Orestes gewinnt Η schließlich zurück, indem er Pyrrhus in Delphi tötet (18135-18192).
A2 Konrad von Würzburg,
,Trojanerkrieg',
Fortsetzung: Die reine und makellose H, die sogar Helena an Schönheit übertrifft, empfängt ihre heimkehrenden Eltern. Menelaus will sie — seinem Gelöbnis entsprechend (44493-44509) - Pyrrhus als Dank für dessen Verdienste bei der Eroberung Trojas zur Frau geben, Tyndareus hat sie aber bereits Orestes versprochen, den Η seit ihrer Kindheit liebt. Η bittet Orestes in einem Brief, sie zu retten. Uber den weiteren Gang der Ereignisse gibt der Erzähler vor, nicht unterrichtet zu sein (49247-49758). II. Das Motiv der doppelten Verlobung oder Vermählung H's findet sich bereits in der antiken Literatur in mehreren Versionen. [1] Die Trojaromane A l und A2 folgen dem spätantiken Trojatagebuch von Dictys Cretensis (128,4ff.), dessen Angaben im Wesentlichen dem Bericht Andromachas in Vergils ,Aeneis' (III,325ff.) entsprechen. A l folgt Dictys mittelbar über den ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, A2 direkt, woraus sich die Abweichungen im Handlungsgang erklären. Die Rivalität zwischen H, Pyrrhus' Gattin, und Andromacha, seiner Sklavin, thematisiert bereits die Andromache' des Euripides. Das Motiv der Jugendliebe in A2 entspricht dem höfischen Liebesthema. Der Hinweis auf fehlende Nachrichten über den weiteren Hergang der Ereignisse in A2, von
Hermogenes — Herse
300
denen Dictys sehr wohl berichtet, reflektiert den Topos der abbreviatio. [1] S.v. Hermione Sp. 1078.
Herpyllis
(H. von Geisau), in: DKP, Bd. 2,
[Hausgenossin des Aristoteles, vielleicht die Mutter von dessen Sohn Nikomachos]
[mk/sks]
Al Aristoteles und Phyllis' GA I, 11,97-518
Hermogenes [Gefolgsmann Alexanders, von Negusar bei Issos getötet; Chätillon 111,97]
Al Ulrich von Etzenbach, »Alexander' 8239: Η wird von Negusar aus Rache für Eclymus in der Schlacht bei Issos getötet. Nachbenennung Heinrich von Neustadt, rApolbnius' (Ermogenes, Ermogines)·. Η ist der Sohn des Apollonius und der Cirilla, kommt während Apollonius' Abwesenheit zur Welt, seine Mutter Cirilla stirbt bei seiner Geburt. Apollonius gibt ihn in die Pflege des Sirinus (7149; 7320) und verheiratet ihn später mit Prinzeis Schwester, Η wird König von Warcilone (14606; 14900; 14914).
(Phyllis): Η , eine Dienerin der Königin, verliebt sich in Alexander. Als Aristoteles von dem Verhältnis erfährt, setzt er Philipp davon in Kenntnis. Η wird bestraft und beschließt, sich an Aristoteles zu rächen. Sie erscheint in einem aufreizenden Schleierkleid und verfuhrt ihn. Schließlich bringt sie ihn dazu, sich zäumen und satteln zu lassen, und reitet auf dem ein Liebeslied trällernden Aristoteles durch den Hofgarten. [1] [ 1 ] Ob hinter der Figur der Phyllis tatsächlich die historische Η steht, ist nicht mit Sicherheit zu erweisen. Die Anekdote vom gerittenen Aristoteles erfreute sich im MA jedenfalls großer Beliebtheit und wird im Zusammenhang mit dem Topos vom Frauensklaven oft zitiert; vgl. hierzu und zu weiteren Belegen -» Aristoteles (II. 1/3). [mk]
[sks/mk]
Hermolaus
Herse
[Junger Makedone, wegen eines Jagdvergehens von Alexander gezüchtigt, zettelt die so genannte Pagenverschwörung an und wird 327 v. Chr. hingerichtet]
[Tochter des Cecrops, Schwester der Pandrosus und der Aglauros]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander' (Ermo-
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen':
laus)·. D e r edle und treffliche Jüngling Η wird von Alexander geschlagen, weil er ein Wildschwein erlegt hat, das Alexander vorbehalten war. Callisthenes ermahnt seinen Schüler H , nicht zu weinen, da er ja ein Mann werden wolle. Alexander missversteht dies als Drohung, Η werde sich als M a n n an ihm rächen, und lässt beide töten ( 1 8 9 1 8 - 1 8 9 3 2 ) .
[1] [ 1 ] Al folgt der entsprechenden Episode in Walters von Chätillon Alexandreis' (IX,4). Das im Hintergrund stehende historische Ereignis ist zum Exemplum für Alexanders zunehmende Hybris literarisiert. Nachbenennung ,Göttweiger Trojanerkrieg' (Hermolaus): Η von Therbund, Name eines Fürsten in Agamemnons Heer; er empfiehlt, Ulixes mit der Fahrt um Achilles zu beauftragen (14988; 14997). [sks/mk]
Hero
Leander
Pallas Athene übergibt ihrer schönen Dienerin Η und deren Schwestern Pandrosus und Aglauros einen Schrein mit einem darin eingeschlossenen, ohne Mutter geborenen Kind [Erichthonius], den Aglauros trotz Verbotes der Göttin öffnet (2,1195). Als sich Mercurius in Η verliebt, die alle anderen Jungfrauen so wie der M o n d den Morgenstern oder wie die Sonne den M o n d überstrahlt, soll Aglauros die beiden verkuppeln; die auf Betreiben Athenes von Neid erfüllte Aglauros missgönnt Η aber den Liebhaber, will Mercurius den Zutritt zu Η verwehren und wird versteinert ( 2 , 1 5 3 5 ; 2 , 1 5 7 0 ) . [1] [1] Die mythologisch und erzähltechnisch komplexe Episode bei Ovid (Geburt des Erichthonius, Exemplum für die von den Göttern wegen Untreue Bestraften) wird in Al kaum mehr verstanden, sie ist daher in ihrer Motivierung brüchig und dem zeitgenössischen Publikum schwerlich nachvollziehbar gewesen. [mk]
Hesiona Hesiona [Tochter des Laomedon und Schwester des Priamus; nach der ersten Eroberung Trojas durch Hercules dem Telamon zur Frau gegeben und entfuhrt]
G: Tochter des Laomedon (Al, A2, A3), Schwester des Priamus (A2, A3), Kebsfrau (A2) bzw. Gattin (Al, A3) des Telamon, Mutter des Aiax (A2, A3) R: Königin (A3), Königstochter (Al) Nf.: Chionam (A2), Esiona (A3), Esyona (Al, A3)
301
,Trojanerkrieg'-Fortsetzung: RV auf die Entführung Η's in den Reden An tenors vor dem trojanischen Fürstenrat bzw. vor den gr. Fürsten (45974; 46687). II.
Die Gestalt H's gewinnt bei der Ausgestaltung der Vorgeschichte des Trojanischen Krieges zunehmend an Bedeutung. In der nachhomerischen epischen Tradition wird sie von Herakles vor einem Seeungeheuer gerettet, dem sie von Laomedon geopfert werden sollte I. (eine erste Andeutung gibt ,Ilias' 20,144f.). Als Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen Herakles von dem notorisch wortbrüchigen Neptunus fordert die Opferung Η's als Sühne Vorgänger des Priamus um seinen Lohn gedafür, dass Laomedon ihn und Apollo um den prellt wird, erobert er Troja das erste Mal und Lohn für die Errichtung der Mauern Trojas gibt Η seinem wichtigsten Mitstreiter Telabringen wollte. Sie wird an einen Stein am mon zur Frau. [1] Diese typisch sekundäre Meer geschmiedet und von Hercules befreit. Sagenversion (Analogie zum Andromeda-MyAls nun Laomedon Hercules den Lohn dafür thos, Anbindung des Trojamythos an den Hevorenthält, belagert und zerstört dieser Troja raklesmythos) liegt Ovids .Metamorphosen' und gibt Η seinem Kampfgefährten Telamon zugrunde und wird in Al referiert. zur Frau ([11,376]; 11,392). Wichtiger wurde für die ma. Trojaliteratur die A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Tela- Umgestaltung in dem pseudohistorischen Tromon gewinnt Η für seinen Einsatz im ers- jabericht von Dares Phrygius. Hercules rächt ten Trojanischen Krieg, führt sie nach Grie- sich hier an Laomedon für den Landesverweis chenland und macht sie zu seiner Kebsfrau, der Argonauten (das „unhistorische" Märwas Η's Verwandten missfällt (1608; 1892). chenmotiv von H's Errettung ist aufgegeben), Antenor fordert sie in Priamus' Auftrag ererobert Troja und gibt Η Telamon zur Frau. folglos von den Griechen zurück (2567; RV: Ihre Entführung durch die Griechen lässt die 15070; 15402). Als Rache für ihre Entführung Entführung Helenas durch Paris als legitimen und die Zerstörung Trojas durch Hercules Racheakt erscheinen, wenigstens in den Augen plant Paris die Entführung Helenas, Priamus der Trojaner. Diese zweite, „historische" Versimöchte Helena gegen Η austauschen (3713; on ist für die trojafreundliche Perspektive des 3799; RV: 11504). Η gebiert dem Telamon ma. Trojaromans wichtig und daher auch in Aiax, der so mit Hector und Paris verwandt A2 und A3 entsprechend vertreten (über den ist (5923-5949). Paris wundert sich deshalb, ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure dass er von Aiax zum Kampf aufgefordert mittelbar nach Dares). wird (13995). Η wird den Konventionen des höfischen A3 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg: Η Romans folgend in allen drei Texten als edle, wird nach dem ersten Trojanischen Krieg von tugendhafte und schöne Jungfrau vorgestellt. Telamon entführt und verliert ihre Jungfräu- In A2 scheint die trojanische Erregung über lichkeit (12964; 13208; RV: 34423-34441; H's Entführung durch ihre „Verkebsung" 37131-37383). Priamus beklagt sich darüber zusätzlich motiviert. (20586), Η soll von den Griechen zurückge[1] S.v. Hesione [4.] ( H . von Geisau), in: DKP, Bd. 2, fordert oder es soll Helena aus Rache dafür entführt werden (18060-18978; 20585).
302
Hesperides — Hippocrates
Hesperides [Töchter des Atlas oder der Nacht, pflegen gemeinsam mit einem schlaflosen Drachen die Bäume und goldenen Äpfel des im fernen Westen liegenden Göttergartens]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 11,189 (Hesperia, Hesperien)·. Die Äpfel, die Midas vom Baum bricht, werden so golden wie die Apfel aus Hesperien, dem Garten des Riesen Atlas (Vergleich). [1] [1] Der Nymphenname bei Ovid (MM 11,114) ist durch den Ortsnamen ersetzt. Zu der knappen Anspielung lag Al vermutlich eine Glosse vor. Dem klassischen mythologischen Motiv vom paradiesischen Garten im äußersten Westen entspricht die Vorstellung von der Feeninsel Avalon aus der keltischen Mythologie, die v.a. aus der Artussage bekannt ist. Sie wird in der ,vita Merlini' des Geoffrey von Monmouth als „Apfelinsel" etymologisiert (eventuell von der Insel der Η angeregt?). Im klassischen höfischen Artusroman (Chretien de Troyes, Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach) ist das Motiv nicht von Bedeutung. [mk]
auf den Kalydonischen Eber teil und wird wie Pelagon von dem verwundeten Tier attackiert und aufgeschlitzt. [1] [1] Die Nf. variiert bereits in der Ovid-Überlieferung stark. Die Lesart in Al ließe an Eupalamos, den Vater des Daidalos, denken, er dürfte aber bei Ovid nicht gemeint sein. [mk]
Hippasus [Kentaur, fällt beim Kampf gegen die Lapithen durch Theseus; MM 12,352]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12,599 (Hippason)·. Die Riesen H, Ripheus und Nedymnus [1] werden von Theseus mit einem Eichenast erschlagen (Katalog; Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf). [ 1 ] Die Kentauren werden im Text als herumziehende Riesen bezeichnet. Die Adaption greift offenbar auf vertraute Vorstellungen aus der Heldensage zurück. Dass sie Mischwesen sind, wird nur in 12,631 explizit gesagt; Centauri. [mk]
Hesperie [Nymphe, stirbt auf der Flucht vor Aesacus; M M 11,769]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 11,1332 (Epiroe, Epiroen)·. Die Wassermaid Η wird auf der Flucht vor Aesacus, der sie am Gestade ihres Vaters [des troischen Flusses Cebren] erblickt hat und sie zur Geliebten begehrt, von einer Schlange gebissen und stirbt. Aesacus beklagt H, fiihlt sich schuldig an ihrem Tod, will sich ins Meer stürzen und wird dabei in einen Vogel verwandelt. [1] [1] Die Verschreibung von Hesperie zu Epiroe erklärt sich aus einer Variante in der Ovid-Überlieferung (z.B. „eperien" in Hs. A). Die Bezeichnung „wasser magt" übersetzt das lat. „nympha" und greift auf entsprechende Vorstellungen der Volksmythologie zurück. Derartige Adaptionen finden sich in Al in Zusammenhang mit Gestalten der „niederen Mythologie" häufig Centauri, Dryades, Galatea). [mk]
Hippalmus [Jäger des Kalydonischen Ebers; M M 8,360]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 8,683 (Eupalamone)·. Η nimmt an der Jagd
Hippocoon [Spartanischer Herrscher, entsendet Helden aus Sparta zur Jagd auf den Kalydonischen Eber; MM 8,314]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 8,604: Η beteiligt sich an der Jagd auf den Kalydonischen Eber (Katalog). [1] [1] Bei Ovid nimmt Η nicht selbst an der Jagd teil. [mk]
Hippocrates [460-ca.370 v. Chr., aus Kos; einer der berühmtesten Ärzte der Antike]
W: Heidengott (E3), Heide (E4) R: Naturforscher (Bl, E2), Meister (Bl, C l , D l , D2), Arzt (Al, D2, E3), Ratsherr (El) Nf.: Hippocras (Al), Ipocras (Cl), Ypochrate (Bl), Ypocras (Dl, D2, E2, E3, E4), Ypocras Medicus (El), Ypocrat (D2), Yppocras (Al)
Hippocrates I.
A l Heinrich von Neustadt, Apollonias'13499'. H, der Sohn von Prinzel und Flora, wird dereinst ein berühmter Arzt werden. B1 Albrecht, ,Der Jüngere Titurel' 1790,1: Weder H, Galenus oder Avicenna noch die gesamte Wissenschaft der Griechen besäßen nach Artus' Ansicht die Kunstfertigkeit, solche Stoffe zu wirken, wie sie Artus von Ackerin erhalten hat. Cl Rumehnt, HMS 111,20, 11.12,2·. Wäre der Sänger ein H, Aristoteles, Galenus oder Socrates, besäße er die Kunstfertigkeit eines Plato, Virgilius, Boethius, Cato, Seneca, Donatus oder Beda, er könnte den hochgelobten Fürsten doch nicht adäquat preisen (Fürstenpreis). [1] [1] Gemeint ist vermutlich Kaiser Ludwig der Bayer (reg. 1314-1347).
Dl Hugo von Trimberg, ,Der Renner': H, Plinius und Galenus empfehlen in ihren Büchern für ein langes, beschwerdefreies Leben Mäßigung beim Essen (9614). Die alten Meister wie Η und andere würden heute keine Anerkennung mehr finden, da niemand mehr Krankheiten furchtet (10085; Katalog); sie lebten zwar tugendhaft, wurden aber dennoch von Neid und Missgunst verfolgt (14678; Katalog). D2 ,Die Minneburg'·. Wäre der Dichter auch weise wie H, Salomon, Aristoteles oder Alanus, könnte er seine Minneherrin dennoch nicht adäquat loben (3360; Gelehrtenkatalog). Η zählt mit Avicenna, Pythagoras und Galenus zu den von Gott befähigten Meistern der Heilkunst, die sich aber nicht mit der Minnekrankheit beschäftigten, weil sie die Minne als zu mächtig erkannten (5416; Katalog). El Jans Enikel, ,Weltchronik', Prosa nach 20942·. Η gehörte zu den Ratsherren, die in Rom herrschten (Katalog). [1] [1] Der Katalog nennt neben Η noch Plato, Pompeius, Seneca, Sybilla, Aristoteles, Pythagoras, Demetricus und Esdras. Strauch (Hg.), 400, Anm. 3, verweist auf Honorius, ,De imagine mundi' (PL 172, Sp. 177 „De consulibus et dictatoribus Romae") als Quelle, wobei sich die Namensliste nur zu einem ganz geringen Teil deckt. In HS 9 von El (nach
303
V 18944) sind die Genannten Könige von Persien.
E2 Brun von Schönebeck,,Das Hohelied'7090: Η beschäftigte sich mit der Ordnung in der Natur und mit der menschlichen Physis. E3 Konrad von Würzburg, .Pantaleon' 1062: Die Anrufung heidnischer Götter und Ärzte wie H, Galenus und Aesculapius zur Heilung eines Gelähmten zeigt keine Wirkung. Pantaleon aber kann ihn mit Gottes Hilfe heilen, worauf sich viele Heiden taufen lassen (Katalog). E4 Heinrich von Neustadt, ,Gottes Zukunft' 4802: Die edlen Heiden H, Galenus, Ptolemaeus, Pythagoras, Seneca und Aristoteles, die Gott geziemend dienten, zählen zum Kreis der Erlösten, deren Klage mit dem Einzug Christi in den Himmel endet (Katalog erlöster Heiden). II. 1) Η-Rezeption im MA; 2) Η im mhd. Gelehrtenkatalog; 3) Nennungen abseits didaktischer Topik
1) Η galt auch dem MA als einer der berühmtesten Ärzte und als die maßgebliche Autorität auf dem Gebiete der Medizin. Die historische Gestalt selbst ist schwer fassbar und zeigt schon im frühen Hellenismus stark stilisierte Züge. Für die Η-Rezeption in der Medizin war das so genannte ,Corpus hippocraticum', ein Sammelwerk medizinischer Schriften verschiedener Autoren, maßgeblich. Es war dem lat. MA im Unterschied zum byzantinischen und arabischen Kulturkreis nie vollständig zugänglich. Unter Hs Namen kursierten freilich eine Vielzahl medizinischer Schriften, Η wurde gleichsam Gattungstitel (vgl. etwa das ,Arzenibuoch Ipocratis' aus dem 11. Jh.). [1] Für Bekanntheit und Autorität Η's sorgten auch die Schriften von Galenus, der Η in der ma. Medizin an Bedeutung nicht nachstand. 2) In der volkssprachlichen (vorwiegend didaktischen) Literatur kann H's Name vieles verbürgen, er repräsentiert (oft gemeinsam mit Galenus) den Typus des antiken Gelehrten schlechthin und wird in mitunter unspezifischen Katalogen in einer Reihe mit Philo-
304
Hippodame — Hippodamia [2]
sophen wie Piaton, Aristoteles und Seneca genannt (vgl. C I , D l , E4). Als Naturforscher weisen ihn B1 und E2 aus, als Meister der Heilkunst D l , D2 und E3. In B l , C1 und D2 ist die Nennung mit dem Unsagbarkeitstopos verbunden, in D l mit dem Topos der Zeitklage, dass weise Gelehrte heute missachtet werden. Genauere Kenntnis hippokratischer Schriften lässt sich aus keinem Beleg ableiten, die Nennungen entsprechen durchwegs didaktischer Topik. 3) Im Zusammenhang mit dem höfischen Liebesthema wird Η nur in D2 genannt, um mit seiner Autorität zu bestätigen, dass gegen die Liebeskrankheit auch der beste Arzt nichts ausrichtet (weil sie metaphorisch ist). H's Ansehen unterstreicht der Beleg in E4, der ihn unter jene „guten" Heiden reiht, die auf Erlösung hoffen dürfen. Kurios ist die Nennung in El: Der Katalog röm. Ratsherren greift offenbar wahllos auf bekannte antike Namen zurück. Ahnlich bemerkenswert ist H's Abstammung von Prinzel, einem von A l erfundenen Gefährten von Apollonius und typischen Aventiureritter. Die Genealogie lässt sich mit der behaupteten Zeugung des Ptolemaeus durch Apollonius vergleichen und dient dem pseudohistorischen Konstrukt, das der Roman entwirft und dessen Ernsthaftigkeit bezweifelt werden darf. [2] [1] S.v. Hippokrates (G. Keil), in: LMA, Bd. 5, Sp. 31-33. [2] Vgl. hierzu Kern, Edle Tropfen, 215f. [mk]
Hippodame [Tochter des Adrastus, Gattin des Pirithous, ihretwegen entbrennt der Kampf zwischen Kentauren und Lapithen; MM 12,210]
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen':
Zur Hochzeit der schönen Η mit Pirithous sind die riesenhaften Kentauren [1] und die Fürsten Haemonias [Lapithen] geladen. Beim Eintritt H's, die ein ganzes Land zieren könnte, jubeln die Gäste. Während des Festes reißt der betrunkene Eurytus Η an sich, Theseus befreit
sie und tötet den Kentauren, als dieser ihm Η neuerlich entreißen will. Es entbrennt ein erbitterter Kampf (12,398; 12,410; Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf). Wäre Η so spröde wie Pomona gewesen, hätte es keinen Kampf mit den Riesen [Kentauren] gegeben (14,770; Exemplum gegen Sprödigkeit, das Vertumnus in Gestalt eines alten Weibes an Pomona richtet; RV auf den Kentaurenkampf). [2] [1] Die Kentauren werden im Text als herumziehende Riesen bezeichnet. Die Adaption greift offenbar auf vertraute Vorstellungen aus der dt. Heldendichtung zurück. Dass sie Mischwesen sind, wird nur in 12,631 explizit gesagt. [2] Das Exemplum ist in Al modifiziert: Bei Ovid (MM 14,669ff.) heißt es, Pomona könnte so viele Freier wie Helena, Η oder Penelope haben (letztere fehlt in Al). Die Pointe ist bei Ovid ironisch, da Helenas wie Hippodames Wirkung auf Männer fatale Folgen hatte. Pomona müsste sich in ihrer Keuschheit eher bestärkt fühlen. [mk]
Hippodamia [1] [Tochter des Königs Oinomaos und der Sterope, Gattin des Pelops]
El Rudolf von Ems, , Weltchronik'
19817
(Ypotamia): Η rät ihrem Gatten Pelops, Tros im Krieg gegen Tantalus zu unterstützen (der Krieg wird durch die Gefangennahme von Tros' Sohn Ganymedes durch Tantalus ausgelöst). [1] [1] Dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, werden die mythologischen Daten historisch aufgefasst und in profangeschichtlichen Exkursen („incidentia") zur Heilsgeschichte erinnert. Die Stelle bezieht sich auf das ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 497). Dort ist richtigerweise von einer Unterstützung des Tantalus und nicht des Tros durch Pelops die Rede. [mk]
Hippodamia [2] [Tochter des Brises; von Achilles geraubt und zu seiner Konkubine gemacht; Dictys 33,2; Benoit 26899]
G: Tochter des Brises (Al), Geliebte des Achilles (Al, A2) Nf.: Ipothamie (A2), Ypodomia ( A l )
Hippolytus — Hippomedon
305
I.
II.
Al Herbort von Fritzlar, ,lietvon Troye'16665: Η wurde von Achilles nach der Eroberung ihrer Heimatstadt geraubt, ihr Vater Brises nahm sich deshalb das Leben. A2 Kortrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung 44761·. Pyrrhus wird zu H, der Geliebten des Achilles, gebracht, die die Besitztümer des Helden nach dessen Tod gehütet hat, und wird von ihr freudig empfangen.
Η ist der volkssprachlichen Mythenrezeption wenig bekannt. [1] Entsprechend verändert zeigt sich der Mythos in Bl und C l . Bl stimmt mit der traditionellen Version wenigstens in den Grundzügen überein. Dass Η in C1 aber in einem Atemzug mit Tristan als exemplarischer Liebender genannt wird, widerspricht ihr vollkommen. Erinnert ist allerdings die Keuschheit als H's zentrale Eigenschaft. Darin trifft er sich mit dem Sänger der Hohen Minne, denn auch dieser versteht sich (wenigstens vordergründig) als „amans castus". Das Missverständnis wird somit produktiv. Als (sicher nicht schriftlich vorliegende) Quellen kommen neben Mythographus Vaticanus 11,128 am ehesten Ovids .Metamorphosen' (15,497ff.) und Vergils Aeneis' (7,778ff.) in Frage. [2]
II. Η ist eine Gestalt aus dem spätantiken Trojabericht von Dictys Cretensis. In ihr lebt die Briseis der ,Ilias' weiter. Die Briseis-Gestalt des ma. Trojaroman ist hingegen als Tochter des Calchas und Geliebte des Troilus bzw. des Diomedes aufgefasst (so nach einer zusammenhanglosen Nennung bei Dares in der Ausgestaltung durch den,Roman de Troie' Benoits, die Al übernimmt [1]). Die Angaben zu Η in Al folgen Benoit, A2 direkt Dictys. [1] -»
Briseis. [mk]
[ 1 ] Belege in der ma. Myelographie finden sich in Myth. Vat. 11,128 und im Kommentar zur .EclogaTheoduli' Bernhards von Utrecht; hierzu Chance, Medieval Mythography, Reg. [2] Vgl. Kern, Edle Tropfen, 242ff. ( C l ) , 300f. (Bl). [mk]
Hippolytus [Sohn des Theseus, wird aufgrund einer Intrige seiner Stiefmutter Phaidra, deren Liebe er als Anhänger der keuschen Artemis zurückweist, von seinem Vater verflucht und von seinen Pferden zu Tode geschleift, als diese vor einem von Poseidon geschickten stiergestaltigen Ungeheuer scheuen]
Nf.: Ipolitus (Bl), Ypolitus (Cl) I. B l Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crone' 11599: Η wurde auf Veranlassung seiner Stiefmutter, die sich auf diese Weise an ihm rächte, auf dem Meer von Delphinen völlig zerrissen (Katalog von Klageanlässen, die von der Klage des Artushofs über die Entführung Ginovers überboten werden). C l Der von Gliers, SMS 2.111,16: Der keusche Η gibt wie Tristan und Pyramus ein Beispiel dafür, dass der Minnedienst eine kaum zu ertragende Mühsal und mitunter den Tod bedeutet (der Sänger wollte die Liebe deshalb meiden; dass es anders kam, bereitet ihm Leid).
Hippomedon [Einer der Sieben gegen Theben]
R: Fürst (A2) Nf.: Ipomedon (A2), Ypomedon (Al) I. Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman 3312: Η ist einer der vor Theben gefallenen Helden, die Aeneas in der Unterwelt antrifft (Katalog). A2 Ulrich von Etzenbach, Alexander'3166: Η ist einer der sieben Fürsten, die gegen Theben ziehen, um Polinices' Herrschaftsansprüche gegenüber Eteocles durchzusetzen. Alle sieben fallen nach tapferem Kampf (Exkurs zur Geschichte Thebens). II. Zur Thebensage liegt in der afrz. Literatur eine Romanbearbeitung nach Statius' ,Thebais', der ,Roman de Thebes' (um 1150) vor. Er
306
Hippomenes — Hippothous [2]
wurde nicht ins Dt. übersetzt, entsprechend gering ist die Kenntnis des Stoffes in der mhd. Literatur. [1] A2 bezieht seine Informationen aus entsprechenden Glossen zur Anspielung in der .Alexandreis' Walters von Chatillon (III,306f.). [2] [1] -» Oedipus (II.). [2] Vgl. die bei Colker (Hg.), 365 abgedruckte Glosse. Nachbenennungen Wolfram von Eschenbach, ,Parzival' 14,4 u.ö. (Ipomidon): Η ist König von Ninive und Bruder des Pompeius, des Königs von Babylon, er fuhrt gegen den Baruc Krieg, weil dieser ihm die Herrschaft über Ninive entrissen hat. Wolfram von Eschenbach,, Titurel' 73,4-74,4 (Ipomidon)·. Η und Pompeius ziehen gegen den Baruc zu Felde. Der Pleier, ,Tandareis' 2083 (Ipomidon)·. H, Tesereiz, Gahmuret und Galoes sind als reiche Kämpfer in den Schild des Tandareis eingewirkt. Albrecht, Jüngerer Titurel' 746,4 u.ö. (Ypomidon)·. Η und Pompeius fuhren gegen den Baruc Krieg, Η tötet Gahmuret und fällt durch Tschinotulander. .Reinfried von Braunschweig 16592, 19945: Η und Pompeius sind Gegner des Baruc. [1] [1] Die erstmals im .ParzivaT Wolframs von Eschenbach belegte Gestalt ist eine mögliche Nachbenennung entweder der Figur im .Roman de Th£bes' oder nach Al (zur Forschungsdiskussion vgl. Chandler, Catalogue, 131). Alle weiteren Nennungen beziehen sich auf den ,ParzivaT. [mk]
Hippomenes [Sohn des Megareus, gewinnt durch einen Sieg im Wettlauf Atalante zur Frau; als sich die beiden in einem der Kybele heiligen Hain lieben, werden sie zur Strafe in Löwen verwandelt; MM 10,575]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Hypomenes)·. H, der mutige Sohn des Megareus und Enkel Neptuns, verhöhnt die Freier, die für Atalante ihr Leben riskieren. Ais diese aber Gebände und Überkleid ablegt, entbrennt er in Liebe und fordert sie selbst zum Wettkampf heraus. Er bittet Venus um Hilfe, gewinnt den Wettlauf und damit Atalante, indem er auf Venus' Rat hin beim Laufen goldene Äpfel fallen lässt, die Atalante aufhebt. Weil sich Η nicht dankbar zeigt, stiftet die Göttin Η und Atalante dazu an, sich in einer Kapelle zu lieben. Für den Frevel werden sie von den Göttern in Löwen verwan-
delt werden (10,1055-1180; Erzählung der Venus an Adonis). [1] [1] Zur Bedeutung des Metamorphose Atalante. Die Kybelegrotte bei Ovid (MM 10,692) ist zur Kapelle mediävalisiert. Außerdem sieht Al nicht nur in Neptunus, sondern auch in Η und Megareus „Meerkönige", vgl. Η's Worte: „So bin ich nun der dritte Herr/ Von gmelten köngen auß dem Meer" (10,1117). Die Stelle bei Ovid („illi est Neptunus avus, pronepos ego regis aquarum"; „Neptunus war dessen [Megareus'] Großvater, ich bin der Urenkel des Königs der Gewässer"; MM 10,605f.) bezieht sich naturgemäß nur auf Neptun. [mk]
Hippothous [1] [Einer der Jäger des Kalydonischen Ebers; MM 8,307]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen 8,595 (Hipoteus)·. Η beteiligt sich an der Jagd auf den Kalydonischen Eber (Katalog). [mk]
Hippothous [2] [Verbündeter der Trojaner aus Larisa; Dares 22,18; Benoit 6703 Hupot)
R: Herzog (A2), König (A2) Nf.: Hupolt (A2), Hupus (Al) I.
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Η der Große und Cupesus unterstützen die Trojaner (3999; Katalog) und kämpfen in der Schlacht gegen die landenden Griechen in der von Hector geführten Schar (4687; Katalog; 5173). Η und sein Pferd werden von Achilles mit einem Schwerthieb zerteilt (7418-7421). A2 Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg·. Der mächtige, edle und vollkommene Η aus Larisa ist ein Verbündeter der Trojaner (24825; Katalog), kämpft in der Schar des Margariton und tötet Panfigal und Carsilot (29797-31812; 36652). ,Trojanerkrieg'-Fortsetzung 40505: Η wird auf der Flucht vor den Griechen gefangen genommen.
Hodites — Homerus II. Die Nennungen folgen dem,Roman deTroie' Benoits (A2 mit stärkeren Modifikationen), woraus sich auch die geänderte Nf. erklärt (vgl. auch die Variante Hipotus in Dares L und G). Η fällt in Al nach Dares/Benoit durch Achilles, in der Fortsetzung von A2 wird er wie bei Dictys (69,23) gefangen genommen. [mk/sks]
Hodites [Gefährte des Perseus, im Kampf von Clymenes getötet; MM 5,97]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,161 (Oditim)·. H, ein Gefährte des Perseus, wird beim Kampf auf dessen Hochzeitsfest von Clymenes getötet (Katalog). [1] [1] Die Nf. Oditim erklärt sich aus dem Reim auf „grimm" im Folgevers. Möglicherweise stand sie bei Albrecht noch im Akk. und wurde erst von Wickram als Nom. aufgefasst. [mk]
Homerus [Alteste gr. Dichtergestalt, zweite Hälfte 8. Jh. v. Chr., aus dem ionischen Kleinasien, meist aus Smyrna stammend gedacht, Verfassername zu ,Ilias' und .Odyssee']
R: Dichter (Bl, B2, B3, El) Nf.: Omerus (Bl, El), Omere (B2) I. Bl Rudolf von Ems, Alexander' 4868: Η hat von den ruhmreichen Taten der Trojaner berichtet. Clitomedes weiß vom Ruhm Alexanders aber noch mehr zu sagen. B2 Albrecht, Jüngerer Titurel'3549,1: Η ist der Verfasser eines Buches („buoch Omere"), das von den zehnjährigen, zermürbenden Kämpfen der Trojaner berichtet. Der heidnische Heerführer Secureiz liest oft darin. B3 Ulrich von Etzenbach, Alexander'·. Η kann viel von den einstigen Königen Trojas erzählen (4810; Autorberufung). Η mehrte Achilles' Ruhm nach dessen Tod. Alexander wünscht,
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jemand würde nach seinem Tod seine Taten ebenso preisen (5001; 5016; Exkurs: Alexander in Troja). El Rudolf von Ems, .Weltchronik' 26732·. Η lebte zur Zeit des Silvius Aeneas, dichtete zahlreiche Bücher und erzählte viele Geschichten. II. 1) Η im lat. MA; 2) Mhd. Belege; 3) Wiederentdeckung
1) Während ,Ilias' und ,Odyssee' in Byzanz ungebrochen die zentralen Texte waren und Η damit als der Autor schlechthin galt, hatte das lat. MA keine Kenntnis der Homerischen Epen. Wo es sich auf Η bezieht, meint es die so genannte ,Ilias latina', eine im 1. Jh. n. Chr. entstandene Epitome des gr. Epos in lat. Hexametern (die .Odyssee' ist praktisch unbekannt). [1] Der Dichtername bleibt dennoch präsent und kann als Gattungsname Texte über den Trojanischen Krieg bezeichnen. [2] Η wird weiterhin gerne und oft als Autorität zitiert. Dantes Vergil betitelt ihn gar als „poetasovrano", als Dichterfürsten (.Inferno' IV,88). In der volkssprachlichen Literatur des HochMA geben Β1 und B3 Beispiele fur seine Wertschätzung. Beide Berufungen verbinden Troja- und Alexanderstoff als die zentralen antiken Sujets im MA, wobei die Uberbietung in Bl die vorzügliche Stellung derTrojasage dazu nutzt, die Bedeutung Alexanders noch klarer hervorzuheben. 2) Dass sich Alexanders Ruhm tatsächlich genauso verbreite wie jener des Achilles durch H, ist die Pointe von Alexanders Wunsch in der Alexandreis' Walters von Chätillon (I,478ff.), der Quelle von B3. Der Autor des mlat. Epos beansprucht damit für sich den Stellenwert eines zweiten Homer. In B2 könnte eine Anspielung auf die ,Ilias latina' vorliegen. Die Datierung in El ist auffällig. Sie hat kein Vorbild in der Hauptquelle des Textes, der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor, die Η allerdings in anderem Zusammenhang erwähnt (PL 198, Sp. 1285c). 3) Eine lat. Übersetzung von ,Ilias' und ,Odyssee' verfasst Leonzio Pilato 1360 auf
308
Horatius
Betreiben Petrarcas. [3] Mit ihr beginnt die neuzeitliche, auf die Originaltexte zurückgreifende Η-Rezeption des Abendlandes, sie erreicht im deutschsprachigen Raum mit den Prosaübersetzungen Simon Schaidenreissers (,Odyssee', 1537) und Johann Baptista Rexius' (,Ilias', 1584) und mit der Versübersetzung der ,Ilias' durch Johann Spreng (1610) [4] einen ersten Höhepunkt. [1] S.v. Homer (E. Heyse, H. Hunger), in: LMA, Bd. 5, Sp. 109-111; W. Kulimann, Bemerkungen zum Homerbild des MA, in: FS J. Autenrieth, 1988, S.l-15. [2] Vgl. B2 und z.B. den (neuzeitlichen) Titel in der Hs. des .Göttweiger Trojanerkriegs' (Göttweig, Stiftsbibliothek, cod.393 [rot]): „Homerus InTeutschen Reimen". [3] LMA [Anm. 1], Sp. 110. [4] Vgl. hierzu Alfen/Fochler/Lienert, Dt. Trojatexte, 13 Iff. [mk]
Horatius [Quintus H. Flaccus, röm. Dichter, 65-8 v. Chr.]
R: Meister (Bl, D l , El) Nf.: Oracius (Dl, El), Oratius (Bl) I.
Bl Ulrich von Etzenbach, Alexander'24424·. Η meint, dass ein junger Mensch, der ohne Ehrfurcht aufwachse, im Alter seine Tugend verliere. Dem schließt sich der Erzähler an (Lob der Tugenden Alexanders; Meisterberufung). D l Wernher von Elmendorf. Η bezeugt mehrere Sentenzen: Niemand wird ohne Sünde geboren (656); der Wolf im Schafspelz beißt am schärfsten (723); der Streitsüchtige reißt ein, was er aufbaut (829; „diruit edificat"); Herren und Diener stimmen selten überein (981); wer zu seinem Herren hält, darf Belohnung erhoffen (1037); wer gesund ist, lebt wie ein König (1111); man solle sich nicht allzu sehr um seinen Besitz kümmern, da man morgen schon tot sein könne (1126); eitle Ehren helfen (1191; „falsus honor iuvat"). D2 Hugo von Trimberg,,Der Renner'·. Η wird in einem Katalog röm. Adeliger genannt, die
erkannten und sie deshalb beispielhaft pflegten (1270; Katalog). [1] Er hat sich wie andere antike und christliche Gelehrte richtigerweise mit verschiedenen Materien beschäftigt (9350; Katalog) [2] und ist einer von vielen, die tugendhaft lebten und dennoch von Neid und Missgunst verfolgt wurden (14673; Katalog). Mit dem Satz, dass sich der Charakter eines Menschen nicht ändern lasse, belegt Η in seinen Episteln („der briefe buoch") die Ansicht, dass der Geizige immer nach fremdem Gut trachten werde (4559; Meisterberufung). [1] Der Katalog nennt ferner Augustus, Caesar, Cicero, Maecenas, Ovid und Vergil. [2] Ferner sind genannt: Aesop, Avian, Iuvenal, Ovid, Perseus, Plinius und Solinus auf antiker und Ambrosius, Augustinus, Gregorius und Hieronymus auf christlicher Seite. [3] Ferner sind genannt: Aristoteles, Cicero, Dares [!], Lucan, Ovid, Statius und Vergil.
E l Brun von Schönebeck, ,Das Hohelied': Der Text bringt mehrere Berufungen auf Sentenzen des H: Der Tod sei die äußerste Grenze des Seienden („mors ultima linea rerum"; 2572); äußerliche Hindernisse räumt man sofort aus dem Weg, das, was dem Herzen Leid bereitet, aber bleibt bestehen (2857/9; Verweis auf einen Ausspruch [„rede"] des H); nach Η soll ein Bauer einmal vergeblich darauf gewartet haben, dass ihm der Fluss eine Furt mache (3247); er hat auf die Gefahren der Trunkenheit hingewiesen (3490); ihm zufolge soll sich jeder Dichter den Stoff wählen, dem er gewachsen ist (6979). II. 1) Η im MA; 2) Mhd. Rezeption
1) Η konnte in der ma. Rezeption nicht die Bedeutung Vergils oder Ovids erreichen, war aber dennoch einer der bekanntesten und wichtigsten röm. Dichter und galt als einer der Auetores, also als Schulautor. Wichtiger als die poetischen waren dem MA freilich seine „moralischen" Schriften (obwohl u.a. Boethius lyrische Formen Η's übernimmt). Als den Satiriker schlechthin fasst ihn der Katalog antiker Dichter in Dantes ,Comedia' (,Inferno' IV,89). Kenntnis von Η hatte man vorwiegend über Florilegien oder aus
Hyacinthus — Hyale zweiter Hand, und so ergibt sich eine gewisse Diskrepanz zwischen der behaupteten Bedeutung H's und dem tatsächlichen Wissen über ihn und sein Werk. Alkuin, einer der Hofgelehrten Karls des Großen, führte zwar den Beinamen „Flaccus", dürfte mit H's literarischen Schriften aber nicht vertraut gewesen sein. Zentrale Bedeutung für die ma. Arteswissenschaft hatte insbesondere H's Poetik, die unter dem Namen „poetria vetus" (in Unterscheidung zur „poetria nova" des Galfrid von Vinsauf) als einflussreiches Werk der entsprechenden Disziplin gelesen und tradiert wurde. [1] 2) Wie die anderen antiken Dichter, Gelehrten und Philosophen zitiert die mhd. Literatur Η vorwiegend in zwei rhetorischen Kontexten: einerseits als Exempelfigur für Gelehrsamkeit o.a., andererseits im Rahmen der auctoritas (Berufungen auf Aussagen der so genannten Meister). In allen Belegen wird Η als weiser Meister und Gelehrter vorgestellt, El (2859) nennt ihn einmal „den stolzen Jüngling" (was dem Typus an sich nicht entspricht). Die frühesten Nennungen bietet D l . Schon hier stehen sie in durchwegs topischem Kontext und zeigen Η vorwiegend als Moralisten. D2 bietet von den mhd. Texten generell das umfassendste Repertoire von Zitationen antiker Autoren auf, Η gibt hier zusammen mit anderen antiken und christlichen Gelehrten ein Beispiel fur Kunstfertigkeit und Tugendhaftigkeit. Ob das Lob, Η habe sich mit unterschiedlichen Gegenständen beschäftigt und sei nicht bei einem Gegenstand stehen geblieben, rein topisch oder als bewusster Hinweis auf die unterschiedlichen Genres und Sujets in H's CEuvre zu verstehen ist, lässt sich nicht entscheiden. Die Nennung im Katalog spricht eher für die erste Möglichkeit. Auf Η-Zitate berufen sich alle Belegtexte. D1 entnimmt sie seiner Vorlage, dem ,Moralium dogma philosophorum' (um 1165). Genauere Kenntnis bzw. direkten Rückgriff auf die Versepisteln und die Ars poetica' (vielleicht aus Florilegien) lassen auch die lat. Zitate in
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El erkennen. Das ist erstaunlich, da die Zitationen antiker Auetores in der mhd. Literatur vorwiegend stereotype Sentenzen wiedergeben und oft nicht mehr als triviale oder bloße Namenskenntnis zeigen, aber kein wirklich gelehrtes lat. Wissen an das volkssprachliche Publikum vermitteln. [1] S.v. Horaz im MA (F. Brunhölzl, W. Rüegg), in: LMA, Bd. 5, Sp. 124f. mit Literatur. [mk]
Hyacinthus [Heros aus Amyclae bei Sparta, Liebling Apollos, von diesem beim Discusspiel versehentlich getötet; Apollo lässt aus seinem Blut eine Blume sprießen und schreibt auf ihre Blätter die später auch auf Aiax bezogenen Klageworte >(Ai, Ai"; M M 10,185]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Jacintho, Jacynt, Yacynthus)·. Als Η eine von Apollo geschleuderte Scheibe fangen will, wird er tödlich am Kopf getroffen und vom trauernden Apollo in eine Blume verwandelt, in deren Blütenblätter der Gott „Hya" und „Aja" (Aiax) einschreibt. Er hieß früher Anticides und wurde von Apollo in Η umbenannt, damit ihn die Frühlingsblume an den Jüngling erinnere. Die Spartaner beklagen ihn noch heute (10,311 -403; Lied des Orpheus; Aition für die Hyacinthe). Aus Aiax' Blut wächst dieselbe Blume (13,566; RV). [1] [1] Eigenständig, vielleicht auf eine Glosse zurückgehend, ist der Verweis auf Aiax und die Inschrift „Hya" und „Aia" anstelle von „Ai, Ai" bei Ovid (hierzu allerdings eine stark variierende Überlieferung). Das ebenfalls neue (und widersprüchliche!) Motiv der Umbenennung des Hyacinthus ergibt sich aus dem unverstandenen Patronymikon „Amyclides" bei Ovid ( M M 10,162), das in Al als „Anticides" gelesen ist. Möglicherweise liegt Al auch hier eine Glosse zugrunde. [mk]
Hyale [Nymphe in Dianas Gefolge; M M 3,171]
Al Albrecht von Halberstadt, .Metamorphosen': Die schöne, weißhäutige H, eine der keuschen Jungfrauen im Gefolge Dianas, badet mit
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Hydarnes— Hydra
ihren Gefährtinnen die Göttin und stellt sich schützend vor sie, als Actaeon plötzlich erscheint. Diana überragt sie aber um eine Achselhöhe (3,400; [3,420]; Katalog der Jungfrauen im Gefolge Dianas). [mk]
Hydarnes [Sohn des persischen Satrapen Mazaeus, ergibt sich Alexander vermutlich 331 v. Chr. vor Babylon; Curtius IV.5,13]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 9496 (Hidarnes)·. Der weithin bekannte Fürst H, der von Darius mit der Verwaltung Milets betraut wurde, wird von Balacrus vertrieben (Eroberungszug Alexanders nach Persien). [sks]
Hydaspes [1] [bzw. Hystaspes, Vater des Darius I.; Curtius VI.2,7]
Al Rudolf von Ems, Alexander'15711 (Idaspis)·. Η ist der Vater von Darius I., der nach zwei Zauberern die Herrschaft über das persische Reich übernimmt (Prolog zum 5. Buch; Katalog der Perserkönige vor Alexander). [1] [1] Mit den beiden Zauberern muss der so genannte falsche Bardiya, Gaumata, gemeint sein, ein Usurpator gegen Kambyses, den wiederum Darius I. ( - * DaHus flj) stürzte. Die Angaben beziehen sich auf die .Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1474 und 1480b), auf sie wird in A l (192) auch explizit hingewiesen. [mk]
Hydaspes [2]
Antilochus [2]
Hydra [Wasserschlange, Nachkomme des Typhon und der Echidna, haust in den lernaeischen Sümpfen, wird von Hercules getötet]
W: Schlange (Al, D2),Tier (Dl), Ungeheuer (Al) Nf.: Hydrus (Dl), Idra (A2, Bl), n.n. (D2)
I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Als Hercules im Kampf mit Η darin müde wurde, ihr die ständig nachwachsenden Häupter abzuschlagen, tötete er das Ungeheuer. Daran erinnert er Achelous, als dieser sich im Ringkampf in eine Schlange verwandelt (9,145; Exemplum an Achelous). Hercules' Pfeile sind mit H's Gift versetzt. Es vergiftet das Blut des Nessus und damit auch das Hemd, das dieser in seinem Blut tränkt (9,263). Der todwunde Hercules nennt die Tötung H's als eine seiner Arbeiten (9,425; Katalog der Taten des Hercules). A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg': Hercules vollbrachte zahlreiche Heldentaten und bezwang u.a. Meeresungeheuer und Schlangen [6878]; mit dem Gift einer Schlange ist der Pfeil versetzt, mit dem Hercules Nessus tötet. Das Gift wird Hercules selbst zum Verhängnis, da Nessus sein Hemd in sein Blut taucht und es Deianira als vermeintlichen Liebeszauber übergibt [38100], ,Trojanerkrieg'-Fortsetzung 45390: Aus dem Blut der Η wird ein todbringendes Gift gewonnen. Mit ihm sind die Pfeile des Philoctetes versetzt. Bl Ulrich von Etzenbach, Alexander' 9941·. Immer wenn Hercules Η ein Haupt abgeschlagen hatte, wuchsen ihr drei neue Häupter nach. In derselben Situation sieht sich Alexander, als Darius für die Schlacht von Arbela ein Heer aufstellt, das dreimal so groß ist wie jenes bei Issos. Dl ,Physiologus'38,2: Der am Nil lebende Η kriecht in das offene Maul des schlafenden Krokodils, dem er feindlich gesinnt ist, zerstört es innerlich und verlässt es dann wieder. Das Krokodil steht für den Tod und die Hölle, in die der Erlöser hinabstieg und die er zerstörte. D2 Hugo von Trimberg,,Der Renner' [4325]: Heidnische Meister berichten, dass Hercules einst eine dreiköpfige Schlange, deren abgeschlagene Häupter dreifach nachwuchsen, tötete, indem er alle Häupter mit einem
Hymen Schlag abhieb. Genauso muss man sich der Untugenden auf einmal entledigen. El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 20219: Η wurde von Hercules erschlagen. [1] [1] Die eigentliche Quelle, die ,Historia scholastics' des Petrus Comestor, erwähnt Η in anderem Zusammenhang (PL 198, Sp. 1281b), El hat sie offenbar selbständig zur Nennung des Antaeus hinzugefügt.
II. Die Tötung H's gilt auch dem MA als eine der berühmtesten Taten des H. Sie wird in der ma. Mythographie breit rezipiert und ist — im Sinne des moralisierten Herculesmythos - oft mit entsprechender Deutung verbunden. [1] Wie D2 zeigt, findet diese Deutungstradition auch Eingang in die mhd. didaktische Literatur, der Kampf mit Η dient hier als Gleichnis für den Kampf mit den Untugenden. In Β1 illustriert er hyperbolisch die Mühen Alexanders im Krieg mit Darius, die Stelle hat ihre Quelle in der ,Alexandreis' Walters von Chätillon (111,435) und steht in Zusammenhang mit der beliebten Vorstellung von Alexander als „Hercules novus", die bereits auf diesen selbst zurückgeht. [2] Al und A2 referieren den Mythos nach Ovids ,Metamorphosen' (A2 ohne Namensnennung), beide Male auch das Motiv vom Gift der H, mit dem Hercules seine Pfeile versetzt; in der Fortsetzung von A2 ist es übertragen auf Philoctetes (ohne weiteren Hinweis auf Hercules; Η scheint hier überdies als Tierart aufgefasst, die nach wie vor existiert). Ob der in Dl beschriebene Hydrus auf Η zurückgeht, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Der üblichen Praxis der Physiologus-Tradition entsprechend und analog zu D2 ist die Nennung auch hier mit einer allegorischen Deutung des Tieres in Hinblick auf die christliche Heilslehre verbunden. Hydrus ist eine Christus-Allegorie. Insofern wäre es verwunderlich, wenn tatsächlich Η im Hintergrund stünde. [3] [1] Vgl. die Belege bei Chance, Medieval Mythography, Reg. [2] -» Hercules. [3] Gemeint sein könnte das Ichneumon, das gemeinhin als Feind des Krokodils gilt; Echidna (II.).
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Nachbenennung Heinrich von Neustadt, ^Apollonius' (Ydrogant)·. Η ist ein Wassermann mit grünem Leib und Fischschwanz und Gatte des Ungeheuers Serpanta. Er versperrt Apollonius den Weg ins Land Crisia und löst eine Flut aus (8844-9165). Später wird er von Apollonius getötet (10658-10866; RV: 11031/46; 11163-11195). [1] [1] Es könnte sich auch um einen sprechenden Namen „Hydrogens" oder „Hydrogonus" („der aus dem Wasser Geborene") handeln. Dass Heinrich aber selbst auf eine so motivierte Schöpfung gekommen wäre, ist auszuschließen. Wahrscheinlicher ist eine Verballhornung des Namens H. [mk]
Hymen [Auch Hymenaeus; Gott der Hochzeit]
W: Gott der Hochzeit (Al, A2) Nf.: Emineus (A2), Himeneus (Al), Hymeneus (Al) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Η wird von Ianthe angerufen, damit er ihre Hochzeit mit Iphis bald stattfinden lasse, und ist wie Venus nach Iphis' Geschlechtsumwandlung bei der Hochzeit zugegen (9,1326; 9,1391). Danach fliegt Η zu Orpheus' und Eurydices Hochzeit, wo sein Schein aber nicht so recht leuchten will, was auf das kommende Unheil hindeutet (10,3; 10,6). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg 994\ Η nimmt als Gast am Fest des luppiter anlässlich der Hochzeit von Peleus und Thetis teil, er bringt das Hochzeitsheiligtum, auf das die Brautleute ihren Heiratsschwur leisten (Katalog). II. Η ist in der ma. Mythographie eine häufig genannte Gestalt, [1] in der volkssprachlichen Literatur aber kaum bekannt. Die Belege in Al folgen den entsprechenden Stellen in Ovids .Metamorphosen'. Die eigenständige Nennung in A2 dokumentiert die mythographische Recherche und Versiertheit des Textes und dürfte sich ebenfalls auf Ovid beziehen. [2]
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Hypseus — Hystaspes
Im Übrigen ist Η in A 2 wie alle anderen Götter euhemeristisch als hervorragender Mensch gedeutet. [1] Vgl. die Belege bei Chance, Medieval Mythography, Reg. [2] Lienert, Geschichte und Erzählen, 195. [mk]
einem Gast [Iason, Theseus] ein Liebesverhältnis ein und erfuhren dadurch großes Leid (Exemplum der Helena, mit dem sie Paris' Werbung zunächst zurückweist). [1] [ 1 ] Das Exemplum stammt aus Helenas Brief an Paris (Ovid, .Heroides' 17,193); zur breiten Verarbeitung der,Heroides' in A l Lienert, Geschichte und Erzählen, 113. [mk]
Hypseus [Gegner des Perseus]
Hysannes
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,167: Η fällt beim Kampf auf dem Hoch-
[Persischer Kämpfer, fällt durch Parmenio; Chätillon 111,64 Ysannes]
zeitsfest des Perseus durch Eumendes oder tötet diesen (Kämpferkatalog). [1]
Al Ulrich von Etzenbach, ,Alexander': H,
[1] Die Stelle ist unklar. Bei Ovid erschlägt Hypseus den Mohren Protenor. Der in A l genannte Eumendes hat keine Entsprechung bei Ovid. [mk]
Hypsipyle [Tochter des Thoas, Herrscherin über den Lemnischen Frauenstaat, beherbergt Iason auf der Fahrt nach Kolchis und gebiert ihm Zwillinge;,Heroides' 17,193]
Al Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg' 22142 (Esipfile)·. Η und Ariadne gingen mit
König von Agriomontin und Führer im Heer des Darius, wird von Parmenio in der Schlacht bei Issos getötet. Er hat trotz seiner Jugend großen Ruhm erworben ( 8 1 0 1 ; 8 1 1 6 ) . [1] Die Frauen, v.a. seine Geliebte, die Königin von Celidon, beweinen ihn ( 8 7 8 1 ) . [1] Das Motiv des zu früh fallenden und beweinten Frauenritters hat sein Vorbild in Wolframs von Eschenbach .Willehalm' (vgl. z.B. den Ritter Noupatris 22,18). [mk]
Hystaspes
Hydaspes
I Ialmenus [Gr. Heerführer vor Troja aus Orchomenos, von Hector getötet; Dares 17,15; Benoit 5611 Almenus]
G: Sohn des Ascalaphus (Al, A2) R: König, Herzog (A2), Verbündeter der Griechen (Al, A2) Nf.: Alimus (Al), Alin (A2), Alinus (Al, A2), Jamene (A2), Orcamenis [?] (Al) I. A l Herbort von Fritzlar, ,lietvon Troye\ I führt mit Ascalaphus 30 Schiffe von Kumenie zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3317; Katalog) und kämpft in der Landungsschlacht vor Troja (4362; 4866). [1] [1] 7443 wird ein sonst nicht genannter König Orcamenis von Hector getötet. Die Nf. ist vermutlich als Herkunftsbezeichnung („der König von Orchomenos") aufzufassen, wahrscheinlich ist also I gemeint, von dessen Tod durch Hector auch in der Quelle von A l , im Trojaroman Benoits de Sainte-Maure, berichtet wird.
A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg'·. I führt mit Ascalaphus 100 Schiffe zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (23786; Katalog), wird in der ersten Schlacht von den Trojanern in die Flucht geschlagen (25510-25590); übernimmt in der zweiten Schlacht mit Ascalaphus den Befehl über die 13000 Mann starke dritte Heeresabteilung und kämpft gegen mehrere Trojaner (30554; Katalog; 31653-31904; 36036). ,Trojanerkrieg'-Fortsetzung: I soll im Kampf gegen die Amazonen mit Ascalaphus die linke Flanke sichern (42400; Katalog). II. Bei Homer ist Ialmenos der Bruder von Askalaphos, beide sind Söhne von Ares und Astyoche. Nf. und Genealogie in Al und A2 erklären sich aus den Abweichungen und
Neuerungen des,Roman deTroie1 Benoits de Sainte-Maure gegenüber Dares. Dares gibt über I's Verwandtschaft zu Ascalaphus keine Auskunft. Von I's Tod durch Hector wird in Al im Unterschied zu Benoit nichts berichtet (sofern er nicht mit dem 7443 genannten Orcamenis gemeint ist). Die Fortsetzung von A2 folgt mit I's Beteiligung am Kampf gegen die Amazonen Dictys (82,16). Uber I's weiteres Schicksal wird nichts berichtet (bei Dictys heißt es allgemein, dass den Pfeilen der Amazonen die meisten Griechen zum Opfer fallen). [mk]
Ianthe [Braut der von Io in einen Mann verwandelten Iphis; MM 9,715]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Ligdus wirbt im Namen seiner 13jährigen Tochter Iphis, die er für einen Knaben hält, um I. Vom Liebespfeil getroffen entbrennt I in Liebe zu Iphis, die die Hochzeit verzweifelt verschiebt, [1] was wiederum Trauer bei I auslöst. Nachdem sich Io der Iphis erbarmt und sie in einen Mann verwandelt hat, kann die Heirat endlich stattfinden. [1] Zum Problem der gleichgeschlechtlichen Liebe Iphis [1], [mk]
Ianus [Gott allen Anfangs, Schirmherr der öffentlichen Tore und Durchgänge]
El Rudolf von Ems, , Weltchronik' (Janus)·. I ist König von Italien und ernennt Saturnus zu seinem Mitregenten. Nach I's Tod über-
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I a p y x — Iason
nimmt Saturn us die Königsherrschaft (19990; Beschreibung Italiens; 20061; 20066; 20090; Katalog der Könige Italiens). [1] [ 1 ] Zur Stelle vgl. die Nennung I's in der .Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1285). Der lat. Weltchronistik entsprechend, werden die mythologischen Daten historisch aufgefasst und in kurzen profangeschichtlichen Exkursen zur Heilsgeschichte referiert, zumeist wie hier in Form von Herrscherkatalogen. [mk]
Iapyx [Trojaner, Sohn des Iasus; .Aeneis' X I I , 3 9 1 ; RdE 9 5 5 2 lapis]
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman 11896 (Lapis)·. Der kunstreiche trojanische Arzt I, der viele [medizinische] Bücher kennt, heilt den von einem Pfeil verwundeten Aeneas. [mk]
Iasion [Gatte der Ceres; M M 9,423]
Al Albrecht von Haiherstadt,,Metamorphosen' 9,785 (Jasonem-, acc. [l]j: Das Alter ihres sterblichen Gatten I bereitet Ceres Sorgen. Sie will ihn nach dem Beispiel des Iolaus verjüngen. [1] Die Nf. könnte auf eine Identifizierung I s mit dem Argonauten Iason durch Al deuten. [mk]
Iason [Führer der Argonauten, Gatte der Medea, die die gemeinsamen Kinder wegen I's Treuebruch tötet]
G: Neffe des Pelias (A2, A3, E l ) , Sohn des Aeson (Al), Gatte (Al, A2) bzw. Geliebter (A4) der Medea, Gatte der Creusa (Al), Bruder des Euander (A4) R: Fürst (A3, A4, E l ) , Ritter (Al, A3), Held (A3) I. Al Alhrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': I will nach Kolchis ziehen, um dort Ruhm zu erlangen oder ritterlich zu sterben. Er verliebt
sich in Medea, gelobt ihr die Treue, zähmt mit ihrer Hilfe die feuerspeienden Ochsen, besiegt die aus den Zähnen einer Schlange wachsenden Riesen, schläfert den Drachen ein und gewinnt so das Goldene Vlies. Er und Medea fliehen nach Griechenland, Medea verjüngt auf I's Bitte Aeson. Als sie wegen seines Treuebruchs ihre beiden Kinder und I's Geliebte Creusa tötet, will I Rache nehmen, Medea flieht (6,1601-7,761; 2,509: VD bei der Nennung des Flusses Phasis [1]; 13,53: Telamon begleitete I auf der Argonautenfahrt; Argument des Aiax beim Streit um die Waffen des Achilles). I nimmt an der Jagd auf den Kalydonischen Eber teil (8,589), er verfehlt das Tier zweimal (8,667; 8,771). [ 1 ] Der Hinweis auf I und Medea fehlt bei der Nennung des Phasis in M M 2,249. Vermutlich lag Al eine entsprechende Glosse vor.
A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': I wird von seinem Onkel Pelias angefeindet und deshalb zu der gefährlichen Fahrt um das Goldene Vlies verleitet, auf der ihn u.a. Hercules begleitet. I wird in Kolchis von Aeetes empfangen und verliebt sich in Medea. Mit ihren Hilfsmitteln (Amulett, Feuersalbe, Tarnring, Zauberspruch und Pechklöße) kann er den feuerspeienden Drachen und die wilden Ochsen besiegen und das Goldene Vlies erringen. I entführt Medea nach Griechenland, nach seiner Rückkehr erhöht sich sein Ansehen (128-1186). A3 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg: Pelias (Peleus [!]) neidet I seinen Ruhm und stiftet ihn in böswilliger Absicht zur Fahrt nach Kolchis an, um das Goldene Vlies zu gewinnen. I führt 600 Ritter mit sich und trägt den Beinamen „der Kühne" (6506-6885). Als die Argonauten auf ihrer Fahrt vor Troja zwischenlanden, werden sie von Laomedon des Landes verwiesen, was I erzürnt. In Kolchis werden sie festlich empfangen und bestaunt, I und Medea entbrennen in heftiger Liebe zueinander (6900-7657). I leidet Liebesqualen, bis er sich Medea mitteilt. Sie warnt ihn vor den Gefahren, die mit der Gewinnung des Goldenen Vlieses verbunden sind, und ver-
Iason spricht, ihm zu helfen. I leistet Medea dafür einen Liebesschwur. Nach einem Fest kommt es zur Liebesvereinigung. Am folgenden Morgen erklärt ihm Medea seine Aufgaben, gibt ihm für den Kampf gegen die ehernen, feuerspeienden Stiere und die Schlange einen Zauberring zur Tarnung, eine feuerbeständige Salbe, Leim zum Verkleben der Nüstern, ein schützendes Iuppiteridol und lehrt ihn Zaubersprüche (7766-9202). I bricht zur Widderinsel auf, befolgt Medeas Ratschläge und erringt das Fell. Nach Bestehen des Abenteuers wird er prächtig empfangen. Er verbringt mit Medea eine zweite Liebesnacht, sie werden offiziell verheiratet (9369-10184). I kehrt mit Medea zurück nach Griechenland, wo sie auf seine Bitte hin Aeson verjüngt. Als er sie mit Creusa betrügt, sendet sie ein Zauberkleid an die Konkurrentin, das in Flammen aufgeht und den gesamten Palast in Brand setzt. In dem Feuer kommt auch I um (10239-11361). Hercules muss alleine an Laomedon undTroja Rache nehmen (11380-11428; RV: 13048; 21456; 22264; 23696-23709; 45953 [,Tro-
janerkrieg'-Fortsetzung). A4 ,Göttweiger Trojanerkrieg'·. Der vor Troja
kämpfende I hört von dem in Kreta lebenden Ungeheuer Minotaurus, begibt sich an Minos' Hof und berichtet diesem und seinen Töchtern Medea und Phaedra vom Trojanischen Krieg (21665-21776). Als Minos zu einer Gerichtsreise durch seine Lande aufbricht, bittet er I, seine Töchter zu schützen (2181921905). I trägt Medea seine Ritterdienste an und gesteht ihr, er sei gekommen, um den Minotaurus zu töten. Medea will ihm helfen, rät ihm, dem Ungeheuer Pechklöße ins Maul zu schießen, und gibt ihm einen Faden, mit dem er aus dem Labyrinth findet. Nach der Tötung des Minotaurus fliehen Medea und Phaedra aus Angst vor Pasiphaes Rache mit I nach Troja. I bricht gegenüber Medea seinen Liebeseid, lässt sie auf einer Insel zurück und zieht mit Phaedra weiter (21919-22292). Minos trauert über die Flucht seiner Töchter mit I (22410). Dieser verlässt auch Phaedra, wird deshalb von beider Onkel Gamille in
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Troja zum Zweikampf gestellt und getötet. Die Griechen zeigen Verständnis für den Racheakt, Minos freut sich, als er von I's Tod erfährt (22515-22650).
B1,Reinfried von Braunschweig'24556: Medea
schrieb an I einen vorbildlichen Liebesbrief. In einem Brief an ihren Gatten Reinfried wünscht Yrkane, sie könnte ebenso liebevoll schreiben (Exemplum; Katalog liebender Frauen).
El Rudolf von Ems, , Weltchronik': I stellt
aufgrund seines Mutes und seines Ansehens eine Bedrohung für Pelias' Herrschaftsposition dar. Pelias erzählt ihm deshalb vom Goldenen Vlies in Kolchis, das dem Besitzer stets Glück, Reichtum und Ehre bringe, worauf I und die Argonauten ausfahren, um es zu holen. Ohne Medeas Hilfe wäre I dabei umgekommen (20249-20299; VD: 19760). II. 1) I in der ma. Trojatradition; 2) Quellen; 3) Das Goldene Vlies; 4) I und Medea
1) Die Argonautenfahrt bildet in der späteren antiken Trojasage die Vorgeschichte für die erste Zerstörung Trojas durch Hercules. Über Vermittlung des Trojaberichts von Dares Phrygius ist sie fester Bestandteil des ma. Trojaromans und wird auch in der Chronik El kurz referiert. Insbesondere in A3 ist die Episode zu einer narrativ eigenwertigen Binnenerzählung ausgestaltet. Im Zentrum des Interesses stehen die Gewinnung des Goldenen Vlieses [1] und I's Liebesbeziehung zu Medea. I verkörpert dabei den vorbildlichen höfisch-ritterlichen Helden im Sinne zeitgenössischer Vorstellungen. Besonders betont wird seine Tapferkeit, A3 zeichnet I außerdem als Minneritter mit perfekten höfischen Umgangsformen und betont in diesem Zusammenhang auch seine Schönheit. Das positive Bild verkehrt sich allerdings mit I's Untreue. Krasser und weniger klar motiviert ist der Bruch in A4. 2) Der Handlungsgang in A l entspricht dem in Ovids ,Metamorphosen' (7,Iff.), A2 und A3 folgen dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, der auf den spätantiken Tro-
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Iason
jabericht des Dares Phrygius zurückgreift (A2 mit Kürzungen, A3 mit eigenständigen Erweiterungen, beide Texte auch unter Berücksichtigung von Ovid). A4 bietet eine eigenwillige Kreuzung aus I- und Theseussage. Sie erklärt sich aus Motivparallelen (Überwindung eines Ungeheuers mit Hilfe der Königstochter, Untreue des Helden). Hier ist außerdem das Motiv vom ersten Trojanischen Krieg zurückgenommen, die Teilnehmer der Argonautenfahrt (neben I noch Hercules) kämpfen im Heer Agamemnons. Die Argonautenfahrt selbst wird zur Ausfahrt der Griechen nach Kolchis umgestaltet, um die Ärztin und Wahrsagerin Medea nach Troja zu bringen. I wird in diesem Zusammenhang gerade nicht erwähnt. [2] Der kurze Bericht in El hat keine Entsprechung in der Hauptquelle, der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor, der die ,Argonatarum [sie!] historia" bloß erwähnt (PL 198, Sp. 1281b). Vielleicht lag El dazu eine Glosse vor, oder der kurze Bericht greift direkt auf einen Text der Trojatradition zurück. [3] Der Beleg unterstreicht jedenfalls Bedeutung und Bekanntheit des I-Mythos, da El nach dem Vorbild der lat. Weltchronistik auf eine breitere narrative Darstellung der profangeschichtlichen Ereignisse sonst meist verzichtet. 3) A l , A2, A3 und Ε1 schildern die Argonautenfahrt in den Grundzügen nach der antiken Tradition. Von der Intrige des Pelias wissen A2, A3 und El (wobei Pelias in A3 mit Peleus, dem Vater des Achilles, identifiziert wird). I's Motivation, Ritterruhm zu erringen oder den ritterlichen Tod zu erleiden, ist eine der wenigen greifbaren Mediävalisierungen Ovids in A l . I besteht mit Hilfe Medeas die gestellten Aufgaben (Al, A2, A3, El), die Zähmung der feuerspeienden Ochsen und den Kampf mit dem Drachen (Al, A2, A3), wobei sich im Einzelnen Abweichungen zeigen: A2 stellt den Drachenkampf vor den Kampf mit den Ochsen, die hier getötet werden. Die Kampfschilderung selbst scheint von der dt. Heldenepik beeinflusst. Das Motiv der ins Maul
des Drachen geschossenen Pechklöße, das A4 auf den Minotaurus anwendet, geht auf Daniels Kampf mit dem babylonischen Drachen im AT (Dan 14,23) zurück. [4] Von den aus Schlangenzähnen wachsenden Giganten berichten Al und A3, Al wie Ovid nach der Zähmung der Stiere, A3 nach der Tötung des Drachen. Die Giganten erschlagen sich in A4 (wie bei Ovid) gegenseitig, in Al werden sie von I getötet. Er muss sich den Aufgaben in Al und A2 wie bei Ovid öffentlich auf freiem Feld stellen, in A3 befindet sich das Goldene Vlies auf einer vorgelagerten Insel [5]. 4) Für die Minnethematik sind in Al und A2 v.a. die Monologe Medeas wichtig. A2 bringt das zotige Motiv von I's „kühnem Griff unter Medeas Rock. In A3 wird die Liebeshandlung, der Liebestopik und den Gestaltungsmustern des späteren höfischen Romans entsprechend, breit ausgestaltet, wofür der Text auf Ovids ,Metamorphosen' und ,Heroides' zurückgreift. [6] Mit der Fahrt I's und Medeas nach Griechenland bricht A2 ab, die Vorausdeutung Benoits auf das kommende Unheil fehlt. In A3 heiraten I und Medea mit Einverständnis von Aeetes noch in Kolchis. I's Untreue gegenüber Medea lässt das zunächst klar positive I-Bild sich jäh verkehren. Medea wird im Sinne der höfischen Minneideologie und des Prinzips der beständigen Liebe ins Recht gesetzt, daher ist auch das Motiv vom Kindsmord unterdrückt. I selbst findet durch Medeas Rache den verdienten Tod. Die maßgeblichen, eigenständigen Veränderungen erklären sich aus der Intention des Textes, mit I und Medea einen ersten höfischen Liebescasus zu präsentieren (weitere Beispiele geben später Hercules und Deianira, Paris und Helena und Achilles und Deidamia). Al referiert nach Ovid die traditionelle Version des Mythos. Neben Medea werden in B1 noch Helena, Penelope, Dido, Phyllis und Briseis als weitere Verfasserinnen mustergültiger Liebesbriefe erwähnt. Die Anspielung bezieht sich auf Ovids ,Heroides'. Der konkrete Bezug auf den antiken Quellentext und die Nachahmung
Icarus — Idas des von diesem vorgegebenen Musters sind im Vergleich zur übrigen Anspielungspraxis in der mhd. Literatur bemerkenswert und zeugen von der literarischen Kenntnis des anonymen Autors. [7] [1] Vgl. A2 (192f.),A3 (6692ff„ 9990ff.) und A4 (14723ff.; wobei das „Lämmlein" ein Haustier Medeas abgibt und auch nicht von I errungen wird), so auch bei Benoit (775f., 1348f.); hierzu Kern, Agamemnon weint, 185, Anm. 391. [2] Zu A4 Kern, Agamemnon weint, l42ff. und 179, Anm. 375. [3] Knapp referiert wird die Argonautensage auch in der Weltchronik des Frechulf von Lisieux (Freculphus Lexoviensis, PL 106, Sp. 964d), die um 820 entstanden ist und bis ins HochMA wirkte. El wird freilich eher auf Dares oder A2 zurückgegriffen haben. [4] Es findet sich auch bei der Schilderung von Theseus' Kampf mit dem Minotaurus in A l , vgl. ebd., 189,Anm. 402 und Minotaurus. [5] Vorbild könnte der Kampf Tristans gegen Morolt sein (Lienert, Geschichte und Erzählen, 67). [6] Lienert, Geschichte und Erzählen, 57ff. [7] Zur Stelle Kern, Edle Tropfen, 198f. [mk]
Phantasos nur Königen, Fürsten und Herzögen. Der Schlafgott weckt I, Phantasos und Morpheus und schickt Letzteren in Iunos Auftrag zu Alcyone, damit er ihr in Ceyx' Gestalt erscheine und sie von dessen Tod in Kenntnis setze (Ceyx und Alcyone). [1] [1] Die Funktion der mythologisch-allegorischen Szene bei Ovid, der sich offensichtlich auf die Tradition antiker Traumbücher bezieht, wurde von Al nicht mehr durchschaut und gerät so zu einer „blinden" Episode. [mk]
Idaeus [1] [Trojanischer Bote; Dictys 89,2]
A l Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung (Ideus)·. I führt Achilles im Auftrag Hecubas unter dem Vorwand, er solle mit Polyxena vermählt werden, in den Apollotempel, wo ihn Paris tötet (43780); führt die gr. Boten zu Friedensverhandlungen vor den Rat der Trojaner (47309). [mk]
Icarus [Sohn des Daedalus, flieht mit diesem auf selbstgefertigten Flügeln aus Kreta und stürzt in das nach ihm benannte Ikarische Meer; MM 8,195]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen '·. I flieht gemeinsam mit Daedalus auf von diesem verfertigten Flügeln aus Kreta. Fischer halten die beiden für Götter. Als I trotz Daedalus' Warnung zu hoch hinaus will, schmilzt das Wachs, das das Gefieder zusammenhält. I stürzt ab und zerschellt, [ 1 ] seine Körperteile werden von Daedalus aufgelesen, in einer Kiste gesammelt und am Strand bestattet. Das Meer, in das I gestürzt ist, heißt fortan „Icareum" (8,384-458). [ 1 ] Der fast groteske Realismus beim Absturz des I ist eine Zutat von A l . Der moralische Sinn (I als Exemplum für Hochmut) erschließt sich unmittelbar durch die Diktion. [mk]
Icelos [Personifizierter Traum, Diener des Hypnos; MM 11,640]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 11,1106: I kann sich in alle möglichen Tiere verwandeln, erscheint wie Morpheus und
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Idaeus [2] [Einer der drei Söhne von Paris und Helena, die bei der Eroberung Trojas zu Tode kommen; Dictys 105,25]
A l Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg', Fortsetzung 47179'· I, Bunomus und Corythus, die Söhne von Paris und Helena, werden bei der Eroberung Trojas von einer einstürzenden Mauer ihrer Kammer erschlagen. [mk]
Idas [Kommt beim Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus zu Tode; MM 5,90; einer der Jäger des Kalydonischen Ebers; MM 8,305]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': I nimmt an der Jagd auf den Kalydonischen Eber teil (8,591; Katalog); verhält sich beim Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus neutral, wird aber von Phineus irrtümlich verwundet und stirbt, bevor er sich rächen kann (5,151; Katalog). [1]
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Idomeneus
[1] Die beiden I-Gestalten werden weder bei Ovid noch in Al ausdrücklich auseinandergehalten. [mk]
Idomeneus [Enkel des Minos, Herrscher von Kreta, nimmt am Trojanischen Krieg teil]
G: Gatte derThesaris, Gefährte des Meriones (A2) R: König von Korinth bzw. Kreta (A2), Fürst aus Kreta (A3) Nf.: Domerius, Ydomeneus (A2), Ipomenes (A3) I. A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 13,491'. Auch I könnte legitime Ansprüche auf die Waffen des Achilles stellen, wenn in dieser Sache nicht der Starke zugunsten des Klugen zurücktreten müsste. Alle möglichen Bewerber wären jedenfalls würdiger als Aiax (Streit um die Waffen des Achilles; Rede des Ulixes). A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. I und Meriones führen 60 Schiffe aus Kreta zum Flottenstützpunkt der Griechen nach Athen (3353; Katalog) und bilden bei der Landungsschlacht vor Troja eine Schar (4862; Katalog); I leistet wie die anderen Griechenführer vor Priamus einen zweideutigen Eid auf die Vereinbarungen mit An tenor (16000); ist über Agamemnons Ermordung empört, nimmt den kleinen Orestes bei sich auf und wird selbst in Korinth von seiner Frau Thesaris gut empfangen (17280-17294). I berichtet dem erwachsenen Orestes vom Schicksal seines Vaters (17386) und arrangiert die Vermählung des Orestes mit Helenas und Menelaus' Tochter Hermione (17514); nimmt den auf Kreta gelandeten Ulixes bei sich auf, lässt ihn von seinen Abenteuern berichten, stattet ihn mit prächtigen Gewändern aus und lässt ihn nach Hause bringen (17535). A3 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg': I, einer der gr. Fürsten, befehligt eine Heeresabteilung von 12000 Rittern (30636; 32820). [1]
, Trojanerkrieg-Fortsetzung'·. I wird von Hector im Kampf schwer verwundet (40478), zeichnet sich in der Schlacht gegen Memnon aus und wird von den Griechen gelobt (42881-43344), ist einer der vier gr. Fürsten, die mit Antenor Geheimverhandlungen über eine Preisgabe der Stadt fuhren (46034), und unternimmt einen Botengang nach Troja, um die Ausgleichszahlungen zu verhandeln (47797). [1] Ipomenes ist wohl wie bei Benoit als Variante von I aufzufassen, dazu Lienert, Geschichte und Erzählen, 145, Anm. 404.
II. Der kretische Heerführer I, in Homers ,Ilias' einer der prominenten gr. Fürsten (er hat im 13. Buch eine Aristie), tritt in den mhd. Trojaromanen nur am Rande in Erscheinung. Die Texte folgen den spätantiken Trojaberichten von Dares Phrygius und Dictys Cretensis, A2 mittelbar über den afrz.,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, die Fortsetzung von A3 direkt nach Dictys. Als handelnde Figur tritt I in A2 v.a. in der Nachgeschichte des Krieges in Erscheinung. Er wird Ziehvater des Orestes. Dass I kurzfristig in Korinth residiert, findet sich bereits bei Dictys (120,23), gemeint ist ursprünglich vielleicht Gortys auf Kreta. Der Name seiner Gattin in A2 stammt von Benoit (Therasis 28104), erklärt sich aus einer unverständlichen Uberlieferungsvariante bei Dictys (121,1) und erscheint bei Guido de Columnis als Tarasis. (In der antiken Mythologie heißt sie Meda.) Die Rolle des Phäakenkönigs Alkinoos aus der ,Odyssee' übernimmt I ebenfalls bereits bei Dictys (123,22ff.). Die Rationalisierung des Märchenmotivs erklärt sich wohl aus den Lügengeschichten, die der homerische Odysseus im Inkognito eines kretischen Trojakämpfers nach seiner Landung auf Ithaka erzählt. Die Nennung von I in A l folgt Ovids Metamorphosen (13,358). Eine mögliche Nachbenennung könnte in Donomeus gesehen werden, der den Sänger von
Ilioneus [1] — Ilus Medien nach Adale fuhrt (Pseudo-Tannhäuser, Bußlied 2.5,94). Nicht bekannt ist der mhd. Literatur das Motiv vom Gelübde des I in Seenot, den ersten Menschen, der ihm zu Lande begegne, dem Poseidon zu opfern. Es ist allerdings in der lat. Myelographie des M A belegt (vgl. Myth. Vat. 1,195) und wird im 18. Jh. ein beliebtes Opernsujet, so u.a. bei Mozart.
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Ilioneus [4] [Sohn des Artabazus; Curtius 111.13,13]
Al Rudolf von Ems, ^Alexander' (Ilion): I, der Sohn des Artabazus, gerät bei der ersten Schlacht zwischen Persern und Griechen zusammen mit der persischen Königin und ihrem Gefolge in makedonische Gefangenschaft (7613; RV: 17619). [mk]
[mk]
Ilus Ilioneus [1] [Sohn der Niobe und des Amphion, von Apollo getötet; M M 6,261]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen'
[Gr. Ilos, mythischer Gründerheros von Troja, Vorfahre der Priamiden, nach ihm trägt die Stadt den Namen Ilion]
G: Vorfahre des Aesacon ( A l ) , Zögling des Priamus [!] (A4) R: König (A2) Nf.: Ilius (A3), Ylion (A4), Ylus (A2),
6,529". I, der jüngste der sieben Söhne Niobes, übt sich mit seinen Brüdern auf einem Feld vor Theben im Ritterspiel [1], als sie von Apollo aus Rache für die Schmähung Latonas durch Niobe mit Pfeilen getötet werden. Apollo erbarmt sich zu spät des I, der die Götter um Gnade anfleht.
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen'
[1] Das Wagenrennen, das Niobes Söhne bei Ovid abhalten, wird von A l zeitgemäß zum ritterlichen Turnier umgedeutet. [mk]
A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': I
Ilioneus [2] [Sohn des Priamus, von Aiax Oiliades getötet; Dictys 87,7]
Al Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung 43165'. I wird zusammen mit weiteren Söhnen des Priamus in der Schlacht, in der auch Memnon fällt, von Aiax Oiliades getötet (Katalog). [mk]
Ilioneus [3] [Herold des Aeneas; Λεηείβ' 1,120; RdE 561]
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman\ I tritt vor Dido (270; 464) und vor Latinus (3888-3910) als Sprecher des Aeneas auf und vertritt die trojanischen Anliegen. [mk]
I. II,1311: I, Laomedon und Assaracus sind die Vorfahren des Aesacon, eines Sohnes des Priamus, der vor dem Trojanischen Krieg in einen Vogel verwandelt wird (Katalog). gründete Troja, das auch nach ihm benannt ist, errichtete der Pallas Athene einen Tempel, pflegte ihren Kult und erhielt dafür von ihr das Palladium, das die Stadt schützt (15606/8; Rede des Antenor an Diomedes und Ulixes).
A3 Konrad von Würzburg, .Trojanerkrieg', Fortsetzung·. I gründete einst Troja, das nach ihm auch „Ilius" genannt wird. Er ließ der Göttin Pallas das Palladium errichten, das die Stadt vor dem Untergang bewahrt. Die Götter prophezeiten ihm, dass Troja zerstört werden würde, wenn man ein hölzernes Pferd in die Stadt brächte (47203/13; Rede des Antenor an die Griechen). [1] [1] Der Wortlaut ist überaus unklar, das Motiv des Palladiums scheint mit dem des hölzernen Pferdes gekreuzt; -* Pallas (1. A4).
A4 ,Göttweiger Trojanerkrieg'·. I wurde von Priamus aufgezogen und verrät gemeinsam mit Aeneas und Nastes Troja an die Griechen (19217; 19471).
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Imbreus — Inachus [1]
II. I ist bereits bei Homer der Heros Eponymos der Stadt Troja, deren eigentlicher Name Ilion ist (Troja bezeichnet ursprünglich das Herrschaftsgebiet von Ilion). Eine detaillierte Gründungssage findet sich bei Apollodor (3,l40ff.). f l ] Die Nennung in Al (nach Ovids ,Metamorphosen') ist mit keinem Hinweis darauf verbunden. A2 und A3 folgen dem Trojabericht des Dictys Cretensis, der im Zusammenhang mit dem Raub des Palladiums von der Gründung Troj as und der Stiftung des Palladiums durch I berichtet (Dictys 99,18ff.; A2 mittelbar über Benoit de Sainte-Maure 25379). Die Umdeutung in A4 ist im Zusammenhang mit anderen gravierenden Eingriffen des Textes in den traditionellen Handlungsgang zu sehen. [2] Häufigere Erwähnung als der Heros selbst findet in den mhd. Texten der zweite Stadtname „Ilion", so abgesehen von A2 (1795 u.ö.) und A3 (45963, 45685) noch im Troja-Exkurs des Alexanderromans Ulrichs von Etzenbach (4814-4843; Namensgebung durch Laomedon). Außerdem ist „Ilion" der Name des Stadtturms von Troja in Al (6,180; Ilon), A2 (16257; Ylion), A3 (17494; 19019; 22298, 23292; Ilyon, Ylion) und A4 (23051; 25131; Plyon, Ylion). Von diesem Stadtturm ist bereits im Trojaroman Benoits die Rede (Ylion, 162 u.ö.). A2 und A3 haben ihn mit Sicherheit von hier übernommen. Die Namensgebung in Al bezieht sich vielleicht auf A2 (oder es liegt ein Missverständnis des Ovidverses MM 6,95 „nec profuit Ilion illi [Antigone]" [„Auch Ilion konnte ihr nicht helfen"] vor), diejenige in A4 auf A l , Al oder A3. [3] In A2 wird dieser Turm von dem Baumeister Donion (A2; 1796) so hoch errichtet, dass er dabei fast ums Leben kommt. Donion erbaut außerdem den Saal neben dem Turm und die sechs Haupttore der Stadt. [4] [1] S.v. Ilos, in: DKP, Bd. 2, Sp. 1370. [2] Hierzu Kern, Agamemnon weint, bes. 175ff. [3] Für den Rückgriff auf A l sprechen neben anderen Indizien (dazu ebd., 184, Anm. 387, 185f., Anm. 391, 188f., Anm. 402) die Ovidbezüge von A4 (v.a. beim Streit um die
Waffen des Achilles), die überhaupt auf A l und nicht auf direkte Ovidkenntnis zurückgehen könnten (ebd., 188). Die Frage, ob A4 von A3 abhängt, ist umstritten, dagegen ebd. 183ff., dafür Lienert, Geschichte und Erzählen, 350ff. [4] Der Name Donion dürfte auf ein Missverständnis von „Ii mestre donjons" bei Benoit zurückgehen, so Chandler, Catalogue, 70 mit Verweis auf K. Bartsch, Uber Christians von Troies und Hartmann's von Aue Erec und Enide, Germania 7 (1862), 141-185, hier 183. [mk]
Imbreus [Kentaur, wird im Kampf zwischen Lapithen und Kentauren von Dryas getötet; M M 12,310]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12,542·. I flieht wie weitere Riesen vor Medon, [1] nachdem dieser Rhoetus getötet hat (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf; Katalog). [ 1 ] Bei Ovid flieht I richtigerweise vor dem Lapithen Dryas, in A l sind Dryas und der Kentaur Medon verwechselt. Die Kentauren werden im Text als Riesen bezeichnet, die Adaption rekurriert offensichtlich auf dem Publikum vertraute Vorstellungen aus der dt. Heldensage ("* Centauri). [mk]
Inachus [1] [Sohn des Oceanus und der Tethys, Flussgott bzw. Fluss in der Argolis, Vater der Io]
G: Vater der Io (Al) R: König von Argos (El) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': I bedauert Peneus wegen Daphnes Schicksal, besucht ihn aber nicht wie die anderen Flussgötter, weil er selbst um seine Tochter Io trauert, von der er nicht weiß, ob sie am Leben ist. Seine Tränen heben den Wasserstand seines Flusses (1,1133). I will der in eine Kuh verwandelten Io Gras reichen, erkennt sie am Hufabdruck, der ihren Namenszug trägt, und wünscht aus lauter Kummer, er wäre sterblich und fände den Tod (1,1262). El Rudolf von Ems,, Weltchronik'·. I ist der erste König von Argos (8635; 19884, Katalog).
Inachus [2] — Invidia II. Die Erwähnung Is in Al folgt direkt Ovids ,Metamorphosen' (1,583). In El wird die mythologische Gestalt dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend historisch als erster König von Argos gedeutet und in einem profangeschichtlichen Exkurs zur Heilsgeschichte („incidens") genannt. Quelle ist der Beleg in der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1112d). I galt schon in der Antike als Stammvater der argivischen Könige. [1] [1] S.v. Inachos Sp. 1384.
fl.J
(H. von Geisau), in: DKP, Bd. 2, [mk]
Inachus [2] [Sagenhafter König von Sikyon]
El Rudolf von Ems,, Weltchronik'20105:1 ist König von Sikyon und herrscht zur selben Zeit wie Gideon unter den Israeliten, Aegeus in Athen und Minos in Ägypten [!]. [1] [ 1 ] Die Stelle wird sich auf die Nennung I's im .Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 521), einer Nebenquelle von El, beziehen. Ekkehard selbst greift auf die Herrschaftstabellen in der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 81a) zurück. [mk]
321
Treverorum', s.v. Kaiserchronik (E. Neilmann), in: VL, Bd. 4, Sp. 949-964, hier Sp. 956. Letztlich lassen sich die Angaben auf Caesars ,De bello Gallico' zurückfuhren. [mk]
Ino [Bzw. Leucothea, Tochter des Cadmus, Gattin des Athamas, Mutter von Learchus und Melicertes; Ziehmutter des Bacchus, wofür sie von Iuno mit Wahnsinn geschlagen wird; MM 4,431]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Weil I Bacchus aufgezogen hat, begibt sich Iuno in die Unterwelt und beauftragt die Tobsucht, I mit Wahnsinn zu schlagen. Diese flieht daraufhin unter Anrufungen des Bacchus mit ihrem kleinen Sohn Melicertes vor ihrem Gatten Athamas, der, ebenfalls wahnsinnig, bereits eines ihrer beiden Kinder [Learchus] getötet hat, und stürzt sich aus Angst oder Wahnsinn ins Meer. Die um sie trauernden und Iuno anklagenden Gefährtinnen werden von dieser in Steine verwandelt, die noch heute mit auf das Meer gerichtetem Blick dastehen [1] (4,874; 4,928). [ 1 ] Der Hinweis auf die noch heute zu findenden versteinerten Gefährtinnen ist eine Zutat von A l . Die bei Ovid geschilderte Vergöttlichung der I zu Leucothea (durch Venus) ist indes aufgegeben. [mk]
Invidia Indutiomarus
[Personifikation des Neides, Göttin der Missgunst]
[Führer der Treverer, erhebt sich 54 v. Chr. gegen Caesar, fällt im Kampf gegen Labienus]
W: Gott (Al) Nf.: Neid (Al)
El ,Kaiserchronik' (Dulzmar): Die Trierer wehren sich vier Jahre erfolgreich gegen Caesar, bis ihre Anführer I und Cingetorix {Signator) um die Herrschaft streiten. Cingetorix verbündet sich mit Labienus und Caesar, I wird erschlagen, Caesar gewinnt Trier und überlässt den Stadtherren die Macht (411; 420). [1]
I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen: Der Neid wird von Pallas Athene in seinem abscheulichen Hause aufgesucht und beauftragt, Aglauros mit Missgunst gegen ihre Schwester Herse zu schlagen. Der Neid beneidet Pallas wegen ihrer Schönheit und Bewaffnung. Auf seiner Fahrt verdirbt er Äcker und Wiesen, beschmiert dann Aglaurus mit seiner Galle und bläst sein Gift in ihre Lungen [2,16251731]. C1 Der Tannhäuser, Leich IV,28: Dass Sibylla nach dem Leben des Senators trachtete, war das Werk der I.
[1] Bei Signator handelt es sich entgegen der Meinung Schröders (Hg., 87, Anm. 5) nicht um Vercingetorix (Führer des großen Gallieraufstandes), sondern um Cingetorix, den Stammesfürsten der Treverer. Er versucht, gegen seinen Schwiegervater Indutiomarus die Herrschaft zu erlangen, verbündet sich mit Caesar und erhält als Belohnung die Herrschaft über die Treverer. Die Quelle von Ε1 ist nicht genau zu bestimmen, möglich ist ein Bezug auf die ,Gesta
322
Ιο — locasta
II. A l folgt in den wesentlichen Zügen der mythologischen Allegorie bei Ovid (,Metamorphosen' 2,760ff.). Die detaillierte Übernahme der Passage spricht für das Interesse des christlichen Autors am moralisch lesbaren Mythos, der wohl auch dem Publikum gut zu vermitteln war. Als Vermittlungsstrategie ist auch die Ubersetzung von I anzusehen. Sie bringt einen Geschlechtswechsel der Personifikation mit sich, der das Motiv vom Neid auf Pallas' Schönheit obsolet macht. Die Andeutung in C1 ist (wohl bewusst) dunkel. Der Leich bietet eine Collage von antiken und arthurischen Motiven. Sibylla könnte Cassandra meinen, die Paris zur Ermordung des Achilles oder Priamus zum Attentat gegen Antenor anstiftet (im Trojaroman sind hier freilich Hecuba bzw. Priamus die treibenden Kräfte; dass Achilles als Senator bezeichnet wird, ist schwer vorstellbar), es ließe sich aber auch an die Ermordung Caesars denken. [1] [1] Zu Text, Stelle und Deutungsvorschlägen vgl. Kern, Edle Tropfen, 261 f. und den Kommentar bei Siebert (Hg.),139f. [mk]
Io [Tochter des Inachus, von Iuppiter vergewaltigt und aus Angst vor luno in eine Kuh verwandelt, gelangt nach einem Irrweg um den ganzen Erdkreis schließlich nach Ägypten, wo sie von luno rückverwandelt und als Göttin (Isis) verehrt wird]
W : Göttin ( A l ) G: Geliebte des Iuppiter (Al), Schwester des Apis, Gattin des Osiris (El) I.
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen':
I wird von Iuppiter in einem Wald vergewaltigt, aus Angst vor luno in eine weiße Kuh verwandelt und ihr zum Geschenk gemacht. luno lässt sie durch Argus bewachen. I gibt sich ihrem trauernden Vater Inachus durch einen Hufabdruck zu erkennen, der ihren Namenszug anzeigt; irrt nach Argus' Tod
wie wahnsinnig um die ganze Welt, bis sie in Ägypten auf ihr Gebet hin von luno rückverwandelt und dort als Göttin verehrt wird (1,1138-1505; RV auf ihre Bewachung durch Argus: 2,1138; auf ihre Rückverwandlung: 2,1106). I erscheint mit Rinderhörnern und als Mann gekleidet der Telethusa im Traum und verwandelt deren Tochter Iphis in einen Jüngling (worauf I's Kleider im Traum hingedeutet haben; 9,1223; 9,1348).
El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 8750: I
wird von Apis heiratet.
Epaphus) mit Osiris ver-
II. Die ausführliche Darstellung des I-Mythos in A l folgt direkt Ovid ( M M l,584ff.). Das Aition für die Form des Hufabdrucks der Kuh (ein Ο mit eingeschriebenem I; 1,1291) findet sich nur in A l , bei Ovid ( M M 1,649) schreibt I ihren Namen mit dem Vorderhuf. Es ist entweder von A l erfunden oder beruht auf einer Glosse zur Ovidstelle. Das Motiv von der Bremse, die I rasend macht (so in Aischylos' ,Prometheus' 788ff.), fehlt schon bei Ovid (vgl. M M l,724ff.). Wiedergegeben ist in A l die Gleichsetzung I's mit Isis, die Ovid in der Tradition des hellenistischen Synkretismus vornimmt. [1] Die genealogische Angabe in El bezieht sich wohl auf die Nennung im .Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 509). Dort gilt I allerdings als Schwester des Phoroneus, wird zunächst mit Osiris verheiratet und gebiert nach dessen Tod ihrem zweiten Gatten Telegonus den Epaphus. Dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, sind die mythologischen Daten in El jedenfalls historisch aufgefasst und werden in profangeschichtlichen Exkursen („incidentia") zur Heilsgeschichte erinnert. Auf eine ausführliche narrative Darstellung wird dabei meist, so auch hier, verzichtet. [1] -» Isis. [mk]
locasta
Oedipus
Iolaus [1] — Iole
Iolaus [1] [Böotischer Heros, Neffe und Gefährte des Hercules; MM 9,397]
G: Sohn der Alcmena (Al), Sohn des Hercules (A2)
Nf.: Isolaus (A2) I.
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': I wird auf Alcmenas Bitte von Iuppiter verjüngt und erhält wieder Gestalt und Aussehen wie mit 16 Jahren (9,771; 9,796).
A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg' (37919): I ist ein stolzer junger Ritter und rechtmäßiger Sohn des Hercules. Als sich Nestor bei einem Gespräch der gr. Fürsten weigert, von Hercules' Ruhm zu erzählen, weil dieser einen seiner Verwandten getötet hat, bittet I Philoctetes, von Taten und Tod seines Vaters zu berichten.
II. Bei Ovid ist I mythographisch korrekt der Enkel Alcmenas, Sohn des Iphicles und der Automedusa. A l versteht das Epitheton „puer" ( M M 9,398) offensichtlich im Sinne von „Sohn der Alcmena". Die Nennung in A2 geht wohl ebenso auf Ovid zurück, das Fürstengespräch ist jedenfalls nach dem Vorbild von Nestors Erzählungen bei Ovid ( M M 12,169fr.) gestaltet. [1] [1] Chandler, Catalogue, 133, s.v. Isolaus\ Lienert, Geschichte und Erzählen, 164. [mk]
Iolaus [2] [Makedone, Sohn des Antipater, in dessen Auftrag er als Obermundschenk Alexander vergiftet haben soll; Curtius X.10,14 Jollas]
Al Ulrich von Etzenbach, yAlexander'(Patron): I ist der Sohn des Antipater und Kämmerer Alexanders [26644]. Antipater trachtet wegen eines Streits mit Olympias und unter dem Einfluss des Teufels Leviathan Alexander nach dem Leben und plant mit I die Ermordung
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des Königs bei einem Fest. I mischt Gift in Alexanders Wein und taucht auch die Feder, nach der der Sterbende verlangt, in Gift (26862-26898). Ptolemaeus rächt Alexander später an I und Antipater [27199]. [1] Dem historisch belegten I wird schon in der antiken Alexanderliteratur eine Beteiligung an der angeblichen Vergiftung Alexanders angelastet (s.v. Iolaos [2.J (H. Volkmann), in: DKP, Bd. 2, Sp. 1432), so auch in der Alexanderhistorie des Q. Curtius Rufus. In der .Alexandreis' Walters von Chätillon stiftet die personifizierte Falschheit auf Leviathans Betreiben Antipater zum Giftmord an. Die „Mythisierung" der Handlung steht in der Tradition klassischer röm. Epik (v.a. Vergils), operiert allerdings nicht mit einem antik-mythologischen, sondern mit einem christlichallegorischen Apparat. Ein Sohn Antipaters namens Patron wird in diesem Zusammenhang bei Walter nicht genannt. Al könnte sich mit dessen Einführung auf Curtius Rufus beziehen. Wie die abweichende Nf. zustande kommt, bleibt freilich unklar, vielleicht ist sie aus Antipater gebildet oder greift auf die Figur des Patron Patron [1]) zurück. [mk]
Iole [Tochter des Eurytus, Gefangene und Geliebte des Hercules, deretwegen ihm die eifersüchtige Deianira das Nessushemd schickt]
G: Tochter des Eurytus (A2), Geliebte (A2) oder Gattin ( A l ) des Hercules, Schwester der Dryope ( A l )
R: vrouwe (Epitheton) (Β 1) Nf.: Joles ( B l ) I.
Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen': Als Deianira das Gerücht hört, Hercules sei in I verliebt, schickt sie ihm das im vergifteten Blut des Nessus getränkte Hemd (9,292). I beklagt gemeinsam mit Alcmena Hercules' Tod. Alcmena wünscht der Schwangeren, dass ihr die Geburtsgöttin Lucina gnädig sei (9,573/5). I erzählt Alcmena vom traurigen Schicksal ihrer Schwester Dryope, die beiden beklagen die Unglückliche (9,660; 9,766).
A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg': Hercules hat sich vor der Heirat mit Deianira in I verliebt. Eurytus hat sie ihm auch zur Frau versprochen, ihm dann aber ihre Hand verweigert. Nachdem er Deianira heimgeführt hat, rächt sich Hercules deshalb an Eurytus
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Ioleus — Iollas
mit einem Kriegszug, vertreibt ihn aus dem Land, nimmt seine Tochter zur Geliebten und vergisst Deianira. Als diese davon hört, sendet sie ihm das Hemd des Nessus als vermeintlichen Liebeszauber, Η findet den Tod (38189-38278; Erzählung des Philoctetes).
Ioleus [Einer der Teilnehmer an der Verschwörung des Dymnus gegen Alexander; Curtius VI.7,15; Chätillon VIII, 107 Lecolaus]
Nf.: Jozeus ( A l ) , Lotilaus (A2)
B1 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crone'
I.
11585: I verschuldete den Tod des Hercules und verlor dabei selbst das Leben, was heftig beklagt wurde (Katalog großer Klageanlässe, die von der Klage des Artushofs über die Entführung Ginovers überboten werden).
Al Rudolf von Ems, Alexander'
II.
gemeinsam mit Demetrius und Dymnus einen Mordanschlag gegen Alexander (17978). Die Verschwörung wird durch Cebalinus aufgedeckt, der I, Dymnus und Demetrius verrät. Diese werden festgenommen (1803518138). I und Demetrius gestehen und werden hingerichtet, Dymnus begeht Selbstmord (18213).
Der Tod des Hercules aufgrund seiner Liebe zu I wird von der höfischen Literatur als klassischer Minnecasus verstanden, der Bezüge zum Topos des Frauensklaven zeigt. Der Mythos ist v.a. durch Ovid bekannt. A l übersetzt ihn direkt aus den .Metamorphosen' und berührt daher die Vorgeschichte nicht (Eroberung Oichalias aufgrund eines Rechtsbruches des Eurytus, der von Hercules im Bogenschießen besiegt wurde, ihm aber den Siegespreis, I, verweigert; mit mehreren Varianten [1]). A2 gestaltet H's Tod zu einer eigenwertigen Binnenerzählung, die auch in der narrativen Methode Bezüge zu Ovid zeigt. [2] Das Motiv von Hercules' Liebe zu I vor seiner Heirat mit Deianira dient der Entlastung des ritterlichen Helden und ergibt eine typisch höfische Dreieckskonstellation. [3] Inwiefern I den Tod des Hercules in B1 verschuldet, wird nicht aufgeklärt. Dass sie ihm unmittelbar nachstirbt, ist nicht traditionell (vgl. A l ) . Das Exemplum spricht aber immerhin für die Bekanntheit Is im Rahmen des Hercules-Mythos. [4] [1] Vgl. s.v. Iole (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 2, Sp. 1432f. [2] Hierzu Lienert, Geschichte und Erzählen, 164ff.; ein zusätzlicher Rückgriff auf ,Heroides' 9 ist wahrscheinlich. [3] Man denke etwa an Tristan, der zwischen Isolde der Blonden und Isolde Weißhand steht. [4] In dem Exempelkatalog stehen einander Anspielungen, die von der mythographischen Kenntnis des Autors zeugen, und zahlreiche krasse Entstellungen gegenüber; dazu Kern, Edle Tropfen, 30Iff. [mk]
(18891):
I beteiligt sich an der Verschwörung des Dymnus gegen Alexander und wird gesteinigt (Katalog).
A2 Ulrich von Etzenbach, Alexander': I plant
II. Die Gestalt wird in einem Verschwörerkatalog bei Q. Curtius Rufus genannt, die Nf. ist offenbar korrupt, daher auch die starke Abweichung bei Walter von Chätillon (ebenfalls mit zahlreichen Varianten). Der Name könnte auf den Makedonen Iolaus zurückgehen, der Alexander vergiftet haben soll. [1] I wird in A l wie bei Curtius und Walter nur einmal genannt. A2 macht ihn zu einem der Drahtzieher der Verschwörung. [1] -* Iolaus [2], [mk]
Iollas [Kämpfer im Heer Alexanders; Chätillon 111,49]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander': Graf I ist einer von Alexanders Getreuen und begleitet ihn auf dem Feldzug gegen Persien (4607; Katalog); er fällt in der Schlacht bei Issos durch Mazaeus (8010) bzw. wird von Negusar aus dem Sattel gehoben und von den Pferden zu Tode getrampelt (8280-8287). [1]
losephus — Iphigenia [1] Der widersinnige zweifache Tod des I erklärt sich aus einer zweideutigen Formulierung in der .Alexandreis' Walters von Chätillon. I wird von Mazaeus „niedergestreckt", aber nicht wie in Al explizit getötet (111,49). Is zweiter Tod in Al entspricht Walters Schilderung (111,115f.). [mk]
losephus [auch I. Flavius, jüdischer Historiker, 37/38-ca. 100 n. Chr., u.a. Verfasser des .Bellum Iudaicum' und der Jüdischen Altertümer', gilt dem MA als einer der wichtigsten Schulautoren]
R: Meister, Gelehrter (Al, E l ) I. A l Rudolf von Ems, Alexander'·. I ist eine der Quellen des Textes und hat die Wahrheit über Alexanders Taten berichtet (12884); er erörtert Alexanders Politik gegenüber den Juden (13041) und die Einschließung der Völker Gog und Magog in den Kaspischen Bergen (16070; 16938; 16967). El Rudolf von Ems, ,Weltchronik': I wird in mehrfachen Berufungen als Quelle genannt (10024: ägyptische Plagen; 23862, 24857; 25728; 25880; 26297; 26343: Saul; 26873; 27018;27146;27851;27978;28324; 31195: David; 31825; 31838; 33112; 33281; Fortsetzung 33463: Salomo). II. I's Ausführungen über Alexander haben für die ma. Alexanderliteratur hohe Autorität, weil sie vom Wirken des Welteroberers im Heiligen Land, also auf dem eigentlichen Schauplatz der Heilsgeschichte, berichten. Große Nachwirkung erzielt auch die Episode von der Einschließung der ismaelitischen Juden. [1] Die Quellenberufungen von A l , die einen in der ma. Literatur gängigen Topos reflektieren, beziehen sich auf die Jüdischen Altertümer', die ab dem 12. Jh. allerdings zusammen mit dem,Bellum Iudaicum' als ein Werk galten. [2] Dass A l neben den üblichen Quellen des Alexanderromans (,Historia de preliis', Q. Curtius Rufus) auf den „Meisterhistoriker" I zurückgreift, zeigt das für einen volkssprachigen Text bemerkenswerte
325
historiographische Selbstverständnis und den Willen zu ambitionierter Recherche. Direkte Rezeption wird allerdings nicht vorliegen, vielmehr handelt es sich um einen mittelbaren Bezug über die ,Historia scholastica' des Petrus Comestor, [3] die sich ihrerseits häufig auf I beruft. Auf diese Weise erklären sich auch die zahlreichen Nennungen in E l , dessen Hauptquelle Petrus Comestor abgibt. In der mhd. legendarischen und geistlichen Tradition, namentlich in der ,Kaiserchronik' und im ,Evangelium Nicodemi' Heinrichs von Hesler, wird von der historisch belegten Gefangennahme I's im Zuge des jüdischen Aufstandes gegen die Römer berichtet. Er gilt dort als Wahrsager, der u.a. Vespasianus die Kaiserwürde prophezeit und deshalb geschont wird. [4] [1] Gog und Magog. [2] S.v. Josephus im MA (F. Brunhölzl), in: LMA, Bd. 5, Sp. 634f. [3] Ehlert, Deutschsprachige Alexanderdichtung, 115, Anm. 64. [4] -» Titus (LEI; LI.) und -> Vespasianus (I.E1/E4; II. 1). [mk]
Iphicrates [Athenischer Gesandter bei Darius; Curtius 111.13,15]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 7632 (Lecbikrates)·. Fürst I hat einst Darius Unterstützung aus Griechenland gebracht. Er gerät nach der ersten Schlacht der Perser gegen Alexander mit vielen anderen in makedonische Gefangenschaft (Katalog). [mk]
Iphigenia [Tochter des Agamemnon und der Clytaemestra; soll als Sühneopfer dargebracht werden, damit sich der von Diana gesandte Sturm lege, der die gr. Flotte auf Aulis festhält; wird von der Göttin nach Tauris entrückt; MM 12,31]
G: Tochter des Agamemnon (A2) bzw. des Menelaus [!] (Al) R: Königstochter ( A l ) , Königin, DianaPriesterin (A2) Nf.: Effigennia (A2)
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Iphis [1] — Iphis [2]
I.
Iphis [1]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen Dem Seherspruch des Calchas zufolge verlangt Diana die Opferung Is, damit sich der Sturm lege, der die gr. Flotte in Aulis festhält. Ihr Vater Menelaus [!] fügt sich widerwillig, I wird vom Volk beklagt. Als man sie opfern will, erbarmt sich Diana, entrückt sie in einer Wolke und setzt eine Hinde an ihre Stelle (12,57). A2 Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg: I soll Diana geopfert werden, damit sich der Sturm lege, der die gr. Flotte in Aulis festhält (Diana hat ihn gesandt, weil Agamemnon eine ihrer Hinden getötet hatte). Agamemnon ist nur widerwillig zu diesem Opfer bereit. Als I geopfert werden soll, wird sie von Diana nach Thesaurica [Tauris] entrückt, wo sie oberste Diana-Priesterin wird. An ihrer statt wird eine Hinde geopfert (24345-24544).
[Tochter des Ligdus und der Telethusa aus Kreta, von Io in einen Jüngling verwandelt; MM 9,668]
II. Das Motiv von der Opferung I's durch Agamemnon fehlt im spätantiken Trojabericht des Dares Phrygius, es ist nur von einer Besänftigung Dianas durch Agamemnon die Rede (Dares 20,15f.). I wird daher weder im ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure noch in dessen dt. Ubersetzung, dem ,liet von Troye' Herborts von Fritzlar, erwähnt. Mit A2 wird das Motiv nach Ovids .Metamorphosen' (12,8ff.) wieder in denTrojaroman aufgenommen. [1] Dass Al, die direkte Übersetzung aus Ovid, I als Tochter des Menelaus auffasst, erklärt sich aus einem (auf einer falschen Glossierung beruhenden?) Missverständnis der nicht namentlichen Nennung Agamemnons bei Ovid („rexque patrem vicit"; „Der König siegt über den Vater [in Agamemon]"; MM 12,30). [ 1 ] Schon Ovid spricht im Gegensatz zu Euripides' .Iphigenie auf Aulis' von den „saevi venti", die die Flotte festhalten, und nicht von einer Windstille. Zur Quellenverarbeitung und Ausgestaltung der Aulis-Episode in A2 vgl. Lienert, Geschichte und Erzählen, 118ff. [mk]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen '·. Telethusa gibt die neugeborene I Ligdus gegenüber als Knaben aus, weil dieser befohlen hat, das Kind zu töten, wenn es ein Mädchen werden würde. Ligdus nennt das Kind nach dem Großvater. Als die 13jährige I mit Ianthe verheiratet werden soll, wünscht sie sich den Tod, sieht die Verbindung zweier Mädchen als widernatürlich und als größere Schande für Kreta als Pasiphaes Paarung mit dem Stier an, wünscht sich, Daedalus könnte ihr Geschlecht umwandeln, wird schließlich im Tempel der Io zum Jüngling verwandelt und mit Ianthe glücklich vermählt (9,1190-1393; 10,2). [1] [1] Die ovidianische Liebesnovelle thematisiert das Tabu der gleichgeschlechtlichen Liebe. Ovids ironischer Umgang lässt sich v.a. an den mythologischen Anspielungen in I's Monolog und an der recht oberflächlichen Lösung durch Io als „dea ex machina" ablesen. Der laszive Unterton der moralisierenden Wendungen wurde von Al nicht wahrgenommen. [mk]
Iphis [2] [Geliebter der Anaxarete, erhängt sich, als ihn diese zurückweist; M M 14,699]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': I liebt Anaxerete, beschenkt sie reich, schläft im Winter vor ihrer Türe, wird aber höhnisch zurückgewiesen und erhängt sich daher eines Nachts vor ihrem Haus. Die Leiche wird unter Weinen und Klagen durch die Stadt getragen. Anaxerete, die sich von I nicht erweichen hat lassen, wird beim Anblick des Toten zu Stein (14,821; 14,930; Exempelgeschichte des Vertumnus an Pomona als Warnung vor übertriebener Keuschheit). [1] [1] Die Liebesnovelle zeigt durchaus Analogien zur höfischen Liebesthematik (I als Minnesklave, Anaxerete in der Rolle der Minneherrin). Eine entsprechende bewusste Perspektivierung oder Adaptierung der Episode ist aber nicht zu erkennen. [mk]
Iphi tides Iphitides
Coeranus
Iris [Vergöttlichter Regenbogen, Götterbotin; M M 11,585]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen '·. I, der Regenbogen, ist Iuno dienstbar und wird von dieser zum Schlafgott gesandt, damit er Alycone durch einen Traum von Ceyx' Tod berichte. I kann sich beim Schlafgott des Schlafes kaum erwehren und kehrt mit dichten Wolken überzogen auf ihrem Regenbogen zurück (11,1003-1086; Ceyx und Alcyone). [1] Iuno wird nach der Rückkehr von ihrer Unterweltfahrt von I gewaschen, damit sie den höllischen Gestank los wird ([4,915]). [2] [1] Die Divergenz zwischen Naturerscheinung und Göttin ist in A1 verschärft greifbar. I wird zunächst klar physikalisch gedeutet (11,992; ev. in Rückgriff auf eine Glosse), erscheint dann aber als Göttin mit dem Regenbogen als Attribut. [2] I erscheint eingedeutscht als „Regenbogen". Die Waschung hat keinen kultisch-purgatorischen Charakter wie bei Ovid, sondern rein praktischen Zweck. [mk]
Isis [Ägyptische Göttin, Schwester und Gattin des Osiris, Mutter des Horas]
W: Göttin (El, E2, E3) G: Schwester und Gattin des Osiris, Mutter des Horns (El, E2) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen'·. Ιο (I.A1). El Otto von Freising, ,Laubacher Barlaam Als Schwester und Gattin des Osiris gibt I ein Beispiel für die Immoralität der heidnischen Göttervorstellung. Als Osiris von Typhoeus erschlagen wurde, floh sie mit Horns nach Syrien, wo dieser Typhoeus tötete (11301/7; Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden). E2 Rudolf von Ems,, Barlaam'·. I, Osiris, Horns und Typhoeus sind die wichtigsten Göt-
- Ismenis
327
ter Ägyptens und aufgrund ihrer Gerechtigkeit den Menschen überaus hilfreich (10425; Katalog; die Ägypter stellen ihre Götter vor). I war eine gewöhnliche Frau, die als Göttin verehrt wurde, sie heiratete ihren Bruder Osiris, der später von seinem Bruder Typhoeus getötet wurde. I floh daraufhin mit ihrem Sohn Horus auf die Insel Byblos, wo Horus Osiris an Typhoeus rächte. Eine solche Mörderbande Götter zu nennen, ist verwerflich (10468; christliche Replik). E3 Heinrich von Hesler,,Evangelium Nicodemi'4566·. Der zum Christentum bekehrte Tiberius versenkt den röm. I-Tempel im Tiber. II. Die Verehrung der ägyptischen Muttergottheit I verbreitete sich im gesamten mediterranen Raum im Zuge des hellenistischen Synkretismus, der u.a. in der Gleichsetzung Is mit Io fassbar wird (Al). Der I-Kult hat sich auch im kaiserzeitlichen Rom etabliert. Anfängliche Bestrebungen, ihn von offizieller röm. Seite zu unterbinden, [1] könnten sich in E3 widerspiegeln. Grundsätzlich handelt es sich freilich um eine legendarische Darstellung der Christianisierung des röm. Reiches. Die I-Nennungen in den Legenden El und E2 stehen im Kontext des Glaubensdiputs zwischen Christen und Heiden. Wie bei den gr. Göttern polemisieren die Christen gegen die Immoralität des ägyptischen Polytheismus. Im Hintergrund steht, wie v.a. in E2 deutlich ist, eine euhemeristische Deutung der Heidengötter als Menschen, denen göttliche Verehrung zugekommen sei. Die Tötung des Osiris durch Typhoeus beruht auf der bereits antiken Identifizierung von Typhoeus und Seth [2], [1] S.v. Isis (H. W. Helck), in: DKP, Bd. 2, Sp. I463f. [2] S.v. Typhoeus (H. von Geisau), in DKP, Bd. 5, Sp. 1022f. [mk]
Ismenis
Crocale
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Ismenus — Iulianus
Ismenus [Sohn der Niobe, wird von Apollo getötet; M M 6,224]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 6,480:1 ist der erstgeborene Sohn der Niobe. Er und seine sechs Brüder üben sich im Ritterspiel [1] auf einem Feld vor Theben, als sie von Apollo aus Rache für die Schmähung Latonas durch Niobe getötet werden. Ein Pfeil trifft I in die Brust, als er eben sein Pferd wendet, es entgleiten ihm die Zügel, und er fällt zu Boden. [1] Das Wagenrennen, das Niobes Söhne bei Ovid abhalten, wird von A l zeitgemäß zum Ritterspiel umgedeutet. [mk]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 15A95:1 wurde von Caesar besiegt (Katalog der Taten Caesars). [mk]
Iugurtha [160-104 v. Chr.; numidischer Feldherr mit zunächst guten Kontakten zum röm. Senat, aufgrund seiner usurpatorischen Machtübernahme von Rom mit Krieg bedroht, schließlich durch Marius besiegt und in Rom erdrosselt]
Dl ,Lucidarius' 16,27: I herrscht über das Land Munda [i.e. Numidien], das in der Nähe Karthagos gelegen ist (Beschreibung des dritten Erdteils Afrika). [1] [1] Der Beleg findet sich nur in Hs. Β von D l . Die Quelle der Angabe ist unklar (Sallust, Livius?), sie stammt jedenfalls nicht aus der eigentlichen Vorlage, dem .Elucidarium' des HonoriusAugustodunensis (um 1100), von dem sich D l im gegenständlichen ersten Buch sehr weit entfernt. [mk]
Isse [Geliebte des Apollo; M M 6,124]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 6,257'. I wird von Apollo in Gestalt eines Hirten verführt (Descriptio; Darstellung auf dem Teppich der Arachne). [mk]
Itys [Sohn der Procne und des Tereus, von Procne aus Rache für die Misshandlung ihrer Schwester Philomela durch Tereus getötet; M M 6,437]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen : I wird ein Jahr nach der Hochzeit von Procne und Tereus geboren. Weil er Tereus so ähnlich sieht, erweckt er den Hass Procnes, die auf Rache für ihre von Tereus missbrauchte und verstümmelte Schwester Philomela sinnt. Procne tötet I mit Tereus' Schwert, Philomela schlägt dem Toten das Haupt ab. I wird gekocht und Tereus vorgesetzt. Als dieser nach dem Sohn fragt, wirft ihm Philomela Is Haupt hin (6,1394; 6,1448). [mk]
Iuba [König von Numidien, Verbündeter der Pompeianer, beging nach der Niederlage gegen Caesar 46 v. Chr. bei Thapsus Selbstmord; M M 15,755]
Iulianus [I Apostata, Neffe Constantins d. Gr., geb. 331 n. Chr., 361363 röm. Kaiser, fiel vom Christentum ab und gestattete zunächst die Wiedereinführung heidnischer Bräuche und die Wiedereröffnung heidnischer Tempel, in weiterer Folge kam es zu Oppressionen gegen die Christen]
R: König (El), Kaiser (Dl) Nf.: Julian (CI), Iulius (D2) I.
C1 Frauenlob, V.95,1:1 brach Recht und Eid, indem er in böser Absicht die Hand in den Mund des Bildes legte. Dieses ließ sie nicht mehr los, und so wurden seine Falschheit und Schande offenbar. Nur der Teufel kann unentdeckt Unrecht verüben. D1 Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast' 6214: I war so reich, dass er sich das Himmelreich erkaufen hätte können, wenn dies möglich wäre, doch er schmort wie auch Nero allezeit in der Hölle. Constantinus hingegen erlangte das Seelenheil nicht seines Reichtums, sondern seiner Tugend wegen. D2 Hugo von Trimberg, ,Der Renner': I ist vom christlichen Glauben abgefallen, hat großes Leid über die Christenheit gebracht und kann daher im Unterschied zu Vergil,
Iulius — Iuno Horaz, Ovid, Statius und Cicero nicht zu den tugendhaften Heiden gerechnet werden (14694). I wird gemeinsam mit allen Meineidigen beim Jüngsten Gericht auf der Seite der Verurteilten stehen (24425). E l ,Kaiserchronik'·. I wird in Rom von einer gottesfürchtigen Witwe an Kindes statt aufgenommen, er bringt sie um ihr Vermögen. Die Verarmte findet im Tiber ein Bild des Mercurius, das sich als der wahre Gott offenbart und ihr die Rückgabe ihres Vermögens verspricht. Die Witwe führt Klage gegen I vor dem Papst. I wird zur Eidesleistung bei dem Bild des Mercurius verpflichtet. Seine Hand bleibt im Mund des Bildes gefangen, bis I die Rückgabe des Vermögens zusichert. Als Entschädigung verspricht ihm ein Heidengott die Herrschaft über Rom, I verschreibt sich dem Teufel, der Heidengott wird Staatsgott (10635-10835). I will Paulus und Johannes [1] zwingen, dem christlichen Glauben abzuschwören, sie weigern sich und sterben den Märtyrertod (10849; 10869). I zieht mit einem Heer nach Griechenland und will das Land verwüsten. Auf die Bitte des Abtes Basilius erweckt die Jungfrau Maria den Märtyrer Mercurius, dieser tötet I mit einem Speer. Seine Herrschaft hat zwei Jahre und fünf Monate gedauert. Seine Seele wird von Teufeln gepeinigt (11028-11134). [1] Gemeint sind die beiden Märtyrer am Hofe der Constantia. Von ihnen berichtet auch die ,Legenda Aurea' des Jacobus de Voragine.
II. Aufgrund seiner Abkehr vom Christentum und der Wiedereinführung des röm. Polytheismus gibt I Apostata aus der Sicht des christlichen MA eine der wichtigsten negativen röm. Kaisergestalten ab. Die historischen Ereignisse sind entsprechend tendenziös gedeutet und in El legendarisch überformt. Ein beliebtes Motiv ist die Geschichte von der Uberführung des meineidigen I mit Hilfe der so genannten „bocca della veritä", auf die auch C1 und D2 anspielen. Die in El erwähnte Heerfahrt gegen Griechenland könnte
329
Is Zug nach Konstantinopel 361 reflektieren. Der legendarische Tod durch die Lanze des wiedererweckten Märtyrers Mercurius verarbeitet vielleicht die letale Verwundung I's bei Maranga (Mesopotamien). Als Exempelfigur für den gottlosen Herrscher wird I in D l (gemeinsam mit Nero) und D2 genannt, in D1 verbunden mit dem Topos vom Seelenheil, das man nicht erkaufen kann, in D2 mit der Vorstellung des guten Heiden, den I gerade nicht präsentiert. Von I's Höllenverdammnis wissen D l , D2 und E l . In El ist I explizit als Teufelsbündler vorgestellt. Nachbenennung Heinrich von Neustadt, j\pollomus' (Julian): I, der König von Griechenland, ist Onkel des Apollonius (3196; 3328; 3355). Einer der zehn besten Kampfer im goldenen Land Crisa heißt I, er wird von Apollonius im Turnier besiegt (12364). [1] [ 1 ] Beide Figuren sind mit dem historischen I nicht direkt in Verbindung zu bringen. I ist offenbar ein naheliegender Name für eine Herrscher- oder Rittergestalt aus dem mediterranen Raum. [mk]
Iulius
Caesar
Iulius Valerius lulus
Valerius
Ascanius [3]
Iuno [Gr. Hera; Schwester und Gattin des Iuppiter; höchste Göttin der Römer]
W: Göttin (Al, A2, A3, A4, A5, A6, A7, B2, B6, C l , E2, E3), Göttin des Reichtums (A4, El), Göttin der Sarazenen (B3, B4, B7, B8, BIO), Jungfrau [!] (A5) G: Schwester des Iuppiter (A2, A4), Gattin des Iuppiter (A2, A4, B l ) , Stiefmutter des Hercules (A2, A4) R: Königin (A4, A6) des Himmelreiches (A2), vrouwe (Epitheton) (Al, A4, A5) Nf.: Jonno (A5), June (A2, A4), Junas (Cl)
330
Iuno
I.
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'\ I verfolgt Aeneas mit ihrem Hass, den sie seit dem Parisurteil gegen die Trojaner hegt. Sie lässt ihn sieben Jahre auf dem Meer herumirren und will ihn durch einen dreitägigen Seesturm zugrunde richten. Mit Hilfe Fortunas kann Aeneas aber am vierten Tage bei Karthago landen (156-195; Quellenverweis aufVergil; RV: 494). Dido hat für I ein prächtiges Münster errichten lassen und lässt der Göttin große Verehrung zukommen, damit sie Karthago zur Hauptstadt der Welt aufsteigen lasse (410-420).
A2 Albrecht von Halberstadt,,.Metamorphosen':
I entdeckt unter einem Nebel Iuppiter und die in eine Kuh verwandelte Io, die sie sich von Iuppiter als Geschenk ausbittet. Sie lässt Io von Argus bewachen, setzt die Augen des getöteten Argus in die Schwanzfedern des ihr heiligen Pfaus, schlägt Io mit Wahnsinn und verwandelt sie auf Iuppiters Bitte wiederum in menschliche Gestalt (1,1172-1483; RV: 9,1224); verwandelt Callisto wegen Iuppiters Ehebruch in eine Bärin (2,991-1026) und verlangt nach deren Verstirnung, dass Oceanus undTethys dem neuen Sternbild [Großer Bär] das Bad im Meer verwehren (2,10691137; VD: 2,371/3). I ist über Iuppiters Verhältnis mit Semele erzürnt, erscheint ihr in Gestalt ihrer Amme Beroe und überredet sie, Iuppiter bei Eid zu bitten, sich ihr in seiner wahren Gestalt zu zeigen. Semele kann den Anblick nicht ertragen, weil sie im Unterschied zu I keine Göttin ist (3,603-733). I und Iuppiter streiten beim Bacchusfest (beide sind betrunken), ob der Mann oder die Frau lüsterner sei. Als der zum Richter bestellte Tiresias entscheidet, die Frau sei lüsterner, blendet ihn I aus Zorn (3,777-822). I wird bei der Verfolgung Iuppiters, der sich mit Nymphen vergnügt, von der geschwätzigen Echo aufgehalten und nimmt ihr zur Strafe die Stimme, sie kann nur noch anderer Worte nachsprechen (3,875-895). I will aus Zorn gegen das Geschlecht des Cadmus Ino
und Athamas vernichten, begibt sich in die Hölle und befiehlt der Tobsucht, beide mit Wahnsinn zu schlagen, fliegt auf dem Pfau zurück in den Himmel und lässt sich vom Regenbogen [-* Iris] den Gestank der Unterwelt abwaschen (4,819-911). Inos Geschick belustigt I, sie verwandelt ihre Gefährtinnen in Steine (4,979-1063; 4,1117); flieht wie die anderen Götter aus Angst vor Typhoeus bis an den Nil und verwandelt sich in eine Kuh (5,590; Aition für die Tiergötter Ägyptens); verwandelt eine Frau aus Strafe in einen Kranich [1] und Antigone von Troja in einen Storch (6,165-177; Descriptio; Darstellungen auf dem von Pallas im Wettstreit mit Arachne gewebten Teppich); verfolgt Latona über die ganze Welt, bis diese auf der Insel Delos Aufnahme findet und dort Apollo und Diana gebiert (6,688); lässt aus Hass über das Land des Aeacus, des Sohnes von Iuppiter und Aegina, verpestete Luft, einen Giftregen, der Boden und Wasser verdirbt, und eine Seuche, die Menschen und Tiere dahinrafft, kommen; Aeacus verliert sein ganzes Volk (7,921; 7,929), beauftragt Lucina, die Geburt des Hercules zu verhindern, was Alcmena fast den Tod gebracht hätte (9,584; 9,596); schickt Hercules auf Wanderschaft, wegen I's immerwährenden Hasses ist er in ständiger Gefahr (9,32; 9,44), Iuppiter schützt Hercules vor I (9,287). Der todwunde Held führt Klage gegen I, diese treibt ihren Spott mit seiner Vergöttlichung (9,368-546). Unter Hinweis auf I und Iuppiter versucht Byblis ihre inzestuöse Liebe zu Caunus zu rechtfertigen; da es sich aber um Götter handelt, verwirft sie das Beispiel (9,904). I empfängt von Alcyone reichliche Opfer wegen des ungewissen Schicksals ihres Gatten Ceyx. Sie erbarmt sich endlich der Betenden und schickt Iris zum Schlafgott, der Alcyone durch einen Traum von Ceyx' Tod unterrichten soll (11,981-1116). Sogar I hält Hecubas grausames Schicksal für unverdient und unverschuldet (13,811), auch I nickt zustimmend, als Venus vor dem Götterrat die Apotheose des Aeneas beantragt (14,565).
Iuno
331
einen Kuss an, Paris lehnt ab und entscheidet für Venus (2012; 2101), I und Pallas gönnen [!] Venus den Sieg [2176] und begaben Paris trotzdem, I verleiht ihm Reichtum, Pallas Kampfkraft (19280; RV durch Polyxena). A3 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Iason Ulixes und Penelope werden in einem Tempel leistet Medea bei I, Iuppiter, Pallas und Venus der I ehrenvoll beigesetzt (20080). den Eheeid (965). I, Pallas und Venus treten A6 Ulrich von Etzenbach, Alexander': I, PalParis an einer Quelle gegenüber, er soll der las und Venus sind zur Hochzeit von Peleus Schönsten den goldenen Apfel geben. Paris und Thetis geladen. Sie geraten in Streit, wer glaubt, drei Sonnen zu sehen. I verspricht den für die Schönste bestimmten Apfel der ihm Reichtum: Sie und Pallas entziehen Paris Discordia erhalten soll. I verspricht dem zum nach seiner Entscheidung für Venus ihre Huld Richter bestellten Paris Macht und Reichtum. (2195; 2206; Bericht des Paris). I hat inTroja Als Paris für Venus entscheidet, beschließen einen Tempel, in dem ein gefallener Kebssohn I und Pallas die Zerstörung Trojas (4889; des Priamus bestattet wird (6125). 4909; Exkurs zur Geschichte Trojas). Eine A4 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg·. I ist Heeresabteilung der Perser trägt ein Bildnis als Gattin Iuppiters Gastgeberin beim Hochder Göttin I im Banner (13368). zeitsfest von Peleus und Thetis, zu dem zahl- A7 Heinrich von Neustadt, Apollonius': Die reiche Götter und Menschen geladen sind. Göttinnen I, Pallas und Venus senden den Sie tritt dort mit ihren Schätzen auf (1022; Astrologen Albedacus zu Apollonius und Katalog). I, Pallas und Venus geraten als die lassen ihm mitteilen, dass er unter einem drei hervorragendsten Göttinnen der Festgeguten Stern geboren und deshalb von ihnen sellschaft in Streit um den goldenen Apfel, den mit Reichtum, Klugheit und Liebe begabt Discordia fur die Schönste bestimmt hat. In worden sei (4196). Apollonius bedankt sich einem Streitgespräch preist I die Vorzüge des und beteuert, I und den anderen Göttern Reichtums und verspricht dem zum Richter (darunter auch Mahmet) immer treu gedient bestellten Paris Macht und Reichtum als Lohn. zu haben (4257; Katalog). I hat auf der Burg Als sie gegen Venus unterliegt, entbrennt sie der Mohrenkönigin Palmina einen Tempel, in Hass und nennt Paris einen Tölpel (1194diese dankt ihr für die Entsendung des Apol4310; RV auf das Parisurteil: 21165; 21913). lonius (13840) und bittet sie, in Apollonius Weil I ihrem Stiefsohn Hercules nach dem die Liebe zu ihr zu entfachen (14093). Leben trachtete, zog ihm seine Mutter AlcB1 Hartmann von Aue, ,Erec'7660: Die Hochmena Mädchenkleider an. Dasselbe will Thezeitsdecke von Iuppiter und I war überaus tis mit Achilles tun, um ihn vor dem Tod im prächtig gewirkt. Zu Enites kostbarem SatKampf um Troja zu bewahren, Achilles aber tel verhält sie sich aber wie der Mond zur lehnt zunächst ab (14474). Sonne. [1] Die in einen Kranich verwandelte Frau ist bei Ovid die Pygmäenkönigin, die nach ihrer Verwandlung das eigene Volk bedroht ( M M 6,90ff.). Die Metamorphose gibt das Aition für das Sagenmotiv der vom Kranich bedrohten Pygmäen. In A l wird dieser Hintergrund nicht mehr verstanden.
, Trojanerkrieg'-Fortsetzung·. RV auf das Fest des B2 Hartmann von Aue, ,Iwein' 6444·. Uber Iuppiter und das Parisurteil (41767-41800; Rede des Priamus an Achilles).
A5 ,Göttweiger Trojanerkrieg': Die Göttin Terius [-> Discordia] übergibt Paris einen goldenen Apfel, um den ihn die drei Jungfrauen Pallas, I und Venus bitten werden. Er soll ihn Venus geben (1941/4). Die drei treten Paris an einer Quelle gegenüber, I verspricht ihm alle Schätze und die Königswürde und bietet ihm
das prächtige Bett, das sich im Garten einer Burg befindet, würde sich auch die Göttin I freuen, die einst höchstes Ansehen genoss.
B3 Wolfram von Eschenbach, ,Parzival'\ I hat
Feirefiz durch ungünstiges Wetter zur Landung gezwungen und so die Begegnung zwischen ihm und seinem Bruder Parzival ermöglicht. Feirefiz preist seine Götter I und Iuppiter dafür (748,17; 750,5; 767,3).
332
B4 Rudolf von Ems, ,Derguote
Iuno
Gerhart'2557'.
Der heidnische Graf Stranmur befiehlt Gerhard beim Abschied dem Schutz seiner Götter an. I und Pallas mögen ihn glücklich werden lassen (Katalog).
B5 Konrad Fleck,,Flore und Blanscheflur': Auf dem kostbaren Pokal, mit dem byzantinische Händler Blanscheflur von Flores Eltern kaufen, ist das Parisurteil abgebildet. Pallas, I und Venus bitten Paris um den goldenen Apfel, I verspricht ihm Reichtum. Paris entscheidet aber für Venus. Es folgen Darstellungen der Entführung Helenas und der Belagerung und Zerstörung Trojas (1591; 1601).
B6 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crdne'8289.
Amurfina, Gaweins Geliebte, ist schöner als die weise Pallas, die reiche I und als Venus, die beim Parisurteil den Sieg davon trug, weil sie sich nackt zeigte. Wäre Amurfina bei dem Urteil dabeigewesen, hätte sie den Glanz aller drei Göttinnen erlöschen lassen und den goldenen Apfel erhalten.
B7 Ulrich von dem Türlin, Arabel' 90,19: Als
sich der heidnische Fürst Tybald von seiner Gattin Arabel verabschiedet, erbittet er für sie den Beistand der Göttin I, die schon manches sehnsüchtige Herz durch Liebe froh gemacht habe. Arabel wird während Tybalds Abwesenheit von Willehalm entführt. B8 Albrecht, Jüngerer Titurel': I ist Göttin der Heiden (6097,1) und wird gemeinsam mit Iuppiter genannt (4741,2).
gen Land betet der heidnische Anführer zu seinen Göttern, darunter auch I, und beklagt sich, dass sie ihm trotz seiner Dienste nicht geholfen haben (Katalog).
C1 , Wartburgkrieg'
(,Das Rätselspiel'): Die
Göttinnen I und Felicia wohnen bei Artus im Berg und sind beide aus Fleisch und Blut. Wolfram soll sich so wie Klingsor von ihnen unterweisen lassen (28,2; 31,2).
C2 Der Tannhäuser, Leich IV,9: I hat um der Liebe willen Reichtum verliehen. C3 Frauenlob, Lied 2, XIV. 10,5: Der Sänger würde den Apfel des Paris I oder Pallas geben und sich so für das Leid rächen, das ihm die Minne zugefügt hat. El Rudolf von Ems, ,Barlaam': I ist nach Auffassung der Griechen Göttin des Reichtums, wer ihr dient, wird mit Besitz belohnt (9792; Katalog). Aus christlicher Sicht war I hingegen eine nach Reichtum und Adel strebende Dame, die wegen ihres Vermögens viele Leute anzog. Die List des Teufels bewirkte, dass sie deshalb für eine Göttin gehalten wurde (10308; 10324; Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden). [1] [1] An der entsprechenden Stelle im .Laubacher Barlaam' Ottos von Freising, der derselben Tradition wie Ε1 angehört, wird I nicht genannt.
E2 Rudolf von Ems, , Weltchronik': I ist eine der Göttinnen, an die die Griechen in ihrer heidnischen Verblendung glaubten (3233; Götterkatalog; 33366). [1]
[1] Beide Nennungen sind nur in Ks. Varianten bezeugt. Die Nennung I's als Göttin der Muslime bezieht sich auf B3.
[1] An weiteren Göttinnen werden genannt: Diana, Pallas, Venus, Ceres, Europa, Thetis und Latona.
B9 Konrad von Stoffeln, ,Gauriel': I hatte einst für Mercurius eine prächtige Burganlage errichtet, auf der Gauriel gastlich empfangen wird. Der von Pallas errichtete Burgsaal ist mit Fresken vom Trojanischen Krieg geschmückt (4377). Der wilde König Geldipant will I zwingen, seine Frau zu werden. I wird von Gauriel gerettet und belohnt ihn reichlich (4683). [1]
E3 Jans Enikel, , Weltchronik': I, Pallas und Venus streiten bei einem Fest in Troja um den von Discordia für die Schönste bestimmten Apfel. I verspricht dem zum Richter bestimmten Paris Macht und Reichtum. Als er für Venus entscheidet, sind I und Pallas enttäuscht (13795-13951).
[ 1 ] Die von Geldipant bedrohte Jungfrau wird in der Innsbrucker Hs. Iuno genannt und ist in der Karlsruher Hs. eine namenlose Meerfee.
BIO, Reinfried von Braunschweig' 16415: Nach der Niederlage gegen die Christen im Heili-
II. 1) Deutungen; 2) Antike Motive; 3) I als Göttin der Muslime; 4) Anspielungen
1) Als höchste Göttin der antiken Mythologie und als Gattin Iuppiters hat I ihren
Iuno festen Platz in der ma. Mythenrezeption. In der ma. Mythographie finden sich mitunter an antike Traditionen anschließende Deutungen, so die physikalische Interpretation als Element „Luft", [1] die in den mhd. Belegen nicht greifbar ist. Eine euhemeristische Deutung findet sich allerdings in El: I sei eine Sterbliche gewesen, die ihres Reichtums wegen als Göttin verehrt worden sei. Die Polemik entspricht der christlich-apologetischen Tradition, in der der Text mit dem Thema des Glaubensdisputs steht. Als Abgöttin des heidnischen Irrglaubens gilt I — aus einer christlich-heilsgeschichtlichen Perspektive - in E2. Einen euhemeristischen Exkurs schließt außerdem A4 an den Götterkatalog zum Fest des Iuppiter an. [2] I's Position in der antiken Mythologie reflektieren insbesondere A2 (Herrscherin des Himmels) und B1 (I und Iuppiter als Ehepaar schlechthin), ihre Funktion als Schutzgöttin der Ehe A5 (Beisetzung von Penelope und Ulixes in ihrem Tempel) und B7 (Tybald befiehlt seine Gattin Arabel der Obhut I's). 2) Die in A2 referierten detaillierten mythographischen Daten stammen direkt aus Ovids ,Metamorphosen'. Im Zentrum steht I's stereotype mythologische Rolle als betrogene göttliche Ehefrau, die die Geliebten Iuppiters mit ihrer Rachsucht verfolgt. Breiter erzählt sind die entsprechenden Mythen von Io, Callisto, Semele, Ino, Latona und Alcmena. Anderes, bei Ovid nur Angedeutetes, wird nicht weiter ausformuliert und bleibt so wohl auch dem höfischen Publikum verschlossen. Weitgehend fehlen auch allegorische Deutungen und moralische Kommentare, wie sie ab dem 14. Jh. die ,Ovide moralise'-Tradition bietet und wie sie der Wickramschen Bearbeitung von Al angeschlossen sind. So wird im Rahmen der Byblishandlung zwar die inzestuöse Verbindung zwischen I und Iuppiter angesprochen, aber keineswegs problematisiert (auch El nutzt sie nicht für entsprechende Polemik).
333
Mehrfache Belege finden sich nur zum Herculesmythos und zu I's Rolle in der Troja- und in der Aeneassage. Von der Verfolgung des Hercules durch I berichtet außer Al noch A4 in einem Exemplum der Thetis an Achilles, das auf Statius' Achilleis' (I,260ff.) basiert. [3] Die meisten Nennungen beziehen sich auf I's Rolle beim Parisurteil. Dieses wird in A3, A4, A5, A6 und E3 ausführlicher referiert, Erwähnungen finden sich in A l , B5, B6, C2 und C3. Die grundlegenden Motive sind konstant: I, Pallas und Venus streiten um den goldenen Apfel der Discordia, I verspricht Paris Reichtum und Macht; als er für Venus entscheidet, zieht er sich und den Trojanern ihren Zorn zu (A3, A4, E3) bzw. beschließen I und Pallas die Zerstörung Trojas (A6). Die Ausgestaltung differiert je nach Quelle und Intention des Textes. Der spätantiken pseudohistoriographischen Trojatradition (Dares) entsprechend, ist die Episode in A3 zu einem kurzen Bericht des Paris verdichtet. Breit ausgestaltet wird sie hingegen in A4, mit Bezügen zu Ovids ,Heroides' 16 und zum ,Excidium Troie', einem spätantiken Prosabericht über Troja und Aeneas. Das Streitgespräch der Göttinnen verarbeitet Rhetorik und Topik des höfischen Liebesdiskurses. Der Exkurs in A6 ist vielleicht von Ovid (,Heroides'), auf den explizit verwiesen wird, oder von A4 beeinflusst, eigentliche Quelle ist die entsprechende Passage in der ^Alexandreis' Walters von Chätillon (I,452ff.; Alexander in Troja), zu der A6 sicher Glossen vorlagen. Die massiven Umgestaltungen in A5 erklären sich aus der Idealisierung der Parisfigur zum vorbildlichen höfischen Ritter: Paris handelt im Auftrag der Göttin Discordia, die hier keineswegs als Göttin des Streites gezeichnet ist, I und Pallas zeigen sich versöhnlich. A7 greift das Motiv der Bestechungsangebote der drei Göttinnen an Paris auf und überträgt es auf den Protagonisten des Romans, Apollonius. Die Begnadung durch I, Pallas und Venus lässt diesen unter einer quasi typologischen Perspektive als neuen und besseren Paris erscheinen.
334
Iuno
In A l ist das Parisurteil Ursache für I's Zorn gegen die Trojaner und Aeneas. In B5 ist es Teil eines Bilderzyklus zum Trojanischen Krieg. Dieser Typus des Bildzitats, der sich bis in die antike Literatur (,Ilias', ,Aeneis') zurückverfolgen lässt, entwickelt in der höfischen Literatur eine eigene Tradition, deren maßgebliches Vorbild im ,Erec' Chretiens de Troyes zu finden ist. [4] Eine rhetorische Sonderform stellt die revocatio des Parisurteils in B6 und C3 dar. Sie ist in B6 nichts anderes als die amplificatio der Schönheitsüberbietung, eines gängigen Topos im höfischen Frauenpreis (Amurfina ist schöner als I, Pallas und Venus). Die meisten Nennungen verzeichnen in diesem Zusammenhang freilich Venus und Helena. In C3 reflektiert die revocatio den Topos der Lossagung des Minnesängers von der Minne. Auf das Parisurteil bezieht sich auch die knappe Erwähnung I's in C2. Sie ist Teil eines Katalogs von Anspielungen, die Motive des Antike- und des Artusromans im Sinne eines literarischen Spiels nennen und z.T. stark verfremden. I's Feindschaft gegen Aeneas, der von ihr gesandte Seesturm, die Landung des Aeneas bei Karthago und die Verehrung I's durch Dido werden in Al mittelbar über den ,Roman d'Eneas' nach Vergils .Aeneis' verarbeitet. Das Motiv des von I gesandten Seesturms in B3 bezieht sich auf A l , ebenso die I-Verehrung durch Palmina in A7 (in der Figur verschmelzen Dido aus A l und die Mohrenkönigin Belakane aus B3). 3) Dass die antiken Heidengötter auch von den Muslimen, denen das christliche MA Vielgötterei unterstellt hat, verehrt werden, ist eine in der höfischen Literatur verbreitete Vorstellung, die zunächst auf Apollo und Iuppiter beschränkt bleibt. Später wird das Paradigma um andere antike Götter erweitert (so B4 und BIO). [5] In A7 ist der umgekehrte Vorgang feststellbar: Götter der Muslime werden auch von den antiken Heiden verehrt, deshalb wird im Götterkatalog neben I auch Mahmet genannt.
Die Nennung I s in B3 erklärt sich aus dem Bezug aufA l , der Beleg in B8 bezieht sich auf B3. Wenn der heidnische Fürst Tybald in B7 seine Gattin Arabel dem Schutz I's anbefiehlt, so behält I auch als Göttin der Sarazenen ihre antike Funktion als Göttin der Ehe bei. Die heidnische Ehegöttin erweist sich freilich der christlichen Eheliebe unterlegen, wenn Arabel Tybald wegen Willehalm verlässt. 4) Als Exempelfigur, die für weltliche Pracht und irdischen Reichtum steht, fungiert I offenbar in den Anspielungen B1 und B2. Im Falle von B2 könnte eine euhemeristische Deutung im Hintergrund stehen (I, die einst großes Ansehen genoss, ist offenbar als verstorben gedacht). Das Motiv der Hochzeitsdecke von I und Iuppiter lässt eine konkrete mythographische Quelle vermuten, eine solche ist aber nicht verifizierbar. Unklar bleibt ebenso, worauf sich die Vorstellung von I als Erbauerin einer Burganlage für Mercurius in B9 beziehen könnte. Eine Parallele findet sich in B1 mit Pallas als Erbauerin eines Burgsaals. [6] Das Motiv von den Trojafresken, die den Saal von I's Burg in B9 zieren, lässt sich auf den karthagischen I-Tempel in Vergils .Aencis' (I,456ff.) zurückführen, der ebenfalls mit Szenen aus dem Trojanischen Krieg verziert ist. Im Dunkeln bleibt wiederum der Hintergrund des Belegs in C1 (vermutlich das Parisurteil). Hier ist auch der Bezug auf I unsicher. Festzuhalten ist, dass antike Göttergestalten in der höfischen Literatur öfters unter starker Veränderung der mythographischen Fakten und mitunter mit entstellten Namen in erfundene Abenteuersequenzen eintreten. Ein gutes Beispiel hierfür gibt die Befreiung der bedrohten Jungfrau I in B9. [7] [1] Vgl. Chance, Medieval Mythography, passim (Reg.). [2] -» Iuppiter (II.l). [3] Lienen, Geschichte und Erzählen, 85. [4] Kern, Edle Tropfen, 307ff.; vgl. auch -» Aeneas (11.3). [5] -» Apollo (II. 1) und Iuppiter (II.4). [6] -> Pallas (I, Bl). [7] Zu diesen Formen „gesunkener Mythologie" Kern, Edle Tropfen, 366ff., zu weiteren Beispielen -» Hercules, Vulcanus. [mk]
Iuppiter
Iuppiter [Höchster röm. Gott, Gatte der luno]
W: Gott (Al, A2, A5, A6, El, E2, E3, Ε4), Himmelsgott (Al, A2, E3), Wettergott (El), oberster Gott (Al, A4, A4, E2, E3), Gott der Vögel (B6), Gott der Sarazenen (Bl, B3, B5, B4, B7, B8, B9, BIO, Bl 1, B12, B13, B14, Β15, Β16, E5, E9), Abgott (Β 12, E9), Planet (A3, B3, BIO, B13, B15, CI, D2) G: Sohn des Saturnus (A4, E2, E3), Bruder und Gatte der luno (Al, A4), Geliebter der Aegina (Al), der Alcmena (Al), der Antiope (Al, E2), der Callisto (Al, E3), der Danae (Al, E2), der Europa (Al, E2), der Io (Al), der Leda (A4, E2, E3), der Semele (Al, E2), Bruder oder Vater der Thetis (A4), Vater des Aeacus (Al), des Amphion (E2, E3), des Apollo (Al, E2, E3), des Areas (E3, E4), des Bacchus (Al, E2, E3), des Castor (E2, E3), der Diana (E2, E3), des Epaphus (Al), der Helena (A4, E2, E3), des Hercules (Al, E2, E3), des Mercurius (Al), des Minos (Al, E2, E3), der Musen (E2, E3), der Pallas (A4, E2), des Perseus (Al, E2, E3), des Pollux (E2, E3), des Rhadamanthys (E2, E3), des Sarpedon (E2, E3), der Venus (A4) und des Zethus (E2, E3) R: König der Götter (E2), Fürst (Epitheton) (B13) Nf.: Jovis (A5, A6, B8, Β13, Β14), Stella Iovis (A3), Zeus (E9) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': I wurde auf Kreta großgezogen (8,188); seine Attribute sind Donner, Blitz, Krone und ein Zepter aus Elfenbein; mit dem Sturz des Saturnus beendet er das Goldene Zeitalter (1,205/9); spaltet mit einem Blitz die Berge Ossa, Pelion und Olympus und begräbt unter ihnen die Riesen [Giganten], die den Himmel stürmen wollen. Das aus deren Blut entstandene Menschengeschlecht erregt Is Zorn, er beruft den Götterrat ein, erzählt von seiner Wanderung durch die verderbte Welt, von der Verwandlung des Lycaon in einen Wolf
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und lässt eine Sintflut über die Erde kommen (1,288-483); lässt Deucalion und Pyrrha als einzige überleben und befiehlt den Wassermassen zurückzuweichen (1,609; 1,617). I entbrennt in Liebe zu Io, lockt sie in einen Wald, lässt Nebel einfallen, vergewaltigt sie und verwandelt sie beim Erscheinen der luno in eine weiße Kuh, die er luno schenkt; lässt aus Mitleid mit Io deren Wächter Argus durch Mercurius töten, bittet luno um Verzeihung und um Gnade für die mittlerweile bis nach Ägypten gewanderte Io (1,1144-1506); beruft wegen Phaetons unkontrollierter Fahrt mit dem Sonnenwagen den Götterrat ein, schießt Phaeton mit einem Blitz vom Himmel (2,140; 2,603-659), befiehlt dem gekränkten Apollo, seine Aufgaben als Sonnengott wieder wahrzunehmen, begutachtet und behebt bei einer Rundfahrt den von Phaeton angerichteten Schaden (2,851-885), erblickt dabei die schlafende Callisto, entbrennt in Liebe zu ihr und schwängert sie (2,900-939); wird laut Ocyrhoe seinen Enkel Aesculapius aus Zorn über dessen Heilkunst mit dem Blitz töten, verwandelt Ocyrhoe zur Strafe für diese Prophezeiung in ein Pferd (2,1373; 2,1444); bemerkt am Strand von Sidone in Phönizien die schöne Europa bei einer Rinderherde, verwandelt sich in einen weißen Stier, lässt Europa aufsitzen, schwimmt mit ihr übers Meer und eröffnet ihr seine wahre Identität (2,1542; 2,1583; 2,1776-3,23; 3,605). Die über I's Affären mit Europa und Semele erboste luno stiftet die schwangere Semele dazu an, I unter Eid zu bitten, sich ihr in der Gestalt zu zeigen, in der er sich luno nähert. I erscheint als Blitz, der Semele verbrennt, er rettet den ungeborenen Bacchus, trägt ihn aus und gibt ihn Waldfrauen [Nymphen] zur Pflege (3,605-765; 3,1267); streitet beim Bacchusfest mit luno (beide sind betrunken), ob Mann oder Frau lüsterner sei. Tiresias wird zum Richter bestellt und entscheidet für I. luno blendet ihn dafür, I verleiht ihm als Entschädigung die Wahrsagekunst (3,778-827); entkommt bei einem Seitensprung der ihm nachspürenden luno, weil sie von Echo mit
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Geschwätz aufgehalten wird (3,888; 3,893); hat laut Acrisius weder Bacchus noch Perseus gezeugt. Perseus rächt sich für diese Kränkung und wird von I im Kampf gegen Phineus unterstützt (4,1129-1422; 5,19; RVauf die Zeugung des Perseus: 11,201). I und die anderen Götter fliehen vor dem Götterfeind Typhoeus nach Ägypten, wo sie sich in Tiere (I in einen Stier) verwandeln (5,589; gotteslästerliches Lied der Pieriden beim Sangeswettstreit mit den Musen). I folgt dem Gebot des Cupido (5,691); er verspricht Ceres, Proserpina von Pluto zurückzufordern. Da diese aber von der Höllenspeise gekostet hat, handelt er zwischen Ceres und Pluto einen Kompromiss aus: Proserpina soll den Sommer über bei Ceres, im Winter bei Pluto bleiben (5,943-1013). In der Mitte des von Pallas Athene gewebten Teppichs ist I auf einem Throne sitzend abgebildet (6,132; Descriptio). Auf Arachnes Teppich ist dargestellt, wie I als Stier Europa, als Schwan Leda, als Satyr Antiope, in Amphitryons Gestalt Alcmena, als Goldregen Danae und als Feuer Aegina schwängert (6,205-235; Descriptio; Webewettstreit zwischen Athene und Arachne). I zeugt mit Aegina Aeacus, dessen Volk von Iuno aus Rache durch eine Pest ausgerottet wird. Auf Aeacus' Gebet hin lässt I einen Blitz niedergehen, aus dessen Einschlag eine Eiche wächst, und verwandelt die auf dem Baum kriechenden Ameisen in die Myrmidonen (7,846; 7,922; 7,1017-1132); zeugt mit Europa Minos (8,133, 8,228/33), der ihm nach seinem Sieg über Nisus hundert Stiere opfert (8,285). Hercules rühmt sich im Streit mit Achelous um Deianira seiner Abstammung von I, Achelous hält dagegen, dass I dabei Ehebruch verübte (9,27-54). Hercules bringt I Dankopfer dar (9,284). I erhebt Hercules nach dessen Selbstverbrennung in die Schar der Götter (9,487; 9,516). Alcmena beklagt sich, dass I sie vor Iunos Rachsucht nicht geschützt habe (9,611). I verjüngt auf ihre Bitte hin Iolaus. Die anderen Götter, die alternde Menschen als Freunde oder Geliebte haben, wollen es ihm nachtun, was I verbie-
tet (9,777-812). I verwandelt Ganymedes in einen Adler, damit ihm nichts Unziemliches geschehe, und nimmt ihn als Mundschenk der Götter in den Himmel auf (10,294/9); lässt von seinem Verlangen nach Thetis ab, weil Proteus prophezeit, sie werde einen Sohn gebären, der mächtiger als der Vater werde (11,411); sendet den auf Aulis festsitzenden Griechen ein Zeichen (eine Schlange, die neun Vögel frisst), aus dem Calchas auf eine erfolgreiche Zerstörung Trojas nach neun Jahren schließt (12,24). Im Streit um die Waffen des Achilles berufen sich Aiax und Ulixes auf ihre Abstammung von I (13,56/8; 13,224-230). Dieser hatte Agamemnon im Traum die Beendigung der Belagerung Trojas befohlen, Ulixes konnte dies verhindern (13,338; Rede des Ulixes). Polyphemus rühmt sich gegenüber Galatea, er sei größer als I. Zwar fürchte er dessen Donner und Blitz, mehr aber noch die Zurückweisung durch Galatea (13,1138; 13,1168). I gewährt auf Venus' Bitte hin die Apotheose des Aeneas (14,553; 14,567), auf Bitte des Mars die des Romulus (14,636; 14,647). Procris liebt Cephalus so sehr, dass sie ihm nicht einmal I vorziehen würde (7,1391). Als geschwisterliches Liebespaar dienen I und Iuno der Byblis als Rechtfertigung ihrer inzestuösen Liebe zu Caunus (9,904). [Genealogische Angaben:] I ist Vater des Apollo (1,997), Onkel der Niobe (6,373), Großvater des Peleus (11,535) und Ahn der Chyone (11,601). [1] [1] Alle Stellen nach Ovids .Metamorphosen', gravierende Abweichungen zeigt nur die Entführung des Ganymedes (10,294 zu M M 10,155ff.). Die homoerotischen Implikationen werden umgedeutet, die Entrückung ist als präventive Maßnahme aufgefasst, die Ganymedes vor nicht näher erläuterter Unmoral bewahren soll. Dass dabei Ganymedes in einen Adler verwandelt wird und nicht I als Adler Ganymedes entfuhrt, beruht wohl auf einem Missverständnis des lat. Textes.
A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye\ Iason schwört Medea bei den Göttern I, Iuno, Pallas Athene und Venus ewige Treue (963). Hecuba fühlt sich nach Troilus' Tod von den Göttern I, Mars und Pluto verlassen und wünscht sich von ihnen den Tod (13356/7)
Iuppiter A3 Rudolf von Ems, Alexander'·. I ist Alexanders liebster Gott, dieser opfert ihm oft in seinem Tempel (5056). I ist auch der Gott der Amazonen, zu dessen Ehren sie ein großes Fest veranstalten, bei dem sie sich mit Männern verbinden (18076; Exkurs zu den Amazonen). Der Planet I („Stella Iovis") zeigt an, wenn ein Unrecht geschieht (1989). A4 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg': I, der Anführer („houbetman") der Götter, veranstaltet anlässlich der Hochzeit von Peleus mit seiner Schwester [821] bzw. Tochter [3673] Thetis ein großes Fest, zu dem zahlreiche Götter und Menschen geladen sind (813-934; euhemeristischer Exkurs [858ff.]: Die Götter waren in Wahrheit der Zauberkunst mächtige Menschen, die deshalb besondere Verehrung genossen). Als Discordia, die nicht geladen ist, einen Streit zwischen Venus, Pallas und Iuno auslöst, wer die Schönste sei, soll I entscheiden. Er fühlt sich aber befangen und schlägt Paris als Schiedsrichter vor (1285-2826). Nach dem Urteil beansprucht I Paris fur sich, was ihm Priamus streitig macht. Ein Kampf zwischen Peleus und Hector entscheidet den Konflikt zugunsten des trojanischen Königs, I ist erzürnt (3335-4314). I wurde von seiner Mutter in Frauenkleider gesteckt, um ihn vor seinem Vater Saturnus zu beschützen, der ihn töten habe wollen, weil ihm ein Wahrsager prophezeit habe, sein Sohn werde mächtiger als er. Mit diesem Beispiel will Thetis Achilles überreden, als Mädchen bei Lycomedes unterzutauchen, Achilles lehnt es mit dem Hinweis ab, I sei damals noch ein kleines Kind gewesen (14382-14516). I müsse sich schämen, dass sich sein Neffe in Frauenkleider stecken habe lassen, meint später Ulixes, als er Achilles enttarnt (28444; genealogische Angaben: 6006; 28773; Achilles ist Enkel bzw. Neffe I's). Bei einer I-Statue schwört Iason der Medea Treue (9104-9123). In Troja befindet sich eine prunkvolle I-Statue, die verehrt wird (17635-17651). Auf ihre edle Abstammung von I beruft sich Helena, als sie Paris' begehrliches Ansinnen zurückweist (21608).
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, Trojanerkrieg'-Fortsetzung·. Priamus berichtet Achilles bei seinem Bittgang um die Leiche Hectors vom Fest des I und vom Parisurteil (41740-41771; RV). Bei I schwören die Griechen einen zweideutigen Eid, dass sie die Vereinbarungen mit dem trojanischen Unterhändler Antenor (mit dem die verräterische Übergabe der Stadt paktiert ist) einhalten werden (47928). Bei der Eroberung Trojas flieht Priamus in den Tempel I's (48314), wo er frevelhafterweise von Pyrrhus erschlagen wird (48406). Hermione bittet Orestes, er möge sie entführen, so wie I Leda entführt habe (49432). A 5 , Göttweiger Trojanerkrieg': I, Saturnus und Mars sind die Lieblingsgötter Agamemnons. Er opfert ihnen aus Dank für einen Sieg. In Wahrheit aber hat ihm Gott geholfen (12213). Bei I beklagen sich Euander wegen der Entführung seiner Gattin (20185) und Minos wegen der Geburt des Minotaurus. Minos droht I, ihm nicht mehr zu opfern (21619). [1] [1] 2 1 5 9 ist ein Avinör als Vater der Venus genannt. Er soll gegen Anamor u n d Apolisz gekämpft haben. Venus schenkt sein Schwert u n d seinen H e l m Paris.
A6 Ulrich von Etzenbach, Alexander': Um sich die Liebe der Olympias zu erschleichen, behauptet der Zauberer Nectanebus, nachmals Alexanders Vater, I wolle mit ihr einen Sohn zeugen. In Olympias erwacht die Liebe zu I, als der ihr Nectanebus später erscheint (672; 688). Nach seinem Sieg über die Perser will sich Alexander in seiner Überheblichkeit als Sohn I's verehren lassen (8989), er wird wegen seiner Machtfülle maßloser als I (18658). Die Bürger von Sardes geloben Alexander bei I Treue (5950). I wird von den Persern und von Darius vor dem Kampf gegen Alexander angerufen (4238; 6039). In Darius' Heerestross wird ein prunkvoller Wagen mitgeführt, in dem das heilige Feuer für I brennt und den Götterbilder zieren (6083; 6098). Darius beruft sich auf seine göttliche Abstammung von I (6968; 6971). Der Schlachtruf der Perser lautet „I" (7327; 13279; 13921; 14017; 14257; 15233). Eine Traumerscheinung I's
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prophezeit Croesus' Tod durch Cyrus (7740; 7755; Darstellung auf dem Schild des Darius). Die Konstellation der Planeten I, Venus, Mercurius, Mars und Saturnus weist auf den Tod des Königs Zoroas von Ägypten im Kampf gegen Alexander (8385). Dieser opfert in Ägypten dem widdergestaltigen Gott Amnion, der I, dem höchsten Gott, gleichgesetzt ist (9869). Die von Ägyptern und Syrern gestellte Abteilung im Heer des Darius führt bei der Schlacht von Arbela ein I-Bild im Banner (13184; 13203). Alexander hadert mit I wegen des Todes seines Feldherrn Nicanor (13815). Darius bringt I aus Sorge vor der drohenden Niederlage gegen Alexander ein großes Opfer dar (16170), weiß nicht, warum ihm I zürnt (16293), und ruft ihn an, als er von Bessus und Nabarzanes festgenommen wird (16443), Alexander schwört bei I Rache für den Mord an Darius (16840). Der indische König Porus hat von I einen goldenen Palast erhalten (20795).
I's Macht habe dabei verhindert, dass sie einander im Kampf töten (752,20). I habe an Parzival seine ganze Schöpfungskunst erwiesen (750,2). In seiner Geliebten, Königin Secundille, findet Feirefiz mehr Trost als in I (768,30). Später klagt Feirefiz I an, dass er ihn Liebesqualen wegen der Schwester des Gralskönigs Amfortas, Repanse de Schoye, leiden lasse (810,27; 812,28). Um sie zu gewinnen, muss er I und Secundille aufgeben und sich taufen lassen (815,6). Bei einer bestimmten Konstellation der Planeten Mars und I sind Amfortas' Qualen am stärksten (789,5).
lonius hat I und den anderen Göttern (darunter auch Mahmet und Tervigant) immer treu gedient und erwartet ihre Hilfe (4255). I, Venus und die Windgöttinnen Proserpina und Alcmena [!] ziehen in Nebel gehüllt mit ihren Heerscharen einher und befreien Apollonius' Schiff aus dem Klebermeer [1] (6845; 6851).
B6 Der Stricker, ,Eule und Habicht' 21: Die
A7 Heinrich von Neustadt, Apollonius': Apol-
[1] Beim Klebermeer (üblicherweise „Lebermeer") handelt es sich um eine auf die Antike zurückgehende Vorstellung von einer dickflüssigen Zone im Atlantik (dazu Birkhan [Übers.], 342, Anm. 162).
B4 Rudolf von Ems, ,Derguote Gerhart'2555:
Der heidnische Fürst Stranmur wünscht Gerhard, die Götter I, Iuno, Pallas, Mahmet, Mercurius, Thetis, Neptunus und Aeolus mögen ihm eine glückliche Seefahrt bescheren (Katalog).
B5 ,Prosa-Lancelot' Π.123,8: I ist wie Mahmet, Apollo und Tervigant Gott der Sarazenen. Ihm steht der wahre Gott Josephs von Arimathia gegenüber. Eule wird auf ihre Bitte hin vom Gott der Vögel I, der sich durch Geschenke milde stimmen lässt, in einen Habicht verwandelt. [1] [1] Die Erzählung verarbeitet möglicherweise Verwandlungsmotive aus den .Metamorphosen' Ovids (vgl. die Verwandlung der Krähe durch Pallas Athene und die des Raben durch Apollo, M M 2,544ff.)
B7 Der Stricker, .Karl'3117: Die Heiden führen Götterbilder von Mars, I und Saturnus mit in den Kampf gegen die Christen.
B1 P f a f f e Konrad, ,Rolandslied' 2651: I bil- B8 Ulrich von Türheim, ,Rennewart': I wird det mit Mars und Saturnus eine Göttertrias, die von dem heidnischen König von Alerie verehrt wird.
B2 Hartmann von Aue, ,Erec'7659: Die Hochzeitsdecke von I und Iuno war überaus prächtig gewirkt. Zu Enites kostbarem Sattel verhält sie sich aber wie der Mond zur Sonne.
B3 Wolfram von Eschenbach, ,Parzival': I und Iuno werden von Feirefiz gepriesen, weil sie ihn mit seinem Bruder Parzival zusammentreffen haben lassen (748,19; 749,16).
von den Sarazenen in Marokko als Gott verehrt (27952), er war überaus reich, wird darin aber von Malefer, Rennewarts Sohn und Eroberer Marokkos, übertroffen (28205).
B9 Der Pleier, , Garel': I ist der Gott des Sarazenenkönigs Salatrias, dieser führt ein IBild als Heerzeichen auf seinem Schild und auf seiner Heerfahne (14017), es wird in den Kämpfen gegen die Christen zerstört (15434; 16388). „I" ist auch Schlachtruf der Sarazenen (14593; 14652).
Iuppiter
BIO Albrecht, Jüngerer
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Titurel': I ist einer
B14 Johann von Würzburg, , Wilhelm von
der wichtigsten Götter der Sarazenen, insbesondere Secureiz ist sein und der Minne Diener (3388,4; 3746,3; 4069,1). „I" ist der Schlachtruf der heidnischen Riesen Alexander und Philipp (4741,2). I ist einer der sieben Planeten, die die sieben Tugenden verkörpern und den Weltenlauf aufrechterhalten. Er steht für die Freigebigkeit (2803,1; 2804,4).
Österreich'·. I und die anderen Sarazenengötter Mahmet, Tervigant und Bilwer werden von den heidnischen Damen um Hilfe für den zum Tode verurteilten Wilhelm angerufen (5363). I und die anderen sechs Planeten lassen das Astrolabium, das von Virgilius zur Uberprüfung der ritterlichen Tugenden konstruiert wurde, hell erstrahlen (4994) und sind auch auf der Deckenplane eines kostbaren Festzeltes dargestellt (15435). Β15 , Virginal': I ist wie Apollo, Mahmet und Tervigant ein Gott der Heiden und wird von ihnen im Kampf gegen Dietrich von Bern angerufen (63,5; 91,12). Β16, Wolfdietrich': I, Apollo, Mahmet und Tervigant werden von den Heiden im Kampf gegen Wolfdietrich angerufen (3384; 4037).
B l l ,Lohengrin' 4237'. I ist wie Tervigant,
Mahmet, Kahun und Apollo einer der Sarazenengötter, von denen sich die Heiden im Kampf gegen die Christen aber keine Hilfe erwarten können (Kampf zwischen Christen und Heiden; Erzählerkommentar).
Β12 Ulrich von Etzenbach, , Willehalm von
Wenden'·. I wird von Willehalm und seiner Gattin Guta als Gott verehrt (449; 4777). Guta bittet Willehalm bei I, nicht nach Jerusalem zu ziehen (1249), und wünscht sich von I den Tod, als er sie heimlich verlässt (2765). Willehalm schwört im Heiligen Land seinen Göttern I, Apollo und Tervigant ab und bekehrt sich zu Christus (2955). Die Heiden führen Standbilder der Abgötter I, Apollo, Mahmet und Tervigant mit in die Schlacht gegen die Christen (3880). I ist Helmzier und Schildwappen eines heidnischen Kämpfers (4987). Weil ihr I den Gatten nicht wiedergebracht hat, vertraut Guta auf die Hilfe von Christus (4596).
B13 ,Reinfried von Braunschweig':
I nahm
die Riesen Atlas und Enceladus gefangen, als sie Berge auftürmten und versuchten, den Himmel zu stürmen. Pseustis (Phenstis) erzählt diese Fabel der Aletheia (Alacie) (25287). I und die anderen Sarazenengötter werden vom heidnischen Heerführer nach der Niederlage gegen die Christen im Heiligen Land scharf kritisiert, weil sie ihm ihre Hilfe versagt haben, obwohl er ihnen stets treu gedient habe (16398/9). [1] I ist als einer der sieben Planeten in einem prächtig ausgestatteten Burgsaal zu sehen. Er besänftigt die aggressive Kraft des Saturnus (18632). [1] Die Nf. Jovis ist als eigene Göttergestalt aufgefasst.
C1 Der Meißner, X.7,4: Der Sänger beklagt
sich über den widrigen Lauf der Sterne und bittet I und die anderen Planeten, sie mögen ihm gnädig sein.
Dl Thomasin von Zerklaere,,Der welsche Gast' 2365: I ist der zweite der sieben Planeten, er ist heiß und feucht, seine Sphäre befindet sich zwischen viertem und fünftem Element (Feuer, Äther).
D2 ,Die Minneburg' 4464: Die Augen der
Geliebten leuchten so hell wie die Sterne I und Venus. El,Kaiserchronik': I wird in Rom an Donnerstagen in seinem herrlichen Tempel verehrt. Vor seinem Standbild dampft Weihrauch, dahinter befinden sich Regenrohre und Blitze (149; als röm. Gott genannt: 5063). Unter Caligulas Herrschaft bricht in Rom ein Feuer aus, das I nur verlöschen lassen will, wenn sich ein Ritter freiwillig opfert, wozu Jovinus [-» Curtius] bereit ist (1131/5). I gebührt die höchste Verehrung, weil er so mächtig ist, dass er alles Leben vernichten kann, wenn er zürnt (3719; theologisches Streitgespräch zwischen Faustinianus und Petrus).
E2 Otto von Freising,,Laubacher Barlaam': I
hat seinen Vater Saturnus kastriert, getötet und in die Hölle geworfen. Er verwandelte sich mehrmals in Tiere und andere Gestalten,
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um Frauen zu schwängern. So näherte er sich als Stier der Europa, als Goldregen der Danae, als Schwan der Leda, als Waldschrat [Satyr] der Antiope und als Blitz der Semele. Aus diesen Verbindungen gingen viele Kinder hervor, nämlich Bacchus, Apollo, Zethus, Amphion, Hercules, Diana, Perseus, Pollux und Castor, Helena, Minos, Rhadamanthys und Sarpedon, weiters neun Töchter, die Sängerinnen genannt werden. Somit gibt I ein Beispiel für die Verkommenheit der gr. Götter, die meineidig waren, tranken, fraßen und hurten (11068-11090; Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden; Katalog der gr. Götter).
E3 Rudolf von Ems, ,Barlaam': I ist für die Griechen der höchste und beste Gott. Er lenkt den Himmel, seine Hilfe ist groß, und er zeugte die wichtigsten Götter (9714; 9764; die Griechen preisen im Glaubensdisput mit den Christen ihre Götter). Aus christlicher Sicht verdient er den Namen Gott nicht, weil er Saturnus kastrierte und in die Hölle warf und durch Zauberei und falsche Liebe die Frauen betörte: So näherte er sich Europa als Stier, Danae als goldenes Kleinod, Leda als Schwan, Antiope als Waldschrat [Satyr] und Semele als Blitz. Alcmena betrog er in Gestalt ihres Mannes. Ebenso zeugte er auf betrügerische Weise mit Callisto den Areas (9911-9945; Replik des Christen Barlaam). E4 Rudolf von Ems,,Weltchronik'·. I hat Saturnus aus Griechenland nach Italien vertrieben (3212; 19993; genealogische Nennung als Vater des Areas: 19705).
E5 Reinbot von Durne,,.Der heilige Georg 2371'. I ist einer der zahlreichen Heidengötter und wird von dem heidnischen König Dakian im Gebet apostrophiert (Katalog). E6 Jans Enikel, .Weltchronik'·. I werden an Donnerstagen in Rom von Arm und Reich Weihrauch und Gold dargebracht, damit er ihnen Schutz gewähre (20335).
E7 Brun von Schönebeck, ,Das Hohelied': I ließ einmal alle Tiere zu sich kommen, um mit seinen Göttern zu entscheiden, welches das schönste Kind habe. Eine vor Liebe blin-
de Äffin stellte ihm das ihre als das schönste vor (5084; an die adeligen Frauen gerichtetes Exemplum). I ist einer der sieben Planeten und steht als „spiritus scientiae" für Klugheit und Wissen (1438/53).
E8 Hugo von Langenstein,
.Martina'·. Das
Gebet der Hl. Martina lässt die Statue Is zu Asche zerfallen. Christus habe I, Apollo und Diana den Engeln der Hölle überantwortet. Diese haben Gott an den falschen Göttern gerächt, meint Martina zu Kaiser Alexander. Dank ihrer Tugend bringt auch sie nun die Abgötter I, Apollo und Diana zu Fall (221b,45-226,3). E9 ,Die Erlösung' 6508: Entsprechend der Prophezeiung der Sibylle hat I so wie andere Übeltäter beim Jüngsten Gericht die Hölle zu erwarten (Katalog). II. 1) I und die ma. Mythendeutung; 1A) Euhemerismus, 1B) Physikalische, I C ) Dämonologische und 1D) Allegorische Deutung; 2) Rezeption des antiken I-Mythos; 3) 1 im Antikeroman; 3A) Trojaroman; 3B) Alexanderroman; 4) I als Gott der Muslime; 5) Anspielungen; 6) Zusammenfassung
1) Als höchster Gott der röm. Mythologie ist I eine der zentralen Göttergestalten in der ma. Mythenrezeption. Die Belege in Mythographie [1] und Literatur sind zahlreich und geben einen guten Einblick in die Deutungsstrategien, die die Rezeption des paganen Göttermythos durch das christliche MA kennzeichnen. Es sind im Wesentlichen drei, bereits in der späteren Antike entwickelte Methoden, namentlich die historische Interpretation oder der Euhemerismus, die physikalische und die allegorische Interpretation. [2] 1A) Aus euhemeristischer Sicht sind die Götter ursprünglich hervorragende Menschen, die aufgrund ihrer besonderen Kenntnisse und/ oder Position von den späteren als Götter verehrt wurden. [3] Diese historisch-rationalistische Erklärung findet im MA großen Anklang und wird auch in der volkssprachlichen Literatur rezipiert. In dem Exkurs zum I-Fest in A4 wird sie explizit erörtert. Reflek-
Iuppiter
tiert ist sie in A5, wo Venus mit dem I-Inkognito Avinör einen menschlichen Stammbaum erhält. Euhemeristisch scheint auch die Auffassung von I als (verstorben gedachtem?) Reichen in B8, weiters operieren die polemischen Ausführungen über die antiken Götter in E2 und E3 mit euhemeristischen Argumenten, ebenso E4. 1B) Die physikalische Interpretation sieht in den Göttern deifizierte Naturerscheinungen. Zentral ist bei I natürlich die Identifizierung mit dem Planeten. Die planetare Zuordnung der antiken Götter ist mit der Spätantike abgeschlossen, Götternamen und -eigenschaften beeinflussen auf diese Weise auch die (keineswegs einheitlichen) Vorstellungen der ma. Astrologie. [4] Sie geht von einem Zusammenhang zwischen makrokosmischen und mikrokosmischen Vorgängen aus, schreibt den Planeten bestimmte Qualitäten und Funktionen zu, die sich mitunter auf den Göttermythos beziehen, lässt sie auf den Weltenlauf Einfluss haben oder diesen zumindest illustrieren. So zeigt die Planetenvorstellung mitunter den Charakter einer Personifikation. Reflektiert wird die astrologische Deutung I's in A3, A6, B3, BIO, B13, B14, C l , D l , D2, E7.1 werden insbesondere moralische Funktionen zugeschrieben, der Planet weist in A3 auf geschehenes Unrecht, in Β10 verkörpert I die Freigebigkeit, in Β14 misst seine Helligkeit den Grad ritterlicher Tugend, in E7 gilt er als „spiritus scientiae" (die Zuschreibungen stellen königliche Befugnisse und Tugenden dar, im Hintergrund steht also die Vorstellung vom Himmelskönig I). Auf zukünftige Ereignisse deutet I in A6, Einfluss auf den Menschen wird der Planetenkonstellation in B3 und C l zugeschrieben. Die in B13 behauptete kompensatorische Wirkung I's gegenüber Saturnus könnte die astrologische „Übersetzung" des mythologischen Motivs vom Sturz des Saturnus durch I (so genannter Sukzessionsmythos) darstellen. D1 verbindet Astrologie und Temperamentenlehre. In D2 ist der Glanz des Planeten Vergleichsobjekt in der Schönheitsbeschreibung (dass der
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astrologische Vergleich die traditionelle Sonnenmetapher ersetzt, ist für den Liebesdiskurs der späthöfischen Minneallegorie typisch). Die astrologische Deutung verbindet sich mitunter mit dämonologischen Vorstellungen, womit die Rationalisierung der physikalischen Interpretation des Mythos wieder rückgängig gemacht ist. Planet und Planetensphäre sind nach dieser Auffassung Wirkungsbereich des zum Dämonen „herabgesunkenen" antiken Gottes. [5] IC) Die dämonologische Interpretation der antiken Götter gehört zur ältesten Schicht christlicher Mythendeutung und wird v.a. in der Polemik gegen die pagane Idolatrie greifbar (vgl. hierzu auch die Belege für Statuenverehrung in A2, A4, A6, El und E8). Die gängige Ansicht ist, dass in den antiken Götterbildern Dämonen ihr Unwesen treiben bzw. die Götter als Dämonen in ihren Standbildern ein gefährliches Weiterleben fristen. Die Vorstellung spielt in der Mythenrezeption des HochMA eine nur untergeordnete Rolle, in den geistlichen Texten ist sie aber nach wie vor präsent. So wird in E9 die Austreibung des Dämonen I aus seiner Statue und seine Vernichtung durch die christliche Heilige geschildert. Eine dämonologische (und/oder euhemeristische) Auffassung I's könnte auch hinter der Verdammung des Gottes zu ewiger Höllenqual in E8 stehen. Die antike Idolatrie wird außerdem auf die religiöse Praxis der Muslime übertragen und daher auch in jenen Texten thematisiert, die I als Gott der Sarazenen vorstellen (vgl. B7, B9 und B12, dazu unten). ID) Die allegorisch-moralische Deutung sucht nach einem tieferen Sinn in den antiken Mythen. Der verborgene „sensus moralis", das Integumentum, bringt den Mythos per analogiam in Verbindung mit christlicher Heilsund Morallehre. Die Deutungsmethode ist insofern von hoher geistesgeschichtlicher Relevanz, als sie die Tradierung antiker Mythologie und mythologischer Literatur (etwa auch von Epen wie Vergils ,Aeneis' oder Ovids Metamorphosen') legitimiert, ohne dass eine Deu-
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tung im literarischen oder mythographischen Text selbst immer erfolgen müsste (sie fehlt auch weitgehend bei den Mythographi Vaticani). Dies besorgt vielmehr die entsprechende Kommentarliteratur. Eine systematische allegorische Interpretation wird daher auch in der volkssprachigen Literatur erst spät greifbar, so Anfang des 14. Jh. im afrz. ,Ovide moralise', der den .Metamorphosen' Ovids explizit und systematisch christlich-moralischen Sinn zuweist. [6] In A l ist dies gerade nicht der Fall (erst der Überarbeitung durch Jörg Wickram sind moralische Deutungen angeschlossen). Dennoch ist die allegorische Interpretation neben der euhemeristischen Deutung die wesentlichste Voraussetzung für die relativ unproblematische Rezeption des antiken Götterapparats im ma. Antikeroman, aber auch in den mythologischen Exempla und Vergleichen des höfischen Romans und der höfischen Lyrik. Wichtiger als I sind in diesem Zusammenhang freilich die antiken Liebesgötter und Gestalten aus dem Heroenmythos wie Paris oder Helena. Anspielungen auf den I-Mythos verzeichnen nur B2 und Β13. Im Rahmen moralischer Fabeln im engeren Sinn wird I in B6 und E8 erwähnt. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass unterschiedliche Deutungsstrategien in demselben Text kombiniert werden können, wie etwa moralische und physikalische Deutung in Β13, die Vorstellung vom Sarazenengott und vom Planeten in B3, BIO, B13 und B14. 2) Daten und Motive aus dem antiken I-Mythos sind in unterschiedlichen Textgattungen und Anspielungstypen greifbar, insgesamt gesehen aber nur unter spezifischen Bedingungen und Intentionen reflektiert. Sie repräsentieren im volkssprachlichen Bereich also kein allgemein verbreitetes Wissen. Die detaillierten, dem ma. Publikum zum Teil nur schwer verständlichen mythographischen Informationen in A l basieren direkt auf Ovids M e tamorphosen'. Eigenständige Deutung oder explizite christliche Interpretation, wie sie an manchen Stellen (I als Weltenherrscher, Zeitaltermythos, Sintflut) durchaus möglich
wären, fehlen weitgehend. Die meisten referierten Mythen betreffen I's Liebschaften, auch hier wird auf eine Kommentierung verzichtet. In E2 und E3 geben sie willkommenen Anlass zu einer scharfen antipaganen Polemik, die der geistlichen Gattung (Legende) und dem Kontext (Glaubensdisput) entspricht, ansonsten aber für die Mythenrezeption des HochMA untypisch ist. Analoge Positionen vertritt im Übrigen schon die früheste antike philosophische Mythenkritik bei Xenophanes. In E3 werden die Metamorphosen I's bei seinen außerehelichen Affären zudem als Zauberkunststücke rationalisiert (vgl. insbes. die Umdeutung des Goldregens zur Schmuckschatulle). Mit Kastration und Höllensturz des Saturnus spielen E2 und E3 auf den antiken Sukzessionsmythos an, ein Reflex davon findet sich auch in A l (Ablöse des Saturnus, I wird in Kreta aufgezogen) und E4 (Vertreibung des Saturnus; das Mythologem ist der Deutungsweise der ma. Weltchronistik entsprechend als historisches Ereignis aufgefasst). I's Errettung vor Saturnus durch Rhea wird nur in A4 ausführlicher erzählt, aber aus kontextuellen Gründen adaptiert: I's Mutter habe I in Mädchenkleider gesteckt, um ihn vor dem Vater zu schützen, behauptet Thetis, weil sie dasselbe mit Achilles vorhat (mythographisch korrekt verbirgt Rhea I auf Kreta und überreicht Kronos/Saturnus statt des Kindes einen mit Windeln umwickelten Stein, den dieser verschlingt). Ein Reflex des Europa-Mythos könnte im ,Gauriel' Konrads von Stoffeln (4155) vorliegen: Hier entführt der auf einem Wisent reitende Riese Jorant die Tochter des Grafen Asterian (er wird später von Gauriel besiegt).
Himmel und Wetterphänomene
als I's my-
thologische Wirkungsbereiche und Manifestationen werden in A l , A2, El und E3 erinnert: I ist in A l , A2 und E3 Himmelsgott, in El Wettergott, die Angabe über seine Verehrung an Donnerstagen (El, E6) bezieht sich auf die röm. Wochentagsnamen. Die Nennung der Göttertrias I, Mars und Pluto könnte das mythologische Motiv der
Iuppiter
Machtaufteilung
zwischen I, Neptunus und
Pluto reflektieren.
An mythologischen Attributen Is nennt A l Blitz, Krone und Zepter, auf sie beziehen sich auch die in El genannten Insignien der I-Statue, Regenrohre und Blitzdarstellungen.
Von I's Vorsitz in der Götterversammlung weiß A l , das Motiv wird auch bei der Schilderung des I-Festes in A4 verarbeitet. 3) Die Rolle der antiken Götter in den ma. Antikeromanen ist je nach Sujet und Entstehungszeit der Texte durchaus unterschiedlich. Historische und allegorisch-moralische Deutung sind die Voraussetzung dafür, dass der antike Götterapparat in jenen Texten, die sich mittelbar oder unmittelbar auf antike mythologische Epik beziehen, als traditionelles literarisches und rhetorisches „Beiwerk" aufgefasst und ohne aufwendige Rechtfertigungen einbezogen werden kann. Eine zentrale Göttergestalt ist I nur in A l . Im ,Eneasroman' Heinrichs von Veldeke wird er nicht einmal erwähnt. Das Interesse des Textes finden vielmehr die Liebesgötter, wobei die entsprechenden mythologischen Motive der metaphorischen Darstellung von Wesen und Wirkung der Liebe dienen. [7] 3A) Stark zurückgedrängt ist der antike Götterapparat auch im frühhöfischen Trojaroman A2. Als Ubersetzung des ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure steht er in der Tradition der spätantiken Trojaberichte von Dictys und Dares, deren rationalistische, pseudohistoriographische Darstellung die Götter aus der Handlung weitgehend ausblendet. So sind auch die Nennungen Is in A2 bloße Angaben zur religiösen Praxis der antiken Heiden. Abgesehen von einem kurzen Exkurs zum Delphischen Orakel, das als Blendwerk des Teufels gedeutet wird, [8] fehlt jede kritische Auseinandersetzung. Ahnlich marginal ist die Rolle der Götter in A5, sieht man von Venus ab, die freilich ganz mit der personifizierten Liebe identifiziert wird und somit eine allegorische Gestalt abgibt. Breit rezipiert werden mythologische Motive allerdings in A4. Der Text zielt freilich nicht
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auf eine „Remythisierung" des historischen Stoffes, sondern auf seine Literarisierung, die ursächlich mit einer Neuorientierung bei den Quellen verbunden ist. A4 greift für die Ausgestaltung der entsprechenden Szenen auf die antike mythologische Tradition, vor allem auf Ovid, zurück. Die Literarisierung bringt eine Verlagerung der Textinteressen vom primär Historiographischen zu Themen wie Minne und Rittertum und entspricht hierin der Entwicklung des höfischen Romans. Der Prozess ist am Fest des I abzulesen. Voraussetzung und „Lizenz" für die Wiederaufnahme des Götterapparats in den Trojaroman ist die euhemeristische Deutung. Die mythographischen Fakten stammen v.a. aus dem ,Excidium Troie', das im Gegensatz zu Dares und Dictys an der antiken Mythographie und an der röm. Epik (v.a. an Vergils Aeneis') orientiert ist. Die Szenerie des Festes selbst findet ihr eigentliches Vorbild in der Erzähltradition des höfischen Romans. So repräsentieren I und die Götter eine typisch höfische Festgesellschaft, die sich durchaus mit Artus und seinem Hofstaat vergleichen lässt. Der Apfel der Discordia und der Streit der Göttinnen zeigen Bezüge zu den Tugendproben, die zum topischen Beginn des arthurischen Romans gehören. [9] Abgesehen von dem modifizierten Motiv der Rettung Is vor Saturnus durch Rhea, treten die mythologischen Motive aber auch in A4 im Laufe der Handlung in den Hintergrund. In das Kriegsgeschehen greift I, anders als der homerische Zeus, auch hier nicht ein. 3B) Aufgrund des historischen Sujets verzichtet der Alexanderroman von vornherein auf den Götterapparat der mythologischen Epik. Das früheste mhd. Zeugnis der Gattung, Lamprechts .Alexander', nennt I nicht. Die Nennungen in A3 und A6 beziehen sich wiederum nur auf die religiöse Praxis der Antike. Die besondere Verehrung Is durch Alexander in A3, Alexanders Anspruch auf göttliche Verehrung bzw. auf Verehrung als Sohn Is (vgl. auch das schwankhafte Motiv der vermeintlichen Zeugung durch I) und sein Ammonopfer in A6 spiegeln histori-
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sehe Gegebenheiten wider, namentlich die mit Alexander beginnenden Ansätze zum hellenistischen Herrscherkult. Die meisten Nennungen von A6 präsentieren I auffälligerweise als Gott der Perser. Insbesondere das Motiv der im Heer des Darius mitgeführten Götterstatuen und der Gottesabbildungen auf Bannern und Schilden sowie der I-Schlachtruf der Perser weisen dabei auf einen Einfluss des Sarazenengottes I: Stereotype Vorstellungen von der Religion der zeitgenössischen Orientalen werden auf die antiken Orientalen rückprojiziert. Dieser Automatismus dokumentiert das im MA fehlende Interesse für ein historisch perspektiviertes und differenziertes Verständnis fremder und vergangener Kulturen. Die Unterschiede werden vielmehr durch Analogieschlüsse nivelliert. Die Muslime werden nicht einfach als Andersgläubige, sondern als Heiden, als Anhänger einer polytheistischen Religion wahrgenommen. Und so ergibt sich der kuriose Befund, dass aus der Sicht des christlichen MA nicht nur die Muslime antike Götter wie I verehren, sondern vice versa der antike Orient neben I auch einem Gott Mahmet huldigt, so in A6 und A7. Die im Nebel einherziehenden Götter in A7 erinnern im Übrigen an das volksmythologische Motiv von der so genannten wilden Jagd. 4) Die Vorstellung, dass antike Götter von den Muslimen weiter verehrt werden, erklärt sich vermutlich aus dem Einfluss jener legendarischen Tradition, die von der Auseinandersetzung zwischen dem frühen Christentum und dem spätantiken Heidentum im östlichen mediterranen Raum berichtet. Beispiele geben die Georgs- (E5) oder die Martinalegende (E9). Wie schon das ahd. Georgslied (9. Jh.) von der Austreibung des Teufels Apollo aus seiner Statue durch Georg berichtet, so E9 von der des Zeus, des Apollo und der Artemis. Konstellationen und Motive dieses frühen Religionskonflikts zwischen Christentum und antikem Paganismus werden auf die ma. Auseinandersetzung zwischen Christen und Muslimen übertragen. Den Muslimen wird
Vielgötterei unterstellt, neben Mahmet, Kahun und Tervigant sollen sie angeblich auch antike Götter, v.a. Apollo und I, weiter verehren. Die scharfe christliche Polemik gegen die antiken Heidengötter, die im Antikeroman praktisch verschwunden ist, lebt hier in neuer Form weiter. Dass Apollo noch vor I die wichtigere Göttergestalt darstellt, erklärt sich aus seiner Zuordnung zum Orient und aus spätantiken synkretistischen Vorstellungen (in Zusammenhang mit der Sol-Verehrung und dem Mithraskult), die ihn mithin zum heidnischen Gegenpart von Christus werden ließen. [10] Auch antike heidnische Praxis wird fraglos auf die Muslime übertragen, insbesondere die Idolatrie. Die Gestalt I's ermöglicht außerdem die Verbindung von sarazenischem Götterglauben und astrologischen Konzeptionen (vgl. Β13, Β14). Als Sarazenengötter begegnen Apollo und I zunächst in der chanson degeste, also in jenen Texten, die vom Kampf Karls des Großen mit den Mauren in Spanien berichten (vgl. Β1, B7 und B8). Die Vorstellung überträgt sich weiter auf Orienthandlung und orientalische Helden im Aventiureroman (B3, B4, B9, BIO, B l l ) , auf den Heidenkampf als stehendes Motiv im späten pseudohistorischen Roman (B12, Β13, Β14) und findet sich schließlich auch in der späteren Heldenepik (B15, Β16). Zur Topik gehören Bitten und Klagen der Sarazenen an ihre Götter, insbesondere im Kampf (B3, B4, I ist Schlachtruf der Heiden in B9, BIO, B12, B13, B14, B15, B16; vgl. auch A6), die polemische Kontrastierung der Sarazenengötter mit dem wahren christlichen Gott (B5, B l l , B12 mit Bekehrungshandlung), die Mitführung von Götterstandbildern in die Schlacht (B7, Β12, vgl. A6) und Götterbilder als Heerzeichen (B9, B12, vgl. A6). Für den letztgenannten Typus sind das Amorbanner des heidnischen Ritters Noupatris und der Schild des Heerführers der Sarazenen, Terramer, im ,Willehalm' Wolframs von Eschenbach die direkten Vorbilder. [11] Die Überwindung und Zerstörung des Götterbildes (B9) ist sinnfälliger Ausdruck
Iuvenalis des Triumphs der „wahren" Religion durch christliche Heeresmacht. Mitunter zeigen sich auch Analogien zwischen sarazenischer Götterverehrung und christlicher Religion, so etwa bei der Göttertrias von I, Mars und Saturnus in B1 und B7. In B3 erscheint I weiters als Schöpfergott aufgefasst, dessen Kunstfertigkeit an seinem Geschöpf Parzival offenbar werde. Die Stelle verarbeitet den christlichen deus-artifex-Topos. In späteren Texten (B4, Β13) zeigt sich das Paradigma des Sarazenengottes um zahlreiche weitere antike Götter erweitert. 5) Für sich steht die Anspielung auf die Hochzeitsdecke von I und Iuno in B2. Das Motiv lässt an eine konkrete (mythographische?) Quelle denken, eine solche ist allerdings nicht festzumachen. Spezifisches mythographisches Wissen verarbeitet die Anspielung auf den Himmelssturm durch die Aloaden Otos und Ephialtes und ihre Vernichtung durch I in Β13 (wegen der ähnlichen Namensformen sind sie mit dem Titanen Atlas und dem Giganten Enceladus verwechselt; der Mythos ist in Al wie bei Ovid auf die Giganten übertragen). Der Verweis auf die Erzählung des Pseustis an Aletheia bezieht sich auf die ,Ecloga Theoduli', einen bekannten mythographischenText (10./11. Jh.), in dem im Dialog zwischen dem heidnischen Lügner und der christlichen Wahrheit mythologische und biblische Exempla einander gegenübergestellt werden. Auf diese Weise wird eine Konkordanz entwickelt, die wiederum allegorisch-moralische Deutung vorstellt. 6) Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Bandbreite und die unterschiedlichen Funktionen der dt. I-Belege einen guten Eindruck von der mitunter widersprüchlichen Vielfältigkeit ma. Antikerezeption vermitteln. Etwas unterrepräsentiert sind die im engeren Sinne mythographischen Daten. Sie werden in der lat. Literatur breiter rezipiert, stellen in der volkssprachlichen Literatur aber kein Allgemeinwissen dar. Wichtiger ist hier die Vorstellung von I als Gott der Sarazenen und die planetare Zuordnung, die freilich keine
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astrologischen Spezialkenntnisse vermittelt. Euhemeristische, physikalische und allegorische Deutung sind vorausgesetzt, v.a. in den literarischen Texten aber nur fallweise explizit greifbar (bes. A4). Ihre Blüte bringen erst Mythographie und Mythenrezeption in Renaissance und Humanismus. Obwohl natürlich auch im MA christliche Aneignung und Interpretation der antiken Götterwelt zu fassen sind, bleibt eine so kühne Identifikationen wie Dantes Christus-Epiklese „o sommo Giove" (,Purgatoriol VI, 119) singular. [1] Vgl. Chance, Medieval Mythography, passim (Reg.). [2] Vgl. Seznec, Das Fortleben, 13ff.; Brisson, Philosophie des Mythos, 168ff. [3] S.v. Euhemerismus (K. Thraede), in: RAC, Bd. 6, Sp. 877-890. [4] Ein Überblick s.v. Astrologie (J. D. North, B. L. van der Waerden, H. Greive) und s.v. Astronomie (E. Heyse), in: LMA, Bd. 1, Sp. 1135-1145 und Sp. 1145-1153. [5] Zur Verbindung von physikalischer und dämonologischer Deutung vgl. Seznec, Das Fortleben, S.31ff. [6] Zum ,Ovide moralise' Ovidius (II.l). [7] Amor/Cupido, Venus. [8] -» Apollo (I.A3). [9] Zur arthurischen Szenerie des I-Festes Lienert, Geschichte und Erzählen, 42f. [10] -» Apollo (II. 1). [11] Wolfram von Eschenbach, .Willehalm' 24,2ff. bzw. 442,9ff., hierzu Kern, Edle Tropfen, 450ff. und ders., Amors schneidende Lanze, bes. 590f. [mk]
Iuvenalis [D. Iunius I, röm. Satiriker, 1./2. Jh. n. Chr.]
R: Dichter, Meister, herre (Epitheton) (D2) Nf.: Juvenal (Dl, D2) I. Dl Wernber von Elmendorf. Obwohl I ein Heide war, hat er zu einem gottgefälligen Leben geraten (583). Er hat bemerkt, dass sich Schönheit und Tugend selten verbinden (901; 911), und dass das schlimmste an einem Schalk seine Zunge sei (1056). D2 Hugo von Trimberg,, Der Renner' (Juvenal): Der Dichter I ist einer jener adeligen Römer,
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die den Wert der Kunst für Ehre und Tugend erkannt haben (1267; Katalog). [1] I hat seinen Verstand den verschiedensten Gegenständen („materjen") gewidmet (9353; Katalog); [2] er musste sein Leben lassen, weil er die Wahrheit schreiben wollte (14669; Katalog). [3] I verbürgt die Ansicht, dass der Heimlichtuer und Schmeichler bei Hofe angesehener sei als der Ehrliche (2178); er meinte, dass es kaum irgendwo mehr Weise gebe, als Theben Tore habe, und bezeugt damit, dass die Dummen in der Überzahl sind (17437). [1] Ferner werden genannt: Numa, Maecenas, Vergil, Caesar, Ovid und Lucan. [2] Neben christlichen Autoren wie Augustinus u.a. nennt der Katalog noch Vergil, Horaz und Ovid. [3] Ferner werden u.a. Vergil, Horaz, Cicero, Lucan und Aristoteles genannt.
II. I war im MA angesehener Schulautor und galt als Moralist. [1] Die frühen Nennungen in Dl basieren direkt auf dem ,Moralium dogma philosophorum' (um 1165), das seinerseits wesentlich auf Ciceros ,De officiis' beruht. [2] D2 steht in einer mittlerweile auch in der dt. Literatur ausgeprägten didaktischen Tradition und greift u.a. auf entsprechende Florilegien zurück. In Dl repräsentiert I den Typus des guten Heiden, in D2 ist er als herre (1267, 9353) und Meister (2178) tituliert. Die Nennungen reflektieren insgesamt die üblichen Topoi (moralische Anweisungen, Zeitklage, Missachtung der Gelehrsamkeit). Dass I in diesem Zusammenhang allerdings nur in Dl und D2 erwähnt wird, zeigt, dass er abseits der lat. Gelehrsamkeit wenig bekannt war. In der mhd. Literatur repräsentieren den Exempeltypus üblicherweise prominentere Gestalten wie Cato, Seneca, Vergil, Cicero, Aristoteles u.a.m. Die Anspielung auf Is Ende in D2 (14669) könnte ein Reflex seiner vermutlich nicht historischen Verbannung sein, die hier (nach dem Muster Senecas?) zum Tod umgedeutet wird.
[1] S.v. Juvenal im Mittelalter Bd. 5, Sp. 831. [2] Bumke (Hg.), XXXIIf.
(F. Brunhölzl), in: LMA, [mk]
Ixion [König der Lapithen, Vater des Pirithous; weil er Iuno begehrte, büßt er in der Unterwelt und dreht sich gebunden an ein Feuerrad ewig im Kreise; M M 4,461]
R: König von Korinth (El) Nf.: Yxion (El) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen '·. I ist einer der Büßer in der Hölle. Er wird durch scharfe Dornen gezerrt und muss dann einen Berg hinab rollen (4,483; Katalog). Iuno ergrimmt bei seinem Anblick, weil I so schwer büßen müsse, sein Bruder Athamas, der Ziehvater des Bacchus, aber ungeschoren bleibe, und beauftragt die Furien, diesen mit Wahnsinn zu schlagen (4,871; Unterweltfahrt der Iuno). I hält wie die anderen Büßer in seinen Qualen inne, um Orpheus' Gesang zuzuhören (10,113; Orpheus in der Unterwelt; Katalog); er ist Vater des Pirithous (8,601). El Rudolf von Ems,,Weltchronik'26784:1 ist einer der Könige von Korinth (Katalog). II. I ist einer der traditionellen Büßer in der Unterwelt, im Unterschied zu Tantalus in der dt. Antikerezeption allerdings weniger bekannt. Beide Nennungen beziehen sich direkt auf lat. Quellen. Die Übertragung des Motivs vom hinabrollenden Stein des Sisyphos auf I in Al erklärt sich aus der äußerst knappen Angabe bei Ovid („volvitur Ixion et se sequiturque fugitque"; „gedreht wird Ixion, er verfolgt und flieht sich zugleich"; MM 4,461). Möglicherweise ist sie auch von Glossen angeregt. Die mythologische Ironie, die in Iunos „begehrlichem" Blick auf I bei Ovid liegt, ist in Al nicht nachvollzogen. Als weitere Büßer erwähnen die Kataloge Tityos, Tantalus, Sisyphos und die Danaiden.
Ixion In E l ist I dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend als historischer König von Korinth gefasst. Mögliche Quelle ist die Nennung in der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 87a). Hier wie dort werden die ent-
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sprechenden profangeschichtlichen Daten in Herrschaftskatalogen aufgelistet, auf narrative Darstellung wird in E l weitgehend verzichtet. [mk]
L Labienus
Laelius
[Um 99-45 v. Chr., 63 röm. Volkstribun, Anhänger Caesars, 58-50 Legatus pro praetore bei Caesar in Gallien, wechselt im Bürgerkrieg auf die Seite des Pompeius, fällt in der Schlacht bei Munda]
[Um 190-129 v. Chr., Freund des jüngeren Scipio, mit dessen Hilfe er in der Politik Karriere macht]
El ,Kaiserchronik' (Labian): Fürst L kämpft auf Seiten Caesars in Deutschland. Mit seiner und Cingetorix' Hilfe kann dieser Trier erobern, dessen Bewohner sich vier Jahre lang erfolgreich gegen die Römer gewehrt haben (404; 418; Caesars Eroberungen). [1] [1] Die Quelle von El ist nicht genau zu bestimmen, möglich ist ein Bezug auf die ,Gesta Treverorum', s.v. Kaiserchronik (E. Nellmann), in: VL, Bd. 4, Sp. 949-964, hier Sp. 956. Letztlich lassen sich die zu L gegebenen Informationen auf Caesars ,De bello Gallico' zurückfuhren, vgl. s.v. Labienus [4.] (H. G. Gundel), in: DKP, Bd. 3, Sp. 429f.
El ,Lucidarius' (Lelius)·. L und Scipio werden als Beispielfiguren für Eintracht genannt. Im Vergleich zur Eintracht der Seligen muss ihre Eintracht freilich als Zwietracht erscheinen (74,6; 75,10; Uber die Freuden der Seligen; Exempelkatalog). [1] [1] An weiteren Exempla für herausragende Eigenschaften und Tugenden, die von den Freuden der Seligen überboten werden, nennt der Katalog noch Augustus und Alexander (mächtige Herrscher), Salomon (weiser Herrscher), Absalom (Schönheit), Ashael (Schnelligkeit), Samson (Stärke), Moses (Gesundheit), Methusalem (langes Leben), David und Jonathan (Freundschaft) und Joseph (Ehrerbietung). [sks]
[sks/mk]
Laertes Lacedaemon [Sohn des Zeus und der Taygete, Gatte der Sparte, Heros Eponymos von Lakedaimon]
El Rudolf von Ems,, Weltchronik' 10479 (Lacedemon)·. L, der Sohn der Semele [!], flieht vor den Ägyptischen Plagen nach Griechenland und gründet Lacedaemonien (Staatsgründungen in Griechenland). [1] [1] Die Angaben folgen der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1153b). Wie es zu der geänderten Genealogie kommt, ist unklar. Bei dem Motiv der Einwanderung aus dem Orient wird es sich um eine Übertragung aus dem Bacchus- oder aus dem Cadmusmythos handeln. Dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, sind die mythologischen Daten historisch aufgefasst und werden in meist katalogartigen profangeschichtlichen Exkursen („incidentia") zur Heilsgeschichte erinnert. In diesem Fall ist das profangeschichtliche „incidens" direkt mit dem biblischen Geschehen verbunden. Weitere „Flüchtlinge" vor den Ägyptischen Plagen sind Cecrops und Bacchus. [mk]
[Sohn des Arkesios und der Chalkomedusa, Gatte der Antiklea, Vater des Ulixes; MM 12,625; 13,144]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 13,227'· L, der Vater des Ulixes, ist Sohn des Arcesius und Enkel Iuppiters. Auf diese göttliche Abstammung beruft sich Ulixes im Streit um die Waffen des Achilles. [mk]
Laestrygon [Bruder des Cyclops, plündert das Schiff des Ulixes; Dictys 124,3; Benoit 28617 Lestrigonain]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 17571 (Lestugo): L und sein Bruder Cyclops greifen Ulixes bei Sizilien an und rauben ihm den wertvollsten Teil der Schiffsladung. Den Rest plündern ihre Söhne Polyphem und Antiphates (Abenteuer des Ulixes). [1]
Laius — [1] Die Laistrygonen sind in der .Odyssee' (10,81ff.) ein Volk menschenfressender Riesen, die alle Schiffe mit Ausnahme desjenigen von Odysseus zerstören und die Männer fressen. Die Umformung des Motivs und seine Kreuzung mit der Kyklopenepisode geht auf Dictys zurück. Sie zielt im Sinne der pseudohistoriographischen Konzeption dieses Trojaberichts auf eine Rationalisierung der mythischen Motive. In der Genealogie von Al ist unklar, ob Cyclops wie bei Benoit als Vater des Antiphates (der König der Laestrygonen bei Homer) und Laestrygon als Vater des Polyphem gedacht ist oder umgekehrt, was zur ursprünglichen Sage besser passen würde. [mk]
Laius [Mythischer König von Theben, Gatte der lokaste, Vater des Oedipus, ein Orakel prophezeit ihm den Tod durch die Hand seines Sohnes, er lässt diesen deshalb aussetzen und wird später von ihm erschlagen]
B1 Ulrich von Etzenbach, ^Alexander' (Layus):
L h e r r s c h t n a c h A m p h i o n als K ö n i g ü b e r
Laodamas
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Lamia [Kinderfressendes Ungeheuer] Nachbenennung Ulrich von Etzenbach, ,Alexander' 22128 (Lanich)·. Die Griechen treffen bei ihrem Zug durch Indien auf mehrere Wundervölker, darunter die Lanich, das sind schöne Frauen mit Pferdefüßen. Alexander nimmt zwei von ihnen mit (Wundervölker Indiens). [1] [1] Die Lanich könnten auf die in Libyen lokalisierte(n) Lamie(n) („Verschlingerinnen") zurückgehen, die nach antik-mythologischer Vorstellung ihre Gestalt beliebig verändern. Ihr Aussehen hier ist vielleicht von den Kentauren beeinflusst. (Ähnlich ist im Übrigen die ziegenfüßige, von einem Satyrn gezeugte Hypatia in Umberto Ecos ,Baudolino', 2001, 479ff. vorgestellt.) Das Motiv, dass der Held Exemplare der Wundervölker mit sich nimmt, findet sich auch im ,Herzog Ernst' in Verbindung mit Cyclopes und Pygmaei. [mk]
Lampetides
Ampycus
T h e b e n . A u f g r u n d der Weissagung, er w e r d e d u r c h d i e H a n d seines e i g e n e n K i n d e s s t e r ben, befiehlt er seiner [nicht n a m e n t l i c h ge-
Lampus
n a n n t e n ] Frau, ihr neugeborenes K i n d , O e -
[Bruder des Priamus; Dictys 100,10; Dares 8,5 Lampon]
d i p u s , t ö t e n z u lassen. S i e a b e r lässt es i m
Al Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung 47330·. D e r t r e f f l i c h e F ü r s t L
W a l d aussetzen. A l s E r w a c h s e n e r begibt sich O e d i p u s a u f die Suche nach seinem Vater ( 2 8 2 7 ) , t r i f f t in D e c h l o n [Delphi] a u f seine
hält die Trojaner
zwar für schuldlos
am
Leid der G r i e c h e n , s p r i c h t sich aber bei d e n
E l t e r n , o h n e sie z u e r k e n n e n , u n d t r i t t i n L's
Friedensverhandlungen für eine Versöhnung
Dienste. A l s sich dieser eines Tages d e r alten,
aus.
fast vergessenen G e s c h i c h t e v o n s e i n e m K i n -
[sks]
de erinnert u n d Oedipus genauer betrachtet, s c h ö p f t er V e r d a c h t , d i e s e r k ö n n t e s e i n S o h n s e i n , w i l l i h n t ö t e n lassen u n d f ä l l t i m K a m p f g e g e n i h n ( 2 9 4 7 ) . O e d i p u s h e i r a t e t L's W i t w e u n d d a m i t unwissentlich seine eigene M u t t e r ( 2 9 9 7 ) (Alexanders Z u g gegen T h e b e n ; Ex-
Laodamas [Sohn des Hector und der Andromache; Dictys 74,9; Benoit 15271 Laudamanta} G : S o h n des H e c t o r ( A l , A 2 ) u n d der A n d r o -
kurs z u m thebanischen M y t h o s ) . [1] [ 1 ] Die kurze Anspielung auf den thebanischen Mythos bei Walter von Chätillon (I,302ff.) ist in B1 - unter Rückgriff auf Glossen — zu einem breiten Exkurs ausgebaut. Der Moment der Anagnorisis ist interessant, fast psychologisch gestaltet, wenn es heißt: „sin gedanc in dar zuo brähte,/ daz er vergezzener dinc gedähte/ und an daz kint, daz was vercleit./ sin herze im niuwen kummer seit" („Seine Gedanken brachten ihn dazu, an verdrängte Ereignisse und an das Kind zu denken, um das man geklagt hatte. Das erneuerte das Leid seines Herzens"; 2965ff.). Zu Stoffgeschichte und Umdeutungen -* Oedipus. [mk]
m a c h e ( A l ) , B r u d e r des A s t y a n a x ( A l ) Nf.: Laomedonta, Laudamanna (Al),
Leo-
domant (A2) I.
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Andromacha beschwört Hector beim W o h l e von L u n d Astyanax, nicht zu k ä m p f e n
(9649;
H e c t o r s T o d ) . N a c h d e m Fall T r o j a s b i t t e n Cassandra u n d Helenus die Griechen, L u n d
350
Laomedon [1]
Astyanax zu schonen ([16376]). Sie begleiten Andromacha an den Hof des Pyrrhus. Die von diesem entführte Hermione fühlt sich von ihnen bedroht. Menelaus' Versuch, die beiden zu töten, scheitert. Pyrrhus' Sohn [Molossus] sichert L später die Herrschaft überTroja (18163; Nachgeschichte des Trojanischen Krieges; Pyrrhus). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung 41006: Der junge, tugendreiche Sohn des Hector, L, begleitet mit seinem Bruder Astyanax Priamus zu den Griechen, um Hectors Leichnam von Achilles zurück zu erbitten. II. Von einem zweiten Sohn Hectors namens L weiß erst derTrojabericht des Dictys Cretensis, die Gestalt wird von Benoit de Sainte-Maure übernommen, ihm wiederum folgt Al. A2 greift direkt auf Dictys zurück. Zur Verarbeitung der traditionellen Abschiedsszene am Skäischen Tor in Al -* Astyanax. [mk/sks]
Laomedon [1] [König von Troja, S o h n des Ilus und der Eurydice, u.a. Vater des Priamus, der Antigone und der Hesiona; prellt Apollo und Poseidon um den Lohn für die Erbauung der Mauern Trojas; Poseidon schickt deshalb ein Ungeheuer, dem Hesiona geopfert werden soll; als L nun ihrem Retter Hercules den Lohn verweigert, zerstört dieser Troja ein erstes Mal und erschlägt L]
G: Vater des Priamus (A2, A3, E l ) , der Antigone (Al), der Hesiona (Al, A2, A3), Großvater des Hector (A2), des Aiax (A2) und des Paris (A3), Vorfahre des Aesacus (Al) R: König von Troja (Al, A2, A3, B l , E l ) Nf.: Lamedon (A3), Laumedon (Bl, E l ) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Auch L kann seiner Tochter Antigone nicht helfen, als sie von Iuno in einen Storch verwandelt wird (6,179). L erbaut mit Apollos und Neptunus' Hilfe Troja, betrügt sie aber
um ihren Lohn, worauf Neptunus das Land vom Meer überfluten lässt und Hesiona als Opfer fordert. Als der eidbrüchige und treulose L auch Hesionas Retter Hercules um seinen Lohn prellt, belagert und erobert dieser Troja (11,353-369; Erbauung und erste Zerstörung Trojas; RV: 13,50; als Vorfahre des Aesacus genannt: 11,310). A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': L ärgert sich über die Landung der Argonauten vor Troja, vermutet einen geheimen Auftrag zur Zerstörung der Stadt und verweist sie des Landes. Hercules droht ihm mit Rache (347; 368). Als er nach der Argonautenfahrt mit einem Heer vor Troja landet, erkennt ihn L an seinem Schild ([1190]). Er schätzt die Stärke des Heeres gering ein, riskiert einen Ausfall, wird von Nestor vom Pferd gestochen, behält aber die Oberhand und glaubt als Sieger heimzukehren. Inzwischen ist Hercules aber in die Stadt eingedrungen und enthauptet L im Zuge der neu aufflammenden Kämpfe (1492-1659; Erster Trojanischer Krieg; RV: 5943; 5945). A3 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg': L, der König von Troja, übergibt Priamus aus Altersgründen die Reichsgeschäfte (4682; Priamus' Rückkehr nach Troja); freut sich über die Rückkehr des als Kind ausgesetzten Paris nach Troja (4695; 4712; 5326; 5748). Als Iason und seine Männer ohne Erlaubnis vor Troja landen, fürchtet L einen Angriff der Griechen und lässt sie nach einer Ratsversammlung des Landes verweisen. Die erbosten Griechen schwören Rache (69337211; Argonautenfahrt; RV: 7352; 10230; 11390; 13023). Hercules plant deshalb einen Feldzug gegen Troja (11425; 11435). L bietet gegen die Belagerer 30000 Mann auf und kämpft trotz seines hohen Alters tapfer (11821; 11928-12348). Als Hercules während der Feldschlacht in Troja eindringt, kehrt L auf Dares' Rat in die Stadt zurück und wird von den Griechen von zwei Seiten angegriffen (12393). Er wird von Hercules im Zweikampf getötet, die fliehenden Trojaner werden niedergemetzelt, und die Stadt wird
Laomedon [1] zerstört (12625-12879; Erster Trojanischer Krieg). L wird von Priamus beklagt (13098; 13125; 13230; RV: 23707). L unterlag, weil er die Stadttore nicht ausreichend bewachen ließ (30288). , Trojanerkrieg-Fortsetzung·. Antenor verweist in einer Rede auf die Vertreibung Iasons durch L (45952-45975; 49728: RV auf L's Tod).
B1 Ulrich von Etzenbach, Alexander': L,
der neunte König von Troja, ließ eine Burg bauen, die er nach dem Namen seines Landes Ilion nannte, betrog die Baumeister Phoebus und Neptunus um ihren Lohn und wurde zur Strafe erschlagen. Homer weiß von den Königen Trojas viel zu berichten (4813; 4836; Alexander in Troja; Exkurs zur Geschichte Trojas).
El Rudolf von Ems,,Weltchronik': L ist einer der Könige von Troja, sein Sohn und Nachfolger ist Priamus (20298; 20330; Katalog der Könige von Troja). II. 1) L in der antiken Epik; 2) L und die erste Eroberung Trojas im ma. Trojaroman; 3) Zusammenfassung
1) L ist schon in der ,Ilias' Vater und Vorgänger des Priamus (20,236). Homer weiß auch bereits von der Erbauung der Stadtmauern durch Apollon und Poseidon unter L's Herrschaft (7,452; 21,44Iff.) sowie von einer ersten Zerstörung Trojas durch Herakles, weil ihm L die geforderten troischen Rosse nicht geben will (5,638ff.). Die spätere epische Tradition entwickelt aus diesen Motiven die Sage vom Betrüger L, der die Götter um ihren Lohn bringt. Aus Rache sendet Poseidon ein Meeresungeheuer, dem Hesiona geopfert werden soll. Herakles rettet sie und erobert die Stadt ein erstes Mal. [1] Dieser sekundäre Mythos dient der zyklischen Verbindung der verschiedenen Sagenkreise und bringt sie in eine stringente Chronologie, die zudem auf eine komplexe Verkettung von Schuld und Rachehandlung innerhalb des Heroenmythos abzielt. Ovid verarbeitet die Sage in den .Metamorphosen' (ll,199ff.), aus denen sie A l übernimmt. Der antiken epischen Tradition
351
folgt auch die Anspielung auf die Trojasage in der Alexandreis' Walters von Chätillon (I,452f., ohne Nennung L's und Hesionas). Β1 erweitert sie - wohl unter Einbeziehung von Glossen [2] — um eine Berufung auf Homer und eine falsche Erklärung des Stadtnamens. Die mythographischen Daten selbst sind stark verkürzt dargestellt. A l berichtet nach Ovid auch von dem Verwandlungsmythos der LTochter Antigone, der sonst nur in der gelehrten Mythographie des M A belegt ist. [3] 2) Für den ma. Trojaroman ist die rationalisierte Variante der ersten Eroberung Trojas in dem pseudohistoriographischen Bericht des Dares wichtig. Ursache für die erste Eroberung ist hier der Landesverweis der Argonauten durch L. Dares' Version folgt der ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure. Auf diese Weise werden Argonautenfahrt und Iason-Medea-Mythos integrativer Bestandteil des ma. Trojaromans. Die Eroberung selbst liefert mit der Entführung Hesionas zudem die Rechtfertigung für diejenige Helenas durch Paris. Dies kommt der grundsätzlich trojafreundlichen Perspektive des MA entgegen, die sich v.a. aus der universalhistorischen Bedeutung der Stadt erklärt (Aeneassage, Idee
der translatio imperii, Trojagenealogien) [4].
A2 und A3 greifen direkt auf Benoit zurück, entsprechend analog sind Handlungsgang und Motive (Landesverweis, Racheschwur des Hercules, Eindringen der Griechen in die Stadt während der Feldschlacht, in A2 enthauptet Hercules L, in A3 fällt er im Zweikampf). A3 zeigt allerdings eine gewisse Eigenständigkeit. [5] Erster und zweiter Trojanischer Krieg sind im Übrigen bereits bei Benoit einander zeitlich stark angenähert. Priamus befindet sich während der Ereignisse gerade außer Landes, sonst hätte er die erste Zerstörung der Stadt verhindert. Bei seiner Rückkehr sind seine beiden Söhne Paris und Hector bereits junge Ritter (A3). El nennt L nur im Rahmen eines Herrschaftskatalogs. Der Tradition lat. Weltchronistik entsprechend, wird auf eine narrative Darstellung der profangeschichtlichen Daten
352
Laomedon [2] — Larina
weitgehend verzichtet. Quelle von El ist die .Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1283). 3) Den unterschiedlichen Traditionen entsprechend, variiert die Charakterzeichnung L's in den Belegen: A l und B1 sehen L nach antiker Tradition als treulosen Betrüger an, A2 gibt mit Hercules' Vorwurf der Feigheit nur einen vagen Hinweis auf L's Charakter, A3 zeichnet ein differenzierteres Charakterbild und erwähnt neben L's Ängstlichkeit und Unfreundlichkeit auch sein edles Wesen, seine Tapferkeit und Kampftüchtigkeit. Dies entspricht der deutlichen Tendenz zur höfischen Idealisierung in A3.
I.
Al Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg·. Die L sind ein kampflustiges, tapferes Volk und leben in wilden Gebirgswäldern. Sie bestreiten einen Kampf gegen die Kentauren (62256281; Achilles' Erziehung durch Chiron).
El Rudolf von Ems, .Weltchronik'
20135:
Die Lapithen trugen mit den Centauri zu Lebzeiten des Hercules einen heftigen Kampf aus. Nach Palaephatus zeichneten sie sich dabei durch rossgleiche Schnelligkeit aus. II.
[1] S.v. Laomedon [l.J (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 3, Sp. 487f. [2] Vgl. die Glosse 453 aus der Wiener Hs. (V) bei Colker (Hg.), 369. [3] Vgl. Myth. Vat. 1,179. [4] -»Aeneas (II.). [5] Zur Bearbeitung im Detail Lienert, Geschichte und Erzählen, 76ff. Nachbenennung Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crone'606 (Loumedon): Der Ritter Loumedon nimmt am Artusfest teil. [ 1 ] [1] Ein direkter Bezug auf die antike Gestalt ist aus dem Beleg nicht abzulesen. Die Nf. zeigt allerdings Anklänge an L. [mk]
Die Kentauromachie ist ein populäres literarisches Motiv und beliebtes Sujet in der bildenden Kunst der Antike. Die ausführlichste epische Darstellung bieten Ovids .Metamorphosen' 12,2 lOff., denen A l hier folgt. Eine direkte Ubersetzung aus Ovid liegt in den ,Metamorphosen' Albrechts von Halberstadt vor, allerdings ohne Nennung des Namens der L. [1] Der Beleg in El folgt der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1283b), dort auch der Hinweis auf die Apista' des Palaiphatos, [2] die die Kentauren als „nobiles equitesThessalorum" auffassen. El überträgt die Deutung auf die L.
Laomedon [2]
[1] -» [2] -*
Pirithous. Palaephatus.
[Erhält 323 v. Chr. nach Alexanders Tod die Satrapien Syrien und Phönikien; Curtius X. 10,2]
[mk]
Al Ulrich von Etzenbach, »Alexander 27005
Larina
(Lameos)·. L erhält laut Alexanders Testament die Herrschaft über Syrien (Alexanders Tod in Babylon; Katalog der Erben). [1]
[Gefährtin der Camilla; Aeneis XI,655; RdE 7004 Larine]
[1] 27018 wird außerdem ein Leon genannt, der laut Alexanders Testament Cirien erhält. Er könnte aus L bei Q. Curtius Rufus gedoppelt sein. [sks]
Lapithae [Mythisches Geschlecht riesenhafter Helden aus Thessalien, besiegen die Kentauren in einem Kampf auf dem Hochzeitsfest des Pirithous]
Nf.: Laffici (Al), Lapithin (El)
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman' 8918 (Lareine): L, eine Jungfrau aus dem Heer der Camilla, wird von Orsilochus erschlagen. Sie ist die erste Gefallene aus Camillas Gefolge, ihr Tod lässt die Trojaner erkennen, dass sie es mit sterblichen Kämpferinnen und nicht mit Göttinnen zu tun haben (Kampf um Italien). [1] [ 1 ] Das Motiv von L's Tod durch Orsilochus fehlt bei Vergil ebenso wie der Irrglaube der Trojaner, Camilla und ihre kämpfenden Jungfrauen seien Göttinnen. Beides übernimmt Al aus dem ,Roman d'Eneas'. [mk/sks]
Latinus
Latinus [Sagenhafter König von Latium, Vater der Lavinia]
G: Sohn des Faunus und der Nicostrata (El), Vater der Lavinia (Al, A2, El), Großvater des Silvius (A2) R: König von Italien (Al, Ε1) bzw. Laurentum (A2)
Nf.: Latin (A2, E l ) I. A l Heinrich von Veldeke, ,EneasromanDer alte, weise und mächtige L empfängt die Boten des Aeneas freundlich, schickt Aeneas Geschenke und verspricht, dem Willen der Götter zu gehorchen und Lavinia Aeneas zur Frau zu geben. Turnus muss deshalb auf die ihm versprochene Lavinia und das Reich verzichten (3651; genealogische Nennung; 3852-4119; Aeneas' Ankunft in Italien). Die Königin [Amata] macht L wegen der Einwilligung in die Hochzeit Vorwürfe, L rechtfertigt sich mit dem Beschluss der Götter und verlässt seine Gattin im Zorn (41454295). Er wird von Turnus des Wortbruchs beschuldigt und weist dessen Klagen gegen Aeneas zurück (4366-5425; Kampfvorbereitungen) . Er will einen friedlichen Ausgleich mit Aeneas erreichen, damit sein Land nicht zugrunde gehe. Drances unterstützt sein Anliegen (8429-8 541; Kampf um Italien). L billigt Turnus' Vorhaben, die Entscheidung durch einen Zweikampf herbeizuführen, um unnötiges Blutvergießen zu vermeiden (8735), bittet Aeneas um einen sechswöchigen Waffenstillstand, versucht Turnus vergeblich von der Aussichtslosigkeit seines Kampfes zu überzeugen (9272-9613), lässt seine Götterbilder auf dem Kampfplatz auf einem Teppich aufstellen und nimmt vor dem Zweikampf von beiden Parteien Geiseln (11616-12207). Nach Aeneas' Sieg lädt L zur Hochzeit von Aeneas und Lavinia und nimmt seinen Schwiegersohn an Sohnes statt an (12775-13305; Hochzeit von Aeneas und Lavinia). hl Albrecht von Halberstadt„Metamorphosen Der mächtige L empfängt Aeneas freundlich
353
und gibt ihm seine Tochter Lavinia zur Frau (14,536-541; Aeneas). Ihm zu Ehren wird Aeneas' und Lavinias Sohn Silvius auch Latinus genannt (14,592). El Rudolf von Ems, , Weltchronik'·. L ist der Sohn des Faunus und der Nicostrata, die das lat. Alphabet erfunden hat. L hat in der Folge die lat. Sprache („welsche zungin") reformiert und die Schrift („latine") im Land verbreitet. Land und Leute heißen nach ihm Latiner (20074-20093; Katalog der Könige Italias; Aition für die Erfindung der lat. Schrift). Der edle L gibt seine Tochter Lavinia dem Aeneas zur Frau. Dieser übernimmt nach L's Tod die Herrschaft (26415-26437; 26512).
II. Der mythische König L, Heros Eponymos des röm. Stammlandes Latium, [1] ist eine der Hauptgestalten der Aeneassage. In seine Regentschaft fällt der Kampf des Turnus gegen die Trojaner unter Aeneas, Dieser übernimmt von seinem späteren Schwiegervater die Herrschaft über Italien. Der nationale röm. Mythos ist für die ma. Universalgeschichte und die Idee der translatio imperii, der Übertragung der Weltherrschaft von den Römern auf die Franken, von zentraler Bedeutung. [2] Die autoritative Quelle ist für das lat. MA natürlich Vergils ^Aeneis'. Sie erfährt durch den afrz. ,Roman d'Eneas' eine volkssprachliche Bearbeitung mit breiter Wirkung. Ihr folgt A l , z.T. mit direkten Rückgriffen auf Vergil. A2 folgt den entsprechenden Angaben in Ovids ,Metamorphosen' (Empfang des Aeneas durch L; M M 14,449; L als Beiname des Silvius; M M 14,610). Der interessante Bericht in El von der Erfindung der lat. Schrift durch L's Mutter Nicostrata [3] und von ihrer Verbreitung durch L, der auch eine Sprachreform veranstaltet haben soll, gibt eine Vorstellung wieder, die sich schon in Isidors .Etymologien' (1.4,1; vgl. auch Hyginus, Fab. CCLXXVII,2) findet und in der späteren gelehrten Literatur, etwa in ,De inventione linguarum' des Hrabanus Maurus (PL 112, Sp. 1579), sowie in der lat.
354
Latona
Chronistik immer wieder erwähnt wird. El bezieht sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Anfang des 12. Jh. entstandene Chronik des Ekkehard von Aura (Ekkehardus Uraugiensis, PL 154, Sp. 519), die dortigen Angaben zeigen in hohem Maße Übereinstimmung. [4] Ekkehard ist außerdem Quelle der Aeneaspassage von E l . [5] Dessen Hauptquelle, die ,Historia scholastica' des Petrus Comestor, erwähnt L nur ganz knapp (PL 198, Sp. 1285). Für die Sprache der Latiner verwendet El den Begriff „welsche zunge", für ihre Schrift „latine". [1] Die Genealogie L's variiert in der antiken Tradition: Nach Hesiod ist L der Sohn des Odysseus und der Kirke, die spätere Mythographie sieht in ihm u.a. einen Sohn des Telemachos und der Kirke (Kallias) oder des Faunus (Ovid, Vergil) und der Marica (Vergil). Im röm. Mythos ist L der letzte König des Urvolkes von Latium. L überlässt den Trojanern Land, stimmt einer Verlobung von Lavinia und Aeneas zu, verbündet sich aber später aufgrund von Plünderungen der Trojaner mit Turnus und fällt im Kampf (Cato, Livius), s.v. Latinus fl.J (W. Eisenhut), in DKP, Bd. 3, Sp. 512f. [2] -» Aeneas [2.]. [3] Bei Vergil heißt L's Mutter Marica. Die später mit Nicostrata identifizierte Carmentis ist Mutter des Euander. [4] „Posthunc [Picus] filius ejus Faunus, qui fuit pater Latini, cujus mater Carmentis Nicostrata Latinas litteras creditur repperisse. [...] Regnante tarnen Latino, qui Latinam linguam correxit Latinosque de nomine suo vocavit, Troja capta est." („Nach diesem [herrscht] dessen Sohn Faunus, der der Vater des Latinus gewesen, dessen Mutter Nicostrata die lat. Schrift erfunden haben soll. [...] Während der Herrschaft des Latinus, der die lat. Sprache reformierte und die Latiner nach seinem Namen benannte, wurde Troja gegründet.") [5] -» Aeneas (II.l). Nachbenennung rAthis und Prophilias' 018 (Latinus): L nimmt am Kampf zwischen Athis und Bilas teil (Kämpferkatalog). [mk]
Latona [Gr. Leto, Tochter des Titanen Coeus, Iuppiter zeugt mit ihr Apollo und Diana, die sie auf der Flucht vor Iuno auf Delos zur Welt bringt, nimmt durch ihre Kinder Rache an Niobe und verwandelt die lykischen Bauern in Frösche]
W: Göttin (Al, B l , E l ) G: Mutter des Apollo (Al, B l , E l ) und der Diana (Al, B l ) Nf.: Latona (Bl), Latone (Al, B l )
I. A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen '·. Die hehre und mächtige L, deren Verehrung von Manto empfohlen wird, hat auf Delos Asyl gefunden, um dort Apollo und Diana zur Welt zu bringen. Als sie von Niobe geschmäht wird, wendet sie sich an ihre Kinder um Hilfe. Apollo und Diana töten Niobes Kinder, Niobe führt deshalb Klage gegen L (6,334-574). Auf L's Bitte hin wurden jene Bauern in Frösche verwandelt, die ihr aus Geiz das Wasser eines Teiches trübten, von dem die Dürstende auf der Flucht vor Iuno trinken wollte (6,658-764; Erzählung eines Bauern; Aition für die Frösche, die gerne im trüben Wasser sitzen). Bl Ulrich von Etzenbach, Alexander': L beklagte sich einst bei ihren Kindern über die Schmähung durch die hochmütige Niobe, worauf Apollo Niobes sieben Töchter und sieben Söhne erschlug. Niobe bereute und wurde in einen Stein verwandelt (2778; 2790; 2801; Alexander in Theben; Exkurs zur Geschichte Thebens). El Rudolf von Ems, ,Weltchronik': L ist eine der Göttinnen, an die die Griechen in ihrer heidnischen Torheit glaubten (3237; Katalog); [1] sie ist die Mutter Apollos (19761). [1] Der Katalog nennt ferner Diana, Pallas, Iuno, Venus, Ceres, Europa und Thetis.
II. Das Motiv von L's Schmähung durch Niobe ist in der lat. Mythographie des MA gut bezeugt. [1] Al referiert es direkt nach Ovids ,Metamorphosen' (6,156ff.). Die kurze Anspielung in der ,Alexandreis' Walters von Chätillon (1,302), die auf die Verbreitung des Motivs auch in der literarischen Mythenrezeption des MA hinweist, ist in Bl unter Rückgriff auf Glossen ausgeführt. [2] Die Metamorphose Niobes wird als Verhärtung des Herzens aufgrund ihrer Trauer gedeutet. Die übrigen Motive des L-Mythos (Geburt von Apollo und Diana auf Delos, die lykischen Bauern), die - von den Mythographen abgesehen - kaum rezipiert wurden, bezieht Al ebenfalls direkt aus Ovid.
Latreus — Lavinia Angesichts der untergeordneten Rolle, die L in der ma. Mythenrezeption insgesamt zukommt, ist ihre Nennung als eine der Hauptgöttinnen der Griechen im Götterkatalog von El bemerkenswert. [3] Sie erklärt sich aus der genealogischen Verbindung zu Apollo, der eine der bekanntesten und zwiespältigsten Göttergestalten, zumal in der geistlichen und chronistischen Rezeption des MA, abgibt. [4] Die Polemik gegen die heidnische Götterverehrung entspricht der heilsgeschichtlichen Perspektive der Chronik.
355
kämpft als Heerführer auf Seiten des Turnus gegen Aeneas (5032), stürmt mit Aventinus die Burg Albane (7082), hört von der Verwundung seines Vaters durch Aeneas, kämpft gegen ihn und fällt. Aeneas reitet auf L's Pferd davon (7816-7868). [sks]
Lavinia [Tochter des Latinus und der Amata, Gattin des Aeneas, der nach ihr die Stadt Lavinium benennt]
[1] Belege finden sich u.a. bei den Mythographi Vaticani, weiteres bei Chance, Medieval Mythography, Reg. [2] Vgl. die bei Colker (Hg.), 279 abgedruckte Glosse aus Hs. G. [3] Neben L werden noch Pallas, Juno, Venus, Diana, Ceres, Europa, Thetis und Minerva [Doppelnennung!] erwähnt. [4] -» Apollo (II.l). [mk]
G: Tochter des Latinus (Al, A2, El), Gattin (A2, E l ) bzw. Geliebte (B2) des Aeneas, Mutter des Silvius Aeneas (El), Stiefmutter des Ascanius (El) R: vrouwe (Epitheton) (Bl) Nf.: Lavie (B2), Lavin (A2), Lavine (Al, A2, B2, C l , C2, El)
Latreus
I.
[Kentaur, tötet Halesus und wird von Caeneus mit dem Speer durchbohrt; MM 12,463]
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman\ Anchises zeigt Aeneas in der Unterwelt dessen zukünftige Gattin L (3647; Unterweltfahrt des Aeneas). Sie ist ursprünglich Turnus versprochen (4174), dem ihre Mutter [Amata] nach der Landung des Aeneas rät, um seiner Liebe zu L willen die Trojaner aus dem Land zu vertreiben (4389). Turnus klagt, L sei zu seinem Unglück geboren (7684). Amata versucht L in einem Lehrgespräch das Wesen der Minne darzulegen, befiehlt ihr unter Androhung von Strafe, Turnus zu lieben, und verleumdet Aeneas als treulos und homosexuell. Als ihn L vom Burgfenster erblickt, entbrennt sie jedoch sofort in Liebe, kann vor Liebeskummer nicht schlafen, weint und fällt vor ihrer Mutter in Ohnmacht. Sie gesteht Aeneas ihre Liebe in einem Brief, den sie mit einem Pfeil zu ihm schießen lässt (9749-10892). Aeneas leidet nach dem Lesen erstmals Liebesqualen, L's Liebe gibt ihm aber Kraft und Mut für den Kampf gegen Turnus (11026-11334). L hält lange vergeblich nach Aeneas Ausschau und klagt neuerlich über Liebeskummer. Beim Wiedersehen verneigt sich Aeneas vor ihr.
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Latree): Als der Riese L [ 1 ] sieht, wie Caeneus (der einst eine Frau gewesen ist) fünf seiner Gefährten tötet, schmäht er ihn als Frau Caenis und meint, er solle lieber Frauenarbeit tun. Caeneus trifft ihn mit dem Speer in die Lende und durchbohrt ihn schließlich mit dem Schwert (12,738-757; Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf). [ 1 ] Im Gegensatz zu Ovid deutet Al Ls Kentaurengestalt nur an, als motivische Reste seiner Pferdegestalt bleiben nur der Sattel [!] und sein Daherreiten (12,728f.). Die Kentauren werden insgesamt als herumstreunende Riesen aufgefasst, die Adaption greift dabei auf dem Publikum vertraute Vorstellungen aus der dt. Heldensage zurück. An Frauenarbeiten empfiehlt L dem Caeneus neben Spinnen wie bei Ovid (MM 12,475) noch Nähen und Geschirrspülen [!] (12,723fi). Ob diese Erweiterung Albrecht von Halberstadt oder Jörg Wickram zuzuschreiben ist, bleibt fraglich. [mk]
Lausus [Sohn des Mezentius, von Aeneas im Kampf getötet; Aeneis VI,764; RdE 3913]
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'·. Der junge und tapfere L, ein Sohn des Mezentius,
356
Lavinia
L beobachtet die Vorbereitungen zum Zweikampf zwischen Aeneas und Turnus. Ihr Anblick stärkt Aeneas' Kampfesmut. Turnus meint, er habe um L's willen Leben und Ehre eingesetzt (11368-12550). Nach seinem Sieg wirbt Aeneas offiziell um L. Diese hält nun ihr Glück für vollkommen (12640-13440).
A2 Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen'
14,542·. Aeneas und Turnus kämpften lange um L, die schließlich von Latinus mit Aeneas vermählt wird (Aeneas' Landung in Italien).
B1 Hartmann von Aue, ,Erec' 7576: Auf dem kunstvoll ausgestatteten Sattel von Enites Pferd sind Szenen aus der Aeneassage abgebildet, darunter die Vermählung von Aeneas und L (Descriptio).
B2 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crone': Die kunstvoll gewebte Decke der Lenomie zeigt u.a., wie sich Aeneas die schöne und liebliche L erkämpfte (533; Descriptio). Beim Kampf um L gegen Turnus wurde Aeneas von Amor und Minne beschützt. Sie hätten Gawein ebenso schützen müssen (17267; Klage Amurfinas um ihren vermeintlich toten Gatten Gawein).
C1 Ulrich von Gutenburg, MF, ,Der Leich' Vb,28: Turnus durfte für L sterben und wurde auf diese Weise sanft aus seiner Liebespein erlöst. Während der Tod Turnus' Not an einem Tag beendete, muss der Sänger seinen Kummer schon viele Jahre tragen (Exemplum).
C2 Rudolf von Rotenburg, KLD 111,57: Die Jungfrau L oder die berühmte Pallas können nach Ansicht des Sängers auch nicht schöner gewesen sein als seine Minneherrin. El Rudolf von Ems, , Weltchronik': Die über alle Maßen schöne L wird von Latinus mit Aeneas vermählt, obwohl sie bereits mit Turnus verlobt ist. Aeneas gründet für sie die Stadt Lavinium (26422; 26526). Nach Aeneas' Tod und der Herrschaftsübernahme durch Ascanius flüchtet L aus Angst vor ihrem Stiefsohn in einen Wald und bringt dort Silvius Aeneas zur Welt. Ascanius holt die beiden zurück, überlässt L die Stadt Lavinium und lässt seinen Stiefbruder liebevoll erziehen (26555-26579).
II. 1) L in der ma. Aeneassage; 2) Anspielungen; 3) Zusammenfassung
1) Aufgrund der Bedeutung und der Verbreitung der Aeneassage [1] zählt L im MA zu den bekanntesten Frauengestalten des antiken Heroenmythos. Auf die dt. Rezeption von Stoff und Figur hat A l prägenden Einfluss. Die entscheidende Umgestaltung der Handlung Vergils übernimmt A l vom afrz.,Roman d'Eneas', sie wird in der breiten Darstellung des Liebesthemas und in der umfassenden Höfisierung des antiken Epos manifest. Was L betrifft, ist in diesem Zusammenhang vor allem auf die Liebeshandlung und die damit verbundene Topik zu verweisen (Liebe auf den ersten Blick, Liebesqualen, Liebesmonologe, Liebesbrief). Besonders reizvoll und wirkungsmächtig ist das Liebesgespräch zwischen Amata und L. Diese nimmt hier die Rolle der ungelehrigen Schülerin ein, die Gestalt entwickelt dabei durchaus eigenständige Züge. [2] Die übrigen Belege haben mit der Rezeption von A l direkt (A2, C l ) oder indirekt zu tun. Die nur knappe Erwähnung in A2, einem dezidierten Nachfolgeprojekt von A l , folgt Ovids .Metamorphosen' (14,570). Auch die breite Ausführung der Aeneaspassage in El erklärt sich u.a. aus der Bekanntheit des Stoffes beim deutschsprachigen Publikum. Sonst werden die profangeschichtlichen Daten nach dem Prinzip ma. Weltchronistik meist nur in Herrschaftskatalogen erinnert, auf narrative Darstellung wird weitgehend verzichtet. Für die Geschichte nach der Herrschaftsfestigung des Aeneas, die A l nicht berichtet, greift El auf das ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura zurück. [3] Mit dem Quellenwechsel ist auch ein Wechsel von einer aeneasfreundlichen zu einer aeneaskritischen Perspektive verbunden: Aeneas' zunächst positive Herrschaftsführung schlägt ins Gegenteil um. L sieht sich daher nach seinem Tod gezwungen, vor Ascanius zu flüchten, der sich nachmals aber als würdiger König erweist und die Stiefmutter zurückholt.
Leander 2) Die Anspielungen auf die Verbindung zwischen L und Aeneas in Β1 und Β 2 repräsentieren den Typus des so genannten Bildzitats (Beschreibungen wertvoller Gegenstände, die mit Abbildungen literarischer Sujets verziert sind). Auch im Rahmen dieses Topos nimmt die Aeneassage in der ma. Literatur eine herausragende Stellung ein. [4] Ein ebenfalls topisches Exemplum fiir Liebesleid gibt der Tod des Turnus wegen L in dem Minneleich C1 ab, wobei sich der Sänger bemerkenswerter Weise mit einer wenig sympathischen Figur identifiziert (und nicht etwa mit einem Sympathieträger wie dem zuvor genannten Flore oder mit Tristan). Die Stelle nimmt ganz offensichtlich Bezug auf die breite Rezeption von Al und spielt mit den unterschiedlichen Identifikationsmöglichkeiten. [5] Analog erklärt sich L's Nennung in der klassischen Schönheitsüberbietung (C2), zu der die höfische Lyrik im Kontext des Frauenpreises öfter greift. [6] Weitaus prominentere Gestalten als L sind in diesem Zusammenhang freilich Venus und Helena. 3) Im ,Welschen Gast' Thomasins von Zerklaere wird eine Lucinia (1038) als vorbildliche Frau und Königin genannt, über die die adeligen Fräulein lesen und die sie sich zum Vorbild nehmen sollen. Dass eine Verschreibung von L vorliegt, ist leicht möglich, da es sich um einen Katalog prominenter literarischer Frauengestalten wie Andromacha, Penelope, Enite, Blanscheflur u.a. handelt. Insgesamt gesehen, ist die Zahl der Nennungen L's im Vergleich zu Dido freilich gering und Dido für die ma. Rezeption die mit Abstand interessantere und wirkungsmächtigere Frauengestalt der Aeneassage. [1] -» Aeneas [1.1], [2] Das Gespräch könnte u.a. jenes zwischen Ute und Kriemhild in der ersten Äventiure des .Nibelungenlieds* beeinflusst haben. Z u r Rezeption vgl. Kern, Amors Lanze. [3] Ekkehardus Uraugiensis, .Chronica", P L 154, Sp. 5 2 5 ,
-* Aeneas flUJ;
fiir die Rezeption der Chronik Ekkehards
sprechen außerdem die Angaben in E l zu
[4] -» Aeneas [11.31
Latinus.
[5] Kern, Edle Tropfen, 2 2 6 f f . [6] Ebd., 115ff. [mk]
357
Leander [Geliebter der Hero, ertrinkt, als er den Hellespont durchschwimmt, um zu ihr zu gelangen, worauf sie Selbstmord begeht]
I. A l ,Hero und Leander' GA I: Der edle, tugendreiche und mutige L liebt Hero, eine Waise und die schönste und tugendreichste Jungfrau aller Zeiten. Um zu ihr zu gelangen, durchschwimmt er nachts das Meer. Als ein Unwetter sein Kommen verhindert, versucht er Heros eifersüchtige Bedenken zu zerstreuen und beteuert, ebenso zu leiden wie sie. Eines Nachts gerät er auf See in ein Unwetter, kann das wegweisende Licht Heros nicht mehr erkennen und ertrinkt. Angesichts dieses Unglücks warnt der Erzähler vor überschwänglicher Minne und meint, ihm könne Ahnliches nicht passieren, da sich seine Geliebte wenig um ihn kümmere (XV,34-400). B1 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crone' 11567: Die Klage um den ertrunkenen L kann sich wie zahlreiche andere Klageanlässe nicht mit jener Klage messen, zu der man am Artushof wegen Ginovers Entführung anhebt (Katalog großer Klageanlässe; Überbietung).
II. Der Hero-L-Mythos ist eine jener typisch ovidianischen Liebesgeschichten, die im HochMA (ab dem 11./12. Jh.) auch in den Volkssprachen Verbreitung finden. Als Quellen kommen,Heroides' (18 und 19) und Ars amatoria' (2,249f.) in Frage. An Pyramus und Thisbe reicht die Zahl der Belege in der dt. und in der ma. Literatur insgesamt freilich bei weitem nicht heran. Dies mag - von der weniger spektakulären Dramaturgie abgesehen - daran liegen, dass von Pyramus und Thisbe die .Metamorphosen', der bekannteste Ovidtext im MA, berichten. Das Märe A l ist die einzige ausführliche narrative Darstellung in der mhd. Literatur und direkt nach den ,Heroides' gearbeitet.
Learchus — Leda
358
Die Datierung (14. Jh.) ist unsicher. [1] Das antike Motiv der von den Eltern verbotenen Liebe wird durch die Frage nach der Wahrhaftigkeit der Liebe ersetzt, an der der höfische Liebesdiskurs zentrales Interesse findet. Von der Liebenden bezweifelt, erweist sie sich erst und gerade im Tod des Geliebten unmissverständlich und auf tragische Weise. (Analoges findet sich bei Belakane und Isenhart, Sigune und Schionatulander in Wolframs ,ParzivaT.) Die Moral, die das Märe draus zieht, ist wohl ironisch zu verstehen. Die Anspielung in Β1 bietet nur eine knappe Nennung L's im Rahmen einer Überbietung. Nähere Angaben fehlen, und es ist zweifelhaft, ob das Publikum Gestalt und Geschichte auch identifizieren konnte. [1] S.v. ,Hero und Leander (W. Fechter), in: VL, Bd. 3, Sp. 1122f. Nachbenennung Der Pleier, ,Garel' (Liander): Der in Testregeis geborene Ritter L ist Mitglied der Tafelrunde (4832; 15454; 20046). [1]
[1] Abgesehen von der Nf. zeigen sich keine Gemeinsamkeiten mit L. [mk]
Learchus
Athamas
Leda [Tochter des Thestius und der Eurythemis, Gattin des spartanischen Königs Tyndareus, von Iuppiter in Gestalt eines Schwanes geschwängert, Mutter der Dioskuren und der Helene]
G: Mutter der Helena, Großmutter der Hermione (A2), Geliebte des Iuppiter (Al, E l , E2) Nf.: Lida (E2), Lide (El) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 6,222: Auf dem von Arachne im Wettstreit mit Pallas Athene gewebten Teppich ist u.a. abgebildet, wie die hübsche L von Iuppiter in Gestalt eines Schwanes geschwängert wird (Descriptio; Katalog der Geliebten Iuppiters).
A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung 49431: Hermione fürchtet, dass sie Pyrrhus zur Frau gegeben werden könnte, und bittet Orestes, sie zu entfuhren. Dies wäre keine Schande, da auch ihre Mutter Helena von Paris und ihre Großmutter, die edle L, von Iuppiter entführt worden seien. El Otto von Freising, ,Laubacher Barlaam' 11101·. L, die von Iuppiter in Gestalt eines weißen Schwanes erobert wurde, gibt ein Beispiel für die Lasterhaftigkeit der gr. Götter (Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden; Götterkatalog). E2 Rudolf von Ems, , Barlaam' 9988: Inhalt wie E l .
II. Die Schwängerung L's durch Iuppiter in Gestalt eines Schwanes war in der antiken Literatur und Kunst ein beliebtes Motiv. In der ma. Mythographie finden sich einige Belege, [1] den volkssprachigen Literaturen ist es aber nur mäßig bekannt. Al referiert es direkt nach Ovids ,Metamorphosen' (6,109). Im Rahmen der Glaubensdispute von El und E2 gibt es ein Beispiel für die Lasterhaftigkeit der gr. Götter. A2 will von einer Entführung L's durch Iuppiter wissen, die Anspielung hat keine Entsprechung imTrojabericht des Dictys Cretensis und ist vielleicht (in Anlehnung an die Entführung Helenas) ad hoc erfunden. Wenig Verbreitung findet im MA das Motiv von der Geburt der Helena aus dem Ei der Leda. [2] L ist überhaupt als Mutter Helenas (von A2 abgesehen) in der mhd. Literatur nicht belegt. Gottfried von Straßburg nennt an ihrer Stelle vielmehr Aurora. Die Umformung erklärt sich aus dem Kontext. [1] Vgl. Chance, Medieval Myelography, Reg. [2] In der ma. Mythographie findet sich das Motiv u.a. bei Myth. Vat. 1.78. Die Schwängerung Ls durch den schwanengestaltigen Iuppiter ist literarisch erstmals bei Euripides (.Helena' 16ff.) zu fassen. In den Kyprischen Epen gilt Helene als Tochter von Zeus und Nemesis, die sich auf der Flucht vor dem Gott in eine Gans verwandelt und von Zeus in Schwanengestalt geschwängert wird. L hütet das Ei bis zu Helenes Geburt und nimmt Helene an Tochter statt an. Später findet sich auch das Motiv der Geburt der Dioskuren aus einem Ei; s.v. Leda (H von Geisau), in DKP, Bd. 3, Sp. 531 f., hierSp. 532.
Leonidas — Leonteus
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Nachbenennuiig Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crone'2229 (Leda, Lede): L ist eine Dame am Artushof, die Parzivals wegen zum ersten Mal lacht. [1] [1] Das Motiv stammt von der Gestalt der Cunneware aus Wolframs von Eschenbach .ParzivaT 152f.: Sie hat gelobt, nicht eher zu lachen, bis sie einen Ritter sähe, der höchsten Ruhm erwerben werde, und bricht beim Anblick Parzivals ihr Schweigen. Die Nf. könnte auf einen Zusammenhang mit L hinweisen, ist aber besser als sprechender Name von afrz. „leide" („die Häßliche") aulzufassen. [mk]
persischen Hofdamen geschickt, um sie zu trösten (7665; erste Schlacht gegen die Perser). Später nimmt er an den Beratungen über das weitere Vorgehen gegen die Verschwörer gegen Alexander teil (19226; Katalog).
Leonidas
II.
[Gefolgsmann Alexanders, befehligt nach Parmenios Tod dessen Truppen; Curtius VII.2,35]
Der Handlungsgang in A l folgt Q. Curtius Rufus, A2 berichtet nach Walter von Chatillon (Alexandreis' IX,433ff.) vom Tode L's bei der Eroberung Sudracas. Der historische L, ein Feldherr Alexanders, fiel erst nach Alexanders Tod 322 n. Chr. in den Diadochenkämpfen.
Al Rudolf von Ems, Alexander': Der edle Fürst L übernimmt nach Parmenios Tod dessen Truppen (20526-20543). Er und Alexander treffen einander in Aracosien (20731; Alexanders Feldzug gegen Bessus). [sks]
A2 Ulrich von Etzenbach, Alexander': Der tapfere L, Ariston und Peucestes erklimmen die Mauer von Sudraca, um dem schwer verwundeten Alexander zu Hilfe zu kommen. L findet dabei den Tod (20651; 20677; Alexanders Zug nach Indien).
[1] [1] S.v. Leonnatos (G. Wirth), in: DKP, Bd. 3, Sp. 569. [sks/mk]
Leonides [Lehrer des jungen Alexander]
Al Rudolf von Ems, Alexander'1378 (Leonidas,
Leonteus
Leonides): L ist einer der Lehrmeister des jungen Alexander (Erziehung Alexanders; Katalog der Lehrmeister). [1]
[Lapithe, stellt mit Polypoites 40 Schiffe fiir den Krieg gegen Troja. Dares 3,20; Dictys 11,28; Benoit 5675 Leontins]
[1] Chandler, Catalogue, 177 verweist für die Gestalt auf Valerius. [sks]
Leonnatus [Feldherr Alexanders, zeichnet sich im Indienfeldzug aus und erhält nach Alexanders Tod das hellespontische Phrygien; Curtius 111.12,10; fällt bei der Eroberung Sudracas; Chatillon IX,433]
R: Fürst (Al), Ritter (A2) Nf.: Lauernatus (A2), Leonat ( A l ) I.
G: Gefährte des Polypoites ( A l ) R: Fürst, Herzog (A2) Nf.: Leonzius (A2), Leverzins (A2), Lyochin (Al) I.
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'3385: L und Polypoites führen 40 Schiffe zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (Kriegsvorbereitungen; Katalog der Griechen).
A2 Konrad von Würzburg, ,Trojaner krieg: L, ein Verbündeter der Griechen aus Larise (23874; Katalog), kämpft tapfer vor Troja (36791; Katalog).
Al Rudolf von Ems, Alexander': L wird von
, Trojanerkrieg'-Fortsetzung 40467: L fällt im
Alexander zu den gefangen genommenen
Kampf gegen Hector.
360
Lepidus — Lichas
II. Ein Griechenkämpfer L, Gefährte des Polypoites, wird bereits in der ,Ilias' (2,745) erwähnt. Die mhd. Belege nennen ihn durchwegs in Katalogen. Das Motiv seines Todes durch Hector in der Fortsetzung von A2 findet sich auch bei Dares (29,22) und Benoit de Sainte-Maure (16109), wo ein Leotetes (wohl identisch mit Leontins [= L]) von Hector getötet wird, nicht aber bei Dictys, der eigentlichen Quelle der Fortsetzung. In Al wird von Ls Tod nichts berichtet. [mk/sks]
Lepidus [M. Aemilius Lepidus, um 90-12 v. Chr., Anhänger Caesars, 46 Konsul, 43 Triumvir mit Antonius und Octavian, von beiden als pontifex maximus politisch kaltgestellt]
El Jans Enikel,, Weltchronik': Der angesehene, tüchtige und edle L gehört zu den 72 Ratsherrn von Rom. Als bei der Apparatur zur Warnung vor Aufständen die Schellen ertönen, [1] wird L in das aufständische Sizilien geschickt und überzieht es mit Raub und Brand (21007; 21014). [ 1 ] Die sagenhafte röm. Warnvorrichtung vor Aufständen ist ein in der ma. Literatur verbreitetes Motiv (so genannte „SalvatioRomae"). El kennt es aus der,Kaiserchronik' 217ff. Es ist seit Kosmas (8. Jh) mehrfach belegt, vgl.,Kaiserchronik', hg. Schröder, 83, Anm. 2. [sks/mk]
Leuconoe [Tochter des König Minyas, sie und ihre Schwestern werden in Fledermäuse verwandelt, weil sie die gebotene Arbeitsruhe am Bacchusfest brechen; M M 4,168]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Leucothoe)·. L und ihre beiden Schwestern [1] verweigern die Teilnahme am Bacchusfest und arbeiten trotz Verbotes. Dabei erzählen sie sich Geschichten, L berichtet von Mars und Venus, Phoebus und Leucothoe. Zur Strafe werden die drei in Fledermäuse verwandelt (4,280; 4,528). [1] Wie Ovid nennt Al nur eine Schwester L's, Alcithoe, namentlich. Die gleiche Nf. von Leuconoe und Leucothoe geht auf Al oder auf eine Variante in der zugrunde liegenden
Ovidhs. zurück. Sie ergibt eine neue Pointe, wenn die hier Leucothoe genannte L zu Beginn ihrer Erzählung von Leucothoe meint: „die hieß wie ich Leucothoe" (4,373). [mk]
Leucothea
Ino
Leucothoe [Tochter des Orchamus und der Eurynome, Geliebte des Apollo, von ihrer Nebenbuhlerin Clytie an ihren Vater verraten, der Leucothoe lebendig begraben lässt; Apollo verwandelt sie in die Weihrauchpflanze; MM 4,196]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen'·. Apollo entbrennt in Liebe zu L, schleicht sich in Gestalt ihrer Mutter Eurynome bei ihr ein, offenbart sich ihr und schwängert sie. Als ihr Vater dies von Clytie erfährt, begräbt er L bei lebendigem Leib. Apollo verbrennt ihn aus Rache, kann aber L nicht mehr retten. Er begießt das Grab mit himmlischem Wein, worauf sich L in die Weihrauchpflanze verwandelt und so wenigstens als Rauch in den Himmel gelangt (4,373-492; Aition für den Weihrauch). [1] [ 1 ] Bei Ovid bestreicht der in Al nicht von Apollo/Phoebus geschiedene Sol/Phoebus Ls Leiche mit Nektar. Die Deutung als „himmlischer Wein" in Al könnte auf eine Glosse zurückgehen. Erstaunlich sind die Aussagen zum Weihrauch: „So entstand die Pflanze, die heute noch den Weihrauch hervorbringt, mit dem man in gemeiner Schar den Göttern opfert", heißt es da (4,478ff.). Der christliche Autor spricht somit von einer gegenwärtigen [!] Verwendung des Weihrauchs bei Götteropfern [!] und nicht, wie zu erwarten wäre, beim christlichen Gottesdienst. Die Stelle zeigt, wie wenig Al an jener christlichen Deutung des Textes gelegen ist, die dann ab dem 14. Jh. in der Tradition des ,Ovide moralise' weite Verbreitung findet. [mk]
Liber
Bacchus
Lichas [Diener des Hercules, bringt diesem im Auftrag Deianiras das vergiftete Nessushemd, wird von Hercules deshalb ins Meer geschleudert und in einen Felsen verwandelt; MM 9,155]
R: Bote (Al, A2), Kämmerer (A2), Gefährte der Deianira (A2) Nf.: Licas, Litas (A2)
Ligdus — Liriope I.
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen'·. L bringt Hercules im Auftrag Deianiras das Nessushemd (9,330) und versteckt sich vor dem im Todeskampf tobenden Helden in einer Felsnische. Als ihn Hercules dort entdeckt, schleudert er ihn ins Meer. L verwandelt sich im Sturz in einen Felsen, der noch heute den Schiffern bekannt ist (9,462-484). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg·. L bringt Hercules im Auftrag Deianiras das Nessushemd und behauptet, dass es schützend wirke und furchtlos mache. Aus Angst vor dem rasenden Helden versteckt er sich in einer Höhle im Gebirge. Als ihn Hercules findet, stürzt er ihn ins Meer. L ertrinkt (38286-38570; Erzählung des Philoctetes von Hercules).
II. Beide Belege des L-Mythos greifen direkt auf Ovids ,Metamorphosen' zurück. Allerdings berichtet nur A l von L's Petrifizierung, die bei Ovid schlüssiger motiviert und pointierter geschildert wird: L erstarrt aus Angst zu Stein, die Seeleute betreten den Felsen nicht, um ihm nicht weh zu tun (MM 9,21 Iff.). [1] In A2 wird die Metamorphose zum Tod durch Ertrinken rationalisiert. [2] [ 1 ] Die Metamorphose könnte auf ein Aition zu der Klippengruppe der Lichaden (bei Euböa) zurückgehen, s.v. Lichas [1.] (H. v. Geisau), in DKP, Bd. 3, Sp. 633. [2] Zur Quellenverarbeitung durch A2 Lienen, Geschichte und Erzählen, 168. [mk/sks]
Ligdus [Gatte der Telethusa, Vater der/des Iphis, verlangt die Tötung seines Kindes, falls es ein Mädchen ist; M M 9,670]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen (Lyctus): L, ein Edelmann aus Phestia, befiehlt seiner schwangeren Gattin Telethusa, das Kind zu töten, falls es ein Mädchen werde, weil Frauen schwach und nur unter Entbehrungen
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zu erziehen seien. Telethusa gibt daraufhin ihre Tochter als Sohn aus, den L nach dem Großvater „Iphis" nennt. Als Iphis 13 Jahre alt ist, wirbt L für ihn/sie um Ianthe (9,1192; 9,1251; 9,1257). [1] [1] In A l fehlt das Motiv von Io, die Telethusa im Traum rät, das Kind auf jeden Fall aufzuziehen ( M M 9,684ff.). Dass L außerdem als „Edelman" (9,1191) bezeichnet wird, während Ovid von einem Mann aus der Plebs spricht, erklärt sich aus einem Missverständnis der „nobilitas", die Ovid L ironischerweise zuspricht („nec census in illo nobilitate sua maior"; „sein Vermögen entsprach seinem Adel"; 9,671;). Der Zusatz in A l , „sie waren beyd [L und Telethuse] von iren annen bauren", entspricht wiederum der Charakterisierung bei Ovid. [mk]
Linus [Mythischer Sänger, Lehrer des Hercules]
El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 20124·. L, ein schriftkundiger Meister, ist Lehrer des Hercules (Taten des Hercules). [1] [1] Dass der mythische Sänger L der Lehrer des Herakles gewesen sei, berichtet die hellenistische Mythographie, s.v. Linos [1.] (U. Klein), in: DKP, Bd. 3, Sp. 676. In El ist die Gestalt der chronistischen Mythendeutung entsprechend historisch aufgefasst. Die Stelle bezieht sich auf die Nennung L's in der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor, der Hauptquelle von El (PL 198, Sp. 1281a). [mk]
Liriope [Wassernymphe, Mutter des Narcissus, befragt Tiresias nach dessen Schicksal; M M 3,342]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Liriopa, Lyriope)·. Die wunderschöne L erkundigt sich bei Tiresias nach dem künftigen Geschick ihres mit einem Wassergott [Cephisus] gezeugten Sohnes Narcissus. [1] Der Seher warnt L davor, Narcissus seine eigene Gestalt betrachten zu lassen. L schlägt die Warnung in den Wind, muss aber später deren Richtigkeit einsehen (3,840-859; 3,1240). [1] A l folgt Ovid, nennt aber Cephisus, den Vater des Narcissus, nicht namentlich. [mk]
362
Livius — Lucanus
Livius
Lucanus
[Titus Livius, 59 v. Chr. - 17 η. Chr., röm. Geschichtsschreiber, sein Geschichtswerk (,Antilles' oder .Ali urbe condita', von ursprünglich 142 Büchern noch 35 erhalten) ist im MA nur mäßig bekannt; M M 15,482]
[M. Annaeus Lucanus, 39-65 n. Chr., röm. Epiker, gehört zum Freundeskreis Neros, der ihm später zu dichten verbietet; beteiligt sich an der Verschwörung des Calpurnius Piso und begeht auf Befehl Neros Selbstmord; sein Hauptwerk, die .Pharsalia', das Epos über den röm. Bürgerkrieg, ist dem MA gut bekannt, L gilt als Schulautor]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 15,482: Für die wechselhaften Ereignisse von Numas Herrschaft bis zu Kaiser Iulius [-» Caesar•] wird auf den antiken Historiographen L verwiesen. Er berichtet davon in geordneter Darstellung. [1] [ 1 ] O b der Verweis auf L, der an der entsprechenden Stelle bei Ovid (MM 15,482) natürlich fehlt, von Albrecht von Halberstadt oder Jörg Wickram stammt, ist fraglich (er könnte auch auf eine Glosse in der Ovidhs., die Albrecht vorlag, zurückgehen). Außerdem ist unklar, wer von beiden für die extensiven Streichungen im 14. und 15. Buch verantwortlich zeichnet. Bartsch (Albrecht von Halberstadt, CLXI) spricht sich für Wickram aus. Plausibler scheint es allerdings, dass Albrecht von Halberstadt mit Rücksicht auf den ,Eneasroman' Heinrichs von Veldeke kürzt, der die entsprechenden Informationen bietet. Albrechts Metamorphosenübersetzung ist vermutlich als Nachfolgeprojekt des ,Eneasromans' durch Hermann von Thüringen in Auftrag gegeben worden; s.v. Albrecht von Halberstadt (K. Stackmann), in: VL, Bd. 1, Sp. 187-191, hier Sp. 188. Kürzungen finden sich bereits bei Numa und in der Rede des Pythagoras. [mk]
Longimanus
Artaxerxes [1]
Lotophagi [Sagenhaftes Volk von „Lotosessern", dem Odysseus auf seinen Irrfahrten begegnet; Dictys 124,2; Benoit 28607]
A l Herbort von Fritzlar, ,lietvon Troye' 17563 (Lotofagos): Ulixes' Aufenthalt bei den L kommt ihn teuer zu stehen (Heimkehr der Griechen aus Troja; Irrfahrten des Ulixes). [1] [1] Die L werden von Al in einem knappen Bericht zu den Abenteuern des Ulixes genannt. Die aus Homers .Odyssee' (9,82ff.) bekannten Motive (die von Odysseus ausgesandten Kundschafter kosten vom Lotos, vergessen alles andere und müssen gewaltsam zur Weiterfahrt gezwungen werden) fehlen schon bei Dictys. [mk]
R: Meister (D2), herre (Epitheton) (D2) I.
B1 Hartmann von Aue, ,Erec' 5218: L berichtet von Erichtho, deren Zauberkunst sogar Tote auferstehen lassen konnte (Quellenberufung). B2 Ulrich von Etzenbach, Alexander': Den Berichten L's zufolge hat Alexander eine Meerfahrt unternommen (23997; Quellenberufung). Roxane bewahrt die Gebeine Alexanders heimlich in ihrem Palast auf (27223; Berufung auf L). D l Wernher von Elmendorf. Es finden sich zwei Berufungen auf Zitate L's: Dinge aufzuschieben schadet (770; „nocuit deferre"); wer Gewalt übt, dem wird mit Gewalt begegnet (1114). L mahnt zum Maßhalten beim Hausbau (967) und zu Loyalität gegenüber dem Dienstherrn (1029). D 2 Hugo von Trimberg, ,Der Renner': L wird in einem Katalog röm. Adeliger genannt, die um den Wert der Kunst für Tugend und Ehre wussten und sie beispielhaft pflegten (1266) [1]; er ist einer jener antiken Gelehrten, die tugendsam lebten und dennoch von Missgunst und Neid verfolgt wurden (14675) [2], er und Sallustus mussten am eigenen Leib die schrecklichen Folgen der Missachtung der weisen Alten durch die Jungen erfahren, ihre Bücher wurden zunichte gemacht, kein Gelehrter beachtet sie heute (16252). Die Aussage L's: „Hofleute kennen keine Treue: sie lächeln nach außen und denken im Innern an Intrige", bestätigt, dass man Hofleuten nicht trauen kann (668; Meisterberufung). [1] Ferner werden genannt: Numa, Maecenas, Vergil, Caesar, Octavian, Scipio, Cicero, Iuvenal, Perseus, Macrobius, Boethius, Ovid, Statius, Sallust, Horaz, Terenz und Seneca.
Lucina [1] — Lucina [2] [2] Ferner werden genannt: Iuvenal, Vergil, Horaz, Ovid, Statius, Cicero, Boethius, Alan, Dares, Aristoteles, Hippocrates, Socrates, Solinus, Plato, Perseus, Donatus, Cassiodor, Remigius, Porphyrius, Pythagoras und Plinius.
II. L zählt nach Vergil und Ovid zu den bekanntesten antiken Epikern im MA. Er galt ab dem 10. Jh. als einer der Schulautoren. Sein Hauptwerk, die ,Pharsalia', war durchaus verbreitet. [1] Seine Wertschätzung dokumentiert sein Auftritt unter den großen antiken Dichtern in Dantes ,Comedia' (,Inferno' IV,90). Die mhd. Einträge nennen ihn durchwegs im Rahmen von Meisterberufungen. Die frühesten Belege bietet Dl (um 1170). Sie basieren auf der Vorlage, dem ,Moralium dogma philosophorum', einer beliebten lat. didaktischen Schrift, die in zahlreichen Fassungen vorliegt und eine Fülle von Berufungen und Zitaten bringt. [2] In D2 zählt L zu einem umfassenden Fundus an antiken und ma. Gestalten, die den Typus des Gelehrten („alten Meisters") verkörpern. Die Kataloge verzichten dabei auf eine klare chronologische Ordnung und vermischen antike, ma., heidnische und christliche Autoritäten. Die bloße Aufzählung ersetzt das Argument. [3] Verbunden sind die Exempelkataloge mit den gängigen Topoi der didaktischen Literatur, der laus temporis acti und der Zeitklage. Die L-Nennungen vermitteln in diesem Rahmen keine genaueren Kenntnisse von Person und Werk, die der bekanntermaßen lat. gebildete Autor sicher gehabt haben wird. Ob das Publikum L und die anderen genannten Autoren identifizieren konnte, darf hingegen bezweifelt werden. Direkten Bezug auf die ,Pharsalia' nimmt vermutlich Bl, [4] der Beleg unterstreicht Hartmanns umfassenden Bildungshorizont. Die Berufungen in B2 sind hingegen Fiktionen. Sie beziehen sich möglicherweise auf die Nennung L's, die sich in der »Alexandreis' Walters von Chatillon (V,507), allerdings in anderem Zusammenhang, findet, oder auf die zahlreichen Belege in den Glossen zum Epos.
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Immerhin bezeugen sie aber die Bekanntheit des Namens des antiken Autors. [1] S.v. Lucanus im MA (F. Brunhölzl), in: LMA, Bd. 5, Sp. 2152. [2] Bumke (Hg.), XXXIIff. [3] Zur Funktion dieses „name droppings" Kern, Mittelalterliche und moderne Mythen, 220f., 222. [4] -» Ericto. Nachbenennung ,Prosa-Lancelot' 1.126,8 u.ö. (Lucan): L ist Mundschenk am Artushof. [1] [1] Eine bewusste Nachbenennung liegt kaum vor. [mk]
Lucina [1] [Göttin der Geburt; M M 9,294]
AI Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': L soll auf Iunos Geheiß die Geburt des Hercules verhindern und sitzt sieben Tage lang mit gekreuzten Beinen und um die Knie geschlungenen Händen vor der Kammer Alcmenas, die sie auf diese Weise fast getötet hätte. [1] Als Galanthis, Alcmenas Dienerin, L jedoch freudig die Geburt eines Sohnes vortäuscht, springt diese entsetzt auf und löst so die Geburtshemmung. Zur Strafe verwandelt sie Galanthis in ein Wiesel (9,579-648; Geburt des Hercules; Erzählung der Alcmena). Als L die Not der in einen Baum verwandelten schwangeren Myrrha erkennt, spricht sie mächtige Worte, worauf der Baum zerbricht und ein schönes Kind [Adonis] gebiert (10,950). [ 1 ] Bei Ovid wird als zusätzliches geburtshemmendes Mittel ein Lied genannt, das Lucina singt (MM 9,300). [mk]
Lucina [2] [Tochter des Archistrates, Gattin des Apollonius, Mutter der Tarsia; ,Historia Apollonii' C 25/20 u.ö.]
Al Heinrich von Neustadt, ,Apollonius'·. Die überaus schöne und tugendhafte L [1] (I6l4ff.; Descriptio) belohnt den schiffbrüchigen Apollonius für sein Harfenspiel (1611) und bittet ihren Vater, Apollonius am Hof zu beherbergen und sie bei ihm
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Lucretia — Luna
Unterricht im Harfenspiel nehmen zu lassen. Venus erweckt in L und Apollonius die Liebe (1804; 1842). Die beiden heiraten, und L wird in der Hochzeitsnacht schwanger (2000-2217). Auf der Reise nach Tyrland gebiert L eine Tochter, Tarsia, und erleidet im Wochenbett den Scheintod. Sie wird unter großen Trauerbezeugungen im Meer beigesetzt (2353-2546). Ihr Sarg wird in Ephesus an Land gespült, wo ihn Chaeremon findet, öffnet und die vermeintlich Tote bestatten will. Sein Schüler Philumenus erkennt aber den Irrtum und kann L wiederbeleben. Sie wird von Chaeremon adoptiert, tritt auf seinen Rat in den Tempel der Diana ein und macht sich durch ihre Freigebigkeit beliebt (2771-2816; 2892). Albedacus prophezeit Apollonius ein Wiedersehen mit L (4222; 4243; VD). Auf seinen Abenteuerfahrten gedenkt Apollonius L's (5652; 6139; 6579; 12885; RV). Lycoris klärt Tarsia über ihre wahre Herkunft auf (14942; 14946; 15165; RV auf L's Schicksal). Gegen Tarsias Not ist das Leid L's und Apollonius' nichts (15232). L wird von Apollonius klagend angerufen, als er von Tarsias vermeintlichem Tod erfährt (16078). Als Tarsia ihm L als den Namen ihrer Mutter nennt, erkennt er sie als seine Tochter (16763). Apollonius begegnet L im Tempel von Ephesus wieder. Sie scheint ihm schön wie eine Göttin, sie erkennen einander und zeugen einen Sohn, den sie Apollonius nennen (17245-17275). Gemeinsam suchen sie Altistrates in Pentapolis auf und fahren nach Antiochia (17392-17445). L wird in Tyrland als Königin empfangen (17533) und führt beim festlichen Einzug in Antiochia einen Zug von vier prächtigen Elefanten an, die auf Kastellen je 100 Jungfrauen tragen (17805; 17812; Fest in Antiochia). L und Apollonius erhalten die Krone von Antiochia (18203; 19764; 20127). Der zum Christentum bekehrte Apollonius zeugt mit L noch zehn Kinder ([20579]; Epilog).
Lucretia [Gattin des Collatinus; wird von Sextus Tarquinius entehrt und erdolcht sich]
El ,Kaiserchronik'·. L ist die Gattin des Collatinus (4337; Berufung auf Ovid). Als dieser sich rühmt, mit ihr die tugendhafteste Römerin zur Frau zu haben, widerspricht ihm König Tarquinius. Sie schließen eine Wette ab, die Collatinus gewinnt: L empfängt den überraschend heimkehrenden Gatten freudig, die Königin Tarquinius nicht. Um deren Ehre wiederherzustellen, schleicht sich Tarquinius bei L ein. Sie bewirtet ihn zunächst bereitwillig, weist seine Zudringlichkeiten aber entschieden zurück. Tarquinius lässt daraufhin einen Ritter kommen, der für den Fall, dass sie nicht gefügig ist, öffentlich bezeugen soll, dass Tarquinius bei L gewesen sei. Die auf diese Weise zum Ehebruch Genötigte lädt am nächsten Abend zu einem Fest, macht Tarquinius' Untat öffentlich bekannt und ersticht sich. Tarquinius flieht und wird von C verfolgt und getötet (4727). [1] [ 1 ] Der Beleg verarbeitet die berühmte L-Legende. In der röm. Version wird Lvon Sextus Tarquinius,Tarquinius' Sohn, vergewaltigt, setzt ihren Mann und weitere Römer davon in Kenntnis und ersticht sich (so bei Livius, 1.57,6ff.). Die Sage erklärt den Sturz der Tarquinier, damit das Ende der röm. Königsherrschaft und den Beginn der Republik. El versetzt das Geschehen in nachneronische Zeit. Der Verweis auf Ovid beziehtsichauf,Fasten'II,721-852. Zur Quellenverarbeitung Ohly, Sage und Legende, 88ff.; zur Stofftradition H. Galinsky, Der L-StofF in der Weltliteratur, 1932; Frenzel, Stoffe, 471 -475. Zur Nachgestaltung des L-Motivs im .Apollonius' Heinrichs von Neustadt -* Tarquinius [2], [mk]
Luna [Gr. Selene, Mondgöttin, in späterer Zeit mit Hekate und Proserpina in Verbindung gebracht]
W: Dreifache Göttin (Al), Heidengöttin (E2), Mondgöttin (El, E4), Glücksspenderin (Bl), Personifikation der Tugend (B2), Planet (B2, B3, E2, E3, E4) Nf.: Lüne (Bl, El),n.n. (E4)
I. [1] L könnte eine Benennung nach der antiken Göttin -» Apollonitis.
(-» Lucina f l j ) sein. Zum Apolloniusroman
[mk]
Al Albrecht von Haiherstadt,,Metamorphosen' 7,188: L bildet mit Diana und Proserpina
Luna „die dreifache Göttin", hat den himmlischen Bereich inne und leuchtet über der Erde. Iason schwört Medea bei dieser Trias Treue.
B1 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crdne'300: L beklagt Artus' Tod, sie hat ihm Glück („saelde") verliehen und ihn vor Makel bewahrt (Prolog, Lobpreis des Artus). B2 Albrecht, Jüngerer Titurel': L ist einer der sieben Planeten, die auch die sieben Tugenden verkörpern und den Weltenlauf bestimmen (2802,1), sie wirkt auf das Empfinden („muot'V (2804,2; astronomischer Exkurs; Planetenkatalog). B3 Johann von Würzburg,, Wilhelm von Osterreich ' 15433: Auf der Dachplane eines Festzeltes sind die Planeten L, Mercurius, Venus, Sol, Mars, Iuppiter und Saturnus kunstvoll in Kreisform angeordnet (Descriptio). El ,Kaiserchronik'·. Der Mondgöttin werden in Rom jeden Montag brennende Ollampen dargebracht ([90]; Rom. Götter; Katalog). Faustinianus glaubt u.a. an L, die die Menschen in der Nacht beschützt und der Wein und Ol geopfert werden (3706). E2 Reinbot von Durne, ,Der heilige Georg': 4497: Über die Welt herrschen die [Götter], die den Lauf der Planeten bestimmen. L ist für die Unbeständigkeit („unstaete") verantwortlich (meint die bekehrungswillige Alexandrina im Glaubensdisput mit Georg). E3 Brun von Schönebeck, ,Das Hohelied': L, einer der sieben Planeten, steht für die Vernunftfähigkeit („spiritus intellectus") (1437; 1444; Planetenkatalog). E4 Jans Enikel, , Weltchronik' [20279]: Zu Ehren des Mondes tragen die röm. Kinder unter sieben Jahren am Montag Lichter durch die Stadt (Röm. Götter; Katalog). II. 1) Antike Motive; 2) L als Planet/Planetengöttin
1) Die antike Mondgöttin L nimmt in der literarischen Mythologie keine besondere Rolle ein, sie ist keine Göttergestalt mit ausgeprägtem Mythos. In Kult und Astrologie hat sie jedoch einige Bedeutung und wird ins-
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besondere im Zuge späterer synkretistischer Strömungen aufgewertet. Zusammen mit Hekate und Proserpina bildet die mit Diana identifizierte L eine pankosmische Trias, die analog zu Zeus, Poseidon und Hades die drei Weltbereiche Himmel, Erde und Unterwelt umfasst. [1] Der Begriff der „diva triformis" in der Medeapassage der Metamorphosen' Ovids spielt darauf an (7,94ff.). A l deutet diese Trias - sicher mit Rückgriff auf eine Glosse - als eine Dreifaltigkeit von L, Hekate und Proserpina. El und E4 berichten im Rahmen von Exkursen zu den röm. Göttern von der Benennung des Montags nach L. E4 hängt von El ab. 2) Ansonsten wird L im MA natürlich als Planet oder Planetengöttin aufgefasst und hat ihren festen Platz in der ma. Astrologie. In direkter Verbindung mit astrologischen Vorstellungen steht auch die Mehrzahl der mhd. Belege (Bl, B2, B3, E2, E3). In B1 ist L jene planetare Instanz, die Glück verleiht. Die hier greifbare Gleichsetzung mit Fortuna findet sich öfters und erklärt sich aus der Symbolik der Wechselhaftigkeit, die dem Mond wegen seiner Phasen zugesprochen wird (vgl. CB 1 7 , 0 Fortuna, velut luna statu variabilis'). Eine ähnliche Vorstellung liegt in E2 vor, hier wird außerdem die astrologische Deutung der antiken Götter plastisch greifbar. [2] Positive Eigenschaften werden dem Planeten in B2 und E3 zugesprochen, in B2 ist L Personifikation der Tugend, in E3 steht sie fiiir Vernünftigkeit. B3 bietet die Beschreibung eines ma. Himmelsmodells. Im ,Laubacher Barlaam' Ottos von Freising (10995) schließlich wird die Verehrung der „Mondin" („mjeninne") für töricht gehalten, weil sie von Gott erschaffen worden sei und ihre Phasen Gottes Gebot unterstehen. [3] [1] S.v. Hekate (H. Sauer), in: DKP, Bd. 2, Sp. 986f. (bei Hesiod weist Zeus der Hekate einen Anteil an allen drei Weltberichen zu), s.v. Luna [1.] (W. Eisenhut), in: DKP, Bd. 3, Sp. 770f. [2] Dazu Seznec, Das Fortleben, 31 ff. [3] Vgl. auch Rudolf von Ems,,Barlaam' 9268. [mk/sks]
366
Lycabas — Lycomedes
Lycabas [Assyrier, will seinen Freund Athis rächen und wird von Perseus getötet; M M 5,60]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Lycabaß): L will seinen Freund Athis rächen und schießt mit dessen Bogen auf Perseus. Der Pfeil bleibt aber in Perseus' Gewand hängen, und L wird von Perseus mit dem Medusenhaupt versteinert. Er fällt auf seinen toten Gefährten und fährt wie dieser zur Hölle (5,101; 5,115; Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus; Katalog). [1] [ 1 ] Bei Ovid wird L von Perseus mit jenem Schwert getötet, mit dem dieser Medusa enthauptet hat, und fällt sterbend auf Athis. Das Motiv der „Höllenfahrt" ist Zusatz von A l . [mk]
Lycetus [Sohn des Sperchion, Gefährte des Phineus, wird im Kampf gegen Perseus erschlagen; M M 5,86]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,147 (Licetus, Lycetus)·. L stirbt im Kampf gegen Perseus und dessen Gefährten (Ka-
Lycidas [Kentaur, im Kampf gegen die Lapithen von Dryas getötet; M M 12,310]
Lycaon [1] [König in Arcadien, Vater der Callisto, setzt Iuppiter Menschenfleisch vor u n d wird zur Strafe in einen Wolf verwandelt; M M 1,165]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Licaon): Als Iuppiter in Menschengestalt bei L einkehrt und dessen verkommenes Volk missionieren will, stellt ihn L auf die Probe, indem er ihm einen geköpften und gebratenen Gefangenen vorsetzt. Iuppiter lässt zur Strafe L's Haus in Flammen aufgehen, L flieht und wird in einen Wolf verwandelt (1,315-463; Sintflut; Bericht Iuppiters an den Götterrat; Exemplum fur die Verderbtheit der Menschen). L's Tochter Callisto fürchtet sich vor dem Wolf (2,1050; RV). Iuno befürchtet, dass L zum Schwäher Iuppiters aufsteigen könnte, wenn dieser die vergöttlichte Callisto rückverwandeln und zur Frau nehmen würde (2,1112). [mk]
Lycaon [2] [Sohn des Priamus, fällt im Kampf u m Troja; Dictys 88,18]
Al Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung 43612 (Licaon)·. L, ein Sohn des Priamus, wird auf der Flucht erschlagen. [1]
[1] A l folgt direkt dem Trojabericht des Dictys. Bei Dares (28,11) u n d Benoit (14105) wird Lycaon von Achilles getötet. [sks]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen 12,542 (Licides): L flieht wie andere vor Medon, [1] nachdem dieser den Rhoetus getötet hat (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf; Katalog). [1] In A l sind der Kentaur Medon und der Lapithe Dryas, der den Kentauren Rhoetus tötet, verwechselt. [mk]
Lycomedes [König der Doloper auf Skyros, Vater der Deidameia]
G: Vater der Deidameia (Al, A2, A3, El) und anderer Töchter (A2), Großvater des Pyrrhus (Al), Ziehvater des Pyrrhus (A2), Schwiegervater des Achilles (A2), Freund des Ulixes (A2) R: König von Skyros (A2), der Heiden (El) Nf.: Licomedes (Al, A2, Bl), Lykomedes (El), Nicomedes (A3) I. Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Pyrrhus, den Achilles 15 Jahre zuvor mit L's Tochter gezeugt hat, befindet sich nach Aiax' Auskunft am Hofe des L. Er soll nach dem Tode des Achilles nach Troja gebracht werden (13847; 13851).
Lycomedes
A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg': Thetis will ihren Sohn Achilles als Mädchen Jocundille verkleidet am Hof von L verstecken, preist L als edel und tugendreich und bittet ihn um Aufnahme Jocundilles (13932; 13971; 14050; [15151; 15226]). L fühlt sich geehrt und willigt ein (15265). Calchas informiert die Griechen über den Aufenthalt Achills bei L (27151; 27346; 27374). Diomedes und Ulixes, die ihn nach Troja bringen wollen, werden von L in Skyros freundlich empfangen (27432-27675). Dieser würde gerne am Trojanischen Krieg teilnehmen, fühlt sich aber zu schwach. Ulixes rät ihm, zu Hause zu bleiben ([27787]; 28001). L erkennt die wahre Absicht der Griechen nicht (28092). Deidameia fürchtet wegen ihrer Schwangerschaft seinen Zorn, Achilles gesteht L sein Liebesverhältnis zu Deidameia, und dieser verzeiht den Liebenden (28662-29222).
, Trojanerkrieg'-Fortsetzung·. Der treffliche und tugendreiche L erzieht seinen Enkel Pyrrhus auf Skyros, trauert um den gefallenen Achilles und lässt Pyrrhus nur widerwillig mit Menelaus nach Troja ziehen, da er um seinen Erben fürchtet (44193-44621).
A3, Göttweiger Trojanerkrieg'·. Thetis übergibt den als Mädchen verkleideten Achilles der Obhut des L (15673). Dieser lässt ihn gemeinsam mit seiner Tochter Deidamia und weiteren zehn Jungfrauen zu einem geistlichen Leben im Dienste der Götter erziehen. L erlaubt ihnen, die Ladung der als Kaufleute getarnten Griechen, die Achilles nach Troja bringen wollen, zu besichtigen. Achilles wird enttarnt und entführt (16308).
B1,Reinfried von Braunschweig'22579: Thetis
versteckte Achilles in den Frauengemächern des L, wo Achilles mit Deidameia Pyrrhus zeugte. Wer mehr darüber wissen will, soll Statius' »Achilleis' lesen (Exkurs zu Achilles).
El Jans Enikel, , Weltchronik': Achilles fährt als Frau verkleidet in das Land von L, um Deidameia zu gewinnen, gibt sich ihr schließlich als Mann zu erkennen und zeugt mit ihr heimlich ein Kind. Als L erkrankt, verschüttet Deidameia unabsichtlich seine Harnprobe
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und ersetzt sie durch ihren eigenen Harn, worauf der Arzt eine Schwangerschaft L's diagnostiziert und seinen baldigen Tod prophezeit. Eine neuerliche Harnprobe zeigt aber keine Schwangerschaft an ([14566]). Ulixes erklärt sich gegen eine hohe Belohnung bereit, Achilles von L's Hof nach Troja zu bringen. L klagt um seine Tochter, die gemeinsam mit Achilles flieht ([15159] u.ö.; Trojanischer Krieg). [1] Für Parallelen zu dem Schwankmotiv von der Harnprobe und der angeblichen Schwangerschaft des Mannes verweist Strauch (Hg.), 283, Anm. 1 auf Wickrams ,Rollwagenbüchlein' (hg. H. Kurz, 198), auf GA I, Nr. II und IX sowie auf Reuters ,Der ehrlichen frau Schlampampe krankheit und tod' 111,2.
II. Die Episode von Achilles, der in Mädchenkleidern bei L untertaucht, um sich der Teilnahme am Trojanischen Krieg zu entziehen, wird in Statius' Achilleis' breit ausgestaltet. Darauf wird in Β1 explizit verwiesen. Direkt nach Statius ist A2 gearbeitet. Es ist die ausführlichste Version unter den mhd. Belegen. Handlungsgang und Motive folgen im Wesentlichen der Vorlage, die Darstellung selbst ist stark höfisiert. [1] Zentrales Motiv ist die vor L verheimlichte Liebe zwischen Achilles und Deidamia, eine Variante des beliebten Themas der von den Eltern verbotenen Liebe, das v.a. in den ma. Bearbeitungen der Geschichte von Pyramus und Thisbe oder im Roman von Flore und Blanscheflur prominent vertreten ist. Hier setzen auch die Versionen von A3 und El an (ohne nachweisbare Abhängigkeit von A2, sondern vermutlich frei nach dem ,Excidium Trojae'). Die burlesken Züge der Handlung sind verstärkt: In A3 lässt L die Mädchen in einem „Heiden-Kloster" erziehen, es besteht ein Keuschheitsgebot. El führt das Schwankmotiv von der diagnostizierten Schwangerschaft des L ein. Deidamia und Achilles fliehen vor L mit Hilfe des Ulixes nach Troja. Alle anderen Belege (A2, A3, B l ) bringen die traditionelle Enttarnung des Helden nach der Ankunft der Griechen bei L. Die L-Episode unterstreicht die für El
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Lycoris — Lynceus
typische Neigung zum schwankhaften Erzählen, die in dieser extensiven Form auch für eine volkssprachliche ma. Chronik ungewöhnlich ist. [2] Als Großvater und Erzieher des Pyrrhus wird L schließlich in A l und in der Fortsetzung von A2 erinnert. Wie schon im Trojabericht des Dares Phrygius und im ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure fehlt die Episode von Achilles bei L in A l . [1] Zur Bearbeitung im Einzelnen Lienert, Geschichte und Erzählen, 8Iff. [2] Z u weiteren Umgestaltungen der Trojasage in E l Achilles, Menelaus. Nachbenennung Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman' 7433 (Lycomide)·. Der Trojaner L führt eine Truppe von 500 Rittern an, die Ascanius zur Unterstützung seines Vaters Aeneas abkommandiert (Kampf um Italien). [1] [ 1 ] Die Gestalt L dürfte von Heinrich frei erfunden sein, in Vergils ,Aeneis' und im ,Roman d'Eneas' findet sich jedenfalls kein gleichnamiger Trojaner. [mk/sks]
Lycormas [Gefährte des Phineus; kämpft auf dem Hochzeitsfest des Perseus; M M 5,119]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,200 (Lycornas): L rächt Ampycus an Paetalus, indem er ihm den Schädel mit einer Türklinke spaltet (Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus; Katalog). [1] [ 1 ] Bei Ovid rächt L den Lampetides an Paetalus. Der Text ist an dieser Stelle verderbt; -* Paetalus. [mk]
Lycus [1] [Kentaur, wird im Kampf gegen die Lapithen von Pirithous erschlagen; M M 12,332]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen 12,563: L wird wie Chromis, Helops und Dictys von Pirithous erschlagen (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf; Katalog). [mk]
Lycoris
Lycus [2]
[Amme der Tarsia; ,Historia Apollonii' C / 2 5 , 2 u.ö.]
A l Heinrich von Neustadt, Apollonius' (Liguddis, Liguridis): Die treue Amme und Dienerin L begleitet die schwangere Lucina und Apollonius auf der Fahrt nach Tyrland (2424) und nimmt sich nach Lucinas Scheintod deren neugeborener Tochter Tarsia an (2611). Apollonius gibt Amme und Tochter in Tarsis in die O b h u t Stranguillios (2876). L schickt Tarsia zur Schule (14967) und klärt sie auf dem Totenbett über ihre wahre Herkunft auf. Tarsia besucht täglich L's Grab. Dort lauert ihr der von Dionysias, Stranguillios Gattin, gedungene Theofilus auf, der sie entführt und an einen Bordellbesitzer verkauft (15124-15211). L wird von Tarsia klagend angerufen, als sie von dem trauernden Apollonius, den sie aufheitern soll, geschlagen wird. Apollonius erkennt daraufhin seine Tochter (16757; 16810). [mk]
[Trojaner, verteidigt mit Helenor den Turm von Aeneas' Lager und fällt durch Turnus; Aeneis IX, 544; RdE 5417]
A l Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman (Licusj: Der Trojaner L verteidigt mit seinem Verwandten Helenor den Brückenturm von Montalbane. Als das Heer des Turnus diesen zum Einsturz bringt, will L fliehen und wird getötet (6970-7044; Kampf um Italien). [sks]
Lynceus [Sohn des Aegyptus, wird von seiner Braut Hypermestra verschont und überlebt so als einziger der 50 Söhne des Aegyptus die Hochzeit mit den Danaiden in Argos]
E l Rudolf von Ems,,Weltchronik' (Lingeus): L ist der elfte König von Argos (19683; Katalog mächtiger Heidenherrscher; 19900; Katalog der Könige von Argos). [1] [1] Die mythologische Gestalt ist dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend historisch aufgefasst. Die profangeschichtlichen Daten werden dabei in Form von Herrschafts-
Lyncides — Lysias [2] katalogen aufgelistet, auf eine narrative Darstellung wird so wie hier meist verzichtet. Zur Nennung vgl. die Königsliste von Argos in der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 207), die ,Historia scholastica' des Petrus Comestor, Hauptquelle von El, nennt L nicht. Zu den wenigen Anspielungen auf den Danaidenmythos in der mhd. Literatur -* Danaus und -> Belides. [mk]
Lyncides
Perseus
Lyncus [Gr. „Luchs", König von Skythien, von Ceres zur Strafe fur den versuchten Mord an Triptolemus in einen Luchs verwandelt; MM 5,650]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,1183 (Lincus)·. Weil L, der König von Scitia, fürchtet, dass Triptolemus, der den Getreideanbau ins Land gebracht hat, beliebter werden könnte als er, beschließt er, ihn zu töten. Sein Plan wird von Ceres vereitelt, sie verwandelt L in eine giftige Natter, die so scharf sieht, dass ihr Blick auch eine dicke Mauer durchdringt (Sangeswettstreit zwischen den Musen und den Pieriden am Helicon; Lied der Musen). [1] Bei Ovid wird Lyncus klarerweise zum Luchs. WieAl auf die Natter kommt, ist fraglich. Das Aition von den scharfen Augen der Natter könnte auf eine Glosse zur Stelle bei Ovid zurückgehen, die sich aber wohl noch auf den Luchs mit seinen sprichwörtlich scharfen Augen bezogen haben wird. [mk]
Lysias [1] [Prophezeit Philipp von Macedonien einen Sohn und wird von Alexander im Zorn getötet; Leo 1.21,1, Lisias]
W: Riese (A2) R: Fürst (A3), Ritter (Al) Nf.: Lisias (Al, A2), Lysias (Al, A3) I.
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A2 Rudolf von Ems, Alexander'·. Der hochmütige Riese L will Alexander zugunsten des Sohnes von Philipps zweiter Frau Cleopatra enterben und wird dafür von diesem im Zorn getötet (2623-2703; Jugendgeschichte Alexanders). A3 Ulrich von Etzenbach, Alexander'·. Philipp hat auf Rat des L Olympias verstoßen und Cleopatra zur Frau genommen. Alexander bezähmt zunächst seinen Zorn darüber, doch als L Philipp und Cleopatra einen Sohn prophezeit, tötet er L im Zorn (1769-1810; Jugendgeschichte Alexanders). II. Die mhd. Belegstellen motivieren den Angriff Alexanders auf L unterschiedlich. In Al ist die Schmähung Alexanders der Grund, in A2 und A3 ist es seine drohende Enterbung durch den Sohn von Philipp und Cleopatra. A2 und A3 wissen außerdem wie der,Alexander' Leo Archipresbyters von einer Tötung L's, in Al wird er wie bei Pseudo-Kallisthenes und Valerius [1] nur verwundet. [1] Hinweis bei Chandler, Catalogue, 182. Q. CurtiusRufus und Walter von Chatillon, die Hauptquellen von A2 und A3, nennen L nicht. Nachbenennung Albrecht, Jüngerer Titurel' 3286,1 u.ö.: Lisias ist der König von Damscone und Führer der 5. Schar des Ypomedon. [1]
[ 1 ] Es ist unklar, auf welchen antiken Lysias die Nachbenennung Bezug nimmt, am wahrscheinlichsten auf den Feldherrn des Antiochus IV., der von Judas Makkabäus geschlagen wurde (-» Antiochus [2]). [sks]
Lysias [2] [Tetrarch aus Skythien, fällt durch Amyntas; Chatillon V.263]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander': L von Al P f a f f e Lamprecht, Alexander'·. Der stolze, Macet zählt zu den tapfersten Gefolgsmännern redegewandte L schmäht Alexander, als dieser des Darius (10949) und fällt in der Schlacht seinen Vater wegen des Ehebruchs mit Cle- bei Arbela durch Alexander (13932). [1] opatra zur Rede stellt. Alexander schlägt L [1] Anders als in der .Alexandreis' Walters von Chatillon, L von Amyntas zu Fall gebracht und von den Pferden daraufhin mit einem goldenen Napf so hef- wo zu Tode getrampelt wird, wird er hier von Alexander selbst tig, dass ihm die Zähne in die Kehle rieseln getötet. (V 411-420; S 482-495). [sks]
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Lysimachus
Lysimachus [Gefolgsmann Alexanders, erhält nach dessen Tod 323 ν. Chr. Thrakien und die Schutzherrschaft über Herakleia am Pontus, ab 305 König von Thrakien, 286-281 König von Makedonien; Curtius VIII. 1,14; X.10,4]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander 27020 (Lysimacus)·. Alexanders Testament zufolge
erhält L Thrakien und Pontus (Alexanders Tod in Babylon; Katalog der Erben). [1] [1] Al lässt die bei Curtius genannten Motive von der Löwenjagd (VIII. 1,14) und von L's Versuch, die Ermordung des Clitus zu verhindern (VIII. 1,46), weg und referiert nur das Motiv von Ls Herrschaft über Thrakien und Pontus (X.10,4). [sks]
Μ Macareus
I.
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Der reiche, unhöfische, gefräßige und neidische Μ (3099; Descriptio) führt mit Podalirius Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 32 Schiffe von Thrakien zum Sammelpunkt (Machareus): Der aus Naricia stammende Μ der gr. Flotte nach Athen (3363; Katalog erkrankt auf der Heimfahrt von Troja und lässt der Griechen) und bildet am zweiten Tag sich von Ulixes an Land bringen. Später wird der Landungsschlacht mit Aesculapius und er von Aeneas aufgenommen und trifft auf Podalirius eine Schar (4910; Katalog). [1] dessen Schiff seinen alten Gefährten Acha- [ 1 ] Wie bei Benoit sind auch in A1 dem Μ die bei Dares dem emenides, der von Ulixes auf der Insel des Meriones zugehörenden Eigenschaften zugeschrieben. Polyphem vergessen und von Aeneas geret- A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg' tet worden ist. Er berichtet ihm von Aeolus' 23860: Fürst Μ ist ein Verbündeter der Geschenk an Ulixes, dem Kampf gegen An- Griechen (Kriegsvorbereitungen; Katalog tiphates [den König der Laestrygonen] und der Griechen). dem Aufenthalt bei Circe, die von Ulixes ge- , Trojanerkrieg'-Fortsetzung 40946: Μ nimmt zwungen worden ist, die von ihr in Stiere [!] an den Ritterspielen anlässlich der Feier von verwandelten Gefährten (darunter M) wie- Achilles' Sieg über Hector teil und gewinnt der zu erlösen (14,133; 14,135; Abenteuer den Preis in der Feldschlacht (Katalog). des Ulixes). [1] II. [1] Bei Ovid wird Μ nicht wegen einer Krankheit an Land [Gefährte des Ulixes, bleibt auf der Insel Caieta zurück, wird von Aeneas aufgenommen und trifft auf dessen Schiff seinen alten Mitstreiter Achaemenides; M M 14,159]
gebracht, sondern weil er der Irrfahrten überdrüssig ist (MM l4,158fif.). Die Aussetzung wegen Krankheit (eine Doppelung des Philoktet-Motivs) könnte auf einer Glosse beruhen. M's Aufeählung der bestandenen Abenteuer folgt im Wesentlichen Ovid (MM 14,223ff.), der freilich die traditionelle Verwandlung der Gefährten des Ulixes (unter ihnen auch M) in Schweine bietet. Warum Al von Stieren spricht, ist unklar. [mk]
Bei Homer ist M, der Sohn des Asklepios, Feldarzt der Griechen vor Troja. Das Motiv fehlt bereits in den Trojaberichten von Dares und Dictys. Al und Al nennen Μ nur im Rahmen von Katalogen. Die Belege folgen dem Trojaroman Benoits de Sainte-Maure (Al, A2) bzw. Dictys (Fortsetzung von Al). [sks/mk]
Machaon [Sohn des Aesculapius, Bruder des Podalirius; gr. Kämpfer vor Troja; Dares 18,10; Dictys 12,13; Benoit 5273]
G: Sohn des Aesculapius (Al), Bruder des Podalirius (Al) R: König (Al), Fürst (A2) Nf.: Macaon (Al)
Macrobii [Aethiopier bzw. Bewohner des Athos, bekannt für ihre Langlebigkeit]
W: Wundervolk (Al, D l , El), Riesen (Al, El) Nf.: Macroby (Al), Magrobi (Al)
372
Madates — Maeandrus
I.
I.
Al Heinrich von Neustadt, Apollonius' 10982: Das indische Riesenvolk der Μ lebt in der Nachbarschaft des goldenen Tales Crisia (Apollonius' Reise nach Crisia; geographischer Exkurs). D 1 .Lucidarius '11,16: Die Μ sind zwölf Ellen lang, haben Löwenkörper, Federn und Krallen wie Adler und kämpfen gegen die Greifen (Erstes Buch; Aufzählung der Wundervölker Indiens). [1]
A l Rudolf von Ems, Alexander' 13553: Μ ist der Statthalter von Susa und ergibt sich Alexander nach vergeblicher Gegenwehr. Auf Sisygambis' Intervention hin werden er und die Einwohner geschont (Eroberung Persiens). A2 Ulrich von Etzenbach, Alexander': Der tugendreiche, weise und ritterliche Μ widersetzt sich aus Treue zu Darius Alexanders Aufforderung zur Ubergabe von Uxia (14931; 14934). Als Alexander nach der Eroberung der Stadt M s Bitte um freien Abzug der Bürger und Schonung der Burg ablehnt, schickt Μ heimlich einen Boten zu Sisygambis, die Alexander schließlich umstimmen kann. Μ erhält das Land tributfrei zur Verwaltung (15053-15117).
[ 1 ] Als weitere Wundervölker werden u.a. noch Brachmanen, Arimaspi/Monoculi und Cyclopen genannt.
E l Rudolf von Ems, ,Weltchronik' 1525: Die 12 Klafter langen Μ kämpfen immer wieder gegen die Greifen (Wundervölker Indiens). II. Die Μ werden bei Herodot als - dem Namen entsprechend - „langlebige" Aethiopen, bei Plinius als langlebige Bewohner des Athos genannt. [1] Für das ma. Wissen um sie war neben Plinius die Nennung bei Isidor (Etym. XI.3,26) wichtig. In der isidorischen Tradition stehen auch die mhd. Belege. Al und El greifen dabei konkret auf,De imagine mundi' des Honorius Augustodunensis zurück (PL 172, Sp. 123), D l auf dessen ,Elucidarius'. Die Μ werden den genannten Quellen entsprechend in geographischen Exkursen (Al, E l ) bzw. in einer geographischen Abhandlung ( D l ) als Wundervölker Indiens genannt. [1] S.v. Makrobioi (W. Helck, Chr. Burchard), in DKP Bd. 3, Sp. 922. [mk]
Madates [Persischer Fürst im uxischen Bergland, versucht 331/30 v. Chr. vergeblich, Alexander aufzuhalten, wird besiegt und auf Bitten seiner Verwandten Sisygambis begnadigt]
G: Verwandter des Darius (A2) und der Sisygambis (Al, A2) R: Herzog der Uxii (Al), Burggraf von Uxia (A2), Statthalter von Susa (Al) Nf.: Medates (A2)
II. Von M's Widerstand gegen Alexander berichtet Al nach Q. Curtius Rufus (V.3,4,ff.), A2 nach der Alexandreis' Walters von Chatillon. Seiner Quelle folgend, betont A2 M's Treue zu Darius und seine vortrefflichen Charakterzüge (vgl. Chätillon VI,67ff.), was ihm nicht nur die Begnadigung, sondern auch eine Belehnung durch Alexander einbringt. [sks]
Maeandrus [Vater der Cyane, Großvater von Byblis und Caunus; M M 9,451; Fluss in Kleinasien, mündet bei Milet ins Meer, sein gewundener Lauf war namengebend für das Ornament; M M 2,246; 8,162]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Menander): Der kreuz und quer fließende Fluss Μ wird ausgetrocknet, als Phaeton die Kontrolle über den Sonnenwagen verliert und der Erde zu nahe kommt (2,526; Flusskatalog). Sein gewundener Lauf gleicht dem Labyrinth (8,305; Minotaurus). M's Schwäher Miletus zeugt mit einer von dessen Töchtern [Cyane] [1] Byblis und Caunus (9,818; Byblis). [1] M's Tochter Cyane wird von Al an dieser Stelle nicht
Maecenas — Mars namentlich genannt, berichtet wird allerdings ihr Versuch, Pluto bei der Entführung Proserpinas aufzuhalten (-»
Cyane).
[mk]
Maecenas [Gaius Cilnius M, um 70-8 v. Chr., röm. Staatsmann und Schriftsteller, Epikureer, Vertrauter des Augustus, Förderer und Gönner von Künstlern und Gelehrten]
Dl Hugo von Trimberg, ,Der Renner' 1264 (Mecenas)·. Μ wird in einem Katalog röm. Adeliger genannt, die den Wert der Kunst für Tugend und Ansehen erkannten und sie beispielhaft pflegten (Katalog antiker Autoritäten; Exempelfigur für einen Kunstförderer; Laus temporis acti). [1] [1] Mit dem Lob der Kunstförderung und der angeschlossenen Zeitklage vermittelt die Stelle gängige didaktische Topik. Die Nennung M s ist aufgrund seines Wirkens motiviert. Ansonsten ist er keine geläufige Exempelfigur, im Unterschied zu anderen an der Stelle genannten Gestalten wie Vergil, Ovid, Caesar und Augustus (ferner werden erwähnt: Macrobius, Scipio, Cicero, Lucan, Iuvenal, Boethius, Statius, Horaz, Terenz und Seneca). [mk]
Magog Maia
Gog und Magog Mercurius
Manapis [Satrap von Hyrcanien; Curtius VI.4,25]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 17606 (Manapin)·. Der edle Fürst Μ [1] wird von Alexander mit Ircanien belehnt (Eroberungszug Alexanders). [1] Curtius nennt als Namensvariante Menapis. [sks]
Manto [Tochter desTiresias, Seherin, mahnt die Thebanerinnen zur Verehrung Latonas und ihrer Kinder; MM 6,157]
Al Albrecht von Halberstadt,,.Metamorphosen' 6,327: Die Weissagerin Μ verkündet dem
373
Volk von Theben, es solle die Arbeit niederlegen, die Häupter mit goldenen Binden und Laubkränzen umwinden und Latona und ihre Kinder im Tempel mit Feuer, Opfer und Gebet ehren. [1] Niobe lehnt dies ab. [1] Bei Ovid fordert Μ nur die Frauen zur Verehrung Latonas und ihrer Kinder auf, sie schmücken sich mit Lorbeerkränzen und verbrennen Weihrauch (vgl. M M 6,159ff.). Der Randkommentar zu 6,327 in der Bearbeitung von Al durch Jörg Wickram lautet: „Manto / eyn grosse zaubererin unnd unhuld / hat man do mal für eyn Weissagin geacht". Im Text selbst fehlen derartige Bezüge auf die ma. Mythendeutung weitgehend. [mk]
Marathius
Aratus [2]
Marcus Antonius
Antonius
Mars [Gr. Ares, Gott des Krieges, neben Iuppiter oberster Schutzgott des röm. Staates]
W: Gott des Krieges (Al, A2, A3, A4, A5, B5, C l , D3, El, E2, E3, Ε4, E5), des Streites (E3), Gott der Sarazenen (Bl, B3, B4, B6), Planet (A6, B2, B7, B8, Dl, D2, E6), Stern (C2) G: Sohn des Iuppiter (A2), Geliebter der Venus (A2), Vater des Romulus (A2) Nf.: Mare (B4), Marss (A5), Martis (El), Maure (B4) I.
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman': Μ hatte ein ehebrecherisches Verhältnis mit Venus, wovon Vulcanus wusste. Als es diesem schließlich zuviel wurde, fing er die beiden in einem aus Silber und Stahl gewirkten, fein gesponnenen Netz und führte sie so den Göttern vor (5626-5642; Venus bittet Vulcanus um Waffen für Aeneas; Exkurs). A2 Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen '·. Vulcanus erfährt durch Phoebus von dem heimlichen Liebesverhältnis zwischen Venus und Mars und fängt die beiden in flagranti mit einem Netz. Die herbeigeholten Götter
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Mars
verspotten das überführte Liebespaar. Einige meinen, für ein Liebesverhältnis mit Venus auch eine derart peinliche Situation in Kauf nehmen zu wollen (4,286-326; Erzählung der Leucothoe). Μ erinnert Iuppiter daran, dass Romulus manchen Streit geschlichtet habe, und bittet um dessen Aufnahme in den Himmel. Nach Iuppiters Zusage fliegt Μ zur Erde und entrückt den gerade zu Gericht sitzenden Romulus vor aller Augen (14,635; 14,648). A3 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Μ lässt nach Auskunft Medeas den goldenen Widder von zwei feuerspeienden Stieren hüten (989; Argonautenfahrt). Hecuba fühlt sich nach Troilus' Tod von ihren Göttern M, Iuppiter und Pluto verlassen und wünscht sich von ihnen den Tod (13356; 13358). A4 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg'·. Μ ist einer der Gäste auf dem Fest des Iuppiter anlässlich der Hochzeit von Peleus und Thetis. Er gebietet über alle Zwistigkeiten, erscheint bewaffnet und in prächtiger Rüstung, um etwaigen Unruhestiftern zuvorzukommen (954; Fest des Iuppiter; Gästekatalog), und schlichtet dann auch den Streit zwischen Iuppiter und Priamus um Paris (3489). Μ lässt den goldenen Widder zu Kolchis von zwei feuerspeienden Ochsen bewachen (8154; 8256; Argonautenfahrt). Er ist der Erbauer des prächtigen Tempels auf Kolchis (9627). A5 ,Göttweiger Trojanerkrieg' 12225: Nach Hectors Sieg über Critogolan opfert Agamemnon seinen Lieblingsgöttern M, Iuppiter und Saturn und dankt ihnen für den Sieg. In Wahrheit half ihm aber Gott, obwohl er ein Heide war (Hector und Paris am Hof Agamemnons in Athen). A6 Ulrich von Etzenbach, »Alexander' 8385: Zoroas aus Ägypten weiß um die Ordnung der Planeten M, Venus, Saturn, Mercurius und Iuppiter, kann aus den Sternen Naturereignisse und die Zukunft der Menschen lesen und sieht seinen Tod im Kampf gegen Alexander voraus. A7 Heinrich von Neustadt, apollonius' 4930: Μ befiehlt Pluto, einen Seesturm zu entfachen,
in den Apollonius auf dem Weg nach Galacides gerät (Apollonius' Abenteuer). B1 Pfaffe Konrad, ,Rolandslied' 2651: Der Sarazenenkönig von Alerie verehrt die drei Götter M, Iuppiter und Saturn. B2 Wolfram von Eschenbach, ,Parzival' 789,5: Eine bestimmte Konstellation von Μ und Iuppiter verstärkt die Schmerzen des Gralskönigs Anfortas. B3 Stricker, ,Karl' 3117: Der muslimische König von Tanebri führt Abbilder der Götter M, Iuppiter und Saturn in den Kampf gegen die Christen. B4 Ulrich von Türheim,,Rennewart': Der sarazenische Ritter Faufaserat verehrt den erhabenen Gott Μ (27915). Passiguweiz will sich bekehren und Μ und den anderen Heidengöttern abschwören (28305; 28851; Kriegszug der Christen gegen Marokko). B5 Konrad von Würzburg, ,Partonopier und Meliur' 4112: Der edle Μ wird von dem heidnischen König Loemer von Norwegen um Beistand im Kampf gegen die Christen angerufen. B6,Reinfried von Braunschweig'16399: Nach seiner Niederlage gegen die Christen beklagt sich der Heerführer der Sarazenen bei Μ und den übrigen Heidengöttern über ihre mangelnde Hilfe, obwohl er ihnen immer treu gedient habe (Götterkatalog). B7 Albrecht, Jüngerer Titurel': Μ ist einer der sieben Planeten, die auch die sieben Tugenden verkörpern und den Weltenlauf aufrechterhalten. Er unterstützt den Kampf gegen die Sünde (2802,1; 2804,2; astronomischer Exkurs; Planetenkatalog). B8 Johann von Würzburg, , Wilhelm von Österreich': Sonne, Mond und die Planeten M, Mercurius, Iuppiter, Venus und Saturn lassen das Astrolabium des Vergilius taghell erstrahlen (4993; Descriptio). Auf der Dachplane eines Festzeltes sind die Planeten M, Luna, Venus, Sol, Mercurius, Iuppiter und Saturn kunstvoll in Kreisform dargestellt (15435; Descriptio). Cl Konrad von Würzburg, Minneleich 2,15: Der verderbenbringende Kriegsgott Μ hat
Mars Amor mit Raub und Brand bezwungen und beherrscht die Welt, die nun voller Gewalt und ohne Freude ist. Μ und sein Gesetz haben schon manchem den Tod gebracht, wie das brennende Troja und der Tod des Paris beweisen [2,32]. Amor will auf Aufforderung des Sängers mit Venus gegen Μ in den Kampf ziehen ([2,55]; Allegorie). C 2 Der Meißner, X. 7,4: Die Sterne M, Venus, Iuppiter, Mercurius, Saturn, Sonne und Mond sollen dem Sänger gnädig sein und ihm Glück („saelde") bringen. D l ,Lucidarius' 23,23: Μ ist der Planet des Krieges, er ist heiß und trocken (Erstes Buch; „Von den Sternen").
D2 Thomasin von Zerklaere,,Der welsche Gast' 2367: Μ ist der dritte der sieben Planeten, befindet sich in der Sphäre zwischen fünftem und viertem Element und ist heiß und trocken (Kosmologie; Elementenlehre; Katalog der Planeten).
D3 Hugo von Trimberg, ,Der Renner' 8790: Der verwegene, aggressive Μ war der Abgott aller Kämpfer. Wer sich nicht mit den Künsten [den Septem Artes liberales] beschäftigt, wird aggressiver als er. E l ,Kaiserchronik': Μ werden in Rom an Dienstagen Opfer dargebracht ([117]; Rom. Gottheiten und Wochentage; Katalog). Faustinianus glaubt an die Gottheiten M, Luna, Mercurius, Iuppiter, Venus und Saturn und bringt ihnen Opfer dar. Der mächtige Μ verdient seiner Ansicht nach höchste Ehrungen, ihm werden Schilde und Schwerter geopfert (3709; Götterkatalog).
E2 Otto von Freising, ,Laubacher Barlaam': Μ gibt aus christlicher Sicht ein Beispiel für die Verwerflichkeit des gr. Götterglaubens. Er war ein Hurer, der das Böse zu seinem Lebensinhalt machte. Vulcanus und Cupido deckten seinen schändlichen Ehebruch auf, wodurch er zum Gespött der Götter wurde (11176; 13279). E3 Rudolf von Ems,,Barlaam': Nach Ansicht der Griechen ist Μ ein verlässlicher Nothelfer in ritterlichen Auseinandersetzungen und Streitereien (9739; Götterkatalog). Aus christ-
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licher Sicht war er hingegen ein notorischer Kriegstreiber, der zu allen Zeiten viel Kummer über Leute und Lande brachte. Außerdem war er ein Ehebrecher, den Vulcanus und Cupido fesselten, als er sich mit Venus der Liebe hingab (10096; 10337; Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden).
E4 Rudolf von Ems, , Weltchronik' 3211: Μ ist einer der von den Griechen in ihrer heidnischen Torheit verehrten Götter (Katalog). [1] [1] Der Katalog nennt außerdem Demiurgus, Mars, Saturnus, Iuppiter, Areas, Atlas, Castor und Pollux, Phoebus und Apollo [!], Neptunus, Vulcanus und Hercules. Von den gr. Göttinnen werden Pallas und Minerva [!], Iuno, Venus, Diana, Ceres, Europa, Thetis und Latona genannt.
E5 Jans Enikel,, Weltchronik'20307: Μ werden in Rom an Dienstagen von Rittern und Kriegern Opfer dargebracht (Rom. Götter und Wochentage; Götterkatalog).
E6 Brun von Schönebeck, ,Das Hohelied': Μ ist einer der sieben Planeten. Er steht fiir die Stärke („spiritus fortitudinis") (1437; 1447; Planetenkatalog).
II. 1) Μ und Venus; 2) Weitere antike Motive; 3) Μ als Gott der Sarazenen; 4) Μ als Planet
1) Die in Homers ,Odyssee' (8,266ff.) zum ersten Mal belegte Erzählung von Μ und Venus, die von Vulcanus des Ehebruchs überführt werden, ist dem MA durch Ovid ( M M 4,171ff.) gut bekannt und auch das zentrale mythologische Motiv in den mhd. Belegen (Al, A2, E2, E3). Al übernimmt es aus dem ,Roman d'Eneas', der es nach Ovid in die Aeneashandlung einführt (bei Vergil fehlt der „unmoralische" Mythos). Die Affäre erklärt die lange Missstimmung zwischen Venus und Vulcanus, wobei diese dem Gatten zürnt. Diese Akzentuierung erklärt sich aus dem Minne-Ethos und dem Ehebruchspathos der höfischen Literatur (vgl. Tristan und Isolde), dem die Bloßstellung der Liebenden eklatant widerspricht. Die Szene hat im ,Roman d'Eneas' deutlich ironische und derbe Züge, die in A l zurückgenommen werden. Wie in
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Mars
der frz. Vorlage fehlt auch in A l das Motiv vom Gelächter der Götter, nicht aber der Wunsch einiger, mit Venus ebenso beisammen zu liegen wie M . Vulcanus bereinigt die Angelegenheit mit seiner Bereitschaft, dem Aeneas Waffen zu schmieden. Direkt nach Ovid ist die Version in A2 gestaltet. Als Exempla gegen die verwerflichen Heidengötter dienen die Anspielungen in E2 und E3. Die Polemik ist typisch für die christlich-apologetische Tradition, in der beide Textpassagen stehen. Ab dem ausgehenden Mittelalter wird der Mythos zum überaus beliebten Sujet in der bildnerischen Kunst. Die Beziehung zwischen Venus und M , also Liebe und Krieg, ist generell ein verbreitetes T h e m a in der mythographischen u n d ikonographischen Mythendeutung von Renaissance und Barock. [1] Eine bemerkenswerte D e u t u n g bringt die Allegorie in C1, die in beiden Göttern nicht die fruchtbare Verbindung des Gegensätzlichen erkennt, sondern vielmehr die beiden diametralen Prinzipien des Weltenlaufes. Die Herrschaft des Μ steht für eine von Krieg und Unrecht gezeichnete Zeit, die das schöne, utopische Zeitalter von Amor u n d Venus zunichte gemacht hat. Die Stelle bietet eine der kreativsten allegorischen Auseinandersetzungen mit dem antiken Mythos in der mhd. Literatur und akzentuiert so die gängige didaktische Topik von Zeitklage und laus temporis acti neu. Hervorzuheben ist die Metapher vom „missklingenden" Gesetz der Marszeit: M's Herrschaft bedeutet Disharmonie, in deren Folge nicht nur Liebe und Freude, sondern auch Musik, Dichtung und höfische Lebensform verstummen. [2] 2) Weitere Motive aus dem antiken M-Mythos finden sich nur vereinzelt. Dies liegt v.a. daran, dass der ma. Eneasroman den Götterapparat Vergils mit Ausnahme der Liebesgötter weitgehend aufgibt. ImTrojaroman haben die antiken Götter keine handlungstragende Rolle inne (A3 nennt Μ bloß als Gott Hecubas, A5 als Gott Agamemnons). Die entsprechenden M - N e n n u n g e n beziehen sich auf spezifische
Motive im Rahmen der Argonautenfahrt (A3, A4; nach demTrojaroman Benoits de SainteMaure, dieser wiederum nach M M 7,101ff.) u n d der Apotheose des Romulus (A2; ebenfalls nach Ovid). Eine mythologische Ad-hoc-Erfindung ist das Motiv vom Sturmerreger Μ in A7. Sozusagen kulturhistorische Interessen bedienen die Ausführungen zum röm. M-Kult in E l und E5. Euhemeristisch gedeutet ist der Gott in A4 (wobei sein Auftritt als „Sicherheitsbeamter" durchaus komische Züge hat), ebenso in E2 u n d E3 mit deutlich polemischer Note (v.a. E2, vgl. auch E4). Als Sinnbild kriegerischer Aggressivität, die durch die Beschäftigung mit den Artes liberales zu bändigen wäre, ist Μ in D 3 aufgefasst. Die Kontrastierung einer Welt der Gelehrsamkeit u n d Bildung mit der Welt des Krieges zeigt Parallelen zu C l . 3) Zahlreiche Belege verzeichnet Μ in der Kreuzzugsepik (B1-B6), die ihn als Gott der Sarazenen auffasst. Dass die Muslime der Vielgötterei huldigen, ist eine verbreitete Irrmein u n g des christlichen MA. Der wichtigste antike Gott unter den Sarazenengöttern ist Apollo. Die Vorstellung verbindet sich auch mit anderen antiken Göttern wie eben mit M . Die Stellen zeigen dabei durchwegs topischen Charakter: Μ wird von den Heiden vor oder im Kampf angerufen (Bl, B5, B6; in B6 verbunden mit dem Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung), seine Statue wird in den Kampf mitgeführt (B3). Das Motiv weist auf die Idolatrie, die das Christentum dem Islam außerdem unterstellt hat. Mitunter bildet Μ mit Iuppiter und Saturn eine Göttertrias — vielleicht im Sinne eines heidnischen Pendants zur christlichen Trinität (Bl, B3; vgl. auch B4; in B l bildet sie eine Nebentrias zu der Haupttrias aus Mahmet, Tervagant und Apollo). [3] 4) Die antike Vorstellung von der Z u o r d n u n g der Götter Iuppiter, Saturn, Mars, Venus, Mercur zu den Planeten und die Übertragung von deren Eigenschaften auf die Gestirne findet sich in ma. Planetenlehren wieder. In den mhd. Planetenkatalogen verkörpert Μ als einer
Marsya(s) — Maxentius der sieben Planeten eine der sieben Tugenden (fortitudo) und unterstützt den Kampf gegen die Sünde (B7), er ist im Rahmen einer Elementenlehre der dritte von sieben Planeten (D2) bzw. der Planet des Krieges (Dl) mit den ihm zugehörigen Temperamenten Hitze und Trockenheit (Dl, D2), verkörpert die Stärke (E6, vgl. B7) und soll Glück bringen (C2). Negative astrologische Bedeutung hat Μ in E6 und implizit in B2, wo eine bedrohliche Konstellation von Μ und Iuppiter die Schmerzen des wunden Amfortas erhöht. Eine rein physikalische Deutung erfolgt in A6 und B8. [4] [ 1 ] Zu Venus und Μ und zur ikonographischen M-Allegorie in der bildenden Kunst von SpätMA und Neuzeit vgl. Lücke, Antike Mythologie, 65f., 124f., 128ff.; Venus. Bilder einer Göttin, passim. [2] Zu C1 Kern, Edle Tropfen, 466ff. [3] Zum gesamten Vorstellungskomplex Apollo (II.). [4] S.v. Planeten (E. Boer), in: DKP, Bd. 4, Sp. 882ff. Nachbenennung Wisse/Colin, ,Parzival' 21,45 (Mars)·. König Μ kommt zur Heeresversammlung des Artus in Kavalun (Kampf zwischen Artus und Brun von Meilan; Katalog der Könige). [mk]
Marsya(s) [Satyr, von Apollo geschunden, weil er sich mit ihm im Flötenspiel messen wollte; Fluss in Phrygien; M M 6,400]
Al Albrecht von Halberstadt,,.Metamorphosen' 6,824 (Marsia)·. Apollo hat einen Zwerg gehäutet, der sich mit ihm im Pfeifenspiel messen wollte. Aus den Tränen der um ihn weinenden Elben und Elbinnen ist die Quelle des bei Troja fließenden Μ entstanden. [1] [ 1 ] Die Stelle folgt Ovids .Metamorphosen' 6,382ff., „fauni" (6,392), „satyri" (6,393) und „nymphae" (6,394) werden wie auch sonst des öfteren volksmythologisch als „Elben und Elbinnen" und „Wassergöttinnen" gedeutet. Der Zusammenhang zwischen Fluss und Zwerg ist von A l offenbar nicht mehr durchschaut worden. [mk]
Maxentius [Sohn des Maximianus Herculius, röm. Kaiser 306-312 n. Chr., wird an der Milvischen Brücke von seinem Mitkaiser Constantinus besiegt und ertrinkt auf der Flucht im Tiber]
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R: Kaiser von Rom (Bl) Nf.: Maxencius (Bl, B2), Mecencius (Dl) I.
Bl ,Prosa-Lancelot' III.692,3·. Μ verheert Burgund, fordert von Artus vergeblich Unterwerfung und Tribut, verwundet in der folgenden Schlacht Keie und Giflet und wird schließlich von Artus getötet. Sein Leichnam wird nach Rom gebracht. B2 Albrecht, Jüngerer Titurel' 4612,3'. Der glücklose Μ intrigierte gegen Constantinus, sodass dieser die Huld der Römer verlor, wollte dann wie Augustus Britannien erobern, musste dabei aber auf die Fürsten verzichten, die Constantinus mit sich aus Rom wegführte. Dl Hugo von Trimberg,,Der Renner'22783Der grausame Μ ließ seine Feinde lebendig in ein Grab legen und mit einer stinkenden Leiche bedecken. M's Ende ist im Buch von der „Roemer tat" beschrieben (Exempelfigur für einen grausamen Menschen). II. Die Anspielungen in der mhd. Artusepik, Bl und B2, fassen Μ als glücklosen Gegenspieler von König Artus. In Bl wird er von diesem auf dem Schlachtfeld in der Bretagne getötet. B2 referiert die historische Auseinandersetzung zwischen Μ und Constantinus. Der vergebliche Versuch, Britannien einzunehmen, hat keinen historischen Hintergrund. Er dient Artus als Beispiel, dass auch Lucius, der ihn hier (im Unterschied zu Μ selbst in B l ) herausfordert, scheitern werde. Quelle ist vermutlich die ,Historia Regum Britanniae' des Geoffrey of Monmouth. [1] In Dl dient Μ als Exempelfigur für einen grausamen Herrscher, die Quellenberufung (Buch der „Roemer tat") meint die ,Gesta Romanorum'. [1] Dort fordert der röm. Herrscher Lucius von Artus Tribut (IX, 15). Dieser weist in seiner Antwort daraufhin, dass seine Verwandten Constantinus und Maximianus von Britannien aus die Herrschaft über Rom errungen hätten, somit sei Rom ihm tributpflichtig (IX, 16). M's Niederlage gegen Constantinus wird V,7 erwähnt. [mk]
378
Maximianus — Mazaces
Maximian us [Μ. Herculius, 285-305 η. Chr., Mitregent Diocletians, wird von diesem 2 8 6 zum Augustus erhoben, herrscht über die westliche Reichshälfte, erhält bei der Neuordnung des Reiches 293 Italien und Afrika, dankt 305 gemeinsam mit Diocletian ab, unter seiner Herrschaft kommt es zu schweren Christenverfolgungen]
R: Kaiser (E4), König von Rom (El), Herrscher von Rom (E2), heidnischer König (E3) Nf.: Herculius (E2), Maximian (E4) I. El,Kaiserchronik': Unter der Herrschaft von Μ und Diocletian kommt es in Rom zu schweren Christenverfolgungen. Vitus, Pankraz und Mauricius sterben den Märtyrertod. Μ lässt 6666 Wallfahrer, die mit dem Mohrenherzog Mauricius nach Rom gekommen sind, an einem Tag erschlagen und neue Götzenbilder errichten. Nach über 20 Jahren Herrschaft begeht Μ in England Selbstmord, Diocletian wird erschlagen (6452-6619).
E2 Jans Enikel, , Weltchronik'·. Μ Herculius und Diocletian teilen sich die Herrschaft über Rom, Μ herrscht über den Okzident. Es kommt zu schweren Christenverfolgungen, Kirchen werden zerstört, Bücher christlicher Autoren verbrannt. Μ und Diocletian werden vertrieben, Μ flieht nach England und begeht Selbstmord, Diocletian wird erschlagen (24834; 24842; 24877).
E3 Reinbot von Durne, ,Der heilige Georg': Μ und Diocletian teilen sich zur Zeit des Papstes Marcellus die Herrschaft, Μ herrscht über den Okzident (413; 490). Georgs Widersacher, König Dacian, ist Μ und Diocletian dienstbar (4869).
E4 Konrad von Würzburg,,Pantaleon':
Unter
Μ kommt es in Rom zu schweren Christenverfolgungen (67). Erlässt einen Blinden, der von Pantaleon und dessen Glauben an Christus geheilt wurde, enthaupten (823-855). Später stimmt er Pantaleons Vorschlag zu, einen Gelähmten durch Anrufung der heidnischen Götter und Arzte Galenus, Hippocrates und
Aesculapius heilen zu lassen. Als der Versuch scheitert und ihn Pantaleon mit Gottes Hilfe heilt, lassen sich zahlreiche Heiden taufen. Sie werden auf M's Befehl hin getötet (9381072). Da sich Pantaleon vom Christentum nicht abwenden will, lässt ihn Μ fünf Martern erleiden, die er zu seinem Zorn überlebt (1189-1579; 1667; 1731). Μ will ihn daraufhin überlisten und berichtet vom angeblichen Abfall seiner Freunde vom Christentum. Als Pantaleon auch dies durchschaut, lässt ihn Μ schließlich enthaupten (1819-1979). II. Μ gilt dem christlichen MA als einer der schlimmsten Christenverfolger und repräsentiert daher den Typus des grausamen Herrschers. El erwähnt u.a. den Märtyrertod von Pankraz, Vitus und Mauritius und die Errichtung neuer Götzenbilder unter seiner Herrschaft, E2 weiß von Kirchenzerstörungen und Bücherverbrennungen, E4 macht Μ zum heidnischen Gegenspieler des Märtyrers Pantaleon. Die chronistischen Texte (El, E2) und die Georgslegende (E3) erwähnen die Doppelherrschaft von Μ und Diocletianus, bei der Μ historisch korrekt das Westreich innehat (E2, E3). Die in El angegebene Herrschaftszeit von 20 Jahren entspricht den historischen Fakten, das Motiv vom Selbstmord M s in England dürfte eine Anspielung auf die fragwürdigen Umstände von M's Tod in Gallien sein (er wurde erhängt in seinem Gemach aufgefunden). [1] Die Darstellung in E2 ist von El und den auf der so genannten ,Epitome Sangallensis' basierenden ,Melker Annalen' abhängig. [2] An späterer Stelle werden Μ und Herculius als zwei Gestalten aufgefasst (E2; 24842). [1] S.v. Maximianus [I.J (R. Hanslik), in: DKP, Bd. 3, Sp. 1106fF., hierSp. 1108. [2] Strauch (Hg.), 484, Anm. 1. [sks]
Mazaces [Feldherr des Darius, Befehlshaber von Memphis; Curtius IV. 1,32]
Mazaeus — Mecha Al Rudolf von Ems, Alexander 8573 (Mazazes)·. Der tapfere Μ wird von Darius zum Herrscher von Pelusium eingesetzt und mit einem wehrhaften Heer ausgestattet. Er fällt im Kampf gegen Amyntas (Eroberungszug Alexanders gegen Persien). [sks]
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gegen den gr. Kundschafter Eumenidus verliert Μ vor Schwäche sein Schwert, worauf Eumenidus den Kampf abbricht und sie sich in Frieden trennen (11844-11941; als Kämpfer genannt: 13993). Zum Leidwesen des Darius übergibt Μ Babylon kampflos an Alexander, wodurch viele Leute gerettet werden (14439-14457). II.
Mazaeus [Satrap unter Artaxerxes III. und Darius III., übergibt Babylon an Alexander und wird von diesem wieder eingesetzt]
G: Vater des Brocubelus (Al), Verlobter von Darius' Tochter bzw. Schwester (A2) R: König von Babylon (A2), Fürst von Babylon (Al, A2), Vertrauter des Darius (A2) Nf.: Mazeus (Al, A2) I. Al Rudolf von Ems, Alexander'·. Der kluge Μ soll Alexander mit 6000 Mann am Ubersetzen über den Tigris hindern und die Taktik der verbrannten Erde anwenden (10796; Vorbereitungen zur Schlacht bei Arbela), zieht sich vor der Übermacht des Griechenheeres zurück (10991) und berichtet Darius (11532-11777). Später greift er Alexanders Heerlager an, tötet viele der überraschten Makedonen, befreit die persischen Gefangenen (12310-12338), muss aber schließlich nach Babylon fliehen (12672; Schlacht bei Arbela). Er zieht von dort aus gegen Alexander, übergibt die Stadt kampflos und erhält von diesem die Befehlsgewalt zurück (13220-13378; Eroberung Babylons; RV: 14280; 14762). A2 Ulrich von Etzenbach, Alexander'·. Der tapfere, angesehene und edle Μ ist der Verlobte von Darius' Tochter Roxane (10889). Er führt in der Schlacht bei Issos die Fahne des Darius (7902), tötet Iolaus (7990-8022), wendet gegen die vorrückenden Griechen die Taktik der verbrannten Erde an (9995) und zieht mit dem persischen Heer gegen Alexander (10925; 10974). In einem Zweikampf
Die Darstellungen in Al und A2 folgen der Alexanderhistorie des Q. Curtius Rufus (IV.9,7ff.) bzw. der Alexandreis' Walters von Chatillon (III,49ff) und zeigen Μ in der Rolle von Alexanders ambitioniertem, aber glücklosem Gegenspieler. Ein zentrales Motiv ist die kampflose Übergabe Babylons (Curtius V. 1,17ff.; Chatillon V,442ff.), in Al erweitert um M s Wiedereinsetzung als Satrap (Curtius V.1,44). Die in A2 referierte Kundschaftertätigkeit M s ist nach Walter von Chatillon (IV,280f.) gestaltet, der hier allerdings nicht M, sondern einen sonst nicht belegten Menidas (IV,278) nennt. Das Motiv vom Kampf, der unterbrochen wird, weil einem der Gegner das Schwert zerbricht, übernimmt A2 selbständig aus Wolframs ,Parzival' (744,10ff.; Kampf zwischen Parzival und Feirefiz). Der in A2 (9007ff.) genannte M, der Alexander Damaskus übergeben will und gegen Parmenio fällt, ist nicht mit dem oben erwähnten Μ identisch und entspricht dem bei Walter (111,258) genannten namenlosen Satrapen. [sks/mk]
Mecha [Aus Damaskus, Vater des Sanga, trauert um seine im Kampf gegen die Griechen gefallenen Söhne, greift Clitus an und wird von diesem getötet; Chatillon V,95]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander'(Metha)·. Der alte König Μ von Damazon kämpft mit seinen Söhnen Sanga und Triphon auf Seiten des Darius gegen die Griechen (12113; 12130;
380
Meda — Medea
Schlacht bei Arbela). Als er seine beiden durch Clitus gefallenen Söhne beklagen will, wird auch er von diesem niedergestochen (1345313564). [sks]
Meda [Gattin des Idomeneus]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 17294 (Thesaris): Μ empfängt den heimkehrenden Idomeneus und zieht Orestes, der in Idomeneus' Obhut gegeben worden ist, wie ihren eigenen Sohn auf. [1] [1] Die Nf. geht auf den Trojaroman Benoits de SainteMaure zurück, der eine Gattin des Idomeneus namens Therasis aus einer Variante im Trojabericht des Dictys (121,1) erschließt (aetherasi, gemeint ist bei Dictys Aethra, die Gattin des Menestheus). [mk]
Medea [Zauberkundige Tochter des Aeetes und der Idyia oder Hecate, hilft Iason bei der Gewinnung des Goldenen Vlieses, flieht mit ihm und tötet aus Rache fur dessen Untreue ihre eigenen Kinder]
G: Tochter des Aeetes (A2, A3), des Minos und der Pasiphae [!] (A4), Schwester des Hercules, des Aiax und der Phaedra [!] (A4), Gattin des Iason (Al, A2), des Aegeus (Al) und des Eminor (A4), Geliebte des Iason (A3), Verlobte Iasons (A4), Mutter zweier Kinder (A3), Nichte des Gamille (A4) R: Königin (A3) von Achaia (A4), Königstochter (Al, A3), vrouwe (Epitheton) (A2, A3, A4), Zauberin (Al, A2, A3), Meisterin der Künste (A3), Astrologin (A3, A4), Ärztin (A2, A4) Nf.: Media, Meier(r)a, Meierall, Meierun, Meiora (A4) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Μ verliebt sich in den auf Colchis gelandeten Iason und hilft ihm nach seinem Treueschwur bei der Gewinnung des Goldenen Vlieses,
indem sie ihm ein Kraut zur Bekämpfung der Ochsen, einen Stein gegen den Riesen und ein Schlafmittel für den Drachen gibt. Auf der Flucht mit Iason nach Griechenland tötet sie ihren Bruder [Absyrtus] (7,24-341). Sie verjüngt Iasons Vater Aeson, flieht nach der Tötung des Pelias auf ihren Drachen vor dessen Töchtern, tötet Isyphile [-» Creusa] und ihre eigenen Kinder, flieht nach Athen und heiratet Aegeus, will Theseus töten und verschwindet in einem Nebel, als der Anschlag scheitert (7,353-804; VD: 2,511). A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Als Iason in Colchis landet, empfängt ihn die edle, schöne, kluge, heil- und zauberkundige Μ wohlwollend, weist aber seinen plumpen Annäherungsversuch — Iason fasst ihr unter den Rock - zurück. [1] Aus Liebe isst und trinkt sie nichts und beklagt, dass sie sich nicht selbst heilen könne, obwohl sie Ärztin sei. Für ihre Hilfe bei der Gewinnung des Goldenen Vlieses verlangt sie von Iason einen umständlichen Ehe-Eid, klärt ihn dann über die Gefahren auf und gibt ihm als Hilfsmittel gegen den Drachen ein Idol, einen Tarnring, einen Zauberspruch, eine Salbe und einen Pechkloß. Μ fährt mit Iason nach Griechenland, ihre Entführung wird beklagt. Uber das weitere Geschehen gibt der Erzähler vor, nichts zu wissen (565-1148; Argonautenfahrt). [ 1 ] In einem Exkurs über die Zauberei wird Toledo als „heutiges" Zentrum genannt. Medeas Zauberkünste (sie kann Wasser bergauf rinnen und den Mond stillstehen lassen) sind dem Text zufolge reiner Illusionszauber (578ff.).
A3 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg'·. Μ ist von edler Geburt, jung, schön, tugend- und ehrenvoll, klug und findig, sie beherrscht die Zauberkunst („swarzen buoch"), hat Macht über Geister und Naturgewalten und ist Meisterin der Sieben Künste. M, die großen Eindruck auf Iason und seine Begleiter macht, erfährt von Iasons Vorhaben, das Goldene Vlies zu gewinnen. Sie verlieben sich heftig ineinander (7419; 7536-7659) und leiden große Liebesqualen. Μ warnt Iason vergeblich vor den mit der Gewinnung des Goldenen Vlieses verbundenen Gefahren und bietet
Medea ihm Hilfe an, wenn er ihr ewige Treue und Liebe schwöre (7813-8431). Nach dem Fest des Königs kommt es zur Liebesvereinigung, Μ befindet sich in einem Gewissenskonflikt zwischen Keuschheit und Begehren und befürchtet eine eventuelle Untreue Iasons, der ihr auf ein Iuppiterbildnis einen neuerlichen Liebesschwur leistet. Am Morgen klärt Μ Iason über seine bevorstehenden Aufgaben auf, gibt ihm für den Kampf gegen die ehernen, feuerspeienden Stiere und die Schlange einen Zauberring zur Tarnung, eine feuerbeständige Salbe, Leim zum Verkleben der Nüstern sowie ein schützendes Iuppiteridol und lehrt ihn Zaubersprüche. Beim Aufbruch Iasons steht Μ klagend auf der Zinne. Nach Bestehen des Abenteuers wird Iason von ihr freudig empfangen (8431; Monolog; 9030-9483; 9647), die beiden verbringen eine zweite Liebesnacht und werden offiziell verheiratet. Μ kehrt mit Iason zurück nach Griechenland und verjüngt auf seine Bitte hin Aeson (10108-10830). Als sie erfährt, dass [der mit Pelias gleichgesetzte] Peleus Iason nach dem Leben getrachtet hat, nimmt sie an ihm Rache: Sie behauptet seinen Töchtern gegenüber, ihn verjüngen zu wollen, wofür er aber zuvor getötet werden müsse. Als diese die Tat vollzogen haben, fährt sie auf ihrem Drachenwagen davon. Zuhause erfährt sie von Iasons Verhältnis mit Creusa und sendet der Rivalin ein Zauberkleid. Als sie es anzieht, geht es in Flammen auf und setzt den gesamten Palast in Brand. In dem Feuer kommt auch Iason um (10880-11354; RV: 21456; 22262). A4 ,Göttweiger Trojanerkrieg·. Μ ist überaus schön, keusch, tugendhaft und klug. Als ihr Bruder Aiax im Kampf vor Troja verwundet wird, schlägt Ulixes vor, sie aus Pontus nach Troja zu bringen (14636). Als die Griechen ankommen, spaziert Μ mit ihrem goldenen Lämmlein den Strand entlang, fürchtet um ihr Tier und sucht bei ihrem Bruder Hercules Schutz. Ulixes klärt diesen über seine Mission auf, worauf Μ sofort zum Mitkommen bereit ist und Aiax heilt, indem sie seine Wunde salbt und ihm ein Haar ihres Lammes in
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den Mund legt (14721-14885). Nachdem Μ in den Sternen gesehen hat, wie Achilles von Thetis übers Meer gebracht und in Frauenkleidern unter Jungfrauen versteckt worden ist, um so seinen Tod vor Troja zu verhindern, berichtet sie Agamemnon davon, erzählt von Achilles' Stärke und seiner Erziehung durch Chiron und rät ihm, den Helden nach Troja bringen zu lassen, um den Widerstand der Trojaner zu brechen (14921; 15059; Fahrt um Achilles). Μ pflegt den durch Paris schwer verwundeten Ascalaphus gesund, der dann gegen Hector fällt, kann aber Pantimulus nicht mehr helfen (18335; 18485; 18567). Der von Troja nach Kreta gereiste Iason berichtet Minos und dessen Töchtern Μ und Phaedra, die ihn beide bewundern, vom Trojanischen Krieg (21682-21709). Als Minos zu einer Gerichtsreise durch sein Land aufbricht, gibt er seine Töchter in Iasons Obhut (21881). Dieser wartet beim Venustempel auf M, trägt ihr seine Ritterdienste an und gesteht ihr, er sei gekommen, um den Minotaurus zu töten. M, die diesen als einzige füttern kann, bietet Iason ihre Hilfe an, rät ihm, dem Ungeheuer Pechklöße ins Maul zu schießen, und gibt ihm einen Faden, mit dem er aus dem Labyrinth finden kann (21916). Nach der Tötung des Minotaurus fliehen Μ und Phaedra aus Angst vor Pasiphaes Rache mit Iason nach Troja. Auf Betreiben Phaedras bricht dieser den Liebeseid, den er Μ geleistet hat, und lässt sie schlafend auf einer Insel zurück (22075-22180). Minos trauert über die Flucht seiner Töchter. Die weinende Μ wird von dem Zwergen Zacharias aufgefunden und getröstet und von dessen Herrn Eminor geehelicht. M's und Phaedras Onkel Gamille nimmt an Iason wegen dessen Untreue gegenüber Μ und Phaedra Rache und tötet ihn (22199-22510; 22557). [1] A4 kennt zwei M-Gestalten. Für die Geliebte Iasons wird die Nf. Meiera verwendet. Dass sich dahinter nicht M, sondern Megaira verbergen soll (so Koppitz [Hg.] zu 21682), ist nicht wahrscheinlich.
B1 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crone' 11568·. Dass Μ den Gedanken fasste, ihre Kinder zu töten, und dies niemand verhindern
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konnte, gab Anlass zu einer großen Klage, die sich mit der Klage des Artushofs um die entführte Ginover aber nicht vergleichen lässt (Exempelkatalog großer Klageanlässe; Uberbietung). B2 ,Reinfried von Braunschweig' 24556: Μ schrieb Iason einen vorbildlichen Liebesbrief. Yrkane wünscht in ihrem Brief an Reinfried, sie könnte ihre Liebe ebenso trefflich zum Ausdruck bringen (Katalog liebender Frauen). C1 Der Tannhäuser, Leich IV,7: Bei allem, was Μ tat, half ihr Pallas mit ihrer Klugheit (Katalog literarischer Figuren). El Rudolf von Ems,, Weltchronik'20289. Ohne M's Hilfe wäre Iason bei der Gewinnung des Goldenen Vlieses umgekommen.
II. 1) Der M-Mythos im Antikeroman; 2) Anspielungen; 3) Zusammenfassung
1) Da die Argonautenfahrt im ma. Trojaroman, dem Trojabericht von Dares Phrygius entsprechend, die Vorgeschichte für die erste Zerstörung der Stadt durch Hercules abgibt, zählt Μ zum festen Personal dieses für die ma. Antikerezeption zentralen Sujets und ist daher auch in den volkssprachlichen Literaturen gut belegt. Die grundlegenden Konturen der Gestalt zeigen sich freilich deutlich verändert: Μ tritt primär als Geliebte Iasons und als Helferin bei der Gewinnung des Goldenen Vlieses in Erscheinung. Sie wird als Idealbild einer schönen, tugendhaften und klugen Frau (A2, A3, A4) eingeführt. Sie ist Meisterin der Sieben Künste (A3), verfügt über medizinische (A2, A4), astrologische (A3, A4) und naturkundliche (A3) Kenntnisse, besitzt die Gabe der Prophetie (A4), ist der Magie mächtig (A2, A3) und gebietet über die Geister der Hölle (A3). Mit Ausnahme der nekromantischen Fähigkeiten und Praktiken sind Eigenschaften und Figur also durchaus positiv gefasst (die negativen Züge überwiegen bloß in Al aufgrund der direkten Abhängigkeit von Ovid). Argonautenfahrt und Gewinnung des in A2, A3 und A4 als lebender Widder gedachten Gol-
denen Vlieses werden in Al, A2 und A3 in den Grundzügen nach der antiken Tradition geschildert. Al folgt Ovids .Metamorphosen' (7,1 ff.), die Trojaromane A2 und A3 basieren auf dem ,Roman de Troie' Benoits de SainteMaure, der ebenfalls auf Ovid zurückgreift. Die Erweiterungen von A3 gegenüber Benoit resultieren aus einem neuerlichen Rückgriff auf Ovid. [1] Die Liebeshandlung wird in den Texten zunehmend breit ausgestaltet und bedient sich der gängigen höfischen Muster, v.a. des Liebesmonologs. Das Motiv des Liebesschwurs, den Μ von Iason fordert, findet sich in Al, A2 und A3. Mit Iasons „kühnem Griff leistet sich Al eine Zote. Bei der Gewinnung des Goldenen Vlieses variieren die von Μ bereitgestellten Hilfsmittel: Kraut gegen die Ochsen, Stein gegen den Riesen, Schlafmittel gegen den Drachen (Al nach Ovids,Metamorphosen' 7,115ff.), Idol, Tarnring, Zauberspruch, Salbe und Pechkloß bzw. Leim (A2, A3 nach Benoit 1572ff.). In A4 wird das Motiv der gegen den Drachen eingesetzten Pechklöße auf den Minotaurus übertragen. Es geht auf den alttestamentarischen Kampf Daniels gegen den babylonischen Drachen (Dan 14,23) zurück und findet sich auch bei der Schilderung des Kampfes von Theseus mit dem Minotaurus in Al (-» Minotaurus). [2] Für die weiteren Ereignisse nach der Gewinnung des Goldenen Vlieses folgt nur Al der traditionellen Version des Mythos bei Ovid und bringt auch die entsprechenden Motive wie die Tötung des Absyrtes und des Pelias, die Ermordung Creusas und ihrer eigenen Kinder. A2 bricht mit der Fahrt Iasons und M's nach Griechenland ab und entschuldigt sich mit fehlenden Informationen in der Vorlage (Benoit bringt zwar einen kurzen Hinweis auf Iasons Untreue, entschlägt sich aber genauerer Angaben, weil Dares davon nichts Weiteres berichte und weil es langwierig wäre, die ganze Geschichte zu erzählen — was so nicht gelten kann; 2022ff.). In A3 wird das Liebesthema — der elaborierten Topik des späteren höfi-
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sehen Romans entsprechend — am breitesten ausgestaltet (Minneklage, Gewissenskonflikt). Der Text greift dafür auf Ovids Metamorphosen1 und ,Heroides' zurück, verarbeitet aber auch Motive aus dem Tristanroman Gottfrieds von Straßburg (v.a. der innere Konflikt Medeas zeigt Ähnlichkeiten zu dem Isoldes). Im Sinne der höfischen Minneideologie und des Prinzips der beständigen Liebe wird Μ gegenüber Iason deutlich ins Recht gesetzt. Folgerichtig wird das Motiv vom Kindsmord unterdrückt. Die eigenständigen Veränderungen erklären sich aus der Intention des Textes, in der Geschichte von Μ und Iason einen ersten höfischen Liebescasus zu präsentieren wie später noch im Falle von Hercules und Deianira, Paris und Helena sowie Achilles und Deidamia. [3]
Anspielungspraxis der mhd. Literatur bemerkenswert und dokumentiert die Bildung des anonymen Autors. [5] Die Nennung in C1 ist im krassen Gegensatz dazu dunkel und Teil eines eigenwilligen Potpourris aus literarischen Namen und Motiven, deren Zusammenhang diffus bleibt. [6] Dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, die die profangeschichtlichen Daten („incidentia") meist nur in katalogartigen Exkursen zum heilsgeschichtlichen Hauptgeschehen erinnert, gibt El nur einen knappen Hinweis auf M. Er könnte sich konkret auf die Erwähnung des Argonautenzuges (ohne Nennung von Μ und Iason) in der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1281B), der Hauptquelle von El, beziehen.
In A4 ist Μ in zwei Gestalten verdoppelt, die eine ist Schwester des Hercules und des Aiax, die andere Tochter des Minos. Die Kreuzung von Iason- und Theseussage erklärt sich aus Motivparallelen (Uberwindung eines Ungeheuers mit Hilfe der Königstochter, Untreue des Helden). Die Argonautenfahrt selbst wird zu einer Expedition der Griechen unter der Leitung des Ulixes umgestaltet. Sie hat das Ziel, die Ärztin und Wahrsagerin Μ nach Troja zu bringen. Beide Passagen geben griffige Beispiele für den unbekümmerten Umgang mit der antiken Sagentradition, die freilich in einigen relikthaften Motiven konserviert ist (M's goldenes Lämmlein und deren Sorge um dieses). [4] Das signifikante Motiv von M's Drachenwagen erinnern (nach Ovid) A l und A3. 2) Die Anspielungen bieten wenig konkrete Informationen. B1 gibt neben A l wenigstens den einzigen weiteren Hinweis auf M's Kindsmord. Der Katalog vorzüglicher Liebesbriefschreiberinnen in B2 nennt neben Μ noch Helena, Penelope, Dido, Phyllis und Briseis und liest sich gewissermaßen wie ein verkürztes Inhaltsverzeichnis zu Ovids Heroldes'. Der direkte Bezug auf die antike Quelle und die Nachahmung des von ihr vorgegebenen Textmusters ist im Lichte der üblichen
3) Zusammenfassend ist zu betonen, dass der M-Mythos in den Antikeromanen (mit Ausnahme von A l ) deutlich entproblematisiert wird. Das höfische MA hatte offensichtlich keinen Sinn für seine extreme Dramaturgie und für eine Frauengestalt, die — wie etwa bei Ovid — als Furie in Szene gesetzt wird. Die ma. Μ ist vielmehr eine beispielhafte höfische Liebende (nicht thematisiert wird das Motiv der aus der kulturellen Fremde kommenden Barbarin). Als ambivalente Charakteristika bleiben ihre hohe Bildung und ihre Zauberkunst. Dabei hat sie als gebildete Dame und als Liebende durchaus Ähnlichkeiten mit Isolde (in den Monologen von A2 erinnert manches an den ,Tristrant' Eilharts von Oberg, A3 konzipiert die Gestalt deutlich nach Gottfrieds von Straßburg Isolde). M's Zauberkunst ist nicht wirklich Ansatzpunkt für Kritik. Vielmehr ist an der zauberkundigen M, die sich nicht selbst zu helfen vermag, die Macht der Minne zu demonstrieren (so A2 und A3). Insbesondere in A3 wird Μ bewusst entlastet, womit die Gestalt freilich auch ihr spezifisches Profil einbüßt. [7] [1] Vgl. Lienert, Geschichte und Erzählen, 57ff. [2] Vgl. Kern, Agamemnon weint, S.189, Anm. 402. [3] Hierzu ausführlich Lienert (wie Anm. 1). [4] Zu A4 Kern, Agamemnon weint, 142ff. und 179, Anm. 375.
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Medon [1] — Medusa
[5] Vgl. Kern, Edle Tropfen, 198f. [6] Hierzu ebd., 256ff. [7] Kern, Ma. und moderne Mythen, 229ff.; zur Rezeption des M-Mythos vgl. außerdem: E. Kepetzis: Μ in der Bildenden Kunst vom MA zur Neuzeit, 1997; M. Essays on Μ in Myth, Literature, Philosophy and Art, ed. J. J. Clauss, 1997; M's Wandlungen. Studien zu einem Mythos in Kunst und Wissenschaft. Hg. A. Kämmerer, 1998; Μ nella letteratura e nell'arte. A cura di B. Gentiii e Ε Perusino, 2000; Η. A. Glaser, M. Frauenehre, Kindsmord, Emanzipation, 2001; Mythos M. Hg. L. Lütkehaus, 2001. [mk]
Medon [1] [Kentaur, flieht verwundet vor Dryas; MM 12,303]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen Μ schießt dem Rhoetus einen angekohlten Eichenstock so tief in die Brust, dass man ihn fast nicht herausziehen kann. [1] Die übrigen Riesen fliehen vor ihm (12,532; 12,545; Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf). [1] Bei Ovid (vgl. .Metamorphosen' 12,296fF.) tötet logischerweise nicht der Kentaur Medon, sondern der Lapithe Dryas den Kentauren Rhoetus, danach fliehen auch andere Kentauren — u.a. Medon — vor Dryas (vgl. Dryas). [mk]
Medon [2] [Sohn des Kodros (-» Codrus), sagenhafter erster Archont von Athen, vom Orakel von Delphi zum Herrscher bestimmt]
El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 26727·. Μ ist einer der Könige von Athen, er herrschte zu Lebzeiten des Homer (Katalog der Könige von Athen). [1] [1] Dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, werden die profangeschichtlichen Daten in El meist so wie hier in Form von Herrschaftskatalogen erinnert. Zur Nennung M's vgl. die Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 245), in El folgt Medon allerdings nicht unmittelbar auf Codrus. [mk]
Medusa [Eine der drei Gorgonen, ihr Anblick versteinert, sie wird von Perseus enthauptet]
W: Göttin (El), Ungeheuer (Cl) Nf.: Gorgon (Cl)
I.
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen '·. Μ ist einst eine wunderschöne Jungfrau gewesen. Als sie Neptunus im Tempel der Pallas vergewaltigt hat, ist ihr Haar von der Göttin in Schlangen verwandelt worden, seither ist sie entsetzlich anzusehen. Sie wohnt mit ihrer Schwester in einer Höhle. Perseus betrachtet die beiden auf Pallas' Rat hin durch ein hohles, helles (Spiegel-)Glas und tötet sie, als sie schlafen (4,1495-1547; Erzählung des Perseus). Das Blut, das vom abgeschlagenen Medusenhaupt über Libyen zur Erde tropft, verwandelt sich in Nattern. Perseus versteinert mit ihm Atlas. Als er es nach der Rettung Andromedas ablegt, versteinert es Meerespflanzen zu Korallen (4,1142-1390). Als auf der Hochzeit von Perseus und Andromeda ein Kampf zwischen diesem und Phineus entbrennt, versteinert Perseus mit dem Haupt der Μ seine Gegner 5,2; 5,302-386). C l Marner, XIV. 13,194: Das wundersame Ungeheuer Μ versteinerte jeden mit seinem Anblick. Erst der Ritter Anteus konnte es töten, indem er es durch einen kristallenen Schild, den er sich angefertigt hatte, ansah. Diese List soll guten Fürsten ein Vorbild sein. Mit Hilfe des kristallenen Schildes der Ehre mögen sie die falschen Menschen erkennen und zur Strecke bringen (Fürstenspruch). El Rudolf von Ems, .Barlaam' 9784·. Μ verfügt über außerordentliche Weisheit (Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden; Götterkatalog). II. 1) Ma. Deutungen der Enthauptung M's; 2) Der M-Mythos nach Ovid; 3) Nachgestaltungen
1) Der Mythos von der Enthauptung der Μ ist in der ma. Mythographie gut bezeugt. Hier finden sich auch moralisch-allegorische Deutungen, wie sie von Cl reflektiert werden. Besonders zu beachten ist die Deutung bei Mythographus Vaticanus 11,113: Sie fasst Perseus als Sinnbild der Tugend, die jeglichen Schrecken, wie ihn Μ verkörpert, mit Hilfe
Megaera — Megareus der Weisheit (als Schild) zu überwinden vermag. [1] Angesichts der offensichtlichen Kenntnis dieser Tradition in C1 verwundert die Verwechslung von Perseus und Antaeus. 2) Die ausführliche Darstellung des M- und Perseusmythos in A l folgt direkt den .Metamorphosen' Ovids (mit den entsprechenden Aitia zu den vielen Schlangen in Libyen, M M 4,617, zur Entstehung des Atlasgebirges, M M 4,653ff., und der Korallen, M M 4,740). Die Gorgonen bilden üblicherweise eine Dreizahl (M, Euryale und Sthenno). Dass Al von zwei Schwestern spricht, erklärt sich aus einer Übertragung von den kurz zuvor bei Ovid (MM 4,774) genannten Graien, die A l nicht übernimmt. Ovid selbst erwähnt von den drei Gorgonen nur M. Das Motiv vom Anblick durch den Spiegel des Schildes ist in Al umgedeutet zum Blick durch ein nicht näher erläutertes hohles Spiegelglas. Die Umdeutung zeigt Analogien zu C l , könnte aber auch auf einem Missverständnis des mhd. Textes durch Jörg Wickram beruhen. E l nennt bloß M's Namen, der Beleg findet sich in einem Götterkatalog: Die Griechen stellen im Glaubensdisput mit den Christen ihre Götter vor und schreiben Μ besondere Weisheit zu, womit ein altes Motiv reflektiert ist. Die folgende Replik des Christen Barlaam, die alle behaupteten Vorzüge der Götter ins Negative zu wenden weiß, berücksichtigt Μ nicht mehr. 3) Im höfischen Abenteuerroman finden sich zwei Nachgestaltungen des Motivs vom Haupt der M: Im ,Daniel' des Stricker besitzt das so genannte bauchlose Ungeheuer ein Haupt, das tötet, wenn man es ansieht (1879ff.). Daniel fordert den Teufelsbündler zum Kampf, betrachtet ihn von hinten durch einen Spiegel, schlägt ihm Hände und Beine ab, nimmt ihm das Haupt und tötet damit ihn und sein Gefolge. Der Held überlegt zunächst, die wundersame Waffe zu behalten, wirft sie aber dann ins Wasser, weil es unehrenhaft wäre, auf diese Weise zu kämpfen, und die Waffe, wie zu sehen war, auch gegen ihren Besitzer verwendet werden kann
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(2086ff.). Die Episode ist vielleicht von A l angeregt. Im ,Garel' des Pleier ist das Ungeheuer Volganus im Besitze eines Schildes, auf dem ein todbringendes Haupt abgebildet ist. Die Stelle reflektiert den M-Schild der Pallas Athene. [2] Mögliche Reflexe M's zeigen auch zwei Ungeheuer im Apolloniusroman Heinrichs von Neustadt (vgl. unten, NB). [ 1 ] Weitere Belege verzeichnet Chance, Medieval Mythography, Reg.; eine bemerkenswerte euhemeristische Deutung bietet die ,Historia scholastics' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1275d). Dort heißt es, Μ sei eine Hure gewesen, die wegen ihrer unglaublichen Schönheit allen, die sie betrachteten, die Sinne geraubt habe („quae ob nimiam pulchritudinem spectatores suos mentis impotes reddebat"). Zur Verarbeitung der mythographischen Tradition in C l vgl. Chr. Gerhardt, Perseus' kristalliner Schild, G R M N.F. 26 (1976), 91-113. [2] -> Vulcanus (I.B4). Nachbenennungen Heinrich von Neustadt, .Apollonias' (Gargana): G ist eine wilde Waldfrau mit langen Tatzen und einer Kuhstimme. Sie entführt hundert Kinder und hält sie in einer Höhle gefangen. Apollonius kann sie töten und befreit die Kinder (9479-9585; 9660; 9751; 9787). Heinrich von Neustadt, ^Apollonius' (Serpanta): S ist eine eiterspeiende Teufelin mit Schlangenhaar. Sie versperrt Apollonius den Weg ins Goldene Land Crisia (8843-9013), er kann sie töten (10678-10870) und führt ihr Haupt als Beweis mit sich (11032; 11046; 11152-11191). Wisse/Colin, ,Parzifal' 844,46 (Gorgone): Der edle, tugendhafte G, sein Vater Saladres und G's Brüder werden von Parzifal besiegt und als Gefangene zu Artus geschickt. [ 1 ] [ 1 ] Dass Heinrich von Neustadt den M-Mythos verarbeitet, machen einige Motivparallelen wahrscheinlich (für Gargana die Bezeichnung Waldfrau und die Höhle als Wohnung, vgl. dazu A l ; für Serpanta das Schlangenhaar und das abgeschlagene Haupt). Die Nf. Gargana wird wohl auf „Gorgo" zurückzufuhren sein, die Benennung Serpanta ist durchsichtig, hier zeigen sich auch Anklänge an Hydra (aus Serpantas Wunden kriechen Schlangen heraus). Im Falle des ,Parzivar von Wisse/Colin liegt kaum mehr als eine Analogie in der Nf. vor. [mk]
Megaera
Furiae
Megareus [Vater des Hippomenes, Enkel des Neptunus, König von Onchestus; M M 10,605]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 10,1115•• Der Meereskönig Μ ist der Sohn [!]
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Melampus — Meleager [2]
des Neptunus und der Vater des Hippomenes, der sich deshalb Atalante gegenüber als dritter König des Meeres vorstellt [1] und meint, sie müsse sich aufgrund seiner Position nicht schämen, wenn sie von ihm besiegt werde. [ 1 ] Die Formulierung beruht auf einem Missverständnis des lat. Textes; Hippomenes. [mk]
Melampus [Mythischer, von Apollo begnadeter Weissager]
E l Rudolf von Ems, ,Weltchronik' 19790: Μ lebte zur Zeit des Tros und war ein Weissager, der als Gott verehrt wurde. [1] [1] Zur Stelle vgl. die Nennung in der Chronik des Hieronymus (PL 27, SP.219). Dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, sind die mythologischen Daten rein historisch gefasst, angeschlossen ist eine euhemeristische Erklärung der Verehrung M s als Gott. [mk]
Melaneus [Aethiope, Gefährte des Perseus, fällt im Kampf gegen Phineus; M M 5,128]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,213: Der fromme Μ wird beim Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus erschlagen und von diesem betrauert (Katalog). [mk]
Meleager [1] [Sohn des Königs Oeneus von Kalydon und der Althaea, Bruder der Deianira, erlegt den Kalydonischen Eber; M M 8,270]
A l Albrecht von Halberstadt, ,Metamorphosen '·. Μ ist Sohn des Königs Oeneus und der Althaea, Bruder der Deianira, Neffe von Plexippus und Toxeus und überaus mutig. Er führt die Jagd auf den Kalydonischen Eber, verliebt sich dabei in Atalante und schenkt ihr den Schädel der Bestie als Trophäe. Als Plexippus und Toxeus sie darum offen beneiden, erschlägt Μ seine beiden Onkel. Er wird daraufhin von seiner Mutter zu Tode gebracht (sie wirft das Scheit, an dem sein Leben hängt, ins Feuer) und von ganz Kalydon, seinem Vater und seinen Schwestern beweint (8,519-993). Die eifersüchtige Deianira überlegt, zu Μ heimzukehren (9,316; Tod des Hercules). [1] [1] Die Ausführungen folgen im Wesentlichen Ovid ( M M 8,270fr.). Abweichend von Ovid verwandeln sich M s Schwestern (außer Deianira und der in A l nicht namentlich genannten Gorge) in Bäume und nicht in Vögel ( M M 8,542ff.). Es handelt sich um eine Übertragung der Metamorphose aus der Episode von Philemon und Baucis, die A l nicht berichtet. Die Nennung M s im Monolog der Deianira entspricht Ovids ,Metamorphosen' 9,147ff. [mk]
Meleager [2] [Feldherr Alexanders]
R: Herrscher über Libyen (A2), Fürst, Herzog (Al), Gefolgsmann Alexanders (A2) Nf.: Meljager (Al) Melanthus
I.
[Sagenhafter König von Athen]
E l Rudolf von Ems, , Weltchronik' 26726 (Melant): Μ war einer der Könige von Athen (Katalog). [1] [1] Dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, werden die profangeschichtlichen Daten („incidentia") so wie hier meist in katalogartigen Exkursen zum Heilsgeschehen erinnert. Zur Stelle vgl. die Nennung M s in den Herrscherlisten der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 284). [mk]
A l Rudolf von Ems, Alexander': Der tapfere Μ kämpft an der rechten Flanke des Griechenheeres (6994; Katalog), muss mit seiner Schar vor den „Untötigen" des Darius die Flucht ergreifen (7279; 1. Schlacht zwischen Griechen und Persern), führt später die Schar der Phalangen (11958; Katalog), drängt die Perser zurück (12346-12390) und begleitet Alexander auf dem Weg ins Gebirge, um die
Melicertes — Memnon [1] gefangen genommenen Makedonen aus den persischen Gefängnissen zu befreien (13735; Schlacht bei Arbela). A2 Ulrich von Etzenbach, ,Alexander': Μ zählt zu den angesehensten und tüchtigsten Mitstreitern Alexanders (4719; Katalog). Er kämpft in der Schlacht bei Issos unter der Führung Nicanors an der rechten Flanke des Heeres (7437), tötet Zoroas (8513; 8517), nimmt an der Schlacht bei Arbela teil (13973) und erhält Alexanders Testament zufolge Libyen (27017; Tod Alexanders in Babylon; Katalog der Erben). II. Μ wird in beiden Belegen als hervorragender Gefolgsmann Alexanders vorgestellt. Die Unterschiede in den Details ergeben sich aus der Quellenlage, Al folgt Q. Curtius Rufus (111.9,7 u.ö.), A2 Walter von Chätillon (11,428 u.ö.). Dass Μ von Alexander die Herrschaft über Libyen erhält, findet sich weder bei Curtius noch bei Walter. Es handelt sich wohl um ein Missverständnis der Angaben bei Curtius, wo Menander Lydien erhält (X.10,2). Die bei Curtius (X.6,20fF.) genannte Auseinandersetzung zwischen Μ und Perdiccas nach dem Tod Alexanders bleibt unerwähnt (Al bricht schon zuvor ab). [sks/mk]
Melicertes [Sohn des Athamas und der Inn, die sich mit ihm auf der Flucht vor ihrem wahnsinnigen Gatten ins Meer stürzt; Neptun verwandelt Μ daraufhin in den Meeresgott Palaemon; M M 4,522]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 4,1011 (Melicortus)·. Die von Iuno mit Wahnsinn geschlagene Ino reißt ihren Sohn Μ an sich, flieht mit ihm unter Bacchus-Rufen vor dem ebenfalls rasenden Athamas und stürzt sich mit Μ ins Meer. [1] Beide ertrinken. Als Inos Gefährtinnen Iuno wegen des Unglücks anklagen, werden sie zur Strafe von der Göttin versteinert. [ 1 ] Das Motiv von M's Verwandlung durch Neptunus (MM 4,542) fehlt in A l . [mk]
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Melon [Dolmetscher des Darius, berichtet Alexander von dessen Gefangennahme; Curtius V.13,7]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 14729: Der untadelige Perser Μ berichtet Alexander von der Gefangennahme des Darius (Eroberung Persiens; Tod des Darius). [sks]
Memnon [1] [Sohn des Tithonos und der Eos, mythischer König von Äthiopien, Neffe des Priamus, greift nach dem Tod Penthesileas als letzter Helfer in den Kampf um Troja ein und fällt durch Achilles]
G: Sohn des Tithonus und der Aurora (A2), Neffe des Xerxes (Al) R: König von Persien (Al), von Indien und Mohrenland (A2) N£: Mennon (Al, A2) I. Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Der aus dem Mohrenland kommende, tugendreiche Μ kämpft als einer der besten Männer der Trojaner (3235; Descriptio) an der Seite des Perses (4061; 6671; 7598), wird von Menelaus schwer verwundet und von Troilus gerächt (8920). [1] Μ tötet Kalon, der auf Achilles' Befehl Troilus' Leiche schleifen lässt, kann den Leichnam zurückgewinnen und wird von Achilles deshalb in 100 Stücke zerhauen. Die Trojaner beklagen seinen Tod (13223-13321). [ 1 ] Mit der Nennung in 8942 („M" attackiert mit Diomedes Troilus) muss Eumelus gemeint sein.
A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung·. Μ kommt den Trojanern aus Äthiopien mit einem mächtigen Heer zu Hilfe, erobert Rhodos, macht reiche Beute, tötet in den Kämpfen um Troja Antilochus und wird in einem Zweikampf von Achilles getötet. Sein Leichnam wird verbrannt und in die Heimat gebracht (42613-43423). Μ hat Hector getötet [!] (44089; Rückblick auf Hectors Tod).
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Memnon [2]
II.
I.
Μ zählt allem Anschein nach schon zu homerischer Zeit zu den berühmtesten Verbündeten der Trojaner. Da seine Taten wie jene der Amazonen erst nach der Menis-Handlung („Zorn des Achilleus") gedacht sind, wird in der ,Ilias' jedoch nichts von ihnen berichtet. Erst der nur fragmentarisch erhaltene nachhomerische epische Zyklus kennt ein entsprechendes Epos. Literarisch fassbar wird Μ in Ovids .Metamorphosen' (13,576ff.), die auch die neuzeitliche Rezeption bestimmen. [1] Die mhd. Trojaromane A l und A2 stehen in der Tradition der spätantiken Trojaberichte des Dares Phrygius und des Dictys Cretensis. In A l befindet sich Μ entsprechend dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure (dieser nach Dares) von Beginn des Krieges an vorTroja. A2 bietet direkt nach Dictys die klassische antike Version. Beide Male ist Μ ein herausragender Kämpfer mit durchwegs positiver Charakterzeichnung. Die Tötung durch Achilles zeigt wie manch anderes in A l grotesk-überzeichnete Züge. Dass Μ in A2 als Mörder Hectors genannt wird, muss eine Verschreibung sein.
AI P f a f f e Lamprecht, Alexander': Der tapfere
[1] S.v. Memnon [1.] (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 3, Sp. 1189f. In der Metamorphosenübersetzung Albrechts von Halberstadt wird Μ nicht erwähnt. Nachbenennung ,Göttweiger Trojanerkrieg (Menon, Mennon)·. M, ein Sohn Agamemnons, vertreibt Romulus, Remus und Aeneas aus Griechenland (24997-25038). [1] [1] Denkbar wäre auch eine Nachbenennung zu Agamemnon. [mk]
Memnon [2] [Dynast in Kleinasien, hält Milet und Halikarnass eine Zeit lang gegen die Griechen, stirbt 333 v. Chr.]
G: Vater des Phidias (A3) und dreier Töchter (A2)
R: Fürst oder Herzog in Persien (Al, Al, A3), Gefolgsmann des Darius (A3) Nf.: Mennes (Al), Mennon (A3)
Μ wird von Darius um Hilfe gegen Alexander gebeten. Als sich die Herzöge Antilochus und Primus weigern, den Euphrat zu sichern und Alexander gefangen zu nehmen, soll er den Auftrag erfüllen. [1] Μ führt 100000 Ritter gegen Alexander und wird im Zweikampf von diesem getötet (VI239-1372; S1648-1899; Schlacht am Euphrat).
A2 Rudolf von Ems, Alexander': Der mächtige Μ soll im Auftrage des Darius Alexander am Granicus gefangen nehmen, nachdem sich die Fürsten Antilochus und Primus geweigert haben, dies zu tun. Er fällt in der Schlacht im Kampf gegen Alexander (4507; RV: 12113), seine Länder werden Thymodes anvertraut (5117; 5315). Drei Töchter M's geraten in makedonische Gefangenschaft (7620).
A3 Ulrich von Etzenbach, Alexander': Der tapfere M, der die Heereskraft der Griechen auskundschaften will, trifft am Granicus auf Parmenio, unterliegt ihm im Zweikampf und berichtet Darius (5616-5759). Er zieht mit 6000 Mann neuerlich zum Granicus und wird von Florian im Zweikampf getötet (5823; 5840; 5851). Die Perser wollen für M s Niederlage Rache nehmen (7016; Vorbereitungen zur Schlacht bei Issos). M's Sohn Phidias greift Alexander an und fällt (13860; Schlacht bei Arbela; RV auf M's Tod).
II. Der Kampf gegen Alexander am Granikos, der für Μ tödlich endet, wird in A2 und A3 nach Curtius Rufus (III. 1,2Iff.) bzw. Walter von Chätillon (II,46ff.) referiert. M s Zweikämpfe gegen Parmenion und Florian dürften Erfindungen von A3 sein. A l versetzt die Handlung vom Granikos an den Euphrat. Das in A2 genannte Motiv der Gefangennahme von M's Töchtern basiert offensichtlich auf einem Missverständnis von Curtius (111.13,14). Dort werden die drei Töchter des Mentor und die Gattin und der Sohn von Μ gefangen genommen. Die Motive von der Weigerung der
Menalippus — Menelaus Satrapen Antilochus und Primus, Alexander gefangen zu nehmen, und von der Ubergabe des Befehls an Μ beziehen Al und A2 aus der ,Historia de Preliis'. Es fehlt bei Curtius Rufus, Walter von Chatillon und folglich auch in A3. [sks/mk]
Menalippus [Sohn des Acastus, wird von Pyrrhus getötet; Dictys 1 2 6 , 2 3 ; Benoit 2 9 2 5 3 ]
A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 17949 (Manalippus)·. Μ und Pleisthenes sind die Söhne des Acastus, der Peleus gefangen gehalten hat. Sie treffen bei der Jagd auf Pyrrhus, der sich ihnen gegenüber als Schiffbrüchiger ausgibt und sie aus Rache für Peleus tötet. M's Schwester Thetis findet die Leichname (Nachgeschichte des Trojanischen Krieges). [1] [1] D i e genealogische Verbindung von T h e t i s m i t M , Pleisthenes und Acastus geht auf Benoit de Sainte-Maure zurück (bei Dictys ist Thetis die Tochter Chirons). D i e Neuerung lässt die Rache des Pyrrhus zu einem komplizierten und verworrenen Familienhandel geraten (wobei die angerissenen Konflikte freilich nicht narrativ ausgestaltet werden). [mk]
Menecles [Lehrer Alexanders; Valerius 1 , 3 2 5 ]
A l Rudolf von Ems, ,Alexander' 1370\ Μ lehrt Alexander Geometrie (Jugendgeschichte Alexanders; Katalog der Lehrmeister). [1] [1] Chandler, Catalogue, 2 0 2 verweist für die N e n n u n g auf den Alexanderroman des Pseudo-Kallisthenes bzw. auf dessen lat. Überarbeitung durch lulius Valerius. [sks]
Menelaus [Mythischer König von Sparta, Sohn des Atreus, Bruder des Agamemnon, Gatte der Helena, führt wegen der Entführung Helenas durch Paris Krieg gegen Troja]
G: Bruder des Agamemnon (A3, A4), Gatte der Helena (A3, A4, B3, E3, E4), Verlobter
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der Helena (A5), Vater der Hermione (A3, A4) und der Iphigenia [!] (A2), Schwager des Castor und des Pollux (A4) R: Kaiser (A5), König (Al, A2, A3, E2) von Sparta (A4, E l ) bzw. Griechenland (E3), Fürst (A5) Nf.: Menalaus (Cl), Menela ( D l , E2), Menelaos (E3), Menolass, Menolauss, Menolossen (A5), Venelauß (E4) I. A l Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman\ Μ belagert aus Rache für die Entführung Helenas Troja (2; RV: 921; 11694), zerstört die Stadt und erhält Helena zurück (31; RV: 50; 522); befindet sich unter den vor Troja gefallenen Griechen [!] in der Unterwelt (3345; Unterweltfahrt des Aeneas; Katalog). [1] Μ schenkte Aeneas einst einen Becher, den dieser an Latinus weitergibt (3865; 3868; Aeneas' Ankunft in Italien). [ 1 ] Im Rahmen der Unterweltfahrt des Aeneas wird Μ zu den vor Troja gefallenen Griechen gezählt, was den einleitenden Bemerkungen zum Trojanischen Krieg widerspricht. A l folgt hier d e m , R o m a n d'Eneas' ( 1 6 9 0 ) . Vergil nennt Μ an der entsprechenden Stelle natürlich nicht.
A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Als Calchas prophezeit, dass Μ seine Tochter [!] Iphigenia der Diana opfern müsse, damit sich der Sturm lege, der die Griechen in Aulis festhält, fügt sich Μ nur widerwillig (12,58; Trojanischer Krieg; das Griechenheer in Aulis). Als Μ erfährt, dass die vier Töchter des Anius von Bacchus die Gabe erhalten haben, durch Berührung alles in Wein oder Getreide zu verwandeln, lässt er sie mit Heeresgewalt verfolgen und festnehmen. Bacchus erhört aber ihr Gebet, und sie entfliehen als weiße Tauben (13,861; Erzählung des Anius an Aeneas). A3 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Μ ist schön, reich, mächtig, tugendhaft, höfisch, freigebig und ein guter Redner (2967; Descriptio). Unterwegs zu Nestor begegnet er Paris, der nach Kythera segelt, auf See und grüßt ihn. Als er von Helenas Entführung durch diesen erfährt, kehrt er mit Nestor nach
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Menelaus
Sparta zurück und informiert Agamemnon, der zu einer Heerfahrt aufruft (2395-2421; 2691; 2783). Μ führt 60 Schiffe aus Sparta zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3309; Katalog), landet im Verband mit Agamemnon, Thoas und Aiax vor Troja, bildet in der Landungsschlacht eine Schar (4435; 4870; Katalog) und zeichnet sich im Kampf aus (er tötet u.a. Remus und Hectors Pferd; 5198-5339; 5530). Später kämpft er gegen Paris und sticht ihn so heftig nieder, dass Helena erschrickt (62356908). In einem weiteren Zweikampf wird er von Paris mit einem Pfeil verwundet und sticht ihn abermals nieder (7062-7615). Μ verwundet außerdem Memnon (8914-8936), rettet Diomedes vor Troilus und verwundet Mesthles schwer (9872-9940; 10158). Der mittlerweile in Polyxena verliebte Achilles fordert Μ auf, auf Helena, die ihn ohnehin nicht wolle, zu verzichten und sich daheim eine andere Frau zu suchen (11508). Μ ist über Palamedes' Tod entsetzt (11757), lehnt die Abzugspläne vehement ab und wünscht, Achilles wäre nie geboren worden. Für Ulixes ist Achilles für das Unternehmen der Griechen wichtiger als Μ (12257). Μ kämpft nochmals gegen Paris (12910; 13288) und wird von Agamemnon nach dem Tod des Achilles beauftragt, Pyrrhus nach Troja zu bringen (13865; als Kämpfer genannt: 14633; 14819). Als sich die Niederlage der Trojaner abzeichnet, bittet Helena Antenor um Fürsprache bei M, von dem sie fürchtet, er wolle sie töten (15556). Gemeinsam mit den anderen Griechenfürsten leistet Μ vor Priamus einen doppeldeutigen Eid auf die Abmachungen mit Antenor, die auf eine Eroberung der Stadt hinauslaufen, wird von Priamus um Schonung Helenas gebeten und bittet seinerseits Priamus um Annahme des Trojanischen Pferdes (16002-16036). Nach dem Fall Trojas rettet Μ Helena vor Cassandra und Andromacha (16298). Er gerät mit Ulixes und Agamemnon unter den Verdacht, Aiax ermordet zu haben, wird von Pyrrhus angefeindet und fährt
daher mit Agamemnon ab (16736; 16880). Nach einer stürmischen Fahrt kommt Μ mit Helena nach Griechenland, ist über Agamemnons Ermordung empört, erzählt von Teucers' Verbleib auf Zypern und vom Tod seines Steuermanns Canopus. Er wird in Mykene ehrenvoll empfangen und verheiratet Hermione mit Orestes (17466; 17517; Nachgeschichte). Die von Pyrrhus entführte Hermione bittet Μ um Hilfe, dessen Befreiungsaktion scheitert aber und wird erst durch Orestes zu Ende gebracht (18157; 18168). A 4 K o n r a d v o n Würzburg,,Trojanerkrieg·. Kein Grieche kann sich mit dem tugendreichen, ehrenhaften, klugen und edlen Μ vergleichen. Μ liebt Helena aufrichtig (19755). Er bietet Paris und den Trojanern nach ihrer Ankunft in Sparta Gastfreundschaft an und bittet Helena, sich um Paris zu kümmern, als er mit Castor und Pollux zu einem Kriegszug aufbricht. Paris macht Μ vor Helena schlecht, um ihre Liebe zu gewinnen (20374-21379). Als Μ von der Entführung erfährt, wirbt er Verbündete für einen Krieg (23422-23782). Vor Troja befehligt er eine Schar (25733; 30579; Kämpferkatalog), schwört in einer Kampfrede Rache für die Entführung Helenas (32042; 32092), kämpft gegen Remus und erschlägt ihn (32120-32404). Als Μ Helena auf der Burgmauer und Paris im Kampfgetümmel entdeckt, gerät er in Zorn, und es kommt zum Zweikampf der beiden. Castor, Pollux und Achilles greifen in den Kampf ein, Μ will Paris lebend als Geisel (34312-34886). Helena klagt über das Leid, das sie [!] wegen Μ und Paris erdulden muss (34989; als Kämpfer genannt: 35488-35636; 36739; 39096; 39791). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung: Μ nimmt an den Ritterspielen aus Anlass von Achilles' Sieg über Hector teil (40929; Katalog), kämpft an der Seite von Teucer, Ulixes und Meriones gegen die Amazonen (42384; Katalog) und gegen Memnon (42874; 42903). Er soll Pyrrhus nach Troja holen, wird von Lycomedes freundlich empfangen, berichtet vom Tod des Achil-
Menelaus les und dem Orakelspruch, dass Troja ohne Pyrrhus nicht erobert werden könne; bietet diesem für die Teilnahme am Krieg die Hand seiner Tochter Hesione sowie die Übergabe seines halben Reiches an und kehrt mit ihm nach Troja zurück (44211 -44821; als Kämpfer genannt: 46577). Helena fürchtet M s Zorn und bittet Antenor um Fürsprache, Μ will ihr verzeihen (46970; 47004). Er lässt Deiphobus, der Helena nach Paris' Tod geheiratet hat, nach der Eroberung Trojas verstümmeln und dann töten (48381), erhält Helena zurück [48569] und stellt sich im Streit um das Palladium gegen Ulixes (48649; 48679; 48750). Cassandra prophezeit M s glückliche Heimkehr (48891; 49023: RV auf die Entführung Helenas). Die Griechen freuen sich über M's gelungene Rache an Troja (49137). Tyndareus empfängt die Heimkehrer freudig (49236). Pyrrhus fordert von Μ die versprochene Hermione (49261-49361; RV: 49757). Μ dankt Agamemnon für seine Unterstützung im Krieg (49471; 49499). A5 ,Göttweiger Trojanerkrieg': Μ führt bei einem Turnier am Hofe Agamemnons die Gegenpartei zu Agamemnon, in dessen Schar Paris kämpft, und unterliegt (3147; 3157). Während Paris' Abwesenheit wird Helena gegen ihren Willen mit Μ verlobt (10197; 10236). Als dieser sich weigert, für Helena einen Schaukampf gegen den Frauenritter Pictogines zu bestreiten, tritt Paris ihr zu Ehren an (10419; 10424). Beim folgenden Turnier wird Μ zur Freude Helenas von Paris schwer verwundet (10644-10706). Dieser entführt Helena am Tag der Hochzeit [13209], Μ lässt ihn verfolgen [1], seine Ritter werden aber von den Trojanern geschlagen (13505-13585). Er schwört Rache (13804) und rüstet auf Vorschlag des Ulixes mit seinen Brüdern Agamemnon und Atrides [!] zu einem Kriegszug (13848), schenkt dem gr. Ritter Ascalaphus für den Zweikampf gegen Paris einen Rappen (18232) und hat sich Ulixes zufolge im Krieg gegen Troja ausgezeichnet (19688). Bei der Eroberung
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der Stadt fällt er im Kampf gegen Paris [!] (23016; 23030). [ 1 ] Mit dem 13578 genannten Fürsten, der den Auftrag zur Verfolgung des Paris gibt, ist wohl Μ gemeint.
B1 Konrad Fleck, ,Flore und Blanscheflur' 1611: Helena wird von Paris während M's Abwesenheit entfährt (Darstellung auf einem wertvollen Pokal, der sich einst im Besitze Caesars befunden hat). B2 Ulrich von Etzenbach, Alexander' 18463: Achilles und Diomedes wollten sich der von Μ befohlenen Heerfahrt gegen Troja entziehen, weil ihnen Leid prophezeit wurde. (Exemplum, mit dem Philotas sein feiges Verhalten beim Komplott gegen Alexander rechtfertigen will). B3 ,Dukus Horant'F.45· 1,3: Μ war Helenas rechtmäßiger Gatte, er wurde von Paris getötet (Exkurs). C1 Der Tannhäuser, Leich TV: Helena und ihren königlichen Gatten [1] entzweite eine lebensbedrohende Discordia ([IV, 13]). Μ und Paris mussten sterben, weil Venus ein Apfel zuerkannt wurde (IV,24). [1] Mit dem „königlichen Gatten" ist wohl Μ gemeint.
D l Hugo von Trimberg,,Der Renner' 15870: Die zehnjährige Belagerung und anschließende Zerstörung Trojas durch die Griechen wurde von einer Ehebrecherin, von Hoffart und Unrechter Minne verursacht. Das Schicksal M's und anderer gibt dafür ein Zeugnis (Katalog; Exemplum für Untugend als Ursache von Leid). [1] [ 1 ] Im Katalog werden als weitere „Zeugen" genannt: Priamus, Helena, Hector, Paris, Achilles, Patroclus, Diomedes, Ulixes und Aeneas.
El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 8683: Μ ist König der von Spartus gegründeten Stadt Sparta (Städtegründungen in Griechenland; Katalog). E2 Reinbot von Durne, ,Der Heilige Georg': Die Belagerung Trojas durch Μ brachte viel Leid. Doch Georg fühlt sich von den gr. Heiden noch stärker bedroht (1328; Georgs Heidenkämpfe; Überbietung). Helena raubte ihrem Gatten Ehre und Liebe und löste damit ein Blutbad aus. Gleiches werde man von Alexandrina berichten, meint der heidnische König Dacian, Alexandrinas Gatte, nach deren
392
Menelaus
Bekehrung durch seinen Feind Georg [4329; 4600], E3 Jans Enikel, , Weltchronik': Paris wird Dienstmann am Hof des edlen und freigebigen Μ (14141; 14143; 15510; 15667; 15679; Descriptio). Unter dem Einfluss von Venus entbrennt M's Gattin Helena in Liebe zu Paris. Aus Angst vor dem Verlust ihres Ansehens warnt sie M, Paris werde ihm Ehre und Gut rauben. Μ verweist ihn daraufhin des Landes, Venus aber ist stärker, und so flieht Helena gemeinsam mit ihm. Später bedauert sie ihren Verrat an Μ (14140-14260; Entführung Helenas). Dieser hadert wegen Helenas Entführung mit den Göttern und zieht gegen Troja, das neun Jahre und einen Tag belagert wird (14408). Ein Seher bestätigt M, dass Troja nur mit Achilles' Hilfe erobert werden könne. Ulixes erklärt sich gegen eine hohe Belohnung dazu bereit, Achilles nach Troja zu bringen (15070; 15443; 15510). Μ verliebt sich in dessen Geliebte Deidamia, täuscht ihr Achilles' Tod im Zweikampf gegen Hector vor und nimmt sie zu sich. Als ihn Achilles deshalb zur Rede stellt, täuscht ihm Μ nun den Tod Deidamias vor, worauf Achilles aus Trauer nicht mehr kämpfen will (15580-15714). Μ und Achilles wollen den Tod des Patroclus an Hector rächen (15862; 15889). Als Μ Helena auf dem Torkastell erblickt, fragt er sie nach den Gründen ihrer Flucht, da er sie doch stets gut behandelt habe. Helena gibt Venus die Schuld und will eher Μ in den Tod schicken als Paris verlassen (15925-16267). Μ und die Griechen trauern um den von Paris getöteten Achilles [16457; 16525] und beraten, wie sie an den Trojanern für die Entführung Helenas Rache nehmen können. Eine Frau namens Avenant rät zu der List mit den drei [!] Trojanischen Pferden. Bei der Einnahme der Stadt tötet Μ Priamus und fällt im Kampf gegen Paris (16563-16858). E4 ,Baseler Bruchstück'·. Μ befindet sich mit Helenas Vater Agamemnon [!] auf Kriegszug, als Paris diese entführt (12), er versammelt alle Fürsten und zieht gegen Troja [56],
II. 1) M's Rolle bei der Entführung Helenas; 2) Μ im Trojanischen Krieg; 3) Anspielungen; 4) Zusammenfassung
1) Als Gatte der entführten Helena hat Μ v.a. in der Vorgeschichte zum Trojanischen Krieg eine wesentliche Rolle inne. In den Kämpfen vor Troja tritt er - wie schon in der antiken Epik - eher in den Hintergrund und steht im Schatten seines Bruders Agamemnon, der hervorragendsten Kämpfer Achilles und Hector und des besseren Liebhabers Paris. Die Entführung Helenas durch diesen als Ursache des Trojanischen Krieges wird in den mhd. Trojaromanen (A3, A4, A5) und den chronistischen Texten (E3, E4) ausgestaltet, erwähnt wird sie in A l und — als bildnerische Darstellung gedacht - in Β1. A3 und A4 stimmen im groben Handlungsgang überein. Beide folgen dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure (A4 mit Erweiterungen), der seinerseits in der Tradition der pseudohistorischen Berichte von Dares und Dictys steht. Sie zeichnen ein positives Charakterbild M s . Der betrogene Ehemann findet jedoch nicht die gesteigerte Aufmerksamkeit seitens der höfischen Texte, diese gilt vielmehr dem ehebrecherischen Liebespaar. Nicht ohne Pikanterie ist das Motiv von der Begegnung von Paris und Μ auf See in A3 (nach Benoit). A4 zeigt Μ ganz in der Rolle des gutgläubigen Hahnreis, wenn er Helena bittet, sich während seiner Abwesenheit des trojanischen Gastes anzunehmen. Seine Zeichnung spiegelt Züge Markes, des Gatten von Isolde wider (A4 bezieht sich grundsätzlich deutlich auf Gottfrieds von Straßburg Tristanroman, so auch bei Helena). [1] Im Trojaabschnitt der Weltchronik E3 tritt anstelle der Entführung die Flucht der Liebenden, verbunden mit dem Motiv der vergeblichen Warnung M's vor Paris durch Helena. Der knappe chronistische Bericht von E4 spricht von einer Entführung Helenas während eines Kriegszuges von Μ und Helenas Vater [!] Agamemnon. Die falsche Genealogie findet sich auch in A5 und lässt vermuten, dass E4 in diesem Punkt von A5 abhängt. [2]
Menelaus Dass A5 in seiner Gesamtkonzeption stark von der gängigen mhd. Trojatradition abweicht, zeigen die M-Gestalt und die Entführungsgeschichte deutlich: Μ tritt im ersten Teil des Romans, der Paris' Taten als Minneritter der unverheirateten Helena schildert, nicht in Erscheinung. Dass Agamemnon Helena mit Μ und nicht mit Paris verlobt, ist zwar vom Sujet, nicht aber vom Handlungsgang her plausibel. Μ wird dementsprechend negativ dargestellt. Er weigert sich, als Verlobter für Helenas Ehre zu kämpfen, und handelt bei der Entführung wie später im Krieg so wie auch Helenas Vater [!] Agamemnon glücklos. Die falsche Genealogie in A2 (nicht Agamemnon, sondern Μ opfert als Vater Iphigenia) beruht auf einem Missverständnis der Anspielung bei Ovid (MM 12,29ff. „rexque patrem vicit"; „der König [Agamemnon] besiegt den Vater in sich" [und opfert die Tochter]; vgl. auch 13,184f., dort allerdings mit namentlicher Nennung Agamemnons). Ferner wird in Al und A2 Μ und nicht Agamemnon als Zerstörer Trojas betitelt (vs. ,Aeneis' 111,54; bzw.,Metamorphosen' 13,655). In Al mag das seinen Grund in dem stark verdichtenden Bericht haben. In A2 versucht außerdem Μ und nicht wie bei Ovid Agamemnon, die Töchter des Anius gefangen zu nehmen. Die Verwechslung erklärt sich hier aus einer falschen Auflösung des Patronymikons S t r i des" (,Metamorphosen' 13,655; vgl. auch A5, wo von den drei Brüdern M, Agamemnon und Atrides die Rede ist). Wie veränderbar selbst die Eckdaten der Troj asage in der höfischen Literatur sein können, zeigt schließlich E3, wo Μ zum Heerführer der Griechen avanciert und Agamemnon nicht einmal erwähnt wird (auch hier ist wie in Al und in den tiefgreifenden Umgestaltungen von A5 eher an eine beabsichtigte Verdichtung des Stoffes als an einfache Verderbnis zu denken; vgl. auch C1 und E2). 2) In den Schilderungen der Belagerung Trojas spielt Μ eine nur untergeordnete Rolle, er trägt mehrere Kämpfe aus (A3, A4, A5, E3), u.a. gegen Paris (A3, A4, A5), Remus
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(A3, A4), Hector (A3, E3), Polydamas (A3), Memnon (A3, A4), Troilus (A3), Mesthles (A3) und die Amazonen (A4); nimmt an der Siegesfeier des Achilles teil (A4), holt Pyrrhus nach Troja (A3, A4), unterstützt den Plan mit dem Trojanischen Pferd (A3, E3), rettet Helena vor Cassandra und Andromacha (A3) und versöhnt sich mit ihr (A3, A4) bzw. erhält sie zurück (Al). Das in A4 und E3 referierte Motiv der „Mauerschau " Helenas, bei der Μ Helena vom Kampfplatz aus sieht, findet sich bereits im dritten Buch der ,Ilias\ In E3 kommt es dabei zu einem Zwiegespräch, bei dem Μ von Helena schroff zurückgewiesen wird (in A3 und A4 zeigt sie sich fallweise reuig gegenüber ihrem ersten Gatten). Das Motiv von Ms Liebe zu Deidamia in E3 zeigt wiederum Anklänge an den Streit zwischen Agamemnon und Achilles wegen Briseis, wobei die Ausführung im Einzelnen frei ist und wie manch andere Szene in dieser Chronik (etwa Achilles bei Lycomedes) deutlich komische Züge trägt. [3] Von Ms Tod vor Troja wollen Al (im Katalog der vor Troja gefallenen Helden in der Unterwelt), A5, B3, C1 und E3 (im Kampf gegen Paris) wissen, in E4 tritt Μ schon nach der Entführung Helenas nicht mehr in Erscheinung. [4] Ob die Parallelen auf eine Abhängigkeit zwischen den Texten hindeuten und wie diese zu denken wären, bleibt spekulativ: C1 könnte sich auf Al beziehen, A5, B3 und E3 auf C1 (was freilich eine dermaßen breite Rezeption von C1 voraussetzen würde, wie sie die handschriftliche Uberlieferung keineswegs anzeigt). Dass sich alle Belege auf Al beziehen, ist angesichts der nur knappen Nennung im Katalog der trojanischen Gefallenen ebenfalls zu bezweifeln. A5 und E3 könnten aufgrund ihrer eminent eigenständigen Gestaltung des Stoffes durchaus selbständig auf dasselbe Motiv gekommen sein. Denkbar wäre auch eine Einwirkung von A5 auf E3 oder wenigstens auf B3. Die Trojaromane A3 und A4 berichten nach Benoit von M s und Helenas glücklicher Rückkehr nach Griechenland. M's schreckliche Rache
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Menes — Menestheus
an Deiphobus erwähnt nur die Fortsetzung von A4 (direkt nach Dictys). 3) In B2 dient das Motiv von den Versuchen des Achilles und des Diomedes (korrekterweise müsste es Ulixes sein), dem Heerzug M's gegen Troja fernzubleiben, als Exemplum fur das Streben eines tapferen Mannes, dem prophezeiten Tod zu entgehen (auch hier also Μ als Heerführer der Griechen). In Dl gibt das Schicksal M's und anderer Helden vor Troja ein Beispiel für Untugend und die fatalen Folgen unmoralischer Liebe. Auf Ahnliches zielt die knappe Anspielung in dem Minneleich C l . Den misogynen To-
pos von der verderbenbringenden Helena, die auch die Schuld am Tod M's trägt, verarbeitet B3 (verbunden mit einem überbietenden Vergleich: Die weibliche Protagonistin, Hilde, übertrifft Helena und Isolde an Schönheit). Interessant ist das Exemplum in E2, wo sich der heidnische König wegen der Taufe seiner Gattin als zweiter Μ fühlt. Traditionell ist der hyperbolische Vergleich eines aktuellen Kampfes mit dem Krieg vor Troja [5]. Ohne weitere Angaben nennt Ε1 Μ als König von Sparta. Dies entspricht dem Prinzip lat. Weltchronistik, die die profangeschichtlichen Daten („incidentia") vorwiegend in katalogartigen Exkursen zur Heilsgeschichte erinnert. Auf narrative Darstellung wird dabei weitgehend verzichtet. [6] 4) Zusammenfassend ist zu sagen, dass die ma. M-Gestalt, abgesehen von der üblichen Mediävalisierung (Darstellung als höfischer Fürst und ritterlicher Kämpfer), nicht wirklich neu akzentuiert scheint. Eigene Konturen erhält sie aufgrund der je spezifischen Textkonzeption in A4 (Anklänge an Marke), A5 und E3. Gegenüber Agamemnon aufgewertet wird Μ dort, wo die Texte auf eine „dramaturgische" Konzentration des Trojastoffes abzielen und Μ als den eigentlich Betroffenen auch den Anführer der Expedition zur Rückführung Helenas sein lassen (Al, B2, C l , E2, E3). Ahnlich erklärt sich wohl auch der mythographisch nicht korrekte Tod M's vor Troja (Al [nur im Rahmen der Unterweltfahrt des Aeneas!], A5, B3, C l und E3).
[1] Hierzu Lienert, Geschichte und Erzählen, 98ff. [2] Zu weiteren Verbindungen zwischen E4 und A5 vgl. Kern, Agamemnon weint, 193ff. [3] Hinweis bei Strauch (Hg. E3), 295, Anm. 1. [4] In E4 ist ab Vers 93ff. nur mehr vom „König der Griechen" die Rede. Da Helena am Ende ihren Vater und König um Vergebung bittet, muss Agamemnon gemeint sein. Dies stimmt zu A5, wo Agamemnon den Kriegszug fährt, um seine Tochter zurückzugewinnen. Auf die Parallele zwischen C l und A5 (23029) verweist Sieben (Hg. C l ) , 139. [5] Kraus (Hg. E2) verweist auf .Parzival' 768,1: Feirefiz rühmt sich seiner Streitmacht, gegen die Trojaner und Griechen machtlos wären. Zum Topos auch Kern, Edle Tropfen, 137ff. [6] Für die Nennung M's vgl. den Beleg in der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1285), der Hauptquelle von E l , und in den Herrschaftslisten der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 258). [mk]
Menes [Feldherr Alexanders, wird von diesem gemeinsam mit Apollodorus mit der Verwaltung Babylons betraut; Curtius V.l,43]
Al Rudolf von Ems, »Alexander 13373 (Menetas): Fürst Μ wird von Alexander als Verwalter des Landes Babylonien eingesetzt, zudem erhält er gemeinsam mit Apollodorus, Bagophanes und Mazaeus den Befehl über die Stadt (Eroberung Persiens durch Alexander). [sks]
Menestheus [Athener, einer der gr. Fürsten vor Troja]
R: Herzog (Al, A2) oder König (El) von Athen Nf.: Fenesteus (Al), Menesteus (Al, A2, El) I.
A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Μ stellt 40 Schiffe für den Kampf gegen die Trojaner (3405; Katalog [1]), führt nach der Landung vor Troja eine Heerschar (4864; Katalog), wird von Troilus attackiert und sticht ihn nieder, wird von Paris mit einem Pfeil-
Menidas — Mercurius schuss verwundet und verwundet seinerseits Hector (5082-5155; 5740; [2] 5807-5895); in einer späteren Schlacht wird er von Pylaemenes niedergestochen und seines Pferdes beraubt (6834; 6960; 6966), bringt mit Aiax Telamonius, Ulixes und Diomedes Briseis ins Griechenlager (7618; 8545), rettet gemeinsam mit Aiax Achilles vor Hector und Troilus (9095), wird neuerlich von Pylaemenes verwundet (10122-10132), tadelt Achilles für seinen Wunsch nach Abzug [11527], besteht weitere Kämpfe, u.a. gegen Troilus ( 1 1 5 9 2 ; 1 1 5 9 5 ; 12682; 12685; 12914) und Paris (13994), verhindert mit anderen eine Flucht der Griechen (14476; 14820; Kämpferkatalog) und leistet Priamus mit den anderen Griechenfiihrern einen zweideutigen Eid auf die mit Antenor getroffenen Vereinbarungen, die auf eine Eroberung Trojas hinauslaufen (16001; Katalog). Nach dem Krieg setzt er sich fiir Orests Entsühnung vom Muttermord ein und geleitet ihn als König nach Mycenae (17492; 17501). [1] Fenesteus (3405) ist eine Verschreibung der HerbortÜberlieferung. [2] M s Verwundung durch Paris hat keine Konsequenzen, Al lässt Μ weiterkämpfen, als wäre nichts geschehen.
A2 Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg: Der edle, tugendreiche und tapfere Μ führt mit Merion eine Rotte des Griechenheeres, kämpft mit ihm und Achilles gegen Hector, nimmt Troilus kurzfristig gefangen und tötet Mesthles (30538-31685).
El Rudolf von Ems, .Weltchronik' 20348: Μ ist einer der Könige von Athen (Katalog von Herrschern verschiedener Länder).
II. Der Handlungsgang der mhd. Trojaromane A l und A2 folgt im Wesentlichen Benoit de Sainte-Maure (5695ff.). M s Taten vor Troja werden in A l allerdings ausführlicher geschildert (M hat eigene kurze Aristien), während sich A2 auf einzelne Nennungen im Kampf beschränkt, dafür aber Μ's hervorragende Charaktereigenschaften herausstreicht.
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Die bloße Nennung in E l folgt dem Prinzip ma. Weltchronistik, die die profangeschichtlichen Daten („incidentia") meist nur in katalogartigen Exkursen zur Heilsgeschichte erinnert. Zur Stelle vergleiche man den M Beleg in den Herrschaftslisten der Chronik des Hieronymus (PL 27, Sp. 258). [sks/mk]
Menidas [Feldherr Alexanders, Späher im makedonischen Heer; Curtius IV. 12,4; Chatillon IV,278]
A l Rudolf von Ems, vAlexander': Der weise und unerschrockene Fürst Μ fungiert als Späher im makedonischen Heer (11606), wird im Kampf schwer verwundet, kann die Perser aber schließlich zurückdrängen (12662; 2. Schlacht gegen die Perser). [sks]
Menon [Prätor von Aracosien; Curtius VII.3,5]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 20740: Μ wird von Alexander als Herzog von Aracosien eingesetzt (Alexanders Zug gegen Bessus). [sks]
Mercurius [Gr. Hermes, Sohn des Zeus und der Mala, Gott des Handels, der Diebe, der Reisenden, der List und der Schlauheit, Bote der Götter]
W: Gottheit (Al), Gott der Kaufleute ( E l , E6), Heidengott ( E l , E2, E3), Abgott ( E l ) , Gott der Muslime ( B l ) , Bote des Iuppiter (Al), Götterbote (A4), personifizierte Tugend (B4), Geist (E5), Planet (A3, B2, B4, D l , E5), Gestirn (A2, C l ) G: Sohn des Iuppiter und der Pleias [Maia], Geliebter der Chione, Vater des Hermaphroditus und des Autolycus, Verwandter des Ulixes (Al)
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Mercurius
Nf.: Marcurius ( C I ) , Mercurjus (Al), Merkurjus (B2), Stella Mercurii (A2) I. A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen ': Der geflügelte Μ wird von Iuppiter mit der T ö t u n g des hundertäugigen Argus beauftragt, gesellt sich als Hirt mit einer Geiß zu ihm, bringt ihn mit seinem Flötenspiel u n d der Erzählung von Pan u n d Syrinx zum Schlafen, berührt ihn mit der Schlafrute, enthauptet ihn und wirft die Leiche über einen Abhang des Berges (1,1339-1447; Io und Iuppiter; RV: 2,1134). Μ stiehlt Apollos Vieh, besticht den Zeugen Battus mit einer Kuh, prüft seine Zuverlässigkeit u n d versteinert den Untreuen (2,1452-1619). Beim Flug über Munichia verliebt er sich in Herse und besticht ihre Schwester Aglauros, ihn bei ihr einzuschleusen. Als Aglauros die Abmachung bricht, verwandelt Μ sie in M a r m o r (2,1720-1774). Er zeugt mit Venus den [nicht namentlich genannten] Hermaphroditus (4,555). Nach der Rettung Andromedas opfert Perseus Μ eine Kuh (4,1415). Μ berührt Chione mit seiner Schlafrute u n d zeugt mit der Schlafenden den Autolycus, der ganz nach dem Vater gerät (11,573-591). Ulixes, Autolycus' Enkel, ist daher mütterlicherseits mit Μ verwandt (13,231). A2 Rudolf von Ems, ,Alexander' 1983: Μ leuchtet hell, wenn ein Unrecht geschieht (Planetenlehre des Nectanebus). A3 Ulrich von Etzenbach, ^Alexander' 8384: Zoroas aus Ägypten weiß u m die O r d n u n g der Planeten M , Venus, Saturn, Mars und Iuppiter, kann aus den Sternen Naturereignisse und die Z u k u n f t der Menschen lesen und sieht in ihnen seinen Tod im Kampf gegen Alexander voraus. A4 Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg: Μ ist einer der Götter, die zum Fest des Iuppiter anlässlich der Hochzeit von Peleus und Thetis geladen sind. Er ist jung, stolz und hilfsbereit und beherrscht alle Sprachen (972; Götterkatalog). Als Götterbote überbringt er Paris die Botschaft, er werde Helena, die
ihm Venus versprochen hat, in Griechenland finden (18888; E n t f ü h r u n g Helenas). B1 Rudolf von Ems, ,Derguote Ger hart'2559: M , Machmet und andere Götter mögen Gerhard auf seiner Fahrt beistehen, wünscht der muslimische Fürst Stranmur bei Gerhards Aufbruch in die Heimat (Götterkatalog). B2 Albrecht, Jüngerer Titurel': Μ ist einer der sieben Planeten, die die sieben Tugenden verkörpern u n d den Weltenlauf aufrechterhalten. Er verhilft zu Frieden und Versöhnung (2803,1; 2804,3; Astronomischer Exkurs; Planetenkatalog). B 3 Konrad von Stoffeln, ,Gauriel' 4378: Die G ö t t i n Iuno errichtete einst f ü r Μ eine prächtige Burganlage, auf der Gauriel gastlich empfangen wird. Pallas, die Mutter des Burgherrn, ließ den Burgsaal mitTrojafresken ausschmücken. B4 Johann von Würzburg, , Wilhelm von Osterreich': Sonne, M o n d und die Planeten M , Mars, Iuppiter, Venus und Saturn lassen das Astrolabium des Astronomen Vergilius taghell erstrahlen (4993; Descriptio). Auf der Dachplane eines Festzeltes sind die Planeten M , Luna, Venus, Sol, Mars, Iuppiter und Saturn kunstvoll in Kreisform angeordnet (15433; Descriptio). C 1 Der Meißner, X.7,4/6: Der Sänger will die Sterne M , Venus, Iuppiter, Mars, Saturn, Sonne und M o n d ehren, wenn sie ihm gnädig sind, und bittet Μ u m Glück („saelde"). D1 Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast' 2373: Μ ist der sechste der sieben Planeten, befindet sich in der Sphäre zwischen f ü n f t e m u n d viertem Element, ist heiß u n d feucht (Elementenlehre; Katalog der Planeten). El,Kaiserchronik': M , der Gott der Kaufleute, wird am M i t t w o c h verehrt ([131]; R o m . Götter und Wochentage; Götterkatalog). Faustinianus glaubt an die Gottheiten M , Luna, Mars, Iuppiter, Venus und Saturn und bringt ihnen Opfer dar (3715; Faustinianus-Legende; Götterkatalog). Eine durch Iulianus um ihren Schatz betrogene Witwe findet im Tiber ein Bild M s , das sich selbst als den wahren Gott bezeichnet u n d ihr die Wiederbeschaffung
Mercurius ihres Schatzes verspricht. Sie folgt seinem Rat und verlangt, dass Iulianus vor dem Bild M's schwört. Bei der Eidesleistung beißt das Bild in Iulianus' Hand und hält sie fest, bis er die Rückgabe des Schatzes verspricht. Als Entschädigung verspricht Μ Iulianus die Herrschaft über Rom. Iulianus verschreibt sich dem Teufel, Μ wird zum Staatsgott. Als die Christen Paulus und Johannes sich weigern, ihrem Glauben abzuschwören und Μ anzubeten, sterben sie den Märtyrertod (10732-10896).
E2 Otto von Freising, ,Laubacher
Barlaam'
11154: Μ werden Gier, Diebstahl, Zauberei, Falschheit und Bestechlichkeit nachgesagt, er ist seiner charakterlichen Unzulänglichkeit wegen zu verspotten (Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden; Götterkatalog; Exemplum für die Verwerflichkeit des gr. Götterglaubens). E3 Rudolf von Ems,,Barlaam': Nach Ansicht der gr. Heiden gibt der scharfsinnige Μ weise Reden ein (9729), aus christlicher Sicht war er freilich nur ein Dieb und Schächer, Schwätzer und Zauberer, den die Leute stets gerne reden hörten (10072; Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden; Götterkatalog; Exemplum für die Verwerflichkeit des gr. Götterglaubens).
E4 Rudolf von Ems, , Weltchronik' 3219'. Μ ist einer der Götter, die die Griechen in ihrer heidnischen Torheit verehrten (Götterkatalog). [1] [1] Der Katalog nennt außerdem Demiurgus, Mars, Saturnus, Iuppiter, Areas, Atlas, Castor und Pollux, Phoebus und Apollo [!], Neptunus, Vulcanus und Hercules. Von den gr. Göttinnen werden Pallas und Minerva [!], Iuno, Venus, Diana, Ceres, Europa, Thetis und Latona genannt.
E5 Brun von Schönebeck,,Das Hohelied'·. M, einer der sieben Planeten, ist ein Geist des Rates und weiß um den rechten Zeitpunkt (1437; 1451; Planetenkatalog; Personifikation). E6 JansEnikel,, Weltchronik'·. Μ wird in Rom jeden Mittwoch von den Kaufleuten verehrt, sie opfern ihm Samt und Purpur und halten einen Markt ab (20317; 20320; 20330; Rom. Götter und Wochentage; Götterkatalog).
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II. 1) Antike Motive; 2) Dämonologische und euhemeristische Deutungen; 3) Μ als Planet
1) Μ ist eine der facettenreichsten Göttergestalten der antiken Mythologie. Er ist Gott der Kaufleute, Götterbote, Beschützer der Reisenden und Glücksbringer, später Gott der Bediensteten, Handwerker und Diebe und zeichnet sich durch List, Zauberei, Erfindungsgabe, Einfallsreichtum, Witz und Dreistigkeit aus. Analog zu den Beschreibungen in der antiken Literatur wird er in den mhd. Belegstellen als junger (A4), herrlicher (El) und schöner (A4) Mann dargestellt. A l reflektiert nach Ovid die antike M-Ikonographie, der Gott ist mit abnehmbaren Flügeln an Händen und Füßen, mit Helm, Botenstab und Schlafrute ausgestattet. Direkt auf Ovid basieren auch die übrigen ausführlichen und im Großen und Ganzen korrekten Informationen zum M-Mythos. Für die zahlreichen Umschreibungen, die Ovid verwendet, lagen A l wohl Glossen vor („Sohn Iuppiters", M M 1,669, und „Atlantiades", M M 1,682, „Sohn der Maia", M M 2,685, 11,303). Als Götterbote erscheint Μ neben A l auch in A4, hier wird ihm eine Gürteltasche mit Briefen als Attribut beigegeben, er beherrscht außerdem alle Sprachen. Als Schutzgott der Reisenden wird Μ in B1 angerufen. Die Chroniken El und (von El abhängig) E6 nennen ihn in einem Katalog röm. Götter als Gott der Kaufleute und Namensgeber des entsprechenden Wochentages. Als Attribut trägt er eine goldene Krone (E6). Die Anspielung in C1 reflektiert M's Funktion als Glücksbringer, wobei es sich bei der Variante Marcurius um eine bewusste Verschreibung handeln könnte (aus dem Götternamen soll — analog zum lat. „merces" - „Mark" herausgehört und die Stelle als versteckte Bitte um Geld verstanden werden). [1] 2) Die in El referierte Erzählung von Iulianus Apostata, der Witwe und dem Bildnis M's im Tiber findet sich sonst nur in einem auf einer gr. Quelle basierenden syrischen Roman aus
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Meriones
dem 6. Jh. [2] Sie verarbeitet das bekannte Motiv der „bocca della veritä". In weiterer Folge entpuppt sich Μ als Hypostase des Teufels, es liegt also eine dämonologische Deutung des antiken Gottes vor. In den von E2 und E3 geschilderten Glaubensdisputen gibt Μ ein Beispiel für die Verkommenheit der antiken Götterwelt. Die Polemik steht in der Tradition christlicher Apologetik und ist für Gattung (Legende) und Kontext typisch. Μ ist in E3 außerdem euhemeristisch als Sterblicher gedacht (so auch die Götter in A4). Auf den heidnischen Irrglauben der Griechen verweist explizit auch Ε4 aus einer christlich-heilsgeschichtlichen Perspektive. Bei dem in B3 erwähnten Motiv von der Burg, die Iuno für Μ errichten hat lassen, handelt es sich wohl um eine Ad-hoc-Erfindung, die vielleicht von den Nennungen Iunos im ,Erec' und im ,Iwein' Hartmanns von Aue beeinflusst ist. Das angeschlossene Motiv von Pallas Athene als Architektin des Burgsaals erinnert jedenfalls an die Errichtung des palas von Brandigan durch die Göttin im ,Erec' (dort motiviert durch eine Ad-hoc-Etymologie: palas von Pallas). [3] Eventuell ist Μ in B3 als Sohn Iunos und Gatte der Pallas gedacht. [4] Auch hier liegt eine euhemeristische Auffassung des Gottes als Mensch zugrunde. Als Gott der Muslime ist Μ schließlich in B1 aufgefasst. Diese huldigen nach der gängigen Vorstellung des christlichen MA der Vielgötterei und verehren neben Machmet/ Mohammed auch antike Götter. [5] 3) Die antike Zuordnung der Götter zu den Planeten wird von der ma. Astrologie übernommen und findet sich in den mhd. Texten in Form von „Planetenlehren" wieder, in denen die sieben Gestirne bestimmte Eigenschaften verkörpern. Dass die ma. Astrologie dabei zu keinen einheitlichen Auffassungen gelangt, dokumentieren die unterschiedlichen Zuschreibungen in den dt. Belegen: Μ steht für eine der sieben Tugenden und verhilft zu Frieden und Sühne (B2), ist im Rahmen einer Elementenlehre der sechste der
sieben Planeten mit den ihm zugehörenden Elementen Hitze und Feuchtigkeit ( D l ) . Er soll Glück ( C l ) oder Rat geben (E5). In A2 soll sein Leuchten geschehenes Unrecht anzeigen. Eine echte Personifikation scheint nur in E5 vorzuliegen. Den bloßen Planetennamen nennen A3 und B4. [6] Nicht reflektiert wird die v.a. in der Alchemie wichtige Vorstellung vom so genannten Hermes Trismegistos. Die Gestalt geht auf Piatons Deutung des ägyptischen Toth zurück, der seit dem hellenistischen Synkretismus als Verkünder göttlichen astrologischen Wissens fungiert (es ist in den so genannten „Hermetischen Schriften" niedergelegt), mit dem Planeten Μ geglichen und später wiederum als „magister omnium phisicorum" (so Tertullian, PL 2, Sp. 603) euhemeristisch gedeutet wird. [7] Außerdem fehlen Hinweise auf die für ma. Artesliteratur, Philosophie und Myelographie wichtige allegorische Abhandlung des Martianus Capeila über die Sieben freien Künste, ,De nuptiis Mercurii et Philologiae' (4./5. Jh., neun Bücher), deren erste beiden Bücher in ahd. Zeit von Notker III. von St. Gallen übersetzt wurden. [1] Objartel (Hg.), zur Stelle. [2] Schröder (Hg.), 276, Anm. 2. [3] -» Iuno (I.B1/B2), Pallas [1] (IM)·, [4] Achnitz (Hg.) zur Stelle. [5] Ausfuhrlich hierzu -» Apollo (II. 1/4). [6] Zur planetarischen Deutung s.v. Planeten ( E . BÜLT), in DKP, Bd. 4, Sp. 882-889; Seznec, Fortleben, passim. [7] S.v. Hermes Trismegistos, in: LCI, Bd. 2, Sp. 246f. (M. Boskovits) und in: LMA, Bd. 4, Sp. 2171 (G. Jüttner). [mk]
Meriones [Kreter, Sohn des Molos, Freund des Idomeneus, einer der tapfersten Kampfer vor Troja]
G: Gefährte des Idomeneus (A2) R: König von Kreta (A3) Nf.: Merion (A2, A3) I.
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen'
13,491'· Μ könnte wie viele andere Anspruch
Messapus [1] — Messapus [2] aufAchills Waffen erheben und wäre ein würdigerer Bewerber als Aiax. In diesem Streit müsse jedoch der Starke dem Weisen weichen (Trojanischer Krieg; Streit um die Waffen des Achilles; Rede des Ulixes). A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Μ fuhrt mit Idomeneus 60 Schiffe aus Kreta zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3354; Katalog), bildet mit ihm bei der Landungsschlacht eine Schar (4862; Katalog), attackiert Hector und wird von Polydamas mit einem Schwertstreich zweigeteilt (5001-5078; 5226). Später erscheint er wieder als Kämpfer, erschlägt das Pferd Hectors (5882; 5889) und wird dann von diesem ein zweites Mal [!] getötet (8883). Neuerlich als Kämpfer genannt, bedrängt er mit Achilles und Menestheus die Trojaner (10123; 10160; Hectors Tod; Katalog der Griechenkämpfer). [1] [1] Zu den Widersprüchen unten II.
A3 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg': Der tapfere und angesehene Μ kämpft als Verbündeter der Griechen vor Troja (23838; Katalog), führt gemeinsam mit Menestheus eine Schar und wird im Kampf von Hector getötet (30536-31278; RV auf eine Verwundung Hectors durch M: 36496-36593). ,Trojanerkrieg'-Fortsetzung: Μ nimmt an den Ritterspielen anlässlich der Siegesfeier des Achilles teil (40931; Katalog der Festgesellschaft) und kämpft gegen die Amazonen (42386; Kämpferkatalog). Sein Sohn wird als Bote nach Troja gesendet (47800; Friedensverhandlungen). II. Schon Homer kennt einen Griechenkämpfer vor Troja namens Μ (,Iliasl 2,651 u.ö.), er ist ein Gefährte des Idomeneus. Die mhd. Trojaromane (A2, A3) zeigen ihn als tapferen Ritter, der wie bei Dares Phrygius (24,21) und Benoit de Sainte-Maure (10049) von Hector getötet wird. Bei Dictys Cretensis überlebt Μ den Krieg ohne Schaden. Deshalb wird er auch in der Fortsetzung von A3, die direkt nach Dictys gearbeitet ist, wieder genannt.
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Die widersinnige doppelte Tötung und die zweifache Wiedereinführung Μ's in A2 (der in 5226 unmissverständlich getötete Μ kämpft in 5882 weiter, fällt in 8883 ein weiteres Mal und tritt in 10123 wieder in Erscheinung) ließen sich ausräumen, wenn man die Nennung in 10123 auf den bei Benoit (14136) genannten Meriones bezieht (Cousin des Achilles, ebenfalls von Hector getötet, wohl eine Doppelung aus Μ bei Dares und Dictys). Beim zweiten Tod (8883) könnte Eumelus, der Gefährte des Ulixes gemeint sein (was wiederum zu Widersprüchen fuhren würde; Eumelus). Die Nf. ist aber in allen Fällen eindeutig. Die Nennung in Al beim Streit um die Waffen des Achilles folgt direkt Ovid (MM
Messapus [1] [Sohn des Neptunus, Fürst der Etrusker, Verbündeter des Turnus; Aeneis VII,691; RdE 3931 Mesapus]
Al Heinrich von Veldeke,,Eneasroman': M, der Sohn des Neptunus, unterstützt Turnus mit 1000 Rittern (5085), will sofort gegen Aeneas ziehen (5465), nimmt an der Erstürmung von Montalbane (Alba longa) teil (7081-7283), wird von Turnus gemeinsam mit Camilla mit der Heeresführung betraut und kann die Trojaner zurückdrängen (8857-8951). Euryalus raubt ihm im Kampf den Helm (6680-6821). [sks]
Messapus [2] [Sagenhafter König von Sikyon]
El Rudolf von Ems, .Weltchronik' 8645 (Mesapus): Μ ist einer der Könige von Sicyon (Katalog). [1] [1] Dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, werden die profangeschichtlichen Ereignisse („incidentia") meist nur in katalogartigen Exkursen zur Heilsgeschichte erinnert, so auch hier. Die mythologischen Daten sind dabei rein historisch aufgefasst. Zur Nennung vgl. die Herrschaftstabellen in der Chronik des Hieronymus (PI 27, Sp. 79 und Sp. 141). [mk]
Mesthles — Mettius
400
Mesthles
I.
[Führer der Trojaner; Dares 23,2; Dictys 47,15; Benoit 6770 Merceres/Miceres/Miscres]
A l Rudolf von Ems, „Alexander'·. Μ wird durch Cebalinus von der geplanten Verschwörung gegen Alexander unterrichtet. Alexander kommt zu dem Gespräch hinzu und erfährt alles (19008; 19373). A2 Ulrich von Etzenbach,,Alexander': Der junge und kampftüchtige Μ zählt zu den angesehensten Mitstreitern Alexanders, er tötet viele Perser und ist ein Vorbild an Mut und Tapferkeit (4691; Katalog). Μ wird als Verwalter des eroberten Bractan eingesetzt (17720), erfährt durch Cebalinus vom Mordkomplott gegen Alexander, will lieber den Tod der Verschwörer als den Tod des Königs riskieren und berichtet diesem (18074-18113; RV: 18299; 18435). Alexanders Testament zufolge erhält Μ die Herrschaft über Pamphylien und Sicyon (27016; Tod Alexanders in Babylon).
G: Freund des Troilus (A2) R: König von Frisce (Al), von Persien (A2) Nf.: Miceres (Al), Milceres (Al), Misereiz (A2)
I. A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Der tapfere und kühne M, Antiphus und Ascanius unterstützen die Trojaner mit 700 Rittern (4020; Kriegsvorbereitungen; Katalog der Trojaner), kämpfen in der Landungsschlacht in der von Troilus geführten Schar, attackieren Menestheus und befreien Troilus (4668; Katalog; 5084-5159). Μ sticht den König von Karthago nieder und raubt ihm das Pferd (6848; 6974-6980), wird von Menelaus verwundet und von Troilus und Polydamas gerettet (9939-9968). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg': Der junge und tugendreiche Μ kämpft gemeinsam mit Antiphus und Ascanius unter der Führung des Troilus gegen die Griechen (29738; Katalog der Trojaner), eilt Troilus zu Hilfe (31470) und wird von Menestheus getötet (31610).
II. Μ wird schon in der ,Ilias' (2,864) als Verbündeter der Trojaner genannt. Die Angaben in Al folgen Benoit de Sainte-Maure, der seinerseits auf den Trojabericht des Dares zurückgreift. M's Tod bleibt unerwähnt, während er in Al — anders als bei Dares und Benoit, wo er durch Diomedes fällt — von Menestheus getötet wird.
II. Μ spielt in der Alexanderliteratur eine zentrale Rolle bei der Vereitelung der großen Verschwörung gegen Alexander durch Teile der Heerführung. Die Darstellung in Al folgt der Alexanderhistorie des Quintus Curtius Rufus (VI.9,7ff.), A2 der ,Alexandreis' Walters von Chätillon (VIII,85ff.). In A2 wird Μ außerdem nach Alexanders Tod mit der Herrschaft über Pamphylien und Sicyon betraut. Curtius erwähnt Μ im Zusammenhang mit der Reichsnachfolge nicht, die Herrschaft über Pamphylien erhält dort Antigonus (vgl. X. 10,2). [sks]
[sks]
Mestra
Erysichthon
Metron [Leiter der Waffenkammer Alexanders, Belastungszeuge im Prozess gegen den Verschwörer Philotas]
R: Kämmerer Alexanders (Al, A2), Herrscher über Pamphylien und Sicion (A2), Burggraf von Bractan (A2)
Mettius [Gefolgsmann Caesars, geht 58 v. Chr. in dessen Auftrag als Gastfreund zu Ariovist, wird von diesem festgehalten u n d erst nach Caesars Sieg befreit]
R: Herzog (E3), Gefolgsmann Caesars (El), Gründer von Metz (El, E2, E3) Nf.: Metius (E2, E3), Mezius (El)
401
Mezentius — Midas I.
Mida
El yAnnolied'30,16: M, ein Gefolgsmann Cae-
[Gefolgsmann des Darius, wird von Coenus getötet; Chätillon 111,59]
sars, gründet Metz (Universalgeschichtliche Einleitung; röm. Städtegründungen in Germanien). E2 ,Kaiserchronik' 652: Inhalt wie E l .
Al Ulrich von Etzenbach, ^Alexander': Der
E3 Jans Enikel, , Weltchronik' 22267: Inhalt
[sks]
mutige Μ wird im Kampf von Coenus getötet (8052; 8053; Schlacht bei Issos).
wie El. II. Die mhd. Chroniken nennen Μ im Rahmen ihrer Berichte über röm. Städtegründungen in Germanien als Gründer und Namensgeber von Metz. Eine direkte Quelle von El ist nicht auszumachen, der Typus der Gründungsgeschichte ist zur Entstehungszeit des Textes aber bereits gängige historiographische Tradition. [1] Metz hieß ursprünglich Divodurum, später Mettis (nach der „civitas Mediomatrici"), [2] die Gründung durch und Benennung nach Μ ist eine sekundäre Konstruktion. E2 folgt El, E3 im Wesentlichen E2, datiert die Stadtgründung aber nicht in die Herrschaftszeit von Caesar bzw. Augustus, sondern in die von Tiberius und Vespasian. [1] Neilmann (Hg.), 101f.,zu29/30. Von den weiteren Städtegründungen ist v.a. die Kölns durch Agrippa wichtig. [2] S.v. Metz (M. Parisse), in: LMA, Bd. 6, Sp. 585-589) [mk/sks]
Mezentius [Vater des Lausus, kämpft auf Seiten des Turnus gegen Aeneas; Aeneis' V1I1,648; RdE 3909 Mesencius]
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman' (Mesentius): Der mächtige und tapfere Heerführer Μ unterstützt Turnus im Kampf gegen die Trojaner (5024), nimmt am Fürstenrat teil und spricht sich für einen sofortigen Angriff aus (5419; 5466). Er nimmt an der Erstürmung von Montalbane (Alba longa) teil, will den Tod seines Sohnes Lausus an Aeneas rächen und fällt im Kampf gegen diesen (7081; 7781-7895). [1] [1] Der Handlungsgang in Al folgt dem .Roman d'Eneas'. Die vergilianischen Motive von der grausamen Schreckensherrschaft M's in Etrurien, von M's Vertreibung durch seine Untertanen und von M's Flucht zu Turnus (vgl. .Aeneis' VIII,482ff.) fehlen. [sks/mk]
Midas [Mythischer König von Phrygien, erhält von Bacchus die Gabe, durch seine Berührung alles in Gold zu verwandeln; weil er sich beim Wettstreit zwischen Apollo und Pan ftir Pan ausspricht, verpasst ihm Apollo Eselsohren]
R: König (Al, B l , C l ) Nf.: Mida ( B l ) I.
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen
Μ gibt den gefangenen Silenus nach einer großzügigen Bewirtung frei und erhält dafür auf seinen Wunsch von Bacchus die Gabe, mit seiner Berührung alles in Gold zu verwandeln. Er kann daraufhin nichts mehr essen und trinken, bittet Bacchus um Aufhebung des Zaubers, wäscht sich im Fluss Pactulus, der seither goldreich ist, und verwirft den Reichtum (11,155-255). Als er beim Wettstreit zwischen Apollon und Pan für Letzteren votiert, lässt ihm Apollo zur Strafe Eselsohren wachsen, die er schamvoll verbirgt. Ein Diener raunt das Geheimnis in die Erde, das daraus emporwachsende Schilf singt davon, und so wird M's Schmach bekannt (11,291-350).
Bl Ulrich von Etzenbach, ^Alexander': Im Tem-
pel des mächtigen Königs M, dem Eselsohren gewachsen sind, durchschlägt Alexander den Gordischen Knoten (5898; 5902; Eroberung von Sardes). C l Frauenlob, [V,24,14]: Ein gewisser Korniol [1] grub ein Loch in die Erde und rief: „Der König hat Eselsohren" hinein. An der Stelle wuchs ein Rohr, das die Nachricht verbreitete. Der Sänger will eine ähnliche List gegen die geizigen Fürsten anwenden (Fürstenspruch; Exemplum für geizige Fürsten). [1] Die Identität von Korniol ist unklar.
402
Miletus — Minos
II. Μ verkörpert in der antiken Mythologie den Typus des mythischen Tölpels. Die beiden beliebtesten Motive sind in diesem Zusammenhang sein törichter Wunsch, alles in Gold verwandeln zu können, und seine Eselsohren. Von beidem berichten Ovids ,Metamorphosen', denen die Darstellung in A l direkt folgt. Die Nennung in B1 bezieht sich auf die Alexandreis' Walters von Chatillon (II,69f.). Von der Bekanntheit der Eselsohren-Episode zeugt der Beleg in C l , der womöglich ebenfalls auf Ovid gründet. Aus dem Motiv vom ausgeplauderten Geheimnis entwickelt C l ein abmahnendes Exemplum an die geizigen Fürsten, das angesichts der sonst üblichen stereotypen Topik durchaus erfrischend ist: Geizige Fürsten sind Toren, und es droht ihnen die namentliche Anprangerung durch den Sänger. Ais weiteres tertium comparationis könnte durchaus Μ's Wunsch, alles in Gold zu verwandeln, mitgedacht sein. Ansonsten berichtet davon nur A l (nach M M ll,90ff.). [mk]
[1] Bei Ovid wird M s einstige Kraft außerdem mit der des Hercules verglichen. [mk]
Minerva
Pallas [1]
Minos [Sohn des Zeus und der Europa, Bruder des Rhadamanthys und des Sarpedon, Gatte der Pasiphae, mythischer König von Kreta, Namensgeber der minoischen Kultur]
W : Gottheit (E2) G: Sohn des Iuppiter (A2) und der Europa (A2), Tochter [!] des Iuppiter (El, E2), Gatte der Pasiphae (A2, A3), Vater des Androgeus (A2, E3), der Ariadne (A2), der Phaedra (A3) und der Medea [!] (A3), Bruder des Gamille (A3), R: König von Kreta (A2, E3), von Tamian [Chania?] (A3), Fürst (A3) Nf.: Minoa (El, E2), Minoß (A2), Minoss (A3), Minoz (E3) Minus (A2), Minuss (A3), Mynoss (A3) I.
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'3542:
Miletus [Sohn des Apollo, Vater des Caunus und der Byblis; M M 9,444]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen
\
Μ zeugt mit einer Tochter des Maeandrus Caunus und Byblis (9,816) und bedroht Minos mit Krieg (9,810). [1] [1] Der mythographische Kontext von Ovids Anspielung auf die Rivalität zwischen Minos und Μ ist von A l kaum mehr durchschaut worden (M verlässt Kreta, gründet das nach ihm benannte Milet und bedroht von dort aus den gealterten Minos). Die Stelle gibt somit ein Beispiel für die Schwierigkeiten, die Ovids stark allusorische Darstellung der volkssprachlichen Bearbeitung bereitet. [mk]
Milon [M von Croton, berühmtester Athlet des Altertums, Zeitgenosse des Pythagoras; M M 15,229]
Al Albrecht von
aber schlaffen Arme (Exemplum des Pythagoras für stete Veränderung). [1]
Halberstadt,,Metamorphosen'
15,254·. Μ beweint seine einst starken, jetzt
Μ ist Richter in der Unterwelt und urteilt über Schuld und Unschuld der Seelen (Unterweltfahrt des Aeneas).
A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen '·. Μ rüstet zu einem Kriegszug gegen Aegeus von Athen, weil sein Sohn Androgeus in einer Athener Schule aus dem Fenster gestoßen worden ist. Er fordert Aeacus auf, ihn zu unterstützen. Als dieser ablehnt, bedroht er ihn (7,825-860; Minos gegen Athen). Μ belagert sechs Tage die Burg des Nisus von Megara, weist Scyllas Liebesantrag zurück, unterwirft das Land, kehrt nach Kreta zurück und opfert Iuppiter hundert Stiere. Wegen des Geredes über Pasiphae und Minotaurus lässt er Daedalus für Minotaurus das Labyrinth erbauen und hält den Baumeister auf Kreta fest (8,50-291). Iuppiter will Μ nicht verjüngen, obwohl er sich so leichter gegen seinen Rivalen Miletus zur Wehr set-
Minos zen könnte (9,808; Argument Iuppiters gegen die Wünsche anderer Götter, ihre jeweiligen menschlichen Schützlinge so wie Iolaus verjüngen zu dürfen). [1] [1] Vers 6,860 wird ohne Referenz bei Ovid ein genannt, dessen Reich von Tereus verheert wird.
Minus
A3,Göttweiger Trojanerkrieg: Μ ist ein überaus mächtiger, tugendreicher, kluger und freigebiger König und herrscht über zwölf Reiche. Seine verruchte Gattin Pasiphae kann nur mit Zauberlist verhindern, dass er sie tötet. Während er als Richter durch die Lande reist, gebiert sie den Minotaurus. Μ lässt ihn in das eigens dafür errichtete Labyrinth sperren (21523-21642). Als Iason [!] auf Kreta landet, erkundigt sich Μ über die Geschehnisse vor Troja. Als er neuerlich auf Gerichtsfahrt geht, bittet er Iason, seine Töchter Medea [!] und Phaedra zu beschützen. Dieser tötet den Minotaurus und flieht mit den beiden (21783-21906). Als Minos nach seiner Rückkehr davon erfährt, macht er Pasiphae verantwortlich und enthauptet sie (22356). Später kann er sich über die Hochzeit Eminors und Medeas (22406-22466) sowie über die gelungene Rache Gamilles an Iason für dessen Untreue gegenüber Medea und Phaedra freuen. Er zieht sich nach Patmos zurück und überträgt seine Herrschaft Gamille (22671; 22677).
El Otto von Freising, ,Laubacher
Barlaam'
11122·. M, die außerehelich gezeugte Tochter [!] Iuppiters, gibt ein Beispiel für die Verkommenheit der gr. Götter (Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden; Götterkatalog; Iuppiters Kinder).
E2 Rudolf von Ems, ,Barlaam' 10023: Inhalt wie E l . E3 Rudolf von Ems,, Weltchronik': Der kluge Μ gibt den Kretern Gesetze und Einheit. Als sein Sohn Androgeus in Athen getötet wird, rächt er sich mit einem Kriegszug und verwüstet das Land. Die Kinder mächtiger Athener werden gefangen genommen und dem menschenfressenden Minotaurus geopfert, bis dieser schließlich von Theseus getötet wird (20197; 20204).
403
II. 1) Μ und der kretische Mythos; 2) Weitere Motive
1) Μ wird in den mhd. Texten primär als legendärer Herrscher von Kreta erinnert, einzig A l nennt ihn in seiner Funktion als Totenrichter (vgl. >Aeneis' 6,432f.), ein Amt, das er in der antiken Mythologie meist gemeinsam mit seinem Bruder Rhadamanthys innehat. Zu den prominentesten mit Μ verbundenen Motiven zählt die in A2 und A3 berichtete, von Μ veranlasste Erbauung des Labyrinths zur Einschließung des Minotaurus. Die Darstellung in A2 folgt direkt Ovid (MM 8,183ff.) und nennt auch Daedalus als Baumeister. Eine kuriose Mischung ausTheseus-, Argonauten- und Trojasage bietet A3: Die Tötung des Minotaurus erfolgt durch den aus Troja kommenden Iason, Μ enthauptet Pasiphae. Sein Rückzug auf die Insel Patmos, die bekanntermaßen ein Zentrum mediterraner Klosterkultur bildet, reflektiert das Motiv der Moniage, das mehrere ma. Sujets kennen (etwa der Willehalm-Zyklus). [1] 2) Von den entlegeneren antiken Motiven referiert A2 nach Ovid (MM 7,456fF.) noch M's Heerzug gegen Aegeus von Athen aus Rache für die Ermordung seines Sohnes Androgeus. Dessen Fenstersturz aus einer Athener Schule ist ein selbständiger Zusatz. [2] Analoges berichtet E3 nach den Angaben in der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1281b und 1283b). Die mythologischen Daten sind hier, dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, rein historisch gefasst. Die Eroberung Megaras mit Hilfe der in Μ verliebten Scylla (MM 8,8ff.) wird in A l nur verkürzt wiedergegeben. Dass Scylla ihrem Vater Nisus das glücksbringende Haar abschneidet, um M's Herrschaft zu sichern, fehlt ebenso wie der wütende Vorwurf der Zurückgewiesenen, Μ sei noch gräulicher als der Stier der Pasiphae. Diese Anspielungen Ovids und die angedeutete Auseinandersetzung M's mit Miletus (MM 9,434ff.) wurden in ihrem mythologischen Zusammenhang und in ih-
404
Minotaurus
rer Pointe von A2 offenbar kaum mehr verstanden. Dies weist auf die Schwierigkeiten, die Ovids allusorische Erzählweise der volkssprachlichen Bearbeitung bereitet hat. Die beiden Legenden El und E2 fassen Μ wie auch Rhadamathys und Sarpedon fälschlicherweise als Töchter Iuppiters auf und nennen sie in einem Katalog von dessen außerehelichen Kindern, die im Sinne christlich-apologetischer Tradition die moralisch bedenkliche Göttervorstellung der Griechen belegen sollen. [ 1 ] Die wahrscheinlichste antike Quelle flir A3 sind Ovids ,Metamorphosen', vielleicht sogar in der Übersetzung durch A2 (Kern, Agamemnon weint, 179, Anm. 375 und 188, Anm. 402). [2] In den antiken Quellen wird Androgeus als erster Sieger bei den Panathenäen von den Unterlegenen ermordet oder durch Aegeus beseitigt, s.v. Androgeos (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 1, Sp. 346. Der Zusatz in A3 könnte auf eine Glosse zu Ovids,Metamorphosen' zurückgehen. [mk]
Minotaurus [Sohn der Pasiphae und eines Stieres, Mischwesen, haust in dem eigens für ihn eingerichteten Labyrinth und wird von Theseus getötet]
W: Mischwesen, halb Mensch, halb Stier (Al, A2, El), Wunderwesen (A2, El), Ungeheuer (Al, A2), Teufel (A2, E l ) G: Sohn der Pasiphae (Al, A2) Nf.: Minocharius, Min(n)otha(u)rus, Minothaurüs (A2), n.n. (Al) I. A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Pasiphae zeugt mit einem Stier ein schreckliches Ungeheuer. Um es wegen des Geredes zu verbergen, lässt Minos von Daedalus das Labyrinth erbauen. Das Ungeheuer frisst täglich zwei Menschen [8,252; 8,289]. Theseus tötet es, indem er es auf Rat Ariadnes mit Pechklößen bewirft. Die Griechen sind ihm dankbar, weil sie nun keine Menschenopfer mehr stellen müssen [8,507]. A2 ,Göttweiger Trojanerkrieg': Während Minos in seinen Landen Gericht hält, gebiert die
Zauberin Pasiphae den schrecklichen M. Er frisst nach zwei Wochen bereits zwei Hammel und ein Rind täglich und attackiert auch Menschen, wenn er hungrig ist. Der entsetzte Minos lässt nach seiner Rückkehr ein Labyrinth erbauen, wo Μ bis zum zwölften Lebensjahr wohnt und täglich vier Menschen frisst (21607). Medea kann ihn als einzige füttern. Von dem Ungeheuer angewidert, rät sie Iason, der Μ töten will, diesem einen Pechkloß ins Maul zu schießen, und gibt ihm den Rat mit dem Faden, um aus dem Labyrinth wieder herauszufinden. Als der Pechkloß M s Maul verklebt, wehrt sich dieser mit einem Kolben, wird aber schließlich von Iason getötet (21914-22071; RV: 22412). Medea und Phaedra fliehen mit diesem aus Angst, Pasiphae könnte für Μ Rache nehmen, von Kreta (22172). El Rudolf von Ems,,Weltchronik'·. Μ ist nach Ausweis der mythischen Fabel („fabil") ein schreckliches Ungeheuer, halb Mann, halb Rind. Niemand kann sich dieses Teufels erwehren, er wird von Daedalus im Labyrinth eingeschlossen. Wer sein Leben verwirkt hat, wird dem Μ zum Fraß vorgeworfen (20170). Nach der Niederlage gegen die Kreter müssen die Athener Geiseln als Opfer für den menschenfressenden Μ nach Kreta entsenden, bis er von Theseus erschlagen wird (20240). II. Der M, das mythische Mischwesen mit Stierkopf und Menschenkörper, ist ein beliebtes Motiv der antiken Literatur und Kunst und auch in der ma. Mythographie gut belegt. Der mhd. Literatur ist er - wie der kretische Mythenkreis insgesamt - nur mäßig bekannt. [1] Alle drei Belege beschreiben ihn als schreckliches Ungeheuer, halb Mensch, halb Tier. A2 spricht dabei entgegen der antiken Vorstellung von einem menschenköpfigen Rind (A2; 22053) und deutet den Μ aus christlicher Sicht als Teufel (A2; 22030). Er frisst in A l zwei, in A2 vier Menschen täglich. In beiden Fällen beziehen sich die Angaben auf
Mithracenes — Mithrenes Ovids ,Metamorphosen', die sich allerdings - aufgrund der Bekanntheit des Mythologems - auf Andeutungen und Umschreibungen beschränken, die für die ma. Texte nicht einfach zu durchschauen waren. So erklären sich auch die Abweichungen in A l . [2] Wie bei Ovid bleibt das Monstrum hier namenlos. A2 bringt eine eigenwillige Umgestaltung des Mythos (Übertragung der Tötung von Theseus auflason, Kampfesdarstellung). Unklar ist, ob sich A2 direkt oder indirekt auf Ovid bezieht. Auf eine mögliche Abhängigkeit von A l deutet insbesondere das Motiv von den Pechklößen, die hier Iason auf Rat der Medea, dort Theseus auf Rat Ariadnes dem Μ ins Maul schießt. Es stammt aus dem alttestamentarischen Bericht über Daniels Kampf mit dem babylonischen Drachen (Dan 14,23). Allerdings fehlt in Al das Motiv vom Ariadnefaden, das A2 kennt (vgl. M M 8,173f.). [3] Der Bericht von Μ in El greift auf die .Historia scholastica' des Petrus Comestor zurück (PL 198, Sp. 1283). Auf den fabulösen Charakter des Mythos wird zwar explizit hingewiesen, die rationalisierende Deutung bei Petrus Comestor ist aber nicht übernommen. [4] [1] Vgl, Myth. Vat. 1.43,7; 11.121,11; 11.124,40. [2] Der Wortlaut bei Ovid ist kompliziert: Die Athener müssen im Dreijahresturnus Opfer an den Μ senden, dies sei schon zweimal geschehen, bevor Theseus beim dritten Mal das Ungeheuer tötet ( M M 8,170ff.). Vielleicht erklären sich daraus die zwei Menschen, die dem Μ in A l geopfert werden müssen. [3] Zu einer möglichen Abhängigkeit zwischen A l und A2 vgl. Kern, Agamemnon weint, 179, Anm. 375 und 188, Anm. 402. [4] M , heißt es, sei in Wahrheit ein besonders grausamer Beamter des Minos gewesen, den man deshalb den „Stier des Minos", im Sinne von „Schlächter des Minos" genannt habe („Fuit autem minotaurus vir quidam inhumanus, et valens in palaestra magistratus minois. Unde et sie dicturus est quasi minois taurus, id est minois carnifex." ebd.). Analoges berichten die Deutungen bei Myth. Vat. II. 126 und III p.232,18ff. Zur christologischen Allegorese der Tötung des Minotaurus/Teufels durch Theseus/ChristusW. Haubrichs, Ordo als Form. Strukturstudien zur Zahlenkomposition bei Otfrid von Weißenburg und in karolingischer Lit., 1969, 288AF. [mk]
405
Mithracenes [Perser, berichtet gemeinsam mit Orsilos Alexander von der Verschwörung des Bessus; Curtius V. 13,9]
A l Rudolf von Ems, Alexander' 14749 (Mitrazenis): Μ und Orsilos berichten Alexander von der Verschwörung des Bessus und des Narbazanes gegen Darius und von dessen Gefangennahme durch diesen. Alexander setzt den Verschwörern nach, kann Darius aber nicht mehr retten (Eroberung Persiens). [sfes]
Mithradates [Μ VI. Eupator, 121-63 v. Chr., König von Pontos, erobert Kleinasien,Thrakien, Makedonien und Griechenland, (uhrt 88-63 die vier so genannten Mithradatischen Kriege gegen Rom, wird von Sulla und später von Pompeius besiegt und begeht Selbstmord]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 15,493: Μ wird von Iulius Caesar unterworfen (Katalog der Taten Caesars). [1] [1] Bei Ovid heißt es anspielend, aber letztlich historisch korrekt, dass Caesar Pontus eroberte (vgl. M M 15,755ff.). A l spricht dagegen von einer Schlacht, in der Caesar selbst Μ besiegt haben soll; dessen historischer Gegner war aber Pompeius. Caesar kämpfte 47 v. Chr. bei Zela gegen Pharnakes, den Sohn des toten M . Die Fehlinformation geht vielleicht auf eine Glosse zurück. [mk]
Mithrenes [Perser, übergibt Sardes an Alexander und wird von diesem zum Satrapen von Armenien ernannt; Curtius 111,12,6; V. 1,44]
A l Rudolf von Ems, »Alexander' (Mitrenes)·. Fürst M, Darius' Statthalter in Milet, ist zu Alexander übergelaufen (14283; RV). [1] Dieser schickt ihn wegen dessen Sprachkenntnisse zu den gefangenen persischen Frauen, um sie zu trösten und ihnen die Botschaft zu überbringen, dass Darius noch lebt (7649; 7696; 1. Schlacht zwischen Griechen und Persern). Später setzt Alexander Μ als Verwalter von Armenien ein (13381). [1] An früherer Stelle (9496) wird nicht M, sondern (analog zu Q. Curtius Rufus IV.5,13) Hydarnes als Statthalter von Milet genannt. [sks]
Molpeus — Morpheus
406
Molpeus
Mopsus
[Gefährte des Phineus, wird von Perseus am Bein verwundet und flieht; MM 5,163]
[Verbündeter der Trojaner aus Colophon; Dares 22,16; Dictys 15,15; Benoit 6677 Masius/Marsius]
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen'
A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' (Mar-
(Alpheum, Molpheus): Μ greift gemeinsam mit Echemmon Perseus an, wird von diesem am Bein verwundet und flieht (5,283; 5,294; Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus; Kämpferkatalog). [1]
sius): Μ [1], Amphimachus u.a. sind Verbündete der Trojaner aus Colophon (3985; Kriegsvorbereitungen; Katalog der Trojaner), sie bilden am zweiten Tag der Landungsschlacht mit Pandarus, Amphius u.a. eine Schar ([4845]; Katalog).
[1] Al verwendet als Gleichnis für den Kampf das Bild eines Löwen (Perseus), der zwei Ochsen (M, Echemmon) gegenübersteht. Ovid spricht von einem Tiger, der zwei Herden brüllen hört und nicht weiß, an welcher er zuerst seinen Hunger stillen soll (MM 5,164(F.). [mk]
[1] Die Nf. geht auf Benoit de Sainte-Maure zurück, dem hierzu eine verderbte Variante bei Dares zugrunde liegt. Für den bei Dares überlieferten „Masius" wird (nach Dictys) „M, Asius" konjiziert. Denkbar wäre aber auch, dass bei Dares nicht Mopsus, sondern ein nach dem Fluss Marsyas benannter Verbündeter gemeint ist. [mk]
Monimus [Gesandter der Spartaner bei Darius, gerät nach dessen Tod in makedonische Gefangenschaft; Curtius 111.13,15]
A l Rudolf von Ems, Alexander' 7638: Der angesehene Μ aus Lakedaemonien unterstützt die Perser im Kampf um Babylon und gerät in makedonische Gefangenschaft (1. Schlacht zwischen Griechen und Persern). [sks]
Monoculi
Cyclopes
Monychus [Kentaur, kämpft gegen die Lapithen; MM
12,499]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12,775 (Monichus)·. Der Riese Μ [1] wundert sich, dass sein Speer dem (unverwundbaren) Caeneus nichts anhaben kann, und empfindet es als Schande, dass niemand diesen halben Mann (Caeneus war früher eine Frau) besiegen kann. Auf seinen Rat hin schleudern er und seine Gefährten Baumstämme auf Caeneus, unter denen dieser begraben wird (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf). [1] Die Kentauren werden im Text als herumziehende Riesen aufgefasst. Die Adaption greift offenbar auf vertraute Vorstellungen aus der dt. Heldensage zurück. Dass sie Mischwesen sind, wird nur 12,631 explizit gesagt ("* Centauri). [mk]
Morpheus [Sohn des Somnus, Gott des Traumes, erscheint Alcyone in Gestalt des ertrunkenen Ceyx; MM 11,635]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen
'·.
Der listige, wandlungsfähige M, der Diener des Schlafgottes, wird in Iunos Auftrag vom Schlafgott geweckt und zu Alcyone geschickt. Μ bindet sich sein Gefieder um, erscheint Alcyone in Gestalt des todesbleichen, in nasse Gewänder gekleideten Ceyx und erzählt ihr, er habe Schiffbruch erlitten und sei ertrunken, weil er im Wasser so oft ihren Namen genannt habe. [1] Sie solle ihn nicht unbeweint zur Hölle fahren lassen ( 1 1 , 1 1 0 1 - 1 1 6 0 ; Ceyx und Alcyone). [1] Anders als Ovid, der Μ in Gestalt des toten Ceyx nackt vor Alcyone erscheinen lässt (MM 11,654), ist Μ in Al in nasse Gewänder gehüllt. In Al wird außerdem aus dem sentimentalischen Motiv von den Alcyone-Rufen des ertrinkenden Μ (vgl. MM 11,665) eine unfreiwillig komische, rationalisierende Erklärung seines Todes. Nachbenennung Otte, ,Eraclius' (.Morfea, Morphea): Die heilkundige Μ verhilft dem Liebespaar Athanais und Parides zu einem heimlichen Liebestreffen und wird dafür von Athanais reichlich belohnt (3303-4191). [1] [ 1 ] Ob tatsächlich eine Nachbenennung vorliegt, ist unklar. Geschichte und Gestalt sind auch in die,Weitchronik' von Jans Enikel (20723; 20905) eingegangen. [mk]
Mucius Scaevola — Musae Mucius Scaevola [C. M. Cordus Scaevola, Protagonist der röm. Geschichtslegende vom Krieg gegen Porsena, 507 v. Chr.]
El ,Kaiserchronik' (Odnatus)·. Um Rom zu befreien, erklärt sich Odnatus bereit, Vitellius zu töten, tötet aber irrtümlich Herzog Riomus, der zufällig auf dem Thron des Königs sitzt. Von Vitellius zum Tod verurteilt, möchte Odnatus vorher seine Hand, die den Falschen getötet hat, im Feuer reinigen, lässt sie verbrennen und meint, Vitellius werde nicht mehr lange leben. Odnatus wird nach Rom zurückgeschickt und dort fürstlich belohnt (4906-5069). [1] [1] Die röm. Sage berichtet, dass Μ sich im Jahre 507 v. Chr. in das Lager der Etrusker einschleicht, um König Porsena zu töten, irrtümlich aber dessen Schreiber ums Leben bringt. Zum Beweis seiner Vaterlandsliebe hält er seine rechte Hand ins Feuer und wird von dem beeindruckten Porsena nach Rom zurückgeschickt; s.v. Mucius Scaevola [4.] (H. G. Gundel), in: DKP, Bd. 3, Sp. 1442. In E l ist die Sage modifiziert, auf einen historisch nicht belegbaren Odnatus übertragen und zur Zeit des Vitellius angesiedelt. Zu möglichen Quellen und zur Umgestaltung Ohly, Sage und Legende, lOOff. [sks/mk]
407
bernden Camenen sind die neun Sirenen für die Ohren. Gemeinsam mit Apollo herrschen sie über den Helicon, von dem die Quelle der Dichtkunst entspringt. Sie verwalten seine Gaben und teilen sie nach ihrem Ermessen zu. Da sie aus dem Brunnen ihrer Kunst so reichlich geben, hofft der Erzähler, dass auch ihm ein Tropfen zugestanden werde und so seine Worte in camenischer Kunst geläutert erstrahlen. Deshalb will er seine Bitte um dichterischen Beistand an den wahren Helicon und an die neun himmlischen Chöre wenden (4871; 4891; Tristans Schwertleite; Dichterexkurs).
El Rudolf von Ems, ,Barlaam' [10026]: Zu den Kindern, die Iuppiter in verwerflichen außerehelichen Verhältnissen gezeugt hat, zählen auch die neun Sängerinnen (Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden; Götterkatalog).
II. 1) M-Rezeption im ΜΑ; 1A) Deutungen; 1B) M-Polemik; 2) Dt. Belege
1) Die antiken Göttinnen der schönen Künste, später auch der Geschichte, Philosophie und Astronomie, sind in der ma. Mythenrezeption Musae zentrale, aber durchaus ambivalente wahrge[Töchter des Zeus und der Mnemosyne, Göttinnen der nommene Gestalten. Dichtung und der Musik] 1A) In Myelographie und Ikonographie werden ihre Funktionen umfassend dargestellt W: Gottheiten ( E l ) und gedeutet. Unterschiedliche InterpretG: Töchter Iuppiters ( E l ) ationen erfährt v.a. ihre Neunzahl, die auf R: Herrscherinnen über den Helicon ( B l ) Hesiods ,Theogonie' zurückgeht. Sie kann T: Sängerinnen (Al, B l , E l ) die neun Teile des menschlichen ArtikulaNf.: Musai ( E l ) , Musas (Al), Muse (Al), tionsapparates bezeichnen. Tiefer geht die Camenen ( B l ) wirkungsmächtige Deutung des Fulgentius I. (4. Jh.), der in den neun Μ die neun Stufen Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Die Μ zur Erkenntnis symbolisiert sieht. In Anlehnung daran exemplifizieren sie im ,Hortus dewerden mit den Poeten zu dem von Chiron zu 1 der Herrad von Landsberg (E. 12. liciarum Ehren des Pyrrhus veranstalteten Fest geladen. Jh.; hg. O . Gillen, 1979, fol. 31) die neun Ihre schönen Stimmen kann man meilenweit Stufen klösterlicher Lebensführung. In der hören, sie tragen mit den Poeten wesentlich Begleitminiatur sind die Μ auch in Nonnenzum Ruhm des Festes bei (17865; 17876; tracht dargestellt. [1] In der Ikonographie ist Nachgeschichte des Trojanischen Krieges). B l Gottfried von Straßburg, ,Tristan'·. Die insbesondere die astrologische Deutung von Interesse. Auf bereits ma. Vorstellungen geht kunstverständigen, mit ihrem Gesang bezau-
408
Musae
der Holzschnitt zum Musiktraktat von Franchinus Gaforus Laudensis (1469) zurück, der die Musen den Himmelssphären zuordnet. M, Musik und Tonarten stehen hier allegorisch für die Ordnung des Kosmos (und vice versa). [2] 1B) Das MA kennt außerdem eine breite Tradition der M-Polemik. Sie kann sich — vor allem im christlichen Prolog - generell gegen die heidnischen Göttinnen richten und stellt der Musenanrufung den christlichen Inspirationstopos gegenüber. [3] Aufschlussreicher ist die Zurückweisung der verführerischen und verfänglichen Μ der Dichtkunst, die den Menschen von vernunftmäßiger Überlegung abbringen. Mit einer entsprechenden Invektive eröffnet die ,Consolatio' des Boethius (I,26ff.): Die personifizierte Philosophie beschimpft hier die elegischen Μ als Dirnen und Sirenen, verjagt sie und stellt ihnen ihre eigenen Dienerinnen gegenüber. Diese Unterscheidung zwischen den falschen Μ der Dichtkunst und den richtigen Μ der Philosophie geht letztlich auf Piaton zurück (,Nomoi' 668b). [3] Sie wird außerdem im Prooemium zur Alexandreis' Walters von Chätillon aufgegriffen. Die Schlussverse des Epos bringen dann eine bemerkenswerte „M-Abrufung": Der Dichter will sich von den Μ abwenden und von nun an aus jenem Brunnen trinken, der im Unterschied zum Helikon den Durst für immer stillt, nämlich vom Brunnen Gottes (X,455ff.). 2) Gemessen an der Bedeutung des M-Mythos im lat. MA sind die Belege in der mhd. Literatur schmal. Alle drei Nennungen zeigen sie in ihrer Funktion als Sängerinnen. In A l wird zwischen den singenden Μ und den offensichtlich sprechenden Poeten unterschieden. Die Stelle bezieht sich auf den ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure (29170). Dort verkleiden sich die Hofdamen, die am beschriebenen Fest teilnehmen, aber nur als M. Es handelt sich um eine Rationalisierung des mythologischen Motivs vom Auftritt der Göttinnen bei den Festen auf dem Olymp (vgl. Homer, ,Ilias' l,601ff.).
Sie geht auf den Trojabericht des Dictys zurück und entspricht dessen pseudohistorischer Konzeption. [4] Durchaus im Lichte der ma. M-Mythographie ist die überaus komplexe M-Anrufung in B1 zu sehen. Der Name „Camenes" bezeichnet ursprünglich röm. Quellgöttinnen, die seit Livius Andronicus mit den Μ identifiziert werden. [5] Er ist auch in der Mythographie als Bezeichnung für die Μ geläufig. Das Motiv der gemeinsamen Herrschaft mit Apollo über den Helikon reflektiert die antike Verbindung der Μ mit dem Gott der Musik und Weissagung und ihre traditionelle Lokalisierung auf dem Helikon, dem Parnass und dem Olymp. [6] Der Topos der Musenanrufung wird in Form einer Invocatio formuliert. Sie verarbeitet die gängige Allegorie vom Brunnen der Dichtkunst und Weisheit, aus dem die Μ schöpfen. Dass sich der Erzähler in einem zweiten, gebetsartigen Ansatz an den wahren Helikon und an die neun himmlischen Chöre wendet, erinnert an die Unterscheidung zwischen falschen und richtigen M, etwa bei Walter von Chätillon. Anders als dort zielt die Überformung mit christlicher Inspirationsvorstellung aber nicht auf eine Zurückweisung des antiken Mythologems, sondern auf dessen christlich-allegorische Deutung, die es dem höfischen Publikum erst verständlich macht. Dennoch weist die Differenzierung zwischen Helikon und wahrem Helikon, Musen und neun Himmelschören, antiker und christlicher Inspirationsvorstellung auf jene grundsätzliche Ambivalenz, die die ma. M-Rezeption auszeichnet. Markant ist in dieser Hinsicht auch der Sirenen-Titel, mit dem Β1 die Musen belegt. Er erinnert wohl nicht von ungefähr an Boethius' ,Consolatio\ Die Stelle gewinnt noch insofern an Komplexität, als die Hinwendung zum Helikon nur als hypothetische Möglichkeit vorgestellt wird, von der der Erzähler schließlich doch keinen Gebrauch macht. Insgesamt mag diese erste M-Anrufung in der Geschichte der dt. Literatur also zugleich die schwierigste sein. In jedem Fall dokumentiert sie eindrucksvoll,
Musaeus — Myrrha wie kreativ B1 auf antike Mythologie und mythographische Tradition zuzugreifen weiß, ein für die volkssprachliche Mythenrezeption einzigartiger Vorgang. [7] Ganz traditionell ist hingegen die knappe Nennung in El. Mit andern außerehelichen Kindern Iuppiters geben die Μ hier ein Zeugnis für die Verwerflichkeit des antiken Götterglaubens. [1] Curtius, Europäische Literatur, 235-252; s.v. Musen, in: Lücke, Antike Mythologie, 555-566. [2] Seznec, Das Fortleben, 106f. und Abb.82. [3] Curtius [Anm. 1], passim. [4] -» Chiron (I.A2). [5] S.v. Camenae (W. Eisenhut), in: DKP, Bd. 1, Sp. 1028f. [6] S.V. Musai (W. Pötscher), in: DKP, Bd. 3, Sp. 14751479, hier Sp. 1476f. [7] Zur Fotschungsdiskussion und Deutung der Stelle Kern, Edle Tropfen, 174ff. und ders., Isolde. [mk]
Musaeus [Mythischer griechischer Sänger, Vater des Eumolpos, Schüler des Orpheus]
El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 20121: Der Buchgelehrte („büchmeister") Μ ist der Sohn des Eumolpus und Schüler des Orpheus. [1] [1] Μ wird fälschlicherweise als Sohn und nicht als Vater des Eumolpus genannt, so auch im .Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 521: „Museus, Emolpi filius"). Μ ist außerdem in der Hauptquelle von Ε1, der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1281 b), als Schüler des Orpheus, aber nicht als Sohn des Eumolpus genannt. Dass El M s Gelehrsamkeit hervorhebt, erklärt sich daraus, dass Orpheus dem MA nicht nur als Sänger, sondern auch als Philosoph galt (-» Orpheus [II.]). [mk]
Mycale
Orios
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I.
Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen' 7,1134: Iuppiter versetzt als Wunderzeichen eine Eiche aus Dodona auf die Insel Aegina. Auf Bitte des Aeacus verwandelt er die auf ihr kriechenden Ameisen in die M. Sie bilden das neue Volk Aeginas, nachdem Iuno die alten Einwohner und Untertanen des Aeacus durch eine Pest vernichtet hat (Erzählung des Aeacus an Cephalus). Aeacus entsendet die Μ zur Unterstützung des Cephalus im Krieg gegen Minos nach Athen. A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 14649: Die M, Gefolgsleute des Achilles, werden von Pyrrhus aufgefordert, nicht länger um Achilles zu trauern, sondern ihn an den Trojanern zu rächen (Tod des Achilles). A3 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung: Achilles kommt den Griechen mit den Μ zu Hilfe. Nach seinem Tod wählen sie Pyrrhus zu ihrem neuen Befehlshaber und wachen mit ihm am Grab des Achilles (43024-45574). II. Die Verwandlung der Μ aus den dodonischen Ameisen referiert Al direkt nach Ovid (MM 7,654ff.). Es handelt sich um eine relativ späte, auf etymologische Spekulationen gründende Ursprungssage. [1] Schon in Homers ,Ilias' (l,180ff. u.ö.) sind sie der Volksstamm des Achilles, so auch in den spätantiken Trojaberichten des Dares und des Dictys. A2 übernimmt den Namen aus dem Trojaroman Benoits de Sainte-Maure, A3 direkt von Dictys. [1] Nach dem gr. Wort „myrmekes" fur ,.Ameisen", s.v. Myrmidones (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 3, Sp. 1522. [mk/sks]
Myrrha Myrmidones [Volk aus Thessalien, Gefolgsleute des Achilles, nach späterer Sage hat Zeus sie aus Ameisen erschaffen]
Nf.: Mirmidones (Al, A2), Mirmidoneise (A3)
[Tochter des Cinyras, begeht mit ihrem Vater Inzest, wird in den Myrrhebaum verwandelt und gebiert Adonis; MM 10,312]
G: Tochter und Geliebte des Cinyras (Al), Mutter des Adonis (Al) Nf.: Mirra (Al, Bl), Myrrhe (Al)
410
Myrrha
I. A l Albrecht von Halberstadt,Metamorphosen': Die unkeusche, verblendete Μ entbrennt in Liebe zu ihrem Vater und will sich erhängen. Ihre Amme hindert sie daran, tröstet sie und führt sie dem betrunkenen Cinyras beim Ceresfest zu. Als er den Betrug nach weiteren Liebesnächten endlich entdeckt, flieht die schwangere M. Nach neun Monaten der Flucht wird sie von den Göttern in den Myrrhebaum verwandelt, ihre Tränen werden zu Harztropfen. Mit Lucinas Hilfe gebiert sie aus dem Stamm den Adonis (10,577-928; Lied des Orpheus). B1 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crone' 11592·. Μ wurde aus Kummer zu einem Baum. Das Unglück war Anlass einer großen Klage, die sich aber nicht mit der Klage des Artushofes um die entführte Ginover vergleichen lässt (hyperbolischer Vergleich; Katalog großer Klageanlässe). [1] [1] Der Katalog nennt an antiken mythologischen Sujets und Gestalten außerdem u.a. die Entführung Helenas, Dido, Medea, Pyramus und Thisbe, Hercules, Deidamia, Phyllis, Daphne und Hippolytus.
II. Μ zählt mit Byblis und Canace zu den klassischen ovidianischen „Verbrechern aus Liebe". Diese verkörpern im ma. Liebesdiskurs den „amor stultus et illicitus", die törichte und illegitime Liebe, [1] und werden im Rahmen
entsprechender Exempla des Öfteren genannt. Den berühmtesten mhd. Beleg geben die so genannten „senemaere" („Geschichten von Liebesleid"), die sich Tristan und Isolde bei Gottfried von Straßburg erzählen (M wird hier allerdings nicht genannt). [2] Gottfried entschlägt sich dabei interessanterweise jener moralischen Verurteilung, die Al mit den Attributen „unkeusch" und „verblendet" vornimmt. Al folgt direkt Ovids .Metamorphosen'. B1 wird ebenfalls aus Ovid Kenntnis von dem Sujet haben (darauf weisen auch andere Gestalten des Katalogs wie Daphne und Phyllis). Unabhängig von Ovid operiert Al bei der Schilderung des Inzests mit dem Paradoxon, dass in dem Liebespaar vier soziale Rollenträger zusammenkommen: „Baldt vier wurden do zu mal/ Und waren dannocht nur zwen leib/ Doch vatter, tochter, man und weib" (10,866; „Vier kamen da zusammen, obwohl es nur zwei Menschen waren: Vater, Tochter, Mann und Frau"). Bei Ovid nennt Cinyras ironischerweise die unerkannte Geliebte wegen des Altersunterschieds „Tochter" und sie ihn „Vater" (MM 10,467ff.), was Al nicht übernimmt. [1] Ganz, Tristan, 404f. [2] -* Byblis, Canace, Dido, Phyllis; fiir weitere, auch mlat. und romanische Belege, insbesondere zu den Selbstmördern aus Liebe, vgl. Knapp, Selbstmord, passim. [mk]
Ν Nabarzanes [Chiliarch des Darius III., kämpft als einziger Perser erfolgreich bei Issos, schließt sich später Bessus an, ist an der Ermordung des Darius beteiligt, zieht sich nach Hyrcanien zurück und ergibt sich dort Alexander]
R: König von Hyrcanien (A2), Fürst (A2), Heerführer der Perser (A2), Untertan (Al, A3), Ratgeber (A2), Kämmerer (A3) des Darius, herre (Epitheton) (Al), von niederer Herkunft (A3) Nf.: Arbazan (Al), Narbasones (A3), Narbazanes (A2) I. A l Pfaffe Lamprecht, Alexander' S3691: Der ungetreue Ν und Bessus beschließen die Ermordung des Darius und erhoffen sich dafür Alexanders Gunst. Trotz Darius' Bitte um Gnade verwunden sie ihn tödlich und heucheln danach Trauer. Als sie sich später ihrer Tat rühmen, lässt Alexander sie hinrichten. A2 Rudolf von Ems, vAlexander': Der tapfere Ν befehligt 20000 Mann an der rechten Flanke des persischen Heeres (6915-6921), erleidet in der Schlacht am Stranga große Verluste (7213; 7306), rät Darius aufgrund des geschwächten Heeres und seiner Glücklosigkeit vergeblich zur Ubergabe der Herrschaft an Bessus (14255; 14315; 14412), verschwört sich mit diesem (14524; 14595), die beiden nehmen Darius gefangen (14639), wollen ihn nach Hyrcanien oder Bactrien bringen und verwunden ihn tödlich, als er Widerstand leistet (14765; RV: 18734). Der feige und untreue Ν flieht vor dem heranrückenden Alexander in sein Herrschaftsgebiet (14827; 15931) und lässt Alexander durch einen Boten mitteilen, dass Bessus die alleinige Schuld am Tod des Darius trage (15993). Bei der
Eroberung Hyrcaniens durch Alexander gelingt Ν die Flucht zu Bessus nach Bactrien (17733), er stirbt dort, bevor Alexander mit seinem Heer anrückt (21108). A3 Ulrich von Etzenbach, vAlexander': Ν richtet vor der Schlacht bei Issos einen geheimen Brief an den Perser Sisenes, der Alexander treu ergeben ist, und versucht vergeblich, ihm die Absichten des Gegners zu entlocken (6711; 6721). Darius protegiert die Emporkömmlinge Ν und Bessus und verleiht ihnen hohe Amter und Würden, worauf die beiden mit ihren Reichtümern prassen. Sie beschließen, Darius - gefangen oder tot — an Alexander auszuliefern, um dessen Huld zu erlangen. Bei einem Sieg über Alexander erhofft sich Ν Persien, Bessus Medien (15949; 15963). Als Ν dem sieglosen Darius die Ubergabe der Herrschaft an Bessus rät, versucht Darius im Zorn, den Verräter zu erschlagen, doch Ν gelingt die Flucht ([15965]). Er und Bessus gewinnen über die Vermittlung des Artabazus wieder die Gunst des Darius und schwören ihm Treue (16032; 16038), er nimmt sie wie Söhne auf ([16075]). Als Patron Darius endlich von der Verschwörung N's und Bessus' überzeugen kann, will dieser lieber durch die eigene Hand als durch die seiner Männer sterben (16107; 16364). Ein Kämmerer verhindert den Selbstmord, Ν und Bessus fesseln ihn mit goldenen Banden als Zeichen der Königswürde an einen Wagen ([16404]). Weil er sich weigert, mit ihnen vor dem herannahenden Alexander zu fliehen, lassen sie ihn schwer verwundet zurück (16606). Als Ν und Bessus von Alexander ihre Belohnung fordern, werden sie zum Tod verurteilt, geköpft und ihre Leichen geschleift ([16898]).
412
Naiades — Narcissus
II.
A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg 1056:
Die Verschwörung gegen den Herrscher ist ein grundsätzlich zentrales Thema des Alexanderromans. Auf persischer Seite betreiben Ν und Bessus die gewaltsame Ablöse des Darius, später ist Alexander selbst mit mehreren Verschwörungen konfrontiert. Die Geschehnisse um die Verschwörung gegen Darius dienen in erster Linie der positiven Zeichnung Alexanders: Er strebt einen redlich errungenen Sieg gegen seinen Hauptfeind an, weist die Angebote von Ν und Bessus zurück und verfolgt die Verschwörer. Diese sind negative Charaktere, weil sie gegen die zentrale Tugend der Vasallentreue handeln. Den Verstoß kann auch Alexander - in diesem Punkte solidarisch mit Darius - nicht akzeptieren. A3 geht in der negativen Zeichnung N's und Bessus' als tugendlose Aufsteiger am weitesten. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Handlung in den mhd. Alexanderromanen A l , A2 und A3 erklärt sich aus den verschiedenen Quellentexten (,Historia de preliis', Quintus Curtius Rufus, Walter von Chatillon). A2 ist zudem Fragment geblieben. A l und A3 wissen von der Hinrichtung N's auf Befehl Alexanders, A2 berichtet vom Tod N's ohne nähere Angaben (in der ,Historia' werden die Mörder geköpft, bei Curtius und Chatillon wird Ν von Alexander begnadigt). [mk/sks]
Naiades
II. Die Ν bilden als antike Wassergottheiten eine Untergruppe der Nymphen. In der ma. Mythenrezeption sind sie nur von geringer Bedeutung. A l folgt den .Metamorphosen' Ovids (10,513ff.). Die Deutung der Ν als „waltfrawen" spielt auf volksmythologische Vorstellungen an, die dem dt. Publikum vertraut waren. Ahnliche Adaptionen finden sich auch sonst im Text [ 1 ], eine grundsätzliche und systematische Umdeutung der antiken Mythologeme erfolgt freilich nicht. Der Götterkatalog in A2 reflektiert ebenfalls ein Panorama ovidianischer Göttergestalten. Mit ihren Quellen tragen die Ν zu einer dem Anlass angemessenen Gestaltung der Festeswiese, eines höfischen locus amoenus, bei. Die Gestaltung weiß die mythologische Funktion der Ν kreativ zu nutzen. [1] Vgl. auch die analoge Deutung der -» Dryades und jene der -» Centauri als Riesen. [mk]
Narcissus [Sohn des Cephisus und der Liriope, verliebt sich in sein eigenes Spiegelbild, verzehrt sich in Sehnsucht danach bis zum Tode und wird in die gleichnamige Blume verwandelt]
G: Sohn der Liriope (Al) Nf.: n.n. ( C l )
[Wassernymphen]
W: Göttinnen der Quellen (A2), Waldfrauen (Al), Nymphen ( A l ) Nf.: Najades (A2) I.
Al Albrecht von
Die Ν nehmen am Fest Iuppiters anlässlich der Hochzeit von Peleus und Thetis teil, sie lassen erquickende Wasser sprudeln (Fest Iuppiters; Katalog der Götter).
Halberstadt,,Metamorphosen'
10,961: Die Ν nehmen das Kind, das die in einen Baum verwandelte Myrrha geboren hat, auf, säugen und erziehen es und geben ihm den Namen Adonis (Lied des Orpheus von Adonis).
I.
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen':
Der wunderschöne Ν achtet die ihn liebenden Jungfrauen nicht. Als er die Wälder durchstreift, verliert er seine Gefährten, begegnet Echo und weist sie zurück. Als eine von Ν verschmähte Liebende die Götter bittet, Ν möge nicht erlangen, was er liebt, verliebt er sich in sein eigenes Spiegelbild im Wasser. Nach vergeblichen Versuchen, es zu erreichen,
Narcissus schwindet Ν dahin, stirbt und wird in eine Blume verwandelt (3,850-1239). B1 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 11210: Der wunderschöne Ν hielt sein Spiegelbild in einer Quelle für eine schöne Frau, verliebte sich und lag einen ganzen Tag bittend und flehend an der Quelle, bis er aus Leid und Schmerz verschied. Achilles sieht sich als zweiter N, weil er fürchtet, von Polyxena wegen der Tötung Hectors nicht erhört zu werden. Er will lieber gleich sterben, als N's Geschick zu erleiden. C1 Heinrich von Morungen, MF XXXII (145,1): Dem Sänger ergeht es wie einem kleinen Kind, das sein schönes Bild in einem Spiegel sah und so lange nach ihm griff, bis es den Spiegel zerbrach. Ebenso hat er von seiner Minneherrin großen Kummer erfahren [1,1]. Weil sie ihm im Traum mit bleichen Lippen erschienen ist, erleidet er so große Schwermut wie ein törichtes Kind, das sein Spiegelbild im Wasser sah und es bis in den Tod lieben musste [3,6]. II. 1) Ν im MA; 2) N-Mythos und „paradoxe amoureux"; 3) Zusammenfassung
1) Ν ist eine der zentralen mythologischen Exempelgestalten in der Liebesliteratur und Liebeskasuistik des HochMA. Maßgebliche Quelle sind Ovids ,Metamorphosen', für deren Wirkung und Verbreitung die ma. N-Belege in nuce beredtes Zeugnis ablegen. Bemerkenswert ist die breite Rezeption in der volkssprachlichen Literatur. Auf romanischer Seite geben der ,Lai de Narcisse', die so genannten Lerchenkanzone Bernarts de Ventadorn (,Can vei la lauzenta mover') und der Narzissbrunnen im ,Roman de la Rose' des Guillaume de Lorris (l425ff.) die beeindruckendsten Beispiele ab. Ihre Umschriften und Deutungen des Mythos zeigen eine erstaunliche hermeneutische Komplexität. Von den dt. Belegen gilt Nämliches v.a. für Cl.tl] Zunächst steht Ν freilich einfach für das Paradox der Unerreichbarkeit des geliebten Ge-
413
genübers, das mythologische Bild illustriert somit einen Grundgedanken der ma. Liebeslyrik und der Liebesreflexionen des ma. Romans. Die psychopathologischen Implikationen des Mythos werden dabei ausgeklammert, wie der Beleg in Β1 zeigt, der die entsprechende Stelle im ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure (1769Iff.) wiedergibt. Al referiert die mythographischen Fakten nach Ovid (MM 3,346ff.), verzichtet aber auf erotische und psychologische Andeutungen sowie auf die rhetorischen Finessen der Quelle und enthält sich einer moralischen Wertung. Ν fällt einer Sinnestäuschung zum Opfer. Im Gegensatz zu Ovid fehlt auch jede homoerotische Anspielung: nicht ein verschmähter Liebhaber [2], sondern eine Nymphe, deren Identität unklar ist, bittet die Götter, Ν zu bestrafen. 2) In der Liebeslyrik des MA steht das N-Mythologem in Verbindung mit der komplexen Vorstellung von Augenliebe (Liebesentstehung durch Anblicken) und Augenspiegel. Das lyrische Ich erkennt sich und spiegelt sich in den Augen der Geliebten, die - da sie unerreichbar ist — dem Sänger zum fatalen Brunnen des Narziss werden können (so im Wesentlichen bei Bernart de Ventadorn). Hier erreicht das mythologische Exemplum nun insofern eine neue Qualität, als die Liebesrelation zu der unerreichbaren Geliebten, das so genannte paradoxe amoureux, mithin als Akt der Selbstbespiegelung und Selbstprojektion erkannt wird. Die kulturhistorische Signifikanz und die literarische Leistung des Mythos und seiner Rezeption liegen darin, diese latente psychopathologische Dimension der Liebeserfahrung wenn auch nicht hermeneutisch stringent auszuformulieren, so doch im ästhetischen Bild sinnfällig werden zu lassen. Dies gilt zumal für den überaus komplexen Beleg in C l . Zwar beruht auch hier die N-Erfahrung des Sängers grundsätzlich (wie in Β1) auf der Unerreichbarkeit des geliebten Objekts, ist also nicht im heutigen Sinn narzisstisch. Die Doppelung des Gleichnisses und die Erkenntnis, dass das geschaute Bild der
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Nastes
Dame fiktiv und fragil wie das Spiegelbild N's ist und sozusagen eine quasi-narzisstische Projektion des Sängers darstellt, öffnen freilich den Bedeutungshorizont des traditionellen Mythologems. 3) Die ma. N-Belege lassen somit einerseits einen typischen Vorgang ma. Mythenrezeption erkennen, nämlich die Reduktion eines vielschichtigen Bedeutungspotenzials auf einfache metaphorische Relationen (Unerreichbarkeit, Sinnestäuschung). Andererseits werden im Zusammenhang mit zeittypischen literarischen Vorstellungen und Topoi (Augenliebe, „paradoxe amoureux") durchaus jene Deutungsdimensionen des Mythos tangiert, die die moderne Psychologie an der Gestalt festzumachen beabsichtigt. [1] Hierzu und zum Folgenden Kern, Edle Tropfen, 45ff. (mit weiterführender Lit.) und ders., Ma. und moderne Mythen. Eine breite Materialsammlung zur ma. und neuzeitlichen N-Rezeption bietet: Mythos Narziss. Hg. A.-B. Renger, 1999. [2] „Inde manus aliquis despectus ad aethera tollens" („Hierauf erhob ein Verschmähter die Hände bittend zum Aether"; M M 3,404). [mk] •
Nastes [Bruder des Amphimachus, TrojanerRihrer aus Carien; Dares 22,17; Dictys 47,14; Benoit 6678 Nestern, Nestor]
G: Zögling des Priamus (A3), Bruder des Aeneas (A3) R: Herzog (A2), herre (Epitheton) (A3) Nf.: Dorastes (A2 [Forts.]), Nesteus (Al), Nestor (A2, A3) I. Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. N, Amphimachus {-* Amphimachus [4]) u.a. kommen als Verbündete der Trojaner aus Colophon nach Troja (3986) und bilden in der Schlacht gegen die landenden Griechen eine Schar ([4845]; 6849; Katalog). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg' 24908·. Ν nimmt als Verbündeter der Trojaner aus Agrimonis am Trojanischen Krieg teil (Katalog).
, Trojanerkrieg'-Fortsetzung·. N, Fürst aus Caria und Verbündeter der Trojaner, wird in der Schlacht um die Leiche des Achilles von Aiax Telamonius getötet (44050-44063). A3 ,Göttweiger Trojanerkrieg': N, Aeneas und Priamus beobachten von den Zinnen der Burg die Ankunft Hectors und Paris' in Troja (13265). Ν übermittelt Η die Herausforderung des Achilles zum Zweikampf (18990-19007). Nach Hectors Tod führen N, Aeneas und Ilus Geheimverhandlungen mit Agamemnon über eine Preisgabe der Stadt (19218; 19471). Nach Aeneas' Plan gibt Ν dem gr. Heer durch ein Hornsignal den Zeitpunkt des Einfalls bekannt, während Aeneas den Ort mit einem Lichtsignal kennzeichnet (22848; 22909). Nach der Zerstörung Trojas fährt Ν gemeinsam mit Aeneas nach Italien und stiftet in Rom das Colosseum (23242). II. Ν wird als Bundesgenosse der Trojaner schon in Homers ,Ilias' genannt (2,870ff., mit Vorausdeutung auf seinen Tod durch Achilles). Die Namensvarianten zu Ν in Al, A2 und A3, Nesteus und Nestor, finden sich bereits im afrz.,Roman deTroie' Benoits de Sainte-Maure und erklären sich wohl aus dem Einfluss des bekannten gr. Helden Nestor, ohne dass die beiden tatsächlich verwechselt würden. Die Angaben zu Ν in Al und A2 folgen im Wesentlichen Benoit, der sich seinerseits auf die spätantiken pseudohistorischen Trojaberichte von Dares und Dictys bezieht. Ν wird hier lediglich als Verbündeter der Trojaner in den Kämpfen um Troja erwähnt. In der Fortsetzung von A2 fällt er (direkt nach Dictys 91,1) durch Aiax. A3 weiß darüber hinaus von einer Beteiligung N's am Verrat Trojas und nennt ihn und Aeneas im Bericht von der Gründung Roms als Stifter des Colosseums. Sowohl der Verrat Trojas als auch die Gründung Roms und die Errichtung des Colosseums werden im Text im Übrigen
Nauplius — Nectanebus in zwei Varianten erzählt (vgl. 24965-25087; ohne Nennung Ns). fl] [1] Dazu Kern, Agamemnon weint, 158ff. [mk]
Nauplius [Vater des Palamedes, Oiax und Nausimedon, verleitet aus Rache für die Hinrichtung des Palamedes die Frauen der vor Troja kämpfenden Griechen zur Untreue und bringt durch falsche Feuersignale die heimkehrende gr. Flotte zum Scheitern; Dictys 120,8, Benoit 27671]
Al Herbort von Fritzlar, ,lietvon Troye' (Pamplus)·. Als Ν die falsche Meldung erhält, Ulixes hätte seinen Sohn Palamedes getötet, gibt er den heimkehrenden Griechen aus Rache vom Berg Euboea aus falsche Feuersignale und zerstört die vorderen Schiffe der Flotte, indem er einen überhängenden Felsen ins Wasser stürzen lässt. N's Sohn Oiax intrigiert bei Aegiale und Clytaemestra gegen deren Ehemänner (17148-17196; RV: 17552). [1] [1] Die Entstellung der Nf. zu Pamplus geht offensichtlich zu Lasten der Überlieferung von A l . In der antiken Trojatradition vor Dictys intrigiert Nauplius selbst und nicht sein Sohn Oiax gegen Diomedes und Agamemnon bei dessen Gattinnen, s.v. Nauplios (H.von Geisau), in: DKP, Bd. 4, Sp. 14. [mk]
Nausicaa [Tochter des Phäakenkönigs Alcinousund der Arete, Gattin des Telemachus, Mutter des Ptoliporthus; Dictys 125,11; Benoit 29042 Nausica]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 17786 (Nausica)·. N, die Tochter des Alcinous, wird nach Ulixes' Sieg über die Freier mit Telemachus vermählt und gebiert ihm Ptoliporthus. [1] [ 1 ] Die Abenteuer des Odysseus finden im ma. Trojaroman nur geringes Echo, die .Odyssee' war praktisch unbekannt. Dictys, auf dem die entsprechende Passage im Trojaroman des Benoit de Sainte-Maure, der Quelle von A l , beruht, bringt nur eine knappe Zusammenfassung. Die Fortsetzung des .Trojanerkriegs' Konrads von Würzburg nennt Ν nicht. Da sie außerdem in der Odysseus-Passage von Ovids .Metamorphosen' nicht erwähnt wird, fehlt sie auch in der Metamorphosenübersetzung Albrechts von Halberstadt. [mk]
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Nectanebus [Ν. II, ab 360 v. Chr. König Ägyptens, letzter selbständiger Herrscher Altägyptens, flieht vor Artaxerxes III. Ochus 341 nach Nubien und ist dort verschollen, nach späterer Überlieferung gilt er als wahrer Vater Alexanders d. Gr.]
G: Vater des Alexander (A2), besonderer Freund der Olympias (A2) R: König (Dl) von Ägypten (A2, A3), Meister (Al, A2, D2), Gelehrter (Dl), Astronom (A2), Traumdeuter (A2), Weissager (A2), Zauberer (A2) Nf.: Nectanabus (A2), Nektanabus (A2), Nektanebos (Al), Neptanabo (A3), Nepatanabus (A3), Neptanaus (D2), Neptanebus ( D l ) I.
Al Pfaffe Lamprecht, Alexander'[V229]: Alexander stößt seinen Lehrer von einem Felsen in den Tod, weil ihn dieser belogen hat. Missgünstige Lügner behaupten, er sei Alexanders Vater gewesen. Das ist deshalb nicht glaubhaft, weil ihn Alexander sonst nicht getötet hätte (Jugend Alexanders). A2 Rudolf von Ems, Alexander'·. Mit dem mächtigen und edlen Ν kann sich niemand an Tapferkeit und Klugheit messen, er besitzt große Kenntnisse in Zauberkunst, Astronomie, Wahrsagerei, Traumdeutung und Geometrie (116; Descriptio). Als ihm ein durch Teufelsbeschwörung erwirktes Orakel die drohende Niederlage gegen den in Ägypten eingefallenen Perserkönig Artaxerxes prophezeit, flieht Ν als Weissager verkleidet nach Makedonien (194; 202; RV: 2763). Serapis prophezeit den Ägyptern auf ihre Frage nach dem Verbleib N's, dass dieser nicht wiederkommen, sein Sohn aber dereinst die Herrschaft zurückerobern werde (397; 405; VD). Während sich Philipp auf Heerfahrt befindet, wird Ν von Königin Olympias eingeladen und verliebt sich in sie. Olympias prüft seine seherische Fähigkeiten, indem sie ihn nach dem genauen Geburtsdatum Philipps fragt. Als er die Probe besteht, offenbart ihm Olympias ihre Angst, wegen Unfruchtbarkeit von Philipp verstoßen zu werden. Der listige Ν prophezeit ihr Am-
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Nectanebus
mons Hilfe, erscheint ihr im Traum in Gestalt Amnions und schwängert sie schließlich in Gestalt eines Drachen (421; 454). Auf Bitten von Olympias, die nicht weiß, wie sie Philipp die Schwangerschaft erklären soll, erscheint Ν Philipp nachts in Gestalt A m m o n s und lässt ihn träumen, A m m o n habe in seiner Gestalt mit Olympias ein Kind gezeugt (873; [1088]). Daraufhin zerstreut er Olympias' Bedenken, Philipp habe Zweifel an der Vaterschaft Alexanders, und weist für die Geburt des Sohnes auf die günstige Konstellation der Sterne. Als Alexander anlässlich einer Lektion in Astronomie nach N's Tod fragt, behauptet dieser, er werde durch sein eigenes Kind sterben. Alexander, der nicht weiß, dass Ν sein Vater ist, möchte N's Prophezeiung widerlegen und tötet ihn. Sterbend gibt sich Ν als sein Vater zu erkennen. Die Weissagung hat sich somit erfüllt. Ν wird von Olympias heimlich begraben (1897; 2060; Jugendgeschichte Alexanders). In Ägypten gibt sich Alexander als N's Sohn und rechtmäßiger Herrscher zu erkennen (10399). A3 Ulrich von Etzenbach, »Alexander': Ν flieht aus Ägypten nach Makedonien, wird von König Philipp freundlich aufgenommen, verliebt sich in dessen Gattin Olympias und bittet die Götter um Hilfe (235; 267). Während einer Heerfahrt Philipps gesteht Ν Olympias seine Liebe, wird aber scharf abgewiesen (579; 605). Ν nimmt daraufhin mit Zauberlist die Gestalt eines Drachen an, legt den K o p f in Olympias' Schoß und gibt ihr heimlich einen Brief. Olympias und Philipp können sich die Bedeutung des Drachen nicht erklären. Olympias liest heimlich in dem Brief, dass der Drache ein Bote Iuppiters sei und der Gott mit ihr ein Kind zeugen wolle. Die Minne weckt in ihr die Liebe zu Iuppiter ([625]). Während sich Philipp auf Reisen befindet, erscheint Ν Olympias im Schlaf in Gestalt des Drachen und zeugt mit ihr ein Kind. Als er merkt, dass sie sein Gefühl erwidert, lässt er sie erwachen und sagt ihr, dass sie einen Sohn empfangen habe. Nach der schmerzvollen Trennung der Liebenden am nächs-
ten Morgen empfindet Olympias Scham und Reue. Der ahnungslose Philipp dagegen freut sich über ihre Schwangerschaft (719). Der Seher Zoroas versucht vergeblich, Alexander zum K a m p f zu provozieren, indem er ihn schmäht, der Sohn des Ν und einer Hure zu sein (8450; Schlacht bei Issos).
Dl Thomasin vonZerkaere, ,Der welsche Gast'
9214·. Ν zählt zu jenen gebildeten Herrschern, von denen noch heute die Rede ist (Katalog gelehrter Herrscher). [1] [1] Der Katalog nennt außerdem Alexander, Ptolemäus, Salomon, David, Caesar und die Hl. Drei Könige.
D 2 ,Minneburg'·. Der gelehrte Ν hat graue Haare, einen grauen Bart, tiefsitzende Augen und eine hohe Stirn (431). Er befindet sich in Alexandria. Für die Deutung der auf der Minneburg geschauten Wunder wird der Dichter auf ihn verwiesen (404; 2. Kap). N , der Latein, Hebräisch, Gr. und Chaldäisch beherrscht, begleitet den Dichter zur Minneburg und setzt ihm an dem dort geborenen Minnekind das Wesen der Liebe auseinander (464). II. Die Flucht des historischen Ν aus Ägypten ist für das Jahr 341 v. Chr. belegt. In der spätantiken und ma. romanhaften Alexandertradition, namentlich bei Iulius Valerius und Leo Archipresbyter sowie in Glossen zur ,Alexandreis' Walters von Chätillon ist dann von N's Flucht nach Makedonien, der Betörung Olympias' und der Zeugung Alexanders die Rede (die historische Alexandertradition - Arrian und Q . Curtius Rufus - verzichtet auf die Episode, Walter von Chätillon 1,47 deutet sie nur an). Ν wird zum Illusionsmagier. Die zauberischen Anstrengungen, die er unternimmt, um Olympias zu verfuhren, entbehren nicht der Komik. Die mhd. Alexanderromane A 2 und A3 referieren die Handlung nach Leo Archipresbyter bzw. nach den Glossen zu Walter von Chätillon. A2 kaschiert die humoresken, novellenartigen Umstände der Zeugung des künftigen Weltherrschers mit der bedeutungsschwangeren Prophetie, die
Nedymnus — Nepotianus Ν noch in Ägypten erhält: sein Sohn werde die Herrschaft wiedererlangen. A3 bricht die N-Episode mit der Trennung der Liebenden und der anschließenden Reue Olympias' ab und erwähnt Ν (Walter von Chätillon III, 167 folgend) nur noch beiläufig im Rahmen der Schlacht bei Issos. A2 berichtet auch von N's Astronomieunterricht für Alexander und von N's Tötung durch diesen. Die Zeugung Alexanders durch Ν reflektiert letztlich auf literarisch-säkulare Weise die von Alexander selbst behauptete Abstammung von Ammon-Zeus. Das verraten noch die Darstellungen in Al und A3: Ν tritt Olympias als Ammon bzw. Iuppiter entgegen. Der Traum Philipps in A2, Ammon zeuge in seiner, Philipps, Gestalt ein Kind, erinnert an das Amphitryon-Motiv. A l weist die für den Heldentypus bezeichnende „obskure Genealogie" zurück und beruft sich für die Vaterschaft Philipps auf den biblischen Bericht im ersten Makkabäerbuch. In den Anspielungen dient Ν als Exempelfigur für einen weisen Herrscher ( D l ) bzw. für einen sprachkundigen Gelehrten und Hermeneutiker (D2). [1] S.v. Nektanebos [2.] (H. W. Helck), in DKP, Bd. 4, Sp. 41. Nachbenennung Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman' (Neptanabus): Der Trojaner Ν wird von Turnus im Kampf getötet (11979-12013; Kampf um Italien). [1] [1] Die Gestalt entspricht Naptanabus im afrz. .Roman d'Eneas', der Vorlage Veldekes. Bei Vergil findet sich keine Entsprechung. Eine Nachbenennung nach Ν (in Anlehnung an Alberics .Alexander'?) wäre prinzipiell denkbar, ist aber nicht sehr wahrscheinlich. Eher beruht die Einfuhrung der Gestalt auf einem Lesefehler des,Roman d'Eneas' oder auf einem Rückgriff auf eine Glosse zu Vergil. [mk/sks]
Nedymnus [Kentaur, wird von Theseus erschlagen; M M 12,350]
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen'
12,602 (Nedymus)·. N, der auf seinen Bären-
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jagden die Tiere lebendig auf Stangen zu hängen und sie so nach Hause zu tragen pflegte, [1] wird von Theseus mit einem Eichenast erschlagen (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf). [ 1 ] Das Motiv des Bären fangenden Theseus (MM 12,353f.) wird auf Ν übertragen. [mk]
Negusar [Nachkomme des Ninus, Herrscher von Ninive, kämpft auf Seiten der Perser gegen Alexander, stirbt im Kampf; Chätillon 111,91]
Al Ulrich von Etzenbach, ^Alexander'·. N, der Neffe des Ninus und Herrscher von Ninive, fügt den Griechen in der Schlacht bei Issos mit seinen 20000 Mann großen Schaden zu. Er fällt, als ihm Philotas beide Arme abschlägt, vom Pferd und wird zu Tode getrampelt (8217-8284). Die Königin von Ninive beweint ihn (8792). [1] [ 1 ] Mit der Klage der Königin von Ninive um Ν bezieht sich Al aufWolframs von Eschenbach .Willehalm'. Dort sind die Motive vom Frauenrittertum und von derTrauer der Damen um die gefallenen Kämpfer von zentraler Bedeutung. [mk/sks]
Neoptolemus
Pyrrhus
Nepotianus [Flavius Popilius Virius N., belagert 350 n. Chr. Rom, lässt sich im Mai zum Kaiser ausrufen, übt eine Schreckensherrschaft aus und wird im Juni desselben Jahres getötet]
El ,Kaiserchronik'·. N, ein Gegner des Constantius, zieht nach Megenze (Mainz), wird von Constantinus gefangen genommen, nach Rom gebracht und verstümmelt (7760; 7789). [1] [1] Historisch wurde die Herrschaft N's durch Marcellinus, einen Gefolgsmann des Magnentius, beendet. Ν und seine Mutter wurden getötet. [sks]
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Neptunus
Neptun us [Sohn des Saturnus, röm. Gott des Meeres, mit Poseidon identifiziert]
W: Gott (A5) des Meeres (A2, A3, A4, A6, B2), Abgott (El, E2), Gott der Sarazenen (Bl, B2) G: Sohn des Atlas [!] (E2), Bruder des Iuppiter (A2) und des Pluto (A2), Geliebter der Medusa (A2) und der Ceres (A2), Vater des Messapus (Al), des Megareus (A2) und des Cygnus (A2), Großvater des Hippomenes (A2), Onkel des Apollo (A2) R: König des Meeres (Al, A2), Beherrscher des Meeres ( B l ) , herre (Epitheton) (A2), Seeräuber (El) Nf.: Neptune (A4, A6) I.
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'5086: Ν sendet seinen Sohn Messapus mit 1000 Rittern zur Unterstützung des Turnus in den Kampf gegen Aeneas (Katalog).
A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen '·. Um die Sintflut auszulösen, befiehlt Ν allen Wassern, ihre Ströme fließen zu lassen, das trockene Land zu überschwemmen und alles zu ertränken. Er schlägt mit seinem Zepter in die Erde, um dem Meer einen Weg zu bahnen (1,527-545; Sintflut). Aus Zorn über die drohende Austrocknung des Meeres durch den außer Kontrolle geratenen Sonnenwagen reckt Ν dreimal sein Haupt aus den Fluten, taucht allerdings sofort wieder unter, um nicht infolge der Hitze zu ersticken (2,579; 2,621; Phaetons Fahrt mit dem Sonnenwagen). Ν stellte einst Coronis nach, sie wurde im letzten Moment von Pallas in eine Krähe verwandelt (2,1231). Ν verliebte sich einst in die schöne Jungfrau Medusa, verfolgte sie in den Tempel der Pallas und vergewaltigte sie, worauf Pallas Medusas Haar in Schlangenhaar verwandelte (4,1536; 4,1543). Ν folgt wie Iuppiter und andere Götter dem Gebot des Cupido (5,692; Katalog). Auf dem Teppich, den Pallas im Wettstreit mit Arachne webt, ist u.a. dargestellt, wie Ν mit dem Trident die Erde
spaltet, sodass sich alles Wasser ins Meer und wieder zurück wendet. Ν trägt einen Schild, einen Helm und einen Dreizack (6,136; Descriptio). Arachne webt in ihren Teppich die Verwandlung Ν's in einen Stier, in den Fluss Enipeus, in einen Widder und in einen Delphin sowie die Entfuhrung der Ceres durch Ν in Gestalt eines Pferdes (6,239; Descriptio). Weil ihm Erysichthons Tochter [Mestra] ihre Jungfräulichkeit geschenkt hat, errettet sie Ν jedes Mal, wenn sie von ihrem hungernden Vater verkauft wird, durch eine neue Verwandlung (Fischer, Vogel, Mann, Pferd usw.). Die Käufer gehen auf diese Weise immer leer aus (8,1283; 8,1285). Hippomenes stellt sich Atalante gegenüber als N's Enkel vor (10,1116; 10,1143). Ν erbaut gemeinsam mit Apollo für Laomedon die Stadtmauern Trojas. Weil er um den Lohn geprellt wird, überschwemmt er das Land, vernichtet die Ernte und verlangt Hesione als Sühneopfer (11,360-375). Als sich Thetis dem Peleus durch allerlei Verwandlungen entzieht, ruft Peleus Ν um Hilfe an (11,455). [1] Weil er Troja erbaut hat, will Ν die Griechen vor einer Zerstörung der Stadt abhalten und hält ihre Flotte auf Aulis mit einem Sturm fest (12,16). [2] N's Sohn Cygnus prahlt gegenüber Achilles, dass Ν als Beherrscher aller Wasser auch über Thetis herrsche (12,186). Als ihn Achilles daraufhin tötet, verwandelt ihn Ν in einen Schwan (12,287) und stiftet Apollo an, Achilles von Paris töten zu lassen (12,824; 12,830; Tod des Achilles). Ν hat Caenis vergewaltigt und als Entschädigung in den unverwundbaren Caeneus verwandelt, der am Kampf der Lapithen gegen die Kentauren teilnimmt (12,371-388; Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf). [ 1 ] Dass Peleus Ν anruft und Proteus erscheint, beruht auf einem Missverständnis von „deos pelagi" ( M M , 11,247). [2] Zu diesem Missverständnis unten II.3.
A3 Rudolf von Ems, Alexander' 9350: Die Bewohner von Tyrus deuten ein Meerungeheuer als Helfer N's gegen die makedonischen Belagerer (Eroberungszug Alexanders; Belagerung von Tyrus).
Neptunus
A4 Konrad von Würzburg, , Trojaner krieg': N, der die Gezeiten kennt und die Schiffe sicher über das Meer führt, ist Gast auf dem Fest Iuppiters anlässlich der Hochzeit von Peleus und Thetis (1001; Gästekatalog). Mit Hilfe N's und des Wettergottes erregt Diana einen Sturm, der die Griechenflotte auf Aulis festhält (24065). Als die Griechen glauben, Ν wolle das von ihm miterbaute Troja vor der Zerstörung schützen (24065; 24131), offenbart ihnen Apollo, dass nicht N, sondern Diana zürne (24285).
, Trojanerkrieg'-Fortsetzung:
Um das hölzerne
Pferd in die Stadt transportieren zu können, werden Mauern und Tore eingerissen und u.a. die dem Ν und Apollo geweihten Gräber zerstört (48065).
A5 Ulrich von Etzenbach, ^Alexander' 4832: Der sehr angesehene, kluge und zauberkundige Ν und Phoebus erbauten einst für Laomedon Troja und wurden um ihren Lohn betrogen. Laomedon wurde zur Strafe erschlagen, Troja von Achilles zerstört (Alexander in Troja; Exkurs).
A6 Heinrich von Neustadt, Apollonius' 1318:
Als Apollonius Schiffbruch erleidet, klagt er Ν als Unglücksbringer und Betrüger an.
B1 Rudolf von Ems, ,Derguote
Gerhart'2560:
Ν und Thetis, die Gewalt über die Gewässer haben, mögen Gerhard auf seiner Heimfahrt beschützen, wünscht der heidnische Fürst Stranmur (Götterkatalog).
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nischen Verblendung und nach dem Gebot des Teufels glaubten (3218; Katalog). Sein Vater war Atlas (8717). II. 1) Ν im MA; 2) Motive des N-Mythos in der Tradition der .Metamorphosen'; 3) Antikeroman; 4) Deutungen
1) Als einer der zwölf olympischen Götter ist Poseidon/N in der gelehrten ma. Myelographie gut belegt. [1] In der volkssprachlichen Antikerezeption spielt er im Vergleich zu den Liebesgöttern oder zu Iuppiter und Apollo eine eher untergeordnete Rolle (dies unterstreichen u.a. die fehlenden Nennungen im ,liet von Troye' Herborts von Fritzlar und im ,Göttweiger Trojanerkrieg'). 2) Die umfangreichen, aber verstreuten Informationen, die A2 liefert, gehen direkt auf Ovids .Metamorphosen' zurück. [2] Sie waren für das höfische Publikum in ihrem mythologischen Zusammenhang zu einem großen Teil wohl nicht mehr durchschaubar. A2 folgt Ovid relativ genau, einige Abweichungen zeigen sich aber in Details: Von den Attributen Schild, Helm und Dreizack, die Ν bei der Beschreibung von Athenes Teppich zugewiesen werden, gehören Schild und Helm bei Ovid natürlich zu Athene ( M M 6,75ff.). Das Bildmotiv spielt, wie in A2 nicht mehr erkannt wird, auf den Wettstreit der beiden Götter
um die Schirmherrschaft über Athen an. Die
El Rudolf von Ems, ,Barlaam\ Im Glaubens-
Medusa-Episode wird um das beliebte Motiv vom Anblick der begehrten Frau beim Spaziergang (vgl. Europa, Daphne) und um das Fluchtmotiv erweitert. Der Tod des N-Sohnes Cygnus fällt bei Ovid ins erste, in A2 aufgrund eines Missverständnisses des lat. Textes [3] ins zehnte Kriegsjahr. Ν muss sich in A2 daher nicht zehn Jahre wie bei Ovid, sondern nur ein Jahr mit Rachegedanken tragen.
disput des Christen Barlaam mit den Heiden stellen die Griechen Ν als mächtigen Gott des Wassers vor (9810; Götterkatalog). Aus christlicher Sicht war er hingegen ein Mensch, der vom Raube lebte (10208).
3) Eher beiläufig sind die Nennungen N's im Aeneas- ( A l ) , Troja- (A4) und im Alexanderroman (A3, A5). A l beschränkt sich auf eine rein genealogische Angabe. Mehrfach belegt ist nur das Motiv von der Errichtung
der Götter, an die die Griechen in ihrer heid-
A4, A5). Vom Betrug des Laomedon berich-
B2,Reinfried von Braunschweig'16432: Der im Kampf gegen die Christen besiegte Anführer der Sarazenen wirft Ν vor, für den Tod vieler seiner Kämpfer verantwortlich zu sein, da er die Christen nicht an der Uberfahrt gehindert habe, obwohl er über die Wasser herrsche (Katalog von Heidengöttern).
E2 Rudolf von Ems,,Weltchronik': Ν ist einer
der Mauern Trojas durch Ν und Apollo (A2,
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Nereus — Nero
ten in diesem Zusammenhang A2 und A5. Das Meeresungeheuer, von dem Hesiona bei Ovid bedroht ist (MM 11,211), fehlt in A2. In A5 wird (vermutlich in Rückgriff auf eine Glosse zu Walters von Chätillon ^Alexandras' 1,453 [4]) Laomedon zur Strafe für seinen Betrug erschlagen. Als Erbauer Trojas wird Ν in A2 und A4 auch mit dem Sturm in Verbindung gebracht, der die Griechenflotte auf Aulis festhält. Beide Stellen beziehen sich auf Ovids .Metamorphosen' (12,26ff.), [5] denen A4 hier genauer folgt als dessen direkte Ubersetzung A2: Wie im lat. Epos ist nämlich nur von einer Mutmaßung der Griechen die Rede, während A2 in Ν den wirklichen Verursacher des Sturmes sieht. 4) Von den traditionellen Methoden der Mythenauslegung wird in den mhd. Belegen nur die euhemeristische Deutung N's mehrfach angewendet: In A4 ist er wie die anderen Götter, die am Fest des Iuppiter teilnehmen, ein zauberkundiger, hervorragender Mensch. Die polemische Deutung als Seeräuber in El erklärt sich aus dem Kontext des Glaubensdisputes. Kritik am heidnischen Götterglauben äußert aus der christlich-heilsgeschichtlichen Perspektive einer Weltchronik E2, Ν ist auch hier euhemeristisch als Mensch und Sohn des Atlas gedeutet. Eine Spur der physikalischen Interpretation lässt sich in der Anrufung N's in A6 erkennen. Sie findet sich bereits in der Vorlage, der ,Historia Apollonii' (C 12,2Iff.). Der Gott steht hier wie dort für das Element, das ihm die Mythologie zugewiesen hat. In Β1 und B2 ist Ν schließlich als Gott der Muslime aufgefasst, denen das christliche MA Vielgötterei unterstellte. Die Vorstellung ist fur Texte mit Heidenkampf-Thematik typisch und zunächst v.a. mit Apollo verbunden, überträgt sich in weiterer Folge aber auf andere Gottheiten, so eben auch auf N. [6] [ 1 ] Belege bei Chance, Medieval Mythography, Reg. [2] Ν wird bei Ovid meist nicht namentlich genannt: „Sed illum [Iuppiter] / caeruleus frater [Neptunus] iuvat auxiliaribus undis" („Doch jenen unterstützte der bläuliche Bruder mit helfenden Wogen"; M M 1,274f.), „pelagi deus" (2,574), „pelagi rector" (4,798), „ipsumque, regit qui numinaponti"
(5,370), „deum pelagi" (6,75). In vielen Fällen lagen A2 zur Entschlüsselung der Antonomasien wohl Glossen vor. [3] Vgl. M M 12,76f. „[Achilles] congreditur Cygno (decimum dilatus in annum/ Hector erat)" („er tritt zum Kampfe zusammen mit Cygnus, ins zehnte Jahr verschoben war der Kampf gegen Hector"). [4] Vgl. die bei Colker (Hg.), 281 und 369 abgedruckten Glossen aus dem Genfer bzw. Wiener Codex. [5] In Euripides' Iphigenie auf Aulis' ist es eine Flaute, die die Abfahrt nach Troja verzögert. [6] -> Apollo (II. 1/4). [mk]
Nereus [Meeresgott, Sohn des Pontos und der Gaia, Gatte der Doris, Vater der Nereiden und der Galatea; M M 2,268]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Der Meeresgott Ν ist auf dem silbernen Relief, mit dem die Tore des Sonnenpalastes verziert sind, eingewirkt (2,21; Descriptio; Katalog der abgebildeten Wasserwesen). [1] Galatea nennt im Gespräch mit Scylla Ν und Doris als ihre Eltern (13,943). [ 1 ] Ovid nennt Ν nicht namentlich, der Beleg in Al beruht vielleicht auf einer Glosse zu „Doridaque et natas" („Doris und ihre Töchter"; M M 2,11). Nachbenennung Wirnt von Grafenberg, ,Wigalois' (Nereja): Ν [1] wird von Larie, Wigalois' späterer Gattin, an den Artushof gesandt, um Hilfe gegen Roaz, der ihr Land bedroht, zu erbitten (4069 u.ö.). [ 1 ] Kapteyn (Hg.), Reg. vermutet hinter Nereja den Namen der Nereiden. [mk]
Nero [Lucius Domitius Ahenobarbus N, 54-68 n. Chr. röm. Kaiser, von Seneca erzogen, Gatte der Octavia, der Poppaea Sabina und der Messalina, lässt seinen Stiefbruder Britannicus und seine Mutter Agrippina töten, nimmt den Brand Roms 64 n. Chr. zum Anlass für Christenverfolgungen, wird wegen Verschwendungssucht und Ausschweifungen vom Senat zum Reichsfeind erklärt und lässt sich von einem Freigelassenen töten]
G: Sohn der Agrippina (E3) R: Kaiser (E6) oder König (D2, E4) von Rom (Bl, El, E2, E3), herre (Epitheton) (E7) Nf.: Nere (Bl, El)
Nero I.
B1 ,Moriz von Craun': Der üble, verdorbene, homosexuelle und perverse Ν zerstörte das Ansehen Roms. Weil er ein Kind gebären will, geben ihm die Arzte ein Medikament, das eine Kröte in ihm wachsen lässt, die er dann abtreibt. Ν lässt seine Mutter aufschneiden, um zu sehen, wie sie ihn geboren hat. Als er von der Zerstörung Trojas hört, will er diese nachvollziehen und brennt Rom unter dem Vorwand nieder, die Römer hätten ihm geschadet. Das personifizierte Rittertum, das Caesar in Rom aufgenommen hatte, verlässt daraufhin die Stadt (134-180; Geschichte des Rittertums).
C1 Reinmar von Zweter 279,1: Die Nachfolger N's und Herodes' sind auf ewig verdammt, ebenso wie diejenigen, die sich von der Kirche abwenden. Wer sich allerdings vom Saulus zum Paulus wandelt, kann sein Heil finden. [1] [1] Der Spruch ist bei Roethe (Hg.) unter die Sprüche von „zweifelhafter Gewähr" gereiht. Die Metapher „Neros Nachfolger" fur Heiden und Ketzer ist topisch. So wird auch Friedrich II. „secundus Herodes" und „alter Nero" genannt.
D1 Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast' 6119: Der mächtige Ν könnte sich mit all seinen Reichtümern nicht aus der Hölle loskaufen, da der Teufel nicht für alle Güter der Welt eine Seele freigibt, die er einmal besitzt. Deshalb soll niemand in seinem Reichtum Trost sehen (Exempelfigur für einen Verdammten). [1] [1] Als weiterer Verdammter wird Iulianus Apostata, als Gegenbeispiel der „Tugendkaiser" Constantinus genannt.
D2 Hugo von Trimberg, ,Der Renner': Der tugendlose Ν hat den Tod seines Lehrers Seneca veranlasst - Alexander hingegen hat seinen Lehrer Aristoteles verehrt (14649; Exemplum für Mordgier). Ν schnitt seine Mutter auf und verübte aus Neid und Hass allerlei weitere Untaten (16420; Exemplum für Tugendlosigkeit). El,Kaiserchronik': N, der schlechteste Mensch, lässt Rom in Brand stecken und Männer im Feuer gegeneinander kämpfen, um zu sehen, wie es den Trojanern beim Brand Trojas er-
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gangen ist. Er lässt seine Mutter aufschneiden, um in ihr Inneres sehen zu können, und zwingt seine Arzte, ihm eine Schwangerschaft zu ermöglichen. Der Trank, der Ν verabreicht wird, lässt eine Kröte in seinem Bauch wachsen, die er bei einem Gelage ausspeit. Der Ausruf der Anwesenden („lata rana!") gab dem Lateran seinen Namen (4084-4129). Der Magier Simon verlangt von N, gegen Petrus und Paulus vorzugehen, sonst werde er Rom verlassen und in den Himmel fliegen. Zum Beweis seiner Macht lässt er sich von Teufeln in die Lüfte empor tragen. Als Petrus und Paulus beten, fliehen die Teufel, und Simon stürzt zur Erde. Nach der Hinrichtung von Petrus und Paulus erkrankt Ν an Gicht und Aussatz und beginnt zu toben. Er lässt viele der angesehensten Römer töten, damit jeder Römer Grund zur Trauer hat, und begeht dann Selbstmord. Teufel holen seine Seele und bringen sie in die Hölle, die Wölfe fressen seinen Leichnam. Seine Herrschaft hat 13 Jahre gedauert (4162-4265). E2 Priester Konrad,,Predigtbuch': Ν lässt Petrus und Paulus aus Zorn über deren Sieg über den Zauberer Simon kreuzigen (Petrus) bzw. enthaupten (Paulus) (82. Predigt, 194,31). E3 Jans Enikel, , Weltchronik': Der üble und verfluchte Ν herrscht nach Caligula über Rom [1] und lässt alle Christen töten. Schon als Jüngling verweigert er seinem strengen Lehrer Seneca den Gehorsam und lässt ihn als Erwachsener aus Rache für die Züchtigungen töten, wobei Seneca die Todesart selbst wählen darf. Danach lässt Ν Senecas Sohn blenden (22937-23038). Um zu sehen, wie er einst im Mutterleib gelegen ist, lässt Ν seine Mutter aufschneiden. Er zwingt seine Ärzte, ihm zu einer Schwangerschaft zu verhelfen, und bringt mit Hilfe eines Trankes eine Kröte zur Welt. Eine Amme sorgt für sie, Ν lässt ihr zu Ehren ein prächtiges Fest veranstalten und sie im Prunkzug durch die Stadt führen. Die Rom unterstehenden Fürsten müssen ihre Kinder als Geiseln schicken, um die Kröte auf dem Festzug zu behüten. Als diese auf einer Brücke ihre Artgenossen quaken hört
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Nero
und ins Wasser springt, lässt Ν die Amme und die Geiseln töten. Die Fürsten wollen dafür Rache nehmen und beschließen Neros Tod. [2] In dem ausbrechenden Kampf befiehlt Ν seinem Marschall, ihn zu töten. Die Fürsten stiften den Lateran (23039-23411). Unter der grausamen Herrschaft N's kommt es zu zahlreichen Christenverfolgungen, zur Kreuzigung Petrus', zur Enthauptung Paulus' und zur Ermordung Senecas sowie der Heiligen Jacobus und Marcus. Ν hat für 13 Jahre und 11 Monate bis zum Jahr 57 n. Chr. geherrscht. Danach wird Jerusalem von Titus erobert (Prosa 2.10-12. und 9. nach 23432). [3] Tarquinius herrscht genauso schlecht wie N, dessen „aurea domus" er in Besitz nimmt (24229; 24233; 24252; RV: 24864). [4] [ 1 ] Von Claudius, der historisch auf Caligula folgt, berichtet E3 erst nach Vespasian. [2] Der Kampf der Fürsten gegen Ν wird von E3 als „Krimhild hochzit" (23372) bezeichnet und also mit dem Kampf der Nibelungen am Hofe Etzels verglichen. [3] Die Prosa nach 23432 basiert auf ,De imagine mundi' des Honorius Augustodunensis, ergänzt durch Zusätze aus der so genannten .Epitome Sangallensis', Strauch (Hg.), 456, Anm. 3-12. [4] Die chronologisch falsche Einordnung von Tarquinius findet sich auch in E l .
E4 Brun von Schönebeck, ,Das Hohelied.': Von N's Ritterschaft ist nichts geblieben (10292; Exemplum vanitatis). [1] Die Auseinandersetzung zwischen Christen und Heiden nahm ihren Anfang bei Ν und Petrus, setzte sich mit dem Betrüger Simon fort und erfuhr mit Constantinus eine Wende (10836). [ 1 ] In der Exempelreihe fiir Vergänglichkeit werden ferner genannt: Absaloms Schönheit, Salomons Reichtum, Pharaos Macht, Goliaths Kraft, Nebukadnezars Ruhm und Alexanders Herrschaft.
E5 Gundacker von Judenburg, , Christi Hort': Der mächtige Ν erhält im Traum von Jesus den Auftrag, Vespasian an den Juden und an Jerusalem Rache für die erlittenen Qualen nehmen zu lassen (3906; 3908; 3921; Zerstörung Jerusalems durch Vespasian).
E6 Hugo von Langenstein, ,Martina' 21c,71:
Kaiser Ν war ein Übeltäter, der mit Vergnügen in Sünde lebte. Seinen tugendhaften Lehrer Seneca belohnte er damit, dass er ihn seine Todesart wählen ließ. Dessen Name bedeutet
auch „der sich selbst tötet" („se necans"). E7 ,Die Erlösung 6514: Ν hat den Prophezeiungen der Sibylla zufolge beim Jüngsten Gericht gemeinsam mit anderen schlechten Menschen die Hölle zu erwarten (Katalog der Verdammten). [1] [1] Der Katalog nennt auch Götter und Helden wie Hector und Achilles.
E8 Heinrich von Hesler,,Evangelium
Nicoilemi'
4601: Der Friedensbrecher Ν kommt nach Gaius an die Macht (Katalog röm. Kaiser). [1] [ 1 ] Die Reihung in der Kaiserliste ist unhistorisch. Ν müsste auf Claudius folgen, dieser wird aber vor Caligula angesetzt. Die Nf. Gaius wiederum könnte Caligula meinen, der allerdings zuvor schon (4598) als solcher genannt wird.
II. 1) Das ma. N-Bild; 2) N's Verdammnis; 3) Historische Verbrechen; 4) Anekdoten; 5) N's Tod
1) Schon in unmittelbar nachneronischer Zeit galt die Gestalt des Kaisers Ν als Musterbeispiel eines exzessiv schlechten und korrumpierten Herrschers, wie gerade die nüchterndesillusionierte Darstellung in den .Annalen' des Tacitus unterstreicht. Aufgrund der Gewalttaten, die Rom während seiner Herrschaft zu gewärtigen hatte, wurde Ν auch als Erster mit der so genannten „damnatio memoriae" belegt. [1] Das christliche MA weiß die negativen Züge noch zu steigern, v.a. in der fabulösen Geschichtsschreibung wird N's sündhafte Hybris um groteske Aspekte angereichert. Die mhd. Belegstellen erkennen in Ν traditionsgemäß den verkommenen, bösartigen Herrscher ( B l , D2; E l , E3, E6, E7), den Friedensbrecher (E8) und Christenverfolger (E2) par excellence. Unter seiner Herrschaft hat die Auseinandersetzung zwischen Christen und Heiden ihren Anfang genommen (E4) und sind u.a. Petrus und Paulus den Märtyrertod gestorben (El, E2, E3; in El und E2 verknüpft mit der Legende vom Sieg der Apostel über den Zauberer Simon). Umso ungewöhnlicher ist der in E5 erwähnte göttliche Auftrag an N, Vespasian mit der Rache für den Kreuzestod Christi an
Nero den Juden und an Jerusalem zu beauftragen. Das Motiv ist Ausdruck des religiösen Antisemitismus im christlichen MA. 2) Im Sinne der christlichen Heilslehre zählen die mhd. Belegstellen Ν zu den Verdammten ( C l , D l , E l , E7), die beim Jüngsten Gericht die Hölle zu erwarten haben (E7). Dass Ν geradezu sprichwörtlich den Typus des kapitalen Sünders verkörpert, zeigt die Metapher „Nachfolger N's", unter der C l Heiden und Ketzer subsumiert. N's absolute Verdammnis wird in D l im Rahmen eines Gedankenexperiments hervorgehoben (er könnte sich mit all seinen Reichtümern nicht loskaufen), ihm wird Constantinus als Gegenbeispiel eines tugendhaften Kaisers gegenübergestellt (vgl. auch E4). El veranschaulicht das göttliche Urteil mit dem Motiv der Teufel, die die Seele des Verstorbenen in die Hölle führen, und der Wölfe, die die Leiche fressen. 3) Zu den bekanntesten historischen Verbrechen, die Ν zur Last gelegt werden, zählt der Brand Roms im Jahre 64. Er wird in den mhd. Belegstellen (Bl, E l ) nicht mit der beginnenden Christenverfolgung in Zusammenhang gebracht, sondern nur mit N's Wunsch motiviert, das Ereignis nachzustellen (Bl, El), in Bl unter dem Vorwand, die Römer hätten ihm geschadet, in El ergänzt um den grausamen Befehl, Männer im Feuer gegeneinander kämpfen zu lassen, um so ein möglichst authentisches trojanisches Szenario zu erreichen. Vom historischen Selbstmordbefehl N's an Seneca im Jahre 65 (wegen angeblicher Mitwisserschaft an der pisonischen Verschwörung) berichten D2, E3 und E6. D2 macht keine genaueren Angaben und kontrastiert N's Tat mit der ehrenvollen Behandlung des Aristoteles durch Alexander. E3 begründet den Selbstmordbefehl recht kurios mit Senecas strengen Erziehungsmaßnahmen. Die direkte Vorlage für die Darstellung des Todes, die in El fehlt, ist unbekannt, E3 selbst beruft sich auf ein „buoch" (22968), aus dem vielleicht auch das Motiv der Blendung von Senecas
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Sohn stammt. [2] E6 bringt in diesem Zusammenhang die Namensetymologie (Seneca von „se necans"), sie findet sich auch in der ,Legenda aurea' des Jacobus de Voragine. Als weitere historisch bezeugte Freveltat berichten B l , D2, El und E3 von der Ermordung Agrippinas auf N's Befehl. 4) In der Ermordung Agrippinas ist eine Nahtstelle zu den beliebten, schaurigen bis grotesken N-Anekdoten zu erkennen, die das gesamte MA hindurch kursieren. Die historischen Motive des Anschlags sind fabulös überformt. Ν lässt die Mutter aufschlitzen, um in ihr Inneres blicken zu können (El) bzw. um zu sehen, wie er als Embryo im Mutterleib gelegen ist (E3) und wie er geboren wurde (Bl). Er verfolgt somit gewissermaßen medizinisch-anatomische Interessen, die Sektion war im MA jedoch bis ins 14. Jh. verpönt (abgesehen davon, dass sie hier am lebendigen Leib, also als Vivisektion, vorgenommen wird). [3] So kann Ν auch die schwere Sünde der curiositas angelastet werden. In Zusammenhang damit steht N's Wunsch, selbst schwanger zu werden, was mit Hilfe eines Trankes in El und E3 bzw. eines Medikaments in Bl auch gelingt. Die Kröte, die im Bauch des Herrschers heranwächst, ist nach ma. Verständnis Teufelssymbol und Symbol von N's auch sexueller Frevelhaftigkeit. [4] In Bl wird die seltsame Leibesfrucht abgetrieben, wobei der Akt der Abtreibung nach ma. Verständnis wiederum eine Sünde darstellt. In E3 wird die Kröte zur Welt gebracht, wie der künftige Nachfolger behandelt und im Festzug durch Rom geführt. Die komische Ausgestaltung ist für die Darstellungsweise des Textes typisch. Bl und E3 folgen in ihren Darstellungen im Wesentlichen El. Die Anekdoten sind von diesen Belegen abgesehen vor der ,Legenda aurea' des Jacobus de Voragine (um 1263/67) nicht nachweisbar, Jacobus selbst beruft sich auf eine „historia apocrypha". [5] Das Aition für den Namen des Laterans, nach dem Ausruf „lata rana", als Ν die Kröte ausspeit, findet sich nur in
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Nerva — Nessus
El (eine andere Version berichtet E3). 5) Der historische Ν begeht im Jahre 68 Selbstmord, nachdem er zum Staatsfeind erklärt wurde. E l begründet die Tat mit N's Erkrankung an Gicht, Aussatz und Raserei. Hier wütet Ν noch im Sterben und lässt angesehene Römer ermorden, um ganz Rom in Trauer zu versetzen, ebenfalls ein Motiv, das Schauriges und Groteskes verbindet. E3 berichtet nach Sueton, gefiltert durch viele Stufen der Uberlieferung, [6] vom Befehl N's an seinen Marschall, ihn zu töten, nachdem sich die dem Reich untergebenen Fürsten entschlossen haben, die Ermordung ihrer Kinder zu rächen. Im Rahmen einer historisch-allegorischen Darstellung fasst B I N treffend als jenen Kaiser, in dem sich der Untergang Roms abzeichnet. Nach höfisch-feudalem Verständnis ist es hier das personifizierte Rittertum, das wie die Dike des Zeitaltermythos das röm. Reich während N's Herrschaft verlassen muss und so auf die Gefahren korrumpierender Macht hinweist — dies auch als Lehre für die zeitgenössische Reichs- und Feudalideologie. [1] S.v. Nero [2.] (R. Hanslik), in: DKP, Bd. 4, Sp. 71-73; s.v. damnatio memoriae (Th. Mayer-Maly), in: DKP, Bd. 1, Sp. 1374; zur Sagenbildung auch s.v. Nero (W.-E. Peuckert), in: H W D A , Bd. 6, Sp. 1006-1008. [2] Dazu Strauch (Hg. E3), 447, Anm. 1. [3] S.v. Anatomie (G. Baader), in: LMA, Bd. 1, Sp. 575577. [4] S.v. Kröte (H. Bächtold-Stäubli), in: H W D A , Bd. 5, Sp. 608-635, bes.625-627 und s.v. Kröte, in: Lurker, W b . der Symbolik, 410. [5] Schröder (Hg. E l ) , 156, Anm. 1. Zu Parallelen und zu möglichen Quellen von E l Ohly, Sage und Legende, 84ff. [6] Strauch (Hg.), 454, Anm. 1. Nachbenennung ,GöttweigerTrojanerkrieg (Nero, Neron)·. Der verbrecherische Ν folgt als Kaiser von Rom auf Remulus, Decius, Diocletianus und Arisius, gründet den Lateran (25085) und herrscht gewaltsam 130 Jahre lang, bis das Christentum entsteht (25115; Gründung Roms; Katalog röm. Kaiser). [1] [1] Aufgrund der Zeitbestimmung „bis zum Beginn des Christentums", die auf eine voraugusteische Kaiserliste schließen lässt, sind mit Diocletian und Nero vermutlich nicht die bekannten nachaugusteischen Kaiser gemeint, sondern werden frühere Kaiser nach bekannten nachaugusteischen Herrschern benannt, wobei parallele Motive zu finden sind (Gewalttätigkeit Neros, Irrlehrer Arisius). [mk]
Nerva [Marcus Cocceius N., 96-98 n. Chr. röm. Kaiser, adoptiert Traianus und erhebt ihn zum Mitregenten]
El,Kaiserchronik'·. Der mächtige und weise Ν herrscht nach Domitian. Ein Künstler fertigt fur ihn ein ehernes Pferd an, das springt, wenn ein Mann in seinem Inneren verbrannt wird. Ν schickt den Künstler als Ersten in das Pferd und zerstört es, als es zu springen aufhört. Ν erkrankt an Podagra und stirbt nach einem Jahr (5684-5833). [1] [1] Die dem MA von Ovid und Valerius Maximus bekannte antike Geschichte vom ehernen Stier, den Perillos für Phalaris (Tyrann von Akragas 570-554 v. Chr.) geschaffen haben soll und in dem Phalaris seine Gegner röstete — als Ersten Perillos selbst —, wird hier ohne ersichtlichen Grund auf Nerva übertragen. Sie widerspricht auch der eingangs positiven Charakterisierung N's; s.v. Perilaos [4.] (W. H. Groß), in: DKP, Bd. 4, Sp. 637f. und Phalaris (H. Volkmann), ebd., Sp. 698f. [sks]
Nessus [Kentaur, Sohn des Ixion und der Nephele, wird von Hercules mit einem Giftpfeil niedergeschossen, als er Deianira entführen will, und gibt Deianira das in seinem vergifteten Blut getränkte H e m d als angeblichen Liebeszauber]
W: Kentaur (Al), Mischwesen (halb Mensch, halb Pferd) (Al, A2) I.
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen \ Als Ν beim Kampf zwischen Lapithen und Kentauren vor Medon fliehen will, ruft ihm ein Wahrsager zu, er brauche sich nicht zu fürchten, sein Tod sei ihm erst durch Hercules beschieden (12,546; Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf; VD). Ν bietet Hercules an, Deianira über den Hochwasser führenden Euenus zu bringen, entführt sie, wird von Hercules eingeholt und mit einem mit dem Gift der Hydra versetzten Pfeil tödlich verwundet. Ν tränkt ein H e m d in seinem vergifteten Blut und gibt es Deianira als vermeintlichen Liebeszauber (9,201-260). A2 Kon rad von Würzburg,, Trojanerkrieg': Der tugendlose und betrügerische Ν bringt Deia-
Nestor nira über einen Hochwasser führenden Fluss, versucht sie zu verführen und wird von Hercules mit einem mit Schlangengift versetzten Pfeil tödlich verwundet. Ν tränkt ein Hemd in seinem vergifteten Blut und gibt es Deianira als vermeintlichen Liebeszauber (3799638164). Die eifersüchtige Deianira schickt das Hemd an Hercules und verursacht so unwissentlich seinen Tod (38270).
II. Beide Belege referieren den Mythos von der versuchten Verführung Deianiras durch Ν und das Motiv vom N-Hemd nach Ovids ,Metamorphosen' (9,101ff.). In A l wird wie bei Ovid N's Blut durch Hercules' Pfeil mit dem Gift der Hydra kontaminiert (woraus sich die tödliche Wirkung des Hemdes erklärt), A2 spricht nur von Schlangengift. A l bringt außerdem nach Ovid (MM 12,308) das Motiv von N's Beteiligung am Kentaurenkampf und die Vorausdeutung auf N's Tod durch Hercules. [mUsks]
Nestor [Sohn des Neleus, mythischer König von Pylos, greiser Berater der Griechen vor Troja]
G: Vater des Antilochus (A2) R: Herrscher über Pylos (A3), Fürst (A3) I.
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen':
Ν nimmt in seiner Jugend an der Jagd auf den Kalydonischen Eber teil (8,607; Katalog). Das Tier hätte ihn getötet, wäre ihm nicht erst vor Troja der Tod beschieden gewesen. [1] Ν entkommt, indem er sich mit Hilfe seines Speeres auf einen Baum schwingt (8,695704). Der mittlerweile 200 Jahre alte Ν erzählt den rastenden gr. Helden vor Troja von der Geschlechtsumwandlung des ursprünglich weiblichen Caeneus und vom Kampf zwischen Lapithen und Kentauren auf der Hochzeit des Pirithous, bei dem er selbst Dorylas, Teleboas
425
und Chthonius erschlagen habe (12,323-347; 12,820; [12,553; 12,641]). [2] Ν werde im Vielreden von Ulixes noch übertroffen und sei im Kampf von diesem im Stich gelassen worden, meint Aiax im Streit um die Waffen des Achilles (13,94-100). [1] Die V D auf Nestors Tod beruht auf einem Missverständnis Ovids („forsitan et Pylius citra Troiana perisset/ tempora"; „Fast wäre auch Nestor in vortrojanischer Zeit gefallen"; M M 8,365f.). [2] Die Angabe zu N's Alter basiert auf Ovid („vixi annos bis centum", M M 12,187f.). Achilles' joviale Anrede des greisen Ν mit „Du alte Leber" (12,342) könnte von Wickram aus „du alter lieber" bei Albrecht (Für „facunde senex", M M 12,178) verlesen worden sein. Die Erzählung N's ist gekürzt, die Episoden von Hercules und Periclymenes ( M M 12,536ff.) fehlen.
A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Ν ist dick, bärtig, grauhaarig, mutig, sehr weise und ein guter Ratgeber, aber auch jähzornig (3059; Descriptio). Von Hercules für den Zug gegen Troja gewonnen, führt er eine der vier Heerscharen und sticht Laomedon vom Pferd (1223-1440; 1. Trojanischer Krieg). Ν droht Antenor, ihn wie einen Wurm zu zertreten, als dieser in Priamus' Auftrag Hesiona zurückfordert (2021-87), und bittet später Menelaus wegen einer guten Nachricht (um welche es sich handelt, weiß der Dichter nicht) nach Pylos (2396). Nach Bekanntwerden der Entführung Helenas begleitet er Menelaus nach Sparta (2797), führt 80 Schiffe von Pylos zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3339; Katalog), landet nach Protesilaus, Prothoenor und Arcesilaus vor Troja, zeichnet sich in der Landungsschlacht aus (4346-4360; als Kämpfer genannt: 4888; 5486: 6830), schlägt nach dem Tod des Palamedes die neuerliche Wahl Agamemnons zum Heerführer vor und versucht zunächst mit Ulixes und Diomedes (11984-12236), dann mit Agamemnon, Achilles zum Wiedereintritt in die Schlacht zu bewegen, was dieser seiner Liebe zu Polyxena wegen ablehnt (12615). In der nachfolgenden Schlacht sticht NTroilus vom Pferd (12696-12704), kämpft an der Seite seines Sohnes Antilochus (12941), ist über dessen Ermordung beim Anschlag auf Achilles entsetzt und lässt den Leichnam
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Nicanor [1]
zur Bestattung nach Pylos überstellen (13539; 13738; 13796). Ν beteiligt sich nach Paris' Tod weiter an der Belagerung Trojas (15712; Katalog). Nach Agamemnons Ermordung rät er dessen Vasallen Demophon und Acamas, gegen Aegisthus vorzugehen (17324; Nachgeschichte des Trojanischen Krieges).
gen Darstellung. Beide Romane wissen um N's Teilnahme am ersten Trojanischen Krieg, der von Hercules angeführt wird. Die interessante Figurencharakteristik in A2 geht auf Benoit zurück (dort angeregt von Dares). Von Ovids .Metamorphosen' übernimmt A3 das Motiv von N's Erzählungen vor Troja (vgl. A3 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg': die entsprechende Stelle in A l ) . Die AngaΝ von Pylus ist alt, edel, mächtig, kühn ben in A l stammen direkt von Ovid, nur hier und tugendhaft. Er unterstützt Hercules ist von N's Teilnahme an der kalydonischen im Kampf gegen Troja, führt einen Teil des Eberjagd die Rede. Heeres, stürmt als Erster auf die Trojaner los Den Tapferkeitsvergleich mit trojanischen und fügt ihnen große Verluste zu (11526Helden belegt B1 für die mhd. Literatur 12280; 1. Trojanischer Krieg). Als er von das erste Mal (er fand sich vielleicht schon der Entführung Helenas erfährt, stellt er 90 in der frz. Vorlage des Alberic de Pisa9on), er Schiffe (23442; 23819), befehligt eine Rotte ist in der folgenden Epik ein beliebter Ausvon 7000 Bogenschützen und 3000 Rittern zeichnungstopos. [1] Dass ausgerechnet Ν (30644) und kämpft tapfer vor Troja (33256; in diesem Zusammenhang genannt wird, ist 36240; 36762). In seinen Erzählungen über angesichts seiner nur geringen Rolle bei den zahlreiche Helden möchte er Hercules nicht Kämpfen verwunderlich. In den späteren Beipreisen, da dieser einen seiner Verwandten spielen fehlt er. getötet hat (37875-37929). Der in A2, A3 und im ,Göttweiger TrojaB1 P f a f f e Lamprecht, Alexander': Ν und Paris nerkrieg' genannte Trojaner Nestor ist (V) bzw. Ν und Aiax (S), Achilles und Hector Nastes. zählten zu den tapfersten Kämpfern vor Troja. [1] Hierzu Kern, Edle Tropfen, 137 ff. Keiner von ihnen kann sich aber mit Alexander [mk/sks] vergleichen (VI334; S1844; hyperbolischer Vergleich; Uberbietungstopos).
II. Ν wird in allen mhd. Belegstellen als angesehener, verdienter Ratgeber und Griechenführer vor Troja präsentiert, eine Funktion, die er schon bei Homer innehat. A l , A2 und A3 betonen dabei Ν's hohes Alter und seine daraus resultierende Weisheit und Würde. Den Nennungen ist fast immer das Adjektiv „alt" als Epitheton ornans beigefügt. Die Trojaromane A2 und A3 referieren die mit Ν zusammenhängenden Ereignisse nach Benoit de Sainte-Maure, der wiederum in der Tradition der spätantiken pseudohistorischen Trojaberichte von Dares und Dictys steht. Die Abweichungen ergeben sich aus der unterschiedlichen Konzeption der Texte: A l ist kürzende Ubersetzung, in A2 gibt Benoit nur die Basis einer weitgehend eigenständi-
Nicanor [1] [Sohn des Parmenio, Gefolgsmann Alexanders, nimmt an der Verfolgung des Bessus teil, stirbt 330 v. Chr.]
G: Sohn des Parmenio (Al, A2), Bruder des Philotas (Al, A2) und des Hector ( A l , A2) R: Fürst (Al), Herzog (Al), Heerführer Alexanders (A2) Nf.: Nikanor (Al), Nycanor (A2) I.
Al Rudolf von Ems, Alexander': Der edle und tapfere Ν kämpft in der ersten Schlacht gegen die Perser an der rechten Flanke des makedonischen Heeres und führt die erste Schar (6988; 7199; 7237), in der zweiten Schlacht fuhrt er gemeinsam mit Coenus den Elitetrupp der Argyraspides (11965), wird kurzfristig zu-
Nicanor [2] — Nicanor [4] rückgedrängt (12429), tötet viele Gegner und macht zahlreiche Gefangene (14834). Ν fällt während des ersten Feldzugs gegen Bessus, er hat im Kampf viel Ruhm erworben. Philotas soll ihn begraben (18616-18626; RV: 19518; 19752).
A2 Ulrich von Etzenbach, Alexander'·. Ν beteiligt sich an der Belagerung Thebens (3525), erkundet nach der Landung in Asien mit Alexander, Parmenio und seinen Brüdern die Umgebung (4599), fuhrt in der Schlacht bei Issos den rechten Flügel des Heeres (7405; 7450), tötet so viele Feinde, dass ihr Blutstrom in den Euphrat rinnt, und besiegt Eclimus, einen Verwandten des Cyrus (8172; 8191; 8197). Ν strebt nach Kampfesruhm, besiegt bei Arbela im Zweikampf Remnon von Arabien und schlägt dessen Männer in die Flucht, feuert schwer verwundet die Griechen an und wird schließlich von den Hyrcaniern getötet. Alexander betrauert den tapferen, unerschrockenen und trefflichenN (13581-13841) und rächt ihn (13926). N's Männer kämpfen weiter tapfer gegen die Perser (14065; RV auf N's Tod: 18260; 18555; 18567).
II. Ν ist in A l und A2 ein tapferer und getreuer Heerführer Alexanders, der sich in den Kämpfen großen Ruhm erwirbt. Die Darstellungen folgen Q. Curtius Rufus bzw. Walter von Chätillon. N's Kampfestod, in A l (nach Curtius VI.6,18) während des Feldzuges gegen Bessus, in A2 (nach Walter von Chätillon V, I69ff.) in der Schlacht bei Arbela, wird im Verschwörerprozess von N's angeklagtem Bruder Philotas als Beweis für die Treue seiner Familie angeführt (Al, A2). [sks]
Nicanor [2] [Gefolgsmann Alexanders; Curtius VI.7,15]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 18889 (Nikanor)·. Ν wird als einer der Verschwörer ge-
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gen Alexander gesteinigt (Katalog der Verschwörer). [1] [1] Der Beleg bezieht sich auf den bei Q. Curtius Rufus VI.7,15 genannten N. Dieser ist nicht identisch mit Nicanor [1], dessen Bruder Philotas allerdings in die Verschwörung verwickelt ist. Historisches Vorbild könnte N, der Mitzögling und Mitkämpfer Alexanders, sein, der nach Alexanders Tod in Ungnade fällt und 316 v. Chr. wegen Hochverrats hingerichtet wird, s.v. Nikanor [5.] (G. Wirth), in: DKP, Bd. 4, Sp. 98f. [mk/sks]
Nicanor [3] [Gefolgsmann Alexanders, Freund des Symmachus; Chätillon IX,78]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander' (Nycanor)\ Die Freunde Ν und Symmachus sind am gleichen Tag geboren und gleichen einander in Aussehen und tugendhaftem Wesen. Während des Feldzuges gegen Porus wollen sie die Inder um der Ehre und des Ruhmes willen von der Insel im Hydaspes vertreiben. Im folgenden Kampf fügen sie ihnen hohe Verluste zu, werden dann selbst schwer verwundet und wollen einander gegenseitig mit ihren Körpern schützen. Sie sterben in enger Umarmung (19494-19569; Kampf gegen Porus). Alexander rächt N's und Symmachus' Tod (19659). [sks]
Nicanor [4] [Feldherr des Antiochus IV., fällt 160 v. Chr. gegen Iudas Makkabäus]
D1 Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast' 10745: Der hochmütige und überhebliche Ν zog gegen Palästina und wollte das Münster (den Tempel in Jerusalem?) niederbrennen. Damit erregte er Gottes Zorn und fiel als Erster. Hochmütige und jene, die anderen Schaden zufügen, finden in Ν ein Beispiel (Exemplum gegen Hochmut). [mk]
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Nicarchides — Nicomachus
Nicarchides [Befehlshaber von Persepolis; Curtius V.6,11 ]
Al Rudolf von Ems, »Alexander' (Nicartides): Der ehrenvolle und angesehene Ν erhält von Alexanderden Befehl über Persepolis (14140; 14143; Eroberung Persiens). [sks]
presbyter und Pseudo-Callisthenes) vom Tod N's im Kampf gegen Alexander berichten. A2 bringt außerdem das Motiv der Schmähung Alexanders durch N. Der Alexandreis' Walters von Chatillon entsprechend, bleibt Ν in A3 am Leben und wird zum Gefolgsmann Alexanders. Der geänderte Handlungsverlauf soll dessen Charisma und Herrschertugend dokumentieren. [sks/mk]
Nicolaus [König von Areta, wird von Alexander besiegt; Leo Archipresbyter 1. Buch; 18,17]
R: König (A3), von Caesarea ( A l ) , von Aridea (A2) Nf.: Niclas (A3), Nikolaus (A2), Nycolaus (Al) I. A l P f a f f e Lamprecht, »Alexander': Ν wird von Alexander in dessen erstem Kampf besiegt. Er bringt N's Krone seinem Vater Philipp als Zeichen seines Sieges (V381; S446-463; Jugend Alexanders). A2 Rudolf von Ems, HAlexander': Der überhebliche Ν schmäht den jungen Alexander, der sich auf seinem ersten Kriegszug befindet, als einfältigen Toren, wird aber von ihm besiegt und getötet. N's Land fällt an Alexander (2345-2410; Jugend Alexanders).
A3 Ulrich von Etzenbach, »Alexander': Als Ν in Philipps Reich einfällt, bittet Alexander seinen Vater um den Oberbefehl über das Heer, besiegt die Feinde, nimmt Ν persönlich gefangen und macht ihn tributpflichtig (1725; 1760; Jugend Alexanders). Ν kämpft von nun an auf Seiten Alexanders und ist ein Vorbild an Ritterlichkeit (4677; Asienzug Alexanders; Katalog der Mitstreiter Alexanders).
II. Ν ist in den mhd. Alexanderromanen als erster besiegter Gegner Alexanders von Bedeutung, wobei A l und A2 (analog zu Leo Archi-
Nicomachus [Gefolgsmann Alexanders, vereitelt den Verschwörungsplan gegen Alexander; Curtius VI.7,2; Chatillon VIII, 112]
G: Bruder des Cebalinus ( A l ) und des Dymnus (A2) R: Gefolgsmann Alexanders (Al, A2) Nf.: Nicomacus (A2) I. A l Rudolf von Ems, ,Alexander': Dymnus erzählt dem edlen und getreuen N, dass er sich von Alexander vernachlässigt fühlt und sich deshalb rächen will. Ν bricht sein gegebenes Schweigeversprechen, unterrichtet seinen Bruder Cebalinus und vereitelt so die Verschwörung gegen Alexander. Ν muss vor Alexander aussagen, wird aber für unschuldig befunden (18834-19440; 19662; Verschwörung gegen Alexander).
A2 Ulrich von Etzenbach, »Alexander': Ν zählt zu den tüchtigsten Mitstreitern Alexanders (4670). Er unterrichtet ihn sofort von der gegen ihn geplanten Verschwörung (18299; RV: 18435). II. Ν ist in den mhd. Alexanderromanen (nach Q. Curtius Rufus VI.7,2ff. bzw. Walter von Chatillon VIII, 112ff.) an der Aufdeckung der Verschwörung gegen Alexander beteiligt und wird demzufolge durchwegs positiv gezeichnet. [sks]
Nicostrata — Ninus Nicostrata [Arkadische Nymphe, von Hermes Mutter des Euander, der auf ihren Wunsch nach Italien auswandert]
El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 20077: Faunus zeugt mit Ν den Latinus. Sie ist die Erfinderin der lat. Schrift, ihr Sohn wird eine Sprachreform durchführen (Katalog der Könige Italias). [1] [ 1 ] Die Stelle folgt den entsprechenden Angaben im ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 519). Die Vorstellung von der Erfindung der lat. Schrift durch Ν findet sich öfters in der ma. gelehrten und chronistischen Literatur, -* Latinus (II.). [mk]
Nileus [Gefährte des Phineus, wird von Perseus versteinert; M M 5,187]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,326: Ν von Ägypten greift Perseus mit den Worten an, er könne sich glücklich schätzen, mit einem Mann fechten zu dürfen, der aus so hohem Geschlecht stamme, und wird von Perseus in der Pose des Hoffärtigen versteinert (Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus). [1] [1] Bei Ovid wird N's Behauptung, vom Nilstrom abzustammen, als Lüge bezeichnet (MM 5,187f.). Al verzichtet auf diese dem volkssprachlichen Publikum undurchsichtige Anspielung. Die moralische Bewertung N's als hoffartig ist Zutat von A l . [sks]
Ninus [Begründer des assyrischen Reiches und der Stadt Ninive, Gatte der Semiramis]
G: Sohn des Belus (B2, El, E2), Gatte der Semiramis (E2), Onkel des Negusar (B3), Ahnherr des Pompeius und des Hippomidon (Bl)
R: König von Assyrien, Gründer Ninives (Β 1, B2, B3, El, E2) Nf.: Nini (Al) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 4,97: An dem lieblichen Brunnen des Ν [1],
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der von Sträuchern und Bäumen umwachsen ist, wollen sich Pyramus undThisbe heimlich treffen. [1] Bei Ovid verabreden sich Pyramus und Thisbe am Grabmal des Ν („ad busta Nini"; M M 4,88). Die Nf. Nini ist Genitiv.
Β1 Wolfram von Eschenbach, ,Parzival' 102,11: Ν herrschte vor der Gründung Bagdads über Assyrien und erbaute Ninive. B2 Rudolf von Ems, Alexander': N, einst ein mächtiger Herrscher, mit dem sich niemand vergleichen konnte, ist der Gründer von Ninive. Sein Grab ist einer der Prachtbauten Babylons (13184-13206). Ninus folgte Belus als Herrscher in Assyrien nach, nach ihm herrschten weitere 36 Könige (15666-15696; Prolog zum 5. Buch; Geschichte Persiens). B3 Ulrich von Etzenbach, „Alexander': N, der Onkel des Negusar, ist der Erbauer von Ninive (8220). Am Tigris finden die Griechen die Gräber der persischen Könige mit kostbaren Grabbeigaben. N's Grabstein ist aus durchsichtigem Amethyst gefertigt (21165). El Rudolf von Ems,,Weltchronik': Ν gründet Ninive und wird so mächtig, dass er als Erster Länder erobert und ganz Asien mit Ausnahme von Indien unterwirft. Als er nach dem Tod seines geliebten Vaters Belus ein Standbild errichten lässt, ahmen die Leute diese Sitte nach und fertigen ebenfalls Abbilder ihrer Toten an, die sie in ihrer Einfalt schließlich anbeten. Auf diese Weise sind die Götzenbilder entstanden (3404-3525). Ν besiegt den zauberkundigen König Zoroastres von Bactrien, macht Assyrien zum mächtigsten Land und erobert viele Länder. Nach 52-jähriger Herrschaft, in der er vielen Menschen Not gebracht hat, stirbt er durch einen Pfeilschuss (3538-3579; 8597: Katalog der Könige von Assyrien). E2 Jans Enikel, , Weltchronik': Der mächtige und unerschrockene Ν erbaut Ninive, zieht mit seinem Heer gegen Ägypten, fügt den Menschen großes Leid zu und erobert viele Länder. Nach seinem Tod herrscht Semiramis, die u.a. auch Indien erobert (3519; 3523; 3541; Abstammung der Völker).
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Niobe
II. Die kurzen Anspielungen in B l , B2, B3 nennen Ν als Herrscher von Assyrien und Gründer der Stadt Ninive, in den Alexanderromanen B2 und B3 in Zusammenhang mit Alexanders Asienzug und ergänzt um die Erwähnung von Ν's prächtigem Grabmal. Es gibt ein Beispiel fur die architektonischen Wunder des Orients. Der Topos weist auf das „Kulturgefälle", das im MA zwischen Orient und Okzident herrschte. Auf Ν's Grabmal, das bereits in der Antike berühmt war, bezieht sich auch der Beleg in Ovids M e tamorphosen' (4,88). Al spricht von einem Brunnen. Im Lichte höfischer Vorstellungen vom locus amoris (man denke etwa an den Brunnen im ,Roman de la Rose') könnte es sich dabei durchaus um eine bewusste „Mediävalisierung" handeln. Die unkommentierte Nennung N's wird für das höfische Publikum allerdings kaum mehr zu durchschauen gewesen sein. Der ausführliche chronistische Bericht in El fasst Ν als den ersten Eroberer. Die Stelle folgt der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1089f.). Aufschlussreich ist die Erklärung zur Entstehung der Idolatrie, die aus Sicht des christlichen MA ein besonderes Skandalon des heidnischen Götterglaubens darstellt. [ 1 ] E2 macht analoge Angaben zu N's Eroberungen und erwähnt auch seine Gattin Semiramis als Nachfolgerin. Ihr schenken die antiken Historiographen mehr Beachtung als N . [2] [1] -» Belus (II.). [2] S.v. Semiramis (W. Röllig), in: DKP, Bd. 5, Sp. 94f. [mk/sks]
Niobe [Tochter des Tantalus und der Dione, Gattin des Thebanerkönigs Amphion, verliert wegen der Schmähung Latonas durch Apollo und Diana ihre Kinder und erstarrt zu Stein]
G: Tochter des Tantalus und der Pleias (Al), Gattin des Amphion (Al, Bl), Nichte des Atlas und des Iuppiter (Al) R: Königin (Al, Bl)
I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Die schöne und stolze Ν rügt das Volk von Theben, weil es nicht sie, sondern Latona verehre, und sieht sich an Macht und Kinderreichtum der Göttin überlegen. Als sie nach der Tötung ihrer sieben Söhne und ihres Gatten durch Apollo und Diana Latona weiter schmäht, verliert sie auch ihre Töchter und erstarrt aus Trauer zu einem Marmorstein, den der Wind in ein Gebirge trägt. Noch heute fließen Tropfen aus dem Marmor, als würde er immer noch weinen. Auf diese Weise erklärt sich auch, dass die Marmorsteine durch Feuchtigkeit wachsen (6,311-645; Descriptio der Metamorphose; Aition für den feuchten Marmor; 6,834; RV). [1] [1] Al fasst Ν als Tochter der Pleias, „Pleiadum soror" bei Ovid (MM 6,174) meint aber Dione. Das Ovidianische Aition bezieht sich auf den berühmten „tränenden" Felsen am Sipylos-Gebirge in Lydien, wohin die versteinerte Niobe entrückt wird. Die Angabe zum „wachsenden Marmor" (gemeint sind wohl Tropfsteine) ist Zusatz von Al.
Bl Ulrich von Etzenbach, Alexander'·. Die hoffärtige Ν schmäht Latona, die dies ihren Kindern Apollo und Diana klagt. Apollo erschlägt zur Strafe N's sieben Töchter und sieben Söhne, worauf Ν bereut und in einen Stein verwandelt wird. Die Metamorphose wird als Verhärtung des Herzens durch Leid gedeutet (2775-2814; Exkurs zur Geschichte Thebens). II. Ν ist im antiken Mythos eine der klassischen Exempelfiguren für menschliche Hybris und deren überaus harte Bestrafung durch die Götter. In diesem Sinne wird sie schon in der ,Ilias' (24,602fF.) genannt, dort auch schon ihre Metamorphose und die Entrückung des Steines. [1] Al referiert den Mythos direkt nach Ovids ,Metamorphosen' (6,l48fF.), Bl bezieht sich auf die knappe Anspielung zur Thebensage in der ,Alexandreis' Walters von Chätillon, die mit Hilfe umfangreicher Glossen breit ausgestaltet wird. [2] Beide Belege streichen
Nireus — Nisus [2] N's Sturz von höchstem Glück in tiefstes Unglück exemplarisch heraus. Auf eine moralische Sinngebung zielt explizit nur Β1, wo der Thebenexkurs mit dem Hinweis auf die verbrecherische Geschichte der Stadt eingeleitet wird. Die Rationalisierung der Metamorphose reflektiert einen gängigen Deutungstypus. [3] Beide Stellen zählen im Übrigen zu den wenigen mhd. Erwähnungen des thebanischen Mythos. [4] Er war der lat. Literatur durch Statius' ,Thebais' und der afrz. Literatur durch den Thebenroman gut bekannt. In der dt. Literatur fehlt ein entsprechender epischer Text, der ihn populär gemacht hätte, der Thebenroman wurde im Unterschied zum Eneas- und zum Trojaroman nicht ins Dt. übersetzt. [1] Achilleus fordert Priamus zum gemeinsamen Mahl auf, da selbst Niobe in ihrem Leid gegessen habe. Das Exemplum wird in Schillers Lied ,Das Siegesfest' (133) aufgegriffen. Hier richtet es Nestor an Hecuba. Zur Stofftradition s.v. Niobe (A. Lesky), in DKP, Bd. 4, Sp. 134f„ hier 135. [2] Vgl. bes. die bei Colker (Hg.), 279 und 364 abgedruckten Glossen zu .Alt'x.mdrcis' 1,302. [3] Das Bild von der Erstarrung aus Leid bringt auch das ,lietvonTroye' Herborts von Fritzlar fur Hecuba (13327ff.), -> Hecuba (I.A3). [4] Eteocles und Polynices, Oedipus. [mk]
Nireus [Gr. Kämpfer vor Troja; Dictys 12,17; Benoit 5631 Hunerius]
Nf.: Hunus, Nerius (Al), Tereus (A2) I.
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Ν fuhrt 33 Schiffe zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3343; Katalog); kämpft nach der Landung vor Troja (4890; 5614), verwundet Hector leicht und wird von diesem getötet (5761). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung: Ν fällt im Kampf gegen Eurypylus und wird von Pyrrhus gerächt, seine Leiche wird der Sitte entsprechend verbrannt (44992; 45102).
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II. Angaben und Nif. in Al folgen dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, A2 direkt dem Troj abericht des Dictys Cretensis (95,12). Die Zuordnung von Benoits Hunerius zu Ν ist nicht gesichert, aber aufgrund der wie bei Dictys (12,17) unmittelbar folgenden Nennung des Aiax Oiliades wahrscheinlich. Seine Tötung erfolgt bei Benoit und in Al durch Hector und nicht durch Eurypylus wie bei Dictys. [1] [1] Constans (Hg.), Reg. (s.v. Hunerius) und Chandler, Catalogue, 126 (s.v. Hunes) machen keine Angaben zu einer möglichen Entsprechung in den antiken Quellen Benoits. [mk]
Nisus [1] [König von Megara, seine Tochter Scylla schneidet ihm die purpurne Haarsträhne ab, an der das Glück seiner Herrschaft hängt, und gibt sie seinem Feind Minos; Ν verfolgt Scylla in Gestalt eines Seeadlers; M M 8,8]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Nim'): Ν hat unter seinen grauen Haaren ein goldenes Zauberhaar, an dem sein und seines Landes Schicksal hängen. Seine Tochter Scylla reißt es ihm aus Liebe zu Minos, der N's Land belagert, aus. Ν verwandelt sich in einen Sperber und hackt so lange in Scyllas Hände, bis sie das Schiff des abfahrenden Minos, an das sie sich geklammert hat, loslässt (8,21-280; Scylla). [1] [ 1 ] Der Mythos folgt im Wesentlichen Ovid, die Umdeutung der Metamorphose in den Seeadler (MM 8,146) zu der in einen Sperber ist als Höfisierung zu verstehen. Der Sperber war beliebtes ma. Jagdtier. [mk]
Nisus [2] [Trojaner, Sohn des Hyrtacus, Begleiter des Aeneas, stirbt, als er den Tod seines Freundes Euryalus rächen will; Aeneis' V,294; RdE 4909]
G: Freund des Euryalus (Al)
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Noemon — Numa Pompilius
I.
Noemon
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman': Der
[Lycier im Gefolge Sarpedons, wird von Ulixes erschlagen; MM 13,258]
tapfere, kluge und edle Trojaner Ν überfällt gemeinsam mit seinem Gefährten Euryalus das Lager des Turnus, tötet den Wahrsager Rhamnes, will Euryalus, der entdeckt und enthauptet wird, rächen und findet dabei den Tod ( 6 5 4 2 - 6 8 2 9 ; Kampf um Italien). A 2 ,Göttweiger Trojanerkrieg'·. Der kühne, dreiste und verwegene Trojaner Ν sieht von der Burgmauer aus Atrides, den Bruder Agamemnons [ 1 ], mit einer Heerschar heranreiten und informiert Priamus, Hector und Paris. Er glaubt, Agamemnon selbst stehe an der Spitze des Zuges ( 1 7 7 2 7 ; 1 7 7 4 1 ; Zweikampf zwischen Paris und Atrides).
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 13,377 (Neomon)·. Ulixes rühmt sich, bei der Ergreifung des trojanischen Spions Dolon u.a. auch Ν getötet zu haben (Katalog; Streit um die Waffen des Achilles; Rede des Ulixes). [1] [1] Die Nennung bezieht sich bei Ovid nicht auf die so genannte „Dolonie" (,Ilias' 10), sondern auf den Kampf gegen die Lykier unter der Führung Sarpedons (,Ilias* 5). Al fasst beides als eine Episode. [mk]
[1] Atrides ist in A2 als eigene Figur aufgefasst. Insofern verwechselt ihn Ν sinnigerweise mit Agamemnon.
II. Bei Vergil geben Ν und Euryalus ein Beispiel für treue Freundschaft, die im gemeinsamen Tod der beiden gipfelt (Aeneis' IX,319ff.). A l referiert den Handlungsgang der Aeneis' mittelbar über den afrz.,Roman d'Eneas'. In A 2 spielt Ν eine nur untergeordnete Rolle, sein weiteres Schicksal bleibt unerwähnt. Unklar ist auch, woher A 2 den Namen bezieht, ein Rückgriff auf A l ist denkbar. Nachbenennung Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg, Fortsetzung 40962: Ν erfindet anlässlich der Feier zum Sieg des Achilles über Hector das Schachspiel, das er nach dem Muster des echten Krieges als Strategiespiel anlegt. [ 1 ] [1] Ν ist bei Dictys, der Vorlage von Konrads Fortsetzung, nicht belegt. Vielleicht liegt eine Nachbenennung nach Ν vor, der allerdings Trojaner und nicht Grieche ist. Von der Erfindung des Schachspiels vor Troja berichtet auch die .Weltchronik' von Jans Enikel (14479). Alle Formen des Spieles werden dem ,Göttweiger Trojanerkrieg' zufolge vor Troja erfunden (17933ff., zur Aufheiterung Agamemnons), außerdem die Turnierkunst (13785ff.), im .Renner' Hugos von Trimberg das Würfelspiel (11443, durch einen Mann mit dem sprechenden Namen Aleo), in,Salman undMorolf (368,4ff.) erfindet König David (!) vor Troja das Saitenspiel. Die Vorstellung steht im Zusammenhang mit dem aitiologischen Topos von der Entstehung des Rittertums vor Troja, dazu Kern, Agamemon weint, 208ff., hier 210, Anm. 453 und Kern, Edle Tropfen, 337ff. Die antike Sage kennt das Motiv von den Erfindungen vor Troja in Zusammenhang mit -* Palamedes. [mk]
Numa Pompilius [Mythischer zweiter König Roms, Friedensherrscher und Gesetzgeber]
R: König von Rom ( A l , E l ) , röm. Adeliger
(Dl), herre (Epitheton) (Dl) Nf.: Nimia (El), Numa ( A l ) , Pompejus (El) I.
Al Albrecht von
Halberstadt,Metamorphosen'·.
Der weise Ν tritt die lange Zeit offene Nachfolge des Romulus an. Sein Zeitgenosse Pythagoras verfasst für ihn ein Buch über die Natur (15,5). Ν herrscht bis zu seinem Tod, mit dem nach Titus Livius auch die Königsherrschaft in Italien zu Ende geht (15,475).
Dl Hugo von Trimberg, ,Der Renner'1263: Ν wird in einem Katalog röm. Adeliger genannt, die den Wert der Kunst für Tugend und Ansehen erkannten und beispielhaft pflegten (Katalog antiker Autoritäten). [1] [1] Im Katalog werden ferner genannt: Maecenas, Macrobius, Vergil, Caesar, Octavian, Scipio, Cicero, Lucan, Iuvenal, Persius, Boethius, Ovid, Statius, Sallustius, Horaz, Terenz, Seneca.
E l Jans Enikel,, Weltchronik'·. Nach Ν herrscht in Rom Pompeius, danach Tarquinius ( 2 0 1 9 6 ; 2 0 1 9 8 ; Herrscherkatalog).
Numicius — Nymphae II.
Numitor
Der sagenhafte König Ν genoss bei den Römern als Friedensherrscher, Sakralgesetzgeber und Vereiniger des röm. Volkes hohes Ansehen. Einige röm. Adelsfamilien machten ihn zu ihrem Stammvater. [1] Den antiken Quellen entsprechend wird Ν auch in den mhd. Belegstellen positiv gezeichnet, findet aber nur am Rande Erwähnung. Al nennt ihn nach Ovid (,Metamorphosen' 15,4ff.) als Nachfolger des Romulus, berichtet von N's Wissensdrang und seinem Kontakt zu Pythagoras, der nach einer alten Tradition als sein Lehrer gilt [2], Unter Bezugnahme auf diese Tradition oder auf Ovid wird Ν in D1 als beispielhafter Förderer der Künste und Wissenschaften genannt. Der Beleg ist mit den gängigen didaktischen Topoi der laus temporis acti und der Zeitklage verbunden (heute liege es mit der Pflege der Künste im Argen). Die chronistische Herrscherliste in El deutet den Namen als zwei Herrscher namens Nimia und Pompejus und setzt sie in spätröm. Zeit an. [3]
[König von Alba Longa; MM 14,773]
[1] S.v. Numa Pompilius (H. Fliedner), in DKP, Bd. 4, Sp. 185f-, hier 186. [2] Ebd. [3] Zur Nf. Numa Pompejus fiir Numa Pompilius Strauch (Hg.), 386. [mk/sks]
Numicius [Flussgott, reinigt Aeneas für dessen Apotheose von allem Sterblichen; MM 14,599]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 14,577 (Numicus): Der Wassergott Ν wäscht im Auftrag von Venus alles Sterbliche von Aeneas ab (Apotheose des Aeneas). [mk]
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Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen 14,618 (Nymirot): Ν ist einer der Könige Italiens nach Aeneas (Katalog). [mk]
Nyctimene [Lesbierin, wird wegen Inzest mit ihrem Vater in eine Eule verwandelt und anstelle der Krähe in das Gefolge der Pallas aufgenommen; MM 2,590]
Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen': Ν ist, wie ganz Lesbos bezeugen kann, von ihrem Vater entjungfert worden, [1] wagt sich wegen dieser Schande nicht mehr ans Tageslicht und wird in eine Eule verwandelt. Wenn Ν auftaucht, schreien die anderen Vögel wegen ihrer Missetat. Ν löst die Krähe als Vogel der Pallas ab (2,1263; 2,1279; Erzählung der Krähe an den Raben des Apollo; Aition für das Geschrei der Vögel beim Auftauchen der Nachteule). [ 1 ] Bei Ovid scheint Ν den Inzest mit dem Vater willentlich begangen zu haben. [mk]
Nymphae [Allgemeine Bezeichnung für Halbgöttinnen des Waldes (Dryaden, Hamadryaden), der Gewässer (Naiaden) oder der Gebirge (Oreaden), bewahren Cerambus vor der Sintflut; MM 7,354]
Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen' 7,726(Nimphae): Die Ν bewahrten den Berg Cerambi vor der Sintflut. [1] [1] Wesen und Gestalt der Ν werden in Al nicht weiter expliziert. Weitere N-Belege unter -» Dryades, Naiades und Oreades. [mk]
ο Ocean us [Ringstrom, Urgott, Bruder und Gatte der Tethys; M M 2,510]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen (Occeanus): Der große Ο umfließt die Welt (1,355). [1] Iuno bittet den alten Ο erfolgreich, die zum Siebengestirn verwandelte Callisto nicht wie die anderen Sterne im Meer untergehen und das erholende Bad nehmen zu lassen (2,1075-1127). O's Vermählung mit seiner Schwester Tethys und die Ehe Iuppiters mit Iuno dienen Byblis zunächst als Exempla fur die Zulässigkeit des Inzests. Später verwirft sie den Gedanken, da es sich um Götter handle, für die ein besonderes Recht gelte (9,906). [2] Ο und Tethys nahmen Glaucus im Meer auf und reinigten ihn von allem Sterblichen, indem sie ihn neunmal salbten und mit Meerwasser übergössen. Sein Bart und seine Haare verfärbten sich grün, sein Unterleib nahm Fischgestalt an (13,1307; Erzählung des Glaucus an Scylla). [1] Bei Ovid umfließt nicht O, sondern Nereus (als Metapher des Meeres) die Welt („qua totum Nereus circumsonat orbem"; „so weit als Nereus den ganzen Erdkreis umtost"; M M 1,187). Die Nennung O's in A l beruht auf einer Überlieferungsvariante (die allerdings metrisch problematisch wäre) oder auf einer Glosse. [2] Dass das erste Inzest-Exemplum bei Ovid — Saturnus und Ops ( M M 9,498) - in A l fehlt, erklärt sich aus einer Lücke in der A l vorliegenden Ovid-Hs. oder ist eine bewusste Streichung. [mk]
Ochus [Gefolgsmann der Perser, fällt im Kampf gegen Philotas; Chatillon 111,51]
Al Ulrich von Etzenbach, ^Alexander': Der treffliche und edle Fürst Ο von Hyrkanien wird von Philotas in der Schlacht bei Issos
getötet (8020; 8025) und von den hyrkanischen Frauen beklagt (8796). [1] [1] Das Motiv von der Klage der Damen um den gefallenen Kämpfer ist in Wolframs von Eschenbach ,Willehalm' vorgeprägt. [sks]
Octavianus -* Augustus Ocyrhoe [Tochter des Chiron und der Nymphe Chariclo, wird wegen ihrer Weissagungen in eine Stute verwandelt; M M 2,638]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Ocyroe)·. O, die von Chiron mit einer Wassergöttin am Fluss Cocytus gezeugt worden ist, prophezeit Aesculapius und Chiron die Zukunft und wird von Iuppiter zur Strafe dafür in eine Stute verwandelt. Auch Apollo, den Chiron um Hilfe bittet, kann die Strafe nicht aufheben (2,1360; 2,1385; Descriptio der Metamorphose O's). [mk]
Oeax [Sohn des Nauplius, zürnt den Griechen wegen Palamedes' Tod; Dictys 120,11; Benoit 27933]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' [17196]·. Der Sohn des Nauplius [O] zürnt den Griechen wegen Palamedes' Tod und intrigiert gegen sie. Er berichtet Aegiale von Diomedes' Verhältnis mit Briseis und Clytaemestra von Agamemnons Liebe zu Cassandra (Nachgeschichte des Trojanischen Krieges; Heimfahrt der Griechen). [ 1 ] Das Motiv, dass Palamedes' Vater Nauplius Aigiale und Klytaimestra gegen ihre Gatten aufbringt, ist bei Dictys Cretensis auf O, den Bruder, übertragen. A l folgt dieser Version über Vermittlung des Trojaromans Benoits de Sainte-Maure. [mk]
Oedipus Oedipus [Sohn des Königs Laius von Theben und der Iocaste, tötet unwissentlich seinen Vater und heiratet seine Mutter]
G: Sohn des Laius (Bl), Vater des Eteocles und des Polynices ( B l ) R: König ( D l ) von Theben ( B l ) Nf.: Edippus (Bl, El), Edipus ( D l ) I.
Bl Ulrich von Etzenbach, vAlexander '·. Da Laius
der Tod durch den eigenen Sohn prophezeit worden ist, soll Ο unmittelbar nach seiner Geburt getötet werden. Seine [nicht namentlich genannte] Mutter lässt den Säugling aber im Wald aussetzen, wo ihn der Hirte [!] Polybus findet, an Sohnes statt aufnimmt und Schießen, Schach- und Saitenspiel lehrt. Als er erwachsen ist, klärt ihn Polybus über seine Herkunft auf. Ο sieht sich zum Ritter berufen, begibt sich auf die Suche nach seinem wahren Vater und tritt in die Dienste von König Phoebus Apollo], der ihm rät, nach Phocis zu ziehen. Dort, in Dechlon [Delphi] trifft Ο auf seine Eltern, ohne dass sie einander erkennen. Ο tritt in die Dienste des Laius. Als dieser Verdacht schöpft, der aufstrebende Ritter könnte sein Sohn sein, will er ihn töten lassen. Es kommt zum Kampf, Ο erschlägt Laius, übernimmt die Herrschaft in Theben, heiratet auf Empfehlung der Landesherren Laius' Witwe, seine Mutter, und zeugt mit ihr Eteocles und Polynices. Als er seiner Gattin später von seiner Geburt, Jugend und Vatersuche berichtet, erkennt diese ihren Sohn. Ο richtet sich durch das Schwert, seine Mutter führt Anklage gegen die Schicksalsgöttin Pallas [!], wendet sich dem wahren Gott zu und stirbt (2925-3097; Alexanders Zug gegen Theben; Exkurs zur Geschichte Thebens).
Dl Hugo von Trimberg,,Der Renner' 14177'· Statius berichtet vom Tod O's, Adrastus', Tydeus', Parthonopeus' und vieler anderer beim Kampf um Theben, den der Bruderhass zwischen Eteocles und Polynices ausgelöst hat (Uber die Todsünden ira und invidia·, Exem-
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plum für den verderbenbringenden Hass).
El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 19858: Der verfluchte Ο lud große Schuld auf sich. Seine Taten waren so tadelnswert, dass Gott dafür an ihm Rache nahm. Er lebte zu der Zeit, als Perseus in Asien das Land eroberte, das nach ihm benannt ist. Der Erzähler will nichts Weiteres von ihm berichten. II. 1) O und die Thebensage in der lat. und afrz. Literatur; 2) Mhd. Belege; 3) Zusammenfassung
1) Der O-Mythos und die Thebensage sind bereits bei Homer und dann natürlich bei den Tragikern fester Bestandteil dergr. Mythologie und haben bis heute eine ungebrochene Rezeptionsgeschichte in Literatur, Kunst, Musik und Wissenschaft. [1] Dem lat. MA war der Stoff durch die Mythographen und aus der ,Thebais' des Statius vertraut. Ο zählt freilich nicht zu jenen Gestalten, an denen die ma. Mythendeutung größeres Interesse zeigt. Gelegentlich finden sich moralische Auslegungen, so bei Tertullian, Laktanz und Fulgentius. Letzterer sieht in seinem Kommentar zur ,Thebais' Ο als Sinnbild der Begierde, was mit der etymologischen Herleitung des Namens von „edo" (nach lat. „haedus", „Bock") begründet wird. O's Vatermord symbolisiere die Auslöschung des göttlichen Lichts (Laius als lat./gr. „lux hagios" [!]) durch die sündhafte Seele, die sich danach mit Iocasta, der „iocunditas casta" („reine Freude") verbinde. Diese verliere durch die Geburt des Ο ihre Reinheit und bringe Früchte der Untugend hervor. [2] In der weltlichen Literatur finden sich keine Reflexe solcher Allegoresen, didaktische Anspielungen wie D1 fassen den O-Mythos als historisches Exemplum, nicht als Allegorie. Die afrz. Literatur besaß mit dem ,Roman de Thebes' eine Bearbeitung des Statius, die gemeinsam mit dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure und dem ,Roman d'Eneas' das für die weitere Romangeschichte wichtige Corpus der Antikeromane bildet.
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Oedipus
Aufgrund der geringeren mythographischen Kenntnisse des höfischen Publikums erzählt der ,Roman de Thebes' den O-Mythos zwar ausführlicher als die ,Thebais', im Zentrum der Handlung stehen freilich der Bruderzwist von Eteocles und Polynices und die Kämpfe der Sieben. 2) Während das Interesse der mhd. Literatur am Sagenkreis umTroja und Aeneas, u.a. wegen dessen Bedeutung für die ma. Geschichtsauffassung, [3] groß war und der ,Roman d'Eneas' und Benoits ,Roman de Troie' früh übersetzt wurden, fand der,Roman de Thebes' keinen dt. Bearbeiter. Der thebanische Mythos war daher in der dt. Literatur insgesamt kaum bekannt. D l erwähnt Ο unter Berufung auf Statius in einer Anspielung auf die Siebensage. O's Tod ist dabei offenbar während der Belagerung der Stadt gedacht. Die mangelnde Kenntnis des Sujets und das geringe Interesse daran dokumentiert eindrucksvoll der Exkurs zur Belagerung Thebens durch Alexander in Β1, der O's Schicksal in einer Version referiert, die sich um die mythographischen Daten wenig kümmert. Die Stelle bezieht sich auf eine knappe Anspielung auf den Thebenmythos in Walters von Chätillon Alexandreis' (I,302ff.), der Vorlage von Β1. Wesentliche traditionelle Motive wie die Lösung des Rätsels der Sphinx fehlen, Ο begeht Selbstmord, Iocasta, die nicht namentlich genannt wird, wendet sich von den heidnischen Göttern ab und dem christlichen Schöpfergott zu. Am Ende steht somit ein erbauliches Bekehrungserlebnis. Ein Bezug auf den ,Roman de Thebes' oder auf Statius ist nicht auszuschließen, aufgrund der auffälligen Umgestaltung allerdings wenig wahrscheinlich. Die am nächsten liegende Quelle wird man daher in den Glossen zur ,Alexandreis' sehen. Dort finden sich auch jene antiken Motive, die in B1 beibehalten sind. [4] Die Umgestaltung des Mythos zu einer kleinen höfischen Binnenerzählung zeigt Anklänge an die Jugendgeschichte des Paris im späteren Trojaroman (Erziehung durch den zum Hir-
ten umgedeuteten Polybus, vgl. ,Göttweiger Trojanerkrieg' und Konrad von Würzburg), an Hartmanns ,Gregorius' (Aussetzung, ritterliche Ambition des Helden, Heirat mit der Mutter) und generell an den Artusroman (Vatersuche, Aventiurefahrt, Umdeutung Apollos zum höfischen König) und ist in dieser Hinsicht nicht ohne Reiz. [5] Eine analog deutliche Tendenz zu Höfisierung und Verritterlichung ist auch im ,Roman de Thebes' zu erkennen, freilich bei weitgehender Beibehaltung des traditionellen Handlungsgangs. Die O-Erzählung von B1 zeigt, wie groß der mythographische „Spielraum" in der deutschen höfischen Antikerezeption sein kann (ein noch eindrucksvolleres Beispiel gibt für die Trojasage der ,Göttweiger Trojanerkrieg'). El erwähnt Ο im Rahmen eines profangeschichtlichen Exkurses zur Heilsgeschichte. Die mythologischen Daten sind rein historisch aufgefasst. Anlage und Deutung entsprechen dem Prinzip der ma. lat. Chronistik. In der Hauptquelle von Ε1, der ,Historia scholastica1 des Petrus Comestor, wird Ο nicht erwähnt. El bezieht sich vielleicht auf das ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 519), eine der Nebenquellen. Angesichts der allgemeinen Information, die die Stelle gibt, muss aber nicht notwendigerweise eine direkte Vorlage angenommen werden. 3) Abschließend bleibt zu vermerken, dass die inkommensurable Tragik des antiken O-Mythos dem christlich-ma. Weltbild nicht adäquat war (dies zeigt etwa auch die Polemik in El). Vielleicht fehlt deshalb eine wirklich bedeutende Bearbeitung. (Besser bestellt ist es um die Siebensage, die mit Herrschaftsstreit und Krieg eine für das MA durchaus aktuelle Thematik anspricht.) Hingegen liegen in der Gregorius- und in der Judaslegende, die beide auch in der mhd. Literatur vertreten sind, Gestaltungen der tabuisierten Motive vom Inzest mit der Mutter und vom Vatermord (Judas) vor, die mit ihrer sicheren, legendarischen Lösung des Konflikts - bei Gregorius
Oeneus — Oenone durch die Erhöhung des bußfertigen „guten Sünders" zum Papst, bei Judas durch ewige Verdammnis - den ma. Vorstellungen eines berechenbaren, geordneten „Gangs der Dinge" durchaus entsprechen. [6] [1] S.v. Oedipus, in: Lücke, Helden, 460-470. [2] Fulgentius,,Super Thebaiden', 182f.; Hinweis bei Lücke [Anm. 1], 465f., fiir weitere mythographische Belege vgl. Chance, Medieval Mythography, 126f. [3] -* Aeneas (II. 1). [4] Vgl. die bei Colker (Hg.), 364f. abgedruckte Glosse aus Hs. V. [5] Zu Β1, zur O-Version im .Roman de Thebes' und in der Myelographie Chr. Huber, Mittelalterliche Ödipus-Varianten, in: FS W. Haug u. B. Wachinger. Hg. J. Janota [u.a.], Bd. I.Tübingen 1992,165-199; Kern, Mittelalterliche und moderne Mythen, 221 ff. [6] Kern, ebd.; zum Ödipus-Modell in Gregorius- und Judaslegende F. Ohly, Der Verfluchte und der Erwählte. Vom Leben mit der Schuld, 1976 (Rhein.-Westf. Ak. der Wiss., Vorträge G 207). [mk]
Oeneus [König von Kalydon, trauert um seinen von seiner Gattin Althea getöteten Sohn Meleager; M M 8,486]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Oneus)·. In tiefer Trauer über Meleagers Tod bestreut Ο sein Haupt mit Asche, wälzt sich im Staub, verflucht sein Alter und beklagt Frau und Sohn (8,931; [8,1015]). [mk]
Oenideus [König der Cebrener; Dictys 119,6. Oenidus; König von Gerbene; Benoit 27513]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 17031 (Mendens): Das Land des Königs Ο von Ierobin ist von drei Seiten her vom Meer und auf einer Seite vom Paradiesfluss Tigris umgeben. Antenor, der hier nach seiner Abfahrt aus Troja landet und eine uneinnehmbare Burg errichtet, macht sich bei Ο in kurzer Zeit sehr beliebt und veranlasst die restlichen Trojaner nachzukommen (Nachgeschichte des Trojanischen Krieges). [mk]
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Oenone [Nymphe, Tochter des Flussgottes Cebren, erste Geliebte des Paris, begeht bei seinem Tod Selbstmord]
W: Göttin, Fee (Al) G: Geliebte des Paris (Al) R: Königin (Dl), vrouwe (Epitheton) (Al) Nf.: Amarodia (Cl), Egenoe (Al), Oeones (Bl) I.
Al Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg'\ Die über alle Maßen schöne und eifersüchtige Ο und Paris verbindet eine heimliche Liebesbeziehung, sie schwören einander Treue (712-790). Paris verlässt Ο wegen Helena und vergisst sie (4379; RV auf Paris' Treueschwur: 4771; Helena zufolge ein Beispiel für Paris' Unzuverlässigkeit: 22149). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung: Als Paris' Leichnam zu Ο gebracht wird, stirbt sie aus Trauer um ihren einstigen Geliebten, dem sie nach wie vor treu verbunden ist, und wird an seiner Seite begraben (45623-45675). Bl Ulrich von Etzenbach, ^Alexander' 4875'. Alexander liest vor Troja auf einer Inschrift von der Liebe zwischen der schönen Ο und Paris. Später habe Paris Ο wegen Helena verlassen (Alexander in Troja; Exkurs). Cl Tannhäuser, Leich 4,16·. Auch Amarodia [O?] musste dafür büßen, dass eine lebensbedrohende Discordia Helena und ihren Gatten entzweite. Dl Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast' 1036: Von der vorbildlichen Ο sollten die adeligen Fräulein lesen und sich an ihr ein Beispiel nehmen. Wenn sie auch keine Königinnen sind, sollten sie es doch im Herzen sein (Lektüreempfehlungen für die adelige Jugend; Exempelfigur; Katalog tugendhafter Frauen). [1] [ 1 ] Der Katalog nennt außerdem u.a. Andromacha, Enite, Galjena, Penelope, Blanscheflur und Sordamor.
II. Ο's Liebesbeziehung zu Paris ist ein sekundäres hellenistisches Motiv zum trojanischen Sagenkreis, für die Apollodor und Ovid (,Heroides' V,20) die frühesten literarischen
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Ogyges — Olympias
Zeugnisse bieten. [1] Gestalt und Geschichte werden in den pseudohistorischen Trojabericht des Dictys Cretensis (80,4) aufgenommen. Al ist direkt nach Ovids fünfter ,Herois* gestaltet [2] und sieht in der gescheiterten Beziehung zwischen Paris und Ο ein Exemplum unbeständiger Liebe. Die Fortsetzung von Al folgt direkt Dictys. Die Anspielung in Β1 basiert auf der Nennung O's in der Alexandreis' Walters von Chätillon (I,459ff.), Alexander geriert sich hier vor Troja als literarischer Tourist, der die Stätten der Sage abschreitet, so auch die Stelle, an der Ο und Paris sich liebten. Das antike Motiv, Ο habe dem untreuen Paris gezürnt, seine letale Wunde nicht heilen wollen und nach seinem Tod Selbstmord begangen, wird in den mhd. Belegen nicht aufgegriffen. In Al verkörpert Ο vielmehr den Typus der bis in den Tod treuen, alles verzeihenden Liebenden, die aus Trauer um den toten Geliebten auch stirbt und (analog zur antiken Tradition) an Paris' Seite begraben wird. Ebenso dient Ο in dem umfassenden didaktischen Lehrwerk D1 als Exempelfigur einer tugendhaften Frau, die sich die jungen adeligen Leserinnen zum Vorbild nehmen sollen (vor Helena wird hingegen gewarnt). Warum ausgerechnet Ο neben so prominenten Namen wie Enite oder Blanscheflur genannt wird und an welchen Text der Autor denkt, ist unklar. Der Trojaroman Al (1287), aus dem ein dt. höfisches Publikum Ο kennen könnte, liegt zu dieser Zeit (1215) noch lange nicht vor. Der Leich C1 bietet ein Potpourri von zum Teil stark entstellten und undurchschaubaren Anspielungen auf antike und ma. literarische Stoffe. Ob mit Amarodia überhaupt Ο gemeint ist, [3] bleibt unklar. Ebenso ist unsicher, ob die weibliche Titelgestalt des so genannten ,Ainune'-Fragments [4] auf Ο zu beziehen ist. [1] S.v. Oenone [2.] (H.von Geisau), in: DKP, Bd. 4, Sp. 262. [2] Lienert, Geschichte und Erzählen, 40f. [3] So die Vermutung von Siebert (Hg.), 139. [4] S.v. ^Ainune' (Chr. Cormeau), in: VL, Bd. 1, Sp. 94f. [mk]
Ogyges [Mythischer König in Böotien]
El Rudolf von Ems, ,Weltchronik' 8686 (Oggies): Ο ist der Gründer von Eleusina und anderer Städte (Städtegründungen in Griechenland). [1] [1] Ο gilt in der attischen Sage als Vater des Eleusis, des Urkönigs von Athen und sagenhaften Stifters des Kultes, der natürlich auch auf Demeter selbst zurückgeführt wird. Die mythologischen Daten sind dem Prinzip lat. Weltchronistik entsprechend in El historisch aufgefasst und werden im Rahmen eines profangeschichtlichen Exkurses („incidens") zur Heilsgeschichte erinnert. Quelle ist die ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1116c). [mk]
Olympias [Tochter des Neoptolemos, des Königs der Molosser, Gattin Philipps II. von Makedonien, Mutter Alexanders d. Gr.]
G: Schwester Alexanders II. (Al), Gattin Philipps (Al, A2, A3, A4), Mutter Alexanders d. Gr. (Al, A2, A3, A4) R: Königin (A4) von Macedonien (A2, A3), vrouwe (Epitheton) (A2) Nf.: Olimpiades, Olimpiadis (A3), Olimpias (Al, A2) I. Al P f a f f e Lamprecht, Alexander': Die schöne Ο (V92; Sl 10) leidet während ihrer Schwangerschaft mit Alexander unter furchterregenden Visionen, auf die das seltsame Aussehen des Kindes zurückgeführt wird (V105; S129; Geburt und Kindheit Alexanders). Ο wird von Philipp wegen dessen Liebe zu Cleopatra verstoßen, Alexander versöhnt seine Eltern aber wieder (V533; S475). Pausanias entführt O, verletzt Philipp schwer und wird schließlich von Alexander getötet ([V389]). Die schwer erkrankte Ο wird beim Anblick ihres Sohnes sofort wieder gesund (S2081). Alexander berichtet ihr brieflich von seinen Erlebnissen auf dem Zug ans Ende der Welt (4912; 6595). A2 Rudolf von Ems, Alexander'·. Methodius berichtete u.a. über O's Herkunft und Schicksal
Olympias (13047; Prolog zum vierten Buch). [1] Nectanebus entbrennt während Philipps Abwesenheit in Liebe zu der edlen, tugendreichen und schönen Königin. Er prophezeit ihr, dass Ammon ihrer Kinderlosigkeit abhelfen werde, erscheint ihr im Traum in Gestalt des Gottes und schwängert sie (430; 807; Vorgeschichte; Zeugung Alexanders). Ο weiß nicht, wie sie Philipp die Schwangerschaft: erklären soll, Nectanebus lässt ihn auf ihre Bitte hin träumen, Ammon habe in Philipps Gestalt mit Ο ein Kind gezeugt ([874-952]; [10391111]). Sie gebiert einen Sohn, der Alexander genannt wird ([1205]). Nectanebus zerstreut O's Bedenken, Philipp habe Zweifel an seiner Vaterschaft ([1894]). Als Alexander Nectanebus' Tod verursacht, offenbart ihm Ο dessen Vaterschaft und lässt den Toten heimlich begraben ([2052-2088]). Philipp verstößt Ο wegen Cleopatra, versöhnt sich aber auf Betreiben Alexanders wieder mit ihr (2576; 2670; 2742). König Pausanias von Bithynien fällt in Macedonien ein, tötet Philipp, verliebt sich in O, will sie mit Gewalt entfuhren und wird von Alexander getötet (2911). Ο beklagt den Tod Philipps (3050). In einem Briefwechsel mit Darius bezeichnet sich Alexander als O's und Philipps Sohn (4362). Ο warnt Alexander vor den ungetreuen Fürsten Amyntas, Simmias und Polemon (20056; Verschwörung gegen Alexander). [ 1 ] Der Verweis bezieht sich auf die so genannten .Revelationes Methodii' (auch „Pseudo-Methodius"), einen weltgeschichtlichen Abriss und Nebenquelle von A2.
A3 Ulrich von Etzenbach, vAlexander': Die Heidin Ο besitzt Schönheit und Tugend und ist ihrem Mann Philipp treu ergeben (216; Descriptio). Sie weist Nectanebus, der ihr während Philipps Abwesenheit brieflich seine Liebe gesteht, aufs schärfste zurück ([398]). Er jedoch verwandelt sich mit Zauberlist in einen Drachen, legt den Kopf in ihren Schoß und gibt ihr heimlich einen Brief, der besagt, dass der Drache ein Bote Iuppiters sei, der mit ihr ein Kind zeugen wolle. Die Minne weckt O's Liebe zu Iuppiter ([631]), Nectanebus zeugt mit ihr in Drachengestalt ein
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Kind. Am nächsten Morgen empfindet Ο Scham und Reue, sucht Rat beim wahren Gott, der auch Susanna geholfen habe, und sieht sich im gleichen Moment von den Göttern dafür bestraft, dass sie sich an den Schöpfer des Himmels und der Erde gewandt hat. Der ahnungslose Philipp dagegen freut sich über O's Schwangerschaft ([631; 766]) und nennt seinen vermeintlichen Sohn Alexander ([1158; 1172; 1187]). Ο wird von Philipp wegen Cleopatra verstoßen, von Alexander aber nach Makedonien zurückgeführt. Sie soll Königin bleiben ([1769; 1805]). Alexander bezeichnet sich in einem Brief an Darius als Sohn Philipps und O's (1908). Als Ο die Werbung des Pausanias strikt zurückweist, dringt dieser in den Palast ein, tötet Philipp und will Ο entführen, wird aber von Alexander getötet. Ο und Alexander trauern um den König ([2023-2084]). Als Alexander zum Feldzug gegen Darius aufbricht, fürchtet O, nach dem Mann auch noch den Sohn zu verlieren. Alexander betraut sie während seiner kriegsbedingten Abwesenheit mit den Herrschaftsagenden ([4304]), benachrichtigt sie von seiner Hochzeit mit Darius' Tochter Roxane ([17130]), nennt sich Herr über alle Könige und Sohn von Ammon und Ο (22418) und lässt Ο und Aristoteles von seinen Heldentaten und Erlebnissen berichten ([23559]; 23607). Als Antipater, der Statthalter Alexanders in Griechenland, mit Ο in Streit gerät, will Alexander vermitteln ([26634]). Nach dessen Tod kümmert sich ein Verwandter um sie ([27125]).
A4 Aristoteles und Phyllis', GA I, [II, 13]: Die nicht namentlich genannte Gattin Philipps und Mutter Alexanders ist Gegenstand eines Tugend- und Schönheitspreises (Einleitung; Genealogie). II. 1) Ο im Alexanderroman; 2) Ο und Nectanebus; 3) Übrige Motive
1) Ο hat in den Berichten der ma. Alexanderromane über Alexanders Geburt und Jugend eine tragende Rolle inne. Die furcht-
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Onomastorides
erregenden Erscheinungen während ihrer Schwangerschaft ( A l ) und die Wunderzeichen während der Niederkunft (Unwetter, Erdbeben in A l , A2; Kometeneinschäge in A3) weisen Alexanders Geburt als Ereignis von universalhistorischer Bedeutung aus. 2) Eine gewisse Eigendynamik entwickelt die Nectanebus-Handlung in A2 und A3, die auf die spätere antike Alexandertradition zurückgeht (Al weist sie dezidiert als unwahr zurück): Hinter der trügerischen Zeugung Alexanders durch den Ammon-Priester Nectanebus II. von Ägypten verbirgt sich letztlich eine Rationalisierung der Abstammung von AmmonZeus, die der historische Alexander für sich in Anspruch nahm. [1] Berichtet wird sie in den Alexanderromanen des Iulius Valerius und des Leo Archipresbyter, dem A2 und A3 hier folgen (die Hauptquelle von A2, Q. Curtius Rufus, erwähnt Nectanebus nicht; in der Alexandreis' Walters von Chätillon finden sich nur Andeutungen, detailliertere Informationen bieten die Glossen). Die Ehebruchshandlung ist in Al und A3 nach dem Muster des höfischen Romans ausgestaltet und zeigt durchaus schwankhafte Züge (was dem grundsätzlichen narrativen Ernst von A2 nicht entspricht). Ο wird dabei nicht negativ gezeichnet, sondern ist eine „unschuldig Schuldige": So wendet sie sich an Nectanebus aus Angst vor einer Verstoßung durch Philipp wegen ihrer Kinderlosigkeit (A2; in A3 ist das Motiv der Kinderlosigkeit nur angedeutet), wehrt sich gegen ihre Gefühle (A2), ist gegen Nectanebus' Zauberkünste aber machtlos und empfindet schließlich Scham und Reue (A3). In A3 nennt sie Susanna als Beispiel, der Gott in einer ähnlichen Situation geholfen habe, und sieht in ihrer Verführung eine Strafe der Götter für ihre Hinwendung zum wahren Gott. Das Bekehrungsmotiv zeigt Analogien zur Bekehrung Iocastes in A3. [2] Die Art, wie Philipp in A2 Ο's Schwangerschaft erklärt wird, erinnert an Alcmena und Amphitryon. A3 bricht die Episode mit der Trennung der Liebenden ab. In A2 offenbart Ο Alexander die Identität seines wahren Vaters.
3) O's Verstoßung durch Philipp wegen dessen Liebesbeziehung zu Cleopatra hat einen historischen Hintergrund. Ο hat anlässlich der Hochzeit von Philipp und Cleopatra, der Nichte des Attalos, im Jahr 337 v. Chr. tatsächlich das Land verlassen. Alle mhd. Alexanderromane ergänzen dies (vermutlich nach Leo Archipresbyter) mit dem historisch nicht belegbaren Motiv der Rückholung O's bzw. ihrer Versöhnung mit Philipp auf Betreiben Alexanders. Die anschließende gewaltsame Werbung des Pausanias, bei der Philipp den Tod findet, referieren A2 und A3. Alexanders ausführlicher Briefbericht an Ο und Aristoteles über seine Erlebnisse (Al, A3) reflektiert die im MA verbreitete ,Epistola Alexandri Magni ad Aristotelem', der in der ma. Alexandertradition insgesamt große Bedeutung zukommt. [3] Die in A3 erwähnten Streitigkeiten O's mit Antipater spiegeln die historische Auseinandersetzung der beiden und die vergeblichen Schlichtungsversuche Alexanders wider. [4] A4 verbindet mit der genealogischen Nennung O's schließlich einen höfischen Tugend- und Schönheitspreis. [1] -* Nectanebus und s.v. Nektanebos (H. W. Helck), in: DKP, Bd. 4, Sp. 41. [2] -> Oedipus (I.B1). [3] -> Alexander (11.2). [4] S.v. Olympias [1.] (G. Wirth), in: DKP, Bd. 4, Sp. 288. Nachbenennungen Wolfram von Eschenbach, ,Parzival' (Olimpia)·. Ο ist der Name einer Geliebten des Feirefiz, des Bruders von Parzival (771,17; 811,11). Der Pleier, ,Meieranz' 131 (Olimpia)·. Ο ist eine Schwester von König Artus und Mutter des Titelhelden. [mk/sks]
Onomastorides [Lacedaemonier, wird als Gesandter zu Darius geschickt; Curtius III. 13,15]
A l Rudolf von Ems, Alexander' 7639: Der aus Lacedaemonien kommende Ο unterstützt die in Babylonien kämpfenden Perser und gerät in makedonische Gefangenschaft (1. Schlacht der Griechen gegen die Perser).
Orcus — Orestes [1]
Orcus
Pluto
Oreades [Bergnymphen]
Al Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg 1013: Die reichen und schönen O, die Göttinnen der Berge, nehmen am Fest des Iuppiter anlässlich der Hochzeit von Peleus und Thetis teil. Sie bringen gesunde Wurzeln und Mineralien mit (Katalog). [1] [1] Wahrscheinlichste Quelle für das Motiv der Hochzeit von Peleus und Thetis in Al ist das ,Excidium Troie'. Der Katalog der teilnehmenden Götter ist allerdings - wahrscheinlich in Rückgriff auf Ovids .Metamorphosen' - stark erweitert (Lienert, Geschichte und Erzählen, 41 f.). Die Ο werden in MM 8,787 und 8,796 genannt; Dryades und Nymphae. [mk/sks]
Orestes [1]
441
O's mit Hermione, der Tochter von Menelaus und Helena (17487-17520). Als diese von Pyrrhus entführt wird, befreit sie Ο und tötet Pyrrhus in Delphi (18134-18185; Nachgeschichte des Trojanischen Krieges).
A2 Konrad von Würzburg,
,Trojanerkrieg',
Fortsetzung·. Der junge, treffliche und kluge Ο möchte Hermione heiraten. Sie aber wird von ihrem Vater Menelaus Pyrrhus zur Frau gegeben (als Lohn für dessen Verdienste vor Troja). Wie Ο darauf reagiert, ist dem Erzähler nicht bekannt. Ο rächt Agamemnons Ermordung mit der Tötung Clytaemestras und des Aegisthus und übernimmt das Reich (49318-49653; Nachgeschichte des Trojanischen Krieges).
Dl Hugo von Trimberg,,Der Renner'6362·. Ο und Pylades werden als vorbildliches Freundespaar aus alter Zeit genannt. In der christlichen Gegenwart gebe es wahre Freundschaft nicht mehr (Exempelfigur; Katalog vorbildlicher Freunde; Zeitklage; laus temporis acti).
[König von Mykene, Argos und Sparta, übt an seiner Mutter Klytaimestra und an deren Geliebten Aigisthos Rache für die Ermordung seines Vaters Agamemnon]
[ 1 ] Als weitere antike und alttestamentarische Freundespaare werden Tydeus und Polynices, Achilles und Patroclus, Aeneas und Achates sowie David und Jonathan genannt.
G: Sohn des Agamemnon und der Clytaemestra (Al, Al), Halbbruder der Erigone (Al), Gatte der Hermione (Al), Freund des Pylades ( D l ) R: König (A2) von Mykene (Al, E l ) Nf.: Horestes (A2)
El Rudolf von Ems,, Weltchronik'·. Ο ist einer der Könige von Mykene (19909; Katalog), er tötete Pyrrhus nach dem Trojanischen Krieg
I.
(26680).
II. 1) Ο im Trojaroman; 2) Anspielungen
1) O's Schicksal, in der antiken Literatur,
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Ο wird zumal in der gr. Tragödie ein zentrales mynach dem Tod seines Vaters Agamemnon von Talthybius in die Obhut Idomeneus' gegeben, dessen Frau Thesaris Meda[ ihn wie einen eigenen Sohn großzieht (17276-17295). Als ihn Idomeneus später über das Schicksal seines Vaters aufklärt, sammelt Ο ein Heer, zieht nach Mykene, lässt seine Mutter Clytaemestra aufhängen und Aegisthus zu Tode schleifen (17386-17401). Menestheus erwirkt O's Entsühnung von der Todesstrafe wegen des Mordes an seiner Mutter und führt ihn als König nach Mykene. Erigone erhängt sich deshalb. Idomeneus arrangiert die Vermählung
thologisches Sujet, wird in den mhd. Trojaromanen im Rahmen der Nachgeschichte des Trojanischen Krieges referiert. A l folgt dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, A2 direkt dem spätantiken pseudohistorischen Trojabericht des Dictys Cretensis (er ist auch die Quelle Benoits, der sie eigenständig erweitert). O's Jugendgeschichte referiert nur A l . Beide Texte bringen das wohl populärste Motiv des O-Mythos, die Ermordung Clytaemestras und ihres Liebhabers Aegisthus wegen deren Mord an Agamemnon. Sowohl in A l als auch in A2
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Orestes [2] — Orion
fehlt das bei Benoit (28304ff.) genannte Motiv des Orakelspruchs, der Ο zur Rache verpflichtet. In Al wird sie in einem regelrechten Kriegszug vollzogen, in A2 begeht er alleine die Tat. Schon bei Dictys ist aufgrund der rationalisierenden historiographischen Darstellung die aus Aischylos' ,Orestie' berühmte Verfolgung des Ο durch die Erinyen aufgegeben. Immerhin weiß aber noch Al von der Notwendigkeit einer Entsühnung Os vom Muttermord. Von seiner Liebe zu Hermione, ihrer Entführung durch Pyrrhus und von dessen Tötung durch Ο handelt A l . A2 berichtet zwar von der Jugendliebe zwischen Ο und Hermione, will vom weiteren Gang des Geschehens aber keine Kenntnis haben. 2) El nennt Ο als König von Mykene. Die historische Deutung und die katalogartige Auflistung der profangeschichtlichen Ereignisse mit Verzicht auf narrative Darstellung folgen dem Prinzip ma. Weltchronistik (zur Stelle vgl. den Beleg im .Chronicon universale' des Ekkehard von Aura, PL 154, Sp. 519 oder in den Herrscherlisten der Chronik des Hieronymus, PL 27, Sp. 231). Die Anspielung auf die Tötung des Pyrrhus könnte sich auf Al oder direkt auf Dictys beziehen. Im Rahmen des klassischen didaktischen Topos der Zeitklage und der laus temporis acti nennt D1 Ο und Pylades, der in den anderen Belegen nicht erwähnt wird, als rechtes Freundespaar. Der Katalog greift wohl auf entsprechende Exempellisten zurück, die ebenfalls genannten Aeneas und Achates waren dem MA aus Vergils ,Aeneis' bekannt. Uber Ο's Schicksal gibt D1 keine genaueren Angaben, die Stelle hat keine narrative Funktion, sondern erschöpft sich in der bloßen Aufzählung der Namen, die dem ma. Publikum, mit Ausnahme von Aeneas, David und Jonathan, wohl kaum ein Begriff waren. [1] [1] Zu diesem Prinzip des bloßen „name droppings" Kern, Mittelalterliche und moderne Mythen, 218, 222. Nachbenennung ,Karlmeinet'396,9 (Oresten)·. Fürst Ο ist einer der Gefolgsmänner Karls d. Gr. [mk/sks]
Orestes [2] [Gefolgsmann Alexanders; Curtius IV. 13,28; Chätillon
111,66]
R: Fürst (Al), Herzog von Theben (A2) Nf.: Orest (Al, A2) 1. A l Rudolf von Ems, »Alexander: Ο führt eine Schar am rechten Flügel des makedonischen Heeres gegen Darius (11969; 12441; 2. Schlacht der Griechen gegen die Perser; Heeresaufstellung der Griechen). A2 Ulrich von Etzenbach, »Alexander': Der tapfere Herzog Ο von Theben wird von Aeschinus von Athen im Kampf getötet (3548; Eroberung Thebens durch Alexander), wird in der Schlacht bei Issos jedoch wieder als Kämpfer genannt (8098) und bei der Einnahme von Damaskus im Kampf gegen Mazaeus verwundet (9075; 9094). II. Quintus Curtius Rufus nennt in seiner Alexanderhistorie eine Heeresabteilung aus dem Epirus „Orestae" (IV. 13,28: „post eum Orestae Lyncestaeque sunt [positi]"; „nach ihm sind Orestiden und Lyncestaden positioniert"). Sowohl Al als auch Walter von Chätillon fassen den Namen als Eigennamen auf. Mit der Nennung O's in der Schlacht bei Issos folgt A2 Walters ,Alexandreis', die übrigen Erwähnungen sind selbständig hinzugefügt. O's widersinniger verfrühter Tod im Kampf gegen die Athener geht daher zu Lasten von A2. [sks/mk]
Orion [Sternbild; an den Himmel versetzter Jäger der mythischen Vorzeit; M M 13,294]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 13,422: Der von Thetis verfertigte Schild des Achilles [1] zeigt Darstellungen von Ο und den Pleiaden (Descriptio). [1] In Al verfertigt fälschlicherweise Thetis (13,412) und nicht Vulcanus den Schild des Achilles. [mk]
Orios — Orpheus
443
Orios
Orontopates
[Lapithe, er und Broteas werden von Gryneus mit einem Altarstein erschlagen; MM 12,262]
[Perser, Verwalter der karischen Satrapie, verteidigt 334 v. Chr. Halikarnassos gegen Alexander und Ptolemaeus, 331 Befehlshaber der persischen Truppen bei Gaugamela; Curtius IV. 12,7 Orontobates]
Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen' 12,484 (Orion)·. Ο und Broteas werden von Gryneus mit einem Tisch erschlagen und von Exadius gerächt. O's Mutter hat des Öfteren den Mond an seinem Lauf gehindert (Trojanischer Krieg; Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf). [1] [1] Aufgrund der Nf. könnte Ο in A l mit Orion gleichsetzt sein. Die Anspielung auf O's Mutter Mycale bei Ovid (MM 12,263f.: „Orio mater erat Mycale, quam deduxisse canendo saepe reluctantis constabat cornua lunae"; „sie soll die Horner des widerstrebenden Mondes durch Zaubersprüche herabgezogen haben") verarbeitet eine Vorstellung aus dem antiken Aberglauben, dass nämlich der Mond bei einer Mondesfinsternis zur Erde herabgezogen werde. Sie ist in Al nicht mehr durchschaut. Al bezieht „constabat" offenbar auf „luna" und spricht vom still stehenden Mond. [mk]
Orithyia [Tochter des Erechtheus, Schwester der Procris, wird von Boreas entfuhrt und gebiert ihm Zetes und Calais; MM 6,683]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Orithya, Orithien): Die wunderschöne Ο wird von Boreas durch die Lüfte zum Volk der Cicones entführt, nachdem ihm ihr Vater Erechtheus ihre Hand verweigert hat. Ο gebiert Boreas die Söhne Zetes und Calais (6,1530; 6,1565; RV: 7,1202). [mk]
Orneus [Kentaur; MM 12,302]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12,541 (Arneus): Ο und weitere Riesen fliehen vor Medon (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf; Katalog). [1] [1] Die Deutung der Kentauren als Riesen greift eine Vorstellung auf, die dem dt. Publikum aus der Heldendichtung bekannt ist (-» Centaurt). Bei Ovid fliehen Ο und die übrigen Kentauren vor Dryas und nicht vor Medon, der selbst ein Kentaur ist. Die widersinnige Darstellung in Al beruht auf einem Missverständnis Dryas).
Al Rudolf von Ems, ^Alexander' (Oriombates)·. Ο befehligt den linken Flügel des persischen Heeres (11656; 2. Schlacht der Griechengegen die Perser; Heeresaufstellung der Perser), eilt den Baktranen im Kampf gegen Alexander zu Hilfe und wird von Meleager niedergestochen (12266; 12391). [sks]
Orpheus [Sohn des Apollo und der Muse Calliope, Gatte der Eurydice, bedeutendster Sänger der gr. Mythologie]
G: Gatte der Eurydice (A2) R: Harfenspieler (Al), Lyra-Spieler (B4), Sänger (Bl, B4), Musiker (B3), Weissager (A2), Poet (A2), Zauberer (B2) Nf.: Orfay (B2), Orfeus (B3) I. Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman 3107'. Charon erzählt Aeneas und Sibylla, dass Ο einst gekommen sei, um seine Gattin aus der Hölle zu holen, und dabei beinahe selbst das Leben verloren hätte (Unterweltfahrt des Aeneas). A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Bei der Hochzeit von Ο und Eurydice prophezeit Hymenaeus Unheil. Als Eurydice an einem Schlangenbiss stirbt, steigt der kunstreiche Ο in die Hölle hinab und bittet Pluto und Proserpina um die Rückgabe seiner Gattin, was ihm aufgrund seines schönen Gesanges unter der Bedingung gewährt wird, dass er sich während des Aufstiegs nicht nach Eurydice umwende. Als Ο die Bedingung missachtet, entschwindet Eurydice, und Ο harrt sieben Tage lang klagend am Eingang zur Unterwelt aus. Ein zweiter Höllengang wird ihm verwehrt, und Pluto bestraft ihn, indem er ihm den Kontakt zu anderen Frauen
444
Orpheus
verbietet und ihn für drei Jahre nach Thrakien verbannt (10,4-191). Dort lockt Ο mit seinem Gesang Bäume an, um ihm Schatten zu spenden. Auch die Tiere versammeln sich und lauschen seinem Gesang über Ganymedes, Hyacinthus, Pygmalion, Myrrha und Adonis (10,194-304). Ο wird von rasenden Bacchantinnen zerrissen, in den Fluss Hebrum geworfen, fährt in die Hölle und wird dort von Eurydice empfangen (11,2-117). A3 ,Göttweiger Trojanerkrieg' 11777: Der tugendhafte König Ο von Colone tötete einst in seinem Wald drei Drachen an einem Tag und starb dann an Erschöpfung im Schoß seiner Gattin (Erzählung der drei Söhne des Ο an Hector und Paris, die diese vor dem Wurm Gamol retten). B1 Gottfried von Straßburg, ,Tristan' 4790: Aus dem Munde des Minnesängers Reinmar erklang die Stimme des O, der alle Melodien beherrschte (Tristans Schwertleite; Dichterexkurs). [1] [1] Dass Reinmar deshalb mit Ο verglichen wird, weil dieser (wie Reinmar) besondere Klage um seine Geliebte führe, ist unwahrscheinlich (so jedoch B. Mergeil, Tristan und Isolde. Ursprung und Entwicklung der Tristansage im MA, 1949, 167). Das prononcierte Lob Reinmars erklärt sich auch als „laus hominis mortui"; er dürfte kurz zuvor gestorben sein.
B2,Prosa-Lancelot'·. König Bandemagus lässt sich von einem Harfner den Leich von Ο vortragen, der ihm so gut gefällt, dass niemand zu sprechen wagt ([11.103,9]). [1] Bohort deutet den Gesang des alten, von zwei Schlangen geplagten Harfners bei König Pelles als die Versuchung Josephs von Arimathia durch den Zauberer Ο (11.633,10). [1] In der Ausgabe Kluges wird Ο an der Stelle nicht erwähnt. Steinhoff (Hg.), 11.706,2 bietet den Text nach der afrz. Fassung, sie nennt O.
B3 Konrad von Würzburg, ,Partonopier und Meliur' 1605'. Noch schöner als alle Harfenklänge, die Ο erzeugte, ertönt die Stimme Meliurs (Begegnung Partonopiers und Meliurs; überbietender Vergleich). B4 ,Reinfried von Braunschweig' 22478·. Ο hat mit dem herrlichen Klang seiner Lyra Pflanzen und Tiere angelockt und friedlich beieinander verweilen lassen, wie Claudianus
berichtet. [1] Doch selbst sein Spiel lässt sich nicht mit dem Gesang der Sirene vergleichen, der Reinfried begegnet. Würde Ο noch leben und die Sirene singen hören, bliebe er bei ihr (Reinfrieds Sirenenabenteuer). [1] Der Verweis bezieht sich auf,De raptu Proserpina'; -* Claudianus.
El Rudolf von Ems,, Weltchronik'20120: weise Ο war Lehrer des Musaeus.
Der
II. 1) O-Gestalt und O-Mythos; 2) Ma. Rezeption; 3) Mhd. Belege
1) Der mythische Sänger Ο zählt zu den wirkungsmächtigsten Gestalten der antiken Mythologie. Der O-Mythos ist in bildender Kunst, Literatur und Musik bis in die Gegenwart produktiv. Die Rezeptionsgeschichte gibt in ihrer Vielfältigkeit ein eindringliches Beispiel für die Extension und die Kontinuität jenes Prozesses, für den Hans Blumenberg den Begriff „ A r b e i t am Mythos" geprägt hat. So kann Ο insgesamt als eine Symbolgestalt europäischer Geistesgeschichte gefasst werden, an der der Stellenwert von Kunst in jeweils epochenspezifischer Form reflektiert wird. Die hervorragendsten Rezeptionszeugnisse sind dabei selbst kanonisch geworden und haben Kunst-, Literatur- und Musikgeschichte geschrieben, man denke stellvertretend an die Skulpturen von Rodin, an Opern wie Monteverdis ,Orfeo', Glucks ,Orpheus und Eurydice' oder Offenbachs Travestie ,Orpheus in der Unterwelt', an literarische Bearbeitungen wie Rilkes ,Sonette an Orpheus', Anouilhs ,Eurydice' oder an Cocteaus Film ,Orphee' u.a.m. [1] Neben dieser mythologischen Tradition ist Ο seit archaischer Zeit (6. Jh.) als Stiftergestalt des orphischen Mysterienmythos greifbar. Dieser „Orphismus" hat die antike Philosophie immer wieder beeinflusst und v.a. in hellenistischer und spätantiker Zeit mehrere Renaissancen (u.a. bei den Neuplatonikern) erlebt. Orphische Gemeinschaften existierten bis ins zweite nachchristliche Jh., aus dieser Zeit stammt auch die Sammlung der 87 so genannten ,Orphischen Hymnen', deren
Orpheus Tradition freilich bis ins 6. Jh. v. Chr. zurückreicht. [2] Die ma. und neuzeitliche Rezeption der orphischen Theologie ist bei weitem nicht so manifest wie die des gängigen literarischen O-Mythos, aber doch immer wieder zu fassen. Ein prominentes Zeugnis geben natürlich Goethes ,Urworte. Orphisch'. 2) Der O-Mythos ist fester Bestandteil der ma. Mythographie und bietet - nicht zuletzt wegen O's descensus — der christlichen Mythendeutung zahlreiche Anknüpfungspunkte. Zu den erstaunlichsten Zeugnissen zählt der Hymnus ,Morte Christi celebrata' (Saint-Martial, 12. Jh.), der Christus als „noster Orpheus" feiert, der seine Braut (die Kirche bzw. die gläubige Seele) aus der Hölle ins himmlische Königreich geführt habe. [3] Die christologische Relation, in der Ο hier gesehen wird, ist schon in der frühen Mythenallegorese der Patristik zu finden, funktioniert dort allerdings polemisch, so etwa bei Clemens von Alexandria (O als Zauberer und Betrüger, Christus als der wahre Sänger und Wundertäter) und bei Eusebius — was beide Autoren nicht daran hindert, Christus mit Attributen und Metaphern aus dem O-Mythos zu feiern. [4] Boethius beschließt das dritte Buch seiner ,Consolatio' mit einem Lied, in dem O's Umwenden nach Eurydike die Gefährdung des Weisen durch die materielle Welt symbolisiert. Eurydice gibt in der Folge mitunter das Sinnbild irdischer Versuchung: Der frz. ,Ovide moralise' (14. Jh.) vergleicht sie mit Eva. [5] Als frühen heidnischen „Erahner" des wahren Gottes, der sich vom Polytheismus abwendet, fassen Ο hingegen Lactanz und Kyrill von Alexandrien. Beide berufen sich auf das so genannte ,Testamentum Orphei', ein dem Orpheus zugeschriebenes Gedicht jüdischer Provenienz, [6] das seinerseits von der Konzeption des Sänger-Theologen in der orphischen Tradition beeinflusst ist. Auch sonst sind die mythographischen Belege zahlreich. [7] 3) Von den Nennungen in der dt. höfischen Literatur verarbeiten Al und A2 den Mythos von Ο und Eurydice (er ist wohl auch das
445
Sujet des O-Leichs in B2). Die kurze Anspielung in Al bezieht sich mittelbar über den ,Roman d'Eneas' (2283) auf Vergils Aeneis' (6,119f.). Der ausführliche Bericht in A2 folgt direkt Ovids .Metamorphosen' und bildet hier wie dort den Focus des gesamten, breit dargestellten O-Mythos. Tendenzen zur Mediävalisierung zeigt A2 bei der Schilderung der Unterweltfahrt (in Anlehnung an Al). Ovids sinnreiche Andeutungen zu O's sexueller Enthaltsamkeit gegenüber den Frauen nach Euryidces Tod, zur Einführung der Knabenliebe bei den Thrakern durch ihn [8] und zu seinem Tod durch die Bacchantinnen (MM 10,78ff.) hat A2 offenbar nicht mehr nachvollziehen können oder wollen. Die Passagen werden dem höfischen Publikum denn auch nicht sonderlich aufschlussreich gewesen sein. Überhaupt ist es zweifelhaft, ob A2 eine breite Rezeption erfahren hat. In den Anspielungen gilt Ο durchwegs als der vorbildliche Sänger bzw. Harfner (Bl, B2, B3, B4). Eine bewusste und nicht nur topischtraditionelle Setzung, die zudem einen breiteren mythographischen Horizont verrät, ist dabei v.a. in Bl zu erkennen, wo nicht nur Reinmar, sondern auch Heinrich von Veldeke und Walther von der Vogelweide mit mythologischen Mitteln gepriesen werden (Veldeke habe von der Pegasusquelle getrunken, 4731, Walther habe seine Kunst vom Musenberg Kithairon bzw. von der Venusinsel Kythera, 4808ffi). [9] In allen drei Fällen handelt es sich um - für höfische Verhältnisse - durchaus extravagante Anspielungen. Die Überbietung in B3 könnte von Bl angeregt sein. Der Topos selbst ist ganz traditionell gesetzt, ähnlich vergleicht ja auch B4 Ο und die Sirene. Der dortige Verweis auf Claudians ,De raptu Proserpinae', ein im lat. MA nicht unbekanntes Epos, lässt auf genauere Kenntnisse des Autors schließen, ohne dass sich freilich spezifisch Claudianische Details fänden. [10] Im Übrigen berichtet die antike Sage genau das Gegenteil zu B4: Dass nämlich Orpheus, als die Argonauten die Insel der Sirenen passierten, deren Lied übertönt habe.
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Orsilochus — Orthopolis
Der kurze Hinweis auf Ο als Lehrer des Musaeus in El bezieht sich auf die entsprechende Stelle in der .Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1281a). Dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, sind die mythologischen Daten historisch aufgefasst. Die Anspielung auf den Zauberer Ο in B2 reflektiert die polemische O-Rezeption in der christlichen Apologetik. Gänzlich travestiert wird die Figur schließlich in A3. Die Umdeutung O's zum Drachentöter zeigt motivische Beziehungen zum ,Ortnit', einem Heldenepos vermutlich aus der Mitte des 13. Jh. 4) Insgesamt spiegeln die mhd. Belege bei allen interessanten Facetten, die sie bieten, die Vielfältigkeit der O-Rezeption des MA nicht adäquat wider. Die literarische Rezeption ist in A 2 zwar dem Umfang nach ausführlich repräsentiert, die Nachwirkung des Textes wird aber nur schwach gewesen sein. An den Exempeltopos von Ο als Urbild des Sängers in der mlat. Literatur lässt sich v.a. B1 anschließen. Nicht rezipiert ist die breite allegorisch-moralische Deutungstradition. [1] Zur neuzeitlichen Rezeption s.v. Orpheus, in: Hunger, Lexikon, 255-259 und in: Lücke, Antike Mythologie, 570586. Einen Überblick über die literarische Tradition mit Textanthologie gibt: Mythos Orpheus. Hg. W. Storch, 1998. Zur ma. O-Rezeption K. Heitmann, Ο im MA, Archiv fiir Kulturgeschichte 45 (1963), 253-294 und ders., Typen der Deformierung antiker Mythen im MA. Am Beispiel der OSage, Romanistisches Jb. 14 (1963), 45-77; s.v. Orpheus (J. Engemann), in: LMA, Bd. 6, Sp. 1476; H. Hofmann, O, in: Antike Mythen, 153-198. [2] S.v. Orphische Dichtung (K. Ziegler), in: DKP, Bd. 4, Sp. 356-362. [3] Hierzu F. Ohly, Typologische Figuren aus Natur und Mythus, in: Formen und Funktionen der Allegorie. Hg. W. Haug, 1979,126-166, hier 133; auf die Stelle verweist bereits Rahner, Griechische Mythen, 65f. [4] Mythos Orpheus [Anm. 1], 84f., 87f. [5] M. Deufert, Ο in der antiken Tradition, in: Mythos Orpheus [Anm. 1], 266-273, hier 271; Hofmann [Anm. 1], 171ff. [6] Deufert [Anm. 5], 272. [7] Einen Überblick bieten die Belege bei Chance, Medieval Mythography, Reg. [8] Eine Anspielung darauf bringt vielleicht CB 189.3b,10. [9] Zur Stelle Kern, Edle Tropfen, 162, 174f. [10] Claudianus. [mk]
Orsilochus [Etrusker, kämpft auf Seiten der Trojaner gegen Camilla; Aeneis XI,636, RdE 7000 Orsilocus]
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman' 8914 (Orilocus): Der Trojaner Ο tötet Larina und beweist damit, dass die Kämpferinnen der Camilla nicht Göttinnen, sondern Sterbliche sind (Kampf um Italien). [1] [ 1 ] Das Motiv, dass die Trojaner die kämpfenden Jungfrauen Camillas zunächst für unbesiegbare Göttinnen halten, stammt aus dem ,Roman d'Eneas'. Es fehlt bei Vergil, wo Ο von Camilla getötet wird. [sks/mk]
Orsilos [Perser, berichtet Alexander von der Verschwörung des Bessus gegen Darius; Curtius V.13,9]
Al Rudolf von Ems, „Alexander' 14748·. Ο ist Alexander treu ergeben; er und Mithracenes berichten Alexander vom Aufenthaltsort der Verschwörer gegen Darius (Eroberung Persiens; Tod des Darius). [sks]
Orsines [Satrap von Persagades; Curtius IV. 12,8; X. 1,22]
Al Rudolf von Ems, Alexander'·. Der weise Fürst Ο unterstützt das persische Heer im Kampf gegen Alexander, marschiert im linken Flügel hinter den Kampfwagen und führt die Hilfstruppen (11685; 12399; zweite Schlacht der Griechen gegen die Perser; Heeresaufstellung der Perser; Katalog). ^^
Orthopolis [Sagenhafter König von Sicyon]
El Rudolf von Ems, ,Weltchronik' 8648 (Ortopolis)·. Ο ist einer der Könige von Sicyon (Katalog). [1] [1] Dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, werden die profangeschichtlichen Ereignisse in Exkursen zur Heilsgeschichte erinnert, die sich so wie hier meist in katalogartigen Auflistungen von Herrscherdynastien erschöpfen. Zum Beleg vgl. die Nennung O's im .Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 511), einer Nebenquelle von El. Die Hauptquelle, die .Historia scholastica' des Petrus Comestor, nennt Ο nicht. [mk]
Osiris — Ovidius
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B2 Ulrich von Etzenbach, Alexander' 4899:
Osiris -» Isis Otho [M. Salvius O, wird nach einer von ihm inszenierten Verschwörung gegen Galba, Vinius und Piso 6 9 n. Chr. von den Prätorianern zum röm. Kaiser erhoben, unterliegt im selben Jahr den Truppen des Vitellius und begeht Selbstmord]
R: Herrscher von Rom (El, E2) N£: Otto (El, E2) I. El ,Kaiserchronik'·. Ο tötet in Capua Galba und Piso (4845; Katalog röm. Herrscher) und wird von Vitellius geschlagen, der nach ihm die Herrschaft übernimmt, aber vor O's Verwandten aus Rom fliehen muss (4848; 4863).
E2 Jans Enikel,, Weltchronik': Ο erobert Capua, zerstört Stadt und Land, tötet Galba und Piso und übernimmt nach Galba die Herrschaft (24280; 24297; Katalog röm. Herrscher). II. Die beiden chronistischen Belege beschränken sich bei der Nennung O's auf die Erwähnung der Ermordung Galbas und Pisos. E l , von dem E2 abhängt, referiert zudem die Niederlage O's gegen Vitellius und dessen Herrschaftsübernahme. [sks]
Ovidius [Publius Ο Naso, 4 3 v. Chr.-18 n. Chr., röm. Dichter der augusteischen Klassik, wird 8 n. Chr. offiziell wegen seiner moralschädigenden .Ars amatoria', vermutlich aber wegen seiner Verwicklung in einen Sittenskandal um die Kaisertochter lulia nach Tomi verbannt]
R: Dichter (Bl, B2, B3, B4, El), Gelehrter (C2, D3, E2), Theoretiker der Liebe ( C l ) , Meister (B5, D3) Nf.: Ovidio (El) I.
Bl Wirnt, ,Wigalois' 991: Auch Ο könnte Flories Schönheit nicht adäquat loben, meint ihr Geliebter Gawein (Exempelfigur; Unsagbarkeitstopos).
Für seine Ausführungen zum Parisurteil verweist der Erzähler auf den berühmten und gepriesenen Ο (Alexander in Troja; Exkurs; Quellenberufung).
B3 ,Reinfried von Braunschweig: Nicht einmal Ο könnte, wäre er noch am Leben, die Wonnen der Hochzeitsnacht und die Liebesfreuden von Yrcane und Reinfried beschreiben (10772; Unsagbarkeitstopos). Yrcane wünscht, sie könnte Reinfried einen so schönen Liebesbrief schreiben wie Penelope, Dido, Briseis, Phyllis, Helena oder Medea an ihre Geliebten. Alles, was Ο je Schönes von der Liebe geschrieben habe, wolle sie zu einem Kuss in Briefform verdichten [1] (24563; Meisterberufung). [1] Die mhd. Verse lauten: „ald von minne minneclich geschreip/ ie der wird Ovidius,/ daz wolt ich al an einen kus/ mit gedihte schriben" (24562ff.).
B4 Albrecht, Jüngerer Titurel': Was der jun-
ge Tschinotulander bei Ο von der Liebe las, gefiel ihm nicht (190,2). [1] Niemand möge sich an den lasziven Ο („O der lecker") [2] halten, der die Damen als wechselhafte Wesen beschrieben hat. Wer ihn deshalb lobt, ist hassenswert (263,1). Der kluge Ο hat von den Vorzügen und Schwächen der Damen berichtet. Beide Eigenschaften kennzeichnen dem Erzähler zufolge auch die (personifizierte) Äventiure, weil sie Tschinotulander sterben lässt (5152,1; Sigunes Trauer über den toten Tschinotulander; Erzählerkommentar). Ο könnte (so wie Aristoteles, Salomon oder Hercules) den Ruhm von Titurisons Geschlecht nicht adäquat preisen (108,3/4), er könnte Clauditte nicht angemessen loben (2539,4), hätte sich nicht der süßen Worte befleißigen können, die Tschinotulander Sigune zudachte (5227,4), und könnte Amfortas' schöne Erscheinung nicht angemessen würdigen (5304,4; Unsagbarkeitstopos; Uberbietungstopos). [1] Die Anspielung „Ovidium puellaere las ich von ir" bezieht sich auf den pseudo-ovidianischen .Ovidius trium puellarum' (Nachweis bei Kugler, siehe unten II., Anm. 1, Sp. 266). [2] Zur Bedeutung des Attributs „der lecker" (263,1) unten II.3. Str.263 und Str.5152 bieten konträre Aussagen.
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Ovidius
B5 Hermann Fressant,,Ehefrau undBuhlerin', GA II, XXXV, 630 (,.Hellerwertwitz 636): Weder der kunstreiche Ο noch all die anderen Meister seit Adams Zeiten, die dem Erzähler bekannt sind, wären im Stande, den Begriff „Frau" („wip") erschöpfend zu preisen (Lob der guten Frau; Unsagbarkeitstopos).
C1 Rudolf von Rotenburg, KLD leich
1,54;
Vers. E14,1: Der kluge Ο beschäftigte sich als Erster mit der Liebe und verhängte über jene Männer und Frauen seinen Bannspruch, die sich auf Unrechte Weise der Minne annehmen. Dies soll allen Neidern eine Warnung sein, besonders jenen, die dem Sänger seine Liebesbeziehung verleiden wollen (Exemplum). C 2 ,Winsbeckin'35,1: Der weise Ο berichtet von allerlei Wundertaten der Liebe. Er behauptet, sie sei Venus genannt, mache süße Herzen wund und heile sie auch wieder, wenn sie wolle (Lehrgespräch zwischen Mutter und Tochter).
D l Wernher von Elmendorf, 665: Ο hat gesagt, wer sein Leid zu sehr rächen wolle, der mache sich selbst schuldig. Deshalb soll man sich in seinem Zorn mäßigen. D 2 ,Lucidarius' 15,17: Ο wurde so wie auch der Hl. Clemens auf die Insel Pontus im Pontischen Meer verbannt. D 3 Hugo von Trimberg,,Der Renner': Ο meint in einem seiner Bücher, dass derjenige gut lebt, der sich tarnen kann ( 4 5 4 3 ) , bestätigt die bunte Vielgestaltigkeit der Welt mit dem Ausspruch: „Der Gräser auf Erden sind viele, neben Rosen sind Nesseln, neben Lilien D o r n e n " ( 9 3 8 6 ) , [1] und meint, dass nächtliche Liebe und Wein kein M a ß und keine Scham kennen und einen Menschen in die Hölle bringen können ( 1 1 4 8 9 ) . In seinem „Minne buoch" meint O , es sei erstaunlich, dass man sein Vaterland nie vergesse. Umso weniger ist es zu verstehen, warum sich die Menschen nicht nach ihrem wahren Vaterland, dem Reich Gottes, sehnen ( 2 0 9 8 3 ; Meisterberufung). Ferner wird Ο in einem Katalog röm. Adeliger genannt, die den Wert der Kunst für Tugend und Ansehen erkannten und beispielhaft pflegten ( 1 2 6 9 ) , [2] in
einem Katalog christlicher und antiker Gelehrter, die sich mit den verschiedensten Gegenständen („materjen") beschäftigt haben ( 9 3 5 1 ) , [3] und in einem Katalog antiker Gelehrter, die tugendhaft lebten und dennoch von Neid und Missgunst verfolgt wurden ( 1 4 6 7 4 ) . [4] [1] Der erotische Sinn des Zitats ist offenbar nicht erkannt. Für das Zitat aus dem „Minne b u o c h " ( 2 0 9 8 3 ) verweist Ehrismann (Hg.) a u f , E x Ponto' 1.3,35. [2] D e r Katalog n e n n t außerdem: N u m a ,
Maecenas,
Macrobius, Vergil, Caesar, Octavian, Scipio, Cicero, Lucan, Iuvenal, Persius, Boethius, Statius, Sallustius, Horaz, Terenz, Seneca. [3] Ferner werden genannt: Solinus, Vergil, Aesop, Avian, Iuvenal, Plinius, Horaz, Perseus, Augustinus, Hieronymus, Gregorius, Ambrosius. [4] Ferner werden u.a. genannt: Horaz, Statius, Cicero, Lucan, Boethius, Alan, Dares und Aristoteles.
E l ,Kaiserchronik' 4338: Für die LucretiaGeschichte beruft sich der Text auf Ο . [1] [1] Die Angabe bezieht sich auf,Fasti* 2 , 7 2 5 f f . (Nachweis bei Kugler, siehe unten II., Anm. 1, Sp. 2 6 3 ) .
E2 Brun von Schönebeck, .Hohelied': Schon der weise Heide Ο bestätigt, dass der Blick das Herz verrate ( 2 9 4 0 ; Meisterberufung). Wenn einen die Welt betrügt, kann man in die Klage O's [1] einstimmen ( 1 0 2 6 3 ) . [1] Der Wortlaut ist: „also tristium [!] sprach Ovidius".
II. 1) O im Μ Α ; 1A) Phasen der O-Rezeption; 1B) Profil der ma. O-Gestalt; I C ) Ο in der mlat. Literatur; 1 D ) Ο in der romanischen Literatur; 2) Ο s Einfluss auf die mhd. Literatur; 3) Anspielungen; 4) Zusammenfassung
1) Ο ist zunächst nach, dann mit Vergil jener antike Dichter, der ma. Bildung und Literatur am nachhaltigsten beeinflusst. Dessen ist sich das M A auch selbst bewusst, entsprechend bekannt und gegenwärtig sind Gestalt und Werk. O's Wirkung war bereits zu Lebzeiten beträchtlich. Sie mag in der Spätantike und im frühen M A etwas nachgelassen haben, wirklich gering war sie nie, wie etwa die Erwähnungen bei Boethius, Fulgentius oder Isidor zeigen. Die O-Rezeption hat bestimmenden Einfluss auf Myelographie und Mythendeutung, auf den antiken, dann den christlich-abendländischen Liebesdiskurs und generell auf die literarisch-poetische Rhetorik. [1]
Ovidius IA) Einen ersten Höhepunkt erreicht die ma. O-Rezeption mit der so genannten karolingischen Renaissance (8./9. Jh.), von großer Bedeutung war hierfür Theodulf von Orleans. Modoin de Autun führte - entsprechend dem Usus einiger Mitglieder von Karls Hofakademie, sich nach antiken Autoren zu benennen — den Beinamen Naso. Von hier an können drei Phasen der ma. O-Rezeption unterschieden werden: Die erste Phase bis zum 10. Jh., in der Ο allerdings hinter Vergil zurücksteht, bringt einen merklichen Aufschwung der handschriftlichen Uberlieferung und bereitet - was Mythographie und O's weitere Etablierung als Schulautor betrifft - die Hochblüte der ma. O-Rezeption des 11. bis 13. Jh. vor. Das HochMA kann nun insofern nach Ludwig Traube als „aetas ovidiana" bezeichnet werden, als sich in ihm O's größte Wirkung im Bildungsbereich (O wird unter die „aurei auctores" aufgenommen), in der Mythenrezeption, in Liebesliteratur und Liebestheorie entfaltet - zumal letzteres auch in der Volkssprache. Ο steht nunmehr zwar nicht an Ansehen, wohl aber an Einfluss und Bedeutung auf einer Stufe mit Vergil. In der dritten, spätma. Phase nimmt die O-Rezeption — v.a. im Bereich der mythographischen Literatur mit dem ,Ovide moralise' (nach 1309) und dem ,Ovidius moralizatus' des Petrus Berchorius (um 1340) - enzyklopädische Formen an, die zur Mythenrezeption und Mythenauslegung der Neuzeit überführen. Die Renaissance bringt einen deutlichen Neuansatz v.a. in der breiten Gestaltung ovidianischer Sujets in der bildnerischen Kunst. I B ) Die Gestalt O's selbst wurde im MA durchaus unterschiedlich bewertet. Nie abgerissen ist die moralische Kritik, Polemik findet sich immer wieder in den accessus ad auctores, den Einführungen zu den Schulautoren, beispielsweise im ,Dialogus super auctores' Konrads von Hirsau. Wichtig ist jene ebenfalls v.a. in den accessus greifbare Tradition, die der Biographie des Dichters den „Zuschnitt einer Conversio" [2] gibt. Wie
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der Sünderheilige verfällt Ο zunächst den weltlichen Genüssen, wofür seine erotische Dichtung Zeugnis ablegt, um schließlich in der Verbannung eine Läuterung zu erfahren. So verleiht das MA dem heidnischen Autor durchaus christliche Züge, was für die Dichter und Philosophen der Kaiserzeit nichts Ungewöhnliches ist, man denke an Seneca, Statius, v.a. aber an Dantes Vergil. Mitunter wird Ο gar für einen Kryptochristen gehalten, weswegen er auch verbannt worden sein soll: In der ,Nota de Ovidio' einer Freiburger Hs. des 13. Jh. wird der von Johannes getaufte Ο gar Bischof von Tomi, stirbt den Märtyrertod und tritt als „sanctus Naso" unter die Schar der Heiligen [3] (was denn doch ironisch gemeint sein dürfte und somit eher für die säkulare O-Mode des HochMA sprechen würde). Ansonsten gilt Ο natürlich in erster Linie als Experte in Liebesdingen, als „doctor" und „praeceptor artis amatoriae", aber auch als Moralist und Gelehrter, u.a. auf dem Gebiet der Naturwissenschaft. So zeigt das O-Bild des MA durchaus divergierende Facetten, als Zauberer wird er im Unterschied zu Vergil allerdings nie gehandelt. IC) Die O-Rezeption der mlat. Literatur bildet grundsätzlich den entscheidenden Referenzpunkt für die volkssprachlichen Literaturen. Kenntnis hatte das lat. MA von allen noch heute greifbaren O-Texten. Daneben existierten eine Reihe pseudo-ovidianischer Schriften. Für das Verständnis der Texte sorgt v.a. ab dem 11. Jh. eine eigene Kommentierungstradition. Verbreitung finden ovidianische Sujets und Sentenzen zudem durch Mythographie und Florilegienliteratur. Die stoffliche Breite der ma. Mythographie wäre ohne den Einfluss v.a. der Metamorphosen' nicht in der Weise gegeben. An Ο versuchen und verfeinern sich maßgeblich die Methoden der Mythendeutung. Dies kommt bereits bei den frühesten Mythographen wie Fulgentius (5. Jh.) zum Ausdruck. Den Ansatz zur systematisierenden allegorischen Auslegung, die schließlich in den ,Ovidius moralizatus' mündet, bilden die Aussagen Theodulfs,
450
Ovidius
wonach bei Ο viele Wahrheiten unter dem de Troie' Benoits de Sainte-Maure, die von Mantel der Lüge verborgen seien. [4] Diese den,Heroides' und den,Metamorphosen' beTradition erreicht einen ersten Höhepunkt einflusst sind (Medea und Jason, Helena und mit „Konkordanzen" zwischen antiken myParis). Stoffe der .Metamorphosen' werden in thologischen und biblischen Gestalten, etwa wirkungsmächtigen kürzeren epischen Texten bei Baudri de Bourgueil (11. Jh.) oder - auf verarbeitet, zu nennen sind die Lais von ,Pypoetische Weise - in der äußerst wirkungs- ramus und Thisbe' und ,Narcissus'. Der bemächtigen ,EclogaTheoduli' (10. Jh.). Ο gilt deutendste Romancier des MA, Chretien de folgerichtig als „Bibel der Heiden" (Alfons II. Troyes, versucht sich zunächst an einer Phivon Kastilien „el sabbio", 13. Jh.). [5] Nicht lomela' und gestaltet Enites Klage um ihren unbedeutend ist auch der Einfluss von Ο's vermeintlich toten Gatten Erec im gleichMythologie auf die allegorische Naturdeunamigen Roman als glänzende Kontrafaktur tung, namentlich auf die im MA bekann- der Erzählung von Pyramus und Thisbe aus ten und beliebten Misch- und Fabelwesen, den ,Metamorphosen'. Hartmann von Aue die v.a. in der Physiologus-Tradition immer wird ihm darin folgen. Die afrz. Literatur wieder traktiert werden. entwickelt außerdem eine eigene Ars amaWas ,Metamorphosen' und - in geringerem toria'-Tradition, die von Chretiens verlorener Maße -,Fasti' und,Heroides' für die Mytho- Übersetzung ausgeht. [8] Hier wie auch in graphie, das leisten die erotischen Dichtun- der höfischen Epik beginnt sich eine gewisse gen, ,Ars amatoria', ,Remedia Amoris' und Emanzipation volkssprachlicher O-Rezeption die >Amores' für die mlat. Liebesliteratur, sei- abzuzeichnen. Sie ist auch auf dem Gebiet en es Dichtungen, seien es Traktate, die sich der Mythendeutung zu bemerken und führt mitunter auch als Gegenschriften verstehen. - wenngleich nicht losgelöst von der gelehrAus dem Vielen ist ,De amore' des Andreas ten Mythographie und ihren DeutungsmeCapellanus zu nennen, der vom „mirificus thoden — zum ,Ovide moralise', der noch Ovidius" spricht. [6] Die Verbreitung ovidi- vor seinem lat. Pendant, dem ,Ovidius moanischer Liebesmetaphorik und Liebestopik, ralizatus', datiert. u.a. in der mlat. Lyrik, trägt maßgeblich zu 2) O's Einfluss auf die dt. Literatur ist zum deren Erfolg auch in der volkssprachlichen Lieüberwiegenden Teil ein mittelbarer und babesdarstellung bei. Die Gattungsentwicklung siert einerseits auf der frz., andererseits auf des literarischen Briefes bezieht entscheidende der mlat. Rezeption. Einen Sonderfall bilAnregungen aus den ,Heroides' (vgl. B3). det die Metamorphosenübersetzung Albrechts 1D) Die Ausprägung von Sujets, Rhetorik und von Halberstadt (1190 oder 1210), die - von Thematik der weltlichen höfischen Literatur, fünf kurzen Fragmenten abgesehen - allerwie sie provenzalische und afrz. Dichtung leis- dings nur mehr in der Überarbeitung durch ten, wäre in der Form ohne die O-Rezeption Jörg Wickram vorliegt. [9] In dem in der des HochMA nicht denkbar. Dies dokumen- wickramschen Fassung überlieferten Prolog tieren zuerst die afrz. Antikeromane, nament- Albrechts wird Ο nicht namentlich genannt, lich der ,Roman d'Eneas', der stofflich zwar die Rede ist bloß von einem lat. Buch, das Vergil folgt, in den Liebeshandlungen zwi- allerlei Lügengeschichten aus der Heidenzeit schen Dido und Eneas sowie zwischen Eneas berichte. Im Epilog, der auch auf Wickram und Lavinia aber in umfassender Form auf ovi- zurückgehen könnte, ist davon die Rede, dianische Darstellungsmuster zurückgreift. Zu dass die Verwandlungsmythen nur der UnRecht kann somit „der mittelalterliche Eneas terhaltung dienen sollen und der lat. Dichter — Prototyp aller höfischen Helden - [...] ein selbst sein Spiel mit den Göttern getrieben ovidischer Eneas" genannt werden. [7] Ana- habe (15,549ff.). Im Text selbst finden sich loges gilt für die Liebesepisoden im ,Roman dann keine Anzeichen christlicher Polemik. An
Ovidius dem, was aus den Fragmenten der mhd. Fassung noch zu erkennen ist, wird natürlich die Tendenz zur Mediävalisierung des Geschehens greifbar. Albrecht folgt Ο aber weitgehend in stofflicher und erzähltechnischer Hinsicht (so scheinen etwa die häufigen Apostrophen O's an die handelnden Personen beibehalten, erst Wickram wechselt zu einer konsequent distanzierten Erzählweise). Dies und die allem Anschein nach nur mäßig aufgelösten und aufbereiteten mythologischen Anspielungen und Details mögen dem ambitionierten und in der dt. Literatur bis dato singulären Unternehmen einer direkten Ubersetzung aus dem Lat. nicht eben zum Erfolg verholfen haben. Spuren der Nachwirkung sind bis Wickram kaum auszumachen. Für den Erfolg ovidianischer Liebesdarstellung, -metaphorik und -rhetorik sorgen andere Texte, allen voran der aus dem Frz. übersetzte ,Eneasroman' Heinrichs von Veldeke, der über seine Quelle hinaus auf Ovid zurückgreift. [10] Analoges gilt für Hartmann von Aue. O-Kenntnis hat mit Sicherheit Gottfried von Straßburg. [11] Nachweislich direkt auf O's ,Metamorphosen' und ,Heroides' greift Konrad von Würzburg in seinem ,Trojanerkrieg' zurück, [12] womit er eine Tradition fortsetzt, die schon seine Hauptquelle, Benoits Trojaroman, pflegt. Ovidianische Motive - allerdings höchst wahrscheinlich nur mittelbar - verwenden die Lieder Heinrichs von Morungen. [13] Die Präsenz O's und seiner Sujets unterstreichen schließlich die zahlreichen mythologischen Anspielungen, zumal auf Gestalten der ,Metamorphosen' (auch hier ist allerdings nur in den seltensten Fällen mit direkter Kenntnis zu rechnen), außerdem die beiden Verserzählungen ,Pyramus undThisbe' und ,Hero und Leander' sowie generell die Gattung der Minneallegorie und der Minnerede. [14] 3) Die erste namentliche Nennung O's findet sich bereits im ersten Buch der dt. Literaturgeschichte, im lat. Widmungsbrief des ,liber Evangeliorum' (um 865) Otfrids von Weißenburg an Bischof Liutbert von Mainz.
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Otfrid will hier den Einfluss O's und Vergils durch eine christliche Epik auch in der Volkssprache zurückgedrängt wissen. Die mhd. Nennungen reflektieren die unterschiedlichsten Facetten des aus mlat. und romanischer Literatur vermittelten O-Bildes. Direkten Bezug auf O's,Heroides' nimmt B3, wo das Muster des Liebesbriefes auch selbst nachgeahmt ist. Diese explizite aemulatio ist in der mhd. Literatur singulär und zeugt von der O-Kenntnis des anonymen Autors. Die Schilderung des Parisurteils in B2 bezieht sich auf die Anspielung in der Alexandreis' Walters von Chatillon (1,461), die unter Benützung von Glossen ausgestaltet wird. Wenn mit dem Hinweis auf Ο an einen konkreten Text gedacht wird, dann an den Brief des Paris an Helena (,Heroides' 16,53ff.). Die Berufung könnte aber auch rein topischen Charakter haben. Auf,Ex Ponto' zielt der entsprechende Beleg in D 3 (20983). Ein Reflex der ,Tristia' liegt vielleicht in D l und in dem Hinweis auf O's Klage in E2 vor („also tristium [!] sprach Ovidius"; E2,10263). Auf die LucretiaErzählung in den ,Fasti' beruft sich E l . B4 bezieht sich auf den pseudo-ovidianischen Text ,Ovidius trium puellarum'. Allgemein als Meister und Autor nennen Ο B5, D l und D3. Die mehrfachen Nennungen in den Exempelkatalogen von D 3 vermitteln dabei keineswegs spezifische Konturen, Ο repräsentiert vielmehr im Rahmen gängiger didaktischer Topik gemeinsam mit anderen antiken und christlichen Autoritäten den Typus des vorbildlichen Gelehrten, der sich den Künsten und der Wissenschaft widmet, dennoch aber Neid und Missgunst erntet. Extensiv praktiziert D3 auch die Figur der auctoritas im Sinne der Zitation ovidianischer Aussprüche. Es ist naheliegend, dass dafür auf Florilegien zurückgegriffen wurde (vgl. auch E2). Auf den Liebesdichter Ο zielen jene Belege, die ihn als ersten Meister der Liebeskunst (C1, C2) bzw. als Inbegriff des Poeten zitieren, so im Rahmen der Unsagbarkeitstopoi von
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Oxyathres
B l , B4 und B5. Kritik an der ovidianischen Liebesauffassung kommt in B4 zum Ausdruck. Auffallend ist dabei das schwer zu deutende Attribut „der lecker" [15]. Was die biographischen Daten betrifft, wird nur in D 2 auf Ο's Verbannung explizit hingewiesen. 4) Die dt. O-Rezeption und die O-Nennungen in der mhd. Literatur geben ein Zeugnis von der Breitenwirkung Ο's. Dabei ist offenbar auch beim volkssprachlichen Publikum mit einer grundsätzlichen Bekanntheit des Dichternamens zu rechnen, mögen die Vorstellungen, die es sich von O's Leben und CEuvre machte, noch so diffus und undifferenziert gewesen sein. Deutlich profiliert ist freilich O's Autorität in Liebesdingen (vgl. bes. B3, B4, C 1 und C2). Von seiner Bedeutung für die mhd. Literatur zeugen schließlich auch die Formen der aemulatio im weiteren Sinn, die v.a. bei Heinrich von Veldeke, Hartmann von Aue, Gottfried von Straßburg und Konrad von Würzburg zu fassen sind. Sie weisen auf ein neues Selbstverständnis und eine neue Orientierung der weltlichen höfischen Literatur, die dem Publikum vielleicht nicht unbedingt als ovidianische Tradition bewusst gewesen sein muss, die aber einen fruchtbaren bildungsgeschichtlichen und literarästhetischen Fortschritt bedeutet. [1] Ein vorzüglicher Überblick über die ma. O-Rezeption s.v. Ovidius Naso, P. (H. Kugler), in: VL, Bd. 7, Sp. 247273; vgl. außerdem s.v. Ovid (P Klopsch u.a.), in: LMA, Bd. 6, Sp. 1592-1599; s.v. Ρ Ovidius Naso (W. Kraus), in: DKP, Bd. 4, Sp. 383-387; K. Stackmann, Ο im dt. MA, in: Arcadia 1 (1966), 231-254 jeweils mit ausführlichen Literaturangaben. Die folgenden Ausführungen sind besonders Kugler verpflichtet. [2] Kugler [Anm. 1], Sp. 248. [3] Ebd., Sp. 248f., mit Verweis auf B. Bischoff, Eine ma. O-Legende, in: ders., MA-Studien I, 1966, 144-150. [4] MGH Poetae 1,543; zit. nach Kugler [Anm. 1), Sp. 251. Zum folgenden ebd., Sp. 250-255. Zur Einwirkung O's auf die Myelographie vgl. Chance, Medieval Mythography, passim. [5] Rezeptionsspuren finden sich im ,Reinfried von Braunschweig' (-» Atlas, I.B1, II). [6] Andreas Capellanus, De Amore, I.VI,16. [7] Stackmann [Anm. 1], 237. [8] S.v. Ovid, in: LMA, Bd. 6, Sp. 1595.
[9] Zu Albrecht von Halberstadt Stackmann [Anm. 1], 238-245; s.v. Albrecht von Halberstadt (K. Stackmann), in: VL, Bd. 1, Sp. 187-191; B. Rücker, Die Bearb. von O's Metamorphosen durch Albrecht von Halberstadt und Jörg Wickram und ihre Kommentierung durch Gerhard Lorichius, 1997. [10] Kistler, Heinrich von Veldeke. [11] Ganz, Tristan; Kern, Edle Tropfen, 158, 186ff. [12] Lienert, Geschichte und Erzählen, passim. [ 13] V.a. Lied MF XVIII (Parisurteil, -» Helena, I. CI), XXII (Schwanengesang) und XXXII (-» Narcissus, I.C1); dazu Kern, Edle Tropfen, 28, 63f., 82ff. [14] Kugler [Anm. 1], Sp. 261f.; -» Pyramus und Thisbe (I.A2) und -» Leander (I.Al). [15] Nach Lexer, Mhd. Hwb., Bd. 1, Sp. 1851 hat es die Bedeutungen „tellerlecker, fresser, Schmarotzer, possenreißer, schelm". Für Konnotationen im Sinne eines erotischen Genießers oder des erotischen Genusses vgl. Kaspar Stieler, Die geharnschte Venus oder Liebes-Lieder im Kriege gedichtet. [ 1660] Hg. F. van Ingen, 1970,12, „Zuschreiben" Nr.3 (Nephelidor), Str.5,35 „der kleine Lekker" fiir Amor/Cupido. Nachbenennung Pseudo-Tannhäuser, 2. Bußlied 2.5,107 (Naserus): Ν war der Gefährte des Sängers in Tomya (Geographischer Exkurs). [1] [ 1 ] Der Vers spielt mit großer Sicherheit auf Naso in Tomi an und ist wohl ironisch aufzufassen. [mk]
Oxyathres [Sohn des Arsanes und der Sisygambis, läuft nach dem Tod seines Bruders Darius III. zu Alexander über und befehligt dessen persische Leibgarde]
G: Bruder des Darius ( A l , A 2 , A 3 ) R: Fürst (A2), Heerführer (A2) Nf.: Exatreus (A3), Occeatyr ( A l ) , Ocsiater (A3), Oxiater (A3), Oxiatres (A2) I.
Al P f a f f e Lamprecht, ,Alexander' S 2463: In einer Rede kritisiert Ο Darius' unentschlossenes Verhalten gegenüber Alexander und lobt diesen als beispielhaft, weil er immer an vorderster Front kämpft. A2 Rudolf von Ems, Alexander': Der mächtige Ο führt die Schar der Meder in den Kampf gegen Alexander ( 4 8 9 4 - 4 9 2 7 ; 6 9 4 7 ; 7 3 3 5 ; Vorbereitungen zur ersten Schlacht der Griechen gegen die Perser).
A3 Ulrich von Etzenbach, Alexander': Ο rät Darius, der sich von Alexanders Briefen geschmäht fühlt, einen Boten zu entsenden, um Alexander zur Vernunft zu bringen ( 1 9 8 2 ; Ju-
Oxyathres gend Alexanders; erste Auseinandersetzungen mit Darius). In der Schlacht bei Issos verliert Ο über 20000 Mann und sammelt die versprengten Rotten (8326; 8329). In der Schlacht bei Arbela führt er die Truppen der Verbündten (12139), greift Alexander mit dem Schlachtruf „Iuppiter" an und wird von ihm getötet (14247-14278). Alexander betraut Ο testamentarisch mit der Herrschaft über Medien (27008; Tod Alexanders in Babylon). II. Den jeweiligen Quellen entsprechend erwähnen die mhd. Alexanderromane Ο als Ratgeber und Mitstreiter seines Bruders Darius. Er lobt Alexander in Al nach Leo Ar-
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chipresbyter (II.7,25ff.) ausdrücklich wegen dessen Tapferkeit. Als Führer der medischen Heeresabteilung nennt ihn Al (nach Q. Curtius Rufus III. 11,8). Der Alexandreis' Walters von Chätillon (III, 130f.) folgend, berichtet A3 von O's Teilnahme an der Schlacht bei Issos. Ohne Quelle sind die widersprüchlichen Angaben über seinen Tod in der Schlacht bei Arbela und die testamentarische Betrauung mit der Herrschaft über Medien (bei Q. Curtius Rufus X.10,4 erhält sie Pithon). Dass der historische Ο nach Darius' Tod zu Alexander übergelaufen ist und dass Bessus, einer der Verschwörer gegen Darius, auf seine Anordnung hin hingerichtet wurde, wird von den mhd. Alexanderromanen nicht reflektiert. [sks]
Ρ Paetalus [Kämpfer gegen Perseus; MM 5,115]
Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen' (Pendus, Peculus): Beim Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus tötet der junge Pendus den Spielmann Alphicus mit den Worten, er möge in der Hölle seinen Gefährten aufspielen (5,197). Aus Rache dafür schlägt Lycormas dem Peculus mit einem Türriegel so heftig auf den Kopf, dass ihm das Hirn austritt (5,203; Katalog). [1] [ 1 ] Die Stelle zeigt einerseits eine klare Tendenz zur Mediävalisierung, andererseits einen hohen Grad an Quellentreue: Alphicus wird als Spielmann gedeutet. P's zynischer Fluch „Stygiis cane cetera" (MM 5,115) wird mit entsprechender Adaption („Sing' in der Hölle") beibehalten. Im Übrigen ist der Text verderbt: Pendus und Peculus werden offensichtlich als unterschiedliche Gestalten aufgefasst (Lycormas nimmt an Peculus Rache für die Tat des Pendus; 5,203). Die Ovidüberlieferung kennt mehrere Nff. für Ρ (Paetalus, Pactalus, Pectalus, Petalus). Die Nf. Peculus lässt sich im Unterschied zu Pendus leicht auf diese Varianten zurückfuhren (c-tVerschreibung).
sich fur seine Angaben zum Kampf zwischen Lapithen und Kentauren auf ,De incredibilibus' des Palephactus, die die Kentauren als „nobiles equites Thessalorum" deuten. El bezieht die Erklärung fälschlicherweise auf die Lapithen. [mk]
Palamedes [Sohn des Nauplios und der Klymene, Heros von Nauplia, Kämpfer vor Troja, berühmt für seine Erfindungsgabe (Alphabet, Würfel- und Brettspiel, Maße, Gewichte), Kontrahent des Odysseus]
G: Sohn des Nauplius (A2) R: König (A3), Herzog, (A2), Fürst (Al, A3), zeitweilig Oberbefehlshaber des gr. Heeres vor Troja (A2, A3) Nf.: Naupliades, Palamedon, Palamedes, Palimedes (A2), Palomides (A3), Polibetes (A2), Polidames (A2), Polimedes (A2) I.
El Rudolf von Ems,,Weltchronik'20138 (Palefatus)·. Ρ berichtet von den Lapithen, dass sie ebenso schnell gewesen seien wie die besten Rosse der damaligen Zeit (Quellenberufung). [1]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Naupliades hat Ulixes entlarvt und zur Teilnahme am Heerzug gegen Troja gezwungen (13,74). Auf Ulixes' Rat hin wurde außerdem der erkrankte Fürst Ρ auf Lemnos zurückgelassen. Aiax' Ansicht zufolge wäre er noch am Leben, hätte ihn Ulixes nicht ins Unglück gestürzt (13,92; Streit um die Waffen des Achilles; Rede des Aiax). Ρ sei auf Lemnos genesen, ohne ihn könne Troja nicht erobert werden. Aiax aber werde es sicher nicht gelingen, ihn mit listigen Worten herbeizuschaffen, antwortet Ulixes (13,429; 13,437; Rede des Ulixes). [1]
[ 1 ] Die Apista' waren ursprünglich in fünf Büchern angelegt und bieten eine simple rationalistische Deutung der gr. Mythen, s.v. Palaiphatos (H. Gärtner), in: DKP, Bd. 4, Sp. 416. Sie fugt sich gut in das Konzept der rein historischen Auffassung mythologischer Daten in der ma. Weltchronistik. El entnimmt den Hinweis auf Ρ der .Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1283b). Dieser beruft
[1] Das PatronymikonfurP, Naupliades, istvonAl offenbar nicht mehr durchschaut worden, dafür werden Ρ und Philoctetes allem Anschein nach gleichgesetzt: 13,85ff. ist zunächst von einem namenlosen erkrankten Fürsten die Rede, 13,92 fallt unvermittelt der Name P. Die Randbemerkung im Druck Wickrams identifiziert die beiden unmissverständlich. Vielleicht geht der Fehler also auf Georg Wickram zurück.
[mk]
Palaephatus [Verfasserpseudonym der Apista', einer vermutlich in der 2. Hälfte des 4. Jh. v. Chr. entstandenen rationalistischen Mythendeutung]
Palamedes A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Der höfische, tugendhafte und kühne Ρ (3085; Descriptio) führt wegen einer Verwundung seine 30 Schiffe nicht nach Athen, sondern direkt nach Tenedon, wird dort freundlich empfangen und rät zur sofortigen Abreise nach Troja am nächsten Tag (4112; 4136); führt seine Truppen in die Landungsschlacht (4513; 4535), stellt Agamemnons Führungsqualitäten in Frage (6210), bewährt sich auch in den folgenden Kämpfen (6830; 6919-6940; [1] 9874); kritisiert erneut Agamemnon und wird zum neuen Heerführer gewählt (1013810162); führt in der nächsten Schlacht die Hilfsvölker (10848-11101), verwundet Deiphobus schwer, tötet Sarpedon, fällt schließlich durch einen Pfeil des Paris (11574-11755) und wird in einem Marmorsarg mit würdigender Inschrift bestattet (12041). [2] Seinem Vater Nauplius erzählt man, Ulixes habe Ρ getötet, worauf er und P's Bruder Oiax an den heimkehrenden Griechen Rache nehmen wollen (17139; Heimfahrt der Griechen; RV auf P's Tod durch Paris). [1] Zu 6919: Hs. Polibetes ist in Palamedes zu korrigieren, vgl. Frommann (Hg.) zur Stelle. [2] Die Nf. Palimedes (12218) ist eine Verschreibung aus Diomedes.
A3 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg': Der tugendreiche und mächtige Ρ befehligt eine Rotte (30671; Katalog der Griechen), bewährt sich im Kampf (33561-33600), zweifelt die Führungsqualitäten Agamemnons an und möchte selbst die Heeresfiihrung übernehmen (39039-39132), löst Agamemnon für kurze Zeit als Heerführer ab, dieser wird jedoch wieder eingesetzt (39153-40387). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung48828: Ρ wird verdächtigt, gemeinsam mit anderen zur Ermordung des Aiax angestiftet zu haben. II. 1) Ρ in der Antike; 2) Ρ im mhd. Antikeroman
1) Ρ ist der intellektuell kongeniale, diplomatisch aber ungeschicktere und glücklose Gegenspieler des Odysseus im Heer der Griechen vor Troja. Bei Homer findet sich davon
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wenig, Ausführliches aber berichteten offenbar die (bis auf Fragmente) verlorenen Epen des so genannten epischen Kyklos rund um ,Ilias' und ,Odyssee'. Auf sie gehen wohl die meisten Motive zurück, die in der späteren literarischen und mythographischen Tradition mit Ρ verbunden sind, so die Uberführung des sich wahnsinnig stellenden Odysseus bei der Rekrutierung der gr. Fürsten für den Trojanischen Krieg (davon soll Odysseus' Hass gegen Ρ herrühren), seine Erfindungen vor Troja, seine Kritik an Agamemnons Heerführung und Odysseus' Intrige gegen ihn, der er schließlich zum Opfer fällt. [1] 2) Die Trojaberichte von Dares und Dictys bringen davon nur die Motive von der Übernahme der Heerfiihrung (Dares 31,13) und von den unklaren Umständen seines Todes (aufgrund einer List des Ulixes; Dictys 31,7; 43,2). Sie führen zu den Racheplänen des Nauplis und des Oiax (Dictys 120,11). Beides ist im ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure aufgegriffen. Dessen Handlungsgang folgt A2 (einschließlich des Todes des Ρ durch Paris; nach Dictys 34,20). A3 berichtet nach Benoit nur von der Ablöse Agamemnons durch P, die Fortsetzung von A3 erwähnt entgegen ihrer direkten Quelle, Dictys, nichts von seinem Tod, sondern reiht ihn unter jene, die des Mordes an Aiax verdächtigt werden. [2] Grundsätzlich gilt Ρ in A2 und A3 als tapferer Kämpfer und engagierter Heerführer. Das Motiv von einer Erkrankung, die ihn vom gemeinsamen Zug mit der gr. Flotte nach Tenedos abhält (A2 nach Dares/ Benoit), erinnert an Philoctetes. Tatsächlich gleichgesetzt werden die beiden Helden in A l . Der Fehler geht vermutlich auf Georg Wickram zurück. Die Angaben in Ovids .Metamorphosen' (13,308ff.) sind jedenfalls nicht zweideutig. Auf die Entlarvung des Ulixes durch Ρ wird in A l nach Ovids .Metamorphosen' angespielt. Dabei scheint jedoch weder der Sagenzusammenhang noch das Patronymikon Naupliades durchschaut worden zu sein.
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Pallas [1] serung zu Gunsten der Göttin. Der Hinweis des frz. Textes, Venus habe die Fahne von Mars erhalten, fehlt in A l .
Von den zahlreichen Erfindungen vor Troja weiß schließlich auch die mhd. Literatur, bringt Ρ allerdings nicht damit in Verbindung. [3]
A2 Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen \
Selbstverwandlung Arachnes in Al erklärt sich aus einem Missverständnis des afrz. Textes oder ist eine bewusste Bes-
[1] Schon bei Ovid ist der Mythos von dem erdgeborenen Erechtheus überaus verkürzt wiedergegeben. A2 hat
Ρ verschließt ein ohne Mutter geborenes Kind [Erechtheus] in einem Schrein, den sie ihren [1] Ein ausführliches Referat der überlieferten Quellen s.v. Dienerinnen Herse, Pandrosus und AglauPalamedes, in: Lücke, Helden, 473-477. [2] Dies erklärt sich aus einem Missverständnis des lat. Texros zur Verwahrung gibt. Aglauros öffnet ihn tes, wo Aiax' mysteriöser Tod mit jenem des Ρ verglichen trotz P's Verbot, sieht neben dem Kind einen wird (Dictys 116,22). Drachen und erschrickt (2,1179-1258). [1] Ρ [3] -> Nisus [2] (NB). zürnt Aglauros, weil sie Herse mit Mercurius [mk] verkuppeln will, begibt sich in die Unterwelt und befiehlt dem personifizierten Neid, in Aglauros Eifersucht auf Herse zu entfachen. Pallas [1] Der Neid beneidet Ρ um ihre Schönheit (2,1516-1692). Diese befiehlt Cadmus, die [P Athene, röm. Minerva, Tochter des Iuppiter, Göttin des Krieges, der Klugheit und der Künste] Zähne des getöteten Drachen zu pflanzen, woraus ihm ein neues Volk erwachsen werde, W : Göttin (Al, A2, A3, A4, A5, A6, A7, und prophezeit ihm, er werde sich selbst in B l , B3, B4, B5, B6, E l , E2, E3), Göttin der einen Drachen verwandeln (3,249). Sie hat Weisheit und der Künste (A4), Göttin der das Haar der in ihrem Tempel von Neptunus Sarazenen (B2, B6, B8), Fee (A4), Jungfrau vergewaltigten Medusa einst in Schlangen ver(Al, A5, E2) wandelt, rät Perseus, Medusa nur durch ein G: Schwester des Perseus (A2), Mutter des Glas zu betrachten und sie auf diese Weise Jorant (B7) zu töten (4,1516-1545). [2] Perseus opfert R: Königin (A6), vrouwe (Epitheton) (Al, Ρ nach der Rettung Andromedas (4,1416), A4, A5, C l , C2, E l , Ε4) sie steht ihrem Bruder auch im Kampf gegen Nf.: Minerva (A4, E2) Phineus bei (5,82); begegnet auf dem Helikon den Musen, Urania berichtet ihr vom SanI. geswettstreit mit den Pieriden (5,413-472; Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'·. Der 5,505-520; 5,605). Ρ ist eine der wenigen, die Cupidos Macht widerstehen (5,699); erscheint als Sinon getarnte Ulixes behauptet gegender Arachne in Gestalt einer alten Frau, forüber Priamus, dass die Griechen von Troja dert sie vergeblich auf, ihre Provokation, sie abgezogen seien, weil die Stadtgöttin Ρ eine könne besser weben als P, zurückzunehmen, Eroberung verhindert habe. Um deren Zorn gibt sich zu erkennen, lässt sich auf einen über ihre Taten, besonders über die ZerstöWebewettstreit mit ihr ein, zerreißt wütend rung des Standbildes der Göttin zu besänfArachnes Teppich, weil sie ihn nicht besser tigen, habe man das hölzerne Pferd als Sühhätte weben können, und verwandelt sie mit negeschenk verfertigt (1085; 1101; Aeneas einem Zauberkraut in eine Spinne (6,1-310); berichtet Dido von der Eroberung Trojas). Venus übergibt Aeneas eine Streitfahne, die verwandelt den Mann [Perdix], den Daedalus aus Neid über seine Kunstfertigkeit von einer Ρ einst im Wettstreit mit Arachne gewebt Mauer stürzt, in das heute noch flugscheue hat. Aus Gram über P's Kunstfertigkeit verRebhuhn (8,482). P's Standbild in Troja, das wandelte sich Arachne damals in eine Spinne die Uneinnehmbarkeit der Stadt garantiert, (5804; [1] 5818). ist von Ulixes geraubt worden (13,447; Ar[1] Die Version des Arachnemythos folgt dem .Roman gument des Ulixes im Streit um die Waffen d'Eneas' (4523ff.), wo allerdings Pallas die Fahne der Arachne aus Neid zerreißt und sie in eine Spinne verwandelt. Die des Achilles).
Pallas [1] die mythologischen Zusammenhänge wohl nicht mehr durchschaut. [2] Bei Ovid betrachtet Perseus Medusa im Spiegelbild des blanken Schildes, zu dem veränderten Motiv in Al vgl. auch den Medusa-Mythos beim Marner; -* Medusa (I. Cl).
A3 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Iason leistet Medea bei P, Iuppiter, Iuno und Venus den Eheeid (969). P, Iuno und Venus treten Paris an einer Quelle gegenüber, er soll der Schönsten den goldenen Apfel geben. Paris glaubt, drei Sonnen zu sehen. Ρ verspricht ihm Kunstfertigkeit und Klugheit und entzieht ihm wie Iuno nach seiner Entscheidung für Venus ihre Huld (2195; 2208; Bericht des Paris). Paris wird in P's Tempel beigesetzt (14127). Dieser wurde vom Gründer Trojas, Ilus, errichtet. Ρ sandte den Trojanern das Palladium, das seither verehrt wird. Das Standbild wird auf Antenors Initiative heimlich an die Griechen übergeben (15616; 15632). Ρ nimmt daraufhin das Opfer der Trojaner nicht an (15755; 15771). Chryses und Menelaus bieten ihnen das hölzerne Pferd als Sühnegeschenk für das vermeintlich verlorene Palladium. Die Trojaner nehmen es freudig an und reißen die Mauern nieder, um es in die Stadt zu führen (15942-16080). Bei der folgenden Eroberung Trojas flieht Cassandra in den Tempel der Ρ und klagt der Göttin ihre Not (16243). Ρ und Apollo werden Cassandra zufolge für die Frevel der Griechen bei der Einnahme Trojas Rache üben (16796). A4 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg'·. Ρ ist zum Fest des Iuppiter anlässlich der Hochzeit von Peleus und Thetis geladen und erscheint mit einer Menge von Büchern, die ihre Klugheit bezeugen sollen (1038; Katalog). P, Iuno und Venus, die drei hervorragendsten Göttinnen des Festes, geraten in Streit darüber, wer den für die Schönste bestimmten Apfel der Discordia erhalten soll. Ρ preist die Weisheit, verweist auf ihre Herrschaft über die Quelle der Sieben Künste und verspricht Paris, ihn entsprechend zu begaben. Als Paris für Venus entscheidet, nennt sie ihn einen Tölpel (1198-4310; RV: 21164; 21912). Ρ hat auf der Insel Skyros einen Tempel, wo ihr Opfer dargebracht werden (14556-14624; 15140).
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Ihr zu Ehren wird ein Fest veranstaltet, in dessen Verlauf der als Jungfrau verkleidete Achilles von Ulixes entlarvt wird (28056). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung: RV auf das Fest des Iuppiter und das Parisurteil (41767-41801). Die Griechen versprechen den Trojanern für die Rückgabe Helenas die Errichtung eines hölzernen Pferdes zu Ehren der Ρ (46197). Als Göttin der Stadt und des Landes hat sie einen Tempel in Troja. In ihm befindet sich das Palladium, ein Standbild, das der Gründer Trojas, Ilus, gestiftet, aber nicht vollendet hat. Es garantiert den Bestand der Stadt (47159; 47210; Bericht des Antenor an die Griechen). [1] Antenor erbittet es von der P-Priesterin Theano unter dem Vorwand, die Griechen wollen es der Göttin zu Ehren fertigstellen (47592; 47602; [2] RV 49763). Mit dem Raub des Palladiums [47716] sieht Helenus den Untergang Trojas besiegelt. Griechen und Trojaner versammeln sich im P-Tempel zu einem vermeintlichen großen Sühneopfer (47852; 47874). Vor ihrer vorgetäuschten Abfahrt übergeben die Griechen den Trojanern das hölzerne Pferd als Sühnegeschenk an Ρ (48004-48021). Bei der Eroberung Trojas flieht Cassandra in den P-Tempel, wo sie von Aiax Oiliades gefangen genommen wird (48323; 48451). [ 1 ] Der Text ist an dieser Stelle äußerst unklar: Ilus erhält das Orakel, Troja werde fallen, wenn ein hölzernes Pferd in den P-Tempel gebracht werde. Er lässt daraufhin das Palladium (oder das Pferd oder den Tempel?) errichten, aber nicht vollenden. 47471 wird das Palladium explizit mit dem hölzernen Pferd identifiziert, das (wenn geraubt und vollendet zurückerstattet?) der Stadt den Untergang bringen werde. Auch gegenüber Theano spricht Antenor von der Vollendung des Palladiums, beim Bau des Trojanischen Pferdes ist vom Palladium keine Rede mehr. Die Widersprüche resultieren offensichtlich aus einem Missverständnis der entsprechenden Stellen bei Dictys. [2] Da ab 46197 konsequent die Nf. Minerva verwendet wird, deutet die Angabe, das Palladium sei einst der Göttin Ρ geweiht gewesen, daraufhin, dass Ρ und Minerva als zwei verschiedene Gestalten aufgefasst sind.
A5, Göttweiger Trojanerkrieg': Die Göttin Terius [-* Discordid\ befiehlt Paris, den goldenen Apfel, um den ihn P, Iuno und Venus bitten werden, Venus zu geben (1938; 1944). Die drei Jungfrauen treten Paris an einer Quelle
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Pallas [1]
gegenüber. Ρ ist schön und liebreizend, hat große Augen, bittet als erste um den Apfel und verspricht Paris Ritterruhm und 500 Männer samt Ausrüstung. Paris lehnt ab (2012; 2035). Ρ und Iuno gönnen [!] Venus den Sieg im Schönheitsstreit [2176] und begaben Paris trotzdem, Ρ verleiht ihm Kampfkraft (19278; RV durch Polyxena). P, Vulcanus und Thetis hätten Aiax die Waffen des Achilles versprochen, behauptet dieser im Streit mit Ulixes (19609). Ρ wird von einer Jungfrau angeklagt, weil sie ihr nicht geholfen habe (20027).
A6 Ulrich von Etzenbach, Alexander': The-
ben wurde einst von Cadmus gegründet, Ρ gab der Stadt den Namen (3822). Als Iocasta in Oedipus ihren Sohn erkennt, beschuldigt sie Ρ der Unbeständigkeit: Sie versage ihre Hilfe gerade jenen, die ihr treu dienen (3092; Exkurs zur Geschichte Thebens). Die Thebaner tragen im Kampf gegen Alexander ein Bildnis der Göttin Ρ im Banner, „P" ist auch ihr Schlachtruf (3542; 3564). P, Iuno und Venus sind zur Hochzeit von Peleus und Thetis geladen. Sie geraten in Streit, wer den für die Schönste bestimmten Apfel der Discordia erhalten soll. Ρ verspricht dem zum Richter bestellten Paris Weisheit. Als dieser fur Venus entscheidet, beschließen Ρ und Iuno die Zerstörung Trojas (4889; 4907; Exkurs zur Geschichte Trojas). Ulixes hat aus dem Tempel in Rom [!] das Banner der Ρ gestohlen, ist deshalb von Aiax angeklagt worden und hat sich auf Achilles, seinen Vorgesetzten, berufen (18455; Exemplum in der Verteidigungsrede des Philotas). [1] Alexander bringt Ρ im Tempel von Bractan ein Opfer dar (17997).
deshalb von ihnen mit Klugheit, Reichtum und Liebe begabt worden sei (4196). Apollonius bedankt sich und beteuert, Ρ und den anderen Göttern immer treu gedient zu haben (4258; Katalog).
B1 Hartmann von Aue, ,Erec' 8203: Der Saal („palas") der Burg Brandigan wäre auch für die Göttin Ρ prächtig genug, wenn sie auf Erden residieren würde.
B2 Rudolf von Ems, ,Derguote
Gerhart'2557:
Der heidnische Graf Stranmur befiehlt Gerhard beim Abschied dem Schutz seiner Götter an. Ρ und Iuno mögen ihn glücklich werden lassen (Katalog).
B3 Konrad Fleck,,Flore und Blanscheflur': Auf dem kostbaren Pokal, mit dem byzantinische Händler Blanscheflur von Flores Eltern kaufen, ist das Parisurteil abgebildet. P, Iuno und Venus bitten Paris um den goldenen Apfel. Ρ verspricht ihm Klugheit, er entscheidet aber für Venus. Es folgen Darstellungen der Entführung Helenas und der Belagerung und Zerstörung Trojas (1591; 1602).
B4 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crone'8288:
Amurfina, Gaweins Geliebte, ist schöner als die weise P, die reiche Iuno und als Venus, die beim Urteil des Paris den Sieg davon trug, weil sie sich nackt zeigte. Wäre Amurfina bei dem Urteil dabeigewesen, sie hätte den Glanz aller drei Göttinnen erlöschen lassen und den goldenen Apfel erhalten.
B5 Konrad von Würzburg, ,Der Welt Lohn' 74: Frau Welt ist von vorne noch viel schöner als Venus, Ρ und all die anderen Göttinnen, die einst für die Liebe zuständig waren. Hinten ist ihr Körper aber halb verwest und wurmzerfressen.
B6 Albrecht, Jüngerer
Titurel' 5357,3: Im
[1] Die Stelle reflektiert den Raub des Palladiums und den folgenden Streit um das Standbild zwischen Aiax und Ulixes. Die gravierenden Veränderungen (Lokalisierung in Rom, Aiax beschuldigt Ulixes des Raubes) resultieren aus einem (auf falsche Glossierungen zurückgehenden?) Missverständnis der Anspielung in Walters von Chätillon .Alexandreis' VHI,229ff.
Gebet zu P, Venus und Dido [!] gestehen die heidnischen Damen Alberose und Barbidele ihre Liebe zu Parzivals Bruder Feirefiz und geloben bei der Ehre der Göttinnen ihre Treue.
A7 Heinrich von Neustadt, »Apollonius': Die
B7 Konrad von Stoffeln, , Gauriel' 4382,17:
Göttinnen P, Venus und Iuno senden Albedacus zu Apollonius und lassen ihm mitteilen, dass er unter einem guten Stern geboren und
Pallas ist die Mutter des von Gauriel besiegten Jorant. Sie hat einen Burgsaal erbauen lassen, dessen Wandfresken die Zerstörung Trojas
Pallas [1] abbilden. Die Burg selbst wurde von Iuno für Mercurius errichtet. B8,Reinfried von Braunschweig' 16408: Nach der Niederlage gegen die Christen im Heiligen Land betet der Anführer der Sarazenen zu seinen Göttern, darunter auch P, und beklagt sich, dass sie ihm trotz seiner Dienste nicht geholfen haben (Katalog). C1 Anonymus, CB 155a,3: Die besungene Geliebte ist schöner als Dido, Helena, Ρ und Hecuba (Katalog). C2 Der Tannhäuser, Leich IV,8: Ρ half mit ihrer Klugheit Medea bei allen ihren Taten. [1] [1] Wie alle anderen Anspielungen im Text ist auch diese knapp und dunkel. Die IV, 12 genannte Palatrica, die den Frauen die Kinder raubt, könnte vielleicht die „Bellatrix Minerva" (die männermordende Kriegsgöttin) meinen.
C 3 Rudolf von Rotenburg, 3.Leich, KLD III.59: Der Sänger versichert, seine Geliebte sei ebenso schön wie die weithin berühmte Ρ und die Jungfrau Lavinia. C4 Frauenlob, Lied 2, XIV. 10,5: Der Sänger würde den Apfel des Paris Ρ oder Iuno geben und sich so fur das Leid rächen, das ihm die Minne zugefügt hat. E l Rudolf von Ems, ,Barlaam': Für die Griechen ist Ρ Ursprung und Gipfel der Weisheit. Wer wahrhaftige Weisheit erlangen will, muss sich ihr unterordnen (9787). Aus christlicher Sicht war Ρ hingegen eine edle Dame, die nach Kunstfertigkeit und Klugheit strebte und den Menschen gute Lehren und Ratschläge erteilte. Deshalb wurde sie von den einfältigen Leuten Göttin der Weisheit genannt (10291; Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden). E2 Rudolf von Ems, ,Weltchronik': Ρ ist eine der Göttinnen, an die die Griechen in ihrer heidnischen Verblendung unter Einfluss des Teufels geglaubt haben (3233; 3236; Götterkatalog). [1] An einem See („Lacu Tritonide") zeigte sich eine Jungfrau, die im Lande Minerva genannt wurde. Nach Aussage weiser Leute handelt es sich um die Landesgöttin Ρ (8694; 8695). [1] Minerva (3236) und Pallas (3233) sind in dem Katalog als zwei unterschiedliche Gestalten aufgefasst.
E3 Jans Enikel,, Weltchronik': P, Iuno und Ve-
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nus streiten bei einem Fest in Troja um den von Discordia fur die Schönste bestimmten Apfel. Ρ verspricht dem zum Richter bestimmten Paris Klugheit. Als er für Venus entscheidet, sind sie und Iuno enttäuscht (13793-13947). E4,Die Erlösung' 6510·. Beim Jüngsten Gericht haben der Prophezeiung der Sibylla zufolge alle bösen Menschen die Hölle zu erwarten, so auch Ρ (Katalog von Verdammten). [1] [ 1 ] Der Katalog nennt ohne weitere Differenzierung antike Götter (u.a. Iuppiter und Apollo), Helden der Trojasage (Achilles, Paris, Aeneas, Ulixes) und historische Gestalten (Alexander, Nero).
II. 1) Parisurteil; 2) Palladium und weitere Motive des P-Mythos; 3) Deutungen
1) Ρ Athene ist nicht zu den zentralen Göttergestalten in der ma. Mythenrezeption zu rechnen. Die dennoch verhältnismäßig zahlreichen Belege in der mhd. Literatur erklären sich v.a. aus ihrer Rolle beim Parisurteil, das im höfischen Liebesdiskurs eines der beliebtesten mythologischen Motive abgibt. Explizit rezipiert wird es in A3, A4, A5, A6, B3, B4, C4 und E3. Einen eigenen Typus repräsentiert dabei die revocatio des Urteilsspruchs in B4 und C4. Sie lässt sich bis in Ovids ,Heroides' (16,137ff.; Brief des Paris an Helena) zurückverfolgen und ist in der mhd. Literatur zuerst bei Heinrich von Morungen belegt. [1] Die revocatio ist dort wie in B4 rhetorische Pointe im Frauenpreis. In C4 entwickelt sie eine ironische Variante zum lyrischen Topos der Liebesklage und der Lossagung des Sängers von der Minne. In Zusammenhang mit dem Parisurteil sind auch die P-Nennungen in Schönheitsvergleich (C3) und Schönheitsüberbietung (B5, C l ) zu sehen (die Romanheldin oder die besungene Minnedame ist so schön wie oder schöner als P). Häufiger als Ρ (und Iuno) werden im Rahmen dieses Topos allerdings Venus oder Helena genannt. Das revidierte Parisurteil in B4 kann als amplificatio dieses Topos gefasst werden. In den Belegen der Antikeromane sind die Grundmotive trotz zum Teil unterschiedlicher
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Pallas [1]
Quellen weitgehend übereinstimmend wiedergegeben: Der Streit der Göttinnen wird durch den Apfel der Discordia ausgelöst, Paris wird zum Richter bestellt, alle drei Göttinnen machen ihm die bekannten Bestechungsangebote (P Weisheit). Als Paris für Venus entscheidet, zieht er sich den Zorn von Ρ und Iuno zu, das Parisurteil ist Ursache des Trojanischen Krieges. Hervorzuheben sind die Erweiterungen und Veränderungen in A4 und A5. Durch das Motiv der mitgefiihrten Bücher und durch den Hinweis auf die Herrschaft über die Quelle der Sieben Künste wird Ρ in A4 zur Allegorie der Septem Artes Liberales stilisiert (möglicherweise in bewusster Anlehnung an die personifizierte Philologie bei Martianus Capella). In A5 wird der Mythos gravierend umgedeutet: Paris entscheidet auf Rat der Discordia für Venus, Ρ und Iuno fügen sich bereitwillig seinem Entschluss. Die Adaptionen resultieren aus der Idealisierung der Parisgestalt: Er verkörpert den idealen höfischen Ritter und leistet der unverheirateten (!) Helena Ritterdienste im Stile der Helden des Artusromans. [2] An Quellen lassen sich festmachen: derTrojabericht des Dares für A3 (vermittelt durch Benoit de Sainte-Maure), Ovids ,Heroides' für A4, ,Excidium Troie' für A5, B4 und eventuell E3, Walters von Chätillon Alexandreis' (mit Glossen) für A6. Die Bekanntheit des Parisurteils unterstreichen schließlich die Reflexe bei der Begnadung des Apollonius durch P, Iuno und Venus in A7. Auf diese Weise wird er als neuer und besserer Paris gezeichnet. In B3 ist das Parisurteil Teil eines Bilderzyklus mit Sujets aus derTrojasage. Diese spezifische Form der Anspielung im „Bildzitat" entwickelt in der höfischen Literatur eine eigene Tradition. [3] 2) Das zweite zentrale Motiv aus dem P-Mythos ist der Raub des Palladiums, den die Trojaromane A3 und A4 referieren und auf den in A2 und A6 angespielt wird. Das Standbild der Göttin in Troja ist nach antiker Sage von Ilus, dem Gründer Trojas, gestiftet worden und garantiert die Uneinnehmbarkeit der Stadt.
A3 gibt die Version des fingierten Trojatagebuchs des Dictys Cretensis wieder (vermittelt durch den ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure). Die Fortsetzung von A4 folgt Dictys direkt (mit einigen Unstimmigkeiten). Auf den Raub des Palladiums durch Ulixes wird in A2 nach Ovids,Metamorphosen' verwiesen, die stark abweichende Anspielung in A6 basiert auf der ,Alexandreis' Walters von Chätillon. Mehrfach belegt sind sonst nur noch der We-
bewettstreit zwischen Ρ undArachne in A1 und A2 (A2 direkt, A l über den ,Roman d'Eneas' nach Ovids,Metamorphosen') und Pals Stadtgöttin Thebens in A2 und A6. Die übrigen Daten in A2 stellen ein aus Ovids Metamorphosen' stammendes mythographisches Spezialwissen dar, das dem ma. Publikum wohl nicht unmittelbar verständlich war. 3) Der breiten Rezeption des Parisurteils entsprechend, wird insbesondere P's Schönheit betont (A2, A3, A4, A5, B3, B4, B5, C I , C3 und E3). A5 spricht in diesem Zusammenhang von P's großen oder grauen Augen, möglicherweise ein über mehrere Zwischenstufen vermittelter Reflex des homerischen Epithetons von der „helläugigen" („glaukopis") Athene. Auf ihre Klugheit verweisen explizit die Nennungen in C2, El und E3, Göttin der Weisheit wird Ρ in A4 und El genannt. In El ist eine euhemeristische Deutung angeschlossen, Ρ sei eine sehr gelehrte Dame gewesen, die aufgrund ihres hohen Verstands „Göttin" genannt wurde. Die Polemik bezieht sich aufgrund der positiven Eigenschaften der Gestalt nicht wie bei anderen Göttern auf Ρ selbst, sondern auf die Menschen, die sie zur Göttin stilisiert haben. Aus der christlich-heilsgeschichtlichen Perspektive einer Weltchronik erklärt sich die Kritik am gr. Götterglauben in E2. Der Hinweis auf P's Epiphanie am „lacus Tritonides" bezieht sich auf die Angaben in der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1116d). [4] Im Hintergrund steht das mythologische Motiv von P's Geburt an der Quelle Tritons (mit unterschiedlicher Lokalisierung), aus der sich auch ihr Beiname
Pallas [2] — Pallas [3] „Tritogeneia" oder „Tritonia" erklären soll. [5] Die historische Deutung der mythologischen Daten ist für die ma. Chronistik typisch. Dass Zusammenhang und Sinn der Ausführungen bei Petrus Comestor von E2 noch durchschaut wurden, ist zu bezweifeln. Weiten Kreisen des Publikums waren sie sicher nicht verständlich. Euhemeristisch als Sterbliche ist Ρ weiters in B7 aufgefasst. In ihrer Radikalität einzigartig ist die Polemik in E4. Jungfräulichkeit als fester Wesenszug der antiken Göttin wird nicht breit erinnert (A2, A5, E2), vielmehr erscheint Ρ in Β 5 und B6 geradezu als Liebesgöttin aufgefasst, auch hierzu wird das Parisurteil beigetragen haben. (In B7 ist sie gar Mutter.) In B6 ist sie außerdem nicht antike Heidengöttin, sondern Göttin der Sarazenen, so auch in B2 und B8. Im Hintergrund steht die christliche Vorstellung, die Muslime würden Vielgötterei betreiben. [6] Zu den muslimischen Göttern werden zunächst v.a. Apollo und Iuppiter gerechnet, das Paradigma wird in späteren Texten um weitere antike Götter erweitert (bes. B2 und B8). Der umgekehrte Vorgang liegt in A7 vor, wo neben Ρ und anderen antiken Göttern auch Mahmet im antiken mediterranen Raum als Gott verehrt wird. In der Klage Iocastas in A6 zeigt Ρ schließlich Züge der Glücksgöttin Fortuna (Vorwurf der Unbeständigkeit). Für sich steht der Beleg in Bl. Dass ausgerechnet die Nennung von Ρ die prachtvolle Anlage eines Burgsaals beglaubigen soll, lässt sich als Ad-hoc-Etymologie erklären („palas - das mhd. Wort für den Burgsaal — kommt von P"). Deutlicher noch scheint dies in B7 der Fall (möglicherweise in Abhängigkeit von Bl), wo Ρ als Erbauerin eines „palas" gedacht ist. Das Motiv von den Trojafresken des Saales erinnert an den Bilderschmuck des Iunotempels in Karthago aus Vergils ,Aeneis' (I,456ff.; zum Bildsujet vgl. B3). [1] Hierzu Kern, Edle Tropfen, 109ff.; -» Venus (II.2B). [2] Vgl. Kern, Agamemnon weint, passim. [3] Hierzu Kern, Edle Tropfen, 307ff.
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[4] „Tunc etiam apud lacum Triconidem virgo apparuit, quam Graeci Minervam dixerunt: haec plures artes adinvenit, maxime lanificium. Eadem dicta est Pallas, a Pallane insula Thraciae in qua nutrita est, vel a Pallantc gigante, quem interfecit." („Damals erschien am triconischen See eine Jungfrau, die die Griechen Minerva nannten: Sie erfand zahlreiche Künste, v.a. die Erzeugung von Wolle. Dieselbe wird auch Pallas genannt, nach der thrakischen Insel, auf der sie aufgezogen wurde, oder nach dem Giganten Pallas, den sie tötete.") Das Motiv von der Epiphanie bezieht sich auf die Erklärung des Beinamens der Ρ „Tritonia" bei Isidor, .Etymologien' VIII.11,74 (analog Myth. Vat. 1.124): Dort heißt es, sie sei am See Triton in Afrika geboren worden, weswegen sie den entsprechenden Beinamen trage. Im Anschluss auch die beiden Etymologien zum Namen „P". Spekulationen zum Triton-See und dessen Lokalisierung in Afrika finden sich schon in der Antike, s.v. Triton [2.] (M. Le Glay), in: DKP, Bd. 5, Sp. 969f. [5] Einige Varianten sind aufgelistet s.v. Athena, in: Lücke, Antike Mythologie, 165-202, hier 167. [6] -» Apollo (II.l) und -» Iuppiter (II.4). Nachbenennung Heinrich von Neustadt, Apollonius'·. P, eine syrische Königstochter, wird von dem verbrecherischen Fürsten Glorant 15 Jahre lang in ihrer Burg belagert, er will sie schänden. Apollonius und die Ritter seiner Tafelrunde retten sie (19199-19530). [mk]
Pallas [2] [Athener, Vater von Clytus und Butes; M M 7,500]
Al Albrecht von Halberstadt,Metamorphosen'·. Ρ hat vor Montalbane sein Leben verloren [ 1 ] (7,864), seine Söhne Clytus und Butes fahren mit Cephalus nach Aegina, um Unterstützung für Athen gegen Minos zu erhalten (7,1152; Minos' Kampf gegen Athen). [1] Vom Tod P's vor Montalbane ist bei Ovid natürlich keine Rede. Al setzt den mythischen athenischen König vielmehr mit dem Sohn des Euander gleich (-» Pallas [3]), den das Publikum aus dem Eneasroman kannte, und fugt einen entsprechenden Verweis hinzu. [mk]
Pallas [3] [Sohn des Euander, Aeneis VIII,51]
G: Sohn des Euander (Al, El) I.
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'·. Ρ ist der junge, edle und tapfere Sohn von König
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Pan — Pandarus [1]
Euander. Er empfängt Aeneas, der seinen Vater um Unterstützung gegen Turnus bitten will. Aeneas wohnt seiner Schwertleite bei (60816289). Euander entsendet Ρ an der Spitze eines Heeres zur Unterstützung des Aeneas. Er bewährt sich im Kampf gegen Turnus, wird aber schließlich von diesem im Zweikampf getötet. Turnus raubt ihm den Ring, den ihm Aeneas geschenkt hat (7292-7743). Aeneas beklagt ihn und lässt den Leichnam und die von ihm erbeuteten Pferde und Schilde in seine Heimat überführen. Dort wird Ρ von seinen Eltern betrauert (7749-8179) und in einem kunstvollen, fiiir seinen Vater bestimmten Grabmal bestattet. Über dem Sarg hängt eine Lampe, deren Licht erst erlischt, wenn Kaiser Friedrich I. das Grab dereinst wieder entdeckt (8271-8409). Als Aeneas Turnus besiegt, will er ihn zunächst schonen. Als er jedoch Ρ's Ring an Turnus' Finger entdeckt, tötet er ihn, um den Freund zu rächen (12575-12604).
El Rudolf von Ems,, Weltchronik'26409'. Der
edle Ρ wird im Kampf um Italien von Turnus getötet und von Aeneas an diesem gerächt. II. Vergils jugendlicher Held Ρ ist im ma. Eneasroman als junger Ritter gefasst. A l übernimmt die entscheidenden Mediävalisierungen (v.a. bei der Schwertleite) aus dem afrz. ,Roman d'Eneas'. Auch der Waffengurt, den Turnus dem toten Ρ bei Vergil abnimmt, ist schon in der frz. Vorlage zum Ring umgedeutet. Die Entdeckung des P-Grabes durch Friedrich Barbarossa ist hingegen eine Zutat von A l . Sie hat Parallelen in der lat. Chronistik, wo sie Heinrich II. oder III. zugeschrieben wird. Ob sich A l direkt auf eine der noch fassbaren Versionen in der Chronistik oder auf andere, vielleicht auch mündliche Quellen bezieht, ist unsicher. [1] Mit Ρ begegnet im höfischen Roman erstmals der Typus des tragisch früh fallenden jungen Ritters. Er gibt das Vorbild für die Zeichnung analoger Gestalten in späteren Texten ab (etwa für Schionatulander in Wolframs von
Eschenbach ,Parzival' und ,Titurel' sowie für Vivianz in Wolframs ,Willehalm'). Auf A l beziehen sich wohl auch die P-Nennung und der gesamte Aeneas-Exkurs in E l . Jedenfalls erklärt die Bekanntheit des Stoffes beim höfischen Publikum die relative Ausführlichkeit der Passage (die meisten anderen profangeschichtlichen Exkurse erschöpfen sich, dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, in katalogartigen Aufzählungen von Herrscherhäusern). [1] Kartschoke (Hg.), 800f., zu 226,13ff. [mk/sks]
Pan [Sohn des Hermes und einer Nymphe, Gott des Weidelandes, Schutzgott der Hirten und Jäger; M M 1,699; 11,147]
Al Albrecht von
Halberstadt,Metamorphosen'
(Pann)·. P, der Gott der Ziegen und Zwerge, verliebte sich einst in die Nymphe Syrinx und verfolgte sie, bis sie sich am Fluss Ladon in Schilf verwandelte. Als P's Atem im Schaft des Schilfrohres Töne erzeugte, war das Flötenspiel erfunden. Auf diese Weise fand P's Liebe ihren Lohn (1,1405-1433; Erzählung des Mercurius an Argus; Aition für das Flötenspiel). Ρ behauptet den Waldjungfrauen gegenüber, er sei Apollo im Musizieren überlegen. Es kommt zum Wettstreit der beiden. P's bäurisches Lied gefällt dem zufällig anwesenden Midas besser, der zum Richter bestellte (personifizierte) Berg Tmolus entscheidet aber für Apollo (11,266287; Midas). [1] [1] Die Schilderung von Syrinx' Verwandlung und von der Entdeckung des Flötenspiels folgt Ovid ( M M 1,699), ebenso der Wettstreit zwischen Ρ und Apollo ( M M 11,147). [mk]
Pandarus [1] [Bundesgenosse der Trojaner aus Zeleia; Dares 22,15, Dictys 47,7, Benoit 6667]
R: König von Celia (A2), Verbündeter der Trojaner (Al, A2, B l ) aus Sizilien (A2) Nf.: Pandalus (A2), Pandarus (Al, Bl), Pander (A2), Pyndarus ( A l )
Pandarus [2] — Pandion
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von Montalbane gegen Turnus (7100-7226; Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Ρ Kampf um Italien). [1] Al folgt dem .Roman d'Eneas'. Bei Vergil (9,741ff) fällt kommt mit Amphius und Adrastus den TroΡ im Zweikampf gegen Turnus. janern aus Sizilien zu Hilfe (3979; Katalog) Nachbenennung und fuhrt in der Schlacht gegen die landenden At his und Prophilias'C/9 (Pandaron): Der kühne Ρ beteiligt sich am Kampf der Römer gegen Bilas (Kämpferkatalog). Griechen eine Schar (4846; Katalog). Ρ und [sks] Agamemnon heben sich gegenseitig aus dem Sattel (6843; 6899). Pandion A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg': [Mythischer attischer König, Vater der Procne und der Der schöne König Ρ ist Verbündeter der Philomela; MM 6,427] Trojaner aus Sizilien (24859; Katalog) und G: Vater der Procne, der Philomela (Al) und fugt den Griechen großen Schaden zu (36674; des Pelops (El) Katalog). R: König (Al) von Athen (El) ,Trojanerkrieg'-Fortsetzung' 43380: König Ρ I.
von Celia fällt in den Kämpfen nach Hectors Tod und wird wie die anderen Gefallenen beklagt (Katalog). B1 ,Μοήζ von Craun 50: Der heldenhafte Ρ und Aeneas kämpften vorTroja an vorderster Front (Prolog; Entstehung des Rittertums vor Troja). II. Ρ ist einer der zahlreichen Bundesgenossen der Trojaner. In der ,Ilias' (5,290) fällt er durch Diomedes, so auch noch im Trojabericht des Dictys Cretensis (51,16). Dares Phrygius und Benoit de Sainte-Maure, dem Al und A2 folgen, berichten nichts von seinem Tode. Die Fortsetzung von A2 folgt direkt Dictys, erwähnt aber nicht explizit, dass Diomedes Ρ getötet habe. Ρ bleibt im ma. Trojaroman insgesamt eine Randfigur. Umso erstaunlicher ist es, dass er in Β1 neben so berühmten Helden wie Hector, Paris und Aeneas genannt wird. Möglicherweise könnte auch Pandarus [2] gemeint sein. [mk]
Pandarus [2] [Trojaner, Gefährte des Aeneas, Bruder des Bitias; Aeneis 9,672; RdE 5496]
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman: Im Gefolge des Aeneas befinden sich die beiden riesenhaften Brüder Ρ und Bitias. Sie fallen bei der Verteidigung des Burgtores
I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': König Ρ vermählt seine Tochter Procne mit Tereus. Als seine zweite Tochter Philomela aufbricht, um ihre Schwester zu besuchen, küsst sie Ρ zum Abschied, worum ihn Tereus, der sie begleitet, beneidet (6,993-1055). Als Ρ vom tragischen Geschick seiner Töchter erfährt, verstirbt er frühzeitig (6,1518). E l Rudolf von Ems, , Weltchronik': Ρ ist einer der Könige von Athen (19932; Katalog) und Vater des Pelops (19778). [1] [ 1 ] Als Vater des Pelops gilt üblicherweise Tantalus.
II. Die Angaben in Al folgen direkt Ovids ,Metamorphosen' (6,427). Das Motiv von Philomelas Kuss, um den Tereus Ρ beneidet, ist eine für Ovids Erzählweise typische ironische Brechung des tragischen Casus. In Al ist der Effekt nicht mehr in dieser Weise zu fassen. El nennt Ρ im Rahmen eines profangeschichtlichen Exkurses zur Heilsgeschichte, der sich, dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, in einer Herrscherliste erschöpft und die mythologischen Daten rein historisch fasst. Die Nennung bezieht sich auf das ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 519), eine der Nebenquellen von E l . [1] [ 1 ] Wie Ekkehard nennt auch Ε1 in unmittelbarem Zusammenhang Eurystheus als König von Mykene und Pannias als König der Assyrer. Der Bezug kann also als sicher gelten. [mk]
Pandrosos — Paphos
464 Pandrosos
[Tochter des Cecrops, Schwester der Aglauros und der Herse; M M 2,559]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Pallas Athene übergibt Ρ und ihren Schwestern Aglauros und Herse einen Schrein mit einem darin eingeschlossenen, ohne Mutter geborenen Kind zur Verwahrung. [1] Aglauros öffnet den Schrein trotz Verbotes der Göttin und erschrickt beim Anblick des neben dem Kind liegenden Drachen (2,1196; 2,1569). [ 1 ] Das Kind im Schrein ist Erechtheus. Schon bei Ovid ist die Anspielung auf den Mythos äußerst knapp und dunkel. Al war sie in ihrem Zusammenhang mit Sicherheit nicht mehr nachvollziehbar. [mk]
Panopeus
Pirithous
Panthus [Trojanischer Fürst, Dares 10,16; Dictys 106,20, Benoit 4090]
G: Sohn (A2) oder Schüler ( A l ) des Euphorbus R: Gefolgsmann des Priamus (A2), Wahrsager (Al), Ratgeber (A2) Nf.: Pant (A2), Pantus (A2) I. Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Als die trojanischen Fürsten beraten, was gegen Hesionas Entführung zu tun sei, kritisiert Ρ Troilus' verächtliche Kritik an den Warnungen des Helenus, und berichtet, dass ihm sein Lehrer Euphorbus vor 50 Jahren aus einem Zauberbuch wahrgesagt habe, dass Paris Unglück über Troja bringen werde. Ρ wird wie Helenus von den Übrigen verspottet (2293; 2305). A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg'·. Bei den Beratungen der trojanischen Fürsten über eine mögliche Reaktion auf die Entführung Hesionas widerspricht der weise und redegewandte Ρ Troilus, der die Prophezeiung des Helenus nicht ernst nehmen und Paris nach Griechenland fahren lassen will, um Helena zu rauben. Er berichtet von seinem hundertjährigen Vater Euphorbus, der ebenfalls den
Untergang Trojas durch Paris vorhergesagt habe. Seine Warnung wird aber missachtet (19227-19331). Ρ warnt neuerlich vor Paris' Reise nach Griechenland (19398). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung 47448: Ρ ist einer der trojanischen Gesandten bei den Friedensverhandlungen mit den Griechen. II. In der ,Ilias' (3,146) ist Ρ einer jener Greise, die am Skäischen Tor den Kämpfen folgen und beim Auftritt Helenas ihr Verständnis dafür bekunden, dass Trojaner und Griechen um eine so schöne Frau kämpfen, dennoch aber das Blut ihrer Söhne geschont wissen wollen. In A l und A2 ist er zum Warner vor dem drohenden Untergang der Stadt geworden. Beide Male berichtet er anlässlich der Beratungen der Trojaner vor der Entführung Helenas von der Unheilsprophetie des Euphorbus, die sich mit jener des Helenus deckt. Al und A2 folgen dem Trojaroman Benoits de Sainte-Maure, der seinerseits in der Tradition des pseudohistorischen Trojaberichts des Dares steht. In Al ist Ρ wie bei Dares (10,16) und Benoit (4090) der Sohn des Euphorbus (bei Homer ist er dessen Vater), A l macht ihn zu seinem Schüler. Der in der Fortsetzung von A2 auftretende Pant ist mit Ρ identisch, die Angabe bezieht sich direkt auf den Trojabericht des Dictys (106,20). [mk/sks]
Paphos [Tochter des Pygmalion; M M 10,297]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Paphus)·. P, der Sohn Pygmalions und Zwillingsbruder des Cinyras, kommt zehn Monate nach der Hochzeit von Pygmalion und dessen von Venus zum Leben erweckter Statue zur Welt, nach ihm wird ein Land Paphos genannt (10,562; 10,564; Lied des Orpheus über Pygmalion). [1] [1] Ρ ist bei Ovid korrekterweise die Tochter des Pygmalion und Mutter des Cinyras ( M M 10,297ff.). Die geänderte Genealogie in A l beruht auf einem Missverständnis des lat. Textes. [mk]
Papirius — Parcae
Papirius [Nach dem röm. Geschlecht der Papirii genannter Knabe einer röm. Anekdote]
El Jans Enikel, , Weltchronik' 23684 (Anthyochus): P, der Sohn eines Senators zur Zeit Domitians, nimmt als Knabe an den Ratsversammlungen teil, wird, als er das Verschwiegenheitsgebot bricht, zum Tod verurteilt und flieht ins Ausland. Nach dem Tod Domitians wird er nach Rom geholt und zum Herrscher ernannt. Er ist friedliebend und kommt Salomo an Weisheit gleich.. [1] [ 1 ] Ε1 verarbeitet die röm. Anekdote vom Knaben Papirius. Sie wird u.a. (nach Plutarch und Gellius) bei Macrobius (.Saturnalia' 1.6,20-25) berichtet: Ρ begleitet seinen Vater in den Senat, wird von seiner Mutter ausgefragt und berichtet ihr eine Lügengeschichte. Der Senat beschließt daraufhin, Knaben nicht mehr zuzulassen, gesteht Papirius aber das weitere Teilnahmerecht an den Sitzungen zu und verleiht ihm fur seine kluge Handlungsweise den Beinamen „Praetextatus". Die Anekdote findet sich auch in manchen lat. und dt. Fassungen der ,Gesta Romanorum' (lat. Hss. ab der Mitte, dt. Hss. ab dem Ende des 13. Jh.). Die direkte Quelle lässt sich nicht verifizieren; Strauch (Hg.), 457, Anm. 5. [mk/sks]
Parcae [Gr. Moirai, die drei Schicksalsgöttinnen, Klotho („Weberin"), Lachesis („Zuteilerin") und Atropos („Unabwendbare")]
W: Göttinnen (Al), Schicksalsgöttinnen (El) R: vrouwe (Epitheton) (Bl, E l ) Nf.: Cloto (Al, B l , El), Lachtasis (El) I. A l Ulrich von Etzenbach, »Alexander'·. Die Göttin Clotho (3737) ist über Alexanders Leben erfreut, Lachesis (3739) lässt es lange dauern, und auch Atropos (3740) wird seine Tage nicht verkürzen, weil sie ihn so gerne leben sieht (Loblied des Thebaners Cleades auf Alexander, der, davon unbeeindruckt, Theben dennoch zerstört). Bei der Eroberung Gazas ist Lachesis (9674) Alexander noch hold, doch hält sie bereits Gift aus dem Phlegeton bereit, und zwar nicht in einem Gefäß, sondern in ihrem Pferdehuf. Damit will sie ihn zehn Jahre
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später verderben (VD auf Alexanders Tod). Wenn Atropos (16369) ihm keine längere Lebenszeit gewähren will, will Darius lieber durch eigene Hand als durch seine Männer, die Verschwörer Bessus und Nabarzanes, sterben (Tod des Darius). Bei Alexanders Vorstoß zum Sonnenpalast sind ihm Lachesis und Clotho (22703) noch gewogen, Atropos (22705) will ihn noch mehr Wunder erschauen lassen. Bl Heinrich von dem Türlin, ,Diu CroneClotho (286) hat Artus den höchsten Ruhm und die höchsten weltlichen Ehren zuerkannt. Lachesis (291) hat seinen Lebensfaden lange gesponnen. Dass Atropos (293) ihn zerriss, war ein großer Schaden für die Welt (Prolog). El Brun von Schöneheck, ,Das Hohelied'·. Der Lehre der Heiden zufolge soll es drei Göttinnen geben, die das Leben des Menschen bestimmen: Clotho (10444), die die Spindel des Lebens in der Hand habe, Lachesis (10447), die den Lebensfaden in ihrer Hoffart zu Tal ziehe, und Atropos (10450), die ihn in ihrer Torheit abbeiße. Der Autor lehnt dieses Gleichnis („bispel") freilich ab und will sich an seinen Schöpfer und Maria halten (Allegorie; Revocatio). [1] [1] Zuvor wird Lachesis allerdings gebeten, den Lebensfaden noch nicht abreißen zu lassen, damit auch das folgende Kapitel des Werks vollendet werden könne (10431; 10435)
II. Die Ρ sind der gelehrten ma. Mythenrezeption gut bekannt. Alle drei dt. Belege beziehen sich auf lat. Quellen. A l folgt den Nennungen in der Alexandreis' Walters von Chätillon unter Einbeziehung von Glossen: So beim Lied des Cleades (1,330 „sorores"), bei der Rede des Darius (VIII,54) und bei der Eroberung Gazas (111,355), wo es heißt, dass Lachesis Alexander noch schone, das Gift, das ihn zu Tode bringen werde, aber schon in einem gläsernen Gefäß bereit stünde. Die Änderungen von A2 könnten auf einer freien Deutung oder auf einem jedenfalls produktiven Missverständnis beruhen: Wenn dezidiert vom Pferdefuß und nicht wie bei Walter von einem Gefäß die Rede ist, in dem die Schicksalsgöttin das Gift aufbewahre, so ist die Par-
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Paris
ζe offensichtlich dämonologisch gefasst. Die letzte Nennung in Al (22703ff.) hat keine Entsprechung im lat. Epos, greift aber auf die anderen Topoi zurück. Die Einfuhrung der Ρ bei Walter von Chätillon erklärt sich im Übrigen aus dessen Anlehnung an die vergilianische Epik. Nach dem Vorbild der Aeneis' bringt er einen umfassenden allegorischen Apparat in die Handlung ein (neben den Ρ treten u.a. noch Fortuna und Victoria auf), den Al weitgehend übernimmt und wie hier fallweise kreativ weiterentwickelt. Die genauen Quellen von B1 und E l sind nicht bekannt, beide Texte beziehen ihr Wissen aber am ehesten aus den Mythographen. [1] Die Bezüge auf das Mythologem sind wiederum mit interessanten, für die volkssprachliche Mythenrezeption durchaus bemerkenswerten rhetorischen und interpretativen Mustern verbunden. Auch in Β1 sind die Ρ Teil eines umfassenden allegorischen Apparats, der für die Beschreibung von Artus' Leben aufgerufen wird (außerdem noch Fortuna und Luna). Die Ausschmückung mag den literarischen Charakter des Werks und den fiktionalen Status seiner Hauptgestalt illustrieren. [2] Auch wenn Clotho und Lachesis verwechselt sind, zeugt der Beleg von der mythologischen Kenntnis des Autors. Sie bewahrt ihn an anderen Stellen freilich nicht vor gravierenden mythographischen Fehlern. [3] In El wendet sich der Autor zunächst mit einer Bitte um Schonung seines Lebens an Lachesis, erklärt dann die Funktion der Parzen und verwirft das Mythologem schließlich als untaugliches, unchristliches Gleichnis. Die rhetorische Strategie folgt dem Muster der revocatio. Der Hinweis auf den Gleichnischarakter reflektiert deutlich die Methode allegorischer Mythendeutung und unterstreicht auch hier die Bildung des Autors. [1] Mehrfache Belege finden sich bei den Mythographi Vaticani, zur mythographischen Tradition auch Chance, Medieval Mythography, passim. [2] Kern, Edle Tropfen, 288ff. [3] V.a. in einem Katalog antiker Unglücksfälle, dazu ebd., 293ff. Vgl. auch -» Eteocles und Polynices (I.B1). [mk]
Paris [Sohn des Priamus und der Hecuba; gibt mit der Entfuhrung Helenas den Anlass zum Trojanischen Krieg]
G: Sohn des Priamus und der Hecuba (A2, A3, A4, A5, E2), Bruder des Hector [u.a.] (Al, A2, A3, A4, A5), Geliebter der Oenone (A4), Geliebter bzw. Gatte Helenas (Al, A2, A3, A4, A5, B3, B5, B6, B8, B9, BIO, B12, B16, C8, D2, D3, E l , E2, E3) R: König (A4, B3, E3), Königssohn (A4, A5), Fürst (A3, A4, A5, C5), Ritter (A4, A5), Held (A5, B l , E2), Dienstmann der Minne/Venus (A4, A5, C4) Etymologie: von lat. „par" (mhd. „geliche") wegen seines Gerechtigkeitssinns in A4 (1624; 1746), ähnlich in A5 (1909) Nf.: Alexander (als Beiname: A l [920], A4 [20665], A4 [Forts.] [45346 u.ö], A5 [23053]), Bariß (E3) I. Al Heinrich von Veldeke,,Eneasroman': Ρ raubte Menelaus die Gattin und brachte damit großes Leid über Troja (6; Einleitung; 920; 11693; Bericht des Aeneas an Dido bzw. Latinus); erregte Iunos Zorn, weil er Venus den goldenen Apfel gab. Diese half ihm bei der Entführung Helenas, die zur Zerstörung Trojas führte (161; 167) und in der Dido die Ursache ihres Unglücks sieht (1397); Ρ fiel ehrenvoll vor Troja, worum ihn der herumirrende Aeneas beneidet (204), und befindet sich unter den gefallenen Trojanern in der Unterwelt (3325; Katalog). A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Ρ und Helena verursachen unter Priamus' Herrschaft den Untergang Troj a s ( l l , 1 3 1 6 ) . P trifft mit Helena in Troja ein, als Hector und Priamus gerade über Aesacus klagen (12,8). Ρ wird von Apollo angestiftet, Achilles zu töten. Der Gott nimmt ihm die Furcht, und so bringt der feige Ρ den kühnsten gr. Helden zu Fall (12,853-868), was laut Hecuba den Trojanern aber auch nicht nützte (13,709). Ρ hätte Ulixes beinahe getötet, als dieser im Auftrag der Griechen Helena zurückforderte (13,310/3; Rede des Ulixes beim Streit um die Waffen des Achilles).
Paris A3 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Ρ ist der schönste Sohn des Priamus (1666-1677; Descriptio: 3201), begegnet an einer Quelle Iuno, Pallas Athene und Venus und soll der Schönsten den goldenen Apfel geben. Iuno verspricht ihm Reichtum, Pallas Klugheit, Venus die schönste Frau Griechenlands. Ρ entscheidet für Venus und schlägt dem trojanischen Fürstenrat die Entführung der Griechin als Vergeltung für die Entführung Hesionas vor. Auf der Fahrt nach Griechenland begegnet er Menelaus, trifft auf Kythera Helena, erkennt in ihr die Versprochene, entführt sie gewaltsam aus dem Venustempel und tröstet sie; die Griechen wollen sich rächen (21642825). Ρ lässt Calchas beim Orakel in Delphi nach den Konsequenzen der Entführung fragen, dieser läuft aufgrund der Unheilsprophetie Apollos zu den Griechen über (35143766). Ρ zeichnet sich in der Schlacht gegen die landenden Griechen aus, er verhindert eine Gefangennahme Hectors durch Achilles und schlägt die Griechen von der Stadtmauer zurück (4591-6162); wird in einer weiteren Schlacht von Menelaus zweimal zu Fall gebracht, von Aeneas gerettet und von Helena getröstet (6256-7229); bildet mit Hector das Rückgrat der trojanischen Verteidigung (7599-7659) und fügt den Griechen große Verluste zu (8985; 9165). Für ihn und Helena wurde im trojanischen Palast eine eigene, mit vier wundersamen Automaten ausgestattete Liebeskammer eingerichtet, in der der verwundete Hector gesund gepflegt wird (9377). Ρ deckt die Flucht der Trojaner vor Achilles, zerreißt aus Trauer über Hectors Tod sein Gewand und wälzt sich in dessen Blut [!], wird von Helena deshalb gerügt und weggeführt (9700-10702); drängt die Griechen zu den Schiffen zurück (10961-12289) und bewährt sich weiterhin im Krieg (12370; 12714); kämpft mit Menelaus, ist über Troilus' Tod und das Schleifen von dessen Leiche durch Achilles entsetzt (12911-13397); wird von Hecuba in ihre Attentatspläne gegen Achilles eingeweiht, überfällt und tötet Achilles und Antilochus im Apollotempel (13453-13730)
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und wird aus Rache dafür von Aiax Telamonius getötet. Beim Anblick seiner Leiche fällt Helena in Ohnmacht, Hecuba, Priamus und Aeneas beklagen P. Die Damen betrauern ihn als den besten Liebenden. Er wird mit einer Krone und einem wertvollen Ring in einem teuren Sarg im Pallastempel beigesetzt (1389114115). Penthesilea kommt den Trojanern zu Hilfe, als sie von Hectors, Deiphobos', Troilus' und P's Tod erfährt (14385). Antenor hält die Lage nach dem Tod der vier für aussichtslos und gibt die Stadt den Griechen preis (15023-15334; 17144). A4 Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg'\ Ρ soll auf Priamus' Befehl wegen Hecubas Fackeltraum gleich nach der Geburt getötet werden. Die damit Beauftragten setzen das Kind aber aus. Ρ wird von einer Hinde genährt, wächst bei einem Hirten auf und verliebt sich in Oenone (673-790); wird zum Fest des Iuppiter gerufen, um den Streit der Göttinnen um den goldenen Apfel der Disco rdia zu entscheiden (1100-1773) und urteilt fur Venus, weil sie ihm Helena als Lohn verspricht. Sie stattet ihn prächtig aus (18523100) und stellt ihn als Königssohn vor. Ρ wird daraufhin sowohl von Iuppiter als auch von Priamus für sich beansprucht. Hector gewinnt ihn für die Trojaner in einem gerichtlichen Zweikampf gegen Peleus (3142-4473). Als Ρ in Troja bei einem Schaukampf mit Hector in Todesgefahr gerät, greift der Hirte, der ihn aufgezogen hat, ein und enthüllt P's wahre Identität (4672-5770). Ρ befindet sich während der ersten ZerstörungTrojas mit Priamus aufKriegszug (13114; 13263); fühlt sich von Venus um seinen „Lohn" gebracht und fährt daher auf Mercurius' Rat nach Griechenland (18757-19304), trifft Helena beim Venustempel von Kythera, erkennt in ihr die Versprochene, verliebt sich in sie und begleitet sie nach Sparta; wird von Menelaus prächtig empfangen, gibt sich als Libyer namens Alexander aus; will Helena aus Rache für die von Telamon geraubte Hesiona entfuhren (1935120749). Als Menelaus auf Kriegszug ist, gesteht Ρ Helena seine Liebe, erzählt ihr von
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Paris
seinem Urteil im Schönheitstreit der Göttinnen und täuscht sie und die Griechen, indem er ein trojanisches Schiff kommen lässt, das dieselben Segel wie Menelaus' Schiff gehisst hat. Er tröstet die Entführte und heiratet sie nach der Ankunft in Troja (20749-23321). Er weigert sich, Helena zurückzugeben, und liefert somit den Grund für die gr. Heerfahrt gegen Troja (23421-23731; RV auf das Parisurteil und die Entführung Helenas: 24776; 25620; 26176;); befiehlt in der ersten Schlacht ein Fünftel des trojanischen Heeres (25071); kämpft in der zweiten Schlacht gegen Menelaus, Castor, Pollux und Achilles; wird gefangen genommen, als ihm das Schwert bricht, und von Hector wieder befreit (30159-30177; 32879-36620); rettet in der dritten Schlacht u.a. Troilus (39259-39910). , Trojanerkrieg-Fortsetzung·. In seiner Bittrede an Achilles um die Freigabe der Leiche Hectors erinnert Priamus an Hecubas Fackeltraum, das Parisurteil und die Entführung Helenas. Ρ flihrt nach Hectors Tod mit Memnon, Troilus und Deiphobus die Trojaner und überredet Penthesilea, in Troja zu bleiben (41732-42913); plant auf Veranlassung Hecubas mit Deiphobus einen Racheanschlag auf Achilles und tötet ihn im Apollotempel (43461-45069); will eine Entscheidung im Kriege herbeiführen, verwundet Aiax Telamonius, wird dann von Philoctetes mit einem Giftpfeil tödlich getroffen und von den Trojanern beklagt (45172-45674). Ps Leiche wird zu Oenone gebracht, die aus Trauer stirbt und gemeinsam mit Ρ bestattet wird (45674-48376). Mit Helenas und Deiphobus' Gefangennahme ist die Rache der Griechen an Ρ vollendet (48376-49024; Resümee: 49418-49754). A5 ,Göttweiger TrojanerkriegParis wird nach der Deutung von Hecubas Fackeltraum durch den Gelehrten Samlon aus Bagdad ein auserwählter Held werden, aber auch den Untergang Trojas verursachen. Hecuba beauftragt deshalb Hylion [-» Ilus] mit der Tötung des Kindes, dieser erbarmt sich aber und setzt es aus ([1-1313]). Ρ wird vom Hirten Ribalin auf-
gefunden, großgezogen und besteht einige Jugendabenteuer ([1368-1713]). Die Göttinnen Eris und Discordia erscheinen ihm, nachdem er seine Urteilsfähigkeit beim Kampf zweier Stiere unter Beweis gestellt hat, klären ihn über seine Herkunft und seinen Namen auf und geben ihm einen goldenen Apfel, den er Venus kniend überreichen soll (1911). Ρ begegnet am folgenden Tag Pallas Athene, Iuno und Venus an einer Quelle. Pallas verspricht ihm Ritterruhm, Iuno Reichtum und Königswürde. Ρ gibt den Apfel Venus, die ihm erst danach [!] Helenas Liebe prophezeit und ihm den Helm Abygor und das Schwert Ziclopes [-> Cyclopes] überreicht, die einst ihrem Vater Avinör [!] gehört haben (2038-2121). Ρ zieht nach Griechenland, bewährt sich in mehreren Kämpfen (2303-2829) und wird am Hof des Kaisers Agamemnon aufgenommen (29163267); zeichnet sich im Krieg gegen Matribulus, einen Freier Helenas, aus und wird von Helena, Agamemnons unverheirateter Tochter, empfangen (3376-3708), die er nach 14 Jahren Dienst gewinnen wird (3697; Erzählerkommentar). Ρ erhält die Schwertleite, führt das Wappen Agamemnons und wählt als sein persönliches Wappen eine Venusfigur (3799-4018); besteht weitere Abenteuer im Dienste Agamemnons und Helenas (41265994); wird von dem in einem Krieg besiegten Gamoret [!] in einen Hinterhalt gelockt, verschleppt, nackt an einen Baum gefesselt, vom Zwerg Marcus befreit und am Kaiserhof festlich empfangen; er und Helena gestehen einander ihre Liebe (6123-7115). Ρ zieht nach Indien, um der von einem Riesen bedrohten Königin Penile zu helfen (73568555); lehnt deren Heiratsantrag ab (85939223) und kehrt aus Sehnsucht nach Helena zurück an den Griechenhof (9255-10063), wo er festlich empfangen wird. Helena klagt ihm ihre Verlobung mit Menelaus (1009810710), Ρ bittet Agamemnon um Entlassung, um nach seinem Bruder Hector zu suchen, begegnet ihm und kämpft mit ihm. Als Hectors Schwert bricht, wirft Ρ seines weg, die Brüder erkennen einander und zie-
Paris hen gemeinsam nach Troja (10763-11069). Ρ zeigt sich gegenüber Hecuba und Priamus wegen der Aussetzung unversöhnlich und zieht mit Hector zurück nach Griechenland (11085-11859). Nach weiteren Abenteuern im Dienste Agamemnons (11871-12307) trifft Ρ ein zweites Mal auf Hector, berichtet ihm nun von der Verlobung Helenas mit Menelaus und droht mit Selbstmord. Hector schlägt Ρ die Entführung Helenas vor, sie reiten neuerlich nach Troja (13173-13206), ziehen mit einem Heer nach Griechenland und entführen Helena am Tag der Hochzeit. Ρ und Helena werden in Troja festlich empfangen und verheiratet (13363-13823). Nach der Landung der Griechen vor Troja riskieren Ρ und Hector einen ersten erfolgreichen Ausfall (14048-14272; 14591). Ρ besiegt in Zweikämpfen Onopel und Atrides (16857-17850). Die folgende desaströse Schlacht überleben nur Ρ und Hector (18099-18133). Ρ wird danach im Zweikampf gegen Ascalaphus verwundet (18260-18664), ist über Hectors Tod im Zweikampf gegen Achilles außer sich, wird von Polyxena zur Rache aufgefordert (19171-19301), stellt Achilles, besiegt ihn und schleudert sein Haupt über die Mauer in die Stadt (19322-19397); durchschaut weder Aeneas' ersten (19475-19548) noch dessen zweiten [!] Verrat (22717-22777), [1] ist über den Einfall der Griechen entsetzt, leistet 13 Tage Widerstand und wird schließlich beim Turm Ilion von einem herabfallenden Stein getötet (22945-23245; Gebet des Dichters für P; Resümee: 25132). Segramans, der Helena ein zweites Mal und endgültig entführt [!], meint, Ρ sei ihrer nicht würdig gewesen (24518). [1] Verrat und Untergang Trojas werden in zwei Versionen berichtet, dazu Kern, Agamemnon weint, 158ff.
B1 Pfaffe Lamprecht, Alexanderlied' VI334: Die hervorragenden Kämpfer P, Hector, Achilles und Nestor, von denen das Trojalied berichtet, können sich mit Alexander nicht messen (Katalog). [1] [1] In der Fassung S (1843) wird statt Paris Aiax genannt. Der Hinweis auf der Troiäre liede kann sich aus chronologischen Gründen weder auf Al noch aufA3 beziehen. Wenn
469
ihn bereits die frz. Vorlage kannte, kommt auch Benoits .Roman deTroie' nicht in Frage. Vielleicht ist Vergils tAeneis' oder die ,Ilias latina' gemeint.
B2 ,Moriz von Craün' 20: Ρ und seine Brüder Hector, Helenus, Deiphobus und Troilus verteidigten Troja viele Jahre erfolgreich gegen die Griechen, denen sie große Verluste zufügten (Prolog; Ursprung des Rittertums beim Kampf um Troja). B3 Konrad Fleck,,Flore und Blanscheflur': Auf einem von Vulcanus verfertigten und einst in Caesars Besitz befindlichen Goldpokal ist das Parisurteil abgebildet: Iuno, Pallas Athene und Venus bitten Ρ um den goldenen Apfel; Iuno verspricht Reichtum, Pallas Weisheit, Venus die Königin Helena. Ρ gibt Venus den Apfel. Ferner abgebildet sind die Entführung Helenas, der Trojanische Krieg und die Tötung Achills durch Ρ (1593-1631). Der Anblick des auf dem Pokal in enger Umarmung abgebildeten Liebespaares Ρ und Helena löst bei Flore Liebesqualen um Blanscheflur aus (3963). B4 ,.Prosa-Lancelot' III.479,10: Ρ hatte eine Frau aus Griechenland entführt, weswegen Hector und Achilles, die besten Kämpfer in alter Zeit, und hunderttausende andere fallen mussten (an Ginover gerichtetes Exemplum Bohorts, sie möge ihren Hass gegen Lancelot aufgeben, um Unheil zu vermeiden). [1] [1] Als weitere Beispiele für Liebessklaven werden David, Salomon, Samson und Tristan genannt.
B5 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crone': Ρ entschied beim Streit zwischen Iuno, Pallas Athene und Venus für Venus, weil sie sich ihm nackt zeigte und ihm ein Versprechen gab. Wäre Gaweins Geliebte Amurfina bei dem Urteil dabeigewesen, hätte ein gerechter Richter ihr den goldenen Apfel zuerkennen müssen (8291). Die Entführung Helenas durch Ρ ist auf einem Wandteppich dargestellt, den Artus von Königin Lenomie aus Alexandria als Geschenk erhält (526); die Tat wurde von den Griechen sehr beklagt und war der Grund dafür, dass man Troja in Brand steckte (11550; Katalog großer Klageanlässe, die von der Klage des Artushofes über Ginovers Entführung überboten werden).
470
Paris
B6 Der Pleier,,Meieranz 589: Ρ und Helena sind auf der Bettdecke Tydomies als Liebespaar dargestellt (ferner sind die Eroberung Trojas und die Flucht des Aeneas abgebildet).
B7 Konrad von Stoffeln, ,Gauriel'
4382,12:
Ρ fiel wie Achilles, Hector und viele andere wegen der schönen Helena beim Kampf um Troja, der auf einem Gemälde in einem von Pallas Athene erbauten Burgsaal dargestellt ist.
B8 Wernher der Gartenaere,,Helmbrecht'
46:
Ρ raubte dem Griechenkönig die Gattin und verschuldete so die Eroberung Trojas, die auf Helmbrechts Haube abgebildet ist.
B9 Ulrich von Etzenbach, Alexander': Auf einer an einer Pappel bei Troja angebrachten Inschrift liest Alexander von der Liebe zwischen Ρ und Oenone. Später habe er sie Helenas wegen verlassen und den Trojanischen Krieg verursacht. Er wurde zum Richter im Streit zwischen Iuno, Pallas Athene und Venus um den goldenen Apfel der Discordia bestellt, ließ sich bestechen und gab den Apfel der Venus, die ihm Minne versprochen hatte. Iuno und Pallas planten deshalb die Zerstörung Trojas (4874, 4905; Alexander in Troja; Exkurs zur Geschichte Trojas). BIO ,Reinfried von Braunschweig': P, Hector und Achilles kämpften vor Troja. Reinfried kann sich in seiner Tapferkeit durchaus mit ihnen vergleichen (20166). Yrkane wünscht, sie könnte ihrem Gatten Reinfried einen ebenso schönen Liebesbrief schreiben wie u.a. Helena dem Ρ (24555). [1] [ 1 ] Die Stelle bezieht sich auf Ovids,Heroides', als Verfasserinnen vorbildlicher Liebesbriefe werden weiters Penelope, Dido, Briseis, Phyllis und Medea genannt.
Bll
Heinrich
von Neustadt,
,Apollonius':
Apollonius und seine Gefährten erwerben bei einem Turnier im goldenen Land Crista mehr Ruhm als P, Hector und Achilles (12498). [1] [1] Die Brüste von Lucina, Apollonius' Gattin, werden 1631 mit „Parisäpfeln" verglichen. Gemeint sind wohl Paradiesäpfel (vgl. D3).
Β12 ,.Friedrich von Schwaben' (4830): Ρ wird in einem Katalog von Königen und Fürsten genannt, die ihrer Geliebten wegen gro-
ßes Leid ertragen mußten. Was Friedrich Angeiburgs wegen durchmachte, übertrifft freilich alles. B13 ,Dukus Horant'F45.1,4: Ρ tötete Helenas Gatten Menelaus.
Β14 ,Der Frauen Turnei' GA I, XVII, 104: Weder Ρ noch Hector erwarben je so großen Ruhm, wie ihn jene Dame ernten wird, die beim Frauenturnier den Sieg davonträgt. B15 ,Die Heidin' GA I, XVIII,416: Weder Ρ noch Hector erhielten je so großen Lohn, wie ihn der Ritter Alpharius gewänne, ließe ihn seine Minneherrin gewähren. Β16 ,Der Weinschwelg' 328: Ρ wurde wegen Helena erschlagen. Seine Dummheit ist bedauernswert, denn hätte er nicht sie, sondern den Wein geliebt, hätte ihm niemand etwas getan. Dasselbe gilt für Dido, Pyramus und Thisbe.
C1 Heinrich von Morungen, MF XVIII.5,4: Derjenige, der Ascholoie (Deckname für die Geliebte des Sängers) lieben darf, muss ein Ρ von Troja sein; müsste Ρ unter den Schönsten, die heute leben, wählen, würde er Ascholoie den Apfel zuerkennen.
C2 Tannhäuser, Leich IV,23: Ρ und Menelaus mussten sterben, weil Venus ein Apfel zuerkannt wurde. [1] [1] Die dunkle und knappe Anspielung ist typisch für das Spiel des Textes mit literarischen Motiven (vgl. Kern, Edle Tropfen, 256ff.).
C3 Tannhäuser, VIII.2,17und 1X3,47:? gab Venus um der Liebe willen einen Apfel, den der Sänger seiner Minneherrin verschaffen müsste, um erhört zu werden (Adynaton; Katalog unlösbarer Aufgaben).
C4 Der wilde Alexander, KLD VII, 138: Ρ brachte aus Griechenland die Melodie („dön"), der alle künftigen Diener der Liebe folgen müssen. Diese Melodie war bei der Eroberung Trojas durch die Griechen nichts als Wehklagen.
C5 Konrad von Würzburg, leich 2,63ff: Dass Ρ im Trojanischen Krieg fiel und Troja niedergebrannt wurde, war das Werk der Discordia und belegt die verderbenbringenden Folgen der gegenwärtigen Weltherrschaft des Mars.
Paris
C6 Frauenlob, ,Minne und Welt' IV. 14,11: Ρ musste erfahren, dass Liebe mit Leid verbunden ist (Vorwurf der Frau Welt an Frau Minne). C7 Frauenlob XVI. 10,2: Ρ hat der Minne den Apfel zuerkannt. Der Sänger würde ihn Pallas Athene oder Iuno geben und sich so an der Minne für das Leid rächen, das sie ihm aufgebürdet hat.
C8 Anonymus, HMS III, p.442,
XLI.7,9:
Helena war dem Paris hold, ebenso will es die Dame ihrem Ritter sein (Frauenstrophe).
D l Hugo von Trimberg,,Der Renner' 15870: P, Helena und Priamus können bezeugen, dass die 10jährige Belagerung und der Untergang Trojas durch die Griechen von einer Ehebrecherin, von Hoffart und Unrechter Minne verursacht wurden (Katalog). [1] [ 1 ] Der Katalog nennt weiters Hector, Menelaus, Achilles, Patroclus, Diomedes, Ulixes und Aeneas.
D2 Johann
von Konstanz, ,Minnelehre': Ρ
entführte Helena nach Troja, wie es ihm Venus versprochen hatte, als er ihr den Apfel gab. Der dadurch ausgelöste Trojanische Krieg ist auf dem Triumphwagen der Minne abgebildet (746). Hätte Ρ die Minnedame des Erzählers gekannt, hätte er ihr den Apfel geben müssen (95). D 3 .Minneburg·. Ρ und Helena erlebten nie solches Glück, wie es herrscht, als das Minnekind auf Burg Freudenberg die Gegenliebe gebiert (3169; Katalog). [1] Als weitere Liebespaare werden Lanzelet und Yblis (aus dem .Lanzelet' Ulrichs von Zazikhoven) und Wigalois und Laria (aus dem,Wigalois' Wirnts von Grafenberg) genannt. 1 9 6 5 heißt es, die Schönheit der umworbenen D a m e sei wie ein Parisapfel erblüht. Gemeint ist wohl der Paradiesapfel. 3 4 0 8 , 4 4 7 7 wird fur einen Rot-Ton der Begriff „paris varb" verwendet.
E l Reinbot von Dume,,Der heilige Georg'4600: Damit Georg die von ihm zum Christentum bekehrte Alexandrina nicht ebenso wie Ρ Helena mit Zauberkunst entführe, will sie ihr heidnischer Gatte Dacian bis zu ihrer Hinrichtung streng bewachen lassen.
E2 Jans Enikel, , Weltchronik': Aufgrund von Hecubas Fackeltraum [13515] lässt Priamus Ρ durch eine alte Frau entführen und zu dem
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Jäger Dardanus bringen. Das Kind wird von einer Hinde gesäugt, Dardanus gibt ihm den Namen „P", lehrt ihn schnell zu laufen und den Umgang mit Waffen (13666) und bringt den 18-jährigen an den Hof des Priamus, wo Ρ Hector im Kampf verwundet. Dardanus enthüllt Ρ's Identität, Ρ wird als Sohn und Bruder herzlich aufgenommen (13680-13774). Als Pallas Athene, Iuno und Venus bei einem Fest in Troja streiten, wer die Schönste sei, und den Apfel der Discordia bekommen solle, wird Ρ zum Richter bestellt. Pallas verspricht ihm Weisheit, Iuno Macht und Reichtum, Venus die schönste Frau. Ρ hält die Liebe für das Wichtigste und entscheidet für Venus (13803-13933). Er begibt sich an den Hof des Menelaus und wird dessen Dienstmann. Unter Venus' Einwirken entbrennt Helena in Liebe zu ihm, die Göttin arrangiert ein heimliches Treffen. Die um ihre Ehre besorgte Helena warnt Menelaus vor P, der des Landes verwiesen wird, flieht aber schließlich, von der Liebe besiegt, gemeinsam mit ihm nach Troja, wo die beiden von Priamus und Hecuba festlich empfangen werden (14020-14406). Menelaus rüstet, um Rache an Ρ zu nehmen, zu einem Kriegszug gegen Troja, der neun Jahre und einen Tag dauert (14412/7). Helena rechtfertigt ihre Flucht gegenüber Menelaus mit dem Wirken der Venus. Lieber würde sie Menelaus tot sehen, als Ρ zu verlassen (15943-16229). Im Kampf nach dem Tod Hectors wird Ρ verwundet, zieht sich auf Helenas Drängen hin in die Stadt zurück und wird verarztet. Ρ schwört, Hector zu rächen, lauert Achilles vor dem Tempel auf, in dem dieser täglich betet, und tötet ihn (16311-16523). Als die Griechen in die Stadt eindringen, wehren sich Ρ und Priamus verzweifelt. Ρ tötet Menelaus, der zuvor Priamus erschlagen hat, und fällt schließlich selbst (16568; 16820-16875). E3 ,Baseler Bruchstück': Ρ und Hector leben als Könige in Troja. Ρ erfährt von Helena, der schönsten Frau Griechenlands, begibt sich zu ihr, während Menelaus sich auf Kriegszug befindet, verliebt sich in sie, täuscht sie, indem
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Paris
er auf seinem Schiff Menelaus' Flagge hissen lässt, und entführt sie (1-53); bringt die gr. Belagerer mit Hector bei Tag und Nacht in Bedrängnis (67), tötet Chiron im Zweikampf und erschlägt den unverwundbaren Achilles mit einer Keule, worüber Helena sich freut (209-258); er fällt bei der Eroberung Trojas nach heldenhaftem Kampf durch einen Speer (297). E4,Die Erlösung 6512: Wie es die Prophetin Sibylla vorhergesagt hat, haben böse Menschen wie Ρ beim Jüngsten Gericht die Hölle zu erwarten (Katalog). [1] [1] Der Katalog reiht unter die Verdammten antike Götter wie Iuppiter und Apollo, historische Gestalten wie Alexander und Nero und antike Helden wie P, Achilles, Hector, Hercules und Ulixes, die ansonsten durchaus positiv bewertet werden.
II. 1) Ρ im MA; 2) Ρ im mhd. Antikeroman; 2A) Quellen; 2B) Einzelne Motive; 3) Anspielungen
1) Die Trojasage ist der verbreitetste antike mythologische Stoff im MA. Ihre Bedeutung erklärt sich zunächst aus der geschichtsphilosophischen Vorstellung der translatio imperii [ 1 ], der Übertragung röm. Herrschaft auf die Franken, dient dann im HochMA als „Ursprungssage" des Rittertums (vgl. B2) und als Beispiel fiirdie fatale und zerstörerische, in Roman und Lyrik aber unbestritten autoritative Macht der Liebe. Entsprechender Stellenwert kommt der P-Figur zu. In den spätantiken pseudohistorischen Trojaberichten von Dares und Dictys, auf denen der ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure und A3 als dessen Ubersetzung (A4 in zentralen Punkten nur mehr stofflich) beruhen, ist Paris in erster Linie Verursacher des Krieges und wichtiger trojanischer Heerführer. Abseits dieser eher historiographisch orientierten Trojaliteratur (neben Dares und Dictys sind noch die ,Ilias latina', die ,Ilias' des Simon Aurea Capra und mit Abstrichen das ,Excidium Troie' zu nennen) kennt die mlat. Literatur etwa mit den Trojaliedern in den ,Carmina burana' (CB 98-102) eine Tradition, die den Akzent deutlicher auf das Thema des von der Liebe
zwischen Ρ und Helena verursachten allgemeinen Leids legt und es an konkreten Gestalten wie Hecuba oder Dido exemplifiziert. Zahlreiche Anspielungen in der mlat. erotischen Lyrik [2] dokumentieren den Rang von Sujet und Gestalt auch im Zusammenhang mit dem mlat. Liebesdiskurs. Der P-Mythos bildet auf diese Weise einen interliterarischen Focus, auf den sich die volkssprachliche, insbesondere die höfische Literatur des HochMA ebenso wie die lat. bezieht. Anspielungen finden sich in der prov. und afrz. Literatur, [3] und auch in der mhd. Literatur zählt Ρ zu den bekanntesten Gestalten des antiken Heroenmythos. 2) Eine übereinstimmende „Biographie" P's kennen die mhd. Antikeromanen nicht, da sie keine einheitliche Erzählintention aufweisen und ihnen zum Teil unterschiedliche Quellen zugrunde liegen. [4] 2A) In A l wird die Trojasage als Vorgeschichte knapp erinnert (über den ,Roman d'Eneas' mittelbar nach Vergils ,Aeneis'), die versprengten Angaben in A2 folgen direkt Ovids ,Metamorphosen'. Beide Kurzberichte beschränken sich auf das Parisurteil (nur A l ) , die Entführung Helenas als Grund für den Trojanischen Krieg (Al, A2), die Tötung des Achilles (nur A2 ausführlich) und P's Tod (nur A l ) . Sie basieren auf der klassischen epischen Tradition, wohingegen A3, A4, A5, E2 und E3, also die eigentlichen mhd. Trojatexte, der pseudohistoriographischen Trojaliteratur verpflichtet sind. A3 folgt (mit Kürzungen) Benoit (und damit Dares), der auch die Grundlage von A4 abgibt, allerdings mit breiter Ausgestaltung und unter Einbeziehung einer Reihe von (antiken und ma.) Nebenquellen. Einen Sonderfall stellt A5 mit seinem wesentlich veränderten Handlungsgang dar. Die erkennbaren antiken Motive verweisen auf Dares, ,Excidium Troie' und Ovids ,Metamorphosen'. Schwierig ist auch die Beurteilung der Quellenlage für E2: Parallelen zeigen sich insbesondere zu A4, sie ließen sich aus gemeinsamen Quellen (,Excidium Troie') oder aus einer Abhängigkeit von
Paris A4 erklären. [5] In der Gestaltung des Stoffs geht E2 ähnlich frei wie A5 vor und zeigt eine für eine Chronik überraschend starke Tendenz zum schwankhaften Erzählen. Der auf die wesentlichen Peripetien (Entführung Helenas, Tod des Hector, Tod des Achilles, Untergang Trojas) reduzierte, äußerst geraffte Bericht von E3 greift auf A4 und A5 zurück. [6] Insgesamt lassen sich zwischen A3, A4, A5, E2 und E3 vielfach Motivgemeinschaften feststellen. Auf Abhängigkeiten der Texte untereinander kann daraus aber nicht a priori geschlossen werden. 2B) Zu den Motiven im Einzelnen: A4, A5 und E2 beginnen die Handlung im Unterschied zur Dares-Dictys-Tradition und zu A3 mit P's Aussetzungwegen Hecubas Fackeltraum und seiner Jugend und Erziehung bei einem Hirten. Quelle ist vermutlich das ,Excidium Troie'. Die bereits durch dieses Motiv indizierte neue biographische Ausrichtung in A4 und A5 weist klar auf die Verankerung beider späteren Texte in der nunmehr verfestigten Tradition des höfischen Romans. Der historiographische Aspekt tritt damit zugunsten einer zunehmenden Literarisierung des Stoffs (ritterliche Bewährung, Minnethematik) zurück. Analoges gilt für die schwankhaften Elemente in E2. P's Jugendgeschichte ist in A4 (wie auch in E2) allerdings rein retardierendes Element (P kehrt nach dem Parisurteil zurück nach Troja), in A5 aber handlungskonstitutiv (Zug nach Griechenland, dort Ritterdienst für Agamemnon bzw. Helena). Von der Hochzeit von Thetis und Peleus und dem Apfel der Discordia als Vorgeschichte des Parisurteils erzählen A4 und E2 (vgl. auch B9). Ρ entscheidet in A3, A4 und E2 für Venus, weil sie ihm Helena verspricht, in A5, weil es ihm von Discordia aufgetragen ist. Die Entjiihrung Helenas entspricht in A3 und in A4 (in E2 und E3 in groben Zügen) der Dares-Benoit-Tradition (Rache für Hesiona, Begegnung auf Kythera, Abwesenheit des Menelaus in Sparta), wobei A4 die Liebeshandlung zwischen Ρ und Helena nach Ovids ,Heroides' (16., 17.) breit entfaltet. [7] Auffällige Abweichungen vom tra-
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ditionellen Handlungsgang zeigt A5 (Helena ist mit Menelaus nur verlobt, Ρ erwirbt sich durch seine Dienste ein Anrecht auf sie). Der Text verlässt mit P's Aventiuren am Griechenhof den Boden der antiken Stofftradition zur Gänze und orientiert sich an entsprechenden Handlungsmustern des höfischen Romans, v.a. des Artusromans. [8] Mit der Schilderung des Kriegsgeschehens treten in allen Texten das Minnethema und damit auch Ρ und Helena als Akteure in den Hintergrund. Protagonist ist nunmehr Hector, aus dessen Schatten Ρ seit Homers ,Ilias' nicht heraustreten kann. (Dies gilt auch für A5, wo der Anteil der Brüder an den Kämpfen noch am ausgeglichensten ist.) Eine zentrale, wenngleich durchaus problematische Rolle spielt Ρ bei der Tötung des Achilles. Sie ist in A3 (nach Benoit) bzw. in der Fortsetzung von A4 (nach Dictys) ein von Hecuba geplantes Komplott und folgenreiches Sakrileg: Achilles wird unter dem Vorwand einer Verehelichung mit Polyxena in den Apollotempel gelockt und von Ρ aus dem Hinterhalt überfallen. Es handelt sich um eine spätantike Weiterentwicklung und Rationalisierung des klassischen epischen Motivs vom Pfeil des Paris, den Apollo in Achilles' Ferse lenkt (ein Reflex davon in A2 nach Ovids ,Metamorphosen'). In A5 und (A5 folgend) in E3 fordert Paris Achilles zum offenen Zweikampf. E2 bietet eine Mischversion, deren Quelle nicht mit Sicherheit bestimmt werden kann. Ρ selbst fällt vor dem Einfall der Griechen in Troja durch Aiax Telamonius in A3 (nach Benoit), durch Philoctetes in der Fortsetzung von A4 (nach Dictys), beim Einfall der Griechen in A5 (durch einen herabfallenden Stein), E2 und E3 (durch einen Speer). Insgesamt zeigen die Antikeromane eine zunehmende Tendenz zur Entlastung P's, die in einem grundsätzlichen Zusammenhang mit der trojafreundlichen Perspektive des MA steht, in A4 und A5 aber v.a. im Lichte der Gattungsentwicklung des höfischen Romans zu sehen ist und also einen wesentlichen literarhistorischen Prozess (hin zu komple-
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Paris
xen narrativen Konstruktionen mit umfassender literarischer Orientierung, besonders in A4) widerspiegelt. Problematisiert wird in A3 und in der Fortsetzung von A4 v.a. die hinterhältige Tötung des Achilles. Dezidiert als feige wird Ρ nur in A2 bezeichnet (nach Ovid, .Metamorphosen' 12,609), ansonsten gilt er - wenngleich traditionell im Schatten Hectors — als einer der wichtigsten trojanischen Kämpfer, wie auch die Nennungen im Tapferkeitsvergleich zeigen. 3) Das grundsätzlich positive, wenngleich nicht friktionsfreie P-Bild findet sich auch in den Anspielungen wieder. Ihre hohe Zahl bestätigt die zentrale Stellung derTrojasage im ma. Geschichtswissen (vgl. v.a. die Exkurse in B2, B3 und B9). Die meisten Nennungen zielen freilich auf den höfischen Liebesdiskurs. Helena und Ρ repräsentieren in diesem Kon-
text das problematische Liebespaar schlechthin,
sie sind Auslöser einer „globalen" Minnetragödie, die auch die Schuldfrage aufwirft (im Gegensatz etwa zu Pyramus und Thisbe). Ρ ist der prototypische Liebende, Minnesklave und Experte für Frauenschönheit. Dies wird wiederum an den Zentralmotiven des P-Mythos exemplifiziert: am Parisurteil (B3, B5,
Cl, C2, C3, C7), an der Entführung Helenas (B3, El) als Ursache des Trojanischen Krieges
(B4, B5, B7, B8, B9, B16, C2, D2). Eigentliche Schuld am Untergang Trojas trägt Ρ dabei nur in B8 und B9. In B7, B13 und B16 wird sie Helena gegeben, in B4, B5, C2, D2 erfolgt keine direkte Schuldzuweisung. Häufig sind auch die Nennungen P's im Rahmen
von Tapferkeitsvergleichen (Bl, B2, B3, B7,
BIO, Bl 1, B14, B15, C4, C5). [9] Im Einzelnen repräsentiert Ρ gemeinsam mit
Helena das exemplarische Liebespaar (B3, B6,
BIO, C8, D3; ohne Wertung), im Zusammenhang mit dem Liebe-Leid-Gedanken den „Minnemärtyrer", der der Minne wegen den Tod riskiert, im Sinne eines neutralen Arguments für die Macht der Liebe (B12, C4, D2); im Sinne didaktischer Minnepolemik hingegen den Minnesklaven, also den von der Minne Verführten (B4, B9) oder Betrogenen
(C6, in gewisser Weise C2) bzw. den Frauensklaven, der einer Frau wegen den Tod findet (B7, schwankhaft: Β16). Bemerkenswert ist C5, wo P's Tod im Rahmen einer Allegorie (Venus und Amor sollen die Welt von Mars befreien) die verderbenbringenden Folgen der Marsherrschaft belegen soll. Venus ist damit aus ihrer traditionellen Verantwortung für den Trojanischen Krieg entlassen. Auffällig zahlreich sind die Erwähnungen des Parisurteils, das außerhalb des Antikeromans den beliebtesten mythologischen Casus darstellt. Es ist verbunden mit einem Gedankenexperiment, in dem eine Sonderform der Schönheitsüberbietung zu erkennen ist: Ρ müsste nunmehr Ascholoie ( C l ) , Amurfina, der Geliebten Gaweins (B5), oder der Minneherrin des Erzählers (D2) den Apfel zuerkennen. Wenn das lyrische Ich in C7 anders urteilen will als P, so zielt dies auf ironische Minnekritik. In ein Adynaton, das die paradoxe Situation des höfischen Liebenden beleuchten soll, ist die Anspielung in C3 eingebunden: Das lyr. Ich muss seiner Minnedame den Parisapfel bringen, um erhört zu werden; auch hier steht der Topos des Schönheitsvergleiches im Hintergrund. Das in C l , B5 und D2 vorliegende Motiv einer revocatio des Parisurteils erinnert an Ovid, ,Heroides' 16,137f., wo Ρ an Helena schreibt, Venus' Sieg wäre in Zweifel gestanden, wäre Helena beim Urteil dabeigewesen. Es ist durchaus denkbar, dass C l in Rückgriff auf Ovid das Parisurteil als wiederhol- und erneuerbaren Casus der Schönheitskonkurrenz begreift und für die Topik des höfischen Frauenpreises verfügbar macht. Dass sich C3, B5 und D2 auf C l beziehen, ist wahrscheinlich. Die breite Ausgestaltung in Β 5 weist zudem auf eine Kenntnis des ,Excidium Troie' (insbesondere aufgrund des Motivs der nackten Venus). [10]
Die Entführung Helenas dient als Beispiel für einen großen Klageanlass in B5 und als „Ursprungsmythos" für den Klageruf des Minnekranken in C4 (weil sie den Anlass für die Eroberung Trojas gab).
Parmenides Ein beliebtes Motiv der höfischen Literatur sind Abbildungen der Trojasage in Form von Gravuren, Webereien oder Gemälden. Im Rahmen solcher Bildzitate wird Ρ genannt bei der Descriptio eines ursprünglich in Caesars Besitz befindlichen Pokals (B3), eines kostbaren Wandteppichs (B5), einer aufwendig gewirkten Bettdecke (B6), eines Wandgemäldes in einem Burgsaal (B7) und der Haube Helmbrechts (B8). Exempelfunktion haben dabei die Belege in B3 (P und Helena als Vorbild für Flore und Blanscheflur; Flore will Blanscheflur entführen) und in B8 (P's Hybris verweist auf jene Helmbrechts). Ansonsten steht die repräsentative Funktion der Gegenstände im Vordergrund, die Bildzitate dokumentieren aber auch den hohen literarischen Stellenwert der Trojasage und die literarischen Interessen der fiktionalen, zumal der arthurischen Gesellschaft (vgl. B5, B6, B7) wie des höfischen Publikums selbst. Das Textmuster weist wie die revocatio des Parisurteils auf einen Prozess der Traditionsbildung innerhalb der höfischen Literatur, hier mit starker Verbindung zur frz. Literatur (eine frz. Quelle liegt B3 zugrunde, die anderen Belege lassen sich zurückführen auf die Abbildung der Aeneassage auf dem Sattel Enites im ,Erec' Chretiens de Troyes bzw. Hartmanns von Aue). [11] Mag Ρ auch häufiger der Kritik der Texte ausgesetzt sein als etwa Hector, eine derart krasse Polemik wie in E4, die ihn unter die Verdammten reiht, steht dennoch für sich und ist im Zusammenhang mit geistlicher Weltverachtung und einer rigiden Abwehrhaltung gegenüber der paganen Antike zu sehen, die für die Literatur des HochMA ansonsten untypisch ist (als Gegenbeispiel diene El, wo die Entführung Helenas durch Paris gewissermaßen das exemplarische Muster der freilich „besseren" und heilsbringenden Bekehrung der Heidenkönigin Alexandrina durch den Hl. Georg abgibt). [1] -» Aeneas (II. 1). [2] Vgl. die Belege in den .Carmina burana' (CB 56.3, 77.8/14, 103.1.2b, 111, 142.3).
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[3] Belege bei Birch-Hirschfeld, Stoffe, 6ff.; Bartsch, Albrecht von Halberstadt, CXVf. [4] Eine Übersicht zur Quellenlage fiir A3-A5, E2 und E3 bieten Alfen/Fochler/Lienert, Dt. Trojatexte. [5] So Lienert, Geschichte und Erzählen, 391 f. [6] Zur unterschiedlichen Bewertung vgl. Kern, Agamemnon weint, 193ff. (A5 als Basis mit Korrekturen nach A4) und Lienert, Geschichte und Erzählen, 375ff. (auf der Basis von A4 mit Einfluss von A5). [7] Lienert, Geschichte und Erzählen, 92ff. [8] Vgl. Kern, Agamemnon weint, passim. [9] Zu den Anspielungen im Einzelnen Kern, Edle Tropfen, passim und Lienert, Ritterschaft und Minne, passim. [10] Kern, Edle Tropfen, 154f. Das Motiv der nackten Göttinnen bringt bereits Ovid (.Heroides' 17,116). Zum Parisurteil in der Bildnerischen Tradition vgl. B. Hinz, Venus im Norden, in: Venus. Bilder einer Göttin, 32-49. Die spätma. Ikonographie geht - nach der Darstellung in der .Historia destructionis Trojae' von Guido de Columnis (Ed. Ν. E. Griffin, 1936, 62) - davon aus, dass die drei nackten Göttinnen Paris im Traum erscheinen (so schon bei Dares 9,1; nicht aber bei Benoit 3845ff. und in A3). In den mhd. Belegen fehlt das Traummotiv, auch dort, wo von der Nacktheit (nur der Venus, vgl. B5) die Rede ist. [11] Zu weiteren Belegen -» Aeneas-, zum Zitattypus Kern, Edle Tropfen, 307ff. Nachbenennung Otte, ,Eraciius' (Parides)·. P, der Sohn des Theodoras, und die mit Kaiser Phocas verheiratete Athanais verlieben sich ineinander und arrangieren mit Hilfe Morpheas ein heimliches Liebestreffen. Als Phocas Athanais des Ehebruchs anklagt, ist Ρ bereit, fiir sie zu sterben. Eraclius hindert Phocas daran, die Liebenden verbrennen zu lassen, und rät ihm zur Scheidung. Ρ und Athanais gehen fort und leben glücklich bis an ihr Ende (2997-4532). [1] [ 1 ] Die Episode wird auch in der .Weltchronik' von Jans Enikel (20723; 20905) berichtet, allerdings ohne Nennung von Athanais und Parides. Morphea heißt bei Enikel Romphea. [mk]
Parmenides [Philosoph aus Elea, um 450 v. Chr., Hauptvertreter der so genannten eleatischen Schule, seine Philosophie hat u.a. Piaton beeinflusst]
Dl Thomasin von Zerclaere, ,Der welsche Gast' 6410: Ρ dient als Exempelfigur für Gelehrsamkeit. Heute gebe es keine Gelehrten wie P, Aristoteles, Zeno, Plato, Pythagoras oder Anaxagoras mehr, weil die Pflege und Förderung der Wissenschaften im Argen liege (Katalog antiker Gelehrter; Zeitklage). [1]
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Parmenio
[1] P war wie Anaxagoras dem christlich-lat. MA kaum bekannt. Der singulare mhd. Beleg zeugt vom hohen Bildungshorizont des Autors. Genaueres verrät der Text über Ρ zwar nicht, immerhin fasst er ihn aber richtig als Philosophen. Die Nennung fällt im Rahmen des beliebten didaktischen Topos über den Niedergang der Gelehrsamkeit. Den Typus des exemplarischen Gelehrten verkörpern ansonsten meist prominentere antike Philosophengestalten wie die auch hier genannten Plato und Aristoteles. Die entsprechenden Namenskataloge sind je nach Wissensstand des Autors erweiterbar. [mk]
Parmenio [Sohn des Philotas, Vater Nicanors und Philotas' des Jüngeren, bedeutendster Feldherr Philipps II. und Alexanders, wird der Beteiligung an der Verschwörung gegen Alexander beschuldigt und 330 auf dessen Befehl hin in Ekbatana getötet]
G: Vater des Nicanor (A2, A3), des Hector (A2, A3) und des Philotas (A2, A3) R: Fürst (Al, A2), Adeliger (A3), Statthalter von Medien und Persien (A3) Nf.: Parmenion (A2), Parmenius (A2), Permenio(n) (A3), Perminen (Al), Perminus (Al)
res (5886-5892; 6989-7002), erwirbt großen Ruhm, holt den persischen Staatsschatz aus Damaskus und wird als Statthalter von Syrien eingesetzt (7353; 7925-7981; 8231; 8351; 9767: als Gefährte Alexanders genannt; 10642: genealogische Nennung). Ρ ist beeindruckt, als Darius Alexander die Hand seiner Tochter anbietet, rät zur Freilassung der persischen Frauen und zu einem nächtlichen Überraschungsangriff, was Alexander als unehrenhaft ablehnt (11428-11476; 11815-11932; Vorbereitungen zur 2. Schlacht; als Kämpfergenannt: 12049; 12633-12656). Auf dem weiteren Eroberungszug gegen Persien führt Ρ die halbe Schar der Makedonen (13624; 18617: genealogische Nennung), wird später von Craterus der Mittäterschaft an der Verschwörung gegen Alexander verdächtigt, aufgrund eines Briefes für schuldig befunden und von Cleander getötet, der Alexander Ρ's abgeschlagenes Haupt übersendet (1918119422; 20279-20532; Verschwörung gegen Alexander). P's Länder werden von Alexander besetzt (20690; 20729). [1] Parmenius, der Feind des Philippus, ist in A2 als eigene Figur aufgefasst.
A3 Ulrich von Etzenbach, Alexander': Ρ ermahnt Alexander, sich in seiner Trauer um I. den ermordeten Philipp zu mäßigen (2129), Al P f a f f e Lamprecht, yAlexanderΡ verleumdet mobilisiert Alexanders Truppen (2290; 2295; aus Missgunst Alexanders Arzt Philippus und 2360; Vorbereitungen zum Feldzug gegen Dabehauptet, dass Darius diesem für die Ermor- rius). Er rät zu Friedensverhandlungen mit dung Alexanders die Hand seiner Schwester den besiegten Athenern (2533), überbringt und die Erhebung in den Fürstenrang ver- Alexander die Nachricht von den Tributforsprochen habe. Alexander glaubt Ρ nicht und derungen des Darius (3989-4061), erkundet lässt ihn töten, obwohl sich Philippus für Ρ nach der Landung in Asien die Umgebung einsetzt und ihm zugute hält, dass er Alexan- (4595), führt bei der Eroberung von Tyros der warnen wollte (S2569-2606). die Sturmfahne (5279), besiegt Darius' FeldA2 Rudolf von Ems, »Alexander': Der mäch- herrn Memnon im Zweikampf am Granikos tige und berühmte Fürst Ρ behauptet aus (5621-5714) und zwingt die Bewohner des Hass und Neid auf Alexanders Arzt Phi- brennenden Tharsis zur Aufgabe (6263-6313). lippus, Darius habe diesem für die Ermor- Aus Neid auf die Freundschaft zwischen Aledung des Königs die Hand seiner Tochter xander und dessen Arzt Philippus verleumgeboten. Er wird wegen dieser Verleumdung det Ρ Philippus in einem Brief, dieser wolle auf Alexanders Befehl hin enthauptet (5774- Alexander im Auftrag des Darius vergiften. 5827). [1] Ρ erobert Issos und kämpft tapfer Philippus kann Alexander aber von seiner Unim linken Flügel des makedonischen Hee- schuld überzeugen (6550; 6571). Ρ erobert
Parmenio und verwüstet Issos (6661-6699), führt den linken Flügel des Heeres an (7454; 7460), trägt die Fahne der Griechen (7889) und zeichnet sich im Kampf aus (8042-8140); stellt in Damaskus den persischen Staatsschatz sicher (9002-9128) und rät Alexander zur Annahme von Darius' Friedensangebot (10725-10806). In Anbetracht der persischen Ubermacht bei Arbela rät Ρ zu einem nächtlichen Überraschungsangriff, aber Alexander will nicht wie ein Dieb handeln (12403; 12441). Zu Mittag des Kampftages weckt Ρ Alexander aus tiefem Schlaf (12708), er tötet unzählige Perser und rächt so seinen gefallenen Sohn Nicanor (13911; 14231; 14293). Alexander lässt Darius von Ρ mit einem großen Heer verfolgen (15122; 15202). Bei der Einnahme von Persepolis verliert Ρ viele Männer (15321-15427; 16675). Alexander sendet Ρ einen fingierten Brief des Philotas, um an der Reaktion auf die Nachricht von der Verschwörung gegen ihn P's Haltung zu erkennen: Freut sich Ρ über den Inhalt, sollen ihn die Boten töten. Als Ρ den Brief liest, muss er über die Torheit des Briefschreibers lachen und wird getötet, bevor er den Grund seines Lachens erklären kann (18158-18284). II. 1) Ρ in der Alexandertradition; 2) Zeichnung; 3) P's Tod
1) Der historische Ρ war der wichtigste Feldherr Alexanders. Er hatte schon unter Philipp gedient. Mit der Dauer des Feldzuges kam es zu Spannungen, die schließlich zu P's Hinrichtung führten. Die antike und ma. Alexandertradition weist Ρ einen entsprechenden Platz zu, wobei die Grundzüge des historischen Geschehens beibehalten bleiben. Relativ knapp bemessen ist P's Part in A l , was der Kürze des Textes und seiner Zentrierung auf Alexander entspricht. Die episch breiten Darstellungen von A2 und A3 entfalten hingegen Gestalt und Handlung. Dass sich die beiden Romane dabei mitunter auch in Details treffen (z.B. P's Rat zum nächtlichen Angriff vor Arbela), erklärt sich
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aus der Quellenlage. A2 folgt weitgehend der Alexanderhistorie des Q . Curtius Rufus. Nach diesem ist wiederum die Quelle von A2, die »Alexandreis' Walters von Chätillon, gearbeitet. 2) A3 zeigt Ρ von Beginn an in enger Beraterfunktion für Alexander, in A2 und A3 vollbringt Ρ entscheidende militärische Leistungen (Schlacht bei Issos, Sicherstellung des persischen Staatsschatzes). Im Lauf der Handlung büßt er allerdings seine Vertrauensstellung ein. Alexander lehnt P's Ratschlag zur Annahme des Friedensangebotes des Darius ebenso ab (A2, A3) wie P's Plan eines nächtlichen Überraschungsangriffes auf das Perserheer (A2, A3). Neben P's positiven Charaktereigenschaften wie Klugheit (A2), Tapferkeit (A2, A3) und Kampferfahrung (A2, A3) betonen die Texte auch seine Hochmütigkeit (A2) und seine Neidgefühle (Al, A2, A3). Diese negativen Wesenszüge sind auch die Ursache für die Verleumdung des Philippus, die in A l und A2 mit der Tötung P's endet. In A2 werden dabei allerdings P, der Verleumder des Philippus, und der Feldherr Ρ als zwei verschiedene Gestalten aufgefasst. [1] 3) P's historisch bezeugte Tötung im Zuge des Verschwörerprozesses (330 v. Chr.) bringen A2 und A3. In A2 wird Ρ im Prozess für schuldig befunden und in geheimem Auftrag hingerichtet. In A3 wird er hingegen unschuldig verdächtigt und aufgrund eines Missverständnisses getötet. Das historische Todesurteil gegen Ρ erfolgte wohl nicht zuletzt aus Furcht vor einer möglichen Rache für die Hinrichtung seines Sohnes Philotas und diente gleichzeitig als abschreckendes Beispiel für die konservative makedonische Opposition, die sich zunehmend von Alexanders Vorhaben distanzierte. [2] [ 1 ] Die Aufspaltung findet sich schon in der Nebenquelle von A2, dem Alexanderroman des Leo Archipresbyter. Ρ wird nach der Verleumdung des Philippus (11.84,10) getötet, erst später erscheint der Heerführer (11.95,4). [2] S.v. Parmenion [1.] (G. Wirth), in: DKP, Bd. 4, Sp. 519. [sks/mk]
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Parthenopaeus — Pasiphae
Parthenopaeus [Einer der Sieben gegen Theben]
R: Herzog (A2) Nf.: Parthenopeus (Dl), Parthonopejus (A2), Partonopeus (Al) I. Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman 3315: Ρ ist vor Theben gefallen und befindet sich in der Unterwelt (Unterweltfahrt des Aeneas; Katalog der vor Theben gefallenen Helden). A2 Ulrich von Etzenbach, yAlexander' 3157: Der würdige Ρ zieht mit Polynices und fünf weiteren Fürsten gegen Theben, um dessen Herrschaftsansprüche gegen Eteocles durchzusetzen. Die Sieben werden nach tapferem Kampf erschlagen (Alexanders Zug gegen Theben; Exkurs zur Geschichte Thebens). D l Hugo von Trimberg,,Der Renner' 14179: Ρ fällt so wie Oedipus, Adrastus, Tydeus und viele andere im Kampf um Theben, den der Bruderhass zwischen Eteocles und Polynices ausgelöst hat. Statius berichtet darüber (Exemplum fur verderbenbringenden Hass; Meisterberufung). II. Der thebanische Sagenkreis ist der mhd. Literatur im Unterschied zur lat. und afrz. Literatur kaum bekannt. Der afrz. ,Roman de Thebes' wurde nicht ins Dt. übersetzt. [1] Entsprechend knapp und dem höfischen Publikum wohl nur schwer durchschaubar sind die Bezüge auf die Siebensage in Al, A2 und D1. Relativ ausführlich ist die Darstellung im Thebenexkurs von Al. Es handelt sich um eine mit Hilfe von Glossen gegebene Ausgestaltung der kurzen Anspielung in der »Alexandreis' Walters von Chätillon (1,302). [2] Neben Ρ nennt sie noch die übrigen Sieben: Polynices, Amphiaraus, Tydeus, Hippomedon, Capaneus und Adrastus. Der Katalog in Al folgt jenem im ,Roman d'Eneas' (2671), der die kurze Erwähnung in Vergils Aeneis' (6,479f.) mit Bezug auf den Thebenroman ausführt. D1 zählt neben
Adrastus und Tydeus offenbar auch Oedipus zu den vor Theben Gefallenen. A2 und D l nennen außerdem den Herrschaftsstreit zwischen den Brüdern Eteocles und Polynices als Ursache des Konflikts. Er dient in D1 als Exemplum für die verderbenbringenden Folgen der ira, einer der sieben Todsünden. Der Verweis auf Statius' .Thebais' in D1 unterstreicht deren Bedeutung fur die Bekanntheit des Stoffes im MA. Hugo von Trimberg wird als lat. gebildeter Autor Statius wohl gekannt haben, mehr als ein allgemeiner Quellenverweis ist seine Angabe freilich nicht. [1] -» Oedipus (II.). [2] Vgl. die bei Colker (Hg.) abgedruckten Glossen. Dass A2 den frz. Thebenroman kannte und für seine Angaben benutzte, ist zwar nicht auszuschließen, aber unwahrscheinlich. Die Glossen zur »Alexandreis' sind die weitaus naheliegendere Quelle, dafür spricht auch die Gestaltung der Oedipussage (-» Oedipus, IA1/II.2.). Nachbenennung Konrad von Würzburg, ,Partonopier und Meliur 280 u.ö. (Partonopier)·. Graf Ρ von Angies und Blois, der Protagonist des Romanes, wird Kaiser von Konstantinopel. [1] [1] G. Werner, Studien zu Konrads von Würzburg Partonopier und Meliur, 1977 sieht in Partonopier eine mögliche Ableitung von P. Abgesehen von der ähnlich klingenden Nf. gibt es freilich keine Indizien. [mk/sks]
Pasiphae [Tochter des Helios, Gattin des Minos, ihrer Verbindung mit dem kretischen Stier entstammt der Minotaurus]
G: Gattin des Minos (Al, A2), Mutter des Minotaurus (Al, A2), der Medea [!] (A2) und der Phaedra (A2) R: Königin (A2), Zauberin (A2) Nf.: Basiphe (A2), Bassilippe (A2) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Ρ hat mit einem Stier ein Kind gezeugt, dessen obere Körperhälfte menschlich, dessen untere aber die eines Kalbes ist. Minos lässt es wegen des Geredes über P's Schandtat im Labyrinth verstecken ([8,286]). Als Minos Scylla zurückweist, meint diese, dass Ρ in
Patroclus ihrer Verderbtheit gut zu ihm passe (8,250; Scylla; Minotaurus). P's Wahnsinnstat werde von der geplanten Hochzeit der Iphis mit dem Mädchen Ianthe noch übertroffen (9,1292; Monolog der Iphis; Exemplum für sexuelle Abartigkeit). A2, Göttweiger Trojanerkrieg·. Ρ verhindert mit Zauberlist, dass Minos sie tötet. Während er auswärts Gericht hält, empfängt und gebiert sie den Minotaurus (21557), den sie mehr als alles andere liebt. Medea und Phaedra fürchten deshalb nach seinem Tode ihre Rache und bitten Iason, sie mit nach Troja zu nehmen (22169). Minos macht Ρ fur die Flucht seiner Töchter verantwortlich, stellt sie zur Rede und enthauptet sie, als sie ihm nicht antwortet (22418). II. Der P-Mythos zählt wohl zu den für das christliche MA problematischsten antiken Mythen. Die Gestalt ist der Mythographie durchaus bekannt, [1] wurde aber in den volkssprachlichen Literaturen wie der kretische Mythos um Minos und Theseus insgesamt kaum rezipiert. Erstaunlich ist, dass Ρ in den ausführlichen mythenpolemischen Exkursen der dt. Fassungen der Barlaamlegende von Otto von Freising und Rudolf von Ems nicht erwähnt wird. Beide mhd. Belege stehen in der Tradition Ovids. Die Nennungen in Al folgen direkt den entsprechenden Stellen in den Metamorphosen' (8,154: Einschluss des Minotaurus im Labyrinth [2]; 9,736: Exemplum der Ianthe). Ovids Ironie bei Scyllas Invektive gegen Minos (sie wundere sich nicht, dass Ρ ihm einen Stier vorgezogen habe, da er noch roher sei; MM 8,136) ist wohl mit Rücksicht auf die Kenntnisse des Publikums geglättet. Der Text beschränkt sich generell auf das Referat der mythographischen Fakten und enthält sich einer eigenständigen moralischen Wertung. Anders liegt der Fall in A2, wo die Art der Empfängnis des Minotaurus aus Rücksichtnahme auf die ehrenhaften Frauen beredt verschwiegen wird (A2; 21593ff). Hervor-
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gehoben werden P's Zauberkräfte, sie ist negativ gezeichnet. Dass A2 die mythographischen Daten aus der ovidianischen Tradition bezieht, machen andere Bezüge wahrscheinlich. [3] Gleichwohl zeigt die ganze Passage eine tiefgreifende (bewusste, willkürliche oder auf Unkenntnis beruhende) Umgestaltung, wozu neben der Kreuzung von Theseus- und Iasonsage auch das Motiv der Tötung P's durch Minos zählt. Nicht reflektiert wird in den mhd. Belegen die in der lat. Mythographie geläufige euhemeristische Deutung des Minotaurus-Mythos. Ihr zufolge habe Ρ mit einem Beamten des Minos namens Taurus Ehebruch begangen und zugleich mit Minos ein Kind gezeugt, die Zwillinge seien nach den Vätern Taurus und Minos genannt worden. [4] [ 1 ] Mehrfache Belege finden sich bei den Mythographi Vaticani; weiteres bei Chance, Medieval Mythography, Reg. [2] Zur falschen Beschreibung des Mischwesens Minotaurus (II.). [3] Zum möglichen Einfluss Ovids auf A2 Kern, Agamemnon weint, 176ff. [4] Sie geht auf die .Apista' des Paliphatos ( Palaephatus) zurück. Die Deutung findet sich bei Myth. Vat. III. 11,7; p.231,18ff.; -* Minotaurus (II.). [mk]
Patroclus [Sohn des Menoitios, Freund des Achilles, begleitet ihn nach Troja, wird von Hector im Kampf getötet und von Achilles gerächt]
G: Gatte der Larie (A3), Freund des Achilles (Al, A2, Dl, El) R: Fürst von Thabal (A3), Dienstmann des Achilles (A3) Nf.: Patrokel (A2), Patroklus(s) (A3), Petroclus (A3), Petroculus (A3) I. Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Ρ ist ein tugendhafter und tapferer Kämpfer, neigt allerdings zur Schmähsucht (2993; Descriptio). Er, Achilles, Tiepolemus, Euryalus und Diomedes küren in Sparta Agamemnon zum Oberbefehlshaber des geplanten Rachefeldzugs gegen Troja (2839; Entfuhrung Helenas). Ρ fuhrt 50 Schiffe zum Sammlungspunkt
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Patroclus
der gr. Flotte nach Athen (3401; Katalog) und begleitet Achilles nach Delphi, wo sie nach dem Ausgang des Krieges fragen und auf Calchas treffen. Sie überreden ihn zum Überlaufen und nehmen ihn mit nach Athen (3478; 3544; Kriegsvorbereitungen). In der Landungsschlacht vor Troja führt Ρ eine Schar, wird von Hector getötet, seiner Rüstung beraubt (4861; 4971-4993; RV: 5885), von Achilles beklagt und in einem Marmorsarg mit Inschrift bestattet (6075). Agamemnon sieht in P's Tod einen Beweis für Hectors Gefährlichkeit (6597). Als Achilles während eines Waffenstillstands auf Hector trifft, schwört er, Ρ an ihm zu rächen (8217; 8249). A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg·. Ρ ist zusammen mit Achilles von Chiron erzogen worden (6472; 13498; 13732), nimmt als Verbündeter der Griechen am Trojanischen Krieg teil (23894), empfängt Achilles freudig vor Troja, führt gemeinsam mit ihm die erste Heerschar (29512-29540), fällt im Zweikampf gegen Hector (30521-31092) und wird nach einer Totenfeier bestattet (38750-38933). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung: P's Leichnam ist von den Trojanern geschleift und seine Bestattung zunächst verwehrt worden. Achilles sammelt P's Asche in einer Urne (4054941377; RV). Seine eigene Asche wird später gemeinsam mit jener P's in einem silbernen Sarg verwahrt und in die Heimat gebracht (44115). A3 ,Göttweiger Trojanerkrieg'·. Ρ empfängt Achilles und die Griechen auf seiner Burg Kamor, bewirtet sie und will mit ihnen nach Troja ziehen. Er stellt binnen neun Monaten ein Heer von 100000 Mann, 5000 Rittern und eine Flotte von 112 Schiffen, nimmt schmerzvollen Abschied von seiner Gattin Larie (16525-16795), verfolgt den Zweikampf zwischen Paris und Atrides (17719), führt die Sturmfahne, tötet im Kampf den Fahnenträger der Trojaner (18003-18093), tritt - Achilles' Warnungen zum Trotz - gegen Hector zum Zweikampf an und fällt. Sein Tod stürzt Achilles in unermessliche Trauer (18733-18833).
D l Hugo von Trimberg, ,Der Renner': Ρ und Achilles werden als vorbildliches Freundespaar genannt (6363; Katalog). Die zehnjährige Belagerung und die Zerstörung Troj as durch die Griechen waren das Werk einer Ehebrecherin, von Hoffart und Unrechter Minne. Davon zeugen P, Priamus, Helena, Hector, Paris, Menelaus, Achilles, Diomedes, Ulixes und Aeneas (15872; Exempelkatalog). El Jans Enikel, ,Weltchronik'·. Ρ trägt die Rüstung des Achilles, wird von Hector mit diesem verwechselt und im Kampf getötet. Achilles bestattet Ρ ehrenvoll, errichtet ihm einen Tempel und will ihn an Hector rächen (15722-15923). II.
Der Tod des Ρ ist einer der entscheidenden Wendepunkte im Geschehen der ,Ilias'. Er motiviert Achilleus zum Wiedereintritt in den Kampf und hat Hektors Tod zu Folge. Dieser Handlungsgang war bis in die spätere Antike verbindlich, erfuhr dann aber in den pseudohistorischen Trojaberichten von Dares und Dictys eine gravierende Umdeutung. Ρ fällt nun früh, sein Tod ist zwar weiterhin eine wesentliche Motivation für Achilles' Hass gegen Hector, beides ist handlungstechnisch aber nicht mehr unmittelbar verknüpft. Die geänderte Dramaturgie wird vom Trojaroman Benoits de Sainte-Maure übernommen und an Al und A2 vermittelt. Reste des klassischen epischen Handlungsganges bewahren A3 (auf P's Tod folgt unmittelbar Hectors Tod im Zweikampf gegen Achilles) und v.a. El (Rüstungstausch). Beide Texte beziehen sich vermutlich auf das .Excidium Troie' (cap. 11). Trotz des geänderten Handlungsablaufs in Al und A2 bleiben Achilles und Ρ ein festes Freundespaar. Dies unterstreicht ihre gemeinsame Erziehung durch Chiron in A2 (nach Statius' .Achilleis' I,174ff.) oder das Motiv von ihrer gemeinsamen Beisetzung in der Fortsetzung von A2 nach Dictys (92,22). Letzteres findet sich bereits in Homers ,Ilias' (23,83ff.),
Patron [1] — Pausanias wo P's Schatten Achilles bittet, dieser möge sich dereinst neben ihm bestatten lassen. D1 nennt die beiden gemeinsam mit Aeneas und Achates in einem Katalog vorbildlicher alttestamentarischer und antiker Freundespaare, verbunden mit dem in der didaktischen Literatur verbreiteten Topos der Zeitklage, dass es wahre Freundschaft nun kaum mehr gebe. P's Tod gibt mit dem Tod anderer Gestalten der trojanischen Sage schließlich ein ebenfalls ganz traditionelles Beispiel für die verderblichen Folgen von Ehebruch und su-
perbia. Nachbenennung Heinrich von Neustadt, yApollonius' (Patrochei): Ρ von Mirmidon schließt mit Archilon von Falcidron Bruderschaft (18973), ist über dessen Tod erzürnt und will ihn rächen (19062-19079). [1] Nf. und Motive (Freundschaft, Rache für den toten Freund) lassen einen klaren Bezug auf die klassische Figur erkennen. [mk]
Patron [1] [Führer der Griechen im Gefolge des Darius; Curtius V.9,15; Chatillon VI, 11 ]
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II. Die Darstellungen beider Alexanderromane stehen in der Tradition der Alexanderhistorie des Q. Curtius Rufus. Sie ist direkte Quelle von A l , A2 folgt ihr mittelbar über die Alexandreis' Walters von Chatillon. Beide Belege berichten folglich von P's Warnung vor einer Verschwörung gegen Darius. P's Charakterbild wird durchwegs positiv gezeichnet, obwohl er als Grieche auf der falschen Seite steht. Er zeichnet sich durch Klugheit (Al), Vornehmheit (A2),Treue (Al), Unverzagtheit (Al, A2) und ehrenhaftes Wesen aus (Al, A2). [sks]
Patron [2]
Iolaus [2]
Pausanias [Sohn des Kerastos aus der Orestis, Verbündeter Philipps II. von Makedonien, den er bei der Hochzeit seiner Tochter ermorden lässt, wobei er selbst den Tod findet]
R: Fürst (Al), Ratgeber des Darius (Al), Ritter (A2)
G: Sohn des Cerastes (A2), Enkel des Orastes (A2) R: König von Bithynien (A2), Markgraf (Al)
I.
Nf.: Pausania (A2), Pausonias (Al, A3)
A l Rudolf von Ems, »Alexander': Ρ führt das gr. Kontingent im Heer des Darius, ist dessen Leibwächter und warnt ihn vor Bessus und Nabarzanes (14250; 14414-14664; Alexanders Eroberungszug gegen Persien; Tod des Darius). A2 Ulrich von Etzenbach, »Alexander': Ρ läuft zu Darius über und warnt ihn vor der Verschwörung des Bessus und des Nabarzanes. Darius schenkt ihm keinen Glauben, hält die beiden für unschuldig und verbietet Bessus, seine Unschuld in einem Zweikampf gegen Ρ zu beweisen. Ρ kehrt daraufhin zu Alexander zurück (16099-16162; Verschwörung gegen Darius). Später erkennt Darius die Richtigkeit von P's Warnung (16314).
I.
Al P f a f f e Lamprecht, »Alexander' V529-550: Der mächtige Ρ entführt Olympias und verwundet Philipp schwer, wird seinerseits von Alexander niedergestochen, gefangen genommen und auf Befehl Philipps getötet, der kurz darauf seinen Verletzungen erliegt. A2 Rudolf von Ems, »Alexander': Ρ wird von Philipp im Kampf besiegt, verliert sein Land an die Makedonen (925), fällt in Abwesenheit Alexanders in Makedonien ein, verwundet Philipp tödlich, verliebt sich in Olympias, will sie entführen, wird aber von dem heimkehrenden Alexander aus Rache für die Ermordung Philipps getötet (2857-3039; Jugendgeschichte Alexanders).
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Pausippus — Pegasus
A3 Ulrich von Etzenbach, »Alexander': Der mächtige, treu- und ehrlose Ρ verliebt sich in Olympias, die seine Werbung strikt zurückweist, dringt in den Königspalast ein, tötet Philipp und will Olympias entfuhren. Ihr Geschrei alarmiert das Gefolge, Alexander stellt und tötet Ρ (2024-2062; RV: 5085).
Pedasus
Paetalus
Pegasus [Geflügeltes Pferd, dem Haupt der Medusa entsprungen; soll m i t seinen Hufen die Quelle Hippokrene a u f dem Helikon geschlagen haben; gilt erst in der Neuzeit als das
II.
Pferd der Dichter]
Der historische Ρ war zunächst Verbündeter Philipps, hat sich dann aber gegen ihn gewendet. Die konkreten Motive seines Mordanschlags gegen den Makedonenkönig sind unklar. [1] Die romanhafte Alexandertradition erklärt die Tat nicht zuletzt mit einer heimlichen Liebe Ρ's zu Olympias. Dieser Tradition folgen alle drei mhd. Alexanderromane. Die unterschiedliche Darstellung im Detail resultiert aus der Quellenlage. Al folgt dem frz. Alexanderroman Alberics de Pisa9on, A2 der Alexanderhistorie des Q. Curtius Rufus, A3 der ,Alexandreis' Walters von Chatillon. Die Episode erfährt dabei eine zunehmende Ausgestaltung. A2 und A3 berichten von der Zurückweisung P's durch Olympias. Die Entführung wird in Al ausgeführt, in A2 und A3 durch Alexander vereitelt. A2 nennt als Motiv für die Ermordung Philipps P's Niederlage und den Verlust seines Landes. Den Tod findet Ρ in allen drei Texten durch Alexander selbst.
W: Pferd (Al), Quelle ( B l , C l ) Nf.: Pegases ( B l , C l )
[1] Bei Diodorus und Aristoteles handelt Ρ aus einem
I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,441: Ρ schlug mit seinem Huf den Brunnen am Helikon (Erzählung der Muse Urania an Pallas). Bl Gottfried von Straßburg, ,Tristan' 4731: Die Quelle Ρ [des P?] ist der Ursprung aller Weisheit, von ihr hat auch Heinrich von Veldeke gekostet (Tristans Schwertleite; Dichterexkurs). C l Frauenlob, VII.4lG,l4\ Aus P, der edlen Quelle der Dichtung, entspringt sowohl der dichterische Fluss des Sängers als auch der Bach seines Kontrahenten. Der Sänger fordert das Publikum auf zu entscheiden, wer besser sei. Dazu ist aber nur der befähigt, der weiß, wo besagter Fluss und Bach sich teilen. II.
Ρ und P-Quelle waren der ma. Mythographie bekannt, zählen in der volkssprachlichen Liist Ρ das Werkzeug einer Verschwörung, an der Olympias teratur allerdings zu den entlegeneren mythound Alexander beteiligt gewesen sein sollen; s.v. Pausanias logischen Motiven, die grundsätzlich allego[6.] (H. Volkmann), in: DKP, Bd. 4 , Sp. 5 7 0 . rische Bedeutung tragen. So ist die P-Quelle [sks/mk] in B l wie in C l allegorischer Ursprung der Klugheit und Kunstfertigkeit, wobei in beiPausippus den Fällen ironische Töne mitschwingen. Das durchaus ernst gemeinte Lob Veldekes wird [Gesandter der Spartaner, wird von Alexander gefangen genommen; Curtius III; 1 3 , 1 5 ] in B l durch das extravagante Motiv übersteigert. Ähnliches gilt für den im selben A l Rudolf von Ems, »Alexander' 7637'. Der Zusammenhang genannten Reinmar, der edle und mächtige Ρ kommt den Persern Orpheus gleicht, und für Walther, der seine aus Lacedaemonien zu Hilfe und gerät in Kunst direkt vom Musenberg bezieht. [ 1 ] In makedonische Gefangenschaft (erste Schlacht C l dürfte es sich wohl um einen Sängerwettder Griechen gegen die Perser). [sks] streit handeln, die P-Quelle ist zwar generell persönlichen Rachemotiv heraus: Philipp hat nichts gegen
Attalos unternommen, der Ρ beleidigt hatte. Für Iustinus
Pelagon — Peleus Quelle der Dichtkunst, speist hier aber das eigene Vermögen reichlich, jenes des Kontrahenten nur spärlich. Wer Herkunft und Ursprung der jeweiligen Kunst erkennt, ist der „qualifizierte Kritiker". [2] Al beschränkt sich auf den rein mythographischen Bericht und folgt in seinen Angaben Ovid (MM 5,257ff). Woher B1 und C1 das Motiv beziehen, ist nicht sicher festzustellen, in beiden Fällen handelt es sich um lat. gebildete Autoren, die entsprechenden Zugang zur ma. Mythographie bzw. auch zur antiken mythologischen Literatur hatten. Aus der von Ρ geschlagenen Quelle entwickelt sich erst in der Neuzeit die ebenfalls allegorische bzw. emblematische Vorstellung vom Dichterross. [1] -» Orpheus (I.B1/II.3.). Zur Stelle Kern, Edle Tropfen, 162, 174f. [2] Zur Deutung der Stelle Stackmann (Hg.), Bd. II, 905f. [mk]
Pelagon [Jäger des Kalydonischen Ebers; M M 8,360]
Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen' 8,684 (Pelagone): Ρ beteiligt sich an der Jagd auf den Kalydonischen Eber und wird von dem rasenden Untier aufgeschlitzt (Katalog). [mk]
Pelasgus [Sagenhafter König von Sikyon, Eponymus der Pelasger]
E l Rudolf von Ems,,Weltchronik'26686: Ρ ist einer der Könige von Sicyon (Katalog). [1] [1] Die antike Mythologie kennt mehrere Gestalten mit Namen P, die allesamt als Kulturheroen und mythische Könige gelten, s.v. Pelasgos (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 4, Sp. 595. Dem Prinzip lat. Weltchronistik entsprechend, sind die mythologischen Daten historisch aufgefasst und werden in profangeschichtlichen Exkursen („incidentia") so wie hier meist in Herrscherkatalogen aufgelistet. E l bezieht sich vermutlich auf die Nennung im ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 525), einer der Nebenquellen des Textes. [mk]
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Pelates [Kämpfer auf dem Hochzeitsfest des Perseus; M M 5,124]
Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen' 5,205 (Pilates): Als Ρ ein Türeisen fassen will, wird ihm die Hand abgeschlagen, er selbst wird mit einem Schwert an die Tür geheftet (Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus; Katalog). [1] [1] Bei Ovid wird Ρ von Corytus an die Tür gespießt und von Abas erstochen. [mk]
Peleus [Sohn des Aeacus, Bruder oder Freund des Telamon, Gatte der Thetis, Vater des Achilles, König der Myrmidonen, nimmt an der Kalydonischen Eberjagd und an der Argonautenfahrt teil, zieht mit Hercules gegen Troja und die Amazonen]
G: Sohn des Aeacus (Al), Enkel (Al) oder Verwandter (A3) des Iuppiter, Bruder des Phocus (Al), Bruder des Telamon (Al) und desAeson (A3), Gatte der Thetis (Al, A2, A3, B l , El), Vater des Achilles (Al, A2, A3, El), Großvater des Pyrrhus (A2), Onkel des Iason [!] (A3), Schwiegersohn des Acastus (A2) R: König (A2, A3, Cl), Königssohn (Al, A3) Nf.: Beiidas (Cl), Pelias (A2) I. Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen Ρ empfängt mit Phocus und Telamon die von Cephalus geführte Gesandtschaft aus Athen und wird von Aeacus zur Unterstützung der Athener gegen Minos entsandt (7,876; 7,1159; Minos gegen Athen). Er nimmt an der Jagd auf den Kalydonischen Eber teil (8,590; 8,603; Katalog). [1] Am Strand von Hämonien begegnet er Thetis, hält sie, die ihre Gestalten wechselt, auf Proteus' Rat hin so lange fest, bis sie sich wieder in ein Mädchen verwandelt, und zeugt mit ihr Achilles (11,416-542; Peleus und Thetis). Nach dem Mord an seinem Bruder Phocus flieht Ρ zu Ceyx (11,654-700). Beim Kampf zwischen
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Peleus
Lapithen und Kentauren rächt er Crantor an Demoleon und tötet auch Dorylas ([12,365] 12,637-677; Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf). Sollten Achilles' Waffen einem Verwandten gegeben werden, hätte Ρ eher ein Anrecht auf sie als Aiax (13,240; Streit um Achills Waffen; Rede des Ulixes).
Schiff bauen und entsendet ihn um den goldenen Widder nach Kolchis (6508-6892). Als Iason glücklich heimkehrt, verbirgt Ρ seinen Zorn (10262). Medea verübt Rache an ihm, indem sie seinen Töchtern gegenüber vorgibt, sie wolle ihn verjüngen, er müsse zu diesem Zweck allerdings zuerst von ihnen [1] Ρ wird irrtümlich zweimal genannt. erschlagen werden, was diese denn auch tun A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Ρ (10888-11157). [1] wird von Hercules für den Zug gegen Tro,Trojanerkrieg'-Fortsetzung 41749: RV auf ja gewonnen und führt eine der vier HeerPeleus' Hochzeit mit Thetis. scharen (1220-1279; 1. Trojanischer Krieg). [1] Z u r Verschmelzung von Ρ u n d Pelias zu einer Figur unten II.2. Antenor, der Hesiona von den Griechen B1 Ulrich von Etzenbach, Alexander'·. Ρ heizurückfordern soll, begibt sich zuerst zu P, ratete in Peleon Achilles' Mutter und lud der bei seinem Erscheinen als Erbfeind der dazu Iuno, Pallas und Venus ein. Discordia Trojaner in Zorn gerät (1932) und ihn des widmete der Schönsten einen goldenen ApLandes verweist (2079; genealogische Nenfel, Paris sollte den Streit der drei Göttinnen nungen: 4859; 6290). Acastus hat Ρ aus Neid entscheiden. Ovid weiß mehr darüber zu beauf dessen Ruhm in eine Höhle gesperrt, wo richten (4878; 4880; Alexander inTroja; Exihn Thetis mit Nahrung versorgt. Als Pyrkurs zur Geschichte der Stadt). rhus davon erfährt, sucht er nach P, findet C1 Frauenlob, 356,8 (Ettm.): König Β von ihn völlig verwahrlost und nimmt Acastus Zicortir wurde von Hector der Liebe wegen gefangen. Dieser wird auf Thetis' Bitte hin vor Troja getötet. Der Sänger fürchtet ein freigelassen, Ρ bekommt sein Land zurück ähnliches Schicksal und fragt die Minne, (17824-18119). [1] warum sie ihre Anhänger auf diese Weise [1] In 1220, 1932 u n d 2 0 7 9 ist Ρ offensichtlich mit Pelias verwechselt bzw. gleichgesetzt, w o r a u f die Ν f . u n d die belohne. Rangbezeichnung „König" hindeuten.
El Jans Enikel, , Weltchronik' 14544·. Der A3 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg': Ρ angesehene und tüchtige Ρ ist der Vater von ist edel, tugendhaft, mutig und ohne Fehl (Descriptio; 3618-4564). Anlässlich seiner Hochzeit mit Thetis lädt Iuppiter zu einem großen Fest (851). Als Iuppiter und Priamus streiten, zu wessen Gefolge der noch unerkannte Paris gehören soll, vertritt Ρ Iuppiters Seite im gerichtlichen Zweikampf gegen Hector (3618; 3681), er trägt eine von Vulcan aus Drachentalg und -galle geschmiedete Rüstung (3795; 3849), schlägt Hector zunächst nieder (3911-4108), wird schließlich besiegt, aber auf Bitte der Frauen von Hector am Leben gelassen (4150-4299). Proteus prophezeit Ρ und Thetis einen Sohn (4564). Später freut sich Ρ über Achilles' großes Ansehen (6489). Da er fürchtet, dass Iason Achilles an Ruhm und Ehre übertreffen könnte, trachtet Ρ ihm nach dem Leben, lässt ihm von Argus ein
Achilles.
II. 1) P u n d Thetis; 2) Ρ u n d die Trojahandlung; 3) Übrige Motive
1) Wie schon in der antiken Mythologie so ist Ρ auch in den mhd. Belegen v.a. als Vater des Achilles von Bedeutung. Die Anspielungen in Β1 und Ε1 beschränken sich auf die genealogische Nennung. Eines der wichtigsten Motive des antiken P-Mythos ist das Fest anlässlich seiner Hochzeit mit Thetis, bei dem es zum Streit der Göttinnen kommt, der wiederum den Trojanischen Krieg verursacht. Ausführlich dargestellt ist die Episode in A3. Der Text greift dafür auf mehrere antike Quellen zurück, entwickelt die Handlung aber über weite Strecken selbständig, so u.a. im Falle des
Pelias Kampfes zwischen Ρ und Hector um Paris. [ 1 ] Die Erwähnung des Festes im Trojaexkurs von B1 bezieht sich auf die entsprechende Anspielung in der .Alexandreis' Walters von Chätillon (1,462), die B1 in Rückgriff auf Glossen oder auf Ovids ,Heroides' (16,53ff.) ausgestaltet. 2) Ein wichtiges Datum für die ma. Trojatradition ist Ps Teilnahme am ersten, von Hercules geleiteten Trojanischen Krieg. Der wirkungsmächtige afrz. Trojaroman Benoits de Sainte-Maure übernimmt es aus dem Bericht des Dares Phrygius. Ihm folgt A2. Der erste Trojanische Krieg ist seinerseits eine Folge des Argonautenzuges, zu dem Pelias Iason veranlasst. Schon bei Benoit zeigen sich Tendenzen zu einer Gleichsetzung von Ρ und Pelias. Nicht scharf auseinander gehalten sind daher beide Gestalten auch in A2. A3 identifiziert sie folgerichtig und zeigt auch hier große Selbständigkeit in der Gestaltung der Handlung bei gleichzeitiger umfassender Quellenkenntnis. Die Gleichsetzung ermöglicht einerseits eine interessante neue Begründung für P/Pelias' Hass gegen Iason (Begünstigung des Achilles), lässt andererseits die Charakterzeichnung brüchig werden, da Ρ zunächst positiv, dann aber negativ gefasst wird. Am ersten Eroberungszug gegen Troja kann der mit Pelias identifizierte Ρ schließlich nicht mehr teilnehmen, da er schon zuvor durch seine Töchter den Tod findet (die Darstellung folgt der entsprechenden Passage vom Tode des Pelias in Ovids Metamorphosen' 7,298ft [2]). 3) Die übrigen Motive des P-Mythos stellen ein mythologisches Spezialwissen dar, das der ma. Mythographie (u.a. aus Ovid) zwar bekannt war, ansonsten aber kaum rezipiert wurde. Die Belege in Al folgen direkt Ovid, so die Unterstützung Athens im Krieg gegen Minos (MM 7,494), P's Teilnahme an der Kalydonischen Eberjagd (MM 8,309) und am Kentaurenkampf (12,367), der Mord an seinem Bruder Phocus (MM 11,266) und die Erringung der Thetis mit Hilfe des Protheus (MM 11,217).
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Ob schließlich in C1 tatsächlich Ρ gemeint ist, bleibt unsicher. Die Angabe könnte sich auf das Motiv vom Kampf zwischen ihm und Hector in A3 beziehen, der dort allerdings nicht im Rahmen des Trojanischen Kriegs stattfindet. [1] Lienert, Geschichte und Erzählen, 4Iff. [2] -> Pelias. Nachbenennung Ulrich von Etzenbach, Alexander' 3528 (Pelleus Antoclar)\ Pelleus Antoclar und Nicanor übernehmen die Nachtwache während der Belagerung Thebens (Alexander in Theben). fmk]
Pelias [Sohn des Poseidon und der Tyro, Halbbruder des Aeson, Onkel des Iason, mythischer Herrscher von Iolkos]
G: Bruder des Aeson (A3), Onkel des Iason (A2, A3, El), Gatte der Thetis [!] (A3), Vater des Achilles [!] (A3) R: König von Griechenland (A2), König (A3) Nf.: Peleas (A2), Peleus [!] (A3) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Weil Ρ Iason zur Argonautenfahrt angestiftet hat, um ihn in den Tod zu schicken, will sich Medea an ihm rächen. Sie berichtet seinen Töchtern von Aesons Verjüngung und demonstriert ihr Können an einem alten Widder. Als P's Töchter daraufhin um die Verjüngung ihres Vaters bitten, meint Medea, dass Ρ zuerst erschlagen werden müsste. Als P's Töchter dazu nicht mit letzter Konsequenz fähig sind, legt sie selbst Hand an, enthauptet ihn und flieht (7,625-711; Medea und Iason). A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Der kinderlose, mächtige, untreue und tugendlose Ρ trachtet seinem Neffen und Erben Iason nach dem Leben. Um ihn in den Tod zu schicken, stiftet er ihn zur Fahrt um den goldenen Widder nach Kolchis an und verspricht ihm reichlichen Lohn. Er lässt ihm von Argus ein Schiff bauen. Nach Iasons glücklicher Rückkehr findet sich Ρ mit dem Misslingen seines Planes ab (100-273; [916; 1161]; Argonautenfahrt).
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Pelops
A3 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg': Inhalt wie Peleus (I.A3). El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 2025h Ρ fürchtet wegen Iasons Tapferkeit und Ansehen um seine Herrschaft. Um ihn loszuwerden, erzählt er ihm vom Goldenen Vlies in Kolchis, das seinem Besitzer stets Ehre und Glück bringe. II. Sämtliche Belege referieren das populäre antike Motiv von der Entsendung Iasons nach Kolchis durch P, der auf diese Weise den Tod des Neffen herbeiführen will. Al folgt in seiner Darstellung Ovids .Metamorphosen', A2 dem Trojaroman Benoits de Sainte-Maure. A3 verbindet beide Quellen und identifiziert Ρ selbständig mit Peleus. Auf diese Weise wird Ρ's Hass auf Iason neu motiviert, Ρ sieht in ihm einen Kontrahenten seines Sohnes Achilles, den er aus dem Weg räumen will. Die Nennung in El hat kein Vobild in der Hauptquelle, der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1281b), die die Argonautenfahrt ohne nähere Angaben erwähnt. Da das Motiv der ma. Trojatradition gut bekannt ist, könnte El die Anspielung in Rückgriff auf Dares oder A2 selbständig ausgeführt haben. Von Medeas Rache fur Ρ's Intrige gegen Iason berichten Al und A3 wiederum nach Ovid (MM 7,298fF). Der Tathergang wird in Al genau nach der Vorlage geschildert (Medea führt den entscheidenden tödlichen Schlag aus), in A3 vollziehen die in die Irre geleiteten Töchter selbst den Mord (die Änderung ist vielleicht bewusst durchgeführt und würde dann der Entlastung Medeas dienen; A3 berichtet folgerichtig auch nichts von ihrem Kindsmord). In A2 findet sich Ρ hingegen mit Iasons Rückkehr ab. Der Konflikt wird ebenso wenig zu Ende geführt wie das weitere Geschehen um Iason und Medea. Bei der Charakterisierung P's weicht A2 explizit von seiner Quelle ab: Das dort ausgesprochene Lob des Ρ wird zurückgewiesen, da es ein Treuloser nicht verdiene (A2; I06ff).
Pelops [Sohn des Tantalus und der Dione, wird von seinem Vater den Göttern zum Mahl vorgesetzt, um ihre Allwissenheit zu prüfen, Hermes gibt ihm das Leben zurück]
G: Sohn des Pandion, Gatte der Hippodamia (El) Nf.: Pelopis (A2) I. A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 6,835: Ρ beklagt als einziger nicht nur Amphion und seine Kinder, sondern auch Niobe. Er ist einst von seinem Vater zerstückelt und von den Göttern wieder zusammengesetzt worden. Der fehlende Achselteil wurde durch eine elfenbeinerne Prothese ersetzt. A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung 41291: Achilles wirft Priamus vor, dass die Trojaner einer einzigen Frau wegen das Geschlecht des Ρ [die Griechen] vertreiben wollten. El Rudolf von Ems, , Weltchronik'·. Nach Ρ wird eines der gr. Länder Peloponeus genannt (19774). [1] Auf den Rat seiner Gattin Hippodamia hin hat er einst Tros im Kampf gegen Tantalus unterstützt, woraus eine lange Feindschaft entstanden ist (19814; Geschichte Trojas). [1] 19778 wird Pandion als Vater des Ρ genannt, üblicherweise ist dies Tantalus.
II. Das bekannteste und wirkungsmächtigste Motiv des antiken P-Mythos ist jenes vom Tantalusmahl. Al referiert es direkt nach Ovid (MM 6,403ff.), wo nur andeutungsweise von der Zerstückelung des Ρ durch seinen Vater und seiner Wiederzusammensetzung durch die Götter, nicht aber vom Mahl die Rede ist. Folglich erwähnt Ovid auch nicht, dass das Achselstück fehlt, weil Ceres in Trauer um ihre verlorene Tochter Proserpina zu essen beginnt, während die übrigen Götter den Frevel sofort bemerken. Al verzichtet wie auch sonst meist auf weitere Ausführungen zu den Andeutungen bei Ovid. Sie werden dem ma. Publikum daher kaum nachvollziehbar gewesen sein.
Peneleus — Penelope Die Angabe in A2 ist vom Wortlaut her unklar. Sie bezieht sich auf die Nennung im Trojabericht des Dictys Cretensis (76,23f.), wo Achilles den Trojanern vorwirft, neben Helena auch die Reichtümer des Ρ und des Atreus geraubt zu haben. Die Anspielung auf P's Beteiligung im Krieg zwischen Tros und Tantalus in El basiert auf einer der Nebenquellen des Textes, dem ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 497), wo Ρ allerdings richtigerweise Tantalus und nicht Tros unterstützt. Die mythologischen Daten sind nach dem Vorbild der lat. Weltchronistik rein historisch gefasst, der Krieg zwischen Tantalus und Tros wird mit der Tötung des Ganymedes durch ersteren begründet. Im Hintergrund steht die Mythenvariante von der Vertreibung des Ρ aus Kleinasien durch Ilos. [1] [1] S.v. Pelops [1.] (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 4, Sp. 607f. [mk]
Peneleus [Führer der Boeotier vor Troja; Dictys 11,22]
Al Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg, Fortsetzung: Der stolze Fürst Ρ fällt im Kampf gegen Eurypylus, sein Leichnam wird verbrannt (44983-45101). [sks]
Penelope [Tochter des spartanischen Königs Ikarios und der Periboia, Gattin des Odysseus, Mutter des Telemachos]
G: Gattin des Ulixes (Al, A2, A3), Mutter des Telemachus (A2) R: Königin (Dl) Nf.: Benelope (Bl) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 13,725'· Ρ werde Hecuba als arme, verwaiste
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Gefangene für sich spinnen lassen und sie in dieser demütigenden Stellung den Damen („landtfrawen") als Mutter Hectors und Gattin des Priamus vorfuhren, fürchtet Hecuba in ihrer Klage nach dem Untergang Trojas. A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'17765: Ρ wird von reichen Rittern umfreit, bleibt Ulixes aber treu. Als dieser bei Alcinous von ihrer Bedrängnis erfährt, bittet er ihn um ein Ritterheer, mit dem er die Freier besiegt. A3 ,Göttweiger Trojanerkrieg': Die schöne, tugendhafte und treue Ρ (14747; 19936; 20037; 20042; Descriptio) hat Ulixes für die Fahrt nach Troja die Fähigkeit verliehen, jeden mit seinem Blick freundlich zu stimmen. Ohne diese Kunst wäre er vor Troja sicher erschlagen worden. Ulixes setzt diese Fähigkeit Hercules gegenüber ein (14746). Als die Griechen auf der Fahrt um Achilles gegen mehrere Wundervölker zu kämpfen haben, furchtet Ulixes, Ρ nie wieder zu sehen (16109). Als Euander Ulixes tötet, um Aiax zu rächen, stirbt Ρ aus Gram. Euander lässt die beiden gemeinsam im Tempel der Iuno bestatten und eine Grabinschrift anfertigen (19934; 19993; 20168: RV auf P's Tod). Bl ,Reinfried von Braunschweig', 24534: Ρ sandte Ulixes einen Brief, um seine Rückkehr zu bewirken, dieser aber fand auf dem Meer den Tod. Yrkane wünscht, sie könnte ihrem Gatten Reinfried ebenso liebe Worte schreiben wie P, Dido, Briseis, Phyllis, Helena und Medea an ihre Geliebten (Katalog). Dl Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast' 1035: Die jungen adeligen Damen sollen u.a. von der vorbildlichen Ρ lesen und sich ein Beispiel an ihr nehmen. Wenn sie [die Leserinnen] auch keine Königinnen [wie die genannten literarischen Gestalten] sind, so sollten sie es doch im Herzen sein (Lektüreempfehlungen an die adelige Jugend; Exempelfigur; Katalog tugendhafter Frauen). [1] [1] Als vorbildliche literarische Gestalten werden weiters genannt: Andromacha, Enite, Oenone, Galjena (vermutlich Galie, die Geliebte Karls des Großen im frz. Karlsstoff), Blanscheflur und Sordamur (Mutter des Cliges).
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Peneus
II. 1) Ρ als Exempelfigur; 2) Ρ im Antikeroman; 3) Anspielungen
1) Wegen ihres geduldigen, 20jährigen Wartens auf Odysseus gibt Ρ seit der Antike ein sprichwörtliches Beispiel für Gattinnentreue. Auch in den mhd. Texten firmiert sie als einschlägige Exempelfigur für eine treue Ehefrau (A2, A3) und Liebende ( B l ) . 2) Aus den mhd. Trojaromanen war für das höfische Publikum von Ρ freilich wenig Konkretes zu erfahren, eine zentrale Rolle kommt ihr hier nicht eben zu (in Konrads von Würzburg ,Trojanerkrieg' und dessen Fortsetzung wird sie nicht einmal erwähnt). Die traditionelle Handlung von P's Bedrängung durch die Freier und deren Tötung durch den heimkehrenden Odysseus reflektiert nur A2. Die geraffte Darstellung folgt dem frz. Trojaroman Benoits de Sainte-Maure, der hier seinerseits nach dem pseudohistorischen Trojabericht des Dictys arbeitet. Odysseus' Aufenthalt beim Phäakenkönig entbehrt daher jeglicher märchenhafter Züge, auch die Rückkehr des Helden ist rationalisiert. Deshalb und des knappen Berichts wegen bleiben auch die populären Motive aus der ,Odyssee' unerwähnt, so die Täuschung der Freier mit Laertes' Totengewand, das Ρ vor einer neuen Vermählung fertigstellen zu wollen vorgibt, aber des Nachts immer wieder auftrennt (,Odyssee' 2,93; 19,137), oder die Prüfung des Odysseus (Geheimnis des Ehebettes;,Odyssee' 23,177). Weitgehend eigenständig entwickelt ist der Handlungsgang in A3, konstant bleibt nur das Motiv der Gattinnentreue, die Euander hier so rührt, dass er seinen Todfeind Ulixes um P's willen ehrenvoll bestatten lässt. Die kurze Nennung P's in Hecubas Klage in A l folgt direkt Ovid ( M M 13,511). 3) Auch die geringe Zahl an Anspielungen zeigt, dass Ρ in der volkssprachlichen Literatur des M A nicht zu den bekannteren Gestalten aus der antiken Mythologie zählt. Umso erstaunlicher ist, dass sie D l in einem Atemzug mit so berühmten Gestalten wie Enite, der Gattin Erecs, oder Blanscheflur, der
Geliebten des Flore, nennt. Das erklärt sich eher aus dem Bildungswissen des Autors als aus P's Bekanntheitsgrad beim höfischen Publikum. Die Empfehlungen, die D l abgibt, sind im Übrigen weniger Lektürevorschläge als Anweisungen zur Identifikation. Den genannten positiven Frauengestalten wird zuvor das negative Beispiel Helenas gegenübergestellt (das gleiche Sujet mag den Uberhang an Gestalten aus dem Trojaroman — neben Ρ noch Andromacha und Oenone — zusätzlich erklären). Die Nennung P's in B l spielt schließlich auf Ovids ,Heroides' an, der Katalog von liebesbriefschreibenden Heroinnen liest sich gewissermaßen wie deren Inhaltsverzeichnis. Auf Ovid wird an dieser Stelle auch explizit verwiesen. Die direkte Bezugnahme und die Nachahmung des vorgegebenen Textmusters heben sich deutlich von den üblichen mythologischen Anspielungen in der mhd. Literatur ab und unterstreichen die literarische Kenntnis des anonymen Autors. [mk]
Peneus [Hauptfluss Thessaliens; Flussgott; M M 1,569; 2,243; 7,230]
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen'
(Peneuß): Der Flussgott Ρ beklagt das Schicksal seiner Tochter Daphne. Durch seinen Tränenstrom erfahren alle Wasser des Waldes von seinem Leid und besuchen ihn mit Ausnahme des Inachus, der seinerseits um Io trauert (1,1110-1140; Daphne und Apollo). Ρ wird vom außer Kontrolle geratenen Sonnenwagen ausgetrocknet (2,530; Phaetons Fahrt mit dem Sonnenwagen; Katalog der versengten Flüsse). Am Ρ findet Medea das Kraut für Aesons Verjüngung (7,500; Medea und Iason; Flusskatalog). [1] [ 1 ] Die Nennungen folgen den entsprechenden Stellen bei Ovid. A l unterscheidet bei Ρ deutlich zwischen dem Fluss als Gewässer und dem Flussgott als anthropomorphe Gestalt
Penthesilea (vgl. bes. die rationalisierende Erklärung, dass der Strom des Flusses durch die Tränen des Gottes anschwillt). [mk]
Penthesilea [Amazonenkönigin, Tochter des Ares und der Otrere, Verbündete der Trojaner, wird von Achilles getötet]
R: Amazonenkönigin (Al, A2), vrouwe (Epitheton) (A2) Nf.: Pentesilea (Al, A2) I. A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Die edle, höfische Ρ schenkt Hector aus Liebe das Pferd Galatea [1] und wertvollen Schmuck (4794; 8195), fuhrt, als sie von Hectors, Paris', Deiphobus' und Troilus' Tod erfährt, die Amazonen nach Troja, verwundet im Kampf mit den Griechen Diomedes und Telamon, der in ihr den Teufel walten sieht (14375; 14405), wird von Aiax und später von Pyrrhus vom Pferd gestochen, auch er sieht in ihr den Teufel walten. Ρ droht Pyrrhus das Schicksal seines Vaters an und wird in einem neuerlichen Kampf von ihm enthauptet. Diomedes verweigert die Herausgabe ihrer Leiche, die in den Stadtfluss geworfen wird (1469814976). Pylaemenes lässt sie während des folgenden Waffenstillstands bergen und in ihre Heimat überführen (15520; 15967). [1] Bei Benoit (8024) schenkt die Fee Orvain Hector das Pferd.
A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg, Fortsetzung·. Die edle, kluge und tapfere Ρ kommt mit ihrem Heer den bedrängten Trojanern zu Hilfe, wird prächtig empfangen, trauert über Hectors Tod (40591), wird von Paris mit Gold zum Verbleib in Troja überredet, ordnet das Heer, fügt den Griechen große Verluste zu, wird von Achilles vom Pferd gestochen, getötet und gegen seinen Willen in den Fluss geworfen (42186-42599; 43389). II. Vom Kampf der Amazonen unter P's Führung berichtete erstmals die so genannte Amazonia' aus dem epischen Kyklos, die direkt an den
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letzten Vers der ,Ilias' anschloss. [1] Seither zählt Ρ zum festen Personal der antiken, ma. und neuzeitlichen Trojatradition. Die wichtigsten Rezeptionszeugen in der neueren dt. Literatur sind natürlich Kleists Drama und die P-Gestalt in Christa Wolfs ,Kassandral. Die mhd. Trojaromane stehen mit ihrer PHandlung in der Tradition der spätantiken pseudohistorischen Trojaberichte des Dares Phrygius und des Dictys Cretensis. Die Darstellung in Al folgt dabei Benoit de SainteMaure (dieser wiederum nach Dares) und schildert P's Eingreifen in den Kampf als Reaktion auf die Nachricht von Hectors', Troilus' und Paris' Tod. In der Darstellung von A2, die direkt nach Dictys gearbeitet ist, trifft Ρ - ohne davon zu wissen — unmittelbar nach Hectors Tod in Troja ein. Das klassische antike Motiv der Tötung P's durch Achilles findet sich nur in A2, in A l wird Ρ wie bei Dares/Benoit von Pyrrhus getötet. Beide mhd. Belege nehmen eine ambivalente Haltung gegenüber Ρ ein: Einerseits werden ihr edles Wesen und ihre Tapferkeit gelobt, andererseits kommt in A l in den Verteufelungen Telamons (I4512ff.) und Pyrrhus' (l4774ff.) und schließlich in einem Erzählerkommentar zu P's „verdientem" Tod (l4892ff) eine im Vergleich zu Benoit verschärfte misogyne Haltung zum Ausdruck: Die kämpfende Frau ist in der Männerwelt des Krieges ein Skandalon. [2] Auch A2 weist daraufhin, dass Ρ auf unfrauliche Art ihr Leben verloren hat und ihre Leiche daher auch nicht ehrenhaft behandelt werden müsse (42560ff.). [1] Eine Variante des letzten Verses der Ilias lautet „elthe d'Amazön" („aber es kam die Amazone"), sie bildet den direkten Übergang zur ,Amazonia\ [2] -» Amazones (11.3). Nachbenennung Ulrich von Türheim, ,Rennewart' (Penteselie)·. Die tugendhafte, schöne und starke Ρ ist die Königin von Ephesus. Sie und Malefer, Rennewarts Sohn, sind einander vom Engel Cherubin verheißen (28468). Malefer will P's Land aufsuchen, verwendet „P" als Schlachtruf in seinem Kampf gegen Befamereit (30307; 30933) und begegnet Ρ an einem Brunnen, wo sie mit 500 Amazonen lagert. Der Händedruck der kräftigen Ρ bringt ihm beinahe den Tod, sie verspricht ihm, dass sie ihre Stärke mit ihrer Jungfräulichkeit verlieren werde, und berichtet ihm von Ordnung und Geschichte
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Pentheus — Perdiccas
des Amazonenstaates (-» Amazones [I.B2]). Die beiden ziehen nach Ephesus, wo Malefer König wird. Ρ gebiert ihm Johannes und stirbt nach Malefers Tod aus Kummer (31232-33015). [1] [1J Es handelt sich um eine klare Nachgestaltung. Die Einspiegelung der antiken Gestalt ist für den Synkretismus im späthöfischen Abenteuerroman typisch, er ist auf der Ebene der Motive ebenso zu erkennen (vgl. das Brünhildenmotiv von P's unermesslicher Stärke). Mit Ephesus und mit Johannes, der seinen Namen nach dem ephesischen Evangelisten direkt von Gott erhält, wird außerdem eine heilsgeschichtliche Perspektive in die Handlung eingeblendet, Ρ erscheint insgesamt als eine „christliche" Amazone. Zur Stelle Kern, Edle Tropfen, 372f. [mk]
Perdiccas [Sohn des Orontes, Taxiarch im Heer Alexanders, Diadoche, erhält als Chiliarch die Oberaufsicht über das asiatische Königreich]
R: Herzog (Al, A2), Fürst (Al, A2), Herrscher über Budin (A3), Heerführer Alexanders (A2), Fähnrich (A2), Gefolgsmann Alexanders (A3) Nf.: Perdicas (A3), Perdikkas (A2), Perdix (Al) I.
Al Pfaffe Lamprecht, Alexander': Ρ und CraPentheus [Sohn des Echion und der Agaue, mythischer König von Theben, wird von seiner Mutter und deren Schwestern im bakchantischen Rausch fur ein wildes Tier gehalten und zerrissen; M M 3,514]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': P, der freche, hochmütige und gotteslästerliche Sohn des Echion, missachtet die Kunst des Tiresias und schlägt ihn wegen seiner Prophezeiung, er, P, werde aufgrund der Schmähung des Bacchus zerrissen werden. Als dieser in Theben einzieht, hält Ρ eine Schmäh- und Anklagerede gegen ihn und will ihn festnehmen lassen. Aus Strafe dafür wird er von seiner Mutter und seiner Tante, die ihn für einen Eber halten, zerrissen (3,1246-1412). [mk]
Penthilus [Sohn des Orestes und der Erigone, Wegbereiter der Kolonisation der Aiolis]
El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 19911 (Pentilus)·. Ρ ist einer der Könige von Mykene (Katalog). [1] [ 1 ] Dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, sind die mythologischen Daten historisch aufgefasst und werden in profangeschichtlichen Exkursen („incidentia") zur Heilsgeschichte erinnert, so wie hier meist in Form von Herrscherkatalogen. E l bezieht sich vermutlich auf die Nennung P's im .Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 519 und 523), einer der Nebenquellen des Textes. [mk]
terus werden von Alexander mit der Herrschaft über Tyrus betraut (V 815; A 1125; Belagerung von Tyrus). A2 Rudolf von Ems, AlexanderDer edle und angesehene Ρ kämpft im rechten Flügel von Alexanders Heer (6993), muss mit seiner Schar vor den Unverwundbaren („Untoetigen") im persischen Heer die Flucht ergreifen (7277; I. Schlacht gegen die Perser), soll gemeinsam mit Craterus Tyrus erobern (9031), wird im Kampf gegen die Perser schwer verwundet (12683-12704; 2. Schlacht) und nimmt an den Beratungen über das weitere Vorgehen gegen die Verschwörer gegen Alexander teil (19226; Katalog).
A3 Ulrich von Etzenbach, ^Alexander'·. Der edle, starke und treffliche Ρ zählt zu den angesehensten und tüchtigsten Mitstreitern Alexanders (4711; Katalog), kämpft in der Schlacht bei Issos unter der Führung Nicanors im rechten Flügel des Heeres (7423), verwundet Darius an der Stirn (8549; als Kämpfer genannt: 13975; 16677), begleitet Alexander zu einem Palast aus Gold und Edelsteinen (22637; Indienzug Alexanders) und wird von seinem sterbenden König zum neuen Führer der Makedonen bestimmt (27065; Tod Alexanders). II. Ρ wird in allen drei mhd. Alexanderromanen durchwegs positiv als trefflicher Kämpfer und treuer Gefolgsmann Alexanders gezeichnet.
Perses — Perseus Er wird mit der Eroberung von Tyrus (A2) bzw. mit der Herrschaft (Al) über die Stadt betraut, nach der Aufdeckung der Verschwörung gegen Alexander zum Schutz des Königs abberufen (A2) und erhält vom sterbenden Alexander die Führung der Griechen zugesprochen (A3). Letzteres reflektiert P's historische Stellung als Reichsverweser, die er aufgrund der Herrschaftsteilung nach Alexanders Tod 323 v. Chr. zugesprochen bekommt. Die Darstellung in Al folgt dem afrz. Alexanderlied des Alberic de Pisar^on, A2 der Alexanderhistorie des Q. Curtius Rufus, A3 der . A l e x a n d r e i s ' Walters von Chätillon, die sich seinerseits im Wesentlichen an Curtius orientiert. [sks]
Perses [Aethiopier, Verbündeter des Priamus; Dares 23,3. Benoit 6854 Perses/Serses/Xerxes]
R: König von Mohrenland bzw. Persien (Al), Herzog (A2) Nf.: Perseus (A2), Xerses (Al)
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Ν ff. erklären sich aus den Varianten in der frz. Vorlage. In Al weigert sich der Erzähler zunächst, ihn bei seinem Namen zu nennen, um die Damen (wegen der Ähnlichkeit mit „zers", dem mhd. Wort für das männliche Glied) nicht zu brüskieren, nennt ihn dann aber doch und meint zweideutig, man könne ihn „an siner manheit" erkennen (4049ff.). Im Folgenden wird er nur mehr periphrastisch „König von Mohrenland" genannt. Die Herkunftsbezeichnung „von Persien" (5629; 5814) erklärt sich aus der korrekten Nf. bei Benoit. Vielleicht ist mit ihm ursprünglich (möglicherweise auch noch bei Dares) der Sohn des Perseus und mythische Stammvater der Perser gemeint. Nachbenennung Heinrich von Neustadt, ^Apollonias' (Persas): Ρ ist Vater des Darius, Sultan von Ninive bzw. König von Persien und unterstützt seinen Neffen Apollonius im Kampf gegen Nimrod und bei dessen Zug ins Goldene Tal Crisia (10568; 10634). [1] [ 1 ] Die Nf. reflektiert entweder den oben genannten Stammvater der Perser oder ist aus dem Landes- und Volksnamen abgeleitet. Dass der Vater des Darius in einer Handlung auftritt, die um Christi Geburt gedacht ist, dokumentiert die für den Text typische Tendenz zur „Geschichtsklitterung". [mk]
I. Al Herbort von Fritzlar, >liet von Troye' (Xerses): Der tapfere Ρ unterstützt gemeinsam mit seinem Neffen Memnon die Trojaner (4054; Katalog), fugt den landenden Griechen mit seinen Bogenschützen große Verluste zu ([4490]; [4728]; [5629]; [5814]), rettet Sarpedon und fällt ([11020]). A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg: Der angesehene und tapfere Herzog Ρ unterstützt die Trojaner (30164; Katalog), kämpft an der Seite von Paris und Hector und tötet einige Griechen (32882-34210). II. Ein trojanischer Verbündeter namens Ρ wird im Trojabericht des Dares genannt, von wo ihn der ,Roman de Troie' Benoits de SainteMaure übernimmt. Auf Benoit beruhen wiederum Al und A2. Die stark abweichenden
Perseus [Sohn des Zeus und der Danae, Gatte der Andromeda, schlägt der Medusa das Haupt ab]
W: Gottheit (E2) G: Sohn des Iuppiter (Al, El) und der Danae (Al), Nachkomme des Iuppiter (A2), Bruder der Pallas Athene (Al) R: Ritter (Cl) Nf.: Anteus (Cl) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Ρ zürnt Acrisius, weil dieser nicht anerkennen will, dass er Iuppiters Sohn ist; [1] gewinnt das Medusenhaupt, versteinert Atlas, rettet Andromeda vor einem Meerungeheuer, erhält dafür von Cepheus ihre Hand und die Landesherrschaft, opfert danach dem Mercurius,
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Perseus
der Pallas Athene und Iuppiter und erzählt Lyncides [2] von Medusa. Auf seinem Hochzeitsfest kommt es zum Kampf gegen Phineus, der Anspruch auf Andromeda erhebt. Ρ versteinert schließlich ihn und dessen Gefährten mit dem Medusenhaupt (4,1135-5,412). [1] Das Motiv von P's Rache an Acrisius, das Ovid nur andeutet (MM 4,610ff.), bleibt in Al offen. [2] Dass Ρ dem Lyncides (das ist sein Patronymikon) von Medusa berichtet, beruht auf einem Missverständnis der lat. Vorlage (MM 4,767; die Ovidüberlieferung zeigt an dieser Stelle starke Abweichungen und Textverderbnis); bei Ovid ist natürlich P's Schwiegervater Cepheus gemeint.
A2 Ulrich von Etzenbach, ^Alexander' 6985: Der treffliche und hilfreiche Ρ ist einer der Nachfahren Iuppiters und Vorfahre des Darius. Dieser beruft sich auf seine göttliche Abstammung, um seinen Männern vor der Schlacht bei Issos Mut zu machen, und bittet Ρ um Beistand. CI DerMarner, XIV. 13,1%: Der Ritter Anteus tötete das Ungeheuer Gorgo Medusa] , dessen direkter Anblick versteinerte, indem er durch einen kristallenen Schild blickte, den er sich selbst angefertigt hatte. Seine List soll guten Fürsten ein Vorbild sein, sie sollen mit Hilfe des kristallenen Schildes der Ehre die Schlechten enthaupten (Fürstenspruch; Gleichnis). El Otto von Freising, ,Laubacher Barlaam' 11118: Ρ ist einer der den Liebschaften Iuppiters entsprungenen Söhne und gibt im Glaubensdisput zwischen dem Christen Barlaam und den gr. Heiden ein abschreckendes Beispiel für die moralische Verwerflichkeit des gr. Götterglaubens (Katalog). E2 Rudolf von Ems,,Barlaam': Im Glaubensdisput mit dem Christen Barlaam nennen die Griechen Ρ als einen der höchsten von Iuppiter abstammenden Götter (9761; Katalog), aus christlicher Sicht ist er eines der vielen Kinder, die Iuppiters Liebschaften entstammen und ein Zeugnis von der moralischen Verkommenheit des obersten gr. Gottes und von der Nichtigkeit des heidnischen Glaubens abgeben (10018; Katalog). E3 Rudolf von Ems, , Weltchronik': Der edle und tapfere Ρ flieht nach der Tötung von Kö-
nig Acrisius aus Griechenland nach Asien und erobert viele Länder, die nach ihm benannt werden. Die Heiden meinen, Ρ und Andromeda seien nach ihrem Tod in den Himmel aufgefahren, wo zwei Sterne nach ihnen benannt sind (19836-19876). II. 1) P und Medusa; 2) Weitere Motive des P-Mythos und Deutungen
1) Das populärste Motiv des antiken P-Mythos ist die Tötung Medusas. Es ist auch in der ma. Mythographie gut belegt. [1] Schon in der Antike und dann wieder ab der Renaissance ist es ein beliebtes Sujet in der bildenden Kunst, eines der bekanntesten Beispiele gibt Benvenuto Cellinis Ρ in Florenz. [2] Der Bericht in Al folgt direkt Ovid, eine detailliertere Beschreibung bietet C1. Im Sinne allegorischer Mythendeutung, die in Perseus ein Sinnbild der Tugend sieht, [3] soll sein Sieg hier gleichnishaft für den Kampf des ehrenhaften Fürsten gegen alles Unehrenhafte stehen. P's bekannte List, Medusa im Spiegelbild seines Schildes zu betrachten, ist modifiziert. Dass er selbst den Schild verfertigt hat, soll wohl bedeuten, dass auch der metaphorisch verstandene Schild der Ehre nur mit Mühe zu gewinnen sei. Der Spruch versteht sich als Fürstenlehre. Dass Ρ mit Antaeus verwechselt ist, verwundert angesichts der präzisen Wiedergabe des Mythos und des Bildungshorizonts des Autors. Eventuell liegt ein „gelehrter" Irrtum vor, und C1 fasst Antaeus fälschlicherweise als Beinamen des P. Auch Medusa ist ja mit ihrem (freilich geläufigen) Beinamen „Gorgo" genannt. Der Zusatz, dass die Geschichte noch immer berichtet werde („Daz man es noch von im seit"; C l , 203), soll wohl deren Wichtigkeit unterstreichen. Motivisch ist die Tötung der Medusa noch im ,Daniel' des Stricker und im ,Garel' des Pleier verarbeitet. [4] 2) Weitere Daten aus dem P-Mythos referiert direkt nach Ovid nur A l . A2 begnügt sich mit einer bloßen genealogischen Nennung. Die beiden dt. Versionen der Barlaamlegen-
Persius — Pertinax de, E l und E2, sehen in Ρ wie in den anderen Gestalten der gr. Mythologie ein Beispiel für Unmoral und Hinfälligkeit des heidnischen Götterglaubens. Der polemische Ton entspricht der Tradition christlich-apologetischer Literatur. In El sind die mythologischen Daten nach dem Vorbild der lat. Weltchronistik historisch aufgefasst und werden in einem profangeschichtlichen Exkurs zur Heilsgeschichte referiert. Die Nennung bezieht sich auf die ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1111a), die allerdings nichts von der Verstirnung P's und Andromedas berichtet. [5] Das Motiv wird in einer der Nebenquellen von E l , dem ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura, erwähnt (PL 154, Sp. 519). El könnte es freilich auch aus Ovids .Metamorphosen' kennen. Im Übrigen könnte Ρ in A2 und El mit seinem Sohn Perses, dem mythischen Stammvater der Perser, identifiziert sein. [ 1 ] Zahlreiche Belege finden sich bei den Mythographi Vaticani, vgl. auch Chance, Medieval Mythography, Reg. [2] Z u r bildnerischen Rezeption s.v. Perseus, in: Lücke, Antike Mythologie, 633-647, hier 642ff. [3] So bei Myth. Vat. 1,130 u n d bei Fulgentius, Myth. 1,21, Hinweis bei Lücke [Anm. 2], 640; -» Medusa (II.). [4] -> Medusa (11.3). [5] N i c h t ü b e r n o m m e n w i r d v o n E l die bemerkenswerte euhemeristische D e u t u n g Medusas in der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1275d). D o r t heißt es, Medusa sei eine H u r e gewesen, die wegen ihrer unglaublichen Schönheit allen, die sie betrachteten, die Sinne geraubt habe („quae ob nimiam pulchritudinem spectatores suos mentis impotes reddebat"). [mk]
Persius [Aules Ρ Flaccus, 34-62 n. Chr., röm. Satiriker]
D l Hugo von Trimberg,, Der Renner' (Perseus)·. Ρ wird als „meister" in mehreren Katalogen genannt: Er ist einer jener röm. Adeligen, die den Wert der Kunst für Tugend und Ansehen erkannten und sie beispielhaft pflegten (1267), gibt ein Beispiel für antike Gelehrte, die sich mit den verschiedensten Gegenständen beschäftigten (9347), und für Gelehrte, die tugendhaft lebten und dennoch von Neid
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und Missgunst verfolgt wurden (14679). Ρ schreibt in seinem satirischen Büchlein, dass man mit ausgestreckter Zunge, Eselsohren, gespitztem Mund und dem Finger auf die Toren weise, deren es heute bei Laien und Pfaffen leider viele gebe (14107). [1] [1] Ρ gilt d e m M A als Meister der Satire. Sein Bekanntheitsgrad u n d seine Bedeutung im M A reichen allerdings nicht an Horaz u n d Juvenal heran; s.v. Persius im MA (F. Brunhölzl), in: LMA, Bd. 6, Sp. 1900. Die N e n n u n g e n unterstreichen den Bildungshorizont von D 1 . Spezifisch auf P's Person u n d Werk zielen sie mit Ausnahme des letzten Belegs freilich nicht ab, sie stehen vielmehr im Z u s a m m e n h a n g der gängigen didaktischen Topoi wie laus temporis acti u n d Zeitklage. Ρ repräsentiert hier einen ganz allgemeinen Exempeltypus, wie ihn auch andere antike Autoritäten verkörpern. Im Katalog 1267 werden ferner genannt: N u m a , Maecenas, Macrobius, Vergil, Caesar, Octavian, Scipio, Cicero, Lucan, Iuvenal, Boethius, Ovid, Statius, Sallust, Horaz, Terenz u n d Seneca. Im Katalog 9 3 4 7 zählen zu den antiken Gelehrten neben Ρ Vergil, Ovid, Aesop, Avian, Iuvenal, Plinius, Horaz u n d Solinus, zu den christlichen Auetores Augustinus, Hieronymus, Gregorius undAmbrosius. Im Katalog 14679 sind u.a. Horaz, Ovid, Statius, Cicero, Lucan, Boethius, Alan, Dares u n d Aristoteles aufgelistet. Z u 14107: „swer" in der Phrase „in sinem [P's] vil sweren büecheln" d ü r f t e „lästig" im Sinne von „satirisch" meinen. Mit dem gespitzten M u n d („Storch snebel") kann eine nach vor geschobene Unterlippe oder eine Art Kussmund gemeint sein. Die Eselsohren könnten auf Midas anspielen. [mk]
Pertinax [Publius Helvius P, wird unter C o m m o d u s Präfekt von Rom, 193 n. Chr. von den Prätorianern zum Kaiser ausgerufen und wenige Monate später von ihnen erschlagen]
E l ,Kaiserchronik' (Helius Pertinax): Der mächtige und mutige König Ρ lässt ein Gebäude aus Marmor errichten, in dem die edlen Römer nackt vor den Frauen kämpfen. Diese ehren die Sieger mit Lobgesängen. Ρ bezwingt alle Gegner, tötet dabei den Fürsten Iulianus, der von dessen Bruder gerächt wird. Er hat für sieben Monate geherrscht (7137-7204; Kaiserliste). [1] [1] Die C h r o n o l o g i e der Kaiserliste ist historisch nicht korrekt. M i t d e m Fürsten Iulianus könnte Didius Severus Iulianus (-» Didius) gemeint sein, der nach der E r m o r d u n g des Pertinax von den Prätorianern zum Kaiser ausgerufen u n d kurz darauf selbst ermordet wurde. Z u r Sagengestaltung in E l Ohly, Sage u n d Legende, 157f.
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Petraeus — Phaedra Phaedimus
Petraeus [Kentaur, wird von Pirithous erschlagen; M M 12,327]
[Sohn des Amphion und der Niobe, wird von Apollo getötet; M M 6,239]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12,554 (Petreus)·. Der Riese [1] Ρ wird von A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 6,507'. Apollo und Diana rächen die SchmäPirithous getötet (Nestors Erzählung vom hung Latonas durch Niobe an deren Söhnen, Kentaurenkampf). [1] Die Kentauren sind in Al als Riesen vorgestellt, nur eindie sich vor der Stadt bei Ritterspielen [1] mal (12,631) werden sie explizit als Mischwesen bezeichnet. vergnügen: P, der dritte Sohn der Niobe, Die Adaption greift offenbar auf Vorstellungen zurück, die trägt gerade mit Tantalus einen Ringkampf dem höfischen Publikum aus der Heldenepik vertraut sind aus, als ein Pfeil beider Brust durchbohrt und (-» Centauri). [mk] sie tötet (Katalog). [1] Die Leibesübungen bei Ovid werden von Al zeitgemäß als Ritterspiele aufgefasst. Der Ringkampf war freilich nicht Bestandteil solcher höfischer Ertüchtigungen, sondern ist als Rest der antiken Gymnasialkultur stehen geblieben.
Peucestes [1] [Sohn des Makartatos, wird 332 v. Chr. von Alexander zusammen mit Balacrus als Militärkommandant in Ägypten zurückgelassen; Curtius IV.8,4)
Al Rudolf von Ems, »Alexander' 10626: Der berühmte Fürst Ρ wird von Alexander als Verwalter von Ägypten eingesetzt (Eroberungszug Alexanders gegen Persien). [sks]
Peucestes [2] [Gefolgsmann Alexanders; kommt dem verletzten Alexander bei der Belagerung einer indischen Stadt zu Hilfe; Curtius IX.5,14; Chätillon IX,427]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander' (Peutestes): Der tapfere Held Ρ und Aristo η kommen dem bei der Eroberung der Stadt Sudraca schwer verwundeten Alexander zu Hilfe. Ρ wird dabei selbst verletzt und von Alexander für seinen Mut reich belohnt (20650-20766; Alexanders Zug nach Indien). [sks]
Peucolaus [Feldherr Alexanders; Curtius VII. 10,10]
Al Rudolf von Ems, Alexander' (Pekulaus)·. P, ein Gefolgsmann Alexanders, beteiligt sich an der Verschwörung gegen diesen (18886; 19364; Katalog der Verschwörer). [sks]
[mk]
Phaedra [Tochter des Minos und der Pasiphae, Schwester der Ariadne, Gattin des Theseus, versucht vergeblich, ihren Stiefsohn Hippolytus zu verfuhren]
Al ,Göttweiger Trojanerkrieg' (Fedra): P, die junge, schöne und gute Tochter von Minos und Pasiphae, und ihre ältere Schwester Medea freuen sich über Iasons Ankunft auf Kreta. Er stellt sich ihnen vor und berichtet von Troja (21678). Minos vertraut während seiner Abwesenheit Ρ und Medea der Obhut Iasons an (21882). Nach dem Tod des Minotaurus schließt sich Ρ aus Angst vor Pasiphaes Rache Iason und Medea an, die nach Troja fliehen wollen. Sie erweckt in Iason Hassgefühle gegen Medea, sodass er die Schlafende aussetzt (22125-22179). Später wird sie wie ihre Schwester von Iason im Stich gelassen und stirbt aus Gram darüber (22512). Iason wird deshalb von P's Onkel Gamille vor Troja gestellt und im Kampf getötet (22558). [1] [1] Zur Kreuzung von Theseus- und Iasonmythos Iason (I.A4, II.l). Zu 22179: Aus dem Text geht nicht eindeutig hervor, ob Ρ aktiv gegen Medea intrigiert oder Iason Medea nur deshalb aussetzt, weil Ρ schöner ist. Die Bewertung der Gestalt ist nicht eindeutig, in 21678 wird sie jedenfalls der Pasiphae positiv gegenüber gestellt. [mk]
Phaethon — Phiale
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Phaethon
Pharnabazus
[Sohn des Phoebus/Sol und der Clymene, lenkt den Sonnenwagen und stürzt in den Eridanos; M M 1,751; 2,34]
[Sohn des Artabazus, Feldherr des Darius; 111.3,1]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Phaeton): Als Ρ von Epaphus geschmäht wird, er sei nicht der wirkliche Sohn des Apollo, sucht er diesen in Indien auf und bittet um die Erfüllung eines Wunsches als Beweis für dessen Vaterschaft. Auf Apollos Schwur hin, er würde ihm alles erfüllen, will Ρ den Sonnenwagen lenken. Die Warnungen des Vaters fruchten nichts (1,1512-2,247). Als Ρ dann die Kontrolle über Pferde und Wagen verliert, gerät die Fahrt zur Katastrophe für Himmel und Erde. Ρ wird schließlich von Iuppiter mit einem Blitz vom Himmel geschossen, von Wasserfrauen bestattet und von seinen Eltern, seinen Schwestern und von Cygnus beklagt (2,247-2,821; RV: 4,460). [1] Phoebus/Sol und Phoebus/Apollo sind in A l nicht klar auseinandergehalten;
Apollo
(I.A2).
[mk]
Phalas [König der Sidonier, Heerführer Memnons; Dictys 84,1]
A l Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg', Fortsetzung 42629 (Phala)·. Der stolze Ρ erhält nach Memnons Tod den Oberbefehl über dessen Heer. [sks]
Phantasus
Al Rudolf von Ems, »Alexander' (Farnabazus): Der junge, tapfere Fürst Ρ erhält von Darius den Oberbefehl über die Hilfstruppen (5305; Vorbereitungen zur 1. Schlacht zwischen Persern und Griechen). Seine Frau, eine persische Fürstin, und sein Kind geraten in makedonische Gefangenschaft (7617). Ρ soll im Auftrag des Darius mit 100 Schiffen die verlorenen Länder zurückerobern, wirbt eine große Schar an Kampfgenossen (86418652), zieht nach Makedonien, wo er großen Schaden anrichtet, wird aber schließlich von Amphoterus und Hegelochus besiegt und gefangen genommen (9509; 9614). [sks]
Pharos [Gefolgsmann des Darius, fällt im Kampf gegen Alexander; Chatillon V.30]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander': Der junge und tapfere Ρ von Syrien kämpft in der Schlacht bei Arbela auf Seiten des Darius (12007). Er und Eliphas von Ägypten führen ein Iuppiterbild als Heerzeichen in ihrem Banner, [1] der Name des Gottes ist auch ihr Schlachtruf. Sie fallen im Kampf gegen Alexander (13168-13215). [1] Vgl. das Inno- Banner des Enos. Das Motiv ist von A l hinzugefügt und bezieht sich auf das Amorbanner des Noupatris in Wolframs von Eschenbach .Willehalm'; Amor/Cupido
(I.B3).
[sks/mk]
[Sohn des Schlafes, Gott des Traumes, Personifikation der phantastischen Traumerscheinung; M M 11,642]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 11,1107 (Phantasos): P, der personifizierte Traum und Diener des Schlafgottes, kann sich in leblose Dinge verwandeln. Er, Morpheus und Icelos erscheinen Königen, Fürsten und Herzögen, sie werden in Iunos Auftrag vom Schlafgott geweckt, der dann Morpheus zu Alcyone schickt, damit er ihr vom Tod des Ceyx berichte (Ceyx und Alcyone).
Phiale [Nymphe in Dianas Gefolge; M M 3,172]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen Die keusche Ρ und die anderen Jungfrauen in Dianas Gefolge baden die Göttin (3,401). Als Actaeon erscheint, stellen sie sich schützend vor sie, werden von ihr aber um eine Achselhöhe überragt ( [3,420]; Katalog). [mk]
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Phidias — Philippus [1]
Phidias [Sohn des Memnon, Verwandter des Cyrus, wird von Hephaestio im Kampf getötet; Chatillon V, 189]
A l Ulrich von Etzenbach,,Alexander' (Fidias): Ρ ist der junge und treffliche Sohn des am Granikos gefallenen Memnon und Verwandter des Cyrus. Er ist an Schönheit nur mit Absalom vergleichbar. Als er Alexander in der Schlacht bei Arbela attackiert, wird er von Hephaestio getötet (13843-13902). [sks]
Phidippus [Sohn des Thessalus, gr. Kämpfer vor Troja; Dares 18,5; Dictys 12,9; Benoit 5641 Philitoas]
G: Neffe des Antiphus (Al), König von Calcidon (Al, A2), Graf (Al) Nf.: Filithoas {Al), Filitoas (Al), Idippe (A2 [Forts.]), Philithoas (Al) I. Al Herbort von Fritzlar, ,lietvon Troye': Ρ fuhrt mit Antiphus 40 Schiffe von Calcedonien nach Athen (3347; Katalog der Griechen), bildet in der Landungsschlacht mit Thoas und Aiax Oiliades eine Schar (4884) und wird von Hector schwer verwundet (54305599), kämpft später gegen Remus (6833; 6982) und wird schließlich von Hector getötet. Antiphus will ihn rächen und fällt dabei selbst (8784-8828). A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg'·. Der edle und weise Ρ befehligt als Verbündeter der Griechen eine Rotte (23832; Katalog; als Kämpfer genannt: 30638; 32822; 36770). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung 40460: Ρ fällt im Kampf gegen Hector. II. Pheidippos ist schon bei Homer (,Ilias' 2,678) als Griechenkämpfer vor Troja genannt. So wie dort ist er im Trojabericht des Dictys Cretensis (12,9) als Sohn des Thessalus ausgewiesen, bei Dares Phrygius (18,5) trägt er
die Herkunftsbezeichnung „aus Calydna". Im ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure (5641) erscheint er unter der Nf. Philitoas, so auch in Al und A2. Die Angabe zu seinem Tod in Al folgt Benoit (13993; nach Dares 28,10), die Fortsetzung von A2 dürfte sich in diesem Fall direkt auf Dares beziehen (ansonsten folgt sie weitgehend Dictys). [mk]
Philammon [Sohn des Apollo und der Chione, mythischer Kitharode aus Delphi; MM 11,317]
Al Albrecht von Halberstadt,,.Metamorphosen' 11,596: Mit P, dem Sohn von Apollo und Chione, kann sich - so wie mit seinem Vater - niemand im Harfenspiel messen. [mk]
Philenor [Sohn des Priamus; Dictys 65,6]
Al Konrad von Würzburg, Trojanerkrieg', Fortsetzung 43164 (Pfilenor)·. P, einer der 13 Söhne des Priamus, führt eine Schar der Trojaner und wird von Aiax Oeliades getötet. [sks]
Philippus [1] [Ρ II., 359-336 v. Chr. König von Makedonien, Sohn des Amyntas III. und der Eurydice, Gatte der Olympias und der Cleopatra, Vater Alexanders d. Gr., wird in Aigai von Pausanias ermordet]
G: Gatte der Olympias (Al, A2, A3) bzw. einer namenlosen schönen Frau (A4), Liebhaber/ Gatte der Cleopatra (Al, A2, A3), leiblicher (Al, A2, A4, Bl, B2) oder vermeintlicher (A2, A3) Vater des Alexander R: König von Makedonien (Al, A2, A3, Bl), Griechenland (A4) Nf.: Filippus (A4), Philip (A3), Philipp (Al, A2, A3, B2), Philippe (A2, Bl), Philippos (A3)
Philippus [1] I. A l Pfaffe Lamprecht, ^Alexander': P, dessen Macht sich sogar übers Meer erstreckt, hat viele Schlachten gegen Xerxes geschlagen und ihn schließlich besiegt (V10; Prolog; V81-89; S10: nur genealogische Angabe). Ρ freut sich über die Zähmung des Bucephalus, des wundersamen Fohlens seiner Stute, durch Alexander (V237; S95-107), beglückwünscht ihn zur Königsnachfolge (V237), verstößt Olympias und begeht Ehebruch mit Cleopatra, später versöhnt Alexander die beiden. Als er diesen einmal züchtigen will, bricht er sich das Bein und blamiert sich so vor dem Hof (V[389]; S270-296). Nach der Ermordung Ps durch Pausanias wird Alexander zu seinem Nachfolger ernannt (V 471-559). Ρ sagt Alexander im Traum Unterstützung zu (S2999). A2 Rudolf von Ems, Alexander': Ρ befindet sich auf einem Feldzug, als sich Nectanebus in Olympias verliebt (425; 632). Dieser schwängert sie in Gestalt Ammons und lässt Ρ träumen, dass der Gott in seiner, P's Gestalt, mit Olympias ein Kind gezeugt habe (751; 917975). Später setzt sich ein Vogel in seinen Schoß und legt ein Ei, aus dem ein Wurm kriecht, der es umwindet. Ein Deuter sieht darin ein Vorzeichen für die künftige Weltherrschaft des erwarteten Sohnes (1004-1194). Zu P's Ärger sieht ihm dieser nicht ähnlich. Wegen seiner Liebe zu Cleopatra verstößt er Olympias; attackiert Alexander, als dieser Lysias tötet, stürzt dabei und macht sich so vor dem Hof lächerlich. Später versöhnt sich Ρ mit Alexander und auf dessen Betreiben hin auch mit Olympias (1901-2749). Die Tributforderungen des Darius an Ρ werden von Alexander abgelehnt (2749; 2775; 2790). Ρ wird beim Angriff des Pausanias in Aigai getötet, weil er ihm mit einem zu schwachen Heer entgegenreitet (2812-3059). Nach seiner Beisetzung wird Alexander zum Herrscher gekrönt (3301), er betitelt sich selbst als P's Sohn (3875; 4361; 4423; 17656). A3 Ulrich von Etzenbach,vAlexander': Ρ fürchtet um den Weiterbestand seines Reiches, da
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er keinen männlichen Erben hat (174), und nimmt den aus Ägypten vertriebenen Nectanebus bei sich auf (249), der während P's Abwesenheit mit Olympias einen Sohn zeugt ([402]). Der ahnungslose Ρ freut sich über Olympias' Schwangerschaft ([844]) und nennt seinen vermeintlichen Sohn Alexander ([1166]). Dieser zähmt P's Pferd Bucephalus ([1668]) und erhält von ihm im Kampf gegen König Nicolaus den Oberbefehl über das Heer ([1728]). Als Ρ Olympias wegen Cleopatra verstößt, tötet Alexander Lysias, der Ρ und Cleopatra einen Sohn geweissagt hat, verjagt Cleopatra, führt Olympias zurück (1768; 1789; 1804) und lehnt die Tributforderungen des Darius an Ρ ab (1827; 1899; 1907; RV: 4143). Ρ wird von Pausanias getötet, als dieser Olympias entführen will, und von Alexander gerächt ([2022]; [4278]; RV: 4345). A4 ,Aristoteles und Phyllis' 3: Ρ engagiert Aristoteles als Lehrer für Alexander, erfährt durch Aristoteles von dessen Liebesverhältnis zu Phyllis und bestraft das Mädchen. Β1 Albrecht, Jüngerer Titurel'·. Aus P's und Alexanders Geschlecht stammen die nach ihnen benannten Riesen Philippus und Alexander (4836,4; genealogische Angaben: 3127,1; 4802,4). B2 ,Reinfried von Braunschweig' 26775'. P's Sohn Alexander hat Darius besiegt (Exkurs) . II. 1) P im Alexanderroman; 2) Anekdotisches; 3) Zeichnung
1) Als (mitunter nur vermeintlicher) Vater Alexanders zählt Ρ zu den Hauptgestalten der ma. Alexandertradition. Die Alexanderromane entfernen sich dabei weit von den historischen Gegebenheiten. So werden die Bestrebungen des historischen P, die Hegemonie über Griechenland zu erreichen, kaum thematisiert, dies erledigt Alexander selbst. Die mit Ρ verbundene Handlung kreist vielmehr um Anekdotisches. Die Anspielungen in Β1 und B2 beschränken sich ausschließlich auf genealogische Angaben.
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Philippus [2]
2) Dass nicht P, sondern Nectanabus II. von Ägypten Alexanders Vater sei, ist eine Variante der späteren antiken Alexandertradition. Sie wird in A2 und A3 aufgegriffen, in A l aber dezidiert als unwahr zurückgewiesen. [1] Nectanebus' Aufnahme durch Ρ in A3 reflektiert seine 341 v. Chr. erfolgte Vertreibung durch die Perser nach Nubien. Alle Alexanderromane berichten von der Verstoßung Olympias' durch Ρ wegen dessen Liebesbeziehung zu Cleopatra (die Hochzeit von Ρ und Cleopatra wird in das Jahr 337 v. Chr. datiert). Dies wird um das historisch nicht belegbare Motiv einer Versöhnung auf Betreiben Alexanders erweitert. Die Episode hat keine weitere Handlungsfunktion. Anekdotisch ist auch das Motiv von der Auseinandersetzung zwischen Ρ und Alexander, bei der Ρ zu Sturz kommt und sich vor der Hofgesellschaft blamiert (Al, A2). Alle Alexanderromane erwähnen außerdem Ps Tributpflicht gegenüber Darius, diese wird in A2 und A3 von Alexander bestritten. In A3 überlässt Ρ die Austragung der Tributstreitigkeiten vollständig Alexander. P's Ermordung durch Pausanias (Al, A2, A3) ist historisch gesichert, die genauen Gründe sind aber unklar. A2 motiviert sie mit Pausanias' vorangegangener Niederlage gegen P, A3 mit Pausanias' Liebe zu Olympias. [2] 3) P's Charakter wird in allen mhd. Belegen durchwegs positiv gezeichnet, er vereint in sich die wichtigsten Wesenszüge eines vorbildlichen Herrschers:Tugendhaftigkeit (Al), Ehrenhaftigkeit {Al, A3), Lauterkeit (A2, A3, A4),Trefflichkeit (A3), Klugheit (Al, Al, A3) und Güte (A3, A4). [1] -» Nectanebus. [2] Pausanias. Nachbenennung Albrecht, Jüngerer Titurel' (Philippe)·. Der Riese Ρ und sein Bruder Alexander stammen aus dem Geschlecht Philipps von Makedonien und Alexanders d. Gr. und sind nach ihren Vorfahren benannt. Sie werden von Tschinotulander besiegt, berichten ihm von Alexanders Kämpfen und Forschungen und bekehren sich mit ihren Reichen zum Christentum (4836,1; 4852,4; 4853,1; 4854,1; 6115,3; 6119,1). [1] [1] Bei König Philippe von Utilimare (4836,1; u.ö), der in der 6. Schar Ypomidons kämpft, dürfte es sich um eine weitere Nachbenennung handeln. [sks/mk]
Philippus [2] [Leibarzt Alexanders]
R: Graf (A3), Arzt (Al, Al, A3), Meister (A2, A3) I.
Al P f a f f e Lamprecht, ^Alexander'·. Der junge Ρ heilt den nach einem Bad im Fluss Kydnos schwer erkrankten Alexander. Als Parmenio die verleumderische Behauptung äußert, Darius habe Ρ für den Mord an Alexander seine Schwester und den Fürstenrang als Lohn geboten, beteuert Ρ seine Unschuld. Alexander vertraut ihm und lässt Parmenio töten (S2567-2608). A2 Rudolf von Ems, »AlexanderDer treue und weise P, der beste Arzt Alexanders, heilt den nach einem Bad im Kydnos erkrankten Alexander mit einem Trank. Als Parmenio in einem Brief die verleumderische Behauptung äußert, Darius habe Ρ für den Mord an Alexander seine Tochter als Lohn versprochen, beteuert Ρ seine Unschuld, und Alexander glaubt ihm. Als dem Verleumder die Hinrichtung droht, will ihm Ρ zugute halten, dass er Alexander warnen wollte (5754-5790). Später heilt Ρ den durch einen Pfeil verwundeten Alexander (10285).
A3 Ulrich von Etzenbach, »Alexander': Der getreue und weise Ρ behandelt den nach einem Bad im Kydnos schwer erkrankten Alexander (6515; 6539). Als ihn Parmenio in einem anonymen Brief verleumdet, er wolle Alexander im Auftrag des Darius ermorden, beteuert Ρ seine Unschuld und meint, der Verleumder selbst wünsche Alexanders Tod oder wolle Hass säen. Schließlich heilt er Alexander mit Säften (6554-6640). II. Die historisch bezeugte Heilung Alexanders nach dessen Bad im Kydnos durch Ρ (333 ν. Chr.) wurde vermutlich früh ausgestaltet und um das Motiv von Parmenios Feindschaft gegen Ρ erweitert. [1] Sie ist fester Bestandteil der literarischen Alexandertradition
Philippus [3] — Philippus [6] und findet sich bei Leo Archipresbyter (hier die Quelle von A2), nach diesem im afrz. Alexanderroman Alberics de Pisan9on (Al) und in der »Alexandreis' Walters von Chätillon (A3). In allen drei Alexanderromanen scheitert Parmenios Verleumdungsversuch. Stets ist Darius als vermeintlicher Anstifter des Mordanschlags genannt. In A3 wird die Verleumdung mit dem Neid Parmenios auf P's freundschaftliches Verhältnis zu Alexander motiviert. [1] S.v. Philippus
[21.1
(G. Wirth), in: DKP, Bd. 4,
Sp. 752.
[sks/mk]
Philippus [3] [Feldherr Alexanders; Curtius IV. 13,29]
A l Rudolf von Ems, »Alexander'·. Der edle Herzog Ρ befehligt in der zweiten Schlacht gegen die Perser als Fähnrich die Thessalier im linken Flügel des Griechenheeres (12000) und bringt Alexander Verstärkung aus Lydien für den Feldzug gegen Bessus (18727). [sks]
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I. El,Kaiserchronik': Der lobenswerte Ρ erlangt als erster Herrscher Macht und Ansehen in der Christenheit. Sein Sohn Philippus wird von Papst Sixtus getauft. Beide finden jedoch durch den Christenfeind Decius den Tod (6098; 6117; 6132).
E2 Jans Enikel, , Weltchronik' 24785·. Inhalt wie E l .
II. Ρ wird in beiden Chroniken im Rahmen eines Katalogs als erster röm. Kaiser genannt, der christenfreundlich gesinnt ist und somit den weltgeschichtlich entscheidenden Akt einer Legitimierung des Christentums durch Constantinus d. Gr. vorwegnimmt. Daraus ergibt sich auch die positive Zeichnung, die mit den historischen Gegebenheiten nicht in Einklang steht. P's negative Gegenfigur ist der bekannte und im MA verachtete Christenverfolger Decius. Das Motiv von P's Ermordung reflektiert seinen Tod in der Schlacht gegen den aufständischen Decius 249 n. Chr. Sein 12-jähriger Sohn wurde in Rom ermordet. Die Darstellung in E2 folgt direkt E l . [sks/mk]
Philippus [4] [Sohn des IV. 13,28]
Balacrus,
Feldherr
Alexanders;
Curtius
Al Rudolf von Ems, Alexander' (Phaligrus Balacrios): Der tapfere Fähnrich Ρ ist Befehlshaber über die Hilfstruppen Alexanders (11979) und verbreitet in den Kämpfen Angst und Schrecken unter den Feinden (12453; 2. Schlacht zwischen Griechen und Persern). [sks]
Philippus [5] [Marcus Iulius P, 2 4 4 - 2 4 9 n. Chr. röm. Kaiser, Gatte der Marcia Otacilia Severa, Vater des M. Iulius Philippus; in seine Herrschaft fällt die 1000-Jahrfeier Roms, er zieht gegen Decius und fällt im Kampf]
G: Vater des Philippus { - * Philippus [6]) ( E l , E2) R: König ( E l ) von Rom (E2)
Philippus [6] [M. Iulius P, Sohn des -* Philippus ermordet]
[5], wird in Rom
G: Sohn des Philippus ( E l , E2) Nf.: Phylippus (E2) I. E l ,Kaiserchronik' 6103: Ρ wird von Papst Sixtus getauft und deshalb gemeinsam mit seinem Vater von Kaiser Decius ermordet.
E2 Jans Enikel, , Weltchronik': Inhalt wie El (24795; 24812). II. Die Ermordung P's und seines Vaters Philippus durch Decius selbst ist historisch nicht belegbar, sondern reflektiert vielmehr die in
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Philoctetes — Philomela
das Jahr 249 datierende Niederlage von P's Vater in der Schlacht gegen den aufständischen Decius, in deren Verlauf dieser den Tod findet. Ρ selbst wird 12-jährig in Rom ermordet. Die Darstellung in E2 folgt direkt El. [sks/mk]
Philoctetes [Held aus Magnesia, will sich am Kriegszug gegen Troja beteiligen, wird nach einem Schlangenbiss aber auf Lemnos ausgesetzt, von Machaon geheilt und von Ulixes nach Troja gebracht; er tötet Paris]
R: Graf aus Melibe (A2), aus Melibete stammend ( A l ) Nf.: Filitos (Al), Filothetes (A2), Pfilocteta (A2), Pfiloteta (A2), Politetes (Al, A2) I. A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Ρ führt sieben Schiffe von Melibete nach Athen (3397; Katalog), geleitet als Ortskundiger die gr. Flotte nach Troja (3630) [1] und bildet in der Landungsschlacht eine Schar (4925; Katalog; als Kämpfer genannt: 6831). [1] Der hier genannte Filitos ist wohl mit Philoctetes identisch, der sowohl bei Dares als auch bei Benoit de SainteMaure der Führer der Griechenflotte ist.
A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg: Der junge, tapfere und flinke P, ein Verbündeter der Griechen aus Melibe (23884; Katalog der Griechen), kämpft vor Troja, um Minnelohn zu erringen (36803; Katalog). Ρ soll den gr. Fürsten von Hercules' Ruhmestaten erzählen. Er ist Zeuge gewesen, als Hercules sich verbrannt hat, hat seine Asche aufgesammelt und beigesetzt, Hercules' Waffen versteckt und alle Spuren der Tat beseitigt (37934-38723). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung: Der weise Ρ nimmt an den Ritterspielen anlässlich der Siegesfeier des Achilles nach Hectors Tod teil und gewinnt das Bogenschießen (40934; 45308-45537; 47801). Er erwirbt großen Ruhm, tötet Paris mit einem Pfeil und wird daher als derjenige gepriesen, der den Schuldigen am Krieg der gerechten Strafe zugeführt habe. Mit Pyrrhus verbindet ihn Freundschaft. Er ist einer der gr.
Unterhändler in den Friedensverhandlungen mit den Trojanern (45380-47801).
II. Die Trojaromane A l und A2 nennen Ρ als Verbündeten der Griechen. In A l geleitet er die gr. Flotte als kundiger Führer nach Troja. Der Grund für P's Ortskenntnisse - seine Teilnahme an der Argonautenfahrt und an der ersten EroberungTrojas unter Hercules - wird im Unterschied zu Dares Phrygius und Benoit de Sainte-Maure, den Quellen von A l , nicht erwähnt. Während Ρ hier insgesamt nur kurz und allgemein als Kämpfer genannt ist, weist ihm A2 im Rahmen seiner Herculeserzählung eine breitere Rolle zu. Das Motiv selbst ist von Ovid übernommen: Dort erzählt Nestor im Kreise der gr. Fürsten vom Kampf zwischen Lapithen und Kentauren (MM 12,182ff.). In der Fortsetzung von A2 tritt Ρ schließlich in seiner angestammten Rolle als Bogenschütze in Erscheinung, zunächst beim Siegesfest des Achilles, dann — direkt nach Dictys Cretensis (97,2) - als derjenige, der Paris tötet. Das seit den homerischen Epen bekannte Motiv von P's Aussetzung auf Lemnos (,Iliasl 2,72Iff.), das in der Tragödie des Sophokles seine berühmteste Ausgestaltung gefunden hat, wird in denTrojaromanen nicht erwähnt, da es schon in den entsprechenden Quellentexten, bei Dares, Dictys und Benoit, getilgt ist. Es findet sich in der Metamorphosenübersetzung Albrechts von Halberstadt, ist dort aber auf Palamedes übertragen, der mit Ρ identifiziert wird. [1] [1] -» Palamedes
(I.AlHl.). [mk/sks]
Philomela [Tochter des attischen Königs Pandion und der Zeuxippe, Schwester der Procne, wird von ihrem Schwager Tereus vergewaltigt und auf der Flucht vor diesem so wie ihre Schwester von den Göttern in einen Vogel verwandelt: Ρ wird zur Nachtigall, Procne zur Schwalbe; MM 6,451]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': P, die liebliche und edle Tochter Pandions,
Philotas wird auf der Reise zu ihrer Schwester Procne nach Thracien von ihrem Schwager Tereus vergewaltigt. Nachdem Tereus ihr die Zunge herausgerissen hat, irrt Ρ alleine gelassen im Wald umher (6,877-1266). Sie sendet Procne einen Gürtel, in den sie rote Buchstaben einstickt, die Tereus' Untat enthüllen. Die Schwestern schwören daraufhin Rache. Procne schlachtet ihren Sohn Itys und setzt ihn Tereus zum Mahl vor, Ρ wirft ihm das Haupt des Knaben hin. Bevor Tereus die beiden töten kann, verwandelt sich Ρ in eine Nachtigall, Procne in eine Schwalbe (6,1266-1496; Tereus und Procne; Aition für die Nachtigall). [1] [1] Die beiden antiken Varianten der P-Metamorphose gehen auf die verlorenen Tereustragödien des Sophokles und seines Kontrahenten Philokles, eines Neffen des Aischylos, zurück. Bei Sophokles wird Ρ in eine Schwalbe und Prokne in eine Nachtigall verwandelt, bei Philokles ist es umgekehrt. Die röm. Dichter lassen meist Ρ zur Nachtigall und Procne zur Schwalbe werden, s.v. Philomele und Prokne (H. von Geisau), in: DKI> Bd. 4, Sp. 768f. und Sp. 1162f. Ovid (MM 6,667ff.) beschreibt nur die Metamorphose des Tereus in einen Wiedehopf, bei Ρ und Procne wird lediglich das Faktum der Verwandlung erwähnt, aber nicht explizit gesagt, wer zu welchem Vogel wird. Der Mythos war dem MA durch Ovids ,Metamorphosen' bekannt, wird u.a. bei den Mythographi Vaticani (1.4; 1.204; 11.217) erwähnt und erfährt eine erste volkssprachliche Bearbeitung durch Chretien de Troyes, den wichtigsten frz. Romancier des MA. Die ,Philomela' ist eines seiner frühesten Werke und direkt nach Ovid gearbeitet. Bei Ovid webt Ρ im Übrigen ein Tuch, in das sie „purpureas notas" (MM 6,577; „purpurne Zeichen") einwirkt, um sich Procne mitzuteilen.
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sehene, tapfere und kluge Ρ verwaltet Tyrus und das umliegende Land (9474), kämpft als Heerführer im rechten Flügel des Heeres (11956), schlägt Ariobarzanes in die Flucht (12286-12385; als Kämpfer genannt: 13408; 13801) und soll auf Geheiß Alexanders seinen Bruder Nicanor begraben (18625; 18760). Weil er es unterlässt, Alexander vor der geplanten Verschwörung zu warnen, und weil er ein Nahverhältnis zu Amyntas und Attalus hat, die beide gegen Alexander arbeiten (18974-19507), wird er öffentlich angeklagt, soll nach seiner Verteidigungsrede mit List und Gewalt zu einem Geständnis gezwungen werden, beteuert aber seine Unschuld und wird schließlich freigesprochen (19507-20022; 20262).
A2 Ulrich von Etzenbach, »Alexander': Der edle, tüchtige und tapfere Ρ will den ersten Kampf gegen die Thebaner bestreiten, um seinen verhöhnten Bruder Hector zu rächen (3288; Belagerung Thebens), erhält den Befehl über die Reitereskorte Alexanders (3508; 3522; 4596), kämpft in der Schlacht bei Issos unter der Führung seines Vaters Parmenio im linken Flügel des Heeres (7460; 8012; 8027), tötet Negusar (8248; 8268; 8274) und weitere Perser in der Schlacht bei Abela (13401; 13413; 13423). Im Kampfvor Persepolis treibt er die Feinde in die Stadt zurück (15414; als Kämpfer genannt: 16680); erfährt von der [mk] geplanten Verschwörung des Dymnus, Demetrius und Ioleus gegen Alexander, schließt Philotas sich ihnen nicht an, unterlässt es aber, Ale[Sohn des Parmenio und enger Freund Alexanders, wird xander zu warnen, um die Verschwörer nicht 330 v. Chr. in Drangiane gestürzt, weil er es unterlassen hat, zu verraten (17981; 17992). Er wird daher Alexander vor einer Verschwörung zu warnen] als Mitwisser gefangen genommen (18038G: Sohn des Parmenio (Al, A2), Bruder des 18171), gesteht, von der Verschwörung geNicanor (Al, A2) und des Hector (Al, A2), wusst zu haben, und wird wegen der unterSchwager des Attalus (Al) lassenen Warnung Alexanders wie die anderen R: Fürst (Al), Fähnrich (Al), Getreuer Ale- Verschwörer zum Tod verurteilt. Ein aufgrund xanders (A2) von P's Heldentaten eingereichtes GnadenNf.: Filotas (A2) gesuch wird von Alexander abgelehnt. Obwohl er beteuert, schuldlos verurteilt worI. den zu sein, wird das Todesurteil vollstreckt A l Rudolf von Ems, »Alexander '·. Der ange- (18219-18380).
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Philotimias — Phineus
II. Der historische Ρ war einer der angesehensten Heerführer Alexanders. Die mhd. Belege zeigen ihn als herausragenden Kämpfer mit durchwegs positiver Charakterzeichnung (Al, A2), der auch die Anklage der Mitwisserschaft an einer Verschwörung gegen Alexander keinen Abbruch tut. Alexanders Vorwurf, Ρ habe ihm gegenüber die Treue gebrochen, wird mit der Rechtfertigung P's abgeschwächt, er habe keinen Verrat an seinen Mitstreitern begehen wollen (Al, A2) und nicht an die Gefährlichkeit der Verschwörung geglaubt (Al). Auf P's Verteidigungsrede erfolgt in Al ein Freispruch. Der Schuldspruch und der Vollzug der Todesstrafe in A2 spiegeln die fur das Jahr 330 v. Chr. belegte Verurteilung P's durch die Heeresversammlung wider. Was das historische Geschehen betrifft, deutet nichts auf wirkliche Hochverratsabsichten P's hin, der Prozess war eher willkommener Anlass dafür, den wohl bedeutendsten Führer der makedonischen Opposition auszuschalten, die sich gegen die Überschreitung der Ziele von Philipps Persienpolitik wandte. [1] Die unterschiedliche Darstellungsweise in Al und A2 resultiert aus der jeweils zugrunde liegenden Quelle. Al folgt der Alexanderhistorie des Quintus Curtius Rufus, A2 der >Alexandreis' Walters von Chatillon. In beiden Romanen ist die Verschwörung Ausdruck einer Unzufriedenheit von Teilen des Heeres, die sich auf Alexanders zunehmend autoritären Führungsstil und seine wachsende Hybris gründet. Letzteres ist v.a. bei Walter von Chatillon und so auch in A2 ein zentrales Movens der Handlung, das schließlich auch zu Alexanders Tod führt. Insofern erscheint die Reaktion des Königs auf die Verschwörung v.a. gegenüber Ρ und seinem Vater Parmenio als willkürlich und übertrieben hart und lässt ihn in einem zunehmend negativen Licht erscheinen. Al, wo die Idealisierung Alexanders am weitesten geht, ist hingegen deutlich um Abschwächung der alexanderkritischen Aspekte bemüht. [1] Vgl. Phibtas (G. Wirth), in: DKP, Bd. 4, Sp. 784f. [mk/sks]
Philotimias [Tochter des Stranguillio und der Dionysias; .Historia Apollonii' C/28,12]
A l Heinrich von Neustadt, ^Apollonius' (Filomacia): Ρ ist die hässliche und unförmige Tochter von Stranguillio und Dionysias. Im Vergleich zu Tarsia, der schönen Tochter des Apollonius, die mit ihr aufwächst, ist sie unbeholfen und plump wie ein Rind (15001; 15135), weswegen sie auch als „Plumphilde" verspottet wird. Deshalb und aus Gier auf das Gold, das Apollonius seiner Tochter mitgegeben hat, will Dionysias Tarsia ermorden lassen (15239; 15245). [mk]
Philumenus [Arzt des 2. Jh. n. Chr., Eklektiker]
A l Heinrich von Neustadt, ^Apollonius' (Filomin, Filominus): Der junge, kunstreiche Arzt P, ein Schüler des Chaeremon in Ephesus, entdeckt, dass Lucina infolge ihrer Schwangerschaft eine Blutverklumpung im Herzen erlitten hat und nur scheintot ist. Er kann sie mit Hilfe von Salben wiederbeleben und wird dafür von Chaeremon mit zehn Mark des Goldes belohnt, das Lucinas Sarg beigegeben ist (2664-2758; Lucina in Ephesus; RV: 14954). [ 1 ] In der .Historia Apollonii* (C 26,13) ist nur von einem „iuvenis" die Rede, vielleicht geht der Name in Al auf eine Glossierung zurück. [mk]
Phineus [Bruder des Cepheus, will als Verlobter Andromedas deren Hochzeit mit Perseus verhindern und wird von diesem mit dem Gorgonenhaupt versteinert; M M 5,8]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Pheneusj: Der unwerte Ρ platzt in das Hochzeitsfest des Perseus, beschuldigt ihn, er habe ihm Andromeda geraubt, die ihm von seinem Bruder Cepheus versprochen worden sei, und provoziert eine Schlacht zwischen
Phlegon — Phoenix [2]
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seinen und Perseus' Gefährten (5,9-157). [1] Er wird schließlich von diesem mit dem Medusenhaupt in der Pose des um Gnade Bettelnden versteinert (5,368-405).
I. Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen' 8,606: Ρ nimmt an der Jagd auf den Kalydonischen Eber teil (Katalog). [1]
[l]Der5,190 genannte Pampinius, der Broteas und Ammon tötet, wird eine Entstellung aus Phinem sein, von dem die beiden bei Ovid (MM 5,109ff.) getötet werden. Einen Pampinius kennen die .Metamorphosen' nicht. [mk]
[1 ] Der Vers bei Wickram: „Eyn Sun Phenix genant Amintor", deutet daraufhin, dass Amyntor als Sohn des Phoenix gedacht ist. Vielleicht hat Wickram den mhd. Wortlaut bei Albrecht missverstanden. Der lat. Text („cretus Amyntore Phoenix", MM 8,307) ist jedenfalls so klar, dass er von Albrecht kaum falsch übersetzt wurde.
Phlegon -» Aethon
Phlegyas [Gefährte des Phineus, kämpft gegen Perseus; MM 5,87]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,146 (Phlegias): Ρ fällt im Kampf gegen Perseus und dessen Gefährten (Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus; Katalog). [mk]
Phocensis
Strophius
A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg', Fortsetzung: Der edle, tugendreiche und tapfere P, der Begleiter des Achilles, kümmert sich um Priamus, als dieser während der Verhandlungen um die Rückgabe der Leiche Hectors in Ohnmacht fällt (41240-41446). Nach dem Tod des Achilles bringt er Pyrrhus zu Hippodamia (44758). Sie trauern gemeinsam um den Gefallenen (45572). II. Ρ's Teilnahme an der Kalydonischen Eberjagd ist in Al nach Ovids .Metamorphosen' (8,307) erinnert. Die Angaben in A2 folgen direkt demTrojabericht des Dictys Cretensis, der P's traditionelle Rolle als Begleiter und Ratgeber des Achilles wiedergibt. [mk]
Phocus [Sohn des Königs Aeacus von Aegina und der Nereide Psamathe, Stiefbruder des Peleus und des Telamon; MM 7,477]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': P, Telamon und Peleus, die Söhne von König Aeacus, empfangen die von Cephalus geführte Gesandtschaft aus Athen und werden von Cephalus um Beihilfe im Kampf gegen Minos gebeten (7,875; 7,1157-1185). [mk]
Phoebus
Apollo
Phoenix [2] [Wundervogel, in Arabien oder Indien lokalisiert, wird durch seine Selbstverbrennung und Neuerstehung aus der Asche zu einem Symbol der Ewigkeit]
W: Vogel (Al, A2, Bl, B2, B3, B4, C l , C8, C9, C10, Dl), Wunderwesen (A2, B4, C l , C2, C3, C4, C6, C7, C8, C9, C10), Wundervogel (A3, C6, E2) Nf.: Fenis (Bl), Fenix (Al, A3, B2, B3, B4, C l , C2, C3, C4, C6, C7, C8, C9, C10, D l , El), Phönix (A2), Venix (C9, C10, D2) I.
Phoenix [1] [Sohn des Amyntor und der Hippodamia, Erzieher und Berater des Achilles]
G: Sohn des Amyntor (Al) Nf.: Fenix (A2), Phenix (Al)
Al Pfaffe Lamprecht, Alexander' S5151: Der schöne Ρ sitzt auf einem Baum, sein Kopf leuchtet hell wie die Sonne, er ist einzigartig auf der Welt (Briefbericht Alexanders an Olympias und Aristoteles über seinen Zug ans Ende der Welt).
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Phoenix [2]
A2 Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen':
Der Ρ ist das einzige Exemplar seiner Gattung, er kommt ohne Nahrung aus. Im Alter von 500 Jahren sammelt er auf einer Pappel dürres Kraut, legt sich hinein, sobald es die Sonne entzündet, und erhebt sich als neuer, schöner Ρ aus der Asche (15,432; 15,450; Exemplum des Pythagoras für seine Lehre von der steten Veränderung allen Seins).
A3 Ulrich von Etzenbach, »Alexander' 4540: Der Ρ gebiert in Arabien seine Nachkommen (Exkurs zu den Wundern Asiens).
B1 Wolfram von Eschenbach,
,Parzival'469,8:
Die Kraft des Wundersteines „lapsit exillis" lässt den Ρ zu Asche verbrennen, aus der er sich in alter Schönheit zu neuem Leben erhebt (Lehrrede des Einsiedlers Trevrizent an Parzival).
B2 Konrad
von Würzburg,
,Partonopier'
1144: Der Teppich Meliurs ist aus Haut und Gefieder des P, der sich im Feuer verbrennt, so kunstvoll gearbeitet, dass kein kostbarerer Teppich je einen Palast geziert hat (Descriptio).
B3 Konrad von Würzburg,,
Trojanerkrieg'33:
Der herrliche, wundersame Ρ verbrennt sich selbst zu Asche und erhebt sich daraus zu neuem Leben. Ließe er sich zähmen, wäre er begehrter als der Sperber. Gute Dichtung ist in dt. Landen ebenso selten wie der Ρ (Prolog; Gleichnis).
B4 Albrecht, ,Der jüngere Titurel' 5204,3: Ρ verbrennt sich und ersteht zu neuem Leben. Wenn Gottes Allmacht aus Asche einen Vogel erstehen lassen kann, warum sollte er es dann nicht auch mit seinem Ebenbild tun, meint die um den toten Tschinotulander trauernde Sigune (Exemplum).
C1 Der Kanzler, KLD XVI.2,1/12: Der Ρ pflanzt sich nicht fort, sondern verbrennt sich, wenn er alt wird. Sonne und Feuchtigkeit lassen ihn aus der Asche wieder erstehen. Solcher Natur sollten auch die Guten und die Bösen sein, die Guten sollten sich verjüngen, die Bösen unfruchtbar bleiben (Gleichnis; Zeitklage).
C 2 Der Marner, XV. 15,294: Der Ρ verbrennt sich selbst und ersteht im Feuer zu neuem Leben. Er wird in einer Reihe von Tieren mit seltsamer „Nachkommenspflege" genannt (Löwe, Elephant, Strauss, Adler, Pelikan). Sie sind Sinnbilder fur die Erlösung der Menschen aus der Hölle (Gleichnis; Katalog). C 3 Der Marner, XV.16,312: Der Sänger weiß zwar von der Verjüngung des P, von den Sirenen oder von der Chimaera zu singen, sieht sich aber außerstande, das pfauenund menschengestaltige Wunderwesen (die personifizierte Eitelkeit) zu beschreiben (Exemplum für Wundersames; Katalog).
C4 Reinmar von Brennenberg
KLD IV. 1,2:
Der M u n d der M i n n e d a m e leuchtet wie der helle Rubin, so, als ob er sich wie der Ρ im Feuer verjüngt hätte, und verströmt einen verjüngenden Balsamduft (Frauenpreis; Vergleich).
C5 Wachsmut von Mühlhausen, KLD [IV.2,7]: Das lyrische Ich will sich, wenn es von der Minnedame erhört wird, wie die Adler [!] wieder verjüngen und hoch in die Lüfte steigen (Minnelied; Gleichnis). C 6 Der Meißner: Dass sich der Ρ selbst verbrennt und dann neu ersteht, ist eine Lüge (XII. 1,4), vielmehr verbrennt sich der alte Ρ und wird zu Asche, aus der sich ein anderer, junger Ρ erhebt (XII.2,9; Spruch).
C7 Frauenlob, ,Marienieich'
1.12,17: Maria
ist das Feuer, in dem sich der alte Ρ verjüngt (Marienpreis). C 8 Frauenlob, ,Minneleich'ILL 17,4: Die Lieblichkeit der Frauen ist noch angenehmer als das Gefühl, das Ρ bei seiner Verwandlung im Feuer verspürt (Vergleich). C 9 Frauenlob, XIII. 14,1: Ρ verbrennt sich im Alter von 100 Jahren. Die anschließende Verjüngung nimmt ihm dabei, was ihm das Alter an Positivem (Weisheit) beschert hat. Vergleichbar damit ist die unbedachte Jugend, die sich durch Taten Ehren erwirbt, dabei aber die Tugend einbüßt (Gleichnis).
C10 Frauenlob, XIV. 19,3: So wie Ρ das Ver-
brennen im Feuer eine Freude ist, ist dem Sänger die Minneherrin ein Hort der Freude, wie weh sie ihm auch tut (Gleichnis).
Phoenix [2] D l ,Physiologus' 177,1'· Ρ gleicht Gott selbst, er kann seinen Körper verlassen und wieder in ihn zurückkehren. Er lebt 500 Jahre in Indien in dem Wald Libernus, dann bestreicht er seine Flügel mit Gewürzen, macht sich daraus ein Nest, holt mit einem Holz von der Sonne Feuer und verbrennt unter Schmerzen zu Asche. Am ersten Tag danach wird er zu einem Wurm, am zweiten zu einem Vogel, am dritten zu dem, was er vorher war (Katalog christlich-allegorisch gedeuteter Tiere). D 2 ,Minneburg' 2462: „P-Rubin" ist der Name eines Edelsteins. [1] [ 1 ] Die Feuerverbrennung des Ρ steht offenbar metaphorisch für die Röte des Steines.
El Konrad von Würzburg,,Die goldene Schmiede'365: Maria ist das lebensspendende Feuer, in dem sich der Ρ verjüngte. E2 Hugo von Langenstein,,Martina' 87b,4l: Vom wundersamen Vogel Ρ berichtet der Physiologus. Er lebt in Indien. Wenn er 500 Jahre alt ist, fliegt er ins irdische Paradies und isst von den Früchten dort, fliegt der Sonne entgegen, entzündet mit deren Feuer sein Nest und verbrennt sich. Aus seiner Asche entsteht am ersten Tag ein Wurm, am zweiten ein Vogel, am dritten der neue P. Er symbolisiert Christi Tod und Auferstehung. II. 1) Allgemeines z u m Ρ in Antike u n d MA; 2) P's Verjüngung; 3) Gleichnisse; 4) Religiöse Symbolik; 5) Ρ in der Minnelyrik; 6) Zusammenfassung
1) Von der Bekanntheit der P- Vorstellung im MA zeugen die zahlreichen mhd. Nennungen. Ihre Faszination erklärt sich aus dem wundersamen Wesen des Vogels, auf das die Belegstellen stets verweisen und das sich in seiner Fähigkeit zur Neuerstehung und Verjüngung durch Verbrennen manifestiert (A2, Bl, B3, B4, C l , C2, C3, C4, C5, C7, C8, C9, D l , D2, El, E2). Das Motiv der ungeheuren Lebensdauer des Ρ von fast 1000 Jahren findet sich bereits bei Hesiod (frg. 304). Herodot (2,73) erwähnt P's Verehrung im ägyptischen Heliopolis, wo er alle 500 Jahre ein großes Ei mit den Resten seines Vaters im Sonnentem-
505
pel bestatten soll. Der adlergestaltig gedachte Vogel mit rotem und goldenem Gefieder hat Züge des reiherähnlichen ägyptischen Sonnenvogels, einer Verkörperung von Re und Osiris. Das Motiv der Selbstverbrennung und Neuerstehung aus der Asche entstammt einer späteren Tradition und ist erst für die Kaiserzeit belegt, so etwa bei Ovid (MM 15,392; vgl. A2). [1] _ Für die Vermittlung der P-Vorstellung an das MA und für ihre breite ma. Rezeption ist die allegorische Deutung wichtig, wie sie in der so genannten Physiologus-Tradition vorliegt. [2] Der Ρ steht hier in einem Katalog von Tieren und Naturgegebenheiten, die auf die christlichen Heilstatsachen hin gedeutet werden. Mit D l liegt eine frühe dt. Bearbeitung vor (E. 12. Jh.), deren Wirkung hoch anzusetzen ist und die auch die P-Vorstellung der nachfolgenden Literatur beeinflusst hat. 2) Neben D l geben noch A2 (direkt nach Ovid), C l und E2 eine detaillierte Schilderung des Vorgangs der Verjüngung: Der alte Ρ baut sich ein Nest (A2, D l , E2), holt von der Sonne Feuer (Dl, E2) bzw. wartet, bis sie das Nest entzündet (A2), verbrennt (A2, C l , D2, E2) unter Schmerzen (Dl) und erhebt sich unter Einwirkung von Sonne und Feuchtigkeit (Cl, mit Einfluss der ma. Temperamentenlehre) als neuer, schöner Ρ aus der Asche (A2, Cl). Die Metamorphose dauert in D1 und — direkt davon abhängig - in E2 drei Tage und durchläuft die Stadien Wurm- und Vogel-P. In Bl erfolgt die Verbrennung durch die Kraft des Wundersteines „lapsit exillis", wohl eine ad-hoc-Erfindung. C6 bringt den korrigierenden Hinweis, dass sich nicht der alte Ρ verjünge, sondern ein anderer junger Ρ entstehe. Der Sinn dieser Korrektur der Tradition ist nicht ganz zu durchschauen, vielleicht verbirgt sich dahinter eine Invektive gegen einen anderen Spruchdichter. Die Anspielungen in B2 und C10 verzichten auf den Aspekt der Verjüngung P's und nennen nur die Verbrennung, in B2 im Kontext der Descriptio eines aus dem Gefieder des Ρ gewebten Teppichs, in C10 im Rahmen einer
506
Phoenix [2]
Minneklage. A3 beschränkt sich auf eine Erwähnung des Brutplatzes in Arabien. 3) Die ma. Hermeneutik geht von dem Prinzip einer mehrfachen Bedeutung von Sache und Begriff aus. Dieser grundsätzlichen Affinität zu einer allegorischen Auslegung der Wirklichkeit kommt die P-Vorstellung besonders zustatten. Entsprechende Deutungen und rhetorische Funktionalisierungen sind daher auch in den mhd. Belegen anzutreffen. Ein philosophisches Exemplum gibt die Verjüngung des Ρ in A2: Sie bezeugt wie schon bei Ovid Pythagoras' Lehre von der Veränderlichkeit allen Seins. Als moralisches Gleichnis ist sie in C I , C3 und C9 gefasst: C1 will nach ihrem Beispiel Gute und Böse geschieden wissen, ein in der didaktischen Literatur beliebter Topos. C3 zitiert den Ρ in einer Reihe christlichmoralisch auslegbarer Tiere als Exemplum für Wundersames, wobei die Exempelreihe die hohe Kompetenz des Sängers illustrieren soll, die freilich an der Beschreibung einer Untugend wie der Eitelkeit scheitert. Der mit der Verbrennung des Ρ verbundene Verlust der im Lauf der Zeit erworbenen positiven Eigenschaften symbolisiert schließlich in C9 die Unbedachtheit der Jugend. Auf die Einzigartigkeit des Ρ verweisen A l (verbunden mit der Beschreibung des Vogels, nicht aber seiner Eigenart), A2 und B3. B3 vergleicht dabei die Seltenheit des Ρ mit der Seltenheit guter Dichtung und entwickelt aus ihr ein poetologisches Gleichnis. Das „Gesuchte" und das „Extravagante" werden dabei als positive ästhetische Kategorien gefasst. Das Konzept ist für die späthöfische Dichtung typisch, sie hat über das Gewohnte, Vertraute hinauszugehen, um Interesse zu wecken. Das Gleichnis illustriert das „wilde Erzählen", in dem B3 sein dichtungstheoretisches Programm gefasst sehen will. [3] 4) Eine christlich-religiöse Deutung des Ρ liegt aufgrund seiner Fähigkeit zur Neuerstehung nahe. Sie ist eben in der Physiologus-Tradition prominent vertreten, Ρ ist hier ein Symboltier flir Christus, dessen metaphorische Federn der anschließenden Auslegung zufolge „voll
des süßen Geruchs von Neuem und Altem Testament" sind ( D l ) . In der Folge wird Ρ immer wieder in Katalogen allegorisch gedeuteter Tiere genannt (C2, C3, C7). Eine ausfuhrliche christologische und moralische Deutung bietet mit direktem Bezug auf D1 auch E2 (vgl. auch El). Im religiösen Spruch C2 dient Ρ in einem Gleichnis als Sinnbildfiir die Erlösung der Menschen aus der Hölle [4], C7 erwähnt Ρ im Marienpreis neben anderen Tieren wie dem Löwen und dem Pelikan, wobei die gängigen christologischen Deutungen auf Maria hin abgewandelt werden. So ist die Gottesmutter wie auch in El das Feuer, in dem sich der P/Christus verjüngt, sie ist die Stimme des Löwen und das Blut des Pelikan (alles Christussymbole). In B4 gibt Ρ ein Exemplum für die Allmacht Gottes, verbunden mit dem Wunsch der Trauernden, dass ebenso ihr Geliebter wieder zum Leben erweckt werde. 5) Auch die Minnelyrik bedient sich des Motivs der Verjüngung P's durch Verbrennen im Feuer und gelangt dabei zu durchaus extravaganten Bildern, wie etwa im Frauenpreis von C4 und C8. In C4 wird der leuchtende Mund der Minnedame mit dem hellen Rubin und der Verjüngung P's im Feuer verglichen, wobei der bizarre Vergleich assoziativ über den Rubin als „feurigen" Stein entwickelt wird. Feuermetaphorik und Verjüngung werden im Folgenden leitmotivisch beibehalten (ihr Mund brennt wie ein Drachenschlund IV. 1,4, wie eine helle Fackel IV. 1,7 und verströmt verjüngenden Balsam IV. 1,9). Der Minneleich C8 preist die Lieblichkeit der Frauen innerhalb einer langen anaphorischen Vergleichsreihe als noch angenehmer als das Gefühl, das Ρ bei seiner Verwandlung im Feuer verspürt (wie der Sänger dies beurteilen will, ist die Frage; die Stelle ist offenbar ironisch gemeint). Es werden im Weiteren die typischen christlich-allegorischen Tiere der Physiologus-Tradition aufgelistet, die hier analog zum Preis Christi und des Kreuzes zur Auszeichnung der Frauen eingesetzt werden. Die Parallelen zwischen C7 und C8 doku-
Phorbas [1] — Phorbas 31 mentieren somit die Verfügbarkeit derselben Topik in geistlicher wie weltlicher Lyrik. Das Gleichnis im Minnelied C5 veranschaulicht mit dem hohen Flug und der Verjüngung des Adlers (!) das erwartete Hochgefühl des lyrischen Ichs nach der Erhörung durch die Minneherrin. Da die Gabe der Verjüngung nur dem Ρ und nicht dem Adler eignet, ist hier sicher der Wundervogel gemeint, was zu einer Motivkreuzung Ρ/Verjüngung und Adler/Hochflug fuhrt. Der Ρ findet aber auch Eingang in die Minneklage, in CIO in Form eines Gleichnisses, in dem das freudige Verbrennen P's mit der schmerzhaften, aber dennoch beglückenden Liebe des Minnesängers verglichen wird und so typisches Minnepathos und die poetische Idee des Hohen Minnesangs transportiert. 6) Insgesamt zeigen die dt. P-Belege ein breites Spektrum an rhetorischen Formen und Deutungsperspektiven. Auffällig ist die hohe Dichte an Belegen in der späteren Spruchdichtung ( C l , C2, C3, C6, C9). Hier wird jene Tendenz zur „poetischen Gelehrsamkeit" fassbar, die die Gattungsentwicklung grundsätzlich kennzeichnet. Wesentliche Vertreter wie der Marner (C2, C3) oder Frauenlob (C7-C10) zählen schließlich auch zu den gebildetsten dt. Dichtern des MA. Im Sinne der poetologischen Ausführungen von B3 belegen die Nennungen außerdem die typische extravagante Poetik der späthöfischen Literatur. [1] Vgl. Phoinix [3.] (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 4, Sp. 799f.; R. Günthart, Der P: Vom Christussymbol zum Firmenlogo, in: Dämonen, Monster, Fabelwesen. MA Mythen 2. Hg. U. Müller und W. Wunderlich, 1999, 467-483. [2] Der .Physiologus' ist eine in frühchristlicher Zeit entstandene Naturlehre, die auf eine gr. Schrift des 2.-4. Jh. zurückgeht und in lat. und volkssprachlicher Tradition große Verbreitung findet. Die ersten dt. Zeugen sind der so genannte ,Ahd. Physiologus* (11. Jh.), der »Wiener ProsaPhysiologus' und der ,Millstätter Physiologus' in Reimen (beide Ende 12. Jh. und hier unter Dl wiedergegeben), s.v. .Physiologus' (Chr. Schröder), in: VL, Bd. 7, Sp. 620-634. [3] W. Monecke, Studien zur epischen Technik Konrads von Würzburg. Das Erzählprinzip der wiUUkeit. M. e. Geleitw. v. U. Pretzel, 1968; Lienen, Geschichte und Erzählen, 27Iff. [4] Cl beruft sich auf verbrieftes Wissen („Schrift"); zur Frage der tatsächlichen Quelle (vermutlich der .Physiologus') vgl. KLD, Bd. II, 260.
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Nachbenennung Konrad Fleck,,Flore und Blanscheflur'370 u.ö. (Fenix): Der Heidenkönig Ρ von Spanien ist der Vater Flores. [1] [1] Die Nachbenennung erklärt sich aus dem Bekanntheitsgrad des P. Der Name ist außerdem als ein typisch orientalischer gefasst. Möglich wäre auch eine Nachbenennung nach -* Phoenix [1J. [mk/sks]
Phorbas [1] [Gegner des Perseus; MM 5,74]
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen'
5,121 (Phebas): Der tapfere Ρ und Amphimedon, zwei Gefährten des Phineus, kämpfen, bis sie im Blut ausrutschen und von Perseus an Kehle und Hüfte tödlich getroffen werden (Katalog der Kämpfer auf dem Hochzeitsfest des Perseus). [mk]
Phorbas [2] [Lesbier, Vater der von Achilles geraubten Diomedea; Dictys 31,27; Benoit 26835]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 16643 (Forbante): König P's Land wurde während des Krieges um Troja von Achilles erobert, er selbst von ihm getötet und seine Tochter Diomedea entfuhrt (Streit um das Palladium; Aufzählung der Taten Achills durch Aiax). [1] [1] Die Episode wird in Al nach Benoit de Sainte-Maure berichtet, dieser folgt den Angaben bei Dictys. Erwähnt wird Ρ bereits bei Homer (,Ilias' 9,665). [mk]
Phorbas [3] [Gr. Heros, mit unterschiedlicher Genealogie und Zuordnung]
El Rudolf von Ems, ,Weltchronik': Ρ ist einer der Könige von Argos (8721; 19885; Katalog). [1] [1] Die antike Mythologie kennt mehrere Heroen namens P, der hier genannte ist mit -* Phorbas [ l ] und mit -» Phorbas [2] nicht identisch. Vielleicht handelt es sich um
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Phorcys — Phrixus
den G e f ä h r t e n des Alektor, u m den Sohn des Poseidon oder u m den Erzieher des Theseus, s.v. Phorbas [1./5J6.] (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 4, Sp. 808. D e m Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, sind die mythologischen Daten in E l jedenfalls historisch aufgefasst u n d werden in profangeschichtlichen Exkursen zur Heilsgeschichte aufgelistet. W i e hier wird auf eine narrative Darstellung meist verzichtet. Z u m Beleg vgl. die N e n n u n g im .Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 511 u n d 529), einer der Nebenquellen von E l . [mk]
Phorcys [Führer der Trojaner aus Phrygien, wird von Achilles getötet; Dares 23,1; Dictys 47,18; Benoit 6 7 8 2 Fortü]
Phradates [Befehlshaber der T a p u r i in Darius' Armee; IV. 12,9]
A l Rudolf von Ems, ^Alexander' (Fradates)·. Der edle und kluge Ρ befehligt die Truppen aus Caspia und führt die Scharen aus Indien im Heer des Darius (11686; 12400; 2. Schlacht zwischen Griechen und Persern; Heeresaufstellung der Perser). Er wird später von Erigyius und Craterus gefangen genommen, zu Alexander gebracht, ergibt sich und kümmert sich um die persischen Gefangenen (17601; 17725). [sks]
A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 4026 (Fortinus)·. P, Asimas und Sanius unterstützen die Trojaner mit 1000 Rittern (Kriegsvorbereitungen; Katalog der Trojaner). [1] [1] Bereits bei Dares zeigt der Katalog der Trojaner Textverderbnis bei den Nif. Die entsprechende Stelle lautet in L; „Deboetia sanius asamaus et porcius", in G: „De boetia sanias asimaus et phortus", Benoit de Sainte-Maure bietet für Ρ die Nf. Fortis, die A l zu Fortinus latinisiert. Die Nff. von P's Gefährten Asimas u n d Sanius lassen sich auf -* Ascanius [3] zurückführen. Ρ wird im Übrigen schon in der ,Ilias' (2,862) als trojanischer Verbündeter genannt. [mk]
Curtius
Phrataphernes [Satrap von Parthien u n d Hyrkanien, ergibt sich nach dem Tode Darius' III. Alexander; Curtius VI.4,23]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 17593 (Fratafernes): Der tapfere Ρ ergibt sich nach Darius' Tod Alexander und überantwortet ihm sein Land (Eroberungszug Alexanders). [sks]
Phoroneus [Sohn des Inachos, Kulturheros, Erfinder des Feuers u n d Richter im Streit zwischen A t h e n e u n d Poseidon u m Athen]
El Rudolf von Ems,,Weltchronik' (Pharoneo)·. Ρ herrscht nach seinem Vater Inachus als zweiter König von Argos, er hat den Griechen das erste Gesetz und Gericht gegeben und sie auch den Handel gelehrt (8636; 19885; Katalog), sein Sohn Apis (-» Epaphus) ist sein Nachfolger (8654). [1] [ 1 ] Die Angaben folgen der .Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp,1112cd). Dass Ρ als Erfinder von Gesetz u n d Gericht gilt, ist historische D e u t u n g seiner Richterrolle zwischen Poseidon u n d Athene im Mythos. Petrus Comestor f ü h r t deshalb auch den N a m e n des Forums auf ihn zurück (so schon Isidor, Etym., XVIII.15,1). Die Nf. Pharoneo findet sich 8654. [mk]
Phrixus [Sohn des Athamas u n d der Nephele, Bruder der Helle, mit der er auf einem goldenen W i d d e r nach Kolchis flieht]
El Rudolf von Ems, ,Weltchronik' (Frixus): Ρ und Helle haben zur Zeit des Hercules gelebt. Die Fabel berichtet, dass Ρ jenes goldene Fell nach Kolchis gebracht habe, das später von Iason errungen worden sei (19752; 19756). [1] [1] Die Angabe bezieht sich auf die .Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1275cd). D e m Prinzip lat. Weltchronistik entsprechend sind die mythologischen Daten, auf deren besonderen Charakter E l mit dem Begriff der Fabel explizit hinweist, historisch aufgefasst u n d werden in den profangeschichtlichen Exkursen zur Heilsgeschichte, den so genannten „incidentia", erinnert. [mk]
Phylax — Phyllis Phylax [Persischer Kämpfer, fällt durch Antigonus; Chätillon 111,59]
Al Ulrich von Etzenbach, »Alexander' 8050 (Pheax)·. Der persische Fürst Ρ wird in der Schlacht bei Issos von Antigonus getötet. [mk]
Phyllis [Thrakische Königstochter, Gattin des Demophon; erhängt sich, als dieser nach vereinbarter Frist nicht zurückkehrt, und wird in einen dürren Mandelbaum verwandelt, der erst bei der Rückkehr des Gatten austreibt]
Nf.: Phillis (B2), Pillis (B4), Villise (Bl) I. Bl Gottfried von Straßburg, ,Tristan' 17189: Unter einer Linde vor der Minnegrotte erzählen Tristan und Isolde einander traurige Liebesgeschichten von jenen, die einst der Liebe wegen den Tod gefunden haben. Sie bereden und beweinen das traurige Schicksal von P, Canace, Byblis und Dido (Katalog unglücklicher Liebender). B2 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crone' 11590·. Dass Ρ sich erhängte, gab Anlass zu einer großen Klage, die sich freilich nicht mit der Klage des Artushofs um die entführte Ginover vergleichen lässt (Katalog großer Klageanlässe; Überbietung). B3 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg'2319". Die edle P, die sich aus Liebeskummer erhängt hat, wird von Iuno und Pallas als Beispiel für die Bitterkeit der Minne genannt (Streit der Göttinnen auf dem Fest des Iuppiter). B4, Reinfried von Braunschweig'24552: Yrkane wünscht, sie könnte ihrem im Heiligen Land weilenden Gatten Reinfried einen ebenso schönen Liebesbrief schreiben wie ihn u.a. Phyllis dem Demophon geschrieben habe (Katalog liebender Frauen). II. 1) P im MA; 2) Exempla
1) Ρ ist eine der Briefe schreibenden Heroinnen bei Ovid (,Herois' 2) und daher dem lat.
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MA bekannt, [1] zählt in den volkssprachlichen Literaturen aber nicht zu den geläufigen Gestalten aus dem antiken Mythos. Die dt. Belege zeugen demnach von einer gewissen Bildung der jeweiligen Autoren. Für alle vier Nennungen ist ein ovidianischer Zusammenhang anzunehmen. Direkte Ovidbezüge sind für B3 und B4 nachweisbar. [2] Auch der Beleg in Bl beruht auf Ovidkenntnis des Autors, die als gesichert gelten kann. Alle vier Exempelfiguren sind in den,Metamorphosen' und in den ,Heroides' vertreten (bei Dido handelt es sich ohnehin um eine leidlich bekannte Gestalt). [3] Auch der Katalog in B2 besteht zu einem großen Teil aus Figuren, die der ma. Mythenrezeption in erster Linie aus Ovid vertraut sind. [4] Abhängigkeiten zwischen Bl, B2, B3 und B4 sind nicht unmittelbar nachzuweisen. Möglicherweise mag P's Nennung in Bl aber die folgenden Zitationen beeinflusst haben (in B3 und B4 erklären sie sich freilich in erster Linie aus einem direkten Quellenbezug auf Ovid). 2) Grundsätzlich entspricht Ρ dem Exempeltypus der unglücklichen Liebenden, wie ihn besonders Dido repräsentiert. Die Exempla haben dem jeweiligen Kontext entsprechende Funktion. Nicht zufällig erzählen sich Tristan und Isolde in Bl von P. Sie identifizieren sich mit ihr und den anderen genannten Gestalten. Diese sind nun aus der Sicht christlichma. Morallehre allesamt Verkörperungen des „amor stultus et illicitus" [5], der törichten und illegitimen Liebe: Ρ und Dido, weil sie Selbstmord begehen, Byblis und Canace ihres inzestuösen Begehrens wegen. Bl entschlägt sich jedoch einer moralischen Bewertung, die Exempla stehen vielmehr für die tragische Dimension der Liebe im Allgemeinen und das tragische Schicksal Tristans und Isoldes im Besonderen - ein durchaus unkonventioneller Ansatz, der illustriert, wie Literatur auch im MA moralische Zwänge zu suspendieren imstande ist. Dies wird hier in nuce am Umgang mit den einschlägig deutbaren antiken mythologischen Gestalten fassbar. [6] Als negatives Beispiel gegen die Liebe wird
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Picus — Pieros
Ρ hingegen im Streit um den Apfel der Discordia angeführt, ausgesprochen freilich von den Kontrahentinnen der Venus und nicht vom Erzähler selbst (B2). B4 nennt neben Ρ noch Dido, Penelope, Briseis, Helena und Medea als berühmte Verfasserinnen schöner Liebesbriefe. Der Katalog liest sich wie ein verkürztes Inhaltsverzeichnis zu den ,Heroides'. Der direkte Bezug auf die antike Quelle und die mit der briefeschreibenden ma. Romanheldin gegebene Nachahmung des Textmusters sind für die mhd. Antikerezeption ungewöhnliche Verfahren und unterstreichen literarische Bildung und Kenntnis des anonymen Autors. Auch hier enthält sich der Text jeder moralischen Wertung, obwohl sie leicht zu geben wäre, da Yrkane ähnlich wie Penelope die liebende Gattin par excellence verkörpert, mit Helena, Medea oder Ρ aber wenig gemein hat. [7] Die kurze Erwähnung in B2 findet sich in einem langen Katalog großer Klageanlässe, die auffällig viele antike Beispiele, vorwiegend ovidianischer Provenienz, nennen. Die mythographischen Fakten werden dabei unterschiedlich korrekt wiedergegeben. Ein direkter Quellenbezug ist daher wenig wahrscheinlich, eher handelt es sich um Zitate „aus dem Kopf'. [1] Belege bieten z.B. Myth. Vat. 1.159. 1.204 und 11.214. [2] Lienert, Geschichte und Erzählen, 45 und 195. [3] Knapp, Der Selbstmord, 258 will den Exempelkatalog auf Hyginus (Fab. CCXLIII, „Quas se ipsae interfecerunt") zurückfuhren; einen direkten Ovidbezug fiir wahrscheinlicher hält Kern, Edle Tropfen, 187, Anm. 339. [4] Kern, ebd., 293ff. [5] Zur negativen moralischen Deutung Knapp, Der Selbstmord, passim; Ganz, Tristan. [6] -> Dido (II.3/4). Zu B1 Kern, Isolde, 16ff. [7] Folgerichtig gibt Helena an anderer Stelle auch die negative Gegenfigur zu Yrkane ab, Helena (I.B9). [mk]
Picus [Lat. für „Specht"; König der Laurenter, wird von Circe in einen Specht verwandelt; MM 14,314]
G: Sohn des Saturnus, Vater des Faunus (El) R: König von Italien (El)
I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen \ Der wunderschöne König Ρ von Laurentum in Italien wird von allen Göttinnen begehrt, wählt die Schönste und weist Circe ab. Diese lässt ihn deshalb auf der Jagd in die Irre gehen, in einen höllenartig verzauberten Wald geraten und verwandelt ihn schließlich in einen Specht. Seine Gefährten werden zu Tieren (14,347-503). El Rudolf von Ems, , Weltchronik'·. Ρ folgt seinem Vater Saturnus als König von Italien (20069), sein Nachfolger ist sein Sohn Faunus (20092).
II. Die Darstellung in Al folgt direkt Ovids Metamorphosen', bei Ovid sind es Nymphen, die Ρ begehren, er erwählt Canens, die Tochter der Venilia (MM I4,326ff.). Die Nennung in El folgt der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1285d). Dem Prinzip lat. Weltchronistik entsprechend, sind die mythologischen Daten historisch gefasst und werden in profangeschichtlichen Exkursen zur Heilsgeschichte („incidentia") erinnert. Wie hier erschöpfen sich diese meist in katalogartigen Aufzählungen von Herrscherhäusern. [mk]
Pierides
Pieros
Pieros [Sohn des Macedon, Stammheros der makedonischen Landschaft Pierien, auf ihn führt man die Einführung der neun Musen in Thespiai am Helikon zurück, seine neun Töchter unterliegen in einem Wettgesang den echten Musen kläglich und werden in Elstern verwandelt; MM 5,302]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,524\ P, der Gatte der Euippe, ist der Vater von neun Töchtern, die den Musen aus Hochmut den Helikon streitig machen wollten, sie zu einem Sangeswettstreit herausforderten und in Elstern verwandelt wurden (Erzählung der Muse Urania an Pallas). [mk]
Pirithous — Piso
Pirithous [Thessalischer bzw. attischer Heros, Sohn des Ixion und der Dia, Bruder der Clymene, Gatte der Hippodame, Freund des Theseus, Herrscher der Lapithen, Jäger des Kalydonischen Ebers; M M 8,303; 12,210]
R: Sohn des Ixion (Al) Nf.: Panopeus (Al), Partorus (El) I.
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen'
(Panopeus): Der treffliche P, der Gatte der Hippodame und Freund des Theseus, nimmt an der Kalydonischen Eberjagd teil (8,600; [1] Katalog), Theseus warnt ihn vor übertriebener Kühnheit (8,753). Zu seiner Hochzeit mit Hippodame sind auch die Kentauren geladen. Als Eurytus Hippodame entfuhren will, kommt es zum Kampf. Ρ tötet Petraeus, Lycus, Chromis, Helops und Dictys und wird von Theseus vor Aphareus gerettet, der ihn mit einem Felsbrocken erschlagen will (12,397-433; 12,557-581; Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf; RV: 14,772). [1] Mit dem genannten Panopeus muss Ρ und nicht der später bei Ovid ( M M 8,312) erwähnte Held dieses Namens gemeint sein, weil er als Freund des Theseus ausgewiesen ist.
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Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1275d). Die rationalisierende Deutung des Mythos stammt von dort, sie ist übliches Verfahren der lat. Weltchronistik. Orcus erscheint als König, Cerberus ist sein Jagdhund. Dass Ρ diesem zum Opfer fällt, Theseus aber von Hercules gerettet werden kann, hat sein Pendant im Mythos: Theseus kann von Herakles aus der Unterwelt befreit werden, Ρ muss bleiben. [1] Ähnlich Achilles über den toten Patroclus im ,liet von Troye' Herborts von Fritzlar (6086f.). Nachbenennung Athis und Prophilias' (Perithe, Peritheus): Ρ ist ein Ritter, er kämpft auf Athis' Seite gegen Bilas (E/3/17/38). [mk]
Pisenor [Kentaur; M M 12,303]
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen'
12,540: Ρ flieht wie viele andere Riesen vor Medon (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf; Katalog). [1] [1] Die Kentauren werden in A l als Riesen gedeutet (-» Centauri). Die Adaption greift aufVorstellungen zurück, die dem dt. Publikum aus der Heldenepik bekannt sind. [mk]
El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 19740: Ρ will gemeinsam mit seinem Gefährten Theseus Proserpina entführen und wird dabei von Orcus' Hund Cerberus getötet.
II. Eines der zentralen Motive des P-Mythos ist der Kampf zwischen Lapithen und Kentauren, den A l nach Ovids .Metamorphosen' berichtet. Die Angaben zur Kalydonischen Eberjagd folgen ebenfalls Ovid. Den Hinweis auf P's Vater Ixion, der bei Ovid fehlt, entnimmt A l vermutlich einer Glosse. P's und Theseus' Freundschaft wird besonders hervorgehoben: Theseus nennt Ρ die andere Hälfte seiner Seele (8,759). [1] Der bekannte Mythos vom Versuch der beiden, Persephone für Ρ aus dem Hades zu rauben, wird in El reflektiert. Die Angaben beziehen sich auf die ,Historia scholastica' des
Piso [L. Calpurnius Ρ Frugi Licinianus, 38-69 n. Chr., wird 69 von Galba adoptiert, zum Caesar erhoben und kurz danach ermordet]
G: Freund des Galba (E2) R: Gründer von Pisa (El, E2) und Capua (E2)
I. El,Kaiserchronik': Unter der Herrschaft Galbas und P's kommt es in Rom zu Unruhen. Ρ gründet Pisa und wird mit Galba in Capua von Otho getötet. Sie haben für sieben Monate geherrscht (4836; 4841; Kaiserliste). E2 Jans Enikel, , Weltchronik': König Galba schickt seinen Freund Ρ mit einem großen Heer auf Eroberungszüge aus, Ρ bezwingt alle Länder am Rhein und gründet Pisa und
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Plato [1]
Capua, wo er gemeinsam mit Galba von Otho getötet wird (24257; 24285; Kaiserliste). II. Ρ wird in beiden Chroniken zum Gründer Pisas, in E2 auch Capuas, das in El als Gründung Galbas gilt. [1] Bei den Eroberungszügen an den Rhein (E2), die in El nicht erwähnt werden, dürfte es sich um eine freie Ergänzung von E2 handeln. [2] Ansonsten ist E2 hier direkt von El abhängig. Die Ermordung P's und Galbas reflektiert die historische, im Jahr 69 n. Chr. von Otho inszenierte Verschwörung, der Galba auf dem Forum zum Opfer fiel. [1] Dass die Stadt Pisa ihren Namen nach Ρ fuhrt, ist natürlich nicht historisch, sondern reflektiert einen verbreiteten Typus röm. Stadtgründungssagen, eines der bekanntesten Beispiele gibt Köln; -» Agrippa (II.). [2] So Strauch (Hg.), S.473, Anm. 1. [sks/mk]
Plato [1] [428/27-349/48 ν. Chr., der Philosoph, Sohn des Ariston von Athen, Schüler des Socrates, Lehrer des Aristoteles, Gründer der so genannten Akademie in Athen]
R: Dialektiker (Bl), Philosoph (D2, El, E3), Prophet (B2, B3), Meister (Cl, Dl, D2, E2, E3), röm. Ratsherr (E4) Nf.: Piaton (D3, E4) I.
Bl Herbort von Fritzlar, diet von Troye' 10670: P's Kunst, die Dialektik, wird v.a. in Paris gelehrt. Ein Spruch des klugen und verständigen Ρ ist auf Hectors Leichendecke eingenäht. [1] Der Erzähler will ihn aber nicht wiedergeben, weil er fürchtet, ihn zu entstellen (Hectors Tod; Exkurs). [1] Der Wortlaut des Erzählerkommentars ist: „So gut was sin geworhte/ Spreche ich es ich vorhte/ Daz ez gelogen were" (10675fF.). Das ist der übliche Unsagbarkeitstopos. In der Hauptquelle von Β1, BenoitsTrojaroman, wird nichts dergleichen erwähnt.
B2 Wolfram von Eschenbach, ,Parzival'465,21: Der Prophet Ρ und die Prophetin Sibylla sagten die Erlösung der Menschen von ihrer
großen Sündenschuld voraus (Lehrgespräch des Einsiedlers Trevrizent mit Parzival). B3 Wolfram von Eschenbach, ,Willehalm' 218,13: Der Prophet Ρ und die Prophetin Sibylla deuteten den Sündenfall als Schuld Evas, die alle in die Hölle führte. Der dreieinige Gott allein brachte die Erlösung (Glaubensdisput zwischen Gyburg und Terramer; Argument der Gyburg für das Christentum als wahre Religion). C l Rumelant, HMS 111,20, II. 12,1: Wäre der Sänger in den Künsten so bewandert wie Ρ und andere Meister, könnte er den hochgelobten Fürsten dennoch nicht angemessen preisen (Fürstenpreis; Gelehrtenkatalog). [1] [1] Die Spruchstrophe bildet mit weiteren Fürstensprüchen eine thematische Gruppe (11,12-15). Gemeint ist wahrscheinlich Kaiser Ludwig der Bayer (reg. 1314-1347). Der Meisterkatalog nennt neben Ρ noch Aristoteles, Hippocrates, Galenus, Socrates, Virgilius, Boethius, Cato, Seneca, Donatus und Beda, hier wie in D2 sind also antike Philosophen und Dichter mit christlichen Gelehrten bunt gemischt.
Dl Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast' 6411: Heute gibt es keinen P, Aristoteles, Zeno, Parmenides, Pythagoras oder Anaxagoras mehr, die Wissenschaft liegt im Argen (Gelehrtenkatalog; Zeitklage). D2 Hugo von Trimberg, ,Der Renner': Ρ und andere heidnische Gelehrte erkannten vieles, waren aber auch in vielem blind (8453; Exempelfigur für Gelehrsamkeit; Katalog [1]), heute würden sie keine Anerkennung mehr finden (10069; Katalog; Zeitklage); sie lebten ehrsam, wurden aber dennoch von Neid und Missgunst verfolgt (14679; Katalog [2]). Die Lehre tugendhafter Heiden hilft beim Verstehen und Befolgen der Hl. Schrift, so solle man auch die Worte P's beachten, der meinte, dass der Weise erhalte, wonach er strebe, weil er beurteilen könne, was im Bereich des Möglichen liege und was nicht (16273; Meisterberufung). Ρ bezeugt mit anderen Gelehrten die Wirkungskraft des Balsams (20285; Katalog [3]). [1] Ferner werden genannt: Aristoteles, Seneca, Socrates, Diogenes, Demosthenes, Cicero und Empedocles. [2] Ferner werden genannt: Horaz, Ovid, Statius, Cicero, Lucan, Boethius, Dares und Aristoteles. [3] Ferner werden genannt: Solinus, Isidor, Physiologus,
Plato [1] Plinius, Ambrosius, Augustinus, Hieronymus, Origines, Jacob und Aristoteles.
D3 ,Minneburg' 506: Mit Hilfe der Salbe „nacta Piatonis kunst" [1] macht Nectanebus sich und den Dichter unsichtbar, damit sie auf der Reise zur Minneburg keinen Schaden erleiden. [ 1 ] Der Begriff„nacta" ist als „Naphtha" („Öl") zu verstehen; G. Ehrismann, Beiträge zum mhd. Wortschatz, Beiträge 24 (1899), 392-402, hier 397.
El Williram von Ebersberg, ,Das Hohe Lied': P, Pythagoras, Aristoteles und Socrates versuchten den Schöpfer aus der Schöpfung zu erklären (Kap. 48,1-41; Gelehrtenkatalog). E2,Kaiserchronik': Ρ lehrte, dass das, was von Gott komme, niemals vergehen könne (3112; 3218; Meisterberufung). E3 Rudolf von Ems,, Weltchronik' 3017: Der noch heute weithin bekannte Buchgelehrte („der buch meister") Ρ hat von einer Insel in der Nähe der Hesperiden berichtet, die der Größe nach Europa und Asien übertroffen hat und mit ihren Bewohnern und deren Hab und Gut auf den Meeresboden versunken ist (Katalog verschiedener Inseln). E4 Jans Enikel, , Weltchronik', Prosa nach 20942: Zu den Ratsherrn in Rom zählen u.a. P, Pythagoras, Pompeius, Seneca, Sibylla, Aristoteles, Demetrius und Hippocrates (Prosanach 20942; Katalog röm. Ratsherrn). [1] P, Cato, Rigidus und Pompeius fliehen vor Caesar aus Rom (21210). [2] [1] Als mögliche Quelle für den Prosaeinschub verweist Strauch (Hg.), 400, Anm. 3 auf eine Stelle in ,De imagine mundi' des Honorius Augustodunensis (PL 172, Sp. 177; „de consulibus et dictatoribus Romae"), die freilich bloß ein Muster abgibt. Die dort genannten Namen decken sich nur zum geringen Teil mit der Liste von El. [2] P's Nennung erklärt sich nach Strauch (Hg.), 406, Anm. 2 aus dem Reim auf Cato, dessen Erwähnung den historischen Tatsachen durchaus gerecht wird (-» Cato [2J). Catos Beiname Rigidus ist als eigene Gestalt aufgefasst.
II. 1) Ρ im MA; 2) „Entstellungen"; 3) Berufungen auf P; 4) Ρ als Exempelfigur
1) Ρ ist im MA neben Aristoteles die bekannteste antike Philosophengestalt. Abgesehen vom lat. jTimaios' waren seine Schriften
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dem lat. Europa im Unterschied zu denen seines Schülers aber nur in Bruchstücken und mittelbar über Kommentare bekannt. Die platonische Philosophie hat freilich eine permanente Wirkungsgeschichte, die durch mehrfache Phasen der Anverwandlung gekennzeichnet ist. V.a. der von Augustinus und Dionysius Areopagites geprägte „christliche Piatonismus" bildet die Basis der gesamten ma. Philosophie und wirkt auch auf die Vertreter des ma. Aristotelismus ein. Zentrale Denkfiguren des Piatonismus sind die Lichtmetaphysik und der Schöpfungsgedanke. In der Renaissance wird P's erhaltenes Gesamtwerk durch Ficino übersetzt. Ein neues Zentrum der platonischen Philosophie und der P-Verehrung entsteht in der durch Cosimo de Medici gegründeten „Accademia Platonica" in Florenz. [1] Der Primat des Aristotelismus im HochMA spiegelt sich im Verhältnis zwischen den P- und den Aristoteles-Nennungen in der mhd. Literatur wider. Gleichwohl zeigen die Belege, dass der Name auch dem volkssprachlichen MA durchaus vertraut war. 2) Eine genauere Kenntnis der platonischen Lehre lässt sich freilich aus keiner Nennung erschließen. Vielmehr weisen einige Stellen auf eine erstaunliche Wandlungsfähigkeit der Gestalt. So gilt Ρ in B2 und B3 auf einer Stufe mit Sibylla als Prophet, der auch für die Heiden, als die die Muslime aus christlicher Sicht aufgefasst sind, eine anerkannte Autorität darstellt (B3). Bei dieser Deutung handelt es sich offenbar um eine spezifische Auffassung Wolframs von Eschenbach, die im Übrigen wie vieles andere beweist, dass es mit seiner selbsteingestandenen Ungebildetheit (,Parzival' 115,27ff.) nicht weit her ist. Sie zeigt eine gewisse Analogie zu der im MA gängigen Meinung, Vergil sei ein Zauberer gewesen. Die gleiche Vorstellung verbindet mit Ρ als einem wundersamen Salbenmischer D3. In E4 firmiert er als röm. Ratsherr. Eine auch für ma. Verhältnisse erstaunliche Chronologie vertritt außerdem B l . Immerhin wird dort von P's Geltung als einer der Auetores auf
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Plato [2] — Plinius
dem Gebiet der Dialektik und von einer platonischen Schule in Paris berichtet. 3) Auf Äußerungen P's beziehen sich im Stile der üblichen Meisterberufung E l , E2 und D l . Auffällig ist, dass es dabei immer um Glaubenswahrheiten geht. Ρ wird — das zeigen auch die Nennungen in B2 und B3 - als Autor aufgefasst, dessen Lehre dem Christentum nahe steht. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang das Wort vom tugendhaften Heiden in D2. Wie andere antike Philosophen und Dichter, darunter Vergil, Seneca oder auch Ovid, gilt Ρ als , . A h n e n d e r " der wahren Religion. Die „Zitate" von D2 und E2 selbst werden sich am ehesten auf Florilegien beziehen. 4) Die übrigen Belege nennen Ρ in Katalogen, die mit gängigen Topoi der didaktischen Literatur verbunden sind (Cl, D l , D2, El). Ρ repräsentiert wie Aristoteles und andere mehr den Exempeltypus des antiken Gelehrten, verbunden mit dem Unsagbarkeitstopos in C l , mit Zeitklagen über Verfall und Missachtung der Gelehrsamkeit in D l und D2 sowie mit dem Topos von der Beschränktheit des menschlichen Wissens in D2. Besonders bemerkenswert ist schließlich die Erwähnung des in P's .Timaios' (24c) berichteten Atlantis-Mythos durch E3. Quelle ist die Inselbeschreibung in ,De imagine mundi' des Honorius Augustodunensis (PL 172, Sp. 132d), dem auch einen Kommentar zum ,Timaios' (PL 172) zugeschrieben wird. [1] S.v. Piaton, Piatonismus (J. Gruber, H. Meinhardt, R. Schmitz), in: LMA, Bd. 7, Sp. 7-14. [mk]
Plato [2] [Athener, Gefolgsmann Alexanders; Curtius V.7,12]
A l Rudolf von Ems, ^Alexander '14216: Fürst Ρ führt Alexander Hilfstruppen zu (Alexanders Eroberungszug gegen Persien). [sks]
Plexippus [Sohn desThestius, Oheim des Meleagros, wird von diesem getötet, als er das Fell des Kalydonischen Ebers beansprucht; M M 8,440]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': P, der Sohn des Thestius, Onkel des Meleager und Bruder des Toxeus und der Althaea, ist einer der Jäger des Kalydonischen Ebers (8,594; Katalog). Er missgönnt und entreißt Atalante das Haupt des erlegten Tieres und wird deshalb wie Toxeus von Meleager getötet. Althea rächt die beiden an ihrem Sohn (8,816-841). [mk]
Plinius [P der Ältere, 23/24-79 n. Chr., Offizier, Staatsbeamter, Historiker, Fachschriftsteller, Verfasser der Enzyklopädie „Naturalis historia"]
R: Naturwissenschaftler (Bl), Meister (Bl, Dl) Nf.: Plimius (Bl) I. Bl Johann von Würzburg,, Wilhelm von Osterreich ' 4008: Ρ wird als Gewährsmann fur die Eigenschaften des Salamander zitiert: Ihm zufolge soll dieser ein Kaltblüter sein und deshalb im Feuer leben. Eine Salamanderart bewegt sich wie ein Tier vorwärts, eine andere Art kriecht wie die Würmer (Beschreibung einer Satteldecke aus feuerfesten Salamanderhäuten; Meisterberufung). D l Hugo von Trimberg,,.Der Renner': Ρ wird in einem Katalog christlicher und antiker Gelehrter genannt, die sich mit verschiedensten Materien beschäftigten (9347 [1]), in einem Katalog antiker Gelehrter, die tugendhaft lebten und dennoch von Neid und Missgunst verfolgt wurden (14682 [2]), und in einem Katalog von Gelehrten, die die Wirkungskraft und Bedeutung des Balsams bezeugen (20284 [3]). P, Galenus und Hippocrates sehen in einem maßvollen Leben die Voraussetzung für Gesundheit (9613). In P's Büchern heißt
Plisthenes — Pluto
es, dass der Löwe bezwingt, was sich ihm widersetzt, aber ziehen lässt, was sich ihm ergibt (19297), dass Elefanten älter als 300 Jahre werden (19356) und dass Ochsen zunehmen, wenn man sie häufig wäscht (19482). [ 1 ] Ferner werden genannt: Vergil, Ovid, Aesop, Avian, Juvenal, Perseus, Horaz, Solinus, Augustinus, Hieronymus, Gregorius und Ambrosius. [2] Ferner werden u.a. genannt: Horaz, Ovid, Statius, Cicero, Lucan, Boethius, Alan, Dares und Aristoteles. [3] Ferner werden genannt: Solinus, Isidor, Physiologus, Piaton, Ambrosius, Augustinus, Hieronymus, Origines, Jakob und Aristoteles.
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Ydrogant (A4), Onkel des Achiron (A4) R: König der Hölle (A2), Fürst der Hölle (Bl), König der Molosser (El) Nf.: Orcus (El) I.
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman 2928·. P, der Gatte der Proserpina, sitzt in der Hölle zu Gericht (Unterweltfahrt des Aenas). A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Als Ρ nach den Befreiungsversuchen des begrabenen Typhoeus untersucht, ob die Erde II. noch blickdicht ist, sodass kein Licht in die Ρ gilt dem MA als eine der wichtigsten Au- Unterwelt dringe, wird er von Cupido mit Lietoritäten in der Naturlehre, seine .Naturalis be zu Proserpina geschlagen. Er entfährt sie, historia' hat — u.a. über Vermittlung Isidors missachtet Cyane, die ihm den Weg versperrt, von Sevilla - das ma. naturkundliche Wissen und schlägt mit dem Zepter einen Eingang entscheidend beeinflusst. [1] In den mhd. Be- in die Hölle (5,681-796). Nach der Einigung legen wird er zum einen seines spezifischen mit Ceres muss er Proserpina bei zunehmenFachwissens über Tiere wegen zitiert, so in dem Mond hinauf auf die Erde zur Mutter den Meisterberufungen von B1 und D l . Auf lassen (5,868-1022; Lied der Musen; Aition einer unmittelbaren Kenntnis der ,Naturalis für die Mondphasen). Ρ bewohnt mit Prohistoria' werden die entsprechenden Angaben serpina eine Burg in der Hölle, diese selbst freilich nicht beruhen, sondern eher auf Ver- ist so unermesslich groß, dass sie alle Seelen mittlung durch Florilegien. Zum anderen ver- fassen kann (4,800; Iunos Höllenfahrt; Dekörpert Ρ in D2 den allgemeinen Exempelty- scriptio). Als Phaeton mit dem Sonnenwagen pus des vorbildlichen Gelehrten, wie ihn in der Erde zu nahe kommt und Licht bis in erster Linie prominentere Gestalten wie Aris- die Hölle dringt, erwachen Ρ und seine Frau toteles oder Plato repräsentieren. Die Nen- ([2,565]). [1] Sie können Orpheus die Bitnungen sind mit den üblichen didaktischen te um Rückgabe Eurydices nicht verwehren, Topoi wie der Zeitklage über die Missachtung als er ihnen die Entführung Proserpinas als der Gelehrsamkeit verbunden. Beispiel für die Macht der Liebe nennt. Ρ ist erzürnt, als Orpheus nach der misslungenen [1] S.v. Plinius d. Ä. im M A (F. Brunhölzl), in: LMA, Bd. 7, Sp. 21 f. Aktion weinend vor dem Eingang in die Höl[mk] le sitzt, gebietet, dass er für drei und mehr Jahre jede Frau meiden müsse, und verbannt ihn (10,30-189)
Plisthenes
Menalippus
Pluto
[Gott der Unterwelt]
W: Gott der Unterwelt (A2, A3, B l ) oder des Meeres [!] (A4) G: Bruder des Iuppiter (A2) und des Neptunus (A2), Gatte der Proserpina (Al, A2), Vater des
[1] W i e bei Ovid nennt die Stelle Ρ nicht namentlich, A2 übersetzt „Tartara" ( M M 2,260) mit „hell" und „infernum [...] regem" ( M M 2,261) mit „König der hell". Ovids „Dis" („Ditis" M M 4,438 bzw. „Ditem" M M 5,384) war in der dem dt. Autor vorliegenden Ovid-Hs. vielleicht mit „P" glossiert. A2 zeigt - mit Rücksicht auf das dt. Publikum - generell die Tendenz, variierende Namen und Patronymika aufzulösen.
A3 Herbort von Fritzlar,,lietvon Troye'·. Nachdem Troilus gefallen ist, fühlt sich Hecuba
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Pluto
von ihren Göttern P, Iuppiter und Mars verlassen und wünscht sich von ihnen den Tod (13356; 13359). A4 Heinrich von Neustadt, ,Apollonius'·. Ρ folgt dem Gebot des Mars und entfacht einen Sturm, der Apollonius und seine Gefährten beinahe Schiffbruch erleiden lässt (4929). Er unterstützt damit Achiron [-* Chiron (NB)] bei der Verfolgung der Sirene (5171). Ρ hat seinem Sohn, dem Ungeheuer Ydrogant, geweissagt, dass Apollonius einst die schöne Diamena gewinnen werde (9116; Apollonius' Kampf gegen Ydrogant). B1 ,Reinfried von Braunschweig 16444: Ceres' Rache für die Entführung ihrer Tochter Proserpina durch Ρ hätte nicht schlimmer ausfallen können als jene, die der Baruc, der Heerführer der Sarazenen, an den siegreichen Christen nehmen will (Rede des Baruc; Überbietung). El Rudolf von Ems,,Weltchronik' 19730: Der kühne Held P, König der Molosser, hat nach dem Bericht der Fabel Proserpina geraubt. Sein Hund Cerberus soll der stärkste Hund aller Zeiten gewesen sein. Er hat Pirithous zu Tode gebissen, als dieser später mit Theseus versucht hat, Proserpina zu entführen. Theseus ist von Hercules vor Cerberus gerettet worden. II. 1) Raub der Proserpina; 2) Deutungen P's und der Unterwelt
1) Ρ ist der gelehrten Mythenrezeption des MA durchaus bekannt, zählt aber in der volkssprachlichen Literatur nicht zu den zentralen Gestalten aus der antiken Mythologie. Bis auf A4 und El kennen ihn alle mhd. Belege als Gott der Unterwelt. Detaillierteres aus dem P-Mythos, v.a. die Entführung der Proserpina, auf die auch B1 und El anspielen, und den Orpheusmythos, berichtet jedoch nur A2 direkt nach den entsprechenden Stellen in Ovids ,Metamorphosen'. Dort gibt der wechselnde Aufenthalt Proserpinas freilich den Grund für die Jahreszeiten und nicht für die Mondphasen. Al hat Ovid entweder missverstanden oder ist den Angaben einer
Glosse gefolgt. [1] Als Mondgöttin gilt nicht Proserpina, sondern Diana, die mit Proserpina und Hecate allerdings eine auch in Al erwähnte Trias bildet. [2] In El ist der Mythos nach dem Beispiel der lat. Weltchronistik rein historisch gefasst, Ο gilt als König der Molosser. Die Stelle bezieht sich auf die enstprechenden Angaben in der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1275c), dort außerdem der Hinweis auf die versuchte Entführung Proserpinas durch Pirithous und Theseus. [3] 2) Die Bezeichnung der antiken Unterwelt als Hölle ist konventionell und impliziert nicht die aus christlicher Sicht zu erwartende Stilisierung zum Teufelsreich. Vielmehr ist die antike Hades-Topographie weitgehend beibehalten, wenngleich manche Details entsprechend der christlichen Höllenvorstellung umgestaltet werden. [4] Ρ gilt aber weder in A2 noch in Al als Teufel, in Al wird er vielmehr als Richter der Toten gefasst. Diese Rolle hat er erstmals bei Aischylos (,Eumenides' 273) inne, die eigentliche Herrschaft: über die Toten führt seine Gattin Persephone. [5] A3 nennt Ρ mit Iuppiter und Mars als die Götter der Hecuba. Hinter der Trias könnte sich das alte Motiv von der Aufteilung der Welt unter den drei Kronossöhnen verbergen, statt Mars wäre dann freilich Neptunus zu erwarten. In A4 ist Ρ dafür selbst zum Meeresgott geworden. Die Stelle zeugt vom freien und spielerischen Umgang, den der Text mit der literarischen Tradition insgesamt pflegt. [ 1 ] -» Proserpina (II.). [2] -» Hecate. [3] „Proserpinam rapuit rex Molossorum Orchus, cujus ingens canis Cerberus Pirithoum devoravit, qui cum Theseo ad raptum Proserpinae venerat. Sed et Theseum devorasset, nisi Hercules superveniens eum liberasset." („Der Molosserkönig Orchus hat Proserpina entführt. Dessen ungeheurer Hund Cerberus hat Pririthous verschlungen, der mit Theseus ausgezogen war, um Proserpina zu entfuhren. Er hätte auch Theseus verschlungen, wenn Hercules diesen nicht gerettet hätte.") Der Text in El ist zweideutig: „der [Cerberus] erbeiz uf der vluht alda,/ do genomen wart Proserpina,/ einin degin hiez Partorus [Pirithous]./ der jagte nah und Teseus." (19738ff.) Das könnte auch bedeuten, dass Cerberus bei der Entführung Proserpinas durch Ρ Pirithous, der ihm mit Theseus nachgejagt sei (um Proserpina
Pnytagoras — Polybus [1] zu retten), zu Tode gebissen habe. (El hätte dann das Motiv vom Entfiihrungsversuch des Pirithous missverstanden.) In Hinblick auf den lat. Text ist „der jagte nah und Teseus" aber wohl auf Cerberus zu beziehen. [4] Beispielsweise Charon in A l . [5] S.v. Pluton (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 4, Sp. 955957. [mk]
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Polemon [1] [Gefolgsmann Alexanders; Befehlshaber der Flotte am Nil; Curtius IV.8,4]
A l Rudolf von Ems, ^Alexander' 10627 (Polimones)·. Der edle und mächtige Ρ soll mit 30 Schiffen den Nil bewachen (Eroberungszug Alexanders gegen Persien).
Pnytagoras
[sks]
[König von Salamis auf Kypros, läuft nach der Schlacht bei Issos zu Alexander über und erhält nach der Eroberung von Tyrus einen Landstrich bei Kition; Curtius IV.3,11 ]
A l Rudolf von Ems, ^Alexander' (Pnitagoras)·. Der angesehene König Ρ von Zypern führt im Kampf gegen Tyrus zusammen mit Craterus den linken Flügel von Alexanders Heer und wird nach dem Fall der Stadt zu weiteren Eroberungen ausgesandt (9164; 9479; Alexander zieht gegen Persien). [sks]
Podalirius [Sohn des Arztes Aesculapius, Bruder des Machaon, kämpft auf Seiten der Griechen vor Troja; Dares 18,10; Dictys 12,13; Benoit 5257 Polidarius]
A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' (Polidarius, Polidius)·. Der überaus dicke, stolze und ritterliche König Ρ führt mit seinem Bruder Machaon 32 Schiffe von Thracien nach Athen (3091; Descriptio; 3363) [1] und bildet mit Machaon und seinem Vater Aesculapius in der Landungsschlacht eine Schar (4912; Katalog des Griechenheeres; als Kämpfer genannt: 6833). [1] Ρ wird im Katalog des Griechenheeres abweichend von Dares und Benoit ein zweites Mal genannt und fuhrt dort 25 Schiffe (3393). [mk]
Podarces [Held aus Phylake am Othrys, kämpft auf Seiten der Griechen gegen die Trojaner, fällt im Kampf gegen Penthesilea; Dares 18,9; Dictys 12,10; Benoit 5653 Potarcaus]
A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'3361 (Prothacus)·. Ρ führt 50 Schiffe zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (Katalog der Griechen). [mk]
Polemon [2] [Sohn des Andromens, Bruder des Amyntas und des Simmias, Gefolgsmann Alexanders, wird der Verschwörung gegen Alexander verdächtigt, aber freigesprochen; Curtius VII. 1,10]
A l Rudolf von Ems, ^Alexander': Der junge und treffliche Ρ wird zusammen mit seinen Brüdern Amyntas und Simmias der Verschwörung gegen Alexander beschuldigt, nach einem Fluchtversuch gefasst, für unschuldig befunden und freigelassen (20042; 20178-20262; Verschwörung gegen Alexander). [sks]
Pollux
Castor und Pollux
Polybus [1] [König von Korinth, nimmt den ausgesetzten Oedipus, den ihm ein Hirte gebracht hat, an Sohnes statt an]
A l Ulrich von Etzenbach, ^Alexander' (Polippus)\ Der gütige, alte Hirte [!] Ρ findet den kleinen Oedipus im Wald, wo ihn seine Mutter, die Gattin von König Laius von Theben, aussetzen ließ. Er nimmt ihn an Sohnes statt an, lehrt ihn Schießen, Schach- und Saitenspiel. Als Oedipus erwachsen ist, klärt ihn Ρ über die Umstände seiner Auffindung auf. Oedipus will seinen wahren Vater suchen und verlässt Ρ (2923). [1] Als er seiner Mutter, die er mittlerweile unwissentlich geehelicht hat, von seiner Weglegung als Kind und von seiner Aufnahme bei Ρ erzählt, erkennt sie in ihm ihren Sohn. Oedipus tötet sich selbst [!], sie stirbt (2923; 3033; Alexanders Zug gegen Theben; Exkurs zur Geschichte Thebens).
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Polybus [2] — Polydamas [1]
[1] Das Motiv der Erziehung durch einen Hirten erinnert an die Jugendgeschichten des Paris im .Trojaroman' Konrads von Würzburg und im .Göttweiger Trojanerkrieg', jenes vom Unterricht in Schießen, Schach und Saitenspiel (die beiden letzteren stehen einem Hirten eigentlich nicht an) an die Erziehung des Achilles durch Chiron, so wiederum bei Konrad; Chiron (I.A3)\ zur Umformung des Mythos Oedipus. Iokaste wird nicht namentlich genannt. [mk]
Helenas zu (2367; 2553; 3228). In Hectors Auftrag bewacht er ein Stadttor (4101; Kriegsvorbereitungen), kämpft in der Landungsschlacht tapfer in der Schar des Deiphobus (4691; 5184-5677), ist für einige Trojaner nach Hector der beste Kämpfer (6047), wird nach weiteren Kämpfen (6260; 6497; 6668; 6857) von Palamedes niedergestochen und geschmäht (6927-6949), nimmt am abendlichen Rat und am Kamingespräch mit Helena teil (7232-7336), versucht vergeblich, Antenor aus Polybus [2] der Hand der Griechen zu befreien (7598; [Mythischer König von Sikyon] 7826; Katalog), unterstützt Paris, wird von Troilus vor Diomedes gerettet (8997-9035), El Rudolf von Ems,, Weltchronik' 19928 (Povon Aiax Telamonius vom Pferd gestochen libus)·. Ρ ist einer der Könige von Sicyon (Kaund wieder von Troilus gerettet (9703; Katalog). [1] talog; 9950-10039), flieht wie die anderen vor [1] Die Nennung bezieht sich auf eine der Nebenquellen Achilles (10167; Katalog), verhindert mit Troivon E l , das ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 519). Dem Prinzip ma.Weltchronistikentsprelus den Fall der Stadt, wird gefangen genomchend, sind die mythologischen Daten historisch aufgefasst men und von Hector befreit (10167-10271); und werden in profangeschichdichen Exkursen („incidentia") klagt überdessenTod(10548;als Kämpfer gezum Heilsgeschehen erinnert, wie hier meist in Form von nannt: 10962; 11608; 12688; 12712), kämpft Herrscherkatalogen. Der schon im antiken Mythos fassbare Ρ von Sikyon könnte mit dem korinthischen P, dem Ziehvater gegen Ulixes (12913), ist entsetzt über die des ö d i p u s (-» Polybus [1J) identisch sein, s.v. Polybos (H. Schleifung der Leiche des Troilus (13223; von Geisau), in: DKP, Bd. 4, Sp. 991 f. 13286), wird in weiteren Kämpfen (14461; [mk] 14463) von den Amazonen vor Pyrrhus gerettet (14707-14849), fordert mit Antenor, Anchises und Aeneas von Priamus die Rückgabe Helenas, nimmt nach Bekanntwerden Polydamas [1] von Priamus' Anschlagsplan gegen die vier an [Sohn des Panthus, Ratgeber, Zeichendeuter und neben den Geheimverhandlungen mit den Griechen Hector einer der wichtigsten Kämpfer der Trojaner] teil (14987-15312) und wird nach dem Fall G: Sohn des Antenor (Al), Bruder des Glau- Trojas von den Griechen wie vereinbart geschont und belohnt (16338). eon (Al), Gefährte des Paris (Al) A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg'·. Ρ R: König (A2), Fürst (Al, A2), Landesherr ist tugendreich, angesehen, klug, mutig und (A2), Ratgeber des Priamus (A2), Bote (A2) flinker als ein Drache oder Wisent (29858; Nf.: Polidamas (Al, A2), Polimas (Al), Polimodas (A2), Pollidamas (A2), Pollimadas 31844-31892; 35562). Er begleitet Paris nach Griechenland (19427) und ist maßgeblich an (A2) der Entführung Helenas beteiligt: So fungiert I. er ihr gegenüber als Bote des Paris (20624), Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Ρ ist holt auf dessen Geheiß die Truppen heran und hilft mit, Helena zu täuschen, indem sie tugendreich, angesehen, klug und verständig, dieselben Segel wie Menelaus setzen (22422; er tritt ganz in die Fußstapfen seines Vaters 22454). Er übernimmt die Führung eines Teils (3228; Descriptio). Gemeinsam mit Antenor, des trojanischen Heeres (25072; KriegsvorDeiphobus und Aeneas begleitet er Paris nach Griechenland und stimmt der Entführung bereitungen), erhält von Hector den Befehl
Polydamas [2] — Polydorus über die dritte Schar (29858-29882; Katalog), hält vor seinen Männern eine aufmunternde Rede (31844-31967; 32021; 32041), kämpft gegen Menelaus (32115) und andere (32186; 32220), spornt die zurückweichenden Truppen an (32324; 32354), erwirbt sich großen Kampfesruhm (32374), wird von Menelaus und Aiax Telamonius gefangen genommen und von Hector befreit (35485-35621; als Kämpfer genannt: 36626; 39914). , Trojanerkrieg-Fortsetzung·. Der tapfere Ρ fügt den Griechen im Kampf großen Schaden zu, wird von Aiax erschlagen und von den Trojanern beklagt (43063; 43384). Ρ stimmt für den Friedensvorschlag Antenors (46655), beteiligt sich an den Beratungen der Stadtverräter (46829) und unternimmt einen heimlichen Botengang zu den Griechen, um sie der Treue der Verschwörer zu versichern (46890; 46900; 46923).
II. Ρ ist schon in der ,Ilias' neben Hektor, mit dem er in derselben Nacht geboren sein soll, eine der Stützen der Trojaner (u.a. rät er vergeblich zum Rückzug, als Achilles wieder in die Kämpfe eintritt, 18,249ff.)· Die mhd. Belege beruhen in ihrer Darstellung im Wesentlichen auf dem Trojaroman Benoits de Sainte-Maure (A2 bei durchaus unabhängiger Konzeption und Gestaltung), Benoit folgt seinerseits weitgehend Dares. Die Fortsetzung von A2 ist direkt nach Dictys gearbeitet. Auch in Al und A2 ist Ρ eine der wichtigeren Nebenfiguren, er begleitet Paris nach Griechenland, hilft bei der Entfuhrung Helenas (ausführlich A2) und ist Ratgeber des Priamus (A2). Er zählt zu den ausgezeichneten Kämpfern. In der Fortsetzung von A2 fällt er wie bei Dictys und bereits bei Homer durch Aiax Telamonius, tritt dann später aber wieder als einer der Verräter der Stadt in Erscheinung. Der Widerspruch erklärt sich aus einem Quellenwechsel zu Dares bei der Schilderung des Verrats. [mk/sks]
519
Polydamas [2] [Macedone, Gefährte Alexanders, Freund des Parmenio, bringt Alexanders Befehl, Parmenio zu töten, nach Ekbatana; Curtius Vll.2,11]
A l Rudolf von Ems, ^Alexander' (Polidamant)·. Der weise Ρ berichtet vom Angriff der Perser auf das Lager der Griechen (12329; zweite Schlacht gegen die Perser). Später wird er als Bote nach Medien gesandt, um den Befehl zur Hinrichtung des dort weilenden Parmenio zu überbringen, den Alexander der Verschwörung gegen ihn für schuldig befindet. Damit er den Auftrag auch durchführt, behält Alexander zwei seiner Brüder als Geiseln zurück (20274; Verschwörung gegen Alexander). [sks]
Polydegmon [Gefährte des Phineus, fällt durch Perseus; M M 5,85]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,145 (Semiramis)·. P, ein Gefährte des Phineus, fällt auf dem Hochzeitsfest des Perseus im Kampf gegen diesen (Kämpferkatalog). [1] [ 1 ] Bei Ovid heißt der Kämpfer Polydegmon, er ist ein Nachkomme der Semiramis („Semiramio Polydegmona sangiune cretum"; M M 5,85). Al fasst das Namensattribut als den eigentlichen Namen. [mk]
Polydorus [Jüngster Sohn des Priamus und der Hecuba, wird nach dem Fall Trojas von Polymestor, dem er von Priamus anvertraut wurde, aus Habgier ermordet und von Hecuba an diesem gerächt; M M 13,432]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Polidorus): P, der jüngste und liebste Sohn Hecubas, wird bei Kriegsbeginn von seinem Vater Priamus für viel Geld in die Obhut Polymestors gegeben, von diesem aber nach dem Fall Trojas getötet und ins Meer geworfen. Hecuba, die Ρ noch einmal zu sehen und dann zu sterben wünscht, entdeckt den Leichnam, als sie sich das Blut Polyxenas abwaschen will, und rächt ihren Sohn (13,600-757; Untergang Trojas; RV: 13,829).
520
Polymestor — Polyphemus
Polymestor
I.
[König von Thrakien, tötet aus Habgier seinen Schützling Polydorus, einen Sohn des Priamus]
A l Rudolf von Ems, Alexander': Der weise und tapfere Ρ rät wie Parmenio Alexander zu einem nächtlichen Überraschungsangriff auf die Perser, was dieser als unehrenhaft ablehnt. Gemeinsam mit Amyntas befehligt er die Truppen im rechten Heeresflügel (11839; 11973; Vorbereitungen zur 2. Schlacht; als Kämpfer genannt: 12448; 13803)
G: Vormund des Polydorus ( A l ) R: König ( A l ) von Thrakien (A2) Nf.: Polimestor (A2), Polymnestor ( A l ) I.
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen':
Der meineidige und goldgierige Ρ hat von Priamus fur viel Geld Polydorus zur Obhut anvertraut bekommen. Nach dem FallTrojas tötet er ihn und wirft die Leiche ins Meer. Hecuba findet sie und rächt sich, indem sie ihn unter dem Vorwand, noch mehr Gold zur Aufbewahrung zu bringen, aufsucht und ihm die Augen auskratzt ([13,596]). Aeneas fährt an P's Reich vorbei (13,827; RV).
A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 16606:
Ρ wurde von Aiax allen Besitzes beraubt (Streit um das Palladium; Rede des Aiax).
II. Die berühmte Episode von P's Verbrechen gegen seinen Schützling Polydorus und von Hecubas Rache übernimmt A l direkt von Ovid ( M M 13,430ff.). Ρ wird allerdings erst nachträglich namentlich genannt. Gerade dort nennt ihn Ovid nicht. Die kurze Erwähnung in A2 findet sich in einem Katalog der Taten des Aiax, mit dem dieser seinen Anspruch auf das Palladium untermauert. Die Stelle folgt dem Trojaroman Benoits de Sainte-Maure (26676). P's Freveltat, die im Trojabericht bei Dictys, hier die Quelle Benoits, erinnert wird, ist nicht reflektiert. [mk]
Polynices -» Eteocles und Polynices Polyperchon [Makedone, Sohn des Simmias, Feldherr Alexanders, 324 v. Chr. als Stellvertreter des Craterus nach Hause gesandt]
R: Gefolgsmann Alexanders (Al, A2) Nf.: Poliparcon (A2), Poliper (Al), Polipercon (Al), Poliperkon ( A l )
A2 Ulrich von Etzenbach, Alexander': Der treffliche und mutige Ρ und Parmenio raten Alexander vor der Schlacht bei Arbela in Anbetracht der großen Ubermacht der Perser zu einem nächtlichen Überraschungsangriff, was dieser aber als unehrenhaft ablehnt (12440; 12469; als Kämpfer genannt: 13979; 14069).
II. Beide Alexanderromane nennen Ρ als tapferen Feldherrn und Ratgeber Alexanders. Das Motiv des von Ρ und Parmenio vorgeschlagenen Überraschungsangriffs auf die Perser bringt A l nach seiner Hauptquelle, der Alexanderhistorie des Q. Curtius Rufus (IV. 13,7), A2 nach der ,Alexandreis' Walters von Chätillon (IV,349), die ihrerseits Curtius Rufus folgt. [sks]
Polyphemus [Kyklope, Sohn des Poseidon und der Thoosa, Menschenfresser, lebt abseits der anderen Kyklopen in einer Höhle, wird von Odysseus geblendet]
W: Riese (Al, El), Kyklope (Al, El),Teufel (Al), Wunderwesen (El), Menschenfresser (El) G: Sohn des Laestrygon (A2), Neffe des Cyclops (A2), Cousin des Antiphates (A2) Nf.: Polifemes (A2) I.
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen:
Ρ ist einäugig, groß, hässlich, kämmt seinen
Polypoetes
521
Bart mit einer Egge und schneidet ihn mit einer Sichel. Er ist ein Teufel und ernährt sich vorzugsweise von Menschenblut, worauf er aus Liebe zu Galatea vorübergehend verzichtet. In einem Lied preist er ihre Schönheit, beklagt ihre Hartherzigkeit und meint, er würde eher Iuppiters Zorn als die Abweisung durch sie ertragen. Als er sie mit Acis überrascht, erschlägt er diesen mit einem Steinbrocken ([13,967]; 13,997-1200; Erzählung Galateas an Scylla). Nach seiner Blendung durch Ulixes tobt Ρ und schleudert Felsen nach Ulixes' Schiff. Sein blutiges Gesicht erinnert den zurückgelassenen Achaemenides daran, wie der Riese seine Gefährten gefressen hat. Hätte ihn Aeneas nicht gerettet, wäre es ihm genauso ergangen (14,146; Erzählung des Achaemenides an Macareus). Den Worten des Macareus zufolge standen die Griechen noch bei Circe unter dem Schock des Erlebnisses mit Ρ (14,254; Abenteuer des Ulixes). A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Ρ und Antiphates berauben wie zuvor schon ihre Väter Cyclops und Laestrygon den in Sizilien gelandeten Ulixes und kerkern ihn und seine Gefährten ein. Als die Gefangenen von P's Schwester [Arene] wegen deren Liebe zu Elpenor befreit werden, stellt sich Ρ den Fliehenden entgegen und tötet viele, bis er schließlich von Ulixes geblendet wird. Die Flucht der Griechen gelingt (17579-17615; Erzählung des Ulixes an Idomeneus). El yAnnolied' [22,18]·. Der Cyclope fraß in Sizilien Ulixes' Gefährten, worauf ihm dieser aus Rache im Schlaf das einzige Auge ausstach.
sie Benoit übernimmt und an A2 weitergibt. Wie sich Al die genealogischen Verhältnisse denkt, geht aus dem Text nicht klar hervor. Cyclops könnte wie bei Benoit als Vater des Antiphates und Laestrygon als Vater des Ρ gedacht sein oder umgekehrt, was zur ursprünglichen Sage besser passen würde. Das Motiv der Liebe zwischen Elpenor und P's Schwester (Arene, bei Benoit Arenain, in A2 nicht genannt) findet sich schon bei Benoit (28655). Die rationalisierende Umdeutung der Abenteuer des Odysseus erklärt sich aus der pseudohistoriographischen Intention bei Dictys. Die mythologischen Motive sind hier insgesamt weitgehend getilgt. Die Darstellung in Al ist direkt nach Ovid (MM I4,167ff.) gearbeitet. Hier findet sich auch noch die komisch-grausige Geschichte von P's Liebe zu Galatea, die nachmals im 17. und 18. Jahrhundert ein beliebtes Opernsujet werden sollte. Die kurze Anspielung in El greift auf die Nennung P's in Vergils .Aeneis' (3,641) zurück.
II.
I.
Die Blendung P's durch Ulixes (MM 13,755), eines der wirkungsmächtigsten Motive aus dem Odysseus-Mythos, wird in allen drei mhd. Belegstellen verarbeitet. Die Umformung und die Mischung der Kyklopensage mit der Laistrygonensage (Antiphates ist in der ,Odyssee' der König der Laistrygonen) in A2 gehen auf den Trojabericht des Dictys (124,4) zurück, von dem
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Ρ fuhrt gemeinsam mit Leonteus 40 Schiffe zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3385; Katalog), kämpft in der Landungsschlacht vor Troja gegen Paris (4924, 5828) und fällt später gegen Hector. Als dieser dem Toten die Rüstung rauben will, wird er von Achilles zum entscheidenden Zweikampf gestellt (10297; 10317). [1]
[mk]
Polypoetes [Sohn des Pirithous und der Hippodameia, führt mit Leonteus 40 Schiffe nach Troja; Dares 18,16; Dictys 15,11; Benoit 5675 Polibetes]
G: Gefährte des Leonteus (Al) R: König (Al), Herzog vom Kaukasus (Al), aus Larisa (A2) Nf.: Polibetes (Al), Polibite (Al), Polipetes (A2), Polipoetes (A2), Politetes (Al)
522
Polystratus — Polyxena
[1] In Entsprechung zu Dares und Benoit muss mit Politetes in 1 0 2 9 7 u n d 10317 Ρ u n d nicht Philoctetes gemeint sein.
A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg: Der kluge und ruhmreiche Ρ kämpft als Verbündeter der Griechen tapfer vor Troja (23874; 36790; Katalog). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung 40943'. Ρ erwirbt bei den Ritterspielen anlässlich der Siegesfeier des Achilles den Preis fiir Schnelligkeit (40943). II. Die Trojaromane Al und A2 nennen Ρ in mehreren Kämpferkatalogen als Verbündeten der Griechen vor Troja, geben aber über sein konkretes Schicksal nur spärliche Auskunft. Dem .Roman deTroie' Benoits de Sainte-Maure folgend (16158; dieser nach Dares 30,5), schildert Al P's Tod durch Hector und den Raub seiner Rüstung, der zum entscheidenden Kampf zwischen Hector und Achilles überleitet. Das in der Fortsetzung von A2 referierte Motiv der Teilnahme P's an den Ritterspielen der Griechen findet sich auch bei Dictys (73,13), wo Ρ den Wettlauf allerdings nicht gewinnt, sondern hinter Aiax Zweiter wird. Von den Wettkämpfen berichtet im Übrigen schon die ,Ilias', dort siegt Ρ beim Kugelstoßen (23,836ff.). [mk/sks]
Polystratus [ M a k e d o n e , G e f o l g s m a n n Alexanders, findet den sterbenden Darius; Curtius V. 13,24; Chatillon VII.6,246]
Nf.: Polistratus (Al, A2) I. Al Rudolf von Ems, »Alexander': Ρ findet den sterbenden Darius, labt ihn mit Wasser, legt ihn auf seinen Schild, stößt sein Schwert neben seinem Kopf in die Erde, erstattet dann Alexander Bericht und begleitet diesen zu Darius (14846-14880) A2 Ulrich von Etzenbach, Alexander'·. Ρ findet den schwer verwundeten Darius in dessen
Zelt in der Nähe einer Quelle, versorgt seine Wunden, beklagt sein Schicksal, überbringt Alexander den Wunsch des Sterbenden, ihn zu sehen, und führt ihn hin (16716-16778). II. Al und A2 berichten nach Q. Curtius Rufus (V. 13,24) bzw. nach Walter von Chatillon (VII,246) von der Auffindung des sterbenden Darius durch P. Seinem vorbildlichen Verhalten entsprechend, wird Ρ durchwegs positiv als edel (A2), ehrenvoll (A2), angesehen (Al, A2), tugendreich (Al) und tapfer (Al, A2) beschrieben. In beiden Belegen führt er Alexander zu dem sterbenden Perserkönig, in Al auf Betreiben Alexanders, in A2 auf Wunsch des Darius selbst. [sks]
Polyxena [Tochter des Priamus u n d der Hecuba, wird von Pyrrhus auf Wunsch des Geistes seines toten Vaters Achilles an dessen Grab geopfert]
G: Tochter des Priamus und der Hecuba (Al, A2, A3, A4), Schwester des Hector und des Paris (A2, A3, A4), des Deiphobus, desTroilus und des Helenus, der Creusa (A2) und der Cassandra (A2, A4) R: Königin (Al, A3), Königstochter (Al, A4) Nf.: Pillixena (A4), Polixena (Al, A2, A3, A4), Pol(l)ixene (A4), Pol(l)ixina (A3), Pollixena (A3, A4) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Die standhafte, tapfere Ρ wird vom Geist des Achilles als Opfer verlangt und ihrer Mutter Hecuba entrissen. Ρ sieht ihre Vorfreude auf den Tod nur durch die Trauer der Mutter getrübt, entblößt sich und bittet darum, dass ihre Leiche Hecuba übergeben werde. Gefasst und ohne zu weinen wird sie unter den Klagen selbst der Griechen von einem sich abwendenden Priester in die Brust gestochen und von Hecuba und den Trojanern beweint (13,625-698; Untergang Trojas).
Polyxena A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': P, die Zweitälteste und schönste Tochter des Priamus (1691; Katalog), ist keusch, sanftmütig und arglos (1711; Descriptio; 3277). Sie versorgt Hectors Wunden (7175; 9208), ist bestürzt, als er wieder in die Schlacht reiten will (9729; 9733), und klagt über seinen Tod so laut, dass der ganze Palast davon widerhallt (10637). Bei der Feier aus Anlass von Hectors Todestag erblickt Achilles P, verliebt sich in sie, furchtet aber ihre Zurückweisung, da er Hector getötet hat. Er lässt bei Hecuba um Ρ anhalten, Priamus fordert den Abzug der Griechen als Bedingung für seine Einwilligung. Achilles sendet Ρ durch seinen Boten Minnegrüße und Geschenke (11159-11408; 12772). Sie lässt ihrerseits dem verwundeten Helden Genesungswünsche bestellen (13086; 13096). Unter dem Vorwand einer Vermählung mit Ρ wird Achilles von Hecuba in den Apollotempel gelockt und dort ermordet. Eine Statue P's ziert das Grab von Achilles (1344713491; 13763). Beim Fall Trojas wird Ρ von Hecuba dem Aeneas anvertraut (weswegen ihn Agamemnon und Pyrrhus später des Meineids beschuldigen 16830-16979), sie wird jedoch von Antenor verraten, von Pyrrhus an Achilles' Grab geköpft und vom Volk bedauert (16289; 16414-16471). A3 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg: Die makellose Ρ beklagt mit Priamus den Tod Laomedons (13267), verfolgt die Kämpfe vor Troja von der Zinne aus und lenkt mit ihrer Schönheit - sie ist fast so schön wie Helena - viele Kämpfer ab (39248-39281; 39604; 40312). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung·. Ρ begleitet Priamus ins Griechenlager, um die Leiche Hectors von Achilles zurück zu erbitten (41000), kniet vor Achilles nieder, dieser bittet sie, sich zu erheben und verliebt sich (41410). Priamus bietet ihm die Tochter als Frau an, Achilles erbittet Bedenkzeit (42040). Später lockt ihn Hecuba unter dem Vorwand, Ρ mit ihm vermählen zu wollen, in den Apollotempel, wo er von Paris und Deiphobus getötet wird. Der Sterbende klagt, dass ihn P, ohne es gewollt
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zu haben, ums Leben gebracht habe (4378443944). Nach der Zerstörung Trojas wird Ρ dem Pyrrhus überlassen, weil sie die Schuld am Tod des Achilles trage (48578). A4, Göttweiger Trojanerkrieg': Ρ ist jung, edel, tugendhaft und das schönste Mädchen von Troja (17916; 19169-19443; 22713-23196; Descriptio). Sie ist beim festlichen Empfang des Astrologen Samlon (743), Hectors und seiner Braut Pictorie [!] (13345) sowie Helenas und Paris' zugegen (13726). Als Priamus nach Beginn des Krieges selbst in die Schlacht zieht, sind P, Hecuba und Cassandra entsetzt und beobachten von der Burgmauer aus das Kampfgeschehen (18043). Ρ trauert um den von Achilles getöteten und geschleiften Hector (19169; 19262; 19443; 22713), fordert Paris zur Rache auf und erinnert ihn an seine Begabung durch Pallas, Iuno und Venus (19244-19265; RV auf das Parisurteil), freut sich über Achilles' Tod und pflanzt sein Haupt weithin sichtbar an einer Zinne der Burg auf. Agamemnon trachtet ihr dafür nach dem Leben (19422). Paris bedauert ihr Schicksal, als die Griechen in die Stadt eindringen (22954). Nach der Eroberung will Pyrrhus P's Verrat an Achilles rächen. Aeneas versucht vergeblich, sie zu verbergen, Pyrrhus zieht sie an den Haaren zum Grab seines Vaters und erwürgt sie dort mit ihren Zöpfen (23144; VD 17916; Resümee: 25137). II. 1) P's Tötung; 2) Weitere Motive im Trojaroman; 3) Ρ und Achilles
1) Die Tötung P's am Grab des Achilles zählt zu den prominentesten Motiven der gesamten antiken und ma. Trojatradition und wird mit Ausnahme der Fortsetzung von A3 auch in allen mhd. Belegen berichtet. Sie soll sich schon in der verlorenen ,Iliupersis', dem nachhomerischen Epos von der Zerstörung Trojas, gefunden haben, erfährt durch Euripides' ,Hekabe' die entscheidende Prägung und wird in Ovids,Metamorphosen' noch einmal wirkungsmächtig ausgestaltet (13,448ff.). [1] Ob der Trojabericht des Dares von der
524
Polyxenus
euripideischen Tradition oder von Ovid beeinflusst ist, hängt von der Datierung ab. Für die spätere Rezeption ist jedenfalls Ovids Darstellung maßgeblich, ihr folgt A l direkt. Die effektive Dramaturgie ist dabei durchaus bewahrt: Der Geist des toten Achilles fordert das Opfer, Ρ selbst ist furchtlos, ja glücklich (sie stirbt lieber, als ihre Ehre zu verlieren). Ihre Gefasstheit wirkt umso eindringlicher, als alle anderen zu Tränen gerührt sind. Bei Ovid weint selbst Neoptolemus und vollführt mit Widerwillen die Tat. A l durchschaut Ovids „invitus sacerdos" („der widerwillige Opferpriester"; M M 13,475) nicht als Umschreibung seines Namens und lässt tatsächlich einen Priester das Opfer vollziehen. 2) DieTrojaromane stellen Ρ ebenfalls deutlich positiv dar und betonen ihre Tugendhaftigkeit (A2, A4). Sie ist außerdem die schönste Tochter des Priamus (A2), das schönste Mädchen von Troja (A4), ihre Schönheit reicht fast an jene Helenas heran (A3). Während des Trojanischen Krieges hat sie zunächst keine handlungstragende Rolle inne: Sie beobachtet das Kampfgeschehen (A3, A4), versorgt die Wunden Hectors (A2), beklagt dessen Tod (A2, A4) und begleitet Priamus ins Lager der Griechen, um Hectors Leiche zu lösen (Fortsetzung von A3). A2 und A3 folgen dabei im Wesentlichen dem afrz. Trojaroman Benoits de Sainte-Maure (dieser wiederum demTrojabericht des Dares), die Fortsetzung von A3 ist direkt nach dem Trojabericht des Dictys gearbeitet. Die Motive in A4 sind weitgehend frei erfunden. 3) Eine zentrale Episode bildet in A2 und in der Fortsetzung von A3 dann allerdings die Liebe des Achilles zu P. Unter dem Vorwand einer Verehelichung wird er in die Stadt gelockt und dort hinterhältig ermordet. Dies gibt denn auch in A2 jenen expliziten Grund für die Tötung P's durch Pyrrhus, der bei Ovid fehlt. In A3 wird Ρ bloß versklavt, von ihrer Tötung wird nichts berichtet, obwohl sie in der Quelle, dem Trojabericht des Dictys (124,23), erwähnt wird. [2] A4 geht wiederum eigene Wege. Von einer Liebe zwischen Achilles und
Ρ (wie sie zwar nicht bei Dares, in A2 nach Benoit allerdings auch von Polyxenas Seite her anklingt) ist keine Rede, Ρ betreibt vielmehr offensiv dessen Tötung und die Schändung seiner Leiche. Umso grauenhafter und auch grotesker vollzieht Pyrrhus seine Rache, wenn er sie mit ihren Zöpfen erwürgt. Das Grundmotiv ihrer Tötung übernimmt A4 aus dem Bericht des Dares (51,13) oder aus Ovids ,Metamorphosen'. [3] Die eigentliche Gestaltung ist wiederum frei. [1] S.v. Polyxene (H. von Geisau), DKP, Bd. 4, Sp. 1013. [2] Möglicherweise hat die Fortsetzung von A3 den Wortlaut bei Dictys missverstanden und „Polyxena [...] per Neoptolemum Achilli inferias missa" („Polyxena wurde von Neoptolemus dem Achilles in die Unterwelt geschickt") im Sinne von „Polyxena wurde dem Neoptolemus übergeben, weil sie Achilles in die Unterwelt gebracht hatte" aufgefasst. [3] Zur Quellenfrage Kern, Agamemnon weint, 177. [mk]
Polyxenus [König von Elis, einer der Griechenfuhrer vor Troja; von Hector getötet; Dares 26,19; Dictys 14,25; Benoit 12397]
R: Verbündeter der Griechen (Al, A2), Admiral (A2) Nf.: Polisenar, Polixenus (Al), Pol(l)ixinart, Pollixenon (A2) I.
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Ρ kommt mitTeucer, Theseus, Diores und Amphimachus in Aiax' Flotte zum Sammelpunkt der Griechen nach Athen (3336; Katalog), führt in der Landungsschlacht das Banner ihrer Schar (4881; Katalog), wird zu Fall gebracht (sein Pferd erhält Hector) (5369) und von dem Kentauren im Heer des Epistrophus getötet (7718).
A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg'·. P, ein angesehener Verbündeter der Griechen (23812; Katalog), unterstützt Telamon (30615; Katalog), wird von Hector getötet (35203) und fällt ein weiteres Mal gegen Donosdaron (36006; als Kämpfer genannt: 36756).
Pomona — Pompeius II.
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Pompeius
Die beiden Trojaromane nennen Ρ in mehreren Kämpferkatalogen als Verbündeten der Griechen vorTroja, weichen aber bei der Schilderung seines Todes voneinander ab, obwohl beide prinzipiell derselben Quelle, dem afrz. Trojaroman Benoits de Sainte-Maure, folgen. In Al wird Ρ von einem Kentauren aus dem Heer des Epistrophus getötet, der bei Benoit (6897ff.) aber nicht in Verbindung mit P's Tod gebracht wird. In A2 stirbt Ρ gleich zweimal, einmal wird er wie bei Dares (26,19) und Benoit (12397) von Hector getötet, später fällt er noch einmal gegen Donosdaron (Dinas d'Aron, ein Bastardsohn des Priamus bei Benoit 8008). Schließlich wird er noch einmal als Kämpfer genannt. A2 ist ein klar konzipierter und umsichtig recherchierter, auf mehrere Quellen zurückgreifender Text. Die Widersprüche im Detail erklären sich aus einer fehlenden Bearbeitungsphase, der Roman wurde nicht vollendet. [mk/sks]
Pomona [Göttin der Früchte und des Obstbaues, Gattin des Vertumnus; MM 14,623]
Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen': Die wunderschöne und friedfertige Waldgöttin Ρ umgibt ihren Garten aus Angst vor den Männern mit einem Zaun, den Götter, Zwerge und Kobolde umlagern. Vertumnus schleicht sich in Gestalt eines alten Weibes ein, erzählt Ρ Exempla über die Sprödigkeit der Frauen sowie die Geschichte vom abgewiesenen Iphis und fordert sie auf, seine Liebe zu erwidern. Ρ nimmt Vertumnus zum Mann, als er sich ihr offenbart (14,660; 14,701; 14,747). [1] [1] Im Bereich der „niederen Mythologie" greift Al des Öfteren zu Adaptionen, die vielleicht volksmythologische Vorstellungen reflektieren. So wird Ρ als Waldgöttin gefasst, ähnlich wie die Nymphen als Waldfrauen (-» Dryades, Naiades; vgl. auch die Kentauren als Riesen, -* Centauri). Der Mythos selbst ist in Al nicht wie bei Ovid nach dem Bericht über König Proca eingeschoben, weshalb sich auch die „Chronologie" verschiebt: Die Pomona-Episode spielt in Al zur Zeit des Romulus. [mk]
[Gnaeus Ρ Magnus, 106-48 v. Chr., röm. Staatsmann und Feldherr plebejischer Abstammung, schlägt den Sklavenaufstand unter Spartacus nieder, besiegt die Seeräuber und Mithridates, bildet 60 v. Chr. mit Caesar und Crassus das 1. Triumvirat, führt Bürgerkrieg gegen Caesar und wird nach der verlorenen Schlacht bei Pharsalus 48 v. Chr. auf der Flucht bei der Landung in Ägypten ermordet]
G: Vorfahre des Terramer (Bl) R: König (B2), Heerführer (Al), Ratsherr in Rom (E3) Nf.: Pompejus (Bl, B2, E2, E3) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 15,501\ Ρ ist der Anführer des Aufstandes einiger Römer gegen Caesar, wird von diesem aber besiegt (Caesar und Augustus). [1] [1] Ρ wird bei Ovid (MM 15,746ff.) nicht erwähnt. Die Information entnimmt Al vielleicht einer Glosse, vgl. auch den Hinweis auf Livius an dieser Stelle.
Bl Wolfram von Eschenbach, , Willehalm' 338,26: Der sarazenische Großkönig Terramer behauptet, von Ρ abzustammen. Dieser sei als rechtmäßiger Herrscher aus Rom vertrieben worden, und damit stelle auch er, Terramer, legitimen Anspruch auf die röm. Krone. B2 Ulrich von Etzenbach, Alexander': Nicht einmal Caesar wurde nach seinem Sieg über Ρ so herrlich empfangen wie Alexander in Babylon. Ρ wurde an Ptolemaeus von Ägypten ausgeliefert (14673; 14685; Alexander in Babylon; Exkurs). Nach Alexanders Tod nimmt Ptolemaeus Ρ gefangen, wofür ihm die Römer sehr dankbar sind (27152; Tod Alexanders). [1] [1] Al identifiziert Alexanders Feldherrn und ägyptischen Diadochen Ptolemaeus I. Soter (-* Ptolemaeus ///) mit seinem Namensvetter Ptolemaeus XIII. (-* Ptolemaeus [2]), unter dessen Duldung Ρ in Ägypten ermordet wurde. Der Fehler in der Chronologie ist auch im Lichte der diesbezüglichen Lizenzen in der volkssprachlichen Literatur schwerwiegend.
El ,Annolied': Ρ flieht vor dem heranrückenden Caesar aus Rom, wird von ihm bis nach Ägypten gejagt, wo P's Männer in einer fürchterlichen Schlacht besiegt und niedergemetzelt werden (25,15; 27,13; Universalhistorische Einleitung; Caesars Zug gegen Rom).
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Pompeius
E2 Kaiserchronik': Ρ flieht vor dem heranrückenden Caesar mit einem großen Heer aus Rom aufs Meer, wird von Caesar mit einem kleineren Heer verfolgt, in einer großen Schlacht besiegt, flieht nach Ägypten, wird dort ermordet und von Caesar gerächt (485513; Caesars Zug gegen Rom).
sieht sich als P's Erbe und beansprucht die röm. Krone. Damit stellt er nichts weniger als die Legitimität des christlich-röm. Kaisers und somit eine zentrale geschichtsteleologische Vorstellung des christlichen MA,
in Rom zählen u.a. P, Plato, Pythagoras, Seneca, Sybilla, Aristoteles, Demetrius und Hippocrates (Prosaeinschub nach 20942; Katalog röm. Ratsherrn). [1] Der weise Ρ flieht vor dem heranrückenden Caesar aus Rom (21212).
des gesamten christlichen Reiches. Zugleich wird auf diese Weise Terramers Feldzug zum (legitimen) Rückeroberungsversuch, in dem es christlich-universalgeschichtlich betrachtet aufs Ganze geht. Die Stelle dient der dramaturgischen Steigerung kurz vor der Entscheidungsschlacht. Zudem unterstreicht die Nennung den Bildungsstand Wolframs, auch wenn er selbst behauptet, keinen einzigen Buchstaben zu kennen (,Parzival' 115,27). 3) Die Belege zeugen insgesamt von der Bekanntheit dieser Phase der röm. Geschichte. El steht in der Tradition gelehrter ma.-lat. Geschichtsschreibung, E2 und E3 beziehen sich auf E l . B2 folgt der Nennung P's in der .Alexandreis' Walters von Chatillon (VII,345). Die konkrete Quelle von B l ist nicht bekannt.
die so genannte translatio imperii, in Frage. Die militärische Bedrohung für die Chris-
E3 Jans Enikel,, Weltchronik'·. Zu den Ratsherrn ten wird zu einer existenziellen Bedrohung
[1] Als mögliche Quelle fiir den Prosaeinschub verweist Strauch (Hg.), 400, Anm. 3 auf eine Stelle in ,De imagine mundi' des Honorius Augustodunensis (PL 172, Sp. 177; „de consulibus et dictatoribus Romae"), die freilich bloß ein Muster abgibt. Die dort genannten Namen decken sich nur zum geringen Teil mit der Liste von El.
II. 1) Historische Motive; 2)Pundder Anspruch der Sarazenen auf die röm. Krone; 3) Zusammenfassung
1) Alle mhd. Belegstellen referieren P's historische Rolle als Gegenspieler Caesars im röm. Bürgerkrieg und erweisen damit die Bekanntheit P's im Mittelalter. Die chronistischen Texte bieten die detaillier-
testen Informationen zum bellum civile, sie
berichten von der Flucht P's und eines Teiles des Senates vor Caesar aus Rom (El, E2, E3), von seiner Niederlage gegen Caesar in einer großen Schlacht (El, E2; gemeint ist die Schlacht bei Pharsalus 48 v. Chr.) und von seiner Ermordung in Ägypten (El, E2), die in E2 um das historisch widersinnige Motiv von Caesars Rache für Ρ erweitert wird. In A l wird P's Niederlage als Folge einer von ihm angezettelten Erhebung gegen Caesar gesehen, B2 berichtet von ihr im Rahmen eines überbietenden Vergleichs zwischen Alexander und Caesar. Die weiteren Angaben sind offenbar aus den entsprechenden historischen Daten eigenständig und ohne chronologische Rücksicht weitergesponnen. 2) Den interessantesten Eintrag bildet B l . Der Großkönig der Sarazenen, der eben mit einem Heer in Südfrankreich eingefallen ist,
Nachbenennungen Wolfram von Eschenbach, ,Parzival\ Der vornehme, stolze und treffliche P, ein Nachfahre des Nebukadnezar und des Ninus, und sein Bruder Ipomidon führen Krieg gegen den Baruc, der ihnen Ninive streitig macht und dem sie tributpflichtig sind (14,4; 101,29; dass es sich nicht um jenen Ρ handelt, der einst vor Caesar floh, wird ausdrücklich festgehalten). Wolfram von Eschenbach,, Titurel' 73,2·. Zu der Zeit, als Ρ und Ipomidon die Heerfahrt nach Baldac beschließen, lernen einander Sigune und Schionatulander kennen. Albrecht, Jüngerer Titurel' 746,2 u.ö.·. Ρ führt im Kampf gegen Ackerin eine Schar und fällt bei Floristelle durch Ekunat. ,Reinfried von Braunschweig'·. Ρ und Ipomedon kämpften in der Schlacht bei Florischanz gegen den Fürsten von Baldac (16592; 19945). ,Göttweiger Trojanerkrieg' (Pompeus, Ponpeus)·. Der würdige und ehrsame Ρ gehört zu den zwölf Fürsten und Königen, die Gamoret [!] auf dem Heerzug gegen Athen begleiten (5670), er führt in der Schlacht Gamorets Sturmfahne und fällt im Kampf gegen Paris (5855-5896; RV: 6198). [1] [ 1) Wolframs P-Gestalt wird bei Albrecht und im .Reinfried' direkt wieder aufgegriffen. Der im ,Göttweiger Trojanerkrieg' genannte Ρ ist eine Adaption, die - wie die Berufungen auf Wolfram und sonstige Reminiszenzen zeigen - ebenfalls
Porphyrius — Porus auf den sarazenischen Heerführer in .Parzival' und .Titurel' bzw. bei Albrecht zurückgreift. Wolfram selbst sieht diesen fiktiven Ρ ausdrücklich nicht als mit dem historischen röm. Staatsmann identisch, den er im .Willehalm' nennt ( B l ) . Man wird die Nennung im .Willehalm' freilich als eine Referenz auf die P-Gestalt des .Parzival' ansehen dürfen. Dass schon ein sarazenischer König des .Parzival' Ρ heißt, lässt Terramers genealogische Konstruktion plausibler erscheinen. Die Genealogie im .Willehalm' reicht somit die Motivation für den Namen der nachbenannten Gestalt im .Parzival' nach. Im Übrigen ist Wolframs Angabe, Nebukadnezar sei der Mutterbruder P's gewesen, ein krasser Verstoß gegen die Chronologie. [mk/sks]
Porphyrius [Gr. Philosoph, 234-301/5 n. Chr., Neuplatoniker, schließt sich der Lehre Plotins an]
R: Gelehrter ( D l ) , Dialektiker ( D l ) , Meister (D2) Nf.: Porphirius ( D l , D2), Porphirjus ( D l ) I. Dl Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast' 8944: Der gelehrte Ρ zählt mit Aristoteles, Boethius und Zeno zu den besten Dialektikern (Katalog von Autoritäten in den Septem Artes). D 2 Hugo von Trimberg, ,Der Renner' 14681: Ρ wird in einem Katalog antiker Gelehrter genannt, die tugendhaft lebten und dennoch von Neid und Missgunst verfolgt wurden (Exempelfigur für Gelehrsamkeit). [1] [1] Ferner werden u.a. genannt: Horaz, Ovid, Statius, Cicero, Lucan, Boethius, Alan, Dares, Aristoteles.
II. Ρ gilt in den beiden Belegen als hervorragender Gelehrter. D 2 verbindet mit der Nennung den didaktischen Topos von Neid und Missgunst, mit denen dieser konfrontiert ist. Der Exempeltypus selbst wird üblicherweise, so auch hier, von prominenteren Gestalten wie Aristoteles verkörpert. Dass D l und D2 Ρ nennen, zeugt vom Bildungshorizont der beiden Autoren. D l fasst ihn als Dialektiker, in D 2 fehlt eine konkrete Angabe zu P's „Fachgebiet". [mk]
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Porus [König von Indien, wird 3 2 6 v. Chr. von Alexander d. Gr. am Hydaspes besiegt und nach einem Friedensschluss wieder als Herrscher von Indien eingesetzt]
G: Bruder des Taxiles (A3), Schwiegervater des Carator (Al) bzw. des Candaules (A3) R: König (A3) von Indien (Al, A2, B3), Fürst (A3), herre (Epitheton) (Al) Nf.: Porrus (El), Purus (B3) I. A l Pfaffe Lamprecht, Alexander': Ρ ist edel, angesehen und stolz, aber auch schmähsüchtig und ungesittet. Seine Bitte um Beistand im indischen Herrschaftskrieg wird von Darius wegen dessen Bedrohung durch Alexander abgelehnt. Ρ sagt hingegen Darius seine Hilfe im Kampf gegen Alexander zu, zeigt sich in einem Briefwechsel mit diesem siegessicher und schmäht ihn, indem er auf seinen Sieg gegen Dionysius hinweist (S2925; 3587-3662; 4061). Nach seiner Niederlage behauptet P, Alexander habe Darius töten lassen, worauf ihm dieser im Zweikampf den Kopf abschlägt. Ρ wird feierlich begraben (S4192-4688; RV: 5731; 6230). A2 Rudolf von Ems, ^Alexander': Ρ ist der König dreier indischer Reiche und sagt trotz seiner Erkrankung dem Darius Unterstützung gegen Alexander zu (8147-8155; 1. Schlacht zwischen Griechen und Persern). A3 Ulrich von Etzenbach, Alexander'·. Ρ ist groß, stark, fein gebildet, vornehm und standfest. Ihm sind viele Reiche Untertan (19383-19395; Descriptio). Im Gegensatz zu den anderen Königen leistet Ρ auch nach Darius' Tod hinhaltenden Widerstand gegen Alexander (19347; 19349). In Begleitung von Candacis' Söhnen Candaules und Carator zieht er gegen Alexander (19372-19429), bezieht mit seinem Heer auf einer Insel im Hydaspes Stellung und erregt mit der Pracht und Hoffart seiner Männer den Ärger der Griechen (19442-19462; 19552). Alexander kann Ρ täuschen und greift die Inder überraschend vom Wasser aus an. Ρ
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Porus
kämpft verbissen und verliert viele Männer (19601-19762). Er und Alexander tragen einen Zweikampf aus, den dieser gewonnen hätte, wäre sein Pferd nicht verwundet worden. Die Schlacht entscheidet sich dennoch zugunsten der Griechen, weshalb Taxiles und seine Männer fliehen (19918-20040). Ρ will seinen Bruder deshalb zunächst erschlagen, zwingt ihn aber dann, Waffen, ritterliches Leben und Königswürde aufzugeben (20065; 20072). Er trägt neuerlich mit Alexander einen Zweikampf aus, wird schwer verwundet und von seinem Gegner ins Lager zurückgebracht (20107-20246; 20345-20364). Alexander lässt die gefangen genommenen Männer P's frei (20781), zieht durch dessen Länder und bezieht den goldenen, von Iuppiter errichteten [!] Palast P's (20788; 20794). Als dieser genesen ist, empfängt er Alexander an seinem Hof und bietet ihm seine Krone an, erhält sie aber zurück und wird mit den weiteren eroberten Ländern belehnt, die besiegten Könige leisten Ρ den Treueeid (2085921121; RV: 21404,23540). Alexander bricht von P's Hof zu seiner Tauchfahrt durch das Meer auf (23682-23718) und fliegt später mit zwei Greifen, die Ρ aufgezogen hat, durch die Lüfte (24651-24831; 26145). Der Teufel warnt seine Höllengesellen vor Alexander, weil dieser u.a. Darius' Tod verschuldet, sich Ρ dienstbar gemacht habe und nun eine Höllenfahrt plane (24950).
B1 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Cröne' 12281: Alexander schonte Ρ einst im Zweikampf, als dieser sein Pferd verlor und auf ein anderes warten musste (Amurfina erinnert Gawein und Gasozein an die Gebote der Ritterlichkeit im Zweikampf; Exemplum).
B2 Der Stricker, ,Der Pfaffe Amis' 660: Das nur für ehelich Geborene sichtbare Gemälde des Amis zeigt Alexanders Sieg über Ρ von Morlant (Descriptio). B3 Wisse/Colin, ,Parzival' 404,22·. Nicht für alle Schätze, die Ρ oder Alexander gewonnen haben, hätte Parzival seinem Oheim die Unwahrheit gesagt (Exempelfigur für reichen Herrscher).
El Jans Enikel, , Weltchronik' 18959: Ρ wird von Alexander besiegt (Alexanders Eroberungszug). II. 1) Allgemeines; 2) Ρ im Alexanderroman; 3) Anspielungen
1) Die Niederlage P's, eines der bedeutendsten Gegner Alexanders, dessen Tapferkeit auch von seinen Feinden anerkannt wurde, [1] bildet das zentrale Geschehen in den epischen Darstellungen von Al und A3 (A2 bricht zuvor ab, der Text ist Fragment geblieben) und wird in B2 und El knapp erwähnt. Die Abweichungen resultieren aus der unterschiedlichen Quellenlage: Al folgt dem afrz. Alexanderlied des Alberic de Pisan9on, das seinerseits in der Tradition des Alexanderromans Leos von Neapel bzw. von deren Redaktion, der ,Historia de preliis', steht. A3 ist die dt. Übertragung der Alexandreis' Walters von Chätillon, die nach der Alexanderhistorie des Quintus Curtius Rufus (der Hauptquelle von A2) gearbeitet ist. 2) Endgültig besiegt wird Ρ von Alexander in Al und A3 im Zweikampf, wobei Ρ in Al das Leben verliert, in A3 aber von Alexander verschont wird; so auch in der Anspielung Β1 (das Motiv vom Verlust des Pferdes könnte die Verwundung des Bucephalus reflektieren). Die detailliertesten Informationen gibt insgesamt A3 nach Walter von Chätillon (IX,3ff.), v.a. bei der Schilderung der Schlacht am Hydaspes (326 v. Chr.). Ρ wird hier auch in der Nachgeschichte zur Eroberung Indiens, dem Bericht von Alexanders Wundertaten (Tauchfahrt, Greifenflug), mehrfach erwähnt. Er ist in Al und A3 als tapferer und ehrenvoller, Alexander durchaus ebenbürtiger Gegner deutlich positiv gezeichnet. Sein Ehrgefühl geht in A3 so weit, dass er seinen eigenen Bruder töten will, als dieser aus dem Kampf flieht. Ρ muss aber letztlich wie alle anderen Gegner vor Alexanders strategischem Genie kapitulieren, dessen Überlegenheit in A3 in den gelungenen Täuschungsmanövern deutlich wird (vgl. Chätillon IX,151ff). Von der
Postumus — Priamus historisch bezeugten Versöhnung mit Alexander und P's Wiedereinsetzung als Herrscher über ein erweitertes Reich weiß nur A3. 3) In den Anspielungen dient Ρ als Exempelfigur für einen reichen Herrscher (B3), seine Schonung durch Alexander gibt ein Beispiel für ritterliches Kampfverhalten (Bl). Beider Kampf ist in B2 zum bildnerischen Sujet geworden. Die Anspielung greift einen beliebten Beschreibungstopos der höfischen Literatur auf. Das übliche Thema solcher bildnerischer Darstellungen in der Literatur ist freilich nicht der Alexanderstoff, sondern die Troja-Aeneassage. [2] Die Anspielungen B l , B2 und B3 zeugen insgesamt von der Bekanntheit und Verbreitung des Stoffes und der Gestalt in allen Phasen der höfischen Literatur.
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R: König von Troja (Al, A2, A3, A4, A5, A6, D l , E2) Nf.: Pyramus (A2), Priant (A4)
I. A l Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman': Ρ reitet nach dem vermeintlichen Abzug der Griechen vor die Stadt und lässt sich von Sinon, der in Wahrheit Ulixes ist, dazu überreden, das Trojanische Pferd in die Stadt zu bringen (990; Bericht des Aeneas an Dido), findet bei der Eroberung Trojas den Tod (20; Prolog) und ist unter den gefallenen Trojanern in der Unterwelt (3323; Katalog). A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen '·. Ρ ist der letzte König Trojas, unter seiner Herrschaft wird die Stadt wegen der Entführung Helenas durch Paris von den Griechen zer[1] So Arrians .Anabasis' 5,17ff. zufolge; s.v. Poros [1.] (F. F. stört. Ρ beklagt das ungewisse Schicksal seines Schwarz), in: DKP, Bd. 4, Sp. 1063. Sohnes Aesacus (11,1312-1353; 12,1), rea[2] -> Aeneas (II.3). giert erzürnt auf die Rückforderung Helenas [sks/mk] durch Ulixes (13,307); stirbt beim Fall Trojas; hat einst seinen jüngsten Sohn Polydorus in die Pflege Polymestors gegeben, den dieser aus Goldgier tötet. Die Trojaner beklagen P, Postumus Hecuba preist ihn glücklich, weil er rechtzei[Gegenkaiser des Gallienus, 259-268 n. Chr.] tig gestorben sei (13,579-741). El,Kaiserchronik'(Posthumus)·. Ρ tötet Kaiser A3 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Ρ ist groß und schön, ein tugendhafter und geAchilles von Rom aus Rache für den Mord an rechter Herrscher und Förderer der Liebesliseinem Vater (7440; 7446; Kaiserliste). teratur [!] (3124; Descriptio). Er hat von Lao[1] Postumus ist eigentlich ein Gegenspieler des nachfolmedon Burgen und Länder geerbt, hat noch genden Kaisers Gallienus. Zu P's historisch nicht bezeugtem Gegner in El -» Achilles (NB). 30 außereheliche Kinder, klagt über die ers[sks] te Zerstörung Trojas, lässt die Stadt prächtig wiederaufbauen, fordert durch Antenor die Griechen erfolglos zur Rückgabe Hesiones auf, Priamus plant zunächst einen Rachefeldzug, stimmt dann aber Paris' Vorschlag zu, Helena zu ent[König von Troja, Gatte der Hecuba, Vater des Hector und des Paris; unter seiner Herrschaft kommt es zur Belagerung führen, und empfängt die beiden freudig in und Zerstörung Trojas durch die Griechen, bei der Ρ durch Troja (1661-2377; 2651; 2727). Ulixes und Pyrrhus am Altar des Iuppiter getötet wird] Diomedes fordern Ρ im Auftrag Agamemnons zur Rückgabe Helenas auf, worauf Ρ G: Sohn des Laomedon (A3, A4, El), Bruder nur im Austausch mit Hesione eingehen will der Hesione (A3, A4), Gatte der Hecuba (A3, (3730-3878). Er sammelt Verbündete (3991; A4, A5, E2), Vater des Hector (A3, A4, A5, E2), des Paris (A3, A4, A5, E2), der Polyxena 4065), zieht von seinen Kebssöhnen eskor(A3, A4), des Aesacus (A2), des Polydorus tiert in die erste Schlacht gegen die Griechen (4805; 4842), führt Beratungen während des (A2)
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Priamus
Krieges (6121; 6569; 7215-7275) und empfängt die aus der Schlacht zurückkehrenden Söhne (7635; 7837); würde Calchas, der zu den Griechen überläuft, am liebsten vierteilen lassen (8157); rügt Hector wegen des Streits mit Achilles während eines Waffenstillstands (8293) und fordert Troilus auf, Briseis herauszugeben (8433); vereinbart wegen Hectors Verwundung einen sechsmonatigen Waffenstillstand (9165; 9199); will Hector aufgrund eines unheilvollen Traumes vom Kampf abhalten (9575-9853), wirft sich in Trauer über dessen Leiche, sieht mit ihm all seine Macht verloren und wird wie versteinert fortgetragen; lässt Hector beim Apollotempel ein Mausoleum errichten und fordert zur Rache auf (10725; 10919); übernimmt in der folgenden Schlacht die Heeresaufstellung und kämpft selbst (10964-11073); will Achilles' Werbung um Polyxena nur stattgeben, wenn dieser die Griechen zum Abzug bewegen kann (11136; 11359/68); beklagt den Tod von Deiphobus und Sarpedon (11960/3); verflucht den wieder in das Kampfgeschehen eingreifenden Achilles und ist über die Schleifung von Troilus' Leiche entsetzt. Ρ und Paris liegen die ganze Nacht trauernd über Troilus' Leiche. Ρ lässt ihn neben Hector bestatten (13083-13415); wird nach der Tötung des Achilles von Agamemnon zur Herausgabe der Leiche aufgefordert (13723); klagt über Paris' Tod (14097); empfängt Penthesilea festlich in Troja, klagt über ihren Tod und bittet vergeblich um die Ubergabe ihrer Leiche (14416-14956); plant einen Anschlag gegen Antenor, Aeneas, Anchises und Polydamas, die die Rückgabe Helenas fordern, scheitert und provoziert so den Verrat Trojas durch die vier; beauftragt Aeneas mit der Führung von Verhandlungen, stimmt der Rückgabe Helenas und Entschädigungszahlungen zu, nicht aber dem Verzicht seines Sohnes Amphimachus auf die Herrschaft über Troja; bittet Menelaus um Schonung Helenas. Die Griechen leisten Ρ einen zweideutigen Eid auf ihre Vereinbarungen mit Antenor, der in Geheimverhandlungen die Übergabe der Stadt
paktiert hat. Aeneas bewegt Ρ zur Annahme des Trojanischen Pferdes (14985-16054). Dieser flieht bei der Eroberung Trojas in den Apollotempel und wird dort von Pyrrhus getötet (16104-16295), in dem für ihn bestimmten Sarg wird Aiax Telamonius bestattet (16755). Resümee (18129; genealog. Angaben: 4695; 5507; 5944/9; 6476; 10051; 10822; 11558/9; 11582; 12446; 16363; 18035). A4 Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg: Ρ vereinigt alle Königstugenden auf sich, herrscht über viele Länder und ist zunächst ein Günstling des Glücks. Hecubas Fackeltraum beunruhigt ihn, er befiehlt, das Kind (Paris) zu töten, was die damit Beauftragten aus Mitleid nicht zustande bringen. Sie setzen Paris aus, er wächst bei einem Hirten auf (336-509). Ρ ist Gast am Fest Iuppiters anlässlich der Hochzeit von Thetis und Peleus (1092-1103). Er fühlt sich dem Hirtenjungen Paris, der zum Richter im Streit der Göttinnen bestellt ist, zugetan und will ihn an seinem Hof aufnehmen. Hector setzt den Wunsch in einem Zweikampf mit Peleus gegenüber Iuppiter durch (3195-4482). Als sich in Troja Paris' Identität aufklärt, zeigt sich Ρ besorgt (4670-5749); während der ersten Zerstörung Trojas durch Hercules (aus Rache für die Beleidigung der Argonauten durch Laomedon) befindet sich Ρ auf Kriegszug, ist nach seiner Rückkehr entsetzt und beginnt auf Hectors Rat mit dem Wiederaufbau (6952; 13100-13192; 13404-13422); trauert über den Tod seines Vaters und die Entführung seiner Schwester Hesione. Seine Rachepläne werden noch mehr Unheil über die Stadt bringen. Als die Mission zur Rückforderung Hesiones scheitert, will Ρ zu einem Feldzug rüsten und ernennt seine Söhne zu Heerführern. Aufgrund von Paris' Bericht über das Versprechen der Venus wird ein Expeditionsheer zur Entführung Helenas unter dessen Führung entsandt, Boten verkünden Ρ das Gelingen des Unternehmens (17334-19415; 22205; 22558). Er bereitet Paris und Helena einen freudigen Empfang
Priamus in Troja und ist von Helenas Schönheit beeindruckt (23032-23378). Er ist das erklärte Ziel der Rache der Griechen (23595-23707; 23988; 24137). Als er von deren geplantem Heerzug gegen Troja erfährt, wirbt er um Verbündete (24706-25077), weigert sich in den Verhandlungen nach der Landung der Griechen, Helena zurückzugeben, und beklagt den Tod seines Vaters und die Entführung seiner Schwester Hesione. Man einigt sich auf einen sechsmonatigen Waffenstillstand (25200-27110). Ρ fuhrt mit Unterstützung seiner 30 Kebssöhne in der zweiten Schlacht eine Heeresabteilung und tötet viele Griechen (29653-31863; 32598-37450); gewährt einen dreimonatigen Waffenstillstand (3770639120) und kämpft auch in der dritten Schlacht (39136-40214). , Trojanerkrieg-Fortsetzung·. Hectors Tod und die Misshandlung seiner Leiche stürzen Ρ in tiefe Trauer. Er begibt sich in Begleitung Polyxenas zu Achilles, um ihn im Namen der Ehre der Götter, des Peleus und des Achilles selbst um Hectors Leichnam zu bitten, fällt aus Schmerz in Ohnmacht und erinnert in einer langen Rede die bisherigen Ereignisse, wobei er sich für die Taten seiner Söhne nicht verantwortlich fühlt. Als Achilles Hectors Leiche freigibt, bietet ihm Priamus die Hand Polyxenas an, wenn er dem Kampf fernbleibe (40980-42017). Ρ sendet an seinen Großneffen Eurypylus von Mysien Geschenke, der ihn daraufhin unterstützt (44662). Nach dem Tod des Paris kommt es zu einer Spaltung im trojanischen Fürstenrat; Ρ weigert sich, der von Aeneas und Antenor betriebenen Rückgabe Helenas zuzustimmen, weshalb ihm Antenor Überheblichkeit vorwirft und ihm die Schuld an der verzweifelten Lage der Stadt zuweist (4577946495). Als P's Attentatspläne gegen seine Gegner scheitern, stimmt er in Unkenntnis der Übergabepläne von Antenor und Aeneas einem Friedensschluss mit den Griechen zu (46663-47819); lässt nach dem Scheinabzug der Griechen das Trojanische Pferd in die Stadt bringen, flieht bei der nächtlichen
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Eroberung Trojas in den Iuppitertempel und wirddortvon Pyrrhus getötet (48309-49179; Resümee: 49727). A5 , Göttweiger Trojanerkrieg'·. Ρ will Hecubas Fackeltraum von seinen Hofgelehrten deuten lassen (3; 85). Als Calchas dazu nicht imstande ist, beauftragt er Hector, den Traumdeuter Samlon aus Bagdad nach Troja zu bringen und empfängt diesen festlich (603-789; genealogische Angaben: 2040; 5413). Als Paris später mit Hector nach Troja zurückkehrt, versucht Ρ vergeblich, sich mit dem wegen seiner Aussetzung zürnenden Sohn zu versöhnen (11291); empfängt Hector und dessen Braut Pictorie festlich in Troja (1326313339), Paris klagt gegenüber Ρ über die von Agamemnon beabsichtigte Verheiratung Helenas mit Menelaus (13361). Ρ bereitet Paris und Helena in Troja einen festlichen Empfang (13627; 13709); verliert in der für die Trojaner verlustreichen zweiten Schlacht mit den Griechen zwei Söhne (14579), freut sich über den Sieg des Zwergen Passirius gegen Chiron (16979) und über Hectors Sieg gegen Hercules (17446; 17735); zieht selbst mit 4000 Mann in die dritte Schlacht und fällt, was tiefe Trauer auslöst. Hecuba will sich hinfort in einen Sack kleiden, Hector will Ρ rächen. Ρ wird während eines Waffenstillstands feierlich bestattet (18032; 18112; 18355 [erste Version vom Tod des P]). Die drei Verräter Trojas, Aeneas, Nestor und Iii— on, sind von Ρ fürsorglich aufgezogen worden (19215). Ρ wird bei der Eroberung Trojas das Leben verlieren (22703/8), hält alle 14 Tage eine Andacht im Venustempel ab, während der die Griechen auf Aeneas' Empfehlung in Troja einfallen (22763-22901). Er führt 70000 Mann in den Entscheidungskampf und fällt gemeinsam mit elf Söhnen (22997; 23026; [zweite Version vom Tod des P], Resümee: 25140). A6 Heinrich von Neustadt, apollonius': Ρ hat den Prinzipat über Asien, Arabien und Troja inne und ist der Onkel des Apollonius. P's Sohn Jomedon nimmt an Apollonius' Fest in Antiochia teil (19734/7).
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Priamus
Dl Hugo von Trimberg, ,Der Renner'·. Die der im Sinne einer wirksamen literarischen Dramaturgie persönliches Fehlverhalten und tragischen Gang der Ereignisse ausgeglichen verbindet (vgl. A3 und die von romanhaften Erzählstrategien beeinflusste Chronik E2). Fortunathematik im engeren Sinn dominiert die Deutungsperspektive von A4. Entsprechend der Tendenz zur Idealisierung der handelnden Personen, insbesondere auf Seiten El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 20302: Ρ der Trojaner, ist die Schuldfrage in A5 gänzlich zurückgedrängt. Ausgeklammert bleibt sie ist der Sohn des Laomedon. Unter seiner auch in den kurzen Berichten von A l und A2. 35-jährigen Herrschaft wird Troja zerstört. E2 Jans Enikel, , Weltchronik': Ρ übernimmt Grundsätzlich wird Ρ in den Trojaromanen und im Trojabericht von E2 als kluger, reinachTros, dem Gründer Trojas, die Herrschaft cher, mächtiger und vorbildlicher Herrscher über die Stadt. Aufgrund von Hecubas Favorgestellt, A3 zeigt ihn überdies als Förderer ckeltraum beauftragt er eine alte Frau, Hecuba der Literatur (wohl mit Bezug auf den Aufden kleinen Paris wegzunehmen und ihn zu traggeber Hermann von Thüringen). dem Jäger Dardanus zu bringen (13511). 2) Die Unterschiede im Handlungsgang erDer 18-jährige Paris wird von Eltern und klären sich aus den verschiedenen Quellen. Brüdern wieder freundlich in die Familie aufGrundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen genommen, nachdem er zunächst unerkannt den Bearbeitungen unter dem Einfluss der Hector im Kampf besiegt hat [13681]. Ρ und röm. Epentradition (Al, A2) und dem ma. Hecuba empfangen Paris und Helena festlich Trojaroman, der auf den spätantiken Trojabein Troja (14265; 14385). Ρ wird von Hecuba richten von Dares und Dictys basiert. Diesen gerüstet und zieht mit Paris und Hector in folgen A3 und A4 mittelbar über den afrz. die Schlacht (15943/7; 16060); nach Hectors .Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, Tod zieht er sich auf Bitten Hecubas in die wobei A3 kürzt und A4 Benoit unter RückStadt zurück (16327-16356); lässt sich von griff auf Dares, Dictys und weitere Quellen Sinon überreden, die drei von den Griechen (darunter auch Ovid) deutlich erweitert. Sehr verfertigten ehernen [!] Rosse in die Stadt frei ist der Umgang mit der Trojatradition zu bringen, und wird bei der Eroberung Trojas von Menelaus getötet. Paris rächt ihn in A5. [1] (16786-16852). Zu den Motiven im Einzelnen: Eine wichtige Rolle im Handlungsgang spielt die erste EroII. berung Trojas durch Hercules. Sie legitimiert 1) Z u r P-Gestalt; 2) Motive im Trojaroman; 3) Anspiedie trojanische Position: Priamus kann in A3 lungen und A4 aufgrund der Entführung Hesiones 1) Aufgrund der breiten Rezeption der Tround des Todes seines Vaters Laomedon berechjasage ist Ρ auch im MA eine prominente tigterweise auf Gegenmaßnahmen drängen, Gestalt. Er repräsentiert in erster Linie den die zur Expedition des Paris nach GriechenTypus des mächtigen Herrschers, dessen tiefer land und zur Entführung Helenas führen. Fall ein klassisches Exemplum abgibt, dem je Breiten Raum nimmt in A4 die Schilderung nach Textgattung spezifischer Sinn unterlegt des prächtigen Wiederaufbaus der zerstörten werden kann. Als didaktischer Text gibt D l Stadt durch Ρ ein. Hier, in A5 und E2 ist aueine klare moralische Erklärung und richtet ßerdem das Motiv vom unheilverheißenden an Ρ den Vorwurf der superbia. Eine diffeFackeltraum Hecubas vorgeschaltet. Der um renziertere Sicht bietet der höfische Roman, das Schicksal der Stadt besorgte König will zehnjährige Belagerung und Zerstörung Trojas war das Werk einer Ehebrecherin und die Folge von Hoffart und Unrechter Liebe. Davon können P, Helena und andere zeugen (15869; Katalog). Ρ gibt ein Beispiel für einen mächtigen Herrscher, dessen Reichtum aber vom Tugendreichtum des Petrus übertroffen wird (1443).
Priam us seinen Sohn Paris töten (A4) bzw. fortbringen (E2) lassen, in A5 ergreift Hecuba selbst die Initiative. Der weitere Handlungsgang in A4 (Teilnahme P's am Fest des Iuppiter, Anspruch auf Paris) ist weitgehend selbständig konstruiert, Paris' Wiedererkennung und Aufnahme durch Ρ in A4 und E2 basieren wie der Traum Hecubas auf dem ,Excidium Troie'. Bei der Schilderung des Kampfgeschehens ist der antiken Tradition entsprechend Hector die Hauptfigur auf trojanischer Seite. P's Auftritte beschränken sich in A3 und A4 in der Hauptsache auf strategische und diplomatische Entscheidungen (obwohl er im Unterschied zum antiken Epos auch selbst in die Schlacht zieht) und auf die Rolle des trauernden Vaters (drastisch geschildert in A3 beim Tod Hectors mit dem Motiv der Versteinerung aus Trauer). Als Heerführer und Kämpfer profiliert sich Ρ allerdings in A5 und E2, in A5 findet er gar in der Schlacht (vor der Eroberung Trojas!) ein erstes Mal den Tod (ein zweites Mal bei der Eroberung Trojas). [2] Das berühmte Motiv der ,Ilias' von P's Bittgang zu Achilles, um die Herausgabe von Hectors Leiche zu erreichen, findet sich (nach Dictys) in der Fortsetzung von A4. Mit der Ablehnung der Friedenspläne von Aeneas und Antenor präsentiert sich Ρ als verblendeter Kriegsherr, seine Attentatspläne gegen die Friedensfraktion geben den Geheimverhandlungen der Verräter Trojas mit den Griechen bedingte Legitimation. Ρ lässt sich täuschen, seine Einwilligung in die Rückgabe Helenas kommt zu spät (A3, Fortsetzung von A4; nach Benoit bzw. Dictys). Die v.a. durch Vergils ,Aeneisl bekannte Szene vom Trojanischen Pferd verarbeiten A l (nach dem frz. Eneasroman), A3, A4 und E2 (nach Benoit bzw. Dictys). Bei der Eroberung Trojas wird Ρ - der antiken epischen Tradition (u.a. Vergil) entsprechend — von Pyrrhus, dem Sohn des Achilles, im Apollo- (A3) oder Iuppitertempel (A4) getötet. In E2 verliert er durch Menelaus das Leben. P's tiefen Fall illustriert in A3 das Motiv, dass Aiax in dem
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für Ρ bestimmten Sarg bestattet wird, in A2 (nach Ovid) Hecubas bitter-zynisches Lob seines Schicksals. 3) Abgesehen vom exemplum superbiae gibt Ρ in D l ein Beispiel für einen mächtigen Herrscher, dessen materieller Reichtum im Sinne traditioneller didaktisch-religiöser Topik vom ideellen Reichtum des Heiligen (hier Petrus) überboten wird. Bemerkenswert ist die Nennung in A6. Die gegen die innerliterarische Chronologie verstoßende genealogische Anbindung des Apolloniusromans an dieTrojasage dient gemeinsam mit anderen Stellen (Gründung einer Tafelrunde, Apollonius als erster christlich-röm. Kaiser) dem geschichtsklitternden Verfahren und der pseudohistorischen Konstruktion des Textes. [3] Die zyklische Verbindung der Erzählstoffe weist außerdem auf seine literarhistorische Position am Ende einer ausgeprägten höfischen Erzähltradition hin. Die Angabe in El, Troja sei unter P's Herrschaft zerstört worden, findet sich im Rahmen des Berichts über Troja und Aeneas. Dieser bringt in Rücksicht auf die breite volkssprachliche Rezeption des Stoffes und im Unterschied zu den meisten übrigen profangeschichtlichen Exkursen („incidentia") zum Heilsgeschehen eine relativ ausführliche narrative Darstellung. El bezieht sich vielleicht auf P's Nennung in der Hauptquelle, der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1283ab). Ein solcher Bezug muss aufgrund der Verbreitung des Trojastoffs und der Bekanntheit der Gestalt aber nicht zwingend angenommen werden. [1] Zur Quellenverarbeitung Alfen/Fochler/Lienert, Dt. Trojatexte (A3, A4, A5, E2); Kern, Agamemnon weint (A5); Lienert, Geschichte und Erzählen (A4). [2] Zu P's zweifachem Tod in A5 Kern, Agamemnon weint, 166f. [3] Hierzu Kern, Edle Tropfen, 215ff. Nachbenennung P f a f f e Konrad, ,Rolandslied' 573 (Priamur): Ρ ist Bote des Heidenkönigs Marsilie und wird von diesem zu Kaiser Karl gesandt. [1] [ 1 ] Als „orientalischer" Herrscher könnte Ρ der Namengeber der bereits in der frz. .chanson de Roland' genannten Gestalt sein, die Nachbenennung ist aber nicht gesichert. [mk]
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Priapus — Procne
Priapus
[1] Z u den Belegen Chance, Medieval Mythography, Reg. Myth. Vat. 11,37 enthält sich gleichwohl einer strengen nega-
[Gott der Fruchtbarkeit; Hüter der Gärten, meist mit einem
tiven Wertung, fasst ihn zunächst euhemeristisch, deutet ihn
überdimensionierten Phallos vorgestellt]
dann auch als „deus libidinis" und zählt ihn mit Hinweis a u f
W: Liebesgott (Al), Abgott (El) I.
Al Heinrich von Neustadt, ,Apollonius' [15586]·. Die versklavte Tochter des Apollonius, Tarsia, wird von dem Bordellbesitzer, der sie gekauft hat, aufgefordert, den Liebesgott anzubeten. Sie lehnt dies aber entrüstet ab (Tarsia im Bordell). El Rudolf von Ems,, Weltchronik' (Fortsetzung) 34059: König Asa von Juda bekehrt seine Mutter Maacha und verbrennt das Abbild des von ihr verehrten Abgottes P. [1]
das bekannte D i c t u m „Sine Cerere et Baccho friget Venus" zum Gefolge des Dionysos. [2] K. Stieler, D i e geharnschte Venus. O d e r Liebeslieder im Krieg gedichtet. Hg. F. van Ingen, 1 9 7 0 , vgl. bes. das Einleitungsgedicht zum „Letzteren Zehen", 141 f. [3] Vgl. bes. ,Αη Ρ', das von Goethe selbst ausgeschiedene Einleitungsgedicht zu den ,Erotica Romana 1 (,Röm. Elegien'), in: J . W . G o e t h e , Erotische Gedichte. Gedichte, Skizzen und Fragmente. Hg. A. Ammer, 1 9 9 1 , 4 5 . [mk]
Primus
Antilochus [2]
[1] Schon das A T (1 K ö n 1 5 , 1 1 - 1 3 ) berichtet von den An-
Proca
strengungen Asas, des dritten Königs von Juda und Sohnes
[König von Alba, Nachfolger des Aeneas, M M 1 4 , 6 2 2 ]
von Abija, die heidnischen Kulte zurückzudrängen.
II. Ρ zählt zu den Göttern der so genannten „niederen Mythologie". Als Fruchtbarkeitsgott mit - nach ma. Maßstäben - entsprechend obszöner Ikonographie, bereitet er den Mythographen einige Deutungsschwierigkeiten. [1] Die Nennung in Al ist nach der Vorlage, der ,Historia Apollonii' (cap.33), konjiziert. Die Handschriften sprechen nur von einem „got der Mynne". Dass Ρ hier als Bordellgott firmiert, fugt sich gut zu seinem Aussehen. Dass sein Standbild in El verbrannt wird, entspricht der christlichen Abwehrhaltung gegen den „obszönen" Gott. Die Stelle bezieht sich auf die Angaben in der .Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1376a). Eine erste Renaissance erfährt Ρ in der dt. Literatur in Kaspar Stielers Liedsammlung „Die geharnschte Venus" (1660). [2] Die Konzeption des Gottes (Gott einer derberotischen Liebe, die als Gegenentwurf zur gängigen pathetischen Liebesauffassung der barocken Lyrik zu verstehen ist) steht in der Tradition der röm. Elegie, v.a. Tibulls. Zu Ehren kommt Ρ schließlich auch in Goethes ,Priapeia'. [3]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 14,617(Palatinus): Ρ folgt Aventinus als König von Italia nach (Katalog). [1] [ 1 ] Die geänderte Nf. erklärt sich aus einem Missverständnis des lat. Textes („Iamque Palatinae summam Proca gentis habebat"; „Schon hatte Proca die Herrschaft über das Volk am Palatin inne"; M M 1 4 , 6 2 2 ) . A l fasst d a s T o p o n y m als Eigennamen. [mk]
Procne [Tochter des Pandion und der Zeuxippe, Gattin des Tereus, tötet aus Rache fiir die Vergewaltigung ihrer Schwester Philomela den gemeinsamen Sohn Itys, sie und Philomela werden a u f der Flucht vor Tereus in Vögel verwandelt; M M 6,428]
Al Albrecht von Halberstadt,.,Metamorphosen' (Progne): Die Hochzeit von Königin P, der Tochter des Pandion, und Tereus wird von einem unheilvollen Auftritt der Höllengötter überschattet. [1] Auf Ρ's Bitten hin holt Tereus ihre Schwester Philomela zu einem Besuch ab, vergewaltigt sie, reißt ihr die Zunge heraus und täuscht Ρ Philomelas Tod vor. Ρ erhält von ihrer totgeglaubten Schwester jedoch einen Gürtel, in den Tereus' Untat eingeschrieben ist, und begegnet Philomela auf dem Bacchusfest. Die Schwestern schwören Rache. Ρ schlachtet
Procris — Prometheus ihren Sohn Itys und setzt ihn Tereus zum Mahl vor, Philomela wirft Tereus das abgeschlagene Haupt hin. Bevor Tereus die beiden töten kann, verwandelt sich Ρ in eine Schwalbe, Philomela in eine Nachtigall (6,874-1482; Tereus und Procne). [2] [1] Al missversteht Ovids Worte von den Eumeniden, also den Erinyen, die anstelle der Grazien bei der Hochzeit von Ρ und Tereus die Fackeln der Leichenfeier halten, und gelangt so zu einer interessanten Umgestaltung: Die Götter der Hölle („hellische Götter") erscheinen, weil Ρ und Tereus fur ihre Hochzeit Fackeln nehmen, die man sonst für die Leichenfeier verwendet, und umringen das Bett der beiden. [2] Zu Stoffgeschichte und Verwandlungen -* Philomela. [mk]
Procris [Tochter des Erechtheus und der Praxithea, Gattin des Cephalus; MM 6,682; 7,712]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Die junge, schöne und tugendsame P, die Schwester der Orithyia, wird von ihrem Vater Erechtheus mit Cephalus vermählt (6,1529; Orithyia). Als sie Cephalus' Treueprobe nicht besteht und von ihm beschimpft wird, zieht sie sich in den Wald zurück und lebt im Gefolge Dianas. Nach der Versöhnung mit Cephalus schenkt sie ihm den Hund Laelaps und einen Speer, die sie beide von Diana erhalten hat. Als sie Cephalus aus Eifersucht nachschleicht, wird sie von ihm fur ein Wild gehalten und mit dem Speer der Diana getötet (7,1203-1492; Cephalus und Procris). [mk]
Proetus [Gr. Proitos, Sohn des Abas oder Thersandrus und der Aglaia, König von Argos oder Tiryns]
El Rudolf von Ems, , Weltchronik' (Protheus, Proitus): Ρ ist der 13. König von Argos (19769; 19902; Katalog). [1] [ 1 ] Die Nennung bezieht sich auf das .Chronicon universale* des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 517), eine der Nebenquellen von El. Wie in der lat. Chronistik üblich, sind die mythologischen Daten historisch aufgefasst und werden in
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profangeschichtlichen Exkursen („incidentia") zur Heilsgeschichte meist wie hier in Katalogform aufgelistet. [mk]
Prometheus [Sohn des Titanen Iapetos und der Klymene oder des Uranos und der Gaia-Themis, Bruder des Atlas, des Menoitios und des Epimetheus, Menschenbildner, raubt das Feuer und bringt es den Menschen]
El Rudolf von Ems,,Weltchronik'8698 (Promotern): Ρ lebt zur selben Zeit wie Atlas und Pallas Athene. Er verfertigt Bildnisse aus Lehm und bringt es durch seine Kunst („list") zustande, dass sie sich selbständig bewegen, als ob sie lebendig wären. [1] [ 1 ] Ρ ist fur die literarische Mythenrezeption des MA nur von geringem Interesse. In der mhd. weltlichen Dichtung findet sich keine Erwähnung. Die ma. Mythographie kennt freilich eine kontinuierliche Deutungstradition. Grundlegend für die auffallend leichte Bewältigung des Skandalons vom Menschenbildner ist die euhemeristisch-rationalisierende Deutung P's als eines klugen Mannes, der u.a. als erster Astrologie betrieben und das Feuer erfunden habe (Myth. Vat. 1,1; hierzu und zu weiteren Belegen Chance, Medieval Mythography, 182f. und Reg.). Als Beispiel des Weisen gilt Ρ schon bei Augustinus (,De civitate Dei' 18,8), weswegen man ihm auch die Erschaffung des Menschen zugeschrieben habe. Eine interessante allegorische Deutung seiner Bestrafung findet sich bei Myth. Vat. 111.10,10: Seine Ankettung an den Kaukasus symbolisiere die Mühen des Weisheitsstrebens und insbesondere der Astrologie, zu denen ihn Mercurius, der Gott der Weisheit und der Vernunft, anhält (weswegen dieser als der Gott vorgestellt ist, der ihn an den Felsen schmieden lässt); hierzu s.v. Prometheus, in: Lücke, Antike Mythologie, 673-691, hier 683f. El steht in der Tradition der einfachen euhemeristischen Deutung, Quelle ist die ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1124c). Die dortigen Angaben bieten eine allegorische und eine rationalisierende Erklärung: „Eo tempore Prometheus, frater Athlantis, primus dictus est fecisse homines, tum quia de rudibus doctos fecit, tum quia legitur fecisse imagines hominum, quas arte quadam ambulare fecit" („Zu dieser Zeit lebte P, der Bruder des Atlas, von dem behauptet wird, er habe als Erster Menschen erschaffen, zum einen, weil er aus Ungebildeten Gelehrte machte [das ist die augustinische Deutung], zum anderen, weil er menschengestaltige Bildnisse gemacht haben soll, die er durch eine bestimmte Kunst zum Herumgehen brachte"). El übernimmt nur die zweite Variante. [mk]
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Proserpina
Proserpina [Göttin der Unterwelt, Tochter des Iuppiter und der Ceres, von Pluto entführt und nachmals dessen Gattin]
W: Göttin (El) der Unterwelt (A2), bildet mit Diana und Luna die so genannte „dreifache Göttin" (A2), Göttin des Windes (A3), Mond (A2) G: Tochter des Iuppiter (A2) und der Ceres (A2, Bl), Gattin des Pluto (Al, A2) R: Königin der Hölle (A2) Nf.: Persefona (El), Proserpine (Al, A2) I. Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'2931'. Ρ ist die Gattin Plutos (Unterweltfahrt des Aeneas). A2 Albrecht von Haiherstadt, Metamorphosen': Ρ soll nach Venus' Willen nicht wie Pallas und Diana Jungfrau bleiben und wird daher beim See Perguse von Pluto entführt. Ceres kann Ρ nicht befreien, weil Ascalaphus verrät, dass sie vom Unterweltsapfel gekostet hat. Einem Kompromissvorschlag Iuppiters zufolge soll sie einen halben Monat bei Ceres am Himmel stehen, die andere Monatshälfte in der Unterwelt verbringen. Deshalb zeigt der Mond die entsprechenden Phasen [1] (5,742; 5,746; 5,1001-1017; Sangeswettstreit am Helicon; Lied der Musen; Aition für Mondphasen). Ρ bildet mit Luna und Diana eine GöttinnenTrias (die „dreifache Göttin") und hat ihre Wohnstatt im Grund der Hölle. Bei dieser dreifachen Göttin schwört Iason Medea die Treue (7,190; Iason und Medea). Ρ und Pluto können Orpheus die Bitte um die Rückgabe Eurydices nicht mehr abschlagen, als der Sänger P's Entführung als Beispiel für die Macht der Liebe nennt (10,34; [10,71], 10,134). [ 1 ] Zur Umdeutung des Aitions für die Jahreszeiten unten II.2.
A3 Heinrich von Neustadt, ,Apollonius\ Die Windgöttinnen Ρ und Alcmena, die Liebesgöttin Venus und der Gott Iuppiter werden von Albedacus mit Zauberlist dazu gezwungen, Apollonius' Schiff aus dem Klebermeer zu befreien (6841; 6850; Apollonius'Abenteuer; RV: 8346).
B l , R e i n f r i e d von Braunschweig' 16442·. Größere Rache als Ceres für die Entführung ihrer Tochter Ρ will der Baruc, der Anführer des sarazenischen Heeres, an den siegreichen Christen nehmen (Sieg der Christen im Heiligen Land; Rede des Baruc; Götterkatalog; überbietender Vergleich). El Otto von Freising, ,Laubacher Barlaam' 11244·. Venus kam zu Ρ in die Hölle, um Adonis zurück zu gewinnen (Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden; Götterkatalog). E2 Rudolf von Ems,, Weltchronik'·. Ρ wird von dem Molosserkönig Orcus [-» Pluto] geraubt (19727). Später wollen Theseus und Pirithous sie entführen. Pirithous wird dabei von Orcus' Hund Cerberus getötet, Theseus entkommt mit Hercules' Hilfe (19739). II. 1) Der Raub der Ρ und seine Deutungen; 2) P's Auslösung; 3) Weitere Motive
1) Der antike Mythos von der Entführung P's durch den Unterweltsgott beim See Pergus auf Sizilien ist dem MA aus Ovids Metamorphosen' (MM 5,376ff) und aus Claudians Epos ,De raptu Proserpinae' bekannt, auf das in Bl in anderem Zusammenhang hingewiesen wird. [1] Die Darstellung in A2 folgt direkt Ovid. In Β1 wird daraus das Motiv einer Rache der Ceres abgeleitet. Die in der Rede des Sarazenenführers genannten antiken Götter (neben Ρ und Ceres u.a. noch Iuppiter, Mars, Apollo, Venus, Iuno und Pallas Athene) sind als zeitgenössische Götter der Muslime vorgestellt (nach ma.-christlicher Auffassung huldigen diese der Vielgötterei [2]). Die rationalisierende Deutung des mythologischen Motivs in El enstpricht der Tradition lat. Weltchronistik. Ρ und Pluto sind euhemeristisch als Menschen gedacht. Erwähnt und entsprechend ausgelegt ist außerdem das Motiv vom versuchten Raub der Ρ durch Pirithous und Theseus. Quelle ist die ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1275cd).
Protesilaus 2) Von der versuchten Auslösung P's durch Ceres und vom Kompromissvorschlag Iuppiters berichtet nur A2 nach Ovid ( M M 5,529ff). Dort (MM 5,564ff) ist wie üblich vorgesehen, dass Ρ eine Hälfte des Jahres bei Ceres, die andere bei Pluto verbringt. In A2 erfolgt die Teilung nach Monatshälften, also nach den Mondphasen, die damit anstelle der Jahreszeiten aitiologisch begründet werden. Die Umdeutung erklärt sich aus einem Missverständnis der entsprechenden Ovidverse. [3] Als Mondgöttin gilt ansonsten nicht P, sondern Diana, die zusammen mit Luna und Ρ in A2 auch genannt wird (sie bilden die so genannte dreifache Göttin, gemeint ist Hekate, die schon bei Hesiod Anteil an allen drei Weltbereichen hat [4]). 3) Die übrigen mhd. Belegstellen erwähnen Ρ nur kurz im Zusammenhang mit der Unterweltfahrt des Aeneas (Al, nach dem .Roman d'Eneas' 2381), als Göttin der Hölle in einem Katalog verwerflicher gr. Götter (El) und als Windgöttin (Bl). Die letztgenannte Umdeutung ist wohl als Erfindung ad hoc zu werten. [1] -» Claudianus (I.B1/II.). [2] -» Apollo (II. 1/4). [3] Vgl. M M 5,567: „cum matre est [Proserpina] totidem, totidem cum coniuge menses" („Bei der Mutter ist sie gleich viele Monde wie auch beim Gatten"). Das Missverständnis könnte auch der Folgevers befördert haben, wenn er auf Proserpina und nicht — wie es richtigerweise sein müsste — auf Ceres bezogen wurde („vertitur extemplo facies et mentis et oris" - „Sofort verkehrt sich die Erscheinung ihres Sinnes und Antlitzes", sie hellen sich auf, als Pluto Iuppiters Kompromissvorschlag zustimmt). [4] Hesiod, ,Theogonie' 41 Iff.; noch in A2 stehen P, Diana und Luna für Unterwelt, Erde und Himmel. Ovid spricht bloß von der „dreigestaltigen Göttin" („dea triformis" ( M M 7,94). A2 bezieht seine Informationen vielleicht aus einer Glosse. [mk]
Protesilaus [Sohn des Iphiklos, führt die Männer von Phylake auf 40 Schiffen nach Troja, geht als Erster an Land und fällt durch Hektor]
R: König von Pelarge (A3), von Notaria (A4), Ritter (A2, A4) Nf.: Protesilax (Al), Protheselaus (A4), Prothesilaus (A2, A3), Prothesolaus (A4)
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I. A l Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'3348: Ρ befindet sich unter den vor Troja gefallenen Griechen in der Hölle (Unterweltfahrt des Aeneas; Katalog). A2 Albrecht von Haiherstadt,,Metamorphosen' 12,133: Der starke Ρ fällt, von Hectors Speer tödlich getroffen, im Kiel des Schiffes zu Boden und ist der erste Tote im Trojanischen Krieg. A3 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Der treue, hilfsbereite und frohgemute Ρ (3069; Descriptio) führt 50 Schiffe zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3362; Katalog), landet unter schweren Verlusten mit einem Kontingent von 100 Schiffen als Erster vor Troja, zeichnet sich in der Landungsschlacht aus, wird von Hector getötet und von den Griechen betrauert (4219-4554; RV: 4903; 6596). Agamemnon lässt Ρ in einem Marmorsarg mit Inschrift bestatten, P's Tod dokumentiert Hectors Gefährlichkeit (6109; 6596). A4 Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg: Ρ ist edel, weise, ehrenvoll und kampfestüchtig ([25246-26046]), er geht als Verbündeter der Griechen (23856; Katalog) vor Troja als Erster an Land, tötet im Kampf viele Trojaner und fällt schließlich durch Hector (25246-26046). II. Als erster Gefallener der Griechen im Trojanischen Krieg hat es Ρ in der Trojaliteratur seit Homer (,Ilias' 2,701 f.) zu einiger Berühmtheit gebracht. A2 berichtet davon nach Ovid (MM 12,68). In A3 und A4 ist Ρ der erste Grieche, der vor Troja landet (so Benoit7123; dieser wiederum nach Dares 24,9), der erste Gefallene ist er streng genommen nicht. Er kommt erst nach länger andauernden Kämpfen zu Tode, ist aber wenigstens der erste prominente Heeresführer, der fällt (so v.a. A3). Al gibt nur die bloße Nennung nach dem ,Roman d'Eneas' (2688). [mk]
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Proteus — Prothoenor [2]
(1.32), greift für die Beschreibung des Ρ aber sehr wahrscheinlich ebenfalls auf Ovid zurück. [Wassergott, gilt manchmal als Sohn des Poseidon, besitzt [1] Dass er zugleich in der Manier des ma. Seherkunst und Verwandlungsfähigkeit] Astrologen gezeigt wird, entspricht ähnlichen W: Wassermann (Al), Meeresgott (Al) Mediävalisierungen bei der Schilderung der R: Weissager (Al, A2) Götter, die am Fest Iuppiters teilnehmen Nf.: Protheus (Al, A2) (813ff.). Im Hintergrund steht wie dort die euhemeristische Deutungsmethode. P's ProI. phetie hat hier außerdem den Charakter einer Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen '·. Warnung (Thetis entschließt sich daher auch, Ρ ist auf einem Silberrelief abgebildet, das den Achilles bei Lycomedes zu verbergen). Eingang von Apollos Sonnenpalast schmückt [1] Lienert, Geschichte und Erzählen, 48. (2,22; Descriptio; Katalog); gibt ein Beispiel [mk] fur die Wunder der Götter, kommt oft aus dem Meer und kann sich in verschiedene Tiere und leblose Dinge verwandeln (8,1055; Prothoenor [1] 8,1059). Ρ prophezeit Thetis einen Sohn, von dem die ganze Welt erzählen und der [Gefährte des Perseus; M M 5,98] seinen Vater übertreffen wird (11,398; VD Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' auf die Geburt des Achilles), taucht nach der 5,166 (Protenor)·. Der berühmte Mohr Ρ wird Anrufung Neptuns durch Peleus auf und rät beim Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus ihm, die sich wandelnde Thetis im Schlaf zu von Hypseus getötet (Katalog). [1] umfangen und so lange festzuhalten, bis sie [1] Die Stelle 5,166-168 bezieht sich auf M M 5,98f.: „Prowieder Mädchengestalt annimmt (11,403; thoenora percutit Hypseus, Hypsea Lyncides" („den Prothoenor tötet Hypseus, den Hypseus Lyncides [Perseus]"). II,459). Ρ ist ein mächtigerer Meeresgott In Al ist unklar, wer wen tötet. Bei Ovid ist Prothoenor als Glaucus (13,1252; Glaucus und Scylla; kein Farbiger. [mk] Vergleich). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg'·. Ρ ist schlau, erfahren, weise und angesehen, er besitzt Wandlungsfähigkeit, Seherkräfte und Prothoenor [2] Kenntnis der Sternenkunde. Er erscheint in [Böotier, gr. Heerführer vor Troja, wird von Hector getötet; der Gestalt eines alten, etwas verwahrlosten Dares 17,14; Dictys 11,23; Benoit 5608 Protbenor] Mannes in einen wundersam schillernden Mantel gehüllt und mit einem gr. Hut auf G: Bruder (A2), Gefährte (Al, A2) bzw. dem grauhaarigen Haupt und prophezeit Dienstherr (Al) des Arcesilaus Thetis einen Sohn, der vor Troja den Tod R: König (A2) finden werde (4548-4641; Fest des Iuppiter; Nf.: Boetes (Al), Prothenor (Al) RV: 5801; 23673; 27122). I. II. Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Ρ Ρ gilt in der antiken Mythologie als der und Arcesilaus führen 50 Schiffe aus Böokluge, um die Zukunft wissende Wassergott. tien zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Die beiden mhd. Belege beziehen sich auf Athen (3314; Katalog), landen nach Proteseine Prophezeiungen über Achilles. Al folgt silaus vor Troja und zeichnen sich im Kampf direkt Ovids .Metamorphosen' (11,221) und aus (4321; 4359). Ρ kämpft u.a. gegen Pobetont den künftigen Ruhm des Helden. A2 lydamas (4869; 5178; 5793; Katalog) und übernimmt das Motiv aus Statius' Achilleis' wird später von Hector getötet. Im Kampf Proteus
Prothous — Ptolemaeus [1] um seine Leiche fallen viele Männer. Agamemnon beklagt Ρ und schwört Hector Rache (6437-6599). [1] [1] Die Variante Boetes (6437) erklärt sich wohl aus dem Herkunftsnamen, vom Kontext her ist eindeutig Ρ gemeint.
A2 Konrad von Würzburg, ,Trojaner krieg'·. Der junge, edle, angesehene und ritterliche Ρ ([3995]; Descriptio) stellt als Verbündeter der Griechen 66 Schiffe (23794), wird im Kampf in die Flucht geschlagen (2543225592), befehligt später gemeinsam mit Arcesilaus eine Schar, kämpft gegen Polydamas, fiigt den Trojanern großen Schaden zu (30572-31943; 36782) und fällt schließlich durch Hector. Um seine Leiche entbrennt ein Kampf (39952).
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Prytanis [Gegner des Ulixes; M M 13,258]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 13,377 (Prytamus, Piritamus): Ρ wird bei der Ergreifung des trojanischen Spions Dolon von Ulixes getötet (Streit um die Waffen des Achilles; Rede des Ulixes). [1] [1] Aus Ovids „Prytanim" (13,258) werden in Al zwei Gestalten: Prytamus (13,377) und Piritamus (13378). Al fasst außerdem die Gefangennahme und Tötung des Spions Dolon (,Ilias' 10) und den Kampf gegen die Lykier unter der Führung Sarpedons (,Ilias' 5) als ein Ereignis. Ovid hält beides mit Bezug auf Homer auseinander. [mk]
Psecas
II.
[Nymphe in Dianas Gefolge; M M 3,172]
Ρ wird bereits in Homers ,Ilias' als gr. Kämpfer vorTroja erwähnt, er fällt dort durch Polydamas (l4,450ff.). Al und A2 folgen in ihren Angaben dem afrz.,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, der die entscheidenden Motive - so P's Tod durch Hector — aus demTrojabericht des Dares (26,1) übernimmt (Dictys erwähnt Ρ nur in Kämpferkatalogen 11,23; 14,23). Ubereinstimmungen zwischen Al und A2 finden sich in diesem Fall auch in Details (Kampf gegen Polydamas, Kampf um P's Leiche). Ansonsten folgt A2 einer durchaus eigenständigen Konzeption und weicht mitunter stark von Benoit ab. Al bietet hingegen die (kürzende) Ubersetzung des frz. Textes.
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen Die keusche Ρ und die anderen Jungfrauen in Dianas Gefolge baden die Göttin (3,401). Als plötzlich Actaeon erscheint, stellen sie sich schützend vor sie, werden von ihr aber um eine Achselhöhe überragt ([3,420]; Katalog). [1]
[mk/sks]
Prothous [Anführer der Magneten, kommt mit 40 Schiffen nach Troja, erleidet bei der Heimfahrt Schiffbruch; Dares 19,4; Dictys 15,4; Benoit 5689 Prothoilus]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 4932 (Prothoilusj: Der überaus schöne Ρ führt in der Landungsschlacht vor Troja eine Schar (Katalog des Griechenheeres). [mk]
[1] Diana ist bei Ovid um einen Kopf größer als ihre Dienerinnen. [mk]
Ptolemaeus [1] [Ptolemaeus I. Soter, 367/66-283/82 v. Chr., Feldherr Alexanders, wird später Herrscher über Ägypten]
R: Herrscher von Ägypten (A3), Herzog (A2), Heerführer Alexanders (A2), Gefolgsmann Alexanders (A3) Nf.: Btholomeus (Al), Ptolomeus (Al, A2), Tholomeus (Al, A3) I. Al Pfaffe Lamprecht, Alexander'·. Ρ berichtet Alexander über das wilde und gefährliche Pferd Bucephalus (S342; V291), übermittelt ihm Candaules' Bitte um Beistand gegen die Entführer seiner Frau und gibt sich als Alexander
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Ptolemaeus [2]
aus, um den König zu schützen (S5613-5787; Alexanders Zug ans Ende der Welt). A2 Rudolf von Ems, vAlexanderDer kluge und ritterliche Ρ kämpft im rechten Flügel von Alexanders Heer (6995) und muss mit seiner Schar vor den Unverwundbaren in Darius' Heer (den so genannten „Untoetigen") die Flucht ergreifen (7278; 1. Schlacht gegen die Perser). A3 Ulrich von Etzenbach, y.Alexander': P, einer der angesehensten und tüchtigsten Mitstreiter Alexanders (4699), kämpft unter der Führung Nicanors im rechten Flügel von Alexanders Heer (7413; 7416), gerät in den folgenden Kämpfen in Bedrängnis und wird von Clitus gerettet (7924-7950; als Kämpfer genannt: 16677). Alexander entsendet Ρ und Coenus zu einem Heerzug gegen Porus' Bruder Taxiles (19911; Alexanders Zug nach Indien). Ρ versucht vergeblich, Alexander von dessen Tauchfahrt durch das Meer abzuhalten (20843; 20850; Alexanders Meerfahrt). Auf den weiteren Eroberungszügen begleitet er Alexander zu einem Palast aus Gold und Edelsteinen (22638), rettet ihn vor einem Löwen (25791) und trifft auf einen Mann, der vom Sonnen- und Mondbaum erzählt (25906). Nach der Gründung Alexandrias übergibt Alexander Ρ die Herrschaft über das Land (26127), in seinem Testament spricht er ihm Afrika, Arabien und Ägypten sowie die Hand Cleopatras zu (26995-27039; Alexanders Tod in Babylon; Katalog der Erben). Ρ herrscht ehrenvoll in Ägypten, nimmt später Pompeius gefangen, wofür ihm die Römer dankbar sind, lässt Alexanders Leichnam nach Alexandria bringen, in einem herrlichen Grabmal bestatten und für Roxane und Sisygambis einen Palast errichten. Mit der Tötung von Antipater und Patron rächt er den Mord an Alexander (27148-27195; Tod Alexanders). II. Der historische Ρ ist als Feldherr und Chronist Alexanders von Bedeutung, er ist Gründer der letzten altägyptischen Dynastie der Ptolemäer
und stiftet das Museion von Alexandria mit der großen Bibliothek. Die Darstellung in Al folgt dem weitgehend verlorenen afrz. Alexanderroman des Alberic de Pisan9on, A2 der Alexanderhistorie des Quintus Curtius Rufus und A3 der ,Alexandreis' Walters von Chätillon. Das in Al referierte Motiv von P's Rollentausch mit Alexander beim Empfang des Candaules findet sich auch bei Leo Archipresbyter (113,17ff). Seinen Taten als Feldherr tragen A2 und A3 Rechnung. Als Herrscher von Ägypten kennt ihn nur A3 (A2 bricht zuvor ab). Dass er hier mit einer Cleopatra verbunden wird, könnte die zahlreichen historischen ptolemäischen Herrscherpaare gleichen Namens reflektieren. An welche Cleopatra in A3 gedacht ist, ist unklar. Es könnte sich um die zweite Gattin Philipps oder um Alexanders Schwester handeln. Letztere wird im Text sonst nicht erwähnt. P's historische Gattinnen waren Eurydike und Berenike. Der vor Caesar geflüchtete Pompeius wurde im Übrigen natürlich nicht unter P, wie A3 glaubt, sondern unter Ptolemaeus XIII. in Ägypten ermordet, dieser duldete die Tat. [ 1 ] Die Gleichsetzung in A3 unterstreicht das nur mangelhaft ausgeprägte chronologische Verständnis und Interesse des volkssprachlichen Historienromans. [1] -» Ptolemaeus [3]. [mk/sks]
Ptolemaeus [2] [P, Sohn des Abub, Stratege der Ebene von Jericho, lässt 135 v. Chr. seinen Schwiegervater Simon und dessen Söhne ermorden; im AT, 1 Makk 16, erwähnt]
D l Hugo von Trimberg, ,Der Renner' (Ptolomeus)·. Ρ lockte aus Geld- und Machtgier seinen Schwäher Simon in einen Hinterhalt, machte ihn betrunken und ließ ihn ermorden (14795; 14808; Exemplum für Machtgier). [1] [1] P's exemplarische Geltung erklärt sich aus seiner Nennung im AT. [mk]
Ptolemaeus [3] — Ptolemaeus [4] Ptolemaeus [3] [Ptolemaeus XIII. PhilopatorPhiladelphos von Ägypten, ab 51 v. Chr. Mitregent seiner Schwestergemahlin Cleopatra, die er 48 vertreibt, duldet die E r m o r d u n g des Pompeius]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander' 14684 (Ptolemeus): Der vor Caesar geflohene Pompeius wird an Ρ von Ägypten ausgeliefert (Exkurs). [ 1 ] Die N e n n u n g erfolgt im Rahmen eines Exempelkatalogs siegreicher Herrscher (Augustus, Caesar), deren T r i u m p h aber nicht mit jenem Alexanders beim Einzug in Babylon vergleichbar sei (nach Walters von Chätillon Alexandreis' V.496). An späterer Stelle setzt A l Ρ mit -» Ptolemaeus [1] gleich.
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El Heinrich von Neustadt, ,Gottes Zukunft' 4803: P, Aristoteles, Hippocrates, Pythagoras, Galenus und Seneca dienten Gott durch die Erforschung der Natur. Mit dem Einzug Christi in den Himmel endete die Klage dieser edlen Heiden. Der Dichter vertraut darauf, dass sie erlöst sind (Katalog erlöster Heiden). II.
P's naturwissenschaftliche Positionen, v.a. sein geozentrisches Weltmodell, beeinflussten die islamische Wissenschaft stark, über deren [sks] Vermittlung gilt er ab ca. 1200 auch dem christlich-lat. MA als Autorität. [1] Die mhd. Belege geben ein Zeugnis von seiner raschen und breiten Rezeption: Ρ dient Ptolemaeus [4] im Rahmen von Katalogen (Dl, El) als Ex[Claudius Ptolemaeus aus Alexandria, u m 1 0 0 - 1 7 8 n. empelfigur für einen Gelehrten (Cl, Dl), Chr., berühmter Mathematiker, Astronom, Astrologe u n d Geograph, entwirft ein geozentrisches Weltbild, sein Werk Astronomen (Al, C l , D l ) und Naturfor,Megiste Syntaxis' (nach der arab. Übersetzung Almagest') scher (El). Dass er in C l als Vorbild des wird zur Grundlage der späteren abendländischen AstroSangspruchdichters gilt, erklärt sich aus der nomie] spezifischen Prägung der späthöfischen SänG: Sohn des Apollonius und der Diomena gerrolle, die die eines weisen Meisters ist. Ein [!] (Al) ähnliches Selbstverständnis ist v.a. bei FrauR: Astronom (Al, Dl), Meister (Cl, D l ) enlob greifbar. [2] Nf.: Pretolmus (Cl), Ptolemeus (Cl, Dl), Die Nennung in einem Katalog exemplaPtolomeus (Al, El), Tholomeus (Al) rischer gelehrter Herrscher (Dl; 9213), zu denen u.a. auch Alexander und Caesar zählen, I. weist auf eine Identifikation mit den ägypAl Heinrich von Neustadt, Apollonius' 13492: tischen Königen gleichen Namens. Der KaA, der Sohn von Apollonius und Diomena, talog der Astronomen in D l (8957) nennt wird dereinst ein berühmter Astronom werden den historischen Ρ in einem Zuge mit Atlas, (Apollonius' Heirat mit Diomena). der hier euhemeristisch als Erfinder der AsCl Regenbogen, HMS 111,126, 4681,7,10; tronomie gilt. [3] zu Ton V: Der Sänger will wie P, der weise In B2 wird Ρ schließlich zum Sohn des fiktiven Meister der Heiden, die Astronomie nicht Königs von Tyrus, Apollonius. Der Roman vernachlässigen. Sie hat Ρ gelehrt, wie man stellt mehrere derartige Genealogien auf, so auf freiem Felde singen müsse (Spruch; Exgilt ihm Hippocrates als Sohn des Prinzel, empelfigur). eines von Apollonius' Gefährten. Die Anga[1] Z u r D e u t u n g der Stelle unten II. ben sollen das pseudohistorische Konstrukt Dl Thomasin von Zerklaere,,Der welsche Gast': beglaubigen. Der Roman schreibt sich in die Ρ wird als Fahnenträger, Albumasar als Meister Weltund Wissensgeschichte ein, indem er in und Atlas [!] als Vorfechter der Astronomie ihr genealogische Spuren hinterlässt. [4] genannt (8957; Katalog von Autoritäten in [1] S.v. Ptolemaeus, Claudius P. (F. Schmeidler), in: LMA, den Septem Artes). Ρ gilt noch heute als Bd. 7, Sp. 312. großer Gelehrter (9213; Katalog). [2] Vgl. dazu auch V. 11 f, wo der Astrologe als Sänger unter
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Ptolemaeus [5] — Pygmaei
freiem Himmel gefasst wird. Man wird dies metaphorisch verstehen wollen. Gerade die Metapher unterstreicht das neue, gelehrte Selbstverständnis des späten Sangspruchdichters: So wie der Astronom gleichsam „singt", wenn er forscht oder lehrt, so lehrt und forscht der Sänger, wenn er singt. [3] So auch in der ,Weltchronik' Rudolfs von Ems, Atlas (I.EI). [4] Dazu Kern, Edle Tropfen, 215f. [mk]
Ptolemaeus [5] [Mitglied der Ptolemäischen Dynastie]
Al Heinrich von Neustadt, vApollonius' 17991 (Ptolomeus)·. P, der Ahnherr des Antiochus, hat die Balsamstauden gepflanzt, die sich in Antiochia befinden. [1] Eine genaue Identifikation P's ist nicht möglich, da die Ptolemäer immer wieder mit Herrschern namens Antiochus in Verbindung standen. Nachbenennung ,Prosa-Lancelot' (.Ptholomeus, Tholomeus)-. König Ρ wird von Evallet nach langem Kampf mit Hilfe eines weißen Schildes mit rotem Kreuz besiegt, den ihm Joseph von Arimathea gegeben hat. Er bekehrt sich und lässt sich auf den Namen Mordelas taufen (III.40,10-43,11; Gral-Queste; RV: III.112,1). [1] [1] Die Passage zeigt Ähnlichkeiten zur „in hoc signo vinces"-Anekdote über Constantin. Die Namengebung erklärt sich wohl allgemein aus dem bekannten Herrschernamen P, ein Bezug auf einen bestimmten Ρ ist nicht zu erkennen. [mk]
Ptoliporthus [Sohn des Telemachus und der Nausicaa; Dictys 125,16; Benoit 29075 Poliporbus]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 17800 (Porporius): Ρ ist der Sohn des Telemachus und der Nausicaa und Enkel des Odysseus. [mk]
Nf.: Perkamere (Bl), Picmei (Al, B2), Pigmei (B3, Dl, El), Prechami (Bl; Landesname), Pygmei (B3) I. Al Ulrich von Etzenbach, Alexander'25069: Die Ρ werden von ihren schönen, großen Frauen gegen die Greifen verteidigt. Als Alexander ihnen begegnet, nimmt er einen Pygmäen und eine Frau mit sich (Alexanders Zug nach Indien; Wundervölker). B l , H e r z o g Ernst'·. Ernst befreit die Ρ vor der Bedrohung durch die Kraniche, nimmt zwei Ρ mit nach Hause (4898; 5324) und schenkt einen von ihnen dem Kaiser (5420; Emsts Orientfahrt). B2 Ulrich von Etzenbach, ,Herzog Ernst D': Die Ρ leben auf einer Insel und ernähren sich von Vogeleiern. Ernst tötet die großen Vögel, die sie bedrohen, nimmt zwei Ρ mit (4038; 4089) und übergibt sie Kaiser Otto (5508; Emsts Orientfahrt). B3 ,Reinfried von Braunschweig'·. Reinfried befreit die reichen Ρ von einem Riesen aus Canaanea, der Tribut von ihnen erpressen will (18919). Die Ρ sind dem Perserkönig tributpflichtig und bringen ihm große Schätze dar (23983; 27132). Dl Hugo von Trimberg,,Der Renner'24164·. Die kleinwüchsigen Ρ geben ein Beispiel für die Widrigkeiten der Welt, gegen die man sich mit Selbstdisziplin wappnen muss (Katalog). [1] [1] Als weitere Beispiele werden die Affen von Trabaca, die Troglodyten und die Amazonen genannt.
El Rudolf von Ems, ,Weltchronik' 1503: Die schwachen und kleinen Ρ werden stets von den Kranichen bedroht. Sie bringen ihre Kinder nach drei Jahren Schwangerschaft zur Welt. Mit sieben Jahren sind sie alt und kraftlos (Wundervölker Indiens).
Pygmaei
II.
[Sagenhaftes Zwergenvolk, wird von den Kranichen bedroht]
Das sagenhafte Zwergenvolk der Ρ ist ein beliebtes Motiv in den Schilderungen der Orient- und Wunderfahrten des ma. Romans. Es lässt sich bis in die ,Ilias' (3,5ff)
W: Zwergenvolk (Al, Bl, B2, B3, Dl), Landesname (Bl)
Pygmalion — Pylaemenes zurückverfolgen, wo sie schon gegen die Kraniche zu kämpfen haben. Entsprechende Angaben bietet auch die ma. Kosmographie, u.a. bei Isidor von Sevilla (Etym. XI.3,7) und bei Honorius Augustodunensis (,De imagine mundi', PL 172, Sp. 123d; die Quelle von El). Das Wundervolk ist in der Folge auch der volkssprachlichen Literatur gut bekannt. Abgesehen von D1 berichten alle mhd. Einträge von der Bedrohung der Ρ durch Riesen (B3) oder große Vögel (B3, Greifen Al, Kraniche Bl). Ein weiteres, auch in Zusammenhang mit anderen Wunderwesen beliebtes Motiv ist die Mitnahme zweier Vertreter durch den jeweiligen Protagonisten zu Schauzwecken (Al, Bl, B2). In Bl und B2 werden sie nach glücklicher Heimkehr des Helden dem Kaiser übergeben. In Dl geben die Ρ schließlich ohne nähere Erläuterung ein moralisches Exemplum. [mk/sks]
Pygmalion [Künstler, verliebt sich in eine von ihm aus Elfenbein geschnitzte Frauenstatue, die auf seine Bitte hin von Venus beseelt und belebt wird; MM 10,243]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen Das Beispiel der von Venus versteinerten Frevlerinnen vor Augen [ 1 ], hält Ρ alle Frauen für falsch, meidet sie, schnitzt sich statt dessen eine Statue aus Elfenbein, verliebt sich in sie und macht ihr Geschenke. Beim großen Venusfest auf Zypern bittet er die Göttin in verhüllenden Worten um eine Gattin. Als er nach Hause kommt, findet er seine Statue zum Leben erweckt vor. Er heiratet sie und zeugt mit ihr Paphus und Cynaras (10,440-555; Lied des Orpheus). [1] Bei Ovid (MM 10,238fF.) spotten die Propoetiden der Venus, werden dann - auf Veranlassung der Göttin - die ersten Prostituierten und verwandeln sich schließlich in Kieselsteine. Ihretwegen schließt Ρ auf eine allgemeine Lasterhaftigkeit der Frauen und will sich mit keiner einlassen. Al kann diese Einleitung nicht mehr nachvollziehen, sondern vereinfacht sie dem gängigen misogynen Klischee entsprechend. [mk]
543
Pylades [Freund des Orestes]
Dl Hugo von Trimberg, ,Der Renner' 6362 (Pilades)·. Ρ und Orestes werden als vorbildliches Freundespaar aus alter heidnischer Zeit genannt. In der christlichen Gegenwart gebe es wahre Freundschaft nicht mehr (Exempelfigur; Katalog vorbildlicher Freunde). [1] [1] Als weitere Freundespaare aus antik-heidnischer und alttestamentarischer Zeit werden Tydeus und Polynices, Achilles und Patroclus, Aeneas und Achates sowie David und Jonathan genannt. Der Exempeltypus steht mit Zeitklage und laus temporis acti im Rahmen der üblichen didaktischen Topik. [mk]
Pylaemenes [Führer der Paphlagonen, Verbündeter der Trojaner, fällt vor Troja; Dares 23,2; Dictys 47,11; Benoit 6814 Philemenis]
R: König von Paphagoye (Al) bzw. Paphlagonien (A2 [Forts.]), Herzog (A2) Nf.: Effimenis (A2), Philemenis, Philomenis (Al), Pilemenes (A2 [Forts.]) I. A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Die Heeresreise des trojanischen Verbündeten Ρ nach Troja dauert sieben Wochen. Sein Schildwappen bilden Edelsteine aus den Paradiesflüssen Euphrat und Tigris (4037). Bei dem Versuch, Ulixes an der Landung zu hindern, wird Ρ schwer verwundet, aber von den Trojanern gerettet (4393; 4398). In den folgenden Kämpfen sticht er u.a. Menestheus nieder (6851; 6961-6969), wird selbst vom Pferd gestochen (7600; 7768; Katalog), muss wie die anderen Trojaner nach Hectors Tod zurückweichen (10127; 10165), [1] unterstützt Troilus (12713) und hätte beinahe Agamemnon getötet (12919-12927; 13284; 13900), begleitet Penthesilea in die Schlacht (14435-14469), wird von Pyrrhus niedergestochen und von Penthesilea gerettet (14720-14771; 14823), lässt deren Leichnam
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Pylaeus — Pyraechmes
bergen und in die Heimat bringen und zieht mit dunklen Vorahnungen von Troja ab, bevor das hölzerne Pferd in die Stadt gebracht wird (15519; 15964; Verrat). [1] Die Aussage „Polydamas w u r d e gefangen, als er Ρ attackieren wollte" (10262), ist widersinnig, da beide auf Seiten der Trojaner kämpfen. Welcher Grieche gemeint sein könnte, ist unklar.
Pyracmos [Kentaur, k ä m p f t gegen die Lapithen; M M 12,460]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12,703: Der überaus starke Riese Ρ wird wie andere seiner Gefährten von Caeneus getötet. Latreus will sie rächen (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf; Katalog). [1]
A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg'·. Der [ 1 ] „Pyracmon" ( M M 12,460) ist eine Konjektur, die durch vorbildliche Herzog Ρ ist ein Verbündeter die Nf. in A l bestätigt wird. Albrecht d ü r f t e also eine Ovidder Trojaner und dürstet nach dem Blut der Hs. vorgelegen sein, in der der entsprechende N a m e noch nicht verderbt war. Die Kentauren selbst werden im Text Griechen. Er trägt ein rotes Wappenkleid und als Riesen aufgefasst. Die D e u t u n g greift auf Vorstellungen führt Margeriten als Schildwappen (25556). zurück, die dem dt. Publikum aus der Heldensage bekannt In der Schlacht gegen die landenden Griesind Centauri). chen zeichnet er sich zunächst aus. Als er [mk] schließlich gegen Ulixes antritt, spaltet ihm dieser mit einem Schwertstreich den Schädel (25586-25755). Pyraechmes ,Trojanerkrieg'-Fortsetzung 43395: Ρ fällt [Verbündeter der Trojaner; Dares 2 2 , 1 9 ; Benoit 6 5 7 4 wie zahlreiche andere Trojaner in derselben Pretemesus] Schlacht wie Hector durch Achilles (KaG: Onkel des Asteropaeus (Al) talog). R: König von Thracien (Al) und Päonien II. (Al), Graf (A2), Ritter (A2) Nf.: Pretemisus (Al), Prethemesus (A2) Ρ wird bereits in Homers ,Iliasl als Verbündeter der Trojaner genannt. Al und A2 übernehmen I. die Gestalt aus dem ,Roman de Troie' BeAl Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Der noits de Sainte-Maure, der wiederum dem vornehme thrakische König [ 1 ] Ρ unterstützt Trojabericht Dares folgt. Die Gestaltung in gemeinsam mit Asteropaeus die Trojaner mit A2 ist dabei freier, Ρ fällt hier durch Ulixes einem Heer von 1000 Mann (4015; Katalog), (bei Benoit [7329] wird er von diesem nur kämpft in der Landungsschlacht in der von so schwer verwundet, dass er für tot gehalten Deiphobus geführten Schar (4693; Katalog) wird). [1] Die Nennung in der Fortsetzung und tritt gegen Thalpius an (5403; 5404). von A2 beruht direkt auf dem Trojabericht [1] Bei Dares u n d Benoit ist Ρ der König von Päonien, des Dictys (64,6). der Titel „König von Thrakien" bezieht sich bei beiden auf [1] Z u r Stelle Lienert, Geschichte u n d Erzählen, 128f. [mk/sks]
Pylaeus [Verbündeter der Trojaner aus Larissa; Dictys 47,8]
Pyrrhus u n d Acamas.
A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg'·. Der edle, mächtige und tapfere Ρ kämpft in der Schar des Deiphobus (29935; Katalog), führt 2000 mit Hornbogen bewaffnete Schützen und kämpft gegen Menelaus (32385-32455).
Al Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg', Fortsetzung40505 (Pileus): Der angesehene, ritter- II. liche König Ρ von Laris wird auf der Flucht Einen trojanischen Verbündeten namens Pyvor den Griechen gefangen genommen. raichmes nennt schon Homer, er wird in der [sks] ,Ilias' (16,287) von Patroclus getötet. Al und
Pyramus und Thisbe A2 erwähnen Ρ in mehreren Katalogen. Beide Texte folgen dabei dem Trojaroman von Benoit de Sainte-Maure (der seinerseits auf Dares zurückgreift). Die Angaben in Al entsprechen weitgehend denen bei Benoit. A2 behandelt seine Hauptquelle freier und nach eigener Konzeption. [mk/sks]
Pyramus und Thisbe [Babylonisches Liebespaar, das von den Eltern an einer Heirat gehindert wird; sie vereinbaren ein nächtliches Treffen am Grabmal des Ninus. T, die sich zuerst einfindet, muss vor einem Löwen fliehen, der ihren Schleier mit Blut besudelt. Als Ρ diesen findet, glaubt er, der Löwe hätte Τ getötet, u n d ersticht sich, sie folgt ihm in den Tod; M M 4 , 5 5 f f ]
G: Liebespaar (Al, A2, Bl, B3, B5, B6, B7, B9, BIO, B l l , C I , C3, CA), Ρ ist ein Königssohn aus Babylon (A2) und herre (Epitheton B4), Τ ist Königstochter (A2) und vrouwe (Epitheton) (B4) Nf.: Piramus (Bl, B4, B5, B6, B9, BIO, B l l , C l , C3, C4), Thißbe (Al), Tisbe (B3, B5, BIO, C l , C3, C4), Tispe (Bl, B3, B4, B8, B9, B l l , C l ) , Tysabe (B6), Tyswe (B7) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Ρ und Τ lieben sich trotz des Verbots ihrer Väter, reden jede Nacht durch einen Mauerspalt miteinander und beklagen ihr Liebesleid. Eines Nachts verabreden sie ein geheimes Treffen am Brunnen des Ninus. Τ findet sich zuerst ein und muss vor einem Löwen fliehen. Dabei verliert sie ihr Haarband, das der Löwe mit Blut besudelt. Als es Ρ derart zugerichtet vorfindet, hält er Τ für tot und begeht Selbstmord. Die zurückkehrende Τ folgt ihm in den Tod. Beider Blut färbt die Beeren des daneben stehenden Maulbeerbaums rot (4,33-231). A2 ,Pyramus und Thisbe'·. Ρ und Τ sind zwei babylonische Königskinder, die nebeneinander wohnen, am selben Tag geboren worden sind und am selben Tag sterben. Sie lieben sich seit ihrem sechsten Lebensjahr. An ihrem
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16. Geburtstag wird ihre Liebe am Hof bekannt, und sie werden von den Aufpassern getrennt. Fortan unterhalten sie sich durch einen Mauerschlitz. Τ rät zu einem heimlichen nächtlichen Treffen bei einer Quelle (28-183), findet sich dort als erste ein und muss vor einem Löwen fliehen. Dabei verliert sie ihren Mantel, den das Raubtier mit Blut besudelt. Als ihn Ρ findet, hält er Τ für tot, tötet wütend den Löwen und stürzt sich in sein Schwert. Die zurückkehrende Τ findet ihn sterbend vor und bittet Gott um ein Zeichen des Erbarmens, worauf die schwarzen Beeren des daneben stehenden Maulbeerbaumes rot werden. Dann stürzt auch sie sich in P's Schwert, die Liebenden werden nebeneinander bestattet, eine Rebe verbindet ihre Särge (213-429). Bl Hartmann von Aue, ,Erec' 7709'. Ρ und Τ wurden von der Minne bezwungen, ihrer Sinne beraubt und nahmen ein jämmerliches Ende (Abbildung auf der Satteldecke von Enites Pferd). B2 Gottfried von Straßburg, , Tristan' 3616: Auf Markes Ersuchen hin singt der junge, noch unerkannte Tristan einen Leich von der vornehmen Τ aus dem alten Babylon (Tristan am Hof Markes). B3 Konrad Fleck, ,Flore und Blanscheflur' 2435: Ρ und T, Dido und Byblis haben aus Liebe Selbstmord begangen und leiden dafür zu Recht Höllenstrafen (abmahnendes Exemplum der Mutter Flores an den Sohn, der sich in Liebesleid nach der vermeintlich toten Blanscheflur verzehrt). B4 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crone' 11574/5: Dass Ρ und Τ ihr Leben verloren, gab Anlass zu einer großen Klage, die von der Klage des Artushofs über die Entführung Ginovers übertroffen wird (Katalog großer Klageanlässe). B5 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg' 2315/7: Ρ und Τ erstachen sich mit eigenen Händen. Im Streit der Göttinnen um den Apfel der Discordia geben sie aus der Sicht von Iuno und Pallas ein Beispiel für die Bitterkeit der Liebe.
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Pyramus und Thisbe
B6,Reinfried von Braunschweig·. Die liebliche Τ (15268) wollte gemeinsam mit Ρ (15274) sterben und stürzte sich beim Anblick des toten Geliebten in dessen Schwert. Ebenso hätte auch Yrkane beim Abschied von ihrem Gatten Reinfried beinahe den Tod gefunden (Abreise Reinfrieds ins Hl. Land). [1] [ 1 ] Die Stelle bringt eine Reihe literarischer Exempelfiguren; erwähnt werden u.a. noch Dido, aus Wolframs .Parzival' Belakane, Secundille und Sigune sowie Isolde.
B7 Heinrich von Neustadt, yApollonius' 177: Ρ und Τ mussten leiden, weil sie den Ratschlägen der Frau Minne folgten (Exemplum für das verderbliche Wirken der Minne; Erzählerkommentar). [1] [1] Neben Ρ und Τ werden noch Tristan und Isolde genannt.
B8 Johann von Würzburg, , Wilhelm von Österreich' 3604: Das zweite Haupt des wundersamen Vogels, dem Wilhelm begegnet, ist schöner als Helena oder T, die schön wie ein Spiegelschrein gewesen ist (Allegorie; Uberbietung). [1] [1] Der Vogel symbolisiert offenbar die Lebensalter. Das erste Haupt ist schön wie der Vogel Korabin, das dritte alt und hässlich, das vierte gleicht dem Antlitz Satans; das zweite wird demnach die Jugend darstellen; zur Stelle Kern, Edle Tropfen, 134f.
B9 ,Die böse Frau'385: Ρ und Τ haben sich der Minne wegen erstochen, ohne zu wissen weshalb. Glücklicherweise hat sich diese Sitte geändert — heute sorgt sich der Reiche um Wein, der Arme um Brot (Exemplum für übertriebene Minne). BIO ,Die Heidin', GA I, XVIII,898: Ein und dasselbe Schwert versetzte Ρ und Τ den Todesstreich und beendete ihr Leiden. Dieses Glück des gemeinsamen Liebestodes werde ihm leider nicht zuteil werden, fürchtet der Frauenritter Alpharius (Exemplum für Minneleid). B l l ,Der Weinschwelg'337: Ρ und Τ erlitten so großes Liebesleid, dass sie sich ins Schwert stürzten. Der Weinschwelg ist klüger, denn seine Liebe zum Wein bringt Freude (Exemplum für Minneleid; Katalog). [1] [1] Ferner genannt werden u.a. Paris und Helena sowie Dido.
C1 Tannhäuser, Leich IV,43/44: Als Τ zu Ρ wollte, traf sie auf einen Löwen. C2 Der von Gliers, Leich 2.111,15: P, Tristan und Hippolytus geben ein Beispiel dafür, dass Minnedienst eine kaum zu ertragende Mühsal und bisweilen den Tod bedeutet. Der Sänger hat sich deshalb der Liebe entziehen wollen, doch sei ihm dies nicht gelungen (Minneklage; Exemplum für leidvolle Liebe). C3 Der junge Meißner, A 1.5,13/18: Ρ und Τ geben ein Beispiel für die Macht der Minne und die Untrennbarkeit der Liebenden. Ρ tötet sich T's wegen mit dem Schwert, dennoch wiegt diese Tat nichts im Vergleich zur Größe seiner Liebe. Τ folgt Ρ aus Liebe in den Tod (Exemplum für die Untrennbarkeit der Liebenden). C4 Der junge Meißner, A 1.6,18: Der rechte Minner soll sich nicht in Widrigkeiten verstricken lassen, damit er nicht wie Ρ und Τ Liebesleid erfährt (Exemplum für Minneleid). [1] [1] Die Verse lauten: Niemand soll der Liebe wegen sein Leben geben, „ein widerstreben/ daz sol er [der Minner] halten unverweben,/ sam Piramus undTisbe,/ daz in kumber iht begrüeze". Das Exemplum spricht sich gegen eine völlige Hingabe an die Liebe aus und bietet somit die konträre Aussage zu C3.
II. 1) Ρ und Τ im MA; 2) Dt. Erzählungen; 3) Anspielungen; 4) „Kontrafakturen" und Deutungen
1) Ovids Liebesnovelle von Ρ und Τ zählt zu den berühmtesten und wirkungsmächtigsten Sujets in der weltlichen Literatur des HochMA. Es finden sich u.a. zwei lat. Versfassungen von Matthaeus de Vendöme und Tidericus aus dem 12. Jh., ein afrz. Lai (um 1170), dazu Anspielungen in der prov. und afrz. Lyrik. Auch die zahlreichen mhd. Belegstellen bezeugen die Beliebtheit und Verbreitung des Stoffes. [1] 2) Mit Al und A2 liegen in der mhd. Literatur zwei ausfuhrliche narrative Darstellungen vor, die eine aus der Zeit um 1200, die andere vermutlich aus der ersten Hälfte des 14. Jh. Al ist direkt nach Ovid gearbeitet und zeigt eine nur geringe Tendenz zur
Pyramus und Thisbe Mediävalisierung (Haarband, U m d e u t u n g des Grabmals des Ninus). Deutlich zu fassen ist diese in A 2 . Typische hochma. Liebesmotive sind die so genannte Jugendliebe sowie Verrat und Verleumdung der Liebenden a m Hof. D a s Geschehen ist zwar in „alten Zeiten" (d.h. „in der Antike") angesiedelt, dennoch beten die Protagonisten z u m Christengott, der wie so oft in der höfischen Literatur auf der Seite der Liebenden steht. Der Selbstmord, nach christlicher Morallehre eine kapitale Sünde, wird v o m Erzähler entschuldigt. D i e abweichende Bewertung findet sich in der Figur der D i d o vorgeprägt, die d e m . R o m a n d'Eneas' u n d Heinrichs von Veldeke .Eneasroman' zufolge nicht unter den (verdammten) Selbstmördern, sondern unter den Liebestoten in der Unterwelt weilt. [2] In A 2 werden die Liebenden Opfer der trügerischen huote (395) u n d widriger Umstände. Der Prolog begreift sie als Beispiel für die M a c h t der Liebe und fur mustergültige Treue, verbunden mit d e m T o p o s der Zeitklage, dass es dies alles nicht mehr gebe (Ähnliches sagt Konrad von Würzburg in seinem ,Herzmaere'). D e r Text bietet somit insgesamt ein griffiges Beispiel fiir das höfische „Liebes-Sentiment". D a s M o t i v des Rebenwunders a m Grabe weist auf das „ B i l d p r o g r a m m " des Tristanromans, das hier nachwirkt. D i e unmittelbare Q u e l l e von A 2 ist nicht bekannt. Die überlieferten lat. Fassungen und der frz. Lai scheiden ebenso aus wie Ovid, obwohl die Mediävalisierungen A 2 u n d den Lai in manchen Punkten verbinden (Jugendliebe, Verrat am H o f ) . [3] 3) Bekanntheit, Bedeutsamkeit u n d Signifikanz des Sujets unterstreichen insbesondere die zahlreichen Anspielungen. Direkte Bezüge zu einem konkreten Quellentext lassen sich dabei nur bedingt festmachen. B 2 könnte möglicherweise auf den Lai anspielen, B 3 bezieht das Beispiel aus seiner frz. Vorlage, für B 4 , B 5 u n d B 6 kann im Lichte anderer Anspielungen auf O v i d davon ausgegangen werden, dass sie auf direkter Kenntnis der ,Metamorphosen' beruhen. Ρ u n d Τ geben mit ihrem Schicksal jedenfalls Exempla für
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unglückliche Liebende ( B l , B3, B 5 , B 6 , B 7 , B 9 , BIO, B 1 1 , C 2 , C 3 , C 4 ) , sie sind Selbstmörderaus Liebe (B3, B6, B 9 , BIO, B l 1, C 3 ) . Die negative Wertung in B 4 , die der Tendenz zur Entschuldigung zuwiderläuft, wird aus dem M u n d e einer (negativen) Figur und nicht v o m Erzähler gegeben. Analoges gilt für die Minnekritik in B 5 , kontextuell bedingt ist sie auch in B7. Die „sentimentalische" Lesart liegt in B 6 , BIO, C 2 u n d C 3 vor. Dass hierin die höfische G r u n d f u n k t i o n des E x e m p l u m s zu fassen ist, dokumentieren die parodistischen U m d e u t u n g e n in B 9 u n d B l 1. Direkte paradigmatische Bezüge zwischen E x e m p l u m u n d erzähltem Hauptgeschehen sind insbesondere in B l u n d B 6 zu fassen. Wenn Enite in B l a u f d e m abgebildeten Liebespaar regelrecht zu sitzen k o m m t , so ist sie als deren positive u n d glückliche Gegenfigur gezeichnet. Dabei ist sie selbst nur knapp einem T-Schicksal entgangen, da sie sich im Angesicht des vermeintlich toten Erec so wie Τ ins Schwert stürzen will u n d von G o t t im letzten M o m e n t gerettet wird (Β 1, 5730ffi). [4] 4) Die entsprechende Szene ist schon im ,Erec' Chretiens deTroyes (4559ff.) nach d e m Vorbild der antiken Liebenden gestaltet, Β1 hat die Bezüge noch verstärkt. [5] Die Stelle bietet eine eingängige Kontrafaktur u n d zeigt, wie sehr die höfische Liebesdarstellung den antiken bzw. ovidianischen Sujets verpflichtet ist. Im Sinne ma. hermeneutischer Denkmodelle kann dabei durchaus von einer typologischen Relation zwischen Τ u n d Enite gesprochen werden. D i e Wesensnähe zwischen antiken und genuin ma. Liebespaaren ist schließlich auch in Gottfrieds von Straßburg .Tristan' zu fassen (v.a. im Falle der „senemaere", der Geschichten von unglücklichen Liebenden, die Tristan u n d Isolde einander erzählen [6]). Insofern ist es bezeichnend, dass das Motiv v o m Rebenwunder in A 2 aus d e m Tristanstoff auf Ρ und Τ übertragen wird. Von den Mediävalisierungen u n d den angesprochenen typologischen Relationen abgesehen, bieten die m h d . Belege keine ausge-
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Pyreneus — Pyrrhus
sprochen christliche Deutung. Eine negative Auslegungstradition, die natürlich am Selbstmordmotiv ansetzt, lässt sich bis auf Augustinus' ,De ordine' zurückverfolgen. Die Deutung von Gerhard Lorichius ( 1 5 4 5 ) , die der Bearbeitung von A l durch Georg Wickram angeschlossen ist, übt v.a. Kritik an den Eltern (die mangelnde Folgsamkeit der Kinder betont hingegen Christine de Pizan in ihrer ,Epistre d'Othea', um 1400). Eine positive christologische Allegorese ist erstmals in den ,Gesta Romanorum' (um 1 3 0 0 ) und im ,Ovide moralise (1316/28; IV, 1 1 5 0 f f . ) zu fassen. Hier symbolisieren Ρ Christus und Τ die gläubige Seele, beider Tod steht für Passion und Erlösung. [7] Breite Rezeption erfährt das Sujet auch in der späteren ma. bildnerischen Kunst (v.a. in der Buchmalerei), die mitunter ebenfalls ein entsprechendes allegorisches Deutungsprogramm liefert. [8] Für das Fortwirken des Stoffes in der Neuzeit sind Boccaccios Darstellung in ,De Claris mulieribus' und Shakespeares komische Travestie im,Sommernachtstraum' richtungweisend. [9] [1] Zur Stoffgeschichte F. Schmitt-von Mühlenfels, Ρ und T. Rezeptionstypen eines Ovidischen Stoffes in Literatur, Kunst und Musik, 1972; B. Murdoch, ,P u n d T ' . Spätma. Metamorphosen einer antiken Fabel, in: Zur dt. Literatur und Sprache des 14. Jh. Hg. W. Haug (u.a.), 1983, 221237; R. Glendinning, Ρ and Τ in the Medieval Classroom, Speculum 61 (1986), 51-78; s.v. ,Pyramus und Thisbe' (K.H. Schirmer, F. Worstbrock), in: VL, Bd. 7, Sp. 928-930; s.v. Pyramus und Thisbe, in: Frenzel, Stoffe, 661-664. Zu den prov. und afrz. Anspielungen Bartsch, Albrecht von Halberstadt, LXIVf. [2] -» Dido (III). [3] Schirmer/Worstbrock [Anm. 1], Sp. 929f. [4] Kern, Edle Tropfen, 318ff. [5] F. P. Knapp, Enites Totenklage und Selbstmordversuch in Hartmanns ,Erec'. Eine quellenkritische Analyse, GRM N.F. 26 (1976), 83-90; ders., Selbstmord, 170ff. [6] -> Byblis (II.), Dido (I.B3; II.3). [7] Schmitt-von Mühlenfels [Anm. 1], 55ff; zur negativen Deutung Knapp, Selbstmord, passim. [8] S.v. Pyramus und Thisbe, in: LCI, Bd. 3, Sp. 483f. (O. Holl) und in: LMA, Bd. 7, Sp. 337 (U. Nilgen). [9] Frenzel, Stoffe, 662f. Nachbenennung Heinrich von Neustadt, Apollonius' 11365'. Der aus Syrien stammende Ρ ist einer der dreißig Gefährten, die Apollonius
in das goldene Land Crisia begleiten (Katalog). [1] [ 1 ] Aufgrund der durch B7 gesicherten Kenntnis von Stoff und Gestalt ist eine direkte Nachbenennung denkbar, Motivparallelen finden sich allerdings keine. [mk]
Pyreneus [Thrakischer Tyrann, mythischer König von Daulis, nimmt die Musen während eines Unwetters in seinem Haus auf und versucht sie zu vergewaltigen, sie verwandeln sich in Vögel und fliegen davon, Ρ stürzt bei der Verfolgung von den Zinnen seiner Burg in den Tod; M M 5,274]
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen':
Der hinterlistige Tyrann Ρ bot den Musen während eines Regenschauers Unterschlupf an und ließ sie dann nicht fort. Als er den Fliehenden von einem hohen Turm aus nachsetzen wollte, stürzte er in die Tiefe und starb, womit seine Tyrannei ein Ende fand (5,468; 5,473; Erzählung der Urania an Pallas Athene). [1] [ 1 ] Die Episode wirkt in A1 pointenlos und dunkel, es fehlt die zweifache Hybris des P's: erstens die versuchte Vergewaltigung, zweitens, dass er den davonfliegenden Musen nachfliegen will, sich also göttliche Fähigkeiten zuschreibt. [mk]
Pyrois
Aethon
Pyrrha
Deucalion
Pyrrhus [Auch Neoptolemus genannt, Sohn des Achilles und der Deidamia, der Weissagung des Helenus zufolge ist seine Beteiligung am Krieg Vorbedingung für den FallTrojas, nach der Eroberung der Stadt erhält er Andromacha als Beute und opfert Polyxena am Grab des Achilles]
G: Sohn des Achilles ( A l , A 2 , A 3 , A 4 , B l ) und der Deidameia (A2, A 3 , B l ) , Enkel des Lycomedes (A2) und des Peleus (A2), Enkel und Zögling der Thetis (A4), Nachfahre des Acastus (A2), Neffe des Aiax Telamonius (A3), Gatte der Hermione (A2), Geliebter der Andromacha (A2), Freund des Philoctetes (A3) R: Fürst (A3, A4), königlicher Abstammung (A3) Nf.: Neoptolemus [Beiname] (A3), Phirrus (A4), Pirrin (El), Pirrus (A2, A 3 , A 4 , B l ) , Pirus (A4), Pyrrus (A2)
Pyrrhus I.
A l Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen' 13,239: Wenn man die Waffen des Achilles einem Verwandten geben sollte, hätte Ρ eher ein Anrecht als Aiax (Streit um Achills Waffen; Rede des Ulixes). A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Einer Prophetie des Calchas zufolge soll Ρ den getöteten Achilles ersetzen. Er ist 15 Jahre zuvor von Achilles mit Deidameia gezeugt worden und befindet sich bei Lycomedes. Agamemnon sendet Menelaus aus, um ihn nach Troja zu bringen (13861). Nach seiner Ankunft fordert Ρ die Myrmidonen auf, Achilles zu rächen, lässt sich Waffen und Pferd seines Vaters geben und gleicht diesem völlig (1463414675). In den folgenden Kämpfen verwundet er Polydamas und Pylaemenes. In einer Kampfrede droht ihm Penthesilea dasselbe Schicksal wie Achilles an, Ρ sticht sie vom Pferd und enthauptet sie, Priamus bittet ihn vergeblich um die Herausgabe ihrer Leiche (14686-14984; 15714). Ρ und die anderen Griechenfiihrer bekräftigen ihre Vereinbarungen mit dem Stadtverräter Antenor durch Eide (16003; Katalog). Bei der Eroberung Trojas tötet er Priamus im Apollotempel (16294), soll Polyxena einem Wahrspruch des Calchas entsprechend dem Achilles als Sühneopfer darbringen und so den Zorn der Furien besänftigen, bekommt sie von Agamemnon überantwortet, ignoriert ihr Klagen und köpft sie auf Ulixes' Rat hin am Grab des Achilles (16419-16477). Ρ bestattet Aiax, der nach dem Streit um das Palladium zu Tode kommt, verdächtigt Menelaus und Ulixes, später auch Agamemnon des Mordes an Aiax und sinnt auf Rache (16691-16762); beschuldigt Aeneas des Verrats, weil er Polyxena verbergen wollte (16841-16881). Zurück in Griechenland erfährt er von Peleus' Gefangennahme durch Acastus, findet ihn in einer Höhle, tötet Acastus' Söhne Menalippus und Pleisthenes, schont diesen selbst aber aufThetis' Bitte und versöhnt sich mit ihm. Ρ entführt und heiratet Hermione. Später wird er in Delphi von
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Orestes, der sich um seine Braut betrogen fühlt, überfallen und getötet. Man bestattet ihn ebenda (17809-18193). [1] [1] D e r i n A l zu Beginn genannte Neoptolemus (2842 u.ö.) ist Tiepolemus.
A3 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg'·. Die Geburt des schönen und makellosen Ρ wird von Deidamia verheimlicht, das Kind wird von einer Amme aufgezogen (28664; 28924). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung·. P, auch Neoptolemus (44184) genannt, ist jung, mutig, stolz, klug und besitzt alle ritterlichen Tugenden. Einem Orakelspruch zufolge soll er den Griechen im Kampf gegen die Trojaner beistehen. Menelaus soll ihn aus Syros, wo er von Lycomedes erzogen worden ist, nachTroja bringen. Ρ will den Tod seines Vaters rächen. Menelaus verspricht ihm als Lohn die Hand seiner Tochter und sein halbes Reich (44183-44750). Ρ wird von den Griechen freudig empfangen, klagt an Achilles' Sarg, führt die Myrmidonen in den Kampf, kämpft so tapfer wie sein Vater, tötet viele Trojaner, schließt Freundschaft mit Philoctetes (44750-45559), tötet bei der Eroberung Trojas Priamus im Iuppitertempel mit einem Schwerthieb und entehrt dadurch Tempel und Gottheit. Ρ erhält Polyxena, lässt Aiax Telamonius einäschern und in einem goldenen Sarg bestatten, gibt Hectors Söhne in die Obhut ihres Vetters Helenus (46911; 47742-48942), erinnert Menelaus und Agamemnon an die versprochene Vermählung mit Hermione und erhält sie als Lohn für seine Kriegsdienste, obwohl sie mit Orestes verlobt ist (49262-49759). A4 ,Göttweiger Trojanerkrieg'·. Der schöne neunjährige Ρ wird von Thetis nach Troj a gebracht und Achilles übergeben, der sich seiner annimmt. Er wird dereinst eine Untat verüben und Polyxena am Grab seines Vaters erwürgen (17893-17910; VD). Nach dem Fall Trojas erinnert Ρ Agamemnon an Achilles' Dienstbereitschaft bis in den Tod und fordert die Herausgabe Polyxenas, um ihren Verrat an Achill zu rächen. Er zerrt sie an den Haaren zu dessen Grab und erwürgt sie mit ihren
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Pyrrhus
eigenen Zöpfen. Der Grieche Elyoss ist von der Tat so abgestoßen, dass er Ρ ebenfalls an den Haaren an das Grab zerrt und ihm den Schädel ausreißt (23107-23195; Resümee: 25138). B1 ,Reinfried von Braunschweig' 22581: Ρ ist der Sohn von Achilles und Deidameia (Exkurs zur Geschichte des Achilles; Verweis auf Statius' Achilleis'). E l Rudolf von Ems, .Weltchronik' 26681: Der verwegene Held Ρ wird von Orestes erschlagen. II. 1) Zur Namengebung; 2) Ρ im mhd. Trojaroman, Quellen; 3) Einzelne Motive; 4) Anspielungen
1) Der Sohn des Achilles und der Deidameia heißt bei Homer und Statius Neoptolemus („junger Krieger"), der Name Pyrrhus kommt zwar in den so genannten Kyprischen Epen vor, wird aber erst ab dem 4. Jh. v. Chr. gleichberechtigt neben Neoptolemus verwendet. [1] Bei Ovid findet sich sowohl Pyrrhus (MM 13,155) als auch Neoptolemus (MM 13,455). Von den mhd. Belegstellen nennt nur die Fortsetzung von A3 beide Namen und gibt Neoptolemus als Beinamen für Pyrrhus an. 2) Als Sohn des Achilles hat Ρ in der antiken Trojatradition eine entscheidende Rolle inne. Den Weissagungen des Helenus zufolge kann die Stadt nur mit seiner Hilfe genommen werden. Ρ wird so zu einer Schlüsselfigur bei der Eroberung Trojas, wobei er sich durch einige Grausamkeiten auszeichnet (Tötung des Priamus und der Polyxena). Diese Grundmotive sind in der spätantiken und ma. Trojatradition bewahrt. Die Divergenzen zwischen den mhd. Trojaromanen ergeben sich aus den unterschiedlichen jeweils zugrunde liegenden Quellen. A2 folgt dem afrz. Trojaroman Benoits de Sainte-Maure, so in den Grundzügen der Handlung auch A3. Die Fortsetzung von A3, die im Falle des Ρ erst die entscheidenden Motive bringt, ist direkt nach dem pseudohistorischen Trojabericht des Dictys gearbeitet. A4 zeigt eine
hohe Eigenständigkeit in der Sagengestaltung, als Quellen im weiteren Sinn kommen für die P-Handlung ,Excidium Troie' und Ovids ,Metamorphosen' in Frage. Direkt aus Ovid (13,155) übersetzt ist A l , wo Ρ bei der Tötung Polyxenas allerdings nicht namentlich genannt wird. Das Opfer vollzieht hier ein namenloser Priester (Ovids Umschreibung konnte offenbar nicht mehr nachvollzogen werden [2]). 3) Die Hauptmotive der P-Handlung sind in A2 und A3 nach Benoit/Dares bzw. nach Dictys bewahrt. Ρ wird aufgrund einer Prophetie (A3, in A2 durch Calchas) von Menelaus nach Troja gefuhrt. Vom Kampf mit Penthesilea und von ihrer Tötung berichtet nur A2, in A3 wird sie von Achilles getötet. A3 lässt außerdem nichts von der Opferung der Polyxena und von Ρ's eher schmachvollem Tod verlauten, was auf eine gewisse Entlastung der Gestalt im Sinne der griechenfreundlicheren Perspektive des Dictys schließen lässt (Polyxenas Tod durch Ρ wird dort allerdings in 124,23 erwähnt). Dagegen spricht freilich diefrevelhafte Tötung des Priamus im Iuppitertempel, die mit jener des Achilles durch Paris im Tempel des Apollo verglichen wird. Die Tat erwähnt auch A2, nicht jedoch A4. Beide Texte treffen sich bei der Schilderung der Opferung der Polyxena. In A4 wird sie auf grotesk-grausame Weise vollzogen, wofür Ρ auch die scharfe Kritik des Erzählers erntet. Interessant ist das wohl ad hoc erfundene Motiv von der Tötung des Ρ durch Elyoss aus Abscheu vor der Tat (vielleicht in Anlehnung an die Tötung Kriemhilds durch Hildebrand im Nibelungenlied). In der Nf. könnte sich möglicherweise „Ulixes" verbergen, der allerdings schon zuvor in anderem Zusammenhang den Tod gefunden hat. Ein weiteres Motiv in der Nachgeschichte des Krieges sind P's Verdächtigungen gegen Ulixes, Menelaus und Agamemnon wegen des Todes des Aiax im Zuge des Streits um das Palladium in A2 und A3. Beide Texte berichten außerdem von P's Verbindung mit Hermione. Sie zieht in A2 P's Ermordung durch Orestes in Delphi nach
Pythagoras sich, über deren Hergang auch die antiken Berichte stark divergieren. Die schon bei den antiken Schriftstellern zwiespältige Beurteilung Ρ s spiegelt sich in den mhd. Belegstellen wider, so beschreibt A3 Ρ durchwegs als idealen Ritter, der seine Tugenden von seinem Vater geerbt hat, während A4 sein brutales Verhalten gegenüber Polyxena scharf verurteilt. Auch A2 lässt mit der Missachtung von Polyxenas Klagen bei der Opferung Kritik anklingen. Eine konsequente Figurengestaltung zeigt sich freilich nirgends, sie ist für eine Nebenfigur, die Ρ insgesamt bleibt, auch nicht zu erwarten und wird von den Texten generell - mit Ausnahme von A3 - nicht oder nur in Ansätzen (A2) geleistet. 4) Die Anspielung in Β1 bietet nur die bloße Nennung als Sohn des Achilles. Der Verweis aufStatius' Achilleis' dokumentiert wie andere Hinweise, so auf Claudian oder die ,Ecloga Theoduli', den breiten literarischen Horizont des Autors. [3] Die Nennung in El findet sich im Rahmen eines chronistischen Berichts zu Troja und Aeneas, der in Rücksicht auf die volkssprachliche Rezeption breiter gestaltet ist als die übrigen profangeschichtlichen Exkurse („incidentia") zum heilsgeschichtlichen Hauptgeschehen. Die Angaben bezieht El vermutlich aus A2 oder direkt aus Dictys. [1] S.v. Neoptolemus [1.] (K. Ziegler), in: DKP, Bd. 4, Sp. 57f. [2] -» Polyxena (I.Al). [3] Kern, Edle Tropfen, 208ff. [mk]
Pythagoras [Philosoph aus Samos, gest. um 497/96 v. Chr., begründet in Kroton eine philosophische Schule, die eine kathartische Lebensführung mit einer auf Zahlenspekulation basierenden Erkenntnislehre der Ordnung und Harmonie des Kosmos verbindet, und hat großen Einfluss auf die folgende Philosophie, zumal auf Piaton]
R: Philosoph (Al, El), gr. Astronom (Bl), Arzt (D3), Meister (Al, B2, D l , D3), Gelehrter ( D l , D2, E l , E2, E5), Naturforscher (E5), Weiser (B2), röm. Ratsherr (E4) Nf.: Piagoraten (D3), Pichtagoras (E3), Pic-
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tagoras (Bl), Pitagoras (B2, D3, E4, E5), Pithagoras (D2), Pytagoras ( D l , E2), Pythagoraß ( A l ) I.
Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen': Der weise P, der wie niemand sonst über die Natur Bescheid weiß, hat fur König Numa ein Buch über die Natur verfasst. Ρ vertritt eine „wunderliche Lehre" [1], die Fleischverzehr ablehnt, ist ein Verfechter der Wiedergeburt, behauptet, einst Euphorbus gewesen zu sein, und spricht von einer steten Veränderung der Welt, fur die er einige Beispiele nennt (15,10-473). [1] 15,25f („Eyn wunderlich und seltzam Ler/ Welche fiirwar nit gut ζ thün wer") ist natürlich ein Zusatz von A l , Ovid steht ja auf Pythagoras' Seite. Dort schreibt Ρ außerdem kein Buch für Numa, vielmehr hört der junge Numa Ρ in Kroton.
Bl Wolfram von Eschenbach, ,Parzival'773,25". P, Alexander, Eraclius oder Hercules wären bessere Gewährsleute für das Wissen um die Eigenschaften der Edelsteine. Ρ hätte als klügster Mann seit der Erschaffung Adams sicher alles berichten können (Exkurs; Meisterberufung).
B2 Albrecht, Jüngerer Titurel' 331,2: Diejenigen, die die Lehren des weisen Gelehrten Ρ studiert haben [gemeint sind wohl Zahlen- und Proportionslehre], loben deren meisterhafte Umsetzung bei der Errichtung des Gralstempels (Beschreibung des Gralstempels; Exempelfigur für Gelehrsamkeit).
Dl Thomasin von Zerklaere,,Der welsche Gast':
Der gelehrte Ρ und Chrysippus sind die besten Mathematiker (8950; Katalog der Meister der Septem Artes Liberales). Heute gibt es keinen P, Aristoteles, Zeno, Parmenides, Plato oder Anaxagoras mehr, die Wissenschaftspflege liegt im Argen (6411; Katalog antiker Gelehrter; Zeitklage).
D2 Hugo von Trimberg,,Der Renner' 14682: Ρ zählt mit Vergil, Horaz, Ovid, Statius, Plinius, Piaton und anderen zu jenen vorbildlichen Gelehrten, die trotz tugendhafter Lebensweise von Neid und Missgunst verfolgt wurden (Exempelfigur für Gelehrsamkeit; Katalog).
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Pythagoras
D3 ,.Minneburg 5415: Ρ zählt mit Avicenna, Galenus und Hippocrates zu den von Gott befähigten Meistern der Heilkunst. Mit der Liebeskrankheit haben sie sich allerdings nicht beschäftigt, weil sie die Liebe als zu mächtig erkannten (Katalog). El Williram von Ebersberg, ,Hohes Lied': P, Piaton, Aristoteles und Socrates versuchten den Schöpfer aus der Schöpfung zu erklären (Kap. 48,1-41; Katalog). E2,Kaiserchronik': Weise Männer wie Ρ haben zwar den Himmel und die Gestirne erforscht, Gott aber hat die ganze Welt erschaffen (3527; 3569; Theologisches Streitgespräch; Meisterberufung). E3 Rudolf von Ems,, Weltchronik'2935: Ρ und Sibylla stammen von der gr. Insel Samos (Weltbeschreibung; Katalog der gr. Inseln). E4 Jans Enikel, , Weltchronik', Prosa nach 20942: Zu den Ratsherrn in Rom zählen u.a. P, Plato, Pompeius, Seneca, Sybilla, Aristoteles, Demetrius, Hippocrates und Esdras (Katalog röm. Ratsherrn). [1] [1] Als mögliche Quelle für den Prosaeinschub verweist Strauch (Hg.), 400, Anm. 3 auf eine Stelle in ,De imagine mundi' des Honorius Augustodunensis (PL 172, Sp. 177; „de consulibus et dictatoribus Romae"), die freilich bloß ein Muster abgibt. Die dort genannten Namen decken sich nur zum geringen Teil mit der Liste von E l .
E5 Heinrich von Neustadt, ,Gottes Zukunft' 4803: Der edle und integre P, Hippocrates, Ptolemaeus, Galenus, Seneca und Aristoteles dienten Gott durch die Erforschung der Natur. Mit dem Einzug Christi in den Himmel endete die Klage dieser edlen Heiden. Der Dichter vertraut darauf, dass sie erlöst sind (Katalog). II. 1) Ρ im MA; 2) Gestalt und Lehre in der mhd. Literatur; 3) Anspielungen
1) Ρ zählt zu den markantesten Erscheinungen der vorsokratischen Philosophie und war weit über den Bereich der Naturwissenschaft hinaus von hohem Einfluss. Er gründete eine eigene, esoterische Schule, die gleichzeitig einer spezifischen Lebensführung verpflich-
tet war. Wichtig ist er zumal wegen seiner grundlegenden mathematischen Erkenntnisse und seiner zahlenphilosophischen Spekulationen. Seine Bedeutung für die gesamte Philosophiegeschichte resultiert nicht zuletzt aus seinem Einfluss auf Piaton. Uber neuplatonische und gnostische Traditionen wird die pythagoreische Zahlenmystik auch an das MA vermittelt. Sie spielt zumal in der Artes-Disziplin der Musik eine Rolle, Ρ galt außerdem als Autorität in der Geometrie, man schrieb ihm u.a. die Erfindung des Rechenbretts („Abakus") zu. [1] 2) Die relativ hohe Zahl an Nennungen in der mhd. Literatur unterstreicht die Bekanntheit des Namens auch im volkssprachlichen Bereich. Genauere Kenntnisse der Person und der pythagoreischen Lehre werden freilich bestenfalls in Ansätzen vermittelt, so in dem offensichtlich auf die Zahlenlehre anspielenden Beleg in B2 und in der Nennung als Mathematiker und Meister der Artes in D1. In direktem Bezug auf Ovid verweist A l auf P's Vegetarismus, der hier als sonderbare Lehre ausgewiesen ist, und auf P's Spekulationen zur Seelenwanderung, die der christliche Autor natürlich nicht teilen darf. Von P's Abstammung aus Samos weiß El (direkt nach ,De imagine mundi' des Honorius Augustodunensis, PL 172, Sp. 132a). 3) Die übrigen Erwähnungen fallen im Rahmen der üblichen Gelehrtenkataloge (Β 1, D2, D3, El, E4, E5), in Dl und D2 verbunden mit dem Topos der Zeitklage bzw. der Missachtung der Gelehrsamkeit. Ρ gilt allgemein als Gelehrter (B2, D l , D2), als Philosoph (Al, E4), als Mathematiker (Dl), Astronom (El), Naturforscher (E5) und Arzt (D3). In E5 repräsentiert er den Typus des edlen antiken Heiden, der Gott ahnte und für den der Erzähler daher die Erlösung erwartet. Diese Vorstellung verbindet sich ansonsten v.a. mit Vergil, Ovid oder Seneca, die dem MA mithin als „Kryptochristen" gegolten haben. [1] S.v. Pythagoras Bd. 7, Sp. 339f.
υ. Samos
(F. Schmeidler), in: LMA,
Pythia — Python Nachbenennungen Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' (Pytagoras): P, einer der Bastardsöhne des Priamus, kämpft unter Hectors Führung (4711; 5506; 5520). Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg' (Pyctagoras)·. P, ein Halbbruder Hectors, befehligt die fünfte Schar im Heer der Trojaner (29978-30072). [1] Albrecht, Jüngerer Titurel' 3248,3 (Pitagoras): Name eines vorbildlichen sarazenischen Ritters. [1] Die Gestalt ist aus dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure (7914) übernommen. Es könnte möglicherweise eine bewusste Identifikation mit dem Philosophen vorliegen, angeregt durch Ovid (MM 15,161), wo Pythagoras als Beweis für die Seelenwanderung behauptet, einst als Euphorbus vor Troja gekämpft zu haben. [mk]
Pythia
Sibylla
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Python [Bei Delphi hausender Drache, wird von Apollo getötet, der daraufhin die Pythischen Spiele gründet; M M 1,438]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Ρ entsteht nach der Sintflut und ist die größte Schlange (1,787; Sintflut). Auf Bitten der verängstigten Menschen erschießt Apollo sie mit tausend Pfeilen und stiftet zum Gedenken an den siegreichen Kampf das Fest Pythia (1,817). Nachbenennung Wirnt von Grafenberg, .Wigahis' (Pfetan): Ρ ist ein Drache mit stinkendem Atem, einem scharfen Schnabel, langen Zähnen, Hornschuppen, Greifenfüßen und Flügeln. Er wird von Wigalois getötet (4956; 5013). [1] [ 1 ] Für eine Herleitung des Namens von Ρ plädiert Kapteyn (Hg.), Reg. Wie der Vermittlungsweg gelaufen sein soll, ist allerdings fraglich. [mk]
Q Quintiiianus [Μ. Fabius Q, ca. 35-100 η. Chr., bedeutender röm. Lehrer der Rhetorik, Anhänger des klassischen Stils Ciceros, Verfasser der zwölf Bücher umfassenden ,Institutio oratoria']
D l Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast' 8948 (Quintiljan): Q, Cicero und Sidonius sind die hervorragendsten Meister der Rhetorik (Uber die Septem Artes Liberales; Katalog von Artes-Autoritäten). [1]
[1] Q g i l t das ganze M A hindurch gemeinsam mit den auch hier genannten Cicero und Sidonius als maßgebliche Autorität in der Kunst der Rhetorik. Seine ,Institutio oratoria' zählt neben der ,Rhetorica ad Herennium', die man im M A Cicero zugeschrieben hat, zu den einschlägigen Lehrbüchern und ist entsprechend gut überliefert; zu Bedeutung, Überlieferung und Rezeptionsgeschichte Curtius, Europäische Literatur, bes. 46flf. und 72ff. und s.v. Quintiiianus (F. Brunhölzl), in: LMA, Bd. 7, Sp. 371-373. Der singulare Beleg in D1 unterstreicht die Bildung des Autors und die Leistung, die der Text in der Vermittlung von Bildungswissen an das höfische Publikum erbringt. [mk]
R Remnon
Remus [1]
[Gefolgsmann des Darius aus Arabien, fällt im Kampf gegen Nicanor; Chätillon V.133]
[König von Ciconia, Verbündeter der Trojaner; Dares L/G 22,18; Benoit 6713]
Al Ulrich von Etzenbach, ^Alexander' (Rennon): R: König von Sytenenia bzw. Zizonien (Al), Der hochgemute und treffliche R wird von von Zelonia (A2) Nicanor im Zweikampf getötet, seine Männer I. ergreifen die Flucht (13631-13691; Schlacht bei Arbela). Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. R unterstützt mit sieben Grafen, vier Herzö[sks] gen und vielen Rittern die Trojaner (4005; Katalog), kämpft in der Schar des Deiphobus gegen die landenden Griechen (4689; Remulus [1] Katalog) und wird von Menelaus verwundet [Beiname des Rutulers Numanus, Schwager des Turnus, [1] (5184-5244; als Kämpfer genannt: 6845; wird von Ascanius getötet; Aeneis IX,593, RdE 5454 6983; 14825). Romulus]
[1] Der Wortlaut „und sluoc [Menelaus] im [Remus] die Stirn enzwei" (5244) lässt an eine tödliche Verwundung den-
Al Heinrich von Veldeke, .Eneasroman 7052 ken, Remus wird aber später wieder als Kämpfer genannt. (Romulus): R, der Schwager des Turnus, wird A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg·. Der im Kampf um Italien von Ascanius getötet. edle und tapfere König R ist ein Verbündeter [sks] der Trojaner (24872; Katalog), gehört der Schar des Polydamas an (29863; Katalog), kämpft gegen Menelaus und wird verwundet (32112-36681). Remulus [2] A3 ,Götttveiger Trojanerkrieg' 24879: R war [König von Alba, Nachfolger des Aeneas, wird vom Blitz erschlagen; M M 14,616] bei der Schlacht zwischen Agamemnon und Segramans auf dem Feld Belphegos dabei, Al Albrecht von Halberstadt,,.Metamorphosen': konnte aber die Zahl der Toten nicht genau R und sein Bruder Acrota folgen ihrem Vater angeben (Quellenfiktion). Tiberinus als Herrscher über Italia. R verachtet den Himmelsblitz so lange, bis er von diesem II. erschlagen wird (14,604; 14,606; Katalog der Ein Trojakämpfer namens R wird in den Könige Italiens). [1] Redaktionen G und L des Trojaberichts von [1] Bei Ovid ist von der Nachahmung des Himmelsblitzes Dares Phrygius genannt. Es handelt sich um die Rede. Was man sich unter dieser frevelhaften Anmaßung genau vorzustellen hat, bleibt im Dunkeln. Möglicherweise eine Variante zu Euphemus, dem traditionellen handelt es sich um einen Reflex der Sage von Salmoneus, Verbündeten der Trojaner aus Kikonien, der der mit seinem Wagen Blitz und Donner nachgeahmt haben schon in der ,Ilias' (2,846) belegt ist. Möglisoll und die nämliche Strafe zu gewärtigen hatte (Vergil, cherweise ist in der Nf. eine Nachbenennung Λεηείβ' VI,585ff.). nach dem Zwillingsbruder des Romulus zu [mk]
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Remus [2] — Rhadamanthys
erkennen, der in der ma. Antikerezeption nur von untergeordneter Bedeutung ist. [1] Die ma. Trojaromane Al und A2 übernehmen die Gestalt jedenfalls aus dem ,Roman de Troie' des Benoit de Sainte-Maure, der sie direkt aus Dares bezieht, zugleich aber auch einen Euphemus kennt (ebenso Al). In A3 ist R nach dem Beispiel von Dares oder Dictys als Augenzeuge der Schlacht zwischen Agamemnon und Segramant aufgefasst und soll den hier erfundenen „Persischen Krieg" Agamemnons beglaubigen. Ob die Gestalt mit R in Al und A2 oder mit dem später genannten gleichnamigen Dienstmann des Romulus identisch ist, ist nicht zu entscheiden. [1] -* Romulus und Remus. [mk]
Remus [2]
Romulus und Remus
Rhadamanthys [Sohn des Zeus und der Europa, Bruder des Minos, mythischer Gesetzgeber auf Kreta, Totenrichter in der Unterwelt]
G: Sohn des Iuppiter (El, E2) W: Gottheit (El, E2), gefallener Engel (Bl) R: Herr der Hölle (Al) Nf.: Radamant (Bl), Radamantis (E2), Radamantum (El), Radamantus (Al) I. Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman': R ist der Herr der wirklichen Hölle („rehte helle") und quält die dort befindlichen Seelen (3402). Er rechnet ihnen fortwährend ihre Untaten vor (3476; 3483) und lässt im Besonderen den Riesen Tityus, der Diana zur Frau begehrt hat, von Geiern martern (3522; 3556; Unterweltfahrt des Aeneas). Bl Wolfram von Eschenbach, ,Parzival'463,11: Die Engel R, Astiroth, Belcimon und Belet standen auf der Seite Luzifers und wurden wegen ihres Hasses gegen Gott schwarz wie die
Hölle (Exemplum des Einsiedlers Trevrizent an Parzival, nicht länger mit Gott zu hadern). El Otto von Freising, ,Laubacher Barlaam' 11123: R ist einer der zahlreichen im Ehebruch gezeugten Söhne Iuppiters, die aus christlicher Sicht die Verwerflichkeit des gr. Götterglaubens unterstreichen (Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden; Götterkatalog) . E2 Rudolf von Ems, ,Barlaam' 10024: Inhalt wie El. II. R ist erstmals in Piatons ,Apologie' (4la) als Totenrichter belegt. [1] Dem MA ist er durch Ovid und Vergil bekannt, zählt jedoch insbesondere in den Volkssprachen nicht zu den prominenten Gestalten. Seine Rolle als Richter in der Unterwelt und Bestrafer der bösen Seelen erinnert nur Al nach der entsprechenden Stelle im afrz. , Roman d'Eneas' (2729), die direkt auf Vergils Aeneis' (VT,566ff.) zurückgeht. Unerwähnt bleibt das vergilianische Motiv, dass R von den Toten Geständnisse erpresse. R ist in Al wie im ,Roman d'Eneas' als Teufelsgestalt gefasst (die gleichwohl gerechterweise bestraft), eine der wenigen deutlichen christlichen Adaptionen bei der Beschreibung von Aeneas' Unterweltfahrt. Sein Sitz, „die richtige Hölle", ist keine genuin christliche Kategorie, sondern ein Reflex des antiken Tartaros. Wie sich R in den Katalog der gefallenen Engel von Bl verirrt, ist nicht klar. Die Stelle wird sich wahrscheinlich aufAl beziehen. [2] Dass es sich um eine antike mythologische Figur und keine Teufelsgestalt aus jüdischchristlicher Tradition handelt, war Β1 dabei offensichtlich nicht bewusst. Die beiden Belege in El und E2 geben keinerlei Auskunft über R's Wesen, sondern beschränken sich auf die bloße genealogische Nennung R's als Sohn Iuppiters. [1] S.v. Rhadamanthys (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 4, Sp. 1389. [2] Kern, Edle Tropfen, 367. [mk]
Rhamnes — Rhesus Rhamnes [Rutuler, Seher im Heer des Turnus, wird von Nisus im Schlaf getötet; Aeneis IX,324; RdE]
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman' 6660 (Ramnes, Anes): Der weise R, ein Prophet im Heer des Turnus, wird von Nisus im Schlaf überrascht und getötet (Kampf um Italien). [sks]
Rhea [Tochter des Uranos und der Ge, Gattin des Kronos, Mutter der Kroniden]
E l Rudolf von Ems, ,Barlaam' 9902 (Rea)\ R hat dem Saturnus zahlreiche Kinder geboren und Unrechte Zauberei betrieben. Gemeinsam mit ihrem Gatten gibt sie aus christlicher Sicht ein Beispiel für die moralische Verwerflichkeit der gr. Götter (Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden; Götterkatalog). [mk]
Rheo mithres [Feldherr des Darius; Curtius III. 11,10]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 7488 (Reomitres)·. Herzog R kämpft auf Seiten der Perser gegen die Makedonen und fällt durch Alexander (1. Schlacht der Griechen gegen die Perser). [sks]
Rhesus [Verbündeter der Trojaner aus Thrakien, wird von Ulixes und Diomedes während ihres nächtlichen Spähganges im Schlaf erschlagen]
R: König (A3) G: Verwandter des Priamus; Vater des Archelochus (A2) Nf.: Theseus (A2), Resus (A2, A3) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': R und Dolon seien von Ulixes des Nachts
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auf hinterhältige Weise getötet worden, weil dieser, Aiax zufolge, bei Tag nicht zu kämpfen wage (13,143; Streit um die Waffen des Achilles; Rede des Aiax). Für Ulixes gibt die Tötung R's, Dolons und anderer hingegen ein Beispiel für seine Tapferkeit (13,372; Rede des Ulixes). A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. R aus Therasche [Thrakien] unterstützt mit seinem Sohn Archelochus die Trojaner (4063) und kämpft in der Schar des Troilus (4665; 5012). [1] [1] Später wird ein gr. Kämpfer namens „R aus Aresse" genannt, der von Deiphobus getötet wird. Dieser raubt dann seine Pferde (11553-11618). Die Nf. bezieht sich auf den bei Benoit de Sainte-Maure genannten Resa, der ebenfalls auf R bei Dares zurückgeht, vgl. unten II.
A3 Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg, Fortsetzung 43399: R fällt wie zahlreiche weitere Trojaner in derselben Schlacht wie Hector (Katalog). II. R ist in der antiken epischen Tradition ein heldenhafter thrakischer Wagenkämpfer (,Ilias' 10,434ff„ Aeneis' 12,347ff., .Metamorphosen' 13,243ff). In der nachhomerischen Uberlieferung sind seine Pferde von Bedeutung, da Troja einem Orakelspruch zufolge nicht erobert werden kann, wenn sie trojanisches Gras und Wasser zu sich genommen haben. Eine Anspielung darauf findet sich in Vergils Aeneis' (l,469ff.). [1] Der Beleg in Al folgt direkt Ovids .Metamorphosen' (13,98ff.). Die Tötung des R durch Ulixes gibt beim Streit um die Waffen des Achilles einmal ein Exemplum für Ulixes' Feigheit, einmal für dessen Tapferkeit. Das Motiv von der Erbeutung von R's Pferdegespann und kostbarem Wagen (MM 13,248ff.) bleibt in Al unerwähnt. Konzeption der Gestalt und Nf. in A2 gehen auf den ,Roman de Troie' Benoits de SainteMaure zurück. Dieser verdoppelt den bei Dares Phrygius genannten R in einen Thraker Heseus und einen „Resa aus Aresse" (495). Ebenso ist es in A2, die Nf. Theseus basiert
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Rhodope — Romulus und Remus
auf einer Variante bei Benoit. Resa gilt bei Benoit zunächst als Verbündeter der Trojaner, wird dann aber widersinnigerweise von Deiphobus getötet. In A2 ist er als gr. Kämpfer gefasst. In dem von Benoit und A2 berichteten Raub seines Pferdes durch Deiphobus könnte (über Vermittlung von Ovids Metamorphosen') eine Reminiszenz des antiken epischen Motivs vorliegen. Die Nennung R's in A3 bezieht sich unmittelbar auf den Trojabericht des Dictys Cretensis (54,22). [1] S.v. Rhesos (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 4, Sp. 1395f., hier 1395.
Rhodope
[mk]
Haemus und Rhodope
Ripheus [Kentaur, wird im K a m p f gegen die Lapithen von Theseus erschlagen; M M 12,352]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12,600 (Ripheas): Der Riese R [1], dessen Mund von Bäumen umwachsen ist, [2] wird von Theseus mit einem Eichenast erschlagen (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf; Katalog). [1] Die Deutung der Kentauren als Riesen greift auf Vorstellungen zurück, die dem dt. Publikum aus der Heldendichtung bekannt sind ( - » Centauri). [2] Der Wortlaut in A l „dem der mundt/ Rundt umb von allen bäumen stundt" (12,600f.) ergibt wenig Sinn. Die Stelle bezieht sich auf „summis exstantem Riphea silvis" bei Ovid („Ripheus, der höchste Bäume überragte", M M 12,352). Vielleicht wäre in „über alle bäume stundt" zu korrigieren. [mk]
Rhoetus [1] [Gefährte des Phineus, wird beim K a m p f auf dem Hochzeitsfest des Perseus als erster getötet; M M 5,38]
Romulus und Rem us
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,65 (Retos): R wird von jenem Speer, den Perseus gegen Phineus schießt, mitten in die Stirn getroffen und getötet. Daraufhin kommt es zum Ausbruch eines heftigen Kampfes zwischen Pereus' und Phineus' Gefährten (Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus).
[Zwillingsbrüder; Söhne der Rea Silvia und des Mars, sie werden ausgesetzt und von einer Wölfin gesäugt, Romulus gründet R o m und tötet Remus]
[mk]
Rhoetus [2] [Kentaur, kämpft gegen die Lapithen; M M 12,271]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Rhetus): Der Riese R [1] schlägt Charaxus mit einem brennenden Scheit aufs Haupt, worauf dessen Haare Feuer fangen, verhöhnt den Verwundeten und erschlägt ihn. Er tötet außerdem Euagrus und fällt schließlich durch Medon [2] (12,498; 12,516; Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf). [1] Die Deutung der Kentauren als Riesen greift auf Vorstellungen zurück, die dem dt. Publikum aus der Heldendichtung bekannt sind ( - » Centauri). [2] Bei Ovid ( M M 12,271 ff.) fällt R nicht durch Medon, der selbst ein Kentaur ist, sondern durch den Lapithen Dryas. [mk]
G: Brüder (Al, El, E2), Romulus ist Sohn des Mars (A2) bzw. des Carmelus [!] (A3) und Enkel des Iuppiter (A2) R: Romulus ist König von Italia (A2) und Herrscher von Rom (E2), Romulus (Al, A3, D l , El) und Remus (Al, A3, El) sind die Gründer Roms, Remus ist Dienstmann des Romulus (A3) Nf.: Remuss (A3); Remulus (A3), Rimulus (A3), Romolus (E2), Rymuluss (A3) I. Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman\ Romulus und Remus stammen aus dem Geschlecht des Silvius Aeneas und gründen die Stadt Rom, die nach Romulus benannt ist (13365-13372; Katalog der Kaiser Roms; 3674: Prophezeiung des Anchises, VD). A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Der tapfere und gerechte Romulus bekämpft die nachts in Rom einfallenden Sabiner, übernimmt von dem in der Schlacht gefallenen
Romulus und Remus Tacitus die Herrschaft über Italien und beendet den langen Zwist mit den Sabinern. Auf Bitten des Mars soll er vergöttlicht werden und wird, als er gerade zu Gericht sitzt, vor aller Augen entrückt. Wegen seiner Wohltaten verehren ihn die Römer als Gott (14,627; 14,632). A3 ,Göttweiger Trojanerkrieg': Der freigebige, kampferprobte und vermessene Romulus erbt nach dem Tod seines Vaters Carmelus die Herrschaft über Pamphylien, verkauft sie an Hierobal und zieht mit 3000 schatzbeladenen Elefanten nach Griechenland, wo sich ihm der verarmte, aber tüchtige Remus [1] anschließt. Remus wird zu Aeneas nach Kreta geschickt, um ihn für einen Aufstand gegen Agamemnons Sohn Memnon anzuwerben. Die drei werden auf dem Feld Estrelo, auf dem später Konstantinopel errichtet werden wird, vernichtend geschlagen, segeln nach Sizilien und gründen in Italien Rom. Romulus legt den Grundstein der Stadt, sein Nachfolger wird Decius (24936-25102; Gründung Roms; 25147: Zusammenfassung). [1] Remus könnte auch mit dem 24879 genannten Remus (Augenzeuge des „Persischen Krieges" Agamemnons) identisch sein; -* Remus [2],
Dl Hugo von Trimberg,,Der Renner' 15457: Romulus gründete 700 Jahre vor Christi Geburt Rom. El,Kaiserchronik': Die edlen, vornehmen und mächtigen Romulus und Remus gründen das prächtige, gerühmte Rom, dem seither alle Reiche dienstbar sind (53; 54). E2 Jans Enikel, , Weltchronik': Romulus und Remus werden von ihrer Mutter aus Armut im Wald ausgesetzt, von Wölfen an den Platz getragen, wo nachmals Rom entstehen soll, und von Hirten erzogen. Als gewählter Gebieter zieht der treffliche Romulus mit dem Ochsenpflug die Grenzen der zu gründenden Stadt. Wer diese überschreitet, wird vor ihn geführt und zum Tode verurteilt. Als Remus während der Jagd irrtümlich die markierte Stelle überquert, muss auch er sterben. Die Stadt wird zunächst nach dem Fluss, an dem sie liegt, Albula benannt, später erhält sie zu
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Ehren des Romulus dessen Namen (2008720172; Gründung Roms). Nach ihm herrschen fiir 243 Jahre bis zu Tarquinius sieben Kaiser über Rom (Prosa nach 21536). II. 1) Die Gründungssage Roms im MA; 2) Mhd. Belege
1) Die Sage von der Gründung Roms durch Romulus und Remus fand in den Büchern Ab urbe condita' des Titus Livius ihre kanonische und historiographische Fixierung und zählt mit der Aeneassage zu den röm. Nationalmythen. [1] Im MA war sie — wie auch die mhd. Belege zeigen - durchaus allgemein bekannt und bildete eines der profangeschichtlichen Grunddaten in der lat. Weltchronistik. [2] Von der poetischen wie politischen Wirkung her sollte ihr freilich die Aeneassage — nicht zuletzt dank Vergils Epos - den Rang ablaufen. Für die in der ma. Geschichtsauffassung grundlegende Idee einer translatio imperii, der Übernahme röm. Weltherrschaft durch christliche Dynastien, spielen Romulus und Remus keine Rolle, die entsprechende genealogische Anbindung erfolgte grundsätzlich immer über Aeneas und Troja. Analoges gilt für das Interesse der volkssprachlichen Literaturen, das sich in Romanen, chronistischen Berichten und Anspielungen auf die Aeneassage konzentriert. Im dt. Bereich liegt mit E2 die erste narrative Ausgestaltung erst sehr spät vor (um 1270/80). Die Chronik zeigt insgesamt eine deutliche Tendenz zum anekdotischen bis fabulösen Bericht, die sagenhaften Motive der Romulus-Sage kommen dieser Haltung zupass. Einzelne Motive, wie der Tod des Remus, werden dabei umgedeutet. Dass die Darstellung auf mündlicher Überlieferung beruht, [3] darf bezweifelt werden. Eher liegt ein Einfluss der lat. Chronistik vor. 2) Die übrigen Belege für die Gründung Roms durch Romulus bringen nur knappe Erwähnungen, in El wird Remus als Mitbegründer nicht genannt. Al folgt über den afrz.,Roman d'Eneas' (2950; 10152) mittelbar den Anga-
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Roxane
ben bei Vergil. Eine eigenständige RomulusHandlung entwickelt A3, der Text zeigt auch sonst einen überaus freien Umgang mit den traditionellen Motiven. Bemerkenswert ist die deutlich negative Zeichnung von Romulus und Remus, jener erscheint als politischer Abenteurer, dieser wird zum Dienstmann degradiert. [4] Der Name der Stadt wird in Al wie in E2 auf Romulus zurückgeführt. A2 erwähnt entgegen Ovids,Metamorphosen' (14,774) die Gründung Roms im Zusammenhang mit Romulus überhaupt nicht, sondern referiert bloß dessen erfolgreichen Kampf gegen die Sabiner und seine Entrückung durch Mars (vgl. M M I4,799ff.). Die euhemeristische Erklärung, Romulus sei wegen seiner guten Taten als Gott verehrt worden, ist ein Zusatz von A2. [1] S.v. Romulus IL] (G. Radke), in: DKP, Bd. 4, Sp. 14551457. [2] Vgl. z.B. fur das Faktum der Gründung Roms Isidor, Etym. IX.2,84; Honorius Augustodunensis, ,De imagine mundi', PL 172, Sp. 174 (mit Erwähnung von Romulus' Blitztod); Gottfried von Viterbo, .Pantheon', PL 198, Sp. 1021; Petrus Comestor, ,Historia scholastica', PL 198, Sp. 1413; die Sage mit dem Motiv des Streits zwischen Romulus und Remus (wegen der Namensgebung) referiert das .Chronicon universale' des Ekkehard von Aura, PL 154, Sp. 532. [3] Strauch (Hg.), 382, Anm. 2. [4] Vgl. Kern, Agamemnon weint, 231 f. [mk]
Roxane [Historisch die Tochter des Oxyartes, in der späteren Alexandertradition auch die des Darius, Gattin Alexanders d. Gr.]
G: Tochter des Darius (Al, A2, A3), Gattin Alexanders (Al, A2, A3, E l ) R: Königin (A2, A3, El), vrouwe (Epitheton) (A2) Nf.: Rosane(n) (A2), Roxa (A3), Roxanie (Al) I. A l Pfaffe Lamprecht, Alexander' S3990: Die schöne und edle R wird von ihrem Vater Darius auf dem Sterbebett in die Obhut
Alexanders gegeben, der sie krönt und heiratet (Tod des Darius). A2 Rudolf von Ems, Alexander': R, die schöne und edle Tochter des Darius, gerät nach der ersten Schlacht zwischen Persern und Griechen in makedonische Gefangenschaft (7599). Auf Wunsch ihres sterbenden Vaters soll sie mit Alexander verheiratet werden. Dieser entspricht dem und lässt R krönen (15025; 15084; 18340). A3 Ulrich von Etzenbach, Alexander'·. Die schöne, liebliche und treue R wird auf Wunsch des sterbenden Darius mit Alexander verheiratet und bittet ihren Gatten erfolgreich um die Freilassung der persischen Gefangenen (17208). Während Alexanders Meerfahrt hält sie die Ketten der Glaskugel und soll sie auf sein Zeichen hochziehen lassen. Sie lässt sie aber - entweder aus Rache für ihren toten Vater oder aus Schwäche — los. Als Alexander mit Mühe wieder an die Oberfläche kommt, beteuern alle, dass R die Ketten ohne Absicht losgelassen habe ([24225]; 24287). Später empfängt sie Alexander nach seiner Heimkehr von einem weiteren Eroberungszug (26147). Sie ist die Schönste auf dem Fest in Babylon (26847), hält den vergifteten Alexander von einem Selbstmordversuch ab (26914) und bittet ihn, noch selbst seine Nachfolge zu regeln (26983). Nach seinem Tod lässt sie sich neben Alexanders Grabmal eine Klause errichten (27069; 27099). Später erbaut Ptolemaeus für R und Sisygambis in Alexandria einen Palast ([27191]), in dem R heimlich die Gebeine Alexanders aufbewahrt ([27219]). El Jans Enikel, , Weltchronik' [19242]: Als die edle und schöne Lieblingsfrau Alexanders während Alexanders Meerfahrt die Ketten der Glaskugel hält, wirbt ein anderer Mann um sie und überredet sie, die Ketten loszulassen und mit ihm zu gehen. Alexander kann sich nur mit Mühe retten. II. R ist im Alexanderroman des Pseudo-Kallisthenes, bei Iulius Valerius und bei Leo
Rubricus
Archipresbyter die Tochter des Perserkönigs Darius (in der ,Expeditio Alexandri' und bei Curtius Rufus ist sie die Tochter des Oxyartes, des Anführers der Bactrier). Die mhd. Belege folgen der Kallisthenes-Tradition. Das wichtigste Ereignis ist ihre historisch für das Jahr 327 v. Chr. belegte Vermählung mit Alexander. Sie erfolgt in A2 und A3 auf Wunsch des sterbenden Darius. In A l gibt Darius R bloß in die Obhut Alexanders. R's Rolle während der Meerfahrt Alexanders (A3, E l ) ist ambivalent. Während sie in El die Ketten loslässt, um der Werbung eines anderen Mannes nachzugeben (ein offenbar sekundäres Motiv), nennt A3 als mögliche Ursachen die Rache für ihren toten Vater oder ihre Schwäche, hält aber Letzteres für richtig. Deutlich positiv gezeichnet ist R in A3 auch im Zusammenhang mit Alexanders Tod. Sie repräsentiert hier außerdem den Typus der über den Tod hinaus liebenden Frau. Für die konkrete Darstellung, insbesondere für
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das Motiv der an Alexanders Grabmal errichteten Klause, wird die um Schionatulander trauernde Sigune aus Wolframs ,Parzival' das Vorbild abgegeben haben. Für die Minnethematik, die im ma. Alexanderroman im Vergleich zu anderen Sujets grundsätzlich von geringerer Bedeutung ist, sind im Übrigen Gestalten wie Candacis (Al, A2, A3) und die Amazonenkönigin Thalestris wichtiger als R. [sks/mk]
Rubricus [Gefolgsmann des Porus, wird von Ariston getötet; Chätillon IX,210]
A l Ulrich von Etzenbach, yAlexander'·. R wird von Ariston im Kampf erschlagen (19669; 19676; Alexanders Indienzug; Kämpferkatalog). [sks]
s Sailustins [Gaius S Crispus, 86-35 v. Chr., röm. Politiker und Geschichtsschreiber]
R: Gelehrter, Meister (D2) Nf.: Salustius (Dl, D2) I. Dl Wernher von Elmendorf. Es finden sich mehrfache Berufungen auf Aussprüche S's: Man soll in allen Angelegenheiten den Rat seiner Freunde einholen (76); in allem, so auch in Hass, Zorn, Freundschaft und Gnadenbezeugung, Maß halten (538); Freunde sollen einmütig sein (689); die Herren sollen sich darum kümmern, dass sie von ihren Dienern geschätzt werden (1178). D2 Hugo von Trimberg, ,Der Renner': S wird in einem Katalog röm. Adeliger genannt, die den Wert der Kunst für Tugend und Ansehen erkannten und sie beispielhaft pflegten (1270; laus temporis actt). [1] S und Lucanus mussten am eigenen Leib die schrecklichen Folgen der Nichtachtung der weisen Alten durch die Jungen erfahren. Ihre Bücher wurden zunichte, kein Gelehrter beachtet sie heute noch (16252). [2] [1] Ferner genannt werden Numa, Maecenas, Macrobius, Vergil, Caesar, Octavian, Scipio, Cicero, Lucan, Iuvenal, Perseus, Boethius, Ovid, Statius, Horaz, Terenz, Seneca. [2] Im Unterschied zu Lucanus ist kein klarer Bezug zu S's Biographie herstellbar, wenngleich er einige Prozesse auszutragen und Anfeindungen hinzunehmen hatte.
II. S war ein Parteigänger Caesars und zog sich nach dessen Tod aus der Politik zurück. Die antike Rezeption begegnete ihm zunächst kritisch. Als Schriftsteller hatte er freilich großen Einfluss auf Titus Livius und Tacitus. Seine Kanonisierung war mit Quintilian abge-
schlossen. S zählte in der Folge auch im MA zu den Auetores. Von seinen Historien lag allerdings bloß eine Anthologie von Reden und Briefen vor, sein ,Catilina' und sein ,Bellum Iugurthinum' wurden erst ab der Renaissance wieder vollständig bekannt. [1] Die S-Rezeption des MA bleibt weitgehend dem gelehrten lat. Bereich vorbehalten. In der volkssprachlichen Literatur zählt S nicht zu den bekannteren antiken Gelehrten- und Dichterfiguren wie Plato, Aristoteles, Horaz, Ovid oder Vergil. V.a. die Belege in D2 dokumentieren daher den hohen Bildungsstand des Autors. Dl bezieht den Namen aus der lat. Vorlage, dem ,Moralium dogma philosophorum' (um 1165). Die Zitate zeigen bloß allgemeinen belehrenden Charakter. [2] Auch die Nennungen in D2 vermitteln keine spezifischen Kenntnisse, sondern stehen im Rahmen der gängigen didaktischen Topoi. [1] S.v. Sallustius [4.] (P. L. Schmidt), in: DKP, Bd. 4, Sp. 1513-1517, zur S-Rezeption Sp. 1517; bes. zur Überlieferung s.v. Sallust (F. Brunhölzl, A. La Penna), in: LMA, Bd. 7, Sp. 1306-1309. [2] Zu Vorlage und Quellenverarbeitung Bumke (Hg.), XXXIIff. Nachbenennung ^Αthis und Prophilias' Ε/81 (Salustin): Name eines Ritters. [mk]
Salmacis
Hermaphroditus
Sanballat [Statthalter von Samaria, verspricht seinem Schwiegersohn Manasse den Bau eines Jahwe-Tempels]
G: Vater der Isacha (A2), Schwiegervater des Manasse (Al) R: Herzog (A2), Richter (Al), Statthalter von Jerusalem (A2) Nf.: Sannabalach (A2), Saraballa (Al)
S a n g a — Sarpedon I. Al Rudolf von Ems, »Alexander: S wird von Darius als Richter in das Land der Juden geschickt, bricht das Recht mit Gewalt, unterstützt Manasse, will einen Tempel bauen und eilt Alexander mit 8000 Mann zu Hilfe (9901-10006; Eroberungszug Alexanders gegen Persien). A2 Ulrich von Etzenbach, Alexander'·. S, der weise persische Statthalter von Jerusalem, hat immer wieder Auseinandersetzungen mit den Juden, denen Alexander Privilegien gewährt. S verheiratet seine Tochter Isacha mit Manasse (17794-17947). Später versöhnt Alexander S undjaddua, den Hohepriester von Jerusalem, und erlaubt ihnen den Bau eines Tempels (26464-26496). II. Unter dem persischen Statthalter S kam es zur Flucht Manasses, des Bruders von Jaddua, dem Hohepriester von Jerusalem. S war Manasses Schwiegervater und gestattete ihm den Bau eines Jahwe-Tempels auf dem Berg Garizim im 4. Jh. v. Chr. (die genaue Datierung ist unsicher). [1] Die mhd. Alexanderromane Al und A2 verarbeiten das historische Geschehen im Zusammenhang mit der Einnahme Palästinas durch Alexander (ab 332 v. Chr.). Mögliche Quelle ist Iosephus Flavius. [1] S.v. Manasse [3.] (E. Kutsch), in DKP, Bd. 3, Sp. 94lf. [sks/mk]
Sanga [Sohn des Mecha, wird in der Schlacht bei Arbela von Clitus getötet; Chatillon V,81]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander'·. Der junge, mutige S kämpft in der Schlacht bei Arbela mit seinem Vater Mecha und seinem Bruder Triphon [1] auf Seiten des Darius (12119; Katalog) und wird von Clitus, an dem er den Tod seines Bruders rächen will, niedergestochen. Als Mecha seine beiden Söhne beklagen will, wird auch er von Clitus getötet (13454-13537).
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[1] In der .Alexandreis' Walters von Chatillon bleibt S's Bruder namenlos. [sks]
Sard us [Sohn des Hercules, mythischer Einwanderer Sardiniens]
D l ,Lucidarius' 17,27 (Sardinius): König S, ein Sohn des Hercules, erbaut auf Sardinien eine starke Burg (Buch 1, „Von den inseien in dem mer"). [1] [1] Zur Stelle vgl. die Nennung in ,De imagine mundi' des Honorius Augustodunensis (PL 172; Sp. 132b). Die mythologischen Daten sind wie dort historisch aufgefasst. [sks/mk]
Sarpedon [Sohn des Zeus und der Europa oder der Laodameia, Führer der Lykier vor Troja, Bruder des Minos und des Rhadamanthys]
G: Bruder des Glaucus (A2), Verwandter des Priamus (A2) R: König von Lizelant (A2), aus Licia bzw. Lauconje (A3) Nf.: Sarpidona (El, E2) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 13,374: Im Streit um die Waffen des Achilles verweist Ulixes auf die Tötung S's als eine seiner Heldentaten. A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': S und Glaucus unterstützen die Trojaner mit 3000 Rittern (3990; Katalog), bilden in der Schlacht gegen die landenden Griechen die Vorhut (4658; Katalog), S kämpft gegen Aiax Telamonius (6850; 6998; als Kämpfer genannt: 9705), wird in einer späteren Schlacht von Memnon gerettet (11010; 11017), greift mit Paris Palamedes an, wird von diesem tödlich verwundet, von Paris gerächt, von den Trojanern beklagt und beigesetzt (1170211972; 12053). A3 Konrad von Würzburg, .Trojanerkrieg': Der tapfere S ist ein Verbündeter der Trojaner (24809; Katalog) und tötet zahlreiche Griechen (36641; Katalog).
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Sataces — Saturnus
, Trojanerkrieg-Fortsetzung·. S fällt in derselben Schlacht wie Hector und wird beklagt (43376; Katalog; RV: 44090). El Otto von Freising, ,Laubacher Barlaam' 11124·. S ist eine der Töchter, die aus Iuppiters zahlreichen Affären hervorgegangen sind und die moralische Verwerflichkeit der heidnischen Götter unterstreichen (Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden; Götterkatalog). E2 Rudolf von Ems, ,Barlaam' 10025: Inhalt wie E l .
II. Der Zeussohn S spielt im Kampfgeschehen der ,Ilias' eine nicht unbedeutende Rolle. Er fällt durch Patroklos (16,4l9ff.). Dass selbst Zeus seinen Tod nicht verhindern kann, unterstreicht die Dramatik der Ereignisse. Die divergierenden Angaben in den mhd. Antikeromanen, insbesondere zu S'sTod, resultieren aus den unterschiedlichen Quellen. Dass S in Al von Ulixes getötet wird, beruht auf einem Missverständnis der,Metamorphosen' Ovids (13,255ff.), wo (mit Bezug auf ,Ilias' 5) nur von der Tötung zahlreicher Männer des Sarpedon durch Ulixes die Rede ist. A2 und A3 folgen dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure. S fällt dort wie im Trojabericht des Dares Phyrgius (34,17) durch Palamedes (Benoit 18784), so auch A2. A3 bricht zuvor ab, die Fortsetzung, die direkt nach demTrojatagebuch des Dictys Cretensis gearbeitet ist, nennt S ohne nähere Angaben in einem Katalog trojanischer Gefallener. Bei Dictys Cretensis (65,9) fällt S wie bei Homer durch Patroclus. In El und E2 ist S als Tochter Iuppiters aufgefasst. Dass Diana, die den Beinamen Sarpedonia führt, gemeint ist, erscheint unwahrscheinlich, da sich analoge Fehldeutungen im unmittelbaren Zusammenhang auch bei den Iuppiter-Söhnen Rhadamanthys und Minos finden. Die polemische Funktion der Exempla steht in der Tradition christlicher Apologetik. [mk]
Sataces [Oder Säbaces; Prätor von Ägypten; Curtius 111.11,10]
A l Rudolf von Ems, ^Alexander (Satazes): S aus Ägypten kämpft im Heer des Darius und fällt durch Alexander (7483; 1. Schlacht der Griechen gegen die Perser). Amyntas verbreitet in der Heimat die Nachricht von seinem Tod
Satibarzanes [Satrap von Areia, einer der Mörder des Darius, unterwirft sich 330 v. Chr. Alexander und fällt im Zweikampf gegen Erigyus; Curtius VI.6,13]
A l Rudolf von Ems, ^Alexander' (Sartibazanes): Der hochgeborene und kluge S überbringt Alexander die Nachricht, dass Bessus sich König nenne und viele Reiche unterworfen habe. Er selbst unterwirft sich zunächst Alexander, wechselt dann aber zu Bessus über und flieht, als Alexander gegen ihn zieht (18545; 18640; 20701). Er fällt schließlich im Zweikampf gegen Erigyus, der die Herrschaft über S's Land erhält (21105-21490; Alexanders Zug gegen Bessus). [sks]
Satropates [Führer der persischen Reiterei; Curtius IV.9,7]
A l Rudolf von Ems, ,AlexanderDer kluge Fürst und Marschall S soll für Darius die Heereswege auskundschaften und wird bei Aristona im Kampf getötet. Sein abgeschlagenes Haupt wird Alexander zu Füßen gelegt (10789; 11061; Vorbereitungen zur 2. Schlacht zwischen Griechen und Persern). [sks]
Saturnus [Gr. Kronos, Gott des Ackerbaus und der Saat, Vater des Iuppiter, unter seine Götterherrschaft fällt das Goldene Zeitalter]
W: Gott (Al, A2, A3, A5, E l , E2, E3, E4, E6), Heidengott (Bl, E5), Planet (A4, B4,
Saturnus B5, B6, D l , E5, E7), Stern (B2, C I , C2) G: Vater des Iuppiter (A2, E2, E3, E4), Gatte der Rhea (E3), Geliebter der Erigone (Al), Vater des Picus (E4) R: König von Italien (E4) I.
Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen \ Mit der Vertreibung S's vom Himmel durch Iuppiter endet das Goldene Zeitalter (1,205; Zeitaltermythos). [1] S zeugt mit der halb pferde-, halb menschengestaltigen Erigone ein Kind (6,267; Darstellung auf dem Teppich der Arachne). [ 1 ] Bei Ovid ist es nicht explizit Iuppiter, der S vom Himmel stürzt: „postquam Saturno tenebrosa in Tartara misso/ sub love mundus erat" („Nachdem S in den finsteren Tartaros geschickt worden war, stand die Welt unter Iuppiters Herrschaft"; M M 1,112f.).
A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg' 14456·. S wollte Iuppiter töten, weil er ihn einer Weissagung zufolge an Ruhm übertreffen sollte (Exkurs). [1] [1] D i e Anspielung findet sich im Rahmen eines Disputs zwischen Thetis und Achilles. Thetis will ihren Sohn dazu überreden, sich als Frau zu tarnen, um nicht am Trojanischen Krieg teilnehmen zu müssen, und verweist dabei u.a. auf Iuppiter, der dasselbe gemacht haben soll. Achilles lässt das Exemplum nicht gelten, weil Iuppiter aus den oben genannten Gründen gehandelt habe.
A3 ,Göttweiger Trojanerkrieg' 12213: Agamemnon bringt seinen Lieblingsgöttern S, Iuppiter und Mars Dankopfer für Hectors [!] Sieg über Critogolan, der Athen bedroht hatte, dar. In Wahrheit half den Griechen aber Gott, obwohl sie Heiden waren.
A4 Ulrich von Etzenbach, »Alexander' 8385: Zoroas von Ägypten, der gelehrteste Mann aller Zeiten, weiß um die Ordnung der Planeten S, Venus, Mercurius, Mars und Iuppiter, kann aus den Gestirnen Naturereignisse und die Zukunft der Menschen ablesen und sieht seinen Tod im Kampf gegen Alexander voraus.
A5 Heinrich von Neustadt, »Apollonius'4257: Apollonius erwartet für seine Dienste an S und den anderen Göttern auch deren künftige Hilfe (Katalog). [1] [1] An weiteren Göttern werden Iuppiter, Diana, Venus, Iuno, Pallas Athene, M a h m e t [!] und Tervigant [!] genannt.
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B1 Pfajfe Konrad, ,Rolandslied' 2652: Der Sarazenenkönig von Alerie verehrt die drei Götter S, Iuppiter und Mars.
B2 Wolfram von Eschenbach, ,Parzival': Wenn der Planet S seinen Höchststand erreicht, schmerzt Anfortas' Wunde am heftigsten (489,24; 492,26; 493,1; Lehrgespräch des Einsiedlers Trevrizent mit Parzival). S zieht seine Bahn über allen anderen Sternen. Ebenso konnte sich auch mit Cidegast, Orgeluses früherem Geliebten, niemand messen (613,21; Klage der Orgeluse). B 3 Stricker, ,Karl'3118: Die Statuen der Götter S, Mars und Iuppiter werden vom König von Tanebri auf der Heerfahrt gegen die Christen mitgeführt (Katalog). B 4 Albrecht, Jüngerer Titurel': S ist einer der sieben Planeten, die auch die sieben Tugenden verkörpern und den Weltenlauf aufrechterhalten. Er lehrt Beständigkeit (2803,2; 2804,4; astronomischer Exkurs; Planetenkatalog).
B5 ,Reinfried von Braunschweig': Auf der Decke einer kostbar ausgestatteten Burg sind die Sphären der sieben Planeten abgebildet. S's heftige Wirkung verursacht kein Ungemach, da Iuppiter seinen Lauf besänftigt (18630; Descriptio). Der Grieche Sabilon, der im Jahr 1200 v. Chr. mit Hilfe der Astronomie die Geburt des Erlösers vorausgesagt hatte, fand auf Drängen seiner jüdischen Mutter heraus, dass diese mit Hilfe des Sternenlaufes, v.a. des S, zu verhindern wäre (21386; Exkurs).
B6 Johann von Würzburg, , Wilhelm von Osterreich': Sonne, Mond und die Planeten S, Mars, Mercurius, Iuppiter und Venus lassen das von Vergilius konstruierte Astrolabium taghell erstrahlen (4995). Auf der Dachplane eines kostbaren Festzeltes sind die Planeten S, Luna, Mercurius, Venus, Sol, Mars und Iuppiter kunstvoll in Kreisform dargestellt (15436; Descriptio). C1 , Wartburgkrieg' 17,7: Steht der Stern S im Osten, so ist dies ein Wunder. C 2 Der Meißner, X.7,4: Der Sänger beklagt den widrigen Lauf der Sterne und will S, Sonne, Mond, Venus, Iuppiter, Mars und
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Saturnus
Mercurius ehren, wenn sie seiner wieder gnädig sind. Dl Thomasin von Zerklaere,,.Der welsche Gast' 2363: S ist der oberste der sieben Planeten, befindet sich in der Sphäre zwischen fünftem und viertem Element und ist kalt und trocken (Elementenlehre; Planetenkatalog). El ,Kaiserchronik'·. Die Römer ehren S jeden Samstag in der Rotunde [dem Pantheon] , danach singen und tanzen sie im Freien (174; röm. Götter und Wochentage). Faustinianus glaubt an die Gottheiten S, Luna, Mars, Iuppiter und Venus und opfert ihnen. S verlangt Gold als Opfergabe. Kein Gott kann die Menschen vor S's Zorn bewahren, er schenkt ihnen aber auch Freude (3731; theologisches Streitgespräch zwischen Faustinianus und Petrus). E2 Otto von Freising,,Laubacher Barlaam'·. S gibt im Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden ein Beispiel für die Lasterhaftigkeit der gr. Götter: Er war ein Mörder und Dieb, fraß in seinem Wahnsinn viele seiner Kinder auf, wurde von Iuppiter kastriert, ermordet und in die Hölle geworfen (11058; 11073; Exempelfigur; Götterkatalog). E3 Rudolf von Ems,,Barlaam': Im Glaubensdisput mit dem Christen Barlaam stellen die Griechen S als mächtigen und herrlichen Gott dar, mit dessen Hilfe man sich der Seligkeit gewiss sein könne (9708; Götterkatalog). Aus christlicher Sicht war der törichte und wahnsinnige S freilich ein betrügerischer Zauberer, der mit Rhea zahlreiche Kinder zeugte und sie dann auffraß. Sein Sohn Iuppiter hat ihn wie einen Kapaun kastriert, seine Geschlechtsteile ins Meer und ihn selbst in die Hölle geworfen. Dies alles ist eines Gottes nicht würdig (9892; 9939; Götterkatalog) E4 Rudolf von Ems,, Weltchronik': S ist einer der Götter, die die Griechen in ihrer heidnischen Torheit verehren (3211; Katalog). Er wird von seinem Sohn Iuppiter aus Griechenland vertrieben, flieht zu Ianus, dem Herrscher von Italien, und bleibt in der nach ihm benannten Stadt Saturnia. Dort kultiviert er die wie wilde Tiere lebenden Bewohner, lehrt sie Ackerbau
und Hausbau, gibt ihnen Gesetze und führt das Geldwesen ein. Die unwissenden Leute verehren ihn deshalb als höchsten Gott. S wird nach Ianus König von Italien. Er ist Vater des Picus, der ihm nachfolgt (19991-20091; Katalog der Könige von Italien). E5 Reinbot von Durne,,Der heilige Georg'4492: Nach Meinung des heidnischen Königs Dakian herrschen jene Götter über die Welt, die den Lauf der Planeten bestimmen. S beherrscht die kalte Jahreszeit, die keine Freude bringt (Glaubensdisput zwischen Dakian und seiner bekehrten Gattin Alexandrina). E6 Jans Enikel, , Weltchronik': S werden am Samstag von den Römern Gold, Edelsteine, Münzen oder Kleidungsstücke auf einem Marmorstein geopfert (20394; 20397; röm. Götter und Wochentage). E7 Brun von Schönebeck, ,Das Hohelied': S ist einer der sieben Planeten und steht für die Angst (1438; 1455; Planetenkatalog). E8 ,Die Erlösung' 1908: Der Weissagung der Sibylla zufolge, die Vergilius verbreitet hat, werde das Reich des S erneuert wiedererstehen und ein zweiter Achilles nach Troja gesandt werden. II. 1) Motive des antiken S-Mythos; 2) Deutungen; 3) S als Planet oder Planetengott; 4) S als Gott der Sarazenen; 5) Zusammenfassung
1) Der altitalische Gott S war ursprünglich wohl ein Ackergott, wovon u.a. die röm. SFeste, die Saturnalien, zeugen. Der ihm heilige Monat war der Dezember. Sehr früh wurde er mit dem gr. Kronos identifiziert und daher u.a. allegorisch als Zeitgott aufgefasst. In der Folge wurden auch die entsprechenden Mythen auf ihn übertragen, namentlich der Zeitaltermythos und der so genannte Sukzessionsmythos. Wie Kronos galt S als Herrscher des Goldenen Zeitalters, so etwa in Vergils vierter Ekloge oder in Ovids .Metamorphosen'. Von seinem Sturz durch Iuppiter wird ebenfalls bei Ovid berichtet. [1] Beide Motive dominieren die ma. Myelographie [2] und werden auch in den dt. Bele-
Saturnus gen reflektiert. Direkt nach Ovid verarbeitet A l Zeitaltermythos und Himmelssturz. Eine Anspielung auf den Sukzessionsmythos findet sich in A2. Er wird in E2 und E3, allerdings in euhemeristischer Deutung, ausführlich erzählt: S ist hier ein Zauberer, der im Wahnsinn seine Kinder frisst und schließlich von seinem Sohn Iuppiter entmannt und in die Hölle geworfen wird. Die scharfe Polemik entspricht der Tradition christlicher Apologetik, in der die beiden Texte stehen. In E4 resultiert sie aus der heilsgeschichtlichen Perspektive einer ma. Weltchronik. Der lat. chronistischen Tradition entspricht auch die folgende historische Interpretation: S ist als Kulturbringer aufgefasst, die Angaben basieren auf bereits antiken Rationalisierungen der Aspekte des Vegetationsgottes. Konkret bezieht sich E4 auf das ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 519), eine der Nebenquellen des Textes. Reflexe des röm. S-Kultes bieten El und (von El abhängig) E6: S ist der Samstag heilig, er wird im Pantheon verehrt. Dass ihm Gold und sonstige Reichtümer dargebracht werden, erinnert vielleicht das Motiv seiner Herrschaft während des Goldenen Zeitalters. 2) Mit den mhd. S-Belegen verbinden sich die entsprechenden ma. Deutungsmethoden des antiken Mythos, so der Euhemerismus in
E2, E3 und E4. Eine
allegorisch-typologische
Deutung bietet E8: Die Prophetie der Sibylla über die Wiederkunft von S's Herrschaft, des Goldenen Zeitalters, und über das Erscheinen eines neuen Achilles ist auf die christliche Endzeiterwartung bezogen. S steht in typologischer Relation zu Gottes Friedensreich auf Erden, der neue Achilles ist Christus. Der Hinweis auf Vergil ist auf dessen vierte Ekloge zu beziehen, der sehr früh ein integumentaler Sinn nach christlicher Heilslehre unterstellt wurde. [3] Für die Mehrzahl der mhd. Belege ist freilich die physikalische Deuwichtig. S ist als Planet (A4, B2, B4, B5, B6, C l , C2, D l , E7) bzw. als Planetengott (E5) aufgefasst.
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3) Die astrologischen Deutungen des S in den mhd. Belegen geben gängige Vorstellungen der ma. Astrologie wieder. Eine einheitliche Lehre des Planeten und seiner Eigenschaften zeigen sie freilich nicht. Die ma. Sphärenvorstellung ist andeutungsweise in den Beschreibungen von B5 (Deckenfresko) und B6 (Festzelt, Astrolabium des Vergilius) zu fassen. Positive Eigenschaften werden S in B4 zugeschrieben, hier steht er für die Beständigkeit. Negative Aspekte verbinden sich mit ihm in B2 und B5. Beide betonen seine aggressive Einwirkung (etwa auf die Wunde des Anfortas in B2). In E7 bewirkt S Angst. (Die Bezeichnung „Geist der Angst" lässt dabei auf eine dämonologische Auffassung schließen.) Größter Einfluss auf den Weltenlauf, ja auf das christliche Heilsgeschehen wird den Sternen und im Speziellen S in B5 im Rahmen der so genannten „Sabilon-Erzählung" zugestanden. Sabilon versucht die Geburt Christi mit astrologischen Mitteln zu verhindern, das Unternehmen wird von keinem geringeren als Vergil vereitelt. Die Stelle weist auf die theologisch problematischen Implikationen ma. astrologischer Lehre hin. Astrologie, Elementen- und Temperamentenlehre verbindet D l . Als Planetengott ist S schließlich in E5 vorgestellt, freilich aus der Sicht eines antiken Heiden. 4) S galt wie andere antike Götter, allen voran Apollo, dem christlichen MA als Gott der Muslime, denen man Vielgötterei unterstellte. Die Vorstellung findet v.a. in der Gattung
der chanson de geste Verbreitung, die von den
Heidenkämpfen Karls des Großen und Willehalms von Orange berichtet. [4] Beispiele dafür geben B1 und B3. Hier bildet S mit Iuppiter und Mars eine Nebentrias (vgl. auch A3) zu den in diesem Zusammenhang am häufigsten erwähnten Göttern Apollo, Mahmet undTervigant. Möglicherweise sind diese Triaden als Analogie zur christlichen Trinität gebildet. [5] Es werden aber nicht nur die antiken Götter als zeitgenössische Götter der Muslime, sondern auch die rezenten Sarazenengötter wie Mahmet und Tervigant
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Satyrus — Schedius
als Götter der antiken Orientalen aufgefasst, so etwa in A5. Verbunden ist mit der Vorstellung der Vielgötterei auch jene von der Idolatrie, die die Muslime praktizieren sollen: So werden u.a. Statuen des S von den Sarazenen mit in den Kampf gegen die Christen geführt (B3). 5) Insgesamt betrachtet zählt S wenigstens in der volkssprachlichen Mythenrezeption nicht zu den bekannten Göttergestalten. Sieht man von den Nennungen des Planeten ab, ist er nur schwach belegt. Ausführlicher werden Daten des S-Mythos nur in A l , E2 und E3 verarbeitet. [1] S.v. Saturnus (M. Leglay), in: DKP, Bd. 4, Sp. 15701572. [2] Belege finden sich etwa bei den drei M y t h o g r a p h i Vaticani, vgl. auch Chance, Medieval Mythography, Reg. Eine breite historische u n d allegorische D e u t u n g Ss, u.a. als G o t t der Zeit, bringt schon Isidor, Etym. V I I I . l l,30ff., dieser Aspekt fehlt in den m h d . Belegen.
G: Zwillingsbruder des Epistrophus (Al) R: König (A2) von Phokis (Al), Edelfreier (A2), herre (Epitheton) (Al, A2) Nf.: Cedius (Al, A2), Celidis (Al), Schelopfis, Stelophis (A2), Zeclius (Al) I.
A l Herbort von Fritzlar, ,lietvon Troye': S führt mit Epistrophus 50 Schiffe von Phokis zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3325; Katalog der Griechen [1]), bildet mit ihm in der Landungsschlacht eine Schar (4874; Katalog), kämpft als Minneritter der Königin von Femenie, wird von Polydamas getötet und von den Seinen beklagt ([5255; 5276]), will später Epistrophus an Hector rächen und wird von diesem getötet (7499-7592). [2] [1] Mit der Handschrift ist „her zeclius" u n d nicht „Herzeclius" (wie von F r o m m a n n , Hg. vorgeschlagen) zu lesen. [2] Z u m zweifachen Tod des S unten II.
Satyrus
A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg': Der edle S, ein Verbündeter der Griechen, stellt 50 wohlgerüstete Schiffe (23798; Katalog), er befehligt gemeinsam mit Epistrophus eine Rotte (30590; 32616 [1]) und erwirbt sich in den Kämpfen vor Troja Ruhm (36750; Katalog).
[Wilde bocksfüßige M ä n n e r im Gefolge des Dionysos]
[1] Die Nf. Schelopfis (30590) bzw. Stelophis (32616) sind wohl Varianten zu S.
[3] Vergilius. [4] -» Apollo (II. 1/4). [5] Hierzu Kern, Edle Tropfen, 387. [mk]
B1 ,Reinfried von Braunschweig' 19692 (Satiri): Die Satyri sind Mischwesen mit Menschenkopf und Ziegenfüßen. Sie nehmen wie viele andere Wundervölker an der Schlacht zwischen den Königen von Ascalon und Assyrien teil (Katalog). [1] [ 1 ] Β1 lässt neben den Satyrn auch die Sirene in der H a n d lung auftreten; Sirenes (I.B6). Der singulare Beleg u n d die Adaption zeugen so wie auch die sonstigen zahlreichen mythologischen Anspielungen von den mythographischen Kenntnissen des anonymen Autors. [sks/mk]
Schedius [Griechenführer aus Phokis, wird im Trojanischen Krieg von Hector getötet; Dares 17,17; Dictys 11,24; Benoit 320 Scedius]
II. Die Angaben zu S in A l und A2 folgen im Wesentlichen dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, der seinerseits auf den spätantiken pseudohistorischen Trojaberichten des Dares Phrygius und des Dictys Cretensis beruht. In A l wird S's Tod zweimal geschildert. Beide Angaben beziehen sich auf Benoit, für den Constans (Hg.) allerdings zwei Gestalten ansetzt. In Al ist S aber beide Male als „von Phokis" ausgewiesen und daher als eine Gestalt anzusehen. Einen Phoker namens Schedios nennt schon die ,Ilias' als gr. Kämpfer vor Troja. Er wird wie später bei Dares (26,19), Benoit und in Al von Hektor getötet (17,306). [mk/sks]
Scipio — Scylla [1]
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Scipio
Scylla [1]
[Publius Cornelius S. Aemilianus Africanus Numantinus, der Jüngere, 185(?)-129 v. Chr., Freund des Laelius, 147 röm. Konsul, erobert 146 Karthago, 133 Numantia, schart gelehrte Griechen wie Polybios um sich]
[In der Meeresstraße von Messina lokalisiertes Ungeheuer, das aus seiner Felshöhle nach Nahrung schnappt; bildet gemeinsam mit Charybdis ein unüberwindliches Hindernis fur die Seefahrer]
I. Dl ,Lucidarius\ S und Laelius geben ein mustergültiges Beispiel der Eintracht, die im Vergleich zur Eintracht unter den Seligen freilich als Uneinigkeit erscheinen muss (74,7; 75,10; Buch 3, „Von der heiligen froide"; Katalog der Freuden der Seligen; überbietender Vergleich). [ 1 ]
W: Ungeheuer (Al), Meeresungeheuer (A3), Mischwesen aus Mensch und Hund (Al), Meeresstrudel (A2, Dl), Insel [!] (El) R: Königstochter (Al) Nf.: Cillen (A3), Cylla (El), Scilla (A2, Dl), Scylle (Al) I.
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen Das große, mehrköpfige Ungeheuer S verschlingt so viele vorbeifahrende Seeleute, wie es erwischen kann (7,161; Medea würde dennoch weder S noch Charybdis scheuD2 Hugo von Trimberg, ,Der Renner' 1266·. en, wenn sie nur mit Iason nach GriechenS wird in einem Katalog röm. Adeliger ge- land fliehen könnte). S ist einst eine schöne nannt, die den Wert der Kunst für Tugend Jungfrau gewesen, die alle Werber abgewiesen und Ansehen erkannten und sie beispielhaft hat (13,924-953). Als sie beim Baden von pflegten (laus temporis acti). [1] Glaucus, der sofort in Liebe zu ihr entbrennt, [ 1 ] Aufgrund seiner engen Beziehung zur gr. Kultur ist wohl überrascht wird, flieht sie. Circe, die ihrerseits Scipio der Jüngere und nicht der Altere gemeint. Ferner in Glaucus verliebt ist, versetzt aus Eifersucht nennt der Katalog Numa, Maecenas, Macrobius, Vergil, Caesar, Octavian, Cicero, Lucan, Iuvenal, Persius, Boethius, S's Badewasser mit einem Zaubermittel. DeOvid, Statius, Sallustius, Horaz, Terenz und Seneca. ren Unterleib wird daraufhin hundegestaltig. Bis zu ihrer Versteinerung bedroht sie die II. S ist in beiden Belegstellen nicht als Politiker vorbeifahrenden Seefahrer. Aeneas wird von und Feldherr von Interesse. In D1 gibt er viel- einem Sturm in die Nähe von S und Chamehr mit Laelius ein Beispiel mustergültiger rybdis verschlagen (13,1225-1331; 14,5-101; Freundschaft. D2 fasst ihn als vorbildlichen Glaucus und Circe). Kunstförderer. Die Stelle reflektiert offensicht- A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. S lich S's rege Beschäftigung mit der gr. Kultur und Charybdis sind ein Meeresstrudel, der — Cicero sah in ihm deshalb ein Idealbild des die Schiffe im Umkreis von zehn Meilen mit gebildeten röm. Aristokraten. [1] der Geschwindigkeit eines Pfeils in die TieInsgesamt zeigt die geringe Zahl an Nen- fe zieht. Ulixes passiert den Wirbel unvernungen, dass er trotz seiner historischen Be- letzt, verliert aber die meisten seiner Schiffe deutung dem volkssprachlichen MA kaum (17715; 17720; Nachgeschichte des Trojanibekannt war. Der Beleg in Dl bezieht sich schen Krieges; Abenteuer des Ulixes). auf die lat. Quelle, das ,Elucidarium' des Ho- A3 Ulrich von Etzenbach, »Alexander' 9816: norius Augustodunensis. Dass D2 unabhän- Alexanders Männer wären lieber den Schiffe gig von einer direkten Vorlage von S Kennt- versenkenden Ungeheuern S, Chraybdis und nis hat, dokumentiert den Bildungshorizont den Syrten ausgeliefert als der mörderischen des Autors. Hitze der Wüste (Alexanders Zug durch [1] Vgl. Scipio (12), in DKP, Bd. 5, Sp. 49f., hier 50. [mkysks] Ägypten).
[1] Im Katalog werden weiters als Exempelfiguren genannt: Augustus und Alexander (mächtige Herrscher), Salomon (weiser Herrscher), Absalom (Schönheit), Ashael (Schnelligkeit), Samson (Stärke), Moses (Gesundheit), Methusalem (langes Leben), David und Jonathan (Freundschaft) und Joseph (Ehrerbietung).
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Scyll;
Dl ,Lucidarius': Ein Schiff, das sich den beiden Meeresstrudeln S und Charybdis nähert, ist verloren (17,20; 1. Buch, „Von den inseien in dem mer"). An der Stelle im Meer, an der sich S befindet, stürzt das Wasser durch Felsspalten in die Hölle und erzeugt dabei solchen Lärm, dass die Seefahrer ihn für Hundegebell halten (20,8; 1. Buch, „Von den winden"). El Rudolf von Ems,, Weltchronik'2968·. Die Insel S liegt bei Sizilien (Weltbeschreibung). II. 1) S und Charybdis im MA; 2) Antike Motive; 3) Deutungen
1) Die beiden mythischen Meeresgefahren S und Charybdis haben schon in der Antike sprichwörtlichen Charakter angenommen (so etwa in Medeas Rede bei Ovid, MM 7,65, vgl. Al). Vermittelt durch Myelographie oder direkte Bezüge auf antike Texte, sind sie auch der ma. Literatur ein Begriff. 2) Die mhd. Belege folgen unterschiedlichen Quellen. Al berichtet direkt nach Ovid (MM 13,730ff.) von der Verwandlung der schönen Nymphe in das Ungeheuer. Die Vorstellung des aus einem Kranz von Hunderachen gebildeten Unterleibes ist dem ma. Text sicher fremd geblieben. Die Verwandlung durch Circe ist vermutlich ebenso eine Erfindung Ovids wie das Motiv, dass S an Odysseus Rache nimmt, weil er Circes Liebhaber gewesen ist. Der Zusammenhang ist in Al nicht mehr durchschaut. Nähere Angaben zu S's Petrifizierung fehlen schon bei Ovid. Die kurze Erzählung von den Abenteuern des Odysseus in A2, so auch zu S und Charybdis, bezieht sich auf den afrz. Trojaroman des Benoit de Sainte-Maure, der wiederum dem pseudohistorischen Trojabericht des Dictys Cretensis folgt. Die mythologischen Motive sind schon dort rationalisiert. Daher fehlen auch die entsprechenden Pointen der,Odyssee' (Odysseus verliert bei der ersten Durchfahrt an Scylla einige Gefährten [12,234ff.] und entrinnt - mittlerweile alleine - bei der zweiten der Charybdis, weil er sich an einem Zweig
festhält, bis der Strudel sein Floß wieder nach oben spült [12,426ff.]). 3) In Dl und A2 ist S wie Charybdis als Meeresstrudel aufgefasst (in A2 werden sie außerdem gleichgesetzt). Die rationalisierende Deutung ihrer Gestalt und ihres Gebells in Dl steht in der Tradition ma. Kosmographie und bezieht sich (wie auch El) auf die Inselbeschreibung in ,De imagine mundi' des Honorius Augustodunensis (PL 172, Sp. 132b). S wird dort korrekterweise bei Sizilien lokalisiert, aber nicht wie in El als Insel aufgefasst. A3 bezieht sich auf die entsprechende Anspielung in der ,Alexandreis' Walters von Chätillon (III.380). Die ebenfalls genannten Syrten, die großen Buchten an der nordafrikanischen Küste (am Golf von Bengasi und Gabes), waren in der Antike für ihre gefährlichen Strömungen und Untiefen berüchtigt. Ob A3 diesen Zusammenhang noch durchschaut hat, ist fraglich. [mk]
Scylla [2] [Tochter des Königs Nisus von Megara, verliebt sich in Minos und wird schließlich in den Vogel Ciris verwandelt; M M 8,90]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen '·. S, die Tochter des Nisus, lässt die Quadersteine der väterlichen Burg ertönen (Apollo hatte einst auf ihnen seine Leier abgelegt, seither klingen sie, wenn man sie anschlägt), erblickt bei dieser Gelegenheit Minos, der Megara belagert, und entbrennt in Liebe zu ihm. Um ihm den Sieg zu ermöglichen, reißt sie Nisus das goldene Zauberhaar aus, an dem sein und des Landes Schicksal hängen, und übergibt Burg, Land und sich selbst Minos. Als dieser sie verschmäht, schwimmt sie seinem Schiff nach, muss es aber loslassen, als der in einen Vogel verwandelte Nisus ihr in die Hände hackt. Sie droht zu ertrinken, verwandelt sich aber noch rechtzeitig in den Vogel Ciris [1] (8,22-198).
Seleucus Nicator — Semele [1] Die etymologische Pointe des Vogelnamens ist in Al nicht mehr durchschaut worden, „ciris" soll hier „haarig" bedeuten und sich auf Nisus' Haar beziehen. Ovid begründet die Benennung (nach gr. „keiris", „der Scherer") mit dem Abschneiden des Haares. [mk]
Seleucus Nicator
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Welcher der insgesamt sechs Könige von Syrien namens Seleucus mit dem in El genannten Teulucus gemeint ist, ist nicht ganz klar. Da sich der Beleg im Rahmen der Alexanderpassage findet, wird es sich wohl um S handeln, der 280 v. Chr. ermordet wurde. Die genaue Quelle für die Ausführungen in El ist unbekannt [1]. [1] Strauch, Hg., 374, Anm. 4.
[Seleucus I. Nicator, 312-280 v. Chr., Feldherr Alexanders, seit 321 Statthalter von Babylon, Gründer des Seleukidenreiches]
R: Herrscher über Pontus und Asien (Al), König von Syrien (El) Nf.: Seleucus Nicanor (Al), Teulucus (El) I.
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander': S hat in den Feldzügen Alexanders große Ehre erworben und erhält nach dem Tod des Königs die Herrschaft über Pontus und Asien. Sein Hauptname deutet auf seine Weisheit, sein Beiname auf seine Kampfeslust (2764527650; Alexanders Tod; Katalog der Nachfolger).
El Jans Enikel, , Weltchronik' 19663: Da der mächtige und schreckliche S jeden Überbringer einer schlechten Nachricht töten lässt, wagt niemand, ihm das Eindringen von Feinden in die Burg zu melden. S wird gefangen genommen und enthauptet (Nachgeschichte des Alexanderreiches).
II. Der Diadoche S war einer der wichtigsten Feldherrn während Alexanders Indienfeldzug. In der literarischen Alexandertradition spielt er eine nur untergeordnete Rolle. A l nennt ihn als Einziger der drei großen mhd. Alexanderromane (Lamprechts und Rudolfs Alexander' belegen ihn nicht) erst bei der Aufteilung des Reiches nach Alexanders Tod. Nennung und Etymologie stammen möglicherweise aus einer Glosse zur Alexandreis' Walters von Chatillon.
[mk/sks]
Semele [Tochter des Kadmos von Theben, Geliebte des Zeus und Mutter des Dionysos]
G: Geliebte des Iuppiter (Al, E l ) Freundin [!] des Cadmus ( A l ) R: Edle Dame (E2) I.
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen':
S wird von Iuppiter geschwängert. Iuno ist ihr deshalb feind, erscheint ihr in Gestalt ihrer Amme Beroe und überredet sie, von Iuppiter einen Beweis seiner Göttlichkeit zu verlangen. Er solle sich ihr in jener Gestalt zeigen, in der er sich auch Iuno nähert. S freilich kann als Mensch den Anblick des Gottes nicht ertragen und verbrennt. Cadmus trauert um seine Freundin [3,741]. Iuppiter rettet ihr Kind (3,615-749).
El Otto von Freising, ,Laubacher
Barlaam'
11111: S ist eine der zahlreichen Geliebten des Iuppiter und wurde von ihm in Gestalt eines Donnerschlages verführt (Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden; Götterkatalog; Beispiel für die Verwerflichkeit der gr. Götter).
E2 Rudolf von Ems, ,Barlaam' 9996: Inhalt wie E l .
E3 Rudolf von Ems, , Weltchronik' 10479: S ist die Mutter des Lacedaemon, des Gründers des gleichnamigen Reiches (Gründung der gr. Staaten; Katalog).
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Seneca
II.
Anhang (Belagerung
S ist bei den ma. Mythographen zwar belegt, zählt aber nicht zu den bekannteren Gestalten aus der antiken Mythologie. Für die volkssprachliche Mythenrezeption hat sie praktisch keine Bedeutung. Die mhd. Belege sind in direktem Bezug auf antike bzw. mythographische Quellen gearbeitet. Die zentralen Daten des S-Mythos werden in A l direkt nach Ovids .Metamorphosen' (3,261ff.) referiert. Das Motiv, dass Iuppiter zum Schutz der S einen Blitz „zweiter Kategorie" wählt („tela secunda vocant superi"; „zweite Waffe nennen ihn die Götter" M M 3,307), fehlt. In El und E2 wird S im Rahmen eines Glaubensdisputs zwischen Christen und Heiden genannt. Ihre Affäre mit Iuppiter spricht aus christlicher Sicht für die moralische Inferiorität der gr. Götter. Die Polemik steht in der Tradition christlicher Apologetik. Die Angabe in E3 folgt der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1153b), die geänderte Genealogie findet sich schon dort (in der Antike gilt Lakedaimon als Sohn des Zeus und der Taygete, einer der Pleiaden). Die historische Deutung der mythologischen Daten ist gängiges Verfahren der ma. Weltchronistik.
[1] Die Strophe steht in einer Reihe von Fürstensprüchen Rumelants (II, 12-15). Adressat ist vermutlich Kaiser Ludwig der Bayer (reg. 1314-1347). Der Katalog bietet ein erstaunliches Potpourri von antiken Philosophen und Dichtern sowie christlichen Gelehrten.
[mk]
Seneca [Lucius Annaeus S, 4 v. Chr. bis 65 n. Chr., röm. Philosoph und Tragödiendichter, Lehrer und Berater Neros, wird von diesem zum Selbstmord gezwungen]
R: Meister (D2, E l , E3), herre (Epitheton) (D2, E2) T: Lehrer des Nero (El, E3), Ratsherr in Rom (El) Nf.: Senecas (E4) I.
Al Ulrich von Etzenbach,
Alexander'24344·.
S hat von der Weisheit des Tullius [-> Cicero] , des Lehrmeisters von Alexander [!], berichtet (Exkurs: Fürstenlehre des Tullius; Meisterberufung).
Tritonias) 1268: Aris-
toteles beruft sich in seinem Lehrbrief an Alexander auf S [!] und dessen Kunst- und Naturverständnis (Kunst ahme die Natur nach und sei ihr deshalb immer unterlegen). C l Rumelant, HMS 111,20, 11.12,4·. Besäße der Sänger die Kunstfertigkeit des S, Vergilius, Boethius, Cato, Donatus und Beda, wäre er ein Plato, Aristoteles, Hippocrates, Galenus oder Socrates, er könnte den hochgelobten Fürsten dennoch nicht adäquat preisen (Fürstenpreis; Katalog exemplarischer Meister; Unsagbarkeitstopos). [1]
C2 Regenbogen, HMS 111,126: Einem Bericht S's zufolge soll ein Blitzschlag Münzen, die in ein Tuch gewickelt waren, zum Schmelzen gebracht haben, während das Tuch unversehrt blieb. Marias jungfräuliche Empfängnis ist noch viel eher möglich. Die Propheten haben es offenbart (V.8,1; V.8,21; Gleichnis).
C3 Boppe, HMS 11,138, 1.22,15·. Besäße
der Sänger die Tugendhaftigkeit S's und beherrschte er die Zauberkünste des Aristoteles und Vergilius, dann würde er bei seiner Geliebten reüssieren (Exempelfigur; Gedankenexperiment). [1] [1] Eine analoge Form der Hyperbel der Unerreichbarkeit oder Unerweichbarkeit der Geliebten findet sich auch in VIII.4. Zum hyperbolischen Topos vgl. Tannhäuser VIII.2, IX und X ( - » Paris [I.C3]) und C l . In der Exempelreihe werden auch biblische Figuren sowie Horant, Artus und Gawein genannt.
D l Wernher von Elmendorf. Es finden sich zahlreiche Berufungen auf Aussagen S's: Er warnt vor falschen Freunden (120) und vor der Bestechlichkeit der Richter (272; 282). Man soll jedem geben, was er verdient (474), vor Gott demütig sein (585) und niemanden zu etwas zwingen (635). Betrug zerstört die Freundschaft (677; 696). Den rechten Menschen zeichnet seine Standhaftigkeit aus (813). Die Ungeduld des Kranken vergrämt den Arzt, man soll sich deshalb nicht gegen Unabänderliches auflehnen (852). Je berühm-
Seneca ter die Vorfahren, desto eher müssen sich die Kinder schämen [weil sie nicht an sie heranreichen] (906). Auch ein bescheidenes Haus kann ordentlich sein (961). Man soll seinen Untergebenen nicht als sein Eigentum betrachten (995). Der Tod ist allzeit unser Begleiter (1127). Glück lässt sich nicht festhalten (1149). Wer in seinem Herzen nicht standhaft ist, ist den Schicksalsschlägen ausgeliefert (1160). D2 Hugo von Trimberg, ,Der Renner'·. Anstatt belohnt zu werden, wurde der für seine Tugend bekannte S von seinem Schüler Nero in den Tod getrieben und ist so ein typisches Opfer des Hasses (14635; [16420]). S würde heute nicht leben wollen, weil er sich dann unter lauter Toren befände (10081). S wird in mehreren Katalogen genannt: Er war einer jener röm. Adeligen, die den Wert der Kunst für Tugend und Ansehen erkannten und sie beispielhaft pflegten (1271; laus temporis acti) [1]; zugleich einer jener antiken heidnischen Gelehrten, die zwar viel wussten, aber doch in manchen Dingen irrten. Folgt man ihnen, ergeht es einem wie Hieronymus, der im Schlaf geschlagen wurde, weil er deren Bücher anstelle der Heiligen Schrift gelesen hatte (8454). [2] Auf S werden folgende Aussagen zurückgeführt: Nichts mache furchtsamer als das Wissen, ein schändliches Leben geführt zu haben (2535). Die Zunge sei schlüpfrig, weil sie an feuchter Stelle liege. Da sie eher dazu neige, Schlechtes als Gutes zu sagen, solle man sie hüten (8520). Man soll suchen, was man zu finden vermag, und das erlernen, wozu man tauge (13960). Die Begriffe „mein" und „dein" seien die Ursache von Angst, Not und Mord. Gäbe es sie nicht, wäre die Welt friedlich (13986). Vielen graue vor der Hartherzigkeit eines Menschen, der einem anderen Unrecht tut (17015). Derjenige sei wahrhaft tugendhaft, der die Tugend eines anderen bedingungslos zu schätzen wisse (17960). Der Weise denke über die Vergangenheit nach, beobachte die Gegenwart und denke in die Zukunft voraus (24099). Dem
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Rat von S und König David zufolge soll man sich nicht nach dem Wind richten und nicht fürwitzig wie ein Kind sein. Wer überall sein will, ist nirgends (23617). [1] Ferner werden genannt: Numa, Maecenas, Macrobius, Vergil, Caesar, Octavian, Scipio, Cicero, Lucan, Iuvenal, Persius, Boethius, Ovid, Statius, Sallustius, Horaz und Terenz. [2] Ferner werden genannt: Plato, Aristoteles, Socrates, Demosthenes, Diogenes, Cicero und Empedokles.
El Jans Enikel, , Weltchronik'·. Der gebildete und weise S hat seinen Schüler Nero streng erzogen, er gehorcht ihm dennoch nicht und rächt sich als Erwachsener für die Züchtigungen, indem er ihn zum Tod verurteilt. S darf die Todesart selbst wählen, er wünscht, dass ihm die Pulsadern in der Badewanne geöffnet werden. S's Sohn wird geblendet ([22952]; Prosa 2.10-12 nach 23432). S ist einer der Ratsherren in Rom (Prosa nach 20942; Katalog). [1] [1] Als röm. Ratsherren werden ferner genannt Plato, Pompeius, Sibylla, Aristoteles, Pythagoras, Demetrius, Hippocrates, Medicus und Esdras. W i e diese Liste zustande kommt, ist unklar, Strauch (Hg.), 400, Anm. 3 verweist auf eine Stelle in ,De imagine mundi' des Honorius Augustodunensis (PL 172, Sp. 177; „de consulibus et dictatoribus Romae"), die freilich nur ein Muster abgibt. Die dort genannten Namen decken sich nur zum Teil mit E l .
E2 Brun von Schönebeck,,Das Hohelied'2275'· S zufolge kann der Kluge den Ausgang der Dinge abschätzen (Meisterberufung). E3 Hugo von Langenstein, ,Martina'·. Der Heide S hat äußerst tugendhaft gelebt. Es wäre ihm zu gönnen, dass er Gottes Gnade fände, obwohl er sich selbst ums Leben brachte, woraus sich auch sein Name herleitet. [1] Zum Selbstmord zwang ihn sein Zögling, der üble Kaiser Nero. Die Todesart durfte S selbst wählen. Er ließ sich ins Bad setzen und die Adern öffnen. Seine Seele soll nach Auskunft der Bücher dennoch nicht zur Hölle gefahren sein (21c,67). S bezeichnete das Erbarmen als eine der vornehmsten Eigenschaften des Menschen (26b,49); sagte, dass Weisheit nichts helfe, wenn man nicht tugendhaft lebe (45b,55), und dass ohne Weisheit alt werde, wer seines bisherigen Lebens nicht eingedenk sei (47b,52).
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Seneca
E4 Heinrich von Neustadt, ,Gottes Zukunft' 4804: Mit Christi Einzug in den Himmel endet die Klage der edlen Heiden wie S, Hippocrates, Ptolemaeus, Pythagoras, Galenus und Aristoteles, die Gott durch die Erforschung der Natur dienten. Der Dichter vertraut darauf, dass sie bei Gott sind (Katalog erlöster Heiden). II. 1) S im MA; 2) Mhd. Belege; 3) S als Exempelfigur; 4) Zusammenfassung
1) Neben Plato und Aristoteles gilt S dem MA als einer der wichtigsten antiken Philosophen, jedenfalls aber als der wichtigste röm. Philosoph. Sein Ansehen erklärt sich nicht zuletzt daraus, dass er - wie fallweise auch Vergil und Ovid - für einen Christenfreund gehalten wurde. Wichtig ist in diesem Zusammenhang v.a. der fingierte Briefwechsel zwischen S und Paulus, der die Nähe stoischer Philosophie zum Christentum nachweisen soll. Sympathien wird ihm auch seine Verurteilung durch Nero, eine der im MA am meisten gehassten Kaisergestalten, eingebracht haben. S s philosophische Schriften sind dem lat. MA gut bekannt, hinzu kommen Anthologien und zahlreiche ihm zugeschriebene Werke. Das HochMA kennt auch eine reiche biographische Tradition. Geltung hat S in erster Linie als Moralphilosoph. Sein Einfluss auf die „Lebenslehre" beschränkt sich dabei keineswegs auf die Philosophie. Für die Verbreitung seiner (echten und unechten) Maximen sorgen Florilegien und die so genannten ,Proverbia Senecae'. [1] S's Tragödien werden hingegen erst ab 1300 rezipiert, sind dann aber von hohem Einfluss auf die neuzeitliche Dramatik, sei es der französischen Klassik, sei es des dt. Barock. 2) Die mhd. Belege zeigen kein besonders ausgeprägtes S-Bild. D2, El und E3 verweisen auf seinen von Nero erzwungenen Tod (in E3 verbunden mit dem Hinweis auf die daraus abgeleitete Namensetymologie „se necans" [2]). Seine Tugendhaftigkeit betonen C3, D2 und E3. Zu den erlösungswürdigen
Heiden zählen ihn E3 und E4 (E3 dezidiert trotz seines Selbstmords). All dies entspricht den genannten Grundzügen des ma. Bildes vom christenfreundlichen Moralphilosophen. Genauere Vorstellungen über S's philosophische Positionen scheint jedoch nur D2 zu haben, die dort zitierten Sentenzen entspringen aber nicht direkter Textkenntnis, sondern mittelbarer Rezeption über Florilegien oder die ,Proverbia'. Eine mögliche Quelle ist außerdem das ,Moralium dogma philosophorum' (um 1165), die Vorlage von D l (um 1170). Schon hier erweisen sich die Aussprüche des Philosophen auch im volkssprachlichen Kontext als umfassend zitier- und verfügbar. 3) In den meisten Belegen repräsentiert S den Typus des antiken Gelehrten, dessen Name - so wie jener Piatos, Aristoteles', Vergils u.a. - im Kontext gängiger didaktischer Topik generell verfügbar ist; so z.B. im Unsagbarkeitstopos, bezogen auf den Fürstenpreis in C l , auf das „paradoxe amoureux" in C3. Auffällig häufig ist in D2 von S im Rahmen des Topos von der Geringschätzung der Gelehrsamkeit die Rede. Der Hinweis auf S's besonderes Schicksal gibt der sonst stereotypen Klage einen eindringlicheren Akzent. D2 bringt freilich auch die gängige Kritik am beschränkten Wissen antiker Gelehrsamkeit, so auch der des S, zum Ausdruck. Angeschlossen ist die im MA beliebte Anekdote von Hieronymus, der wegen der Lektüre der Philosophen gezüchtigt wird. Erstaunlich ist schließlich die Berufung auf S durch Aristoteles in A l . Sie bedeutet auch im Lichte der diesbezüglichen volkssprachlichen Lizenzen einen gravierenden Verstoß gegen die Chronologie. Abgesehen von den namentlichen Nennungen finden sich auch sonst S-Zitate in der mhd. Literatur, so u.a. im ,Welschen Gast' Thomasins von Zerklaere. Dt. Übersetzungen seiner Werke gibt es ab der zweiten Hälfte des 15. Jh. [3] 4) Insgesamt bleiben die mhd. Belege weitgehend auf moralische Didaxe beschränkt. Auf das Liebesthema bezogen ist bloß C3. Die
Septimius Severus — Sibylla Nennungen stammen zudem mit Ausnahme von D l aus relativ später Zeit (ab etwa 1275). An ihnen ist somit auch ablesbar, wie sich spätere Spruch-, Versdidaxe, Chronistik und geistliche Literatur sukzessive den Horizont lat. Bildungstradition erschließen. [1] S.v. Seneca d.J., Lucius Annaeus (N. Henkel), in: VL, Bd. 8, 1080-1099 (mit ausfuhrlichen Literaturangaben); s.v. Seneca (R. Düchting, M . Laarmann), in: LMA, Bd. 7, Sp. 1749-1751. [2] Sie findet sich auch in der ,Legenda Aurea' des Jacobus de Voragine (Hg. Benz, 335). [3] Hierzu Henkel [Anm. 1], Sp. 1093ff. [mk]
Septimius Severus [L. S S Pertinax, röm. Kaiser 193-211 n. Chr.]
El,Kaiserchronik' (Severe)·. S will Adelger von Bayern wegen seines Widerstands gegen Rom töten lassen, begnadigt ihn auf Fürsprache der Römer, lässt ihm aber als Zeichen der Demütigung Haare und Bart scheren, worauf sich auch alle anderen Bayern rasieren. Als Adelger einer neuerlichen Aufforderung, nach Rom zu kommen, nicht folgt, zieht S gegen Bayern und wird im folgenden Kampf von Volcwin erschlagen. Er hat siebeneinhalb Jahre geherrscht (6623-7120). [1] Die Geschichte von Herzog Adelger von Bayern greift nach Schröder (Hg.), 203, Anm. 1 auf ein ursprünglich selbständiges Gedicht zurück, in dem Kaiser Severus nicht vorgekommen sein soll. Einen historischen Anschluss gibt es nicht; vgl. Ohly, Sage und Legende, 152fF.; Chr. Gellinek, Die dt. Kaiserchronik. Erzähltechnik und Kritik, 1971, 56ff. [sks/mk]
Sibylla [Gottbesessene Seherin; seit Varro meist als zehn an der Zahl vorgestellt und durch ihre jeweilige lokale Zuordnung genauer spezifiziert (S von Delphi, Erythrai, Cumae u.a.)]
G: Mutter der Felicia (B7, C2) R: Königin (E7), Herrin (E3), edle Dame (E3), heidnische Jungfrau (E8), Prophetin (B2, B3, B4, B6, B8, C I , C3, [C4], C5, El, E2, E4, E5, E7, E8, E9), Bezeichnung für eine Seherin (A3), Astrologin (E5, E8), verfügt
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über Zauberkunst (Bl, E4), Zauberin (B5, D l ) , röm. Ratsherr [!] (E6) Nf.: Pythonissa ( D l , E4), Sibilla (Bl, C4, El, E3, E5, E6, E7, E8, E9), Sibille (Al, B2, B4, B6, B8, C l , C2, C3, CA, C5, E4, E8, E9), Sibylle (B7, E2), Sybilla (A3, B5), Sybille (B3) I.
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman '·. Die S hat schwarze, faltige Haut, einen schwarzen Mund, bis zur Nase hängende Augenbrauen, lange, gelbe Zähne, Pferdehaare und moosbewachsene Ohren. Aeneas, der sie auf Aufforderung des Anchises aufsucht, erschrickt wegen ihrer Hässlichkeit. Als er ihr einen goldenen Zweig bringt, ist sie bereit, ihn in die Unterwelt zu führen, isst mit ihm ein Kraut gegen den Höllengestank und bemerkt seine Angst am Eingang der Unterwelt (2600; 2758-2977). Am Phlegeton unterrichtet S Aeneas über die Aufgaben Charons, besteigt mit ihm dessen Boot, erklärt Aeneas das Wasser des Vergessens, fordert ihn auf, mit seinem Schwert zu leuchten, verbrennt sich am Atem des Cerberus, schläfert ihn ein, als sie Aeneas' Angst bemerkt, und betritt mit diesem die eigentliche Unterwelt (2993-3269). An einer Wegscheide befiehlt S Aeneas, den goldenen Zweig in die Erde zu stecken, führt ihn zu Anchises ins Elysium und zurück an die Oberwelt (3274-3730).
A2 Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen'
14,113: S stieg mit Aeneas in die Hölle hinab, wo er seine Zukunft sah. Davon soll aber so wie von Aeneas' Abreise von Dido und von deren Selbstmord nicht weiter erzählt werden (Unterweltfahrt Aeneas'). [1] [1] Die Aussparung des Berichts von Dido und von Aeneas' Unterweltfahrt geschieht mit Rücksicht auf A l .
A3 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'3271'. Cassandra ist eine Sibylla, sie hat viel von Christus bis hin zum Jüngsten Tag prophezeit. B l Hartmann von Aue, ,Erec'5216: Seit dem Tod von S und Erichtho besaß nie wieder
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Sibylla
eine Frau so profunde Zauberkünste wie Feimurgan, von der das Pflaster stammt, mit dem Erecs Wunden behandelt werden (Exempelfigur für Zauberkunst; Vergleich). B2 Wolfram von Eschenbach, ,Parzival': S empfahl Aeneas als Schutz gegen die Höllenpein und den Dunst des Phlegeton jene Pflanze, die auch als Heilkraut zur Behandlung der Wunde des Anfortas dient (465,23; Trevrizent belehrt Parzival über den Gral). S und Plato prophezeiten alte Weisheiten, u.a. die Erlösung aller von ihrer großen Sündenschuld (482,1). B3 Wolfram von Eschenbach, ,Willehalm' 218,13: S und Plato deuteten den Sündenfall als Schuld Evas, die das gesamte Geschlecht Adams der Hölle preisgegeben habe. Nur der dreieinige Gott brachte die Erlösung (Gyburg im Glaubensdisput mit ihrem Vater Terramer). B4 Ulrich von Zazikhoven, ,Lanzelet' 8866: Das Hermelin, das Lanzelets Ritter tragen, stammt aus Cumae, wo S, die alte Prophetin, gewirkt hat. B5 ,Prosa-Lancelot'·. S und Morgane sind die besten Zauberinnen der Welt, treffen zusammen mit der Königin von Sorestan auf den im Wald schlafenden Lancelot. Im Streit, wer von ihnen es verdiene, Lancelots Geliebte zu werden, argumentiert S mit ihrer Schönheit. Sie entführen Lancelot auf ihr Schloss, wo er am nächsten Tag eine von ihnen wählen soll, er kann aber entfliehen (11.266,21; 11.267,13). B6 Albrecht, Jüngerer Titurel' 2483,2: Weder S noch Thetis waren in der Kunst des Wahrsagens so bewandert wie Uterpendragons Schwester Accedille (Uberbietungstopos). B7,Lohengrin': S schenkte ihrer Tochter Felicia die Schuhe, die die Kinder bei der Gralsbefragung tragen (231; 261; 479; Aussendung Lohengrins). B8 , W o l f d i e t r i c h ' 4613: Im Buch der alten Prophetin S ist Wolfdietrichs Schicksal vorgezeichnet. C1 Tannhäuser, Leich IV6,25: Die schlaue S, der Amabilia zu eigen war, intrigierte gegen
das Leben des [oder der] Senatoren. Dies war das Werk der leidigen Invidia. C2 , Wartburgkrieg': S ist die Mutter Felicias, die mit Iuno bei Artus im Berg wohnt (.Rätselspiel'; 28,1; 31,1). C3 Frauenlob, Kreuzleich 11.15,13: S machte die Bedeutung des Kreuzes kund, weil Salomon diesem nach einer Phase der Verborgenheit sein Recht einräumen wollte (Kreuzleich). C4 Frauenlob, IX.4,1:S meinte, man solle die Würde umso mehr hochhalten, je älter und schlechter die Welt werde. Der Sänger nennt Artus und Alexander als Exempelfiguren für ruhmvolles Verhalten und beklagt, die jetzigen Fürsten zögen den Reichtum der ritterlichen Tat vor (laus temporis acti). C5 Sigeher, HMS 11,134, VII.3,1: S s Prophezeiung, das Reich werde ohne Fürsten sein, bewahrheitet sich. Der Klerus hat das Reich ruiniert, damit naht das Ende (Reichsspruch; Klerusschelte). D l Hugo von Trimberg,,Der Renner'24428: Die Pythonissa befindet sich beim Jüngsten Gericht wie alle Zauberer unter den Verdammten. El ,Kaiserchronik' 9612: S war eine Prophetin. E2 Konrad von Fußesbrunnen,,Kindheit Jesu' 36: S prophezeite die Ankunft des Herrn (Eingangsgebet). E3 Rudolf von Ems, ,Barlaam' 2934: Der S zufolge haben jene, die Christus ans Kreuz geschlagen haben, Gott unsagbares Leid zugefügt. E4 Rudolf von Ems,, Weltchronik': Die auf Samos geborene S besitzt große Weisheit, Kunstfertigkeit und innere Erleuchtung (2936). Die heidnische S („Pythonisse") von Endor lässt in Sauls Auftrag Samuel erscheinen, der ihm den Untergang prophezeit (25747-25781; RV: 26363). E5 Reinbot von Durne, ,Der heilige Georg': Auf S, die die Ordnung des Himmels aus den Sternen ermessen konnte, verweist der Heidenkönig Dakian bei seiner Beschreibung des Firmaments (2979; Dakians Glaubensdisput mit Georg). S sagte ein Kind der Tugend vo-
Sibylla raus („der tugende kint"), das widernatürlich zur Welt kommen solle. Mit dessen, nämlich Jesu, Hilfe wird der Gott Apollo beschworen, der Abgott erschaudert (3259).
E6 Jans Enikel, , Weltchronik', Prosa nach
20942·. In Rom herrschen verschiedene Ratsherren, darunter auch S, Plato, Pompeius, Seneca, Aristoteles, Pythagoras, Demetrius und Hippocrates (Katalog). [1] [1] Strauch (Hg.), 400, Anm. 3 verweist als mögliche Quelle auf eine Stelle in ,De imagine mundi' des Honorius Augustodunensis (PL 172, Sp. 177; „de consulibus et dictatoribus Romae"), die freilich nur ein Muster abgibt. Die dort genannten Namen decken sich nur zum Teil mit E l .
E7 Heinrich von Freiberg, ,Die Legende vom heiligen Kreuz'811·. Die gute und ehrenwerte Königin S kommt aus dem Osten zu einem Gespräch mit Salomon. Beim Anblick des heiligen Kreuzesholzes beginnt sie zu beten und prophezeit die Ankunft Christi.
E8 ,Die Erlösung': Die S prophezeit die Ankunft Christi und dessen Wirken auf Erden (1168; Prophetenkatalog), deutet Augustus' Sterngesicht auf die Geburt Christi (1613) und prophezeit, dass der Tempel in Rom nur bis zur Geburt eines Kindes durch eine Jungfrau bestehen werde; was sich bewahrheitet, denn die Trümmer sind noch heute zu sehen (1699; Aition für die röm. Ruinen; 1704). Der Dichter gibt S's Weissagungen wieder, sie sagte von der Ankunft des Herrn bis zum Jüngsten Tag alles voraus (1761). Vergil wird gepriesen, weil er S's Prophezeiungen wiedergegeben hat: S verkündete, dass das Reich des Saturnus erneuert wiederkommen und ein anderer Achilles nach Troja gesandt werde (1904). S's Prophezeiungen zur Erlösungstat Christi haben sich erfüllt (6091). Ihr zufolge haben die Übeltäter beim Jüngsten Gericht die Hölle zu erwarten (6541; Katalog der Verdammten).
E9 Heinrich von Neustadt, ,Gottes Zukunft'·. Kaiser Augustus erblickt in der Nacht einen Stern, der einer königlichen Jungfrau gleicht, die ein Kind auf dem Arm trägt. S zufolge deutet die Erscheinung auf ein Kind, das von einer Jungfrau geboren worden sei und über Himmel, Erde und Meer gebieten werde.
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Augustus lässt daraufhin seine Statue, die von den Römern verehrt werden muss, zerstören (1613). S prophezeit für den Zeitpunkt der Geburt dieses Kindes außerdem den Einsturz des größten Tempels in Rom. [1] Der Kaiser lässt ihn daraufhin mit der Inschrift versehen, dies sei der Palast des Friedens und er werde ewig bestehen. Bei Christi Geburt fällt das Gebäude dann aber in sich zusammen. Die Trümmer sind noch heute zu sehen (1699; 1704). [1] Gemeint sein könnte die Ära pacis oder der Tempel des Iuppiter Capitolinus.
II. 1) S in Antike und MA; 2) S von Cumae; 3) Prophetien der S; 4) Deutungen
1) Die Sibyllen sind nach antiker Vorstellung gottbesessene Seherinnen. Ihre Zahl wird unterschiedlich angegeben, seit Varro wird meist von zehn Sibyllen ausgegangen, die nach ihrer Lokalisierung unterschieden werden. Die ältesten Erwähnungen reichen in das 6./5. Jh. v. Chr. zurück (Heraklit, fr. 22 Β 92 Diels/ Kranz). Sibyllinische Orakelsprüche beziehen sich seit der Antike u.a. auf die Vorhersage des Auftretens berühmter Herrscher, so beispielsweise Alexanders des Großen (durch die S Sambethe). [1] Seit hellenistischer Zeit wurden Sammlungen der S-Sprüche angelegt. Ein einprägsames Bild fur die konstitutive Unstruktuiertheit und fehlende Stringenz derTextcorpora geben die losen Palmblätter, auf denen die Sprüche der S von Cumae in Vergils ,Aeneis' (VI,74ff.) verzeichnet sind. Im republikanischen und kaiserzeitlichen Rom wurden die ,Libri Sibyllini' nach strengen Regeln aufbewahrt und bei wichtigen Ereignissen konsultiert. Sie verbrannten 83 v. Chr. und wurden im Auftrage des Augustus neu zusammengestellt. Das frühe Christentum hat die Prophetien der Sibyllen auf Christus bezogen. Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Vorhersage der Geburt eines Kindes und die Wiederkehr des Goldenen Zeitalters durch die S von Cumae in Vergils
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Sibylla
4. Ekloge, die entsprechende Deutungen erfahren hat. Für Weltuntergang und Weltgericht waren die in hellenistisch-jüdischer Tradition stehenden ,Oracula Sibyllina' aus dem 2. Jh. v. Chr. wichtig. Auf sie beziehen sich Laktanz und Augustinus, dessen Akrostichon von den Vorzeichen des Jüngsten Gerichts von der Erythräischen S stammen soll (,De civitate Dei' XVIII,23). Sibyllendichtungen in der Tradition der Erythräischen und der Tiburtinischen S, die Augustus die Geburt Christi prophezeit haben soll (vgl. E8, E9), gibt es in der Folge das ganze MA hindurch, sie finden ab der Mitte des 14. Jh. in Form des so genannten ,Sibyllen Lieds' und des später überlieferten ,Sibyllen Buchs' auch Eingang in die spätma. dt. Literatur. [2] 2) In der Mythologie ist die S von Cumae von zentralem Interesse, sie verzeichnet auch die höchste Resonanz in der literarischen Rezeption des MA. Die S aus Vergils ,Aeneis' ist eine zentrale Gestalt des ma. Eneasromans. Die wesendichen Mediävalisierungen (etwa im Aussehen) übernimmt Al von seiner unmittelbaren Vorlage, dem afrz ,Roman d'Eneas'. [3] S führt den Trojaner wie bei Vergil durch eine allerdings mediävalisierte Unterwelt. Interessant ist das Motiv der Furcht des ma. Aeneas, der röm. Aeneas ängstigt sich natürlich nicht. Direkten Bezug auf die S-Gestalt von A l nehmen A2, B2, B4 und vielleicht auch B l . 3) B2 und B3 verbinden die literarische Gestalt explizit mit der Tradition der christlichsibyllinischen Prophetien. Dabei wird Plato der S als Prophet des Erlösungswerkes Christi an die Seite gestellt. Aufschlussreich für den frühen Einfluss der Sibyllenweissagungen ist auch die Bezeichnung Cassandras als S in A3, auch hier verbunden mit dem Motiv der Vorhersage christlicher Heilstatsachen. [4] Die Prophezeiung der Geburt Christi wird der (tiburtinischen) S außerdem in E2, E5, E8 und E9 zugeschrieben, in E8 und E9 verbunden mit dem Motiv vom Einsturz des röm. (Iuppiter-)Tempels. E9 bringt in diesem Zusammenhang auch die Legende von
Augustus' Sternenerscheinung, [5] E8 bezieht sich explizit auf die christliche Deutung der 4. Ekloge (die Rede von der Wiederkehr des Reichs des Saturnus und des neuen Achilles greift dabei das Verfahren typologischer Mythendeutung auf und zitiert ,Ecloga' 4,6 und 4,36 [6]). Ansonsten verarbeitet E8 mit der Vorhersage von Weltende und Weltgericht v.a. die Tradition der Erythräischen Sibyllenweissagung [7], so auch B2, C4 und C5. C3, E7 und vermutlich auch E3 spielen auf die Legende von der „Entdeckung" des nachmaligen Kreuzesholzes durch die hebräische S an. Davon wird im späteren ,Sibyllen Buch' ausführlich berichtet: Ein aus dem Lebensbaum des Paradieses gezogener Stamm wird in Jerusalem als Brücke über einen Bach benutzt. S, die bei Salomo zu Gast ist, weigert sich, ihn zu betreten, und prophezeit, dass auf diesem Holz einst der Erlöser sterben werde. Die hebräische S wurde im MA ab dem 9. Jh. mit der Königin von Saba identifiziert. Als S ist in E4 schließlich die alttestamentarische Totenbeschwörerin gedeutet, die in En-Dor Samuel aus dem Grab ruft (AT 1 Sam 28,3-25). Die Gleichung ist zu dieser Zeit bereits traditionell, E4 folgt der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1320c ff.). [8] 4) In Β1, B5 und B6 wird die S als Zauberin aufgefasst. In Β 5 tritt sie direkt in der Artuswelt in Erscheinung. Die Stelle zeigt mit dem Motiv des Schönheitsstreits außerdem Anklänge an das Parisurteil. Rätselhaft (wie es sein soll) bleibt die Nennung in B7. Worauf sich C1 bezieht, ist ebenfalls nur schwer zu ermitteln. Der Text verarbeitet eine ganze Reihe literarischer Motive (u.a. aus der Trojasage), die Anspielungen werden zunehmend dunkler. Dass der S „Amabilia" zugeschrieben wird, könnte auf ihre Schönheit oder ihren Liebreiz hinweisen, die Nennung Invidias lässt an eine Senatsintrige (gegen Caesar?) denken. Möglicherweise liegt aber auch ein Reflex der Prophetien der tiburtinischen S zum Traum der 100 Senatoren von den neun Sonnen vor, die
Silenus — Silvius auf die künftigen Menschheitsgenerationen bis hin zur Endzeit gedeutet werden. [9] Ob mit dieser Tradition der tiburtinischen Sibyllendichtung auch die Nennung S's als röm. Senatorin in E6 zusammenhängen könnte, muss in höchstem Maße fraglich bleiben. In B8 werden die sibyilinischen Prophezeiungen schließlich auf den fiktiven Protagonisten der späteren Heldenepik übertragen. Das Motiv unterstreicht Verbreitung und Verfügbarkeit der Vorstellung. Als einziger negativer Beleg bleibt schließlich Dl zu erwähnen, wo freilich nicht von S, sondern von Pythonissa die Rede ist, hinter der sich letztlich die Pythia, also die delphische S, verbirgt. [1] S.v. Sibyllen (G. Radke), in: DKP, Bd. 5, Sp. 158-161, hier bes. 158f.; B. Hülsmann, Sibylla, in: Verfuhrer, Schurken, Magier. MA-Mythen 3. Hg. U. Müller und W. Wunderlich, 2001, 877-901. [2] S.v. Sibyllen (J. Engemann), in: LMA, Bd. 7, Sp. 1831 f. und Sibyllinische Bücher (G. L. Potcstä), ebd., Sp. 1832; s.v. Sibyllenweissagungen (B. Schnell, N. Palmer), in: VL, Bd. 8, Sp. 1140-1152. Zur bildnerischen Rezeption s.v. Sibyllen (G. Seib), in: LCI, Bd. 4, Sp. 150-153; einen Bildkatalog bietet in der Tradition der sibyilinischen Bücher Hartmann Schedels Weltchronik, XXXVf. (Hg. S. Füssel, 2001). [3] Zu Quellenverarbeitung und Abweichungen in Al Hülsmann [Anm. 1], 893ff. [4] In den Rahmenhandlungen der lat. sibyilinischen Bücher ab dem 11. Jh. ist die S als Tochter des Priamus und der Hecuba gedacht, also mit C identifiziert; Hülsmann [Anm. 1], 898f. A3 bezieht sich augenscheinlich auf diese Gleichsetzung. [5] Vgl. dazu auch die .Legenda Aurea' des Jacobus de Voragine (Hg. Benz, 40f.). [6] Der Hinweis auf den „magnus Achilles", der wiederum nach Troja geschickt werde, ist bei Vergil eines jener Momente, in denen die alte (kriegerische) Zeit in der vorhergesagten (friedlichen) künftigen noch nachwirkt, bis sie schließlich mit der Adoleszenz des prophezeiten Knaben gänzlich zu Ende geht und das neue Goldene Zeitalter sich durchsetzt. In E7 ist „novus Achilles" aber offensichtlich als positive typologische Umschreibung fur Christus gefasst. [7] Schnell/Palmer [Anm. 2], Sp. 1141. [8] Die Nennung der samischen S bei der Beschreibung der Insel folgt ,De imagine mundi' des Honorius Augustodunensis (PL 172, Sp. 132d). [9] Schnell/Palmer [Anm. 2], Sp. 1141. Nachbenennung Konrad Fleck, ,Flore und Blanscheflur' (Sybille)·. Damit er seine Liebe zu Blanscheflur vergesse, soll Flore zu S, der Schwester seiner Mutter, geschickt werden (959). [mk]
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Silenus [Satyr, Gefährte des Bacchus, wird von Midas zu Bacchus zurückgebracht; MM 11,90]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen '·. Der alte Zwerg S zieht mit Bacchus durch Berg und Tal, wird gefangen, vor König Midas gebracht und verklagt, von diesem aber freigelassen, als man erfährt, dass er dem Gefolge des Bacchus angehört. Der Gott stellt Midas deshalb zum Dank einen Wunsch frei (11,150-157). [1] [ 1 ] Die Episode leitet zur Erzählung von Midas' Unglück mit der von Bacchus verliehenen Gabe über, dass seine Hände alles in Gold verwandeln. Ihr Ductus bei Ovid ist klarer als in Al: Der betrunkene S wird von Bauern gefangen und vor Midas gefuhrt, der in ihm ohne Umschweife einen Bacchanten erkennt und sofort ein Fest anordnet. Für Al war die Handlung in ihrem Zusammenhang (Anerkennung des Bacchus, humoreske Motive) nicht mehr durchschaubar. [mk]
Silvia [Tochter des Tyrrhus; .Aeneis' VII,487; RdE 3531]
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman' 4584 (Silviane)·. S ist die Tochter des Tyrrhus. Sie besitzt einen zahmen Hirsch, der von Ascanius erlegt wird, worauf es zu einer Auseinandersetzung kommt, in deren Zuge Ascanius einen Bruder S's tötet und Tyrrhus' Burg niederbrennt. [sks]
Silvius [Sohn des Aeneas und der Lavinia; ,Aeneis* VI,763; RdE 2947; Nachfolger des Ascanius; MM 14,610]
G: Sohn des Aeneas und der Lavinia (Al, El), Enkel des Latinus (A2) R: König von Italien (Al, A2, El) Nf.: Silvius Eneas (El), Sylvius (A2) I.
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'\ Anchises prophezeit Aeneas die Geburt des S (3652; Unterweltfahrt des Aeneas; Katalog
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Silvius Aeneas — Simmias
der künftigen Könige Roms), er wird in einem Wald geboren werden (13333) und mit Glück und großen Vorzügen begabt sein (13341).
A2 Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen'
14,590: S wird nach seinem Großvater auch Latinus genannt, er herrscht nach Ascanius über Italien (Katalog der Könige Italiens).
Aura (PL 154. Sp. 525), von der die gesamte Aeneaspassage beeinflusst ist. [2] [1] S.v. Lavinia (W. Eisenhut), in: DKP, Bd. 3, Sp. 523. [2] -» Aeneas (II.1)\ S wird auch in der Hauptquelle von El, der .Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1300d), genannt, dort findet sich aber nichts zu Lavinias Flucht. [mk]
El Rudolf von Ems, , Weltchronik'·. S wird von Lavinia, die nach dem Tod des Aeneas aus Furcht vor Ascanius geflohen ist, in einem Wald geboren (deshalb sein Name). Ascanius holt die beiden zurück, lässt seinen Halbbruder fürsorglich erziehen und übergibt ihm vor seinem Tod die Herrschaft, da sein eigener Sohn Iulus noch zu klein ist. Die künftigen Herrscher tragen nach ihm bis zur Römerzeit den Beinamen „Silvius" (2655726632). [1] [ 1 ] S wird später fälschlicherweise unter die Könige Athens gereiht (26729). In der Fortsetzung von El wird außerdem S, der sechste König von Rom, genannt, der zur Zeit Salomons geherrscht haben soll (33475). Es handelt sich um Silvius Alba, den Sohn des Silvius Aeneas, der hier allerdings als Sohn des Aeneas aufgefasst ist. Die Angabe bezieht sich auf die .Historia scholastica* des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1372a), dort mit korrekter Identifizierung und Chronologie.
II. S ist der mythische Stammvater der Könige von Alba longa. Die Angaben in A l beziehen sich über den ,Roman d'Eneas' (2940) mittelbar auf Vergils ,Aeneis' (VI,763). A2 folgt direkt Ovids,Metamorphosen' (14,610). Dass S's Beiname Latinus sei, ist ein Missverständnis von A2. Bei Ovid trägt ihn erst S's Sohn. Die in El aufgegriffene Sage von Lavinias Flucht vor Ascanius und von S's Geburt in den Wäldern (von der sich sein Name herleitet), lässt sich schon in vorvergilianischer Zeit belegen, sie wird auch bei Servius (zu S's angedeuteter Geburt im Wald bei Vergil, Aeneis' VI,763, vgl. A l ) berichtet [1] und gelangt auf diesem Wege in die lat. Chronistik. Die Angaben in El beziehen sich konkret auf das ,Chronicon universale' des Ekkehard von
Silvius Aeneas [Nachfahre des Aeneas, König von Alba longa; ,Aeneis' VI,768; RdE 2947]
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'(Silvius Eneas)·. S ist der Sohn des Silvius und an Gestalt und Charakter das Ebenbild seines Großvaters Aeneas (3 659; 13346; Genealogie der röm. Kaiser). Wie es Anchises prophezeit hat, hat er einen Sohn namens Aeneas (13359). [sks]
Simeon [Schreiber Alexanders, erhält in dessen Testament Cappadocien und Paphlagonien; Leo 33,14]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander': S schreibt im Auftrag Alexanders an Aristoteles, er solle in allen Landen Goldstatuen mit Alexanders Bildnis aufstellen lassen (26987). Alexanders Testament zufolge erhält S Cappadocien und Pelegeon (27014; Tod Alexanders in Babylon). [sks]
Simmias [Sohn des Andromenus, Gefolgsmann Alexanders; Curtius VII. 1,10]
Al Rudolf von Ems, Alexander' (Simam): Fürst S wird der Verschwörung gegen Alexander beschuldigt, für unschuldig befunden und freigelassen (20041; 20261).
Sinon — Sipylus
Sinon [Grieche, Teilnehmer am Trojanischen Krieg, verleitet mit einem Lügenbericht die Trojaner, das hölzerne Pferd in die Stadt zu holen]
Nf.: Synon (A2), Synun (Al) I. A l Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman': Nach der vorgetäuschten Abfahrt der Griechen gibt sich Ulixes den Trojanern gegenüber als S aus, behauptet, er sei vor den Griechen geflohen, weil sie ihn den Göttern opfern wollten, und verleitet Priamus, das hölzerne Pferd nach Troja bringen zu lassen (1033-1140; Untergang Trojas). A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': S hat den Befehl über das hölzerne Pferd inne. Er bezeichnet den nach ihrer vorgetäuschten Abfahrt des Nachts zurückkehrenden Griechen mit einem Feuersignal die Stelle, an der die Mauer niedergerissen wurde, um das Pferd in die Stadt zu bringen, und an der sie einfallen können (16162; 16173; Untergang Trojas). A3 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg, Fortsetzung·. S hat den Schlüssel für das hölzerne Pferd inne und soll die darin verborgenen Kämpfer herauslassen, wenn das übrige Heer zum Angriff antritt (48106). Diesen soll er außerdem das entsprechende Lichtzeichen geben (48219; Untergang Trojas). El Jans Enikel, , Weltchronik'·. S ist gegen eine große Belohnung bereit, sich von den Griechen verprügeln zu lassen, den Trojanern gegenüber als bestrafter Spion aufzutreten und sie zur Annahme der drei ehernen [!] Pferde zu überreden. Die Trojaner fallen auf den Betrug herein und nehmen den übel zugerichteten S und die Pferde, von denen dieser behauptet, sie seien voll mit Gold, mit in die Stadt (16629-16741; Zerstörung Trojas). II. Den klassischen epischen Bericht von S, der die Trojaner zur Annahme des hölzernen Pferdes überredet und den gr. Helden die Luke öffnet, bietet Vergils Aeneis' (II,58ff.). Ihm
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folgt im Grunde die Version im afrz. Vornan d'Eneas', die aber S mit Ulixes identifiziert (bei Vergil sitzt Ulixes natürlich im Pferd; Aeneis' 11,261). Al übernimmt diese Umgestaltung. A2 und A3 beziehen sich auf die verknappende Darstellung im Trojabericht des Dictys Cretensis (A2 mittelbar über den Trojaroman Benoits de Sainte-Maure), hier gibt S außerdem dem gr. Heer vor der Stadt das Zeichen zum Angriff. [ 1 ] In der Darstellung von A2 und A3 verliert das Motiv von den besten Helden im Pferd dabei eigentlich seinen Sinn. Die genaue Quelle von El ist nicht mit Sicherheit zu bestimmen, die Darstellung steht jedenfalls in der Tradition Vergils. Auffällig sind die Motive von S's Lohngier und von der selbst veranlassten Verwundung, die seine Glaubwürdigkeit erhöhen soll. Letzteres hat Parallelen in der spätgr. Trojatradition. [ 1 ] Wie in El aus dem einen hölzernen drei eherne Pferde werden, lässt sich nicht ermitteln. [1] Die Variante von Ss Lichtzeichen findet sich u.a. auch bei Hyginus (,Fabulae' CV1II); s.v. Sinon (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 5, Sp. 208f. [2] S verstümmelt sich selbst bei Quintus Smyrnaeus und Triphiodorus (3./4. Jh. n. Chr.), ebd., Sp. 209, auf die sich El schwerlich beziehen kann. [mk]
Sipylus [Sohn der Niobe, wird von Apollo getötet; MM 6,231]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 6,492: S, einer der Söhne Niobes, vergnügt sich mit seinen Brüdern beim Ritterspiel, als Apollo und Diana an ihnen die Rache für die Schmähung Latonas durch Niobe vollziehen. S wird von einem Pfeil durch Hals und Brust getroffen, von seinem Pferd abgeworfen, stürzt mit dem Kopf in den Sand und reckt die Gliedmaßen in die Höhe (Katalog). [1] [1] Die groteske Schilderung des Todessturzes stammt von A l . Die athletischen Übungen der Niobiden, von denen bei Ovid die Rede ist, werden als Ritterspiele gedeutet. [mk]
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Sirenes
Sirenes [Mythische Mischwesen, ihr Oberkörper gleicht schönen Frauen, ihr Unterkörper Raubvögeln, sie ziehen mit ihrem unwiderstehlichen Gesang vorbeifahrende Seeleute an]
W: Wunderwesen (A2, A4, B2, B5, B6, C l , C4, C7, Dl), Wasserwesen (Bl, C4), Meerjungfrau (B4, A4), Sängerinnen (B2), auf dem Magnetberg lokalisiert (B2, B6, C5, E2) R: Meerkönigin (A4) Nf.: Serene (A4), Sireine (B3), Siren (Bl, B7, B8), Syrene (A2, A4, B6, E2), Syrenes (Al), Syrenen (A3, B2, C3, C4, C5, El) I. A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Die S haben eine so schöne Stimme, dass Zuhörer unweigerlich davon angezogen werden. Um dem zu entgehen, verstopft sich Ulixes die Ohren (17698-17716; Nachgeschichte des Trojanischen Krieges; Abenteuer des Ulixes). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg': Die Sirene schadet den Seefahrern mit ihrem Gesang. Sie ist die Wappenfigur auf Hectors Helm und Waffenrock. Das Bildnis hat den Oberkörper eines Mädchens, den Unterkörper eines Fisches, ein silbernes Gesicht und goldenes, lockiges Haar, das erklingt, wenn man den Helm bewegt (37393777; Descriptio). Helena ist so anziehend wie der Gesang der S, der die Schiffe anlockt (2668; Venus berichtet Paris beim Urteil von Helenas Schönheit). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung49099: Ulixes wird auf der Flucht vor den rachsüchtigen Griechen, die ihn des Mordes an Aiax bezichtigen, auf die Insel der S verschlagen (Nachgeschichte des Trojanischen Krieges). A3 ,Göttweiger Trojanerkrieg' 11978: Helena überstrahlt alle S an Schönheit. A4 Heinrich von Neustadt, Apollonius': Die Sirene ist eine schöne, blonde, liebreizende und süß singende Meerkönigin, ein Mischwesen mit dem Oberkörper einer Frau und dem Unterkörper eines Wals (488). Apollonius rettet sie vor dem Ungeheuer Achiron Chiron], der sie vergewaltigen und ihre Töchter seinem Sohn Kolkan ausliefern will. Als Dank
erhält er von ihr einen unsichtbar machenden Ring und Ratschläge für den Kampf gegen Kolkan. Die Sirene lässt sich zurück ins Meer tragen, singt Apollonius ein Loblied und erlaubt ihm, ihr Bildnis als Wappen zu führen (5081-5349; RV: 10390; 12132; 14478). Apollonius trägt das S-Bildnis auf Helm, Schild und Mantel (485-493; 558; 6309; 11143; 12290; 12349), es ziert auch die 300 Schilde, die Apollonius den jungen Rittern nach seiner Rückkehr nach Tyrland schenkt (17572), und die Gewänder der Jungfrauen im Gefolge Tarsias (17853). Bl ,Orendel\ Ein Siren öffnete den Steinsarg, in dem ein alter Jude den „Grauen Rock" im Meer versenkt hatte, brachte das Gewand nach Zypern und vergrub es an einem Sandstrand, wo es neun Jahre später der Pilger Tragemunt fand (90; 96; Prolog; Geschichte des „Grauen Rockes"). [1] [ 1 ] Schröder (Hg.) übersetzt Siren mit „Seekuh". Der „Graue Rock" ist der Mantel Christi.
B2 Gottfried von Straßburg, , Tristan': Die neun Camenen Musae] sind die S für die Ohren. Gemeinsam mit Apollo teilen sie die Gaben des Helikon zu (4872; Gebet des Dichters an den Helikon). Die S ziehen mit ihrem betörenden Gesang und mit Hilfe des Magnetsteins vorbeifahrende Schiffe an. Ihnen gleicht die singende Isolde: Ihr Gesang und ihre Schönheit locken die Gedanken der Zuhörer aus ihren Herzensschiffen und fesseln diejenigen, die sich vor der Liebe sicher glauben, mit sehnsuchtsvollem Schmerz (8087; 8111; Isolde singt am irischen Königshof). B3 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Cröne' 937: Die Stimme eines Ritters, der vor der Artusburg singt, tönt so hell und verlockend wie die einer Sirene. B4 Konrad von Würzburg, .Engelhard' 2216: Die Sirene lockt mit dem schönen Klang ihrer Stimme Schiffe an und zieht sie samt Besatzung und Ladung auf den Meeresgrund hinab. Engelhards Geliebte Engeltrut gleicht mit ihrer süßen Stimme und ihrer Redekunst [!] dieser Meerfee, sie versenkt Engelhards Herzensschiff (Liebesklage des Engelhard).
Sirenes B5 Albrecht, .Jüngerer Titurel': Clauditte will in die Brackenseil-Inschrift die Stimme der Sirene und die Weisheit Salomons einfließen lassen (1875,4). Die heidnischen Minnedamen schmücken die Helme ihrer Ritter mit dem Bild der S (4027,3). Weder der Gesang der S noch irgend eine andere Musik könnten Sigunes Trauer um Tschinotulander auch nur ein wenig mildern (5210,1). B 6 , R e i n f r i e d von Braunschweig·. Die S ist ein Mischwesen aus einer wunderschönen Frau mit Krone und einem Fisch, sie lockt die Seeleute mit ihrer Stimme in den Tod. Ebenso verlockt der als Siegespreis im Turnier versprochene Kuss Yrcanes Reinfried dazu, sich in höchste Gefahr zu begeben (1614). Der von Reinfried angeheuerte Schiffskapitän beklagt den Verlust eines seiner beiden Schiffe samt Besatzung durch eine Sirene. Deren liebliche, unwiderstehliche Stimme habe die Männer so betört, dass sie mitsamt der Ladung scheiterten (22012; 22026). Reinfried will trotz dieser Warnung den Gesang der Sirene hören (22093; 22099). Er befiehlt seinen Männern, ohne anzuhalten zur Sirene hin zu rudern, lässt sich nach Ulixes' Beispiel an den Mastbaum fesseln und den Männern die Ohren verbinden, um so das Schiff heil zurückzubringen. Beim Anblick des Schiffes beginnt die Sirene wunderbar zu singen, ihre Stimme übertrifft alles, was die Natur je hervorgebracht hat. Reinfried würde gerne sterben, um diese Stimme weiter hören zu können. Die Sirene verfolgt das Schiff und schwingt sich dabei aus dem Wasser. Nicht einmal Orpheus könnte so schöne Töne erzeugen wie sie, selbst Alexander sah nichts Schöneres. Aus Schmerz, dass ihr Reinfried entkommen ist, und aufgrund ihres übermäßigen Gesanges bricht ihr schließlich das Herz, und sie stirbt (22250-22664; RV: 23153; 24237; 24240). B 7 Hermann Fressant,,Ehefrau und Buhlerin GA II, XXXV,587 (,Hellerwertwitz 593): Wer nicht großzügig ist, wird von den Frauen verschmäht, sänge er auch besser als die S (Frauenschelte; Katalog von Exempelfiguren).
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[1] [1] Nach dem Muster der S werden im Katalog ferner genannt: Curvenal fiir Klugheit, Parzival fur Schönheit, Tristan fur einen vorbildlichen Liebhaber, Gawein fiir Tapferkeit und Tugend und Gahmuret für Kühnheit.
B8 ,Der Schüler zu Paris' GA I, XIV,755: Die Liebende würde so schön singen, dass es auch eine S nicht besser könnte, wenn sie auf diese Weise ihren toten Geliebten wieder zum Leben zu erwecken vermöchte. C I DerMarner, XV. 16,305: Der Sänger kann zwar von dem süßen Gesang der S, von der Chimaera und vom Phoenix berichten, aber das wundersame Wesen [1], das in Pfauenund Menschenweise einhergeht und schon manchen Herren den Mut geraubt hat, [1] kann er nicht beschreiben (Exemplum für Wundersames; Unsagbarkeitstopos). [1] Gemeint ist die personifizierte Heuchelei.
C2 Der wilde Alexander, KID 11.1,4: In der Welt geht ein tugendloses Wesen [1] um, das den betörenden Gesang der S, die Farbe der Pfaffen und den Wankelmut des Hasen besitzt (Zeitklage). [1] Wie in C1 wird auch hier die Heuchelei (bezogen auf den Klerus) gemeint sein.
C3 Konrad von Würzburg, ,Kreuzleich' 1,136: Der verfängliche Gesang der S, der verfluchten Wassernixen, zog das Schiff der Sünde auf den Grund hinab. Erst der Todesruf Christi, der dem sterbenden Schwan gleicht, brachte ihn zum Verstummen (Allegorie). C4 Konrad von Würzburg, 32,291: Eine S lehrte den Meißner singen, er wurde von zwei wilden Greifen über das Lebermeer zu ihr geführt. Lebte Helena von Griechenland noch, würde sie ihm für seinen edlen Gesang danken. [1] [1] Das Sängerlob ist ein Fall von zwivellop und ironisch zu verstehen; zur Stelle B. Wachinger, Sängerkrieg. Untersuchungen zur Sangspruchdichtung des 13. Jh., 1973, 162f.
C5 , Wartburgkrieg' 166,7 (Simrock): Die S hört man beim Magnetberg singen, sie bringen mit ihrem Gesang die Seefahrer zum Einschlafen (Vergils Fahrt zum Magnetberg). [1] [1] Zur Magnetbergfahrt des Vergil Vergilius (II.4). Die Lokalisierung der S beim Magnetberg könnte auf B2 zurückgehen.
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Sirenes
C6 Frauenlob,Minne und Welt'IV.16,12: Im Streitgespräch wirft Frau Welt der Frau Minne vor, dass ihr Sirenengesang unbeständig und das Wesen der Minne zwielichtig sei. C7 Boppe, Η MS II, 138, VIII.4,10: Der Sänger müsste u.a. die süße Stimme der S ertönen lassen, um von seiner Minnedame erhört zu werden (Adynaton). D l ,Physiologus' 41,1: Die S sind todbringende Tiere. Sie haben den Oberkörper einer Frau und den Unterleib eines Vogels, betören mit ihrem Gesang die Seeleute, worauf diese einschlafen und von ihnen getötet werden. Ebenso werden jene, die von weltlichen und teuflischen Genüssen beherrscht sind, ein Raub des Teufels. [1] [1] Das 73,1 genannte wundersame Tier Serra zeigt ebenfalls Züge der S. Es lebt im Meer. Sobald es ein Schiff sieht, fliegt es ihm entgegen u n d umkreist es, bis es vor Müdigkeit nicht mehr fliegen kann. Es steht fur jene Menschen, die sich u m gute Werke b e m ü h e n , aber darin nicht standhaft genug sind.
El Rudolf von Ems,, Weltchronik'26662: Die S haben bereits zur Zeit des Trojanischen Krieges gelebt. Sie sollen noch heute im Meer liegen [sie!] und die wehrlosen Leute ertränken. Ihr süßer Gesang lässt sie einschlafen, dann werden die Schiffe auf den Meeresgrund gezogen. [1] [1] Es folgt unmittelbar danach ein Hinweis auf die Abenteuer des Ulixes (26677), zu denen die S aber nicht explizit gerechnet werden.
E2 Konrad von Würzburg,,Die goldene Schmiede' 148: Maria ist das Licht, das die (Seelen-)Schiffe, die die trügerische Sirene mit ihrem süßen Gesang versenken will, ans rettende Ufer geleitet. [1] [ 1 ] Unmittelbar zuvor wird der Magnetberg als Symbol der Sünde genannt. Auch hier wird somit wie in B2, B6 u n d C 5 die Sirene auf oder bei diesem gedacht.
II. 1) S im MA; 2) Das S-Abenteuer des Odysseus in der m h d . Literatur; 3) S im Schönheitsvergleich u n d in anderen Anspielungstypen; 4) Deutungen; 5) Zusammenfassung
1) Die S sind eines der wirkungsmächtigsten Motive der antiken Mythologie. Seine entscheidende Ausformung erhält es bereits durch Homers .Odyssee' (12,37ff; 12,154ff.). Schon
die Antike kennt eine breite historische und moralische Deutungstradition, die von der frühchristlichen apologetischen Literatur an das MA vermittelt wird. [1] Ein eingängiges Beispiel gibt die Auslegung in Isidors von Sevilla ,Etymologien' (11.3,30-31): Sie fasst die S euhemeristisch als Dirnen, die die Vorbeikommenden zum Müßiggang verführt haben sollen. Ihre Darstellung als Vögel mit Krallen wird allegorisch auf das Wesen der Liebe hin gedeutet, ihre Lokalisierung im Meer mythologisch mit der Geburt der Venus aus dem Meer erklärt. Die Vorstellung vom schönen Gesang der S erweist sich hier somit als erotisch codiert, ein Moment, das bereits in der ,Odyssee' angelegt ist. Die moralische Deutungstraditon begreift in den S außerdem die „gefährliche" Anziehungskraft von Kunst, Dichtung und Theater. Aussagekräftig ist in dieser Hinsicht die Beschimpfung und Vertreibung der Musen der Dichtkunst als „scaenicae meretriculae" („Theaterdirnen") und „Sirenes usque in exitium dulces" („Sirenen, zum Verderben süß") durch die personifizierte Philosophie in der Eingangsszene von Boethius' ,Consolatio' (I,26f£). Die in beiden Stellen fassbare S-Hermeneutik dominiert das gesamte MA, zumal die ma. Mythographie, [2] und lebt bis weit in die Neuzeit fort, wie etwa Benjamin Hederichs .Gründliches mythologisches Lexikon' (2. Ausgabe, 1770) zeigt. Hederich zufolge ist es „am glaublichsten [...], dass [die S] berühmte Huren gewesen, welche die Vorbeyreisenden an sich gelocket, und hernach ausgezogen, welches denn der Schiffbruch war, den dergleichen verführete Leute litten". Angeschlossen ist auch eine Warnung vor übermäßigem Kunstgenuss. Die Knochen auf der S-Insel sollen nicht die von den S Getöteten, sondern die bedeuten, die von deren Gesang nicht mehr loskamen, „denn wer sich zur Lieblichkeit der Musik einmal gewöhnet, pflegt ihr beständig anzuhängen." [3] 2) Vom S-Abenteuer des Odysseus berichten die beiden Trojaromane Al und die Fortsetzung von A2 (nicht aber A3). In beiden
Sirenes Fällen ist der Mythos rationalisiert und nur knapp erwähnt. A l und die Fortsetzung von A2 folgen hierin dem pseudohistorischen Trojabericht des Dictys Cretensis (Al mittelbar über den afrz. Trojaromen des Benoit de Sainte-Maure). Eine interessante Adaption bietet B6: Hier fährt der Titelheld das Abenteuer des Odysseus nach, die Sirene stirbt, nachdem ihr Reinfried entkommen ist. Ähnliches wird vom Tod der Sirenen auch in der späteren antiken Mythographie berichtet: Bei Hyginus (,Fabulae* CXLI) stürzen sie sich ins Meer, nachdem sie Odysseus glücklich passiert hat (so auch bei Mythographus Vaticanus 1.186 und 11.101, beide wie Hyginus mögliche Quellen von B6). Eine ebenso aufschlussreiche Umgestaltung ist in Apollonius' S-Abenteuer in A4 zu fassen, mit dem Unterschied, dass hier von der Sirene keine Gefahr ausgeht. Der Text scheint überhaupt einige antike mythologische Motive und Namen für die Ungeheuer und Wunderwesen aufzugreifen, mit denen sich der König von Tyrland zu schlagen hat. [4] In B6 und A4 gibt das S-Abenteuer jedenfalls eine durchaus reizvolle Episode nach dem Geschmack des späteren höfischen Aventiureromans ab. Dies illustriert Bekanntheit und Verfügbarkeit des Mythologems auch in der dt. Literatur des MA. 3) Die erotischen Implikationen der S-Gestalt und des S-Mythos bilden in der ma. Deutungstradition jene zentralen Aspekte, in denen die weitgehend negative Sinngebung wesentlich gründet. Umso erstaunlicher ist es, dass die S als Vergleichsfiguren im höfischen Frauenpreis firmieren, und zwar dann, wenn dieser unter der spezifischen Perspektive des Wohlgesangs steht (geht es bloß um Schönheit, sind die gängigsten antiken Vergleichsfiguren Venus und Helena). Für die dt. höfische Literatur wirkt der Vergleich Isoldes mit den S in B2 traditionsbildend. Dass der Text mit der ambivalenten Bedeutung der S spielt, zeigt die Formulierung, die die problematischen Aspekte des Mythos wie Verstrickung und Verzauberung direkt anspricht. Die Stelle liefert
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zudem eine für das poetologische Konzept des Romans aufschlussreiche Gleichung zwischen Kunstschönheit und erotischer Attraktivität. Auch in Hinblick auf das weitere Romangeschehen entbehrt der Vergleich nicht einer gewissen bewusst in Kauf genommenen Spannung. Eine analoge Ambivalenz mag angesichts der boethianischen Museninvektive auch für die Bezeichnung der Musen als „S der Ohren" gelten. Die Verbindung von S und Magnetberg ist mythographisch nicht traditionell und könnte kontextuell motiviert sein (dem Sirenengesang entspricht der Gesang Isoldes, der Anziehungskraft des Magneten ihre Schönheit). [5] Auf B2 beziehen sich indirekt oder direkt die S-Vergleiche in A2, A3, B4, B6 und (auf einen Ritter angewendet) B3. Die Lokalisierung der S beim oder auf dem Magnetberg findet sich auch — wahrscheinlich von B2 abhängig — in B6, C5 und E2. In Zusammenhang mit der höfischen Liebesthematik nennen die S noch die Adynata in C7, B5, Β7 und B8. C7 bezieht sich auf den Topos der unerweichlichen Minneherrin und zeigt Verbindung zu entsprechenden Stellen beim Tannhäuser [6], hier wie dort mit durchaus ironischem Unterton. Eine parodistische Adaption liegt in B7 vor. In B5 und B8 wünschen die trauernden Liebenden, ihre Geliebten mit dem S-Gesang erwecken zu können. Die Adynata fungieren hier als pathetische Hyperbeln. Eine Wappenfigur gibt S in Al (Hector), A4 (Apollonius) und B5 ab. Dass es in B5 heidnische Minnedamen sind, die ihre Ritter auf diese Weise ausstatten, könnte durchaus die problematischen Aspekte des ma. S-Bildes implizieren (somit käme in dem heraldischen Attribut Kritik an einer übertriebenen Minnebindung des Ritters zum Ausdruck). 4) Grundsätzlich lässt sich im MA zwischen Fisch- und Vogelsirene unterscheiden. Explizite Angaben machen in den mhd. Belegen nur A2, A4 und B6, in allen drei Fällen ist von einer Fischsirene die Rede, so auch in B l , wenn hier nicht überhaupt bloß die
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Sisenes
Seekuh gemeint ist. Ebensowenig konstante Vorstellungen vermitteln die mhd. Belege von der Zahl der Sirenen. Bei Homer lässt sich auf eine vorgestellte Zweizahl schließen, später wird meist von einer Dreizahl ausgegangen (so etwa bei Isidor). Von mehreren S sprechen Al, A2, A3, B2, B5, B7, C l , C2, C3, C5 und C7. Die negative Deutungstradition ist beispielhaft in D l aufgegriffen. Nach christlich-allegorischer Deutung sind die S hier als Sinnbilder des Teufels gefasst. Deutliche Analogien dazu zeigt E l . Die Stelle bezieht sich auf die Nennung der S in der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1290a). Dort ist die rationalisierende Deutung in der isidorischen Tradition angeschlossen, wenn es heißt: „Syrenes quoque mulieres fuisse, quae decipiebant navigantes" („Die S sollen auch Frauen gewesen sein, die die Seefahrer betrogen haben"). Sinnbild der sündigen Verfuhrung sind sie in C3 und E2, ihrem Gesang wird der Schwanengesang Christi (der Schwan ist Christussymbol) gegenübergestellt, der sie zum Verstummen bringt. In E2 rettet Maria die Seelenschiffe vor der Sirene. Auf negative Sinngebung zielt auch C6, die Nennung zeigt außerdem, dass der Begriff „Sirenengesang" bereits sprichwörtliche Qualität angenommen hat. In Zusammenhang mit moralischen Gleichnissen sind die S in C l und C2 genannt, auch hier schlägt die negative Deutungstradition durch. Die geistlich-allegorische Deutung in C3, D1, El und E2 hat im Übrigen eine aufschlussreiche Parallele im ,Hortus Deliciarum' der Herrad von Landberg (um 1190), der einen S-Zyklus von drei Bildern bringt: Die ersten beiden zeigen den Uberfall der musizierenden Ungeheuer auf schlafende Seefahrer, im dritten Bild werden sie von einem gerüsteten Ritter am Mastbaum überwunden. [7] Die Lehre ist klar: Nur der wache, sich an das Kreuzesholz haltende Christenmensch kann den Lockungen der Sünde entgehen. [8] Für sich steht der „Bericht" von der Begabung
des Meißners durch die S. Auch dies mag ein zweifelhaftes Lob sein, da die übliche Instanz für derlei auch im MA der Helikon und die Quelle des Pegasus ist, also auch der ma. Sänger — wenn überhaupt - dann eher ein Jünger der Musen denn der S sein sollte. 5) Die dt. Belege spiegeln insgesamt die breite Palette an Deutungen und Funktionsweisen des ma. S-Mythologems wider. Die mythographische Tradition ist durchaus mitreflektiert. Eigenes Profil entwickeln v.a. die S-Aventiuren des späthöfischen Abenteuerromans und der S-Vergleich im Frauenpreis, der von B2 ausgehend einen höfischen Topos erzeugt. In B2 mag man überhaupt die ambitionierteste mhd. Zitation fassen können. [1] Wedner, Tradition und Wandel; Rahner, Gr. Mythen, 281ff.; -» Ulixes (IIA)·, zum S-Mythos im ΜΑ A. Ebenbauer, Apollonius und die Sirene. Zum Sirenenmotiv im Apollonius von Tyrlant' - und anderswo, in: Classica et Mediaevalia. Studies in Honour of Joseph Szöverfly. Ed. I. Vaslef and H. Buschhausen, 1986, 31-56; R. Krohn, „daz si totfuorgiu tier sint". S in der ma. Lit. in: Dämonen, Monster, Fabelwesen. MA-Mythen 2. Hg. U. Müller und W. Wunderlich, 1999, 545-563. [2] Vgl. die Belege bei Chance, Medieval Mythography, Reg. [3] S.v. Sirenes, in: Hederich, Sp. 2220-2224, hier Sp. 2223f. [4] Achiron erinnert an -» Chiron (NB), vgl. außerdem die Zwergkentauren Piramort und Pliades Centauri, II.3) [5] Zu B2 Kern, Isolde. [6] -» Paris (I.C3). [7] Herrad von Landsberg, Hortus Deliciarum, 126f. (fol. 221). [8] Zu Odysseus als Sinnbild Christi oder des wachen Christen Rahner, gr. Mythen, vgl. auch Ulixes (IIA). [mk]
Sisenes [Persischer Gefolgsmann Alexanders; Curtius 111.7,11; Chatillon 11,269]
A l Ulrich von Etzenbach, Alexander'·. Der Perser S genießt Alexanders Gunst und ist ihm treu ergeben. Er erhält von Nabarzanes einen Brief, in dem er um genauere Auskunft über die Absichten Alexanders gebeten wird. Noch bevor er ihn aber Alexander zeigen kann, wird er ihm von missgünstigen Griechen gestohlen und dem König vorgelegt. Dieser
Sisygambis — Socrates [1]
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hält S fur treulos und lässt ihn töten (6712; 6719; Alexander in Issos).
dates' und seiner Leute. Das Motiv der trauernden Mutter findet sich nur in A2.
[sks]
[sks]
Sisygambis [Tochter des Ostanes, Gattin des Arsames, Mutter des Darius III., wird in Issos von Alexander gefangen genommen, verweigert bei Gaugamela die Flucht und stirbt auf die Nachricht von Alexanders Hinscheiden den freiwilligen Hungertod]
G: Mutter des Darius (Al, A2) und zweier Töchter (Al) R: Kaiserin (A2), Königin (Al, A2), vrouwe (Epitheton) (Al) Nf.: Sisiscamis (A2), Sisigambis (Al) I. Al Rudolf von Ems, yAlexander' 7575: Die alte und ehrbare S gerät nach der ersten Schlacht zwischen Griechen und Persern in makedonische Gefangenschaft, klagt um den vermeintlich im Kampf gefallenen Darius und erfährt schließlich, dass er noch lebt. A2 Ulrich von Etzenbach, »Alexander': Die vornehme und schöne S gerät nach der Schlacht bei Issos in gr. Gefangenschaft. Bei der Belagerung von Uxia vermittelt sie auf Bitten des besiegten Grafen Madates einen freien Abzug der Bürger und eine Schonung der Burg (15055; genealogische Angaben: 14938; 15767). S und ihre Tochter trauern am Grab des Darius ([16973]), Alexander versucht sie zu trösten ([17082]). Ptolemaeus lässt nach Alexanders Tod fur S und Roxane einen Palast errrichten (27193). II. S bleibt als Mutter des Darius in den Alexanderromanen eine Randfigur. Al beschränkt sich auf die Erwähnung ihrer historisch nach der Schlacht bei Issos erfolgten Gefangennahme (nach Curtius Rufus ΠΙ.11,24). A2 referiert außerdem nach Curtius Rufus (V.3,12fF.) und Walther von Chätillon (VI, 132ff.) S's Intervention bei Alexander zur Schonung Ma-
Sisyphus [Sohn des Aeolus, muss in der Unterwelt wegen seiner Schandtaten einen Stein auf einen Berg wälzen, der knapp vor dem Gipfel immer wieder hinabrollt; M M 4,460]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Sysiphus): S ist einer der Büßer in der Hölle. Er muss einen Mühlstein auf einen Berg wälzen (4,859; Iunos Höllenfahrt; Katalog). [1] Wie die anderen Büßer lässt auch S von seiner Arbeit ab, um dem Gesang des Orpheus zu lauschen (10,125; Orpheus in der Unterwelt; Katalog). [2] S ist ein Verwandter des Ulixes [3], dieser sei Aiax zufolge in seiner treulosen Art ganz nach jenem geraten (13,65; 13,69; Streit um die Waffen des Achilles; Rede des Aiax). [1] Ovids „sedes scelerata" (.Metamorphosen' 4,456) wird bei Albrecht mit „hellisch huß" (4,843) wiedergegeben, das Motiv des immer wieder hinunterrollenden Steines fehlt. [2] Bei Ovid setzt sich S auf seinen Mühlstein (MM 10,44). [3] Bei Ovid wird das genaue Verwandtschaftsverhältnis von S und Ulixes (er ist sein Großvater mütterlicherseits) nicht genannt (13,32). Nach Sophokles' Aiax' (189) und ,Philoktet' (417) soll er dem Gerücht nach sein Vater gewesen sein. Aiax spricht in Al von S als Ulixes' „vetter". [mk]
Sitalces [Prätor Alexanders, ist an der Ermordung Parmenios beteiligt, wird wegen seiner Gewalttaten hingerichtet; Curtius X.1,1]
Al Rudolf von Ems, »Alexander' 20327: S, Cleander und Agathon sind Parmenio feindlich gesinnt und führen deshalb bereitwillig Alexanders Auftrag zu dessen Tötung aus. [sks]
Socrates [1] [Um 470-399 v. Chr., gr. Philosoph, wurde wegen angeblicher Verführung der Jugend und Störung der göttlichen und staatlichen Ordnung zum Tode durch Gift verurteilt]
R: Meister (Bl, D2)
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Socrates [1]
Τ: Gelehrter (Bl), Weiser (Dl), Philosoph (Dl, D2, E l ) I. Bl Johann von Würzburg, ,Wilhelm von Osterreich ' 11949'. S und Avicenna bezeugen die Existenz des Wundertieres „fortaspinaht", aus dessen stacheliger, undurchdringlicher Haut sich Merlin, ein Gegner Wilhelms, eine Rüstung verfertigt hat. C l Rumelant, HMS 111,20,11.12,3·. Wäre der Sänger ein S, Aristoteles, Hippocrates oder Galenus, wäre er in den Künsten so bewandert wie Plato und besäße er die Kunstfertigkeit des Vergilius, Boethius, Cato, Seneca, Donatus und Beda, er könnte den hochgelobten Fürsten dennoch nicht adäquat preisen (Katalog exemplarischer Meister; Unsagbarkeitstopos). [1] [1] Die Strophe findet sich in einer Reihe von Fürstensprüchen Rumelants (11,12-15). Gemeint ist vermutlich Kaiser Ludwig der Bayer (reg. 1314-1347). Der Katalog bietet ein erstaunliches Potpourri von antiken Philosophen und Dichtern sowie christlichen Gelehrten.
D l Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast' 4201: Lebte der tugendhafte und weise S noch, würde er viele Freie für Leibeigene der Untugenden ansehen. S entsagte um der Tugend willen vielen Dingen und hielt Güter fur nichtig (Exempelfigur fiir Tugendhaftigkeit und Enthaltsamkeit; Zeitklage). D2 Hugo von Trimberg, ,Der Renner'·. Lebten der tugendhafte und gelehrte S und Cicero noch, würden sie unter der Gier der Welt leiden (10073; Exempelfigur für Gelehrsamkeit; Topos vom missachteten Weisen). S wird in mehreren Katalogen genannt: Er war einer jener antiken heidnischen Gelehrten, die zwar viel wussten, aber doch in manchen Dingen irrten. Folgt man ihnen, ergeht es einem wie Hieronymus, der im Schlaf geschlagen wurde, weil er ihre Bücher der Lektüre der Hl. Schrift vorzog (8454). [1] S und andere antike Gelehrte lebten tugendhaft und wurden dennoch von Neid und Missgunst verfolgt (14678). [2] Alexander [!] verehrte S sehr und sprang grüßend vom Wagen, als er ihn alleine gehen sah. Heute schätzt man die Gelehrten nicht mehr (16415). [3]
[1] Ferner werden genannt: Plato, Aristoteles, Seneca, Demosthenes, Diogenes, Cicero und Empedokles. [2] Ferner werden u.a. genannt: Horaz, Ovid, Statius, Cicero, Lucan, Boethius, Alan, Dares und Aristoteles. [3] Das Gegenbeispiel zu der (historisch naturgemäß nicht möglichen) Begegnung von Alexander und S gibt Nero, der seinen Lehrer Seneca zum Tod verurteilt.
El Williram von Ebersberg, ,Das Hohe Lied' 48,1-41: S, Plato, Aristoteles und Pythagoras wollten in ihren philosophischen Lehren den Schöpfer aus der Schöpfung erklären. II. S ist dem MA als Philosophenname durchaus geläufig. Er gilt in erster Linie als Begründer der paganen Ethik (Isidor, Etym. 11.24,5). In den Nachrichten über ihn werden seine bescheidene Lebensführung, seine Tugend und sein eingestandenes Unwissen besonders hervorgehoben. [1] Außerhalb der ma. Philosophie weiß man freilich wenig von seinem Wirken. In den mhd. Belegen repräsentiert er die v.a. in der didaktischen Literatur beliebte Exempelfigur des antiken Gelehrten. Spezifische Konturen werden nur in Spuren erkennbar, so in D l , wo S's Bescheidenheit und Enthaltsamkeit betont werden. Wie verfügbar der Name gewesen ist und wie wenig Wissen sich mit ihm verband, belegt hingegen die Nennung in Β1. Der von S wie von anderen antiken Philosophen verkörperte Typus kann alles Mögliche bezeugen, ein Beispiel davon gibt auch der Katalog in C1. Die Stelle reflektiert den beliebten Unsagbarkeitstopos und verbindet ihn mit einem Adynaton. Eine analoge Rhetorik findet sich im Zusammenhang mit dem Liebesthema beim Tannhäuser und bei Boppe. [2] Im Rahmen gängiger didaktischer Topik wie der Zeitklage und der Klage über die Missachtung der Gelehrsamkeit wird S in D l und D2 genannt. D2 äußert dabei auch die übliche Kritik an der Beschränktheit paganer antiker Bildung und verweist in diesem Zusammenhang auf die im MA beliebte Anekdote vom gezüchtigten Hieronymus (S ist hier außerdem offenbar als Autor gedacht). Christliche Kritik an der Beschäftigung mit antiker Philosophie übt auch El.
Socrates [2] — Sol Das Treffen zwischen S und Alexander, von dem D2 wissen will, ist vermutlich ein Reflex der berühmten Anekdote von Alexanders Besuch bei Diogenes. Diese ist in der mhd. Literatur nicht belegt. [3] [1] S.v. Sokrates im ΜΑ (M. Laarmann), in: LMA, Bd. 7, Sp. 2027f. [2] -> Paris (I.C4) bzw. -» Seneca (I.C3). [3] Erwähnt ist bloß die Becheranekdote in der ,Cröne' Heinrichs von dem Türlin; -* Diogenes. [mk]
Socrates [2] [Verwalter von Kilikien; Curtius IV.5,9]
A l Rudolf von Ems, Alexander'9469: S wird von Alexander als Verwalter Kilikiens eingesetzt und soll die umliegenden Inseln erobern (Eroberungszug Alexanders gegen Persien). [sks]
Sogodianus [Halbbruder des Xerxes II., ermordet diesen 424 v. Chr. und übernimmt die Herrschaft]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 15722 (Sogdianus): S folgt auf Xerxes als persischer Herrscher (Geschichte Persiens; Katalog der persischen Könige vor Alexander). [1] Al bezieht sich auf die Angaben zu den persischen Königen in der ,Historia scholastica* des Petrus Comestor (PL 198, hier Sp. 1490b). Auf diese wird im Prolog (192) auch explizit verwiesen. [sks/mk]
Sol [Gr. Helios, Sonnengott]
W: Gottheit (E2), Sonnengott (El), Planet (Bl, B2, E3) I. B l Albrecht, Jüngerer Titurel'·. S, einer der sieben Planeten, die auch die sieben Tugenden verkörpern und den Weltenlauf aufrechterhalten, steht als leuchtende Sonne für den christlichen Glauben (2802,1; 2804,1; Heilung Tschinotulanders; astronomischer Ex-
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kurs; Personifikation; Planetenkatalog).
B2 Johann von Würzburg, , Wilhelm von Osterreich' 15435'· Die Planeten S, Luna, Mercurius, Venus, Mars, Iuppiter und Saturnus sind mitsamt ihren Sphären auf der Dachplane eines orientalischen Festzeltes kunstvoll dargestellt (Descriptio). El,Kaiserchronik'[75]'· Zu Ehren der Sonne, damit sie Freude verbreite, wird am Sonntag ein brennendes Rad durch Rom getragen. Niemand wagt, die Gottheit anzusehen (Rom. Götter und Wochentage). E2 Jans Enikel, , Weltchronik' [20247]'· Am Sonntag wird ein gläsernes Rad durch die Straßen Roms getrieben. Scheint die Sonne durch das Glas jemanden an, dann fühlt er sich glücklich (Rom. Götter und Wochentage). E3 Brun von Schönebeck, ,Das Hohelied'·. S, einer der sieben Planeten, steht für die Weisheit (1437; 1442; Planetenkatalog). II. S ist in allen angeführten Belegen rein physikalisch aufgefasst. Der antike Sonnengott ist sonst ausschließlich unter der Nf. Phoebus belegt und in diesen Fällen mit Apollo identifiziert. [1] Die beiden Chroniken El und (mit Bezug auf E l ) E2 sprechen lediglich von der Verehrung der dem Menschen Freude und Glück bringenden Sonne am Sonntag, an dem zu ihren Ehren ein brennendes (El) bzw. gläsernes Rad (E2) durch die Straßen getragen wird. [2] Die übrigen Belegstellen nennen S in Planetenkatalogen, in Β1 und E3 verbunden mit entsprechenden allegorischen Deutungen. S verkörpert eine der sieben Tugenden (Β 1, E3) und steht für den Glauben ( B l ) bzw. für Weisheit (E3). Im Hintergrund wirkt wohl die hymnische Auffassung Christi als „sol invictus". Eine rein astrologische Darstellung erfolgt in B2. [1] -»Apollo. [2] Die Quelle für das Radmotiv ist nicht bekannt, so zu El Schröder (Hg.), 80, Anm. 3. [sks/mk]
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Solinus — Spithridates
Solinus
Sperchius
[Gaius Iulius S, Mitte 3. Jh. η. Chr., Verfasser der „Collectanea rerum memorabilium", galt im MA als einer der wichtigen Auetores]
[Fluss in Thessalien, Flussgott, tröstet den um Daphne trauernden Peneus; M M 1,579]
Dl Hugo von Trimberg,,Der Renner' (Solin): S wird in mehreren Gelehrtenkatalogen genannt: Er ist einer von jenen christlichen und antiken Gelehrten, die sich richtigerweise mit den verschiedensten Materien beschäftigten, da man nicht zu lange dieselbe Sache betreiben soll (9347) [1]; einer jener antiken Gelehrten, die tugendhaft lebten und dennoch von Neid und Missgunst verfolgt wurden (14679) [2]; bezeugt mit anderen Gelehrten die Wirkungskraft und Bedeutung des Balsams (20283). S berichtet, dass der Elefant über 300 Jahre alt wird (19356), dass Ochsen zunehmen, wenn man sie häufig wäscht (19482), und von einer Quelle, deren Wasser zu tanzen beginnt, wenn man an ihr musiziert (20209). [4] [ 1 ] Ferner sind genannt: Vergil, Ovid, Aesop, Avian, Iuvenal, Plinius, Horaz, Persius, Augustinus, Hieronymus, Gregorius und Ambrosius. [2] Außerdem: Horaz, Ovid, Statius, Cicero, Lucan, Boethius, Alan, Dares, Aristoteles u.a.m. [3] Außerdem: Isidor, Physiologus, Plinius, Plato, Ambrosius, Augustinus, Hieronymus, Origenes, Jakob und Aristoteles. [4] S's Name verbürgt v.a. gängige „Mirabilia". Die Verweise lassen durchaus auf eine Kenntnis durch den Autor schließen. [mk]
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen'
(Spercheus, Sperchiades): S besucht zusammen
mit anderen Flüssen den um seine Tochter Daphne trauernden Peneus, um ihn zu trösten (1,1125; Daphne und Phoebus; Katalog). [1] [1] Der Flussname ist außerdem genannt in 2,531 (Phaetons Fahrt mit dem Sonnenwagen; Katalog der versengten Flüsse) und in 7,497 (Katalog der Flüsse, an denen Medea Zauberkräuter zur Verjüngung Aesons sammelt). [mk]
Spinther [1] [Gefolgsmann Alexanders, wird von diesem vertrieben; Valerius 2,574; Leo 11.10,13 Sphictir]
Al Rudolf von Ems, Alexander'6005 (Spicher): Fürst S klagt Darius seine Vertreibung durch Alexander (Vorbereitungen zur 1. Schlacht zwischen Griechen und Persern). [sks]
Spinther [2]
Antilochus [2]
Spitamenes [Baktrischer Adeliger, Anhänger des Bessus, den er später an Alexander ausliefert]
Al Rudolf von Ems, Alexander': S will seinen Sparton [Heros eponymos von Sparta]
El Rudolf von Ems,,Weltchronik' 8682 (Sparius): Der kühne S ist der Gründer von Sparta, das später von Menelaus beherrscht wird (Städtegründungen in Griechenland; Katalog). [1] [1] Dem Prinzip ma. Weltchonistik entsprechend, werden die mythologischen Daten historisch aufgefasst und in profangeschichtlichen Exkursen („incidentia") zur Heilsgeschichte, wie hier meist in Form von Herrscherkatalogen, erinnert; zur Nennung vgl. den Beleg im ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 509), einer der Nebenquellen von El. [mk]
Freund Bessus an Alexander ausliefern, um den Mord an Darius zu rächen und Alexanders Gunst zu erlangen, und verschwört sich zu diesem Zweck mit Catenes und Dataphernes (21535-21612; Alexanders Zug gegen Bessus). [sks]
Spithridates [Persischer Kämpfer; attackiert Alexander in der Schlacht am Granikos]
Al P f a f f e Lamprecht, Alexanderlied' (fubal): Der tapfere Perser S kämpft in der Schlacht
Stapsi — Statius am Euphrat, bemerkt Alexanders entblößten Hals und will ihn töten. Alexanders Leibwächter Clitus kommt ihm zuvor und spaltet ihn mit einem Schwerthieb (VI 279-1276; S1773-1787). [1] [ 1 ] Die Episode wird in den Quellen von Al (Leo Archipresbyter, .Historia de preliis') und bei Q. Curtius Rufus nicht berichtet. Erwähnung findet sie bei Arrian (1.12,8; 1.16,3), vgl. Kinzel (Hg.), 143ff., zu 1667-1908 und s.v. Spithridates [2.] (H. Volkmann), in: DKP, Bd. 5, Sp. 316. [mk]
Stapsi [Gefolgsmann Alexanders, wird von diesem vertrieben; Leo 11.10,13]
Al Rudolf von Ems, Alexander'6005 (Saptesi)·. Fürst S klagt Darius seine Vertreibung durch Alexander (Vorbereitungen zur 1. Schlacht zwischen Griechen und Persern). [sks]
Stasagoras [Princeps von Platea; Valerius 2,12; Leo 2.1,7]
A l Rudolf von Ems, ^Alexander': Der weise Fürst S von Platea wird von Alexander vertrieben, flieht nach Athen und gewinnt schließlich die Huld des Königs zurück (3584; 3825; Alexanders Eroberungszug in Griechenland). [sks]
Statius [Publius Papinius S, 40 bis ca. 96 n. Chr., röm. Dichter, Verfasser der .Thebais' und der unvollendeten .Achilleis']
R: Dichter (Bl, Dl), Meister (Dl) Nf.: Stacius (Dl) I. Bl ,Reinfried von Braunschweig 22592: In S's »Achilleis' wird Genaueres über das Leben des Achilles berichtet (Exkurs zu Achilles; Quellenberufung). Dl Hugo von Trimberg, ,Der Renner'·. Der tugendhafte S wird in einem Katalog röm.
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Adeliger genannt, die den Wert der Kunst für Tugend und Ansehen erkannten und sie beispielhaft pflegten (1269; Exempelfigur; laus temporis acti), [1] weiters in einem Katalog alter Meister, die tugendhaft lebten und dennoch von Neid und Missgunst verfolgt wurden (14674; Exempelfigur). [2] S berichtet vom Kampf der Sieben gegen Theben und der Zerstörung der Stadt aufgrund des Bruderhasses von Eteocles und Polynices (14184; Quellenberufung). [1] Außerdem werden genannt: Numa, Maecenas, Macrobius, Vergil, Caesar, Octavian, Scipio, Cicero, Lucan, Iuvenal, Persius, Boethius, Ovid, Sallustius, Horaz, Terenz, Seneca. [2] Außerdem: Iuvenal, Vergil, Horaz, Ovid, Cicero, Boethius, Alan, Dares, Aristoteles, Hippocrates, Socrates, Solinus, Plato, Persius, Donatus, Cassiodor, Remigius, Porphyrius, Pythagoras und Plinius.
II. 1) S im lat. MA; 2) S in der volkssprachlichen Literatur
1) S galt dem MA (v.a. ab dem 10. Jh.) als einer der wichtigsten antiken Auetores. Sein hohes Ansehen mündet in der Vorstellung, er sei Kryptochrist gewesen (dasselbe wird fallweise auch von Vergil, Ovid und Seneca behauptet). Sie ist in Dantes ,Comedia' greifbar, wo Dante und Vergil Statius am Läuterungsberg begegnen. S will dort durch die Lektüre der Werke Vergils bekehrt worden sein und schließt sich den beiden Wanderern an (,Purgatorio\ canto 21 bzw. 22). [1] S's epische Dichtung hat nicht zuletzt große Wirkung auf die ma. Mythographie. [2] Sein Stellenwert beginnt wie jener des Lucanus ab der Renaissance zu sinken, bis er schließlich im 18. Jh. von einer vorderen Stelle im Kanon zurücktreten muss. Die Ursachen dafür liegen nicht zuletzt in der Aufwertung der Griechen, durch die selbst Vergil in den Schatten Homers gerät. Die Folgen sind eine lediglich spurenhafte literarische Rezeption und eine nur mehr geringe Bedeutung im Gymnasialunterricht. 2) Im volkssprachlichen MA reicht S's Nachwirkung zwar nicht an jene Vergils und Ovids heran. Immerhin bildet seine ,Thebais' aber die Vorlage des ,Roman de The-
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Stesichorus — Sthenelus
bes', des ältesten der drei afrz. Antikeromane (um 1150). Er wurde im Unterschied zum ,Roman d'Eneas' und zum ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure allerdings nicht ins Dt. übersetzt. Entsprechend gering sind die direkten und mittelbaren Spuren von S's Werken in der mhd. Literatur. Die beiden mhd. Belege unterstreichen den hohen Bildungsstand der Autoren. Sie beziehen sich auf die zwei prominentesten Werke des S, die ,Achilleis' ( B l ) und die ,Thebais' (Dl). Eine direkte Textkenntnis lässt sich aus den Stellen nicht ableiten. Der Verweis auf die lat. Quelle und den lat. Autor ist aber insbesondere für einen volkssprachlichen Roman wie Β1 bemerkenswert. [3] S's Achilleis' wurde außerdem im ,Trojanerkrieg' Konrads von Würzburg für die Jugendgeschichte des Achilles verarbeitet. [4] In den Katalogen von D l repräsentiert S den Exempeltypus des antiken Gelehrten und Autors. Die Nennungen stehen mit Zeitklage und Klage über die Missachtung von Kunst und Gelehrsamkeit im Rahmen gängiger didaktischer Topoi. Im Unterschied zu den Nennungen mancher anderer Gestalten fügt sich der Kontext freilich durchaus in das Bild, das man im MA von Statius hatte. [1] Ob Dante auf eine Legende zurückgreift oder eigenständig zu dieser Annahme gelangt, ist unsicher; vgl. Gmelin (Hg.), Bd. 5, 345ff. [1] S.v. Statins [3.] (R. Herzog), in: DKP, Bd. 5, Sp. 348350, hier 350; zu Überlieferungsgeschichte und Kanonisierung s.v. Statius im MA (F. Brunhölzl), in: LMA, Bd. 8, Sp. 67f. [2] Dies gilt auch für die Verweise von Β1 auf -* Claudianus und die ,Ecloga Theoduli' ( - » Atlas [I. Bl/II.J). [3] Lienert, Geschichte und Erzählen, 196ff. [mk]
Stesichorus [Gefolgsmann Alexanders; Leo 1.46,24]
A l Rudolf von Ems, »Alexander' 3479 (Stesicher): Der vornehme Fürst S setzt bei der Einnahme Thebens gr. Feuer und Belagerungsgeräte ein (Alexanders Eroberungen in Griechenland). [sks]
Sthenelus [Argiver, Freund des Diomedes, gr. Kämpfer vor Troja]
G: Gefährte des Diomedes und des Euryalus (Al) R: König von Argos (El) Nf.: Delonis (A2), Stelenus (Al), Stenelus (A2 [Forts.], E l ) I. A l Herbort von Fritzlar, ,lietvon Troye': S führt mit Diomedes und Euryalus 40 Schiffe von Argos zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3389; Katalog), bildet mit Diomedes in der Landungsschlacht vor Troja eine Schar (4928; Katalog) und sticht Polydames vom Pferd (6831-6954). A2 Konrad von Würzburg, , Trojaner krieg: S führt gemeinsam mit Euryalus die 13. Schar der Griechen (30684; 33566; Katalog). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung: S wird von Hector verwundet (40469) und kämpft später an der Seite von Aiax Oiliades um den Leichnam des Achilles (44058). El Rudolf von Ems, , Weltchronik': S ist der neunte König von Argos, er wird von Danaus vertrieben; sein Land wird später von seinem Sohn Eurystheus zurückerobert (15754; 15747; 19893: Katalog der Könige von Argos).
II. S wird schon in Homers ,Ilias' als gr. Kämpfer vor Troja genannt. A l und A2 folgen in ihrer Darstellung dem Trojaroman Benoits de Sainte-Maure (8283). Die Abweichungen ergeben sich aus der unterschiedlichen Konzeption, A2 ist eine freie, weitgehend selbständige Bearbeitung. Die Fortsetzung von A2 berichtet von S's Verwundung durch Hector nach dem Trojabericht des Dares Phrygius (29,22) und von seiner Teilnahme am Kampf um den Leichnam des Achilles nach Dictys Cretensis (91,2f.). Die Nennungen in El finden sich im Rahmen profangeschichtlicher Exkurse („incidentia") zum Heilsgeschehen. Dem Prinzip lat. Welt-
Stranguillio — Strophius chronistik entsprechend, sind die mythologischen Daten historisch aufgefasst und werden so wie hier meist in Herrscherkatalogen aufgelistet, auf eine narrative Darstellung wird verzichtet. Die Angaben beziehen sich auf eine der Nebenquellen von El, das ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, S p . 519). [mk]
Stranguillio [Vertrauter des Apollonius aus Tarsis; .Historia Apollonia 9,2]
A l Heinrich von Neustadt, »Apollonius von Tyrlant' (Strangwillo, Strangwilio): Der treffliche S berichtet Apollonius von der herrschenden Hungersnot in Tarsis, worauf Apollonius den Bürgern seine Getreidevorräte verkauft und ihnen den Erlös zur Stadtsanierung gibt (9621013). Apollonius gibt seine Tochter Tarsia und deren Amme in die Obhut von S und seiner Gattin Dionysias und schwört ihnen, sich Haare und Nägel so lange nicht mehr zu schneiden, bis er sie verheiratet habe. S und Dionysias sind darüber entsetzt (2847; 2894). Die Amme offenbart Tarsia, dass nicht S, sondern Apollonius ihr Vater sei (15002; 15132). Der fromme, rechtschaffene S ist über die von Dionysias in Auftrag gegebene Ermordung Tarsias bestürzt, beschimpft seine Gattin als Teufelin und fühlt sich Apollonius gegenüber schuldig; fügt sich aber schließlich in den Betrug und legt wie Dionysias Trauerkleider an, um wegen Tarsias Verschwinden Schmerz zu heucheln (15451; 15461). Als Apollonius nach Tarsis zurückkehrt, verflucht S Dionysias (16009-16053; 16807). Nach der Wiederauffindung Tarsias durch Apollonius wird S vor Gericht gestellt, des Meineids überführt und gemeinsam mit Dionysias gesteinigt. Ihre Leichen werden den Hunden und Raben zum Fraß vorgeworfen (17108-17159). [mk]
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Strato [König von Aradus; Curtius IV. 1,6]
A l Rudolf von Ems, vAlexander': Der mächtige König S von Aradus ergibt sich Alexander und wird von Parmenio vertrieben (8237-8243; 1. Schlacht der Griechen gegen die Perser), herrscht später über Sidonie (8350) und wird von Abdalonymus abgelöst (8519). [1] [ 1 ] Bei Curtius Rufus sind Strato, König von Aradus (IV. 1,6), und Strato, König von Sidonia (IV. 1,16), zwei verschiedene Gestalten, Al hält sie nicht klar auseinander. [sks]
Strix [Eule; MM 7,269]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': S war einst ein Mensch und wurde von den Göttern in einen Vogel verwandelt. [1] Medea gibt seine Federn in den Zaubertrank, den sie zur Verjüngung Aesons bereitet (7,576; 7,578; Medea und Iason). [ 1 ] Mit der S ist bei Ovid keine Metamorphose verbunden. Eine solche findet sich erst bei dem von Ovid unmittelbar darauf genannten Werwolf („lupus"), dessen Gekröse Medea verwendet. Der Werwolf, heißt es, könne sich in einen Menschen verwandeln („inque virum soliti vultus mutare ferinos ambiguiprosectalupi"; „[das Gekröse] eineszweigestaltigen Wolfes, der sein tierisches Aussehen in einen Menschen zu wandeln pflegt"; MM 7,270f.). Al lag vielleicht ein verderbter Text vor. Der von Ovid genannte „lupus" wird nur als „Wolf' wiedergegeben und hat keine besonderen Eigenschaften. [mk]
Strophius [Schwiegervater des Aegisthus; Dictys 11,25 Benoit 28329 Focensis]
Phocensis;
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' 17400 (Forenses)·. S will sich an Aegisthus rächen, weil dieser seine Tochter wegen Clytaemestra verlassen hat. Er und Orestes sammeln in Athen ein Heer und ziehen gegen Mykene. Aegisthus und Clytaemestra werden besiegt und auf grausame Weise hingerichtet (Nachgeschichte des Trojanischen Krieges). [1] [1] S ist in der gr. Trojasage der Schwager Agamemnons und zieht Orestes auf, s.v. Strophios (H. von Geisau), in:
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Styphelus — Syrinx
DKP, Bd. 5, Sp. 399. Der Handlungsgang in Al folgt dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, dieser dem Trojabericht des Dictys Cretensis. Phocensis ist eigentlich S's Beiname, er wird aber schon bei Dictys als eigentlicher Name verwendet, so auch bei Benoit und in A l . [mk]
Styphelus [Kentaur, wird von Caeneus getötet; M M 12,459]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12,702 (Stiphilus): Caeneus erschlägt den überaus starken Riesen S [1] und andere von dessen Gefährten. Latreus will sie rächen (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf; Katalog). [1] Die Kentauren werden in Al als Riesen aufgefasst (-* Centauri). Die Adaption greift aufVorstellungen zurück, die dem Publikum aus der Heldendichtung bekannt sind. [mk]
Sychaeus [Gatte der Dido, wird von ihrem Bruder Pygmalion ermordet; Aeneis' 1,343; RdE 383]
A l Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman (Sicheus)·. Didos Gatte S ist von ihrem Bruder getötet worden (298). Dido hat ihm geschworen, nach seinem Tod nicht mehr zu heiraten, bricht den Schwur aber wegen ihrer Liebe zu Aeneas (1487; Dido und Aeneas). [sks]
Symmachus [Gefährte des Nicanor, Gefolgsmann Alexanders; Curtius VIII. 13,13; Chätillon IX,79]
A l Ulrich von Etzenbach, yAlexander' (Symachus): S und Nicanor sind innige Freunde. Sie wurden am gleichen Tag geboren und gleichen einander in Aussehen und tugendhaftem Wesen. Sie wollen um der Ehre und des Ruhmes willen das Inderheer des Porus von der Insel im Hydaspes vertreiben (19494; 19497). Im folgenden Kampf fügen sie den Gegnern schwere Verluste zu, werden dann selbst schwer verwundet und wollen einander gegenseitig mit ihren Körpern schützen. Sie sterben in enger Umarmung (19527; 19569, Alexanders Zug gegen Porus). [sks]
Syrinx [Nymphe, verwandelt sich auf der Flucht vor Pan in Schilfrohr, aus dem dieser die Hirtenflöte herstellt; M M 1,691 ]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Siringa): Die schöne und mutige Waldfee S aus Arcadien [1] war eine so gute Jägerin, dass man sie für Diana hielt. Waldmännlein, Zwerge und Götter stellten ihr nach. Als sie vor Pans Zudringlichkeiten fliehen musste, bat sie beim Fluss Ladon die Wassergöttinnen um Hilfe und wurde in Schilfrohr verwandelt, das von Pans Atem ertönte. So erfand dieser die Flöte (1,1388-1413; Erzählung des Mercurius an Argus). [ 1 ] Die Nymphe wird „volksmythologisch" als Waldfee gedeutet („Nimphe die schon Amadrias/ Welches zu teutsch heyßteyn waltfeien" l,1382f.). Derartige Adaptionen finden sich in Al öfters, v.a. im Zusammenhang mit Gestalten aus der so genannten niederen Mythologie; -» Dryades, Naiades, Nymphae. In ähnlicher Weise werden die Kentauren als Riesen aufgefasst Centauri). [mk]
τ Talaemenes
I.
[Verbündeter der Trojaner aus Mäonien, Vater des Antiphus und des Mesthles; Dictys 47,15; Benoit 6770 Thalamus]
Al Herbort von Fritzlar, ,lietvon Troye'·. Τ ist gr. Unterhändler bei den Friedensverhandlungen Nf.: Aichamis (A2), Alchamus (Al) mit den Trojanern und fuhrt Aeneas und An tenor ins Griechenlager (15340-15496; Verrat I. des Antenor), trauert um den von ClytaemesA l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Τ tra getöteten Agamemnon, gibt Orestes in die unterstützt mit Antiphus und Mesthles die Obhut des Idomeneus und berichtet ihm von Trojaner (4020; Katalog). Sie kämpfen in der der Ermordung seines Vaters (17277; NachSchar des Troilus gegen die landenden Griegeschichte des Trojanischen Krieges). chen (4670), attackieren Menestheus und be- A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', freien den von diesem gefangen genommenen Fortsetzung·. Der kluge, aber wankelmütige Troilus (5087; 5104). Τ wird von den Griechen als Bote zu FriedensA2 Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg·. verhandlungen nach Troja gesandt (46202T, Antiphus und Mesthles kämpfen in der 46316) und nimmt an den Beratungen mit Schar des Troilus (29745; Katalog) und treden trojanischen Verrätern teil (46395; Verten gegen Menestheus an, um Troilus zu berat des Antenor). freien (31493).
II.
II.
Beide Belege folgen der Darstellung im .Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, der die Gestalt aus dem Trojabericht des Dictys übernimmt. Die abweichenden Nff. erklären sich aus Varianten im frz. Text. Wie dort wird über das genealogische Verhältnis zwischen T, Antiphus und Mesthles nichts ausgesagt. Bei Dictys ist Τ der Vater der beiden und nimmt nicht selbst am Krieg teil. Einen trojanischen Verbündeten namens Talaimenes, Führer der Mäonier, nennt bereits Homer Ulias' 2,865).
Al folgt dem .Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, der seinerseits auf dem pseudohistorischen Trojabericht des Dictys Cretensis beruht, A2 ist direkt nach Dictys gearbeitet. Als Herold des Agamemnon wird Τ bereits in der ,Ilias' genannt, dort fuhrt er u.a. Briseis von Achilles zu Agamemnon (1,320). Die Gestalt erscheint außerdem in den ,Troerinnen' und in der .Iphigenie auf Aulis' des Euripides, Belege finden sich auch in der Bildenden Kunst. [1]
[mk]
[1] S.v. Talthybios (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 5, Sp. 504. [mk]
Talthybius [Herold Agamemnons; Dictys 101,7; Benoit 24954]
R: König (Al), Gefolgsmann Agamemnons (Al), Unterhändler (Al), Bote (A2) Nf.: Taltibius (Al, A2), Talabius (A2)
Tantalus [1] [Mythischer König von Lydien, zunächst ein Götterfreund, der sich dann aber überhebt: Er setzt den Göttern u.a. seinen Sohn Pelops zum Mahl vor, weshalb er in der Unterwelt büßen muss]
Tantalus [1]
596
W: Büßer in der Hölle ( A l , A2), Märtyrer (Bl) G: Vater der Niobe (A2) R: Herrscher über die Minoes (El) I.
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman 3484·. Τ ist einer der in der wirklichen Hölle („rehte helle"; 3384) Gequälten. Er steht bis zur Kehle im Wasser und muss dennoch Durst und Hunger erleiden (Unterweltfahrt des Aeneas).
A2 Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen':
Τ ist einer der Büßer in der Hölle [1], er steht bis zum Hals im Wasser, das aber immer zurückweicht, wenn er trinken will. Ebenso entziehen sich die reifen Früchte des vor ihm stehenden Apfelbaumes stets seinem Zugriff (4,847; Iunos Höllenfahrt; Katalog der Büßer). Als Orpheus in der Hölle singt, vergisst Τ wie die anderen Büßer seine Qualen (10,107; Katalog). Dass Τ einst mit den Göttern an einem Tisch saß, ist für Niobe ein Argument dafür, dass ihr vor Latona der Vorrang gebühre (6,365). [1] A l gibt Ovids „sedes scelerata" ( M M 4 , 4 5 6 ) mit „hellisch huß" (4,843) wieder, die Bezeichnung bleibt unspezifisch („Hölle" ist die übliche Übersetzung fiir die gesamte Unterwelt, nicht nur für den Tartaros, den Ort der Bestrafung).
Bl Ulrich von Liechtenstein,,Frauendienst',
3.
Büchlein 113 (386,1): Der Märtyrer („marteraere") Τ befindet sich inmitten eines großen Sees und leidet dennoch Durst. Auch plagt ihn ständiger Hunger, weil das Obst, das sich nah an seinem Mund befindet, immer zurückweicht, wenn er danach fasst. Speis und Trank reichen ihm an den Mund und sind dann wieder fern - ebenso erfährt der Erzähler durch seine Minneherrin Liebe und Leid, Höllenqual und Himmelsfreude.
C1 Anonymus, KLD, Namenlos LI.2,1: Τ wird
von Hunger und Durst gequält, das Obst und das Wasser vor seinem Mund weichen immer wieder vor seinem Zugriff zurück. Der Sänger erkennt sich als Leidensgenosse des T, er sieht die lieblichen Blicke seiner Minneherrin, doch diese schmerzen ihn bloß (Liebesklage).
El Rudolf von Ems,, Weltchronik'·. Der kühne Τ herrscht über die Minoes [1], die später nach ihrem Herrscher Phrygias Phrygier genannt werden. Er beginnt einen Krieg gegen Tros vonTroja und nimmt dessen Sohn Ganymedes während einer Jagd gefangen. Beider Länder werden infolge der Kämpfe verwüstet. Pelops unterstützt auf den Rat seiner Gattin Hippodamia hin Tros, woraus eine lange Feindschaft entsteht, die letztlich zur Zerstörung Trojas führt (19794; 19802). [1] [1] Gemeint sind nicht die Minoer, sondern die „Maeones", die Einwohner Mäoniens oder Lydiens, des angestammten Reichs des T; die korrekte Angabe findet sich im ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura, der mutmaßlichen Quelle von E l , vgl. unten II.3.
II. 1) Antike T-Motive im MA; 2) T-Gleichnisse; 3) Τ in der Chronistik
1) Τ und seine Qualen sind erstmals in der ,Nekyia' der,Odyssee' belegt (1 l,582ff.) und von da an ein mythologischer Topos, der auch der ma. Mythographie vertraut ist. In der allegorischen Deutung gibt er ein Sinnbild der avaritia. [1] Dass seine Qualen auch im MA sprichwörtlichen Charakter haben, belegen u.a. die beiden Gleichnisse im Rahmen der Liebesklagen von B l und C l . Die knappe, früheste Erwähnung der dt. Literatur in A l folgt dem afrz.,Roman d'Eneas' (2747), der die Büßerszene nach Ovids .Metamorphosen' einführt. Direkt nach Ovid ist A2 gearbeitet, wobei die Qualen — vielleicht in Rückgriff auf Glossen — ausführlicher beschrieben und in der Orpheuspassage nochmals erwähnt werden (vgl. M M 4,458f.; 10,41 f.). Dass Τ Gast am Tisch der Götter gewesen sei ( M M 6,172f.), spielt auf einen der zahlreichen Gründe für seine Bestrafung an, nämlich auf den Diebstahl von Nektar und Ambrosia, von dem bereits Pindar (,Olympische Ode' l,37ff.) berichtet. Τ soll außerdem die Geheimnisse, die er am Göttertisch erfahren hat, ausgeplaudert haben (vgl. M M 6,213; ohne Entsprechung in A2). [2] Während das röm. Publikum derartige Hinweise leicht nachvollziehen konnte, wird das höfi-
Tantalus [2] — Tarpeia sehe den Zusammenhang kaum mehr durchschaut haben. 2) In den Anspielungen der Liebesliteratur, B1 und C l , gibt T's vergebliches Tun und Leiden ein Gleichnis für die erfolglosen Anstrengungen des Adepten der Hohen Minne. Das Gleichnis passt hervorragend in das Konzept des paradoxe amoureux, des zentralen Gedankens des Hohen Minnesangs: Der Liebende müht sich beständig um die für ihn unerreichbare Geliebte. Eine gängige Gleichnisfigur ist Τ im Unterschied zu Paris oder Dido freilich nicht. Seine Nennungen in B1 und C l sprechen durchaus für fundiertere Kenntnisse der Autoren und für Verbindungen zur mlat. Poesie. [3] B1 und C1 zeigen dabei hohe Sympathie für den Büßer. Al und A2 machen keine Angaben zu T's Vergehen. 3) In El ist die mythologische Gestalt, dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, historisch aufgefasst. Die profangeschichtlichen Daten („incidentia") werden wie auch sonst meist in katalogartigen Exkursen zur Heilsgeschichte erinnert. Die rationalisierende Deutung des Ganymed-Mythos und die Begründung der gr.-trojanischen Feindschaft durch den Konflikt zwischen Τ und Tros in El bezieht sich auf das ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 497), eine der Nebenquellen. Dort ist richtigerweise von einer Unterstützung des Τ und nicht des Tros durch Pelops die Rede. [4] [1] So bei Mythographus Vaticanus III (6.21,35). Mehrfache Erwähnungen finden sich auch bei den Mythographi Vaticani I und II; weitere Belege bei Chance, Medieval Mythography, Reg. Für die mlat. Lyrik vgl. CB 84.4,1. In der prov. und afrz. Literatur finden sich Belege bei Raimbaut de Vaqueiras und in Chretiens de Troyes .Guillaume d'Angleterre' (Bartsch, Albrecht von Halberstadt, LXII). [2] S.v. Tantalos (H. von Geisau), in DKP, Bd. 5, Sp. 512f. Dass Τ den Göttern seinen Sohn Pelops vorgesetzt habe, will Pindar übrigens nicht glauben. [3] In CB 84.4,1 will der Liebende nicht wie Τ auf den Genuss (der Geliebten) verzichten; zu den beiden Belegen auch Kern, Edle Tropfen, 244flf. [4] Die Hauptquelle von E l , die .Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 220), bringt bloß eine knappe Erwähnung. [mk]
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Tantalus [2] [Sohn der Niobe; M M 6,240]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 6,508: Τ ist einer der sieben Söhne der Niobe, an denen sich Apollo und Diana für die Schmähung der Latona rächen. Sie üben sich gerade auf einem Feld vor Theben im Ritterspiel [1], als sie getötet werden. Τ und Phaedimus werden beim Ringen von einem Pfeil durchbohrt (Katalog). [1] Die athletischen Ertüchtigungen bei Ovid sind von A l zeitgemäß als Ritterspiele gedeutet. Der Ringkampf ist freilich schon eine antike und nicht eine genuin höfische Disziplin. [mk]
Tarchon [Anführer der Etrusker, Bundesgenosse des Aeneas; .Aeneis' VIII,505; RdE 7061 Tarcons]
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'(Tarcon, Tarcun)·. Der Trojaner Τ stellt sich im Kampf Camilla entgegen, schmäht sie und wird von ihr getötet (8966-9009; Aeneas' und Turnus' Kampf um Italien). r
[sks]
Tarpeia [Gefährtin der Camilla; Aeneis' XI,656]
G: Gefährtin der Camilla (Al) Nf.: Carpide (Al), Carpite (Bl), Tarpide (Al) I. Al Heinrich von Veldeke,,Eneasroman': Τ rächt Camilla an dem Trojaner Arruns (9021 -9122; Kampf um Italien). Bl Wolfram von Eschenbach, ,Willehalm' 229,27: Τ und Camilla kämpften tapfer vor Laurentum und hätten es dennoch Gyburg, Willehalms Gattin und Verteidigerin von Oransche, nicht gleichtun können.
II. Bei Vergil wird Camilla von Opis, einer Nymphe der Diana, gerächt. Die Änderung in Al
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Tarquinius [I] — Tarquinius [2]
folgt dem,Roman d'Eneas'. Die Überbietung in B1 bezieht sich direkt auf A l . [1] [1] -» Camilla (II.).
[mk/sks]
Tarquinius [1] [T Priscus, 5. König Roms, führt Spiele, Triumphzüge, Insignien, Fasces und die „bulla aurea" ein]
El Jans Enikel, .Weltchronik'20199 (Tarquinijus): Τ folgt Numa Pompilius als dritter röm. König und hinterlässt der Stadt Außergewöhnliches, sie erlangt großes Ansehen und Ruhm (Herrscherkatalog). [1] [1] Worin die außergewöhnlichen Stiftungen des Τ bestehen, wird nicht gesagt. Die Angaben folgen nach Strauch (Hg.), 386, Anm. 4 ,De imagine mundi' des Honorius Augustodunensis (PL 172, Sp. 175). [mk/sks]
Tarquinius [2] [T Superbus, letzter König Roms, ihm werden Gewalttaten und Volksfeindlichkeit nachgesagt]
R: König (El) bzw. letzter [vorrepublikanischer] Kaiser (E2) von Rom (E2) Nf.: Tarqunijus (El) I. El ,Kaiserchronik'·. Der mächtige, stolze und hoffärtige Τ wettet mit Collatinus, wer die bessere Ehefrau habe, und verliert. Seine Gattin stiftet ihn deshalb dazu an, an Collatinus' Frau Lucretia Rache zunehmen. Τ schleicht sich bei dieser ein, wird zunächst freundlich bewirtet, dann aber zurückgewiesen, als er sie verführen will. Er droht daraufhin, sie mit Hilfe eines falschen Zeugen öffentlich des Ehebruchs zu beschuldigen. Lucretia muss sich ihm fügen, enthüllt aber bei einem Fest am folgenden Tag die Untat und ersticht sich. Τ wird vom Senat abgesetzt, flieht und wird von Collatinus getötet. Er hat für viereinhalb Jahre geherrscht (4302-4831). E2 Jans Enikel,, Weltchronik'·. Nach Romulus herrschen für 243 Jahre bis zu Τ sieben Kaiser
in Rom. Danach übernehmen Ratsleute die Herrschaft (Prosa nach 21536; Herrscherliste). Der mächtige Τ herrscht genauso schlecht wie Nero. Er wird schließlich aus Rom vertrieben, verfolgt und getötet (24227). II. Die röm. Geschichtsüberlieferung hat dem letzten röm. König Τ allerlei üble Machenschaften und Gewalttaten zugeschrieben, die die Abschaffung der Monarchie rechtfertigen sollen. Das negative T-Bild wird von der populären wie der gelehrten ma. Historiographie übernommen, so reflektieren es auch die beiden Chroniken El und E2. Τ repräsentiert den Typus des schlechten und bösen Herrschers. El verarbeitet in diesem Zusammenhang auch die so genannte Lucretia-Legende, die zu den bekanntesten Verbrechensberichten zählt, die sich um Τ ranken, und verweist in diesem Zusammenhang auf Ovid (,Fasten' 11,721-852). Die Untat wird aber nicht wie in der röm. Überlieferung T's Sohn, sondern diesem selbst angelastet. [1] T's Herrschaft ist außerdem in nachneronische Zeit verlegt. E2, ansonsten u.a. an El orientiert, übernimmt die Lucretia-Episode nicht und fasst Τ zunächst (im Prinzip korrekt, allerdings an chronologisch unpassender Stelle nach dem Bericht über Caesar) als den letzten vorrepublikanischen Kaiser (!). Später setzt ihn E2 wie El nach Nero an. Eine Nachbildung des Lucretiamotivs findet sich im Übrigen im »Apollonius' Heinrichs von Neustadt (19955ff.): Hier versucht ein gewisser Silvian, Ciaramie zu vergewaltigen, und beschuldigt sie dann vor ihrem Gatten als Ehebrecherin. Er wird der Lüge überfuhrt und verbrannt. [1] Zu Stoffgeschichte und Quellenverarbeitung Lucretia. Nachbenennungen ,Athis und Prophilias' (Tarquinin, Tarquines)·. Τ nimmt auf Seiten der Römer am Kampf gegen Bilas teil (A*/99; A**/4664; Kämpferkatalog). , Prosa-Lancelot' (Tarquin): Τ wird von dem röm. Kaiser Claudas als Spion an den Artushof geschickt, ist von der dort herrschenden Pracht und Tugendhaftigkeit beeindruckt und wird Ginovers Schildknecht (11.559,15; 11.560,10).
Tarsia — Taxiles Konrad von Würzburg,,Silvester': Τ, der Richter von Rom, lässt Timotheus enthaupten, weil er viele Menschen fiir den christlichen Glauben gewinnen konnte (224), er will außerdem Papst Silvester dazu zwingen, dem Christentum abzuschwören, Silvester prophezeit Τ den baldigen Tod. Er erstickt am selben Abend an einer Fischgräte (288; 337). [mk/sks]
Tarsia [Tochter des Apollonius; ,Historia Apollonii' cap. 28]
Al Heinrich von Neustadt, apollonius': Τ ist die überaus schöne, tugendhafte und kluge Tochter von Apollonius und Lucina (15009; Descriptio). [1] Nach dem Scheintod ihrer Mutter wird sie in die Obhut von Apollonius' Vertrautem Stranguillio und dessen Gattin Dionysias gegeben ([2850]). Von ihrer sterbenden Amme Lycoris erfährt sie ihre wahre Herkunft und besucht täglich Lucinas Kenotaph (13541; 14964-15202). Ihre Stiefmutter will sie aus Gier nach ihrer Mitgift und aus Neid, weil sie schöner und klüger ist als ihre leibliche Tochter, töten lassen. Τ bittet Gott um Hilfe und wird von Piraten entfuhrt (15234-15428). Die Bürger von Tarsis errichten der angeblich Ermordeten ein prächtiges Grabmal (15454-15524). Τ wird an einen Bordellbesitzer in Mytilene verkauft, wo ihre Freier aus Mitleid ihre Keuschheit respektieren. Als sie vor dem Volk die Harfe spielt und ihre Geschichte berichtet, kann sie genügend Spenden sammeln, um sich freizukaufen (15526-15915). Der von seinen Abenteuern heimgekehrte Apollonius beklagt in Tarsis die vermeintlich tote Τ (16058-16135). Als er nach Mytilene kommt, soll sie ihn mit Harfen- und Saitenspiel aufheitern, sie beklagt neuerlich ihr Schicksal und wird von Apollonius als seine Tochter erkannt. Dieser verlobt sie mit Athenagoras, ihrem ersten Freier und Fürsten von Mytilene (16218-17085), sie reisen gemeinsam nach Tarsis, wo Stranguillio und Dionysias des Mordversuchs überführt und gesteinigt werden (17100-17199; [17241]). Nachdem man in Ephesus auch Lucina wieder gefunden
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hat (17393; 17409; 17527; 17541), zieht man weiter nach Antiochia (17806-17844), wo Τ von Apollonius zur Königin von Tyrland gekrönt (18064; 18214-18221) und mit Athenagoras offiziell vermählt wird. Die beiden verbringen eine beglückende Hochzeitsnacht (18230-18386; 19765; 20096; 20127). [2] [1] Zu T s Bildung heißt es, sie disputiere mit Gelehrten und lerne Saitenspiel. Die Bezüge zu Tristan gipfeln in dem Vergleich, sie könne besser Harfe spielen als „Tamchrist [!], als er Isolde lehrte" (14995; Tristan unterrichtet in Irland unter dem Pseudonym Tantris die junge Isolde). An Schönheit soll Τ nur von der Frau des Autors überboten werden (15112). [2] Die T-Handlung von Al entspricht insgesamt dem üblichen Trennungs- und Wiederfindungsschema des antikisierenden Romans (T und Apollonius, Τ und Lucina) und folgt im Unterschied zu dem breit angelegten Mittelteil (den Abenteuern des Apollonius) im Wesentlichen der .Historia Apollonii'; -> Apollonius (II.). [mk]
Tauron [Gefolgsmann Alexanders, dringt mit seinen Männern auf einem Schleichweg in Uxia ein; Curtius V.3,6; Chätillon VI,74]
Al Ulrich von Etzenbach, ^Alexander' (Thauron)\ Der tapfere und treue Τ dringt auf Befehl Alexanders mit einigen Männern durch einen Geheimgang in der Burg Uxia ein und ermöglicht ihre Einnahme (14951-15026; Eroberungszug Alexanders gegen Persien). [sks]
Taxiles [König von Taxila in Indien (zwischen Indus und Hydaspes), unterwirft sich 327 v. Chr. Alexander]
Al Ulrich von Etzenbach, Alexander' (Taxilies, Taxillis)·. Τ unterstützt seinen Bruder Porus im Kampf gegen Alexander (19753). Dieser sendet Ptolemaeus und Coenus gegen ihn aus (19914). Τ flieht später vom Schlachtfeld. Wäre er standhaft geblieben, hätten die Indergesiegt (20005-20024). Nach der Schlacht hindert Candaules Porus daran, seinen Bruder deshalb zu töten. Τ wird aber gezwungen,
600
Tecmessa — Telamon
seine Königswürde und seine Waffen abzulegen und sein ritterliches Leben aufzugeben (20088). In Alexanders Testament wird Τ mit der Herrschaft über Seres und Indien betraut (27021; Alexanders Tod in Babylon; Katalog der Erben). [sks]
Tecmessa [Tochter desTeuthras von Phrygien, Geliebte des Aiax, Mutter des Eurysaces; Dictys 33,19; Benoit 26757 Tecmissa]
Al Herbort von Fritzlar, Met von Troye' 16903 (Themisa): Τ ist die Geliebte des Aiax Telamonius und Mutter des Eurysaces. [mk]
Tectaphos [Lapithe, im Kampf mit den Kentauren getötet; M M 12,433]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12, 672 (Pholoniden)·. Τ wird von einem Riesen mit einem Baum niedergestreckt und von Nestor gerächt (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf). [1] [ 1 ] Die abweichende Nf. erklärt sich aus Varianten in der Ovidüberlieferung zu „Tectaphon Oleniden" (so etwa „phonoleniden" in Hss. Ε, N1 und e). [mk]
Tegeaea -* Atalante Telamon [Sohn des Aeacus und der Endeis, Bruder des Peleus, Vater des Aiax, Teilnehmer an der Kalydonischen Eberjagd, an der Argonautenfahrt und am ersten Trojanischen Krieg]
G: Sohn des Aeacus (Al), Bruder des Phocus (Al) und des Peleus (Al, A3), Gatte der Hesiona (Al, A2, A3), Vater des Aiax (Al, A2, A3), Onkel des Achilles (Al), Gefährte des Iason (Al) und des Hercules (A3) R: König (A2) von Salafin (A3), Königssohn (Al), Heerführer (A3), Ratgeber (A3), herre (Epitheton) (A2, A3)
Nf.: Thelamon (Al, A2, A3), Thelamonius (A3) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': T, Phocus und Peleus werden von Aeacus zur Unterstützung der Athener im Kampf gegen Minos ausgesandt (7,875; 7,1124; 7,1159). Er nimmt an der Jagd auf den Kalydonischen Eber teil (8,590; Katalog; 8,714), kämpft bei der ersten EroberungTrojas an Hercules' Seite und erhält zum Lohn Hesiona (11,389). Im Streit um die Waffen des Achilles verweist Aiax auf seine Verwandtschaft mit diesem über Τ (12,888; 12,889) und erinnert an dessen Teilnahme an der ersten Eroberung Trojas und an der Argonautenfahrt (13,49; RV). A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Τ wird von Hercules für den Zug gegen Troja gewonnen, dringt mit diesem während der Schlacht heimlich in die Stadt ein und erhält als Vorkämpfer Hesiona zum Lohn (12121607; 1. Trojanischer Krieg), Τ zeugt mit ihr Aiax (5923). Als Antenor im Namen des Priamus Hesionas Rückgabe fordert, will ihn Τ blenden, Antenor kann rechtzeitig fliehen (1895-2081). Mit der Entführung Hesionas durch Τ rechtfertigt Paris die Entführung Helenas (2567; 3714; dagegen Antenor 15405), später vertritt dies auch Achilles, der wegen seiner Liebe zu Polyxena an einem Friedensschluss interessiert ist (11504). Τ tritt in der Folge auch selbst als Kämpfer in Erscheinung [1] (10158), wehrt u.a. Deiphobus ab und ist über Palamedes'Tod bestürzt (11581-11758), stellt sich mit anderen dem Troilus entgegen (12716), rettet Agamemnon vor Pylaemenes (12922; 12934; 13289), Aiax vor den Männern des Paris (13904; 13991) und wird von Penthesilea vom Pferd gestochen (14478; 14511; 14818). Der von Aegiale vertriebene Diomedes will sich an Τ um Hilfe wenden, wird aber von Teucer verjagt (17302; Nachgeschichte des Trojanischen Krieges). [1] Ab 3012 ist „Telamon" immer wieder genealogischer Zusatz oder antonomastisch fiir Aiax gebraucht. Ab 10158 scheint jedoch Τ selbst als Kämpfer vor Troja gedacht (vgl. bes. 13904, wo er Aiax rettet).
Teleboas — Telegonus A3 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg·. Der edle, höfische und weise Τ unterstützt Hercules im Kampf gegen Laomedon, sie ziehen mit 6000 Rittern gegen Troja und erobern die Stadt. Τ entführt Hesiona (11485-12414; 12968; 1. Trojanischer Krieg; RV: 3713137393) und lehnt Antenor gegenüber ihre Rückgabe ab, weil er sie zum Lohn erhalten habe (17727-18266; als Vater des Aiax genannt: 23807). Im zweiten Trojanischen Krieg befehligt Τ mit vier Fürsten eine Schar (30608), ist insbesondere dem Paris feind und kämpft gegen Polydamas (3518335487). Später wird er von einem Kebssohn des Priamus vom Pferd gestochen (35988: 35997; als Kämpfer genannt: 36752). ,Trojanerkrieg'-Fortsetzung: Τ wird als Vater des Aiax genannt (40953; 43147; 43234; 48800). II. T s Teilnahme an dem von Hercules geführten ersten Trojanischen Krieg ist ein Motiv der nachhomerischen Trojatradition. Die dabei gedachte Entführung Hesionas gibt ein Argument für die Entführung Helenas. Aufgrund der Motivspiegelungen verrät sich die Konstruktion als klar sekundär. Uber die spätantiken Trojaberichte von Dares Phrygius und Dictys Cretensis wird sie an den ma. Trojaroman vermittelt, A2 und A3 folgen in der Ausgestaltung dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure (A3 mit eigenständigem Zugang). Von Bedeutung ist Τ im weiteren Verlauf der Ereignisse v.a. als Vater des Aiax, ist dann aber in Al und A2 auch selbst als Kämpfer im zweiten Trojanischen Krieg gedacht. Die mehrmalige Nennung T s als Antonomasie oder Patronymikon zu Aiax in A2 macht eine genaue Unterscheidung von Vater und Sohn schwierig. Die Angaben zu Τ in Al folgen direkt Ovids ,Metamorphosen' (Krieg gegen Minos: MM 7,476, Kalydonische Jagd: MM 8,309; Argonautenfahrt MM 13,22ff.). [mk]
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Teleboas [Kentaur, wird von Nestor getötet: MM 12,441]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Theloboam): Der Riese Τ hat Nestor im Kentaurenkampf eine Wunde zugefügt, bevor ihn dieser getötet hat. Ν zeigt die Narbe seinen Zuhörern, den gr. Fürsten vor Troja, zum Beweis der Wahrhaftigkeit seines Berichts (12,679; 12,685; Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf). [mk]
Telegonus [Sohn des Ulixes und der Circe, sucht nach seinem Vater und tötet ihn unwissend; Dictys 131,24; Benoit 29981]
Al Herbort von Fritzlar,,lietvon Troye' (Thelegonus): Der blondgelockte, riesenhafte T, den Circe nach der Abreise des Ulixes geboren hat, begibt sich auf die Suche nach seinem Vater. Weil er so wie Ulixes' unheilverkündendes Traumgesicht einen Speer mit Fischwimpel führt, wird er nicht in dessen Burg eingelassen und verletzt Ulixes tödlich, als er mit Gewalt einzudringen versucht. Vater und Sohn erkennen einander, Τ wird von Ulixes mit Telemachus ausgesöhnt und kehrt reich beschenkt zu Circe zurück (18289-18438; Nachgeschichte des Trojanischen Krieges; Abenteuer des Ulixes). [1] [ 1 ] Τ wird als Sohn des Odysseus und der Kirke bereits in Hesiods .Theogonie' (1014) genannt, von ihm hat auch das jüngste Epos des so genannten epischen Kyklos, die (verlorene) ,Telegonie', gehandelt. DieT-Sage ist in späterer antiker Zeit u.a. bei Hyginus (fab. CXXV1I) bezeugt; s.v. Telegonieund Telegonos[l.J(H. von Geisau), in: DKP, Bd. 5, Sp. 566f. Al folgt über Vermittlung des .Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure demTrojabericht des Dictys. Dort ist die Spitze des Speeres mit dem Knochen einer „Meerestaube" („marinae turturis") verziert. Vielleicht ist wie in der sonstigen antiken Überlieferung der Stachel eines Rochen gemeint. Das Wappenmotiv in Al geht auf Benoit de Sainte-Maure zurück. Circes Sorgen, weil Τ alleine ausreitet, erinnern an Herzeloydes Kummer um Parzival (Wolfram von Eschenbach, ,Parzival' 126, Iff.) und an die Bedenken der Eltern bei Siegfrieds Aufbruch nach Worms (»Nibelungenlied', 3. Äventiure, Str.52ff.). [mk]
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Telemachus — Telephus
worden ist, bittet er - zu spät — Achilles um dessen Schonung, bekommt vom ster[Sohn des Ulixes und der Penelope; Dictys 125,3; Benoit benden Teuthras das Reich übertragen, weil 29002] Hercules ihn einst unterstützt hat, bestattet Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' (The- ihn und vereidigt Land und Leute auf sich lemacus)·. Τ ist der Sohn des Ulixes und der (3896-3972). Agamemnon bittet ihn später Penelope, er wird nach dem Sieg über die um Nachschub für die Griechen vor Troja Freier von seinem Vater mit Alcinous' Tochter (11114-11126; Trojanischer Krieg). [1] Τ Nausicaa vermählt und zeugt mit ihr Ptoli- wird bei Euböa von einem Heer Aegiales, porthus (17788; 17797; Nachgeschichte des die ihrem Gatten Diomedes die Heimkehr Trojanischen Krieges). Wegen eines Traumge- verweigert, angegriffen, tötet ihren Bruder sichts, das Ulixes den Tod durch seinen Sohn Thessandrus und fällt selbst durch Diomeprophezeit, wird Τ von diesem auf eine Insel des (17227-17233; Nachgeschichte des Trogebracht und nach der tödlichen Verwundung janischen Krieges). [1] Mit dem in 11114 genannten Theseus muss Τ gemeint des Ulixes durch Telegonus zurückgeholt. Der sterbende Vater versöhnt die Brüder, Τ über- sein. Der Fehler geht auf Benoit de Sainte-Maure (17431) zurück und beruht auf einem Missverständnis der entnimmt die Herrschaft (18266-18437). sprechenden Stelle bei Dares Phrygius, wo die Thesiden Telemachus
[mk]
Telemus [Sohn des Eurymus, Seher, prophezeit Polyphem den Verlust seines Auges; M M 13,770]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 13,998: Τ ist der Deutung des Vogelflugs kundig und prophezeit Polyphemus den Verlust eines Auges durch Ulixes. Dieser verhöhnt ihn deswegen und zertritt ihn so heftig, dass das Gestade erbebt (Abenteuer des Ulixes).
(Theseussöhne) Acamas und Demophon Agamemnon nach Mysien, in das Land des Telephus, begleiten (32,11). Aus dem Patronymikon wird der falsche Landesname „Thesidas", Τ selbst erscheint als Thesees.
A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung 44662·. Τ ist der Vater des Eurypylus, der von Pyrrhus getötet wird. II.
Τ ist in der antiken Mythologie ein mythischer Heros aus Arkadien und Sohn des Herakles. Er wird später von Teuthras an Sohnes statt angenommen. Bei der ersten scheiternden Uberfahrt nach Troja greifen die Griechen [mk] sein Land an und können von ihm abgewehrt werden. Τ empfängt jedoch durch Achilleus eine Wunde, die nur dieser heilen kann. Er Telephus begibt sich daraufhin nach Aulis und wird [Sohn des Hercules, Vater des Eurypylus; Dares 21,6; Dictys geheilt, nachdem er versprochen hat, den 21,1; Benoit 220] Griechen den Weg nach Troja zu weisen. G: Sohn des Hercules (Al), Vater des Eu- Die Sage ist u.a. Gegenstand des verlorenen Euripideischen Dramas und auf dem Telerypylus (A2) phosfries des Pergamonaltars dargestellt. [1] R: Herrscher über Thesidas (Al) In Al erscheint sie nach dem afrz. Trojaroman Nf.: Telefen (A2), Telefus (Al), Theseus [!] Benoits de Sainte-Maure (6525ff.), der wie(Al) derum mit einigen Modifikationen auf Dares I. (20,27) zurückgreift: Τ zieht mit Achilles u.a. gegen Teuthras. Die später erwähnte Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Τ soll Tötung von Aegiales Bruder Thessandrus vor der Landung der Griechen in Troja mit durch Τ reflektiert allerdings die klassische Achilles und Theseus Teuthras' Reich plündern. Da er einst von Teuthras aufgenommen Version vom Einfall der Griechen in Mysien
Telestes — Tereus vor dem Trojanischen Krieg. Al kreuzt sie mit dem Motiv, dass Aegiale Diomedes die Heimkehr verweigert (wovon Benoit 27995ff. in Rückgriff auf Dictys Cretensis 21,l4ff. berichtet) und lässt Τ durch Diomedes zu Tode kommen. Auf diese Weise ergibt sich ein in sich widersprüchlicher Handlungsgang. A2 beschränkt sich auf die bloße genealogische Nennung (nach Dictys 92,12). [1] S.v. Telephos (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 5, Sp. 568f. [mk]
Telestes
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I. D l Wernher von Elmendorf, 847: Schon Τ behauptet, dass es umsonst sei, sich gegen Unabänderliches aufzulehnen. D 2 Hugo von Trimberg, ,Der Renner' 1271: Τ wird in einem Katalog röm. Adeliger genannt, die den Wert der Kunst für Tugend und Ansehen erkannten und sie beispielhaft pflegten (Katalog antiker Autoritäten; laus temporis actt). [1] [1] Ferner werden genannt: Numa, Maecenas, Macrobius, Vergil, Caesar, Octavian, Scipio, Cicero, Lucan, Iuvenal, Persius, Boethius, Ovid, Statius, Sallustius, Horaz und Seneca.
[Sohn des Priamus; Dictys 87,8]
II.
A l Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung 43209: Der tapfere Τ wird im Kampf von Diomedes getötet.
Τ zählt im MA seit der Karolingerzeit zu den bekanntesten, meist gelesenen und am besten überlieferten Autoren. Er steht hierin nur Vergil, Ovid und Horaz nach. Seine Wirkung verdankt sich v.a. den zahlreichen Sentenzen in seinen Komödien. Sie finden u.a. Eingang in Florilegien. [1] Angesichts der breiten Rezeption im lat. Bereich ist die Beleglage in der dt. Literatur im Vergleich zu Vergil oder Ovid auffallend schmal. D l bezieht das Zitat aus seiner Quelle, dem ,Moralium dogma philosophorum' (um 1165). [2] Hugo von Trimberg ist Τ wohl aus seiner Schulbildung bekannt. Der Katalog verbindet sich mit dem in der didaktischen Literatur verbreiteten Klagetopos über die jetzige Missachtung von Kunst und Gelehrsamkeit.
[sks]
Telethusa [Gattin des Ligdus, gibt ihre Tochter Iphis als Sohn aus, um sie vor dem Tod zu bewahren; M M 9,682]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Theletuse): Die schwangere Τ wird von ihrem Gatten Ligdus aufgefordert, das Kind, sollte es ein Mädchen werden, nach der Geburt zu töten. Ιο [1] befiehlt ihr aber im Traum, dies nicht zu tun. Τ gibt ihre neugeborene Tochter Ligdus gegenüber als Sohn aus, nennt sie Iphis und erzieht sie wie einen Knaben. Als Ligdus seinen vermeintlichen Sohn mit Ianthe vermählen will, besucht Τ mit Iphis den Tempel der Io und fleht die Göttin um Hilfe an. Io verwandelt Iphis in einen Jüngling (9,1193-1361). [1] Bei Ovid ist es die mit Io identifizierte Isis, die Iphis verwandelt. Al ist offenbar eine Glosse vorgelegen, die über die Identität der beiden Göttinnen Aufschluss gab. [mk]
Terentius [Publius Τ Afer, ca. 185-159 v. Chr., röm. Komödiendichter]
Nf.: Terencius (D2), Therentius ( D l )
[1] S.v. Terenz im Mittelälter und im Humanismus in: LMA, Bd. 8, Sp. 549f. [2] Bumke (Hg.), XXXIIff.
(C.Villa),
[mk]
Tereus [Mythischer König von Thrakien, Gatte der Progne, Vater des Itys; M M 6,424]
A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Τ ist König von Thrakien und Gatte der Procne. Bei ihrer Hochzeit verwenden sie frevelhafiterweise statt der Brautfackeln Leichen-
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Terra — Teucer
fackeln, weshalb die Götter der Hölle ihr Ehebett umstellen. Τ soll auf Procnes Bitte deren Schwester Philomela zu einem Besuch abholen, entbrennt in Liebe zu ihr, vergewaltigt sie, reißt ihr die Zunge heraus, um sie zum Schweigen zu bringen, lässt sie im Wald zurück und täuscht Procne ihren Tod vor. Als Philomela mithilfe eines beschrifteten Gürtels die Wahrheit ans Licht bringt, schwören die Schwestern Rache: Procne schlachtet ihren Sohn Itys und setzt ihn Τ zum Mahl vor, Philomela zeigt ihm auf die Frage nach seinem Sohn dessen abgeschlagenes Haupt. Bevor sich Τ rächen kann, wird er in einen Wiedehopf verwandelt (6,868-1461). [1] [1] Al verstärkt gegenüber Ovid die moralische Kritik an T. Dieser erscheint als „der teufels gnos" (6>1008ff.)· Auch sonst zeigen sich Modifikationen: Dass die Höllengötter das Hochzeitsbett von Τ und Procne umstellen, weil sie die falschen Fackeln verwenden, ist ein (vielleicht auf Glossen beruhendes) produktives Missverständnis des ovidianischen Motivs, dass anstelle der Grazien die Eumeniden die Hochzeitsfackeln halten. Auch die Vergewaltigung Philomelas und ihre Aussetzung im Wald werden abweichend von Ovid geschildert. Die Darstellung von T s Schlaflosigkeit aus Liebeskummer (wegen Philomela) zeigt Anklänge an Heinrichs von Veldeke »Eneasroman* 12705ff. Zum Philomela-Stofif im MA Philomela. [mk]
Terra [Göttin Erde; M M 2,272]
A l Albrecht von Halberstadt,,.Metamorphosen (Erd)\ Τ wird von der erdnahen Fahrt des Sonnenwagens, der Phaeton aus der Kontrolle geraten ist, ganz verdörrt und beklagt sich bei Iuppiter. Wenn er nichts unternehme, werde sie und mit ihr auch sein Bruder Neptunus vernichtet werden, ja letztlich würde es zur Wiedervermengung der vier Elemente kommen, da Atlas den glühenden Himmel nicht länger tragen könne. Iuppiter schießt Phaeton daraufhin mit einem Blitz vom Himmel (2,584-648). Τ ist die Mutter des Antaeus und verleiht diesem seine Kraft (9,398; 9,402; Taten des Hercules). [1] [1] Τ wird in Ovids ,Metamorphosen' 9,183 nicht genannt. Die gesamten knappen Anspielungen auf die Taten
des Hercules werden von Al breiter ausgeführt. Den Hinweis auf Antaeus' Mutter Τ (auch hier übersetzt als „Erd") übernimmt Al wohl entsprechenden Glossen oder einer mythographischen Zusatzquelle. [mk]
Tethys [Alte Meeresgöttin, Schwester und Gattin des Oceanus, nach Homer sind sie die Ureltern aller Götter; M M 2,69]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Thetis): Die Meeresgöttin Τ lebt Apollo zufolge in der ständigen Angst, er könnte mit seinem Sonnenwagen ins Meer stürzen, wenn er nach Mittag die Himmelsstraße hinabfährt (2,155; Gespräch zwischen Apollo und Phaeton). Τ und ihr Bruder und Gatte Oceanus verweigern auf Iunos Bitte der verstirnten Callisto das erholende Bad im Meer (2,368; 2,1074; 2,1127; Aition für das niemals untergehende Sternbild des großen Bären). Die in Liebe zu ihrem Bruder Caunus entbrannte Byblis sieht in Τ und Oceanus zunächst ein Beispiel für die Zulässigkeit des Inzests, verwirft es dann aber, weil für Götter ein besonderes Recht gelte (9,906). [1] Τ und Oceanus nahmen Glaucus bei den Meeresgöttern auf, wuschen alles Sterbliche von ihm ab, salbten ihn neunmal und übergössen ihn mit Meerwasser, worauf sich sein Bart und seine Haare grün färbten und sein Unterleib Fischgestalt annahm (13,1307; Glaucus' Erzählung an Scylla). [1] Das erste Exempelpaar bei Ovid, Saturnus und Ops (MM 9,498), wird von Al nicht übernommen. Zur Gleichsetzung von Τ und Thetis in den mhd. Belegen Thetis. [mk]
Teucer [Sohn des Telamon und der Hesione, Bruder und Waffengefährte des Aiax, Kämpfer vor Troja]
G: Bruder des Aiax Telamonius (A2), Cousin des Achilles (Al), Gefährte des Menelaus (A2) Nf.: Theucer (A2), Theuces (A2), Theucrus (A2), Teuzer (A2)
Teuthras — Thaies I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 13,244·. Der Trojaner [!] Τ hätte nach Meinung des Ulixes genauso Anspruch auf Achills Waffen wie Aiax. Würde also das Verwandtschaftsverhältnis entscheiden, müsste man die Waffen nach Troja bringen (Trojanischer Krieg; Streit um Achills Waffen). A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Τ kommt gemeinsam mit Aiax zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3337; Katalog), fuhrt mit ihm in der Landungsschlacht eine Schar (4877; Katalog) und kämpft u.a. gegen Hector und Deiphobus (5294-5398; 5797-5800). Nach Aiax' Tod zieht er dessen Söhne Aeantides und Eurysaces auf (16908). Er verjagt Diomedes, der von seiner Gattin Aegiale aus seinem Land verstoßen worden ist und sich an Telamon um Hilfe wenden will, aus Salamis und beschuldigt ihn der AnstiftungzumMordanAiax(17305; 17307; Nachgeschichte des Trojanischen Krieges). Dem Bericht des Menelaus zufolge ist Τ in Zypern ohne Land und Habe zurückgeblieben (17470). A3 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung42385". Τ beteiligt sich am Kampf gegen die Amazonen.
II. Teukros wird als Bruder des Aias Telamonios bereits in Homers ,Ilias' genannt und steht schon dort in dessen Schatten. Die Angaben in A2 folgen im Wesentlichen dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure (5623ff.), der seinerseits auf den spätantiken pseudohistorischen Trojaberichten des Dares Phrygius (17,18) und des Dictys Cretensis ( l l , l 4 f f . ) beruht. Die Episode aus der Nachgeschichte des Trojanischen Krieges ist in A2 nicht schlüssig wiedergegeben: Bei Dictys und Benoit wird Τ von Telamon verstoßen, weil er und Aiax ihrem Vater versprochen haben, nur gemeinsam oder gar nicht heimzukehren, bzw. weil Τ nach Telamons Meinung Aiax zu wenig unterstützt habe. Τ gründet daraufhin
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in Zypern ein neues Salamis. In A2 ist er hingegen als in Salamis anwesend gedacht und wird nicht von Telamon verstoßen, sondern verjagt seinerseits den Diomedes. Im Widerspruch dazu wird später von seinem Aufenthalt in Zypern berichtet. Die kurze Angabe in A3 beruht direkt auf Dictys (82,20). Die Nennung in Al folgt Ovids ,Metamorphosen' (13,157). Dort ist freilich nur davon die Rede, dass Τ genauso gut wie Aiax Anspruch auf die Waffen des Achilles erheben könnte. In Al ist Τ mit Teukros, dem ältesten König von Troja, verwechselt. Der Irrtum beruht vielleicht auf einer missverständlichen Glosse und ergibt eine neue Pointe in der Rede des Ulixes. [mk]
Teuthras [Eponymer König von Teuthrania in Mysien, n i m m t Telephus bei sich auf; Dares 2 1 , 1 ; Benoit 6 5 2 9 ]
A l Herbort von Fritzlar, ,lietvon Troye' (Theucer)\ Τ bringt die Griechen, die sein Land plündern wollen, in Bedrängnis, bis er von Achilles tödlich verwundet wird. Der einst von Τ aufgenommene Telephus bittet zu spät um seine Schonung. Sterbend überträgt Τ Telephus sein Reich, weil ihn Hercules einst gegen einen Feind unterstützt hatte, und bittet um seine Bestattung (3906-3929; Vorgeschichte des Trojanischen Krieges). [mk]
Thaies [Von Milet, erste Hälfte des 6. J h . v. Chr., gilt als Begründer der so genannten Ionischen Naturphilosophie]
D l Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast' 8953: Τ und Euclides werden als die herausragendsten Vertreter der Geometrie genannt (Septem Artes Liberales; Katalog von Artesau tori täten). [1] [1] Τ war abseits der ma. Gelehrsamkeit unbekannt. Seine Nennung hier ist in der dt. Literatur ebenso singular wie diejenige von Euclides, Anaxagoras und Parmenides und unterstreicht den Bildungshorizont Thomasins. [mk]
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Thalestris
Alexanderliteratur in unterschiedlichen Varianten berichtet. Die in der Tradition des [Königin der Amazonen; Curtius V I . 5 , 2 5 ; Chätillon Pseudo-Kallisthenes stehenden Texte, naVIII, 9] mentlich der Alexander' des Presbyter Leo, R: Königin der Amazonen (Al, A2) dessen Redaktion, die ,Historia de preliis', Nf.: Talistria (Al) und damit auch das Alexanderlied des Pfaffen Lamprecht berichten von einem nur „diploI. matischen" Kontakt (die Α geben Alexander Al Rudolf von Ems, ^Alexander': Die junge, zu verstehen, dass ihm ein Kampf gegen sie schöne und vollkommene Jungfrau Τ ist die keine Ehre einbringe, egal wie er ausgehe). Königin der Amazonen. Sie herrscht über Die Alexanderhistorie des Q . Curtius Rufus die Länder vom Kaukasus bis zum Phasis schildert hingegen Alexanders Begegnung mit und vereint alle Mannes- und Frauentugen- der Amazonenkönigin T. Ihr folgt Al direkt, den in sich. Auf ihren Wunsch hin trifft sie A2 mittelbar über die Alexandreis' Walters mit Alexander zusammen und berichtet ihm von Chätillon. von Gründung, Lage und Organisation des 2) In beiden Fällen wird die Episode nach Amazonenstaates sowie vom Wesen der Amadem Modell einer höfischen Minnebegegnung zonen. Als ihr Alexander einen Wunsch frei ausgestaltet. T, wiewohl Amazone, erscheint stellt, wünscht sie sich ein Kind. Nach der als gesittete höfische Dame. Die Idealisierung Zeugung einer Tochter nehmen die beiden wird in Al besonders weit getrieben, Τ verschmerzvollen Abschied (17782-18462; Ereint sämtliche männliche und weibliche Tuoberungszug Alexanders gegen Bessus). genden auf sich und darf den Amazonenstaat A2 Ulrich von Etzenbach, Alexander'·. Die edle, als eine Gesellschaftsform preisen, in der die schöne und mächtige Jungfrau Τ ist die KöGeschlechter gleiche Rechte haben - ein Plänigin der Amazonen. Ihr Reich erstreckt sich doyer, das für die Zeit erstaunlich weit geht, vom Phasis bis zum Kaukasus, sie trägt bei auch wenn es nur aus dem Munde der liteder Begegnung mit Alexander einen Bogen rarischen Gestalt und nicht des Erzählers geund wird von 200 einbrüstigen Jungfrauen geben wird. Dies ist umso leichter möglich, begleitet ([17408; 17413]). Alexander empals Τ in der Folge zur höfischen Liebenden fängt sie mit allen Ehren, sie verliebt sich in mutiert und alles Amazonische ablegt. In A2 ihn, bewundert ihn wegen seiner Tugenddominieren in diesem Zusammenhang deuthaftigkeit und seines Ruhmes und will ihm lich schwankhafte Züge, die sich nicht zuletzt deshalb ihr Reich überantworten, Alexander auch der ironischen Erzählweise Walters von aber belässt es ihr. Als sie sich schließlich ein Chätillon verdanken. Kind von ihm wünscht, ist er nicht abgeneigt, 3) Wie generell bei den Amazonen zeigt sich lehnt zunächst jedoch ab, da er verheiratet sei, auch an der Gestalt der Amazonenkönigin T, gibt dann aber T s wiederholter Bitte nach. dass in der höfischen Literatur das Skandalon Das bei einem heimlichen nächtlichen Treffen der kämpfenden Frau und einer frauendomigezeugte Kind soll T's Reich erben, wenn es nierten Gesellschaft, die aus ma. Sicht imeine Tochter wird; ein Sohn soll zu Alexander merhin gegen den göttlichen Ordo verstößt, geschickt werden (17457-17591). nicht in simple moralische Verurteilung mündet, sondern poetisch produktiv verarbeitet II. wird. Dabei geht es freilich nicht um die Be1) Τ in der Alexandertradition; 2) Τ und Alexander als seitigung von Stereotypen, sondern um eine höfisches Liebespaar; 3) Deutungsaspekte „Bändigung" der Amazonen, die ein Weltbild 1) Von Alexanders Kontaktnahme mit den männlicher Dominanz - wenngleich auf subAmazonen wird in der antiken und ma. tilere Weise — erst recht bestätigt. Die EpiThalestris
Thaliarchus — Thaumas soden sind freilich nicht ohne Reiz und entwickeln gerade durch die Höfisierung eine Eigendynamik (besonders eben T's Plädoyer für gleiche Rechte der Geschlechter in Al), die im literarischen Sujet gängige Normen durchaus suspendieren kann, und sei es auch nur für wenige Verse.
aber wegen seiner Jugend und Tapferkeit auf Hectors Wunsch hin geschont (5306-5416). Später kämpft er mit Euryalus und Phidippus gegen Remus (6836; 6992 [1]). [1] Dem Wortlaut nach treten die beiden Griechen Τ und Euryalus gegeneinander an, was natürlich keinen Sinn macht. Vielleicht ist die Nf. Theseus eine Verschreibung des zuvor (6849) genannten Trojaners Nesteus
[mk]
Thaliarchus [Gefolgsmann des Antiochus; .Historia Apollonii' cap.6]
Al Heinrich von Neustadt, Apollonius' (Taliarcus): Τ ist Marschall des Antiochus, er gleicht mit seinem Drachenhelm einem Teufel, greift Apollonius' Lager vor Antiochia an, wird besiegt, verliert sein Pferd und schämt sich dafür (510-517). [1] Antiochus beauftragt Τ mit der Ermordung des Apollonius, nachdem dieser das von ihm gestellte Rätsel gelöst hat. Apollonius kann aber rechtzeitig fliehen (720-846). [1] T s Kampf mit Apollonius vor der Lösung des Rätsels fehlt in der .Historia', er motiviert T's Hass auf Apollonius (vgl. 743). [mk]
Thalpius
607
Nastes).
A2 Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg·. Τ ist Gefährte des Aiax und ein Verbündeter der Griechen (23815; Katalog), kämpft in der Schlacht nach der Landung vor Troja (30618; 35208), rät dem in Bedrängnis geratenen Hector zur Besonnenheit und zum Rückzug (35772) und wird deshalb auf dessen Befehl hin geschont, als ihn Hectors Halbbrüder gefangen nehmen (36093-36147; als Kämpfer genannt: 36759). II. Die Darstellungen in Al und A2 folgen dem ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure. Wie dort ist Τ als junger Ritter ausgewiesen, der erst seit drei Jahren den Schild führt (Al, 5306; A2, 35772). Zusätzliches Profil erhält die Gestalt in der Episode von seinem gutgemeinten Rat an den bedrängten Hector. A2 baut sie breit aus, in Al ist sie missverstanden. Die Nf. T(h)eseus findet sich schon in der frz. Vorlage, sie erklärt sich aus einer Variante bei Dares. Thalpios, den Führer der Epeier, kennt schon die ,Ilias' (2,620). [mk]
[Gr. Kämpfer vor Troja; Dares 17,19; Benoit 5625 Theseüs]
R: Herzog (A2) Nf.: Teseus, Theseus (Al, A2) I. A l Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Der junge Τ kommt auf Aiax' Flotte zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3337; 3895) und kämpft in der Schlacht nach der Landung vor Troja (4877; Katalog). Als er Hector zum Rückzug rät, gerät dieser in Zorn und sticht ihn vom Pferd. Hectors Halbbrüder nehmen ihn gefangen, er wird
Thaumas [Kentaur; M M 12,303]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 12,540 (Caumas)·. Τ flieht wie andere Riesen [1] vor Medon (Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf; Katalog). [1] Die Kentauren werden in Al als Riesen aufgefasst. Die Umdeutung greift auf Vorstellungen zurück, die dem dt. Publikum aus der Heldendichtung vertraut sind; -» Centauri. [mk]
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Theaetetus — Themis
Theaetetus [Gefolgsmann Alexanders; Curtius V.5,17; Chätillon VI,264]
R: Meister (A2) Nf.: Teadetus (Al), Tecius (A2) I. Al Rudolf von Ems, Alexander' 14036: Der kluge Τ plädiert nach der Befreiung der makedonischen Kriegsgefangenen für deren Heimkehr, kann sich aber gegen Euctemon nicht durchsetzen, der sich für den Verbleib und die Annahme der von Alexander versprochenen Landeszuweisung ausspricht. A2 Ulrich von Etzenbach, »Alexander': Der kluge und ehrbare Τ rät den Verwundeten und Versehrten zur Rückkehr in die Heimat, wo die Freunde sie aufrichtig beklagen und die Frauen sie achten werden, da sie für den König gekämpft haben (15636; 15640). Die meisten Männer wollen aber mit Euctemon in der Fremde bleiben und werden von Alexander mit Ländereien und Schätzen versorgt (15733). II. Die Darstellung in Al folgt der Alexanderhistorie des Quintus Curtius Rufus (V.5,17ff.), A2 der ,Alexandreis' Walters von Chätillon (VI,264ff.). In beiden Fällen thematisiert die Episode das Leiden der „gewöhnlichen" Soldaten, das sonst kaum Beachtung findet. [sks/mk]
Theano [Priesterin der Athena, Hüterin des Palladiums; Dictys 109,2; Benoit 25450]
R: Priester (Al), Priesterin (A2), Hüter des Palladiums (Al) Nf.: Tanna (A2), Theanus (Al) I. Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Der geldgierige und bestechliche Τ übergibt An-
tenor das Palladium, als dieser vorgibt, damit die Griechen vertreiben zu wollen, und Τ die Hälfte dessen verspricht, was sie zurücklassen. Als Τ den Betrug bemerkt, getraut er sich nicht, Antenor zu verraten (15645; 1584315923; Raub des Palladiums). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg, Fortsetzung 47594: T, die Hüterin des Minerva-Tempels, liefert für Geld das Palladium aus (Raub des Palladiums). II. In Homers ,Ilias' erscheint Τ als Gattin des Antenor und Priesterin der Athene. Sie führt dort u.a. eine Bittgesandtschaft zu der Göttin (6,297). [1] Bei Lykophron (2. Jh. v. Chr.) beteiligt sie sich an der Entwendung des Palladiums. Hiervon berichtet auch der spätantike pseudohistorische Trojabericht des Dictys Cretensis, dem A2 direkt, Al mittelbar über den ,Roman de Troie' Benoits de Sainte Maure folgt. Τ erscheint in Al als Mann und gutgläubiger, daher betörter Priester (bei Benoit ist sie noch Antenors Gattin). In A2 betreibt sie die Preisgabe des Palladiums wie bei Dictys aktiv. Kritik an der Bestechlichkeit der Priester mag in beiden Fällen mitschwingen. [1] S.v. Theano [1.] (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 5, Sp. 659. [mk]
Themis [Tochter des Uranus und der Gaia, Göttin des Rechts; M M 1,321; 4,643]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Temis): Die gnädige Göttin Τ landet nach der Sintflut gemeinsam mit Deucalion und Pyrrha auf dem Cithaeron [1] und rät den beiden, mit ungeschürzten Kleidern und umwundenen Hauptes umherzugehen und die „Gebeine ihrer Eltern" hinter sich zu werfen, um die Erde wieder zu bevölkern. Deucalion deutet den Spruch richtig, er und Pyrrha werfen Steine hinter sich, aus denen Männer und Frauen entstehen (1,603-1,700; Sintflut). Τ
Themistius — Theseus prophezeit Atlas, dass dereinst ein Sohn Iuppiters die goldenen Apfel aus seinem Garten entwenden werde. Atlas will Perseus deshalb verjagen und wird von ihm mit dem Medusenhaupt versteinert. (4,1191). [1] Bei Ovid sitzt Τ natürlich nicht in einem B o o t mit Deucalion und Pyrrha. [mk]
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ter einräumt, wird sie von Piraten entführt. Τ gibt vor, die Tat begangen zu haben, und wird von Dionysias mit der Freilassung und einem Lehen belohnt (15282-15413). Später gesteht er gegenüber Apollonius Dionysias' Mordauftrag und wird freigelassen, weil er Tarsia beten lassen habe, was ihr schließlich das Leben gerettet habe ([17176]). [mk]
Themistius [Christenfreundlicher Philosoph und Redner aus konstantinischem Beamtenadel mit großem politischen Einfluss, Verfasser von Aristoteles-Paraphrasen, ca. 3 1 7 - 3 8 8 ]
B1 Johann von Würzburg,, Wilhelm von Osterreich' 15123 (Demestius): Um die gegenwärtige Dichtung gegenüber der Autorität der Alten zu rechtfertigen, beruft sich der Erzähler auf den Heiden T, der gesagt habe, dass ein Zwerg, der auf einem Riesen sitze, weiter sehe als der Riese. [1] [1] Als Quellenangabe wird das 2. Buch von T ' s AristotelesParaphrase ,De Anima' genannt. Das Bild ist im Mittelalter berühmt und wird üblicherweise Bernhard von Chartres zugeschrieben (dazu oben Einfuhrung X V I f . ) ; zur Stelle A.
Thersippus [Gesandter Alexanders; Curtius IV. 1,15]
Al Rudolf von Ems, »Alexander' 8346 (Tersippe): Τ wird von Alexander nach Phönizien gesandt und bezwingt Byblos (Eroberungszug Alexanders gegen Persien). [1] Nach Curtius (IV. 1 , 1 4 ) ist nicht T, sondern Alexander der Eroberer von Byblos. [sks]
Thescelus [Gefährte des Phineus, wird von Perseus versteinert; M M
Juergens, Wilhelm von Österreich. Johanns von Würzburg
5,182]
„Historia Poetica" von 1 3 1 4 und Aufgabenstellung einer
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' 5,314 (Thessaclus): Τ und Ampyx werden in Kämpferpose von Perseus mit dem Medusenhaupt versteinert (Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus; Katalog).
narrativen Fürstenlehre, 1 9 9 0 , 305Ff. [mk]
Theodotus
[mk]
[Gefolgsmann Alexanders; Curtius V.2,5]
Al Rudolf von Ems, »Alexander' 13417 (Teodetus)·. Fürst Τ führt die siebente Schar des Makedonenheeres (Eroberung Persiens). [sks]
Theophilus [Diener der Dionysias; .Historia Apollonii' C 5 0 , 2 2 ]
Al Heinrich von Neustadt, »Apollonius' (Cofilus): Τ ist ein unfreier Meier und wird von Dionysias mit der Tötung ihrer Stieftochter Tarsia, Apollonius' Tochter, beauftragt. Als ihr dieser Zeit für ein längeres Gebet an die Göt-
Theseus [Sohn des Aegeus oder des Poseidon und der Aithra, Staatsheros der Athener, bezwingt mit Hilfe Ariadnes den Minotaurus]
G: Sohn des Aegeus (Al, El), Freund des Pirithous (Al, E l ) R: König (Bl) von Athen (El), Königssohn (Al) Nf.: Teseus (El) I.
Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen Medea will den tapferen T, der unerkannt
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Theseus
als Gast zu seinem Vater Aegeus kommt, mit einem Gifttrank töten. Aegeus schlägt ihm aber den Becher aus der Hand, als er ihn am Schwertknauf als seinen Sohn erkennt (7,766801; Medea). Τ tötet mit Hilfe Ariadnes den Minotaurus: Sie gibt ihm einen Faden, damit er aus dem Labyrinth zurückfindet, und rät ihm, dem Ungeheuer Pechklöße ins Maul zu schießen. [1] Danach fliehen die beiden, Τ lässt Ariadne aber auf einer Insel zurück. Weil er Griechenland von der Pflicht befreite, Menschenopfer fur den Minotaurus zu stellen, erntet Τ großen Ruhm (8,329-508). Er nimmt an der Kalydonischen Eberjagd teil (8,599; Katalog), warnt Pirithous vor übertriebener Kühnheit, schießt selbst auf das Tier und verfehlt es (8,758-1044). Meleagers Tod bewegt ihn (9,1). Auf der Hochzeit des Pirithous erschlägt Τ den Riesen Eurytus, als dieser die Braut Hippodamia an sich reißen will. Es kommt zum Kampf mit den Riesen [2], bei dem Τ Pirithous vor Aphareus rettet und Bianor, Hippasus, Ripheus und Nedymus tötet (12,427-451; 12,582-609; Nestors Erzählung vom Kentaurenkampf). [ 1 ] Die bei Ovid stark verkürzenden Allusionen werden von Al ausgeführt, dabei kommt es zu einigen Umformungen, insbesondere durch Einfügung des biblischen Motivs der Pechklöße, die dem Minotaurus ins Maul geschossen werden (vgl. unten II.). [2] Die Kentauren werden von Al als Riesen aufgefasst. Die Adaption greift aufVorstellungen zurück, die dem Publikum aus der Heldendichtung vertraut sind; Centauri.
A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg'·. Der weise Τ hat einst aus Liebe Helena entführt, aber ihre Keuschheit respektiert und sie wieder zurückgegeben. Paris hält ihn deshalb für töricht. Er selbst würde niemals auf Helena verzichten (21109-21143). Diese will sich von Paris nicht wie von Τ entführt wissen. Τ habe seine Tat außerdem bereut und sie nur ein wenig geküsst. Von Paris befürchtet sie Ärgeres (21537; Gespräch zwischen Paris und Helena vor der Entführung; Exemplum des Paris). B1 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crone" 11576\ Dass Theseus in den Tod geschickt
wurde, war der Anlass einer großen Klage, die sich jedoch nicht mit der Klage des Artushofes um die entführte Ginover vergleichen lässt (Überbietung; Katalog großer Klageanlässe). E l Rudolf von Ems, , Weltchronik': Τ und Pirithous wollen Proserpina, die Gattin des Molosserkönigs Orcus [-» Pluto], rauben und werden deshalb von dessen Hund Cerberus verfolgt. Dieser tötet Pirithous, Τ wird von Hercules gerettet (19741). Auf Bitten Ariadnes tötet T, der König von Athen, den Minotaurus und erhält als Lohn Ariadnes Liebe (20114; 20181). Τ hat die Athener einst an einem Ort zusammengezogen und eine Stadt errichten lassen, ist später aber von ihnen verstoßen worden (20243). II. 1) Τ im MA; 2) T ö t u n g des Minotaurus; 3) Weitere Motive
1) Der T-Mythos zählt zu den wichtigsten politischen Mythen der gr. Antike. Dennoch fehlt eine bedeutende literarische Bearbeitung. (T ist freilich eine zentrale Gestalt im Hintergrund, etwa im ,Odipus auf Kolonos' des Sophokles oder in Euripides' ,Hippolytos'.) In der antiken bildenden Kunst ist insbesondere der Kampf zwischen Τ und dem Minotaurus beliebtes Sujet. [1] Der ma. Myelographie sind Gestalt und Geschichte zwar bekannt, [2] ihre literarische Rezeption ist im MA aber insgesamt schwach. In der mhd. Literatur finden Motive des TMythos - direkt nach Ovids,Metamorphosen' — nur in Al breiteren Niederschlag. Sie bilden aber keine zusammenhängende Darstellung, und so konnte sich fiir das höfische Publikum wohl kaum der Eindruck eines sinnvollen Ganzen ergeben. 2) Das bekannteste Mythologem ist auch im MA die Tötung des Minotaurus. Al führt dabei das Motiv von den Pechklößen ein, die Τ dem Ungeheuer ins Maul schießen soll. Es ist von Daniels Tötung der babylonischen
Thessandrus — Thetis Schlange abgeleitet (AT, Dan 14,23). [3] In derselben Weise wird der Kampf im ,Göttweiger Trojanerkrieg' geschildert. Er ist dort allerdings wie der gesamte kretische T-Mythos auf Iason übertragen. Die Erwähnung in El folgt der ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1283). 3) El verweist außerdem auf den Mythos von Τ's und Pirithous' versuchter Entführung der Proserpina. Der weltchronistischen Mythendeutung entsprechend, sind die mythologischen Daten freilich rationalisiert. Auch hier ist Petrus Comestor (ebd. Sp. 1275) das unmittelbare Vorbild. Möglicherweise könnte sich auch die dunkle Anspielung in B1 auf T's Hadesfahrt beziehen. Immerhin konnte er nur mit Mühe und dank Hercules zurückkehren. Auf die erste Entführung der jungen Helena bezieht sich A2 im Liebesgespräch zwischen Paris und Helena. Die Stelle bietet eine detaillierte und mit Witz erzählte Nachgestaltung der entsprechenden Passagen in Ovids,Heroides' (16,149 [4] und 17,33) und dokumentiert die sorgfältige Recherche, die gute Quellenkenntnis und die hohe literarische Ambition Konrads von Würzburg. [5] [1] S.v. Theseus (Η. ν. Geisau), in: DKP, Bd. 5, Sp. 750f. [2] Dabei finden sich fallweise christologische Deutungen der Tötung des Minotaurus und des „Descensus" mit Pirithous, um Proserpina zu entfuhren; s.v. Theseus, in: Lücke, Helden, 540-562, hier 55Iff.; vgl. auch Minotaurus
(11-14]).
[3] -» Minotaurus (II.). [4] Schon bei Ovid wundert sich Paris darüber, dass Τ Helena zurückgegeben hat. [5] Zur Quellenverarbeitung ausfuhrlich Lienen, Geschichte und Erzählen, 103ff. Nachbenennung Jans Enikel,, Weltchronik' 23434·. Τ von Argas übernimmt nach Nero die Herrschaft über Rom. [1] [ 1 ] Die Herkunftsbezeichnung könnte „Argos" meinen und erinnert an den gr. Theseus. Die Übernahme der Gestalt und ihre Auffassung als Nachfolger Neros würden gut zu dem auch fur eine mhd. Chronik unbekümmerten Umgang mit der Historie passen, den der Text grundsätzlich an den Tag legt. Die Nennung findet sich nicht in allen Hss., vgl. Strauch (Hg.), 457, Anm. 3.
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Thessandrus [Bruder der Aegiale; wird beim Angriff der Griechen auf Mysien vor dem Trojanischen Krieg von Telephus getötet; Dictys 21,24; Benoit 27988 Tassandrus]
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye' (Assandrus): Τ unterstützt seine Schwester Aegiale bei ihrem Uberfall auf den heimkehrenden Diomedes und wird dabei von Telephus getötet. Diomedes rächt ihn (17232; 17235; Nachgeschichte des Trojanischen Krieges). [1] [1] Bei Benoit de Sainte-Maure handelt es sich um einen Rückverweis auf den Einfalt der Griechen in Mysien vor dem Trojanischen Krieg. Dabei hat Τ durch Telephus den Tod gefunden. In Al gerät die Chronologie durcheinander, so ergibt sich die widersprüchliche Handlung, dass Diomedes, dem der eigentliche Überfall gilt, den Angreifer Τ rächt; -* Telephus. [mk]
Thestius [König von Pleuron in Ätolien, Vater des Plexippus, des Toxeus und der Althaea; MM 8,304; 8,487]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Thestias): Τ ist der Vater von Plexippus und Toxeus, die an der Kalydonischen Eberjagd teilnehmen, später von ihrem Neffen Meleager getötet und von ihrer Schwester Althea an deren Sohn gerächt werden (8,592; 8,935). [mk]
Thetis [Ursprünglich thessalische Seegottheit, Tochter des Nereus und der Doris, Gattin des Peleus, Mutter des Achilles]
W: Göttin (A2, El, E2) des Meeres (Al, A3, B3), Fee (A3) G: Tochter des Acastus (A2), des Iuppiter (A3), Schwester des Iuppiter (A3), des Melanippos (A2) und des Pleisthenes (A2), Gattin des Peleus (Al, A2, A3, E3), des Priamus [!] (E3), Mutter des Achilles (Al, A2, A3, A4, B3, B4, E3, E4), des Paris [!] (E3), zweier Töchter (A3), Großmutter des Pyrrhus (A2, A4) R: Königin (A3, A4, E3) des Meeres (Al), Herrscherin über die Gewässer (Bl), Weis-
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Thetis
sagerin (E4, B2), vrouwe (Epitheton) (Al, A3, A4) Nf.: Tethis (E2), Tetis (A3, B3), Thedis(z), Thytiss (A4) I. A l Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen'·. Aufgrund der Prophezeiung des Proteus, Τ werde einen Sohn gebären, der seinem Vater überlegen sein werde, meidet Iuppiter T. Um sich Peleus zu entziehen, verwandelt sie sich in einen Vogel, einen Baum und einen Tiger, wird aber schließlich überwunden und gebiert ihm später Achilles (11,396-481). Aus Zorn über Peleus' lange Abwesenheit sendet Τ einen Wolf, der sein Vieh bedroht und den sie auf seinen Wunsch hin versteinert (11,669; 11,702; Erzählung des Peleus an Ceyx). [1] Sie verwandelt aus Mitleid Aesacus in einen Vogel (11,1368). Cygnus zufolge ist sie Neptunus, dem Herrscher über alle Wasser, Untertan (12,172; 12,188; Trojanischer Krieg; Cygnus zu Achilles). Wäre Peleus nicht mit Τ verheiratet gewesen, hätte dieser Caenis zur Frau genommen (12,367; Nestors Erzählung von Caeneus). Weil Τ von Achilles' bevorstehendem Tod vor Troja weiß, lässt sie ihn Frauenkleider anlegen und täuscht so alle außer Ulixes (13,251). Sie hat den Schild des Achilles kunstvoll verzieren lassen (13,412). Gemeinsam mit anderen Wassergöttern ist sie auf dem Silberrelief an den Toren des Sonnenpalastes abgebildet (2,21; Beschreibung des Palastes des Sonnengottes; Katalog [2]). [1] Bei Ovid schickt die Nereide Psamathe, die Mutter des von Peleus getöteten Phocus, den Wolf und wird erst von Τ dazu gebracht, ihn zu versteinern (MM 11,346ff.). [2] Der Katalog bei Ovid nennt Τ nicht. Der Beleg in Al geht vielleicht auf eine Glosse zu „Doridaque et natas" („Doris und ihre Töchter"; M M 2,11) zurück. Al fugt außerdem Nereus hinzu, lässt Aegaeon und Doris aber weg.
gen genommen wird, täglich mit Nahrung, findet ihre nach Peleus' Befreiung von Pyrrhus getöteten Brüder und bittet diesen um Gnade für Acastus (18085; 18092; Nachgeschichte des Trojanischen Krieges). A3 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg'·. Die über alle Maßen schöne, edle, weise und mächtige Τ soll mit Peleus verheiratet werden. Zu diesem Anlass lädt Iuppiter [1] zu einem großen Fest (838; 1070; Descriptio). Proteus prophezeit ihr einen Sohn, dem vor Troja zu fallen beschieden sei. Τ wird noch in derselben Nacht schwanger (45654652). Sie übergibt Achilles dem Chiron zur Erziehung (5768-6011). Τ ist abwesend, als Medea Rache an [dem mit Pelias identifizierten] Peleus übt, und betrauert ihren toten Gatten (10918; 11160). Als Troja nach der ersten Zerstörung durch Hercules wieder errichtet wird, ängstigt sich Τ wegen Proteus' Prophezeiung um Achilles. Sie holt ihn von Chiron zurück, will ihn durch ein Bad unverwundbar machen (31168) und bringt ihn in einen Sack eingenäht und von Fischen unter der Meeresoberfläche gezogen nach Skyros, wo er als Frau verkleidet am Hof des Lycomedes leben soll (13402-14537). Achilles lehnt den Plan zunächst ab, fügt sich aber, als er sich in Deidamia verliebt. Τ stellt ihn Lycomedes gegenüber als ihre wilde, knabenhafte Tochter vor (14980-15403; RV: 27328; 28436). T's Anweisungen und seine Liebe zu Deidamia vergessend, beschließt Achilles, mit den Griechen nach Troja zu ziehen (28526; 28772). Τ zürnt Lycomedes, weil er ihn gehen hat lassen (28908; 29438). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung4l748\ RV auf die Hochzeit von Τ und Peleus und die Vorgeschichte des Trojanischen Krieges (Rede des Priamus an Achilles bei der Lösung der Leiche des Hector).
A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. T, die [1] Τ wird sowohl Schwester (821) als auch Tochter aufgrund ihrer Weisheit als Göttin angesehen Iuppiters (3673) genannt. Der Widerspruch erklärt sich wird, und Peleus belohnen Chiron für die vielleicht aus der fehlenden Redaktion des Fragment geErziehung Achills so reichlich, dass er ein bliebenen Textes. prächtiges Fest veranstaltet (17854). Τ versorgt A4 ,Göttweiger Trojanerkrieg': Weil ihm der Peleus, der nach dem Fest von Acastus gefanTod vor Troja prophezeit ist, bringt die liebrei-
Thetis zende Τ ihren Sohn Achilles durch das Meer hindurch an den Hof des Lycomedes und lässt ihn dort als Mädchen getarnt aufziehen (14955; 15660; genealogische Angabe: 17317). Nachdem Achilles von den Griechen nach Troja gebracht worden ist, erscheint Τ mit 100 Jungfrauen im Griechenlager, beschimpft Achilles, weil er ihr Gebot missachtet habe, und sagt ihm seinen baldigen Tod für den Fall voraus, dass er nicht mit ihr mitkomme. Als sich Achilles weigert, übergibt sie ihm seinen neunjährigen Sohn Pyrrhus und reitet fort (17875; 17905). Τ hat Achilles mit einem Segen unverwundbar gemacht (18886). Aiax behauptet, T, Vulcan us und Pallas hätten ihm die Waffen des Achilles versprochen (19613).
B1 Rudolfvon Ems,,Derguote Gerhart'2560: Τ und Mercurius, die Beherrscher der Gewässer, mögen Gerhard auf seiner Fahrt beschützen, wünscht der heidnische Fürst Stranmur (Götterkatalog).
B2 Albrecht, Jüngerer Titurel' 2483,2: Weder Τ noch Sibylla waren in der Kunst des Wahrsagens so bewandert wie Uterpendragons Schwester Accedille.
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El Rudolfvon Ems, ,Barlaam'9806: Im Glaubensdisput mit dem Christen Barlaam stellen die Griechen ihre Götter vor: Τ sei eine gütige und mächtige Göttin des Meeres (Götterkatalog).
E2 Rudolf von Ems, , Weltchronik' 3236: Τ ist eine der Göttinnen, an die die Griechen in ihrem heidnischen Unverstand geglaubt haben (Götterkatalog). [1] [ 1 ] D e r Katalog nennt außerdem Pallas, Iuno, Venus, Diana, Ceres, Europa und Latona.
E3 fans Enikel, , Weltchronik': Achilles ist der Sohn der Τ (14545). Diese legt ihrem Gatten Priamus [!] die Rüstung an, als er in den Kampf gegen die Griechen zieht (15971; 15991; 16087), und fleht ihn nach dem Tod Hectors an, in die Stadt zurückzukehren (16341). [1] [1] Ab 1 5 9 7 1 ist Τ offensichtlich mit Hecuba verwechselt.
E4 ,Baseler Bruchstück' [106]: Τ hat Achilles mit einer Salbe unverwundbar gemacht und ihn von Chiron ausbilden lassen. Als sie in ihrer Weisheit Achilles' Tod vor Troja voraussieht, legt sie ihm Frauenkleider an und versteckt ihn in Griechenland. II. 1) Antike Motive; 2} Τ im Trojaroman; 3) Deutungen
B3 ,Reinfried von Braunschweig': Τ versteckte 1) Als Mutter des Achilles zählt Τ auch in der
Achilles in Frauenkleidern am Hof des Lycomedes (22576; Exkurs zur Geschichte des Achilles; Verweis aufStatius' Achilleis'). Nach dem Sieg der Christen im Heiligen Land wirft der Heerführer der Sarazenen seinen Göttern vor, sie hätten ihn im Stich gelassen. Τ sollte ihre Wege [das Meer] nicht seinen Feinden offen halten. Hätte er ihren Sohn Achilles getötet, hätte ihre Rache nicht größer sein können (16418).
B4 Konrad von Stoffeln, , Gauriel' 4667: Als Lohn für die Erziehung des Achilles fertigte die weise Τ für Chiron ein prächtiges Zelt mit goldenen und elfenbeinernen Stangen und einem kostbaren Tuch mit eingewirkten Meerwundern an. Chiron vererbte das Zelt dem König Kursami, der es wiederum seiner Tochter, einer Meerfee, hinterließ (Beschreibung eines prächtigen Zeltes).
volkssprachlichen Literatur des MA zu den bekannteren mythologischen Gestalten. Die antiken mit Τ verbundenen Motive aus der Vorgeschichte des Trojanischen Krieges repräsentieren allerdings kein allgemeines Wissen. Al übernimmt sie direkt von Ovid, so
etwa Iuppiters Verzicht auf Τ wegen des Orakels, ihr Sohn werde den Vater übertreffen,
und ihre Erringung durch Peleus. Vom Fest
der Götter anlässlich der Hochzeit von Peleus und T, seit der Renaissance ein beliebtes Sujet der Bildenden Kunst, berichtet nur A3 (vermutlich nach dem ,Excidium Troie' [1]). Die Szene ist breit ausgestaltet und bildet mit dem anschließenden Streit der Göttinnen um den goldenen Apfel der Discordia den Ausgangspunkt der Handlung. Eine sekundäre Ableitung von dem Motiv könnte im Fest des Chiron vorliegen, von dem A2
614
Thisbe — Thoas
nach dem .Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure berichtet. [2] 2) Die weiteren mit Achilles zusammenhängenden Motive teilen dieTrojaromane A3, A4 und der chronistische Trojabericht E4 weitgehend, so die Wahl Chirons als Erzieher des Sohnes (auch A2), Achilles' Unverwundbarkeit (in A3 durch Eintauchen ins Wasser, in A4 durch Zaubersprüche, E4 ohne nähere Angaben) und die Verbergung bei Lycomedes (durch Astrologen berichtet in A4 und E4; eine Anspielung darauf in B3; die Episode findet sich auch in E3, Achilles begibt sich dort jedoch von sich aus nach Skyros). Die Gestaltungen differieren freilich stark. Die ausführlichste narrative Darstellung bietet A3, u.a. in Rückgriff auf Statius' .Achilleis' [3] (einen direkten Verweis auf Statius bringt auch B3), A4 könnte von A3 abhängen [4] oder aber dem ,Excidium Troie' folgen, E4 zeigt Beziehungen zu A3 wie zu A4. A2 steht über Benoit de Sainte-Maure in der Tradition der pseudohistoriographischen Trojaberichte von Dares und Dictys, die die Daten der mythologisch-epischen Tradition weitgehend eliminieren. A3, obwohl ebenfalls grundsätzlich an Benoit orientiert, restituiert sie im Sinne der späthöfischen Tendenzen zu umfassender Ausgestaltung und Literarisierung des historischen Stoffes. 3) Wie die antike so ist auch die ma. Τ eine Wassergöttin, mit zum Teil hoher Dignität und großer Macht (bes. Β1, B3, E2). Dies mag auf eine Verwechslung bzw. Identifizierung mit Tethys hindeuten; eine solche könnte auch in A l vorliegen (obwohl Ovid natürlich beide Göttinnen unterscheidet). Τ beherrscht außerdem in B2 und E4 die Kunst der Weissagung, in B2 gibt sie diesbezüglich zusammen mit Sibylla eine einschlägige Exempelfigur ab. Dass sie der Magie fähig ist, zeigt sich an ihrem Versuch, Achilles unverwundbar zu machen (A3 und A4). Explizit euhemeristisch gedeutet wird sie in A2 und A3. Als Göttin der Sarazenen fassen sie B1 und B3. Die Vorstellung, dass die Muslime der Vielgötterei huldigten, ist im
MA gängige christliche Meinung. Unter den von ihnen verehrten Göttern befinden sich neben Mahmet, Tervigant und Kahun auch antike Götter, wie zunächst v.a. Apollo und Iuppiter; später kann das Panorama beliebig erweitert werden, wie die Kataloge in Β1 und B2 zeigen. [5] Die mit Τ verbundene Herkunftsgeschichte des prächtigen Festzeltes in B4 erinnert schließlich an die im selben Text erwähnte Burg der Iuno und an ähnliche Konstruktionen in anderen Texten. [6] [1] Lienert, Geschichte und Erzählen, 4Iff. [2] Zur spezifischen Gestaltung des Motivs -*
(112).
Musae
[3] Lienert, Geschichte und Erzählen, 50ff. [4] Vgl. besonders das Motiv des von Thetis durch das Meer zu Lycomedes geführten Achilles. Für einen Bezug von A4 auf A3 plädiert W. Schröder, Namen-Brücken zwischen dem ,Göttweiger Trojanerkrieg' und dem ,Trojanerkrieg' Konrads von Würzburg, Beiträge zur Namenforschung 26 (1991), S282-296; dagegen Kern, Agamemnon weint, 186. Zur möglichen Einwirkung von A3 auf die folgenden Trojatexte Lienert, Geschichte und Erzählen, passim. [5] -» Apollo (II. 1/4)·, Kern, Edle Tropfen, 395f.
[6] -» Iuno (I.B9), -» Caesar (I.B4).
[mk]
Thisbe
Pyramus und Thisbe
Thoactes [Gefährte des Phineus, wird von Perseus erschlagen; M M 5,147]
Al Albrecht von
Halberstadt„Metamorphosen'
5,259: Τ erschlägt Agyrtes im Kampf auf dem Hochzeitsfest des Perseus (Katalog). [1]
[ 1 ] Bei Ovid stehen Τ und Agyrtes auf der Seite des Phineus und fallen beide durch Perseus. [mk]
Thoas [Sohn des Andraemon, gr. Kämpfer vor Troja; Dares 18,2; Dictys 11,26; Benoit 299]
G: Gefährte des Aiax Telamonius (Al), R: König von Ätolien (A2)
Thoon — Thyestes [1] Nf.: Doas (A2), Theas ( A l ) , Toas (A2 [Forts.])
Thoon
I.
M M 13,259]
615
[Lycier, Gefährte des Sarpedon, wird von Ulixes erschlagen;
Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' Τ fuhrt aus Ätolien („Tholias") 4 0 Schiffe zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3341; Katalog), landet im Verband mit Aiax, Menelaus und Agamemnon vorTroja (4431; 4883; Katalog), attackiert Antenor (5429-5444; 5726) und wird gefangen genommen (6833). Priamus schlägt seine T ö tung vor, Aeneas empfiehlt seine einstweilige Schonung (7009-7360), später wird er im Austausch mit Antenor freigelassen (7861; 7880). Τ ist über Palamedes' Tod bestürzt (11759), kämpft gegen Polydamas (12687) und leistet mit den anderen Griechenführern Priamus einen zweideutigen Eid auf die mit Antenor getroffenen Vereinbarungen, die in Wahrheit auf eine Übergabe der Stadt hinauslaufen (16001; FallTrojas).
A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg'·. Τ ist König von Ätolien („Tholie") und Verbündeter der Griechen ( 2 3 8 2 2 ; Katalog), er befiehlt mit Aiax Oiliades die achte Rotte und führt 12000 Ritter (30628, 32817, 3 6 7 6 6 ; Kataloge).
,Trojanerkrieg'-Fortsetzung 47800: Τ ist einer der gr. Unterhändler bei den Friedensverhandlungen mit den Trojanern (Verrat des Antenor; Katalog).
II. Τ gilt schon in Homers ,Ilias' (2,638) als Führer des ätolischen Kontingents vor Troja. Hyginus (Fab. CVIII) zufolge war er einer der Helden im Trojanischen Pferd. [1] Die Angaben in A l und A2 basieren auf dem ,Roman deTroie' Benoits de Sainte-Maure (A2 bei deutlich eigenständiger Konzeption), der seinerseits den spätantiken pseudohistorischen Trojaberichten des Dares Phrygius und des Dictys Cretensis folgt. Die Fortsetzung von A2 ist direkt nach Dictys gearbeitet. [1] S.v. Thoas [3] (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 5,
13,378 (Thaon•): Τ wurde wie andere Trojaner bei der Ergreifung und Tötung des Dolon von Ulixes erschlagen (Streit um die Waffen des Achilles; Rede des Ulixes; Katalog). [1]
[ 1 ] Bei Ovid bezieht sich die Ergreifung Dolons auf die so genannte Dolonie (,IIias' 10), der folgende Katalog auf die Kämpfe des Odysseus gegen die Lykier unter der Führung des Sarpedon (,Ilias' 5,669ff.). A l fasst beides als ein und dasselbe Ereignis. [mk]
Thyestes [1] [Sohn des Pelops und der Hippodameia, Bruder des Atreus, der ihm die eigenen Kinder vorsetzt („Thyestesmahl")]
G: Bruder des Atreus ( E l ) R: König von Mykene ( E l ) Nf.: Diestes ( E l ) , Thiestes ( B l ) , Tiestes
(El) I.
Bl Heinrich von dem Türlin, ,Diu Crone' 11596: Dass Τ sein eigenes Kind als Speise vorgesetzt wurde, gab Anlass zu einer großen Klage, die sich jedoch nicht mit der Klage des Artushofs um die entführte Ginover vergleichen lässt (Katalog großer Klage-Anlässe; Uberbietung).
El Rudolf von Ems, , Weltchronik': Τ ist der Bruder des Atreus und einer der Könige von Mykene (19908; 2 0 1 0 7 ; Katalog).
II. Das Motiv vom Thyestesmahl ist in der ma. Mythographie zwar belegt [1], in der volkssprachlichen Mythenrezeption aber kaum bekannt. Umso bemerkenswerter ist der Beleg in Β1. Er findet sich in einer Reihe vorwiegend antik-mythologischer Exempla, die die mythographischen Daten unterschiedlich genau wiedergeben. Was über Τ gesagt wird, trifft weitgehend zu. Die Quelle ist nicht be-
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Thyestes [2] — Thysamenus
kannt, die meisten genannten Gestalten lassen sich aber bei Ovid belegen (T etwa MM 15,462). [1] Die Nennung in El bezieht sich auf das ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 519,521), eine der Nebenquellen von El. Die Hauptquelle, die ,Historia scholastica' des Petrus Comestor, nennt Τ nicht. Dem Prinzip lat. Weltchronistik entsprechend, sind die mythologischen Daten historisch aufgefasst und werden in profangeschichtlichen Exkursen („incidentia") zur Heilsgeschichte erinnert. Wie hier erschöpfen sich die Angaben dabei meist in katalogartigen Aufzählungen, von der Feindschaft zwischen Atreus und Τ wird nichts berichtet. [1] So bei allen drei Mythographi Vaticani. [2] Zur Stelle Kern, Edle Tropfen, 294ff„ hier 300, Anm. 542. [mk]
Thyestes [2]
nen gesamten Schatz in seinem Heerestross mitzuführen. Darius' Ratgeber fordern die Bestrafung des Uberläufers, aber Darius erlaubt Τ zu bleiben, folgt seinem Rat und lässt den Großteil seines Schatzes nach Damaskus bringen (6767-6833; Alexander in Issos). II. In Al ist Τ persischer Fürst, in A2 ein gr. Uberläufer. Dennoch ist beide Male dieselbe Gestalt gemeint, die auch historisch zu belegen ist: Es handelt sich um den Söldnerführer des Darius Thymondas (so die Nf. bei Arrian), der bei Issos gekämpft haben und auf dem Rückzug nach Ägypten umgekommen sein soll. [1] Die unterschiedliche Darstellungsweise in Al und A2 ergibt sich aus der Quellenlage, Al folgt der Alexanderhistorie des Quintus Curtius Rufus (Al), A2 deren epischer Bearbeitung, der Alexandreis' Walters von Chätillon. [1] S.v. Thymondas (G. Wirth), in: DKP, Bd. 5, Sp. 807f. [mk/sks]
[Sohn des Priamus; Dictys 87,8]
Al Konrad von Würzburg, , Trojaner krieg', Fortsetzung43209 (Tiestes): Der ritterliche und tapfere Τ fällt im Kampf gegen Diomedes. [sks]
Thymodes [Sohn des Mentor, Gefolgsmann des Darius; Curtius III.3,1; Chätillon 11,273]
R: Fürst (Al), herre (A2) Nf.: Timodes (Al) I. Al Rudolf von Ems, ^Alexander': Der weise Τ wird von Darius belehnt (5312) und soll sich um die Söldnerheere kümmern (67596795). Er führt 30000 Mann in den Kampf gegen Alexander (6922) und bricht unter hohen Verlusten durch die Kampflinie der Makedonen (7255-7305; 1. Schlacht zwischen Griechen und Persern). A2 Ulrich von Etzenbach, ^Alexander'·. Der Thebaner Τ läuft zu Darius über und warnt ihn vergeblich davor, seine Familie und sei-
Thymoetes [Halbbruder des Apheidas, des Königs von Athen]
El Rudolf von Ems, .Weltchronik'26720 (Timotes): Τ ist einer der Könige von Athen (Katalog). [1] [1] Dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, werden die profangeschichtlichen Ereignisse meist in katalogartigen Exkursen („incidentia") zur Heilsgeschichte erinnert, so auch hier. Der Beleg in El bezieht sich auf das »Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 525), eine der Nebenquellen des Textes. [mk]
Thysamenus [Sohn des Orestes und der Hermione, König von Argos und Sparta]
El Rudolf von Ems,,Weltchronik' 19910 (Tisamenus): Τ ist einer der Könige von Mykene (Katalog). [1] [ 1 ] Die Nennung bezieht sich auf das ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 519, 523). Genauere Angaben zu T's Genealogie fehlen in E l . Die historische Auffassung der mythologischen Daten und ihre katalogartige Auflistung in den profangeschichtlichen Exkursen
Tiberinus — Tiberius zum Heilsgeschehen entsprechen dem Darstellungsprinzip lat. Weltchronistik. [mk]
Tiberinus [Sagenhafter König von Latium, Namensgeber des Tiber]
G: Vater des Remulus (Al) und des Acrota (Al) R: König von Italien (Al), Herrscher von Rom (El) Nf.: Tyberinus (Al), Tyberius (El) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': T, der nach Capetus und Capys die Herrschaft über Italien innehat, ertrinkt im Fluss Albula, der seither nach ihm „Tiber" genannt wird. Auf Τ folgen dessen Söhne Remulus und Acrota (14,599; 14,605; Katalog). El Jans Enikel,, Weltchronik'·. T, der mächtige Herrscher Roms, ertrinkt aus Gründen, die dem Erzähler nicht erklärlich sind, im Fluss Albula, der seither nach ihm „Tiber" genannt wird (20177; 20185; 20190). II. Das Aition für den Namen des Tiber wird in Al direkt nach Ovids ,Metamorphosen' (14,614) referiert. Die Quelle von El ist nicht sicher festzustellen. Die Sage wird u.a. auch bei Varro und Livius berichtet. [1] [1] S.v. Tiberinus (G. Radke), in: DKP, Bd. 5, Sp. 813. [mk/sks]
Tiberius [Τ Iulius Caesar Augustus, 14-37 η. Chr. röm. Kaiser]
G: Sohn von Vespasian (E2), Vorfahre des Bonifant v. Arragun (B2) R: Kaiser von Rom (Bl, B2, El, E3, E4), König (El, E2, E4) Nf.:Tyberie (B2),Tyberius (Bl, El, E2, E3), Tyberjus (El), Tybre (Bl) I. Bl ,Prosa-Lancelot': Der alte Kaiser Τ ist ein Verbündeter des in Frankreich herrschen-
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den Königs Claudas und soll um Unterstützung im Krieg gegen Artus gebeten werden (11.687,2; 11.688,6). Als die Botschaft in Rom ankommt, ist Τ jedoch eben verstorben (11.694,13; 11.694,20). [1] [1] Auf den oström. Kaiser Tiberius II. (reg. 578-582) wird sich der Name nicht beziehen. Dieser hatte zwar Kontakte zum Frankenkönig Childebert II. (s.v. Tiberius [2.] (Α. Lippold), in: DKP, Bd. 5, Sp. 818), was die Stelle aber sicher nicht widerspiegelt. Offensichtlich ist also doch der bekannte röm. Kaiser gemeint, der ja auch sehr alt wurde (42 v. Chr.-37 n. Chr.).
B2 Albrecht, Jüngerer Titurel' 134,1·. Aus T's Geschlecht stammt Bonifant von Arragun, der Großvater des Gralskönigs Titurel (Geschichte des Gralsgeschlechts). El ,Kaiserchronik': Τ verhilft Rom zu großem Ruhm, erobert u.a. Persien, zieht nach Germanien und gründet die Stadt Tiburnia, das heutige Regensburg (672). Als er, schwer erkrankt, von dem wundertätigen Jesus hört, schickt er Volusianus nach ihm aus. Dieser kehrt mit Veronika zurück, die ihr Tuch mit dem Abbild Christi mitbringt. Τ küsst es und wird geheilt. Daraufhin schwört er Rache für den Tod Jesu und verspricht die Zerstörung Jerusalems (741; Veronika-Legende), mit der er Vespasian und dessen Sohn Titus beauftragt. Τ hat 33 Jahre und einen Monat geherrscht (1111). E2 Jans Enikel, , Weltchronik': Τ besiegt viele Länder, darunter auch Persien, teilt die Erde in vier Bereiche und gründet Regensburg, das heute dem Kaiser untersteht. Dann erkrankt er an einem Kopfleiden (Hornissen nisten in seiner Nase). Er lässt Jerusalem durch seinen Vater [!] Vespasian zerstören, der Veronika im Jahr 42 n. Chr. nach Rom bringt (2222022243). [1] [1] In E2 erscheint Τ und nicht Titus als Sohn Vespasians. Die Bemerkung, Regensburg unterstehe dem Kaiser, bezieht sich auf die Erhebung zur freien Reichstadt 1245.
E3 Gundacker von Judenburg, , Christi Hort': Im 19. Jahr der Herrschaft von Τ kommt es zum Prozess gegen Jesus Christus (1383). Als der schwer an Aussatz leidende Τ von einem wundertätigen Arzt aus Palästina erfährt, schickt er einen Boten nach Jerusalem (4365). Veronika berichtet diesem von
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Timaeus
der Erlösungstat Christi ([4637]) und erklärt sich bereit, ein in ihrem Besitz befindliches, heilkräftiges Leintuch mit dem Abbild Jesu nach Rom zu bringen, um Τ damit zu heilen ([4783]). Nach der demutsvollen Betrachtung des Bildes wird Τ geheilt, bekehrt sich zum christlichen Glauben ([4961]) und wird von den Fürsten Roms gefeiert, als sei er von den Toten auferstanden (5082; 5086). Von Veronika erfährt er, dass der röm. Statthalter Pilatus fur den Tod Jesu verantwortlich sei. Pilatus wird gefangen genommen, nach Rom gebracht und in den Kerker geworfen (5091-5177). E4 Heinrich von Hesler, ,Das Evangelium Nicodemi ·. Der schwer kranke Τ erfährt aus den Briefen des Pilatus von einem Wunderarzt aus Palästina. Als er dann von dessen Tod hört, gerät er in Zorn, schöpft aber bei der Nachricht von Jesu Auferstehung neue Hoffnung und sendet den Boten Volusianus zu Pilatus, um den Wunderarzt kommen zu lassen, was freilich nicht möglich ist (3810-3928; 4226). Veronika erklärt sich jedoch bereit, ein in ihrem Besitz befindliches, heilkräftiges Leintuch mit dem Abbild Jesu nach Rom zu bringen, um Τ zu heilen. Pilatus wird gefesselt mitgenommen. Nach der demutsvollen Betrachtung des Leintuchs wird Τ geheilt (4450-4469), bekehrt sich zum Christentum, verlangt dies auch von den Römern, lässt die Abgötter im Fluss Albula versenken und wird deshalb schließlich ermordet. Seine Leiche wirft man in den Fluss, der seither Tiber genannt wird (4559-4595; Aition für den Tiber).
schließlich gar den Märtyrertod ein. Dabei wird das Aition für die Benennung des Tiber von Tiberinus auf Τ übertragen. Historischer Hintergrund für die legendarische Anekdote von T's Heilung, die sich auch in der ,Legenda Aurea' des Jacobus de Voragine findet, mag Τ's tolerantes Verhalten gegen andere Religionen gewesen sein. [1] Reflexe historischer Daten zeigen sonst nur noch El und E2: Die Zerstörung Jerusalems (historisch 70 n. Chr. durch Titus im Auftrag seines Vaters Vespasian) erfolgt in El im Auftrag T's durch Vespasian und Titus, in E2 durch Vespasian, der hier als T's Vater gilt. Die in El und E2 erwähnten Eroberungen T's, u.a. in Persien und Germanien, und die Gründung von Regensburg in E2 („Regina castra" ist der Name des späteren von Marc Aurel 179 n. Chr. angelegten Lagers) [2] reflektieren T's erfolgreiche Feldherrntätigkeit und seine Germanenfeldzüge. [3] In B2 wird das Geschlecht des Gralskönigs Titurel mütterlicherseits von den Römern hergeleitet, väterlicherseits stammt er von den Trojanern ab. Eine noblere Genealogie lässt sich im MA kaum denken. Β1 bringt Τ schließlich über alle chronologischen Barrieren hinweg mit dem Kampf des Claudas gegen Artus in Verbindung.
II.
Timaeus
Die Berichte zu Τ in El, E3 und E4 konzentrieren sich im Wesentlichen auf die VeronikaLegende (E2 bringt sie nur andeutungsweise ohne das Motiv der Heilung). Am weitesten gehen dabei die Versionen von E3 und E4, die von T s Bekehrung zum Christentum wissen wollen. Diese lässt Τ in E4 eine erste ikonoklastische Bewegung einleiten und bringt ihm
[1] S.v. Tiberius (R. Hanslik), in: DKP, Bd. 5, Sp. 814-818, hier Sp. 817f. [2] Zur Gründung von Regensburg s.v. Regina castra (H. Cüppers), in DKP, Bd. 4, Sp. 1366. [3] Hanslik [Anm. 1], Sp. 815f. [mk/sks]
[Gefolgsmann Alexanders, fällt bei dessen Verteidigung; Curtius IX.5,15; Chätillon IX,432]
Al Ulrich von Etzenbach, „Alexander 20671 (Tymoteus)·. Der hochgeborene, tapfere und auserkorene Τ fällt, als er Alexander vor den Feinden schützen will (Eroberung von Sudracas). [sks]
Timotheus — Titanes Timotheus [Ca. 450-360 v. Chr., Dichter und Musiker aus Milet, hat u.a. Kontakt zu Euripides]
Dl Thomasin von Zerklaere,,Der welsche Gast' 8952: Τ Milesius und Gregorius [Papst Gregor I.] werden als die besten Gelehrten der Musik genannt (Septem Artes Liberales; Katalog von Artesautoritäten). [1] [1] T s Beiname Milesius ist in D l möglicherweise als eigenständiger Name aufgefasst. Τ Milesius wird auch bei Boethius, ,De Musica', 1,1 erwähnt. Die Nennung in Dl bezieht sich auf die breite ma. Tradition der Einführungen in die Artes, die in den so genannten „accessus ad auctores" die entsprechenden Meister der Künste auch nannten. [mk]
Tiresias [Berühmter blinder thebanischer Seher; M M 3,323]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Tyresias): Τ ist einst in eine Frau verwandelt worden, als er zwei Schlangen geschlagen hat, und nach acht Jahren auf dieselbe Weise wieder rückverwandelt worden. [1] Weil er beide Geschlechter kennt, soll er Iuppiters und Iunos Streit schlichten, ob Männer oder Frauen lüsterner seien. Als Τ gegen Iuno entscheidet, erblindet er, erhält dafür aber von Iuppiter die Gabe der Wahrsagekunst. Τ warnt Liriope, ihr Kind Narcissus sich selbst betrachten zu lassen (3,790-851). Als sich mit dessen Tod T s Prophezeiung bewahrheitet, steigt seine Berühmtheit, nur Pentheus verspottet ihn. Τ sagt ihm voraus, er werde, wenn er Bacchus schmähe, von seiner eigenen Mutter in Stücke gerissen werden. Er wird daraufhin von Pentheus geschlagen, seine Prophezeiung erfüllt sich freilich wieder (3,1241-1281). [ 1 ] Die Darstellung folgt Ovid, wo sich die beiden Schlangen paaren. Der Hintergrund der Vorstellung ist dunkel. Al erklärt T s Attacke mit seiner angeblichen grundsätzlichen Feindschaft gegen Schlangen. [mk]
Tiridates [Persischer Kommandant von Persepolis, Schatzmeister des Darius, übergibt Alexander die Stadt und den persischen Schatz; Curtius V.5,2]
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Al Rudolf von Ems, ^Alexander': Der hochgelobte und weise Τ übergibt Alexander nach Darius' Niederlage und Flucht den königlichen Schatz der Perser (14144; 14282). [sks]
Tisiphone
Furiae
Titanes [Nachkommen des Uranus und der Gaia]
El Rudolf von Ems, .Barlaam' 10131: Die Τ haben den notorischen Trinker Bacchus aus Feindschaft erschlagen. [1] Dieser kann daher kein Gott sein (Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden; Götterkatalog). [1] Dass Bacchus von den Titanen in der Titanomachie zerrissen worden sei, erwähnt u.a. Hyginus (Fab. CLV,1). Das Motiv ist eine jüngere, literarisierte Variante des Zerstückelungsmythos, der mit dem (vorgr.?) Gott Zagreus verbunden ist. Zagreus wurde mit Dionysos gleichgesetzt und spielte eine zentrale Rolle im orphischen Mysterienmythos; s.v. Zagreus (D. Wachsmuth), in: DKP, Bd. 5, Sp. 1446f.; fur die ma. Mythographie vgl. den Beleg bei Mythographus Vaticanus 111.12,4 (p.246,6): Bacchus sei von den Giganten berauscht vorgefunden, zerstückelt und begraben worden, sei dann aber wieder auferstanden. Angeschlossen ist ein Hinweis auf die orphische Philosophie und deren allegorische Interpretation des Mythos (Bacchus symbolisiere die Weltseele, die zwar aus unterschiedlichen Körpern bestehe, aber dennoch alles verbinde). El steht über Vermittlung der lat. Barlaamlegende in dieser mythographischen Tradition, deutet den Mythos jedoch euhemeristisch und fasst ihn als Exempel fiir die Immoralität der gr. Götter und die Absurdität der gr.-heidnischen Religion. Die Polemik entspricht der üblichen Form christlicher Apologetik. Nachbenennungen Heinrich von dem Türlin, ,Die Crone' (Totan): An T, der von liebestollen Frauen unter dem Bett erdrückt wurde, zeigt sich die Macht der Minne (8449; Exempelfigur fiir die Macht der Minne). Die Klage um ihn kann sich nicht mit der Klage des Artushofs um die entführte Ginover vergleichen (11572; Katalog großer Klageanlässe; Überbietung). [1] Ulrich von Türheim, .Rennewart'24192 (Titan)·. Τ gehört zu den vor Orense gefallenen Sarazenenkönigen (Belagerung von Orense; Katalog der gefallenen Heiden). Albrecht, Jüngerer Titurel' 3272,1 (Todan)·. König Τ von Ardonte kämpft im Heer des babylonischen Königs Ipomidon. [2] [1] Nf., Motiv und Gestalt zeigen Anklänge an Antikes (Orpheus, Titan o.ä.), der Zusammenhang ist aber unsicher. [2] Ob Τ mit „Totan" aus Heinrichs von dem Türlin,Crone'
620
Tithonus — Titus
identisch ist, ist fraglich. Möglicherweise bezieht sich der Name auf den in Wolframs ,Parzivar genannten Tridanz vonTinodonte (770,5). [mk]
auf einer ehernen Säule eingraviert, die noch heute zu sehen ist. Τ wird überall mit Lob und Ehrungen überhäuft (5366-5558). [1] Der Eber symbolisiert nach der ma. Theorie von den vier Weltreichen (entsprechend der Auslegung der Visio
Tithonus [Gatte der Aurora, Vater des Memnon; Dictys 83,18]
Al Konrad von Würzburg, ,Trojanerkrieg', Fortsetzung 42614 (Titon)·. Τ ist Vater des Memnon. [1] [1] Die mythologischen Motive der Trojasage sind schon im Trojabericht des Dictys Cretensis vollständig rationalisiert. Dies entspricht dem pseudohistorischen Anspruch des Textes. Von der göttlichen Abstammung Memnons ist daher keine Rede. [mk]
Titus [T Flavius Vespasianus, 79-81 n. Chr. röm. Kaiser, erobert 70 Jerusalem und lässt den Tempel zerstören]
G: Sohn des Vespasianus (El, E2, E3), Nachfolger des Vespasianus (El), Bruder des Domitianus (El) R: König (El, E2) Nf.: Tyto (E2), Tytus (E2) I. Β1, Reinfried von Braunschweig' 18140-.Ύ ηηά Vespasianus rächen das Martyrium Jesu und erobern Jerusalem (Reinfrieds Reise ins Hl. Land; Exkurs zur Heilsgeschichte). El ,Kaiserchronik'·. Der junge, gütige und kühne Τ wird mit Vespasianus von Tiberius ausgesandt, um Jerusalem aus Rache für die Tötung Christi durch die Juden zu zerstören. Τ schont Iosephus [Flavius], der sich ihm als Seher anbietet (854-1046). Er trägt im Kampf eine Fahne mit einem zehnhörnigen Eber [1], der die Macht Roms symbolisiert, und zieht weiter gegen Babylon und Afrika (5133; 5197-5357). Als Herrscher hält er sich streng an die Gesetze. Er kann mit Klugheit und List einen Mordanschlag gegen seine Person vereiteln, lässt die Attentäter gefangen nehmen und enthaupten. Ihre Namen sind
Danielis durch Hieronymus) Rom. Die Beschreibung des Tieres (5266ff.) entspricht jener im zuvor berichteten Traum Daniels (.Kaiserchronik' 573f.).
E2 Jans Enikel,, Weltchronik'·. Τ erobert Jerusalem (Prosa nach 23425) und zieht gegen Babylon und Afrika (24358). E3 Heinrich von Hesler, ,Evangelium Nicodemi' 4652·. Τ erhält von dem nach Rom zurückkehrenden Vespasian einen Teil des Heeres, um Jerusalem zu belagern, besetzt Judäa, zerstört die Stadt, führt die Juden an jene Stätten, an denen Jesus gelitten hat, und lässt dreißig von ihnen für einen Pfennig verkaufen, so wie einst Jesus verkauft wurde. II. T s Bedeutung für das christliche MA ergibt sich aus der Zerstörung Jerusalems im so genannten Jüdischen Krieg (70 n. Chr). Sie wird in chronistischen und legendarischen Berichten mit der Legende von der Heilung des erkrankten Tiberius durch das Abbild Christi auf dem Tuch der Veronika verbunden und somit als röm. Rachehandlung an den Juden für die Kreuzigung Christi gedeutet (Bl, El und E3, andeutungsweise E2, vgl. auch die .Legenda Aurea' des Jacobus de Voragine). In E3 agiert Τ historisch korrekt im Auftrag seines Vaters Vespasian, in El und Bl geht er gemeinsam mit Vespasian vor. El berichtet in diesem Zusammenhang auch von der Schonung des jüdischen Historikers Flavius Iosephus, der während des jüdischen Aufstands gegen Rom 67 in röm. Gefangenschaft geriet. Nach Iosephus' eigener Aussage soll sich Τ für ihn eingesetzt haben. [1] Der Bericht von einem Mordversuch an Τ in El könnte sich auf den Giftanschlag beziehen, dem er im Jahre 51 fast zum Opfer gefallen wäre. [2] Τ ist grundsätzlich positiv gezeichnet, insbesondere in El repräsentiert er die Idealfigur
Titus Tatius — Tiepolemus
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eines tugendhaften, gerechten und klugen Herrschers.
als Orpheus in der Hölle für die Freilassung Eurydices singt (10,117).
[1] Vgl. .Bellum Iudaicum' 7,350ff., s.v. Iosephus [2.] (B. Schaller), in: DKP, Bd. 2, Sp. 1440-1444; hier 1440f. [2] Ebd., Sp. 874. [mk/sks]
[1] Al gibt Ovids Wort fiir den Tartaros, „sedes scelerata" (MM 4,456), recht undramatisch als „hellisch hus" wieder.
Titus Tatius [König der Sabiner; MM 14,775]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Tacitus)·. Τ folgt Numitor als König von Italien, beginnt einen Streit mit den Sabinern und fällt im Kampf gegen sie. Nach ihm trägt Romulus die Krone (14,619; 14,631; Katalog). [1] [1] DassT, bei Ovid Sabinerkönig, in Al als König Italiens erscheint, ergibt sich aus einem Missverständnis des lat. Textes: „Tatiusque patresque Sabini/ bella gerunt" („Tatius und die sabinischen Fürsten führen Krieg [gegen Rom]"; M M 14,775f.). Die Entstellung der Nf. könnte, wenn sie von Wickram stammt, vom Namen des Historikers beeinflusst sein. [mk]
Tityos [Sohn der Gaia, Büßer in der Unterwelt]
W: Riese (Al) Nf.: Ticius (Al), Titius (Al), Tytius (A2), Tycio (A2)
II. Dem antiken Mythos zufolge versuchte T, Leto zu vergewaltigen, wurde deshalb von Apollon und Artemis getötet und in den Tartaros geworfen, wo ein Geier seine Leber (als Sitz der Begierden) frisst (bekannter ist die analoge Strafe des gefesselten Prometheus). [1] Der Beleg in Al folgt dem ,Roman d'Eneas' (2739). Dort ist wie bei Vergil (,Aeneis' VI,595ff.) nur von einem Geier die Rede, der ihn quält. Im Unterschied zu Vergil wird auch der Grund für T's Leiden genannt. Das potentielle Vergewaltigungsopfer ist in der antiken Mythologie allerdings nicht Diana, sondern eben Latona. A2 folgt direkt Ovids ,Metamorphosen', nennt aber zusätzlich noch die Vögel - Geier und Raben [!] - , die sich an T's Eingeweiden gütlich halten (vgl. MM 4,457f.). Bei Orpheus' Gesang in der Unterwelt löst Al die bloße Andeutung auf Τ bei Ovid („nec carpsere iecur volucres"; „nicht länger zerfleischten die Vögel die Leber"; MM 10,43) durch Nennung des Namens (vielleicht mit Rückgriff auf Glossen) auf. [1] S.v. Tityos (H. von Geisau), DKP, Bd. 5, Sp. 876f. [mk]
I. A l Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'3521: Τ wird in der wirklichen Hölle („rehte helle"; 3384) von Rhadamanthys gequält, weil er Diana zur Gattin begehrt hat. Er liegt rücklings am Boden, Geier fressen sein Herz, das immer wieder nachwächst. Auf Anordnung des Minos muss Τ diese Qualen in Ewigkeit erdulden (Unterweltfahrt des Aeneas; Katalog der Büßer). A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Τ ist einer der Büßer in der Hölle [1]. Raben und Geier reißen ihm das Fleisch aus dem Leibe (4,844; Unterweltfahrt der Iuno; Katalog der Büßer), lassen aber von ihm ab,
Tiepolemus [Gr. Kämpfer vor Troja aus Rhodos; Dictys 12,8; Benoit 456 Telopolon]
R: König von Rhodos (Al) Nf.: Leopolis (A2), Neptolomus (Al), Telepolemus (A2 [Forts.]), Theophilus (Al) I. Al Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Τ ist von edler Abstammung und so gebildet, wie es kein Priester je sein kann (3075; Descriptio). Er beschließt nach der Entführung Helenas mit den anderen gr. Fürsten einen
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Tmolus — Tomyris
Rachefeldzug gegen Troja (2842) und führt zehn Schiffe zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3371; Katalog); bildet bei der Landungsschlacht vor Troja eine Schar (4913), zieht gegen Paris ([5822]), kämpft gegen Archelochus (6832; 6923) und gegen Sarpedon (11011). A2 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg': König Τ stammt von einer Insel und beteiligt sich mit 40 Schiffen am gr. Heerzug gegen Troja (23864; als Kämpfer genannt: 36786). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung: Τ nimmt an den Ritterspielen anlässlich der Siegesfeier des Achilles teil, erringt den Sieg im Springen (40948) und kämpft später gegen die Amazonen (42398). II. T, „der den Krieg wagt", kämpft schon in der ,Ilias' auf Seiten der Griechen vor Troja. Er ist dort als Sohn des Herakles aufgefasst und fällt gegen Sarpedon (5,659). Die Darstellungen in Al und A2 folgen dem afrz. Trojaroman des Benoit de Sainte-Maure, von dort auch die stark abweichenden Namensvarianten. A2 ist in seiner Gestaltung freier. Die Fortsetzung von A2 ist direkt nach dem Trojabericht des Dictys gearbeitet. [mk]
Tmolus [Berg in Lydien, Gott; M M 11,151]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Tmalus, Tynolus): Der alte, hohe, weinbewachsene und eichenumkränzte Τ wird zum Richter im Musikwettstreit zwischen Pan und Apollo bestellt, streicht sich die Bäume um die Ohren zurecht, um besser hören zu können, und entscheidet aufgrund der bewegenden Darbietung für Apollo. Pan rät er, seine Pfeife einzustampfen (11,262-298). [mk]
Tomyris [Königin der Massageten, im Kampf gegen sie fällt Kyros II.]
R: Königin der Amazonen (Al, A2, El) Nf.: Cassandra (Al), Tamiris (A2), n.n. (El) I. A l Pfaffe Lamprecht, Alexander' S6555: Königin Τ tötete einst Cyrus, als er mit Waffengewalt ins Land der Amazonen eindrang. Mit diesem Beispiel warnen die Amazonen Alexander erfolgreich vor einem Eroberungszug gegen sie (Alexanders Zug ans Ende der Welt). A2 Ulrich von Etzenbach, Alexander' 7764·. Der Sieg der Amazone Τ über Cyrus und seine Enthauptung auf T s Befehl sind auf dem Schild des Darius abgebildet. Der Erzähler klagt über den Tod, der eine schwache Frau einen Mann wie Cyrus besiegen lässt (Schlacht bei Issos; Exkurs: Descriptio des Schildes des Darius). El Jans Enikel,, Weltchronik'·. Cyrus wird von der Amazonenkönigin besiegt und auf ihren Befehl hin enthauptet ([18859-18913]). II. Vom Sieg der Königin der Massageten, T, über Kyros, der bei diesem Kampf den Tod findet, berichtet bereits Herodot (l,204ff.). Spätere Zeugnisse fassen Τ als Amazonenkönigin. [1] In Al dient das Ereignis als Warnung der Amazonen an Alexander. Die Anspielung hat sich vermutlich bereits in der Vorlage gefunden, dem afrz. Alexanderroman Alberics de Pisa^on. A2 folgt der Alexandreis1 Walters von Chatillon (11,530), von dort auch die Nf. und die rhetorische Einkleidung in Form eines Bildzitats. Der bildnerisch gestaltete Schild des Darius ist bei Walter von Chatillon als bewusster Rückgriff auf das antike heroische Epos zu verstehen, konkret auf Vergils >Aeneis' (Schild des Aneas, Trojafresken im Iunotempel
Toxeus — Traianus zu Karthago), die sich ihrerseits auf Homers ,Ilias' (Schild des Achilles) bezieht. Über den ,Erec' Chretiens de Troyes (Darstellung der Aeneassage auf dem Sattel der Enite) wird das Bildzitat auch zu einem prominenten Topos der höfischen Literatur. [2] Der Beleg in A2 ist somit nicht nur als bloße Übernahme aus Walters Alexandreis', sondern zugleich als eine Reproduktion dieses höfischen Topos zu verstehen. Das Textmuster selbst lässt die stupende Kontinuität in epischen Darstellungsformen über Epochen-, Sprach- und Stilgrenzen hinweg sichtbar werden. Die Quelle von E l ist nicht mit Sicherheit zu bestimmen. [1] S.v. Tomyris (]· Duchesne-Guillemin), in: DKP, Bd. 5, Sp. 885. [2] Hierzu Kern, Edle Tropfen, 307ff. [mk/sks]
Toxeus [Sohn des Thestius, Bruder des Plexippus und der Althaea; MM 8,441]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen' (Toxippus)·. Τ und Plexippus, die Söhne des Thestius, beteiligen sich an der Jagd auf den Kalydonischen Eber (8,593). [1] Als sie mit ihrem Neffen Meleager um die Jagdtrophäe in Streit geraten, tötet dieser erst Plexippus und dann T. Althaea rächt ihre beiden Brüder am eigenen Sohn (8,833-843). [1] Τ und Plexippus sind bei Ovid zunächst nur patronymisch als „Thestiadae" (MM 8,304) genannt. Al mag hierzu eine Glosse vorgelegen haben. [mk]
Traianus [Marcus UlpiusT, 98-117 n. Chr. röm. Kaiser, Adoptivsohn Nervas]
R: König ( E l , E2), Kaiser ( E l ) N £ : Trajanus ( E l , E2)
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I. E l , K a i s e r c h r o n i k Τ ist ein überaus gerechter, mildtätiger, kluger und kühner Herrscher. Ihm gegenüber nützt den Verbrechern auch ihr Reichtum nichts. Bevor er gegen die im Norden einfallenden Barbaren zieht, nimmt er sich Zeit, den ermordeten Sohn einer Witwe zu rächen. Wegen seines vorbildlichen Verhaltens wird er vom Hl. Gregor aus den Höllenqualen errettet. T's Herrschaft hat 19 Jahre gedauert (5840-6085).
E2 Jans Enikel,, Weltchronik': Der edle Τ ist ein überaus gerechter Herrscher. Als sein geliebter Sohn wegen Vergewaltigung angeklagt wird, weigert sichT, die Geschädigten bloß mit Geld abzufinden, und verurteilt seinen Sohn zum Tode. Schließlich wandelt er die Todesstrafe in eine Blendung um und lässt dem Sohn und sich selbst ein Auge ausstechen. Auf Fürsprache von Papst Gregorius erlangt er Seligkeit (24583; 24635).
II. Τ war ein populärer Kaiser. In seine Herrschaftszeit fallen u.a. die Schaffung zahlreicher sozialer und kultureller Einrichtungen sowie die Ordnung des Verwaltungs- und Verkehrswesens, das Röm. Reich erlangte seine größte Ausdehnung. [1] Die beiden mhd. Chroniken fassen ihn als Exempelfigur eines vorbildlichen und gerechten Herrschers, der über Fürbitte von Papst Gregor den Höllenqualen entkommt ( E l ) oder sogar Seligkeit (E2) erlangt. Während E l T's Gerechtigkeitssinn mit der Episode von der Verurteilung eines Mörders exemplarisch dokumentiert, berichtet E2 von der Verurteilung seines eigenen Sohnes und überträgt damit offenbar eine in den ,Gesta Romanorum' nach Valerius Maximus erzählte Episode von Zaleucus auf T. [2] [1] S.v. Traianus [1.] (K. Hanslik), in: DKP, Bd. 5, SP.919921. [2] Strauch (Hg.), 479, Anm. 3. [sks]
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Triopas — Trogodytae
Triopas
Triton
[Gr. Heros mit unterschiedlicher Genealogie]
[Sohn des Neptunus, Gott des Meeres; M M 1,333]
El Rudolf von Ems, ,Weltchronik': Τ ist der siebte König von Argos (15745; 19891; Katalog). [1]
Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen '·. Der mächtige Τ lässt nach der Sintflut seinen Hornruf über den ganzen Erdkreis erschallen und fordert so die Gewässer auf, sich auf ihre angestammten Räume zurückzuziehen (1,629). [1] Τ und andere Wasserwesen sind auf dem Silberrelief an den Toren des Sonnenpalastes dargestellt (2,22; Descriptio; Katalog). Nach Meinung des Glaucus ist Τ ein mächtigerer Meergott als er selbst (13,1252). [2]
[1] Dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, werden die profangeschichtlichen Daten im Rahmen von Exkursen zur Heilsgeschichte („incidentia") erinnert, so wie hier meist in Form von dynastischen Katalogen. Die mythologischen Gestalten werden dabei historisch aufgefasst. Die Nennung T's bezieht sich auf das .Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 513), eine der Nebenquellen von E l . [mk]
Triptolemus [Eleusinischer Kultheros, verbreitet im Auftrag der Ceres den Ackerbau]
I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Τ wird von Ceres in Athen begabt und mit ihrem Drachenwagen nach Skythien zu König Lyncus gebracht, wo er sich als Bringer des Samens für Weizen, Hafer, Gerste und Roggen vorstellt. Ceres rettet Τ vor Lyncus, der ihn aus Angst vor dem Verlust seiner Vorrangstellung töten will (5,1174-1206). El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 19717·. Τ lernt von Ceres den Ackerbau, gibt sein Wissen an die Griechen weiter und bringt ihnen das Korn. II. Τ repräsentiert im antiken Mythos den Typus des Kulturheros. Al referiert die entsprechenden Motive direkt nach Ovids Metamorphosen' (MM 5,646). El nennt Τ im Rahmen eines profangeschichtlichen Exkurses zur Heilsgeschichte. Die mythologischen Daten sind rein historisch gefasst. Darstellungsweise und Deutung folgen dem Prinzip lat. Weltchronistik. Der Beleg bezieht sich auf die ,Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1124d, 1175c), die Hauptquelle von El. [mk]
[ 1 ] Τ wird als „der himlisch trumeter" (1,629) bezeichnet. Das Motiv von T's muschelbewachsenen Schultern ( M M 1,332) wird nicht übernommen. [2] Bei Ovid will Glaucus genauso mächtig wie T, Proteus und Palaemon ( M M 13,918f.) sein. Letzterer wird von A l nicht genannt. [mk]
Trogodytae [Volk im Süden Libyens, das sich von Reptilien ernährt]
W: Wundervolk (Dl, El) Nf.: Tragoditen (Dl), Trogoditin (El) I. Dl Hugo von Trimberg,,Der Renner'24165". Die in Felsenhöhlen schlafenden Τ geben ein Beispiel für die Widrigkeiten der Welt, gegen die man sich mit Selbstdisziplin wappnen muss (Katalog). [1] [ 1 ] Als weitere Beispiele werden die Affen von Trabaca, die Pygmäen und die Amazonen genannt.
El Rudolf von Ems,,Weltchronik'2827: Die Τ sind ein in Afrika beheimatetes Volk. Sie sind so schnell, dass ihnen auf der Jagd kein Tier entkommen kann (Beschreibung Afrikas). II. Die Τ sind ein erstmals bei Herodot (4,183) zu fassendes sagenhaftes Volk, das in Libyen lokalisiert wird, in Felsenhöhlen hausen und sich vorwiegend von Reptilien ernähren soll. [1] Die gelehrte lat. Kosmographie des MA übernimmt die Vorstellung von den antiken
Troilus Autoren, Belege finden sich beispielsweise bei Isidor von Sevilla (Etym. IX.2,129) und bei Honorius Augustodunensis (,De imagine mundi', PL 172, Sp. 131a). Auf diese Tradition beziehen sich wiederum die Nennungen in D l und E l . El erwähnt die Τ als bloße kosmographische Gegebenheit, in D1 geben sie hingegen ein moralisches Exempel für die Unbilden der Welt. [1] S.v. Trog(l)odytai
(F. Lasserre), in: DKP, Bd. 5, Sp. 977. [mk]
Troilus [Sohn des Priamus und der Hecuba, wird von Achilles getötet]
G: Sohn des Priamus (Al, A2, A3), Bruder des Hector (A2, A3, B l ) , des Paris (A2, A3, Bl), des Helenus (A2, A3, B l ) , des Deiphobus (A2, B l ) , der Creusa (A2), der Polyxena (A2) und der Cassandra (A2), Geliebter der Briseis (A2)
R: König (A3), Ritter (A3) Nf.: Troylus (A2) I.
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman 3324·. Τ befindet sich unter den gefallenen Trojanern in der Unterwelt (Unterweltfahrt des Aeneas; Katalog gefallener Trojaner).
A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Der berühmte, beredte, ehrenhafte und gute Turnierkämpfer Τ (3185; Descriptio) spottet über Helenus' Warnungen vor einer Entführung Helenas und dessen Prophezeiung vom Untergang Trojas und rät ihm, sich mit dem Lügenbuch, aus dem er seine Wahrsagekunst bezieht, in den Tempel zurückzuziehen (1668-1683). Panthus schilt Τ wegen dieses Verhaltens (2258; 2296). Dieser bewacht in Hectors Auftrag ein Stadttor Trojas (4099; Kriegsvorbereitungen), verhindert in der Landungsschlacht gemeinsam mit Paris eine Gefangennahme Hectors durch Achilles (4591; 4672), wird von Menestheus vom Pferd gestochen (5086-5153), verwundet Ulixes (5670)
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und ist für einige Trojaner nach Hector der Beste im Kampf (6045); tötet Diomedes' Pferd und rettet mit Aeneas Hector neuerlich vor Achilles (6163-7289; 7599). Auf Drängen des Priamus gibt er seine Geliebte Briseis, wie von ihrem Vater Calchas gefordert, heraus, schwört ihr Treue bis in den Tod und nimmt schmerzvoll von ihr Abschied (8308-8539). Zur Freude der Briseis verwundet Τ Diomedes, der mittlerweile selbst um ihre Gunst wirbt, schwer und verletzt Achilles (88659165). Diomedes rechtfertigt vor Briseis sein Verhalten gegenüber Τ (9490). Aufgrund des Tuchabzeichens auf Diomedes' Speer glaubt Τ an Briseis' Untreue, verwundet Diomedes neuerlich und kann nach Hectors Tod mit Polydamas einen Fall der Stadt gerade noch verhindern (9704; 9878-10189), beklagt den Bruder und küsst seinen Leichnam (10533; als Kämpfer genannt: 10960; 11000; 11606); verwundet in der folgenden Schlacht Diomedes ein drittes Mal und verspottet ihn. Da Τ selbst in Briseis' Rückgabe einwilligte und ihre Liebe ohnehin unerfüllt bleiben müsste, fühlt sich diese nun zu Diomedes hingezogen (12370-12506; 12584). Τ kämpft weiterhin tapfer (12678-12894) und fällt schließlich durch Achilles. Dieser lässt seine Leiche von Kalon [einer erfundenen Gestalt] schleifen. Memnon tötet Kalon und kann T s Leichnam bergen (13037-13243). Die Trojaner beklagen T, Hecuba ist wie versteinert, Priamus und Paris liegen die ganze Nacht über dem Toten, der dann in einem kostbaren Steinsarg neben Hector bestattet wird (13400-13422). Achilles wird im Tempel des Apollo bei T's und Hectors Grab getötet (13489; 13553). Als Penthesilea vom Tode T's, Hectors, Paris' und Deiphobus' hört, kommt sie den Trojanern mit den Amazonen zu Hilfe (14390). Für An tenor ist nach dem Tode der vier die Lage Trojas aussichtslos (15022; 15118).
A3 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg'·. Τ
und seine Geschwister betrauern mit Priamus Laomedons Tod im ersten Trojanischen Krieg (13258; Katalog). Bei den Beratungen über das weitere Vorgehen der Griechen hält
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Tros
der junge, mutige und in seiner Ritterlichkeit Hector ebenbürtige Τ die warnenden Prophezeiungen des Helenus fur nichtig und schimpft ihn einen Lügner (19110-19228), übernimmt den Befehl über ein Fünftel des trojanischen Heeres (25070; als Kämpfer genannt: 26176), fuhrt die erste Schar (29730-29781; Katalog), kämpft gegen Menestheus (3135 5-34209), erwirbt Kampfesruhm (36618), führt ein herrliches Heer von 1400 Mann, eilt Hector zu Hilfe und trägt einen heftigen Zweikampf mit Diomedes aus (39173-40171). , Trojanerkrieg-Fortsetzung·. Τ führt seine Schar gegen die Myrmidonen, schlägt sie in die Flucht, verwundet Achilles, tötet viele Griechen, fuhrt die Trojaner zu einem Zwischensieg (42913-43640), gerät dann aber bei einem Sturz unters Pferd, wird in diesem wehrlosen Zustand von Achilles getötet, von den Trojanern beklagt und begraben (43640; 46587) Β1 ,Μοήζ von Craun '22\ Der tapfere und kühne Τ verteidigte viele Jahre mit seinen Brüdern Troja gegen die Griechen, die deshalb mit Toten und Verwundeten ins Lager zurückkehren mussten (Ursprung des Rittertums vor Troja; Katalog der Verteidiger Trojas). II. 1) Τ in der Antike; 2) Τ im MA; 3) Τ und Briseis
1) Τ ist in der gr. Troj asage durchwegs als noch kaum dem Knabenalter entsprungen aufgefasst. Bei Homer wird er bloß einmal kurz erwähnt (,Ilias' 24,257). In der späteren Tradition überrascht ihn Achilleus beim Tränken der Pferde, verfolgt ihn und tötet ihn am Altar des Apollotempels zu Thymbra. Hinzu tritt in der Folge das Motiv unerwiderter homoerotischer Neigungen von Seiten des Achilleus [1] (es ist in Christa Wolfs ,Kassandra' [1983] wieder aufgegriffen). 2) Die spätantiken pseudohistorischen Troj aberichte des Dares Phrygius und des Dictys Cretensis fassen Τ zwar nach wie vor als einen der jüngeren Söhne des Priamus, weisen ihm aber eine relativ bedeutende Stellung als Stadtverteidiger zu. Diesem Strang folgen über
Vermittlung des .Roman deTroie' Benoits de Sainte-Maure A2 und A3 (A3 bei einem hohen Grad an Eigenständigkeit in der Darstellung und unter Heranziehung weiterer Quellen). Die Fortsetzung von A3 ist direkt nach Dictys gearbeitet. Τ tut sich in den Kämpfen hervor, findet aber schließlich den Tod durch Achilles, der sowohl in A2 als auch in der Fortsetzung von A3 als unehrenhafter Sieger gezeigt wird: In A2 lässt er Τ's Leiche schleifen (das Motiv findet sich schon bei Homer verbunden mit Hector, A2 übernimmt es von Benoit), in A3 tötet er T, als dieser wehrlos am Boden liegt (nach Dictys 88,18). 3) Für die spätere Literatur wichtig wird die unglückliche Liebeshandlung zwischen Τ und Briseis, die Benoit entwickelt. Vermittelt durch die ,Historia destructionis Troiae' des Guido de Columnis (1287), findet das Sujet seine entsprechenden Gestaltungen bei Boccaccio, Chaucer und Shakespeare. [2] In A3 ist die Episode nicht ausgeführt, der Text konzentriert sich in der Darstellung auf die Kontrahenten Achilles und Hector bzw. für die Minnehandlungen auf Iason und Medea, Paris und Helena, Achilles und Deidamia. [3] Die kurze Anspielung in Al folgt dem entsprechenden Katalog im afrz.,Roman d'Eneas' (2677ff.), derTroilus allerdings nicht erwähnt, B1 bezieht sich in seinem Abriss zum Trojanischen Krieg auf die Darestradition. [1] S.v. Troilos (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 5, Sp. 983f. [2] -» Briseis (11.3). [3] A3 ist Fragment geblieben. Wahrscheinlich wäre die T-Briseis-Handlung später noch eingeführt worden, darauf deutet wenigstens der heftige Zweikampf zwischen Τ und Diomedes hin. [mk]
Tros [König der Trojaner, Sohn des Erichthonius und der Astyoche, Gatte der Callirrhoe]
G: Sohn des Dardanus (Al), Vater des Ganymedes (El) R: Namensgeber (Al, E l ) bzw. Gründer (E2) Trojas, König von Dardania (El) Nf.: Troas, Troias (Al), Trose (El), Troyus (E2)
Tullius — Turnus I.
Al Heinrich von Veldeke, .Eneasroman' 11687: Τ war der Sohn des Dardan us, der von Fortuna aus Italien ins Land Troja gesandt worden war. Er gab der Stadt den Namen (Rede des Aeneas an Latinus). El Rudolf von Ems, , Weltchronik'·. Der edle, hochgelobte Τ ist König von Dardania, Namensgeber der Trojaner und der Stadt Troja, die früher Ilion geheißen hat. Als Τ's Sohn Ganymed von Tantalus auf der Jagd gefangen genommen wird, entbrennt ein Krieg, der beide Länder verwüstet. Pelops unterstützt auf den Rat Hippodamias hin T, woraus eine lange Feindschaft entsteht, die bis zur Zerstörung Trojas dauert (19782-19816; Geschichte Trojas). E2 Jans Enikel,, Weltchronik'·. Τ gründet Troja, nach ihm herrscht Priamus (13499; 13508; Geschichte Trojas). II. Τ ist Heros eponymos derTroas, des Gebietes um die Stadt Ilion, und derTroes (Trojaner), so schon in Homers ,Ilias' (20,215ff.). Dass sein Vater Dardanus, wie A l berichtet, von Italien aus das Gebiet besiedelt habe, ist ein Motiv aus Vergils ,Aeneis' (VII,207). Es lässt die Fahrt des Aeneas als Rückkehr in die alte Heimat erscheinen und rechtfertigt seinen Herrschaftsanspruch. Die Genealogie in A l ist verkürzt, Τ ist der Enkel und nicht der Sohn des Dardanus. Einer von T s Söhnen wiederum ist Ilos, der eigentliche Gründer Trojas (von diesem wird auch im ma. Trojaroman berichtet; Ilus). In El scheint Τ hingegen als Sohn des Ilus gedacht, und „Ilion" gilt als der frühere Stadtname. Die Angabe folgt der .Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1275d), die von der Tötung Ganymeds durch Tantalus und dem folgenden Krieg allerdings nichts berichtet. El folgt hierin dem .Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 497), bei dem Pelops richtigerweise Tantalus unterstützt und nicht T. Von Ekkehard übernimmt El auch die ra-
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tionalisierende, historische Deutung des Ganymed-Mythos. Sie ist gängiges Prinzip der lat. Weltchronistik. E2 fasst Τ als Gründer Trojas und lässt Priamus, der eigentlich sein Urenkel ist, seinen Sohn sein. Die konkrete Quelle ist nicht bekannt. [mk]
Tullius
Cicero
Turnus [König der Rutuler in Italien, Gegner des Aeneas]
G: Sohn des Daunus (Al, E l ) R: Herzog (Al), Fürst (Al) Nf.: Turno, Turnum (A2) I.
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'·. Als der edle, tapfere und kühne Τ von der Königin [Amata] erfährt, dass die ihm versprochene Lavinia aufWunsch ihres Vaters Latinus mit Aeneas verheiratet werden soll, gerät er in Zorn, wirft Latinus Betrug vor und stellt ein Heer auf. Camilla unterstützt ihn mit ihren ritterlichen Jungfrauen (3982-5525). Τ zieht gegen die Burg Montalbane, belagert sie unter hohen Verlusten und lässt die Schiffe der Trojaner verbrennen (5535-6983). Er tötet Helenor, wird beim Eindringen in die Burg eingeschlossen, erschlägt Bitias, entkommt und kehrt ins Lager zurück; greift am nächsten Tag neuerlich an, wird von Aeneas überrascht, der mit einem Entsatzheer anrückt (7185-7449), tötet Pallas, nimmt dessen Ring an sich und kann Aeneas nur knapp entkommen (7511-8440). Er stimmt Drances' Vorschlag zu, mit Aeneas einen Zweikampf auszutragen, und beklagt die in den folgenden Kämpfen getötete Camilla (8476-9372). Der zum Zweikampf mit Aeneas entschlossene Τ sucht Latinus auf. Die Königin versucht vergeblich, Lavinia zu überzeugen, Turnus zum Mann zu nehmen. Bevor der vereinbarte Zweikampf stattfinden kann, bricht einer von T's Männern den Waffenstillstand und verwundet Aeneas, worüber sich Τ freut (9579-11960). In der folgenden Schlacht stellt sich Τ Aeneas
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Turnus
zum Zweikampf, wird von diesem geschlagen und bittet um sein Leben. Als Aeneas jedoch an T s Hand den Ring des Pallas erblickt, tötet er ihn. Τ wird von seinen Gefolgsleuten betrauert (11977-13028). A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen'·. Τ kämpft wegen Lavinia lange mit Aeneas und wird von diesem schließlich überwunden (14,544; 14,545). B1 Wolfram von Eschenbach, ,Parzival'4l9,12: Als Kingrimursel mit Gawan einen Zweikampf austragen will, nennt ihn Liddamus einen zweiten Turnus. Er selbst wolle lieber ein Drances sein und nicht kämpfen, sondern den gefangenen Gawan (der fälschlich des Mordes beschuldigt wird) standrechtlich töten lassen. B2 Heinrich von dem Türlin, ,Die Crone' 17269: Aeneas kämpfte einst mit Τ um Lavinia. Dabei wurde er von Venus und Amor beschützt (ebenso hätten diese Gawein beschützen müssen, meint Amurfina in ihrer Klage über den vermeintlichen Tod ihres Geliebten). C1 Ulrich von Gutenburg, Leich, MF Vb,25 (77,12): Τ wurde auf sanfte Weise von seiner Liebespein erlöst, indem er für Lavinia sterben durfte. Während seine Not an einem Tag durch den Tod beendet wurde, muss der Sänger schon viele Jahre leiden (Minneklage). D l Hugo von Trimberg,,Der Renner' 1442: Τ wird in einem Katalog mächtiger Herrscher und Fürsten genannt, die der Fischer Petrus mit seinem Tugendreichtum überbietet (Exempelfigur für Reichtum und Macht; überbietender Vergleich). [1] [1] Ferner werden u.a. Alexander, Aeneas und Euander genannt.
E l Rudolf von Ems,, Weltchronik': Der tapfere Τ erschlägt Pallas und wird dafür aus Rache von Aeneas getötet (26403; 26407; Kampf um Italien). T s Braut Lavinia wird von Latinus mit Aeneas verheiratet (26427). II. 1) Τ in der Aeneastradition; 2 ) Τ als Exempelfigur; 3) Weitere Anspielungen
1) Τ trägt bei Vergil mit Aeneas einen erbitterten und für ihn tödlich endenden Kampf um Lavinia und die Herrschaft über Italien aus („röm. Ilias"). Zum Ende hin erscheint er als „perfidus" (,Aeneis' 10,231), dem der „pius Aeneas" gegenübersteht. [1] Al folgt in Handlungsführung und Zeichnung der Gestalt dem ,Roman d'Eneas'. Τ wird zum höfischen Ritter mediävalisiert und insgesamt positiver dargestellt als bei Vergil. Sein maßgebliches Vergehen ist die Tötung des Pallas und der Raub von dessen Ring. 2) Die Anspielungen Β1, B2 und C1 nehmen direkten Bezug auf Al; B1 und C1 in Form komplexer literarischer Rollenspiele. Auffällig ist, dass sich der Minnesänger in C1 mit Τ als einer Gestalt identifiziert, die nicht zu den Sympathieträgern zählt. Das Exemplum selbst zielt auf eine hyperbolische Darstellung der Liebesleiden, die der Sänger auf sich nimmt. In Β1 soll Τ den kampfesversessenen Hitzkopf und Drances dessen diplomatische Gegenfigur verkörpern. Das Spiel ist insofern schief, als Liddamus, der sich mit Drances identifiziert, gerade nicht eine diplomatische oder ritterliche, sondern eine höchst unhöfische Lösung des Konflikts anstrebt (er will Gawan ohne Umschweife hinrichten lassen). Beide Belege entwickeln auf überaus intelligente Weise unterschiedliche, auf den jeweiligen Kontext hin formulierte Identifikationsmodelle zu den in Al präsentierten literarischen Gestalten. Sie zeugen vom Erfolg und der breiten, produktiven Rezeption von Al. 3) Die knappe Nennung in A2 folgt direkt Ovids ,Metamorphosen' (14,451), auch hier erfolgen die Kürzungen im Aeneasteil in Rücksicht auf Al. El nennt Τ im Rahmen eines profangeschichtlichen Exkurses („incidens") zum Heilsgeschehen. Er ist im Gegensatz zu anderen Exkursen, die sich meist in der katalogartigen Auflistung von Herrscherhäusern erschöpfen, narrativ breit ausgestaltet. Dabei bezieht sich auch El auf Al (vgl. bes. die Tötung des Pallas), greift aber außerdem auf das ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 523) zurück. [2]
Tydeus — Tyndareus Aus der Bekanntheit des Sujets erklärt sich auch der Beleg in D l . Nach gängigem didaktischen Muster gibt Τ hier ein Beispiel für materiellen Reichtum, der letztlich nichts zählt. [1] Vgl. Turnus, in DKP, Bd. 5, Sp. 1007f., hier Sp. 1008. [2] Zu C1 und B1 Kern, Edle Tropfen, 226ff. u. 278ff. [3] Aeneas (II. 1). Nachbenennung .Friedrich von Schwaben'3890 u.ö. (Turneas): Friedrich tritt in die Dienste von König T, kämpft fiir ihn, wird aber um seinen Lohn geprellt. Später kann Friedrich Τ besiegen und erhält dessen Reich. [mk]
Tydeus [Sohn des Königs Oineus und der Periboia, Gatte der Deipyle, Vater des Diomedes, einer der Sieben gegen Theben]
G: Vater des Diomedes (A2), Freund des Polynices ( D l ) R: Herzog ( B l ) Nf.: Thideus ( B l ) I.
Al Heinrich von Veldeke, .Eneasroman 3314: D befindet sich unter den vor Theben gefallenen Kämpfern in der Hölle (Unterweltfahrt des Aeneas; Katalog).
II. Auf T s Rolle im Rahmen der Siebensage verweisen A l , Bl und D l . Sie war wie der gesamte thebanische Sagenkreis in der mhd. Literatur nur mäßig bekannt. [1] Der Katalog in A l bezieht sich auf die entsprechende Stelle im afrz.,Roman d'Eneas' (2670), der Exkurs zur Geschichte Thebens in Bl erweitert die knappe Anspielung auf die thebanische Sage in der AJexandreis' Walters von Chatillon (1,308) mit Hilfe von Glossen. D l verweist auf Statius' ,Thebais', das im MA für die Kenntnis des Stoffes wichtigste Werk. Der Kampf der Sieben fungiert hier als Exemplum für die Folgen, die die Todsünde der ira nach sich zieht. Im Gegensatz dazu geben Τ und Polynices zuvor ein positives Beispiel für wahre Freundschaft. [2] Der Widerspruch unterstreicht die selektive, kontextuell bedingte Wahrnehmung antiker Mythologeme in der höfischen Literatur. A l beschränkt sich auf die rein genealogische Angabe. [1] Eteocles und Polynices, Oedipus. [2] Die antike Sage weiß vielmehr von einem Streit zwischen Polyneikcs und T, s.v. Tydeus (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 5, Sp. 1017f. [mk/sks]
A2 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Τ ist der Vater des Diomedes (8546; 8941; 9016; 9049; 9411; 9913; 12532; 15890; 17299).
Bl Ulrich von Etzenbach, ^Alexander' 3154: Τ ist einer der Sieben gegen Theben, die nach tapferem Kampf erschlagen werden (Alexander in Theben; Exkurs zur Geschichte Thebens).
Dl Hugo von Trimberg, ,Der Renner': Τ und Polynices waren ein vorbildliches Freundespaar in alter heidnischer Zeit. Heute gibt es keine wahre Freundschaft mehr (6361; Katalog; Zeitklage). [1] NachStatius' Bericht fiel Τ wie viele andere vor Theben. Die Stadt ging wegen des Bruderhasses von Eteocles und Polynices in Flammen auf (14180; Exempelfigur für die Folgen von Zwietracht). [1] Als weitere Freundespaare werden genannt Orestes und Pylades, Patroclus und Achilles, Aeneas und Achates sowie David und Jonathan.
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Tyndareus [Mythischer König von Sparta, Gatte der Leda, (Zieh-) Vater der Dioskuren und der Helena; Dictys 9,3]
Al Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung (Tindarius, Thindarius): Τ bereitet Menelaus und Helena bei deren Heimkehr einen großen Empfang in Sparta. Er hat Hermione Orestes versprochen, obwohl sie Menelaus zufolge nach der Eroberung Troj as Pyrrhus bekommen sollte (49235-49315; Nachgeschichte des Trojanischen Krieges). [1] [ 1 ] Das Patronymikon „Tyndaris" für Helena findet sich im .Tristan' Gottfrieds von Straßburg (8267). Τ selbst wird dort aber nicht genannt; -* Helena (I.B1). [sks]
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Typhoeus — Tyrrhus
Typhoeus [Oder Typhon; Sohn der Gaia, will den Himmel stürmen und wird von Zeus in den Tartaros gestürzt]
W: Riese (Al) G: Bruder des Osiris (El, E2) Nf.: Cepheum, Tephato, Typhatus, Typheus (Al), Typho (El), Typhon (E2) I. Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Der kräftige Riese Τ treibt die Götter bis an den Nil, wo sie aus Angst vor ihm Tiergestalt annehmen (frevelhaftes Lied der Pieriden im Wettstreit mit den Musen; Aition für die Tiergötter Ägyptens). Zur Strafe für seinen Frevel wird Τ von Bergen bedeckt und lässt bei seinen vergeblichen Befreiungsversuchen die Erde erbeben und Feuer aus dem Aetna steigen (5,585-659; Gegengesang der Musen). El Otto von Freising, ,Laubacher Barlaam': Τ hat seinen Bruder Osiris erschlagen und ist deshalb von dessen Sohn Horus getötet worden (11304-11313; Glaubensdisput zwischen Christen und Heiden; Exemplum fur die Verwerflichkeit des ägyptischen Götterglaubens). E2 Rudolf von Ems, ,Barlaam': Die Ägypter nennen im Glaubensdisput mit dem Christen Barlaam Τ als einen ihrer Hauptgötter (10425). Τ erschlug seinen Bruder Osiris und wurde seinerseits von dessen Sohn Horus getötet. Wer so ende, könne nicht als Gott bezeichnet werden, lautet die christliche Replik (10471-10493). II. Dem Zeus-Feind Τ widmet bereits Hesiods .Theogonie' eine längere Passage. Sein Angriff gegen die Götter ist nach dem Titanensturz gedacht. Die Schilderung in Al folgt Ovids ,Metamorphosen' (MM 5,321ff.). Dort lässt allein schon das Sujet, die Taten des Frevlers T, das Lied der Pieriden selbst frevlerisch werden. Die Muse Calliope „korrigiert" dies mit dem Bericht von der analog zu Hesiod geschilderten
Bestrafung Τ's. Sie weist auf jene der Pieriden voraus (sie werden in Elstern verwandelt). Das ausgeklügelte Spiel der Bezüge ist von Al wohl nicht mehr durchschaut worden. Die T-Gestalt ist vermutlich orientalischen Ursprungs. In hellenistischer Zeit wird sie mit dem ägyptischen Seth identifiziert. [1] Diese Gleichsetzung ist in El und E2 reflektiert (mit Bezug auf die lat. Barlaamlegende). Die christliche Auseinandersetzung mit den ägyptischen Göttern folgt auf jene mit den gr. Göttern. Die Polemik entspricht der Tradition christlicher Apologetik. [1] S.v. Typhoeus, Typhon (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 5, Sp. 1022f. [mk]
Tyriotes [Kämmerer des Darius, überbringt diesem die Nachricht vom Tod der persischen Königin; Curtius IV. 10,25]
A l Rudolf von Ems, Alexander' 11253 (Tiriotes): Der Kämmerer Τ überbringt Darius die Nachricht vom Tod der (von Alexander gefangen gehaltenen) persischen Königin (Vorbereitungen zur zweiten Schlacht zwischen Griechen und Persern). [sks]
Tyrrhus [Aufseher der Herden des Königs Latinus, Aeneis' VII,484; RdE 3527]
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman' (Tirus, Tirreus): Τ ist Burgherr bei Laurentum und Vater der Silvia. Diese hat einen Hirsch gezähmt, der von Ascanius auf der Jagd irrtümlich erlegt wird. Er wird deshalb von T's Söhnen attackiert, tötet einen von ihnen und lässt T's Burg schleifen. Turnus beklagt T's Schicksal, Aeneas soll dafür zur Rechenschaft gezogen werden (4567-5432; Jagdausflug des Ascanius). [sks]
υ Ucalegon [Trojanischer Kämpfer; Dares 8,5; Benoit 24734]
Nf.: Encalego (Al) I. A l Herbort von Fritzlar, ,lietvon Troye' 15190: U ist einer der Verräter Trojas. Gemeinsam mit Antenor beteiligt er sich an den Beratungen mit den Griechen über eine Preisgabe der Stadt (Eroberung Trojas; Verrat des Antenor). A2 Konrad von Würzburg, , Trojanerkrieg', Fortsetzung 46831: Inhalt wie A l . II. Einen Trojaner Ukalegon kennt bereits die ,Ilias' (3,148). Er ist dort einer der Alten, die von der Stadtmauer aus den Kämpfen folgen. Vergil berichtet vom Brand seines Hauses bei der Eroberung Trojas (Aeneis' 11,311 f.). In dem spätantiken, pseudohistorischen Trojabericht des Dares Phrygius (47,7) zählt U dann zu der Gruppe der Stadtverräter um Antenor, so auch im ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure (24734ff.), nach diesem Al. A2 greift hier direkt auf Dares zurück (ansonsten ist A2 nach Dictys Cretensis gearbeitet, der U nicht erwähnt). [mk]
Ulixes [König von Ithaka, Sohn des Laertes und der Antikleia, Gatte der Penelope, Vater des Telemachos, einer der wichtigsten gr. Heerführer vor Troja, kehrt nach zehnjähriger Irrfahrt nach Hause zurück]
G: Sohn des Laertes (A2), Enkel des Arcesius und des Sisyphus (A2), Urenkel des Iuppiter (A2), Gatte der Penelope (A2, A5), Vater
des Telemachus und des Telegonus (A3), Verwandter des Mercurius (A2), Freund des Diomedes (A4) R: König (A4), Fürst (A2, A4, A5), Herzog (A2, E2), Berater Agamemnons (A5), Kaufmann (A5, E4) Nf.: Olixes (E4, E5), Olyxes (E4), Ulysses (A2), Vlix (El) I. A l Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman: Der listige U verhindert eine verfrühte Abfahrt der Griechen von Troja und lässt das Trojanische Pferd bauen, gibt sich den Trojanern gegenüber als gr. Kämpfer Sinon aus, der von den Griechen als Menschenopfer für eine glückliche Heimreise ausersehen worden sei, aber fliehen habe können, und veranlasst Priamus, das angeblich heilbringende Pferd nach Troja bringen zu lassen (960-1141; Bericht des Aeneas vom Untergang Trojas). A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Der kluge und beredte U beansprucht so wie Aiax die Waffen des Achilles. In seiner Rede beklagt er zunächst den gefallenen Helden, entkräftet Aiax' Argument, dass die Waffen ein Verwandter bekommen solle, weist daraufhin, dass er Achilles nach Troja gebracht, vor Kriegsbeginn mit Priamus verhandelt, im Kriege Dolon und weitere Trojaner getötet, eine überstürzte Abfahrt der Griechen verhindert und Achilles' Leichnam und Rüstung geborgen habe. Er bekommt schließlich den Zuschlag (12,891; 13,5-551). Seine Männer ergreifen nach der Eroberung Trojas Hecuba, die klagend auf dem Grab ihrer Kinder liegt (13,588); diese fürchtet, in Hinkunft für U's Frau Penelope spinnen zu müssen (13,727). Auf seinen Irrfahrten bei der Heimreise von
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Ulixes
Troja blendet U Polyphemus (13,1004) und erhält von Aeolus einen Windsack, den ein Gefährte trotz Verbotes öffnet. Es verschlägt ihn zu Circe, die er mit dem Schwert dazu zwingt, seine verzauberten Gefährten rückzuverwandeln. U bleibt ein Jahr bei ihr (14,123332; Erzählung des Macareus von den Abenteuern des U). A3 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye'·. Der überaus kluge, höfische, freigebige, redegewandte und gerechte U führt 40 Schiffe aus Achais zum Sammelpunkt der gr. Flotte nach Athen (3021; Descriptio; 3357; Katalog), leitet mit Diomedes die Gesandtschaft zur Rückforderung Helenas, wird von Priamus vor Übergriffen der gereizten Trojaner bewahrt und muss erfolglos zurückkehren (3733-3867; Kriegsvorbereitungen). In der Schlacht bei der Landung vor Troja wird U u.a. vonTroilus schwer verwundet (4385-4417; als Kämpfer genannt: 4895; 5616; 5658; 5793; 6673; 6829-6916; 7615). Im Auftrag Agamemnons soll er gemeinsam mit Diomedes von Priamus einen Waffenstillstand erwirken, fragt den trojanischen Boten Dolon über die Schwächen der Burg aus (8001; 8082) und bringt mit Menestheus, AiaxTelamonius und Diomedes Briseis ins Griechenlager (8548). U ist über den Tod des Palamedes entrüstet (11758), versucht mit Nestor und Diomedes vergeblich, den in Polyxena verliebten Achilles wieder zum Kämpfen zu bewegen (1210112303), kämpft gegen Troilus (12717) und Polydamas (12912; als Kämpfer genannt: 13288; 13905; 13994) und verhindert eine Flucht der Griechen (14477; 14820). U berät mit Agamemnon und Diomedes Antenors Angebot einer Preisgabe der Stadt, erhält von Antenor das Palladium, verspricht ihm und den anderen Verrätern Schonung und Gold und leistet mit den übrigen Griechenführern Priamus einen zweideutigen Eid auf die mit Antenor getroffenen Vereinbarungen (also auf die Zerstörung Trojas) (15305-15999). Nach dem Fall Trojas rät er Pyrrhus zur unverzüglichen Tötung Polyxenas am Grab des Achilles, streitet mit AiaxTelamonius um das
Palladium und erhält es zugesprochen, da er Helenas Tötung durch diesen verhindert habe. Als Aiax am nächsten Tag tot aufgefunden wird, flieht U und überlässt das Palladium Diomedes (16344-16758). Nauplius will aufgrund der falschen Nachricht, U habe seinen Sohn Palamedes getötet, Rache an den heimkehrenden Griechen nehmen (17140). Auch Teucer verdächtigt U (17310). Dieser landet mittellos auf Kreta, berichtet Idomeneus von seinen Abenteuern mit den Lotophagen, mit Cyclops und Laestrygo [!] sowie deren Söhnen Polyphem und Antiphates [!], die ihn überfallen, ausgeraubt und gefangen genommen haben; weiters von Circe, Calypso, den Sirenen sowie von Scylla und Charybdis. U wird von Idomeneus neu ausgerüstet und nach Hause geleitet, erfährt während eines Aufenthalts bei Alcinous von Penelopes Bedrängnis durch die Freier, besiegt diese mit Hilfe von Alcinous' Rittern und vermählt Telemachus mit Nausicaa (17524-17801). Als die Priester ein Traumgesicht des U, das einen Speer mit Fischwimpel führt, dahingehend deuten, dass U von seinem Sohn Gefahr drohe, schickt er Telemachus fort. Als der inzwischen nach seinem Vater suchende Telegonus, ausgerüstet mit Speer und Fischwimpel, am Hofe ankommt, stellt sich U ihm entgegen und wird tödlich verwundet. Vater und Sohn erkennen einander, U schickt nach Telemachus, versöhnt die Brüder, stirbt und wird prunkvoll bestattet (18207-18431). A4 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg·. Der tugendreiche, höfische, tüchtige, edle, weise, treue und redegewandte U aus Thracien [!] beteiligt sich mit 50 Schiffen am gr. Heerzug gegen Troja (23843; Kriegsvorbereitungen; Katalog), fordert von Agamemnon die Opferung von dessen Tochter Iphigenie, damit sich der Sturm lege, der die Flotte auf Aulis festhält (24414), und kämpft in der Schlacht nach der Landung bei Troja (25664; 25690; 25716). U und Diomedes verhandeln im Auftrag Agamemnons mit Priamus ergebnislos über eine Rückgabe Helenas und vereinbaren einen halbjährigen Waffenstill-
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stand (26361-27065). Sie sollen in dieser Zeit Achilles nach Tiroja bringen, der sich am Hofe des Lycomedes als Mädchen verkleidet versteckt hält. Sie werden bei ihrer Ankunft auf Skyros freundlich empfangen und lassen Lycomedes über ihre wahre Absicht im Unklaren. U rät Lycomedes wegen dessen Alter von einer Beteiligung am Kriege ab, erkennt Achilles als Erster und versucht ihn mit Erzählungen vom Heerlager vor Troj a und vom Ruhm der Ritterlichkeit soweit zu bringen, dass er sich zu erkennen gibt. Als er schließlich den Damen die mitgebrachten Schätze anbietet, verrät sich Achilles durch sein Interesse an den Waffen der Griechen. U appelliert an sein Ehrgefühl und bringt ihn durch einen fingierten Alarm dazu, seine Frauenkleider zu zerreißen, zu den Waffen zu greifen und den Griechen nach Troj a zu folgen. Auf der Uberfahrt tröstet er den unter der Trennung von Deidamia leidenden Helden (27426-28451; 29416; 29457). In den weiteren Kämpfen vor Troj a befehligt er gemeinsam mit Diomedes eine Schar (30661; 33264; 33283) und ermahnt die Griechen zum Durchhalten (33309; als Kämpfer genannt: 33447; 36054; 36060; 36776). Nach der dritten großen Schlacht vereinbaren U und Diomedes mit Priamus einen dreimonatigen Waffenstillstand (37774). , Trojanerkrieg -Fortsetzung·. U nimmt an den Ritterspielen anlässlich der Feiern zum Sieg des Achilles über Hector teil (40931), widerspricht der Lobrede des Nestor auf Priamus und erinnert an die schmähliche Behandlung der Griechen während ihres Botenganges nach Troj a (41107), beteiligt sich am Kampf gegen die Amazonen (42365), zieht mit Idomeneus und Achilles unter der Führung des Aiax Telamonius in den Kampf gegen Memnon (4288342980; 43145; 43155) und wird nach dem Sieg der Griechen gepriesen (43345). U, Aiax und Diomedes beobachten den Boten Hecubas bei Achilles und folgen diesem heimlich zum Apollotempel, wo er mit Polyxena verehelicht zu werden glaubt. U sieht, wie Paris und Deiphobus aus dem Tempel fliehen,
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er und Aiax finden Achilles tödlich verwundet vor (43818-43884). U empfängt Achilles' Sohn Pyrrhus in Troja (44823; 44864), geleitet gemeinsam mit Diomedes Helenus zu Friedensverhandlungen ins Griechenlager (45139), kämpft gegen Deiphobus (45468) und verhandelt mit Agamemnon, Diomedes und Idomeneus ein Bündnis mit Antenor (44034; 46579). Er nimmt an den offiziellen Friedensverhandlungen sowie an den Geheimverhandlungen mit den trojanischen Stadtverrätem teil (47100; 47318) und deutet die Entführung des trojanischen Opfertieres durch einen Adler als gutes Omen (47518). Antenor bringt das Palladium zu U's Zelt (47640; 47653). Dieser leistet mit Diomedes einen doppeldeutigen Eid auf die Vereinbarung mit den Trojanern (47917), lässt, während das Trojanische Pferd in die Stadt gebracht wird, die zuvor abgezogenen Schiffe zur heimlichen Rückkehr nach Troja bereit machen (48114), erhält nach der Zerstörung der Stadt Hecuba als seine Gefangene (48585), erhebt erfolgreich Anspruch auf das Palladium (48629-48761), flüchtet aus Troja, nachdem Aiax ermordet aufgefunden worden ist (48827; 48850; 48869), erfährt von den Verdächtigungen gegen ihn und vom Racheschwur der Griechen, irrt zehn Jahre lang umher, wird von einem Sturm zur Insel der Sirenen verschlagen, lässt seinen Männern die Ohren mit Pech und Wachs verstopfen und sich selbst an den Mastbaum binden, um ihren Gesang zu hören, und entdeckt danach noch weitere Wunder auf dem Meer (49054-49129). A5 , Göttweiger Trojanerkrieg'·. Der kluge, listenreiche, freigebige und vornehme U ist Ratgeber des Kaisers Agamemnon in Athen, er empfiehlt ihm, Paris, der am Griechenhof als Kämpfer dient, zum Ritter zu schlagen (3729; Paris' Schwertleite), schlägt nach der Entführung Helenas dem verzweifelten Agamemnon vor, einen Kriegszug gegen Troja zu unternehmen, rekrutiert in zwölf Jahren ein Heer von 700 Königen mit je 80000 Mann sowie 120000 Griechen und zieht es in Konstan-
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tinopel zusammen (13868-13971), ist über die ständigen Niederlagen und Agamemnons Untätigkeit vorTroja erzürnt (14069; 14475), soll die Arztin Medea aus Pontus nach Troja bringen, kann dort Hercules mit seinem freundlich stimmenden Blick besänftigen (die Gabe, ohne die er vor Troja erschlagen worden wäre, hat ihm Penelope verliehen) und fuhrt ihn mit dessen Schwester [!] Medea nach Troja (14648-14858). Wegen seiner Erfahrung und Weltgewandtheit soll U auch Achilles nach Troja bringen. Er lässt das Unternehmen als Handelsfahrt tarnen und das Schiff mit Frauensachen und Waffen beladen (15000; 15078); erweist sich bei den Kämpfen auf der Fahrt zu Lycomedes als ausgemachter Feigling und flieht - ängstlich wie ein Kaufmann - immer wieder unter Deck (15127-15275-15361; 15639; 15700; 1580715918; 16044-16185). Bei Lycomedes angekommen, kann er Achilles wegen dessen Interesse für die mitgeführten Waffen enttarnen, Achilles wird überwältigt und mit nach Troja genommen ([16410]); U steht in den folgenden Kämpfen Agamemnon mit Rat zur Seite (17073; 17309), lässt nach dem Tod von dessen Bruder Atrides alle noch heute bekannten Spiele erfinden, um den Kaiser aufzuheitern (17919), streitet mit Aiax um die Waffen des Achilles und bekommt sie zugesprochen (19569-19731), wird für Aiax' Selbstmord verantwortlich gemacht, von Agamemnon zur Abfahrt bewogen (19769-19798), kehrt in sein Land Corthis zurück, wird von Euander angegriffen, der Aiax rächen und Achilles' Schild erbeuten will, zieht ihm in Achilles' Rüstung entgegen und fällt im Kampf. Euander lässt ihn und Penelope, die aus Gram um U's Tod ebenfalls stirbt, ehrenvoll im Tempel der Iuno begraben (19914-20070; 20166). Iason [!] berichtet am Hof des Minos u.a. von U's Tod (21749). B1 Ulrich von Etzenbach, Alexander 18453'. Der als Verschwörer angeklagte Philotas vergleicht sich in seiner Verteidigungsrede mit U, der in Rom aus dem Pallastempel das Banner stahl und sich dabei auf Achilles ausredete,
dessen Untergebener er war. Auch er, Philotas, habe nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf Dymnus' Veranlassung hin gehandelt (Verschwörung gegen Alexander). B2 ,Reinfried von Braunschweig: Reinfried macht es bei seiner Begegnung mit der Sirene U nach, lässt sich an den Mast fesseln und seinen Mannen die Ohren verbinden [22345ff.]. U ist der Sirene begegnet, als er in Agamemnons Auftrag Achilles nach Troja gebracht hat, worüber man in Statius' »Achilleis' lesen kann (22570-22596; Reinfrieds Sirenenabenteuer auf der Fahrt zum Magnetberg). Penelope hat U einen Liebesbrief gesandt, um ihn zur Rückkehr zu bewegen. U aber hat auf dem Meer den Tod gefunden. Yrkane wünscht in einem Brief an ihren im Hl. Land weilenden Gatten Reinfried, sie könnte ihre Liebe zu ihm ebenso schön zum Ausdruck bringen (24536; Liebesbrief der Yrkane; Katalog liebender Frauen). [1] [1] Als weitere Verfasserinnen berühmter Liebesbriefe werden Dido, Briseis, Phyllis, Helena und Medea genannt. Die Stelle spielt auf Ovids ,Heroides' an und verarbeitet das in ihnen vorgegebene Textmuster.
Dl Hugo von Trimberg, ,Der Renner' 15873: Die zehnjährige Belagerung und anschließende Zerstörung Trojas waren das Werk einer Ehebrecherin, von Hoffart und Unrechter Minne. U kann mit seinem Schicksal davon ein Zeugnis ablegen (Exempelkatalog). [1] [ 1 ] Als weitere „Zeugen" werden genannt: Priamus, Helena, Hector, Paris, Menelaus, Achill, Patroclus, Diomedes und Aeneas.
E l yAnnolied': Nach dem Trojanischen Krieg begann U's Irrfahrt. Als auf Sizilien der Cyclop seine Gefährten fraß, rächte er sich und stach dem schlafenden Riesen mit einem Spieß das Auge aus (22,17; 22,19; Universalhistorische Einleitung; Geschichte Trojas). E2 ,Kaiserchronik': U tötete auf Sizilien den Cyclopen, indem er ihm ein Auge ausstach (351; 353; Geschichte Trojas). E3 Rudolf von Ems, ,Weltchronik' 26677: U vollbrachte nach dem Trojanischen Krieg außergewöhnliche Taten. E4 JansEnikel,, Weltchronik': Der treffliche U erklärt sich gegen eine hohe Belohnung bereit,
Ulixes Achilles nach Troja zu bringen, und nimmt eine listige Frau mit, die den als Mädchen verkleideten Helden am Hof des Lycomedes findet und ihm erzählt, dass U's Schiff voller Waren im Hafen liege. U erkennt Achilles an dessen Interesse für ein Schwert. Achilles und Deidamia fahren mit ihm nach Troja (15105-15373; Trojanischer Krieg). E5 ,Die Erlösung 6513: Der kluge U hat der Prophetin Sibylla zufolge wie alle anderen Übeltäter die Hölle zu erwarten (Katalog der Verdammten). [1] [1] Das eigentlich positive Attribut „wise" hat hier bloß die Funktion eines Epithetons. Der Katalog nennt antike Götter wie Apollo, Iuppiter und Pallas Athene, Helden wie Achilles und Hector sowie historische Gestalten wie Alexander und Nero.
II. 1) Allgemeines; 2) U im MA; 3) Motive des U-Mythos in den mhd. Belegen; 4) Ma. Deutungstradition und Zusammenfassung
1) Odysseus, der vielgewandte („poljhxopos"), zählt gemeinsam mit Prometheus, Orpheus, Ödipus und Medea zu den wirkungsmächtigsten Gestalten, die die antike Mythologie hervorgebracht hat, und hat eine umfassende und ungebrochene Rezeptionsgeschichte in Literatur, bildender Kunst und Musik aufzuweisen. [1] Schon der antike Odysseus ist eine äußerst vielgestaltige, ambivalente Figur. In Homers ,Ilias' ist er derjenige, der das kriegerische Unternehmen gegen Troja fast bedingungslos und mit gewagtem strategischem Kalkül besorgt, so bei der Versuchung des Heeres (,Iliasl 2) oder in der .Dolonie' (,Ilias' 10), dem nächtlichen Spähgang gegen die Trojaner, bei dem er das Gesicht eines skrupellosen Kriegsherrn zeigt, der sich vorrangig der so genannten „Sache" und nicht dem aristokratischen Kampfesethos verpflichtet weiß. In der ,Odyssee' ist er Märchenheld, Irrfahrer, Entdecker, der seiner Neugier mindestens ebensosehr gehorcht wie seiner Klugheit, der erste Unterweltfahrer der abendländischen Literatur, Liebhaber, Vater, Gatte und schließlich unerbittlicher Rächer. Besonders die gr. Tragödie wusste die dunklen
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Seiten des literarischen Charakters zu gestalten, man denke v.a. an Sophokles' ,Aias' und ,Philoktet'. In der röm. Epik zählt er nicht eben zu den Hauptgestalten. Ein negatives Odysseusbild entwirft nicht zuletzt Vergils ,Aeneis' beim Bericht von der Eroberung Trojas, in Ovids .Metamorphosen' hat er einen brillanten rhetorischen Auftritt als Redner im eigenen Interesse beim Streit um die Waffen des Achilles. In beiden Fällen bilden er und seine Abenteuer freilich den intertextuellen Hintergrund zumal für den röm. Haupthelden Aeneas, der sich auf seinen Irrfahrten und bei seinem Gang in die Unterwelt als zweiter, besonnener und staatstragender U erweist. 2) Die Wirkungsgeschichte der Gestalt im lat. MA ist zunächst durch eine nur eingeschränkte Quellenlage gekennzeichnet. Die ,Odyssee' ist nicht bekannt. Zwar sind die mythographischen Fakten durchaus zugänglich, die Rezeption ist jedoch nicht wie in Antike und Neuzeit auf eine literarisch höchstrangige Gestaltung, wie sie in Homers Epos vorliegt, hin perspektiviert. Der U der ma. erzählenden Literatur ist im Wesentlichen der U der röm. Epik und der spätantiken pseudohistoriographischen Trojaberichte des Dares Phrygius und des Dictys Cretensis. Entsprechend eingeschränkt sind die Interessen an einer Profilierung der Gestalt durch die ma. Texte. Hauptträger der mhd. Rezeption sind die Trojaromane A3, A4 und A5. A3 und A4 folgen in ihren Angaben dem afrz. ,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure, der seinerseits auf Dares und Dictys zurückgreift. Die Fortsetzung von A4 folgt Dictys direkt. Die Quellen von A5 sind aller Wahrscheinlichkeit nach Dares, das ,Excidium Troie' und Ovids ,Metamorphosen' (Streit um die Waffen des Achilles). [2] Die Gestaltung erweist sich in A5 allerdings als überaus frei und greift verstärkt auf narrative Muster zurück, die der höfische Roman und die spätere Heldenepik bereitstellen. Dies zeigen nicht zuletzt die U-Episoden, einerseits die Fahrt
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um Achilles, andererseits U's Flucht aus Troja sowie seine Verfolgung und sein Tod durch die (erfundene) Gestalt des Euander. Eigenständige Erweiterungen unternimmt gegenüber der Hauptquelle, Benoit, auch A4, im Unterschied zu A5 allerdings auf fundierte Weise in Rückgriff auf andere antike Quellen, so auf Statius',Achilleis' bei der Fahrt um Achilles. Insgesamt weisen A3, A4, A5 und E4 einige Motivparallelen auf. Abhängigkeiten sind zwischen A4, A5 und E4 grundsätzlich denkbar, das Verhältnis zwischen den Texten ist aber nicht sicher zu klären. [3] A l und A2 stehen in der Tradition der röm. Epik. A l folgt mittelbar über den,Roman d'Eneas' der ,Aeneis' Vergils, A2 übersetzt direkt Ovid. Die übrigen Belege verarbeiten nur einzelne Motive, dazu im Folgenden. 3) Nicht erinnert ist in den mhd. Belegen die seit den so genannten nachhomerischen ,Kypria' bekannte Vorgeschichte von Odysseus' Versuch, der Teilnahme am Trojanischen Krieg zu entgehen. Er stellt sich wahnsinnig und pflügt den Sand am Strande von Ithaka, wird aber von Palamedes entlarvt: Dieser legt den kleinen Telemachos in die Linie, Odysseus weicht aus. Daher rührt Odysseus' Hass auf den Kontrahenten, durch eine Intrige stellt er Palamedes im Krieg als Verräter hin und erwirkt seine Tötung. Ein schwacher Reflex davon findet sich in A3 mit U's Entrüstung über Palamedes' Tod und mit Nauplius' Racheplänen. Allerdings hat das Motiv offensichtlich auf die Episode vom Streit um das Palladium eingewirkt. U wird eine Beteiligung an der Ermordung des Aiax zur Last gelegt. In A3, A4 und A5 (dort nach Aiax' Tod im Streit um die Waffen) muss er deshalb aus Troja fliehen. Nach der DaresBenoit-Tradition tritt er vor und während des Krieges (meist gemeinsam mit Diomedes) als wichtiger Verhandler auf, so bereits bei der Rückforderung Helenas, ein Motiv, das schon in der ,Ilias' (3,203ff.) belegt ist und auch in A2 (nach Ovids ,Metamorphosen') verarbeitet wird. In A5 ist er der wichtigste Ratgeber Agamemnons und sammelt das gr.
Heer. Die zentrale U-Episode in A4, A5 und auch in E4 ist die Fahrt um Achilles. U soll den bei Lycomedes versteckten und als Mädchen verkleideten Achilles entlarven und nach Troja bringen. Insbesondere in A5 entwickelt die Handlung eine durchaus eigenständige narrative Dynamik. Sie wird als Abenteuerfahrt nach dem Muster des ma. Alexander· und Herzog-Ernst-Romans geschildert. U tarnt das Unternehmen als Kaufmannsfahrt, agiert dabei selbst wie ein Kaufmann und flieht vor den Kämpfen mit den Wundervölkern. Traditionell umgesetzt ist die Enttarnung des Achilles durch sein Interesse für die Waffen in A4, A5 und E4. In A4 wird er zur Mitfahrt nach Troja überredet, in A5 wird er gewaltsam mitgenommen. In E4 wird er von einer alten Frau aufs Schiff gelockt, er und Deidamia fliehen freiwillig mit U nach Troja, weil sie Lycomedes' Zorn wegen Deidamias Schwangerschaft fürchten. Das Motiv
vom Streit um die Waffen des Achilles bringt
A2 direkt nach Ovids ,Metamorphosen', A5 könnte möglicherweise A2 folgen. [4] Die in der Tradition von Dares und Dictys stehende Trojaliteratur, Benoit, A2 und A4, ersetzt das Motiv durch jenes vom Streit um das Palladium. Der Reflex davon in B1 bezieht sich auf die entsprechende Anspielung in der ,Alexandreis' Walters von Chätillon (VIII,229ff.), weist aber gravierende Entstellungen auf (Ort der Handlung ist Rom, das Palladium ist ein Banner). Beide Versionen führen zum Tod des Aiax, der wiederum den Anlass für U's überstürzte Flucht aus Troja gibt. Hier folgen in A3 und A4 nun die knappen Berichte von U's Irrfahrten und Abenteuern, die der historiographischen Intention von Dares und Dictys entsprechend weitgehend entmythologisiert erscheinen. Dass U die List mit dem Trojanischen Pferd erdacht hat, referiert nur A l , wobei U selbst als vermeintlicher Grieche Sinon die Trojaner dazu bewegt, das Geschenk anzunehmen. Die Umgestaltung geht auf den ,Roman d'Eneas' zurück, bei Vergil ist er natürlich einer der Insassen des Pferdes. Auf U's Abenteuerfahrten bezieht sich auch die Mehrzahl der übrigen Belege. Die Blendung
Ulixes des Polyphem kennen A2, El (wahrscheinlich nach Vergils ,Aeneis' 111,64Iff.) und E2 (mit Bezug auf El). In A3 sind der Kyklop und der Laistrygonenkönigzu Piraten rationalisiert. Von den Lotophagen berichtet nur A3, von Circe erzählen A2 und A3, die Sirenen, das für die ma. Mythendeutung wichtigste Motiv aus dem U-Mythos, erwähnen A3, A4 und B2. A4 und B2 erinnern dabei U's berühmte List der Fesselung an den Mastbaum und der Verstopfung der Ohren der Gefährten. Reinfried, der Protagonist von B2, fährt dabei das Abenteuer des U nach. Die konkrete Quelle ist unbekannt, aufgrund anderer mythologischer Motive ist ein Bezug auf die ma. Myelographie wahrscheinlich. [5] Scylla und Charybdis erwähnt A3, hier berichtet U schließlich Idomeneus [!] von seinen Abenteuern und wird von dem wiederum rationalisierten Phäakenkönig Alcinous gegen die Freier seiner Gattin unterstützt. Nur A3 kennt auch das Motiv der Verheiratung des Telemachus mit Nausicaa und schließlich jenes von U's Tod durch Telegonus (beides nach Benoit, dieser nach Dictys). [6] Bloß pauschale Hinweise auf U's Abenteuer geben A4 und E3. In B2 ist dezidiert nicht an U's Heimkehr gedacht, er soll auf dem Meer umgekommen sein. Der Irrtum erklärt sich vielleicht aus Penelopes Brief an U in Ovids ,Heroides', den B2 kennt und der vor der Heimkehr des Helden gedacht ist. Vielleicht hat B2 daraus auf dessen Tod auf See geschlossen. 4) Insgesamt zeigt die U-Gestalt in den mhd. Belegen wenig eigenständige Konturen (am ehesten noch in den grotesken Zügen von A5). Die Texte bringen ihr kein großes Interesse entgegen. Gänzlich fehlen allegorischmoralische Deutungen, wie sie die gelehrte ma. Rezeption in Fortführung bereits antiker Odysseus-Allegoresen entwickelt. Zentrale Bedeutung hat diese Tradition in der gr. Patristik aufgrund der ungebrochenen Wirksamkeit von Homers ,Odyssee', sie wird aber auch in der westlichen lat. Mythendeutung und Myelographie rezipiert. [7] Das Bedeutungsspektrum ist breit: U kann als exemplum
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vanitatis wie als Beispiel der Tugend gefasst werden. Breite und signifikante allegorische Auslegung erfährt v.a. das Sirenen-Mythologem, sowohl im gr. als auch im lat. Bereich. Der an den Mastbaum gefesselte U symbolisiert den christlichen Weisen, der sich freiwillig an das Kreuzesholz und also an die Wahrheit des Glaubens bindet und auf diese Weise den Sirenengesängen der Häresie wie der heidnischen Wissenschaften trotzen kann oder den lüsternen Verlockungen der Welt widersteht. Überwiegt in frühchristlicher Zeit die erste Deutung auf Häresie und pagane Gelehrsamkeit, so setzt sich im Laufe des MA die moralische Lesart durch; über Honorius Augustodunensis (,Speculum ecclesiae', PL 172, Sp. 855f.) wird sie auch an den ,Hortus deliciarum' der Herrad von Landsberg vermittelt. Dieser bringt eine entsprechende, sehr anschauliche Darstellung. [8] Diese ma. U-Allegorese wird in den mhd. Belegen nicht reflektiert (allerdings finden sich allegorische Deutungen der Sirenen; -* Sirenes [II.4]). Auch E4 ist für diese Tradition nicht zu reklamieren, da die Nennung U's in einem Katalog der Verdammten in bloß topischem Zusammenhang steht und keineswegs auf eine spezifische Signifikanz der Figur rekurriert. Man wird insgesamt sagen dürfen, dass Odysseus auf das MA nicht die Faszination ausübt wie später auf die Neuzeit, die seit der Renaissance in ihm das Sinnbild des aktiven, nach Wissen und Erkenntnis strebenden, aber auch maßlos neugierigen Menschen fasst. Die ma. „Vorbehalte" gegen die Gestalt und der entscheidende Wesenszug, an dem sich das neuzeitliche Interesse festsetzt, lassen sich in Dantes ,Comedia' (,Inferno' XXVI,55ff.) eingängig fassen. Hier büßt Ulisse für seine Kriegslisten und -intrigen gemeinsam mit Diomede im achten Höllenkreis unter den hinterlistigen Ratgebern. Ulisse selbst berichtet Dante von seiner letzten Fahrt, hinaus über die Säulen des Hercules bis auf Sichtweite zum Läuterungsberg, wo ihn und sein Schiff ein Meeresstrudel verschlungen habe. Damit
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Urania
benennt er seine eigentliche Sünde: Es ist die der curiositas, der Neugierde. Die Pointe der Passage liegt nach J. L. Borges zum einen in der latenten Analogie zwischen den hybriden Reisen U s wie Dantes selbst, [9] zum anderen wird die kommende Zeit der Entdeckungen antizipiert. Und hier, am Entdecker („del mondo esperto"), aber auch am Irrläufer Odysseus entzündet sich eben das Interesse der neuzeitlichen Rezeption. Diese erreicht einen Höhepunkt im 20. Jahrhundert mit J. Joyces ,Ulysses' und mit der D i alektik der Aufklärung' von M. Horkheimer und Th. W. Adorno. Bei Joyce fungiert der Odysseus-Mythos als poetologische Chiffre, die programmatisch das Paradigma des modernen, experimentellen Romans formuliert. Der Odysseus-Exkurs bei Horkheimer und Adorno entwickelt — gewissermaßen in Fortführung des Verfahrens der Mythenallegorese - am Mythos die zentrale geschichtsphilosophische Denkfigur. [ 1 ] Einen Überblick über die Odysseus-Rezeption geben Η. Hofmann, Odysseus: Von Homer bis zu James Joyce, in: Antike Mythen, 27-67; Lücke, Helden, 400-460. [2] Zu A4 Lienen, Geschichte und Erzählen, passim; zu A5 Kern, Agamemnon weint, 175ff. [3] Für eine Abhängigkeit von E4 und A5 von A4 plädiert Lienert, ebd., dagegen Kern, ebd. [4] Kern, Agamemnon weint, 188. [5] Aufgrund des Motivs vom Tod der Sirenen kommen u.a. Hyginus (Fab. CXLI) und Myth. Vat. 1.186 und 11.101 als mögliche Quellen in Frage; -» Sirenes (II.2). [6] Zur Motivgeschichte TeUgonus. [7] Hierzu ausführlich Rahner, Gr. Mythen, 28Iff.
[8] Die Darstellung im .Hortus deliciarum' zeigt zwei (!) an den Mastbaum gefesselte Rittergestalten, die den gewappneten Christen symbolisieren und die als falsche Engel gezeichneten Sirenen von ihren Dienern töten lassen; Herrad von Landsberg, Hortus Deliciarum, 126f. (fol. 221). [9] J. L. Borges, Die letzte Reise des Odysseus. Essays 19791982, 1992, 222-226. Nachbenennung Bertold von Holle, ,Demantin' 9899 (Odassie): Königin Odassie hat ihren Geliebten Derafeit zum Frauendienst ausgesandt. [1] [1] Mehr als ein Anklang in der Nf. ist nicht gegeben. [mk]
Urania [Muse; MM 5,260]
Al Albrecht von
Halberstadt,,Metamorphosen'
5,436\ Die wunderschöne und kunstsinnige U ist eine der neun Jungfrauen [1], denen Pallas auf dem Helikon begegnet. Sie berichtet der Göttin, wie Pegasus die Quelle geschlagen hat, weiters von dem Frevler Pyreneus sowie von ihrem Sangeswettstreit mit den neun Töchtern des Pieros und der Euippe [den Pieriden]. [1] Die Musen werden von Al nicht namentlich genannt, auch der Hinweis Ovids (MM 5,267) auf ihre Mutter Mnemosyne ist nicht übernommen. Die mythologischen Zusammenhänge (insbesondere beim Motiv des Sangeswettstreits mit den Pieriden, die danach in Elstern verwandelt werden und deren Namen die Musen zur Erinnerung an den Sieg als Beinamen führen) waren für Al und dessen Publikum wohl kaum mehr zu durchschauen. U gilt in der physikalischen Mythendeutung des MA als Patronin der Astrologie.; -» Musae (II.). [mk]
ν Valerianus
Velleius
[Rom. Kaiser 253-260 η. Chr]
[Rom. Geschichtsschreiber, nimmt als „praefectus equitum" und „legatus legionis" an den Feldzügen des Tiberius teil]
El .Kaiserchronik' (Valerian)·. V, der Burggraf von Rom, erhält von Kaiser Decius den Auftrag, Hippolytus den Märtyertod erleiden zu lassen (6345-6362; Christenverfolgungen unter Decius). [1] [ 1 ] Vermutlich ist mit dem Burggrafen V der spätere Kaiser V gemeint, der unter Decius das Kommando über die Donauländer innehatte. Die Stelle reflektiert die große Christenverfolgung unter Decius 249 n. Chr.; -* Decius. [sks]
Valerius [Iulius V Alexander Polemius, Verfasser einer auf die Jahre 310-330 n. Chr. datierenden lat. Übersetzung des gr. Alexanderromans, der im 10. Jh. von Leo Archipresbyter ebenfalls in lat. Sprache bearbeitet worden ist und in dieser Fassung zu den Hauptquellen des volkssprachlichen ma. Alexanderromans zählt]
Al Ulrich von Etzen bach, vAlexander': V wird in mehreren Berufungen als Quelle genannt (Alexanders Zug zu den Wundervölkern: 23715; 23731; 23960; Meerfahrt Alexanders: 24027; Fürstenlehre: 24399). [1] [1] Hauptquelle von Al ist die Alexandreis' Walters von Chätillon. Die Darstellung im zehnten Buch, aus dem sämtliche Belege stammen, folgt jedoch über weite Strecken V und v.a. der .Historia de preliis', einer Redaktion des Alexanderromans von Leo Archipresbyter (Ehlert, Deutschsprachige Alexanderdichtung, 146fif.). [sks/mk]
Velius
Vellerns
El Heinrich von Hesler, ,Evangelium Nicodemi' (Vellio): Die Konsuln V und Claudius überbringen dem schwer kranken Tiberius Briefberichte des Pilatus über das Wirken des Wunderarztes Jesus und raten ihm, diesen nach Rom kommen zu lassen (3806; 3825; Veronikalegende). [1] [1] Die Stelle bezieht sich auf den altchristlichen apokryphen Pilatusbrief über Christi Wundertaten, der an Kaiser Claudius adressiert ist. El überträgt das legendarische Motiv auf Tiberius und lässt Claudius (mit dem vermutlich nicht der Kaiser, sondern ein Freigelassener des Tiberius gemeint ist; Claudius [2]) und Vellio in der Funktion von Konsuln auftreten. Die Nf. Vellio kann sich auf den röm. Geschichtsschreiber und Politiker Velleius oder auf Velius, Titus' Centurio im Jüdischen Krieg, beziehen. [mk/sks]
Venus [Gr. Aphrodite; Göttin der Liebe]
W: Göttin (B2, B4, B5, B9, BIO, Β18, C2, C9, C10, D4, E2, E3) der Liebe (Al, A2, A3, A4, A5, A7, A8, B2, B8, B l l , Β13, B14, Β 15, B18, B17, C7, E6), der Heirat (El), Heidengöttin (A7, El, E6, E2, E3, E5), Göttin der Sarazenen ( B l l , B12, Bl4, El, E5), Jungfrau [!] (A6), Heiland [!] (A8 [11892]), Planet (A7, Β12, Β15, D2, E5, E7) der Liebe (Dl), Morgenstern (B15), Stern (C17, D6) der Liebe (B15) G: Tochter des Iuppiter (A2) oder des Avinör [!] (A6), Schwester des Iuppiter (A5), Gattin des Vulcan us (A2), des Anchises (A2), Mutter des Aeneas (Al, A2), des Amor (Al, Β1, Β15, B20, C13), des Cupido (Al, A2, Bl, D4), des Hermaphroditus (A2), Geliebte des Mars
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Venus
(Al, A2, E2, E3), des Mercurius (A2), des Anchises und des Adonis (E2) R: Kaiserin (A5, A6, D6), Königin (A6, A7, A8, B8, B14, C13, C15, C20, D4, D6), Fürstin (C23), Herrin (Al, A3, B18, C13, E8) oder Meisterin (A5) der Minne, Herrscherin über den Cytheron [!] (B2), vrouwe (Epitheton) (A2, A3, A5, A6, A8, A9, B3, B5, BIO, B l l , B19, B20, B21, B22, C4, C l l , C14, C18, D6, E6) Nf.: Fennus (A6), Fenus (C11), Veneri (El), Vennus (A6), Venuss (A6), wird auch Minne genannt (A2, A6, B2, C19, D4), n.n. (B2, C7, C9, C19) I. A l Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'\ V ist die Mutter des Aeneas, des Amor und des Cupido. Als Herrin der Minne (45) erhält sie von Paris den goldenen Apfel (161) und unterstützt ihn beim Raub der Helena (166). Sie belegt Ascanius mit einem Liebeszauber, der bewirkt, dass sich Dido in Aeneas verliebt, als sie Ascanius zur Begrüßung küsst (742-837). Sie schießt Dido ihren Pfeil [!] ins Herz (860), wird von dieser um Gnade angefleht (1366; 1406) und führt die Liebenden bei einem Jagdausflug unter einem Baum zusammen (1851). Als Aeneas von Dido abfahren will, behauptet diese, V könne nicht seine Mutter sein (2222), gibt vor, der Göttin opfern zu wollen, und errichtet einen Scheiterhaufen, auf dem sie sich unter Anklagen der V in Aeneas' Schwert stürzt und verbrennt (2314; 2368). V unterstützt Aeneas im Kampf gegen Turnus, erbittet für ihn von Vulcanus eine Rüstung und will dafür von ihrem Zorn ablassen, den sie seit sieben Jahren gegen ihren Gatten hegt: Vulcanus hatte sie und Mars beim Ehebruch in einem kunstvollen Netz gefangen und vor allen anderen Göttern bloßgestellt. Vulcanus ist schnell bereit, die Waffen zu schmieden, es kommt zu einer großen Versöhnung zwischen den Eheleuten (5597-5829). V lässt die Rüstung zu Aeneas bringen (5842) und befiehlt ihm, Euander aufzusuchen und um
Unterstützung zu bitten (5860). Sie trifft Lavinia mit dem Liebespfeil, als diese Aeneas erblickt, und wird von ihr um Linderung des Liebesempfindens gebeten (1006310261; 10708); lässt Aeneas Lavinia wie sein Leben lieben, dieser sieht sich in seinem Liebesschmerz von seinen Brüdern Amor und Cupido und von seiner Mutter V verfolgt und bittet V, sich ihm gegenüber mütterlich zu zeigen (11062-11178). A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen '·. Die schöne V und Mars begehen Ehebruch, werden von Phoebus an V's Gatten Vulcanus verraten, von diesem in einem Netz gefangen und dem Spott der herbeigeholten Götter ausgesetzt. V lässt Phoebus daraufhin aus Rache in Liebe zu Leucothoe entbrennen (1,846; 4,286-382; V und Mars). Sie empfängt von Mercurius einen Knaben [Hermaphroditus], dem man aufgrund seiner außerordentlichen Schönheit seine göttliche Abstammung gleich ansieht (4,554), und verleiht jener Quelle, in der er mit Salmacis eins geworden ist, die Kraft, jeden in einen Zwitter zu verwandeln, indem sie das Wasser mit einem Kraut versetzt (4,725; 4,729; Hermaphroditus). Aus Angst vor Typhoeus flieht sie wie die anderen Götter bis an den Nil und verwandelt sich in einen Fisch (5,591; Sangeswettstreit auf dem Helicon; Lied der Pieriden; Aition für die Tiergötter Ägyptens). V fordert Cupido auf, Pluto mit Liebe zu Proserpina zu schlagen, weil auch Iuppiter und Neptunus seinem Gebote gehorchen (nur Pallas und Diana bleiben ihm entzogen) (5,680; Entführung Proserpinas). Selbst V hätte Cephalus nach dessen Versöhnung mit Procris nicht verführen können (7,1392; Cephalus und Procris). Nach der Verjüngung des Iolaus durch Iuppiter will V auch ihren greisen Gatten Anchises verjüngen (9,786), sie ist mit Hymen bei der Hochzeit des Iphis zugegen (9,1390), zürnt den Einwohnern von Amathus wegen eines Menschenopfers, will sie zur Strafe töten, setzt ihnen dann aber bloß Hörner auf. Die darüber spottenden Frauen verwandelt sie in Steine (10,413-438); verwandelt auf
Venus Pygmalions Gebet hin dessen Elfenbeinstatue in eine lebende Frau und richtet ihm selbst die Hochzeit aus (10,497-554; Pygmalion). Als Cupido V bei einem Kuss irrtümlich mit dem Liebespfeil verwundet, verliebt sie sich in Adonis, folgt ihm, als wäre sie eine Jungfrau im Gefolge Dianas oder diese selbst, durch Berg und Wald (10,959-1023), warnt ihn vor der Jagd auf Raubtiere, erzählt ihm, wie sie Hippomenes bei seiner Werbung um Atalante unterstützte, beweint den toten Adonis und verwandelt ihn in eine Blume ([10,1180]; 10,1239-1315). V lässt Galateas Liebe zu Acis ebenso stark sein wie ihre Abneigung gegenüber Polyphemus (13,974; Acis und Galatea). Erbittet von Iuppiter für Aeneas die Unsterblichkeit, es genüge, dass er einmal in der Hölle gewesen sei. Sie fliegt auf ihrer Taube nach Laurentum, beauftragt Numicius mit der heiligen Waschung, führt Aeneas dann in den Himmel und macht ihn zum Gott (14,550-581). Vertumnus warnt Pomona vor übertriebener Keuschheit, da V alle Hartherzigen mit ihrem Zorn strafe (14,811). A3 Herbort von Fritzlar, ,lietvon Troye'·. Medea würde V ihr Liebesleid künden, wüsste sie, wo sie sich befindet (874; Liebesmonolog der Medea). Bei V, Iuppiter, Iuno und Pallas leistet Iason Medea den Eheeid und gelobt ihr ewige Treue (967; Argonautenfahrt). V, Pallas und Iuno werden zu Paris gesandt, damit er der Schönsten den goldenen Apfel gebe. Sie zeigen sich ihm an einer Quelle, Paris glaubt drei Sonnen zu sehen und spricht V den Apfel zu, weil sie ihm die schönste Frau verspricht (2194; 2209; Parisurteil; Erzählung des Paris; RV: 2405). V hat aufCytherus einen Marmortempel, in dem gerade ein Opferfest abgehalten wird, als Paris landet, um Helena zu entführen (2426). A4 yAthis und Prophilias': Gay tin und Athis werden im Tempel der V verheiratet (D/117), der Priester der V segnet sie (C*/103). A5 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg'·. Die schöne, edle und mächtige V, Iuno und Pallas sind die drei hervorragendsten Göttinnen, die am Fest des Iuppiter anlässlich der Hoch-
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zeit von Peleus undThetis teilnehmen (1050; Katalog). Discordia entfacht einen Streit zwischen ihnen, indem sie einen überaus kunstvollen Apfel unter sie wirft, der einer Inschrift zufolge der Schönsten gehören soll. V beansprucht den Preis für sich, der junge Hirte Paris soll entscheiden. In einem langen Disput mit Iuno und Pallas über die Vorteile von Reichtum, Weisheit und Liebe betont V ihre umfassende Macht mit Hinweis auf den weisen Salomon, den mächtigen David, den gotterschaffenen Adam und den starken Samson, die ihr erlegen seien [2164ff.]. Als ihr Iuno und Pallas das Schicksal von Riwalin und Blanscheflur, Tristan und Isolde, Pyramus undThisbe sowie Phyllis vorhalten, wird V bleich, grün und rot vor Zorn und gibt Fortuna und nicht der Liebe die Schuld für das Unglück der Genannten. Schließlich verspricht V Paris die Liebe Helenas und erhält den Apfel zugesprochen. Zum Dank stattet sie Paris prächtig aus und verkündet, dass er ein Königssohn sei (1202-4455; Parisurteil; RV: 18790-18860). V lässt Paris in Liebe zu Helena entbrennen (4767). Sie hat auf Kythera einen Tempel, wo sie von den Menschen mit Musik verehrt wird. Während des Festes, das man ihr zu Ehren feiert (19461; 19466), begegnet Paris Helena zum ersten Mal und erkennt in ihr die von V Versprochene (19803; 19858). Er beteuert Helena gegenüber, von V dazu gezwungen zu sein, sie zu lieben (21030). , Trojanerkrieg'-Fortsetzung: RV auf den Sieg derV beim Parisurteil (41767-41812; 46996). A 6 , Göttweiger Trojaner krieg': Die Göttinnen Discordia und Terius verkünden dem Hirten Paris, dass ihm am folgenden Tage drei Jungfrauen begegnen und ihn um den goldenen Apfel bitten werden. Er soll ihn der überaus schönen, makellosen und tugendhaften V geben, um selig zu werden (1951). V, Pallas und Iuno erscheinen Paris an einer Quelle, V bittet als Letzte der drei um den Apfel (ohne Paris etwas zu versprechen). Als Paris niederkniet und ihr den Schönheits-
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Venus
preis überreicht, umarmt sie ihn, prophezeit ihm die Liebe Helenas und schenkt ihm das Schwert Ziclopes und den Helm Abygor, die sich einst im Besitze ihres Vaters Avinör befunden haben. Pallas und Iuno gönnen [!] V den Sieg (2012; 2137-2178; RV: 19282). Paris lässt sich für seine Schwertleite am Hofe Agamemnons [!] ein Waffenkleid anfertigen, das goldene Frauenfiguren mit einem Apfel in der Hand und der Inschrift „V" zeigt (3939). Die von V gestiftete Liebe zu Helena treibt Paris zur Rückkehr aus Indien nach Griechenland (9760). Im V-Tempel vor Troja huldigen die Griechen täglich der „hohen Minne". Nach einer solchen Feier tötet Paris Achilles (19321), dieser wird im V-Tempel beigesetzt, später wird Aiax neben ihm bestattet (19800). Auch Galante und Magonogrin werden von Euander in einem V-Tempel beigesetzt (20450). Vor dem V-Tempel auf Kreta [!] bietet sich Iason der Medea als Ritter an (21924; Medea und Iason). Am VTag, einer alle zwei Wochen stattfindenden Andacht im V-Tempel, lässt Aeneas das gr. Heer in Troja ein (22895; UntergangTrojas). V wird außerdem bei mehreren Kämpfen des Paris vom Dichter Wolfram von Eschenbach apostrophiert und um Schutz für Paris gebeten (2365; 2371; 2729; 3945; 3993; 4007; 4022; 4550; 5500; 5520; 5549; 6207; 6790; 7995; 9400; 9932; 10462; 10896; 17224), sie tritt mit Wolfram in Dialog und verspricht ihm, jeden, der ihr in rechter Weise dient, zu belohnen (3458) und Paris (7489; 7513; 9011), später aber auch die Griechen zu unterstützen (16245). Paris' Turniergegner beklagen sich bei V wegen dessen Kampfkraft (3971). Nach der desaströsen Schlacht zwischen Agamemnon und Bevar, einem weiteren Werber um Helena nach der Zerstörung Trojas [!], wird V vom Dichter für die vielen Toten verantwortlich gemacht. Ihr Handeln („äventiure") habe allerlei Schande gebracht (23965). V wird auch vor der Schlacht zwischen Agamemnon und Segramans, dem zweiten [!] Entführer Helenas, angeklagt (24832).
A7 Ulrich von Etzenbach, ^Alexander'·. Nectanebus bittet V und andere Götter, ihm die Liebe Olympias' gewinnen zu helfen. Der Erzähler verweist in diesem Zusammenhang auf die Macht der Minne: Wen Amors Pfeil ins Herz treffe, der sei besiegt (393). V, Iuno und Pallas nahmen an der Hochzeit von Thetis und Peleus teil, bei der Discordia der Schönsten einen goldenen Apfel widmete. Paris sollte zwischen den dreien entscheiden. V versprach ihm Liebe, Pallas Weisheit und Iuno Macht. Als sich Paris fur V entschied, planten die beiden anderen die Zerstörung Trojas. Ovidius berichtet mehr davon (4890; 4911; Alexander in Troja; Exkurs). Die Schilde der Kämpfer in einer Heeresabteilung des Darius zeigen Bildnisse von V und Amor (6182; 6193). V hört viele Klagen wegen der von Parmenio getöteten Perser (8130). Zoroas von Ägypten weiß um die Ordnung und Bahnen der Planeten V, Mercurius, Saturnus, Mars und Iuppiter und kann aus den Gestirnen Naturereignisse und die Zukunft der Menschen ablesen (8383). A8 Heinrich von Neustadt, ,Apollonius': V, Pallas und Iuno haben Apollonius mit Liebe, Weisheit und Reichtum begabt (4196). V wird vom Erzähler wegen des Inzests des Antiochus mit seiner Tochter angeklagt, dann aber entschuldigt, weil sie ihm persönlich viel Gutes getan habe. V's Fehler sei ihre Freigebigkeit, weshalb sie eine austeilende Hand als Wappen auf dem Schild führe, leider lasse sie auch Schwache reüssieren (323; Erzählerkommentar). Der schiffbrüchige Apollonius beklagt sich bei V und Neptunus, dass er als Königssohn so ein Unglück erleiden müsse (1340), er erwartet von V und den anderen Göttern für seine Dienste Hilfe (4256; Götterkatalog). V verwundet auf die Aufforderung des Erzählers hin Lucina und Apollonius mit ihrem Liebespfeil (1876; 1884; 1939), stiftet die Liebe zwischen Clara und Absolon (3531) und schießt ihre Liebespfeile auf Apollonius und Cirilla (5737; 5752; 5790). V, Iuppiter und die Windgöttinnen Proserpina und Alcmena erscheinen mit ei-
Venus nem Heer im Nebeldunst und werden von Albedacus mit Zauberkraft gezwungen, Apollonius' Schiff aus dem Klebermeer zu befreien (6844). Als Apollonius und seine Gefährten die Probe am Tugendbrunnen von Crisia nicht bestehen und sich ihre Hände schwarz färben, müssen sie im V-Tempel der Göttin ihre Verfehlungen in Liebesdingen beichten [!] (11799-11967). V verspricht Apollonius Diamena (12120-12183) und lässt diese in Liebe entbrennen (12467; 12480). Unter der Bedingung, dass er nie einer Jungfrau eine Bitte abschlage, erlaubt V Apollonius schließlich, Diamenas Garten zu betreten (1269112822). V begabt Diamenas Cousinen Flora und Plantica mit Schönheit (13236) und hat dieser selbst die 200 goldenen Schafe geschenkt [1], die sie in ihrem Garten hält (13312). V lässt die Mohrenkönigin Palmina in Liebe zu Apollonius entbrennen. Diese trägt sich ihm als Geliebte mit dem Hinweis auf das Versprechen an, das er V gegeben hat. Apollonius muss sie nehmen (1401214269). V begabt Apollonius' Tochter Tarsia (15037; 15041) und deren Gefolge mit Schönheit (17802; 17869; 18069).
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in der Mitte der Minnegrotte ist der Minne geweiht, der Name der Göttin ist darin eingraviert [2] ([16723]; Descriptio). [1] Die Bezeichnung „von Zytheröne" ist eine Verschmelzung der V-Insel Kythera und des Musenberges Kithairon. Wenn es sich um ein Missverständnis handelt, so fiigt es sich bestens in den Zusammenhang, da es die Aspekte von Walthers Kunst, „Liebe" und „Dichtung", verbindet. Im Hintergrund steht im Übrigen antike Inspirationsmythologie. [2] Wenn jede Seite des Bettes einen Buchstaben trägt, muss die Inschrift „AMOR" oder „AMUR" (der Name der frz. Liebespersonifikation) lauten.
B3 ,Moriz von Craun 1164: Die mächtige V schoss Salomon einen Pfeil ins Herz, der ihn bis zu seinem Tode schmerzte. Salomon musste sich V unterordnen, sie machte ihn trotz seiner Weisheit ratlos (Exemplum für die Macht der Minne; Topos vom Liebessklaven). B4 Konrad Fleck, ,Flore und Blanscheflur': Im Streit um den goldenen Apfel entscheidet Paris für die schöne V, die ihm die Liebe Helenas verspricht (1592; 1603; 1607; Darstellung auf einem kostbaren, von Vulcanus verfertigten Pokal). B5 Heinrich von dem Türlin, ,Diu Cröne'·. Gaweins Geliebte Amurfina ist schöner als V, Pallas und Iuno. V hat einst von Paris den goldenen Apfel als Schönheitspreis erhalten, [1] Es scheint ein Reflex des Motivs vom Goldenen Vlies weil sie sich ihm nackt gezeigt und ihm ein vorzuliegen. Versprechen gegeben hat. Wäre Amurfina A9,Pyramus und ThisbePyramus und Thisbe damals dabei gewesen, hätte sie V besiegt richten an V ihre Liebesklagen (137). Sie (8291; Uberbietung). V soll Gasozein zufolge wird von der um Pyramus klagenden Thisbe entscheiden, ob Ginovers Liebe ihm oder angerufen (341). Artus zuteil werden soll (10830). B1 Wolfram von Eschenbach, ,Parzival\ ManB6 Der Stricker, .Daniel'·. Die 500 Jungfrauen, che Meister behaupten, dass V und ihre Söhdie am Pfingstfest des Artus teilnehmen, sind ne Amor und Cupido mit Pfeil und Fackel so schön, dass V selbst der hässlichsten unter Liebe unter den Menschen bewirken. Doch ihnen zugestehen müsste, dass diese schöner diese Liebe ist nicht geheuer. Wer wirklich sei als sie (6532-34; Uberbietung). von Herzen treulich liebt, der wird auch nieB7 ,Prosa-Lancelot' 11.238,12·. Beim Anblick mals frei von seiner Liebe. Rechte Liebe ist des engelsgleichen Lancelot wird eine Jungwahrhaftige Treue (532,2). Ihn, den Erzähler, frau von V so heftig getroffen, dass sie erhabe die Fackel der V noch nie in Flammen schrickt. gesetzt (532,15; Erzählerkommentar). B8 Ulrich von Liechtenstein, ,Frauendienst'·. B2 Gottfried von Straßburg,, Tristan'·. Die Göt- Ulrich unternimmt zu Ehren seiner Minnetin der Minne herrscht auf dem Kytheron herrin als Göttin V verkleidet eine Fahrt von [1]. Von dort kommt der Ton, dem Walther Italien bis nach Böhmen, die er in einem Brief von der Vogelweide in seinen Liedern folgt ankündigt: Die Göttin werde sich in Mestre ([4809]; Dichterexkurs). Das kristallene Bett aus dem Meer erheben, gegen Norden ziehen
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und sich den Rittern zum Kampf stellen. Die Sieger sollen einen goldenen Ring erhalten (Prosa nach 479 [162,21; 163,8]). Vor den Herbergen, in denen V nächtigt, herrscht öfters Trubel. Morgens besucht V die Messe. Die Damen durchschauen die Verkleidung und spenden Beifall. Schließlich beendet Ulrich seine V-Fahrt auf die Bitte seiner Minneherrin hin (531,6-866,4; [177,14-263,4]). B9 Konrad von Würzburg, ,Der Welt Lohn 74·. Frau Welt, die dem Ritter und Weltmann Wirnt von Grafenberg während der Lektüre eines Liebesromans erscheint, ist von vorne schöner als V, Pallas und alle übrigen Göttinnen, die einst über die Liebe geherrscht haben. Dies versichert der Erzähler bei seiner Taufe [!]. BIO Berthold von Holle, ,Demantin'·. V soll den Zucker der Minne gerecht verteilen und ihn dem unritterlichen Mann vorenthalten (6161). V habe an seiner schönen Geliebten Andifoie ihr Ideal erfüllt, meint Ertger (9132). B l l Ulrich von dem Türlin, ,Arabel'·. Die Götter zürnen der schönen V, da sie im Kampf zwischen Heiden und Christen die Diener der Liebe sterben lasse (73,25). Der Sarazenenfürst Tybald befiehlt seine Gattin Arabel dem Schutz der V an, als er fortzieht (90,17), diese jedoch verbindet sie und den bei Tybald gefangenen Willehalm in Liebe (194,1). Arabel erscheint Willehalm schöner als V (233,6; Überbietungstopos). Auf einem Teppich Tybalds ist abgebildet, wie V Arabel und Tybald zwei Kronen als Liebessymbole überreicht (225,16; 260,1; 260,30; Descriptio), auf Arabels Mantelspange ist eingewirkt, wie VTybald Arabels und Arabel Tybalds Herz einsetzt (298,7/9; Descriptio). Β12 Albrecht, Jüngerer Titurel': V ist einer der sieben Planeten, die die sieben Tugenden verkörpern und den Weltenlauf aufrechterhalten (2803,2; astronomischer Exkurs; Planetenkatalog). V lehrt Liebe (2804,4; Personifikation). Bei den Göttinnen V, Pallas und Dido [!] geloben Alberose und Barbidele, Feirefiz treu zu lieben (5357,3). V wandelt frei und
ungebunden über die Erde, kann dabei binden und lösen, verwunden und heilen und hat ihre Macht an Parzival erwiesen (5592,3; Allegorie). Β13 Der Pleier, ,Meieranz': Auf der einen Mantelspange Tydomies, der Geliebten des Meieranz, ist V mit einer brennenden Fackel in der Hand dargestellt. Wen sie damit entzündet, der muss in Liebe entbrennen. Die andere Mantelspange zeigt ein Amoridol (662). Als Meieranz die ruhende Tydomie betrachtet, entzündet V seine Liebe, Amor verwundet ihn mit seinem Speer (838; Descriptio; Allegorie). B14 ,Reinfried von Braunschweig'·. Als Yrkane endlich Reinfrieds Dienste annimmt, lobt er V. Sie habe die Wunden, die sie ihm geschlagen habe, wieder geheilt. Sie tue in ihrer Gnade so Gutes, wie es auf Erden nichts Besseres geben könne (3578). Yrcane zufolge wäre nicht einmal V würdig genug, Reinfrieds Gattin zu sein (9228; 9254; Katalog berühmter Frauen). [1] Nach der Niederlage gegen die Christen im Heiligen Land beklagt sich der Heerführer der Sarazenen bei seinen Göttern, darunter V, sie hätten ihm nicht geholfen, obwohl er ihnen stets treu gedient habe (16414; Götterkatalog). Den Schild des persischen Königs ziert eine kunstvolle, lebensecht wirkende V-Figur. In der einen Hand trägt sie eine Fackel als Zeichen dafür, dass der Träger des Schildes ihr Diener sei. Sie hat ihm das Feuer der Liebe ins Herz gestoßen (17082). Als ihm Reinfried im Zweikampf den Schild aus der Hand schlägt, zerteilt sein Schwertschlag das Minnefigürchen wie eine Rübe ([17520]). [1] An weiteren hypothetischen Gattinnen Reinfrieds aus der Literatur werden Helena (aus Konrads,Trojanerkrieg'?), Isolde (aus Gottfrieds .Tristan'), Herzeloyde (aus Wolframs ,Parzival') u n d G y b u r g (aus W o l f r a m s .Willehalm') genannt.
B15 Johann von Würzburg,, Wilhelm von Österreich'·. Wilhelm wird unter dem Stern der V geboren (581). Sie macht ihn zu ihrem Dienstmann, nimmt ihn in die Lehre, zeigt ihm im Schlaf Aglyes Bild und weckt seine Liebe zu dieser. Amor verbindet die beiden in
Venus Sehnsucht nach einander (662-692). V und Amor raten den beiden Liebenden, denen zu sprechen verboten ist, einander Briefe zu schreiben, die sie in Bälle einnähen (1908). Aglye meint in ihrem Brief an Wilhelm, V, Amor und Cupido seien für ihrer beider Liebe verantwortlich (3021). V vertreibt Aglyes Kummer wegen der geplanten Hochzeit mit dem ungeliebten Walwan (6546) und lässt sie Liebesqualen um Wilhelm leiden (6954). Vor dem Kampf zwischen Walwan und Wilhelm wird V vom Erzähler gefragt, warum sie Walwan töten wolle, obwohl er ihr Diener sei (8496). V ist der Stern der Liebe und beherrscht Crispin von Belgalgan seit ihrer Geburt (11476). Nach der ersten Liebesnacht Aglyes und Wilhelms entzündet V den Tag (15921). V ist mit den anderen Planeten, Sonne und Mond in dem von Vergilius errichteten Astrolabium dargestellt (4994). Am Morgen erstrahlt V hell (10541). Β16 ,Friedrich von Schwaben': V ist die edle Minne, sie bereitet Friedrich starke Liebesqualen um seine Geliebte Angelburg (2398; Liebesklage Friedrichs). Auf das Geheiß von V, Amor und Cupido hin trägt der Ritter Bucktzino einen rotgoldenen Harnisch (6748). B17 .Karlmeinet'36,60: Die in Karl verliebte Galie betet zu V, als sie fürchtet, ihre Liebe werde unerwidert bleiben, weil sie eine Heidin sei. B18 ,Drei listige Frauen V, NGA I, 17,89: V ist die Herrin der Liebe und verlangt, dass man ihre Befehle befolge. Ihr zufolge sind heimliche Liebesverhältnisse den Damen zuträglicher, auch wenn sie weniger süß und herzlich sein mögen. Beziehungen dieser Art strebe mancher Liebesdieb an. Wer aber Honig saugen will, darf den Stachel der Biene nicht fürchten (Rede einer Dame). B19 ,Frauenlist', GA II, XXVI,519: Eine verheiratete Dame wird von V mit dem Liebespfeil im Herzen verwundet, sieht sich wegen ihrer Liebe zu einem Studenten zunächst im Zwiespalt und entschließt sich dann, ihre Wunden zu heilen.
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B20 ,Die halbe Birne', GA I, X,280: V und ihr Sohn Amor wirkten an einer Königin das Wunder, dass sie beim Anblick des erigierten Gliedes eines Narren wie Zunder entbrennt. B21 ,Das heselin', GA II, XXI, 18: Wenn ihm Vdie entsprechende (dichterische) Befähigung gibt, werden die, die nach Minne streben, ihm zuhören, meint der Erzähler im Prolog. B22 ,Der treue Heinrich', GA III, LXIV: V trifft den Jungherrn beim Anblick der Königstochter mitten ins Herz und lässt ihn vom Feuer der Minne entbrennen (678; 746). C1 Heinrich von Morungen, MF XXII.3,1: Die Minneherrin ist ein hehre V, weil sie so viel vermag. Sie raubt dem Sänger Freude und Verstand, zeigt sich an ihrem Fenster hell wie die Sonne und entzieht sich wieder seinem Anblick (Minnelied; Frauenpreis und Liebesklage). C2 Wolfram von Eschenbach, MF VIII. 5,10 (L 10,9): Würde V noch leben, müsste sie wegen der Schönheit der Minneherrin des Sängers erbleichen (Minnelied; Frauenpreis). C3 Anonymus, CB I48a.2: Der Sänger fordert auf, nun stolz und höfisch zu sein, da V ihre Pfeile abschieße. C4 Anonymus, CB 170a, 1: V bereitet dem Freude, der sich ihrem Willen fügt. Sie behütet die Damen und lässt sie keinen Schaden nehmen. Wer sich ihnen gegenüber von hoher Gesinnung zeigt, darf (des Nachts) wach bleiben. C5 Anonymus, CB 177.3,3: Als ein Mädchen „Amor" ins Laub einschrieb, ereignete sich V, und es bot ihrem Geliebten Hohe Minne („Caritas magna", „hohe minne") (Lat.dt. Mischgedicht; V als Metapher für den Liebesvollzug). C6 ,Winsbeckin' 35,3: Die Liebe heißt dem weisen Ovidius zufolge V. Sie kann verwunden und heilen. Man kann sich ihrer Macht nicht entziehen. Sie kommt unsichtbar wie ein Geist über einen und ruht weder am Tage noch bei Nacht (Spruchgedicht; Liebesgespräch zwischen Mutter und Tochter).
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C7 Rudolf von Rotenburg, KLD [V,215; Vers. G20,l]: Man erzählt von schönen und trefflichen Göttinnen, die einst zu alten Zeiten für die Liebe zuständig waren. Hätte Gott sie am Leben gelassen, so würden sie dennoch der nicht gleichen können, die den Sänger zum Singen bringt (Minneleich; Frauenpreis). C8 Tannhäuser, Leich IV,21: Weil V ein Apfel gegeben wurde, mussten Paris und Menelaus sterben (Minneleich). C9 Tannhäuser, Lied VIII [2,19]: Paris gab der Göttin um der Liebe willen einen Apfel. Wenn der Sänger seiner Minneherrin u.a. diesen Apfel bringt, wird er erhört (Minnelied; Adynaton). CIO Tannhäuser, Lied IX.3,48\ V bekam von Paris um der Liebe willen einen Apfel. Wenn der Sänger seiner Minneherrin u.a. diesen Apfel bringt, wird er erhört (Minnelied; Adynaton). C l l Pseudo-Tannhäuser, Bußlieder. Der Sänger will sich V nie mehr zuwenden und bittet Gott, ihn aus den Fesseln der Sünde zu lösen (2.2,45), er sei von der schönen V schwer getäuscht worden (3.3,58), beklagt, dass V je zu ihm „Du edler Tannhäuser" gesagt habe und bittet Maria um Hilfe (4a.2,36). C12 Konrad von Kirchberg, KLD 1.3,5: Nicht V, sondern Schönheit, Güte und Tugend der Minneherrin zwingen den Sänger, sie zu lieben. So heiß Amors Fackel auch sein mag, sie kann den Sänger nicht verbrennen. Wahre Liebe übertrifft die Minne (Minnelied; Frauenpreis). C13 Konrad von Würzburg, Leich 2: V, die Fee, die einst über die Hohe Minne waltete, schläft nun. Mars regiert die Welt, den Frauen wird keine Beachtung mehr geschenkt, die Männer denken nur an Krieg, Raub und Brand (1). Der Sänger fordert V auf zu erwachen, um mit Amor gegen Mars in den Kampf zu ziehen. V soll mit ihrem Feuer die Kriegführenden quälen, bis sie sich wieder zur Liebe bekehren (99; Minneleich; Allegorie). C14 Johans von Brabant, HMS 1,9, 111.2,5: Der Sänger fleht V um Erbarmen an, da er
fürchtet, die Minneherrin könnte seine Treue mit Missetat belohnen. V solle bewirken, dass ihn die Minneherrin tröste (Minnelied; Minneklage). C15 Johans von Brabant, HMS 1,9: Der Sänger bittet V, ihm gnädig zu sein und ihm als ihrem Diener zu helfen, Trost zu finden (VIII. 1,9; 2,9; 3,9 [Refrain]; Minnelied; Minneklage). C16 Heinrich von Breslau, KLD: Der Sänger beklagt sich bei Mai, Sommer, Heide, Klee, Wald, Sonne und bei V, dass ihn seine Minneherrin nicht erhören wolle (11.1,5). V verspricht ihm, sie werde ihr alle Freude rauben. Doch bevor das geschieht, will der Sänger lieber sterben (11.5,1; Minnelied; Allegorie) . C17 Der Meißner, X.7,3: Der Sänger beklagt den widrigen Lauf der Sterne. Sonne, Mond, V, Iuppiter, Mars, Saturn und Mercurius sollen geehrt sein, wenn sie seiner wieder gnädig sind (Spruch; Planetenkatalog). C18 Frauenlob, XIII.43,8: V hat jenen Damen die Sinne geraubt, die einen verderbten Bauernburschen einem Mann vorziehen, der ihretwegen Leben und Gut wagt (Minnespruch). C19 Frauenlob, [XIV. 10,2; Lied 2]: Paris sprach der Minne den Apfel zu. Auch wenn der Sänger als Strafe dafür sterben müsste, würde er den Apfel Pallas oder Iuno geben, um sich so für das Leid zu rächen, das ihm die Minne aufgebürdet hat (Minnelied; Minneklage). C20 Frauenlob, VII.2,10 (Ettm.): V hat im Sänger das Feuer der Liebe entfacht (Minneklage). C21 Dürinc, KLD 1,10: Die hehre, erhabene und weise V verwundete selbst weise Männer wie Parzival, Adam, Samson, David oder Salomon. Sie hatten keinen Gewinn von der Liebe. Ihr Schicksal zeigt, dass das Liebesspiel eine unheilvolle Kraft in sich birgt (Minnelied; Katalog von Minnesklaven). C22 DerJunge Meißner, Α V.3,4: Die mächtige V raubt viel und bewirkt unzählige Wunder. Die Liebe verzehrt den Verstand manchen
Venus Mannes so wie Rost das Eisen und betäubt ihn wie Mehltau das grüne Blatt. Dennoch kann ihre Güte nicht hinreichend beschrieben werden (Minnelied; Unsagbarkeitstopos). C23 Anonymus, KLD, Namenlos s 33.3,3'. Der Sänger bittet V als Patronin der wertvollen Minne, seine Minneherrin ihn erhören zu lassen (Minnelied; Minneklage). C24 Anonymus, KLD, Namenlos s 47,1,5: Der Sänger bittet V, auf angenehme Weise das Kriegen zwischen ihm und seiner Minneherrin zu einem Ende zu bringen (Minnelied; Minneklage). Dl ,Lucidarius' 23,25'. V ist der Planet der Liebe, denn er ist heiß und feucht (Buch I, „Von den Sternen"). D2 Thomasin von Zerklaere,,Der welsche Gast' 2371'. V ist der fünfte der sieben Planeten, befindet sich in der Sphäre zwischen fünftem und viertem Element und ist kalt und feucht (Elementenlehre; Planetenkatalog). D3 Hugo von Trimberg, ,Der Renner' 15874: V hat Aeneas geholfen, sodass er im Trojanischen Krieg davongekommen ist. Er und andere zeugen davon, dass der Untergang Trojas von einer Ehebrecherin, von Hoffart und Unrechter Minne verursacht wurde (Exemplum; Katalog). [1] [ 1 ] Außerdem zeugen mit ihrem Schicksal Priamus, Helena, Paris, Hector, Menelaus, Patroclus und Ulixes.
D4 Johann von Konstanz, ,Minnelehre': Frau Minne ist eine allmächtige Göttin und bezwingt alle Länder und Menschen. Sie ist Mutter des Cupido, wie der Erzähler durch eine Inschrift auf dessen Krone erfährt ([262]). Cupido entzündet mit der Fackel jedem das Herz, der sich seiner Mutter widersetzt (354). V hat auf ihr Verlangen hin von Paris den Apfel, den die Schönste auf Erden empfangen sollte, erhalten. Von ihr veranlasst hat Paris Helena nachTroja entführt und so den Minnekrieg der Griechen ausgelöst. Der Krieg ist auf einer Seite des Wagens der Minne abgebildet, auf dem diese im Triumphzug daherzieht (750; Begegnung des Erzählers mit Cupido und der personifizierten Minne im Fiebertraum).
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D5 ,Der Minne-Falkner' 2,1: V, Amor und Cupido können Gewaltiges und Wundersames bewirken, sie machen Alte froh und Junge traurig. Damit beraubt die Liebe die Natur ihres Rechtes, sie will alles beherrschen (Prolog). D6 ,Minneburg': Wie der V-Stern erstrahlt die Minneherrin des Erzählers in Schönheit (1955). Wenn V diesen nicht mit tröstender Liebesspeise rettet, dann stirbt er bei der Umarmung durch seine Dame vor Glück (3258). Als er vor Liebesschmerz in ein Gebirge flüchtet, sieht er in einer Felsnische Königin V und König Amor in Glorie und Majestät thronen und die Liebe lenken. Sie grüßen ihn und fragen nach seinem Leid und seiner Geliebten (3305). V findet seine Liebe rein, erklärt das spröde Verhalten seiner Minneherrin mit dem untreuen Verhalten der Männer, die gleich jede Frau ihre Geliebte nennen, und verflucht derlei (3523). Ein einsiedelnder Frauenritter beklagt, dass V je geboren wurde, weil sie ihn so fest in die Liebe verstrickt habe und seine Geliebte so streng gegen ihn sein lasse (4517); deren Augen leuchten wie die Sterne V und Iuppiter (4464). Der Fall dieses Ritters wird von der personifizierten Treue vor das Minnegericht gebracht. Diese apostrophiert die richtende Minne als „Kaiserin V" (5343). El,Kaiserchronik': V zu Ehren ist in Rom ein Gebäude errichtet worden, das der ganzen Stadt eine Zierde ist. Alle Unkeuschen werden dort würdig empfangen. Jungfrauen und redliche Männer wagen nicht daran vorbeizugehen, da ihnen sonst Dinge geschehen würden, die sie nicht leiden wollen (159). Faustinianus glaubt an die Gottheiten V, Luna, Mars, Iuppiter und Saturn und opfert ihnen. V erhält als Göttin der Heirat Blumen- und Ringopfer (3725). Der junge Heide Astrolabius entdeckt zur Zeit des Kaisers Theodosius beim Ballspiel in einem alten Gemäuer, das auf Befehl Kaiser Constantins verschlossen bleiben muss, eine V-Statue, in die er sich unsterblich verliebt. Vom Teufel beeinflusst, steckt er der Statue einen Verlobungsring an
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und schwört ihr ewige Liebe. Als seine Freunde das Tor aufbrechen und ihn ins Freie führen, ist er vor Liebe wie von Sinnen und sucht schließlich bei dem Priester Eusebius Hilfe. Dieser beschwört den Teufel und kann den Ring zurückgewinnen. Der Teufel verrät ihm, dass unter der V-Statue eine Wurzel vergraben liege, die den Liebeszauber bewirke. Sie wird ausgegraben, und das Heiligtum wird dem Hl. Michael geweiht. Damit ist der Zauber gebrochen, Astrolabius lässt sich taufen (13124; 13337; Astrolabiuslegende).
E2 Otto von Freising,,Laubacher Barlaam': Im
Glaubensdisput mit den Heiden prangert der Christ Barlaam die Verderbtheit der gr. Götter an: V soll aus den Geschlechtsteilen des Saturnus geboren worden sein, als Iuppiter sie ins Meer geworfen hat. Sie soll die Geliebte von Mars, Anchises und Adonis gewesen und des Letzteren wegen zur Hölle gefahren sein, um ihn von Persephone zurückzuholen (11074-11246; Götterkatalog). Die dummen Griechen haben V gedient, die durch Lasterhaftigkeit und Hurerei die Ehre Gottes beschmutzt hat (13286; Götterkatalog). E3 Rudolf von Ems,,Barlaam'·. Im Glaubensdisput zwischen dem Christen Barlaam und den Heiden stellen die Griechen ihre Götter vor: V sei Göttin der höchsten Liebe und verleihe diese in ihrer Güte den Menschen (9797; Götterkatalog). Aus christlicher Sicht gibt sie hingegen ein Beispiel für die Verwerflichkeit der gr. Götter: Sie soll nach der Kastration des Saturnus durch Iuppiter aus dem Meer geboren worden sein (9915). Mars soll beim Liebespiel mit ihr von Vulcanus und Cupido gefesselt und auf diese Weise entehrt worden sein (10107). In Wahrheit hat sie ein ungebührliches und schamloses Leben geführt, sich Adonis und Anchises in unkeuscher Liebe hingegeben und überhaupt alle verführt, die ihr gefallen haben, und mit Zauberkunst die zur Liebe gezwungen, die dies nicht gewollt haben. Wer sie für eine Göttin hält, begeht die größte Torheit (10326; Götterkatalog).
E4 Rudolf von Ems,,Weltchronik'3234:
V ist
eine der Göttinnen, an die die alten Grie-
chen auf Anraten des Teufels und in ihrer heidnischen Verblendung geglaubt haben (Katalog). [1] [1] An weiteren Göttinnen werden genannt: Pallas, Iuno, Diana, Ceres, Europa und Latona.
E5 Reinbotvon Durne,,Der heilige Georg'4495: Uber die Welt herrschen diejenigen [Götter], die den Lauf der Planeten bestimmen. V waltet mit feuerreicher Kraft über die Liebe (Glaubensdisput des heidnischen Fürsten Dacian mit seiner getauften Gattin Alexandrina; Katalog von Planetengöttern). E6 Jans Enikel,, Weltchronik': Weil Discordia zu einem Fest in Troja nicht eingeladen worden ist, fertigt sie aus Zorn einen goldenen Apfel mit der Aufschrift „der Schönsten" an und wirft ihn in die Menge, um Zwietracht zu säen. Prompt beginnen die schöne und weise V, Pallas und Iuno, sich um ihn zu streiten. Der zum Schiedsrichter erkorene Paris wählt V, die ihm die schönste Frau verheißt. Pallas, die ihm Weisheit versprochen hat, und Iuno, die ihm Macht und Reichtum in Aussicht gestellt hat, sind enttäuscht, Discordia fühlt Genugtuung. V verheißt Paris die Königin der Griechen, wendet Zaubermittel an, lässt Helena in Liebe zu Paris entbrennen und arrangiert ein heimliches Treffen der Liebenden. Helena wehrt sich aus Züchtigkeit gegen ihr Gefühl, ist aber V gegenüber machtlos (1379714219). Als Menelaus Helena vor Troja nach dem Grund ihrer Flucht fragt, meint diese, V sei schuld an ihrer Liebe zu Paris (16163; 16180). Am Freitag, dem Tag der V in Rom, kann jeder in einer Rotunde, in der mehr als 200 Betten stehen, der Liebe frönen (20384; Rom. Gottheiten und Wochentage).
E7 Brun von Schönebeck, ,Das Hohelied': V, einer der sieben Planeten, steht für die Freigebigkeit („mildekeit") (1438; 1454; Planetenkatalog). E8 ,Die Erlösung'6510: Beim Jüngsten Gericht haben der Prophezeiung Sibyllas zufolge Übeltäter wie V die Hölle zu erwarten (Jüngstes Gericht; Katalog der Verdammten). [1] [1] Der Katalog listet antike Götter, Heroen und historische Gestalten ohne Unterscheidung auf. Genannt werden u.a. noch Apollo, Iuppiter, Pallas Athene, Achilles, Hector,
Venus Ulixes, Alexander u n d Nero. Nicht differenziert wird somit auch zwischen den gängigen negativen Gestalten wie Nero oder auch Apollo u n d grundsätzlich positiven Gestalten wie Hector u n d Achilles.
II. 1) V im MA; 1A) Deutungsverfahren; 1B) Liebesdiskurs; IC) Politische Aspekte; 1D) „Disjunktion"; 2) Antike M o tive; 2A) G e b u r t der V; 2B) Parisurteil; 2C) Aeneassage; 2 D ) V u n d Mars; 2E) Weiteres; 3) Deutungen; 3A) Euhemerismus; 3B) Astrologische Deutung; 3C) V als D ä m o n i n ; 3 D ) V als Göttin der Sarazenen; 4) Allegorische Deutung; 4A) V u n d Minne; 4B) V in der Figurenrede; 4 C ) Metaphorik u n d Attribute; 4 D ) Allegorie u n d Liebestheorie; 5) V-Rhetorik; 5A) Uberbietung; 5B) Descriptio; 5C) Minnesklaven; 6) Zusammenfassung
1) V ist die bekannteste und am häufigsten zitierte antike Göttergestalt der ma. Mythenrezeption. Sie ist Kristallisationspunkt und Focus ma. Mythendeutung sowie der literarisch-poetischen und künstlerischen Auseinandersetzung mit der antiken Mythologie. Keine andere mythologische Gestalt hat für die Profilierung rhetorischer und allegorischer Muster, aber auch für die ma. Mythenpolemik so anregend gewirkt wie V. Die ma. Rezeption setzt dabei die in der Antike entwickelten hermeneutischen Verfahren fort. Grundlegend ist die Ambivalenz der Gestalt, die sich im MA aufgrund des eminent sinnlichen Aspekts, den die Göttin verkörpert, und der damit verbundenen Problematik von „Fleischlichkeit" und Sündhaftigkeit potenziert. Die Breite der Erscheinungsformen ihres Namens entspricht jener der literarischen Genres und Stile: V kann simple Metapher sein, die Schönheit oder Geschlechtlichkeit meint, sie kann zur umfassenden Personifikationsallegorie hochentwickelt werden und nach wie vor auch als Göttin der Literatur erscheinen. Die Stillagen, in denen sie genannt wird, können erhaben, pathetisch und sublimiert bis derb erotisch, schließlich auch pornographisch sein. Die mhd. Belege spiegeln diesen Facettenreichtum durchaus wider. [1] 1A) Voraussetzung für die breite V-Rezeption ist die bedeutende Rolle, die der Göttin in der antiken Dichtung, zumal bei Vergil und Ovid, zukommt. Die Grundlage für ihren Erfolg und ihre Durchschlagskraft bilden die
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aus der Antike kommenden Instrumentarien der Mythendeutung. Sie garantieren das entsprechende hermeneutische Interesse der ma. Literatur und Philosophie an der Gestalt und machen sie für die christliche Weltauffassung auch hermeneutisch beherrschbar. Von zentraler Bedeutung ist natürlich die allegorische Mythendeutung, die insbesondere die Liebesgötter, V und ihren Sohn Amor/Cupido, zu einem allegorischen Apparat werden hat lassen, der zumal die Literatur des HochMA und ihren Liebesdiskurs entscheidend geprägt, wenn nicht im eigentlichen Sinne erst ermöglicht hat. Die allegorische V ist in Mythendeutung und Mythographie kontinuierlich gegenwärtig, wobei sich — wenn man Jauß' Perspektive folgen will - zunehmend komplexere allegorische Konstruktionen entwickeln. Sie können in einer ambivalenten „Remythisierung" der Liebeskonzeption und mit ihr der Liebesgöttin gipfeln (nach Jauß bei Alan von Lille und im ,Roman de la Rose') und führen schließlich zu einem neuen, christlich grundierten Mythos der Liebe bei Dante über. [2] 1B) Den Höhepunkt ma. V-Rezeption bildet natürlich das HochMA und hier in erster Linie die weltliche Literatur, zumal die an Ovid geschulte Liebesliteratur. Ein signifikantes Beispiel geben die ,Carmina Burana'. Hier manifestiert sich nicht zuletzt in den VZitationen eine ostentativ gefeierte Sinnlichkeit, die eine ähnliche Subversion christlicher Moralvorstellungen und eine ähnliche Kultivierung des „sündhaften Lebens" betreibt wie der Bacchus-Kult in den Trinkliedern. Möglich ist dies freilich nur im lyrisch-poetischen Freiraum, den sich ein studentisches Milieu hier erschafft. Die Verbindung von poetischer V- und Bacchus-Verehrung in diesem Corpus mlat. Lieder deutet im Übrigen ein (bereits antikes) Motiv an, das in der Malerei seit der Renaissance einen zentralen ikonographischen Topos abgibt: „Sine Cerere et Baccho friget Venus". Eines der schönsten Beispiele dieses Sujets bietet die „Venus frigida", die „frierende Venus" von Peter Paul Rubens. [3]
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IC) Ähnlich wie in den allegorischen Darstellungen des von V gezähmten Mars schlägt hier freilich nicht nur eine stark sinnliche Perspektive durch, sondern wird auch eine gegenläufige Weltsicht repräsentiert: die Verheißung einer Welt des Friedens und der Harmonie, die zugleich erotisch codiert bleibt. Dieser politische Aspekt der Göttin der Sinnlichkeit liegt bereits im einleitenden Venushymnus von Lukrez' ,De rerum natura' vor, wo die Utopie eines friedvollen und befriedeten Kosmos in das Bild der großen Muttergöttin V gefasst wird, in deren Schoß Mars ruht. Dieser Aspekt der V-Mythologie lässt sich auch im Laufe der dt. Literaturgeschichte in heterogenen Formen fassen, wie zum Beispiel in Kaspar Stielers ,Geharnschter Venus' (,Oder Liebes=Lieder im Krieg gedichtet'; 1660), die ebenfalls auf der Opposition Mars-V aufbaut und - unter Einfluss Tibulls (vgl. besonders 1.2) - im erotischen Idyll, in einer arkadischen Sinnlichkeit den Gegenentwurf zur triumphalen Weltaneignung durch die „Bluht-besprengten Sieger" formuliert. [4] Ein weiteres Beispiel geben Goethes Römische Elegien' (bes. X und XV). Schließlich mag die mythologische Denkfigur noch in der utopischen Schlussformel zu erkennen sein, die das Ende von Freuds .Unbehagen in der Kultur' bildet: Das Dilemma des Zivilisationsprozesses, seine Bedrohung durch den Aggressionstrieb, kann nur gelöst werden, wenn „die andere der beiden ,himmlischen Mächte', der ewige Eros, [...] sich im Kampf mit seinem ebenso unsterblichen Gegner" behauptet. [5] Was die ma. V-Rezeption betrifft, mag hier vielleicht nicht der zentrale Aspekt liegen, immerhin formuliert aber Konrads von Würzburg Minneleich (C13) den V-Mythos in diesem Sinne. Jedenfalls erschöpft sich die hochma. V-Rezeption nicht im galanten bis derben Spiel, in Subversion oder moralischer Polemik gegen das Laster. Das hermeneutische Potenzial der Gestalt ist hoch und überaus wirksam. Dass es grundsätzlich auf Ambivalenz beruht, unterstreicht nicht zuletzt die Dämonin V, wie sie in den Sagen von der Statuenliebe begegnet.
Zu betonen ist ferner, dass gerade im Falle der Liebesgötter die volkssprachliche Literatur ein durchaus eigenes Profil entwickelt. Kaum wo sind sie so durchgängig und grundlegend präsent wie in höfischer Lyrik und Epik, dies nicht bloß namentlich, sondern auch in Form metaphorischer Topoi und Redeweisen von der Liebe, die aus den allegorischen Attributen von V und Amor/Cupido entwickelt worden sind. 1D) Die mhd. Literatur kann auf eine umfassende ma. V-Rezeption aufbauen. Für den Liebesdiskurs und seine rhetorische Ausprägung ist die prov.-frz. Literatur maßgebendes Vorbild. Eine grundlegende Differenz besteht zwischen der höfischen V des Minnesangs bzw. des Romans auf der einen und der V der Didaxe bzw. der apologetischen Tradition auf der anderen Seite. Der Unterschied ist durch jenes Prinzip gekennzeichnet, das Erwin Panofsky die „Disjunktion von Form und Inhalt" nennt: In der bildnerischen Rezeption des HochMA ist Panofsky zufolge die antike Erscheinungsform immer mit einem ma. Inhalt verbunden (z.B. die nackte V als Sinnbild der luxuria), ein antiker Inhalt aber mit der ma. Form (Darstellungen mythologischer Szenen zeigen eine mediävalisierte Göttin). Panofsky kann das Prinzip u.a. am Beispiel einer divergierenden Amor-Ikonographie, an dem Gegensatz zwischen einem „mythographischen [nackt und blind dargestellten und negativ gedeuteten] Amor" und einer idealisierten „poetischen Liebe" aufzeigen. [6] Das ikonologische Gesetz der Disjunktion hat mutatis mutandis auch in der Literatur seine Geltung: Die höfische V ist im Sinne von Panofskys „poetischer Liebe" immer bekleidet, sie erscheint in einem ma. Gewand. Wo hingegen die antike Göttin in ihrer authentischen Gestalt, wo sie im metaphorischen oder konkreten Sinne nackt auftritt, verkörpert sie das negative Prinzip von Sündhaftigkeit, Lust und Verderben. [7] Letzteres ist in der Literatur dort fassbar, wo V zur Dämonin wird.
Venus Facetten und Bandbreite der ma. V-Rezeption werden im Folgenden am Beispiel der mhd. Belege im Aufriss dargestellt. Grundsätzlich ist vorauszuschicken, dass sie in ihren je nach Gattung und Aspekt unterschiedlichen Ausprägungen einen Gradmesser für die prinzipiellen Wege und Empfindlichkeiten der Antikerezeption des MA abgeben. Die literarischen V-Bilder können somit zugleich als grundsätzliche „Signaturen" der Mythenrezeption des MA gelten. 2) Es gibt kaum einen antiken Mythos, der nicht in irgendeiner Form auf die Liebesgöttin Bezug nimmt. In der Mythenrezeption schälen sich freilich einige Grundmotive heraus, die auch die ma. Wirkungsgeschichte bestimmen: Namentlich sind dies die Geburt der V, ihre Rolle im Trojanischen Sagenkreis, v.a. beim Parisurteil, sowie in der Aeneassage und schließlich der Mythos von V und Mars. 2A) Die Geburt der Aphrodite aus dem Schaum, der sich um die ins Meer geworfenen Geschlechtsteile des von Kronos kastrierten Uranos bildet, ist zum ersten Mal in Hesiods ,Theogonie' zu fassen. Sie ist eines der Hauptmotive der antiken V-Ikonographie, ein vorzügliches Beispiel gibt etwa das so genannte Ludovisi Triptychon. [8] Ein Ableger davon mag die Vollaktdarstellung der badenden V sein. Sie gelangt in der Gestaltung der Knidischen Aphrodite durch Praxiteles zu größter, auch literarischer Berühmtheit. Die Aphrodite von Knidos generiert schließlich selbst einen kunst- und geistesgeschichtlich wirkungsmächtigen ikonographischen Topos, der auch in der Sage von der Statuenliebe zu fassen ist (vgl. unten 3C). Die ma. Kunst kennt einige Anverwandlungen. [9] Das ursprüngliche mythologische Motiv von der schaumgeborenen V entfaltet aber erst in der Renaissance mit Sandro Botticellis selbst wiederum kanonischem Gemälde eine neue Wirkung bis in die Moderne. [10] Der ma. Myelographie ist es vertraut. Auf ihr beruhen die mhd. Belege E2 und E3. Das Mythologem ist hier freilich polemisch gedeutet. Die Göttin, die aus christlicher Sicht ohnehin ver-
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derbliche Sinnlichkeit repräsentiert und praktiziert, hat nach dieser Auffassung eine entsprechend wüste Entstehungsgeschichte. Die Polemik steht in der Tradition christlicher Apologetik und entspricht Panofskys Prinzip von der Disjunktion: Die auch der Form nach „authentische" Wiedergabe entsprechender antiker Motive ist mit negativer christlicher Hermeneutik verbunden. In der volkssprachlichen Literatur ist das Motiv nicht weiter bekannt und fügt sich auch nicht in ihr Liebeskonzept: Die höfische V ist keine schaumgeborene Aphrodite. Umso erstaunlicher ist der Reflex in der V-Fahrt Ulrichs von Liechtenstein (B8), wo angekündigt wird, dass sich die Göttin V bei Venedig aus dem Meere erheben werde, um zu Ehren der Damen kämpfend durch die Lande bis nach Böhmen zu ziehen. Eine bildnerische Umsetzung gibt das Autorenbild zum Corpus Ulrichs von Liechtenstein im Codex Manesse (237r). Sie macht zugleich die Mediävalisierung des Motivs anschaulich: Zu sehen ist Ulrich als geharnischte V, er trägt eine Venusfigur mit Fackel als Helmzier und reitet über das Meer. 2B) Das Parisurteilist das wirkungsmächtigste mythologische Motiv in der mhd. Literatur. Belege bieten A l , A3, A5, A6, A7, A8, B4, B5, C8, C9, CIO, C19, D4, E6. Seine Präsenz erklärt sich zum einen daraus, dass es die Ursache des Trojanischen Krieges abgibt und damit zum bekanntesten und wichtigsten antiken Sujet des MA zählt. Direkt in diesem Zusammenhang stehen die Belege A l , A3, A5, A6 und A7. Zum anderen repräsentiert das Mythologem einen rhetorischen Topos, der für den epischen wie lyrischen Frauenpreis von großer Bedeutung ist - die Schönheitsüberbietung. Die mhd. Literatur scheint hier ein spezifisches Muster mit dem „revidierten Parisurteil" geschaffen zu haben. Erstmals zu fassen ist es bei Heinrich von Morungen (MF XVIII), wo in der Schlussstrophe die Geliebte als Ascholoie angesprochen wird, der Paris den Apfel geben würde, wenn er unter den heutigen Schönsten zu wählen
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hätte. [11] Die Stelle bezieht sich auf Ovids ,Heroides' 16,137f. Dort behauptet Paris in seinem Brief an Helena, der Siegespreis wäre für V in Zweifel gestanden, wäre Helena beim Urteil dabei gewesen. [12] Die Funktion der Adaption liegt bei Heinrich von Morungen in einer typologischen Akzentuierung des Uberbietungstopos (vgl. unten 5A). Ganz analog funktioniert das erneuerte und revidierte Parisurteil in B5. Hier überbietet die gepriesene Geliebte Gaweins, Amurfina, V nicht nur an Schönheit, sondern zugleich in moralischer Hinsicht. Der Beleg betont das Motiv, V habe sich Paris beim Urteil nackt gezeigt und den Richter entsprechend beeinflusst. Wieder verbindet sich der „authentische", nicht höfisch travestierte Auftritt der Göttin mit traditioneller V-Kritik. Die Überbietungsrelation zeigt sich entsprechend akzentuiert: Amurfina ist nicht nur eine zweite, sondern eine bessere V. Die mythographisch präzisere Wiedergabe lässt an eine Verarbeitung einer antiken Zusatzquelle, konkret an Ovids ,Heroides1 (17,116) oder das ,Excidium Troie' (29,3ff.) denken. Im Kontext der Minneklage fungiert der mythologische Topos als Drohung gegen die ursprünglich Ausgezeichnete, hier nicht als V, sondern als Minne betitelt, in C19. Ein weiterer Beleg findet sich, wiederum im Frauenpreis, in der ,Minnelehre' Johanns von Konstanz (95ffi), ohne Nennung Vs. [13] Eine Modifikation liegt in den Adynata von C9 und CIO vor: Wenn die Geliebte vom liebenden Sänger den goldenen Apfel der V fordert, fordert sie sozusagen die materialisierte Revision des Urteils. Von den epischen Texten bringt Al nur eine knappe Erwähnung. In A3 berichtet (nach dem Vorbild des,Roman de Troie' Benoits de Sainte-Maure) Paris selbst vom Geschehen. Der Text steht in der Tradition der pseudohistorischen Trojaberichte von Dares und Dictys, bei denen die mythologischen Motive so weit wie möglich zurückgedrängt werden (das Parisurteil ist bei Dares 9,6 ein Traumgesicht,
Dictys erwähnt es nicht). Weitgehend entmythologisiert erweist sich das Motiv denn auch in A3, doch fließt mit der Lichtmetaphorik - die drei Göttinnen erscheinen dem Richter wie Sonnen — höfische FrauenpreisTopik ein. Ein mythographischer Rest ist der locus amoenus, die Quelle, an der das Urteil ergeht (dasselbe Ambiente in A6). Den ausführlichsten Bericht gibt A5. Hier ist auch die Vorgeschichte, Discordias Erscheinen am Hochzeitsfest von Peleus und Thetis und der Streit der Göttinnen, en detail ausgeführt. Der Text mediävalisiert dabei die mythologischen Motive in einer diffizilen, reizvollen und gelungenen Weise. Discordia erscheint als die böse, übergangene Fee des Märchens. Iuno, Pallas und V disputieren in hochscholastischer Manier über die Vorteile von Reichtum, Weisheit und Liebe, verbunden mit einigen Exempla, so beruft sich V ausgerechnet auf biblische Minnesklaven (dazu unten 5C). Erwähnt werden die bekannten Bestechungsangebote (so auch A3, A7, B4, B5, E6). A6 dürfte fur seine Darstellung auf das ,Excidium Troie' und auf Ovid (,Heroides' 16) zurückgegriffen haben. [14] Auf Letzteren wird sich auch der Verweis in A7 beziehen, sofern er nicht einfach topisch ist (auch hier im Übrigen der Zusammenhang mit der Hochzeit von Peleus und Thetis, E6 situiert das Geschehen im Rahmen eines Festes in Troja). Ganz eigenwillig geht A6 vor. Hier werden alle problematischen Motive getilgt. Paris teilt V den Apfel im Auftrag Discordias (!) zu, im Unterschied zu Iuno und Pallas macht sie ihm keine Versprechungen, sondern prophezeit ihm Helenas Liebe erst nach dem Urteil. Die Göttin präsentiert sich - ähnlich wie später Helena - als züchtige Jungfrau. Dies erklärt sich aus der Programmatik des Textes, der von der idealisierten Liebe zwischen Paris und Helena im Stile des arthurischen Romans berichtet (Paris leistet Ritterdienste für die unverheiratete [!] Helena und ihren Vater [!] Agamemnon und erwirbt auf diese Weise legitime Ansprüche auf dessen Tochter). Im Unterschied zur nackten V in B5 wäre
Venus hier somit eine in weitest denkbarer Weise höfisierte V zu fassen. Reflexe des Parisurteils sind schließlich im Motiv von der Begnadung des Apollonius durch V, Iuno und Pallas in A8 und in den zahlreichen Uberbietungen zu erkennen. Von einer Unterstützung des Paris durch V bei der Entführung Helenas ist in Al und insofern, als V auf Helenas Liebesempfinden einwirkt — in E6 die Rede. Die erste Begegnung zwischen Helena und Paris findet nach Benoit de Sainte-Maure in A3 und A5 beim V-Fest auf Kythera statt, von wo Paris Helena in A3 auch gleich entführt. 2C) Weniger Bedeutung für die mhd. V-Rezeption hat V's Rolle im Zusammenhang mit der Aeneassage. Schon im ma. Eneasroman greift die antike Göttin kaum mehr direkt in die Handlung ein (eine Ausnahme bildet die Rüstung des Aeneas), von zentraler Bedeutung ist freilich V's und Amors allegorische Präsenz in den Liebeshandlungen zwischen Dido und Aeneas sowie zwischen Aeneas und Lavinia. A l folgt der höfischen Adaption, die der afrz.,Roman d'Eneas' vornimmt. Ein antikes Handlungsmotiv bleibt freilich erhalten, nämlich jenes von V's Bitte an Vulcanus, Aeneas für den Kampf gegen Turnus Waffen zu schmieden. Es wird über Vergil hinausgehend mit einem anderen traditionellen mythologischen Motiv kausal verbunden: mit dem durch Vulcanus entdeckten Ehebruch von V und Mars. Dass V ihren Zorn, den sie seither gegen ihren Gatten (wegen der Bloßstellung vor den Göttern) hegt, aufgebenwill, erklärt Vulcanus' rasche Bereitschaft, dem Stiefsohn die Waffen zu schmieden (bei Vergil, .Aeneis' VIII,370ff., lässt V Vulcanus bloß in Liebe zu sich entbrennen, ähnlich wie Hera Zeus im 14. Buch der ,Ilias'). Vom Beistand der V für Aeneas spricht außerdem noch D3. Seine von der Mutter arrangierte Apotheose, ein Motiv der .Metamorphosen' (14,581 ff.), referiert direkt nach diesen A2. 2D) Das so genannte adulterium Veneris, die entdeckte Ehebruchsliebe zwischen V und
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Mars, ist eines der produktivsten Mythologeme des V-Mythos in der abendländischen Literatur und in der neuzeitlichen bildenden Kunst. Die erste und mustergültige Gestaltung bietet das Lied des Demodokos am Hofe der Phäaken in der,Odyssee' (8,267ff.). Die hier fassbaren Aspekte — Ehebruch und Dreieckskonstellation als komisches Sujet, Hephaistos als klassischer Hahnrei, homerisches Gelächter - definieren auch die Wirkungsgeschichte. Für die ma. Rezeption war die in Ovids .Metamorphosen' (4,17Iff.) geschilderte Version das kanonische Muster. Auf sie bezieht sich auch der ,Roman d'Eneas'. Die motivierende Verbindung mit der Rüstung des Aeneas ist vermutlich von Servius' Vergilkommentar angeregt. Die Schilderung von A l nimmt die deutlich erotischen Aspekte bei der Entdeckung und dann bei der Versöhnung von Vulcanus und V zurück. Wie im afrz. Text fehlt das Motiv vom Gelächter der Götter, nicht aber der Wunsch einiger, so wie Mars gefangen bei V zu liegen. Der Ausgang des Handels erweist sich wiederum als klassische Mediävalisierung: Dass nicht Vulcanus der V, sondern die Betrügerin dem Betrogenen wegen der Bloßstellung zürnt, ist Ausdruck des Ehebruchspathos der höfischen Literatur, man denke an die Liebeslyrik (im Speziellen an die Gattung der Alba oder des Tagelieds) und an den Tristanroman. Die Version von A2 folgt direkt Ovid, hier denn auch das Motiv vom homerischen Gelächter. Eine polemische Anspielung bietet E2. [15] Ausgehend von dem homerischen Ehebruchsschwank bilden V und Mars ein für die allegorische Mythendeutung überaus wirkungsmächtiges Paar. Sie verkörpern die Verbindung eines weiblichen und eines männlichen Prinzips, zweier kosmologischer Kräfte, des Streits und des Eros. Für die Antike kann auf das erwähnte Bild vom im Schöße der V ruhenden Mars bei Lukrez verwiesen werden. Speziell in der neuzeitlichen Kunst wird das allegorische Potenzial des mythologischen Paares ausgereizt. Eine überaus interessante und originär ma. Gestaltung bietet C13: Der
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Leich geht von einer bipolaren Konzeption aus, die kulturelle und politische Bedeutung trägt: Mars repräsentiert die gegenwärtige Herrschaft des Krieges, die Barbarei und Unkultur, fehlende Kunstübung und Missachtung der Frauen bedeutet. Die utopische Perspektive zielt auf eine Uberwindung seiner Herrschaft durch V und Amor. Das utopische Ziel manifestiert sich in einer Bekehrung der kriegenden Männer zu Jüngern der V und höfischen Liebenden. Im gemeinsamen Tanz, der das Ende des Leichs bildet, wird der verheißene Sieg der Liebesgötter gleich vollzogen, die Utopie in der kulturellen, künstlerischen Praxis Wirklichkeit. Bemerkenswert an dem Text ist zum einen der für die höfische Literatur beispiellos kreative Umgang mit antiker Mythologie und allegorischer Deutung, zum anderen die Vehemenz, mit der die Relevanz von Kunst und Kultur als Garanten einer friedlichen, zivilisierten Gesellschaft betont wird. Das Mythologem hat hier jenes Bedeutungspotenzial erreicht, das es später bei Kaspar Stieler auf andere, barocke Weise wieder erlangt. Der Text treibt ein diffiziles und originelles Spiel mit Mythologie, stellt an dieses zugleich aber einen hohen, ernsthaften Anspruch. 2E) Weitere Motive des antiken V-Mythos bringt A2 direkt nach Ovid, hier finden sich die einzigen Belege zu Adonis, Pygmalion
und Hermaphroditus.
Antike Kultpraktiken
reflektiert das erwähnte V-Fest auf Kythera in A3 und A5 (vgl. auch B2). In Analogie zur christlich-ma. Kultpraxis werden sie im Falle der Hochzeitsfeier in A4, der V-Messen und der Bestattung von Liebespaaren im V-Tempel in A6 imaginiert. Aufschlussreich sind die Angaben zum röm. V-Kult in El und E6. Hier ist wiederum die libertinöse Göttin der christlichen Polemik zu fassen, wenn die antike V-Verehrung als radikale und aggressive Lustpraxis, als Bordellbetrieb im Dienste der Göttin dargestellt wird. Es handelt sich um gängige christlich-polemische Phantasien über die antike Lustfreundlichkeit. Die angebliche mit den Aphroditeheiligtümern in der Antike
verbundene Tempelprostitution [16] werden sie nicht reflektieren. 3) Die Verfahren der Mythendeutung, die das MA aus der Antike übernimmt und die wesentlich zur hermeneutischen Bewältigung und damit zur Produktivität der Mythologie beitragen, greifen im Falle der V voll und umfassend. Literar- und kunsthistorisch wichtigste Strategie ist die Allegorisierung. Aber auch historisch-euhemeristische, physikalische, astrologische und dämonologische Deutung zeitigen bemerkenswerte Ergebnisse. Eine genuin volkssprachliche Denkfigur ist die Auffassung von V als zeitgenössische Göttin der Muslime. 3A) Der Euhemerismus ist neben der Allegorisierung die beliebteste Methode der Mythendeutung in der volkssprachlichen Literatur. Belege finden sich in A5, A6, B9, C2 und C7. Im Falle der V ist die historische Deutung insofern ein prekäres Instrument, als die Vorstellung einer sterblichen und auch als verstorben gedachten antiken Liebesgöttin mit jener von der Liebespersonifikation kollidiert. Die Texte entgehen dem Dilemma, indem sie den jeweils anderen Aspekt ausblenden, wenn sie den einen ansprechen. So findet sich in A5 zwar ein elaborierter, schulmäßiger euhemeristischer Exkurs, beim Streit mit Iuno und Pallas argumentiert V freilich als Liebespersonifikation. Besonders auffällig ist der menschliche Stammbaum in A6, hier besteht ein offener Widerspruch, weil die allegorische V auch in Dialogen mit dem Erzähler auftritt. Mehrfach wird im Schönheitsvergleich die alte, verstorben gedachte Liebesgöttin erinnert, so in B9, C2 und C7. 3B) Die astrologische Deutung der antiken Götter und ihre Zuordnung zu den Planeten ist mit der hellenistischen Antike abgeschlossen. Die ma. Astrologie übernimmt das System. Die astrologischen Vorstellungen über Einwirkung und Macht der Planeten und Planetengötter (bis hin zur konkreten Auffassung der Planeten als Sitz dämonischer Mächte) sind allerdings keineswegs kohärent. Entsprechend divergent erweisen sich die Zuschrei-
Venus bungen in den mhd. Belegen. Einfluss auf den Weltenlauf haben die Planeten in Β12. Sie sind mit „moralischen" Kompetenzen versehen, V lehrt - das liegt auf der Hand - die Liebe. Planet der Liebe ist sie ohne weitere Angaben in D l und D2, die Freigebigkeit symbolisiert sie in E7. Die Zukunft aus den Planetenkonstellationen abzulesen vermag der Astrologe in A7 (hier wird also eher von einer deskriptiven Funktion und nicht von einer präskriptiven, determinierenden Macht der Sterne ausgegangen), zu V's Potenzen ist nichts Weiteres ausgesagt. Astrologie verbindet sich in D1 mit der Temperamentenlehre, in D2 mit den Elementen. Auf das menschliche Geschick sieht C7 die Sterne einwirken. In diesem Sinne motiviert scheint die Geburt Wilhelms unter dem Stern der V i n B 1 5 : D e r Held erweist sich nachmals als besonders minneempfänglich. Β15 verbindet im Übrigen die astrologische mit der allegorischen Deutung. Als Planetengöttin kann die Liebespersonifikation somit nicht nur metaphorisch, sondern real auf die handelnden Personen einwirken. Die Planetengöttin in ihrer antiken Konzeption reflektiert in den Ausführungen des antiken Heiden Dacian nur E5. Das Interesse der mhd. Mythenrezeption für die astrologisch-physikalische Deutung ist grundsätzlich nicht eben hoch, so auch nicht bei V. Die Belege datieren insgesamt spät (ab der Mitte des 13. Jh.), die naturkundlichen und didaktischen Texte D l (E. 12. Jh.) und D2 (A. 13. Jh.) ausgenommen, die das astrologische Thema als zentralen Gegenstand ma. Wissens berühren müssen. 3C) Dämonologische Deutungen der V finden sich nicht in Zusammenhang mit den astrologischen Nennungen, [17] aber mit der christlichen Statuenphobie. Das ma. Christentum hatte bekanntermaßen eine heftige Abneigung gegen die antiken Götterbilder. Sie erklärt sich einerseits aus dem jüdisch-christlichen Bilderverbot, andererseits aus der Vorstellung von einer dämonischen Belebtheit des Götterstandbildes. Das ästhetische Ideal der antiken Kunst einer möglichst lebensechten
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Darstellung mag das ihrige dazu beigetragen haben. [18] Das Motiv der Vertreibung des Dämons aus der Statue findet sich insbesondere in der ma. Märtyrerlegende, in der dt. Literatur zum ersten Mal fassbar im ahd. .Georgslied', wo die Austreibung des Dämons aus der Apollostatue geschildert wird. Mit Apollo verbindet sich das Motiv im Übrigen am häufigsten. [19] Im Falle der V ist natürlich der erotische Aspekt der zentrale. In diesem Zusammenhang ist an den Eindruck zu erinnern, den die Knidische Aphrodite des Praxiteles auf die abendländische Kunst gemacht hat. Mit ihr sind schon in der Antike entsprechende Berichte über pathologische Fälle der Statuenliebe verbunden. Hier und im Pygmalionmythos, der seine Konturen wohl ebenfalls aus den Anekdoten um die Knidia gewinnt, wird auch der Ursprung des ma. Sagentypus liegen. [20] Den einzigen mhd. Beleg bietet E l . Die konkrete Quelle ist nicht bekannt, eine ähnliche, wahrscheinlich authentischere Fassung bieten um 1125, also etwas früher als El (um 1150), die ,Gesta regum Anglorum' des Wilhelm von Malmesbury (dort begegnet der röm. Jüngling der V-Statue während seines Hochzeitsfests, die Dämonin verhindert den Vollzug seiner Ehe, den Bann löst der Priester Palumbus, indem er V bei einem dämonischen Umzug stellt und zur Herausgabe des Ringes zwingt; diese Version wird noch in den,Elementargeistern' Heinrich Heines berichtet). Eine ma. Zutat zum Sagentypus scheint das Ringmotiv zu sein (vgl. dazu auch Faustinianus' Opfergaben für V - Ring und Blume — in El). Interessanterweise erweist sich in El am Ende, dass die dämonische Wirkung nicht vom Kunstwerk selbst, sondern von einer vom Teufel unter der Statue vergrabenen magischen Wurzel ausgeht. Dem christlichen Ikonoklasmus wird damit die Spitze genommen, das Kunstwerk entlastet. Diese hochma. Tendenz ist besonders anschaulich im Rombericht des Magister Gregorius (1.12) zu fassen, der von einem Standbild der V berichtet, das die Göttin so dargestellt habe, wie sie Paris erschienen sei,
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nämlich nackt. Betont wird die lebensechte Wirkung, es habe den Anschein, als würde die Göttin (wegen ihrer Nacktheit) erröten. Gregorius ist jedenfalls so fasziniert, dass er das Kunstwerk dreimal besucht. Das Motiv der Statuenliebe spiegelt sich im Bekenntnis des Kunstliebhabers wider. Ein Reflex des Motivs von der V-Statue ist auch der Bericht von der Verfertigung einer für lebensecht gehaltenen Frauenstatue durch Vergil in E6, die so wie die Knidische Aphrodite unzüchtigen Umgang provoziert. [21] Andeutungsweise ist die dämonische V in C l l zu fassen. Es handelt sich hierbei um den Ausgangspunkt der Tannhäusersage, die sich allerdings erst ab dem 15. Jh. literarisch fassen lässt. [22] Die Aussage über V's Höllenverdammnis in dem Katalog von E8 ist zu indifferent, als dass sie mit einer dämonologischen Deutung in Verbindung gebracht werden könnte. 3D) Das christliche M A geht von der Vorstellung aus, dass die Muslime der Vielgötterei huldigen. Unter den von ihnen verehrten Göttern befinden sich auch antike Gestalten, vornehmlich Apollo. [23] Das Paradigma wird in der volkssprachlichen Literatur, v.a. in Texten, die das Thema des Heidenkampfes aufgreifen, produktiv und überträgt sich auch auf andere Götter wie etwa V. Als Göttin der Sarazenen nennen sie B l l , Β12 und Β14. Die ausführlichste Konzeption liefert B l l . Rhetorisch und inhaltlich bemerkenswert sind hier zumal die geschilderten VDarstellungen auf einem Teppich und einer Spange. Sie weisen die Sarazenengöttin als Schutzinstanz heidnischer Eheliebe aus (die Gesten der Göttin — Herzenstausch und Liebeskrone - reflektieren dabei gängige Muster der Liebestopik). Diese erweist sich freilich der christlichen Eheliebe unterlegen, wenn der christliche Ritter Willehalm die der V zum Schutze anbefohlene Heidin Arabel entführt (sie lässt sich später auf den Namen Gyburg taufen). Im Übrigen steht die sarazenische V in Β11 in Konflikt mit der Liebespersonifikation und der V im Schönheitspreis. An
diesem Text zeigt sich somit beispielhaft, wie wenig von einer konsistenten Konzeption der Gestalt auszugehen ist. Vielmehr können die unterschiedlichen Deutungen nach den jeweiligen kontextuellen Erfordernissen fruchtbar gemacht werden. In Β12 verbinden sich astrologische und sarazenische V. Bemerkenswert ist das Gebet der Geliebten des Feirefiz an V, Pallas und Dido. Falls Dido mit Iuno verwechselt ist, steht auch hier das Parisurteil im Hintergrund (zum Gebet vgl. auch Β17 und Medea in A3). 4) Die wichtigste Deutungsmethode ist in Zusammenhang mit den Liebesgöttern die allegorische. Schon die Antike, namentlich Ovid, hat eine umfassende Liebesmetaphorik entwickelt. Die Liebesgötter werden auf dem Weg in die Spätantike zum allegorischen Apparat, der Phänomene der Liebesentstehung und der Liebeswirkung ins mythologische Bild übersetzt. Das M A hat die Strategien der Allegorisierung übernommen und transformiert. Die Deutungspalette reicht dabei von der simplen Metapher bis zur Großallegorie. V.a. im Laufe des HochMA und seines an Ovid geschulten neuen philosophischen wie literarischen Liebesdiskurses gewinnen die allegorischen Konzeptionen an Komplexität. Die volkssprachliche Rezeption von V und Amor steht am Ende dieses Prozesses. Die aus der Mythologie entwickelten Allegoreme prägen Redeweise und Metaphorik in der Liebesdarstellung. Sie nehmen damit auch wesentlichen Einfluss auf die poetische Sprache der neuen volkssprachlichen Literaturen, v.a. des höfischen Romans und der höfischen Lyrik. Die mhd. Rezeption der Liebesgötter wie der Liebesmetaphorik ist freilich über weite Strecken eine mittelbare Rezeption, zum überwiegenden Teil orientiert an der prov. und afrz. Lyrik und Epik, zu geringerem Teil direkt an der antiken lat. (Ovid) und an der mlat. Liebesdichtung. 4A) Ihr breitestes Nachleben in der dt. höfischen Literatur hat V in Gestalt der mhd. Personifikation „Minne". Deren Zeichnung ist natürlich nicht nur an einer allegorisier-
Venus ten ma. V orientiert, sondern folgt in erster Linie der prov.-afrz. Liebespersonifikation Amors, die — aufgrund der sprachlichen Gegebenheiten - stärker an Amor und AmorAllegorie angelehnt ist. Wenn im afrz. Text ein antiker Liebesgott auftritt, so ist es vorzugsweise - wie in der lat. Literatur - Amor. Die Homonymie zwischen Appellativum und Gottesname erzeugt eine grundsätzliche allegorische Dichte (so etwa später noch in Dantes ,Vita nova'; der Auftritt Amors fbes. cap. III] geht ohne Verfremdung vonstatten, Analoges gilt für Petrarcas ,Canzoniere'). Der mhd. Literatur bleibt Amor jedoch nicht weniger als V ein „Kunstwort", die volkssprachliche Allegorie - Minne - zeigt ihrerseits höhere Affinität zu V als zu deren Sohn. Dies mag erklären, dass in der mhd. Literatur die VNennungen diejenigen Amors bei weitem übertreffen. In der klassischen höfischen Literatur ist es freilich zumeist die volkssprachliche Personifikation, die die allegorische Rede über die Liebe besetzt, so in den Romanen Hartmanns von Aue oder in den „Fragen an Frau Minne" in Wolframs von Eschenbach ,Parzival' (291,1 ff.), um ein konkretes, wirkungsmächtiges Textmuster zu nennen. Prägend ist der allegorische Apparat, den Al erstmals auf Basis einer breiten Narration und eines prominenten Sujets in die dt. Literatur eingeführt hat. Übernommen ist er aus dem afrz.,Roman d'Eneas', der ihn seinerseits aus einer fruchtbaren Verbindung vergilianischer und ovidianischer Topik entwickelt. Aus der antiken Mythologie und Liebesallegorie stammende Bildvorstellungen dominieren jedenfalls höfische Lyrik und Epik. Die Ubergänge von dem Begriff „Minne" zur Personifikation „Frau Minne" und zur mythologischen Gestalt „V" verlaufen dabei fließend. Die Gestaltung der Personifikation kann sich mitunter stark an die V-Mythographie anlehnen, Beispiele geben das Lied ,Ich han ir so wol gesprochen' (C17, L40,19) Walthers von der Vogelweide, in dem der Sänger vor Frau Minne Klage gegen seine hartherzige Geliebte führt (zum Gerichtsmotiv vgl. C16). Zu erin-
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nern ist außerdem an Walthers ,Si wunderwol gemachet wip' (C 30, L 53,25). Hinter dem Bild der badenden Dame, die den beobachtenden Sänger mit ihrem Pfeil verwundet, könnte letztlich die Aphrodite Anadyomene stehen. [24] Die Drohung des Sängers in C19, das Parisurteil zugunsten Iunos oder Pallas' zu revidieren, lässt Frau Minne schließlich direkt in den V-Mythos eintreten. Dennoch sind Begriff, Personifikation und mythologische Gestalt nicht austauschbar, sondern in ihrer Verwendungsweise jeweils bewusste poetische Setzungen mit spezifischem Charakter und spezifischer Konnotation. [25] 4B) Auffällig häufig finden sich epische VNennungen (abgesehen von Überbietungen und Bildallegorien) in Reden der literarischen Figuren (z.B. A l , A3, A8, A9, B5, BIO, B18, Β19). Die antike Göttin ist somit v.a. auf der Fiktionsebene der Name der ma. Liebespersonifikation. Dafür sprechen auch die anfangs geringen Belege für V-Apostrophen im Minnesang. C14, C15, C16 und C20 unterstreichen den höheren Rollencharakter des lyrischen Ichs in der späteren Liebespoesie. Ein eigener Topos entwickelt sich aus den erwähnten „Fragen an Frau Minne" Wolframs und aus dessen Dialog mit Frau Äventiure (,Parzival' 433, Iff.; beides ist an den allegorischen Dialogmustern Hartmanns von Aue geschult). Er ist in den V-Dialogen von A6, A8 und Β15 zu fassen. Sie weisen auf den höheren Stilisierungsgrad der späthöfischen Erzählerfigur, der analog zu dem entsprechenden Prozess in der Lyrik verläuft. Das Bewusstsein, dass die mhd. Minne letztlich von der ovidianischen V abstammt, ist punktuell in der Berufung auf die Benennung der Liebe mit „V" durch Ovid in C6 zu fassen. Den stärker literarisch-fiktionalen, vielleicht auch theatralischen Charakter der V scheint schließlich die Venusfahrt in B8 zu bestätigen. Auf einen Effekt der Verfremdung und der Ironie zielt auch die von B2 behauptete Begnadung Walthers von der Vogelweide durch die Herrin von Zytherone, wobei die
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Herkunftsbezeichnung dieser V - ob unbeabsichtigt oder nicht - auf passende Weise die V-Insel Kythera mit dem Musenberg Kithairon verschränkt. Das neue Toponym vereint inhaltliches und formales Prinzip der Minnelyrik, Eros und Poiesis. 4C) In direktem Zusammenhang mit den V-Nennungen stehen natürlich die entsprechenden rhetorischen Topoi der höfischen Liebesrede. Vorbildliches hat in dieser Hinsicht Al mit der Vorstellung von Liebeswunde, den allegorischen Attributen Pfeil und Fackel und mit dem Topos von den remedia amors sowie von den Liebesgöttern als medici amoris geleistet. Originäres Attribut der V ist das Feuer oder die Fackel der Liebe, so in Al, Bl, B13, B14, C12 und C18 (auf Cupido übertragen in D4). Den Pfeil, eigentlich Waffe ihres Sohnes Amor/Cupido, nennen als V-Attribut schon A l , dann Β19, B22 und C3 (möglicherweise unter dem Einfluss der frz. und lat. Liebespersonifikation). Das Motiv der von V geschlagenen Liebeswunde und der von ihr ausgelösten Liebesqualen bringen Bl4undB19.Die Fesseln der Liebe geben ein besonders prononciertes Bild in der Minnetrankszene des .Tristan' Gottfrieds von Straßburg ab (11707ff.; dort auch das Motiv von der Minne als Feldherrin, die ihre Siegesfahne in die Herzen der Liebenden stößt), verbunden mit V finden sie sich in Β12. Einen weiteren Topos der Minnelyrik, den Tausch der Herzen, lässt B l l V selbst vollziehen. Ihre Allmacht betont sie in A5, hervorgehoben wird sie außerdem in D4. Als Stifterin der Liebe und als die, die in Liebe vereint, gilt V wiederum zuerst in Al, dann auch in A8, B7, BIO, B l l , Bl4 und Β15. Bemerkenswert ist das Motiv von den Liebesbriefen, die sich die Liebenden in B15 auf V's Veranlassung schreiben. Es reflektiert das von Ovids,Heroides' vorgegebene Muster. Ein weiteres unkonventionelleres allegorisches Motiv ist die V-Beichte in A8. Im Zusammenhang mit der Vorstellung von V als causa amoris prima stehen auch die Topoi der Minne-Polemik: so die bekannte
Klage, dass V/Minne bei der Zuteilung ihrer Gnade nicht wählerisch sei und auch Unwürdige bediene, sozial verstanden in C18 (auch Bauernburschen erhört sie), auf einen Bruch der natürlichen Ordnung, insbesondere auf die menschlichen Lebensalter bezogen in D5 (dass Alte lieben, ist der ma. Liebestheorie ein Gräuel). Zentral ist die Vorstellung von der unausweichlichen und unheilvollen Unterwerfung von Herrschern, Gelehrten und anderen hochstehenden Gestalten unter die Macht der V, v.a. im Zusammenhang mit dem Topos von den Minnesklaven (vgl. unten 5C). Am schärfsten wiegt der Vorwurf, die Minne stürze gerade die ins Unheil, die ihr ohnehin folgen, so in Wolframs Fragen und in Walthers erwähnter Klage, durch Pallas und Iuno gegen V vorgebracht in A5. Bleibt schließlich Vals Göttin der „fleischlichen " Lust: Zum Ehebruch verführt sie in Β18, den Geschlechtsakt symbolisiert sie in Β19, unverhohlene sexuelle Erregung bewirkt sie in B20. Diese „indezente" V ist das Pendant der Schwankliteratur zur sublimierten V höfischer Lyrik und Epik. Hier bleibt die Reduktion des Namens der Göttin auf die simple erotische Metapher erhalten. In direktem Bezug auf die mlat. erotische Dichtung ist dies in C3, C4 und C5 zu beobachten. 4D) Den Übergang topischer Liebesrede zu Liebestheorie und allegorischer Ausgestaltung bilden Reflexionen wie in Β1, wo (mit Bezug auf A l ) die V- und Amor-AIIegoreme eine stark affektive Liebesauffassung beschreiben und im Sinne der V-Polemik zurückgewiesen und dem Konzept der Treue gegenübergestellt werden. Der Gedanke ist in C12 direkt aufgegriffen und auf die lyrische Situation übertragen. Umfassendere allegorische Konzeptionen liegen in D4 und D6 vor. D6 bringt das Motiv von der im Wagen einherziehenden Venus triumphans, das nachmals in der Liebesallegorie des Spätma. und der Renaissance (an der Schwelle stehen Petrarcas ,Trionfi') ein zentrales Sujet auch der bildnerischen Rezeption abgibt. Die eigentlichen allegorischen
Venus Spekulationen werden in D4 und D6 allerdings in der Tradition ma. Liebesallegorie (man denke besonders an den ,Roman de la Rose') an Amor entwickelt. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die A-Allegorie im Leich des wilden Alexander, die V nicht nennt. [26] Ein fruchtbarer allegorischer Topos ist ferner jener vom Minnegericht in C16 und D6. Er wird letztlich schon bei Walther von der Vogelweide aufgegriffen (vgl. auch .Phyllis und Flora', CB 92,64ff.). Rhetorisch interessant ist insbesondere C16: Hier werden die versammelten Naturmetaphern der Liebeslyrik (Mai, Sommer, Sonne, Wald, Heide und Klee) zu Mitgliedern der Jury unter Vorsitz der V. Pointe der Verhandlung ist die Rücknahme der Klage durch den Sänger, der wegen der angedrohten Strafen Mitleid mit der Minneherrin empfindet. [27] Eine wirklich eigenständige Allegorie entwickelt schließlich C13 auf der Basis des VMars-Mythologems (vgl. oben 2D). 5) Neben den genannten Motiven und Formen allegorischer Darstellung sind es drei Topoi, die die V-Rhetorik der mhd. Literatur prägen: der überbietende Vergleich, die Bildallegorie im Rahmen der Descriptio und der Topos von den Minnesklaven. Die ersten beiden Muster gehen auf die antike Liebesrhetorik zurück, im dritten ist eine genuin ma. Prägung zu erkennen. 5A) Beispiele für den Schönheitsvergleich finden sich schon in den Epen Homers, so im 14. Gesang der ,Ilias', in der so genannten „Diös Apäte" („Betörung des Zeus"): Die mit dem Gürtel der Aphrodite umkränzte Hera erscheint Zeus schöner als alle seine übrigen Geliebten, die er der Gattin gegenüber pikanterweise auch namentlich aufzählt (,Ilias' l4,313ff.). Penelope gleicht in der ,Odyssee' (17,37) Artemis und Aphrodite. Der motivierte Vergleich verbindet die Aspekte Keuschheit (bzw. eheliche Treue) und erotische Attraktivität. Mit einer versteckten V-Uberbietung will sich Paris Helena in Ovids ,Heroides' gefügig machen (I6,137f.). Für
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die mlat. Lyrik gibt CB 77.14,4 ein griffiges Beispiel („estne illa Helena vel est dea Venus?" - „Ist sie eine Helena oder Göttin Venus?"). Der auszeichnende Vergleich zählt somit zu jenen rhetorischen Prägungen, die die Kontinuität in der abendländischen Literatur - im Sinne von E. R. Curtius [28] - unmittelbar und konkret fassbar machen. Zunächst ist V natürlich fügliche Vergleichsfigur für weibliche Schönheit. Ihre Nennung evoziert freilich (wenigstens fallweise) in der höfischen Literatur tiefer gehende Konnotationen: Primär ist sicher der Aspekt erotischer Attraktivität, außerdem sind in den Stellen die entsprechenden Vorstellungen der ma. Liebeskonzeption einbezogen: Allmacht, Unbezwingbarkeit, Unausweichlichkeit und Leidensdruck der Liebe. Was die Relation zwischen Vergleichsfigur und Verglichener betrifft, so wird a priori Wesensverwandtschaft behauptet. Einen spezifischen Akzent setzt die Uberbietung: Sie macht die Ausgezeichnete zu einer neuen, besseren oder mächtigeren V. Die Konnotationen sind unterschiedlich stark und unterschiedlich pointiert zu fassen. [29] Durchaus topisch ist etwa die inflationäre VUberbietung durch 500 Jungfrauen in B6, sie bringt aber rhetorisch betrachtet eine interessante Hyperbel mit der paradoxen Formulierung, dass noch deren Hässlichste schöner als V gewesen sei. Auf eine Übernahme der Rolle der antiken Liebesgöttin durch die lyrische Minneherrin zielen die mit der euhemeristisch gedeuteten V verbundenen Uberbietungen in C2 und C7. Als eine moralisch bessere V erscheint die Geliebte Gaweins, Amurfina, in B5. Der erotische Kontext wird im Folgenden manifest, wenn die Liebenden unversehens zur Liebesvereinigung getrieben werden, obwohl sie noch nicht verheiratet sind. Das moralische Problem, das die eben noch tugendhaftere V in das Fahrwasser ihrer Vorgängerin geraten lässt, wird elegant überspielt, indem dem Liebhaber ein Trank verabreicht wird, der ihn glauben macht, er sei schon dreißig Jahre mit seiner jungen Ge-
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Venus
liebten verheiratet (B5; 8660ff.). [30] In B5 wird der Überbietungstopos im Übrigen um das Motiv vom revidierten Parisurteil erweitert. Versteckte Überbietungen können auch in den Adynata von C9 und CIO gefasst werden. Eine Weiterentwicklung, die die astrologische Deutung der Götter einbezieht, lässt sich im Vergleich der schönen Dame mit dem V-Stern in D6 erkennen. Für sich steht schließlich der erste V-Beleg des Minnesangs, C l . V ist hier nicht im Vergleich genannt, sondern bildet eine mythologische Metapher. Während in den Überbietungen ein typologisches Denkmuster (alte V - neue V) oder - nach dem Modell der translatio imperii gesprochen - eine translatio amoris vorliegt, zielt C l auf eine Identifizierung. Sie ruft mit dem Namen der Göttin auch die ambivalenten Aspekte auf und gelangt so zu einer „Mythisierung" der Minneherrin und ihres Vermögens, ihrer Verfügungsgewalt und Souveränität über das liebende Ich. 5B) Eine Sonderform allegorischer Rede ist die bildhafte Darstellung der Liebesgötter. Wichtiger als V ist in diesem Zusammenhang die Amor-Bildallegorie, die wiederum von A l in die dt. höfische Literatur eingebracht wird, sich auch in der Reduktion auf die entsprechende Liebesmetaphorik (Pfeil etc.) als enorm wirkungsmächtig erweist und in späteren Beispielen zu komplexen allegorischen Konzeptionen führt, die auf die gelehrte lat. Amor-Allegorie zurückgreifen. [31] Die topische Form der Bildallegorie ist in Β13 zu fassen. Der Beleg geht insofern über die konventionellen Muster hinaus, als er die Wirkung der dargestellten Liebesgötter, V wie Amor, direkt in Liebeshandlung umsetzt. Die Allegorie ist insofern dynamisch, als nicht die Minne, sondern ihre aufTydomies Mantelspangen materialisierten Idole Meieranz' Liebe entstehen lassen. Unkonventionelle Bildtopik setzen die V-Bilder in B l l um. Die Darstellungen greifen nicht auf gängige Attribute wie Pfeil und Fackel zurück, sondern visualisieren die Metaphorik
höfischer Liebesrede (Tausch des Herzens). In einer spezifischen Tradition steht die als Wappenfigur gedachte V in Β14. Sie greift ein Motiv auf, das im ,Willehalm' Wolframs von Eschenbach geprägt worden ist: Dort durchsticht der auf dem Lanzenbanner des heidnischen Ritters Noupatris dargestellte Gott Amor den Leib des christlichen Ritters Vivianz. Die metaphorischen Waffen des Gottes entfalten konkrete, letale Wirkung. In Β14 wird der Schlag in der umgekehrten Richtung geführt: Der christliche Ritter zerschlägt das Venusfigürchen des Heiden und rückt auf diese Weise die Verhältnisse — auch zwischen christlicher und heidnischer Liebeskonzeption - ins Lot, die im ,Willehalm' aus den Fugen geraten sind. Der intertextuelle Bezug ist deutlich. [32] Das Muster ist außerdem in den V-Schilden der Kämpfer im Heer des Darius zu fassen und Teil der zahlreichen Referenzen von A7 auf Wolfram. Einen anderen literarisch-ikonographischen Topos reflektieren die bildnerischen Trojazitate in B4: Er ist seit Chretiens de Troyes ,Erec' zu fassen, wird von der gleichnamigen Übertragung Hartmanns von Aue in die dt. Literatur eingeführt und entwickelt auch hier eine eigenständige Tradition. In diesem Fall hat B4 das Motiv aus der frz. Quelle. 5C) Im Zusammenhang mit ma. Liebespolemik steht der Topos von den so genannten Minnesklaven. Er kann als eine Weiterführung des Topos von den Frauensklaven verstanden werden. [33] Das zunächst misogyne Stereotyp entwickelt dabei fallweise neue Bedeutungsnuancen, die im Sinne der Vorstellung von der Allmacht der Liebe nicht mehr primär polemisch eingesetzt sind, sondern höfisches Minneleidpathos artikulieren. An allen dt. mit V verbundenen Belegen ist auffällig, dass zum überwiegenden Teil die einschlägig bekannten biblischen Figuren Adam, David, Salomon und Samson genannt werden (alle vier in A5 und C21, B3 nennt nur Salomon). Traditionelle Kritik formuliert dabei v.a. C21. Durchaus ironisch kann der von V selbst verwendete Topos in
Venus A5 verstanden werden. Zum einen ist es erstaunlich, dass die Göttin ihre Macht mit dem ambivalenten rhetorischen Muster untermauert. Zum anderen operiert die Stelle mit einem Fiktionsbruch: V, eben noch handelnde Gestalt, wechselt in die Rolle der Liebespersonifikation, die über die Grenzen der Sujets hinweg ihre Wirkung entfaltet. Ohne Beispielfiguren, dafür mit physikalischen und botanischen Gleichnissen operiert C22. Für die Differenz von Minnesklaven- und Frauensklaventopos spricht im Übrigen, dass V im Zusammenhang mit dem prominentesten antiken Frauensklaven der Literatur, Aristoteles, nicht genannt wird. [34] 6) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die mhd. Texte keine einheitliche V-Konzeption kennen. Die Einträge zeigen zum überwiegenden Teil eine genuin höfische V, eine V in ma.-höfischem Gewand. Wo die Göttin in ihrer antiken Gestalt auftritt, ist sie dämonisiert oder moralisch abgewertet. Der Befund bestätigt tendenziell Panofskys These von der Disjunktion. Bemerkenswert sind die divergenten Facetten der ma. V-Gestalt, die ein und derselbe Text zu reproduzieren vermag. Die aufschlussreichsten Beispiele geben Β11 und Β14 mit der überbotenen V, der Liebesallegorie und V als Göttin der Muslime. Insgesamt finden sich Nennungen in den lyrischen und epischen Anspielungen vermehrt in der späteren Literatur (ab der Mitte des 13. Jh.). Analoges gilt für die breitere Rezeption der mythologischen Motive, zumal im späteren Antikeroman. Zentral sind dabei das Parisurteil und der Mythos von V und Mars, zu denen die mhd. Literatur durchaus spezifische Varianten entwickelt (für das Parisurteil vgl. A5 und A6 sowie den Topos von dessen Revision; für V und Mars vgl. v.a. Al und C13). Mit den V-Nennungen verbinden sich traditionelle rhetorische Strategien wie v.a. auszeichnender und überbietender Vergleich; auch hier weiß die höfische Minnethematik spezifische Akzente zu setzen. Die mhd. V-Rezeption basiert auf den grundlegenden Verfahren ma. Mythendeutung. Be-
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sonderes Interesse verdient die euhemeristische Deutung. Sie ist in Hinblick auf die allegorisierten Liebesgötter eigentlich paradox und zeigt schlaglichtartig, welche Widersprüchlichkeit und Inkonsistenz volkssprachliche Mythenrezeption verträgt. Zugleich ermöglicht sie die Einbindung eines der zentralen hermeneutischen Muster des MA, der Typologie. Dies zeigt v.a. die Überbietung: Die Vergleichsrelation zwischen V und der verglichenen Minneherrin oder Romanfigur kann als typologische Relation gefasst werden (alte V - neue V), die auf eine translatio amoris abzielt. Die Vermittlung der V-Gestalt und der VMythologeme an die mhd. Literatur läuft zum einen über die prov.-frz. Literatur und in weiterer Folge über die kanonischen Texte der dt. literarischen Tradition selbst (v.a. Al). Allegorische Deutung und Rhetorik lassen zum anderen aber auch Bezüge zur mlat. Mythenrezeption erkennen. Die hervorragendsten und eigenständigsten Gestaltungen sind in A5, C1 und C13 zu fassen. A5 gibt in seiner Darstellung der Hochzeit von Peleus und Thetis, des Streits der Göttinnen und des Parisurteils eine der interessantesten Aneignungen und höfischen Adaptionen eines antiken Mythos wieder. C13, vom selben Autor, ist eine wenigstens in der dt. höfischen Literatur beispiellos kreative Arbeit am Mythos, die - um mit H. Blumenberg zu reden - die Bedeutsamkeit der zugrundeliegenden mythologischen Opposition V-Mars im Sinne eines „kleinen Verheißungsmythos" [35] entwickelt, der die Relevanz von Kultur und Kunst für eine kultivierte Gesellschaft effektvoll untermauert. Der frühe und einzige Beleg einer mythologischen Metapher in C1 nimmt mit dem Namen der Göttin eine poetische Setzung vor, die durchaus deren mythische Qualität reflektiert und sie in der Gestalt der Minneherrin inkarnieren lässt. Wenn von einem höfischen Minnemythos die Rede sein kann, so wird er hier exemplarisch greifbar. Der höfische Liebesdiskurs, eine der wesentlichen poetischen Errungenschaften und kul-
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turellen Leistungen des HochMA, erhält in jedem Fall entscheidende Impulse in Rhetorik, Exempla und Liebeskonzeption aus der Rezeption der antiken V-Mythologie. Ohne sie wäre er nicht denkbar. [1] Schnell, Causa amoris, bes. 393ff.; Kern, Edle Tropfen, 398AF. u. 479ff. [2] Zur Entwicklung der Liebesallegorie Jauß, Allegorese (Kritik gegen dessen Vereinfachungen äußert Schnell [Anm. 1], 373ff.); C. S. Lewis, The Allegory of Love, 1936 (Nachdr. 1979); zur Myelographie Chance, Medieval Myelography, Reg. [3] Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone Künsten, Inv. Nr. 709; Abb. in: Venus. Bilder einer Göttin, Tafel 18, 169. [4] K. Stieler, Die geharnschte Venus. Hg. Ε van Ingen, 1970, 5. Zehen, Nr.5, l l l f . [5] S. Freud, Das Unbehagen in der Kultur, in: Ders., Ges. Werke. Bd. XIV: Werke aus den Jahren 1925-1931, 1999, 419-506, hier 506. [6] Panofsky, Die Renaissancen, 88ff.; ders., Der blinde Amor, bes. 163; vgl. auch B. Hinz, Aphrodite. Geschichte einer abendländischen Passion, 1998, 124ff. [7] Vgl. die Beispiele bei Panofsky, Der blinde Amor; außerdem die Anbetung der nackten V durch ma. Romanhelden auf einem norditalienischen Desco des 15. Jh. (Paris, Musee du Louvre, RF2089), Abb. in: A. Hopkins: The Book of Courtly Love. The Passionate Code of the Troubadors, 1994, 23. [8] Vorderseite des so genannten Ludovisischen Thrones (um 460 v. Chr.), Rom, Museo Nazionale Romano; Abb. 60 bei Κ. Schefold, Die Griechen und ihre Nachbarn. Propyläen Kunstgeschichte. Bd. 1, 1967. [9] Hierzu Hinz [Anm. 6], passim; zu den Zeugnissen aus der ma. bildenden Kunst 124ff. [10] Beispiele in: Venus. Bilder einer Göttin, passim. Zur Rezeption in der französischen Salonkunst des 19. Jh. bes. E. Mai, Entzauberung und Mystifikation. Wechselbilder der Venus-Olympia von Cabanel bis Cezanne, ebd., 106-123. [11] -> Paris (I.C1). [ 12] Zum revidierten Parisurteil Kern, Edle Tropfen, 81 ff. (Morungen XVIII) und 109fF. (B5, C19). Die Verse in den .Heroides* lauten: „Si tu [Helena] venisses pariter certamen in illud,/ In dubium Veneris palma futura fuit!" Der erste Hinweis auf die Stelle findet sich bei E. Lemcke, Textkritische Unters, zu den Liedern Heinrichs von Morungen, 1897, 59fif. [13] -» Paris (I.D2). [14] Zu Quellenverarbeitung und Gestaltung ausfuhrlich Lienert, Geschichte und Erzählen, 41 ff. [15] Zur Quellenfrage für die Verbindung von Rüstungsszene und adulterium Veneris Kistler, Heinrich von Veldeke, 77ff.; zu den Gestaltungen bei Homer, Ovid und im Eneasroman A. Ebenbauer, In flagranti. Zur lit. Darstellung ent-deckter Ehebrüche, in: Blütezeit. FS L. Peter Johnson. Hg. M. Chinca [u.a.], 2000, 245-269; zur Bedeutung des Mythos for das Ehebruchsthema in der abendländischen
Literatur P. von Matt, Liebesverrat. Die Treulosen in der Literatur, 1989, 53ff. [16] S.v. Prostitution (W. Krenkel), in: DKP, Bd. 4, Sp. 11921194, hier Sp. 1192. [17] Dazu Seznec, Das Fortleben, 40ff. [18] Hinz [Anm. 6],66fF. [19] -» Apollo (IIA). [20] Vgl. Hinz [Anm. 6], 96fF.; für den möglichen Einfluss der Anekdoten um die Knidische Aphrodite auf den Pygmalionmythos vgl. die Deutung im .Protreptikos' des Clemens von Alexandria (17.31), Ρ habe Umgang mit einer Aphrodite-Statue gehabt; s.v. Pygmalion [3.] (H. von Geisau), in: DKP, Bd. 4, Sp. 1246. [21] Zu Quellen und Parallelen der Sagenversion in El Ohly, Sage und Legende, 203ff.; zu Magister Gregorius Kern, Edle Tropfen, 398f. und Hinz [Anm. 6], 83fi; zu Vergils Marmorbild in E6 Vergilius (I.E2,113). [22] Zur Tannhäusersage Siebert (Hg.), 207ff.; D.-R. Moser, Die Tannhäuser-Legende. Eine Studie über Intentionalität und Rezeption katechetischer Volkserzählungen zum BußSakrament, 1977. [23] -> Apollo (II. 1/4). [24] O. Sayce, ,Si wunderwol gemachet wip (L 53,25ff.)'. Α Variation on the Theme of Beauty, in: Walther von der Vogelweide. Twelve Studies. Ed. T. McFarland and S. Ranawake (OGS 13), 1982,104-114. [25] Kern, Edle Tropfen, 399ff. [26] -> Amor (I. C5). Die Nennung im Text von KLD VII,65 beruht auf einer Konjektur des Hg. Carl von Kraus, dazu Kern, Edle Tropfen, 459, Anm. 832. [27] Zur Verarbeitung zeitgenössischer Gerichtspraxis H.-J. Behr, Das späte Minnelied. Heinrich von Breslau: Ich klage dir meie, in: Gedichte und Interpretationen. Mittelalter. Hg. H. Tervooren, 1993, 71-86; ferner Kern, Edle Tropfen, 412ff. [28] Curtius, Europäische Lit., 17Iff. [29] Hierzu und zum Folgenden Kern, Edle Tropfen, bes. 115ff. [30] Zur Szene ebd., 109ff. [31] Amor (II.4). [32] Zur Argumentation Kern, Amors schneidende Lanze, 584ff. [33] Die Differenz betont zu Recht Schnell, Causa amoris, 475ff. in Auseinandersetzung mit F. Maurer, Der Topos von den „Minnesklaven". Zur Geschichte einer thematischen Gemeinschaft zwischen bildender Kunst und Dichtung im MA, DVjs 27 (1953), 182-206. [34] -> Aristoteles (II.3). [35] W. Monecke, Studien zur epischen Technik Konrads von Würzburg. Das Erzählprinzip der wildekeit, 1968, 180.
[mk]
Vergilius [Publius Vergilius Maro, 70-19 v. Chr., röm. Dichter]
G: Clinschor stammt aus dem Geschlecht des V ( B l )
Vergilius R: Herzog [!] von Mantua (B3), Dichter (Al, B2), Gelehrter, Meister (B4, C5, Dl, El, E3), Zauberer (Β 1, C2, E2), Erfinder der Zauberei (E3), Prophet (E4) Nf.: Filius [!] (C5), her Filius [!] (C6), Virgilius (Al, Bl, B2, B3, Β4, C l , C2, C3, CA, C6, C7, Dl, El, E2, E3, E4), Virgili (E3), Virgily (B4) I. Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman'\ Der „berühmte V" wird in mehrfachen Berufungen genannt (45; 165; 2706; 4581). Er ist schon lange tot, seine Bücher „Eneide" berichten von Aeneas und sind wahrheitsgetreu auf Französisch nachgedichtet worden, von dort hat sie Heinrich übernommen. Wenn V nicht lügt, lügt auch Heinrich nicht (13511). Bl Wolfram von Eschenbach, ,Parzival'656,17: Der Zauberer Clinschor ist ein Nachfahre des V von Neapel, der gleichfalls große Wunder gewirkt hat. B2 ,Prosa-Lancelot'1.6,32: Zur Zeit des trefflichen Dichters V lebte Diana, die Königin von Sizilien und eine begeisterte Jägerin war. B3 ,Reinfried von Braunschweig: V berichtet vom Feuertod der Dido (3216). Er war sehr weise und kunstfertig, wurde aber von der untreuen Athanata dem Spott preisgegeben: Sie ließ ihn [im Korb] hängen [als er zu ihr wollte] (15179; Beispiel eines Frauensklaven). 1200 Jahre nachdem der heidnische Zauberer Savilon an seinem Lebensende einen Zauberbrief in seinem Ohr verborgen hatte, der die Geburt Christi verhindern sollte, machte sich V, der tugendreiche Herrscher von Mantua, auf die Suche nach Savilon und seinen Zauberbüchern, fand ihn auf dem Magnetberg und nahm den Bannbrief aus dessen Ohr, worauf Christus geboren werden konnte (21568; 21675). Als V Savilons Zauberbücher an sich nahm, verschied dieser, V ließ die Geister ein Grab für Savilon errichten, brachte den Teufel dazu, ihm die Schlüssel zu den Zauberbüchern aus dem Meer zu holen, und sperrte ihn dann mit einer List wieder
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in das Glas, aus dem er ihn zuerst befreit hatte. Dann kehrten V und seine Männer wieder nach Hause zurück (21023; 21033; 21568-21692; RV: 24256; Reinfrieds Fahrt zum Magnetberg; Exkurs). V und Herzog Ernst waren vor Reinfried die einzigen, die lebend vom Magnetberg zurückgekehrt sind (21115). B4 Johann von Würzburg, , Wilhelm von Osterreich ': Der große Künstler und Meister V hat vor langer Zeit mittels Zauberei einen Mechanismus zur Erprobung der ritterlichen Tugenden konstruiert: Besitzt sie ein Mann in ausreichendem Maße, dann fährt ihn ein Stuhl in den Wipfel einer hohen Linde, wo sich ein Astrolabium befindet. Wilhelm besteht die Probe (4905-5039; RV: 5588). C l , Wartburgkrieg' (Simrock): V hat auf dem Magnetberg Zabulons Zauberbuch gefunden, von dem Klingsor behauptet, es befände sich in seinem Besitz (156,3). V hat aus dem Buch seine Zauberkunst erlernt (159,6). Zabulon hat damit Christi Geburt verhindern wollen und es auf dem Magnetberg von einem erzenen Bildnis bewachen lassen. Ein Fliegendämon in einem Glas hat V verraten, wie der Bewacher zu überwinden sei (160,12). Auf Aristoteles' Aufforderung hin hat sich V zur Fahrt zum Magnetberg aufgemacht, ein ganzes Heer hat ihn begleitet (163,15; 165,5; Sprüche Klingsors). C2 Boppe, HMS 11,138, 1.22,8: Besäße der Sänger die Zauberkünste eines V oder Aristoteles und die Tugend Senecas, würde er bei seiner Geliebten reüssieren (Adynaton). C3 Frauenlob, 141,8 (Ettm.): V ist einer der vielen, die von einer Frau betrogen worden sind und als Betörte in den Stammbaum der Minne eingeschrieben sind (Katalog von Frauensklaven) . C4 Der junge Meißner, Α III. 1,10: V hat sich durch seine hohe Kunst ausgezeichnet. C5 Der junge Meißner, Β1.66,13: Nicht einmal Gelehrte wie V oder Aristoteles konnten Gottes Naturordnung endgültig ergründen (Exempelfigur; Topos vom unzureichenden menschlichen Wissen).
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C6 Regenbogen, HMS 111,12, 486k. 1,16, zu Ton V: Auch V wurde ein Opfer der Frauen (Katalog von Frauensklaven). [1] [1] Neben V werden genannt: Adam, Samson, David, Absalom, Holofernes, Alexander und Aristoteles.
C7 Rumelant, HMS 111,20, 11.12,4: Besäße der Sänger die Kunstfertigkeit eines V, Boethius, Cato, Seneca, Donatus und Beda, wäre er in den Künsten so bewandert wie Plato oder wäre er ein Aristoteles, Hippocrates, Galenus oder Socrates, so könnte er dennoch den hochgelobten Fürsten nicht angemessen preisen (Fürstenpreis; Katalog von Meistern; Unsagbarkeitstopos). [1] [1] Gemeint ist vermutlich Ludwig der Bayer (reg. 13141347).
D l Hugo von Trimberg, ,Der Renner'·. V wird in mehreren Katalogen genannt: Er ist einer jener röm. Adeligen gewesen, die den Wert der Kunst für Tugend und Ansehen erkannt und sie beispielhaft: gepflegt haben (1264). [1] Er hat sich wie andere Meister mit den verschiedensten Gebieten („materjen") auseinander gesetzt, weil man sich nicht zu lange mit einer Sache abgeben soll (9350). [2] Er hat tugendhaft gelebt und ist dennoch von Neid und Missgunst verfolgt worden (14673). [3] In einem seiner Bücher schreibt V, dass es recht sei, wenn eine Ulme am Wasser, eine Fichte im Garten, eine Tanne am Berg stehe und der Wald grün sei. Alles solle seine Ordnung haben (17375; Meisterberufung). [4] [1] Genannt sind außerdem: Numa, Maecenas, Macrobius, Caesar, Octavian, Scipio, Cicero, Lucan, Iuvenal, Persius, Boethius, Ovid, Statius, Sallustius, Horaz, Terenz, Seneca. [2] Genannt sind außerdem: Solinus, Ovid, Aesop, Avian, Iuvenal, Plinius, Horaz, Persius, Augustinus, Hieronymus, Gregorius und Ambrosius. [3] Ferner werden u.a. genannt: Horaz, Ovid, Statius, Cicero, Lucan, Boethius, Alan, Dares und Aristoteles. [4] D l erwähnt außerdem in einer Liste von Büchern, die voller Lügen sind, den „Eneas" (21641). Der Titel könnte sich auf V's .Aeneis' oder auf den mhd. .Eneasroman' (Al) beziehen. An weiteren Lügenbüchern werden genannt: .Parzival', ,Tristan', .Wigalois' und ,Iwein'.
El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 26767'. V spricht Codrus für seine Taten hohes Lob aus. [1] [ 1 ] Die Nennung bezieht sich auf das .Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 525), eine der Nebenquellen von E l . Dort wird in Anschluss an den Bericht von
Codrus, der seinen Tod provoziert hat, um das Vaterland zu retten, Vergils Wort von den „iurgia Codri" (den „Schmähungen des Codrus", Ecloga V,11) zitiert.
E2 Jans Enikel, , Weltchronik'·. V lebt in Rom und ist ein richtiger Heide. Er gräbt in einem Weingarten ein Glasgefäß voller Teufel aus, die ihn für ihre Befreiung die Zauberei lehren. V will daraufhin seine Kunst ausprobieren und verfertigt eine steinerne Frauenstatue, an der die Männer ihre Lust stillen (23695-23765). Dann wirbt er um eine Dame, die ihn zurückweist und ihn auf sein fortgesetztes Drängen hin bloßstellen will. Sie verspricht, ihn des Nachts bei sich einzulassen, zieht ihn an einem Korb hoch, lässt ihn dann aber hängen. V wird das Gespött der Leute. Aus Rache lässt er alle Feuer in Rom erlöschen, es bricht eine Hungersnot aus. Um den Zauber zu brechen, muss sich die Frau nackt auf einen Stein stellen und ihren entblößten Hintern hervorrecken. An ihm können die Feuer neu entzündet werden (23809-24099). Später geht V aus Rom fort und gründet die Stadt Neapel, deren Gedeih und Verderb an drei Eiern hängt, die nicht zerbrechen dürfen. Er errichtet eine Statue, die seiner Aussage zufolge auf einen Schatz deuten soll, wobei ein Finger auf einen Berg, einer auf den Bauch des Bildnisses weist. Die Leute graben vergeblich im Berg, bis ein Betrunkener kommt und die Statue zerschlägt. Er sammelt das ausgetretene Gold auf und wird reich (24139-24157). Während der Herrschaft des schrecklichen Caligula wütet in Rom ein Feuer, das der Prophezeiung des V zufolge nur gelöscht werden kann, wenn sich jemand freiwillig opfert (22766). [1] [ 1 ] Die Passage vom Feuer in Rom verarbeitet die Sage um den röm. Ritter Marcus Curtius. Sie wird auch in der ,Kaiserchronik' referiert, dort gibt Iuppiter Anweisung, wie das Feuer zu löschen sei. Die Schwanktaten V's stammen laut Strauch (Hg.), 462, Anm. 1 aus mündlicher Uberlieferung.
E3 Brun von Schönebeck, ,Das Hohelied': V hat die Zauberei („nigromanti") erfunden, doch nichts ist von ihm geblieben. Paulus beklagt, dass er ihn nicht zu Lebzeiten getroffen und bekehren können habe. Er wäre ein hervorra-
Vergilius gender Christ geworden (10310; 10314). E4 ,Die Erlösung'·. V hat die Weissagungen der Sibylla über das Erlösungswerk Christi wiedergegeben. Er berichtet davon, dass das Reich des Saturnus erneut wiederkehren und ein zweiter Achilles nach Troja gesandt werde (1901; 6093). 11. 1) V im ΜΑ; 1A) Phasen der Rezeptionsgeschichte; 1B) Grundzüge der ma. V-Gestalt; 2) V in der dt. Lit. des MA; 3) Mhd. Nennungen; 4) V als Zauberer, „christlicher" V; 5) Zusammenfassung
1) V ist die bekannteste und wirkungsmächtigste antike Dichtergestalt im M A . Sein Einfluss auf die ma. Bildungs- und Dichtungsgeschichte sowie auf grundlegende geschichtsphilosophische Auffassungen kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. V ist schon in der frühen röm. Kaiserzeit der Schulautor schlechthin, im M A hat er nach den christlichen Auetores wie beispielsweise Prudentius und Juvencus, die im stilistischen Sinne seine Schüler sind, die höchste Geltung, ist oberste Autorität in Grammatik und Rhetorik und prägt somit grundsätzlich das Fundament der ma. Geistesgeschichte, die Latinität. Seine ^Acneis' hat neben Ovids ,Metamorphosen' die ma. Mythenrezeption und Mythographie entscheidend beeinflusst, ohne das Epos gäbe es auch nicht die zentrale universalhistorische und politische Idee der
translatio imperii, militiae artiumque. V's Bedeutung und Hochschätzung dokumentiert u.a. die Uberlieferung, allein vom 9. bis zum 12. Jh. sind 300 Hss. zu zählen. [1] 1A) Schon zu Lebzeiten ist V als Autor kanonisiert worden. Seine antike Rezeption ist denkbar umfassend und läuft auch nach der Etablierung des Christentums — von einer anfänglichen Skepsis in der Apologetik abgesehen - ohne nennenswerte Brüche weiter. Im M A hat sie zwar ihre Höhen und Tiefen. Unter der Perspektive einer europäischen Literaturgeschichte betrachtet, verlaufen die Kurven allerdings nur flach und immer auf hohem Niveau: Mag die Rezeption im spät-
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ma. Frankreich und Deutschland etwas abflauen, sie erreicht dafür seit Dante in Italien eine neue Höhe, die den italienischen Humanismus wesentlich mitbegründet. Die wirklich kritische Phase liegt im 6. bis 8. Jh., sie bedeutet im Übrigen zugleich ein Krise der Bildungsgeschichte insgesamt. Einen ersten umfassenden Höhepunkt in Bildung, Literatur und Gelehrsamkeit (Geschichtsphilosophie, Mythendeutung) erreicht die V-Rezeption in karolingischer Zeit, nach der Begriffsprägung Ludwig Traubes auch „aetas Vergiliana". Dass ab dem 11. Jh. Ovid an die Seite V's tritt, bedeutet weniger eine Beschränkung des Einflusses des Dichters aus Mantua denn eine Erweiterung der „humanistischen" Tendenzen im MA. Das HochM A ist insofern eine „aetas Ovidiana", als die Ovidrezeption eine entscheidende Profilierung weltlicher Literatur, insbesondere des Liebesdiskurses, mit sich bringt. Die so genannte Höhenkammliteratur bleibt dabei freilich immer Vergil in wenigstens demselben Maße verpflichtet, wie beispielsweise die Alexandreis' Walters von Chätillon dokumentiert. Einen wesentlichen neuen Akzent für die hochma. Wirkungsgeschichte setzt zudem die V-Rezeption durch die volkssprachlichen Literaturen, v.a. im Eneasroman. Im Italien des ausgehenden 13. Jh. sollte mit Dantes ,Comedia' ein Gipfel literarischer V-Rezeption erreicht werden, der letztendlich kontinuierlich in die neuzeitliche Wirkungsgeschichte überführt. V wird die europäische Literaturgeschichte bis ins 18. Jh. maßgeblich prägen, erst dann tritt als antike Autorität Homer an seine Seite und macht ihm den Rang mitunter streitig. Insgesamt ist V dem lat. M A das, was Homer den Byzantinern bedeutet. An seiner Wirkungsgeschichte ist außerdem präzise die Leistung ma. Antikerezeption zu beschreiben. Sie erschöpft sich gerade nicht in der Tradierung, in der Rettung des antiken Erbes durch die vermeintlich dunklen Jahrhunderte, sondern in einer äußerst lebendigen Aneignung, ohne die Renaissance und neuzeitliche Auseinandersetzung mit der
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Vergilius
Antike — auch wenn diese unter geänderten Bedingungen und Zugangsweisen laufen nicht denkbar wären. 1B) Ihrer umfassenden Bedeutung und Nachwirkung entsprechend ist die ma. V-Gestalt äußerst facettenreich. V ist Dichter, Weiser und Gelehrter, auch Prophet und schließlich in der so genannten V-Sage Zauberer. Als Dichter ist er die Autorität der ma. Poetik. Seine drei Hauptwerke, ,Bucolica', ,Georgica' und Aeneis', repräsentieren einen umfassenden Gattungs- und Stilkanon. Sie werden in ihrer Abfolge schon in der V-Vita von Aelius Donatus (Mitte 4. Jh.) auf die drei Formen und Stufen menschlicher Kulturentwicklung - Hirtenstand, Bauernstand, Kriegerstand hin gedeutet. Fulgentius' .Expositio Virgilianae continentiae secundum philosophos moralis' (5. Jh.), eine moralische V-Exegese, fasst in den zwölf Büchern der .Aeneis' die Phasen des menschlichen Lebens. [2] Beide Allegoresen illustrieren das große Wissen, das man V zuschreibt. Sie sind zugleich Ausdruck der „interpretatio Christiana", der V nicht zuletzt seiner vierten Ekloge wegen folgerichtig unterzogen wird. Die dortige Prophetie der Sibylla über die Wiederkehr der „Saturnia Regia", des Goldenen Zeitalters, und der „Virgo" (gemeint ist Dike/Astraea) sowie über die Entsendung eines Knaben aus dem hohen Himmel („nova progenies caelo demittitur alto"; 7) kennt schon in der Antike eine umfassende Deutungstradition. Sie wird von Laktanz (,Divinae Institutiones' 7,24; um 300) eschatologisch und später auch christologisch gedeutet. Laktanz fasst V denn auch als Monotheisten. [3] Er gilt in der Folge nicht nur als Mittler der Worte der Sibylla, sondern selbst als Prophet, wobei diese Ansicht „verbreitete Geltung nur unterhalb des Anspruchsniveaus hoher Theologie" [4] erlangt. Ein weiterer Schritt ist schließlich die Deutung V s als Zauberer, die zur Ausbildung einer eigenen ma. V-Sage führte. Sie ist ab der zweiten Hälfte des 12. Jh. zu belegen. Die mhd. Einträge spiegeln alle vier Aspekte der Gestalt wider, V als Dichter nennen A l ,
B2, B3 und E l , als Weisen und Gelehrten fassen ihn C 4 , C 5 , C 7 und D l , der V der „interpretatio Christiana" erscheint in E3 und E4, jener der Sage in B l , B3, B4, C 2 , C 3 , C 6 und E2. 2) V wird bereits im ersten Buch der dt. Literaturgeschichte, im ,Liber Evangeliorum' Otfrids von Weißenburg (um 865), genannt. In seinem Widmungsbrief an Bischof Liutbert von Mainz will Otfrid V's und Ovids Einfluss zugunsten der christlichen Epiker zurückgedrängt wissen. Die Gegenüberstellung ist seit Isidor topisch. [5] Sein eigenes Unternehmen sieht Otfrid als Fortführung der christlichen lat. Epik in der Volkssprache. Mittelbar steht er damit selbst in der Nachfolge V's, da das poetologische Programm der Bibelepik wesentlich in der aemulatio V's zu fassen ist. In seinem Einleitungskapitel (1.1) positioniert Otfried die neu zu schaffende fränkische Epik explizit in einer Traditionslinie mit der Dichtung der Griechen und Römer, womit sicher auch an V gedacht ist. Das Lob des Frankenlandes schließlich reflektiert die „laus Italiae" in den ,Georgica'. Das nächste Zeugnis ahd. V-Rezeption gibt Notker III. von St. Gallen, der in einem Brief berichtet, er habe die ,Bucolica' übersetzt. Die Ubersetzung ist nicht erhalten. Den Beginn der höfischen V-Rezeption markiert Heinrichs von Veldeke ,Eneasroman' (Al). Eigentliche Vorlage ist der afrz. .Roman d'Eneas'. Diese mittelbare Bezugnahme ist im Übrigen für die mhd. Antikerezeption generell kennzeichnend. Der ma. Eneasroman stellt nun freilich nicht nur eine höfisierte und mediävalisierte, sondern auch eine ovidianisierte ,Aeneis' dar. Einer der Hauptakzente liegt auf dem Liebesgeschehen zwischen Dido und Eneas sowie zwischen Lavinia und Eneas, und hier greifen ovidianische Liebestheorie und -rhetorik. Hohe Nachwirkung zeigt V freilich in der politischen Programmatik und beim Motiv der Unterweltfahrt. Die Imaginationen der „Hölle" in der Literatur sind bis Dante maßgeblich an V geschult. Dabei erweisen sich Topographie und Personal der
Vergilius antiken Unterwelt, wenngleich in christlicher Färbung, als erstaunlich konstant. [6] Die breite Aeneas-Rezeption in der mhd. höfischen und chronistischen Literatur gründet sich nicht bloß auf die Nachwirkung Heinrichs von Veldeke, sondern auch auf die Autorität V's (so beziehen sich die frühen translatorischen Kapitel im ^Annolied' vermutlich direkt auf die ,Aeneis'). Sie hat auch - wenngleich nicht in dem Maße wie Ovid - Einfluss auf den höfischen Liebesdiskurs, sei es in Form von Gestalten wie Dido, sei es in Form eines Topos wie „omnia vincit Amor" (,Ecloga' 10,69), in der mhd. Literatur zitiert in B3 (17119). [7] Die gute Kenntnis des Aeneasstoffes, u.a. in den Anspielungen, ist aber ebenfalls meist Ergebnis mittelbarer Rezeption. Einen wesentlichen Neuansatz in der dt. Wirkungsgeschichte bringen die ersten Ubersetzungen im beginnenden 16. Jahrhundert, so jene der ,Bucolica' durch Johannes Adelphus Muling (1508) und jene der ,Aeneis' durch Thomas Murner (1515). 3) Von den namentlichen Nennungen V's ist jene in A l die früheste. Das Gros der Belege stammt aus dem späteren 13. und dem beginnenden 14. Jh. (B3, Β4, C2-C7, E2-E4). Die Erwähnungen in A l repräsentieren die klassische Form der Quellenberufung. Im Sinne des ma. Verständnisses der Gattungstradition, das immer auf die erste Autorität bezogen bleibt, versteht Heinrich von Veldeke seinen Roman nicht bloß als Übersetzung der frz. Bearbeitung, sondern als dt. Aeneis'. Ähnlich ist es im Falle von Dares bei Herbort von Fritzlar. Dass auch in B3 auf V und nicht auf A l , den Text, der dem Publikum näher gelegen ist, verwiesen wird, mag mit dieser Auffassung zusammenhängen. Auf V den Dichter weist auch B2 hin, dabei wird die euhemerisierte Diana als seine Zeitgenossin aufgefasst. Als mustergültiger „litteratus", Gelehrter und Förderer der Kunst wird V in C4, C5 und D1 genannt (C5 scheint ihn dabei als Naturfor-
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scher zu fassen und macht damit einen Schritt hin zum V der Sage). Dass selbst oder gerade auch die Gelehrten der Macht der Minne oder der Frauen erliegen, ist der succus des so genannten Minne- oder Frauensklaventopos. Er ist im MA ein äußerst beliebtes Stereotyp, prominentester antiker Frauensklave in der Literatur ist der von Phyllis gerittene Aristoteles. V nennen in diesem Zusammenhang B3, C3 und C6. Alle drei Belege beziehen sich wohl auf die bekannte ma. Anekdote von „Vergil im Korb", die in der mhd. Literatur das erste Mal von E2 berichtet wird (eine Anspielung findet sich in B3) und zu der aus späterer Zeit einige weitere dt. Zeugnisse vorliegen. [8] Das Motiv vom „schwebenden" Liebhaber findet sich auch im ,Frauendienst' Ulrichs von Liechtenstein (Ulrich soll von seiner Geliebten endlich eingelassen werden, wird in einem Leinentuch hochgezogen und rasselt hinunter, als seine Minneherrin das Seil auslässt, um ihn zur Begrüßung zu küssen; 1191ff. [345,29ff.])· Einen ikonographischen Beleg bietet das Autorenbild zu Kristan von Hamle im Codex Manesse (71v). Die Nachgeschichte des Korbabenteuers mit der Nackten am Steine scheint eine Erfindung von E2 und ist einer jener derb-erotischen Schwänke, die diese Chronik liebt. [9] An weiteren Anekdoten berichtet E2 die Verfertigung einer lebendig wirkenden Frauenstatue, die das Pygmalionmotiv und jenes von der marmornen Venus verbindet, außerdem die Aufstellung einer „goldspeienden" Statue und die Befreiung der Teufel aus dem Glas (das Motiv ist auch in B3 aufgegriffen), die V's Zauberkenntnisse begründet. 4) Alle diese Anekdoten stehen im Zusammenhang mit der Sage vom Zauberer Vergil. Sie ist Fokus der „trivialen" V-Rezeption und überaus produktiv. Greifbar wird sie das erste Mal im ,Policraticus' des Johannes von Salisbury (um 1159). [10] Das früheste mhd. Zeugnis bietet Β1 mit der genealogischen Rückführung Clinschors auf den Zauberer V von Neapel (Neapel ist V's Sterbeort).
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Vergilius
Eine genuin dt. Erfindung ist V's Fahrt zum Magnetberg. Sie verbindet eine Episode des ,Herzog Ernst' mit der Sage vom Zauberer Zabulon oder Sabilon und eben dem Zauberer V. Die genauen Hintergründe der Entstehung sind schwer zu fassen. [11] Andeutungsweise geschildert ist sie erstmals in C1. Die dortige Verbindung von V und Klingsor weist auf Β1. Eine ausführliche Darstellung bietet der etwa zeitgleiche Exkurs in B3. V ist hier Herzog von Mantua, seine Zauberkünste stehen im Dienste des Christentums, er löst den Bannzauber Savilons, der Christi Geburt verhindern soll, und rettet damit die Heilsgeschichte - eine durchaus erstaunliche Konstruktion [12], die im Zauberer V die Wertschätzung reflektiert, die der Dichter und Weise erfahren hat. Eine weitere Version der Magnetbergfahrt V's bietet ein späteres Meisterlied (15. Jh.) im Langen Ton Heinrichs von Mügeln. [13] Mehr Zaubertechniker ist der V von B4. Die hier gebotene Konstruktion hat keine Parallele, entspricht aber den Auffassungen antiker Wunderapparaturen und verarbeitet das in der mhd. Epik beliebte Motiv der Tugendprobe. Negativ aufgefasst ist die Gestalt hingegen in E3. Eine kurze Anspielung liegt in C2 vor, die Figur des Adynatons im Rahmen der Liebeslyrik geht auf den Tannhäuser zurück. [14] Den christlich vereinnahmten V bieten schließlich E3 und E4. Dass Paulus als VVerehrer erscheint, der den Meister am liebsten bekehrt hätte, lässt sich vor E3 nur in der afrz.,Image du monde' belegen. [15] Die christliche Deutung der vierten Ekloge verarbeitet schließlich E4. 5) Die mhd. V-Belege geben das facettenreiche V-Bild des HochMA wieder. Inwiefern dabei der Dichter, Weise und „christliche" V vom Zauberer V zu trennen sind, ist fraglich. Klar ist, dass die Rezeption Schichtungen aufweist, die auch entsprechend zeitlich zu scheiden sind. Zunächst ist der Dichter von Interesse, die spätere Sangspruch- und Paarreimdidaxe
(C4, C5, D l ) konzentriert sich auf den Auetor oder den Meister V, gleichzeitig begegnet man den „trivialeren" V-Gestaltungen im Topos des Frauensklaven und in der Zauberergestalt. In letzterem Fall müssen wiederum ambitioniertere (B4) u n d anekdotischere Gestaltungen (E2) unterschieden werden. O b dabei beispielsweise in B4 der Dichter, der Frauensklave und der Herzog V als eine oder mehrere Gestalten aufgefasst sind, ist kaum zu entscheiden. Am ehesten handelt es sich um je kontextuell bedingte und geschiedene Ausprägungen, die unterstreichen, dass die ma. Rezeption antiker Gestalten aus Mythologie wie Historie von keinen konzisen, klar konturierten Charakteren, sondern von fragmentierten Figuren ausgeht, die mitunter divergierende textuelle Interessen bedienen. Dafür mag die mhd. V-Rezeption repräsentativ sein. Sie steht in jedem Fall in klarem Zusammenhang mit jener in der lat. und afrz. Literatur. Von der Zahl der Nennungen her wird sie der Bedeutung des röm. Dichters allerdings nicht gerecht. V's Ansehen im MA erreicht seinen Gipfel in Dantes ,Comedia', die aus der fragmentierten Gestalt, aus dem Weisen, dem Propheten und - am Rande - auch dem Zauberer eine neue, für sich wiederum äußerst wirkungsmächtige, konzise Figur schafft. [16] Uberzeugend ist Dantes V aber v.a. deshalb, weil er wieder ist, was er ursprünglich war: der Dichter, dem die ungeteilte Bewunderung des Wanderers gilt, den er führt. [1] S.v. Vergil (F. J. Worstbrock), in: VL, Bd. 10, Sp. 247284 (mit ausführlichen Literaturangaben); s.v. Vergil im MA (P. Klopsch u.a.), in LMA, Bd. 8, Sp. 1522-1530. Die folgenden Ausführungen sind v.a. Worstbrock verpflichtet. [2] Worstbrock [Anm. 1], Sp. 252f. [3] Ebd., Sp. 254f. [4] Ebd., Sp. 260. [5] So u.a. auch im Kanon der Schulautoren; ebd., 257. [6] -* Aeneas, Cerberus, Charon, Rhadamanthys. [7] Die Inschrift ziert den Helm des heidnischen Königs von Persien und symbolisiert seinen Liebesglauben. Der christliche Titelheld, Reinfried, zerschlägt sie und überwindet auf diesem allegorischen Wege auch ein als heidnisch verstandenes Liebeskonzept. [8] S.v. ,Virgil im Korb' (F. Worstbrock), in: VL. Bd. 10, Sp. 379f.
Vertumnus — Vespasianus [9] Vgl. die Marcus-Curtius-Episode (-» Curtius, I.E2); außerdem die schwankhafte Darstellung von Achilles' Liebesbeziehung zu Deidamia (-» Deidamia, I.EI). [ 10] Worstbrock [Anm. l],Sp. 274f.; zum Zauberer Vauch L. Petzoldt, Virgilius Magus. Der Zauberer Vergil in der lit. Tradition des MA, in: Hören, Sagen, Lesen, Lernen. Bausteine zu einer Geschichte der kommunikativen Kultur. FS R. Schenda, Hg. U. Brunold-Bigler und H. Bausinger, 1995, 549-568. [11] Zu Zabulon vgl. auch den Wahrsager Samlon aus Bagdad, den Deuter des Traumes der Hecuba im »Göttweiger Trojanerkrieg'. Zur Zabulon/Sabilon-Erzählung in der Chronistik Lienen, Geschichte und Erzählen, 394ff. [12] Hierzu Ebenbauer, Spekulieren über Geschichte. [13] S.v., Virgils Fahrt zum Magnetberg' (F. Schanze), in: VL, Bd. 10, Sp. 377-379. [14] Der Tannhäuser, Lied VIII-X, -» Paris (I.C3). [15] Worstbrock [Anm. 1], Sp. 260. [16] Grundlegend dazu Curtius, Europäische Literatur, 353ff.; E. Auerbach, Dante und Vergil, in: Ders., Philologie der Weltliteratur. Sechs Versuche über Stil und Weltwahrnehmune, 1992, 7-18. [mk]
Vertumnus [Altitalischer Gott des Gedeihens, wirbt um die Gartengöttin Pomona; MM 14,642]
Al Albrecht von Halberstadt,,.Metamorphosen': Der schöne V verliebt sich in die keusche Pomona und versucht erfolglos, sich ihr in den verschiedensten Gestalten [1] zu nähern. Zuletzt erscheint er als altes Weib, küsst sie, bewundert ihren Garten, [2] ermahnt sie, von ihrer Sprödigkeit abzulassen [3] und V zum Mann zu nehmen; erzählt ihr vom abgewiesenen Iphis und offenbart sich endlich. Ρ lässt sich erweichen (14,706; 14,783; 14,952). [1] V nähert sich Pomona in Al (14,724) u.a. als Ritter (nach „miles" bei Ovid, MM 14,651). [2] Der bei Ovid genannte Weinstock in Pomonas Garten (MM 14,661) wird i n A l zum „weinstock von Frenckischer art" (14,742). Er wächst bei Ovid um eine Ulme und wird so von der verkappten Alten als Exemplum für die Vorzüge einer Vermählung genannt. In Al gibt er hingegen ein Beispiel für die Vergänglichkeit der Schönheit (weshalb Pomona nicht zu lange zuwarten solle). [3] Bei Ovid werden Helena, Hippodame und Penelope genannt, denen Pomona an Ruhm gleichkommen könnte, wenn sie nicht so spröde wäre. Al nennt bloß Helena und Hippodame. [mk]
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Vespasianus [Titus Flavius V, röm. Kaiser 69-79 n. Chr., Vater des Titus, der in seinem Auftrag den jüdischen Aufstand niederwirft und 70 n. Chr. Jerusalem zerstört]
G: Vater des Titus (El, E2, E4), des Tiberius (E2) R: Kaiser (B2, E4), König (E2, E3, E4), Statthalter des Tiberius in Galicien (E3, E4) Nf.: Vespasjanus (El, E2), Vespasion (B2), Vespesianus (B4) I.
B1 ,Prosa-Lancelot' 111.50,4·. V vertrieb das Volk, das den König der Könige nicht anerkennen wollte, sondern mit dem Teufel gemeinsame Sache machte und mit ihm in die Verdammnis ging (Exkurs zur Suche nach dem Heiligen Gral). B2 Albrecht, Jüngerer Titurel'·. V belagerte und eroberte Jerusalem. Von den 90000 Juden, die sich ihm entgegen stellten, fiel ein Drittel, ein weiteres verhungerte, das letzte wurde in alle Weltteile verstreut (109,3; 112,3; Eroberung Jerusalems; Diaspora). B 3 , R e i n f r i e d von Braunschweig 18140: V und Titus haben das Martyrium Jesu an den Juden gerächt und Jerusalem erobert (Reinfrieds Reise ins Heilige Land; Exkurs). [1] [ 1 ] Der Autor beruft sich auf eine nicht näher bezeichnete „cronica" (18143).
B4 Wisse/Colin, ,Parzifal' 612,45: Der von V aus der Gefangenschaft befreite Joseph brachte den Gral auf die Gralsburg. V zog nach Judäa, um den Tod Jesu an den Juden zu rächen (Geschichte des Grals). [1] [1] Mit „Joseph" ist Joseph von Arimathia gemeint. In den ,Vindicta Salvatoris' erzählt er Vespasian von seiner Gefangenschaft und Befreiung durch Jesus. In Roberts de Boron Joseph' (verfasst zwischen 1180 und 1199) hört er von der Existenz des Grals und bringt ihn nach England, s.v. Joseph [2.], in: Chandler, Catalogue, 143.
El ,Kaiserchronik': V und sein Sohn Titus werden von Tiberius mit der Zerstörung Jerusalems beauftragt, um so für die Hinrichtung Christi Rache zu nehmen. Dabei schonen sie Iosephus [Iosephus Flavius], der den Römern mit seinen wahrsagerischen Fähigkeiten die-
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Vespasianus
nen will (853; 1045; Eroberung Jerusalems). Als V erfährt, dass seine Männer in Rom Vitellius bei lebendigem Leib begraben haben, weigert er sich zurückzukehren und wird geächtet. Schließlich fügt er sich und wird freudig in Rom empfangen. Er herrscht für acht Jahre (5096-5360). E2 Jans Enikel,, Weltchronik': Der tapfere und weise V zerstört Jerusalem und bringt Veronika im Jahr 42 n. Chr. nach Rom (22252; Zerstörung Jerusalems; Veronika-Legende). Er übernimmt nach O t h o die Herrschaft und leidet wie sein Sohn Tiberius [!] an einer Kopfkrankheit (seine Nase ist voller Wespen), verkauft 30 Juden fur einen Pfennig (der Autor weiß nicht, ob das wahr ist), herrscht für acht Jahre und zehn Monate und stirbt 82 n. Chr (24334-24731). E3 Gundacker von Judenburg, , Christi Hort'·. Nero erhält im Traum von Jesus den Auftrag, V an den Juden Rache für den Tod Jesu nehmen zu lassen (3916-3942; Zerstörung Jerusalems). Der hoch angesehene Herrscher von Galicien, V, leidet an Würmern in seiner Nase. Ein Bote des Pilatus berichtet ihm von den Wundertaten Christi, worauf sich V zum christlichen Glauben bekehrt und geheilt wird. Er schwört den Juden Rache (4217). V und Titus, beide durch göttliches Einwirken geheilt und zum Christentum bekehrt, wollen Pilatus für den Tod Jesu zur Verantwortung ziehen (5089; 5105; 5119). Pilatus wird auf V's Befehl gefangen genommen, nach Rom gebracht und in den Kerker geworfen. V verurteilt alle Mörder Jesu - Pilatus und die Juden - zum Tod (5185; 5240). [1] [1] Die Zerstörung Jerusalems ist im Text mehrfach motiviert. Sie soll zunächst im Auftrage Neros geschehen, später geht sie auf die Initiative von V selbst zurück.
E4 Heinrich von Hesler, ,Evangelium Nicodemi': V herrscht in Galicien. Er leidet an Würmern in seiner Nase. Als ihm ein Bote des Pilatus von den Wundertaten Christi und vom christlichen Glauben berichtet, bekehrt er sich zum Christentum, wird geheilt und fordert Kaiser Tiberius auf, an den Juden Rache für den Mord an Jesus zu nehmen. Er
wird mit dem Zug gegen Jerusalem beauftragt (3914). Bei der Belagerung von Iotapata nimmt er Herzog Iosephus [Iosephus Flavius] gefangen. Dieser prophezeit ihm, dass er zum Kaiser erhoben worden sei, und verlangt dafür seine Freilassung (4604; 4616). Als V nach Rom zurückkehrt, um seine Kaiserherrschaft anzutreten, überlässt er Titus einen Teil des Heeres zur Belagerung Jerusalems, besetzt Judäa, führt die Juden an die Leidensstätten des Erlösers und lässt 30 von ihnen für einen Pfennig verkaufen, so wie einst Jesus verkauft wurde ([4643]). II. 1) V u n d die E r o b e r u n g Jerusalems; 2) Legendarische Motive
1) V erhielt 66 n. Chr. von Nero den Oberbefehl im so genannten Jüdischen Krieg („bellum Iudaicum"), 67 unterwarf er Galiläa und umstellte 68 Jerusalem. Die Einnahme der Stadt verzögerte sich aufgrund der politischen Wirren nach dem Tode Neros, in deren Zuge V zum Imperator proklamiert wurde. Nachdem Vitellius, „consul perpetuus" und V's Gegner in Rom, auf dem Schlachtfeld den Tod gefunden hatte, wurde V am 22. Dezember 69 durch den Senat bestätigt. Er zog nach Rom und beauftragte Titus mit der Eroberung Jerusalems, das schließlich im September 70 eingenommen wurde. [1] Der Eroberung Jerusalems gilt auch das Hauptinteresse der mhd. Belege. Aus christlich-ma. Sicht ist sie die Rache für die Hinrichtung Christi. In den Schilderungen findet der christliche Antisemitismus entsprechenden Niederschlag. Das historische Geschehen wird insgesamt stark legendarisch überformt. Die Zerstörung der Stadt erfolgt in E4 historisch korrekt in V's Auftrag durch Titus, in B2 und E2 durch V alleine und in B3 und El durch V und Titus gemeinsam. Sie handeln in El im Auftrag des Tiberius. In E3 gibt Nero den Befehl. (Dass diese dem christlichen MA wohl verhassteste Kaisergestalt dazu von Christus selbst veranlasst wird, dokumentiert, wie viel Widersprüchlichkeit die legendari-
Vetranio — Victoria sehe Historiographie des ΜΑ verträgt.) Den Beginn der Diaspora mit der Zerstörung Jerusalems notieren B1 und B2 explizit. Die historisch belegte Gefangennahme des jüdischen Historikers Flavius Iosephus in Iotapata im Jahr 67 n. Chr. [2] referieren El und Ε4 und begründen seine Schonung mit der angeblichen Weissagung von V's Kaiserwürde. Iosephus' .Bellum Iudaicum' ist im Übrigen auch im MA die wichtigste Quelle für die Ereignisse. 2) V's Heerfahrt gegen Jerusalem wird in den chronistischen und geistlichen Texten legendarisch begründet. Die ma. Uberlieferung kennt dazu zwei Versionen, die beide mit dem Motiv des kranken röm. Kaisers operieren, der durch das Einwirken Christi geheilt wird: Der einen Version, der Veronikalegende, zufolge erfährt der an Aussatz leidende Tiberius von dem wundertätigen Christus und will ihn nach Rom kommen lassen. Seine Boten erhalten in Jerusalem Kunde von Christi Hinrichtung und fuhren Veronika nach Rom, die Tiberius mit ihrem Tuch, das das Bildnis Christi trägt, heilen kann. Tiberius bekehrt sich, lässt Pilatus bestrafen und befiehlt den Rachefeldzug gegen die Juden; so der Bericht in E l . In E3 und E4 begründet die Veronikalegende zunächst nur die Bestrafung des Pilatus (so auch in der ,Legenda aurea' des Jacobus de Voragine; Quelle ist das apokryphe Evangelium Nicodemi'). Die Zerstörung Jerusalems wird hingegen durch eine zweite, vielleicht sekundäre Version erklärt, die die entsprechenden Motive an V festmacht: V leidet unter Würmern in der Nase, erfährt durch einen von Tiberius nach Jerusalem gesandten Boten von Christi Wundertaten, wird wegen seiner Bekehrung zum Christentum geheilt und will deshalb für Christi Tod an den Juden Rache nehmen. E2 reflektiert ebenfalls beide Versionen, kommt aber zu keiner stringenten Verbindung: V führt Veronika nach der Eroberung von Jerusalem nach Rom, von seinem eigenen Leiden (hier wohl aus pseudo-etymologischen Gründen Wespen in der Nase) wird in anderem Zusammenhang ohne
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Erwähnung der Heilung und der Bekehrung kurz berichtet. Maßgeblich für die Entstehung dieser legendarischen Tradition war der altchristliche apokryphe Briefbericht des Pilatus an Kaiser Claudius über die Wundertaten Christi. Aus ihm entwickelt sich zunächst die Legende von der Heilung des Tiberius, die möglicherweise auch bereits die Zerstörung Jerusalems motiviert, wenn El eine ursprüngliche Version bietet. Die Übertragung des Heilungsmotivs auf V nimmt auf die historischen Abläufe größere Rücksicht und könnte daher sekundär sein. In der ,Legenda aurea' ergibt sich aus beiden Legenden jedenfalls ein relativ stringenter historisch-legendarischer Ablauf (Tiberius' Heilung fuhrt zur Bestrafung des Pilatus, V's Heilung zur Zerstörung Jerusalems). Das ebenfalls legendarische antisemitische Exempel, das V statuiert haben soll, der Verkauf von 30 Juden um einen Pfennig, belegen E2 und E4. [3] Schließlich ist in B1 und B4 die Eroberung Jerusalems durch V mit der Gralssage in Verbindung gebracht: Nach der Zerstörung der Stadt bringt Joseph von Arimathia den Gral nach Großbritannien, wo nun die Artusritter nach ihm suchen. [1] S.v. Vespasianus(R. Hanslik), in: DKP, Bd. 5, Sp. 12241226.
[2] S.v. Iosephus [2.] (B. Schaller), in: DKP, Bd. 2, Sp. 14401444, hier 1440. [3] Strauch (Hg. E2), 474, Anm. 7 nennt als Quelle die .Vindicta Salvatoris'. [mk/sks]
Vetranio [Rom. Kaiser 350 n. Chr., schließt zunächst ein Bündnis mit dem Usurpator Magnentius, geht dann aber zu Constantius II. über] E l , K a i s e r c h r o n i k ' 7754
(Veterion):
Herzog V
ergibt sich Constantius. [sks]
Victoria [Gr. Nike, Göttin des Sieges] Al
Ulrich
von Etzenbach,
Alexander'·.
Die
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Vittelius — Vulcanus
erhabene und herrliche V thront mit Concordia und den personifizierten Tugenden in einem wundersamen Palast in der Nähe Roms, den man nur mit Glück oder durch Zufall finden kann. V hilft dem schlaflosen Alexander in der Nacht vor der Schlacht bei Arbela, indem sie den Schlaf bittet, zu ihm zu kommen. Alexander schläft daraufhin bis zum Mittag und ordnet erst dann sein Heer zum Kampf (12523-12668). [1] [1] Al bezieht sich auf die Beschreibung des Palastes der Victoria in der .Alexandreis' Walters von Chätillon (IV,425). Die dortige Darstellung ist vielleicht vom V-Tempel auf dem Palatin oder vom Pantheon beeinflusst. Mit der Einführung des mythologisch-allegorischen Apparats nimmt das mlat. Epos auf die Tradition röm. Epik, konkret auf Vergils ,Aeneis', Walters dezidiertes Vorbild, Bezug. [mk/sks]
Vitellius [Aulus V., röm. Kaiser 69 n. Chr, siegt über den Gegenkaiser Otho, unterliegt aber den Truppen Vespasians und fällt im Straßenkampf]
und lebendig begraben (24305; 24309; 24322; Herrscherliste; Exempelfigur für einen schlechten Herrscher). II. Der historische V wurde im Gefolge der politischen Wirren nach dem Tode Neros von den obergermanischen Truppen zum Kaiser ausgerufen, zog nach Rom und besiegte Otho, musste sich dann aber den Truppen Vespasians geschlagen geben und fand in den Straßenkämpfen den Tod. [1] Die Darstellung von El überträgt die auf frühröm. Zeit bezogene Sage von Mucius Scaevola [2] und König Porsenna auf einen ansonsten nicht bekannten Odnatus und Kaiser V. Wie es zu dieser Transformation kommt, ist ebenso unklar wie die Einführung des Motivs von der Beisetzung V's bei lebendigem Leibe. E2 begnügt sich mit der Darstellung V's als Beispiel eines schlechten Herrschers. [1] S.v. Vitellius [2.] (G. Winkler), in: DKP, Bd. 5,Sp. 13031306. [2] Mucius Scaevola. [mk/sks]
R: König von Rom (El, E2) Nf.: Vitellus (El, E2) I. El ,Kaiserchronik': Der weise V übernimmt nach dem Sieg über Otho die Herrschaft, muss aber vor Othos Verwandten aus Rom fliehen und belagert die Stadt. Odnatus erklärt sich bereit, die Stadt durch V's Ermordung zu befreien, tötet aber irrtümlich Herzog Riomus, der zufällig auf dem Thron des Königs sitzt. Von V zum Tode verurteilt, will er zuvor seine Hand, die den Falschen getötet hat, im Feuer reinigen, lässt sie verbrennen und meint, V werde nicht mehr lange leben, nicht einmal Iuppiter könne ihn beschützen. V bietet Rom den Frieden an, herrscht für neun Monate und wird von Vespasians Männern lebendig begraben (4849-5106). E2 Jans Enikel, , Weltchronik'·. Der mächtige V, der nach der Tötung Othos die Herrschaft übernimmt, bereitet den Römern große Schande, wird gefangen genommen
Volcens [Latinischer Bundesgenosse des Turnus; .Aeneis' IX,370; RdE 5094]
Al Heinrich von Veldeke, ,Eneasroman' (Volzan)\ Graf V ist ein Bundesgenosse des Turnus, er stellt die beiden trojanischen Spione Euryalus und Nisus, die des Nachts in Turnus' Lager eingedrungen sind, lässt Euryalus enthaupten und dessen Leiche und die des im Kampf gefallenen Nisus vor Turnus bringen (6694-6820). [mk]
Vulcanus [Gr. Hephaistos, Gott des Feuers und der Schmiedekunst, Sohn des Iuppiter und der Iuno, Gatte der Venus]
W: Gott (E2, E3, E4) der Schmiedekunst (Al, A2), Genösse des Teufels (B4), Ungeheuer (B4)
Vulcanus G: Gatte der Venus (Al, A2, E3) R: Meister (B3) aller Schmiede (A4), Schmied (Al, A3, A4, A5, Β1, B3, El, E2, E3), Wächter der Höllenpforte ( D l ) Nf.: Fulcanus (A5, E4), Volcan (Al), Volka (A3), Volkan (A4), Vulcan(us) (Al, A2, A3, B2, B3, B4, El, E2, E3), Vulkan (Bl), Wlganus (B4), Wulcanus ( D l ) I. A l Heinrich von Veldeke,,Eneasroman': V hat einst seine Gattin Venus und deren Liebhaber Mars in einem Netz gefangen und sie vor den Göttern des Ehebruchs angeklagt. Venus hat ihm dieser Bloßstellung wegen sieben Jahre lang gezürnt. Als sie ihn bittet, Aeneas neue Waffen zu schmieden, kommt es zu einer großen Aussöhnung. V schmiedet für Aeneas einen Helm, ein Schwert und einen Schild und lässt Venus die Rüstung begutachten (5602-5828; Vorbereitungen zum Kampf um Italien; RV: 7406; 12115; 12397). A2 Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Der kunstreiche V hat die silbernen Reliefs an den Toren von Phoebus' Sonnenpalast verfertigt, wobei er das Meer mit den darin schwimmenden Wasserwesen Thetis, Nereus, Triton und Proteus besonders kunstvoll und lebensecht gestaltet hat (2,15; Descriptio des Sonnenpalastes). Als V durch Phoebus vom Ehebruch der Venus mit Mars erfährt, lässt er vor Schreck Hammer und Zange fallen, verfertigt ein unsichtbares Netz, wirft es über das Liebespaar und holt die übrigen Götter als Zeugen des Vergehens (4,291; 4,308; Erzählung der Leucothoe). [1] [1] Die bei Ovid genannten Beinamen V's und Antonomasien „Mulciber" ( M M 2,5), „Iunonigenaeque marito" ( M M 4,173) und „Lemnius ( M M 4,185) werden von A l , vielleicht mit Hilfe von Glossierungen, aufgelöst.
A3 Herbort von Fritzlar, ,liet von Troye': Der getreue V hat einst für Achilles die Waffen geschmiedet (2987). Pyrrhus lässt sie sich nach seiner Ankunft in Troja geben (14667). A4 Konrad von Würzburg,, Trojanerkrieg 3802: V hat die Rüstung des Peleus aus Drachentalg und -galle geschmiedet (Fest des Iuppiter an-
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lässlich der Hochzeit von Peleus und Thetis; Kampf zwischen Peleus und Hector). A5 ,Göttweiger Trojanerkrieg'·. V hat die Rüstung des Achilles geschmiedet (19974). Er, Pallas Athene und Thetis sollen sie Aiax versprochen haben, behauptet dieser im Streit mit Ulixes (19608). B l Gottfried von Straßburg,, TristanDer Erzähler könnte behaupten, dass der kunstverständige und berühmte V Tristans Rüstung, den Schild mit dem Eber und den Helm mit dem brennenden, die Liebesqualen symbolisierenden Pfeil, verfertigt und Cassandra Tristans Kleider genäht haben. Doch selbst V und Cassandra könnten Tristan für seine Schwertleite nicht besser ausstatten, als es die Allegorien Hochgefühl und Reichtum, Anstand und höfische Gesinnung tun (4932; 4972). B2 ,Μοήζ von Craun 1122: Das Holz des Bettes der Gräfin von Beamunt, Moriz' Geliebter, ist von V verfertigt worden und kann nicht verbrennen. [1] [1] Die Verse lauten in der Hs.: „Holtz von Bulcanus. das nicht/ verprynnen kan." Pretzel (Hg.) bessert in: „von holze, daz Vulcänus / niht verbrennen enkan." Die oben vorgeschlagene Deutung geschieht in Rücksicht auf den Beleg in Β1, von dem B2 möglicherweise beeinflusst ist. Außerdem wird im Folgenden auf Cassandra (1136) angespielt, die keine bessere Bettdecke hätte weben können. Offensichtlich scheint also das Motiv einer göttlichen Verfertigung reflektiert, das von der röm. epischen Tradition her bekannt und auch sonst in der mhd. Literatur belegt ist (vgl. neben B l auch B3). Die Verse könnten freilich auch im Sinne Pretzels verstanden werden oder bedeuten, dass es sich um „vulkanisches" Holz (vielleicht Asbest?) handelt, das nicht verbrennen kann. Diese Vorstellung wäre aber nur schwer nachzuvollziehen.
B3 Konrad Fleck, ,Flore und Blanscheflur': V hat einst mit großer Sorgfalt einen kostbaren, makellos schönen Pokal verfertigt, auf dem die Geschichte Trojas dargestellt ist. Der Pokal hat sich im Besitze Caesars befunden. Byzantinische Händler kaufen mit ihm Blanscheflur von Flores Eltern (1580). Verrichtet das wunderbare Grabmal Blanscheflurs. Es ist mit Goldstatuen von Flore und Blanscheflur ausgestattet, die durch eine Windmaschine zum Sprechen gebracht werden und einander ihre Liebe versichern (2029).
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Vulcanus
B4 Der Pleier, ,Garel': Der riesige, furchterregende und schreckliche V, ein Mischwesen aus Ross und Mensch mit einer blauen, rot gepunkteten und stahlharten Fischhaut, wohnt in einer Höhle am Meer. Er hat durch seinen Blick viele Menschen getötet und das Land der Laudamie verwüstet. Nur der Verlust seines Schildes kann ihn unschädlich machen. Der Zwerg Albewin, der Garel im Kampf gegen V unterstützt, entwendet den von V beiseite gelegten Schild mit dem darauf befindlichen todbringenden Haupt, worauf V furchterregend brüllt. Garel schlägt V die Tatzen und den Kopf ab und häutet ihn. V's Kopf wird im Meer versenkt, aus seiner Haut fertigt Albewin eine Rüstung (8146-8352). Laudamie freut sich über V's Tötung (8563; 8570; RV: 8876; 11848; 12196). Dl ,Lucidarius' 17,24·. V, der Wächter der Höllenpforte, lebt auf einer Insel in der Nähe von Scylla und Charybdis. Hier schmieden die Cyclopen die Blitzstrahlen (Buch 1: „Von den inseien in dem mer"). El Alber, ,Tnugdalus' 1078: V quält in der Hölle die Seelen der Verdammten, indem er sie wie Eisen schmiedet (Tnugdalus' Fahrt durch die Hölle). E2 Otto von Freising,,Laubacher Barlaam'·. Im Glaubensdisput mit den Griechen verwirft der Christ Barlaam die gr.-heidnische Göttervorstellung. V sei lahm gewesen und habe durch Handarbeit für seinen Lebensunterhalt sorgen müssen. Sein armseliges Dasein und sein früher Tod machen es unmöglich, von ihm als einem Gott zu sprechen (11144; 11184; Götterkatalog). E3 Rudolf von Ems,,Barlaam': Im Glaubensdisput mit dem Christen Barlaam stellen die gr. Heiden ihre Götter vor. V sei ein segenbringender Gott, weil sich nach seinem Willen das Metall bearbeiten lasse (9721; Götterkatalog). Aus christlicher Sicht gibt V hingegen ein Beispiel für Absurdität und Verwerflichkeit des heidnischen Götterglaubens: Er sei lahm gewesen und habe sich mit Handwerksarbeit seinen Lebensunterhalt verdienen müssen (10048). Gemeinsam mit Cupido soll er Mars gefesselt
haben, als dieser der Liebe mit Venus frönte (10115; Götterkatalog). E4 Rudolf von Ems,,Weltchronik' 3219: V ist einer der Götter, an die die Griechen in ihrer heidnischen Torheit und auf Veranlassung des Teufels geglaubt haben (Götterkatalog). [1] [ 1 ] Als weitere Götter werden genannt: Demiurgus [!], Mars, Saturnus, Iuppiter, Areas, Atlas, Castor und Pollux, Apollo, Neptunus, Mercurius und Hercules.
II. 1) Antike Konzeption; 2) Rezeption antiker Motive; 3) Deutungen
1) Der röm. Gott V ist schon früh mit Hephaistos, dem gr. Gott der Metallverarbeitung und des Schmiedehandwerks, gleichgesetzt worden. Dieser ist ursprünglich vermutlich eine mit Erdfeuer und vulkanischen Erscheinungen in Verbindung stehende Gottheit. Der Kult soll sich ausgehend von Lemnos auf vulkanische Gegenden im Westen, namentlich auf die Liparischen und Sizilianischen Vulkaninseln ausgebreitet haben. Die Römer siedeln V, der in der physikalischen Mythendeutung der Antike auch als Personifikation des Feuers gefasst wird, unter dem Aetna an und denken ihn nach gr. Vorbild als hinkenden Schmied und Nachbarn der erzbearbeitenden Cyclopes, die auch als seine Gehilfen aufgefasst werden. [1] 2) Die Vorstellung vom Schmiedegott V reflektieren in je unterschiedlicher Weise A l , A2, A3, A4, A5, B l , D l , El, E2 und E3. Mythologische Motive aus der antiken Epik verarbeiten in direkter Stoßtradition A l und A2. A l bezieht sich mittelbar über den afrz. ,Roman d'Eneas' auf die Verfertigung der Rüstung des Aeneas in Vergils .Aeneis'. Die motivierende Verbindung des seit Homer gängigen epischen Motivs mit der mythologischen Burleske von Mars und Venus geht auf die frz. Vorlage zurück, die dazu vielleicht von Servius' Vergilkommentar angeregt wurde. [2] Das adulterium Veneris selbst hat der ,Roman d'Eneas' aus Ovids .Metamorphosen' übernommen. Die Handlung wird dabei mediävalisiert: Venus zürnt V sieben Jahre lang
Vulcanus wegen der Bloßstellung, lässt ihren Zorn aus durchaus eigennützigen Gründen fahren, es kommt zum versöhnenden Beischlaf, den der notgedrungen enthaltsame Gatte sehnlich herbeiwünscht. Al hat den deftig erotischen und mithin misogynen Ton seiner Quelle deutlich gemildert. A2 folgt in seiner Darstellung direkt Ovid, so auch bei der Schilderung des von V gewirkten Reliefs an den Toren des Sonnenpalastes. Ovids Anspielung auf die Verfertigung des Schildes des Achilles (13,288ff.) ist in A2 (13,412) hingegen auf Thetis übertragen. Die knappen Hinweise in A3 und A5 beziehen sich vermutlich ebenfalls auf Ovid. In A4 ist das Motiv mit Peleus verbunden. Aufschlussreich ist die Übernahme in Β1, wo im Gedankenexperiment von einer Rüstung Tristans durch V die Rede ist. Die Stelle dokumentiert den versierten Umgang, den B1 mit der literarischen Tradition pflegt, und bezieht sich wohl auf A l . B2 ist möglicherweise von B1 abhängig, die Stelle in ihrem Wortlaut aber nicht klar verständlich. Das Motiv von der göttlichen Rüstung des Helden ist im Übrigen auch im ,Rennewart' Ulrichs von Türheim nachgebildet. Hier fertigt der Schmied Antiquites [!] eine herrliche Rüstung für Rennewart an (2711; 11393). Die Stelle wird ebenfalls auf B1 Bezug nehmen. Diese Nachgestaltungen und der Pokal in B3 (nach frz. Vorlage) unterstreichen schließlich, dass der kunstwirkende V auch ein stehendes Motiv in der volkssprachlichen Literatur des MA abgibt. 3) In B3 ist V euhemeristisch als bedeutender Künstler gefasst, er wirkt hier - unter Inkauf-
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nahme gravierender chronologischer Unstimmigkeiten - außerdem das Kenotaph der Blanscheflur. Euhemeristische Deutungen bringen auch E2, E3 und E4. Die Polemik erklärt sich aus der apologetischen Tradition, in der die Texte mit ihrem Thema des Glaubensdisputes (E2, E3) bzw. mit ihrer ma.-heilsgeschichtlichen Weltauffassung (E4) stehen. Dass V in E2 und E3 zur Last gelegt wird, er hätte sich handwerklich betätigen müssen, mag sozialhistorisch aufschlussreich sein, ist als antiheidnisches Argument freilich nicht ganz schlüssig eingesetzt, da den christlichen Gott gerade kein ostentativ zur Schau gestellter Reichtum auszeichnet und der Menschensohn genau in der Sphäre der Handwerker „sozialisiert" wird. Im Sinne der dämonischen Deutung der antiken Götter ist V in D1 und El als Teufel aufgefasst, der antike Hintergrund, V's Schmiedewerkstatt im Ätna, ist in D l noch deutlich reflektiert. Zu einer Teufelsgestalt ist V schließlich auch in dem Abenteuerroman B4 geworden. Er repräsentiert den Typus des vom arthurischen Ritter besiegten Ungeheuers, das hier in hypertropher Weise Motive der antiken Mythologie auf sich vereinigt (neben V noch die Kentauren und den Medusenschild der Athene). Auf V könnte schließlich auch das Ungeheuer Kolkan (4360ff.) zurückgehen, das Apollonius von Tyrus im gleichnamigen Roman des Heinrich von Neustadt besiegt. [1] S.v. Hephaistos (W. Fauth), in: DKP, Bd. 2, Sp. 10241028 und Volcanus (G. Radke), in: DKP, Bd. 5, Sp. 1319f. [2] Zu den Quellen und zu den Umgestaltungen des .Roman d'Eneas' sowie zur Bearbeitung durch Al Kistler, Heinrich von Veldeke, 77ff. [mk]
χ Xenophilus [Von Alexander ernannter Burgkommandant von Susa; Curtius V.2,16]
Al Rudolf von Ems, Alexander' 13499: Fürst X bekommt von Alexander die Befehlsgewalt über den Palast von Susa übertragen (Eroberung Persiens). [sks]
Xenophon [Historiker und Anhänger der sokratischen Philosophie, ca. 430-360 v. Chr.; verfasste u.a. die ,Kyrupädie', ein .Symposion' und eine Apologie' genannte Schrift über die Verteidigungsrede des Sokrates]
Dl Wernher von Elmendorf, 1200 (Senofon)·. X hat mit Recht gesagt, dass es einem keiner zum Vorwurf machen könne, wenn man tugendhaft handle. Einzig man selbst könne sich davon abhalten. [1] [1] Den X-Beleg übernimmt D l aus seiner lat. Vorlage, dem .Moralium dogma philosophorum' (um 1165), das sich seinerseits v.a. auf Ciceros ,De officiis' stützt, die X in anderem Zusammenhang nennen (1.118 und 2.87); zu Rückschlüssen auf die D l vorliegende Version des ,Moralium dogma philosophorum' anhand der Zitate Bumke (Hg.), XXXIIff. Ansonsten war X dem MA kaum bekannt. [mk]
Xerxes [1] [Xerxes I., Sohn des Darius I., persischer Großkönig 486465 ν. Chr., unterliegt 480 bei Salamis und 479 bei Plataiai gegen die Griechen]
R: König (Al, A3) von Persien (A2) Nf.: Crelus (Al), Merses, Perses (Dl), Xersen (Al, Al, A3), Xerses (Al) I. Al Pfaffe Lamprecht, Alexander': Amyntas, ein Vorfahre Philipps, führte zahlreiche Kriege ge-
gen X(V87; S103; Prolog). [1] Der mächtige X ist von den Lacedaemoniern besiegt worden. Diese wollen auch Alexander an seinem weiteren Heerzug hindern. Er will deshalb X an ihnen rächen [!] (S2325; 2350); [2] auf Bitten seiner Männer verschont er später X's unvergleichlichen Palast (S3449-3537; Alexanders Feldzug gegen Persien). Mit X's Herrschaft endet die Tributpflicht der Makedonen gegenüber den Persern (S4234). [3] [1] Richtigerweise müsste Artaxerxes II. (404-363/357 v. Chr.) genannt werden, der ungefähr zeitgleich mit Amyntas III. (393/92-370 v. Chr.), Philipps Vater, herrscht; -* Amyntas [1], [2] Die Logik dieser Stelle ist schwer nachzuvollziehen. [3] Die Stelle hat die Nf. Crelus, gemeint sein werden X und dessen Niederlage gegen die Griechen.
A2 Rudolf von Ems, „Alexander': X folgt Darius [Darius I.] als König von Persien und hat trotz seiner enormen Macht nicht so viele Reiche in so kurzer Zeit erobern können wie Alexander. Nach ihm übernimmt Artabanus die Herrschaft (15639-15722; Prolog zum 5. Buch; Katalog der persischen Könige vor Alexander [1]). Der mächtige X ist in Griechenland sieglos geblieben (3679) und von den Griechen verjagt worden (3947). In Oncha [2] befindet sich eine von X errichtete goldene Säule, die vor der ersten Schlacht zwischen Griechen und Persern zusammenstürzt. Darius erkennt darin ein schlechtes Vorzeichen (6637). X hat die Prachtbauten von Babylon errichten lassen. Bei der Eroberung der Stadt unterbindet Alexander die Plünderung der Grabstätten der persischen Könige (13161). [ 1 ] Die Angaben folgen der .Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, Sp. 1483b), vgl. auch den Quellenvetweis auf die lat. Chronik in 192. [2] Mit „Oncha" könnte Susa oder Persepolis gemeint sein.
A3 Ulrich von Etzenhach, Alexander': So wie einst X lässt auch Darius seine Gefolgsleute auf
Xerxes [2] einem kreisförmigen Platz sammeln (5803). X hat einst Persepolis innegehabt (15307; Eroberung von Persepolis). Alexander will die am Tigris stehenden Bauten des X aus verziertem Zypressenholz niederbrennen lassen, sieht dann aber davon ab. Die Griechen entdecken die mit kostbaren Grabbeigaben versehenen Gräber der persischen Könige (21135). Im Palast des X befinden sich goldene Vogelnester mit weißen Vögeln. Eine mit goldenen Buchstaben an die Wand geschriebene Inschrift besagt, dass ein Kranker gesundet, wenn ihn die Vögel ansehen. Sehen sie weg, stirbt er (23213). [1] X rächte nach Alexanders Tod Darius, unterwarf Makedonien und zerstörte Athen (27671). [2] [1] Die Stelle reflektiert das Motiv vom Wundervogel Charadrius. [2] Darius I. und Darius III. sind hier offensichtlich verwechselt.
Dl Wernher von Elmendorf, 153: König X ist trotz der Warnungen seiner Ratgeber gegen Griechenland gezogen, hat das Land wie befürchtet leer vorgefunden, weil seine Gegner rechtzeitig geflohen sind, hat seine Ehre verloren, ist sieglos geblieben und nur knapp davongekommen.
II. 1) X in der Alexandertradition; 2) Quellen
1) Nach der gescheiterten ersten Kampagne unter der Herrschaft Darius' I. leitete X persönlich den zweiten Feldzug der Perser gegen die Griechen. Dieser bildete eines der wesentlichen historischen Argumente ftir Alexanders Zug gegen Persien und wird im Sinne einer geschichtlichen Fundierung des Konflikts in der gesamten Alexanderliteratur immer wieder reflektiert. Direkt auf X's Feldzug gegen Griechenland nehmen die mhd. Alexanderromane mit der Erwähnung der Zerstörung Athens (A3, mit falscher Chronologie!) und X's Niederlage gegen die Lakedämonier (Al) bzw. die Griechen (A2, D l ) Bezug. Seine Machtposition als Beherrscher des Perserreiches thematisiert A2 mit der Nennung als Exempelfigur für ei-
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nen mächtigen Herrscher und Eroberer, der freilich von Alexander überboten wird. Das Motiv der Prachtbauten X's (in Babylon A2, am Tigris A3) und seines wunderbaren Palastes (Al, A3) spiegelt wohl den Ausbau von Persepolis zur prunkvollen Residenz unter Darius I. und X wider. [1] Die Zerstörung von Persepolis durch Alexander 332 v. Chr. (als Rache für das während der Perserkriege zerstörte Athen und als Zeichen für das Ende der Achämenidenherrschaft) wird in den mhd. Belegen nicht berichtet, sie erwähnen vielmehr im Sinne der Vermittlung eines positiven Alexander-Bildes die Schonung des Palastes (Al) und der Prachtbauten in Babylon (A2, A3). 2) Die Darstellung in Al folgt dem (weitgehend verlorenen) afrz. AJexander' Alberics de Pisan^on, A2 der Alexanderhistorie des Quintus Curtius Rufus, A3 der ,Alexandreis' Walters von Chätillon. Die Anspielung in D1 bezieht sich auf die Vorlage, das ,Moralium dogma philosophorum', das seinerseits v.a. auf Ciceros ,De officiis' zurückgreift (X's Griechenlandfeldzug wird dort in 3.48 erwähnt, allerdings nicht mit der in Dl vorliegenden Exempelfunktion). Aus den unterschiedlichen Quellen erklären sich auch die Abweichungen im Detail. Eine Verwechslung von X und Artaxerxes II. liegt in Al vor. Besonders bemerkenswert ist die Verkehrung der historischen Abläufe im Schlussbeleg von A3, wo X nach Alexanders Tod für Darius an den Griechen Rache genommen haben soll. Sie erklärt sich aus der Verwechslung von Darius I. und Darius III. [1] S.v. Xerxes 0- Duchesne-Guillemin), in: DKP, Bd. 5, Sp. 1431-1433 und s.v. Persepolis (ders.), in: DKP, Bd. 4, Sp. 649f.
[mk/sks]
Xerxes [2]
[X II., Sohn des Artaxerxes I. (Longimanus), persischer Großkönig 424 v. Chr, wird nach 45 Tagen Regentschaft ermordet]
Al Rudolf von Ems, Alexander'15722 (Xerses): X folgt Artaxerxes Longimanus in der Reihe
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Xerxes [2]
der persischen Könige (Prolog zum 5. Buch; Katalog der Perserkönige vor Alexander). [1] Die Allgaben zu den persischen Königen folgen der
.Historia scholastica' des Petrus Comestor (PL 198, hier Sp. 1490b). Auf die lat. Chronik wird im Prolog von El auch explizit verwiesen (192). [mk]
ζ Zeno
Zephyrus [2]
[Philosoph aus Kition, 4. Jh. v. Chr., Begründer der stoischen Philosophie]
[Gefolgsmann Alexanders]
D l Thomasin von Zerklaere, ,Der welsche Gast':Al Ulrich von Etzenbach, »Alexander' (ZephiZ, Aristoteles, Parmenides, Plato, Pythagoras lus): Auf dem Zug durch die hinter Parthien und Anaxagoras geben Beispiele für berühmte gelegene Wüste findet Ζ etwas Wasser und Gelehrte. Deren gebe es nun keine mehr, da bringt es Alexander. Dieser will es nicht es mit der Förderung der Gelehrsamkeit im alleine genießen und leert es aus, damit sich Argen liege (6410; Zeitklage; Katalog). Ζ zählt alle am Anblick des Wassers erfreuen können mit Aristoteles, Boethius und Porphyrius zu (21471-21483; Alexanders Zug ans Ende der den besten Dialektikern (8944; Katalog von Welt). [1] Meistern der Septem Artes Liberales). [1] [1] Für die aparte Episode verweist Chandler, Catalogue, [1] Gemeint ist mit hoher Wahrscheinlichkeit Zenon, der Begründer der Stoa, und nicht der eleatische Philosoph gleichen Namens (5. Jh. v. Chr.). Ζ war bloß dem lat. MA bekannt (u.a. vermutlich über Vermittlung der philosophischen Schriften Ciceros). D l wird von ihm am ehesten aus den accessus ad auctores, den Einleitungen zu den lat. Schulautoren, oder aus den Isagogen zu den Septem Artes wissen (vgl. 8944). Die Belege dokumentieren jedenfalls den hohen Bildungsstand des Autors. [mk]
314 (s.v. Cephilus) auf die .Epistola Alexandri ad Aristotelem' und auf den »Alexander' des Leo Archipresbyter, die sie ebenfalls berichten. [mk]
Zetes [Sohn des Windgottes Boreas und der Orithyia, Zwillingsbruder des Calais, nimmt am Argonautenzug teil; M M 6,716]
Al Albrecht von Halberstadt, Metamorphosen' 6,1599 (Cethes): Ζ und Calais, die Söhne von [Westwind; Windgott; M M 1,64] Boreas und Orithyia, geraten ganz nach ihrem Al Albrecht von Halberstadt,,Metamorphosen': Vater, beiden wachsen eisgraue Federn an Der sanfte, milde Westwind Ζ wird von Aeolus Händen und Füßen. Sie nehmen an Iasons beherrscht (1,119; Kosmologie; Katalog der Fahrt nach Kolchis teil. [1] [1] Die Beschreibung folgt Ovid. Winde), weht im Goldenen Zeitalter über [mk] die Erde (1,197) und ist auf dem Teppich dargestellt, den Pallas Athene im Wettstreit mit Arachne verfertigt (6,129; Descriptio). [1] Zethus [1] Die Nennungen folgen den entsprechenden Stellen in Zephyrus [1]
Ovids .Metamorphosen*. Dort wird Ζ bei der Beschreibung des Teppichs der Pallas allerdings nicht namentlich genannt (MM 6,70). Al kann wohl auf eine Glosse zurückgreifen. Personifiziert ist Ζ in 1,119 und 6,129. Der Name des Windes erscheint außerdem in dem Märe ,Der Schüler von Paris' (GA I, XIV,529): So wie der Sturm dem Ζ weichen müsse, werde auch die gedrückte Stimmung der Liebenden vergehen, heißt es dort. [mk]
[Sohn des Zeus und der Antiope, Zwillingsbruder des Amphion, beteiligt sich am Mauerbau Thebens und an der Argonautenfahrt]
W: Gottheit (E2) G: Sohn des Iuppiter (El, E2), Zwillingsbruder des Amphion (El) Nf.: Zitus (El, E2)
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Zeus — Zoroas
I. El Otto von Freising, ,Laubacher Barlaam' 11116: Ζ ist einer der zahlreichen Söhne Iuppiters, die dessen Affären entsprungen sind. Sie geben aus christlicher Sicht ein Beispiel für die Lasterhaftigkeit Iuppiters im Besonderen und der griechischen Götter im Allgemeinen (Glaubensdisput zwischen dem Christen Barlaam und den gr. Heiden; Katalog). E2 Rudolf von Ems,,Barlaam'·. Ζ zählt für die Griechen zu den höchsten Göttern, die von Iuppiter abstammen (9762). Aus christlicher Sicht gibt seine Zeugung freilich ein Beispiel fur die moralische Verwerflichkeit Iuppiters und der anderen gr. Götter (10017; Glaubensdisput zwischen dem Christen Barlaam und den gr. Heiden; Götterkatalog). II. Beide Belege berichten über die Genealogie hinaus nichts Weiteres über Z. Die Polemik gegen die gr. Göttervorstellung entspricht der Tradition christlicher Apologetik. [mk]
Zeus
Iuppiter
Zeuxippus [Sagenhafter König von Sicyon]
El Rudolf von Ems, , Weltchronik' 26689 (Ceurippus): Mit Z's Herrschaft endet das Reich der Sicyonier (Könige von Sicyon; Katalog). [1] [1] Die Angaben beziehen sich auf das ,Chronicon universale' des Ekkehard von Aura (PL 154, Sp. 525), eine der Nebenquellen von E l . Dem Prinzip ma. Weltchronistik entsprechend, sind die mythologischen Daten historisch
aufgefasst und werden in profangeschichtlichen Exkursen („incidentia") zur Heilsgeschichte erinnert. W i e hier geschieht dies meist in Form von Herrscherkatalogen. [mk]
Zoilus [Einer der Heerführer Alexanders; Curtius VI.6,35]
A l Rudolf von Ems, Alexander' 18720 (Zolus)·. Ζ rekrutiert für Alexanders Zug gegen Bessus 500 unverbrauchte Ritter (Katalog). [mk]
Zoroas [Astronom aus Memphis; Chatillon 111,141]
A l Ulrich von Etzenbach, JÜexander' (Zorcas)·. Der junge, edle und treffliche Ζ von Ägypten ist der größte Kenner der Astronomie und Astrologie und der gelehrteste Mann aller Zeiten. Als er in den Sternen seinen Tod in der Schlacht bei Issos vorhersieht, möchte er wenigstens durch die Hand Alexanders sterben (8353-8419). Um diesen zum Kampf zu provozieren, beschimpft er ihn als Sohn des Nectanebus und einer Hure. Alexander will jedoch aus Respekt vor Z's großer Gelehrsamkeit nicht gegen ihn kämpfen, sondern ihn in seine Dienste nehmen. Als ihn Ζ schließlich an der Hüfte verletzt, wird er von Meleager getötet. Alexander bedauert seinen Tod (8431-8518). Auch die Königin von Ägypten beklagt ihn (8798; 9902). [1] [ 1 ] Die Episode folgt der Darstellung in der .Alexandreis' Walters von Chatillon, der die Gestalt offenbar erfunden hat. Nf. und grundsätzliche Züge sind möglicherweise von dem persischen Religionsstifter Zoroastres/Zarathustra inspiriert. Die Gestalt repräsentiert ansonsten den gängigen Typus des orientalischen Astrologen, wie ihn sich das christliche M A vorstellt. [sks/mk]
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Register der Einträge nach Autoren und Werken Sämtliche Einträge erscheinen nach Autoren und Texten aufgeschlüsselt. Anonym überlieferte Lieder sind unter der Kategorie „Anonyma" zusammengefasst. Die Angabe in runder Klammer bezieht sich auf die Sigle, unter der sich der Eintrag im jeweiligen Artikel findet. Bei singulären Belegen entfällt diese Angabe. Alber .Tnugdalus' Vulcanus (El) Albrecht Jüngerer Titurel' Aeneas (B9), Alexander (B12, NB), Amor/Cupido (B9), Antigone [1] (NB), Antiochus [2] (B2), Apollo (B7), Aristoteles (Bl), Augustus (B2), Charadrius (Bl), Constantinus (B4), Cyrus (Bl), Darius [3] (B3), Demetrius [3] (NB), Dido (B9), Fortuna (B2), Galenus (B2), Gog und Magog (Bl), Hecuba (NB), Hippocrates (Bl), Hippomedon (NB), Homerus (B2), Iuno (B8), Iuppiter (BIO), Luna (B2), Mars (B7), Maxentius (B2), Mercurius (B2), Ovidius (B4), Pallas [1] (B6), Philippus [1] (Bl, NB), Phoenix [2] (B4), Pompeius (NB), Pythagoras (B2, NB), Satumus (B4), Sibylla (B6), Sirenes (B5), Sol (Bl), Thetis (B2), Tiberius (B2), Titanes (NB), Venus (B12), Vespasianus (B2) Albrecht von Halberstadt .Metamorphosen' Abaris, Acastus (Al), Achaemenides, Achelous, Achilles (A2), Acis, Acrisius (Al), Acrota, Actaeon (Al , Actor, Adonis (Al), Aeacus, Aeas, Aeetes (Al),Aegeus (Al), Aegina, Aeneas (A2), Aeolus (A2), Aesacus, Aesculapius (Al), Aethion, Aethon, Agamemnon (A2), Agenor [1] (Al), Aglauros, Agyrtes [1], Aiax [1] (A2), Aiax [2] (Al), Alastor, Alba, Alcandrus, Alcithoe, Alcmena (Al), Alcyone, Alphenor, Alpheus, Althaea, Ammon [2], Amor/Cupido (A2), Amphimedon, Amphion (Al), Amphitryon (Al), Amphrysos, Ampycus, Ampyx, Amycus, Amyntor, Anapis, Anaxerete, Anchises (A2), Andraemon, Androgeus (Al), Andromeda (Al), Anius,
Antaeus (Al), Antigone [2], Antimachus [1], Antiope (Al), Antiphates (Al), Apelles (Bl), Aphareus, Apidanus, Apollo (A2), Aquilo (Al), Arachne (Al), Areas [1] (Al), Areas [2], Arcesius, Areos, Arethusa, Argus [1], Ariadne (Al), Ascalaphus [1], Ascanius [3] (A2), Assaracus, Astyages, Astylus, Atalante, Athamas, Athis, Atlas (Al), Augustus (A2), Aurora (Al), Auster, Autolycus, Aventinus [2], Bacchus (Al), Battus, Belides, Beroe, Bianor, Bootes, Boreas (Al), Bromus, Broteas [1], Broteas [2], Busiris, Butes, Byblis (Al), Cadmus (Al), Caeneus, Caesar (A2), Calais, Calchas (Al), Calliope, Callisto (Al), Capetus, Capys, Castor und Pollux (Al), Caunus, Cecrops (Al), Celadon, Centauri (Al), Cephalus, Cepheus, Cerberus (A2), Ceres (Al), Ceyx, Charaxus, Charon (A2), Charops, Charybdis (Al), Chimaera (Al), Chione, Chiron (Al), Chromis [1], Chromis [2], Chromius, Chthonius, Cinyras [1], Cinyras [2], Circe (Al), Clanis, Clymena [1], Clymenus, Clytie, Clytius, Clytus, Coeranus, Coroneus, Coronis, Corythus [1], Crantor, Creusa [1] (Al), Crocale, Cyane, Cygnus [1], Cygnus [2] (Al), Cyparissus, Daedalion, Daedalus (Al), Damasichthon, Danae (Al), Daphne (Al), Deianira (Al), Demoleon, Deucalion (Al), Diana (A2), Dictys [1], Dido (A2), Diomedes (A2), Dolon [1] (Al), Doris, Dorylas [1], Dorylas [2], Dryades (Al), Dryas, Dryope, Echemmon, Echion [1], Echion [2], Echo, Elymus, Emathion, Enaesimus, Enipeus, Ennomus, Epaphus (Al), Epytus, Erechtheus (Al), Erigone [1], Erysichthon, Erytus, Eryx, Euippe, Euphorbus (Al), Europa (Al), Eurus, Eurydice, Eurynome, Eurynomus, Eurypylus [1] (Al), Eurystheus (Al), Eurytus [2], Exadius, Fama, Furiae (A3), Galanthis, Galatea, Ganymedes (Al), Gigantes (Al), Glaucus [1], Gryneus, Haemus und Rhodope, Halcyoneus, Halius,
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Hecate (Al), Hector [1] (A2), Hecuba (A2), Helena [1] (A2), Helix, Helops, Hercules (A2), Hermaphroditus (Al), Herse, Hesiona (Al), Hesperides, Hesperie, Hippalmus, Hippasus, Hippocoon, Hippodame, Hippomenes, Hippothous [1], Hodites, Hyacinthus, Hyale, Hydra (Al), Hymen (Al), Hypseus, Ianthe, Iasion, Iason (Al), Icarus, Icelos, Idas, Idomeneus (Al), Ilioneus [1], Ilus ( A l ) , Imbreus, Inachus [1] (Al), Ino, Invidia (Al), Io (Al), Iolaus [1] (Al), lole (Al), Iphigenia (Al), Iphis [1], Iphis [2], Iris, Isis (Al), Ismenus, Isse, Itys, Iuba, Iuno (A2), Iuppiter (Al), Ixion ( A l ) , Laertes, Laomedon [1] ( A l ) , Latinus (A2), Latona (Al), Latreus, Lavinia (A2), Leda (Al), Leuconoe, Leucothoe, Lichas (Al), Ligdus, Liriope, Livius, Lucina [1], Luna (Al), Lycabas, Lycaon [1], Lycetus, Lycidas, Lycormas, Lycus [1], Lyncus, Macareus, Maeandrus, Manto, Mars (A2), Marsyas, Medea ( A l ) , Medon [1], Medusa (Al), Megareus, Melaneus, Meleager [1], Melicertes, Menelaus (A2), Mercurius (Al), Meriones ( A l ) , Midas (Al), Miletus, Milon, Minos (A2), Minotaurus (Al), Mithradates, Molpeus, Monychus, Morpheus, Myrmidones (Al), Myrrha (Al), Naiades (Al), Narcissus (Al), Nedymnus, Neptunus (A2), Nereus, Nessus (Al), Nestor ( A l ) , Nileus, Ninus ( A l ) , Niobe ( A l ) , Nisus [1], Noemon, Numa Pompilius ( A l ) , Numicius, Numitor, Nyctimene, Nymphae, Oceanus, Ocyrhoe, Oeneus, Orion, Orios, Orithyia, Orneus, Orpheus (A2), Paetalus, Palamedes ( A l ) , Pallas [1] (A2), Pallas [2], Pan, Pandion ( A l ) , Pandrosos, Paphos, Paris (A2), Pasiphae (Al), Pegasus (Al), Pelagon, Pelates, Peleus (Al), Pelias ( A l ) , Pelops ( A l ) , Penelope (Al), Peneus, Pentheus, Perseus ( A l ) , Petraeus, Phaedimus, Phaeton, Phantasus, Phiale, Philammon, Philomela, Phineus, Phlegyas, Phocus, Phoenix [1] (Al), Phoenix [2] (A2), Phorbas [1], Picus (Al), Pieros, Pirithous (Al), Pisenor, Plexippus, Pluto (A2), Polydegmon, Polydorus, Polymestor (Al), Polyphemus (Al), Polyxena (Al), Pomona, Pompeius ( A l ) , Priamus (A2), Proca, Procne, Procris, Proserpina (A2), Protesilaus (A2), Proteus ( A l ) , Prothoenor [1], Prytanis, Psecas, Pygmalion, Pyracmos, Pyramus und Thisbe (Al), Pyreneus, Pyrrhus ( A l ) , Pythagoras ( A l ) , Python, Remulus [2], Rhesus ( A l ) , Rhoetus [1], Rhoetus [2], Ripheus, Romulus und Remus (A2), Sarpedon (Al), Saturnus (Al), Scylla [1] (Al), Scylla [2], Semele (Al), Sibylla (A2), Silenus, Silvius (A2), Sipylus, Sisyphus, Sperchius, Strix, Styphelus, Syrinx, Tantalus [1] (A2), Tantalus [2], Tectaphos, Telamon (Al), Teleboas, Tele-
mus, Telethusa, Tereus, Terra, Tethys, Teucer (Al), Thaumas, Themis, Thescelus, Theseus (Al), Thestius, Thetis (Al), Thoactes, Thoon, Tiberinus ( A l ) , Tiresias, Titus Tatius, Tityos (A2), Tmolus, Toxeus, Triptolemus ( A l ) , Triton, Turnus (A2), Typhoeus (Al), Ulixes (A2), Urania, Venus (A2), Vertumnus, Vulcanus (A2), Zephyrus [1], Zetes Alexander, Der wilde Amor/Cupido (C5), Paris (C4), Sirenes (C2) ,Annolied' Aeneas ( E l ) , Agamemnon ( E l ) , Agrippa ( E l ) , Alexander (El), Andromacha (El), An tenor (El), Augustus (El), Caesar (El), Cato [2] (El), Cyclopes (El), Cyrus (El), Darius [3] (El), Drusus, Hector [1] (El), Helenus (El), Mettius (El), Polyphemus (El), Pompeius (El), Ulixes (El) Anonyma Dido (C5), Hector [1] (C4), Helena [1] (C8), Paris (C8), Tantalus [1] ( C l ) , Venus (C23, C24) .Aristoteles und Phyllis' Alexander (A4), Aristoteles (A4), Herpyllis, Olympias (A4), Philippus [1] (A4) »Athis und Prophilias' Alexander (NB), Caesar (NB), Demosthenes (NB), Dorylaus (NB), Latinus (NB), Pandarus [2] (NB), Pirithous (NB), Sallustius (NB), Tarquinius [2] (NB), Venus (A4) Ava, Frau Augustus (E2) ,Baseler Bruchstück' Achilles (E2), Aeneas (E5), Agamemnon (E3), Chiron (E2), Hector [1] (E5), Helena [1] (E5), Menelaus (E4), Paris (E3), Thetis (E4) Berthold von Holle ,Demantin' Achilles (NB), Amor/Cupido (B8), Ulixes (NB), Venus (BIO) Berthold von Regensburg Predigten Acron, Alexander (E7)
Register der Einträge nach Autoren und Werken ,Birne, Die halbe' Amor/Cupido ( B l l ) , Venus (B20) Boppe Aristoteles (C2), Charadrius (C3), Seneca (C3), Sirenes (C7), Vergilius (C2) Brun von Schönebeck ,Das Hohelied' Alexander (E9), Amor/Cupido (E2), Aristoteles (E4), Augustus (E5), Constantinus (E4), Galenus (E2), Hippocrates (E2), Horatius (El), Iuppiter (E7), Luna (E3), Mars (E6), Mercurius (E5), Nero (E4), Ovidius (E2), Parcae (El), Saturnus (E7), Seneca (E2), Sol (E3), Venus (E7), Vergilius (E3) .Carmina Burana' Dido (C2), Hecuba ( C l ) , Helena [1] (C3), Pallas [1] ( C l ) , Venus (C3-5) Diirinc, Der Venus (C21) ,Dukus Horant' Helena [1] (B12), Menelaus (B3), Paris (B13) Eilhart von Oberg ,Tristrant' Amor/Cupido ( B l ) Enikel, Jans .Weltchronik' Achilles (El), Adrastus [3], Aegyptus, Aeneas (E4), Agrippa (E3), Alexander (E8), Amazones (E2), Antenor (E4), Antiochus [1], Antiochus [4], Antonius (El), Apollo (E6), Aristoteles (E3), Augustus (E4), Belus (E2), Caesar (E3), Caligula (E2), Cassandra (El), Cato [2] (E3), Chiron (El), Claudius [1] (E2), Constantinus (E3), Constantius (E3), Crassus (El), Curtius (E2), Cyrus (E2), Danaus (E2), Dardanus (E2), Darius [3] (E2), Decius (E2), Deidamia (El), Demetrius [3] (NB), Diocletianus (E3), Discordia (El), Domitianus (E3), Erichthonius (E2), Galba (E2), Hector [1] (E4), Hecuba (El), Helena [1] (E4), Helena [2] (E4), Hippocrates ( E l ) , Iuno (E3), Iuppiter (E6), Lepidus, Luna (E4), Lycomedes (El), Mars (E5), Maximianus (E2), Menelaus (E3), Mercurius (E6), Mettius (E3), Nero (E3), Ninus (E2), Numa Pompilius (El), Otho (E2), Pallas [1]
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(E3), Papirius, Paris (E2), Patroclus (El), Peleus (El), Philippus [5] (E2), Philippus [6] (E2), Piso (E2), Plato [1] (E4), Pompeius (E3), Porus (El), Priamus (E2), Pythagoras (E4), Romulus und Remus (E2), Roxane (El), Saturnus (E6), Seleucus Nicator (El), Seneca (El), Sibylla (E6), Sinon (El), Sol (E2), Tarquinius [ 1 ], Tarquinius [2] (E2), Theseus (NB), Thetis (E3), Tiberinus (El), Tiberius (E2), Titus (E2), Tomyris (El), Traianus (E2), Tros (E2), Ulixes (E4), Venus (E6), Vergilius (E2), Vespasianus (E2), Vitellius (E2) .Erlösung, Die' Achilles (E3), Aeneas (E6), Alexander (El 1), Apollo (E8), Hector [1] (E6), Hercules (E5), Iuppiter (E9), Nero (E7), Pallas [1] (E4), Paris (E4), Saturnus (E8), Sibylla (E8), Ulixes (E5), Venus (E8), Vergilius (E4) Fleck, Konrad ,Flore und Blanscheflur' Achilles (B2), Byblis (B2), Caesar (B4), Darius [3] (NB), Dido (B6), Hector [1] (B3), Helena [1] (B3), Iuno (B5), Menelaus ( B l ) , Pallas [1] (B3), Paris (B3), Phoenix [2] (NB), Pyramus und Thisbe (B3), Sibylla (NB), Venus (B4), Vulcanus (B3) ,Frau, Die böse' Aeneas (Β 13), Dido ( B l l ) , Pyramus und Thisbe (B9) .Frauen, Die drei listigen' Venus (B18) .Frauen Turnei, Der' Hector [1] (B9), Paris (B14) ,Frauenlist' Venus (B19) Frauenlob Achilles (C2, C3), Aeneas (C2), Alexander (C610), Amazones ( C l ) , Amor/Cupido (C6, C7), Apollo ( C l ) , Aristoteles (C3, C4), Ascalaphus [2] ( C l ) , Constantinus (C3, C4), Dido (C4), Hector [1] (C2, C3), Helena [1] (C7), Helena [2] ( C l ) , Hermaphroditus ( C l ) , Iulianus ( C l ) , Iuno (C3), Midas ( C l ) , Pallas [1] (C4), Paris (C6, C7), Pegasus ( C l ) , Peleus ( C l ) , Phoenix [2] (C7-10), Sibylla (C3, C4), Sirenes (C6), Venus (C18-20), Vergilius (C3)
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Register der Einträge nach Autoren und Werken
Freidank .Bescheidenheit' Charadrius ( C l )
Gundacker von Judenburg .Christi Hort' Nero (E5), Tiberius (E3), Vespasianus (E3)
Fressant, Hermann .Ehefrau und Buhlerin' Ovidius (B5), Sirenes (B7)
Hadamar von Laber .Die Jagd' Amor/Cupido (D2)
Friedrich von Hausen Aeneas ( C l ) , Dido ( C l ) .Friedrich von Schwaben' Aeneas (B12), Amor/Cupido (B13), Paris (B12), Turnus (NB), Venus (B16) Gliers, Der von Caesar ( C l ) , Hippolytus ( C l ) , Pyramus undThisbe (C2) .Göttweiger Trojanerkrieg' Achilles (A5), Aeneas (A5), Agamemnon (A5), Aiax [1] (A5), Aiax [2] (NB), Alexander (B14), Apollo (NB), Ascalaphus [2] (A3), Calchas (A4), Camilla (NB), Cassandra (A3), Chiron (A4), Constantinus (B3), Cyclopes (Al), Cyrus (NB), Decius (Al), Deidamia (A3), Diocletianus (Al), Discordia (A2), Euander [1] (NB), Hector [1] (A5), Hecuba (A5), Helena [1] (A5), Hercules (A5), Hermolaus (NB), Iason (A4), Ilus (A4), Iuno (A5), Iuppiter (A5), Lycomedes (A3), Mars (A5), Medea (A4), Memnon [1] (NB), Menelaus (A5), Minos (A3), Minotaurus (A2), Nastes (A3), Nero (NB), Nisus [2] (A2), Orpheus (A3), Pallas [1] (A5), Paris (A5), Pasiphae (A2), Patroclus (A3), Penelope (A3), Phaedra, Polyxena (A4), Pompeius (NB), Priamus (A5), Pyrrhus (A4), Remus [1] (A3), Romulus und Remus (A3), Saturnus (A3), Sirenes (A3), Thetis (Al), Ulixes (A5), Venus (A6) Gottfried von Straßburg ,Tristan' Apollo (B2), Aurora (Bl), Byblis ( B l ) , Canace, Cassandra ( B l ) , Corynaeus, Dido (B3), Helena [1] (Bl), Musae (Bl), Orpheus (Bl), Pegasus (Bl), Phyllis (Bl), Pyramus undThisbe (B2), Sirenes (B2), Venus (B2), Vulcanus (Bl) .Graf Rudolf Apollo (NB)
Hartmann von Aue ,Erec' Aeneas (Bl), Alexander (B3), Antipodes (Bl), Dido (Bl), Erichtho, Iuno (Bl), Iuppiter (B2), Lavinia (Bl), Lucanus (Bl), Pallas [1] (Bl), Pyramus und Thisbe (Bl), Sibylla ( B l ) ,Iwein' Iuno (B2) .Heidin, Die' Alexander (B20), Hector [1] (BIO), Paris (B15), Pyramus und Thisbe (BIO) .Heinrich, Der treue' Alexander (B21), Venus (B22) Heinrich von Breslau Venus (C16) Heinrich von dem Türlin ,Diu Cröne' Aeneas (B5), Agamemnon (Bl), Alexander (B5), Amor/Cupido (B5), Arachne (B2), Ariadne (Bl), Camilla (NB), Daphne (Bl), Deianira (Bl), Deidamia (Bl), Dido (B7), Diogenes (Bl), Dirce, Eteocles und Polynices (Bl), Eumelus (NB), Fortuna (Bl), Galatea (NB), Helena [1] (B4), Hercules (Bl), Hippolytus (Bl), Iole (Bl), Iuno (B6), Laomedon [1] (NB), Lavinia (B2), Leander (Bl), Leda (NB), Luna (Bl), Medea (Bl), Myrrha (Bl), Pallas [1] (B4), Parcae (Bl), Paris (B5), Phyllis (B2), Porus (Bl), Pyramus und Thisbe (B4), Sirenes (B3), Theseus (Bl), Thyestes [1] (Bl), Titanes (NB), Turnus (B2), Venus (B5) Heinrich von Freiberg ,Die Legende vom heiligen Kreuz' Sibylla (E7) ,Tristan-Fortsetzung' Alexander (B15)
Register der Einträge nach Autoren und Werken Heinrich von Hesler ,Evangelium Nicodemi' Caligula (E3), Claudius [1] (E3), Claudius [2], Isis (E3), Nero (E8), Tiberius (E4), Titus (E3), Vellerns, Vespasianus (E4) Heinrich von Morungen Helena [1] (CI), Narcissus ( C l ) , Paris ( C l ) , Venus (Cl) Heinrich von Neustadt Apollonius' Achilles (B7, NB), Aeneas (A6), Aesculapius (NB), Alcmena (A2), Alexander (B17), Antiochus [3] (Al), Apollo (A7), Apollonius [1] (Al), Apollonius [2], Areas [1] (NB), Archistrates, Athenagoras [2], Chaeremon, Charadrius (Al), Chiron (NB), Claudius [1] (NB), Cyrus (NB), Darius [3] (NB), Demetrius [3] (NB), Diana (A6), Dionysias, Gigantes (A2), Gog und Magog (A3), Hector [1] (B8), Hellenicus, Hercules (NB), Hermogenes (NB), Hippocrates (Al), Hydra (NB), Iulianus (NB), Iuno (A7), Iuppiter (A7), Lucina [2], Lycoris, Macrobii (Al), Mars (A7), Medusa (NB), Neptunus (A6), Pallas [1] (A7, NB), Paris (B11), Patroclus (NB), Perses (NB), Philotimias, Philumenus, Pluto (A4), Priamus (A6), Priapus (Al), Proserpina (A3), Ptolemaeus [4] (Al), Ptolemaeus [5], Pyramus und Thisbe (B7, NB), Saturnus (A5), Sirenes (A4), Stranguillio, Tarsia, Thaliarchus, Theophilus, Venus (A8) .Gottes Zukunft' Alexander (E12), Amazones (E4), Aristoteles (E6), Augustus (E7), Galenus (E4), Gog und Magog (E3), Hippocrates (E4), Ptolemaeus [4] (El), Pythagoras (E5), Seneca (E4), Sibylla (E9) Heinrich von Veldeke ,Eneasroman' Achilles (Al), Adrastus [1] ( B l ) , Aeneas (Al), Aeolus (Al), Agamemnon (Al), Aiax [1] (Al), Amor/Cupido (Al), Amphiaraus (Al), Anchises (Al), Anna, Antenor (Al), Apollo (Al), Arachne (Bl), Arruns, Ascanius [3] (Al), Athamas (NB), Augustus (Al), Aventinus [1], Bitias, Cacus, Caesar (Al), Camilla (Al), Capaneus (Al), Cerberus (Al), Charon (Al), Chloreus, Clausus, Dardanus (Al), Daunus (Al), Diana (Al), Dido (Al), Diomedes (Al), Drances (Al), Eteocles und Polynices (Al), Euander [1] (Al), Euryalus [2], Fortuna (A2), Furiae (Al), Hector [1] (Al), Hecuba (Al), Helena [1]
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(Al), Helenor, Hercules (Al), Hippomedon (Al), Iapyx, Ilioneus [3], Iuno (Al), Larina, Latinus (Al), Lausus, Lavinia (Al), Lycomedes (NB), Lycus [2], Mars (Al), Menelaus (Al), Messapus [1], Mezentius, Minos (Al), Nectanebus (NB), Neptunus (Al), Nisus [2] (Al), Orpheus (Al), Orsilochus, Pallas [1] (Al), Pallas [3], Pandarus [2], Paris (Al), Parthenopaeus (Al), Pluto (Al), Priamus (Al), Proserpina (Al), Protesilaus (Al), Remulus [1], Rhadamanthys (Al), Rhamnes, Romulus und Remus (Al), Sibylla (Al), Silvia, Silvius (Al), Silvius Aeneas, Sinon (Al), Sychaeus, Tantalus [1] (Al), Tarchon, Tarpeia (Al), Tityos (Al), Troilus (Al), Tros (Al), Turnus (Al), Tydeus (Al), Tyrrhus, Ulixes (Al), Venus (Al), Vergilius (Al), Volcens, Vulcanus (Al) Herbort von Fritzlar ,liet von Troye' Acamas [1], Acastus (A2), Achilles (A3), Adrastus [2] (Al), Aeantides, Aeetes (A2), Aegiale, Aegisthus (Al), Aeneas (A3), Aeolus (A3), Aesculapius (A2), Agamemnon (A3), Agapenor (Al), Aiax [1] (A3), Aiax [2] (A2, NB), Alcinous, Amazones (A2), Amphimachus [1] (Al), Amphimachus [2], Amphimachus [3] (Al), Amphimachus [4] (Al), Amphius [1], Amphius [2], Anchises (A3), Andromacha (Al), Antenor (A2), Antilochus [1] (Al), Antiphates (A2), Antiphus [1] (Al), Antiphus [2],Antiphus [3] (Al), Apollo (A3), Aratus [1], Arcesilaus (Al), Archelochus (Al), Argus [2] (Al), Ascalaphus [2] (Al), Ascanius [1] (Al), Ascanius [2], Assandrus, Asteropaeus (Al), Astyanax (Al), Boetius, Briseis, Brises, Caesar (Bl), Calchas (A2), Calypso, Canopus, Cassandra (Al), Castor und Pollux (A2), Cerberus (A2), Cernus, Charybdis (A2), Chiron (A2), Chryses (Al), Chrysippus, Cinyras [3], Circe (A2), Clymena [2], Clymena [3], Clytaemestra (Al), Cornelius Nepos, Creusa [2] (Al), Cupesus (Al), Cyclops [1], Dares (Al), Deidamia (Al), Deiphobus (Al), Demophon (Al), Diana (A3), Dictys [2], Diomedea, Diomedes (A3), Diores [1] (Al), Dolon [1] (A2), Dolon [2] (Al), Elephenor, Elpenor, Epistrophus [1] (Al), Epistrophus [2] (Al), Epius (Al), Erigone [2], Eumelus (Al), Euphemus, Euphorbus (A2), Euryalus [1] (Al), Eurypylus [1] (A2), Eurysaces, Furiae (A2), Galatea (NB), Glauca, Glaucus [2] (Al), Glaucus [3] (Al), Guneus (Al), Hector [1] (A3), Hecuba (A3), Helena [1] (A3), Helenus (Al), Hercules (A3), Hermione (Al), Hesiona (A2), Hippodamia [2] (Al),
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Hippothous [2] (Al), Ialmenus (Al), Iason (A2), Idomeneus (A2), Ilus (A2), Iuno (A3), Iuppiter (A2), Laestrygon, Laodamas (Al), Laomedon [1] (A2), Leonteus ( A l ) , Lotophagi, Lycomedes (Al), Machaon (Al), Mars (A3), Meda, Medea (A2), Memnon [1] ( A l ) , Menalippus, Menelaus (A3), Menestheus (Al), Meriones (A2), Mesthles (Al), Mopsus, Musae (Al), Myrmidones (A2), Narcissus ( B l ) , Nastes (Al), Nauplius, Nausicaa, Nestor (A2), Nireus (Al), Oeax, Oenideus, Orestes [1] ( A l ) , Palamedes (A2), Pallas [1] (A3), Pandarus [1] (Al), Panthus (Al), Paris (A3), Patroclus (Al), Peleus (A2), Pelias (A2), Penelope (A2), Penthesilea ( A l ) , Perses (Al), Phidippus ( A l ) , Philoctetes (Al), Phorbas [2], Phorcys, Plato [1] ( B l ) , Pluto (A3), Podalirius, Podarces, Polydamas [1] (Al), Polymestor (A2), Polyphemus (A2), Polypoetes (Al), Polyxena (A2), Polyxenus (Al), Priamus (A3), Protesilaus (A3), Prothoenor [2] (Al), Prothous, Ptoliporthus, Pylaemenes (Al), Pyraechmes ( A l ) , Pyrrhus (A2), Pythagoras (NB), Remus [1] ( A l ) , Rhesus (A2), Sarpedon (A2), Schedius (Al), Scylla [1] (A2), Sibylla (A3), Sinon (A2), Sirenes (Al), Sthenelus (Al), Strophius, Talaemenes (Al), Talthybius ( A l ) , Tecmessa, Telamon (A2), Telegonus, Telemachus, Telephus (Al), Teucer (A2), Teuthras,Thalpius ( A l ) , T h e a n o (Al),Thessandrus, Thetis (A2), Thoas ( A l ) , Tiepolemus (Al), Troilus (A2), Tydeus (A2), Ucalegon (Al), Ulixes (A3), Venus (A3), Vulcanus (A3) ,Hero und Leander' Leander ( A l ) ,Herzog Ernst' Cyclopes ( B l ) , Gigantes ( B l ) , Pygmaei ( B l ) ,heselin, Das' Venus (B21) Hugo von Langenstein .Martina' Alexander (E10), Amazones (E3), Apollo (E7), Aristoteles (E5), Augustus (E6), Cicero (El), Diana (E4), Fortuna (El), Gog und Magog (E2), Iuppiter (E8), Nero (E6), Phoenix [2] (E2), Seneca (E3) Hugo von Trimberg ,Der Renner' Achates, Achilles (D2), Adrastus [1] ( D l ) , Aeneas (D2), Aesopus, Alexander (D4), Amazones (D2),
Aristoteles (D2), Augustus ( D l ) , Avianus ( D l ) , Caesar (D2), Cato [1] ( D l ) , Cicero (D3), Claudianus ( D l ) , Claudius Aelianus, Crassus ( D l ) , Croesus ( D l ) , Dares ( D l ) , Darius [3] ( D l ) , Demosthenes ( D l ) , Diogenes ( D l ) , Diomedes ( D l ) , Donatus (D2), Empedocles, Eteocles und Polynices ( D l ) , Euander [1] ( D l ) , Galenus ( D l ) , Hector [1] (D2), Helena [1] (D2), Hercules (D2), Hippocrates ( D l ) , Horatius (D2), Hydra (D2), Iulianus (D2), Iuvenalis (D2), Lucanus (D2), Maecenas, Mars (D3), Maxen tius ( D l ) , Menelaus ( D l ) , Nero (D2), Numa Pompilius ( D l ) , Oedipus ( D l ) , Orestes [1] ( D l ) , Ovidius (D3), Paris ( D l ) , Parthenopaeus ( D l ) , Patroclus ( D l ) , Persius, Plato [1] (D2), Plinius ( D l ) , Porphyrius (D2), Priamus ( D l ) , Ptolemaeus [2], Pygmaei ( D l ) , Pylades, Pythagoras (D2), Romulus und Remus ( D l ) , Sallustius (D2), Scipio (D2), Seneca (D2), Sibylla ( D l ) , Socrates [1] (D2), Solinus, Statius ( D l ) , Terentius (D2), Trogodytae (Dl),Turnus (Dl),Tydeus ( D l ) , Ulixes ( D l ) , Venus (D3), Vergilius ( D l ) Johann von Konstanz ,Minnelehre' Amor/Cupido ( D l ) , Avianus (D2), Cyclopes (D2), Helena [1] (D3), Paris (D2), Venus (D4) Johann von Würzburg .Wilhelm von Österreich' Achilles (B8), Amazones (B4), Amor/Cupido (B12), Apollo (B15), Aristoteles (B4), Bucephalus (NB), Daedalus ( B l ) , Darius [3] (NB), Hector [1] (NB), Helena [1] (BIO, NB), Iuppiter (B14), Luna (B3), Mars (B8), Mercurius (B4), Plinius ( B l ) , Pyramus und Thisbe (B8), Saturnus (B6), Socrates [1] ( B l ) , Sol (B2), Themistius, Venus (B15), Vergilius (B4) Johans von Brabant Venus (C14, 15) .Kaiserchronik' Achilles (NB), Aeneas (E2), Agrippa (E2), Alexander (E2), Antenor (E2), Antoninus, Apollo (El), Aristoteles (E2), Augustus (E3), Caesar (E2), Caligula (El), Cato [2] (E2), Claudius [1] (El), Collatinus, Commodus, Constantinus (El, NB), Constantius ( E l ) , Curtius (El), Cyclopes (E2), Decentius, Decius (El), Didius, Diocletianus (El), Domitianus (El), Epicurus, Galba (El), Galenus (El), Hadrianus, Hector [1] (E2), Helena [2] (El),
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Helenus (E2), Indutiomarus, Iulianus (El), Iuppiter (El), Labienus, Lucretia, Luna (El), Mars (El), Maximian us (El), Mercurius (El), Mettius (E2), Mucius Scaevola, Nepotianus, Nero (El), Nerva, Otho (El), Ovidius (El), Pertinax, Philippus [5] ( E l ) , Philippus [6] ( E l ) , Piso ( E l ) , Plato [1] (E2), Pompeius (E2), Postumus, Pythagoras (E2), Romulus und Remus (El), Saturnus (El), Septimius Severus, Sibylla (El), Sol (El), Tarquinius [2] (El), Tiberius (El),Titus (El),Traianus (El), Ulixes (E2), Valerianus, Venus (El), Vespasianus (El), Vetranio, Vitellius ( E l )
Lyrik Amor/Cupido (C4), Discordia (C2), Helena [1] (C6), Mars ( C l ) , Paris (C5), Sirenes (C3, C4), Venus (C13) ,Pantaleon' Aesculapius (E3), Galenus (E3), Hippocrates (E3), Maximianus (E4) ,Partonopier'
Kanzler, Der Phoenix [2] ( C l )
Constantinus (E5), Helena [2] (E3), Tarquinius [2] (NB) .Trojanerkrieg' (mit Fortsetzung) Acamas [2], Achilles (A4), Adrastus [2] (A2), Aeetes (A3), Aegisthus (A2), Aeneas (A4), Agamemnon (A4), Agapenor (A2), Agathon [1], Agavus, Agyrtes [2], Aiax [1] (A4), Aiax [2] (A3), Alcmena (B2), Alexander (B13), Amazones (A4), Amor/Cupido (A3), Amphidamas, Amphimachus [1] (A2), Amphimachus [3] (A2), Amphimachus [4] (A2), Anchises (A4), Andromacha (A2), An tenor (A3), Antilochus
,Karlmeinet' Alexander (B18), Apollo (B16), Orestes [1] (NB), Venus (B17) ,König Rother' Alexander (B2), Constantinus (NB), Helena [2] (Bl)
Konrad, Pfaffe ,Rolandslied' Alexander (Bl), Apollo (Bl), Gigantes (B2), Iuppiter (Bl), Mars (Bl), Priamus (NB), Saturnus (Bl) Konrad, Priester ,Predigtbuch' Constantinus (E2), Domitianus (E2), Helena [2] (E2), Nero (E2) Konrad von Fußesbrunnen .Kindheit Jesu' Sibylla (E2) Konrad von Kirchberg Amor/Cupido (C3), Venus (C12) Konrad von Stoffeln ,Gauriel' Achilles (B4), Chiron (Bl), Hector [1] (B6), Helena [1] (B7), Iuno (B9), Mercurius (B3), Pallas [1] (B7), Paris (B7), Thetis (B4) Konrad von Würzburg ,Engelhard' Sirenes (B4)
Amor/Cupido (BIO), Apollo (B8), Mars (B5), Orpheus (B3), Parthenopaeus (NB), Phoenix [2] (B2) ,Schmiede, Die goldene' Phoenix [2] (El), Sirenes (E2) ,Silvester'
[1] (A2), Antimachus [2], Antiphus [1] (A2), Antiphus [3] (A2), Apollo (A5), Arcesilaus (A2), Archelochus (A2), Argus [2] (A2), Ariadne (B2), Ascalaphus [2] (A2), Ascanius [1] (A2), Asius [1], Asius [2], Asteropaeus (A2), Astyanax (A2), Athamas (NB), Aurora (A2), Bacchus (A2), Bunomus, Calchas (A3), Cassandra (A2), Castor und Pollux (A3), Centauri (A2), Ceres (A2), Chiron (A2), Chorithan, Chryses (A2), Clytaemestra (A2), Corythus [2], Creusa [1] (A2), Cupesus (A2), Cygnus [2] (A2), Damocles, Dares (A2), Deianira (A2), Deidamia (A2), Deiphobus (A2), Diana (A4), Diomedes (A4), Diores [1] (A2), Diores [2], Discordia (Al), Dolon [1] (A3), Dolon [2] (A2), Dryades (A2), Dryops, Dymas, Epistrophus [1] (A2), Epistrophus [2] (A2), Epius (A2), Euander [2], Eumelus (A2), Euphorbus (A3), Euryalus [1] (A2), Eurypylus [1] (A3), Eurypylus [2], Eurytus [1], Fortuna (A3), Glaucus [2] (A2), Glaucus [3] (A2), Gorgythion, Guneus (A2), Hecate (A2), Hector [1] (A4), Hecuba (A4), Helena [1] (A4), Helenus (A2), Hercules (A4), Hermione (A2), Hesiona (A3), Hippodamia [2] (A2), Hippothous [2] (A2), Hydra (A2), Hymen (A2), Hypsipyle, Ialmenus (A2), Iason (A3), Idaeus [1], Idaeus [2], Idomeneus (A3), Ilioneus [2], Ilus (A3), Iolaus [1] (A2), Iole (A2), Iphigenia (A2), Iuno (A4), Iup-
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piter (A4), Lampus, Laodamas (A2), Laomedon [1] (A3), Lapithae (Al), Leda (A2), Leonteus (A2), Lichas (A2), Lycaon [2], Lycomedes (A2), Machaon (A2), Mars (A4), Medea (A3), Memnon [1] (A2), Menelaus (A4), Menestheus (A2), Mercurius (A4), Meriones (A3), Mesthles (A2), Myrmidones (A3), Naiades (A2), Nastes (A2), Neptunus (A4), Nessus (A2), Nestor (A3), Nireus (A2), Nisus [2] (NB), Oenone (Al), Oreades, Orestes [1] (A2), Palamedes (A3), Pallas [1] (A4), Pandarus [1] (A2), Panthus (A2), Paris (A4), Patroclus (A2), Peleus (A3), Pelias (A3), Pelops (A2), Peneleus, Penthesilea (A2), Perses (A2), Phalas, Phidippus (A2), Philenor, Philoctetes (A2), Phoenix [1] (A2), Phoenix [2] (B3), Phyllis (B3), Polydamas [1] (A2), Polypoetes (A2), Polyxena (A3), Polyxenus (A2), Priamus (A4), Protesilaus (A4), Proteus (A2), Prothoenor [2] (A2), Pylaemenes (A2), Pylaeus, Pyraechmes (A2), Pyramus und Thisbe (B5), Pyrrhus (A3), Pythagoras (NB), Remus [1] (A2), Rhesus (A3), Sarpedon (A3), Saturnus (A2), Schedius (A2), Sinon (A3), Sirenes (A2), Sthenelus (A2), Talaemenes (A2), Talthybius (A2), Telamon (A3), Telephus (A2), Telestes, Teucer (A3), Thalpius (A2), Theano (A2), Theseus (A2), Thetis (A3), Thoas (A2), Thyestes [2], Tithonus, Tlepolemus (A2), Troilus (A3), Tyndareus, Ucalegon (A2), Ulixes (A4), Venus (A5), Vulcanus (A4) ,Welt Lohn, Der' Pallas [1] (B5), Venus (B9) Lamprecht, Pfaffe »Alexander' Achilles (Bl), Aiax [1] (Bl), Alexander (Al), Amazones (Al), Ammon [1] (Al), Amonta (Al), Amyntas [1], Antigonus [2], Antilochus [2] (Al), Antiochus [3] (Bl), Apollonius [1] (Bl), Aristoteles (Al), Bessus (Al), Bucephalus (Al), Candacis (Al), Candaules (Al), Carator (Al), Cleopatra (Al), Clitus (Al), Craterus (Al), Cyrus (Al), Darius [3] (Al), Dionysius, Ephestius, Eumilo (Al), Fortuna (Al), Hector [1] (Bl), Lysias [1] (Al), Memnon [2] (Al), Nabarzanes (Al), Nectanebus (Al), Nestor (Bl), Nicolaus (Al), Olympias (Al), Oxyathres (Al), Paris (Bl), Parmenio (Al), Pausanias (Al), Perdiccas (Al), Philippus [1] (Al), Philippus [2] (Al), Phoenix [2] (Al), Porus (Al), Ptolemaeus [1] (Al), Roxane (Al), Spithridates, Tomyris (Al), Xerxes [1] (Al) ,Lohengrin' Apollo (B13), Aquilo (Bl), Aristoteles (B2), Echidna (B3), Hercules (B4), Iuppiter ( B l l ) , Sibylla (B7)
.Lucidarius' Alexander (D2), Amazones ( D l ) , Charybdis ( D l ) , Cyclopes ( D l ) , Gog und Magog ( D l ) , Hercules ( D l ) , Iugurtha, Laelius, Macrobii ( D l ) , Mars ( D l ) , Ovidius (D2), Sardus, Scipio ( D l ) , Scylla [1] ( D l ) , Venus ( D l ) , Vulcanus ( D l ) ,Mai und Beaflor' Apollo (B9) Marner, Der Chimaera (Cl), Medusa (CI), Perseus (Cl), Phoenix [2] (C2, C3), Sirenes ( C l ) Meißner, Der Charadrius (C2), Iuppiter ( C l ) , Mars (C2), Mercurius ( C l ) , Phoenix [2] (C6), Saturnus (C2), Venus (C17) Meißner, Der junge Alexander ( C l l ) , Aristoteles (C5), Pyramus und Thisbe (C3, C4), Venus (C22), Vergilius (C4,
C5)
,Minneburg, Die' Aeneas (D3), Amor/Cupido (D4), Aristoteles (D3), Camilla ( D l ) , Galenus (D2), Helena [1] (D4), Hippocrates (D2), Iuppiter (D2), Nectanebus (D2), Paris (D3), Phoenix [2] (D2), Plato [1] (D3), Pythagoras (D3), Venus (D6) ,Minne-Falkner, Der' Amor/Cupido (D3), Venus (D5) ,Moriz von Craün' Aeneas (B3), Alexander (B6), Caesar (B3), Cassandra (B2), Dares ( B l ) , Deiphobus ( B l ) , Dido (B5), Hector [1] (B2), Helena [1] (B2), Helenus (Bl), Nero (Bl), Pandarus [1] (Bl), Paris (B2), Troilus (Bl), Venus (B3), Vulcanus (B2) ,Orendel' Achilles (NB), Helena [2] (B2), Sirenes ( B l ) .Ortnit' Apollo (B17) Otte ,Eraclius' Alexander (E3), Constantinus ( B l , NB), Helena [2] (B3), Morpheus (NB), Paris (NB)
Register der Einträge nach Autoren und Werken Otto von Freising ,Laubacher Barlaam' Adonis ( E l ) , Aesculapius ( E l ) , Amphion ( E l ) , Anchises (El), Antiope (El), Apollo (E2), Bacchus (El), Castor und Pollux (El), Danae (El), Diana (El), Europa (El), Ganymedes (El), Helena [1] (El), Hercules (El), Isis (El), Iuppiter (E2), Leda (El), Mars (E2), Mercurius (E2), Minos (El), Perseus (El), Proserpina (El), Rhadamanthys (El), Sarpedon (El), Saturnus (E2), Semele (El), Typhoeus (El), Venus (E2), Vulcanus (E2), Zethus ( E l ) .Physiologus' Centauri ( D l ) , Charadrius ( D l ) , Hydra ( D l ) , Phoenix [2] ( D l ) , Sirenes ( D l ) Pleier, Der ,Garel' Alexander (NB), Iuppiter (B9), Leander (NB), Vulcanus (B4) ,Meieranz' Aeneas (B8), Amor/Cupido (B7), Helena [1] (B6), Olympias (NB), Paris (B6), Venus (B13) .Tandareis'
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.Reinfried von Braunschweig' Achilles (B6), Aeneas (Bl 1), Agamemnon (B2), Alexander (B16), Amazones (B3), Antiochus [2] (B3), Apollo (B14), Aristoteles (B3), Atlas ( B l ) , Augustus (B5), Briseis ( B l ) , Calchas ( B l ) , Ceres ( B l ) , Chiron (B2), Claudianus ( B l ) , Constantinus (B5), Darius [3] (B4), Deidamia (B2), Demophon (B2), Diana (B2), Dido (BIO), Enceladus, Gog und Magog (B2), Hannibal ( B l ) , Hector [1] (B7), Helena [1] (B9), Helena [2] (B4), Hercules (B6), Hippomedon (NB), Iason ( B l ) , Iuno (BIO), Iuppiter (B13), Lycomedes ( B l ) , Mars (B6), Medea (B2), Neptunus (B2), Orpheus (B4), Ovidius (B3), Pallas [1] (B8), Paris (BIO), Penelope ( B l ) , Philippus [1] (B2), Phyllis (B4), Pluto ( B l ) , Pompeius (NB), Proserpina ( B l ) , Pygmaei (B3), Pyramus und Thisbe (B6), Pyrrhus ( B l ) , Saturnus (B5), Satyrus, Sirenes (B6), Statius ( B l ) , Thetis (B3), Titus ( B l ) , Ulixes (B2), Venus (B14), Vergilius (B3), Vespasianus (B3) Reinmar von Brennenberg Phoenix [2] (C4) Reinmar von Zweter Alexander (C3), Nero ( C l )
Antigone [1] (NB), Hippomedon (NB) ,Prosa-Lancelot' Achilles (B3), Aeneas (B7), Alexander (B9), Amor/ Cupido (B6), Apollo (B4), Caesar (NB), Camilla (NB), Diana ( B l ) , Hector [1] (B5, NB), Helena [1] (B5, NB), Hercules (B3), Iuppiter (B5), Lucanus (NB), Maxentius ( B l ) , Orpheus (B2), Paris (B4), Ptolemaeus [4] (NB), Sibylla (B5), Tarquinius [2] (NB), Tiberius ( B l ) , Venus (B7), Vergilius (B2), Vespasianus ( B l ) ,Pyramus und Thisbe' Pyramus und Thisbe (A2), Venus (A9) Regenbogen Alexander (C14), Aristoteles (C6), Ptolemaeus [4] (CI), Seneca (C2), Vergilius (C6) Reinbot von Durne ,Der heilige Georg' Alexander (E5), Apollo (E5), Diocletianus (E2), Helena [1] (E3), Hercules (E4), Iuppiter (E5), Luna (E2), Maximianus (E3), Menelaus (E2), Paris (El), Saturnus (E5), Sibylla (E5), Venus (E5)
Rudolf von Ems .Alexander' Abdalonymus, Abistamenes, Abulites, Aeneas (B6), Aeschines ( A l ) , Aeschylus, Agathon [2], Agenor [1] (A2), Agis, Alcippus, Alexander (A2), Amazones (A3), Amedines, Ammon [1] (A2), Amonta (A2), Amphoterus, Amyntas [2] ( A l ) , Anaximenes, Andromachus, Andronicus, Anepolis, Antigenes, Antigonus [1] (Al),Antilochus [2] (A2), Antipater (Al), Aphobetus, Apollo (A4), Apollodorus, Apollonides, Apollonius [3], Archelaus, Archepolis, Aretes, Ariobarzanes, Aristander ( A l ) , Aristogiton, Aristomedes, Ariston [1], Aristonicus, Aristoteles (A2), Arsames [2], Arses, Artabanus, Artabazus (Al), Artaxerxes [ 1 ], Artaxerxes [2], Atharrhias, Athenagoras [1], Bagistanes, Bagophanes, Balacrus, Barzaentes, Belus (Al), Bessus (A2), Betis ( A l ) , Bion, Bolon, Brocubelus ( A l ) , Bucephalus (A2), Calais, Callicrates, Callicratides, Callisthenes ( A l ) , Cambyses, Camilla (B3), Caranus, Catenus,Cebalinus (Al), Cerastus, Chares, Chrysolaus, Cleander, Clitomachus, Clitomedes, Clitus (A2), Cobares, Coenus (Al), Constantinus (B2), Craterus (A2), Croesus (Al), Curtius Rufus, Cyrus (A2), Darius [1], Darius [2], Darius [3] (A2), Da-
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taphernes, Demetrius [1] (Al), Demetrius [2], Democrates, Demosthenes (Al), Dido (B8), Dioxenus, Dropides, Duritus, Dymnus (Al), Erigyius, Euctemon (Al), Eumilo (A2), Gobares, Gog und Magog (Al), Gorgatas, Gorgias [1], Hecataeus, Hector [2] (Al), Hegelochus, Hellanicus, Hephaestio (Al), Hercules (B2), Homerus (Bl), Hydarnes, Hydaspes [1], Ilioneus [4], Ioleus (Al), Iosephus (Al), Iphicrates, Iuppiter (A3), Leonidas, Leonides, Leonnatus (Al), Lysias [1] (A2), Madates (Al), Manapis, Mazaces, Mazaeus (Al), Meleager [2] (Al), Melon, Memnon [2] (A2), Menecles, Menes, Menidas, Menon, Mercurius (A2), Metron (Al), Mithracenes, Mithrenes, Monimus, Nabarzanes (A2), Nectanebus (A2), Neptunus (A3), Nicanor [1] (Al), Nicanor [2], Nicarchides, Nicolaus (A2), Nicomachus (Al), Ninus (B2), Olympias (A2), Onomastorides, Orestes [2] (Al), Orontopates, Orsines, Oxyathres (A2), Parmenio (A2), Patron [1] (Al), Pausanias (A2), Pausippus, Perdiccas (A2), Peucestes [1], Peucolaus, Pharnabazus, Philippus [1] (A2), Philippus [2] (A2), Philippus [3], Philippus [4], Philotas (Al), Phradates, Phrataphernes, Plato [2], Pnytagoras, Polemon [1], Polemon [2], Polydamas [2], Polyperchon (Al), Polystratus (Al), Porus (A2), Ptolemaeus [1] (A2), Rheomithres, Roxane (A2), Sanballat (Al), Sataces, Satibarzanes, Satropates, Simmias, Sisygambis (Al), Sitalces, Socrates [2], Sogodianus, Spinther [1], Spitamenes, Stapsi, Stasagoras, Stesichorus, Strato, Thalestris (Al), Theaetetus (Al), Theodotus, Thersippus, Thymodes (Al), Tiridates, Tyriotes, Xenophilus, Xerxes [1] (A2), Xerxes [2], Zoilus jBarlaam' Actaeon (El), Adonis (E2), Aeolus (El), Aesculapius (E2), Alcmena (El), Amor/Cupido (El), Amphion (E2), Amphitryon (El), Anchises (E2), Antiochus [2] (El), Antiope (E2), Apollo (E3), Apollonius [4], Areas [1] (El), Bacchus (E2), Callisto (El), Castor und Pollux (E2), Danae (E2), Demetrius [3], Diana (E2), Europa (E2), Gorgias [2], Helena [1] (E2), Hercules (E2), Isis (E2), Iuno (El), Iuppiter (E3), Leda (E2), Mars (E3), Medusa (El), Mercurius (E3), Minos (E2), Musae (El), Neptunus (El), Pallas [1] (El), Perseus (E2), Rhadamanthys (E2), Rhea, Sarpedon (E2), Saturnus (E3), Semele (E2), Sibylla (E3), Thetis (El), Titanes, Typhoeus (E2), Venus (E3), Vulcanus (E3), Zethus (E2) ,Gerhart, Der guote' Aeolus (Bl), Iuno (B4), Iuppiter (B4), Mercurius (Bl), Neptunus (Bl), Pallas [1] (B2), Thetis ( B l )
,Weltchronik' Abas (El), Acrisius (El), Aegeus (El), Aegialeus, Aegisthus (El), Aeneas (E3), Agamemnon (E2), Alexander (E6), Amazones (El), Ammon [1] (El), Amphictyon, Amphion (E3), Androgeus (El), Andromeda (El), Antaeus (El), Antenor (E3), Apheidas, Apollo (E4), Aratus [2], Areas [1] (E2), Argonautae, Argus [3], Ariadne (El), Ascanius [3] (El), Astraeus, Atlas (El), Atreus, Bacchus (E3), Belus (El), Boreas (El), Castor und Pollux (E3), Cecrops (El), Centaurus (El), Cerberus (El), Ceres (El), Charybdis (El), Codrus, Constantius (E2), Cranaus, Creon, Creusa [2] (El), Crotopus, Cyclopes (E3), Daedalus (El), Danaus (El), Dardanus (El), Daunus (El), Demiurgus, Demophon (El), Deucalion (El), Diana (E3), Dido (El), Epaphus (El), Epopeus, Erechtheus (El), Erichthonius (El), Eteocles und Polynices (El), Euander [1] (El), Eumolpus, Europa (E3), Europs, Eurysthenes, Eurystheus (El), Faunus, Ganymedes (E2), Gog und Magog (El), Hector [1] (E3), Helenus (E3), Helle, Hercules (E3), Hippodamia [1], Homerus (El), Hydra (El), Ianus, Iason (El), Inachus [1] (El), Inachus [2], Io (El), Iosephus (El), Iuno (E2), Iuppiter (E4), Ixion (El), Lacedaemon, Laomedon [1] (El), Lapithae (El), Latinus (El), Latona (El), Lavinia (El), Linus, Lynceus, Macrobii (El), Mars (E4), Medea (El), Medon [2], Melampus, Melanthus, Menelaus (El), Menestheus (El), Mercurius (E4), Messapus [2], Minos (E3), Minotaurus (El), Musaeus, Neptunus (E2), Nicostrata, Ninus (El), Oedipus (El), Ogyges, Orestes [1] (El), Orpheus (El), Orthopolis, Palaephatus, Pallas [1] (E2), Pallas [3] (El), Pandion (El), Pelasgus, Pelias (El), Pelops (El), Penthilus, Perseus (E3), Phorbas [3], Phoroneus, Phrixus, Picus (El), Pirithous (El), Plato [1] (E3), Pluto (El), Polybus [2], Priamus (El), Priapus (El), Proetus, Prometheus, Proserpina (E2), Pygmaei (El), Pyrrhus (El), Pythagoras (E3), Saturnus (E3), Scylla [1] (El), Semele (E3), Sibylla (E4), Silvius (El), Sirenes (El), Sparton, Sthenelus (El), Tantalus [1] (El), Theseus (El), Thetis (E2), Thyestes [1] (El),Thymoetes, Thysamenus, Triopas, Triptolemus (El), Trogodytae (El), Tros (El), Turnus (El), Ulixes (E3), Venus (E4), Vergilius (El), Vulcanus (E4), Zeuxippus Rudolf von Rotenburg Amor/Cupido ( C l ) , Helena [1] (C4), Lavinia (C2), Ovidius ( C l ) , Pallas [1] (C3), Venus (C7)
Register der Einträge nach Autoren und Werken Rumelant Aristoteles (C7), Cato [1] (CI, C2), Donatus ( C l ) , Galenus ( C l ) , Hippocrates ( C l ) , Plato [1] ( C l ) , Seneca ( C l ) , Socrates [1] ( C l ) , Vergilius (C7) ,Schüler zu Paris, Der' Charadrius (B2), Sirenes (B8) Sigeher Alexander (C12, C13), Sibylla (C5) Stricker, Der ,Daniel' Venus (B6) ,Eule und Habicht' Iuppiter (B6) ,Geist, Vom heiligen' Alexander (E4) .Karl' Alexander (B7), Apollo (B5), Iuppiter (B7), Saturnus (B3) .Pfaffe Amis' Alexander (B8), Darius [3] (B2), Porus (B2) Tannhäuser, Der Achilles ( C l ) , Diana (C2), Dido (C3), Discordia ( C l ) , Hector [1] ( C l ) , Helena [1] (C5), Invidia ( C l ) , Iuno (C2), Medea ( C l ) , Menelaus ( C l ) , Oenone ( C l ) , Ovidius (NB), Pallas [1] (C2), Paris (C2, C3), Pyramus und Thisbe ( C l ) , Sibylla ( C l ) , Venus (C8-11) Thomasin von Zerklaere ,Der welsche Gast' Achilles ( D l ) , Aeneas ( D l ) , Alexander (D3), Anaxagoras, Anchises ( D l ) , Andromacha ( D l ) , Aristarchus ( D l ) , Aristoteles ( D l ) , Atlas ( D l ) , Caesar ( D l ) , Cicero (D2), Constantinus ( D l ) , Donatus ( D l ) , Euclides, Euripides, Hannibal ( D l ) , Hector [1] ( D l ) , Hecuba ( D l ) , Helena [1] ( D l ) , Iulianus ( D l ) , Iuppiter ( D l ) , Mars (D2), Mercurius ( D l ) , Nectanebus ( D l ) , Nero ( D l ) , Nicanor [4], Oenone ( D l ) , Parmenides, Penelope ( D l ) , Plato [1] ( D l ) , Porphyrius ( D l ) , Ptolemaeus [4] ( D l ) , Pythagoras ( D l ) , Quintiiianus, Saturnus ( D l ) , Socrates [1] ( D l ) , Thaies, Timotheus, Venus (D2), Zeno ,Tristan als Mönch' Deianira (NB)
693
Ulrich von dem Türlin ,Arabel' Apollo (B6), Iuno (B7), Venus ( B l l ) Ulrich von Etzenbach .Alexander' Abas (Al), Achaimenes, Achillas, Achilles (B5), Acrisius (A2), Actorides, Adrastus [1] (B2), Aeschines (A2), Afer, Agenor [1] (A3), Agenor [2], Agilos, Aiax [1] (B2), Alexander (A3), Amazones (A5), Ambira, Ammon [1] (A3), Amor/Cupido (A4), Amphiaraus ( B l ) , Amphilocus, Amphion ( B l ) , Amyntas [2] (A2), Antaeus ( B l ) , Antigonus [1] (A2), Antigonus [2], Antiochus [2] ( B l ) , Antipater (A2), Antipodes ( A l ) , Antonius ( B l ) , Apelles ( A l ) , Apollo (A6), Aristander (A2), Aristomenes, Ariston [2], Aristoteles (A3), Arsames [1], Artabazus (A2), Augustus (B3), Auson, Bakchides, Belus (A2), Bessus (A3), Betis (A2), Brocubelus (A2), Bucephalus (A3), Cadmus (A2), Caesar (B5), Callisthenes (A2), Candaceus, Candacis (A2), Candaules (A2), Capaneus (A2), Carator (A2), Cassandrus, Caynas, Cebalinus (A2), Cecrops (NB), Charybdis (A3), Cherippus, Cicero (NB), Cleades, Cleopatra (A2), Clitus (A3), Coenus (A2), Concordia, Craterus (A3), Critobolus, Croesus (A2), Cyrus (A3), Danae ( B l ) , Darius [3] (A3), Demetrius [1] (A2), Demosthenes (A2), Diana (A5), Dindimus, Dinus, Diomedes ( B l ) , Discordia ( B l ) , Dodon, Dorylus, Dyaspes, Dymnus (A2), Eclimus, Elas, Eliphas, Elis, Enacides, Enos, Epaphus (A2), Eteocles und Polynices (A2), Euctemon (A2), Eudochius, Eumenidus, Europa ( B l ) , Fortuna (A4), Ganymedes ( B l ) , Geon, Glaucus [4], Gog und Magog (A2), Hebe, Hector [2] (A2), Helena [1] (B8), Hephaestio (A2), Hercules (B5), Hermogenes, Hermolaus, Hippomedon (A2), Homerus (B3), Horatius ( B l ) , Hydra ( B l ) , Hysannes, Iolaus [2], Ioleus (A2), Iollas, Iuno (A6), Iuppiter (A6), Laius, Lamia (NB), Laomedon [1] ( B l ) , Laomedon [2], Latona ( B l ) , Leonnatus (A2), Lucanus (B2), Lysias [1] (A3), Lysias [2], Lysimachus, Madates (A2), Mars (A6), Mazaeus (A2), Mecha, Meleager [2] (A2), Memnon [2] (A3), Menelaus (B2), Mercurius (A3), Metron (A2), Mida, Midas ( B l ) , Nabarzanes (A3), Nectanebus (A3), Negusar, Neptunus (A5), Nicanor [1] (A2), Nicanor [3], Nicolaus (A3), Nicomachus (A2), Ninus (B3), Niobe ( B l ) , Ochus, Oedipus ( B l ) , Oenone ( B l ) , Olympias (A3), Orestes [2] (A2), Ovidius (B2), Oxyathres (A3), Pallas [1] (A6), Parcae (Al), Paris (B9), Parmenio (A3), Parthenopaeus (A2),
694
Register der Einträge nach Autoren und Werken
Patron [1] (A2), Pausanias (A3), Peleus ( B l , NB), Perdiccas (A3), Perseus (A2), Peucestes [2], Pharos, Phidias, Philippus [1] (A3), Philippus [2] (A3), Philotas (A2), Phoenix [2] (A3), Phylax, Polybus [1] (Al), Polyperchon (A2), Polystratus (A2), Pompeius (B2), Porus (A3), Ptolemaeus [1] (A3), Ptolemaeus [3], Pygmaei (Al), Remnon, Roxane (A3), Rubricus, Sanballat (A2), Sanga, Saturnus (A4), Scylla [1] (A3), Seleucus Nicator ( A l ) , Seneca ( A l ) , Simeon, Sisenes, Sisygambis (A2), Symmachus, Tauron, Taxiles, Thalestris (A2), Theaetetus (A2), Thymodes (A2), Timaeus, Tomyris (A2), Tydeus ( B l ) , Ulixes ( B l ) , Valerius, Venus (A7), Victoria, Xerxes [1] (A3), Zephyrus [2], Zoroas .Herzog Ernst D' Apollo (B12), Augustus (B4), Cyclopes (B2), Pygmaei (B2) .Wilhelm von Wenden' Apollo (Bl 1), Iuppiter (B12) Ulrich von Gutenburg Alexander ( C l ) , Lavinia ( C l ) , Turnus ( C l ) Ulrich von Liechtenstein ,Frauendienst' Alexander ( B l l ) , Tantalus [1] ( B l ) , Venus (B8) Ulrich von Singenberg Alexander (C4) Ulrich von Türheim .Rennewart' Alexander (BIO), Amazones (B2), Ammon [1] ( B l ) , Apollo (BIO), Caesar (NB), Cyrus (NB), Euphemus (NB), Galenus ( B l ) , Iuppiter (B8), Mars (B4), Penthesilea (NB), Titanes (NB) Ulrich von Winterstetten Amor/Cupido (C2) Ulrich von Zazikhoven ,Lanzelet' Augustus ( B l ) , Darius [3] ( B l ) , Echidna (B2), Sibylla (B4)
Walther von der Vogelweide Alexander (C2), Constantinus ( C l , C2), Diana ( C l ) , Helena [1] (C2) .Wartburgkrieg' Alexander (C5), Aristoteles ( C l ) , Echidna ( C l ) , Hercules ( C l ) , Iuno ( C l ) , Saturnus ( C l ) , Sibylla (C2), Sirenes (C5), Vergilius ( C l ) ,Weinschwelg, Der' Dido (B12), Helena [1] ( B l l ) , Paris (B16), Pyramus und Thisbe ( B l l ) Wernher der Gartenaere .Helmbrecht' Aeneas (BIO), Paris (B8) Wernher von Elmendorf Alexander ( D l ) , Antigonus [1] ( D l ) , Cicero ( D l ) , Horatius ( D l ) , Iuvenalis ( D l ) , Lucanus ( D l ) , Ovidius ( D l ) , Sallustius ( D l ) , Seneca ( D l ) , Terentius ( D l ) , Xenophon, Xerxes [1] ( D l ) ,Wigamur' Deiphobus (B2), Demophon ( B l ) , Hector [1] (B4) Williram von Ebersberg .Das Hohe Lied' Aristoteles (El), Plato [1] (El), Pythagoras (El), Socrates [1] ( E l ) .Winsbeckin, Die' Ovidius (C2), Venus (C6) Wirnt von Grafenberg .Wigalois' Aeneas (B4), Amazones ( B l ) , Amor/Cupido (B4), Dido (B4), Hercules (NB), Nereus (NB), Ovidius ( B l ) , Python (NB)
.Virginal' Alexander (B22), Apollo (B19), Iuppiter (B15)
Wisse, Claus/Philipp Colin ,Niuwer Parzival' Alexander (B19), Mars (NB), Medusa (NB), Porus (B3), Vespasianus (B4)
Wachsmut von Miihlhausen Phoenix [2] (C5)
,Wolfdietrich' Apollo (B18), Iuppiter (B16), Sibylla (B8)
Register der Einträge nach Autoren und Werken Wolfram von Eschenbach Lieder Venus (C2) .Parzival' Aeneas (B2), Alexander (B4, NB), Amor/Cupido (B2), Antigone [1] (NB), Caesar (B2), Camilla (Bl), Dido (B2), Drances (Bl), Echidna (Bl), Hecuba (NB), Hippomedon (NB), Iuno (B3), Iuppiter (B3), Mars (B2), Ninus (Bl), Olympias (NB), Phoenix
695
[2] (Bl), Plato [1] (B2), Pompeius (NB), Pythagoras (Bl), Rhadamanthys (Bl), Saturnus (B2), Sibylla (B2), Turnus (Bl), Venus (Bl), Vergilius (Bl) ,Titurel' Hippomedon (NB), Pompeius (NB) ,Willehalm' Amor/Cupido (B3), Apollo (B3), Camilla (B2), Hector [1] (NB), Plato [1] (B3), Pompeius (Bl), Sibylla (B3), Tarpeia (Bl)
Register der Namensvarianten Das Register soll die Identifizierung der in den mittelhochdeutschen Texten mit abweichender Namensform genannten Gestalten und ihre Zuordnung zu den Haupteinträgen ermöglichen. Die aufgelisteten Namensformen sind dabei als optional zu verstehen (so bedeutet z.B. der Verweis „Pyramus -* Priamus" nicht, dass alle Namensformen auf „Pyramus" dem Lemma „Priamus" zuzuordnen sind). Die Namensformen sind im jeweiligen Artikel folgendermaßen nach Texten aufgeschlüsselt: bei Artikeln mit mehreren Einträgen unter der Kategorie „Nf.", bei Artikeln mit nur einem Eintrag in Klammer nach der Nennung des Textes und der Stellenangabe. Zudem sind die entsprechenden Angaben unter „Nachbenennung(en)" am Ende der Artikel zu konsultieren. Neben den gravierend entstellten Namensformen sind leichtere Abweichungen dann berücksichtigt, wenn sie eine andere alphabetische Einordnung zur Folge hätten. Varianten, die sich unmittelbar von selbst verstehen, sind nicht verzeichnet.
Ab(b)olle -> Apollo Abdalominus Abdalonymus Abollon -> Apollo Accapador -* Agapenor Achalmus Acamas [2] Achamas Acamas [1] Achanes Achaimenes Achimanis Achaemenides Achimedes -» Achaemenides Achiron Chiron Acriseus -* Acrisius Acteon -* Actaeon Adarias Atharrhias Adellin Claudius Aelianus Adonides Adonis Adrastus -* Aratus [1] Adriachnes Arachne Adriachnes Ariadne Adriagna Ariadne Adriagne -* Ariadne Adrianus Hadrianus Aeteon Aethon Affer -> Afer Agamennon Agamemnon Ag(e)monen Agamemnon Ag(g)alon -» Ascalaphus [2] Agilon Agilos
Agirres -* Agyrtes [2] Agmennon Agamemnon Agomennon Agamemnon Agumennon Agamemnon Aiaus -» Aiax [1] Aigax -* Aiax [1] Aigiax -» Aiax [1] Ajax Orleus -» Aiax [2] Aleeon -* Alcinous Aichamis Ascanius [1] Aichamis Talaemenes Alchamus Ascanius [1] Alchamus Talaemenes Alcinoe Alcyone Alcyones Halcyoneus Alfenor -» Elpenor Alimus Ialmenus Alin Ialmenus Alinus ~> Ialmenus Allecto -* Furiae Alpheum Molpeus Alphicus Ampycus Althea -» Althaea Altistrates -» Archistrates Amarodia Oenone Amasones Amazones Amazanes Amazones
Register der Namensvarianten Amazun -» Amazones Ambra Ambira Amenidas -* Amedines Amenta Amonta Amfimachus Amphimachus [1] Amfimachus Amphimachus [3] Amfimachus Amphimachus [4] Aminactis Astyanax Aminctas Amyntas [2] Amintas Amyntas [2] Amintor Amyntor Ammasones Amazones Amon -* Ammon [1] Ampficteon -» Amphictyon Ampfidamas -* Amphidamas Amphiades -> Apheidas Amphilicon Amphilocus Amphimach Amphimachus [4] Amphimacus -» Amphimachus [1] Amphio -* Amphion Amphioras Amphiaraus Amphioraus Amphiaraus Amphitrion -* Amphitryon Amphitrione -* Amphictyon Amphix -» Ampyx Amphrise -» Amphrysos Amur -» Amor/Cupido Andremon -* Andraemon Andrimacha Andromacha Andromache Andromeda Anes Rhamnes Anfimachus Amphimachus [3] Anfimacus Amphimachus [2] Anfimacus Amphimachus [4] Anne Anna Anteno(r)is Antenor Anteus Antaeus Anteus Perseus Anthanagoras -* Athenagoras [2] Anthenor -* Antenor Antheon Antaeus Antheus -» Antaeus Anthimach Antimachus [2] Anthiochius Antiochus [3] Anthiochus -» Anthonius Anthiochus Antonius Anthyochus Antiochus [2] Anthyochus Papirius Anticonie -* Antigone [1] Antides -* Aeantides
Antigenis Antigenes Antigon -* Antigonus [1] Antigonis -» Antigonus [1] Antikonie Antigone [1] Antikonye - » Antigone [1] Antiloch - » Antilochus [1] Antilocus -* Antilochus [1] Antimach -* Antimachus [2] Antioch -» Antiochus [3] Antipus -* Antiphus [3] Antjochus -* Antiochus [2] Antolicus -* Autolycus Antonius -* Augustus Antugenes Antigonus [1] Apobetus Aphobetus Apolisz -* Apollo Apollin -* Apollo Apollius Apollo Appelles -* Apelles Appollinart -» Apollo Aragnes -* Arachne Aranje Arachne Araxus -* Charaxus Arbas Abas Arbazan -» Nabarzanes Archabatus -* Artabazus Archas -» Areas [1] Archelaus -» Arcesilaus Archilogus -* Archelochus Archilon -» Achilles Aretusa -* Arethusa Aretuse -* Arethusa Areus -* Areos Aristemones Aristomenes Aristes -* Aristoteles Aristiles Aristoteles Aristona -* Ariston [1] Arjobarzanes Ariobarzanes Arjobazanes Ariobarzanes Armarspi -» Cyclopes Armarspi -* Cyclopes Armiona/e Hermione Arneus -* Orneus Arpon -* Amphius [1] Arras Arruns Arstetilus -* Aristoteles Artaxerses -» Artaxerxes [1] Artaxerses Artaxerxes [2] Artemia -* Diana Artemiden Diana
698 Arxes Arses Arzepolis Archepolis Ascalephus Ascalaphus [1] Ascalofius Aesculapius Aschalaphus - * Ascalaphus [2] Ascholoie -» Helena [1] Asclepius - * Aesculapius Assandrus Thessandrus Asteropeus -* Asteropaeus Astreus - * Astraeus Astyagon - * Astyages Atanagoras - * Athenagoras [1] Aternantes Astyanax Athalante Atalante Athalantis - * Atalante Athanagoras Athenagoras [2] Athlaß -> Atlas Athys -» Athis Atlaß Atlas Attaganer -* Athenagoras [2] Attaganoras -» Athenagoras [2] Attagoner Athenagoras [2] Atys -> Athis Auriphates -* Antiphates Aurisius - * Arcesius Ausones - * Auson Bache -* Bacchus Bachidis Bakchides Bachus Bacchus Bagistan Bagistanes Bagofanes -* Bagophanes Balacrios Philippus [4] Bariß -> Paris Barzente - * Barzaentes Basiphe -* Pasiphae Bassilippe Pasiphae Becias Bitias Bel -» Belus Belidas -» Peleus Belun -» Belus Benelope -* Penelope Biblis -» Byblis Bocubel - * Brocubelus Boetes Boetius Boetes - * Prothoenor [2] Briseida - * Briseis Bromius Bromus Btholomeus -* Ptolemaeus [1] Bucifal Bucephalus
Register der Namensvarianten Bucifale -* Bucephalus Bucival Bucephalus Busires -* Busiris Buten -» Butes Buzeval Bucephalus Bysan - * Bessus Calaphus Ascalaphus [2] Calcas Calchas Calcidius -* Calchas Calestena Callisthenes Caligola - * Caligula Caliope Calliope Calipsa Calypso Calistenes Callisthenes Camille -» Camilla Canaze - * Canace Candacia -* Candacis Canepeus Capaneus Canille -» Camilla Cantipus Antiphus [1] Cantipus -* Antiphus [2] Cantipus Antiphus [3] Capador Agapenor Cappadon - * Agapenor Caracter Carator Caradrius Charadrius Caratit -* Corythus [2] Cares -* Chares Caribde Charybdis Caribdis Charybdis Carpide Tarpeia Carpite -* Tarpeia Casandra Cassandra Cassandaria Cassandra Cassander -* Cassandra Cassandra Tomyris Cathmus Cadmus Caumas -* Thaumas Cayus - * Caligula Cecropis Cecrops Cedius - * Schedius Cefalon Epaphus Cefalus -* Epaphus Celidis - * Schedius Cenos - * Coenus Centipus -* Antiphus [3] Cepheum -* Typhoeus Cerimonius - * Chaeremon Cesar -» Caesar
Register der Namensvarianten Cethes
Zetes
Chaiaxum
Charaxus
Chandacor
Candaceus
Cristobolus Cromus
Critobulus Chromis [1]
Curtus Rufus - * Curtius Rufus
CKaribdis - * Charybdis
Cycero
Charopes - * Charops
Cycropides
Chimera
Cylla - » Scylla [1]
Chimaera
Cicero Cyclopes
Chionam -» Hesiona
Cynaras
Cinyras [1]
Chonstantius - * Constantius
Cynaraß
Cinyras [2]
Chores - * Chloreus
Cyneras -> Cinyras [3]
Chromus
Cyneus - * Guneus
Chromius
Chyone
Chione
Cyranos
Chyron
Chiron
Cyrces
Coeranus Circe
Ciclopes - * Cyclopes Cicloppides
Cyclopes
Ciclops - * Cyclopes Cifen - * Guneus Cignus
Cygnus [2]
Cillen -» Scylla [1] Cipressus - * Cyparissus Ciron -> Chiron Cirus
Cyrus
Clarius
Claudiano - * Claudianus Claudius - * Clausus Clausus
Climant
Dymas
Climene
Clymena [1]
Climestra - * Clytaemestra Clitemestra
Clytaemestra
Clitius - * Clytius Clitus - * Clytus Cloto -» Parcae Clyades - * Cleades Clycie - * Clytie Clymenes - * Clymenus Clymona - * Clymena [3] Cofilus - * Theophilus Conlatinus
Collatinus
Constantein - * Constantinus Corineis
Corynaeus
Coritus
Corythus [1]
Crateron
Craterus
Cratherus
Craterus
Creberum
Cerberus
Crelus - * Xerxes [1] Crepeus - * Asteropaeus Cresus - * Croesus Crises
Dafnes - * Daphne Damie
Amazones
Dampnus
Daunus
Dane - * Danae Danes
Danae
Danus - * Clanis Danus - * Danaus
Alba
Claudjus
Daclym - * Clitus
Chryses
Crisolaus - * Chrysolaus Crispus - * Chrysippus
Daries
Darius [3]
Daries - * Darius [3] Darion
Diores [1]
Darios - * Darius [3] Dedalion
Daedalion
Dedalus
Daedalus
Dedamia
Deidamia
Dedelus
Daedalus
Deidamia
Deianira
Deifebus - » Deiphobus Deiphebus
Deiphobus
Delon -» Dolon [2] Delonis
Sthenelus
Demefron - » Deiphobus Demesticus - * Demophon Demestius - * Themistius Demetercus - * Demetrius [3] Demetricus Democritus Demorgon
Demetrius [3] Democrates Demiurgus
Demostenes - * Demetrius [1] Demostenes - * Demosthenes Demosthena - * Demosthenes Diane - * Danae Dianira - * Deianira Diestes - * Thyestes [1] Dijane
Diana
Dimena
Clymena [2]
Dimnus
Dymnus
700
Register der Namensvarianten
Dimothenes
Demosthenes
Egina
Aegina
Dimus - * Dymnus
Egistus
Dinus - * Diocletianus
Egyal - * Aegiale
Aegisthus
Dioclecinus - * Diocletianus
Eialeus -» Aegialeus
Diogeni - * Diogenes
Einstern - * Cyclopes
Dionisius - * Dionysius
Ektor
Dionisius - * Dionysius
Elaine - * Helena [1]
Hector [1]
Dirtes - * Dirce
Elan - » Elas
Distordia - * Discordia
Elanicus
Djone
Elena/e
Helena [1]
Elena/e
Helena [2]
Diana
Doas
Thoas
Hellenicus
Dodonton -» Dodon
Elenor - * Helenor
Dodonton
Elenus - * Helenus
Dodon
Dolunt - * Dolon [2] Domerius
Idomeneus
Elidia -» Echidna Elim
Elis
Domicianus - * Domitianus
Eliphat
Domicjanus
Ellanicus
Dorastes
Domitianus Nastes
Eliphas Hellanicus
Elycie -» Helix
Dorilaus - * Dorylaus
Elyna
Dorion - * Diores [1]
Emachion -> Emathion
Dormus - * Diores [1]
Emelius
Doryclus - * Dorylas [1]
Emineus - * Hymen
Driapisbia
Emolphis - * Eumolpus
Dryops
Helena [1]
Drias - * Dryas
Enachus
Dulzmar
Encalego
Indutiomarus
Dyadamia Dyana
Deidamia Diana
Eumelus
Enacides Ucalegon
Eneas - * Aeneas Enesimus
Enaesimus
Dydo -» Dido
Enforbius - * Euphorbus
Dyoclecjanus - * Diocletianus
Enschelades
Dyocletianus - * Diocletianus Dyogenes
Diogenes
Ebe -> Hebe Ecguba
Hecuba
Echion - * Aethion Ecidemon - * Echidna Eckate
Hecate
Ecktor -» Hector [1] Eckuba
Hecuba
Ector
Hector [1]
Ector
Hector [2]
Ecuba
Hecuba
Edimus - * Eclimus Edippus
Oedipus
Edipus
Oedipus
Effigennia
Iphigenia
Effimenis
Pylaemenes
Egenoe Egeus Egial
Oenone Aegeus Aegiale
Enceladus
Eol - * Aeolus Eolos ~> Aeolus Eomulus - * Eumilo Ephestion
Hephaestio
Ephorbus
Euphorbus
Epiroe
Hesperie
Epiroen
Hesperie
Epistroples
Epistrophus [1]
Epistropus
Epistrophus [1]
Epistropus -» Epistrophus [2] Epistros - * Epistrophus [2] Epitus - * Epytus Eppopius - * Epopeus Ercules - * Hercules Erd
Terra
Ericto - * Erichtho Erictonius - * Erichthonius Erigena - * Erigone [2] Eriguus
Erigyius
Erinyen -» Furiae Eristeus
Eurystheus
Register der Namensvarianten Erita Chorithan Erita -» Gorgythion Eritheus -* Erechtheus Ermiona -* Hermione Ermogenes -* Hermogenes Ermogines Hermogenes Ermolaus -* Hermolaus Esacon -* Aesacus Eschalus -* Aeschylus Eschinus Aeschines Esculapius -* Aesculapius Esdras -» Adrastus [2] Esdras -* Adrastus [3] Esiona Lesiona Esipfile -* Hypsipyle Eskilus Aeschines Esopus -* Aesopus Esyona Erigone [2] Esyona -* Hesiona Ethemeon -* Echemmon Ethemus Echemmon Ethiocles -* Eteocles und Polynices Ethra Clymena [2] Etiocles -* Eteocles und Polynices Eudochion -* Eudochius Eufebius Euphorbus Eufemes -» Euphemus Eufestio -* Hephaestio Eufimacus -* Amphimachus [1] Eufimacus Amphimachus [2] Euforbius Euphorbus Euforbus Euphorbus Eumelius Eumelus Eumelus Eumelus Eumenidon -» Eumenidus Eumilio Eumilo Eunomos Ennomus Eunuchus Guneus Eurialus Euryalus [1] Eurialus Euryalus [2] Euri(c)hteus -* Erechtheus Euricomus Eurynomus Euridice Eurydice Eurihteus -* Eurystheus Eurimone Eurynome Eurinome -* Eurynome Euriolus -* Euryalus [1] Euripilus -* Eurypylus [1] Euripilus Eurypylus [2] Euristeus Eurystheus
Euristus -* Eurysthenes Eurithus -* Eurytus [2] Euritus -* Eurytus [1] Eustatis -* Eurysaces Euticio Euctemon Euticion Euctemon Evander -* Euander [1] Evander Euander [2] Evandirs Euander [1] Exatreus Oxyathres Ezidemon -* Echidna Ezsydemon -* Echidna Farnabazus Pharnabazus Fedra -* Phaedra Fenesteus Menestheus Fenis Phoenix [2] Fenix -* Phoenix [1] Fenix -* Phoenix [2] Fennus Venus Fenus Venus Filippus -* Philippus [1] Filithoas -* Phidippus Filitoas -» Phidippus Filitos -* Philoctetes Filius -» Vergilius Filomacia -* Philotimias Filomin Philumenus Filominus Philumenus Filotas -* Philotas Filothetes -* Philoctetes Fion Amphius [2] Forbante -* Phorbas [2] Forenses -* Strophius Fortinus Phorcys Fradates Phradates Fratafernes Phrataphernes Frictonius -* Erichthonius Frixus -* Phrixus Fulcanus -* Vulcanus Funas Ascanius [2] Furie -* Furiae Gajus -* Caligula Galadrius Charadrius Galadrot Charadrius Galandrius Charadrius Galien - » Galenus Galienus Galenus Gallathea -* Galatea
702 Gallien Galenus Gallienus - * Galenus Galyen -» Galenus Ganimedes - * Ganymedes Gargana - * Medusa Geta - * Callisto Gigande Gigantes Giganden - * Gigantes Glatte Craterus Glaueon Glaucus [2] Glaueon Glaucus [3] Glaukun - * Glaucus [2] Globaris - * Gobares Goc - * G o g und Magog Gock - * G o g und Magog Gorgatan - * Gorgatas Gotgon Medusa Gorgone Medusa Gracto Craterus Granaus - * Cranaus Greusa - * Creusa [1] Grotopus Crotopus Hagis Agis Halus Halius Hammon -» Ammon [1] Hamon Ammon [1] Hamone Ammon [1] Hegateus - * Hecataeus Heianna - * Helena [1] Helen -» Helena [1] Helene -» Helena [2] Helenus Elymus Heleus - * Guneus Heleyna - * Helena [1] Helius - * Pertinax Helius Adrianus -» Hadrianus Helles - * Helle Hemus - * Haemus und Rhodope Henus - * Haemus und Rhodope Herculius Maximianus Hesperia - * Hesperides Hesperien - * Hesperides Hestor -» Hector [1] Hidarnes Hydarnes Himeneus Hymen Hipoteus Hippothous [1] Hippason Hippasus Hippocras Hippocrates Horestes Oresten
Register der Namensvarianten Horestes - * Orestes [1] Hunus - * Nireus Hupolt - * Hippothous [2] Hupus - * Hippothous [2] Hydrus Hydra Hymeneus Hymen Hypomenes Hippomenes Idaspis Hydaspes [1] Ideus Idaeus [1] Idippe - * Phidippus Idra - * Hydra Ilion -» Helena [1] Ilion Ilioneus [4] Ilius - * Ilus Ipocras -» Hippocrates Ipolitus Hippolytus Ipomedon Hippomedon Ipomenes Idomeneus Ipomidon - * Hippomedon Ipothamie Hippodamia [2] Isolaus Iolaus [1] Istamenes Abistamenes Isyphile Creusa [1] Itis - * Dictys [2] Iuliens - * Caesar Iulin - * Caesar Iulius Iulianus Jacintho - * Hyacinthus Jacynt Hyacinthus Jambri Betis Jamene -» Ialmenus Jasonem Iasion Joles Iole Jonno Iuno Jovinus - * Curtius Jovis - * Iuppiter Jozeus Ioleus Jubal - * Spithridates Julian - * Didius Junas - * Iuno June - * Iuno Kaladrius - * Charadrius Kalas Calas Kalcas - * Calchas Kaljopatra Cleopatra Kallikratides Callicratides Kamilla -» Camilla
Register der Namensvarianten Kamille Camilla Kanaan Caynas Karacter -* Carator Karadrius Charadrius Karator -» Carator Karrioz Hercules Kassander -» Cassandrus Kato -» Cato [1] Kleander -* Cleander klena -» Helena [1] Klitemach -» Clitomachus Klitomedus -* Clitomedes Konstantin -» Constantinus Krassus Crassus Kraterus Craterus Kresus Croesus Labian Labienus Lacedemon -* Lacedaemon Lachtasis Parcae Laffici -* Lapithae Lamedon -* Laomedon [1] Lameos Laomedon [2] Lanich -* Lamia Laomedonta Laodamas Lapis -* Iapyx Lapithin -* Lapithae Lareine -* Larina Latin -* Latinus Latone Latona Latree Latreus Laudamanna Laodamas Lauernatus Leonnatus Laumedon -> Laomedon [1] Lavie -* Lavinia Lavin -* Lavinia Lavine -* Lavinia Layus -* Laius Lechikrates -* Iphicrates Lelius -* Laelius Leodomant Laodamas Leonat -* Leonnatus Leonidas Leonides Leonzius -* Leonteus Leopolis Tiepolemus Lestugo Laestrygon Leucothoe Leuconoe Leverzins Leonteus Liander -* Leander Licaon Lycaon [1]
Licaon -* Lycaon [2] Licas -* Lichas Licetus Lycetus Licides Lycidas Licomedes Lycomedes Licus -* Lycus [2] Lida -* Leda Lide -* Leda Liguddis -» Lycoris Liguridis -> Lycoris Lincus Lyncus Lingeus Lynceus Lisias -» Lysias [1] Litas Lichas Lotilaus -» Ioleus Lotofagos Lotophagi Loumedon -» Laomedon [1] Lucius Acommodus Commodus Lüne Luna Lycomide Lycomedes Lycornas Lycormas Lyctus Ligdus Lyochin -* Leonteus Lyriope Liriope Lysimacus Lysimachus Macaon -* Machaon Macer -» Acron Machareus Macareus Macroby Macrobii Magoc Gog und Magog Magock -* Gog und Magog Magrobi Macrobii Manalippus -* Menalippus Manapin -* Manapis Mare Mars Marios -* Antilochus [2] Marsia Marsya(s) Marsius -* Mopsus Martis Mars Maure Mars Maxencius -* Maxentius Mazazes -* Mazaces Mazeus Mazaeus Mecenas -» Maecenas Mecencius -* Maxentius Medates Madates Media -* Medea Megera Furiae Meierall -* Medea
704 Meier(r)a -* Medea Meierun Medea Meiora Medea Melant Melanthus Melicortus -* Melicertes Meljager Meleager [2] Menalaus -* Menelaus Menander -* Maeandrus Mendeus -* Oenideus Menela -* Menelaus Menelaus -» Eumelus Menesteus -* Menestheus Menetas -* Menes Mennes -* Memnon [2] Mennon -* Eumelus Mennon Memnon [1] Mennon Memnon [2] Menolass Menelaus Menolauss -* Menelaus Menolossen Menelaus Mercurius Marcurius Mere -* Fama Merion Meriones Merius Eumelus Merses Xerxes [1] Mesapus Messapus [2] Mesentius -* Mezentius Metha Mecha Metius -* Mettius Mezius -* Mettius Miceres -* Mesthles Mida -> Midas Milceres -* Mesthles Min(n)otha(u)rus -* Minotaurus Minoa -* Minos Minocharius -* Minotaurus Minoß -* Minos Minoss -* Minos Minoz Minos Minus -* Minos Minuss -* Minos Mirmidoneise Myrmidones Mirmidones Myrmidones Mirra -* Myrrha Misereiz Mesthles Mitrazenis Mithracenes Mitrenes Mithrenes Molpheus Molpeus Monoculi Cyclopes Monychus -* Monichus
Register der Namensvarianten Morfea Morpheus Morphea Morpheus Musai -» Musae Musas -* Musae Mynoss Minos Narbasones -* Nabarzanes Narbazanes -* Nabarzanes Naserus -* Ovidius Naupliades Palamedes Nausica -* Nausicaa Naximena -* Anaximenes Nectanabus -* Nectanebus Nedymus -* Nedymnus Neid Invidia Nektanabus Nectanebus Nektanebos -* Nectanebus Neomon Noemon Nepatanabus -* Nectanebus Neptanabo Nectanebus Neptanaus Nectanebus Neptanebus -* Nectanebus Neptolomus -» Tiepolemus Nere -» Nero Nereja Nereus Nerius -* Nireus Neron -» Nero Nesteus -* Nastes Nestor -» Nastes Nicartides Nicarchides Niclas Nicolaus Nicomacus - » Nicomachus Nicomedes -* Lycomedes Nicteida -* Antiope Nimia -* Numa Pompilius Nini -» Ninus Nini -» Nisus [1] Numicus Numicius Nycanor -* Nicanor [1] Nycanor Nicanor [3] Nycolaus Nicolaus Nymirot -* Numitor Occeanus -* Oceanus Occeatyr Oxyathres Ocsiater -» Oxyathres Odassie -* Ulixes Oditim -» Hodites Odnatus -» Mucius Scaevola Oeones Oenone
Register der Namensvarianten Oertes -* Aeetes Oetas -» Aeetes Og Gog und Magog Oggies -» Ogyges Ogyges -» Agyrtes [1] Olifeus -» Antiphates Olimpia Olympias Olimpiades -* Olympias Olimpiadis Olympias Olimpias -» Olympias Olixes -* Ulixes Olyxes Ulixes Omere Homerus Omerus -* Homerus Omin Amyntas [1] Oneus Oeneus Oracius -* Horatius Oratius -* Horatius Orcamenis Ialmenus Orfay Orpheus Orfeus Orpheus Oriombates -* Orontopates Orion -» Orios Orithyia Orithien Orsilochus -* Orilocus Ortanes Arsames [1] Ortopolis -* Orthopolis Otto - » Otho Oxiater -* Oxyathres Oxiatres Oxyathres Palamedon Palamedes Palatinus -* Proca Palefatus -* Palaephatus Palimedes -* Palamedes Palomides Palamedes Pamplus -* Nauplius Pandalus Pandarus [1] Pander -* Pandarus [1] Panopeus -* Pirithous Pant -* Panthus Pantus Panthus Parides Paris Parmenius -* Parmenio Parthonopejus -* Parthenopaeus Partonopeus -* Parthenopaeus Partonopier Parthenopaeus Partorus -* Pirithous Patrochel -* Patroclus Patrokel Patroclus
Patron Iolaus [2] Pausania -* Pausanias Pausonias -» Pausanias Peculus Paetalus Pegases -* Pegasus Pekulaus -* Peucolaus Peleas Pelias Peleus Pelias Pelias -* Peleus Pelopis -» Pelops Pendus -* Paetalus Penteselie Penthesilea Pentesilea -* Penthesilea Pentilus Penthilus Perdicas ~> Perdiccas Perdix -* Perdiccas Perkamere Pygmaei Permenio(n) -* Parmenio Perminen -* Parmenio Persas Perses Persefona Proserpina Perses Xerxes [1] Perseus -* Perses Perseus -* Persius Petreus -* Petraeus Petroclus Patroclus Petroculus Patroclus Peutestes -» Peucestes [2] Pfilenor Philenor Pfilocteta Philoctetes Pfiloteta Philoctetes Phala -» Phalas Phaligrus -* Philippus [4] Pharoneo -* Phoroneus Pheax -* Phylax Phebas -» Phorbas [1] Phebus Apollo Pheneus Phineus Phenix Phoenix [1] Phereus -» Aphareus Phidias -* Fidias Philemenis -» Pylaemenes Philithoas -* Phidippus Phillis -» Phyllis Philomenis Pylaemenes Phimacus Amphimachus [3] Phirrus -* Pyrrhus Phiton -» Apollo Phiun -* Amphius [2] Phlegias -* Phlegyas
706
Register der Namensvarianten
Pholoniden - * Tectaphos Phylippus - * Philippus [6] Phyllis Herpyllis Phyon - * Amphius [2] Piagoraten Pythagoras Pichtagoras - * Pythagoras Picmei - * Pygmaei Pictagoras - * Pythagoras Pigmei Pygmaei Pilades - * Pylades Pilates - * Pelates Pilemenes Pylaemenes Pileus - * Pylaeus Pillis -» Phyllis Pillixena - * Polyxena Piramus Pyramus und Thisbe Piritamus -» Prytanis Pirois Pyrois Pirrin - * Pyrrhus Pirrus - * Pyrrhus Pirus - * Pyrrhus Pistropleus - * Epistrophus [1] Pitagoras - * Pythagoras Pithagoras - * Pythagoras Pitius Apollo Pius Antonius -» Antoninus Plimius Plinius Pnitagoras -» Pnytagoras Polibetes ~> Palamedes Polibetes - * Polypoetes Polibite Polypoetes Polibus -> Polybus [2] Polidamant Polydamas [2] Polidamas - * Polydamas [1] Polidames Palamedes Polidarius Podalirius Polidius Podalirius Polidorus - * Polydorus Polifemes - * Polyphemus Polimas - * Polydamas [1] Polimedes - * Palamedes Polimestor Polymestor Polimides Eteocles und Polynices Polimites - * Eteocles und Polynices Polimodas Polydamas f l ] Polimones - * Polemon [1] Polinices Eteocles und Polynices Poliparcon - * Polyperchon Poliper Polyperchon Polipercon Polyperchon
Poliperkon - * Polyperchon Polipetes - * Polypoetes Polipoetes - * Polypoetes Polippus Polybus [1] Polisenar -» Polyxenus Polistratus - * Polystratus Politetes Philoctetes Politetes Polypoetes Polixena - * Polyxena Polixenus Polyxenus Pollidamas - * Polydamas [1] Pollimadas Polydamas [1] Pol(l)ixene Polyxena Pollixenon Polyxenus Pol(l)ixina - * Polyxena Pol(l)ixinart Polyxenus Pollus - * Castor und Pollux Polymices - * Eteocles und Polynices Polymnestor -» Polymestor Pompejus - * N u m a Pompilius Pompeus Pompeius Ponpeus Pompeius Porphirius - * Porphyrius Porphirjus Porphyrius Porporius - * Ptoliporthus Porrus Porus Posthumus -> Postumus Prechami Pygmaei Pretemisus - * Pyraechmes Prethemesus Pyraechmes Pretolmus Ptolemaeus [4] Priamur Priamus Priant - * Priamus Progne Procne Proitus - * Proetus Promoteus Prometheus Protenor Prothoenor [1] Protesilax - * Protesilaus Prothacus - * Podarces Prothenor Prothoenor [2] Protheselaus Protesilaus Prothesilaus - * Protesilaus Prothesolaus - * Protesilaus Protheus - * Proetus Protheus Proteus Prothoilus - * Prothous Prytamus - * Prytanis Ptholomeus -» Ptolemaeus [5] Ptolemeus Ptolemaeus [3] Ptolemeus Ptolemaeus [4]
Register der Namensvarianten Ptolomeus -> Ptolemaeus Ptolomeus -* Ptolemaeus Ptolomeus -* Ptolemaeus Purus -* Porus Pygmei -* Pygmaei Pyndarus -* Pandarus [1] Pyramus Priamus Pyrrus Pyrrhus Pystropus Epistrophus Pytagoras Pythagoras Pythonissa Sibylla
[1] [2] [5]
[1]
Radamant Rhadamanthys Ramnes -* Rhamnes Rea -» Rhea Remulus Romulus und Remus Rennon -* Remnon Reomitres Rheomithres Resus -* Rhesus Retos Rhoetus [1] Rhetus -* Rhoetus [2] Rimulus -* Romulus und Remus Ripheas Ripheus Rosane(n) -* Roxane Roxa Roxane Rymuluss -* Romulus und Remus Salustin -* Sallustius Salustius Sallustius Sannabalach ~> Sanballat Santippus -* Antiphus [1] Santippus -* Antiphus [3] Saptesi Stapsi Saraballa Sanballat Sardinius -» Sardus Sarpidona -» Sarpedon Sartibazanes -* Satibarzanes Satazes Sataces Satiri -* Satyrus Schelopfis Schedius Schiro -* Chiron Schirow -* Chiron Schirre Chiron Schyro Chiron Scilla -» Scylla [1] Scylle -» Scylla [1] Semiramis -* Polydegmon Senofon -* Xenophon Serene Sirenes Serpanta -* Medusa
Severe Septimius Severus Sibilla - » Sibylla Sicheus Sychaeus Silviane -* Silvia Simam -* Simmias Siren -* Sirenes Siringa -* Syrinx Sisigambis -* Sisiscamis Sisygambis -* Sisiscamis Sogdianus -* Sogodianus Sparius -* Sparton Spercheus - » Sperchius Sperchiades Sperchius Spicher Spinther [1] Stacius -* Statius Stelenus Sthenelus Stelophis -* Schedius Stenelus Sthenelus Stesicher -* Stesichorus Stiphilus Styphelus Strangwilio Stranguillio Strangwillo Stranguillio Sunom Bunomus Sybilla - » Sibylla Sylvius Silvius Symachus -* Symmachus Synon -* Sinon Synun -* Sinon Syrene Sirenes Sysiphus -* Sisyphus Tacitus -* Titus Tatius Talabius Talthybius Taliarcus -* Thaliarchus Talistria Thalestris Taltibius -» Talthybius Tamiris Tomyris Tanna -* Theano Tarcon -* Tarchon Tarcun -* Tarchon Tarpide Tarpeia Tarquines -* Tarquinius [2] Tarquinin Tarquinius [2] Taxilies Taxiles Taxillis Taxiles Teadetus Theaetetus Tecius Theaetetus Tegea -* Atalante Telefen Telephus Telefus Telephus
708 Telepolemus - * Tiepolemus Temis - * Themis Tenedon Cernus Teodetus Theodotus Tephato Typhoeus Terencius - * Terentius Tereus - * Nireus Terius Discordia Terminus Parmenio Tersippe Thersippus Teseus - * Thalpius Teseus Theseus Tethis Thetis Tetis - * Thetis Teulucus - * Seleucus Nicator Teuzer Teucer Thaon - * Thoon Thauron - * Tauron Theanus - * Theano Theas Thoas Thedis(z) -» Thetis Thelamon Telamon Thelamonius Aiax [1] Thelamonius Telamon Thelegonus - * Telegonus Thelemacus Telemachus Theletuse Telethusa Theloboam -> Teleboas Themisa - * Tecmessa Themon - * Echemmon Theophilus - * Tiepolemus Therentius - * Terentius Thesaris - * Meda Theseus -» Rhesus Theseus - * Telephus Theseus - * Thalpius Thesifone - * Furiae Thessaclus Thescelus Thestias Thestius Thetis Tethys Theucer - * Teucer Theucer - * Teuthras Theuces - * Teucer Theucrus - * Teucer Thideus Tydeus Thiestes - * Thyestes [1] Thindarius - * Tyndareus Tholomeus - * Ptolemaeus [1] Tholomeus - * Ptolemaeus [4] Tholomeus - * Ptolemaeus [5]
Register der Namensvarianten Thytiss -» Thetis Ticius Tityos Tido -» Dido Tiestes Thyestes [1] Tiestes - * Thyestes [2] Timodes - * Thymodes Timotes Thymoetes Tindarius - * Tyndareus Tiriotes Tyriotes Tirreus Tyrrhus Tirus - * Tyrrhus Tisamenus - * Thysamenus Tisbe - * Pyramus und Thisbe Tisiphone - * Furiae Tispe - * Pyramus und Thisbe Titides Diomedes Titius -> Tityos Titon - * Tithonus Tmalus Tmolus Toas - * Thoas Todan Titanes Toraloie - * Ascalaphus [2] Totan Titanes Toxippus - * Toxeus Tragoditen Trogodytae Trajanus - * Traianus Tranzes - * Drances Treverins Darius [3] Troas Tros Trogoditin -» Trogodytae Troias Tros Trose - * Tros Troylus Troilus Troyus - * Tros Tschimere Chimaera Tulius Cicero Tyberie - * Tiberius Tyberinus Tiberinus Tyberius Tiberinus Tyberius Tiberius Tybotes Antilochus [2] Tybre Tiberius Tycio -> Tityos Tymoteus Timaeus Tyndarides - * Helena [1] Tynolus - * Tmolus Typhatus ~> Typhoeus Typheus Typhoeus Typho - * Typhoeus Typhon Typhoeus
Register der Namensvarianten Typotes -» Antilochus [2] Tyresias Tiresias Tysabe -* Pyramus und Thisbe Tyswe -* Pyramus und Thisbe Tytides Diomedes Tytius -* Tityos Tyto -> Titus Tytus Titus Ulysses -* Ulixes Urielus -» Euryalus [1] Uriolus -* Euryalus [1] Vellio -» Velleius Venelauß -* Menelaus Veneri -» Venus Venix -* Phoenix [2] Vennus -* Venus Vespasion -* Vespasianus Vestian Ephestius Veterion Vetranio Villise -» Phyllis Virgili -* Vergilius Virgilius -* Vergilius Virgily -* Vergilius Vitellus -> Vitellius Vlix -» Ulixes Volcan -* Vulcanus Volka Vulcanus Volkan -* Vulcanus Volzan -* Volcens Wlganus Wulcanus
Vulcanus Vulcanus
Xersen Xerxes [1] Xerses Perses Xerses -» Xerxes [1] Xerses Xerxes [2] Yacynthus -* Hyacinthus Ydomeneus -* Idomeneus Ydrogant Hydra Ylion -» Ilus Ylus Ilus Ypochrate Hippocrates Ypocras -* Hippocrates Ypocrat Hippocrates Ypodomia -* Hippodamia [2] Ypolitus -* Hippolytus Ypomedon -* Hippomedon Ypomidon Hippomedon Ypotamia Hippodamia [1] Yppocras Hippocrates Ytis - » Dictys [2] Yxion -* Ixion Zebalin ~> Cebalinus Zeclius -* Schedius Zenos -* Coenus Zephilus Zephyrus [2] Zerastes Cerastus Zerimonius Chaeremon Zesar -* Caesar Ziclopes Cyclopes Zirus -* Cyrus Zitus -* Zethus Zolus -* Zoilus Zorcas Zoroas Zygnus -* Cygnus [1]
Register der Artikel A u f g e l i s t e t s i n d s ä m t l i c h e L e m m a t a d e s L e x i k o n s . D i e Z a h l in r u n d e r K l a m m e r b e z e i c h n e t d i e A n z a h l d e r B e l e g e p r o L e m m a u n d soll e i n e n ersten E i n d r u c k v o n d e r j e w e i l i g e n D i c h te d e r R e z e p t i o n v e r m i t t e l n . E s f o l g t d i e S e i t e n z a h l .
Abaris (1), 1 Abas (2), 1 Abdalonymus (1), 1 Abistamenes (1), 1 Absyrtus - * Medea, 2 Abulites (1), 2 Acamas [1] (1), 2 Acamas [2] (1), 2 Acastus (2), 2 Achaemenides (1, 1NB), Achaimenes (1), 3 Achates (1), 3 Achelous (l), 3 Achillas (1), 3 Achilles (21, 4NB), 3 Acis (1), 9 Acrisius (3), 9 Acron (1), 10 Acrota (1), 10 Actaeon (2), 10 Actor (1), 11 Actorides (1), 11 Adonis (3), 11 Adrastus [1] (3), 12 Adrastus [2] (2), 12 Adrastus [3] (1), 13 Aeacus (1), 13 Aeantides (1), 13 Aeas (1), 13 Aeetes (3), 14 Aegeus (2), 14 Aegiale (1), 15 Aegialeus (1), 15 Aegina (1), 15 Aegisthus (3), 16 Aegyptus (1), 16
2
Aeneas (30), 16 Aeolus (5), 23 Aesacus (1), 24 Aeschines (2), 24 Aeschylus (1), 25 Aesculapius (5, 1NB), 25 Aesopus (1), 26 Aethion (1), 26 Aethon (1), 26 Aethra Clymena [2], 26 Afer (1), 26 Agamemnon (10), 26 Agapenor (2), 30 Agathon [1] (1), 30 Agathon [2] (1), 30 Agavus (1), 30 Agelaus - * Ilus, 31 Agenor [1] (3), 31 Agenor [2] (1), 31 Agilos (1), 31 Agis (1), 31 Aglauros (1), 31 Agrippa (3), 32 Agyrtes [1] (1), 32 Agyrtes [2] (1), 32 Aiax [1] (7), 32 Aiax [2] (3, 2NB), 35 Alastor (1), 36 Alba (1), 36 Alcandrus (i), 36 Alcathoe ~> Alcithoe, 36 Alcides Hercules, 36 Alcinous (1), 36 Alcippus (1), 36 Alcithoe (1), 36 Alcmena (4, 1NB), 37
Register der Artikel Alcyone (1), 37 Alecto -» Furiae, 37 Alexander [1] (56, 4NB), 38 Alexander [2] (1), 54 Alexander [3] Paris, 54 Alphenor (1), 55 Alpheus (1), 55 Althaea (1), 55 Amata -* Latinus, Lavinia, 55 Amazones (16), 55 Ambira (1), 59 Amedines (1), 59 Ammon [1] (5), 59 Ammon [2] (1), 61 Amonta (2), 61 Amor/Cupido (30), 61 Amphiaraus (2), 69 Amphictyon (1), 69 Amphidamas (1), 69 Amphilocus (1), 69 Amphimachus [1] (2), 70 Amphimachus [2] (1), 70 Amphimachus [3] (2), 70 Amphimachus [4] (2), 71 Amphimedon (1), 71 Amphion (5), 71 Amphissus - » Dryope, 72 Amphitryon (2), 72 Amphius [1] (1), 73 Amphius [2] (1), 73 Amphoterus (1), 73 Amphrysos (1), 73 Ampycus (1), 73 Ampyx (1), 74 Amycus (1), 74 Amyntas [1] (1), 74 Amyntas [2] (2), 74 Amyntor (1), 74 Anapis (1), 75 Anaxagoras (1), 75 Anaxerete (1), 75 Anaximenes (1), 75 Anchises (7), 75 Andraemon (1), 76 Androgeus (2), 77 Andromacha (4), 77 Andromachus (1), 78 Andromeda (2), 78 Andronicus (1), 79 Anepolis (1), 79
Anius (1), 79 Anna (1), 80 Antaeus (3), 80 Antenor (7), 80 Antigenes (1), 83 Antigone [1] (3NB), 83 Antigone [2] (1), 83 Antigonus [1] (3), 83 Antigonus [2] (2), 84 Antilochus [1] (2), 84 Antilochus [2] (2), 84 Antimachus [1] (1), 85 Antimachus [2] (1), 85 Antiochus [1] (1), 85 Antiochus [2] (4), 85 Antiochus [3] (2), 86 Antiochus [4] (1), 86 Antiochus [5] Papirius, 87 Antiochus [6] -» Antilochus [2], Antiope (3), 87 Antipater (2), 87 Antiphates (2), 88 Antiphus [1] (2), 88 Antiphus [2] (1), 89 Antiphus [3] (2), 89 Antipodes (2), 89 Antoninus (1), 90 Antonius (2), 90 Apelles (2), 90 Aphareus (1), 91 Apheidas (1), 91 Aphobetus (1)> 91 Apidanus (1), 91 Apis -* Epaphus, 91 Apollo (35, 2NB), 91 Apollodorus (1), 99 Apollonides (1), 99 Apollonius [1] (2), 100 Apollonius [2] (1), 102 Apollonius [3] (1), 102 Apollonius [4] (1), 102 Aquilo (2), 102 Arachne (3), 103 Aratus [1] (1), 103 Aratus [2] (2), 104 Areas [1] (3, 1NB), 104 Areas [2] (1), 105 Arcesilaus (2), 105 Arcesius (1), 105 Archelaus (1), 105
712 Archelochus (2), 105 Archepolis (1), 106 Archistrates (1), 106 Arene - * Elpenor, 106 Areos (1), 106 Aretes (1), 107 Arethusa (1), 107 Aretus Gorgythion, 107 Argonautae (1), 107 Argus [1] (1), 107 Argus [2] (2), 107 Argus [3] (1), 108 Ariadne (4), 108 Arimaspi Cyclopes, 109 Ariobarzanes (1), 109 Aristander (2), 109 Aristarchus (1), 109 Aristogiton (1), 110 Aristomedes (1), 110 Aristomenes (1), 110 Ariston [1] (1), 110 Ariston [2] (1), 110 Aristonicus (1), 110 Aristoteles (24), 111 Arruns (1), 116 Arsames [1] (1), 116 Arsames [2] (1), 116 Arses (1), 116 Arsinoe - * Alcithoe, 116 Artabanus (1), 116 Artabazus (2), 116 Artaxerxes [1] (1), 117 Artaxerxes [2] (1), 117 Artemis - * Diana, 117 Ascalaphus [1] (1), 117 Ascalaphus [2] (4), 118 Ascanius [1] (2), 118 Ascanius [2] (1), 119 Ascanius [3] (3), 119 Asius [1] (1), 120 Asius [2] (1), 120 Asopis - * Aegina, 120 Assandrus (1), 120 Assaracus (1), 120 Asteropaeus (2), 120 Astraeus (1), 121 Astyages (1), 121 Astyanax (2), 121 Astylus (1), 122 Atalante (1), 122
Register der Artikel Athamas (1, 2NB), 122 Atharrhias (1), 122 Athenagoras [1] (1), 122 Athenagoras [2] (1), 123 Athene -» Pallas [1], 123 Athis (1), 123 Atlas (4), 123 Atreus (1), 124 Atrides - * Agamemnon, 125 Atropos - * Parcae, 125 Attalus -» Philotas, 125 Augustus (15), 125 Aurora (3), 128 Auson (1), 128 Auster (1), 128 Autolycus (1), 128 Aventinus [1] (1), 129 Aventinus [2] (1), 129 Avianus (2), 129 Bacchus (5), 130 Bagistanes (1), 132 Bagophanes (1), 132 Bakchides (1), 132 Balacrus (1), 132 Barzaentes (1), 133 Battus (1), 133 Belides (1), 133 Belus (4), 133 Beroe (1), 134 Bessus (3), 134 Betis (2), 135 Bianor (1), 135 Bias - * Dryops, 135 Bion (1), 135 Bitias (1), 136 Boetius (1), 136 Bolon (1), 136 Bootes (1), 136 Boreas (2), 136 Briseis (2), 137 Brises (1), 138 Brocubelus (2), 138 Bromus (1), 138 Broteas [1] (1), 138 Broteas [2] (1), 139 Bucephalus (3, 1NB), 139 Bunomus (1), 140 Busiris (1), 140 Butes (1), 140
713
Register der Artikel Byblis (3),
140
Cacus (1), 142 Cadmus (2), 142 Caeneus (1), 143 Caenis Caeneus, 143 Caesar (13, 3NB), 143 Calais (1), 146 Calas (1), 146 Calchas (5), 147 Caligula (3), 148 Callicrates (1), 149 Callicratides (1), 149 Calliope (1), 149 Callisthenes (2), 149 Callisto (2), 149 Calypso (1), 150 Cambyses (1), 150 Camenae - * Musae, 150 Camilla (5, 3NB), 150 Canace (1), 152 Candaceus (1), 152 Candacis (2), 152 Candaules (2), 153 Canopus (1), 154 Capaneus (2), 154 Capetus (1), 155 Capys (1), 155 Caranus (1), 155 Carator (2), 155 Cassandra (6), 155 Cassandrus (1), 158 Castor und Pollux (6), 158 Catenes (1), 159 Cato [1] (3), 159 Cato [2] (3), 160 Caunus (1), 160 Caynas (1), 160 Cebalinus (2), 161 Cecrops (2), 161 Celadon (1), 162 Centauri (4), 162 Cephalus (l), 163 Cepheus (1), 164 Cerastus (1), 164 Cerberus (4), 164 Ceres (4), 165 Cemus (1), 166 Ceyx (1), 166 Chaeremon (1), 166
Charadrius (7), 167 Charaxus (1), 168 Chares (1), 168 Charon (2), 168 Charops (1), 168 Charybdis (5), 168 Cherippus (1), 169 Chimaera (2), 169 Chione (1), 170 Chiron (8, 1NB), 170 Chloreus (1), 172 Chorithan (1), 172 Chromis [1] (1), 172 Chromis [2] (1), 172 Chromius (1), 173 Chryses (1), 173 Chrysippus (1), 173 Chrysolaus (1), 173 Chthonius (1), 173 Cicero (4, 1NB), 173 Cingetorix -» Labienus,
175
Cinyras [1] (1), 175 Cinyras [2] (1), 175 Cinyras [3] (1), 175 Circe (2), 175 Clanis (1), 176 Claudianus (2), 176 Claudius [1] (3, 1NB), 176 Claudius [2] (1), 177 Claudius Aelianus (1), 177 Clausus (1), 177 Cleades (1), 177 Cleander (1), 178 Cleopatra (3), 178 Clitomachus (1), 178 Clitomedes (1), 179 Clitus (3), 179 Clotho - * Parcae, 179 Clymena [1] (1), 179 Clymena [2] (1), 180 Clymena [3] (1), 180 Clymenus (1), 180 Clytaemestra (2), 180 Clytie (1), 181 Clytius (1), 181 Clytomedes Clitomedes, Clytus (1), 181 Cobares (1), 181 Codrus (1), 181 Coenus (2), 181
181
714 Coeranus (1), 182 Collatinus (1), 182 Commodus (1), 182 Concordia (1), 183 Constantinus (15, 3NB), 183 Constantius (3), 186 Cornelius Nepos (1), 186 Coroneus (1), 187 Coronis (1), 187 Corynaeus (1), 187 Corythus [1] (1), 187 Corythus [2] (1), 187 Cranaus (1), 187 Crantor (1), 187 Crassus (2), 187 Craterus (3), 188 Creon (1), 189 Creusa [1] (2), 189 Creusa [2] (2), 189 Criasus - * Creon, 190 Critobulus (1), 190 Crocale (1), 190 Croesus (3), 190 Crotopus (1), 191 Cupesus (2), 191 Cupido - * Amor/Cupido, 191 Curtius (2), 191 Curtius Rufus (1), 192 Cyane (1), 192 Cyclopes (8), 192 Cyclops [1] (1), 193 Cyclops [2] -> Polyphemus, 193 Cygnus [1] (l), 194 Cygnus [2] (2), 194 Cyparissus (1), 194 Cyrus (6, 3NB), 194 Daedalion (1), 197 Daedalus (3), 197 Damasichthon (1), 198 Damocles (1), 198 Danae (4), 198 Danaides - * Belides, 199 Danaus (2), 199 Daphne (2), 200 Dardanus (3), 200 Dares (4), 201 Darius [1] (1), 202 Darius [2] (1), 202 Darius [3] (10, 4NB), 202
Register der Artikel Dataphernes (1), 207 Daunus (2), 207 Decentius (1), 207 Decius (3), 208 Deianira (3, 1NB), 208 Deidamia (6), 209 Deiphobus (4), 211 Demades -* Demetrius [2], 211 Demetrius [1] (2), 212 Demetrius [2] (1), 212 Demetrius [3] (1, 3NB), 212 Demiurgus (1), 212 Democrates (1), 213 Demoleon (1), 213 Demophon (4), 213 Demosthenes (3), 214 Deucalion (2), 215 Diana (14), 215 Dictys [1] (1), 218 Dictys [2] (1), 218 Didius (1), 218 Dido (20), 218 Dimnus - * Dymnus, 222 Dindimus (1), 222 Dinus (1), 222 Diocletianus (4), 222 Diogenes (2), 223 Diomedea (1), 224 Diomedes (6), 224 Dionysias (1), 226 Dionysius (1), 226 Diores [1] (2), 226 Diores [2] (1), 227 Dioxenus (1), 227 Dirce (1), 227 Discordia (6), 227 Dodon (1), 229 Dolon [1] (3), 229 Dolon [2] (2), 230 Domitianus (3), 230 Donatus (3), 231 Doris (1), 231 Dorylas [1] (1), 231 Dorylas [2] (1), 231 Dorylaus (1NB), 232 Dorylus (1), 232 Drances (2), 232 Dropides (1), 232 Drusus (1), 233 Dryades (2), 233
Register der Artikel Dryas (1), 233 Dryope (1), 233 Dryops (1), 234 Duritus (1), 234 Dyaspes (1), 234 Dymas (1), 234 Dymnus (2), 234 Echemmon (1), 235 Echidna (4), 235 Echion [1] (1), 236 Echion [2] (1), 236 Echo (1), 236 Eclimus (1), 236 Elas (1), 236 Elephenor (1), 236 Eliphas (1), 237 Elis (l), 237 Elpenor (1), 237 Elymus (1), 237 Emathion (1), 237 Empedocles (1), 237 Enacides (1), 238 Enaesimus (1), 238 Enceladus (1), 238 Enipeus (1), 238 Ennomus (1), 238 Enos (1), 239 Eous -» Aethon, 239 Epaphus (3), 239 Ephestius (1), 240 Ephialtes Enceladus, 240 Epicurus (1), 240 Epistrophus [1] (1), 240 Epistrophus [2] (2), 241 Epius (2), 241 Epopeus (1), 241 Epytus (1), 241 Erechtheus (2), 242 Erichtho (1), 242 Erichthonius (2), 2 4 2 Erigone [1] (1), 243 Erigone [2] (1), 243 Erigyius (1), 243 Erysichthon (1), 243 Erytus (1), 244 Eryx (1), 244 Eteocles und Polynices (5), 244 Euander [1] (3, 1NB), 245 Euander [2] (1), 246
Euclides (1), 246 Euctemon (2), 246 Eudochius (1), 247 Euippe (1), 247 Eumelus (2), 247 Eumenidus (1, 1NB), 248 Eumilo (2), 248 Eumolpus (1), 248 Euphemus (1), 248 Euphorbus (3), 249 Euripides (1), 249 Europa (5), 250 Europs (1), 251 Eurus (1), 251 Euryalus [1] (2), 251 Euryalus [2] (1), 251 Eurydice (1), 251 Eurynome (1), 252 Eurynomus (1), 252 Eurypylus [1] (3), 252 Eurypylus [2] (1), 252 Eurysaces (1), 253 Eurysthenes (1), 253 Eurystheus (2), 253 Eurytus [1] (1), 253 Eurytus [2] (1), 253 Exadius (1), 254 Fama (1), 255 Faunus (1), 255 Fortuna (7), 255 Furiae (3), 258 Galan this (1), 260 Galatea (1, 2NB), 260 Galba (2), 260 Galenus (9), 261 Ganymedes (4), 262 Geon (1), 263 Gigantes (4), 263 Glauca (1), 264 Glaucus [1] (1), 264 Glaucus [2] (2), 264 Glaucus [3] (2), 265 Glaucus [4] (1), 265 Gobares (1), 265 Gog und Magog (9), 265 Gorgatas (1), 267 Gorge Meleager [1], 267 Gorgias [1] (1), 267
715
716 Gorgias [2] (1), 267 Gorgo - * Medusa, 268 Gorgythion (1), 268 Gryneus (1), 268 Guneus (2), 268 Hadrianus (1), 269 Haemus und Rhodope (1), 269 Halcyoneus (1), 269 Halius (1), 269 Hannibal (2), 270 Harmonia Cadmus, 270 Hebe (1), 270 Hecataeus (1), 270 Hecate (2), 270 Hector [1] (27, 3NB), 271 Hector [2] (2), 278 Hecuba (8, 2NB), 278 Hegelochus (1), 281 Helena [1] (34, 2NB), 282 Helena [2] (9), 290 Helenor (1), 291 Helenus (6), 291 Helix (1), 292 Hellanicus (1), 293 Helle (1), 293 Hellenicus (1), 293 Helops (1), 293 Hephaestio (2), 293 Hercules (19, 2NB), 294 Herculius Maximianus, 298 Hermaphroditus (2), 298 Hermione (2), 299 Hermogenes (1, 1NB), 300 Hermolaus (1, 1NB), 300 Hero -» Leander, 300 Herpyllis (1), 300 Herse (1), 300 Hesiona (3), 301 Hesperides (1), 302 Hesperie (1), 302 Hippalmus (1), 302 Hippasus (1), 302 Hippocoon (1), 302 Hippocrates (1), 302 Hippodame (1), 304 Hippodamia [1] (1), 304 Hippodamia [2] (2), 304 Hippolytus (2), 305 Hippomedon (2, 4NB), 305
Register der Artikel Hippomenes (1), 306 Hippothous [1] (1), 306 Hippothous [2] (2), 306 Hodites (1), 307 Homerus (4), 307 Horatius (4), 308 Hyacinthus (1), 309 Hyale (1), 309 Hydarnes (1), 310 Hydaspes [1] (1), 310 Hydaspes [2] -» Antilochus [2], Hydra (6, 1NB), 310 Hymen (2), 311 Hypseus (1), 312 Hypsipyle (1), 312 Hysannes (1), 312 Hystaspes Hydaspes, 312 Ialmenus (2), 313 Ian the (1), 313 Ianus (1), 313 Iapyx (1), 314 Iasion (1), 314 Iason (6), 314 Icarus (1), 317 Icelos (1), 317 Idaeus [1] (1), 317 Idaeus [2] (1), 317 Idas (1), 317 Idomeneus (3), 318 Ilioneus [1] (1), 319 Ilioneus [2] (1), 319 Ilioneus [3] (1), 319 Ilioneus [4] (1), 319 Ilus (4), 319 Imbreus (1), 320 Inachus [1] (2), 320 Inachus [2] (1), 321 Indutiomarus (1), 321 Ino (1), 321 Invidia (2), 321 Io (2), 322 Iocasta Oedipus, Iolaus [1] (2), 323 Iolaus [2] (1), 323 Iole (3), 323 Ioleus (2), 324 Iollas (1), 324 Iosephus (2), 325 Iphicrates (1), 325
322
717
Register der Artikel Iphigenia (2), Iphis [1] (1),
325 326
Iphis [2] (l), 326 Iphitides Coeranus, 327 Iris (1), 327 Isis (4), 327 Ismenis Crocale, 327 Ismenus (1), 328 Isse (1), 328 Itys (1), 328 Iuba (1), 328 Iugurtha (1), 328 Iulianus (4), 328 Iulius - * Caesar, 329 Iulius Valerius - * Valerius, 329 Iulus - * Ascanius [3], 329 Iuno (23), 329 Iuppiter (35), 335 Iuvenalis (2), 345 Ixion (2), 346 Labienus (1), 348 Lacedaemon (1), 348 Laelius (l), 348 Laertes (1), 348 Laestrygon (1), 348 Laius (1), 349 Lamia (1NB), 349 Lampetides -» Ampycus, 349 Lampus (1), 349 Laodamas (2), 349 Laomedon [1] (5, 1NB), 350 Laomedon [2] (1), 352 Lapithae (2), 352 Larina (1), 352 Latinus (3, 1NB), 353 Latona (3), 354 Latreus (1), 355 Lausus (1), 355 Lavinia (7), 355 Leander (2, 1NB), 357 Learchus Athamas, 358 Leda (4, 1NB), 358 Leonidas (1), 359 Leonides (1), 359 Leonnatus (2), 359 Leonteus (2), 359 Lepidus (1), 360 Leuconoe (1), 360 Leucothea Ino, 360
Leucothoe (1), 360 Liber - * Bacchus, 360 Lichas (2), 360 Ligdus (1), 361 Linus (1), 361 Liriope (1), 361 Livius (1), 362 Longimanus - * Artaxerxes [1], Lotophagi (1), 362 Lucanus (4, 1NB), 362 Lucina [1] (1), 363 Lucina [2] (1), 363 Lucretia (1), 364 Luna (8), 364 Lycabas (1), 366 Lycaon [1] (1), 366 Lycaon [2] (1), 366 Lycetus (1), Lycidas (1),
362
366 366
Lycomedes (5, 1NB), Lycoris (1), 368 Lycormas (1), 368 Lycus [1] (1), 368 Lycus [2] (1), 368
366
Lynceus (1), 368 Lyncides - * Perseus, 369 Lyncus (1), 369 Lysias [1] (3, 1NB), 369 Lysias [2] (1), 369 Lysimachus (1), 370 Macareus (1), 371 Machaon (2), 371 Macrobii (3), 371 Madates (2), 372 Maeandrus (1), 372 Maecenas (1), 373 Magog - * G o g und Magog, 373 Maia - * Mercurius, 373 Manapis (1), 373 Manto (1), 373 Marathius -» Aratus [2], 373 Marcus Antonius - * Antonius, 373 Mars (26, 1NB), 373 Marsya(s) (1), 377 Maxentius (3), 377 Maximianus (4), 378 Mazaces (1), 378 Mazaeus (2), 379 Mecha (1), 379
718 Meda (1), 380 Medea (8), 380 Medon [1] (1), 384 Medon [2] (1), 384 Medusa (3, 3NB), 384 Megaera Furiae, 385 Megareus (1), 385 Melampus (1), 386 Melaneus (1), 386 Melanthus (1), 386 Meleager [1] (1), 386 Meleager [2] (2), 386 Melicertes (1), 387 Melon (1), 387 Memnon [1] (2, 1NB), 387 Memnon [2] (3), 388 Menalippus (1), 389 Menecles (1), 389 Menelaus (14), 389 Menes (1), 394 Menestheus (3), 394 Menidas (1), 395 Menon (1), 395 Mercurius (16), 395 Meriones (3), 398 Messapus [1] (1), 399 Messapus [2] (1), 399 Mesthles (2), 400 Mestra Erysichthon, 400 Metron (2), 400 Mettius (3), 400 Mezentius (1), 401 Mida (1), 401 Midas (3), 401 Miletus (1), 402 Milon (1), 4 0 2 Minerva -> Pallas [1], 402 Minos (6), 402 Minotaurus (3), 404 Mithracenes (1), 405 Mithradates (1), 405 Mithrenes (1), 405 Molpeus (1), 406 Monimus (l), 406 Monoculi - * Cyclopes, 406 Monychus (1), 406 Mopsus (1), 406 Morpheus (1, 1NB), 406 Mucius Scaevola (1), 4 0 7 Musae (3), 4 0 7
Register der Artikel Musaeus (1), 409 Mycale -» Orios, 409 Myrmidones (3), 409 Myrrha (2), 409 Nabarzanes (3), 411 Naiades (2), 4 1 2 Narcissus (3), 4 1 2 Nastes (3), 414 Nauplius (1), 415 Nausicaa (1), 415 Nectanebus (5, 1NB), 415 Nedymnus (1), 4 1 7 Negusar (1), 417 Neoptolemus - * Pyrrhus, 417 Nepotianus (1), 417 Neptunus (10), 418 Nereus (1, 1NB), 420 Nero (12, 1NB), 420 Nerva (1), 424 Nessus (2), 424 Nestor (4), 425 Nicanor [1] (2), 426 Nicanor [2] (1), 427 Nicanor [3] (1), 427 Nicanor [4] (1), 427 Nicarchides (1), 428 Nicolaus (3), 428 Nicomachus (2), 428 Nicostrata (1), 429 Nileus (1), 429 Ninus (6), 429 Niobe (2), 430 Nireus (2), 431 Nisus [1] (1), 431 Nisus [2] (2, 1NB), 431 Noemon (1), 4 3 2 Numa Pompilius (3), 4 3 2 Numicius (1), 433 Numitor (1), 433 Nyctimene (1), 433 Nymphae (1), 433 Oceanus (i), 434 Ochus (l), 434 Octavianus Augustus, Ocyrhoe (1), 434 Oeax (1), 434 Oedipus (3), 435 Oeneus (1), 437
434
Register der Artikel Oenideus (1), 437 Oenone (4), 437 Ogyges(l), 438 Olympias (4, 2NB), 438 Onomastorides (1), 440 Orcus -> Pluto, 441 Oreades (1), 441 Orestes [1] (4, 1NB), 441 Orestes [2] (2), 442 Orion (1), 442 Orios (l), 443 Orithyia (1), 443 Orneus (1), 443 Orontopates (1), 443 Orpheus (8), 443 Orsilochus (i), 446 Orsilos (l), 446 Orsines (1), 446 Orthopolis (1), 446 Osiris -» Isis, 447 Otho (2), 447 Ovidius (12, iNB), 447 Oxyathres (3), 452 Paetalus (1), 454 Palaephatus (1), 454 Palamedes (3), 454 Pallas [1] (23, INB), 456 Pallas [2] (l), 461 Pallas [3] (2), 461 Pan (1), 462 Pandarus [1] (3), 462 Pandarus [2] (1), 463 Pandion (2), 463 Pandrosos (l), 464 Panopeus -» Pirithous, 464 Panthus (2), 464 Paphos (1), 464 Papirius (1), 465 Parcae (3), 465 Paris (36, INB), 466 Parmenides (1), 475 Parmenio (3), 476 Parthenopaeus (3, INB), 478 Pasiphae (2), 478 Patroclus (5, INB), 479 Patron [1] (2), 481 Patron [2] -» Iolaus [2], 481 Pausanias (3), 481 Pausippus (1), 482
Pedasus -» Paetalus, 482 Pegasus (3), 482 Pelagon (1), 483 Pelasgus (1), 483 Pelates (1), 483 Peleus (6, INB), 483 Pelias (4), 485 Pelops (3), 486 Peneleus (1), 487 Penelope (5), 487 Peneus (1), 488 Penthesilea (2, INB), 489 Pentheus (1), 490 Penthilus (1), 490 Perdiccas (3), 490 Perses (2, INB), 491 Perseus (6), 491 Persius (1), 493 Pertinax (1), 493 Petraeus (I), 494 Peucestes [1] (1), 494 Peucestes [2] (1), 494 Peucolaus (1), 494 Phaedimus (l), 494 Phaedra (1), 494 Phaethon (1), 495 Phalas (l), 495 Phantasus (l), 495 Pharnabazus (1), 495 Pharos (1), 495 Phiale (1), 495 Phidias (1), 496 Phidippus (2), 496 Philammon (l), 496 Philenor (1), 496 Philippus [1] (6, INB), 4i Philippus [2] (1), 498 Philippus [3] (3), 499 Philippus [4] (l), 499 Philippus [5] (2), 499 Philippus [6] (2), 499 Philoctetes (2), 500 Philomela (1), 500 Philotas (2), 501 Philotimias (1), 502 Philumenus (1), 502 Phineus (1), 502 Phlegon -» Aethon, 503 Phlegyas (1), 503 Phocensis Strophius, !
720
Register der Artikel
Phocus (1), 503 Phoebus -» Apollo, 503 Phoenix [1] (2), 503 Phoenix [2] (20, 1NB), 503 Phorbas [1] (1), 507 Phorbas [2] (1), 507 Phorbas [3] 0), 507 Phorcys (1), 508 Phoroneus (1), 508 Phradates (1), 508 Phrataphernes (1), 508 Phrixus (1), 508 Phylax (1), 509 Phyllis (4), 509 Picus (2), 510 Pierides - * Pieros, 510 Pieros (1), 510 Pirithous (2, 1NB), 511 Pisenor (1), 511 Piso (2), 511 Plato [1] (11), 512 Plato [2] (1), 514 Plexippus (l), 514 Plinius (2), 514 Plisthenes Menalippus, 515 Pluto (6), 515 Pnytagoras (1), 517 Podalirius (1), 517 Podarces (1), 517 Polemon [1] (1), 517 Polemon [2] (1), 517 Pollux -» Castor und Pollux, 517 Polybus [1] (1), 517 Polybus [2] (1), 518 Polydamas [1] (2), 518 Polydamas [2] (1), 519 Polydegmon (1), 519 Polydorus (1), 519 Polymestor (2), 520 Polynices -» Eteocles und Polynices, Polyperchon (2), 520 Polyphemus (3), 520 Polypoetes (2), 521 Polystratus (1), 522 Polyxena (4), 522 Polyxenus (2), 524 Pomona (1), 525 Pompeius (6, 5NB), 525 Porphyrius (2), 527 Porus (7), 527
Postumus (1), 529 Priamus (9, 1NB), 529 Priapus (2), 534 Primus -» Antilochus [2], 534 Proca (1), 534 Procne (1), 534 Procris (1), 535 Proetus (1), 535 Prometheus (1), 535 Proserpina (6), 536 Protesilaus (4), 537 Proteus (2), 538 Prothoenor [1] (1), 538 Prothoenor [2] (2), 538 Prothous (1), 539 Prytanis (1), 539 Psecas (1), 539 Ptolemaeus [1] (3), 539 Ptolemaeus [2] (1), 540 Ptolemaeus [3] (1), 541 Ptolemaeus [4] (4), 541 Ptolemaeus [5] (1, 1NB), 542 Ptoliporthus (1), 542 Pygmaei (6), 542 Pygmalion (1), 543 Pylades (1), 543 Pylaemenes (2), 543 Pylaeus (1), 544 Pyracmos (1), 544 Pyraechmes (2), 544 Pyramus und Thisbe (17), 545 Pyreneus (1), 548 Pyrois -» Aethon, 548 Pyrrha Deucalion, 548 Pyrrhus (6), 548 Pythagoras (11, 1NB), 551 Pythia "> Sibylla, 553 Python (1, 1NB), 553 520
Quintiiianus (1),
554
Remnon (1), 555 Remulus [1] (1), 555 Remulus [2] (1), 555 Remus [1] (3), 555 Remus [2] Romulus und Remus, Rhadamanthys (4), 556 Rhamnes (1), 557 Rhea (1), 557 Rheomithres (1), 557
Register der Artikel Rhesus (3), 557 Rhodope Haemus und Rhodope, Rhoetus [1] (1), 558 Rhoetus [2] (1), 558 Ripheus (1), 558 Romulus und Remus (6), 558 Roxane (4), 560 Rubricus (l), 561 Sallustius (2), 562 Salmacis -* Hermaphroditus, Sanballat (2), 562 Sanga (l), 563 Sardus (l), 563 Sarpedon (5), 563 Sataces (1), 564 Satibarzanes (1), 564 Satropates (1), 564 Saturnus (22), 564 Satyrus (1), 568 Schedius (2), 568 Scipio (2), 569 Scylla [1] (5), 569 Scylla [2] (1), 570 Seleucus Nicator (2), 571 Semele (4), 571 Seneca (10), 572 Septimius Severus (1), 575 Sibylla (26, 1NB), 575 Silenus (1), 579 Silvia (1), 579 Silvius (3), 579 Silvius Aeneas (1), 580 Simeon (1), 580 Simmias (1), 580 Sinon (4), 581 Sipylus (1), 581 Sirenes (21), 582 Sisenes (1), 586 Sisygambis (2), 587 Sisyphus (1), 587 Sitalces (1), 587 Socrates [1] (5), 587 Socrates [2] (1), 589 Sogodianus (1), 589 Sol (5), 589 Solinus (1), 590 Sparton (1), 590 Sperchius (1), 590 Spinther [1] (1), 590
562
558
Spinther [2] -» Antilochus [2], Spitamenes (1), 590 Spithridates (1), 590 Stapsi (1), 591 Stasagoras (1), 591 Statius (2), 591 Stesichorus (1), 592 Sthenelus (3), 592 Stranguillio (1), 593 Strato (1), 593 Strix (1), 593 Strophius (1), 593 Styphelus (1), 594 Sychaeus (1), 594 Symmachus (1), 594 Syrinx (1), 594 Talaemenes (2), 595 Talthybius (2), 595 Tantalus [1] (5), 595 Tantalus [2] (1), 597 Tarchon (1), 597 Tarpeia (2), 597 Tarquinius [1] (1), 598 Tarquinius [2] (2, 3NB ), 598 Tarsia (1), 599 Tauron (1), 599 Taxiles (1), 599 Tecmessa (1), 600 Tectaphos (1), 600 Tegeaea -* Atalante, 600 Telamon (3), 600 Teleboas (1), 601 Telegonus (1), 601 Telemachus (1), 602 Telemus (1), 602 Telephus (2), 602 Telestes (1), 603 Telethusa (1), 603 Terentius (2), 603 Tereus (1), 603 Terra (1), 604 Tethys (1), 604 Teucer (3), 604 Teuthras (1), 605 Thaies (1), 605 Thalestris (2), 606 Thaliarchus (1), 607 Thalpius (2), 607 Thaumas (1), 607
722
Register der Artikel
Theaetetus (2), 608 Theano (2), 608 Themis (1), 608 Themistius (1), 609 Theodotus (1), 609 Theophilus (1), 609 Thersippus (1), 609 Thescelus (1), 609 Theseus (4, 1NB), 609 Thessandrus (1), 611 Thestius (1), 611 Thetis (12), 611 Thisbe - * Pyramus und Thisbe, Thoactes (l), 614 Thoas (l), 614 Thoon (l), 615 Thyestes [1] (1), 615 Thyestes [2] (1), 616 Thymodes (2), 616 Thymoetes (1), 616 Thysamenus (1), 616 Tiberinus (2), 617 Tiberius (6), 617 Timaeus (1), 618 Timotheus (1), 619 Tiresias (1), 619 Tiridates (1), 619 Tisiphone - * Furiae, 619 Titanes (1, 3NB), 619 Tithonus (1), 620 Titus (4), 620 Titus Tatius (1), 621 Tityos (2), 621 Tiepolemus (2), 621 Tmolus (1), 622 Tomyris (3), 622 Toxeus (1), 623 Traianus (2), 623 Triopas (1), 624 Triptolemus (2), 624 Triton (1), 624 Trogodytae (2), 624
Troilus (4), 625 Tros (3), 626 Tullius - * Cicero, 627 Turnus (7, 1NB), 627 Tydeus (4), 629 Tyndareus (1), 629 Typhoeus (3), 630 Tyriotes (1), 630 Tyrrhus (1), 630
614
Ucalegon (2), 631 Ulixes (13, 1NB), 631 Urania (1), 638 Valerianus (1), 639 Valerius (1), 639 Velius -» Vellerns, 639 Vellerns (l), 639 Venus (69), 639 Vergilius (17), 6 6 2 Vertumnus (1), 669 Vespasianus (8), 669 Vetranio (1), 671 Victoria (1), 671 Vitellius (1), 672 Volcens (1), 672 Vulcanus (14), 672 Xenophilus (1), 676 Xenophon (1), 676 Xerxes [1] (4), 676 Xerxes [2] (l), 677 Zeno (1), 679 Zephyrus [1] (1), 679 Zephyrus [2] (1), 679 Zetes (1), 679 Zethus (2), 679 Zeus Iuppiter, 680 Zeuxippus (1), 680 Zoilus (1), 680 Zoroas (1), 680