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German Pages 237 [248] Year 1969
LEX ET SACRAMENTUM IM M I T T E L A L T E R
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VERÖFFENTLICHUNGEN
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THOMAS-INSTITUTS
D E R U N I V E R S I T Ä T ZU K Ö L N
H E R A U S G E G E B E N VON PAUL W I L P E R T t
BAND 6
LEX ET S A C R A M E N T U M IM M I T T E L A L T E R
WALTER
DE
GRUYTER
&
CO
·
BERLIN
V O R M A L S G. J . G Ö S C H E N ' S C H E V E R L A G S H A N D L U N G . J. G U T T E N T A G , VERLAGSBUCHHANDLUNG . GEORG REIMER . KARL J . TRÜBNER . VEIT & COMP.
1969
LEX ET SACRAMENTUM IM MITTELALTER
H E R A U S G E G E B E N VON P A U L
WILPERTf
FÜR DEN D R U C K B E S O R G T VON RUDOLF HOFFMANN
WALTER
DE
G R U Y T E R
&
CO
·
BERLIN
V O R M A L S G. J . G Ö S C H E N ' S C H E V E R L A G S H A N D L U N G · J . G U T T E N T A G , V E R L A G S B U C H H A N D L U N G • GEORG R E I M E R · K A R L J . T R Ü B N E R . V E I T & COMP.
1969
Archiv-Nr. 3621691 Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen (g)
1969 by Walter de Gruyter & Co.
vormals G. J . Göschcn'schc Verlagshandlung « J . Guttcntag, Verlagsbuchhandlung - Georg Reimet Karl J . Trübner · Veit & Comp., Berlin 30 Printed in Germany Sat2 und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin 30
INHALTSVERZEICHNIS
ALBERT ZIMMERMANN,
Vorwort
VII
„Lex et sacramentum" im scholastischen Verständnis des Weihesakramentes unter besonderer Berücksichtigung der Zeit Bonifaz' VIII. (1294—1303)
1
Textgrundlage: Vitalis de Furno OFM in IV. Librum Sententiarum, Dist. 24 pars 2 (Cod. Vat. lat. 1095, fol. 32vb—34vb) .
19
LUDWIG HÖDL,
H E R B E R T GRUNDMANN,
Lex und Sacramentum bei Joachim von
Fiore
31
Die Lehre von Gesetz und Evangelium bei Johann Pupper von Goch im Rahmen seines nominalistischen Augustinismus
49
LUISE ABRAMOWSKI,
JOHANN MAIER,
Thora, Lex und Sacramentum
65
Religionsphänomenologische Überlegungen zur spiritualistischen Idee
84
Metaphern für die spirituelle Schriftauslegung
99
ERNST STADTER,
HANS-JÖRG SPITZ,
Sünde und Heilserfahrung bei Hartmann von Aue, nach den Verserzählungen Armer Heinrich und Gregorius skizziert 113
CHRISTOPH CORMEAU,
P E T E R BLOCH,
Typologische Kunst
127
Wandlungen der Typologie in der Frührenaissance (ante legem — sub lege — sub gratia) 143
KARL A . NOWOTNY,
Die Theorie der Veränderbarkeit des Rechtes im frühen und hohen Mittelalter 157
HANS MARTIN KLINKENBERG,
Der „honor imperii" als Spannungsfeld von Lex und Sacramentum im Hochmittelalter 189
GUNTHER W O L F ,
Editionsregister
211
Namenregister
215
Sachregister
223
VORWORT
Die in diesem Band der Miscellanea Mediaevalia veröffentlichten Aufsätze zum Thema „Lex et sacramentum im Mittelalter" geben die Vorträge der Kölner Mediävistentagung vom September 1966 wieder. Es war das letzte Treffen von Mediävisten, das mein verstorbener Vorgänger, Paul Wilpert, geplant hat und das unter seiner Leitung stattfand. Die außerordentlich freundliche Aufnahme der bisher erschienenen Bände der Miscellanea Mediaevalia läßt mich hoffen, daß auch die nunmehr vorgelegten Arbeiten den Kölner Mediävistentagungen die alten Freunde erhalten und neue gewinnen mögen. Herrn Rudolf Hoffmann, Mitarbeiter am Thomas-Institut der Universität zu Köln, ist für die Zusammenstellung und die Redaktion der Beiträge dieses Bandes zu danken. Der Verlag de Gruyter bewies bei der Drucklegung das bewährte Entgegenkommen. Köln, im Juni 1969
Albert Zimmermann
„LEX ET SACRAMENTUM" IM SCHOLASTISCHEN VERSTÄNDNIS DES WEIHESAKRAMENTES UNTER BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG DER ZEIT BONIFAZ' VIII. (1294—1303) V o n LUDWIG H Ö D L
Im 6. Hauptstück des 4. Sentenzenbuches stellte Petrus Lombardus im 1. Teil der 24. Distinktion den siebenfachen Ordo und im 2. Teil den viergeteilten Rang (der Bischöfe, Erzbischöfe, Metropoliten und Patriarchen) dar 1 . Diese Gliederung ist nicht nur Sache der literarischen Darstellung und Ordnung, sondern sie betrifft die grundlegende Differenz zwischen Weihe-Sakrament und Hierarchie, zwischen priesterlicher Dienstvollmacht und jurisdiktioneller Gewalt. Diese Differenz zwischen den „ordines" und den „dignitates" stammt nicht aus der mittelalterlichen Theologie. Darin verbirgt sich ein wesentliches Stück der Geschichte und Entwicklung der Kirchenverfassung in frühkirchlicher Zeit. Die Erklärer und Lehrer des Sentenzenbuches haben diesen Graben zwischen den „ordines" und „dignitates" nicht angefüllt, sondern im Gegenteil noch vertieft. Sie stellten die beiden Reihen der sieben sakramentalen Dienste und der nicht ebenso numerisch fixierten hierarchischen Ränge neben- und hintereinander dar. Dabei eignet nach einer weit verbreiteten Meinung nur der ersten Reihe wirklich sakramentaler Charakter 2 . Die Ordnung und Reihe der hierarchischen Ämter ist der geschichtliche Austrag der sakramentalen Ordnung. Die moderne Theologie spart nicht mit dem Vorwurf, die mittelalterliche Theologie habe sowohl geschichtlich wie auch systematisch das Prae des Bischofsamtes mißverstanden. Dieser Vorwurf übersieht aber, daß sich das Bischofsamt viele Jahrhunderte in der Kirche nicht anders demonstrierte als eine „dignitas" ! In der hochscholastischen Theologie (des 13. Jh.) wurden die beiden Reihen der sakramentalen Vollmacht und des hierarchischen Vorranges 1 Petri Lombardi libri IV Sententiarum. Studio et cura PP. Collegii S. Bonaventurae. Tom. 2. Quaracchi 1916. Lib. IV d. 24, S. 892—904. 2 Vgl. S. Bonaventurae commentarla in quatuor libros Sententiarum Magistri Petri Lombardi. Lib. IV d. 24 p. 2 a. 2 q. 3. I n : S. Bonaventurae opera omnia. Iussu et auctoritate P. Bernardini. Tom. 4. Quaracchi 1889. S. 632—634; S. Thomae Aquinatis commentum in quartum librum Sententiarum Magistri Petri Lombardi. D. 24 q. 3 a. 2. I n : Thomae Aquinatis opera omnia. Studio ac labore S. E. Fretté. Vol. 11. Parisiis 1874. S. 42—44; S. Thomae de Aquino Summa theologiae. Ed. Commissio Piana. Ottawa 1953. Suppl. q. 40 a. 5, S. 153 f.
Med. VI
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als je verschiedene Themen und Fragen behandelt3. Auf der einen Seite wird das Unterscheidende des Sakramentalen gesehen, auf der anderen das Entscheidende der kirchlichen Vollmacht und Jurisdiktion. Sobald aber der hierarchische Rang in der Kirche nicht mehr als Struktur der sakramentalen Vollmacht bedacht, sondern verselbständigt wird, muß ein anderes Strukturgesetz des Sakramentalen gefunden werden, und die hierarchische Gewalt erscheint am Ende als „leere" Kraftanwendung und Kraftanstrengung in der Kirche. Die Einheit von priesterlicher Vollmacht und kirchlicher Dienstgewalt wird fragwürdig. In der Diastase von sakramental-priesterlicher Vollmacht und kirchlich-hierarchischer Kraftentfaltung und Kraftballung gewann ein Gesetzesdenken Raum, das für das Verständnis der Kirchenordnung verhängnisvoll war. Wir stehen beim Thema : sakramentale, priesterliche Kraft und Wirklichkeit und kirchliche, hierarchische Gewaltentfaltung und -ballung in der Spannung von „lex et sacramentum". Der erste Themenkreis betrifft das spezifische Verständnis des Weihesakramentes im 13. Jahrhundert. Er soll nur so weit erörtert werden, als es zum Verständnis des Folgenden notwendig ist. Der zweite Themenkreis interessiert nicht nur die theologische Forschung, sondern alle geisteswissenschaftlichen Disziplinen, die mit der Geschichte des Mediaevum befaßt sind. Wir setzen die Untersuchung bei den Theologen der Ära Bonifaz VIII. (1294—1303) an, um mit dem Thema gleichzeitig einen Beitrag zum theologischen Verständnis des Anspruchs Bonifaz VIII. zu leisten. Die kirchen- und rechtsgeschichtliche Forschung ist ohne Zweifel hinsichtlich dieses Gegenstandes weiter vorangekommen als die Theologiegeschichte4. Im Schuljahr 1295/96 erklärte der Franziskanertheologe Vitalis de Furno (um 1260 geb., am 16. 8. 1327 als Kardinal gest.) als Lektor am Generalstudium des Ordens in Montpellier die Sentenzen, nachdem er bereits 1288/89 unter Raymund Rigaldi in Paris über die Sentenzen gelesen hatte und von 1291—1294 (bzw. 1290—1293) als Magister 3 Vgl. L. Hödl: Das scholastische Verständnis von Kirchenamt und Kirchengewalt unter dem Einfluß der aristotelischen Philosophie („Per actus cognoscuntur potentiae"). In: Scholastik 36 (1961) 1—22. Ders. : Die kirchlichen Ämter, Dienste und Gewalten im Verständnis der scholastischen Theologie. (Der scholastische Traktat „De ordinibus" in historischer und systematischer Sicht). In: Franziskanische Studien 43 (1961) 1—21. 4 Vgl. H. Finke: Aus den Tagen Bonifaz VIII. Funde und Forschungen. Münster 1902. In: Vorreformationsgeschichtliche Forschungen 2. Bes. S. 146—190; S. Sibilla: Bonifacio VIII (1294—1303). Rom 1949; W. Goez: Translatio imperii. Ein Beitrag zur Geschichte des Geschichtsdenkens und der politischen Theorien im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Tübingen 1958; R. Castillo Lara: Coacción eclesiástica y Sacro Romano Imperio. Turin 1956. In : Studia et textus historiae Juris canonici 1 ; L. Buisson : Potestas et Caritas. Die päpstliche Gewalt im Spätmittelalter. Köln 1958. Vgl. ferner Anm. 50.
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tätig war. Der (nur durch einen Textzeugen bekannte) ungedruckte Sentenzenkommentar dieses Theologen geht auf die Vorlesung in Montpellier zurück. Der Kommentar ist nur in einer Reportation, Schülernachschrift, erhalten. Nach einer Notiz in Cod. Vat. lat. 1095 hat Vitalis seinen Ausführungen zum 4. Sentenzenbuch die entsprechenden Vorlesungen seines Lehrers Jakob vonQuarcheto (duQuesnoy) in Paris zugrunde gelegt5. Damit wird ausdrücklich bestätigt, daß wir es hier mit der Lehrtradition der mittleren Franziskanerschule zu tun haben, der auch Petrus de Trabibus und Petrus Johannis Olivi verpflichtet sind. Beide sind zur Sache zu hören. I. Vom , , o r d o v i r t u t u m sive p o t e s t a t u m " Entgegen einer weitschweifigen Analyse des Weihesakramentes bei den zeitgenössischen Dozenten und Magistern konzentrierte Vitalis die theologische Betrachtung auf eine Hauptfrage und einzelne Zusatzfragen. Das Hauptthema lautet: „Braucht die Kirche das Sakrament des (siebenfachen) Ordo?"® In der einleitenden Begriffsbestimmung von „ordo" stellte der Magister von vornab eindeutig die Weichen für eine zweigleisige Analyse des sakramentalen und des hierarchischen Ordo. Er wußte wohl, daß „ordo" sprachlich und sachlich den Vorrang, das Prae in einer politischen oder kirchlichen Gemeinschaft bedeutet. Von diesem „ordo gradus dignitatum et nobilitatum" kann aber zunächst nicht die Rede sein. Zuerst muß der Ordo jener heiligen Kräfte und Gewalten bedacht werden, der auf die Konsekration und Ausspendung des Herrenleibes bezogen ist 7 . Der sakramentale Ordo der Kirche ist der Kosmos und das Gefüge sakraler und heilshafter Kräfte und Fakultäten umwillen des Corpus Christi. Der Charakter des Umwillen ist für den Bestand und die Wirklichkeit des Ordo wesentlich. Die durch das Weihesakrament vermittelte Kraft und Vollmacht ist eine Setzung des Leibes Christi umwillen, d. h. zur Konsekration und Spendung des sakramentalen Herrenleibes und zur Auferbauung des geistlichen Corpus Domini, der Kirche. Nimmt man den sakramentalen Ordo so in acht, so muß die theologische Betrachtung vor allem die Einheit und die Differenz des 6 Vgl. V. Heynck: Zur Bußlehre des Vitalis de Fumo. Die Wirkkraft der priesterlichen Absolution. In: Franziskanische Studien 41 (1959) 165. Anm. 6. 6 E>. 24 p. 1. Cod. Vat. lat. 1095 fol. 31 rb: . . . sed causa brevitatis reducamus omnes ad unam quaestionem principalem cum quibusdam aliis incidenter annexis. Et est quaestio: utrum Ecclesia debeat habere sacramentum ordinis. ' Ebd., fol. 31 va: . . . dicitur ordo virtutum sive potestatum non quarumcumque sed solum illarum quae ordinantur et habent aspectum ad corpus Christi conficiendum et dispensandum ita quod talis potestas numquam haberet rationem ordinis, nisi quia sive mediate sive immediate ordinatur ad corpus Christi.
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siebenfachen Kräfteordo klären. Sie muß nachweisen, daß dieser Ordo neutestamentlich, d. h. eine Stiftung Jesu Christi ist. Ferner muß sie diesen Ordo als Grund und Boden der Kirche erhellen8. Der mittelalterliche Theologe richtete das Augenmerk vor allem darauf, die in den sieben Weihestufen vermittelten Fakultäten als einheitliches, homogenes Kräftefeld des sakramentalen Corpus Christi zu sehen. Vitalis griff verschiedene Beispiele aus der Natur und Lebenswelt auf, um die Wirklichkeit und Eigenart des sakralen Kräftefeldes zu verdeutlichen9. Zur Zeugung natürlicher Lebensformen wirken verschiedene Ursachen zusammen. Ebenso ist auch der natürliche Organismus ein Kräftefeld, das letztlich und entscheidend von einem Zentrum her gesteuert wird. Ein und denselben Effekt können verschiedene Kräfte der Natur nur dann hervorbringen, wenn die natürlichen Kräfte und Potenzen eben auf dieses Ziel hingeordnet sind. Diese „lex naturae" gibt ein Gleichnis ab für die „lex gratiae". Im je noch größeren Unterschied zwischen dem Gesetz des Todes und dem Gesetz des Lebens transzendiert die Gnade die Natur, die Gnadenordnung die Naturordnung. Unbeschadet dieser grundsätzlichen Unstimmigkeit fällt auch vom Kräftehaushalt des Organismus ein Gleichnislicht auf das Verhältnis der Kirche zu Christus, des Leibes Christi zum Haupt. Die Eucharistie ist zugleich Bild und Wirklichkeit des Leibes Christi, des „ordo virtutum", dessen Organisationskraft und -form. Das sakramentale Corpus Christi ist der Kern, um den das Feld der sakralen und heilshaften Potenzen und Fakultäten lagert. Darüber wölbt sich die Kirche als Leib Christi. Dieser Entwurf des Weihesakramentes ist zwar ontisch, letztlich aber nicht naturhaft, obgleich naturhafte und naturgesetzliche Überlegungen eine Rolle spielen. Diese Konzeption des „sacramentum ordinis" muß aber im Ganzen der mittelalterlichen Ekklesiologie gesehen werden. Die Kirche ist der sichtbar-unsichtbare, d. h. sakramentale Kosmos sakraler, heilshafter Kräfte, Mächte und Institutionen, Lebensraum und Lebenswelt des gläubigen, schuldbewußten, Friede und Seligkeit suchenden Menschen. Die Sakramente sind die Lebensgründe dieser Welt. Das „sacramentum ordinis" bedeutet und bestimmt Herkunft und Ordnung des geistlichen Lebens. Der Ordo gehört zum „oriri", zum Ursprung des Lebens. Er ist wesenhaft „ordo sacerdotalis"10. Die niederen Weihegrade sind auf den priesterlichen Ordo hingeordnet, und die höheren hierarchischen Ämter der Kirche können im Grunde nichts hinzufügen. Ebd., fol. 31 rb. Ebd., fol. 31 va. 1 0 Ebd., fol. 31 vb—32ra: . . . Sed ordo sacerdotalis est finis ultimus ad quem et propter quem omnes alii ordines ordinantur, sed ipse per se et immediate habet aspectum ad corpus Christi conficiendum . . . 8 9
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„Auch der Papst hat nicht mehr vom priesterlichen Ordo und von der priesterlichen Vollmacht hinsichtlich des eigentlich Priesterlichen, der Konsekration des Leibes Christi, als jeder andere Priester." 11 Der hierarchische Rang ist, so betrachtet, gar kein neuer Grad der Vollmacht, sondern eine unterschiedliche Weise des Besitzes und der Anwendung der priesterlichen Gewalt12. Diese richtige Erkenntnis hat allerdings Vitalis de Furno und die mittelalterlichen Theologen nicht abgehalten, die zweite Reihe kirchlich-hierarchischer Vollmacht selbständig auszuführen. Am prinzipiellen Vorrang des priesterlichen Dienstes ließen sie aber gar keinen Zweifel aufkommen. Und volles Einvernehmen bestand darüber, daß die Mitte des priesterlichen Dienstes das Geheimnis des Leibes Christi ist, das Mysterium des sakramentalen und ekklesialen Herrenleibes. Es ist hier nicht der Ort, über das mittelalterliche Verständnis des Priesterlichen zu befinden, denn auch die scholastische Theologie klärte und definierte den Begriff in der Christologie, bzw. Soteriologie. Die Sakramentenlehre muß diese Klärung voraussetzen. Für das Verständnis des sakramentalen Priestertums und des „ordo sacerdotalis" sind die drei Begriffe maßgebend: „potestas", „corpus Christi verum" und „corpus Christi mysticum". Die geistliche Vollmacht ist umwillen des sakramentalen Herrenleibes, und dieser ist umwillen des ekklesialen Herrenleibes13. Die Zuordnung der einzelnen Termini wurde zwar unterschiedlich akzentuiert, sie wurde aber allgemein festgehalten. Der Terminus ad quem des „ordo sacerdotaJis" ist die Auferbauung der Gemeinde als Leib Christi im Geheimnis Christi. Aus diesen Ausführungen erhellt, daß die Kirche des Mediaevum wesentlich priesterliche Gemeinde ist, d. h. Gemeinde, die von der priesterlichen Vollmacht, vom priesterlichen Tun und Dienst lebt. Im Bereich der Gemeinde machen sich viele Gewalten und Ansprüche geltend, und die Gemeinde braucht im konkreten Leben diese Dienste und Ordnungen, die priesterliche Dienstvollmacht ist die vorrangige und vollkommenste Gewalt, „potestas . . . dignissima et perfectissima" 14 , und zwar nicht deshalb, weil sie übernatürliche, wunderbare und übermenschliche Kraft ist, sondern weil sie Christus und die Kirche eint, und weil aus dieser Einheit das geistliche Sein und Leben des Glaubenden resultiert 15 . „Und wenn ich mich nicht täusche," 11
Ebd., fol. 32 ra. D. 24 p. 2 a. 3: s. die anschließende Edition, S. 22, 37—23, 30. 13 Ebd., p. 1, Cod. Vat. lat. 1095 fol. 32ra: . . . tales ordines vel potestates ordinantur ad corpus Christi mysticum. — Mit vier Argumenten suchte Vitalis de Furno diesen Zusammenhang zu begründen. Dabei kam er immer wieder auf die These zurück, daß alle Kräfte und das ganze sakramentale Potential der Kirche auf das corpus Christi mysticum bezogen sind. 14 D. 24 p. 2 a. 1: s. die anschließende Edition, S. 20, 35—21, 38. 15 Ebd. 12
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fügt Vitalis an, „so ist dies ein Beweis" für die prinzipielle Bedeutung der priesterlichen Vollmacht 16 . Die Einigung der Kirche mit Christus — kein fixiertes Faktum, sondern ständiges Geschehen! —ist in jedem Augenblick auf Gottes Gnade, Verzeihung und Barmherzigkeit angewiesen. Die priesterliche Vollmacht beinhaltet den Dienst der sakramentalen Sündenvergebung. Um diese Gewalt baut sich das entscheidende Forum auf, „das Forum des sakramentalen Freispruchs, das mit einem anderen Namen Forum der Buße oder des Gewissens heißt" 17 . Auch diese drei Begriffe „absolutio sacramentalis", „poenitentia", „conscientia" sind für die mittelalterliche Geistigkeit und Gläubigkeit außerordentlich signifikativ. Sie zeigen Termini und Dimensionen des konkreten, gläubigen Lebens an. Zwischen der priesterlich-sakramentalen Sündenvergebung und der persönlichen, existenziellen Buße und Umkehr, zwischen Sakrament und Gewissen, sichtbarer Gnade und Freiheit erstreckte und bewegte sich das Dasein des Menschen. Das „forum sacerdotalis potentiae" und das „forum conscientiae" wuchsen so zu einem konkreten, umspannenden Lebensbereich zusammen. Darum ließ sich mit diesem Forum priesterlicher Dienstleistung kein anderes weltliches oder geistliches Forum vergleichen, weder das des Bischofs noch auch das des Papstes. Das priesterliche Forum ist „dignissimum, simplicissimum et verissimum" 18 . In der Minor eines Argumentes für den Vorrang der alle hierarchischen Ränge begründenden priesterlichen Vollmacht stehen diese Aussagen. Der Bereich priesterlicher Vollmacht ist „dignissimum", denn er ist das Forum der Vergebung, der Gnade und der Barmherzigkeit. Dieses Forum zeichnet das einfachste Verfahren aus, weil sich der Schuldige selber vor seinen Richter begibt und anklagt. Und dieses Verfahren stört weder die Mißgunst des Richters noch der Trug des Klägers. Hier darf jeder Gnade vor Recht gewärtigen. Diese Ausführungen geben einen unmittelbaren Einblick in das Geistes- und Glaubensleben des Mittelalters. Darin haben die hohen und höchsten kirchlich-hierarchischen Ränge und Mächte gar nicht die Bedeutung, die ihnen in der großen Geschichte der Kirche und des Reiches zuzukommen scheint. Daraus erhellt auch, daß die mittelalterliche Kirche selbst in der bonifazianischen Ära keineswegs „päpstliche Kirche" war, trotz des Anspruchs gerade dieses Papstes, von dem sofort zu reden ist. Die unmittelbaren, geradlinig verlaufenden Tendenzen, Bestrebungen und Bewegungen in der konkreten Lebens- und Glaubenswelt sind etwas anderes als die übergreifenden, 18 17 18
Ebd., S. 21, 8. Ebd., S. 21, 21—38. Ebd.
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kreisenden, „runden" Ideen und Motive, die häufig genug in der wissenschaftlichen Analyse überakzentuiert werden. Der Bischof besitzt zwar die priesterliche Vollmacht in ausnehmender und überragender Weise, sofern er nicht nur den priesterlichen Dienst vollzieht, sondern die Priester ordiniert, aber die bischöfliche Dienstvollmacht ragt über die spezifisch priesterliche hinaus. Priesterliche und bischöfliche Vollmacht stehen im Verhältnis von „linea recta" und „linea circularis et rotunda" 19 . Die priesterliche Vollmacht bezieht sich unmittelbar und geradewegs auf den Herrenleib. Der Bischof verantwortet und vermittelt die piiesterliche Gewalt; seine Vollmacht wölbt sich sozusagen über den priesterlichen Dienst am „corpus Domini". Sofern in diesem Bild der grundlegenden und übergreifenden, linearen und zirkulären Vollmacht nicht das Mißverständnis provoziert würde, der Bischof wäre wesentlich Ordinator und vielleicht noch außerordentlicher Zelebrant, könnte damit das Zusammen der sakramentalen und hierarchischen Struktur der kirchlichen Vollmacht gut verdeutlicht werden. Der hierarchische Rang ist eine Dimension der sakramentalen Vollmacht, nämlich deren Dienstvorrang. Die Ämter, Dienste und Gewalten, die umwillen des sakramentalen und ekklesialen Herrenleibes da sind, haben eine eindeutige Ordnung. Dieser „ordo virtutum" kann aber nicht vom „ordo dignitatum" abgelöst werden. I I . Vom , , o r d o g r a d u s d i g n i t a t u m " Im Anschluß an das Lehrbuch und an die theologische Schultradition behandelte Vitalis de Furno die hierarchische Ordnung in einer eigenen Frage 20 . Zwei Teilfragen stellten sich zu diesem Thema: gibt es in der Kirche eine ranghöhere Gewalt als die priesterliche, nämlich die päpstliche und bischöfliche, und : gibt es nur eine Gewalt und einen allgemeinen Rang in der ganzen Kirche, nämlich Rang und Gewalt des Papstes 21 ? Die zweite Frage folgt aus der ersten, denn eine hierarchische Gewalt ist letztlich immer eine „monarchisch" zugespitzte Gewalt. Beide Teilfragen können darum zusammen erörtert werden. Sie konzentrieren sich am Ende auf die Frage des geeinten und geballten hierarchischen Ranges in der Kirche. Der Magister sondierte in den drei ersten Artikeln dieser Quästion die grundlegenden Thesen über die geistliche Gewalt in der Kirche: Die einzige reale Vollmacht in der Kirche ist die sakramental-priesterliche (1. Artikel)22. Es gibt zwar keine höhere Gewalt als diese, wohl 19 20 21 22
Ebd., a. D. 24 p. Ebd., S. Ebd., a.
3. S. 23, 22—26. 2: s. die anschließende Edition, S. 19,1—30, 8. 19, 10—12. 1. S. 20, 36—21, 38.
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aber unterschiedliche, niedere und höhere Modi im Besitz und in der Ausführung dieser Gewalt (2. Artikel)23. Was sich im ganzen Lebensbereich der Kirche als hierarchisch gestufter Modus der priesterlichen Gewalt austrägt, muß sich in das Ganze und in das Wesen des Priesterlichen integrieren (3. Artikel). Diese hierarchische Stufung und Graduierung gipfelt im Haupt der Kirche, dem Papst. Im 4. Artikel steuert der Magister sofort die Begründung der hierarchischen Vollgewalt des Papstes an, ohne vorher den bischöflichen Vorrang eigens bedacht zu haben. Im Bild von der grundlegenden priesterlichen und umgreifenden bischöflichen Gewalt, das im 3. Artikel steht, wird zwar ausdrücklich die bischöfliche Vollmacht angesprochen, sie war aber kein selbständiges Thema. Bezüglich der hohen Vollmacht des Priesters hatte der Bischof kein Plus aufzuweisen, und im Vergleich zur hierarchischen Vollgewalt des Papstes war die bischöfliche Gewalt ein defizienter Modus der Hierarchie. Jenseits der sakramental-priesterlichen Vollmacht ballt sich die päpstlich-hierarchische Gewalt. „Es gibt einen höchsten Grad und Modus der (hierarchischen) Gewalt, die einem einzigen, nämlich dem Papst, zukommt." 24 Die Tatsache einer geballten hierarchischen Macht steht (nach der Meinung des Theologen) schon aus dem bisher Gesagten fest 25 . Aus dem spezifisch mittelalterlichen Verständnis des sakramentalen Kräfte- und Wirkfeldes folgt das Verständnis einer zentralen hierarchischen Ordnungsmacht. Die natürlichen Kräfte werden von einer Zentralkraft gesteuert. Die körperlichen Potenzen des Leibes stammen vom Haupt. Die künstlerischen Ideen entspringen einer umfassenden Konzeption. Und Reiche, Städte und Heere müssen ebenfalls eine höchste Gewalt haben26. In allen Bereichen der Wirklichkeit gilt dieses Gesetz der geballten Gewalt. Kann aber dieses durchgängige Gesetz auch auf die Kirche ausgedehnt werden, die der Leib des Herrn ist, deren Haupt Christus ist, der ständig mit der Kirche verbunden und in ihr präsent ist 27 ? Vitalis erwartete diese Einrede, bzw. er machte sie selber. Er sprach ihr sogar große Überzeugungskraft (magna apparentia) zu, er bezweifelte aber den Realwert dieses Arguments28. Der eine und einende Grund der Kirche ist Christus ; für diese Weltzeit und Pilgerschaft der Kirche ist aber ein sichtbares unserem Status der Leiblichkeit und Niedrigkeit entsprechendes Haupt nötig. Als solches hat Christus den Petrus bestellt. Der Papst ist das innerzeitliche, gebrechliche Haupt 23 24 25 26 27 28
Ebd., Ebd., Ebd. Ebd., Ebd., Ebd.,
a. 2. S. 21, 39—22, 36. a. 4. S. 23, 32f. S. 24, 4—8. S. 24, 8—14. S. 24,17—26.
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der streitenden, angefochtenen Kirche, die ihrerseits in der Gebrechlichkeit des Menschlichen und in der Gebrochenheit des Geschichtlichen pilgert und voranschreitet. Die Tatsache des hierarchischen Vorrangs des Papstes ist keine Frage; die Natur und das Ausmaß dieses Vorrangs standen zur Diskussion. Im fünften und letzten Artikel vertrat Vitalis de Furno die These, daß der Papst höchste Gewalt im Zeitlichen und im Geistlichen besitze29. Um aber von seinen Hörern nicht mißverstanden zu werden, präzisierte er von vornab diese These dahingehend, daß der Papst für den Bereich des Geistlichen volle Herrschaft, jurisdiktioneile und exekutive Gewalt habe ; für den Bereich des Zeitlichen habe er zwar volle Herrschaft und Gewalt, nicht aber die Ausübung der Jurisdiktion, außer in bestimmten Fällen, von denen sofort die Rede sei30. Die Vorsorge des Magisters um das rechte Verständnis seiner These bei den Hörern macht deutlich, daß in dieser Frage unterschiedliche Standpunkte vertreten wurden. Er appellierte dabei gleichzeitig an den frommen Glauben und an die gesunde Vernunft. Was kann dieser Satz „papa habet summam potestatem tarn in temporalibus quam in spiritualibus" als Satz des frommen Glaubens und der gesunden Vernunft behaupten31? Eben diese Frage stellte sich auch hinsichtlich der Schlußsentenzen der Bulle Bonifaz' VIII. Unam sanctam (vom 18. November 1302). Auch ein wahrer Sachverhalt kann überdimensioniert werden und so in glatten Unsinn verkehrt werden. Wie erinnerlich, mußte sich Bonifaz VIII. gerade auch gegen eine überspannte Auslegung der Bulle verwahren32. Drei Kapitel wandte Vitalis de Furno auf, um den genauen Sinn seiner These zu ermitteln. Zwei widmete er der Analyse der hierarchischen Gewalt (iurisdictio), deren Macht und Fülle. Im dritten Kapitel übertrug er diese Ergebnisse auf den Papst 33 . In diesem Übertrag überstieg der Magister eindeutig den Bereich des Sakramentalen auf die „lex" hin. Im Anschluß an die aristotelische Politik sondierte Vitalis zunächst im 1. Kapitel die verschiedenen Formen der Herrschaft 34 : 1. die hausherrliche Gewalt, an der die Verfassung der alten Mönchsorden orientiert ist, 2. die despotisch-rechtliche, die an eine Verfassung gebunden ist und die seinerzeit in den italienischen Stadtstaaten praktiziert wurde, 3. die beamtenrechtliche, die von der Beauftragung und WeiEbd., a. 5. S. 24, 37—39. Ebd., S. 2 5 , 1 — 5 . 3 1 Ebd., S. 24,37—39. 3 2 Vgl. I. B. Lo Grasso: Ecclesia et Status: De mutuis officiis et iuribus fontes selecti. Rom 1939. S. 430. 3 3 ü . 24 p. 2 a. 5 c. 1—3: s. die anschließende Edition, S. 25,17—29, 10. 3 4 Ebd., c. 1. S. 25,17—26, 22. 29
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sung des Herrschers abhängig ist, und 4. die königliche, die frei und souverän ist. Diese vollendete und vollkommene Herrschaftsform des Königtums demonstriert das „regnum Franciae", in dem weder das römische Recht noch die Reichsgesetze (iura civilia sive leges imperiales) als solche Geltung haben. Im französischen Königreich werden sie nur so weit beachtet, als sie dem Naturrecht oder Königsgesetz entsprechen. Die königliche Herrschaft dünkt dem mittelalterlichen Theologen von den verschiedenen Herrschaftsformen die vollkommenste zu sein, da nur der König wirklich letzte Instanz ist. Der König ist das Haupt seines Reiches, und die Untertanen sind wie die Glieder eines Leibes. Um des allgemeinen Wohles willen kann der König über Gut und Leben seiner Untertanen verfügen. Eine drängende Notlage rechtfertigt die königliche Forderung zum letzten Einsatz und zur höchsten Abgabe. Der König kann zwar seine herrscherliche Gewalt nicht überall persönlich ausüben, er braucht Grafen und Fürsten zu seiner Vertretung 35 . Dadurch wird aber die königliche Macht mitnichten geschmälert, im Gegenteil, die Statthalter des Königs sind eine Demonstration der königlichen Machtfülle. Sowenig das Werkzeug die Kraft der Erstursache verdecken kann, sowenig kann der König durch untergebene Dienstleute, die in seinem Auftrag handeln, Macht einbüßen. Diesen Sachverhalt suchte der Magister ebenfalls als allgemeines Gesetz der natürlichen und künstlerischen, geistigen und sittlichen Kräfte zu erhärten. Der Herrscher kann sich gar nicht seiner hohen und höchsten Machtfülle begeben. Diese Analyse der herrscherlichen Jurisdiktionsgewalt sollte nur ein Ansatz zur Klärung der päpstlichen Jurisdiktionsgewalt sein. War sie in der Tat der rechte Ansatz ? Von diesem Ansatz aus war es aber naheliegend zu sagen: ,,Ιη der nämlichen Weise, ja in noch vollkommenerer Art als der König im ganzen Reich hat der Papst Gewalt und Herrschaft im ganzen Reich der Kirche, und zwar in geistlichen wie auch in zeitlichen Dingen."3® Fünf Beweisgänge sollten den theologischen Grund und Zugang dieser These eröffnen. Sie sind insgesamt mehr oder weniger jener neuplatonischen Denkform verpflichtet, die nach dem je Höheren, Wirksameren und Vollkommeneren zu fragen und zu suchen gewohnt ist. Ein Beweisgrund: Das Gesetz Christi und der Gnade transzendiert das Naturgesetz; ebenso überragt der Papst, sofern er Christi Stelle innehat, den Kaiser. Mit zweifelsfreier Gewißheit steht fest, daß die „lex Christi" der „lex naturae" vorangeht und daß der Papst an diesem Vorrang partizipiert. Weil aber jeder Mensch um des Heiles 35 36
Ebd., c. 2. S. 26, 23—38. Ebd., c. 3. S. 27, 1—29, 10.
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willen der „lex Christi" Gehorsam schuldet, darum ist auch jeder Mensch von dieser Welt gehalten, dem Papst gehorsam und Untertan zu sein. „. . . omnis homo de mundo tenetur oboedire et subesse papae." 37 Diese Feststellung entspricht der Schlußsentenz der Bulle Unarn sanctam Bonifaz' VIII. und ist darum gerade auch für deren Verständnis interessant. Die Kirche ist das „regnum Ecclesiae", die welthafte Darstellung und Ordnung der Gnade und des Heiles. In ihr kommt dem Papst die Rolle des „princeps" zu, der für das „bonum fidei" Sorge trägt. Der „princeps" dieser Heilswelt und Gnadenwirklichkeit steht über dem Kaiser, der die natürliche Ordnung und Welt verkörpert und demonstriert. Der eindeutige Vorrang des geistlichen „princeps" ergibt sich ferner aus der Geschichte des „regnum et sacerdotium" in der Naturordnung und in den Zeiten des Gesetzes und der Gnade38. In der ersten Epoche der Geschichte, die durch den Priester-König Melchisedech repräsentiert wird, bildeten Königtum und Priestertum eine Einheit 39 . Erst in der zweiten Epoche, in der Zeit des Gesetzes und der Schrift, traten „regnum" und „sacerdotium" auseinander, und zwar nicht von Anfang an, d. h. auf Grund des „status legis scripturae", sondern erst im Verlauf und Verfall der Zeit forderte das israelitische Volk von Samuel die Einsetzung eines Königs40. In der dritten Epoche wurde das „regnum" durch das „sacerdotium" erneuert, so daß beide wiederum eine Einheit sind. Christus ist König und Priester, die Erfüllung der Verheißung des Melchisedech41. So schließt sich für den Theologen der Kreis des Zeitlaufes und offenbart so die Vollendung. Was durch den Lauf der Zeit offenbar wurde, vollzogen Kaiser Konstantin und Papst Silvester in der Geschichte. Die Kirche wurde als allumfassendes „regnum et dominium" wiederhergestellt, als sich Kaiser Konstantin in seinem Amt von der Kirche her verstand und sich dem Papste unterordnete. Aus diesem Ereignis datiert zeichenund symbolhaft der Dienst des Steigbügelhaltens, den der Kaiser dem Papst leistet42. Der Papst übt aber die herrscherliche Gewalt im Bereich des Zeitlichen nicht selber aus. Er übertrug die Exekutive voll und frei dem Kaiser. Lediglich in drei Fällen hielt Vitalis den Eingriff des Papstes 37
Ebd., S. 27, lOf. Vgl. dazu die Schlußsentenz der Bulle „Unam Sanctam" Bonifaz' VIII., Denz. 875 : Porro subesse Romano Pontifici omni humanae creaturae declaramus, dicimus, diffinimus omnino esse de necessitate salutis. 38 Ebd., S. 27, 35—28,11. 38 Ebd. Vgl. Gen 14, 18; Ps 109, 4; Hebr 7, 17. Vgl. dazu auch Aegidius Romanus: De ecclesiastica potestate. Hrsg. R. Scholz. Weimar 1929. Unver. Neudr. Aalen 1961. Lib. I c. 5, S. 15; c. 6, S. 18; lib. III c. 1, S. 145. « Ebd. Vgl. 1 Sam 8. 41 Ebd. Vgl. Hebr 7. 42 Ebd., S. 28,12—19.
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ins Weltpolitische für legitim und notwendig43: 1. für den Fall des Thronstreites zwischen rivalisierenden Königen oder Königssöhnen, 2. für den Fall, daß sich der Kaiser oder König eines schweren Deliktes schuldig macht, und 3. im Falle einer Thronvakanz. Diese Fälle zeigen den faktischen Einfluß des Papstes auf die Weltpolitik des 13. Jahrhunderts nach dem Interregnum an. Der Theologe wertete sie aber als Ausdruck des herrscherlichen Vorrangs der päpstlichen Gewalt, obgleich er gleichzeitig zu bedenken gibt, daß weltliche und politische Händel der Sendung der Kirche widerstreiten. — Der Magister wäre wohl beraten gewesen, wenn er die Warnung des Apostels, 2 Tim 2,4: „Keiner, der im Kriegsdienst steht, verwickelt sich in die Geschäfte des täglichen Lebens" auch auf sich und seine Arbeit bezogen hätte. Wir stellen aber die Kritik an diesen Ausführungen über die jurisdiktionelle Vollmacht des Papstes in der Welt einstweilen zurück. Soweit diese Kritik die Theologie angeht, wurde sie von den zeitgenössischen Theologen des Vitalis de Fumo geltend gemacht. Wir hören sie im folgenden aus dem Munde des Petrus Johannis Olivi, eines Ordenskollegen des Vitalis. Soweit aber diese Kritik auch mitbedenken muß, daß diese und ähnliche Analysen der „geistlichen und weltlichen Vollmacht" des Papstes die durch die Welt des 13. Jahrhunderts (der auseinanderstrebenden Nationen, Gesellschaften und Stände) bedingten Versuche und Anstrengungen der Kirche und des Papstes sind, eben in dieser Welt präsent und effektiv zu sein und zu bleiben, übersteigt sie die Aufgabe der Theologie44. Diese Kritik ist dann gerade Gegenstand eines interfakultativen Gesprächs. Die Verselbständigung und Ballung der hierarchisch-päpstlichen Gewalt im Mittelalter hatte nicht nur diese beschriebene „imperiale" Außenseite, sie wirkte sich auch nach innen auf die Ordnung der Kirche aus. Diese „Innenseite" der kirchlichen Gewaltenlehre kam in der Auseinandersetzung um die Pastoralprivilegien der Mendikantenorden zum Vorschein. In den Sentenzenwerken wurde dieses Thema im 13. Jahrhundert meist im Zusammenhang mit dem Bußsakrament behandelt. Vitalis de Fumo brachte es im Anschluß an die Ausführungen über die päpstliche Vollgewalt zur Sprache45. Ohne Zweifel gehören beide Themen zusammen. Der imperiale und der ekklesiale Anspruch des Papstes in der Gewaltenlehre des Vitalis fügen sich wie die Außen- und Innenseite eines Gegenstandes zusammen. 4 3 Ebd., S. 28, 28—37.Vgl. dazu Aegidius Romanus: De ecclesiastica potestate. Lib. I I I c. 4, a. a. O., S. 161—168; c. 8, ebd., S. 185—190; R. Scholz: Die Publizistik zur Zeit Philipps des Schönen und Bonifaz' VIII. Ein Beitrag zur Geschichte der politischen Anschauungen des Mittelalters. Stuttgart 1903. S. 81. 4 4 Eine umfassende Studie über diese Bedingungen und Voraussetzungen des päpstlichen Anspruchs im 13. Jahrhundert fehlt. Vgl. M. D. Chenu : Dogme et théologie dans la bulle Unam Sanctam: L a foi et sa structure. Paris 1964. S. 361—369. 4 5 D. 24 p. 2 a. 5 c. 4: s. die anschließende Edition, S. 29,11—30, 8.
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Aus der geballten Vollmacht des Papstes folgt, so führt Vitalis kurz aus, daß alle Widerstände des Weltklerus gegen die Seelsorgsprivilegien der Mendikantenorden, vornehmlich gegen die Bulle Ad fructus uberes Martins IV. (vom 13. Dez. 1281), töricht und beinahe häretisch sind46. „Denn es ist lächerlich zu sagen, der Papst hätte nicht ebenso große Autorität über alle Gläubigen wie der Bischof über die ihm Anvertrauten." 47 Vergeblich bemühten sich die Theologen aus dem Weltklerus, die Einheit von kirchlicher Autorität und sakramentaler Dienstvollmacht unbeschadet der hierarchischen Ordnung zu wahren und zu begründen. Die hierarchisch-kirchliche Vollmacht wurde nach einem anderen Gesetz vermessen. Für das „corpus Christi verum", die sakramentale Wirklichkeit, wurde eine andere Ordnung geltend gemacht als für das „corpus Christi mysticum", die Kirche 48 . „Lex et sacramentum!" Die Geschichte des Corpus-Christi-Begriffes in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zeigt mit aller Deutlichkeit das Auseinandertreten der beiden Ordnungen an. In diesem Auseinander des sakramentalen und des ekklesialen Herrenleibes wurde die Jurisdiktionsgewalt als relativ selbständige, herrscherliche Gewalt der Kirche analysiert. Gegen Ende dieses und zu Beginn des folgenden Jahrhunderts wurden zahllose Quästionen und Traktate zu diesem Thema geschrieben49. Sie erörterten das Wesen und den Ursprung, die hierarchische Übertragung, Mitteilung und Ausübung der Jurisdiktionsgewalt, deren Geschichte im Alten und im Neuen Bund, sowie deren Verhältnis zur weltpolitischen Macht. Vitalis de Furno bezog diesen Themenkreis über die hierarchischen Ränge und den jurisdiktioneilen Vorrang des Papstes in der Kirche in den Ordotraktat ein. Er rekapitulierte dabei die hierarchisch4 6 Ebd.; Vitalis de Furno führte nur die Bulle Martins IV. Ad fructus uberes v. 13. Dez. 1281 an. Die Bulle Bonifaz VIII. Super cathedram v. 18. Febr. 1300 kannte er nicht. " Ebd., S. 29, 31f. 4 8 Vgl. Thomae Aquinatis commentum in quartum librum Sententiarum. D. 18 q. 1 a. 1 qu. 2 ad 2. A. a. O. (Anm. 2), Vol. 10. Parisiis 1873. S. 522; S. Thomae de Aquino Summa theologiae. Suppl. q. 20 a. 1 ad 1. A. a. O., S. 79f.; Petrus de Trabibus: Sent. IV d. 24: Utrum supra sacerdotium sit alius ordo. Cod. lat. A 5 1071, Florenz, Bibl.-Nat. fol. 156va (vgl. Anm. 52); Johannes Quidort v. Paris: De confessionibus audiendis. a. 1. Ed. L. Hödl. München 1962. In: Mitt. d. Grabmann-Inst. d. Univ. München 6, S. 36; Thomas de Bailly: Quodlibets. Ed. P. Glorieux. Paris 1960. V. q. 13. S. 410 f. Über diese Unterscheidungslehre „corpus Christi verum — corpus Christi mysticum" in der scholastischen Theologie beabsichtige ich, bald eine eigene Studie vorzulegen. Vgl. dazu auch H. de Lubac: Corpus mysticum. L'Eucharistie et l'église au moyen âge. Étude historique. Théologie 3. Paris 1949. 4 9 Vgl. Y . Congar: Aspects ecclésiologiques de la querelle entre mendiants et séculiers dans la seconde moitié du X I I I e siècle et le début du X I V e . In: Arch. Hist. Doctr. Litt. Moy. Ag. 36 (1961) 35—151.
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bischöfliche Gewalt in der herrscherlichen Vollgewalt des Papstes. Der Unterschied zu den aus der geistigen und literarischen Umgebung des Vitalis de Fumo stammenden Sentenzenerklärungen liegt auf der Hand. Ich greife den Kommentar zum 4. Sentenzenbuch des Petrus de Trabibus heraus. Petrus hat „seinen Kommentar wahrscheinlich kurz vor 1294/95 verfaßt" 5 0 . Möglicherweise kannte ihn sogar Vitalis de Furno 51 . Petrus de Trabibus erörterte ähnliche Fragen in der 24. Distinktion des 4. Buches 52 . Darunter befindet sich auch die Frage: „Utrum supra sacerdotium sit alius ordo" 53 . Die eine priesterliche Vollmacht, so führte er aus, ist in der Konsekration des Herrenleibes und in der Disposition des Leibes Christi, der Gemeinde, wirksam. Die konsekratorische Wirktätigkeit ist wesentliche, unabdingbare priesterliche Vollmacht. Diese ist zwar ohne hierarchische Rangstellung möglich, der hierarchische Vorrang aber nicht ohne priesterliche Vollmacht. Der hierarchische Rang bedeutet herrscherliche Gewalt und hoheitliche Funktion. E r kommt an und für sich den Bischöfen zu. Respondeo dicendum, quod potestas sacerdotalis habet duos actus, unus est principalis, qui ab ipso non potest separali, hoc est dicere, non potest esse sacerdotalis potestas, quin possit in actum ilium, et hoc est corpus Christi verum consecrare ; aliud est consequens principale, non tarnen consequens ex necessitate, quod si aliquis est sacerdos quod possit in actum illum, sed consequens dicitur, quia nullus potest in ilium, nisi sit sacerdos. Unde ordo sacerdotii potest esse sine actu ilio, sed non est e converso, et hoc est corpus mysticum disponere et ordinare, et iste actus requirit et dicit dominium iurisdictionis et officium excellentis dispensatoris. Dominium iurisdictionis principaliter et per se residet in episcopis, sacerdotibus enim inferioribus non convenit, nisi per eorum commissionem. Ipsis etiam solum convenit officium excellentis dispensationis, ut ordines conferre, ecclesiam consecrare, virgines benedicere et plura huiusmodi. Potest ergo ordo accipi dupliciter, uno enim modo potest dici ordo potestas consecrandi corpus Christi [verum, alio modo potest dici ordo potestas disponendi corpus Christi] mysticum. Primo dicit sacramentum, et sic supra sacerdotium non est alius ordo, secundo modo dicit officium seu plenitudinem sacerdotalis potestatis, et sic est alius ordo supra sacerdotium, ut episcopatus, et pro tanto sancti et cánones 5 0 V. Heynck : Studien zu Johannes von Erfurt. I I . Sein Verhältnis zur Olivischule. In : Franziskanische Studien 42 (1960) 194. 6 1 Ebd. 5 2 Cod. lat. A 5 1071, Florenz, Nat.-Bibl. fol. 152ra: Quantum ad primum de ordinis entitate quaeruntur I V : Primo quaeritur utrum in Ecclesia sit ordo, secundo utrum sit sacramentum Novae Legis, tertio utrum sacramentum ordinis habeat aliquam formam, quarto utrum hoc habeat aliquam materiam. — Vitalis de Furno reduzierte alle im 1. Teil der 24. Distinktion anstehenden Probleme auf die Frage: Utrum Ecclesia debeat habere sacramentum ordinis (Cod. Vat. lat. 1095 fol. 31 rb). Dabei erörterte er: Primum est quod ordo est et debet esse in Ecclesia. Secundum est quod talis ordo est vere sacramentum. Tertium est quod est sacramentum non quodcumque sed solius Legis Novae sive gratiae. Quartum est quod talis ordo est multiplex sive quod ordines sint plures. Quintum et ultimum est quod sunt tantum Septem ordines ita quod nec plures nec pauciores. (Ebd., fol. 31rb—va.) 5 3 Ebd., fol. 156va.
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episcopatum ordinem esse dicunt et quod episcopus non potest committere quae sunt ordinis, licet possit ilia quae sunt iurisdictionis 54 .
Vitalis de Furno hob sakramentale Vollmacht und hierarchischen Rang in der Kirche noch deutlicher voneinander ab. Er sah darüber hinaus von der bischöflichen Hierarchie ab und konzentrierte die hoheitliche Gewalt auf den alleinigen päpstlichen Vorrang. Papst Bonifaz VIII. vertrat diese Auffassung des päpstlichen Vorrangs in der Lehre und in der Politik, nach innen und nach außen. Zum Verständnis der Bulle Unarn sanctam sind die Ausführungen des Vitalis höchst aufschlußreich. Sie zeigen einmal, daß die Aussagen in der Bulle nicht mit der späteren Unterscheidungslehre von ,,potes tas directa" und „indirecta" interpretiert werden können. Die päpstlichhierarchische Gewalt ist totales, umgreifendes „dominium iurisdictionis". Unbeschadet dieses prinzipiellen Vorrangs der geistlichen Jurisdiktionsgewalt liegt der Vollzug der weit-politischen Gewalt in den Händen des Kaisers beziehungsweise des Königs. Die Schlußsentenz der Bulle wiederholt nicht nur (wenngleich auch) die Wahrheit von der Heilsnotwendigkeit der Kirche, wie vielfach behauptet wird, sondern verlieh dieser Wahrheit einen eindeutigen „papalen" Akzent, der in den folgenden Jahrhunderten noch mehr zur Geltung gebracht wurde. Daß Theologie und Kirche im 13. Jahrhundert sakramentale Dienstvollmacht gerade so deuteten und geltend machten, d. h. im Auseinander von sakramentaler und hierarchischer Gewalt und in der Ballung und Zuspitzung der hierarchisch-päpstlichen Gewalt, ist das spezifisch Mittelalterliche, das aus der Geisteswelt des endenden 13. Jahrhunderts verstanden werden muß. Der Heilsanspruch der Kirche steht in unabdingbarer Korrelation zu den Ansprüchen der Welt. — Gegen diese Überdimensionierung der kirchlich-hierarchischen Gewalt erhob sich früh die Kritik, und zwar nicht nur von außen, von den Vertretern und Sachwaltern der weltlichen Macht, sondern auch aus den Kreisen der Theologen. III.
D i e K r i t i k des dignitatum"
Petrus
Johannis
Olivi
am
,,ordo
Petrus Johannis Olivi disputierte in der 18. Quästion des 1. Quolibet über die Universalgewalt des Papstes 55 . Diese Frage steht zeitlich und sachlich in unverkennbarer Nähe zur Quästion über die Irrtumslosigkeit des Papstes 56 . Verschiedene Anzeichen (Thema, Polemik usw.) 54
Ebd., fol. 156 vb. Ed. Venetiis 1509. Fol. 8rb: Quaeritur an papa habeat universalissimam potestatem. 56 In der Auflösung der Argumente wies Olivi auf diese Frage hin. Ebd., fol. 9ra: . . . sed modo superius praetaxato quem in quaestione „an papae in omnibus tamquam 55
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deuten darauf hin, daß die beiden Quästionen in der zweiten und letzten Lehrtätigkeit nach seiner 1287 erfolgten Rehabilitierung entstanden sind, und zwar in Florenz oder Montpellier, wo Olivi zuletzt um 1290 als Lektor lehrte. Wir nähern uns damit zeitlich und vielleicht auch örtlich der Sentenzenerklärung des Vitalis de Furno, ohne deshalb eine direkte Abhängigkeit zwischen den beiden Theologen zu behaupten. Fest steht, daß sich Olivi in der erwähnten Quästion des 1. Quolibet sehr scharf mit der These auseinandersetzte, der Papst sei der Herr aller Dinge. Im Hauptteil der Frage grenzte er die päpstliche Gewalt sehr bestimmt als geistliche und kirchliche ein, nämlich auf die Zurechtweisung der Fehlenden, auf die Lossprechung der Zurechtgewiesenen und auf die Leitung und Ordnung der kirchlichen Angelegenheiten57. In die Auflösung der Argumente fügte er die Auseinandersetzung mit den Vertretern (quidam) einer imperialen Macht des Papstes ein. Diese Auseinandersetzung nimmt denselben Raum ein wie das Hauptthema. Für die fragwürdige These von der Universalgewalt des Papstes werden zunächst drei Argumente angeführt, die bekannte Überlegungen über die Rangstellung des Papstes wiederholen. Die beiden folgenden, die mit „addunt etiam" eigens eingeführt werden, begründen speziell die zeitliche Gewalt des Papstes. Kaiser Konstantin, so führt das vierte Argument aus, habe seinerzeit dem Papste die Weltherrschaft übertragen. Und im fünften Beweisgrund ist die Rede, daß die Lk 22, 38 genannten zwei Schwerter den Vollbesitz der geistlichen und weltlichen Gewalt für die Kirche bezeichnen. Olivi hielt nichts von dieser ganzen Beweisführung. Er führte seinerseits sieben Gegengründe an, welche die Ungereimtheit und Schriftwidrigkeit der These von der Universalgewait des Papstes dartun. Er kam umgekehrt zu der Erkenntnis : J e geistlicher die kirchliche Gewalt ist, desto mehr muß sie sich aus irdischen Händeln heraushalten ! Und je freier so die geistliche Gewalt wird, umso überlegener ist sie! Wer die Kirche abgrundlos in den Sumpf des Irdischen verstrickt, richtet die Gewalt des Antichrists und ein neues Babylon auf. In den kritischen Überlegungen des Olivi, denen wir nicht mehr im einzelnen nachgehen, zeichnen sich einige tragende Gedankenlinien ab, die für seinen Denk-Horizont bestimmend sind und darum sowohl für regulae inerrabili sit credendum" plenius explicavi. — Eine ähnliche Untersuchung zu den Quolibeta, wie sie jüngst V. Heynck in den Franziskanischen Studien 46 (1964) 335—364 über die Datierung anderer Schriften Olivis anstellte, fehlt noch. Vgl. E. Bettoni: Le dottrine filosofiche di Pier di Giovanni Olivi. Mailand 1960. In: Pubbl. d. Univ. Catt. del S. Cuore. S. 31 f. 6 7 Vgl. L. Hödl: Die Lehre des Petrus Johannis Olivi O. F. M. von der Universalgewalt des Papstes. München 1958. In: Mitt. d. Grabmann-Inst. d. Univ. München 1. S. 16 f.
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seine Kritik wie für seine Theorie aufschlußreich sind. Zuerst verdient Olivis exegetischer Standpunkt Beachtung. Er tadelte an der gegnerischen Beweisführung, daß sie „ex absoluto iure evangelico et ex absoluta Christi commissione" schließe58. Das will heißen, durch eine einseitige Belichtung des Petrusamtes und -ranges des Papstes vom absoluten Vorrang Christi, des erhöhten Herrn her werden Rang und Amt des Papstes überhöht 59 . Die konkrete Situation der Nachfolge Christi in der Armut und Dienstbereitschaft wird verdunkelt. Eben diesen Status der evangelischen Vollkommenheit hat aber Christus dem Petrus und den Aposteln verfügt und eingeräumt. Dieser Status ist nicht eine beliebig zu vertauschende Voraussetzung des Amtes, sondern dessen konkreter, angestammter Ort. Diesen Zusammenhang von Lebensstand und Kirchenamt hat Olivi mit großem Ernst angemahnt. Vom Status der evangelischen Vollkommenheit aus müssen alle imperialen Vorstellungen vom Kirchenamt als Illusionen abgetan werden. Bedeutsam ist ferner Olivis philosophischer Standpunkt in der Auseinandersetzung. Er lehnte zwar Vorstellung und Begriff einer nach oben laufenden, geballten und vollendeten Reihe von Kräften und Gewalten nicht ab — er dachte selber in diesen Kategorien —, er wies aber auf die Unersetzbarkeit und Unvertauschbarkeit der untergeordneten, mittleren Kräfte hin 60 . Wir kennen das scholastische Argument der geschlossenen Reihe aus vielen anderen Beweisgängen (z. B. aus den berühmten Gottesbeweisen). Diese Denkform durchwaltet weithin auch die Lehre von der Kirchenverfassung. Sie wurde aber gerade hier auch in ihrer Problematik gesichtet. Sobald und sofern die mittleren und vermittelnden Termini dieser Reihe ernst genommen werden, muß auch der Terminus ad quem neu vermessen werden. Aus diesen Überlegungen kam Olivi ganz klar zu der Überzeugung, daß das Prae der geistlichen Vollmacht und Gewalt letztlich nicht hierarchisch-pyramidal bestimmt und beschrieben werden kann. Die geistliche Gewalt bewältigt in anderer Weise die politischen Mächte und Kräfte, nicht als erhöhte Spitze, sondern als tragende und haltende Mitte. Schließlich ist für Olivis Denkhorizont der geschichtliche Standpunkt kennzeichnend. Fakten als solche haben für ihn wenig zu bedeuten. Was die sogenannte konstantinische Schenkung und Machtübertragung betrifft, so lehrt Olivi nur, daß der Papst vorher, und das heißt auf Grund der Bevollmächtigung durch Christus, keine weltpolitische Macht besessen habe 61 . Über das Ausmaß dieser fremden Gewalt will 58 Quolibet I q. 18. Ed. Venetiis 1509. Fol. 8va: Nota tarnen quod quidam dixerunt papam esse temporalem dominum omnium rerum temporalium huius mundi . . . Et hi ratione triplici innituntur . . . fol. 8vb: Addunt etiam . . . 69 Ebd., fol. 8vb. 60 Ebd., fol. 9ra. 81 Ebd., fol. 9rb.
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er gar nicht reden. Sie ist zeitlich und wie alles Zeitliche auch vergänglich. Das Verhältnis von „regnum" und „sacerdotium" bestimmte er in der 9. Quästion des 1. Quolibet nicht aus der Entwicklung und Vollendung der Zeit, sondern aus der inneren Dynamik und Bewegung des Alten und des Neuen Testaments 62 . Im Alten Bunde dominierten das „regnum" und die königliche Gewalt, im Neuen hat nur mehr das „sacerdotium" Gültigkeit. Die Geschichte des Bundes ist der Bund in seiner Geschichte. Nicht die Zeit, sondern der Bund ist die Bewegung der Geschichte. Der Bund ist der innere Grund des Zeitgeschehens, dieses ist der äußere Grund des Bundes. Die Sakramente insgesamt, auch das Weihesakrament, sind Daten des Bundes. Im Neuen Bund ist das Sakrament der innere Grund der Ordnung und des Gesetzes der Kirche; Ordnung und Gesetz sind umgekehrt der äußere Grund für die Setzung des Sakramentes. 62 Ed. Venetiis 1509. Fol. 4ra—va: An reges in Lege Veteri haberent potestatem super summos pontífices et super ordinationem divini cultus, aut potius subessent summis pontificibus sicut nunc reges in spiritualibus subsunt papae et episcopis.
ANHANG TEXTGRUNDLAGE V i t a l i s de F u r n o OFM in IV. Librum Sententiarum, Dist. 24 pars 2* (Cod. Vat. lat. 1095, fol. 32vb—34vb) Circa secundam partem huius distinctionis, in qua determinat Magister1 de his qui praesunt praedictis ordinibus, id est de potestate episcopali et papali sive dignitate, quae, ut patebit, non faciunt novum seudiversumsacramentum ordinis sacerdotalis, sed addunt solum diversum modum habendi ipsum, quaeritur ergo primo Utrum in Ecclesia sit dare vel foriere aliquant potestatem utpote papalem vel episcopalem, maiorem vel excellentiorem potestate sacerdotali. E t arguitur primo quod non, quia teste Philosopho in libro II. De anima 2 potentiae distinguuntur per actus, actus autem per obiecta. Sed obiectum potentiae sacerdotalis est in ultimo dignitatis, quia ipse Christus, ergo etc. Item, ut ostensum est supra 3 , talis potestas sive gradus potestatis corporis Christi constituit ordinem. Unde sicut sunt VII gradus talis potestatis, ita sunt VII gradus ordinis, ergo si est dare V i l i , gradum potestatis erit necessario dare V i l i , ordinem supra sacerdotium, quod tamen esse haereticum dicere, ergo etc. In contrarium est illud quod dicit Dionysius 4 ; distinguit enim actus sive officia sacerdotis, diaconi et subdiaconi et episcopi et dicit quod actus diaconi est praedicare, sacerdotis praedicare et purgare, episcopi vero praedicare, purgare et illuminare. Et sic patet quod maior est actus episcopi, sed semper maior actus emanat a maiori potentia, ergo etc. Iuxta hoc consuevit quaeri secundo : Utrum sit tantum una potestas vel dignitas generalis una respectu totius Ecclesiae fidelium, utpote papalis et in quo consistit talis potestas. Et quia secundum veritatem quaestio secunda habet ortum et exitum a prima, quae — si bene * Ein Sachregister befindet sich S. 222. Petri Lombardi libri IV Sententiarum. Studio et cura PP. Collegii S. Bonaventurae. T. 2. Quaracchi 1916. Lib. IV d. 24 c. 14—16, S. 902 : De nominibus dignitatis et officiis. 2 C. 4, 415 a 16—22. 3 Vitalis de Furno: in IV lib. Sent. d. 24 p. 1. Cod. Vat. lat. 1095 fol. 31rb—32vb. 4 S. Dionysius Areopagita: De ecclesiastica hierarchia, c. 5 p. 1 § 6. In: PG 3, 505—508. 1
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inspiciatur — modicum differì ab ea, ideo simul ad utramque respondeo. Et ut melius appareant, et sanius intelligatur, quae sunt dicenda, praemitto primo in generali veritatem quaestionis, quam postea in speciali magis declarare intendo. E t dico quod potestas sacerdotalis realiter et absolute accepta est ultima et perfectissima, ita quod nulla alia ab ea diversa est maior ea. Sed quia nihil impedit quod una et eadem res vel potentia communicetur a diversis inaequaliter, ita quod nobiliori modo ab uno quam ab alio, ideo dico quod si quantum ad rem potestas sacerdotalis sit eadem in sacerdotibus, episcopis et summis pontificibus, differì tamen quantum ad modum habendi; nam digniori modo, ut patebit, habet eam papa quam episcopus et episcopus quam sacerdos simplex. Ad quorum omnium evidentiam clariorem sunt V per ordinem declaranda: Primum est quod potestas realiter loquendo, si ve realis gradus potestatis, non potest inveniri maior sacerdotali potestate. Secundum est quod est dare in Ecclesia, etsi non gradum saltem digniorem modum potestatis, quam sit modus sacerdotalis sicut est potestas episcopalis quae potest alium sacerdotem facere, quod non potest simplex capelanus. Ac per hoc patet quod talis potestas episcopalis non est pure sacerdotalis, sed aliquid dicit plus. Tertium est quod talis potestas sive modus potestatis fundatur in potestate sacerdotali, et ad ipsam ut ramus ad stipitem habet reduci, ac per hoc non addit novum realiter gradum potestatis seu ordinis. Quartum est quod in Ecclesia in talibus gradibus vel modis dignioribus potestatis sacerdotalis est dare unum gradum vel modum potestatis sacerdotalis dignissimum et summum, qui competit tantum uni, scilicet papae, qui est caput Ecclesiae. Quintum et ultimum est quod talis gradus potestatis vel modus potestatis papalis est in termino dignitatis et potestatis, ita quod sub Deo nequit maior excogitari vel inveniri et ad ipsum sicut ad ultimum terminum et mensuram hominis alius gradus potestatis habet reduci. E x quo sequitur, ut patebit, quod papa tam in spiritualibus quam in temporalibus plenum habet dominium et iurisdictionem plenissimam. — Quibus omnibus ostensis clara erit prima quaestio et secunda. I. articulus Circa primum proceditur in hunc modum : Ostenditur quod in genere potestatum spiritualium quae ordinantur ad corpus Christi mysticum potestas sacerdotalis sit dignissima et perfectissima, ad quam ut ad mensuram reducitur omnis alia, ac per hoc nulla alia erit maior ipsa. E t hoc est quod principaliter quaerit quaestio prima. E t primo probatur hoc ex comparatione spiritualis vitae ad temporalem seu corporalem. Nam videmus quod ex unione animae rationalis cum corpore
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résultat omnis potestas tarn intelligendi quam sentiendi in homine, quia constat, quod quanto vita spiritualis excedit corporalem, tanto perfectiori modo Christus est vita animae quam anima vita corporis. Ergo sicut spirituale esse excedit corporale ita spirituale posse excellit et praecedit corporale. Sed ita est quod potestas sacerdotales est quae unit Christum Ecclesiae ex qua résultat esse spirituale. Ergo potestas sacerdotalis excellit et praecedit omnem aliam potestatem tam corporalem quam spiritualem. Et si non fallor haec est demonstratio. Item ostenditur hoc ex proportione corporis mystici et organici teste Apostolo 5 ,sicut omnia membra corporis, cum sint diversa, non eundem actum habent, ita multi unum cor-pus sumus in Christo' etc. Sicut ergo se habet caput respectu corporis ita Christus respectu Ecclesiae; sed omnia membra corporis nullum habent actum vel potentiam, nisi prout sunt unita capiti. Ergo nec in Ecclesia erit aliqua potestas spiritualis nisi Christus qui est caput Ecclesiae uniatur membris ; sed sacerdotalis potestas unit Christum Ecclesiae ; ergo etc. Item finis imponit necessitatem his quae sunt ad finem. Sed omnis potestas spiritualis Ecclesiae ordinatur ad hunc finem, ut scilicet homo reducatur in Deum et uniatur sibi. Sed constat quod hunc finem nulla potestas a sacerdotali attingit immediate ; ergo etc. Item sicut se habet forum ad forum, ita potestas ad potestatem. Sed omne forum reducitur ad forum sacerdotalis potentiae, id est absolutionis sacramentalis, quod alio nomine vocatur forum poenitentiae seu conscientiae, ergo etc. Minor probatur ex condicionibus praedicti fori sacerdotalis quae nulli alio foro de mundo competunt ; ipsum namque est dignissimum, simplicissimum et verissimum. Quod sit dignissimum patet per effectum, nam in isto foro remittitur culpa, infunditur gratia, impetratur misericordia, temperatur iustitia. Quae numquam in foro alio poteris reperiri. Quod sit simplicissimum patet ex eo quod in omni alio foro de mundo ad minus sunt tres personae necessariae, scilicet iudex, accusans et accusatus, in isto autem tantum sunt duae scilicet iudex et accusatus, ipse enim et homo se accusat in isto foro et non alium. Quod autem sit verissimum patet, quia in omni alio foro de necessitate ex parte alterius sive unius potestatis est iustitia, ex parte accusantis ut plurimum fraudulentia, ex parte vero iudicis impotentia vel malitia, nam cum sit talis iudex homo et non Deus, potest falli ignorantia, decipi astutia, flecti amicitia et damnari propter muñera. Nihil autem horum est in foro sacerdotali, ergo etc.
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II. articulus Secundum quod scilicet in Ecclesia est dare modum potestatis vel potestatem maiorem et digniorem sacerdotali ostendo sic: Sapientior 6
Rom 12, 4.
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et magis sagax est in suis operibus gratia quam natura. Sed videmus quod natura videns quod individua inferiora sunt corruptibilia ad conservationem specierum dedit talibus individuis vim generativam, ut quod non poterai per se unum individuum facere, faciat in suo simili. Cum ergo sacerdotes sint corporales et mortales, oportet in Ecclesia esse potestatem faciendi sacerdotes, et talis non est praecise potestas sacerdotalis, quia tunc competerei cuilibet, quod tamen est falsum, ergo etc. Item sicut natura nihil facit frustra, ita non deficit in necessariis6, ergo multo magis gratia. Sed constat quod potestas faciendi sacerdotes est Ecclesiae summe necessaria, quia aliter non posset conservari potestas consecrandi corpus Christi sive conficiendi, ergo etc. Item nulla virtus vel potentia praecise et per se potest generare vel multiplicare se ipsam nec quamcumque aliam, nisi prout habet aspectum ad superiorem virtutem vel potentiam. Sed forte dices: immo, nam omne simile generai sibi simile7, ut homo hominem, et sic de aliis, immo res dicitur esse potissima in suo genere quando potest praecise sibi simile generare, quod est contra illud quod modo supponebatur. Respondeo, dicendum quod ratio prima est verissima sive propositio et instantia nulla, nam si fiat lux in hoc quod dico per se et praecise, patet quod nulla virtus vel potentia per se hoc modo multiplicat seipsam vel aliam, immo semper requirit aspectus et influxus virtutis naturalis et superioris, et propter hoc dicit Philosophus8 II Physicorum quod homo generat hominem et sol, unde homo non generat hominem praecise sed cum sole, et sic de aliis. Ergo nec potestas sacerdotalis potest seipsum generare praecise, sed oportet quod habeat aspectum ad potestatem seu modum potestatis superiorem et digniorem. E t quia non omnes sacerdotes hoc habent, sed soli episcopi, ideo non quilibet sacerdos potest sacerdotem facere, ergo etc. Item ab eodem principio habet res quaelibet actum primum et secundum qui respondet illi primo et e converso. Sed simplex sacerdos actum secundum qui est potestas absolvendi istum vel illum non habet a se ipso, immo ab episcopo qui taxat sibi populum super quem habet auctoritatem absolvendi illum vel istum, ergo nec a se ipso habere poterit actum primum inquantum talis, qui est conficere corpus Christi, sed ab episcopo, ergo etc. I I I . articulus Tertium, scilicet quod talis potestas fundatur in potestate sacerdotali et reducatur ad ipsam, nec addit super eam diversum potestatis 6 7 8
Cf. Aristoteles : De anima I I I c. 9, 432 b 21. Cf. Aristoteles : De arte rhetorica I c. 4, 1360 a 5. C. 2, 194 b 13.
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gradum sed tantum diversum modum habendi, probatur sic: Primo, sicut corpus organicum et naturale habent vitam a suo capite, ita corpus mysticum sive spirituale habet potestatem exercendi actus spirituales a suo capite, scilicet Christo; ergo omnis potestas spiritualis reducitur ad illam et fundatur in ilia quae immediate unit caput id est Christum Ecclesiae, et talis est sacerdotalis, ergo etc. Item, ut ostensum est supra, forum omne reducitur ad forum conscientiae sive sacerdotale, quod idem est, ergo potestas ad potestatem. Item, ut ostensum est supra, potestas excommunicandi, de qua minus videtur, fundatur in potestate sacerdotali pariter et reducitur, ergo etc. Item, ut communiter dicitur et bene, potestas sacerdotalis in quocumque sacerdote est sufficienter et complete, in episcopo autem est abundanter et excellenter. Et hoc patet, si attendatur quid est de esse cuiuslibet potentiae naturalis et quid de bene esse. Omnis enim potentia naturaliter tendit in suum obiectum linea recta, ut patet de potentia visiva et auditiva, quae dicuntur esse perfecte in suo genere eo ipso quod proprium obiectum attingunt directe absque aliqua recurvatione vel reflexione9. Et ideo potestas sacerdotalis quaelibet dicitur esse perfecta, quia secundum lineam rectam immediate attingit obiectum proprium, scilicet corpus Christi, potestas autem episcopalis eadem in substantia, differt tamen in modo. Quare sacerdotalis potestas prout est in episcopo non solum tendit in suum obiectum linea recta, quia potest corpus Christi conficere, immo etiam linea circulan et reflexa, quia potest aliis potestatem conficiendi corpus Christi tribuere. Et ideo sicut linea circularis et rotunda est perfectior et capador linea recta, ita potestas sacerdotalis prout est in episcopo est completior et maior, quia perfectior, quam prout est in simplici sacerdote utrobique tamen in suo genere est perfecta, quia ibi est ad modum lineae rectae, hic ad modum lineae reflexae, ergo etc.
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IV. articulus Quartum principale, scilicet quod est dare unum gradum vel modum potestatis summum, qui convenit tantum uni, scilicet summo pontifici, satis credo patere ex dictis. Nam hoc videmus in natura, quod omnes potestates seu virtutes naturales reducuntur ad unam primam quae est virtus solis. Sol enim omnibus generabilibus et corruptibilibus virtutem suam imprimit, ergo etc. Item hoc idem videmus in membris corporis quae virtutes et potentias suas trahunt a virtute capitis. o Cf. Aristoteles: De anima II c. 6, 418 a 7—16.
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Item hoc idem patet per exempla et aedificia artis, nam tantum una est idea forma exemplaris domus in mente domificatoris, ad quam omnes particulares et exteriores domus quas facit reducuntur. Item patet hoc in dispositione regnorum, civitatum et exercituum et eorum ordinatione at que omnium congregationum et religionum, quae omnes ordinantur ad unum summum et primum principium aut ducem sive praelatum aut qui generale et naturale super ipsos habet dominium, ergo etc. Sed forte obicies quod omnes istae rationes concludunt quod Ecclesia debet habere unum dominum summum et principalem ac per hoc est dare unam summam in Ecclesia potestatem. Sed propter hoc non habetur, quod talis princeps ut caput totius Ecclesiae debeat esse aliquis homo terrenus sicut tu ponis papam, immo potius videtur quod nullus, quia superius est ostensum quod Christus est Ecclesiae semper praesens et unitus 10 . Cum ergo ipse verum et principalissimum sit caput ex quo ipse est semper nobis unitus, numquam debet poni vel dici alius homo terrenus. A d hoc dicendum quod etsi praedicta instantia magnam habeat apparentiam, modicam tamen immo nullam habet existentiam. Cuius ratio est, quia et si spiritualiter loquendo Christus sit caput Ecclesiae, tamen quia summa unitas debet esse inter caput et membra, utpote non solum congruitatis, immo etiam communitatis, et talis unitas summam similitudinem supponit. Inter nos autem et Christum quamdiu sumus viatores non est neque esse potest similitudo perfecta, quia ille est spiritualis et in gloria, nos autem carnales et in miseria, ideo congruum fuit immo omnino necessarium, ut habeamus caput omnino conforme et simile membris Ecclesiae ; hoc autem est papa, ergo etc. Item caput membris omnibus influii sensum et motum, et hoc facit non quocumque modo sed secundum modum qui competit membris proprii corporis, sicut patet, quia aliter influit sensum et motum caput corporis humani suis membris quam caput asini membris suis, et sic de aliis. Cum igitur membra Ecclesiae militantis sint corrumptibilia et sensibilia, ergo et caput erit corrumptibile et sensibile; et hinc est quod ipse Christus antequam de hac vita corporali ad aliam transiret caput Ecclesiae beatum Petrum hominem utique mortalem in nobis consortem constituit, ergo etc. V. articulus
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Quintum et ultimum, scilicet quod tale caput videlicet papa habet summam potestatem tarn in temporalibus quam in spiritualibus est pie credendum et sane intelligendum. E t ideo hic ne hoc aliter quam intendamus ab auditoribus capiatur in generali praemitto quod postea 10
Vitalis de Fumo: in IV lib. Sent. d. 24 p. 1. Cod. Vat. lat. 1095 fol. 31 vb.
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declarare intendo, scilicet quod papa in spiritualibus habet dominium sive iurisdictionem et iurisdictionis executionem [usum], in temporalibus autem, etsi habeat dominium plenum et iurisdictionem, non tarnen habet usum iurisdictionis respectu totius congregationis nisi in certis casibus inferius adnotandis. Et ut ad probandum praedicta procedamus a notioribus nobis ad minus nota, id est a temporalibus ad spiritualia sunt hie per ordinem tria videnda : Primum est quod solus rex sive imperator dicitur habere plenum dominium et iurisdictionis usum super totum suum regnum, ita quod potest et debet pro conservatione regni dare et privare quemlibet omnibus bonis suis. Secundum est quod quamvis rex habeat et sub se instituât plures balivos et senescalos vel principes particulares, non propter hoc diminuitur de eius plenitudine potestatis immo potius ad hoc crescit et augetur. Tertium est quod eodem et multo nobiliori modo se habet papa in toto regno Ecclesiae quam quicumque alius rex vel imperator in proprio suo regno.
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1. capitulum Circa primum est notandum quod sicut vult Aristoteles in Politicis11 quadruplex est prineipatus, scilicet oeconomicus, despoticus, politicus et regalis sive imperialis, quia tunc non facit differentiam inter regem et imperatorem. Oeconomicus est de regimine propriae domus vel familiae. Et quia numquam aliquis bene regit propriam domum, nisi primo bene regat se ipsum, hinc est quod sub ipso comprehenditur prineipatus monasticus, qui est de regimine sui ipsius. Despoticus est, quando aliquis regit aliquam congregationem vel gentem non secundum propriam voluntatem sed secundum leges quas dant sibi praedicti qui ipsum super se eligunt dominari, sicut hodie accidit communiter in omnibus civitatibus Italiae quae eligunt sibi dominos et potestates quos volunt. Et in principio facit ipsos iurare quod observabunt leges et statuta terrae. Civilis prineipatus est qui exercet negotia vel balivus qui est positus a rege super aliquam communitatem vel civilitatem. Talis enim regit subditas sibi gentes sicut sibi iniungitur, nihilominus tarnen potest a rege deponi et aretari et ideo multum adhuc habet imperfectionis. Regalis autem prineipatus, ut ipse Aristoteles dicit, est ultimus et perfectus quia legitimus et verus, quare totum regnum regit sicut sibi placet, ita quod nullius alterius legibus et mandatis subiacet, nisi papae in certis casibus, ut patebit, sicut patet de regno Franciae, in quo iura civilia sive leges imperiales etiam non admittuntur nec servantur inquantum imperiales, sed solum 11
Lib. I c. 1, 1252 a 7 f.
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pro quanto sunt fundatae in ratione naturali vel praecepto regali. Unde si quae leges non placent, nullum ibi vigorem habent. Item patet quod solus regalis principatus est perfectus et summus ex eo quod ille dicitur ultimus et perfectus dominus a cuius sententia nullus potest appellare, quia supra ipsum nullus superior dominus; sed talis est rex respectu subditorum sibi, ergo etc. Item rex est caput regni et subditi sunt sicut alia membra corporis. Sed ego video quod propter conservationem capitis quodlibet membrum morti se exponit, unde quis vellet laedere caput tuum statim manu et brachio cooperires illud, ergo etc. Item natura semper est sollicita servare quod melius est 12 . Sed melius est bonum commune quam proprium, quia ilio perempto perimitur et illud et non e converso. Ergo rex propter conservationem regni tenetur et debet ac potest exspoliare subditos omnibus bonis. Si tamen sit necesse et quilibet subditus debet et personam et pecuniam pro defensione regni et boni communis exponere et expendere, et si non faciet in tali casu, supponit quod tale periculum non immineat regno propter malitiam et fatuitatem regis peccaret mortaliter. E t pari ratione rex peccaret mortaliter si absque communi utilitate et cogente necessitate a subdito praeter consuetos redditus aliquid extorquereret, tunc enim de domino efficeretur tyrannus, qui nec commune nec proprium inquirit bonum sed lucrum. 2. capitulum
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Secundum non puto indigere magna probatione, eo enim quod inferiores senescali et principes totam potestatem immediate habent a rege simul et auctoritatem, ita quod rex potest eis traditam potestatem aufferre, minuere et suspendere ac augere sicut ei placet, manifestum est quod ex hoc principalis potestas regis non minuitur, sed potius declaratur. Item rex operatur per inferiores et subditos sibi principes sicut per instrumenta, sed constat quod instrumentum non diminuit sed ostendit potestatem principalis agentis. Item patet in virtutibus naturalibus, non enim diminuitur virtus solis quamvis communicetur omnibus inferioribus aliis. Item hoc patet in artificialibus et scientialibus ; quidquid enim habet discipulus inquantum hoc habet a magistro suo et tamen virtus magistri in nullo est debilitata vel diminuta, immo est potius augmentata et declarata in suo discípulo, ergo etc. 12
Cf. Aristoteles : De cáelo et mundo I I c. 5, 288 a 2.
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3. capitulum Tertium scilicet quod eodem modo et multo perfectius quam rex in toto regno papa habet potestatem et iurisdictionem in toto regno Ecclesiae tam in spiritualibus quam in temporalibus, probatur primo ex ordine. E t probatur sic : Sicut se habet lex ad legem, ita lator unius legis ad latorem alterius legis. Sed lex Christi et gratiae immediate est supra legem naturae, ergo et papa qui tenet locum Christi super imperatorem. Unde non est dubium quod sicut lex Christi est supra legem naturae, ita papa deberet esse, et de ratione est, quamvis de facto non supra totum mundum, ita quod omnis homo de mundo tenetur oboedire et subesse papae et propterea multae nationes et sectae, immo omnes aliae praeter sectam Christianorum damnantur, quia sibi et legi Christi subesse nolunt. Multo enim fortius tenentur omnes subesse legi gratiae quam legi naturae, ergo etc. Item ut colligitur ex quadam consideratione I I I libro Topicorum13 sicut finis superai finem, ita effectivum sive id quod est ad finem unius superat effectivum sive id quod est ad finem alterius. Sed finis immediatius istius legis scilicet gratiae est summum bonum scilicet gloriae quod superat omne bonum temporale quod est finis immediatus naturae. Ergo lex ista superat illam et per consequens princeps istius qui est papa principem illius qui est imperator, ergo etc. Item magis bonum est magis eligendum minori bono. Sed ut visum est, rex sive imperator propter conservationem boni communis et temporalis potest sibi subditum quemlibet bonis omnibus exspoliare et alteri, sicut viderit expedire, tribuere, ergo multo magis papa in quibusdam casibus propter bonum fidei quod excellit et superat omnia bona temporalia vel naturalia, ergo etc. Item quia figura circularis est completissima ac per hoc completionem significat vel perfectionem. Ad significandum quod lex ista est complementum et perfectio totius mundi decursus, ideo in ipsa completus est circulus, nam totus mundus currit per triplicem statum, scilicet naturae, scripturae et gratiae. Iste status gratiae durabit usque ad mundi finem vel quando scilicet ibimus ad statum gloriae qui est ultimus terminus mortalis. Videmus autem, ut colligitur ex textu bibliae, quod in primo statu scilicet legis naturae simul currebant regnum et sacerdotium, unde idem erat rex et sacerdos sicut patet de Melchisedech14. In secundo autem statu scilicet legis scripturae diviC. 1, 116 b 22 f. Gen 14, 18. Vgl. Petrus Comestor: Historia Scholastica. — Lib. Genesis c. 46. In: P L 198, 1094—1095. Über das Verhältnis von regnum und sacerdotium handeln: Aegidius Romanus: De ecclesiastica potestate. Ed. R. Scholz. Weimar 1929. Unver. Neudr. Aalen 1961. Lib. I c. 5, S. 13—17 ; c. 6, S. 18—22. Johannes Quidort von Paris : Tractatus de potestate regia et papali. Ed. J . Leclercq: Jean de Paris et l'Ecclesiologie du X I I I e siècle. Paris 1942. C. 4, S. 182—189. 13
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sum est regnum a sacerdotio, et hoc non fuit f a c t u m in legis ipsius principio sed quasi in medio quod non vacat a mysterio, scilicet tempore Samuelis, quando populus petiit sibi dari regem, et t u n c divisum fuit regnum a sacerdotio et fuit factus primus rex, scilicet Saul et post ipsum David secundus et ulterius tertius Salomon et sic deinceps. I n tertio a u t e m statu, scilicet gratiae iterum r e s t i t u t u m fuit regnum sacerdotio et simul u n i t a et sic h a b e m u s completum circulum. E t hoc spiritualiter est completum et f a c t u m in Christo qui fuit rex regum sanctus sanctorum scilicet sacerdos et pontifex summus. E t hoc dico secundum ordinem et figuram q u a m pertulit Melchisedech, sicut David t e s t a t u r in Psalmo [109, 4], Item fuit hoc impletum et f a c t u m temporaliter et corporaliter sive a d litteram tempore Constantini imperatoris et beati Silvestri t u n c summi pontificis 1 5 . T u n c enim r e s t i t u t u m est esse Ecclesiae regnum et dominium totius etiam temporale, quando praedictus imperator dominium a b Ecclesia recognovit et Collum superbiae quod primo tenebat contra Ecclesiam erectum pedibus Ecclesiae et summi pontificis humiliter subdidit. I n cuius signum et memoriam ex t u n c summus pontifex et adhuc cum pedibus torcat imperatorem. Quia vero non decet hominem militantem Deo implicare se negotiis saecularibus huius m u n d i secundum Apostolum16 nec decet m a n u s Deo consecratas pollui sanguinis effusione, ideo s u m m u s pontifex, etsi iurisdictionem plenariam h a b e a t ita bene in temporalibus sicut in spiritualibus, t a m e n usum talis iurisdictionis et executionem quo a d temporalia piene et libere imperatori concessit, praeter in tribus casibus, in quibus etiam iurisdictionis u s u m sibi retinuit in temporalibus ipsis. Primus ratione exorti dubii inter omnino aequales immediate sub ipso positos u t p o t e si duo reges non concordarent ad invicem vel si duo filii alicuius regis post m o r t e m patris de regimine regni ad invicem dimicarent et sic de similibus. Secundus casus est ratione delieti u t p o t e si inveniret aliquem imperatorem vel regem haereticum esse vel Ecclesiam impugnare, sicut p a t e t de ilio p a p a Zacharia qui deposuit regem Franciae non t a m ratione delicti q u a m ratione insufficientiae, quia sibi insufficiens ad t a n t u m regnum videbatur sicut ipse in quod a m decreto testatur 1 7 . Tertius casus est ratione carentiae dominii u t quando vacaret imperium vel aliquod regnum. I n omnibus istis tribus 15 Cf. Magister Gratianus: Decreta. D. XCVI c. 14. In: Corpus iuris canonici. Ed. A. Friedberg. Bd. 1. Leipzig 1879. S. 342—345. 16 2 Tim 2, 4. 17 Cf. Magister Gratianus : Decreta. C. X V q . 6 c. 3. Ed. A. Friedberg. A. a. 0., S. 756. Über solche Fälle handeln: Aegidius Romanus: De ecclesiastica potestate. Ed. R. Scholz. A. a. O., Lib. III c. 8. S. 185—190. Johannes Quidort von Paris: Tractatus de potestate regia et papali. C. 11. Ed. J. Leclercq. A. a. O., S. 201—207.
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casibus et similibus ad istos reducibilibus summus pontifex usum iurisdictionis sibi reservavit etiam in temporalibus, alias autem, quamvis iurisdictionem dicatur habere in temporalibus ipsis, numquam ipsam licite uti potest nec per consequens subditi sibi oboedire tenentur. De spiritualibus autem nullum est dubium quin iurisdictionem et dominium habeat et plenum iurisdictionis usum, ita quod quotienscumque sibi videtur expedire Ecclesiae fidei et statui fidelium potest commutare, absolvere, ligare et totaliter dare, deponere, suspendere et qualitercumque sibi expediens videbitur transmutare tam praelatos Ecclesiae quam etiam eclesiásticas dignitates.
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4. capitulum Ex quo patet quod fatui sunt illi et fere haeretici qui dicunt quod privilegiati super confessionibus audiendis non possunt absque auctoritate diocesani episcopi vel proprii sacerdotis confessiones audire. Et dato quod aliqui confiteantur eis, nihilominus semel in anno tenentur confiteri proprio sacerdoti. Ad quod ipsi adducunt talem decretalem quae sic incipit Omnis utriusque sexus18 etc., in qua expresse praecipitur omnibus semel in anno propriis sacerdotibus confiteri. Ad quod videtur facere illud quod dicit papa Martinus19 in privilegio post concessam auctoritatem, quod nihilominus teneantur confiteri propriis sacerdotibus. Ad quod nos dicimus sicut periti legis et docti exponunt quod illud nihilominus non refertur ad eos qui talibus privilegiatis confitentur, quia absque dubio illi amplius sacerdoti proprio non tenentur confiteri, quia ex auctoritate papae privilegiatus tenet vicem et locum proprii sacerdotis. Sed vult dicere quod quamvis ipse concédât talibus privilegiatis quod possint confessiones ad se venientium audire et per consequens illos quos audiunt absolvere nihilominus alii qui ad privilegiatos non veniunt nec eis confessi fuerint volo quod teneantur et obligentur confiteri ad minus semel in anno proprio sacerdoti, sicut continetur in praeallegata decretali, scilicet Omnis utriusque sexus etc. Ridiculum enim esset dicere, quod non sit papa tantae auctoritatis respectu omnium fidelium sicut episcopus respectu subditorum sibi. Sed nos videmus et omnes de plano confitentur quod quando aliquis absolvitur a casibus episcopi ab ilio cui concessit episcopus nec sibi nec alteri tenetur amplius confiteri. Ergo multo magis illi qui immediate habent 18
Lateranense IV (1215) c. 21. Ed. A. Friedberg, a. a. O., Bd. 2. Leipzig 1881. Lib. V tit. 38 c. 12, S. 887; Denz. 812. 19 Martin IV. Ad fructus uberes (13. Dez. 1281) : Annales Minorum. Bd. V. Ed. L. Wadding. Lugduni 1625—1648. Bd. 5. S. 538; Chartularium Univ. Paris. Vol. I. n. 508 p. 592 f.
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a papa, si absolvant aliquem a casibus super quibus a papa eis auctoritas est concessa ex privilegio numquam tenebitur amplius nec episcopo nec aliis sacerdotibus sive propriis sive aliis amplius confiteri. Verum propter pacem clericorum tales sunt admonendi ut confiteantur aliquando proprio sacerdoti, et hoc dico de congruo nullo tamen modo est necessarium, dummodo tamen quolibet anno confitea[n]tur talibus privilegiatis. Alii vero qui non confitentur eis tenentur nihilominus ad minus confiteri semel in anno propriis sacerdotibus.
LEX UND SACRAMENTUM BEI JOACHIM VON FIORE V o n H E R B E R T GRUNDMANN
Vor vier Jahrzehnten konnte ich in der Einleitung zu meiner Dissertation über Joachim von Fiore 1 noch schreiben, es gebe „nicht ein einziges selbständiges Buch und nur wenige Aufsätze, die sich mit Joachim und seiner Gedankenwelt um ihrer selbst willen beschäftigen", nicht nur beiläufig in größerem Zusammenhang. Jetzt könnte man fast schon von einer Überfülle an Joachim-Literatur sprechen, und unablässig erscheinen neue Beiträge dazu in aller Welt. Eine eigene Bibliografia Gioachimita von P. Francesco Russo M. S. C. füllte bereits 1954 zweihundert Seiten2. Fünf Jahre später veröffentlichte derselbe Verfasser nach zahlreichen Aufsätzen noch ein eigenes Buch über Gioacchino da Fiore e le fondazioni Florensi in Calabria (Neapel 1959), ein anderes im folgenden Jahr Antonio Crocco unter dem überschwenglichen Titel: Gioacchino da Fiore, la più singolare ed affascinante figura del medioevo cristiano (Neapel 1960) — doch wohl allzu superlativisch auch für den, der selbst von dieser Gestalt und ihren Gedanken fasziniert ist. Faszinierend eindrucksvoll nicht nur für Fachleute ist insbesondere das ungewöhnliche Figurenbuch Joachims, sein Liber figurarum, den Monsignore Leone Tondelli in der Bibliothek des von ihm geleiteten Priesterseminars in Reggio Emilia fand und 1940 in einer prachtvollen Faksimile-Ausgabe mit umfangreichem Kommentarband veröffentlichte 3 , überzeugt (wahrscheinlich mit Recht), daß schon Dante dieselbe Handschrift sah und sich von ihren Bildern zu manchen Visionen seiner Divina Comedia inspirieren ließ. Da sich eine zweite, noch etwas ältere und vollständigere Handschrift bald darauf im Oxforder Corpus-Christi-College fand, ist von Tondellis 1 H. Grundmann: Studien über Joachim von Floris. Leipzig, Berlin 1927. In: Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters und der Renaissance 32. Hrsg. W. Goetz. Neudruck mit Vorwort und Berichtigung der Namensform zu Joachim von Fiore, auch anderer Fehler, sonst unverändert : Stuttgart (und Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt) 1966. 4 F. Russo: Bibliografia gioachimita. Firenze 1954. In: Biblioteca di bibliografia italiana 28; dazu Β. Hirsch-Reich: Eine Bibliographie über Joachim von Fiore und dessen Nachwirkung. Berichtigung und Ergänzung. In: Recherches de théologie ancienne et médiévale 24 (1957) 27—44 (weiterhin = RTAM) ; auch Marianus ab Alatlis OFMCap. In: Collectanea Franciscana 25 (1955) 426—428. 8 L. Tondelli: Il Libro delle Figure dell'abate Gioacchino da Fiore. 2 Bde. Torino 1940. 2. erweiterte Aufl. Torino 1953. Der Tafelband II hrsg. von L. Tondelli, M. Reeves, Β. Hirsch-Reich.
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Herbert Grundmann
kostbarer Faksimile-Ausgabe schon 1953, in seinem Todesjahr, eine zweite Auflage erschienen, verbessert von Marjorie Reeves und Beatrice M. Hirsch-Reich (die 1963 auf der 13. Kölner Mediaevisten-Tagung über „Joachim von Fiore und das Judentum" sprach 4 , am 17. Januar 1967 mit 78 Jahren in Oxford starb). An der schwierigen Interpretation des merkwürdigen Figuren-Buches haben die beiden Oxforder Joachim-Forscherinnen unermüdlich weitergearbeitet 5 und noch ein gemeinsames Buch darüber vorbereitet. Auch andere Schriften Joachims und Zeugnisse über ihn sind erst in den letzten Jahrzehnten bekannt geworden, nachdem sein letztes, unvollendet gebliebenes Werk über die vier Evangelien schon 1930 von Ernesto Buonaiuti ediert worden war, wenig später ebenso die frühere Schrift über die Glaubens-Artikel und nach dem Plan Buonaiutis (j 1946) die Schrift Adversus lúdeos 1957 von Arsenio Frugoni 6 . Dann tauchte eine alte Vita Joachims auf, von einem ihm nahestehenden Zeitgenossen verfaßt, wie auch die Erinnerungen des Zisterziensers Lucas, der Erzbischof von Cosenza wurde, und andere biographische Zeugnisse7, auch eine Schrift über Sankt Benedikts Leben und Regel in heils- und ordensgeschichtlicher Deutung, die Joachim noch als Zisterzienser-Abt von Corace 1186/87 begann, nie vollendete 8 ; das Fragment ist nicht leicht zu verstehen, aber bei näherem Zusehen besonders aufschlußreich für Joachims geistig-monastischen Werdegang, ähnlich auch eine 4 B. Hirsch-Reich: Joachim von Fiore und das Judentum. In: Miscellanea Mediaevalia 4: Judentum im Mittelalter. Hrsg. P. Wilpert. Berlin 1966. S. 228—263. 5 M. E. Reeves: The Liber Figurarum of Joachim of Fiore. In: Mediaeval and Renaissance Studies 2 (1950) 57—81; dieselbe mit Β. M. Hirsch-Reich: The Figurae of Joachim of Fiore, Genuine and spurious collections. In : Mediaeval and Renaissance Studies 3 (1954) 170—199; dieselben: The Seven Seals in the Writings of Joachim of Fiore. In: RTAM 21 (1954) 211—247; B. Hirsch-Reich: Das Figurenbuch Joachims von Fiore. In: RTAM 21 (1954) 144—147; dieselbe: Die Quelle der Trinitätskreise von Joachim von Fiore und Dante. In: Sophia 22 (Padua 1954) 170—178. 6 Gioacchino da Fiore: Tractatus super qnatuor Evangelia. Ed.E.Buonaiuti. Roma 1930. In : Fonti per la Storia d'Italia 67 (weiterhin : Fonti). De Articulis Fidei. Ed. E. Buonaiuti. Roma 1936. In: Fonti 78. Adversus lúdeos. Ed. A. Frugoni. Roma 1957. In: Fonti 95; dazu B. Hirsch-Reich: Ein bisher unedierter Traktat Joachims von Fiore zur Bekehrung der Juden. In: RTAM 27 (1960) 141—148. 7 Cipriano Baraut OSB: Las antiguas biografías de Joaquín de Fiore y sus fuentes. In: Analecta sacra Tarraconensia 26 (1953). (Barcelona 1955.) S. 195—232. Verbesserter und kommentierter Text der Vita bei H. Grundmann: Zur Biographie Joachims von Fiore und Rainers von Ponza. In : Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 16 (1960) 437—546 (weiterhin = DA), wo auch die Erinnerungen des Erzbischofs Lucas von Cosenza an Joachim und das von Dom Jean Leclercq gefundene Fragment einer gegen Joachim polemisierenden Predigt des Zisterzienser-Abtes Gaufrid von Auxerre gedruckt und erläutert sind. 8 C. Baraut: Un tratado inédito de Joaquín de Fiore ,De vita sancti Benedicti et de Officio divino secundum eius doctrinam'. In : Analecta sacra Tarraconensia 24 (1951). (Barcelona 1953.) S. 33—122.
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auf seine Zeit bezogene Deutung einer Jeremias-Vision (Jer 24)9. Neuerdings ist sogar ein Fragment des bisher immer vergeblich gesuchten Trinitäts-Traktats Joachims entdeckt worden, der dreizehn Jahre nach seinem Tod auf dem IV. Lateran-Konzil 1215 als häretisch verurteilt wurde, weil er darin seinerseits (wohl fast fünfzig Jahre früher) die Trinitäts-Lehre des Pariser Magisters Petrus Lombardus als Häresie angefochten hatte. Ein paar Blätter mitten aus diesem seit 1215 verpönten und verschollenen Traktat fand Anneliese Maier in einer Handschrift, die im 14. Jahrhundert der päpstlichen Bibliothek in Avignon gehört hatte 1 0 ; der schwierige, aus dem Zusammenhang gerissene Text bedarf noch eingehender Untersuchung, ehe er publiziert werden kann. Noch immer steht ja auch eine kritische Ausgabe der Hauptwerke Joachims aus, der Concordia novi ac veteris testamenti, des Psalterium decern chordarum und der umfangreichen, in mehreren Fassungen überliefertenExpositio in Apocalypsim. Diese Editionen hatte ich mir schon vor vierzig Jahren vorgenommen und angekündigt, aber immer wieder wurden die Vorbereitungen dazu durch andere Verpflichtungen unterbrochen und verzögert. Leider scheint auch eine von Antonio Crocco geplante Ausgabe des Psalterium nicht ans Ziel zu kommen. Nur die alten Venezianer Drucke aus dem frühen 16. Jahrhundert sind photomechanisch nachgedruckt worden11. Wenigstens die Concordia-Ausgabe hoffe ich aber doch noch zum Abschluß bringen zu können. Die Joachim-Forschung, über deren Stand ich 1950 eine Art Zwischenbilanz gab12, ist also noch oder wieder stark im Fluß, noch nicht spruchreif für eine abschließende, zusammenfassende Beurteilung. Gerade das hat mich trotz mancher Bedenken dazu bewogen, einem unveränderten Neudruck meiner Dissertation von 1927 durch die Wissenschaftliche Buchgesellschaft (Darmstadt) zuzustimmen: in vielen Punkten durch neuere, auch eigene Forschungen überholt und veraltet, ist mein früher Versuch doch noch nicht durch eine neue Gesamtdarstellung Joachims, seiner Gedanken und Wirkungen, er9 H. Grundmann: Kirchenfreiheit und Kaisermacht um 1190 in der Sicht Joachims von Fiore. I n : DA 19 (1963) 353—396. 1 0 Anneliese Maier: Zu einigen Handschriften der Biblioteca Alessandrina in Rom und ihrer Geschichte. I n : Rivista di Storia della Chiesa in Italia 18 (1964) 1—12, bes. S. 6 ff. I m Einvernehmen mit Frau Prof. A. Maier werde ich das Fragment (voraussichtlich in den Sitzungsberichten der Bayer. Akad. d. Wissenschaften) veröffentlichen und erläutern. 1 1 Divini vatis abbatis Joachim liber concordie novi ac veteris Testamenti.Venedig 1519. Neudruck Frankfurt a. M. 1964. Expositio magni prophetae abbatis Joachim in Apocalypsim, . . . eiusdem Psalterium decern chordarum. Venedig 1527. Neudruck Frankfurt a. M. 1964/65. 1 2 H. Grundmann: Neue Forschungen über Joachim von Fiore. Marburg 1950. I n : Münstersche Forschungen 1.
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setzt oder jetzt schon ersetzbar, kann aber vielleicht noch immer dazu anspornen und manche Anregungen geben. Dieser Stand der Dinge ist nun auch zu bedenken, wenn man über Einzelfragen, wie hier über die Bedeutung von lex und sacramentum bei und für Joachim sprechen soll: Abschließendes, Endgültiges wird sich darüber noch nicht sagen lassen; doch scheint mir gerade in Joachims Denken dieses Gesamtthema der 15. Kölner Mediaevistentagung so wichtig und problematisch, daß man ihn dabei nicht aussparen, nicht übergehen darf. Was er darüber dachte und schrieb, ist vielleicht sogar nicht nur für Historiker beachtenswert, sondern auch noch immer für Theologen relevant, zu Widerspruch oder Zustimmung herausfordernd — wie schon vor 700 Jahren an der damals noch jungen Pariser Universität. Nicht am heftigsten, aber wohl am klarsten und entschiedensten hat damals Thomas von Aquino den Grundgedanken Joachims auch über „lex" und „sacramentum" widersprochen. Es liegt nahe und empfiehlt sich, von seinen Einwänden dagegen auszugehen, um Joachims Gedanken an diesem Widerspruch und Gegensatz zu verdeutlichen. Das wird überdies dadurch erleichtert, daß Ernst Benz schon 1934 eine Untersuchung über diesen Gegensatz veröffentlicht hat unter dem Titel: Thomas von A quin und Joachim de Fiore. Die katholische Antwort auf die spiritualistische Kirchen- und Geschichtsanschauung1*, eine der Vorstudien zu seinem Buch: Ecclesia spiritualis. Kirchenidee und Geschichtstheologie der franziskanischen Reformation (Stuttgart 1934, Neudruck 1964). Benz hat da ausführlich dargelegt — worauf Martin Grabmann schon 1911 in seiner Geschichte der scholastischen Methode kurz hingewiesen hatte 1 4 —, daß Thomas in drei Quaestionen seiner Summa theologiae (Prima secundae q. 106—108) sich unverkennbar deutlich und bewußt gegen Joachim wendet, ohne ihn hier wie sonst manchmal zu nennen. Er fragt da nach dem Verhältnis der „lex evangelica, quae dicitur lex nova," zur „vetus lex" des Alten Testamentes, zum mosaischen Gesetz. Er fragt, ob beide gleicherweise als „lex scripta" zu gelten haben, wörtlich und buchstäblich zu befolgen sind (wie das mosaische Gesetz noch immer von den Juden befolgt wird) oder etwa geistig, „spiritualiter" zu verstehen, wie das Alte Testament von den Christen. Er fragt weiter vor allem nach der Geltungsdauer des „neuen Gesetzes", der „lex evangelica": ist etwa auch sie zeitlich begrenzt wie die Geltung der 13 E. Benz: Joachim-Studien III: Thomas von Aquin und Joachim de Fiore. In: Zeitschrift für Kirchengeschichte 53 (1934) 52—116. Vgl. jetzt Max Seckler: Das Heil in der Geschichte. Geschichtstheologisches Denken bei Thomas von Aquin. München 1964, bes. S. 189 ff. : Thomas von Aquin und Joachim von Fiore. 14 M. Grabmann: Die Geschichte der scholastischen Methode. Bd. 2. Freiburg 1911. Neudruck Darmstadt 1956 u. 1961. S. 278. Siehe auch meine Studien über Joachim von Fiore (Anm. 1) S. 124f.
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„ ve tus lex" ¿ e s Alten Testamentes? Ist sie gleicherweise irgendwann abzulösen, zu überholen und (in Hegels Doppelsinn dieses Wortes) „aufzuheben" durch eine nicht-mehr-buchstäbliche Geltung, durch ein „geistiges Verständnis" („intelligentia spiritualis") nun auch der „lex nova" des Neuen Testamentes? Thomas erörtert im Pro und Contra alle biblischen Argumente, Paulus- und Johannes-Worte vor allem, die in jenem Sinn verstanden werden könnten und tatsächlich von Joachim und seiner Gefolgschaft im Franziskaner-Orden, von sogenannten Joachiten und Spiritualen, so verwendet worden sind, als sei n a c h der Zeit, in der die „nova lex" des Evangeliums Christi gilt, noch eine dritte Zeit des Heiligen Geistes zu erwarten (oder gar mit Joachim oder mit Franziskus schon angebrochen), in der die neutestamentliche „lex nova" ebenso überholt, abgelöst, „aufgehoben" wird wie von dieser einst die alttestamentliche „lex vetus", etwa gar ersetzt durch ein anderes, ein „ewiges Evangelium", wie radikale Franziskaner-Spiritualen meinten. Das Ergebnis dieser eingehenden Erörterung ist für Thomas, daß die „lex nova sit duratura usque ad finem mundi";.denn kein „status vitae praesentis" könne vollkommener und dem Endziel näher sein als der „status novae legis", der seinerseits allerdings vollkommener ist als der „status veteris legis". Es ist „vanitas" — Thomas sagt hier nicht: „haeresis", sondern „vanitas" ist es, ein anderes „tempus Spiritus Sancti" zu erwarten n a c h der Zeit des „neuen Gesetzes", die bis zum Weltende dauert. Dann erst, nach der Wiederkunft Christi zum Jüngsten Gericht, erfüllt sich alles das, was von Joachim und den Joachiten auf eine noch irdische Zukunftszeit des Hl. Geistes bezogen wurde, wie die Paulus-Worte: „Wenn aber kommen wird das Vollkommene, wird das Stückwerk aufhören" („evacuabitur quod ex parte est"); „. . . wir sehen jetzt ,per speculum in aenigmate', dann aber ,facie ad faciem'; es ist nur bemerkenswert, daß Thomas in diesem Zusammenhang n i c h t zitiert, was bei Paulus im 1. Korinther-Brief 13, 11 zwischen diesen beiden Worten steht : „Da ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, ,sapiebam ut parvulus, cogitabam ut parvulus' ; als ich zum Mann wurde, .quando factus sum vir, evacuavi quae erant parvuli"'. Eben dieses Erwachsen-Werden vom Kind zum Mann erwartete Joachim nicht erst am Weltende, sondern bald in irdischer Zukunft, und die Joachiten glaubten es zu erleben ; es wird sich gleich zeigen, welche Bedeutung deshalb das „evacuare quae erant parvuli", das „evacuare quod ex parte est" für sie gewann. Ebenso beachtenswert ist es, daß Thomas die Verheißung Jesu im Johannes-Evangelium 16, 13: nach ihm werde der Parakletos kommen, der Geist der Wahrheit, der Heilige Geist (Jo 14, 26) „und wird euch alle Wahrheit lehren", hier immer ohne den Schluß dieses Verses zitiert: „et quae ventura sunt, annuntiabit vobis". Joachim erwartete, daß sich diese Zukunfts-Verheißung in 3*
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den „viri spirituales" der kommenden Geist-Zeit bald erfüllen werde, und die franziskanischen Spiritualen hielten sich dafür; Thomas dagegen (wie schon Augustinus) sieht auch dies schon in den Aposteln zu Pfingsten erfüllt: vollkommener als sie könne keine künftige Zeit vor dem Weltende die Gnade des Hl. Geistes haben ; sie läßt zwar das Verhalten der Menschen zur „lex nova" verschieden sein, ändert aber niemals diese „lex nova" selbst oder überholt sie gar. Darauf kommt für Thomas alles an: Das Alte Testament und sein Gesetz ist erfüllt und im Doppelsinn „aufgehoben" in und durch Christus, dessen „nova lex" bis zu seiner Wiederkunft am Ende der Zeiten unabänderlich gilt; dann erst wird kommen das Vollkommene und aufhören „quod ex parte est", nicht vorher in einer neuen Zeit des Hl. Geistes nach der Zeit des Sohnes, der die Zeit Gottvaters voranging. Der bewußte, entschiedene Widerspruch gegen Joachims Grundgedanken ist dabei unverkennbar deutlich. Das ist aber damals nicht nur ein theoretisches Theologen-Problem, sondern eine unmittelbar akute, aktuelle Frage für alle. Denn eben in der Pariser Lehrzeit des Aquinaten hatte dort 1254 der italienische Franziskaner Gherardo di Borgo San Donnino die drei bereits genannten Hauptwerke Joachims mit einer Einführung dazu als Evangelium aeternum der demnächst anbrechenden Geist-Zeit neu publiziert und damit den schärfsten Protest Pariser Theologie-Professoren herausgefordert ; sie sahen darin ein Vorzeichen des Antichrist und diffamierten zugleich die neuen Bettelorden insgesamt als dessen Vorboten, als teilten sie alle diese Irrlehre und wollten sie nun auch in Paris an der Universität verbreiten. Nicht alle, aber viele Franziskaner waren in der Tat davon überzeugt und begeistert, sogar ihr Generalminister Johann von Parma, der deshalb zurücktreten mußte. Denn es kam darüber 1255/56 zu einem Prozeß an der päpstlichen Kurie in Anagni 15 , bei dem zwar nicht Joachim selbst und seine Schriften als häretisch verurteilt wurden, wohl aber deren Interpretation durch jenen Gherardo di Borgo San Donnino mit seiner Einführung in das Ewige Evangelium, andrerseits auch die heftigste Gegenschrift des Pariser Magisters Wilhelm von Saint Amour, der alle Bettelmönche als Antichrist-Diener bezichtigt hatte. Rechtgläubige Franziskaner wie Bonaventura, der damals Ordensgeneral wurde, und Dominikaner wie Albertus Magnus und Thomas von Aquino mußten also in dieser langen, scharfen Auseinandersetzung nach zwei Seiten kämpfen, gegen die Joachiten und 15
Grundlegend H. Denifle OP. : Das Evangelium aeternum und die Commission zu Anagni. In: Archiv für Litteratur- und Kirchengeschichte des Mittelalters 1 (1885) 49—142 mit dem ausführlichen Kommissions-Protokoll; dazu Guido Bondatti OFM.: Gioachinismo e Francescanesimo nel Dugento. Assisi 1924. S. 95—102; Salvatore Sibilla: Alessandro IV (1254—1261). Anagni, A cura della Cassa rurale ed artigiana di Anagni. Rom 1961. S. 201 ff.
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gegen deren schroffste Widersacher. Wenn Joachim selbst auch damals von einer postumen Verurteilung als Ketzer verschont blieb (die 1215 ausdrücklich nur seinen Trinitäts-Traktat betroffen hatte), so glaubte Thomas die von den Joachiten gefährlich aktualisierte Drei-ZeitenLehre wenigstens als „vanitas" in seiner Summa theologiae widerlegen zu müssen. Andere Voraussagen Joachims mochte er gelegentlich als bloße „conjecturae mentis humanae" abtun 1 6 , als unwissenschaftliche Meinungen, von denen manches eingetroffen sei, anderes nicht ; in der Frage der Geltungsdauer der „lex evangelica, quae dicitur lex nova," mußte er mit aller Entschiedenheit der Erwartung ihres Endes vor einer künftigen irdischen Geist-Zeit widersprechen. Der fundamentale Gegensatz zwischen Thomas und Joachim wird jedoch noch deutlicher und schärfer, als es schon Benz sah, wenn man beachtet, daß Joachim seinerseits (soviel ich sehe) überhaupt nie von einer „lex nova" gesprochen hat, nicht vom Evangelium und vom Neuen Testament als einem „neuen Gesetz", wie es ihm Thomas offenbar unterstellt, obgleich er ihn dabei nicht nennt. Für Joachim gibt es nicht ein altes und ein neues Gesetz oder gar noch künftig ein anderes „evangelium Spiritus Sancti quasi alia lex" (so Thomas, S. th. I. II. q. 106 a. 4). Joachim kennt in der dreistufigen Heilsgeschichte nur eine, nur die „lex", d a s Gesetz sozusagen als Singularetantum; das ist für ihn das mosaische Gesetz des Alten Testaments, das Christus zwar nicht auflösen wollte („solvere", ,,καταλύειυ"), sondern erfüllen („adimplere", ,,ττληρόειυ" ; Mat 5, 17). Mit Christus aber beginnt nicht ein „neues Gesetz", sondern die Zeit der Gnade n a c h der Zeit des Gesetzes. Und nach dieser Zeit der Gnade, des Gottes-Sohnes, des Neuen Testamentes erwartet Joachim noch vor dem Weltende den Anbrach einer dritten Zeit des Heiligen Geistes, die er in seiner Concordia novi ac veteris testamenti, lib. V c. 84 nicht anders zu charakterisieren weiß als die Zeit „sub ampliori gratia", reicherer Gnadenfülle, nicht aber eines noch anderen Gesetzes oder Testamentes, auch nicht eines geschriebenen „Evangelium aeternum", wie ihn später seine franziskanischen Adepten mißverstanden und umgedeutet haben. Dieser Begriff steht zwar in der Afokalypse 14, 6: „Ich sah einen anderen Engel fliegen mitten durch den Himmel, der hatte ein ewiges 16
Thomas v. Aquin: Commentum in quartum librum Sententiarum, dist. 43. q. 1 a. 3 qu. 4 sol. 2 ad 3. In: Thomae Aquinatis Opera omnia. Ed. S. E. Fretté. Vol. XI. Paris 1874. S. 284. Der Dominikaner Wilhelm von Tocco, Schüler und erster Biograph des Aquinaten, erzählt, wie Thomas „in quodam monasterio petivit librum praefati abbatis [Joachim] et oblatum totum perlegit, et ubi aliquid erroneum reperit vel suspectum, cum linea subducta damnavit, quod totum legi et credi prohibuit, quod ipse sua manu docta cassavit." Wilhelm von Tocco: Vita S. Thomae. In: Acta Sanctorum Martii. Tom. I. Antwerpen 1668. Paris 1865. S. 665 C; in: Fontes vitae S. Thomae Aquinatis. Ed. D. Prümmer. Tolosae 1911/12. S. 94.
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Evangelium zu verkünden denen, die auf Erden wohnen, und allen Völkern, Stämmen, Sprachen"; aber diesem Begriff des „Evangelium aeternum" weicht Joachim selbst in seiner Apokalypsen-Erklärung 17 , erst recht in anderen Schriften auffällig aus und hat ihn wohl nie als neue Verkündigung der künftigen Geist-Zeit interpretiert, geschweige denn für seine eigenen Schriften verwendet, wie fünfzig Jahre nach seinem Tod die joachitischen Franziskaner-Spiritualen. E r erwartet in dieser Zukunftszeit das „geistige Verständnis", die „spiritualis intelligentia" des Alten u n d Neuen Testamentes, nicht ein drittes Testament gleicher Art oder gar eine neue „lex", da ihm schon das Evangelium Christi keine „lex" ist wie das mosaische Gesetz, keine „nova lex" wie für Thomas und andere. Joachim, wie viele vor und nach ihm 18 , gliedert vielmehr die ganze Heilsgeschichte von Beginn der Welt bis zu seiner Gegenwart in die Zeiten v o r dem Gesetz, u n t e r dem Gesetz und n a c h dem Gesetz unter der Gnade; nur erwartet er dann im Unterschied zu anderen noch eine weitere künftige Zeit auf Erden : kein weiteres, neues, anderes Gesetz oder Testament oder Evangelium, sondern „geistiges Verständnis" der beiden Testamente „sub ampliori gratia". Er hat das selbst einmal im Einleitungs-Buch zu seinem Apokalypsen-Kommentar ausdrücklich gesagt 19 : seine Zeitenlehre stehe nicht im Gegensatz zur „auctoritas patrum, qua dictum est: tempus ante legem, tempus sub lege et tempus sub gratia" ; das sei in seiner Weise („in suo genere") ganz richtig und notwendig so zu sagen gewesen. Andrerseits könne man auch noch neben seiner Drei-Zeiten-Lehre eine weitere Dreigliederung der Zeiten seit Christus hinzufügen : „tempus sub littera evangelii" (aber dafür sagt er nie „tempus sub lege" oder „sub nova lege"!), „tempus sub spiritali intellectu" (das ist sein dritter Status, die Geist-Zeit) und „tempus manifestae visionis Domini" — nur sei das schon „in patria" nicht mehr eigentlich eine „Zeit" zu nennen („non proprie tempus dicatur") gleich den Zeiten „ante legem, sub lege, sub evangelio" und „sub spiritali intellectu", oder wie es anschließend noch mit den Epochengrenzen verdeutlicht wird: „de lege naturali" (d. h. vom ungeschriebenen Naturgesetz der Zeit vor Moses) „ad legem Moysi, . . . ad evangelium, . . . ad spiritalem intellectum,... ad veram et eternam contemplationem Dei" nach dem 17 Expositio in Apocalypsim. A. a. O. (Anm. 11) Bl. 172d-173b (zu Apk 14, 6) ; vgl. Tractatus super quatuor Evangelia. A. a. O. (Anm. 6), S. 86; dazu H. Grundmann in: DA 16 (1960) 522 (siehe Anm. 7) und DA 19 (1963) 395 (siehe Anm. 9). 18 Vgl. H. Grundmann: Studien über Joachim v. F. A. a. O. (Anm. 1), S. 88f.; J. H. J. van der Pot: De periodisering der geschiedenis. s'Gravenhage 1951. S. 43ff.; Arnos Funkenstein: Heilsplan und natürliche Entwicklung. In: Sammlung Dialog 5. München 1965. S. 14f. mit Anm. 27 und S. 131. 19 Expositio in Apocalypsim. Liber introductorius. A. a. O. (Anm. 11), Bl. 5c; vgl. H. Grundmann: Studien. A. a. O. (Anm. 1), S. 89ff.
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Weltende. Die wahre ewige Gottesschau steht auch hier wie für Thomas am Ende aller Zeiten, nur nicht unmittelbar nach der Zeit des Evangeliums (das hier nicht als „lex" bezeichnet und verstanden wird wie die vorangehende „lex Moysis"), sondern erst nach einer Zwischenzeit der „spirit(u)alis intelligentia" (erst recht keiner „lex"). In voller Kenntnis der Tradition, der er nicht widersprechen will, mit der er sich sogar im Einklang fühlt, nennt also Joachim die Zeit vor Moses das „tempus ante legem" oder auch „sub lege naturali", als nur das ungeschriebene, natürliche Gesetz galt; dafür verwendet auch Joachim den Begriff der „lex" („lex non scripta" oder „naturae"), niemals aber, soviel ich sehe, für die Zeit nach Christus und für das Evangelium als „nova lex" oder als „lex Christi", wie es doch bei Paulus Gal 6, 2 und 1 Kor 9, 21 heißt, sonst allerdings nirgends im Neuen Testament, auch nicht in den Evangelien ; und in den PaulusBriefen ist ja die „lex" ohne nähere Bezeichnung immer das alttestamentliche Moses-Gesetz, mit dem er die „gratia" oft genug kontrastiert: „Non enim sub lege estis, sed sub gratia" (Rom 6, 14f.). Hier muß nun die Möglichkeit wenigstens erwähnt und erwogen werden, daß Joachim nicht nur durch die ihm bekannte lateinischchristliche Tradition dazu bestimmt wurde, das Wort und den Begriff „lex" — anders als Thomas — nur für das mosaische Gesetz des Alten Testamentes zu verwenden und allenfalls noch für die vorher ungeschrieben geltende „lex naturae", aber nicht für eine neutestamentliche „nova lex". Das wäre nämlich vollends erklärlich, wenn er tatsächlich, wie ein Zeitgenosse behauptet, selbst jüdischer Herkunft wäre, im Judentum aufgewachsen, erst nachträglich Christ geworden. Das hat ihm in scharfer, geradezu gehässiger Polemik — als verschwiegen es Joachim selbst und andere, die es wissen müßten, geflissentlich— der Zisterzienser Gaufrid von Auxerre vorgehalten in einer Predigt, die Dom Jean Leclercq erst neuerdings auffand, leider nur fragmentarisch 20 . Dieser Gaufrid war noch Sekretär Bernhards von Clairvaux gewesen; er wurde einer seiner ersten Biographen und sein dritter Nachfolger als Abt von Clairvaux, trat dort aber 1165 aus nicht ganz geklärten Gründen zurück und war später zeitweise Abt von Fossanova im südlichen Kirchenstaat (wo etwa hundert Jahre später Thomas von Aquin auf der Reise zum II. Lyoner Konzil 1274 starb). Spätestens dort muß Gaufrid viel von Joachim gehört, ihn wahrscheinlich sogar persönlich gekannt haben. Denn eben diesem Kloster Fossanova hat Joachim sein kalabrisches Klösterchen Corace um 1187/88 als „Tochter" affiliiert und es damit dem Zisterzienser-Orden eingegliedert, kurz ehe er selbst es verließ und in S. Giovanni in Fiore ein eigenes 20
J. Leclercq: Analecta monastica 1. Rom 1948. In: Studia Anselmiana 20. S. 200; etwas vollständiger bei H. Grundmann in: DA 16 (1960) 545f. mit Interpretation 509—528.
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Kloster als Keimzelle eines neuen Ordens gründete. Nicht zum wenigsten deshalb eifert der Zisterzienser Gaufrid gegen ihn. Er findet es sogar unerhört, daß Joachim diesen jüdischen Namen beibehalten habe, als er Christ geworden war; vorher scheint im Abendland kein Christ auf den Namen Joachim getauft worden zu sein wie in der Ostkirche (und allenfalls im byzantinisch-normannischen Süditalien). Aber Gaufrid meint auch, Joachim habe in seinem Denken und seinen Schriften allzu viel von seinem „Judaismus" beibehalten, ihn nicht genügend „ausgespien" („evomuisse" mit biblischer Wendung nach Spr 26, 11 und 2 Petr 2, 22) ; Gaufrid witterte wohl bei Joachim eine Erwartung des Verheißenen, noch nicht Erfüllten, ähnlich dem jüdischen Messianismus. Ob er ihn aber deshalb und wegen seines bei Christen ungebräuchlichen Namens jüdischer Abstammung nur verdächtigt und bezichtigt hat oder wirklich wußte, daß Joachim als Jude geboren und aufgewachsen war, das hat sich bisher noch nicht eindeutig klären lassen21 und kann hier nicht weiter erörtert werden. Es wäre dann allerdings um so begreiflicher, daß für Joachim „das Gesetz" immer das mosaische Gesetz war und blieb, das Evangelium dagegen ihm nicht als „neues Gesetz" galt, da mit Christus die Zeit und der Stand („status") der Gnade beginnt n a c h der Zeit des Gesetzes. Ein Argument für die Glaubwürdigkeit der Behauptung Gaufrids, Joachim sei von Haus aus Jude gewesen, kann das jedoch schwerlich sein. Denn gerade bei diesen Erwägungen und Beobachtungen ist es mir fraglich geworden, ob Joachim dabei von dem bis ins 12. Jahrhundert auch bei christlichen Theologen allgemein üblichen Sprachund Denkgebrauch abweicht, ob nicht danach erst die Bezeichnung und Auffassung des Neuen Testamentes, der Evangelien und etwa auch der Apostelbriefe als „nova lex" aufkam, wie sie bei Thomas begegnet und nach ihm üblich wird. Die Drei-Gliederung der ganzen Heils- und Weltgeschichte in die Zeiten v o r dem Gesetz, u n t e r dem Gesetz und unter der Gnade ist jedenfalls alte feste Tradition von Augustin (oder schon vorher seit Irenäus) über Gregor d. Gr. und Isidor von Sevilla bis zu Hugo von St. Victor, Honorius Augustodunensis und weiterhin — bis zu Calderóns Großem Welttheater, in dessen Prolog die Welt ihr ganzes Schauspiel in drei Akte gliedert nach den drei „edades de mundo": der „gran ley natural", der „secundo ley escrita" (dem „Gesetz Moses") und als drittem Akt nun „la ley de gracia" (dem „Gesetz der Gnade") — dies sozusagen thomistisch wie 21 B. Hirsch-Reich: Joachim von Fiore und das Judentum. A. a. O. (Anm. 4), S. 239—243 erwägt alle Argumente, die gegen Joachims jüdische Abstammung sprechen, und hält es für ausschlaggebend, daß nach Mitteilung von Gershom Scholem der Name Joachim (Jehojakim, abgekürzt Jojakim) bei Juden im Mittelalter überhaupt nicht vorkam. Völlig geklärt scheint mir die Frage auch damit noch nicht.
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vieles bei Calderón22. Ich wage noch nicht zu behaupten, daß dieser Begriff der „lex gratiae" oder der „nova lex" für das Neue Testament nicht schon eine ältere Tradition hat; aber man sollte darauf achten und sich fragen, ob er nicht symptomatisch ist für eine Wende im Verständnis, im Selbstverständnis des abendländischen Christentums seit dem 12./13. Jahrhundert, für eine Wendung zur „Gesetzlichkeit", zum „Legalismus", zum Juristisch-Institutionellen oder wie man es nennen mag, vielleicht im Zusammenhang auch mit der Ausbildung der Kanonistik und der Rechtsförmigkeit der hierarchisch organisierten Kirche seit oder nach der gregorianischen Reform. Mir hat erst das Thema dieser Tagung die Frage aufgedrängt, ob es nur ein Unterschied zwischen Joachim und Thomas ist oder überhaupt zwischen der Zeit vor und nach ihnen, ob also schon früher vom Christentum als „nova lex" analog zum Judentum als „vetus lex" gesprochen wurde, wie von Thomas in seiner Auseinandersetzung mit Joachim, dem dieser Begriff der „nova lex" fremd zu sein scheint. Er findet sich allerdings nicht am frühesten bei Thomas. Schon Ernst Benz hatte bemerkt 23 , daß bereits die Pariser Theologen diesen Begriff verwendeten, als sie 1254 aus Joachims Schriften anfechtbare, nach ihrer Meinung häretische Thesen exzerpierten, und daß Thomas diese 31 Exzerpt-Sätze kannte. Der letzte davon heißt (als sei das Joachims Lehre) : „quod sacramenta novae legis non durabunt amodo nisi per sex annos" — also nur noch bis zum Jahre 1260, in dem die Joachiten den Anbruch des dritten Zeitalters, der Geist-Zeit erwarteten. Joachim selbst hatte ihn zwar nie so chronologisch genau datiert und natürlich nicht geschrieben: „von jetzt an nur noch sechs Jahre" ; aber er hatte die Wende vom zweiten zum dritten „Status" doch in den nächsten zwei Generationen nach 1200 erwartet. — Der vorletzte jener Exzerptsätze der Pariser Professoren heißt entsprechend: „quod sacramenta novae legis evacuabuntur in tertio statu mundi". In diesen beiden Sätzen taucht nun zugleich auch der andere Begriff unseres Themas auf: die „Sakramente des neuen Gesetzes" werden nur noch sechs Jahre lang dauern, werden dann im dritten Welt-Status „entleert" werden oder „aufgehoben" (wie auch Benz dieses uns schon aus den Paulus-Briefen bekannte Wort „evacuare" = „καταργεί ν" hier sinngemäß übersetzt) ; und es klingt so, als habe schon Joachim selbst von den „sacramenta novae legis" gesprochen und geschrieben. Denn angeblich sind das Zitate aus seinem Hauptwerk, der Concordia novi ac veteris testamenti, 22
sogar m i t A n g a b e des B u c h e s ,
Calderón de La Barca: Obras completas. Tom. 3. Autos sacramentales. Recopilación, prologo y notas por Angel Valbuena Prat. Madrid 1952. S. 204—206. 23 E. Benz: Joachim-Studien III. A. a. O. (Anm. 13), S. 56ff.; kritische Ausgabe bei E. Benz: Joachim-Studien II: Die Exzerptsätze der Pariser Professoren aus dem Evangelium Aeternum. In : Zeitschrift für Kirchengeschichte 51 (1932) 415—455.
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in dem sie zu finden seien. Es sind jedoch sehr ungenaue Zitate oder Inhaltsangaben. Das läßt sich ja leicht nachprüfen und ist schon bei dem erwähnten Prozeß an der Kurie gewissenhaft nachgeprüft worden von einer Kardinals-Kommission in Anagni, die sich dazu eigens die Originale der echten Schriften Joachims aus seinem Kloster S. Giovanni in Fiore kommen ließ. Das ausführliche Protokoll dieser KommissionsBeratung ist erhalten, von P. Heinrich Denifle OP. schon 1885 publiziert24. Da zeigt sich nun, daß sich Joachim doch recht anders ausgedrückt hatte, als es ihm gut fünfzig Jahre nach seinem Tod die Pariser Professoren unterstellten. Er spricht keineswegs so klar und deutlich, prononciert und provozierend von den „Sakramenten des neuen Gesetzes", die demnächst im dritten Status aufgelöst würden, überhaupt nicht von einer „nova lex"; und doch wird es verständlich werden, daß der Widerspruch gegen seine Lehre dazu führen oder verführen konnte, sie so zu formulieren, als hätte er vom „neuen Gesetz" gesprochen, das einst das alte mosaische Gesetz ablöste und bald seinerseits gleicherweise abgelöst und „aufgehoben" werde mitsamt seinen Sakramenten. Der letzte jener Exzerpt-Sätze (31): „Die Sakramente des neuen Gesetzes werden nur noch sechs Jahre lang dauern" steht angeblich im 5. Buch der Concordia in einer Erklärung des Buches Judith. Dort heißt es folgendermaßen 25 : Daß Judith nach dem Tod ihres Gatten Manasses dreieinhalb Jahre lang Witwe und enthaltsam blieb (Judith 8, 4 ff.), ehe sie zu Holofernes ging und sich für ihr Volk opferte, darin liege ein großes, offenkundiges „mysterium". Denn diese dreieinhalb Jahre sind 42 Monate, und das sei die große Zahl, welche „universa haec continet sacramenta". Ebenso wie die 42 Generationen im Geschlechts-Register Jesu am Anfang des Matthäus-Evangeliums und wie manche entsprechende Zahlangaben in der Johannes-Apokalypse und anderwärts deute diese Zahl auf die 42 Generationen zu je 30 Jahren hin — insgesamt also 1260 Jahre —, „in quibus novi testamenti sacramenta consistunt". Es heißt bei Joachim nicht: „novae legis", sondern: „novi testamenti sacramenta", und er denkt dabei schwerlich an die „Sakramente" im speziellen, später und seither geläufigen Sinn, sondern allgemeiner und unbestimmter an die unmittelbar vorher erwähnten „universa haec sacramenta", die in der Zahl von dreieinhalb Jahren = 42 Monaten als „magnum et apertum mysterium" „enthalten" seien. Wie in der Vulgata ist auch hier „sacramentum" und „mysterium" fast gleichbedeutend verwendet für das griechische ,,μυστήριον". Das hat Joachim selbst einmal in seiner frühen Schrift 24 H. Denifle OP. : Das Evangelium prüfung an den „originalia Joachim de 25 Concordia. Lib. V c. 89. A. a. O. Anagni. Ed. H. Denifle, a. a. O. (Anm.
aeternum. A. a. O. (Anm. 15) ; über die NachFlorensi monasterio" ebd., S. 102. (Anm. 11), Bl. 118r. Auch im Protokoll von 15), S. 136.
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De articulis fidei erläutert 26 : alle „sacramenta" könne man auch „mysteria" nennen, nicht aber umgekehrt alle „mysteria" auch „sacramenta", obgleich manchmal „alteram pro altero indifferenter accipiatur"; aber nicht jedes „mysterium" sei ein „sacramentum" im engeren, eigentlichen Sinn, nämlich ein „signum sacrae rei . . . tarn ad significandum quam ad exhibendum, quod significat". Für diese spezielle, eigentliche Bedeutung des Begriffs „sacramentum" als Zeichen einer heiligen Sache, das zugleich bezeichnet und bewirkt, was es bedeutet, beruft er sich dort auf Augustin ; aber von einem künftigen Aufhören d i e s e r Sakramente ist dabei nicht die Rede, in der Concordia-Stelle über Judith dagegen nicht von „Sakramenten" in jenem spezielleren Sinn und von der Befristung ihrer Geltungsdauer auf 1260 Jahre (von 1254 an „nur noch sechs Jahre lang"). Das war zum mindesten eine tendenziös-polemische Interpretation oder ein Mißverständnis dessen, was Joachim selbst geschrieben hatte. Noch aufschlußreicher ist dafür die andere Stelle im 5. Buch der Concordia, die nach den Pariser Exzerpten besagt : die Sakramente des neuen Gesetzes werden im dritten Status der Welt entleert, „aufgehoben" werden („evacuabuntur"), und am Beispiel der „evacuatio" des Altarssakraments behaupte Joachim auch die „evacuatio" der anderen Sakramente im dritten Status. Was er wirklich schreibt 27 und meint, ist freilich nicht ganz leicht deutlich und kurz zu formulieren. Exegetisch wie immer geht er da vom Brandopfer des Propheten Elia auf dem Berge Karmel aus (3 Kg 18, 38f.). Während die Baalsdiener vergeblich opfern ohne Widerhall ihres Abgotts, fällt nach dem Gebet Elias das Feuer des Herrn vom Himmel und verzehrt sein Opfer mitsamt Holz und Steinen, Erde und Wasser des Altars, den er errichtet hat. Was bedeutet dieses Feuer vom Himmel, der „ignis divinus", wenn nicht den „Geist der Wahrheit", der kommen wird „und wird euch alle Wahrheit lehren" (wiederum Jo 16, 13) ? Was sollen uns dann noch die „figurae, imagines, signa", die bloßen sichtbaren Sinnbilder und Zeichen, wenn das, was sie bedeuten, die „ipsa simplissima Veritas", dem geistigen Verständnis („spiritalis intellectus") unmittelbar erkennbar und verständlich wird und der „spiritalis homo iudicat omnia" (1 Kor 2, 15) ? Alles Sichtbare ist vergänglich; was es bedeutet, das Unsichtbare, ist ewig gültig. Wie das Opferfleisch und Holz, Steine, Erde jenes Altars vom himmlischen Feuer verzehrt werden, so wird auch der Gebrauch von Brot und Wein, Salböl und Taufwasser nicht ewig sein; aber was sie bedeuten („id quod designatur in ipsis"), das bleibt unvergänglich in Ewigkeit. Und Joachim fügt hier noch eigens hinzu : wenn auch vieles Sichtbare ewig bleiben wird, 2
« De Articulis Fidei. A. a. O. (Anm. 6), S. 12—14. Concordia. Lib. V c. 74. A. a. O., Bl. 103a—b. Auch im Anagni-Protokoll, a. a. O., S. 134f. 27
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was uns im Buchstaben beider Testamente tradiert („traditum") ist, „non tarnen in eo statu, in quo s u n t , mansura sunt in eternum, sed in eo potius, quo f u t u r a sunt". Das wird hier noch ausdrücklich erläutert an dem, was die „fides catholica" als besonders verehrungswürdig und nach dem Buchstaben ewig bleibend lehrt über Fleisch und Blut Christi : Jesus sagte in der Schule zu Kapernaum ( Jo 6, 54) : „Wer mein Fleisch ißt und trinkt mein Blut, der hat das ewige Leben und ich werde ihn am jüngsten Tage auferwecken" ; da aber manche Jünger das nicht recht verstanden und murrten, fügte er hinzu: „Der Geist ist es, der lebendig macht, das Fleisch vermag nichts." Wie viel mehr muß es dann vollends für anderes gelten, daß nicht das Sichtbare, Buchstäbliche, Zeichenhafte, sondern das damit gemeinte Geistige unvergänglich bleibt und ewig gilt! „Littera devoratur a spiritu", oder um mit Paulus zu sprechen: „Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig" (2 Kor 3, 6). „Wir sagen also nicht" — so schließt Joachim diesen für ihn höchst charakteristischen Gedankengang —, „daß die Sache selbst ganz vergeht — das sei ferne!" „Non res ipsas, quae sunt, ex toto (quod absit!) dicimus consumandas." Sondern wir sagen, daß ihre Zeichen und Bilder („imagines", „signa", auch „specula" heißt es hier) in das übergehen müssen („oportere transiré"), was sie bezeichnen, was sie bedeuten und weshalb sie vornehmlich geschrieben sind „ad designandum aliquid spiritale". — Das alles ist schwer zu verdeutschen, und man mag es auch im lateinischen Text mit allen seinen biblischen Anklängen und Zitaten allzu spiritual-undeutlich finden. Darf man aber sagen wie die Pariser Professoren von 1254, Joachim habe damit das Aufhören, die Aufhebung, die „evacuatio" des Altarssakraments und ebenso aller anderen „Sakramente des neuen Gesetzes" in einem künftigen, bald anbrechenden dritten Status behaupten, prophezeien, postulieren wollen? Die Joachim-Forscher sind sich noch jetzt nicht darüber einig, ob Joachim meinte, es werde im dritten Zeitalter des Heiligen Geistes keine Sakramente wie bisher mehr geben, nur eine Geist-Kirche ohne sakramentale Riten. Gerade katholische Forscher 28 wie Leone Tondelli und Francesco Russo, auch Antonio Crocco haben das entschieden bestritten und nachdrücklich darauf hingewiesen, wie intensiv beteiligt, gar nicht nur „spirituell", Joachim selbst nach dem glaubwürdigen Zeugnis von Zeitgenossen das Altarssakrament zelebrierte, oft 28 L. Tondelli: Il Libro delle Figure. Bd. 2. A. a. O. (Anm. 3), S. 161f. ; F. Russo: „II libro delle Figure" attribuito a Gioacchino da Fiore. In: Miscellanea Franciscana 41 (1941) 326—344 ; ders. : Gioacchino da Fiore e le fondazioni florensi. Neapel 1959. S. 36 ; A. Crocco: Gioacchino da Fiore. Neapel 1960. S. 50f.; doch vgl. J. Ch. Huck: Joachim von Floris und die joachitische Literatur. Freiburg i. Br. 1938. S. 178: Joachims Sakramentenlehre sei „mit dem katholischen Dogma nicht restlos in Einklang zu bringen".
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Tränen im Auge, wie ernst und streng er das Bußsakrament vollzogen habe, selbst als Beichtiger der Kaiserin Konstanze, die dazu vor ihm knien mußte. Andere 29 , wie Ernst Benz, auch Ernesto Buonaiuti (und früher ich), neuerdings vor allem Bernhard Töpfer in seinem beachtenswerten Buch Das kommende Reich des Friedens (Berlin 1964), das aus marxistischer Sicht, doch sehr kritisch-selbständig und sachkundig über Joachim urteilt, sehen in diesem persönlichen Verhalten des Abtes beim Sakramentenvollzug keinen Beweis dagegen, daß er nicht bald den Übergang zu einer Geistkirche ohne sakramentale Handlungen und Symbole erwartet habe. Seine verstreuten Äußerungen darüber sind nicht ganz leicht auf einen Nenner zu bringen. Noch in seinem spätesten, nicht mehr vollendeten Werk über die vier Evangelien steht nochmals (sogar im Anschluß an den Apokalypsenvers über das „evangelium aeternum"): „Was uns von Christus und den Aposteln geboten ist über die ,fides sacramentorum', das ist ,quantum ad ipsa sacramenta transitorium et temporale, quod autem per ea significatur, eternum'." 3 0 Das klingt ähnlich, wie es früher im Concordia-Werk zu hören war. Aber hier wird dann über den Übergang vom Alten zum Neuen Testament auch gesagt 31 : das Alte mußte vergehen oder vielmehr: übergehen, als das Neue substituiert wurde (,,novis substitutis vetera oportebat transiré"), jedoch nicht so, als sei jenes Alte zu seiner Zeit nicht vom wahren Gott zur Gerechtigkeit, zur Rechtfertigung gesetzt gewesen („constituía"), sondern „quasi minora deserenda, ut fortiora sacramenta traderentur fidelibus ad salutem": um der stärkeren, kräftigeren Sakramente willen waren zum Heil der Gläubigen die „minora" zu verlassen. Und in diesem Spät werk steht nun sogar der Satz 3 2 : Wenn von der „scriptura divina" die Rede ist, von der Heiligen Schrift insgesamt, sind den beiden Testamenten noch die „sacramenta ecclesiae" hinzuzufügen als Tradition unserer heiligen Väter nach der Lehre des Heiligen Geistes, die ihnen von Christus ein2 9 E . Benz: Escatologia e Palingenesi. I n : Ricerche Religiose 8 (1932) 138; ders. : Creator Spiritus. Die Geistlehre des Joachim von Fiore. I n : Eranos-Jahrbuch 25 (1956). Zürich 1957. S. 285—355, bes. S. 320; auch H. Grundmann: Studien. A. a. O., S. 114; B. Töpfer : Das kommende Reich des Friedens. Zur Entwicklung chiliastischer Zukunftshoffnungen im Hochmittelalter. I n : Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte 11. Berlin 1964. S. 57 f. 3 0 Tractatus super quatuor Evangelia. A. a. O. (Anm. 6), S. 86: „Set quare vel a Domino dicitur evangelium Regni vel a Iohanne evangelium eternum, nisi quia illud, quod mandatum est nobis a Christo vel apostolis secundum fidem sacramentorum, quantum ad ipsa sacramenta transitorium est et temporale, quod autem per ea significatur, eternum." Das vorletzte Wort heißt in Buonaiutis Ausgabe nach der Handschrift in Padua, Bibl. Antonian. 322: ,,sacrificato", in der Handschrift Dresden A 122 und so auch im Protokoll von Anagni, a. a. O., S. 53: „significatur", zweifellos richtig; siehe B. Töpfer: Das kommende Reich des Friedens. A. a. O. (Anm. 29), S. 58 Anm. 52. 31 32
Tractatus super quatuor Evangelia. A. a. O. (Anm. 6), S. 176. Ebd., S. 198.
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gegeben ward — wie die erste Tradition von Gott-Vater den Propheten und die zweite von Christus den Aposteln. Dieser eigenartigen, für seine Denkweise wieder sehr charakteristischen trinitarischen Traditionslehre fügt Joachim noch eigens hinzu: „Non ergo parvipendenda sunt fidelibus sacramenta ecclesiae, quia non sunt ab ipso Christo aut sanctis apostolis constituta, cum eo docente et suggerente constituta esse sciamus, de quo Dominus ait : ,cum venerit ille Spiritus veritatis, docebit vos omnem veritatem'." (Jo 16, 13). Dieses sonst von Joachim als Verheißung für die künftige Geist-Zeit verstandene Johannes-Wort wird hier also ausdrücklich auf die Sakramente der Kirche bezogen, die in nach-apostolischer Zeit durch die Wirkung des Heiligen Geistes gestiftet, gelehrt, zur Tradition wurden — so in Joachims spätestem Werk um 1200! Vielleicht ist das hier im Hinblick auf Häretiker seiner Zeit gesagt, gegen die Joachim auch sonst öfters polemisiert, gegen Katharer oder Waldenser, die alle nicht biblisch begründeten Sakramente nicht gelten lassen wollten. Gerade dies aber ist für Joachim kein maßgebendes Kriterium; er läßt sie vollauf gelten als die vom Heiligen Geist eingegebene Tradition der Väter, gleichwertig mit der alttestamentlich-prophetischen und der neutestamentlich-apostolischen Tradition. Nur hält er es andrerseits für pharisäisch, zu glauben, daß es zum Heil genüge, menschliche Traditionen nach dem Buchstaben zu befolgen und zu wahren. Es gebe — schreibt er in demselben Spätwerk 33 — auch in der lateinischen Kirche manche Hochtrabende („alta sapientes") und Selbstgerechte wie einst die Pharisäer, die übermäßig eifern für die Beobachtung („observatio") menschlicher Traditionen und dadurch Gottes Gebot verfehlen, unwirksam machen („irritum faciunt"). Denn Sakramente wirken wenig oder fast nichts, können sogar viel schaden, wenn man sie nur äußerlich und aus Ängstlichkeit nimmt, aber nicht , , r e s sacramenti consequitur", wenn also z. B. einer getauft ist oder wird und doch fleischlich leben will. Wer nicht „in rei veritate" h ä l t , was er im Sakrament verspricht, gelobt, der ist „mendax", lügenhaft, ein leeres Gefäß und fern vom Reiche Gottes. Das ist bei Joachim wohl nicht nur Zeitkritik und pastorale Mahnung, aber auch weder Widerspruch noch Zustimmung zur Sakramenten-Theologie vom „opus operatum"; es ist seine Auffassung von den Sakramenten der Kirche als einer vom Heiligen Geist den Vätern eingegebenen Tradition, die doch nicht in menschlichen Traditionen und Formen erstarren darf, als genügte schon ihre „observatio secundum litteram" für das Seelenheil auch ohne die „veritas rei", ohne die ,,res sacramenti", die künftig in der Geistkirche der Geistzeit sogar o h n e die alten sichtbaren Formen und Zeichen, Figuren und Bilder unvergänglich bleiben und wirken werden. Das heißt doch offenbar in Joachims Sinn nicht, daß die Sakramente 33
Ebd., S. 146.
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dann aufhören, verschwinden („evacuabuntur"), sondern sie bleiben, gelten, wirken ewig bis ans Ende dieser irdischen Welt, nur (wie gesagt) nicht ,,in eo statu, in quo sunt, sed in eo potius, quo futura sunt". Wenn Joachim mit alledem nur mehr oder weniger deutlich von einer damals bereits feststehenden Sakramenten-Lehre abwiche, so wäre es allenfalls für das Verständnis und die Beurteilung (oder Verurteilung) seiner eigenen Denkweise von einigem Interesse. Man muß jedoch dabei bedenken, daß zu seiner Zeit im 12. Jahrhundert eine kirchliche Lehre über Wesen, Wirkung, Form und Zahl der Sakramente sich eben erst ausbildete in lebhafter, vielstimmiger Diskussion der Frühscholastik von Abaelard, Hugo von St. Victor, Petrus Lombardus an bis zu Thomas hin. Darüber handeln zwei umfangreiche Bände des 3. Teils der Dogmengeschichte der Frühscholastik von Artur Michael Landgraf (Regensburg 1955) 34 . Joachim von Fiore kommt darin nicht vor; denn er hat in diese theologisch-scholastische Diskussion über die Sakramente nicht mit einer eigenen Schrift zu diesem Thema eingegriffen, wohl auch nie in dieser Frage gegen andere Theologen polemisiert wie in seinem Trinitäts-Traktat gegen Petrus Lombardus (der ja damals auch von manchen anderen Theologen heftig angefochten, sogar verketzert wurde). Wahrscheinlich hätte sonst Thomas von Aquino auch die Sakramenten-Lehre Joachims so beurteilen können und müssen wie dessen Trinitäts-Traktat: „in subtilibus fidei dogmatibus rudis" 35 , d. h. nicht fähig, geschult und ausgebildet für die subtile Erörterung dogmatischer Probleme. Liest man das neuerdings entdeckte Fragment dieser 1215 verurteilten, seither verschollenen Trinitäts-Schrift Joachims, so wird man jenes harte Urteil des Aquinaten begreiflich, ja berechtigt finden. Denn da hatte sich Joachim sozusagen in scholastisch-dialektischer Methode und Diktion versucht, doch es gelang ihm schlecht, klar und präzis verständlich zu machen, was er damit sagen wollte; schon der Schreiber jener Handschrift (wohl um 1200) scheint das nicht immer begriffen zu haben und erschwert durch manche sinnlose Fehler erst recht das Verständnis. Es scheint auch, daß dem Abt Joachim schon früh an der Kurie Alexanders I I I . dringend abgeraten wurde, sich an solcher dogmatischen Diskussion weiterhin zu beteiligen; jedenfalls hat er es auf diese Weise nie mehr versucht, sondern sich ganz seiner exegetischtypologischen Denkweise zugewandt. Trotzdem sollte man solche Außenseiter der Frühscholastik nicht außer acht lassen, wenn man 3 4 A. M. Landgraf: Dogmengeschichte der Frühscholastik. 3. Teil: Die Lehre von den Sakramenten. 2 Bde. Regensburg 1954/55; vgl. auch Damien van den Eynde: Les définitions des Sacrements pendant la première période de la théologie scolastique, (1050—1240). Rom—Louvain 1950. 3 5 Thomas von Aquin: Expositio super secundam decretalem ad Archidiaconum Tudertinum. In: S. Thomae Aquinatis Opuscula Theologica. Vol. 1: De re dogmatica et morali. Cura et studio R. A. Verardo. Taurini, Romae 1954. S. 428ff., n. 1189.
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deren dogmengeschichtliche Entwicklung recht verstehen will. Gerade Joachims früher Widerspruch gegen Petrus Lombardus hat wohl nicht zum wenigsten dazu geführt, daß und wie die Trinitäts-Lehre vom IV. Laterankonzil 1215 an der Spitze seiner Beschlüsse dogmatisch definiert wurde mit ausführlicher Widerlegung der Einwände Joachims gegen den Lombarden 36 . Denn dessen anfangs lebhaft umstrittene Sentenzen waren inzwischen zum Dogmatik-Lehrbuch vor allem an der jungen Pariser Universität geworden; Joachim aber hatte durch spätere Werke und durch seine Ordensgründung hohes Ansehen gewonnen auch bei den Päpsten bis zu Innocenz III. Deshalb mußte in der Trinitäts-Lehre zwischen ihm und Petrus Lombardus entschieden werden: nicht dieser, sondern jener habe darin häretisch gedacht. In der Sakramenten-Lehre schien es einer solchen dogmatischen Entscheidung gegen Joachim zunächst nicht zu bedürfen; denn darüber hatte er sich nie ausdrücklich und prägnant oder gar polemisch geäußert, immer nur beiläufig exegetisch in seiner oft unbestimmt spiritualisierenden Art. Erst als Jahrzehnte später seine Drei-ZeitenLehre im Franziskaner-Orden aktualisiert wurde und den Pariser Theologen dadurch nun höchst bedenklich, gefährlich, häretisch erschien, fiel ihnen auch erschreckend auf, was Joachim hie und da über die Sakramente geschrieben hatte. Sie maßen es nun an ihrer inzwischen voll ausgebildeten Sakramentenlehre, wie Joachims Drei-ZeitenLehre überhaupt an ihrem Begriff der endgültigen ,,nova lex" des Neuen Testamentes (obgleich dieser Begriff bei Joachim nicht vorkam). Es ist im Grunde anachronistisch-unhistorisch, seine eigenen Gedanken von dieser späteren Sicht her zu beurteilen, wie ich es hier nur versucht habe, um zu verdeutlichen, was ihn von Thomas und den Pariser Professoren unterscheidet und trennt, was sich inzwischen in der Theologie geändert hatte, auch in der Lehre über lex und sacramentum. Diese intern-theologische, scholastisch-dogmatische Lehr-Entwicklung wird man aber um so besser verstehen lernen, wenn man mehr als bisher darauf achtet, wie sie sich abhebt und auch mitbedingt ist von den gleichzeitigen geistig-religiösen Bewegungen anderer Art, außerhalb der Schulen — häretisch oder rechtgläubig, das eben klärte und entschied sich damals erst, in mancher Beziehung auch rückblickend und rückwirkend, in der Auseinandersetzung scholastischer Theologen von Petrus Lombardus bis zu Thomas von Aquin und Bonaventura 37 nicht zum wenigsten mit dem Spiritualismus Joachims von Fiore. 36 In den Vol. II. Ed. Leonardi in: 37 Vgl. J. Zürich 1959. Ob auch für suchen.
Dekretalen Gregors IX. lib. I tit. 1 cap. 2. In: Corpus Iuris Canonici. A. Friedberg. Leipzig 1881. S. 6—7. Beste Ausgabe jetzt von Claudio Conciliorum oecumenicorum decreta. Friburgi Br. 1962. S. 207—209. Ratzinger: Die Geschichtstheologie des heiligen Bonaventura. München, S. 106ff., bes. S. 118—120 auch über Thomas' Beurteilung Joachims. Bonaventura das Evangelium als „nova lex" gilt, bleibt noch zu unter-
DIE LEHRE VON GESETZ UND EVANGELIUM BEI JOHANN PUPPER VON GOCH IM RAHMEN SEINES NOMINALISTISCHEN AUGUSTINISMUS 1 V o n L U I S E ABRAMOWSKI
Siebzig Jahre ist es her, daß Otto Clemen seine eingehende und unentbehrliche Monographie über Pupper vorlegte 2 ; in ihr klagt er über die „ungebührliche Vernachlässigung" seines Helden3. 1910 nahm F. Pijper den größeren Teil der Pupperschen Schriften in den Band VI der Bibliotheca Reformatoria Neerlandica 4 auf, aber seine Einleitung führte über Clemen nicht hinaus 5 . Seitdem galt Clemens Klage wie vorher. Noch in H. A. Obermans großer Biel-Monographie wird Pupper trotz Clemen nicht erwähnt, obwohl Pupper — gestorben 1475 — ein Zeitgenosse Biels ist. Erst jüngst hat sich das Bild geändert: unmittelbar, nachdem das ursprüngliche Thema meines Referates angemeldet worden war, erschien ein Aufsatz über Johann Pupper aus Goch, verfaßt und als Vortrag in der Stadt Goch gehalten von R. R. Post 6 , dem verdienten niederländischen Kirchenhistoriker. Angesichts unserer vermehrten Kenntnis von spätmittelalterlicher Theologie hat der erneute und doppelte Hinweis auf Goch vielleicht eine größere Chance, beachtet zu werden, als um die Jahrhundertwende. Oberman fordert in seinem genannten Buch bei der Besprechung der Theologie Gregors von Rimini eine genauere Erforschung des spätmittelalterlichen Augustinismus 7 . Dazu vermag die Beschäftigung mit 1 Das Thema lautete ursprünglich: „Die Lehre von Gesetz und Evangelium bei Johann Pupper von Goch, eine Kritik an Thomas von Aquin"; bei der Herstellung des Referats ergab sich die Ausweitung der Einleitung zu einem ersten Teil und machte den oben angegebenen Titel notwendig. — Die Arbeit wurde erstmalig veröffentlicht in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 64 (1967) 83—98. Zur Wahrung der Einheitlichkeit des vorliegenden Bandes wurden drucktechnische Angleichungen vorgenommen. Außerdem wurde eine Neuerscheinung berücksichtigt (Anm. 10 und 33). 2 O. Clemen: Johann Pupper von Goch. Leipzig 1896. In: Leipziger Studien aus dem Gebiet der Geschichte Bd. 2, H. 3. 3 Ebd., S. 6. 4 's Gravenhage 1910. S. 41—255, 279—344. 6 Post beurteilt sie in seinem Aufsatz (S. 92 f. ; siehe die nächste Anm.) recht kritisch. 6 R. R. Post: Johann Pupper van Goch. In: Nederlands Archief voor Kerkgeschiedenis N. S. 47 (1965/66) 71—97. 7 H. A. Obermann: The Harvest of Medieval Theology. — Gabriel Biel and Late Medieval Nominalism. Cambridge (Mass.) 1963. S. 204; dt. Übers.: Der Herbst der mittelalterlichen Theologie. Zürich 1965. In: Spätscholastik und Reformation, Bd. 1. S. 192.
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dem Augustinisten Johann Pupper einen kleinen Beitrag zu liefern. Es wäre von Interesse zu untersuchen, wie Goch sich zu den schon bekannten Augustinisten Gregor von Rimini, Heinrich Totting von Oyta und Staupitz verhält. In diesen Zusammenhang hineingestellt könnte Puppers Theologie wohl den ihr zukommenden Platz erhalten, nachdem Clemen ihn endgültig aus Ulimanns Vorreformator zu einem scholastischen antithomistischen Theologen gemacht hat, der in stärkstem Maß von Augustin abhängig ist. Schon Clemen hält es für möglich, daß Gochs unzählige Augustinzitate, sofern sie nicht aus den Sentenzen des Petrus Lombardus stammen, nicht unmittelbar aus den Schriften des Kirchenvaters gezogen sind, sondern daß Goch sie aus „dritter Hand schöpfte" 8 . Nach diesem eventuellen Mittelsmann muß noch gesucht werden. Eine solche mögliche literarische und dann wohl auch theologische Abhängigkeit aufzudecken, ist die für Gochs Einschätzung wichtigere Aufgabe, da von ihm weiter keine für uns sichtbare Breitenwirkung ausgegangen ist. Erst der niederländische Humanismus der beginnenden Reformationszeit hat seine handschriftliche Hinterlassenschaft ans Licht gezogen und zum Druck gebracht, und 1531 wurden seine Schriften auf den Index gesetzt. I
Über Gochs Position innerhalb der Schultheologie läßt sich bereits einiges sagen, ohne daß man den Vergleich mit andern Augustinisten abwarten muß. Ich will das jetzt in einem ersten Teil zusammenstellen, zumal Post in seinem Aufsatz neben dem biographischen und literarischen auch das theologiegeschichtliche Problem gefördert hat. Clemen fand bei Goch keinen bestimmten scholastischen Parteistandpunkt und nannte ihn einen Eklektiker 9 . Doch ist ihm natürlich wie jedem Leser der Pupperschen Schriften (diese sind: De libertate christianae religionis, die Fragmenta mit der Efistola apologetica am Anfang und der Dialog10, den Post für überarbeitet hält11,) die strikte Bestimmung des Begriffes „meritum" als eines aus Liebe gewirkten Werkes, das „deo acceptum" sein muß, aufgefallen, ebenso die entsprechende Ablehnung des „praemium ex debito iustitiae". Clemen verweist auf Duns Scotus12. Post zieht die ockhamistische Akzeptationslehre in 8 O. Clemen, a. a. O., S. 209. » Ebd., S. 226. 1 0 Der Dialog ist nicht in die Bibl. Reform. Neerl. aufgenommen. E r steht in: Chr. W. F. Walch: Monimenta medii aevi. Vol. I fase. 4. Göttingen 1760. S. 73—239. — Die Fragmenta einschließlich der Epistola aber ohne den Zitatenanhang sind nach Pijpers Edition übernommen von G. A. Benrath: Reformtheologen des 15. Jahrhunderts. In: Texte zur Kirchen- und Theologiegeschichte, H. 7 (1968) 9—38. 1 1 R. R. Post, a. a. O., S. 82, 86. 1 2 O. Clemen, a. a. O., S. 245, 247, 249.
Die Lehre von Gesetz und Evangelium bei Pupper von Goch
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Betracht und führt Gregor von Rimini als Beispiel dafür an, daß Nominalismus und augustinische Gnadenlehre eine Verbindung miteinander eingehen können13. An Gregor denkt man übrigens auch bei Gochs Prädestinatianismus, welch letzteren Clemen richtig vermerkt14. Post notiert ferner: Puppers Parteinahme für den Nominalisten Heinrich von Someren ; die Lehre von der Einheit und Untrennbarkeit der Seelenkräfte15; die Insistenz auf der Autorität des Geoffenbarten16; schließlich die Ablehnung der „gratia creata" in der Seele17 — zu diesem Punkt nennt Clemen übrigens Staupitz 18 . Vor die Alternative : skotistisch oder ockhamistisch, stellt den Leser Puppers auch der Gebrauch der Vokabel „cognitio intuitiva" 19 . In De liberiate christianae religionis ist sie viermal anzutreffen. In I, 14 wird die „auctoritas" der „scripturae naturales", d. h. der „scripturae philosophorum", diskutiert. Pupper beginnt mit der „auctoritas" der Heiligen Schrift. Diese „auctoritas" hat eine dreifache „certitudo". Die erste ist „supranaturalis", sie ist „evidentia clara et intuitiva" (65, 2520), wir werden sie „in patria" haben, wenn das Rätsel fortgenommen ist und wir die Wahrheit selbst sehen werden, wie sie ist. Von der „evidentia intuitiva" handelt ausdrücklich I, 15. Es wird nachgewiesen, warum die Heilige Schrift diese höchste „evidentia" hat und nicht bloß die „evidentia propheticae illustrationis". Der Grund liegt in der „cognitio intuitiva" Christi, der als „verbum incarnatum" die vorher von den Propheten offenbarte Schrift erklärt, bestätigt, vollendet hat. Christus war nicht nur „viator", so daß er mit uns „more prophetico" gesprochen hätte, sondern er war auch „comprehensor" (also einer, der so versteht, wie wir es erst „in patria" werden) ; als „comprehensor" sprach er „ex cognitione intuitiva" (68, 2). Von ihm ist nämlich geschrieben: „Er lehrte wie einer, der Vollmacht hat", d. h. er lehrte „ex lumine proprio, non ex lumine revelato". Die „cognitio intuitiva" ist nötig, um „alle Gerechtigkeit zu erfüllen" (III, 10). Die Heiligen haben die „cognitio intuitiva" (209, 40) „in patria", sie ist volle Erkenntnis Gottes, „plena cognitio dei"; von ihr erleuchtet („illustratus"), ist dem Menschen nichts von dem verborgen, was zur „intuitio perfecta" gehört. Der daraus zu ziehende Schluß ist: niemand kann alle Gerechtigkeit erfüllen, er sei denn „viator" und R. R. Post, a. a. O., S. 88, 90. O. Clemen, a. a. O., S. 216. 1 5 R. R. Post, a. a. O., S. 90. 1 6 Ebd., S. 93. 1 7 Ebd., S. 84. 1 8 O. Clemen, a. a. O., S. 249. 1 9 Vgl. S. J . Day: Intuitive Cognition. A Key to the Significance of the Later Scholastics. St. Bonaventure, N. Y . 1947. In: Franciscan Institute Publications, Phil. Ser. 4. 2 0 Pijpers Ausgabe hat keine Zeilenzählung, ich gebe Zeilen daher nur zu den behandelten Stichworten oder zu ganz kurzen Zitaten an. 13 14
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„comprehensor" wie Christus (210, 15f.). Auf den Zusammenhang dieser Stelle werden wir gleich noch unter einem anderen Gesichtspunkt zurückkommen. — Nur Christus kann Menschen zu Kindern des Reiches machen, und nur er kann ihnen das ewige Leben ,,ex debito iustitiae" verdienen (III, 12). Johannes der Täufer konnte das nicht, aber ihm war das ,,donum perseverantiae" gegeben (219f.). Unter den vier Gründen, die Pupper aus den Worten des Täufers über Christus dafür erhebt, daß nur Christus Kinder des Gottesreiches hervorbringen kann, ist der zweite die „perspicuitas divinae cognitionis". Nach seiner göttlichen Natur hat Christus dieselbe „scientia" wie der Vater (eadem scientia cum patre). In seiner menschlichen Natur hat er die „cognitio intuitiva" (222, 6f.) und erkennt alles, was Gott erkennt, durch „notitia visionis". Und weil er diese vollkommene Gotteserkenntnis hat, weiß er vollständig zu jeder Zeit, was dem Vater ,,acceptum" ist. Die „scientia intuitivae visionis et cognitionis" hat Christus, sofern er Mensch ist, „ex beatifico obiecto divinitatis" (222, 16f.). Und wieder wird als biblischer Beleg angeführt: „er lehrte wie einer, der Vollmacht hat" — mit derselben Erklärung: d . h . „ex lumine proprio, non ex lumine revelato". Die Insistenz auf „certitudo" und „evidentia" und die Begründung der Gewißheit auf „cognitio intuitiva" sind ockhamistisch21. Doch die Beschränkung der „cognitio intuitiva" auf die Gotteserkenntnis, die den Gläubigen dann nur „in patria" möglich ist, sieht so aus, als wäre sie aus Scotus-Texten abgeleitet (die Termini technici stammen jedenfalls wörtlich daher, wie ein Vergleich der Zitate aus De libértate p. 222 mit dem bei Day gebotenen Material zeigt). Duns Scotus beweist die Möglichkeit der „cognitio intuitiva" in den Quodlibeta 6 und 18 an der Gottesschau22. Im Opus Oxoniense heißt es zwar von der „cognitio intuitiva" generell, sie sei uns „pro statu isto" möglich23, aber in einer anscheinend nicht von Scotus selber stammenden Stelle der Quaestiones in Metaphysicam steht: „In intellectu notitia visionis vel intuitiva, quae est prima cognitio, non est in via possibilis"24. Dieser Auffassung hat sich Pupper angeschlossen. An Gochs Akzeptationslehre, die also in einen modifiziert ockhamistischen Lehrzusammenhang gehört, fällt mir auf, daß (mit einer charakteristischen Ausnahme) die Spekulation über die beiden „potentiae" Gottes fehlt. Wenn man etwa Dettloffs Buch über die Akzeptationslehre in der Zeit zwischen Duns Scotus und Luther 25 durchgeht, 21
S. J. Day, a. a. 0., S. 145. Ebd., S. 48ff. 23 Ebd., S. 58. 24 Ebd., S. 97. 25 W. Dettloff: Die Entwicklung der Akzeptations- und Verdienstlehre von Duns Scotus bis Luther, mit besonderer Berücksichtigung der Franziskanertheologen. In: Beitr. z. Gesch. d. Phil. d. Mittelalters 40, 2 (1963). 22
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gewinnt man den Eindruck, daß diese und die „potentiae"-Spekulation untrennbar sind. Das Fehlen einer solchen Spekulation würde Pupper von Gregor von Rimini ζ. Β. schon unterscheiden. Man kann natürlich sagen, Gochs Thema, die Rolle der Gelübde (vota) für die Bewertung der guten Werke, falle unter die „potentia ordinata" und gebe deswegen zu Erwägungen „de potentia absoluta" keinen Anlaß. Dem läßt sich jedoch entgegenhalten, daß Pupper das Problem der Gelübde auf ein so breites Fundament bücherlanger theologischer Abhandlung über das rechte Schriftverständnis, über die rechte Lehre vom Willen, von dessen Akten und deren Verdiensten stellt, daß jede Gelegenheit zur Behandlung der theoretischen Möglichkeiten ,,de potentia dei absoluta" vorhanden gewesen wäre. Wie gesagt gibt es eine einzige Stelle, wo Pupper doch von der „potestas absoluta" Gottes spricht. Sie steht De liberiate III, 10 in einem Kapitel, aus dem wir eben schon zur Vokabel „cognitio intuitiva" zitierten. Ich halte es für keinen Zufall, daß von der „potestas absoluta" Gottes nur hier gesprochen wird, wo es darum geht, Christus als den einzigen zu erweisen, der „ex debito iustitiae" verdienen kann. Er hat nämlich erstens die volle Gotteserkenntnis und zweitens die vollständige Liebe zur Gerechtigkeit, die dazu nötig sind. Der dritte Grund ist: „Obwohl es nach Gottes .potestas absoluta' ihm (sc. Gott) nicht unmöglich wäre, einem reinen Menschen („puro homini") jene .potestas' zu geben, die alle Gerechtigkeit zu erfüllen vermag, überliefern die heiligen Schriften, d. h. die .scriptura canonica', dennoch von niemandem, daß es (ihm) geschehen sei oder geschehen würde, außer von Christus Jesus" (210, 17—21). Pupper kennt also das Argumentieren mit Gottes absoluter Macht, er macht aber nur an dieser einen Stelle Gebrauch davon, und zwar verurteilt er das Argument zu dienender Funktion: es soll dem alleinigen Verdienst Christi und der „canonica Veritas" ein möglichst großes Gewicht geben. Ich glaube, daß man über Gochs Meinung von der Spekulation „de potentia dei absoluta" noch zu einem weiteren Ergebnis kommen kann. Im ersten Buch oder der ersten Distinctio 26 von De liberiate erscheint viermal und in der Vorrede zur zweiten Distinctio einmal eine Wendung, die auf dem Hintergrund der Unterscheidung von zwei „potentiae" Gottes erklärt werden muß. Es handelt sich dabei in allen Fällen um die „certitudo" oder „infallibilitas" der „canonica Veritas". Von ihr wird gesagt, daß keine göttliche Macht sie umstoßen könne. Da Goch die „canonica Veritas" für die Gültigkeit seiner Lehre von der Gnade und den guten Werken heranzieht, liegt es zunächst nahe, an das Pauluswort aus Gal 1 zu denken, wo das Anathema über jeden 2e „Distinctiones" sagt Pupper, in den Seitenüberschriften der Ausgabe heißt es „libri".
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gesprochen wird, der ein anderes Evangelium verkündet, und sei es ein Engel vom Himmel. Tatsächlich wird dieser Vers auch unmittelbar vor der Praefatio zur Dist. II am Ende von I, 26 zitiert. Man könnte die „göttliche Macht" einfach als Verallgemeinerung des paulinischen Ausdrucks „Engel vom Himmel" verstehen, also etwa als „höheres Wesen". Eine solche Deutung ist aber sehr unbefriedigend, und ich erwähne sie nur, um einem eventuellen Einwand in dieser Richtung zu begegnen. Das stärkste Argument ist der lateinische Text selbst: Goch spricht in der I. Dist. jedesmal von „potentia divina"; wer das nicht auffällig oder spezifisch genug findet, für den steht in der Praefatio zu I I ausdrücklich „potentia dei". Da ja der Inhalt der Offenbarung, das auf die Autorität der Schrift sich Stützende, unter die „potentia dei ordinata" fällt, ist eben der Artikel von der Schriftautorität der gegebene Ort, um gegen Erwägungen zu polemisieren, die der Gültigkeit des so Angeordneten andere theoretische Möglichkeiten gegenüberstellen. Und Puppers Formulierungen sind ganz offensichtlich polemisch gemeint. „Nulla potentia divina" heißt es immer in Dist. I, „nulla nec etiam ifisius dei potentia" in der Praefatio zu II. Die „auctoritas canonica" ist „in aeternum" festgegründet. Im einzelnen sieht das so aus: in I, 14 werden die Kennzeichen von „auctoritas" besprochen. Das dritte ist: „auctoritas" muß notwendigerweise die Gewißheit unfehlbarer Wahrheit aufweisen, „certitudo infallibilis veritatis". Unfehlbar ist eine Wahrheit zu nennen, „quae per nullam potentiam etiam divinam aliter se potest habere" (67, 23f.). Eine solche Wahrheit ist die ewige, in den heiligen Schriften offenbarte. Sie wird in I, 16 der „veritas naturalis" gegenübergestellt, die aus den philosophischen Schriften erkannt wird durch Zurückführung auf die „prima principia per se nota, ex apprehensione terminorum" (dies sind ockhamistische Grundsätze). Entsprechend wird in den von den katholischen Lehrern überlieferten Schriften die „veritas supernaturalis" erkannt durch Rückführung auf die „scriptura canonica", die aus göttlicher Offenbarung überliefert worden ist und durch den Inkarnierten bestätigt wurde; ihr kann nichts Falsches zugrunde liegen, „eo quod per nullam potentiam, etiam divinam aliter se habere potest" (69, 28f.). In I, 19 treten beide Formeln wörtlich wieder auf (74, 18f. ; 75, 21f.). Die unfehlbare Wahrheit, die sich auch durch keine göttliche Macht anders verhalten könnte, wird hier der Vielfalt, Eitelkeit, Verderbtheit von bloßen Meinungen gegenübergestellt. Ein Irrtum ist es auch zu behaupten, daß es Sätze gebe, die philosophisch, aber nicht theologisch wahr sind. Es gibt nur eine Wahrheit, nicht mehrere; die eine ist die „veritas canonica et supernaturalis", die auch das „lumen naturale" vollendet und zur Freude ewiger Klarheit führt (72). Schriften, die aus der „veritas canonica" und der „veritas philo-
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sophica", die man zutreffender „falsitas philosophica" nennt, „zusammengewebt" sind, sind der Kirche nichts nütze (73). Daß die Wendung von der göttlichen Macht, die die Offenbarungssetzung nicht umstürzen kann, schließlich in der Praefatio zur Dist. II erscheint, ist ein Anzeichen für die Wichtigkeit, die Pupper diesem Gedanken beimißt. Er will nichts sagen, als was aus den ,,in aeternum fundata testimonia veritatis" zu schöpfen ist. So hatte er in der I. Dist. vorauszuschicken, aus welcher Quelle die „testimonia veritatis" zu schöpfen sind. Diesen Zeugnissen kann, eben weil sie in Ewigkeit gegründet sind, niemals irgendeine und sei es auch „ipsius potentia dei" widersprechen. An den vorgeführten Stellen betreibt Goch eine inner-ockhamistische Polemik gegen eine exzessive Spekulation „de potentia dei absoluta". Andererseits greift er selber einmal auf den Begriff zurück, um einem theologischen Gedanken besonderes Gewicht zu verleihen. Freilich hat seine inner-ockhamistische Polemik, verglichen mit den Angriffen auf Thomas und seine Schüler, eine ganz geringe Lautstärke, nur mit umständlicher Erläuterung ist sie hörbar zu machen. Man hat darin den Ausdruck loyaler Schulzugehörigkeit zu sehen. Dem entspricht, daß Pupper als scholastische Schulen nur die Albertisten, Thomisten, Scotisten nennt, De libertate I, 19 (74, 30f.), oder die drei entsprechenden Schulhäupter in der Epistola apologetica (288, 38). Weder Ockham noch irgendeine der geläufigen Bezeichnungen für seine Schüler, noch irgendein Schüler Ockhams werden genannt. Nur am Ende von II, 42 wird für eine praktische Frage klösterlichen Lebens der „Cancellarius", also Gerson, zitiert mit dem Traktat De simonia21. Die Ausdrücke „via antiqua" und „via moderna" fallen nie. Von den „doctores moderni" redet Pupper allerdings oft (man kann das bei Clemen nachlesen), aber das sind die scholastischen Theologen nach Petrus Lombardus, und eigentlich erst jene, die die aristotelische Philosophie in größerem Ausmaß berücksichtigt haben, also die Hochscholastiker und ihre Schüler, für welche die drei genannten berühmten Namen einstehen. Petrus Lombardus dagegen hat die Sätze der Väter getreu gesammelt (I, 19; S. 74), und die Väter stehen in einem direkteren Verhältnis zur „canonica Veritas" als die „moderni doctores", die die Philosophie in so unverantwortlicher Weise unter die Theologie gemischt haben. Sowohl bei Clemen wie bei Post ist eine gewisse Verwunderung darüber zu konstatieren, daß Pupper sich gegen die Gnaden- und Ver27 Das besagt noch nichts für die Schulzugehörigkeit. Dionysius der Kartäuser, der (mindestens in seiner Anfangszeit) Thomist war, zitiert in seinen asketisch-mystischen Schriften Gerson und d'Ailly, siehe P. Teeuwen: Dionysius de Karthuizer en de philosophisch-theologische stroomingen aan de Keulsche Universiteit. Brüssel 1938. S. 45, Anm. 1.
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dienstlehre ausgerechnet des Thomas von Aquin wendet, der darin doch höchst augustinisch und prädestinatianisch ist. Dazu muß zunächst bemerkt werden, daß Goch sowohl den Thomas des Sentenzenkommentars wie den der Summe bekämpft, zwischen welchen Werken Thomas gerade in der Lehre von Gnade, Verdienst und Prädestination eine Entwicklung durchgemacht hat, die seine erst nach dem Sentenzenkommentar erworbene Kenntnis der Argumente Augustins gegen die Semipelagianer voraussetzt 28 . Gegen die Gnaden- und Verdienstlehre des Sentenzenkommentars kann ein strikter Augustinist tatsächlich Einwände erheben. Daß Goch zwischen den beiden Werken des Thomas nicht unterscheidet, kann man ihm nicht übelnehmen; es werden heute noch ältere Ausgaben der Summe gebraucht, in denen sie aus dem Sentenzenkommentar erklärt wird. Das Entscheidende sind vielmehr die beiden prinzipiellen Einwände, die Pupper gegen die Theologie des Thomas und seiner Schule wie z. T. gegen die „moderni doctores" überhaupt zu machen hat und die beide bereits traditionell antithomistisch sind. Der eine Einwand richtet sich gegen das „praemium ex debito iustitiae". Dieses Denken in Proportionen ist für Puppers Gottesbegriff unangemessen, ganz gleich wieviel Anteil die Gnade am so zu belohnenden ,,meri t u m " hat und wie winzig der Anteil der „voluntas" dabei ist. Angesichts dieses Prinzips wârç für Goch der Fortschritt in der Gnadenlehre des Thomas nicht so wichtig, selbst wenn er ihn zur Kenntnis genommen hätte. Der zweite Einwand richtet sich gegen die Einbeziehung der (aristotelischen) Philosophie in die theologische Erkenntnislehre. Diese beiden Prinzipien seiner Theologie, die einerseits auf die Theologie des Duns Scotus, andererseits bis auf die Augustinisten des 13. Jahrhunderts zurückgehen, hat Goch sicher nicht so weit herholen müssen, sondern aus einer oder mehreren zeitlich näher liegenden Quellen geschöpft. Als einen philosophischen Irrtum lehnt Pupper es auch ab, als „forma" der Seele eine „gratia creata" zu postulieren (das Wort „habitus" kommt bei ihm nicht vor) ; das ganze Kapitel I, 22 dient dazu, die Lehre von der geschaffenen Gnade als ein Musterbeispiel für die Unhaltbarkeit einer philosophisch begründeten Theologie vorzuführen. II In Gochs Antithomismus in solchen theologischen Grundfragen ist eingebettet sein Antithomismus in der Bewertung der Gelübde und der „Consilia evangelica". Puppers Augustinismus ist hier besonders kräftig, De spiritu et litter a vor allem ist Grundlage seiner Gedanken. Dies 28
Vgl. H. Bouillard : Conversion et grâce chez S. Thomas d'Aquin. Paris 1944.
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u. a. erklärt die Begeisterung, die Gochs Entdecker um 1520 angesichts seiner Schriften empfanden — man braucht nur an die Bedeutung von De spirita et littera für die Entwicklung des jungen Luther zu denken. Bei der Diskussion über den Schriftbeweis für die Gelübde, den Berichten der Apostelgeschichte in Kap. 4 und 5 über das Leben der Urgemeinde, muß man fragen, ob sich hier nicht doch eine Beziehung zur Devotio herstellen läßt. Post hat aufs neue die wenigen Daten, die sich zu Johann Puppers Biographie zusammentragen lassen, kritisch gesichtet. Die immer wiederholten vagen Vermutungen und Behauptungen, Goch sei bei den Brüdern vom gemeinsamen Leben zur Schule gegangen und er selber sei vielleicht Mitglied der Bruderschaft gewesen, erweisen sich als nicht haltbar. Das braucht nach meiner Meinung nicht auszuschließen, daß er die Auseinandersetzungen kannte, die die Devoten um die Grundlage ihrer Existenz, eine „vita communis" ohne Gelübde nämlich, zu bestehen hatten. Die Brüder beriefen sich dabei auf das Beispiel der Urkirche nach dem Zeugnis der Apostelgeschichte, während die Bettelorden ihnen ihre Auslegung auf die Notwendigkeit von Gelübden hin vorhielten. Gabriel Biels Traktat De communi vita clericorum29 ist Beleg für die devote Berufung auf das urkirchliche Beispiel, ebenso wie die ältere Schrift des Gerhard Zerbolt von Zutphen De modo vivendi. Goch freilich geht viel weiter, als es einem Devoten je eingefallen wäre: aus der Verteidigung eines armen gemeinsamen Lebens unter Berufung auf die Urkirche wird der Nachweis, daß der biblische Text an den betreffenden Stellen von Gelübden nichts weiß, und wird der theologische Angriff auf eine höhere „perfectio", die im Leben unter den Gelübden zu erreichen sei. Post stellt einen Widerspruch zwischen Puppers „begeisterter Klosterpraxis" und seiner Theologie fest 30 . Aber aus De libertate gewinnt man nicht den Eindruck, daß Goch das Mönchswesen als solches nunmehr fragwürdig geworden sei. Er erweist sich in II, 42 als ein genauer Kenner der kirchenrechtlichen Grundlagen und der menschlichen Voraussetzungen für ein Klosterleben; ihm liegt ganz offensichtlich viel daran, daß dies Leben in rechter Ordnung und im rechten Geist geführt wird. In I, 26 sagt er, daß Pelagius und seine Anhänger ihren Irrtum nicht aus der „sinceritas monasticae institutionis" geschöpft hätten, sondern aus dem Studium der Philosophie, das sie im weltlichen Leben trieben und mit in die Klöster brachten (92). Hier fällt auch der Satz, der für Gochs Ansicht vom Klosterleben fundamental ist: „Monastica institutio, quae totaliter in charitate radicatur" (92, 41 f.); nicht sie war es, die den 29 Hg. v. W. M. Landeen. In: Research Studies oí Washington State University 28 (1960) 79—95. 30 R. R. Post., a. a. O., S. 80.
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Pelagius lehrte, daß man durch Akte des eigenen Willens ohne „Charitas" die ewigen Freuden verdienen könne 31 . Leider ist De liberiate nicht vollständig erhalten; aus der fehlenden V. Dist. „über den, der Gelübde ablegt, und über den nicht Gelobenden und über den Unterschied oder die Identität ihrer Akte" hätte man vielleicht mehr über Gochs theologische Begründung des Klosterlebens erfahren. Im Dialog heißt es, die Gelübde seien wegen der Schwachen und Umherirrenden gesetzt. Aber dies ist eine der Äußerungen, die Post veranlassen, den Dialog für in der Reformationszeit überarbeitet zu halten 32 . Übrigens sind nicht nur inhaltliche und stilistische Unterschiede zwischen dem Dialog einerseits und den andern Werken Puppers andererseits zu beobachten; mir ist inzwischen der Verdacht gekommen, daß vielleicht auch die Fragmenta nicht ohne Eingriffe überliefert sind (sie enden ohnehin mit einem Anhang, der am Schluß aus nicht als solchen bezeichneten Luthertexten besteht, deren Autor erst Clemen erkannt hat). Wenn ich in De liberiate nichts überlesen habe, so gehen die Fragmenta mit ihrer Bewertung der guten Werke als „signa", Zeichen (303), und mit ihrer Betonung des Verheißungscharakters („promissio") der Gerechtigkeit (303. 304) als Gegensatz zu ihrem verdienstlichen Verständnis über De liberiate hinaus. Wenn sie, wie man aus zeitlichen Gründen gerne annimmt (De liberiate hat als Terminus post quem 1473, Goch ist 1475 gestorben), „Vorarbeiten" zu De liberiate gewesen sein sollen, wäre es doch merkwürdig, daß Pupper diese weitergehenden theologischen Einsichten nicht in dem außerordentlich umfangreichen Hauptwerk ausführlich entwickelt hätte 33 . In seiner Auseinandersetzung mit Thomas und den Thomisten über die Gelübde im theologischen Kontext von Gesetz und Evangelium teilt Pupper mit seinen Gegnern die Bezeichnung des Evangeliums als Gesetz, „lex". Clemens Feststellung 34 , daß bei Pupper die Grenze vom Augustinischen zum Reformatorischen nicht überschritten wird, gilt auch hier. Bei dieser Gelegenheit möchte ich bemerken, daß ich die Gliederung des Summenstoffs am Ende der Prima Secundae in der deutschen Thomas-Ausgabe nicht für richtig halte. Es spricht zwar für die lobenswerten theologischen Intentionen der Herausgeber, 31 Stehen Pupper hier nicht die ersten Generationen der Wüstenväter als Ideal vor Augen ? Die Vitae Patrum und die Apophthegmen in ihrer lateinischen Tradition wurden in den Klöstern und bei den Devoten eifrig gelesen. 32 Siehe oben Anm. 11. 33 Der jetzt im Neudruck (s. o. Anm. 10) leicht zugängliche Text der Fragmenta sollte also mit Vorsicht benutzt werden. 34 O. Clemen, a. a. O., S. 251. — Bei Clemen stehen überhaupt beherzigenswerte Bemerkungen, die sich gegen die ältere Neigung richten, etwas „Reformatorisches" vor der Reformation zu entdecken (vgl. S. 185ff., 243f.) und die sich jetzt, bei gewandelter Forschungslage, auf die Arbeit am jungen Luther anwenden lassen.
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wenn sie gliedern „Alter Bund" — „Neuer Bund" und die qq. 106—108 über die „nova lex" an den Anfang des Neuen Bundes setzen, wo dann ab q. 109 von der Gnade gehandelt wird. Damit wird aber die ausdrückliche Gliederung des Thomas, dem man Unklarheit nicht zum Vorwurf machen kann, verwischt. Er trifft seine Einteilung gerade nicht in erster Linie heilsgeschichtlich, sondern betrachtet die Einflußnahme Gottes auf die menschlichen Handlungen erstens durch das Gesetz (bis q. 108 einschließlich), zweitens durch die Gnade (ab q. 109). Das Interesse an den menschlichen Akten erklärt dann eine Akzentverschiebung in q. 106 a. 1, die ihrerseits einer der Punkte von Gochs Kritik an Thomas' Lehre von der „nova lex" ist. Pupper behandelt die „nova lex" in der Gelübdefrage explizit in der IV. Dist. von De liberiate. Im 3. Kapitel beginnt eine Darlegung von drei Gründen, warum mit dem evangelischen Gesetz keine verpflichtenden Gelübde verkündet werden dürfen (was umgekehrt bedeutet, daß die Gelübde nicht aus dem evangelischen Gesetz begründet werden dürfen). Der erste Grund: „ ,lex evangelica est lex perfectae libertatis', mit vollkommener Freiheit aber ist der Zwang der Verpflichtung (.necessitas obligationis') ganz unvereinbar, und daher ziemt es sich, daß eine .obligatio' nicht erwähnt wird." Das evangelische Gesetz ist das Gesetz der vollkommenen Freiheit, „weil es das Gesetz der Herrlichkeit der Kinder Gottes ist". In der Herrlichkeit ist und wird sein höchste Freiheit. Das evangeüsche Gesetz als Gesetz der Liebe wird nämlich auch im Himmel herrschen, bis zu dem hin es die Menschen bereits geführt hat. Der Apostel sagt ja: „Die Liebe höret nimmer auf". Freiheit ist immer Freiheit nicht nur von Sünde und Elend, sondern auch von Zwang und Notwendigkeit (229). Stammt der Begriff der „lex libertatis" auch aus Jakobus, so wird sein Inhalt doch aus Paulus erläutert. Den paulinischen Worten ist folgendes zu entnehmen : der Apostel zeigt die Freiheit der „religio Christiana" einmal aus der Freiheit ihres Ursprungs. „Der Ursprung der evangelischen Freiheit ist die Anordnung des göttlichen Willens, durch den Gott wollte, daß das evangelische Gesetz frei sei und in allen Dingen der Freiheit der göttlichen Liebe gleichförmig". „Zum andern zeigt der Apostel die Freiheit der christlichen Religion aus der Wirkung der göttlichen Berufung und Erwählung. Gott erwählte nämlich alle Christusgläubigen, daß sie ihm durch die Freiheit der Liebe dienen" (231). Diese geistliche, evangelische Freiheit besteht darin, daß die' „voluntas deliberativa", der „erwägende Wille", durch die Freiheit der göttlichen Liebe in geistlichen Genüssen („delectationes spirituales") fortschreitet, „so daß ihm viel mehr das Gute der Tugend gefällt, welches Gott befiehlt, als das Laster des Fleisches, das dem Geist widersteht" (232). Die „voluntas deliberativa" ist der zweite Grund (IV, 4), warum in der Grundlegung des evangelischen Gesetzes nichts vom Gelübde
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stehen darf. „Die ,lex evangelica' ist die ,lex cordis', d. h. des erwägenden Willens, wie die ,lex mosaica' das Gesetz der Werke oder Taten, d. h. der .voluntas servitiva' war." Es besteht Übereinstimmung, daß die „deliberativa voluntas" durch keine Notwendigkeit gebunden werden kann; Notwendigkeit kann ihr auch keine neue Freiheit hinzufügen (232). Der erwägende Wille hat sein Gesetz aber nicht aus eigener „deliberatio", vielmehr ist er getreu nach Puppers Grundsätzen ein „donumdei". Das Gesetz wird in unsere Herzen „eingeschrieben": „Wenn also der Heilige Geist unseren Herzen das Gesetz der Liebe einschreibt, erneuert er den inneren Menschen, und er schreibt die Gerechtigkeit ein, nachdem er die Schuld gelöscht hat. Nachdem die Schuld zerstört ist, der der Mensch wie ein Sklave verfallen war, wird er zur Freiheit der Kinder Gottes zurückgeführt, denn das Gesetz der Liebe, das in seinem Herzen eingeschrieben steht, ist das Gesetz der Freiheit, mit dem die Verpflichtung der Notwendigkeit keineswegs zusammen bestehen kann. Wer also unter dem evangelischen Gesetz Werke der Gerechtigkeit aus Furcht vor Strafe tut und nicht aus Liebe zur Gerechtigkeit, tut keine Werke der Gerechtigkeit Gottes. Denn was nicht die Liebe tut, kann kein Werk der Gerechtigkeit Gottes sein" (234). Die „efficacia" des ins Herz geschriebenen Gesetzes ist, daß sie den Schöpfer und das Geschöpf durch das Band der Liebe verbindet. Das schafft eine „unitas" zwischen beiden, aber eine Einheit aus Liebe und nicht aus Natur, Gott und wir sind j a nicht gleich (235). Ehe er zum dritten Grund kommt, widmet Pupper ein Kapitel (IV, 5) einer speziellen Polemik : Manche Leute verstünden nicht richtig, auf welche Weise Gott das Gesetz der Liebe in das Herz der Menschen geschrieben habe ; sie sagen nämlich, es sei nicht nur in das Herz geschrieben, sondern auch schriftlich in den Büchern der Evangelien enthalten, wie das mosaische Gesetz in den Büchern der Patriarchen und Propheten enthalten sei. Das muß Pupper ablehnen wegen der Konsequenz, die daraus für das Verständnis des evangelischen Gesetzes gezogen wird. Das evangelische Gesetz wäre dann nicht nur das Gesetz des Herzens, sondern auch das Gesetz des Werkes, „d. h., daß es nicht nur das Gesetz des erwägenden Willens wäre, der durch keinen Zwang verpflichtet werden kann, sondern daß es auch das Gesetz des unterwürfigen Willens wäre, der gezwungen und verpflichtet werden kann". Für diese Auffassung führen ihre Vertreter eine Reihe von Schriftstellen an (236). Was hier bekämpft wird, sind, ohne daß Pupper es sagt 35 , die Unterscheidung zwischen dem Evangelium als ungeschriebenem und geschriebenem Gesetz, wie Thomas sie S. Th. I — I I q. 106 a. 1 trifft, und vor allem die Folgerungen, die sich daraus in den weiteren 3 5 Clemen (vgl. a. a. O., S. 123f.) hat das anscheinend nicht bemerkt und dadurch übersehen, mit welcher Treffsicherheit Pupper die Gewichtsverlagerung in den Quaestiones über die nova lex schon in ihrem Ansatz erkennt.
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Artikeln und Quästionen über das neue Gesetz ergeben. In der Responsio von q. 106 a. 1 heißt es bei Thomas: „Und daher ist ,princifaliter' das neue Gesetz die Gnade des Heiligen Geistes, die den Christusgläubigen gegeben wird. Und das erscheint ganz deutlich durch den Apostel, der Rom 3, 27 sagt: ,Wo ist also dein Rühmen? Es ist ausgeschlossen. Durch welches Gesetz? Das der Taten? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens'; er nennt nämlich die Gnade des Glaubens .Gesetz'. Und ausdrücklicher sagt er Rom 8, 2: ,Das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat micht befreit vom Gesetz der Sünde und des Todes'. Daher sagt auch Augustin im Buch De spiritu et littera : , Wie das Gesetz der Werke auf steinernen Tafeln aufgeschrieben wurde, so ist das Gesetz des Glaubens ins Herz der Gläubigen geschrieben'. Und woanders sagt er im selben Buch: .Welches sind die Gesetze Gottes von Gott selbst in die Herzen geschrieben, wenn nicht die Gegenwart selbst des Heiligen Geistes ?' Dennoch enthält das neue Gesetz einige (Dinge), welche .dispositiva' sind auf die Gnade des Heiligen Geistes und zum Gebrauch dieser Gnade gehören, (Dinge,) die sozusagen secundaria' im neuen Gesetz sind, in denen man die Christusgläubigen in Wort und Schrift unterweisen soll, sowohl hinsichtlich des zu Glaubenden wie hinsichtlich des zu Tuenden. Und daher ist zu sagen, daß ,principaliter' das neue Gesetz eine .lex indita' ist, .secundario' aber ein geschriebenes Gesetz." Dem Doppelcharakter des neuen Gesetzes als eines eingegebenen und als eines geschriebenen entspricht auch die Antwort auf die Frage des 2. Artikels von q. 106 „Ob das neue Gesetz rechtfertigt". Sofern es „principaliter ipsa gratia Spiritus Sancti interius data" ist, rechtfertigt es. Dazu zitiert Thomas wieder Augustin De spiritu et littera. In seiner zweiten Bedeutung, sofern es nämlich „documenta fidei et praecepta ordinantia affectum humanum et humanos actus" sind, die die „lex nova scripta" darbietet, rechtfertigt das neue Gesetz nicht. Gerade diese zweite Hinsicht wird aber in der 3. Quästion über die „nova lex" (q. 108) verfolgt, wie man an den Überschriften der vier Artikel dieser Quästion sehen kann: 1. „Ob das neue Gesetz einige äußere Akte gebieten oder verhindern soll"; 2. „Ob das neue Gesetz auf genügende Weise die äußeren Akte ordiniert"; 3. „Ob das neue Gesetz den Menschen hinsichtlich der inneren Akte genügend ordiniert" ; 4. „Ob im neuen Gesetz auf passende Weise bestimmte .Consilia' vorgelegt sind". Auf diese letzte Frage antwortet der Ordensmann Thomas natürlich mit Ja. Dem neuen Gesetz als dem Gesetz der Freiheit sind zu den Geboten noch die „Consilia" hinzugefügt; das alte Gesetz als Gesetz der Knechtschaft enthielt sie nicht. Mit den „Consilia" kommt man besser und schneller zum „finis" der „beatitudo". „Die Güter nämlich dieser Welt, die zum Gebrauch des menschlichen Lebens gehören, bestehen in drei Dingen : in den Reichtümern äußerer Güter,
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die zur Begehrlichkeit der Augen gehören; in den Genüssen des Fleisches, die zur Begehrlichkeit des Fleisches gehören; und in den Ehrungen, die zur .superbia' des Lebens gehören, wie aus 1 J o 2, 16 hervorgeht. Diese drei aber, soweit wie möglich, gänzlich zu verlassen, gehört zu den .Consilia evangelica'. In diesen drei ist auch jede .religio' ( = Ordensleben) begründet, die den Stand der Vollkommenheit gelobt ; denn den Reichtümern sagt man ab durch Armut, den Genüssen des Fleisches durch ewige Keuschheit, dem Hochmut des Lebens durch den Gehorsam der Knechtschaft." Wie stellt Goch seinerseits die Beziehung zwischen evangelischem Gesetz und dem geschriebenen Evangelium her? Die „lex evangelica" kann auf zweifache Weise betrachtet werden. Einmal nach der bisher von Pupper immer gegebenen Bestimmung: als „Charitas dei diffusa in cordibus nostris per spiritum sanctum". „Wie Gott unbegreiflich ist, so ist er auch ,incircumscriptibilis' ; daher ist das in dieser Weise verstandene evangelische Gesetz nicht in den Büchern der Evangelisten geschrieben und ,scriptibilis', wie das mosaische Gesetz in den Büchern der Patriarchen und Propheten geschrieben ist, sondern es ist nur von Gott durch den Heiligen Geist in den Herzen der Menschen geschrieben, denn Gott kann nur von seinem Bild erfaßt werden." Die andere Weise, vom evangelischen Gesetz zu reden, bezieht sich auf die „opera charitatis", die von den Evangelisten in den Evangelien aufgeschrieben sind und aus denen man lernt, wie man als Christ gegenüber sich selbst, Gott und den Nächsten zu leben hat (236). Das so verstandene evangelische Gesetz ist „scriptibilis et scripta ab evangelistis, sicut lex mosaica a patriarchis et prophetis". Wenn man aber die „lex evangelica" nur nach diesem zweiten Verständnis berücksichtigt, „ohne Rücksicht auf das Gesetz der Liebe, das im Herzen der Menschen geschrieben ist, dann ist es ein Gesetz der Täter wie das mosaische Gesetz, ich meine ein Gesetz, das den Übertreter tötet, aber nicht den Liebenden lebendig macht ; als Buchstabe tötend, und nicht als Geist lebendig machend". Pupper bemüht sich also, modern ausgedrückt, das Gesetz um jeden Preis von Gesetzlichkeit frei zu halten. Das evangelische Gesetz als Gesetz der Freiheit ist ungesetzliches Gesetz, das mosaische ist dagegen gesetzliches Gesetz. Die Anwendung auf das Gelübdeproblem ist, daß man das evangelische Gesetz zu einem gesetzlichen Gesetz macht, wenn das Gelübde ein Bestandteil des evangelischen Gesetzes sein soll. J a , Pupper kann sagen, daß das in den Evangelien geschriebene Gesetz nicht das „wahre evangelische Gesetz" ist, sofern man es nicht zurückführt auf jenes Gesetz, das von Gott in die Herzen der Gläubigen geschrieben ist. „Die Apostel konnten den Gläubigen das Leben und die Lehre Christi im toten Buchstaben überliefern, aber nicht im lebendig machenden Geist. Gott allein, der selbst die Wahrheit und das Leben
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ist, die im toten Buchstaben überliefert sind, kann sich in die Herzen der Gläubigen einschreiben und eingießen und sie zur Liebe der Gerechtigkeit lebendig machen, was niemandem sonst möglich ist" (237). IV, 6 bringt endlich den dritten Grund für den Ausschluß des verpflichtenden Gelübdes aus dem evangelischen Gesetz: die „finalis intentio divinae voluntatis . . . circa evangelicae legis institutionem". Die „finalis intentio" ist, wie aus den Worten Christi, der das Gesetz begründet, deutlich ist, die Befreiung des Menschen aus aller Knechtschaft und der drückenden Notwendigkeit des Gesetzes. Beweis dafür ist das Liebesgebot von Mt 21 (238). „Denn allein die Liebe ist es, die den Willen des Menschen von aller Sklaverei und Zwang befreit und zur wahren Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes führt" (239). Das ist Gottes Wille, ausgedrückt in der Heiligen Schrift, daran haben sich alle zu halten. Im folgenden nimmt Pupper auf, was er am Anfang seines ganzen Werkes über den wörtlichen Schriftsinn gesagt hat und was durch seine Darlegungen über „spiritus vivificans" und „littera occidens" keineswegs überflüssig gemacht worden ist: „Fast alle Irrtümer haben ihren Anfang daraus genommen, daß irgendwelche Leute nicht richtig darauf achteten, welches der Wille und die Absicht Gottes ist, die durch Worte bezeichnet wird, die im Buchstaben der Schrift enthalten sind; die Schrift, die ihnen (sc. diesen Leuten) widersprach, versuchten sie gegen die Absicht Gottes auf einen geistlichen Sinn hin zu verdrehen" (240). In den restlichen uns erhaltenen Kapiteln setzt Pupper sich mit der Meinung auseinander, der Unterschied zwischen altem und neuem Gesetz sei der, daß das neue Gesetz der Freiheit zu den Geboten, die im alten Gesetz enthalten sind, noch die „Consilia" füge. Diese Meinung wird u. a. von Thomas und den Thomisten vertreten. In IV, 9 referiert Pupper über die q. 108 der Prima Secundae, um in IV, 10 so zu argumentieren : Wenn das neue Gesetz als Gesetz der Freiheit den Geboten „Consilia" hinzufügt, dann heißt das, daß das evangelische Gesetz in den Geboten vollkommen ist, in den „Consilia" aber höchst vollkommen. Pupper ist sich bewußt, daß sein Widerspruch gegen diese Bewertung der „Consilia" ein Novum ist; er weiß, wie schwer es ist, von einer einmal herrschenden Meinung abzugehen, auch wenn sie falsch ist. Thomas setzt „eine doppelte Vollkommenheit des evangelischen Gesetzes: eine, die in den Geboten besteht, das ist die allen Christen gemeinsame; eine andere, die in den ,Consilia' besteht, die gehört den Prälaten und Klosterleuten". Diese Meinung wird von fast allen Scholastikern, besonders denen aus den Bettelorden vertreten, dennoch hat sie kein Fundament in der „canonica Veritas", ja sie ist irrig und falsch36. Die „Consilia" gehören zum evangelischen Gesetz 36
Clemen (a. a. O., S. 208) sieht hierin richtig den Bestandteil von Gochs Theologie, der der reformatorischen am nächsten kommt.
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wie die „praecepta", und daher sind sie zur höchsten Vollkommenheit des evangelischen Gesetzes für alle gleich nötig. „Wir sagen also, daß die evangelischen .praecepta' und .Consilia' ein evangelisches Gesetz sind und von unserm Herrn und Heiland zugleich eingesetzt." Man hat zu bedenken, daß zu jedem vollkommenen Gesetz zwei Dinge nötig sind: Gesetz und Ausführungsbestimmungen, „ipsa lex" und „modus legem observandi". Und dieser Modus sind die „Consilia evangelica" (247). Wozu ist es also nötig, so viele Distinctionen zwischen verschiedenen Arten von Vollkommenheit zu machen, wie zwischen „perfectio praeceptorum" und „perfectio consiliorum", oder zwischen „perfectio necessitatis" und „perfectio supererogationis", oder zwischen „perfectio sufficientiae" und „perfectio excellentiae" und „perfectio sanctitatis consummatae" ? Solche Unterscheidungen sind „praesumptiones" gegenüber dem Gesetzgeber, der doch alles gerade in einem Gesetz zusammenfassen wollte (249).
THORA, L E X UND SACRAMENTUM V o n JOHANN MAIER
Vorbemerkung Die überragende Bedeutung des Gesetzes für das Judentum wird schon durch die unübersehbare Fülle der literarischen Zeugnisse und durch die Vielfalt der darin enthaltenen Ansichten angezeigt. Anders steht es, wenn man nach der Bedeutung des „sacramentum" fragt1. Bekanntlich kennt das Judentum keine Sakramente im christlichtheologischen Sinn und die lange Konfrontation mit dem Christentum, vor allem die mittelalterlichen Beschuldigungen wegen anti-sakramentaler Riten (wie Blutbeschuldigung und Behauptung von Hostienschändungen) haben im jüdischen Bereich einen nachhaltigen Horror vor dem Begriff „Sakrament" bewirkt. Nun ging aber dem späteren christlichen Sakramentsbegriff eine Zeit voraus, in welcher man das sakramentale Geschehen noch nicht auf eine bestimmte Zahl von Sakramenten und Sakramentalien beschränkte und es noch viel stärker in der Bezogenheit der christlichen Existenz auf das Erlösungsgeschehen überhaupt sah. Befragt man die jüdischen Zeugnisse nach einer vergleichbaren sakramentalen Funktion, so erweist sich, daß dergleichen durchaus vorhanden ist und daß ein Vergleich des Sachverhalts und seiner Geschichte in den beiden Religionen interessante Hinweise zu vermitteln vermag. Zunächst gilt es jedoch, dem „Sakramentalen" im Judentum nachzuspüren. Bekanntlich wird — und zwar bis zu einer gewissen Grenze berechtigterweise — von jüdischen Antezedenzien der christlichen Sakramente gesprochen2. Bei näherem Zusehen ergibt sich freilich, daß solche sakramentalen Züge auch für viele andere Gebotserfüllungen festzustellen sind, so daß der Blick von den Einzelgeboten auf die Funktion der Thora als Gesamtheit hingelenkt wird. In der Tat ist es die Thora als Ganzes, von der her die einzelnen Gebotserfüllungen sakramentalen Charakter erhalten, 1 Die Fragestellung ist im folgenden religionsgeschichtlich und religionsphänomenologisch, richtet sich in erster Linie auf sakramentale Funktionen und auf sakramentales Geschehen. In dem Werk von G. v. d. Leeuw: Sakramentales Denken. Kassel 1959, ist infolge einer engen Anlehnung an den spezifisch christlichen Sakramentsbegriff der Sachverhalt im jüdischen Bereich nur kurz erörtert. Günstiger ist es, von sakramentaler Funktion überall dort zu sprechen, wo eine sinnenfällig repräsentierte Heilsvermittlung und Heilsaneignung behauptet wird. 2 Siehe z. B . F. Gavin: The Jewish Antecedents of the Sacraments. London 1928.
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ohne sich zu selbständigen Sakramenten ausprägen zu können, solange die Thora als Ganzheit gewahrt bleibt. Ein bekanntes Beispiel mag dies verdeutlichen. Die Beschneidung diente in der alten Kirche als Typos und Antitypos für die christliche Taufe 3 , und noch im Mittelalter wurde ihr christlicherseits eine gewisse sakramentale Wirkung zugeschrieben4. Die sakramentalen Züge treten im Fall der Proselytenbeschneidung, wenn also der Bezug zum erwählten Volk erst hergestellt werden soll, noch stärker hervor. Im Normalfall der jüdischen Beschneidung gewinnt auch dieser Ritus seinen sakramentalen Charakter, aber nur als Erfüllung eines Gebots der einen Thora, er fällt nur stärker ins Auge, weil die Beschneidung als Zeichen des Bundes gilt. Doch nicht die Beschneidung der Individuen konstituiert den Bund, die Thora als Bundesverpflichtung konstituierte der Tradition nach die Stämme Israels zum Gottesvolk, zur Bundesgemeinschaft in dem doppelten Sinne einer geschichtlichen Einheit in sich und eines durch die Gabe zur Aufgabe des Gehorsams erwählten Gottesvolkes. Der Vollzug der Beschneidung ist nur ein Detail aus dem Erwählungsauftrag, dessen Erfüllung jene doppelte „unio" wirkt. Auch begriffsgeschichtliche Betrachtungen weisen auf denselben Sachverhalt. Selbstverständlich ist Tertullians Sakramentsbegriff nicht einmal für die Ostkirche, geschweige denn für das Judentum relevant. Aber es sei doch darauf hingewiesen, daß die Bundesverpflichtung durchaus mit einer feierlichen Selbstverpflichtung (ergänzt durch Selbstverfluchung für den Fall des Ungehorsams) verbunden war, wie Dt 27—28 zeigt, und daß nach dem genealogisch bestimmten Selbstverständnis sich auch alle Späteren durch eine solche Selbstverpflichtung in der Vergangenheit gebunden wußten. Gegebenenfalls wurde der Bund auch erneuert, d. h. in feierlicher Weise aktualisiert. Bedeutsamer sind jedoch die hebräischen Entsprechungen für das altkirchliche „mystërion", die Begriffe ,,sôd" und ,,räz". ,,Räz" ist in der Regel — ursprünglich ein persisches Lehnwort, aber schon früh im Hebräischen heimisch geworden —• Bezeichnung für heilsgeschichtliche Geheimnisse; der Inhalt betrifft also den göttlichen Geschichtsplan und begegnet daher oft in apokalyptischen Zusammenhängen. Auch „mystërion" war in frühkirchlicher Zeit vorwiegend auf das Erlösungswerk Christi, also heilsgeschichtlich bezogen. „Söd" hingegen ist doppelsinnig, bezeichnet die Ratsversammlung, den intimen Kreis, aber auch das dort Besprochene, den Ratschluß, das Geheimnis. Zusammen mit dem Symbol des „Siegels" war der Begriff in der Rede von der Beschneidung üblich und hat so auf die altkirchliche Tauf3 M. Verheijen: ΜΥΣΤΗΡΙΟΝ, Sacramentan et la Synagogue. In: Recherches de Science Religieuse 45 (1957) 321—337. 4 S. Thomae de Aquino Summa theologiae. Ed. Comissio Piana. Ottawa 1953. I—II q. 102 a. 5 ad 1, ad 3 u. ö. S. 1295a ff.
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terminologie eingewirkt 5 . Dazu sei noch erwähnt, daß in den Texten vom Toten Meer gelegentlich „söd" und ,,j e sôd" (Fundament, zugleich Metapher für „Gemeinde") wechseln, was aller Wahrscheinlichkeit nach nicht auf Schreibfehlern beruht 6 . Inhaltlich umfaßt „söd" auch kosmologische und angelologische Sachverhalte, wobei sich eine strenge Scheidung von „räz" aber nicht durchführen läßt. In der rabbinischen Literatur münden schließlich alle Geheimnisse im Geheimnis der Thora, Inbegriff aller Weisheit und aller Geheimnisse. So umfaßt auch hier die Thora wieder die Einzelgeheimnisse, und ihr als Ganzheit sind Heilsgeschichte wie Kosmos als Ganzheiten zugeordnet — aber auch das Volk Israel. Das sakramentale Geschehen ist im Judentum an dieses Ganzheitsgefüge gebunden. Im folgenden soll dies in einem geschichtlichen Uberblick skizziert werden, zunächst die Eigenart der traditionellen Auffassung, wie sie auch für die Mehrheit der Juden im Mittelalter maßgebend war. Und da diese Tradition im Ganzen der jüdischen Religionsgeschichte einen konstanten Faktor darstellt, sollen an ihr die Akzentverschiebungen und Abwandlungen bemessen werden, die sich in der jüdischen Religionsphilosophie des Mittelalters und in der jüdischen Mystik, der Kabbalah, ergeben haben. Die T r a d i t i o n Schon in biblischer Zeit galten „ius" und ,,fas" gleicherweise als Gottesrecht, und bis ins Mittelalter gab es kaum 7 unterschiedliche Wertungen bezüglich strafrechtlicher, zivilrechtlicher, politisch-sozialer, ethischer oder ritueller Gebote und Verbote. Sie alle umfaßt die eine Thora, von der man glaubte, daß sie dem Volk insgesamt einst am Sinai von Gott als Bundesverpflichtung, als Erwählungsauftrag auferlegt worden sei. Auch die interpretierende, novellierende und ergänzende Tradition wurde auf die Sinaioffenbarung zurückgeführt und bildete mit der schriftlichen Thora zusammen die eine Thora. Diese vielgeschmähte und (vielfach „bona fide") verzeichnete „Vergesetzlichung" der jüdischen Religion ist zum guten Teil Folge politischer Ereignisse. Im Rückblick auf den Untergang der Königreiche Israel und Juda, auf die Zerstörung des Tempels (587 v.) und unter den Bedingungen des babylonischen Exils verstand man das erlittene Unheil als Erfüllung der prophetischen Drohungen, war bereit, eine Umkehr zu vollziehen, die prophetische Forderung nach unbedingter Erfüllung des Gotteswillens ernst zu nehmen. Von dieser Umkehr Siehe M. Verheijen, a. a. O. (Anm. 3), bes. S. 324—328. J. Maier: Die Texte vom Toten Meer. München-Basel 1960. Bd. 1. S. 93. 7 Der Gesetzesbegriff im hellenistischen Judentum blieb ohne Auswirkungen auf die spätere Zeit und kann hier ausgeklammert werden. 5 6
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versprach man sich eine Wende im Geschick des Volkes. Als Wille Gottes galt nun alle gesetzliche Überlieferung. Die Problematik, die daraus in den folgenden Jahrhunderten erwuchs, braucht hier nicht behandelt zu werden. Bedeutsam ist für das vorliegende Thema jedoch, daß von da an die Erfüllung des Gesetzes als heilsgeschichtlich wirksamer Faktor ersten Ranges galt, daß von der richtigen Gesetzesinterpretation und von der rechten Gesetzespraxis der Lauf der Geschichte abhängig gemacht wurde. Und nicht nur der Lauf der Geschichte des Volkes. Zur selben Zeit hatte sich die Erwartung einer endgültigen und universalen, einer eschatologischen Wende verbreitet, und damit wurde der Vollzug der Thora Mittel der messianischen Verwirklichung, Movens einer zielgerichteten Weltgeschichte. Verständlich, daß das Judentum, um seinem Erwählungsauftrag gerecht zu werden, alle Bereiche des Lebens bis ins Detail von der Thora her zu bestimmen suchte. Nur darf die Vielfalt der kasuistischen Verästelung den Betrachter nicht dazu verleiten, die Ganzheit der Thora als heilsgeschichtliches Instrument, das dem erwählten Volk insgesamt zugeordnet ist, aus dem Auge zu verlieren 8 . Wie die einzelnen Gebotserfüllungen ihre Bedeutung erst in Bezug auf die Funktion der Thora als Einheit erhalten, so findet auch das Individuum als Glied des erwählten Volkes sein Heil in der Erfüllung des dem Volk als Gesamtheit auferlegten Erwählungsaufträges. Aussagen über Verdienst oder Versagen des Einzelnen sind stets in Relation zu diesem Ganzheitsverhältnis zu werten und haben diesem gegenüber sekundäre Bedeutung 9 . Unter solchen Umständen konnten sich Einzelriten auch kaum zu Handlungen mit einer besonderen sakramentalen Funktion und von einer besonderen individual-soteriologischen Relevanz verselbständigen. Erst durch Herausbrechen aus dem Gefüge der aufeinander bezogenen Ganzheiten : Thora—Volk—Heilsgeschichte und durch eine neue Motivierung konnten aus den jüdischen Antezedenzien die christlichen Sakramente entstehen. Im Judentum blieben die sakramentalen Züge von Einzelhandlungen in der Gesamtfunktion der Thora (genauer: des Thora-Vollzugs) begründet. 8 Charakteristischerweise war in talmudischer Zeit, als das Prinzip der Heteronomie noch unangefochten war, das Interesse an den ta' a mê ham-miswôt, den Begründungen der Einzelgebote, begrenzt. S. darüber J . Heinemann: Ta' a mê ham-miswôt b e sifrût Jisrä'el. 5. Aufl. Jerusalem 1966. Bd. 1. S. 22—35. 9 Die hellenistisch geprägte Seelenvorstellung brachte natürlich eine individualistische Note mit sich, doch wurde sie von christlichen und liberal-jüdischen Autoren oft überbetont. Solange an der leiblichen Auferstehung als Teil der allgemeinen Eschatologie festgehalten wurde, beschränkte sich das Interesse am Schicksal der Einzelseele auf den Zwischenzustand nach dem Tode. Bedeutsamer, vor allem als Basis für die mittelalterliche religionsphilosophische Auffassung von der Zweckbestimmung des Menschen, war die immer höhere Bewertung der Teilhabe an der „kommenden Welt" fôlâm hab-bä') gegenüber der Teilhabe an der messianischen Heilszeit.
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Ebenfalls schon in biblischer Zeit gewann die Thora kosmische Relevanz, und zwar auf zwei Wegen. Einmal durch den Einfluß der altorientalischen Weisheitslehre10. Hier entsprach der Vorstellung einer fernen, kaum in die irdischen Ereignisse eingreifenden Gottheit die Annahme einer immanenten Weltordnung, die der Weise durchschaut und nach der er sein Leben einrichtet, was wieder zur Annahme einer immanenten Vergeltung nötigte. Im israelitisch-jüdischen Bereich war diese Weisheit in zunehmendem Maß mit der eigenen gesetzlichen Tradition, mit der Thora, identifiziert worden. Damit erhielt die Thora die Bedeutung des Weltgesetzes, und die Spekulationen über die nahezu „hypostasierte" 11 Weisheit (Spr 9)12 wurden auf sie übertragen. So galt die Thora schließlich nicht nur als Schöpfungsordnung, sondern auch als Schöpfungsplan Gottes 13 , als Werkzeug Gottes bei der Schöpfung 14 , und insofern konnte sie als „präexistent" 1 5 betrachtet werden. Einflüsse der hellenistischen Popularphilosophie haben — ohne freilich als solche erkannt worden zu sein — derartige Gedankengänge noch stärker zur Geltung gebracht 16 . Religionsgeschichtlich noch folgenreicher war der zweite Weg, nämlich über die kultische Überlieferung, über die Kultideologie. Im kultischen Weltbild entsprechen sich rituelle und kosmische Ordnung nicht nur, sie stehen sogar in einem kausalen Verhältnis zueinander, und die ritualgerechte Beobachtung der Kultordnung garantiert Bestand und Funktionieren der kosmischen Ordnung 17 . Da nun das Ritualgesetz integraler Teil der Thora war, galt auch seine Funktion als eine der gesamten Thora. Nicht nur die Heilsgeschichte wird durch die Erfüllung der Thora ihrem Ziel 10
Zur Übersicht s. G. Fohrer: Einleitung in das Alte Testament. Heidelberg 1965. S. 331 ff. 11 Begriffe wie „Hypostasierung" und „praeexistent" sind in diesen Zusammenhängen allerdings nur mit Vorbehalt zu verwenden. 12 Zur Diskussion darüber s. R. Marcus: On Biblical Hypostasis of Wisdom. In: Hebrew Union College Annual 23 (1950/1) 157—171; A. Gelin: L'Attente de Dieu dans l'Ancien Testament. In: Lumière et Vie 9 (1953) 9—22; R. Stecher: Die persönliche Weisheit in den Proverbien Kap. 8. In : Zeitschrift für Theologie und Kirche 75 (1953) 411—451; G. Pfeiffer: Ursprung und Wesen der Hypostasenvorstellung im Judentum. Stuttgart 1967. 13 Genesis rabba I, 2. 5 u. ö. 14 mAbot III, 14. 1δ S. o. Anm. 11. 16 Vgl. zuletzt L. Wächter: Der Einfluß platonischen Denkens auf rabbinische Schöpfungsspekulationen. In : Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 14 (1962) 36—56. Doch trifft die Annahme einer Vermittlung durch Philo schwerlich zu, und der platonische Einfluß wird zu hoch veranschlagt, da die weitgehende Affinität der durch Weisheitslehre und Kultüberlieferung geprägten jüdischen Tradition zum hellenistischen Weltbild zu wenig in Rechnung gestellt wurde. Umfassender und differenzierter informiert H.-F. Weiss: Untersuchungen zur Kosmologie des hellenistischen und palästinensischen Judentums. Berlin 1966. 17 R. Patai: Man and Temple in Ancient Jewish Myth and Ritual. London 1947.
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entgegengeführt, die ganze Schöpfungsordnung wird durch sie intakt gehalten, Heilsgeschichte und Schöpfungsgeschichte fallen fast völlig in eins, und Israel erfüllt eine welterhaltende und geschichtswirkende Funktion. Wie konkret der gehorsame Vollzug der Thora als Aktualisierung der in der Thora liegenden kosmogonen und schöpfungserhaltenden Potenzen verstanden wurde, wird auch aus dem Bezug zwischen Thora und hebräischer Sprache deutlich. Die Thora ist in den Buchstaben der Sprache geschrieben, durch die Gott die Welt erschaffen hat 1 8 . Der Einfluß dieser jeden Buchstaben der Thora berücksichtigenden Symbolik (mit oft magisch-theurgischen Zügen) war schon in talmudischer Zeit sehr stark 19 , fand im Buche Jezira eine systematische Zusammenfassung20 und hat das jüdische Denken im Mittelalter in hohem Maße geprägt21. Aus der kultischen Überlieferung stammen auch Praxis und Sinngebung der Heiligung. Bei aller Ethisierung und Spiritualisierung blieb darin eine konkrete rituell-kultische und eine mythologische Komponente erhalten. Die alten Kultgesetze mußten auf Grund der Hoffnung auf eine zukünftige Kultrestauration ja auch nach dem Jahre 70 n. weitertradiert und diskutiert werden, und mit ihnen erhielt sich vieles aus der Kultideologie, wenn auch zumeist in interpretierter Form. Wie einst der Tempelkult in einen mythischen Zusammenhang, in eine mythische Identität mit dem himmlischen Kult gestellt worden war, so später auch der synagogale Gottesdienst. Die alte synagogale Liturgie ist durch Verfechter dieses Traditionsstromes, in erster Linie Esoteriker, in einem beträchtlichen Ausmaß umgeprägt worden. Israels Gottesdienst wurde mit der Liturgie der Engel vor Gottes Thron verknüpft 22 . Noch blieb aber im damaligen Judentum der Primat des irdischen Geschehens dank des vorwiegend heilsgeschichtlichen Interesses gewahrt: Die Engel im Himmel intonieren z. B. das „Höre Israel" erst, nachdem es in den Synagogen auf Erden angestimmt worden ist. Wieder bewirkte die Konzeption der einheitlichen Vgl. schon Jub. 12, 25—27. Vgl. bBer 5 5 a ; bMen 29b; bSanh 65b. 67b; Abot dR. Natan 39; Midrasch Ps. (Ed. S. Buber. Wilna 1891.) 170; jChag II, 1 u. ö. Für den esoterischen Bereich, aus dem eine Fülle von Belegen erhalten ist, s. G. Scholem: Jewish Gnosticism, Merkabah Mysticism and Talmudic Tradition. New York 1960. S. 78 f. 2 0 S. dazu G. Scholem: Jezira. In: Encyclopaedia Judaica Bd. 1. Berlin 1928. S. 104—111; ders. : Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen. Zürich 1958. S. 81 ff. ; ders. : Ursprung und Anfänge der Kabbalah. Berlin 1962. S. 20—29; G. Vajda: Introduction à la pensée juive du Moyen Âge. Paris 1947. S. 9—17. 2 1 E . Bertola: Sefer Yezira nella storia de pensiero. In: Revista di storia della filosofia 8 (1953) 585—596; G. Scholem: Ursprung . . . (s. vor. Anm.) S. 40 und passim (s. Register). 22 Von ähnlichen, frühjüdischen Voraussetzungen her hat auch das Christentum dieses Motiv aufgenommen und verwertet; die Keduscha-Hymnen in den HekalotTexten und die altkirchlichen Präfationen gleichen sich daher weithin. 18
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Thora, daß derartige himmlisch-irdische Zusammenhänge nicht auf den liturgischen Bereich beschränkt blieben, sondern auf die gesamten Bereiche der Gesetzesfrömmigkeit ausgeweitet wurden. Neben der heilsgeschichtlichen Zielsetzung der Gesetzeserfüllung und der schöpfungserhaltenden, kosmischen Funktion hat gerade diese dynamische Verbindung mit dem himmlischen Geschehen die spätere Spekulation entscheidend angeregt. Infolge dieser beschriebenen universalen Bedeutung der Thora mußte man in ihr die Erkenntnisquelle schlechthin, den Inbegriff aller Mysterien sehen, und die meditativ-spekulative Betrachtung des Gesetzes erhielt neben der konkreten religiösen Praxis einen gewissen Eigenwert. Bei alldem bleibt die heilsgeschichtliche Zielsetzung das Primäre. Der Vollzug der Thora ist trotz aller kosmologischen und metaphysischen Bezüge doch ein Geschehen vor allem in dieser Welt und für diese Welt, entbindet den Menschen nicht von der Welt und ihrer Geschichte. Die Zielsetzung besteht in der Wiederherstellung der Harmonie zwischen Schöpfer und Geschöpf, die durch den menschlichen Ungehorsam zerstört worden ist, in der Erfüllung des dem Volk als Ganzem auferlegten.[kollektiv-)messianischen Auftrags. Es gibt daher keinen Akt der Gesetzesfrömmigkeit, der für sich die Bedeutung eines „pharmakon athanasias" im hellenistisch-altkirchlichen Sinne haben konnte. Wohl aber wird die Thora (als Einheit) als „törat hajjîm", als „Gesetz des Lebens" 23 oder metaphorisch als „lebendiges Wasser" usw. bezeichnet, im Sinne eines dem Willen des Schöpfers gemäßen und insofern erfüllten Lebens. Gewiß richtete sich der Blick oft auch darüber hinaus, und insbesondere in mystischen Kreisen sprach man von einem „ewigen Leben" des einzelnen. Doch gilt auch in diesen Fällen, daß die Thora das Erkenntnis- und das Heilsmittel bleibt und daß der Gesamtbezug auf Volk und Heilsgeschichte den ersten Rang behält 24 . Gerade die Mystiker zeichneten sich daher durch besonders strenge und intensive Gesetzesfrömmigkeit aus 25 . Schließlich sei noch eine Konsequenz aus diesen traditionellen Ganzheitsbezogenheiten erwähnt. Nachdem die Thora selbst ein politisch-soziales Programm enthält, nahm das Judentum lieber erhebliche Nachteile in Kauf, als auf die Möglichkeit einer gewissen Selbstverwaltung zu verzichten, die den Vollzug der ganzen Thora so gut als möglich gewährleistete. Erst im vorigen Jahrhundert zerbrach das beschriebene Ganzheitsgefüge für weite jüdische Kreise, es erhielt 23 Vgl. schon Dt 30, 15ff., 32, 46f. Die Bezeichnung tôrat hajjîm ist in rabbinischen Texten und insbesondere in der synagogalen Poesie häufig zu finden. 24 Vgl. K. Schubert: Gesetz und Erlösung in der jüdischen Theologie. I n : Judaica 7 (1951) 136 ff. 25 S. u. : Die Kabbalah.
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sich jedoch in den konservativen Gruppen und wirkt rudimentär noch auf die heutige Gesetzgebung im Staate Israel ein. Die gebotene Skizze der traditionellen Gesetzesauffassung mag in einiger Hinsicht riskant erscheinen, weil vielfach wohl die Einzelgedanken bezeugt sind, geschlossene Darstellungen in den Quellen aber selten begegnen. Eine solche Zusammenfassung hat in der ersten Hälfte des 12. Jh. Jehuda Rallevi in seinem dialogisch aufgebauten Buch Kuzari geboten 26 . In akzentuierter und konzentrierter Form und mit den Mitteln einer anschaulichen Bildersprache bezeugt er in Auseinandersetzung mit Philosophie, Islam und Christentum das Gesetzesverständnis des traditionellen Judentums in einer Situation, da mit den Kreuzzügen und der Eroberung Spaniens durch die fanatischen Berber für das Judentum eine der schwersten Belastungsproben begann 27 . Dank der gewählten Bildersprache tritt in seiner Darstellung auch das sakramentale Moment besonders plastisch hervor, ebenso dessen Zuordnung zu den Ganzheiten: Thoravollzug, Heilsgeschichte und Kosmos : Israel als erwähltes Volk unterliegt nach ihm nicht wie die übrigen Völker dem allgemeinen Naturgesetz, sondern der unmittelbaren göttlichen Einwirkung (1,109) 28 . Während in der frühesten Menschheitsgeschichte die Verbindung mit dem „amr illâhî" (dem ,,'injän hä- ' â lôhî" bzw. der „res divina") 29 nur den Gliedern einer genealogischen Kette gegeben war, verfügt das zur Thoraerfüllung erwählte Volk als Gesamtheit über die Disposition zu dieser Verbindung, zum Empfang der Offenbarung. Durch die Gesetzesfrömmigkeit wird diese Disposition genützt, die Verbindung mit der „res divina" hergestellt, bewahrt und vervollkommnet. Aber nicht nur genealogisch erscheint jene Disposition gebunden, auch geographisch, denn die volle Disposition zum Empfang der „Prophetie" 3 0 und damit auch 26
Text: D. Cassel: Jehuda Halevi, Ha-Kuzari. 2. Aufl. Leipzig 1869; H. Hirschfeld: Das Buch Al-Chazari. Breslau 1885; ders. : Sefer ha-Kuzari, Book of Kuzari by Jehuda Hallevi. Translated from the Arabic. London 1905. Neue Auflage New York 1946; A. Zifroni und J. Toporowski: Sefär hak-Kûzârî. Tel Aviv 1960; E. Piatelli: Judah ha-Levi, Il re dei Khazari. Torino 1960. 27 S. W. Baron: Jehuda Halevi, An Answer to an Historical Challenge. In: Jewish Social Studies 3 (1941) 243—272; R. Kayser: The Life and Time of Yehuda Halevi. New York 1949; Ch. H. Sasson: P e räqim b e tôl e dôt haj-J e hûdîm bîmê hab-bênajim. Tel Aviv 1958. S. 209ff.; J. Baer: Ham-massâb hap-pôlitî sai J e hûdê Sfäräd b e dôrô sai R. J e hûdâh hal-L^vî. In: Zion 1 (1936) 6—23. 28 H. A. Wolfson: Hallevi and Maimonides on Design, Chance and Necessity. In: Proceedings of the American Academy for Jewish Research 11 (1941) 105—163. 29 I. Goldziher: Le amr illâhî (ha-'inyân ha-elôhî) chez Juda Halévi. In: Revue des Études Juives 50 (1905) 32—41. 30 S. zuletzt H. A. Wolfson: Hallevi and Maimonides on Prophecy. In: Jewish Quarterly Review 32 (1941/2) 345—370, 33 (1942/3) 49—82; S. Pines: Note sur la doctrine de la prophétie et la rehabilitation de la matière dans le Kuzari. In: Mélanges de Philosophie et de Littérature Juive 1—2 (1956/7) 253—260.
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die volle Möglichkeit der Verbindung mit der „res divina" ist nur im Heiligen Lande gegeben31, wie etwa die Rebe auch nur auf dem ihr gemäßen Boden und unter der ihr zukommenden Pflege vollwertigen Ertrag bringt. Der naturhaft-sakramentale Charakter des heilsgeschichtlichen Prozesses wird auch an anderen Bildern deutlich. Israels Rolle für die Welt wird verglichen mit der Funktion des Herzens für den Organismus (II, 36ff.). Gottes Geist verhält sich dabei zu Israel wie die menschliche Seele zum Herzen (ebd., 44) oder die „Schekinah" (Gottes Gegenwart) zu Israel wie der menschliche Geist zum Körper (II, 66). Auch andere Bilder für die göttliche Einwirkung und für die Rolle Israels in dem Prozeß der Schöpfungs- und Heilsgeschichte weisen dieselbe Tendenz auf, wie der Vergleich mit dem Brutvorgang, mit dem Wachsen der menschlichen Leibesfrucht (III, 53) oder mit dem Prozeß, den das Samenkorn von der Aussaat bis zur Reife der neuen Frucht durchmacht (IV, 23). Man hat manches davon als Neuerungen hinstellen wollen, neu sind jedoch nicht die Einzelinhalte, sondern nur ihre Formulierung und ihre konzentrierte Darstellung sowie die Wahrnehmung der sich daraus ergebenden theoretischen und praktischen Konsequenzen. Ein Vergleich mit den vielen Einzelentsprechungen in der rabbinischen Literatur vor Jehuda Hallevi zeigt, daß er fast durchweg nur die traditionellen Auffassungen akzentuiert und systematisch zusammengefaßt hat. Demgemäß wird auch das Gesetz streng als Einheit betrachtet und die Rolle der Ritualgesetze im bewußten Gegensatz zur Religionsphilosophie32 ganz im Sinne der Tradition als entscheidender, integraler Teil der heilsund schöpfungsgeschichtlichen Funktion der Thora gewertet33. Die Einzelbegründung der Gebote tritt auch dementsprechend zurück34, und wenn sie vorgenommen wird, dann eben von den Ganzheiten Volk, Heilsgeschichte und Thora her oder im Hinblick auf Prozesse im kosmischen Bereich. Mit Nachdruck wies Jehuda Hallevi in diesem Zusammenhang auch darauf hin, daß das Gebet in erster Linie Funktion der Gemeinde, der Gesamtheit sei (III, 17ff.), wenn durch seine Wirkung auch die Einzelseele Gott nahegebracht (III, 5) und das Leben des einzelnen dem Sinn des Schöpfers gemäß erfüllt wird (III, 13ff.). Selbstverständlich, daß die Thora auch für Jehuda Hallevi als Quelle aller Gotteserkenntnis galt und er dem Volk Israel gegenüber den übrigen Völkern diesbezüglich eine einzigartige Vermittlerrolle zuschrieb (II, 54). Auch die schon erwähnten besonderen Qualitäten II, 8ff.; IV, 3. 10; V, 23. Was die Verwendung religionsphilosophischer Termini und Vorstellungen sowie der „Naturwissenschaft" seiner Zeit nicht ausschloß, soweit sie sich irgendwie für den Zweck des Buches eigneten. 3 3 Vgl. II, 48ff.; III, 7. 53. 3 4 Dazu s. J . Heinemann, a. a. O. (Anm. 8), S. 58—65. 31 32
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der hebräischen Sprache bejahte er und widmete ihnen einen eigenen Abschnitt (II, 66ff.). Selbst die Konsequenz, die sich aus dieser seiner Darstellung ergab und die er für sich persönlich auch zog, entspricht durchaus bestimmten Vorstellungen in der Tradition vor ihm: Israel kann seinen Erwählungsauftrag nur dort vollgültig erfüllen, wo die volle Disposition dazu gegeben ist, also im „Land Israel", wo die Gesetze der Thora in größerem Umfang Geltung haben als in der Fremde und wo die volle Möglichkeit zur Verbindung mit der „res divina" besteht. Auf zwei völlig gegensätzliche Weisen ist diese traditionelle Auffassung im Mittelalter umgestaltet worden, einmal in der Religionsphilosophie, zum anderen in der Kabbalah. Die Religionsphilosophie Man darf zwar die jüdische Religionsphilosophie des Mittelalters35 gewiß nicht über einen Leisten schlagen, aber ein ungelöstes Problem kennzeichnet alle ihre Richtungen. Weil sie nur in geringem Maße aus innerjüdischen Voraussetzungen erwachsen war, konzentrierte sie sich auf die Beantwortung von Fragestellungen, die aus der Philosophie islamischer oder christlicher Herkunft stammten und in erster Linie ontologisch orientiert waren. Von da aus eine einsichtige Verbindung zum heilsgeschichtlich orientierten jüdischen Denken zu schaffen, ist nirgends voll gelungen36. Jehuda Hallevi hat denn auch energisch auf die Kluft zwischen den beiden Formen des Welt- und Daseinsverständnisses hingewiesen und dem Gott der Philosophen, dem unverbindlichen Ergebnis philosophischen Denkens, den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs gegenübergestellt, den ersten mit dem allgemeinen Begriff für Gott ,,'älohim", den zweiten als „JHWH", als Gott der verbindlichen Offenbarung bezeichnend37. Die erwähnte Kluft hatten die 3 6 J . Guttmann: Die Religion des Judentums. München 1933; ders. (erweitert): Philosophies of Judaism. New York 1964; I. Husik: A History of Medieval Jewish Philosophy. 2. Aufl. New York/Philadelphia 1959 (beide Werke führen die ältere Literatur an) ; J . Afärät: Ha-Fîlôsôfijjâh haj-j e hûdît bîmê hab-bênajim. Tel Aviv 1965; S. Pines: Tôl e dôt ha-Fîlôsôfijjâh haj-j e hûdît. 2 Bde. Jerusalem 1964 (vervielfältigt); M. Ζ. Sole: Möreh-däräk ba-Fîlôsôfijjâh haj-jisrâ' e lît. Jerusalem 1954; I. Unterman: A Light Amid the Darkness. Medieval Jewish Philosophy. New York 1959; J . L. Blau: The story of Jewish Philosophy. New York 1962; G. Vajda, a. a. O. (s. Anm. 20) ; ders. : Les études de philosophie juive du Moyen Âge 1950—1960. In: Miscellanea Mediaevalia. Bd. 2 : Die Metaphysik im Mittelalter. Hrsg. P. Wilpert. Berlin 1963. S. 126—135. 3 8 Am ehesten noch bei Vertretern der neuplatonischen Richtung, etwa Abraham bar Chijja und Abraham ibn Ezra. 3 7 J . Guttmann: Das Verhältnis von Religion und Philosophie bei Jehuda Halevi. In: Festschrift I. Lewy. Breslau 1911. S. 327—358; ders.: Religion und Wissenschaft im mittelalterlichen und im modernen Denken. In: Festschrift zum 50jährigen Be-
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Religionsphilosophen allerdings zu überbrücken versucht, indem sie das Verhältnis zwischen allgemeinmenschlicher Vernunfterkenntnis und biblischem Offenbarungsinhalt als eines der Identität oder wenigstens der Widerspruchslosigkeit bezeichneten. Gegenüber der alten erkenntnistheoretischen Totalität der Thora bedeutete es dennoch eine Einschränkung. „Wissenschaft" und religiöse Tradition waren nicht mehr wie einst selbstverständlich im Einklang, und je mehr die alten Ganzheitsbezogenheiten in den Hintergrund traten, desto dringlicher wurde die Detail für Detail zu erbringende Rechtfertigung der Überlieferung vor dem Forum der. Vernunft. Dabei konnte die Religionsphilosophie im konkreten Fall ihre Behauptung jener Identität oder Widerspruchslosigkeit nur mit einem Trick aufrechterhalten, nämlich durch allegorische Exegese, wodurch der biblische Wortsinn und damit die heilsgeschichtliche Komponente entwertet und dem Urteil der Ratio unterworfen wurde 38 . Die Einführung von Wertungen im Hinblick auf bestimmte Teile des Gesetzes drohte die Einheit der Thora überhaupt zu sprengen und schwächte ihre Verbindung mit Geschichtsbild und Kosmos noch mehr, schwächte die ganzheitlich gebundene sakramentale Funktion der Thora. Im Unterschied zu Bibel und rabbinischem Schrifttum und zu Jehuda Hallevi häufen sich in den Werken der Religionsphilosophen daher die Erklärungen und Begründungen für Einzelgebote39. Das Prinzip der Heteronomie wurde zwar nicht preisgegeben, weil die Wertung des menschlichen Erkenntnisstrebens als einer wichtigen (für Mose b. Maimun der wichtigsten) religiösen Aufgabe eine autonome Ethik im Sinne des neuzeitlichen Rationalismus verhinderte. Aber die Aufteilung der Thora in verschiedene Klassen von Geboten, schon in die Hauptklassen der Vernunft- und Gehorsamsgebote, differenzierte eben die Selbstverständlichkeit der Geltung, erforderte Begründungen für möglichst jedes Einzelgebot. Da aber die Ganzheitsfunktion der Thora in Geschichte und Kosmos nicht mehr im Vordergrund stand, wirkten die ,,ta' a mê ham-miswôt", die Begründungen der Einzelgebote, für das religiöse Empfinden der überwiegenden Mehrheit unbefriedigend 40 . Der Hinweis, daß ja wenigstens Gott als Schöpfer über die Zweckbestimmung der rational nicht erklärbaren Gebote Bescheid wüßte, stehen der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums. Berlin 1922. S. 145—216 (s. S. 166ff.). 38 J. Heinemann: Die wissenschaftliche Allegoristik des jüdischen Mittelalters. I n : Hebrew Union College Annual 23 (1950) 611—643. 39 Siehe darüber J. Heinemann, a. a. O. (Anm. 8), S. 46ff. 40 Dabei war ζ. B. die auch von den späteren Religionsphilosophen selbst als ungenügend empfundene „utilitaristische" Deutung Saadjas noch viel mehr im traditionellen Ganzheitsgefüge begründet, vgl. 'Âmûnôt w e de'ôt III, 7: „Unser Volk ist nur durch die Thora ein Volk", oder III, 10 die Verknüpfung mit Schöpfungsordnung und sozialer Ordnung.
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ist kein begeisternder Anreiz dazu, eine solche Fülle von Geboten und Verboten auf sich zu nehmen, wenn gleichzeitig der Erkenntnisakt religiös derart aufgewertet wird. Nur dürftige existentielle Betroffenheit konnte der Verweis auf den Gehorsam als einer Dankespflicht gegenüber Gott bewirken, wenn der heilsgeschichtliche Bezug nur in der Vergangenheit gesucht, nicht auch für Gegenwart und Zukunft (im Sinne des traditionellen messianischen Sendungsbewußtseins) aufgezeigt wurde. Daher blieb auch die Motivierung des Gehorsams durch Gottesfurcht bzw. Gottesliebe im Bereich der individuellen Vervollkommnung. Traditionsgefährdende Ansätze lagen in den zahlreichen Erklärungen rationalistischer Art verborgen, etwa im Fall hygienischer Begründungen für einzelne Gebote oder — und hier droht schon Unverbindlichkeit! — im Fall historischer Deutung aus Umständen in vergangener Zeit. In der Praxis stellte jedoch keiner der repräsentativen Religionsphilosophen die Geltung auch nur eines Einzelgebotes in Frage. So ergibt sich weithin der Eindruck der Zweigleisigkeit, religiöse Theorie und religiöse Praxis erscheinen weithin voneinander getrennt, ein Salomo ibn Gabirol, durch seine Dichtungen als Jude mit glühender traditioneller Frömmigkeit ausgewiesen, schrieb seine philosophischen Werke so, daß aus ihnen seine Religionszugehörigkeit kaum zu erkennen war, und Mose ben Maimun41, der Verfasser des umstrittenen Môreh n'bûkîm, wurde gleichwohl als Kodifikator des Gesetzes und als Dezisor hoch geschätzt. Die auf fremden Voraussetzungen beruhende religionsphilosophische Reflexion vermochte die volle Wirklichkeit des jüdischen Lebens und Denkens nicht zu erfassen, das in der Tradition aufgezeigte Ganzheitsgefüge nicht zu erhalten, einmal, weil die Thora nicht mehr als alleinige Quelle der Erkenntnis galt, und zweitens, weil der Erkenntnisakt als philosophisch-ethisch konzipierte Vervollkommnung des Individuums einen einsichtigen Bezug auf Volk und Heilsgeschichte erschwerte, an der Tradition gemessen einem egoistischen, intellektualistischen Eudämonismus gleichkam. Die Stellenwerte von individueller und kollektiver Soteriologie waren damit vertauscht42, und die letzte — vermiedene — Konsequenz wäre die Einschränkung der wahren Gottesgemeinschaft auf die wenigen 4 1 J . Heinemann, a. a. O. (Anm. 8), S. 79—97 sucht die sehr unterschiedlichen Aussagen des Maimonides im Môreh N e bûkîm auf der einen und im Mischnakommentar und im Misneh Töräh auf der anderen Seite zu harmonisieren. Demgegenüber hat J . Becker: Sodò sai Môreh N e bûkîm. Tel Aviv 1956, wieder das Nebeneinander einer traditionellen Thora für das Volk und einer esoterischen Erkenntnis für die Philosophierenden betont. Vgl. auch Ch. Neuburger: Das Wesen des Gesetzes in der Philosophie des Maimonides. Danzig 1933; J . Ben-Sasson: L e heqär misnat ta' a mê ham-miswôt b e Môreh Nebûkîm. In: Tarbîs 29 (1960/1) 268—281. 4 2 Immerhin begründete Abraham ibn Ezra (J e sôd Mòra', c. 5) das Halten rational uneinsichtiger Gebote mit dem Hinweis auf die Erhaltung des Volkes unter den Völkern. Vgl. auch zu Lev 19, 27: ,, . . . um abgesondert zu sein von ihnen . . .".
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gewesen, die ihre Vernunftpotenz philosophierend aktualisierten. Dem entspricht, daß die leibliche Auferstehung, eng mit dem Gedanken des Volksganzen und der Heilsgeschichte verknüpft, bei manchen Religionsphilosophen ganz in den Hintergrund rückte. Die praktischen Konsequenzen aus solchen Gedankengängen wären für die jüdische Tradition zum Verhängnis geworden. Sie wurden vermieden, indem man der breiten Masse zugestand, daß sie kraft ihres Thoragehorsams letztlich dasselbe erreiche wie der Philosophierende. Trotzdem blieb ein Unterschied der Wertung, wie die unterschiedliche Wertung der Gebotsklassen. Für das Ritualgesetz ζ. B. kam die traditionelle, die Frömmigkeit so sehr motivierende Begründung im Gesamtbezug auf Volk, Kosmos und Geschichte kaum mehr in Frage. Traditionalisten und Kabbalisten empfanden dies sehr, besonders hart am Beispiel des Gebetes 43 , das von den radikalen Aristotelikern infolge der Leugnung der individuellen Vorsehung bestenfalls noch als eine individuelle, präparative, meditative Übung verstanden werden konnte. Die kosmologische Komponente blieb immerhin bei den Neuplatonikern vielfach erhalten, aber auch Levi b. Gerson und Chasdaj Crescas sahen im Thoravollzug zumindest ein Mittel, um Israel vom Einfluß der Gestirnmächte zu befreien 44 . Sieht man davon ab, so zeigt sich durchweg ein Verlust der traditionellen Ganzheitsbezüge ohne nennenswerte praktische Konsequenzen. Diese halbe Wirkung beruhte einerseits auf der geringen Breitenwirkung der Philosophie, der es an Überzeugungskraft gegenüber dem frommen Empfinden gebrach. Die allegorische Exegese erschien im Vergleich zur reichen Phantasie der haggadischen Überlieferung wegen der rationalistischen Note einfach dürr und überdies als gefährlich, weil in der Auseinandersetzung mit dem Christentum bis dahin gerade in der wörtlichen Schrifterklärung die feste Basis der jüdischen Apologetik bestanden hatte. Entscheidend war aber das schwache Verhältnis zur Heilsgeschichte. E s verhinderte nämlich eine befriedigende Deutung des jüdischen Geschicks gerade zu der Zeit, als mit den Kreuzzügen eine der schwersten Epochen für das Judentum anbrach. In jenen Jahrhunderten genügte vielen nicht einmal mehr die traditionelle Sinngebung der Geschichte, und die Kabbalah zog immer mehr das Interesse der breiten Schichten auf sich. Eine Sonderentwicklung läßt sich bei jenen Religionsphilosophen des ausgehenden Mittelalters beobachten, die der Tradition auch in den religionsphilosophischen Darlegungen mehr Raum einräumten und sich zugleich mit dem Christentum auseinandersetzten. Zwei Momente der älteren Religionsphilosophie wirkten sich auch bei ihnen noch bestimmend aus: das auf Grund der aristotelischen Teleologie 43 In den meisten Darstellungen der jüdischen Religionsphilosophie wird diese Frage zu wenig beachtet. 44 Siehe J . Heinemann, a. a. O. (Anm. 8), S. 98 u. 102.
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zur Selbstverständlichkeit gewordene Bestreben, für möglichst alle Einzelgebote Begründungen zu finden, und die individualistische, intellektualistisch-ethische Zweckbestimmung des Menschen in der Vollendung für die Teilhabe an der „kommenden Welt". Die Schwäche des Ganzheitsgefüges Volk—Thora—Heilsgeschichte—Kosmos konnte daher nicht überwunden werden, wenn auch die Tendenz dahin wies. Dies und die apologetische Stellungnahme zu konkreten christlichen Lehrpunkten führte in einigen Fällen zu einer Uberbetonung, einer Verdichtung des sakramentalen Charakters einzelner Gebotserfüllungen. Bei Chasdaj Crescas sind es die ,,'Aqedah" 45 und die Beschneidung46. Bei Joseph Albo ist es ebenfalls die ,,'Aqedah" 47 . Von einer Verselbständigung zu „Sakramenten" kann indes nicht die Rede sein48. Chasdaj Crescas war es gerade, der auch der Thora als Einheit wieder eine sakramentale Funktion in betonter Weise zuschrieb, indem er die Thora als „dat ge'ülläh", als „Erlösungsgesetz (-religion)" bezeichnete. Dabei war vor allem an die Erlösung von dem Einfluß der kosmischen Mächte (Gestirne)49 wie an die Befreiung von der Erbsünde gedacht50, wobei das letztere trotz einer rabbinischen Grundlage61 freilich wieder apologetische Absicht verrät. Obwohl die Einteilung der Thora in verschieden gewertete Klassen die Möglichkeit zur Säkularisierung eines Teils der Gebote in sich barg, wurde diese aufs ganze gesehen nicht aktualisiert. Zu stark war der Einfluß der Bibel und der rabbinischen Literatur, zu unerschütterlich das Prinzip der Heteronomie, als daß die religiöse Praxis hätte beeinträchtigt werden können. Im religiösen Bewußtsein der Religionsphilosophen freilich dürften sich mit dem Verlust des vielerwähnten Ganzheitsgefüges manche Verschiebungen und Umwertungen ergeben haben. Kritische Beobachter haben daher die gefährlichen Ansätze auch empfunden und selbst den gemäßigten Religionsphilosophen gerade das vorgeworfen, wovor diese in der Praxis zurückgeschreckt waren52. Wie damit die Religionsphilosophie den Ruf einer legitimen Form jüdischer Selbstexplikation in zunehmendem Maße verlor, so 4 5 Die Opferung Isaaks Gn 22. Sie wurde im Judentum z. T. als geradezu sakramentale Begründung des Opferkultes und dieser als repräsentatio jenes einmaligen und als vollwertig anerkannten Isaakopfers verstanden. Siehe S. Spiegel: The Last Trial. New York 1967. 4 6 Bittûl "iqqârê han-Nôsrîm, c. 16. 4 7 Sefär hâ-'Iqqârîm III", 36. Ed. I. Husik. Philadelphia 1929/30. Bd. 3. S. 328ff. 4 8 Wenn auch die Gegenüberstellung mit Erlösungswerk und Opfertod Christi den sakramentalen Charakter hervorhebt. 4 9 S. oben S. 77, Anm. 44. 6 0 O r Jhwh II, 2, 6. 61 bjeb 103b (Am Sinai, mit der Thora-Annahme, endete die Wirkung des Schmutzes, den die Schlange auf E v a gespritzt hatte). 52 D. J . Silver: Maimonidean Criticism and the Maimonidean Controversy, 1 1 8 0 — 1240. Leiden 1964.
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gewann gleichzeitig die Kabbalah seit dem Erscheinen des Buches Zohar an Boden. Die K a b b a l a h Die Kabbalah des Mittelalters wurzelte in der Hauptsache in der talmudisch-frühmittelalterlichen Esoterik 53 , deren Spekulationen vor allem in der Interpretation alter kultideologischer Traditionen ihre Grundlage gehabt hatten 64 . Von daher wurde auch für die Kabbalah der Bezug der Thora auf Kosmos und himmlische Welt zum Hauptanliegen, nun freilich im Rahmen eines neuplatonisch gefärbten Weltbildes, doch ohne daß sich die Kabbalisten in ihrer Mehrzahl des Einflusses der in der Regel verhaßten Philosophie bewußt gewesen wären 65 . In der klassischen Kabbalah blieb die Thora immer noch das Mittel schlechthin, um Kenntnisse über die Zusammenhänge zwischen sinnlicher und übersinnlicher Welt zu erlangen, das einzige Mittel, um gegebenenfalls über die sinnlichen Erscheinungen auf die übersinnlichen Vorgänge einzuwirken. Notwendigerweise zeichneten sich gerade die Kabbalisten durch Strenge und Intensität der Gesetzesfrömmigkeit aus. In der Exegese waren allerdings auch die Kabbalisten zu einem Kunstgriff genötigt, um den Inhalt ihrer Spekulationen mit dem biblischen Wortlaut in Einklang zu bringen. Dies versuchten sie durch eine symbolistische Auslegung. Gegenüber der allegorischen, rationalistischen Methode der Philosophen hatte die symbolistische den großen Vorteil, den Wortsinn der Erzählungen, die Gebote und Verbote voll in Geltung zu lassen, indem man diese als Symbole verstand, d. h. als wirksame, sinnenfällige Repräsentationen übersinnlicher Vorgänge. Wie demnach die biblischen Erzählungen letztlich Vorgänge innerhalb der „Sefirot" andeuten, so hat auch der Vollzug jedes einzelnen Gebots eine kosmische und transkosmische Funktion. Das Neue daran liegt im letzteren, denn die „Sefirot" als dynamisches, organisches Zusammenspiel göttlicher Kräfte ist mit der alten Vorstellung von den Vorgängen um Gottes Thron nicht mehr vergleichbar. Gerade die Erschließung dieser neuen Dimension barg aber Gefahren für das traditionelle Thoraverständnis in sich. Gewiß wurde die kosmisch-metaphysische Relevanz der Thora ausgeweitet, ihre sakramentale Funktion einem Prozeß zugeordnet, der außer der Heils- und 53
S. die Anm. 20 genannten Werke von Scholem und Vajda. J. Maier: Vom Kultus zur Gnosis. Salzburg 1964. 65 Zum keineswegs nur in Ablehnung sich erschöpfenden Verhältnis der Kabbalah zur Philosophie s. G. Vajda: Recherches sur la philosophie et la kabbale dans la pensée juive du Moyen Âge. Paris 1962. 54
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Schöpfungsgeschichte auch die Vorgänge innerhalb der Sefirotwelt umfaßt 6 6 . Doch in einem langsam fortschreitenden Uberdecken der heilsgeschichtlichen Komponente durch diesen universalen, infolge der symbolistischen Schrift-und Weltdeutung magisch-sakramental erscheinenden Prozeß lag die Akzentverschiebung gegenüber der Tradition. Die Konzentration des spekulativen Interesses auf die Theosophie, auf die Vorgänge in der Sefirotwelt, erschloß einen nur mehr lose an die Thora gebundenen Bereich der meditativen Betrachtung, denn die symbolistische Deutung setzte ja der Phantasie kaum Grenzen, und grundsätzlich bot sich auch das umgekehrte hermeneutische Verfahren an : von den angenommenen transzendenten Vorgängen her den Wortlaut der Thora bzw. die irdischen Einzelvorgänge zu interpretieren, eventuell sogar fortzuinterpretieren. Ein weiteres Gefahrenmoment lag in der Annahme von ,,Sch e mittot" 5 7 , einer Äonenfolge, wobei die Frage zu entscheiden war, ob der Wortlaut der Thora für alle diese als verbindlich zu betrachten sei 68 . Kam die Überzeugung auf, daß der Äon der Thora vorüber sei, mußte eine neue Thora dekretiert werden. Und schließlich fand zweifellos eine gewisse Verlagerung des Akzents in individualistischer Richtung statt, einmal durch die Hochschätzung der meditativen Spekulation infolge eines schleichenden Einflusses der neuplatonischen Erkenntnistheorie, aber auch infolge einer gewissen Aufwertung der individual-soteriologischen Komponente, denn das Verhältnis der Kabbalah zum Ganzen des Volkes war nicht durchreflektiert 59 , das heilsgeschichtliche Interesse dieser esoterischen Mystiker kreise nur von durchschnittlicher Intensität. Die grundsätzliche Möglichkeit, über die sinnenfälligen Erscheinungen auf deren Komplemente in der übersinnlichen Welt einzuwirken und sie so heilsgeschichtlich zu nutzen, wurde daher zunächst nicht wahrgenommen (von vereinzelten Vertretern der messianischen Spekulation abgesehen). Daher wuchsen auch die beschriebenen Gefahren für die Tradition nicht über die Ansätze hinaus. Dies änderte sich in dem Jahrhundert vor der Vertreibung aus Spanien. Die breite Masse vermutete in der Kabbalah den Schlüssel zur Deutung der rätselhaften Heilsgeschichte und nahm die Möglichkeit der erwähnten Einwirkung auf den kosmisch-transzendenten 5 6 G. Scholem : The Meaning of Thora in Jewish Mysticism. In : Diogenes (New York) 14 (1956) 36—47, 15 (1956) 65—94; ders.: Ursprung und Anfänge der Kabbalah. Berlin 1962. S. 56 f. 5 7 Siehe G. Scholem: Ursprung und Anfänge der Kabbalah. Berlin 1962. S. 407ff.; a. a. O. (Anm. 56: The Meaning . . .), S. 77ff., 88ff. 5 8 G. Scholem, a. a. O. (Anm. 57), S. 417 spricht daher von einem „utopischen Antinomismus". 6 9 Bis zum Erscheinen des Buches Zohar blieb die Kabbalah als esoterische Lehre auf bestimmte Kreise begrenzt.
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Gesamtprozeß wahr. Im Jahrhundert vor und im Jahrhundert nach der Vertreibung aus Spanien wurde die solcherart popularisierte Kabbalah zur Volkstheologie und motivierte eine Volksbußbewegung, ideologische Basis für den Erfolg des Pseudomessias Sabb e taj Zbi im 17. Jahrhundert. Die symbolistische Exegese und Weltdeutung vermochte es, den bedrückenden irdischen Vorgängen den Stachel der absoluten Realität zu nehmen und sie im Rahmen des übergreifenden, Kosmos und Sefirotwelt umfassenden Prozesses der Schöpfungs- und Heilsgeschichte zu relativieren. Wie aber schon die Spekulation sich durch diese Ausweitung des Prozesses von der strengen Bindung an die Thora zu lösen begann, so auch die religiöse Praxis. Wenn die einzelnen religiösen Handlungen das universale Gesamtgeschehen beeinflussen, dann konnten auch umgekehrt vom konzipierten Verlauf des Gesamtgeschehens her Sinn und Geltung der religiösen Einzelhandlungen (oder gar neue Handlungen) bestimmt werden. Hypothetisch-spekulative Thora-Deutung und konkreter Thora-Inhalt strebten auseinander, das sakramentale Geschehen begann über den Funktionsbereich der empirischen Thora weit hinauszuwachsen. Symptomatisch dafür ist, daß sich in jenen Jahrhunderten eine zunehmende Tendenz zu magisch-theurgischen Praktiken beobachten läßt, die nicht nur als Folge der Popularisierung der Kabbalah erklärt werden kann. Obwohl in dieser Spätkabbalah der Bezug zum Volk als Ganzheit gerade wiederhergestellt worden war, nahm die individualistische Tendenz überhand. Die neuplatonisch gefärbte kabbalistische Seelenlehre kannte die Vorstellung einer Reinkarnation zum Zwecke der Läuterung. Dieser Prozeß erhielt im Rahmen einer gnostizistischen Radikalisierung des neuplatonischen Weltbildes den Charakter einer gnostischen Himmelsreise der Seele. Die Sinnenwelt wurde als Welt der ,,k e lippôt" (im Gegensatz zur traditionellen jüdischen Weltbewertung) radikal negativ als Welt des Materiellen und zugleich Bösen betrachtet und das Seelen-Selbst des Menschen als Lichtfunke transzendenten Ursprungs verstanden, den es aus dieser Welt zu erlösen gelte, zurückzuholen an seinen Ursprung. Auch die Messiasseele wäre diesem Prozeß unterworfen — und so erhielt der Messias als Person eine bislang nicht dagewesene, nur mit der kirchlichen Christologie vergleichbare soteriologische Funktion. Alle vorhin als Gefahren im Ansatz bezeichneten Momente kamen nun zu voller Auswirkung60. Das Auftreten des Messias Sabb e taj Zbi 61 verleitete zur Annahme, daß ein neuer Äon angebrochen sei, stellte die Geltung der Thora in Frage. Die symbolistische Weltdeutung ermöglichte es dem Pseudomessias und seinen Ideologen, alles, auch traditionell gesetzwidriges Verhalten, aus dem postulierten universalen Prozeß heraus als notwendig zu begründen. 60 61
Vgl. G. Schalom (Scholem) : gabbata] S e bî. 2 Bde. Tel Aviv 1957. Bd. 1. S. 1—82. Siehe das vorige Anm. genannte Werk Scholems.
Med. VI
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Der Thoravollzug war nicht mehr Rahmen des sakramentalen Geschehens, der Vollzug des Gesetzes als heilsgeschichtlicher Prozeß war hinter dem sakramentalen universalen Erlösungsprozeß zurückgeblieben, und das Judentum geriet in die schwerste innere Krise seiner Geschichte: Die Infragestellung der Thora bedeutete unter den damaligen Umständen die Selbstpreisgabe des Judentums. Schlußbemerkung Ein Vergleich zwischen dem Verhältnis der „lex" zum „sacramentum" in Judentum und Christentum soll hier nur skizzenhaft erfolgen, um die Hauptpunkte der Anknüpfung und des Widerspruches und um das im Christentum von Osten nach Westen sich abzeichnende Gefalle anzudeuten. Funktional entsprechen sich in Judentum und Christentum Thora und Christus62. Die Thora ist jedoch gerade auch buchstäblich überlieferte, alle Lebensbereiche umfassende „lex", bedarf keiner institutionellen Vermittlung. Als solche ist sie Heilsweg, ihr Vollzug durch die Glieder des erwählten Volkes Heilsaneignung und zugleich Heilsvermittlung für die Welt. Im Christentum wird diese Funktion auf den Christus übertragen und damit die Frage der Geltung der „lex Mosaica" zum Problem, das verschieden gelöst werden konnte. Problematisch bleibt auch die „nova lex", da der Wille des Kyrios ja nicht wie im Judentum in einem ein für allemal verbindlichen „Gesetz" seinen Niederschlag fand, sondern, sofern man sich nicht auf das aus dem Glauben intuitiv erfaßte Gebot der Stunde verlassen wollte, letztlich institutionell vermittelt werden mußte. Wo diese Vermittlung durch eine institutionell einheitliche Form der Repräsentation des Kyrios erfolgte, wie im byzantinischen Caesaropapismus, blieb auch die „lex" und ihr Vollzug noch im Rahmen des Sakramentalen, einbezogen in den universalen Erlösungsprozeß. Dennoch war die zunehmende Entflechtung der Bereiche und Funktionen von „lex" und „sacramentum" unausweichlich. Indem der Thora die Funktion des Heilsweges — und damit die sakramentale Funktion — abgesprochen und auf den Christus übertragen worden war, wurde in christlich-polemischer Sicht die Thora zum falschen Heilsweg, zum toten und tötenden Buchstaben. Im damit grundsätzlich vollzogenen Bruch zwischen „lex" und „sacramentum" lag die Möglichkeit zu weiterem Auseinanderfallen der Bereiche und deren gesonderter Institutionalisierung, der Be62 Mit dem jüdischen Messias — dessen Bedeutung durch die kollektiv-messianische Aufgabe des Volkes ja beschränkt bleibt —· deckt sich auch die Aufgabe des wiederkehrenden Christus nur teilweise.
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grenzung des Sakramentalen auf Sakramentalien und Sakramente, der Zuordnung der „lex" zum (nur mehr) Sakralen und letztlich zur Säkularisierung immer weiterer Bereiche der „lex" bis zur Infragestellung selbst des Kirchenrechtes. Obwohl auch im frühen Christentum das sakramentale Geschehen auf das Erlösungswerk Christi und damit auf das Ganze der Heilsgeschichte und des Kosmos bezogen war, wurde auf diese Weise die „lex" sozusagen nach und nach dem Kyrios entzogen. Erleichtert wurde diese Entwicklung durch die Zuspitzung des sakramentalen Geschehens auf die individuelle Heilsaneignung. Zwar konstituiert auch im Christentum der Christus die Gemeinde, wie die Thora das Gottesvolk, doch die vor-volkskirchliche Gemeinde bestand eben doch aus einzelnen Berufenen, Bekennenden, und das sakramentale Geschehen wurde mehr und mehr in der individuellen Aneignung bzw. in der Vermittlung des Heils, in dem sakramental repräsentierten Kreuzes- und Ostergeschehen gesehen. Das Ganze der Heilsgeschichte trat demgegenüber zurück, die universale eschatologische Vollendung spielte für das religiöse Bewußtsein des Frommen so gut wie keine Rolle mehr. Neben einem gebrochenen Verhältnis zur Welt ergab sich daraus auch ein schwaches Gemeinschaftsbewußtsein in markantem Gegensatz zum Judentum, wo der Gemeinschaftsbezug (infolge der ethnischen Bindung des Erwählungsauftrages) und damit die sakramentale Funktion der Gesamtheit bis zum Zerfall des traditionellen Gefüges im vorigen Jahrhundert intakt blieb. Die christliche Konzeption des „tertium genus", die eine ähnliche Wahrung des Gemeinschaftsbewußtseins und der Gemeinschaftsfunktion versprach, war hingegen mit der konstantinischen Epoche und der anschließenden volkskirchlichen Entwicklung wirkungslos geworden. Andrerseits lag in dem angedeuteten christlichen Dilemma, im Zerfall der alten Ganzheitsbezüge, die Möglichkeit der modernen Welt. Der Preis, den das Judentum für die Bewahrung durch die Thora bezahlte, war die unvermittelte schwere Krise, die mit dem Fall der Ghettomauern einsetzte und bis zum heutigen Tag für die Mehrheit des jüdischen Volkes — oder für die jüdische Religion — noch andauert63. 63 Neben der Wahrung der traditionellen Auffassung in einer Minderheit entstand seit der Aufklärung eine Vielfalt modifizierender bis verneinender Tendenzen, flankiert von den Extremen eines religiös ungebundenen, modernen Nationalbegriffs auf der einen und einer „mosaischen Konfession", die sich national jeweils assimiliert, auf der anderen Seite. Die Verbindung zwischen den Extremen ist gleichwohl vorhanden: in jenen konservativen Kreisen, für die sich Volk und Religion immer noch decken, vor allem im religiösen Zionismus und im nichtzionistischen konservativen Judentum. Die Problematik spiegelt sich auch im Verhältnis zwischen Thora und staatlicher Gesetzgebung im heutigen Israel wider.
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RELIGIONSPHÄNOMENOLOGISCHE Ü B E R L E G U N G E N ZUR S P I R I T U A L I S T I S C H E N I D E E V o n E R N S T STADTER
I. F r a g e s t e l l u n g Die Spiritualen bilden innerhalb des Franziskanerordens im 13. und 14. Jahrhundert eine Richtung, welche sich zum Ziel setzte, die Nachfolge des heiligen Franz von Assisi in unverfälschter Weise zu verwirklichen. Der geistige Führer der Bewegung ist der Südfranzose Petrus Johannis Olivi1. Die eigenartige Diskrepanz zwischen den gemäßigteren Konventualen und den radikalen Spiritualen, die lediglich wie eine innere Ordensangelegenheit aussieht, hat grundsätzlichere und interessante Aspekte. Die Fragestellung läßt sich so umreißen: Ist es möglich, das, was sich in dem außergewöhnlichen Leben des Franz von Assisi darstellt, ohne weiteres „nachzumachen" ? Kann man die charismatische und pneumatische Existenz durch bewußte und gewollte Zielsetzung „imitieren"? Ein bekanntes Sprichwort lautet: Wenn zwei dasselbe tun, dann ist es nicht dasselbe. Die angedeutete Thematik scheint am Rande zu liegen. Aber genauer besehen führt sie doch zu zentralen Überlegungen. Wenn nachzuweisen wäre, daß durch eine rigorose Nachahmung des Ideals, wie Franz es lebte, möglicherweise fragwürdige Randerscheinungen entstehen, dann würde durch eine Betrachtung dieses Sachverhalts das Wesentliche selbst greifbarer: nämlich die Ausnahme-Existenz des Heiligen, ihr „spiritueller", „pneumatischer" Charakter. Der Zusammenhang mit dem übergeordneten Thema der Tagung „Lex et sacramentum" ist gegeben. Joachim von Floris 2 läßt in seiner Lehre von den drei Zeitaltern drei Ordnungen aufeinanderfolgen : diejenige des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Die Juden 1 Vgl. V. Heynck: Olivi, Petrus Johannis. In: Lexikon f. Theol. u. Kirche 7 (1962) 1149—1150. Literaturangaben bei E. Stadter: Das Glaubensproblem in seiner Bedeutung für die Ethik bei Petrus Johannis Olivi. In: Franziskanische Studien 42 (1960) 290—296. 2 Vgl. H. Grundmann: Studien über Joachim von Floris. Leipzig 1927. Neudruck mit Vorwort und Berichtigung der Namensform zu Joachim von Fiore. Stuttgart (und Wiss. Buchgesellschaft Darmstadt) 1966; K. Löwith: Weltgeschichte und Heilsgeschehen. 3. Aufl. Stuttgart 1953. S. 136—147. Literatur S. 219.
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waren Sklaven unter dem Gesetz des Vaters, die Christen sind schon „geistig" und frei im Vergleich zur Gesetzesmoral der ersten Epoche. Die dritte Phase jedoch führt auf die vollkommene Freiheit des Geistes hin. Das Heilsgeschehen ist wesentlich bestimmt durch das ständige Fortschreiten von der Zeit des Buchstabens im Alten Testament über das Neue Testament zur Enthüllung des Geistes in seiner ganzen Freiheit und Fülle. Es scheint eine Bereitschaft, eine Disposition für solche Ideen in der Zeit gelegen zu haben. Franz von Assisi ist jene Gestalt, die sich mit dem Zeitbedürfnis, einem mehr oder weniger unbewußten Suchbild, auf erstaunliche Weise deckt. In ihm war das Eidos, der Typus des Gesuchten verkörpert: die geistige, „spirituelle" Existenz. Dempf meint: „Ohne Franziskus blieb Joachim eine Antiquität, aber auch Franziskus blieb ohne Joachim nur ein Heiliger und Ordensstifter unter vielen, ohne zur weltgeschichtlichen Größe schon in seiner Jüngergeneration zu werden" 3 . Diese These hat sicher einiges für sich. Die Spiritualen fühlten sich als die legitimen Vertreter der franziskanischen Idee. Sie wehrten sich gegen jede Entwicklung, die in ihren Augen einer Depravation und Abschwächung des ursprünglichen Gedankens gleichkam. Löwith spricht von der „erstaunlichen Motivationskraft" 4 der Vision Joachims. Er versucht zu zeigen, wie diese Gedanken über Jahrhunderte weiterwirken und noch bei russischen Philosophen des 19. Jahrhunderts zu verfolgen sind 5 . Lessing beruft sich ausdrücklich auf Joachim und sagt im Hinblick auf die Vertreter joachitischer Theorien im 13. und 14. Jahrhundert: „Vielleicht war ihr dreifaches Alter der Welt keine so leere Grille . . . Vielleicht irrten gewisse Schwärmer des dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts . . . nur darin . . ., daß sie den Ausbruch desselben so nahe verkündigten." Lessing versteht allerdings das dritte Zeitalter im Sinne der Aufklärung als das kommende Reich der Vernunft und der menschlichen Selbstverwirklichung, zugleich aber auch als Erfüllung der christlichen Offenbarung. A. Comte steht mit seiner Dreistadienlehre wahrscheinlich unter Lessings Einfluß. Löwith verweist ferner auf Fichte und Hegel. Besonders deutlich ist die Nachwirkung bei Schelling. Der idealistische Philosoph glaubt die Heraufkunft einer neuen Bewußtseinsstufe und die Geburt einer neuen Religion zu erleben. Die Entwicklungsidee wird jetzt an die Namen der drei Apostel geknüpft : Petrus, Paulus und Johannes. Sie symbolisieren das Zeitalter des Katholizismus, des Protestantismus und dasjenige der vollendeten Religion der Menschheit. Mit freudiger 3 A. Dempf: Sacrum Imperium. Geschichte- und Staatsphilosophie des Mittelalters und der politischen Renaissance. 2. Aufl. Darmstadt 1954. S. 282. 4 K. Löwith, a. a. O., S. 194. 6 Vgl. ebd.. S. 190—195.
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Überraschung sieht Schelling sein eigenes Schema bei Joachim antizipiert. Über den deutschen Idealismus wirken die Gedanken auf die russischen Denker. Ob auch Nietzsche noch unter dem Einfluß solcher Ideen steht und ob durch diesen geschichtlichen Strom ein geistiges Klima geschaffen wurde, in welchem der Fortschrittsglaube und die damit in Verbindung stehenden Revolutionen in Frankreich und Rußland erst richtig unterbaut wurden, ob schließlich die christliche Geschichtstheologie mit dem Gedanken einer Progression vom Alten zum Neuen Testament heute noch in säkularisierter Form weiterlebt : diese These wollen wir nicht weiter untersuchen. Jedenfalls wird mit dem Hinweis auf die Wirkungsgeschichte deutlich, daß in der Theorie Joachims etwas vorliegt, das allgemeinere Bedeutung zu haben scheint und nicht lediglich eine abstruse Spekulation aus dem Hochmittelalter darstellt. Letztlich verbirgt sich dahinter ein tiefes Anliegen, etwas Fundamentales. Der Mensch sehnt sich im Laufe seiner Geschichte immer wieder einmal nach dem Wesentlichen, das allzu leicht im Gestrüpp erstarrter Formen zu ersticken droht. Am Anfang der großen Religionen steht der echte geistige Impuls, und jede Religion erlebt mit unumgänglicher geschichtlicher Notwendigkeit jene Entwicklung, die früher oder später zur Dogmatisierung und Institutionalisierung und damit in die Gefahr der Stagnation führt. In einer Reformation wird der Versuch gemacht, auf den reinen Anfang zurückzustoßen. Die Ablehnung der Amtskirche mit ihren Institutionen und Gesetzen durch Luther ist schon bei den Spiritualen deutlich vorgebildet6. Theologisch gesehen liegt die Wurzel des Konflikts im 13. Jahrhundert wohl u. a. darin, daß das Christentum bis zu einem gewissen Grad in die Formen des Alten Testaments mit Gesetz und Institution zurückgefallen war. Weil das genuin Christliche verdeckt ist, braucht man ein drittes Zeitalter, welches die mit dem Christentum an sich gegebene Vollendung bringen soll. Thomas und mit ihm die orthodoxe Theologie hatten vom theologischen Standpunkt aus recht, wenn sie die These vom dritten Zeitalter ablehnten7. Die außerordentlich starke Wirkung, die Franziskus auslöste, beruhte, wie gesagt, nicht zuletzt darauf, daß sich in ihm eine Zeiterwartung mit der Realität deckte. Wir müssen das Phänomen „Franziskus" kurz zu umreißen versuchen, da hiervon der Spiritualismus abzuheben ist. Der Heilige bildete einen Gegentypus zur Feudalkirche des 13. Jahrhunderts mit ihrer politischen Macht, ihrer Bin6 Vgl. E. Benz : Ecclesia Spiritualis. Kirchenidee und Geschichtstheologie der franziskanischen Reformation. Stuttgart 1934. 7 Vgl. z. B. J . Ratzinger: Die Geschichtstheologie des heiligen Bonaventura. München und Zürich 1959. S. 118—119.
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dung an das Diesseitige, ihrer Institutionalisierung. Franz verwirklicht die absolute Armut und Besitzlosigkeit. Der Nonkonformismus des Heiligen ist in klassischer Weise zur Anschauung gebracht. Die profunde Verhaftung des Menschen an die elementaren Bedingungen seiner Natur, an die Allgewalt der diese Natur konstituierenden Triebe scheint in ihm aufgehoben zu sein. Die Folge davon ist eine ungewöhnliche Harmonie mit sich selbst und jener Einklang mit der Schöpfung, durch den der Eindruck erweckt wird, hier sei menschliche Existenz in den Status der ursprünglichen, nahezu paradiesischen Kreatürlichkeit zurückgekehrt. Für unsere Thematik ist nun folgende Beobachtung wichtig : Trotz des immensen Maßes an Anstrengung und Askese, das dabei vorausgesetzt ist, sieht es nicht so aus, als wäre solche Reife und Vollendung das Produkt menschlicher Leistung und Willenskraft. Das „Spirituelle", „Pneumatische", „Charismatische" zeigt sich vom Phänomen her nicht als eigenständig erworben, sondern als gnadenhaft mitgeteilt, als zugewachsen, geschenkt. Der aus einer unergründlichen Daseinstiefe entspringende Humor, die Freude und Güte, die in Franz aufleuchten, sind von der Art, daß der Mensch sie sich nicht selbst geben kann. Sie stammen aus einer Zone, die dem Wollen letztlich nicht erreichbar ist. Viele Jahrhunderte haben sich von dieser Gestalt faszinieren lassen, weil sich in ihr eine urmenschliche Sehnsucht nach der reinen und heilen Schöpfung erfüllt hat, soweit diese im gegenwärtigen Äon überhaupt möglich ist. An dieser Stelle der Betrachtung kommt die Fragwürdigkeit der spiritualistischen Bewegung in den Blick. Durch großen Aufwand an Askese und religiösem Ernst soll die franziskanische Idee rein erhalten bleiben. Vielleicht waren Olivi und seine Anhänger in ihrem Ethos rigoroser und schonungsloser als Franz selbst. Dennoch fehlt gerade bei Olivi etwas Entscheidendes: jener Charme, jene Gelöstheit und Freiheit, die als Zauber um die Gestalt des heiligen Franziskus liegt. In der Bemühung Olivis liegt etwas Fanatisches, Gezwungenes. Das Charisma läßt sich eben nicht durch Strenge imitieren oder erzwingen. Vielleicht wird es durch jene Forcierung eher zerstört.
I I . Die p h i l o s o p h i s c h e u n d r e l i g i ö s e A n t h r o p o l o g i e O l i v i s Olivi hat als Führer der Spiritualen und als Theologe des dritten, „spirituellen" Zeitalters seine spiritualistischen Gedanken vornehmlich in der Apokalypsenpostille und in dem Werk De perfectione evangelica niedergelegt. Aber der Zusammenhang mit diesen Ideen ist auch in der systematischen Theologie, näherhin in der Summe und im Sentenzenkommentar spürbar. Greifen wir einige Punkte aus Olivis
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Werk heraus, und versuchen wir zu prüfen, ob sich hier eine Fraktur feststellen läßt, die dadurch entsteht, daß jenes Element, das bei Franz das „Pneumatische", „Spirituelle" ausmacht, mit vielleicht inadäquaten Mitteln verwirklicht werden soll. Das Werk Olivis — gleiches gilt für Bonaventura 8 — ist nicht zuletzt die theologische Reflexion und Darstellung des Franziskuslebens. Ähnlich wie sich Piatons Philosophie zur Person des Sokrates verhält, zielt hier die theologische Bemühung weithin darauf ab, eine Lebenswirklichkeit im Denken zu erfassen und darzustellen. In der Apokalypsenpostille9 entwickelt Olivi in Anlehnung an Joachim seine spiritualistische Geschichtstheologie. Er beschreibt den Verfall der römischen Weltkirche, die als „Babel" und als „Antichrist" bezeichnet wird. Der Primat soll auf die Spiritualenkirche übertragen werden, denn ihr kommt wahrer geistlicher Machtanspruch zu. Die Person des heiligen Franz erfährt eine spiritualistische Deutung: E r ist der „neue Mensch", der „novus dux". Seine Regel hat den Charakter eines neuen Evangeliums. Als „zweiter Christus" und Urbild der neuen Menschheit wird er zum Führer und Typus des kommenden Zeitalters. Die Funktion der Spiritualenkirche für die Welt- und Heilsgeschichte ist also denkbar hoch eingeschätzt. Gibt es nun in der Theologie Olivis Stellen, wo sich offenbart, daß in der forcierten Verfechtung des franziskanischen Ideals ein überspannter Zug liegt ? Eines der faszinierendsten Elemente an der Gestalt des heiligen Franz ist die große Freiheit, die Entbundenheit von elementaren Triebkräften menschlichen Daseins: Besitzstreben, Eros usw. Diese Souveränität und Lösung von der Schwerkraft der psychophysischen Existenz steht u. a. im Hintergrund von Olivis glänzender Freiheitslehre. Aber genauer besehen wird man darauf aufmerksam, wie sich in seinem anthropologischen Ansatz die Idee der Freiheit modifiziert. Da die Freiheitstheorie Olivis weitgehend von der Seelenvorstellung her bestimmt ist, müssen wir kurz auf seine Psychologie eingehen. S e e l e n v o r st e i l u n g In der Seelenvorstellung Olivis werden verschiedene Modelle sichtbar. Das Wesentliche liegt darin, daß der Wille die alles beherrschende Instanz darstellt. Man kann sich den Aufbau in Gestalt einer Pyramide vorstellen. Zuunterst steht die elementare Schicht, darauf ruht die gemischte Form, es folgen die vegetative, die sensitive und geistige 8 É . Gilson: La Philosophie de Saint Bonaventure. 3. Éd. Paris 1953. Dt. Übersetzung v. Philotheus Böhner: Stefan Gilson: Der heilige Bonaventura. Hellerau 1929. 2. Aufl.: Die Philosophie des hl. Bonaventura. Köln und Ölten 1960. Vgl. z. B. S. 90ff. 9 Vgl. E . Benz, a. a. O. (Anm. 6), bes. S. 256—332.
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Form. Diese wiederum gliedert sich in die intellektive und die volitive 10 · Der Wille bildet die Spitze des Ganzen. Im Bild von der Wurzel und den Zweigen (radix — rami) wird deutlich, daß sich im Willen als der einheitlichen Mitte alle Kräfte konzentrieren11. Von besonderer Bedeutung ist das hierarchische Modell: Der Wille ist der„rex" im Reich der Seele, alle anderen Kräfte sind die „subditi" 12 . Die „voluntas" hat den Primat und den vollen Prinzipat inne. Ihr stehen als dem ,,agens principale" die Kräfte als ,,agentia instrumentalia" gegenüber13. Auch eine kosmologische Vorstellung findet Verwendung. Olivi entlehnt die aristotelische Idee von der Struktur des Weltganzen und überträgt sie auf die Seele. Der Wille erscheint als „primus motor", von dem die Bewegerreihe der seelischen Kräfte abhängig ist: „Voluntas . . . habet rationem primi motoris" 14 . An dieser Stelle ist kritisch zu fragen : Entspricht dieses außerordentlich voluntaristisch angeordnete Seelenmodell der Wirklichkeit ? Ist der Wille jener „primus motor", von dem alle Bewegung im Lebensvollzug der Persönlichkeit abhängt, ist er der unumschränkte „rex", der über die seelischen Kräfte wie über „Untertanen" verfügt ? Lassen es sich — um im Bild zu bleiben — die seelischen Kräfte gefallen, derart monarchisch beherrscht zu werden ? Die Antwort wird sich im Laufe der Erörterung ergeben. Freiheit Die Freiheitslehre 15 Olivis ist von hohem philosophischem Rang und stellt innerhalb des 13. Jahrhunderts eine große Leistung dar. Dennoch weist sie problematische Aspekte auf. Im Hintergrund der Konzeption 10 Vgl. Olivi: De perfectione evangelica. Q. 2. Ed. A. Emmen. I n : La dottrina dell' Olivi sulla contemplazione, la vita attiva e mista. In : Studi Francescani 61 (1964) 120. 11 Vgl. Olivi: Summa quaestionum super Sententias (Abkürzung: Summa), pars II. Ed. B. Jansen. 3 Bde. I n : Bibliotheca Franciscana Scholastica Medii Aevi 4—6. Quaracchi 1922—1926. Vol. I I q. 57. S. 305—394. — „Summa quaestionum super Sententias", anstatt des von Jansen verwendeten Titels „Quaestiones in secundum librum Sententiarum", ist eine der neueren Bezeichnungen. Dadurch wird das von Jansen edierte Werk vom eigentlichen Sentenzenkommentar Olivis unterschieden, von dem erst vereinzelte Quaestionen ediert sind. Vgl. dazu V. Doucet: De operibus manuscriptis Fr. Petri Ioannis Olivi in bibliotheca Universitatis Patavinae asservatis. I n : Archivum Franciscanum Historicum 28 (1935) 156—197, 408—442; V. Heynck: Zur Bußlehre des Petrus Johannis Olivi. In : Franziskanische Studien 38 (1956) 39—40. 12 Olivi: De perfectione evangelica. Q. 2 ad 3. Ed. A. Emmen, a. a. O. (Anm. 10), S. 127. 13 Ebd., q. 2. S. 120; Summa, pars II q. 57. Ed. B. Jansen, a. a. O. (Anm. 11), Vol. II, S. 335. 14 Olivi: Summa, pars II q. 57. Ed. B. Jansen, a. a. O., Vol. II, S. 332. Die Zitation ist nicht wörtlich, aber sinngemäß. 15 Vgl. bes. Olivi: Summa, pars II q. 57—58. Ed. B. Jansen, a. a. O., Vol.II, S. 305— 517.
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stehen zwei Motive. Einmal scheint der Spiritualenführer geprägt und beeinflußt zu sein von jener Form gelebter Freiheit von der Welt, die in Franz realisiert war. Zum anderen steht er in Opposition zu den Aristotelikern mit ihrer aus De anima III und Metaphysik XI entlehnten Lehre vom Willen als „movens motum" 16 . Danach bewegt das erkannte Gut als nicht mehr bewegtes Bewegendes den Willen, und dieser seinerseits bewegt die Seele zum Handeln. Der Wille ist also zwar bewegend, aber zuvor selbst schon durch das „bonum apprehensum" in Bewegung gesetzt. Olivi versteht diese Lehre, die ihm auch in Thomas gegenübertritt, völlig deterministisch, um nicht zu sagen mechanistisch. Er selbst faßt den Willen als rein aktive Kraft: „Voluntas est totaliter activa" 17 . Das wurde schon deutlich sowohl in der Besprechung des hierarchischen Seelenmodells —· der Wille als „rex", die anderen Kräfte als ,,subditi" — sowie in der kosmologischen Vorstellung •— Wille als „erster Beweger" in der Reihe der seelischen Beweger. Olivi unterstreicht das Gesagte noch durch eine Analogie aus dem Bereich der Optik. Der Wille ist in ähnlicher Weise aktiv wie eine Lichtquelle: „(Voluntas) non est minus actualis quam lux" 18 . Damit ist eine der aristotelischen Psychologie genau entgegengesetzte Auffassung geschaffen. Nicht der Gegenstand bzw. das Motiv bewegt den Willen und die Seele, sondern die Bewegungsstiftung verläuft umgekehrt. Wie etwa die Lichtquelle eine rein aktive Größe ist und der Lichtstrahl vom Gegenstand her keinerlei Einwirkung empfängt, so steht der Wille in uneingeschränkter Aktivität dem Gegenstand gegenüber. Die Dynamik des Willens wird durch das Objekt lediglich begrenzt: „terminatur" 19 . Diese Feststellung schlägt sich dann im hierarchischen Modell in der Weise nieder, daß der Mensch sein Wollen und die souveräne Verfügung über die seelischen Potenzen als einen „höchst herrscherlichen Akt" erfährt: „actus summe imperiosus"; oder: „eius imperiositatem nos expressissime et intimissime sentimus" 20 . Vergleichen wir diese nahezu absolutistische Willens- und Freiheitstheorie mit jener Freiheit des ganz „spirituellen", „geistigen" Menschen Franz von Assisi, dem Typus des „Zeitalters des Heiligen Geistes". Franz zwingt zur Bewunderung, da in ihm die Natur auf eine unnachahmliche Weise „überwunden" ist. Sie steht zur Verfügung. Nicht mehr sie beherrscht mit ihren triebhaften Bedürfnissen den 16
Bes.: De anima III c. 10; Met. XI c. 7. Olivi: Summa, pars II q. 58. Ed. B. Jansen, a. a. O., Vol. II, S. 410. 18 Olivi: Quaestiones in II Sententiarum. Ed. F. Simoncioli: Il problema della libertà umana in Pietro di Giovanni Olivi e Pietro de Trabibus. Mailand 1956. S. 188. 19 Vgl. Olivi: Summa, pars II q. 58 ad 1—2. Ed. Β. Jansen, a. a. O. (Anm. 11), Vol. II, S. 414—419. 20 Ebd., q. 57. Ed. Β. Jansen, a. a. O., Vol. II, S. 332. 17
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Menschen, sondern dieser steht souverän über ihr. Aber wie verhält sich dabei, psychologisch betrachtet, das wollende Ich zu den „niederen" Kräften? Man gewinnt nicht den Eindruck, als würden hier lediglich die rebellischen seelischen Triebkräfte von einem diktatorischen Willen unterworfen. Das Phänomen ist schwer in den Griff zu bekommen, aber immerhin soweit erkennbar, daß es sich andeuten läßt. Bei Franz stammt die Lebensdynamik weder, wie beim triebhaften Menschen, aus der Vitalsphäre, noch ist sie, wie bei Olivi, zerebral, ganz von Bewußtsein und Willen gelenkt, sondern sie entspringt einem anderen Zentrum, einer mittenhaften Instanz, einem geheimnisvollen und gnadenhaften Mittelpunkt der Persönlichkeit. Olivi dagegen läßt das menschliche Handeln im Idealfall ganz von oben, vom Gehirn her, vom rationalen Willen gesteuert sein. Diese fragwürdige Art von „Selbst-Beherrschung", das „imperiosum velie ipsius voluntatis" 21 bzw. die „imperiositas" hat etwas Gewaltsames und Schroffes an sich und steht so im Gegensatz zu jener harmonischen Gelöstheit, die bei Franz wahrzunehmen ist. Die Psychologie hat die Empirie für sich, wenn sie die Behauptung aufstellt, daß das Gesetz von der Erhaltung der Energie auch im Seelischen gilt22. Wenn vom rationalen Willen allzu kategorisch die Impulse aus der emotionalen und vitalen Sphäre abgewürgt und „abgetötet" werden, dann wird dadurch die seelische Energie nicht einfach zum Verschwinden gebracht. Sie ist nur verschoben und taucht an anderer Stelle wieder auf : als Affekt der Angst oder Aggression. Jedenfalls verhindert sie die volle Reifegestalt der Persönlichkeit. Wir werden später Gelegenheit haben, diese These durch ein Exempel aus den Schriften Olivis zu erhärten. Glaubensbegriff Das bisher aufgezeigte Verhältnis zwischen den seelischen Kräften spiegelt sich auch im Glaubensbegriff wieder. Die relativ neutrale und gemäßigt klingende Definition der Glaubenszustimmung des Aquinaten: „assensus accipitur pro actu intellectus secundum quod a volúntate determinatur ad unum" 23 ist weitergetrieben in die Richtung des „sacrificium intellectus". Der Glaube gehört zu den theologischen Tugenden. Schon im Tugendbegriff begegnet uns wieder die bereits bekannte „Herrscherlichkeit" als konstitutives Element: „In omni 21
Olivi: Summa, pars III q. 4: Cod. Vat. lat. Borgh. 173, fol. 67 ra . Vgl. eine entsprechende These bei C. G. Jung: J. Goldbrunner: Individuation. Die Tiefenpsychologie von Carl Gustav Jung. Krailling vor München 1949. S. 61. 23 S. Thomae de Aquino Summa theologiae. Ed. Commissio Piana. Ottawa 1953. II—II q. 2 a. 1 ad 3. S. 1414b. 22
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actu virtuoso necessario concurrit imperiosum velie ipsius voluntatis" 24 . Im Blickpunkt ist weniger das harmonische Sich-Einfügen der „niederen" Kräfte in die Ausrichtung der wollenden Gesamtpersönlichkeit, sondern das beinahe diktatorische Verfügen über die Potenzen, die dann in Gefahr sind, ihrer Eigengesetzlichkeit und notwendigen Eigenbewegung beraubt zu werden. Die Lehre vom Glaubensakt betont daher ganz besonders, daß hier der Wille die „ratio" Gott unterwirft: „totam virtutem suae rationis subicit Deo" 25 . Eine andere Formulierung: Der Glaube zwingt jede menschliche „ratio" unter seine Füße: „omnem rationem humanam sub pedibus suis tenet" 26 . Um die Aussagen gerecht zu würdigen, ist es wichtig, den geistesgeschichtlichen Hintergrund, auf dem sie zu lesen sind, sichtbar zu machen. Olivi bekämpft aufs heftigste die Aristotelesrenaissance seines Jahrhunderts und das Mächtigwerden der Philosophie. Die autonome wissenschaftliche und philosophische „ratio" ist für ihn identisch mit Selbstherrlichkeit und Hybris, ja sie stellt im Prinzip etwas Antichristliches dar 27 . So versteht man, wenn es heißt, im Glaubensakt werde die „tota virtus rationis" Gott unterworfen. Er ist das Opfer der menschlichen Autonomie. Olivi hat auf hervorragende Weise den personalen Aspekt des Glaubensaktes herausgearbeitet und damit die Kritik an der intellektualistischen Akzentuierung des Glaubensbegriffs, die in den letzten Jahrzehnten von der evangelischen Theologie her laut wurde, bereits im 13. Jahrhundert vorweggenommen28. Doch erhebt sich auch jetzt wieder jene Frage, die unsere ganze Erörterung durchzieht, ob man die seelischen Potenzen, hier die philosophische und wissenschaftliche „ratio", in der Weise, wie Olivi das tut, vergewaltigen kann und darf, ob nicht die dem Willen untergeordneten Kräfte innerhalb der Persönlichkeit mehr Eigenrecht haben, mehr Anspruch darauf, gelebt zu werden, als Olivi ihnen zugesteht. Das Gesamtbild, das man von dieser Anthropologie hat, ist das einer ungesunden Disproportion im Haushalt der seelischen Wirklichkeit. Mystische E r f a h r u n g In Ablehnung der aristotelischen Bewegungspsychologie — Wille und Seele werden vom „bonum apprehensum" bewegt — hat Olivi 24
Olivi: Summa, pars III q. 4: Cod. Vat. lat. Borgh. 173 fol. 67ra. Ebd., q. 8 fol. 79 v b . Subjekt der Tugend ist der Wille. Vgl. pars III q. 4, ebd., fol. 66 ra —69 ra . 26 Ebd. 27 Vgl. E. Stadter: Das Glaubensproblem in seiner Bedeutung für die Ethik bei Petrus Johannis Olivi. In: Franziskanische Studien 42 (1960) 225—296. 28 Vgl. ebd. 25
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die Lehre von der totalen Aktivität des Willens und der Seele aufgestellt. Läßt sich aber diese These in allen Lebensbereichen durchhalten und auf alle Phänomene anwenden ? Der Spiritualenführer muß sich mit gewichtigen Einwänden auseinandersetzen. In der Bibel wird gesagt, daß die Kinder Gottes vom Geist Gottes „bewegt werden". Ferner behaupten die Experten des geistlichen Lebens, der Mensch verhalte sich in der mystischen Kontemplation pathisch und empfangend. Das würde also bedeuten, daß der Mensch gerade bezüglich des höchsten Objekts und in seinen entscheidendsten Akten passiv ist. Nach Ansicht Olivis grenzt eine solche Auffassung an Häresie. Es ist Glaubenstatsache, daß Gott auf die menschliche Kraft nur einwirkt in dem Sinne, daß er diese Kraft schafft: „Numquam Deus aliquid imprimet vel influet, nisi velit et nisi per modum creationis." Der Mensch ist also in der religiösen Erfahrung nicht gleichsam Gegenstand mechanischer Einwirkung von Seiten Gottes, sondern besitzt die volle schöpferische Initiative für seine Akte. Eigenartig ist die Veranschaulichung dieses Vorgangs. Der Akt geht aus dem Willen hervor und richtet sich auf das göttliche Objekt. Dort wird er „terminiert", gleichsam gebrochen und reflektiert, und bei dieser Rückstrahlung der Willensenergie wird der Eindruck erweckt, „als ob" vom göttlichen Objekt eine Einwirkung auf den Willen ausginge. Es ist, wie wenn ein Lichtstrahl auf ein Glas fällt und der Lichtstrahl mit der Willensenergie, das Glas mit dem göttlichen Gegenstand verglichen wird. Der Strahl fällt auf das Glas, wird zurückgeworfen und gibt in der Reflexion das Bild des Gegenstandes wieder, ohne daß deswegen vom Gegenstand ein Impuls ausgeht. So trifft der Strahl der Willensenergie gleichsam das göttliche Objekt und wird in der Form der Reflexion zurückgeworfen. Dabei sieht es so aus, „als ob" von Gott ein Impuls ausginge. Doch ist die scheinbare Einwirkung des göttlichen Objekts auf den Willen eigentlich nur die Reflexion jener Kraft, welche die Willenspotenz dem Objekt zugewendet hatte 29 . Gerade an diesem extremen Fall wird etwas Typisches an Olivi sichtbar. Einerseits vertritt er ein berechtigtes Anliegen. Die Einwirkung Gottes auf den Menschen ist nicht mechanisch und als Vergewaltigung zu denken. Sie ist im Gegenteil identisch mit einer Verleihung schöpferischer Initiative an den Menschen. Aber es zeigt sich auch, wie starr Olivi an seiner einmal gesetzten Position festhält und die höchst komplizierte Wirklichkeit des Wollens über einen Leisten schlägt, mit einem einzigen Prinzip erklären möchte. Die eindeutige Aussage der Mystiker, daß sich der Mensch in der tiefsten Gotteserfahrung passiv und aufnehmend verhalte, wird auf ein „es sieht so aus als ob" reduziert. Aufgrund der einmal festgelegten Position fallen 29
Vgl. Olivi: Summa, pars II q. 58, arg. 7. Ed. B. Jansen, a. a. O. (Anm. 11), Vol. II, S. 396f.; ad 7, ebd. S. 425f.
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viele Dinge unter den Tisch: alles Pathische, Empfangende, alles Gewährenlassen, jene Gelöstheit, die gerade dadurch entsteht, daß der Mensch die Verkrampfung im bloßen Wollen aufgibt. K r i t i k an A u g u s t i n u s Besonders augenscheinlich werden der Rigorismus Olivis und sein Unverständnis für ursprüngliche Gegebenheiten in einer kritischen Bemerkung zu Augustinus' Confessiones VIII. Die Situation ist diese: Augustinus erlebt die erotisch-sexuelle Bindung an seine Geliebte als unerträgliche Last und ersehnt die Bekehrung. Er sieht seine Lage in Zusammenhang mit der Schilderung des sarkischen Menschen in Rom 7. Das niederziehende Gesetz in den Gliedern widerstreitet dem Gesetz des Geistes. Der Mensch möchte zwar das Gute tun, aber er kann nicht. Augustinus dringt mit genialem Blick in die Tiefenschicht des Problems und erfaßt dieses in psychologischer Hinsicht noch schärfer als Paulus. Er weiß, daß er das Steuer seines Lebens in eine andere Richtung bringen möchte, aber er sieht sich nicht dazu in der Lage. Doch als er die Sache genauer analysiert, erkennt er: Die Paradoxie liegt nicht darin, daß er zwar möchte, aber nicht kann. Die Diskrepanz ist vielmehr zentraler, sie betrifft den Willen, das wollende Ich selbst. In diesem sind bereits divergierende Tendenzen zu beobachten. Die Spaltung verläuft also nicht etwa zwischen dem wollenden Ich und der Vitalsphäre, sondern im Ich-Kern. Der Wille will gar nicht „ex toto", er bewegt sich nur halb, teilweise: „partim". Also sind zwei Willen — ,,duae voluntates" — zu konstatieren. Anders gewendet: In dem einen Willen verlaufen zwei einander entgegengesetzte Bewegungen. Wäre das Wollen ein totales, die ganze Strebenssphäre integrierendes, dann wäre das Können damit von selbst gegeben; denn im Geistigen herrscht das Gesetz, daß die Entscheidung schon die gesetzte Tat ist. Eine echte Entscheidung wäre daher schon die vollzogene Bekehrung 30 . Die außerordentlich scharfsinnige Deskription des Phänomens führt zu tiefen anthropologischen Einsichten. Der Mensch ist ein eigentümlich paradoxes Wesen. Im Zustand der Sünde hat er nicht die volle Verfügung über sich selbst, und zwar nicht, weil die Vitalsphäre nicht gehorcht, wenn der Geist eine Richtung bestimmt, sondern weil die Unentschiedenheit bis in die Mitte des Geistes selbst hineinreicht. Der Geist selbst „macht nicht mit", wenn er sich etwas befiehlt, sich für etwas entscheidet. Augustinus kann sich nicht genug tun, diese anthro30
S. Aureli Augustini: Confessionum libri tredecim. Ed. P. Knöll. Wien 1896. In: Corpus Scriptorum ecclesiasticorum latinorum. Vol. 33. Lib. VIII c. 5. S. 177—180, c. 7. S. 184—185, c. 8—10. S. 185—191.
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pologische Monstrosität zu bestaunen: „Unde hoc monstrum", sagt er immer wieder31. Das Sich-total-Entscheidenkönnen im Sinne einer eindeutigen Strebensrichtung ist in seinen Augen ein Geschenk der Gnade32. Olivi lehnt diese Theorie ab, da er in ihr eine Gefahr für die Freiheit sieht33. Daraus erhellt, daß seine Freiheitslehre, so großartig sie ist, einer naiven Komponente nicht entbehrt. Dieser Mangel an Gespür für das Reale hängt sicher mit der übertriebenen „spiritualistischen" Einstellung zusammen. Augustinus beschreibt nicht einmal nur einen Sonderfall. Das Problem hat eine viel generellere Basis. Der Mensch ist seinem ganzen Wesen nach nicht so strukturiert, daß er, wie Olivi meint, in unumschränkter Herrscherlichkeit — „imperiositas" — über sich verfügen könnte. Der überspitzte Voluntarismus ist nicht nur eine Illusion, sondern auch eine gefährliche Selbsttäuschung. Ü b e r das E i n s c h l a f e n Kommen wir auf die schon angedeutete psychologische Wahrheit zurück, daß ein allzu willkürliches Verfügen über die „niederen" Kräfte, die emotionale und die Vitalsphäre (eine fragwürdige Form der „Selbst-Beherrschung"), eine problematische Kehrseite hat. Die vergewaltigten Energien kommen in störender Weise wieder zum Vorschein, als Affekt der Angst usw. Tatsächlich gibt es bei Olivi eine interessante Stelle, durch welche sich die Konsequenzen seiner hierarchischen Seelen- und Freiheitsauffassung illustrieren lassen. Er macht innerhalb seiner Freiheitslehre einmal eine Bemerkung über das Einschlafen ; und hier tritt ein in die Richtung des Pathologischen weisender Zug deutlich zutage. Betrachten wir die Aussage: Der Gedanke an den Verlust der freien Selbstverfügung — ein derartiger Mangel läßt sich etwa bei Geisteskranken beobachten — ruft in uns ein Schaudern hervor, als ginge es um die gänzliche Vernichtung unserer Existenz. — Und dann der bezeichnende Hinweis : Das Ausmaß eines solchen Defekts wird uns bewußt, wenn wir beim Einschlafen diese freie Selbstverfügung ganz allmählich verlieren: „Cuius defectus lapsum homo intime in se ipso sentit, quando obdormire tenuiter incipit" 34 . Eine so natürliche Sache wie das Einschlafen wird zum Problem, ist angstbetont. Dieser Zug macht die Problematik deutlich erkennbar. Es fehlt jene spezifische Gelöstheit und das freundliche 31
Ebd., c. 9. S. 187—188. Ebd., c. 12. S. 193—196. 33 Vgl. Olivi: Summa, pars II q. 57 ad 29. Ed. B. Jansen, a. a. O. (Anm. 11), Vol. II, S. 385. 34 Ebd., q. 57. S. 335. 32
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Verhältnis zu den unbewußten Regionen der Seele, die es dem Menschen möglich machen, sich im Schlaf diesen Tiefen ohne Furcht anzuvertrauen. Die gesunde Beziehung zur eigenen Wesenstiefe ist bedroht. Wir haben ein aufschlußreiches Beispiel für die oben genannte psychologische These. E i n p s y c h o l o g i s c h e s Modell als H i l f s v o r s t e l l u n g Versuchen wir, zum Abschluß dem Wesen des „Spirituellen" mit einem Gedankenexperiment näher zu kommen, für welches wir die moderne Psychologie zu Hilfe nehmen. Carl Gustav Jung 35 , dessen besonderes Interesse dem Bereich des Religiösen und seiner psychologischen Erhellung galt, hat ein begriffliches Material und ein Modell zur Verfügung gestellt, die sich in etwa dazu eignen, die von uns untersuchte Sache anschaulich zu machen. Läßt sich das außergewöhnliche Phänomen „Franz von Assisi", diese überragende Form der Menschlichkeit, psychologisch irgendwie verstehen ? Natürlich ist ein solcher Versuch keineswegs identisch mit einer psychologistischen Auflösung religiöser Gegebenheiten. Es geht nur darum, Möglichkeiten der Einsicht zu erschließen. Jung ist der Meinung, daß dann, wenn der Lebensvollzug allzusehr vom rationalen Bewußtsein und vom Willen her getätigt wird, die Gefahr der Verschiebung seelischer Energie besteht. Aus der Tiefe der Vitalseele stammen zahlreiche Impulse. Werden sie diktatorisch dorthin zurückgeschickt, dann verdichten sie sich im Unbewußten zu autonomen Zentren und verhindern die volle Integration und Einheit der Persönlichkeit. Der Wille ist nicht eine freischwebende Instanz, welche ungestraft mit Willkür über das seelische Potential verfügen könnte. Er vermag lediglich, diese Energien zu verwalten. Der richtige Ablauf seelischen Geschehens ist daran erkennbar, daß das bewußte Ich die ihm zuströmenden Kräfteimpulse in echter Weise verarbeitet, assimiliert. Drei Instanzen innerhalb der Gesamtpsyche sind für unsere Betrachtung von besonderer Bedeutung. Der große Bereich des Unbewußten schließt die Vitalseele und die Fülle an Instinkten und Triebenergien in sich. Den Gegenpol bilden das rationale Bewußtsein und der Wille. Dazwischen liegt als ein virtuell gedachter Punkt das Selbst, der Kern der Persönlichkeit. Dieses Selbst bildet sich erst im Laufe der Reifung der Persönlichkeit heraus und ist das große Ergebnis der Selbstwerdung; Jung nennt den Vorgang „Individuation". Das Besondere dieser geheimnisvollen Instanz ist darin zu sehen, daß von ihr aus das 35
Vgl. für das Folgende: J. Goldbrunner: Individuation. Die Tiefenpsychologie von Carl Gustav Jung. Krailling vor München 1949.
Religionsphänomenologische Überlegungen zur spiritualistischen Idee
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Leben des Individuums gelenkt und geprägt wird. Also nicht mehr das Ich ist Kern des Seelischen, sondern dieses Selbst, das in etwa das bedeuten dürfte, was die „dämonische Persönlichkeit" charakterisiert. Jung drückt das so aus: Das Ich rotiert um das Selbst wie die Erde um die Sonne. Oder: Es ist, wie wenn die Leitung der Lebensgeschäfte an eine unsichtbare Zentralstelle übergegangen wäre. Wir können auf die komplizierte Genese dieser Selbstwerdung nicht näher eingehen, aber wie sie im Resultat und in ihrer Vollendung erscheint, ist sie eine bekannte Größe. Jung verweist auf das Pauluswort, in welchem die Sache deutlich wird: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir" 36 . Es gibt noch ähnliche Formulierungen: Bewußtsein der Gotteskindschaft, die „Seelenburg" der Mystiker usw. Man könnte vielleicht auch auf das „Daimonion" des Sokrates hinweisen, wenngleich man hier besser differenzieren müßte. Bei allen diesen Umschreibungen eines an sich Unfaßbaren ist zum Ausdruck gebracht, daß der voll entwickelte Mensch nicht mehr nur vom Kopf her lebt, sondern von einer Wesensmitte her, die in einer tieferen Dimension liegt. Wenn wir die Modellvorstellung Jungs auf unsere Thematik anwenden, dann läßt sich das Wesentliche gut veranschaulichen. Beim Menschen, wie ihn Olivi zeichnet, geschieht alles vornehmlich von oben her, von der „voluntas" als dem „rex". Die Vergewaltigung der seelischen Energie ist, wie wir festgestellt haben, der Ausdruck einer Desintegration der Persönlichkeit, die sich in Überspanntheit und Forciertheit äußert. Das „Charismatische", „Pneumatische" und „Spirituelle" an Franz ist nur dadurch verständlich, daß der Heilige sein Leben aus einer geheimnisvollen tieferliegenden Wesensmitte heraus vollzieht, nicht aber lediglich aus rationaler und willkürlicher Zielsetzung. Schluß Kehren wir zum Ausgangspunkt unserer Überlegungen zurück. Die Frage hatte gelautet : Ist es möglich, jene Existenz, die sich in Franziskus darstellt, zu imitieren ? Wir haben festgestellt, daß die Anthropologie, die jener Theorie vom Zeitalter des Heiligen Geistes zugrunde liegt, wenigstens bei dem Spiritualenführer Olivi ein eigentümlich ungesundes Element in sich enthält. Das Phänomen des „Spirituellen" wird vielleicht gerade dadurch verfehlt, daß es allzusehr von der menschlichen Anstrengung her betrachtet wird. Die wirklich „pneumatische" Existenz ist vom Phänomen her etwas Gnadenhaftes, Geschenktes. Diese Erkenntnis wurde gewonnen in der Gegenüberstellung 36
Gal 2, 20.
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der Gestalt des heiligen Franz zu jener Bewegung, die seine Idee am rückhaltlosesten verwirklichen wollte. Olivi ist ein sehr eigenwilliger und scharfsinniger Denker. In einer Reihe von Problemlösungen bildet er ein wichtiges Korrektiv zu den Anschauungen seiner Zeit. Diese Tatsache soll unbestritten sein. Doch seine z. T. hervorragenden Lehren haben ihrerseits eine Kehrseite. Die vorhegende Darstellung sollte nicht die Verdienste Olivis schmälern, sondern lediglich problematische und kritische Punkte in einigen seiner Auffassungen herausstellen.
METAPHERN FÜR DIE SPIRITUELLE SCHRIFTAUSLEGUNG 1 V o n H A N S - J Ö R G SPITZ
Von der antiken Rhetorik werden die Metapher und die verwandten Formen der vergleichenden Rede zum Ornat der sprachlichen Formulierung gerechnet. Zum Zwecke der Sprachbeherrschung gelten sie als Anweisungen für die schmückende Veranschaulichung eines bereits geklärten Sachverhalts. Von der Funktion der nachträglichen Illustration zu unterscheiden ist jedoch der notwendige Gebrauch der metaphorischen Rede bei der sprachlichen Bewältigung von Phänomenen, für die der begrenzte Wortschatz einer Sprache keine ausreichende Bezeichnung zur Verfügung hat oder die sich einer begrifflichen Erfassung entziehen. In dieser Hinsicht sind die verschiedenen Formen des metaphorischen Sprechens : die Metapher selbst, der Vergleich, das Gleichnis und die Allegorie Werkzeuge zur Orientierung in einer begrifflich nicht festgelegten Wirklichkeit, in denen durch vergleichendes Feststellen von Ähnlichkeiten der metaphorisch einander zugeordneten Dinge ein Denken in Analogien als produktives Prinzip angelegt ist. In der Form der Allegorie, der gedanklich ausgeweiteten Metapher, ist das analoge Denken in der griechischen Antike auch zum Interpretationsmittel der literarischen Tradition geworden, die eine autoritative Geltung für die Gegenwart besitzt. Die seit dem sechsten Jahrhundert v. Chr. an den homerischen Epen geübte Methode der allegorischen Erklärung, die im hellenistischen Judentum Philo von Alexandrien auf die Gesetzesbücher angewandt hat, ist seit der Zeit der Kirchenväter auch für die Bibel zu einem allgemeinen Auslegungsprinzip geworden. Der im Laufe der Tradition durch die Geschichte verursachte Wandel der Verstehensbedingungen führte zu einer Differenz zwischen dem 1 Für den Nachweis der Literatur und Metaphernbelege verweise ich auf meine weiterführende Untersuchung, die demnächst als Münsterer phil. Dissertation erscheint. Genannt sei lediglich das unentbehrliche Werk von H. de Lubac: Exégèse Médiévale. Les quatre sens de l'Ecriture. Bd. I, 1. 2—II, 1. 2. Paris 1959—1964. Abkürzungen: PL: Patrologiae cursus completus, series Latina. Ed. J. P. Migne; CSEL: Corpus scriptorum ecclesiasticorum Latinorum; GCS: Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte (Bandangaben beziehen sich auf den Autor; keine laufende Zählung der Reihe); CCL: Corpus Christianorum, series Latina.
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im Wortlaut festgelegten Sinn und dem ihm beigelegten Anspruch, einer Differenz, die durch allegorische Deutung überwunden worden ist. Die allegorische Deutung der Bibel erklärt sich aus der Notwendigkeit, die Kontinuität zwischen dem Kanon des Alten und Neuen Testamentes und der Glaubenslehre zu wahren, die im Laufe der ersten Jahrhunderte durch die Aufnahme griechischer Denkvorstellungen über die im Kanon gesicherte urchristliche Tradition hinausgewachsen war. Als „regula fidei" leitete das Glaubensbewußtsein das Verstehen der Bibel und hatte sich andererseits an deren Norm als Schrift auszuweisen. Die geschichtlich bedingte Differenz des Verstehens, ein allgemein gültiges hermeneutisches Gesetz, stellte sich der alten Kirche seit Orígenes und Augustinus in der Unterscheidung eines buchstäblichen und geistigen Sinnes als wesenhafte Mehrdeutigkeit des biblischen Wortes dar, die aus der Schöpfungsordnung, dem metaphysischen Wirklichkeitsverständnis platonischer Herkunft, abgeleitet ist. Der Allegorese in der Denkbewegung verwandt ist die aus der Bibel hervorgegangene heilsgeschichtliche Betrachtungsweise der Typologie. Vorbereitet in der prophetischen Eschatologie des Alten Testamentes, die die in der Erwählungstradition überlieferten Heilstaten Gottes in gesteigerter Form für die Zukunft erwartet, und im Neuen Testament von Paulus als eine vom Christusgeschehen auf das Alte Testament zurückblickende Form exemplarischer Geschichtsdeutung mit dem aussagekräftigen Terminus τύπος gekennzeichnet (Rom 5, 14 ; 1 Kor 10, 6. 11), ist die Typologie sehr bald zu einer generellen Auslegungsmethode für das Alte Testament aus der Sicht des Neuen geworden. Damit werden nach dem Prinzip der Analogie und der vergleichenden Unterscheidung zeitlich getrennte Ereignisse in einen Sinnbezug der Steigerung gesetzt, so daß die alttestamentlichen Ereignisse, die im Christusgeschehen und in der Kirche ihre irdische Vollendung finden, als Vorausdarstellung der künftigen Geschichte erkannt werden. Die typologische und die allegorische Deutung, die von ihrem historischen Ursprung her sowie im Bezug auf Ereignisse und Dinge zu unterscheiden sind, sind aufgrund ihrer gleichartigen Denkform in frühkirchlicher Zeit ineinander übergegangen. Jeweils handelt es sich um eine fortgeschrittene Form theologischer Reflexion, durch die im Rahmen eines vorgegebenen Ganzen, der Einheit des Alten und Neuen Testamentes sowie der Zusammengehörigkeit der gesamten Bibel mit dem sich weiter entwickelnden Glaubensgut der Kirche, die Bestände im Bezug zwischen dem buchstäblich-historischen und dem geistigen Sinn geordnet werden. Durch inhaltliche Differenzierung der geistigen Einsicht erhält der durch den Wortlaut bezeichnete Sachverhalt eine dreifache Anwendungsrichtung. Unter dem Aspekt der Allegorie spricht der Text von
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der Lehre über Christus und die Kirche ; unter dem Aspekt der Tropologie gibt er Anweisungen zu einer dem Glauben gemäßen Lebensführung des einzelnen; unter anagogisch-eschatologischem Aspekt führt er zu den Geheimnissen der himmlischen Welt. Den sparsamen begrifflichen Äußerungen zur Theorie der Bibelexegese, die sich auf die Terminologie der einzelnen Schriftsinne sowie deren Definition und Reihenfolge beziehen, steht seit Orígenes eine Fülle von Metaphern gegenüber, in denen die Lehre vom mehrfachen Sinn der Schrift bedacht und tradiert worden ist. Erst durch Augustinus ist den Metaphern ein hermeneutisches Grundschema hinzugefügt worden, in dem die Prinzipien der spirituellen Auslegungsmethode begrifflich gefaßt sind. Mit dem Schema von „signum" und „res" knüpft Augustinus an die Zeichenfunktion der Sprache an und überträgt die der Rhetorik geläufige Unterscheidung von bezeichnendem Wort und bezeichneter Sache auf das Verhältnis der sinnlich wahrnehmbaren und geistigen Welt. Im Rahmen eines neuplatonischen Wirklichkeitsverständnisses verweist das von der Bibel sprachlich bezeichnete Ding der irdisch-geschichtlichen Welt als ein bedeutungstragendes Zeichen auf eine geistige Realität. Damit erhält die durch spirituelle Auslegung gewonnene Glaubensaussage gegenüber der Natur und Geschichte einen metaphysischen Bezug. Da in der allegorischen Auslegung ein Übergang von der Wortbedeutung zur Dingbedeutung gesucht und damit der Wortinhalt auf eine höhere Sache übertragen wird, ist es berechtigt, den Begriff der Metapher zu verwenden. Wie das im Mittelalter weiter ausgebildete Grundschema Augustins, in dem die verschiedenen Eigenschaften eines Dinges die Zahl der Bedeutungen festlegen, zur Anlage allegorischer Wörterbücher führt, in denen der exegetische Ertrag lexikalisch erfaßt ist, hat F. Ohly in der Kieler Antrittsvorlesung von 1958 dargelegt2. Die Auswertung der in den allegorischen Wörterbüchern angelegten Konzeption, die auf der Zuordnung von bedeutenden und bedeuteten Dingen beruht, führt dazu, für eine bezeichnete Sache, wie im folgenden der mehrfache Sinn der Schrift und der Vorgang der Auslegung, die Vielzahl der bedeutungstragenden Dinge nach ihren Aussagemöglichkeiten zu gliedern. Durch den Vergleich der Funktionen ordnen sich die Metaphern zu einem Fächer, der in seiner Gesamtheit alle Aspekte und Wesenszüge einer Sache in sich vereint. Durch die unmittelbare Orientierung an den Vorstellungselementen und Aussagemöglichkeiten der Metaphern lassen sich in methodischer 2 F. Ohly: Vom geistigen Sinn des Wortes im Mittelalter. In: Zeitschrift für deutsches Altertum 89 (1958/59) 1—23.
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Hinsicht dem Werk H. de Lubac's Exégèse médiévale, das die Metaphern in reicher Zahl berücksichtigt, neue Aspekte hinzufügen. Für den Teilbereich der Speisemetaphern ist auf diesem Wege bereits K. Lange in einer Kieler phil. Dissertation von 1963 vorangeschritten 3 . Um jedoch ein vollständiges Bild vom Wesen der spirituellen Schriftauslegung zu gewinnen, bedarf es der Ergänzung durch die weiteren an der Metaphorik beteiligten Sachbereiche. Eine Elementarmetapher, in der eine weitreichende Theorie für den mehrfachen Schriftsinn steckt, ist die von Orígenes im Anschluß an Philo von Alexandrien auf die Schrift bezogene Vorstellung eines lebendigen Organismus, der mit der Natur des Menschen übereinstimmend aus Leib, Seele und Geist gebildet ist. Orígenes unterscheidet zwischen dem für alle sichtbaren Leib der im Buchstabensinn überlieferten Geschichte und der nach Seele und Geist gestuften moralischen und mystischen Einsicht, die für die Fortgeschrittenen und Vollkommenen erkennbar ist und sie somit zu erbauen vermag. Biblisch legitimiert ist die trichotomische Anschauung von der Schrift durch die Aufforderung Salomos (Spr 22, 20), die Worte der Weisen mit Umsicht und Wissen „tripliciter" zu beschreiben, um sie für die Erkenntnissuchenden zu Worten der Wahrheit werden zu lassen4. Als geistbeseelter Leib ist die Schrift nicht nur analog zu den Erkenntnismöglichkeiten des Menschen gebildet, sondern steht im übergeordneten Zusammenhang der Schöpfung und hat damit Teil an der durch „Verwandtschaft" begründeten Einheit zwischen dem Sichtbaren und Unsichtbaren, der irdischen und himmlischen Welt 5 . Insofern der sichtbare Wortleib den geistigen Sinn verhüllt, erkennt Orígenes eine weitere Analogie zwischen dem Gotteswort, das Moses und die Propheten in der Schrift zu den Menschen gebracht haben, und der Inkarnation des Gotteswortes in der Menschwerdung Christi®. Die Anschauung über die Schrift als Körper wird ergänzt durch Orígenes' Auslegung der alttestamentlichen Anweisungen zum Bereiten der Opfertiere. Die levitische Vorschrift, dem Opferkalb die Haut abzuziehen und es gliedweise zu zerlegen (Lev 1, 6), wird als Hinweis verstanden, in der Schrift die inneren Glieder der geistigen Einsicht von der Buchstabenhülle zu befreien. Das Zergliedern des enthäuteten Leibes setzt Orígenes zu der Fähigkeit des Exegeten in Beziehung, durch ein Aus3 Unter dem gleichlautenden Titel: Geistliche Speise. Untersuchungen zur Metaphorik der Bibelhermeneutik, verkürzt erschienen in : Zeitschrift für deutsches Altertum 95 (1966) 81—122. 4 Orígenes: De Principiis. Hrsg. P. Koetschau. Leipzig 1913. In: GCS 5. S. 312f. 5 Orígenes : Homilien zum Hexateuch in Rufins Übersetzung. Hrsg. W. A. Baehrens. Leipzig 1920—21. In: GCS 6. S. 333f. 6 Ebd., S. 280.
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einanderlegen der Gründe die innere Ordnung des Schriftleibes einsichtig werden zu lassen, die den Fortgang der Heilsgeschichte vom Gesetz über die Propheten bis zur Vollendung in den Evangelien umfaßt und die dem Erkenntnisvermögen der Anfänger, der Fortgeschrittenen und Vollkommenen angepaßt ist 7 . Auch das Passahlamm, dessen Haupt, Eingeweide und Füße die Israeliten essen sollen (Ex 12, 6), bezieht Orígenes auf das Schriftverstehen. In der Weisung, das Lamm weder roh noch gekocht, sondern gebraten zu verzehren, sieht er das buchstäbliche Verständnis der Juden und die von häretischen Absichten geleitete allegorische Deutung, die die Schrift wäßrig und kraftlos macht, abgewehrt. Gebraten mit dem Feuer des Heiligen Geistes bleibe die Schrift in ihrem Zusammenhalt bewahrt. Der Kopf, die Eingeweide und die Füße stellen den Anfang, die Mitte und das Ende der Schrift dar, die die Grundaussagen der kirchlichen Lehre über die himmlischen und irdischen Dinge sowohl in der Stufung von Haupt und Füßen als auch in der Verdeckung der Eingeweide enthält 8 . Die von Orígenes gegebene Deutung hat Hieronymus noch präzisiert, indem er ausdrücklich das Haupt auf die geistige Einsicht und die Füße auf die einfache Erzählung der Geschichte bezieht. Mit der Mitte des Leibes, dem Eingeweide, verbindet Hieronymus die Funktion der Kirchenlehrer, die durch die spirituelle Schriftauslegung das Eingeweide in wiederkäuender Weise zermahlen und aus dem scheinbar Häßlichen des Buchstabens die Lebensspeise hervorbringen9. Die wenigen Beispiele für den Körper, der als geistbeseelter Leib sowie als gegliederte Gestalt jeweils eine Ganzheit in sich beschließt, zeigen, daß für Orígenes der buchstäbliche und geistige Sinn der Schrift eine naturgegebene Einheit darstellen. Durch die Metapher des Körpers, eine Grundvorstellung für jedes gegenständliche Denken, steht der mehrfache Schriftsinn aufgrund analoger Bezüge in einer Reihe übergeordneter Ganzheiten; er ist in einer umfassenden Gesamtkonzeption begründet, in der der Aufbau der Schrift, die Verstehensmöglichkeiten des Menschen, die Teilhabe zwischen der irdischen und himmlischen Welt sowie die Einheit der beiden Naturen Christi einander entsprechen. Unter der Voraussetzung griechischen Denkens konnte die kirchliche Tradition seit Orígenes das Pauluswort ,,Littera enim occidit, spiritus autem vivificat" (2 Kor 3, 6) als eine unmittelbar biblische Begründung für den buchstäblichen und geistigen Sinn der Schrift auffassen. ' Ebd., S. 285f. 8 Orígenes: Der Johanneskommentar. Hrsg. E . Preuschen. Leipzig 1903. In: GCS 4. S. 188 f. 9 Hieronymus: De Exodo, in vigilia Paschae. In: S. Hieronymi Presbyteri Opera. Pars I I : Opera homiletica. In: CCL 78. S. 539.
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Den 2 Kor 3, 14—16 sich anschließenden Versen, daß den ungläubigen Juden die Erkenntnis des Alten Testamentes durch eine Hülle verdeckt sei, die erst bei der Bekehrung zu Christus aufgehoben werde, ließ sich die Verdeckung des geistigen Sinnes durch den Buchstaben, beziehungsweise des Neuen Testamentes im Alten entnehmen. In den zitierten Versen gibt Paulus eine Deutung des Exodusberichtes, daß Moses den göttlichen Glanz seines Antlitzes mit einer Hülle verdeckt habe (Ex 34, 29—35). Damit konnten gegenüber der Hülle des Buchstabensinnes der Lichtglanz, das Gesicht Moses' sowie seine Augen in der exegetischen Tradition zu Bedeutungsträgern für den geistigen Sinn werden. Als Elementarmetapher für den Buchstabensinn besitzt die Hülle zugleich eine verdeckende und auf die verdeckte Sache hinweisende Funktion. Das Verhältnis von Leib und Seele ist damit auf eine nicht weiter zu reduzierende Grundvorstellung gebracht. Erst recht wird die Hülle als eine interpretierende Ersatzvorstellung für die Begriffe „typus" und „figura" verwendet, durch die das differenziertere Modell des typologischen Sachverhalts, in dem die Begriffspaare „typus—antitypus" und „figura—res" funktional aufeinander bezogen sind, vereinfacht wird. Bei der Vorstellung, die sich im Terminus des „typus" verdichtet hat, sind die geschichtlichen Ereignisse des Alten Testamentes als Prägestock zu denken, die den künftigen Geschichtsstoff ausprägen und so den neutestamentlichen Antitypen eine vollendete Form geben. Entsprechend stellt die „figura" die abbildhafte Vorausbildung der vollkommenen Gestalt dar. Die Praefigurationen des Alten Testamentes lassen sich als Hülle verstehen, deren Hinweis auf die verdeckte Sache erst vom Standort des Neuen Testamentes aus erkannt werden kann. Die bekannteste und einfachste Definition der typologisch aufeinander bezogenen Testamente im Bild der Hülle, die Augustinus gefunden hat10, lautet daher: „Testamentum enim vetus velatio est novi Testamenti, et Testamentum novum revelatio est veteris Testamenti." Diesen Grundgedanken hat im 12. Jh. Abt Suger von Saint Denis zur Inschrift eines Kirchenfensters gemacht: „Quod Moyses velat Christi doctrina révélât" 11 . Die Vorstellung ist so bekannt, daß sie in einer mittelhochdeutschen Laiendogmatik, die sich Lucidarius nennt, wiederkehrt : „ . . . waz die scrifth hat bedecket, / Daz hat uns Lucidarius endecket"12. 10 S. Aurelii Augustini Hipponensis Episcopi Sermones ad Populum. Classis III. De Sanctis. Sermo CCC cap. 3. In: P L 38, 1377. 11 Sugerii Abbatis S. Dionysii liber de rebus in administratione sua gestis. Cap. 32. In: PL 186. 1237 C. 12 Ed. F. Heidlauf. Berlin 1915. In: Deutsche Texte des Mittelalters 28. Prolog S. 1, Vers 13 f.
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Als eigenständige Metapher hat die Hülle keine große Verbreitung gefunden, dagegen ist das typologisch interpretierte Bild in Verbindung mit den Paulusversen um so mehr zur Deutung anderer Schriftstellen herangezogen worden. Wie die vom Alten Testament aufgehobene Hülle ist auch der Vorhang (velum) des Tempels, der beim Tode Christi zerriß und den Blick auf das Allerheiligste freigab (Mt 27, 51), als „revelatio" der im Gesetz verborgenen „mysteria" verstanden worden. In gleicher Weise hat man die außen und innen beschriebene Buchrolle, deren Siegel nur Christus öffnen kann (Apk 5, 1), auf das im Alten Testament enthaltene Neue bezogen. Die eingerollte Innenseite und die mit ihr untrennbar verbundene Außenseite entsprechen einander als zweifacher Sinn der Schrift. Die von Orígenes und Hieronymus gefundene Deutung hat Gregor der Große an das Mittelalter weitergegeben: ,,Liber enim sacri eloquii intus scriptus est per allegoriam, foris per historiam. Intus per spiritalem intellectum, foris autem per sensum litterae simplicem, . . ,"13. Nur Christus vermag den inwendigen Sinn, das in der Schriftrolle eingehüllte Geheimnis, auszubreiten: „Involutus itaque liber expanditur quando hoc quod obscure prolatum fuerat, per latitudinem intellectus aperitur" 14 . Eine optimale Denkvorstellung für die Einheit und den Unterschied der beiden Testamente stellt das platonische Metaphernpaar „umbra— corpus" dar (vgl. Kol 2, 17; Hebr 10, 1). Der im Licht stehende Körper wirft seinen Schatten voraus, der schemenhaft die Konturen des Künftigen andeutet. Der den Körper abbildende Schattenriß ist dunkelverhüllende Ankündigung der noch ausstehenden Wahrheit, die als körperhafter Gegenstand im Vergleich zum Schatten einen gesteigerten Realitätswert besitzt. Vor allem aber ist die Darstellung der Zeitperspektive bemerkenswert, die eine vom Ziel bestimmte heilsgeschichtliche Ordnung sowie auch den Richtungsverlauf der typologischen Denkbewegung, die vom Körper zum Schatten führt, anzeigt. Die variierenden Begriffspaare „umbra—Veritas" und „umbra— lux" bringen die Tendenz, daß die Erkenntnis der alttestamentlichen Typen am Neuen Testament orientiert ist, noch stärker zur Geltung. Die Gegenüberstellung von Schatten und Licht bewahrt den funktionalen Zusammenhang, der zwischen Schatten und Körper besteht; insofern das Licht den verhüllenden Schatten aufhebt, wird das typologische Denkmodell stärker an die Deckmetaphorik angeglichen. Damit geht auch das scharf umrissene Denkbild in weniger differenzierte Vorstellungen über, in denen die Dunkelheit (caligo, obscuritas, tenebrae, nox) dem Licht, der Sonne oder dem Tag weichen muß. 13
S. Gregorii Magni Romani Pontificis Homiliarum in Ezechielem Prophetam libri duo. Lib. I Homil. 9 cap. 30. In: PL 76, 883 B. 11 Ebd., cap. 29, 883 A.
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Die bisher genannten Deckmetaphern zählen zum ältesten Grundbestand der bibelhermeneutischen Reflexionen. Sie sind überwiegend am typologischen Sachverhalt der beiden Testamente orientiert und stellen den Vorgang der Enthüllung als ein durch Christus herbeigeführtes Geschehen dar, das in der Auslegung der Schrift nachvollzogen wird. Unmittelbar am Vorgang der Auslegung und der Aneignung oder Vermittlung der gewonnenen Erkenntnis ist der Exeget bei den Deckmetaphern aus dem Sachbereich der Speise beteiligt. Es ist seine Aufgabe, im Wortlaut der Schrift den geistigen Sinn zu suchen, wie man eine Nuß um des Kernes willen knackt, die Rinde von den Zweigen schält, die Spelze vom Gerstenkorn zieht, die Körner aus der Ähre ribbelt, im Brechen des Brotes unter der Kruste die Krumen freilegt, den Honig aus dem Wachs drückt oder nach den Früchten greift, die unter den Blättern verdeckt sind. Der geistige Sinn einer Reihe biblischer Aussagen ist damit aufgedeckt : so zum Beispiel die aus Aarons blühendem Stab hervorgegangenen Mandeln (Nm 17, 8), der Nußgarten des Hohenliedes (Hl 6,1) oder die List Jakobs, zur Vermehrung der Schafherden abgeschälte Zweige in die Tränkrinnen zu stellen (Gn 30, 37—42). Wo die Bibel von Korn und Brot spricht, wie etwa von der reichen Gerstenernte Isaaks (Gn 26, 12f.), von der wunderbaren Brotvermehrung bei der Speisung der Fünftausend (Jo 6, 9) oder vom Ährenlesen der Jünger Jesu (Mt 12, 1), haben bereits die Kirchenväter und in ihrer Nachfolge die Ausleger des Mittelalters einen Sinnbezug auf die Methode der spirituellen Schriftauslegung erblickt. Die Vorstellung von der in der Schale oder Rinde verdeckten Speise läßt nicht nur die Unterscheidung der beiden Schriftsinne zu, sondern gibt darüber hinaus die Möglichkeit, das Ergründen des geistigen Sinnes als Zerlegen der freigelegten Substanz in die kleinsten Bestandteile darzustellen. Das Vorbild einer solchen die Sinnfülle der Schrift ausbreitenden Erklärung hat Augustinus im Bericht von der Speisung der Fünftausend erblickt. Indem Jesus die fünf Gerstenbrote, die Bücher des mosaischen Gesetzes, durch die Jünger brechen läßt, vermehren sie sich im Auseinanderteilen ihres Gehaltes auf wunderbare Weise: „Et frangi iussit panes; frangendo multiplicati sunt. Nihil uerius" 15 . Staunend nimmt Augustinus in der Tradition die große Zahl der die fünf Bücher Moses auslegenden Werke wahr, die durch das Brechen der Brote entstanden sind. Die geistige Substanz wird in die kleinsten Bestandteile zerlegt, wenn die Schriftworte als Korn zwischen den Mühlsteinen der beiden 15
S. Aurelii Augustini in Iohannis Evangelium tractatus X X I V cap. 5. In : CCL 36.
S. 246.
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Testamente von der Buchstabenspelze gereinigt und zu Mehl gemahlen werden. Die so gewonnenen vielfältigen Einsichten würden zerstäuben, wenn sie nicht im Brot zusammengefaßt würden. Das Bild, das wohl auf Maximus von Turin zurückgeht 16 und später im Mittelalter auch ein Thema der bildenden Kunst geworden ist, klingt nach in einer altdeutschen Predigt: „Wan swer die heiligen scrift unde den tiefen sin der dar an ist anders niht verstet niwan nach den worten diu da gescriben sint, dem ensmechet diu heilige scrift niht baz denne ob er ungedroskens und ungemalens chorn chiwe unde eze. den selben tiefen sin den hat aver uns allen der heilige gots trut, der guote sant Augustinus, uf getan unde hat uns die heiligen scrift gedroskens unde gemalen und hat uns dar uz gemachet die vil lutern semelen . . ," 17 Der persönliche Bezug zum Gotteswort bei den Metaphern der Speise zeigt sich darin, daß der Ausleger den geistigen Sinn durch Kauen aus dem Buchstaben hervorholt und die im Kauen zerkleinerte und süß geschmeckte Speise sich einverleibt. Es macht Freude, bekennt der Benediktinerabt Gottfried von Admont (12. Jh.), die dunkleren und schwierigen Geheimnisse der Schrift gleichsam mit den Zähnen zu zermahlen, um sie „ad desideratum intelligentiae saporem" zu verwandeln 18 . Das Predigen ist Wiedergeben, „eructatio" dessen, was man gekaut und geschluckt hat. So heißt es bei Augustinus: „Manducas, cum discis; eructas, cum doces; manducas, cum audis; eructas, cum praedicas: hoc tarnen eructas quod manducasti" 19 . Die Vorstellung des Wiederkäuens, der „ruminatio", für den Vorgang des Erinnerns und des Lernens, die der Zeit Philos schon geläufig ist, kennzeichnet vor allem den meditativen Umgang mit der Schrift, wie er besonders in den Klöstern gepflegt worden ist. Unter den notwendigen Mitteln, die das Leben erhalten, ist neben den Speisen, die sich in einer Umhüllung befinden, auch das Wasser als Bedeutungsträger für den geistigen Sinn zu nennen. So wird der geistige Sinn als lebendiges Wasser aus dem Brunnen der Schrift geschöpft oder von dem dürren Land des Herzens als Regen aus den dunklen Wolken der Propheten und Apostel empfangen. Auch das 16 S. Maximi Episcopi Taurinensis Homiliae in quatuor classes distributae. Classis I. Homiliae hiemales de tempore. Homil. III. In: PL 57, 229. 17 A. E. Schönbach: Altdeutsche Predigten. Bd. 3. Graz 1891. S. 209. 18 Ven. Godefridi Abbatis Admontensis liber de decern oneribus Isaiae. Cap. 8. In: PL 174, 1196 CD. 19 S. Aurelii Augustini Enarrationes in Psalmos CI—CL. In Ps. CXLIV cap. 9. In: CCL 40. S. 2094.
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Schöpfen aus dem unerschöpflichen Strom der Schrift kann als ein Enthüllungsvorgang verstanden werden. Schließlich seien noch die großflächigen Vorstellungen des Landschaftsraumes erwähnt, in dem sich der Exeget suchend und entdeckend bewegt, sei es mit dem Schiff als Fahrt durch die klippenreiche Küste der literalen Auslegung auf das weite Meer der geistigen Einsicht 20 oder als Streifzug durch die schattigen Wälder der Allegorie hin zum freien Feld der Tropologie21. Während bei der Deckmetaphorik der Buchstabe als wertlose Hülle abgestreift oder als durchschrittenes Stadium zurückgelassen wird, bleibt er bei den Metaphern, in denen der Vorgang der spirituellen Auslegung als Verwandlung begriffen wird, in seinem Bestand erhalten und geht als eine Speise minderer Qualität in eine verbesserte Substanz über. Daß Moses das bittere Wasser von Mara mit einem eingetauchten Holzstab süß und damit trinkbar gemacht habe (Ex 15, 23), deutet Orígenes auf die Verwandlung des bitteren Gesetzes in das heilsame Wasser der geistigen Einsicht, bewirkt durch das Kreuz, das „lignum sapientiae Christi"22. Doch erst Augustinus hat in einem breit ausgeführten Traktat über die Verwandlung von Wasser zu Wein auf der Hochzeit zu Kana (Jo 2, 1—11) die Vorstellung der „mutatio" für die Schriftauslegung bewußt gemacht. Die sechs Steinkrüge fassen das Wasser der sechs biblischen Zeitalter, die erfüllt sind von verborgenen Prophetien auf Christus. Im Erkennen der auf Christus weisenden Vorausdeutungen verwandelt sich das Wasser zu berauschendem Wein23. Eine weitere Grundvorstellung für die Schriftsinne besteht darin, verschiedenartige Speisen nach dem Grad ihrer Bekömmlichkeit oder ihres Wertes in ein gestuftes Verhältnis zu setzen, das am Erkenntnisvermögen der die Speise Empfangenden orientiert ist. Die Leitvorstellung für das Modell der ,,gradatio" geht auf Paulus zurück, der in seiner Verkündigung die Neubekehrten unter den Korinthern als Kinder betrachtet, denen er die Milch der einfachen und leicht faßlichen Lehre bringt; den „spirituales", die in der Erkenntnis fortgeschritten sind, sei die feste Speise der „doctrina perfectorum" angemessen (1 Kor 3, l f . u. a.). Durch Paulus ist das Metaphernpaar auf den zunehmenden Schwierigkeitsgrad im Verstehen der Glaubenslehre festgelegt und hat sich nur bedingt auf den zweifachen Schriftsinn beziehen lassen. 2 0 S. Eusebii Hieronymi Stridonensis Presbyteri commentariorum in Abdiam Prophetam liber unus. In: P L 25, 1116 A. 2 1 Homiliarum in Ezechielem libri. A. a. O. (Anm. 13), Lib. I Homil. 9 cap. 1. In: P L 76, 870 A. 22 Orígenes: Homilien zum Hexateuch. A. a. O. (Anm. 5), S. 205f. 2 3 S. Aurelii Augustini in Iohannis Evangelium tractatus I X cap. 2ff. In: CCL 36. S. 91 f.
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Wo die flüssige Milch zur aufbauenden Nahrung wird, geschieht es auf dem Wege der Deckvorstellung durch die Transformation der festen Speise, dem schwierigen Übergang vom buchstäblichen zum geistigen Wortsinn. Damit werden die Ausleger, die die feste Speise des Brotes kauen und in sich zu Milch verwandeln, zur Nährmutter für die Kleinen, die auf die geistige Einsicht in der Form der Milch angewiesen sind. Entsprechend können Milch und feste Speise innerhalb des geistigen Sinnes die Bedeutungsstufen der Tropologie und Allegorie darstellen, wenn bisweilen die Auffassung vertreten wird, daß die Einsicht in die Geheimnisse des Glaubens auf moralischer Belehrung und Besserung aufbaue. Die offenen und unverdeckten Stellen der Schrift betrachtet Gregor als Milch, die so getrunken werden kann, wie man sie findet; bei den schwierigeren Stellen muß der Sinn durch Kauen entdeckt werden24. An dem Modell „Milch und feste Speise" sind in der Auslegungstradition weitere Zuordnungen von Speisen, die im biblischen Wortschatz sehr zahlreich vertreten sind, ausgerichtet worden. Je nach dem Kontext können Wein und Milch, Milch und Butter, Gerstenbrot und Weizenbrot zu Metaphernpaaren zusammentreten, die auf Grund der Eigenschaften „bitter und süß", „hart und weich" die Klimax „flüssig—fest" in ein gegensätzliches Verhältnis bringen. Die Metaphern zielen damit auf das Unterscheidungsvermögen des Auslegers ab, die „diversitas" oder „differentia" innerhalb des zweifachen Schriftsinnes zu erkennen. Auch verschiedenartige Metalle sind in gleicher Weise zu Metaphern für die Schriftsinne geworden. Der Aneinanderreihung diverser Speisen zur Folge des drei- oder vierfachen Sinnes entspricht bei Beda die Deutung des mit Schaubroten belegten Tisches der Stiftshütte. Die Schrift wird als ein mit Speise bedeckter Tisch gesehen, der auf den vier Beinen der Schriftsinne ruht. In der hinzugefügten Erklärung des Bildes löst Beda das gleichgeordnete Nebeneinander der Sinne in eine Stufenfolge auf: durch deren Erkenntnis werde die Seele von der flachen Historie über die Allegorie und Tropologie zu den himmlischen Aussichten der Anagogie geführt 25 . Im Vergleich zum Bild des Tisches zeigt sich der Vorzug der Gebäudemetapher, um die Struktur des mehrfachen Schriftsinnes sichtbar zu machen. Das Zueinander von Fundament und Überbau macht das Verhältnis zwischen dem literalen und geistigen Sinn bewußt, während die Errichtung des aufgesetzten Bauwerkes die Reihenfolge 24
S. Gregorii Magni Romani Pontificis Moralium libri, sive expositio in librum B. Job. Lib. I cap. 20f. In: PL 75, 540 BC. 25 Beda Ven.: De Tabernáculo et Vasis ejus, ac Vestibus sacerdotum. Lib. I cap. 6. In: Ven. Bedae, Anglo-Saxonis Presbyteri, opera omnia. Tom. 2. In: PL 91, 410.
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der Sinne innerhalb der „intelligentia spiritualis" anschaulich macht. Der der Gebäudemetapher innewohnende Gedanke ist der eines geordneten Aufstiegs: im Aufrichten des Bedeutungsraumes werden nacheinander dessen einzelne Bestandteile, das Fundament, die Wände und das Dach, zu einem geschlossenen, in seinen Teilen sich gegenseitig bedingenden Baukörper zusammengefügt. Als Fundament erhält der Buchstabensinn für die Auslegung eine entscheidende Stellung; er ist unscheinbar und untergeordnet und ist doch unentbehrlich für die Stabilität des Aufbaus. Die Anfänge der Gebäudemetapher gehen auf Orígenes zurück, der an den drei Stockwerken der Arche Noahs die Stufung des dreifachen Sinnes abgelesen hat 26 . Während Hieronymus mit dem Mauerwerk und dem Dach den Fortgang der Auslegung vom moralischen Sinn zur Glaubensaussage verbindet 27 , stellt für Gregor d. Gr. der gesamte Aufbau die heilsgeschichtliche Deutung dar, während der moralische Sinn als Wandbemalung Ausdruck und Schmuck des wehrhaften Glaubens ist : „Nam primum quidem fundamenta historiae ponimus; deinde per significationem typicam in arcem fidei fabricam mentis erigimus; ad extremum quoque per moralitatis gratiam, quasi superducto aedificium colore vestimus" 28 . Beide Versionen des Schriftgebäudes sind im 12. Jh. zum Gefüge des vierfachen Schriftsinnes vereint worden. Über dem Fundament der Geschichte erheben sich die Wände der Allegorie, die — geschmückt von den Farben der Tropologie — überwölbt werden vom Dach der Anagogie29. Für die Vertreter der scholastischen Theologie war das Gebäude eine besonders geeignete Metapher, um die fundamentale Geltung des Buchstabensinnes zu betonen und zugleich die in jahrhundertelanger Exegese durch den mehrfachen Schriftsinn entfaltete Fülle der Erkenntnis in einem systematisch gegliederten Zusammenhang darzustellen. Zur gleichen Zeit, zu der die Schrift mitsamt ihrer Auslegungstradition mit Hilfe der dialektischen Methode als ein allgemein verbindliches und unpersönliches Lehrgebäude aufgefaßt worden ist, haben mystisch orientierte Theologen der Klöster die spirituelle Schriftauslegung in Bildern der Speise bedacht, in der die verhüllte „sapientia" 2
· Orígenes: Homilien zum Hexateuch. A. a. O. (Anm. 5), S. 36. S. Hieronymi Presbyteri commentariorum in Esaiam libri I—XI. Lib. V u. VI. In: CCL 73. S. 169 u. 223. 28 S. Gregorii Moralium libri. Ep. cap. 3. A. a. O. (Anm. 24), S. 613. 29 Beati Rabani Mauri Fuldensis Abbatis et Moguntini Archiepiscopi AUegoriae in universam Sacram Scripturam. In: PL 112, 849f. 27
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geschmeckt werden kann. Hinzu kommen die ungegliederten Räume der Landschaft, in denen der Ausleger auf der Suche nach dem Sinn des Bibelwortes umherstreift oder in zielbestimmtem Verlangen dem Wild, der zu erbeutenden Wahrheit, auf der Spur ist. In diesem Sinne heißt es bei Rupert von Deutz: ,,Si canes Domini sumus, sensus veritatis in sanctarum Scripturarum silva densissima venatio nobis est" 30 . Der Intention der Gebäudemetapher entgegengesetzt ist eine kleine Zahl technisch-instrumentaler Metaphern wie die Leier oder die Bogenwaffe. Mit dem Bild der Leier hat Augustinus das Verhältnis der beiden Testamente als Zusammenklang der Saiten mit dem tönenden Holzkörper dargestellt. Auch die Teile des Alten Testamentes, die keine „significatio" besitzen, fördern den Klang, da im Holz alle Teile miteinander verbunden sind 31 . Beim Bogen fügen sich die beiden Testamente zu einem Spannungsverhältnis. Die geschmeidige Sehne des Neuen Testamentes spannt das harte Holz des Bogens und schießt die Pfeile der wahren Lehre ab32. In diesen Metaphern wird die Bibel als ein Werkzeug betrachtet, bei dem es auf die Kunstfertigkeit des Gebrauchs ankommt, durch die mit Hilfe eines Analogiedenkens vom Neuen Testament aus eine „concordia" zwischen den widerstrebenden Teilen herbeigeführt wird. Damit ist der Kreis der Grundvorstellungen, die sich aus den Metaphern erheben lassen, abgeschritten. Für den Vorgang der spirituellen Schriftauslegung haben sich verschiedene Aspekte ergeben. Der Weg vom literalen zum geistigen Sinn kann begriffen werden als Enthüllung, Verwandlung oder Stufung, als Schaffen einer Struktur oder einer Übereinstimmung. Die ermittelten Vorstellungsformen lassen sich nicht weiter auflösen und grenzen sich in ihren Funktionen gegeneinander ab. Ihre Konstanz von der frühen Väterzeit bis zum Mittelalter ist bedingt durch die Traditionsgebundenheit der Bibelexegese und durch eine in der Sache begründete Beschränkung in der Zahl der Aussagemöglichkeiten, die bei der Entdeckung neuer Metaphern für das Phänomen des mehrfachen Schriftsinnes jeweils wiederkehren. Das schließt einen geschichtlichen Wandel, zudem in einem so großen Zeitraum, nicht aus. Er ließe sich an den Modifikationen ablesen, die die Elementarmetapher in den Konkretionen entsprechender Bilder erfahren hat; zugleich wären damit beim Vergleich der Metaphorik verschiedener Exegeten oder Epochen Verschiebungen im Gefüge der 30 R. D. D. Ruperti Abbatis Tuitiensis commentariorum in duodecim prophetas minores libri XXXI. In Mich. Lib. I. In: PL 168, 455 B. 81 S. Aurelii Augustini contra Faustum libri triginta tres. Lib. XXII cap. 94. In: CSEL 25, 1. S. 700f. 82 S. Aurelii Augustini Enarrationes in Psalmos I—L. In Ps. VII cap. 14. In: CCL 38. S. 45.
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Grundformen erkennbar. Bei einer differenzierteren geschichtlichen Sicht bleibt auch der inhaltliche Aspekt der Metaphern, die Zugehörigkeit zu einem Sachbereich zu berücksichtigen, der bereits in der literarischen Tradition als Bildspender eine Geschichte hat und darüber hinaus in seinem Wirklichkeitsbezug weiterreichende Einsichten erschließen kann.
SÜNDE UND H E I L S E R F A H R U N G B E I HARTMANN VON AUE nach den Verserzählungen .Armer Heinrich' und ,Gregorius' skizziert 1 V o n CHRISTOPH CORMEAU
Zu Sünde und Heilserfahrung habe ich die Begriffe des Rahmenthemas abgewandelt, da nur in einer konkreten Variation „lex" und „sacramentum" als Frage an ein dichterisches Werk herangetragen werden können. Die Verschiedenheit der Aussageweise, hier Terminologie und Argumentation, dort Darstellung und Handlung, erlaubt einen Vergleich theologischer und dichterischer Sätze nur, wenn zwischen den Aussagearten vermittelt wird, ohne beiden Seiten Gewalt anzutun. Anders als es zunächst scheinen möchte, eröffnet uns die Ausformung von „lex" und „sacramentum" in der kirchlichen Frömmigkeit ,,sub gratia" keinen Zugang zu den Problemen der Erzählungen. An den Konventionen religiösen Lebens nimmt die in der Epik geschil1 Dem Vortrag lag meine kurz vorher veröffentlichte Arbeit zugrunde : Hartmanns von Aue ,Armer Heinrich' und ,Gregorius'. Studien zur Interpretation mit dem Blick auf die Theologie zur Zeit Hartmanns. München 1966. In: Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 15. Für die ausführliche Auseinandersetzung mit der Forschung sei darauf verwiesen. Nur wo einzelne Positionen genannt sind, werden die Nachweise wiederholt. Das später veröffentlichte Buch von Ute Schwab: Lex und gratia. Der literarische Exkurs Gottfrieds von Straßburg und Hartmanns Gregorius. Messina 1967. In: Pubblicazioni dell' Istituto di Lingue e Letterature Straniere 1, bringt zum Thema nur Einzelheiten, die zudem kritisch erörtert werden müßten. An wichtiger Literatur ist weiter nachzutragen: T. Buck: Heinrich's Metanoia. Intention and practice in „Der arme Heinrich". In: Modern Language Review 60 (1965) 391—394; W. Dittmann: Hartmanns Gregorius. Untersuchungen zur Überlieferung, zum Aufbau und Gehalt. Berlin 1966. In: Philologische Quellen und Studien 32 ; R. Endres : Heinrichs hochvart. In : Euphorion 61 (1967) 267 bis 294; E. Kaiser: Das Thema der unheilbaren Krankheit im „ArmenHeinrich" Hartmanns von Aue und im „Engelhard" Konrads von Würzburg und weiteren mittelhochdeutschen Gedichten. Diss. Tübingen 1964; K. C. King: The mother's guilt in Hartmann's „Gregorius". In: Medieval German Studies. [Festschrift für F. Norman.] London 1965. S. 84—93; H . J . L i n k e : Epische Strukturen in der Dichtung Hartmanns von Aue. Untersuchungen zur Formkritik, Werkstruktur und Vortragsgliederung. München 1968 ; W. Schwarz: Free will in Hartmann's 'Gregorius'. In: Beiträge (Tübingen) 89 (1968) 129—150; H. Siefken: Der sœlden strâze. Zum Motiv der zwei Wege bei Hartmann von Aue. In: Euphorion 61 (1967) 1—21; N. Tonomura: Zur Schuldfrage im 'Gregorius' Hartmanns von Aue. In: Wirkendes Wort 18 (1968) 1—17; F. Tschirch: 17—34—153. Der heilsgeschichtliche Symbolgrund im „Gregorius" Hartmanns von Aue. In: Formenwandel. Festschrift für P. Böckmann. Hamburg 1964. S. 27—46; H. B. Willson: Amor inordinata in Hartmann's „Gregorius". In: Speculum 41 (1966) 86—104.
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derte Ritterwelt fraglos teil. Moralische Norm, kirchliches Gebot, spezielle ritterliche Standespflichten sind als Gesetz verbindlich, die Erlösung wird im zeitüblichen Rahmen des Sakramentenempfangs vermittelt. Das messe vernemen gehört zur selbstverständlichen Gewohnheit, vor entscheidenden Zweikämpfen ist es meist die Votivmesse in des beilegen geistes ere (Erec 8638). Diese Praxis ist aber für Hartmann Folie ohne besonderes Interesse, wenn auch eine verfehlte Interpretation des Gregorius die Beichtpropaganda zum Thema der Erzählung machen wollte 2 . Diese sozialen Gegebenheiten, in denen die Epen angesiedelt sind, führen nicht tiefer in deren Probleme. Wir müssen zunächst darauf verzichten, jede Einzelheit, auch religiösen Inhalts, mit theologischer Systematik in Beziehung zu setzen, denn zu leicht werden die Einzelmotive dann in ihrer Bedeutung im Gesamtbezug einer Erzählung verfälscht. Im allgemeinen spricht ein episches Werk aus der gesamten Zusammenfügung seiner Teile, der Verbindung der im Erlebnisbereich des Menschen wurzelnden Motive zu einer Handlung. Gehen wir dieser konkreten Handlung unvoreingenommen und ohne vorschnelle Querverbindungen nach, können sich am Ende allgemeinere Beziehungen zu theologischen Aussagen finden, nicht als aufgesetzte Gedanken, sondern als Darstellung eines auch theologisch relevanten Problems in der epischen Handlung. In den Epen Hartmanns ist diese Verwandtschaft überraschend eindringlich. Das soll hier an seinen kurzen Verserzählungen geistlichen Inhalts Armer Heinrich und Gregorius gezeigt werden. Sie sind in den Motiven und in der Stoffgeschichte sehr verschieden, doch in ihrem Thema so eng verknüpft, daß sie hier nebeneinander behandelt werden können. H e i n r i c h , ein Ritter vollkommener höfischer Haltung, wird plötzlich von Aussatz befallen und aus seinem glanzvollen Leben herausgerissen. Verzweifelnd sucht er in Montpellier und Salerno Heilung, erhält jedoch nur unausführbaren R a t : ein unschuldiges Mädchen müsse sich freiwillig zu tödlicher Operation bereitfinden, sein Blut sei heilkräftig, oder nur Gott könne ihm helfen. Resigniert kehrt Heinrich in die Heimat zurück, verschenkt seine bewegliche Habe und lebt von da an zurückgezogen auf seinem letzten Meierhof. Er ist alleingelassen, nur die achtjährige Tochter der Meiersleute sucht seine Nähe; halb ist es kindliches Spiel, halb Mitleid und keimende Zuneigung. Nach drei Jahren löst eine Frage des Meiers Heinrichs Selbstinterpretation aus. Er spricht sich selbst schuldig und sieht die Krankheit als verdiente Strafe Gottes, denn er habe zuwenig Gottes geachtet, das Leben im Glück, das ein Geschenk sei, als selbstverständlich hingenommen. Die nebenbei geäußerte Bedingung des Salerner Arztes 2
G. Schieb : Schuld und Sühne in Hartmanns Gregorius. In : Beiträge (Tübingen) 72 (1950) 51—64; H. Nobel: Schuld und Sühne in Hartmanns Gregorius und in der frühscholastischen Theologie. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 76 (1957) 42—79.
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beflügelt die Zuneigung des Mädchens, es bietet sich nach langer Auseinandersetzung mit den Eltern, in welcher es vorwiegend weltflüchtige Argumente vorbringt, Heinrich für seine Heilung an. Zögernd, fast widerwillig, folgt dieser dem Anerbieten. Auf dem Höhepunkt der Spannung, als er durch eine Türritze die Vorbereitungen zur Tötung mit ansieht, wird er sich plötzlich ganz der Situation bewußt und überwindet sich zu niuwer güete : Der Tod des Mädchens darf nicht der Preis für sein eigenes Leben sein; was ihm Gott zubestimmt, will er auch tragen. Gelassen hält er den Vorwürfen des Mädchens stand, das ihn um die Heilung, sich selbst um den himmlischen Lohn betrogen sieht. Gottes Gnadenwunder aber greift ein, schenkt Heinrich Gesundheit und führt beide zu glücklicher Ehe zusammen. G r e g o r i u s stammt aus dem Inzest fürstlicher Geschwister. Sein Vater stirbt, als er zur Bußfahrt ins Heilige Land aufbricht, die Mutter regiert, in harter Askese büßend, das ererbte Land. Sie hat das Geschehene verheimlicht, das Kind wird mit einer Summe Goldes auf dem Meer ausgesetzt. Das Fahrzeug mit dem Neugeborenen treibt zu einer Insel, zwei Fischer, Eigenleute eines Klosters, bergen es schließlich. Auf Geheiß des Abtes nimmt der eine von ihnen das Findelkind mit der Erklärung, es sei seines Bruders Enkelkind, in Pflege. Das Geld und die beigegebene Tafel, die den Stand der Eltern und die Umstände der Geburt bezeichnete, verwahrt der A b t bei sich. Im sechsten Jahr holt er den Knaben, den er auf seinen Namen taufen Heß, zur Erziehung zu sich ins Kloster. Gregorius zeichnet sich schnell durch die erworbene Bildung aus, die dem Klosterschüler eine bedeutende geistliche Laufbahn zu versprechen scheint, im geheimen aber sehnt er sich nach dem Rittertum, seine Gedanken weilen bei Kampf und Turnier. Ein zorniges Wort der Pflegemutter offenbart die Findelherkunft, da erträgt sein Selbstgefühl nicht, länger zu bleiben. In langer Auseinandersetzung mit seinem Pflegevater, dem A b t , begehrt und erhält er die Entscheidungsfreiheit über sein Leben — er will Ritter werden und auf Abenteuerfahrt ausziehen. Vergeblich sucht der A b t , der ihn liebt und ihm aus Kenntnis des Verborgenen ein ungefährdetes Leben sichern will, ihn im Kloster zu halten. Auch die Enthüllung seiner Herkunft kann ihn nicht umstimmen, er wünscht nur desto unnachgiebiger, auf Ritterfahrt zu gehen, um seine Eltern zu suchen und sich zu bewähren. Die Winde, denen er mit einem Anruf Gottes das Schiff überläßt, führen ihn zu einer Stadt. E r steht den Bürgern und ihrer Fürstin als Kampfeshelfer bei und erwirbt ritterlichen Ruhm und Sieg über den Feind. Auf Drängen der Vasallen wird er mit der Hand der Fürstin belohnt, und er regiert gerecht und weise das Land. Täglich betet er unter Tränen zu Gott für seiner Eltern Schuld. D a stehen er und seine Frau plötzlich vor einer furchtbaren Entdeckung, die der Leser schon lange ahnt: Gregorius ist in das Land seiner Eltern ge8*
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kommen, seine Gattin ist seine Mutter, der Inzest ohne Wissen und Willen erneuert. Mit heroischem Entschluß stellt sich Gregorius diesem Schicksal. Der Mutter empfiehlt er Buße und Askese mitten in der Welt, er selbst geht als Pilger aus dem Land. Beladen mit einer Fußfessel lebt er auf einsamer Felseninsel im Meer nur der Buße. Nach siebzehn Jahren veranlassen Wunder seine Erwählung zum Papst, und unter Wundern wird er auf den Stuhl Petri zu segensreichem, vergebendem Wirken erhoben. Die ältere Forschung, die — wenig umfänglich — vor allem an der Stoffgeschichte interessiert war, sah in beiden Erzählungen vorwiegend einen Ablauf: Sündenfall —• strafendes Geschick — Buße und erneute Begnadung, ohne sich weiter auf kasuistische Fixierung von Schwere der Sünde und kausaler Verkettung einzulassen. In ihr ist meist noch die Beobachtung festgehalten, daß das strafende Geschick die angenommene Schuld doch weit übersteigt. Weniger zurückhaltend gehen die seit etwa fünfzehn Jahren mit erneutem Interesse betriebenen Studien zur Interpretation beider Erzählungen vor. Sie zwingen die Erzählungen nahezu einstimmig in eine kasuistische Kausalität, bei der ein Glied aus dem anderen nach scheinbar wohlbegründeter theologischer Logik hervorgeht; die Arbeiten von B. Nagel, A. Schirokauer, Walter Ohly, G. Schieb, H. Nobel, P. Wapnewski, K. C. King, A. Wolf 3 sind hier zu nennen. Krankheit oder Verstrickung in Sünde seien eindeutige Folge schwerer Schuld, entsprechende Buße verdiene Rückkehr in den begnadeten Zustand. Da aber Hartmann sehr zurückhaltend, mehr verschweigend als mitteilend, von dieser vermeintlichen Initialschuld erzählt, muß die zweifelhafte Folgerung helfen : sei die Strafe und die Buße schwer, müsse auch die Sünde groß sein, wenn sie auch noch so schwierig zu finden und nur durch gewagte Rückschlüsse aufzudecken ist. Zur Unterstützung werden frühscholastische Texte, vorwiegend aus der Theologie des Bußsakraments, herangezogen und in oft fragwürdige Zusammenhänge gebracht. Das Schwergewicht der Deutung verschiebt sich von den Gestalten und ihrem Handeln weg auf die 3
G. Schieb, H. Nobel vgl. Anm. 2; B. Nagel: Der arme Heinrich Hartmanns von Aue. Eine Interpretation. Tübingen 1952. In: Handbücherei der Deutschkunde 6; A. Schirokauer: Zur Interpretation des Armen Heinrich. In: Zeitschrift für deutsches Altertum 83 (1951/52) 59—78; ders.: Die Legende vom armen Heinrich. In: Germanisch-romanische Monatsschrift NF 2 (1951/52) 262—268; Walter Ohly: Die heilsgeschichtliche Struktur der Epen Hartmanns von Aue. Diss. Berlin 1958; P. Wapnewski: Der Gregorius in Hartmanns Werk. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 80 (1961) 225—252; ders.: Hartmann von Aue. Stuttgart 1962, 3. Aufl. 1967. In: Sammlung Metzler. Abt. D: Literaturgeschichte; K. C. King: Zur Frage der Schuld in Hartmanns Gregorius. In: Euphorion 57 (1963) 44—66; A. Wolf: Gnade und Mythos. Zur Gregoriuslegende bei Hartmann von Aue und Thomas Mann. In: Wirkendes Wort 12 (1962) 193—203; ders.: Gregorius bei Hartmann von Aue und Thomas Mann. Interpretation. München 1964.
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bloße theologische Richtigkeit und Konsequenz. Die Aussage der Erzählungen schrumpft zu dem Satz zusammen, daß auch schwere Sünde durch Umkehr gebüßt werden könne, und ist allenfalls noch dichterisch verbrämte Beichtpropaganda. Trotz oder gerade wegen des einmal gefaßten theologischen Schemas liegt die Schwäche dieser Deutungen —· Thema und Beschränkung erlauben hier diese pauschale Stellungnahme — in der unzulänglichen Handhabung der Begriffe „Todsünde", „Initialsünde" oder „Schuld". Denn nirgends wird ausreichend nach den Kriterien der Schuld und Zurechnung gesucht, die Hartmanns Anschauungen geprägt haben ·— seine differenzierten Aussagen fügen sich überraschend genau zu zeitgenössischen theologischen Überlegungen4 —, man begnügt sich mit einem verschwommenen und unreflektierten Begriff von Sünde, ohne seine historische, nicht einmal seine heutige Abgrenzung zu klären, und deshalb fehlt für alle theologischen Argumente aus der Bußlehre der Grund, auf dem sie erst einen Sinn gewinnen. Die Folge davon ist, daß die Erzählungen mehr oder minder gewaltsam in das vorfixierte Bußschema gepreßt werden. Denn eine den Bußweg bedingende Todsünde ist nicht überzeugend aufzuweisen, die Deutung des Vorgangs von einem zweifelhaften Ausgangspunkt aus aber sinnlos. An einem Sündenbegriff gemessen, dessen Kriterien durch die Vielzahl historischer Belege als Allgemeinbesitz der Theologen5 gelten können, ist der arme Heinrich nicht einer Todsünde schuldig, weil er in Glück und Glanz lebte, noch gar, weil er in Salerno Heilung suchte. Das Faktum der Krankheit trägt keinen eindeutigen Rückschluß auf seine ethische Verantwortlichkeit. Überheblichkeit oder ein Aufbegehren gegen Gott kommen nicht zur Sprache — unnötig zu betonen, daß Motivationen, die Hartmann verschweigt, nicht rückschließend ergänzt werden dürfen. Erst in der Selbstreflexion nach drei Jahren macht sich Heinrich den Vorwurf mangelnder Dankbarkeit und Verehrung für Gott. Eine Konkretisierung dieser Schuld auf die religiösen Pflichten hin ist unmöglich, Heinrich meint eine umfassende Haltung. Deren Unzulänglichkeit ist aber nirgends als Wille oder Akt zu erkennen, alles deutet nur auf eine spät erkannte Blindheit ohne böse Absicht. Es ist schließlich auch hier jede Eindeutigkeit versagt. Freilich drückt sich eine gefährliche Schwäche der religiösen Haltung aus, aber wie könnte die gewachsene Erkenntnis aus diesem Zwielicht der Ver4 Vgl. zur eindeutig schweren Sünde der Eltern Gregors (Gregorius V. 303—403) : O. Lottin: Psychologie et morale aux X I I e et X I I I e siècles. Bd. 5. Gembloux 1959. Quaestio 85 aus der Schule von Laon. S. 73—74; Petrus Lombardus: Libri quatuor sententiarum. Liber 2, dist. 24, cap. 6—12; Bd. l.Quaracchi 1916. S. 423—427; meine genannten Studien, a. a. O. (Anm. 1), S. 83—100, 104r-105. 5 Zum Versuch, die historische Lücke zwischen dem Laien Hartmann und einzelnen theologischen Autoren durch ein breit belegtes „Glaubensbewußtsein" auszufüllen, vgl. meine Arbeit, a. a. O. (Anm. 1), S. 3—4, 77—83.
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gangenheit eine Verfehlung herauslösen, die eine ethische Rangordnung nicht in der halbbewußten Lebenseinstellung, sondern im Handeln verkehrt hätte? In dem frei angenommenen, mitverantworteten gewaltsamen Tod des Mädchens scheint sich die Überhebung gegen den Schöpfer zu manifestieren — an Gottes Fügung vorbei das Leben zu erhalten —, aber hier widerruft Heinrich seinen Entschluß angesichts der Ausführung, als ihm das Ausmaß des Geschehenden erst voll bewußt wird. Der Aussatz ist nicht Strafe für eine vorausliegende, eindeutig schwere Sünde, der Augenblick der Umkehr vor der Tür des Salerner Arztes nicht Heinrichs reuige Erkenntnis seiner Schuld und Annahme der Buße. Im Gregorius ist ebensowenig kausale Verknüpfung im Gesamtablauf zu finden, so sehr die Einzelmotive scheinbar auf Eindeutigkeit hinweisen. Gregorius ist durch seine Geburt aus dem Inzest rechtlich benachteiligt und aus der Gesellschaft ausgestoßen, aber deshalb nicht schuldig und gnadenlos vor Gott. Verlust der Gnade, das betont Hartmann ausdrücklich, ist nur die Folge personaler Schuld. Aus seiner Erziehung im Kloster ist keine Verpflichtung zum Mönchsleben abzuleiten. Wenn er vom Abt den Abschied begehrt, um Ritter zu werden, wählt er nur den angeborenen Stand. Nirgends ist auch in den Motiven dieses Entschlusses eine Fehlhaltung aufzuweisen. Der Abt, der Gregorius durch eine objektive Wertung der Stände umstimmen will, muß ihm gerade zugestehen, daß diese Stufung von der subjektiven Haltung modifiziert wird, ein gotes ritter nicht hinter einem betrogen klôsterman (1535) zurücksteht, und er erkennt an : dû bist . . . des muotes niht ein klôsterman (16351). Gregorius entschließt sich demütig und verantwortungsbewußt zu seiner Berufung. Auch die Bitte der Mutter, für die Schuld der Eltern zu büßen, ist nicht in eine Verpflichtung zum Klosterleben umzumünzen, deretwegen sein Aufbruch als Schuld auf ihn fiele. Gregorius' tägliches Gebet als Ritter erfüllt durchaus die aufgetragene Fürbitte, die Schuld selbst liegt ja unvertretbar auf den Eltern. Ohne Sünde zieht Gregorius in die Welt, keine Initialschuld macht das spätere Böse anrechenbar, abgesehen davon, daß diese Verknüpfung selbst theologisch kaum begründbar ist. Die größere Gefahr und Ausgesetztheit, denen er sich stellt, sind notwendig mit seinem verantwortlich gewählten Weg verbunden. In unausweichlicher Unkenntnis der bestehenden Beziehung geschieht der zweite Inzest, objektive Sünde trifft Gregorius trotz seines guten Willens. Diese Paradoxie — sie zieht sich in dem Titel der guote sündcere durch die ganze Erzählung — läßt Hartmann stehen, ohne sie als Folge einer früheren Sünde kausal aufzulösen. Eine Deutung beider Erzählungen, die von einer klaren, nachrechenbaren schweren Sünde ausgehen will, geht an Hartmanns eigenen Worten vorbei. Daran ändert nichts, daß der erneuerte Inzest und die im Aussatz so
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drastisch vorgeführte Labilität des Irdischen die je spezifische Gefährdung beider Helden so konsequent enthüllen. Denn die Konsequenz des Schicksals ist eins, die Verursachung durch moralisches Versagen ein anderes. Das macht der Größenunterschied zwischen dem geringen und unklaren Verschulden und den ungeheuren Folgen ganz deutlich. Zwei Beobachtungen am Text weisen, wie ich glaube, auf eine ganz andere Absicht Hartmanns. In beiden Erzählungen überbietet der Schluß alles Frühere. Eine Restauration nach Buße und Vergebung müßte sicherlich den erneuten Besitz der Gnade sichtbar machen, sie wäre doch aber dem Zustand vor der Sünde vergleichbar, wenn auch nicht gleich. Hartmann gestaltet aber beide Male den Schluß so überragend, so intensiv in der Erfüllung des Daseins, daß die Ausgangssituation weit abfällt und der Weg daraufhin als Vorbereitung und Krisis, nicht aber als Abfall und vergeblicher Irrweg erscheint. Der arme Heinrich gesundet durch Gottes wunderbare Hilfe, und neue Jugendkraft erfüllt seinen Körper. Der Überfluß an Reichtum und Ehren übersteigt alles Frühere, in dem Mädchen findet er seine Gemahlin. Sein Leben erreicht schließlich die märchenhafte Stufe des süezen lanclîbes, die bruchlos in die ewige Dauer übergeht. Gregorius wird durch Wunderzeichen zum Papst bestimmt, er wirkt mit geistlicher Vollmacht als Helfer der bedrängten Menschen. Adliges Leben und Herrschertum, alles, worauf seine jugendlichen Wünsche zielten, und die Welt des Klosters, die ihn nicht ausfüllen konnte, sind hier im höchsten irdisch-geistlichen Herrscheramt vereinigt. Keine Station seines Lebens ist ausgeschlossen und verworfen, jede aber ist überboten. Das kühne Bild, das den toten Vater neben dem Papstsohn int h r o n i s i e r t — ouch erwarp
er sìnem valer daz daz er den stuol mit
im
besaz (3955f.) —, ist nur als vorweggenommene jenseitige Erfüllung verständlich. Die Titelgestalten erreichen einen neuen Horizont, der nicht an eine bloße Zurückführung zur Gnade denken läßt. Dieses Neue hat einen größeren Inhalt, die Überhöhung im Schluß ist die Form für ein subjektives Ereignis, ein ganz neues Selbstverständnis. Die Krise der Erzählungen — Heinrich vor der Tür des Arztes auf den Tod des Mädchens wartend, Gregorius im Augenblick der Entdeckung und während der folgenden Buße — beantworten beide mit einer tiefgreifenden Wandlung. Reue über getane Sünde als Wendepunkt hieße Umkehr, Abrücken von dem Geschehenen, Korrektur der Vergangenheit, wäre wesentlich nach rückwärts gewandt, vom gegenwärtigen Augenblick der Erkenntnis auf Zurückliegendes bezogen. Anders aber stellt Hartmann Heinrichs und Gregorius' Krise dar, und deshalb ist sie nicht mit Reue über eine konkrete einmalige Sünde gleichzusetzen. Es ist charakteristisch, daß beiden Helden gerade der Blick nach rückwärts fehlt, sowohl auf das frühere Gottesverhältnis wie auf den Ab-
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schied vom Kloster, ja sie schneiden sogar den Bezug auf Vergangenes ab, entscheiden nur aus der augenblicklichen Lebenssituation und fassen über diese einen Entschluß, der ihr Leben völlig neu orientiert. Gregorius kämpft von Jugend an gegen die Schatten des Bösen, nur über den Zweikampf kann der Findling in die Gesellschaft einziehen. Im Wissen um die schreckliche Schuld der Eltern strebt er danach, im verantwortungsbewußten Gottesrittertum seinen Platz zu finden. Doch gegen seinen Willen und ohne sein Verschulden stürzt er in grauenvolle Verstrickung. Der Augenblick der Enthüllung : so hat uns des tiuvels rät versenket sêle unde lîp ich hin iuwer muoter und iuwer wip (2602—4) stellt ihn in eine zerreißende Spannung zwischen objektiver Sünde und subjektiver Unschuld. Aus dem verzweifelten Schrecken und der zornigen Frage an Gott, ob das die Führung sei, um die er gebeten, rafft sich Gregorius zu der ruhigen Erkenntnis auf, sicher sei allein, daß Gott wahrer Reue die Vergebung nicht verweigere. Das ist für ihn der feste Punkt, an den er sich hält, denn seinen Anteil an Schuld oder Unschuld in dem Geschehenen kann er nicht mehr überblicken. Er verläßt Land und Herrschaft, die er ja nur mit dem Inzest erlangte, und geht büßend in die Wildnis. Der Entschluß zur Buße für eine Sünde, die ihm ohne Schuld widerfahren ist, ist zugleich der Verzicht auf alle die Ziele, die er sich als gotes ritter setzte, die Preisgabe seines anfänglichen Vertrauens, aus eigener Kraft seinen Weg zu gehen. Als ihm Wunderzeichen seine Erwählung bestätigen, er nicht an seiner Unwürdigkeit festhalten kann, sondern sich selbst in der Begnadung wiederfindet, ist er vollends über das Beharren auf sich selbst hinausgegangen. Noch deutlicher, weil in der Erzählung selbst reflektiert und nicht nur in den Handlungsmotiven angezeigt, ist diese Umorientierung im Armen Heinrich gestaltet. Heinrich hatte schon erkannt, daß in seinem früheren Leben der Bezug zu Gott an den Rand gedrängt war. Vor der Tür des Arztes reißt ihn der Anblick des nackten, opferbereiten Mädchens aus sich heraus : nû sach er si an unde sich und gewan einen niuwen muot in dûhte dô daz niht guot des er gedâht hâte und verkêrte vil drâte sîn altez gemiiete in eine niuwe güete (1234—40). Ihn ergreift das Mitleid mit dem Mädchen, und er sieht sich selbst vor diesem menschlichen Gegenüber mit neuen Augen und erkennt
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den Widersinn, jenes Opfer anzunehmen. Aus dieser Situation aktiviert er nun plötzlich die Hinwendung zu Gott, die ihm einst nicht gelungen war. Er verwirft die Absicht, gegen Gottes Willen um diesen Preis sein Leben zu fristen, nur was Gott ihm zubestimmt, will er nun annehmen : gotes wille müeze an mir geschehen (1276). Die niuwe güete, zu der ihn der Anblick des Mädchens herausfordert, verändert seine Beziehung zu dem Menschen vor ihm und zu Gott. Heinrichs und Gregorius' Wandlung greift tiefer als die Reue über eine Sünde. Ihr ganzes Selbstverständnis wird von ihnen aufgehoben, eine neue Orientierung bestimmt ihr Verhältnis zu Gott und ihr Handeln. Sie überwinden ihr Schicksal aus einem veränderten Standpunkt. Ein unzureichendes, selbstbefangenes Denken bestimmte beider Weg, bis sie durch schweres Geschick in die Krise geführt werden. Die Verwandlung ihrer Gesinnung ist zugleich der Wendepunkt beider Erzählungen. Der sich zuspitzende Konflikt bereitet die Wandlung vor, gelöst wird die Krise aber durch den augenblicklichen Entschluß. Veränderte Orientierung heißt also nicht schrittweises Reifen, der neue Standort wird im Reagieren auf die Krise gefunden. Selbstverständlich bleibt Hartmann, auch wenn er diese personale Wandlung erzählt, ganz in der objektiven, typisierten Psychologie der höfischen Klassik. Im überhöhenden Schluß wird das neue Dasein anschaulich. Eine richtige Deutung muß deshalb an diesem Wendepunkt der Erzählungen ansetzen, dann erst wird klar, wie konsequent Hartmann Heinrichs und Gregorius' Weg aus dieser Krise zeichnet. Hier kann nur ganz flüchtig eine Interpretation skizziert werden, die nicht auf einzelnes eingeht und alle Nebenpersonen und die Vorgeschichte des Gregorius außer acht läßt. Mit dem Idealtypus höfischen Gesellschaftslebens beginnt der Arme Heinrich. Die verzehrende, ausstoßende Krankheit zerstört diese Harmonie. Das einbrechende Geschick ist nicht in kausaler Erklärung auflösbar, als strafe es einen Verstoß, durch den Heinrich selbst sein Glück verdorben habe. Aber der Wandel legt eine tiefe Disharmonie bloß zwischen dem Glückszustand und der Antwort Heinrichs auf dieses ihm zufallende Glück. Nach drei Jahren einsamen, todbedrohten Leidens ist Heinrich dieser innere Widerspruch bewußt geworden. In seiner Rückschau wirft er sich mangelnde Achtung Gottes vor, dessen Geschenk Ehre und Gut waren. Das kann nicht heißen, er mache sich zum Vorwurf, religiöse Pflichten versäumt zu haben, die zum ritterlichen Standesethos gehören. Er gewahrt eine grundsätzliche Entfernung von Gott. Den Anspruch Gottes begriff er nur als einen isolierten Einzelbereich, nicht als einen in seinem ganzen Dasein begründeten. Diese Unzulänglichkeit aber kann erst sein geschärftes Gewissen aus dem Abstand sehen, vorher war er dafür ohne Wissen und Willen blind gewesen. Seine Schuld ist eine unbewußte Realisierung, keine
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verantwortliche Entscheidung, noch nicht einmal Erkenntnis — die Blindheit menschlichen Selbstvertrauens. In dem mitverantworteten Entschluß des Mädchens zum Opfer bietet sich ihm die Möglichkeit, ins Leben zurückzukehren, doch gegen seine Einsicht, an Gottes Willen vorbei. Angesichts des gebundenen, ihm lieben Mädchens aber wird ihm in blitzhafter Erkenntnis seine Situation deutlich, daß er nämlich bereit wäre, einen Menschen für sich preiszugeben. Er überwindet das Schicksal durch einen verwandelnden Entschluß. Er weist alles Verfügen von sich und will sein Leben nur noch Gott verdanken. Er erfüllt im Mitleid mit dem Mädchen den erkannten Anspruch Gottes und läßt auch das Zwielicht um die frühere Schuld hinter sich. Er will sein Leben nicht auf sich selbst stellen, sondern aus Gottes Zuwendung empfangen. Dieser neuen Gesinnung bleibt die Gnade nicht vorenthalten. Durch ein Wunder erhält er jugendliche Unversehrtheit zurück. Das erneuerte irdische Glück ist Zeichen der reichen Begnadung, denn das Glück, das er empfängt, ist für ihn ein anderes als das, welches er einst für selbstverständlich erachtet hatte. Im Gregorius andrerseits beginnt das Leben des Helden, wenn wir hier von der Vorgeschichte absehen, in einer völlig offenen Situation. Der Vorwand, er sei das Kind armer Eltern, nimmt Gregorius aus seiner Herkunft heraus und ermöglicht ihm eine Jugend in gesicherter Ordnung. Durch ein unbedachtes Wort zerbricht dieser Schein. Er wird von der Erkenntnis aufgeschreckt: ich enbin niht der ich wände sin (1403). Sein vorgegebenes Schicksal fällt als Last auf ihn — die Findelherkunft erst, dann erschwerend mit der Tafel das Wissen um den Inzest der Eltern —, und es verlangt seine Antwort. Zugleich macht dieser Augenblick notwendig und möglich, daß er seinen Weg aus eigenem Entschluß sucht und verantwortet. Als Kind unbekannter, vielleicht adeliger Eltern, nicht unfreier Klosterleute, ist ihm das Rittertum, nach dem er sich heimlich sehnte, offen. Der Abt warnt ihn davor, von der Schande getrieben der Verlockung einer glänzenden Umgebung zu erliegen. Aber in Gregorius' entschiedenen Worten, er sei nicht für das Kloster berufen, sondern er wolle Gott als Ritter dienen, muß er den Ernst und die Verantwortung der Wahl anerkennen. Als er schließlich Gregorius die Tafel aushändigt, weiß dieser, daß er nur dem angeborenen Stand zustrebt, zugleich ist er mit der Sünde der Eltern und der Warnung seiner Mutter konfrontiert. Er bleibt dennoch bei seinem Entschluß und nimmt die Fürbitte für seine Eltern in seinen Vorsatz zum Gottesrittertum hinein. Er zieht aus gegen seine sündige Herkunft, in dem festen Glauben, aus eigener Kraft dem Bösen standzuhalten. Im Kampf, in starker und gerechter Herrschaft an der Seite seiner Gemahlin bewährt sich Gregorius vor den höchsten Ansprüchen ritterlichen Handelns. Diese Bewährung ist zu-
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gleich Verstrickung in schreckliche Sünde. Gregorius zerreißt den ausweglosen Widerspruch: E r büßt in absoluter Aufopferung für die Sünde, die nicht sein Wille war, das heißt, er gesteht rückhaltlos die Ohnmacht seines eigenen guten Willens ein. Vor dem sichtbaren Wirken Gottes, den Wortzeichen, muß er auch seine Sündigkeit hinter sich lassen : Erwählter ist er, weil er nur Begnadeter sein will. Die Erzählungen sind nach Stoff und Handlung sehr verschieden, im thematischen Kern jedoch eng verwandt. Heinrich wie Gregorius ringen um die Rechtfertigung ihres Lebens. Inzest und Erkrankung sind nur das Movens, das sie auf ihrem Weg vorwärtstreibt. Sündenverstrickung oder undurchschaubare Schwäche, die das Leiden offenbar gemacht hat, stürzen sie in die innere Krise. Sie vertrauten darauf, aus eigener Kraft vor dem Gebot zu bestehen. Dieses Vertrauen aber macht das Geschick, das ihnen widerfährt, zunichte. Denn an der furchtbar erneuten Sünde des Inzests, an der unbewußten Lostrennung des Lebens von Gott, die das Leiden deutlich machte, müssen sie scheitern. Erst eine verwandelnde Erkenntnis öffnet ihnen einen neuen Weg. Sie nehmen ihre Ohnmacht an, verzichten darauf, sich selbst zu behaupten. Sie empfangen sich nur aus der Hingabe an Gottes Gnade. Hinter beiden Erzählungen steht das Problem: Nur wer im Verzicht auf eigenes Vermögen die Erlösungsbedürftigkeit annimmt, findet die unverdiente, übermäßige Erlösung. Suchen wir für dieses Problem, in dem der ganze Verlauf grundgelegt ist, die Verbindung zu theologischen Gedanken — die Übereinstimmung von Einzelheiten soll hier beiseite bleiben —, so findet sich, wie ich glaube, dieser von Hartmann geschilderte Wandel im Selbstverständnis als das biblisch begründete Begriffspaar „Gesetz" und „Evangelium" wieder, nicht im Sinn einer objektiven Periodisierung der Heilszeit — Heinrich und Gregorius in ihrer fraglos christlichkirchlichen Umgebung gehören natürlich in die Periode „sub gratia" —, sondern als Bezeichnung, die die existentielle Annahme von dem vorher nur unzulänglich ergriffenen Glauben unterscheidet. Vor der Gesinnung, die die Lösung des Unlösbaren von der Hingabe an die Gnade erwartet, also dem Evangelium entspricht, steht als schließlich überwundene subjektive Vorstufe das Vertrauen, das Leben durch Erfüllung der ethischen Forderungen aus eigener Kraft im Rechten zu halten. Das Gebot wird zunächst auch in der Zeit „sub gratia" unzulänglich als „lex" ergriffen, eine Gesinnung, die die Konflikte unauflösbar macht. Diese Spannung zwischen zwei Stufen des religiösen Verhaltens bezeichnet etwa Anselm von Laon in einer Sentenz zu Gal 3, 24: „Iustificemur ex fide. Scriptura, id est lex manens et scripta, vel que non dat spiritum, sed tantum est scriptura, conclusit omnia sub peccato, . . . ut promissio et cetera, id est ut homines, nota sua et legis
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infirmitate, accelerarent ad gratiam et credendo promissa consequerentur" 6 . Die objektiven Kategorien der Heilszeit wiederholen sich in der individuellen Geschichte, wie der einzelne den angenommenen Glauben im Vollzug einzuholen hat. Das ist eine verlockend direkte Parallele, wie ich glaube, zu Hartmanns Erzählungen. Daß der verwandelten Gesinnung Wunder und Erwählung folgen, läßt uns im Schluß der Dichtung das „sacramentum" sehen, die zugesagte Erfüllung des gläubigen Vertrauens. Die Glaubenserfahrung Hartmanns findet in der Annahme der gnadenhaften Erlösung aus ungenügender Selbstbegrenzung ihr Problem, dem der Dichter in den vorgefundenen Stoffen Gestalt geben kann. Eigenart der Dichtung ist die Individualisierung. Zwei heilsgeschichtliche Stadien sind Stufen der persönlichen Geschichte zweier Menschen: nur so wird daraus ein episches Thema. Die Individualisierung in diesem Ausmaß kennt die Theologie nicht. Dazu bleibt der Unterschied in der Aussageweise zu bedenken : In der Dichtung werden nicht Kategorien spekulativ erfaßt, sondern Erfahrungen im konkreten Schicksal gestaltet. Den Erzählungen ist die größere Unmittelbarkeit, die Wirkung auf das intuitive Erfassen durch das Anschaubare eigen, während die Verbindlichkeit der Aussage durch das konkrete Motiv und die Lebensumstände verhüllt wird und nur im paradigmatischen Charakter der künstlerischen Gestaltung vorhanden ist. Die schwierige Frage der Vermittlung zwischen der Theologie und dem ritterlichen Laien Hartmann, die bei solcher Berührung zu klären notwendig wäre, kann hier nur kurz gestreift werden. Das Thema von der theologischen Formel kausal abhängig zu sehen, ist trotz aller Verwandtschaft unmöglich. Denn der Inhalt ist eine zentrale Glaubenswahrheit ohne diffizile Unterscheidungen. Daß die Erlösung nur aus unverdienter Gnade kommt, kann Hartmann aus seiner eigenen Glaubenserfahrung artikulieren, seine Ausformung drückt selbständig das gleiche aus wie die theologischen Kategorien von der Heilszeit; zumal auch nicht übersehen werden darf, daß die Erzählungen in ihrer — freilich reduzierten — Struktur: Abstieg in die Krise, Umschlag und Wiederaufstieg, zu erzählerischen Typen wie etwa dem Artusroman Beziehung haben, Erzähltradition und religiöse Thematik also wohl von verschiedenen Seiten her zusammenkommen. In Einzelheiten ist Hartmanns Denken sicher aus theologischen Schriften angereichert, bisweilen ist die Nähe zur Fachtheologie überraschend. Zum Beispiel deckt sich die Beschreibung, wie die Sünde in Gregorius' Vater von der Versuchung bis zur Ausführung wächst, völlig mit den 6
Zitiert nach O. Lottin: Psychologie et morale aux X I I e et X I I I e siècles. Bd. 5. Gembloux 1959. Quaestio 9, S. 21—22; dazu mit weiteren Belegen meine Studien, a. a. O. (Anm. 1), S. 144—149.
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Stufen, die in der Quaestio „de modis quibus tentatur homo" von der Schule von Laon traditionell unterschieden werden7. Aber diese Gedanken werden nie ohne tiefgreifende Transformation in der Aussageweise, aufgelöst in das erzählte Geschehen, sichtbar. Selbst im programmatisch reflektierenden Gregoriusprolog werden Begriffe wie „desperatio" und „praesumptio" zu Themen und Bildern. Zwei Einzelzüge können das eigenartig Dichterische an der Darstellung verdeutlichen. Die „lex", das Vertrauen auf das Gesetz, wird paradigmatisch an einer Einzelverpflichtung erfaßt. Offenbar wird die Unzulänglichkeit dieser Haltung nicht am überschaubaren Teil der Verpflichtung, der gewußten und gewollten Sünde, sondern an dem, was der menschlichen Verantwortung unauflösbar bleibt, an dem Bösen, das gegen den Willen und ohne die Erkenntnis des Augenblicks geschieht, an der Schuld des Daseins, die auf dem Menschen liegt, wenn sie nicht kraft der Erlösung von ihm genommen wird. Das „sacramentum", das gestiftete Heilszeichen, das die Gnadenmitteilung verbürgt, erscheint in den Erzählungen nicht. Die Beichte einer Nebenperson im Gregorius ist bedeutungslos, die Beichte der Mutter beim Papst-Sohn erfüllt die Funktion, ihr die Erwählung kundzutun. Die Begnadung muß im Leben erfahren werden, nur so kann sie Thema der Dichtung sein. Sie wäre das nicht, wenn sie als geglaubte innere Wirkung eines Zeichens und als Verheißung eines künftigen Gewißwerdens in der Transzendenz bliebe. Gnade ist nur als sichtbare Wirkung darstellbar, in der wunderbaren Heilung oder der von Wundern begleiteten Erhöhung zum Papst. Hartmann braucht bestimmte Motive — den Märchenschluß im Armen Heinrich, die Legendenzüge im Gregorius •— zur Mitteilung transzendenter Wirklichkeit. Das ist der funktionale Sinn des jeweiligen Schlusses. Es wäre nun eine so wichtige wie schwierige Ergänzung, die Artusepen Hartmanns Erec und Iwein einzubeziehen, denn beide Romane sind mit der Thematik der geistlichen Erzählungen verwandt. Die Struktur der Romane ist natürlich komplizierter als die der Kleinepen, die Handlung bleibt ganz im weltlichen Bereich. Ihr Konflikt ist nicht die Rechtfertigung vor Gott, sondern die Bewährung vor der ritterlichen Gesellschaft. Erec und Iwein verlieren ihren mühelos erreichten Platz in der Gesellschaft durch eine Verfehlung, die material nur unklar zu umreißen ist. Sie bleiben in ihrem Selbstverständnis schuldhaft hinter dem Stand zurück, den das Schicksal ihnen geschenkt hat, und verlieren das Glück, das sie nicht zu erfüllen vermögen. In langem und mühevollem Weg verdienen sich beide Helden durch selbstlosen Einsatz die Rückkehr zu einer vertieften salde. In der sich erneuernden Ehre und Minnegemeinschaft ist das gestörte Gleich7
Vgl. oben Anm. 4.
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gewicht von Geschenk und Würde wiederhergestellt. Das erstrebte Ziel ist hier das glanzvoll harmonische Leben in der Gesellschaft, die vreude und sœlde: es umfaßt zugleich Ehre, Glück und volle Minnegemeinschaft mit der geliebten Frau. Der Minne kommt dabei die zentrale Rolle zu. Dieser Zustand ist Erfolg äußersten Einsatzes und zugleich nur unverdientes Geschenk, nur dem möglich, der ihn erstreben und doch als Geschenk besitzen kann. Die Gesellschaft vermag die sœlde nicht zu gewähren, sie stellt sich aus der Harmonie der Beziehungen her, der Artushof kann sie nur als Instanz bestätigen, wie auch die Ritterpflichten nicht einfach gesellschaftliches Reglement, sondern ethische Forderungen sind, deren Verbindlichkeit im Artushof nur repräsentiert ist. In mancher Hinsicht drängt sich die Frage auf, ob sich hier nicht religiöse Erfahrungen in weltlichen Motiven wiederholen. Sicher ist dabei nicht in einer analogen Übertragung eine hinreichende Erklärung gegeben, denn die scelde ist nicht einfach das Heil in der Zeit. Allerdings bleibt zu bedenken, ob ein Thema, aus dem der direkte christliche Offenbarungsinhalt herausgenommen ist, nicht allein aus dichterischer Erfahrung von der Selbsthingabe des Menschen, aus der er sich erst zu einem erfüllten Selbstbesitz zurückerhält, hervorgehen kann. Diese Andeutungen müßten jedoch erst ausführlich und auf dem Hintergrund der Stoffgeschieht e dargelegt und geprüft werden. Hier können sie nur darauf hinweisen, daß Hartmanns religiöse Kleinepen von den weltlichen Epen nicht durch einen Graben getrennt, sondern mit ihnen eng verbunden sind. Hartmann — er ist nur der erste, nicht der einzige, der das Thema des Heils, das in der Erlösung gefunden wird, behandelt — entwirft vor der Gesellschaft das höfische Ethos, in welchem Pflichten einer feudalen Oberschicht und wesentlich christliche Forderungen verschmolzen sind. Er stellt seinem Stand ein Ideal vor, zu dem er sich emporbilden und in dem er sich selbst finden kann. Zugleich bricht er aber eine gefährliche Selbstbeschränkung durch die Erfahrung auf, daß diese „lex" und ihre Erfüllung nur zum Heil ist, wenn sie von der Gnade der Erlösung getragen und überholt wird.
TYPOLOGISCHE KUNST VON PETER BLOCH
Eine typologische Kunst setzt die Vorstellung einer Heilsgeschichte aus beiden Testamenten voraus, wobei das Alte Testament als die Ankündigung des Neuen und das Neue Testament als die Erfüllung des Alten gilt. So heißt es schon im Lukasevangelium (24, 44) : „Denn es muß alles erfüllet werden, was von mir geschrieben ist im Gesetz des Mose, in den Propheten und in den Psalmen." Entsprechend formuliert Augustinus : „Was ist das Alte Testament anderes als die Verhüllung des Neuen und das Neue anderes als die Erfüllung des Alten?" oder Paulinus von Nola: „Der Alte Bund beglaubigt den Neuen, der Neue Bund ergänzt den Alten. Im Alten ist Hoffnung, im Neuen Gewißheit. Alten und Neuen Bund verbindet die Gnade Christi" 1 . Die Zusammengehörigkeit beider ,,διαθήκαι" (Gal 4, 24) bringt die mittelalterliche Kunst in der Zuordnung von Propheten und Aposteln zum Ausdruck, sei es durch die Disputatio von Vertretern beider Gruppen (Heribertschrein in Köln, Schranken des Georgenchores im Bamberger Dom) oder durch ein räumlich-zeitliches Übereinander (Dreikönigenschrein in Köln, Prophetenkonsolen für Apostelstatuen etwa in Cluny), das zu einer besonders eindringlichen Formel gesteigert werden kann, wenn die Apostel auf den Schultern der Propheten stehen (Taufstein im Merseburger Dom, Archivolten des Bamberger Fürstenportals) 2 . Unter „Typus" oder „Praefiguration" als kunstgeschichtlichem Terminus versteht man eine Person, Sache oder Begebenheit des Alten Testamentes, durch die Christus und sein Schicksal nach Auffassung des Neuen Testamentes oder späterer Exegeten vorgebildet sind3. Zwei solcher Vorbilder wurden schon Jesus in den Mund gelegt. Nach Johannes 3,12 sagte er : „Und wie Mose in der Wüste eine Schlange erhöht hat, also muß des Menschen Sohn erhöht werden", womit die Eherne Schlange (Nm 21, 9) und die Kreuzigung als Typus und Anti1
Augustinus: De Civitate Dei. Lib. XVI c. 26. In: Corp. Script. Eccl. Lat. 40, 2. S. 174, 5—6. (In: PL 41, 505, Abs. 2) ; Paulinus von Nola: Epistula 32, 5. In: CSEL 29. S. 280, 10—12; L. Goppelt: Die typologische Deutung des Alten Testaments im Neuen. Gütersloh 1939. 2 Zuletzt: P. Bloch: Nachwirkungen des alten Bundes in der christlichen Kunst. In: Handbuch: Monumenta Judaica. 2000 Jahre Geschichte und Kultur der Juden am Rhein. Hrsg. K. Schilling. Köln 1963. S. 735—786, bes. S. 750f. 3 K. Künstle: Ikonographie der christlichen Kunst. Bd. 1. Freiburg 1928. S. 83; P. Bläser: Typos in der Schrift. In: Lexikon für Theologie und Kirche 10 (1965) 422—423.
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typus in Beziehung gebracht sind. In vergleichbarer Weise heißt es bei Matthäus 12, 40: „Denn gleichwie Jona war drei Tage und drei Nächte in des Walfischs Bauch, also wird des Menschen Sohn drei Tage und drei Nächte mitten in der Erde sein." Jedes geschichtliche Ereignis wird also nicht als einzelner Vorgang begriffen, sondern steht in innerem Zusammenhang mit anderen, in denen es vorweggenommen sein kann. So gibt es im Mittelalter keine Historienmalerei im Sinne der Moderne; Geschichte ist als ein „sacramentum" stete Gegenwart, weshalb man auch von einer sakramentalen Kunst sprechen konnte 4 . Für das Verständnis und die Deutung innerer Zusammenhänge kommt es nicht so sehr auf das Ereignis an sich an, sondern auf das, was es im Heilsplan besagen will. Eine jeweils neue Erfahrung des Alten Testamentes, neue Fragen, die gestellt, und neue Antworten, die versucht wurden, führen zu einer ablesbaren frömmigkeitsgeschichtlichen Entwicklung. So entsteht eine typologische Kunst, die in den einzelnen Epochen durchaus unterschiedliche Akzentuierungen erlebte. Gemeinsam blieb die Transparenz des Ereignisses für andere Aussagen. Bislang ist die typologische Kunst in ihrer Gesamtheit niemals dargestellt worden 5 . Auch den frömmigkeitsgeschichtlichen Hintergründen ihrer Entwicklung wurde in größeren Untersuchungen nicht nachgegangen. Das ist selbstverständlich auch an dieser Stelle nicht möglich. Der ganze Komplex kann nur in einer Koordinierung von kunsthistorischer und theologischer Forschung bewältigt werden. So soll hier eine summarische Übersicht des kunsthistorischen Materials versucht werden, um die Fragen an die Theologie herauszuarbeiten. Dabei wird in den Anmerkungen nach Möglichkeit die neuere Literatur angeführt. Schon die ersten Zeugnisse christlicher Kunst in der Katakombenmalerei, auf Sarkophagen und Werken der Kleinkunst verwenden eine beschränkte Anzahl alttestamentlicher Themen als Metaphern der Auferstehungshoffnung : die Jonasgeschichte, Daniel in der Löwengrube, die Jünglinge im feurigen Ofen, Noah in der Arche6. Seit konstantinischer und theodosianischer Zeit entstanden aufwendige Bilderzyklen aus beiden Testamenten, die in lockerer Weise nebeneinander oder gegenübergestellt wurden. Man hat diese Form der Zuordnung von 4 H. Schade: Das Paradies und die Imago Dei. Eine Studie über die frühmittelalterlichen Darstellungen von der Erschaffung des Menschen als Beispiele einer sakramentalen Kunst. In: Probleme der Kunstwissenschaft 2: Wandlungen des Paradiesischen und Utopischen. Berlin 1966. S. 79ff., bes. S. 92f. 5 K. Künstle, a. a. O., S. 30ff., S. 82ff.; H. Cornell: Biblia Pauperum. Stockholm 1925. S. 120ff. ; F. Röhrig: Rota in medio rotae. Forschungen zur biblischen Typologie des Mittelalters. 2 Bde. Ungedr. Diss. Wien 1960 (nicht eingesehen) ; P. Bloch, a. a. O. (Anm. 2), S. 735ff. 6 K. Künstle, a. a. O. (Anm. 3), S. 30ff.; E. Stommel: Beiträge zur Ikonographie der Konstantinischen Sarkophagplastik. Bonn 1954. S. 54ff. In: Theophaneia. Beiträge zur Religions- und Kirchengeschichte des Altertums 10.
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Typologische Kunst
Zyklus und Zyklus als „Concordia veteris et novi Testamenti" bezeichnet (Κ. Künstle). Monumentale Zeugnisse sind nur literarisch überliefert, wie die Tituli zu 18 atl. und 10 ntl. Bildern, die Bischof Ambrosius von Mailand als Unterschriften zu einem Gemäldezyklus in seiner Bischofskirche gedichtet haben soll, oder das sog. Dittochaeon des Prudentius (348—410) mit Beschreibungen von 24 atl. und 24 ntl. Bildern samt einem Apsisbild mit den 24 Ältesten vor dem Throne Gottes7. Erhalten haben sich die sog. Lipsanothek von Brescia (um 360—370), deren Hauptfeld mit christologischen, vor allem Wunderszenen gefüllt ist und oben und unten von atl. Szenen flankiert wird, oder die Türen von Santa Sabina in Rom (um 430), deren noch erhaltene 18 figürliche Felder atl. und ntl. Szenen mischen8. Anzuschließen ist die Kathedra des Erzbischofs Maximian von Ravenna (546—56) mit christologischen Szenen und solchen aus der Josephsgeschichte sowie der Sarkophag des Junius Bassus (gest. 359) in St. Peter zu Rom, der in zwei Registern nacheinander das Opfer des Abraham, Gefangennahme Petri, Gesetzesübergabe an Petrus und Paulus, Christus vor Pilatus, Hiob, Adam und Eva, Einzug Christi in Jerusalem, Daniel in der Löwengrube, Weg Pauli zum Martyrium vorführt9. Eine eigene Untersuchung ist dem erst vor einigen Jahren unter St. Peter zu Rom gefundenen „Sarkophag der drei Monogramme" zuteil geworden10. Gewiß lassen sich in einzelnen Fällen gezielte Bezüge einzelner atl. und ntl. Szenen nachweisen11. Doch ruht das Gewicht auf den Zyklen, deren Zusammenordnung im allgemeinen eine zwanglose und gleichrangige Reihung verrät. Gemeinsam ist den meisten Denkmälern die Erfahrung einer Geschichte aus beiden Testamenten. Gezielteren Praefigurationen begegnen wir mit Umschreibungen des Meßopfers12, heißt es doch schon im Meßgebet: „ Supra quae . . . Κ. Künstle, a. a. O. (Anm. 3), S. 34ff. H. Cornell, a. a. O. (Anm. 5), S. 122; J . Kollwitz: Die Lipsanothek von Brescia. Berlin und Leipzig 1933. In: Studien zur spätantiken Kunstgeschichte 7; W. F. Volbach: Elfenbeinarbeiten der Spätantike und des frühen Mittelalters. 2. Aufl. Mainz 1952. S. 56, Nr. 107. In: Kataloge des Römisch-Germanischen Zentralmuseums zu Mainz 7; R. Delbrueck: Probleme der Lipsanothek in Brescia. Bonn 1952. In: Theophaneia. Beiträge zur Religions- und Kirchengeschichte des Altertums 7; K. Wessel: Zu den Tafeln der Holztür von Santa Sabina zu Rom. Ikonographie, Meisterscheidung, Lokalisierung und Rekonstruktion der ursprünglichen Anlage. Diss, (ungedr.) Berlin 1949 ; R. Delbrueck : Notes on the wooden doors of Santa Sabina. In : The Art Bulletin 34 (1952) 139 ff. 7
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9 C. Cecchelli : L a cathedra di Massimiano ed altri avori Romani-Orientali. Rom 1963; W. F. Volbach, a. a. O. (Anm. 8), S. 68f.. Nr. 140 (mit umfangreicher Literatur). 1 0 E. Stommel, a. a. O. (Anm. 6). 1 1 H. Cornell, a. a. O. (Anm. 5), S. 122 stellt solche Paare für die Lipsanothek in Brescia und die Tür von S. Sabina zusammen; vgl. auch E. Stommel, a. a. O. (Anm. 6). 1 2 V. H. Elbern: Uber die Illustration des Meßkanons im frühen Mittelalter. In: Miscellanea Pro Arte. Hermann Schnitzler zur Vollendung des 60. Lebensjahres. Düsseldorf 1965. S. 60—67.
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muñera pueri tui justi Abel, et sacrificium Patriarchae nostri Abrahae: et quod tibi obtulit summus sacerdos tuus Melchisedech . . .". Im Presbyterium von San Vitale zu Ravenna (um 547) flankieren den Altar Mosaiken mit dem Opfer Abels (Gn 4) und Melchisedek, der Brot und Wein darbringt (Gn 14,18), sowie dem Opfer AbrahaÄis und Abraham vor den drei Engeln 13 . Die Opferszenen aus dem Alten Bunde nehmen das auf dem Altar gefeierte christliche Opfer vorweg, man bezeichnet diese Darstellungen dementsprechend als „Garantiebilder" des Meßopfers14. Wie bei den frühchristlichen Metaphern der Auferstehungshoffnung kommt auch hier der ntl. Typus nicht bildlich zur Darstellung; er ist durch die Realität der liturgischen Handlung ersetzt. Es kann aber kaum überraschen, daß solche Garantiebilder als Schmuck von Altären, liturgischen Geräten und Illustrationen der Meßgebete über Jahrhunderte beibehalten wurden. Genannt seien das Kanonbild im karolingischen Drogosakramentar und das Titelbild zum Göttinger Sakramentar (Fulda, Ende 10. Jahrhundert) 15 , das sog. Heinrichsportatile in der Schatzkammer der Münchner Residenz, der Tragaltar von Mönchengladbach, eine Kelchschale aus dem Umkreis des Nikolaus von Verdun im Kölner Diözesanmuseum16. In ähnlicher Weise wird auch die Kirche — als Idee, Institution oder Architektur — mit Typen bedacht. So wird der Personifikation der „Ekklesia", die in frühchristlicher Zeit lediglich als Ekklesia „ex circumcisione" und „ex gentibus" differenziert war (Apsismosaik von Santa Pudenziana in Rom, 401—17, Eingangswand Santa Sabina zu Rom 17 ), seit karolingischer Zeit die „Synagoga" beigesellt, anfangs im 13 C. O. Nordström: Ravennastudien. Ideengeschichtliche und ikonographische Untersuchung über die Mosaiken von Ravenna. Stockholm 1953. S. 102 ff. 14 Zu den einzelnen Typen des Melchisedech siehe auch: F . Ronig: Der thronende Christus mit Kelch und Hostie zwischen Ekklesia und Synagoge. Ikonographische Überlegung zu einer Miniatur der Handschrift No. 407 des Trierer Bistumsarchivs. I n : Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 15 (1963) 391—403, bes. 394f. 15 W. Köhler: Die karolingischen Miniaturen. Bd. 3, 2. Teil: Metzer Handschriften. Berlin 1960. S. 105f., S. 143ff.; G. Richter und A. Schönfelder: Sacramentarium Fuldense. Fulda 1912; V. H. Elbern, a. a. O. (Anm. 12), S. 62f„ Fig. 1 und 3. 1 6 Katalog: Schatzkammer der Residenz München. Hrsg. H. Thoma. München 1958. S. 23ff., Nr. 9; H. Schnitzler: Rheinische Schatzkammer. Die Romanik. Düsseldorf 1959. S. 44, Nr. 36 und Taf. 141; Katalog: Das Erzbischöfliche Diözesanmuseum Köln. Hrsg. J . Eschweiler. Köln 1936. S. 8, Nr. 14; A. Weisgerber: Die Niello-Kelchkuppe des Kölner Diözesanmuseums und der Rest eines Siegburger Anno-Zyklus. Eine Kölner Schmelzwerkstatt vom Ende des 12. Jahrhunderts. I n : Kunstgabe des Vereins für christliche Kunst im Erzbistum Köln und Bistum Aachen 1937. S. 15—24; vgl. auch J . Squilbeck: Le sacrifice d'Abraham dans l'art mosan. I n : Bulletin des Musées Royaux d'Art et d'Histoire 37 (1965) 79 ff. 17 J . Wilpert: Die römischen Mosaiken und Malereien. Bd. 3. Freiburg i. Br. 1916. Taf. 42—44 und 47 ; W. F. Volbach : Frühchristliche Kunst. Die Kunst der Spätantike in West- und Ostrom. München 1958. Taf. 130 (mit der älteren Literatur) ; Anton Mayer: Das Bild der Kirche: Hauptmotive der Ekklesia im Wandel der abendländischen Kunst. Regensburg 1962. Abb. 1.
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Typologische Kunst
Zusammenhang von Kreuzigungsdarstellungen, im 12. und 13. Jahrhundert als selbständiges Figurenpaar 18 . Freilich handelt es sich hier streng genommen nicht um eine atl. Praefiguration, da die Synagoge die zeitgenössische Judenheit verkörpert ; sie ist eher als eine Negation der Ekklesia zu verstehen. Eine legitime Praefiguration der Kirche bildet dagegen der Topos des Bundeszeltes oder des Salomonischen Tempels 19 . War der Tempel schon in der Literatur der Kirchenväter Prototyp aller Gotteshäuser, so sind seit karolingischer Zeit Denkmäler überliefert, die den Kirchenbau und seine Ausstattung als einen neuen (Salomonischen) Tempel auszeichnen. In der Vita des hl. Benedikt von Aniane wird für die 779 ( ?) durch Karl den Großen gestiftete Salvatorkirche ein siebenarmiger Leuchter genannt, jenem entsprechend, den Bezaleel schuf; der Hauptaltar war dem Brandopferaltar nachgebildet. Im Catalogus abbatum Fuldense heißt es, daß Hrabanus Maurus (seit 822 Abt von Fulda) eine „Bundeslade" und einen siebenarmigen Leuchter herstellen ließ 20 . Etwa 50 siebenarmige Leuchter in christlichen Kirchen lassen sich bis in spätgotische Zeit nachweisen. Das Apsismosaik von Germigny-des-Pres verbindet Anspielungen auf den Tempel von Jerusalem mit programmatischen Aussagen zum karolingischen Bilderstreit 21 . Eine eigene Schicht typologischer Themen bietet die Legitimation christlicher Herrscher aus dem Alten Bunde, die sich gleichrangig neben eine Legitimation aus dem antiken Imperium stellt 22 . Bereits 18
P. Weber: Geistliches Schauspiel und kirchliche Kunst in ihrem Verhältnis erläutert an einer Ikonographie der Kirche und Synagoge. Stuttgart 1894; M. Schlauch: The Allegory of Church and Synagogue. I n : Speculum 14 (1939) 448ff.; A. Weis: Die „Synagoge" am Münster zu Straßburg. I n : Das Münster. Zeitschrift f ü r christliche Kunst und Kunstwissenschaft 1 (1947/48) 65—80; W. Eckert: Geehrte und geschändete Synagoge: Das kirchliche Mittelalter vor der Judenfrage. I n : W. D. Marsch und K. Thieme: Christen und Juden. Mainz und Göttingen 1962. S. 67ff-; J. Schwartz: Quelques sources antiques d'ivoires Carolingiens. In: Cahiers Archéologiques 11 (1960) 145—162; F. Ronig, a. a. O. (Anm. 14), S. 391ff. ; ders.: Zwei singuläre Darstellungen von Ekklesia und Synagoge in einer Handschrift des 12. Jahrhunderts zu Verdun. I n : Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 18 (1966) 297ff. 19
P. Bloch : Siebenarmige Leuchter in christlichen Kirchen. In : Wallraf-RichartzJahrbuch 23 (1961) 55—190, bes. 77ff.; P. Bloch, a. a. O. (Anm. 2), S. 755ff. 20 P . B l o c h : Siebenarmige Leuchter . . . . a . a . O . (Anm. 19), S. 88ff.; R. K o t t j e : Karl der Große und der Alte Bund. I n : Trierer Theologische Zeitschrift 76 (1967) 15ff. (dort S. 17 der Hinweis, daß es sich in Aniane nicht um eine Nachbildung der Bundeslade, sondern des Brandopferaltars handele). 21 P. Bloch : Das Apsismosaik von Germigny-des-Pres. Karl der Große und der Alte Bund. I n : Karl der Große. Lebenswerk und Nachleben. Bd. 3: Karolingische Kunst. Hrsg. W. Braunsfeld und H. Schnitzler. Düsseldorf 1965. S. 234ff. 22 E. Rieber: Die Bedeutung alttestamentlicher Vorstellungen für das Herrscherbild Karls des Großen und seines Hofes. Ungedr. Diss. Tübingen 1949; H. Steger: David Rex et Propheta. König David als vorbildliche Verkörperung des Herrschers und Dichters im Mittelalter, nach Bilddarstellungen des achten bis zwölften Jahr9*
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Ambrosius von Mailand verglich Theodosius I. mit König David; in den offiziellen Schreiben des Papstes wurde der Frankenkönig Pippin als David angeredet. Karl der Große wurde als ein neuer David oder Salomon gefeiert, die führenden Köpfe in der „sedes Davidica" Aachen erhielten entsprechende alttestamentliche Namen: Einhard war „Beseleel", Odilo von Metz „Hiram von Tyrus" (1 Kg 7, 13). Ludwig den Frommen nannte Papst Stephan IV. einen zweiten David, auch Karl der Kahle ließ sich als David und Salomon bezeichnen. Zahlreich sind die künstlerischen Konsequenzen dieser Gesinnung. Genannt sei der dem Salomonischen Thron in manchen Zügen nachgebildete Kaiserstuhl im Aachener Münster23. Auf die hohepriesterliche Funktion des Herrschers zielen Form und Schmuck der ottonischen Reichskrone24. Mit der Blüte der Scholastik im 12. Jahrhundert wurde ein typologischer Bilderkreis herausgearbeitet, der nun jede ntl. Szene unmittelbar auf ein oder mehrere atl. Vorbilder bezieht, in den bedeutendsten Beispielen unter Einhaltung eines chronologischen Ablaufs. Vorformen des 11. Jahrhunderts bieten die „Tituli", die Ekkehard IV. im Auftrage Erzbischof Aribos (gest. 1031) für den Dom zu Mainz verfaßte, oder die Miniaturen des Prager Krönungsevangelistars von 1086 25 ; anzuschließen sind die Wandmalereien und Teppiche ehemals in St. Ulrich und Afra zu Augsburg (um 1140) sowie die Fresken ehehunderts. Nürnberg 1961. In : Erlanger Beiträge zur Sprach- und Kunstwissenschaft 6. (Besprechung: G. Bandmann, in: Zeitschrift für Volkskunde 3 und 4 (1962) 260ff.); P. Bloch, a. a. O. (Anm. 2), S. 768ff. 23 K. Faymonville: Das Münster zu Aachen. Düsseldorf 1916. S. 127ff. I n : Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 10: Kunstdenkmäler der Stadt Aachen 1. (mit umfangreicher Literatur) ; A. Alföldi : Die Geschichte des Throntabernakels. In : La Nouvelle Clio 1 und 2 (1949/50) 537—566; H. Fichtenau: Byzanz und die Pfalz zu Aachen. I n : Mitteilungen des Instituts f ü r österreichische Geschichtsforschung 59 (1951) 26; P. E. Schramm: Herrschaftszeichen und Staatssymbolik. I n : Schriften der Mon. Germ. hist. 13. Bd. 1. Stuttgart 1954. S. 336ff.; P. E. Schramm: Karl der Große im Lichte der Staatssymbolik. Wiesbaden 1957. S. 30f. I n : Forschungen zur Kunstgeschichte und christlichen Archäologie 3: Karolingische und ottonische Kunst. 24 A. Bühler: Die alttestamentliche Deutung der deutschen Reichskrone. I n : Das Münster. Zeitschrift für christliche Kunst und Kunstwissenschaft 5 (1952) 332—338; H. Decker-Hauff : Die „Reichskrone" angefertigt für Kaiser Otto I. In : P. E. Schramm : Herrschaftszeichen..., a . a . O . (Anm. 23), Bd. 2. Stuttgart 1955. S. 560—673; H. Fillitz: Die Insignien und Kleinodien des Heiligen Römischen Reiches. Wien und München 1954. S. 15ff., S. 50ff.; ders. : Die Edelsteinanordnung auf der Reichskrone und ihre Beziehung zur Spätantike. I n : Österreichische Zeitschrift f ü r Kunst und Denkmalpflege 10 (1956) 38ff.; J. Deér: Kaiser Otto der Große und die Reichskrone. I n : Akten zum VII. Internationalen Kongreß f ü r Frühmittelalterforschung. Graz und Köln 1962. S. 261—277. 25 J. v. Schlosser: Quellenbuch zur Kunstgeschichte des abendländischen Mittelalters. Wien 1896. S. 158ff.; F. J. Lehner: Korunovacni Evangelistar Vratislava. Prag 1902; H. Cornell, a. a. O. (Anm. 5), S. 124f., S. 134ff.
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mais in St. Emmeram (nach 1166). Höhepunkt solcher Gesinnung war jenes Kreuz von St. Denis, das Abt Suger 1144 von „aurifabri Lotharingii" herstellen ließ und das auf den vier Seiten seines hohen Sockels eine „salvatoris historia cum antiquae legis allegoriarum testimoniis" in 68 Szenen vorführte — wahrscheinlich 17 ntl. und 51 atl. Szenen26. Dieses monumentale Zeugnis mosaner Goldschmiedekunst ging verloren, doch glaubt man, eine verkleinerte Replik im Kreuzfuß von St. Bertin in St. Omer zu besitzen27. Hier schmücken zweimal vier Szenen des AT Fuß und Sockel: auf dem Umgang des halbkugelförmigen, von den Evangelisten getragenen Fußes Moses mit der Ehernen Schlange, der mit gekreuzten Armen segnende Jakob (Gn 48), ein sein Haus mit dem Tau-Zeichen versehender Jude (Ex 12,7—22), das Quellwunder Mosis (Ex 17,6; Nm 20,7—11), auf den vier Seiten des Sockels das Brandopfer des Isaak (Gn 22, 6), die Witwe von Sarepta mit gekreuzten Hölzern (1 Kg 17, 10), die Weintraube aus dem Gelobten Land (Nm 13, 24) und schließlich das Tau-Zeichen auf der Stirn eines der Gerechten (Ez 9, 4). Freilich spielen alle acht Praefigurationen nicht auf eine „historia salvatoris", sondern ausschließlich auf Kreuz und Kreuzopfer an. Der monumentale Kreuzfuß speiste sich offenbar aus einer anderen Gesinnung. Zusammen mit den allegorischen Fenstern von St. Denis vertritt er eine persönliche und sublime, auf Paulus gründende Exegese des Abtes Suger, die das Gesetz durch die Gnade zu spiritualisieren sucht 28 . Gerade das Thema der Kreuzigung ist naturgemäß in reichem Maße mit Vorbildern umstellt worden: romanische Kreuzreliquiare und Altarkreuze im Rhein-Maasgebiet und in Niedersachsen, Glasmalereien in Nordfrankreich (Châlons-sur-Marne) geben Zeugnis davon29. Sie vermischen sich mit den älteren, schon genannten „Garantiebildern" des Meßopfers, ist doch die Kreuzigung das blutige Opfer, das in der Wandlung der Messe unblutig nachvollzogen wird. Der zwischen 1170 und 1185 in Regensburg-Prüfening entstandene Bilderzyklus De laudibus sanctae crucis (München, Staatsbibl. Clm 14159) durchsucht die gesamte Heilsgeschichte nach Vorbildern für das Kreuz Christi30. 2 6 E. Panofsky : Abbot Suger on the Abbey church of St. Denis and its art tresures. 2. Aufl. Princeton 1948. S. 56ff., S. 176ff. 27 S. Collon-Gevaert, J . Lejeune, J. Stiennon: Romanische Kunst an der Maas im 11., 12., 13. Jahrhundert. Brüssel 1962. Nr. 30; Katalog: Les trésors des églises de France. Musée des Arts Décoratifs. Paris 1965. Nr. 56. 2 8 L. Grodecki : Les vitreaux allégoriques de Saint-Denis. In : Art de France 1 (1961) 19—45; Drei Passionsszenen mit jeweils zwei Typen auf einem mosanen Triptychon im Victoria and Albert Museum: H. Cornell, a. a. O. (Anm. 5), S. 128. 2 9 Comte J . de Borchgrave d'Altena : Les émaux de la croix de Kemexhe. In : Revue Belge d'Archéologie et d'Histoire de l'Art 5 (1935) 305ff. 3 0 A. Boeckler: Die Regensburg-Prüfeninger Buchmalerei des X I I . und X I I I . Jahrhunderts. München 1924. S. 33ff.
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Ein eigenes Typenpaar stellte Christus als einen neuen Adam dem alten, sündigen Adam gegenüber (1 Kor 15. 22) ; ihm entspricht eine Konfrontierung von Maria und Eva 31 . Nächst dem Erlösungstode war es die wunderbare Menschwerdung Christi, die reich mit Praefigurationen versehen wurde. Im Prager Krönungsevangelistar von 1086 sind der Geburt Christi Darstellungen des unversehrt brennenden Dornbuschs vor Moses (Ex 3), des blühenden Aaronstabes (Nm 17) und der verschlossenen Pforte, durch die allein der Messias gehen kann (Ez 44, 2), zusammen mit der Wurzel Jesse als Sinnbilder der jungfräulichen Geburt vorangestellt 32 . Die Wurzel Jesse, die hier in einer frühen Form begegnet, entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten zu einem selbständigen und weitverbreiteten Motiv33. Auch diese Praefigurationen wurden über Jahrhunderte beibehalten, vermehrt vor allem um „Gideons Vlies" (Ri 6, 36—40) und eine Szene, die nicht der Bibel, sondern der „Natur" entnommen war: die den spätantiken Tierfabeln des Physiologus entstammende Jungfrau mit dem Einhorn. Eine eigene Bildschöpfung des 14. Jahrhunderts bietet die Muttergottes über dem Löwen von Juda 3 4 . Typen aus dem Physiologus wurden bereits von Isidor von Sevilla verwendet. In der Kunst bürgerte sich ihr Gebrauch erst seit dem 12. Jahrhundert ein 35 . Die Anregung scheint von Honorius Augustodunensis (gest. 1152) ausgegangen zu sein, der seine für die Hauptfeste geschriebenen Predigten stets damit begann, daß er auf das große Ereignis im Leben Christi hinwies, dann alle Tatsachen aufführte, die sich aus dem Alten Testament auf das gefeierte Ereignis beziehen ließen, und schließlich in der „Natur", d. h. im Physiologus, nach Symbolen 31 O. Erich: Adam—Christus (alter und neuer Adam). In: Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte 1 (1938) 157-—167; A. Vögtle: Die Adam—Christus-Typologie und der „Menschensohn". In: Trierer Theologische Zeitschrift 60 (1951) 309ff.; H. v. Einem : Der Mainzer Kopf mit der Binde. Köln und Opladen 1955. In : Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen. Geisteswissenschaften 37; G. Bandmann: Zur Deutung des Mainzer Kopfes mit der Binde. In: Zeitschrift für Kunstwissenschaft 10 (1956) 153—174, bes. 161; P. Bloch: Der Weimarer Kreuzfuß mit dem auferstehenden Adam. In: Anzeiger des germanischen Nationalmuseums 1964. S. 7 ff. ; E. Guldan: Eva und Maria. Eine Antithese als Bildmotiv. Graz und Köln 1966. 32 F. J. Lehner, a. a. O. (Anm. 25) ; Eine im wesentlichen übereinstimmende Wurzel Jesse der gleichen böhmischen Werkstatt im Krakauer Codex Aureus Pultoviensis ; In: Bulletin de la Société Française de reproduction de manuscrits à peintures 18 (1938) Taf. 2. 33 E. Mâle: L'art réligieux du XII e siècle en France. 2. Aufl. Paris 1924. S. 168ff.; A. Watson : The early iconography of the Tree of Jesse. London 1934; P. Bloch : Siebenarmige Leuchter . . ., a. a. O. (Anm. 19), S. 122ff.; G. Schiller: Ikonographie der christlichen Kunst. Bd. 1. Gütersloh 1966. S. 26ff. 34 P. Bloch, a. a. O. (Anm. 2), S. 738; G. Schiller, a. a. O. (Anm. 33), S. 33. 35 J. Strzygowski: Der Bilderkreis des griechischen Physiologus, des Kosmas Indikopleustes und Oktateuch. Leipzig 1899; F. Lauchert: Geschichte des Physiologus. Straßburg 1889; P.Bloch: Siebenarmige Leuchter . . ., a . a . O . (Anm. 19), S. 150f.
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dieses Ereignisses suchte 36 . Beliebteste Motive waren der Löwe, der seine Jungen tot gebiert und am dritten Tage durch sein Brüllen erweckt, als Sinnbild der Auferstehung, der seine Jungen mit seinem Blute nährende Pelikan als Sinnbild des Opfers, der aus der Asche sich verjüngende Phönix als Sinnbild der Auferstehung (oder der Himmelfahrt), der zur Sonne fliegende oder durch dreifaches Niedertauchen in einen Quell sich verjüngende Adler als Sinnbild der Himmelfahrt. Löwe und Adler sind unter Auferstehung und Himmelfahrt des Scheibenkreuzes im Stift Kremsmünster gesetzt. Einhorn und Adler werden Geburt und Himmelfahrt in einem Hildesheimer Missale beigesellt37. Im Evangeliar von Averbode (Lüttich, Universitätsbibl. lat. 363) und den reduzierten Miniaturen der Bibel von Floreffe (London, British Museum Add. 17737/38) (beide um 1160) sind einzelne Physiologusszenen an die Evangelienanfänge gesetzt, und zwar als Praefigurationen von vier Stadien im Leben Christi, wie sie seit Irenaeus von Lyon aus den Evangelistensymbolen abgeleitet worden waren (wobei Markuslöwe = Auferstehung und Johannesadler = Himmelfahrt in ihrer Deutung bereits von Löwe und Adler des Physiologus inspiriert waren). So schmücken den ,,Liber Generationis" die Geburt Christi und die Jungfrau mit dem Einhorn, das „Initium" zu Markus Auferstehung und der Löwe, der seine Jungen am dritten Tage durch sein Brüllen zum Leben erweckt, das „Quoniam quidem" Kreuzigung, Opferstier und die Witwe von Sarepta, das „In principio" die Himmelfahrt und die Physiologus-Adler38. Pelikan, Löwe und Walfisch umgeben die Darstellung der Auferstehung Christi in einem Fenster in Bourges, Phönix und Löwe begleiten die Kreuzigung auf einer Scheibe in Le Mans39. Die Vollendung typologischen Bild-Denkens bildet der Altar des Nikolaus von Verdun von 1181 in Klosterneuburg. Er ordnet 51 (ursprünglich 45) Emailtafeln in drei Bildreihen unter dem Gesichtspunkt 36 Honorius Augustodunensis : Speculum ecclesiae. In : PL 172, 807—1108. De nativitate Domini. Ebd., 815—836. 37 G. Heider: Die Rotula im Schatze des Benediktinerstiftes Kremsmünster. In: Mitteilungen der k. k. Central-Commission 6 (1861) 65, Taf. 2; H. Swarzenski: Monuments of Romanesque Art. The Art of Church Treasures in N. W. Europe. London 1954. Fig. 321; St. Beissel: Ein Missale aus Hildesheim und die Anfänge der Armenbibel. In: Zeitschrift für christliche Kunst 15 (1902) 265ff., 307ff.; vgl. H. Kallenbach: Adler. In: Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte 1 (1937) 171—179. 38 S. Gevaert: Le modèle de la Bible de Floreffe. In: Revue Belge d'Archéologie et d'Histoire de l'Art 5 (1935) 17ff.; S. Gevaert: L'origine de la Bible d'Averbode. In: Revue Belge d'Archéologie et d'Histoire de l'Art 5 (1935) 213 ff. ; Eine in Arbeit befindliche Kölner Dissertation von P. Baston wird die unmittelbare Abhängigkeit der Ikonographie von Honorius nachweisen. 39 E. Mâle: L'art religieux du XIII e siècle en France. 6. Aufl. Paris 1925. S. 143 und S. 145.
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„ante legem", „sub lege", „sub gratia" an 40 . Das mittlere Register bietet einen christologischen Zyklus aus 17 (ursprünglich 15) Szenen von der Verkündigung an Maria bis zum Jüngsten Tag (sub gratia), denen jeweils eine Praefiguration aus der Zeit vor der Gesetzgebung auf dem Sinai (ante legem) und nach der Gesetzgebung (sub lege) beigesellt sind. Die Dreiteilung der Heilsgeschichte geht auf Augustinus zurück —• eine Quelle, die besonders legitim ist, da es Augustiner-Chorherren waren, die die Verbildlichung dieser Periodisierung in Auftrag gaben. Daneben darf Honorius Augustodunensis als Vermittler angesehen werden, dessen Gemma animae das dreistufige typologische Schema für alle Sonntage des Kirchenjahres durchführt und dessen Werke gerade um 1180 in Klosterneuburg kopiert wurden. Ein monumentaler typologischer Zyklus aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, in manchen Zügen dem Klosterneuburger Altar nahe, findet sich in den drei Mittelschiffgewölben von St. Maria Lyskirchen zu Köln: zwölf ntl. Szenen von der Verkündigung an Maria bis zum Pfingsfest und zwölf atl. Praefigurationen 41 . Verwandtes bieten die „Bibelfenster", wie das Hauptchorfenster der ehemaligen Abteikirche St. Vitus zu Mönchengladbach (um 1280), das dreizehn christologische Szenen — wiederum von der Verkündigung bis zum Pfingstfest — mit ihren Praefigurationen vorführt, sowie die Fenster in der Dreikönigenkapelle (1270—80) und in der Stephanuskapelle (um 1290) des Kölner Domes42. Im späteren Mittelalter wanderte die Typologie in die erbauliche Literatur. Wahrscheinlich in Paris und im Auftrage des französischen Königshauses entstand zu Beginn des 13. Jahrhunderts die Bible Moralisêe, die jeweils acht Medaillons auf einer Seite zeigt, und zwar paarweise biblische Szenen mit Kommentarszenen 43 . Etwa gleichzeitig verfaßte ein englischer Zisterziensermönch den Pictor in Carmine mit „Tituli" aus leoninischen Hexametern zu insgesamt 440 Bildern, näm40
F. Röhrig: Der Verduner Altar. 2. Aufl. Wien und München 1955; S. CollonGevaert, J. Lejeune, J. Stiennon, a. a. O. (Anm. 27), S. 92ff„ Fig. 8, Taf. 51; F. Röhrig: Retabel aus Klosterneuburg. Im Katalog : Der Meister des Dreikönigenschreins. Hrsg. H. Schnitzler, P. Bloch. Köln 1964. Nr. 7. S. 21—25; A. Wachtel: Beiträge zur Geschichtstheologie des Aurelius Augustinus. Bonn 1960. 41 F. Goldkuhle: Mittelalterliche Wandmalerei in St. Maria Lyskirchen. Ein Beitrag zur Monumentalkunst des Mittelalters in Köln. Düsseldorf 1954. In: Bonner Beiträge zur Kunstwissenschaft 3. 42 F. Goldkuhle, a. a. O. (Anm. 41), S. 70ff.; H. Neu und F. Witte: Der Dom zu Köln. Hrsg. P. Clemen. 2. Aufl. Düsseldorf 1938. S. 186ff., S. 190f. In: Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz. Bd. 6, 3. Abt. ; F. Jansen : Die Darstellung der Kreuzigung in einem Gladbacher Missale des 12. Jahrhunderts. In: M. Gladbach. Aus Geschichte und Kultur einer rheinischen Stadt. Hrsg. R. Brandts. Mönchengladbach 1955. S. 413—449, bes. S. 432 ff. : Lebensbaum und Wurzel Jesse. 43 A. Comte de Laborde: La Bible moralisêe illustrée. 5 Bde. Paris 1911—1928; R. Haussherr: Christus-Johannes-Gruppen in der Bible Moralisêe. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 27 (1964) 133—152, der Verfasser bereitet eine größere Arbeit vor.
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lieh 138 aus dem NT samt ihren Antitypen aus AT, Legende und Naturgeschichte44. Ebenfalls zu Beginn des 13. Jahrhunderts entwickelte sich in Süddeutschland die Biblia Pauperum als ein bildlich-lehrhaftes Erbauungsbuch für die Armen im Geiste, denen die Vita Christi mit den zugehörigen atl. Vorbildern sich auf diese Weise einprägen konnte, wie auch für die armen Geistlichen, deren Mittel den Ankauf einer vollständigen Bibel nicht erlaubten45. Hier schildert ein zentiales Medaillon jeweils das ntl. Ereignis von der Verkündigung an Maria bis zur Ausgießung des Heiligen Geistes (samt dem neuen, erst in der Gotik entwickelten Thema der Marienkrönung), umgeben von vier hinweisenden Propheten und zwei Praefigurationen. Demgegenüber gibt das Speculum humanae salvationis, 1324 im Dominikanerkloster zu Straßburg entstanden, einen Abriß in Vers und Bild der gesamten Heilsgeschichte vom Sündenfall bis zum Jüngsten Gericht46, wobei jeweils vier Bilder in der oberen Hälfte eines Doppelblattes erscheinen und (in den ntl. Partien) jeweils ein christologisches Ereignis drei Praefigurationen gegenübergestellt wird. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts verfaßte der Abt Ulrich des Zisterzienser-Klosters Lilienfeld nahe Wien das größte aller typologischen Werke, nämlich die Concordiae Caritatis. Die postillenartig nach Sonn- und Feiertagen angeordneten ntl. Szenen — insgesamt 156 und 82 Heiligenfeste — erscheinen ähnlich wie bei der Biblia Pauperum in einem Medaillon, das von vier Propheten umgeben und von zwei atl. sowie zwei der „Natur" entnommenen Vorbildern begleitet wird47. Einige dieser Bücher erfreuten sich außerordentlicher Beliebtheit, ihre Bildanordnung gewann auch Eingang in monumentale Zyklen. Für die Biblia Pauperum zeigte dies schon früh Gotthold Ephraim Lessing48. Der Heilsspiegel hat sich etwa 4 4 M. R. James: Illustration of the Bible. In: Proceedings of the Cambridge Antiquarian Society 7 (1888/89) 58ff.; F. Goldkuhle, a. a. O. (Anm. 41), S. 74ff.; Mit dem Pictor in Carmine in Verbindung stehen die Dorsalemalerei der Abteikirche in Peterborough (um 1160), die typologischen Fenster in Canterbury (Ende 12. Jh.) und der Psalter von Peterborough (um 1300) : M. R. James: On the paintings in the Choir at Peterborough. In: Proceedings of the Cambridge Antiquarian Society 9 (1894/95) 178ff.; O. E . Saunders: A History of English Art in the Middle Ages. Oxford 1932. S. 103ff.; J . Van den Gheyn: Le Psautier de Peterborough. Haarlem 1906; H. Cornell, a. a. O. (Anm. 5), S. 130ff.; F. Goldkuhle, a. a. O. (Anm. 41), S. 74. 4 5 H. Cornell, a. a. O. (Anm. 5) ; H. Engelhardt: Der theologische Gehalt der Biblia Pauperum. Straßburg 1927; A. Weckwerth: Die Zweckbestimmung der Armenbibel und die Bedeutung ihres Namens. In: Zeitschrift für Kirchengeschichte 68 (1957) 225—258; G. Schmidt: Die Armenbibeln des X I V . Jahrhunderts. Graz und Köln 1959. 4 6 J . Lutz und P. Perdrizet: Speculum humanae salvationis. Leipzig 1907; E. Breitenbach: Speculum humanae salvationis. Eine typengeschichtliche Untersuchung. Straßburg 1930. 47 H. Cornell, a. a. O. (Anm. 5), S. 158f. 4 8 G. E . Lessing: Ehemalige Fenstergemälde im Kloster Hirschau. In: Gesammelte Werke. Hrsg. W. Stammler. Bd. 2. München 1959. S. 1016 ff.
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im Fensterzyklus der Stephanuskirche zu Mühlhausen im Elsaß (um 1350 — mit jeweils nur zwei Praefigurationen) oder auf dem Teppich des Klosters Wienhausen aus dem frühen 15. Jahrhundert erhalten; berühmt ist der sog. Heilsspiegelaltar des Konrad Witz, der einzelne Typen des Speculum vorführt 49 . Für das Ende des Mittelalters ist bezeichnend, daß Typen, die sich auf die Menschwerdung Christi bezogen, mit wachsender Marienverehrung zu mariologischen Symbolen wurden. Eine wichtige Quelle bietet das Defensorium beatae Mariae virginis des Dominikaners Franz von Retz (gest. 1427) 50 . Auf einer Tafel aus der ehem. Stiftskirche St. Maria ad Gradus zu Köln (um 1430) im Rheinischen Landesmuseum Bonn 6 1 wird die thronende Muttergottes von zwei typologischen Kreisen umschlossen: außen der brennende Dornbusch, der blühende Aaronstab, die Porta clausa und Gideons Vlies als mariologische Praefigurationen, innen die Physiologusszenen der Jungfrau mit dem Einhorn, des Pelikans, des seine Jungen erweckenden Löwen und des Phönix. Eine Unterschrift besagt: „Entnimm aus den dargestellten Figuren den Beweis, daß Maria als Jungfrau Mutter wurde." — Auch die Physiologusszenen gewinnen eine mariologische Bedeutung, die offensichtlich auf Franz von Retz zurückgeht. So bringt er etwa den Pelikan nicht mehr mit dem blutigen Opfer in Verbindung, sondern meint, daß, wie der Pelikan seine Jungen durch sein Blut nährt, so Christi Leib aus Marias Blut gebildet sei — den Löwen nicht mehr mit der Auferstehung Jesu am dritten Tage, sondern meint, wie der Löwe seine Jungen zum Leben erweckte, so Maria ihren Sohn zum menschlichen Leben. Ähnliche mariologische Tafelbilder befinden sich in der Pfarrkirche zu Neuwerk bei Mönchengladbach, in St. Sebald und St. Lorenz zu Nürnberg. Noch umfänglichere Vergleiche und Allegorien bieten zwei Bilder aus Stams in Tirol von 1426 und aus Ottobeuren in der Galerie Schleißheim 62 . Den genannten Typen fügen sie die ver4 9 Katalog: Die mittelalterlichen Glasgemälde der Stephanskirche in Mühlhausen. Öffentliche Kunstsammlung Basel. Basel 1948; F. Witte: Die Wienhausener Teppiche und der Schrein des hl. Heribert. Köln 1928; H. Appuhn: Kloster Wienhausen. Hamburg 1955; J . Gantner: Konrad Witz. 2. erweiterte Aufl. Wien 1943. Abb. 14 und 15; A. Stange: Deutsche Malerei der Gotik. Bd. 4. München und Berlin 1951. S. 127ff., Abb. 194 und 195. 6 0 J.v.Schlosser: Defensorium inviolatae virginitatis beatae Mariae virginis. In: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses 23 (1902) 287 ; Ph. M. Halm : Zur marianischen Symbolik des späteren Mittelalters, defensoria inviolatae virginitatis beatae Mariae. In: Zeitschrift für christliche Kunst 17 (1904) 119ff.; F. Zoepfl: Defensorium. In: Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte 3 (1954) 1206—1218; A. Stange: Das Bild der Perpetua Virginitas Mariens in Neuwerk. In: M. Gladbach, a. a. O. (Anm. 42), S. 537—545. 5 1 Katalog: Rheinisches Landesmuseum Bonn. Verzeichnis der Gemälde. Hrsg. F. Rademacher. Köln und Graz 1959. Abb. 1 und 2. 5 2 A. Stange, a. a. O. (Anm. 50), S. 542.
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schiedensten Beweise für die Jungfräulichkeit Mariens aus Mythologie und Sage an, so Danae, die durch göttlichen Regen Mutter wurde, Vögel, die als Früchte von den Bäumen fallen, zwei gehörnte Tiere, deren Männchen das Weibchen durch Anhauchen fruchtbar macht. Es sind Beispiele überwundener Gesetze der Natur und Geschichte, die plausibel machen, warum nicht auch Gott seinen eingeborenen Sohn auf ähnliche Weise in die Welt gelangen lassen sollte. Das Wunder wird zur Rarität unter Raritäten, das typologische Denken verliert an intellektueller Kraft. Humanismus, Renaissance und Reformation führten zu neuen Ansätzen. Eine Rundscheibe im Kölner Schnütgen-Museum von 1551 mag als Beispiel dienen63. Gleich Herkules am Scheidewege sitzt eine nackte Gestalt mit gerungenen Händen vor dem Baum des Lebens, der links verdorrtes, rechts grünendes Geäst trägt und das Bildfeld in Gesetz (Sündenfall und Adams Grab, Gesetzesübergabe, Eherne Schlange) und Gnade (Verkündigung an Maria und die Hirten, Kruzifixus, Osterlamm, Auferstehung Christi) teilt. Ein Prophet und Johannes der Täufer treten gleichsam werbend auf den Menschen in der Mitte zu, er selbst soll sich entscheiden. Die Typologie gewinnt subjektive und moralische Züge. Die Konfrontierung von Gesetz und Gnade wird zu einem zentralen Thema der Reformation ; im Umkreise Luthers hat Lucas Cranach das Thema in mehreren Varianten behandelt. Für seine Verbreitung auch in Frankreich zeugen u. a. ein Sardonyx im Pariser Cabinet des Médaillés, einige Limousiner Emails, ein Holzschnitt der Pariser Nationalbibliothek 54 . Am Beispiel von Rembrandts Jakobssegen von 1656 in der Gemäldegalerie Kassel wurde die „Verinnerlichung" eines durch die Jahrhunderte in seiner Kreuzsinnbildlichkeit festgelegten Themas in der „Bekenntniskunst" des großen Malers dargelegt 66 . Daß daneben auch die althergebrachte Typologie weiterlebte und fortentwickelt wurde, erweist etwa der „Triumph der Eucharistie" von Rubens, eine Folge von elf Teppichen für das Madrider Kloster der 53
Uber diese Rundscheibe vgl. A. v. Euw, in: Museen in Köln. Bulletin 5 (1966) 433—435 mit 2 Abb.; Katalog: Das Schnütgen-Museum. Eine Auswahl. 4. erweiterte Aufl. Hrsg. vom Schnütgen-Museum der Stadt Köln. Köln 1968. Nr. 176 b; vgl. auch E. M. Vetter: Der verlorene Sohn und die Sünder im Jahrhundert des Konzils von Trient. In: Spanische Forschungen der Görres-Gesellschaft 15 (1960) 175ff. 54 O. Thulin: Cranachaltäre der Reformation. Berlin 1955; M. Chabouillet: Catalogue général et raisonné des camées et pierres gravées de la Bibliothèque Imperiale. Paris 1858. S. 622, Nr. 318; E. Mâle: L'Art religieuse de la fin du moyen-âge en France. Paris 1925. Fig. 158. 55 H. v. Einem: Rembrandt. Der Segen Jakobs. Bonn 1950. In: Bonner Beiträge zur Kunstwissenschaft 1; vgl. auch W. A. Visser 't Hooft: Rembrandt et la Bible. Neufchâtel und Paris 1947 ; Η. E. van Gelder : Rembrandt en de Heilige Schrift. Amsterdam 1960; Α. Krücke: Der Protestantismus und die bildliche Darstellung Gottes. In: Zeitschrift für Kunstwissenschaft 13 (1959) 59ff.
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Descalzas Reales (1625—27), wobei neben die traditionellen Typen, wie Abraham und Melchisedech, die Mannalese, Elias, vom Engel gespeist, zusätzlich die Verkünder der eucharistischen Lehre sowie Darstellungen der Siege und Triumphe der Eucharistie treten. Von besonderem Interesse ist die Elfzahl des Zyklus, die den elf Teppichen des Bundeszeltes entspricht (Ex 26, 7—14). Eine reduzierte Replik befindet sich im Kölner Dom 56 . So zeigen sich im wesentlichen drei große Höhepunkte typologischer Kunst in frühchristlicher Zeit, im Mittelalter und in der Renaissance, die ein jeweils anderes Verhältnis zu ihren atl. Praefigurationen verraten. Die „Concordia Veteris et Novi Testamenti" der Frühzeit bezeugt ein mehr oder minder unmittelbares Verhältnis zu der geschichtlichen Aussage der Typen. Bei den Zuordnungen von Zyklen aus dem AT und NT geht es um die Zusammengehörigkeit beider Testamente. Seit dem 12. Jahrhundert wurden aus den atl. Praefigurationen beweiskräftige Mittel zum Zweck. Die Typen sind nicht mehr in erster Linie historisches Ereignis, sondern werden nach dem befragt, was prophetisch in ihnen angekündigt sein könnte, nach ihrem allegorischen Gehalt. Von einem bestimmten ntl. Ereignis her gesucht, können sie nun in größerer Anzahl auf dieses bezogen werden, können zudem auch aus anderen Quellen wie dem Physiologus, aber auch aus antiker Mythologie entnommen werden. Im 16. und 17. Jahrhundert gewinnen die atl. Themen eine moralische Vorbildlichkeit. Es sind die drei Möglichkeiten, die drei Formen der Interpretation der Schrift entsprechen, wie sie etwa Orígenes als somatische (buchstäbliche, historischgrammatische), psychische (moralische) und pneumatische (allegorischmystische) Deutung unterschied 57 . Aus welchen literarischen Quellen speiste sich jeweils diese typologische Kunst, und welche frömmigkeitsgeschichtliche Entwicklung bestimmte ihre Wandlungen ? Das sind Fragen an die Theologie, die einer Antwort weitgehend noch harren. Beliebte exegetische Handbücher waren die Quaestiones in Vetus Testamentum des Isidor von
Sevilla (gest. 636), in denen die Allegorisierungen des AT durch die Kirchenväter zusammengestellt waren, wie auch die dem Walafried 56
Katalog : Paul Rubens, Triumph der Eucharistie. Wandteppiche aus dem Kölner Dom. Hrsg. V. H. Elbern. Essen 1954; V. H. Elbem: Die Rubensteppiche des Kölner Domes. Ihre Geschichte und ihre Stellung im Zyklus „Triumph der Eucharistie". In: Kölner Domblatt. Jahrbuch des Zentral-Dombauvereins 10 (1955) 43—88, 47 Abb. ; Katalog : Monumenta Judaica. 2000 Jahre Geschichte und Kultur der Juden am Rhein. Hrsg. K. Schilling. Köln 1964. A 31. 57 Die mittelalterliche Exegese kennt zumeist die vierfache Interpretation: die historische, tropologische, allegorische und anagogische. Vgl. H. de Lubac: Exégèse médievale. Les quattres sens de l'écriture. 4 Bde. Paris 1959—1964; P. C. Spicq: Esquisse d'une histoire de l'exégèse latine au Moyen Age. Paris 1944.
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Strabo zugeschriebenen Glossa ordinaria (12. Jh.) 58 . Die Bedeutung des Honorius Augustodunensis wird in der kunstgeschichtlichen Dissertation eines Theologen untersucht (Anm. 38). Zur frömmigkeitsgeschichtlichen Entwicklung fehlt es nicht an Einzeluntersuchungen und Thesen. Schon Wilhelm Köhler hatte bei der Rekonstruktion einer Prachtbibel Papst Leos des Großen (440—461), die er der karolingischen Grandvalbibel (London, British Museum, Add. 10546), der Viviansbibel (Paris, Bibl. Nat., lat. 1) und der Bibel in San Paolo fuori le Mura in Rom zugrunde legte, eine bestimmte Situation fixiert, die eine typologische Kunst provozierte. Er sah in den vier Bildern der frühchristlichen Handschrift: Genesisbild, Exodusbild, Majestasbild und Apokalypsenbild ein bestimmtes Programm, das die Erlösungslehre des Augustinus voraussetzt und die Zusammengehörigkeit von Altem und Neuem Bund polemisch betont. Offenbar seien die vier Bilder eine Reaktion auf häretische Lehren, nämlich die der Manichäer, die die biblische Schöpfungsgeschichte, die Gesetzgebung Moses und die Christologie der katholischen Lehre ablehnten und die sich eben zu dieser Zeit, aus Afrika vor den Vandalen flüchtend, in Rom ansiedelten 69 . In ähnlicher Weise hat F. Röhrig, der Betreuer des Klosterneuburger Altars, die Typologie des 12. Jahrhunderts mit den Katharern in Verbindung gebracht. In den Jahrhunderten nach den Manichäern war das Interesse an der Typologie weitgehend verloren gegangen ; erst als die Katharer die Bibellehre der Manichäer erneuerten, griff die Kirche wieder auf die typologische Schriftauslegung zurück. Damals wurde in den Predigten häufig mit Hilfe der Typologie das Alte Testament verteidigt, und so erschien es sehr sinnvoll, einen typologischen Bilderzyklus an einer Kanzel (der ursprünglichen Funktion des Klosterneuburger Altars) anzubringen 60 . Von der besonderen auf Augustinus zurückgehenden geschichtstheologischen Bedeutung war oben die Rede. Für die Quellenfrage ist es aufschlußreich, daß die Ergänzungen von insgesamt 6 Tafeln, die um 1331 anläßlich der Umwandlung vom Kanzelschmuck zu einem Flügelaltar durchgeführt wurden, der Biblia Pauperum
entstammen 6 1 .
Das sind Fragen zu den Quellen der Typologie und der frömmigkeitsgeschichtlichen Motivierung ihrer Entwicklung, die von der theologischen Forschung vorangetrieben werden könnten. Die Kunstgeschichte würde dadurch keineswegs in die Rolle einer Magd der 68
K. Künstle: Ikonographie der christlichen Kunst. Bd. 1. Freiburg 1928. S. 82ff. W. Köhler: Die karolingischen Miniaturen. Bd. 1: Die Schule von Tours. Teil 1 und 2. Berlin 1930 und 1933. Siehe Teil 2, S. 193ff., S. 204ff.; H. Schade: Hinweise zur frühmittelalterlichen Ikonographie. Teil 2 : Die Enthüllung des Moses. In : Das Münster. Zeitschrift für christliche Kunst und Kunstwissenschaft 11 (1958) 13 ff. 60 F. Röhrig: Retabel . . ., a. a. O. (Anm. 40). 61 F. Röhrig: Der Verduner Altar, a. a. O. (Anm. 40). 59
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Theologie gedrängt; legitime Aufgaben bleiben ihr vor allem dort, wo die typologische Kunst nicht nur die Illustration theologischer Gedankengänge bietet, sondern selbständig entwickelt wurde. Es gibt von der Form her eine Reihe von Beispielen, wo Gedankengänge erst im Medium des Bildes entwickelt werden konnten, wo der Typus der gestalteten Form bedurfte. Hier darf man von einem Denken in Bildern, von einer eigenen „Bildspekulation" sprechen. Die meisten Typenpaare beruhen auf einer „Ereignis-Analogie" (z. B. Ausspeiung des Jonas am dritten Tage — Auferstehung Christi am dritten Tage ; Aufrichtung der Ehernen Schlange — Kreuzigung); daneben kommen — vor allem im Zusammenhang der Kreuzigung — liturgische und symbolische Parallelen vor (Opfer Abrahams, Tötung Abels, Abraham und Melchisedech auf der einen, die Weintraube aus dem Gelobten Lande auf der anderen Seite). Darüber hinaus treffen wir aber auf „Formparallelen", wie das Tau-Zeichen am Hause oder auf der Stirn der Gerechten (Ex 12, 7—22; Ez 9, 4), das Brandopfer des Isaak (Gn 22, 6), den Jakobssegen (Gn 48), die Witwe von Sarepta (1 Kg 17, 10) : hier wird von der Figur des Kreuzes her argumentiert und damit das Bild vorausgesetzt. Aus dem biblischen Text folgt in keiner Weise, daß Isaak beim Brandopfer oder die Witwe von Sarepta beim Holzsammeln ihre Hölzer kreuzweise ordneten. Auch die überkreuzte Gebärde des Jakobssegens wird durch die Bildvorstellung des Kreuzes in neuer Weise motiviert. Das Bild gewinnt seinen eigenen Realitätscharakter, seine Aussage wird zu einem legitimen Argument. Es ist also keineswegs so, daß das Bild stets Illustration eines Textes wäre. In der Bible Moralisée ist der Text Erläuterung der Miniaturen, selbst die wichtigsten Bibelstellen fehlen, wenn sie nicht als Bild erscheinen. Ähnliches gilt von der Biblia Pauper um und dem Speculum humanae salvationis. Die Wurzel Jesse und die Muttergottes über dem Löwen von Juda sind eigenständige Formulierungen solchen BildDenkens. Das Pfingstretabel im Pariser Cluny-Museum verbindet die Vorstellung der von den sieben Gaben des Heiligen Geistes erleuchteten Ekklesia mit dem auf sieben Säulen errichteten „templum sapientiae" aus den Sprüchen Salomonis (9, 1) zu einer eigenen optischen Gestalt des Kirchenbaues62. Die Beispiele eines solchen Denkens in Bildern ließen sich vermehren. Auch hier steht die Forschung erst an einem Anfang. 6 2 P. Bloch: Ekklesia und Domus Sapientiae. Zur Ikonographie des Pfingst-Retabels im Cluny-Museum. In: Miscellanea Mediaevalia 4: Judentum im Mittelalter. Berlin 1966. S. 370—381; Vgl. auch F. Ronig, a. a. O. (Anm. 14), S. 398ff.
WANDLUNGEN DER TYPOLOGIE IN DER FRÜHRENAISSANCE (ante legem — sub lege — sub gratia) V o n K A R L A . NOWOTNY
In Rede steht die Inkorporierung des sehr verallgemeinernd so genannten „Neuplatonismus" durch Marsilio Ficino in die Form des zu seiner Zeit Bestehenden. Dieser Vorgang spielte sich fern von jenen Diskussionen um Nominalismus und Realismus ab, die durch die Versuche der Rezeption antiker Philosophie ausgelöst wurden. Beim Neuplatonismus handelt es sich nicht um Philosophie, sondern um synkretistische Religion der Spätantike. Das landläufige Bild der Renaissance wurde vor hundert Jahren in Basel ausgeformt. Durch das Zerschneiden der Erscheinungen der griechischen Antike in zwei Schichten, eine chthonische und eine hellenische, hatte Bachofen das klassizistische Idealbild gerettet. Bachofen sagt das deutlich an vielen Stellen seiner Werke, das wurde aber nicht beachtet 1 . Das im 19. Jh. aufblühende Studium der Quellen hätte die klassizistischen Ideale ohne eine solche Zweiteilung ernstlich in Frage gestellt. Burckhardt konnte nunmehr die Renaissance unbehindert und vom Blickpunkt des antiken Idealbildes her betrachten. Jene religiösen Kräfte in der Geistesgeschichte der Renaissance, die in den religiösen Welten der Spätantike oder des Mittelalters verwurzelt waren, konnten dabei außer Betracht bleiben. Der nächste Schritt auf diesem Weg brachte die beiden Schlagworte „apollinisch" und „dionysisch" hervor, deren Wirkung unabsehbar ist. Das förmliche Interdikt Burckhardts, sich mit diesem Stoff überhaupt ernsthaft zu befassen, wurde durch hundert Jahre im deutschen Sprachgebiet meist diszipliniert befolgt; nicht so im übrigen Europa. Die Tradition des Warburg-Institutes wird in England weitergepflegt. Die Heidelberger Boll, Bezold, Gundel usw. fanden keine Nachfolge. Die vorliegende Arbeit kann sich in vielen Punkten auf Thorndike 2 1 J. J. Bachofen: Das Mutterrecht. Basel 1861. — In der Vorrede heißt es z. B.: „Wer möchte nicht gerne . . . unserem Geschlechte die schmerzliche Erinnerung einer so unwürdigen Kindheit ersparen?" 2 L. Thorndike : A History of Magic and Experimental Science. 8 Bde. Bd. 1 u. 2 New York 1929, Bd. 3 u. 4 New York 1934, Bd. 5 u. 6 New York 1951, Bd. 7 u. 8 New York 1958.
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bzw. Walker 3 stützen, die über die Geschichte der Wissenschaften einschließlich ihrer neuplatonischen Komponente, bzw. über die „prisca theologia" in englischer Sprache publiziert haben. Es handelt sich um vom Klassizismus entwertete spätantike Anschauungen, die nicht etwa in die Philosophie des hohen und späten Mittelalters inkorporiert wurden. Ficino baute sie in weit ältere, frühmittelalterliche Formen ein. Zugleich bestand bei dieser Gruppe von Humanisten eine starke Aversion gegen Aristotelik. Ficino ging nicht von der Philosophie, sondern von der Universalgeschichte aus zu Werke. Diese Form der Universalgeschichte bewegte sich im Rahmen des Alten Testamentes und war von Prophezeiungen und wunderbaren Vorzeichen des Heilsgeschehens erfüllt. Es ist bemerkenswert, daß sich diese Universalgeschichte mit ihren Vorzeichen (Typen) oft klarer aus Werken der bildenden Kunst mit ihren umfangreichen Programmen ablesen läßt als aus den Texten 4 . Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß oft rein dekorative Absicht vorliegt, wo man einen enigmatischen Inhalt vermuten könnte. Außerdem hat die Universalgeschichte, obwohl sie stets gegenwärtig war, nicht in jeder Epoche der bildenden Kunst gleichmäßig ihren Niederschlag gefunden. Der göttliche Plan der Universalgeschichte offenbart sich hauptsächlich in vier Geschehnissen: Schöpfung, Sinai, Golgotha und Jüngstes Gericht. Der Mensch hat in diesen göttlichen Plan durch seinen Fall nicht nur eingegriffen, sondern den Plan selbst verändert. Für den Menschen ist die Erlösung durch Christus durchaus das wichtigste Geschehnis. Wie eine breite Straße führt die im Alten Testament berichtete Geschichte auf diese Erlösung zu. Die Verheißung der Erlösung offenbart sich in unzähligen Vorzeichen (Typen), nicht in zeitlicher Abfolge geordnet, sondern stets von neuem. Ja, das ganze im Alten Testament berichtete Geschehen ist nichts anderes als ein Vorzeichen der messianischen Verheißung, und alle prophetischen Aussprüche beziehen sich selbstverständlich nur auf diese. Ja, sogar die unvernünftigen Tiere offenbaren kraft der ihnen von Gott eingeprägten Eigenheiten Vorzeichen oder Typen des Heilsgeschehens, wie es der Physiologus berichtet. So die Anschauungsweise, aus der die Typologie entspringt. Ob viele Jahrhunderte vorher die Väter, auf die man sich bei diesen Anschauungen stets berufen konnte, die Dinge in genau der gleichen Weise gesehen haben, ist eine andere Frage. Ob ferner ζ. B. Augustinus die 3 D. P. Walker: The Prisca Theologia in France. In: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 17. London 1954. 4 Gute Zusammenfassung bei: Η. Schnitzler und P. Bloch: Der Meister des Dreikönigenschreins. In: Achthundert Jahre Verehrung der heiligen drei Könige. In: Kölner Domblatt. Jahrbuch des Zentral-Dombauvereins. Köln 1964.
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Typologie hauptsächlich zur Verteidigung des Alten Testamentes gegen die Manichäer verwendete, bedürfte einer gesonderten Untersuchung. Für das hohe Mittelalter war die Typologie jedenfalls nicht eine Deutungsweise, eine Erklärungsmöglichkeit unter anderen Erklärungsmöglichkeiten, sondern weit mehr. Mit jeder sorgfältigen typologischen Abbildung aus dem Mittelalter sind stets Prophetendarstellungen und -aussprüche verbunden. Vorzeichen und Prophezeiung bilden eine große Einheit, beide sind Offenbarung. Die erwähnten vier Stufen der Universalgeschichte erscheinen auch als drei („ante legem" — „sub lege" — „sub gratia"), wenn man die letzte Stufe wegläßt, oder auch als zwei, wenn nur Altes und Neues Testament einander gegenübergestellt sind. Die Programme sind als Begriff den Typen übergeordnet. Die Verwendung von Typen ist ein Sonderfall. Immer sind die programmatischen Bilderfolgen das Werk von Gelehrten. Sie sind freizügig komponiert wie Predigten oder Homilien und folgen keinem starren Schema. Natürlich stehen hinter diesen gelehrten Programmen immer Texte, aber verwendet nach persönlicher Auffassung und mit Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten. Ihr ikonographischer Inhalt ist wie ihre Form mit den Maßstäben der Kunstbetrachtung zu messen, nicht mit Maßstäben der Geschichtswissenschaft. Honorius Augustodunensis bezeichnet im Speculum ecclesiae die Väter Ambrosius, Augustinus und Gregor geradezu als „pictores", er war sich also dieses künstlerischen Schaffens bewußt. Sehr irreführend ist schließlich die Bezeichnung Biblia fiau-perum statt „Biblia pietà". Solche durchdachten Programme und Typologien waren für Analphabeten kaum verständlich. Die Problematik der Ikonographie wird gut sichtbar, wenn man ein erhalten gebliebenes Musterbuch, das sogenannte Reuner Musterbuch5, betrachtet. Die dekorative Absicht steht stets im Vordergrund. Vorlagen für Initialen und für Ornamente, für Malerei und Fensterverbleiung nehmen den größten Raum ein. Die Fabeltiere sind nur für den heutigen Betrachter Fabeltiere. Für die Zeitgenossen waren das Realitäten, die man in Äthiopien oder in Indien bis an den Fuß der feurigen Mauern des Paradieses finden konnte. In derselben Sammelhandschrift finden sich neben dem Reuner Musterbuch Texte des Honorius Augustodunensis. In diesen Texten sind jene indischen „bestiae" beschrieben, die im Reuner Musterbuch abgebildet sind. 5 K. A. Nowotny: Die Wunder Indiens. In: Kunst ins Volk. Bd. 5. H. 3 u. 4. Wien 1953—54. — Das Ms. der Nat. Bibl. Wien, Cod. 507 enthält den vollen Text des Honorius; bei Migne: Honorius Augustodunensis: Speculum Ecclesiae. In: P L 172, 807—1108 fehlen die Verse, das eigentliche Werk des Honorius, der übrige Text besteht aus Exzerpten älterer Literatur.
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Bei Beschränkung auf formale Kunstbetrachtung bleibt das unbeachtet. Gesicherte Dokumente der Typologie finden sich seit der Tolerierung durch Konstantin 6 . Gegen ein Aufleben der Typologie im 12. Jh. im Kampf gegen die Katharer spricht vor allem, daß der wichtigste Typus: Paradiesesströme, Ezechielvision, Evangelisten schon in der ottonischen Renaissance auf Hauptwerken erscheint. Zunächst waren die Darstellungen der Flüsse naturalistisch wie immer in der byzantinischen Kunst. Zur Zeit der ottonischen Renaissance tauchen antikisierende Personifizierungen auf, wie sie von Hieronymus verworfen und von Justinian verdammt worden waren7. Vor allem sind das: Sonne und Mond, „terra" und „oceanus", ferner allegorische Gestalten wie „ecclesia" und „synagoga". Vor allem interessant sind aber die Flußgötter, oft gehörnt im Geist der Antike 8 . Die Beziehung der Paradiesesströme zu den Tugenden findet sich schon in den Legum allegoriae des Philo 9 im 1. J h . Die Beziehung zur Ezechielvision betont Hieronymus10 in Hieronymus Paulino : „Tangam et novum breviter testamentum : Mattaeus, Marcus, Lucas et Johannes, quadriga Domini et verum Cherubim . . . quasi rota in rota volvuntur". Dieser Typus ist der schlechthin wichtigste, wenn das auch oft nicht beachtet wird. Es entsprechen: „ante legem" — Paradiesesströme, „sub lege" — Tiere der Vision, „sub gratia" — Evangelisten. Die Zuteilung der Evangelisten zu den Tieren der Vision durch Hieronymus ist die siegreiche, gegenüber anderen Zuteilungen des Irenaeus (177 Bischof in Lyon) und Augustinus (354—430). Innocenz I I I . erwähnt Anfang des 13. J h . diese „quadriga" in einer seiner Predigten. β Die zahllosen Arbeiten zum Thema sind nicht herangezogen, weil die Stadien der Typologie von der Antike bis zum 15. Jh. nicht der eigentliche Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind. Soweit sich diese Arbeiten nicht hauptsächlich mit der Formanalyse befassen, etwa mit der Frage, ob es sich um abgesunkene römische Kunstübung oder um den Einfluß unbekannter Vorbilder im Orient handle, enthalten sie auch unübersehbares Material. Die zuletzt erwähnte Frage steht ζ. B. im Mittelpunkt der Diskussion bei O. Wulff: Altchristliche und byzantinische Kunst. In: Handbuch der Kunstwissenschaften. Berlin 1918. Bibliographisch-kritischer Nachtrag o. J . 7 Das Schrifttum über die ungefähr hundert Denkmäler dieses Typus ist zusammengestellt bei E . Schlee: Die Ikonographie der Paradiesesflüsse. In: Studien über christliche Denkmäler. Hrsg. J . Ficker. In: Neue Folge der Archäologischen Studien zum christlichen Altertum und Mittelalter 24. Leipzig 1937. 8 Diesen Erscheinungen wurde um die Mitte des 19. Jh. eine weit sorgfältigere Untersuchung zuteil als in den folgenden Jahrzehnten. Vgl. F. Piper: Mythologie der christlichen Kunst. Bd. I, 2. Weimar 1851. 9 Philo Alexandrinus: Legum allegoriae. Lib. I—III. In: Philonis Alexandrini opera quae supersunt. Ed. L. Cohn. Bd. 1. Berlin 1896. S. 61—169; Dt. Übersetzung: L. Cohn: Die Werke Philos von Alexandrien in deutscher Ubersetzung. Breslau 1909 bis 1923. Bd. 3. 1 0 Hieronymus: Ep. 53, 9 ad Paulinum presbyterum. In: CSEL 54. S. 462. (In: P L 22, 548).
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Der Typus mit den Paradiesesströmen steht ζ. B. in hervorragenden Programmen auf Kelchen im Mittelpunkt. In der Diversarum artium schedula des Theophilus11 (Ende 11. Jh.) ist die Darstellung auf Rauchfässern besonders erwähnt: „. . . quatuor ilumina paradysi humanae specie cum suis amphoris". Das Zurücktreten der physischen Wirklichkeit hinter die geistige ist auf dem Wiltener Kelch besonders betont : „Hic quodcumque vides res signant spirituales — spiritus est qui vivificat scilicet nil caro prodest." Auf der Patene des Kelches von Dabrow (ohne Paradiesesströme) ist ausdrücklich bemerkt, daß für jeden Antitypus nicht nur ein Typus geführt wird: „+Clamant scripturae quod signavere figurae — signis patratis iubar emicat deitatis — quae precesserunt Christi tipus illa fuerunt." Die Vielfalt der Programme läßt sich leicht in systematische und freie Programme zerlegen. Zu den systematischen Programmen, die in sich geschlossene Zyklen bringen wie Monatsbilder, Tierkreiszeichen usw., gehören auch die typologischen Programme. Jener Klosterneuburger Gelehrte, der das Programm für den Verduner Altar entworfen hat, war in großer Verlegenheit, für jeden Antitypus je einen Typus „ante legem" und „sub lege" zu finden. Bei drei Folgen half er sich so, daß er einfach die Geschichte Isaaks, Samsons und des Herrn in gleichartiger Weise darstellte 12 : „annuntiatio", „nativitas", „circumcisio". Der Altar (früher „ambo") des Nicolaus von Verdun hat vier universalgeschichtliche Stufen ; die letzten sechs Tafeln sind den letzten Dingen („sub pace") gewidmet. Die ursprüngliche Anordnung ist völlig unbekannt. Auch für diesen Altar ist die Gemma animae des Honorius Augustodunensis13 maßgeblich, der einen Großteil der früheren Literatur gleichsam überflüssig machte und in Vergessenheit geraten ließ. Freie Programme beziehen in Italien vor allem die Stadtgeschichte ein, so z. B. die Fontana magiore in Perugia14. Nördlich der Alpen sind solche freien Programme vor allem stark dekorativ bestimmt und dann naturgemäß nicht auflösbar15, wie z. B. die Plastiken von St. Jakob in Regensburg. Soweit also über die von Marsilio Ficino verwendete Form des Bestehenden. Die nächste zu überwindende Schwierigkeit liegt in der Definition des Begriffes „Neuplatonismus". Unbeschadet der Versuche 1 1 Theophilus Presbyter: Schedula diversarum artium. In: Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Renaissance 7. Hrsg. A. Ilg. Wien 1874 (lat. u. deutsch); De diversis artibus (Diversarum artium schedula). Hrsg. C. R. Dodwell. London etc. 1961 (lat. u. engl.). 1 2 Vgl. Anm. 4. 1 3 Honorius Augustodunensis: Gemma animae. Lib. I—IV. In: P L 172, 541—738. 1 4 G. N. Fasola: La fontana di Perugia. Roma 1951. 1 5 K. A. Nowotny: Zur Deutung der romanischen Bildwerke Schöngraberns. In: Zeitschrift des deutschen Vereins für Kunstwissenschaft. Bd. 7. Lieferung 1. Berlin 1940. S. 64 ff.
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einer Verbindung mit der Philosophie, wie sie schon in der Antike vorgenommen wurden, handelt es sich um eine Offenbarungsreligion, nicht um Philosophie. Eine verhältnismäßig ursprüngliche Form, nicht die ursprüngliche Form schlechthin, liegt in der Hermetik vor, mit der sich Ficino ja auseinandersetzte. Der Neuplatonismus hat die Eigenart, sich leicht mit jedem anderen System zu verbinden. Nachfrage nach diesem Artikel war eigentlich stets vorhanden, und Angebot gab es im sarazenischen und byzantinischen Bereich genug. Im Vordergrund standen, um bei dem Bild aus dem Wirtschaftsleben zu bleiben, eher Grenzschwierigkeiten. Viele Sekten, die die Verschmelzung mit dem Neuplatonismus vollzogen hatten, waren seit Konstantin mit Mühe ausgeschieden worden. Trotzdem kam in der Folge kaum ein Autor ohne neuplatonische Anleihen als Salz für seine Werke aus. Gegenstand der Untersuchung ist, wie schon erwähnt, die Art und Weise, in welcher Anregungen aus einer fremden Kultur in die eigene geschlossene Welt eingebaut werden. Im speziellen, gegenständlichen Fall ist es die Auseinandersetzung mit den Hermetica, vor allem mit dem von Byzanz in der Folge des Unionskonziles übermittelten Pimander (Poimandres)16. Diese Auseinandersetzung mit einem heidnischen Text der Spätantike hatte ein Vorspiel im Mittelalter, nämlich die lateinische Übersetzungsliteratur aus dem Arabischen. Die Aufnahme der originalen griechischen Texte aus dem byzantinischen Bereich wurde durch diese Vorbereitung, durch die Beschäftigung mit den aus dem Griechischen ins Arabische übersetzten und wohl dabei auch etwas umgestalteten Texten, überhaupt erst ermöglicht17. Die Partner des Kulturaustausches waren nämlich Schwesterkulturen, so sehr man sich in Europa gewöhnt hat, die islamische Welt als „orientalisch" zu empfinden. Beide, die christliche wie die sarazenische Kultur, sind Töchter des Hellenismus. Im Westen hatte man aber einen großen Teil des hellenistischen Erbes verworfen oder vergessen und nahm ihn nun aus sarazenischen Händen begierig wieder auf. Bei den in Betracht kommenden arabischen Texten handelt es sich, wie nochmals zu betonen ist, durchweg um Ubersetzungen oder Umarbeitungen griechischer Texte. Die Araber des 9. und 10. Jh. bezeichnen den Omajaden Khalid ibn Jazid in Alexandria (635—704) als ersten Protektor dieser Übersetzungstätigkeit. Unter Alfonso el Sabio 1 6 Hermes Trismegistos: Poimandres. In: Corpus hermeticum. Ed. A. D. Nock. Bd. 1. Paris 1945. S. 7ff. (griech. u. franz.) Übersetzung von A.-J. Festugière. 1 7 Ein wesentlicher Teil dieses Vorganges ist erfaßt und besprochen bei K. A. Nowotny: Henricus Cornelius Agrippa ab Nettesheym: De occulta philosophia libri tres. s. 1. 1533. Neudruck mit Einleitung und Erläuterungen. Graz 1967. S. 387 bis 459.
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erreichte die Übersetzung ins Lateinische ihren Kulminationspunkt, um nach dem Interregnum zu versanden. Die Aufnahme der Übersetzungen sarazenischer Texte war zunächst eine vorbehaltlose. Das änderte sich mit dem Aufkommen der Universitäten und mit der Tätigkeit der großen Enzyklopädisten im 13. Jh. Das Speculum astronomiae des Albertus Magnus18 ist eines der wichtigsten Hilfsmittel zum Studium eines Teilgebietes dieser „Hermetica minora", der Astrologie und magischen Astrologie. Eine Zuschreibung des Werkes an Roger Bacon wäre erst nach Widerlegung der von Thorndike 19 vorgebrachten Argumente möglich. Alberts Ansichten nähern sich den neuplatonischen. Metaphysicorum XI, 2, 12: ,,. . . sicut manus est instrumentum intellectus practici in artificialibus, ita totus coelestis circulus est instrumentum huius intellectus ad totam materiam naturae . . ," 20 . Die Seelen kommen jedoch ohne Vermittlung des „circulus coelestis" in die Welt. De natura et origine animae21 : „. . . non per instrumentum ñeque ex materia sed per lucem suam influii intellectus primae causae purus et inmixtus." Gegen solche neuplatonischen Anklänge nahm jedoch die Pariser Universität in der Condemnatio des Siger de Brabant i. J. 1277 Stellung. Zu den verdammten „opiniones" gehört auch die Ansicht, daß die Schöpfung der Welt durch Vermittlung der himmlischen Sphären erfolgt sei. Im Jahre 1292 verboten die Franziskaner ihren studierenden Ordensangehörigen, magische Bücher abzuschreiben. Solche müssen also vorher von diesen Studierenden abgeschrieben und eifrig gelesen worden sein. Da man die neuen Anregungen aber keinesfalls aufgeben wollte — schon Albertus hatte geraten, die verbotenen astrologischen Bücher nicht zu vernichten, sondern zu bewahren —, sublimierte man z. B. die bunte und reizvolle Welt der Steinbücher ins Christliche22. Dabei an die Steine des himmlischen Jerusalem anzuknüpfen, lag nahe. Die medizinische Heilwirkung behielten die Steine bei diesem Umwandlungsprozeß. In einer Hymne auf das himmlische Jerusalem heißt es : „Hi pretiosi lapides vivos signant homines" (Mone 65 7)23. Dieselbe Hymne ist einem Steinbuch (De lapidibus) des Hieronymus beigefügt 18 Albertus Magnus: Speculum astronomiae. In: B. Alberti Magni opera omnia. Bd. 10. Ed. Α. Borgnet. Paris 1891. S. 629—650. 19 Bei Thorndike, a. a. O. (Anm. 2), Bd. 2, im Abschnitt über Albertus ausführliche Erörterung des latenten Gegensatzes zwischen Albertus und den Parisern. 20 Albertus Magnus: Metaphysica. Lib. XI Tract. 2 c. 12. In: Alberti Magni opera omnia. Bd. 16, 2. Ed. Β. Geyer. Münster 1964. S. 499. Ζ. 83—86. 21 Albertus Magnus: De natura et origine animae. Tract. 1 c. 6. In: Alberti Magni opera omnia. Bd. 12. Ed. Β. Geyer. Münster 1955. S. 14. Ζ. 5—27. 22 A. Closs: Die Steinbücher in kulturhistorischer Schau. In: Johanneum. Mineralogisches Mitteilungsblatt. Bd. 1. Graz 1958. 23 In: F. J. Mone: Lateinische Hymnen des Mittelalters. 3 Bde. Freiburg i. Br. 1853—55. Nr. 657.
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(Ms. Berlin Rose 596). Dieses Buch wurde von dem Enzyklopädisten Bartholomaeus Anglicus ausgeschrieben. Auch eine zweite Gruppe der „Hermetica minora", die Alchimie, wurde in die Sublimierung einbezogen. In einer Johannes-Hymne heißt es mit Bezug auf die Transmutation von Holz in Gold nach der Johannes-Legende: „Inexhaustum fert thesaurum, qui ex virgis fecit aurum, gemmas ex lapidibus"24. Man könnte jene Welle sarazenischer Einflüsse, die sowohl die Übersetzung wissenschaftlicher Literatur wie auch astrologischer, alchimistischer und magischer Bücher brachte, als „Schachspielwelle" bezeichnen. Alfonso el Sabio ließ in seinem Schachzabelbuch25 alle jene Varianten des Spieles beschreiben, von denen in der Folge zwei die heutigen Spielregeln lieferten. Die zweite sarazenische Welle könnte man nach einem volkstümlichen Leitfossil als „Kartenspielwelle" bezeichnen. Kartenspiele kommen in der Enzyklopädie aller bekannten Spiele des Alfonso el Sabio nicht vor und erscheinen erstmals in Spielverboten der Stadt Florenz um 13 7 0 26. Letztere Welle wurde aber bald gegenstandslos, da man begann, Griechisch zu lernen, und da vollends das Unionskonzil (1438/39) eine Fülle neuer und originaler Anregungen brachte. Ficino (1433—1499) stand vor der Aufgabe, den über alles geschätzten Text des Pimander, den er im Auftrag von Cosimo de' Medici übersetzt hatte, als „prisca theologia" in der bestehenden Welt zu legitimieren. Das Manuskript war 1460 nach Florenz gekommen, wurde 1462 übersetzt und erschien 1471 in Tarvis als Liber de sapientia et potestate Dei. Nach Walker27 boten sich zwei Wege des Einbaues an. Man konnte Offenbarungen außerhalbder jüdischen Überlieferung annehmen, oderman konnte annehmen, daß die jüdische Uberlieferung zu den Heiden durchgesickert war. Stellungnahme und Ausdrucksweise sind oft sehr schwankend, und die Autoren verwenden oft beide Argumente nebeneinander. Ficino war bezüglich der Orphischen Hymnen zunächst sehr vorsichtig, denn die Antwort auf den Angriff des Georgius Trapezuntius von 1455 gegen Gemistos Plethon war 1462 noch nicht erschienen. Erst 1469 erschien in Rom Bessarions In calumniatorem Piatonis26. Im Thorndike, Bd. 2, a. a. O. (Anm. 2). A. Steiger: Alfonso el Sabio: Libros de acedrex, dados e tablas. In: Romanica Helvetica 10. Zürich 1941. 2β W. L. Schreiber: Die ältesten Spielkarten und die auf das Kartenspiel Bezug habenden Urkunden des 14. und 15. Jahrhunderts. Straßburg 1937. 27 Die Darstellung der Entwicklung in Frankreich folgt der ausgezeichneten und übersichtlichen Darstellung bei Walker, a. a. O. (Anm. 3). 2 8 Hain: Repertorium bibliographicum. Bd. 1. Mailand 1966. Nr. 3004; L. Möhler: Kardinal Bessarion als Theologe, Humanist und Staatsmann. 3 Bde. Paderborn 1923—42. 24
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übrigen galt Orpheus den Humanisten als Hauptvermittler, hauptsächlich nach der „Palinode" (bei Justinus, Clemens, Eusebius und Cyrillus). Für Ficino war Trismegistos ein Zeitgenosse des Moses und der Poimandres ein Kommentar zu Moses. In De Christiana religione XXII29 stellt er folgenden Philosophenkatalog auf: „Prisca gentilium theologia, in qua Zoroaster", (Oracula Chaldaica, von Gemistos Plethon dem Zoroaster zugeschrieben) „Mercurius," (d. i. Hermes Trismegistos) „Orpheus," (Fragmente bei Clemens, Eusebius und Proclus. Pseudepigraphische Hymnen des 2./3. Jh., Argonautica des 4. Jh., 1500 in Florenz gedruckt) „Aglaophemus, Pythagoras consenserunt, tota prisca theologia in Piatonis nostri voluminibus continetur." Ficino bemühte sich, den Poimandres in die Rubrik „sub lege" zu bringen. Dieser Einbau der Hermetica ist ihm unbestritten gelungen, zumal er für viele seiner Behauptungen Belege aus der patristischen Literatur beibringen konnte. Der Boden war durch die schon lateinisch vorhegenden Texte des Dionysius Areopagita und des Asclepius (De volúntate divina30) in der Apuleius zugeschriebenen Übersetzung sowie durch die im hohen Mittelalter aus dem Arabischen übersetzten „Hermetica minora" (Astrologie, Alchimie und Magie, durchaus auf dem Boden des Neuplatonismus) bestens vorbereitet. Sehr bemerkenswert ist, daß der entscheidende Schritt zur Erweiterung des Blickfeldes durch die antike Literatur an Hand der Hermetica gewonnen wurde. Die Zeitereignisse machten aber diese Bestrebungen bald gegenstandslos, so daß 400 Jahre nach Ficino von einer „Neuentdeckung" des hermetischen Corpus im Hinblick auf seine religionsgeschichtliche Bedeutung gesprochen wurde31. Es war völlig in Vergessenheit geraten, daß der sogenannte Neuplatonismus nicht ein Zersetzungsprodukt der griechischen Philosophie ist, sondern eine synkretistische Religion und theurgische Offenbarungslehre mit gelegentlichen pseudo-philosophischen Begründungsversuchen. Den Humanisten des 15. Jh. waren diese Umstände aber bewußt, und sie legten sich diese Umstände in ihrer Weise zurecht. Der nächste Florentiner, der hier in Betracht kommt, ist Giovanni Pico della Mirandola (1463—1494). Seine Bedeutung liegt vor allem darin, daß er die Kabbala einbezog. Vor seinem Tod wollte er bei Savonarola in den Orden treten. Das tragische Ende Savonarolas (1498) erschütterte die Kreise der Florentiner Akademie zutiefst. 2 9 M. Ficino: De Christiana religione. C. 22. In: Marsilii Ficini Florentini opera. Basileae 1576. Reproduktion hrsg. v. P. O. Kristeller. Turin 1959. Bd. I, 1. S. 25. 3 0 Text (lat. u. franz.) in: Corpus Hermeticum, a. a. O. (Anm. 16), Bd. 2. S. 296 bis 355. 3 1 H. Jonas : Gnosis und spätantiker Geist. Bd. 1 : Die mythologische Gnosis. 3. Aufl. Göttingen 1964. S. 2.
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Gerade dieser Umstand belegt den durchaus religiösen Charakter des Interesses für die Hermetica. Es ging um die Bereicherung der religiösen Vor stellungs weit. Pico verlagerte durch die Einbeziehung der Kabbala den Zeitpunkt wesentlicher Offenbarung von Moses bis zu Abraham zurück. Sepher Jezirah wird ja Abraham zugeschrieben. Der letzte Vertreter und Zusammenfasser der italienischen Tradition war der Wahl-Italiener Henricus dictus de Nettesheym (Cornelius Agrippa)32 aus Köln. Er macht in seiner 1516 in Montferrat verfaßten theologischen Schrift De triplici ratione cognoscendi Deum folgerichtig keinen Unterschied mehr zwischen „ante legem" und „sub lege". Durch Abraham, den fiktiven Verfasser des Sepher Jezirah, kommt dessen Enkel Henoch (Gn 25, 1—4), der mit dem ägyptischen Hermes Trismegistos identifiziert wurde, in den Bezirk „sub lege". Eine neue Kategorie „sub lege naturae" wurde nunmehr eingeführt. Damit war der enge Kreis der biblischen Universalgeschichte gesprengt und die religiöse Überlieferung aller Völker als gleichwertig anerkannt, da sich auch „sub lege naturae" Göttliches geoffenbart hatte. In der Handschrift Hermes Mercurius Triplex. De vi rerum . . . cum prologo de tribus Mercuriis (Brit. Mus. Digby 67, 12./13. Jh.) sind als die drei Hermetes aufgezählt: Enoch (gemeint ist natürlich der Entrückte, nicht der Enkel Abrahams), Noah und Hermes Triplex. Bei den „Hermetica minora" schwankt die Verfasserangabe in verschiedenen Handschriften häufig zwischen Hermes Trismegistos und Henoch, namentlich bei dem berühmten Quadripartitum Hermetis oder Liber de XV stellis . . ,33 Henricus de Nettesheym (Agrippa) war 1512 in Pavia immatrikuliert und hielt 1515 vor Johannes Gonzaga die Oratio in praelectione Hermetis Trismegisti De potestate et sapientia Dei3i. Die Enkel Abrahams, Jakob und Henoch, sind zu Osiris und Hermes geworden, wobei man sich auf Lactantius berufen konnte. Im Jahre 1516, infolge der Schlacht bei Marignano (1B./14. Sept. 1515) aus Pavia vertrieben, schrieb er bei Guilelmus Palaiologus in 32 Über Agrippa hat vor allem Paola Zambelli (aus der gedruckten Literatur und aus Archiven) sehr wichtige Arbeiten geschrieben. Deren zuletzt erschienene sind: P. Zambelli: Cornelio Agrippa: Scritti inediti e dispersi. In: Rinascimento 16. Firenze 1956; dies.: Humanae litterae, Verbum divinum, Docta ignorantia negli ultimi scritti di Enrico Cornelio Agrippa. In: Giornale critico della Filosofia italiana 45 (1966) 187—217 ; dies. : Di un' opera sconosciuta di Cornelio Agrippa (Dialogus de vanitate scientiarum et ruina christianae religionis). Castrocaro Terme 1965. Vgl. Κ. A. Nowotny: Einleitung und Erläuterung zu Agrippa ab Nettesheym, a. a. O. (Anm. 17), S. 387—459. 33 Siehe Κ. A. Nowotny, a. a. O. (Anm. 17). 34 Henricus Cornelius Agrippa: Opera omnia, s. 1. 1600 und spätere Nachdrucke. Pars posterior, Oratio 1.
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Casale (Montferrat) und in Turin eine Art Zusammenfassung der Hermetik der italienischen Frührenaissance : De triplici ratione cognoscendi Deum35. Die wichtigste Stelle ist: „Ecce hi sunt tres libri cognitionis Dei, quos misit in hunc mundum hominibus. Primum librum creaturarum propositum gentibus, qui sub lege naturae virebant, qui habebant philosophos doctos per sensibiles creaturas, cognoveruntque Deum per illos . . ." (Dabei wird Poimandres ständig zitiert, er wird also nach eigentlicher Überzeugung Agrippas ,,sub lege naturae" gestellt.) „Secundo misit Deus librum legis et eloquiorum, quem dedit Judais, annuncians verbum suum Iacob, iustitias et iudicia sua popolo Israel. Non fecit aliter omni nationi, et iudicia sua non manifestavit eis . . ." („Iudicia" sind die Gesetze Mosis, „eloquia" meint die Kabbala, auf Jakob, der ja Osiris ist, wird dabei ausdrücklich hingewiesen.) „Ultimo misit nobis Deus tertium librum, scilicet Evangelii datum Christianis, qui cognovimus Deum per ipsum dei filium patri coaeternum, factum hominem, Dominum nostrum Iesum Christum." Die Inkorporierung der Hermetik ins Christentum durch Ficino war schon lange Zeit vor diesen letzten und vergeblichen Bemühungen Agrippas völlig unbestritten. Die Hermetik als ein Teil der prophetischen Literatur stellte wie zuvor im hohen Mittelalter wieder die bildende Kunst in ihren Dienst. Die Mosaiken des Fußbodens des Domes zu Siena sind sicherlich von Ficino angeregt. Monotheistische, trinitäre und das Erscheinen des Erlösers prophezeiende Aussprüche konnte man leicht überall finden, wenn man sie nur suchte. War doch die Klage über die Zerstörung der heidnischen Tempel im Poimandres schon früh als Weissagung für das Aufkommen des Christentums genommen worden. Die Beischrift des Mosaiks des Hermes Trismegistos beim Haupteingang des Domes von Siena ist aus Poimandres zusammengestellt. Hermes Trismegistos selbst trägt die Tracht eines byzantinischen Kaisers. An den Seiten des Langhauses sind die zehn Sibyllen im Mosaik des Fußbodens abgebildet. Auch diesen sind Kartuschen mit prophetischen Sprüchen monotheistischen, trinitären und messianistischen Sinnes beigegeben. Bezüglich der Sibyllen sagt Ficino36 (De Christiana religione, XXV) : ,,. . . in illis Lactantius Imperatoris Constantini familiaris, quaedam legit manifeste ad Christum Dei filium pertinentia." Gemeint sind die sibyllinischen Bücher. Lactantius 37 selbst erwähnt Trismegistos und die Sibyllen in einem Zug (Divinae Institutiones, II 8, 48): ,,. . . ut taceam de Trismegisto, qui hoc praedicat, taceam de carminibus 35
ebd., Pars posterior. A. a. O. (Anm. 29), c. 25, S. 28. 37 Lactantius: Divinae institutiones. In: CSEL 19. S. 138, 8 u. S. 286, 13 (In: PL 6, 287 Β und 461 A). 38
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Sibyllarum, quae idem nuntiant, taceam de prophetis . . . " (IV 6, 3): „. . . Trismegisti praedicatio et Sibyllarum vaticinia . . . " Eine Waffe gegen den Averroismus hätten die Humanisten aus den Hermetica gewinnen können — wie sie auch beabsichtigten —, wenn der ganze Fragenkomplex nicht infolge der bekannten Zeitereignisse jede Aktualität verloren hätte. Die Stellungnahme zur Hermetik schwankte zwischen Liberalität und Illiberalität. Erasmus, selbst an den Hermetica völlig desinteressiert, hielt sich neutral, vor allem wohl, um die ohnehin bedrohte Front der „bonae literae" nicht zu gefährden. Nicht zuletzt wohl unter dem Eindruck der illiberalen Haltung der Reformation entschied schließlich das Tridentinum 38 (Sessio VI, Canon V I I ) : „Si quis dixerit, opera omnia, quae ante iustificationem fiunt, quacumque ratione facta sint, vere esse peccata vel odium Dei mereri . . . anathema sit." Diese interessanten Aufklärungen sowie die Klärung der sehr bemerkenswerten Schicksale der Hermetik in Frankreich sind Walker zu verdanken. Nördlich der Alpen wurde die Hermetik schon im 15. Jh. aufgenommen. Betrachtete man in Byzanz und Italien die Beschäftigung mit antiken Überlieferungen als Wiederbelebung der eigenen Vergangenheit, so weckte das nördlich der Alpen bittere nationale Rivalitäten. Wege zur Bewältigung waren vorgezeichnet. Als Gruppen verlorener Tradition hatte man immer schon die indischen Gymnosophisten, die persischen Magier und die gallischen Druiden in Erwägung gezogen. Faber Stapulensis39 (Lefèvre d'Etaples) identifiziert in diesem Sinn Dionysius Areopagita mit St. Denis (Divini Dionysii Caelestis hierarchia . . . Venedig 1481): ,,. . . mox in Galliam a beatissimo Clemente apostolus missus: sedem apud Parrhisorum insignem urbem . . . delegerit . . . Tunc Deus ilium locum piorum studiorum fontem praeordinavit." Symphorien Champier hatte die zum Poimandres gerechneten Definitiones Asclepii (übersetzt von Lazzarelli) 1507 in Lyon herausgebracht. In der Symphonia Platonis cum Aristotele . . . et apologia literarum humaniarum (Paris 1516) schreibt er: „Speciem quandam nostrae religionis in Platone fuisse non diffitentur quidam Christiani" (gemeint ist Bessarion) „luce naturae illustrata . . ." In De triplici disciplina (1508) über die Griechen: ,,. . . omnia bona ab Egiptiis et Hebrais . . . furati sunt." Das ist die schärfste mögliche Fassung der in diesem Bereich stets in Betracht gezogenen Wirkungen der Reisen von Orpheus, Pythagoras und Piaton nach Ägypten. Carolus Bovillus (Charles Bouelles) schreibt in De animae immortalitate (Paris 1551): ,,Hi" (die Druiden) „prae cunctis quos memorat 38 39
Denzinger: Enchiridion Symbolorum. Nr. 1557. Hain, a. a. O. (Anm. 28), Bd. 2. Nr. 6233.
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orbis celebrantur gnavi animarum immortalitates extitisse." Damit gibt er den Druiden den gleichen Rang wie den Juden. Der französische Philosophenkatalog lautet nach Walker 40 also jetzt: Juden und Gallier (Druiden) — Ägypter — Griechen — Italiener des 15. Jh. — Rückkehr der Weisheit nach Gallien. Bedingungslos sind diese Gedankengänge in La Galliade des La Boderie (1578) angenommen, wo die von den Druiden dargebrachten Menschenopfer als Typus des Kreuzestodes Christi gedeutet werden. Celtes übernahm die französischen Anschauungen und machte die alten Deutschen zu Schülern der vor den Römern flüchtenden Druiden. In den deutschen Klöstern sah er Gründungen der Druiden und feierte Trithemius Sponheimensis als „Druida". Im übrigen wirkte sich das lenkende Mäzenatentum Maximilians I. paralysierend auf deutsche Humanisten aus41. Diese waren mit der Erfindung dynastischer Stammbäume beschäftigt. Maximilian ließ nach dem Muster Karls IV. Stammbäume erfinden. Er beschloß, von den Trojanern über die Franken abzustammen, gegen die Alternative einer Abstammung von den Römern. Jakob Mennel und Ladislaus Sunthaim erfanden mit Hilfe von Trithemius einen Stammbaum bis Hektor zurück. Dagegen polemisierte mit der Grobheit der Zeit Johannes Stabius (f 1522) und führte selbst den Stammbaum bis auf Noah zurück. Das Vorbild der Aeneis bei solchen Bestrebungen wird oft übersehen. Schließlich gelangte auch etwas vom Neuplatonismus zur Kenntnis Maximilians, und er entschied sich dafür, auch von Osiris abzustammen. Auf der Spitze seiner ungeheuerlichen „Ehrenpforte" ließ er sich, mit einem Dutzend Hieroglyphen des Horapollo bestückt, darstellen. Horapollo und Hypnerotomachia Poliphili*2 haben mit dem Neuplatonismus nichts zu tun und sind Quellen einer neuen Richtung, der Emblematik. Allen im Vorhergehenden besprochenen Bestrebungen ist gemeinsam, daß sie deutlich die Tendenz erkennen lassen, den Gesichtskreis durch unbehinderte Beschäftigung mit den „bonae literae" zu erweitern. Auch eine gewisse Tendenz zu einem aufgeschlossenen historischen Denken ist nicht zu verkennen. Die Wirkung der Hermetica auf die Naturwissenschaften bleibt noch kurz zu erwähnen. Gegenstand der „Hermetica minora" (Astrologie und Alchimie) ist schließlich Naturwissenschaft. Die Astrologie wurde merkwürdigerweise durch den Einsturz des Stufenkosmos kaum 40
Walker, a. a. O. (Anm. 3). L. Baldass : Der Künstlerkreis Kaiser Maximilians. Wien 1923. 42 Anonymus: Hypnerotomachia Poliphili. Venedig 1499 (Aldus Manutius). Faksimiledruck London 1904. 11
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berührt. Erst durch die Aufklärung verlor sie an Kredit. Andererseits ist die Polemik eines der Hauptvertreter der späteren „christlichen Kabbala", des Robert Fludd, gegen das kopernikanische Weltbild als Kuriosum heute noch bekannt. Die Alchimie erlag nicht wie die Astrologie der Aufklärung, sondern einer Erstarrung, in die sie durch ihre Verbindung mit der aristotelischen Physik der vier Elemente verfallen war. Das Festhalten an der Lehre von den vier Elementen machte jede selbständige Weiterentwicklung unmöglich. Nach hergebrachter Anschauung regten Astrologie und Alchimie an, sich langsam zu exakteren Methoden der Beobachtung des Himmels und chemischer Prozesse durchzuringen. Es ist völlig richtig, nach jenen philosophischen Erwägungen zu fragen, die zu einer solchen Wendung fähig machten. Die Fähigkeit zu exakter naturwissenschaftlicher Beobachtung ist an eine bestimmte Einstellung geknüpft. Durch eine noch so lange Vorübung auf ,,vorwissenschaftlichem" Gebiet wird eine solche Einstellung nicht erworben. Eine Untersuchung dieser Frage wird ohne Berücksichtigung des sogenannten Neuplatonismus kaum möglich sein. Für eine richtige Beurteilung dieser Frage wäre vor allem eine Untersuchung des neuplatonischen Gedankengutes bei Nicolaus Cusanus43 und des Verhältnisses dieses Gedankengutes zu seinen naturwissenschaftlichen Bestrebungen notwendig. Cusanus gehörte schließlich zu jener Gesandtschaft, die die Teilnehmer des Unionskonzils nach Italien einbrachte. Auf eben dieser Reise empfing er wesentliche Anregungen. Der durchaus homiletische Charakter vieler Teile seiner Schriften, der sich bei Cusanus fast noch stärker in den Vordergrund drängt als bei Ficino und bei dessen Nachfolgern, erschwert eine solche Untersuchung außerordentlich. In die eingangs geschilderte in sich geschlossene Welt sollte die antike Bildung inkorporiert werden. Die patristische Literatur bot dazu Handhaben. Man begann mit dem antiken Synkretismus, mit dem Theurgie, Magie, Astrologie und Alchimie verschmolzen sind. Die Beschäftigung mit der hermetischen Sekundärliteratur im Mittelalter hatte die Wege geebnet. Infolge der Ereignisse des 16. Jh. gerieten diese Vorgänge in solchem Ausmaß in Vergessenheit, daß auch ihre wissenschaftliche Untersuchung vernachlässigt wurde. 43 E . Cassirer: I n d i v i d u u m und Kosmos in der Philosophie der Renaissance. I n : Studien der Bibliothek W a r b u r g 10. Leipzig 1927. N a c h d r u c k D a r m s t a d t 1963.
D I E THEORIE D E R VERÄNDERBARKEIT DES RECHTES IM FRÜHEN UND HOHEN MITTELALTER V o n HANS MARTIN K L I N K E N B E R G
Diese Ausführungen1 sollen zeigen, wie sich seit dem 11. Jahrhundert Recht aus der Sphäre des Göttlichen in den Bereich menschlicher Verfügung verlagert. Speziell soll gehandelt werden von der Veränderbarkeit oder Mobilität des Rechtes. Das jedoch nur, soweit es die damalige Theorie, nicht aber, soweit es die Praxis betrifft. Theorie und faktische Mobilität des Rechtes, besonders die Theorie und die hohe faktische Mobilität des nicht geschriebenen Rechtes, gingen weit auseinander. Hinsichtlich der Theorie ist unser Augenmerk auf das erste Auftauchen eines jeweiligen Gedankens, nicht aber auf die Zeit seiner breiten Wirkung gerichtet. Um es mit einem Vergleich zu sagen: Es interessiert das Eindringen des Bazillus in den Körper, nicht die Inkubationszeit und der Ausbruch der Krankheit. Von Theorie kann dabei selbstverständlich nur nach Maßgabe der Zeit gesprochen werden. Eine ausgebildete Rechtstheorie war vor dem 13. Jahrhundert nicht vorhanden; man findet vorher nur einzelne Theoreme, diese zunächst nur auf dem Gebiet kirchlichen Rechtes und kirchlicher Disziplin, erst mit zeitlicher Phasenverschiebung auch auf dem Gebiet des weltlichen Rechtes. Jedoch waren beide Rechtsgebiete nicht so scharf voneinander getrennt, daß nicht, was für das kirchliche gesagt werden kann, gewisse Geltung auch für das weltliche Gebiet, also für das gesamte Rechtsdenken gehabt hätte. Sten Gagnér hat in seinem so lesenswerten Buche Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung2 die theoretischen Auseinandersetzungen mit dem Problem der Rechtsveränderung von der deutschen historischen Schule des 19. Jahrhunderts zurückverfolgt bis in die dreißiger Jahre des 12. Jahrhunderts, wo dieses Problem die seitdem fortwirkende Formulierung in der Unterscheidung von „ius naturale" und „ius positivum" erfahren hat. Mit dieser Formulierung wurde ein Markstein gesetzt. Aber das Problem selbst war vorher bereits bewußt geworden, und bevor es die Form „ius naturale — ius positivum" erhielt, wurde es in anderen Fassungen ventiliert. 1 Erweiterter Text eines Vortrages, gehalten vor der X V . Mediävistentagung im September 1966 in Köln. 2 Sten Gagnér: Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung. Stockholm—Uppsala—Göteborg 1960. In : Acta Universitatis Upsaliensis. Studia Jurídica Upsaliensia 1.
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Es sei also hier versucht, Gagnérs Arbeit für das frühere Mittelalter zu ergänzen. Zum anderen wird hier chronologisch umgekehrt vorgegangen, nicht also zurück von der Neuzeit ins Mittelalter, sondern vom frühen Mittelalter aufsteigend zum hohen, um das Durchlaufen der Entwicklung deutlich zu machen. Ferner soll die hier zu behandelnde Rechtstheorie in ihrer Verbindung mit der zeitgenössischen Geschichtsanschauung gezeigt werden. Den historischen Beobachtungen voraus einige Worte zum Sachproblem : Jede Rechtsveränderung bedeutet Rechtsunsicherheit. Im Augenblick, da sie geschieht, wird Recht einem Gewalthaber anheimgestellt, ja, für einen abstrakten Moment wenigstens, partiell oder ganz aufgehoben. Danach ist Recht, was vorher nicht Recht war. Wo bleibt dann Recht ? Spätantike und in deren Gefolge abendländische Rechtstheorie haben, diese Schwierigkeit zu beheben oder wenigstens zu mildern, zwei voneinander verschiedene, in der Wurzel aber verwandte Modelle entworfen : 1. Es wird ein Kern des Rechtes konstatiert, der unwandelbar sein soll, und daneben ein weniger grundsätzlicher, wandelbarer Teil des Rechts angenommen. Alle Legislative bewegt sich nur in diesem Teil des Rechtes 3 . 2. Recht steht in seinen Wurzeln fest ; von dort her wächst es wie ein Baum, der aber gepflegt werden muß, einiges muß abgeschnitten, anderes hervorgetrieben werden. Das ist Aufgabe des Gesetzgebers. Das erste Modell ist schließlich in der abendländischen Jurisprudenz zur fast allgemeinen Herrschaft gelangt. Das zweite hat einen bevorzugten Platz behalten in einem Bereich, der nicht der des Rechtes im engeren Sinne, wohl aber ein Bereich der Lebensordnung ist : dem der kirchlichen Formen und Disziplin. Beide Modelle erlauben Rechtsveränderung, das zweite wenigstens in der Form der Rechtsentfaltung. Damit aber stellt sich eine neue Frage: Wer hat das Recht zur Rechtsveränderung? Die Antworten auf diese Frage haben sich im Laufe des hohen und späten Mittelalters verändert. Der Kreis der Legislatoren ist größer geworden. Er umfaßte zunächst nur den Papst und das Konzil, dann dazu den Kaiser, dann die Könige mit, schließlich auch alle fürstlichen Landesherren und die republikanischen Magistrate. 3
Sehr typisch die Ausbildung der benediktinischen Ordnungen : Unveränderlicher Bestand ist die regula; alle Fortbildung von Ordnung ist Entwurf von consuetudines. Vgl. etwa: Theodomari abbatis Casinensis epistula ad Theodoricum gloriosum. Ed. K. Hallinger. Siegburg 1963. In: Corpus consuetudinum monasticarum 1. S. 129: „Quaeris a nobis . . . ut tibi . . . ea quae per consuetudinem in nostro coenobio geruntur praeter id, quod venerabilis patris nostri Benedicti regula continet, sicut a maioribus utiliter instituta sunt, stylo exarata mittamus."
Die Theorie der Veränderbarkeit des Rechtes
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Die genannten Modelle dienen dazu, den Gesetzgeber an einen Grundbestand des Rechtes zu binden, Recht also ihm nur zu einem Teil anheimzustellen4. Weiterhin versuchte die Theorie, ihn zu binden, indem sie ihm nicht für jeden Augenblick legislatorische Tätigkeit erlaubte. Nur bei Notwendigkeit trete er in Aktion. Der Terminus heißt da „necessitas temporis". Vorausgesetzt ist Wandel der Zeiten, „varietas, mutabilitas, mutatio", oder einfach „natura temporis". Diesen Wandel hat man nun teils negativ, teils positiv bewertet, und nicht zuletzt hing es davon ab, ob man Rechtsveränderung nur repressiv oder praeventiv wollte, oder ob man gar erlaubte, mit Rechtsveränderungen ganz neue Ordnungen in die Zukunft hinein zu bauen, was ich hier einmal mit produktiv bezeichnen möchte, eine besonders freie Form praeventiver Rechtsveränderung. Ich sehe im Mittelalter eine Entwicklung von der repressiven über die praeventive zur produktiven Rechtsveränderung. Fritz Kern hat 1919 die These aufgestellt, Recht sei im Mittelalter nur altes Recht gewesen ; neues Recht sei dieser Zeit ein Widerspruch ; höchstens Entfaltung des alten Rechtes habe man für denkbar erachtet 6 . Wir müssen dieses Urteil heute modifizieren6. Ganz ist die Vorstellung von der grundsätzlichen Veränderbarkeit des Rechtes dem Mittelalter wohl nie fremd geworden. Was sich gewandelt hat, war das vorgestellte Maß der Veränderbarkeit von Recht. Man findet im Laufe des Mittelalters eine Vergrößerung dieses Maßes von einem der Kern'schen These sehr angenäherten Minimum zu einem recht weiten Spielraum für die Legislative. Wenn man diesen Vorgang untersucht, kommt man über die Grenzen der Jurisprudenz hinaus. Man stößt auf verschiedenartige Weltbilder, 4
A. Simonius: Lex facit regem. Basel 1933. S. 6, weist auf das Auftreten des Problems von Unverrückbarkeit der Rechtsnorm und Tätigkeit des Gesetzgebers bei Aristoteles hin, wo aber keine Lösung erfolgt. Auf das reiche in Justinians Konstitutionen vorhandene Material zu den beiden oben genannten Modellen kann hier nur verwiesen werden. 6 Fritz Kern: Recht und Verfassung im Mittelalter. In: Hist. Zeitschr. 120 (1919) 6. Auch separat erschienen: Tübingen 1952. In: Libelli 3. Nachdruck Darmstadt 1965. • Erste Anstöße durch J. Spoerl in seiner Dissertation: Das Alte und das Neue im Mittelalter, Studien zur Geschichte des mittelalterlichen Fortschrittsbewußtseins. In: Hist. Jahrb. 50 (1930) 297—341, 498—524. Reiche Anregungen gab mit seinen Forschungen über Joachim von Fiore Herbert Grundmann, und die inzwischen so umfangreiche Joachim-Literatur bietet viel Material. Grundsätzlich: Otto Brunner: Abendländisches Geschichtsdenken. Hamburg 1954; Rolf Sprandel: Über das Problem neuen Rechts im früheren Mittelalter. In: Zeitschr. d. Savigny-Stift. f. Rechtsgesch., Kan. Abt. 48 (1962) 117—137; Wilhelm Ebel: Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland. 2. Aufl. Göttingen 1958; Hermann Krause: Dauer und Vergänglichkeit im mittelalterlichen Recht. In: Zeitschr. d. Savigny-Stift. f. Rechtsgesch., Germ. Abt. 75 (1958) 206—251; weitere Literatur bei Gagner: Studien, a. a. O. (Anm. 2).
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innerhalb derer die Frage nach der Rechtsveränderung beantwortet wurde. Ist ein solches Weltbild vornehmlich statisch, so wird der Rechtsveränderung nur ein enger Raum belassen. Ist ein solches Weltbild mehr dynamisch, wird dieser Raum weiter. Und von der Art der Statik oder Dynamik des Weltbildes wiederum hängt es ab, ob man Veränderung fürchtet oder gerade will. Die Frage der Veränderbarkeit von Recht wird sichtbar als Teil eines Problems größeren Umfanges. Damit gerät man auf das Forschungsfeld der Geschichtsanschauung. Das gewichtige Buch von Bernhard Töpfer Das kommende Reich des Friedens und Amos Funkensteins Berliner Dissertation Heils flan und natürliche Entwicklung seien als jüngste uns hier betreffende Arbeiten auf diesem Gebiete genannt7. Frage also nach Theorien über Veränderung und Veränderbarkeit des Rechtes, Erlaubtheit und Begrenzung der Rechtsveränderung, Frage nach festem Rechtskern und veränderbarem Teil, Frage nach Statik oder Dynamik des Weltbildes dazu — so treten wir an das frühere und das hohe Mittelalter heran. Zunächst begegnen wir einer sehr starken Beharrungstendenz sowohl im weltlichen wie im kirchlichen Recht. Auf kirchlichem Gebiet hat sie besonders festen Halt am Begriff der „traditio", wie er sich an der Wende des 2. zum 3. Jahrhundert von Hegesipp über Polykrates von Ephesus, Irenaeus von Lyon bis zu Tertullian ausgeprägt hat. Unveränderlicher Bestand und Grund aller kirchlichen Ordnung und allen christlichen Denkens und Tuns ist die „traditio", d. h. „doctrina", die sich in Stufen aufgebaut hat vom Dekalog über das mosaische Gesetz, die Propheten, Christi Lehre nach den Evangelien bis zu den Verkündungen der Apostel. Sie wird gesichert durch die Sukzession der Bischöfe8. — Das 5. Jahrhundert setzte noch die Stufe 7 Töpfers Buch, erschienen im Akademie-Verlag, Berlin 1964, mit reichen Literaturhinweisen. Funkensteins Dissertation (1964), erschienen bei der Nymphenburger Verlagshandlung, München 1965. — Ich lasse die soziologische Frage, die man an die zu schildernden Wandlungen stellen könnte, außer acht. In unserem Falle ergibt sie wenig oder nichts. Töpfers mehrfache Hinweise auf das Aufkommen des Bürgertums als entscheidendes Agens zum Wandel des Geschichts- und Gegenwartsverständnisses entstammen Vorurteilen und erledigen sich dadurch, daß seine Quellen durchaus nicht als „bürgerlich" nachgewiesen werden können. Die von ihm geschilderten und die von mir zu schildernden Veränderungen geschehen gerade in der agrarisch-feudalen Gesellschaft selbst. 8 Hegesipp, bei Eusebius: Historia ecclesiastica. Lib. I V c. 22 [3], I n : Sources Chrétiennes 31. S. 200 (In: PG 20, 377 D) : εν εκάστη S è διαδοχή καΐ êv εκάστη πόλει ούτως εχει ώς ό νόμος κηρύσσει καΐ όι προφήται καΐ ό κύριος. Polykrates von Ephesus: De quaestione paschali ad Victorem Romanum, bei Eusebius: Historia ecclesiastica. Lib. V c. 24 [6]. In: Sources Chrétiennes 41. S. 68 (In: PG 20, 496AB): Iti δέ κάγώ ό μικρότερος πάντων υμών Πολυκράτης, κατά παράδοσιν των συγγενών μου, οίς καΐ παρηκολούθησά τισιν αυτών, επτά μέυ ήσαν συγγενείς μου έπίσκοποι, έγώ δέ όγδοος.
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der „patres" darauf. — Orthodoxie wird hinfort gemessen an „traditio". Diese Tradition erkannte man als in Form eines Prozesses entstanden; aber — und das ist entscheidend — die sie ausmachende „doctrina" wird nun als abgeschlossen gedacht. Der Prozeß ist zu Ende. Auf dem Gebiet des germanischen Rechtes übernahmen zwar germanische Könige und Herzöge die römisch-kaiserliche Praxis der Rechtskodifizierung, aber am Ende doch nicht das freie Gesetzgebungsrecht des Imperators. Allgemeiner Rechtsbrauch oder die Edikte der königlichen Vorgänger setzten das Maß9. Auch für die in karolingischer Zeit stark um sich greifende Königsgesetzgebung hat die jüngste Kapitularienforschung die Bindung an die Tradition der Volksrechte und den im ganzen nur administrativen Charakter hervorgehoben10. Nirgendwo tauchte die Vorstellung eines großen Irenaeus von Lyon: Adversus haereses. Lib. I c. 10, 2. In: PG 7/1, 552A u. 553 A : Τούτο τό κήρυγμα παρειληφία, και ταύτην τήν πίστιν, ώζ προέφαμεν, ή 'Εκκλησία, καίπερ Ιν δλω τ ω κόσμω διεατταρμένη, επιμελώς φυλάσσει, &s ενα οίκον οίκοΰσα . . . καΐ ούτε ό πάνυ δυνατό; âv λόγω των έν ταϊς Έκκλησίαι; προεστώτων, ετερα τούτων έρεΐ . . ., ούτε ό ασθενή; έν τ ω λόγω ελαττώσει τήν παράδοσιν. Mtâç γαρ καΐ της αύτη; πίστεω; ούσης, ούτε ό πολύ περί αυτής δυνάμενο; ειπείν, έπλεόνασεν, ούτε ό τό ολίγον, ήλαττόνησε. Tertullian: De praescriptione haereticorum. c. 20, 7—9. I n : Sources Chrétiennes 46. S. 113f. (In: P L 2, 37 B) : „Omne genus ad originem suam censeatur necesse est. Itaque tot ac tantae ecclesiae una est ilia ab apostolis prima, ex qua omnes. Sic omnes primae et omnes apostolicae, dum una omnes. Probant unitatem communicatio pacis et appellatio fraternitatis et contesseratio hospitalitatis. Quae iura non alia ratio regit quam eiusdem sacramenti una traditio." 9 S. Stein: Lex und Capitula. In: Mitt. d. Inst. f. oesterr. Gesch. 41 (1926) 289; H. Mitteis: Der Staat des hohen Mittelalters. Grundlinien einer vergleichenden Verfassungsgeschichte des Lehnszeitalters. 6. Aufl. Weimar 1959. S. 46; H. Conrad: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1 : Frühzeit und Mittelalter. 2. Aufl. Karlsruhe 1962. S. 131; W. Ebel: Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland. 2. Aufl. Göttingen 1958. Unbeachtet muß hier die zeitweilige Wirkung des Vorbildes kaiserlicher Gesetzgebung auf die Theorie besonders in den langobardischen Kodifizierungen bleiben. Das dort zu beobachtende Schwanken zwischen strengem Traditionalismus und Gesetzgebungsrecht des Princeps, Wahrung des alten Rechts und Rechtsveränderung pro temporum qualitate, kam zunächst zugunsten der Rechtswahrung zur Ruhe, als die lebendigen Nachwirkungen des spätrömischen Kaisertums in Ober- und Mittelitalien aufhörten. Nirgends hat sich in den Germanenreichen der für den Cod. Theodosianus und auch die Justinianischen Sammlungen geltende Grundsatz, daß die neue Verfügung die ältere breche, daß die Vergangenheit der Gegenwart nicht präjudiziere, durchgesetzt. H. Fichtenau: Arenga. Graz—Köln 1957. = Mitteil. d. Inst. f. oesterr. Gesch. Erg. Bd. 18. S. 178 f. setzt für die kaiserlichen Rechtsakte den Umschwung vom Grundsatz des leges custodire zur Rechtssetzung mit der Kanzlei Barbarossas an, S. 179 das wörtliche Aussprechen des leges condere mit dem Ende der Stauferzeit, die selbstverständliche Geltung mit der Zeit Ludwigs d. Bayern. 10 F. L. Ganshof : Wat waren de Capitularía. Brüssel 1955. In : Verhandelingen van de Koninklijke Vlaamse Academie voor Wetenschappen, Letteren en Schone Künsten van Belgie. Klasse der Letteren 22. W. A. Eckhardts methodologische Kritik (Was waren die Kapitularien? In: Zeitschr. d. Savigny-Stift. f. Rechtsgesch., Germ. Abt. 79 [1962] 237—241), die mit Recht Med. VI
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Urgesetzgebers auf, der vergleichbar wäre den Gesetzgebern der christlichen „traditio". Es gab nur Moderatoren bestehenden Rechtes, das man nicht als gesetztes Recht dachte11. Diesem Traditionalismus der Rechtsauffassung stand zur Seite eine Geschichtsschreibung, die alle Ereignisse im Rahmen einer stabil gedachten Weltordnung beschrieb. Soweit sie als Heilsgeschichte verstanden wurde — was seltener der Fall war, als vielfach angenommen wird —, wurde für die Gegenwart wenigstens ein fester Zustand angenommen. Der Heilsvollzug ist kein durchlaufender Heilsprozeß, sondern eine Folge von Stufen, die in sich wieder statisch erscheinen. Man denkt sich selbst nicht im Schritt auf eine weitere Stufe, sondern höchstens kurz davor. Alle entscheidenden Veränderungen liegen in der Vergangenheit oder in der Zukunft (Auftreten des Antichrist und Gericht)12. Der Identifizierung historischer oder gegenwärtiger Ereignisse und Personen mit eschatologischen Ereignissen und Personen aus den Schriften der Propheten und aus der Apokalypse, womit man die Gegenwart unmittelbar in heilsgeschichtliche Veränderungen hätte einbeziehen können, stand Augustins dezidierte Absage entgegen. Insofern war im Grunde die Gegenwart nicht als Teil eines historischen Ganzen zu begreifen. Als erstes Anzeichen für eine Veränderung in diesem Punkte wird man die in der Mitte des 10. Jahrhunderts wieder einsetzenden Versuche, Weltgeschichte zu schreiben, ansehen müssen. Von dieser Zeit an begann die Welt vor den Augen der Zeitgenossen in Bewegung zu geraten, womit Weltgeschichte erst denkbar wurde, zuerst noch als Stufenfolge, dann auch als fortlaufender Prozeß. auf der immanenten Interpretation besteht, aber im Eifer vergißt, daß am Ende rein immanente Interpretation doch nicht zum Ziele führt, bringt in der Sache Ganshofs Urteil nicht zu Fall. 1 1 Für Spätantike und hohes und spätes Mittelalter sowie die Neuzeit ist zu fragen, in welchem Maße die Vorstellung vom Sein als unwandelbarem, vom Wesen als unveränderlichem, Statik in die Weltbilder gebracht hat (und wie andererseits dieses Sein als definiertes die abendländische Wissenschaft erst ermöglichte, damit rückwirkend gerade die abendländische Mobilität und Dynamik). Für die hier vor allem zu behandelnde Zeit des 11. und 12. Jahrhunderts glaube ich jedoch, von diesen Dingen absehen zu können, da die Frage nach dem Wesen erst ganz leise wieder aufkommt und in den hier zur Frage stehenden Texten des 11. und 12. Jahrhunderts noch nicht spürbar ist. Sie für das 13. Jahrhundert und die Folgezeit einzubeziehen muß hier aus äußeren Gründen unterbleiben. 12 Typisch Adsos Antwort auf der Königin Gerberga Frage, ob bereits Vorzeichen für das Auftreten des Antichrist zu sehen seien: Nichts sei zu sehen; noch komme er nicht. Ebenso das Hinausschieben der erwarteten Veränderungen bei Odo von Cluny ins Futur (S. Odonis Abbatis Cluniacensis II Collationum libri tres. Lib. I c. 2δ. In: P L 133, 536, übrigens mehr eschatologisch gestimmt als die Vorlage: S. Gregorii Magni Moralium libri. Lib. X X V I I c. 18; Lib. X X X I V c. 2ff. In: PI 76, 420 u. 719ff., insofern Odo, anders als Gregor, seine Gegenwart mit der letzten von Gregor bezeichneten Phase der Kirchengeschichte vor dem Auftreten des Antichrist gleichsetzt).
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Das, so scheint mir, ist der frühmittelalterliche Rahmen. Nun zu Einzelheiten. Das Modell vom festen Kern und dem wandelbaren Teil im Recht findet sich bei Tertullian voll ausgeprägt. Fest steht ihm die „lex fidei". Das praktische Leben der Kirche, „disciplina" und „conversado", bringt „novitates" mit sich. Diese „novitates", die eine nicht genannte Autorität einführen muß, können aber nur die Aufgabe der „correctio" haben — „novitatem correctionis" —. Sie scheinen repressiv gedacht zu sein13. Hier spielt übrigens auch das zweite Modell, das der Rechtsfortbildung als Korrektur, hinein. Für die mittelalterliche Diskussion über Rechtsveränderung spielten die Akten des Ketzertaufstreites zwischen Rom und Afrika in der Mitte des 3. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle. Da fand man bei Cyprian Stephans I. Satz: „nihil innovetur nisi quod traditum est", also eine ganz streng traditionalistische Maxime14. Demgegenüber setzte bei den Afrikanern eine Reflexion ein, die im Prinzip zwar die „traditio" nicht aufheben, aber doch den Spielraum zur Rechtsveränderung vergrößern wollte. Auf der sog. III. karthagischen Synode von 256 gab Libosus von Vaga dieser Reflexion sehr prägnanten Ausdruck : „Der Herr sagt im Evangelium: Ich bin die Wahrheit. Er sagte nicht: Ich bin die Gewohnheit („consuetudo"). Es muß deshalb bei manifester Wahrheit der Brauch der Wahrheit weichen. Wenn auch in der Vergangenheit niemand in der Kirche die Haeretiker taufte, so beginne man eben jetzt, sie zu taufen." Hier geschah sehr Bemerkenswertes: „consuetudo" wird nicht an „traditio", sondern an ,,Veritas" gemessen. Zwar soll „veritas" der „traditio" gewiß nicht widersprechen, aber in „veritas" steckt ein Anspruch, der in „traditio" nicht vorliegt : der Anspruch kritischer Prüfung der Vergangenheit durch die Gegenwart, d. h. Emanzipation der Gegenwart von der Vergangenheit in puncto Wahrheitsfindung aus der „traditio". Anders ausgedrückt : Grundsätzlich wird der Bereich der „consuetudo" als der veränderliche im Rahmen der Wahrheit bestimmt. Ein anderer Synodale, Felix a Bussacenis, erklärte: ,,. . . nemo consuetudinem rationi et veritati praeponat, quia consuetudinem ratio et veritas semper excludit." 15 Das war in der Formulierung noch näher 13
Tertullian: De virginibus velandis. c. 1, 4. In: CCSL 2. S. 1209. (c. 1, 5 in: CSEL 76. S. 79f. In: P L 2, 937 B) (nach einem Credo) : „Hac lege fidei manente cetera iam disciplinae et conversationis admittunt novitatem correctionis, operante scilicet et proficiente usque in finem gratia Dei." 14 Cyprian: Epistula L X X I V c. 2. In: CSEL 3, 2. S. 800: „et praecepit (sc. Stephanus) nihil aliud innovari nisi quod traditum est. . . . nihil innovetur, inquit, nisi quod traditum est." 15 Kritische Ausgabe der auf der karthagischen Synode von 256 abgegebenen Sentenzen: H. von Soden: Sententiae L X X X V I I episcoporum. In: Nachr. v. d. Königl. Ges. d. Wiss. zu Göttingen. Phil.-hist. Kl. Berlin 1909. S. 247—277. 11»
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an Cyprian als die Sentenz des Libosus; denn es enthielt den bei Cyprian entscheidenden Terminus, der bei Libosus fehlt: „ratio". Cyprian gebrauchte ihn in unserem Zusammenhang in ep. 71, 3: „Non est autem de consuetudine praescribendum, sed de ratione vincendum" ; dann weiter zum Beispiel des Widerstandes Pauli gegen Petrus (vgl. Gal 2, 14): „Petrus consilium veiitatis admisit et rationi legitimae quam Paulus vindicabat facile consensit . . . " Das Einführen des Begriffes „ratio" verdeutlicht das gewollte kritische Element im Messen der „consuetudo" an der „veritas", wobei selbstverständlich ist, daß „ratio" ihre Grenzen an der offenbarten „veritas" findet 16 , andererseits „ratio" und „veritas" korrespondieren. Augustinus griff den cyprianischen Gedanken auf: „. . . verum est, quia ratio et veritas consuetudini praeponenda est." 17 Aber Augustinus besaß Einsicht in die möglichen Konsequenzen dieses Grundsatzes und suchte nach festem Halt, indem er Geltung des Gewohnheitsrechtes forderte: „Die Sitte des Volkes Gottes und die Bestimmungen der Älteren sind als Gesetz aufzufassen." 18 Jedoch der folgende Satz zeigt, daß Augustinus im Prinzip den Vorrang von „veritas" und „ratio" vor „consuetudo" nicht antastete, sondern aus Furcht vor den Folgen lediglich für die Praxis die Anwendung der „ratio" zu beschränken versuchte: „Wollten wir über sie (sc. die „consuetudo") disputieren und die Gewohnheit der einen an der der anderen messen, so entstände ein endloses Ringen (interminata luctatio)." Das Ideal und das in der Praxis einzig Erträgliche war für ihn die von „ratio" und „veritas" gestützte Gewohnheit19. Das aber beseitigte nicht das 16 Die veritas ist veritas Dei: Cyprian: Epistula LXIII c. 14. In: CSEL3, 2. S. 712: „neque enim hominis consuetudinem sequi oportet, sed Dei veritatem . . ." 17 Augustinus: De baptismo contra Donatistas. Lib. IV c. 5. In: CSEL 51. S. 228 (In: PL 43, 157). (Vgl. übernächste Anm.) 18 Augustinus: Epistula XXXVI. I, 2. In: CSEL 34, 2. S. 32: mos populi dei vel instituía maiorum pro lege tenenda sunt, de quibus si disputare voluerimus et ex aliorum consuetudine alios inprobare, orietur interminata luctatio,..." Es kann nur hingewiesen werden auf die hier deutlich werdenden Zusammenhänge zwischen kirchlicher und gleichzeitiger weltlicher Theorie vom Gewohnheitsrecht. Zum römischen Gewohnheitsrecht vgl. A. Steinwenter: Zur Lehre vom Gewohnheitsrechte. In: Studi in onore di Pietro Bonfante. Vol. 2. Milano 1930. S. 421—440. Ferner sei hingewiesen darauf, daß die Behandlung der Termini: mos, consuetudo, ius scriptum und non scriptum, ius naturae, ius civile, ius gentium aus griechischer Wurzel von den Philosophen betrieben wurde, nicht eigentlich von der römischen Rechtswissenschaft und daß das Mittelalter wenigstens bis zum 12. Jahrhundert, soweit es diese Begriffe übernahm, in philosophischer und nicht römisch-rechtswissenschaftlicher Tradition stand. — Zum Verhältnis von römischer Jurisprudenz und Philosophie siehe Fritz Schulz: Geschichte der römischen Rechtswissenschaft. Weimar 1961, passim, zu den oben genannten Termini speziell S. 84ff. Für das Mittelalter vgl. Gagner: Studien, a. a. O. (Anm. 2), S. 232f. 19 Augustinus: De baptismo contra Donatistas. Lib. IV c. 5. In: CSEL 51. S. 228. (In: PL 43, 157) : ,,. . . verum est, quia ratio et veritas consuetudini praeponenda est. sed cum consuetudini veritas suffragatur, nihil oportet firmius retineri."
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Problem und nicht den Lösungsversuch durch Vorgängigkeit von „ratio" und „Veritas". Augustins Zeitgenosse Innocenz I. gab dem Problem der Rechtsveränderung eine andere Formulierung und eine andere Lösung. Die Termini „Veritas" und „ratio" tauchen bei ihm nicht auf. An ihre Stelle tritt „necessitas temporis". Für Innocenz gibt es einen Normalzustand, der normativ ist. Er nennt ihn „ordo legitimus". Ungewöhnliche Zeitumstände sind es, die ein Abweichen vom „ordo legitimus" nötig machen. Am „ordo legitimus" gemessen sind diese Abweichungen „usurpationes". Dieser Terminus deutet an, daß sie trotz der Notwendigkeit „extra ordinem" bleiben. Ihre Berechtigung erhalten sie, wenn sie „remedia", Heilmittel, Mittel zur Zurückführung zum „ordo legitimus" sind. Sind die außergewöhnlichen Zeitumstände vorüber, haben auch die außergewöhnlichen Maßnahmen keine Berechtigung mehr. Sie sind aufzuheben: „. . . quod necessitas pro remedio invenit, cessante necessitate debet utique cessare pariter quod urgebat: quia alius est ordo legitimus, alia usurpatio, quam tempus fieri ad praesens impellit." 20 Bei den Afrikanern ist die Möglichkeit eines Prozesses der Rechtsfortbildung als Wahrheitsfindung offen. Bei Innocenz gibt es einen solchen Prozeß nicht, sondern nur die Schwingungen der „usurpationes secundum necessitatem temporis" um die feste Achse des „ordo legitimus". Innocenz bleibt im Ganzen damit auf der Position Stephans I. : „Nihil innovetur nisi quod traditum est". Hier herrscht Statik vor, während sich bei den Afrikanern, wenn auch für die Praxis von Augustinus befürchtet, Dynamik eröffnet. Vorsichtig, aber deutlich milderte Leo d. Gr. das starre Konzept Innocenz' I. 21 Zunächst unterscheidet er klar zwischen unwandelbarem und wandelbarem Teil des Rechtes. Sodann fühlt er die „necessitas temporum" und die „consideratio aetatum" als Legitimation zur 20
Innocenz I. : Epistola XVII c. 5, 9. In: PL 20, 632 A: ,,Iam ergo quod pro remedio ac necessitate temporis statutum est, constat primitus non fuisse, ac fuisse regulas veteres, quas ab Apostolis vel apostolicis viris traditas ecclesia Romana custodit custodiendasque mandat eis, qui earn audire consueverunt. Sed necessitas temporis id fieri magnopere postulabat. Ergo quod necessitas pro remedio etc. " —• Innocenz wehrt sich dagegen, die Rechtsbildung in der Kirche den nur für den Staat bestehenden necessitates auszusetzen. Als die Frage auftauchte, ob (entsprechend dem Reichskirchenrecht) die kirchlichen Provinzen bei Teilung der weltlichen Provinzen ebenfalls zu teilen seien, entschied er (Epistola X X I V c. 2. In: PL 20, 548B—549A) : „. . . non ergo visum est ad mobilitatem necessitatum mundanarum Dei Ecclesiam commutari; honoresque aut divisiones perpeti, quas pro suis causis faciendas duxerit Imperator." 21 Leo I.: Epistola CLXVII. In: PL 54, 1202B: „Sicut quaedam sunt quae nulla possunt ratione convelli, ita multa sunt quae aut pro consideratione aetatum, aut pro necessitate temporum oporteat temperan : illa semper conditione servata, ut in his quae vel dubia fuerint aut obscura, id noverimus sequendum, quod nec praeceptis evangelicis contrarium, nec decretis sanctorum Patrum inveniatur adversum."
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Rechtsveränderung ein, die aber nicht als „usurpatio" erscheint und folglich nicht „cessante causa" zurückzunehmen ist. Dabei gilt ihm Rechtsveränderung als „temperatio", was nicht anders denn als Angleichung der strengen Norm an die zeit- und situationsbedingte Möglichkeit der Befolgung verstanden werden kann. Immerhin entsteht da ein freier Raum für den Gesetzgeber, dessen Grenzen nur negativ bestimmt werden: Bewegungsfreiheit herrscht so lange, wie die getroffenen Maßnahmen nicht den „praecepta evangelica nec decretis sanctorum patrum" widersprechen. Mehr Freiheit also als bei Innocenz ist gelassen, aber „ratio" und „Veritas" werden nicht genannt, und anders als bei den Afrikanern der Mitte des 3. Jahrhunderts, auch anders als bei Augustinus tritt die inzwischen entstandene, neue, unbedingt normative Schicht, die der „patres", hervor. Mit den hier herangezogenen patristischen Sätzen war dem auf die „patres" schauenden früheren Mittelalter das Problem der Rechtsveränderung in der Kirche formuliert, und es waren Lösungen angeboten. Aber die Diskussion setzte aus, um hier und da erst wieder im 9. Jahrhundert, im 11. Jahrhundert voll und dann ohne Unterbrechung fortgesetzt zu werden. Bei einer Weise der Intonierung des Themas der Rechtsveränderung im 9. Jahrhundert müssen wir uns einen Augenblick aufhalten 22 , weil sie eine Variation enthält, die in den oben zitierten Texten nicht angeklungen ist: Das Problem wird da angeschnitten von der Frage nach der rechtsverändernden Instanz her. Das war für die Kirche des 3. und auch des 4. Jahrhunderts keine ernste Frage gewesen: Instanz war die „ecclesia", repräsentiert durch die Bischöfe, am Ende das Generalkonzil. Dann aber erwuchs die Institution des Papsttums und aus deren Primatanspruch die Kompetenzfrage. Über diese Frage kam es in der Spätantike nicht mehr zu einer allgemeinen Diskussion. Das mußte anders werden, als Roms Papstidee ausgeprägt, sein Bischof von seinen Konkurrenten in Antiochia und Alexandria durch den Islam befreit und der Papst infolge der kulturellen Trennung des Westens vom Osten faktisch zum Oberbischof einer gesonderten lateinischen Kirche zu werden instand gesetzt war. Im Rahmen des Problems der Rechtsveränderung stellte sich das Problem von päpstlicher und gesamtkirchlicher Instanz, von Monarchie des römischen Bischofs und Gesamtregiment des Episkopates. 22 Überlegungen zum Problem der Rechtsveränderung finden sich bei Hinkmar von Reims, die wir j edoch übergehen, da sie im bisher bezeichneten Rahmen bleiben, eher übrigens den Standpunkt Leos I. als den der Afrikaner vertretend, wenngleich Hinkmar im „Opusculum adversus Hincmarum Laudunensem" c. 25. In: PL 126, 387f. Augustinus zitiert: „. . . verum est, quia ratio et Veritas consuetudini praeponenda est: sed cum consuetudini veritas suffragato, nihil oportet firmius retineri."
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Hier nun spielt das Kaisertum herein. Das antike Kaisertum hatte die höchste Aufgipfelung seiner Kompetenz in der freien Rechtssetzungsgewalt gefunden; es konnte zum analogen Vorbild für das Papsttum werden und ist es geworden, insofern der Aufstieg des mittelalterlichen Papsttums Aufstieg zum „legum conditor" wurde. Entsprechend flössen Begriffe des römischen Kaiserrechts in die Diskussion ein. Nicht von ungefähr finden wir bei Nikolaus I. eine prägnante Formulierung, die diesem Sachverhalt entspricht. Nach Nikolaus hat der Papst das Recht, ,,in tota ecclesia leges speciali praerogativa ponere ac decreta statuere atque sententias promulgare"23. Das ist nicht kirchliche, sondern Sprache des Kaiserrechts. Und aus diesem Recht taucht bei dem gleichen Papst ein anderer zentraler Begriff auf: „iura naturalia". Er ist dem Begriff „ecclesiasticae regulae" in einer Weise beigefügt, die vermuten läßt, daß der Papst das kirchliche Recht, wie die römische Rechtswissenschaft das „ius civile", auf das „ius naturae" aufgesetzt dachte24. Beide zitierte Stellen sind singulär in Pereis (unvollendeter) Edition der Briefe Nikolaus' I. So ist kaum eine eingehende Interpretation möglich, und es wäre unvorsichtig, Nikolaus' Satz von der Gesetzgebungsgewalt des Papstes einfach als Vorwegnahme des 7. Satzes des Dictatus pafiae hinzustellen. Wenigstens fehlt dem Satze des Nikolaus die aggressive Spitze, die im Dictatus fapae mit der Betonung der Neuheit gegeben ist: „novas leges condere". Hat Nikolaus so weit gedacht? Wie dem auch sei: Es dauerte lange Zeit, bis des Nikolaus Gedanke fortgeführt wurde. Das 10. Jahrhundert ging bei seinen Überlegungen zum Problem der Rechtsveränderung nicht von der Frage nach der Instanz aus, und zwar wohl deshalb nicht, weil alle Energie darauf gerichtet war, die „traditio" unverfälscht zu bewahren, Veränderung zu vermeiden, womit die Frage nach der Instanz beiseite gedrängt wurde. Atto von Vercelli kannte Veränderung der kirchlichen „lex" als wachsende Vervollkommnung der Lehre in drei Stufen: „lex naturae" als ungeschriebenes Recht vor dem Alten Testament, dann als zwei Stufen der „lex scripta" die beiden Testamente25. Sich fragend, ob 23 Nikolaus I.: Epistola X X I X . Ed. E. Pereis. In: Mon. Germ. hist. Epp. VI. S. 296, Z. 35f. 24 Ebd., Epistola CVIII. S. 623, Z. lOf. (Stephano corniti Avernorum.) „Quae et quanta contra canónicas et ecclesiasticas regulas, immo contra naturalia iura pertinaciter egeris, sedis apostolicae . . . Cognitionen! non latet." — Im übrigen bei Nikolaus die Rechtsveränderung — im Anklang an Leo I. — „consideratione aetatum seu gravium necessitatum" als eine „in melius commutatio sententiae" (Ebd., Epistola L X X X V I I I , S. 481). 2 5 Atto von Vercelli: Expositio in epístolas Pauli. In: P L 134, 151A: „. . . quia et in lege naturae multa utilia continentur, quamvis infirma, quia sine gratia Evangelii
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es auch in Zukunft zu Rechtsveränderungen kommen könne, führt Atto die „necessitas" an, aber seine Bedenken verrät ein Zusatz: „maxima necessitas". Sodann nennt er Instanzen, von welchen bei „necessitas" Veränderungen ausgehen könnten: den Papst oder „prudentes episcopos"26. Nur bleibt es fraglich, ob bei der „perfectio legis", die mit der „lex gratiae" erreicht sei, etwaige Neuerungen mehr sein könnten als zeitweilige Änderungen lokaler Bräuche. Im letzten Viertel des 10. Jahrhunderts sieht man Abbo v. Fleury sich energischer und umfänglicher mit unserem Problemkreis befassen. Es gibt für ihn einen unverrückbar festen Bestand: das Evangelium. Demgegenüber behandelt er alles Kirchenrecht, sei es das der Cánones oder das der Dekretalen, ohne Umschweife als unter bestimmten historischen und lokalen Bedingungen hergestelltes, gesetztes Recht. Allgemeine Gültigkeit hat es nicht: „Es spielt keine Rolle", so sagte Atto, „an Hand welcher Cánones jemand in den christlichen Glauben eingeführt wird." Pädagogische Rücksichten haben das Kirchenrecht in verschiedenen Gegenden und Zeiten verschieden ausgeformt. Es enthalte daher zahlreiche Widersprüche27. Atto stößt sich nicht daran, wenn nur das lokale Kirchenrecht den Zweck erfüllt, den Christen vom Irrtum fern und auf der Bahn des Evangeliums zu halten. Der so konzedierte, große freie Raum zur Setzung kirchlichen Rechtes gehört aber nur der Vergangenheit. Für die Gegenwart gilt anderes. Zweimal betonte Abbo für sie den Grundsatz: „Du sollst die Grenzen, die deine Väter zogen, nicht überschreiten" (Spr 22, 28). Wollte man jüngere Bestimmungen älteren vorziehen, so ergäbe das eine verrückte Welt, in der Blei auf dem Wasser schwämme28. Wie impleri non possunt; in lege vero scripta utiliora sunt, sed perfectiora in gratia E v a n gelii." 2 6 Atto von Vercelli: Epistola X I . I n : P L 134, 1 2 1 C : „Alioquin nil ultra novum adjicere censeo, nisi maxima utilitate vel necessitate cogente, summi pontificis sententia, vel prudentium fuerit episcoporum deliberatum Consilio." 2 7 Abbo von Fleury: Collectio canonum c. 8 : De eo quod necessitas excludit leges et cánones. I n : P L 139, 4 8 1 f . : „Ecclesiasticae regulae, quas Graeci cánones vocant, a sanctis Patribus sunt inventae idcirco, ut absque ullo errons anfractu per justitiae semitam gradiamur. Nec differt qua canonum institutione quis imbuatur ad competentem Christianae fidei professionem, dum tarnen inoffenso vestigio viam veritatis ingressus, per ducatum Evangelii non recedat a divinis oraculis. . . . Unde considerandus est terrarum situs, qualitas temporum, infirmitas hominum, et aliae necessitates rerum, quae soient mutare regulas diversarum provinciarum. Potestate etiam multa mutata sunt pro communi utilitate ecclesiarum, quae nemo reprehendit fidelium. E t quid mirum ? cum nonnunquam inveniantur cánones sibi contradicentes, et quod in altero concilio praecipitur, in altero prohibetur, nec enim id frustra factum existimant, qui pro temporalis vitae commodo nunquam cupiunt declinare a virtute ad vitia, nec a veritate ad mendacium. Nam in decretis pontificum eadem ratio existit, quorum t a n t a auctoritas est, ut sententiae plurimorum unius Romani pontificis exspectent judicium." 2 8 Abbo von Fleury: Epistola V. I n : P L 139, 4 2 4 Β : ,,. . . absit ut sanctorum virorum, et maxime antiquorum pontificum Romanorum scripta modernorum sustineant
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Atto von Vercelli wiederholte auch Abbo den patristischen und übrigens römisch-rechtlichen Satz, daß „necessitas" Veränderungen erlaube, aber er reflektiert das ebensowenig weiter wie Atto. Im Grunde blieb ihm das alte Recht kaum antastbarer Bestand. Schließlich findet man bei Abbo auch den Terminus ,,Veritas", und zwar in der Verbindung „via veritatis". Die „via veritatis" sei unter der Führung des Evangeliums zu beschreiten29. Aber Abbos „veritas" ist etwas ganz anderes als die des Cyprian, des Libosus von Vaga und Augustins. Es fehlt ihr jegliches Element der kritisch prüfenden Tätigkeit menschlichen Denkens. „Veritas" ist ihm hinzunehmende Offenbarung30. Abbos Zeitgenosse, Gerbert v. Aurillac, kam zu weiteren und feineren Differenzierungen. Am Anfang seiner Überlegungen steht die grundlegende Unterscheidung von „lex naturae" und „lex data" 31 . Aber diese Unterscheidung ist nicht diejenige zwischen den scholastischen Begriffen „ius naturae" und „ius positivum", insofern diese scholastischen Begriffe unwandelbaren und veränderlichen Teil des Rechtes bezeichnen. Vielmehr verstand Gerbert den Begriff „lex naturae" einerseits, wie er im Justinianischen Corpus gefaßt war, andererseits als historische Frühstufe des Rechtes vor Einsetzen der „lex data" des Alten Testamentes, die zugleich „lex scripta" gegenüber der „lex naturae" als „lex inscripta" sei. Und ebenfalls beginnt mit der „lex data" die „lex gratiae". Sie fließt aus Gott, wird von den Aposteln angenommen und von den Päpsten und den Konzilien sowie von gelehrten Einzelnen erläutert und in das Licht der „intelligentia" gehoben. Dabei sind die Autoritäten verschieden. In abnehmender Reihenfolge : Gott, ein Apostel, ein einfacher Bischof. Und die Bischöfe wieder je nach Anzahl, Gelehrsamkeit oder Amtssitz. „Lex naturae" und „lex data" sind also einander folgende Entfaltungsphasen des Rechtes. Die angeführten Rechtsautoritäten sind dessen Verkünder und Erläuterer. praejudicia, et floccipendant posteriorum sensa, quorum venerantur memorias. Si enim juniores tempore veterum aspernantur edicta, quibus assensum praebere debuerant, quid restât, nisi ut plumbum aquis supernatet, . . . praesertim cum scriptum sit : Ne transgrediaris términos quos posuerunt patres tui (Prov. X X I I , 28)." Dieses Zitat braucht Abbo noch einmal in Epistola X I V (PL 139, 440 C). 2 9 Siehe Anm. 27. 3 0 Abbos Unterscheidung zwischen „lex" und „consuetudo" enthält keine Unterscheidung zwischen fixem und mobilem Teil des Rechtes, sondern nur die formale zwischen geschriebenem und ungeschriebenem Recht bei gleicher Geltung beider (Collectio canonum c. 9: De differentia legis et consuetudinis. In: P L 139, 482); Abbo beruft sich auf Cicero, dessen Ansicht er ja in der Tat übernimmt, wie Cicero die in gleicher Weise gedachte griechische Unterscheidung von νόμος γεγραμμένος und νόμος άγραφος. 3 1 Alle Belege für das Folgende in: Gerbert von Aurillac: Epistola CCXVII. Ed. J . Havet. Paris 1889. S. 206ff.
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Die Unterscheidung zwischen unwandelbarem Rechtskern und wandelbarem Rechtsteil vollzieht Gerbert verbis expressis nur für die „lex data", und auch dort zunächst nur für das Kirchenrecht im engeren Sinne. Als „lex inconvulsa et firma nec retractanda", „lex mansura" gelten ihm die Universalkonzilien von Nikäa bis Chalkedon. Demgegenüber stehen die Briefe und Traktate der Päpste als zeitund situationsgebundene Satzungen, ähnlich übrigens wie das Alte Testament als „temporibus congruens" dem Neuen als „lex mansura usque in finem saeculi" gegenübergestellt wird. Zu den verschiedenen Satzungen sind also hier die Gesetzgeber genannt, übrigens voneinander in ihrer Kompetenz unterschieden wie der römische Kaiser mit seinem Recht der Gesetzgebung für „semper et ubique" von den Magistraten mit ihrem „ius edicendi" für Ort und Zeit. Ob diese Analogie Gerbert bewußt war, bleibe dahingestellt. Hier sei nur hervorgehoben, daß es nach Gerbert in der Gegenwart keine Instanz mit Gesetzgebungsrecht für „semper et ubique" gab, und ob er eine gegenwärtige Instanz mit Ediktrecht für Ort und Zeit gedacht hat, scheint eher zu verneinen als zu bejahen. Die Tätigkeit der Gegenwart am Recht scheint bei Gerbert beschränkt auf Exegese oder Interpretation. Alle gegenwärtigen Instanzen sind nur mit der „dilucidatio" des Rechtes befaßt, im Grunde also mit Rechtswahrung. Die Dynamik der Rechtsentfaltung in der Vergangenheit scheint mit der Gegenwart spätestens zu Ende und einem Status gewichen. Und doch meldete sich eigenes Recht der Gegenwart an. Gab es bei Abbo v. Fleury nur die Befolgung der Vorschriften des Evangeliums und lokaler, aber durch die Präponderanz der Alten bindender Cánones zur Sicherung der „via veritatis", gab es also keine prüfende Stellungnahme der Gegenwart, keinen freien Raum für sie, so brachte Gerbert die Gegenwart wieder in Aktion. Er führte den cyprianischen Doppelbegriff „veritas et ratio" wieder ein. Zwar dienen „veritas et ratio" nicht der Kritik am alten Recht und der Erstellung neuer Satzungen, wohl aber der Kritik des Verständnisses des Rechtes und dem Ziel verständiger Rechtsbefolgung durch kritische Interpretation. Nicht das Recht selbst, wohl aber sein Verständnis gerät in Bewegung. Es war keine zufällige Lesefrucht, die Gerbert Cyprians „veritas et ratio" wieder in die Diskussion des Problems der Rechtsveränderung einführen ließ. Ihm, dem Mathematiker, war der Gebrauch der „ratio" Postulat, Postulat auch an seine Zeitgenossen, deren rationale Schwäche er beklagte: Man habe den Gebrauch der „ratio" verlernt, sei nicht mehr in der Lage, Aristoteles zu verstehen. Sollte man das den Griechen überlassen und so ihnen gegenüber das „imperium Romanum" Ottos III. der Schande preisgeben? Das schrieb Gerbert an
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Otto im Widmungsbrief seines Traktates, den er De rationali et ratione uti betitelte 32 . Es war ein erster Schritt. Würde sich die „ratio", zu Kräften gekommen, auf die Dauer mit der Interpretation einer normativen Vergangenheit zufriedengeben ? Die Dinge trieben da schnell weiter. Kaum eine Generation nach Gerbert insistierte Berengar von Tours heftig auf dem Recht der Vernunft in Fragen des Glaubens. In aller Freundschaft, aber aus der Ahnung der Folgen sehr bestimmt, setzte ihm sein Mitschüler bei Fulbert in Chartres, Adelmann von Lüttich, die nicht weniger dezidierte traditionalistische Maxime entgegen, von den Vorfahren sei alles trefflich geordnet, nichts Neues könne mehr geschaffen werden, Gott hasse diejenigen, die allzusehr herumsuchen — ,,odit deus nimios scrutatores" 33 . Aber nicht Adelmanns, sondern Berengars Haltung sollte die Zukunft gewinnen34. Gleichzeitig setzte ein Phänomen ein, das ich mit „abendländischer Wende zur Zukunft" bezeichnen möchte, ein Interesse an grundlegenden Veränderungen des gegenwärtigen Zustandes in der Zukunft. Das erste Zeichen dafür ist das Einsetzen einer Welle politischer Prophetien im 11. Jahrhundert 35 . Bernhard Töpfer hat mit Recht hervorgehoben, daß diese Prophetien noch nicht besagen, die damals Lebenden hätten daran gedacht, von sich aus, aus eigenen Kräften die Welt zu verändern. Angelehnt an die christliche Eschatologie erwarteten sie nur passiv die Veränderung der Welt durch Gott und dazu diese Veränderung als Teil des plötzlich eintretenden Endes der Geschichte. Aber andererseits blieb diese Erwartung der Veränderung nicht mehr ausschließlich Erwartung des Jenseits, sondern immer deutlicher die Erwartung eines idealen Zustandes, wie kurz er auch sei, noch in dieser Welt. Das Interesse richtet sich, im Laufe der Zeit immer deutlicher, auf Weltveränderung in die Zukunft hinein. In Schüben wird sich diese Bewegung verstärken, im Abendland bis zur endlichen Verachtung der Vergangenheit und zur Verlagerung alles Positiven nach vorn in Gegenwart und Zukunft. Die Vergangenheit verliert ihren normativen Charakter. Die Gegenwart emanzipiert sich von ihr und befreit sich zur freien Setzung der Zukunft. 32 Praefatio in der Havet'schen Ausgabe der Briefe Gerberts, a. a. O., S. 236ff. Text des Traktates in: PL 139, 69ff. Der Traktat handelt vom logischen Unterschied der Aussagen „rationalis" und „ratione uti", gibt nicht eine Theorie der „ratio". 33 Adelmann von Lüttich : Epistola ad Berengarium de veritate corporis et sanguinis Domini. In: C. A. Schmid: Adelmannus episcopus. Braunschweig 1770. S. 29; vgl. J. Spoerl: Das Alte und das Neue im Mittelalter. In: Hist. Jahrb. 50 (1930) 307. 34 Zur Auseinandersetzung zwischen Dialektikern und Antidialektikern immer noch grundlegend M. Grabmann: Die Geschichte der scholastischen Methode. Bd. 1. Freiburg i. Br. 1909. S. 215 ff. 35 Nachweise und Literatur bei B. Töpfer: Das kommende Reich des Friedens. Berlin 1964. S. 15ff.
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Auf dem Hintergrund dieses Prozesses ist auch der Wandel des Verhältnisses von festem und wandelbarem Teil des Rechtes zu sehen. Geschichte geriet ins Dynamische und gab Dynamisches in der Rechtstheorie frei. Zum Anwachsen der Dynamik aber trug das Erwachen des Rationalismus im Abendland entscheidend bei. Die Berufung auf die Gewohnheiten verlor an Argumentationskraft. Die Tradition wurde fragwürdig und mußte, wo sie integrierender Bestand war, wie im Christentum, mit höchster Anstrengung gesichert werden gegen die „ratio", indem man Tradition selbst als vernunftgemäß zu erweisen suchte. Auch der feste Kern des Rechtes mußte schließlich vernunftgemäß werden. Er wurde es zuerst als Satzung des ebenfalls vernünftig werdenden Gottes, dann als Ausfluß der vernünftig gemachten Natur. Und Vernunft wurde ebenso zum Agens für die Veränderung von Recht. Mit dem 11. Jahrhundert setzen diese Entwicklungen ein. Wir gehen ihren ersten Bewegungen nach. Erwähnt wurde bereits die auftretende Vorliebe für die politische Prophetie. Hingewiesen sei noch einmal auf die Entfaltung der Geschichtsschreibung als Weltgeschichtsschreibung, wobei allmählich die Vorstellung von Geschichte als Prozeß sich bildet, wie sehr auch immer zunächst eingefangen in den von der Tradition vorgebildeten heilsgeschichtlich-eschatologischen Stufenplan. Blicken wir nun wieder zur Rechtstheorie hinüber. Am Ende des ersten Drittels des 11. Jahrhunderts schrieb Abt Halinard von St. Bénigne in Dijon an Papst Johannes XIX. (1024 bis 1032) folgenden Satz: „Totum non latet mundum Romanae Ecclesiae pastorem apostolica vice ita fungi, ut quod ipse in ecclesiastico ordine constituerit, ratum, stabile et inviolabile permanerei in aevum" 36 . Der Papst habe also das Recht, im kirchlichen Bereich dauernde Satzung zu setzen. Daß er Satzung setzen könne, hatte bereits Nikolaus I. behauptet, aber in welchem Rahmen er das verstand, blieb ungewiß, und das 10. Jahrhundert hätte wohl allgemein gesagt: Satzungen ja, aber nur für Ort und Zeit. Halinard nahm hingegen das Gesetzgebungsrecht auf „semper" für den Papst in Anspruch. Die Dinge werden also von ihm weiter getrieben auf dem Felde des Kompetenzproblems. Ähnlich finden wir bei Petrus Damiani die Überzeugung, daß die„ecclesia Romana" Privilegien ausstellen, aber ebenso wieder zurücknehmen könne. Kompetenz zeigt sich hier als Verfügungsgewalt über Recht, was im Prinzip Gewohnheit und Tradition in Frage stellt. Des weiteren zog Petrus Damiani eine Parallele zwischen dem nach der geläufigen Vorstellung seine „lex" im Laufe der Geschichte verändernden Gott und dem Papst. Der Papst könne 36 Halinardi abbatis sancti Benigni epistola ad Joannem papam XIX. In: PL 141, 1157 D.
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altes Recht umstoßen, wobei es sich nur um menschliche Satzungen handle, während doch sogar Gott, obgleich er alles vorauswisse, seine eigenen Konstitutionen nach Maßgabe der Zeit ändere 37 . Der Papst beginnt zum Verfüger über das Recht zu werden. Noch aber ist die Freiheit dazu durch Tradition und durch die nur hin und wieder auftretende „necessitas temporis" stark eingeengt. Gregor VII. verriet in seinen Äußerungen die Gewalt der Krise38. Einerseits betonte er skrupulös-forciert die Bindung an die Tradition 39 . Andererseits brach bei ihm geradezu gewaltsam der Anspruch auf Rechtsveränderung hervor. Man muß es auf dem geschilderten Hintergrund abwägen, was es bedeutet, daß Gregor des Libosus v. Vaga Satz von 256 wieder hervorholte in einem Brief an Bischof Wimund von Aversa 40 : „Hältst du mir vielleicht die Gewohnheit entgegen, so ist zu beachten, daß der Herr sagt: Ich bin die Wahrheit und das Leben. Er sagt nicht: Ich bin die Gewohnheit, sondern: die Wahrheit." Dann weiter mit Cyprian: „Und gewiß — um uns einer Sentenz des hl. Cyprian zu bedienen — ist jegliche Gewohnheit, wie alt und eingebürgert sie auch sei, in jeder Weise der Wahrheit nachzuordnen, und der Brauch, der der Wahrheit entgegensteht, ist zu beseitigen." Die Sprache dieses Satzes ist deutlich genug. Es sei nur darauf hingewiesen, daß hier zwar das cyprianische „veritas", aber nicht „ratio" aufgenommen ist: eine traditionalistische Schattierung der auf Neuerung zielenden Sentenz. An anderer Stelle findet sich „ratio" dann doch, eingebaut in das Modell Innocenz' I. vom Recht zur Rechtsänderung bei (als negativ bewerteten) Situationsveränderungen 41 : „Die heilige römische Kirche hat immer das Recht, gegen neu auftretende Ausartungen (excessus) auch mit neuen Dekreten und Heilsmitteln einzuschreiten. Wenn diese aus dem Urteil der Vernunft und aus der Autorität stammen, hat kein Mensch das Recht, sie als ungültig zurückzuweisen." 37
Petrus Damiani: Disceptatio synodalis. In: Mon. Germ. hist. Lib. de lite, Vol. 1
S. 81. 38 Zu Gregor neuerdings: L. F. J. Meulenberg: Der Primat der römischen Kirche im Denken und Handeln Gregors VII. s'Gravenhage 1965. 39 Ebd., S. 105. 40 Gregor VII. : Epistolae collectae. In: Ph. Jaffé: Bibl. rer. Germ. 2. S. 576, Nr. 50. 41 Das Register Gregors VII. Ed. E. Caspar. In : Mon. Germ. hist. Epp. sel. T. 2, Fase. 1 u. 2, Reg. II, 67. S. 224: „Huic sanetae Romanae ecclesiae semper lieuit semperque licebit contra noviter increscentes excessus nova quoque decreta atque remedia procurare, quae rationis et auctoritatis edita iudicio nulli hominum sit fas ut irrita refutare." — Weniger prinzipiell, die Privilegien betreffend. Reg. VI, 2 ebd., S. 393: ,,. . . possunt quaedam in privilegiis pro re pro persona pro tempore pro loco concedi, quae iterum pro eisdem, si necessitas vel utilitas maior exegerit, licenter valent commutali. Privilegia siquidem non debent sanctorum patrum auctoritatem infringere, sed utilitati sanctae ecclesiae prospicere."
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Diese These betont, was bisher zu betonen vermieden wurde: die Neuerung, die die Rechtsveränderung ist: „nova decreta". Sodann steckt sie einen Rahmen ab, in welchem sich die „novitas" zu halten habe, um legitim zu bleiben: Sie muß der Tradition entsprechen (auctoritas), andererseits der Vernunft (ratio). Damit ist implizit die Vernunftgemäßheit der Tradition postuliert, zum anderen wird Recht an „ratio" gebunden. Die ganze Überlegung aber wird angestellt als Umschreibung der Kompetenz eines Rechtveränderers. Ganz auf die Kompetenz-Frage ist dann Satz 7 des Dictatus papae abgestellt: „Quod illi soli licet pro necessitate temporum novas leges condere . . ," 42 Hier trifft man wieder auf den Begriff der „nécessitas" als Regulativ für die Rechtsveränderung. Aus den oben zitierten Sätzen Gregors VII. ersieht man zusätzlich, daß diese „nécessitas" zur Vernunftnotwendigkeit werden muß, was wiederum heißt, daß Recht in die Verfügung des vernünftig Denkenden gerät, wenn auch in den Grenzen der Tradition. Aber die Tradition wird dabei interpretierbar, also angebrochen43. Neben der harten Betonung der Neuerung steht sodann ein harter Akzent in der Kompetenzfrage: Der Papst allein hat das Recht, neue Gesetze zu machen. Der Papst ist zum „legum conditor" geworden, und zwar zum alleinigen. Ich wiederhole meinen früheren Hinweis, daß hier das Modell des spätrömischen Imperators in die Theorie von der Rechtsveränderung einbricht. Entsprechend dem „princeps" als alleinigem „legum conditor" (nach der „lex regia") wird der Papst zum „princeps" und „legum conditor" der Kirche. Aus den folgenden Sätzen des Dictatus papae wird die Beziehung zum Kaisertum, wenn auch in der Brechung des Constitutum Constantini, noch deutlicher. Der Satz 7 des Dictatus papae ist der erste Kaiserparagraph dieses Schriftstücks. Der spätere Dictatus von A vranches trägt am Ende seines 4. Paragraphen eine nicht uninteressante Variante von Dictatus papae 7 vor: „Omni tempore licet ei (sc. papae) nova decreta constituere et vetera temperare." Wo bisher die „necessitas" der Rechtsveränderung nur einen zeitlich begrenzten Spielraum ließ — nur bei vorliegender 42
Reg. II, 55a. A. a. O., S. 203. Zur inneren Konsequenz der damit sich anbahnenden Lösung von der Vergangenheit gehört auch die Freisetzung des Nachfolgers aus der bisherigen — ebenfalls konsequenten — Verpflichtung durch Maßnahmen des Vorgängers. Es verschwindet die entsprechende Formel aus den päpstlichen Urkunden, und an ihre Stelle tritt die Formel „salva auctoritate apostolicae sedis", allerdings schon bei Alexander II., was die Virulenz der neuen Ideen schon vor Gregor VII. abermals anzeigt. Literatur: F. Thaner: Über Entstehung und Bedeutung der Formel „salva sedis apostolicae auctoritate" in den päpstlichen Privilegien. Wien 1872. In: Sitz. ber. d. kais. Ak. d. Wiss. in Wien, phil.-hist. Kl. 71; J. B. Sägmüller: Die Idee Gregors VII. vom Primat in der päpstlichen Kanzlei. In: Theol. Quart. Sehr. 78 (1896) 577—613, hier S. 589; Meulenberg, a. a. O. (Anm. 38), S. 104, nach Sägmüller Thaner einschränkend. 43
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„necessitas" kann Recht verändert werden —, vergrößert der Dictatus von Avranches die Freiheit: „omni tempore licet ei nova decreta constituere." 44 Kurz vor dem Jahre 1100, ein Vierteljahrhundert nach dem Dictatus fiapae, aber wohl noch vor der Formulierung des Dictatus von Avranches, erlebte oder stilisierte Anselm, damals Abt von Bec in der Normandie, später Erzbischof von Canterbury, eine wahrhaft geschichtsbewegende Szene. Im Prolog zu seinem Monologion berichtet er 4 5 : Einige Brüder haben ihn gebeten, er möge das, was er ihnen im Gespräch über Gottes Wesen gesagt habe, als eine Musterbetrachtung niederschreiben. „Sie stellten mir für die Abfassung dieser Betrachtung folgende Regel auf : E s solle darin gar nichts durch die Autorität der Schrift zur Überzeugung gebracht, sondern in faßlicher Sprache, mit gemeinverständlichen Beweismitteln und in sachlichster Gedankenführung solle die Richtigkeit dessen, was der Schlußsatz einer jeden Untersuchung behauptet, durch die nötigende Kraft der Vernunft kurz und zwingend erwiesen . . . werden." 4 4 Dictatus von Avranches. E d . S. Löwenfeld. I n : Neues Archiv 16 (1891) 198ff. Als Beispiele für die Ausprägung der geschilderten Gedanken Gregors V I I . in Gregors Partei: Bernold von Konstanz berief sich bei der Definition der Primates als Gesetzgebungsprimates auf Gregor: Registrum, a. a. O. (Anm. 41), S. 224 (Bernold: Apolog e t i c a c. 21. I n : Mon. Germ. hist. Lib. de lite, Vol. 2, S. 86); die gleiche Stelle verrät allerdings noch das Mißtrauen gegen die Einführung von Neuerungen: „Nil denique novi noster apostolicus nobis observandum iniunxit, quod etiamsi fecisset, non tarnen sine periculo eius contemni praeceptum posset. Nam apostolica sedes ex divina confessione hunc semper obtinuit et obtinebit primatum, ut totius mundi ecclesias non solum antiquis institutis, sed etiam novis disponat . . . e t c . " — Ähnlich Bernold: De statutis ecclesiasticis sobrie legendis. I n : Mon. Germ. hist. Lib. de lite, Vol. 2, S. 157. Zur Entlassung des Nachfolgers aus der Verpflichtung auf die Satzungen des Vorgängers: Bernold: De excommunicatis vitandis. I n : Mon. Germ. hist. Lib. de lite, Vol. 2, S. 140f. : ,,Nec ipse sanctus Petrus needum aliquis Romanae sedis episcopus aliquem suum successorem aliquo praeiudicio ea potestate privavit, quin eadem auctoritate omni ecclesiae non solum antiquis sed etiam novis institutis nunc lenius, nunc severius consulere posset, immo deberet, prout tempori suo oportunum fore videret." — Die Konsequenz „papa supra cánones" bei Bonizo: Liber de vita Christiana c. 6. Ed. E . Perels. I n : T e x t e z. Gesch. d. röm. u. kan. Rechts im MA, Bd. 1. Berlin 1930. S. 1 7 7 : „Romani pontífices canonibus non detinentur quos ipsi fecere"; aber es werden Grenzen gesetzt bei Bernold: De exc. vit., a. a. O., S. 140 3 5 , 141 2 9 : „(pontífices Romani) sunt auctores canonum . . . Sciendum sane quod Romani pontífices semper magis antiqua exequi et observare quam nova instituere, nisi aliqua rationabilis causa perurgeret, consueverunt." — Bonizo: Liber de vita Christiana. A. a. O., S. 33 zieht zur Vorbeugung gegen Willkür Innocenz I. heran: „Sed non omne quod licet expedit, verum donetur necessitati quod factum est. Ergo quod necessitas repperit, secundum decreta Innocentii papae cessante necessitate debet pariter cessare quod urgebat, quia aliud est ordo legitimus, aliud usurpatio, quam ad praesens tempus facere impellit. " — Ebenso Deusdedit laut Indexsatz, ed. Wolf von Glanvell S. 2 8 : „Quod illud quod necessitas pro remedio reperit, cessante necessitate debet cessare." 4 5 Anselm von Canterbury: Monologion, Prologus. I n : S. Anselmi opera omnia. Ed. F . S. Schmitt. Vol. 1. Seckau 1938. S. 7.
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Hier wird der Vernunftbeweis für alle Aussagen zum Gesetz (regula) erhoben, nicht gegen die höchste Autorität, wohl aber methodisch an ihr vorbei. Die patristischen Autoritäten sind nicht einmal erwähnt. Die Vernunft emanzipiert sich von der Autorität, implizit die Gegenwart von der Vergangenheit. Was folgte, ist bekannt : Bei aller Hochachtung wurden die Autoritäten zu Gesprächspartnern ; das Gespräch aber diente dem Zweck selbständig-kritisch zu gewinnender Erkenntnis; und neben den Glauben drängt sich das Wissen mit immer größerem Anspruch, der der Anspruch der Gegenwart gegenüber der Vergangenheit war und blieb. Gut ein weiteres Vierteljahrhundert später, 1129, wurde ein anderer Anselm Bischof von Havelberg. Bei ihm wird ,,no vitas" von einem Negativum zu einem Positivum und Traditionalismus wenigstens auf dem Gebiet der „religio", der Disziplin also, zu einem Zeichen der Trägheit46. Es gibt für ihn einen festen Kern, den er mit „fides" bezeichnet47. Dem festen Kern steht ein gegenüber früheren Autoren außerordentlich geweitetes Feld der Veränderung gegenüber. Unter der Leitung des Heiligen Geistes gliedert sich das „corpus ecclesiae" vielfach nach Maßgabe der Zeiten. Diese Gliederung denkt Anselm sich als Entfaltung48. Die Geschichte wird dabei als Gesamtprozeß gedacht — „processus temporum" —, der von einem Primitivzustand der „lex naturae" über die verschiedenen Veränderungen der „lex scripta" seit Moses, also über „status ante legem, sub lege, sub gratia", am Ende zu einem Optimum führt 49 . Die Kirche geht durch verAnselm von Havelberg: Dialogi, Lib. I c. 1. In: PL 188, 1143A. Ebd., c. 2, col. 1144C: „. . . corpus Ecclesiae Spiritu sancto vivificatum, et per diversa membra diversis temporibus et aetatibus discretum et distinctum, a primo Abel iusto incoepit, et in novissimo electo consummabitur, semper unum una fide, sed multiformiter distinctum multiplici vivendi varietate." — c. 9, ebd., col. 1152A: „. . . fides orthodoxa . . . adeo est roborata, et fundata, et solidata, ut iam amplius, Domino favente, semper inconvulsa, semper inconcussa iure permanere debeat, tota integra, ut nihil sit addendum; et tota inviolata, ut nihil sit auferendum." 48 Im ersten Buch der Dialoge entwarf Anselm eine Geschichte der Kirche als Geschichte der Rechtsentfaltung in vielen Schüben. Es können hier und im folgenden nur einzelne Sätze herausgegriffen werden. — Dial. Lib. I c. 10. In: PL 188, 1157AB: „Et fit mira Dei dispensatione, quod a generatione in generationem succrescente semper nova religione, renovatur ut aquilae iuventus Ecclesia, quo et sublimius in contemplatione volare queat, et subtilius quasi irreverberatis oculis radios veri solis contueri valeat." 49 Dial. Lib. I c. 13, ebd., col. 1160A: ,,. . . nemo miretur, ñeque causetur Ecclesiam Dei ab invariabili Deo variis legibus et observationibus ante legem et sub lege, et sub gratia distinctam, quia oportebat ut secundum processum temporum crescerent signa spiritualium gratiarum, quae magis ac magis ipsam veritatem declararunt, ut sic cum affectu salutis incrementum acciperet de tempore in tempus cognitio veritatis: et ita primo quidem bona, deinde meliora, et ultimum vero optima proposita sunt." — Aller Wandlung liegt ein Handeln Gottes „paedagogice et medicinaliter" zugrunde: Dial. Lib. I c. 5, ebd., col. 1147 D. 48
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schiedene Zustände hindurch, die sie jeweils bessern, erneuern (renovationes). Dieser Prozeß der einander steigernden „renovationes" ist Entfaltung der gleichbleibenden ,,fides". Geschichte wird zum variablen Überbau (superaedificatio) in Form von Strukturwandel der Disziplin (religio) über dem unveränderlichen Fundament der „fides"50. So wird Gegenwart Teil der Gesamtdynamik der Geschichte bis in die letzte Zukunft hinein. Der Blick, der normsuchend bisher auf die Vergangenheit gerichtet war, geht nach vorn in die Zukunft. Am Feststehenden, der ,,fides", ist das Entscheidende mehr die zeitlose Wahrheit als ihre Setzung in der Vergangenheit, mehr Wahrheit als Uberlieferung. Die Wende zur Zukunft ist in vollem Gange. Es ist die Geburtsstunde des Fortschrittgedankens im Abendland. Bernhard Töpfer hat zu Recht betont, daß die Phase dieser Wende, die sich bei Anselm von Havelberg zeigt, noch nicht bis zu jenem Punkte vorstieß, an dem der Mensch sich selbst als Macher der Zukunft vorstellt. Noch blieb Gott Lenker und Veränderer der Geschichte als Arzt und Pädagoge für die schwache Menschheit. Und doch öffnen sich bei Anselm bereits andere Möglichkeiten. Neben den speziellen Mandaten Gottes und der Offenbarung gibt es den Weg der natürlichen Theologie. Die „lex naturae" wird zum ausreichenden Fundament für legitime Ordnungen, Ordnungen, die Gott wohlgefällig sind. Im Bereich der „lex naturae" und dieser entsprechend kann der Mensch „Erfinder" von Ordnungen sein. Noch einmal: ausdrücklich neben der Offenbarung51; die Frage ist nur, ob im „corpus ecclesiae" selbst, im „populus dei", auch noch nach der Offenbarung. Anselm reflektiert hier nicht weiter, und insofern wird wohl B. Töpfer recht behalten. Jedoch zeigt sich bereits der Punkt, von dem aus die nächsten Schritte erfolgen könnten als innere Konsequenz aus Anselms Gedanken selbst. Anselms Formulierungen lassen ferner die Zusammengehörigkeit zweier theoretischer Stränge erkennen, die wir bisher nebeneinander 50
Dial. Lib. I c. 6, ebd., col. 1149A: „. . . sancta Ecclesia pertransiens qer diversos status sibi invicem paulatim succedentes, usque in hodiemum diem, sicut iuventus aquilae renovatur et semper renovabitur, salvo semper sanctae Trinitatis fidei fundamento . . ., quamvis in superaedificatione diversa plerumque diversarum religionum structura crescat in templum sanctum Domino." 51 Dial. Lib. I c. 3, ebd., col. 1144CD: (Abel opferte Gott) „. . . nullo divino mandato specialiter iussus, nec lege adhuc scripta doctus, sed sola lege naturae instructus, quae Creatorem a creatura honorandum suadebat." — col. 1145C: ,,A Noe vero usque ad Abraham quamplures inventi sunt fideles, qui sequentes legem naturae, non creaturae, sed soli Deo creatori variis modis servierunt." — col. 1146AB: „. . . Job gentilis . . . offerebat holocausta . . ., nescio quo ritu suo tunc temporis non ingrato Deo, quem vel ipsimet sibi tunc adinvenerat, vel quem religio illius gentis ad praedicandum Deum sibi tunc elegerat, sive etiam quem Deus forte ilio in tempore illi gentili populo per aliquem constituerat, quamquam certa scriptura nobis hoc non referat." Med. v i
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verfolgt haben, den der Rechtsveränderung aufgrund von „veritas" mit steigendem Anspruch der „ratio" und den der Emanzipation der Gegenwart von der Vergangenheit zugunsten der Zukunft : Die Veränderung in die Zukunft hinein wurde gedacht als Veränderung von Recht. Der Veränderer der Welt ist der Gesetzgeber. Man wird verstehen, warum das eigens betont wird, wenn man sich daran erinnert, daß, nachdem bis weit in die Neuzeit die Gesetzgeber die alleinigen Veränderer geblieben waren, wenigstens seit dem 18. Jahrhundert andere Veränderer für die „communis opinio" in die erste Reihe getreten sind und bis zur Gegenwart den Gesetzgeber fast aus dem Blickfeld verdrängt haben: der Ingenieur, der Naturwissenschaftler und jüngst ein wiedererstandener Typus: der messianische Führer. Zurück zum 12. Jahrhundert. Zu der Zeit, da Anselm von Havelberg immer neue „novitates" gerade als Zeichen der vom Hl. Geist ausgehenden Lebendigkeit der Kirche ansah und damit forderte, rückte sein Zeitgenosse Abailard das Recht extrem nahe an die „ratio" heran. In den bisher vorgeführten Vorstellungen trat die „ratio" gleichsam immer nur „post festum" auf: Recht stand fest; nur wenn sich die Situation so veränderte, daß die alten Rechtssätze ihr nicht mehr entsprachen, sollte die „ratio" weiterhelfen; höchstens, daß wie bei Cyprian und Augustinus der veränderliche Teil des Rechtes, die „consuetudines", durch die „ratio" auf Korrespondenz mit der „veritas" hin geprüft werden sollte. Abailard sieht neben der Offenbarung als einzige Norm menschlichen Verhaltens das persönliche Gewissen, dessen wesentlicher Teil wieder die „ratio" ist. Von da aus ist ihm „ratio" Grund und Norm allen Rechtes. Das natürliche Recht besteht in der Vernunft 62 . Geoffenbartes Recht kommt als Perfektion hinzu. Aber es wird gleichsam aktualisiert im Menschen nur durch das Mittel des vernünftigen Gewissens. Gibt doch Gott oft Befehle, deren Ausführung er nicht verlangt, wie dem Abraham den Befehl, seinen Sohn zu opfern. Die Setzung der „ratio" als Fundament beginnt die bisher feste Abgrenzung zwischen christlicher und nichtchristlicher Gesellschaft zu verwischen, macht den edlen Heiden möglich — einen Vorgeschmack davon vermittelte bereits Anselm v. Havelbergs Hiob-Auffassung —, stellt die Kreuzzugidee der Zeit in Frage und öffnet den bisher festesten Kern des Rechtes, die Offenbarung, indem auch dieser wenigstens zum Teil der Kontrolle durch die „ratio" unterworfen wird. Anselm von Canterbury hatte methodisch um diesen Kern herumgeführt, Abailard stieß darauf zu. Von daher läßt sich Ziel und Ge52
Petri Abaelardi opera. Ed. V. Cousin. Paris 1859. Bd. 2, S. 115.
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wicht seiner Unterscheidung zwischen Naturrecht und positivem Recht ermessen, läßt sich der grundlegende Unterschied erkennen zwischen dem bisher im Mittelalter gebräuchlichen Begriff der „lex naturae" — Recht vor der „lex scripta", Recht vor der Offenbarung, Recht der Tiere und Primitiven — und dem Begriff des Naturrechtes von nun an 63 . Der Begriff des Naturrechtes hatte die ontologischen und erkenntnistheoretischen Bezüge seines griechischen Ursprungs auf dem Weg über den Justinianischen Naturrechtsbegriff ins Mittelalter verloren, war zu einem historischen geworden54. Nun, ahnbar bereits bei Anselm von Havelberg, streift er das Historische wieder ab, wird dezidierter denn je ontologisch und erkenntnistheoretisch und wird so zu einem neuen, leicht manövrierbaren Vehikel der Mobilität des Rechtes. Die Dinge trieben im weiteren Verlauf des 12. Jahrhunderts nicht stürmisch fort. Theologen und Juristen gingen eher auf Ausgleich ihrer neuen Gedanken mit den Autoritäten, auf Herstellung von Konkordanz, als auf Bruch aus. Und doch trat kein Stillstand ein. Es ist in unserem Zusammenhang von Interesse, sich einen Augenblick Ivo von Chartres' „Prologus" zuzuwenden. Dort finden wir das hier zu Anfang beschriebene erste Modell klar ausgesprochen. Recht besteht, so sagt Ivo, aus „Vorschriften und Verboten, von welchen einige mobil (mobiles), andere immobil (immobiles) sind. Immobil sind diejenigen, die das ewige Gesetz sanktioniert hat. Mobil sind diejenigen, die die ,lex aeterna' nicht sanktioniert hat, sondern die die Sorgfalt der Späteren unter dem Gesichtspunkt der Nützlichkeit (ratione utilitatis) erfunden hat". 5 5 Ivo tut als Jurist, was Abailard als Theologe tut : Die Grenze zwischen mobilem und immobilem Rechtsbestand wird von Ivo nicht zwischen nachpatristische Zeit und die 5 3 Zum Beginn dieser Unterscheidung von „ius naturale" und „ius positivum" im Rahmen des Triviums und fußend auf dem Timaios-Kommentar des Chalcidius (zuerst bei Wilhelm von Conches, dann Hugo von St. Viktor und Abailard) : Gagnér: Studien, a. a. O. (Anm. 2), S. 208ff. 5 4 Wenn man sich diesen Weg zu vergegenwärtigen versucht, wird man zweierlei in Rechnung ziehen müssen: 1. den Niedergang der Philosophie selbst im Übergang von der Antike zum Mittelalter, 2. die Reserve der römischen Jurisprudenz gegenüber der Philosophie, was eine philosophische Entleerung auch ursprünglich philosophischer Termini in den spätantiken Rechtstexten mit sich brachte und die Juristen des früheren Mittelalters nicht zu einer philosophischen Reflexion dieses Punktes anregte. 5 5 Ivo von Chartres: Prologus in decretum. I n : P L 161, 5 0 A B : „Praeceptiones . . . et prohibitiones, aliae sunt mobiles, aliae immobiles. Praeceptiones immobiles sunt, quas lex aetema sanxit.. . . Mobiles vero sunt, quas lex aeterna non sanxit, sed posteriorum diligentia ratione utilitatis invenit non ad salutem principaliter obtinendam, sed ad eam tutius muniendam : Quale est illud Apostoli : Haereticum hominem post primam et secundam correptionem devita (Tit. 3) . . . Similiter immobiles prohibitiones sunt, quae adversus vitia loquuntur; qualia sunt: Non occides; Non moechaberis (Exod. 20) : et cetera."
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Väter, auch nicht zwischen Apostel und Väter, sondern noch weiter zurück bis mitten in die Schrift verlegt. Mit anderen Worten: Sie wird deutlich von einer historischen Grenze zwischen heilsgeschichtlichen Epochen zu einer prinzipiellen oder systematischen Grenze, die quer durch alle Epochen verläuft und damit die bisherige Richtschnur, das Nacheinander der Phasen der Verkündung der „lex", in ihrer Bedeutung wenigstens schwächt. Es sind dann auch nicht konkrete Verordnungen und Verbote, die Ivo aus den Autoritäten zitiert, sondern nur Rechtsgrundsätze. Von Innocenz I. übernimmt er etwa den Grundsatz „cessante necessitate cessât dispensio"66. Allerdings verschwindet dabei der speziell innocentische Hintergrund, daß die Unverrückbarkeit der Norm des „ordo legitimus" selbst bei außergewöhnlichen Umständen außergewöhnliche Maßnahmen nur als „usuipationes" aufzufassen erlaubt, die bei Beendigung des Notstandes eben wieder aufgehoben werden müssen. Ivo ging nicht von der harten Statik des innocentischen Entwurfes aus; er stand, wenn man so will, gerade im Lager der afrikanischen Gegner des Papstes. Seine Sätze sind auf dem Hintergrund der erwachenden „ratio" zu sehen, die das jeweils Nötige als das Nützliche erfaßt (ratione utilitatis)57, die zudem die Möglichkeit eines dauernden Wechsels oder fortschreitenden Wandels offen läßt. So, und nicht streng innocentisch, muß man dann den Grundsatz „cessante necessitate cessât lex" auch bei Gratian — trotz der auch dort vorgenommenen Berufung auf Innocenz I. — und bei allen späteren Juristen verstehen, die übrigens, ganz konsequent aus der wachsenden Logisierung, „cessante necessitate" in „cessante causa" umformuliert haben. Aus Ivos „Prologus" sei noch hervorgehoben, daß er den alten Grundsatz wiederholt: „Ex necessitate fit mutatio legis."68 Zudem betont er, daß die juristischen Grundregeln ebenso wie im Kirchenrecht auch im Kaiserrecht gelten, und er stellt neben den kirchlichen Gesetzgeber, den Papst, den weltlichen. Aus Inst. I, 2, 6 oder Dig. I, 4, 1 führt er den Satz an: „Was der Kaiser per Brief oder Dekret oder Edikt befiehlt, ist Gesetz." Und in einem Nebensatz steht auch der erste Satz dieser Ulpianischen Formel {Dig. I, 4, 1 oder Inst. I, 2, 6) : 6 6 Ebd., col. 5 8 B : „Sic aliae dispensationes salubri deliberatione admissae, cessante necessitate, debent et ipsae cessare, nec est pro lege habendum quod aut utilitas suasit, aut necessitas imperavit." — Im übrigen zur Geschichte des Rechtssatzes „Cessante causa cessât lex" Hermann Krause: Cessante causa cessât lex. In: Zeitschr. d. SavignyStift. f. Rechtsgesch., Kan. Abt. 46 (1960) 81—111, wo Gratians Dekret nach Innocenz I.: Epistola X V I I als erster mittelalterlicher Beleg angegeben ist (S. 83). 5 7 Siehe vorherige Anm. — „utilitas" ist natürlich nicht utilitaristisch, sondern als dem Ordo der Dinge dienend und „sub specie salutis" aufzufassen. 5 8 Prologus, a. a. O. (Anm. 55), col. 57A: „ E x necessitate enim fit mutatio legis." (Dieser Satz gehört nicht zu dem vorher stehenden Leo-Zitat).
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„Was der .princeps' will, hat Gesetzeskraft."69 Damit geht Ivo den Theoretikern des weltlichen Rechtes voran. Zu Gratian nur wenige Worte. Einerseits verlangt sein Dekret eine eigene Untersuchung unter dem Aspekt unseres Themas, andererseits aber rückt er, soweit ich sehe, ganz in die hier skizzierte Entwicklung ein, so daß es erlaubt sein mag, ihn im Augenblick nur zu streifen. Zudem hat Sten Gagnér bereits das Wichtigste hervorgehoben. Er wies dabei besonders auf den traditionalistischen Zug des Dekretes hin, der sich unumwunden in dem Satz dokumentiert : „Es wäre lächerlich und schändlich, wollten wir die seit alters von den Vätern empfangenen Traditionen antasten lassen." Daneben aber steht der auf dem Hintergrund der hier geschilderten Entwicklung als vorwärtsweisend zu begreifende Satz, daß alles kirchliche oder weltliche Recht, das dem Naturrecht widerspreche, abzuschaffen sei. Der Gefahr, dabei die Balance zu verlieren, entging Gratian durch sein festes Vertrauen, daß sich Tradition und Naturrecht im Einklang befänden, sich also gegenseitig stützten. Und weiterhin gab neben dem Satz, daß lange Geltung eine Gewohnheit zur „lex" mache, der andere, daß „nécessitas" Rechtsveränderung rechtfertige, dem Recht bei Gratian jenes Maß der Mobilität, das es bei Gratians Zeitgenossen bereits gewonnen hatte 60 . 59
Ebd., col. 58 C: „Nec t a n t u m hoc in ecclesiasticis observandum est regulis (sc. der Satz von der ratio utilitatis im Reçht, die hier speziell als vom Papst gehandhabt auftritt), sed etiam in ipsis legibus. De venerandis legibus legitur Romanis: Quodcumque imperator per epistolam constituit, vel cognoscens decrevit, vel edicto praecepit, legem esse constat. Hae sunt, quae constitutiones appellantur. Plane ex his quaedam sunt quae personales appellantur, quae nec ad exemplum trahuntur, quoniam nec hoc princeps vult." (Privilegien, Indulgenzen usw.) Gagner: Studien, a. a. O. (Anm. 2), S. 181, 182ff., 189, 216, 276, 278. Einige der dortigen Belege aus Gratians Dekret (ed. A. Friedberg. Leipzig 1879. I n : Corpus Iuris Canonici. Pars prior) Dist. V pars 1 § 1, col. 7: „Naturale ius inter omnia primatum obtinet et tempore et dignitate. Cepit enim ab exordio rationalis creaturae, nec variatur tempore, sed immutabile permanet." Vgl. Dist. I X c. 11, col. 18, wo für alle Fälle, in denen kirchliche oder weltliche Rechtsbestimmungen im Widerspruch mit dem Naturrecht stehen, die Aufhebung dieser Bestimmungen vorgeschrieben wird. — Dist. X I I c. 5, col. 28: „Ridiculum est, et satis abominabile dedecus, u t traditiones, quas antiquitus a patribus suscepimus, infringí patiamur." — Dist. X I c. 7, col. 25: „Mos populi Dei et instituta maiorum pro lege tenenda sunt." — Dist X I I c. 11 pars 2, col. 30: „Hoc autem de consuetudine illa intelligendum est, quae vel universalis ecclesiae usu vel temporis prolixitate roboratur . . . " — Dist. X I c. 1 et 4, col. 23f. : „Usus auctoritati cedat. . . . Consuetudinis ususque longaevi non vilis auctoritas est : verum non usque adeo sui valitura momento, u t a u t rationem vincat, a u t legem scriptam." Causa X X V qu. 1 c. 6, col. 1008 (Papst Urbanus) : „Sunt quidam dicentes, Romano Pontifici semper licuisse novas condere leges. Quod et nos non solum non negamus, sed etiam valde affirmamus. Sciendum vero summopere est, quia inde novas leges condere potest, unde Evangelistae aliquid nequaquam dixerunt. Ubi vero aperte Dominus, vel eius Apostoli, et eos sequentes sancti Patres sententialiter aliquid diffinierunt, ibi non novam legem Romanus Pontifex dare, sed pocius quod praedicatum est usque ad animam et sanguinem confirmare debet." — Zu Gratians Naturrechts-Begriff Mario Composta:
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Wir wenden uns nun wieder dem Kompetenz- oder Instanz-Problem zu, um seine Entwicklung nach Gregor VII. wenigstens anzudeuten. Im 11. Jahrhundert hatte die Konkurrenz zwischen Papsttum und Kaisertum begonnen, die sich durch das 12. und 13. Jahrhundert fortsetzte. Da der Aufstieg des Papsttums u. a. Aufstieg zum Gesetzgeber war und als Vorbild dazu das spätantike Kaisertum genommen wurde, da zudem die Rechtstheorie in steigendem Maße sich in der Frage der Rechtsfortbildung auf das Instanzenproblem verwiesen sah, geschah die Konkurrenz unter anderem als Konkurrenz um das Gesetzgebungsrecht. Das Gewicht dieses Konkurrenzpunktes wird dann deutlich, wenn man seine Verquickung mit dem Souveränitätsproblem beachtet. Der „legum conditor" steht über dem Gesetz, was aber voraussetzt, daß er niemanden über sich hat, der Gesetz setzen kann, außer Gott. Diese Verknüpfung von Gesetzgeber und Souveränität ist in etwa von Otto von Freising im Widmungsbrief der Chronik an Friedrich Barbarossa formuliert worden. Als einzige weltliche Personen seien die Könige „supra leges" und allein den ,,leges divinae" unterworfen; sie seien es, die außer Gott niemanden über sich (supra se) haben 61 . Dieser Brief wurde 1157 geschrieben. Im Jahre darauf hielt der Kaiser in Roncaglia eine große programmatische Rede, die noch ganz auf Rechtswahrung und Immobilität abgestimmt war 62 . Als Sprecher der dieser Rede applaudierenden Versammlung erhob sich der Erzbischof von Mailand und trug dem Kaiser, aus dem Justinianischen Corpus zitierend, das volle Gesetzgebungsrecht des „princeps" an: „Scias itaque omne ius populi in condendis legibus tibi concessum. Tua voluntas ius est, sicut dicitur (Inst. I, 2, 6) : Quod principi placuit, legis habet vigorem, cum populus ei et in eum omne suum imperium et potestatem concessit. Quodcumque enim imperator per epistolam constituent vel cognoscens decreverit vel edicto preceperit, legem esse constat. Profecto (Dig. L, 17, 10) secundum naturam est, commoda cuiusque rei eum sequi, quem sequuntur incommoda, ut videlicet omnibus debeas imperare, qui omnium nostrum sustines onera tutelae." 63 Il diritto naturale in Graziano.Bologna 1954. In: Studia Gratiana 2. 61 Ottonis Episcopi Frisingensis Chronica. Ed. A. Hofmeister. Leipzig—Hannover 1912. In: Mon. Germ. hist. (Schulausgabe). S. If. 62 Ottonis et Rahewini Gesta Foderici I. Imperatorie. Ed. G. Waitz-B. von Simson. Leipzig—Hannover 1912. In: Mon. Germ. hist. (Schulausgabe), (Script, rer. Germ. 46). Lib. IV c. 4, S. 236 — Kernsatz: „Nos tarnen regium nomen habentes, desideramus potius legitimum tenere imperium et pro conservanda cuique sua libertate et iure, quam, ut dicitur (Sallust, lug. 31, 26), omnia impune tacere, hoc est regem esse, per licentiam insolescere et imperandi officium in superbiam dominationemque convertere." (ab: ,imperandi officium' vgl. Sallust, Cat. 6, 7.) «3 Ebd., Lib. IV c. 5, S. 239.
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Was immer der Kaiser und seine engere Umgebung davon aufgenommen haben mögen, Ivo von Chartres hatte bereits die Ulpianische Formel in seinem „Prolog" vorgetragen, Otto von Freising war auf dem Wege dorthin, und Rahewin empfand des Erzbischofs Rede als so bedeutsam, daß er sie — und gerade die Digestenzitate — dem Wortlaut nach übernahm. Man weiß, wie in der staufischen Publizistik, in den Diplomen und schließlich in der legislatorischen Tätigkeit Friedrichs II. diese Ideen weitergewirkt und sich ausgebreitet haben. Für Friedrich II. möchte ich auf den in Kürze erscheinenden Aufsatz von Gunther Wolf: Kaiser Friedrich II. und das Recht, verweisen64. Dem staufischen Kaisertum und dem Papsttum trat als Konkurrent das französische Königtum entgegen. Auch dieses Königtum verband mit seinem Streben nach Souveränität das Streben nach legislatorischer Gewalt. Die von ihm später benutzte Urkundenformel „car tel est nostre plaisir" war nur eine Anwendung der Ulpianischen Formel „quod principi placuit legis habet vigorem". Die juristische Theorie erhob mit der Formel „rex imperator in terra sua" implizit jeden König zum „legum conditor", und die Gesetzgebungsgewalt stieg weiter zu den Landesherren und den städtischen Magistraten hinab. So wuchs die Zahl der „legum conditores", der berechtigten Rechtsveränderer an. Währenddessen prägte sich, wie Gagnér gezeigt hat, diejenige spezielle Formulierung des Modells vom festen Rechtskern und dem wandelbaren Rechtsteil aus, die unterschied zwischen „ius naturale" und „ius positivum". Sie löste die patristische Formel „traditio-consuetudo" oder „veritas-consuetudo" ab. Das Wort „traditio" wird eliminiert. Weil aber für das Selbstverständnis der führenden Gruppe in der Kirche, Papsttum und Episkopat, „traditio" eine tragende Vorstellung und Forderung blieb, mußte hinfort versucht werden, „traditio" an „ratio" und „ius naturale" rechtfertigend zu messen, wie in der Theologie Glaube als mit dem Wissen übereinstimmend erwiesen werden mußte. Das Konkordanzproblem wurde immer aufdringlicher. Gratian hat es noch, sozusagen naiv, auf einen Konflikt zwischen Naturrecht und kirchlicher Satzung ankommen lassen. Thomas v. Aquin hat das Anrühren der Möglichkeit eines solchen Konfliktes peinlich vermieden 65 . Während Papsttum und Kaisertum und französisches Königtum in heftiger Konkurrenz gegeneinander standen, während die Lehre vom „ius naturae" und „ius positivum" das Problem der Wandelbarkeit des Rechtes zugunsten der Wandelbarkeit neu aufgriff, steigerte sich, 64 65
In: Zeitschr. d. Savigny-Stift. f. Rechtsgesch., Germ. Abt. Gagner: Studien, a. a. O. (Anm. 2), S. 189.
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in Theologie und Geschichtsschreibung Niederschlag findend, das Selbstbewußtsein der Gegenwart. Nach wie vor zwar dachte man sich eschatologisch am Ende der Zeiten, erwartete man den vorgezeichneten Anbruch der großen Veränderung im Endakt der Geschichte, aber immer wieder wollte man an der Veränderung selbst teilhaben. Die monastischen Reformer des 12. Jahrhunderts sahen die asketische Bewegung ihrer Zeit als Teil der anbrechenden Veränderung. Otto von Freising, dem „mutatio" Teil des Bösen blieb, ließ den vollkommenen Asketen wenigstens in Form des Vorgeschmacks teilnehmen an der erst kommenden radikalen Neuerung, der Kirche in der Ruhe Gottes. So wurde die große Neuerung doch bereits ins Diesseits hereingespiegelt. Joachim von Fiore konzipierte wie Anselm von Havelberg, aber noch dezidierter, die Geschichte als Fortschritt vom Rudimentären zum Optimum. Eine Parallele zur juristischen Theorie und ihrer immer deutlicheren Betonung der „ratio" ist bei Joachim wie schon bei Anselm von Havelberg die Auffassung des Fortschrittes als Erkenntnisfortschritt. Nur bleibt bei Joachim und auch noch bei seinen Benutzern unter den Franziskaner-Spiritualen der Fortschritt in die Hand Gottes gelegt; der Mensch kann nur Gottes Handeln abwarten und sich auf die Veränderung vorbereiten. Was hier „fehlt", ist aber in der Rechtstheorie bereits vorhanden: Der Mensch wird selbst Täter des inzwischen zu positiver Einschätzung gelangten Neuen, der Mensch, soweit er „legislator", „imperatoi legibus solutus", „princeps" mit gesetzkräftigem Willen, „rex imperator in terra sua", „papa in territorio suo" ist. Es ist nicht nur aus der eschatologischen Tradition, sondern mehr noch aus der sozialen, politischen und rechtlichen Situation der Ordensleute wie Joachim verständlich, daß sie nicht an der theoretischen Ausrüstung der aktiven Veränderer arbeiteten; denn sie gehörten nicht zum Kreise derjenigen, die damals noch allein Veränderer sein konnten, zum Kreis der Legislatoren. Aber Geschichte aus Sehnsucht als Fortschritt konzipieren, das konnten sie auch bei aller Machtlosigkeit und allem Mangel an Kompetenz zu aktiver Veränderung. Ein gleiches gilt von den häretischen Bewegungen der Zeit. Und doch näherten sich beide Vorstellungen — aktive Rechtsveränderung und passive Heilszeiterwartung — einander. Die Joachiten aller Schattierungen erwarteten einen Führer in die neue Heilszeit, der stets aus dem Kreis der Legislatoren genommen wurde, einen Heilspapst oder einen Heilskaiser. Sie selbst kämpften nicht; sie projizierten den Wunsch nach Taten aber auf einen Führer. Noch hüten sie sich, zu Ende zu denken, was in der hier von uns geschilderten rechtstheoretischen Entwicklung sich zum ersten Male im Abendland als Möglichkeit eröffnet hatte: Revolution. Der immer noch mächtige Traditionalismus und Consuetudinalismus konnte Auf-
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lehnung gegenüber der bestehenden Ordnung nur als Rebellion verstehen ; Aktion kann nur im Rahmen des bleibenden Rechts geschehen. Die grundsätzliche Bejahung von Neuerung und die Anheimstellung der Rechtsveränderung an die „ratio" eines Gesetzgebers machen demgegenüber Revolution möglich, Revolution als Setzung einer grundlegend neuen Rechtsordnung gegen eine alte. In den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts sehen wir Fra Dolcino dem Konzept der Revolution bereits ganz nahe, wenn er auch die Erstellung der neuen Ordnung — übrigens aus der Aporie der Konstruktion alt-neu einschließlich der Liquidierung der Gegner — noch einem dritten Friedrich, dem von Sizilien, überlassen wollte. Die Taboriten haben dann die Aktion selbst in die Hand genommen 66 . Zum Schluß noch einige Ausblicke, die die hier von ihren dünnen und unsicheren Anfängen verfolgten Linien dort zeigen, wo sie kräftig und sicher geworden sind und alle Deutlichkeit auch hinsichtlich ihrer Konsequenzen besitzen. Thomas von Aquin führte die Naturrechtslehre auf einen ersten Höhepunkt. Naturrecht baut bei ihm auf auf „prima principia", aus welchen „derivatae conclusiones" wandelbarer Art gefolgert werden. Recht wird so logischen Strukturen unterworfen, eine Kunst der Folgerung aus Prinzipien. Verschleiert bleibt nur, daß auch diese Prinzipien nicht schlechthin vorhanden sind, sondern „erfunden" werden. Das gibt der Sache den Anschein fester außermenschlicher Gründung, während in Wirklichkeit die Naturrechtslehre ein Freibrief für die Manipulierung von Recht ist. Ferner zog Thomas, wie schon Damasus 1215 in der Vorrede zu seiner Summa titulorum, alle menschliche Satzung total in den Bereich der Mobilität 67 , da nur die göttliche, nicht die menschliche Natur unwandelbar sei und nichts Menschliches außerhalb des Wandels liege. Es wandelt sich dabei nach Thomas nicht nur die Situation der Zeit, die Verhältnisse, sondern es wandelt sich die „rectitudo", das Rechte selbst. Recht wird damit veränderlich bis in seine Prinzipien hinein, soweit diese Prinzipien menschlichen Denkens sind. Die Willkür zu bannen, die sich damit erheben könnte, hält Thomas an der „necessitas" als Anstoß zur Rechtsveränderung fest. Aber auch hier wird nur etwas verschleiert, daß nämlich „necessitas" eine Sache der Interpretation ist. „Necessitas" entsteht auch, wenn sich nicht die Dinge, sondern nur die Ansichten ändern. 66 Vgl. außer B. Töpfer F. W. N. Hugenholtz : Opstand en Revolutie in de Middeleuwen. In: Danewerk, Opstellen aangeboden an Prof. Dr. D. Th. Enklaar ter Gelegenheid van zyn 65 Verjaarsdag. Groningen 1959, mit niederländischem Material. 67 Damasus: Vorrede zur Summa Titulorum, gedruckt bei E. A. Th. Laspeyres: Summa Bernardi. Regensburg 1860 (Neudr. Graz 1956). S. 353f.; siehe Gagner: Studien, a. a. O. (Anm. 2), S. 231f.; St. Kuttner: Repertorium der Kanonistik. Prodromus corporis glossarum I. Citta del Vaticano 1937. S. 393ff.
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Schließlich wird bei Thomas bewußt, daß Rechtsveränderung Zukunftsgestaltung und nicht nur Gegenwartsregelung ist: „Legislators iudicant in universali et de futuris." 68 Gerade also die Naturrechtslehre bringt Recht in Bewegung und in Abhängigkeit vom jeweiligen Legislator. Sie setzt den Legislator frei für die Gestaltung der Zukunft, im Grunde damit auch frei von der Rechtfertigung der Rechtsveränderung durch „necessitas" der Gegenwart. Rechtsveränderung kann produktiv, Sache freier Zukunftsplanung werden. Gegengewicht blieb faktisch das ganze Mittelalter hindurch die Tradition. Aber die Theorie des hohen Mittelalters schon hat sie angebrochen und die Rechtstheorie an der Tradition vorbeigeführt. Der Weg zur Vernunftordnung wird frei, die den Utopisten vom 16. Jahrhundert an zum Vernunftstaat wird, zu dessen „Humanität", wie bei Thomas Morus, zwar das Christentum die „perfectio" bringen soll — aber das wird dann nicht mehr beschrieben, weil es nicht geht; es bleibt geglaubtes aber leeres Wort. In den achtziger Jahren des 13. Jahrhunderts stellte Aegidius Romanus den Papst in der unverfälschten Pose des spätantiken Imperators dar: „Es steht in der Kompetenz des ,summus pontifex', Gesetze zu setzen und zu erlassen für alle kirchlichen Personen und die ganze Kirche. Er steht nämlich über diesen Gesetzen (supra huiusmodi leges)." Damit diese These in der ganzen gemeinten Radikalität verstanden werde, fügte Aegidius hinzu: „Er hat die ,plenitudo potestatis', daß er außerhalb der Gesetze handeln kann (ut possit agere praeter leges)." 69 So ist der Papst als Weltlegislator aller Bindungen wenigstens des positiven Rechtes ledig. 68
Zu Thomas von Aquin siehe Gagner: Studien, a. a. O., S. 187, 207ff., 260, 263, 275, 276ff., 279, 282. Einzelne Stellen: Summa contra gentiles. Ed. Marietti. Rom 1961. Lib. III c. 123. Vol. 3, S. 184: ,,Leges autem positae oportet quod ex naturali instinctu procédant, si humanae sunt: sicut etiam in scientiis demonstrativis omnis humana inventio ex principiis naturaliter cognitis initium sumit." (vgl. Gagner: Studien, a. a. O., S. 194ff., zur Vorgeschichte). — Summa theologiae I a II ae . Qu. 97 a. 1 ad 3, De mutatione legum: „Sed rectitudo legis dicitur in ordine ad utilitatem communem, cui non semper proportionatur una eademque res, sicut supra dictum est. Et ideo talis rectitudo mutatur." Ebd., corp. art. (Gesetze werden geändert) : ,,Εχ parte quidem rationis, quia humanae rationi naturale esse videtur ut gradatim ab imperfecto ad perfectum perveniat. . . . Ex parte vero hominum, quorum actus lege regulantur, lex recte mutari potest propter mutationem conditionum hominum, quibus secundum diversas eorum conditiones diversa expediunt." Ebd., ad 2: ,,Sed in rebus mutabilibus non potest esse aliquid omnino immutabiliter permanens. Et ideo lex humana non potest esse omnino immutabilis." — I® II ae . Qu. 97 a. 2 ad 2: ,,. . . leges sunt mutandae, non tarnen pro quacumque melioratione, sed pro magna utilitate vel necessitate." I a II ae . Qu. 95 a. 1 ad 2: ,,. . . legislatores iudicant in universali et de futuris . . . " 69 Aegidius: De ecclesiastica potestate. Ed. R. Scholz. Weimar 1929. S. 195. Vgl. Meulenberg: Der Primat . . ., a. a. O. (Anm. 38), S. 102; Gagner: Studien, a. a. O. (Anm. 2), S. 286f.
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Das erste Drittel des 14. Jahrhunderts sah auch den Kaiser, den Typus für die inzwischen vielköpfig gewordene Gruppe der weltlichen Legislatoren, gleichsam auf offener Szene die legislatorische Majestät Justinians üben. In großem Staatsakt publizierte Ludwig der Bayer auf dem Petersplatz das von ihm gesetzte neue Recht 70 . Der Kanonist Nicolaus de Tudeschis, der Schule unter dem Namen Panormitanus bekannt, faßte in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts prägnant als Rechtsgrundsatz zusammen — und die weitere Jurisprudenz akzeptierte das —, was wir in seinen abendländischen Anfängen gezeigt haben: „ratio anima legis." 71 Was früheren Zeiten Rechtsveränderung zu erlauben schien — „necessitas temporis", „veritas" —, das ist dem menschlichen Urteil, der menschlichen Vernunft anheimgestellt. Die zuerst von Cyprian in diesen Zusammenhang eingeführte, dann lange ausgeklammerte und von Gerbert von Aurillac wieder hereingenommene „ratio" hat in der Formel des Panormitanus die Alleinherrschaft gewonnen. In des Marsilius von Padua Defensor facis ist die große Figur, von der die Ordnung ausgeht, der „legislator humanus", nicht Gott, nicht ein mythischer oder legendärer Gesetzgeber der Vorzeit, sondern der jeweils gegenwärtige Souverän. Versuchen wir, ein Fazit zu ziehen. Der Gang der Dinge, wie wir ihn sehen und zu schildern versucht haben, war das Herunterholen des Rechtes aus einer unantastbaren göttlichen Sphäre in die menschlicher Verfügung. Es war die Übergabe der Kompetenz, neues Recht zu setzen, zunächst an einen, dann an zwei, dann an viele Gesetzgeber. Zugleich wurde der Sektor des veränderbaren Rechtes immer mehr erweitert, während der des unwandelbaren Rechtes immer mehr eingeengt wurde. Der Kern schrumpfte zusammen von Gesetz und Propheten und Evangelium und Patres und altem Recht auf die der Interpretation bis in den letzten Winkel ausgesetzten Prinzipien des Naturrechtes, veränderte sich dabei von einem historischen zu einem systematischen Kern. Diese Tendenz war bestimmt durch das Erwachen und schnelle Erstarken der „ratio" seit dem letzten Viertel des 10. Jahrhunderts. Recht, am Anfang über allem Urteil der jeweiligen Gegenwart, gerät unter die „ratio" und damit in die Verfügung der Gegenwart für die Zukunft. Anders ausgedrückt: „Ratio", bei Gerbert erst nur Instrument des Rechtsverständnisses, wird zur Seele des Rechtes selbst. Recht, einmal Norm über allem Handeln, gerät als Mittel in die Hand des Handelnden. Das waren die extremen neuen Möglichkeiten. Die abendländische Jurisprudenz hat Großes geleistet, auf Jahrhunderte hinaus die Ex70 71
H. Fichtenau: Arenga. A. a. O. (Anm. 9), S. 179. H. Krause: Cessante causa cessât lex. A. a. O. (Anm. 56), S. 88 und 96ff.
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treme zu verhindern, aber sie ist vom Ansatz und damit vom Problem nicht mehr losgekommen. Die geschilderte Entwicklung der Rechtstheorie ging einher mit der (ebenfalls ohne das Erstarken der „ratio" unverständlichen) abendländischen Emanzipation der Gegenwart von der Vergangenheit und der Hinwendung zur Zukunft. Rechtsveränderung erhielt dadurch zeitweise eine eigentümliche Dynamik, Zukunftsentwurf wurde Rechtsentwurf bis zur rationalen juristisch-politischen Utopie. Es gibt auch in diesem Felde keinen Graben zwischen Mittelalter und Neuzeit, sondern eine recht feste Kontinuität, begründet in den unveränderten Problemstellungen und Prinzipien des Ansatzes, dem Fortleben der Modelle zur Lösung der Probleme, den aus beiden folgenden gleichen Aporien (wozu Gagnérs Buch reichliches Material bietet). Es zeigt sich ferner die mittelalterliche Herkunft der abendländischen Mobilität oder Dynamik. Diese Dynamik hat sich mit der Entfaltung abendländischen Denkens unter Führung der „ratio", der Entfaltung der abendländischen Wissenschaften, auf immer weitere Gebiete ausgedehnt und allmählich den anderen Pol, den des Beharrungswillens, des Traditionalismus, der normativen Vergangenheit, geschwächt. Die Spannung zwischen diesen beiden Polen ist Binnenspannung des Abendlandes vom hohen Mittelalter an und nicht Spannung zwischen Mittelalter und Neuzeit.
D E R „HONOR I M P E R I I " ALS SPANNUNGSFELD VON L E X UND SACRAMENTUM IM HOCHMITTELALTER V o n GUNTHER W O L F
I. Im Jahre 1940 veröffentlichte Peter Rassow „in einer breit begründeten Auseinandersetzung"1 mit Heinz Zatscheks zehn Jahre zuvor erschienener Abhandlung2 über den Konstanzer Vertrag von 1153 seine umfassende Studie über Die neue Politik Friedrich Barbarossas 1152—1158, der er den Obertitel Honor imperii gab3. Er hat nach seinen Darlegungen diesen Obertitel nicht ohne Grund gewählt: „Unter Heinrich V. war ein Ansatz zur Juristifizierung von kaiserlicher Seite gemacht worden, insofern es gelang, für den kaiserlichen Anteil an der Investitur die juristische Form der Verleihung des Zepters zu finden. Auf dieser Linie ist Friedrich fortgeschritten. Zum juristischen Zentralbegriff seiner Reichspolitik erhob er den .honor imperii'. Ihn in dem Konstanzer Vertrag mit dem Papst rechtlich zu verankern, war seine erste politische Tat. Wenn wir diesen Schritt in der Entwicklung der Ideen vom Investiturstreit her betrachten, so war es ein Schritt nach vorwärts, nicht nach rückwärts" 4 , schreibt Rassow, und weiter: „Friedrich . . . hat offenbar als moderner Mensch seiner Zeit gerade in der Juristifizierung seiner Politik den entscheidenden Vorteil auch für sich gesehen. Denn in dem ,honor imperii' des Vertrages, dem Hoheitsrecht des Reiches und der Bindung des Papstes an die Erhaltung und Ausgestaltung dieses Hoheitsrechtes glaubte er eine Waffe geschmiedet zu haben, mit der er sich im Konfliktsfalle siegreich durchsetzen könne" 5 . Ich darf die hier interessierenden drei Thesen bezüglich des „honor imperii" zusammenfassen: 1. Rassow zentriert dabei auf den Begriff des „honor imperii" die gesamte Politik der ersten Zeit Friedrich Barbarossas, 2. er faßt weiter den Begriff als „Hoheitsrecht" 6 , als So Rassow selbst (vgl. Anm. 3), S. 8. H. Zatschek: Beiträge zur Geschichte des Konstanzer Vertrags vom Jahre 1153. In: Sitzungsber. d. Ak. d. Wiss. in Wien 210, 3 (1930). 3 P. Rassow: Honor imperii. Die neue Politik Friedrich Barbarossas 1152—1159. Durch den Text des Konstanzer Vertrags ergänzte Neuausgabe. Wiss. Buchges. Darmstadt 1961. Diese Ausgabe wurde im folgenden benutzt. 4 Ebd., S. 91. 5 Ebd., S. 91 f. 6 Ebd., S. 91 unten. 1 2
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„politischen Rechtsanspruch" 7 , also als Manifestierung der auch sonst feststellbaren Juristifizierung und interpretiert ihn somit gewissermaßen als „Vorläufer" von Roncaglia 8 , 3. sieht Rassow in dem Begriff ein politisches Novum, insoweit ihn Friedrich zum „juristischen Zentralbegriff seiner Reichspolitik" „erhoben" haben soll9. Damit impliziert Rassow Friedrichs I. Herrscherauffassung, sie sei (um mit einem von E. Kantorowicz 10 geprägten Begriff zu sprechen) wohl eindeutig ,,law-centered" gewesen, auf die „lex" gegründet. Diese Gesamtinterpretation Rassows hat weitgehend Zustimmung gefunden. Robert Holtzmann 11 , Friedrich Baethgen 12 , ja selbst — mit verständlicher Einschränkung — Heinz Zatschek 13 pflichteten Rassow bei. Allein Herbert Grundmann 14 hat in seiner ausführlichen Rezension schon bald, vor nunmehr 25 Jahren, bei aller Würdigung der Untersuchungen Rassows zu den Anfängen der Politik Friedrichs I. insgesamt, schwerwiegende Bedenken gegen die oben dargelegten drei Thesen erhoben : „Dieser Überblick über die Anfänge Friedrichs I. bleibt auf jeden Fall sehr lehrreich, lesenswert und anregend, auch wenn die vermeintlich damit begründete Auslegung des Konstanzer Vertrags, die sich auf eine Deutung des Begriffs ,honor imperii' zuspitzt, sich nicht als stichhaltig erweist" (zu These l) 16 . Weiter: „Der Begriff ,honor regni' oder ,imperii' war ja überhaupt keineswegs neu geprägt ; er hatte eine große Rolle gespielt in der Auseinandersetzung zwischen Papsttum und Kaisertum im Investiturstreit, dessen Dokumente nach Zatscheks von Rassow übernommenem Nachweis zum Teil dem Konstanzer Vertrag zugrunde lagen" (zu These 2)16, und zur 3. These: „Man darf daher schwerlich in diesen vieldeutig unbestimmten Begriff alles das hineinlesen, was Friedrich I. unter der Parole einer .Wiederherstellung des Reichs' verfocht. Wenigstens wurde es damit gerade nicht ,juristi7
Ebd., S. 60. Ebd., S. 92 oben. B Ebd., S. 91 Mitte. 10 E. H. Kantorowicz : The kings two bodies. A study in mediaeval political theology. Princeton (New Jersey) 1957. 11 R. Holtzmann: Rezension zu Rassow: Honor imperii. In: Deutsches Archiv f. Gesch. d. Mittelalters 4 (1941) 596 f. Vgl. auch G. Tellenbach: Rezension zu Rassow. In: Zeitschr. d. Savigny-Stift. f. Rechtsgesch., Germ. Abt. 62 (1942) 441. 12 F. Baethgen in: K. Hampe: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. 10. Aufl. bearb. von F. Baethgen. Heidelberg 1949. S. 154. 13 H. Zatschek: Rezension zu Rassow. In: Mitt. d. öster. Inst, für Geschichtsforschung 54 (1942) 543—545, bes. 545 oben. 14 H. Grundmann: Rezension zu Rassow. In: Hist. Zeitschr. 164 (1941) 577ff. Rezension zur Neuauflage von G. Opitz in: Deutsches Archiv f. Gesch. d. Mittelalters 18 (1962) 600. Vgl. jetzt auch H. Appelt: Die Kaiseridee Friedrich Barbarossas. In Sitz. Ber. Wien Bd. 252 Abh. 4. Wien 1967. S. 22. Anm. 51. 15 Grundmann, a. a. O., S. 578. 16 Ebd., S. 580. 8
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fiziert, handhaft gemacht, konkretisiert' " 17 . Damit waren die gesamten Ausführungen Rassows zum Begriff des „honor imperii" in Frage gestellt; eine eingehende Diskussion dieses wichtigen Begriffs hätte folgen müssen. Sie fand bis heute nicht statt. Ich möchte sie mit den folgenden Ausführungen, die damit als Versuch gekennzeichnet sein mögen, in Gang zu setzen versuchen 18 . II. Wenden wir uns zunächst der eigentlichen Beweisführung Rassows zur Interpretation des Begriffs „honor imperii" zu. An der entscheidenden Stelle steht 19 : „Die Antwort [auf das Objekt päpstlicher Rechtshilfe] kann nur in der Interpretation des Wortes ,honor imperii' liegen. Und dieses Wort ist vieldeutig genug. Kehr sagt, ,honor' bedeute im älteren Mittelalter alles: die Ehre, das Recht, den Besitz, das Lehen, den Anspruch. An unserer Stelle ist es nur zu deuten als politischer Rechtsanspruch in einer Ebene, wo die päpstliche Bannsentenz in Verbindung mit der kaiserlichen Reichsgewalt treten konnte." In den genannten Anmerkungen zitiert Rassow Paul Kehr 20 in einer Äußerung von 1934 und Dietrich Schäfer 21 in einer Abhandlung von 1921. Was bieten nun diese Zitate ? Kehr äußert sich über die Bedeutung von „honor" im Privileg Anaclets II. für Roger II. vom 27. Sept. 1130 ausgesprochen vorsichtig und zurückhaltend: „Was unter .honor Neapolis' zu verstehen sei, ist so einfach nicht zu sagen, da das Wort .honor' im älteren Mittelalter alles bedeutet: die Ehre, das Recht, den Besitz, das Lehen, den Anspruch" 22 . Anschließend, wiederum zur Beweissicherung offenbar, beruft sich auch Kehr auf jenen Akademievortrag Dietrich Schäfers von 1921, auf den sich auch Rassow selbst beruft. In dieser Abhandlung nun, in der ein „Beitrag zum richtigen Verständnis des Wortes ,honor' geliefert werden" 23 soll, bringt Schäfer 17
Ebd., S. 581. Die vorliegende Arbeit ist die unveränderte, lediglich um die Nachweise ergänzte Fassung eines auf der 15. Mediävistentagung am 24. September 1966 in Köln gehaltenen Referats. Anderweitige Aufgaben haben mich gehindert, die Arbeit, was wünschenswert gewesen wäre und von mir beabsichtigt war, unter Heranziehung möglichst des gesamten, umfangreichen Quellenmaterials auszubauen. So muß, bis mir oder einem anderen dies möglich ist, der Versuchscharakter der Studie bestehen bleiben. 19 P. Rassow: Honor imperii. A. a. O. (Anm. 3), S. 60 oben. 20 P. Kehr: Die Belehnungen der süditalienischen Normannenfürsten durch die Päpste (1059—1192). In: Abhand. d. Preuß. Ak. d.Wiss. zu Berlin. Phil.-hist. Kl., 1934, Nr. 1. 21 D. Schäfer: Honor, citra, cis im mittelalterlichen Latein. In: Sitzungsber. d. Preuß. Ak. d. Wiss. zu Berlin. Phil.-hist. Kl., 1921. S. 372—378. 22 P. Kehr: Die Belehnungen, a. a. O., S. 40, Anm. 1. 23 So Schäfer selbst, a. a. O., S. 372. 18
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etwa drei Dutzend Belege für die von ihm unterstellte, in der TeilÜberschrift „Honor = Recht, Besitz, Lehen" 24 angeführte Bedeutung von „honor", deren ältester zum Jahr 859 gehört 25 . Dabei ist festzuhalten, daß sich selbst hier bei Schäfer die Wortverbindung „honor regni" seil, „imperii", aber auch „honor sacerdotii" schon für das 11. Jahrhundert nachgewiesen findet. Damit erscheint zunächst einmal die These von der Neuheit des Begriffs als solchen widerlegt, wenngleich wir einstweilen noch den Vorbehalt machen wollen, daß sich der Bedeutungsakzent verschoben haben könnte. Betrachten wir aber die von Schäfer zusammengestellten Belegstellen, so untermauern sie schon prima vista nicht alle die von Schäfer immer wieder apodiktisch postulierte Interpretation allein durch Begriffe der rechtlichen Sphäre, insoweit „staatliche Verhältnisse" 26 betroffen seien. Auf diesen Aufsatz Schäfers gründen Kehr und Rassow. Es leuchtet ein, daß, da der Begriff des „honor regni" seil, „imperii" offensichtlich schon früher vorhanden ist und an zentraler Stelle Verwendung findet, die Bedeutung von „honor" in der Tat wesentlich ist. Dabei möchte ich bei der Betrachtung und Untersuchung mit Schäfer die Belegstellen mit eindeutiger Bedeutung von Amt und Ehre im inneren Sinne des „honestum" ausscheiden27. Ich möchte aber auch alle im Plural stehenden „honor"-Steilen außer acht lassen, da sie, soweit ich sehe, alle der Amts- oder doch eindeutig der Rechtsbedeutung zuzurechnen sind (Schäfer macht da zwischen Singular- und Pluralstellen keinen Unterschied), und alle Anrede-Belege („honor tuus", „honor vester"), deren Zahl — allerdings unbeachtet bislang — Legion ist 28 . Freilich sei schon hier die Anmerkung gegenüber Schäfer gestattet, wie man denn in seinem Sinne „honor vester" übersetzen sollte. Etwa „Euer Recht!", „Euer Besitz!" oder „Euer Lehen!"? Es leuchtet ein, daß eine solche Übersetzung unmöglich ist ; es bliebe „Euer Ehrwürden!" oder „Euer Herrlichkeit!" als Anrede für Könige, Fürsten, Bischöfe29. Auch sei ausgeklammert jene Fülle der auch bei Schäfer u. a. gebotenen Belege, die, wie etwa „honor Musan" = das Lehen Mouzon oder „honor Montis saneti Angeli" = das Lehen Monte Gargano 30 usw., eindeutig dem Rechtsbereich in dinglicher 21 25 28 27 28
Ebd., S. 372. Ebd., S. 377 (Annales Fuldenses zu 859. In: Mon. Germ, hist., Script, rer. Germ. 7.) Ebd., S. 372. Vgl. dazu F. Maurer (unten Anm. 34), S. 344. Den Gebrauch der Anrede bzw. Titulatur zu untersuchen wäre sicher recht loh-
nend. 29 Z. B. Registrum Gregorii VII. In: Mon. Germ, hist., Ep. sel. II, 1 u. 2, Lib. I c. 16; Lib. III c. 14; Lib. IV c. 27; Lib. VI c. 29; Lib. I X c. 2 u. 8. 30 Schäfer, a. a. O. (Anm. 21), S. 377.
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Weise zugehören31. Hier ist Schäfers Befund ja auch unstreitig. Es bleibt aber eine große Anzahl von Stellen, deren Deutung durch Schäfer mir zweifelhaft scheint. Auch scheint es mir prima vista recht bedenklich, daß Schäfer einmal seine Belege weder chronologisch noch nach anderen erkennbaren Gesichtspunkten ordnet und zum andern für einen Nachweis eines Wortgebrauchs im gesamten Mittelalter doch eine recht bescheidene Auswahl von Belegstellen bietet32. Auch wird weder eine sprachliche noch inhaltliche Ableitung des lateinischen Begriffs „honor" 33 = Recht, Besitz, Lehen gegeben, noch ein Hinweis auf etwaige althochdeutsche oder mittelhochdeutsche Lemmata34. Wir müssen daher ab ovo versuchen, den Begriff des „honor imperii" (oder promiscue gebraucht: „regni", auch „regis" oder „imperatoris") zu klären. Dabei läßt sich schon ohne große Mühe, fast auf den ersten Blick feststellen, daß die Wortgruppe nicht erst seit dem Investiturstreit nachweisbar ist 35 . III. Zunächst aber sollen die Belege Schäfers betrachtet werden, die mir in der Bedeutung „Recht, Besitz, Lehen" zumindest zweifelhaft erscheinen. Die Salvierungsklausel im Papstwahldekret von 1059 „salvo debito honore et reverentia dilecti filii nostri Henrici . . ," 36 , den Eid Erzbischof Alberos von Trier von 1132 37 , der sich vor der königlichen Investitur vom Papst hatte weihen lassen und dann versichert, er habe es nicht „ad deminutionem regii honoris" getan, ähnliche Formulierungen bei Ekkehard von Aura38, auch die Fürstenerklärung von 1121 in Ebd., S. 377 f. Schäfer bringt insgesamt nur wenig mehr als 30 Belegstellen. 33 Für den Gebrauch von honor im römischen Recht u. a. H. G. Heumann: Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts. Bearb. von E . Seckel. 9. Aufl. Jena 1926. S. 237f. 3 4 Zum althochdeutschen und mittelhochdeutschen Begriff ,Ehre' u. a. F. Maurer: Tugend und Ehre. In: Wirkendes Wort 2 (1951/52) 72—80 (Abdr. in: Ges. Aufsätze. Bern, München 1963. S. 335ff.); E . Karg-Gasterstädt: Ehre und Ruhm im Althochdeutschen. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 70 (1948) passim; G. F. Jones: Honor in German literature. Chapel Hill 1959. passim. 35 Vgl. auch E . Ewig: Zum christlichen Königsgedanken im Frühmittelalter. In: Vorträge und Forschungen. Mainau-Vorträge 1954. Hrsg. Th. Mayer. Bd. 3. Wiss. Buchges. Darmstadt 1965. S. 34, besonders S. 59 mit dem Ansatz einer plausiblen Deutung. 36 Mon. Germ, hist.. Const. 1. S. 537ff. (Zitat S. 540); Schäfer, a. a. O., S. 372; vgl. auch H. G. Krause : Das Papstwahldekret von 1059 und seine Rolle im Investiturstreit. In: Studi Gregoriani 7 (1960) 271 ff. (Text), zur Stelle besonders S. 286ff. und 288ff. 37 Schäfer, a. a. O. (Anm. 21), S. 373 (Gesta Alberonis. In: Mon. Germ, hist., Script. 8. S. 250). 38 Schäfer, a. a. O., S. 373 (Ekkehardi Urangiensis chronica. In: Mon. Germ, hist., Script. 6. S. 260). 31
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Würzburg ,,ut in hoc [Investitur] regnum honorem suum retineat" 39 , ja selbst den Bericht Friedrichs II. an den Papst vom 13. Juli 1220 über die Königswahl Heinrichs (VII.) „donec super hoc sanum et utile consilium pro conservando honore imperii haberemus" und „Vestrum est, pater et domine, in absentia nostra de imperio curam et sollicitudinem obtinere, ut filius vester in honore seu dignitate sua nullum pati debeat detrimenti" 40 — alle diese Fälle mag man eben noch für die Bedeutung von „honor" = Recht gelten lassen, obwohl man das nicht erweisen kann. Wenn aber Schäfer den Schwur Ottos I. von 962 „Et numquam vitam aut membra ñeque ipsum honorem, quem nunc habes et per me habiturus eris, mea volúntate aut meo consensu aut meo Consilio aut exortatione perdes"41 als Sicherung von Leben, Leib und Besitz übersetzt, so vermag ich dem nicht zu folgen: Das „ipsum" wird unterschlagen! Gerade dieses „ipsum" aber macht, ohne daß ich irgendwelche Vorbilder dieser Stelle kenne, per se diese Stelle meines Erachtens zu einer Klimax wie einer Antiklimax. Ist es von einfacher menschlicher Sicht eine Antiklimax: Verlust des Lebens als Schlimmstes, Verstümmelung als weniger Schlimmes, Verlust des „honor" als relativ Erträglichstes — so ist es vom Geistlichen und vom kanonischen Recht her eine erkennbare Klimax: Verlust des Lebens als „minimum detrimentum", Verstümmelung und dadurch gegebenenfalls Verlust der Idoneität als „maius detrimentum", Verlust gar des „honor" als „maximum detrimentum"42. Jedenfalls drängt gerade durch das betonende „ipsum" alles in diesem Satz auf den „honor papae" hin als auf den Kern — und das sollte zur Zeit Ottos I. nun tatsächlich Besitz meinen? Ich möchte das schon hier einstweilen in Zweifel ziehen, den Lösungsvorschlag aber auf später verschieben, wenn noch mehrere ähnliche und vielleicht noch augenfälligere Stellen vorgelegt und behandelt sind. Bei der Ladung der Bischöfe nach Worms zum 15. Mai 1076 schreibt Heinrich IV.: „ut ita de alio in alium caritate tenderetur, dum nec sacerdotii regnum nec sacerdotium regni honore privaretur"43. Schäfer übersetzt wiederum „daß weder das Reich seines kirchlichen, noch die Kirche ihres Reichsrechts beraubt werde". Untersuchen wir aber gerade diese Stelle einmal genau, und gehen wir dabei streng philologisch vor : Von dem Satz „ut . . . tenderetur" ist ein durch die Konjunktion „dum" eingeleiteter bedingter Wunschsatz abhängig: „wofern nur Schäfer, a. a. O., S. 373 (Mon. Germ, hist.. Const. 1. Nr. 106, S. 158, Ζ. 26). Schäfer, a. a. O., S. 375 (E. Winkelmann: Acta imperii inedita Seculi 13. Bd. 1. Innsbruck 1880. S. 158). 41 Schäfer, a. a. O., S. 376 (Mon. Germ, hist., Const. 1. S. 21). 42 Vgl. P. Hinschius: Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland. Bd. 2. Berlin 1878. S. 446ff. 4 3 Schäfer, a. a. O., S. 374 (Mon. Germ, hist., Const. 1, S. 113). 39 10
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weder das ,regnum' des .honor sacerdotii' noch das ,sacerdotium' des ,honor regni' beraubt wird". Das heißt doch wohl, daß nach Heinrichs Meinung das „regnum" den oder vom „honor sacerdotii", das „sacerdotium" den oder vom „honor regni" hat. Damit aber sind wir genau an jenem Punkt, wo sich immer wieder der Begriff des „honor" findet: an der Grenzlinie von „regnum" und „sacerdotium" 44 . Dasselbe gilt etwa auch für den Bericht der Annales PatherbrunnensesiS: „Legati regis (Heinrichs V.) . . . omnem obedientiam salvo regni honore ex parte regis exhibentes. Papa regi remandat, nil ab eo se nisi que ad honorem ecclesie pertinent exigere." Ich möchte hier und noch mehr in der folgenden Stelle aus dem Schreiben Gregors VII. an die deutschen Fürsten vom Januar 1077 4 6 : „ . . . in his eum de nobis sperare dixerimus, in quibus eum ad salutem et honorem suum, aut cum iustitia aut cum misericordia, sine nostrae et illius animae periculo adiuvare possimus" „honor" nicht als Recht in irgendwelchem materiellen Sinne verstehen. Gerade im letzten Beleg scheint mir das die enge Verbindung von „salus" und „honor" einerseits, die „honor" aber chiastisch im Satzbau zugeordnete „iustitia" andererseits zu verbieten. Diese von Schäfer gebotenen Belege lassen sich jedoch vermehren. Neben einer Unmenge von Belegen der Bedeutungen, wie wir sie oben ausgeklammert haben, gibt es auch eine große Anzahl — wobei ich keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebe 47 — von einschlägigen „honor"-Stellen, oft — nicht nur — in herrscherlichen und geistlichen Schriftstücken. Die mir bekannten Belege sollen nun zuerst in einer gewissen Ordnung aufgeführt werden, und dann soll versucht werden, daraus, soweit das ohne eine umfassende und erschöpfende Materialsammlung möglich ist, gewisse Schlüsse zu ziehen. IV. 1. Die erste und bei weitem größte Gruppe von Belegen stellen die einfachen Verbindungen „honor regni", „honor imperii", „honor regis", „honor imperatoris", wobei sehr häufig, wie gesagt, der ab44 Siehe Anm. 36ff.; vgl. auch Hincmarus: De ordine palatii. In: Font. iur. Germ, ant. 3. Cap. 1, S. 7; Registrum Gregorii VII. A. a. O. (Anm. 29), Lib. I c. 9, S. 15, Ζ. 1; Mon. Germ, hist.. Const. 1. Nr. 121, S. 177; Ottonis et Rahewini Gesta Friderici I. imp. Lib. I l l c. 11. In: Mon. Germ, hist., Script, rer. Germ. 46. S. 178f. 45 Schäfer, a. a. O. (Anm. 21), S. 374 (Annales Patherbrunnenses. Ed. P. SchefferBoichorst. Innsbruck 1870. S. 112; Chronica regia Coloniensis. Ed. G. Waitz. Hannover 1880. S. 46). 48 Schäfer, a. a. O., S. 374 (Registrum Gregorii VII. Lib. IV c. 12. A. a. O. [Anm. 29], S. 314). 47 Es wäre, wie oben (Anm. 18) betont, sehr zu wünschen, daß das ganze Material, das recht umfangreich ist, aufgearbeitet würde.
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strakte Genetiv mit dem Konkretum austauschbar gebraucht wird48. Zeitlich finden sich besonders viele Belege bei Barbarossa 49 , sie sind im sonstigen 12. Jahrhundert etwas seltener 60 , im Zeitalter des Investiturstreits relativ häufig61, in frühsalischer und ottonischer Zeit wieder seltener62, in karolingischer Zeit recht häufig53. „Ob honorem regni" 54 , heißt es da, „omnia, que ad honorem imperii spectare videntur" 66 , oft auch in der Salvierungsklausel66, die sich für 48 Vgl. zur Austauschbarkeit auch H. Hoffmann: Die Krone im hochmittelalterlichen Staatsdenken. In: Festschr. H. Keller. Darmstadt 1963. S. 77. 49 Z. B. K. F. Stumpf-Brentano: Die Kaiserurkunden des 10., 11. und 12. Jahrhunderts. Innsbruck 1865—1883. Nr. 3927, 3939, 3937, 3957, 3960, 3965, 3998 (honor imperii); 3929, 3937 (honor imperatorie); 4849, 3919 (honor imperialis) und oft. Auch: Rahewin, a . a . O . (Anm. 44), Lib. I I I c. 11, S. 178f. ; Mon. Germ, hist., Const. 1. Nr. 137, S. 192; Otto von Freising, a . a . O . (Anm. 44), Lib. II c. 25, S. 127 ff.; Lib. I c . 69, S. 97f. 50 Z. B. Konrad III. (Stumpf-Brentano, a. a. O., Nr. 3599; Monumenta Boica 29, 1: Diplomata imperatorum authentica. München 1831. S. 307, Nr. 483; Mon. Germ, hist., Const. 1. Nr. 124, S. 179) ; König Ludwig VII. von Frankreich 1154/55 (A. Luchaire: Etudes sur les actes de Louis VII. Paris 1885. S. 398, Nr. 330); Lothar III. 1136 (Mon. Germ, hist., Const. 1. Nr. 176, S. 245ff.). 6 1 Z. B. Ph. J affé: Bibl. rer. Germ. 2: Monumenta Gregoriana. S. 535ff.; Bertholdi annales (a. 1076). In: Mon. Germ, hist., Script. 5. S. 283, Z. 5 u. 13; Registrum Gregorii VII. A . a . O . (Anm. 29), Lib. I c. 24, S. 40f.; Lib. I l l c. 10, S. 268ff.; Ep. Hann, (a. 1075). S. 18, Z. 12. Ed. H. Sudendorf: Berengarius Turonensis oder eine Sammlung ihn betreffender Briefe. 1850. (demnächst in: Mon. Germ, hist.: Hann. Briefsammlung); vor allem auch in: Die Briefe Heinrichs IV. Hrsg. C. Erdmann. Leipzig 1937. In: Deutsches Mittelalter 1. S. 26, Z. 2; S. 31, Z. 5; S. 31, Z. 10; S. 32, Z. 1; S. 34, Z. 10; S. 34, Z. 15; S. 35, Z. 20; S. 36, Z. 1; S. 45, Z. 5; S. 47, Z. 25; S. 48, Z. 20; S. 48, Z. 25; S. 49, Z. 30; S. 50, Z. 10, 15 u. 25; S. 52, Z. 1; S. 53, Z. 10; S. 54, Z. 15; S. 59, Z. 1; S. 61, Z. 20 (honor regis u. ä.) — S. 19, Ζ. 10; S. 20, Ζ. 10; S. 27, Ζ. 10; S. 32, Ζ. 5; S. 35, Ζ. 25; S. 44, Ζ. 15; S. 59, Ζ. 10; S. 60, Ζ. 5; S. 61, Ζ. 15; S. 62, Ζ. 1, 5, 15, 20, 25; S. 63, Ζ. 15; S. 64, Ζ. 5 (honor regni). Besonders interessant S. 15, Ζ. 10 (Nr. 12—1076 an Hildebrand), wo honor als Begriffsgegensatz zu confusio auftaucht. 5 2 Ζ. B. Vita Maximini Treverensis. In: Mon. Germ, hist., Script, rer. Mer. 3. S. 75, Ζ. 4; Annales Quedlinburgenses. In: Mon. Germ, hist., Script. 3. S. 68 (ad 991); Mon. Germ, hist., Dipl. reg. 4. Nr. 140, S. 190, Z. 25; Mon. Germ, hist., Dipl. reg. 5. Nr. 226, S. 300f.; Nr. 239, S. 318ff.; Nr. 248, S. 331 f.; Widukindi Corbeiensis rerum gestarum Saxonicarum libri tres. I n : Mon. Germ, hist., Script, rer. Germ. 60. Lib. I l l c. 74, S. 151. 53 Z. B. Mon. Germ, hist., Cone. 2 pars 2. S. 842, Z. 5 (a. 838) ; Poetae Saxonis annalium de gestis Caroli Magni imperatorie. In: Mon. Germ, hist., Poetae lat. 4, pars 1. Lib. IV Vers 309, S. 53; Lib. IV Vers 333, S. 54; Lib. V Vers 413, S. 65. 5 4 Diplomata Konrads II. In : Mon. Germ, hist., Dipl. reg. 4. Nr. 140, S. 190, Z. 25 (verunechtet!). 55 Vgl. auch Hoffmann, a. a. O. (Anm. 48), S. 77, der allerdings das juridische Moment m. E. zu sehr betont, freilich ohne die Begriffsgeschichte als solche zu erwägen. Dagegen sieht er den Zusammenhang mit corona wohl richtig. Das aber hätte ihn stutzig machen müssen. 5 6 Zur Herleitung siehe H. Appelt, a. a. O. (Anm. 64), S. 81f., vgl. aber Anm. 57 u. 58 u. H. G. Krause, a. a. O. (Anm. 36).
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Heinrich II. schon bei Thietmar 67 , ja sogar schon 896 beim Eid der Römer für Arnulf von Kärnten 58 findet. In allen diesen Fällen erscheint die Wortverbindung als feststehender Begriff schon in der Karolingerzeit, so daß es schwerfällt, innerhalb dieser Wortverbindung, die auch immer in bestimmtem Sinnzusammenhang steht, an eine unterschiedliche Bedeutung von „honor" zu glauben. Nun heißt es aber auch „deum, per quem in omnibus divites facti sumus et honore imperiali sublimamur" 59 in Diplomen Heinrichs III. von 1048 und 1049, und Barbarossa verteidigt nach Rahewin III, 11 in Besancon 1157 den „honor imperii, qui a constitutione Urbis et christianae religionis institutione ad vestra usque tempora gloriosus et imminutus extitit" 60 . Die Bedeutung „Reichsrecht" im Sinne eines dinglichen Anspruchs ist hier unmöglich: Kein Herrscher kann dazu „erhoben" werden, ein solcher Anspruch kann nicht von Anbeginn Roms und des Christentums „gloriosus et imminutus" bestehen. Noch deutlicher aber sprechen karolingische Belege, wo neben dem „honor regius" die „potestas regia" 61 , aber auch der „honor et cultus Dei" 62 und der „honor sanctae Dei ecclesiae" etwa in den Kapitularien Karls des Kahlen stehen. Es erscheint dabei mehr als zweifelhaft, daß innerhalb jeweils weniger Zeilen in demselben Stück in der Bedeutung von „honor" ein Wechsel eingetreten sein sollte. Vielleicht gibt aber gerade der häufige Zusammenhang der karolingischen Belege mit dem „honor Dei" etc. Aufschluß über eine Bedeutung von „honor", die über die „lex" hinausweist 63 . Doch mögen zuvor noch weitere Beleggruppen betrachtet werden. 2. Es findet sich unter anderem die Wortverbindung, die schon Schäfer anführt, aber nicht angesprochen hat: „honor et utilitas regni" (seil, „imperii", seil, „ecclesie"). H. Appelt hat in seiner Untersuchung über den Vorbehalt kaiserlicher Rechte in den Diplomen Friedrich Barbarossas 1960 64 darauf aufmerksam gemacht, daß dieses Beispiel besonders lehrreich sei, „weil hier (etwa im Diplom für das Bistum Arles) neben dem Recht des Reiches im allgemeinen (iustitia) einerseits der ,honor imperii', andererseits die .utilitas' . . . steht, also der 57 Thietmari Merseburgensis Chronicon. In: Mon. Germ, hist., Script, rer. Germ. 54. Lib. V c. 16. S. 116 („salvo honore regni"). 58 896, Febr. (Mon. Germ, hist., Cap. 2. S. 123). 59 Mon. Germ, hist., Dipl. reg. 5. Nr. 226, S. 300f.; Nr. 248, S. 331f. 60 Vgl. auch Rahewin, a. a. O. (Anm. 44), Lib. I l l c. 23, S. 195f. « Mon. Germ, hist., Cap. 2. Nr. 254, S. 255, Z. 10. «a Ebd. S. 255, Ζ. 1; vgl. auch ebd. S. 254, Z. 20; S. 255, Z. 12 u. 17; vgl. auch ebd. Nr. 220/21 S. 100, Z. 9; S. 101, Z. 10, 19, 30, 33. 63 Vgl. auch H. Beumann: Die Historiographie des Mittelalters als Quelle für die Ideengeschichte des Königtums. In: Hist. Zeitschr. 180 (1955) 467f. u. 458. M H. Appelt: Der Vorbehalt kaiserlicher Rechte in den Diplomen Friedrich Barbarossas. In: Mitt. d. Inst. f. öster. Gesch. Forschung 68 (1960) 81 ff.
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Inbegriff der nutzbaren kaiserlichen Hoheitsrechte, die Barbarossa durch die italienischen Juristen als .regalia' definieren ließ" 66 . Diese Wortverbindung ist aber alt. Sie ist nach meinen vorläufigen Erhebungen bei Konrad III. 6 6 , Heinrich IV. 67 , Gregor VII. 68 , Heinrich III. 69, ja schon 829 in den Akten des Pariser Konzils70 nachweisbar — beim Parisiense allerdings in der aufschlußreichen Verbindung „totius populi utilitatem necnon et regni honorem" (neben „utilitatem atque honorem regni"), und auch bei Gregor VII. nicht so ganz in den Rahmen der „Nutzbarkeiten" passend: „Et deo sanctoque Petro adiuvante Christo dignum honorem et utilitatem impendam" 71 . Ich möchte also meinen, daß es sich um eine formelhafte Verbindung handelt, die recht alt ist und deren konkrete Auswertung für die Erkenntnis geschichtlicher, vor allem rechtsgeschichtlicher Sachverhalte nur mit großer Vorsicht vorgenommen werden kann, wofern sie sich dem nicht überhaupt entzieht. 3. Eine als häufig nachweisbare Wortverbindung, die auch im Konstanzer Vertrag auftaucht, ist weiter „honorem augere" (u. ä.). Bei Heinrich III. etwa finden wir in Privilegien: „id profecto et ad honoris nostri augmentum et ad aeternae retributionis gloriam nobis credimus profuturum" 72 oder: „Honor nostri regni in hoc debet augendo florere, . . ," 73 , bei Gregor VII.: „. . . et honorem tuum tam in presenti seculo adaugere quam et in futuro servare studuimus hactenus" 74 . (Beachtlicherweise kann der „honor" offenbar auch „in futuro seculo" bewahrt werden! Schon das verbietet die Annahme dinglicher Rechtsansprüche oder Nutzbarkeiten!) Besonders aufschlußreich scheint mir aber diese Wortverbindung hinsichtlich des Konstanzer Vertrags durch den Wortlaut der Antwort Eugens III. vom 17. Mai 1152 auf Friedrich Barbarossas Wahlanzeige, wo es heißt: „Nos siquidem ad honoris et exaltationis tuae augmentum . . . attentius intendimus laborare" 75 . Das hat doch wohl seinen Niederschlag in dem „. . . et ad manutenendum atque augendum ac dilatandum honorem «5 Appelt, a. a. O., S. 84. ββ Mon. Germ, hist., Const. 1. Nr. 121, S. 177 (a. 1138); vgl. auch ebd. Nr. 120, S. 183, Ζ. 15. 67 Mon. Germ, hist., Dipl. reg. 6, pars 1. Nr. 283, S. 366f. (a. 1076). 68 Registrum Gregorii VII. A. a. O. (Anm. 29), Lib. II c. 38, S. 175, Z. 1 (a. 1074); Lib. V c. 14, S. 368, Z. 15 (a. 1078); Lib. IX c. 3, S. 576, Z. 10 (a. 1081). 69 Mon. Germ, hist., Dipl. reg. 5. Nr. 322, S. 440 (a. 1054). 70 Mon. Germ, hist., Cone. 2 pars 2. Nr. 50, S. 678, Z. 5 (S. 660, Z. 15); vgl. auch: Hludowici et Hlotharii epistola generalis. Ebd. S. 601, Ζ. 1. 71 Registrum Gregorii VII. A. a. Ο., Lib. I X c. 3, S. 573ff. 72 Mon. Germ, hist., Dipl. reg. 5. Nr. 313, S. 427 f. (a. 1053). 73 Ebd., Nr. 43, S. 53 f. (a. 1040). 74 Registrum Gregorii VII. A. a. O., Lib. VI c. 37, S. 453f. (a. 1079). 75 Mon. Germ, hist., Const. 1. Nr. 139, S. 194, Ζ. 15 (a. 1152, Mai 17).
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imperii pro debito officii sui iuvabit" 76 gefunden. Nimmt man das aber an — und die Aufnahme der Wortgruppe im selben Sinn legt dies nahe —, so ergibt jene grammatikalisch wie inhaltlich enge Verbindung von „honor" und „exaltatio" im Brief Eugens vielleicht auch eine Interpretationshilfe für den Konstanzer Vertrag — allerdings kaum im Sinne des „honor imperii" = „regnum Siciliae" oder „Mathildische Güter", wie das Rassow meint. 4. Verhältnismäßig selten ist die Verbindung von „honor" und „pax", die sich etwa bei Hinkmar, bezogen wiederum auf „regnum" und „ecclesia", wie oben schon erwähnt, findet: „et ad reerectionem honoris et pacis ecclesiae ac regni" 77 , oder die von „honor" und „nomen", etwa: „Heinricum [IV.] synodali iudicio damnavit [Gregor VII.] regisque nomine et honore privatum anathematis gladio percussit" 7 8 oder: „pro magnitudine tui nominis et honoris" 79 im Schreiben Gregors VII. an Philipp I. von Frankreich. Diese Verbindung fällt auf, nicht indem sie etwa Schäfers These stützte — im Gegenteil : Sie legt eine geistesgeschichtliche Auslegung in Analogie zu den bekannten „nomen—potestas" Vorstellungen 80 doch recht nahe. Ich möchte mich aber angesichts des doch recht spärlichen Belegmaterials einstweilen nur auf diese Andeutung beschränken. 5. Wiederum häufiger erscheint die Wortverbindung von „honor" und „iustitia", „ius", „iudicium". Sie begegnet z. B. im Text des Konstanzer Vertrags gleich zweimal: „Et quicumque iustitiam et honorem regni conculcare ac suvertere . . . presumpserit" 81 , und: „Quod si regi . . . de iure et honore regio iustitiam exhibere contempserit" 82 . Diese Wortverbindung findet sich auch bei Otto von Freising83. Recht häufig spricht Gregor VII. von „ius et honor sanctae Romanae ecclesiae"84 (der „honor S. Petri" ist ja schon in den Papstbriefen des 4. und 5. Jahrhunderts ebenso häufig wie der „honor sacerdotii" und der „honor sacerdotalis" 86 ); auch verwendet Gregor VII. häufig „honor et iustitia apostolici principatus" (!)86, „iustitia et honor S. 78
Ebd., Nr. 144, S. 201 (a. 1153, März 23). Hincmarus: De ordine palatii. A. a. O. (Anm. 44), c. 1, S. 7 (a. 882). 78 Brunonis liber de bello Saxonico. In: Mon. Germ, hist., Script. 5. S. 353, Z. 25; (Bruno Merseburgensis : Buch vom Sachsenkrieg. Neu bearb. v. H. E. Lohmann, Leipzig 1937. In: Deutsches Mittelalter 2. Kritische Studientexte der Mon. Germ. hist.). 79 Registrum Gregorii VII. A. a. 0., Lib. I c. 75, S. 106 (a. 1074). 80 Vgl. u. a. H. Beumann: Nomen imperatoris. Studien zur Kaiseridee Karls d. Großen. In: Hist. Zeitschr. 185 (1958) 529f. u. öfter. 81 Rassow, a. a. O. (Anm. 3), S. 118, Ζ. 27f. 82 Ebd., S. 119, Ζ. 2ff. 83 Ottonis Gesta, a. a. O. (Anm. 44), Lib. II c. 25, S. 127ff. 84 Registrum Gregorii VII. A. a. O., Lib. IV c. 12, S. 106f. 85 Vgl. Anm. 126. 8β Registrum Gregorii VII. A. a. Ο., Lib. V c. 4, S. 352. 77
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Petri et apostolice sedis" 87 , „ius et honor S. Petri" 88 , „honor et iustitia Dei" 89 . Gerade die letzte Formulierung, der wir schon in den Karolingerkapitularien des 9. Jahrhunderts begegneten 90 (wenn auch dort in der einfachen Formel), erhellt aber schlaglichtartig eine Bedeutung von „honor", die weit über den Bereich der „lex", des Rechts, hinausgreift in den des „sacramentum" : wenn man „honor et iustitia Dei" in die Sprache rückübersetzt, aus der die Formel unmittelbar stammt, ins Griechische, so heißt das nämlich „δόξα και δικαιοσύνη θεοϋ" — unerschöpfliches Thema des Alten und Neuen Testaments 91 . Für unser Thema ergibt sich aber daraus, daß der mittelalterliche Begriff „honor" sich auch mit dem griechischen Begriff „δόξα" decken kann, also weit über das hinausführen kann, was „Recht, Besitz, Lehen, Anspruch, Amt, Nutzbarkeiten" oder wie im römischen Recht auch „Achtung, Ehrerbietung, letztwillige Verfügung als Legat ehrenhalber" oder gar „Honorar" im Bereich „huius seculi" bedeuten 92 . Aber betrachten wir zunächst noch weitere Belege dieser Wortverbindung: „Honor regis est iudicium diligere, virga aequitatis regni negotia disponere, superbos quosque debellare, subiectos vero digne pro meritis honorare", heißt es in einer verunechteten Urkunde Konrads II. 93 , und man erkennt sofort, daß dieses Arengastück aus mindestens zwei Zitaten besteht : dem „parcere subiectis et debellare superbos" 94 Vergils in „passend" gemachter Form und jener Psalmsteile, die ja auch Wipo in jener berühmten Stelle über den Regierungsantritt Konrads II. zitiert: „Abundantius erat in rege Studium miserationis quam desiderium consecrationis; per semitam iustitiae incedebat, quando regium honorem petebat . . . Renuit iustitiam dilatare, quoniam illud erat regnare. Distulit suam benedictionem propter regium honorem; scriptum est enim: ,Honor regis iudicium diligit'" 95 . Das letztere nun ist ein Zitat aus Psalm 98 (99), 4, wo ein Trishagion auf Jahwe in einem Königshymnus ausgerufen wird 96 . Dieses Psalmzitat steht aber auch — und damit ist unsere Untersuchung an zentraler Stelle angelangt — an einem Ort, der exponierter nicht gedacht werden kann, und beinhaltet dort geradezu das „Programm" mittelalterlicher 87
Ebd., Lib. IV c. 28, S. 343ff. Ebd., Lib. I c. 41, S. 64; Lib. II c. 13, S. 145. 89 Ebd., Lib. III c. 7, S. 256ff. 90 Vgl. Mon. Germ, hist., Cap. 2. Nr. 254, S. 255, Ζ. 1. 91 Vgl. Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament. Hrsg. G. Kittel. Stuttgart 1933ff. Bd. 2. S. 194ff., bes. S. 204ff. 82 Vgl. oben Anm. 33. 93 Mon. Germ, hist., Dipl. reg. 4. Nr. 285, S. 400, Z. 5 (a. 1084/88). 94 Aeneis VI, 853. 95 Wiponis Gesta Chuonradi II. In: Mon. Germ, hist., Script, rer. Germ. 51. c. 5, S. 27, Z. 8—23 (a. 1024). 98 Vgl. H.-J. Kraus: Biblischer Kommentar. Altes Testament. Bd. 15 (Psalmen). Neukirchen Moers 1959. S. 681 ff. u. a. 88
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Herrscherauffassung: es ist der Text des Spruchbandes auf der Davidsplatte der Kaiserkrone. Was diese Kaiserkrone in Form und Legende bedeutet, wissen wir aber jetzt nach den eindringenden Forschungen von P. E. Schramm97 und H. M. Decker-Hauff98 genau : Sie ist das Symbol der Heiligkeit von Herrscher und Reich. Kein Wunder also, daß sich dieses Psalmzitat auf der Platte Davids, des „rex iustus", des „rex et propheta", des Stammvaters der „stirps regia sacra", findet, der ja schon seit den Akklamationen Kaiser Marcians 451 auf dem Chalcedonense99, seit Chlothar II. 626/27 10 °, besonders aber seit der oft als Analogie aufgefaßten Unctio Pippins, bei diesem, Karl dem Großen und den Kaisern bis hin zu Friedrich II. als Vorgänger und Vorbild galt 101 . Kein Wunder, daß von dieser Tiefe der Bedeutung der Wortverbindung von „honor" und „iustitia" es zu den Wortverbindungen von „honor" und „gloria"102, „honor" und „salus"103 kommt, die nicht selten sind. Damit befinden wir uns aber mit Sicherheit nicht mehr nur im Bereich der „lex", sondern im Bereich des „sacramentum", zu dem ja bekanntlich auch das „regale sacramentum" gehörte, das seinen Ausdruck auch in den Ordines und Laudes des eigentlichen Hochmittelalters fand. „Honor" wird in dieser Bedeutung und in diesem Bereich geradezu zu einem Synonym jenes „splendor imperii", den in seiner Untersuchung Herwig Wolfram 104 als,, .vernünftig' nicht erfaßbares Sein" eines 97 P. E. Schramm: Herrschaftszeichen und Staatssymbolik. Bd. 1—3. Stuttgart 1954—56. In: Schriften der Mon. Germ. hist. 13. Passim. 98 H. M. Decker-Hauff, ebd. Bd. 2, S. 560ff., bes. S. 617ff.; zur älteren Forschung u. a. E. Eichmann: Die Kaiserkrönung im Abendland. Würzburg 1942. Bd. 2. S. 57ff. 89 Vgl. E. Ewig, a. a. O. (Anm. 35), S. 11. 100 Ebd., S. 21; vgl. auch S. 34 u. 59. 101 Zur Literatur u. a.: B. J. Finkenstein: Samuel und Saul in der Staatslehre des Mittelalters. In: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 40 (1952/53) 128ff.; E. Rieber: Die Bedeutung alttestamentlicher Vorstellungen für das Herrscherbild Karls des Großen und seines Hofkreises. Diss. Tübingen 1949 (ungedr.); J. Funkenstein: Das Alte Testament im Kampf von regnum und sacerdotium zur Zeit des Investiturstreites. Diss. Basel 1938 (ungedr.). 102 Mon. Germ, hist., Const. 1. Nr. 130, S. 185f. (Epistola pisanorum ad regem, a. 1151); Mon. Germ, hist.. Dipl. reg. 5. Nr. 305, S. 414f. (a. 1053); Friedrich I. in: Stumpf, a. a. O. (Anm. 49), Nr. 3949 = Mon. Germ, hist., Const. 1. Nr. 211, S. 292 (a. 1162); Cathuulf über Karl d. Großen (a. 775) in: Ph. Jaffé: Bibl. rer. Germ. 4: Monumenta Carolina. S. 377 ff. 103 Mon. Germ, hist.. Cone. 2 pars 2. Nr. 50, S. 601, Z. 1; ebd. S. 660, Ζ. 15; ebd. S. 678, Ζ. 5; Mon. Germ, hist., Cap. 2. Nr. 254, S. 255, Z. 12; Mon. Germ, hist., Dipl. reg. 4. Nr. 266, S. 367, Z. 25 (a. 1038) ; Mon. Germ, hist., Dipl. reg. 5. Nr. 10, S. 12 (a. 1039) u. Nr. 263, S. 351 (a. 1051?); vgl. auch Rahewin, a. a. O. (Anm. 44), Lib. I l l c. 11, S. 178f. 104 H. Wolfram: Splendor imperii. Die Epiphanie von Tugend und Heil in Herrschaft und Reich. In: Mitt. d. Inst. f. öster. Gesch. Forschung. Ergbd. 20, 3 (1963) 153.
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Reiches oder einer Herrschaft gerade dem „honor" als dem — wie er noch unter Berufung auf Rassow meint 105 — konkreten Reichsrechte in der Wortbedeutung, wie sie Barbarossa und seine Umgebung „entwickelten", entgegensetzt. Gerade das aber machen unsere Belege, so unvollständig sie noch sein mögen, zumindest für einen Teilbereich der Wortbedeutung von „honor" unwahrscheinlich. V. Fassen wir also am Ende unserer Bestandsaufnahme, die sich immerhin gegenüber Schäfer auf etwa die fünffache Zahl von Belegstellen gründet, zusammen, so scheint doch deutlich geworden zu sein, daß der „honor regis" (seil, „regni", „imperii", „imperatoris" ohne Unterschied für uns hier) : 1. eine alte Formel (mit oder ohne Zusatz) zu sein scheint, die — und das mag methodischen Einwänden betreffs Differenzierung der Verfasserschaft etc. begegnen — als solche am geeigneten Ort mit gleichbleibendem Sinngehalt verwendet wird. 2. Es scheint erwiesen, daß dieser Sinngehalt über den rein rechtlichen, ja dinglichen Bereich hinausweist, daß der „honor regis" etc. eben, wie Grundmann seinerzeit schon ausführte, nicht ein juristisches Konkretum meint — jedenfalls nicht in unserem Zusammenhang —, sondern über den Bereich der „lex" in den des „sacramentum" hinausgreift. Damit glauben wir aber der mittelalterlichen Vorstellung um einiges näher gekommen zu sein. Unsere Betrachtungen wären aber unvollständig, wenn wir die bereits angedeuteten Linien nicht nach oben wirklich ausziehen würden — mit einem überraschenden Ergebnis, wie ich meine. VI. „Honor" ist neben „gloria" die häufigste Wiedergabe der griechischen Begriffe „δόξα" und „τιμή" 106 ; diese wiederum stehen als häufigste Wiedergabe des hebräischen „kaböd" in der Septuaginta 107 . 105
Ebd., S. 153. Vgl. auch Homer: Ilias 1, 278; 2,197; 6,193; Odyssee 1,117; Hesiod: Theogonia 347; (heranzuziehen auch Platon: Politeia VIII, 549c; Xenophon: Kyropädie I, 2, 15). 107 Zum folgenden u. a. Joh. Schneider: Doxa. Gütersloh 1932, passim; Η. Kittel: Die Herrlichkeit Gottes. Gießen 1934, passim; A. v. Gall: Die Herrlichkeit Gottes. Gießen 1900, passim; Β. Stein: Der Begriff Kabôd Jahwe und seine Bedeutung für die alttestamentliche Gotteserkenntnis. Emsdetten i. W. 1939; B. Zielinski: Die Doxa Christi transfigurati. In: Verbum Domini 26 (1948) 291—302; Α. M. Ramsay: The Glory of God and the transfiguration of Christ. London (Ν. Y.) 1949, passim. 106
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Letzteres — eigentlich Gewichtigkeit, das, was gewichtig macht — ist die Erscheinung Jahwes, sein Glanz, seine Macht, letztlich seine Wesenheit als Erscheinung und insoweit seine Herrlichkeit als Emanation seiner Heiligkeit108. „Kaböd" ist also hier als Gottesaussage eindeutig sakral gebraucht. „Kaböd" ist aber auch die „Ehre" des Menschen als „imago Dei", von Gott ihm zugeteilt, insbesondere auch dem König109, der, wie wir wissen, seit je in besonderer Weise „imago Dei" ist. Letztere Vorstellung findet sich vor allem bei dem orientalisch beeinflußten Propheten Daniel110, aber etwa auch im rabbinischen Judentum, z. B. als „Ehre" des Caesarenhauses111. Bei Berakôt kann Gott denen, die ihn fürchten, oder eben den Königen Teil an seiner „kaböd" geben112. Nun ist aber „kaböd" = Ehre hier in keinem Fall ethisch-sittlich zu verstehen — wie der heute vorherrschende Wortgebrauch im Neuhochdeutschen —, sondern eindeutig als Numinosum. „δόξα", das allein mit 180-facher Übersetzung von „kaböd" 113 in der Septuaginta den Großteil der Wiedergaben stellt, tritt neben „τιμή", oft auch verbunden mit „ισχύς" = Stärke, „χάρις" = Gnade und „βασιλεία" = (Königs-)Herrschaft, auf 114 . Auch für „δόξα" gilt, daß Gott, der Herr der „δόξα", sie auf Menschen, insbesondere auf Könige legt. Bei Daniel hat Gott dem Nebukadnezar „βασιλεία", „ισχύς", „τιμή" und „δόξα" gegeben. Der König hat einen „θρόνος δόξης", auf dem er „εν δόξη" sitzt und einen „στέφανος δόξης" oder ein „διάδημα δόξης" trägt, „δόξα" ist auch der königliche Ruhm, die Herrlichkeit des Judas Makkabäus115. Es gibt aber nicht nur eine „δόξα βασιλέως" im Alten Testament, sondern auch eine „δόξα βασιλείας". Sie ist die sichtbare, an den königlichen Zeichen erkennbare Königsmacht 116 . Auch im Neuen Testament 117 , wenngleich weniger häufig, finden sich für uns wesentliche Belege: in 1 Petr 2, 17: „ehret den König" 118 und jenem indirek108 Vgl. u. a. Ex 16, 10; 24, 16f.; Dt 5, 24; Ps 145, l l f . ; Hab 2, 14; aethHen 22, 14; 27, 3. 5 u. ö. !»9 Vgl. Dn 2, 37; Ps 8, 6. Ζ. B. Dn 4, 33; 7, 14; 11, 21; bes. 1, 9; 2, 37; 5, 18; 5, 20; 7, 14; 11, 21. " i U. a. Jebamot 65 b. 112 Berakot 58 a; vgl. auch Sifre Numeri 140 zu Nm 27, 20: Moses ordiniert Josua und überträgt damit einen Teil der von Gott stammenden Kaböd auf Josua. 113 δόξα erscheint etwa 445 mal in der Septuaginta, davon 280 mal in den kanonischen Büchern. Es gibt etwa 25 hebräische Entsprechungen, davon nimmt kaböd mit 180 Stellen einen hervorragenden Platz ein. 114 Dn 2, 37. i " 1 Makk 14, 4f. lie Vgl Anm. 107 in der dort herangezogenen Literatur. 117 Ζ. B. Apk 21, 24. 26 (1 Tim 6, 16!). 118 Zu 1 Petr 2, 17 vgl. H. Windisch, H. Preisker: Handbuch zum Neuen Testament. Bd. 15. Tübingen 1951. S. 64 (vgl. Is 40, 6).
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ten Beweis in Apk 4, 11, wo Gott allein das „Tris-hagios" zuerkannt wird als Antithese gegen die von Domitian auf Grund alter hellenistischer Götter- und Königstitel offiziell eingeführte Titulatur „Dominus et Deus noster" und die damit verbundene Vergottung119. Gerade aber diese Bezeichnung „Dominus", auf griechisch „κύριος", weist auf die altbekannte Verbindung „κύριος βασιλεύς" hin, in der „κύριος" „ein uraltes Prädikat der Hofsprache des Ostens" ist, das „eine kultische Seele" hat und zu dessen „Hofstaat" erwiesenermaßen auch
Begriffe
„μεγαλειότης",
wie
„εξουσία",
„δόξα",
„τιμή",
„κράτος", „χάρις",
„ισχύς",
„αρετή",
,,δύναμις",
„αιώνιος"
und
andere gehören120. Besonders „χάρις" und „δόξα"121, letzteres mit dem Akzent des Glanzes bis hin zum Nimbus und zur Mandorla, gehören zu den im hellenistischen und später im römischen Bereich (über den ja in ähnlichem Zusammenhang, wie gesagt, H. Wolfram kürzlich gehandelt hat122) vorhandenen Vorstellungen über den Herrscherkult. Es bleibt mit Nachdruck festzuhalten, daß eben auch der aus der „δόξα" abgeleitete „honor regis" hierher gehört. Es bleibt weiter noch zu erwähnen am Ende der hebräischen123 und hellenistisch-römischen, letztlich orientalischen „Ahnenreihe", daß auch bei den apostolischen Vätern124 „τιμή" und „δόξα" mit der gottgewirkten Stellung des Herrschers gleichgesetzt werden125.
VII. Wenn wir nach den bisherigen Betrachtungen das Ergebnis zusammenfassen, so können wir, glaube ich, festhalten, daß der Begriff 119 Zu Apk 4, 11 vgl. E. Lohmeyer: Handbuch zum Neuen Testament. Bd. 16. Tübingen 1953. S. 50 ff. 120 Vgl. Anm. 107. 121 Siehe auch Philo v. Alexandrien: Quaestiones in Exodum. Lib. II c. 45 (zu E x 24, 16), βασιλέως δόξα, die mit dem Herabkommen der Herrlichkeit Gottes auf dem Sinai verglichen wird. 122 Vgl. H. Wolfram, a. a. O. (Anm. 104). 123 Ygi Flavas Josephus: Antiquitates Iudaicae 3, 188; 12, 42. 157 u. ö. für Hohepriester; Bellum Iudaicum 2, 208f. für Kaisertitel; 1, 461 u. ö. für Königstitel. 124 Vgl. 1. Clemensbrief 61, 1. 2; 64; 65, 2 u. ö. 125 Zum ganzen Abschnitt siehe Theologisches Wörterbuch, a. a. O. (Anm. 91), Bd. 2, S. 236ff. Auf das ja von δόξα abgeleitete Epitheton ένδοξότατο;, das ja zur Kaisertitulatur vor allem im byzantinischen Sprachgebrauch gehört (cfr. gloriosus!), möchte ich hier nur, wenn auch mit Nachdruck, hinweisen. Vgl. auch G. Wolf: Über die Wort- und Rechtsbedeutung von .designare' im 9. und 10. Jahrhundert. In: Zeitschr. d. Savigny-Stift. f. Rechtsgesch., Germ. Abt. 75 (1958) 367ff.; O. Hirschfeld: Kleine Schriften: Die Rangtitel der römischen Kaiserzeit. Berlin 1913; L. Dineen: Titles of Address in Christian Greek epistolography to 527 AD. Washington 1929; Μ. B. O'Brien: Titles of Address in Christian Latin epistolography to 543 AD. Washington 1930.
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„honor imperii" („regni" etc.) eine lange Geschichte hat 126 , die nicht erst im Mittelalter beginnt, sondern weit in die Antike zurückreicht, wohl letztlich auf uraltes Gedankengut des Orients zurückgeht. Dabei dürfte die Quelle des Mittelalters wohl am ehesten aus der Bibel (und spätrömischen Vorstellungen) gespeist werden, wie ja jene zentralste Belegstelle auf der Davidsplatte der Kaiserkrone 127 des 10. Jahrhunderts zeigt. Wir glauben aber auch, die mit großer Wahrscheinlichkeit über den Bereich des reinen Rechts, der „lex", hinausführende Bedeutungsmöglichkeit von „honor" sichtbar gemacht zu haben. Von da werden auch die angeführten Wortverbindungen sinnvoll: Der „honor regis" („imperatoris") und damit der „honor regni" („imperii") gehört zum „regale sacramentum" 128 , er bezeichnet geradezu eine Qualität desselben. Unsere begriffsgeschichtlichen Betrachtungen wären aber nicht in sich abgerundet, würden wir nicht noch den Blick auf das Mittelhochdeutsche richten: Da gibt es nämlich u. a. an fast klassischer Stelle die Übersetzung und Interpretation des „honor imperii" in staufischer Zeit. Walther von der Vogelweide spricht nämlich in seinem wohl ältesten Sang im Reichston aus dem Jahre 1198 129 von der „tiuschiu zunge", deren „ère alsô zergât". In diesem berühmten Sang Walthers, in dem er bitter über den Niedergang des Reichs und den Übermut der kleinen Könige klagt, meint er mit „ère" nichts anderes — das ergibt der Kontext — als den „honor imperii" 130 . Auch nach diesem Zeugnis 126 Ygi auch Epistola Innocentii I. In: PI 20, 469, um 405: „honor sacerdotii"; ebd. col. 496: „honor ecclesiasticus" und col. 503: „Nam reprobata ordinatio honorem sacerdotis auferre non potest"; Epistola Zosimi, ebd. col. 649, um 417/18: „honorem episcopatui deferre . . ." und oft. Zum honor S. Petri vgl. H. Fichtenau: Arenga. In: Mitt. d. Inst. f. öster. Gesch. Forsch. Ergbd. 18 (1958) 100. 127
Die Krone selbst wird ja in den Ordines des 9. und 10. Jahrhunderts mit 2 Tim 4, 8 und Sir 45, 14 als .corona gloriae atque iustitiae, honor et opus fortitudinis' bezeichnet (vgl. Eichmann, a. a. O. [Anm. 98], Bd. 2, S. 60 und 65f. sowie Decker-Hauff, a. a. O. [Anm. 98], S. 618). 128 So in Mon. Germ, hist., Dipl. reg. 5. Nr. 68, S. 87. 129 ygi R Kienast: Walthers von der Vogelweide ältester Spruch im „Reichston": Ich hörte ein wazzer diezen. In : Gymnasium 57 (1950) 201—218. Der ganze Spruch ist randgefüllt mit mittelalterlicher Welt- und Staatsanschauung (vgl. auch G. Wolf: Universales Kaisertum und nationales Königtum im Zeitalter Kaiser Friedrichs II. In: Miscellanea Mediaevalia 5. Berlin 1968. S. 243f.), wobei Walther gängige lateinische Begriffe (creatura: 1—12, mundus: 3, ratio: 12, rex und lex: 15, dominus und servus: 16, ordo: 17, honor: 20, circuii: 22, reguli: 23) aus der Gedankenwelt seiner Zeit ins Mittelhochdeutsche überträgt. 130 Neben einer Fülle von allgemeinen êre-Belegstellen bei Waither, der darüber ja zu handeln liebt, finden sich folgende für uns relevante Stellen (nach: Deutsche Nationalliteratur 8, 2: Spruch- und Zeitgedichte. S. 76ff.), soweit ich sehe: 5. 89, Z. 25ff. : „Philippe, künec hère
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stand beim „honor imperii" aber nicht (bei einem staufischen Zeitgenossen, der der Zeit des Konstanzer Vertrags nicht allzu ferne steht, besonders interessant) die Rechtsbedeutung oder eine der anderen, von Schäfer u. a. herausgestrichenen dinglichen Bedeutungen im Vordergrund, denn auch bei „ère", das ja insonderheit auch von Gottes und des Reiches „ère" belegt ist, ist, wie die Germanisten bestätigen 131 , eine in die Sphäre des Religiösen und Sakralen hineinragende Bedeutung vorhanden, die vielleicht sogar die ursprüngliche ist. VIII. Erinnern wir uns jetzt der Formulierung unseres Themas: „Der ,honor imperii' als Spannungsfeld von Lex und Sacramentum im Hochmittelalter", so wird nach dem bislang Gesagten einleuchten, daß dieses Spannungsfeld in der Wortbedeutung von „honor", in der Qualität dieses Begriffs und damit in seiner geschichtlichen Aussage liegt. Hatten noch Du Cange132, Schäfer133, Mitteis134, Kehr 136 , Rassow136 und Appelt 137 etwa den rechtlichen Gehalt des Begriffes bis hin zum konkreten Anspruch betont 138 , so sind schon die meisten Aussagen des letzten Jahrzehnts vom Gespür für das Mittelalterliche her hierin vorsichtiger. Ernst Kantorowiczmeinte 1957: „Thenotionof,honor'comes very close to the meaning of ,dignitas' in later political theory" 139 , und H. G. Krause schreibt 1960 in einer Untersuchung über die oben erwähnte Salvierungsklausel des Papstwahldekrets von 1059: (honor) ,,. . . [ein] Recht, das ihm [Heinrich] kraft seines kaiserlichen Amtes zukommt, das im Kaisertum begründet ist", „ein ungeschriebenes, in sie gebent dir alle heiles wort und wol den liep nach leide, nu hast du guot und ère daz ist wol zweier künege hört." S. 121, Z. 13: „. . . keisers êren . . ." = honor imperatorie. 131 So beispielsweise F. Maurer, a. a. O. (Anm. 34), S. 339. 132 Du Cange: Glossarium mediae et infimae latinitatis. Ed. nova. Bd. 4. Paris 1938. S. 228 f. 133 D. Schäfer, a. a. O. (Anm. 21). 134 H. Mitteis: Lehnsrecht und Staatsgewalt. Weimar 1933. S. 202; ders. : Der Staat des hohen Mittelalters. 3. Aufl. Weimar 1948. S. 77. 135 P. Kehr, a. a. O. (Anm. 20). 136 P. Rassow, a. a. O. (Anm. 2). 137 H. Appelt, a. a. O. (Anm. 64). 138 Siehe aber schon einschränkend: P. Schmid: Der Begriff der kanonischen Wahl in den Anfängen des Investiturstreites. Stuttgart 1926. S. 63, Anm. 197; E. Fischer: Der Patriziat Heinrichs III. und Heinrichs IV. Diss. Berlin 1908. S. 6; G. Schober: Das Wahldekret vom Jahre 1059. Diss. Breslau 1914. S. 53 f. 139 E. H. Kantorowicz, a. a. O. (Anm. 10), S. 58, Anm. 34.
Der „honor imperii" als Spannungsfeld von Lex und Sacramentum
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der theokratischen Herrschaftsvorstellung wurzelndes Gewohnheitsrecht" 140 . Auch Gaines Post meint 1964: . . it is interesting and useful to notice briefly some indications of the equivalence in meaning, on the Continent, of the terms .status', .dignitas',,honor', and,corona', in connection with the authority of the Prince and with the .status regni* " 141 . Dieser ,,honor" oder diese „dignitas regis" etc. aber hat freilich auch — nicht nur — rechtliche Qualität ; diese ist aber im Hochmittelalter, das den Charakter des König- bzw. Kaisertums als eines „regale sacramentum" zwar variiert 142 , aber nicht aufgegeben hat, eine sekundäre, da Gott als „fons honoris, dignitatis, iustitiae", als „coronator" verstanden wird143. So möchte ich meinen, daß unsere Untersuchungen den über das pure Recht, die „lex", hinausweisenden Gehalt des „honor imperii" u. a. auch für den Konstanzer Vertrag ergeben. Daraus folgt aber, daß es bei der Absicherung des „honor papatus" und des „honor imperii" sich eben nicht nur um Regalien handelte, sondern daß all' das mitschwang, was seit langem, seit altersher dem Begriff innewohnte — im Grunde nichts anderes, als was in der Einladung Heinrichs IV. zum 15. Mai 1076144 nach Worms stand: „. . . dum nec sacerdotii regnum nec sacerdotium regni honore privaretur": „Christ-centered kingship"! Freilich — schon ganz leise meldet sich am Ende des Hochmittelalters ein neuer Wortsinn 146 , auf den wir hier nicht mehr näher eingehen können, an: „honor regni" = „necessitas regni". Hier hat dann „honor" schon etwas von der „ratio publicae utilitatis", von der Staatsräson an sich. Doch das ist nicht mehr hochmittelalterlich. 140
H. G. Krause, a. a. O. (Anm. 36), S. 93. G. Post: Studies in Medieval Thought. Princeton 1964. S. 379. Vgl. auch neuerdings Wolfgang Stiirner: „Salvo debito honore et reverentia" — Der Königsparagraph im Papstwahldekret von 1059. In: Zeitschr. d. Savigny-Stiftg. f. Rechtsgesch. Kanon. Abt. 59 (1968) 1—56, besonders S. 8—20, wo insonderheit die Papias-Stelle meine Auffassung erhärtet. 142 vgl z g ρ e Schramm: Sacerdotium und regnum im Austausch ihrer Vorrechte. In: Studi Gregoriani 2 (1947) 402ff. und Kantorowicz, a. a. O. (Anm. 10), allenthalben (vgl. auch oben Anm. 128). 143 Vgl. den westfränkischen Krönungsordo von 877: „Coronet te Dominus . . .". 144 Vgl. oben Anm. 43. 145 Dazu vgl. H. Hoffmann, a. a. O. (Anm. 48), S. 78; ob allerdings nicht etwa die französischen gloire-Vorstellungen im Zusammenhang mit den honor-Vorstellungen des Mittelalters zu sehen sind, soll hier nur als Frage gestellt werden. 141
REGISTER
EDITIONSREGISTER Vitalis de Furno OFM in IV. Librum Sententiarum (Ed. L. Hödl) absolutio sacramentalis 21, 23 absolvere 29, 8. 28. 34; 30, 1 accusare 21, 31. 32. 35 actus 19, 14. 25; 21, 11. 13 — diaconi 19, 21 f. 23 — episcopi 19, 21 f. 23. 25 — primus 22, 30. 35 — sacerdotis 19, 21 f. — secundus 22, 30 f. 32 — spiritualis 23, 3 — subdiaconi 19, 21 f. admitiere 25, 39 appellare 26, 5 arctare 25, 33 Aristoteles 25, 18. 35 artificialia 26, 35 auctoritas 26, 26 ; 19,13. 20. 25. 32 ; 30,1 — absolvendi 22, 34 audire 29, 13. 14. 27. 28 balivus 25, 12. 31 bonum 26, 14; 27, 22. 24 — commune 26, 12. 16. 21 f.; 27, 23 — fidei 27, 26 — naturale 27, 27 — proprium 26, 12. 21f. — temporale 27, 19. 27. 32 f. Capelanus 20, 19 caput 21, 12. 14; 23, 2. 4. 5. 39; 24, 20. 25. 27. 29. 30. 32. 37; 26, 8. 9 — Ecclesiae 21, 15; 24, 11. 19. 34 — principalissimum 24, 15 — regni 26, 7 — verum 24, 14f. casus 25, 5. 37; 26, 17; 27, 26; 28, 25. 31. 36; 29, 1. 35; 3 0 , 1 Christus 27, 7; 28, 8 civitas 24, 4; 25, 28 clericus 30, 4 concedere 28, 25; 29, 26. 35; 30, 2 conditio 21, 24 confessio 29, 13. 14. 27 confessus 29, 29 conficere 22, 35; 23, 24. 25
confiteri 29,15.18. 20.23.24. 30.34. 36 ; 30, 3. 4. 6. 7. 8 congregatio 24, 5; 25, 4. 25 conservatio 22, 3; 25, 10; 26, 8. 13; 27, 23 corpus 20, 42; 21, 11. 12 — Christi 19, 17; 22, 12. 35; 23, 21. 24. 25 — Christi mysticum 20, 37 — humanum 24, 30 — mysticum 21, 9; 23, 3 — naturale 23, 2 — organicum 21, 9; 23, 2 — proprium 24, 29 — spirituale 23, 3 culpa 21, 27 damnare 21, 37; 27, 12 David 28, 5. 10 declarare 20, 4; 2 5 , 1 ; 26, 29. 38 decretale 29, 16. 31 decretum 28, 36 defensio 26, 15 delictum 28, 31. 34 deponere 25, 33; 28, 33; 29, 8 Deus 21, 19. 36; 28, 20. 21 dignitas 19, 8. 15. 28; 20, 28 dignitates ecclesiasticae 29, 10 dignus 22, 27 dominari 25, 27 dominium 20, 32; 24, 8; 25, 1; 28, 15. 36; 29, 6 — plenum 25, 3. 9 dominus 25, 28; 26, 4. 5. 21 — principalis 24, 9 f. — summus 24, 9 dubium 27, 8; 28, 28; 29, 5. 24 dux 24, 7 Ecclesia 19, 10. 28; 20, 16. 24. 27; 21, 6. 13. 14. 16. 18. 40; 22, 6. 11; 23, 6; 24, 9. 10. 14; 25, 15; 28, 14. 16. 17. 33; 29, 7 eligere 25, 27. 28; 27, 22 episcopus 20, 10. 12; 22, 29. 33. 36; 23, 13. 23. 27; 29, 33. 35; 30, 2 14*
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Register
episcopus diocesanus 29, 14 esse 23, 14. 15 — corporale 21, 4 — spirituale 21, 4. 6 excellere 21, 4. 7; 27, 26 executio 28, 24 —- iurisdictionis 25, 2 exercere 23, 3; 25, 30 familia 25, 22 fideles 29, 33 fides 29, 7 figura 28, 10 — circularis 27, 28 finis 21, 17. 18. 19; 27, 16. 17. 19. 33 forma exemplaris 24, 2 forum 21, 21. 22. 25. 27. 29. 30. 32. 33; 23, 7 — conscientiae 21, 23f. ; 23, 7 — poenitentiae 21, 23 — sacerdotale 21, 25. 38; 23, 7f. Francia 25, 38 gradus 23, 32 — ordinis 19, 18; 20, 23 — potestatis 19, 16. 17f. 18f.; 20, 15. 16f. 23. 24. 25. 27. 30; 22, 39f. gratia 21, 28; 22, 1. 10 haereticus 28, 32; 29, 12 homo 21, 1. 19. 32. 36; 22, 16. 24. 25; 27, 10; 28, 20 — mortalis 24, 34 — terrenus 24, 12. 16 illuminare 19, 24 imperator 25, 8. 16. 21; 27, 7. 21. 23; 28, 13. 15. 19. 25. 32 imperialis 25, 39 imperium 28, 37 impotentia 21, 35 inferior 26, 30. 34 instituere 25, 12 Italia 25, 28 iudex 21, 31. 32. 35. 36 iurare 25, 29 iurisdictio 25, 2. 3; 27, 3; 28, 23. 24. 26; 29, 2. 3. 5. 6 — pienissima 20, 32 f. ius civile 25, 38 iustitia 21, 28. 34 lator 27, 5. 6 legitimus 25, 35
lex 25, 26. 30. 37; 26, 2; 27, 5. 6. 20. 29; 28, 1; 29, 22 — Christi 27, 6. 8. 13 — gratiae 27, 6. 14. 18 — imperialis 25, 38 — naturae 27, 7. 8f. 14 licite 29, 4 ligare 29, 8 linea — circularis 23, 24. 26 — recta 23, 16. 20. 24. 27. 30 — reflexa 23, 25. 30 — rotunda 23, 26 magister 26, 36. 37 mandatum 25, 37 Martinus papa 29, 19 Melchisedech 27, 37; 28, 10 membra 21, 16 — corporis 21, 10. 13; 23, 38; 26, 7 — Ecclesiae 24, 26. 31 membrum 24, 20. 27. 28. 30; 26, 8 modus 20, 8. 11. 36; 22, 18. 21; 23, 22. 30; 24, 28; 25, 15; 27, 2; 30, 5 — habendi 20, 11; 23, 1 — perfectior 21, 3 — potestatis 20, 17. 21. 24. 25. 28; 21, 40; 22, 27; 23, 32 — sacerdotalis 20, 17 natura 22, 1. 2. 9; 23, 34; 26, 11; 27, 20 naturalis 24, 7 naturaliter 23, 16 necessarius 22, 9. 11; 24, 25; 30, 6 necessitas 21, 17. 34 — cogens 26, 19 negotium 25, 31; 28, 20 Obiectum 19, 14; 23, 16. 23 — proprium 23, 18. 21 obligare 29, 29 oboedire 27, 10; 29, 4 observare 25, 29 officium 19, 22 opus 22, 1 ordinare 20, 37; 21, 18; 24, 6 ordinatio 24, 5 ordo 19, 7. 17. 19; 20, 13; 25, 7; 27, 5; 28, 10
papa 20, 12. 26. 31; 24, 12. 26. 37; 25, 1. 15. 37; 27, 3. 7. 9. 11. 21. 25; 29, 25. 32; 30, 1 pater 28, 30
Editionsregister peccare 26, 18. 19 persona 21, 30; 26, 15 plenitudo potestatis 25, 13 pontifex summus 28, 9. 14. 17. 18. 22; 29, 1 populus 22, 33; 28, 3 posse 21, 29; 22, 4 . 1 1 . 1 3 . 1 7 . 26. 29. 35; 23, 24. 25; 24. 23; 25, 10. 33; 26, 5. 14. 25; 29, 4. 8. 13. 27 — corporale 21, 4 — spirituale 21, 4 potens 22, 17 potentia 19, 13. 25; 20, 7; 21, 14; 22, 13. 15. 21; 23, 15. 38 — auditiva 23, 17 — naturalis 23, 15 — sacerdotalis 19, 14; 21, 22 — superior 22, 15 — visiva 23, 17 potestas 19, 16. 27. 29; 20, 14. 21. 28; 21, 20. 21. 34. 41; 22, 27. 38; 23, 3. 8. 25; 25, 29; 26, 25. 26. 28. 32; 27, 3 — absolvendi 22, 32 — conficiendi 22, 12 — consecrandi 22, 12 -— corporalis 21, 7 — episcopalis 19, 7 f. 11; 20, 17 f. 19; 23, 21 •— excommunicandi 23, 9 — faciendi sacerdotes 22, 6. 10 — intelligendi 21, 1 —- naturalis 23, 35 — papalis 19, 7f. 11. 27f.; 20, 28 — sacerdotalis 19, 12; 20, 5. 9. 15. 21. 24. 25. 38; 21, 5. 6f. 16. 20. 41; 22, 7. 26. 38; 23, 6. 10. 12. 19. 22. 27 — sentiendi 21, 1 — spiritualis 20, 37; 21, 7 f. 1 5 . 1 8 ; 23, 4 — summa 24, 10. 38 praeceptum regale 26, 1 praecipere 29, 17 praedicare 19, 23. 24 praelati Ecclesiae 29, 10 praelatus 24, 7 princeps 24, 11; 26, 25. 30; 27, 20. 21 — particularis 25, 12 principalis 26, 28. 32 principatus — civilis 25, 30 — despoticus 25, 19. 24 — imperialis 25, 19 f. — monasticus 25, 24 — oeconomicus 25, 19. 21 — politicus 25, 19
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principatus quadruplex 25, 19 — regalis 25, 19 f. 34; 26, 3 principium 22, 30; 25, 29; 28, 2 — primum 24, 6 privilegiatus 29, 13. 23. 25. 26. 28; 30, 7 Privilegium 29, 19; 30, 2 purgare 19, 23. 24 redditus 26, 20 regere 25, 22. 23. 25. 32. 36 regimen 25, 21. 24; 28, 30 regnum 24, 4; 25, 9. 10. 15. 16. 36. 38; 26, 13. 16. 17; 27, 3. 36; 28, 1. 4. 6. 14. 30. 35. 37 — Ecclesiae 27, 3f. religio 24, 5 reservare 29, 2 restituere 28, 6. 14 retiñere 28, 26 rex 25, 8. 11. 16. 20. 31. 33; 26, 6. 7. 13. 18. 26. 28; 27, 2. 23. 36; 28, 3. 4. 8. 29. 30. 32 — Franciae 28, 34 sacerdos 20,10. 12; 22, 5. 28. 29; 2 3 , 1 3 ; 27, 36; 28, 9; 30, 3 — proprius 2 9 , 1 4 . 1 6 . 1 8 . 21. 24. 25. 30; 30, 3. 5. 8 — Simplex 22, 31; 23, 29 f. sacerdotalis 20, 20 sacerdotem facere 20, 18; 22, 29 sacerdotium 19, 19; 27, 36; 28, 1. 4. 7 sacramentum ordinis 19, 9 saecularis 28, 21 Salomon 28, 5 Saul 28, 4 secta 27, 11 — Christianorum 27, 12 senescalus 25, 12; 26, 25 sententia 26, 4 servare 25, 39; 26, 11 signum 28, 18 Silvester 28, 13 sol 22, 24. 25; 23, 36; 26, 34 spiritualia 20, 32; 27, 4; 28, 24; 29, 5 spiritualis 24, 24. 38; 25, 1. 7 spiritualiter 24, 19; 28, 8 status — fidelium 29, 7 — gloriae 27, 33 — gratiae 27, 31f. 32; 28, 6 — naturae (legis) 27, 31 f. 35 — scripturae (legis) 27, 31 f. 37 — triplex 27, 31
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Register
statutum 25, 30 subdere 28, 18 subditus 25, 32; 26, 6. 7. 14. 15. 20. 30; 27, 24; 29, 4. 33 subesse 27, 11. 13 subiacere 25, 37 summum bonum 27, 18 summus 26, 3 — pontifex 20,10:23,33 superior 22, 27; 26, 6 suspendere 26, 27; 29, 8 taxare 22, 33 temporalia 20, 32; 24, 38; 25, 2. 7; 27, 4; 28, 23. 25. 26; 29, 2. 3 temporalis 28, 15 temporaliter 28, 12 tempus Constantini 28, 13 tempus Samuelis 28, 2 terminus 20, 28; 27, 34 — ultimus 20, 30 testari 28, 11. 36 testis 21, 10 textus bibliae 27, 34f. Topici 27, 15 tribuere 23, 26; 27, 25 tyrannus 26, 21
unio 20, 42 unire 21, 6. 14. 15. 16. 19; 23, 5; 24, 14. 15 unitas 24, 21 — summa 24, 20 unitus 28, 7 usus 28, 24. 26; 29, 1. 6 — iurisdictionis 25, 4. 9 uti 29, 4 utilitas communis 26, 19 vacare 28, 2. 37 vigor 26, 2 virtus 22, 13. 15. 21; 23, 37. 38. 39; 26, 33. 36 — naturalis 22, 23; 23, 35; 26, 33 — solis 23, 36 — superior 22, 15. 23 vis generativa 22, 3 vita 23, 2 — animae 21, 3 — corporalis 20, 41; 21, 2; 24, 33 — corporis 21, 3 — spiritualis 20, 41; 21, 2 — temporalis 20, 41 Zacharias papa 28, 33
NAMENREGISTER Aaron 106 AbaUard 47, 178, 179 Abbo von Fleury 168, 169, 170 Abdias 108 Abel 130, 142, 176, 177 Abraham 74, 78, 129,130,140,142,152, 177, 178 Abraham bar Chijja 74 Abraham ibn Ezra 74, 76 Adam 134, 139 Adelmann von Lüttich 171 Adso 162 Aegidius Romanus 11, 12, 27, 28, 186 Afärät, J . 74 Agrippa von Nettesheim, Heinrich 148, 152, 153 Alatris, M. ab 31 Albero von Trier 193 Albertus Magnus 36, 149 Aldus Manutius 155 Alexander II. 174 Alexander I I I . 47 Alexander IV. 36 Alföldi, A. 132 Alfonso el Sabio 148, 150 Ambrosius 129, 132, 145 Anaclet II. 191 Anselm con Canterbury 175, 178 Anselm von Havelberg 176—179, 184 Anselm von Laon 123 Appelt, H. 196, 197, 198, 206 Appuhn, H. 138 Apuleius 151 Aribo 132 Aristoteles 22, 23, 25, 26, 154, 159, 170 Arnulf von Kärnten 197 Asclepius 151 Atto von Vercelli 167, 168, 169 Augustinus 36, 40, 43, 50, 56, 61, 94, 100, 101, 104, 106, 107, 108, 111, 127, 136, 141, 144, 145, 146, 162, 164, 165, 166, 169, 178 Bachofen, J . J . 143 Baehrens, W. A. 102 Baer, J . 72 Baethgen, F. 190 Baldas, L. 155
Bandmann, G. 132, 134 Baraut, C. 32 Baron, S. W. 72 Bartholomaeus Anglicus 150 Baston, P. 135 Becker, J . 76 Beda Venerabiiis 109 Beissel, St. 135 Benedikt 32, 158 Benedikt von Aniane 131 Benrath, G. A. 50 Ben-Sasson, J . 76 Benz, E. 34, 37, 41, 45, 86, 88 Berengar von Tours 171, 196 Bernardini P. 1 Bernhard von Clairvaux 39 Bernold von Konstanz 175 Berthold von Reichenau 196 Bertola, E. 70 Bessarion 150, 154 Bettoni, E. 16 Beumann, H. 197, 199 Bezaleel 131 Bezold 143 Bläser, P. 127 Blau, J . L. 74 Bloch, P. 127, 128, 131, 132, 134, 136, 142, 144 Boeckler, A. 133 Böckmann, P. 113 Boll, F. 143 Bonaventura 1, 36, 48, 86, 88 Bondatti, G. 36 Bonfante, P. 164 Bonifaz VIII. 1, 2, 9, 11, 12, 13, 15 Bonizo 175 Borchgrave d'Altena, J . de 133 Borgnet, A. 149 Bouillard, H. 56 Bovillus, Carolus 154 Brandt, R. 136 Braunsfeld, W. 131 Breitenbach, E. 137 Brunner, O. 159 Bruno von Merseburg 199 Buber, S. 70 Buck, T. 113 Bühler, Α. 132
216
Register
Buisson, L. 2 Buonaiuti, E. 32, 45 Burckhardt, J. 143
Doucet, Y. 89 Du Cange 206 Duns Scotus 50, 52, 56
Calderón 40, 41 Caspar, E. 173 Cassel, D. 72 Cassirer, E. 156 Cathuulf 201 Ceccrelli, C. 129 Celtes 155 Chabouillet, M. 139 Chalcidius 179 Champier, Symphorien 154 Chasdaj Crescas 77, 78 Chenu, M. D. 12 Chlothar II. 201 Cicero 169
Ebel, W. 159, 161 Eckert, W. 131 Eckhardt, W. A. 161 Eichmann, E. 201, 205 Einem, H. v. 134, 139 Einhard 132 Ekkehard IV. 132 Ekkehard von Aura 193 Elbern, V. H. 129, 130, 140 Elias 43, 140 Emmen, A. 89 Endres, R. 113 Engelhardt, H. 137 Enklaar, Th. 185 Erasmus 154 Erdmann, C. 196 Erich, O. 134 Eschweiler, J. 130 Eugen III. 198, 199 Eusebius 151, 160 Euw, A. v. 139 Eva 134 Ewig, E. 193, 201 Eynde, D. van den 47 Ezechiel 105, 108
Clemen, O. 49, 50, 51, 55, 58, 60, 63 Clemen, P. 136 Clemens I., Papst 151,154 Closs, A. 149 Cohn, L. 146 Collon-Gevaert, S. 133, 136 Composta, M. 182 Congar, Y. 13 Conrad, H. 161 Cornell, H. 128, 129, 132, 133, 137 Cosimo de' Medici 150 Crocco, Α. 31, 33, 44 Cyprian 163,164,169,170,173,178,187 Cyrillus 151 D'Ailly 55 Damasus 185 Daniel 128, 129, 203 Dante 31, 32 David 28, 131, 132 Day, S. J. 51, 52 Decker-Hauff, H. 132, 201, 205 Deér, J. 132 Delbrueck, R. 129 Dempf, A. 85 Denifle, H. 36, 42 Denzinger 154 Dettloff, W. 52 Deusdedit 175 Dineen, L. 204 Dionysius Areopagita 19, 151, 154 Dionysius der Kartäuser 55 Dittmann, W. 113 Dodwell, C. R. 147 Dolcino, Fra 185 Domitian 204
Fasola, G. N. 147 Faustus 111 Faymonville, K. 132 Felix a Bussacensis 163 Festugière, A.-J. 148 Fichte 85 Fichtenau, H. 132, 161, 179, 205 Ficino, Marsilio 143, 144, 147, 148, 150, 151, 153, 156 Ficker, J. 146 Fillitz, H. 132 Finke, H. 2 Finkenstein, B. J. 201 Flavius Josephus 204 Fludd, Robert 156 Fohrer, G. 69 Franz von Assisi 35, 84—87, 88, 90, 91, 96, 97, 98 Franz von Retz 138 Fretté, E. 37 Friedberg, Α. 28, 29, 48, 181 Friedrich I. Barbarossa 161, 182, 189, 190, 195, 196, 197, 201 Friedrich II., Kaiser 183, 194, 201, 205
Namenregister Friedrich von Sizilien 185 Frugoni, Α. 32 Fulbert von Chartres 171 Funkenstein, A. 38, 160 Funkenstein, J . 201 Gabriel Biel 49, 57 Gagnér, Sten 157, 158, 159, 164, 179, 181, 183, 185, 186, 188 Gall, A. v. 202 Ganshof 163 Gantner, J . 138 Gaufried von Auxerre 32, 39, 40 Gavin, F. 65 Gelder, Η. E. van 139 Gelin, A. 69 Georgius Trapezuntius 150 Gerberga 162 Gerbert von Aurillac 169, 170, 171, 187 Gerhard Zerbolt von Zutphen 57 Gevaert, S. 135 Geyer, B. 149 Gherardo di Borgo San Donnino 36 Gheyn, J . Van den 137 Gilson, E. 88 Glanvell, W. von 175 Glorieux, P. 13 Goetz, W. 31 Goez, W. 2 Goldbrunner, J . 91, 96 Goldkuhle, F. 136, 137 Goldziher, I. 72 Gonzaga, Johannes 152 Goppelt, L. 127 Gottfried von Admont 107 Gottfried von Straßburg 113 Grabmann, M. 34, 171 Gratian, Magister 28, 180, 181, 183 Gregor I. d. Gr. 40, 105, 109, 110, 145, 162 Gregor VII. 173,174,175,182,192,195, 196, 198, 199 Gregor I X . 48 Gregor von Rimini 49, 50, 51, 53 Grodecki, L. 133 Grundmann, H. 31, 32, 33, 38, 39, 45, 84, 159, 190, 202 Guilelmus Palaiologus 152 Guldau, E. 134 Gundel 143 Guttmann, J . 74 Hain, L. 150 Halinard von St. Bénigne
172
217
Hallinger, K. 158 Halm, Ph. M. 138 Hampe, Κ. 190 Hartmann von Aue 113, 114, 116—119, 121, 123—126 Hausherr, R. 136 Havet, J . 169, 171 Hegel 35, 85 Hegesipp 160 Heider, G. 135 Heidlauf, F. 104 Heinemann, J . 68, 73, 75, 76, 77 Heinrich II. 197 Heinrich III. 197, 198, 206 Heinrich IV. 193—196, 198, 199, 206, 207 Heinrich V. 189, 195 Heinrich VII. 194 Heinrich von Someren 51 Heinrich Totting von Oyta 50 Hektor 155 Henoch 152 Heribert, Hl. 138 Hermes Trismegistos 148, 151—154 Hesiod 202 Heumann, H. G. 193 Heynck, V. 3, 14, 16, 84, 89 Hildebrand (s. auch Gregor VII.) 196 Hinkmar von Reims 166, 195, 199 Hinschius, P. 194 Hiob s. Job Hirschfeld, H. 72 Hirschfeld, O. 204 Hirsch-Reich, B. 31, 32, 40 Hödl, L. 2, 13, 16 Hoffmann, H. 196, 207 Hofmeister, A. 182 Holofernes 42 Holtzmann, R. 190 Homer 202 Honorius Augustodunensis 40, 134, 135, 136, 141, 145, 147 Horapollo 155 Hrabanus Maurus 110, 131 Huck, J . Ch. 44 Hugenholtz, F. W. N. 185 Hugo von St. Victor 40, 47, 179 Husik, I. 74, 78 Ilg, A. 147 Innocenz I. 165, 166, 173, 175, 180, 205 Innocenz I I I . 48, 146 Irenaeus von Lyon 40, 135, 146, 160, 161
218
Register
Isaak 74, 78, 106, 133, 142, 147 Isaías 107, 110 Isidor von Sevilla 40, 134, 140 Ivo von Chartres 179, 180, 181, 183 Jaffé, Ph. 173, 196, 201 Jakob 74, 106, 133, 139, 152, 153 Jakob von Quarcheto (du Quesnoy) 3 Jakobus, Apostel 69 James, M. R. 137 Jansen, B. 89, 90, 93, 95, 136 Jehuda Hallevi 72—75 Jeremias 33 Jesse (Isai) 134, 142 Joachim von Fiore 31, 32, 34—48, 84—86, 88, 159, 184 Job 109, 129, 177, 178 Johann von Parma 36 Johann Pupper von Goch 49—60, 62, 63 Johannes, Apostel 85, 106, 108, 127, 146 Johannes XIX., Papst 172 Johannes von Erfurt 14 Johannes Gerson 55 Johannes Gonzaga 152 Johannes Quidort von Paris 13, 27, 28 Johannes der Täufer 52, 139 Jona(s) 128, 142 Jonas, H. 151 Jones, G. F. 193 Joseph Albo 78 Josua 203 Judas Makkabäus 203 Judith 42, 43 Jung, C. G. 91, 96, 97 Justinian 146, 159, 187 Justinus 151 Kaiser, E. 113 Kallenbach, H. 135 Kantorowicz, E. 190, 206, 207 Karg-Gasterstädt, E. 193 Karl IV. 155 Karl der Große 131, 132, 196, 199, 201 Karl der Kahle 132 Kayser, R. 72 Kehr, P. 191, 192, 206 Keller, H. 196 Kern, F. 159 Khalid ibn Jazid 148 Kienast, R. 205 King, K. C. 113, 116 Kittel, G. 200 Köhler, W. 130, 141
Kollewitz, J. 129 Konrad I I . 196, 200
Konrad III.
196, 198
Konrad Witz
138
Konrad von Würzburg 113 Konstantin 11, 16, 28, 146, 148, 153 Konstanze 45 Kosmas Indikopleustes 134 Kottje, R. 131 Kraus, H. J. 200 Krause, H. 159, 180, 187 Krause, H. G. 193, 196, 206, 207 Kristeller, P. O. 151 Krücke, A. 139 Künstle, K. 127—129, 141 Kuttner, St. 185 Laborde, A. Comte de 136 La Boderie Lactantius
155 152, 153
Landeen, W. M. 57 Landgraf, A. M. 47 Lange, K.
102
Lara, R. C. 2 Laspeyres, E. A. Th.
Lauchert, F. Lazzarelli
185
134
154
Leclercq, J.
27, 28, 32, 39
Leeuw, G. v. d.
65
Lehner, F. J. 132, 134 Leo I., d. Gr. 141, 165, 166, 167, 180 Leonardi, C. 48 Lessing, G. E. 85, 137 Levi ben Gerson 77 Lewy, I. 74
Libosus von Yaga 163, 164, 169, 173 Linke, H. J. 113 Lo Grasso, I. Β. 9 Lohmann, Η. E. 199 Lohmeyer, E. 204 Lothar. I 198 Lottin, O. 117, 124 Löwenfeld, S.
175
Löwith, Κ. 84, 85 Lubac, H. de 13, 99, 102, 140 Lucas von Cosenza 32 Lucas Cranach 139
Luchaire, A. 196 Ludwig VII., König
Ludwig der Bayer Ludwig der Fromme
196
161, 187 132, 198
Lukas 146 Luther 52, 57, 58, 86, 139 Lutz, J. 137
Namenregister Maier, Α. 33 Maier, J. 67, 79 Mâle, E. 134, 135, 139 Manasses 42 Mann, Th. 116 Marcian, Kaiser 201 Marcus, R. 69 Maria (Mutter Jesu) 134, 136—139 Markus 135, 146 Marsch, W. D. 131 Marsilius von Padua 187 Martin IV. 13, 29 Matthäus 128, 146 Maurer, F. 192, 193, 206 Maximian von Ravenna 129 Maximilian I. 155 Maximin von Trier 196 Maximus von Turin 107 Mayer, A. 130 Mayer, Th. 193 Melchisedech 11, 27, 28, 130, 140, 142 Mennel, Jakob 155 Meulenberg, L. F. J. 173, 174, 186 Michäas 111 Mirandola, Giovanni Pico della 151, 152 Mitteis, H. 206 Möhler, L. 150 Mone, F. J. 149 Moses 38, 39, 102, 104, 106> 108, 127, 133, 134, 141, 151, 152, 153, 176, 203 Moses Maimonides (ben Maimun) 72, 75, 76 Nagel, B. 116 Nebukadnezar 203 Neu, H. 136 Neuburger, Ch. 76 Nicolaus Cusanus 156 Nietzsche 86 Nikolaus I. 167, 172 Nikolaus de Tudeschis (Panormitanus) 187 Nikolaus von Verdun 130, 135, 147 Noah 110, 128, 152, 155 Nobel, H. 114, 116 Nock, A. D. 148 Nordström, C. O. 130 Normann, F. 113 Nowotny, Κ. A. 145, 147, 148, 152 Oberman, H. A. O'Brien, Μ. Β. Odilo von Metz Odo von Cluny
49 204 132 162
219
Ohly, F. 101, 116 Opitz, G. 190 Orígenes 100—103, 105, 108, 110, 140 Orpheus 154 Osiris 152, 153, 155 Otto I. 132,194 Otto III. 170,171 Otto von Freising 182, 183, 184, 195, 196,199 Panoísky, E. 133 Patei, R. 69 Paulinus, Presbyter 146 Paulinus von Nola 127 Paulus 35, 39, 44, 59, 85, 100, 104, 108, 129, 133, 164, 167 Pelagius 67, 58 Perdrizet, P. 137 Pereis, E. 167, 175 Petrus 5, 17, 24, 85, 129, 164, 175, 198, 199, 200, 205 Petrus Comestor 27 Petrus Damiani 172, 173 Petrus Johannis Olivi 3, 12, 15, 16, 17, 84, 87—93, 97, 98 Petrus Lombardus 1, 19, 33, 47, 48, 50, 55, 117 Petrus de Trabibus 3, 13, 14, 90 Pfeiffer, G. 69 Philipp I. von Frankreich 199 Philipp, König 205 Philipp der Schöne 12 Philo von Alexandrien 69, 99, 102, 107, 146, 204 Piatelli, E. 72 Pijper, F. 49, 50, 51 Pilatus 129 Pines, S. 72, 74 Piper, F. 146 Pippin 132, 201 Piaton 88, 150, 151, 154, 202 Plethon, Gemistos 150, 151 Poliphilus 155 Polykrates von Ephesus 160 Post, G. 207 Post, R. R. 49, 50, 51, 55, 57, 58 Pot, J. H. J. van der 38 Prat, A. V. 41 Preisker, H. 203 Preuschen, E. 103 Proclus 151 Prudentius 129 Priimmer, D. 37 Pythagoras 151, 154
220
Register
Rademacher, F. 138 Rahewin 182, 183, 195, 196, 197, 201 Rainer von Ponza 32 Ramsay, Α. M. 202 Rassow, P. 189—192, 199, 202, 206 Ratzinger, J . 48, 86 Raymund Rigaldi 2 Reeves, M. 31, 32 Rembrandt 139 Richter, G. 130 Rieber, E. 131, 201 Röhrig, F. 128, 136, 141 Roger II. 191 Roger Bacon 149 Ronig, F. 131, 142 Rubens 139, 140 Rupert von Deutz 111 Russo, F. 31, 44 Saadja 75 Sabbetaj Zbi 81 Sägmüller, J . B. 174 Sallust 182 Salomo(n) 28, 102, 132, 142 Salomo ibn Gabirol 76 Samson 147 Samuel 11, 28, 201 Sasson, Ch. H. 72 Saul 28, 201 Saunders, Ο. E. 137 Savonarola 151 Schade, H. 128, 141 Schäfer, D. 191—195,197,199, 202, 206 Scheffer-Boichorst, P. 195 Schelling, 85, 86 Schieb, G. 114, 116 Schiller, G. 134 Schilling, K. 127, 140 Schirokauer, A. 116 Schlauch, M. 131 Schlee, E. 146 Schlosser, J . v. 132, 138 Schmid, P. 206 Schmidt, G. 137 Schmitt, F. S. 175 Schneider, J . 202 Schnitzler, Hermann 129, 130, 131, 136, 144 Schober, G. 206 Scholem, G. 40, 70, 79, 80, 81 Scholz, R. 11, 12, 27, 28, 186 Schönbach, A. E. 107 Schönfelder, A. 130 Schöngrabern 147
Schramm, P. E. 132, 201, 207 Schreiber, W. L. 150 Schubert, K. 71 Schulz, F. 164 Schwab, U. 113 Schwartz, J . 131 Schwarz, W. 113 Seckel, E. 193 Seckler, M. 34 Sibilla, S. 2, 36 Siefken, H. 113 Siger von Brabant 149 Silver, D. J . 78 Silvester 11, 28 Simoncioli, F. 90 Simonius, A. 159 Simson, B. v. 182 Soden, H. v. 163 Sokrates 88, 97 Sole, M. Z. 74 Spicq, P. C. 140 Spoerl, J . 159, 171 Sprandel, R. 159 Squilbeck, J . 130 Stabius, Johannes 155 Städter, E. 92 Stammler, W. 137 Stange, Α. 138 Stapulensis, Faber 154 Staupitz 50, 51 Stecher, R. 69 Steger, H. 131 Steiger, A. 150 Stein, B. 202 Stein, S. 161 Steinwenter, A. 164 Stephan I. 163, 165 Stephan IV. 132 Stephanus comes Avernorum 167 Stiennon, J . 133, 136 Stommel, E. 128, 129 Strzygowski, J . 134 Stumpf-Brentano, K. F. 196, 201 Sudendorf, H. 196 Suger von Saint Denis 104, 133 Sunthaim, Ladislaus 155 Swarzenski, H. 135 Teeuwen, P. 55 Tellenbach, G. 190 Tertullian 66, 160, 161, 163 Thaner, F. 174 Theodomar 158 Theodoricus 158
Namenregister Theodosius I. 132 Theophilus 147 Thieme, K. 131 Thietmar von Merseburg 197 Thoma, H. 130 Thomas von Aquin 1, 13, 34—39, 41, 47, 48, 49, 55, 56, 58—61, 63, 66, 86, 90, 91, 183, 185, 186 Thomas de Bailly 13 Thomas Morus 186 Thorndike, L. 143, 149, 150 Thulin, O. 139 Töpfer, B. 45, 160, 171, 177, 185 Tondelli, L. 31, 44 Tonomura, N. 113 Toporowski, J . 72 Trithemius Sponheimensis 155 Tschirch, F. 113 Ulimann 50 Ulrich, Abt 137 Untermann, I. 74 Urbanus, Papst 181 Vajda, G. 70, 74, 79 Verardo, R. A. 47 Vergil 200 Verheijen, M. 66, 67 Vetter, E. M. 139 Victor Romanus 160 Visser't Hooft, W. A. 139 Vitalis de Furno 2—9, 11—16, 19, 24 Volbach, W. F. 129, 130 Wachtel, A. 136 Wächter, L. 69 Wadding, L. 29 Waitz, G. 182, 195 Walafried Strabo 140 Walch, Ch. W. F. 50
Walker, D. P. 144, 150, 154 Waither von der Vogelweide 205 Wapnewski, P. 116 Watson, Α. 134 Weber, P. 131 Weckwerth, Α. 137 Weis, Α. 131 Weisgerber, Α. 130 Weiss, H.-F. 69 Wessel, K. 129 Widukind von Korvei 196 Wilhelm von Conches 179 Wilhelm von Ockham 55 Wilhelm von Saint Amour 36 Wilhelm von Tocco 37 Willson, Η. B. 113 Wilpert, J. 130 Wilpert, P. 32, 74 Wimund von Aversa 173 Windisch, H. 203 Winkelmann, E. 194 Wipo 200 Witte, F. 136, 138 Wolf, A. 116 Wolf, G. 183, 204, 205 Wolfram, H . 201, 204 Wolfson, Η . A. 72 Wulff, O. 146 Xenophon
202
Zacharias, Papst 28 Zambelli, P. 152 Zatschek, H. 189, 190 Zielinski, B. 202 Zifroni, A. 72 Zoepfl, F. 138 Zoroaster 151 Zosimus, Papst 205
SACHREGISTER Aaronstab 134, 138 Abgott 43 Absolution 3 Abstammung Joachims v. Fiore 40 Achtung 200 Adler 135 Ägypten 164 Ähnlichkeit 99 Akademie, Florentiner 151 Akte, äußere 61 —, innere 61 Akzeptationslehre 52 —, ockhamsche 60 Alchimie 160, 151, 155, 166 Allegorese 100 Allegorie 99, 100, 108—110 Allegorien 138 Allegorisierungen 140 Allegoristik 76 Altar, Verduner 136 Altarkreuze 133 Altarssakrament 43, 44 Amt 192, 200 —, kaiserliches 206 Ämter 7 —, hierarchische 1, 4 Anagni, Kardinalskommission in 42 Anagogie 109, 110 Analogie 99, 100, 102 Analogiedenken 111 Anathem 53 Angst 91, 95 Annales Patherbrunnenses 195 Anspruch Bonifaz' VIII. 2 Anthropologie 92, 97 — Oli vis 87 Antichrist 16, 36, 88, 162 Antidialektiker 171 Antike 148, 179, 205 —, griechische 99, 143 Antinomismus, utopischer 80 Antithomismus 56 Antitypen 137 —, neutestamentliche 104 Antitypus 66, 127, 147 Äon 81, 87 Äonenfolge 80 Apokalypse 162
Apokalypsenbild 141 Apokalypsenerklärung 38 Apokalypsenpostille 87, 88 Apologetik, jüdische 77 Apophthegmen 58 Apostel 107, 127, 160, 169, 180 Apsismosaik 131 Archivolten 127 Aristotelesrenaissance 92 Aristotelik 144 Aristoteliker 90 —, radikale 77 Armenbibeln 137 Armut 62, 87 Artusepen 125 Artushof 126 Artusroman 124 Askese 87, 115, 116 Astrologie 149, 151, 155, 156 Auferstehung 135 — Christi 139, 142 —, leibliche 68, 77 Auferstehungshoffnung 128 Aufklärung 83. 156 Auftrag, messianischer 71 Augustinismus 66 —, nominalistischer 49 —, spätmittelalterlicher 49 Augustinisten 50, 56 Auslegung, allegorische 101 —, spirituelle 108 —, symbolistische 79 Auslegungsmethode, spirituelle Auslegungstradition 109 Autonomie, menschliche 92 Autorität 173, 175, 176, 179 Autoritäten, patristische 176 Averroismus 154 Begehrlichkeit der Augen — des Fleisches 62 Begnadung 116, 120 Beichtiger 45 Beichtpropaganda 114 Bekehrung 94 Bekenntniskunst 139 Belehnungen 191 Berufung, göttliche 59
62
101
Sachregister Beschneidung 66, 78 Besitz 191—194, 200 Bettelmönche 36 Bettelorden 36, 57, 63 Bewegung, asketische 184 —, häretische 184 —, spiritualistische 87 Bewegungspsychologie, aristotelische 92 Bewußtsein 91 —, rationales 96 Bibel 78 — von Floreffe 135 — in San Paolo 141 Bibelexegese 101, 111 Bibelfenster 136 Bibellehre der Manichäer 141 Bible Moralisée 136, 142 Biblia Pauperum 128, 137, 141,142, 145 Bibliografia Gioachimita 31 Bild-Denken 142 —, typologisches 135 Bilderfolgen, programmatische 145 Bilderkreis, typologischer 132 Bildersprache 72 Bilderstreit, karolingischer 131 Bilderzyklen 128 Bilderzyklus, Regensburg-Prüfeninger 133 —, typologischer 141 Bildspekulation 142 Bildung, antike 156 Bildwerke, romanische 147 Bischof 6, 7, 13 Bischöfe 14, 18, 166, 169 —, Anrede für 192 —, Sukzession der 160 Bischofsamt 1 Brandopfer 43 — des Isaak 133, 142 Brandopferaltar 131 Brauch 163 Bruderschaft 57 Bücher, sibyllinische 153 Buchmalerei, Regensburg-Prüfeninger 133 Buchrolle 105 Buchstabensinn 104, 110 Bund 66 Bundeslade 131 Bundesverpflichtung 67 Bundeszelt 131 —, Teppiche des 140 Bürgertum 160 Buße 116, 118—120
223
Bußfahrt 115 Bußlehre 3, 117 Bußsakrament 12, 45, 116 Byzanz 148, 154 Cabinet des Médaillés, Pariser 139 Caesaropapismus, byzantinischer 82 Cánones 168 Chalcedonense 201 Charakter, sakramentaler 65, 66, 78 Charisma 87 Christen 34 Christentum 70, 72, 77, 82, 83, 86, 172 197 —, Selbstverständnis des 41 Christologie 5, 141 —, kirchliche 81 Concordiae Caritatis 137 Consuetudinalismus 184 Corpus Christi 3, 4 Begriff 13 Cranachaltäre 139 Danae 139 Daseinsverständnis 74 Deckmetaphern 106 Deckmetaphorik 105, 108 Deckvorstellung 109 Dekalog 160 Dekret 180 — Gratians 180, 181 Dekretalen 168 Dekrete 173 Denkbewegung, typologische 105 Denken, analoges 99 —, griechisches 103 —, historisches 155 —, jüdisches 70, 74, 76 —, mittelalterliches 74 —, typologisches 139 Denkform 100 —, neuplatonische 10 Denkvorstellungen, griechische 100 Denkweise, exegetisch-typologische Deutung, allegorische 100, 103 —, heilsgeschichtliche 110 —, typologische 100, 127 Devote 57 Dialektiker 171 Dienst, priesterlicher 7 Dienste, sakramentale 1 Dienstgewalt, kirchliche 2 Dienstleistung, priesterliche 6 Dienstvollmacht, priesterliche 5
47
224
Register
DienstvoUmacht, sakramentale 13 Digestenzitate 183 Diözesanmuseum, Kölner 130 Diskussion, dogmatische 47 Disziplin, kirchliche 157, 158 Dogma, katholisches 44 Dogmatisierung 86 Dom, Kölner 136, 140 — zu Siena 153 Dornbusch, brennender 134, 138 Dorsalemalerei 137 Dreikönigenschrein 127 Dreistadienlehre 85 Drei-Zeiten-Lehre 37, 38, 48 Drogosakramentar 130 Drucke, Venezianische 33 Druiden 155 —, gallische 154 Dynamik, abendländische 162 Edikt 180 Edikte 161 Ediktrecht 170 Eherne Schlange 133, 139, 142 Ehre 191, 192, 203 Ehrerbietung 200 Eidos 85 Einfluß, platonischer 69 Einflüsse, sarazenische 150 Einsicht, geistige 100, 102, 103, 108 Einzelgebot 76 Einzelgebote 65, 75, 78 —, Begründung der 75 Einzelriten 68 Einzelseele 73 Ekklesia 130, 131, 142, 146, 161, 165, 166, 172, 176, 199 —, Personifikation der 130 Ekklesiologie, mittelalterliche 4 Eklektiker 50 Elementarmetapher 102, 104, 111 Emails, Limousiner 139 Emanation 203 Emblematik 155 Empirie 91 Energie, Erhaltung der 91 —, seelische 91, 96, 97 Entwicklung, dogmengeschichtliche 48 —, frömmigkeitsgeschichtliche 140, 141 —, rechtstheoretische 184 Entwicklungsidee 85 Enzyklopädisten 149, 150 Epen 114, 116, 126 —, homerische 99
Epik 113 Episkopat 166 Epoche, konstantinische 83 Epochengrenze 38 Erbsünde 78 Ereignis-Analogie 142 Erfahrung, religiöse 93 Erkenntnis, esoterische 76 — Gottes 51 Erkenntnisakt 76 Erkenntnislehre, theologische 56 Erkenntnismöglichkeiten 102 Erkenntnisstreben, menschliches 75 Erkenntnistheorie, neuplatonische 80 Erklärung, allegorische 99 Erlöser 153 Erlösung 78, 114, 123, 126, 144 Erlösungsbedürftigkeit 123 Erlösungsgesetz 78 Erlösungslehre 141 Erlösungsprozeß 81 —, universeller 82 Erlösungswerk Christi 66, 83 Erwählung, göttliche 59 Erwählungsauftrag 66, 67, 74, 83 Erwählungstradition 100 Eschatologie 68 —, christliche 171 —, prophetische 100 Esoterik, talmudisch-frühmittelalterliche 79 Esoteriker 70 Ethik 75 Ethisierung 70 Ethos 87 —, höfisches 126 Eucharistie 4, 140 Eudämonismus 76 Evangeliar von Averbode 135 Evangelien 32 Evangelisten 146 Evangelium 37, 39, 58, 123, 187 —, ewiges 35—38, 42, 45 —, geschriebenes 62 —, neues 88 Evidenz 61, 52 Exegese 79, 110, 133, 170 —, allegorische 75, 77 —, mittelalterliche 140 —, symbolistische 80 Exeget 106, 108, 111 Exegeten 127 Exil, babylonisches 67 Existenz 95, 97
225
Sachregister Existenz, charismatische 84 —, christliche 66 —, menschliche 87 —, pneumatische 97 —, psycho-physische 88 —, spirituelle 85 Exodusbild 141 Ezechielvision 146 Fabeltiere 145 Fenster, typologisches 137 Fenster von St. Denis 133 Fenstergemälde 137 Fensterverbleiung 145 Fensterzyklus zu Mühlhausen 138 Feudalkirche 86 Figurenbuch 31, 32 Flußgötter 146 Fonnanalyse 146 Formkritik 113 Formparallelen 142 Forschung, kirchengeschichtliche 2 —, kunsthistorische 128 —, rechtsgeschichtliche 2 —, theologische 2, 128 Fortschritt als Erkenntnisfortschritt 184 —, Geschichte als 184 Fortschrittsgedanke 177 Fortschrittsglaube 86 Forum, priesterliches 6 Franziskaner 36, 149 Franziskanerorden 36, 48, 84 Franziskanerschule, mittlere 3 Franziskaner-Spiritualen 38, 184 Franziskanertheologen 52 Freiheit 6, 59, 60, 63, 85, 87, 88, 90, 95 —, evangelische 59 —, vollkommene 59 Freiheitsauffassung 95 Freiheitslehre 88 — Olivis 89 Freiheitstheorie 90 Fresken 132 Freude 87 Frömmigkeit, kirchliche 113 Frührenaissance 143 •—, italienische 153 Frühscholastik 47 Funktion, kosmische 79 —, sakramentale 65, 68, 78, 82, 83 —, soteriologische 81 —, transkosmische 79 Furcht 60 Fürsten, Anrede für 192 Med. VI
Fürsten, deutsche 195 Fürstenerklärungen von 1121
193
Galerie Schleißheim 138 Garantiebilder 130, 133 Gebäudemetapher 109—111 Gebet 73, 77 Gebot 66 Gebote 63, 64, 75, 76, 79 —, Einzelbegründung der 73 Gebotserfüllungen 65, 78 —, einzelne 68 Gebotserklärungen, rationalistische 76 Gebotsklassen 77 Geburt Christi 135 —, jungfräuliche 134 Geheimnis 67 Geheimnisse, heilsgeschichtliche 66 Gehorsam 62, 76 Gehorsamsgebote 75 Geist 44, 94, 102 —, Freiheit des 85 — Gottes 73, 93 —, menschlicher 73 — der Wahrheit 43 Geistigkeit, mittelalterliche 6 Geist-Kirche 44, 46 Geistlehre 45 Geist-Zeit 36—38, 41, 46 Geltungsdauer der Lex evangelica 37 Gelübde 53, 56—59, 63 Gelübdeproblem 62 Gemäldegalerie Kassel 139 Gemäldezyklus 129 Gemeinde 67, 73, 83 —, priesterliche 5 Gemeinschaftsbewußtsein 83 Gemeinschaftsfunktion 83 Generalkonzil 166 Generalminister 36 Generalstudium in Montpellier 2 Genesisbild 141 Geoffenbartes, Autorität des 51 Georgenchor 127 Gerechtigkeit 51, 53, 58, 60, 63 Gericht 162 Germanenreiche 161 Gesamtdarstellung Joachims 33 Geschehen, sakramentales 67, 81, 82 Geschichte 100, 101, 110, 139 —, Gesamtdynamik der 177 Geschichtsanschauung 158, 160 —, spiritualistische 34 Geschichtsbild 75 15
226
Register
Geschichtsdenken 2 Geschichtsdeutung, exemplarische 100 Geschichtsphilosophie 85 Geschichtsplan, göttlicher 66 Geschichtsschreibung 162 Geschichtstheologie 34, 86 —, spiritualistische 88 Geschichtsverständnis 160 Geschichtswissenschaft 145 Geschlechts-Register Jesu 42 Geschöpf 60 Gesellschaft, ritterliche 125 Gesellschaftsleben, höfisches 121 Gesetz 11, 58—60, 62—65, 71, 75, 76, 82, 94, 103, 108, 114, 123, 125, 133, 139, 164, 176, 180, 182, 187 —, altes (siehe auch Lex vetus) 35, 37, 61, 63 —, alttestamentliches 39 — Christi 10 —, eingegebenes 61 — als Einheit 73 —, Erfüllung des 68 —, evangelisches 59, 60, 62—64 —, ewiges 179 — der Freiheit 60—62 — des Geistes 61, 94 —, geschriebenes 61 —, gesetzliches 62 — des Glaubens 61 — der Gnade 40 — Gottes 61 —, hermeneutisches 100 — der Knechtschaft 61 — des Lebens 71 — der Liebe 59, 60 —, mosaisches 34, 37, 39, 40, 42, 60, 62, 82, 106, 160 — Mosis 153 —, natürliches 39 —, neues (siehe auch Lex nova) 14, 35, 37, 40, 42, 61, 63 —, Notwendigkeit des 63 — der Sünde 61 — der Taten 61 — der Täter 62 —, ungesetzliches 62 — des Vaters 85 —, vollkommenes 64 — der Werke 60, 61 Gesetze 86, 186 —, neue 34, 174 Gesetzesauffassung 72 Gesetzesbegriff 67
Gesetzesbücher 99 Gesetzesdenken 2 Gesetzeserfüllung 71 Gesetzesfrömmigkeit 71, 72, 79 Gesetzesinterpretation 68 Gesetzesmoral 85 Gesetzespraxis 68 Gesetzesübergabe 129, 139 Gesetzesverständnis 72 Gesetzgeber 158, 159, 162, 166, 170, 178, 182, 187 —, kirchlicher 180 —, weltlicher 180 Gesetzgebung 83, 136 —, kaiserliche 161 — Mosis 141 Gesetzgebungsgewalt 183 — des Papstes 167 Gesetzgebungsprimat 174 Gesetzgebungsrecht 161, 170, 172, 182 Gesetzlichkeit 41, 62 Gestirnmächte 77 Gewalt, bischöfliche 8 —, exekutive 9 —, geistliche 7, 17 —, herrscherliche 10, 11, 13, 14 —, hierarchische 2, 7—9, 15 —, hierarchisch-bischöfliche 14 —, hierarchisch-päpstliche 12, 15 —, jurisdiktionelle 1, 9 —, kirchliche 16 •—, kirchlich-hierarchische 15 —, königliche 18 —, legislatorische 183 —, päpstliche 2, 12, 16 —, priesterliche 7, 8 —, sakramentale 15 —, Vollbesitz der 16 Gewaltenlehre, kirchliche 12 Gewissen 6, 178 Gewißheit 51, 52, 54 Gewohnheit 164, 172, 173, 183 Gewohnheitsrecht 164, 207 —, römisches 164 Ghettomauern 83 Gideons Vlies 134, 138 Glasgemälde, mittelalterliche 138 Glasmalereien 133 Glaube 92, 123, 124, 171, 176, 183 Glaubensakt 92 Glaubensartikel 32 Glaubensaussage 101 Glaubensbegriff 91 Glaubensbewußtsein 100, 117
227
Sachregister Glaubenserfahrung 124 Glaubensgut der Kirche 100 Glaubenslehre 100, 108 Glaubenswahrheit 124 Gläubigkeit, mittelalterliche 6 Gleichnis 99 Gnade 4, 6, 11, 40, 53, 66, 59, 61, 95, 118, 119, 122—126, 133, 139, 203 —, geschaffene 56 — des Hl. Geistes 36 Gnadenlehre 55, 56 —, augustinische 51 Gnadenordnung 4 Gnadenwunder 115 Goldschmiedekunst, mosane 133 Golgotha 144 Gott der Offenbarung 74 •—• der Philosophen 74 — als Schöpfer 75 Gottesbegriff 56 Gottesdienst, synagogaler 70 Gotteserfahrung 93 Gotteserkenntnis 52, 53, 73 —, alttestamentliche 202 Gottesfurcht 76 Gottesgemeinschaft 76 Gottesliebe 76 Gottesrecht 67 Gottesrittertum 120, 122 Gottesschau 39, 52 Gottesvolk 83 Göttinger Sakramentar 130 Grandvalbibel 141 Gregorianische Reform 41 Grundschema, hermeneutisches 101 Güte 87 Gymnosophisten 154 Handbücher, exegetische 140 Handlung, epische 114 Häretiker 46 Hauptwerke Joachims v. Fiore 33, 36 Heil 68, 83, 126 Heiliges Land 73 Heiligung 70 Heilsaneignung 65, 82 —, individuelle 83 Heilserfahrung 113 Heilsgeschehen 85, 144 —, Typen des 144 Heilsgeschichte 38, 40, 67, 68, 70—73, 76—81, 83, 88, 103, 127, 133, 137, 162 —, Dreiteilung der 136 Heilsnotwendigkeit der Kirche 15
Heilsplan 128 Heilsprozeß 162 Heilsspiegel 137, 142 Heilsspiegelaltar 138 Heilsvermittlung 65, 82 Heilsvollzug 162 Heilsweg 82 Heilszeit 123, 124, 184 —, messianische 68 Heilszeiterwartung 184 Heinrichsportatile 130 Hellenismus 148 Heribertschrein 127 Herkules 139 Hermetica 150—152, 154, 155 Hermetik 148, 153, 154 Herrenleib 3, 5, 7, 13, 14 Herrschaft 202 •—, Formen der 9 —, königliche 10 Herrschaftszeichen 132, 201 Herrscher 201, 204 Herrscheramt 119 Herrscherauffassung 201 Herrscherbild 201 Herrscherkult 204 Heteronomie 68, 75, 78 Hexameter, leoninischer 136 Hierarchie 1, 8, 15 hierarchisch siehe Gewalt, Ordnung, Rang, Vollmacht, Vorrang Hieroglyphen 155 Himmelfahrt 135 Historie 109 Historienmalerei 128 Hochmut des Lebens 62 Hochscholastiker 55 Hoheitsrecht 189 Hoheitsrechte, kaiserliche 198 Honorar 200 Humanismus 139 —, niederländischer 50 Humanisten 144, 151, 154 —, deutsche 155 Humanität 186 Hymnen, pseudepigraphische 151 Hypostasenvorstellung 69 Ideal, franziskanisches 88 Idealismus 86 Idee, franziskanische 85, 87 —, spiritualistische 84 Ideengeschichte der Gesetzgebung 157 Ikonographie 127—129, 131, 134, 145 15*
228
Register
Ikonographie, frühmittelalterliche 141 Imperator, spätantiker 186 —, spätrömischer 174 Imperium, antikes 131 — Romanum 170 Individualisierung 124 Individuation 96 Individuum 97 Initialen 146 Initialschuld 116 Initialsünde 117 Instanz, gesamtkirchliche 166 —, päpstliche 166 —, rechtsverändernde 166 Instanzen, rechtsverändernde 168 Instanzenproblem 182 Instinkte 96 Institution 86 Institutionalisierung 86, 87 Interpretation, allegorische 140 —, anagogische 140 —, historische 140 —, pneumatische 140 —, psychische 140 —, somatische 140 •—, tropologische 140 Interregnum 149 Investitur, königliche 193 Investiturstreit 189, 190, 193, 196, 201, 206 Inzest 115, 116, 118, 120, 122, 123 Islam 72, 166 Israel 74, 83 Jakobssegen 139, 142 Jeremias-Vision 33 Joachim-Forschung 33 Joachim-Literatur 31 Joachiten 35, 41 Johannesadler 135 Judaismus 40 Juden 32, 34, 155 — im Mittelalter 67 —, ungläubige 104 Judenfrage 131 Judenheit 131 Judentum 39, 40, 65—68, 70—72, 74, 77, 82, 83 —, hellenistisches 67, 99 —, rabbinisches 203 —, traditionelles 72 Jungfrau mit dem Einhorn 135 Jungfräulichkeit Mariens 139 Jüngstes Gericht 137, 144
Jurisdiktion 2, 9 Jurisdiktionsgewalt 13 —, geistliche 15 —, herrscherliche 10 —, päpstliche 10 Jurisprudenz 159, 187 —, abendländische 158 —, römische 158 Juristen, italienische 198 Juristifizierung 189, 190 Justinianischer Corpus 169, 182 Kabbalah 67, 70, 74, 77, 79—82, 151—153 —, christliche 156 —, Popularisierung der 81 Kabbalisten 77 Kaiser 10—12, 15, 187 Kaiseridee 199 Kaiserkrone 201 —, Davidsplatte der 201, 205 Kaiserrecht 180 —, römisches 167 Kaiserstuhl 132 Kaisertitulatur 204 Kaisertum 167, 174, 182, 205—207 —, antikes 167 —, spätantikes 182 —, staufisches 183 Kanon 100 Kanonistik 41 Kapitularien 197 Kapitularienforschung 161 Karolingerkapitularien 200 Karolingerzeit 197 Kartenspiel 150 Katharer 46, 141, 146 Kathedra 129 Kausalität, kasuistische 116 Kelch, Wiltener 147 Ketzer 37 Ketzertaufstreit 163 Keuschheit 62 Kirche 3—9, 11—15, 18, 41, 66, 101, 130, 131, 163, 174, 176, 178, 186, 194 —, lateinische 166 —, mittelalterliche 6 —, römische 173 Kirchenamt 2, 17 Kirchenanschauung, spiritualistische 34 Kirchengewalt 2 Kirchenidee 34 Kirchenlehrer, Funktion der 103 Kirchenrecht 82, 168, 170, 180
Sachregister Kirchenrecht, lokales 168 Kirchenväter 99, 106, 131, 140, 144, 161,165, 166, 168, 180, 181, 187 Kirchenverfassung 1, 17 Klassik, höfische 121 Klassizismus 144 Kleinkunst 128 Kloster 115, 118—120, 122 Klöster 107, 110 Klosterleben 57, 58 Klosterleute 62 Klosterneuburger Altar 135, 136, 141, 147 Kolsterpraxis 57 Knechtschaft 63 Kodifizierungen, langobardische 161 Kompetenzproblem 172, 182 Konfession, mosaische 83 König 10—12, 15, 203 Könige 205 —, Anrede für 192 Königsgesetz 10 Königsgesetzgebung 161 Königsherrschaft 203 Königshymnus 200 Königsmacht 203 Königstitel 204 Königswahl 194 Königtum 10, 11, 205, 207 —, französisches 183 Konkordanzproblem 183 Konsekration 3, 5 Konstantinische Schenkung 17 Konstanzer Vertrag 189, 190, 198, 199, 206, 207 Kontemplation, mystische 93 Konventualen 84 Konzil, Pariser 198 Konzilien 169 Kosmologie des Judentums 69 Kosmos 72, 75, 77—79, 81. 83 — als Ganzheit 67 Kräftefeld, sakrales 4 Kreatürlichkeit 87 Kreuz 133, 142 — von St. Denis 133 Kreuzestod Christi 155 Kreuzfuß von St. Bertin 133 —, Weimarer 134 Kreuzigung 133, 135, 142 Kreuzigungsdarstellung 131 Kreuzopfer 133 Kreuzreliquiare 133 Kreuzzüge 72, 77
229
Kreuzzugsidee 178 Krönungsevangelistar 132 —, Prager 134 Krönungsordo, westfränkischer 207 Kult 70 Kultgesetze 70 Kultideologie 69, 70 Kultordnung 69 Kultrestauration 70 Kunst, abendländische 130 —, altchristliche 146 —, bildende 107, 144, 153 —, byzantinische 146 —, christliche 127, 128, 134, 141, 146 —, frühchristliche 130 —, kirchliche 130 —, mittelalterliche 127 —, sakramentale 128 —, spätantike 130 —, typologische 127, 128, 140—142 Kunstbetrachtung 145 —, formale 146 Kunstgeschichte, spätantike 129 Kurie, päpstliche 36 Kyrios 82, 83 Laon, Schule von 125 Laster 59 Latein, mittelalterliches 191 Leben 62, 194 —, ewiges 52, 71 —, geistliches 93 Lebensdynamik 91 Lebensformen, natürliche 4 Lebensvollzug 96 Legalismus 41 Legislative 159 Legislator 186 Legislatoren 158, 184, 187 Lehen 191—193, 200 Lehre Christi 160 Lehr-Entwicklung, scholastisch-dogmatische 48 Leib 102, 194 — Christi 4, 5, 14, 138 Leuchter, siebenarmiger 131 Lex 82, 83, 113, 123, 125, 126, 167, 168, 172, 180, 181, 197, 200—202, 205—207 — gratiae 4, 41 — naturae 4 — nova 34—36, 38—42, 48, 59, 82 — vêtus 34, 35, 41 Liebe 60, 63 Lipsanothek von Brescia 129
230
Register
Literatur, antike 151 —, erbauliche 136 —, patristische 151, 156 —, prophetische 153 —, rabbinische 67, 73, 78 Liturgie, synagogale 70 Logik 116 Löwe von Juda 134, 142 Lucidarius 104 Luthertexte 58 Macht 203 —, absolute 53 —, göttliche 53—55 —, königliche 10 Mächte, kosmische 78 Magie 151, 156 Magier, persische 154 Majestasbild 141 Malerei 145 Mandorla 204 Manichäer 141, 144 Marienkrönung 137 Marienverehrung 138 Markuslöwe 135 Mediaevum 2, 5 Meierhof 114 Mendikantenorden 12, 13 Mensch, sarkastischer 94 Menschheitsgeschichte 72 Menschwerdung Christi 134 Meßgebete 130 Messianismus, jüdischer 40 Messias 81, 134 —, jüdischer 82 Meßkanon, Illustration des 129 Meßopfer 129, 130, 133 Metapher 99, 103, 105, 110 Metaphern 101, 107—109, 111, 112, 128 -—, frühchristliche 130 Metaphernbelege 99 Metaphernpaare 109 —, platonische 105 Metaphorik 102, 111 Methode, dialektische 110 —, scholastische 34 —, scholastisch-dialektische 47 Miniaturen 130 —, karolingische 141 Minnegemeinschaft 125, 126 Missale, Gladbacher 136 —, Hildesheimer 135 Mittelalter, jüdisches 75 Mobilität, abendländische 188
Monatsbilder 147 Mönchsleben 118 Mönchsorden 9 Mönchswesen 57 Mond 146 Monumentalkunst 136 Mosaiken 130 Mysterien 71 Mysterium 42, 43 Mystik, jüdische (siehe auch Kabbalah) 67 Mystiker 71, 93, 97 Mystikerkreise, esoterische 80 Mythologie 139 —, antike 140 Nationalbegriff 83 Nationalbibliothek, Pariser 139 Natur 4, 7, 90, 101, 139 —, göttliche 52 —, menschliche 52, 185 Naturgesetz 10, 72, 169 Naturordnung 4 Naturrecht 10, 157, 167, 169, 179, 181, 183, 185, 187 Naturrechtsbegriff, Justinianischer 179 Naturrechtslehre 185, 186 Naturwissenschaften 155 Neuplatoniker 77 Neuplatonismus 143, 147, 148, 151, 155, 156 Neuzeit 162, 188 Nominalismus 51 Norm 166 —, Unverrückbarkeit der 180 Notwendigkeit 60, 159 Offenbarung 72, 145, 150, 152, 177, 178 —, christliche 85 —, göttliche 54 Offenbarungsinhalt, biblischer 75 —, christlicher 126 Offenbarungslehre, theurgische 151 Offenbarungsreligion 148 Offenbaxungssetzung 55 Opfer 135, 138 — Abrahams 142 Opferstier 135 Opfertiere 102 Ordensleben 62 Ordnung, heilsgeschichtliche 105 —, hierachische 7, 13 —, kosmische 69 Ordnungsmacht, hierarchische 8
231
Sachregister Ordo 3—5 —, siebenfacher 1 Orient 205 Ornamente 145 Orpheus 151 Orphische Hymnen Orthodoxie 161 Osterlamm 139 Ostkirche 66
150
Papst 5, 6, 8—14, 16—18,116, 119,125, 167, 172, 174, 180, 181, 186, 189, 193 —, Gewalt des 16 —, Irrtumslosigkeit des 15 —, Petrusamt des 17 —, Rangstellung des 16 —, Universalgewalt des 15, 16 Papstbriefe 199 Päpste 169, 170 Papstidee 166 Papsttum 166, 167, 182, 183, 190 Papstwahldekret von 1059 193, 206 Paradies 145 Paradiesesflüsse, Ikonographie der 146 Paradiesesströme 146, 147 Paraklet 35 Passahlamm 103 Passionsszenen 133 Pastoralprivilegien 12 Patriarchen 60, 62 Pelikan 135, 138 Persönlichkeit 91, 92, 96, 97 —, dämonische 97 Pfingstretabel im Cluny-Museum 142 Pharisäer 46 Philosophen, russische 85 Philosophenkatalog, französischer 155 Philosophie 57, 72 —, antike 143 —, aristotelische 2, 55, 56 —, christliche 74 —, islamische 74 — Piatons 88 — und Theologie 55 Phönix 135, 138 Physik, aristotelische 156 Physiologus 134, 135, 140, 144 Physiologusszenen 138 Pictor in Carmine 136 Poesie, synagogale 71 Poimandres 148, 150, 151, 153, 154 Polemik, inner-ockhamistische 55 Politik, aristotelische 9 Popularphilosophie, hellenistische 69
Potenzen, seelische 90 Praefiguration 127, 131 Praefigurationen 104, 129, 133, 134 bis 138, 140 Prädestinatianismus 51 Prädestination 56 Präfationen, altchristliche 70 Prälaten 63 Predigten des Honorius Augustodunensis 134 Priester 11 Priestertum 11 —, sakramentales 5 Primat 173—175 Primatanspruch 166 Privilegien 173 Professoren, Pariser 42, 44, 48 Programme, systematische 147 —, typologische 147 Prophet 203 Propheten 60, 62, 103, 107, 127, 137, 160, 162, 187 Prophetendarstellung 145 Prophetenkonsolen 127 Prophetie 72 —, politische 172 Prophetien, politische 171 Proselytenbeschneidung 66 Protestantismus 139 Prozeß, heilsgeschichtlicher 73 Pseudomessias 81 Psychologie 96, 121 —, aristotelische 90 — Olivis 88 Publizistik, staufische Quellwunder Mosis
183
133
Rang, hierarchischer 2, 5, 7, 15 Ränge, hierarchische 1, 6, 13 Rangordnung, ethische 118 Rangstellung, hierarchische 14 Rangtitel 204 Räte, evangelische 56, 63, 64 Ratio 164—166, 170—173, 174, 178, 180, 183—185, 187, 188 Rationalismus 75, 172 Rauchfässer 147 Rebellion 185 Recht 157—160, 167, 169, 170, 173, 174, 178, 179, 186, 187, 191—195, 200, 206, 207 —, altes 159, 161, 169,170, 173, 187 —, bestehendes 162
232
Register
Recht, bleibendes 185 —, geoffenbartes 178 —, germanisches 161 —, geschriebenes 169 —, gesetztes 162, 168 —, Grundbestand des 159 —, kanonisches 194 —, Kern des 158, 163, 172, 178 —, kirchliches 157, 160, 167, 168, 181 -—, Manipulierung des 185 —, Mobilität des 179, 181 —, natürliches 178 —, neues 159, 187 —, positives 157, 179, 183, 186 — des Reiches 197 —, römisches 10, 193, 200 —, ungeschriebenes 157, 167, 169 —, unwandelbares 165, 187 —, veränderbares 158, 160, 163, 165, 172, 187 —, Veränderbarkeit des 157, 159, 160, 183 -—, Veränderung des 178 —·, Verfügungsgewalt über 172 —, weltliches 157, 160, 181 Rechte, kaiserliche 197 Rechtfertigung 123, 125 Rechtsänderung, Recht zur 173 Rechtsanspruch, politischer 190, 191 —, dinglicher 198 Rechtsauffassung 162 Rechtsautoritäten 169 Rechtsbedeutung 206 Rechtsbefolgung 170 Rechtsbestand, immobiler 179 —, mobiler 179 Rechtsbrauch 161 Rechtsdenken 157 Rechtsentfaltung 158, 170, 176 Rechtsfortbildung 165, 182 — als Korrektur 163 Rechtsgeschichte 161 Rechtsgrundsätze 180 Rechtshilfe, päpstliche 191 Rechtsinterpretation 170, 171 Rechtskern 160, 183 —, unwandelbarer 170 Rechtskodifizierung 161 Rechtsnorm, Unverrückbarkeit der Rechtsordnung 185 Rechtssätze 178 Rechtssetzung 161 Rechtssetzungsgewalt 167 Rechtsteil, wandelbarer 170, 183
159
Rechtstexte, spätantike 179 Rechtstheorie 157, 158, 172, 182, 184, 186, 188 Rechtsunsicherheit 158 Rechtsveränderer 183 Rechtsveränderung 157—161, 163, 165 bis 168, 170, 172, 174, 178, 181, 184—188 •—, Anspruch auf 173 —, kirchliche 166 —, präventive 159 —, produktive 159 —, Rechtfertigung der 186 —, repressive 159 — als Zukunftsgestaltung 186 Rechtsverständnis 187 Rechtswahrung 161, 170, 182 Rechtswissenschaft, römische 164, 167 Rede, metaphorische 99 Reflexion, bibelhermeneutische 106 Reformation 86, 139, 154 —, franziskanische 34 •—, französische 86 Reformationszeit 50, 58 Reich 194, 201, 202, 206 — Gottes 46 —, Heiliges Römisches 132 —, Niedergang des 205 —, Wiederherstellung des 190 Reichsgesetze 10 Reichsgewalt, kaiserliche 191 Reichskirchenrecht 165 Reichskrone, ottonische 132 Reichspolitik 190 Reichsrecht 194, 197 Reichsrechte 202 Reichston 205 Reinkarnation 81 Religion 85 —, jüdische 67, 83 —, synkretistische 151 Religionen 86 Religionsgeschichte, jüdische 67 Religionsphilosophie 73, 75, 78 —, jüdische 67, 74—79 Renaissance 85, 139, 140, 143, 156 —, Geistesgeschichte der 143 —, ottonische 146 Reuner Musterbuch 145 Revolution 86, 184, 185 Rheinisches Landesmuseum 138 Rhetorik 101 —, antike 99 Rigorismus Olivis 94
Sachregister Riten, anti-sakramentale 65 Ritter 114 Ritterpflichten 126 Rittertum 115, 122 Ritterwelt 114 Ritualgesetz 69, 77 Ritualgesetze 73 Ritus 66 Römer 155 Roncaglia 190 Rubensteppiche 139, 140 Ruhm, königlicher 203 Rundscheibe im Schnütgen-Museum
139
Sachsenkrieg 199 Sacramentum 200—202, 206, 207 Sakrament 6, 43, 113, 125 Sakramentalien 65, 83 Sakramente 4, 18, 42, 44—48, 65, 66, 78, 83 —, christliche 68 — des neuen Gesetzes 41, 42, 44 —, Zahl der 47 Sakramentenempfang 114 Sakramentenlehre 5, 47, 48 — Joachims v. Fiore 44 Sakramenten-Theologie 46 Sakramentenvollzug 45 Sakramentsbegriff 65, 66 Säkularisierung 78, 83 Salvierungsklausel 193, 196, 206 St. Jakob in Regensburg 147 St. Lorenz zu Nürnberg 138 St. Maria ad Gradus 138 St. Maria Lyskirchen 136 St. Sebald zu Nürnberg 138 St. Vitus, Abteikirche 136 Santa Pudenziana 130 Santa Sabina 129, 130 San Vitale 130 Sarkophag 129 Sarkophage 128 Satzung, kirchliche 183 —, menschliche 185 Scheibenkreuz in Kremsmünster 135 Schlacht von Malignano 152 Scholastiker 63 Schöpfer 60 Schöpfung 69, 87, 102, 144 Schöpfungsgeschichte 70, 73, 80, 81 —, biblische 141 Schöpfungsordnung 69, 70, 75, 100 Schöpfungsplan 69 Schöpfungsspekulationen, rabbinische 69
233
Schriftauslegung 108 —, spirituelle 102, 103, 106, 110, 111 —, typologische 141 Schriftautorität 54 Schrifterklärung, wörtliche 77 Schriftdeutung, symbolistische 80 Schriftsinn, mehrfacher 102, 103, 109 bis 111 —, vierfacher 110 —, wörtlicher 63 —, zweifacher 108, 109 Schriftsinne (vgl. auch Sinn) 106, 108 Schriftstücke, geistliche 195 —, herrscherliche 195 Schriftverständnis 53 Schuld 60, 114—118, 120—122 —, personale 118 Schule, deutsche historische 157 Schulen, scholastische 55 Schultheologie 50 Schultradition, theologische 7 Schwesterkulturen 148 Seele 89, 90, 93, 96, 102, 149 Seelenauffassung 95 Seelenburg 97 Seelenkräfte, Untrennbarkeit der 51 Seelenlehre, kabbalistische 81 Seelenmodell, hierarchisches 90 —, voluntaristisches 89 Seelenvorstellung, hellenistische 68 — Olivis 88 Sefirotwelt 79, 80, 81 Sein 162 Sekundärliteratur, hermetische 156 Selbstexplikation, jüdische 78 Selbstverfluchung 66 Selbstverfügung 95 Selbstverpflichtung 66 Selbstverwaltung 71 Selbstverwirklichung, menschliche 85 Selbstwerdung 96, 97 Semipelagianer 56 Sendungsbewußtsein, messianisches 76 Sentenzen des Petrus Lombardus 1, 2 Sentenzenerklärungen 14 Sentenzenkommentar 3 — Olivis 89 Sentenzenwerke 12 Septuaginta 202, 203 Sibyllen 153 Sinai 67, 144 Sinaioffenbarung 67 Sinn, buchstäblicher 100, 103 —, dreifacher 110
234
Register
Sinn, geistiger 100—104, 106, 107, 109, 111 —, inwendiger 105 —, literaler 109, 111 —, moralischer 110 —, vierfacher 109 Sinnenwelt 81 Sonne 146 Soteriologie 5, 76 Souverän 187 Souveränitätsproblem 182 Spätantike 129, 143, 148, 158, 162, 166 Spätkabbalah 81 Speisemetaphern 102 Spekulation, meditative 80 —, messianische 80 Sphären, himmlische 149 Spielkarten 150 Spiritualen 35, 84—87 —, franziskanische 36 Spiritualenführer 97 Spiritualenkirche 88 Spiritualisierung 70 Spiritualismus 48, 86 Sprachbeherrschung 99 Sprache 99 —, hebräische 70, 74 Sprachgebiet, deutsches 143 Staat Israel 72 Staatsakt 187 Staatsanschauung 205 Staatslehre 201 Staatsräson 207 Staatssymbolik 132 Stadien, heilsgeschichtliche 124 Stadtgeschichte 147 Stadtstaaten, italienische 9 Stammbäume, dynastische 155 Stand der Vollkommenheit 62 Stände 118 Standesethos, ritterliches 121 Standespflichten, ritterliche 114 Stärke 203 Status, dritter 43, 44 Steigbügelhalten 11 Steinbücher 149 Struktur des Weltganzen 89 Strukturen, epische 113 Stufenkosmos 155 Stufung, hierarchische 8 Substanz 106, 108 —, geistige 106 Sühne 114 Sünde 113, 117, 119, 121, 123, 125
Sünde, objektive 118, 120 Sündenbegriff 117 Sündenfall 116, 137, 139 Sündenvergebung 6 Symbole 134 —, mariologische 138 —, sakramentale 45 Symbolgrund, heilsgeschichtlicher Symbolik 70 Synagoge 130, 131, 146 Synagogen 70 Synkretismus, antiker 156 Synode, III. karthagische 163 Taboriten 185 Tafelbilder, mariologische 138 Taufe, christliche 66 Taufstein 127 Teleologie, aristotelische 77 Tempel, heidnischer 153 —, Salomonischer 131 Tempelkult 70 Tempelzerstörung 67 Teppiche, Wienhausener 138 Testamente, Verhältnis der 111 Texte, griechische 148 —·, sarazenische 149 -— vom Toten Meer 67 Theologen, Pariser 41, 48 —, scholastische 48, 55 Theologie 48, 56 —, evangelische 92 —, frühscholastische 114 —, jüdische 71 —, mittelalterliche 1 •—, moderne 1 —, natürliche 177 — Olivis 88 •—, scholastische 2, 5, 110 —, spätmittelalterliche 49 Theologie-Professoren, Pariser 36 Theorie, juristische 183, 184 Theorien, joachitische 85 —, politische 2 Theosophie 80 Theurgie 156 Thomas-Ausgabe, deutsche 58 Thomisten 63 Thora 66—71, 73, 75, 76, 78—83 —, Äon der 80 —, Bedeutung der 71 — als Bundesverpflichtung 66 — als Einheit 78 —, Einheit der 75
113
Sachregister Thora, Funktion der 73, 75, 79, 82 — als Ganzheit 66—68 —, Geltung der 81 —, Gesamtfunktion der 68 — als Gesamtheit 65 —, Gesetz der 74 —, Infragestellung der 82 Thora-Deutung 81 Thoragehorsam 77 Thora-Inhalt 81 Thoraverständnis 79 Thoravollzug 72, 77, 82 Thron, Salomonischer 132 Thronstreit 12 Throntabernakel 132 Thronvakanz 12 Tiefenpsychologie 91, 96 Tierkreiszeichen 147 Titulatur 192 Todsünde 117
Überlieferung, haggadische 77 —, jüdische 150 —, kultische 70 Ubersetzungstätigkeit 149 Ulpianische Formel 180, 183 Unionskonzil 156 Universalgeschichte 144, 145 •—, biblische 152 Universalkonzilien 170 Universität Paris 34, 36, 48, 149 Universitäten 149 Unschuld, subjektive 120 Untergang Israels und Judas 67 Urgemeinde 57 Urgesetzgeber 162 Urkirche 57 Urkunden, päpstliche 174 Utopie, juristisch-politische 188 Utopisten 186
Tradition 45, 46, 78,106,160—163,167, 172—174, 181, 183, 186 —·, eschatologische 184 —, exegetische 104 —, jüdische 69, 77 —, kirchliche 103 —, kultideologische 79 —, lateinisch-christliche 39 —, literarische 99, 112 —, religiöse 75 —, urchristliche 100 —, Vernunftgemäßheit der 174 Traditionalismus 162, 176, 184, 188 Traditionslehre, trinitarische 46 Tragaltar 130 Tridentinum 154 Triebenergie 96 Trinitätskreise 32 Trinitäts-Lehre 33, 48 Triptychon, mosanes 133 Trishagion 200, 204 Tropologie 101, 108—110 Tugend 59, 92 —, theologische 91 Typen 138, 140, 144, 145 —·, alttestamentliche 105 —, traditionelle 140 Typologie 100, 136, 139, 141, 144r-146 —, biblische 128 Typus 66, 104, 127, 142, 147, 155
Vandalen 141 Väter, apostolische 204 Verbote 79 Verdienst 56, 68 — Christi 53 Verdienstlehre 52, 56 Verfassungsgeschichte 161 Verfügung, letztwillige 200 Vergangenheit, Verachtung der 171 Vergebung 119 Vergesetzlichung 67 Vergleich 99 Verheißung, messianische 144 Verkündigung 137 Vernunft 75, 85, 171, 173—176 —, menschliche 187 Vernunftbeweis 176 Vernunfterkenntnis 75 Vernunftgebote 75 Vernunftordnung 186 Vernunftstaat 186 Verserzählungen 114 Verständnis, buchstäbliches 103 —, geistiges 35, 43 Vita Joachims 32 Vitalseele 96 Vitalsphäre 91, 94, 95 Viviansbibel 141 Volk 68, 71, 73, 76—78 —, erwähltes 66, 68, 72, 82
Überlieferung 177 —, antike 154 —, gesetzliche 68
— — — —,
als Ganzheit 81 Gottes 66 Israel 11, 73 jüdisches 83
235
236
Register
Volksbußbewegung 81 Volkstheologie 81 Vollendung, eschatologische 83 Vollgewalt, hierarchische 8 Vollkommenheit 64 —, evangelische 17 Vollmacht, bischöfliche 7, 8 —, geistliche 12, 17 —, hierarchische 5 —, hierarchisch-kirchliche 13 —, jurisdiktioneile 12 —, kirchliche 2 — des Papstes 13 —, priesterliche 2, 5—8, 14 —, sakramentale 1, 2, 7, 15 —, weltliche 12 Voluntarismus 95 Vorhang des Tempels 105 Vorrang, bischöflicher 8 —, herrscherlicher 12 —, hierarchischer 1, 9, 14 —, jurisdiktioneller 13 —, päpstlicher 15 Vorsehung, individuelle 77 Vulgata 42 Wahl, kanonische 206 Wahlanzeige Friedrich Barbarossas 198 Wahrheit 51, 54, 62,102,105,163—166, 169, 170, 173, 177, 178, 183 —, natürliche 54 —, philosophische 54 —, theologische 54 —, unfehlbare 54 Waldenser 46 Wandmalerei, mittelalterliche 136 Wandmalereien 132 Weihesakrament 1—4, 18 Weihestufen 4 Weisheit 69 Weisheitslehre, altorientalische 69 Welt 73, 85 —, himmlische 79, 102, 103 —, irdische 102, 103 —, irdisch-geschichtliche 101 —, Schöpfung der 149 Weltbild 79 —, Dynamik des 160 —, hellenistisches 69 —, kopernikanisches 156 —, kultisches 69 —, neuplatonisches 81 —, Statik des 160 Weltdeutung, symbolistische 80, 81
Weltende 35, 36, 39 Weltgeschichte 40, 88, 162 —, zielgerichtete 68 Weltgeschichtsschreibung 172 Weltgesetz 69 Weltkirche, römische 88 Weltklerus 13 Weltlegislator 186 Weltordnung 162 —, immanente 69 Welt-Status, dritter 41 Weltveränderung 171 Weltverständnis 74 Wende, eschatologische 68 Werdegang Joachims v. Fiore 32 Wesen 162 Wesenheit als Erscheinung 203 Wiederkunft Christi 35 Wille 53, 59, 60, 62, 88—94, 96, 117 —, Akt des 58 —, erwägender 60 — Gottes 63, 68 —, göttlicher 59 —, unterwürfiger 60 Willensenergie 93 Willenskraft 87 Willenspotenz 93 Willenstheorie 90 Wirkung, sakramentale 66 Wissen 176, 183 Wissenschaft 75 —, abendländische 162 Wissenschaften, abendländische 188 —, Geschichte der 144 Witwe von Sarepta 133, 135, 142 Wörterbücher, allegorische 101 Wortsinn, buchstäblicher 109 —, geistiger 109 Wunder 116, 122, 124, 125, 139 Wurzel Jesse 134, 142 Wüstenväter 58 Zeichen 44 Zeichenfunktion der Sprache 101 Zeit, Ende der 184 — des Evangeliums 39 —, frühsalische 196 — des Gesetzes 37, 40 — der Gnade 37 — des Heiligen Geistes 35—37 —, karolingische 196 —, ottonische 196 •—, spätgotische 131 —, staufische 205
Sachregister Zeitalter 84, 85, 88 —, biblisches 108 —, drittes 86, 87 — des Heiligen Geistes 44, 90, 97 — des Katholizismus 85 — des Protestantismus 85 Zeitenlehre 38 Zelebrant 7 Zepter, Verleihung des 189 Zionismus 83
237
Zisterzienser-Orden 39 Zukunftsentwurf als Rechtsentwurf 188 Zukunftshoffnungen, chiliastische 45 Zwang 59, 60, 63 Zweikämpfe 114 Zyklen 129, 140, 147 —, monumentale 137 Zyklus 129 —, christologischer 136
Miscellanea Mediaevalia Veröffentlichungen des Thomas-Instituts an der Universität Köln H e r a u s g e g e b e n v o n PAUL W I L P E R T
Antike und Orient im Mittelalter Vorträge der Kölner Mediaevistentagungen 1956—1959 H e r a u s g e g e b e n v o n PAUL WILPERT u n t e r M i t a r b e i t v o n WILLEHAD PAUL ECKERT
Groß-Oktav. X I V , 274 Seiten. 1962. Neuauflage geplant (Band 1)
Die Metaphysik im Mittelalter Ihr Ursprung und ihre Bedeutung Vorträge des II. Internationalen Kongresses für Mittelalterliche Philosophie, Köln 31. August—6. September 1961 Im Auftrage der Société Internationale pour l'Etude de la Philosophie Médiévale (S.I.E.P.M.) H e r a u s g e g e b e n v o n PAUL WILPERT u n t e r M i t a r b e i t v o n WILLEHAD PAUL ECKERT
Groß-Oktav. X X I I , 795 Seiten. 1963. Ganzleinen D M 84,— (Band 2)
Beiträge zum Berufsbewußtsein des mittelalterlichen Menschen Vorträge der Mediaevistentagungen in Köln 1960 und 1962 H e r a u s g e g e b e n v o n PAUL WILPERT u n t e r M i t a r b e i t v o n WILLEHAD PAUL ECKERT
Groß-Oktav. XII, 360 Seiten. 1964. Ganzleinen DM 56,— (Band 3)
Judentum im Mittelalter Beiträge zum christlich-jüdischen Gespräch H e r a u s g e g e b e n v o n PAUL WILPERT u n t e r M i t a r b e i t v o n WILLEHAD PAUL ECKERT
Groß-Oktav. X I I , 484 Seiten. 1966. Ganzleinen D M 98,— (Band 4)
Universalismus und Partikularismus H e r a u s g e g e b e n v o n PAUL W I L P E R T •}·
Mit 1 Frontispiz und 2 Bildtafeln Groß-Oktav. VIII, 320 Seiten. 1968. Ganzleinen DM 82,— (Band 5)
In Vorbereitung
Methoden der Wissenschaft und Kunst des Mittelalters
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Arbeiten zur Frühmittelalterforschung Schriftenreihe des Instituts für Frühmittelalterforschung der Universität Münster In Zusammenarbeit mit
H A N S BELTING, HUGO BORGER, W I L L I A M FOERSTE, D I E T R I C H H O F M A N N , K A R L JOSEF N A R R u n d K A R L S C H M I D , herausgegeben von K A R L H A U C K
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Untersuchungen mittelalterlicher Keramik vornehmlich aus Südwestdeutschland Quart. XII, 214 Seiten mit 70 Tafeln und 5 Karten. 1968. Ganzleinen DM 98,— (Band 3) PETER BUCHHOLZ
Bibliographie zur alteuropäischen Religionsgeschichte 1954—1964 Literatur zu den antiken Rand- und Nachfolgekulturen im außermediterranen Europa unter besonderer Berücksichtigung der nichtchristlichen Religionen Quart. XXXIV, 299 Seiten. 1967. Ganzleinen DM 45,— (Band 2) L O T H A R BORNSCHEUER
Miseriae Regum Untersuchungen zum Krisen- und Todesgedanken in den herrschaftstheologischen Vorstellungen der ottonisch-salischen Zeit Quart. XII, 271 Seiten. 1968. Ganzleinen DM 64,— (Band 4) In Vorbereitung K A R L HAUCK
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Frühmittelalterliche Studien Jahrbuch des Instituts für Frühmittelalterforschung der Universität Münster In Zusammenarbeit mit
H A N S BELTING, HUGO BORGER, D I E T R I C H H O F M A N N , K A R L JOSEF N A R R , K A R L S C H M I D u n d RUDOLF SCHÜTZEICHEL herausgegeben von K A R L H A U C K
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Oktav. VII, 137 Seiten. 1961. DM 16 — (Theologische Bibliothek Töpelmann 4)
Walter de Gruyter & Co · Berlin