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German Pages [284] Year 2013
Jürgen Sarnowsky
England im Mittelalter Sonderausgabe
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Sonderausgabe 2012 (2., unveränderte Auflage) © 2002 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Satz: Setzerei Gutowski, Weiterstadt Einbandabbildung: Karl von Orléans im Tower zu London; im Hintergrund die London Bridge. Illustration zu den Gedichten des Karl von Orléans. Buchmalerei, wohl England, um 1490/1500. Ms. Royal 16, F. II, fol. 73. © akg-images Einbandgestaltung: schreiberVIS, Bickenbach Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-25618-1 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-73391-0 eBook (epub): 978-3-534-73392-7
Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Das angelsächsische England (um 400–1066) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das römische Britannien und die angelsächsische Eroberung 2. Die Christianisierung Englands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die ‚Heptarchie‘ der angelsächsischen Königreiche . . . . . . . . 4. Die Zeit der Däneneinfälle (865–1016) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die letzten Jahrzehnte des angelsächsischen Englands (1016–1066) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verfassung, Kirche und Kultur im angelsächsischen England 7. Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des angelsächsischen Englands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Das normannische und angevinische England (1066–1272) . . . . . 1. Die normannische Eroberung Englands (1066–1087) . . . . . . . 2. Die normannischen Könige Englands (1087–1154) . . . . . . . . . 3. Die Zeit Heinrichs II. (1154–1189) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Richard Löwenherz und Johann Ohneland (1189–1216) . . . . 5. Die Zeit Heinrichs III. (1216–1272) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verfassung und Verwaltung Englands im 12. und 13.Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Kirche und geistiges Leben Englands im 12. und 13.Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Englands im 12. und 13. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. England im Spätmittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eduard I. und Eduard II. (1272–1327) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. England in der ersten Phase des 100-Jährigen Krieges (1327–1399) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. England in der zweiten Phase des 100-Jährigen Krieges (1400–1453) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Zeitalter der Rosenkriege (1450–1485) . . . . . . . . . . . . . . . 5. Königtum, Recht und Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Das englische Parlament im späteren Mittelalter . . . . . . . . . . 7. Die englische Kirche im späteren Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . 8. Wirtschaft und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
9. Die englischen Städte im späteren Mittelalter . . . . . . . . . . . . . 233 10. Kultur und Alltag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Zeittafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Tafeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Karten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
Einleitung Die mittelalterliche englische Geschichte zeichnet sich durch einen ganz eigenen Charakter aus. Vor allem wegen der geographischen Lage lässt sie sich schon von Anfang an gegen die kontinentalen Entwicklungen abgrenzen, ist aber zugleich nicht ohne die kontinentale Geschichte zu verstehen. So bildeten sich in der Frühzeit nach dem Einfall der Angelsachsen in das römische Britannien eigenständige Königreiche, die anders als die meisten vom römischen Christentum geprägten Reichsbildungen niemals Teil des Frankenreichs wurden. Vielmehr entstand nach weiteren Invasionen, denen der Dänen und Norweger im 9. und 10. Jahrhundert, ein vereinigtes englisches Königreich, das auch die Eroberung durch Dänen (1016) und Normannen (1066) überstand. Ungeachtet seiner Insellage geriet England jedoch nach 1066 in eine weitgehende, fast ‚koloniale‘ Abhängigkeit vom Kontinent, die auch nach der Übernahme der Herrschaft durch die Anjou (1154) andauerte. Eine Wende brachten dabei erst der Verlust des angevinischen Festlandsbesitzes (nach 1204) und die von den Baronen erzwungene Ausweisung der südfranzösischen Berater des Königs (1258). Aber obwohl die Anjou nunmehr tatsächlich zu englischen Königen wurden, gaben sie ihre Ansprüche auf den einstmals ererbten Festlandsbesitz nicht auf, seit 1328 bzw. 1337 erweitert um den Anspruch auf die französische Krone, der schließlich in den Hundertjährigen Krieg zwischen England und Frankreich führte (bis 1453). Das Wechselspiel zwischen England und den kontinentalen Mächten bestimmte selbst den Ausgang der innerenglischen Rosenkriege, in denen sowohl die Rückkehr Eduards IV. nach seiner zwischenzeitlichen Absetzung (1471) als auch die schließlich erfolgreiche Invasion Heinrichs VII. (1485) kontinentale Unterstützung erfuhren. Die Beziehungen Englands zum Kontinent waren aber nicht nur politisch und militärisch geprägt. Vielmehr bestanden enge Kontakte auf kirchlicher, wirtschaftlicher und kultureller Ebene. So waren die Engländer seit der Christianisierung in die auf Rom ausgerichteten kirchlichen Strukturen eingebunden, durch die päpstliche Bestätigung der Erzbischöfe von Canterbury, die Übertragung der Kirchenreform, die Teilnahme an Konzilien und Kreuzzügen sowie durch die geistlichen Orden, die in England wirkten. Schon in angelsächsischer Zeit gab es Handelsbeziehungen mit dem Frankenreich, und im späteren Mittelalter exportierten fremde und einheimische Kaufleute vor allem Wolle, Häute und Metalle, aber auch (um 1200 und erneut seit dem 14. Jahrhundert) Tuche aus England in
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Einleitung
alle Teile Europas, um ihrerseits kontinentale Waren nach England einzuführen. In dieser Zeit bestand zudem zwischen den Universitäten in Oxford und Cambridge und dem Kontinent ein reger Austausch von Personen und Ideen. Gerade vor diesem Hintergrund bedarf es für die Auseinandersetzung mit der englischen Geschichte des Mittelalters einiger Vorüberlegungen, da an einen modernen Nationenbegriff nicht angeknüpft werden kann. Zunächst stellt sich die Frage, inwieweit überhaupt jeweils von einem zeitgenössischen Verständnis von „England“ als Ganzem ausgegangen werden kann. Ungeachtet kontinentaler Missverständnisse kann wohl vorausgesetzt werden, dass ‚England‘ nicht mit ‚Großbritannien‘ gleichzusetzen ist – die Geschichte von Wales, Schottland und Irland soll somit nur dann berücksichtigt werden, wenn sie sich mit der englischen berührt. Dies wird bereits beim englischen Kirchenvater Beda deutlich, der in seiner 731 abgeschlossenen »Kirchengeschichte des englischen Volkes« (Historia ecclesiastica gentis Anglorum) Britannien als „eine Insel im Ozean“ beschrieb, „die einst Albion hieß (…), über 800 Meilen nach Norden an Länge, 200 Meilen an Breite hat“, und der dann die Völker anführte, die zu seiner Zeit auf der Insel lebten, Angelsachsen, Briten, Scoten (Iren) und Pikten, aber zugleich darauf verwies, dass „die Insel zuerst nur die Briten hatte, von denen sie den Namen erhielt“.1 Wenn sich Beda bewusst auf eine Kirchengeschichte gentis Anglorum beschränkte und auf die Schilderung der britischen Geschichte verzichtete, bestimmt dies räumlich und zeitlich auch den Ausgangspunkt dieses Buchs, das mit den angelsächsischen Eroberungen und den in ihrer Folge entstandenen angelsächsischen Reichen beginnt. Ähnliche Zeugnisse für ein angelsächsisches bzw. englisches Gemeinschaftsgefühl lassen sich auch aus den späteren Jahrhunderten finden, wenn auch unter jeweils anderen Vorzeichen. Ein späteres Beispiel bietet der vielleicht berühmteste Reisebericht des englischen Mittelalters, der von Sir John Mandeville aus der Zeit um 1360, auch wenn die von ihm beschriebenen Reisen, die ihn angeblich bis nach Indien und in das Reich des Priesterkönigs Johannes führten, wahrscheinlich nie stattgefunden haben. Mandeville stellt sich als in England, genauer in St. Albans, geborener Ritter vor, der seine Schrift zunächst aus dem Lateinischen ins Französische, dann aus dem Französischen ins Englische übertragen habe, damit ihn jeder aus seiner ‚Nation‘ verstehen könne. Die Erwähnung der französischen Sprache ist dabei kein Zufall, vielmehr bildete sie noch immer die Sprache der adligen Oberschicht, selbst wenn das Englische auch schriftlich zunehmend an Bedeutung gewann. England war damit, wie Mandevilles Angabe zu seinem Geburtsort deutlich macht, ein geogra-
Einleitung
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phischer Begriff und gleichzeitig die Bezeichnung für die werdende, unter dem Königtum vereinigte ‚Nation‘, die noch nicht durch die gemeinsame Sprache definiert war. Diese Konstruktion verlor bis zum Ausgang der Rosenkriege keineswegs jede Bedeutung, wie noch der Erfolg Heinrichs VII. über Richard III. 1485 belegt. Dieses Ereignis soll hier auch in konventioneller Weise zum Schlusspunkt der Darstellung gewählt werden, obwohl sich zwischen der Herrschaft des Hauses York und der ‚neuen Monarchie‘ der Tudors durchaus Kontinuitäten beobachten lassen. Dieses Buch kann damit nicht mehr sein als eine Einführung, ein weit gespannter Überblick über ein Jahrtausend englischer Geschichte. Wer sein Bild vom englischen Mittelalter vertiefen will, dem sei die in der Auswahlbibliographie verzeichnete Literatur empfohlen. Die in den Text integrierten Quellenzitate sollen den Zugang zur reichhaltigen Überlieferung erleichtern, die gleichwohl meist nicht unmittelbar zu uns spricht, sondern vielmehr erst noch ‚entschlüsselt‘ werden muss. Mein besonderer Dank gilt der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, und hier insbesondere Frau Verena Artz und Herrn Daniel Zimmermann, die das Erscheinen des Bandes in dieser Form ermöglichten.
I. Das angelsächsische England (um 400–1066) 1. Das römische Britannien und die angelsächsische Eroberung Der eigentliche Anfang der englischen Geschichte, die „Ankunft der Angelsachsen“ (adventus Saxonum), lässt sich aus verschiedenen Gründen nicht einmal in seinem Ablauf klar erfassen. So gibt es für das 5. und 6. Jahrhundert nur wenige schriftliche Quellen, die zudem teilweise in späteren Bearbeitungen und Sammlungen vorliegen, und die archäologischen Zeugnisse, die in der Forschung zunehmend Bedeutung erlangt haben, erlauben oftmals keine eindeutigen Aussagen oder lassen sich nur schwer zu einem geschlossenen Bild der Vergangenheit verdichten. Neuere Thesen haben dabei ältere Vorstellungen fraglich werden lassen, ohne dass bisher ein neuer Konsens erreicht worden wäre. Hier sollen deshalb die schriftlichen Quellen als Leitfaden dienen. Uns ist für diese Zeit wohl nur ein umfangreicheres Werk überliefert, die Schrift »Über Fall und Eroberung Britanniens« (De excidio et conquestu Britanniae) des sonst wenig bekannten keltisch-britischen Klerikers Gildas, die die „Ankunft der Angelsachsen“ aus der Perspektive der Unterlegenen schildert. Er schrieb wahrscheinlich um 540 (oder zwischen 525 und 550), nach anderen Annahmen, die allerdings die gesamte Chronologie infrage stellen, vielleicht schon um 470. Gildas hat keine historische Darstellung hinterlassen, sondern wollte vor dem Hintergrund der Ereignisse die britischen Kleriker und Laien ermahnen, zu einer gottgefälligeren Lebensweise zurückzukehren. Wahrscheinlich hat er deshalb nur wenige Namen und kaum Zeitangaben aufgenommen, wobei er ohnehin wohl vor allem auf mündliche Überlieferung angewiesen war. So wird der britische Herrscher Vortigern, dessen Name – oder Titel – so viel wie ‚oberster Herrscher‘ bedeutet, nur in einer Art Wortspiel als „hochmütiger Tyrann“ (superbus tyrannus) eingeführt, und der auf etwa 446/452 datierbare vergebliche Hilferuf der Briten an römische Autoritäten scheint im Text an die falsche Stelle geraten zu sein. Zudem tritt der knappe historische Teil hinter dem moraltheologischen mit 74 von 110 Kapiteln deutlich zurück. Bei Gildas ist das Vorgehen der Angelsachsen in England die letzte von mehreren Strafen Gottes, die die Briten durch ihre Sünden – und durch ihre Dummheit – verschuldet haben. Nach dem Wüten einer Pest wurden sie von den Angriffen der Pikten und Scoten bedroht, und gegen diese riefen sie die Angelsachsen zu Hilfe. „Dann wurden alle Teilnehmer am Rat
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Das angelsächsische England
zusammen mit dem hochmütigen Tyrannen mit Blindheit geschlagen“, heißt es bei Gildas, und: „Der Schutz – genauer die Methode der Zerstörung –, den sie für unser Land vorsahen, war, dass die Wilden mit dem fürchterlichen Namen der Sachsen, gehasst von Mensch und Gott, ins Land gelassen werden sollten wie Wölfe in den Schafspferch.“ Die ‚Sachsen‘ – die offenbar nach dem Vorbild der Föderaten im späten Römischen Reich zum Schutz der Grenzen ins nachrömische Britannien gerufen wurden – setzten sich nach seiner Darstellung im Osten der Insel fest, und als von ihnen geforderte Zahlungen ausblieben, erhoben sie sich gegen die Herren des Landes. „Alle großen Städte wurden durch die wiederholten Schläge der feindlichen Rammböcke zerstört, die Einwohner getötet – Kirchenführer, Priester und Volk gleichermaßen –, als überall die Schwerter blitzten und die Flammen knisterten.“1 Obwohl vieles nur angedeutet ist, wird doch deutlich, dass es auch im nachrömischen Britannien des 5. Jahrhunderts noch funktionierende Strukturen gab: einen Rat, der zusammen mit einem Herrscher Entscheidungen traf, sowie Einkünfte zur Bezahlung angeworbener Föderaten und befestigte Städte. Vieles ging noch auf die römische Herrschaft zurück, die jedoch in Britannien von unterschiedlicher Intensität war. So waren der Süden und Osten mit dem Zentrum London (die Flachlandzone) weitgehend romanisiert worden, während der Norden und Westen mit dem Zentrum York (die Hochlandzone) vor allem militärisch kontrolliert wurden. Nachdem das Land lange vor den Problemen des Reiches verschont geblieben war, begannen mit Angriffen der Pikten in den Jahren 342 und 367 unruhigere Zeiten. Seit der Mitte des 4. Jahrhunderts führten mehrfach Usurpatoren aus der römischen Oberschicht ihre Truppen auf den Kontinent und schwächten so die lokale Verteidigung, auch wenn die Befestigungen noch einmal 369 unter dem comes (Militärbefehlshaber) Theodosius erneuert wurden. Als 407 der letzte der Usurpatoren, Konstantin III., nach Gallien abzog, bedeutete dies schließlich faktisch das Ende der römischen Herrschaft über Britannien. Um 410 sah sich Kaiser Honorius nicht mehr in der Lage, Hilfe zu senden, sondern verwies darauf, dass sich die ‚städtischen‘ Gemeinschaften, die civitates, selbst verteidigen müssten. Die ‚Städte‘ des Landes waren wohl zumeist kleinere Siedlungen, Militärlager oder auch Verwaltungsmittelpunkte, die wirtschaftlich und sozial eng mit dem umgebenden Land verbunden waren, von wenigen Ausnahmen im Süden und Osten abgesehen. Dort erlaubte das dichtere Netz der Römerstraßen eine intensivere Kontrolle und Einbindung der Landwirtschaft, während die Bauern des Nordens und Westens zumeist ärmer waren und vielfach isoliert lebten. Allerdings kam es in den letzten Jahr-
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zehnten des römischen Britanniens zu einer Angleichung, da der Landbesitz – wie in anderen Teilen des Imperium Romanum – immer stärker konzentriert wurde, die Bauern häufig als coloni, Halbfreie, in die Abhängigkeit ferner Herren gerieten, in ärmlichen Dörfern und Weilern zusammengefasst wurden und durch harte Besteuerung weiter verarmten. Das führte schließlich zu einem dramatischen Rückgang der Bevölkerung, der nicht vor dem hohen Mittelalter ausgeglichen werden konnte. Die entlegeneren Siedlungen wurden aufgegeben, und die Bevölkerung zog in die Städte oder in wirtschaftlich besser gestellte Regionen. Im Süden entstanden so noch am Anfang des 4. Jahrhunderts prosperierende Landgüter, während in vielen Städten, z. B. in Bath und Cirencester, bereits die Bevölkerung zurückging und ein Verfall der städtischen Bauten einsetzte. Die Christianisierung Britanniens begann wahrscheinlich schon im 2. Jahrhundert, vor allem in den großen Städten des Ostens und Südens, auch wenn sich ebenso Kirchen am Hadrianswall nachweisen lassen. Die Christen konnten sich trotz einer Wiederbelebung der heidnischen Kulte im 4. Jahrhundert behaupten und wirkten auch über den Bereich der römischen Herrschaft hinaus, seit 431/32 durch die Mission Patricks in Irland, aber wohl auch durch Nimian bei den Pikten. Allerdings wurden die Beziehungen zum Kontinent durch die vom Kirchenvater Augustinus bekämpften Lehren des in Rom lebenden Briten Pelagius getrübt, nach denen der Mensch aus freiem Willen – und damit ohne die Amtskirche und die Spendung von Sakramenten – zur Erlösung gelangen konnte. Da die 418 erfolgte Verurteilung des Pelagius nach dem Abzug der römischen Truppen in Britannien nicht mehr umgesetzt werden konnte, suchte die Kirche selbst Abhilfe zu schaffen. So reiste einer der gallischen ‚Reformer‘, der Bischof Germanus von Auxerre, 429 und vielleicht nochmals nach 440 nach Britannien, um gegen die Pelagianer vorzugehen. Dabei kam es nach der »Geschichte der Briten« (Historia Brittonum) in der Fassung des Nennius – auf der Grundlage einer Kompilation des frühen 9. Jahrhunderts, deren Quellenwert für das 5. und 6. Jahrhundert in der Forschung bestritten wurde, die aber wohl doch wichtige, wenn auch kritisch auszuwertende Informationen bietet – zu einer Konfrontation mit Vortigern, dem „hochmütigen Tyrann“ bei Gildas, der etwa zwischen 425 und 450 regierte und einer der Vorläufer der Herrscher von Powys in Wales war. Germanus soll vor ihm gepredigt haben, „um ihn zu seinem Herrn zu bekehren“, doch soll Vortigern vor ihm in seine Festung geflohen sein und dort den Tod gefunden haben.2 Auch wenn dies in das Reich der Legende gehört, lässt auch dieser Bericht etwas von den Strukturen des nachrömischen Britanniens erkennen, wenn eine Synode von Klerikern und Laien erwähnt wird.
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Das angelsächsische England
Insgesamt ist wenig über die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen des 5. Jahrhunderts bekannt. Neben der Bedrohung aus dem Norden kam es zu Überfällen der ‚Sachsen‘ an den Küsten, die wohl unter anderem ihre Beurteilung bei Gildas erklären, und die Wirtschaft litt unter den zahlreichen Konflikten. So kam die Münzprägung zum Erliegen, und mit den Städten wurden auch die römischen Manufakturen zerstört, die vor allem Töpferwaren produzierten. Die Chronologie der Ereignisse lässt sich allerdings nur schwer bestimmen, selbst wenn klar ist, dass man sich die angelsächsische Einwanderung und Eroberung als einen längeren Prozess vorstellen muss. Der einzige feste Anhaltspunkt bei Gildas ist der Hilferuf der Briten an den magister militum (obersten Befehlshaber) Galliens Aëtius, der sein drittes Konsulat erwähnt, also etwa auf die Jahre 446–452 zu datieren ist. In der von Gildas geschilderten Abfolge der Ereignisse wäre dann der Ruf an die ‚Sachsen‘ unter dem „hochmütigen Tyrannen“ etwa um die Jahrhundertwende erfolgt. Dem widerspricht die Angabe einer »Anonymen Gallischen Chronik«, nach der Britannien bereits 441 oder 442 „der Herrschaft der Sachsen unterworfen“ wurde,3 sowie die Bedas in seiner »Kirchengeschichte des englischen Volkes«, der für die Einwanderung der Anglorum sive Saxonum gens das Jahr 449 nennt.4 Dabei ist allerdings zu bedenken, dass die Angabe von Inkarnationsjahren (Jahren nach der Fleischwerdung des Herrn) eine – erst mithilfe Bedas durchgesetzte – Neuerung des sechsten Jahrhunderts ist und dass die älteren Daten aus Genealogien und Herrscherjahren errechnet wurden. Zudem lassen sich archäologische Nachweise für die Ansiedlung von ‚Sachsen‘ in York- und Lincolnshire, aber auch in Ostanglien bereits auf das Ende des 4. Jahrhunderts datieren, sodass die Einwanderung der Angelsachsen schon weitaus früher begann – auch wenn keine Kontinuität bestanden haben muss. Vor diesem Hintergrund muss wohl der von Gildas zitierte Hilferuf an Aëtius in der Kette der Ereignisse an anderer Stelle inseriert werden, nämlich nach dem Aufstand der ‚Sachsen‘. Damit ergibt sich auf der Grundlage von Gildas, dass die Briten nach dem Abzug der Römer 407 zunächst noch einmal gegen die Pikten erfolgreich waren und eine Periode des Wohlstands erlebten, die das Aufkommen des „hochmütigen Tyrannen“ begünstigte. Angesichts neuer Gefahren aus dem Norden erfolgte dann unter Vortigern der Ruf an die ‚Sachsen‘, etwa um 430 – nach der Historia Brittonum „im Konsulatsjahr von Felix und Taurus“ (428),5 sodass auch die Angabe bei Beda zu korrigieren ist –, wobei vorausgesetzt werden kann, dass sie nicht die ersten germanischen Siedler auf der Insel waren. Die ‚Sachsen‘ besiegten die Pikten, aber erhoben sich gegen ihre Herren – nach der anonymen gallischen Quelle um 442 –, sodass sich die
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Briten nunmehr, wenn auch vergeblich, an Aëtius wandten. Damit setzten lang anhaltende Kämpfe ein. Die britischen Quellen beschreiben die Einwanderer als ‚Sachsen‘, doch ergibt sich aus anderen Zeugnissen ein differenzierteres Bild. In einem Eintrag (oder einem späteren Einschub) bei Beda ist die Rede von „drei starken Völkern Germaniens, nämlich von den Sachsen, Angeln und Jüten“.6 Diesen drei Völkern werden verschiedene Siedlungsgebiete zugeordnet, den Jüten Kent und das Gebiet um die Insel Wight, den Sachsen Wessex, Sussex und Essex, den Angeln Ostanglien, Mittelanglien, Mercia und Northumbrien; als Herkunftsgebiete werden das moderne Norddeutschland und Dänemark genannt. Dabei darf man sich allerdings keine Völkerwanderung vorstellen. Die Einwanderer kamen vielmehr, wie auch die Quellen nahe legen, in kleinen Gruppen – wie sich auch die Herrschaftsbildung zunächst kleinteilig vollzog. Zudem dürften die meisten Angelsachsen nicht direkt aus Dänemark oder Norddeutschland nach Britannien gekommen sein. Schiffsreisen erfolgten in dieser Zeit im Wesentlichen entlang der Küsten, und zeitweilig reichte der sächsische Einfluss bis an den Kanal. So drang der sächsische ‚König‘ Eadwacer 463 bis Angers vor. Im Mündungsraum des Rheins lebten Franken, Friesen und Sachsen nebeneinander, ohne dass die ethnischen Abgrenzungen – aufgrund der vielfältigen kulturellen Beziehungen – immer deutlich wären, zumal sich die Stämme vor allem aufgrund politischer und sozialer und nicht in erster Linie aufgrund ethnischer Gemeinsamkeiten ausbildeten. Den Austausch zwischen den Küstenvölkern belegt der Bericht über einen aus dem dänischen Raum stammenden Krieger namens Hengest, der in Friesland kämpfte und vielleicht mit dem späteren ‚König‘ von Kent identisch war. Auf jeden Fall lassen sich bei den Einwanderern ebenfalls friesische und fränkische Einflüsse erkennen. Die klare Dreiteilung in Sachsen, Angeln und Jüten wird auch von angelsächsischen Zeugnissen infrage gestellt. So lassen sich ihre Personennamen nicht unterscheiden, und im 7. und 8. Jahrhundert erscheint das ‚anglische‘ Northumbrien in den Quellen auch als Saxonia. Zudem kann man davon ausgehen, dass zumindest die bäuerliche britische Bevölkerung nicht vollständig vertrieben, sondern teilweise durch die neuen Herren sprachlich und kulturell beherrscht und in die neuen ‚Stämme‘ integriert wurde. In einer späteren Phase der Herrschaftsbildung, insbesondere in Wessex, das von einer kleinen Gruppe von Invasoren unter Cerdic erobert wurde, lässt sich dann selbst eine Adelsschicht keltischen Ursprungs nachweisen – vielleicht nicht zufällig, da Cerdic selbst einen Namen keltischen Ursprungs führte und so möglicherweise keltische Vorfahren hatte.
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Das angelsächsische England
Die Ausgangspunkte angelsächsischer Siedlung und Herrschaftsbildung lagen, auch nach Gildas, im Osten und Süden Englands, insbesondere in Kent und Sussex sowie – nach archäologischen Zeugnissen – in Ostanglien und an der sich nördlich anschließenden Küste. Kent soll von sächsischen Söldnern unter Hengest und Horsa erobert worden sein. Ihre Namen wirken erfunden, was für Horsa nicht durch Bedas Hinweis entkräftet wird, im östlichen Kent gebe es noch ein Denkmal mit seinem Namen, denn dieses lässt sich wohl auf eine dort stationierte römische Kohorte (co-hors) beziehen. Die 892 in Wessex kompilierte Angelsachsenchronik, die möglicherweise auf älteres Material, mündliche Traditionen und Dichtung zurückgreift – auch wenn dies die neuere Forschung partiell infrage gestellt hat –, überliefert eine Kette von Ereignissen. Danach kämpften Hengest und Horsa 455 gegen König Vortigern „an einem Ort, der Aegelesthrep genannt wird“.7 Horsa fand dabei den Tod, und Hengest und sein Sohn Aesc übernahmen die Herrschaft. Sie gewannen weitere Schlachten gegen die Briten in den Jahren 456 (457), 465 und 473, und während Hengest nicht mehr erwähnt wird, ist für 488 die Erhebung von Aesc zum König belegt. Andere Überlieferungen lassen Aesc aus Northumbrien zu Hengest kommen oder die Genealogie der kentischen Herrscher erst mit Aesc beginnen. So oder so dürfte Kent erst im letzten Viertel des 5. Jahrhunderts allmählich Gestalt gewonnen haben. Die Angelsachsenchronik berichtet ähnlich knapp über die Anfänge von Sussex. 477 soll Aelle, der erste Herrscher von Sussex, mit seinen drei Söhnen und drei Schiffen in Britannien gelandet sein, und 491 eroberte er Anderida, eine Küstenbefestigung gegen die Sachsen bei Pevensey. Beda galt er als der erste bretwalda, als erster Oberherr über die angelsächsischen Königreiche,8 vielleicht, weil er in dieser Phase den Oberbefehl über die angelsächsischen Kontingente führte. Möglicherweise war er der Anführer der Truppen, die an einem als Mons Badonicus bezeichneten Ort gegen die Briten eine schwere Niederlage erlitten – und vielleicht war die geringe Bedeutung von Sussex eine Folge dieser Niederlage. Denn nach dem Niedergang unter Vortigern berichtet Gildas von einer Erholung der Briten unter der Führung von Ambrosius Aurelianus, der wohl einer Familie der Usurpatoren des 4. und frühen 5. Jahrhunderts entstammte. „Unter ihm gewann unser Volk seine Stärke zurück“, heißt es bei ihm, „und forderte die Sieger zum Kampf. […] Von nun an ging der Sieg bald an unsere Landsleute, bald an die Gegner. […] Dies dauerte bis zum Jahr der Belagerung des Mons Badonicus. Das war das Jahr meiner Geburt; soviel ich weiß, ist ein Monat des 44. Jahres seitdem vergangen. Aber die Städte unseres Landes sind selbst jetzt nicht so bevölkert, wie sie es
Das römische Britannien und die angelsächsische Eroberung
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einst waren, bis zur Gegenwart sind sie zerstört, in Ruinen und nicht in Stand gehalten. Äußere Kriege haben ihr Ende gefunden, doch Bürgerkriege nicht.“9 Gildas blickt damit – mit einer präzisen chronologischen Angabe – auf zwei unterschiedliche Phasen der Entwicklung zurück: auf die wechselhafter Schicksale unter Ambrosius Aurelianus und auf die äußerer Ruhe seit dem Sieg am Mons Badonicus. Er ermahnte seine Zeitgenossen, den erkämpften Frieden nicht durch moralischen Verfall aufs Spiel zu setzen, nachdem jene gestorben sind, die noch die Kämpfe erlebt haben. Allerdings erfahren wir bei Gildas wenig über Ambrosius Aurelianus und seine möglichen Nachfolger. Hingegen nennt die Historia Brittonum einen Herrscher, den man eher mit späterer Mythenbildung verbindet. Nach einem Hinweis auf die Anfänge von Kent unter Aesc heißt es dort: „Dann kämpfte Arthur gegen sie in diesen Tagen, zusammen mit den Königen der Briten; aber er war ihr Anführer im Kampf.“10 Zwölf Schlachten sind aufgelistet, die dieser Arthur gewonnen haben soll; und die letzte ist wiederum die Schlacht am Mons Badonicus. Die Forschung hat diese späte Überlieferung zumeist infrage gestellt, schon, weil Nennius nachweislich sagenhafte Elemente in sein Geschichtswerk aufgenommen hat, oder sie hat versucht, ‚Arthur‘ mit Ambrosius Aurelianus zu identifizieren. Allerdings kennt auch die Historia Brittonum einen bedeutenden Herrscher namens Ambrosius, und die zweifellos recht lange Periode vom Beginn der Kämpfe unter Ambrosius bis zur Entstehung des Werks von Gildas, 50 bis 60 Jahre oder mehr, lässt mindestens Raum für zwei Herrscher. Lässt man sich auf die Historizität von ‚Arthur‘ ein, könnte nach Ambrosius Aurelianus ein jüngerer Befehlshaber mit diesem Namen den Oberbefehl der Briten übernommen und schließlich am Mons Badonicus einen entscheidenden Erfolg errungen haben. Nach der Beschreibung bei Gildas könnte es sich dabei um eine Art Fluchtburg der Briten gehandelt haben, vielleicht bei Bath, also weit im Westen. Folgt man seiner Schilderung, lässt sich dieser Erfolg für die Wende zum 6. Jahrhundert, vielleicht zwischen 495 und 500, annehmen. Dazu passt, dass archäologisch in dieser Zeit so etwas wie ein angelsächsischer Siedlungsstopp nachweisbar ist, der etwa 50 Jahre anhielt, teilweise, so im Themsebecken, sogar ein Rückgang der Besiedlung, und dass die Aktivitäten der angelsächsischen Königreiche nach den schriftlichen Quellen erst zur Mitte des 6. Jahrhunderts wieder intensiver wurden. Nimmt man die weiteren Zeugnisse zusammen, ergibt sich zudem, dass ‚Arthur‘ Christ war und – nach den Waliser Annalen, allerdings mit späteren Daten (516/537)11 – nach der Schlacht am Mons Badonicus wohl noch
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etwa für 20 Jahre wirkte. Möglicherweise gelang es ihm in dieser Zeit, die Verwaltung zu erneuern – bei Gildas sind Provinzgouverneure, lokale militärische Befehlshaber, zivile Amtsträger und Richter belegt – und die Oberhoheit über die in britischer Hand verbliebenen Teile der Insel zu erlangen, über das Königreich Dumnonia im Süden sowie über die Herrschaftsgebiete um den antoninischen Wall im Norden. Archäologisch lässt sich die britische Erneuerung an einer wirtschaftlichen Erholung mit Kontakten zum Mittelmeerraum und an der Errichtung von großen Hügelforts festmachen, so in South Cadbury in Somerset, das nach 470 neu befestigt und mit einer große Halle versehen wurde, allerdings bald nach 550 endgültig verfiel. Die Gründe für diesen Niedergang schildert wiederum Gildas. Über seine eigene Zeit schreibt er: „Könige hat Britannien, aber [sie sind] Tyrannen; Richter hat es, aber [sie sind] ruchlos. Sie plündern und terrorisieren oftmals, aber die Unschuldigen; sie verteidigen und schützen, aber die Schuldigen und Diebe; sie haben viele Frauen, aber Huren und Verführerinnen; sie schwören beständig, aber Meineide; sie legen Gelübde ab, aber erzählen fast sofort Lügen; sie führen Krieg, aber Bürgerkriege und ungerechte; sie jagen Diebe energisch über das Land, aber lieben und belohnen selbst die Diebe, die mit ihnen am Tische sitzen.“12 Gildas nennt fünf Herrscher: Constantinus von Dumnonia, den Herrscher von Cornwall; Aurelius Caninus, vielleicht aus dem Gebiet um Gloucester; Vortipur, den „Tyrannen“ von Demetria in Südwest-Wales; Cuneglassus, den Herrscher über Nord-Wales sowie Maelgwn. Maelgwn, der wahrscheinlich die Oberherrschaft innehatte, wird am ausführlichsten charakterisiert – und wiederum heftig kritisiert. Auch wenn Gildas zweifellos überzog, gelang es diesen britischen Herrschern auf jeden Fall nicht mehr, sich erfolgreich dem Vordringen der Angelsachsen entgegenzustellen. War zuvor offenbar ein Teil der Einwanderer auf den Kontinent zurückgekehrt und ist z. B. über die kentischen Herrscher zwischen Aesc und dem ab 560 regierenden Aethelberht kaum etwas außer den Namen bekannt – sieht man von archäologischen Belegen ab, die eine Herrschaftsbildung ähnlich wie in Dänemark nahe legen –, setzte in der Mitte des 6. Jahrhunderts eine zweite Phase der angelsächsischen Eroberung ein, die zur Entstehung neuer Herrschaftsbildungen in Wessex und Northumbrien führte. Folgt man der Angelsachsenchronik, landeten Cerdic und sein Sohn Cynric 495 mit fünf Schiffen und eroberten im Folgenden in lokalen Kämpfen das Gebiet um Southampton, aber erst nach Cerdics Tod (534) gelang Cynric 552 ein entscheidender Erfolg über die Briten bei Salisbury. Unter Ceawlin wurde Wessex bis 584 endgültig etabliert, auch, indem nach
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der Schlacht bei Dyrham 577 keltische Siedlungsgebiete erobert wurden. Bei dieser Version der Ereignisse ist zum einen problematisch, dass Cynric von 495 bis 556 aktiv an Kämpfen teilgenommen haben soll, zum andern, dass von größeren Kämpfen vor 552 sonst wenig bekannt ist – wahrscheinlich muss die Ankunft Cerdics und Cynrics deshalb auf etwa 530 umdatiert werden; auch ist unsicher, ob Ceawlin der Sohn Cynrics war. Schließlich fehlen Hinweise auf weitere Gruppen, die im Laufe der Zeit in die ursprünglich relativ kleine Anhängerschaft Cynrics und Ceawlins integriert wurden: Jüten an der Küste und Sachsen im Tal der Themse, die nach archäologischen Zeugnissen zunächst eigenständig waren. Trotz dieser Unsicherheiten erlauben die Einträge der Angelsachsenchronik einen Einblick, wie sich die Herrschaftsbildung der Angelsachsen vollzog. Cerdic und Cynric sind für 495 zunächst als Fürsten eingeführt, die in Britannien landeten und gegen die Briten kämpften, für 519 heißt es dann: „In diesem Jahr erhielten Cerdic und Cynric das Königtum der Westsachsen, und im selben Jahr kämpften sie gegen die Briten an einem Ort, der nun Certicesford genannt wird. Und von diesem Tag an haben die Fürsten der Westsachsen regiert.“13 Landung und Königserhebung waren somit zwei Schritte, d. h. das Königtum wurde nicht vom Festland mitgebracht. Auch die Verbindung mit einer Schlacht ist kein Zufall, vielmehr dürfte es sich – wie bei anderen germanischen Völkern auch – um ein Heerkönigtum gehandelt haben. In diesem Kontext ist es von Bedeutung, dass die Genealogie der Herrscher von Wessex, die ihre Abstammung wie andere Herrscherfamilien der Zeit von germanischen Göttern, hier von Wotan, herleiteten, erst nach dem Sieg bei Salisbury 552 in die Angelsachsenchronik aufgenommen ist, wird doch damit ihre Herrschaft erst konkret fassbar. Im Norden, entlang der alten römischen Militärgrenze, hatten die britischen Herrschaftsbildungen noch längeren Bestand als im Süden. Das galt insbesondere für vier britische Unterkönigreiche, die wahrscheinlich zum Schutz der Grenze gegen die Pikten gebildet worden waren. An erster Stelle ist das südlich des antoninischen Walls im Westen gelegene Königreich Strathclyde zu nennen, das – mit Unterbrechungen – noch bis ins 11. Jahrhundert unabhängig blieb. Die weiteren Herrschaftsbildungen waren Manaw Goddodin, das Reich der Votadini, südöstlich des antoninischen Walls; Rheged, südlich des Hadrianswalls, dessen König Urien eine führende Rolle im britischen Widerstand in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts spielte; und schließlich Elmet, südwestlich von York, das seine Eigenständigkeit bis ins 7. Jahrhundert bewahren konnte. In dieser Region entstanden spätestens seit der Mitte des 6. Jahrhunderts zwei weitere angelsächsische Teilreiche, Bernicia nördlich des Ha-
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drianswalls und Deira im Gebiet von Yorkshire, die von kleinen Gruppen von Kriegern begründet wurden und bis zum Ende des 7. Jahrhunderts ihren militärischen Charakter bewahrten. Die Angelsachsenchronik nennt als erstes, von König Ida begründetes, Zentrum Bamburgh in Bernicia, doch ging die Besiedlung nach den archäologischen Zeugnissen nicht nur von einem Ort aus und beschränkte sich nicht auf die Küste. Ein entscheidender Durchbruch gelang schließlich, als König Aethelfrith 603 die Iren aus dem Königreich Dalriada (im Südwesten des heutigen Schottlands) und ihren König Aedan bei einem unbekannten Ort namens Degsastan besiegen konnte. Deira bildete sich in einem Gebiet, in dem bereits in spätrömischer Zeit sächsische Föderaten gesiedelt hatten. So wird zwar die Regierungszeit des ersten historisch gesicherten Königs Aelle in der Angelsachsenchronik erst auf die Jahre 560 bis 588 datiert, doch enthält eine Genealogie der Könige von Deira in der Historia Brittonum einen Hinweis auf einen Vorfahren wohl aus der Mitte des 5. Jahrhunderts, Soemil, von dem es heißt: „Er trennte zuerst Deira von Bernicia.“14 Vielleicht geht diese Gründung so schon auf die spätrömischen Föderaten zurück. Es ist jedoch auch denkbar, dass die northumbrischen Herrschaftsbildungen auf der Grundlage britischer Strukturen entstanden, zumal die Beziehungen zwischen den ethnischen Gruppen nicht immer feindlich waren und sich gerade im Norden unter anderem Bündnisse von Angelsachsen und Briten gegen Pikten und Scoten nachweisen lassen. Neben Kent, Sussex und Wessex sowie den northumbrischen Teilreichen bildeten sich seit der Mitte des 6. Jahrhunderts die Herrschaftsgebiete der Ostangeln und Ostsachsen aus, und im frühen 7. Jahrhundert folgte Mercia in den Midlands um den Trent, über dessen Anfänge wenig bekannt ist, obwohl es eine führende Rolle spielen sollte. Damit hatte sich die ‚Heptarchie‘ der sieben wichtigsten Reiche formiert, auch wenn viele kleinere Herrschaftsbildungen erst nach und nach integriert wurden. Die politische Entwicklung bildete jedoch eine wichtige Voraussetzung für die nun einsetzende Missionierung der Angelsachsen.
2. Die Christianisierung Englands Obwohl die angelsächsischen Reiche bereits im Laufe des 6. Jahrhunderts allmählich Gestalt gewannen, werden sie doch für uns erst im Zuge der Christianisierung deutlicher fassbar, die auch die Ausbildung der besonderen angelsächsischen Kultur entscheidend mit prägte. Der Anfang der Mission wird bei Beda ähnlich wie der adventus Saxonum mit einem fes-
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ten Datum verbunden, mit der Ankunft des von Papst Gregor dem Großen († 604) ausgesandten Mönchs Augustin in Kent, auf der Insel Thanet, im Jahr 597. Während die „Ankunft der Angelsachsen“ nur als Prozess verstanden werden kann, handelt es sich beim Missionsbeginn jedoch um ein klar umrissenes historisches Ereignis, von dem zum einen Bedas Historia ecclesiastica gentis Anglorum, zum anderen weitere Quellen wie das Briefregister Gregors des Großen, eine frühe englische Vita des Papstes und spätere Lebensbeschreibungen wie die Vita Wilfrids von York von Eddius Stephanus berichten. Beda konnte nicht nur auf mündliche Überlieferungen zurückgreifen, sondern auch auf schriftliche Zeugnisse, so auf sonst nicht überlieferte Papstbriefe, die ihm der Londoner Priester Nothhelm, der „das Archiv dieser heiligen römischen Kirche mit Erlaubnis des Bischofs Gregor [II.], der nun an der Spitze jener Kirche steht, durchsuchte“,15 aus Rom mitbrachte. Die frühe, wohl aus Northumbrien stammende Vita Gregors I. führt das vom Papsttum ausgehende Missionsunternehmen, das erste seiner Art, auf eine frühere Begegnung mit angelsächsischen Sklaven in Rom zurück. Gregor soll sie nach ihrem Volk, ihrem Herrscher und ihrem Land befragt und die Namen als Zeichen für Gottes Wille verstanden haben, die Angelsachsen zu missionieren. So standen für ihn ‚Angeln‘ für die „Engel Gottes“ und ‚Deira‘ für jene, die „vom Zorn Gottes zum Glauben fliehen sollen“ (De ira Dei confugientes ad fidem).16 Tatsächlich dürfte der Papst von der aktuellen Situation auf den Britischen Inseln wenig gewusst haben, und so erfolgte die Mission wohl vor allem deshalb, weil er die kirchlichen Beziehungen zur ehemaligen römischen Provinz Britannien erneuern wollte. Dies spiegelt sich auch in einem Schreiben an den Missionar Augustin vom Juni 601, in dem er – wie in römischer Zeit – London und York als geistliche Zentren vorschlägt, denen – nach dem Modell der Apostel – jeweils zwölf Bischöfe unterstellt werden sollten. Zunächst stand die Mission jedoch unter keinem guten Stern. Nach ihrem Aufbruch überkamen die ausgesandten Mönche Zweifel, was sie an ihrem Ziel erwarten würde. Augustin kehrte nach Rom zurück und brach wahrscheinlich im Juli 596 ein zweites Mal auf, ausgerüstet mit einem Mahnschreiben Gregors. Der Papst setzte auf die Hilfe der gallischen Kirche, unter anderem auf Bischof Syagrius von Autun. Augustin wurde wahrscheinlich bereits in Gallien zum Bischof geweiht sowie mit einem Dolmetscher und mit Informationen über die politische Situation in England ausgestattet. Wohl vor diesem Hintergrund erklärt sich, dass er auf der Insel Thanet an der Ostküste Kents landete, denn die Gattin des kentischen Königs Aethelberht, Bertha, stammte aus dem fränkischen Königshaus und war mit einem Bischof an den kentischen Hof gekommen.
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Aethelberht fand sich dann auch bald bereit, die Missionare im Zentrum seiner Herrschaft, in Canterbury, aufzunehmen und ihnen die Predigt zu gestatten. Sie wurden von ihm sogar mit Lebensmitteln versorgt. Als sie sich bei einer alten, dem heiligen Martin geweihten Kirche im Osten der Stadt niederließen, konnten sie durch ihre Lebensweise bald viele Untertanen des Königs für den christlichen Glauben gewinnen. Mit der Taufe Aethelberhts gelang ihnen schließlich ein entscheidender Durchbruch. Zur Versorgung übergab ihnen der König danach umfangreichen Grundund Hausbesitz, der den Kern der Besitzungen des späteren Erzstifts Canterbury bilden sollte. Auf dieser Grundlage wurden aus römischer Zeit stammende Kirchen erneuert und neue Bauten errichtet. Zugleich sandte Augustin zwei Mitglieder seiner Gruppe zur Berichterstattung zum Papst. Die ihnen mitgegebenen Nachrichten sind nicht erhalten, wohl aber die Antworten Gregors, die er erst im Sommer 601, mit mehrjähriger Verzögerung, auf den Weg brachte. So forderte er Aethelberht und seine Frau Bertha auf, die Mission zu unterstützen, und gab Augustin Anweisungen für den Aufbau der zu begründenden Kirche. Von besonderer Bedeutung ist der bei Beda überlieferte und gegen in der Forschung geäußerte Zweifel wohl doch authentische Libellus responsionum, in dem der Papst auf Fragen des Missionsbischofs antwortet. Darin riet Gregor, die auf dem Kontinent übliche Einteilung der Einkünfte in vier Teile – für den Bischof und seinen Haushalt, den Klerus, die Armen sowie die Erneuerung der Kirchen – auch in England zu übernehmen, gestand aber Augustin und seinen in klösterlicher Gemeinschaft lebenden Mitbrüdern gemeinsamen Besitz zu. Überhaupt ließ er ihm für die Gestaltung der kirchlichen Strukturen freie Hand: „Was also in den einzelnen Kirchen jeweils gottgefällig, fromm, richtig ist, das wähle aus und pflanze es, gleichsam zu einem Bündel geschnürt, in den Herzen der Engländer als Brauch ein.“17 Klare Vorgaben formulierte er indes für die auch in anderen Missionsgebieten zentrale Frage der Ehehindernisse bei zu naher Verwandtschaft. Der Papst machte auf Anfrage Augustins deutlich, dass Ehen bei Verwandten erst in der dritten oder vierten Generation erlaubt und dass auch Ehen zwischen Stiefmutter und Stiefsohn oder Schwägerin und Schwager Sünde waren, und nahm ausführlich zu Ehe und Sexualität Stellung. Ebenso äußerte er sich zum Verhältnis zu den anderen Kirchen. Während der kentische Bischof die gallische Kirche und insbesondere den Erzbischof von Arles respektieren sollte, wurden ihm die Bischöfe (des keltischen) Britanniens untergeordnet – vielleicht diente die Anfrage sogar der Vorbereitung auf ein Treffen zwischen ihnen und Augustin –, und es wurde ihm im Fall der Abwesenheit der gallischen Bischöfe eine Bischofsweihe ohne Mitwirkung anderer Bischöfe erlaubt.
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Nach der Abreise der Gefährten Augustins sandte ihnen der Papst noch einen Brief nach, in dem er Grundsätze formulierte, die auch auf spätere Missionsunternehmen übertragen wurden. So empfahl er, die heidnischen Heiligtümer nicht zu zerstören, sondern mit Weihwasser zu weihen, dort Altäre zu errichten und Reliquien zu sammeln, damit sich die Bekehrten an den gewohnten Orten versammeln konnten. Ebenso sollten die heidnischen in christliche Feste verwandelt werden, damit die Getauften, „wenn ihnen äußerlich einige Freuden erhalten bleiben, den inneren Freuden leichter zustimmen können, denn zweifellos ist es unmöglich, schwerfälligem Verstand alles auf einmal wegzunehmen“.18 Ungeachtet dieser Empfehlungen vollzog sich jedoch die weitere Christianisierung Englands nur langsam. Während eine Kooperation mit dem britischen Klerus, um die man sich in zwei Treffen bemühte, wegen Augustins Anspruch auf Oberhoheit und wegen des Beharrens der anderen Seite auf ihren eigenen Traditionen scheiterte, gelang 604 die Errichtung zweier Bistümer in Rochester und – außerhalb Kents – in London, für die Justus und Mellitus geweiht wurden. Im selben Jahr starb jedoch Papst Gregor, bald darauf – spätestens 609 – folgte ihm Augustin. Seine Nachfolger, die mit den beiden ersten Missionsreisen nach England gekommen waren, konnten der Mission keine neuen Impulse geben. Der erste von ihnen war Laurentius, der in unkanonischem Verfahren schon zu Lebzeiten Augustins geweiht worden war. Er sah 616 die Mission ernsthaft bedroht, als Aethelberht starb, sein Sohn Eadbald die Taufe verweigerte und Aethelberhts Witwe – sicher nicht mehr die Merowingerin Bertha – heiratete. Zugleich ging das Bistum London durch eine heidnische Reaktion verloren. Mellitus floh nach Kent und ging bald darauf, zusammen mit Bischof Justus von Rochester, nach Gallien. Nur Laurentius blieb; die spätere Überlieferung berichtet, die Erscheinung des heiligen Petrus habe ihn von der Flucht abgehalten. Ihm gelang es schließlich, den kentischen König zu bekehren, sodass er Justus erneut im Bistum Rochester einsetzte, während Mellitus nicht nach London zurückkehren konnte. Mellitus (619–624) und Justus (624–627) waren dann auch die Nachfolger des Laurentius. Unter Justus ergab sich aufgrund dynastischer Beziehungen, Edwin von Northumbrien heiratete 625 die Schwester Eadbalds von Kent, die erste Gelegenheit zur Mission im Norden. Die Braut wurde von Paulinus, einem weiteren Mitglied der Mission von 601, begleitet, dem bereits 626 die Bekehrung Edwins gelang. Er wirkte nicht nur in York, sondern konnte auch in Lincoln eine Kirche errichten. Allerdings fiel Edwin 632 im Kampf gegen den christlichen Herrscher von Gwynedd, Cadwallon, und den noch heidnischen König von Mercia, Penda. Es kam zu einer heidnischen Erneuerung, und Paulinus musste nach Kent fliehen.
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Trotz dieses Rückschlags wurde die Christianisierung auch unter dem 627 von Paulinus in Lincoln geweihten Erzbischof von Canterbury, Honorius, fortgesetzt. So wurde in Ostanglien, parallel zu auch in anderen Regionen wirksamen irischen Missionsbestrebungen, mit Dunwich ein Bistum eingerichtet und Felix als erster Bischof eingesetzt. In Wessex wirkte zur selben Zeit Birinus, der 635 König Cynegil getauft haben soll, dessen Pate der inzwischen getaufte northumbrische König Oswald wurde. Allerdings wurde der erste westsächsische Bischofssitz in Dorchester erst unter König Cenwalh begründet, von Agilbert, einem in Irland ausgebildeten und in Gallien zum Bischof geweihten Franken. Nachdem wohl wegen seiner Sprachprobleme ein weiterer Bischof für Winchester, nämlich Wine, geweiht worden war, gab Agilbert 667/68 sein Amt auf. Auf diese Entwicklungen nahmen die Erzbischöfe von Canterbury, Honorius und Deusdedit (652–664), kaum mehr Einfluss, während nun entscheidende Impulse vom Norden Englands ausgingen. Dabei gewannen die schon in Ostanglien und im Falle Agilberts wirksamen irischen Beziehungen an Bedeutung. Wenngleich Beda den britisch-keltischen Christen wohl zu Unrecht vorwarf, sie hätten keinerlei Versuche unternommen, die heidnischen Angelsachsen zu christianisieren, gingen die intensiveren Missionsversuche auf der britischen Hauptinsel von den Iren aus. Ausgangspunkt war das von Columban dem Älteren gegründete Kloster auf der Insel Iona (Hy) vor der südwestlichen Küste Schottlands. Gestützt auf die eingewanderten Iren (Scoten), entstand dort eine eigene Diözese, wie auch in Irland selbst die Diözesen um Klöster zentriert waren. Die irisch-keltische Kirche zeichnete sich durch eine Reihe von Besonderheiten aus, die sich aus einer zeitweiligen Abschließung gegenüber der römischen Kirche (um 500) erklären. Dazu gehören unter anderem Unterschiede in der Liturgie und in der Berechnung des Osterfestes, von dem alle beweglichen Feste des kirchlichen Kalenders abhängen. Zwar war Ostern bereits 325 als erster Sonntag nach dem Frühlingsvollmond bestimmt worden, doch konnte die Differenz zwischen irischem und römischem Osterfest aufgrund unterschiedlicher Berechnung erheblich sein, zumal der Ostersonntag auf 35 Tage vom 22. März bis zum 25. April fallen kann. Dies führte zu Spannungen, als die irischen Missionare auch bei den Angelsachsen erfolgreich waren. Das galt zunächst in Northumbrien, wo sich 633 Oswald von Bernicia als Nachfolger Edwins durchsetzen konnte. Oswald hatte zuvor bei den Scoten im Exil gelebt, war von den Mönchen Ionas getauft worden und bat deshalb den Abt um die Entsendung eines Bischofs. Dieser schickte eine Gruppe von Mönchen unter Aidan, die Lindisfarne als Kloster und Bischofssitz auf einer Insel vor der northumbrischen Küste gründeten.
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Lindisfarne, für 30 Jahre das einzige Bistum Northumbriens, wahrte auch unter Finan (651–660) und Colman (660–664) seinen irischen Charakter. Es wurde zum Ausgangspunkt weiterer Missionsunternehmen, die durch die starke Stellung Northumbriens unter den angelsächsischen Königen begünstigt wurden. Unter Oswalds Bruder und Nachfolger Oswiu taufte Finan 653 Peada, den König von Mercia, als dieser eine Tochter Oswalds heiratete. In der Folge wurde ein Bistum für Mercia, Mittelanglien und Lindsey unter dem Iren Diuma eingerichtet, dem bis 663 drei weitere Bischöfe folgen. Nach der Taufe des ostsächsischen Königs Sigeberht entstand auch in Essex ein eigenes Bistum unter Cedd, der jedoch nur als Wanderbischof wirkte. Im Zentrum der irischen Mission bei den Angelsachsen, in Northumbrien, gerieten jedoch die irischen Anfänge unter Finan teilweise in Vergessenheit, und die Vertreter der kentisch-römischen Richtung gewannen an Einfluss. Dadurch wurde das Bewusstsein für die Unterschiede zwischen irischer und römischer Tradition geschärft, und es kam hier noch zu Spannungen, während die römische Methode für die Berechnung des Osterfestes schon seit 633 auch im Süden Irlands akzeptiert war. Die Synode von Whitby von 663/64, die die Entscheidung zugunsten des römischen Osterfestes und römischer Organisation herbeiführte, war Teil eines langwierigen Prozesses, in dem sich die römische Kirche gegen die eigenständigen irisch-keltischen Traditionen durchsetzte. Der Verlauf der Synode wurde wesentlich durch politische Faktoren bestimmt. Am Anfang stand eine Auseinandersetzung zwischen König Oswiu und seinem Sohn Alhfrith, der seine Stellung als Unterkönig in Deira mithilfe des Streits um die Frage der Osterberechnung stärken wollte. Am Hofe Oswius bildete sich dagegen eine Partei, die für die römische Tradition eintrat, unter anderem unter Beteiligung der Königin, einer Tochter Edwins, die Paulinus 632 mit nach Kent genommen hatte. Diese Situation erlaubte Oswiu, eine Synode in das irisch-keltische Frauenkloster Whitby (Streanaeshealh) einzuberufen, um eine Entscheidung herbeizuführen. Die Äbtissin des Klosters, Hild, entstammte dem northumbrischen Königshaus und vertrat neben Colman, dem Bischof von Lindisfarne, und Cedd, dem Bischof der Ostsachsen, die irische Richtung. Ihnen standen auf kentisch-römischer Seite Bischof Agilbert von Wessex, der seit der Zeit des Paulinus in Northumbrien wirkende Diakon Johannes und Wilfrid, der Abt des Klosters Ripon, gegenüber, der wohl aufgrund der unzureichenden Sprachkenntnisse Agilberts als Wortführer auftrat; weiterhin ein Ire namens Ronan, der wie Wilfrid einige Zeit in Gallien und Italien verbracht hatte. Die in der Verhandlung vor dem König vorgebrachten Argumente kreisten um die charakteristische Frage
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nach dem älteren Recht, und als Wilfrid für die kentisch-römische Tradition auf die mit der römischen Kirche verbundene Autorität des Apostels Petrus verwies, dem „die Schlüssel zum Reich des Himmels vom Herrn gegeben wurden“,19 entschied sich Oswiu gegen die irische Richtung – wohl auch, um damit ein Argument für ein Eingreifen südlich des Humber, speziell in Mercia, zu haben. Während Oswiu bald darauf mit Chad einen Bischof in York einsetzte und somit die von Gregor dem Großen ausgehenden Planungen für den Norden Englands aufgriff, gewann die kentisch-römische Tradition nach Whitby auch in den anderen Regionen der Britischen Inseln an Boden. Schließlich übernahm am Ende des 7. Jahrhunderts auch Adamnan, der dritte Abt von Iona nach Columban, das römische Osterdatum. Obwohl es im Folgenden zu einer Verschmelzung von irischen und römischen Elementen kam, die durch die irischen und angelsächsischen Missionare auch auf dem Kontinent wirksam wurde, führte die Entscheidung von Whitby zunächst zum Abzug irisch-keltisch geprägter Kleriker. So kehrte Bischof Colman nach Iona zurück, und 30 angelsächsische Mönche gründeten in Irland ein Kloster, das auch im Folgenden Angelsachsen anzog und sich im 8. Jahrhundert durch eine Abfolge angelsächsischer Bischöfe auszeichnete. Um die Mitte des 7. Jahrhunderts waren somit neben den Zentren in Kent und Northumbrien zumindest schon Teile von Mercia, Wessex, Essex und Ostanglien christianisiert, selbst wenn die Kirche vielfach noch nicht gefestigt war. Dazu trug wesentlich die unklare Situation in Canterbury bei, da sich die Erhebung eines Nachfolgers für Deusdedit zunächst wohl aufgrund einer Pestwelle und heidnischem Widerstand verzögerte, dann aber, weil der dafür vorgesehene Kleriker Wighard 667 auf dem Weg nach Rom verstarb. Als sich Papst Vitalian dafür entschied, die Berufung des neuen Erzbischofs selbst vorzunehmen, fand er niemanden, der dazu bereit war. Einer der Kandidaten, der aus Afrika stammende Abt Hadrian aus einem Kloster bei Neapel, schlug jedoch einen bereits 66-jährigen Griechen vor, Theodor von Tarsus, der nach einigem Zögern die Wahl annahm. Da er noch verschiedene Weihen durchlaufen musste, kam es zu einer weiteren Verzögerung, ehe der neue Erzbischof aufbrechen konnte. Theodor kam 669 in Begleitung Hadrians und des northumbrischen Klerikers Benedict Biscop in England an. Benedict übernahm zunächst die Leitung des von Augustin gegründeten Klosters in Canterbury, bis ihm 671 Hadrian nachfolgte, nachdem er ausreichende Sprachkenntnisse erworben hatte. Theodor und seine Gruppe erstrebten die Stabilisierung der angelsächsischen Kirche, insbesondere die Erneuerung der Bistumsstruktur und die (Wieder-)Besetzung der 669 zum großen Teil vakanten Bistümer. Nur drei Bischöfe waren zu diesem Zeitpunkt im Land: Wine, der
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sich den Bischofssitz London vom König von Mercia gekauft, also Simonie begangen hatte, der an irisch-keltischen Traditionen festhaltende Chad in York sowie der in Gallien geweihte Wilfrid, der sich in das Kloster Ripon zurückgezogen hatte. Theodor löste Chad durch Wilfrid ab, erhob ersteren jedoch bald darauf, als er sich dem Erzbischof unterwarf, zum Bischof von Lichfield in Mercia. Daneben berief er Bischöfe für Rochester (Kent), Winchester (Wessex) und Dunwich (Ostanglien). Auf diese Weise entstanden erstmals übergreifende kirchliche Strukturen. Als Theodor 672 eine Synode nach Hertford einberief, war dies somit die erste allgemeine Kirchenversammlung Englands. Sie bestätigte die Entscheidung von Whitby, lehnte die keltische Institution des Wanderbischofs ab und legte die Grenzen der Diözesen fest. Allerdings ließen sich die großen Diözesen erst unter für Theodor günstigeren Umständen aufteilen. So erfolgte anlässlich der Erkrankung des dortigen Bischofs die Teilung des Bistums für Ostanglien, und 677 wurde die Diözese Wilfrids von York in drei Bistümer aufgeteilt, als dieser nach einem Konflikt mit König Ecgfrith von Northumbrien seines Amtes enthoben wurde. Wilfrid brach daraufhin nach Rom auf, wurde allerdings in Friesland für einige Zeit aufgehalten und begann dort mit der Mission. Dies war der Beginn einer Reihe angelsächsischer Missionsunternehmen auf dem Kontinent: Willibrord (seit 692) und Winfrid-Bonifatius (seit 716/17) sollten seinem Vorbild folgen. Wilfrid konnte zwar in Rom eine Bestätigung seiner Rechte erwirken, wurde jedoch nach seiner Rückkehr in England durch eine northumbrische Synode inhaftiert. Nach seiner Freilassung missionierte er im letzten heidnischen angelsächsischen Königreich, in Sussex, und bewirkte zeitweilig, um 681/85, die Errichtung eines Bischofssitzes in Selsey. Als Ecgfrith von Northumbrien starb (685), söhnte er sich auf der Synode von London 686 mit Erzbischof Theodor aus. Danach kehrte er wohl zunächst zu seiner alten Kirche Ripon zurück und übernahm 687 auch den vakanten Sitz von Lindisfarne. Damit waren beim Tode Theodors (688) zumindest oberflächlich ruhigere Verhältnisse hergestellt. Allerdings machte Wilfrid bald darauf den Versuch, wiederum seine gesamte alte Diözese in die Hand zu bekommen, und musste schließlich 691 nach Mercia fliehen. Zweimal reiste er im Folgenden nach Rom, um seine Rechte einzufordern, und appellierte erfolglos an eine englische Synode unter Erzbischof Berhtwald. Erst 705, vier Jahre vor seinem Tod, gelang es ihm, in die Bistümer Ripon und Hexham zurückzukehren. Trotz der von Wilfrid ausgehenden Unruhe blieben die von Theodor geschaffenen Strukturen somit in ihren Grundlinien erhalten, auch wenn Gregor III. 735 mit der Erhebung Yorks zum Erzbistum doch noch eine
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Zweiteilung der angelsächsischen Kirche im Sinne Gregors des Großen herbeiführte. Theodors Reformen waren vor allem deshalb erfolgreich, weil sie mit einer Verbesserung der Priesterausbildung und mit Maßnahmen für eine bessere Lebensführung von Priestern und Laien einhergingen, wie sie unter seinen Nachfolgern im »Bußbuch Theodors«, dem Poenitentiale Theodori, zusammengefasst wurden. Durch das Wirken Benedict Biscops und Hadrians wurden die Kathedrale von Canterbury und das Kloster Augustins auch zu geistigen Zentren des angelsächsischen Englands. Damit war ein Abschluss der Christianisierung erreicht, während Canterbury seine führende Rolle zurückgewonnen hatte.
3. Die ‚Heptarchie‘ der angelsächsischen Königreiche Die politische Geschichte Englands von der Christianisierung Ende des 6. Jahrhunderts bis zum Beginn der Däneneinfälle im 9. Jahrhundert ist durch das Nebeneinander mehrerer Königreiche gekennzeichnet, zwischen denen die Vorherrschaft wechselte. Die Siebenzahl, die der Forschungsbegriff ‚Heptarchie‘ vorgibt, ist eine traditionelle Festlegung, die bestenfalls einen mittleren Zustand der Entwicklung spiegelt. Gemeint ist damit die Etablierung der Königreiche Kent, Sussex und Wessex im Süden, Ostanglien und Essex im Osten, Mercia in den Midlands und Northumbrien im Norden, die jedoch jeweils schon kleinere Herrschaftsgebiete unterworfen oder integriert hatten. Das galt nicht nur für Wessex mit seinen drei Kerngebieten oder für Northumbrien, das sich aus Bernicia und Deira bildete. Vielmehr gingen z.B. die Stammesgebiete der Mittelangeln in Mercia auf, während das unmittelbar südlich des Humber gelegene Königreich Lindsey zwischen Northumbrien und Mercia umstritten war und sich um London, in Middlesex, eine eigene Herrschaftsbildung vermuten lässt, zu der wohl auch das spätestens seit 568 zwischen Wessex und Sussex umstrittene Surrey gehörte. Von den sieben Königreichen spielten Essex und Sussex für die weitere Entwicklung kaum eine Rolle, während die anderen mindestens unter einzelnen Herrschern eine gewisse Hegemonie über die Reiche südlich des Humber erreichten, wenn sie nicht sogar – wie später Mercia und Wessex – auch die Völker nördlich des Humber dominierten. Kent war zweifellos das älteste der angelsächsischen Reiche, begründet von den legendären Hengest und Horsa sowie von Aesc. Seine Nähe zum Festland führte zu engen Beziehungen zum Frankenreich, die in der Heirat König Aethelberhts mit der Tochter König Chariberts, Bertha, und dem Verlauf der Christianisierung ihren Ausdruck fanden. Aethelberht er-
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scheint bei Beda als dritter bretwalda nach Aelle von Sussex und Ceawlin von Wessex, wohl vor allem deshalb, weil er der erste getaufte angelsächsische König war, jedoch ging die Vorherrschaft über die südlichen Königreiche nach seinem Tod (616) an Raedwald von Ostanglien über. Aethelberht leitete mit seiner Gesetzgebung die Kodifizierung des angelsächsischen Rechts ein, konnte aber Kent keinen dauerhaften Vorrang sichern. Vielmehr hatten seine Nachfolger schon ab seinem Sohn Eadbald (616– 640) nur noch geringen Einfluss. Das galt auch für Sussex, das nach dem ersten bretwalda Aelle historisch erst wieder mit der Taufe König Aethelwalhs kurz vor 675 fassbar wird, während über seine Herrscher seit dem Ende des 5. Jahrhunderts kaum etwas bekannt ist. Am Ende des 7. Jahrhunderts kam es zu einem Zerfall der Herrschaft unter mehreren Königen bzw. Herzögen, bis das Land schließlich in Abhängigkeit von Wessex bzw. von Mercia geriet und nur noch von Unterkönigen regiert wurde. Im Gegensatz dazu konnte Ostanglien, das zu den ältesten Siedlungsgebieten der Angelsachsen gehörte, bis ins 9. Jahrhundert relative Unabhängigkeit bewahren, da es gegen seine Nachbarn im Westen, vor allem Mercia, durch einen Gürtel von Sumpflandschaften geschützt war. Die Herrschaftsbildung begann hier erst nach 500, doch ist über die ersten Könige wenig bekannt. Den größten Einfluss erlangte Raedwald, der den Späteren seit 616 als bretwalda galt. Möglicherweise geht auf ihn (oder auf einen ostsächsischen König) das berühmte Sutton-Hoo-Schiffsgrab zurück, dessen Beigaben den Reichtum eines Herrschers aus dem 7. Jahrhundert und ein hoch stehendes Handwerk belegen (s. Abb. S. 60). Die Herrscher des ähnlich früh besiedelten Essex konnten zwar keinen Vorrang gegenüber den anderen Reichen der ‚Heptarchie‘ behaupten, doch gelang es ihnen bis zum Anfang des 7. Jahrhunderts, das ursprünglich wohl unabhängige Gebiet der Mittelsachsen mit dem Zentrum London unter ihre Herrschaft zu bringen. Ihre Genealogie nennt anders als die der meisten anderen angelsächsischen Königsfamilien, die ihren Ursprung auf den germanischen Gott Wotan zurückführten, den von den kontinentalen Sachsen noch im 8. Jahrhundert verehrten Saxnot. Dies legt ihre Herkunft aus dem heutigen Norddeutschland nahe. Die bei Beda überlieferte Liste der bretwaldas, der Oberherrscher über die angelsächsischen Reiche, die vielleicht damit auch die Vorstellung eines Vorrangs gegenüber den britischen Reichen verbanden, enthält mit Aelle, Ceawlin, Aethelberht und Raedwald bis zum ersten Drittel des 7. Jahrhunderts erfolgreiche Heerführer und Herrscher der kleineren Königreiche. Wenn sich daran die northumbrischen Könige des 7. Jahrhunderts anschließen, macht dies eine Verschiebung des politischen Schwer-
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gewichts auf den Norden und Westen deutlich, wie sie auch in der Vorherrschaft Mercias im (7. und) 8. Jahrhundert ihren Ausdruck fand. Wessex war zunächst die schwächste der Herrschaftsbildungen in diesem Raum. Unter Ceolwulf und Cynegils (611–643) ging seine Bedeutung weiter zurück, und ein von Ceawlin erobertes Territorium im Bereich des Severn musste um 635 Mercia überlassen werden. Zeitweilig lassen sich mehrere Herrscher nebeneinander nachweisen, während die Genealogien kein klares Bild über die Ursprünge des westsächsischen Königshauses ergeben, das seine Abkunft später – in mehreren Linien – auf Cerdic zurückführte. Zugleich gelang jedoch eine Expansion nach Westen, die mit einer Integration keltisch-britischer Bevölkerung sowie mit der für das 7. Jahrhundert nachweisbaren sächsischen Besiedlung von Dorset verbunden war. Auf dieser Grundlage konnten sich die westsächsischen Könige in den wiederholt ausbrechenden, bis ins 9. Jahrhundert anhaltenden Konflikten mit Mercia behaupten. Mercia, das erst im 7. Jahrhundert fassbar wird, als die Tochter König Cearls den im Exil lebenden Edwin von Deira heiratete, war wohl das jüngste der größeren angelsächsischen Reiche. Unter König Penda gewann es jedoch seit den 630er Jahren zunehmend an Einfluss. Seine Familie führte ihre Herkunft vielleicht zu Recht auf die kontinentalen Könige der Angeln zurück und konnte ihre Herrschaft von den Mierce, dem Grenzvolk, nicht nur auf die Mittelangeln, sondern auf zahlreiche andere Stammesgebiete ausdehnen, wie sie noch in der so genannten tribal hidage aus dem 8. oder 9. Jahrhundert aufgelistet sind. Dazu zählten Unterkönigreiche wie die der Hwicce und der Magonsaetan, die die Grenze Mercias nach Südwesten bzw. (im Raum um Hereford) nach Westen schützten. Die northumbrischen Teilreiche Bernicia und Deira bildeten sich wohl unter eigenen Dynastien, bis sie offenbar erstmals 588 von Aethelric von Bernicia vereint wurden. Unter seinem Sohn Aethelfrith (593–616) gelang dann im Kampf gegen die Briten im Norden die endgültige Stabilisierung Northumbriens. Nach seinem Sieg bei Degsastan 603 konnte sich von seinen Gegnern nur noch das Königreich Strathclyde behaupten, und es begann eine Periode northumbrischer Vorherrschaft unter einer Reihe fähiger Herrscher, die, wenn auch mit Unterbrechungen, im 7. Jahrhundert anhielt. Das Bild von dieser großen Zeit Northumbriens ist allerdings wesentlich durch die Darstellung in Bedas Historia ecclesiastica geprägt, der die Bedeutung Mercias, insbesondere in der Zeit Pendas, verkannte oder bewusst verschwieg. Es kam dann auch zu mehreren schweren Niederlagen, die jeweils den Ausbau des northumbrischen Reiches infrage stellten. Bei der ersten 616 fand Aethelfrith im Kampf gegen den bretwalda des Südens, Raedwald
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von Ostanglien, den Tod, nachdem er die Übergabe Edwins von Deira gefordert hatte, der nach mehreren Stationen in Ostanglien aufgenommen worden war. Aethelfriths Söhne mussten ins Exil gehen, während Edwin in Northumbrien als König anerkannt wurde und bald Raedwalds Vormachtstellung über die südlichen Königreiche übernahm. So griff er in Wessex ein, während er die Kenter Dynastie durch die Heirat mit einer Tochter Aethelberhts und Berthas an sich band. Seine Taufe 626 hinderte ihn jedoch nicht am militärischen Vorgehen gegen die Briten, so gegen das Königreich Elmet und gegen Cadwallon von Gwynedd. Als Cadwallon 632 zusammen mit Penda von Mercia in Northumbrien einfiel, kam es bei Hatfield zur Schlacht, in der Edwin und einer seiner Söhne den Tod fanden. Nach dieser Niederlage wurden die Missionare vertrieben, während Northumbrien in seine Teilreiche zerfiel, jeweils unter einem Vertreter der alten Dynastien, die jedoch innerhalb eines Jahres ebenfalls von Cadwallon besiegt und getötet wurden. Diese letzten britischen Erfolge gegen die Angelsachsen fanden jedoch ein Ende, als Cadwallon Ende 633 in einer Schlacht gegen einen jüngeren Sohn Aethelfriths, Oswald, fiel. Oswald wurde daraufhin in beiden Teilen Northumbriens als König anerkannt, auch in Deira, wo das alte Königshaus bald darauf ausstarb. Sein politischer Einfluss zeigt sich unter anderem daran, dass es ihm gelang, das von ihm in Northumbrien eingeführte keltisch-irische Christentum von Missionaren auch südlich des Humber predigen zu lassen. Wie bei vielen frühmittelalterlichen Herrschaftsbildungen hing die Stellung Northumbriens jedoch wesentlich von der Person des Königs ab. So bedeutete es einen schweren Rückschlag, als der immer noch heidnische Penda von Mercia Oswald 641 besiegte und tötete, auch wenn er so für die Späteren zum Heiligen und Märtyrer wurde. Die Vorherrschaft ging damit vorerst an Penda über, der, obwohl er nicht in der Liste Bedas erwähnt ist, zumindest eine bretwalda-ähnliche Stellung innehatte. Diesmal dauerte der Prozess der Erholung Northumbriens länger, zumal es erneut in seine Teilreiche zerfiel. In Bernicia setzte sich Oswalds Bruder Oswiu und in Deira Oswine, ein weiteres Mitglied der Königsfamilie, durch. Als Oswiu 651 Deira angriff, fand zwar Oswine den Tod, wurde aber von Oswalds Sohn Aethelwald abgelöst, der sich unter Pendas Schutz stellte und Deira gewissermaßen zur Provinz Mercias machte. Das Pendel schlug um, als Penda zusammen mit dem König der Ostangeln 654 gegen Oswiu fiel. Daraufhin nahm Oswiu – nunmehr selbst bretwalda – den nördlichen Teil Mercias unter northumbrische Verwaltung, während Pendas Sohn Peada, der bereits 653 bei seiner Hochzeit mit einer Tochter Oswius das Christentum angenommen hatte, ein vergrößertes mittelanglisches Königreich erhielt. Als dieser 656 er-
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mordet wurde, wurde auch dieses Gebiet direkt von Northumbrien aus verwaltet. Bereits 657 kam es jedoch, vielleicht vor dem Hintergrund des direkten northumbrischen Eingreifens, in Mercia zu einem Aufstand, infolgedessen Wulfhere, ein weiterer Sohn Pendas, zum König erhoben wurde. Während sich Oswius Herrschaft nunmehr bis zu seinem Tod 670 auf den Norden beschränkte, wo er im Gefolge der Synode von Whitby den kentisch-römischen Traditionen zum Durchbruch verhalf, ging die Vorherrschaft im Süden auf Wulfhere über. Als es zwischen 670 und 674 zu einer Konfrontation zwischen ihm und Oswius Erbe Ecgfrith kam, waren die Northumbrier zunächst noch einmal erfolgreich. Ecgfrith löste Lindsey aus dem Einfluss von Mercia und galt nun seinerseits als bretwalda. Die northumbrische Vorherrschaft im Süden fand jedoch endgültig ein Ende, als Ecgfrith 678 gegen Wulfheres Bruder Aethelred unterlag und Lindsey wieder verlor. Die wichtigsten Ursachen für die veränderte Stellung Northumbriens waren die wachsende Bedrohung im Norden und zunehmende innere Instabilität. So beanspruchte Ecgfrith zwar in den späteren Jahren die Oberherrschaft über die Briten von Strathclyde, die Iren von Argyll und piktische Gebiete, kam jedoch 685 bei einem Beutezug in den Norden ums Leben. Sein Bruder und Nachfolger Aldfrith konnte bis zu seinem Tod 704 die Gebietsverluste an die Pikten nicht rückgängig machen; erst nach 711 kam es wieder zu angelsächsischen Erfolgen. Diese Situation und die häufigen Herrscherwechsel bedingten, dass Northumbrien im 8. Jahrhundert einen Sonderweg ging. Im Süden begründete der Sieg Aethelreds über die Northumbrier 678 zunächst keine neue Vorherrschaft. Der bedeutendste Herrscher des beginnenden 8. Jahrhunderts war vielmehr Ine von Wessex, der vor allem als Gesetzgeber hervortat. Seine Gesetze sehen die Rettung der Seelen und den Schutz des Königreiches als gleichberechtigte Aufgaben des Herrschers, der als „König durch die Gabe Gottes“ oder sogar „von Gottes Gnaden“ verstanden wird.20 Dabei werden erste Strukturen der Verwaltung (von Wessex) erkennbar, der Rat des Königs und die Einsetzung von ealdormen (Grafen). Nach Ines freiwilligem Verzicht 726 wurde im Süden wiederum Mercia zur führenden Macht. Entscheidend dafür waren zwei starke Persönlichkeiten, die zusammen fast 80 Jahre herrschten, während sich in Northumbrien elf Könige auf dem Thron abwechselten: Aethelbald (716–757) und Offa (757–796). Aethelbald, der einer Nebenlinie der königlichen Familie entstammte, wurde 716 nach der Rückkehr aus dem Exil zum König erhoben und erreichte bald so großen Einfluss, dass er, wie Beda 731 in seiner Schilde-
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rung der aktuellen Situation festhielt, alle „südlichen Länder bis zur Grenze des Flusses Humber“ kontrollierte.21 Seine Herrschaft wird erstmals in einer größeren Zahl von Urkunden fassbar, die er unter anderem für Gebiete südlich der Themse, die zuvor westsächsisch waren, sowie für London und Middlesex, die vorher zu Essex gehörten, ausstellte. Zeitweilig, nach einer Niederlage gegen König Cuthred 752, verlor er die Vorherrschaft über Wessex, doch fand sich dessen Nachfolger Cynewulf 757 wieder am mercischen Hof ein. Allerdings wurde Aethelbald bald darauf von seiner Leibwache ermordet, und sein Reich begann sich aufzulösen. Im Streit um den mercischen Thron gewann Ende 757 Aethelbalds Verwandter Offa die Oberhand. Während Wessex zunächst die unter Aethelbald verlorenen Gebiete zurückerobern konnte, musste Offa erst Schritt für Schritt die vorherige Stellung Mercias wiederherstellen. Bald ging er jedoch darüber hinaus, griff seit 764 in Kent ein und unterwarf 771 Sussex endgültig. Auch Cynewulf von Wessex musste sich 779 unterordnen, und als sein Nachfolger wurde 786 mit Beorhtric ein Kandidat Offas eingesetzt. 794 veranlasste Offa die Hinrichtung eines ostanglischen Königs, und zeitweilig griff er auch in Northumbrien ein, suchte allerdings auch einen Ausgleich durch eine Heiratsverbindung. Offas Vorrangstellung wurde auch von den Herrschern des Frankenreiches anerkannt, von Pippin († 768) und Karl dem Großen († 814), mit denen er offenbar in engem Kontakt stand. So übernahm er die karolingische Münzreform, orientierte sich bei der Salbung seines Sohnes Ecgfrith zum König an kontinentalen Vorbildern und legte möglicherweise Karl um 784 nahe, den amtierenden Papst durch einen fränkischen Kandidaten zu ersetzen. Das gute Verhältnis wurde allerdings 789 durch Forderungen Offas nach einer doppelten Eheverbindung gestört. Eine Tochter Offas sollte nach Karls Willen dessen ältesten Sohn ehelichen, doch der mercische König verlangte im Gegenzug die Heirat seines Sohnes Ecgfrith mit Karls Tochter Bertha. Dies löste ein fränkisches Handelsembargo aus, und Karl nahm Gegner Offas auf, so Egbert von Wessex. Unabhängig davon hatte Offa jedoch bei seinem Tod 796 den Höhepunkt seiner Macht erreicht. Obwohl die zeitgenössische Historiographie ihm und Aethelbald den Titel eines bretwalda verwehrt hat, ging ihre Stellung sogar darüber hinaus. Sie war nicht mehr nur militärisch begründet, sondern spiegelte sich auch im Bewusstsein einer von ihnen geschaffenen höheren Einheit. Dies wird auch aus den Herrscher-Titulaturen in den Urkunden erkennbar. 736 nennt sich Aethelbald z. B. „König nicht nur der Mercier, sondern aller Provinzen, die mit allgemeinem Namen die ‚Südangeln‘ heißen“ oder auch einfach rex Britanniae.22 Offa erscheint – in Abwandlung der Aethelbald zugeschriebenen Titel – als rex Merciorum
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simulque aliarum circumquaque nationum, als „König der Mercier und zugleich der anderen benachbarten Nationen“, und – in einer Urkunde für Erzbischof Jaenberht von Canterbury 774 – als rex totius Anglorum patriae, als „König des ganzen Vaterlandes der Angelsachsen“,23 eine völlig neue Prägung, die auch Northumbrien einbezog. Die anderen Herrscher wurden im Gegensatz dazu zu Amtsträgern des Königs von Mercia herabgestuft, wenn Offa etwa eine Verfügung König Egberts von Kent widerrief, weil sie ohne seine Bestätigung erfolgt war. Da nach der Gründung des Erzbistums York 735 der Machtbereich Aethelbalds und Offas mit der Erzdiözese Canterbury identisch war, ließen die regelmäßig abgehaltenen Synoden unter Leitung des Königs und in Gegenwart der wichtigsten königlichen Amtsträger und Ratgeber ein Gefühl der Zusammengehörigkeit wachsen, das sich für die weitere Entwicklung als bedeutsam erweisen sollte. Die Urkunden Offas belegen eine leistungsfähige Kanzlei und Verwaltung, ebenso wie der Bau von Offa’s Dyke, einem Grenzwall gegen Wales, der vom Wye bis zur Irischen See reicht, beträchtliche Organisation und erheblichen technischen Aufwand erforderte. Obwohl damit die Möglichkeiten Offas weit über die seiner Vorgänger hinausgingen, rückte nach seinem Tod die Vereinigung der angelsächsischen Königreiche unter mercischer Ägide in weite Ferne. Eine der Ursachen dafür war der frühe Tod seines Sohnes Ecgfrith, der den Vater nur für gut vier Monate überlebte, während der nächste Erbe, der seit 797 regierende Cenwulf, ein entfernter Verwandter, nicht in der Lage war, Offas Politik fortzusetzen. Nach einer Rebellion in Kent (796–798) verlor er die Oberhoheit über Wessex, als nach dem Tod Beorhtrics Egbert zurückkehrte und 802 zum König erhoben wurde. Cenwulf setzte jedoch auch andere Schwerpunkte. So erneuerte er den angelsächsischen Druck auf Wales und starb 821 während der Vorbereitungen für ein weiteres Unternehmen. Als sein Erbe Ceolwulf diese Politik fortsetzte, kam es 823 zu seiner Absetzung. Der neue König Beornwulf, der erste Herrscher, der nicht mehr der Familie Pendas entstammte, wandte sich wieder gegen Wessex. Egbert von Wessex hatte während der Herrschaft Cenwulfs sein Königtum gefestigt, aber nur einen Feldzug geführt, 815 nach Cornwall. Als er 825 den Einfall Beornwulfs in Wessex abgewehrt hatte, entsandte er seinen Sohn Aethelwulf nach Kent und nutzte die Schwäche Mercias aus, indem er Kent, Surrey, Sussex und Essex unter die Vorherrschaft von Wessex brachte. Möglicherweise antwortete Egbert noch im selben Jahr auf einen Hilferuf des Königs von Ostanglien, der Beornwulf besiegte – und dabei dessen Tod herbeiführte. Als sich dann Beornwulfs Nachfolger Ludeca 827 erneut gegen die Ostanglier wandte, erlitt er ebenfalls eine Niederlage, bei der er umkam.
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Mit diesen drei Niederlagen zwischen 825 und 827 waren die Grundlagen der mercischen Vorherrschaft dauerhaft zerstört. 829 ging Egbert noch einen Schritt weiter. Er vertrieb Ludecas schwachen Nachfolger Wiglaf, eroberte Mercia und stieg so zum (achten) bretwalda auf, zumal er an der Spitze einer Armee an der Grenze Northumbriens auch die Unterwerfung des northumbrischen Königs entgegennehmen konnte. Ähnlich wie die bretwaldas des 7. Jahrhunderts konnte er diesen Vorrang jedoch nicht lange behaupten. Schon 830 kehrte Wiglaf nach Mercia zurück und brachte selbst Middlesex und London wieder unter seine Kontrolle, während Kent, Surrey, Sussex und Essex in den Händen Egberts verblieben. So entstand ein Gleichgewicht zwischen Wessex und Mercia, das auch den Tod der beiden Kontrahenten 839 überdauerte. Ihre Nachfolger, Aethelwulf in Wessex und Burgred in Mercia, fanden sich sogar zur Zusammenarbeit bereit. Aethelwulf unterstützte Burgred 853 bei der Unterwerfung des nördlichen Wales, während dieser 855 eine Tochter Aethelwulfs heiratete. Die Situation war unverändert, als die Einfälle von Skandinaviern mit dem „großen Heer“ der Dänen von 865 eine neue Qualität erlangten. Diese Übergriffe hatten bereits am Ende des 8. Jahrhunderts begonnen, als Gruppen von Kriegern symbolträchtige geistliche Zentren des Nordens zerstörten und plünderten, 793 das Kloster Lindisfarne, 794 Bedas Kirche in Jarrow, 795 Columbans Kloster in Iona. Dies war für England wie für das gesamte christliche Europa der Beginn einer wachsenden Bedrohung durch die ‚Wikinger‘, die im 9. und 10. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte. Die Angriffe der Dänen von Süden und Osten und der Norweger über Schottland und die Irische See von Norden und Westen wurden kontinuierlich machtvoller. Waren es nach 795 nur wenige, kleinere Attacken, nahm ihre Zahl ab 835 stetig zu, bis sie später entlang der Küste von London bis Cornwall fast jährlich erfolgten. Zugleich vergrößerten sich die Gruppen bis zur – allerdings wohl zu hoch angesetzten – Zahl von 350 Schiffen. Die dänischen und norwegischen Angriffe gestalteten schließlich die Landkarte Englands um.
4. Die Zeit der Däneneinfälle (865–1016) Das zuletzt recht friedvolle Gleichgewicht zwischen den angelsächsischen Königreichen wurde 865 nicht von innen, sondern von außen zerstört, durch das Eingreifen des „großen Heeres“ der Dänen. Innerhalb weniger Jahre waren fast alle alten Reiche erobert. Nur Wessex konnte sich behaupten, und als, von Wessex ausgehend, ein englisches Königtum entstan-
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den war, begannen 980 neue dänische Angriffe, die 1016 mit der Bildung eines anglodänischen Reiches endeten. Den Zeitgenossen war die Bedeutung der Invasion von 865 zweifellos nicht bewusst. So schildert selbst die erst später kompilierte Angelsachsenchronik zu diesem Jahr zunächst die Ankunft eines kleineren skandinavischen Heers in Kent, das die östlichen Landesteile trotz eines mit Geld erkauften Friedens verwüstete, und fährt dann, nach der Nachricht über die Erhebung Aethelreds von Wessex, lapidar fort: „Und in diesem selben Jahr kam ein großes Heer nach England und nahm Winterquartier in Ostanglien. Und dort wurden sie mit Pferden versorgt, und sie schlossen Frieden mit ihnen.“24 Die Landung fremder Kontingente war inzwischen ebenso wenig ungewöhnlich wie ihre erzwungene Versorgung, doch brachten die folgenden Ereignisse einen entscheidenden Wandel, nämlich den Übergang von der Plünderung zur Eroberung. Die Wikinger wandten sich gegen das durch einen Thronstreit geschwächte Northumbrien und nahmen im Herbst 866 York ein. Als die rivalisierenden Könige, Osbert und Aelle, im März 867 beim gemeinsam unternommenen Versuch fielen, York zurückzugewinnen, setzten die Eroberer einen Marionettenherrscher ein und griffen Mercia an. König Burgred erhielt in dieser Situation zwar eine Hilfszusage aus Wessex, entschied sich aber dafür, den Dänen Gelder zu zahlen, damit sie sich nach York zurückzogen. Dies geschah, doch im Herbst 869 griff das dänische Heer über mercisches Gebiet Ostanglien an. König Edmund fiel im Kampf, Ostanglien wurde erobert, und die Klöster wurden zerstört. Da auch Mercia kaum noch Widerstand leisten konnte, wurde Wessex nunmehr zum wichtigsten Gegner der Wikinger. Das große Heer konnte zwar Ende 870 bei Ashdown geschlagen werden, blieb aber dann in zwei Schlachten gegen König Aethelred siegreich. Aethelred war – nach Aethelbald und Athelberht – der dritte der Söhne König Aethelwulfs, die ihrem Vater seit 858 auf dem Thron nachgefolgt waren. Obwohl er zwei Söhne hinterließ, wurde nach seinem Tod Ostern 871 der jüngste Sohn Aethelwulfs, Alfred, zum König erhoben, der zuvor bereits zusammen mit seinen Brüdern gegen die Dänen gekämpft hatte und somit wohl als der am besten geeignete Herrscher ohne Widerstand akzeptiert wurde. Auf diese Weise gelangte eher zufällig der vielleicht bedeutendste König des angelsächsischen Englands auf den Thron, der einzige englische Herrscher, für den sich dauerhaft das Prädikat ‚der Große‘ durchsetzen konnte. Wohl ursprünglich für eine geistliche Laufbahn vorgesehen, besaß er zumindest gewisse Kenntnisse des Lateinischen, zeichnete sich aber ebenso durch energisches militärisches und politisches Eingreifen aus. Ein wichtiges Zeugnis für seine Person ist die Biographie des Walisers Asser,
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der am Hof Alfreds lebte und wohl 908/09 als Bischof von Sherborne starb. Die Authentizität dieser Quelle wurde mehrfach angezweifelt, zumal das einzige Manuskript 1731 verbrannte und die Forschung auf ältere Editionen und Beschreibungen angewiesen ist. Allerdings erweist sich die These, der Text sei das vor allem auf der Angelsachsenchronik aufbauende Werk eines Fälschers aus dem 10. Jahrhundert (Alfred P. Smyth), als nicht haltbar, sowohl wegen der Übereinstimmung mit dem in eindeutig zeitgenössischen Quellen entwickelten Bild (das durch weitere Informationen ergänzt wird) als auch aufgrund der Tatsache, dass sich die Legendenbildung des 10. Jahrhunderts noch nicht in der Biographie wiederfindet. So ist es sicher originäre Begeisterung, wenn Asser nach dem Lob für Alfreds ‚internationale‘ Beziehungen, seinen Schatz und seine Bauten die Leistung des Königs im Kampf gegen die Wikinger hervorhebt: „Aber als er einmal das Steuer des Königreiches übernommen hatte, kämpfte er, allein unterstützt durch göttliche Hilfe, wie ein ausgezeichneter Schiffsführer darum, sein mit vielen Reichtümern beladenes Schiff in den erstrebten und sicheren Hafen seiner Heimat zu bringen, obwohl alle seine Seeleute nahezu erschöpft waren. Ebenso erlaubte er [es ihm] nicht, zu schwanken oder vom Kurs abzuweichen, obwohl [sein Weg] durch die vielfältigen brodelnden Strudel des gegenwärtigen Lebens [führte].“25 Alfred musste nach dem Tod Aethelreds zwar eine weitere Niederlage hinnehmen, doch gelang es ihm erstmals in der westeuropäischen Geschichte, den Wikingern wirkungsvoll Widerstand entgegenzusetzen, sodass sie sich zu einem Frieden bereit fanden und nach London abzogen. Dies brachte jedoch nur eine Atempause von wenigen Jahren. 873 besiegte das dänische Heer Burgred von Mercia und löste ihn – ähnlich wie in Northumbrien – durch einen Marionettenherrscher ab, und 876 begann eine intensive Besiedlung und zugleich herrschaftliche Durchdringung Northumbriens. Zugleich nahm eine zweite Gruppe der Dänen unter König Guthrum die Angriffe auf Wessex wieder auf. Zwar mussten sie bald darauf angesichts kurzzeitiger Rückschläge Frieden schließen, doch nur, um sich erneut auf den Kampf vorzubereiten. Mercia wurde 877 in zwei Zonen geteilt, und im Norden, im Gebiet der five boroughs Lincoln, Stamford, Derby, Nottingham und Leicester, begann nun ebenfalls die dänische Besiedlung, die auch dort eine angloskandinavische Synthese einleitete. In dieser Situation unternahmen die Dänen 878 einen überraschenden Angriff auf Wessex, der Alfred zwang, sich in die Sumpflandschaften Cornwalls zurückzuziehen. Dies war der Wendepunkt in Alfreds Regierung. Wenn es ihm nicht gelang, den Widerstand neu zu organisieren, würde Wessex als letztes der angelsächsischen Königreiche der Macht der Wikinger unterliegen. Die Le-
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gendenbildung des 10. Jahrhunderts hat daraus ein Moment der Unsicherheit und des Nachdenkens gemacht, doch war eher entschlossenes Handeln gefordert. Der König übernahm die dänische Taktik, von einem festen Lager aus Überraschungsangriffe zu unternehmen, baute Athelney in Cornwall als Stützpunkt aus und schlug die Dänen noch im selben Jahr mithilfe eines Aufgebots aus dem südwestlichen Wessex bei Edington. Durch die Belagerung der dänischen Basis Chippenham konnte Alfred schließlich sogar die Bedingungen für den Abzug der Wikinger diktieren. Dazu gehörte die Taufe König Guthrums, die nicht nur weitere Angriffe erschweren, sondern auch die christliche Bevölkerung in den dänisch beherrschten Gebieten vor Übergriffen schützen sollte. Nach diesem Erfolg begann Alfred eine Reform der Landesverteidigung. So wurde das fyrd, das Aufgebot aus den Kriegern des Königs und der bäuerlichen militia, zweigeteilt. Während ein Teil seinen Alltagsgeschäften nachgehen konnte, musste sich der andere als ‚stehendes Heer‘ für den Einsatz bereithalten. Bestehende Verteidigungsanlagen wurden erneuert, neue errichtet, sodass mit den burhs oder boroughs ein Netz von Fluchtburgen und befestigten Siedlungen über ganz Südengland entstand. Wie die am Anfang des 10. Jahrhunderts entstandene burghal hidage deutlich werden lässt, die 33 – teils schon von Alfreds Nachfolger – befestigte Orte in Südengland aufzählt, hing die Länge des Mauerwalls von der Größe des verteidigten Gebiets und der Zahl der Einwohner ab. Auf dieser Grundlage gelangen weitere Erfolge, so die Rückgewinnung Londons aus dänischer Hand, die nach langen Kämpfen um 886 im Grenzvertrag mit Guthrum bestätigt wurde. Die, allerdings wohl nur in späterer Fassung erhaltene, Einigung legte den Grenzverlauf fest – flussaufwärts entlang der Themse, der Lea, der Ouse und schließlich entlang der alten Watling-Straße – und regelte das Zusammenleben von Dänen und Angelsachsen. So heißt es z. B. zum Wergeld, der Buße für Totschlag: „Wenn ein Mensch erschlagen wird, schätzen wir einen Englischen und einen Dänischen ganz gleich teuer, nämlich zu 8 halben Mark reinen Goldes.“26 Spätere Bestimmungen, die bereits unter Alfreds Sohn Eduard erlassen wurden, trugen dann selbst den unterschiedlichen Rechtsbräuchen Rechnung. Während Alfred nun auch die nicht dänisch beherrschten Teile Mercias für sich gewinnen und dort einen eigenen ealdorman einsetzen konnte, blieb die dänische Bedrohung aktuell. So kam 892 ein weiteres dänisches Heer vom Kontinent, und eine dänische Flotte bedrohte die Küste. Alfred und Eduard verhinderten jedoch eine Vereinigung der beiden Kontingente und ein intensiveres Eingreifen der Dänen des Nordens und Ostens. Nach Erfolgen in Chester und – im Sommer 894 – am Lea nördlich von London waren die Dänen im Aufwind, bis Alfred 895 selbst gegen das
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dänische Lager am Lea vorging und ihren Abzug nach Ostanglien bzw. in die Midlands erzwang. Da die weiteren Unternehmungen der Dänen wenig bewirkten und zugleich die unter Alfred gebaute Flotte die Küsten schützte, verliefen die letzten Jahre seiner Regierung friedvoll. Trotz der politisch und militärisch unruhigen Zeiten beschränkten sich die Reformen Alfreds nicht auf Militär und Verwaltung, sondern betrafen auch das Bildungs- und Rechtswesen. Dafür zog er auch fremde Gelehrte an seinen Hof, neben dem Waliser Asser unter anderem zwei fränkische Kleriker, Grimbald aus dem Kloster St. Bertin und den (Alt-)Sachsen Johannes. Die reiche angelsächsische Klosterkultur des 8. Jahrhunderts war verloren, doch suchten Alfred und seine Berater dies durch Import und Übersetzung zentraler Texte vom Kontinent auszugleichen. In diesen Kontext gehört, dass wahrscheinlich Alfred selbst um 892 für die Verbreitung der Angelsachsenchronik sorgte, die auf der Grundlage von Bedas Chronologie aus älteren Annalen kompiliert und nun in mehreren Klöstern fortgesetzt wurde. Alfreds Gesetzessammlung, die auf ältere Vorlagen, insbesondere auf Ine von Wessex zurückgreift, ist zwar nicht sehr umfangreich, bildete aber einen Ansatzpunkt für die weitere Entwicklung der Gesetze der Angelsachsen. Damit waren wichtige Grundlagen geschaffen, doch waren es erst Alfreds Nachkommen, die Wessex in das eine angelsächsische England umwandelten. Die nachlassende Intensität der dänischen Angriffe erklärt sich zweifellos unter anderem daraus, dass die Besiedlung im südlichen Northumbrien, im Gebiet der five boroughs und in Ostanglien Kräfte band. Das änderte allerdings wenig an der insgesamt schwierigen Lage, die nun (seit 899) Alfred Nachfolger, Eduard der Ältere, bewältigen musste. Im Norden und Osten Englands war seit 865 ein eigener Rechtsbereich entstanden, und wenn auch die dänischen Heere selten gemeinsam operierten, bildeten sie doch weiterhin eine Bedrohung. Dem standen Uneinigkeit und Konflikte im verbliebenen angelsächsischen Herrschaftsbereich gegenüber. Während der Norden Northumbriens von miteinander konkurrierenden Adligen beherrscht wurde, betrieb der noch unter Alfred eingesetzte mercische ealdorman Aethelred, der bis zu seinem Tod 911 London kontrollierte, eine eigenständige Politik. Dazu kam bis 902 die Rebellion eines der Neffen Alfreds, Aethelwolds, der nach seiner Flucht von den Dänen in Northumbrien als König anerkannt wurde, 901 mit einer Flotte in Essex einfiel und 902 den Angriff einer ostanglischen Armee auf Mercia und das nördliche Wessex initiierte. Als Eduard daraufhin seinerseits in ostanglisches Gebiet einfiel, fand der Prätendent jedoch in einem Nachhutgefecht den Tod. 906 schloss Eduard mit Ostanglien und Northumbrien Frieden, wohl der Versuch, nach dem
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Vorbild des Ausgleichs zwischen Alfred und Guthrum friedliche Kontakte zwischen Dänen und Angelsachsen einzuleiten. Bald konnte Eduard seine Stellung jedoch auch wieder militärisch festigen. Nach einem Angriff auf die Dänen und dänischer Gegenreaktion gelang ihm 910 ein Erfolg in der Schlacht bei Tettenhall in Staffordshire, während die Dänen des Nordens passiv blieben, da norwegische Wikinger aus Irland und der Irischen See sie bedrohten. Gleichzeitig konnte der König Mercia nach dem Tod Aethelreds 911 wieder enger an sich binden und London und Oxford direkt verwalten, während Aethelreds Witwe Aethelflaed, Eduards Schwester, die schon in einer Urkunde von 904 als Myrcna hlaforda, „Herrin der Mercier“, bezeichnet wird,27 eng mit ihrem Bruder bei der Eroberung dänisch beherrschter Gebiete kooperierte. Sie bedienten sich dabei einer Politik der kleinen Schritte, errichteten oder verstärkten die Befestigungen im Grenzgebiet zu den Dänen und weiteten allmählich den eigenen Herrschaftsbereich aus. Auch das Eingreifen einer Wikingerflotte 914 führte zu keinem Rückschlag, da die Kontingente nach Plünderungen in Südwales und im Mündungsgebiet des Severn von lokalen Aufgeboten zum Abzug gezwungen und an weiteren Landungen gehindert wurden. Nachdem sich ihm die Dänen in Bedfordshire unterworfen hatten, gelang es Eduard ab April 917, während der für frühmittelalterliche Verhältnisse beachtlichen Periode von fünfzehn Monaten ein gut organisiertes Heer zusammenzuhalten, das die Dänen in den Midlands, Ostanglien und Essex permanent unter Druck setzte. Da sie nicht gemeinsam handelten, konnte der König einen Gegner nach dem anderen besiegen. Bereits Ende 918 war so England südlich des Humber in seiner Hand, und die Unterwerfung der anderen dänisch beherrschten Gebiete schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Als jedoch 919 Raegnald, ein aus Irland stammender Wikinger norwegischer Abkunft, in York gewaltsam die Herrschaft übernahm, begann eine neue Phase der Entwicklung. Die irisch-norwegischen Wikinger, die von nun an die Politik des Königreiches York bestimmten, erhielten – anders als zuvor die Dänen – häufig Verstärkung aus Irland. So zog bereits 920 eine Armee aus Dublin unter Raegnalds Cousin Sihtric plündernd durch Mercia. Eduard begann deshalb mit dem Bau neuer Befestigungen im Norden, bereitete aber auch einen Feldzug nach Northumbrien vor. Überraschend kam es dann jedoch noch im selben Jahr, 920, zu einem Ausgleich. Bei einem Treffen in Bakewell erkannten die Könige von York, Strathclyde und Schottland sowie der Herr von Bamburgh die englische Oberhoheit an. Eduard akzeptierte diesen eher formalen Akt wohl vor allem deshalb, weil er nach dem Tod Aethelflaeds 918 Mercia direkt verwaltete und sich hier wie in den anderen einstmals selbstständigen Rei-
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chen gewisser Widerstand gegen die westsächsische Herrschaft regte. 924 kam es sogar dazu, dass sich die Einwohner von Chester mit den Walisern verbanden, doch konnte der Aufstand noch vor Eduards Tod im selben Jahr niedergeschlagen werden. Mit seiner vorsichtigen, aber entschlossenen Politik hatte er so ein unter einem König vereintes (Süd-)England geschaffen. Der weitere Ausgleich mit Mercia wurde dadurch erleichtert, dass Eduards Sohn Athelstan am Hof Aethelflaeds in Mercia erzogen worden war. Anknüpfend an den Akt von Bakewell, konnte der neue König auch ein gutes Verhältnis zu York wahren, zumal Sihtric, der 921 die Nachfolge Raegnalds angetreten hatte, im Januar 926 eine Schwester Athelstans heiratete. Dies änderte sich dramatisch, als Sihtric 927 starb und ihm ein Sohn aus einer früheren Ehe folgte, der von den Norwegern in Dublin unter seinem Onkel, König Guthfrith, unterstützt wurde. Athelstan entschloss sich in dieser Lage zu einem Feldzug gegen York. Es gelang ihm, das Königreich zu erobern und die herrschenden Wikinger zu vertreiben, während die Könige von Schottland und Strathclyde sowie die Herrscher von Bamburgh erneut die englische Oberherrschaft anerkannten. Als er 934 Engländer, Dänen und Waliser auf einen Feldzug bis weit hinein in den schottischen Herrschaftsbereich führte, kam es zu einem Bündnis zwischen Schottland, Strathclyde und den Norwegern aus Dublin unter Olaf, dem Sohn Guthfriths. Athelstan gelang es jedoch, ein in England eingefallenes Heer bei Brunanburh zu schlagen. Sein Tod 939 stellte jedoch seine Erfolge wieder infrage. Olaf Guthfrithson zog in York ein, ohne auf Widerstand zu treffen, und führte im Jahr darauf sein Heer bis in die Midlands. Als sich ihm der neue König, Athelstans Bruder Edmund, entgegenstellen wollte, hatten die Erzbischöfe von Canterbury und York bereits eine Einigung ausgehandelt, die York und das Gebiet der five boroughs wieder norwegischer Herrschaft unterwarf. Allerdings starb Olaf bereits 941 auf einem Feldzug in den Norden, und seine Nachfolger konnten sich gegen Edmund nicht halten. Vielmehr eroberte der englische König 942 das Gebiet zwischen Humber und Watling Street und 944 York selbst zurück. Das Pendel schlug ein letztes Mal in die andere Richtung aus, als Edmund 946 ermordet wurde. Sein Bruder und Nachfolger Eadred wurde zwar zunächst auch in York anerkannt, doch entschieden sich die Dänen und Norweger bald darauf für einen skandinavischen Herrscher, Erik ‚Blutaxt‘, den aus seinem Erbe vertriebenen Sohn des norwegischen Königs. Er konnte sich zuerst nur kurz halten, kehrte dann aber nach zeitweiliger Erneuerung der englischen Herrschaft und erneuter norwegischer Dominanz 952 nach York zurück. Die Eigenständigkeit des skandinavi-
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schen Reiches fand endgültig erst 954 ihr Ende, als Erik unter ungeklärten Umständen umkam und Eadred wieder als Herrscher akzeptiert wurde. Der militärische Erfolg der westsächsischen Herrscher konnte jedoch nicht genügen, sollten die heterogenen Teile des Reiches, von Wessex und Mercia bis zum seinerseits wenig homogenen dänischen Rechtsbereich, zu einem Ganzen zusammenwachsen. Auch in dieser Hinsicht kam Athelstan herausragende Bedeutung zu. Insbesondere auf einer Reihe von Hoftagen in den mittleren Jahren seiner Herrschaft gelang es, den Adel und den Klerus aller Landesteile in die Entscheidungen einzubinden und separatistische Tendenzen zu überwinden. Damit waren eine Belebung der Kanzleitätigkeit und eine intensive Gesetzgebung verbunden, die erstmals Pflichten der Herren gegenüber den von ihnen Abhängigen bestimmten und auf die gewachsene Bedeutung der Städte Rücksicht nahmen. In einer Verordnung für London aus den letzten Jahren seiner Regierung heißt es, „dass Athelstan seinen Bischöfen und seinen ealdormen und seinen Vögten allen über mein ganzes Gebiet hin befiehlt, dass ihr die Friedensordnung so haltet, wie ich sie beschlossen habe mit meinen witan [Ratgebern]. Wenn einer von euch nachlässig ist und mir nicht gehorchen will, […] dann sei solcher Vogt aus seinem Amt und meiner Freundschaft [ausgestoßen] und zahle mir 120 Schillinge, und halb so viel [zahle] jeder meiner thegnas [Adligen] […].“28 Die Friedenswahrung lag in den Händen einer in diesem Zusammenhang erwähnten ‚Friedensgilde‘ der geistlichen und weltlichen Großen im Londoner Raum, nicht mehr ausschließlich beim Königtum, und das von ihr gesammelte Geld sollte für Schadenersatzzahlungen genutzt werden. Athelstans herausragende, von Zeitgenossen als nahezu kaiserlich wahrgenommene Stellung fand auch in vielfältigen Beziehungen zum Kontinent ihren Ausdruck. Eine seiner Schwestern heiratete 926 Hugo von Franzien, der 936 die Erhebung des Karolingers Ludwig des ‚Überseeischen‘ zum westfränkischen König unterstützte, der zuvor an Athelstans Hof Exil gefunden hatte. In dieselbe Zeit gehört die Aufnahme von Kontakten zum Ostfrankenreich. Als sich Heinrich I. 929 bei Athelstan um eine Frau für seinen Sohn Otto (I.) bemühte, entsandte dieser zwei seiner Schwestern mit Bischof Coenwald von Worcester auf den Kontinent. Eine von ihnen, Eadgyth, wurde mit Otto vermählt, und es kam wohl auch zu einer Heiratsverbindung mit dem burgundischen Herrscherhaus. An Athelstans Hof lebte zeitweilig auch Håkon, der jüngere Sohn des norwegischen Königs Harald ‚Schönhaar‘, der dort eine christliche Erziehung erfuhr und 934 – vielleicht mit Athelstans Hilfe – zum norwegischen König erhoben wurde. Der frühe Tod Athelstans machte jedoch deutlich, wie sehr diese Erfolge mit seiner Person verbunden waren. Seine Nachfolger, seine Brüder
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Edmund und Eadred, konnten erst nach langen Auseinandersetzungen die Einheit Englands wiederherstellen und so zugleich für eine Generation, bis etwa 980, dem Land äußeren Frieden sichern. Im Innern kam es jedoch nach dem Tod Eadreds 955 zu Spannungen. Von seinen Erben, den Söhnen Edmunds, fand zunächst der etwa 15-jährige Eadwig allgemeine Anerkennung, doch gewann der etwa 12-jährige Edgar zunehmend an Einfluss und erhielt – getragen von einer der Parteien am Hof – ein Unterkönigtum in Mercia. Während Eadwig seit 956 durch großzügige Vergabe von Ländereien neue Helfer zu gewinnen suchte, spitzte sich die Situation zu, als Edgar seit Ende 957 als eigenständiger Rex Merciorum, König der Mercier, zu handeln begann. Da er bis Ende 958 auch in Northumbrien anerkannt wurde, kam es zu einer faktischen Teilung des Landes entlang der Themse. Diese fand jedoch mit Eadwigs Tod 959 ein Ende; Edgar war nunmehr unumstrittener Herrscher ganz Englands. Seine Herrschaft wurde von den Späteren – nicht zuletzt wegen der danach wieder einsetzenden Angriffe der Dänen – zu einem goldenen Zeitalter verklärt. So findet sich in der Version D der Angelsachsenchronik zu seinem Tod 975 ähnlich wie in anderen Fassungen ein Nachruf in Reimform: „In diesem Jahr starb Edgar, der Herrscher der Engländer, der Freund der Westsachsen und Beschützer der Mercier, der fern und weit bekannt war bei vielen Völkern. Könige ehrten den Sohn Edmunds fern und weit über das Bad des Seevogels und unterwarfen sich dem Könige, wie das sein Geburtsrecht war. Keine noch so stolze Flotte, kein noch so starkes Heer konnte je Beute für sich selbst gewinnen in England, während dieser edle König den königlichen Thron besaß.“29 Allerdings trug Edgar durch spektakuläre Zeremonien zu diesem Bild bei. So ließ er sich 973, als er mit 30 Jahren das kanonische Alter für die Priesterweihe erreicht hatte, feierlich in Bath krönen, nach den Ergebnissen der jüngeren Forschung zum zweiten Mal. Die dabei zugrunde gelegte Ordnung, der ‚Edgar-Ordo‘, der unter dem Einfluss des Erzbischofs Dunstan von Canterbury entstand und den König als Mittler zwischen Gott und den Menschen beschreibt, war zwar von kontinentalen Vorbildern beeinflusst, wirkte aber seinerseits auf den Kontinent zurück, insbesondere auf die französischen Krönungen seit dem 12.Jahrhundert. Unmittelbar im Anschluss zog Edgar nach Chester weiter, um die Huldigung von sechs oder acht Königen des Nordens zu empfangen, die ihm – zumindest nach der John of Worcester zugeschriebenen Chronik-Kompilation aus dem 12.Jahrhundert – Treue und Unterstützung „zu Lande und zu Wasser“ versprachen und ihn auf dem Dee ruderten, während er das Boot steuerte.30 Obwohl dies kaum über den Akt von Bakewell hinausging, hatte diese Unterwerfung weit reichende Folgen. Die Anerkennung der
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englischen Oberhoheit wurde noch unter den normannischen Herrschern aufgegriffen, und mit dem König der Scoten, Kenneth, kam es möglicherweise mit der Übergabe des angelsächsischen Lothian, das sich zu einem der Kernräume des entstehenden schottischen Königreiches entwickelte, zu einem grundlegenden Ausgleich. In der Verwaltung Englands führte Edgar die Politik seines Bruders Eadwig fort, der eigene ealdormen für die alten Landesteile berufen hatte, 956 für Mercia, Essex und Ostanglien, dann 957 für Hampshire. Dabei behandelte Edgar die dänisch besiedelten Territorien unter Wahrung der eigenständigen dänischen Rechtstraditionen als gleichberechtigte Teile des englischen Königreiches. So heißt es in einem seiner Gesetze: „Ich will, dass weltliche Rechte bei den Dänen gemäß so guter Verfassung bestehen sollen, wie sie als beste auswählen können. Bei den Engländern dagegen bestehe, was ich und meine witan [Ratgeber] zu den Gesetzen meiner Vorfahren hinzugefügt haben, allem Volke zum Nutzen.“31 Seit der Zeit Edgars setzte sich so für den dänischen Siedlungs- und Rechtsbereich die Bezeichnung Danelag allmählich durch. Edgars früher Tod 975 stellte jedoch seine Erfolge wieder infrage, zumal er mit Eduard und Aethelred zwei minderjährige Söhne aus zwei Ehen hinterließ und seine Unterstützung der monastischen Reformbewegung unter Dunstan zu Widerstand im Adel geführt hatte. So kam es zu einer Doppelwahl und zu Kämpfen, bei denen auch Klöster angegriffen wurden. Zwar wurde nach einigen Monaten eine Einigung zugunsten Eduards erreicht, doch wurde der junge König im März 978 unter unklaren Umständen in der Residenz der Mutter Aethelreds ermordet. Dies erwies sich als unglücklicher und belastender Anfang der knapp 40-jährigen Herrschaft Aethelreds II. Der zu Lebzeiten unbeliebte, ‚unheilige‘ Eduard wurde zum Heiligen und Märtyrer stilisiert, während sich Aethelred nie ganz vom Makel des Brudermords befreien konnte. So sah er sich 985, 992 und 1003 der Rebellion oder auch dem Verrat der ealdormen von Mercia und Hampshire gegenüber, während seine Gegner offenbar den Kult um Eduard ‚den Märtyrer‘ bewusst förderten. 1008 musste der König die Verehrung seines Halbbruders sogar durch ein Gesetz, das das Heiligenfest festlegte, unterstützen. Dabei wird die Rolle seiner Ratgeber hervorgehoben, mit deren Auswahl Aethelred zumeist wenig Geschick bewies, wie auch sein späterer Beiname Unraed, der ‚Unberatene‘, in Anspielung auf die Bedeutung seines Namens (edler Rat) nahe legt. Als die dänischen Angriffe 980 erneut einsetzten, konnte der König ihnen so aufgrund seines Misstrauens gegenüber seiner Umgebung, seiner Unsicherheit und Unentschlossenheit nur bedingt effektiven Widerstand entgegensetzen.
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Die dänischen Angriffe, die oft von der seit 911 beherrschten Normandie ausgingen, richteten sich 980 bis 982 zunächst vor allem gegen den Süden Englands, 991 und 992 gegen den Osten, 993 gegen den Norden. Aethelred bemühte sich dagegen um diplomatische Unterstützung, allerdings ohne größeren Erfolg. So blieb das unter Vermittlung Papst Johannes’ XV. im März 991 geschlossene Abkommen mit Herzog Richard I. von der Normandie ohne Wirkung, das die Aufnahme der Wikingerflotten durch die Normannen verhindern sollte, während die Heirat Aethelreds mit Emma, der Schwester Herzog Richards II., 1002 keine Verbesserung der Beziehungen erbrachte. Die militärischen Erfolge gegen die Dänen, 988 in Devon, 994, 1010 und noch 1016 vor London, 1004 und 1010 in Ostanglien, beruhten noch immer auf der Effektivität des seit Alfred aufgebauten lokalen Verteidigungssystems, doch ebenso scheiterte eine effektive Abwehr der Angriffe oftmals am Verhalten der von Aethelred berufenen militärischen Anführer. So verriet der ealdorman Aelfric 992 den Dänen den englischen Angriffsplan, 993 ergriffen die Anführer eines zur Verteidigung Northumbriens und Lindseys aufgebotenen Heeres vorzeitig die Flucht, 999 wurde eine Entscheidung so lange hinausgezögert, bis nur noch der Rückzug möglich war, 1006 plünderten aus Wessex und Mercia zusammengezogene Kontingente ihre eigenen Landsleute, und 1009 verhinderte der ealdorman von Mercia, Eadric Streona, „wie das“ – nach der Angelsachsenchronik – „immer der Fall war“,32 einen Erfolg versprechenden Angriff auf bereits teilweise eingeschlossene Gegner. All dies vermittelt den Eindruck sich auflösender gesellschaftlicher Bindungen. Aus späterer Perspektive bestärkt Wulfstans »Predigt des Wolfs an die Engländer« (Sermo Lupi ad Anglos) diesen Eindruck. „Das Pflichtgefühl gegenüber Gott ist zu lange in jedem Bezirk innerhalb dieser Nation geschwunden“, heißt es beim späteren Erzbischof von York, „und die Gesetze des Volkes sind allzu lange in Verfall geraten, und Heiligtümer werden fern und weit geschändet. […] Und die Rechte der Freien werden zurückgenommen und die Rechte der Sklaven beschränkt und karitative Verpflichtungen reduziert; und, kurz gesagt, Gottes Gesetze sind verhasst und seine Gebote missachtet.“33 Dem von Wulfstan angeprangerten moralischen Verfall stand eine erstaunliche Leistungsfähigkeit der angelsächsischen Verwaltung und Wirtschaft gegenüber, der es immer wieder gelang, sich durch Zahlungen den Abzug der Dänen zu erkaufen. 991 wurden 10 000 Pfund Silber bezahlt, 994 16 000, 1002 24 000, 1007 36 000 Pfund, und schließlich stieg das ‚Danegeld‘, die dafür eingeführte Steuer, 1012 – zumindest nach Angabe der Quellen – auf die enorme Summe von 48 000 Pfund. Die Häufigkeit und die steigende Höhe dieser Zahlungen macht
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allerdings deutlich, dass damit wenig erreicht war, dass vielmehr jeder dieser dänischen Erfolge neue Begehrlichkeiten weckte. Dazu kam, dass sich die dänischen Kontingente bald nicht mehr nur für Beute interessierten. Auslöser waren die Dänenverfolgungen des Jahres 1002, als Aethelred befahl, alle Dänen in England am St.-Briccius-Tag, am 13. November, zu ermorden. Obwohl dies in dem ethnisch gemischten Land kaum befolgt wurde, fand dabei Gunnhild, die Schwester des dänischen Königs Swein, den Tod. Sweins Rache bestand darin, dass er 1009 ein großes Heer unter seinen besten Heerführern aussandte, die England drei Jahre lang plündern ließen und schließlich das hohe Lösegeld von 1012 erpressten. Als einer von ihnen, Thorkell ‚der Lange‘, wegen der Ermordung Erzbischof Aelfheahs von Canterbury zu Aethelred überging, entschloss sich Swein 1013 zur Eroberung Englands. Da die vorherigen Kämpfe die englische Abwehrkraft zerstört hatten, wurde Swein bereits Ende 1013 überall als König anerkannt, während Aethelred zu Emma und ihren Kindern in die Normandie fliehen musste. Nach dem Tod Sweins im Februar 1014 konnte Aethelred noch einmal als König nach England zurückkehren, doch fiel er nach Erfolgen gegen Sweins jüngeren Sohn Knut wieder in alte Fehler zurück, indem er den mercischen ealdorman Eadric Streona unterstützte, der für zwei Morde verantwortlich war. Knut fand so nach seiner Rückkehr nach England 1015 breite Unterstützung, doch konnte sich Edmund ‚Eisenseite‘, Aethelreds Sohn, auch nach dem Tod des alten Königs im April 1016 behaupten und einige Erfolge erringen. Im Oktober 1016 gewann Knut dann aber durch den Verrat Eadric Streonas die Schlacht bei Ashingdon und erreichte damit eine Teilung des Landes, bei der Edmund Wessex erhielt, Knut aber als Herrscher in Mercia und im Norden anerkannt wurde. Weitere Konflikte blieben aus, da Edmund bereits am 30. November 1016 überraschend verstarb. Knut konnte so die Nachfolge im gesamten Königreich antreten.
5. Die letzten Jahrzehnte des angelsächsischen Englands (1016–1066) Mit dem Erfolg Knuts begann die letzte Phase in der Geschichte des angelsächsischen Englands, die durch die Integration einer ersten ‚Schicht‘ von Eroberern und die faktische Ausbildung einer anglodänischen Gesellschaft gekennzeichnet war. Selbst wenn 1042 mit Eduard dem Bekenner noch einmal ein Mitglied der alten westsächsischen Dynastie den englischen Thron bestieg, war es kaum ein Zufall, dass sein Nachfolger
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Harald (II.) eben jenem anglodänischem Adel entstammte, der unter Knut in die führenden Positionen aufgerückt war. Diesen Integrationsprozess begünstigten die schon zuvor bestehenden engen Beziehungen der Angelsachsen zu Skandinavien, die auf gemeinsamen Traditionen und verwandten Sprachen beruhten und durch die Invasion und die Siedlung der Wikinger seit dem 9. Jahrhundert noch weiter vertieft wurden. So fanden sowohl Swein als nach ihm auch Knut vor allem im dänischen Rechts- und Siedlungsbereich, dem Danelag, wachsende Unterstützung. Dem trug auch die Teilung Englands zwischen Edmund ‚Eisenseite‘ und Knut Rechnung, die Edmund das am wenigsten durch die skandinavischen Eroberungen des 9. Jahrhunderts beeinflusste Wessex zuwies, Knut aber Mercia und den Norden. Knut wurde jedoch nach Edmunds Tod auch in Wessex akzeptiert. Die Worcester-Chronik berichtet, Knut habe in dieser Situation die Bischöfe, ealdormen und englischen Großen zu London versammelt, um an sie zum Schein die Frage nach einem letzten Willen Edmunds zu richten. „Sie begannen sofort, zu sagen, dass sie ohne Zweifel wüssten, dass König Edmund weder während seiner Lebenszeit noch bei seinem Tode einen Teil seines Herrschaftsbereiches für seine Brüder reserviert habe, und sie sagten, dass sie wüssten, dass sich König Edmund Knut als Protektor und Beschützer seiner Söhne gewünscht hätte, bis sie das für Herrschaft geeignete Alter erreicht hätten. Aber, wie Gott weiß, legten sie falsches Zeugnis ab und logen betrügerisch, in der Annahme, dass er ihnen in Anbetracht ihrer Lügen größere Gunst erweisen würde und sie von ihm große Geschenke erhielten. Einige dieser falschen Zeugen wurden jedoch bald danach vom erwähnten König erschlagen. Nach der erwähnten Befragung strebte König Knut danach, dass ihm die genannten Magnaten den Lehenseid leisteten. So schworen sie, dass sie ihn als ihren König wählen, ihm demütig gehorchen und Steuern für die Bezahlung seiner Armee geben wollten. Und als sie des Königs bloße Hand zum Zeichen des Versprechens und die Eide der dänischen Großen erhalten hatten, missachteten sie die Brüder und Söhne von König Edmund völlig und leugneten ihr Recht, Könige zu sein.“34 Falls eine derartige Versammlung tatsächlich stattfand – und denkbar ist sie auf jeden Fall –, belegt sie eine weit verbreitete Bereitschaft, Knut anzuerkennen und endlich wieder friedliche Verhältnisse herzustellen. Auf der Seite Knuts wird zugleich ein gewisses Zögern deutlich, seine Herrschaft allein auf dem Recht des Eroberers aufzubauen. Zunächst einmal verhielt sich der neue König jedoch wie ein militärischer Gewaltherrscher, der seine Machtübernahme durch Zwangsmaßnahmen absichern musste. Dazu gehörte die – in der Worcester-Chronik
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angedeutete – Ermordung von vier prominenten Angelsachsen, die auch in der Angelsachsenchronik belegt ist. Einer von ihnen war der machtvolle, aber berüchtigte Eadric Streona, der unter Aethelred und Edmund ealdorman von Mercia war, in den Kämpfen mehrfach die Seiten gewechselt hatte und wohl auch für Knut so etwas wie ein Sicherheitsrisiko darstellte. Knut ließ ebenfalls die Erben Aethelreds verfolgen, so den letzten überlebenden Sohn aus der ersten Ehe Aethelreds, Eadwig, der wohl nach seiner Rückkehr aus dem Exil in England den Tod fand. Möglicherweise sollten auch die jungen Söhne Edmunds ‚Eisenseite‘, Eduard und Edmund, ermordet werden, doch fanden sie von Skandinavien aus in Ungarn Zuflucht. Dazu kamen administrative Maßnahmen, die die Kontrolle über das eroberte Königreich erleichtern sollten. So wurde England zunächst Anfang 1017 in vier earldoms geteilt: in Ostanglien unter Thorkell, Northumbrien unter Eric (dem Vater Aelfgifus, Knuts erster, in ‚Friedelehe‘ mit ihm verbundener Frau), Mercia noch unter Eadric Streona und Wessex, das Knut selbst kontrollierte. Danach wurden zwar die earldoms in kleinere aufgelöst, wobei Knut Wessex aus der Hand gab, doch folgte nun – nach der Angelsachsenchronik – die Erhebung einer weiteren, nochmals erhöhten Steuer von 72 000 Pfund aus dem Land und zusätzlichen 10 500 (oder 11 000) Pfund aus London, die der König Ende 1018 dafür verwandte, seine Flotte auszuzahlen und bis auf 40 Schiffe nach Hause zu entlassen. Schon zuvor, wohl im Sommer 1017, heiratete Knut die Witwe Aethelreds, die Normannin Emma, wahrscheinlich, um seiner Herrschaft zusätzliche Legitimität zu verleihen und ein Eingreifen der Normannenherzöge zugunsten der Söhne aus Emmas erster Ehe, Eduard und Alfred, zu verhindern. Das aus dänischer Perspektive, aber in Flandern vor 1040 geschriebene »Lob der Königin Emma«, das Encomium Emmae Reginae, das Emmas erste Ehe nicht zufällig übergeht, erwähnt Verhandlungen Knuts mit Herzog Richard II. von der Normandie, die der Eheschließung vorausgegangen seien. So oder so sah sich Knut offenbar Ende 1018 in der Lage, sich um ein besseres Verhältnis zu seinen Untertanen zu bemühen. Nach der Auszahlung seiner Flotte rief Knut die im Lande verbliebenen dänischen Adligen und die englischen Großen in Oxford zusammen. Das Ergebnis dieses Hoftages lässt sich nicht mit letzter Sicherheit erschließen, doch wurde zumindest nach einer Version der Angelsachsenchronik die Entscheidung getroffen, die Gesetze Edgars zur Grundlage des anglodänischen Königreiches zu machen. Sofern dies zutrifft – und die spätere Gesetzgebung bestätigt dies –, stellte sich Knut damit endgültig in die Tradition der angelsächsischen Könige.
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Da in England nun der innere Frieden wiederhergestellt war, konnte sich Knut den skandinavischen Problemen zuwenden. Schon früh hatte er eigene Ansprüche auf die dänische Krone erhoben. Als sein Bruder Harald (spätestens) Anfang 1020 ohne Erben starb, konnte Knut mit der Unterstützung einer kleinen Flotte seine Nachfolge antreten. Weitere Feldzüge wurden notwendig, als es zu Spannungen mit den anderen skandinavischen Reichen kam. Möglicherweise erlitt Knut dabei eine Niederlage in Südschweden, doch es gelang es ihm bald, seine Stellung so zu festigen, dass er später den Anspruch erheben konnte, auch Teile Schwedens zu beherrschen. Nachdem er einige Vertreter des norwegischen Adels bestochen und so auf seine Seite gezogen hatte, brach er 1028 mit einer Flotte von Jütland nach Norwegen auf, vertrieb König Olaf und erwarb schließlich, wie sein Vater vor ihm, auch die norwegische Krone. Allerdings blieb seine Herrschaft über Norwegen auch in den folgenden Jahren unsicher, obwohl er seine erste ‚Frau‘, die Angelsächsin Aelfgifu, als Regentin für ihren ältesten Sohn Swein dorthin entsandte. Swein wurde jedoch um 1034 von Olafs Sohn Magnus zur Flucht gezwungen und starb bald darauf. Beim Tode Knuts 1035 plante Magnus sogar einen Angriff auf Dänemark. Anders als die Skandinavier sahen die Angelsachsen in Knut später einen vorbildlichen christlichen König, der zugleich als Patron und als Schüler der Kirche wirkte. In den unter seinem Namen erlassenen Gesetzen und seinen Briefen spiegelt sich die traditionelle englische Vorstellung eines von Gott eingesetzten Königtums, das dem Schutz des Glaubens und seiner Diener verpflichtet ist. Wesentlich dafür war der Einfluss Erzbischof Wulfstans von York, doch entsprach diese Tendenz sicher auch den Intentionen Knuts. So heißt es bereits in einem Brief von 1019/20: „Nun bitte ich meine Erzbischöfe und alle meine Suffraganbischöfe, dass sie alle sorgfältig sein sollen in Bezug auf die Rechte der Kirche, jeder in seinem Bezirk, der ihm zugewiesen ist, und ferner gebiete ich meinen ealdormen, dass sie den Bischöfen zu den Rechten der Kirche verhelfen, sowohl zur Würde meines Königtums wie zum Nutzen des ganzen Volkes. Wenn einer, Geistlicher oder Laie, Dänisch oder Englisch, so kühn ist, dass er gegen Kirchensatzung auftritt und gegen mein Königtum oder gegen weltliches Recht und sich weigert zu büßen und gemäß der Weisung meiner Bischöfe [vom Trotz] abzustehen, dann bitte ich Herzog Thorkell [von Ostanglien] und befehle sogar, dass er solchen Rechtsbrecher vor dem Rechte beuge, wenn er kann.“35 Dies spiegelt eine enge Zusammenarbeit zwischen den geistlichen und den weltlichen Autoritäten, und in diesem Sinne kam Knut auch durch die Ehe mit Emma kirchlichen Vorstellungen nach, weil seine erste ‚Ehe‘ mit Aelfgifu, der Tochter des earl von North-
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König Knut und Königin Emma stiften ein Kreuz für Newminster; darüber Christus in der Mandorla mit den Kirchenpatronen Maria und Petrus. Buchmalerei, englisch, 1031. Illustrationen zu Aelsinus. Ms. Stowe 944. 6. London, British Library. Foto: AKG.
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umbrien, als ‚Friedelehe‘ nach germanischem Recht, mithin nicht nach christlichen Normen, geschlossen worden war. Für die persönliche Frömmigkeit Knuts spricht auch eine als Pilgerfahrt zu verstehende Reise nach Rom 1027/28, die ihn mit der Teilnahme an der Kaiserkrönung Konrads II. endgültig in den Kreis der christlichen Herrscher Europas eintreten ließ. In einem an die beiden Erzbischöfe und an das englische Volk adressierten Brief berichtet er über seine Verhandlungen mit dem Kaiser, dem Papst und den Fürsten, bei denen er angelsächsischen und dänischen Händlern und Pilgern das Durchzugsrecht nach Rom sichern konnte. Die verbesserten Beziehungen zum Imperium führten neben einem Gebietsausgleich (Konrad überließ den Dänen die Gebiete nördlich der Eider) sogar dazu, dass 1035 Knuts Tochter Gunnhild mit Konrads Sohn, dem künftigen Heinrich III., verlobt wurde. Dagegen verschlechterte sich zur selben Zeit das Verhältnis zu den normannischen Herzögen, da sowohl Richard II. als auch sein Nachfolger Robert den Söhnen Emmas aus ihrer ersten Ehe, Eduard und Alfred, weiterhin Zuflucht und Unterstützung gewährten. Nach den um 1070 verfassten »Taten der normannischen Herzöge« Guillaumes de Jumièges war Robert sogar bereit, die Ansprüche Eduards und Alfreds militärisch durchzusetzen. „Bewegt durch ihr langes Exil, sandte er Boten zu König Knut und forderte, dass er sie, da ihre Verbannung nun sicher mehr als ausreichend sei, gnädig behandeln und aus Liebe zu ihm, wenn auch zu spät, wieder in ihre Rechte einsetzen solle. Dieser lehnte jedoch die heilsamen Ermahnungen ab und sandte die Boten mit leeren Händen zurück. Daraufhin beriet sich der von äußerster Zornesröte entflammte Herzog mit den Großen seines Herzogtums und befahl, schnellstens eine große Flotte zu bauen.“36 Nur ein Sturm soll nach dem – sonst allerdings nicht bestätigten – Bericht Guillaumes eine Invasion verhindert haben. Auf jeden Fall bildete die Anwesenheit Eduards und Alfreds am normannischen Hof eine Bedrohung. Problematisch blieben auch die Beziehungen zu Schottland und zu den Walisern. Während der Regierung Knuts kam es in England zu grundlegenden Veränderungen in den Führungsschichten. Die Verminderung der Zahl der ealdormen bzw. (mit der skandinavischen Bezeichnung) der earls verband sich mit einem Aufstieg im Rang, und anstelle der ealdormen vertraten jetzt die Grafschaftsvögte (scir gerefan = sheriffs) den König auf der unteren Ebene der Verwaltung. Die Berufung neuer Amtsträger und die Ansiedlung der Gefolgsleute Knuts ließ eine neue Schicht von hohen Adligen entstehen. Zu ihnen gehörten Godwine von Wessex, dessen Sohn Harald 1066 zum König aufstieg, Leofric von Mercia sowie der gegen Ende der Regierung Knuts berufene Siward von Northumbrien. Neben
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diesen earls zumeist angelsächsischer Herkunft gab es zahlreiche Dänen mit teilweise erheblichem Grundbesitz in England. Ein Beispiel ist ein Osgod Clapa, der in Urkunden von Knut bis Eduard zwischen 1026 und 1046 als Zeuge genannt wird, über Besitz in Suffolk, Norfolk sowie vielleicht in Oxfordshire, auf der Isle of Wight und in Middlesex verfügte und immerhin so bedeutend war, dass Knuts Sohn und Nachfolger Harthaknut an der Hochzeit seiner Tochter teilnahm. Knut suchte den Ausgleich zwischen Dänen und Angelsachsen dadurch zu fördern, dass er um 1020 bei Ashingdon, dem Ort der Schlacht gegen Edmund ‚Eisenseite‘, eine Kirche weihen ließ und 1023 an der feierlichen Überführung der Reliquien des von Dänen erschlagenen Erzbischofs Aelfheah von Canterbury teilnahm. In diesem Prozess verlor jene Adelsschicht an Bedeutung, die das Haus Wessex unterstützt hatte. Die neue Dynastie war jedoch noch wenig gefestigt, als Knut am 12. November 1035 starb. Da es keine fähigen Nachfolger gab, standen England wiederum unruhigere Jahre bevor. Nach der jüngeren, Simeon von Durham zugeschriebenen, »Königsgeschichte« (Historia regum) hatte Knut seinen einzigen Sohn aus der Ehe mit Emma, Harthaknut, für die dänische Krone vorgesehen, während die beiden Söhne aus der Verbindung mit Aelfgifu, Swein und Harald, Norwegen und England regieren sollten. Wahrscheinlicher ist jedoch die Darstellung des Encomium Emmae Reginae, nach der Knut allein seinen legitimen Sohn als Erben bestimmte. Allerdings konnte sich Harthaknut in England nicht durchsetzen. Nach dem Encomium war er „beim Tode seines Vaters abwesend, denn er war gegangen, um das Königreich der Dänen zu sichern. Diese Abwesenheit gab einem unrechten Eindringling die Gelegenheit, die Grenzen des Reiches zu überschreiten, und dieser Mann tötete, nachdem er sich das Königtum gesichert hatte, den Bruder des Königs unter höchst gottlosem Verrat. Aber die göttliche Rache folgte, schlug den Ruchlosen und setzte den wieder ins Königtum ein, dem es zukam.“37 Dieser – parteiliche – Abriss des Konflikts zwischen Harthaknut und Harald um das englische Königtum verweist zu Recht darauf, dass Harald die Abwesenheit Harthaknuts wegen der Bedrohung Dänemarks ausnutzte. Zwar setzten sich Königin Emma und Godwine von Wessex für Harthaknut ein, doch konnte Harald mithilfe von Aelfgifu und Leofric von Mercia vor allem nördlich der Themse Unterstützung mobilisieren. Als Kompromiss bot sich deshalb zunächst an, dass Harald die Regentschaft für seinen Halbbruder übernahm, während Emma in Winchester die Kontrolle über den Schatz behielt. Dieses Gleichgewicht verschob sich jedoch bald zugunsten Haralds, und so kam es nach der Historia regum wohl 1036 zu einer – durch numismatische Quellen bestätigten – Teilung des Landes: „Nach einiger Zeit wurde
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das Königreich England durch Los geteilt, und der nördliche Teil fiel an Harald, und der südliche an Harthaknut.“38 Doch gab sich Harald auch damit nicht zufrieden, sondern trieb 1037 Emma und ihren Kreis zur Flucht nach Flandern und ließ sich endgültig zum Herrscher Englands krönen. Sein Aufstieg wurde auch durch den im Encomium Emmae Reginae erwähnten gewaltsamen Tod Alfreds, des jüngeren Sohns Emmas aus der Ehe mit Aethelred, nicht behindert, der 1036 mit einem kleineren Kontingent in England landete, nach der Angelsachsenchronik, „um seine Mutter zu besuchen, die in Winchester residierte“, 39 vermutlich aber vor allem, um selbst auf den Thron Anspruch zu erheben. Dabei wurde er wahrscheinlich von earl Godwines Männern geblendet und starb bald darauf im Kloster Ely an den Folgen dieser Verletzung. Offenbar regierte Harald nach der Vertreibung Emmas ohne innere Probleme, doch erwuchs eine neue Gefahr, als sich Harthaknut 1038 oder 1039 mit König Magnus von Norwegen einigte und für den Fall des kinderlosen Todes eines der beiden Könige die Nachfolge des anderen in dessen Reich vereinbarte. Der dänische Herrscher versammelte ein großes Heer und eine Flotte und segelte nach Flandern, doch starb Harald bereits im März 1040, ohne dass es zu einer militärischen Konfrontation kam. Harthaknut trat so zwar auf friedliche Weise das Erbe seines Vaters an, doch griff er auch zu harten Maßnahmen. So musste sich Godwine für die Ermordung Alfreds rechtfertigen und konnte die Gunst des Königs nur durch das Geschenk eines großen Schiffs zurückgewinnen. Zur Bezahlung seiner Flotte erhob der König zudem erstmals seit dem letzten Danegeld unter Knut wieder eine Steuer, die zu Unruhen in Worcester führte. 1041 holte Harthaknut Eduard, den letzten überlebenden Sohn Aethelreds II., an seinen Hof. Nach dem Encomium Emmae Reginae sandte er, „erfasst von brüderlicher Zuneigung, Boten zu Eduard und bat ihn, zu kommen und das Königreich zusammen mit ihm innezuhaben. Dem brüderlichen Befehl gehorchend, wurde dieser nach England gebracht, und die Mutter und beide Söhne erfreuen sich ohne jeden Zwist der Annehmlichkeiten, die das Königreich bereithält.“40 Diese Eintracht hätte wohl kaum längeren Bestand gehabt, doch brach der König im Juni 1042 bei der Hochzeit eines seiner Gefolgsleute zusammen und starb bald darauf. Während Dänemark nun mit der Wahl eines Neffen von Knut, Swein Estrithson, eigene Wege ging, ohne – wie auch der auf dem Erbvertrag mit Harthaknut bestehende norwegische König – den Plan einer erneuten Vereinigung mit der englischen Krone aufzugeben, kehrte England mit Eduard dem Bekenner zur alten westsächsischen Dynastie zurück. Eduard fand in England ungeteilte Zustimmung und wurde nach der
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Version E der Angelsachsenchronik bereits in London zum König erhoben, bevor Harthaknut beerdigt worden war. Dabei kam offenbar wiederum dem earl von Wessex, Godwine, die entscheidende Rolle zu, während sich die earls von Mercia und Northumbrien, Leofric und Siward, zunächst abwartend verhielten. Die daraus resultierenden Verhandlungen und die skandinavische Bedrohung führten wohl dazu, dass Eduard erst am Ostersonntag 1043 in Winchester von den Erzbischöfen von Canterbury und York gekrönt wurde. Das Bild, das seine nahezu zeitgenössische Lebensbeschreibung, die Vita Aedwardi Regis, von ihm zeichnet, ist das eines abgeklärten und weisen Mannes, doch greift dieses bereits seiner Heiligsprechung vor, die Papst Alexander III. 1161 vornahm. Eduard war sicher weder als Staatsmann noch als Heerführer herausragend, doch zeichnete er sich bei der Verfolgung seiner Ziele durch gewisses Geschick und Zähigkeit aus, auch wenn er gelegentlich unüberlegt handelte oder wenig flexibel reagierte. Er war zweifellos als ein Garant bestehender Verhältnisse gewählt worden und hatte so nur geringen Spielraum für Veränderungen. So belegen die Zeugenlisten seiner Urkunden eine deutliche Kontinuität seit der Zeit Knuts und Harthaknuts, und auch die großen earls blieben in ihren Ämtern, während Eduard die beiden ältesten Söhne Godwines, Swein und Harald, ebenfalls zu earls erhob. Wahrscheinlich waren es die drei großen earls, die Eduard 1045 zur Heirat mit der Tochter Godwines, Edith, bewegten. Auch wenn die Ehe ohne Kinder blieb – was spätere Legendenbildung wohl zu Unrecht mit strikter ehelicher Keuschheit erklärt –, brachte sie auf jeden Fall beiden Seiten Vorteile. Während die gewachsene Bedeutung Godwines und seiner Familie anerkannt wurde, erhielt Eduard Unterstützung für seine Politik, wie auch die Besetzung von Bistümern und die ‚Außenpolitik‘ der folgenden Jahre zeigen sollte. Zwar ließ Eduard mit Zustimmung Godwines zu, dass in Canterbury Siward, der Abt von Abingdon, unkanonisch von seinem Vorgänger geweiht wurde, doch konnte er in London spätestens 1046 statt eines Angelsachsen mit dem Normannen Robert von Jumièges einen eigenen Kandidaten erheben lassen. 1047 setzte sich Eduard dann gegen Godwines Vorschlag durch, König Swein von Dänemark gegen Magnus von Norwegen zur Hilfe zu kommen; und 1049 stellte er sich gegen Balduin V. von Flandern auf die Seite Kaiser Heinrichs III., obwohl Godwine und seine Familie enge Beziehungen zum Grafen besaßen. Eduard reagierte damit – in gewohnt defensiver Weise – auf Balduins Unterstützung der Gegner der englischen Könige. So hatte der flandrische Graf unter anderem Knuts 1044 aus England verbannte Nichte Gunnhild und ihre Söhne aufgenommen. Die äußere Lage hatte sich jedoch insgesamt bereits durch den Tod Magnus’ von Norwegen 1047 deutlich entspannt.
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Allerdings kam es bald darauf zu einer Entfremdung zwischen Eduard und Godwine, die wohl durch das Verhalten von Godwines ältestem Sohn Swein ausgelöst wurde, der wegen verschiedener Delikte schließlich sogar für vogelfrei erklärt wurde, was Eduard zur Berufung seines Neffen Ralph von Mantes zum earl von Hereford nutzte. Ein weiterer Konfliktpunkt ergab sich, als 1051 der Reformer Robert von Jumièges, der Bischof von London, mit Billigung des Königs zum Erzbischof von Canterbury erhoben wurde, während die Mönche in Canterbury einen der ihren, einen Verwandten Godwines, zum Erzbischof gewählt hatten. Als Funke im Pulverfass wirkte schließlich ein Zwischenfall, den der Aufenthalt Graf Eustaces II. von Boulogne, eines weiteren Verwandten Eduards, in Dover auslöste. Nach der Worcester-Chronik kam es zum Tod eines Bürgers, „als seine Soldaten in einer dummen und unhöflichen Weise nach Unterkünften suchten. […] Als dies einer der Mitbürger des Opfers sah, rächte er ihn, indem er einen der Soldaten erschlug. Wegen dieser Angelegenheit wurden der Graf und seine Männer sehr zornig und ermordeten viele Männer und Frauen mit ihren Waffen [und] trampelten ihre Kleinkinder und Kinder unter den Hufen ihrer Pferde nieder.“41 Daraufhin stellten sich Godwine, Swein und Harald auf die Seite der Gegner des Grafen von Boulogne, während die ‚Franzosen‘ an Eduards Hof, sein Neffe Ralph und Robert von Jumièges, Eustace unterstützten. Bald standen sich zwei feindliche Heere gegenüber, doch gelang es Eduard mithilfe der earls Siward und Leofric, einen offenen Konflikt zu vermeiden. Godwine und seine Söhne wurden – wohl wegen des Vorwurfs der Rebellion – vor ein königliches Gericht geladen. Als Eduard die von Godwine geforderte Stellung von Geiseln ablehnte, floh dieser mit seiner Frau und seinen Söhnen Swein und Tostig nach Flandern, während Harald und Leofwine nach Irland gingen, wohl, um von dort aus ihre Rückkehr vorzubereiten. Eduard hatte damit den Höhepunkt seiner Macht erreicht, doch war er nun stärker der Partei der ‚Franzosen‘ ausgeliefert, während er zugleich auf die anderen earls, insbesondere auf Leofric und Siward, angewiesen blieb. Bald zeichnete sich ein Umschwung der Stimmung zugunsten der Exilierten ab. Im Sommer 1052 kehrten Godwine und seine Söhne mit einer Flotte zurück, doch musste der König erkennen, dass die von ihm zusammengezogenen Truppen nicht zu einem Kampf bereit waren. So kam es zu einem Ausgleich, der Godwine erlaubte, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückzuweisen. Er und seine Söhne – außer Swein, der auf einer Pilgerfahrt gestorben war – erhielten ihre Ämter und ihren Besitz zurück. Während einige der normannischen Anhänger Eduards flohen, darunter Erzbischof Robert, blieben andere ‚Franzosen‘ in ihren Ämtern,
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so Eduards Neffe Ralph. Zu Roberts Nachfolger wurde Stigand berufen, der Bischof von Winchester, der sein bisheriges Bistum auch nach der Übernahme des Erzbistums nicht aufgab. Zweifellos verhinderten die earls Leofric und Siward eine weitere Schwächung des Königs, und als Godwine bereits im April 1053 starb, erlangte Eduard seinen Handlungsspielraum zurück. An diese Ereignisse schloss sich ein ruhigeres Jahrzehnt an, in dem Eduard vor allem darum bemüht sein musste, das erreichte Gleichgewicht zwischen den Söhnen Godwines und den anderen earls zu wahren. Das gelang zunächst recht gut. Harald folgte seinem Vater in Wessex, während sein earldom Ostanglien von Aelfgar, dem Sohn Leofrics von Mercia, übernommen wurde. Nach dem Tode Siwards von Northumbrien 1055 wurde dann Haralds Bruder Tostig zum earl erhoben. Spannungen ergaben sich jedoch nach dem Tode Leofrics 1057, als Aelfgar zwar in Mercia eingesetzt wurde, aber zugleich zwei weitere Brüder Haralds zu earls ernannt wurden, Gyrth in Ostanglien und Leofwine in Essex, Middlesex und Kent. Aelfgar verband sich daraufhin mit den Walisern, deren Unterstützung ihm 1058 nach kurzzeitiger Abwesenheit die Rückkehr nach Mercia ermöglichte. Sein früher Tod 1062 und die Nachfolge seines noch minderjährigen Sohns Edwine verhinderten weitere Konflikte. Dagegen war Harald auf einem ersten Höhepunkt seiner Macht angelangt, zumal er 1063 erfolgreich gegen die Waliser vorgehen konnte. Als deutlich wurde, dass Eduards Ehe kinderlos bleiben würde, wurde die Nachfolge zunehmend zum Problem. Vielleicht hatte Eduard schon 1051 unter dem Vorzeichen des Konflikts mit Godwine Wilhelm von der Normandie die Nachfolge angeboten, wie das aus einigen, vor allem normannischen, Quellen zu entnehmen ist. In der veränderten Lage nach 1052 kam Wilhelm nicht mehr infrage, sodass man sich auf die Suche nach anderen Kandidaten begab. Zu den letzten Mitgliedern der alten westsächsischen Königsfamilie zählte Eduard ‚der Exilant‘, einer der nach Ungarn geflohenen Söhne König Edmunds ‚Eisenseite‘. Er starb jedoch bei seiner Rückkehr nach England 1057, ohne noch zuvor den König gesehen zu haben. Da sein Sohn Edgar ‚Aetheling‘ zu jung war, lief die Nachfolge auf den immer mächtiger werdenden earl Harald zu. Die Situation wurde jedoch durch die weiteren Ereignisse kompliziert. Für die Jahre 1064/65 berichten normannische Geschichtsschreiber, vor allem Guillaume de Poitiers und Guillaume de Jumièges, von einer Reise Haralds zu Herzog Wilhelm, die nach ihrer Darstellung der Erneuerung des Nachfolgeversprechens von 1051/52 dienen sollte. Dabei soll Harald – wie auch der Bildteppich von Bayeux nahe legt – gegenüber dem Herzog einen Treueeid abgelegt haben (s. Abb. S. 80). Selbst wenn dies vor allem
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die späteren Ereignisse legitimieren soll, wird doch deutlich, dass auch der normannische Herzog als Verwandter Eduards einen Anspruch auf den englischen Thron erhob. Zudem kam es 1065 zu einem Aufstand in Northumbrien gegen eine von Tostig eingeforderte hohe Steuer, der Eduard gegen seine eigenen Intentionen zwang, Morkere, den jüngeren Bruder Edwines von Mercia, als earl einzusetzen. Tostig musste fliehen, obwohl er sich zuvor möglicherweise auch Hoffnung auf die Nachfolge Eduards gemacht hatte. Diese Ereignisse griffen Eduard gesundheitlich so an, dass er sich davon nicht mehr erholte. Er starb am 5. Januar 1066 in Westminster. In dieser Situation fiel die Entscheidung eindeutig zugunsten Haralds aus. Nach der Vita Aedwardi Regis bestimmte ihn Eduard auf dem Totenbett als seinen Nachfolger. Harald wurde einstimmig gewählt und noch am Tag nach dem Begräbnis Eduards, am 6. Januar 1066, zum König gekrönt, ohne dass der Anspruch des jungen Edgar Aetheling eine Rolle gespielt hätte. Auch die earls von Mercia und Northumbrien, Edwine und Morkere, unterstützten Haralds Politik während der folgenden Monate, wohl auch, weil er ihre Schwester, Ealdgyth, die Witwe eines walisischen Fürsten, heiratete. Edwine und Morkere gelang es dann 1066, den ersten Angriff von außen abzuwehren, den Tostigs, der sein earldom zurückgewinnen wollte. Nach seiner Niederlage wandte sich Tostig allerdings nach Norden, um sich mit dem – möglicherweise von ihm gerufenen – König von Norwegen, Harald Hardrada, zu verbinden. Da sich mehr und mehr eine Invasion von Süden und von Norden abzeichnete, musste sich der neue König auf die Abwehr der Angreifer konzentrieren. Dabei wollte Harald mit seinen Brüdern den Süden schützen, die earls von Mercia und Northumbrien sollten den Norden verteidigen. Harald stellte dafür eine Flotte zusammen, die zunächst bei der Isle of Wight auf den Angriff Wilhelms wartete, dann aber – als dieser wegen ungünstiger Windverhältnisse nicht nach England kam, sondern an der Küste von Ponthieu Zuflucht fand – unter großen Verlusten nach London zurückgeführt wurde. Währenddessen bot der für Wilhelm ungünstige Wind dem norwegischen König Harald Hardrada die Gelegenheit, mit vielleicht 200 bis 300 Schiffen im Norden Englands einzufallen, um seinen Anspruch auf die englische Krone als Erbe Magnus’ von Norwegen und dessen Erbvertrag mit Harthaknut geltend zu machen. Zusammen mit Tostig schlug er die earls von Mercia und Northumbrien, musste sich aber schon wenige Tage später, am 25. September 1066, bei Stamford Bridge den Truppen Haralds II. stellen, der in Eilmärschen von London nach York gezogen war. Dort erlitten die Norweger eine blutige Niederlage, bei der Harald Hardrada, Tostig und ein irischer König starben und nur wenige Norweger überlebten. Damit war zwar der letzte große Angriff eines skandina-
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vischen Herrschers gegen England abgewehrt, doch begann nun im Süden mit dem Wechsel des Windes die normannische Invasion.
6. Verfassung, Kirche und Kultur im angelsächsischen England Das angelsächsische England nahm unter den Reichen des frühmittelalterlichen Europas in mehrfacher Hinsicht eine Sonderstellung ein. Bis zum 11. Jahrhundert entstand ein effektives Herrschaftssystem, das trotz gewisser regionaler Unterschiede auf einer weitgehend einheitlichen Verwaltung, einem System lokaler Gerichte und königlicher Amtsträger, direkter Besteuerung und einem Münzwesen unter königlicher Kontrolle aufbaute. Die dafür notwendigen Schreiben der königlichen Kanzlei, die writs, waren wie die meisten Urkunden nicht in lateinischer, sondern in der Volkssprache verfasst, und das Altenglische prägte auch Literatur und Kultur des Landes. Die englische Kirche ging aus der ersten vom Papsttum initiierten Missionsbewegung hervor und unterhielt so – mindestens zeitweise – recht enge Beziehungen zur römischen Kurie. Die Institution des Königtums war wahrscheinlich schon bei den kontinentalen Angelsachsen bekannt und wurde im Zuge der Eroberung nach England ‚importiert‘, dort aber den neuen Bedingungen angepasst. Die herrschenden Familien rechtfertigten ihre Stellung, indem sie ihren Ursprung auf heidnische Götter, vor allem auf Wotan, zurückführten. Nach der Christianisierung wurden diese Abstammungslinien entsprechend modifiziert. So nennt die in der Angelsachsenchronik zu 855 überlieferte Genealogie der Herrscher von Wessex neben den ersten historisch bekannten zwar auch noch Wotan, doch bildet er nur noch das Glied einer Kette, die über Noah zu Adam und „unser[em] Vater, d. h. Christus“, führt.42 Die Herrschaft der angelsächsischen Könige wurde – nicht zuletzt unter kirchlichem Einfluss – zunehmend als Konsequenz göttlichen Willens verstanden, bis die Herrscher im 11. Jahrhundert sogar als Stellvertreter Christi in ihrem Reich erschienen. Dieses Verständnis fand seinen symbolhaften Ausdruck in Salbung und Krönung. Als erster angelsächsischer König wurde 787 Ecgfrith (noch zu Lebzeiten seines Vaters Offa) gesalbt und gekrönt, und 973 erreichte die Sakralisierung mit der Krönung Edgars einen ersten Höhepunkt. Der dafür vom Kirchenreformer Dunstan verfasste Ordo, die Krönungsordnung, sah zudem eine doppelte Eidesleistung vor: einen Krönungseid des Herrschers, der den Schutz der Kirche und der Untertanen sowie Gerechtigkeit und Gnade zusagte, sowie einen Treueeid der Untertanen. Anders als auf dem Kontinent wurden jedoch die Köni-
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ginnen – mit Ausnahme der mit Aethelwulf, dem Vater Alfreds, verheirateten Karolingerin Judith – nicht eigenständig gekrönt, sondern waren nur die Frauen des Königs. Die Könige wurden vom ‚Volk‘, d. h. von den Großen des Königreiches, gewählt, ohne dass sich dafür ein fester Kreis von ‚Wahlberechtigten‘ herausbildete. Vielmehr wählten wohl zumeist die am Hof des verstorbenen Königs anwesenden oder leicht erreichbaren Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, ealdormen bzw. earls sowie bedeutendere Adlige und Krieger den Nachfolger. Solange dieser unumstritten war, war dies nicht mehr als ein formaler Akt, doch kam es gelegentlich zu Doppelwahlen wie nach dem Tod Edgars (975) oder Knuts (1035). Dies lag unter anderem darin begründet, dass sich die Nachfolge des ältesten Sohns erst allmählich durchsetzte und dass noch lange alle Mitglieder der Herrscherfamilie Ansprüche auf den Thron erheben konnten. Die historische Entwicklung von den Reichen der ‚Heptarchie‘ zum vereinten England unter westsächsischer Vorherrschaft trug wesentlich zur besonderen Stellung der angelsächsischen Könige bei. Den Herrschern, die – wie die Könige von Mercia und Wessex – andere angelsächsische Reiche kontrollierten, kam als ‚Königen über Könige‘ ein hoher Rang zu, der sich bald mit Ansprüchen auf die Vorherrschaft auch über die keltischen Gebiete verband und (teilweise) in dem keltischen Titel eines bretwalda, mithin eines imperator oder Herrschers über Britannien, seinen Ausdruck fand. Dieser Titel ist zwar erst in der Zeit Alfreds belegt, in der Angelsachsenchronik, die Egbert von Wessex zu 829 als achten bretwalda einführt. Die damit verbundenen Vorstellungen spiegeln sich jedoch bereits in der Rolle, die Beda sieben angelsächsischen Oberherrschern, Aelle von Sussex, Ceawlin von Wessex, Aethelberht von Kent, Raedwald von Ostanglien sowie den northumbrischen Königen Edwin, Oswald und Oswiu zuschreibt. In dieser Reihe fehlen noch die mercischen Könige Wulfhere, Aethelbald und Offa, die zumindest im Süden Tributzahlungen, die Teilnahme an Hoftagen und Heeresfolge einfordern konnten und damit der späteren Einigung unter Wessex den Boden bereiteten. Der Anspruch auf eine Oberherrschaft über die Britischen Inseln ging schließlich auch auf die Könige des 10. Jahrhunderts über, wie die weit gespannte Politik Athelstans und die Krönung Edgars in Bath (mit der anschließenden Unterwerfung der britischen Herrscher in Chester) erkennen lassen. Dem entsprach eine starke Stellung der Könige im Recht. Als Gerichtsherren waren sie nur an das Herkommen und allgemeine Grundsätze gebunden, auch wenn sie auf ihre Ratgeber hören sollten. Die bereits seit Aethelberht von Kent überlieferten Gesetzessammlungen, die zunächst an kontinentalen Vorbildern orientiert waren, bedrohten jeden Anschlag auf
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den König mit dem Tode und dem Verlust aller Besitzungen, ebenso wie den Angriff auf ein Haus, in dem sich der König aufhielt. Selbst das Kämpfen oder Waffentragen in Gegenwart des Königs stand unter Strafe. Ungehorsame Untertanen wurden in der Regel zur Leistung von Bußen gezwungen, aber die Könige gingen in Einzelfällen auch gewaltsam gegen sie vor. Dagegen waren die Herrscher bei der Ausstellung von Urkunden in der Regel auf die Mitwirkung der Großen angewiesen. Wie z. B. das Schiffsbegräbnis von Sutton Hoo (bei Woodbridge, Suffolk) deutlich macht, verfügten schon die Vermutlich um 625/35 wurde in heidnischen angelsächsischen HerrSutton Hoo (Suffolk) ein Fürst mit scher über beachtliche wirtschaftliche reichen Beigaben in einem 27 m Ressourcen. Schriftliche Quellen wie langen Boot beigesetzt. Der Helm Assers Vita belegen erhebliche Ausgagehörte zu den Beigaben dieses ben unter anderem für Bauten, GoldSchiffsbegräbnisses. schmiedearbeiten und KunstgegenFoto: British Museum, London. stände, mussten doch frühmittelalterliche Herrscher ihre Anhänger großzügig belohnen und ihren Reichtum auch nach außen zur Schau tragen. Grundlage dafür war zunächst die Beute aus den Kriegszügen, doch entwickelte sich allmählich ein System von Einkünften und Abgaben aus königlichem Grundbesitz, Zöllen, Gerichtsbußen und Nachlässen sowie aus der Verpflichtung der Untertanen, einmal jährlich für einen Tag die Versorgung des Königs und seines Hofs zu übernehmen, die firma unius noctis, die durch Zahlungen oder – häufiger – durch Lebensmittellieferungen ersetzt wurde. Diese Einkünfte und Abgaben blieben bis zum 11. Jahrhundert die Grundlage der königlichen Finanzen. Die Umgebung des Königs, sein Haushalt und Hof, bildete zunächst nahezu die einzige zentrale Institution, ein Entscheidungs- und Verwaltungszentrum, das wie in den meisten früh- und hochmittelalterlichen Reichen mit dem König in steter Wanderschaft begriffen war. Allerdings wurde die Beweglichkeit des Hofes bald nicht mehr durch die Erschöpfung der Vorräte bestimmt, und die Naturalabgaben der firma unius noctis wurden selten direkt am Ort verbraucht. Vielmehr entwickelten sich bevorzugte
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Plätze für den Aufenthalt des Königs, vor allem im Süden, in Winchester, Oxford, London und in der Umgebung dieser Städte. Im Norden wurden dagegen Vertreter des Königs eingesetzt, die häufig an den Hof kommen mussten, um den Kontakt mit dem König zu wahren und an Ratsversammlungen teilzunehmen. Die führenden Mitglieder des nach kontinentalen Vorbildern organisierten Hofes entstammten der königlichen Familie (nahe Blutsverwandte des regierenden Königs wurden als aetheling bezeichnet). Nach ihnen kamen die ealdormen und thegns, die Grafen und Krieger des Königs. Bei letzteren gab es, wie das Testament König Eadreds von 956 erkennen lässt, deutliche Rangunterschiede, die aus ihren Ämtern erwuchsen. So gab es discthegns, die für die Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Verbrauchsgütern, hraeglthegns, die (ursprünglich) für die Versorgung mit Kleidung zuständig waren, birele, d. h. persönliche Diener und Schenken des Königs, Kämmerer und andere. Insgesamt stellten diese Amtsträger ein starkes Element am Hof dar. Erste Ansätze zu einer königlichen Kanzlei gab es bereits am Hof Aethelbalds und Offas im Mercia des 8. Jahrhunderts, und in Wessex setzte sich die Tendenz zu einer stärkeren Verschriftlichung auch unter kontinentalem Einfluss fort. Insbesondere seit etwa 930, seit der Zeit Athelstans, nahm die Zahl der Königsurkunden kontinuierlich zu, unter anderem in Zusammenhang mit der monastischen Reform in England, denn ein Teil der Königsurkunden entstand in großen Klöstern wie Winchester. Etwa zur selben Zeit entwickelte sich mit den writs, königlichen Schreiben mit direkten Anweisungen an lokale Amtsträger, eines der zentralen Elemente der angelsächsischen Verwaltung. Die ersten writs sind schon unter Alfred nachweisbar, sie erhielten dann unter Knut und Eduard dem Bekenner ihre endgültige Form und wurden auch von den normannischen Herrschern in voller Intensität eingesetzt. Die knappe Form der writs spiegelt ein Schreiben Eduard des Bekenners von 1065/66, mit dem er seine Amtsträger in Ostanglien über ein Privileg für die Abtei Bury St. Edmunds informiert: „König Eduard sendet freundliche Grüße an Bischof Aethelmaer und earl Gyrth und Toli und alle meine thegns in Ostanglien. Und ich informiere euch, dass ich Abt Baldwine einen Münzmeister innerhalb St. Edmund’s Bury gewährt habe, mit derselben Freiheit von Beschränkung, wie ich meine eigenen [Münzmeister] in irgendeinem meiner Marktflecken habe, wo ich sie freier habe als sonst irgendwo. Möge Gott euch allen Freund sein.“43 Die größte Bedeutung am Hof besaß zweifellos der königliche Rat, das witenagemot. Die Ratgeber, die witan, wirkten an allen wichtigen Entscheidungen mit, auch an der Gesetzgebung, die nicht Rechtsetzung, son-
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dern Rechtsfindung war und somit Konsens voraussetzte. Schon unter Offa hatten die Versammlungen der geistlichen und weltlichen Großen seines Herrschaftsbereichs als einigendes Element gewirkt, und nach der Einigung Englands unter westsächsischer Vorherrschaft gewannen die Ratssitzungen zunehmende Bedeutung für die Koordination von Maßnahmen in den verschiedenen Teilen des Reiches. Die Anfänge einer lokalen Verwaltung entstanden aus militärischen Strukturen, aus den Personenverbänden der ‚Hundertschaften‘ bzw. – im nördlichen Danelag – den ihnen entsprechenden wapentakes, die von Edmund um 940 als kleinste territoriale Einheit festgeschrieben wurden und über eigene Gerichte verfügten. Auf dieser Grundlage bildeten sich die Grafschaften – scir bzw. shire meint ein Teilgebiet –, im 9. Jahrhundert zuerst anstelle der älteren Königreiche Essex, Sussex und Kent, aber auch in Wessex selbst, im 10. Jahrhundert im Zuge der westsächsischen Eroberung nach und nach in fast allen Teilen Englands. Die zentrale Institution des Grafschaftsgerichts entschied zweimal im Jahr über alle die Grafschaft betreffenden Fragen, mit Ausnahme der dem König vorbehaltenen Blutgerichtsbarkeit. Der König wurde in der Grafschaft von dem – bis 1066 fast überall eingeführten – Grafschaftsvogt (scir-gerefa, sheriff) vertreten, der zumeist dem Kreis der regionalen Großen entstammte, die königlichen manors (Güter) verwaltete und das Bindeglied zwischen Grafschaft und Königtum bildete. Gleichzeitig gewannen die noch unter Alfred in der Regel auf eine Grafschaft beschränkten ealdormen (die earls der skandinavischen Periode) größeren Einfluss und stiegen unter Knut und Eduard dem Bekenner zur Führungsschicht des Landes auf. Die angelsächsische Grafschaftsverfassung wurde wie die Institution der earls ohne wesentliche Änderungen von den Normannen übernommen. Auch die kirchlichen Strukturen trugen zur Absicherung der Königsherrschaft bei. So fanden schon während der Vorherrschaft Mercias im 8. Jahrhundert zahlreiche Synoden unter Beteiligung der witan statt, für die sich kirchliche und weltliche Belange kaum trennen lassen und die die Angelegenheiten der gesamten Erzdiözese Canterbury regelten. Vielleicht nach kontinentalen Vorbildern gewann dabei auch der Aspekt der Kirchenreform an Bedeutung, so 747 auf der Synode von Clovesho, wohl bei London, die die Beachtung des kanonischen Rechts anmahnte und unter anderem die Stellung von Kirchen und Klöstern unter weltlicher Kontrolle regelte. So sollten die Priester auf den Gütern der Laien sorgfältig predigen und taufen sowie das Volk lehren, die Worte des Glaubensbekenntnisses, des Vaterunsers, der Messe und der Taufe in ihrer eigenen Sprache zu verstehen. Keinesfalls sollten sie dabei „nach der Art welt-
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licher Dichter plappern, damit sie nicht die Zusammenstellung und Differenzierung der heiligen Worte durch den tragischen Ton verderben oder vermischen, sondern der einfachen und heiligen Melodie nach dem Gebrauch der Kirche folgen“.44 In den Klöstern sollten die kanonischen Stunden, der Gehorsam gegenüber den Oberen und das Armutsgebot beachtet werden, Verhaltensweisen, die offenbar nicht mehr selbstverständlich waren. Diese Reformbeschlüsse wurden in Anwesenheit König Aethelbalds gefasst, doch zeichneten sich unter seinem Nachfolger Offa Spannungen mit der Kirche ab, nachdem Papst Hadrian I. 786/87 die erste päpstliche Gesandtschaft nach England seit den Tagen Gregors des Großen auf den Weg gebracht hatte, um die Situation der englischen Kirche zu erkunden. Zwei römische Bischöfe bereisten den Norden und Süden des Landes und ließen sich dann auf einer Synode am Hofe Offas von dessen Plänen für eine Teilung des südlichen Erzbistums überzeugen. Der größere Teil der Canterbury unterstehenden Suffraganbistümer sollte, wohl nicht zuletzt weil Offa Erzbischof Jaenberht ablehnte, einem neu zu gründenden Erzbistum in Lichfield zugeschlagen werden, das im Herzen Mercias lag und damit stärker unter königlicher Kontrolle stand. Lichfield wurde tatsächlich bereits 788 unter Hygeberht zum Erzbistum erhoben. Dies stieß jedoch auf den Widerstand der angelsächsischen Kirche, sodass Offas Nachfolger Cenwulf 803 auf einer weiteren Synode in Clovesho das Offa erteilte Privileg für null und nichtig erklärte, nachdem ein Versuch, das Zentrum der südlichen Kirchenprovinz in London zu etablieren, an den gewachsenen Traditionen gescheitert war. Obwohl es auch in den folgenden Jahren zu Spannungen mit den Erzbischöfen kam, setzten sich die gemeinsamen Versammlungen von führenden Klerikern und witan noch unter Beornwulf fort, 824 wiederum in Clovesho. Durch die Wikingerangriffe kam es nun jedoch zu weit reichenden Veränderungen. Schon 793, 794 und 795 wurden mit Lindisfarne, Jarrow und Iona drei wichtige kirchliche Zentren des Nordens zerstört, und die Plünderungen und Verwüstungen, die bald alle Teile Englands betrafen, führten nicht nur das Ende der reichen northumbrischen Klosterkultur herbei, sondern ließen im noch lange heidnisch beherrschten Norden und Osten die Reihen der Bischöfe abbrechen. Auch wenn sich die lokalen Kirchen und Gemeinschaften von Weltklerikern vielfach mithilfe lokaler Patronage behaupteten, ging doch der Bildungsstand des Klerus überall zurück. Zwar versuchte bereits Alfred, dagegen mit Reformen vorzugehen, doch erfolgte die Erholung der Kirche erst nach der politischen Stabilisierung im 10. Jahrhundert. Könige wie Athelstan verbesserten die Ausstattung einzelner Kirchen durch großzügige Stiftungen, und die Bistums-
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struktur wurde wieder belebt und reformiert. So entstand 909 ein Bistum in Dorchester, das für die wiedereroberten Gebiete im Danelag zuständig war, und 956 wurde der ostanglische Bischofssitz in Elmham erneuert. Probleme bereitete das nördliche Erzbistum in York, das nur einen Suffragan hatte, den Bischof von Chester-le-Street, dessen Sitz 990 nach Durham verlegt wurde. Wegen seiner Armut wurde es deshalb – gegen das Kirchenrecht – mehrfach mit einem der reicheren südenglischen Bistümer verbunden, vor allem mit Worcester, sodass selbst der Reformer Oswald beide Würden innehatte. Die Christianisierung der Dänen wurde unter anderem durch die Berufung des dänischstämmigen Oda erst zum Bischof von Ramsbury (926), dann zum Erzbischof von Canterbury (942–958) gefördert. Oda und Bischof Aelfheah von Winchester (934–951) stießen auch die an kontinentalen Vorbildern orientierte englische Kirchenreform des 10. Jahrhunderts an. Sie wirkte zunächst auf die Klöster, führte dann aber ebenso zu einer Umgestaltung der Kathedralkapitel. 943 trug Aelfheah zur Wiederrichtung des Klosters in Glastonbury bei, dessen erster Abt der aus Aelfheahs Umkreis stammende Dunstan wurde. Weitere Schritte folgten, so 955 die Reform des Klosters Abingdon. Dunstan musste 956/57 kurzzeitig ins Exil gehen, wurde aber nach seiner Rückkehr durch Edgar zum Bischof von Worcester und danach (zugleich) zum Bischof von London berufen und stieg 960 zum Erzbischof von Canterbury auf. In Worcester folgte ihm Oswald, ein Neffe Odas, und in Winchester wurde 963 mit Aethelwold, dem Abt von Abingdon, einer der Schüler Dunstans zum Bischof berufen. Sie nahmen nunmehr energisch die Erneuerung des englischen Klosterwesens in die Hand und sorgten zugleich dafür, dass einige der Kathedralkapitel zugunsten monastischer Gemeinschaften vertrieben wurden. Nach diesem Aufschwung kam es jedoch bald erneut zu einem Niedergang. Zunächst begannen die Berater von Edgars Sohn Eduard nach 975 mit einer antimonastischen Politik, die auch unter Aethelred II. nicht grundsätzlich revidiert wurde – zumindest ließ die königliche Förderung nach. Dazu setzten seit 980 wieder dänische Angriffe ein, die Kirchen und Klöster schädigten. Wulfstan, Erzbischof von York und Bischof von Worcester, kritisierte daher nicht zufällig 1014 in seinem Sermo Lupi ad Anglos nicht nur einen allgemeinen Sittenverfall, sondern auch den Verfall der Kirche, die Verletzung der kirchlichen Immunitäten und die „Beraubung“ von Kirchen und Klöstern.45 Auch wenn unter Knut und Eduard die Kontakte mit den kontinentalen Kirchen erneuert wurden, blieb ein Reformbedarf, der sich unter anderem darin ausdrückte, dass Worcester nach der Berufung Stigands zum Erzbischof im Jahr 1052 mit Canterbury verbunden wurde.
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Die kulturelle Entwicklung des angelsächsischen Englands war eng mit diesem Auf und Ab der Kirchengeschichte verbunden, denn Kirchen und Klöster waren zugleich geistige und künstlerische Zentren. So führte z. B. die Erneuerung der Mission am Ende des 7. Jahrhunderts zusammen mit der Strahlkraft des frühen irischen Christentums zu einer kulturellen Blüte, die im 8. Jahrhundert auch dem Kontinent wichtige Impulse vermittelte. Erste Ansätze dazu lassen sich bereits im Umkreis des Klosters Whitby erkennen, das, von der Äbtissin Hild, einem Mitglied der northumbrischen Königsfamilie, gegründet, zum Ort der Synode wurde, die dem römischen Einfluss in der angelsächsischen Kirche endgültig den Weg bereitete. Hier lebte – nach dem Bericht Bedas – der erste namentlich bekannte ‚englische Dichter‘, Caedmon, der nach einer Vision eines Tages begann, volkssprachliche Dichtungen zu Themen des Alten und Neuen Testaments zu verfassen, und ins Kloster aufgenommen wurde, aber nicht selbst Lesen und Schreiben lernte. In einer Welt oraler Traditionen dienten seine Werke dazu, wie Beda schreibt, „zum Streben nach dem himmlischen Leben“ anzuregen.46 Hild soll aber auch gelehrte Männer nach Whitby geholt haben, die sich der Heiligen Schrift widmeten. Selbst wenn – wohl wegen der Wikingerangriffe – kein Manuskript aus Whitby erhalten blieb, belegt doch die frühe Lebensbeschreibung Papst Gregors des Großen, die wohl zwischen 704 und 714 von einem anonymen Mönch – oder vielleicht einer unbekannten Nonne – in Whitby verfasst wurde, noch andere kulturelle Interessen des Klosters. Das Wirken des gelehrten griechischen Erzbischofs von Canterbury, Theodor von Tarsus, und seiner Begleiter Hadrian und Benedict Biscop stellte dann jedoch einen qualitativen Sprung in der angelsächsischen Bildungsgeschichte dar. Sie brachten ein Korpus neuen Wissens mit, das nicht nur die Theologie, sondern auch die Kalenderrechnung für die kirchlichen Feste und die Musik einschloss, die für die Liturgie von besonderer Bedeutung war. Nach dem Zeugnis Aldhelms und Bedas wurden in Canterbury auch das Römische Recht und Griechisch gelehrt, beides Ausnahmen im frühmittelalterlichen Bildungswesen. Der aus Wessex stammende Aldhelm († 709/10) kam nach einer Romreise nach Canterbury und wirkte durch seine Schriften, Gedichte, Briefe sowie Traktate über die Osterberechnung und die metrischen Formen, die seine Belesenheit und elegante Latinität belegen. Benedict Biscop gab zudem wichtige Impulse für die Entwicklung der northumbrischen Klosterkultur, indem er die Klöster Wearmouth und Jarrow gründete und mit einer reichen Bibliothek ausstattete, die er bei mehreren Reisen auf den Kontinent zusammengetragen hatte.
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In Jarrow verbrachte Beda den größten Teil seiner 63 Lebensjahre; seine einflussreichen Schriften sind ohne die solide Grundlage der dortigen Klosterbibliothek wohl kaum vorstellbar. Schon früh war er an Fragen der Zeitrechnung und der Chronologie interessiert, wie die wohl um 703 verfasste kleine Schrift zur Osterberechnung, De Temporibus, belegt. 725 folgte der Traktat »Über das Wesen der Zeiten« (De temporum ratione), mit dem sich im gesamten christlichen Europa endgültig die Zählung nach Inkarnationsjahren, nach Jahren nach Christi Geburt, durchsetzte, die im 6. Jahrhundert von Dionysius Exiguus vorgeschlagen worden war. Neben Bibelkommentaren und biographisch-hagiographischen Schriften, Lebensbeschreibungen der Äbte von Wearmouth und Jarrow, wirkte er nicht zuletzt durch die Historia ecclesiastica gentis Anglorum, die er in einer vorläufigen Fassung König Ceolwulf von Northumbrien zur Kritik vorlegte – ein Beleg für ein an der gelehrten Auseinandersetzung mit Geschichte interessiertes Publikum – und die einen fast ‚modernen‘ Umgang mit Vorlagen und Berichten erkennen lässt. Beda wirkte unter anderem durch die Schule weiter, die Egbert, Bedas Schüler und ab 735 der erste Erzbischof von York, an seiner Kathedrale gründete und für die er einen Verwandten, Aethelberht, zum Leiter berief. Ihre Bibliothek enthielt nach dem Zeugnis Alkuins, des wohl bekanntesten Zöglings aus York, eine eindrucksvolle Büchersammlung, mit Werken von den Kirchenvätern über antike Philosophen, Rhetoren und Dichter bis zu den Grammatikern. Als Aethelberht 767 Erzbischof wurde, übernahm Alkuin die Leitung und konnte Lehrer gewinnen, die selbst Schüler vom Kontinent anzogen. Allerdings wurde Alkuin 782 Leiter der Hofschule Karls des Großen und starb 804 in Tours, wo er das Kloster des heiligen Martin zu einem geistigen Zentrum ausgebaut hatte. Schon aus der Zeit vom 7. bis ins 9. Jahrhundert hat sich auch volkssprachliche Dichtung erhalten, die über die geistlichen Hymnen Caedmons hinausgeht. Das eindrucksvollste Beispiel ist der wohl im frühen 8. Jahrhundert entstandene Beowulf, das Werk eines geistlichen Verfassers, der die germanischen Ideale der alten Mythen und Sagen in eine christliche Vorstellungswelt übertrug. Bei dieser Dichtung und weiteren, kürzeren Texten handelt es sich um die älteste volkssprachliche Literatur Europas, auch wenn sie zumeist nur in Handschriften des 10. und 11. Jahrhunderts erhalten ist. Die Wiederbelebung der angelsächsischen Kultur nach den Einfällen der Wikinger begann bereits mit der Bildungsreform Alfreds des Großen. Die Gelehrten, die er an seinen Hof rief, sollten zwar möglichst mehrere Sprachen beherrschen, doch entstand in diesem Kreis – zum Teil sogar unter Mitwirkung Alfreds – eine Reihe von Übersetzungen ins Alteng-
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lische, die den Zugang zum christlichem Bildungsgut erleichtern sollten. An erster Stelle war dies die Cura pastoralis Gregors des Großen, ein Handbuch über die Amtsführung der Bischöfe, das sicher auch für einen Herrscher und für weltliche Amtsträger Gültigkeit beanspruchen konnte. Dazu kamen die ebenfalls Gregor zugeschriebenen Dialoge, die Kirchengeschichte Bedas, die »Selbstgespräche« (Soliloquia) Augustins sowie die Schrift »Über den Trost der Philosophie« (De consolatione philosophiae) des Boethius, letztere mit Ergänzungen Alfreds, so mit einem frühen Beleg für das Modell der ‚dreigeteilten‘ Gesellschaft (Betende, Kämpfer, Arbeiter). In diesen Zusammenhang gehört zudem die Kompilation der Angelsachsenchronik als Sammlung volkssprachlicher Annalen. Alfred und seine Nachfolger suchten die Verluste an Manuskripten – selbst mit Texten wie den Werken Aldhelms – durch ‚Importe‘ vom Kontinent auszugleichen. Vor allem Athelstan nutzte seine kontinentalen Kontakte, um Klöstern wertvolle Handschriften zu schenken, die auch künstlerisch Impulse vermittelten. Auf dieser Grundlage entstand am Ende der angelsächsischen Zeit noch einmal eine reiche altenglische Literatur. So wirkte Aelfric, seit 1005 Abt von Eynsham in Oxfordshire, vor allem durch seine Predigten, aber auch durch Heiligenlegenden, zahlreiche Briefe und Bibelübersetzungen, und Erzbischof Wulfstan von York schrieb nicht nur seinen Sermo Lupi ad Anglos, sondern zahlreiche Predigten und wirkte wohl an der Formulierung von Gesetzen Aethelreds und Knuts mit. Dazu kam eine intensive Auseinandersetzung mit der Geschichte, die sich unter anderem in der in mehreren Klöstern parallel erfolgenden Fortsetzung der Angelsachsenchronik, deren Grundstock in der Zeit Alfreds zusammengestellt worden war, und in den Biographien der Reformer Dunstan und Oswald spiegelt. Am Ende des 10. Jahrhunderts übertrug schließlich der Laie Aethelweard, ein Freund Aelfrics und Verwandter des westsächsischen Königshauses, die Angelsachsenchronik ins Lateinische, um der Äbtissin Mathilde von Essen, mit der er ebenfalls verwandt war, die englische Geschichte näher zu bringen. Der Buchmalerei des 10. und 11. Jahrhunderts kommt eine große Bedeutung zu, doch beginnt die Geschichte der bildenden Künste im angelsächsischen England bereits vor der Christianisierung. So enthält das Schiffsbegräbnis von Sutton Hoo, das auf etwa 625/35 datiert wird, Grabbeigaben von herausragender Qualität, darunter Importe wie Silber- und Bronzegefäße aus dem östlichen Mittelmeerraum, aber auch hochwertige ornamentierte Gegenstände angelsächsischer Herkunft, deren Stil in der späteren angelsächsischen Kunst fortwirkte. Infolge der Wikingereinfälle gewann in Kunsthandwerk und Skulptur auch eine an skandinavischen Vorbildern orientierte Ornamentik an Einfluss, während sich in der Buch-
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malerei nach den teilweise irisch geprägten Manuskripten der früheren Jahrhunderte (z. B. den Evangeliaren von Durham, Echternach und Lindisfarne aus der Zeit um 700) im Zuge der Kirchenreform unter anderem kontinentale Einflüsse durchsetzten. Das wichtigste Zeugnis der Buchkultur des frühen 10. Jahrhunderts, die vom Stil der Winchester-Schule geprägt wurde, ist eine Abschrift von Bedas »Leben des heiligen Cuthbert«, die auf dem Titelbild Athelstan darstellt, der dieses Buch dem heiligen Cuthbert darbringt. Den Höhepunkt dieses Stils markiert das Benediktionale Aethelwolds, des Bischofs von Winchester († 985), das bischöfliche Weihesprüche enthält. Während der Text in karolingischer Minuskel geschrieben ist, die in dieser Zeit in England Eingang fand, stellt die reiche bildliche Ausstattung eine Mischung zwischen spätkarolingischen Darstellungsformen und einer erneuerten angelsächsischen Ornamentik dar. Diese und ähnliche Handschriften des Winchester-Stils standen am Anfang einer langen Tradition, die über die normannische Eroberung hinaus bis ins 12. Jahrhundert fortwirkte.
7. Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des angelsächsischen Englands Verfassung, Kirche und soziale Ordnung standen im angelsächsischen England in einem engen Zusammenhang, den insbesondere die Gesetze der angelsächsischen Könige hervortreten lassen. Sie enthalten gestufte finanzielle Bußen für die Tötung eines Mannes, das Wergeld (‚Manngeld‘), das die Rangordnung innerhalb der angelsächsischen Gesellschaft widerspiegelt (teilweise auch einen hohen Rang der Geistlichkeit), und sie vermitteln – wenn auch aus normativer Perspektive – unter anderem Eindrücke vom Handel und vom Leben in den Städten. Zwar lebte der weitaus größte Teil der Bevölkerung weiterhin auf dem Land, doch gewannen die Städte allmählich an Bedeutung, nicht zuletzt wegen der königlichen Münzstätten. Die Leistungsfähigkeit des angelsächsischen Münzwesens zeigt sich darin, dass die immensen Zahlungen an die Dänen um 1000 zumeist in ausgeprägtem Geld erfolgten. Ältere Theorien über die Gesellschaft des angelsächsischen Englands nahmen eine ursprüngliche germanische Gemeinfreiheit an, die unter dem doppelten Druck von königlicher und kirchlicher Herrschaft verloren ging. Dagegen haben neuere Forschungen deutlich gemacht, dass die Freiheit der bäuerlichen Landbesitzer schon in der Zeit der Besiedlung eingeschränkt war und weiter zurückging, als feste Institutionen entstanden. Die ursprünglich in Sachwerten, etwa in Ochsen, später in Geldsummen
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fixierten Bußsätze der Wergeld-Ordnungen geben einen Eindruck von der Stellung der verschiedenen sozialen Gruppen. Die Tötung eines Freien konnte nur dann ohne Ehrverlust als gesühnt angesehen werden, wenn rechtzeitig, in Kent z. B. bereits ‚am offenen Grab‘, eine angemessene Entschädigung geleistet wurde, sonst drohte lange Zeit die – ebenfalls festen Regeln unterliegende – Blutrache. Eine der umfangreichsten Listen ist aus dem skandinavischen Northumbrien des frühen 10. Jahrhunderts überliefert, im »Nordleute-Recht« (northleoda laga), unter ausdrücklicher Bezugnahme auf mercische und westsächsische Vorbilder. Sie fordert für die Tötung des Königs die immense Summe von 30 000 thrimsa (lateinisch tremissi, das entspricht drei mercischen Pfennigen), „15 000 thrimsa ist [der Betrag] des Wergeldes [und] 15 000 thrimsa [der] der Königswürde“.47 Weiter werden für einen Erzbischof oder einen aetheling, ein Mitglied der königlichen Familie, 15 000 thrimsa angesetzt, für einen Bischof oder einen earl 8000, für einen königlichen Amtsträger 4000, für geistliche und weltliche thegns 2000 und für den freien Krieger, den ceorl, 266 thrimsa. Während die Position des Königs, seiner Verwandten und der hohen Geistlichkeit auch in anderen Rechten hervorgehoben wird, betrug sonst das Wergeld für einen thegn meist das Sechsfache des Wergelds für einen ceorl (1200 bzw. 200 Schillinge). Wer diese thegns wirklich waren, lässt sich im Einzelnen schwer entscheiden, denn ihre Stellung dürfte sich in den Jahrhunderten deutlich unterschieden haben. Selbst bis ins 10. und 11. Jahrhundert war die Schicht des niederen Adels keineswegs abgeschlossen. In den Gesetzen und anderen Quellen vor Athelstan sind nur der cyninges thegn bzw. seine lateinischen Äquivalente minister regis oder miles belegt, doch lassen sich seit dem 10. Jahrhundert jene thegns voneinander trennen, die in direktem Dienst des Königs standen, und jene, die ihm nur mittelbar, unter dem Befehl anderer Herren, unterstellt waren. Je höher der Rang des Herrn war, dem man diente, desto höher war die eigene Stellung, und ein adelsgleicher Rang konnte insbesondere aus dem persönlichen Dienst für den König erwachsen, zumal die thegns in den frühen Gesetzen oft gesithcund men genannt und so mit der königlichen Leibwache in Verbindung gebracht werden. Ihr Aufstieg hing so wahrscheinlich auch mit der Stärkung der königlichen Gewalt zusammen. Die Stellung des thegn war erblich oder konnte mit dem Erwerb von Grundbesitz von mehr als fünf Hiden (Hufen) sowie von Kirche, Glockenturm, Küche und festem Burgtor erreicht werden, gegen Dienste für den König. Dabei gab es erhebliche Unterschiede in der Größe der Besitzungen. So besaß ein thegn der Zeit Aethelreds II. 72 verschiedene Güter in
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der Region von Yorkshire bis Worcestershire, und das war kein Einzelfall. Diese Adligen reisten wie der König zwischen ihren Besitzungen hin und her und hatten oft eine eigene Hofhaltung, teilweise in den burhs, den befestigten Anlagen. Daneben gab es zahlreiche weniger einfluss- und besitzreiche Adlige, auch mit regionalen Unterschieden. So ist in Wessex eine Schicht britischstämmiger Adliger, ‚Welsche‘ (wealh),48 mit einem Besitz von mehr als fünf Hiden belegt, die mit einem Wergeld von 600 Schillingen zwischen thegn und ceorl standen. Die Gruppe der ceorls war ähnlich differenziert wie die der thegns. Sie umfasste spätestens ab dem 10. Jahrhundert alle Freien, doch unterschieden schon die Gesetze Ines von Wessex zwischen dem offenbar Land besitzenden „Abgabenpflichtigen“ (gafolgelda) und dem freien, aber auf fremden Grund wirtschaftenden Bauern (gebur). Dazu kamen regionale Unterschiede. In Kent wurde für ceorls ein doppelt so hohes Wergeld wie in Wessex gefordert, und kentische ceorls hatten statt einer Hide, die der ‚normale‘ Grundbesitz eines freien Kriegers und seiner Familie war, Pflugland von etwa zwei Hiden. Hier bildeten – ähnlich wie auf dem Kontinent – laeti, Halbfreie, die unterste Schicht mit einem Wergeld zwischen vier und zwei Fünfteln von dem eines ceorls, während es in Wessex unterhalb der ceorls eine britisch-keltische bäuerliche Bevölkerung mit einem noch niedrigeren Wergeld gab. Obwohl alle ceorls im Prinzip dieselben Rechte und Pflichten hatten (freie Vererbung des Besitzes, Teilnahme an den Versammlungen, die über die lokale Belange entschieden, und Heeresfolge), konnten einige ihre Stellung durch den Erwerb größeren Grundbesitzes ausbauen, während andere sozial abstiegen, weil sie ihren Besitz – meist aufgrund wirtschaftlicher Probleme – von ihren Herren gegen Zins- und Dienstleistungen zur Leihe nehmen mussten. Nicht zufällig stellte schon der »Vertrag Alfreds mit Guthrum« um 900 die ceorls, die auf Zinsland saßen, dem Wergeld nach mit jenen Dänen gleich, die aus der Sklaverei entlassen worden waren. In den Sozialbeziehungen zwischen Freien gewann die Bindung an einen Herrn im Verhältnis zur älteren Verpflichtung gegenüber der eigenen Sippe zunehmend an Gewicht. Dazu trugen vor allem die militärischen Pflichten der ceorls und thegns bei, aber auch die spätere angelsächsische Gesetzgebung, die für die Aufrechterhaltung der lokalen Ordnung die Grundherren heranzog, die die Freien ihres Gebiets zumindest partiell politisch, wirtschaftlich oder militärisch an sich binden konnten. So verfügte z. B. Athelstan „über solche herrenlosen Leute, von denen sich keine Rechtserfüllung erlangen lässt, dass man der Sippe derselben gebiete, dass sie einen solchen fürs ordentliche Gericht sesshaft mache, und sie sollen ihm in der Volksversammlung einen Herrn ausfindig machen“.49 Wer sich nicht fest niederließ,
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sich nicht einem Gericht und Herrn unterstellte, wurde – ungeachtet der Bindung an seine Sippe – für vogelfrei erklärt. Allmählich kam es so zur Bildung ländlicher Gefolgschaften, deren Herren wiederum dem König verpflichtet waren – dies sollte nach 1066 die Übertragung des kontinentalen Lehnswesens nach England erleichtern. Die Kirche hat diese Entwicklung gefördert, aber auch davon profitiert, wenn sich ceorls oder thegns kirchlichen Institutionen unterstellten, um einer Kontrolle durch die zumeist härteren weltlichen Herren zu entgehen. Neben den Freien gab es eine wachsende Zahl von Halbfreien, Unfreien und Sklaven. Gründe hierfür waren die Bildung bzw. Übernahme von Grundherrschaften im Rahmen der allmählichen Ausdehnung der angelsächsischen Reiche, Versklavung von Kriegsgefangenen und die Bestrafung von Verbrechen mit dem Verlust von Freiheitsrechten. Ebenso zwangen wirtschaftliche Notlagen die vor allem im Süden und Osten Englands siedelnden freien Bauern zur Unterstellung unter einen Herrn. Unfreie galten vom Standpunkt des Rechts nicht als Personen, sondern als Sachen, die z. B. in Viehinventaren aufgeführt wurden. Man forderte deshalb für sie auch kein Wergeld, sondern Bußen nach ihrem ‚Marktwert‘, der in der Regel ein Pfund, den Preis von acht Ochsen, betrug. Für Verbrechen, die sie begangen hatten, war der Herr verantwortlich. Zahlte er nicht für sie, wurden sie ausgepeitscht, verstümmelt oder mit dem Tode bestraft. Die Kirche wandte sich aber mit Erfolg gegen zu harte Bestrafungen, und die Lage der Unfreien besserte sich, als ihnen gewohnheitsrechtlich gestattet wurde, in ihrer Freizeit Geld zu verdienen, als ihnen Zahlungen für den Unterhalt zustanden und sie nach einem Gesetz Alfreds an vier Tagen im Jahr, jeweils Mittwoch in den Quatembertagen (in der Fastenzeit, nach Pfingsten, im September und im Dezember), von ihnen erworbene oder hergestellte Dinge verkaufen durften. Einigen gelang es so, sich aus der Sklaverei freizukaufen, und die Kirche förderte die Freilassung von Sklaven, die oft als ein feierlicher Akt vollzogen wurde. Der spätere Rückgang der Sklaverei war aber letztlich die Folge gesellschaftlicher, nicht wirtschaftlicher Entwicklungen. Die Agrarwirtschaft war die vorherrschende Wirtschaftsform, die auch die städtischen Siedlungen trug. Neben den Höfen freier Bauern spielte die Grundherrschaft die zentrale Rolle, die schon in spätrömischer Zeit entstanden war und entweder fortbestand oder zumindest Vorbildfunktion für die sich bildenden Güter der weltlichen – und später auch geistlichen – Großen hatte, die teilweise geschlossene Ländereien erhielten. Die Konzentration des Bodens in wenigen Händen setzte sich bis 1066 weiter fort, zum einen durch die Kirche, die durch Schenkungen am Ende fast ein Drittel des Grundbesitzes kontrollierte, aber auch durch weltliche Herren.
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Im Rahmen der durch die manors geprägten Grundherrschaft gab es zwei Formen der Bewirtschaftung. Ein Teil des Bodens wurde gegen Zinsleistungen an Abhängige ausgegeben, der andere Teil, die Domäne, durch den Grundherrn direkt bewirtschaftet, im Idealfall mithilfe der Dienste der von ihm abhängigen Hörigen. Unterschiede ergaben sich dabei aus geographischen oder wirtschaftlichen Notwendigkeiten, lokalen Traditionen und individuellen Entscheidungen der Grundherren, sodass der Anteil der Domäne erheblich variierte. Im – seinerseits nicht klar abgegrenzten – Danelag und in Kent mussten die Grundherren auf die starke Eigenständigkeit der Bauern Rücksicht nehmen, und in den Hügellandschaften der Hochlandzone, der Midlands und des Westens konnten keine großen Flächen unter den Pflug genommen werden, zumal sich die Siedlungen oft auf kleine Höfe und Weiler (hamlets) beschränkten. Dort trat vielfach die Dorfgemeinschaft an die Stelle der Grundherrschaft. Ihr Zentrum bildete der Dorfanger mit der Kirche und gemeinsamen Einrichtungen, auf Versammlungen wurde über gemeinsame Belange entschieden, und das dörfliche Gericht übernahm die Aufgaben der grundherrlichen Verwaltung. Die Dorfgemeinschaften arbeiteten unterschiedlich intensiv zusammen. Wo die Fruchtbarkeit der Böden und die äußeren Bedingungen dies erlaubten, wurde ein größeres Feld gemeinsam bewirtschaftet (open field economy), während die in den kargeren Regionen betriebene Viehwirtschaft weniger Kooperation erforderte. Die Angelsachsen bauten wie schon die Römer Weizen, Hafer, Gerste und Roggen an, wobei allerdings – wegen der höheren Erträge – der Anbau von Weizen im frühen Mittelalter zugunsten des Roggens zurückging. Denn während ein Teil für die neue Aussaat zurückbehalten werden musste, ein zweiter oft erst die Abgaben an den Grundherrn deckte, wurde der dritte Teil auf jeden Fall für den bäuerlichen Lebensunterhalt benötigt. Erst wenn das Verhältnis von Aussaat zu Ernte höher als 3 : 1 ausfiel, blieben somit Überschüsse für die Bildung von Reserven für schlechte Jahre und für den Zukauf weiterer Lebensmittel, Werkzeuge oder anderer Waren. Dazu konnten auch Neuerungen beitragen, die die Angelsachsen mit einiger Wahrscheinlichkeit vom Kontinent mitbrachten. Schwere, von bis zu acht Ochsen gezogene Pflüge konnten – anders als die leichten Pflüge der Kelten – auch die schweren, aber ertragreicheren Böden der Niederungen erschließen; die größeren offenen Felder erleichterten die Bewirtschaftung; ebenso war wohl bereits die Dreifelderwirtschaft, die eine intensivere Nutzung des Bodens durch zyklischen Anbauwechsel ermöglichte, bekannt. Allerdings dürften sich diese Neuerungen entgegen der mittlerweile ‚klassischen‘ Theorie von Lynn White bestenfalls allmählich durch-
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gesetzt haben, wie auch das tatsächliche Aussehen des angelsächsischen Pflugs kaum zu erschließen ist. Vielmehr werden bis ins 11. und 12. Jahrhundert vielfach andere, mehr extensive als intensive Nutzungsformen vorgeherrscht haben, etwa die Feldgraswirtschaft, bei der Weidefläche nur kurzzeitig für den Getreideanbau umgebrochen wurde, um dann wieder der Regeneration überlassen zu bleiben, oder die Zweifelderwirtschaft mit dem jährlichen Wechsel zwischen Brache und Getreidenutzung. Einen Einblick in das Leben auf einem angelsächsischen Landgut vermitteln eine Übersicht über ein Anwesen in Tiddenham (in Gloucestershire zwischen Wye und Severn) sowie zwei in verschiedenen Stufen entstandene, aber wohl im 11. Jahrhundert zusammengeführte normative Quellen, die Rectitudines Singularum Personarum und Bege sceadwisan gerefan, die die Pflichten der abhängigen Bauern und der Amtsträger von Gütern beschreiben. Tiddenham umfasste 30 Hiden, neun in Domäne, 21 von Abhängigen bewirtschaftet, bezog aber einen großen Teil der Einkünfte aus dem Fischfang aus den beiden Flüssen, da dem Grundherren jeder zweite Fisch und besonders seltene Exemplare zustanden. Die abhängige Bevölkerung bestand aus den höher gestellten geneat, die unter anderem Botendienste, Transporte und das Treiben von Herden übernehmen mussten, und den gebur, die dem Herrn auf der Domäne beim Pflügen, Säen und Ernten sowie bei Zäunen und Fischwehren helfen mussten. Letztere mussten Abgaben in Geld und Naturalien (Honig, Malz, Garn) leisten. Die Rectitudines beschreiben die Pflichten dieser beiden Gruppen – und einer dritten, des cotsetla – von einem allgemeineren Standpunkt aus. Danach war der geneat zwar zu jährlichen Zinsleistungen verpflichtet, aber ebenso zum Schutz seines Herrn, für den er auch Ehrendienste übernehmen konnte. Damit war seine Stellung innerhalb der Grundherrschaft deutlich höher als die des gebur, der vom Grundherrn gegen seine Dienste wie der Arbeit auf den Feldern der Domäne und seine Abgaben nur eine Viertelhide Land, Saatgut, Vieh, Werkzeuge und Ausstattung für sein Haus erhielt, das nach seinem Tod mit seinem Besitz an den Grundherrn zurükkfiel. Der cotsetla schließlich galt zwar als Freier, hatte aber nur wenig Land, etwa 2 ha, für das er keinen Zins zahlen musste, und war zu umfangreichen Arbeiten auf der Domäne, im Küstenschutz und für das königliche Wild verpflichtet. Daneben nennen die Rectitudines noch weiteres Personal wie Imker, Ochsen-, Schaf- und Schweinehirten. Sie alle unterstanden einem Verwalter, dessen Fähigkeiten und Aufgaben im Gerefa beschrieben werden. Dort werden rechtliche Kenntnisse ebenso gefordert wie landwirtschaftliche, Umgang mit Menschen ebenso wie die richtige ‚moralische‘ Einstellung. Der Verwalter hatte sich um das
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Herrenhaus und seine Versorgung zu kümmern und sollte die notwendigen jahreszeitlichen Aufgaben veranlassen und überwachen: Eggen, Düngen, Schafschur, Ernte, Pflügen, Pfropfen, Aussaat und Versorgung des Viehs. Dabei wird die Vielfalt der ländlichen Wirtschaft erkennbar, denn seine Zuständigkeit erstreckte sich auch auf Gärten, Mühlen, Fischwehre und einen Weinberg. Gegenüber dem Land spielten die Städte lange eine untergeordnete Rolle. Eine wesentliche Ursache war, dass die meisten der römischen bzw. nachrömischen Städte spätestens in der angelsächsischen Eroberung untergingen, auch wenn sich die Entwicklung aufgrund fehlender schriftlicher Quellen nur schwer nachvollziehen lässt, wenn nicht, wie in Winchester oder York, intensive archäologische Untersuchungen vorgenommen wurden. Die Verwendung des Begriffs civitas für die alten römischen Siedlungen impliziert nicht immer die Existenz einer Stadt, wie das z. B. für Worcester im 9. Jahrhundert belegt ist. Bis 850 hatten wohl zumindest London, Canterbury und Rochester ihren städtischen Charakter wieder gefestigt, während York und wahrscheinlich auch Southampton als Handelszentren aufstiegen. Für Canterbury, das bereits unter der Oberhoheit Mercias am Anfang des 9. Jahrhunderts über seine Mauern hinauswuchs, ist um 860 die erste Gilde der englischen Geschichte belegt, deren Mitglieder als cnihtas (Gefolgsleute) beschrieben werden. Sozial sind sie nur schwer einzuordnen; vielleicht vereinte diese Gilde wie die späteren bereits führende Einwohner der Stadt und des Umlands. Für die Stadtentwicklung brachten die burhs oder boroughs, die Alfred und seine Nachfolger anlegen ließen, wichtige Impulse. Die burghal hidage, das Verzeichnis von 33 burhs aus der Zeit Alfreds und Eduards des Älteren, nennt unter anderem Exeter, Bath, Lewes, Hastings und Worcester. Wenn für die Anlage die Bevölkerung des Umlandes zum Bau der teilweise massiven Wälle oder Mauern eingesetzt wurde, entwickelte sich zugleich ein Einzugsgebiet der werdenden Städte. Gelegentlich, so im Fall Worcesters, wurden Einnahmen aus der Siedlung zur Finanzierung des Mauerbaus genutzt. Aethelred, der ealdorman von Mercia, der die Mauer Worcesters auf Bitten des Bischofs errichtete, erhielt dafür Zölle und Abgaben vom neu eingerichteten Markt der Stadt, sollte sich diese aber nach dem Abschluss der Arbeiten mit dem Bischof teilen. Während hier der Bischof eine zentrale Rolle spielte, betrieben die Herrscher im 10. Jahrhundert den Ausbau von Städten auf königlichem Boden, so z. B. in Oxford und Wallingford. Allerdings gelang es Adel und Kirche bis zur normannischen Eroberung, die Einwohner der meisten Städte zu mediatisieren, also der direkten königlichen Kontrolle zu entziehen. Dabei entwickelte sich oftmals eine enge Beziehung zwischen den ländlichen Eliten
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und den städtischen Gemeinschaften, von der letztlich beide Seiten profitierten. Auch wenn die Gerichtshoheit wahrscheinlich weiterhin bei den Stadtherren lag, bildeten die burhs in den seit der Zeit Edgars erlassenen Gesetzen einen eigenen Rechtsbereich. Viele Einwohner der städtischen Siedlungen blieben zwar durch den Besitz von Feldern, Wiesen und Wald sowie durch Dienstverpflichtungen in das ländliche Wirtschaftssystem eingebunden, konnten aber über ihre städtischen Grundstücke, für die sie Zinsen entrichteten, frei verfügen. Märkte durften allein in burhs stattfinden, und aus ihnen hob sich seit dem 10. Jahrhundert die – nicht klar abgrenzbare, weil ursprünglich synonym bezeichnete – Gruppe der ports hervor, die sich durch Handel und eine eigene Münzstätte auszeichneten. Königliche burhs und ports wurden von eigenen Amtsträgern, burh-gerefa und port-gerefa, verwaltet. Gilden wie die der cnihtas in Canterbury, die später auch in Dover und Winchester bestanden, belegen Ansätze für ein Gemeinschaftsbewusstsein der Einwohner sowie eine gewisse Selbstverwaltung und hatten wahrscheinlich bereits feste Strukturen. Ein Beispiel für ihre Aufgaben bietet eine Verordnung Athelstans für London aus den 930er-Jahren, die mit folgenden Worten beginnt: „Dies ist der Beschluss, welchen die Bischöfe und die Vögte, welche zu London[s Gerichtsbezirk durch ihre Hintersassen] zugehören, verkündet und durch rechtsförmliche Verpflichtungen bekräftigt haben in unserer Friedensgilde [frithgegyldum], sowohl Vornehme wie ceorls.“50 Dieser Zusammenschluss von Adligen und Freien unter der Leitung von Bischöfen und königlichen Amtsträgern nahm vor allem Polizeiaufgaben wahr, hatte aber – wie spätere Gilden – auch religiöse sowie weltliche Pflichten gegenüber den Mitgliedern, eine gemeinsame Kasse und ein Gemeinschaftsleben. London war zu dieser Zeit wegen seiner Größe bereits in mehrere Bezirke mit eigenen Gerichten unter der Leitung eines ealdorman und eigenen Versammlungen der Einwohner aufgeteilt. Die durchschnittliche angelsächsische Stadt bot wohl eher ein ländliches Bild mit kleinen Gärten innerhalb der Mauern, Viehhaltung der Einwohner auf den städtischen Wiesen und Mühlen an den Wasserläufen. Allerdings hatten nur wenige Einwohner Anteil an den Feldern, Wiesen und Weiden, die zu den Städten und Flecken gehörten; die meisten waren auf die Waren angewiesen, die auf die städtischen Märkte gebracht wurden. Aelfric berichtet zum Beispiel von Fischern, die ihren Fang in den Städten verkauften, und für London sind Frauen belegt, die Butter und Käse, Eier und Hühner anboten. Die meisten Häuser waren aus Holz, mit Ausnahme der zahlreichen Kirchen, der Hallen des Königs und der Häuser der Gro-
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ßen, die – wie Königin Emma in Winchester, Edith, die Frau Eduards des Bekenners, in Stamford oder earl Godwine in Southwark – städtischen Hausbesitz hatten. Aus dem Domesday Book und weiteren Quellen lassen sich für das 11. Jahrhundert ergänzende Eindrücke gewinnen. So zeigt das Winton Domesday die breite Streuung von Hausbesitz in Winchester in dieser Zeit. Der König besaß dort in der Zeit Eduards des Bekenners ein Lagerhaus, das verpachtet war, und Königin Edith gehörten einige Geschäfte. Weiteren Hausbesitz hatten unter anderem die Münzer und der Münzmeister der Stadt, ein Goldschmied, ein Strumpf- und ein Schuhmacher, ein Drechsler, ein Seifensieder sowie ein weltlicher Amtsträger der Kirche. Wie in anderen Städten lebten die Handwerker derselben Gewerbe oft in einer Straße zusammen, so die Fleischhauer, die Gerber, die Schuh- und die Schildmacher. Nach dem Domesday Book lässt sich zudem vermuten, dass London bereits vor 1066 die größte Stadt Englands mit etwa 12 000 Einwohnern war, gefolgt von York mit rund 8000, Norwich und Lincoln mit rund 5000 Einwohnern. Das Bild des frühmittelalterlichen Handels hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend gewandelt, nicht zuletzt durch archäologische Untersuchungen, die die wenigen schriftlichen Informationen ergänzen. So haben Studien zur ländlichen Wirtschaft und Ausgrabungen vorstädtischer Handelsemporien gezeigt, dass Handel nicht immer nur mit Städten in Verbindung gebracht werden darf, und zugleich ist deutlich geworden, dass der Handel selbst in Zentren wie London und York bis zum Ende des 10. Jahrhunderts nicht überschätzt werden sollte. Lange Zeit wurde in erster Linie für den eigenen Bedarf produziert, und gehandelt wurde vor allem mit Rohstoffen, Luxuswaren und Sklaven. Neuere Forschungen haben zudem auf die Bedeutung von Beute und Geschenk für den Warenaustausch hingewiesen; so sind z. B. die meisten Funde englischer Münzen auf dem Kontinent kein Indiz für einen regen Handel, sondern Folge der skandinavischen Invasionen. Zweifellos boten bereits die wirtschaftlichen Strukturen der (nach)römischen Zeit trotz ihres Verfalls erste Anknüpfungspunkte für den Handel, wenn etwa Beda London als „ein Emporium für viele Völker […], die zu Lande und zu Wasser kommen“,51 bezeichnet. Daneben entstanden aber in England ähnlich wie auf dem Kontinent Zentren vorstädtischen Charakters bzw. Handelsplätze, die (wohl mindestens teilweise unter königlichem Einfluss) allein für den Warenaustausch begründet worden waren, vor allem entlang der Küsten. Dazu zählten das untergegangene Hamwic (bei Southampton) sowie Ipswich, Fordwich und Sandwich, deren Namen die für diese Siedlungen charakteristische Endung -wich (Wik)
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enthalten und sich vor 800 in den schriftlichen Quellen nachweisen lassen. Wie am Beispiel von Ipswich gezeigt wurde, wurden sie wahrscheinlich durch ihr Umland versorgt, das sich auf bestimmte ländliche Produkte spezialisierte. Ein schriftliches Zeugnis für den frühen Austausch Englands mit dem Kontinent ist ein Brief Karls des Großen an König Offa von Mercia von 796. Karl gewährte darin den angelsächsischen Kaufleuten auf Gegenseitigkeit, „dass sie Schutz und Unterstützung in unserem Königreich erfahren, rechtmäßig, gemäß den alten Gewohnheiten des Handels; und wenn sie an irgendeinem Ort von unrechter Bedrückung belästigt werden, dürfen sie an uns oder unsere Richter appellieren, und wir werden dann befehlen, dass volle Gerechtigkeit geschieht“.52 Das Schreiben des Frankenkönigs erwähnt zwei Handelswaren, „schwarze Steine“, vielleicht Vulkangestein für Mühlsteine, vom Kontinent, für die Mäntel mit zu vereinbarender Länge aus England geliefert werden sollten. Während dafür (bisher) archäologische Nachweise fehlen – eine exportorientierte englische Tuchproduktion hat es nach den schriftlichen Quellen erst im hohen bzw. späten Mittelalter gegeben –, so deuten Funde von Töpferwaren aus dem westlichen Frankreich auf Weinimporte nach England, während sich aus England stammende Metalle, Zinn und Blei, aber auch Kupfer, Eisen und Silber sowie daraus gefertigte Waren auf dem Kontinent nachweisen lassen. Daneben hat man in England afrikanisches Elfenbein, nordische Walrossknochen und möglicherweise sogar baltischen Bernstein verarbeitet, sodass vor allem der Handel mit Luxusgütern weite Entfernungen überbrückt haben dürfte. Die Handelsemporien an beiden Seiten des Kanals gingen in den Angriffen der Wikinger unter, und an ihre Stelle traten in England die burhs und ports, die allerdings meist nur lokale Bedeutung für den Handel erlangten. Kaufleute unterlagen noch lange zahlreichen Einschränkungen, die sie als Ausnahme erkennen lassen. Sie mussten sich von gerichtlich angemeldeten Kaufgesellen begleiten lassen und ihre Geschäfte vor Zeugen abschließen, und ihre Gastgeber hatten nach alten Brauch ab der dritten Nacht für die bei ihnen untergebrachten Kaufleute zu haften. Im Norden profitierte York von den Beziehungen zu Skandinavien, und im Süden spielte London eine zentrale Rolle, wie aus einer von Aethelred II. zwischen 991 und 1002 erlassenen Zollordnung deutlich wird. Verschiedene Zollsätze für Schiffe verweisen auf verschieden große, teilweise ebenso archäologisch nachgewiesene Schiffstypen, und an fremden Kaufleuten werden solche aus Rouen, Huy, Lüttich und Nivelles, aus der Normandie, Flandern, Ponthieu und der Île-de-France sowie „Leute des Kaisers“ (homines imperatoris), vielleicht aus Lothringen oder angrenzenden Ge-
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bieten, erwähnt.53 Eingeführt wurden hochwertige Güter wie Wein, Walfischfleisch, Tuche, Pfeffer und Handschuhe, aber ebenso ‚Massenwaren‘ wie Holz und Fisch. Allerdings dürften Luxuswaren wie Seide, Edelmetalle, weitere Gewürze und anderes noch am Anfang des 11. Jahrhunderts erhebliche Anteile des Handels gebildet haben. Weite Reisen englischer Kaufleute waren noch so außergewöhnlich, dass ein Kaufmann, der „dreimal vermöge seiner eigenen Geschäftskraft übers offene Meer fuhr“, die Rechte eines thegn erhielt,54 selbst wenn andererseits Fahrten weit in den Ostseeraum sowie nach Pavia und Rom belegt sind. Auch die Entwicklung der Münzprägung belegt immer wieder kontinentale Einflüsse. So wurden in England ab 680 vor allem nach friesischem Vorbild kleine Silberpfennige, so genannte sceattas, geprägt, auch wenn sie oft nicht als Zahlungsmittel eingesetzt, sondern zusammen mit Hack- oder Barrensilber nach ihrem Gewicht verrechnet wurden. Wohl aufgrund einer Geldentwertung kam es im 8. Jahrhundert unter Offa zur Übernahme des karolingischen Münzsystems, das auf der römischen libra aufbaute und ein Pfund – wie noch bis 1971 – in zwanzig Schillinge bzw. 240 Pfennige teilte, wobei nur der Pfennig ausgeprägt wurde. Dieses System wurde auch von den anderen angelsächsischen Reichen und insbesondere von Wessex übernommen, dessen Könige sich im 10. Jahrhundert in wachsendem Maße kontinentaler Münzmeister bedienten. 973 erfolgte unter Edgar eine Reform, die das Münzgewicht sicherte und eine Ausweitung der Münzstätten zur Folge hatte, deren Leistungsfähigkeit durch die Danegeldzahlungen um 1000 unter Beweis gestellt wurde. Die Nennung von Münzstätte und Münzmeister auf den Münzen lässt dabei auch skandinavische Einflüsse erkennen, die allerdings mit der Invasion der Normannen endeten.
II. Das normannische und angevinische England (1066–1272) 1. Die normannische Eroberung Englands (1066–1087) Auch wenn ihre Bedeutung lange überschätzt wurde, führten die Ereignisse des Jahres 1066 zu tief greifenden Veränderungen, vor allem wegen der neuen Bindungen Englands an den Kontinent, die der normannische Erfolg mit sich brachte, sowie wegen der Folgen, die die Eroberung für die englische Sozialstruktur zeitigte. So begann 1066 mit einer Formulierung Sir Frank Stentons das „erste Jahrhundert des englischen Feudalismus“ – nun entstanden erstmals in größerem Umfang Adelsburgen –, und die intensive politische Verbindung zwischen England und der Normandie ist als die Entstehung eines „Norman Empire“ beschrieben worden. Die Eroberung Englands wurde von Herzog Wilhelm von der Normandie sorgfältig vorbereitet, zumal er wohl schon frühzeitig von der schweren Erkrankung des alten Königs, seines Vetters Eduard, erfahren hatte. Er dürfte zwar von der schnellen Entscheidung zugunsten Haralds II. überrascht worden sein, doch gelang es ihm offenbar, zahlreiche diplomatische Verbindungen aufzubauen, die ihm nach seinem Erfolg eine rasche Anerkennung sicherten. Dabei stellte er wahrscheinlich Harald – zur Untermauerung seines Anspruchs und im Sinne der normannischen Tradition – als Eidbrüchigen dar, der zudem von einem exkommunizierten Erzbischof, Stigand von Canterbury, zum König gekrönt worden sei (obwohl dies in den angelsächsischen Quellen nicht bestätigt wird). Allerdings waren es dann die ungünstigen Windverhältnisse im englischen Kanal – der vorherrschende Nordwind –, die bis Anfang September einen Angriff verhinderten. Erst zwei Tage nach dem Erfolg Haralds gegen die Norweger bei Stamford Bridge, am 27. September, änderte sich die Windrichtung, die dem Herzog dann die Überfahrt nach England erlaubte. Am Tag darauf landete er mit seinen Truppen in Pevensey Bay, ohne auf Widerstand zu treffen. Sobald König Harald in York von der Landung Wilhelms erfuhr, führte er sein noch von den Kämpfen geschwächtes Heer im Eiltempo innerhalb von rund zwei Wochen den Normannen entgegen. Die nun folgenden Ereignisse führten, anders als bei den langwierigen Kämpfen um die Herrschaft über England während der dänischen Invasion am Anfang des 11. Jahrhunderts, zu einer schnellen, alles entscheidenden militärischen Konfrontation. Da der Herzog vor der Stärke des angelsächsischen Heeres
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Harald Goduineson (der spätere Harald II.) leistet Wilhelm, dem Herzog der Normandie, den Treueeid (1064/65). – Teppich von Bayeux, spätes 11. Jahrhundert. Foto: AKG.
gewarnt worden war, blieb er in der Nähe der Küste, zog aber von Pevensey nach Hastings. Dort konnte er Harald, der offenbar von der Nähe des Gegners überrascht wurde, am Morgen des 14. Oktober angreifen, noch bevor sich dessen Truppen zum Kampf formiert hatten. Zwar waren die Angelsachsen den Normannen zunächst zahlenmäßig überlegen, doch bestand das Heer Haralds nur zu einem Teil aus seinem Gefolge und dem seiner Brüder, zum anderen Teil jedoch aus einem Aufgebot von Freien, für das unter anderem nur leicht bewaffnete Bauern rekrutiert worden waren. Dagegen konnte sich Wilhelm fast ausschließlich auf erfahrene Krieger stützen und gegen die angelsächsischen Fußtruppen eine eigene Reiterei und Bogenschützen einsetzen. Beide Kontingente werden nicht mehr als 7000 Mann gezählt haben. „Aber weil die Engländer auf engem Raum zusammengedrängt wurden“, heißt es in der Worcester-Chronik, „verließen viele die Reihen, und nur wenige [dem König] von Herzen Treue blieben zurück. Ungeachtet dessen widerstand er von der dritten Stunde des Tages bis zur Dämmerung energisch dem Gegner und kämpfte
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so tapfer und hartnäckig in seiner eigenen Verteidigung, dass die Kräfte des Feindes kaum etwas erreichten. Schließlich aber, nach großen Opfern auf beiden Seiten, fiel der König, o weh!, bei Anbruch der Dämmerung. Auch die earls Girth und Leofwine, seine Brüder, wurden erschlagen, und fast der gesamte Adel Englands […].“1 Nachdem Harald und seine Brüder gefallen waren, flohen die überlebenden Angelsachsen vom Schlachtfeld. Erst der Tod ihrer Anführer machte die Schlacht von Hastings zu einem entscheidenden Wendepunkt, denn hätte sich Harald retten können, wäre es trotz der Niederlage möglich gewesen, den Widerstand neu zu organisieren. Außerdem standen noch die earls von Northumbrien und Mercia, Edwine und Morkere, mit ihren Truppen bereit, und auch die Londoner konnten zur Verteidigung beitragen. Nun aber gab es keinen entschlossenen und von allen akzeptierten Anführer. Der Erzbischof von York, die Bürger von London und andere tendierten zwar dazu, den letzten noch lebenden Vertreter der westsächsischen Dynastie, den Enkel Edmunds Ironside, Edgar, zum König zu erheben, „wie dies in der Tat“ – so die Angelsachsenchronik – „sein Recht durch Geburt war“.2 Als sich jedoch Wilhelm nach einiger Zeit, als Verstärkungen eingetroffen waren, zum Angriff auf London entschloss, weite Gebiete zwischen Hastings und London von den Normannen verwüstet wurden und eine Einschließung der Stadt drohte, gingen immer mehr angelsächsische Große auf seine Seite über. Zu den ersten, die Wilhelm den Lehenseid leisteten, zählte der Erzbischof von Canterbury, Stigand. Ihm schlossen sich zunächst die Londoner und der Erzbischof von York, dann auch die beiden großen earls und schließlich selbst Edgar an. Sie mussten dem Herzog Geiseln stellen, erhielten aber auf der Versammlung in Berkhamsted, auf der sie ihm die Krone antrugen, die Zusage, dass Wilhelm gerecht herrschen wolle. So war der Weg für seine Krönung frei. Sie erfolgte am Weihnachtstag des Jahres 1066, kaum ein Jahr nach dem Tode Eduards, in der Abtei von Westminster. Um der Herrschaft Wilhelms – über seine weitläufige Verwandtschaft mit Eduard hinaus – zusätzliche Legitimität zu verleihen, wurden dabei seine Untertanen ausdrücklich nach ihrer Zustimmung zur Wahl befragt, die Angelsachsen durch den Erzbischof von York, die Normannen vom Bischof von Coutances. Damit stellte sich Wilhelm zugleich in die Nachfolge der angelsächsischen Könige, insbesondere in die Eduards des Bekenners, der in vielen Zeugnissen, nicht nur in den Rechtsquellen, als (letzter) rechtmäßiger Vorgänger der normannischen Herrscher erscheint. Trotz der formalen Zustimmung auch der angelsächsischen Untertanen blieb der gewaltsame Charakter der neuen Herrschaft deutlich. So kam es
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nach dem Bericht von Guillaume de Poitiers schon während der Krönung zu einem bezeichnenden Zwischenfall. Die vor der Abtei postierten normannischen Wachen fürchteten bei den Zustimmungsrufen der Angelsachsen Verrat oder einen Angriff auf den König und setzten daraufhin die Gebäude in der Umgebung in Brand. Dem entsprach eine Reihe von Maßnahmen, die Wilhelm 1067 zur Sicherung seiner Herrschaft ergriff. So musste das Land – wie nach vorhergehenden Eroberungen – eine hohe Steuer entrichten, der Besitz der bei Hastings gefallenen angelsächsischen Großen wurde eingezogen, und als der König England im März 1067 für fast neun Monate verließ, nahm er die potenziellen angelsächsischen Gegenspieler, Erzbischof Stigand, Edgar sowie die earls von Mercia und Northumbrien, mit sich auf den Kontinent. Während seiner Abwesenheit sollte Wilhelms Halbbruder, Bischof Odo von Bayeux, den er zum earl von Kent erhoben hatte, die Regentschaft führen. Über ihn und den neuen earl von Hereford, William Fitz Osbern, klagte der Autor der Version D der Angelsachsenchronik: „Sie errichteten Burgen nah und fern im ganzen Land und unterdrückten das unglückliche Volk, und die Dinge entwickelten sich vom Schlechten zum Schlechteren.“3 Tatsächlich dienten die überall, oft auch in städtischen Zentren, errichteten Burgen allein der normannischen Kontrolle des Landes. Auch wenn der Burgenbau langfristig angelegt sein musste, hatte man um 1100 rund 5000 bis 6000 dieser Anlagen errichtet, teils in einfacher Form, mit einem Hügel (Motte), Graben, Wall und Palisaden, teils mit hölzernen oder sogar steinernen Turmanlagen wie etwa beim White Tower in London. Ungeachtet des raschen normannischen Erfolgs 1066 erwies sich die Eroberung Englands als ein langwieriger Prozess, der erst 1071 abgeschlossen war. Dabei wurden die überlebenden angelsächsischen Großen nach und nach durch normannische und weitere nordfranzösische Adlige ersetzt, auch weil die Angelsachsen mehrfach versuchten, sich gegen die Herrschaft Wilhelms zur Wehr zu setzen. Dazu stellte der Biograph Wilhelms, Guillaume de Poitiers, fest: „Aber weder Furcht noch Gunst konnte die Engländer so unterwerfen, dass sie eine friedvolle Ruhe der Rebellion und Unordnung vorzogen. […] Sie sandten wiederholt Boten zu den Dänen oder zu jemand anderem, von dem sie Hilfe erhoffen konnten. Darüber hinaus empfanden sich diejenigen, die ins Exil geflohen waren, frei von der normannischen Macht oder schmiedeten Pläne, wie sie mit fremder Hilfe wieder zurückkehren könnten.“4 So kam es schon 1067 zu ersten Unruhen in Kent, die von Odo unterdrückt werden konnten, und in Devon fanden Haralds Söhne aus einer illegitimen Verbindung Unterstützung bei einem offenen Aufstand in Exeter im Dezember 1067, den der inzwischen zurückgekehrte Wilhelm mithilfe englischer Truppen nieder-
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schlug. Doch auch danach blieben die Verhältnisse im Westen unsicher, zumal Haralds Söhne die englischen Küsten weiterhin von Irland aus bedrohten. Eine weitaus größere Gefahr bedeutete jedoch 1068 im Norden das Bündnis zwischen Edgar, den earls von Mercia und Northumbrien, Edwine und Morkere, König Malcolm III. von Schottland und walisischen Fürsten. Zwar führten der Widerstand des Erzbischofs von York und der Einfall Wilhelms in Mercia noch einmal kurzfristig zu einem Ausgleich, doch flohen Edgar und seine Schwestern nach Schottland, und 1069 wurde der Kampf erneuert. Nach der Ermordung des von Wilhelm eingesetzten earl von Northumbrien griffen der schottische König und die Exilanten den Norden Englands an und verbanden sich mit einer Invasionsarmee unter dem Bruder und den Söhnen des dänischen Königs Swein. Sie eroberten York, das durch ein Feuer zerstört wurde, während es im Süden und im Westen Englands Aufstände gab, die sich zu einer erheblichen Gefahr für die normannische Herrschaft entwickelten. In dieser Situation unternahm Wilhelm einen längeren Feldzug durch Mercia und Northumbrien, die weitgehend verwüstet wurden, um die Versorgungsgrundlagen der gegnerischen Truppen zu zerstören. Zur Herrschaftssicherung wurden neue Befestigungen angelegt, und lokale Unruhen konnten durch die königlichen Amtsträger niedergeschlagen werden. Anfang des Jahres 1070 war Wilhelm wieder Herr der Lage, während sich die Dänen trotz der Ankunft König Sweins im Sommer ganz aus England zurückziehen mussten. Schließlich wurde 1071 auch der letzte angelsächsische Aufstandsversuch unter Bischof Aethelwine von Durham und dem Adligen Hereward in Ely in Ostanglien von Wilhelm niedergeschlagen. In der Folge der Auseinandersetzungen der Jahre 1066 bis 1071 verschwand nicht nur der hohe Adel der Angelsachsen – und mit ihm die alten earldoms –, sondern auch die kleinadlige Schicht der thegns wurde nahezu vollständig durch Normannen oder andere Lehnsleute Wilhelms, durch Bretonen, Flamen oder Franzosen, ersetzt. Erst im Zuge dieser Umgestaltung der englischen Gesellschaft kam es auch zur Durchsetzung der vom Papsttum geförderten Kirchenreform. Im Frühjahr 1070 setzten drei Legaten Papst Alexanders II. auf Synoden zu Winchester und Windsor Erzbischof Stigand und vier weitere Bischöfe ab und beriefen an ihrer Stelle kontinentale Kleriker, so Lanfrank von Bec, den Abt von Caen, sowie Kapläne Wilhelms. Danach waren nur noch drei angelsächsische Bischöfe im Amt, und auch für sie wurden, ähnlich wie für die anderen Bistümer und in den Klöstern, über Generationen ausschließlich normannisch-französische Nachfolger ernannt – damit hatte für England eine Epoche der Fremdherrschaft begonnen.
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Schwierigkeiten bereiteten Wilhelm jedoch nicht nur die Aufstände der Angelsachsen, sondern auch die äußeren Beziehungen. Hatte er 1066 noch die Kanalküste weitgehend kontrolliert, kam es 1071 wegen einer Niederlage des earls von Hereford, William Fitz Osbern, zu einer Verschlechterung der Beziehungen zu Flandern. Der earl hatte 1070 nach dem Tod des Grafen von Flandern zusammen mit dem französischen König Philipp I. die Vormundschaft für den noch minderjährigen flandrischen Erben übernommen. Dem stellte sich Robert, der Bruder des Grafen, entgegen und setzte sich militärisch gegen den earl durch, während dessen Mündel getötet wurde. Noch im selben Jahr nahm Robert den von Wilhelm dem Eroberer aus Schottland vertriebenen Edgar auf, sodass Flandern lange zumindest ein potenzieller Gegner des anglonormannischen Reichs blieb. Auch die Auseinandersetzungen im Süden der Normandie, um Maine mit den Grafen von Anjou, wurden nach 1066 erneuert. So fiel Wilhelm 1073 mit einem gemischten englisch-normannischen Aufgebot in Maine ein, um es endgültig zu unterwerfen. Sein ältester Sohn Robert, den Wilhelm in Maine einsetzte, konnte sich jedoch dort nicht dauerhaft etablieren, sodass das Land durch die Kämpfe verwüstet zu werden drohte. In dieser Situation einigte man sich 1081 auf einen Kompromiss, der Robert die Herrschaft über Maine beließ, ihn jedoch der Lehnshoheit des Grafen von Anjou unterstellte. Dabei wurden Wilhelms Gegner – wenn auch nicht immer offen – von Philipp I. von Frankreich unterstützt, dem Wilhelm nach dem Tod seines Vaters, Heinrichs I., geholfen hatte, der nun aber die überaus starke Position seines Vasallen politisch und militärisch zu schwächen suchte. Das führte 1076 sogar zum offenen Konflikt, als Wilhelm angesichts bretonischer Unterstützung für angelsächsische Rebellen in die Bretagne einfiel und die Festung Dol belagerte, während Philipp den Belagerten mit einem Entsatzheer erfolgreich zu Hilfe eilte. Zwar einigten sich die beiden Könige Anfang 1077 auf einen Friedensvertrag, doch nutzte Philipp bald darauf – ähnlich wie später Ludwig VII. und Philipp II. – Konflikte innerhalb des anglo-normannischen Herrscherhauses, um seine Stellung zu stärken. Robert hatte sich nach einem Streit mit seinen jüngeren Brüdern Wilhelm und Heinrich mit seinem Vater entzweit. Zwar söhnten sich beide nach einer militärischen Konfrontation noch einmal aus, und Robert kehrte zwischen 1080 und 1083 an den Hof seines Vaters zurück, doch ging er danach erneut ins Exil und hatte sich beim Tode Wilhelms wieder auf die Seite Philipps gestellt. Diese kriegerischen Auseinandersetzungen führten dazu, dass Wilhelm zwischen 1072 und 1084 lange Zeit auf dem Kontinent verbrachte, so von 1077 bis 1080 fast drei Jahre. Hatte der König nach 1067 zunächst verschie-
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denen Amtsträgern die Regentschaft überlassen, darunter Erzbischof Lanfrank, entwickelte sich in den späteren Jahren eine geregelte Vertretung durch seinen Halbbruder, Bischof Odo von Bayeux. Auch Odo musste sich mit angelsächsischen Rebellionen auseinander setzen. 1075 verband sich Roger, der earl von Hereford und Sohn William Fitz Osberns, mit den beiden letzten großen Amtsträgern aus der Zeit Eduards des Bekenners, Waltheof von Northumbrien und Ralph von Ostanglien. Da Ralph reiche Besitzungen in der Bretagne hatte, konnte er auch bretonische Söldner anwerben. Zudem riefen die Rebellen Knut, den zweitältesten Sohn des inzwischen verstorbenen Swein von Dänemark, zu Hilfe. Als dieser jedoch Ende 1075 mit 200 Schiffen an der englischen Küste landete, war der Aufstand bereits niedergeschlagen, seine Anführer waren im Exil oder hingerichtet, sodass die Dänen nach einer Plünderung der Kathedrale von York wieder auf den Kontinent zurückkehrten. In der Nachfolge Waltheofs berief der König Walcher, den aus Lothringen stammenden Bischof von Durham, zum Verwalter Northumbriens. Zwischen dem lothringisch-normannischen Gefolge Walchers und den Angelsachsen im Norden Englands bauten sich jedoch in den folgenden Jahren Spannungen auf. Als ein Kaplan des Bischofs in einen Mordfall verwickelt wurde, brach ein offener Streit aus. Wie William of Malmesbury später feststellte, handelten „die Northumbrier, ein Volk immer bereit zur Rebellion, ohne jeden Respekt vor seiner geistlichen Würde“5 und töteten den Bischof und einen erheblichen Teil seines Gefolges auf einer Versammlung in Gateshead, obwohl er sich zu einem Entgegenkommen bereit gefunden hatte. Odo von Bayeux reagierte darauf, indem er die Ländereien der Rebellen verwüstete, doch kam Northumbrien auch unter den danach berufenen earls nicht zur Ruhe. Erst mit dem Neffen des Bischofs von Coutances, Robert de Mowbray, traten stabilere Verhältnisse ein, auch wenn den Norden Englands weiterhin eigene Traditionen kennzeichneten und Rebellen immer mit der Unterstützung der schottischen Könige rechnen konnten. Problematisch war auch die Lage an der Grenze zu Wales. Die normannischen Barone hatten schon bald nach der Eroberung Englands unter der Führung William Fitz Osberns Vorstöße auf walisisches Gebiet unternommen und eine gewisse Kontrolle walisischer Fürstentümer, insbesondere von Gwynedd im Norden und von Powys in Mittelwales, erreicht. Eine führende Rolle spielten dabei die earls von Chester und Shrewsbury, die Normannen Hugo d’Avranches und Roger de Montgomery. Im Süden konnten sich die Waliser jedoch erfolgreich zur Wehr setzen, sodass Wilhelm 1081 selbst einen Feldzug bis nach St. Davids führen musste, um die normannische Position zu festigen und Kriegsgefangene zu befreien. Dies
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war sein letztes militärisches Unternehmen in England. Zwar stellte er 1085 erneut ein Heer zusammen, darunter auch mit Söldnern aus Maine und der Bretagne, als angesichts eines Bündnisses zwischen dem inzwischen zum König von Dänemark erhobenen Knut, Robert von Flandern und dem norwegischen König Olaf eine Invasion drohte, doch kam es nicht mehr zum Kampf. Obwohl Odo von Bayeux 1082 aus unbekannten Gründen abgesetzt und inhaftiert wurde, verliefen Wilhelms letzte Regierungsjahre im Inneren relativ ruhig. Die wichtigste Entwicklung wurde offenbar durch finanzielle Probleme bei der Versorgung der 1085 angeworbenen Söldner ausgelöst. Da man zur Erkenntnis gelangte, dass über die durch die Umgestaltung Englands seit 1066 geschaffenen Verhältnisse keine ausreichenden Informationen vorlagen, verhandelte Wilhelm Weihnachten 1085 mit den Großen des Königreichs intensiv über eine ausführliche Aufnahme des Grundbesitzes, die schließlich – nach mehreren Vorstufen – im später so genannten Domesday Book, dem „Buch des Jüngsten Gerichts“, ihren Niederschlag fand. Nach dem zeitgenössischen Bericht des Bischofs Robert von Hereford reisten 1086 zunächst verschiedene Gruppen von Landfremden durch die Grafschaften, um die Dörfer und Ländereien sowie ihre Besitzer und Bewohner, Pfluggespanne, Pferde und Vieh sowie die üblichen Abgaben und Dienste aufzunehmen; dabei wurde noch einmal zeitlich differenziert. Diese Angaben wurden dann jeweils von einer zweiten Kommission überprüft; falsche Aussagen wurden vor dem König zur Anklage gebracht. Auch wenn man dabei offenbar auf angelsächsische Vorbilder zurückgreifen konnte, entstand so in mehreren Schritten ein einzigartiges Dokument, das die Möglichkeiten der anglo-normannischen Verwaltung deutlich werden lässt. Der Verfasser der Version E der Angelsachsenchronik hat dazu in seinem Nachruf auf Wilhelm – zweifellos überzogen – vermerkt: „Er herrschte über England, und durch seine Voraussicht wurde es so sorgfältig aufgenommen, dass es nicht eine einzige Hufe Land gab, von der er nicht wusste, wer sie hielt und wie viel sie wert war, und diese Einzelheiten ließ er in seine Übersicht aufnehmen.“6 Wilhelm hatte den Höhepunkt seiner Macht erreicht, als er im August 1086 die großen Grundbesitzer Englands zu einer Ratsversammlung nach Salisbury berief, die ihm – wohl im Zusammenhang mit dem ‚Abschluss‘ des Domesday Book – einen persönlichen Lehenseid leisteten. Wilhelm verließ England Ende 1086, um erneut seine Ansprüche gegen den französischen König zu verteidigen. Dabei starb er am 9. September 1087 in Rouen infolge einer in den Kämpfen erlittenen inneren Verletzung. Sein Sterben schildert ein anonymer Bericht »Über den Tod Wil-
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helms« (De obitu Willelmi), mit nahezu wörtlichen Übernahmen aus den Lebensbeschreibungen Karls des Großen und Ludwigs des Frommen. „Er trauerte nicht wegen seines herannahenden Todes“, heißt es dort, „sondern beklagte die Zukunft, die er vorhersah, und versicherte, dass nach seinem Tod großes Unglück über die normannische Heimat kommen würde, wie es danach tatsächlich der Fall war.“ Nachdem er in Gegenwart des Erzbischofs von Rouen, weiterer Bischöfe und seines Bruders Robert, des Grafen von Mortain, zugunsten der Kirchen und der Armen über seinen Besitz verfügt hatte, „gestattete er seinem Sohn Wilhelm, die Krone, das Schwert und Zepter zu haben […]“, übertrug ihm also das englische Königtum. Als alle schon fürchteten, er würde sich auch auf dem Totenbett gegenüber seinem ältesten Sohn, Robert, hart zeigen, soll er erklärt haben: „Ich vergebe ihm alle Verletzungen, die er mir angetan hat, und gebe ihm das gesamte Herzogtum Normandie.“7 Es war diese Entscheidung, die Herrschaft über die Normandie und England zu trennen, die das beschworene Unglück für die Normandie herbeiführte, indem sie langwierige Konflikte um die Herrschaft im Lande auslöste. Wilhelm hinterließ jedoch ein grundlegend umgestaltetes und gefestigtes England. Aus dem Königreich der Angelsachsen und Dänen mit engen Beziehungen zum Norden Europas war ein normannisch geprägter, auf Frankreich ausgerichteter ‚Staat‘ geworden, der künftig in vielen kontinentalen Entwicklungen eine Rolle spielen sollte.
2. Die normannischen Könige Englands (1087–1154) Die Eroberung Englands durch Wilhelm I. begründete keine lang regierende normannische Dynastie. Vielmehr endet die Reihe der normannischen Herrscher bereits mit seinen Söhnen, Wilhelm II. Rufus und Heinrich I. Nach dem Tod Heinrichs 1135 kam es zum Bürgerkrieg zwischen zwei Enkeln Wilhelms des Eroberers, zwischen Heinrichs Tochter Mathilde und Stephan von Blois, in dem sich erst Mathildes Sohn Heinrich (II.) durchsetzen konnte. Er stammte aus ihrer Ehe mit dem Grafen Gottfried von Anjou, der mit seinem an seiner Helmzier orientierten Beinamen planta ginista (Ginsterpflanze) für eine lange Reihe englischer Könige aus dem Haus Plantagenet namensgebend wurde. Während England erst seit 1138 umkämpft war, begannen die durch die Erbteilung Wilhelms I. ausgelösten Konflikte um die Normandie schon bald nach 1087. Hatte Wilhelm I. England von der Normandie aus unterworfen, sollte schließlich die Normandie von England aus erobert werden, in Kämpfen, die sich rund zwanzig Jahre hinzogen.
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Wilhelm hatte in der Normandie nach dem dort geltenden Erstgeburtsrecht seinen ältesten Sohn Robert eingesetzt, in England, über das er frei verfügen konnte, den zweitältesten, Wilhelm II. Rufus, während der jüngste Sohn, Heinrich, mit einer finanziellen Entschädigung von 5000 Pfund Silber abgefunden wurde. Dies war insofern problematisch, als die großen Adligen teilweise noch Lehen und Besitzungen auf beiden Seiten des Kanals besaßen und es in der Folge zu Treuekonflikten und zu Spannungen zwischen dem Herrscher und den Baronen kommen musste. Wilhelm II. gelang es jedoch mithilfe des Erzbischofs Lanfrank rasch, seine Designation in konkrete politische Macht umzusetzen. Unmittelbar nach dem Tod seines Vaters ging er nach England und wurde bereits am 26. September 1087 in Westminster gekrönt, wohl, nachdem Lanfrank zuvor die Verfügungen des alten Königs überprüft und die Zustimmung der englischen Großen eingeholt hatte. Wilhelm brachte bald darauf den königlichen Schatz in Winchester unter seine Kontrolle, sorgte aber auch dafür, dass die von seinem Vater verfügten Almosen und Seelenstiftungen großzügig verteilt wurden. Zu seinen wichtigsten Ratgebern entwickelten sich im Folgenden William of St. Calais, der Bischof von Durham, sowie Roger Bigot, aus Calvados, aber mit reichem Besitz in Ostanglien, die beide schon seinem Vater gedient hatten. Als sich Wilhelm Weihnachten 1087 im Kreis der Barone zeigte, war seine Stellung bereits entscheidend gefestigt. Auf diesem Hoftag war wohl auch Bischof Odo von Bayeux anwesend, der Halbbruder Wilhelms I., den dieser auf dem Totenbett begnadigt und wieder als earl von Kent eingesetzt hatte. Es scheint, dass Odo der Einfluss, den der Bischof von Durham und auch Erzbischof Lanfrank auf den König ausübten, missfiel. Auf jeden Fall nutzte er die nach der »Kirchengeschichte« des Ordericus Vitalis weit verbreitete Unzufriedenheit des Adels über die Teilung des normannischen Erbes, um eine Rebellion gegen Wilhelm Rufus anzustiften, unter anderem im Osten, in den Midlands und im Westen, an der Grenze zu Wales. Die größte Gefahr ging von den Unruhen in Kent und in Sussex aus, doch griff der König hier selbst ein und konnte Odo schließlich gefangen nehmen. Dieser Erfolg basierte zum einen auf der geringen Hilfe, die Robert den Aufständischen von der Normandie aus zukommen ließ, zum anderen aber wurde Wilhelm sowohl von der Kirche wie auch von seinen englischen Untertanen nahezu einhellig unterstützt. So wurden die aufständischen normannischen Barone mehr als einmal von einem angelsächsischen Aufgebot (fyrd) geschlagen. Vor diesem Hintergrund war Wilhelm Rufus 1088 so ‚populär‘ wie niemals zuvor und danach. Obwohl er eine bessere Regierung, gute Gesetze, die Befreiung von Besteuerung und freie Jagd in den königlichen Wäldern versprach, waren diese Zusagen jedoch bald vergessen, und seine Herr-
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schaft wurde in vieler Hinsicht drückender als die seines Vaters. Ungeachtet dessen konnte er sich auch gegen spätere Aufstände behaupten, so 1095 gegen den earl von Northumberland, Robert von Mowbray, wobei er wachsende Härte gegen Rebellen an den Tag legte. Roberts Eingreifen während des Aufstands von 1088 bildete den Auftakt für die Kämpfe der Brüder um die Herrschaft in der Normandie und England, an denen sich – auf beiden Seiten – auch Heinrich beteiligte, der sein Geld in zwei Grafschaften im Westen der Normandie angelegt hatte. Nach William of Malmesbury „begann der König bald, sorgfältig zu planen, wie er seinen Kummer rächen und seinem Bruder diese Schmach [von 1088] heimzahlen könnte“,8 und erwarb durch Bestechung die Burg von St. Valéry, den Hafen und die Stadt von Albemarle an der Mündung der Somme. Von dort aus unterwarf er im Laufe des Jahres 1090 den größeren Teil der Normandie östlich der Seine und erreichte schließlich Ende Januar 1091, dass Robert die Eroberungen auch formal anerkannte. Diese Eintracht nutzten die älteren Brüder zum Angriff gegen Heinrich, den sie aus seinen Besitzungen vertrieben, ohne im Anschluss daran im Herzogtum wieder geordnete Verhältnisse herstellen zu können. Ende 1093 brach der Konflikt zwischen Wilhelm und Robert erneut auf, ohne dass Rufus entscheidende Erfolge erzielen konnte. Dies änderte sich erst, als Robert zum Ersten Kreuzzug aufbrach und die Normandie zur Finanzierung des Unternehmens 1096 auf drei Jahre an Wilhelm verpfändete. Dieser wandte sich nun der effektiven Verwaltung der Normandie und der Rückeroberung der seit der Zeit seines Vaters wieder verlorenen Grafschaft Maine zu. In seinen militärischen Unternehmungen war Rufus jedoch nur wenig erfolgreich. Der französische König behauptete die Grenzlandschaft zur Normandie, das Vexin, und Maine ließ sich nur lose unterwerfen, um dann nach 1100 in die Hände der Grafen von Anjou zu fallen. Auch die während der Regierungszeit Wilhelms I. gewahrte Eintracht mit der anglonormannischen Kirche ging unter seinem Sohn verloren, weil der König Bistümer und andere kirchliche Ämter wie weltliche Lehen behandelte, sich bei einer Vakanz die Einkünfte vorbehielt und nach der Besetzung die Einnahmen eines Jahres sowie Erbgebühren (relevia) einforderte. Das galt auch nach dem Tod des Erzbischofs Lanfrank 1089, als Rufus das Erzbistum Canterbury mehrere Jahre vakant ließ. Erst als er 1093, nach dem Bericht der Worcester-Chronik, „dachte, dass er bald sterben müsste, gelobte er vor Gott, wie ihm auch seine Barone nahe legten, seine Lebensweise zu bessern, keine Kirchen mehr zu verkaufen oder zu besteuern, sondern sie durch die königliche Macht zu schützen, unrechte Gesetze zurückzunehmen und gerechte in Kraft zu setzen“.9 Obwohl Wilhelm Besserung versprach und Anselm von Bec, der aus demselben
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normannischen Kloster wie Lanfrank kam, zum Erzbischof erhob, nahm er bald seine alte Politik wieder auf, unterstützt von seinem Vertrauten Ranulf Flambard. Nach einem Streit musste Anselm 1097 England verlassen, während Ranulf 1099 zum Bischof von Durham aufstieg. Allerdings kam Wilhelm bereits im folgenden Jahr, am 2. August 1100, unter unklaren Umständen um, durch einen Pfeil während der Jagd. Zwar ist in keiner der erhaltenen Quellen von einem Attentat die Rede, doch war der König wenig beliebt, und der anwesende jüngere Bruder Heinrich nutzte die Situation, um sich möglichst umgehend die Herrschaft zu sichern. Er ließ sich schon am folgenden Tage zum König erheben und am 5. August in Westminster krönen. Zur Sicherung seiner Stellung grenzte er sich in seiner Krönungscarta ausdrücklich von der Position seines Bruders ab und kündigte eine Rückkehr zur gerechten Regierung Eduards des Bekenners und Wilhelms I. an. „Die Wälder“, so sagte er zu, „behalte ich mit allgemeiner Zustimmung meiner Barone in meiner Hand, wie sie mein Vater hatte. […] Ich setze und befehle einen festen Frieden in meinem gesamten Königreich. Das Gesetz König Eduards gebe ich euch zurück, mit jenen Verbesserungen, die mein Vater mit dem Rat seiner Barone vorgenommen hat.“10 Die Lehensgüter sollten wieder frei vererbt und die Freiheit der Kirche wiederhergestellt werden, und Erzbischof Anselm wurde aus dem Exil zurückgeholt. Als Robert nach seiner erfolgreichen Rückkehr vom Kreuzzug von der Normandie aus in England eingriff, um seinen Anspruch geltend zu machen, standen die Kirche und die Engländer geschlossen hinter dem neuen König. Obwohl sich die Brüder mit ihren Heeren in Alton gegenüberstanden, wurde vor diesem Hintergrund ein Ausgleich vermittelt. „Aber Männer mit klügerem Rat“, heißt es bei William of Malmesbury, „die meinten, dass die Gesetze natürlicher Zuneigung verletzt werden würden, wenn sich Brüder in der Schlacht träfen, bemühten sich, sie zum Frieden zu überreden. […] Aber das Versprechen von 3000 m. [Silber jährlicher Zahlungen aus England] täuschte auch die Leichtgläubigkeit des Herzogs, der sich vorstellte, dass er, wenn er seine Armee aufgelöst hätte, mit so einer immensen Summe Geldes leicht seine Pläne weiterverfolgen könnte […].“11 Der Konflikt war so nur verschoben, und als 1101 normannische Adlige bei Heinrich um Unterstützung baten, begann er mit mehreren Feldzügen gegen die Normandie, die er nach einem Sieg bei Tinchebray 1106 unter seine Kontrolle bringen konnte, während sein Bruder für den Rest seines Lebens in Gefangenschaft geriet. Allerdings war damit die Unterwerfung der Normandie nicht abgeschlossen; vielmehr kam es immer wieder zu Unruhen, die Heinrich bis zu seinem Tod bekämpfen musste.
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Schon einige Jahre zuvor, 1103, war es erneut zum Bruch mit dem Erzbischof gekommen. Anselm weigerte sich, dem König einen Treueeid zu leisten, und entschied sich dafür, erneut ins Exil zu gehen. Damit griff der auf dem Kontinent seit den 1070er-Jahren erbittert geführte Streit um die „Freiheit der Kirche“ von weltlichen Einflüssen auch auf England über. Da die Bischöfe und Erzbischöfe umfangreichen weltlichen Besitz kontrollierten, mussten auch die englischen Könige darauf bedacht sein, bei der Bischofswahl entscheidend mitzubestimmen. Zunächst wurde der Streit trotz seines grundsätzlichen Charakters relativ friedvoll geführt, doch trat 1105 kurzzeitig eine Verschärfung ein, als mit dem Grafen von Meulan einer der Ratgeber Heinrichs von Papst Paschalis II. exkommuniziert wurde und Anselm Maßnahmen gegen den König androhte. Heinrich zeigte sich daraufhin kompromissbereit, sodass es zu Verhandlungen kam, auch unter Beteiligung des für seine Kenntnisse des Kirchenrechts berühmten Bischofs Ivo von Chartres. Noch vor dem Ende des Investiturstreits auf dem Kontinent durch das Wormser Konkordat von 1122 wurde so schließlich nach französischem Vorbild im Vertrag von Westminster 1107 eine Einigung erreicht. Die Könige sollten künftig weder kirchliche Einkünfte einziehen noch die Bischöfe mit den geistlichen Insignien von Ring und Stab in ihr Amt einführen, und die Domkapitel waren von nun an die Institution, die über die Neubesetzung vakanter Bistümer entschied, doch musste die Wahl am königlichen Hof und in Gegenwart eines königlichen Vertreters durchgeführt werden. War ein Bischof oder Abt gewählt, musste er dem König für seinen weltlichen Besitz den Lehenseid leisten; erst danach konnte er geweiht werden. Insgesamt blieb die Stellung des Königtums gegenüber der Kirche in England relativ stark. Während der Regierungszeit Heinrichs kam es zu erheblichen Veränderungen im Rechtswesen und in der Verwaltung. Bald nach seiner Erhebung zum König verfügte er, dass sich die Angelsachsen nicht mehr nur an ihren eigenen, nur im angelsächsischen Recht enthaltenen Beweisverfahren orientieren durften, und erreichte so eine gewisse Annäherung der bisher streng getrennten Rechtsbereiche. Um 1108 bestätigte er dann die bereits in angelsächsischer Zeit eingerichteten Hundertschafts- und Grafschaftsgerichte. „Ich gestehe zu und befehle“, heißt es im königlichen Erlass, „dass in Zukunft in meinen Grafschaften und Hundertschaften [die Gerichte] an jenen Orten und Terminen tagen sollen, wie sie in der Zeit König Eduards tagten, und nicht anders.“12 Im selben Zusammenhang wurde zwar die Gerichtshoheit der Herren über ihre Vasallen bekräftigt, doch gleichzeitig festgelegt, dass die Grafschaftsgerichte für Streitfälle unter den Vasallen verschiedener Herren zuständig waren und dass Auseinandersetzungen zwischen den Baronen vom königlichen Gericht ent-
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schieden werden mussten. Der Vorrang der königlichen Gerichtsbarkeit und der Grafschaftsgerichte ließ sich jedoch wegen der häufigen Abwesenheit Heinrichs nicht durchsetzen; vielmehr gewannen die adligen Gerichte an Bedeutung. Dies spiegelt sich dann auch in den Leges Henrici, einer etwa 1114/18 entstandenen, vielfach rezipierten privaten Rechtssammlung, die kaum auf die Stellung des Königs eingeht und nichts von der Bedeutung der königlichen Gerichte erwähnt. Im Bereich der Verwaltung bildete sich in der Zeit Heinrichs I. erstmals eine königliche Kanzlei im engeren Sinne aus. Sie wurde vom Justiziar geleitet, der sich im Laufe der Zeit zum Stellvertreter des Königs bei dessen Abwesenheit entwickelte. Er stand zugleich dem obersten königlichen Gericht wie auch dem Schatzamt vor, dem exchequer oder scaccarium (diese Begriffe bezeichnen ursprünglich das große Rechenbrett, an dem die Abrechnungen der Grafschaftsbeamten, der sheriffs, vorgenommen wurden). Einen Einblick in die Arbeit dieser obersten ‚Finanzbehörde‘ vermittelt erst der 1177/79 entstandene »Dialog über das Schatzamt« (Dialogus de Scaccario), doch dürften die Verfahrensweisen um 1118, beim ersten Nachweis seines Bestehens, nicht wesentlich anders gewesen sein, auch wenn sie im Folgenden noch verbessert wurden. Im Schatzamt mussten die sheriffs vor einer Reihe von Mitgliedern des Hofs, der curia regis, zweimal im Jahr über ihre Einnahmen und Ausgaben Rechenschaft ablegen. Die Überschüsse waren dann an den königlichen Schatz abzuführen. Das erste erhaltene pipe roll, das die Abrechnungen von sheriffs dokumentiert, stammt aus dem Jahr 1130/31, und ab der Mitte des 12. Jahrhunderts wird die Überlieferung der pipe rolls zunehmend dichter. Heinrich konnte durch die Reformen in der Verwaltung den Einfluss der großen Barone zurückdrängen, ebenso dadurch, dass er zumeist niedrigere Adlige als sheriffs berief. Zugleich suchte er seine Stellung zu stärken, indem er an die Krone heimgefallene Lehen Mitgliedern der eigenen Familie übergab, so, wie er das neu geschaffene Herzogtum Lancaster seinem Neffen Stephan von Blois übertrug. Als Katastrophe erwies sich jedoch für Heinrich der Tod seines einzigen legitimen Sohns Wilhelm 1120 bei einem Schiffsunglück, dem neben zahlreichen anderen jungen Adligen auch weitere, illegitime, Söhne des Königs zum Opfer fielen. „Wilhelm […] ging auf sein Schiff zusammen mit einem großen Gefolge von Adligen, Kriegern, Knaben und Frauen“, heißt es bei John of Worcester. „Als sie den Hafen [von Barfleur] verließen und sich im Vertrauen auf die außerordentliche Ruhe des Wetters auf die Reise begaben, stieß das Schiff, auf dem sie segelten, nach kurzer Zeit gegen einen Felsen, und alle, die an Bord waren […], wurden von den Wellen verschlungen […].“13 Damit stellte sich nicht nur immer dringender die
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Nachfolgefrage, vielmehr war auch der Ausgleich mit den Anjou und damit ein Ende der Konflikte um die kontinentalen Besitzungen Heinrichs fraglich geworden, das durch die zuvor vereinbarte Ehe zwischen der Tochter des Grafen Fulk von Anjou, Mathilde, und Wilhelm erreicht werden sollte. Heinrich konnte erst mithilfe kontinentaler Verbündeter 1123/24 seine Herrschaft über die Normandie wieder stabilisieren. Als Erbin kam nunmehr an erster Stelle seine Tochter Mathilde infrage, die 1109, schon in jungen Jahren, mit dem römisch-deutschen König und späteren Kaiser, Heinrich V., verheiratet worden war. Dessen Tod 1125 bot die Gelegenheit, die Nachfolgeproblematik mit der Sicherung und Ausweitung des kontinentalen Besitzes zu verbinden. Mathilde, inzwischen etwa 25 Jahre alt, ehelichte im Juni 1128 den kaum 14 Jahre alten Gottfried von Anjou, der inzwischen das Erbe seines in das Heilige Land gerufenen Vaters angetreten hatte. Aus dieser Ehe sollten – trotz der Unterschiede und Spannungen zwischen den Partnern – drei Söhne hervorgehen, Heinrich, Gottfried und Wilhelm. In England hatte es bisher noch keine selbstständig regierenden Herrscherinnen gegeben, doch nun ließ Heinrich seine Tochter zur Thronerbin erklären; ihr sollten dann ihre Söhne nachfolgen. Allerdings blieb die ‚Kaiserin‘, wie Mathilde wegen ihrer ersten Ehe noch immer genannt wurde, durch ihre lange Abwesenheit von England eine Fremde, und auch ihre Ehe mit Gottfried von Anjou war ihrer Akzeptanz bei den normannischen Baronen wenig förderlich. Als Heinrich während eines erneuten Feldzugs in der Normandie im Dezember 1135 starb, entschieden sich deshalb einige Adlige, die englischen Bischöfe und die Bürger von London für den Neffen des Königs und Enkel Wilhelms des Eroberers, Stephan von Blois, den jüngeren Sohn von Heinrichs Schwester Adela, der lange am Hof Heinrichs gelebt hatte. Stephans älterer Bruder, Theobald Graf von Blois, Champagne und Chartres, wurde wohl vor allem deshalb übergangen, weil Stephan die größere Nähe zum verstorbenen König gehabt hatte und von allen Thronanwärtern am schnellsten reagierte. Seine Lebensbeschreibung, die vielleicht von Robert, Bischof von Bath, verfassten Gesta Stephani, hebt den schnellen Aufbruch Stephans nach England hervor, nachdem er vom Tod Heinrichs erfahren hatte. „Nachdem er mit einer sehr kleinen Begleitung […] gelandet war“, heißt es dort, „reiste er schnell nach London, der Hauptstadt, der Königin des ganzen Reiches. Bei seiner Ankunft war die Stadt sofort voller Aufregung und kam, um ihn mit Akklamationen zu begrüßen. […] Die Ältesten und Erfahrensten im Rat riefen eine Versammlung zusammen und einigten sich, indem sie kluge Voraussicht für den Zustand des Königreichs bewiesen, aufgrund eigener Initiative, einen König zu
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wählen. […] Alle betrachteten [… Stephan] als für diese Stellung geeignet sowohl aufgrund seiner hohen Geburt wie aufgrund seines guten Charakters. Als nun diese Argumente gehört worden waren, […] beschlossen sie ein Dekret in der Stadt, in dem sie ihm die Herrschaft übertrugen und ihn mit allgemeiner Zustimmung zum König beriefen.“14 Auch wenn sich Stephan auf diese Weise energisch den Thron gesichert hatte, gelang es ihm in den folgenden Jahren nur bedingt, seine Stellung zu behaupten, da er sich vielfach als schwacher und schwankender Herrscher erwies, der auch nicht immer bereit war, seine Zusagen einzuhalten. So huldigten ihm zwar bei einer feierlichen zweiten Krönung Ostern 1136 fast alle Großen des Reiches, und zudem konnte er 1137 auch seine Herrschaft über die Normandie stabilisieren, doch bildete sich seit 1138 vor allem im Westen aus Unzufriedenen eine Partei Mathildes, um Robert von Gloucester, einen illegitimen Sohn Heinrichs I. Mathilde hatte nach 1135 an ihrem Thronanspruch festgehalten und dafür bei anderen Fürsten um Unterstützung geworben. Als sie 1139 selbst nach England kam, begann ein wechselhafter Bürgerkrieg, der weite Teile des Landes, vor allem im Westen, verwüstete und die Stellung des Adels stärkte. 1141 schien schon die Entscheidung zugunsten Mathildes gefallen zu sein, als sie Stephan gefangen nehmen konnte und große Teile des Landes kontrollierte, doch löste ihre hochmütige Behandlung der Londoner im Juni einen Aufstand aus, der zu einer allgemeinen Erhebung für Stephan wurde. Damit schwang das Pendel zur anderen Seite, Stephan wurde freigelassen und erhielt die Gelegenheit zu einem Neuanfang. Doch führten die nun folgenden Kämpfe zu keiner Entscheidung. Während Mathilde bis 1148 in England blieb, gelang ihrem Mann, Gottfried von Anjou, zwischen 1141 und 1144 die Eroberung der Normandie. Ihr ältester Sohn, der gerade erst 15-jährige Heinrich, wurde als Nachfolger Gottfrieds von König Ludwig VII. von Frankreich mit der Normandie belehnt und übernahm schließlich auch die Führung in der Auseinandersetzung mit Stephan. Als der älteste Sohn Stephans, Eustace, im August 1153 frühzeitig verstarb, erschien dies den Zeitgenossen, so der Autor der Gesta Stephani, als Zeichen, dass „Gott, der alles bestimmt, was wir tun, den Herzog zur Herrschaft bringen und so dem hartnäckigen Kampf ein Ende bereiten wollte“.15 Wahrscheinlich war auf beiden Seiten eine gewisse Erschöpfung eingetreten – auch der Adel war langfristig an stabilen Verhältnissen interessiert –, sodass Erzbischof Theobald von Canterbury im Vertrag von Winchester vom November 1153 einen Ausgleich vermitteln konnte. Heinrich beendete den Konflikt und erkannte Stephan als König an. Dafür akzeptierte ihn Stephan als seinen Erben, unter Umgehung eines jüngeren
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Sohnes. Der Vertrag hatte noch Bestand, als Stephan vor Ablauf eines Jahres, am 26. Oktober 1154, verstarb. Der englische Bürgerkrieg führte zu einer deutlichen Schwächung der Königsgewalt gegenüber den partikularen Gewalten, Adel und Kirche. Schatzamt und Grafschaftsverwaltung blieben bestehen, wurden aber personell verkleinert. Die Barone gewannen aufgrund der Privilegien, die beide Herrscher gewährten, an Einfluss, und die Zahl der Herzogtümer wuchs von sechs auf 22. Da Papst Innozenz II. Stephan schon früh als König anerkannte, erhielt die Kirche 1136 mit der „Urkunde über die Freiheiten der englischen Kirche“, der Carta de libertatibus Ecclesiae Anglicanae, weitgehende Zugeständnisse, die die Stellung des Papsttums in der englischen Kirche stärkten und das Königtum weiter schwächten. Trotz einer Phase der Konsolidierung in den letzten Jahren der Herrschaft Stephans – mit der Rückgewinnung königlicher Einnahmen und Rechte, der Zerstörung von Burgen und der Erneuerung der königlichen Gerichtsbarkeit – hatte sich daran beim Herrschaftsantritt Heinrichs II. wenig geändert.
3. Die Zeit Heinrichs II. (1154–1189) Aufgrund des Ausgleichs zwischen den Bürgerkriegsparteien trat Heinrich II. 1154 seine Herrschaft zwar nominell als Erbe Stephans an, doch bedeutete dieser Regierungswechsel in verschiedener Hinsicht einen Neubeginn. So setzte sich Heinrich das Ziel, die infolge des Bürgerkrieges entstandenen anarchischen Verhältnisse zu beseitigen, und schuf so die Grundlagen für die weitere Entwicklung des englischen Rechtswesens. Zudem konnte er über einen wesentlich größeren kontinentalen Besitz als seine normannischen Vorgänger verfügen, nicht zuletzt durch seine Ehe mit Eleonore von Aquitanien. Er stieg damit zu einem der führenden europäischen Herrscher seiner Zeit auf, wurde aber zugleich in endlose Konflikte verstrickt, vor allem mit dem Lehnsherrn für seine französischen Besitzungen, dem französischen König. Eine Fortführung der Auseinandersetzungen der normannischen Zeit stellten dagegen die Konflikte mit der Kirche dar, die vor allem im Streit mit dem von ihm eingesetzten Erzbischof von Canterbury, Thomas Becket, aufbrachen. Folgenreich waren schließlich die Kämpfe innerhalb der Familie, die durch die Spannungen zwischen dem König und seinen Söhnen ausgelöst wurden und bis zum Tod Heinrichs anhielten. Der Festlandsbesitz, den Heinrich bei seinem Herrschaftsantritt in England 1154 kontrollierte, umfasste fast den gesamten Westen Frankreichs. Neben der Normandie als Erbe seiner Mutter hatte er von seinem Vater
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Anjou, Maine und die Touraine erhalten, und durch die Ehe mit Eleonore von Aquitanien übernahm er die Herrschaft in Aquitanien, Poitou und der Auvergne. Eleonore, gleichermaßen literarisch wie politisch begabt und interessiert, war zuvor mit Ludwig VII. von Frankreich verheiratet, dann aber von diesem angeblich wegen zu naher Verwandtschaft, tatsächlich aber wegen des Ausbleibens eines männlichen Erben in 14 Ehejahren geschieden worden. Ludwig setzte der erneuten Heirat Eleonores nichts entgegen, sah sich nun aber einer Machtkonzentration gegenüber, die seine eigene, wesentlich auf die Île-de-France beschränkte Position bei weitem übertraf. Das angevinische Reich erstreckte sich nunmehr, mit dem Zentrum um Tours, von Schottland bis zu den Pyrenäen. Ungeachtet seiner Komplexität und Ausdehnung wurde es – anders als das gleichzeitige römisch-deutsche Imperium – allein von der Person Heinrichs und seinen rastlosen Aktivitäten zusammengehalten. „Bald in Irland, bald in England, bald in der Normandie, scheint der König von England eher zu fliegen als das Pferd oder das Schiff zu besteigen“, soll der französische König nach Ralph of Diceto gesagt haben.16 Die dafür notwendige Energie ließ ihn bei seinen Untertanen nicht allzu beliebt werden, was auch eine Beschreibung seines Wirkens bei dem ihm nicht gerade wohl gesinnten Gerald von Wales in der Schrift über »die Eroberung Irlands« verdeutlicht: „In Zeiten des Krieges, die oft drohten, gönnte er sich kaum ein kleines bisschen Ruhe, um sich mit den Geschäften abzugeben, die noch anstanden, und in Zeiten des Friedens erlaubte er sich selbst weder Ruhe noch Erholung. Er liebte die Jagd über alle Maßen; am Beginn der Morgendämmerung war er bereits auf dem Rücken eines Pferdes aufgebrochen, durchquerte wüste Ländereien, drang in Wälder ein und kletterte auf Bergspitzen, und so verbrachte er ruhelose Tage. Am Abend nach seiner Rückkehr nach Hause konnte man ihn sowohl vor wie nach dem Abendessen selten sitzen sehen. Nach solchen großen und ermüdenden Anstrengungen konnte er den ganzen Hof durch ständiges Stehen in die völlige Erschöpfung treiben […].“17 Gerald wirft Heinrich im selben Zusammenhang unter anderem Verzögerung von Gerechtigkeit, Geiz und die Vermischung von geistlichen und weltlichen Angelegenheiten vor, zweifellos in Bezug auf den Konflikt mit Thomas Becket, doch waren dies – positiv gewendet – auch die Eigenschaften, mit denen der König sein Reich zusammenhielt. Nach seiner Krönung am 19. Dezember 1154 wandte sich Heinrich zunächst den inneren Problemen Englands zu. So ordnete er die Ausweisung der flämischen Söldner an, die das Land in den Diensten der Bürgerkriegsparteien terrorisiert hatten, befahl den Abbruch unrechtmäßig errichteter Befestigungsanlagen und die Rückgabe königlicher Burgen und
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Besitzungen an seine Amtsträger. Teilweise setzte er sich mit Gewalt durch, teilweise konnte er einen ‚Generationenwechsel‘ bei der Besetzung von earldoms und Bistümern für einen Neuanfang nutzen. Seine Kandidaten für die zentralen Ämter wählte er sowohl aus dem angevinischen Umfeld wie aus den ehemaligen Anhängern Stephans. Aus der ersten Gruppe übernahm Nigel, der Bischof von Ely, erneut die Position eines Schatzmeisters, und der Londoner Kleriker Thomas Becket wurde Ende 1154 oder spätestens Anfang 1155 zum Kanzler Heinrichs berufen. Die zweite Gruppe repräsentieren die Justiziare, Robert, der earl von Leicester, bis zu seinem Tode 1168 im Amt, und Richard de Lucy. Sie vertraten den König während seiner Abwesenheit in rechtlichen wie finanziellen Fragen. William of Newburgh hat in seiner »Englischen Geschichte« für diese Zeit auch den Einsatz Heinrichs im Rechtswesen hervorgehoben: „Überall im Königreich berief er Richter und Rechtspfleger, die die Kühnheit der bösen Menschen einschränken und Streitenden Gerechtigkeit entsprechend der besonderen Bedingungen ihres Falls zukommen lassen sollten. […] Wann immer einer seiner Richter zu milde oder zu streng handelte und er durch die Klagen der Männer der Grafschaft alarmiert wurde, wandte er das Mittel der königlichen Anweisung an und glich ihre Nachlässigkeit oder ihr Übermaß wirkungsvoll aus.“ 18 Auf diese Weise wurde nicht nur der innere Friede in England wiederhergestellt – nach William of Newburgh konnten nun in Anlehnung an die bekannte Bibelstelle Schwerter wieder zu Pflugscharen umgeschmiedet werden –, sondern auch Heinrichs Position war so gefestigt, dass er sich in Ruhe den kontinentalen Problemen zuwenden konnte. Zur Stabilisierung und Abrundung der angevinischen Besitzungen diente unter anderem ein 1158 von Thomas Becket ausgehandeltes Abkommen über die Heirat seines gleichnamigen Sohnes mit einer französischen Prinzessin. Obwohl das Paar 1160 erst etwa sechs und zwei Jahre alt war, zog Heinrich die Mitgift ein, das Vexin, eine an der Seine zwischen der Normandie und der französischen Krondomäne gelegene, lang umkämpfte Schlüssellandschaft. Zur selben Zeit konnte er – zunächst als Erbe seines Bruders, dann für seinen jüngeren Sohn Gottfried, der mit der Erbin des Herzogtums, der Tochter Conans IV., des earl von Richmond, verheiratet wurde – seinen Einfluss auch auf die Bretagne ausdehnen. Der Adel der Bretagne musste 1169 dem Sohn Heinrichs als Erben den Lehenseid leisten, und nach dem Tod Conans 1171 trat Gottfried ohne Probleme die Nachfolge an. Dagegen scheiterte 1159 der Versuch, mithilfe des ebenfalls durch eine Heiratsverbindung gewonnenen Grafen von Barcelona die faktisch fast selbstständige südfranzösische Grafschaft Toulouse zu erobern. Der Grund war das Eingreifen des französischen Königs, der sich selbst
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zur Verteidigung von Toulouse einfand, den aber Heinrich angesichts eines möglichen schlechten Beispiels für seine eigenen Vasallen nur halbherzig attackierte. 1161 ging Ludwig seinerseits gegen das Vexin vor, das Heinrich im Jahr zuvor als Mitgift seiner jungen Schwiegertochter übernommen hatte. Da beide Seiten wiederum nur bedingt zum Kampf bereit waren, kam es jedoch schnell zu einem Friedensschluss. Die Beziehungen zum römisch-deutschen Reich blieben auch in der Zeit Heinrichs II. freundlich, zumal er die Unterstützung Friedrich Barbarossas gegen den französischen König gewinnen wollte. Der englische König ging dabei wohl selbst so weit, in seinen Schreiben eine gewisse Unterordnung Englands unter das Imperium zuzugestehen. Als es Ende 1159 in Rom zu einer Doppelwahl kam, änderte sich jedoch die Situation grundlegend. Nun suchte Friedrich die Unterstützung der westeuropäischen Herrscher für ‚seinen‘ Gegenpapst, Viktor IV., der nur von zwei Kardinälen gewählt worden war, während sich die Mehrheit für den Kanzler der Kurie, Rolando Bandinelli, Alexander III., entschieden hatte. Allerdings einigten sich Heinrich und Ludwig VII. bald auf ein gemeinsames Vorgehen. Bei einem Treffen in Beauvais entschieden sie sich für die Anerkennung Alexanders, auch wenn der englische König die Bekanntgabe dieser Entscheidung mit der Zustimmung des Legaten zur Ehe seines Sohnes mit der französischen Prinzessin verband. Trotz dieser Entwicklung blieben Heinrichs Beziehungen zu Friedrich Barbarossa zunächst ungetrübt. 1165 entsandte der Kaiser seinen Kanzler Rainald von Dassel zu Heinrich nach Rouen, und es wurde eine doppelte dynastische Verbindung vereinbart, von der jedoch nur eine Ehe, die zwischen Heinrich dem Löwen, dem Herzog von Sachsen und Bayern, und Heinrichs ältester Tochter Mathilde zustande kam. Wenn Heinrich auch im Folgenden die Kontakte zum Kaiser und zu den von diesem protegierten Gegenpäpsten nicht abreißen ließ, dann vor allem deshalb, um den Papst am allzu energischen Eingreifen zugunsten des Erzbischofs von Canterbury, Thomas Becket, zu hindern. Erzbischof Theobald war im April 1161 gestorben, und da kein einhellig unterstützter kirchlicher Kandidat bereitstand, konnte Heinrich seinen Kanzler, Thomas, gegen den hinhaltenden Widerstand der englischen Bischöfe durchsetzen. Der im Mai 1162 gewählte Erzbischof war – wie aus seinen zahlreichen zeitgenössischen Biographien hervorgeht – der wohl 1120 geborene Sohn eines Londoner Kaufmanns normannischer Abstammung. Nach seiner Ausbildung in Merton, London und Paris trat er um 1143 in den Haushalt eines Verwandten und Freundes der Familie ein, bei dem er die kaufmännische Buchführung seiner Zeit lernte. Anschließend kam er in den Haushalt des Erzbischofs und stieg bald zu dessen Vertrau-
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ten auf. Nach und nach wurden ihm verschiedene kirchliche Ämter übertragen, und er erhielt die niederen geistlichen Weihen. Als sich Theobald sorgte, die Neuordnung Englands durch Heinrich II. könnte sich zum Nachteil der Kirche entwickeln, schlug er Thomas – der übrigens den Beinamen ‚Becket‘ nie selbst führte, sondern sich Thomas von London nannte – zum königlichen Kanzler vor. Nach seiner Ernennung um die Wende 1154/55 erwuchs nach anfänglichen Problemen eine enge persönliche Beziehung zu Heinrich II. Durch seine kirchlichen Ämter und vom König verliehenen Grundbesitz versorgt, begründete Thomas einen eigenen Haushalt, in den die großen Adligen Englands und Frankreichs ihre Söhne zur Ausbildung entsandten. Zwar beteiligte er sich auch an militärischen Unternehmen, blieb jedoch wohl trotz allem den Normen einer geistlichen Lebensführung verpflichtet. Als Kanzler lebte er fast ohne Unterbrechung am Hof Heinrichs und war bald nicht nur für die Ausfertigung von Schriftstücken zuständig, sondern wirkte in der königlichen Finanzverwaltung mit und vertrat die Interessen des Königtums auch gegenüber geistlichen Institutionen. Nach seiner Bischofsweihe im August 1162 wandte sich Thomas jedoch immer stärker seinem geistlichen Amt zu. Obwohl der König ausdrücklich wünschte, dass er seine weltlichen Aufgaben weiterhin wahrnahm, trat Thomas innerhalb eines Jahres nach seiner Wahl vom Amt des Kanzlers zurück. Nach William of Newburgh bedrückte ihn zudem die Erkenntnis, dass er sein Amt „wenig ehrenhaft und kanonisch, d. h. durch die Einwirkung und die Hand des Königs“ erhalten hatte, sodass er bereits im Mai 1163 in Tours vor dem Papst darauf verzichten wollte. Alexander soll ihm jedoch daraufhin, „seiner Handlung zustimmend, die Last des Hirtenamts durch die Hand der Kirche [wieder] auferlegt und den nachdenklichen Mann von der Wunde eines unruhigen Gewissens geheilt“ haben.19 Der Auslöser des Konflikts mit dem König war ein Streit um die geistliche Gerichtsbarkeit, die Heinrich beschränken und nach weltlichen Normen umgestalten wollte. So forderte er bereits im Oktober 1163 auf einer Synode zu Westminster, die geistlichen Instanzen sollten verurteilte Kleriker an die königliche Gerichtsbarkeit überstellen. Das war ein Angriff auf den mühevoll durchgesetzten eigenen geistlichen Gerichtsstand, auf das privilegium fori, dem sich der Erzbischof und die anderen Bischöfe entgegensetzen mussten. Der König verlangte daraufhin vom englischen Klerus, sich dem königlichen Gewohnheitsrecht zu unterwerfen. Als Thomas sich prinzipiell dazu bereit erklärte, aber auf der Wahrung seines geistlichen Standes beharrte, fand die Synode ein abruptes Ende. Ungeachtet dieses offenen Bruchs suchte Thomas noch einmal den Ausgleich, zumal ihm nicht alle Bischöfe folgten. So kam es im Januar 1164 zu
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einer Synode in Clarendon, einem Jagdhaus des Königs bei Salisbury. Zunächst forderte Heinrich, der Erzbischof und die anderen Bischöfe sollten sich öffentlich zu den Gebräuchen des Königreichs unter Heinrich I. bekennen, dann ließ er Grundzüge des ungeschriebenen Rechts in den so genannten »Konstitutionen von Clarendon« schriftlich niederlegen und verlangte die Besiegelung dieses Dokuments vom Klerus. Dass die darin enthaltenen Bestimmungen einmal gültiges Recht gewesen waren, war kaum umstritten, doch hatte sich die Stellung der Kirche seither gewandelt. Das galt z. B. für die 1107 getroffene Vereinbarung über die Einsetzung von Bischöfen (Abschnitt 12 der Konstitutionen), die der kontinentalen Praxis widersprach, ebenso für die Einschränkung kirchlicher Strafen (Abschnitte 5–7, 10), vor allem aber für die Unterwerfung von Klerikern unter die weltliche Gerichtsbarkeit: „Kleriker, die wegen irgendeiner Angelegenheit zitiert und beschuldigt und von dem Richter des Königs vorgeladen werden, sollen vor das Gericht des Königs kommen, um zu allen Vorwürfen Stellung zu nehmen, für die sich das königliche Gericht für zuständig hält“ (Abschnitt 3).20 So fand Heinrich für die Konstitutionen beim Klerus keine Unterstützung, und insbesondere der Erzbischof leistete ihm zuerst hinhaltenden, dann offenen Widerstand. Als der König daraufhin im Oktober 1164 auf der Synode von Northampton versuchte, Thomas durch verschiedene lehnsrechtliche Anklagen zu Fall zu bringen, appellierte dieser gegen die Vorschriften der »Konstitutionen von Clarendon« an den Papst und entzog sich schließlich einer Verurteilung wegen Hochverrats durch Flucht auf den Kontinent, zunächst zu Alexander III., der sich in Frankreich aufhielt, dann in die burgundische Zisterzienserabtei Pontigny. Es folgten jahrelange Verhandlungen, die erst 1169 aufgrund der größer werdenden Zahl der vakanten englischen Bistümer und im Hinblick auf die Krönung des ältesten Sohns des Königs, Heinrich, die nach der Tradition vom Erzbischof von Canterbury vorgenommen werden musste, Fortschritte machten. Allerdings scheiterte eine Übereinkunft, als Thomas im Januar dem König erklärte, „in der ganzen Sache, die zwischen euch und mir steht, mein Herr, unterwerfe ich mich eurer Gnade und eurem Willen“, dann aber ergänzte „unter Wahrung der Ehre Gottes“.21 Erst als Heinrich die Krönung seines Sohns vom Erzbischof von York vornehmen ließ und Thomas daraufhin die päpstliche Vollmacht erhielt, die daran Beteiligten zu exkommunizieren, leitete der König von sich aus Verhandlungen ein. Nach dem Ausgleich begegneten sich König und Erzbischof im Juli 1170, wie Thomas an den Papst schrieb, mit „einer so großen Vertrautheit, […] als wenn niemals zwischen uns irgendeine Zwietracht gewesen wäre“.22 Doch auch diesmal war der Konflikt nur ober-
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flächlich geschlichtet; die Rückgabe des erzbischöflichen Besitzes blieb unsicher, und Thomas entschloss sich zur Exkommunikation der an der Krönung Heinrichs des Jüngeren beteiligten Bischöfe. Als der König in der Normandie von Gerüchten hörte, der Erzbischof ziehe an der Spitze einer Schar von Rittern durch das Land, soll er – so nach einer anonymen Vita Beckets – in einem Wutanfall seine Ritter als Feiglinge beschimpft haben: „Wie könnt ihr es geduldig zulassen, dass ich so lange von einem gemeinen Kleriker verspottet werde!“23 Angesichts der Reaktion Heinrichs setzten vier seiner Ritter aus der Normandie nach Canterbury über, suchten den Erzbischof in seinen Privatgemächern auf und erschlugen ihn schließlich am 29. Dezember 1170 vor einem Altar seiner Kathedrale. Obwohl diese Tat überall mit Empörung aufgenommen wurde, hatte Heinrich nur wenige Konsequenzen zu tragen, ähnlich wie die Mörder, die zu Pilgerfahrten und Bußleistungen verurteilt wurden. Wenige Tage nach dem Erhalt der Nachricht ging der König auf einen Feldzug nach Irland, ohne das Eintreffen der päpstlichen Legaten abzuwarten, die den Mord untersuchen sollten. Als er sechzehn Monate später zurückkehrte, war der Weg für einen Ausgleich geebnet. Am 21. Mai 1172 beschwor Heinrich in Avranches in Anwesenheit zweier päpstlicher Legaten, dass er den Tod des Erzbischofs weder beabsichtigt noch gewünscht habe, auch wenn er ihn durch seine Worte ausgelöst haben könnte. Er musste sich zwar verpflichten, den Besitz des Erzstifts Canterbury in seiner Gesamtheit wiederherzustellen und die Exilierten wieder in ihre Ämter einsetzen zu lassen, selbst für mindestens drei Jahre auf einen Kreuzzug zu gehen und 200 Ritter für ein Jahr zur Verteidigung des Heiligen Landes auszustatten sowie die der Kirche feindlichen Regelungen – wie das Verbot der Appellation an den Papst – in England abzuschaffen, doch erreichte er im Folgenden weitgehende päpstliche Zugeständnisse. So konnte Heinrich die vakanten Bistümer bis 1174 überwiegend mit den von ihm vorgesehenen Klerikern besetzen, und bis 1180 folgte eine Einigung über Änderungen der »Konstitutionen von Clarendon«, bei der der König im Wesentlichen nur auf den Artikel über die Zuständigkeit von weltlichen Gerichten für Kleriker – nach Abschnitt 3 – verzichten musste, aber die Kontrolle über den weltlichen Besitz der Kirche behielt. Obwohl Heinrich in den Jahren nach der Ermordung Thomas Beckets die Politik der Konsolidierung seiner kontinentalen Stellung erfolgreich fortführte, durch Eheschließungen seiner Töchter mit Alfons VIII. von Kastilien und Wilhelm dem Guten von Sizilien, durch die feierliche Krönung seines Sohnes Richard in Poitiers 1172 sowie durch die Unterwerfung des Grafen Raimund V. von Toulouse unter seine Lehenshoheit 1173, wurde all dies durch die Rebellion von 1173–74 wieder infrage ge-
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stellt. Auslösendes Moment war die Unzufriedenheit der Söhne Heinrichs, die unter dem Einfluss ihrer in Poitiers Hof haltenden Mutter Eleonore realen Anteil an der Regierungsgewalt forderten. Als sich die Erwartungen Heinrichs des Jüngeren nicht erfüllten, ging er zu seinem Schwiegervater, Ludwig VII. von Frankreich. Der nun folgende Aufstand, an dem sich auch die großen Adligen beiderseits des Kanals beteiligten, drohte das angevinische Reich zu zerreißen. Allerdings waren die Aktionen der Gegner des alten Königs nicht miteinander koordiniert, und die Kirche, die hohen Amtsträger sowie die breiten Schichten der Bevölkerung auf dem Lande und in den Städten blieben ihm gegenüber loyal. Im Juli 1173 griffen Ludwig, der junge König und der Graf von Flandern von verschiedenen Seiten die Normandie an, doch mussten sich die Gegner Heinrichs nach anfänglichen Erfolgen zurückziehen. Als ein Versuch Heinrichs fehlschlug, seine Söhne unter großzügigen Bedingungen zum Ausgleich zu bewegen, verlagerten sich die Kämpfe nach England, das von der Normandie aus sowie durch Schottland und Flandern bedroht wurde. Heinrich überquerte daraufhin selbst den Ärmelkanal und konnte – nach viel beachteten Bußübungen am Grabe Thomas Beckets und Erfolgen der regionalen königlichen Amtsträger – mit den Anführern der Rebellion, dem earl von Norfolk und dem Bischof von Durham, Frieden schließen. Einen Monat nach seiner Ankunft in Canterbury war er erneut auf dem Weg in die Normandie, um dort einen letzten verzweifelten Angriff des französischen Königs auf Rouen abzuweisen. Schließlich unterwarf er mit einem Feldzug nach Poitou den letzten ihm noch widerstehenden Sohn, Richard. Am 30. September 1174 kam es in Montlouis bei Tours schließlich zum Ausgleich mit seinen Söhnen. Heinrich wies ihnen eigene Besitzungen und Einkommen zu, ohne Anteile an der Regierungsgewalt aus den Händen zu geben. Der in Gefangenschaft geratene König Wilhelm von Schottland musste rund zwei Monate später im Vertrag von Falaise die englische Lehnshoheit anerkennen; für alle an der Rebellion Beteiligten erfolgte eine allgemeine Amnestie. Allein Königin Eleonore blieb für die letzten Lebensjahre des alten Königs in mehr oder weniger strenger Haft. Allerdings gelang mit Ludwig VII. erst 1177 eine dauerhaftere Regelung der Probleme, und die Spannungen zwischen dem König und seinen Söhnen blieben bestehen und sollten in den folgenden Jahren wiederholt offen zu Tage treten. Heinrich nutzte die Erneuerung seiner Position, um in England nach der Rebellion von 1173–74 die innere Ordnung wiederherzustellen. Dazu erließ er unter anderem 1176 die »Assize von Northampton«, die auf der »Assize von Clarendon« von 1166 aufbaute. Diese Assizen – der Begriff
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meint ursprünglich sowohl ein Lehens- als auch ein Schwurgericht, dann aber im übertragenen Sinne ebenso eine Sammlung von Gesetzen – regelten die Bedingungen für die königlichen Reiserichter, die die Anklagen der ländlichen Gemeinschaften, der Hundertschaften und Dörfer, vor den königlichen Amtsträgern aufnehmen und entscheiden sollten, da die feudalen Richter zumeist keine konsequente Verfolgung von Straftaten betrieben. Bedeutsamer und folgenreicher waren jedoch die Assizen für ‚zivilrechtliche‘ Fälle. So ordnete Heinrich 1176 in Anknüpfung an ältere Regelungen die gerichtliche Untersuchung der Enteignung von Lehnsleuten an und verfügte weiter: „Sollte der Herr eines Lehens den Erben eines Verstorbenen den legalen Besitz [saisina] des Lehens des erwähnten Verstorbenen verweigern, das sie beanspruchen, sollen die Richter des Herrn Königs veranlasst werden, eine Untersuchung mithilfe zwölf gesetzestreuer Männer einzuleiten, welchen legalen Besitz der Verstorbene am Tag seines Todes hielt.“24 Zusammen mit einer 1179/80 erlassenen Assize über umstrittene Präsentationen für kirchliche Ämter war das der Anfang der »kleinen Assizen« (assisae parvae), bei denen – bis 1833 – eine Jury anstelle eines ordentlichen Gerichts über Fälle rechtswidriger Enteignung (novel disseisin), rechtswidriger Aneignung von Erbgut (mort d’ancestor) und Störung des Präsentationsrechts (darrein presentment) entschied. Weitere Bestimmungen der Assize von Northampton betrafen die Kontrolle der an den König zurückfallenden Lehen sowie der Verpflichtung zu militärischen Diensten durch die Reiserichter. Die Stellung der rechtmäßigen Besitzer eines Lehens – Besitz und Eigentum wurden begrifflich streng geschieden – wurde wohl 1179 mit der Einführung der »großen Assize« (assisa magna) weiter gestärkt, die es einem Lehensträger erlaubte, bei Besitzstreitigkeiten anstelle des zuständigen Lehnsgerichts des jeweiligen Grundherrn eine Jury aus zwölf Rittern der Grafschaft anzurufen. Die Waffen-Assize von 1181 legte die Bewaffnung jedes Freien, vom Ritter über den freien Landbewohner bis zum Bürger, fest. Danach hatten wiederum die Reiserichter die Ausstattung mit Waffen und die von den einzelnen Untertanen zu leistenden Dienste zu überprüfen. Verboten war der Export von Schiffen, Waffen und dafür geeignetem Material. Die Reiserichter rekrutierten sich zumeist aus der Gruppe professioneller Juristen, die sich um den königlichen Justiziar versammelt hatte, sowohl Kleriker als auch Laien umfasste und einen ‚Allgemeinen Gerichtshof‘ (common bench) in Westminster bildete, der auch bei Abwesenheit des Königs eine Kontinuität der Rechtsprechung gewährleistete. Dieser inneren Konsolidierung in England standen wachsende Probleme innerhalb der angevinischen Herrscherfamilie gegenüber, in die sich
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zunehmend auch der neue französische König, Philipp II. Augustus, einschaltete. Mit Ludwig VII. hatte sich seit 1177 ein freundlicheres Verhältnis eingestellt, unter anderem fassbar in Plänen für einen gemeinsamen Kreuzzug. Zunächst bestand dieses gute Einvernehmen auch nach 1180 unter Ludwigs Sohn Philipp fort, den Heinrich gegen die Grafen von Flandern und von Blois unterstützte. 1183 kam es jedoch angesichts der Erfolge Richards in Aquitanien zum offenen Konflikt zwischen den Söhnen Heinrichs, in dem sich der jüngere Heinrich und Gottfried mit zahlreichen Adligen verbanden. Als der junge König bald darauf erkrankte und starb, führte die Neuregelung der Erbschaftsfrage zu weiteren Spannungen. Richard war trotz der Aussicht auf England, die Normandie und Anjou nicht bereit, zugunsten des jüngsten Sohns, Johann, auf Aquitanien zu verzichten; vielmehr erzwang er 1185, dass Johann ohne Land blieb (daraus ergab sich sein späterer Beiname). Johann konnte auch nach dem Tod Gottfrieds in einem Turnier 1186 keine eigenen territorialen Ansprüche durchsetzen, während nun Philipp II. die Verwaltung der Bretagne für Gottfrieds posthum geborenen Sohn Arthur beanspruchte und in die Normandie einfiel. Die Spannungen eskalierten im Rahmen der Planungen für einen neuen Kreuzzug, der den Kreuzfahrerstaaten nach der Niederlage bei Hattin 1187 und der Eroberung Jerusalems zu Hilfe kommen sollte. Sowohl Heinrich und Richard wie auch Philipp II. nahmen das Kreuz, doch wollte Richard erst aufbrechen, wenn ihn sein Vater eindeutig zu seinem Nachfolger erklärt hatte. Als Heinrich, der zu diesem Zeitpunkt Johann bevorzugte, zögerte, kam es zur Annäherung zwischen Richard und Philipp und nach einem Treffen in Bonmoulins im November 1188 zum Aufstand des Sohnes gegen den Vater, dem sich auch der von Heinrich bevorzugte Johann anschloss. Nach und nach fielen die Barone von Anjou, Maine und der Touraine vom alten König ab, und schließlich unterwarf sich Heinrich am 3. Juli 1189 der Entscheidung des französischen Königs. Nach dem von Philipp diktierten Vertrag sollte er unter anderem einen neuen Lehenseid leisten, die Richard versprochene Prinzessin Alice an einen Vormund übergeben und eine „Reparationszahlung“ von 20 000 Mark Silber entrichten. Die Pläne für einen gemeinsamen Kreuzzug ließen sich jedoch nicht mehr verwirklichen, denn wenige Tage später starb Heinrich gebrochen in Chinon, vor dem Altar der Kirche, in die man ihn gebracht hatte.
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4. Richard Löwenherz und Johann Ohneland (1189–1216) Ähnlich wie nach dem Tod Wilhelms I. hundert Jahre zuvor waren auch die Jahre nach dem Tod Heinrichs II. 1189 durch Konflikte zwischen seinen Söhnen, Richard und Johann, geprägt, die nacheinander Heinrichs Erbe antraten. Nach populären, durch zahlreiche literarische und filmische Bearbeitungen beeinflussten Vorstellungen, die ihrerseits auf Chroniken des 13. Jahrhunderts zurückgreifen, könnte der Gegensatz zwischen beiden kaum größer sein. Dem „lion-hearted king“, Held und Kreuzfahrer Richard steht der unberechenbare, oft gewalttätige Johann gegenüber, dem die Großen des Landes die Magna Carta abtrotzten. Doch hat die Forschung dieses Bild längst relativiert. Während für Richard ebenfalls Probleme bei der Behauptung seines kontinentalen Erbes und ‚Fehler‘ während seiner Teilnahme am Kreuzzug sowie ähnliche Züge wie für Heinrich II. und für Johann herausgearbeitet wurden, verweist man für die Rebellion der Barone unter anderem auf die häufige Anwesenheit Johanns in England nach 1204, sein persönliches Eingreifen in die königliche Gerichtsbarkeit und sein weit reichendes Herrschaftsverständnis, das ihn fast zwangsläufig in Konflikt mit den nach Eigenständigkeit strebenden Großen bringen musste. Die für die englische Verfassungsentwicklung grundlegende Magna Carta erscheint zudem als Kompromiss, an dem auch die königliche Seite beteiligt war. Richard I. konnte zwar im Juli 1189 den angevinischen Besitz unangefochten übernehmen, doch ließen ihm die Konflikte darum – wie sein Einsatz für die Sache des Kreuzzugs – nur wenig Spielraum für die Regelung der Verhältnisse in England. Er hielt sich vor allem in Frankreich auf, reiste nach Sizilien, Zypern und ins Heilige Land, kam aber nur zweimal während seiner Regierungszeit in sein Königreich, vier Monate zu seiner Krönung am 3. September 1189, dann zwei Monate nach seiner Freilassung aus deutscher Gefangenschaft 1194, in erster Linie, um Steuern einzuziehen. Dies machte ihn in England wenig populär, sodass etwa der Autor der Gesta Henrici Secundi kritisch vermerkt, Richard sei „schlecht zu allen, schlechter zu seinen Freunden und am schlechtesten zu sich selbst“.25 Auch bildeten die mehr oder weniger deutlichen Ambitionen Johanns auf den Thron eine Gefahr, der Richard durch die Exilierung seines Bruders zu begegnen suchte. Zugleich hinterließ er jedoch eine unpopuläre und schwache Regentschaft unter dem Bischof von Ely, dem Kanzler und Justiziar William Longchamp. Williams arrogantes und tyrannisches Verhalten löste schon 1190 erhebliche Unruhe aus, und es wurde – nach Richard of Devizes – „ein Appell aller gegen den Tyrannen über das Meer zum König gebracht,
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doch der Tyrann ging als Erster über das Meer, […] rechtfertigte die ganze Reihe seiner Aktionen und Erhebungen vor dem König mit ein paar Worten [… und] kehrte zu den Engländern nicht weniger mächtig und blühend [als zuvor] zurück […]“.26 Richards unglückliche Personalentscheidung und das harte Vorgehen gegen seine Gegner gaben Johann Auftrieb, der sich an die Spitze der Opposition setzte, doch konnte ein offener Aufstand im Frühjahr 1191 durch die Entsendung Walters de Coutances, des Erzbischofs von Rouen, verhindert werden. William stellte sich daraufhin auf die Seite Johanns und versprach, ihm die Nachfolge zu sichern, falls Richard nicht mehr vom Kreuzzug zurückkehre. Nach weiteren Übergriffen erklärte der Erzbischof von Rouen aufgrund der ihm von Richard erteilten Vollmachten William schließlich für abgesetzt, und dieser musste – auch aufgrund des Drucks von Johann und seinen Anhängern – das Land verlassen. Johann suchte nun seinerseits die Situation zu seinem Vorteil zu nutzen, königliche Festungen in seine Hand zu bringen und sich als Stellvertreter des Königs zu etablieren, während sich Walter de Coutances nur mühsam als neuer Justiziar behauptete. Richard war während dieser Zeit durch den Kreuzzug gebunden, zu dem er nach der Regelung der kontinentalen Verhältnisse zusammen mit dem französischen König im Juli 1190 aufgebrochen war. Allerdings wurde bald klar, dass die beiden Heere aufgrund von Versorgungsproblemen nicht gemeinsam ziehen konnten – und damit ging auch die Eintracht zwischen beiden Königen verloren. Richard reiste von Marseille aus nach Messina, wo er sich im Winter 1190/91 zugunsten Tankreds von Lecce in die sizilischen Thronstreitigkeiten einschaltete. Als er sich dort entschloss, die Prinzessin Berengaria von Navarra zu heiraten, um seinen aquitanischen Besitz abzusichern, verärgerte er Philipp, der sich nur unter Zugeständnissen Richards bereit fand, die Verlobung mit seiner Schwester Alice zu lösen. Im April 1191 wandte sich Richard nach Zypern, das er von einem lokalen byzantinischen Machthaber eroberte, um es zuerst dem Ritterorden der Templer, später aber, 1192, dem abgesetzten König von Jerusalem, Guido von Lusignan, zu übergeben. Er kam so erst im Juni 1191 vor Akkon an, das – seit 1187 wieder in islamischer Hand – bereits seit 1189 von Guido und einer wachsenden Zahl von Kreuzfahrern belagert wurde. Ihnen hatte sich auch Philipp angeschlossen. Er kehrte jedoch nach der Eroberung Akkons im Juli 1191 nach Europa zurück, während Richard nun von Akkon aus die Rückeroberung Jerusalems plante. Obwohl er gewisse Erfolge gegen Saladin errang, konnte er nicht bis nach Jerusalem vorstoßen und musste sich 1192 mit einem dreijährigen Waffenstillstand zufrieden geben.
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In Europa war inzwischen die Lage für Richard bedrohlich geworden. Der französische König hatte aufgrund der vor Akkon offen ausgebrochenen Feindseligkeit Absprachen mit Heinrich VI. und Johann getroffen und plante vielleicht einen Übergriff, sodass sich Richard für den Weg über die Adria entschied. Als er infolge schlechten Wetters in die Umgebung von Wien ausweichen musste, wurde er im Dezember 1192 von Herzog Leopold von Österreich gefangen genommen, den er sich in Akkon ebenfalls zum Feind gemacht hatte. Leopold musste ihn jedoch im Februar 1193 an seinen Lehnsherrn, Kaiser Heinrich VI., ausliefern, dem die Gefangenschaft Richards gerade recht kam. Richard hatte in Sizilien den illegitimen Erben Tankred von Lecce gegen die Ansprüche der Gemahlin Heinrichs, Konstanze, unterstützt und Heinrich den Löwen sowie andere norddeutsche Gegner des Kaisers gefördert. Als es zu Verhandlungen über die Freilassung Richards kam, forderte Heinrich unter anderem wegen des Angriffs auf Zypern und des Verhaltens gegenüber Leopold von Österreich das immense Lösegeld von 150 000 Mark Silber und die Erfüllung verschiedener politischer Bedingungen, unter anderem einen Beitrag zum Ausgleich mit den Welfen. Unterdessen griff der französische König die Normandie an, eroberte das Vexin und belagerte Rouen, während Johann ihm einen Lehnseid leistete und die Ehe mit der einst mit Richard verlobten Schwester Philipps, Alice, versprach. Eleonore, Richards Mutter, sorgte allerdings dafür, dass die Lage in England stabil blieb, indem sie die Großen einen neuen Treueeid auf Richard leisten und Befestigungen anlegen ließ. Sie war auch zusammen mit Hubert Walter, den Richard noch in Gefangenschaft Ostern 1193 zum Justiziar berief, entscheidend daran beteiligt, dass die Bedingungen des im Juni erzielten Ausgleichs zwischen dem Kaiser und Richard eingehalten wurden, insbesondere die Zahlung des Lösegelds. Dieses wurde unter der Leitung des Justiziars durch besondere Hilfszahlungen und „Schildgelder“ (scutagia) der Untertanen aufgebracht. Überhaupt erwies sich Hubert Walter, nun Erzbischof von Canterbury, auch in den folgenden Jahren als fähiger Verwalter, der nach 1194 Kanzlei und Schatzamt reformierte. Richard hielt bereits seit dem April 1193 in Deutschland Hof und empfing Besuche, musste aber England vom Kaiser zu Lehen nehmen. Als der größere Teil des Lösegelds entrichtet war, konnte der König schließlich im Februar 1194 nach England zurückkehren. Obwohl die Gefangenschaft und die Lösegeldzahlung für Richard erhebliche Unruhe im Land ausgelöst hatten, hielt sich Richard diesmal sogar nur zwei Monate in England auf. Das wichtigste Ereignis dieser Phase beschreibt Ralph of Diceto so: „Acht Tage nach Ostern [17. April 1194] empfing [König Richard] zu Winchester aus den Händen Erzbischof
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Huberts von Canterbury die Krone des Königreiches.“27 Einige Forscher haben dies als feierliche Zeremonie des ‚Kronentragens‘ verstanden, doch handelte es sich wohl um eine erneute Krönung, die einen Neuanfang symbolisieren und die eigene Stellung bekräftigen sollte, zumal sich Richard nach seiner Freilassung nicht mehr an die Vereinbarungen mit dem Kaiser und an die Lehensauftragung gebunden fühlte. Vorrangig war für ihn jedoch, seinen verlorenen französischen Besitz wieder zurückzuerobern. Dies sollte ihn bis zu seinem Tod in Frankreich festhalten, obwohl Richard wahrscheinlich auch einen weiteren Kreuzzug plante. Nach einem Erfolg gegen Philipp II. und der Niederwerfung eines Aufstands wurde im Juli 1194 ein einjähriger Waffenstillstand vereinbart, den allerdings beide Seiten kaum einhielten. Erst Ende 1195 kam es nach neuen Kämpfen zum Friedenschluss: Richard musste im Vertrag von Louviers auf das normannische Vexin verzichten, erhielt aber die französischen Eroberungen an der Seine und im Berry wieder zurück. Auch dieser Vertrag setzte jedoch keinen Schlusspunkt. Vielmehr nutzte Richard den Frieden zur Umstrukturierung seiner Streitkräfte, zum Erschließen zusätzlicher Einnahmequellen und zum Aufbau von Bündnissen. So ließ er in England an fünf Orten Turniere veranstalten, deren Teilnehmer Gebühren entrichten mussten, und er verband sich mit den rheinischen Fürsten. 1196 folgte ein Ehebündnis mit Graf Raimund VI. von Toulouse, 1197 zog er die Grafen von Flandern und Boulogne durch ein Handelsembargo auf seine Seite, und 1198 griff er im Sinne von Innozenz III. in die deutsche Doppelwahl ein, während Philipp II. wegen der Verstoßung seiner Ehefrau mit dem Papst in Konflikt geriet. Zugleich sicherte sich Richard in der Normandie durch die Wiederherstellung und Neuanlage von Burgen ab, vor allem durch den Bau von Château Gaillard im Seinetal, das in den letzten Jahren zu seinem ‚Hauptquartier‘ wurde. Auf dieser Grundlage konnte er im Juni 1198 einen Angriff Philipps abwehren und das Vexin zurückerobern. Dann aber führte Richards überraschender Tod, infolge einer Pfeilwunde, die er im März 1199 bei der Belagerung eines Lehensmanns im Limousin erlitt, eine Wende herbei. Bisher hatte Philipp Johann gegen Richard unterstützt, und nun konnte er erneut – und diesmal erfolgreicher – einen zweiten Anwärter auf den englischen Thron ins Spiel bringen, Johanns Neffen Arthur, den Sohn Gottfrieds von der Bretagne. Richard hatte sich auf dem Totenbett für Johann entschieden, und so fand Arthur zunächst nur in der Bretagne und in Teilen von Anjou, in Le Mans, Angers und Tours Anerkennung. Johann sicherte sich zunächst Ende April die Normandie, setzte dann nach England über und wurde am 27. Mai 1199 gekrönt. Richards Politik hatte die
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Kassen geleert und die Untertanen gegen das Königtum aufgebracht, doch musste auch Johann den kontinentalen Problemen Rechnung tragen und kehrte Ende Juni auf das Festland zurück. Philipp Augustus forderte für Johanns Anerkennung als Richards Erbe das gesamte Vexin sowie Anjou, Maine und die Touraine für Arthur, der inzwischen am Hof in Paris lebte. Als Johann sich daraufhin mit Flandern und Boulogne verband, Frankreich aber wegen der Scheidung des Königs vom Papst mit dem Interdikt – dem Verbot aller gottesdienstlichen Handlungen mit Ausnahme von Taufen und der Erteilung der Sterbesakramente – belegt wurde, musste Philipp im Mai 1200 im Vertrag von Le Goulet Johann die angevinischen Besitzungen bestätigen. Allerdings fand sich der englische König seinerseits bereit, 20 000 Mark Silber zu zahlen und auf das normannische Vexin sowie umstrittene Gebiete im Berry zu verzichten. Letztere galten als Mitgift für Johanns Nichte Blanche von Kastilien, die Philipps Erben, den künftigen Ludwig VIII., heiratete. Trotz dieses (Teil-)Erfolgs erwies sich als folgenreich, dass Johann in seinem Streit um die Rechte Arthurs 1200 prinzipiell das Urteil des Parlement de Paris, des obersten feudalen Gerichtshofs in Frankreich, anerkannt hatte, das zu seinen Gunsten ausgefallen war. Unter anderen Vorzeichen konnte sich eine Entscheidung jedoch auch gegen ihn richten. Dies zeichnete sich schon nach der Heirat Johanns mit Isabella von Angoulême im August 1200 ab, die zwar Johanns Stellung in Aquitanien stärkte, aber die Rebellion der Familie der Lusignan auslöste, da Isabella zuvor bereits dem Grafen Hugo (IX.) versprochen worden war. Nachdem der Aufstand erfolglos blieb, appellierten die Lusignans an Philipp als obersten Lehnsherrn. Der französische König schaltete zunächst die Barone der Region ein, nahm dann jedoch eine erneute Appellation der Lusignan auf und ließ Johann als Herzog von Aquitanien an den französischen Hof laden, wo er auf die Anklagen antworten sollte. Als dieser nicht erschien, ließ er ihm am 28. April 1202 wegen Missachtung des Gerichts alle von der französischen Krone gehaltenen Lehen entziehen. Bald darauf schritt Philipp zur Umsetzung des Urteils. Die Normandie und die Touraine sollten der Krondomäne hinzugefügt werden, Arthur die Bretagne, Maine, Anjou und Aquitanien erhalten. Das folgende militärische Unternehmen, bei dem beide getrennt operierten, endete jedoch mit einem Fehlschlag, denn Anfang August gerieten Arthur und seine Begleiter, unter anderem die Lusignans, in Johanns Gefangenschaft. Letztere kamen bald gegen Lösegeld frei, doch wurden andere Gefangene weniger gut behandelt. So sollen 22 Männer in der Burg Corfe verhungert sein, und bald hieß es, der König habe seinen Neffen ermordet, obwohl dies – zumindest zu diesem Zeitpunkt – noch nicht stimmte. Auch der Autor
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der Annalen der Zisterzienserabtei Margan behauptet, Johann habe „nach dem Essen, trunken und voll bösen Geistes, ihn mit der eigenen Hand erschlagen und, nachdem er einen schweren Stein an den Leichnam gebunden hatte, in die Seine geworfen“.28 Ob dieser Vorwurf zutraf oder nicht, das Verhältnis zwischen dem König und seinen kontinentalen Baronen verschlechterte sich nunmehr zusehends, und Philipp II. konnte seinen Einfluss immer mehr geltend machen. Während Johann im Dezember 1203 nach England zurückkehren musste, fielen 1204 und 1205 nach und nach die Normandie und Anjou an den französischen König. Ein erfolgreicher englischer Feldzug trug jedoch 1206 dazu bei, die Stellung Johanns im Erbe seiner zwei Jahre zuvor verstorbenen Mutter zu festigen, sodass zumindest der Südwesten Frankreichs für längere Zeit (bis 1453) mit England verbunden blieb. Zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich jedoch bereits die nächste Auseinandersetzung ab, mit Papst Innozenz III., zu dem zuvor ein gutes Verhältnis bestanden hatte. Anlass war die Besetzung des Erzbistums Canterbury nach dem Tod des Kanzlers Hubert Walter (1205). Als sich das für die Wahl zuständige Kathedralkapitel nicht mit den englischen Bischöfen einigen konnte, vermittelte Johann und setzte schließlich einen eigenen Kandidaten durch, John Grey. Der vom Kapitel informierte Papst forderte daraufhin eine Neuwahl und schlug mit Stephen Langton einen Engländer an der Kurie vor, der zwar vom Kapitel, nicht aber vom König akzeptiert wurde. Ungeachtet dessen ließ der Papst Stephen am 17. Juni 1207 zum Erzbischof weihen und übergab ihm das Pallium als Zeichen seiner erzbischöflichen Würde. Als Johann daraufhin das Kapitel auswies, reagierte Innozenz mit der Androhung eines Interdikts. Verhandlungen blieben ohne Ergebnis, sodass das Interdikt im Frühjahr 1208 in Kraft trat. Obwohl dies zweifellos für die Menschen einen schweren Einschnitt darstellte, konnte sich Johann zunächst behaupten. Während der englische Klerus seinen eingezogenen Besitz freikaufen durfte, wurden vakante kirchliche Ämter (und damit die Einnahmen) von königlichen Amtsträgern verwaltet. Zu Problemen führten jedoch wachsende Spannungen zwischen dem König und den Baronen, die seinen Bemühungen zur Behauptung und Intensivierung seiner Herrschaft, dem Aufbau einer Kriegskasse und einer Flotte sowie der Reform der Landesverteidigung, zunehmend ablehnend gegenüberstanden. Die Barone an der Grenze zu Schottland und Wales konnte Johann 1208/09 erfolgreich unter Kontrolle halten, unter anderem, indem er den schottischen König Wilhelm zum Lehnseid zwang. Im Sommer 1210 festigte er zudem mit einem Unternehmen unter Beteiligung von John Grey seine Stellung in Irland, nachdem sich einige Barone dorthin zurückgezogen hatten. Als jedoch Philipp von Frankreich
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erneut Poitou und Aquitanien bedrohte und der englische König eigentlich finanziell und diplomatisch besser auf den Konflikt vorbereitet war, kam es erstmals zum offenen Widerstand gegen Johann, während Gerüchte über seine Absetzung durch den Papst umliefen. In dieser Situation entschloss sich Johann, Innozenz entgegenzukommen. Er unterwarf sich der kirchlichen Buße, versprach die Einsetzung der nach England zurückkehrenden Kleriker in ihre Ämter und die Rückgabe eingezogener Güter. Dafür erhielt er das Recht, für den weltlichen Besitz der Bischöfe und Erzbischöfe Lehnseide einzufordern. Noch weitreichender war ein zweiter Schritt, den der König vielleicht in Abstimmung mit den Baronen vornahm. Im erklärten Bewusstsein, „in vielen Dingen gegen Gott und unsere Mutter, die heilige Kirche, gesündigt“ zu haben, übergab er im Mai 1213 „Gott und seinen heiligen Aposteln Petrus und Paulus und der heiligen römischen Kirche, unserer Mutter, und unserem Herrn, Papst Innozenz, und seinen rechtgläubigen Nachfolgern das gesamte Königreich England und das gesamte Königreich Irland, mit allen Rechten und mit allem Zubehör, für den Erlass unserer Sünden und jener unseres ganzen Geschlechtes, für die Lebenden wie auch für die Toten“, und nahm seine Reiche im Anschluss daran gegen den jährlichen Zins von 1000 Mark (über 230 Kilogramm) Silber vom Papst zu Lehen.29 Zwar zog sich die Aufhebung des Interdikts noch bis zum Juli 1214 hin – Langton war bereits ein Jahr zuvor nach England zurückgekehrt –, doch konnte Johann seine Unterwerfung bald zu seinem Vorteil wenden. Der Papst stand fortan als Lehnsherr durchgängig auf seiner Seite, und zusammen mit dem päpstlichen Legaten gewann der König auch auf die Besetzung der vakanten Bistümer entscheidenden Einfluss. Als sich der Erzbischof übergangen fühlte, kam es sogar zu einer Entfremdung zwischen ihm und dem Papst, bis hin zu einer Suspension Langtons 1215, die ihn an die Seite der Barone führte. Obwohl die Auseinandersetzung mit der Kirche beigelegt war, sah sich Johann zwei Kräften gegenüber, die er nicht gleichzeitig kontrollieren konnte: der französischen Bedrohung und dem wachsenden Widerstand der Barone. So musste er, als sich die Barone gegen ihn stellten, einen erneuten Versuch, die Normandie zurückzuerobern, im Sommer 1213 schon auf den Kanalinseln abbrechen; und eine schwere Niederlage in Frankreich sollte zum offenen Aufstand der Barone führen, die von Johann eine schriftliche Bestätigung ihrer Rechte forderten. Johann suchte zunächst gegen Frankreich den Durchbruch zu erzielen und zog im Februar 1214 nach Poitou. Da er aber gegen den französischen Kronprinzen, den späteren Ludwig VIII., im entscheidenden Moment von seinen aquitanischen Verbün-
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deten im Stich gelassen wurde, blieb ihm beim eigentlichen Konflikt nur eine Zuschauerrolle. Während er noch Verstärkungen aus England anfordern musste, trafen englische Truppen unter dem earl von Salisbury am 27. Juli 1214 bei Bouvines (zwischen Tournai und Lille) zusammen mit ihren Verbündeten, den Grafen von Flandern und Boulogne sowie Kaiser Otto IV., auf das Heer Philipps II. Der eindeutige Sieg der Franzosen markiert einen Wendepunkt der europäischen Geschichte. Er ließ Frankreich endgültig zu einer christlichen Führungsmacht werden, während Johanns Hoffnungen, die verlorenen angevinischen Territorien zurückzugewinnen, nur noch gering waren. Er musste mit Philipp einen (auf fünf Jahre befristeten) Waffenstillstand schließen, eine Kontribution von 60 000 Pfund zahlen und kehrte mit leeren Händen und leeren Kassen nach England zurück. Dort stieß er jedoch auf den Widerstand der Barone, als er versuchte, von jenen, die keine Kontingente entsandt hatten, ein Schildgeld von jedem Ritterlehen einzuziehen. Insbesondere die nord- und ostenglischen Barone (die Norenses oder Boreales der Quellen) sahen sich nicht in der Pflicht, den König bei seinen Unternehmen auf dem Kontinent zu unterstützen, aber auch andere Große verweigerten sich. Zwar ist der Eindruck irreführend, den zeitgenössische Chronisten wie Roger of Wendover – wohl auch aufgrund ihrer Parteinahme für die Rebellen – vermitteln, die Mehrheit der Barone habe diese Haltung eingenommen, denn viele verhielten sich neutral oder blieben auf der Seite Johanns. Doch war die Entwicklung zweifellos bedrohlich, zumal sich die Gegner zum gemeinsamen politischen und militärischen Handeln entschlossen. Im November 1214 trafen sie sich in Bury St. Edmunds in Suffolk und beschlossen, gegen Johann vorzugehen, wenn er ihnen nicht jene Rechte bestätigte, die einst Heinrich I. 1100 in seiner Krönungscarta zugestanden hatte. Der König wurde Anfang Januar 1215 mit den Forderungen konfrontiert, bat jedoch um Zeit für eine angemessene Antwort. Da sich der Erzbischof von Canterbury und William Marshal dafür verbürgten, dass er antworten würde, gaben sich die Rebellen vorerst damit zufrieden. Johann suchte sich aber durch eine noch engere Bindung an die Kirche abzusichern. Im März 1215 „nahm er das Kreuz des Herrn“, wie Roger of Wendover vermerkt, „mehr durch Furcht als durch Frömmigkeit bewegt“.30 In der Folge ermahnte Innozenz zwar den König, berechtigte Forderungen anzunehmen, warnte aber die Barone vor jedem Ansatz von Rebellion. Diese ließen sich dadurch aber nicht mehr davon abhalten, ihren Forderungen durch Waffengewalt Nachdruck zu verleihen. Nach Ostern kam es zu Verhandlungen in Brackley, nördlich von Oxford, allerdings ohne Ergebnis. Johann soll auf die Übermittlung der baronialen
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Haltung gesagt haben: „Warum fragen die Barone neben all diesen ungerechten Forderungen nicht gleich nach meinem Königreich? Leer und illusionär […] sind ihre Forderungen und lassen sich durch keinen vernünftigen Grund rechtfertigen.“31 Damit begann der offene Konflikt. Die Führung des wohl nicht allzu starken Rebellenheers übernahm Robert Fitz Walter, als „Marschall der Armee Gottes und der Heiligen Kirche“, der allerdings zuvor in militärischen Auseinandersetzungen wenig erfolgreich gewesen war. Da die Belagerung Northamptons fehlschlug, zog man nach Bedford. Als in dieser Situation führende Londoner Bürger den Rebellen die Stadt öffnen wollten, fand sich Johann unter Vermittlung des Erzbischofs und William Marshals zu Verhandlungen bereit. Das Ergebnis war – wohl nach mehreren Vorstufen wie der »unbekannten Freiheitsurkunde« und den »Artikeln der Barone« – die Magna Carta, die am 15. Juni 1215 ausgefertigt wurde. Nachdem wenige Tage darauf 25 Barone als „Ausführende“ eingesetzt worden waren, erneuerten die Rebellen ihren Lehnseid gegenüber Johann und bekräftigten den Friedensschluss. Die 63 Artikel umfassende Magna Carta ist vor allem ein feudales Privileg, geht jedoch in einigen Teilen weit darüber hinaus. So werden bereits im ersten Artikel, der wohl vor allem die Vorstellungen Langtons aufgreift und die Freiheit der Kirche und kirchlicher Wahlen zugesteht, die in der Urkunde gewährten Rechte dauerhaft „allen freien Männern unseres Königreichs“ zugesichert. Artikel 38 sagt zu, dass keine Anklage ohne glaubwürdige Zeugen erfolgen soll, und im berühmten Artikel 39 heißt es: „Kein freier Mann soll gefangen, inhaftiert, enteignet, für gesetzlos erklärt, exiliert oder auf irgendeine Weise geschädigt werden, noch werden wir gegen ihn vorgehen oder vorgehen lassen, außer aufgrund des rechtmäßigen Urteils der ihm Gleichgestellten oder aufgrund des Gesetzes des Landes.“32 Allgemeine Gültigkeit konnten auch die Artikel beanspruchen, die ein maßvolles und rechtmäßiges Vorgehen bei der Festsetzung von Bußen und bei der Durchsetzung königlicher Rechte versprachen. Daneben regelten zahlreiche weitere Artikel feudalrechtliche Probleme, so in Bezug auf Erbe, Vormundschaft, Ehe und Schulden. In denselben Zusammenhang gehören die Artikel 12, 14 und 15, die die Erhebung der umstrittenen Schildgelder und der Hilfszahlungen einschränkten und nur bei Zustimmung der geistlichen und weltlichen Großen erlaubten. Die Zusage von dafür einzuberufenden Versammlungen hatte keinen Bestand, war jedoch in gewisser Hinsicht ein erster Schritt in Richtung auf das sich seit der Mitte des 13. Jahrhunderts ausbildende Parlament. Wesentlich waren auch die Artikel über die königlichen Forste und über die Rückgabe von Burgen und Ländereien, die Johann und seine Vorgänger ein-
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gezogen hatten. Daneben wurden die Freiheiten Londons und der anderen Städte und Flecken sowie die Gerichtshoheit der Grafschaften und Hundertschaften bestätigt, und Kaufleute durften in Friedenszeiten frei umherreisen. Andere Artikel regelten Fragen der Rechtsprechung, so die Trennung der Zivilgerichtsbarkeit der communia placita (common pleas) vom Hof (Artikel 17) sowie die Zusagen, Verfahren weder zu verhindern noch zu verzögern oder käuflich werden zu lassen (Artikel 40) und als königliche Amtsträger nur Personen einzusetzen, die mit dem englischen Recht vertraut waren (Artikel 45). Einer der letzten Artikel der Magna Carta formuliert ein baroniales Widerstandsrecht. Falls sich der König oder seine Amtsträger nicht an die Zusagen hielten und auf Mahnungen nicht reagierten, sollten „jene 25 Barone uns zusammen mit der Gemeinschaft des Landes (cum communa tocius terre) auf jede Weise stören und belästigen, wie sie können, insbesondere durch die Einziehung von Burgen, Land und Besitzungen, bis nach ihrem Urteil Entschädigung geleistet ist.“33 Obwohl Johann auch durch die Ablösung von unbeliebten Amtsträgern Entgegenkommen signalisierte – so folgte Hubert de Burgh Peter des Roches als Justiziar –, ergaben sich Probleme bei der raschen Umsetzung der Vereinbarungen, sodass sich die Barone weigerten, London zu räumen. Noch bevor die päpstliche Annullierung der Magna Carta England erreichte, brach angesichts wachsender Spannungen der offene Bürgerkrieg aus. Im Besitz der königlichen Burgen und unterstützt von Baronen der walisischen und irischen Marken wie William Marschal, den earl von Pembroke, konnte Johann auf einem Feldzug vom September bis Dezember 1215 die Ländereien der Rebellen erobern und sie in London isolieren. Diese suchten daraufhin auswärtige Unterstützung, zunächst beim schottischen König, dessen Eingreifen Johann jedoch verhinderte, dann in Frankreich. Der französische Kronprinz Ludwig (VIII.) war mit einer Enkelin Heinrichs II. verheiratet. Er beanspruchte nun den englischen Thron mit dem Argument, Johann sei ein Usurpator, der noch unter Richard I. als Hochverräter und danach als Mörder seines Neffen Arthur verurteilt worden sei. Im Mai 1216 landete er mit seinen Truppen unbehelligt in England und zog bald darauf, da sich ihm Johann nicht entgegenstellte, in London ein, wo ihm die Rebellen den Lehenseid leisteten. Damit begannen monatelange Kämpfe, in denen sich Johann mehr oder weniger erfolgreich den Angriffen der Rebellen und der Franzosen entgegenstellte. Die Situation war noch nicht entschieden, als der König in der Nacht vom 18. zum 19. Oktober 1216 an einem Fieber starb und in der Kathedrale von Worcester bestattet wurde.
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5. Die Zeit Heinrichs III. (1216–1272) Nach dem vorzeitigen Tod Johanns waren es eine kleine Gruppe von Baronen und die Kirche, unter anderem vertreten durch den päpstlichen Legaten Guala, die seinem erst neunjährigen Sohn Heinrich das Erbe sicherten. Heinrich wurde aus dem Süden geholt und nach Gloucester gebracht. Dort fand am 28. Oktober 1216 – wohl weil man dem in England anwesenden ‚Gegenkönig‘ Ludwig etwas entgegensetzen wollte – eine Krönung statt, die allerdings in Abwesenheit des Erzbischofs von Canterbury der Bischof von Winchester, Peter des Roches, vornahm. Nach diesem ersten Schritt musste die Frage der Regentschaft geklärt werden. Obwohl Heinrich formal den Lehnseid gegenüber dem Papsttum erneuert hatte, kam der Legat wegen der schwierigen militärischen Lage nicht als Regent infrage. Dagegen bot sich an, William Marshal mit dieser Aufgabe zu betrauen, der schon seit der Zeit Heinrichs II. in Diensten des Königtums gestanden hatte und über großes Ansehen unter den Baronen verfügte. Er war jedoch zunächst nicht bereit, diese Aufgabe zu übernehmen, und gab erst dem Drängen einiger Barone und des Legaten nach. Während Heinrich Peter des Roches anvertraut blieb, übernahm William die Leitung der Regentschaft, zunächst unter dem Titel eines Justiziars, dann aber – weil mit Hubert de Burgh der bereits von Johann eingesetzte Justiziar im Amt verblieb – als „Regent des Königs und des Königreichs“ (rector regis et regni). Obwohl im Oktober 1216 kaum mehr ein Viertel der Barone loyal zum Königshaus stand, bedeutete der Regierungsantritt Heinrichs die Chance für einen Neuanfang. So kamen in den beiden folgenden Monaten 18 der Rebellen mit Geleitbriefen zum König oder zum Regenten, um gegen die Rückgabe entzogenen Besitzes und andere Zugeständnisse einen Wechsel auf die Seite Heinrichs anzubieten. Ein weiterer wesentlicher Schritt war jedoch, dass die Anhänger Heinrichs am 12.November 1216 die Magna Carta erneuerten, was der Rebellion ihre rechtliche Grundlage entzog, auch wenn dabei kontroverse Artikel der ersten Fassung – etwa die Bestimmung über das baroniale Widerstandsrecht und die Kontrolle durch 25 Barone – ausgelassen und einige Fragen – so die Erhebung der Schildgelder und die Stellung der königlichen Forste – einer späteren Entscheidung vorbehalten wurden. Die Magna Carta, noch von Innozenz III. energisch bekämpft, verwandelte sich so mit Unterstützung des päpstlichen Legaten in die Krönungscarta Heinrichs III. Sie wurde zur Grundlage der königlichen Herrschaft in England und der weiteren Verfassungsentwicklung, zumal zahlreiche Erneuerungen folgten. Allerdings war damit militärisch wenig gewonnen. Während die Anhän-
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ger des Königs den Westen und die Midlands kontrollierten, blieben die Rebellen im Norden und Südosten stark. Ein Durchbruch gelang erst im August 1217, als die königliche Flotte unter Hubert de Burgh den von Ludwig dringend benötigten Nachschub unterbinden konnte, indem man die französischen Schiffe angriff und zur Rückkehr auf den Kontinent zwang. In der Folge wechselten immer mehr der Rebellen auf die Seite Heinrichs, und der französische Thronfolger musste sich zu Friedensverhandlungen bereit finden. Im September 1217 verzichtete er gegen eine finanzielle Entschädigung auf die weitere Hilfe für die Rebellen, während diesen eine allgemeine Amnestie und die Rückgabe ihrer Güter zugesagt wurden. Bald wurde auch mit dem walisischen Fürsten und dem schottischen König, die die Rebellen unterstützt hatten, Frieden geschlossen. Auf diese Weise konnte die englische Königsherrschaft rascher als erwartet wiederhergestellt werden, auch wenn noch eine innere Konsolidierung folgen musste. Dazu wurden im Oktober und November 1217 im „Großen Rat“ weitere Maßnahmen diskutiert. Eine erster Schritt war eine weitere Erneuerung der Magna Carta, diesmal faktisch schon in ihrer endgültigen Gestalt. Dabei gewann der feudale Charakter des Privilegs an Bedeutung. So wurde verboten, Land zu entfremden, indem man die damit verbundenen Leistungen nicht mehr erfüllte oder das Land von der Kirche zu Lehen nahm. Die Barone waren nur dann gehalten, die ihnen verliehenen Rechte auch an ihre Untertanen weiterzugeben, wenn dies nicht die vom König gewährten Privilegien einschränkte. Die Regelungen über die königlichen Forste, die eigene – nur teilweise aus Wald bestehende – Rechtsbezirke unter königlichen Amtsträgern bildeten und unter Heinrich II., Richard I. und Johann erheblich ausgeweitet worden waren, wurden in einer eigenen Urkunde zusammengefasst, die in der Folge immer zusammen mit der Magna Carta bestätigt wurde. Gebiete, die seit der Zeit Heinrichs II. in Forst umgewandelt worden waren, wurden in den alten Rechtsstatus zurückversetzt, während der Einfluss der königlichen Gerichtsbarkeit eingeschränkt wurde. Obwohl dies einen Erfolg der Barone darstellte, der selbst über die Magna Carta von 1215 hinausging, kam es – nicht zuletzt in Bezug auf die Durchsetzung – auch im Folgenden immer wieder zu Konflikten. Seit November 1217 arbeitete auch die reguläre königliche Verwaltung wieder, insbesondere das Schatzamt, und für Heinrich wurde das große Siegel angefertigt, das bei der Besiegelung feierlicher Urkunden Verwendung fand. Im folgenden Jahr begann eine Untersuchung durch die königlichen Reiserichter, die mithilfe lokaler juries die Rechte des Königs, die Stellung seiner Amtsträger, Ansprüche auf Ländereien und Vormundschaften, königliche Kirchenpatronate und die Entfremdung königlichen
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Besitzes ermitteln sollten. Ende 1218 wurde Guala durch den Legaten Pandulf ersetzt, der England schon aus der Zeit Johanns kannte und bis zu seiner Abberufung im Herbst 1221 wesentlich an der Regentschaft beteiligt war. Im April 1219 legte jedoch William Marshal sein Amt aus gesundheitlichen Gründen nieder und starb im Monat darauf. Die Berufung eines Nachfolgers scheiterte am Widerstand des Bischofs von Winchester, Peter des Roches, der den Schutz des jungen Königs für sich beanspruchte. Deshalb teilten sich im Folgenden Peter, Pandulf und der Justiziar Hubert de Burgh die Regentschaft, unterstützt von weiteren Amtsträgern, so von Ralph Neville, der die Kanzlei und das große Siegel verwaltete und nach dem Tod von Richard Marsh zum Kanzler aufsteigen sollte. Bei einer letzten Begegnung soll William Marshal den jungen König ermahnt haben, dass Gott ihm kein langes Leben schenken würde, wenn er dem Vorbild eines „gewissen verbrecherischen Vorfahren“ – gemeint war Johann – nacheiferte.34 Zunächst geriet jedoch noch nicht Heinrich in Schwierigkeiten, sondern seine Regentschaft. Die Ursache waren zahlreiche feudale Auseinandersetzungen und Probleme bei der Wiederherstellung der königlichen Rechte, unter anderem in Cornwall. Zudem waren die Kassen leer, und Pandulf büßte infolge der Rückkehr des inzwischen zum Kardinal erhobenen Erzbischofs Langton an Einfluss ein. Allerdings trug dieser zu einer Wende bei, indem er im Mai 1220 Heinrich in einer feierlichen Zeremonie in Westminster erneut krönte. Daran schlossen sich ein Krönungseid Heinrichs und ein Eid der Barone an, die die Rückgabe der königlichen Burgen und Ländereien und die regelmäßige Abrechnung im Schatzamt zusagten. Dies gab die Rechtfertigung, schrittweise gegen noch widerstrebende Barone vorzugehen, ebenso gegen Söldnerführer, die noch königliche Burgen in der Hand hatten. Als einen der letzten betraf dies einen der Testamentsvollstrecker Johanns, Falkes de Breauté, der im Sommer 1224 geächtet und acht Wochen in der Burg Bedford belagert wurde, bevor er sich ergab. Nach der Abreise Pandulfs ging die Regentschaft mehr und mehr auf den Justiziar Hubert de Burgh über, doch ein Ende der Vormundschaft deutete sich erst an, als Papst Honorius III. im Frühjahr 1223 – wohl auf Betreiben des Bischofs von Winchester – den Justiziar, den Siegelbewahrer Ralph Neville und andere aufforderte, nichts mehr ohne Zustimmung des jungen Königs zu unternehmen. Diese Entwicklung war Ausdruck einer Spaltung innerhalb der Regentschaft, die auch bei Beratungen unter der Leitung Langtons im November 1223 deutlich wurde. Deshalb entschied man sich im Dezember, den Entscheidungen Heinrichs gewisse Rechtskraft zu geben, ohne dass die Regentschaft auf ihre Kompetenzen verzichtete.
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Vielmehr waren es die Regenten, insbesondere Erzbischof Langton, die Februar 1225 im „Großen Rat“ die Bewilligung einer allgemeinen Steuer, eines Fünfzehnten auf den beweglichen Besitz aller Untertanen, erwirkten – wegen eines Angriffs Ludwigs VIII. auf den südfranzösischen Besitz des Königs – und im Gegenzug die Magna Carta ein weiteres Mal erneuern ließen. Die Vormundschaft wurde niemals formal beendet. Nachdem Heinrich schon zuvor in die Regierungsgeschäfte einbezogen worden war, erklärte er im Januar 1227, dass er mit dem Rat seiner geistlichen und weltlichen Großen nunmehr seine Urkunden eigenständig besiegeln würde. Die Grenzen der königlichen Macht verdeutlichte jedoch bald darauf ein Konflikt mit seinem jüngeren Bruder, Richard von Cornwall, der im Mai 1227 von einem erfolgreichen Feldzug in Südfrankreich zurückgekehrt war. Richard weigerte sich, bestimmte Besitzungen herauszugeben, und floh nach der Androhung von Rechtsmitteln zu den Baronen der walisischen Marken, die ihn wegen der Versuche Heinrichs, die königlichen Forste wieder auszuweiten, in seiner Rebellion unterstützten. Dem König blieb in dieser Lage nur, nachzugeben und sich mit Richard auszusöhnen. Obwohl dieser durch königliche Verfügungen in den folgenden Jahren zunehmend an Einfluss gewann, näherte er sich zugleich an Heinrichs Gegner an. So heiratete er im März 1231 eine Verwandte William Marshals, Isabella, die Witwe eines der führenden Barone, Gilbert Clares, des Grafen von Hertford und Gloucester. Noch problematischer entwickelte sich das Verhältnis zum Justiziar Hubert de Burgh, der zunächst der wichtigste Ratgeber des Königs blieb. Huberts Versuche, für sich und seinen Neffen Besitz in Wales, den walisischen Marken und Irland aufzubauen, stieß nicht nur auf den Widerstand des Fürsten von Aberffraw und Herrn von Snowdonia, Llewelyn ap Iorwerth, der im Sommer 1231 die walisische Selbstständigkeit erneuerte, sondern auch auf den der Barone. Dazu kam, dass der König dem Justiziar vorwarf, seine Bemühungen um die Rückgewinnung des Festlandsbesitzes – einen geplanten Feldzug in die Bretagne – nicht genügend zu unterstützen. Unter dem Einfluss des Bischofs von Winchester, Peter des Roches, begann Heinrich deshalb, die Kompetenzen des Justiziars durch die Einrichtung neuer Ämter einzuschränken. So berief er im Juni 1232 den Neffen (oder auch Sohn) Peters, Peter des Rivaux, zum Schatzmeister des königlichen Haushalts, mit Zuständigkeit für das kleine Siegel des Königs, Häfen, Vormundschaften und Münzprägung. Während zugleich der Kanzler, Ralph Neville, der Bischof von Chichester, sowie der Schatzmeister auf Lebenszeit in ihren Ämtern bestätigt wurden, hielt ein Ausgleich mit Hubert de Burgh nur kurz. Im August 1232 wurde ein neuer
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Justiziar bestellt, Hubert floh, wurde gefangen und musste auf alle seine Ämter verzichten. Während das Amt des Justiziars weiter an Bedeutung verlor, konzentrierte sich zunehmende Macht in den Händen von Peter des Roches, Peter des Rivaux und ihren Anhängern. Peter des Rivaux wurde im Januar 1233 zusätzlich Schatzmeister, amtierte in 21 Grafschaften als sheriff, als Kastellan in Dover und fast überall, wo Einkünfte des Königtums zu erwarten waren. Dies löste weit verbreitete Unzufriedenheit aus, der insbesondere Richard, ein jüngerer Sohn William Marshals, Nachdruck verlieh. Als er auf Betreiben der beiden Peter in Irland ermordet wurde, erreichten die englischen Großen auf einer Ratsversammlung in Gloucester im Mai 1234, dass der König seine wichtigsten Ratgeber vom Hof verbannte und unter anderem wieder Hubert de Burgh in den königlichen Rat aufnahm. Heinrich, der wohl eher wegen der Misserfolge als wegen der Methoden der beiden Peter verärgert war, ließ diese gleichwohl nicht fallen. Peter des Rivaux kehrte bereits im Mai 1236 nach England zurück und blieb bis zur Rebellion der Barone 1258 in den Diensten des Königs. Zugleich gewann aber eine neue Gruppe von Vertrauten an Gewicht, die Verwandten seiner Frau Eleonore von der Provence, Peter, Wilhelm und Bonifaz von Savoyen, sowie andere Savoyarden und Provenzalen. Bonifaz wurde schließlich 1245 zum Erzbischof von Canterbury erhoben, und Wilhelm war seit 1236 Leiter eines neu eingesetzten zwölfköpfigen Rates, der dem König durch einen Gehorsamseid verpflichtet war. Dass der König ‚Fremde‘ bevorzugte, wurde von den Zeitgenossen vielfach kritisch zur Kenntnis genommen, zumal sich die Barone, die sich als die ‚natürlichen Ratgeber‘ des Königs empfanden, verdrängt fühlten. Zur Verschlechterung der beiderseitigen Beziehungen trug auch die 1234 erfolgte Wiederaufnahme der Untersuchungen in den Grafschaften bei, mit denen die königlichen Rechte und Besitzungen ermittelt werden sollten. Die daraus erwachsenen, im Januar 1236 erlassenen, Statuten von Merton schützten Witwen und minderjährige Erben vor Übergriffen, doch konnte keine Regelung für die Verfolgung von Straftätern gefunden werden. Die Barone befürchteten angesichts der Einsetzung neuer sheriffs und verschiedener Aktivitäten des Schatzamts, der König wolle seine Stellung zu ihrem Nachteil weiter ausbauen. Bei Verhandlungen über eine Steuererhebung kam es im Januar 1237 zu einer derartigen Unruhe, dass Heinrich zusagte, drei Barone in seinen Rat aufzunehmen, und die Magna Carta sowie das Privileg über die königlichen Forste erneuerte. Die Lage blieb jedoch weiter angespannt. Die Aufnahme der zusätzlichen Ratgeber konnte jederzeit wieder rückgängig gemacht werden, und der König stand
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den englischen Baronen seinerseits mit Misstrauen gegenüber. So soll er später – nach der Chronik des Matthäus Parisiensis – gegenüber dem englischen Prior der Johanniter, der ihn an die notwendige Gerechtigkeit des Königs erinnerte, gesagt haben: „Wollt ihr [Engländer] mich nicht, wie einst meinen Vater, als König stürzen und nach dem Sturz töten?“35 Eine weitere Eskalation ergab sich aus der zweiten Ehe Eleonores, der Schwester Heinrichs, mit Simon de Montfort, im Januar 1238. Eleonore hatte nach dem Tod ihres ersten Mannes, eines der Söhne William Marshals, ein Keuschheitsgelübde abgelegt, das sie nun mit Zustimmung des Königs verletzte. Die Geheimhaltung der Ehe ließ sich nicht durchhalten, und aus dieser ‚privaten‘ Angelegenheit entwickelte sich eine Rebellion, deren Führung Heinrichs Bruder, Richard von Cornwall, übernahm. Die Rebellen forderten erneut die Ablösung der fremden Ratgeber und bereiteten ein gewaltsames Vorgehen vor. Während sich Heinrich in den Tower flüchtete, gelang dem päpstlichen Legaten Otto im Februar 1238 noch einmal ein Ausgleich, der einen Bürgerkrieg verhinderte. Was der König zugestehen musste, ist unklar, doch entwickelten diesmal – vielleicht schon 1238, wahrscheinlich aber um 1244 – die Barone weit reichende Reformvorstellungen, die sich in einem verfassungsähnlichen Entwurf niederschlugen, den Matthäus Parisiensis zu 1244 überliefert und der in der Forschung als »Paper Constitution« bezeichnet wird. Im Zentrum dieses Vorschlags steht nicht zufällig wiederum der Rat des Königs. „Mit allgemeiner Zustimmung sollen vier Männer von Macht und Adel aus den weisesten Männern des ganzen Königreichs gewählt werden, die im Rat des Herrn Königs sein sollen. […] Sie sollen Bewahrer der Freiheiten sein. Und wie sie mit Zustimmung aller gewählt sind, soll niemand von ihnen ohne allgemeine Zustimmung entlassen werden können. […] Die Gemeinschaft aller soll sich nicht ohne sie treffen, sondern wenn notwendig und auf ihre Veranlassung. […] Justiziar und Kanzler sollen von allen gewählt werden.“36 Die Autoren dieses Textes wollten nicht nur den Anspruch des Königs durchbrechen, seine Ratgeber selbst auszuwählen, sie verstanden vielmehr die Großen des Königreichs als korporative Einheit, als universitas, die dem König gegenüberstand. Weitere Spannungen waren unter diesen Vorzeichen kaum vermeidbar. Zunächst, 1242 und 1244–45, waren es jedoch weitere Steuerforderungen, die zu Auseinandersetzungen mit den Baronen führten. Während der Beratungen in Westminster im Herbst 1244 einigten sich Barone und Klerus auf ein gemeinsames Vorgehen. Obwohl sie getrennt tagten, waren die kirchlichen Vertreter unter der Leitung des Bischofs von Lincoln, Robert Grosseteste, nicht bereit, sich nach den Vorstellungen des Königs von den Laien trennen zu lassen. Prälaten und Magnaten bildeten eine Kommis-
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sion aus vier Bischöfen, vier Grafen und vier Baronen, die Reformvorschläge erarbeitete. Heinrich konnte zwar die Reformforderungen noch einmal zurückweisen, scheiterte aber mehrfach mit der Durchsetzung von Steuern, während die Barone ihre Stellung ausbauen konnten. In diesen Jahren gewannen zudem die auswärtigen Beziehungen wieder an Bedeutung, im Verhältnis zu Wales und Schottland wie zu den kontinentalen Mächten. In Wales hatte Heinrich die Situation nach dem Tod Llewelyns ap Iorwerth (1241) zum Ausbau der englischen Herrschaft nutzen können. Doch erwuchs ihm hier aufgrund des harten Vorgehens englischer Amtsträger in Nordwales, das dem noch sehr jungen Kronprinzen Eduard übergeben worden war, im Fürsten von Snowdonia, Llewelyn ap Gruffydd, ein neuer Gegenspieler, der seit 1258 den Titel eines Fürsten von Wales führte. Vor diesem Hintergrund bildeten die an einem starken Königtum interessierten Barone der walisischen Marken in den folgenden Auseinandersetzungen eine wichtige Stütze der königlichen Partei. Anders war die Situation an der Grenze zu Schottland, das nach dem Tode Alexanders II. und während der Minderjährigkeit seines gleichnamigen Sohnes (bis 1262) unter englischen Einfluss geriet. Gravierender für die innere Entwicklung war jedoch das Verhältnis zu Frankreich. Als Heinrich 1242 gegen den Willen der Barone eine Rebellion Hugos von Lusignan, von La Marche, der mit der Witwe König Johanns, Isabella von Angoulême, verheiratet war, gegen den französischen König unterstützen wollte, wurde er trotz hoher Aufwendungen von Ludwig IX. geschlagen und musste einen Waffenstillstand schließen. Damit geriet er nicht zuletzt in die Kritik Simons de Montfort, der sich von ihm zunehmend entfremdete. Im Mai 1248 konnte er ihn noch einmal dafür gewinnen, auf sieben Jahre die Statthalterschaft in der von Frankreich bedrohten Gascogne zu übernehmen. Der südfranzösische Adel wehrte sich jedoch gegen die Maßnahmen Simons, sodass im Mai 1252 in England ein Verfahren gegen ihn eröffnet wurde und er am Ende vorzeitig auf das Amt verzichten musste. Damit war sein Verhältnis zum König endgültig gestört. Am Ende sollte er – nach weiteren Spannungen – an die Spitze der Rebellion treten. Zu den Problemen trug ebenfalls bei, dass Heinrich selbst ein neues Konfliktfeld eröffnete. Obwohl er weiterhin zum gebannten Kaiser Friedrich II., seinem Schwager, hielt, suchte er sein Verhältnis zum Papsttum nicht zu gefährden. Im März 1250 nahm er daher – in Konkurrenz zu Ludwig IX. – das Kreuz und stellte seinen Aufbruch für Juni 1256 in Aussicht. Bevor seine Bereitschaft, dieses Versprechen einzulösen, auf die Probe gestellt wurde, ließ er sich jedoch vom Papst zu einem anderen Unternehmen bewegen, das der Eroberung Siziliens. Im Mai 1254 war mit
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Konrad IV. der legitime Erbe Friedrichs in Italien verstorben, sodass Innozenz IV. endgültig darangehen konnte, die bei der Absetzung Friedrichs II. 1245 verkündete Einsetzung eines neuen sizilischen Königs in die Wege zu leiten, gegen den unehelichen Sohn Manfred, der das Königreich für Friedrichs Enkel Konradin verwaltete. Während Richard von Cornwall das Angebot der sizilischen Krone 1252 wegen der weiten Entfernung abgelehnt hatte, nahm es Heinrich 1254 für seinen zweiten Sohn Edmund an. Bald erwiesen sich die logistischen Schwierigkeiten als zu groß, sodass sich Heinrich auf – überhöhte – finanzielle Zusagen verlegte. Der Papst forderte bis zum September 1256 die Summe von mehr als 135 000 Mark Silber, die er angeblich bereits für das Unternehmen ausgegeben hatte, und drohte mit dem Interdikt über England und mit der Exkommunikation. Da ein erstes Kontingent von 8500 Mann bis zum 1. März 1259 in Sizilien eingetroffen sein sollte, war das jedoch erst der Anfang. Auch der neue Papst, Alexander IV., hielt an diesen Forderungen fest. In England verweigerten die Barone dem Unternehmen ihre Hilfe, da sie es von Anfang an abgelehnt hatten. Zur Verhinderung ähnlicher Entwicklungen, aber auch angesichts weit verbreiteter Ablehnung der vom König geförderten Lusignans, schlossen sich im April 1258 Simon de Montfort earl von Leicester, Richard Clare earl von Gloucester, Roger Bigod earl von Norfolk und vier weitere Barone zu einem Schwurbündnis zusammen. Als sie mit weit reichender Zustimmung die Forderung nach Reformen erhoben, war der König in seiner Not zu Verhandlungen bereit. Im Mai 1258 einigte man sich auf die Einsetzung einer Kommission aus zwölf Baronen und zwölf Ratgebern des Königs, die Reformvorschläge machen sollten, und Heinrich erhielt die Zusage, dass man gegenüber der „Gemeinschaft des Königreichs“ Hilfszahlungen befürworten werde. Um die außenpolitische Lage zu entschärfen, schickte man Gesandte zum französischen König und zum Papst. Bei Alexander sollte eine Revision der Abmachungen über Sizilien erreicht werden, bei Ludwig ein dauerhafter Friede. Beide Seiten empfanden dies als Einsatz für das Wohl des Königreichs. Tatsächlich verzichtete der Papst im Dezember 1258 auf seine Ansprüche, weil er die Situation in England kritisch beurteilte. Obwohl sich die Lage Heinrichs damit entscheidend verbessert hatte, hatte er sich zuvor an die Beschlüsse der eingesetzten Kommission gebunden, die – nach Diskussionen in Oxford und London – in den »Provisionen von Oxford« weit reichende Reformvorschläge vorlegte. Eine zentrale Stelle kam darin wiederum dem Rat des Königs zu. Er sollte aus 15 Personen gebildet werden, die die Kommission aufgrund des Vorschlags einer kleine-
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ren Gruppe bestimmte. Zu den Kompetenzen der Ratgeber heißt es im Text: „Sie haben die Autorität, den König getreu bei der Regierung des Königreichs und in allen Angelegenheiten zu beraten, die den König oder das Königreich betreffen, und alles zu bessern und zum Guten zu verändern, was ihnen zu bessern und zu verändern notwendig scheint. […] Und wenn nicht alle präsent sein können, soll als fest und beschlossen gelten, was die Mehrheit entscheidet.“37 Diesem Rat sollte sich ein neu zu berufender Justiziar in jährlichem Turnus stellen, ebenso der Kanzler und der Schatzmeister. Entscheidungen über adlige Ländereien wurden dem ‚großen Rat‘, dem ‚Parlament‘, vorbehalten, für das drei Termine im Jahr vorgesehen wurden. Weitere Bestimmungen betrafen die Grafschaftsgerichte und die Rolle der sheriffs. Insgesamt war dies ein weitgehend baronial bestimmtes Reformprogramm, das den König gegenüber dem Adel auf die Rolle eines primus inter pares reduziert hätte. Als sich die weiteren Diskussionen ohne konkrete Ergebnisse in die Länge zogen, traten auch die kleineren Landbesitzer für eine Fortsetzung der Reformen ein, die nun zunehmend als Grafschaftsritter in die communitas regni einbezogen wurden. Im April 1259 spitzte sich die Lage zwischenzeitlich zu, als zu konkurrierenden Versammlungen eingeladen wurde, dann aber verhalf Heinrich der Friedensschluss mit Frankreich zu einer besseren Ausgangsposition. Er reiste im November 1259 nach Paris, verzichtete dort formal auf die Normandie, Maine, Anjou und Poitou und nahm die Gascogne von Ludwig zu Lehen. Bald darauf wollte er sich vom Papst aus seiner Verpflichtung auf die »Provisionen von Oxford« lösen lassen und machte seinen Widerstand gegen die Reformvorschläge auch öffentlich deutlich. Schließlich erreichte er einen für ihn vorteilhaften Ausgleich, während Simon de Montfort enttäuscht das Land verließ. 1262 hatte Heinrich seine Stellung auf friedlichem Wege erneuert, jedoch führten die Ereignisse des folgenden Jahres, der Appell rebellischer Barone an Simon de Montfort, nach England zurückzukehren, und Gerüchte über den Tod Heinrichs, doch noch in den Bürgerkrieg. Als Heinrich in ersten Verhandlungen die Einhaltung der »Provisionen« verweigerte, brachen offene Kämpfe aus, an denen sich auch die Londoner beteiligten. Daraufhin lenkte er im September 1263 ein und musste sich der Vorherrschaft der communitas regni unterwerfen, d. h. faktisch Simon de Montfort. Die Situation blieb jedoch unklar – beide Seiten blockierten sich gegenseitig –, sodass Ludwig IX. als Schlichter eingeschaltet wurde. Dieser befand in seinem Urteil vom Januar 1264 die »Provisionen« für Unrecht und forderte die Wiederherstellung der königlichen Rechte – für die Rebellen das Zeichen zum offenen militärischen Konflikt. In der
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Schlacht bei Lewes im Mai 1264 errangen sie einen eindrucksvollen Erfolg gegen die königliche Armee und nahmen Heinrich gefangen. Damit stellte sich die Frage der künftigen Regierung Englands. Bald wurde deutlich, dass die Rebellen auf Heinrich angewiesen blieben, wollten sie nicht die königliche Macht unmittelbar an sich ziehen, und so wurden ihre Verfügungen weiterhin im Namen Heinrichs erlassen. Bald schlug die Stimmung im Land um. Die Rebellen verloren 1265 mehr und mehr an Unterstützung, und Simon de Montfort und seine Söhne erfuhren – auch wegen ihrer kompromisslosen Haltung – wachsende Ablehnung. Inzwischen sammelten sich die Royalisten um den Kronprinzen Eduard, der entfliehen konnte. Im August 1265 stellten sie die Rebellen in der Schlacht bei Evesham, in der Simon de Montfort und viele seiner Anhänger fielen. Auch wenn Simon in der Abtei Evesham bald wie ein Heiliger verehrt wurde, kontrollierte nunmehr der König die Situation. Heinrich widerrief alle Verfügungen, die seit der Schlacht von Lewes ergangen waren, verbleibende Zentren des Widerstands wurden bekämpft und die Rebellen bestraft, durch Entzug ihrer Ländereien oder – im Fall der Londoner – durch eine Geldbuße. Allerdings kam es dann im folgenden Jahr unter der Vermittlung eines päpstlichen Legaten doch noch zu einem Ausgleich. Mit dem »Diktum von Kenilworth« vom 31. Oktober 1266 beendete Heinrich die Verfolgung der Anhänger Simons und eröffnete die Möglichkeit zur Rückgabe der entzogenen Güter. Im Gegenzug erklärten die Großen, dass Heinrich „seine Herrschaft, Autorität und königliche Macht haben, voll behalten und frei ausüben soll, ohne Behinderung oder Widerspruch von wem auch immer“.38 Auf dieser Grundlage gelang auch ein Ausgleich nach einem letzten Aufflackern der Rebellion im April 1267, und im November desselben Jahres wurde die Magna Carta in der Form von 1225 erneuert. Damit war zwar die königliche Herrschaft wiederhergestellt, doch ergaben sich durch die Ereignisse seit 1258 grundlegende Wandlungen. Insbesondere wurden die Versammlungen des ‚großen Rats‘ bzw. der Parlamente, die unter Simon de Montfort intensiviert wurden, auch in den letzten Regierungsjahren Heinrichs fortgesetzt, vor allem unter dem Einfluss des Kronprinzen, der England allerdings 1270 für einen Kreuzzug verließ. Im selben Jahr waren wieder Ritter und freie Grundbesitzer an den Beratungen über ein Subsidium von einem Zwanzigstel des persönlichen Besitzes beteiligt. Damit hatte der Streit über die fremden Ratgeber des Königs jede Bedeutung verloren. Als Heinrich III. am 16. November 1272 starb, waren die angevinischen Herrscher endgültig zu Königen Englands geworden.
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6. Verfassung und Verwaltung Englands im 12. und 13.Jahrhundert Trotz mancher Probleme und Rückschläge war die Herrschaft der normannischen und angevinischen Könige in den rund 200 Jahren zwischen 1066 und 1272 zweifellos gefestigter als die der meisten ihrer angelsächsischen und anglodänischen Vorgänger. Dafür spielten Verwaltung und Recht, die sich auf angelsächsischen Grundlagen kontinuierlich weiterentwickelten, eine wesentliche Rolle, und es kam hinzu, dass sich das Verständnis der Stellung des Königtums wandelte, in der politischen Theorie wie der historischen Wirklichkeit. Allerdings war die Primogenitur, die Nachfolge des ältesten Sohnes, auch im 12. und 13. Jahrhundert noch nicht endgültig etabliert. Unter den Nachfolgern Wilhelms des Eroberers gelangten nur Richard I. und Heinrich III. nach diesem Prinzip auf den Thron, während sich mehrere Herrscher einem Rivalen gegenübersahen. So erhielt Johann durch eine ‚Wahl‘ den Vorzug gegenüber seinem Neffen Arthur, und die Erhebung seines noch minderjährigen Sohnes, Heinrichs III., im Oktober 1216 führte faktisch zu einem Doppelkönigtum, da die aufständischen Barone zuvor den französischen Kronprinzen, den künftigen Ludwig VIII., zu ihrem König ‚gewählt‘ hatten. Nur der klugen Politik der Regentschaft unter William Marshall als rector regis et regni, unter anderem der partiellen Übernahme der Magna Carta, war es zu verdanken, dass die angevinische Dynastie nicht ein vorzeitiges Ende fand. Die Herrschaft der Könige begann erst mit der Krönung und mit einem Krönungseid, der oft mit der feierlichen Zusage verbunden war, die überkommenen Rechte der Untertanen zu wahren, nicht nur in der Krönungscarta Heinrichs I. von 1100, sondern auch unter Stephan und Heinrich II. Um dieses Moment zu betonen, zeigten sich die Herrscher immer wieder öffentlich mit der Krone, zumeist zu den hohen kirchlichen Festen. Lange hatten sie eine priesterähnliche Stellung, galten als rex et sacerdos. So stellte der um 1100 schreibende ‚Anonymus von York‘ Heinrich I. über den Erzbischof von Canterbury, und selbst der eher den kirchlichen Reformern nahe stehende Johann von Salisbury leitete in seinem Policraticus um 1160 die Macht des Königs von Gott ab. Im zweiten Viertel des 13.Jahrhunderts wurde in dem Henry de Bracton zugeschriebenen, aber wohl auf Vorarbeiten anderer aufbauenden Werk über die Gesetze und Gewohnheiten Englands – eher nebenbei – die Stellung des englischen Königs in einen anderen Kontext gestellt: „Derselbe König soll aber nicht unter einem Menschen stehen, sondern unter Gott und dem Gesetz, denn das Gesetz macht den König.“39 ‚Bracton‘ macht
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hier den König vom Recht abhängig, doch stand dieser in anderer Hinsicht für ihn auch über dem Recht: als Gesetzgeber und Wahrer von Frieden und Gerechtigkeit. Dabei trennt er – im Sinne der von Ernst Kantorowicz in einer klassischen Studie untersuchten Vorstellung von den „zwei Körpern des Königs“, die auf älteren Konzepten aufbaut – zugleich zwischen dem König als Person und der unpersönlichen Krone. Unabhängig von der aktuellen Situation konnte damit die Wahrung der Rechte der Krone ins Spiel gebracht werden, um die Stellung der Könige zu stärken. Allerdings hing die tatsächliche Stärke der königlichen Position weiterhin wesentlich von individuellen Faktoren ab, davon, welche Amtsträger der König berief, ob und wie er seine Entscheidungen durchsetzen und wie oft er selbst an Sitzungen seiner Gerichte teilnehmen konnte. Insbesondere Heinrich II. und Johann haben sich intensiv der königlichen Gerichtsbarkeit zugewandt, doch schon seit Wilhelm I. wurden die von den Angelsachsen übernommenen writs systematisch als Instrument ausgebaut, den Willen des Königs in knapper Form an die lokalen Amtsträger zu übermitteln. Noch bis in die Zeit Johanns reisten die Herrscher zudem in England und den kontinentalen Besitzungen umher, um in wichtigen Angelegenheiten vor Ort zu entscheiden. Die mit dem König reisende zentrale Instanz war der königliche Haushalt. Dort wurden die Alltagsgeschäfte der Regierung, diplomatische und militärische Schritte vorbereitet, Maßnahmen zur Versorgung von König und Hof getroffen und die Schreiben des Königs erstellt. Über seine Zusammensetzung in der Zeit Heinrichs I. informiert die Constitutio Domus Regis, die alle Ämter des Haushalts vom Truchsess bis zur Wäscherin beschreibt, Löhne und Versorgung auflistet sowie die Aufgaben seiner Mitglieder schildert, von den offiziellen Geschäften bis zur Vorsorge für die königliche Kapelle, für Küche und Jagd. An der Spitze der Aufstellung steht der königliche Kanzler als Leiter der königlichen Kapläne und der Sekretäre, der wie Kämmerer, Kellermeister, Truchsess und Konnetabel die höchste Bezahlung erhielt. Der Oberste Kämmerer betreute nicht nur den König persönlich, sondern nahm mit mehreren Kämmerern, untergeordneten Amtsträgern und einem Schatzmeister vielfältige Aufgaben insbesondere der Finanzverwaltung wahr. Die Constitutio bietet aber nur eine idealisierte ‚Momentaufnahme‘, denn die Ämter und Strukturen wurden jeweils den Verhältnissen angepasst. So entstand noch im 12. Jahrhundert mit dem Schatzamt eine eigene Behörde für die Finanzen, und auch die königliche Kanzlei wurde eigenständig. Allerdings blieben der Haushalt und die königliche Kammer (bzw. seit dem 13. Jahrhundert die wardrobe) weiterhin wesentliche Instrumente zur Ausübung königlicher Herrschaft. Die geistlichen und weltlichen Großen bildeten ein Gegengewicht zur
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Stellung des Königs. Die großen Lehnsträger des Königreichs, Barone und Bischöfe, waren im „großen Rat“ (magnum consilium) und am Hof vertreten, und die Könige mussten ihre Meinung hören. Gingen die Herrscher darüber hinweg, konnte es wie in der Zeit Johanns zu intensivem Widerstand kommen. Während der Regierungszeit Heinrichs III. begann auf dieser Grundlage die Entwicklung des Parlaments. Die wichtigste Leistung der großen Lehnsträger für den König war die Heeresfolge. Ritterlehen im engeren Sinne, mit der Verbindung von Treueverhältnis und Landleihe, gab es erst seit der normannischen Eroberung. Zudem wird erst unter Heinrich I. der Begriff des feodum zum ersten Mal im Sinne von ‚Lehen‘ gebraucht. Die ‚Feudalisierung‘ Englands war insgesamt ein längerer Prozess, in dem die Könige mithilfe ihrer Verwaltung zunehmend die Verpflichtungen ihrer Lehnsträger definierten. Die anhaltende Bedeutung persönlicher Bindungen zeigt sich jedoch noch an der Bildung der Parteien während des Bürgerkriegs. Im ausgehenden 12. Jahrhundert kam es dann oftmals zu einer Auflösung und Zersplitterung der Ritterlehen, die die Erfüllung der Dienstverpflichtung unmöglich machte. Zugleich setzten die Könige mehrfach auf eine Ablösung des Kriegsdiensts durch das Schildgeld (scutagium), da das feudale Aufgebot zum Teil zu schwerfällig war und einzelne Lehnsträger, vor allem die Kirche, ihren Verpflichtungen nur bedingt nachkommen konnten. Ähnlich wurde – insbesondere unter Richard – häufig die Bemannung von Burgen durch ein Wachtgeld der Dienstpflichtigen finanziert. Ungeachtet dieser Probleme (und auch des Einsatzes von Söldnern) blieben die Könige auf die militärische Unterstützung durch die Großen angewiesen. Grundlage der königlichen Finanzen waren die feudalen Abgaben. Neben Einkünften aus grundherrlichen Rechten, Gerichtsgefällen und der Ablösung von Dienstpflichten nutzten die Könige unter anderem die Gelder, die für den Übergang eines Erbes anfielen (relevia). Sie wurden bereits unter Wilhelm Rufus als Belastung empfunden, aber auch unter Heinrich I. nicht grundlegend reformiert. Die Forderung in Artikel 2 der Magna Carta, dass der Erbe einer Baronie nicht mehr als 100 Pfund an relevia zahlen sollte, wurde meist auf indirektem Wege umgangen. Dazu kamen Einkünfte für die Zustimmung des Königs zu Ehen sowie zur Übernahme von Vormundschaften, und zudem wurden Abgaben für besondere Zwecke erhoben, die Hilfen (auxilia), so im Kriegsfall oder bei der Heirat des königlichen Erben. Die königlichen Rechte ließen sich jedoch nur durchsetzen, wenn die Verwaltung auch während der (vor 1204 sehr häufigen) Abwesenheit des Königs funktionierte. Dafür entwickelte sich ein Amt, das des Obersten Justiziars, dessen Anfänge in die Zeit Wilhelms I. zurückgehen. Als dieser
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nach seiner Krönung 1067 England für mehrere Monate verließ, setzte er unter anderem seinen Halbbruder Bischof Odo von Bayeux , den earl von Kent, als Regenten ein, ähnlich in den Jahren zwischen 1075 und 1082. Unter Wilhelm II. spielte dann dessen erster Minister Ranulf Flambard eine vergleichbare Rolle, und nachdem Heinrich I. diesen entlassen hatte, wuchs Roger, der Bischof von Salisbury, innerhalb kurzer Zeit in dieselbe Funktion hinein. Beide erscheinen in den Quellen als procurator, als Verwalter des Königs, sowie als iudex oder iustitiarius, ohne dass dies zunächst mehr bedeutet hätte, als dass ihnen auch richterliche Funktionen zukamen. Roger, der vom armen Priester zum wichtigsten Berater des Königs aufstieg, sollte die Überweisung der königlichen Einnahmen durch die sheriffs und andere Amtsträger überwachen und bei Konflikten mit den Prälaten und dem Adel die königlichen Rechte durchsetzen. Auf ihn geht so wohl die Einrichtung des Schatzamts zurück, dessen Leitung später, unter Stephan und Heinrich II., einer seiner Neffen, Nigel, der Bischof von Ely, übernahm. Während des Bürgerkriegs verhinderte die ständige Anwesenheit Stephans in England die weitere Entwicklung des Amtes, doch leiteten dann die 1154 eingesetzten Justiziare Robert earl von Leicester und Richard de Lucy während der Abwesenheit Heinrichs II. wiederum die englische Verwaltung. Zwischen 1180 und 1189 war Ranulf de Glanvill Oberster Justiziar. Unter ihm entstand mit der Schrift über »Die Gesetze und Gewohnheiten des Königreichs England« eine Zusammenfassung der in der Zeit Heinrichs erwachsenen Rechtspraxis, die vielleicht von ihm, vielleicht von seinem Neffen Hubert Walter stammt. Hubert stieg unter Richard I. zum Erzbischof von Canterbury auf und führte das Amt des Obersten Justiziars, das in den Quellen nunmehr als justiciarius totius Angliae oder ähnlich bezeichnet wurde, zu seinem Höhepunkt, bevor er zwischen 1199 und 1205 unter Johann als Kanzler tätig war. Die Stellung der Justiziare verlor danach durch die häufige Anwesenheit Johanns und seiner Nachfolger in England wieder an Gewicht. Der letzte bedeutende Justiziar war der noch von Johann im Juni 1215 ernannte Hubert de Burgh, der während der Minderjährigkeit Heinrichs III. die vollen Kompetenzen seines Amtes nutzen konnte, insbesondere, als der rector regis et regni William Marshall 1219 verstorben war. Mit der Volljährigkeit Heinrichs III. wurde das Amt jedoch überflüssig. Nach einem Konflikt mit dem König wurde der Justiziar 1232 entlassen, zwei Jahre danach das Amt abgeschafft. Zentrale Bedeutung hatte daneben die zunehmend eigenständige Kanzlei unter der Leitung des Kanzlers, der seit Thomas Becket (seit 1155) zu einem der wichtigsten Amtsträger innerhalb der englischen Verwaltung wurde. Während von der königlichen Kammer und vom Haushalt für die
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‚privaten‘ Geschäfte das kleine Siegel (privy seal) benutzt wurde, führte der Kanzler das große Majestätssiegel. In der Zeit Hubert Walters wurde die Kanzleitätigkeit durch eine geregelte Akten- und Registerführung intensiviert, mit einer wachsenden Zahl von Aktenreihen, unter anderem den patent rolls, den Registern der ausgefertigten litterae patentes, d. h. der königlichen Urkunden und größeren Verfügungen. In den 1230er-Jahren, als der amtierende Kanzler, Ralph Neville, Bischof von Chichester, nur Titel und Einkünfte behielt und zwischenzeitig kein Nachfolger für ihn berufen wurde, wurden die Aufgaben neu verteilt. Die Siegelführung ging auf rasch wechselnde Lordsiegelbewahrer über, während der vom Kanzler in das Schatzamt entsandte Vertreter in einem bis in die 1270er-Jahre dauernden Prozess zum „Kanzler des Schatzamts“ aufstieg und der Schatzmeister nunmehr direkt dem König (statt wie bisher dem Justiziar) unterstand. Die Entstehung des Schatzamts (Exchequer) seit der Zeit Heinrichs I. war vielleicht die bedeutendste Neuerung in der Verwaltung des 12. und 13. Jahrhunderts. Sein lateinischer Name scaccarium meinte zunächst nichts anderes als das etwa 3 m ⫻ 1,5 m große Rechenbrett, an dem die Abrechnung mit den lokalen Amtsträgern, den sheriffs, erfolgte. Es erleichterte nicht nur die Buchführung mit römischen Zahlen, sondern erlaubte es den an einer Schmalseite des Tisches sitzenden königlichen Beamten und Baronen, die Rechenvorgänge nachzuvollziehen. Die Tätigkeit des Schatzamts hat Richard Fitz Nigel um 1178 im Dialogus de scaccario beschrieben und dabei auf den Unterschied zwischen Unterem und Oberem Schatzamt verwiesen. Das Untere Schatzamt war der Ort, „wo das eingehende Geld gezählt und in Schriften und auf Kerbhölzern verzeichnet wird, damit aufgrund dieser Belege im Oberen Schatzamt abgerechnet werden kann; beide haben aber einen gemeinsamen Ursprung, denn was das obere Amt an Forderungen ansetzt, geht hier ein, und das hier Bezahlte wird dort verrechnet“.40 Tatsächlich wurden die Rechenvorgänge in doppelter Form schriftlich festgehalten, als Quittung für die sheriffs auf Kerbhölzern (tallies), zugleich für den Gebrauch des Schatzmeisters auf Pergamenten, die zu Rollen zusammengenäht wurden, den – erstmals für 1130/31 erhaltenen – rotuli pipae (pipe rolls). Am Unteren Schatzamt gab es dafür unter anderem einen Sekretär für die Buchführung, Kämmerer für die Aufsicht über die Truhen und die Ausgabe der Kerbhölzer sowie einen Schmelzer, der das eingehende Silber zu prüfen hatte und von einem Ritter überwacht wurde. Die hohen Amtsträger und die Barone des Oberen Schatzamts, zu denen neben dem Schatzmeister auch der Kanzler, die Kämmerer, der Konnetabel und der Marschall oder ihre Vertreter gehörten, bildeten zugleich einen eigenen
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Gerichtshof, den Court of Exchequer, der bei Streitfragen – etwa über die Höhe der Abgaben – entschied und im 12. Jahrhundert vom Obersten Justiziar geleitet wurde. Rechtlich setzen Wilhelm I. und seine Nachfolger auf Kontinuität. Für die angelsächsische Bevölkerung galt das bisherige Recht weiter, während für die Eroberer das normannische Recht Anwendung fand. Auch die Grafschaftsverfassung blieb bestehen, unter Stärkung der sheriffs, da nach der Zerschlagung der großen earldoms nicht jeder Grafschaft ein Graf vorangestellt wurde. Nach dem Dialogus de scaccario erhielt der Graf „den dritten Teil der Gerichtseinnahmen einer beliebigen Grafschaft […]. Der Betrag nämlich, der als Pachtsumme vom sheriff verlangt wird, ergibt sich nicht nur aus den Erträgen der Güter, sondern zu einem großen Teil aus den Gerichtseinnahmen [… Der Graf] soll seinen Namen daher haben, dass er der Partner [comes] des Fiskus und der am Gewinn Beteiligte ist. Der vicecomes wird so genannt, weil er die Stelle des Grafen [vicem comitis] vertritt in den Gerichtsverhandlungen, an denen der Graf kraft seiner Würde teilhat.“41 Die vom König ernannten sheriffs waren somit in erster Linie für die Gerichtsbarkeit zuständig, für Grafschaftsund Hundertschaftsgerichte, daneben für Strafverfolgung und Steuererhebung. Ihre zunehmend bedeutendere Stellung führte zu Kontroversen um die Ämterbesetzung. So forderten die Stände 1258 in den »Provisionen von Oxford«, die vicecomites in jährlichem Wechsel aus dem Kreis der bedeutenderen Landbesitzer der Grafschaft auszuwählen. Zunächst kam jedoch den lokalen und adligen Gerichten größere Bedeutung zu als den königlichen, wie die 111418 entstandene private Rechtssammlung der Leges Henrici deutlich macht. Diese und ähnliche Sammlungen des angelsächsischen Rechts wie die Leges Edwardi Confessoris von 1134/35 ließen das Nebeneinander der beiden Rechte weiter bestehen. Erst die Zeit Heinrichs II. brachte einen Neuanfang, der auch in der Schrift De legibus et consuetudinibus regni Angliae Ranulf de Glanvills oder Hubert Walters fassbar wird. Neben der Wahrung des Rechts, für die jeweils bestimmte writs eingesetzt werden sollten, gestand der Autor dem König auch die Setzung neuen Rechts durch die königlichen Assizen, die aus Ratsversammlungen hervorgegangenen Rechtssatzungen, zu. Diese Assizen wurden fortan ein wichtiges Instrument königlicher Gesetzgebung. Damit sollte geltendes Recht zusammengefasst und die baroniale Gerichtsbarkeit zurückgedrängt werden. Insbesondere wurde der – 1215 auch auf dem IV. Laterankonzil verbotene – gerichtliche Zweikampf seit den Assizen von Northampton von 1176 zunehmend durch ein Verfahren mit zwölf Geschworenen abgelöst, ähnlich der Kontrollgre-
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mien, die schon die Erhebungen für das Domesday Book begleitet hatten. Im 13.Jahrhundert wurden diese juries oft von der Bevölkerung der betroffenen Hundertschaft oder Grafschaft gewählt, sodass das Verfahren auch kommunale Traditionen stärkte. Die jeweils drei königlichen Reiserichter, die in regelmäßigem Zyklus sechs voneinander abgegrenzte Gebiete durchzogen, entschieden bald nicht nur über Fälle der hohen, sondern auch der niederen Gerichtsbarkeit – auch wenn ihr Auftreten vielfach auf Kritik stieß. 1170 ließ Heinrich ihre Kompetenzen auf die Kontrolle der baronialen Finanzverwaltung und der Lehnsverhältnisse ausdehnen. Freie Bauern und Ritter konnten vor den Richtern Beschwerden gegen die sheriffs vorbringen, und wenn sich ihre Vorwürfe als berechtigt erwiesen, wurden diese durch Ritter aus dem Schatzamt ersetzt, was den königlichen Einfluss auf die lokale Verwaltung verstärkte. Ungeachtet dieser Untersuchungen gab es aber um 1170 durchaus personelle Kontinuität. Konflikte um freien Grundbesitz konnten schließlich nur noch verhandelt werden, wenn ein writ vorlag. Der Grundbesitz der Barone blieb so zwar unangetastet, gleichzeitig aber waren Besitzveränderungen allein dem Königtum vorbehalten. Im 13. Jahrhundert wurde dann die feudale Gerichtsbarkeit immer mehr zugunsten eines allgemeinen Rechts (common law) abgelöst. Die damit eingeleitete Rechtsentwicklung wurde auch unter Heinrichs Nachfolgern fortgesetzt, so unter Johann mit vier weiteren Assizen. Eine umfassende Beschreibung des common law, der writs, der verschiedenen Vorgehensweisen und Formen von Geschworenengerichten findet sich dann in der Bracton zugeschriebenen Schrift »Über die Gesetze und Gewohnheiten Englands«. Auch die Magna Carta bedeutete keinen radikalen Wandel. Entstanden in den Konflikten Johanns mit den Baronen, gewann sie erst durch die wiederholten Erneuerungen der Zeit Heinrichs III. ihre eigentliche Bedeutung. Nach der Entscheidung der Regentschaft, sich einen großen Teil der Forderungen der Barone zu Eigen zu machen, wurden 1217 erstmals zwei Privilegien ausgestellt, als man die Bestimmungen über die königlichen Forste in einer eigenen Urkunde zusammenfasste. Von nun an wurden bei allen weiteren Erneuerungen bis ins 14. Jahrhundert beide Urkunden, die Magna Carta und das ‚Forst‘-Privileg, immer gemeinsam bestätigt. Maßgeblich wurde dafür die Fassung von 1225, deren Wortlaut schließlich nur noch unverändert wiederholt wurde. Obwohl dabei die Zusage von 1215 wegfiel, dass die Bewilligung von außerordentlichen Abgaben nur mit „dem Rat des Königreiches“ erfolgen konnte (Artikel 12 und 14), blieb der König in dieser Frage weiterhin von den Großen abhängig, die ihm z. B. zwischen 1237 und 1258 jede zusätzliche Abgabe verweigerten. Dies bildete auch die Grundlage für die Entstehung des englischen Parla-
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ments. Daneben sicherte die Magna Carta aber auch die Rechte aller Freien und versprach Schutz vor Übergriffen der Krone (Artikel 39 von 1215 = 29 von 1225). Zusammen mit den Versprechen, Recht nicht erkaufen zu lassen und niemanden anzuklagen, ohne für das Vergehen glaubwürdige Zeugen zu haben, die auf ältere, von den Königen nicht immer beachtete Prinzipien zurückgingen, waren damit wichtige Grundlinien für die Rechtsprechung definiert.
7. Kirche und geistiges Leben Englands im 12. und 13. Jahrhundert Die normannische Eroberung brachte auch für die englische Kirche weit reichende Veränderungen mit sich, da danach die hohen kirchlichen Positionen allein mit kontinentalen Klerikern besetzt wurden, die ihre Vorstellungen von Kirchenreform nach England übertrugen. In der Folge kam es zu schweren Konflikten zwischen Königtum und Kirche, unter Wilhelm II. und Heinrich I. mit Anselm von Canterbury, unter Heinrich II. mit Thomas Becket sowie unter Johann mit Stephen Langton, doch war England so zugleich – unter anderem durch die Schriften Anselms, der einer der bedeutendsten Gelehrten seiner Zeit war – an der ‚Renaissance des 12. Jahrhunderts‘ beteiligt. Schließlich entstanden in der Regierungszeit Johanns die beiden ältesten englischen Universitäten, zunächst in Oxford, dann, seit 1209, auch in Cambridge. Den kirchlichen Neubeginn markierte 1070 die Ablösung des angelsächsischen Erzbischofs von Canterbury, Stigand, durch Lanfrank, den Abt des normannischen Klosters Bec. Auf mehreren Reformsynoden zwischen 1072 und 1086 wurden Maßnahmen zur besseren Lebensführung des Klerus, unter anderem zur Beachtung des Zölibats, beschlossen, und es entstand eine hierarchisch gegliederte Kirche unter dem Erzbischof von Canterbury, dessen Primat auch der Yorker Metropolit anerkennen musste. Im Sinne des kanonischen Rechts wurden einige Bischofssitze in Städte verlegt, so unter anderem Selsey nach Chichester, Sherborne und Ramsbury nach Salisbury sowie Dorchester nach Lincoln, andere wurden mit Klöstern verbunden. Die Diözesen wurden je nach ihrer Größe in Bezirke unter einem Archidiakon und weiter in ländliche Dekanate eingeteilt, die sich oft an der Gliederung in Graf- und Hundertschaften orientierten. Zwar konnte das privilegium fori, das Vorrecht des ausschließlich geistlichen Gerichtsstands für Kleriker, in England nicht durchgesetzt werden, doch trugen die königlichen Amtsträger dazu bei, dass eine bischöfliche Gerichtsbarkeit entstand, die auch aufgrund königlicher writs über die von
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der Kirche Exkommunizierten entschied. Auch die Klöster wurden zunehmend Äbten vom Kontinent übergeben und nach dem Vorbild Clunys reformiert. Das Königtum förderte die Reformen, doch waren weder Wilhelm der Eroberer noch seine Erben bereit, im Sinne der kontinentalen Kirchenreformer auf die Kontrolle der englischen Kirche zu verzichten. In der Zeit Wilhelms I. konnte kein Bischof ohne königliche Erlaubnis nach Rom reisen, mit dem Papst korrespondieren oder gar an diesen appellieren, und zwischen 1073 und 1080 durfte kein päpstlicher Legat nach England kommen. Zudem investierte der König Bischöfe und Äbte weiterhin mit den geistlichen Insignien Ring und Stab. Die Situation verschärfte sich unter Wilhelm Rufus, der vakante kirchliche Ämter unter königliche Verwaltung nahm, darunter das Erzbistum Canterbury nach dem Tod Lanfranks 1089, und diese zur Steigerung seiner Einnahmen jahrelang unbesetzt ließ. Es kam schließlich zum offenen Konflikt zwischen dem König und dem seit 1093 amtierenden Erzbischof Anselm, als dieser sich zum Empfang des Palliums, des Zeichens seiner erzbischöflichen Würde, nach Rom begeben wollte und sich für die Anerkennung Urbans II. gegenüber dem von Kaiser Heinrich IV. unterstützten Gegenpapst Clemens III. einsetzte. Anselm ging sogar so weit, auf der Synode zu Rockingham im Februar 1095 die Frage zu diskutieren, ob der Gehorsam gegenüber dem Papst mit der von den Bischöfen erwarteten Treue gegenüber dem König vereinbar sei, fand allerdings bei den englischen Bischöfen wenig Unterstützung. Einer Absetzung entging er nur mithilfe des Kardinallegaten Walter von Albano, der ihm im Mai 1095 das Pallium verlieh. Die Spannungen eskalierten 1097, als Wilhelm den Erzbischof wegen mangelhafter Ausstattung eines militärischen Aufgebots vor das königliche Gericht lud. Anselm verließ schließlich Ende des Jahres das Land, während der König die Verwaltung des Erzstifts übernahm. Die Differenzen bestanden auch nach der Rückkehr Anselms fort, da Heinrich von ihm den Lehnseid für den weltlichen Besitz des Erzbistums forderte, während der Erzbischof dies strikt ablehnte. 1103 musste Anselm erneut ins Exil gehen, erst 1107 führten Verhandlungen zum Kompromiss im Vertrag von Westminster. Wie Eadmer vermerkt, „wurde niemand in [England] vor Anselm Bischof oder Abt, der nicht zuvor der Mann des Königs geworden war und aus seiner Hand die Investitur in das Bistum oder die Abtei durch die Gabe des Hirtenstabs erhalten hatte“,42 doch nun sollten die nach dem kanonischen Recht zuständigen Kapitel entscheiden, wenn auch am Hof und in Gegenwart von Vertretern des Königs. Vor der nunmehr geistlichen Einsetzung mit Ring und Stab war allerdings ein Treueeid für die weltlichen Besitzungen zu leisten.
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Die kirchlichen Rechte wurden unter Stephan im April 1136 durch die Carta de libertatibus ecclesiae Anglicanae et regni (»Urkunde über die Freiheiten der englischen Kirche und des Reiches«) bestätigt und erweitert. So konnten die Bischöfe ihre Amtsträger nunmehr frei einsetzen, ihre weltlichen Güter eigenständig bewirtschaften und die Gerichtshoheit über alle Kleriker ausüben. Vakante geistliche Ämter wurden nicht mehr vom Königtum, sondern vom Klerus verwaltet. Als Heinrich II. dagegen die Stellung des Königtums in der Zeit Heinrichs I. wiederbeleben wollte, indem er dieses alte Recht in den Konstitutionen von Clarendon 1164 schriftlich fixierte, kam es zum Konflikt mit Thomas Becket, der mit der Ermordung des Erzbischofs im Dezember 1170 endete. Ungeachtet der danach erforderlichen Zugeständnisse gelang es Heinrich, seinen Einfluss auf die englische Kirche zu wahren und die geistlichen Wahlen weiterhin zu kontrollieren. Auch unter Heinrichs Nachfolgern gelangten so wieder königliche Amtsträger auf hohe kirchliche Positionen, wie das Beispiel Hubert Walters deutlich macht. Selbst das 1208 von Innozenz III. über England verhängte Interdikt und die daran anschließenden Ereignisse, bis hin zur Lehnsnahme Johanns, brachten in diesem Zusammenhang keine wesentliche Änderung, zumal der Papst nach 1213 für eine Stärkung der Rechte seines königlichen Lehnsmannes eintrat und päpstliche Legaten an der Regentschaft für Heinrich III. beteiligt waren. Zu dieser Situation trug entscheidend bei, dass die englische Kirche eng an das Königtum und die Magnaten gebunden blieb, wie unter anderem die Stellungnahme einer Versammlung von Pfarrern, Vikaren und Diakonen in Berkshire aus der Zeit um 1240 deutlich macht, die in der Chronica maiora des Matthäus Parisiensis überliefert ist und offenbar eine weit verbreitete Stimmung spiegelte. Der lokale Klerus weigerte sich, Gregor IX. im Kampf gegen Friedrich II. finanziell zu unterstützen, weil König und Magnaten traditionell das Patronatsrecht über die englischen Kirchen zustände und jede Abgabe ihrer Zustimmung bedürfte, während der Papst über die kirchlichen Güter nur im Hinblick auf die Seelsorge verfügen könnte. Obwohl die Kirchenreform auch in England den Einfluss der Laien zurückgedrängt hatte, die Pfarrer nach einer Prüfung durch die Bischöfe, Archidiakone und Diakone eingesetzt sowie in die Strukturen des jeweiligen Bistums eingebunden wurden, bestanden vielfältige lokale und regionale Abhängigkeiten fort. Ein weiteres Moment kam hinzu: Das IV. Laterankonzil von 1215, das weit reichende Beschlüsse zur Reform des Klerus gefasst hatte, hatte die Prälaten ausdrücklich ermahnt, keine weltlichen Ämter zu übernehmen, doch blieben die Bischöfe und andere Kleriker bis in die Reformationszeit tragende ‚Säulen‘ der englischen Verwaltung. Viele der Kanzler und Schatzmeister kamen aus ihren Reihen und trugen so die Politik des Königtums mit.
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Im 12. und 13. Jahrhundert kam es auch in England zu einer Blütezeit der geistlichen Orden. Von den etwa 800 oder 900 monastischen Häusern, die um 1280 bestanden, waren rund 700 erst in dieser Zeit gegründet worden. War das anglonormannische Mönchtum noch während der Regierung Heinrichs I. vor allem von der Reformbewegung der Cluniazenser geprägt, so begann in der unruhigen Zeit des Bürgerkriegs eine Gründungswelle von Klöstern, die neue Orden nach England führte. An erster Stelle waren dies die 1098 als benediktinischer Reformorden gegründeten Zisterzienser, deren dritter Abt Stephen Harding (1109– 1133), in dessen Amtszeit die für die Verfassung des Ordens grundlegende Carta Caritatis erlassen wurde, ein Engländer war. Sie beteiligten sich vor allem im Norden an der Erschließung abgelegenerer Gebiete, doch stießen sie dort auf Widerspruch, wo wegen der Kolonisierung bereits bestehende Dörfer oder Pfarrkirchen aufgegeben werden mussten. Um 1154 gab es schon mehr als 50 Klöster der Zisterzienser. Dazu kamen Häuser der Prämonstratenser, der Templer und der Johanniter, ‚internationaler‘ Orden, die England auf vielfache Weise mit dem religiösen Leben des Kontinents verbanden. Eine eigene englische Gründung war dagegen der auf Gilbert von Sempringham zurückgehende, 1148 vom Papst bestätigte Orden der Gilbertiner, in dem Männer und Frauen zumeist – voneinander getrennt – in Doppelklöstern lebten. Die Templer erhielten ihre ersten Besitzungen von der Frau Stephans, Mathilde von Boulogne, einer Verwandten der ersten Herrscher des Königreichs Jerusalem, die dem Orden 1137/39 Schenkungen in Essex und bei Oxford übergab. Zur selben Zeit konnten auch die Johanniter in England Fuß fassen, die sich im Prozess der Militarisierung, d.h. der Umwandlung in einen Ritterorden, befanden. Das Interesse für die im Heiligen Land entstandenen Orden stand in engem Zusammenhang mit der Begeisterung für die Kreuzzüge. So förderte Roger (I.) of Mowbray, der vielleicht sogar an vier Kreuzzugsunternehmen des 12. Jahrhunderts beteiligt war, die Templer und stiftete mit Burton Lazars um 1150 die erste englische Niederlassung des für Leprakranke gegründeten Lazarusordens. Spielte England anfangs in der Kreuzzugswerbung der Päpste nur eine untergeordnete Rolle, gewann es durch die erfolgreiche Teilnahme Richards I. am Dritten Kreuzzug an Bedeutung. In ihren Aufrufen wandten sich die Päpste nunmehr mit Nachdruck auch an die englischen Herrscher. Im 13. Jahrhundert nahmen so mit Richard von Cornwall und Eduard (I.) der Bruder und der Erbe Heinrichs III. an Kreuzzügen teil, auch wenn sie für das Heilige Land wenig erreichten. Im 13. Jahrhundert waren es vor allem die neuen Orden der Dominikaner und Franziskaner sowie der anderen Bettelorden, die in England
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rasche Verbreitung fanden. Die Dominikaner kamen bereits 1221, die Franziskaner folgten ihnen 1224. Die einfache Lebensführung der Brüder, die auch nach dem päpstlichen Privileg vom Dezember 1224 über die Errichtung eigener Kapellen persönlicher und gemeinschaftlicher Armut verpflichtet blieben, ließ ihnen bald überall im Lande Unterstützung zuwachsen. Noch 1224 gründeten die in London angekommenen Brüder weitere Häuser in Oxford und Northampton. Eine Welle von Gründungen folgte, insbesondere bis zum Ende des 13.Jahrhunderts. Die beiden zentralen Gestalten der anglonormannischen Kirchenreform, Lanfrank und Anselm, waren hochrangige Theologen und Philosophen. Insbesondere Anselm trug mit seinen Schriften Cur deus homo (»Warum Gott Mensch geworden ist«), Monologion und Proslogion wesentlich (nicht nur) zur Entwicklung der Frühscholastik bei. Ihm ging es vor allem darum, den Glauben durch rationale Argumente zu stützen. So nahm er im Monologion eine naturgegebene Abstufung von Vollkommenheiten an, die ein höchstes Gutes – eben Gott selbst – voraussetzt. Im Proslogion bestimmte er Gott als das, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, und verband dabei den Nachweis Gottes schon mit der Existenz des Zweifelnden – das ist der ‚ontologische Gottesbeweis‘. Allerdings gelang es ihm nicht, eine Schule zu begründen, wohl auch, weil England in der von der ‚Renaissance des 12. Jahrhunderts‘ angestoßenen Erneuerung der Bildungsinstitutionen zunächst noch gegenüber dem Kontinent zurückstand. Zu den englischen Gelehrten, die ihr Land für eine Ausbildung an den Pariser und anderen kontinentalen Schulen verließen, gehörte auch Johann von Salisbury. Er studierte zwischen 1136 und 1148 in Paris und Chartres, war für die Erzbischöfe von Canterbury als Sekretär tätig, auch für Thomas Becket, und wurde 1176 zum Bischof von Chartres berufen, wo er 1180 starb. In seinem Policraticus, der – obwohl nicht unmittelbar an den Herrscher gerichtet – die Gattung der spätmittelalterlichen Fürstenspiegel begründete, kritisierte er das höfische Leben seiner Zeit und entwickelte das Bild eines idealen Gemeinwesens, das sich an einer organologischen Staatsauffassung orientiert. Das Gemeinwesen (res publica) ist für ihn „eine Art von Körper, der durch göttliches Gnadengeschenk belebt wird, der sich nach dem Geheiß der höchsten Gleichheit [aequitas] bewegt und den die Vernunft wie ein Steuer leitet“.43 Die Mitglieder des Gemeinwesens entsprechen den Teilen des Körpers. An ihrer Spitze, als Haupt, steht der Fürst, der die öffentliche Gewalt repräsentiert, in alle Bereiche eingreifen kann und im irdischen Bereich so etwas wie ein Abbild der göttlichen Majestät darstellt. Dies erklärt seine Gewalt über Leben und Tod, seine Stellung über den Gesetzen, die es ihm erlaubt, für aequitas zu
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sorgen, und seine Aufgabe, Schutz und Schild der Schwachen zu sein. Damit ein Gemeinwesen funktioniert, müssen jedoch auch seine anderen Teile ihren Pflichten nachkommen, das Priestertum als Seele, die königlichen Amtsträger und der Adel als die Arme und der ‚dritte Stand‘, vor allem die Bauern, als die Beine und Füße des Staates. In der Geschichtsschreibung leisteten weiterhin die Klöster, die ihre Rechte und Traditionen auf diese Weise zu wahren suchten, wichtige Beiträge. So entstanden in Canterbury, Worcester, Malmesbury, Evesham, Ely, Rochester, Abingdon und Durham historische Kompilationen, die die angelsächsische Vergangenheit wie auch die anglonormannische Gegenwart festhielten. Dabei löste sich die Geschichtsschreibung jedoch aus der Bindung an die Angelsachsenchronik, und es bildete sich eine eigene literarische Gattung. William of Malmesbury baute seine »Geschichte der englischen Könige« zu einem umfangreichen Bericht zur englischen Geschichte aus, Eadmer of Canterbury schildert die Gegenwart im Spiegel der Vergangenheit, und andere bezogen ausführliche Auszüge aus Rechtsquellen oder chronologische Überlegungen in ihre Chroniken ein. Diese Tendenz verstärkte sich durch die Reformen Heinrichs II. Das gilt z. B. für Roger of Hoveden, der als Schreiber und Reiserichter wirkte und ab 1170 eine Chronik verfasste, die im 13. Jahrhundert von Matthäus Parisiensis fortgesetzt wurde. Ein weiteres Beispiel dafür sind die Ymagines historiarum des 1180 als Diakon in London wirkenden Ralph of Diceto, der zuvor in Paris studiert hatte. Im Schulwesen gewannen zwar seit den 1130er-Jahren Elementarschulen in Oxford, Exeter, Lincoln und London an Bedeutung, doch blieb im 12. Jahrhundert das monastische Element weiterhin einflussreich, auch durch die Verbindung mit den Kathedralschulen und in Anknüpfung an angelsächsische Traditionen. In Klöstern wie Worcester wurden ab 1100 Himmelsbeobachtungen mithilfe des aus dem arabischen Raum bekannt gewordenen Astrolabs vorgenommen, und der Lothringer Walcher von Malvern († 1125), der sich in England mit Astronomie, Geometrie und Arithmetik beschäftigte, bezog seine Kenntnisse zum Teil aus arabischen Quellen, unter anderem von einem konvertierten spanischen Juden, der als Leibarzt für Heinrich I. tätig war. Diese indirekte Vermittlung reichte aber vielen englischen Gelehrten nicht aus, sodass etwa Adelard von Bath, der seit etwa 1100 in Laon lernte und lehrte, selbst nach Spanien reiste. Dadurch wurde die arabische Medizin und Naturkunde in England bekannt, ebenso die wiederentdeckten Schriften des Aristoteles, sodass schließlich Robert Grosseteste und seine Schüler im 13. Jahrhundert ihre naturwissenschaftlichen Studien auf diesen Grundlagen aufbauen konnten.
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Die Klöster spielten für die Bewahrung der Sammlungen des umfangreichen angelsächsischen Rechts eine wichtige Rolle, doch entstand seit den Anfängen der Rationalisierung der Verwaltung unter Heinrich I. auch der Typus eines im weltlichen wie im geistlichen Dienst einsatzfähigen, gebildeten Schreibers oder Sekretärs. Die führenden Vertreter dieser neuen Schicht von Gebildeten brachten ihre Verwaltungserfahrungen in Schriften wie den Dialogus de scaccario des Richard Fitz Nigel, den Traktat De legibus et consuetudinibus regni Angliae oder den Policraticus Johanns von Salisbury ein. Zu ihnen zählte auch Peter von Blois, der zunächst als Erzieher für den unmündigen Wilhelm II. von Sizilien wirkte sowie seit 1174 für den Bischof von Bath, den Erzbischof von Canterbury, Heinrich II. und Eleonore von Aquitanien arbeitete und 1204 in London starb. Seine Erfahrungen sind nicht nur in seinen Dialogus cum rege Heinrico, der die Stellung des Königtums diskutiert, sondern auch in seinen Briefwechsel eingeflossen. Im 13. Jahrhundert begann eine neue Phase in der englischen Bildungsgeschichte, als die Schulen in Oxford und Cambridge überregionale Bedeutung gewannen und mit Paris und anderen entstehenden Universitäten konkurrierten. Beide hatten zunächst keinen erkennbaren Vorsprung gegenüber anderen englischen Bildungszentren, z. B. gegenüber der Kathedralschule von Lincoln, die sich nach Peter von Blois um 1176 selbst mit Bologna als führender kontinentaler Rechtsschule messen konnte, der Kathedralschule von Hereford, an der um 1195 alle sieben freien Künste gelehrt wurden, oder dem Generalstudium von Northampton, dem jedoch die Anerkennung als Universität versagt blieb. Oxford war dagegen nicht der Sitz eines Bistums und damit einer dem Scholaster oder Kanzler unterstellten Kathedralschule. Sein Vorteil war vor allem die Lage am Schnittpunkt wichtiger Straßenverbindungen, so nach Bristol, Southampton und London. Bald bildeten sich um die Pfarrkirche St. Mary erste Schulen, an denen auch Lehrer kontinentaler Herkunft wirkten, so 1149 der italienische Jurist Vacarius. Um 1184 gab es nach einem Bericht des Giraldus Cambrensis in Oxford schon Doktoren mehrerer Fakultäten. Um 1200 war es dann bereits ein Zentrum für Studien in Philosophie, römischem und kanonischem Recht sowie Theologie. Diese Entwicklung wurde jedoch durch Ereignisse des Jahres 1209 wieder infrage gestellt. Der Übergriff von Bürgern auf einige Studenten führte zum Auszug aller Magister und Scholaren, unter anderem nach Reading und Cambridge. Nach dem Vorbild von Paris wollten sie so für die Mitglieder der werdenden Universität den eigenen geistlichen Gerichtsstand erzwingen. Erst als König Johann den Ausgleich mit dem Papst und die Aufhebung des Interdikts erreicht hatte, kam es im Juni 1214 auch in Oxford zu Verhandlungen. Der päpstliche Legat, Nikolaus Bischof von Tusculum,
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legte die Rechte der Universität gegenüber der Stadt Oxford urkundlich fest – dazu gehörten eine Entschädigung für das Vorgehen der Bürger sowie Regelungen über Mieten und Lebensmittelpreise – und schuf damit die Grundlage für die weitere Entwicklung zu einem allgemein, auch auf dem Kontinent anerkannten Generalstudium. Die Oxforder Universität unterstand formal dem Bischof von Lincoln, erlangte jedoch zunehmende Selbstständigkeit. Dabei übernahm das 1214 erstmals belegte Amt des Kanzlers eine Vermittlerfunktion, da es aus dem Leiter der Schulen hervorging und von den Magistern besetzt wurde. Der Kanzler konnte selbst die Exkommunikation oder den Entzug der Lehrerlaubnis verfügen, wenn es zu Regelverstößen gekommen war. Nach dem Eingreifen des Papstes waren es vor allem die englischen Könige, die die Universität förderten. Heinrich III. bestätigte 1227 ihre Privilegien und schaltete sich 1231 ein, als es zu Klagen über die Mieten gekommen war. Im selben Jahr stärkte er die Stellung des Kanzlers. Das galt auch in den folgenden Konflikten, so 1263 bei einem erneuten Auszug der Universität, in denen königliche Unterstützung die Existenz der Universität sicherte. Der Auszug der Oxforder Magister und Scholaren 1209 hatte aber auch Folgen für Cambridge, da so viele von ihnen nach 1214 in der Stadt blieben, dass ein reguläres Studium in den Bereichen Philosophie, Theologie und Kirchenrecht angeboten werden konnte. Die Schulen profitierten davon, dass Heinrich III. 1229 Magister und Scholaren aus Paris, wo es zum Streit mit dem Bischof gekommen war, nach England einlud und 1231 die überregionale Bedeutung der Cambridger Schulen formal anerkannte. Cambridge entwickelte sich somit gewohnheitsmäßig zu einem Generalstudium, das – ungeachtet geringeren Besuchs – spätestens seit dem Ausgang des 13. Jahrhunderts Oxford und anderen großen Universitäten gleichgestellt war.
8. Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Englands im 12. und 13.Jahrhundert Mit der normannischen Eroberung kam eine neue Oberschicht nach England, und die Beziehungen zwischen den verschiedenen sozialen Gruppen wurden neu gestaltet. Zugleich begannen jedoch tief greifende Wandlungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Städtewesen, die England bis zum Ausgang des 13. Jahrhunderts grundlegend umgestalteten. Ein wesentlicher Faktor war, dass sich die Bevölkerung von der normannischen Eroberung 1066 bis zum Ausbruch der Pest 1348 etwa verdreifachte und von etwa 1,5 bis 2 auf 4,5 bis 6 Millionen anstieg (über die Zahlen gibt es in der For-
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schung keinen Konsens). Dadurch kam es zur Gründung zahlreicher neuer Siedlungen und zur Ausweitung der Anbauflächen, begünstigt durch die zunehmende Verbreitung neuer Techniken wie der Dreifelderwirtschaft oder des schweren Pflugs, aber ebenso zur Intensivierung des Handels und zu einer wachsenden Bedeutung der Städte. Die wichtigste Grundlage für einen Vergleich zwischen der angelsächsischen und der normannischen Zeit einerseits und späteren Entwicklungen andererseits bildet das Domesday Book, das außer dem ‚Ist-Stand‘ des Jahres 1086 jeweils auch die Situation der Zeit König Eduards des Bekenners dokumentiert und Werte angibt, die wohl an Umfang und Qualität des bebauten Landes orientiert sind. Die alte anglodänische Elite wurde infolge der Aufstände bis 1071 weitgehend abgelöst, und wo normannische Herren vom König Land erhielten, zogen sie bald auch den Besitz kleinerer Grundherren an sich. Es entstand eine kontinental geprägte – aber schon bald eigenständige – zweigeteilte Oberschicht: einmal die Gruppe der etwa 170 Familien umfassenden großen Barone, eng mit dem König verbunden und mit großen Landgütern ausgestattet, zum anderen die Gruppe der etwa 5000–6000 milites mit sehr unterschiedlicher gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Stellung. Während die Barone dem König mit einer bestimmten Zahl von Rittern Heeresfolge leisten mussten, waren die Ritter zumeist von den Baronen abhängig und zu Diensten verpflichtet. In das erneuerte Feudalsystem wurden auch die geistlichen Institutionen eingebunden, die von den Königen zu militärischen und anderen Aufgaben herangezogen wurden und ihrerseits Lehen vergaben. Die zu stellenden Kontingente waren oftmals in runden Zahlen bestimmt, ohne dass eine feste Relation zur Größe des Lehens bestand. Das hing auch damit zusammen, dass lange im Haushalt der Lehnsträger lebende Krieger eingesetzt wurden und sich erst allmählich, wohl zuerst im kirchlichen Bereich, eine Versorgung der Ritter mit Land ergab. Noch 1166 lebte – nach den Cartae baronum, den Antworten auf eine Anfrage Heinrichs II. an die Barone – im Norden und Osten Englands ein Viertel bis zu einem Drittel der Krieger im Haushalt ihrer Lehnsherren, während z. B. die Bischöfe von Lincoln und Exeter mehr Ritter mit einem Lehen versorgt hatten, als sie dem König stellen mussten. Schließlich entwickelten sich die Barone zu einem erblichen Adel mit eigener Gefolgschaft, und die Ritter wurden durch ihre Lehen zu kleinen Landherren, agrarii milites, die sich aus der engen Bindung an die Barone lösten und Aufgaben in der lokalen königlichen Verwaltung übernahmen. Die Größe ihrer Lehen, für die sie auf eigene Kosten bis zu 40 Tagen (oder mehr) Kriegsdienst leisten mussten, schwankte zwischen zwei und beacht-
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lichen 27 Hufen. Als die Ritterlehen im Laufe der Zeit in wachsendem Maße aufgeteilt wurden (Fünftel, Zehntel, Zwanzigstel und selbst Hundertstel sind nachweisbar) und als einige Lehnsträger Probleme hatten, ihren militärischen Verpflichtungen nachzukommen, setzte die Umwandlung in Geldzahlungen ein, in Schildgelder (scutagia). Sie wurden erst unter Richard häufiger erhoben und waren unter Johann so etwas wie eine reguläre Steuer. Ungeachtet der Intensivierung städtischer Siedlung, die mit einem langsam wachsenden gesellschaftlichen Reichtum, Möglichkeiten sozialen Aufstiegs, der Ausbildung der Geldwirtschaft und dem Aufstieg der Kaufleute einherging, blieb England auch bis zum Ausgang des 13. Jahrhunderts ländlich geprägt. Außerhalb der schwer zugänglichen Berg- und Moorgebiete herrschten der Wald und die offenen Felder vor, und die meisten Menschen lebten auf Gütern und in Dörfern. Innerhalb der hierarchisch organisierten Gesellschaft wurde das feudale Prinzip „kein Land ohne Herrn“ (nul terre sans seigneur) auch auf die nichtadligen Schichten übertragen. Dadurch gerieten die kleinen Freien (liberi homines, socmanni), vor allem illiterate englischsprechende Bauern, denen der französischsprachige Adel oft mit Verachtung gegenüberstand, in Abhängigkeit. Sie mussten ebenfalls Abgaben, Zinsen und geringere Dienstleistungen für die großen Grundherren erbringen. Ein Teil der Bauern sank so in die große Gruppe der Halbfreien ab, zumal, wenn sie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten waren. Zu dieser gehörten nach dem Domesday Book die villani, cottarii und bordarii, die neben ihren Abgaben Arbeiten auf dem Land der Herren ableisten mussten, sich aber durch den Umfang des von ihnen bewirtschafteten Bodens unterschieden. Das Domesday Book bietet dazu eine – unvollständige – ‚Momentaufnahme‘. Die umfangreichste Gruppe war danach die der villani, rund 41% der erfassten Bevölkerung mit 45% des Bodens, während die Gruppe der Freien (14%) etwa 20% des Bodens hielt, also nur geringfügig besser gestellt war. Die in ihrer sozialen Stellung den villani ähnlichen cottarii und bordarii (32%) bearbeiteten dagegen nur 5% des Bodens. Gegenüber diesen verschiedenen Stufen von ‚Freiheit‘ war die Gruppe der meist landlosen Unfreien oder Leibeigenen (servi) recht gering und umfasste nach dem Domesday Book nur etwa 10% der Bevölkerung. Die Sklaverei im engeren Sinne spielte dagegen nur eine untergeordnete Rolle, zumal die Kirche den Sklavenhandel seit dem frühen 12. Jahrhundert weitgehend untersagte. So ließ Anselm von Canterbury 1102 auf einer Synode in London ein Dekret gegen den Verkauf von Engländern in die Sklaverei beschließen. Die Zahl der servi ging dann im 13. Jahrhundert weiter zurück.
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Die Grenzen zwischen diesen sozialen Gruppen waren jedoch keineswegs eindeutig, sondern hingen von der jeweiligen Situation ab. Während der Status der servi vor allem durch Dienste auf dem Herrengut gekennzeichnet war, bestimmte sich die Freiheit der anderen bäuerlichen Schichten durch die von ihnen bewirtschafteten Böden. So wies ein Landbewohner aus Northamptonshire 1198 vor dem königlichen Gericht durch Zeugen seine persönliche Freiheit nach und erklärte, er sei „weder ein Bauer noch ein Unfreier noch ein villanus noch in ländlicher Abhängigkeit (in villenagio) […] geboren“, noch hätte er jemals die Arbeiten eines Unfreien oder andere gewohnheitsmäßige Dienste verrichten müssen.44 Das Bestreben der Rechtsgelehrten, die Bevölkerung aufgrund dieser Kriterien den Gruppen der Freien und der Unfreien zuzuordnen, ließ die ‚Zwischenstufen‘ scheinbar verschwinden, während es im 12. und 13. Jahrhundert zur Angleichung der freien und halbfreien Bevölkerung kam und ein villanus in einem Dorf eine freiere Stellung haben konnte als ein liber homo in einem anderen. Gerade die große Gruppe der villani – bordarii und cottarii lassen sich selten nachweisen – erfuhr jedoch eine recht unterschiedliche Einordnung. Als geborene ‚Dörfler‘, einfache Bauern, werden sie gelegentlich als consuetudinarii bezeichnet, weil sie gewohnheitsrechtliche Pflichten hatten, aber auch als servi, weil sie unfreie Dienste leisten mussten. Wohl noch unter Heinrich II. war die Aufnahme von villani als Geschworene in eine Jury untersagt, doch dürften die zahlreichen Gerichte besonders in den Dörfern und den Hundertschaften kaum ohne sie ausgekommen sein. Gelegentlich gab es sogar ein dörfliches ‚Polizeiwesen‘, obwohl villani eigentlich keine Waffen tragen durften. Dörfler mit eigenem Besitz wurden nach 1216 sowohl für die lokalen Aufgebote wie für die Besteuerung des beweglichen Besitzes z. B. in den Jahren 1225, 1232 und 1237 herangezogen. Ihre Herren konnten nach Belieben Abgaben erheben, insbesondere für Hochzeiten und im Todesfall, und konnten sie zwingen, in ihren Mühlen zu mahlen oder in ihren Öfen zu backen, doch waren die villani vor weit reichenden Übergriffen rechtlich geschützt und besaßen gegenüber anderen dieselben Rechte wie jeder Freie. Zudem ging das bewirtschaftete Land faktisch in der Regel vom Vater auf den Sohn über, auch wenn die Herren jederzeit darüber neu verfügen konnten, wie dies unter anderem 1236 durch das Statut von Merton festgelegt wurde. Eine Sonderstellung hatten villani, die auf aktuellem oder ehemaligem königlichem Besitz, der ancient demesne, siedelten. Sie waren von vielen Verpflichtungen der anderen befreit, durften ihr Land verlassen und wurden seit Heinrich II. von den königlichen Gerichten vor Vertreibung von den von ihnen bewirtschafteten Böden geschützt.
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Wesentlich war aber vor allem die Struktur der dörflichen Siedlungen. In den von einzelnen Grundherren kontrollierten Dörfern wurde die Abhängigkeit der Bevölkerung dadurch verstärkt, dass die manors zugleich die Zentren der lokalen Verwaltung und Gerichtsbarkeit bildeten – auch wenn ihre Bedeutung allmählich zurückging. Gab es dagegen in einem Dorf konkurrierende Grundherren oder überwog die Zahl der ‚freieren‘ Bauern, konnten sich die kommunalen Einrichtungen der Dorfgemeinschaft behaupten. Der Zwang zu einer gemeinsamen Bewirtschaftung von Wiesen und Gemeindeweiden schuf dabei teilweise intensive Bindungen. Art und Umfang der Dienste für die Grundherren standen zumindest rechtlich in deren Ermessen, und bei Henry of Bracton „soll er [der villanus] am Abend nicht wissen, welchen Dienst er am Morgen tun wird“, also gehalten sein, „zu tun, […] was ihm befohlen wird“.45 Allerdings waren die regulären Pflichten der villani oft genau festgelegt, sowohl während der Saat- und Erntezeiten wie auch allgemein, so das Mahlen von Getreide, Mälzen und Transportleistungen. Seit dem 12. Jahrhundert wurden diese Dienste teilweise in Geldzahlungen umgewandelt, wenn dies den Grundherren nützlich schien, sodass die censuarii, die Zinsleistenden, in den Quellen als Gruppe neben die villani traten. Vor diesem Hintergrund vollzog sich oft sozialer Auf- und Abstieg. Während einige der villani ihre Dienste im Einverständnis mit ihren Herren durch Geldzahlungen völlig ablösen konnten und damit sozial aufstiegen, gerieten freie Bauern durch Missernten, ungünstige Erbteilungen oder wirtschaftliche Probleme in Abhängigkeit. Schon im 12. Jahrhundert kam es so zu einem deutlichen Rückgang der freien bäuerlichen Bevölkerung, und im 13. Jahrhundert entstand durch das Bevölkerungswachstum ein ‚Dorfproletariat‘, aus dem die Grundherren leicht einsetzbare Lohnarbeiter rekrutierten. Auf den Gütern lassen sich so mit Naturalien – oder bereits mit Geld – entlohnte Pflugführer, Schäfer, Hirten, Mägde, Handwerker und Fuhrleute nachweisen, neben saisonal beschäftigten Arbeitern. Andererseits konnten andere Landbewohner durch die Ausweitung der Siedlung in die Wald-, Marsch- und Fennlande oder durch die zahlreichen Städtegründungen persönliche Freiheiten erwerben. Sozialer Aufstieg war ebenso durch königliche und kirchliche Förderung möglich, und seit dem 13. Jahrhundert erwarben wirtschaftlich erfolgreiche Stadtbewohner Landbesitz als Kapitalanlage oder im Zusammenhang mit Hypothekenzahlungen an mittellose Adlige und wurden nach und nach in den ländlichen Adel aufgenommen. Die Landwirtschaft bildete weiterhin die Grundlage für den Unterhalt der überwiegenden Mehrheit der englischen Bevölkerung. Die Erträge waren trotz sich wandelnder Anbautechniken nur gering, sodass Missern-
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ten leicht zu Katastrophen führen konnten. Bei Weizen und Gerste betrug die Ernte z. B. nach modernen Schätzungen am Ende des 13. Jahrhunderts wahrscheinlich meist kaum mehr als das Fünffache der Aussaat, bei Hafer sogar nicht mehr als das Dreifache. Weizen wurde vor allem im Flachland angebaut, im Norden und auf weniger fruchtbaren Böden Roggen, dazu kam Gerste für die Herstellung der Grundnahrungsmittel Brot und Bier. Die Dreifelderwirtschaft setzte sich nur langsam durch. Immer noch mussten große Teile des Bodens jedes zweite oder jedes dritte Jahr brachliegen, um später wieder ausreichende Erträge zu bringen, da die Fruchtbarkeit der Böden und natürliche Düngemittel nicht für einen jährlichen Anbau ausreichten. Erst im Laufe des 13. Jahrhunderts wurde Gemüse in den Kreislauf der Dreifelderwirtschaft aufgenommen, um die Böden fruchtbarer zu machen, zuerst im östlichen England. Dabei erleichterte die weitere Verbreitung der großen offenen Felder, die von den Dörflern gemeinsam bewirtschaftet wurden, seit dem 12. Jahrhundert die dreistufige Rotation. In Regionen mit kärgeren Böden konzentrierten sich die Bauern allerdings teilweise nur auf einen kleineren Teil der Ackerfläche, die regelmäßig gedüngt wurde, während andere Teile oftmals mehrere Jahre lang brachlagen. Die Bedeutung besserer Düngung und höherer Erträge wurde im 13. Jahrhundert auch in theoretischen Traktaten zur Landwirtschaft betont. So rät der unbekannte Autor der »Seneschaucy«: „Gibt es überschüssiges Stroh oder Farn, werfe es auf feuchte Böden und Straßen, um Kompost zu erzeugen; kein Gut soll auch nur einen Stoppel verkaufen; man soll nur so viel Stroh schneiden und sammeln, wie man zum Eindecken der Häuser braucht, und den Rest soll man unterpflügen“,46 und Walter of Henley diskutierte um 1286 in einem Lehrbuch, welche Vor- und Nachteile Zwei- und Dreifelderwirtschaft bringen, warum Ochsen in der Landwirtschaft Pferden vorzuziehen sind und wie die Erträge mit fremdem Saatgetreide gesteigert werden können. Diese Ratschläge richteten sich vor allem an die großen Grundbesitzer. Zu ihnen gehörten kirchliche Institutionen wie die – als reich geltenden – Bischöfe von Winchester, die im 13. Jahrhundert zeitweilig allein rund 13 000 Morgen Land bewirtschafteten, aber auch ritterliche Familien. Das Spektrum ritterlicher Güter reichte z. B. in Cambridgeshire nach der Erhebung von 1279 von 45 bis immerhin 240 Morgen, bei einem Durchschnitt von 120 Morgen, oft auf mehrere Güter verteilt. Daneben gab es umfangreichen Pachtbesitz in bäuerlicher Hand sowie bäuerlichen Eigenbesitz in unterschiedlicher Größe. Das Verzeichnis von 1279 listet insgesamt 20 000 Bauern mit Pacht- und Grundbesitz auf. Etwa 6% bewirt-
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schafteten erheblichen Grundbesitz, weitere 21% verfügten über einen Besitz von etwa 30 Morgen, doch bei 30% dieser Bauern reichte der Besitz kaum mehr zur Versorgung der Familien aus, und für immerhin 43% dürfte Grundbesitz für den Unterhalt keine Rolle mehr gespielt haben. Sie waren auf zusätzliche Einnahmequellen wie Fischerei, Vogelfang oder auch Wilddiebstahl angewiesen oder mussten sich eine gewerbliche Betätigung suchen, etwa im Bergbau oder in der sich allmählich entwickelnden ländlichen Textilproduktion. Ihre Zahl stieg durch Erbteilungen und Missernten bis ins 14.Jahrhundert stetig an. Für die Verwaltung der Güter setzten sich im Laufe des 13.Jahrhunderts mehr und mehr kommerzielle Methoden durch. Eigene Amtsträger wurden bestellt, umfangreiche Investitionen getätigt, Lohnarbeiter in größerer Zahl beschäftigt. Die Verwalter, die oft aus dem Kreis der lokalen Grundbesitzer kamen, sollten grundherrliche Abgaben, auch für Mühlen, Fischrechte, Gerichtsbußen und anderes, das zum manor gehörte, einziehen, für die bestmögliche Nutzung der Domäne sorgen, Überschüsse verkaufen, Gebäude und Geräte instand halten und die Rechte des Grundherren wahren. Ihnen standen weitere gewählte und angestellte Helfer zur Seite, unter anderem Wächter für den Waldbesitz, die das unberechtigte Fällen von Bäumen, den unerlaubten Viehtrieb in den Wäldern sowie die Entnahme von Brennholz oder Eicheln zu verhindern hatten. Im Flachland betrieben vor allem die großen Grundherren und die reicheren Bauern Viehhaltung, doch in den kärgeren Teilen des Hochlands übernahm die Viehzucht die Rolle des Getreideanbaus. Hier wie dort kam der Schafzucht große Bedeutung zu, die seit dem 12. Jahrhundert das Bild der englischen Landschaft veränderte, da Schafe auch junge Bäume benagen und dadurch viele Gebiete ihren Wald- und Buschbestand verloren. Ähnlich wie beim Milchertrag der Kühe, der etwa bei einem Sechstel moderner Erträge lag, war auch die Schafschur weniger intensiv und erbrachte günstigstenfalls die Hälfte der heutigen Wollmenge. Obwohl Schafe wegen ihrer Anspruchslosigkeit gehalten wurden, meist auf schlechteren Böden, musste z. B. zwischen 1181 und 1222 auf den Gütern der St.-Paul’sKathedrale in Essex die Zahl der Schafe auf vier je Morgen begrenzt werden, und die Schafhaltung ging zeitweilig zurück. Immerhin besaßen die Londoner Kleriker 1222 auf elf Gütern 2272 Schafe, 86 Rinder, 134 Schweine und sieben Pferde. Die Produkte der Schafzucht, Häute, Felle und Wolle, entwickelten sich zum wichtigsten englischen Exportgut. Die Häute dienten zur Herstellung von Pergament, das in einer Zeit zunehmender Schriftlichkeit immer teurer wurde, und die Wolle wurde zur Tuchherstellung vor allem nach Flandern exportiert. 1273 wurden z. B. etwa acht Millionen Tiere geschoren, deren Wolle rund 3 500 000 Kilo-
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gramm wog und in 32 743 Säcken in die Zentren der westeuropäischen Tuchproduktion exportiert wurde. In der Viehhaltung kam daneben Rindern eine besondere Bedeutung zu, vor allem den Zugochsen für die schweren Pflüge, die im Domesday Book zumeist als Achtergruppen nachweisbar sind. Dies sind wahrscheinlich – entgegen der Meinung der älteren Forschung – Grundeinheiten, die je nach den lokalen Bedürfnissen und den Bodenverhältnissen variiert wurden. Es gab Vierer-, Sechser- und Achtergruppen oder sogar noch größere Einheiten. Teilweise wurden Pflugochsen und Abhängige, die sie führten, von verschiedenen Orten aus eingesetzt, sodass z.B. bei Einträgen für Lincolnshire entsprechende Angaben fehlen. Das Domesday Book belegt bereits besondere Formen der gewerblichen Waldnutzung. Waren die englischen Wälder mit dem vom König durchgesetzten rigiden Forstrecht vor allem für die Jagd reserviert, dienten sie in den Zentren der Eisenproduktion für den Nachschub von Brennmaterial, etwa in den Eisenwerken im waldreichen Gebiet um Bytham in Lincolnshire, wo – angesichts fehlender Eisenvorkommen – offenbar bereits ausgeschmolzenes Eisen weiterverarbeitet wurde. Eisenvorkommen gab es vor allem im Südwesten, in Dorset und Somerset, wo Freie und Pächter von Mühlen neben anderen Naturalien auch Eisen abliefern mussten, das wahrscheinlich in lokalen Werkstätten weiterverarbeitet wurde. Mühlen sind im Domesday Book in größerer Zahl nachgewiesen, und zwar Wassermühlen. So hatten z.B. in Lincolnshire 256, in Norfolk 304 und in Suffolk 178 Orte Anteile an Mühlen, selbst wenn selten mehrere Mühlen an einem Ort waren. Die Gewässer wurden in vielen Grafschaften aber auch für den Fischfang genutzt, sodass oft Fische zu den Naturalabgaben der abhängigen Bevölkerung zählten, Aale an Flüssen, Heringe an den Küsten. Daneben spielte in den Küstenlandschaften die Salzgewinnung eine Rolle, sodass sich mehrfach Salzpfannen nachweisen lassen, allerdings nur gelegentlich mehrere an einem Ort. Die gewerbliche Entwicklung auf dem Lande wie der Aufschwung des Wollexports waren gleichermaßen eng mit der Entwicklung des englischen Städtewesens verbunden. Die alten Städte wuchsen, neue wurden gegründet, auch wenn sich einige nicht über ‚Ackerbürgerstädte‘ hinaus entwickelten und einen gewissen ländlichen Charakter behielten. Im Laufe des 12. Jahrhunderts erhielten insbesondere die Bürger der großen Städte ‚Freiheiten‘, die ihnen eine mehr oder weniger ausgeprägte Selbstverwaltung erlaubten, sie vor willkürlichen Steuern schützten und ihnen relativ freie Verfügung über ihren Besitz gaben. Das galt vor allem für London, dessen Bürger um 1130 von Heinrich I.
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gegen die feste jährliche Zahlung von 300 Pfund von weiteren Abgaben an den König befreit wurden und eigenständig die sheriffs für Middlesex sowie die Richter in ihrer Grafschaft berufen konnten. „Niemand anderer“, so heißt es im Text der Urkunde weiter, „soll über dieselben Männer von London richten. Und die Bürger sollen nicht außerhalb der Mauern der Stadt in irgendeinem Rechtsstreit auftreten, […] und keiner von ihnen soll sich dem [gerichtlichen] Zweikampf stellen. Und wenn irgendeiner der Bürger im Zusammenhang mit den Verfahren der Krone angeklagt wird, so soll er sich durch einen Eid als Mann aus London ausweisen, über den in der Stadt geurteilt werden muss.“47 Trotz eines kurzfristigen Rückschlags 1141 unter Stephan, als London noch einmal einem sheriff unterstellt wurde, entwickelte sich die Stadt damit zu einem eigenständigen Rechtsbereich, mit eigenen Richtern sowie der Befreiung vom gerichtlichen Zweikampf, dessen Ausgang über das Urteil entschied und der jetzt – wie auf dem Kontinent – durch Eidesleistungen ersetzt wurde. Dazu kamen weitere Rechte, unter anderem Zoll- und Abgabenfreiheit im gesamten Land, eine Begrenzung für Bußen in Gerichtsverfahren sowie Schutzbestimmungen für Besitz und Schuldforderungen außerhalb der Stadt, die Heinrich II. 1155 bestätigte. Auch im 13. Jahrhundert konnte London seine Stellung weiter ausbauen. Die Rechtsentwicklung Londons wurde ihrerseits für andere Städte vorbildlich, so für Oxford, dem Heinrich II. 1155 die Gewohnheiten, Rechte und Freiheiten Londons verlieh. Während sich die Bürger von Oxford in Streitfällen an London wenden sollten, wurde das Oxforder Recht unter anderem an Bedford und Lynn weitergegeben. Andere Städte orientierten sich an kontinentalen Vorbildern, so z.B. Hereford an der kleinen normannischen Stadt Breteuil. Seit dem Ausgang des 12. Jahrhunderts sind vielerorts Bürgermeister, Schöffen und Ratsmänner belegt. Das Bürgerrecht blieb allerdings jenen vorbehalten, die Grundstücke in der Stadt besaßen und führend am Wirtschaftsleben teilnahmen. Gelegentlich forderten diese Vertreter der Oberschicht den ärmeren Einwohnern der Städte zu hohe Abgaben ab, sodass es zu inneren Spannungen und Unruhen kam. Die Stadtrechte gewannen schließlich im 13. Jahrhundert ihre grundlegende Gestalt. Gründete der König oder ein Adliger eine Stadt neu, erhielt diese nunmehr in der Regel Freiheiten in drei Bereichen. Erstens wurde sie als „freie Stadt“ (liber burgus) verstanden, in der die Einwohner Grundbesitz nach einem besonderen, städtischen Grundrecht (burgage tenure) innehatten, das ihnen die freie Übertragung ihres Eigentums erlaubte; zweitens war ihr Gericht deutlich von der grundherrlichen Gerichtsbarkeit getrennt; und drittens wurde die neue Stadt – soweit möglich – aus der Abhängigkeit der sheriffs gelöst, vor allem durch Zollbefreiun-
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gen, ohne die kaum eine Stadt bestehen konnte. Die anderen Grundherren gingen bei der Privilegierung ihrer Städte oftmals über das hinaus, was das Königtum selbst größeren Städten zugestand, um Siedler gewinnen zu können. Sie behielten sich aber zumeist vor, dass ihre eigenen Amtsträger die städtischen Gerichte leiteten, sodass sich letztlich die königlichen Gründungen zu größerer Bedeutung entwickelten. Das Domesday Book, in dem London fehlt, gibt zumindest einen Eindruck von der Situation der kleineren Städte um 1086. So wurde z. B. Colchester in Essex zusammen mit zwei Dörfern in einer Hundertschaft zusammengefasst. Seine rund 400 Häuser gehörten nicht nur Einwohnern, sondern auch ländlichen Grundbesitzern der Umgebung, dem Bischof von London und dem Abt von Westminster. Die Bevölkerung dürfte zu diesem Zeitpunkt etwas mehr als 2000 Personen umfasst haben, und im Zusammenhang mit der Münzstätte kann auch ein städtischer Markt angenommen werden. Colchester war bereits von einer Mauer umschlossen, die einen städtischen Grundbesitz von unter anderem rund 85 Morgen Wiese und 240 Morgen Weide abgrenzte, die von den Einwohnern bewirtschaftet wurden. Die Bedeutung der Landwirtschaft für die kleineren Städte ergibt sich auch für das ebenfalls in Essex gelegene Maldon, für das umfangreiche Viehhaltung belegt ist, so von 140 Ochsen, 146 Schweinen und 576 Schafen. Maldons knapp 200 Häuser, von denen ein Teil leer stand, gehörten ausschließlich dem König. Die Einwohner waren zur Stellung von Pferden für das Heer und zum Bau eines Schiffs verpflichtet. Ungeachtet dieses Befunds darf man die Rolle der Städte als gewerbliche Zentren und Handelszentren nicht unterschätzen, da sie gerade im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts kontinuierlich an Bedeutung gewannen. Waren zur Deckung des Bedarfs der Einwohner kamen in die Stadt, eingeführte oder vor Ort hergestellte Produkte wurden weitervermittelt und für den Fernhandel bestimmte Güter wurden zusammengetragen und gelagert. So zählten zu den Einwohnern der kleinen Stadt, die sich Anfang des 12. Jahrhunderts um Battle Abbey in Sussex bildete, neben den Landarbeitern und Dienern der Abtei – die einen eigenen Lebensbereich bileten – auch Händler und Handwerker, z. B. Müller, Bäcker, Brauer, Zimmerleute, Weber sowie Angehörige Metall und Leder verarbeitender Berufe. Die Buntheit städtischen Lebens läßt sich vor allem am Beispiel Londons fassen, das einer der Biographen Thomas Beckets, William Fitz Stephen, um 1180 geschildert hat. So beschreibt er die Mauerringe der Stadt, ihre Vorstädte mit großen Gärten an den Häusern sowie Felder, Weideland, Wiesen und Mühlen im Umland, aber auch die Geschäftigkeit der Kaufleute, Handwerker und Arbeiter. In der Stadt gab es zur Versor-
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gung überraschend eingetroffener Gäste ein Geschäft für Speisen, „wo du täglich Essen je nach der Jahreszeit finden kannst, Fleischgerichte, geröstet, gebraten und gekocht, großen und kleinen Fisch, einfacheres Fleisch für die Armen und delikateres für die Reichen, wie Wild und große und kleine Vögel“.48 Außerhalb wurden während der Fastenzeit von den jungen Männern der Stadt – auch unter Beteiligung des Hofes und des Adels – turnierähnliche Kämpfe inszeniert, und weitere Wettkämpfe wie Bogenschießen, Wettlaufen, Springen, Ringen, Schleudern und Zweikämpfe fanden im Sommer statt. Mit der Entwicklung des Städtewesens erlebten auch Gewerbe, Märkte und Handel seit dem Ausgang des 11. Jahrhunderts einen deutlichen Aufschwung, eine deutliche ‚Kommerzialisierung‘. Dazu trug unter anderem die Verbesserung der Verkehrswege bei, durch den Ausbau der Häfen in den Küstenstädten, Anlage von Kanälen (wie 1247/48 im Falle Bristols), die Beseitigung von Fischwehren und die Erneuerung von Straßen, Brücken und Dammwegen auf Drängen der königlichen Verwaltung. Mit der Änderung der städtischen Verfassung verloren die schon aus angelsächsischer Zeit belegten städtischen Gilden an Bedeutung, und spätestens im 13. Jahrhundert wurden sie durch Kaufmannsgilden ersetzt. Schon ab dem Ende des 12. Jahrhunderts beherrschten die Kaufleute die handwerkliche Produktion, insbesondere die der Tuchwalker und Weber, deren Güter als Exportartikel eine wichtige Rolle spielten, lassen sich doch englische Tuche um 1200 z.B. in Genua und bis nach Sizilien nachweisen. Neben den gewöhnlichen Tuchen aus Stadt und Land für die regionalen Bedürfnisse wurden im 12. Jahrhundert vor allem in den ostenglischen Städten besonders feine Tuche für die Ausfuhr produziert. Nach dem pipe roll für 1202 hatten zu dieser Zeit York und Lincoln eine führende Rolle in der Tuchherstellung, gefolgt von Newcastle upon Tyne, Beverley, Leicester, Northampton und Winchester. Dabei spielte es für die Entwicklung der Städte keine Rolle, ob sie sich auf die Produktion hochwertiger Exportware oder – wie z. B. London, Oxford oder Marlborough – auf die Herstellung billiger Massengüter spezialisierten. Die Webergilden, unter anderem in London, Lincoln und Winchester, wurden vom Königtum gefördert, und Heinrich II. wie Johann erwarben Tuche in Winchester, die als Geschenke gedacht waren, also von hoher Qualität gewesen sein müssen. Bis zum Ende des 13. Jahrhunderts führten auswärtige Konkurrenz und innere Probleme jedoch zu einem gewissen Rückgang der Exporte. Zu den englischen Exportgütern zählten weiterhin Metalle, vor allem Zinn. Infolge der Ausweitung des Handels wurde die Zinngewinnung von etwa 50 bis 65 Tonnen in den 1150er-Jahren auf über 600 Tonnen im Jahr 1214 gesteigert. Der Abbau erfolgte vor allem in den Grafschaften Devon
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und Cornwall und bildete eine wichtige Einnahmequelle für das Königtum, das daraus 1214 immerhin 800 Pfund an Einkünften erzielte. Zugleich nahm auch die Bleiproduktion stetig zu und erreichte am Ende des 12. Jahrhunderts einen Höhepunkt, als neue Minen in Shropshire und Somerset erschlossen wurden. Zinn und Blei wurden in England wie auf dem Kontinent für die überall entstehenden Steinbauten benötigt, doch ging der Export im 13. Jahrhundert deutlich zurück, als sich kontinentale Konkurrenz ausbildete. Die Eisenproduktion erlangte daneben in England zwar nur regionale Bedeutung, doch bildeten sich Zentren, an denen – wie in Yorkshire – auch geistliche Institutionen beteiligt waren. So übernahm vor allem der Wald von Dean am Ausgang des 12. Jahrhunderts die Rolle eines ‚mittelalterlichen Birmingham‘, aus dem viele der in England gebrauchten Äxte, Spaten, Nägel und Pfeilspitzen kamen. Der größte Teil des englischen Handels im 12. Jahrhundert spielte sich im lokalen Bereich ab, oft als direkter Austausch zwischen Hersteller und Verbraucher. So waren die großen ländlichen Güter im Prinzip auf Überproduktion angelegt, während viele der Kleinbauern und der Lohnarbeiter darauf angewiesen waren, Lebensmittel und Werkzeuge auf dem Markt kaufen zu können. Dagegen gewann der Fernhandel nur allmählich an Bedeutung. Neben der dünnen Schicht englischer Fernhändler vor allem in den Zentren London, York und Bristol spielten auswärtige Händler aus Flandern, dem Rheinland und Skandinavien für den Export und Import Englands eine wichtige Rolle. Dänen konnten sich in der Zeit Heinrichs I. in London und seiner Umgebung frei bewegen, kaufen und verkaufen, doch gaben sie ihre Niederlassung im Laufe des 12. Jahrhunderts auf. Dagegen lassen sich Kölner Kaufleute bereits vor 1150 in Norwich nachweisen und erhielten 1157 durch Heinrich II. ein umfangreiches Privileg, das sie und ihre Londoner Niederlassung, die Guildhall, unter königlichen Schutz nahm. Seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts kamen zunehmend norddeutsche Kaufleute nach England, die Heinrich III. in zwei Urkunden von 1266 bzw. 1267 den Kölnern gleichstellte, auch wenn ein Ausgleich zwischen den deutschen Kaufleuten erst mit dem Privileg Eduards I. von 1282 gelang. Aus dem Ostseeraum wurden – nach 1250 zunehmend auf dem Seeweg um Jütland – Massenwaren wie Holz, Wachs, Eisen, Pech und Felle importiert, gegen englische Rohprodukte wie Wolle und Zinn. Dies nahm jedoch erst seit dem Ende des 13. Jahrhunderts größeren Umfang an, in der Regierungszeit Eduards I. und seiner Nachfolger.
III. England im Spätmittelalter 1. Eduard I. und Eduard II. (1272–1327) Die Zeit Heinrichs III. bildete insofern einen Einschnitt, als im Laufe der Konflikte zwischen den Baronen, dem König und seinen Anhängern das Königtum nunmehr fest in der sich entwickelnden englischen Verfassung verankert wurde. Ein Teil des königlichen Programms war auch die Zuwendung zu Eduard dem Bekenner, die nicht nur in der gotischen Erneuerung der Abteikirche von Westminster fassbar wird, sondern ebenso in der Entscheidung für die Namensgebung des Kronprinzen. Der angelsächsische Name ‚Eduard‘ entwickelte sich damit zu einem neuen Leitnamen der angevinischen Dynastie. Die Spannungen zwischen den Großen und dem Königtum hielten jedoch, wenngleich unter sehr unterschiedlichen Vorzeichen, unter den ersten beiden Herrschern dieses Namens an. Auch außenpolitisch sahen sich Eduard I. und Eduard II. in den Kriegen gegen Schottland und Frankreich ähnlichen Problemen gegenüber. Der Konflikt mit Frankreich gewann erst unter Eduard III. mit dem Ausbruch des Hundertjährigen Krieges 1337 eine neue Qualität. Eduard I. war noch als Kronprinz im August 1270 zu einem Kreuzzug aufgebrochen, mit dem er das Gelübde seines Vaters erfüllte, aber angesichts der schwierigen Lage der auf wenige Stützpunkte reduzierten Kreuzfahrerstaaten wenig ausrichten konnte. So kehrte er im September 1272 nach dem Westen zurück, blieb aber auch nach dem Tod Heinrichs fast zwei Jahre auf dem Kontinent. Während sich der Herrschaftswechsel in England trotz der Abwesenheit des Königs und einiger Spannungen weitgehend reibungslos vollzog, reiste Eduard zum Papst, leistete dem französischen König Philipp III. die Lehnshuldigung für seine französischen Besitzungen und nahm an Turnieren teil. Erst Anfang August 1274 landete er in Dover, und am 19. August wurde er in Westminster feierlich gekrönt. Zu Eduards Plänen zählte nicht nur ein weiteres, groß angelegtes Kreuzzugsunternehmen, das er nie verwirklichen sollte, sondern auch eine weitere Stärkung des Königtums, die er erreichen wollte, indem er das englische Recht erneuerte und die Lehnsbindungen auf seine Person konzentrierte – unter anderem, indem er eine Tafelrunde nach dem legendären Vorbild König Arthurs begründete. Eduard stellte schon bei seiner Krönung seinen königlichen Pflichten die Wahrung der Rechte der ‚Krone‘ gegenüber. Nach einer chronikalischen Überlieferung soll er sogar die ihm gerade durch den Erzbischof
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von Canterbury aufgesetzte Krone abgenommen und erklärt haben, er wolle sie erst wieder tragen, wenn er alle von seinem Vater vergebenen Besitzungen für die Krone zurückgewonnen habe. Auch wenn dies wahrscheinlich so nie stattfand, dürfte es wohl Eduards Intentionen nahe kommen. Ein erster Schritt war die Ablösung aller sheriffs im September 1274, und im folgenden Monat wurde eine bereits zuvor begonnene Untersuchung der königlichen Rechte wieder aufgenommen und intensiviert. So wurden zwei Beauftragte für jede Grafschaft ernannt, die lokalen Geschworenen eine Liste von über 40 Fragen vorlegten, die rasch beantwortet werden mussten. Zwischen November 1274 und März 1275 entstand so eine Art neues Domesday Book, die hundred rolls („Hundertschaftsrollen“). Ein Ergebnis war die weite Verbreitung von Korruption und Misswirtschaft. So wurden etwa in Gloucestershire Anschuldigungen gegen 30 königliche Amtsträger erhoben, in Essex sogar gegen 188, allerdings jeweils abhängig von den lokalen Verhältnissen und vom königlichen Einfluss. Eduard ließ daraufhin zur Bekämpfung von Missbräuchen auf seinem ersten allgemeinen Parlament im April und Mai 1275 in Westminster ein 51 Artikel umfassendes Statut verkünden. Es ermöglichte ein Vorgehen gegen korrupte Amtsträger, die z. B. hohe Bürgschaften für Gefangene forderten oder die königliche Vormundschaft über minderjährige Erben zu ihrem Vorteil missbrauchten. Dabei kam es jedoch – auch wegen des Ausbruchs der Kämpfe mit Wales – nicht zur Verhängung von Strafmaßnahmen. Die Schulden aus dem Kreuzzugsunternehmen und dem Aufenthalt auf dem Kontinent erforderten zudem eine Neuordnung der königlichen Finanzen. So hatte Eduard allein von einem Bankhaus aus Lucca, den Riccardi, für seine Rückkehr nach England 23 000 Pfund geborgt. Die Riccardi erhielten im Gegenzug 1274 den Auftrag, Bußgelder von 13 000 Pfund von fremden Kaufleuten einzuziehen, die ein im Sommer 1273 verhängtes Embargo gegen Flandern gebrochen hatten. Diese Bußen griffen aber offenbar nur Plänen für die Einführung von Zöllen auf den Export von Wolle und Leder vor, die auf dem Parlament vom Frühjahr 1275 beraten wurden, zu dem neben den Grafschaftsrittern auch Vertreter der Städte geladen waren. Da der König die Aufhebung des Embargos zusagen konnte, wurden die Zölle dann tatsächlich mit Zustimmung der Großen und der Kaufleute eingeführt: Je Sack Wolle und je 30 Häute war eine halbe Mark zu entrichten. Die Erhebung übernahmen wiederum italienische Kaufleute, die allerdings diesmal über die Einkünfte abrechnen mussten. Die Zölle erwiesen sich bald als wichtige Einnahmequelle. Jährlich brachten sie bis 1279 durchschnittlich 8000 bis 10000 Pfund ein.
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Wegen einer Erkrankung Eduards musste zwar der Beschluss über eine Steuererhebung auf ein Parlament im Herbst 1275 verschoben werden, doch konnte er sich auch mit diesem Vorhaben durchsetzen. Nach den Annalen von Winchester wurde im Oktober 1275 in Westminster „mit allgemeiner Zustimmung der Erzbischöfe, Bischöfe, Grafen und Barone dem genannten Herrn König als Subsidium ein Fünfzehnter zugestanden von gewissen weltlichen Gütern aller Besitzungen des Königreichs England, aufgrund seiner Neuheit [im Amt], wie einige sagten“.1 Die Steuer von knapp 7% auf alle beweglichen Güter, insbesondere Nahrungsmittel und Vieh, wurde mit den Ausgaben Eduards für den Kreuzzug begründet, sodass der Klerus – der schon einen auf dem Zweiten Lyoner Konzil 1274 für sechs Jahre eingeführten Kreuzzugszehnten zahlen musste – von der Erhebung befreit blieb. Aber auch so kamen rund 80000 Pfund ein. Parallel wurde mit ersten (allerdings erst unter Eduards Nachfolgern erfolgreich abgeschlossenen) Reformen im Schatzamt begonnen. So wurden drei Amtsträger für die Verwaltung des Kronguts ernannt (für den Süden und Westen; für die midlands und den Osten sowie für den Norden) und Richtlinien für die Arbeit des Exchequer erlassen. Damit ruhten die königlichen Finanzen fortan auf drei Säulen: den Einkünften aus dem königlichen Grundbesitz, den jeweils vom Parlament zu bewilligenden Steuererhebungen sowie regelmäßig fließenden Zöllen. Zwar reichten die Einnahmen noch in den 1290er-Jahren nicht für die Finanzierung der Aufgaben des Königtums aus, doch wurde dieses ‚System‘ – bis in die 1350er-Jahre weiter ausgebaut – schließlich doch zu einer wichtigen Grundlage. Die Umsetzung der Reformen wurden durch den Krieg mit Wales unterbrochen, aber 1278 unter wesentlicher Beteiligung des Kanzlers Robert Burnell (bis 1292) wieder aufgenommen. Erneut wurden die sheriffs abgelöst, wieder begann eine Landesaufnahme. Den Anlass bot die Bestimmung, dass niemand mehr Ritter werden sollte, der nicht über mehr als 20 Pfund jährlicher Einnahmen von seinen Gütern verfügte, doch ging es Eduard vor allem darum, der Entfremdung von Rechten nachzugehen, die bereits 1274 deutlich geworden war. Die damit beauftragten Reiserichter konnten gegen unrechtmäßige Besitzer das königliche writ Quo Warranto („auf welcher Grundlage“) einsetzen, mit dem der Nachweis von Besitzrechten verlangt wurde. Dieses Vorgehen billigte auch das Parlament in Gloucester im August 1278, allerdings ohne zu klären, auf welche Art der Nachweis erbracht werden sollte. Dies war aber nicht immer einfach, gingen doch viele Rechte auf die normannische Eroberung zurück. So soll – nach einer von Walter of Guisborough berichteten Legende – der earl von Warenne auf die Frage nach Nachweisen den Reiserichtern ein altes, rostiges Schwert ge-
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zeigt und gesagt haben: „Seht, meine Herren, hier ist mein Nachweis. Meine Vorfahren, die mit Wilhelm dem Bastard kamen, gewannen ihre Länder mit dem Schwert, und ich werde diese mit dem Schwert gegen jeden verteidigen, der sie mir nehmen will.“2 Obwohl das Argument des langen Besitzes zweifellos zählte, kam es ungeachtet der 1279/80 in neuen hundred rolls aufgezeichneten, umfangreichen Besitzaufnahme auch in den 1280er-Jahren zu Konflikten. Weitere Statuten regelten kirchliche Schenkungen und die Kontrollrechte der Lehnsherren. So wurden 1279 mit dem Statut von der „toten Hand“ (Mortmain) Schenkungen von Grundbesitz an die Kirche ohne Zustimmung des Lehnsherrn verboten, und im zweiten Statut von Westminster von 1285 wurde die Möglichkeit eröffnet, Schenkungen an Bedingungen zu knüpfen, sodass das vergebene Gut bei Nichteinhaltung wieder zurückgefordert werden konnte. Zudem wurde das Vorgehen gegen unrechtmäßige Übergriffe auf Besitz und gegen schlechte Verwalter erleichtert. 1290 wurde dann die Weitervergabe von Lehen in ‚Unterleihe‘ untersagt. Mit all diesen Verfügungen griff Eduard ordnend und einschränkend in das geltende Gewohnheitsrecht, das common law, ein. Ungeachtet seiner zielgerichteten und an rechtlichen Normen orientierten Politik, die die königliche Stellung stärken sollte, stieß Eduard bei seinen Untertanen nicht immer auf Zustimmung. Insbesondere die zahlreichen, durch Kriege bedingten Steuern und das zunehmend härtere Vorgehen bei ihrer Erhebung führten zum Widerstand gegen seine Regierung. So beriefen sich z.B. englische Bischöfe unter dem Erzbischof von Canterbury, Robert Winchelsey, 1296 auf die Bulle Clericis laicos Papst Bonifaz’ VIII., die die Besteuerung des Klerus ohne päpstliche Zustimmung verbot, und die weltlichen Großen weigerten sich, sich an geplanten Feldzügen nach Flandern und in die Gascogne zu beteiligen. Als Eduard trotzdem im Sommer 1297 mit einem kleinen Heer nach Flandern zog, führte dies zum offenen Protest der Barone. Von Gent aus musste er deshalb in der Confirmatio cartarum vom November 1297 einer weiteren Erneuerung der Magna Carta und des Forst-Privilegs zustimmen. Zudem musste er bestätigen, dass die zuvor mehrfach erhobenen „Hilfen, Abgaben und Zahlungen nicht zu einer Gewohnheit gemacht werden [… und] dass sie nicht in den Rollen oder in einer anderen Weise [in den Akten] gefunden werden können“.3 Auch wenn Eduard die Freiheitsurkunden noch mehrfach bestätigen musste, konnte er sich doch in den folgenden Jahren gegen den Widerstand der Barone behaupten und seine offensive Politik gegenüber Wales, Schottland und Frankreich fortführen. Wales war allerdings 1297 schon endgültig Teil der englischen Krone, nachdem insbesondere der Norden und der Westen lange den englischen
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Eroberungsversuchen widerstanden hatten. Seit der Mitte des 13.Jahrhunderts lag die Führungsrolle unter den walisischen Fürsten bei Llywelyn ap Gruffydd (1246–82), der sich als englischer Vasall immer wieder in die innerenglischen Konflikte einschaltete und auf die völlige Unabhängigkeit seines Fürstentums setzte. So verweigerte er nach dem Tode Heinrichs III. die Lehnshuldigung und Tributzahlungen für Eduard, weil der König seinen – mit ihm im Streit liegenden – Bruder David am englischen Hof aufgenommen hatte. Als Llywelyn sich nach mehreren Vorladungen nicht stellte, begann im Sommer 1277 eine Offensive gegen den Norden von Wales, wo Eduard den Fürsten im Snowdon-Massiv isolieren und von der Versorgung abschneiden konnte. In den folgenden Verhandlungen musste Llywelyn die englische Lehnshoheit wieder akzeptieren und Gebiete abtreten. Ein Heiratsprojekt sollte den Ausgleich absichern. Eduard ließ nun in den von ihm beherrschten Gebieten Burgen mit englischen Besatzungen errichten und englische Bevölkerung ansiedeln. Dies führte 1282 zum offenen Aufstand, der von David, dem Bruder Llywelyns, geleitet wurde und dem sich schließlich auch der Fürst selbst anschloss. Als Llywelyn in Kämpfen mit den Engländern fiel, David in Gefangenschaft geriet und 1283 von den englischen Baronen zum Tode verurteilt wurde, brach der walisische Widerstand zusammen. Dies war das Ende der walisischen Selbstständigkeit. Der eroberte Teil von Wales wurde der Krondomäne eingegliedert, in Grafschaften aufgeteilt und einer eigenen Verwaltung unterstellt, mit einem Schatzamt auf Caernarvon. Auch zwei weitere Aufstände, 1287 und 1294/95, änderten nichts mehr daran. Vielmehr vereinte Eduard 1301 die eroberten Gebiete mit der Grafschaft Chester zum Fürstentum Wales, das er – in einer bis heute fortwirkenden Tradition – an seinen Sohn und Thronfolger, den künftigen Eduard II., übergab. Auch die Beziehungen zu Schottland waren traditionell gespannt, zumal das kleine Königreich immer wieder im Norden Englands interveniert hatte. Nach dem Tod Alexanders III. 1286, der einige Jahre zuvor einen nicht genau bestimmten Lehnseid (eventuell nur für einen Teil seines Reichs) geleistet hatte, war die Nachfolge lange Zeit unklar. Als direkte Erbin kam zunächst nur seine minderjährige Enkelin Margarethe, die Tochter des norwegischen Königs, infrage, die nach dem Eingreifen Eduards als Lehnsherrn mit dem englischen Kronprinzen verheiratet werden sollte. Sie starb jedoch im September 1290 bei der Überfahrt, und Eduard konnte die Entscheidung über die Berechtigung weiterer Ansprüche an sich ziehen. Nach eingehender Prüfung der Verwandtschaftsbeziehungen wählten die Berater des englischen Königs einen Urgroßneffen Wilhelms des Löwen aus, Johann Balliol, während andere übergangen wurden, so
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der Großneffe Robert Bruce. Damit schien die Situation geklärt. Johann Balliol wurde eingesetzt und leistete im Dezember 1292 seinen Lehnseid. Doch bald darauf traten neue Spannungen auf: Eduard überzog seinen Herrschaftsanspruch, indem er die Möglichkeit eröffnen wollte, Appellationen gegen die Entscheidungen Johanns an seinem Hof zu verhandeln und diesen dazu vorzuladen. Die Schotten schlossen sich daraufhin 1295 mit Philipp IV. von Frankreich zusammen, der schon mit den Norwegern eine Invasion in England plante, und vereinbarten gegenseitige Unterstützung. Nach einer Sicherung der Küsten griff Eduard deshalb im März 1296 Schottland an, eroberte Berwick und Edinburgh und schlug ein schottisches Heer bei Dunbar. Im August war die Eroberung des Landes vollständig, Johann Balliol verzichtete auf seinen Titel, und Schottland wurde nach einem Lehnseid der schottischen Großen englischer Verwaltung unterstellt. Bald regte sich jedoch Widerstand, vor allem im niederen Adel unter der Führung von William Wallace, der weiterhin die Ansprüche Johann Balliols durchsetzen wollte. Nach einem Erfolg gegen den englischen Statthalter gingen die Rebellen zu Angriffen auf den Norden Englands über, sodass Eduard erneut mit einem Heer nach Schottland ziehen musste. Wieder war er militärisch erfolgreich, im Juli 1298 bei Falkirk, doch diesmal löste sich sein Heer beim weiteren Vormarsch auf, sodass er nach Carlisle zurückkehren und die Kontingente entlassen musste. Die englische Position hatte sich inzwischen durch das Eingreifen des Papstes, Bonifaz’ VIII., verschlechtert, der seinerseits als Lehnsherr Schottlands ein Ende der Kämpfe forderte. Eduard konnte deshalb erst nach einem Ausgleich mit Philipp IV. wieder gegen Schottland vorgehen. Im Juli 1304 nahm er Stirling Castle ein, das ihm bis zuletzt widerstanden hatte, und 1305 wurde William Wallace gefangen genommen und in London wegen Hochverrats zum Tode verurteilt und hingerichtet. Auf dem Parlament im März 1305 suchte Eduard Schottland endgültig als eigenständiges Königreich unter englischer Kontrolle zu etablieren. So wurde „über den Schutz des Landes Schottland“ verfügt, dass dieser „durch die Verwalter und Amtsträger des Königs und durch die Gemeinschaft des Landes Schottland“ geschehen solle.4 Zwar sollte es ein eigenes schottisches Parlament geben, das jeweils am 15. Juli in London tagte, doch war es nur für die Petitionen zuständig, die ihm vom englischen Parlament – an dem zehn Schotten beteiligt waren – übertragen wurden. Schlüsselpositionen blieben in englischer Hand, da der Widerstand der Schotten nicht gebrochen war. Eduards Erfolg war jedoch auch aufgrund der Erschöpfung und der Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Vorgehens in den eigenen Reihen gefährdet. Als Katalysator der Entwicklung erwies sich ein Konflikt, in
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den Robert Bruce verwickelt war, der Enkel des Thronkandidaten von 1290. Obwohl er zuvor mit den Engländern zusammengearbeitet hatte, wurde sein Vorgehen gegen eine andere Adelsfamilie mit Aufstandsplänen in Verbindung gebracht. Daraufhin machte Robert seinen Thronanspruch geltend und wurde am 25. März 1306 vom Bischof von Glasgow am traditionellen schottischen Krönungsort Scone zum König erhoben. Der zur Niederwerfung der Rebellion geplante Feldzug endete wegen Eduards Tod mit einem Fehlschlag. Die wichtigste Ursache für die in den späteren Jahren Eduards I. einsetzenden Konflikte mit Frankreich war nicht die französische Hilfe für Schottland, sondern die ungeklärte Stellung des ererbten südfranzösischen Besitzes der Plantagenets. So ließ selbst der Lehnseid Eduards gegenüber dem neu gewählten Philipp IV. 1285 weitergehende englische Ansprüche offen. Als Philipp einen Streit zwischen englischen und französischen Seeleuten 1293 zum Anlass nahm, in der Gascogne einzugreifen, Eduard vorzuladen und schließlich – im Mai 1294 – das Herzogtum einzuziehen, kam es zum Krieg. Zwischen 1294 und 1296 wurden mehrfach englische Truppen in die Gascogne entsandt, der Angriff auf Flandern wurde vorbereitet und begonnen. Ein 1297 von Papst Bonifaz VIII. vermittelter Waffenstillstand, der im Juni 1299 zum Frieden führte, nahm Eduard die Möglichkeit zur Unterstützung seiner flämischen Verbündeten, verschaffte ihm aber – trotz hoher Kriegskosten – noch nicht wieder die Kontrolle über die Gascogne. Dies gelang erst nach einer französischen Niederlage in Flandern 1303, und zur Absicherung des Ausgleichs wurde die Ehe des englischen Thronfolgers mit Isabella, einer Tochter Philipps IV., vereinbart. Als Eduard I. am 7. Juli 1307 68-jährig auf seinem letzten schottischen Unternehmen starb, waren trotz allem die grundlegenden Spannungen im Verhältnis zu Frankreich nicht ausgeräumt. Der neue König, Eduard II., sah sich aber zunächst inneren Problemen gegenüber. Die Barone, die seine Nachfolge freundlich aufgenommen hatten, warfen ihm bald die vorzeitige Beendigung des Schottland-Feldzugs und – vor allem – Günstlingswirtschaft vor. Anlass waren die Ehren und Geschenke, mit denen Eduard – vielleicht aufgrund homosexueller Neigungen – den Gascogner Piers Gaveston überhäufte. Im August 1307 wurde er zum earl von Cornwall erhoben, bei Eduards Krönung im Februar 1308 trug er ihm das Schwert des heiligen Eduard voraus und erhielt trotz der Schulden des Königs großzügige Gaben. Im Frühjahr 1308 setzten die Barone deshalb mithilfe des Parlaments eine Exilierung Gavestons durch. Eduard berief ihn jedoch daraufhin zu seinem Stellvertreter in Irland und stattete ihn mit einem zusätzlichen Einkommen aus. Im Juli 1309 konnte Eduard Gaveston sogar gegen Zugeständnisse an die
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Barone, unter anderem die Erneuerung der unter seinem Vater 1300 erlassenen Artikel, wieder nach England zurückholen. Dies war jedoch erst der Beginn der während der gesamten Regierung Eduards anhaltenden Konflikte, die zunehmend die Stellung des Königtums grundsätzlich betrafen. Auf dem Parlament vom Dezember 1310 wurde Eduard gezwungen, der Einsetzung einer Kommission aus 21 Baronen zuzustimmen, die Reformvorschläge vorlegen sollten. Das Ergebnis war das weit reichende Reformprogramm der Ordinances (Ordonnanzen) vom August 1311. Sie spiegelten sowohl die Kritik an Eduard II. wie auch die Unzufriedenheit mit der Politik seines Vaters. So sollte Gaveston bis zum 1. November endgültig das Land verlassen, und Eduard sollte bei seinen personellen Entscheidungen künftig der baronialen Kontrolle unterstellt werden. Die Zustimmung der Barone bzw. des Parlaments war notwendig, wenn der König – wie Eduard I. 1297 und sein Sohn 1310 gegen Schottland – das Land verlassen oder Krieg führen wollte. Die 1303 mit den fremden Kaufleuten vereinbarte Carta mercatoria, die dem Königtum über zusätzliche Zölle eine neue Einnahmequelle eröffnete, war ungültig, weil sie nicht die Zustimmung der Barone erhalten hatte. Die Verwaltung der Zolleinnahmen durfte nicht mehr italienischen Banken anvertraut werden. Parlamente sollten künftig mindestens einmal jährlich stattfinden und Verstöße der königlichen Amtsträger gegen die Ordinances untersuchen. Eduard musste sich zwar den Ordinances fügen, ließ aber Gaveston, dessen schlechter Einfluss auf den König im Text ausdrücklich verurteilt worden war, nach einer vorgeblichen Abreise Anfang November nahezu unmittelbar wieder ins Land zurückkehren. Dies war für die Barone das Zeichen zum gewaltsamen Vorgehen gegen den Favoriten. Gaveston wurde vom Erzbischof von Canterbury exkommuniziert und in seiner Burg belagert. Obwohl er sich gegen die Zusage ergab, dass sein Leben verschont würde, ließen ihn die Anführer der Opposition, die earls von Warwick und Lancaster, am 19. Juni 1312 hinrichten. Damit brachen auch Spannungen innerhalb der Barone auf. Der earl von Pembroke, Aymer de Valence, sah sein Gaveston gegebenes Ehrenwort verletzt und zog sich aus der Opposition zurück. Andere befürchteten ein Anwachsen der Macht von Thomas von Lancaster, der bereits fünf earldoms in seiner Hand vereinte, Lancaster, Leicester, Lincoln, Derby und Salisbury. Schwerer wiegend war jedoch, dass der König seinen engsten Freund nicht hatte schützen können. Im ‚kalten‘ Bürgerkrieg mit der Opposition suchte Eduard seine Stellung zunächst durch einen Erfolg gegen Schottland zu stärken, zumal die Schotten unter Robert Bruce mehrfach den Norden Englands angegriffen hatten. Allerdings verweigerten sich die
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earls von Lancaster und Warwick dem Aufgebot, weil der König nicht zuvor die Zustimmung der Barone eingeholt hatte, wie dies die Ordinances verlangten, und schließlich erlitt das Heer Eduards am 24. Juni 1314 in der Schlacht bei Bannockburn eine schwere und folgenreiche Niederlage. Auch weitere Angriffe Eduards richteten danach wenig aus. Vielmehr fanden sich am 6. April 1320 die schottischen Großen zu einer dramatischen, an Papst Johannes XXII. gerichteten Erklärung ihrer Selbstständigkeit zusammen, der »Deklaration von Arbroath«, in der es heißt: „Solange wie nur 100 Männer übrig sind, werden wir niemals bereit sein, uns auf irgendeine Weise der Herrschaft der Engländer zu unterwerfen. Wir kämpfen nämlich nicht für Ruhm, Reichtümer oder Ehre, sondern allein für die Freiheit, die kein guter Mensch aufgibt wenn nicht zugleich mit seinem Leben.“5 Damit war die schottische Unabhängigkeit während der mittelalterlichen Geschichte gesichert. Erst 1603 kam es unter Jakob I. von Schottland zu einer dynastisch begründeten Personalunion beider Länder. Das Desaster von Bannockburn wirkte sich ebenfalls auf den Konflikt mit den Baronen aus. Eduard musste unter dem Druck seiner Gegner die Ordinances von 1311 erneuern. Thomas von Lancaster fand jedoch bei den Großen keine ungeteilte Unterstützung, weil man annahm, er erstrebe für sich selbst die Macht. Da auch der König aus den Spannungen unter den Baronen keinen dauerhaften Vorteil ziehen konnte, blieb die Lage im Land unklar, auch angesichts schwerer Hungersnöte zwischen 1315 und 1317. So kam es zu Verhandlungen, bei denen Eduard und Thomas von Lancaster bei einer Begegnung im August 1318 gegenseitigen Friedenswillen bekundeten. Eine ‚mittlere Partei‘ unter den Baronen, angeführt vom earl von Pembroke, hatte inzwischen eine weitere Erneuerung der Magna Carta und eine Reform des königlichen Haushalts durchgesetzt. Zugleich wuchs jedoch die Kritik an den neuen Günstlingen Eduards, Vater und Sohn Hugh Despenser. Der jüngere Hugh war mit einer Erbin des 1314 gefallenen earl von Gloucester verheiratet und rief den Widerstand der Barone hervor, als er sich mit königlicher Unterstützung erhebliche Anteile des Erbes in den walisischen Marken sichern wollte. Als Thomas von Lancaster, dessen Position sich zunehmend radikalisiert hatte, 1321 mithilfe der Königin, des Erzbischofs von Canterbury und der Londoner eine Exilierung der Despensers erreichte, konnte Eduard seine Anhänger sammeln und die Opposition im März 1322 bei Boroughbridge schlagen. Die gefangenen Gegner wurden – wie der earl von Lancaster – ohne längeres Verfahren hingerichtet oder im Tower inhaftiert. Der König nutzte seinen Erfolg, um im Statut von York von 1322 den Vorrang der königlichen Stellung zu bekräftigen. Jede Einschränkung der königlichen Rechte durch die Unter-
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tanen wurde verboten, sofern sie nicht mit seiner Zustimmung durch die vom König einberufenen Parlamente erfolgte, und zu den Parlamenten waren jetzt neben dem hohen Adel und den Grafschaftsrittern auch die Bürger der Städte einzuladen. Doch war diese ‚Restauration‘ nicht von langer Dauer. Die fortgesetzte Patronagepolitik Eduards führte erneut zu Unruhe. So wurde über Wunder berichtet, die sich an den Gräbern der Opfer von 1322 ereignet haben sollen. Am Hof des französischen Königs, Karls IV., sammelten sich die Gegner Eduards, darunter Roger Mortimer, der aus dem Tower entflohen war. Danach kam Eduards Frau Isabella nach Paris, der er zuvor ihre Güter entzogen, die er dann aber mit Friedensverhandlungen für den 1323 erneut aufgebrochenen Konflikt um die Gascogne beauftragt hatte. Als sie einen Vertrag erreichte, der eine neue Lehnshuldigung Eduards voraussetzte, und der König an seiner Stelle den dreizehnjährigen Kronprinzen entsandte, eröffnete dies die Möglichkeit, den Widerstand gegen Eduard von Frankreich aus zu organisieren. Die Königin und der Kronprinz weigerten sich nach dem Abschluss des Vertrages, nach England zurückzukehren, wenn Eduard nicht die Unterstützung der Günstlinge einstellte. Isabella verband sich mit Roger Mortimer und dem Grafen Wilhelm II. von Hennegau, Holland und Seeland, der für das Versprechen einer Ehe des Kronprinzen mit seiner Tochter Philippa Truppen zur Verfügung stellte. Mit diesen wenigen Kontingenten landeten Isabella, Mortimer und der Kronprinz im September 1326 in England, erfuhren jedoch rasch Zulauf, da Eduards Herrschaft zunehmend unbeliebt geworden war. Der Unmut der Untertanen entlud sich in London in der Ermordung des ehemaligen Leiters des Schatzamts, des Bischofs von Exeter, Walter Stapledon, und der ältere Despenser wurde von den Bürgern von Bristol gefangen genommen und hingerichtet. In Bristol berief eine Versammlung der Großen den Kronprinz schon zuvor, Ende Oktober 1326, zum Statthalter während der Abwesenheit des Königs, und bald darauf gingen – wenn auch noch im Namen Eduards II. – Ladungen für ein Parlament in Westminster im Dezember heraus. Der König, der sich inzwischen in Monmouth in Südwales aufhielt, wurde Ende November vom Bischof von Hereford dazu bewegt, das große Siegel herauszugeben. Als dieses der Königin übergeben worden war, verzichteten die Rebellen auf die Fiktion der Statthalterschaft und beriefen sich allein auf den König, auch bei der Verschiebung des Parlaments auf Januar 1327. Schließlich geriet Eduard selbst in Gefangenschaft, und während einige seiner Begleiter – darunter der jüngere Despenser – hingerichtet wurden, brachte man den König nach Kenilworth. Das weitere Vorgehen der Re-
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bellen war unklar, da bisher keiner der seit der normannischen Eroberung herrschenden Könige abgesetzt worden war. In dieser Situation wurde entscheidend, dass sich die Stände des Parlaments in Westminster versammelt hatten und noch zögernde geistliche und weltliche Große unter dem Druck der Londoner gewonnen werden konnten. Schließlich leisteten die Magnaten mit dem niederen Klerus und den Städten am 13. Januar 1327 einen Eid, „alles einzuhalten, was für den allgemeinen Nutzen angeordnet wurde oder werden wird“.6 Zwei Tage später machte der Erzbischof von Canterbury in einer Predigt über vox populi, vox Dei bekannt, dass die Großen – angesichts seiner Vergehen – einhellig die Absetzung des Königs beschlossen hätten, doch machte sich offenbar wegen der rechtlichen Probleme tags darauf eine Gruppe von Vertretern aller Stände auf den Weg zum König. Als Eduard zugestimmt hatte, zugunsten seines Sohns abzudanken, kündigte William Trussel im Auftrag der „Prälaten, Grafen und Barone und anderen Männer“ das Lehnsverhältnis zu Eduard II. auf und erklärte, diese wollten wegen der gegen ihn erhobenen Vorwürfe „künftig nicht mehr in Eurer Feudalität sein noch unter Eurem Lehnseid und nichts mehr von Euch als König [in Besitz] halten, indem sie Euch als abgesetzte Person betrachten, die in keiner Weise königliche Würde besitzt“.7 Nach diesem Ereignis wurde der Kronprinz vor die zu Westminster versammelten Stände des Parlaments geführt und als Eduard III. zum König erhoben. Die verfassungsrechtlichen Probleme bestanden allerdings fort, sodass schließlich wohl nicht zufällig dem unrühmlichen Ende der Herrschaft Eduards II. noch sein gewaltsamer, wohl von den Regenten angeordneter Tod am 21. September 1327 auf Berkeley Castle folgte. Die Regierung seines noch minderjährigen Sohnes begann so mit einer schweren Belastung.
2. England in der ersten Phase des 100-Jährigen Krieges (1327–1399) Eduard III. und sein Enkel Richard II. sind von ihren Zeitgenossen wie von den Späteren sehr unterschiedlich wahrgenommen worden. Das Bild des Älteren ist vor allem von seinem Rittertum und seinen militärischen Erfolgen geprägt, das des Jüngeren durch die Konflikte seiner Herrschaft und seine Absetzung. Andererseits gibt es vieles, was ihre Geschichte verbindet. An erster Stelle ist dies der ‚Hundertjährige Krieg‘ mit Frankreich, den Eduard 1337 begann und Richard 1396 – wenn auch vergeblich – zu beenden suchte, aber beide letzten Endes nicht gewinnen konnten. Damit
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waren innenpolitische Probleme verbunden, die sich spätestens in den letzten, schon nicht mehr so glanzvollen Jahren Eduards III. entwickelten und sich in der Zeit Richards fortsetzten: eine allgemeine Unzufriedenheit mit der Kriegführung und -finanzierung, Vorwürfe gegen die königlichen Amtsträger und Ablehnung weiterer Steuererhebungen. Als weitere Gemeinsamkeit lässt sich anführen, dass beide, Eduard wie Richard, ihre Herrschaft als Minderjährige antraten, auch wenn sich Eduard früher aus der Regentschaft befreien konnte und Richard zunächst größere Freiheiten hatte. Schließlich markieren die Absetzung Richards durch Heinrich IV. 1399 und der damit verbundene Wechsel zu den Lancaster-Königen einen Einschnitt, der in gewissem Sinne auch einen Abschluss für die Periode Eduards III. bildet. Eduard III. war zum Zeitpunkt der Absetzung seines Vaters im Januar 1327 14 Jahre alt, sodass formal ein Regentschaftsrat eingesetzt wurde, der aber weitgehend von Königin Isabella und Roger Mortimer kontrolliert wurde. Gemäß der Absprache mit dem Grafen von Hennegau heiratete der junge König ein Jahr nach der Krönung dessen Tochter Philippa, blieb aber weiterhin ohne jeden politischen Einfluss. Die ersten Schritte der Regentschaft bestanden darin, die seit 1322 von Eduard II. ergriffenen Maßnahmen rückgängig zu machen. Der Besitz des 1322 hingerichteten Thomas von Lancaster ging an seinen Bruder, den earl von Leicester, doch verhielten sich Mortimer, Isabella und ihre Anhänger wie die unterlegene Partei und traten – vor allem finanziell – deren Erbe an. Mortimer erhielt umfangreichen Besitz in den walisischen Marken, der einst den Despensers und Arundel gehört hatte, und wurde auf dieser Grundlage im Oktober 1328 zum earl of March erhoben. Er und die Königin suchten ein größeres Gefolge an sich zu binden, waren aber bald ebenso unbeliebt wie zuvor die Despensers. Dazu trug auch die Politik Mortimers gegenüber Schottland bei. Er hatte zwar noch 1327 den Krieg erneut eröffnet, war aber wenig erfolgreich und musste Robert Bruce im März 1328 im Vertrag von Northampton weit entgegenkommen. Die im Namen Eduards III. in York ausgefertigte Urkunde spricht ausdrücklich von den Versuchen der englischen Könige, „Herrschaftsrechte, Kontrolle oder Oberhoheit über das Königreich Schottland auszuüben“, und von den daraus folgenden Kriegen, die „Morde, Gemetzel, Verbrechen, Zerstörungen von Kirchen und unzählige Übel“ über die Bewohner der beiden Königreiche gebracht hätten.8 Vor diesem Hintergrund wurden die Unabhängigkeit Schottlands in den Grenzen beim Tode Alexanders III. (1286) und der Thronanspruch Roberts und seiner Nachfahren anerkannt, und Eduard verzichtete auf alle englischen Rechtsansprüche auf Schottland.
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Die Bedingungen dieses Friedens führten zusammen mit der Politik der Regentschaft zu Ansätzen von Opposition, ohne dass sich die Großen auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt hätten. So verweigerte Heinrich von Lancaster die Teilnahme am Parlament vom Oktober 1328, wurde aber im Januar des folgenden Jahres militärisch zum Ausgleich mit der Regentschaft gezwungen, und im März 1330 wurde Edmund von Kent, ein Halbbruder von Eduard II., hingerichtet, der möglicherweise eine Rebellion geplant hatte. Am Ende war es der junge Eduard III. selbst, der die Regentschaft stürzte, indem er sich im Oktober 1330 in Nottingham Zugang zur Burg verschaffte, auf der eine Sitzung des ‚Großen Rats‘ stattfand. Er ließ Mortimer verhaften und nach London bringen, wo dieser vom Parlament zum Tode verurteilt wurde. Die Königin wurde zwar gezwungen, sich aus der Politik zurückzuziehen, erhielt jedoch in der Nähe von Lynn eine großzügige Versorgung, von der sie bis zu ihrem Tod 1358 lebte. Dagegen verblieben die Ratgeber der Regentschaft meist zusammen mit den Helfern Eduards in der engeren Umgebung des Königs. So wurde der Kanzler, Henry Burghersh, Bischof von Lincoln, zwar im November 1330 von seinem Amt entbunden, stieg jedoch 1334 zum Schatzmeister und zu einem der engsten Berater Eduards auf. Auch wenn das Ende der Regentschaft fast überall begrüßt wurde, musste der junge König bemüht sein, zunächst einmal das Verhältnis zu seinen Baronen zu verbessern. So sicherte er den Großen zu, sie an allen wichtigen Entscheidungen zu beteiligen. Ein weiteres Mittel war die Revision des Vertrags von Northampton, die sich abzeichnete, als es nach dem Tode von Robert Bruce (1329) in Schottland zu einem Kampf um die Nachfolge kam. Gegen die Rechte des noch minderjährigen David, Roberts Sohn, meldete Eduard Balliol, dessen Vater 1296 vertrieben worden war, eigene Ansprüche an und wurde mit englischer Hilfe gekrönt. Im Gegenzug akzeptierte er die englische Oberhoheit und trat einen Teil seines Landes ab. Da er sich nicht lange halten konnte, begann Eduard III. im Frühjahr 1333 mit einem erfolgreichen Feldzug nach Schottland, schlug die Schotten im Juli bei Halidon Hill und setzte Eduard Balliol erneut als König ein. Damit war jedoch nichts entschieden, da sich nunmehr wiederum der französische König, Philipp VI., einschaltete, 1334 den geflohenen David Bruce aufnahm und seine Wiedereinsetzung forderte. Das französische Engagement war einer der Faktoren, die letztlich den Hundertjährigen Krieg auslösten. Dazu kamen sich überschneidende Interessen in Flandern sowie die ungelösten Probleme um die Gascogne. Als ‚offizieller‘ Kriegsgrund stand allerdings der englische Thronanspruch im Vordergrund. Nach dem Aussterben der königlichen Linie der Kapetin-
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ger 1328 erhielt mit Philipp VI. aus dem Haus Valois ein Neffe Philipps IV. den Vorrang vor Eduard III. Der englische König war zwar durch seine Mutter Isabella als Enkel eigentlich der nächste Verwandte, wurde aber von den französischen Kronjuristen (vor dem Hintergrund einer politischen Entscheidung) wegen seiner Abstammung über die weibliche Linie ausgeschlossen. Nach dem Chronicon de Lanercost hielt sich zwar auch Eduard „für den nächsten rechtmäßigen Erben des französischen Throns“,9 doch verhinderten die innerenglischen Probleme 1328 ein Eingreifen, und Eduard leistete Philipp sowohl 1329 als auch 1331 den Lehnseid für seine französischen Besitzungen. Aufgrund der schottischen und flandrischen Gegensätze führten die Spannungen jedoch 1337 zu einem Krieg, der die restliche Regierungszeit Eduards bestimmen sollte und erst im 15. Jahrhundert, faktisch 1453, seinen Abschluss fand. Insbesondere die durch den permanenten Kriegszustand verursachten finanziellen Probleme beeinflussten immer wieder die innere Entwicklung. So wurde die Lage zwischen 1336 und 1341 zunehmend kritischer, als die Parlamente neue Steuern verweigerten, während die finanziellen Pflichten Eduards wuchsen, sodass der König sogar Juwelen und Kronen verpfänden musste. Im Oktober 1339 hätte der Kanzler John Stratford, der Erzbischof von Canterbury, die Stände fast überzeugt, dass der König nunmehr für eine aktive Kriegführung der finanziellen Unterstützung bedürfe, doch präsentierten die Vertreter der commons, d.h. der Grafschaftsritter und der Städte, nach einiger Beratung die Forderung, die 1336 außerhalb des Parlaments in Absprache mit den Kaufleuten eingeführten Wollabgaben (maltote) wieder abzuschaffen, Missbräuche abzustellen und sie von Hilfszahlungen, Konfiskationen und alten Schulden zu befreien. Die Diskussionen wurden deshalb auf dem nächsten Parlament im Januar 1340 fortgesetzt, wo die commons unter bestimmten Bedingungen eine Abgabe von 30 000 Sack Wolle vorschlugen, allerdings vorerst nur bereit waren, dem König in seiner schwierigen Situation mit 2500 Sack Wolle auszuhelfen. Damit wurde die persönliche Anwesenheit Eduards erforderlich, der sich bisher auf dem Kontinent aufgehalten hatte. Angesichts seiner Schulden war er gezwungen, die Königin, seine Kinder und die earls von Derby und Salisbury gewissermaßen als Geiseln in Flandern zu lassen. Als Ende März 1340 das neue Parlament eröffnet wurde, waren die Großen wie die commons zwar bereit, für 1340 und 1341 den neunten Teil ihrer Einkünfte aus Ländereien bzw. ihrer Güter als Steuer zu entrichten, forderten dafür aber erneut Gegenleistungen. Eine daraufhin eingesetzte Kommission aus Vertretern aller Stände erarbeitete Statuten über die Abschaffung der maltote, das Verbot der Abgabenerhebung ohne Zustimmung aller Stände
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des Parlaments, die Einschränkung der Konfiskationen, einen Erlass von Schulden und Bußen und anderes mehr. Zugleich musste Eduard vor allem auf Druck der commons für die Zeit seiner Abwesenheit einen Rat einsetzen, der die Verwaltung des Landes übernahm, und er musste erneut die Freiheitsurkunden bestätigen. Mit diesen Reformen waren jedoch die aktuellen Probleme nicht gelöst. Eduard gelang nach seiner Rückkehr nach Flandern in Sluis zwar ein großer militärischer Erfolg gegen die Franzosen, doch brachte dieser finanziell wenig ein, während sich der Einzug des Neunten verzögerte. Selbst eine von den Ständen zugesagte Anleihe blieb aus, sodass der König – auch verlassen von seinen kontinentalen Verbündeten – im September 1340 einen Waffenstillstand schließen und am Ende sogar vor seinen Gläubigern aus Flandern fliehen musste, wie es bei Adam Murimuth heißt, „mit wenigen, d. h. acht der Seinen, unter dem Vorwand eines Spaziergangs, […] insgeheim, gewissermaßen ohne Nachricht an seinen Haushalt“.10 In London angekommen, entließ er Kanzler und Schatzmeister und forderte den Leiter der Regentschaft, den Erzbischof von Canterbury, den er für die Lage verantwortlich machte, auf, sich seinen Gläubigern in Löwen als Geisel zur Verfügung zu stellen. Dabei war auch die Lage in England schwierig. Die Amtsträger des Königs konnten nur noch über Einnahmen aus acht Grafschaften verfügen, elf Grafschaften waren an verschiedene Gläubiger verpfändet, acht weitere an die Bardi und Peruzzi aus Florenz, die mit Forderungen von 125 000 Pfund selbst vor dem Konkurs standen. Die gegenseitigen Vorwürfe zogen sich bis zum Parlament im April und Mai 1341 hin, als sich Eduard zu weitgehenden Zugeständnissen bereit finden musste, während der Erzbischof auf eine Verhandlung vor dem Parlament verzichtete. Künftig sollten alle Amtsträger und Richter auf die Magna Carta, das Forst-Privileg und die Statuten des Königreichs vereidigt werden und sich bei Verstößen dagegen vor dem Parlament rechtfertigen. Über die seit Beginn des Krieges eingezogenen Abgaben sollte eine Abrechnung erfolgen, und die Statuten von 1340 und die Privilegien der Gemeinschaften sollten gewahrt werden. Im Gegenzug erhielt Eduard statt des unzureichenden Neunten die Zusage von 30000 Sack Wolle. Anders als etwa bei den Ordinances von 1311 führten diese parlamentarischen Zugeständnisse Eduards III. nicht zu einer Krise. Vielmehr machte der König nach dem Ende des Parlaments deutlich, dass aufseiten der königlichen Amtsträger erhebliche rechtliche Bedenken bestanden und dass er den Statuten so nicht zugestimmt hatte. Ein Protest der commons auf dem nächsten Parlament, das jedoch erst im Frühjahr 1343 zusammentrat, blieb wegen der Haltung der Magnaten ohne Ergebnis, zumal
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sich der König inzwischen mit dem Erzbischof ausgesöhnt hatte. Auch in den folgenden Jahren konnte Eduard seine Position mit wenigen Zugeständnissen behaupten. Die Ereignisse machten gleichwohl die gewachsene Bedeutung des Parlaments und insbesondere der commons deutlich, der der König seit dem Ausbruch des Krieges auch durch die Eröffnung der Parlamente durch einen hohen Amtsträger Rechnung trug, der jeweils die aktuelle Situation umriss und notwendige Maßnahmen ankündigte. Während die aktuellen Ereignisse des Krieges selbst auf Marktplätzen und anderenorts öffentlich bekannt gemacht wurden, verstand es Eduard, den hohen Adel in seine Erfolge einzubinden. Sie wurden zu höheren Würden erhoben – allein 1337 berief er sechs neue earls – oder konnten auf materielle Gewinne hoffen, die auch armen Rittern wie John Chandos den Aufstieg in den neuen Adel erlaubten. Eine wichtige Rolle spielte in diesem Zusammenhang das ritterliche Zeremoniell, so zahlreiche Rittererhebungen, Turniere und die – an ein Turnier in Windsor 1344 anschließende und 1348 formal abgeschlossene – Gründung des Hosenbandordens, der an die legendäre Tafelrunde König Arthurs anknüpfen sollte. Auch wenn dabei ebenfalls zuvor benachteiligte Familien zum Zuge kamen – 1354 erhielt der Erbe Roger Mortimers den Besitz und Titel seines Vaters, des earl of March, zurück –, beschränkte sich die Einführung neuer Würden vielfach und besonders in den späteren Jahren auf Mitglieder der königlichen Familie. So erhielt der Kronprinz Eduard die earldoms Chester und Cornwall, und der dritte Sohn, John of Gaunt, wurde durch seine Heirat Herzog von Lancaster und earl von Leicester, Lincoln und Derby. Zugleich gewann die Stellung der Herzöge, marquis, earls und Barone dadurch an Bedeutung, dass sie seit 1341 für Straftaten nur noch von ihresgleichen, ihren peers, im Parlament verurteilt werden konnten, während seit 1352 das – vor allem von den commons geförderte – »Statut über Hochverrat« die möglichen Vorwürfe auf direkte Übergriffe gegen den König oder seine Familie und Amtsträger eingrenzte. Dies alles vollzog sich vor dem Hintergrund eines zumeist für die englische Seite erfolgreich verlaufenden Krieges mit Frankreich. Er begann, nachdem Eduard im August 1336 ein Wollembargo gegen Flandern verhängt und Philipp VI. im Mai 1337 wegen Eduards Unterstützung für den aus Frankreich geflohenen Robert von Artois die Gascogne eingezogen hatte. Daraufhin erhob Eduard im Oktober 1337 öffentlich Anspruch auf die französische Krone und baute – allerdings wenig erfolgreich – ein System kontinentaler Bündnisse auf, darunter mit deutschen Fürsten. In Flandern suchte er den Aufstand des Genters Jakob van Artevelde gegen den pro-französischen Grafen zu nutzen, erreichte jedoch zunächst wenig.
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Selbst die Zerstörung der französischen Invasionsflotte im Hafen von Sluis im Juni 1340 erbrachte nur einen Prestigegewinn, sodass eine Änderung des Vorgehens erforderlich wurde. So begann 1342 eine neue Phase des Hundertjährigen Krieges, als Eduard mit einem kleineren Heer in die Kämpfe um die Nachfolge in der Bretagne eingriff. Bis 1360 gelang es ihm und seinen Heerführern – teils sogar mit zahlenmäßig unterlegenen Kontingenten –, eine Reihe von Erfolgen zu erringen. Zwar wurde im Januar 1343 ein Waffenstillstand vereinbart, doch setzte Eduard den Krieg 1345/46 fort. Nachdem eine Landung in Flandern als zu gefährlich erschien, landete er in der Normandie und war schon fast bis Paris vorgedrungen, als sich ihm am 26. August 1346 bei Crécy eine überlegene französische Armee zum Kampf entgegenstellte. Mithilfe ihrer Langbogen gelang der englischen Seite ein deutlicher Sieg, doch wandte sich Eduard nun nicht gegen Paris, sondern nach Calais, um einen Stützpunkt zu gewinnen. Die Stadt kapitulierte im August 1347 nach langer Belagerung und blieb bis 1559 unter englischer Verwaltung. Zwischen 1348 und 1350 führte der Ausbruch der Pest dazu, dass alle Kampfhandlungen unterblieben, und nach dem Tod Philipps VI. und der Nachfolge Johanns II. in Frankreich wurde zunächst nach einer Verhandlungslösung gesucht. Nach deren Scheitern wurde der Krieg 1355 mit einem Feldzug des Kronprinzen wieder aufgenommen, der auf englischer Seite mehr und mehr die Kriegführung in die Hand nahm. Der junge Eduard hinterließ mit seinem kleinen Heer in Südfrankreich eine Spur der Verwüstung, vermied aber bewusst jede Schlacht. Diese Taktik der chevauchée wurde auch in den nächsten Jahren verfolgt, so 1356, doch musste sich der Schwarze Prinz diesmal bei Poitiers einem Kampf gegen ein französisches Heer unter Leitung Johanns stellen. Obwohl die Engländer wieder zahlenmäßig unterlegen waren, blieben sie siegreich. Der französische König wurde gefangen genommen und zu Verhandlungen über eine Lösegeldzahlung nach England gebracht. Da Eduard III. seinen Thronanspruch nur gegen die volle Souveränität über seinen französischen Besitz aufgeben wollte, zogen sich die Verhandlungen hin. Erst ein weniger erfolgreicher englischer Feldzug führte im Oktober 1360 zum Frieden von Brétigny, der zwar ein vermindertes Lösegeld für Johann II., aber schließlich doch die Souveränität Eduards über ein erweitertes Herzogtum Aquitanien erbrachte. Damit war ein erster Höhepunkt des englischen Einflusses in Frankreich erreicht. Doch setzten sich die Kämpfe des Hundertjähriges Krieges nach einer Ruhephase bald auf anderen Schauplätzen fort. So landete der Schwarze Prinz 1367 im Königreich Kastilien, um in die dortigen Thronstreitigkeiten einzugreifen, doch wurde der von ihm unterstützte König
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Peter 1369 mit französischer Hilfe von seinem Halbbruder Heinrich von Trastamara gestürzt und getötet. Im selben Jahr führte eine Klage aquitanischer Untertanen gegen die Herrschaft des Schwarzen Prinzen vor dem obersten französischen Lehnsgerichtshof, dem Parlement de Paris, zum Entzug des Lehens und der Wiederaufnahme der Kämpfe. Weder Eduard III. noch sein Sohn waren am Ende gesundheitlich in der Lage, persönlich einzugreifen, und John of Gaunt erwies sich als wenig erfolgreich, sodass 1375 ein zweijähriger Waffenstillstand geschlossen werden musste. Vor diesem Hintergrund kam es seit Ende der 1360er-Jahre wieder zu innerenglischen Konflikten. Ausgangspunkt war wiederum die finanzielle Situation, die sich trotz wiederholter Steuerforderungen durch den erneuten Ausbruch des Krieges zuspitzte. Nach ersten Auseinandersetzungen 1371 traten die Spannungen auf dem „Guten Parlament“ vom Frühjahr 1376 offen zutage. Als die commons nach dem Bericht des Anonimalle Chronicle durch den Kanzler, Sir John Knyvet, ausdrücklich aufgefordert wurden, Klagen über schlechte Verwaltung vorzubringen, kam es unter ihnen zu ausführlichen Debatten. Dabei profilierte sich einer der Grafschaftsritter, Sir Peter de la Mare, der dann als erster nachweisbarer Sprecher der commons beim erneuten Zusammentreten des gesamten Parlaments die Entsendung einer Kommission aus zwölf Großen erbat, um mit ihrer Hilfe die Klagen der commons in einer Liste von Petitionen zusammenzufassen. Bei seiner Rückkehr ins Parlament machte Sir Peter jedoch die Hauptrichtung der Kritik deutlich: „Wäre [dem König] durch seine Minister gut gedient und wäre sein Schatz weise und ohne Verschwendung ausgegeben worden, wäre für eine solche Erhebung keine Notwendigkeit; doch hat er bei sich gewisse Ratgeber und Diener, die ihm und dem Königreich weder nützlich noch loyal sind und mit ihren Begierden Vorteil daraus gezogen haben, unseren Herrn den König zu täuschen.“11 Dies zielte auf den Kämmerer des Königs, Latimer, und die Lebensgefährtin der späten Jahre Eduards, Alice Perrers, denen Misswirtschaft und Verschwendung vorgeworfen wurden. Ebenso wurde einer Gruppe Londoner Kaufleute um Richard Lyons angelastet, für Darlehen an die Regierung Wucherzinsen verlangt zu haben. Damit gingen die commons 1376 erstmals dazu über, als Körperschaft Anklagen vorzubringen, die vor dem Parlament in seiner Eigenschaft als Gerichtshof verhandelt werden mussten (während zuvor nur über Petitionen die Amtsenthebung einzelner Mitglieder der königlichen Verwaltung erbeten worden war). Dieses Verfahren, das impeachment, eröffnete die Möglichkeit, jede Person von Autorität gegenüber der „Gemeinschaft des Königreichs“ zur Verantwortung zu ziehen. In der Praxis war es jedoch
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erst durch die Unterstützung einzelner Großer wirksam, 1376 durch die des earl of March, der nicht zufällig Feudalherr von Peter de la Mare war, und konnte nachträglich – durch ein anderes Parlament – revidiert werden, wie dies später auf Betreiben von John of Gaunt geschah. So oder so zeichneten sich jedoch weit reichende Veränderungen ab. Noch während des „Guten Parlaments“ starb der Schwarze Prinz, und der König, der den Forderungen des Parlaments noch zustimmte, aber kaum mehr auf die Geschehnisse Einfluss nahm, folgte ihm am 21. Juni 1377. Eduard III. hinterließ seinem noch minderjährigen Erben, Richard II., und der Regentschaft eine weit verbreitete Kriegsmüdigkeit unter der englischen Bevölkerung und große finanzielle Probleme. Nach 40 Jahren Krieg brach sich die Ablehnung weiterer Steuern in England wie in Frankreich in Rebellionen Bahn, 1381 im englischen Bauernaufstand und 1382 in städtischen Unruhen wie in Rouen und Paris. Zusammen mit der Minderjährigkeit der beiden Könige (in Frankreich wurde Karl V. 1380 von Karl VI. abgelöst) verhinderte dies die intensive Fortführung des Krieges, und als beide die Volljährigkeit erreichten, änderte sich wenig, da sie im Gegensatz zu ihren Beratern – wenn auch aus verschiedenen Gründen – einen Friedensschluss vorzogen. So sprach Richard 1397 vor dem Parlament von den „sehr großen Schäden und den untragbaren Zerstörungen durch den Krieg zwischen den beiden Königreichen von England und Frankreich“.12 Zudem verliefen die wenigen offensiven Unternehmungen dieser Jahre wenig erfolgreich. Das galt 1380 für einen Feldzug in die Bretagne ebenso wie 1383 für ein als Kreuzzug gegen die Anhänger des avignonesischen Papstes deklariertes Flandern-Unternehmen des Bischofs von Norwich, Henry Despenser. Französische Pläne für eine Landung in England, seit 1386 durch Philipp den Kühnen von Burgund betrieben, wurden nicht umgesetzt. Damit zeichnete sich eine Verhandlungslösung ab, die zunächst eine Abtrennung des umstrittenen südfranzösischen Besitzes von der englischen Krone voraussetzte, aber auch nach deren Scheitern im März 1396 einen auf 28 Jahre angesetzten Waffenstillstand erbrachte, der durch die Heirat Richards mit der erst achtjährigen Tochter Karls VI., Isabella, abgesichert werden sollte. Die Verhandlungsbereitschaft Richards gründet in vor allem vielfältigen innenpolitischen Problemen, die schon während seiner Minderjährigkeit hervortraten. So führte die allgemeine Unzufriedenheit mit der Regentschaft aus Baronen, Klerus und Juristen um John of Gaunt und insbesondere mit einer dritten, erneut deutlich höheren Kopfsteuer (poll tax) 1381 zum großen Bauernaufstand. Insbesondere wegen des harten Vorgehens einzelner Steuereinnehmer, aber auch vor dem Hintergrund der Haltung
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der Grundherren, kam es zunächst zu Erhebungen der (vielfach der ländlichen ‚Mittelschicht‘ entstammenden) Bauern in Essex und Kent, dann auch in anderen Regionen wie Norfolk. In Kent übernahm mit Wat Tyler ein ehemaliger Soldat die Führung der Bauern, der nach Thomas Walsingham „ein erfahrener und mit großen Gefühlen begabter Mann“ war, aber seine Anhänger zum Vorgehen gegen London, den König und seine Ratgeber sowie zur Ermordung aller Juristen aufforderte.13 Der erste Angriff unter Tylers Führung galt jedoch im Juni 1381 Canterbury, wo der Priester John Ball, der bald zum geistlichen Anführer der Bauern wurde, aus dem erzbischöflichen Gefängnis befreit wurde. Er hielt vor London eine berühmt gewordene Predigt, in der er die sozialen Verhältnisse kritisierte, mit der rhetorischen Frage: „Als Adam grub und Eva spann, wer war da ein Edelmann?“14 Die Bauern gingen bald daran, ihren Forderungen tatkräftig Nachdruck zu verleihen. Sie besetzten London, dessen Handwerker und Lohnarbeiter mit ihnen sympathisierten, öffneten die Gefängnisse, brannten das Haus von John of Gaunt nieder, drangen in den Tower ein, bedrängten die junge Königin, ergriffen Kanzler und Schatzmeister und töteten sie. Die Wende brachte der mittlerweile 14-jährige Richard, der zweimal mit den Aufständischen verhandelte und ihre Forderungen zum Schein akzeptierte. Obwohl dabei Wat Tyler nach heftigem Wortwechsel vom Londoner Bürgermeister erschlagen wurde, gelang eine Beruhigung der Situation, sodass der Aufstand Anfang Juli beendet war. Die verbliebenen Anführer, so John Ball, wurden gefangen und hingerichtet, die von Richard gegebenen Zusagen mit Zustimmung des Parlaments revidiert, auch wenn sich in der Folge kleinere Verbesserungen für die bäuerliche Bevölkerung ergaben. Der seither eigenständigeren Politik des jungen Königs setzte jedoch das Parlament mehrfach Grenzen. So verlangte das Parlament vom Herbst 1386, den Kanzler Michael de la Pole und andere bevorzugte Ratgeber zu entlassen, die für die schwierige Situation des Landes verantwortlich gemacht wurden, und Richard wurde an das Schicksal Eduards II. erinnert. Deshalb musste er die Verurteilung Poles in einem impeachment-Verfahren zulassen und sich der Kontrolle durch einen neu eingesetzten Regentschaftsrat fügen. Während sich der König im Anschluss militärisch nicht durchsetzen konnte, sahen sich fünf der engsten Ratgeber Richards auf dem „Gnadenlosen“ Parlament vom Februar und März 1388 Anklagen wegen Hochverrats gegenüber, die von fünf Magnaten, den Appellanten, eingebracht wurden, unter ihnen sein Onkel Thomas von Gloucester und sein Cousin Heinrich, der Sohn von John of Gaunt. Das dabei erstmals angewandte Verfahren, das appealing, führte dann auch zu einem Schuldspruch, der Richards Spielraum weiter einschränkte.
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Bald darauf trug jedoch die Rückkehr von John of Gaunt, der auf dem Kontinent eigene dynastische Interessen verfolgt hatte, zu einer Beruhigung bei, zumal Richard 1389 die ihm vom Parlament auferlegte Regentschaft abschütteln konnte. Eine Revision der Entscheidungen von 1388 blieb jedoch bis zuletzt Ziel seiner Politik. Ein erster Schritt war, dass er nach einem erfolgreichen Irland-Feldzug 1394/95 ständig ein Regiment von Bogenschützen in seinem Dienst behielt, und die Friedensverhandlungen mit Frankreich trugen ebenfalls zur Stärkung seiner Position bei. Schließlich ging er 1397 offen gegen die Appellanten vor, ließ drei von ihnen inhaftieren, darunter seinen Onkel Thomas von Gloucester, der bald darauf in Calais ermordet wurde. Das Parlament vom September 1397 kehrte nunmehr das appealing von 1388 gegen die drei Appellanten und verurteilte sie wegen Hochverrats zum Tode, Gloucester posthum. Dies war jedoch erst der Anfang. Nach dem Ende des Parlaments wurden auch die anderen Beteiligten von 1388 verfolgt und gezwungen, sich mögliche Begnadigungen teuer zu erkaufen. Die beiden, bisher noch nicht belangten Appellanten, darunter Heinrich, der Erbe des Herzogs von Lancaster, wurden schließlich unter einem Vorwand exiliert, und als John of Gaunt 1399 starb, wurde das Herzogtum Lancaster entgegen einer Zusage Richards für die Krone eingezogen. Der Autor der Kirkstall-Chronik verglich den Erfolg des Königs mit dem Aufstieg der Sonne, die „sich von den Wolken befreit“,15 und tatsächlich schien Richards Position gefestigt wie nie zuvor. Dann trat jedoch, während der Abwesenheit Richards auf einem zweiten Irland-Feldzug, eine überraschende Wende ein, als sich Heinrich von Lancaster zur offenen Rebellion entschloss, um seine Rechte durchzusetzen. Er landete Anfang Juli 1399 zusammen mit anderen Verschwörern, so mit Thomas Arundel, dem von Richard vertriebenen Erzbischof von Canterbury, in Ravenspur bei Hull im Norden Englands. Dort verband er sich mit den earls von Northumberland und Westmorland, den Percies und den Nevilles, die die Politik Richards mit Misstrauen verfolgt hatten, während sich der mit der Verteidigung beauftragte Herzog von York nach Westen zurückzog und sich dann sogar Heinrich anschloss. Richard landete bald darauf in Wales, entschied sich aber – wohl falsch beraten – für eine Teilung seiner Truppen und fiel am Ende im August 1399 in Chester gewaltlos in die Hand seiner Gegner. Nun stellte sich nicht mehr die Frage nach den Rechten Heinrichs, sondern alles lief auf eine Absetzung Richards hinaus. Eine Kommission von „Doktoren, Bischöfen und anderen“ wurde eingesetzt, die einen Weg dazu aufzeigen sollte und nach dem Bericht von Adam Usk zum Ergebnis kam, „dass Meineide, Sakrilegien, sodomitische Verbrechen, Auspressung seiner
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Nach der Absetzung König Richards II. erhebt Heinrich von Lancaster vor den geistlichen und weltlichen Großen des Parlaments Anspruch auf den Thron, 30. September 1399. Buchmalerei, 15.Jahrhundert, Ms Harley 1319, fol. 57, London, British Library. Foto: AKG.
Untertanen, Versklavung seines Volkes, Feigheit und Schwäche der Herrschaft, mit denen König Richard bekanntermaßen infiziert war, […] ausreichende Gründe dafür bildeten, ihn abzusetzen“.16 Obwohl dabei auf kirchenrechtliche Sätze verwiesen wurde, die aus der Absetzung Kaiser Friedrichs II. auf dem ersten Lyoner Konzil 1245 abgeleitet waren, folgte man doch im Wesentlichen dem Beispiel der Absetzung Eduards II. von 1327. So lud man noch von Chester aus im Namen Richards für den September 1399 zu einem Parlament in London, während der König in den Tower gebracht wurde. Ähnlich wie 1327 liefen Thronverzicht und Absetzung parallel. So wurde Richard am 29. September unter Druck zur Abdankung zugunsten Heinrichs bewogen, doch kündigten ihm die am folgenden Tag zu Westminster versammelten Stände des Parlaments unabhängig davon den Gehorsam auf. Die offizielle Darstellung der Ereignisse findet sich in den Parlaments-
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akten, die sie allerdings nur im Rückgriff, zusammen mit dem ersten Parlament Heinrichs IV., schildern, das formal am Tag nach der Krönung Heinrichs, also am 14. Oktober begann. Danach wurde nach der Annahme des Thronverzichts beschlossen, Richard zum Ausschluss aller Unsicherheiten zusätzlich formal abzusetzen. Dabei stellte man dem Krönungseid Richards eine lange Liste seiner Vergehen gegenüber und bekräftigte die Rechtmäßigkeit seiner Absetzung. Nun schlug endgültig die Stunde Heinrichs, der in englischer Sprache seinen Thronanspruch begründete: „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes fordere ich, Heinrich von Lancaster, dieses Königreich England und die Krone mit allen ihren Teilen und ihrem ‚Zubehör‘, da ich über die rechte Linie des Blutes vom guten König Heinrich III. abstamme, und durch das Recht, das mir Gott in seiner Gnade gesandt hat, es mithilfe meiner Verwandten und meiner Freunde wiederzugewinnen; welches Königreich aufgrund schlechter Regierung und der Aufhebung guter Gesetze verfallen war.“17 Heinrich bezog sich auf die Legende, nicht Eduard I., sondern Edmund von Lancaster sei der ältere Sohn Heinrichs III. gewesen, und legitimierte sich zugleich durch das Recht des Eroberers und die Absetzung Richards II. Tatsächlich war Heinrich 1399 nicht der einzige Verwandte des Königshauses, der Anspruch auf den Thron erheben konnte. Ein anderer war der erst achtjährige Edmund Mortimer, earl of March, der durch seine Großmutter von einem älteren Sohn Eduards III. abstammte, dessen Anrecht später auf die Herzöge von York übergehen sollte. Obwohl dies 1399 scheinbar noch bedeutungslos war, stand Heinrichs Königtum so von Anfang an nicht auf fester Grundlage.
3. England in der zweiten Phase des 100-Jährigen Krieges (1400–1453) Die Absetzung Richards II. und die Erhebung Heinrichs IV. bedeuteten innen- und außenpolitisch einen Einschnitt. Da man die junge Braut Richards an den französischen Hof zurücksandte, waren die Ansätze zum Frieden mit Frankreich infrage gestellt, und bald setzten neue Kämpfe ein, die unter Heinrich V. eine neue Qualität gewannen. Zugleich konnte sich die Herrschaft Heinrichs IV. und seiner Nachfolger nie völlig vom Makel der Usurpation befreien, auch wenn die inneren Probleme durch die militärischen Erfolge gegen Frankreich lange Zeit an Bedeutung verloren. Während der Minderjährigkeit Heinrichs VI. kam es dann zu Parteibildungen, die vor dem Hintergrund der Misserfolge in Frankreich zu wachsenden Spannungen führten. Als 1450/53 der Krieg endgültig verloren
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ging, mündete dies in England in einen Bürgerkrieg, die Rosenkriege, die eine neue Phase der Entwicklung darstellten. Angesichts der rechtlichen Probleme um die Absetzung Richards war Heinrich bemüht, möglichst weit reichende Unterstützung zu erlangen. So setzte er auf Zugeständnisse an einzelne Personen und Gruppen, kam dem Parlament entgegen und hielt die Bestrafung der Anhänger Richards in Grenzen. Den sechs (von acht) überlebenden Appellanten des Parlaments von 1397 wurden zwar die Titel, Ämter und Ländereien entzogen, die sie seit dieser Zeit übertragen bekommen hatten, doch blieb ihnen ihr ererbter Besitz. Weniger hochrangige Amtsträger Richards wie Nicholas Slake, Leiter der königlichen Kapelle, Anfang 1400 kurzzeitig inhaftiert, dann aber Schreiber Heinrichs, glichen sich mit dem Haus Lancaster aus und blieben teilweise in königlichen Diensten. Die relative Großzügigkeit Heinrichs konnte jedoch den Ausbruch von Rebellionen nicht verhindern. Schon im Januar 1400 verbanden sich vier der Appellanten von 1397 mit dem Ziel, so Thomas Walsingham, „unter dem Deckmantel weihnachtlicher Spiele plötzlich im Schloss von Windsor über den König herzufallen und ihn mit seinen Söhnen in grausamer Weise zu töten, um dann König Richard, den sie gesucht hatten, in seiner Herrschaft wiederherzustellen und durch solch große Verbrechen die herzoglichen Titel und Ländereien wiederzugewinnen, die ihnen genommen worden waren“.18 Dabei setzten sie auf das Überraschungsmoment, doch der König wurde gewarnt und zog sich nach London zurück. Während die Rebellen nun das Gerücht verbreiten ließen, Richard sei frei und gehe gegen Heinrich vor, stellte dieser mithilfe der Londoner Truppen auf und nahm die Verfolgung auf. Die Erhebung wurde jedoch schon lokal niedergeschlagen, die Verschwörer wurden in Cirencester und Bristol gefangen genommen und auf Druck der Bürger hingerichtet. Eine Folge dieser Ereignisse war wohl auch der Tod des in Pontefract gefangen gehaltenen Richard. Nach Thomas Walsingham und anderen Chronisten soll er nach dem Scheitern der Rebellen die Nahrungsaufnahme verweigert haben, doch fand er wohl eher ein gewaltsames Ende, da er eine Bedrohung für Heinrichs Königtum darstellte. Sein Leichnam wurde vor der Bestattung unter anderem zwei Tage in St. Paul’s aufgebahrt, um erneute Gerüchte über eine Flucht gar nicht erst aufkommen zu lassen – allerdings ohne Erfolg, denn in den folgenden Jahren glaubte man immer wieder, Richard sei lebend gesehen worden. Die nächsten Unruhen gingen von den Walisern aus, die zuvor auf Richards Seite gestanden hatten. Im September 1400 wurde Owain Glyndwr, der Herr von Glyndyfrdwy in Nord-Wales, nach einem Konflikt mit einem englischen Amtsträger von einer Gruppe walisischer Grundbesitzer zum
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Fürsten erhoben. Er fand weite Unterstützung in Nord-Wales, Cardigan und Powys und ging – nach Adam Usk – bald dazu über, „die Engländer, die in diesen Gebieten lebten, […] mit Feuer und Schwert“ zu verfolgen, während diese ihrerseits mit Verwüstungen antworteten, „selbst Kinder und Kirchen nicht verschonend“.19 1403 hatte Glyndwr bereits weite Teile des Landes unterworfen; dabei erhielt er Unterstützung von Schottland und – seit 1405 – auch durch französische Truppen. Auch sonst wuchs die Unzufriedenheit im Land. Schon 1401 zeigte sich einer der königlichen Kapläne, Philipp Repingdon, enttäuscht über Heinrichs Herrschaft. Er schrieb dem König: „Nun hat sich unsere Freude in Trauer verwandelt, während sich die Übel mehren und die Hoffnung auf Besserung in den Herzen der Menschen erloschen ist.“20 1403 erhoben sich die Percies, die Familie der earls von Northumberland, da sie ihre Unterstützung für Heinrich nicht ausreichend honoriert sahen. Sie nahmen mit den Walisern Kontakt auf und traten nunmehr für die Wahl des 1399 übergangenen jungen earl of March ein. Der König, der sich auf einem Feldzug gegen Schottland befand, konnte jedoch die Rebellen im Juli 1403 bei Shrewsbury schlagen und ihre Anführer hinrichten lassen. Der nicht am Kampf beteiligte earl von Northumberland wurde auf dem Parlament vom Frühjahr 1404 begnadigt, schloss sich aber Anfang 1405 einer neuen Erhebung unter Beteiligung des Erzbischofs von York an, die – ebenfalls zusammen mit Owain Glyndwr – eine Aufteilung des Landes anstrebte. Diese brach allerdings zusammen, als Ralph Neville, der earl von Westmorland, und andere den Erzbischof gefangen nahmen und ungeachtet seines geistlichen Standes hinrichten ließen, während der earl von Northumberland nach Schottland fliehen musste. Zudem konnte die englische Vorherrschaft in Wales zwischen 1407 und 1409 wiederhergestellt werden, als der Kronprinz, der künftige Heinrich V., die Leitung des Feldzugs übernahm. Owain Glyndwr musste schließlich 1413 in den Untergrund gehen und verlor jeden Einfluss. Die französische Unterstützung für die Waliser und für Schottland machte allerdings deutlich, dass sich die Beziehungen zwischen England und Frankreich wieder dramatisch verschlechtert hatten, zumal im Gegenzug englische Schiffe die Normandie und französische Schiffe im Kanal angriffen. Im Mai 1412 konnte Heinrich sogar die innerfranzösischen Spannungen nutzen: Die Herzöge von Berry, Bourbon und Orléans versprachen ihm für Hilfe gegen Burgund die Souveränität über die Guyenne, die Lehnshoheit über Poitou und eine Erweiterung seines Besitzes. Damit war allerdings nur wenig erreicht, denn als im August ein englisches Heer in Frankreich landete, um die Bedingungen des Vertrags durchzusetzen, stieß es auf den vereinten Widerstand der französischen Großen.
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Heinrichs schwierige innere und äußere Lage zwang ihn zu Zugeständnissen an das Parlament, in dem die commons, die Repräsentanten der Städte und Flecken sowie der Grafschaften, an Einfluss gewannen. Heinrich verfügte über geringere Einkünfte als Richard (rund 90 000 Pfund statt 116 000 Pfund vor 1399) und konnte nur begrenzt Darlehen aufnehmen. Im Februar 1401 erhoben die commons zwar vergeblich die Forderung, eine Antwort auf ihre Petitionen zu erhalten, bevor sie der Erhebung von Abgaben zustimmten, doch erlangten sie im Folgenden erstmals eine gewisse Kontrolle über die Ausgaben der wardrobe, der zentralen königlichen Haushaltsbehörde, sowie über königliche Amtsträger. Zudem forderten sie 1404 die Benennung der Ratgeber im Parlament. Diese sollten nach den Vorstellungen des mit Unterbrechungen vom März bis zum Ende Dezember 1406 tagenden Parlaments bestimmte Zusagen beschwören: die Einbeziehung aller Ratgeber bei den Entscheidungen, die reguläre Vergabe von Privilegien, die Anhörung von Petenten sowie die Überwachung der Ausgaben. Eine führende Rolle spielten dabei die Sprecher der commons, die zwar zum Teil – wie 1406 John Tiptoft – aus der Umgebung des Königs stammten und oft seine Interessen vertraten, mit ihrer Kritik aber nicht immer zurückhielten. Diese Entwicklung vollzog sich bereits vor dem Hintergrund der Krankheit des Königs, die ihn seit 1405 mehr und mehr schwächte. Deshalb sah er sich schon 1411 der von seinem Halbbruder, Henry Beaufort, dem Bischof von Winchester, vorgebrachten Forderung gegenüber, zugunsten des Kronprinzen zurückzutreten, der seit 1409 faktisch den königlichen Rat leitete. Obwohl Verschwörer Heinrich V. vorzeitig auf den Thron bringen wollten, konnte sich der alte König bis zu seinem Tode im März 1413 behaupten, wie ihm insgesamt eine gewisse Stabilisierung der neuen Dynastie gelang. Allerdings setzten sich die Unruhen auch unter dem neuen Herrscher fort. Heinrich V. bemühte sich nach seinem Regierungsantritt um Ausgleich, doch sah er sich 1414 und 1415 einem Aufstand der Lollarden und dem Versuch von Baronen gegenüber, ihn durch Edmund Mortimer, den jungen earl of March, zu ersetzen. Diesem hatte er bereits 1413 volle Verfügungsgewalt über sein Erbe gegeben, ebenso wie er Henry Percy, den Erben des earl von Northumberland, wieder in den Familienbesitz einsetzte, dem Herzog von York unter Heinrich IV. entzogene Besitzungen zurückgab und dessen jüngsten Bruder Richard zum earl von Cambridge erhob. Der erste Angriff auf den König ging so auch nicht vom Adel, sondern von einer Gruppe von Lollarden unter John Oldcastle aus. Dieser Ritter aus Herefordshire wurde im Zuge der vom Erzbischof von Canterbury,
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Thomas Arundel, seit 1409 intensivierten Häretiker-Verfolgung im September 1413 im Tower inhaftiert, konnte aber ausbrechen und plante trotz des Eingreifens von Heinrich zu seinen Gunsten, „den König und seine Herren in Eltham erschlagen zu lassen“.21 Das Attentat konnte mithilfe der Londoner verhindert werden, und als sich Oldcastles Anhänger versammelten, ging der König mit seinen Truppen gegen sie vor. Nach einer Londoner Chronik sollen dabei 8000 von ihnen gefangen genommen worden sein, ihre Anführer wurden in London hingerichtet. Oldcastle – dessen tatsächliche Rolle in der Verschwörung unklar ist – konnte fliehen, fand im Westen Helfer und wurde erst im November 1417 in Wales ergriffen. Eine noch größere Gefahr für den König stellte die Rebellion dar, zu der sich der neue earl von Cambridge, Thomas Gray, und Henry Lord Scrope verbanden. Sie wollten Heinrich und seine Brüder vor dem Aufbruch nach Frankreich im August 1415 ermorden, um so dem earl of March zum Thron zu verhelfen. Dieser wurde in die Pläne eingeweiht, informierte dann aber den König. Die Aufrührer wurden inhaftiert und von einem Gericht zum Tode verurteilt. Das im November 1415 auch vom Parlament bestätigte Urteil wurde unmittelbar darauf vollstreckt. Heinrichs Herrschaft war damit stabilisiert, doch sollte sich der Sohn Richards von Cambridge, Richard von York, später zum wichtigsten Gegenspieler Heinrichs VI. entwickeln. Wesentlich für die Verbesserung der Lage waren jedoch auch die Erfolge Heinrichs im Krieg gegen Frankreich, die sich im Verhältnis zum Parlament spiegeln. Zwar traten die Parlamente häufiger als zuvor zusammen – elfmal in den neun Jahren der Herrschaft Heinrichs V. –, doch wurden die effektiv gestalteten Sitzungsperioden auf mehr als die Hälfte (durchschnittlich vier Wochen) verkürzt. Dabei wurde dem König nach seinem Sieg bei Azincourt Ende 1415 sogar auf Lebenszeit die Erhebung zusätzlicher Zölle (subsidia) auf Wolle, Leder und Felle bewilligt, auch weil er zuvor ohne finanzielle Hilfen, „in der Hoffnung auf Gott, dass dieser ihm in seinem gerechten Streit helfen und ihn unterstützen möge, […] einen Feldzug in die Gebiete jenseits des Meeres unternommen hat, indem er seine Juwelen verpfändete, um ausreichende Versorgung mit Geld zu haben […]“.22 Nach 1415 nahm Heinrich allerdings kaum noch an den Parlamenten teil, sondern ließ sich meist von seinen Brüdern, den Herzögen von Bedford und Gloucester, vertreten. Die Eröffnungspredigten, zunächst gehalten vom Bischof von Winchester, dann, zwischen 1417 und 1421, vom Kanzler Thomas Langley, zeichneten ein positives Bild des Königs, hoben aber auch die Rechtmäßigkeit seiner französischen Ansprüche hervor. Heinrich hatte zunächst die englischen Rechte nach dem Vertrag von
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1412 geltend gemacht, dann aber weitergehende Ansprüche mit dem Vorschlag eines erneuten Heiratsprojekts zur Absicherung des immer noch geltenden Waffenstillstands verbunden. Als dies abgelehnt wurde, griff er im August 1415 die Normandie an, besetzte – nach sechswöchiger Belagerung – die Hafenstadt Harfleur und gewann so einen Stützpunkt an der französischen Küste. Die schon durch die Belagerung geschwächten englischen Trupppen sahen sich im Oktober 1415 bei Azincourt einem überlegenen französischen Heer gegenüber, konnten sich jedoch mithilfe der englischen Bogenschützen siegreich behaupten. Während nur wenige Engländer starben, kamen mehrere tausend Franzosen zu Tode, darunter auch der Befehlshaber des Heeres, der Konnetabel Charles d’Albret, sowie die Herzöge von Bar, Brabant und Alençon. Die Herzöge von Bourbon und Orléans wurden gefangen genommen. Dieser Sieg wurde in England als ein Gottesurteil empfunden, das die englischen Ansprüche bestätigte, und Heinrich wurde bei seiner Rückkehr begeistert empfangen. Nachdem der Bruder des Königs, John, der Herzog von Bedford, 1416 einen französischen Angriff auf Harfleur abgewehrt hatte, kehrte Heinrich Anfang 1417 in die Normandie zurück und begann – anders als seine Vorgänger, die sich auf die Zerstörung der wirtschaftlichen Grundlagen des Gegners verlegt hatten – mit einer systematischen Eroberung des Landes, die im Sommer 1419 vollendet war. Die Lancaster-Herrschaft über die Normandie, die für eine Generation Bestand haben sollte, wurde rasch gefestigt, und die Einwohner der eroberten Gebiete, die sich widersetzten, wurden aus ihrem Besitz vertrieben. Zugleich vollzog sich ein einschneidender Wandel in den innerfranzösischen Konflikten. Die Ermordung des burgundischen Herzogs Johann Ohnefurcht in Montereau im September 1419, an der die Partei des französischen Kronprinzen Karl beteiligt war, führte zu einer burgundischen Allianz mit England und schließlich sogar zu einer Verhandlungslösung, die scheinbar die englischen Ansprüche Wirklichkeit werden ließ. Im Mai 1420 schloss Heinrich mit dem französischen König Karl VI., der infolge einer Geisteskrankheit nur noch periodisch regierungsfähig war, den Vertrag von Troyes. Darin wurde der Kronprinz enterbt und durch Heinrich V. ersetzt, der Katharina, eine Tochter Karls, ehelichen sollte. Indem Frankreich und England zu zwei weiterhin formal getrennten, aber faktisch in Personalunion verbundenen Reichen erklärt wurden, sollte „durch abschließende Übereinstimmung ewiger Friede“ zwischen beiden Ländern gestiftet werden.23 Wie Frankreich, das inzwischen in mehrere Einflusszonen aufgeteilt war, tatsächlich regiert werden sollte, war damit nicht geklärt, doch machte sich Heinrich bald daran, den Bestimmungen des Vertrages Gültigkeit
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zu verschaffen. Im Juni 1420, kurz nach der Ratifizierung, heiratete er Katharina, und im Dezember erwirkte er – nach militärischen Unternehmen gegen Sens und Melun – die Zustimmung der französischen Generalstände zum Vertrag sowie die Bewilligung von Steuern. Im Februar 1421 erfolgte die Krönung Katharinas zur englischen Königin, und das Königspaar begann mit einer Rundreise durch England, so nach Bristol, Shrewsbury, York und Norwich, mit der – auch durch Druck – weitere Unterstützung für die französischen Unternehmungen Heinrichs gewonnen werden sollte. So musste ihm der Bischof von Winchester 17 666 Pfund leihen, und bis zum Juni kamen Verstärkungen von 4000 Mann zusammen. Inzwischen erforderte eine Niederlage in Maine, bei der auch Heinrichs ältester Bruder, der Herzog von Clarence, ums Leben kam, wieder Heinrichs Eingreifen in Frankreich. Allerdings erwies sich die Belagerung von Meaux, eines Stützpunkts der Anhänger des französischen Kronprinzen, als langwierig. Die Stadt ergab sich erst im Mai 1422, nach sieben Monaten, und der König und Teile seines Heeres waren schwer erkrankt. Heinrich starb schließlich im August 1422 in Vincennes, erst 35 Jahre alt. Er hatte England geeint und gestärkt und die englischen Ansprüche in Frankreich durchgesetzt, doch brachte sein früher Tod die Erfolge wieder in Gefahr. Für seinen Sohn, den noch nicht einmal einjährigen Heinrich VI., wurde ein Regentschaftsrat eingesetzt, doch sollten nach Heinrichs Testament die Herzöge John von Bedford und Humphrey von Gloucester die Regentschaft leiten, John in Frankreich, Humphrey in England. Obwohl John während seiner Anwesenheit in England seinen Vorrang durchsetzen konnte, erwies sich diese Doppelregentschaft als äußerst problematisch, zumal die commons daraus ableiteten, dass die Ausgaben für die Lancaster-Herrschaft in Frankreich künftig von den französischen Ständen aufgebracht werden würden. Da während der folgenden sieben Jahre kein neues subsidium mehr gewährt wurde, geriet der Herzog von Bedford bald in Schwierigkeiten. Die Lage in Frankreich war keineswegs geklärt, doch musste sich John fortan auf kleinere Operationen beschränken. Auch in England kam es zu Problemen. Sie wurden – zumindest teilweise – durch die Politik des Herzogs von Gloucester ausgelöst. Humphrey forderte auf der Grundlage des Testaments die Regentschaft für sich, wurde jedoch im November 1422, vor der Eröffnung des Parlaments, an die Autorität des königlichen Rates gebunden, in dem der Bischof von Winchester, Henry Beaufort, eine zentrale Rolle spielte. So erhielt er zwar die Vollmacht, „das genannte Parlament zu beenden und aufzulösen“, aber nur „mit der Zustimmung des Rates“ und auf Grundlage einer ihm erteilten Instruktion, obwohl er dagegen protestierte.24 Auch das am 9. No-
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vember eröffnete Parlament sah nicht das Testament des verstorbenen Königs, sondern die eigene Entscheidung als grundlegend an. Humphrey musste sich beugen und wurde schließlich Anfang Dezember zum Protektor des jungen Königs und zum (formalen) Leiter des vom Parlament einzusetzenden Regentschaftsrats berufen. Dies war jedoch erst der Anfang. Offenbar angesichts der Ansprüche, die Humphrey auf das Erbe seiner Gemahlin Jacqueline von Hennegau geltend machen wollte, verbot das Parlament von 1423 den Ratsmitgliedern und insbesondere dem Herzog, Rechte, Ämter und Lehen ohne Zustimmung der anderen Ratsmitglieder zu vergeben und eigenständig mit auswärtigen Mächten zu korrespondieren. Zwar übernahm während der Abwesenheit Humphreys seit 1424 der inzwischen zum Kardinal erhobene Bischof von Winchester seine Aufgaben, doch brachen die Konflikte bei Gloucesters Rückkehr im Frühjahr 1425 verstärkt auf, und der Herzog von Bedford musste schlichtend eingreifen. Als sich Humphrey bald darauf von Jacqueline von Hennegau trennte, verlor er die Unterstützung der commons, was sich bei seinem Versuch auswirkte, auf dem Frühjahrsparlament von 1428 seine Rechte als Protektor neu zu bestimmen. Die Großen setzten gegen seine Vorstellungen die Kontrolle der Entscheidungen durch Parlament und Rat durch. 1429 liefen seine Vollmachten aus, ohne dass neue Verfügungen getroffen worden wären. Unabhängig davon setzte sich der Konflikt mit Henry Beaufort fort, und im Mai 1432 wäre es fast zum endgültigen Bruch gekommen. Deshalb wurde der Herzog von Bedford bei einem England-Aufenthalt 1433 vom Parlament aufgefordert, in England zu bleiben und die Regentschaft selbst zu übernehmen. Allerdings musste er im Juli 1434 wegen der zunehmend schwierigen Lage nach Frankreich zurückkehren. Als Humphrey von Gloucester danach wiederum in die führende Position aufstieg, kam es zu einer tief greifenden Spaltung. Es bildeten sich zwei Parteien um ihn und Henry Beaufort, denen sich mehrere führende Adlige anschlossen, darunter auf Humphreys Seite der junge Herzog Richard von York, auf Beauforts Seite William de la Pole, der earl von Suffolk. Die Spannungen nahmen infolge des Todes des Herzogs von Bedford im September 1435 weiter zu, da nun auch die Politik in Frankreich umstritten war. Dies setzte sich fort, nachdem Heinrich VI. 1437 für volljährig erklärt worden war. Ungeachtet der innerenglischen Probleme konnte der Herzog von Bedford nach 1422 die englische Position in Frankreich weiter ausbauen. Heinrich V. war zwar vor Karl VI. verstorben, doch nach dessen Tod im Oktober 1422 wurde der noch nicht einjährige Heinrich VI. gemäß dem Vertrag von Troyes auch in Frankreich zum König ausgerufen. John konnte danach das Einflussgebiet des Kronprinzen, Karls (VII.), dem sich die
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meisten Franzosen weiter verbunden fühlten, durch militärische Erfolge im Juli 1423 und im August 1424 eingrenzen und Anjou und Maine sowie das Gebiet bis zur Loire unter englische Kontrolle bringen. Zugleich wurde die Herrschaft über die Normandie abgesichert, indem dort Engländer und französische Parteigänger angesiedelt wurden. Das überraschende Auftreten der Jeanne d’Arc stellte jedoch den scheinbar unaufhaltsamen englischen Erfolg infrage. Sie war ein Bauernmädchen aus Lothringen, das zunächst den Stadthauptmann in Vaucouleurs, dann aber den Kronprinzen selbst von ihrer Mission überzeugte, die seit Monaten von den Engländern belagerte Stadt Orléans zu befreien. Zwar bereiteten ihr Personen am Hof Karls den Weg, doch ging von ihr zweifellos eine besondere Ausstrahlung aus, die – nach der Untersuchung durch eine Kommission von Geistlichen – den Kronprinzen nach langem Zögern bewegte, ihr die verlangten Truppen zu geben. Schließlich gelang ihr im Mai 1429, woran die anderen französischen Heerführer gescheitert waren, die englische Belagerung von Orléans zu sprengen. Jeanne hatte aber noch weitergehende Ziele. Vor allem war es ihr Ziel, wie ihr Beichtvater, der Augustiner-Eremit Jean Pasquerel, 1456 im Rehabilitationsverfahren berichtete, „darüber hinaus […] zur Krönung des Königs fortzuschreiten. Sie führte den König […] in die Stadt Reims, wo der König wunderbarerweise gesalbt und gekrönt wurde, wie dies dieselbe Jeanne am Anfang ihres Auftretens vorhergesagt hatte.“25 Mit der Krönung im Juli 1429 wurde Karl VII. endgültig vom Kronprinzen zum allseitig akzeptierten Herrscher. Als die englische Seite dies erkannte und Heinrich VI. im Dezember 1431 nach Paris zur Krönung brachte, war es bereits zu spät. Andererseits waren England und Burgund zusammen immer noch stark genug, um die erneuten Angriffe der Franzosen abzuwehren. So scheiterte Jeanne d’Arc mit einem Feldzug gegen Paris, wurde bei Compiègne gefangen genommen und im März 1431 in Rouen vor Gericht gestellt. Das kirchlich geführte und wesentlich durch die Pariser Universität beeinflusste Verfahren unter der Leitung des Bischofs von Beauvais, Pierre Cauchon, und des stellvertretenden Inquisitors für Frankreich, des Dominikaners Jean le Maître, zielte darauf ab, die französischen Erfolge als Teufelswerk zu diskreditieren. Jeanne wurde vorgeworfen, dass sie behauptete, auch ohne die heilsnotwendige Institution der Kirche mit den Heiligen und so letztlich mit Gott in direkten Kontakt treten zu können, und dass sie durch das Tragen von Männerkleidung die göttliche Ordnung verletzte. Sie wurde schließlich für schuldig befunden und nach einem Schuldeingeständnis zu lebenslanger Haft verurteilt. Als sie jedoch nach drei Tagen widerrief, wurde sie am 30. Mai 1431 in Rouen öffentlich verbrannt.
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Die endgültige Wende brachte dann der Friedenskongress in Arras im Sommer 1435. Zwar blieben die langen Verhandlungen unter der Leitung eines päpstlichen Legaten und eines Bevollmächtigten des Basler Konzils ohne Ergebnis, doch kam es nach der Abreise der Engländer im September zum Ausgleich zwischen Karl und Philipp von Burgund, nachdem der Herzog vom Papst von seiner Verpflichtung auf den Vertrag von Troyes entbunden worden war. In der Folge verhielt sich Philipp neutral oder trat sogar offen auf die Seite der Franzosen. Als wenige Tage darauf der Herzog von Bedford starb, war dies ein weiterer Rückschlag für die Engländer. Die englische Politik wurde auch nach der Volljährigkeit des Königs vom Rat bestimmt, in dem neben dem Herzog von Gloucester und dem Bischof von Winchester die Erzbischöfe von Canterbury und York den stärksten Einfluss ausübten. Der Grund dafür lag in der schwachen Persönlichkeit Heinrichs, der außer in seiner Frömmigkeit wenig den zeitgenössischen Anforderungen an einen Herrscher entsprach. Er war leicht beeinflussbar und öffnete sich insbesondere einer Gruppe von Ratgebern um Henry Beaufort bzw. um den earl von Suffolk. Dieser Hofpartei, die den König nach außen abzuschließen suchte, trat der Herzog von Gloucester mit scharfer öffentlicher Kritik entgegen. 1440 warf er Beaufort vor, er habe sich mithilfe der Anleihen, die er dem König gewährte und für die er Zolleinnahmen verschrieben erhielt, persönlich bereichert. Humphrey beschwerte sich beim König, der Bischof und seine Anhänger „haben auch mich, Euren einzigen Onkel, meinen Cousin York […] und viele andere Herren Eurer Verwandtschaft von der Kenntnis aller wichtigen Angelegenheiten entfremdet, die Euren hohen Stand oder andere in Eurem Königreich betreffen“, und er forderte, Beaufort und den Erzbischof von York „aus Eurem Rat [zu entfernen], damit Männer frei sind zu sagen, was sie für die Wahrheit halten“.26 Die Reaktion der Hofpartei bestand darin, Humphreys Gemahlin, Eleonore Cobham, im Sommer 1441 wegen Hexerei anzuklagen, um den Herzog zu diskreditieren. Zwar ließ sich der Vorwurf nicht halten, sie habe mithilfe magischer Praktiken die Ermordung des Königs geplant, doch wurde sie wegen anderer Delikte zu lebenslanger Haft verurteilt. Dieses Urteil war das Werk des earl von Suffolk, der durch die königliche Gunst zu immer höheren Würden aufstieg. 1444 erhob ihn Heinrich zum marquis, 1448 sogar zum Herzog, und 1447 erhielt er die wichtigen Ämter des Obersten Kämmerers und des Konnetabels von Dover. Seine einflussreiche Stellung wurde jedoch durch seine wenig populäre Politik beeinträchtigt. So forderten z. B. die commons auf dem Parlament von 1442 die Einsetzung einer Kommission von Magnaten, die eine bessere Finanzverwaltung durchsetzen sollten.
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Als sich die Lage in Frankreich zunehmend verschlechterte, erschien die Haltung Gloucesters in mehrfacher Hinsicht als gefährlich. Wohl vor diesem Hintergrund wurde er bereits 1443/44 nicht mehr an Friedensgesprächen beteiligt und stand auch 1445 abseits, als eine französische Gesandtschaft mit dem König und Suffolk verhandelte. Da die notwendigen englischen Zugeständnisse wenig populär waren und Gloucester dies ausnutzen konnte, wurde er wenige Tage vor dem Zusammentreten des Parlaments in Bury St. Edmunds im Februar 1447 verhaftet. Sein Tod in der Haft wenige Tage später blieb zwar zunächst ohne Folgen, doch formierte sich die Opposition in den folgenden Jahren unter Richard von York neu. Zu einem offenen Ausbruch von Unruhen kam es erst, als Ende 1449 bzw. Anfang 1450 der Verlust der Normandie eingetreten war. Auf dem im November 1449 zusammengetretenen Parlament gingen die commons im Februar 1450 mit verschiedenen Klagen gegen Suffolk vor. Da sich auch die Großen hinter diese Vorwürfe stellten, drohte eine Verurteilung, doch griff der König dieser im März durch eine fünfjährige Verbannung vor. Auf See wurde der Herzog jedoch von einem königlichen Schiff gestellt und gegen Heinrichs Willen von einem der Soldaten erschlagen. Die Unruhe im Land äußerte sich auch in einer Rebellion von Bauern und Handwerkern in Kent im Frühjahr 1450. Die von Jack Cade geführten Aufständischen zogen – wie 1381 – nach London, forderten eine Bestrafung der Ratgeber des Königs, „die Tag und Nacht um seine Hoheit [sind] und ihm täglich einflüstern, dass Gutes schlecht ist und Schlechtes gut“, und beklagten die Ermordung des Herzogs von Gloucester.27 Zwar konnten die Kontingente der Aufständischen nach einem Gefecht auf der London Bridge aufgelöst werden, doch erscheint es wie ein Vorgriff auf die künftigen, sich abzeichnenden Konflikte, dass sich Jack Cade – wohl zu Unrecht – auf die Förderung Richards von York berief und sich John Mortimer nannte. Im Frühjahr 1450 war die englische Niederlage in Frankreich bereits offenkundig. Friedensverhandlungen waren nach 1435 immer wieder an den wechselseitigen Forderungen gescheitert, zumal die englische Siedlung und die Vertreibung von Franzosen aus der Normandie zusätzliche Probleme darstellten. Selbst die 1444 vereinbarte Ehe Heinrichs VI. mit Margarethe von Anjou, einer angeheirateten Nichte des französischen Königs, führte nur zu einem kurzzeitig wirksamen Waffenstillstand. Vor diesem Hintergrund gelangen der französischen Seite kontinuierliche Geländegewinne. Schon 1435 eroberte Karl VII. Harfleur, zwischen 1446 und 1448 die Grafschaft Maine, auf die Heinrich zuvor in Geheimverhandlungen freiwillig verzichten wollte. Im Juni 1449 begann der groß angelegte Angriff auf die englischen Positionen in der Normandie, und im April 1450 war die Eroberung abgeschlossen.
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Nun konzentrierten sich die Kämpfe auf die Gascogne, die lange im Windschatten der Ereignisse gelegen hatte. Schon ein erster französischer Angriff 1451 führte zur völligen Vertreibung der Engländer, doch konnten sie in dem seit 300 Jahren unter englischer Herrschaft stehenden Gebiet im folgenden Jahr noch einmal ihre Anhänger mobilisieren und unter anderem Bordeaux zurückgewinnen. Allerdings kehrte das französische Heer im Sommer 1453 zurück und beendete die englische Herrschaft in Südfrankreich. Damit war zugleich der Hundertjährige Krieg faktisch zu Ende, ohne dass dies den Zeitgenossen bewusst geworden sein dürfte. Während England allein im Besitz von Calais (bis 1559) und der Kanalinseln verblieb, hatte Frankreich seine Kriegsziele erreicht. Die englische Niederlage löste jedoch schwere innere Auseinandersetzungen aus.
4. Das Zeitalter der Rosenkriege (1450–1485) Das moderne Bild der Rosenkriege ist mehrfach von der Geschichtsschreibung der anschließenden Tudorzeit geprägt. Das gilt bereits für die Bezeichnung, da die Identifizierung der Häuser Lancaster und York mit den Wappensymbolen der roten und weißen Rose in den zeitgenössischen Zeugnissen nur bedingt nachweisbar ist. Ebenso problematisch ist die unter anderem bei Thomas More belegte These, die Rosenkriege hätten insbesondere „das alte edle Blut dieses Königreiches“ getroffen, so „dass kaum die Hälfte überlebte, zur großen Schwächung dieses edlen Landes, neben mancher guten Stadt, die geplündert und zerstört wurde“.28 Tatsächlich richtete sich die – 1451 gegen Jack Cade, 1459 gegen das Haus York, 1461 gegen Lancaster – vom Parlament beschlossene summarische Ächtung, der Act of Attainder, insbesondere gegen die gegnerische Führungsschicht, ihre Familien und Anhänger, die enteignet und mit dem Tod bedroht wurden, doch mussten die Konsequenzen der Kämpfe von allen Schichten getragen werden. Auch das lange Zeit vorherrschende negative Bild Richards III. geht auf die Tudor-Historiographen zurück. Die inneren Spannungen eskalierten durch die Niederlage in Frankreich. Herzog Richard von York entwickelte sich zum wichtigsten Gegenspieler der Hofpartei. Er war der Sohn des 1415 hingerichteten earl von Cambridge und erbte über seine Mutter Anne Mortimer die Ansprüche des 1399 übergangenen earl of March. Damit war er einer der reichsten Magnaten Englands und – bis zur Geburt des Thronfolgers Eduard am 14. Oktober 1453 – der nächste Erbe Heinrichs VI. Hoffnungen auf die Nachfolge machte sich jedoch auch Edmund Beaufort, der Herzog von Somerset. Als Nachfahre von John of Gaunt aus der dritten Ehe mit
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Catherine Swinford war er nach dem König das ranghöchste Mitglied des Hauses Lancaster, doch war seine Linie mehrfach von der Nachfolge ausgeschlossen worden. Der Herzog von Somerset zählte zu den Hauptverantwortlichen für den Verlust der Normandie, stieg jedoch nach dem Tod Suffolks in die höchsten Ämter auf und sammelte dessen Anhänger um sich. Zur ersten Konfrontation zwischen beiden Parteien kam es bereits im Zusammenhang mit dem für November 1450 einberufenen Parlament. Richard gelang es, etliche seiner Anhänger ins Parlament wählen zu lassen, und einer von ihnen, William Oldhall, wurde sogar zum Sprecher der commons erhoben. Diese forderten Reformen sowie die Ablösung Somersets und die Entfernung seiner Anhänger vom Hof. Zwar fand sich der König bereit, Ratgeber, die nicht zu den Großen des Reichs gehörten, zu entlassen, doch blieb die Stellung Somersets unangetastet. Als einer der Anhänger Yorks, Thomas Yonge, die Anerkennung Richards als Thronerben forderte, wurde er im Tower inhaftiert. Richard von York setzte auch nach dem Ende des Parlaments auf die Unterstützung der Bevölkerung. So machte er im Januar 1452 in einem Manifest an die Bürger von Shrewsbury den Herzog von Somerset für den Verlust der Normandie verantwortlich und warf ihm vor, zu seinem Nachteil auf den König einzuwirken, „um mich und meine Erben sowie jene, die um mich sind, um ihr Erbe zu bringen“. Da er vorhersah, „dass das Land mit diesen Mitteln wahrscheinlich zugrunde gerichtet wird“, kündigte er ein energisches Vorgehen an.29 Als er mit seinen Anhängern nach Süden zog, blieb jedoch die erhoffte Resonanz aus. Vielmehr sah er sich bei Dartford in Kent einem königlichen Heer gegenüber. Richard fand sich aufgrund der Zusage, dass sich Somerset den Vorwürfen stellen müsste, beim König ein, doch blieb dieser in königlicher Gnade, während Richard in London wie ein Gefangener präsentiert wurde. Er wurde erst freigelassen, nachdem er seinen Treueeid gegenüber dem König erneuert und versprochen hatte, gegen keinen der Untertanen des Königs gewaltsam vorzugehen. Andernfalls drohte ihm und seiner Familie die summarische Ächtung. Die Rückeroberung der Gascogne 1452 und eine Reform der königlichen Finanzen stärkten die Stellung der Hofpartei weiter, und auf dem Parlament in Reading im März 1453 wurde mit Thomas Thorpe sogar einer ihrer Vertreter, einer der ‚Barone‘ des Schatzamts, zum Sprecher der commons gewählt. Heinrich VI. wurden nun sogar – wie nur zweien seiner Vorgänger – auf Lebenszeit das subsidium auf Wolle sowie tonnage und poundage bewilligt, ebenso eine Steuer für ein Heer von 20 000 Bogenschützen. Dagegen wurde der Sprecher des Parlaments von Ende 1450,
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William Oldhall, geächtet, nach außen wegen seiner Beteiligung am Aufstand Jack Cades, tatsächlich wegen seiner Kritik an der Hofpartei. Im Juli 1453 führte jedoch der endgültige Verlust der Gascogne eine Wende herbei, und im Norden brachen Unruhen aus, an denen die Nevilles, die Percies und ihre Anhänger beteiligt waren. Dazu kam seit August 1453 eine geistige Erkrankung Heinrichs, die ihn – wie einst seinen Großvater Karl VI. von Frankreich – längere Zeit nicht mehr ansprechbar machte. Wie John Stodeley im Januar 1454 dem Herzog von Norfolk berichtete, konnte die Königin Heinrich in dieser Zeit nicht einmal dazu bewegen, seinen Sohn zu segnen. Vielmehr „war all ihre Mühe umsonst, denn sie mussten ohne irgendeine Antwort oder einen Blick vom König wieder gehen“.30 Margarethe von Anjou suchte auf diese Weise ihren Anspruch auf die Regentschaft zu untermauern, doch gewann Richard von York im Rat und bei Hof zunehmend an Einfluss, während der Herzog von Somerset schon im Dezember 1453 im Tower interniert worden war. Anfang 1454 zogen die Herzöge von Buckingham und York sowie die earls von Wiltshire, Warwick, Richmond und Pembroke um London Truppen zusammen, und die Königin erhob Anspruch auf die Ausübung der königlichen Rechte, doch dauerte es bis zum 27. März, ehe die Großen eine Entscheidung fällten: Richard von York wurde zum Protektor und Verteidiger des Königreichs erhoben. Wie schon 1422 hatte man den Titel eines Regenten bewusst vermieden. Richards Vorrechte beschränkten sich im Wesentlichen auf den Vorsitz im Rat, doch durfte er auch die obersten Amtsträger Englands neu berufen. So erhob er seinen Schwager Richard Neville zum Kanzler und Kapitän von Calais. Reformen schlossen sich an – für die bessere Finanzierung des königlichen Haushalts, der Stadt Calais und der Seeverteidigung sowie für einen häufigeren Besuch des Rates –, und im Norden griff Richard persönlich ein, um die Verhältnisse zu beruhigen. Richards Stellung war jedoch infrage gestellt, als der König um die Jahreswende 1454/55 wieder das Bewusstsein erlangte. Wie Edmund Clere im Januar 1455 seinem Cousin John Paston von einem Besuch der Ratgeber des Königs bei Heinrich mitteilte, „sprach er so gut zu ihnen, wie er es immer tat, und als sie herauskamen, weinten sie vor Freude“. 31 Während Richard in den Norden auswich, wurde der Herzog von Somerset aus dem Tower entlassen, und die Königin übernahm mehr und mehr die Kontrolle der Regierung. Wieder wurden die höchsten Amtsträger ausgewechselt; unter anderem übernahm der Erzbischof von Canterbury, Thomas Bourchier, die Aufgaben des Kanzlers. Als man auf einer Ratsversammlung in Leicester Maßnahmen zum Schutz des Königs beraten wollte, führte dies zum faktischen Ausbruch
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der Rosenkriege. Richard, der sich bedroht fühlte, sammelte seine Truppen und konnte im Mai 1455 bei St. Albans einen ersten militärischen Erfolg erringen. Zwar beschwor er zusammen mit den Nevilles vor dem leicht verletzten König seine Treue, doch nutzte er seinen Vorteil, um den Einfluss Margarethes zurückzudrängen. In Heinrichs Namen wurde ein Parlament einberufen, in dem die Anhänger des Hauses York die Mehrheit und den Sprecher der commons stellten. Wenig überraschend wurde ihre Partei dort von allen Vergehen freigesprochen, und die königlichen Amtsträger wurden erneut ersetzt. Vermutlich wäre es bald wieder zu Kämpfen gekommen, hätte sich der König nicht vom November 1455 bis zum Februar 1456 von der Politik fern gehalten. Lange Zeit nahm man an, Heinrich habe einen weiteren Anfall seiner Geisteskrankheit erlitten, doch fehlen dafür die Belege in den Quellen. So beugte er sich wohl nur dem Einfluss des Herzogs von York, der erneut das Amt des Protektors übernahm. Allerdings erreichte Richard diesmal nur wenig, und am 26. Februar 1456 erschien Heinrich im Parlament und setzte Richards Wirken ein Ende. Während die königliche Verwaltung allmählich die Kontrolle über die Grafschaften verlor, nahmen die Spannungen weiter zu. Die Rückkehr des Königs stärkte die Hofpartei um die Königin, und im Oktober 1456 wurden William Waynflete, der Bischof von Winchester, zum Kanzler und der earl von Shrewsbury zum Schatzmeister berufen. Da Richard weiterhin den Rat beherrschte, bemühte sich Margarethe um schottische Unterstützung. Ein Vermittlungsversuch Heinrichs führte im März 1458 nur formal zu einem Ausgleich. Die Unzufriedenheit im Land nahm zu, als James Butler, der earl von Wiltshire, zum neuen Schatzmeister ernannt wurde. Nach dem Zeugnis einer Chronik betrogen er und die anderen königlichen Amtsträger, „um sich selbst zu bereichern, […] die armen Leute, und enterbten rechtmäßige Erben und taten viel Schlechtes“.32 Diese Situation führte im Sommer 1459 zum erneuten Ausbruch der Kämpfe. Nach einem Erfolg der Yorkisten erschien der König im Oktober 1459 bei Ludford Bridge selbst auf dem Schlachtfeld. Da viele nicht gegen ihren Souverän kämpfen wollten, löste sich das Heer Richards auf. Er selbst floh nach Irland, sein Sohn Eduard und die earls von Salisbury und Warwick gingen nach Calais. In der Folge wurden die Flüchtlinge auf dem Parlament vom November 1459 summarisch geächtet, ihr Besitz wurde eingezogen und an die Anhänger des Hauses Lancaster verteilt. Ein Ausgleich war damit in weite Ferne gerückt. So kam es zur militärischen Konfrontation, als die Exilierten von Calais aus nach England zurückkehrten. Die königliche Armee wurde im Juli 1460 bei Northampton geschlagen, führende Anhänger der Lancaster fie-
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len, und der König geriet in Gefangenschaft. Allerdings überzog Richard seine Ansprüche, als er sich im Parlament vom Oktober 1460 wie jemand gab, „der dabei ist, von seinem Recht Besitz zu ergreifen“, und den König zu sich kommen ließ.33 Als er dafür auf seine Abstammung von der älteren Linie des Königshauses verwies, fand dies bei den Großen des Reiches wenig Unterstützung, denn damit wäre England seit 60 Jahren von Usurpatoren regiert worden. Zudem bot Heinrich – abgesehen von seiner Schwachheit – keinen Anlass für eine Absetzung nach dem Vorbild Richards II. So musste sich Richard mit einem Kompromiss nach dem Modell des Vertrags von Troyes zufrieden geben: Heinrich behielt seine Würde, und erst nach seinem Tode sollte Richard sein Erbe antreten. Da dies die Enterbung ihres Sohnes bedeutet hätte, sammelte die Königin daraufhin Truppen mithilfe der earls von Devon und Northumberland. Richard stellte sich ihnen entgegen, fiel jedoch im Dezember 1460 bei Wakefield. Als Margarethe im Februar 1461 in der zweiten Schlacht von St. Albans den König aus der Hand des earl von Warwick und der anderen Yorkisten befreite, schien die Lancaster-Herrschaft wieder hergestellt, doch erwuchs ihr nun in Richards Sohn Eduard, dem earl of March, ein neuer Gegner. Während es Margarethe nicht gelang, die Londoner für sich zu gewinnen, konnte der knapp 19-jährige Eduard die Truppen des earl von Wiltshire bei Mortimer’s Cross besiegen und zusammen mit dem earl von Warwick in London einziehen. Dort, vor der St.-Paul’s-Kathedrale, wurde der earl of March schließlich am 4. März 1461 – als Eduard IV. – per Akklamation zum König ausgerufen. In Westminster ergriff er formal vom Königtum Besitz und schwor, „dass er getreu und gerecht das Königreich bewahren und seine Gesetze als getreuer und gerechter König verteidigen würde“.34 Bald darauf ging Eduard daran, seinen Anspruch umzusetzen. Schon am 6. März wurden 33 sheriffs über seine Wahl informiert und 22 Anhänger der Lancaster namentlich geächtet, und am 29. März hatte er so viele Truppen gesammelt, dass in der Schlacht bei Towton die größten Heere der Rosenkriege aufeinander trafen, mit der höchsten Beteiligung des Adels. Obwohl die meisten Peers aufseiten des Hauses Lancaster standen, blieb Eduard erfolgreich. Unter den wohl rund 9000 Gefallenen waren zahlreiche seiner Gegner, andere wurden nach der Schlacht ergriffen und hingerichtet. Heinrich VI. und seine Familie flohen nach Schottland. Mit der Krönung Eduards Ende Juni 1461 ging die Herrschaft an eine neue Dynastie über, auch wenn die Gefahren für das Haus York damit noch nicht aus der Welt waren. So suchte Margarethe von Schottland aus Hilfe bei ihren französischen Verwandten, und der Norden Englands war
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von Übergriffen bedroht. Deshalb begann Eduards erstes Parlament, das eine erneute Bestätigung seines Thronanspruchs und eine Ächtung aller Anhänger der Lancaster-Partei aussprach, erst im November 1461. Die Kämpfe im Norden setzten sich auch 1462 und 1463 fort, zeitweilig hielt Heinrich VI. sogar in Bamburgh Hof, und im Winter 1463/64 kam es zu einem Aufstand in Wales unter der Führung von Jasper Tudor. Eine Beruhigung trat erst ein, als es Eduard 1465 gelang, Heinrich im Lake District gefangen zu nehmen und im Tower inhaftieren zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich jedoch bereits erste Spannungen im Verhältnis zum „Königsmacher“, Richard Neville, dem earl von Warwick, entwickelt. Als der earl 1464 die Beziehungen zu Frankreich durch ein Heiratsprojekt verbessern wollte, stellte sich heraus, dass Eduard bereits im Mai heimlich die Witwe des 1459 aufseiten der Lancaster gefallenen John Grey, Elisabeth Woodeville, geheiratet hatte. Sie war die Tochter von lord Rivers und Jacquetta von Luxemburg, die aus einer den burgundischen Herzögen nahe stehenden Familie kam. So war es wohl kein Zufall, dass der König schon im Sommer 1464 mit dem Erben des burgundischen Herzogs, mit Karl dem Kühnen, dem künftigen Gegner des französischen Königs, Beziehungen aufnahm. Auch ein weiteres Heiratsprojekt, das 1466 eine Annäherung mit Burgund erbringen sollte, erhöhte die Spannungen zwischen Warwick und dem König. So sollte Margarethe von York, die Schwester Eduards, mit Karl dem Kühnen verheiratet werden, während Karls Tochter Maria Eduards Bruder, George, den Herzog von Clarence, heiraten sollte. Als die zweite Verbindung nicht zustande kam, betrieb Warwick eine Heirat Georges mit seiner Tochter Isabel Neville. Der dafür notwendige päpstliche Dispens sollte vom Kanzler, Richards Bruder George Neville, dem Erzbischof von York, eingeholt werden. Als der König davon erfuhr, enthob er den Kanzler seines Amtes. Daraufhin, so John Warkworth, „nahm der earl von Warwick so viele Ritter, Knappen und Edelleute in Dienst, wie er konnte, um stark zu sein, und König Eduard tat alles, was er konnte, um den earl zu schwächen“.35 Ein offener Konflikt konnte zwar vermieden werden, doch war das beiderseitige Verhältnis seither gestört, während der Herzog von Clarence zunehmend unter Warwicks Einfluss geriet. Der earl und der Herzog standen wahrscheinlich auch hinter den Rebellionen, die im Sommer 1469 im Norden Englands ausbrachen. Während Eduard dort eingriff, planten sie von Calais aus ein militärisches Vorgehen gegen den König. Am 11. Juli nahm der Erzbischof von York die Eheschließung zwischen dem Herzog und Isabel Neville vor, und bald darauf wandten sich Warwick und Clarence mit einem Manifest an ihre Anhän-
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ger, in dem sie Eduards Politik mit der Eduards II., Richards II. und Heinrichs VI. verglichen und zur Sammlung eines Heeres in Canterbury aufriefen. Nach ihrer Landung in England öffnete ihnen London die Tore, und nach einem Sieg über ein königliches Aufgebot musste sich schließlich auch Eduard stellen. Zwar soll ihn der earl höflich begrüßt haben, „ohne ihm körperlichen Schaden zuzufügen, aber um seine Person sicher unterzubringen, sandte man ihn nach Warwick Castle und stellte ihm dort Wachen an die Seite“.36 Die Unruhe im Lande wuchs, und überall gewannen lokale Machthaber an Einfluss. Es zeigte sich jedoch, wie wenig Warwick ohne die Hilfe des Königs erreichen konnte, als ein nach York einberufenes Parlament nicht zusammentrat. Schließlich musste man Eduard bereits im Oktober 1469 wieder freilassen. Obwohl nach außen ein Ausgleich erfolgte, blieben die Spannungen bestehen. Bald nach seiner Freilassung ließ der König einen der Lancaster-Anhänger, Henry Percy, den einstigen earl von Northumberland, gegen ein Treueversprechen aus dem Tower frei, und im März 1470 setzte er ihn zulasten von Warwicks Bruder, John Neville, der diese Ländereien bisher verwaltet hatte, wieder in den Titel und den Familienbesitz der Percies ein. Dies fiel mit neuen Unruhen im Norden zusammen, die wieder von Warwick und Clarence unterstützt wurden, wohl mit dem Ziel, George anstelle seines Bruders als König einzusetzen. Eduard konnte dem jedoch durch schnelles Eingreifen zuvorkommen, sodass seine Gegner im Mai 1470 nach Frankreich fliehen mussten. In dieser Situation schaltete sich Ludwig XI. von Frankreich ein und führte mit Margarethe von Anjou und dem earl von Warwick zwei alte Gegner in einer – nicht sehr stabilen – Allianz zusammen. Von der Normandie aus landeten Mitte September Truppen unter Warwick, Clarence und Jasper Tudor in England. Als Eduard von York aus südwärts zog, sah er sich plötzlich einem Heer unter John Neville gegenüber, der zu den Rebellen übergegangen war. Deshalb entschloss er sich zur Flucht und ging mit wenigen seiner Anhänger, darunter seinem jüngeren Bruder Richard, dem Herzog von Gloucester, von King’s Lynn aus in die Niederlande. In England wurde danach Heinrich VI. aus dem Gefängnis befreit und formal wieder als König eingesetzt, ohne dass dies eine Entscheidung erbracht hätte. Denn der earl von Warwick konnte sich ungeachtet des Rükkgriffs auf den alten Herrscher nur auf die Gefolgsleute der Nevilles, nicht aber auf die des Hauses Lancaster stützen, und Margarethe misstraute ihrem Bündnispartner so sehr, dass sie mit ihrem Sohn, dem Kronprinzen Eduard, vorerst in Frankreich blieb. Zudem wandte sich der Herzog von Clarence, der seine eigenen Ambitionen enttäuscht sah, mehr und mehr wieder seinem Bruder zu.
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So erklärt sich, dass die zweite Regierung Heinrichs VI. bald ihr Ende fand, zumal auch Eduard kontinentale Unterstützung erhielt, von Karl dem Kühnen, der mit Ludwig XI. in Auseinandersetzungen stand. Mit seiner Hilfe landete Eduard im März 1471 mit einer kleinen Flotte im Norden Englands, wurde in York begeistert aufgenommen und erhielt bei seinem Zug nach London wachsende Verstärkung. Mitte April besiegte er bei Barnet den earl von Warwick, der dabei mit seinen Verwandten ums Leben kam, und Anfang Mai stellte er das Heer Margarethes, das zu spät gelandet war, um sich mit den anderen zu verbinden, bei Tewkesbury. Auch diese Schlacht endete mit einem vollen Erfolg für ihn. Während Heinrichs Sohn und Erbe fiel, wurden seine Parteigänger, die sich teilweise in nahe gelegene Kirchen geflüchtet hatten, ergriffen und hingerichtet. Während Margarethe in Gefangenschaft geriet, starb Heinrich VI. unter unklaren Umständen Ende Mai 1471 im Tower. Nach der Historie of the Arrivall of Edward IV empfand der alte König angesichts der Entwicklung „solch großen Hass, Zorn und Entrüstung, dass er am 23. Mai aus reinem Missfallen und Melancholie starb“, nach John Warkworth wurde er am 21. Mai ermordet, „während der Herzog von Gloucester, der Bruder von König Eduard, und viele andere im Tower waren“, und spätere Quellen, so Robert Fabyans Chronik, wissen vom Gerücht, Heinrich sei „mit einem Dolch […] durch die Hände des Herzogs von Gloucester, der nach Eduard IV. die Krone usurpierte“, ums Leben gebracht worden.37 Selbst wenn dies schon die spätere Sicht auf Eduards Bruder und Nachfolger spiegelt, dürfte auch dem erst 29-jährigen Eduard der Tod Heinrichs willkommen gewesen sein, denn damit war seine Herrschaft nun unangefochten. In den folgenden Jahren suchte Eduard seine Position durch die Wiederaufnahme des Hundertjährigen Krieges weiter zu stärken. Nach der Beendigung des seit 1468/69 schwelenden Krieges mit den Hansestädten im Frieden von Utrecht im Februar 1474 schloss er sich mit den Herzögen von Burgund und der Bretagne zusammen. Während Karl der Kühne den Osten Frankreichs, darunter die Champagne mit Reims, erhalten sollte, wollte Eduard die englischen Rechte in Frankreich wiederbeleben. Als er jedoch im Juli 1475 mit einem großen Heer in Calais landete und in Frankreich vorrückte, war der burgundische Herzog durch einen Reichskrieg um Neuß gebunden und kam ihm nicht zu Hilfe, während Ludwig XI. schlagkräftige Truppen aufbieten konnte. So kam es Ende August zu Verhandlungen in Picquigny an der Somme, bei denen ein siebenjähriger Waffenstillstand vereinbart wurde. Eduard zog sich gegen eine einmalige Entschädigung von 75 000 Kronen und eine lebenslange jährliche ‚Pension‘ von 50 000 Kronen aus Frankreich zurück und ließ im
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Januar 1476 auch Margarethe von Anjou gegen die Zahlung von 50 000 Kronen frei. Damit waren die Ergebnisse des Hundertjährigen Krieges faktisch bestätigt, obwohl der König nur persönlich Gewinn daraus ziehen konnte. Dies führte in England zu Unzufriedenheit und Unruhe, zumal sich der Lebensstil Eduards zusehends änderte. Wie Philippe de Commynes in seinen Mémoires beschreibt, wandte er sich immer mehr „seinem Vergnügen, besonders den Frauen, Festen und Banketten sowie den Jagden“ zu.38 Seine jährlichen Zahlungen aus Frankreich waren ihm schließlich so wertvoll, dass er 1477 auf die Option verzichtete, die von der Witwe Karls des Kühnen, Margarethe von York, favorisierte Eheverbindung ihrer Tochter Maria mit seinem Bruder George zu erlauben. Er näherte sich zwar danach an Marias Gatten, Maximilian, den Sohn Kaiser Friedrichs III., an, verhandelte jedoch zugleich mit Ludwig XI. über ein Heiratsbündnis und die Erhöhung der ‚Pension‘, um den 1481 ausgebrochenen Krieg mit Schottland ohne die vom Parlament zu bewilligenden Subsidien zu finanzieren. Als der französische König Maximilian über seine Verhandlungen mit der englischen Seite informierte, kam es Ende Dezember 1482 zum (vorläufigen) habsburgisch-französischen Ausgleich, und Eduard büßte nicht nur einen Verbündeten gegen Frankreich ein, sondern auch seine festen jährlichen Einkünfte. Die Entscheidung gegen eine burgundische Heirat verstärkte allerdings auch die Spannungen im Verhältnis zu Eduards Bruder George. Der Herzog von Clarence, der eigenständige Kontakte zu Ludwig XI. unterhielt, suchte seine Position nach 1471 zu stärken, indem er sich – als Ehemann Isabel Nevilles – den immensen Besitz Warwicks und seiner Familie sicherte. Dabei kam es jedoch zum Konflikt mit seinem jüngeren Bruder, Richard von Gloucester. Richard wollte Isabels jüngere Schwester Anne ehelichen, um seinerseits Ansprüche auf das Erbe erheben zu können, sodass am Ende Eduard schlichtend eingreifen musste. Obwohl er George den größeren Teil des Vermögens zusprach, erlaubte er Richard die Ehe und damit einen eigenen Anteil. Das gescheiterte Eheprojekt belastete die Beziehungen zwischen den Brüdern weiter. Der Herzog von Clarence weigerte sich zumeist, an den Hof zu kommen. Im Sommer 1477 war er an Unruhen beteiligt und setzte sich für Personen ein, die einen Anschlag gegen Eduard planten. Schließlich kam es zum Bruch. „In Gegenwart des Bürgermeisters und der Aldermänner von London begann der König“, so der Fortsetzer des Crowland Chronicle, „das Verhalten des Herzogs heftig zu kritisieren, als wenn es den Gesetzen des Königreichs spottete und eine Gefahr für Richter und Geschworene im gesamten Königreich darstellte“.39 Der Herzog wurde abgeführt, Anfang
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1478 auf der Grundlage der vom König erhobenen Vorwürfe vom Parlament zum Tode verurteilt und schließlich im Februar auf Drängen der commons hingerichtet. Während die Partei der Lancaster weiter an Einfluss verlor – Henry Tudor erhob von der Bretagne aus nur Anspruch auf das earldom Richmond –, waren alle inneren Gegner Eduards ausgeschaltet, und selbst angesichts der Rückschläge auf dem Kontinent regte sich kein Widerstand. Richard von Gloucester stand fest auf seiner Seite und blieb 1481 und 1482 auch in seinem Namen gegen Schottland erfolgreich. Innerhalb kurzer Zeit kehrten jedoch die unruhigen Verhältnisse zurück, als Eduard IV. schon im April 1483, erst 40-jährig, starb. Ausgangspunkt war Eduards Testament, das Richard zum Protektor des Königreichs und damit zum Regenten für den erst zwölfjährigen Eduard V. bestimmte. Ähnlich wie nach dem Tod Heinrichs V. kam es darüber zum Konflikt mit dem Rat, in dem die Woodvilles, die Familie der Königin, starken Einfluss ausübten, zumal einer der Brüder Elisabeths, Anthony Woodeville, Lord Rivers, den Thronfolger bei sich hatte und zwei andere Brüder den Tower bzw. die englische Flotte befehligten. Sie traten für einen starken Regentschaftsrat ein und suchten Richard durch eine baldige Krönung Eduards aus der Politik zu verdrängen. Der Herzog von Gloucester wurde jedoch von William Hastings und Henry Stafford, dem Herzog von Buckingham, unterstützt und konnte Ende April 1483 bei Northampton die Kontrolle über den jungen König gewinnen. Durch sein hartes Vorgehen erreichte er, dass der Rat ihn zum Protektor des Königreichs ernannte und ihm die tutela, den Schutz der Person des Königs, übertrug, die ihm die Möglichkeit eröffnete, die königliche Autorität wie seine eigene auszuüben. Hatte Richard bisher nur im Sinne Eduards IV. gehandelt, zeichnete sich ein Wandel ab, als seine ersten Maßnahmen – so wurde der Kanzler Thomas Bourchier, der Erzbischof von Canterbury, durch den Bischof von Lincoln ersetzt – auf Kritik stießen und sich unter anderem William Hastings den Woodvilles zuwandte. Hastings wurde Mitte Juni zusammen mit zwei anderen Baronen vor dem Rat der Verschwörung angeklagt und unmittelbar danach enthauptet. Wie bereits ein italienischer Zeitzeuge, Dominico Mancini, vermerkt, wurde nun „allen Dienern, die dem König aufgewartet hatten, der Zugang zu ihm versperrt“,40 und auch der inzwischen in Richards Hand gelangte jüngere Sohn Eduards IV., Richard von York, wurde im Innern des Tower untergebracht. War vor der Hinrichtung von Hastings noch die Krönung Eduards V. geplant, stellte der Herzog von Buckingham Ende Juni öffentlich die Legitimität der Ehe Eduards IV. und der daraus hervorgegangenen Kinder infrage. Da Eduard bei seiner Ehe-
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Richard III. Foto: National Portrait Gallery, London.
schließung bereits mit einer anderen Frau verlobt gewesen sei, sei Richard von Gloucester der einzige legitime Vertreter der königlichen Familie. Danach rief er die Londoner auf, den Herzog als König anzuerkennen, was diese – wohl eher unwillig – auch taten. Diese Entscheidung bestätigten dann am 25. Juni 1483 auch die Großen unter dem Druck eines Truppenaufgebots, und Richard und seine Frau Anne wurden Anfang Juli in einer feierlichen Zeremonie gekrönt. Die Herrschaft Richards III. ist vor allem aufgrund der Historiographie seiner Gegner, der Tudors, lange in den schwärzesten Farben gezeichnet worden. So lässt sich z. B. die Beschreibung Richards durch Polydore Vergil – missgebildet und mit einem „kurzen und mürrischen Gesicht, das
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Missgunst auszustrahlen und offenkundig Gier und Täuschung auszudrücken schien“41 – nicht aus zeitgenössischen Quellen ableiten. Trotz aller Ansätze zu einer Revision des Geschichtsbildes haftete aber seiner Machtergreifung und seiner Herrschaft etwas Gewaltsames an. Das gilt zum einen für das ‚Verschwinden‘ der Söhne Eduards IV. im Tower, deren Ermordung auf seinen Befehl oder zumindest mit seiner Duldung erfolgt sein dürfte, zum andern aber auch für sein Vorgehen gegen seine einstigen Helfer, Hastings und den Herzog von Buckingham. Letzterer wurde im November 1483 hingerichtet, nachdem er sich einer Rebellion gegen den König angeschlossen hatte. Richards Regierungsstil unterschied sich – bei aller Kritik an der Politik seines Bruders – kaum von dem Eduards IV., und als effektiver Verwalter konnte er fast nur im Norden Sympathien gewinnen. Er vermochte sich nicht vom Makel der Usurpation zu befreien, und als im Frühjahr 1485 das Gerücht entstand, er wolle nach dem Tod seiner Frau seine Nichte Elisabeth, die Tochter Eduards IV., heiraten, musste er dem sogar in London öffentlich entgegentreten. Obwohl Richard sein einziges Parlament Anfang 1484 für eine Bestätigung seiner Ansprüche nutzen konnte und die Reihen möglicher Thronkandidaten infolge der Rosenkriege weitgehend gelichtet waren, erhob sich 1485 noch einmal Widerstand gegen seine Herrschaft. Henry Tudor, der über seine Mutter von den Beauforts und damit von John of Gaunt abstammte und so als letzter Vertreter des Hauses Lancaster gelten konnte, gewann seit Dezember 1483 mit der erklärten Absicht, Elisabeth von York, die Tochter Eduards IV., zu heiraten, auch bei Anhängern des Hauses York an Boden. Mithilfe Karls VIII. von Frankreich landete er an der walisischen Küste und trat mit seinem Heer am 22. August 1485 bei Bosworth den zahlenmäßig überlegenen Truppen Richards III. gegenüber. Lange Zeit war der Ausgang der Schlacht unentschieden, doch griff der earl von Northumberland im entscheidenden Moment nicht zugunsten des Königs ein. Richard starb im Kampf im Kreise seines Haushalts. Sein Leichnam wurde unbekleidet auf einem Pferd nach Leicester gebracht und zwei Tage bei den Franziskanern aufgebahrt, bevor er bestattet wurde. Noch auf dem Schlachtfeld wurde dem neuen Herrscher, Heinrich VII., die Krone überbracht. Zwar erhoben sich noch mehrfach Anhänger des Hauses York gegen Heinrich – so mit ‚Perkin Warbeck‘ 1496 angeblich der jüngere Bruder Eduards V., Richard –, doch waren mit der Schlacht von Bosworth die dreißigjährigen Rosenkriege beendet. England kehrte zu stabileren Verhältnissen zurück, und mit Heinrich VII. – oder spätestens mit seinem Sohn Heinrich VIII. – begann ein neues Zeitalter.
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5. Königtum, Recht und Verwaltung Am Ausgang des 13. Jahrhunderts besaß England eine weit entwickelte Verwaltung, die zwar noch immer wesentlich auf dem Königtum aufbaute, sich aber bereits durch eine beachtliche, seit langer Zeit gewachsene Institutionalisierung auszeichnete. Während der spätmittelalterlichen Geschichte erreichte diese Entwicklung einen ersten Abschluss, nicht zuletzt durch die Ausbildung einer ‚politischen‘ Gesellschaft, die die Führungsgruppen bis hin zu den mittleren Landbesitzern miteinander verband. Viele der Ideen und Institutionen dieser Periode sollten – wenn auch jeweils neuen Gegebenheiten angepasst – für Jahrhunderte überleben. Das gilt insbesondere für das Parlament, das seit dem 14. Jahrhundert zunehmend an Bedeutung gewann, aber auch für die Rechtsentwicklung, in die König und Parlament mit der Statutengesetzgebung eingriffen, die aber auch von den Juristen an den königlichen Gerichten getragen wurde, die die Stellung des Königtums innerhalb des Rechts zu definieren suchten. Daneben waren jedoch weiterhin vielfach persönliche Faktoren bestimmend. So konnte jede Personalentscheidung des Königs weit reichende Folgen haben, und insbesondere in der regionalen Verwaltung spielte der Einfluss der Magnaten eine wichtige Rolle. Auch im späteren Mittelalter blieb der sakrale Charakter des englischen Königtums erhalten, wie er sich exemplarisch in den Regelungen für die Krönung spiegelt. Nach dem wohl für die Krönung Richards II. 1377 zugrunde gelegten Liber regalis soll der König dabei an den Händen sowie „auf der Brust und zwischen den Schultern und auf den Schultern und an beiden Ellbogen mit dem genannten Öl gesalbt und mit demselben ein Kreuz auf seinen Kopf gezeichnet werden“. Nach der Einkleidung mit Dalmatika, Kappe, Tunika, Stiefeln und Sporen „soll er das Schwert von den Bischöfen empfangen und wissen, dass ihm mit dem Schwert […] das ganze Königreich übergeben ist, um es getreu zu regieren“.42 Es folgten die Einkleidung mit dem Königsmantel und einem weiteren geistlichen Gewand, die Segnung der Krone durch den weihenden Bischof oder Erzbischof, schließlich das Aufsetzen der Krone sowie die Übergabe von Zepter und Ring an den König. Geistliche und weltliche Symbolik waren somit in diesem Akt eng miteinander verschränkt. Seit der Krönung Heinrichs IV. wurde für die Salbung ein heiliges Öl verwandt, das – nach der Historia Anglicana Thomas Walsinghams – vorgeblich Thomas Becket, dem 1170 ermordeten Erzbischof von Canterbury, von der Jungfrau Maria übergeben worden war und das in der Zeit Eduards III. ‚wiedergefunden‘ wurde. So oder so hob jedoch die Krönung die geweihten Herrscher – die wie der alttestamentarische Melchisedech
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gleichermaßen Priester und König waren – über ihre Mitmenschen hinaus, galten doch die Könige als Statthalter Gottes auf Erden. Dies fand auch in der Vorstellung seinen Ausdruck, die Herrscher könnten allein durch ihre Berührung die Hautkrankheit der Scrofula heilen. Dafür kamen unter Eduard I. einmal, 1289/90, sogar über 1700 Menschen zum König. Während der Regierung Eduards II. entstand zudem der Brauch, die vom König am Karfreitag gestifteten Gold- und Silbergaben zu Ringen gegen Krämpfe und epileptische Anfälle umzuschmelzen. Ungeachtet der hohen symbolischen Bedeutung der Krönung spielte sie seit dem Ausgang des 13. Jahrhunderts für den faktischen Beginn der Herrschaft kaum noch eine Rolle. Schon die Regierung Eduards I. begann formal mit dem Lehns- und Treueeid der Großen nach dem Begräbnis seines Vaters, obwohl er sich erst zwei Jahre danach krönen ließ. Seit Eduard II. übten dann die Thronfolger ohne jeden Wahl- oder Erhebungsvorgang schon einen Tag nach dem Tode des Vorgängers die königlichen Rechte aus und nahmen den Königstitel an, obwohl sie die volle königliche Gewalt erst durch Salbung und Krönung erhielten. Entsprechend zählte Richard III. seine Herrschaft vom Tag nach der Petition der Stände am 25. Juni 1483, die ihn baten, die Königswürde zu übernehmen. Auch wenn die politische Theorie den englischen König als Souverän verstand, der sich in seinem Königreich niemandem unterordnen musste, waren die Herrscher im allgemeinen Verständnis des 14. und 15. Jahrhunderts doch an Recht und Gerechtigkeit gebunden und gehalten, dem guten Rat ihrer Untertanen zu folgen. So forderte der unbekannte Autor des »Richterspiegels« (Mirror of Justices) in den 1290er-Jahren, dass der König selbst durch Entscheidungen des königlichen Gerichts korrigiert werden sollte, und verwies auf die Zeit der angelsächsischen Könige, als sich – nach seiner Vorstellung – der König, seine Familie und seine Amtsträger vor den im Parlament versammelten earls verantworten mussten. In der Zeit Eduards II. wurde dann die Kontrolle des Königs einmal sogar mit der Unterscheidung zwischen der Person des Königs und der (unpersönlichen) ‚Krone‘ gerechtfertigt. Danach mussten die Untertanen den König korrigieren, wenn sein Handeln gegen die – allerdings erst noch genauer zu definierenden – Interessen der Krone verstieß. „Wenn der König eine Angelegenheit nicht bereinigen und das entfernen will, was den Menschen allgemein schädlich und der Krone nachteilig ist, wird es als richtig empfunden, dass die Sache gewaltsam beseitigt werden muss.“43 Diese Differenzierung spielte allerdings vorerst keine Rolle in den Debatten. Vielmehr wurden die Könige weiterhin an traditionellen Anforderungen gemessen, wie sie noch um 1436 ein anonymer Fürstenspiegel für den jungen Heinrich VI. (De regimine principum ad regem Henricum
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Sextum) formulierte. Dazu zählten Herrschertugenden wie Bescheidenheit, Nächstenliebe, Friedenswahrung, Beständigkeit, Klugheit, Gnade und Gerechtigkeit. Es ist aber zweifellos kein Zufall, wenn dieser Text dem Rat der Großen des Königreichs, der dem König zur Seite stehen soll, einen herausragenden Platz in der englischen Politik zuweist. Denn auch Sir John Fortescue, oberster Richter am königlichen Gericht unter Heinrich VI., nach der endgültigen Niederlage der Lancasters 1471 begnadigt, unterscheidet in seiner Schrift On the Governance of England zwischen einem dominium regale, einer reinen „Königsherrschaft“ wie in Frankreich, in der der König sein Volk durch von ihm allein erlassene Gesetze regiert und allein die Steuern und Abgaben bestimmt, und einem dominium politicum et regale, einer „politischen und königlichen Herrschaft“ wie in England (und Schottland), in der Gesetze und Abgaben mit der Zustimmung des ‚Volkes‘ eingeführt werden. Dies sollte vor allem vom königlichen Rat gesichert werden, für den Fortescue je zwölf geistliche und weltliche Personen vorsah, die vom König bezahlt werden sollten und von niemandem anders etwas annehmen durften. Sie hatten den Herrscher in allen Fragen der Münz- und Wirtschaftspolitik, der Landesverteidigung und der Gesetzesreform zu unterstützen. Gerade Fragen der königlichen Finanzpolitik waren für Fortescue zentral, denn ein armer Herrscher musste durch die Zinsen für Anleihen weitere Belastungen hinnehmen und verlor damit zugleich an Ansehen. Herrschaft beruhte für ihn auf dem Konsens mit den Untertanen, auf einem Vertrag wie bei einer nicht ohne weiteres auflösbaren Ehe, der den König bindet, seine Macht zugunsten seiner Untertanen einzusetzen. Rat und Großer Rat wurden endgültig seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts vom Parlament unterschieden. Sie bestanden aus den wichtigsten Amtsträgern des Königs, insbesondere Kanzler und Schatzmeister, sowie aus geistlichen und weltlichen Großen. Einer der königlichen Notare, John Prophete, wurde am Ende des 14. Jahrhunderts zum ersten Schreiber des Rates ernannt und dokumentierte zumindest 34 kleinere Versammlungen zwischen Januar und Mai 1392. Ein weiteres „Buch des Rates“, das aber nur eine Auswahl der Beschlüsse enthält, ist danach für die Jahre 1421 bis 1435 erhalten. Diese Quellen lassen mehrfach Wandlungen im Kreis der Teilnehmer erkennen. So gewannen in den 1430er-Jahren die weltlichen Herren im Rat gegenüber den königlichen Amtsträgern wieder an Gewicht. In der politischen Realität des 14. und 15. Jahrhunderts spielten Rat, Parlament und Stände immer dann eine besonders einflussreiche Rolle, wenn die Stellung des Königtums geschwächt war. Das galt einmal für –
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hier nicht näher zu betrachtende – Phasen finanzieller Notlagen, vor allem während des Hundertjährigen Krieges, aber auch im Kontext von Herrscherabsetzungen und Minderjährigkeitsregierungen. So entwickelten sich für die Absetzung Eduards II. (1327) und Richards II. (1399) erste Ansätze einer Verrechtlichung, die die formale Absetzung in Verbindung mit einer – erzwungenen – Abdankung, die Mitwirkung der Stände des Parlaments sowie die Begründung des Thronanspruchs einschlossen. Das Parlament konnte dabei jeweils nicht als Institution Stellung beziehen, weil formal noch der alte Herrscher eingeladen hatte, also seine Anwesenheit notwendig gewesen wäre. Anders war dies im Oktober 1460, als ein Parlament auf der Grundlage der älteren Grundsätze die Nachfolge Richards von York nach dem Tode Heinrichs VI. bestätigte. Die Einsetzung der ersten Minderjährigkeitsregierung des 14. Jahrhunderts schuf – angesichts der erfolgreichen Absetzung Eduards II. – keine Probleme, auch wenn sie ein gewaltsames Ende fand. Dagegen wurde nach der Krönung Richards II. im Juli 1377 ein paritätisch besetzter, wechselnder Regentschaftsrat berufen, der konkurrierende soziale Gruppen einband, selbst wenn er den führenden Kopf der königlichen Familie, Richards Onkel John of Gaunt, nicht einschloss. Als der letzte der ‚kontinuierlichen Räte‘ 1380 abgeschafft wurde, blieben jedoch John of Gaunt und die königlichen Ratgeber so einflussreich, dass sie von den Aufständischen des Jahres 1381 für die verfehlte Finanzpolitik und die hohen Steuern verantwortlich gemacht wurden. Die Spannungen zwischen den Großen führten auf den Parlamenten von 1386 und 1388 zur Einsetzung neuer Regentschaftsräte, die Richards Spielraum bis 1389 einschränkten. Ein anderes Modell für die Regentschaft entwickelte sich während der Minderjährigkeit Heinrichs VI. Seine Onkel Humphrey of Gloucester und John of Bedford beanspruchten unter Berufung auf das Testament Heinrichs V. gleichermaßen die Regentschaft für sich, doch setzte sich 1422 am Ende der Rat durch. Humphrey – bzw. John, wenn er sich in England aufhielt – wurde zwar zum Protektor des Königs und des Königreichs berufen, galt aber nur als primus inter pares einer Gruppe der einflussreichsten Magnaten. Der Rat war für alle wichtigen Entscheidungen zuständig, auch wenn – nach den Rotuli Parliamentorum – bei „Angelegenheiten, bei denen üblicherweise der König befragt wurde, […] die Herren darin nicht ohne den Rat meines Herrn von Bedford oder von Gloucester vorgehen sollen“.44 Die besondere Stellung Humphreys bzw. Johns als Protektor erlosch nach Heinrichs englischer Krönung 1429 völlig, der Rat jedoch behielt angesichts der Schwäche des Königs seine Bedeutung. Die 1422 gefundene Form der Regentschaft wirkte auch im Folgenden weiter. So wurde Richard von York während der Geisteskrankheit Hein-
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richs VI. Anfang 1454 ausdrücklich nur als Protektor, nicht als Regent, eingesetzt, und nach dem Tod Eduards IV. 1483 versuchte der Rat im Zusammenwirken mit dem Parlament, Richard von Gloucester ähnliche Beschränkungen aufzuerlegen. Ihm gelang es jedoch, gewaltsam für sich die tutela durchzusetzen, die eine weitgehende Vollmacht zum Handeln im Namen des noch unmündigen Eduard V. einschloss. Am Ende war Richard III. der einzige Herrscher, der eine vorangehende Minderjährigkeitsregierung zu seinen Gunsten beendete. Die Eingriffsmöglichkeiten, die den englischen Herrschern zur Verfügung standen und die meist mit dem Begriff der königlichen Prärogative umschrieben werden, hingen wesentlich von einer funktionierenden Verwaltung ab. Sie fand ihren Niederschlag in der Tätigkeit der Kanzlei, aus der schon in den 1290er-Jahren jährlich mehrere Tausend Schreiben herausgingen. Einen erheblichen Anteil daran hatten die Petitionen, die den König von allen Seiten erreichten, von der königlichen Familie bis zu einfachen Leuten, etwa mit der Bitte um Versorgung oder um Straferlass für bestimmte Verbrechen. Die Verwaltung konzentrierte sich seit dem 14. Jahrhundert zunehmend in Westminster. Die wichtigsten Amtsträger waren weiterhin Kanzler und Schatzmeister. Daneben bildeten sich – bedingt durch den Gebrauch der königlichen Siegel – zwei weitere Schreibämter aus, zunächst für das Privat- oder Sekretsiegel (privy seal), dann für das signet. Seit 1313 gab es so einen ‚Bewahrer‘ des Privatsiegels, und das signet wurde seit 1377 von dem Sekretär verwaltet, der nur für den König selbst arbeitete. Die Zahl der in der Kanzlei verwahrten Aktenreihen hatte sich um 1300 bereits auf rund zehn erhöht, so gab es eigene Reihen für die Beziehungen zu Schottland und die Verwaltung der Gascogne, für Bußen und Staatsverträge, die Scotch, Gascon, fine und treaty rolls. Seit den 1290er-Jahren lassen die Dokumente oftmals die Autorität erkennen, die ihre Ausstellung veranlasst hatte, mit Vermerken wie „vom König selbst“, „vom Rat“, „auf Anweisung des privy seal“. Obwohl es vor allem auf Drängen der commons seit 1341 einige Ausnahmen von dieser Regel gab, waren die Kanzler meist Geistliche, oft Bischöfe oder Erzbischöfe, mit langer Verwaltungserfahrung. Nach der Kanzleiverordnung von 1380 unterstanden ihnen mehr als 100 Amtsträger und Schreiber ersten und zweiten Grades. Die Erstellung von Entwürfen für den Text, die Korrektur der Entwürfe, das Schreiben der Texte, ihre Überprüfung, das Anbringen der Siegel und andere Schritte der Kanzleitätigkeit waren streng hierarchisch geordnet. Innerhalb des königlichen Haushalts stieg die ‚Garderobe‘ (wardrobe) im 14. und 15. Jahrhundert zu einem zentralen Instrument königlicher Herrschaft auf. Ihr Leiter, der keeper of the wardrobe, war zugleich der
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Schatzmeister des Haushalts, der vor dem Schatzamt über die notwendigen Ausgaben abrechnete. Einen zweiten Satz von Rechnungen hatte der ‚Kontrolleur‘ (contrarollator), der lange Zeit auch das persönliche Siegel des Königs, das privy seal, verwaltete. Zum wardrobe gehörten eigene Schreiber und Arbeiter sowie Werkstätten und Lagerhäuser, etwa das privy wardrobe im Tower in London, das für die Versorgung von Heeren zuständig war. Unter Eduard I. wurden die militärischen Unternehmen des Königs wesentlich durch die ‚Garderobe‘ finanziert, die zugleich eine Schaltstelle für die königliche Diplomatie bildete. So wurden dort Briefe ausgestellt, Gesandte bezahlt und Dokumente gesammelt. Versuche Eduards II. und Eduards III., die wirtschaftliche Stellung des Haushalts durch Übertragung von Ländereien an die königliche Kammer zu stärken, scheiterten endgültig 1356, doch blieb andererseits die wachsende Kritik an der intensiven Nutzung des Haushalts und an der Verwaltung königlicher Gelder am Schatzamt vorbei ohne konkrete Folgen. Vielmehr nutzten Eduard III. und Richard II. den Haushalt, wardrobe und Kammer zur Verwaltung der eingehenden Summen aus Lösegeldern und Verträgen; Heinrich V. organisierte den Krieg gegen Frankreich mithilfe des wardrobe; und Eduard IV., Richard III. und Heinrich VII. belebten ihrerseits die Kammer als Institution königlicher Finanzpolitik. Allein die wiederkehrenden finanziellen Probleme zwangen die Herrscher, insbesondere Eduard II., Heinrich VI. und Eduard IV., vom Parlament beschlossenen Verfügungen über den königlichen Haushalt zuzustimmen, ohne dass die Maßnahmen, wie eine 1445 beschlossene Beschränkung der Zahl der im Haushalt tätigen Personen, immer wirksam geworden wären. Auch eine Regelung von 1454, die dem König 424 Amtsträger und Diener, der Königin 120 und dem Kronprinzen 38 zuwies, wurde bald wieder überschritten. Diese Zahlen schlossen allerdings den Kern der königlichen Truppen ein, unter anderem Bogenschützen, da es – bis in die Zeit Heinrichs VII., vielleicht mit Ausnahme der letzten Jahre Richards II. – kein stehendes Heer und keine Leibwache des Königs im engeren Sinne gab. Das Schatzamt behielt auch im 14. und 15. Jahrhundert seine bisherige Organisationsform bei, doch mussten nun auch die Abrechnungen des Haushalts, der Heerführer und der Steuereinnehmer kontrolliert werden. Wenn Reformversuche wie unter Walter Stapledon, Bischof von Exeter und Schatzmeister zwischen 1320 und 1325, wenig bewegten, lag das vor allem an der desolaten Lage der königlichen Finanzen. Angesichts der fast kontinuierlich geführten Kriege gelang trotz zusätzlicher Besteuerung, Kreditaufnahme und vorgreifender Belastung selten mehr als eine Finanzierung ‚von der Hand in den Mund‘. Zu den königlichen Finanzen leisteten traditionelle Einnahmequellen
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wie der königliche Grundbesitz, die Herrschaft über Wales, Irland und Cornwall, die Gebühren der Kanzlei und anderes immer geringere Beiträge. Sie gingen im 14. Jahrhundert von über 60 000 (1324) auf rund 19 000 (1342/43) bzw. sogar 14 000 Pfund (1362/63) zurück. Demgegenüber gewannen die von den Ständen zu bewilligenden Abgaben und Steuern stetig an Bedeutung. Schon unter Eduard I. erbrachten 14 Steuererhebungen über 500 000 Pfund, und die seit den 1330er-Jahren durch weitere Steuern erzielten Einkünfte beliefen sich auf jeweils rund 38 000 Pfund. Zudem wurden in der Zeit Eduards I. Zölle auf Woll-, Fell- und Lederexporte sowie (durch die Carta mercatoria von 1303) Abgaben der fremden Kaufleute auf Importe von Wein, Tuch, Wachs und anderes eingeführt, und seit 1347 wurden auch Tuchexporte besteuert. All dies reichte jedoch oft nicht aus, vielmehr wurden immer wieder Darlehen, meist von italienischen Bankhäusern, aufgenommen. Eduard I. lieh zwischen 1272 und 1294 fast 400 000 Pfund allein von den Riccardi aus Lucca. Diese Bank brach unter der hohen Belastung durch Darlehen (auch an andere Kreditnehmer) ebenso zusammen wie die der Bardi und Peruzzi aus Florenz 1343, denen Eduard III. 180000 Pfund schuldete. Neue Formen von Besteuerung ließen sich in England nicht durchsetzen. So scheiterte die Einführung der Kopfsteuer (poll tax), 1377 erstmals von allen Frauen und Männern über 14 mit Ausnahme der Bettler erhoben, 1379 und 1380 unter teilweise verschärften Bedingungen erneuert, am Bauernaufstand von 1381. Der Rückgang des Wollexports, Störungen des Handels durch die Kriege und andere Faktoren führten aber zugleich dazu, dass die jährlichen Einkünfte aus Zöllen und zusätzlich auf Wollexporte erhobenen, jeweils vom Parlament bewilligten Subsidien kontinuierlich zurückgingen, von rund 70 000 (unter Eduard III.) auf 50 000 (um 1400) bzw. sogar auf 30 000 Pfund (unter Heinrich VI.). Einen Eindruck von dieser Entwicklung der königlichen Finanzen bieten die Schätzungen des Schatzmeisters Ralph Lord Cromwell für 1433. Vor allem die Erweiterung der Krondomäne durch das Herzogtum Lancaster brachte die Einkünfte aus königlichen Rechten und Grundbesitz nunmehr zwar auf über 33 000 Pfund, doch blieben davon nach Abzug von Ausgaben nur noch 11 000 Pfund, während die Reinerträge aus Zöllen und Subsidien immerhin noch 27 000 Pfund betrugen (nach Abzug von Ausgaben von 5000 Pfund). Insgesamt blieb aber zu wenig für eine aktive königliche Politik. Die finanziellen Probleme des Königtums eröffneten so den Ständen – und damit dem Parlament – neue Einflussmöglichkeiten, vor allem durch Bewilligung oder Ablehnung von Steuern und Subsidien. Zugleich gewannen sie aber auch für die Entwicklung des Gewohnheitsrechts, des common law, zunehmend an Bedeutung. Änderungen des Gewohnheits-
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rechts waren vielfach noch unter Eduard I. erfolgt, indem der König Anweisungen an seine Richter erließ. Nunmehr wurden diese Änderungen zumeist schriftlich festgehalten und als Statuten dem älteren Recht hinzugefügt, auf Initiative des Königs oder der Stände im Parlament. Insbesondere die von den commons vorgebrachten „allgemeinen Petitionen“ mündeten oft in neuen Statuten. Die zunehmende Trennung von Parlament, Rat und königlichen Gerichten führte allerdings dazu, dass sich die Richter auf Texte stützen mussten, ohne dass diese immer unter Überprüfung bestehender Regelungen formuliert worden waren. Obwohl die Statuten das bestehende Recht ergänzten, erneuerten und klarer gestalteten, blieb so die Stellungnahme der Richter von entscheidender Bedeutung. Die Statuten waren vielfach mit Reformen verbunden und führten unter anderem zu einer Weiterentwicklung der lokalen Gerichtsbarkeit, die weiterhin eine eigene Rolle spielte, auch wenn die königlichen Gerichte, das meist nur noch nominell unter der Leitung des Königs tagende King’s Bench, das auf Besitzfragen und Landverleihungen konzentrierte Court of Common Pleas und der Finanzgerichtshof des Schatzamts, ihren Einfluss zurückdrängten. So war die Zahl der Verfahren an den königlichen Gerichten um 1300 zwanzigmal höher als noch um 1200. Seit dem Ausgang des 13. Jahrhunderts entwickelte sich das neue, ‚königliche‘ Recht stetig weiter, vor allem durch eine wachsende Professionalisierung an den in Westminster angesiedelten Gerichten. Dazu kam der Ausbau des Geschworenenwesens, das den 1215 vom IV. Laterankonzil verbotenen gerichtlichen Zweikampf ablöste, während die gerichtliche Folter in England nur untergeordnete Bedeutung erlangte. Angeklagte mussten sich in der Regel vor zwölf Männern ihrer Nachbarschaft verteidigen und ihre Unschuld glaubhaft machen. Untersuchungen für Lincolnshire und Shropshire um die Wende zum 15. Jahrhundert zeigen, dass nur 10–40% der Beschuldigten vor Gericht erschienen und zudem ein recht erheblicher Anteil von ihnen freigesprochen wurde. Sir John Fortescue hob um 1470 die größere Rechtssicherheit des Geschworenenverfahrens hervor und erklärte, dass er es eher vorziehen würde, „zwanzig schuldige Männer dem Tod durch Gnade entkommen zu lassen, als einen Unschuldigen zu Unrecht zu verurteilen“.45 Zur Absicherung gegen ungerechtfertigte Vorwürfe gehörte, dass ein Beschuldigter seit 1352 ein Mitglied einer jury ablehnen konnte, wenn dieses bereits am Verfahren beteiligt gewesen war, das zur Anklage geführt hatte. Grundsätzlich wurde zwischen Hochverrat, schweren Verbrechen wie Mord, Brandstiftung, Raub und Vergewaltigung sowie leichteren Vergehen wie Überfällen, Verletzungen oder Beschädigungen von Besitz unterschieden. Auch letztere wurden seit dem Ausgang des 13. Jahrhun-
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derts zunehmend vor königlichen Gerichten verhandelt. ‚Strafrechtliche‘ Klagen lagen vor, wenn den sheriffs, den Reise- oder den Friedensrichtern Mitteilung gemacht worden war und eine grand jury Anklage erhob, während sich bei ‚zivilrechtlichen‘ Klagen einzelne Parteien an private oder königliche Gerichte wandten. Eine Mischform zwischen einem zivil- und einem strafrechtlichen Verfahren entstand dann, wenn sich ein Beschwerdeführer ein writ für eine Verhandlung vor einem der königlichen Gerichte erkaufte. Selbst wenn es dabei meist um den Ausgleich von Schäden ging, wurde so zugleich suggeriert, dass ein Bruch des königlichen Friedens stattgefunden habe. Um die Zahl dieser Klagen zu begrenzen, wurde 1278 im Statut von Gloucester festgelegt, dass der Wert des betroffenen Besitzes über 40 Schilling liegen musste. Nachdem das writ erwirkt war, ging es zunächst darum, den Beklagten vor Gericht zu bekommen, oft durch mehrfache Vorladungen, denen zumeist mit Entschuldigungen geantwortet wurde. Falls der Beklagte vor Gericht erschien, wurden oft nur die verschiedenen Standpunkte dargelegt, in der Annahme, dass dies schon für eine Entscheidung der jury ausreichte, und erst wenn das nicht der Fall war, wurden Zeugen gehört. Die Position des Königtums war aber auch in der lokalen Verwaltung relativ stark, obwohl die königlichen Amtsträger zumeist aus der Region kamen, in der sie tätig waren. Das galt insbesondere für sheriffs, die nunmehr allerdings einen Teil ihrer Aufgaben an Steuereinnehmer, königliche Kommissare, Friedensrichter und andere abgeben mussten. Sie leiteten alle vier oder sechs Wochen das Grafschaftsgericht sowie zweimal jährlich das Hundertschaftsgericht, organisierten die Bewachung von Gefangenen, sorgten für die Umsetzung von Vorladungen königlicher Gerichte oder nahmen rechtliche Zusagen ab. Dies erforderte eine umfangreiche Aktenführung. So erhielt z.B. der sheriff von Bedfordshire und Buckinghamshire zwischen Mai 1333 und 1334 fast 2000 writs, die er ausführen sollte. Dazu kam der Einzug von Strafen, Gebühren und Abgaben sowie die Auszahlung von Geldern im Namen des Königs und seiner zentralen Amtsträger. Die eigenständige Stellung der sheriffs führte während des 14. und 15. Jahrhunderts immer wieder zu Klagen der commons über die Amtsführung einzelner Amtsträger. Vor diesem Hintergrund wurden 1340 der jährliche Wechsel und eine mindestens dreijährige Unterbrechung zwischen zwei Amtsperioden desselben sheriff festgeschrieben. Obwohl die Grafschaften zweimal, 1300 und 1338, für einige Zeit das Recht erhielten, die sheriffs unabhängig vom König zu bestimmen, blieb ihre Berufung letztlich eine Angelegenheit der königlichen Verwaltung. Normalerweise wurden sie auf einer Sitzung des Rats bzw. des Schatzamts im November jedes Jahres ernannt. Zu weit reichenden Auseinandersetzungen kam es nur,
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wenn sich, wie 1450 im Fall der sheriffs für Norfolk und Suffolk, verschiedene Magnaten in die Entscheidung einschalteten. Daneben kam in den Grafschaften zwei weiteren Gruppen königlicher Amtsträger, den Beauftragten für den Einzug heimgefallener Lehen, den escheators, sowie den Friedensrichtern eine besondere Bedeutung zu. Das bereits im 12. Jahrhundert entstandene Amt des escheator wurde spätestens seit 1341 in allen Grafschaften eingerichtet. Die escheators nahmen nach dem Tode eines Lehnsträgers dessen Besitz unter ihre Kontrolle und leiteten eine Untersuchung ein, um den Erben festzustellen (inquisitio post mortem). Im Falle der Minderjährigkeit des Erben oder der erneuten Heirat der Witwe des Verstorbenen konnte der escheator Maßnahmen ergreifen, die den rechtmäßigen Übergang an den neuen Lehnsträger sicherstellten und damit zugleich die Rechte des Königtums wahrten. Berufung und Tätigkeit der Friedensrichter wurden 1361 in einem Statut beschrieben. Darin wurde verfügt, „dass in jeder Grafschaft Englands für die Wahrung des Friedens ein Herr benannt werden soll, und mit ihm drei oder vier der Würdigsten der Grafschaft, mit einigen, die Kenntnisse über das Recht besitzen. Und sie sollen Vollmacht haben, gegen die Verbrecher, Aufrührer und anderen Unruhestifter vorzugehen, […] sie gemäß ihrer Vergehen oder Verstöße zu verfolgen, zu arrestieren, gefangen zu nehmen und zu bestrafen, und sie ins Gefängnis werfen und bestrafen zu lassen nach dem Recht und den Gewohnheiten des Königreichs.“46 Die Friedensrichter erhielten danach vor allem infolge der Statutengesetzgebung des 14. und 15. Jahrhunderts weitere Pflichten, so im Bereich der Sozialpolitik, denn sie hatten für die Umsetzung der ‚Arbeitergesetze‘ zu sorgen, über Löhne und Preise zu wachen, schließlich sogar über Kleiderordnungen, das Bettlerwesen und die Bekämpfung von Häresien. Sie entstammten in der Regel dem Kreis der lokalen Adligen und Juristen, die sich zuvor in den Parlamenten für die entsprechenden Statuten eingesetzt hatten. Dies belegt ein Mit- und Nebeneinander zentraler, regionaler und lokaler Einflüsse, wie es auch für die englischen Parlamente kennzeichnend war.
6. Das englische Parlament im späteren Mittelalter Das englische Parlament entwickelte sich im späteren Mittelalter zu einer zentralen Institution, die die politischen und gesellschaftlichen Strukturen spiegelte und ihrerseits auf sie Einfluss nahm. Seine Anfänge lassen sich nicht von der Entwicklung des königlichen Rats im 13. Jahrhundert trennen. Zunächst stand der ursprünglich volkssprachliche, dann latinisierte Begriff parliamentum für jede Form privaten Zusammentreffens, der Dis-
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kussion oder des Austauschs, wurde dann aber – zusammen mit Begriffen wie curia, tractatus, colloquium oder consilium (Hof, Verhandlung, Diskussion, Rat) – immer öfter für die Beratungen am Hof oder im Rat der Herrscher gebraucht. Eine erste spezifische Verwendung des Begriffs findet sich in England im November 1236, als die Entscheidung in einem Rechtsstreit an eine für Anfang 1237 geplante Versammlung des königlichen Rats in Westminster verwiesen wurde, die als parliamentum bezeichnet wird. Dies erklärt auch, warum die meisten der frühen Parlamente nach 1258 nicht von Vertretern der Ritter und der Städte besucht wurden, denn die Repräsentanz der Stände spielte erst seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts eine zunehmend wichtigere Rolle. Seit dieser Zeit kam es zu weit reichenden Veränderungen, die bis ins 19. Jahrhundert und darüber hinaus fortwirkten, doch kann auch das Parlament des ausgehenden Mittelalters noch nicht mit der modernen Institution verglichen werden, zumal die Anwesenheit des Königs weiterhin zwingend erforderlich war. Ausgangspunkt der Entwicklung waren die Forderungen der Barone nach stärkerer Beteiligung an den politischen Entscheidungen, wie sie sich in Artikel 14 der Magna Carta von 1215 niederschlugen. Danach waren Schildgeld- und Hilfszahlungen mit wenigen Ausnahmen vom „allgemeinen Rat“ (commune consilium) – d. h. allgemeiner Zustimmung – des Königreichs abhängig. „Um den allgemeinen Rat des Königreichs für den Ansatz einer Hilfszahlung oder eines Schildgelds […] zu erhalten“, heißt es dort, „werden wir alle Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, earls oder große Barone einzeln durch unsere Briefe vorladen, und wir werden weiterhin allgemein durch unsere sheriffs und Amtsträger all unsere wichtigsten Lehnsträger vorladen, zu einem festgesetzten Datum, mit mindestens 40-tägiger Frist, und zu einem festen Ort, und in allen Ladebriefen werden wir den Grund für die Ladung nennen; und wenn die Ladung so erfolgt ist, wird am festgelegten Tag die Angelegenheit mit dem Rat der Anwesenden erledigt werden, auch wenn nicht alle Geladenen gekommen sind.“47 Obwohl die Erneuerungen der Magna Carta diesen Artikel nicht mehr enthielten, trat seither neben die ohnehin erforderliche Beteiligung der Großen am Rat, die meist nur die am Hof anwesenden Personen einschloss, die Ladung eines möglichst großen Kreises, und die 40-Tage-Frist setzte sich unter Heinrich III. als Minimum für die königlichen Ladungen durch. Dieser ‚große Rat‘ beriet nicht nur über die Erhebung von Abgaben, sondern auch über Fragen der Politik, Verwaltung und Rechtsprechung. König, Rat und Parlament waren am Ende des 13. Jahrhunderts so eng miteinander verbunden, dass der anonyme Autor der juristischen Schrift Fleta schreiben konnte: „Der König hat nämlich seinen Hof in seinem Rat in seinen Parlamenten.“48
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Dies nahm in einer Zeit seinen Anfang, als die Regierung Heinrichs III. in wachsende Schwierigkeiten geriet. So trat Ende September 1234 in Westminster eine Versammlung von 43 Magnaten zusammen, bestehend aus dem Erzbischof von Canterbury, zehn Bischöfen, zehn earls und 22 Baronen, die Fragen des Erb- und Kirchenrechts sowie der Häufigkeit von Sitzungen der Graf- und Hundertschaftsgerichte diskutierten. Im Januar 1236 beschloss eine Ratsversammlung das »Statut von Merton«, das erstmals erkennen lässt, dass die Initiative zur Gesetzgebung von den Großen ausging, während der König nach Diskussionen zustimmte. Im Januar des folgenden Jahres erhielt der König dann im Gegenzug für die Erneuerung der Magna Carta und des Forst-Privilegs das Zugeständnis einer Abgabe des dreizehnten Teils des persönlichen Besitzes. Diese Versammlungen wiesen bereits Elemente der späteren Parlamente auf, doch verlor die Institution nach 1238 durch die gestärkte Stellung Heinrichs vorerst an Bedeutung, auch wenn 1254 – während eines Aufenthalts des Königs in der Gascogne – durch die Regentschaft erstmals nicht nur die Magnaten, sondern auch Delegierte des niederen Klerus sowie zwei Ritter aus jeder Grafschaft geladen wurden. Dann gingen jedoch vom erneut aufgebrochenen Konflikt zwischen dem König und den Baronen neue Impulse aus. Im Mai 1258 beschloss ein Parlament die Einsetzung einer Kommission von 24 Baronen und Ratgebern des Königs, die im Oktober das weit reichende Reformprogramm der »Provisionen von Oxford« vorlegten. Darin trat das Parlament nunmehr als eine gefestigte Institution in Erscheinung, wenn es heißt, „dass die 24 angeordnet haben, dass es drei Parlamente im Jahr geben soll, das erste acht Tage nach Michaelis [6. Oktober], das zweite am Tag nach Mariä Lichtmess [3. Februar], das dritte am ersten Tag des Juni. […] Zu diesen drei Parlamenten sollen die ausgewählten Ratgeber des Königs kommen, selbst wenn sie nicht geladen sind, um den Zustand des Königreichs zu betrachten und die allgemeinen Bedürfnisse des Königreichs wie des Königs gleichermaßen zu behandeln. […] Und es soll daran gedacht werden, dass die Gemeinschaft zwölf ehrenwerte Männer aussuchen soll, die zu den Parlamenten und zu anderen Zeiten kommen sollen, wenn dies notwendig ist.“49 Geschaffen werden sollte so eine regelmäßig zusammentretende Kontrollinstanz aus 15 Ratgebern des Königs sowie aus zwölf Vertretern der Barone. Allerdings erwiesen sich die Reformvorschläge als wenig praktikabel, sodass man 1259 eine geringere Zahl der Ratgeber festlegte, die während der normalen Sitzungen des Rates anwesend sein mussten. In diesem Kontext wurde – für die Gesamtheit der Ratgeber – erstmals der Begriff des „großen Rats“ gebraucht. Zwischen September 1258 und Februar 1262 traten elf Parlamente
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zusammen, wenn auch nicht immer zu den von den »Provisionen« vorgesehenen Terminen. Wachsende Spannungen zwischen Heinrich und den Baronen führten sogar einmal, im September 1261, dazu, dass König und Barone die Grafschaftsritter zum selben Termin zu Parlamenten in Windsor bzw. St. Albans luden. Diese Konflikte mündeten schließlich 1264 in den Bürgerkrieg. Nach dem Sieg der Barone nutzte dann Simon de Montfort das Instrument der Parlamente in seinem Sinne. Zwischen Juni 1264 und Juni 1265 fanden drei Parlamente statt, zwei unter Beteiligung der Grafschaftsritter, eines, im Januar 1265, auch mit Vertretern der Städte, um den Reformplänen der Barone weit reichende Publizität zu verschaffen. Doch auch nach dem Sieg der königlichen Partei bei Evesham wurden weiterhin Parlamente einberufen, immerhin 16 bis 1272, obwohl nun Vertreter der Grafschaften oder der Städte nicht geladen und die später so bedeutsamen privaten Petitionen noch zumeist vor Ort in den Grafschaften behandelt wurden. Die ersten zwanzig Jahre der Herrschaft Eduards I. brachten keine grundlegenden Änderungen. Sofern der König im Land war, fanden zweimal jährlich Parlamente statt, oftmals Ostern und nach Michaelis (im September oder Oktober), teilweise, wie 1278 und 1289 bis 1293, sogar noch weitere Versammlungen. Auch wenn der Begriff ‚Parlament‘ noch immer nicht eindeutig besetzt war, begann sich die Terminologie zu verfestigen. Allerdings war die Teilnahme von Repräsentanten der Grafschaften und der Städte weiterhin nicht konstitutiv, sodass sie von den 28 Parlamenten bis 1294 nur auf drei oder vier vertreten waren, und zwar ohne feste Regelungen für die Zahl ihrer Teilnehmer. Ein wesentlicher Grund war, dass Abgaben in der Regel auf regionalen oder lokalen Versammlungen vereinbart wurden. Nur 1275 und 1290 suchte der König die Vertreter von Grafschaften und Städten im Parlament für neue Abgaben zu gewinnen. Der Kreis der Teilnehmer der frühen Parlamente Eduards I. lässt sich selten näher bestimmen. In größerer Zahl haben sich Ladungen nur für das Parlament in Shrewsbury im September 1283 erhalten, für 10 earls und 99 Barone, doch war diese Zusammensetzung eine Ausnahme, da die Vertreter des Klerus fehlten und zudem die Zahl der Teilnehmer ungewöhnlich hoch gewesen zu sein scheint. Ein Beleg dafür ist eine Versammlung vom Mai 1290, die die Rotuli Parliamentorum als vollständiges Parlament bezeichnen, auf der sechs Bischöfe (darunter der Kanzler), der Bruder des Königs, sein Cousin, vier earls und elf Barone (zum größten Teil aus der Verwaltung oder dem Haushalt des Königs) eine feudale Hilfszahlung beschlossen. Eine neue Entwicklung stellte vor allem die große Zahl schriftlicher Petitionen dar, die seit 1275 – vielleicht zunächst aufgrund Eduards aus-
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drücklicher Erlaubnis – an das Parlament gerichtet wurden. Der König sah sich schließlich 1280 gezwungen, die Petitionen zuerst dem Kanzler, den Baronen des Schatzamts oder anderen Amtsträgern vorlegen zu lassen, die dann zu entscheiden hatten, ob eine Behandlung im Parlament überhaupt erforderlich war. Weitere Themen der Beratungen im Parlament waren die auswärtigen Beziehungen Englands, Konflikte um Handelsrechte und Übergriffe, die Wahrung des inneren Friedens, lehnsrechtliche und individuelle Streitigkeiten. Nach dem Autor der Fleta war das Parlament der Ort, „wo die Zweifel der Richter aufgelöst und, wenn neues Unrecht aufkommt, neue Maßnahmen ergriffen werden und wo jedem nach seinen Verdiensten Recht geschieht“.50 Diese Definition gibt noch ein recht traditionelles Bild der Aufgaben, die die Ratsversammlungen und Parlamente seit ihren Anfängen wahrgenommen hatten, doch kam es seit 1291/95 zu grundlegenden Wandlungen, wahrscheinlich bedingt durch die häufige Abwesenheit Eduards. So entwickelte es sich zur regulären Praxis, die Teilnehmer der Parlamente vorzuladen und sie auch formal in die Parlamentsakten aufzunehmen. Zwar fehlt in den ersten Ladungen noch der Begriff ‚Parlament‘ – im Text ist meist von colloquium et tractatus die Rede –, doch findet sich ein entsprechender Hinweis fast immer in den Randvermerken der Schreiber. Zusammensetzung und Zahl der Teilnehmer variierten erheblich. Für den September 1297 wurden z. B. Erzbischöfe, Bischöfe und andere Prälaten, Grafen, Barone, Ritter, Bürger und andere freie Männer geladen, um den inneren Frieden wiederherzustellen und einer Steuer zuzustimmen. Für das Parlament vom November 1295 sollten die Bischöfe jeweils für die Anwesenheit von zwei Prokuratoren des Klerus ihrer Diözese sorgen – ihre Schreiben enthielten die daran erinnernde praemunientes-Klausel –, doch war der niedere Klerus bis 1307 nur noch viermal auf den Parlamenten vertreten. Auch die Grafschaftsritter und Städtevertreter waren zwar häufiger als bisher, aber ebenso weiterhin nur an einigen Versammlungen beteiligt, obwohl die Ladungen von 1295 teilweise den Rechtsgrundsatz anführten, „dass, was alle betrifft, von allen gebilligt werden muss“.51 Die Teilnehmerzahlen schwankten so erheblich, von 14 Teilnehmern (Oktober 1299) bis zu über 600 Ladungen (Februar 1305), selbst wenn nicht alle Geladenen erschienen. Die umfangreichen Akten des Parlaments von 1305 erlauben zudem einen Einblick in dessen Tätigkeit. Den größten Raum nehmen darin die Petitionen ein, obwohl nur ein kleiner Teil direkt im Parlament verhandelt wurde. Dazu kamen Entscheidungen in Strafverfahren, bei Verwaltungsproblemen sowie zur künftigen Regierung Schottlands. Seit Eduard II. gewann schließlich die Teilnahme gewählter Repräsen-
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tanten der Stände zunehmend an Bedeutung. Zwischen 1307 und 1327 lassen sich 29 größere Versammlungen nachweisen, die zumeist – sei es in den Ladungen, sei es in Aktenvermerken – auch als Parlament bezeichnet wurden. Zu den Ausnahmen zählen unter anderem zwei Versammlungen im Februar und Juli 1309, die ein Parlament im April vorbereiteten bzw. damit verbundenen Fragen gewidmet waren. Wenn letztere zumindest in königlichen Schreiben als Parlament bezeichnet ist, zeigt das, dass die Zeitgenossen um eine Definition des Begriffs rangen. Vor dem politischen Hintergrund der folgenden Jahre wandelte sich das Parlament schließlich von einer erweiterten Ratsversammlung mit vielen Einzelentscheidungen zu einer Vertretung der ‚Gemeinschaft‘ des Königreichs, die die Politik des Landes diskutierte und mitbestimmte. Dazu trugen zwei zentrale Ereignisse der Regierung Eduards II. bei, die in den Ordonnanzen von 1311 sowie im Statut von York von 1322 ihren Niederschlag fanden. Die Eduard von der Reformkommission aufgezwungenen Ordinances schrieben ein bis zwei Parlamente im Jahr vor, die unter anderem Kommissare zur Anhörung von Klagen über die Amtsträger des Königs einsetzen sollten. Zugleich wurde dem König verboten, ohne Zustimmung des Parlaments das Land zu verlassen, Krieg zu führen oder einen Regenten zu ernennen. Diese Bestimmungen wurden nach Eduards militärischem Erfolg über seine Gegner aufgehoben, doch stärkte auch das Statut von York die Bedeutung des Parlaments, wenn es darin abschließend heißt, dass „Dinge, die für die Stellung unseres Herrn Königs und seiner Erben sowie für den Zustand des Königreichs und des Volkes entschieden werden müssen, im Parlament von unserem Herrn König und mit der Zustimmung der Prälaten, earls und Barone sowie der Gemeinschaft des Königreichs behandelt, vereinbart und entschieden werden sollen, wie das früher üblich war“.52 Zwar fand dieses Statut selten in die spätmittelalterlichen Statutensammlungen Eingang und darf so in seiner Wirkung nicht überschätzt werden, doch hatte damit auch der König – gegen die Adelsopposition – das Parlament aufgewertet. Unter Eduard II. und in den frühen Jahren Eduards III. entwickelte sich schließlich eine klare begriffliche Unterscheidung zwischen dem Parlament und anderen Formen von Versammlungen. So wurde der Begriff des „Großen Rats“ (magnum consilium) zunächst für die Beratungen der Magnaten im Parlament gebraucht, um damit einen qualitativen Unterschied zu den regulären Sitzungen des königlichen Rats hervorzuheben, wie dies z. B. die Akten des Parlaments von 1315 belegen. Seit Eduard III. verstand man darunter jedoch einen eigenen Typus von Versammlungen. Zwischen 1327 und 1340 fanden neben 21 Parlamenten fünf weitere größere Versammlungen statt, die 1327/28 noch als tractatus, dann aber
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(1336–1338) nur noch als Rat bzw. Großer Rat bezeichnet werden. Um 1340 war diese Unterscheidung voll ausgebildet. Im Gegensatz zu den Parlamenten fehlte dem Großen Rat vor allem die Autorität, im Namen der ‚Gemeinschaft des Königreichs‘ zu handeln, insbesondere Statuten erlassen zu können. Dies zeigt z. B. ein Großer Rat im September 1353, zu dem neben den Großen je ein Grafschaftsritter und zwei Vertreter von Städten und Flecken versammelt waren, die eine Aufnahme ihrer Beschlüsse über die Stellung des Königs und für den gemeinen Nutzen in die Akten des nächsten allgemeinen Parlaments forderten, um ihnen damit höheren Rang zu verleihen. Wohl Anfang der 1320er-Jahre entstand der anonyme Modus tenendi Parliamentum, die Schrift über »die Weise, wie ein Parlament abzuhalten ist«, die zwar fiktive mit realen Elementen verbindet, aber doch einen Eindruck von den Funktionen des Parlaments am Anfang des 14. Jahrhunderts und von den mit ihm verbundenen Vorstellungen gibt. Großes Gewicht kommt darin bereits den Ladungen der Vertreter der verschiedenen Gruppen im Parlament zu. Das betrifft zum einen hohen und niederen Klerus – der Autor will nicht in den Diözesen, sondern in allen Diakonaten und Archidiakonaten Englands jeweils zwei Prokuratoren wählen lassen, was zweifellos nicht durchführbar war –, zum anderen earls, Barone und ihnen Gleichgestellte mit mindestens 20 Ritterlehen, die persönlich geladen werden müssen. Dazu kamen die Repräsentanten der Städte und Grafschaftsritter. Eine besondere Gruppe bildeten zunächst die Vertreter der Cinque Ports, der ursprünglich fünf, im 14. Jahrhundert bereits sieben Hafenstädte, die traditionell Schiffe zur Landesverteidigung zu stellen hatten (Dover, Sandwich, Hastings, Romney, Hythe, Winchelsea und Rye), vielleicht, weil sie in den Quellen als „Barone“ bezeichnet werden. Jede dieser Städte sollte zwei Vertreter wählen und mit weitgehenden Vollmachten, Mitteln für die Reise sowie mit zwei Bestätigungen ausstatten, von denen eine zur Registrierung bei den Schreibern des Parlaments bestimmt war. Die gleichen Regeln für die Wahl, die Teilnahme am Parlament und die Bezahlung galten auch für die Grafschaftsritter sowie für die Vertreter der großen und kleinen Städte. Insgesamt lassen diese Bestimmungen vermuten, dass das System der Repräsentation der unteren Stände schon um 1320 relativ weit entwickelt war. Mit einer Reihe von Forderungen ging der Autor des Modus weit über seine Zeit hinaus. So war es für ihn notwendig, „dass alle Angelegenheiten, die durch das Parlament bestätigt oder aufgehoben, gewährt, verweigert oder getan werden müssen, durch die Gemeinschaft des Parlaments gewährt werden müssen, die aus den drei Graden oder Ordnungen
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des Parlaments [zusammengesetzt] ist, d. h. den Prokuratoren des Klerus, den Grafschaftsrittern, den Einwohnern der großen und kleinen Städte, die die gesamte Gemeinschaft des Königreichs repräsentieren, und nicht die Magnaten, denn jeder von ihnen ist für seine eigene Person im Parlament und für niemand sonst“.53 Andere Aspekte dürften durchaus zutreffend geschildert sein. Dazu zählt die 40-Tage-Frist für die Ladung zu den Parlamenten, Formalitäten wie eine mögliche ‚Anwesenheitskontrolle‘ in Bezug auf die Geladenen und die feste Sitzordnung, die Eröffnung des Parlaments mit einer Predigt sowie mit einer Ansprache des Kanzlers, Obersten Richters oder anderer, die die Aufgaben des Parlaments umriss, wie sich das auch für spätere Parlamente nachweisen lässt. Den Tatsachen der Zeit entspricht es auch, dass die Anwesenheit des Königs als zwingend erforderlich dargestellt wird. Nur eine schwere Krankheit galt als Grund, nicht am Parlament teilzunehmen. So oder so lässt der Modus Tenendi Parliamentum die veränderte Stellung der gewählten Repräsentanten im Parlament erkennbar werden. Waren die Vertreter der Grafschaften und der Städte bis 1307 nur relativ selten anwesend, wurden sie danach immer häufiger und nach 1325 ständig geladen. In der Folgezeit verbanden sie sich gegenüber den persönlich geladenen weltlichen und geistlichen Großen als „Gemeinschaft des Königreichs“, als commons. Daraus entwickelte sich eine Aufgabenteilung zwischen den Magnaten sowie den Rittern und Bürgern, die in den Rotuli Parliamentorum für das erste Parlament Heinrichs IV. im Oktober 1399 so beschrieben wird: „Die commons sind Petenten und Bittsteller, und […] der König und die Herren hatten in allen Zeiten mit Recht die [Entscheidung über die] Urteile im Parlament und werden sie [auch künftig] haben.“54 Petitionen ‚privater‘ Antragsteller waren seit dem 13. Jahrhundert in wachsender Zahl an das Parlament gerichtet worden, sodass man ihre Bearbeitung einzelnen Amtsträgern oder Kommissionen übertragen musste und schließlich sogar dazu überging, sie möglichst vom Parlament fern zu halten. Obwohl weiterhin – bis ins späte 19. Jahrhundert – im Parlament Empfänger für die Entgegennahme und Auditoren für die Prüfung der Petitionen ernannt wurden, nahm so die Zahl der tatsächlich im Parlament vorgelegten privaten Petitionen mehr und mehr ab. Dagegen gewann seit der Verfestigung der commons als Gemeinschaft eine andere Form von Petitionen an Bedeutung, die der „allgemeinen Petitionen“ (communes petitiones), die dem Parlament im Namen der commons vorgelegt wurden und immer eine Gruppe von Personen, oft aber die gesamte Gemeinschaft des Königreichs betrafen. Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts entwickelte sich dies zur Grundlage der Gesetzgebung, denn schriftlich eingereichte
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allgemeine Petitionen (bills) wurden zur notwendigen Voraussetzung, um neue Statuten zu erlassen. So übernahm das Parlament seit den 1320er-Jahren zunehmend die Initiative für den Erlass von Statuten und kurzfristiger angelegten Verfügungen (ordinances), als die commons häufiger allgemeine Petitionen vorlegten, oft auf Anregung der Magnaten. Schon auf dem ersten Parlament Eduards III. im Februar 1327 gingen 16 der 41 dort eingebrachten allgemeinen Petitionen in das 17 Artikel umfassende, anschließend im Namen des Königs erlassene Statut ein. Seit 1343 endeten die Parlamentsrollen in der Regel mit den Antworten des Königs auf die allgemeinen Petitionen. Die Formulierungen der Petitionen waren zunächst oft diffus oder widersprachen früheren Beschlüssen, teils ein Ausdruck individueller Interessen, teils infolge der knappen Fristen für die Abgabe der Petitionen, die wohl der zweite Schreiber des Parlaments entgegennahm, der 1363 zum Schreiber der commons erhoben wurde. Anders als bei den privaten wurde bei den allgemeinen Petitionen direkt vom König und den lords entschieden, und sofern Änderungen im Recht notwendig waren, wurden diese dann als Statuten formuliert und niedergelegt. So entstanden die meisten Statuten der Zeit Eduards III. Seit dem Anfang des 15. Jahrhunderts entwickelte sich dann jedoch ein mehrstufiges Verfahren. In diese Richtung deutet bereits die Bitte der commons im Parlament von 1414, dass Petitionen künftig nicht ohne ihre Zustimmung „in ein Gesetz umgewandelt und in einem Statut oder Gesetz niedergelegt werden, weder durch Ergänzungen noch durch Auslassungen von irgendeiner Art von Begriff oder Begriffen, die Wortlaut und Intention ändern würden“.55 Um 1420 lassen sich die ersten geschriebenen Petitionen, bills, nachweisen, die von den lords zu den commons zurückkamen und einen rückseitigen Vermerk über die Zustimmung der commons trugen, und um 1450 erfolgte regelmäßig eine Abstimmung zwischen lords und commons. Wahrscheinlich wurde der Text vor beiden Gruppen des Parlaments jeweils dreimal ‚gelesen‘ und überprüft, bevor er endgültig ‚verabschiedet‘ war. Den jeweiligen Stand dokumentierten Vermerke auf der Rückseite der bills und ihre Aufnahme in die Parlamentsakten. Die commons waren zwar weiterhin rechtlich Petenten und Bittsteller, doch hatten sie auch ein gewisses Maß an Mitwirkungsmöglichkeiten gewonnen. Jenseits der commons formierte sich im Laufe des 14. Jahrhunderts das ‚Oberhaus‘, die Gruppe der lords, die vielleicht noch disparater zusammengesetzt war. Während von den weltlichen Großen der durch Neuerhebungen vermehrte Hochadel seit der Zeit Eduards I. praktisch ohne Ausnahme zu allen Parlamenten geladen wurde, ging die Zahl der gelade-
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nen Barone seit dem 13. Jahrhundert stetig zurück, von rund 100 um 1300 bis auf etwa 40 ein Jahrhundert später, wobei nicht immer alle erfasst wurden, die Lehen im Status eines Barons hielten. Zu den geistlichen Herren zählten spätestens seit 1305 alle oder zumindest die meisten der 21 englischen und walisischen Bischöfe und Erzbischöfe, doch nahm durch zufällige Entwicklungen die Zahl der beteiligten Äbte und Prioren bis um 1360 kontinuierlich ab. Von etwa 300 englischen und walisischen Klöstern und Stiften wurden seit dieser Zeit nur etwa 25 Äbte sowie der Prior von Coventry und der Prior des Johanniterordens in England zu den Parlamenten geladen. Obwohl die Ladungen der Bischöfe seit 1295 – und bis 1969 – mit der Premunientes-Klausel die Ermahnung enthielten, Vertreter des niederen Klerus aus den Domkapiteln und den Diözesen wählen zu lassen, spielten diese schon bei der Absetzung Eduards II. im Januar 1327 politisch keine Rolle mehr und entschieden später zumeist auf parallelen Kirchen-versammlungen der Erzdiözesen über Fragen der Besteuerung. Die Form der Ladung der Grafschaftsritter und der Vertreter der Städte verfestigte sich bereits seit dem Parlament von 1295 – und blieb bis 1872 im Wesentlichen unverändert. Die sheriffs wurden aufgefordert, aus den ländlichen und städtischen Führungsgruppen jeweils zwei bevollmächtigte Vertreter wählen zu lassen und die Namen der Gewählten den Behörden in Westminster auf der Rückseite der writs mitzuteilen. Diese Rückläufe (returns) des Parlaments enthielten bald auch die Namen von zwei Bürgen, die den Parlamentsbesuch der gewählten Mitglieder garantierten, sowie Angaben über Ort und Datum der Wahl. Seit dem Ausgang des 14. Jahrhunderts wurden weitere Maßnahmen gegen Missbräuche bei der Wahl der Grafschafts- und Städtevertreter ergriffen. So wurde den sheriffs 1372 verboten, sich selbst auf den returns einzusetzen, und 1406 wurde unter anderem verfügt, dass alle Wähler das Schreiben des sheriff mitbesiegeln und bestätigen sollten. Faktisch führte das jedoch dazu, dass vor allem die einflussreicheren Grundbesitzer der Grafschaft ihre Zustimmung zur Wahl bekundeten. 1429/30 wurde dann der Kreis der Wähler – noch relativ maßvoll – durch das aus einer Petition der commons erwachsene und bis 1832 gültige Statut eingegrenzt, nach dem nur noch die Inhaber von einem freien Besitz mit mindestens 40 Schilling Jahreseinkommen wahlberechtigt sein sollten. Wahlberechtigt waren seither je Grafschaft einige hundert Personen. Insgesamt hat man die Zahl der Wähler für die 74 Grafschaftsvertreter auf etwa 10 000 bis 15 000 Grundbesitzer geschätzt. Innerhalb dieser relativ kleinen Gruppe kam es zwar zu regelrechten ‚Wahlkämpfen‘ um die Parlamentssitze, doch gaben die führenden Großen meist den Ausschlag, wie im Oktober 1450, als die Herzöge von Norfolk und York – nach einem Brief
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an John Paston – zwei Personen benannten, „die Ritter der Grafschaft Norfolk sein sollen, wie […] wir [es] für geeignet und notwendig für das Wohl der genannten Grafschaft halten“.56 Ähnlich wurden auch die Vertreter der Städte oftmals von den Großen berufen, wobei zunehmend Nicht-Residente für die Städte und Flecken ins Parlament zogen. Um 1450 betrug ihr Anteil bereits rund 50%. Zu den Aufgaben der Parlamente des 14. und 15. Jahrhunderts zählte neben Entscheidungen über die Politik, Verwaltung und Finanzen des Königreichs auch seine Funktion als oberste Gerichtsinstanz. Dies betraf zum einen den Grundsatz, dass sich die Großen des Reichs nur vor ihnen Gleichgestellten verantworten mussten, zum anderen Petitionen gegen die Urteile der königlichen Gerichte. Daneben entwickelten sich am Ende des 14. Jahrhunderts neue Verfahrensformen, die die Stellung des Parlaments stärkten. Zunächst entstand auf dem „Guten Parlament“ im Frühjahr 1376 das impeachment, ein durch die Anklage der commons ausgelöstes Verfahren, das zur Ablösung wichtiger Vertreter des Hofes durch ein Urteil der Großen führte. Ähnliche Anklagen wiederholten sich 1386 gegen den Kanzler, Michael de la Pole, und 1450 unter Heinrich VI. gegen seinen Nachfahren, William de la Pole, den Herzog von Suffolk. Das impeachment stellte eine politische Waffe in den Händen der commons dar, mit der unliebsame Repräsentanten der königlichen Verwaltung vor allem dann Erfolg versprechend verklagt werden konnten, wenn zumindest einige der lords auf Seiten der commons standen. Dagegen wandte eine Gruppe von Adligen 1388 erstmals das Instrument der Appellation (appealing) gegen führende königliche Amtsträger an, das ebenfalls zu einem Verfahren vor dem Parlament führte. Das „Gute Parlament“ von 1376 war aber nicht nur wegen der Einführung des impeachment von besonderer Bedeutung. Vielmehr wurden die commons während des Verfahrens gegen die Mitglieder des königlichen Hofs erstmals von einem Sprecher vertreten, einem Ritter aus Herefordshire. Gegenstand des Parlaments war die Bewilligung von Abgaben zur Fortführung des Krieges auf dem Kontinent. Während getrennter Beratungen von lords und commons erhob sich bei den unteren Ständen scharfe Kritik, die Peter de la Mare als Vertreter der commons im Vorwurf zusammenfasste, die geforderte Abgabe sei nur aufgrund der Verschwendung der königlichen Amtsträger notwendig geworden. Auch wenn Peter nach erfolgreichem Abschluss des Verfahrens persönliche Konsequenzen ertragen musste – er war zeitweilig inhaftiert –, wählten die commons wohl von nun an auf jedem Parlament einen Sprecher. Ihre Namen sind seit 1398 kontinuierlich überliefert. Bis 1533 kamen alle aus dem Kreis der Grafschaftsritter, und viele unterhielten enge Beziehungen
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zu den lords, wie bereits Peter de la Mare in Diensten des earl of March stand. Aber auch dann, wenn die Sprecher wie 1401, 1404 und 1406 Männer des Königs waren, äußerten sie durchaus Kritik am Königtum und an der Regierung. Sie trugen so das Ihre dazu bei, die Institution des Parlaments zu festigen.
7. Die englische Kirche im späteren Mittelalter Bischöfe, Äbte und andere kirchliche Amtsträger spielten trotz wachsenden laikalen Einflusses auch im Spätmittelalter eine wichtige Rolle in der englischen Politik, Verwaltung und Rechtsprechung, und die kirchlichen Institutionen zählten bis zum Ausgang des Mittelalters zu den größten Grundbesitzern. Dabei betrug der Anteil der Kleriker an der Bevölkerung deutlich weniger als 2%, mit 25 000 bis 30 000 Weltklerikern und 20 000 bis 25 000 Mönchen, Kanonikern, Nonnen und Reklusen. Ihre Lebensbedingungen waren alles andere als einheitlich. Beim Weltklerus reichte die Skala vom Kleriker mit dem untersten Weihegrad, der oftmals keine geregelte Versorgung hatte, bis zum politisch und wirtschaftlich mächtigen Erzbischof von Canterbury, beim Mönchtum und den Regularkanonikern vom einfachen Mitglied eines schlecht ausgestatteten ländlichen Klosters über die Mitglieder der Londoner Niederlassungen der Bettelorden bis zu den Vorstehern großer Ordenshäuser wie etwa der baronialen Stiftung zu St. Albans. Obwohl die persönliche Frömmigkeit für die Menschen der Zeit prägend blieb, wuchs die Kritik an der Amtskirche. Dies erklärt die Resonanz, die die häretische, aber auf die Erneuerung der Frömmigkeit ausgerichtete Bewegung der Lollarden fand. Die grundlegende Struktur der englischen Kirche bildeten die beiden ungleich großen Provinzen Canterbury und York, Canterbury mit zunächst 13, dann – nach der Eroberung von Wales – 17, York mit nur zwei Suffraganbistümern. Obwohl die Kanoniker oder – seltener – Mönche des Domkapitels nach dem Kirchenrecht völlig frei über die Berufung der Bischöfe entscheiden konnten, übten die Könige als Lehnsherren umfangreicher weltlicher Besitzungen der Bistümer in der Praxis einen erheblichen Einfluss auf die Bischofswahlen aus. Da auf diese Weise zumeist erfahrene Mitglieder der königlichen Verwaltung zu Bischöfen aufstiegen, mit einem Höhepunkt in der Mitte des 14. Jahrhunderts und erneutem Anstieg und Dominanz im 15. Jahrhundert, standen Kirche und Königtum in enger Beziehung. Die von den Kapiteln selbst bevorzugten kirchlichen Administratoren spielten nur eine untergeordnete Rolle, vor allem in weniger bedeutsamen Bistümern, ebenso wie der Typus des Gelehrten und
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spirituellen Anführers, der mit Robert Kilwardby und John Peckham als Erzbischöfen von Canterbury vor allem im 13. Jahrhundert in hohe Ämter gelangte. Das Ungleichgewicht zwischen den beiden Erzdiözesen trug wesentlich dazu bei, dass die Entwicklungen in Canterbury auf die gesamte englische Kirche Einfluss hatten und dass der Erzbischof im Verhältnis zum Königtum wie zum Papsttum eine führende Stellung einnahm. Zudem waren die Päpste angesichts der ablehnenden Haltung der Könige gegenüber äußeren Einflüssen dazu übergegangen, die Erzbischöfe selbst zu Legaten zu ernennen. Schließlich hatte sich dies um die Mitte des 14. Jahrhunderts so verfestigt, dass jeder Erzbischof als „geborener Legat“ (legatus natus) wie selbstverständlich die Aufgaben und Vollmachten eines Legaten ausübte. Eine wichtige Rolle für die wachsende kirchliche und politische Bedeutung des Erzbistums Canterbury spielten auch die für seine gesamte Provinz zuständigen Gerichte. Die einflussreiche Stellung der Erzbischöfe ließ sie immer wieder in Konflikt mit dem Königtum geraten, vor allem angesichts der königlichen Versuche, auch den Klerus mit Abgaben zu belegen. Ein erster Höhepunkt waren die Auseinandersetzungen zwischen Eduard I. und Erzbischof Robert Winchelsey. 1294/95 waren Steuern von der Hälfte bzw. einem Zehntel der kirchlichen Einnahmen bewilligt worden, doch trat der König bereits Ende 1296 wieder an den Klerus heran. Während der Erzbischof in dieser Situation die kurz zuvor von Bonifaz VIII. erlassene Bulle Clericis Laicos bekannt machte, die jede laikale Besteuerung des Klerus ohne päpstliche Zustimmung verbot, reagierte der König im Februar 1297 mit der pauschalen Ächtung des Klerus. Die Geistlichen wurden gezwungen, sich mit Bußgeldern freizukaufen, die einem Fünftel ihrer Einkünfte entsprachen, sodass mehr als das Doppelte des Zehnten von 1295 einging. Vor dem Hintergrund der äußeren Gefahren und der inneren Unruhe, bei der sich Winchelsey zeitweilig mit den Baronen verband, kam es jedoch am Ende zu einem Kompromiss. Der Erzbischof unterstützte zwar nun wieder die Steuerforderungen des Königs, erreichte aber eine Bestätigung der kirchlichen Rechte und sorgte dafür, dass die Erhebung der Abgaben künftig in den Händen der Kirche verblieb. Wie aus der relativ gut belegten Steuererhebung von 1291 hervorgeht, traf diese vor allem die Angehörigen des niederen Klerus, die zu diesem Zeitpunkt zwei Drittel aller Zahlungen aufbrachten. Wohl angesichts einer im 13. Jahrhundert fassbaren Tradition, die Erhebung von Abgaben von Vertretern des Klerus diskutieren zu lassen, kam es unter Eduard I. dazu, dass Steuerfragen auch mit dem niederen Klerus auf Parlamenten verhandelt wurden. Auf dem großen Parlament von 1305, zu dem je zwei
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Vertreter aus den Diözesen und je ein Vertreter des jeweiligen Domkapitels geladen waren, entstammte sogar weit mehr als ein Drittel der Teilnehmer dieser Gruppe. Für diese Ladung des niederen Klerus bildeten sich im Laufe der Zeit festere Formen aus. Zunächst geschah dies über die Premunientes-Klausel, mit der die königliche Verwaltung die Erzbischöfe (und die Bischöfe) in ihrer Ladung ermahnte, in ihren Diözesen bei Pfarrklerus und Domkapiteln Wahlen durchführen zu lassen. Seit 1311, noch unter Robert Winchelsey, schlossen dann die Erzbischöfe eigene Schreiben an die Bischöfe ihrer Provinz an. Zwischen 1311 und 1340 wurde der niedere Klerus so zur Teilnahme an 37 Parlamenten aufgefordert. In den 1330er-Jahren wurden die Kleriker mehrfach doppelt geladen, zum selben Termin vor Erzbischof und König. Im Verständnis der Zeitgenossen handelte es sich dabei um unterschiedliche Versammlungen – um Provinzialsynode und Parlament –, sodass den Prokuratoren des niederen Klerus dafür meist getrennte Vollmachten ausgestellt wurden. Um diesen Überschneidungen zu entgehen, wurde auf dem Parlament vom September 1339 nicht nur der Beginn des nächsten Parlaments festgelegt, sondern zugleich wurden die Termine für die Provinzialsynoden für Canterbury und York bestimmt, der 27. Januar bzw. 3. Februar 1340. Die Synoden wurden so wesentliche, aber untergeordnete Bestandteile des Parlaments. Als wahrscheinlich auf der Versammlung vom 27. Januar vorgebrachte Beschwerden des Klerus über eine Petition der commons Eingang in die Parlamentsakten fanden, kam es zu grundlegenden Veränderungen. So wurde eine Kommission eingesetzt, die unter anderem „die den Klerus berührenden Bedingungen und Bitten“ behandeln und in ein Statut bringen sollte.57 Das Statut vom April 1340 verfügte dann weitgehende kirchliche Freiheiten, so die Befreiung von der Beschlagnahme von Gütern zur Versorgung des Heeres und Maßnahmen zum Schutz vakanter Bistümer und königlicher Klöster vor Verschwendung, Zugriffen und Zerstörung. Allerdings gehörten dieser Kommission keine Vertreter des niederen Klerus mehr an. In ihr waren neben zehn weltlichen Großen,13 Grafschaftsrittern und sechs Vertretern der Städte allein der Erzbischof von Canterbury, die Bischöfe von Durham und Chester sowie der Erzbischof von York als Schatzmeister vertreten. Seither wurde der niedere Klerus zwar weiterhin mittelbar über die Bischöfe durch die Premunientes-Klausel aufgefordert, am Parlament teilzunehmen, doch betraf dies faktisch nur die beiden Provinzialsynoden der Erzdiözesen Canterbury und York, die eng mit dem Parlament verbunden waren. Es waren fortan diese Synoden, die über die Bewilligung klerikaler Abgaben verhandelten. Neben den hohen Klerus trat im Parlament allein eine seit der Zeit um 1360 fest umrissene Gruppe
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von – fast ausschließlich benediktinischen – Äbten und Prioren, die individuelle Ladungen erhielten. Königtum und Parlament griffen aber nicht nur durch Besteuerung, sondern auch durch die Statutengesetzgebung immer wieder in den kirchlichen Bereich ein. So erließ Eduard I. im November 1279 das Statut »von der toten Hand« (Mortmain). Damit sollte verhindert werden, dass dem Königtum und den hohen weltlichen Lehnsträgern bei der Übertragung von Lehen an die Kirche Rechte verloren gingen. Bei der faktischen Umsetzung des Statuts wurden zwar die kirchlichen Institutionen nicht an weiteren Erwerbungen gehindert, doch unterlagen Stiftungen nunmehr dem königlichen Vetorecht, das für finanzielle Zwecke genutzt werden konnte. Einen Schritt weiter ging dann der 41. Artikel des zweiten Statuts von Westminster von 1285, der Fragen der Entfremdung oder nicht den Intentionen der Stifter entsprechenden Verwendung von Schenkungen regelte. Danach „soll der, durch den oder dessen Vorfahren ein so entfremdetes Anwesen gestiftet wurde, ein writ […] haben, um das so entfremdete Anwesen in seine Bewirtschaftung zurückzuführen“.58 Damit war so etwas wie ein feudales Prinzip formuliert, dass Stiftungen immer gegen bestimmte Leistungen erfolgten. Obwohl dies auch kirchlichen Vorstellungen entsprach – eine Bestimmung des Kirchenrechts aus dem früheren 13. Jahrhundert erlaubte ebenfalls die Rücknahme einer Stiftung, wenn die Bedingungen des Stifters nach zwei Jahren nicht umgesetzt waren – und obwohl das Statut noch als gemäßigt anzusehen ist, öffnete es den Weg zu radikaleren Vorstellungen, wie sie am Ende des 14. Jahrhunderts von John Wyclif vertreten wurden. Danach fielen jede Stiftung und jede Pfründe an die Stifter oder Patrone zurück, wenn die vereinbarten Bedingungen nicht erfüllt wurden. Dieses Prinzip erfuhr unter anderem um 1400 im Vorgehen gegen den englischen Besitz französischer Klöster praktische Anwendung. Der seit der Mitte des 14.Jahrhunderts allmählich stärker werdende Antiklerikalismus fand auch in Petitionen der commons im Parlament und den daraus hervorgegangenen Statuten seinen Ausdruck. Steine des Anstoßes waren die päpstliche Praxis der Provisionen, d. h. der Einsetzung von Klerikern unter Umgehung der regionalen Instanzen wie der Bischöfe und Kapitel, sowie die Appellationen englischer Kleriker an die Kurie. Vor diesem Hintergrund wurden 1343/44 auf Betreiben der commons schwere Strafen – lebenslanges Gefängnis oder Exil – für jene eingeführt, die zum Nachteil der königlichen Rechte ein Verfahren an fremden Gerichtshöfen anstrengten. 1351 kam es dann zum ersten Statute of Provisors, eigentlich gegen den Willen Eduards III., der von den Provisionen bisher profitiert hatte oder sie zumindest unterdrücken konnte. Die providierten Kleriker
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konnten so lange inhaftiert werden, bis sie eine Entschädigung entrichtet und versprochen hatten, nicht mehr an die Kurie zu appellieren. Diese Bestimmungen wurden 1353 durch das Statut Praemunire ergänzt, das jeden mit Ächtung und Verlust aller Besitzungen bedrohte, der nicht innerhalb von zwei Monaten rechtfertigen konnte, warum er außerhalb des Landes Rechtsmittel gesucht hatte. Beide Statuten wurden in den folgenden Jahren mehrfach erneuert und ergänzt, das Statute of Provisors 1365, 1388 und 1390, Praemunire 1365 und 1393, teilweise im Zusammenhang mit den innenpolitischen Auseinandersetzungen dieser Jahre. Obwohl die päpstlichen Provisionen auch in den ersten Regierungsjahren Heinrichs IV. umstritten waren und die commons erneut ein Vorgehen des Königs dagegen forderten, blieb Praemunire bis in die 1430er-Jahre ohne Wirksamkeit und geriet in Vergessenheit, bis die Spannungen zwischen Humphrey of Gloucester und Henry Beaufort, dem Bischof von Winchester, zu seiner ‚Wiederentdeckung‘ führten. Allerdings wurde es nunmehr, ungeachtet wiederholter kirchlicher Proteste, vor allem gegen die Entscheidungen kirchlicher Gerichtshöfe genutzt, da Praemunire in der Fassung von 1393 kirchliche Verfügungen in Rom und anderswo einschloss. Zwar erklärte Heinrich VI. seine Bereitschaft zur Abstellung der Beschwerden, doch fand das Statut zunehmend weitere Anwendung, bis hin zu päpstlichen Dispensen. Obwohl Eduard IV. 1462 die Wirksamkeit von Praemunire für Streitigkeiten über Zehnte aussetzte, gewann es auch unter Heinrich VII. weiter an Bedeutung und bildete schließlich die Grundlage für das Vorgehen Heinrichs VIII. gegen die Kirche, das 1539/40 zur Aufhebung der Klöster und Stifte führte. Dieser Entwicklung entsprach ein dramatischer Rückgang geistlicher Schenkungen, insbesondere für die monastischen Häuser, während die Stiftungen von Messen und für Einrichtungen des Weltklerus weiterhin eine bedeutende Rolle spielten. So stießen die Bettelorden im 14. Jahrhundert auf zunehmende Kritik, ähnlich wie der reiche Grundbesitz der älteren monastischen Einrichtungen. Daneben war jedoch der Alltag der Menschen von tiefer Frömmigkeit geprägt, die in der Bedeutung der Pfarrgemeinden und der religiösen Bruderschaften, aber auch im Ausbau des Pilgerwesens ihren Ausdruck fand. Die Frömmigkeit des Adels äußerte sich – in Verbindung mit dem zeitgenössischen Ritterideal – in der Teilnahme an Kreuzzügen, auch wenn die Kreuzzugsbegeisterung in England wie im spätmittelalterlichen Europa insgesamt abnahm. Einen Höhepunkt bildeten dabei der Kreuzzug des künftigen Eduard I. zwischen 1270 und 1272 sowie die Teilnahme von Mitgliedern der Familie der Herzöge von Lancaster, zunächst von Henry Grosmont, dann von Henry Bolingbroke, dem Herzog von Derby und späteren König, an den Kreuzzügen des
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Deutschen Ordens gegen die Litauer, zusammen mit anderen westeuropäischen Adligen. Der bedeutendste Vertreter antipapalistischer oder antiklerikaler Tendenzen im England des ausgehenden 14. Jahrhunderts war der Oxforder Theologe John Wyclif. Seit 1360 Magister am Balliol College und seit 1372 Doktor der Theologie, trat er mit philosophischen und theologischen Werken hervor, stellte sich aber bald auch – wohl wegen finanzieller Schwierigkeiten – in den Dienst der Krone. Nach einer diplomatischen Mission nach Brügge, für die er mit der Pfarrstelle in Lutterworth in Leicestershire versorgt wurde, begann er mit der Arbeit an zwei Hauptschriften, De dominio divino und De dominio civili, in denen er die eigenständige Rolle der weltlichen Herrschaft gegenüber den kirchlichen Ansprüchen betonte. Ausgehend vom Grundsatz, dass der sündige Mensch keinerlei Anspruch auf Autorität oder Besitz habe, kam er darin zum Schluss, dass weltliche Autoritäten berechtigt seien, einem Kleriker die Einkünfte zu entziehen, wenn er seinen Aufgaben nicht nachkomme, dass Päpste und Kardinäle irren könnten und dass ein auf seine weltliche Machtstellung konzentrierter Papst als Häretiker abgesetzt werden müsste. Derartige Positionen stießen auf weitreichende Akzeptanz, bei vielen Londonern, denen Wyclif seine Positionen von den Kanzeln herab vortrug, bei den Vertretern der Bettelorden an den Universitäten Oxford und Cambridge, selbst beim jüngeren Sohn Eduards III., der bald die englische Politik bestimmte, bei John of Gaunt. Dagegen hatte es kaum Folgen, als ein Gegner Wyclifs eine Liste seiner Thesen an die Kurie sandte und Papst Gregor XI. im Mai 1377 den Erzbischof von Canterbury und den Bischof von London aufforderte, ihm den Beschuldigten innerhalb von drei Monaten zu überstellen. In Oxford wurde Wyclif zwar formal unter Arrest gestellt, konnte jedoch mit seiner Lehrtätigkeit fortfahren. 1378 und 1379 entstanden weitere Schriften, die die kirchliche Autorität noch stärker infrage stellten. Erst als Wyclif in einer Schrift über das Abendmahl 1379 die kirchliche Abendmahlslehre ablehnte, verlor er allmählich die öffentliche Unterstützung. Dazu kam, dass man seine Thesen mit dem Ausbruch des Bauernaufstands von 1381 in Verbindung brachte. Während des Parlaments im Mai 1382 legte Wyclif nochmals eine Reihe von Thesen über kirchliche Ämterbesetzungen und Zahlungen an Rom vor, doch trat zur selben Zeit im Londoner Konvent der Dominikaner eine Versammlung von prominenten Theologen zusammen, die 24 Thesen aus den Werken Wyclifs als häretisch verurteilte. In der Folge erhielt er ein Lehrverbot und musste sich nach Lutterworth zurückziehen, wo er – ungeachtet immer radikalerer Pamphlete und Traktate von weiterer kirchlicher Verfolgung unbehelligt – 1384
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starb. Erst als seine Lehren durch die böhmische Reformbewegung und Jan Hus auch auf dem Kontinent bekannt und wirksam geworden waren, ordnete Papst Martin V. im Dezember 1427 die Exhumierung und Verbrennung seiner Gebeine an. Es war unter anderem der Augustiner Henry Knighton, der in seiner Chronik Wyclif mit dem Bauernaufstand und mit der Entstehung der als Häretiker gebrandmarkten Lollarden in Verbindung brachte. Dabei warf er ihm – wahrscheinlich zu Unrecht – vor, die Evangelien ins Englische übersetzt und damit „Laien und ungebildeten Frauen“ geöffnet zu haben, sodass „die evangelische Perle versprengt und von Schweinen zertreten wurde“.59 Nach einer ausführlichen Schilderung der Lehren Wyclifs und seiner Anhänger sowie ihrer Verurteilung fuhr Knighton fort: „Die Zahl der Verfechter dieser Lehren wuchs und vervielfachte sich übermäßig, und sie erfüllten das Land und bevölkerten es, als wenn sie an einem Tag geboren wären, und sie wurden so kühn, dass sie in keiner Sache erröteten, sondern schamlos an geheimen wie an öffentlichen Plätzen wie Hunde mit unermüdlichen Stimmen bellten. Und so […] gewannen sie durch leere Täuschung mehr und mehr für die Sekte. Die ursprünglichen Pseudo-Lollarden trugen beim ersten Auftreten dieser verdorbenen Sekte zumeist grobe Kleider, gewissermaßen nach außen die Einfachheit des Herzens beweisend, sodass sie umso listiger die Seele ihrer Anhänger gewinnen und umso sicherer mit dem Lehren und Aussäen ihrer unsinnigen Doktrin beginnen konnten.“60 Knighton hat die Ausbreitung der seit den 1380er-Jahren so bezeichneten Lollarden wahrscheinlich richtig beschrieben. Sie wirkten – ähnlich wie die Wanderprediger des 12. Jahrhunderts – tatsächlich durch die Einfachheit der Lebensführung und durch Predigten, mit denen sie die breiteren Schichten der Bevölkerung gewannen. Unter Wyclifs Anhängern war unter anderem John Aston, der sich 1382 der Autorität der Kirche unterwarf, bald aber begann, seine Lehren im Grenzraum zu Südwales zu verbreiten. Wyclif, Aston und andere fanden vor allem bei den Laien Unterstützung, „indem sie Dinge predigten, die den Reichen und Mächtigen gefielen, nämlich das Zurückhalten von Zehnten und Opfergeldern [und] den Einzug weltlichen Besitzes der Kleriker“, wie Adam Usk um 1415 vermerkte. Obwohl keine direkten Kontakte Wyclifs mit den Aufständischen von 1381 nachweisbar sind, wurde die Lollardenbewegung von Anfang an mit Rebellionen verbunden, so nach Adam mit „Desaster[n], Verschwörungen, Konflikte[n], Kämpfe[n] und Unruhen, die bis zu diesem Tage anhalten“.61 Am Ende des 14. Jahrhunderts traten die Lollarden jedoch mit ihren Lehren an die Öffentlichkeit. 1395 wurde ein Manifest von zwölf Thesen
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an den Türen sowohl von St. Paul’s als auch von Westminster Abbey angeschlagen, das sich gegen die geistlichen wie die weltlichen Autoritäten richtete. Es stellte nicht nur die Priesterschaft und das Abendmahl infrage, sondern ebenso Weihen, die Beichte, Gebete für Verstorbene, Pilgerfahrten und Opfergaben, die Ausstattung der Kirchen, die Einbindung der Kirche in weltliche Aufgaben und weltliche Machtmittel. Obwohl die Bischöfe 1395 den Papst einschalteten und auch der königliche Rat Maßnahmen ergriff, blieb die Verfolgung der Lollarden zunächst wenig wirkungsvoll, unter anderem wegen des Konflikts zwischen Richard II. und dem Erzbischof von Canterbury, Thomas Arundel. Da die Bischöfe zuvor nur ein writ zur Inhaftierung der Häretiker einsetzen konnten, um sie zum Frieden mit der Kirche zu zwingen, forderten sie bereits 1397 die Einführung der Todesstrafe. Erst nach dem Sturz Richards, unter Heinrich IV., beschloss das Parlament von 1401 auf Bitten des Klerus der Erzdiözese Canterbury ein Statut, das es erlaubte, Häretiker zu verbrennen (De Haeretico Comburendo). Jeder, der ohne Autorität der Kirche predigte, konnte auf Anweisung der Bischöfe inhaftiert und zum Abschwören gezwungen werden. Wer sich als hartnäckiger Ketzer erwies, sollte den weltlichen Autoritäten übergeben und öffentlich verbrannt werden. Allerdings enthielt dieses Statut nichts über die Methoden der Ermittlung, auch wenn ein weiteres Statut 1406 den Autoritäten die gezielte Suche nach Lollarden in ihren Verwaltungsbezirken ermöglichte. Ein besonderes Problem war die Frage, was eine erlaubte oder unerlaubte Predigt war. Deshalb wurde auf einer Provinzialsynode 1409 eine ‚Predigtordnung‘ erlassen, die bei einem Verstoß ein rasches Vorgehen gegen Beschuldigte erlaubte, deren Besitzungen eingezogen und die aller Ämter enthoben werden konnten. Ungeachtet einiger Erfolge blieb insbesondere unter den Vertretern der commons eine antiklerikale oder auch gelegentlich pro-lollardische Stimmung relativ weit verbreitet, bis es 1413 zur offenen Rebellion unter John Oldcastle kam. Der Name der Lollarden war nunmehr für die commons im Parlament von 1417 identisch mit Verrätern und Rebellen und wurde 1425 sogar mit Hochverrat auf eine Stufe gestellt. Obwohl spätestens seit Oldcastles Hinrichtung 1417 die Gefahren für England gering waren, sahen sich die weltlichen und geistlichen Autoritäten weiterhin bedroht. So wurden vor der Provinzialsynode immer neue Fälle von Häresie verhandelt, und der Karmelit Thomas Netter of Walden bezog in seinem umfangreichen Doctrinale gegen die Anhänger Wyclifs und gegen die Lollarden Stellung und regte damit Papst Martin V. zum posthumen Vorgehen gegen Wyclif an.
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Zwischen 1428 und 1430 waren lollardische Prediger zunächst in Kent, dann in Ostanglien aktiv. 1431 wurde dann eine Verschwörung unter der Leitung eines gewissen William Perkins aufgedeckt, deren Zentren in Abingdon, London und Salisbury lagen. Die Verschwörer – meist Handwerker, Weber oder Färber – planten angeblich, 20 000 Anhänger zum Vorgehen gegen die Onkel des jungen Heinrichs VI., den Adel und die hohe Geistlichkeit einzusetzen, doch wurden die Anführer verhaftet und hingerichtet. Die schon fast panische Furcht der Autoritäten vor den Lollarden und vor abweichenden kirchlichen Lehren zeigte sich noch einmal 1456/57 im Verfahren gegen den Bischof von Chichester, Reynold Pecok. Pecok wollte mit seinen in englischer Sprache verfassten Schriften gegen die Lollarden vorgehen und den Laien die kirchlichen Vorstellungen auf verständliche Weise nahe bringen. Dabei geriet er in Konflikt mit verschiedenen Gruppen von Theologen, da er die Predigt abwertete und Kritik an den Kirchenvätern äußerte, und musste schließlich im Herbst 1458 endgültig auf sein Bistum verzichten. Angesichts der Unfähigkeit der offiziellen Kirche, sich den Interessen der gebildeten Laien zu öffnen, wirkten die Vorstellungen der Lollarden bis in die Zeit der englischen Reformation weiter, obwohl kaum von einer Kontinuität ausgegangen werden kann. In dieser Epoche wurde Sir John Oldcastle vom Rebellen zum Märtyrer.
8. Wirtschaft und Gesellschaft Auch wenn das Übergreifen der ersten großen europäischen Pestwelle auf England in den Jahren nach 1348 wie überall einen tiefen Einschnitt in der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung zur Folge hatte, zeichneten sich bereits seit dem Ende des 13. Jahrhunderts negative Tendenzen ab, die durch die Hungersnöte der Jahre um 1315/17 weiter verstärkt wurden. Eine Ursache dafür waren klimatische Veränderungen, eine andere möglicherweise die abnehmende Qualität von Böden. So lag die Durchschnittstemperatur im 13. Jahrhundert um ein Grad höher als heute, was die Ausweitung des Ackerbaus in schwerer zu erschließende Wald-, Marsch- und Moorgebiete wie etwa die Fenlande Ostangliens förderte. Klimatische Schwankungen führten dann aber seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts zu Missernten, und nach der Großen Pest wurden Sommer und Winter erheblich kälter, insbesondere zwischen 1430 und 1480. Die Folge war nicht nur ein Rückgang des Weinbaus, der noch im 14. Jahrhundert fast überall im europäischen Norden, nicht nur in England, verbreitet war, sondern der Rückgang der landwirtschaftlichen Erträge allgemein. Die Erschließung neuer Siedlungen fand ein Ende, vielmehr wurden
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nach der Pest – angesichts einer dramatisch verringerten Bevölkerung – Hunderte von Dörfern aufgegeben, deren Böden zu geringe Erträge erbrachten. Diese Entwicklung kehrte sich erst im 16. Jahrhundert unter verbesserten klimatischen Bedingungen um. Dem entsprach die Bevölkerungsentwicklung. Während sich die Bevölkerung Englands – auch angesichts neuer landwirtschaftlicher Techniken – vom 11. bis zum 14. Jahrhundert auf 4,5 bis 6 Millionen nahezu verdreifachte, ging sie durch Hunger, Missernten, Pest, schwere Besteuerung und geänderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen bis 1377 um 40 bis 50% zurück, um in der Mitte des 15. Jahrhunderts mit rund 2 Millionen Einwohnern den Tiefpunkt zu erreichen. Erst danach kam es, regional unterschiedlich, zu einer Erholung. Dabei verlagerte sich der Wohlstand aus dem Norden insbesondere nach London und in den Südwesten des Landes. Politische Maßnahmen, die auf die Wirtschaftsentwicklung einwirkten, betrafen vor allem das Verkehrs- und Münzwesen. Da die Wasserwege insbesondere entlang der Küsten für den Warentransport eine wichtigere Rolle als heute spielten, die Schiffe – auch die der fremden Kaufleute – seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts größer wurden und der Verkehr stetig zunahm, begannen die Küstenstädte mit dem Ausbau ihrer Häfen, den sie oft mit lokalen Abgaben finanzierten. Die Schifffahrt auf den Flüssen wurde durch den Abbau der für den Fischfang angelegten Wehre und ähnlicher Behinderungen erleichtert. Parallel dazu betrieb die königliche Verwaltung den Ausbau der Landwege, ließ Straßen, Brücken und Dammwege erneuern oder neu bauen und dies durch lokale Steuern und Abgaben finanzieren. So ging z. B. im Januar 1281 an alle Amtsträger die Anweisung heraus, für die Erneuerung der vom Verfall bedrohten Londoner Themsebrücke überall im Königreich Gelder zu sammeln, und 1315 wurden Gebühren zur Pflasterung des Weges zwischen New Temple in London und dem königlichen Palast in Westminster eingeführt. Bis ins 13. Jahrhundert zeichnete sich Englands Währung trotz inflationärer Tendenzen zwischen 1180 und 1220 durch eine auf dem Kontinent kaum erreichte Stabilität aus, d. h., die Münzen waren noch recht schwer und wiesen einen relativ hohen Silberanteil auf. Nach dem noch auf die Karolingerzeit zurückgehenden Währungssystem sollten aus jedem Pfund Silber (von rund 408 Gramm) 240 Pfennige geschlagen werden, und die Abweichung davon war selbst noch um 1240 nicht allzu groß. Seit dem 14. Jahrhundert setzte dann aber eine deutliche Münzverschlechterung ein, vor allem durch den Hundertjährigen Krieg. Seit 1343 wurden 270 Pfennige aus dem Pfund geprägt, 1351 bereits 300, und weitere Münzfußsenkungen folgten im 15. Jahrhundert. Da die Penny-Prägungen immer weniger
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den wirtschaftlichen Bedürfnissen genügten, begann man seit dieser Zeit mit Großmünzen, den groats im Wert von vier Pfennigen, aber auch – nach gescheiterten Anläufen unter Heinrich III. und Eduard I. – mit Goldprägungen. Eduard III. führte 1344 mit dem Nobel eine englische Goldmünze ein, die mit 9, ab 1351 mit 7,8 Gramm erheblich schwerer war als die meisten kontinentalen Goldmünzen und an den Sieg in der Schlacht von Sluis 1340 erinnerte. Diese münzpolitischen Entwicklungen erfolgten vor dem Hintergrund tief greifender sozialer und wirtschaftlicher Veränderungen. Im Spätmittelalter bildete sich aus den überkommenen Strukturen der dreigeteilten Gesellschaft (Klerus, Adel, ‚dritter Stand‘) ein differenziertes Gefüge von Landbesitzern, städtischen Eliten, Adelsfamilien und weiteren sozialen Gruppen. Grundlage war ein langsam wachsender gesellschaftlicher Reichtum, der überhaupt erst die Ausbildung der Geldwirtschaft und den Aufstieg der Städte und Kaufleute ermöglichte und auch durch die Pestwellen und ihre ökonomischen Folgen keinen wesentlichen Einbruch erfuhr. Auch wenn weiterhin der größte Teil der Bevölkerung auf Gütern und in Dörfern lebte, ging die strenge hierarchische Ordnung der früheren Jahrhunderte verloren. Innerhalb der adligen Oberschicht kam der Ritterschaft, von der sich im 14. Jahrhundert die ‚Knappen‘ (esquires) abgrenzten, zentrale Bedeutung zu. Ritter und esquires entwickelten sich zu den eigentlichen Trägern der königlichen Verwaltung, und zugleich traten viele von ihnen während des 13. und 14. Jahrhunderts in das Gefolge der Barone ein, denen sie nicht mehr als Vasallen, sondern gegen Entlohnung und Versorgung dienten. Spätestens seit dem Ausgang des 14. Jahrhunderts gründete sich die Stellung der Magnaten vor allem auf die Größe ihres Gefolges, das nicht nur die abhängige Bevölkerung ihrer Ländereien einbezog, sondern einen weiten Kreis von Verwandten, Anhängern und Verbündeten, auch die Friedensrichter und Amtsträger in den Grafschaften. Wie im älteren Lehnswesen schloss dies wechselseitige Verpflichtungen ein, denn der jeweilige Herr hatte sich gegenüber seinen Gefolgsleuten als großzügig und wohlwollend zu erweisen. Die Forschung hat für diese Form sozialer Abhängigkeit den treffenden Begriff des ‚Bastardfeudalismus‘ geprägt. Die Verteilung des Grundbesitzes im spätmittelalterlichen England ergibt sich aus einem Steueranschlag, den das Parlament 1436 billigte. Danach gab es zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich rund 230 größere Landbesitzer, die zusammen etwa 20% der bebaubaren Flächen kontrollierten. Etwas weniger als 7000 mittlere Landbesitzer bewirtschafteten 25%, zahlreiche kleinere Grundherren noch einmal 20% der landwirtschaftlich genutzten Böden. Dem Königtum unterstanden unmittelbar nur 5%, der
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Kirche aber die verbleibenden 30% der Flächen. Zwischen diesen Gruppen bestanden jedoch erhebliche Unterschiede. Schon die mittleren Grundherren mussten immer wieder auf die wirtschaftlichen Entwicklungen reagieren, um ihren Besitz nicht zu verlieren, sondern ihn ertragreich verwalten zu können. Die kleineren, nichtadligen Landbesitzer, die ein oder zwei Güter verwalteten, hatten am Ausgang des Mittelalters in der Regel ein geringeres Vermögen als ein erfolgreicher Londoner Kaufmann oder ein Tuchhändler auf dem Lande. Auf dem Lande verloren die Unterschiede zwischen freien und unfreien Bauern zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht an Bedeutung. Gab es am Ende des 13. Jahrhunderts ein ‚Dorfproletariat‘, aus dem die Grundherren leicht Lohnarbeiter rekrutieren konnten, sahen sie sich angesichts des Bevölkerungsrückgangs durch Hungersnöte und Pestwellen seit der Mitte des 14. Jahrhunderts mehr und mehr gezwungen, ihr vorher in Domäne bewirtschaftetes Land zu verpachten, auch an Unfreie, sodass sich jetzt auf diesem Wege eine wirtschaftliche Angleichung zwischen freien und unfreien Bauern ergab. Die Literatur, angefangen von William Langlands Piers Plowman bis zu volkstümlichen Schauspielen, differenziert jedoch immer wieder zwischen dem Pflüger, dem selbstständigen Bauern mit eigenem Pfluggespann und Boden, und dem Arbeiter, der sich gegen Lohn verdingen muss, keine feste Bleibe oder nur ein kleines Häuschen hat. Der arme Pflüger, der auf dem Felde mit Frau und Kindern arbeitet, wird dort als Musterbeispiel sozialer Tugenden geschildert, als derjenige, der Gesellschaft trägt, obwohl ihn der Pfarrer, die Steuereintreiber, die Einnehmer der Grundherren, die Vertreter der Gerichte und der Kirche bedrängen. Die Lohnarbeiter erscheinen als hochmütiges Gegenbild zum Pflüger, vor allem, wenn ihren Kindern über eine kirchliche Karriere der soziale Aufstieg gelingt. Nicht zufällig forderten die commons im Parlament von 1391, dass kein Unfreier seine Kinder zur Schule senden sollte. Darin spiegelt sich eine Geringschätzung der Unfreien, der villani, die an ihre Scholle gebunden waren und Abgaben beim Tod des Familienoberhaupts und bei einer Heirat zu leisten hatten. Es galt sogar als Beleidigung, jemanden als villanus zu bezeichnen. Ungeachtet ihrer rechtlichen Diskriminierung wurden die unfreien Bauern in vielen Dörfern in die Dorfgemeinschaft integriert. Heiraten zwischen beiden Gruppen waren möglich und kamen nicht selten vor, da die villani teilweise reicher als die Freien waren, während es ihnen nur zum Teil gelang, persönliche Freiheiten zu erwerben. In einigen Fällen konnten villani erheblichen Besitz kaufen. So erwarb Stephen Puttock, ein villanus des Priors von Ely auf dem Gut Sutton, zwischen 1300 und 1310
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mehrfach Grundbesitz, übernahm wichtige Aufgaben innerhalb des Dorfes und war schließlich sogar als Geschworener tätig. Überhaupt konnten sich die villani mithilfe des geltenden Gewohnheits- und Statutenrechts gegen Übergriffe Dritter verteidigen, auch wenn ihnen der Weg zu den königlichen Gerichten versperrt war. Erhob ein Grundherr gegen einen ihm angeblich entlaufenen villanus Klage, lag die Beweislast beim Kläger. Die unfreien Bauern wurden auch an den militärischen und fiskalischen Pflichten der dörflichen Gemeinschaften beteiligt, unter anderem an der Abstellung von Wachen in den Dörfern nach dem Statut von Winchester von 1285. Diese positiven Tendenzen wirkten sich im Einzelfall aber nur aus, wenn nicht individuelle oder gemeinschaftliche Katastrophen wie Seuchen, Missernten und Unglücksfälle zu Rückschlägen führten. Für das Spätmittelalter erlauben die Kopfsteuern der Jahre 1379 bis 1381 einen gewissen Einblick in die inneren Strukturen der ländlichen Haushalte. Danach waren – gegen ältere Thesen – das Zusammenleben mehrerer Generationen oder Familienzweige ebenso die Ausnahme wie Einpersonenhaushalte, die Regel war das Miteinander der ‚Kernfamilie‘. Knechte und Mägde spielten in den bäuerlichen Haushalten nur eine untergeordnete Rolle, zumal sie nicht immer bei ihren Herren lebten, und das während der Erntezeit von größeren Grundbesitzern beschäftigte zusätzliche Personal wurde nicht in den Haushalt integriert. Wenn sich in einigen Regionen trotzdem zahlreiche abhängige Personen und Lohnarbeiter nachweisen lassen, so in Ostanglien, wo ihr Anteil an der männlichen Bevölkerung bei 50 bis 70% lag, lässt sich dies meist mit der Entwikklung ländlicher Gewerbe erklären, vor allem der Tuchproduktion. Zwar wurde die Zahl der abhängigen Personen zum Teil zu niedrig angegeben, um die Zahlung von Steuern zu umgehen, doch dürfte das aus der Kopfsteuer gewonnene Bild insgesamt den Verhältnissen der Zeit nahe kommen. So werden z. B. in den Cotswolds (zwischen Bristol und Stratford) in achtzig Dörfern nur in jedem achten Haushalt neben Ehefrauen, Kindern und weiteren Verwandten Bedienstete erwähnt. Daneben finden sich jedoch am Ende der Liste für jedes Dorf weitere Personen (durchschnittlich sieben auf 17 Haushalte), die als Pflüger, Kärrner, Hirten, Zimmerleute, Dachdecker oder mit anderen Aufgaben eingesetzt wurden. Einige von ihnen mögen als Häusler eigenständig im Dorf gelebt, andere könnten in den größeren Anwesen Unterkunft gefunden haben, ohne zum Haushalt dazuzugehören. Insbesondere das 14. und das 15. Jahrhundert waren durch eine vielfältige soziale Mobilität gekennzeichnet. Nach der Großen Pest, als überall Arbeitskräfte fehlten, ließ sich oftmals günstig Grundbesitz erwerben. Dadurch wurden villani zu kleinen Freibauern, während die Einwohner der
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Städte ländlichen Besitz erwarben, der ihnen den Aufstieg in den niederen ländlichen Adel eröffnete. Durch Handel erworbenes Kapital bot die Chance, sich aus Unfreiheit zu lösen oder in die Führungsschichten des Landes aufzusteigen. So wurde William Burton, einer der bedeutendsten Kaufleute im York des ausgehenden 14. Jahrhunderts, als Leibeigener des Erzbischofs von York geboren, und die Familie der de la Pole, Kaufleute aus Hull und Finanziers des Königs, stellte mit Michael de la Pole 1383 den Kanzler, der 1385 zum Grafen von Suffolk erhoben wurde. Die Adelserhebungen, die der König vornahm, zielten – wie unter Eduard III. – oft nur auf einzelne ‚neue Männer‘, führten aber vielfach zum Aufstieg der gesamten Familie. Dazu kamen vorteilhafte Eheverbindungen, mit denen z. B. die Nevilles und die Percies im 14. und 15. Jahrhundert in den Hochadel gelangten. Andererseits starben alte Familien aus oder wurden während der Rosenkriege summarisch geächtet, während ihr Besitz an andere Adlige überging. Innerhalb der kirchlichen Institutionen bestimmten nicht zuletzt Ausbildung und persönliche Fähigkeiten die Karrieren. So wurde mit Thomas Corbridge der Sohn eines Schreiners zum Erzbischof von York gewählt, und Robert Lisle, der Bischof von Durham, stammte aus einer Häuslerfamilie aus Lindisfarne. Entsprechend oft gab es aber auch den gesellschaftlichen Abstieg, etwa der Kaufleute und der Landbesitzer, die sich verschuldeten, ihren Besitz und ihre Rechte verloren, oder der freien Kleinbauern, die sich wegen Missernten, Naturkatastrophen oder auch der Folgen der Großen Pest nicht mehr halten konnten und in den Status von Unfreien übergingen. Den Hintergrund dafür bildeten die krisenhaften Entwicklungen seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts. Während die Städte geringe Einbußen erlebten, entstanden auf dem Lande zahlreiche Wüstungen. Obwohl der Umfang der landwirtschaftlichen Produktion zurückging, bestand immer noch ein Überangebot an Lebensmitteln. Der gleichzeitige Mangel an Arbeitskräften – durch den Rückgang der Bevölkerung bedingt – löste die eigentliche Krise aus: den Verfall der Agrarpreise bei gleichzeitigem Anstieg der Löhne. Zwar verbesserte dies die Situation der Lohnempfänger, doch brachte die Lohn-Preis-Schere vor allem die großen Landbesitzer in Schwierigkeiten. Eine mögliche Antwort auf die Probleme bestand im Übergang von einer arbeitsintensiven zu einer landintensiven Bodennutzung. Um die Lohnkosten zu verringern und die niedrigen Getreidepreise zu umgehen, verstärkten die englischen Grundherren zunächst die Schafzucht. In den vier Jahrzehnten unmittelbar nach der Pest wurde bebautes Land vielfach in Schafweide umgewandelt. Schwerpunkte dieser Entwicklung waren die Midlands, Yorkshire und Lincolnshire. In der Folge kam es jedoch zu
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Feldbestellung: Pflügende Bauern mit Ochsengespann. Buchmalerei, England, um 1340. Aus dem Luttrell-Psalter, geschrieben für Sir Geoffrey Luttrell of Irnham. Add. Ms. 42130, fol. 170, London, British Library. Foto: AKG.
einem Überangebot von Wolle, da auch die Grundherren auf dem Kontinent die Schafzucht intensivierten, sodass etwa ab 1390 der englische Wollexport ebenso wie die Ausfuhr fertiger Tuche immer mehr zurückging und die Preise fielen. Woll- und Tuchexport erreichten schließlich ihren Tiefpunkt in den 1430er-Jahren. Erst am Ende des 15. Jahrhunderts stiegen die Woll- und Getreidepreise gleichermaßen wieder an, was zu einem Konflikt zwischen den beiden Nutzungsformen und zu einer Verknappung der Anbauflächen führte. Eine Alternative dazu bildete die Veränderung des Anbaus. So begann man im ausgehenden 14.Jahrhundert mit der Umstellung von Roggen und Weizen auf Gerste, um daraus Bier zu brauen. Der Bierverbrauch ist weniger als der Verzehr von Brot von der Bevölkerungszahl abhängig, vielmehr spielt auch das Einkommen der Verbraucher eine Rolle. Angesichts steigender Einkommen kam es zu einem höheren Bierverbrauch, der durch einen vermehrten Gerstenanbau und intensivierte Brautätigkeit abgedeckt wurde. So ging etwa in Sherborne in Gloucestershire zwischen 1425 und 1452 der Anteil des Weizenanbaus an den landwirtschaftlichen Produkten um 50% zurück, während der von Gerste um 50% zunahm, und ähnlich lässt sich das für andere Regionen feststellen. Insgesamt
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konnte der Rückgang der Getreideproduktion mindestens teilweise aufgefangen werden, möglicherweise mit etwas geringeren Kosten bzw. einer gewissen Steigerung der Erträge. Gerstenanbau erwies sich jedoch auch deshalb als vorteilhaft, weil Gerste ebenso an Rinder und Geflügel, die Butter, Käse und Eier lieferten, verfüttert werden konnte. Eine weitere Möglichkeit war die Umstellung auf Gemüseanbau. So verdoppelte sich in der Abtei von Leicester zwischen 1363 und 1401 der Anteil von Erbsen an den Einkünften. Neben dem Verzicht auf schlechtere Böden verbesserten die durch die Haltung größerer Schafherden bedingte intensivere Düngung und der verstärkte Gemüseanbau die Bodenqualität und somit das Verhältnis von Aussaat und Ernte. Lag dieses Verhältnis für Hafer um 1300 noch etwa bei 1 : 4, gelang z.B. in Winchester zwischen 1400 und 1449 eine Steigerung um mehr als 50% im Vergleich zum 14. Jahrhundert, und in einigen Teilen Englands wurden die Erträge sogar fast verdoppelt. Während die Umstellung auf Viehzucht, die auch den veränderten Ernährungsweisen der Menschen Rechnung trug, ähnlich wie der verstärkte Anbau von Gerste und Gemüsen, Vorteile versprach, brachte die Verringerung der Eigenwirtschaft als andere Antwort auf die Krise kaum Entlastung. Da nach der Pest ein Überschuss an bebaubarem Land zur Verfügung stand, war die Neuvergabe von Grund und Boden gegen Zins mit Verlusten verbunden. Die Pächter konnten sich die günstigsten Bedingungen suchen, was den Zins drückte. Zugleich wurden dem Markt durch die Ansetzung abhängiger bäuerlicher Bevölkerung weitere Arbeitskräfte entzogen, was wiederum die Löhne steigen ließ und die Bewirtschaftung der Domäne verteuerte. Bauern, deren Äcker bisher nicht zur Versorgung ihrer Familie ausgereicht hatten, gelang es, den Umfang der von ihnen bewirtschafteten Böden auszuweiten, sodass sie nicht mehr auf zusätzliche Arbeit als Tagelöhner in der Domäne angewiesen waren. Einige englische Grundherren versuchten daraufhin, frühere Fronpflichten wieder zu beleben, so beim Pflügen, Ernten und Dreschen oder beim Transport der landwirtschaftlichen Produkte, doch führte die immer schwierigere Lage dazu, dass die abhängigen Bauern ihre Stellung behaupten konnten. Als wenig erfolgreich erwies sich auch die vierte Antwort auf die Krise, die Löhne durch Verordnungen oder im Parlament erlassene Statuten zu drücken, insbesondere durch das Statute of Laborers von 1351. Darin wurde zwar ein Höchstlohn festgesetzt, wie er vor der Pest gültig gewesen war, und den Grundherren wurde das erste Anrecht auf die Arbeiter in ihrem Gebiet zugesprochen, doch ließ sich das ebenso wenig durchsetzen wie ein verschärfter Parlamentsbeschluss von 1388. Schließlich suchte man 1406 die Landflucht zu begrenzen, und weitere Verordnungen und Gesetze
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folgten im Laufe des 15.Jahrhunderts. Eine einheitliche Regelung scheiterte jedoch an den unterschiedlichen Interessen der Grundbesitzer, die um die Arbeitskräfte konkurrierten. Die Einkommen aus Grundbesitz konnten letztlich nur durch die Einrichtung von ländlichen Gewerben gesteigert werden, doch stand dieser Weg nicht allen Grundherren offen. Der Regelfall dürfte somit der Rückgang der ländlichen Einkünfte gewesen sein. Die vielfältigen Probleme der englischen Landwirtschaft des ausgehenden Mittelalters bündeln sich in einem Phänomen, das die Forschung als ‚Einschließungsbewegung‘ (enclosure movement) bezeichnet hat. Gemeint ist die Umwandlung der offenen Felder der englischen Dorfgemeinschaften und Güter in abgeschlossenes Weideland für die Schafzucht. Dies war mit weit reichenden wirtschaftlichen und sozialen Wandlungen verbunden, mit der Umstellung der landwirtschaftlichen Nutzung, der Auflösung der Dorfgemeinschaften und der Entvölkerung einzelner Gebiete. Das enclosure movement stieß folglich schon bei den Zeitgenossen auf scharfe Kritik, so bei John Rous, der um 1490 in seiner Geschichte der Könige Englands eindeutig gegen die daraus resultierende Entvölkerung ganzer Dörfer Stellung bezog. Die Entwicklung lässt sich mit zwei Beispielen aus der Heimatregion von Rous, aus Warwickshire, illustrieren. In zwei Dörfern, Chesterton Magna und Kingston, die ein Kirchspiel bildeten, lebten um 1300 etwa 40 Familien, etwa die Hälfte mit eigenem Grundbesitz. Rund 200 Jahre später, um 1540, erscheinen dort in einer Steuerliste neben dem Grundherren nur noch acht Steuerzahler, von denen nur zwei Grundbesitz hatten, während die sechs anderen Lohnarbeiter waren. Die Konzentration des Grundbesitzes resultierte nicht nur aus dem Bevölkerungsrückgang im Zuge der Pestwellen, sondern auch aus einer Verarmung vor allem der kleineren Grundbesitzer, die ihren Besitz an Andere abgeben mussten. Diese verpachteten zwar weiterhin Teile ihres Landes, konnten aber nahezu gleich hohe Einkünfte aus den Abgaben für die Nutzung von Weiden erzielen, sodass immer mehr Äcker als Weideland genutzt wurden. Nach einem Wechsel der Grundherren wurde Kingston 1437 auf zehn Jahre an einen Fleischer aus Coventry verpachtet, der das – inzwischen wohl bereits eingefriedete – Land wahrscheinlich als Weide für Schlachttiere nutzen wollte. Dafür zahlte er mit rund 27 Pfund Pacht weit mehr, als der Wert des gesamten manor noch 1395 betragen hatte. Die höheren Erträge erklären somit auch die rasche Verbreitung des enclosure movement. Noch vor 1484 verschwand auch Chesterton Magna, nachdem dort alles Ackerin Weideland umgewandelt worden war. Die dort lebenden Bauern aber gerieten in Abhängigkeit von den Grundherren oder zogen in die Städte, die ihnen größere Unabhängigkeit versprachen.
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9. Die englischen Städte im späteren Mittelalter England war auch im Spätmittelalter im Wesentlichen ländlich geprägt, denn um 1500 lebten noch rund 95% der Bevölkerung auf dem Lande. Die meisten Städte waren recht klein und nur von mehreren hundert bis tausend Einwohnern bewohnt. Nur London, das auch nach dem 13. Jahrhundert stetig wuchs, zählte im 15. Jahrhundert wohl bis zu 50 000 Einwohner. Dort lebten somit um 1500 immerhin knapp 2% der gesamten Bevölkerung Englands. Die Entwicklung der Städte verlief keineswegs gleichmäßig, vielmehr hatte auch hier die Pest teilweise dramatische Folgen, und die Städte erholten sich davon erst langsam und regional unterschiedlich. Die spätmittelalterliche Stadtgeschichte beschreibt zwar nur einen kleinen, doch einen bedeutenden Teil der englischen Gesellschaft. Die Kaufleute gewannen für das Königtum seit dem 13. Jahrhundert immer mehr an Bedeutung, als Steuerzahler, Geldgeber und Einnehmer, sodass einigen von ihnen ein beachtlicher sozialer Aufstieg bis zur Erhebung in den Adelsstand gelang. Zugleich fanden die Städtevertreter nicht zuletzt aufgrund ihres wirtschaftlichen Einflusses Zugang zum Parlament. Die Städte wurden von ihren Stadtherren ausgebaut und privilegiert, bildeten Selbstverwaltungen und eigene Verfassungen aus. Ungeachtet der Bedeutung der ländlichen Wirtschaft war der größere Teil der Gewerbe in den Städten konzentriert, die sich zudem zu Zentren des Handels entwickelten. Der Vorsprung Londons gegenüber den anderen Städten wird z. B. aus den Zahlen für das Ende des 14. Jahrhunderts deutlich, als die Stadt nach einem ersten Höhepunkt ihrer Entwicklung um 1300 immerhin noch 30 000 bis 40 000 Einwohner hatte, die nächsten größeren Städte aber nur über 10 000 (York und Bristol) bzw. 7000 Einwohner (Plymouth und Coventry). Seit dem 13. Jahrhundert entstanden neue Stadtviertel entlang der wichtigsten Straßen, die durch Absperrungen nach außen abgegrenzt wurden, so gegen Westminster. Zugleich fand im Inneren eine Verdichtung statt, leere Plätze wurden bebaut und weiteren Häusern Stockwerke hinzugefügt. Die Zuwanderer kamen aus allen Teilen Englands, in erster Linie aber aus den östlichen Midlands. Nachdem London schon seit dem 12. Jahrhundert mit der Grafschaft Middlesex identisch war und sheriffs sowie Friedensrichter von den Bürgern bestimmt wurden, übernahm der Bürgermeister seit 1327 auch die Aufgaben des escheator. Dieser weitgehenden Selbstverwaltung entsprach eine wachsende politische Bedeutung der Stadt. Das galt selbst für die unruhigeren Zeiten, obwohl noch unter Eduard I. und Richard II., zwischen 1285 und 1298 bzw. 1392, Konflikte mit dem Königtum dazu führten, dass die Amtsträger in der Stadt kurzzeitig direkt vom König berufen wurden.
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Ein wesentlicher Faktor für die politische Rolle Londons war zudem die Nähe zu Westminster, dem Hauptsitz der königlichen Verwaltung, das eine eigenständige Stadt mit 3000 Einwohnern unter der Herrschaft des Abts von Westminster bildete. Sozial und wirtschaftlich wuchsen beide Städte im Laufe des späteren Mittelalters zusammen. Viele, die am Hof des Königs in Westminster, an der Kanzlei, den Gerichtshöfen oder dem Schatzamt beschäftigt waren, lebten eigentlich in London, und die meisten englischen Großen unterhielten in London oder Westminster eigene Residenzen, so John of Gaunt und die earls von Warwick und March. Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts fanden dann die Parlamente vorwiegend in Westminster statt, sofern dies nicht durch Spannungen oder politische Ereignisse verhindert wurde. Damit gewann London auch für den niederen Adel in den Grafschaften eine zentrale Funktion. So schrieb man, wie die Paston Letters belegen, nach London oder Westminster, um verlässliche Informationen über politische Ereignisse zu erhalten, und immer häufiger hielten sich die führenden Familienmitglieder dort für längere Zeit in Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten auf. In London kaufte man dabei zunehmend hochwertige Waren für die eigene Versorgung, sodass die Stadt in Bezug auf Fragen des Geschmacks, des Benehmens und der Lektüre mehr und mehr stilbildend wurde. Die wachsende politische Bedeutung der Städte stand in engem Zusammenhang mit ihrer Beteiligung an den Parlamenten. Da dort auch über Steuern entschieden wurde, war es im Interesse des Königtums, die Städte einzubinden. Obwohl unter Eduard I. nur relativ wenige Parlamente mit städtischer Beteiligung stattfanden, war ihre Vertretung in seiner Zeit am höchsten: 166 Städte waren mindestens einmal repräsentiert. Unter Eduard II. und Eduard III. ging die Zahl der vertretenen Städte auf 110 bzw. sogar 75 zurück, doch waren die Städte seit 1325 an jeder Sitzung des Parlaments beteiligt. Ungeachtet unterschiedlicher Interessen bildeten die städtischen Repräsentanten zusammen mit den Grafschaftsrittern spätestens seit 1340 die Gruppe der commons. Sowohl die Grafschaftsritter wie die Vertreter der kleineren Städte standen den Praktiken der Großkaufleute skeptisch gegenüber, die die Preise für die gewerblichen Waren in die Höhe zu treiben suchten, während die ländlichen Rohstoffe, vor allem Wolle, nur gering bezahlt wurden. Die Londoner Führungsgruppen suchten dabei – vor allem bei den inneren Spannungen des 15. Jahrhunderts – zu vermitteln, auch, weil sie andernfalls größere Auseinandersetzungen in der Stadt befürchteten. Die städtische Vertretung im Parlament erfuhr vor allem im Laufe des 15. Jahrhunderts einige Veränderungen, die zweifellos Folgen für die politische Stellung der commons hatten. So nahm zwischen 1422 und 1454 die
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Zahl von Nichtbürgern, die die Städte ins Parlament entsandten, deutlich zu. Darunter waren jüngere Söhne aus einflussreichen Familien oder andere Adlige, die keine Gelegenheit hatten, als Repräsentanten einer Grafschaft ins Parlament gewählt zu werden, aber ebenso Rentiers, ehemalige sheriffs und escheators sowie Mitglieder des königlichen Haushalts und des Schatzamts. Mindestens 19 Vertreter von – zumeist kleineren – Städten wurden 1454 von den Magnaten nominiert, d. h. den Bürgermeistern und Bürgern der Städte zur Wahl ‚empfohlen‘. Nicht immer ging jedoch die Nominierung von Nichtbürgern auf äußeren Druck zurück. Vielmehr spiegelte sich darin zugleich eine Öffnung der Führungsschichten zum ländlichen Adel. Als Repräsentanten der Städte herrschten daneben die städtischen Oberschichten vor, so z. B. die Gruppe der Kaufleute, die am profitablen Wollstapel in Calais beteiligt war, und jene Bürger, die in den Städten und Grafschaften königliche Amtsträger gewesen waren. Um 1454 wurden in Ausnahmefällen auch Vertreter der städtischen Mittelschichten ins Parlament gewählt, doch spielten sie dort nur eine untergeordnete Rolle. Adel und Königtum konkurrierten bei der Gründung und Ausstattung von Städten. Ein Beispiel für die Entwicklung königlicher Städte bietet Hull (Kingston-on-Hull), das als Wyke-on-Hull von dem Kloster Meaux gegründet und 1293 von Eduard I. im Tausch erworben wurde. Zu diesem Zeitpunkt bestand die Stadt aus 60 Haushalten, und der Zoll erbrachte bereits 1275 die beachtliche Summe von mehr als 1400 Pfund. Die königliche Übernahme bedeutete jedoch einen qualitativen Sprung. Eduard ließ die nach Hull führenden Straßen ausbauen, den Fluss Hull umleiten und gewährte der Stadt zwei Wochenmärkte. 1299 verlieh er den Bürgern eine Freiheitsurkunde, die ihnen die freie Verfügung über ihren Besitz, einen eigenen städtischen Gerichtshof, Zollfreiheit im ganzen Land sowie das Recht gewährte, die königlichen writs unabhängig von königlichen Amtsträgern umzusetzen und zu beantworten. Diese Rechte wurden 1331 erweitert, als Hull durch eine Geldzahlung die Aufhebung der direkten königlichen Verwaltung erreichte und fortan die Abgaben an das Königtum gegen feste Zahlungen selbst einziehen durfte. Hull wurde damit zu einem der großen wirtschaftlichen Zentren an der englischen Ostküste. Die Assimilation von Städten und Grafschaften und die Annäherung zwischen Bürgern und Landadligen, die am Ende des 15. Jahrhunderts sogar zu Bürgermeistern gewählt werden konnten, war eng mit der ‚Inkorporation‘ von Städten, d. h. der Anerkennung als eigenständiger Korporation, sowie mit der Erhebung von Städten in den Rang von Grafschaften verbunden. Dies begann 1373, als Eduard III. Bristol zur Grafschaft erhob, und wurde mit einer Reihe von ‚Inkorporationen‘ nach 1440 fortgesetzt,
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als Hull seine Rechte feierlich bestätigt wurden. Als ‚inkorporiert‘ galten Städte im 14. und 15. Jahrhundert, wenn sie fünf Kriterien erfüllten: das dauerhafte Recht zur Selbstverwaltung, die Möglichkeit der korporativen Klage bzw. der korporativen Verteidigung gegen Anklagen, die eigenständige Kontrolle von Grundbesitz, das Recht zum Erlass eigener Statuten sowie zum Führen eines eigenen Siegels. Dabei wurden die seit dem 13. Jahrhundert entwickelten Rechte im 15. Jahrhundert – vollständig oder mindestens teilweise – in den ‚Inkorporationsurkunden‘ bestätigt und der jeweilige rechtliche Status definiert und geklärt. Wenn gleichzeitig die Erhebung der Stadt in den Rang einer Grafschaft erfolgte, wurde den Amtsträgern der umliegenden Grafschaft das Eingreifen in der Stadt verboten und die Tätigkeit der städtischen Institutionen aufgewertet. So ersparte das Privileg für Bristol von 1373 seinen Bürgern die Reisen zu den Grafschaftsgerichten in Gloucester und Ilchester, richtete ein eigenes, städtisches Gericht ein und erlaubte die Wahl von sheriff und escheator. Ähnliche Urkunden folgten 1396 für York, 1400 bzw. 1401 für Newcastle upon Tyne und Carlisle, 1404 für Norwich und 1409 für Lincoln. Eine Serie weiterer Privilegien begann 1439 mit einer vom König bewilligten Petition der Stadt Plymouth bzw. mit der Urkunde für Hull von 1440. In der Folge dieser Privilegien wurden die sozialen Kategorien vielfach vermischt. Ein und dieselbe Person konnte zuerst eine Grafschaft, dann eine Stadt im Parlament vertreten. Gemeinsame finanzielle Interessen, Eheverbindungen sowie die Stände übergreifende Ausbildung von Juristen führten die Vertreter von Stadt und Land zusammen, zumal auch viele Bürger Grundbesitz erworben hatten. Schon um 1300 hatten die meisten größeren Städte jedoch eine relativ weit gehende Selbstverwaltung erreicht, meist unter einem Bürgermeister mit 12 oder 24 Ratsherren, die zum Teil als Älterleute bezeichnet wurden. Ausgangspunkt dieser Entwicklung waren zumeist die älteren Gilden, die in vielen Städten bis ins 13. Jahrhundert einen ersten Zusammenschluss der städtischen Führungsschicht darstellten. Erst allmählich kam es zu einer Differenzierung und zur Bildung eigener, kaufmännischer Gilden. Die Städte mussten vielfach Abgaben an das Königtum entrichten, und dieses griff weiterhin mit seinen Entscheidungen in den Städten ein. Da die städtischen sheriffs und escheators als Vertreter des Königtums verstanden wurden, ordnete sich die Entstehung städtischer Ämter in den Ausbau der königlichen Verwaltung ein, doch verfestigten sich damit zugleich auch die inneren Strukturen der Städte. Ein Beispiel dafür bieten die »alten Gewohnheiten« der Stadt Winchester vom Ende des 13. Jahrhunderts. Dort wählten die Bürger einen Rat aus 24 vertrauenswürdigen und erfahrenen Bürgern sowie mit Zu-
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stimmung dieses Rates jährlich einen Bürgermeister, der für die Wahrung der städtischen Rechte zuständig war. Die ursprünglich königliche, nunmehr städtische Gerichtsbarkeit lag in den Händen zweier vom Bürgermeister und Rat vorgeschlagener und von den Bürgern gewählter Richter, die von vier Sergeanten unterstützt wurden. Besonders ausführlich regeln die »Gewohnheiten« Fragen des Gewerbes, vor allem der Tuchproduktion, die in Winchester trotz eines gewissen Rückgangs auch um 1300 noch große Bedeutung hatte. Nicht zufällig wurde den Bürgern darin verboten, Tuche außerhalb der Stadt herstellen zu lassen, und die Länge und Breite der Tuche war genau vorgeschrieben. Zwei Mitglieder des Handwerks wachten über die Einhaltung der Vorschriften und sollten die städtischen Amtsträger über Verstöße informieren. Von allen Webstühlen waren feste Abgaben zu entrichten, von den größeren bis zu fünf Schillingen, von den kleineren mindestens sechs Pfennige pro Jahr. Auch die anderen Handwerker und Händler hatten feste Abgaben zu entrichten, und an den Toren Winchesters wurden für die zum Verkauf hereingeführten Waren Gebühren erhoben. Wenn der König Steuern einforderte, legten ausgewählte Bürger die zu zahlende Summe auf die einzelnen Einwohner um, zogen die Gelder ein und übergaben sie den königlichen Amtsträgern. Weiter wurde festgelegt, dass die Stadt ein eigenes, ‚authentisches‘ Siegel führen sollte, das gegen Gebühr auch zur Bestätigung von Urkunden der Bürger eingesetzt werden konnte. Die Gewohnheiten regeln schließlich ausführlich die Gerichtsverfahren in der Stadt. So wird bestimmt, dass ein Bürger – nach allgemeinem Brauch – dreimal geladen werden musste, wenn Anklage gegen ihn erhoben worden war, und zwar an aufeinander folgenden Tagen. Fremde brauchten jedoch nur einmal geladen werden. Wenn jemand ohne direkte Erben in der Stadt starb, wurde sein Besitz von den städtischen Amtsträgern eingezogen, bis ein Erbe ermittelt war. Wer aber Land oder Häuser im Stadtgebiet nach dem Antritt einer Erbschaft oder nach einem Kauf für Jahr und Tag innehatte, gegen den konnten keine Ansprüche mehr vorgebracht werden. Ähnlich nutzten auch andere Städte den Freiraum, den ihnen ihre Privilegien ließen, um die verschiedenen Bereiche des städtischen Lebens in ihrem Sinne zu ordnen. In den Städten spielten – je nach ihrer Größe – mehr oder weniger zahlreiche Bruderschaften, Gilden und Zünfte weiterhin eine wichtige Rolle. Das Spektrum reichte von der allein auf religiöse Zwecke hin orientierten Bruderschaft an einer Pfarrkirche über die älteren Zusammenschlüsse der städtischen Führungsschichten bis zu den gewerblichen Zünften, die allerdings meist auch eigene Altäre oder karitative Einrichtungen unterhielten.
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Sie besaßen eigene Statuten oder Vorschriften, die das Gemeinschaftsleben und die Aufnahme von neuen Mitgliedern, die Arbeit im jeweiligen Gewerbe und die Ausbildung von Nachwuchs regelten. Wie z. B. aus der Rolle der Kaufleutegilde in Leicester zu 1357 hervorgeht, fanden die Versammlungen (sog. Morgensprachen) der Gilden häufig unter Beteiligung oder Leitung der städtischen Autoritäten – hier des Bürgermeisters William of Dunstable – statt, die daran interessiert waren, die Gilden zu kontrollieren. Umgekehrt suchten vor allem die Vertreter der reicheren Gilden Einfluss auf die Verwaltung der Städte zu gewinnen. So wurde in London 1351 eine Beteiligung der Gilden an der Wahl des common council, der Vertretung der Bürgerschaft gegenüber den oligarchischen Strukturen der Stadtverwaltung, festgelegt und seit 1467 sollten auch Bürgermeister und sheriffs unter Beteiligung der Vertreter von Gilden und Zünften gewählt werden. Die Städte, allen voran London, waren in vieler Hinsicht soziale Brennpunkte. Die Spannungen zwischen den Führungsschichten, den Zünften sowie den zahlreichen Armen in der Stadt gewannen in unruhigen Zeiten – wie während des Bauernaufstands 1381 und der Rebellion des Jack Cade 1450 – politische Relevanz und beeinflussten die Ereignisse im Lande. Daneben kam es auch zu Konflikten um die Stadtverfassung, so in London zwischen 1381 und 1383 sowie 1437 und 1444. Umstritten waren dabei der einer mittleren Schicht entstammende Bürgermeister John of Northampton bzw. die Wahl des Schneiders Ralph Holland zum Bürgermeister. Bristol wurde bereits zwischen 1312 und 1316 durch Kämpfe zwischen der Oligarchie und den commons der Stadt erschüttert, und in den ersten Jahrzehnten des 15.Jahrhunderts mussten in weiteren Städten innere Konflikte vom Kanzler bzw. von König Heinrich V. geschlichtet werden. Die Bedeutung der Städte resultierte vor allem aus dem Aufschwung von Handel und Gewerbe. Bristol profitierte nicht nur von seinem guten Hafen, der ein Zentrum des Weinimports aus der Gascogne war, sondern auch von der Beziehung zu seinem Hinterland, in dem – vor allem in den kleineren Städten – hochwertige Tuche hergestellt wurden, die über Bristol exportiert werden konnten. York nutzte seine Nähe zu einem weiteren Zentrum der Woll- und Tuchproduktion, ähnlich wie die Hafenstadt Hull. Im Binnenland blühte Coventry als Knotenpunkt des innerenglischen Verkehrs. Häute und Salz kamen von Chester im Westen auf dem Weg nach London durch Coventry. Ebenso wurden dort die Weine aus Bristol, Holz und Asche aus Southampton sowie die in den Häfen der englischen Ostküste angelieferten Ostseewaren und Fische umgeschlagen. Auch gab es hier eine eigene Tuchproduktion, die im Austausch gegen die genannten Waren exportiert wurde. In den kleineren Städten versorgte
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sich die Landbevölkerung auf den Wochenmärkten und bot ihrerseits ihre Waren an. Grundlagen des Handels waren die Versorgung mit Rohmaterialien und die gewerbliche Produktion. Neben Eisen wurden an Bodenschätzen vor allem Blei und Zinn gewonnen, die unter anderem für die Abdeckung von Dächern, für Rohre und Gefäße Verwendung fanden. Der Abbau von Blei erfolgte im Norden, in Derbyshire, Yorkshire und Shropshire, sowie in den Mendips südlich von Bristol, der von Zinn vor allem im Südwesten, in Devon und Cornwall. Insbesondere die lohnende Zinnproduktion stieg kontinuierlich an und erreichte in den 1330er-Jahren fast 1,4 Millionen Pfund. Nach einem Einbruch auf rund 500 000 Pfund erhöhte sich die durchschnittliche Produktion bis um 1400 wieder auf 1,25 Millionen Pfund. Zinn und Blei – letzteres allerdings erst seit dem Ausgang des 15. Jahrhunderts – spielten eine wichtige Rolle für den Export. Eine herausragende Rolle kam zweifellos dem Textilgewerbe zu, das in den Städten in vielfacher Differenzierung zu finden war. Zwar wurde zunächst und vor allem für den lokalen Bedarf produziert, doch entwickelte sich nach einem Einbruch um 1300 seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts wieder ein eigenständiges Exportgewerbe, wobei nicht alle Städte ihre Stellung wahren konnten. Noch vor 1400 wurde ein Drittel der englischen Tuche allein in Salisbury, Bristol, York und Coventry hergestellt, doch dehnte sich die Produktion bald auch in den ländlichen Bereich aus, z. B. nach Suffolk, Essex, Berkshire und Yorkshire. Um 1350 wurden so 15 000 bis 16 000 Ballen feines Tuch hergestellt, um 1400 schon 50 000 Ballen, davon rund vier Fünftel für den Export. Man hat geschätzt, dass um 1400 allein 17 000 bis 20000 Arbeiter ganztägig für den Export tätig waren. Auch wenn die Einführung von Walkmühlen die steigenden Lohnkosten des ausgehenden 14. Jahrhunderts in einigen Regionen auffing, ist dieser Erfolg vor allem auf die Initiative der Tuchmacher zurückzuführen, die Umfang und Qualität der Produktion durch Spezialisierung und Aufteilung auf verschiedene Arbeitsgänge erhöhten und die Methoden verbesserten, um gleichmäßigere Standards zu erreichen. Dazu kam eine Eingliederung in den jahreszeitlichen Ablauf der Wirtschaft. Nach den städtischen Bristol Day Books wurden die hergestellten Tücher vor allem immer dann zur Qualitätskontrolle und Besieglung gebracht, wenn, wie nach Weihnachten oder dem Abschluss der Ernte, wenig andere Arbeiten anfielen. In den Städten gab es darüber hinaus eine Vielzahl weiterer Gewerbe. Ähnlich differenziert wie die Textil- waren zunächst die Lederhandwerke. Aber auch in der Metallverarbeitung nahm die Spezialisierung im Laufe der Zeit zu. Neben Waffen und Rüstungen wurden vor allem Gegenstände
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des täglichen Gebrauchs hergestellt. Dazu kamen die verschiedenen Bauhandwerker sowie weitere Gewerbe wie Fassbinder und Töpfer. Die Zahl und Differenzierung der Handwerke hing von den lokalen Entwicklungen und der Größe der Stadt ab. In einigen größeren Städten, vor allem in London, gerieten einzelne, spezialisiertere Gewerbe in Abhängigkeit von anderen. Dort arbeiteten z. B. Gürtler, Maler und einige Schreiner nur noch für die Sattler, und Klingenschmiede und Scheidenmacher hingen von den Messerschmieden ab. Die wichtigsten Handelswaren bildeten sowohl Rohstoffe wie Wolle und Zinn als auch die Produkte der spezialisierteren Gewerbe, vor allem der Textil- und Metallgewerbe. Unter den Exporten herrschten bis ins 14. Jahrhundert die Rohstoffe vor, dabei an erster Stelle Wolle. Die Wollausfuhr erreichte bald nach 1300 einen Höhepunkt mit rund 34 000 Säcken, die zum großen Teil nach Flandern gebracht wurden. Die politischen Entwicklungen des 14. Jahrhunderts, die vor allem den Wollhandel trafen, und höhere Gewinne ließen die Tuchexporte Englands bis zum Ende des 14. Jahrhunderts auf das Fünffache ansteigen, während der Wollexport seit den 1350er-Jahren stetig zurückging. Noch um 1400 war jedoch die Menge der ausgeführten Wolle doppelt so hoch wie die, die im Lande selbst verarbeitet wurde. Dies änderte sich erst im 15. Jahrhundert. So verlor der englische Wollexport erheblich an Bedeutung, als die niederländischen Tuchproduzenten – trotz anfänglicher Verbote in einigen Städten – zunehmend englische durch spanische Wolle ersetzten. Gleichzeitig wuchs die Tuchproduktion weiter, die nunmehr vor allem von der Kompanie der Merchant Adventurers vertrieben wurde, städtischen Kaufleuten, unter denen die Londoner zunehmend an Einfluss gewannen. Sie richteten am Anfang des 16.Jahrhunderts jährlich mindestens zwei Flotten von Schiffen mit Tuchen aus und unterhielten Niederlassungen in den Niederlanden. Für die Wollausfuhr spielte seit der Mitte des 14. Jahrhunderts eine andere, ältere Kompanie eine entscheidende Rolle, die der Merchants of the Staple. Unter Eduard III. wurde der Wollexport aus fiskalischen Gründen an einem Ort konzentriert, an dem die Ware verkauft werden musste. Dafür bot sich Calais an, das 1347 durch Eduard erobert worden war und mit kürzeren Unterbrechungen bis 1558 Stapelplatz für Wolle blieb. Die Kompanie, der neben Fernhändlern und anderen Kaufleuten kleinere Landbesitzer und selbst Pächter von Kronland angehörten, organisierte den Versand der Wolle von Boston, Ipswich, London und anderen Häfen der englischen Ostküste nach Calais. Aufgrund ihres Monopols und der starken Wollnachfrage konnten die ‚Stapel-Kaufleute‘ ihren Abnehmern weit gehend die Bedingungen diktieren. So wurde die Möglichkeit zur Kreditaufnahme begrenzt, und nicht immer wurde eine Prüfung der Woll-
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qualität gestattet. Ausfuhrlizenzen für Wolle wurden daneben auch an andere Kaufleute vergeben, insbesondere an Italiener, sodass im 15.Jahrhundert zeitweilig bis zu 20% des englischen Wollexports über Southampton in den Mittelmeerraum verschifft wurden. Importiert wurden dagegen in erster Linie Luxuswaren und Gewerbeerzeugnisse. Aus der Gascogne kam – eingeführt von Kaufleuten der Region – in großem Umfang Wein, am Anfang des 14. Jahrhunderts jährlich rund 20 000 Fässer. Italienische Kaufleute brachten auf dem Seeweg vor allem Seide, Gewürze und südländische Früchte nach England und hatten lange eine führende Rolle im Fernhandel. Daneben wurden auch die hochwertigen Tuche aus den Niederlanden, vor allem aus Flandern, ins Land gebracht, auch wenn die wachsende Bedeutung der englischen Tuchindustrie zu einem Importrückgang führte. Allein aus dem Ostseeraum kamen vor allem Massenwaren, Holz, Pech, Asche, Wachs, Eisen, Pelze und – seit dem 14. Jahrhundert bei Missernten – auch Getreide. Die Hansekaufleute kontrollierten lange Zeit nicht nur den Ostseehandel, sondern auch den Austausch Englands mit Nordeuropa, vor allem mit Norwegen. Seit dem 14. Jahrhundert wurden jedoch die englischen Kaufleute mehr und mehr selbst im Fernhandel aktiv. Lagen in der Zeit Eduards I. noch bis zu zwei Dritteln der Wollaus- bzw. der Tuch- und Weineinfuhren in der Hand ausländischer Kaufleute, nahm ihr Anteil im Laufe des 14. Jahrhunderts stetig ab. Zeitweilig kontrollierten englische Fernhändler bis zu 80% des Woll- und Weinaustauschs. Allein bei den Tuchexporten blieb zunächst die Stellung der auswärtigen Kaufleute bis in die 1360erJahre stark. Dann aber begannen die englischen Kaufleute sowohl, direkt bis in den Mittelmeerraum und zur Levante vorzudringen, wo sie bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts eine Rolle spielten, als auch, den hansischen Kaufleuten im Ostseeraum Konkurrenz zu machen. Seit 1370 lassen sie sich z. B. in Danzig nachweisen, und trotz häufiger Konflikte gelang es ihnen bis 1425 nahezu ein Monopol für den Import englischen Tuchs nach Preußen aufzubauen. Währenddessen stagnierte der hansische Umsatz in den ostenglischen Häfen, allein die Kölner profitierten von der wachsenden Bedeutung Londons. Die Hansekaufleute – allen voran Hamburger – konnten sich erst wieder im 16.Jahrhundert etwas größere Anteile sichern, selbst wenn nun die Merchant Adventurers zur führenden Kraft im englischen Tuchhandel aufstiegen.
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10. Kultur und Alltag Die reichhaltige Überlieferung des späteren Mittelalters erlaubt Einblicke in viele Aspekte von Kultur und Gesellschaft, die zuvor nur in Ansätzen erkennbar wurden. Im Bildungswesen, an den Universitäten, lassen sich nunmehr Karrieren einzelner Scholaren und Magister nachzeichnen. Daneben tritt auch die Alltagskultur, die Ernährung der Menschen und ihre gemeinschaftliche Lebensweise deutlicher hervor, und Männer und Frauen werden individuell und in ihrem Verhältnis zueinander besser fassbar. Zugleich öffnete sich die Literatur breiten Kreisen, da sie zunehmend in Mittelenglisch verfasst wurde. Die Vielfalt der spätmittelalterlichen Kultur und des Alltags kann hier nur angedeutet werden. Spätestens seit der Großen Pest und ihren Folgen begannen weit reichende Wandlungen in der individuellen Haltung der Menschen, die den Vergleich mit früheren Jahrhunderten erschweren. Ein Beispiel ist eine gewandelte Einstellung zum Tod, die sich nicht nur in vermehrten Seelenheilstiftungen und in Totentanzdarstellungen, sondern auch – allerdings erst seit den 1420er-Jahren und nur in bestimmten gesellschaftlichen Gruppen – in Grabmonumenten äußerte, die dem lebenden Abbild des Verstorbenen einen zerfallenden, von Würmern zerfressenen Körper an die Seite stellen, oder sich sogar nur auf letzteres beschränken. Obgleich viele nun der Amtskirche kritisch gegenüberstanden, ermöglichten die intensive Frömmigkeit der Menschen und die daraus erwachsenden Schenkungen zahlreiche Kirchenbauten, die nun vielerorts im englischen Stil der Spätgotik, dem Perpendicular Style, neu errichtet wurden, der auch universitäre Bauten dieser Zeit (wie Divinity School, Oxford) prägt. Die beiden am Anfang des 13. Jahrhunderts etablierten und vom Königtum unterstützten Universitäten in Oxford und Cambridge spielten im späteren Mittelalter weiterhin eine wichtige Rolle, vor allem für die Ausbildung des englischen Klerus, auch wenn weltliche Karrieren während des 14. und 15. Jahrhunderts durchaus möglich waren und im 15. Jahrhundert viele Magister an den Universitäten blieben. Zwischen beiden Universitäten gab es eine regionale Abgrenzung, bei der Cambridge vor allem mit dem Norden und Osten des Landes in Beziehung stand, Oxford aber vor allem mit dem Süden, Westen und Südwesten. Die Zahl der Scholaren wuchs bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts und wurde wohl auch durch den Pesteinbruch nicht wesentlich verringert. Allein in Oxford könnten um 1310 2000 Scholaren studiert haben, und selbst angesichts der Verluste durch die Epidemien fiel ihre Zahl wohl nie unter 1500. Im 13. und 14. Jahrhundert entstanden – vor allem für fortgeschrittene Scholaren – in Oxford wie in Cambridge zahlreiche Halls und Colleges, in
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Oxford z. B. Merton College (1262/64) und New College (1379), in Cambridge King’s Hall (um 1317) und Corpus Christi College (1352). Die Colleges waren selbstverwaltete Gemeinschaften mit Grundbesitz, die ihren Mitgliedern Unterkunft, finanzielle und geistliche Unterstützung sowie besonderen Unterricht boten. Am Merton College entwickelte sich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine eigene philosophisch-theologische Schule, in der der Theologe Thomas Bradwardine, 1349 bis zu seinem frühen Tod durch die Pest kurzzeitig Erzbischof von Canterbury, eine herausragende Rolle spielte. Nach 1350 gewannen traditionellere Vorstellungen an Boden, während spekulative Elemente zurücktraten. Das Rechtsstudium bildete einen besonderen Bereich. Nachdem Heinrich III. 1234 den Unterricht im Römischen Recht in London verboten hatte, blieb dieses auf die Universitäten beschränkt. In Westminster und London entwickelte sich daneben eine eigenständige Ausbildung im englischen Gewohnheitsrecht. Sie orientierte sich zwar auch an universitären Vorbildern, mit Vorlesungen und Disputationen, grenzte sich jedoch deutlich vom Studium des Römischen Rechts ab, auch wenn gelegentlich Absolventen der Universitäten in eine Karriere im common law überwechselten. Im 15. Jahrhundert war das eigene Ausbildungssystem in den inns of chancery und den inns of court weitgehend etabliert. Die Rechtsausbildung bot Aufstiegschancen für Gelehrte einfacherer Herkunft, eröffnete aber auch dem Adel zusätzliche Perspektiven. So stieg John Tiptoft, der earl von Worcester, nach einem Studienaufenthalt in Italien, bei dem er eine beachtliche Bibliothek aufgebaut hatte, unter Eduard IV. zum Konnetabel auf, auch wenn er seine gute Reputation angesichts der mit äußerster Härte und jenseits der Regeln des common law am Gerichtshof des Konnetabels geführten Hochverratsprozesse bald wieder verlor. Juristische, philosophische und theologische Ansätze kennzeichnen eine intensive Debatte über Recht und Herrschaft, die mit Bracton und dem Autor der Fleta im 13. Jahrhundert begann und sich in den folgenden Jahrhunderten fortsetzte, nicht zuletzt in den Schriften Sir John Fortescues. Dabei wurden den Rechten und Möglichkeiten des Königtums auch die Pflichten gegenüber den Untertanen und deren Rechte gegenübergestellt. So hob William of Pegula in seinem Speculum Regis Edwardi III von 1331/32 – angesichts wachsender Unruhe unter den ländlichen Grundherren über die königlichen Maßnahmen zur Versorgung seines Haushalts und seiner Truppen – nachdrücklich die Unverletzbarkeit der individuellen Rechte auf Besitz und Freiheit hervor, während Fortescue in seiner Schrift über das Naturrecht individuelle Besitzrechte schon im Bericht der Genesis verankert sah. Die spätmittelalterliche Kultur Englands zeichnete sich daneben durch
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die wachsende Verbreitung volkssprachlicher Texte aus. Das galt nicht nur im Bereich der Dichtung – und nicht nur für die bekannten Werke wie Chaucers Troilus and Criseyde sowie Canterbury Tales oder William Langlands Piers Plowman –, sondern auch für andere literarische Gattungen, für die Bibelübersetzung der Lollarden, für Chroniken ebenso wie für politisches Schrifttum. So schrieb Fortescue nicht nur in Latein, sondern verfasste seinen Leitfaden für die Verwaltung Englands (On the Governance of England) in englischer Sprache. Ein weiteres Beispiel ist das in Reimen verfaßte Libelle of Englyshe Polycye. Es entstand (in einer ersten Fassung) zwischen 1436 und 1438 in Reaktion auf die gewandelte politische Situation nach dem Ende des englisch-burgundischen Bündnisses nach dem Kongress von Arras 1435 und fordert nachdrücklich eine auf Handel und Seefahrt ausgerichtete Politik Englands, vor allem eine Behauptung des Meers, denn „das ist die Mauer Englands“.62 Der Traktat, der im Stapel von Calais den Schlüssel zum europäischen Handel sieht, ist Ausdruck einer eigenen literarischen Kultur der Kaufleute und gehört in eine umfangreiche volkssprachliche Buchproduktion im London der zweiten Hälfte des 15.Jahrhunderts. Einblicke in den Alltag des niederen englischen Landadels vermitteln einige ebenfalls volkssprachliche Briefsammlungen, die eher zufällig und meist nicht geschlossen überliefert sind, so die Paston Letters sowie die Briefe der Plumptons und Stonors. Allein aus dem Umfeld der PastonFamilie haben sich aus dem 15. Jahrhundert weit über tausend Briefe erhalten, mit einem Schwerpunkt auf der Korrespondenz Johns I., geboren 1421, gestorben 1466, und seiner Frau Margaret. Vor allem die Korrespondenz zwischen den Mitgliedern der Familie spiegelt u. a. die Probleme bei der Bewirtschaftung ihres Besitzes oder bei der Erziehung und Versorgung der Kinder. So geht aus einem Brief der Mutter John Pastons von 1440 hervor, dass seine Braut Margaret für die Hochzeit vom Vater ein neues Kleid bekommen sollte, aus einem strahlenden blauen Stoff, während die Brautmutter einen Pelz dazugeben würde. Ein Brief Margarets von 1441 erwähnt den Kauf grauen normannischen Tuchs, um daraus ein Winterkleid zu nähen, weil zwei andere nicht mehr geeignet waren. Als John Paston 1443 schwer erkrankt war, stiftete seine Mutter eine Wachsfigur mit seinem Gewicht an den Schrein Unserer Lieben Frau zu Walsingham und vier Nobel an die vier Bettelordensniederlassungen in Norwich, damit die Mönche für ihn beteten, während seine Frau ihm in einem Schreiben versprach, auf eine regionale Pilgerfahrt zu gehen. Aus diesem Brief spricht dann auch die Sorge Margarets um ihren Mann: „Ich hatte niemals eine so schwere Zeit, wie ich sie hatte von dem Zeitpunkt an, als ich von deiner Krankheit erfuhr, bis ich von deiner Gesundung hörte.“63
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Diese Stellen berühren sowohl die Alltagsgeschichte der Kleidung – das Brautkleid einer Frau des Landadels, die begrenzte Zahl ihrer Kleider – als auch die der Frömmigkeit, d. h. geistliche Stiftungen und Wallfahrten zur Fürbitte im Fall einer schweren Krankheit. Sie spiegeln aber auch das Bedürfnis nach intensiver Kommunikation – die 124 erhaltenen Briefe der Margaret Paston wurden, je nach Anlass, von rund 30 verschiedenen Schreibern geschrieben – und die Aufgabenteilung innerhalb einer Ehe – die Ehemänner hielten sich lange Zeit in London auf, während die Frauen den Familienbesitz verwalteten – sowie die Rolle von Witwen. Ehen waren für den Adel in erster Linie ein Mittel, die Ländereien der Familie zu erweitern und ihre Stellung zu stärken, doch erlangten Frauen im Laufe der Zeit – vor allem infolge der demographischen Veränderungen durch die Pest – nicht nur innerhalb der Ehe eine eigenständige Bedeutung. Das galt einmal – an herausgehobener Stelle – für den Hochadel. Ein prominentes Beispiel dafür ist Margarethe von Anjou, die Gemahlin Heinrichs VI., die seit der Geburt des Thronfolgers Eduard 1453 stetig an Einfluss auf die Politik gewann. 1445 kam sie als junges Mädchen zur Hochzeit mit Heinrich aus Frankreich nach England und suchte den Erwartungen nachzukommen, die an sie als pflichtbewusste Ehefrau und Königin gerichtet wurden. Obwohl sie Heinrich Ende 1445 zugunsten Frankreichs zum Verzicht auf Maine bewegt haben könnte und im Juli 1450 bei der Abwesenheit des Königs zumindest formal an den Verhandlungen zum Abzug Jack Cades aus London beteiligt war, war sie zunächst kaum politisch aktiv. Dies änderte sich erst infolge der Ereignisse ab 1453, die sie im teilweise orientierungslosen königlichen Lager zur führenden Gestalt werden ließen, ihr aber bei den Zeitgenossen wie späteren Historikern einen schlechten Ruf verschafften. Auf Ablehnung stieß auch die Mätresse Eduards III., Alice Perrers, der es durch ihre aktive Rolle gelang, zwischen 1362 und 1377 weitgehend eigenständig umfangreichen Grundbesitz zu erwerben. Eine zurückgezogene Rolle spielte dagegen Cäcilia, die Herzogin von York und Mutter Eduards IV. und Richards III. aus der Familie der Nevilles, in der Regierungszeit ihrer Söhne. Sie erhielt als Witwe regelmäßige Zahlungen von über 100 Pfund jährlich und gab noch 1485 täglich einstündige Audienzen. Ihr Alltag war vor allem von ihrer religiöse Lebensführung geprägt. Sie stand um sieben Uhr zur Messe auf und kehrte nach dem Frühstück noch einmal in die Kapelle zurück. Auch das Mittagessen wurde von geistlichen Lesungen begleitet. Nach der Audienz legte sie sich kurz schlafen, um dann – nach etwas Wein oder Bier – zum Abendgottesdienst zu gehen. Beim Abendessen wiederholte sie die Tischlesung und
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begab sich dann zu einem Gespräch mit ihren Damen. Der Tag endete nach acht Uhr im persönlichen Gebet. Allerdings zogen sich die Witwen von Herrschern oft nicht völlig aus der Politik zurück. So führte Eleonore von der Provence, die Witwe Heinrichs III., ihren Titel als Königin von England, Herrin von Irland und Herzogin Aquitaniens auch unter Eduard I. weiter, bis zu ihrem Tod 1291. Adlige Frauen besaßen ohnehin – zumindest teilweise – größere Unabhängigkeit von ihren häufig abwesenden Ehemännern, konnten über die Klientel ihrer Männer in der öffentlichen Sphäre wirken, reisten viel und knüpften viele soziale Kontakte, auch wenn sie ihre Zeit vor allem in der Gesellschaft anderer Frauen verbrachten, zu denen in der Regel enge Beziehungen bestanden. Sie waren so zwar besser vor möglichen Übergriffen geschützt als ärmere Frauen, wurden aber seit der Pest zunehmend durch strengere Kleidervorschriften und veränderte Normen eingeschränkt. Die ‚klassische‘ Aufgabenteilung, bei der die Frauen für die Kinder und den Haushalt verantwortlich waren, während ihre Männer an Politik und Kriegen teilnahmen, hatte vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht in den Fällen keine Bedeutung, in denen Männer und Frauen gemeinsam die Ernte einbrachten oder die Geschäfte führten. In den Städten gab es so für Ehefrauen von Arbeitern und Handwerkern viele Gelegenheiten, sich außerhalb der Familie zu bewegen. Nicht zufällig gewannen Frauen dort privat wie ‚öffentlich‘ häufig eine eigenständigere Stellung und wurden stärker in das Alltagsleben integriert, auch wenn ihnen jenseits der Teilhabe an Gilden und Bruderschaften öffentliche Ämter verschlossen blieben. So beteiligten sie sich an Handel und Gewerbe, hatten allerdings angesichts unterschiedlicher wirtschaftlicher Ausgangsbedingungen nicht immer und überall dieselben Möglichkeiten. Frauen fanden insbesondere am Anfang des 15. Jahrhunderts in nordenglischen Städten wie York leicht Arbeit – unter anderem als Dienstmädchen – und zogen die Beschäftigung einer frühen Heirat vor. Dies änderte sich jedoch durch die ökonomische Rezession der Jahrhundertmitte, als die Männer die weibliche Konkurrenz ausschließen konnten. Danach heirateten Frauen wieder in größerer Zahl, zudem in einem jüngeren Alter – sofern sie die Gelegenheit dazu erhielten und nicht wegen ihrer Armut in die Prostitution getrieben wurden. Andererseits finden sich in manchen Städten Frauen z. B. in der Seidenindustrie und im Brauereigewerbe. So oder so hingen der Lebensstandard und die Position von Frauen weitgehend von ihren Familien und deren – von Krankheit, Unfällen, Missernten, vorzeitigem Tod von Familienmitgliedern und anderem bedrohter – wirtschaftlicher Stellung ab. Frauen standen zwar nur einem Haushalt vor, wenn ihr Mann verstor-
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ben war, doch waren die Familien – zumindest in den Städten – nicht grundsätzlich patriarchalisch strukturiert. Starb der Vater, gingen die Kinder nicht zu den väterlichen Verwandten, sondern blieben bei ihrer Mutter und erhielten eventuell einen Stiefvater. Der (eheliche) Haushalt bildete überhaupt die Grundlage der städtischen Gesellschaft. Er war umso größer, je reicher die Familie war. Nach Zahlen für Coventry vom Anfang des 16. Jahrhunderts wohnten durchschnittlich weniger als vier Personen in jedem Haushalt, doch waren es über sieben Personen bei Kaufleuten, aber nicht einmal durchschnittlich zwei bei den Armen der Stadt. Die Menschen lebten in den Städten viel dichter zusammen als heute, und der Raum wurde schon früh intensiv genutzt. Baute man z. B. in York im 14. Jahrhundert noch zweigeschossig, wurden im 15. Jahrhundert drei Stockwerke die Regel. In kleineren Städten unterschieden sich die Häuser dagegen wohl kaum vom umgebenden Land. Sie waren klein und eingeschossig. Ein zentrales Problem in den Städten war stets die Wasserversorgung. Jede Stadtgründung erforderte die Suche nach Wasservorkommen und die Anlage von Brunnen. Diese mußten kontinuierlich erhalten bzw. ersetzt werden, und dazu verwandte man im ausgehenden Mittelalter zunehmend eine Auskleidung mit Steinen. Im spätmittelalterlichen Winchester hatte wahrscheinlich fast jedes Haus einen eigenen Brunnen, sofern nicht fließende Gewässer in der Nähe waren. Dazu befand sich in der High Street nahe beim Rathaus ein öffentlicher Brunnen, dessen Wasser vor allem von den Marktgewerben, insbesondere den Fleischern und Fischverkäufern, verbraucht wurde. Wasserzuführung durch Leitungen war vor allem eine Sache größerer geistlicher Gemeinschaften. In Städten mit zahlreichen Klöstern und weiteren kirchlichen Institutionen wie Oxford, London und Bristol gab es sogar mehrere Leitungssysteme nebeneinander. Da die privaten Brunnen vielfach durch nahe gelegene Kloaken verschmutzt zu werden drohten, baute man seit dem 13. Jahrhundert öffentliche Wasserleitungen in die Städte, so nach London, und machte das Wasser in Brunnenhäusern (standards) zugänglich. Zunehmend mussten bestimmte Einkünfte für den Erhalt der Leitungen reserviert werden. Schon bevor die ‚Agrarkrise‘ des 14. Jahrhunderts zu weit reichenden Änderungen führte, kamen trotz der großen Bedeutung des Getreides für die alltägliche Ernährung auch andere Nahrungsmittel auf den Tisch. So erhielten z. B. 1289 Fuhrleute auf dem Herrenhaus von Ferring in Südengland neben Roggenbrot noch morgens Bier und Käse, mittags Fisch oder Fleisch. Die vermehrte Viehhaltung erhöhte dann seit dem Ausgang des 14. Jahrhunderts den Fleischverbrauch, wenn auch mit deutlicher sozialer und regionaler Differenzierung, und mit der Umstellung auf Gerstenanbau vermehrte sich der Bierkonsum. Gab es zum Beispiel noch am Aus-
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gang des 13. Jahrhunderts nur wenige ländliche Schenken, die vor allem für besondere Feierlichkeiten genutzt wurden, fanden sich die Bauern im 15. Jahrhundert in ihrer Freizeit immer häufiger zu gemeinschaftlichem Biertrinken zusammen. Das Alltagsleben war zweifellos weiterhin durch die Arbeit bestimmt, doch führten spätestens die Entwicklungen seit der Großen Pest dazu, dass die Freizeitbeschäftigungen an Bedeutung gewannen, während das Ziel der Lohnarbeit – zumindest in einzelnen Bereichen – zunehmend darin bestand, mit möglichst geringem Aufwand ein ausreichendes Einkommen zu erzielen. So forderten die Fassungen des Statute of Labourers nicht zufällig eine längerfristige Bindung der Arbeiter, und in moralischen Traktaten des 15. Jahrhunderts wird – wenn auch sicher überzogen – das Bild bummelnder und arbeitsunwilliger Arbeiter gezeichnet. Ein Parlamentsbeschluss von 1390 verbot Landarbeitern und Dienern die Haltung von Windhunden und anderen Hunden, die sie an den Feiertagen für Jagden auf den Ländereien ihres Herrn nutzten. Tatsächlich belegen die Gerichtsakten eine wachsende Zahl von Strafen für Wilderer. Dies betraf vor allem die Jagd auf Hasen, Kaninchen und kleinere Wildtiere sowie den Fischfang. Während dies noch dazu beitrug, die Versorgung mit Lebensmitteln zu sichern, gab es auch eher ‚zweckfreie‘ Freizeitbeschäftigungen. 1388 forderte das Parlament, Diener und Lohnarbeiter sollten sich nicht dem Tennis oder Fußball und anderen Spielen widmen, sondern sich an Sonn- und Feiertagen mit Pfeil und Bogen üben. Handball, Tennis und Fußball lassen sich nach der Pest z. B. an vielen Orten in Ostanglien und Nordostengland nachweisen. Dazu kamen Würfelspiele, Ringkämpfe und anderes, oft verbunden mit Bierkonsum in den zahlreicher werdenden Schenken. Die Arbeitsethik der Parlamentsbeschlüsse und moralischen Schriften spiegelt dagegen die Perspektive der ländlichen und städtischen Ober- und Mittelschichten, die zielstrebig auf die Konsolidierung und Vermehrung ihres Besitzes hinarbeiteten. Die Armen waren von derartigen Vergnügungen ausgeschlossen, auch wenn die Reichen und Besitzenden verpflichtet waren, ihren Besitz mit ihnen zu teilen. In geistlichen Gemeinschaften gehörte Armensorge zu den täglichen Pflichten. Teile des Essens wurden für die Armen vor den Toren des Klosters reserviert, und sie erhielten Mahlzeiten für das Seelenheil unlängst verstorbener Brüder. Ähnlich versorgten Adel und Kaufleute Bettler bei ihren Festen, und Pfarrgilden und andere Genossenschaften ließen Gruppen von Armen an ihren jährlichen Essen teilhaben. So lud die Laurentiusgilde in Lincoln so viele Arme zu Brot, Ale, Fleisch und Fisch wie sie Brüder und Schwestern hatte, und z. B. in Yarmouth wurden fehlende Mitglieder durch Arme ersetzt. Auf dem Lande, wo sich seit
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langem gemeinsames Arbeiten durchgesetzt hatte, konnten manche individuelle Nöte durch Nachbarschaftshilfe und vertragliche Vereinbarungen aufgefangen werden. Die im späteren Mittelalter unter gewandelten Rahmenbedingungen fortbestehenden Dorfgemeinschaften verwandten einen Teil ihrer Einkünfte für Alte, Waisen und Behinderte. Davon waren jedoch die einfachen Landarbeiter und die kein Land besitzenden Häusler zumeist ausgeschlossen, da sie sich nicht mit eigenem Geld beteiligen konnten. Für die (städtischen) Gilden und Bruderschaften stand jedoch das Gemeinschaftsleben im Zentrum, vor allem das gemeinsame Fest, das gelegentlich fast sakralen Charakter gewann. So befand sich in der Halle der Bostoner Liebfrauengilde eine Tafel mit einem Pergament mit Gebeten zur Jungfrau Maria, und während der Feste der Himmelfahrtsgilde in Lincoln wurde das Anstechen von Fässern dreimal mit rituellen Handlungen verbunden, mit der Lesung der Statuten, mit Gebeten für die Verstorbenen sowie mit einer Fürbitte an die Jungfrau Maria zugunsten der lebenden Mitglieder. Der häufigste Anlass für die Feste war die Aufnahme neuer Mitglieder, dazu gab es wiederkehrende jährliche Festtage. Die Feiern spiegelten zugleich die Solidarität der Gemeinschaft, die sich auch in Not geratener Mitglieder annahm und ein gemeinsames Totengedächtnis pflegte. Auch hier blieben jedoch bestimmte Gruppen außen vor. So waren die Gesellen in den Handwerker-Einungen nicht hinreichend repräsentiert, während Versuche, sich eigenständig in Bruderschaften zu organisieren, noch im 15. Jahrhundert auf den Widerstand der Städte und der etablierten Handwerker stießen. Während die Handwerker z. B. in Diensten des Londoner Brückenmeisters meist langfristig beschäftigt wurden, dürften andere oft nur kurzfristig Anstellung gefunden haben, wie sich z.B. aus den Büchern der Londoner Gilden nachweisen lässt. Ihre Freizeit war somit unfreiwillig, und wer Arbeit hatte, leistete sie oftmals den ganzen Tag, zumindest solange es hell war. Dies änderte sich in der Frühen Neuzeit kaum, auch unter den Bedingungen des am Ende des 15. Jahrhunderts einsetzenden wirtschaftlichen Aufschwungs. Dieser markiert jedoch – wie die spätestens unter Heinrich VIII. gewandelten politischen Rahmenbedingungen – den Beginn einer neuen Epoche und damit das Ende der mittelalterlichen Geschichte Englands.
Anmerkungen Einleitung Beda der Ehrwürdige, Kirchengeschichte des englischen Volkes, hrsg. u. übers. v. G. Spitzbart, 2 Bde. (Texte zur Forschung, 34), Darmstadt 1982, S. 26–29. 1
I. Das angelsächsische England (um 400–1066) 1 Gildas, The Ruin of Britain and other works, hrsg. u. übers. v. M. Winterbottom (Arthurian Period Sources, 7), London–Chichester 1978, S. 26 f., 97 f. 2 Nennius, British History and The Welsh Annals, hrsg. u. übers. v. J. Morris (Arthurian Period Sources, 8), London–Chichester 1980, S. 32 f., 73 f. 3 Chronicorum A. CCCCLII pars posterior, in: Monumenta Germaniae Historica, Auctores Antiquissimi, 9: Chronica minora saec. IV. V. VI. VII., Bd. 1, hrsg. v. T. Mommsen, Hannover 1892, S. 660. 4 Beda, Kirchengeschichte, S. 58f. 5 Nennius, British History, S. 39, 80. 6 Beda, Kirchengeschichte, S. 58f. 7 Two of the Saxon Chronicles Parallel, hrsg. v. C. Plummer, nach J. Earle, 2 Bde., Oxford 1892–1899, ND (hrsg. D. Whitelock) Oxford 1952, 1, S. 12 f.; Übers.: The Anglo-Saxon Chronicle, übers. v. G. N. Garmonsway, London 1953, ND 1990, S. 12 f. 8 Beda, Kirchengeschichte, S. 148f. 9 Gildas, The Ruin, S. 28, 98. 10 Nennius, British History, S. 34, 76. 11 Ebd., S. 45, 85. 12 Gildas, The Ruin, S. 29, 99. 13 Earle-Plummer, S. 17; Garmonsway, S. 17. 14 Nennius, British History, S. 37, 78. 15 Beda, Kirchengeschichte, 1, S. 18f. 16 The Earliest Life of Gregory the Great by an Anonymous Monk of Whitby, hrsg. u. übers. v. B. Colgrave, 1968, ND Cambridge 1985, S. 90 f. 17 Beda, Kirchengeschichte, 1, S. 86f. 18 Ebd., S. 112f. 19 Ebd., S. 294f. 20 Text u. Übersetzung: F. Liebermann (Hrsg.), Die Gesetze der Angelsachsen, 3 Bde., 1903–1916, ND Aalen 1960, hier 1, S. 88f. 21 Beda, Kirchengeschichte, S. 534f. 22 Cartularium Saxonicum: Collection of Charters relating to Anglo-Saxon History, hrsg. v. W. de Gray Birch, Bd. 1, London 1887, S. 222 f. 23 Ebd., S. 326, 302. 24 Earle-Plummer, S. 68; Garmonsway, S. 68.
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Anmerkungen zu S. 37–78
25 Asser’s Life of King Alfred Together with the Annals of Saint Neots, hrsg. v. W. H. Stevenson (1904), ND mit Ergänzungen v. D. Whitelock, Oxford 1959, c. 91, S. 77; Übers.: Alfred the Great. Asser’s Life of King Alfred and Other Contemporary Sources, übers. v. S. Keynes u. M. Lapidge, Harmondsworth 1983, S. 101. 26 Liebermann, Gesetze, 1, S. 126f. 27 Cartularium Saxonicum, Bd. 2, London 1887, S. 267. 28 Liebermann, Gesetze, 1, S. 182. 29 Earle-Plummer, S. 119, 121; Garmonsway, S. 119, 121. 30 The Chronicle of John of Worcester, hrsg. u. übers. v. R. R. Darlington, P. McGurk, J. Bray, Bd. 2, Oxford 1995, S. 422–25. 31 Liebermann, Gesetze, S. 210f. 32 Earle-Plummer, S. 139; Garmonsway, S. 139. 33 D. Whitelock (Hrsg.), Sermo Lupi ad Anglos (Methuen’s Old English Library), London 31963, 3, Z. 38–40 und 47–49, S. 50, 52f.; Übers.: (Auszug) D. J. V. Fisher, The Anglo-Saxon Age, c. 400–1042, London 1973, S. 314. 34 The Chronicle of John of Worcester, 2, S. 494f. 35 Liebermann, Gesetze, 1, S. 273f. 36 Guillaume de Jumièges, Gesta Normannorum Ducum, hrsg. v. J. Marx, Rouen– Paris 1914, S. 109; Übers.: The Norman Conquest, bearb. v. R. A. Brown (Documents of Medieval History, 5), London 1984, S. 8. 37 Encomium Emmae Reginae, hrsg. u. übers. v. A. Campbell (Camden Third Series, 72), London 1949, S. 6f. 38 Symeonis monachi Opera omnia, Bd. 2, Historia Regum, hrsg. v. T. Arnold (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores = Rolls Series, 75, 2), London 1885, S. 158; Übers.: Simeon of Durham, A History of the Kings of England, übers. v. J. Stevenson (Church Historians of England, 3, 2), 1858, ND Lampeter, Dyfed, 1987, S. 115. 39 Earle-Plummer, S. 159; Garmonsway, S. 159. 40 Encomium, S. 52f. 41 The Chronicle of John of Worcester, 2, S. 558f. 42 Earle-Plummer, S. 66f. (Versionen A und C); Garmonsway, S. 66 f. 43 F. E. Harmer, Anglo-Saxon Writs, Manchester 1952, erweiterter ND Stamford 1989, S. 165f. 44 A. W. Haddan, W. Stubbs (Hrsg.), Councils and Ecclesiastical Documents relating to Great Britain and Ireland, Bd. 3, Oxford 1871, S. 366. 45 Whitelock, Sermo, S. 49f. 46 Beda, Kirchengeschichte, 2, S. 396f. 47 Liebermann, Gesetze, 1, S. 458f. 48 Ebd., S. 100f. 49 Ebd., S. 150f. 50 Ebd., S. 173. 51 Beda, Kirchengeschichte, 2, S. 142f. 52 Haddan-Stubbs, Councils, 3, S. 497. 53 Liebermann, Gesetze, 1, S. 234f. 54 Ebd., S. 458f.
Anmerkungen zu S. 79–100
253
II. Das normannische und angevinische England (1066–1272) The Chronicle of John of Worcester, 2, S. 604f. Earle-Plummer, S. 199; Garmonsway, S. 199. 3 Earle-Plummer, S. 200; Garmonsway, S. 200. 4 Guillaume de Poitiers, Histoire de Guillaume le Conquérant, hrsg. u. übers. v. R. Foreville (Classique de l’histoire de France au moyen âge), Paris 1962, S. 264 f. 5 Willelmi Malmesberiensis monachi De gestis regum Anglorum, hrsg. v. W. Stubbs, Bd. 2 (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores = Rolls Series, 90, 2), London 1889, S. 330; Übers.: William of Malmesbury, A History of the Norman Kings, übers. v. J. Stevenson (The Church Historians of England, 3, 1), London 1858, ND Lampeter 1991, S. 41. 6 Earle-Plummer, S. 220; Garmonsway, S. 220. 7 L. J. Engels, De obitu Willelmi ducis Normannorum regisque Anglorum: Texte, modèles, valeur et origine, in: Mélanges Christine Mohrmann, nouveau recueil offert par ses anciens élèves, Utrecht–Antwerpen 1973, S. 209–55, hier S. 226; Übers.: Brown, Norman Conquest, S. 48. 8 Willelmi Malmesberiensis De gestis regum Anglorum, 2, S. 363; Stevenson, S. 62. 9 The Chronicle of John of Worcester, Bd. 3, Oxford 1998, S. 64 f. 10 W. Stubbs, Select Charters and Other Illustrations of English Constitutional History, bearb. v. H. W. C. Davis, Oxford 91913, ND 1951, S. 119. 11 Willelmi Malmesberiensis De gestis regum Anglorum, 2, S. 472; Stevenson, S. 133f. 12 Liebermann, Gesetze, S. 524. 13 The Chronicle of John of Worcester, 3, S. 146f. 14 Gesta Stephani, hrsg. u. übers. v. K. R. Potter (Oxford Medieval Texts), Oxford 1976, S. 4–7. 15 Gesta Stephani, S. 238f. 16 Radulphi de Diceto decani Lundoniensi Opera Historica, hrsg. v. W. Stubbs, Bd. 1 (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores = Rolls Series 68, 1), London 1876, S. 351. 17 Giraldus Cambrensis, Expugnatio Hibernica = Giraldi Cambrensis Opera, V (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores = Rolls Series, 21, 5), hrsg. v. J. F. Dimock, London 1867, S. 302; Übers.: English Historical Documents, II, S. 386. 18 William of Newburgh, Historia Rerum Anglicarum = Chronicles of the Reign of Stephen, Henry II, and Richard I, hrsg. v. R. Howlett, Bd. 1 (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores = Rolls Series, 82, 1), London 1884, S. 102; Übers.: English Historical Documents, II, S. 323. 19 William of Newburgh, S. 140; English Historical Documents, II, S. 331. 20 Konstitutionen von Clarendon, hrsg. v. Stubbs, Select Charters, S. 164 f.; Übers.: English Historical Documents, II, S. 719f. 21 Nach Herbert of Bosham, Materials for the History of Thomas Becket, Archbishop of Canterbury, hrsg. v. J. C. Robertson u. J. B. Sheppard, 7 Bde. (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores = Rolls Series, 67, 1–7), London 1875–1885, hier Bd. 3, S. 423. 1 2
254
Anmerkungen zu S. 100–143
Materials for the History of Thomas Becket, Bd. 7, S. 327. Materials for the History of Thomas Becket, Bd. 1, S. 122; Bd. 4, S. 69. 24 Assize von Northampton, c. 4, hrsg. v. Stubbs, Select Charters, S. 180; Übers.: English Historical Documents, II, S. 412. 25 Gesta Henrici Secundi Benedicti Abbatis = The Chronicles of the Reigns of Henry II and Richard I, 1169–1192, hrsg. v. W. Stubbs, Bd. 2 (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores = Rolls Series, 49, 2), London 1867, S. 292. 26 The Chronicle of Richard of Devizes of the Times of King Richard the First, hrsg. u. übers. v. T. J. Appleby (Nelson’s Medieval Texts), London 1963, S. 8 f. 27 Radulfi de Diceto Opera Historica, Bd. 2, London 1876, S. 114. 28 Annales Monastici, Bd. 1: Annales de Margan, Annales de Theokesberia, Annales de Burton, hrsg. v. H. R. Luard (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores = Rolls Series, 36, 1), London 1864, S. 27. 29 Selected Letters of Pope Innocent III concerning England (1198–1216), hrsg. u. übers. v. C. R. Cheney, W. H. Semple (Nelson’s Medieval Texts), London 1953, S. 178f. 30 Rogeri de Wendover Cronica sive Flores Historiarum, hrsg. v. H. Coxe, Bd. 3, London 1841, S. 296. 31 Ebd., S. 298. 32 J. C. Holt, Magna Carta, Cambridge 21992, S. 450 f. und 460 f. 33 Ebd., S. 470f. 34 L’Histoire de Guillaume le Maréchal, hrsg. v. P. Meyer, Bd. 2, Rouen 1894, Z. 18083, S. 290. 35 Matthaei Parisiensis monachi Sancti Albani Chronica Maiora, hrsg. v. H. R. Luard, Bd. 5 (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores = Rolls Series, 57, 5), London 1880, S. 339. 36 Ebd., Bd. 4, London 1877, S. 366 f.; Übers.: English Historical Documents, III: 1189–1327, hrsg. v. H. Rothwell, Oxford 1975, S. 359 f. 37 Stubbs, Select Charters, S. 383 und 387. 38 Text ebd., S. 407f.; Übers.: English Historical Documents, III, S. 381. 39 Henry de Bracton, De legibus et consuetudinibus Anglie / The Laws and Customs of England, hrsg. v. G. Woodbine u. übers. v. S. E. Thorne, Bd. 2, Cambridge, Mass., 1968, S. 33. 40 Richard von Ely, Dialogus de Scaccario/Dialog über das Schatzamt, hrsg. u. übers. v. M. Siegrist, Zürich–Stuttgart 1963, S. 16f. 41 Ebd., S. 138–41. 42 Eadmer, Historia novorum in Anglia, hrsg. v. M. Rule (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores = Rolls Series, 81), London 1884, S. 2. 43 Ioannis Sarisberiensis episcopi Carnotensis Policratici sive de nugis curialium et vestigiis philosophorum libri VIII, hrsg. v. C. C. I. Webb, Bd. 1, London 1909, ND Frankfurt a. M. 1965, S. 282; übers. v. W. Berges, Die Fürstenspiegel des hohen und späten Mittelalters, Leipzig 1938, S. 139. 44 Curia Regis Rolls of the Reigns of Richard I and John, preserved in the P.R.O., Bd. 1: Richard I – 2 John, London 1922, S. 67. 45 Henry de Bracton, De legibus, 2, S. 89. 22 23
Anmerkungen zu S. 144–173
255
46 Walter of Henley and other Treatises on Estate Management and Accounting, hrsg. v. D. Oschensky, Oxford 1971, S. 270f. 47 Liebermann, Gesetze, 1, S. 525. 48 Materials for the History of Thomas Becket, Bd. 3, S. 4; English Historical Documents, 2, S. 958.
III. England im Spätmittelalter Annales Monastici, Bd. 2: Annales Monasterii de Wintonia, Annales Monasterii de Waverleia, hrsg. v. H. R. Luard (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores = Rolls Series, 36, 2), London 1865, S. 119. 2 The Chronicle of Walter of Guisborough previously edited as the chronicle of Walter of Hemingford or Hemingburgh, hrsg. v. H. Rothwell (Camden Third Series, LXXXIX), London 1957, S. 216. 3 Stubbs, Select Charters, S. 491f. 4 Rotuli Parliamentorum, ut et peticiones et placita in parliamento, 6 vols. [London, 1778–1783], Index ([London], 1832), Bd. 1, S. 160b. 5 Lord [T. M.] Cooper of Culross, The Declaration of Arbroath Revisited, in: ders., Selected Papers 1922–1954, Edinburgh 1957, S. 336–39. 6 Annales Paulini, in: Chronicles of the Reigns of Edward I and Edward II, hrsg. v. W. Stubbs, Bd. 1 (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores = Rolls Series, 76, 1), London 1882, S. 323. 7 Rotuli Parliamentorum Anglie hactenus inediti MCCLXXIX–MCCCLXXIII, hrsg. v. H. G. Richardson, G. Sayles (Camden Third Series, LI), London 1935, S. 101. 8 Anglo-Scottish Relations 1174–1328. Some Selected Documents, hrsg. u. übers. v. E. L. G. Stones (Nelson’s Medieval Texts), London 1965, S. 161. 9 Chronicon de Lanercost 1201–1346, hrsg. v. J. Stevenson, Edinburgh 1839, S. 261; Übers.: English Historical Documents, IV: 1327–1485, hrsg. v. A. R. Myers, Oxford 1969, S. 49. 10 Adae Murimuth Continuatio Chronicarum. Robertus de Avesbury de Gestis Mirabilibus Regis Edwardi Tertii, hrsg. v. E. M. Thompson (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores = Rolls Series, 93), London 1889, S. 116; Übers.: English Historical Documents, IV, S. 70. 11 The Anonimalle Chronicle, 1333–1381, hrsg. v. V. H. Galbraith, Manchester 1927, S. 85; Übers.: English Historical Documents, IV, S. 120. 12 Rotuli Parliamentorum, III, S. 338. 13 Thomae Walsingham quondam monachi S. Albani Historia Anglicana, hrsg. v. H. T. Riley, Bd. 1 (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores = Rolls Series, 28, 1), London 1863, S. 463f. 14 Ebd., Bd. 2, London 1864, S. 32. 15 The Kirkstall Abbey Chronicles, hrsg. v. John Taylor, Leeds 1952, S. 75. 16 The Chronicle of Adam Usk, 1377–1421, hrsg. u. übers. v. C. Given-Wilson (Oxford Medieval Texts), Oxford 1997, S. 62f. 17 Rotuli Parliamentorum, III, S. 422 f.; Übers.: English Historical Documents, IV, S. 413. 1
256
Anmerkungen zu S. 174–188
18 Thomas Walsingham, Historia, Bd. 2, S. 243; Übers.: English Historical Documents, IV, S. 187. 19 The Chronicle of Adam Usk, S. 144f. 20 Official Correspondance of Thomas Bekynton, Secretary to King Henry VI, and bishop of Bath and Wells, hrsg. v. G. Williams, Bd. 1 (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores = Rolls Series, 56, 1), London 1872, S. 152 f. 21 A London Chronicle for 1413–18, in: C. L. Kingsford, English Historical Literature in the Fifteenth Century, Oxford 1913, ND New York 1962, S. 293; Übers.: English Historical Documents, IV, S. 862. 22 Rotuli Parliamentorum, IV, S. 63b; Übers.: English Historical Documents, IV, S. 462. 23 Recueil des Croniques et Anchiennes Istories de la Grant Bretaigne, a Present Nomme Engleterre, par Jean de Waurin, hrsg. v. W. Hardy, Bd. 2 (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores = Rolls Series, 39, 2), London 1868, S. 304. 24 Proceedings and Ordinances of the Privy Council of England, hrsg. v. N. H. Nicolas, Bd. 3: 1 Henry VI–7 Henry VI (Record Commission), London 1834, S. 6 f.; Übers.: English Historical Documents, IV, S. 233. 25 Procès de Condemnation et de Réhabilitation de Jeanne d’Arc, dite la Pucelle, hrsg. v. J. Quicherat, Bd. 3, Paris 1845, ND 1965, S. 110; Übers.: Der Prozeß der Jeanne d’Arc. Akten und Protokolle, 1431/1456, übers. v. R. Schirmer-Imhoff (dtv dokumente), München 31978, S. 182. 26 Letters and Papers Illustrative of the Wars of the English in France during the Reign of Henry the Sixth, King of England, hrsg. v. J. Stevenson, Bd. 2, 2 (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores = Rolls Series, 22, 2, 2), London 1864, S. 442, 451; Übers.: English Historical Documents, IV, S. 254, 256. 27 Three Fifteenth-Century Chronicles, with Historical Memoranda, hrsg. v. J. Gairdner (Camden Society, New Series, xxviii), London 1880, S. 94 (f.); Übers.: English Historical Documents, IV, S. 266. 28 The Complete Works of St. Thomas More, hrsg. v. R. S. Sylvester, Bd. 2, New Haven–London 1963, S. 71. 29 Original Letters Illustrative of English History, including numerous royal letters (1418–1726), hrsg. v. H. Ellis, Bd. 1, London 1824, ND New York 1970, S. 12 f.; Übers.: English Historical Documents, IV, S. 269. 30 The Paston Letters, hrsg. v. J. Gairdner, (Neuausgabe) 6 Bde., London 1904, ND Gloucester 1986, Bd. 2, S. 295 f.; Übers.: English Historical Documents, IV, S. 272. 31 Paston Letters, 3, S. 13. 32 An English Chronicle of the Reigns of Richard II, Henry IV, Henry V, and Henry VI (1377–1461) Written before the Year 1471, hrsg. v. J. S. Davies (Camden Society, Original Series, lxiv), London 1856, S. 79; Übers.: English Historical Documents, IV, S. 282. 33 Registrum Abbatie Johannis Whethamstede, Abbatis Monasterii Sancti Albani, hrsg. v. H. T. Riley, Bd. 1 (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores = Rolls Series, 28, 6, 1), London 1872, S. 377; Übers.: English Historical Documents, IV, S. 283.
Anmerkungen zu S. 188–213
257
34 Six Town Chronicles of England, hrsg. v. R. Flenley, Oxford 1911, S. 161; Übers.: English Historical Documents, IV, S. 289. 35 A Chronicle of the First Thirteen Years of the Reign of King Edward the Fourth by John Warkworth, hrsg. v. J. O. Halliwell (Camden Society, Original Series, x), London 1839, S. 3; Übers.: English Historical Documents, IV, S. 294. 36 Recueil des Croniques … par Jean de Waurin, 5, S. 586; Übers.: English Historical Documents, IV, S. 302. 37 Historie of the Arrivall of Edward IV in England and the Finall Recouerye of his Kingdomes from Henry VI, A. D. M.CCCC.LXXI, hrsg. v. J. Bruce (Camden Society, Original Series, i), London 1838, S. 38; A Chronicle of the First Thirteenth Years …, S. 21; Robert Fabyan, The New Chronicles of England and of France, hrsg. v. H. Ellis, London 1811, S. 662; Übers.: Richard III – A Source Book, hrsg. v. R. Dockray, Stroud, Gloucestershire, 1997, S. 17f. und 20. 38 Philippe de Commynes, Mémoires sur Louis XI (1464–1483), bearb. v. J. Dufournet, Paris 1979, S. 522; Übers.: Memoiren, übers. v. F. Ernst, Stuttgart 1952, S. 280. 39 Crowland Chronicle Continuations, 1459–1486, hrsg. u. übers. v. N. Pronay, J. Cox, Gloucester 1986, S. 144f. 40 The Usurpation of Richard the Third. Dominicus Mancinus ad Angelum Catonem De Occupatione Regni Anglie per Riccardum Tertium Libellus, hrsg. u. übers. v. C. A. J. Armstrong, Oxford 1969, ND Gloucester 1989, S. 92 f. 41 Polydore Vergil’s English History, hrsg. H. Ellis, Bd. 2 (Camden Society, Original Series, xxix), London 1844, S. 226; Übers.: Richard III – A Source Book, S. 12. 42 L. G. Wickham Clegg (Hrsg.), English Coronation Records, London 1901, S. 93, 95; Übers.: English Historical Documents, IV, S. 403 f. 43 Statutes of the Realm (1101–1713), hrsg. v. A. Luders, T. E. Tomlins, J. Raithby, u.a., Bd. 1, London 1810, S. 182. 44 Rotuli Parliamentorum, IV, S. 176a; Übers.: English Historical Documents, IV, S. 424. 45 Sir John Fortescue, De Laudibus Legum Anglie, hrsg. u. übers. v. S. B. Chrimes, Cambridge 1949, S. 64f. 46 Statutes of the Realm, 1, S. 364; Übers.: English Historical Documents, 4, S. 541. 47 Holt, Magna Carta, S. 454f. 48 Fleta, hrsg. u. übers. v. H. G. Richardson, G. O. Sayles, Bd. 2 (Publications of the Selden Society, 72), London 1955, S. 109. 49 Stubbs, Select Charters, S. 383 und 387. 50 Fleta, Bd. 2, S. 109. 51 Stubbs, Select Charters, S. 480. 52 Statutes of the Realm, 1, S. 189; Übers.: English Historical Documents, III, S. 544. 53 Parliamentary Texts of the Later Middle Ages, hrsg. v. N. Pronay, J. Taylor, Oxford 1980, S. 77 und 90. 54 Rotuli parliamentorum, III, S. 427b. 55 Rotuli parliamentorum, IV, S. 22b; Übers.: English Historical Documents, IV, S. 461.
258
Anmerkungen zu S. 214–244
The Paston Letters, hrsg. v. J. Gairdner, Bd. 2, S. 184. Rotuli parliamentorum, II, S. 113a. 58 Statutes of the Realm, 1, S. 91; Übers.: English Historical Documents, III, S. 452. 59 Knighton’s Chronicle, 1337–1396 (Oxford Medieval Texts), hrsg. u. übers. v. G. H. Martin, Oxford 1995, S. 244f. 60 Ebd., S. 298–301. 61 The Chronicle of Adam Usk, S. 6f. 62 The Libelle of Englyshe Polycye, hrsg. G. Warner, Oxford 1926, S. 55. 63 Paston Letters, hrsg. Gairdner, 2, S. 55f. 56 57
Zeittafel bis 407 um 440
um 500
um 550 597 603 626 632 633 663/64 669 731 735 757 793–795 829 865 878
um 886 910
Abzug der Römer aus Britannien. Erhebung der von den Briten zu Hilfe gerufenen Angelsachsen, Beginn der angelsächsischen Eroberung (zunächst in Kent und Sussex). Schlacht am Mons Badonicus: erfolgreicher Widerstand der Briten gegen die Angelsachsen unter Ambrosius Aurelianus und ‚Arthur‘, angelsächsischer ‚Siedlungsstopp‘. Zweite Phase der angelsächsischen Eroberung, Sieg Cynrics von Wessex bei Salisbury. Ankunft Augustins in Kent, Beginn der römischen Mission in England. Schlacht bei Degsastan: Aethelfrith von Northumbrien begründet die northumbrische Vorherrschaft in Nordengland. Bekehrung Edwins von Northumbrien. Edwin fällt in der Schlacht bei Hatfield gegen Penda von Mercia und Cadwallon von Gwynedd. Nachfolge Oswalds in Northumbrien und irische Mission. Synode von Whitby: Oswiu von Northumbrien entscheidet sich für die römische und gegen die irische Tradition. Ankunft Theodors von Tarsus als neuer Erzbischof von Canterbury. Beda beendet die Historia ecclesiastica gentis Anglorum. Erhebung Yorks zum Erzbistum. Ermordung Aethelbalds von Mercia, Erneuerung der Vorherrschaft Mercias unter Offa. Zerstörung der Klöster Lindisfarne, Jarrow und Iona durch die ‚Wikinger‘. Vorherrschaft von Wessex unter Egbert. Ankunft des ‚großen Heeres‘ der Dänen, Beginn der skandinavischen Eroberung und Besiedelung Englands. Schlacht bei Edington: Sieg Alfreds des Großen über die Dänen, Beginn weit reichender Reformen in Landesverteidigung und Bildungswesen. »Vertrag Alfreds mit Guthrum«: Beginn der Christianisierung der Dänen und eines eigenen dänischen Rechtsbereichs. Schlacht bei Tettenhall: Eduard der Ältere beginnt die Rückeroberung dänisch besiedelter Gebiete und bindet Mercia an Wessex.
260
934
954 973 978 1013 1016 1042 1051/52 1066
bis 1071 1085/86 1100 1106
1107 1138/39
1153 1164 1170 1173/74 1176
Zeittafel
Schlacht bei Brunanburh: Athelstan verteidigt mithilfe dänischer und walisischer Kontingente die westsächsische Oberherrschaft über die Britischen Inseln. Endgültige Eroberung des skandinavischen Königreiches York durch Eadred. Erneute Krönung Edgars in Bath, Huldigung der Könige des Nordens in Chester. Ermordung Eduards des Märtyrers, Beginn der unruhigen Herrschaft Aethelreds II. Beginn der Eroberung Englands durch Swein von Dänemark. Tod Aethelreds II. und seines Sohnes Edmund Eisenseite, Beginn der anglodänischen Herrschaft (Knut der Große). Rückkehr der westsächsischen Dynastie unter Eduard dem Bekenner. Vertreibung und Rückkehr Godwines von Wessex und seiner Söhne. Tod Eduards des Bekenners, Erhebung Haralds II. / Schlacht bei Hastings: Tod Haralds II., Beginn der normannischen Eroberung Englands, Krönung Wilhelms I. in Westminster. Niederschlagung der letzten angelsächsischen Aufstände und ‚Import‘ einer neuen, kontinentalen Führungssschicht. Landesaufnahme und Anlage des Domesday Book. Tod Wilhelms II. auf der Jagd und Nachfolge Heinrichs I., Krönungscarta. Schlacht bei Tinchebray: Eroberung der Normandie abgeschlossen, Heinrichs Bruder Robert gerät in lebenslange Gefangenschaft. Vertrag von Westminster: Einigung über die Erhebung von Bischöfen und Äbten in England. Beginn des englischen Bürgerkrieges zwischen Stephan von Blois und Heinrichs Erbin Mathilde, Gemahlin Gottfrieds von Anjou. Vertrag von Winchester: Stephan erkennt Heinrich (II., seit 1154), den Sohn Mathildes, als seinen Nachfolger an. »Konstitutionen von Clarendon«, Beginn der Konflikte mit Thomas Becket, Erzbischof von Canterbury. Ermordung Beckets in seiner Kathedrale. Erster Aufstand der Söhne Heinrichs II. »Assize von Northampton«: Reform des Rechtswesens.
Zeittafel
1188/89
261
Erneuter Aufstand der Söhne, Unterwerfung und Tod Heinrichs II., Nachfolge Richards I. ab 1204 Verlust des angevinischen Festlandsbesitzes (bis auf die Gascogne). 1208–1214 Päpstliches Interdikt über England nach einem Streit um die Besetzung des Erzbistums Canterbury, Johann nimmt England vom Papst zu Lehen. 1214 Schlacht bei Bouvines: Niederlage der englischen Verbündeten gegen Philipp II. und Bekräftigung der französischen Vorherrschaft in Westeuropa. 1215 Erhebung der Barone, Johann bestätigt die Magna Carta. ab 1216 Die Magna Carta wird durch mehrfache Erneuerungen seit der Zeit Heinrichs III. zur Grundlage der englischen Verfassungsentwicklung. 1258 »Provisionen von Oxford«. 1264 Schlacht bei Lewes: Sieg der Rebellen unter Simon de Montfort, Gefangenschaft Heinrichs III. und Herrschaft der Barone. 1265 Schlacht bei Evesham: Sieg des Kronprinzen Eduard, Verfolgung der Rebellen (bis zum Ausgleich im »Diktum von Kenilworth« 1266). 1278/79 (Erneute) Landesaufnahme und Anlage der ‚Hundertschaftsrollen‘, Überprüfung der Besitzrechte mit dem writ Quo Warranto. 1283 Abschluss der Eroberung von Wales. 1296 Beginn des Krieges mit Schottland, das zeitweilig (bis 1306) englischer Herrschaft unterworfen wird. 1297 Confirmatio cartarum: Eduard I. bestätigt angesichts starker Widerstände gegen seine Finanz- und Außenpolitik die englischen Freiheitsurkunden. 1307 Eduard I. stirbt auf einem Feldzug gegen Schottland, Nachfolge Eduards II. 1311 Ordinances: die Barone unterwerfen den König weitgehender Kontrolle und fordern die Exilierung Gavestons (1312 von den Baronen hingerichtet). 1322 Statut von York: Eduard II. erneuert nach einem militärischen Erfolg den Vorrang der königlichen Stellung. 1326/27 Rebellion Königin Isabellas und Roger Mortimers, die mit Truppen des Grafen von Hennegau in England landen, Verzicht und Absetzung des Königs zugunsten Eduards III., Ermordung Eduards II.
262
1330 1337 1340 1346
1356 1360 1376
1381 1388 1397 1399
ab 1400 1414/15 1415 1420/22
1429 1450 1453 1455
Zeittafel
Eduard III. beendet die Regentschaft Isabellas und Mortimers mit Gewalt, Mortimer wird hingerichtet. Erneuerung des Thronanspruchs Eduards in Frankreich, Beginn des Hundertjährigen Krieges. Schlacht bei Sluis: Zerstörung der französischen Flotte, Beginn der englischen Finanzkrise. Schlacht bei Crécy: Sieg Eduards über ein kontinentales Heer, Beginn der Belagerung von Calais (eingenommen 1347, englisch bis 1559). Schlacht bei Poitiers: Gefangennahme Johanns II., Beginn von Verhandlungen. Friede von Brétigny: Auslösung Johanns II. und Ausweitung der englischen Herrschaft in Südwestfrankreich. „Gutes Parlament“: die commons klagen königliche Amtsträger in einem neuartigen Verfahren an (impeachment), Tod Eduards, des Schwarzen Prinzen. Bauernaufstand: Unzufriedenheit mit der Regentschaft für Richard II. unter John of Gaunt. „Gnadenloses Parlament“: Anklage durch appealing gegen fünf enge Ratgeber Richards, erneuerter Regentschaftsrat. Richard II. beginnt mit hartem Vorgehen gegen die ‚Appellanten‘ von 1388, Intensivierung der königlichen Herrschaft. Rebellion Heinrichs von Lancaster, Verzicht und Absetzung Richards, Thronanspruch Heinrichs IV. vor den Ständen des Parlaments. Rebellionen gegen Heinrich IV., so die Owain Glyndwrs in Wales und die der Percies in Northumberland. Rebellionen gegen Heinrich V., so die Richards earl von Cambridge. Schlacht bei Azincourt: Sieg Heinrichs V. und Beginn der englischen Eroberung der Normandie. Vertrag von Troyes: Karl VI. von Frankreich enterbt seinen Sohn zugunsten des englischen Königs, dessen Heirat mit Karls Tochter Katharina, vorzeitiger Tod Heinrichs (1422). Auftreten der Jeanne d’Arc: Aufhebung der englischen Belagerung von Orléans, Krönung Karls VII. in Reims. Verlust der Normandie, Ermordung des Herzogs von Suffolk, Rebellion des Jack Cade in Kent. Endgültiger Verlust der Gascogne, Geisteskrankheit Heinrichs VI. und Protektorat Richards von York. Schlacht bei St Albans: Beginn der Rosenkriege.
Zeittafel
1460 1461 1470/71
1483
1485
263
Richard von York erreicht seine Einsetzung als Erbe Heinrichs VI., fällt jedoch in der Schlacht bei Wakefield. Eduard IV., Richards Sohn, setzt sich gegen die Partei der Lancaster durch und wird zum König erhoben. Vertreibung Eduards IV. durch eine Allianz zwischen Richard Neville, dem earl von Warwick, und Margarethe von Anjou, der Gemahlin Heinrichs VI., der formal wieder eingesetzt und nach der Rückkehr Eduards getötet wird. Tod Eduards IV.; sein Bruder setzt sich im Streit um die Regentschaft für den jungen Eduard V. durch, lässt sich dann aber als Richard III. selbst zum König erheben. Schlacht bei Bosworth: Tod Richards III., Erhebung Heinrichs VII., Beginn der Tudor-Herrschaft.
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Tafeln
273
Tafel 1: Könige von Northumbrien ca. 560–704 Deira
Bernicia
Aelle (ca. 560–90) Edwin (616–32)
Ida (ca. 547–ca. 560) Aelfric
Adda
Theodric Aethelric
Osric (632–33)
Aethelfrith (593–616)
Oswine (644–51)
Eanfrith (632–33)
Oswald (633–41)
Oswiu (641–70)
Ecgfrith (670–85)
Aldfrith (685–704)
Aethelwald (651–54)
Tafel 2: Könige von Mercia ca. 632–823 Pybba Penda (ca. 632–54) Wulfhere (657–74) Cenred (704–9)
Eowa
Coenwalh
Aethelred (674–704)
Ceolred (709–16) Aethelbald (716–57)
Offa (757–96) Ecgfrith (796) Cenwulf (796–821)
Ceolwulf (821–23)
274
Tafel 3: Die Könige von Wessex und England ca. 802–1066 Egbert (802–39) Aethelwulf (839–55) Aethelbald (855–60)
Aethelberht (860–66)
Aethelred (866–71)
Alfred der Große (871–99) Eduard der Ältere (899–924)
Edmund (939–46) Eadwig (955–[7]9)
Eduard der Märtyrer (975–78)
Eadred (946–55)
Tafeln
Athelstan (924–39)
Edgar (957[9]–975)
Swein, Kg. v. Dänemark, Kg. v. England (1013/14) Aelfgifu ∞ (1) Aethelred (2) ∞ (1) Emma (2) ∞ Knut ∞ ? Aelfgifu (978–1016) (1016–35)
Edmund Eisenseite (1016)
Harthaknut (1040–42)
Godwine earl v. Wessex Harald II. (1066)
Edith ∞ Eduard der Bekenner (1042–66)
Harald I. (1035–40)
Tafel 4: Die Häuser Lancaster und York Eduard III. 1327–77 Eduard der Schwarze Prinz Richard II. 1377–99
Lionel Hzg. v. Clarence
(1) (3) Blanche ∞ John v. Gaunt ∞ Katherine Hzg. v. Lancaster
Philippa ∞ Edmund Mortimer earl of March
John Beaufort I. earl v. Somerset
Heinrich V. 1413–22
John Beaufort II. 1. Hzg. v. Somerset
Richard, earl v. Cambridge ∞ Anne Mortimer
Tafeln
Roger Mortimer earl of March
Heinrich IV. 1399–1413
Edmund Hzg. v. York
Richard ∞ Anne Mortimer earl v. Cambridge Richard, Hzg. v. York
Eduard IV. 1461–83
Margaret Beaufort ∞ Edmund Tudor, earl v. Richmond
Eduard Fürst v. Wales Elisabeth v. York ∞ Heinrich VII. 1485–1509
275
Eduard V. April–Juni 1483
Richard III. 1483–85
Heinrich VI. ∞ Margarethe v. Anjou 1422–61 1470–71
276
Karten
Antoninischer Wall Lindisfarne
Bamburgh
Bernica Ty ne
Carlisle
Hexham
TH N OR
Hadrianswall
Jarrow Monkwearmouth
UM
BR
Whitby
IEN
Ripon York
Deira
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Lindsey Chester
Lincoln
Bangor Lichfield Mittel- Peterborough angeln Ely
MERCIA Hwicce
OST- Dunwich ANGLIEN
St. Albans
Malmesbury
Dorchester
Winchester Surrey Rochester Canterbury KENT SÜDSACHSEN n üte
WESTSACHSEN J
OSTSACHSEN London
Isle of Wight
England in der Zeit Bedas.
Karten
Die englischen Grafschaften 1086.
277
Personenregister (Die Namen der englischen Könige [ab Alfred dem Großen] sind kursiv gesetzt; die Einordnung erfolgt jeweils nach den ‚Vornamen‘.) Aelfgifu, erste Gemahlin Knuts 48–49, 52 Aelfheah, Erzbischof von Canterbury 46, 52 Aelfric 67, 75 Aelle, Herrscher von Sussex 16, 29, 59 Aesc, König von Kent 16–18, 28 Aethelbald, König von Mercia 32–34, 59, 61, 63 Aethelberht, König von Kent 18, 21–23, 28–29, 31, 59 Aethelflaed, „Herrin der Mercier” 40– 41 Aethelfrith, König von Northumbrien 20, 30–31 Aethelred, ealdorman von Mercia 39– 40, 74 Aethelred (I.), König von Wessex 36–37 Aethelred II. 44–46, 48, 53, 64, 67, 69, 77 Aethelwold, Bischof von Winchester 64, 68 Aethelwulf, König von Wessex 35–36, 59 Agilbert, Bischof von Dorchester 24–25 Aidan, Bischof von Lindisfarne 24 Aldfrith, König von Northumbrien 32 Aldhelm, Gelehrter und Dichter 65, 67 Alexander III., Papst 54, 98–100 Alexander IV., Papst 122–23 Alexander III., schottischer König 155, 162 Alfred der Große 36–40, 59, 61–63, 66– 67, 70–71, 74 Alfred, Sohn Aethelreds II. 51, 53 Alice Perrers, ‚Lebensgefährtin‘ Eduards III. 168, 245 Alkuin, Gelehrter 66 Ambrosius Aurelianus, britischer Herrscher 16–17
Anne Neville, Gemahlin Richards III. 192, 194 Anselm von Bec, Erzbischof von Canterbury 89–91, 132–33, 136, 141 Arthur, britischer Herrscher 17, 151, 166 Arthur, Sohn Gottfrieds von der Bretagne 104, 108–10, 114, 125 Asser 36–37, 39, 60 Athelstan 41–42, 59, 63, 67–70, 75 Augustin, Missionar, Erzbischof 21–23, 28 Beda 8, 14–16, 20–22, 24, 29, 32, 35, 39, 59, 65–68, 76 Benedict Biscop 26, 28, 65 Beorhtric, König von Wessex 33–34 Beornwulf, König von Mercia 34, 63 Bertha, Gemahlin Aethelberhts von Kent 21–23, 28, 31 Bonifaz VIII., Papst 154, 156–57, 217 Bonifaz von Savoyen, Erzbischof von Canterbury 119 Burgred, König von Mercia 35–37 Cadwallon, Herrscher von Gwynedd 23, 31 Cäcilia, Gemahlin Richards von York 245 Caedmon, Dichter 65–66 Ceawlin, König von Wessex 18–19, 29– 30, 59 Cenwalh, König von Wessex 24 Cenwulf, König von Mercia 34, 63 Ceolwulf, König von Mercia 34 Cerdic, Herrscher von Wessex 15, 18– 19, 58 Chad, Bischof von York 26–27 Colman, Bischof von Lindisfarne 25–26
280
Personenregister
Cuthred, König von Wessex 33 Cynegil, König von Wessex 24, 30 Cynewulf, König von Wessex 33 Cynric, König von Wessex 18–19, 58 David (Bruce), schottischer König 163 Deusdedit, Erzbischof von Canterbury 24, 26 Dunstan, Erzbischof von Canterbury 43, 64, 67 Eadbald, König von Kent 23, 29 Eadred 41–43, 61 Eadric Streona, ealdorman von Mercia 45–46, 48 Eadwig 43–44 Ecgfrith, König von Mercia 33–34, 58 Ecgfrith, König von Northumbrien 27, 32 Edgar 43–44, 48, 58–59, 64, 78 Edgar ‚Aetheling‘, Erbe Eduards des Bekenners 56–57, 81–84 Edith, Gemahlin Eduards des Bekenners 54, 76 Edmund 41, 43 Edmund ‚Eisenseite‘ 46–48, 52, 56, 81 Edmund Beaufort, Herzog von Somerset 184–86 Edmund Mortimer, earl of March 173, 175–76, 184 Eduard der Ältere 38–41, 74 Eduard ‚der Märtyrer‘ 44, 64 Eduard der Bekenner 51, 53–57, 61–62, 64, 76, 79, 81, 85, 90–91, 130, 140, 151 Eduard I. 124, 135, 150–58, 173, 197, 201–03, 208–09, 213, 217, 219–20, 226, 233–35, 241, 246 Eduard II. 151, 157–62, 170, 172, 190, 197, 199, 201, 209–10, 214, 234 Eduard III. 151, 155, 160–69, 173, 196, 201–02, 210, 213, 219, 222, 226, 234– 35, 240, 243, 245 Eduard IV. 7, 187–93, 195, 200–01, 220, 243, 245
Eduard V. 193, 195, 200 Eduard, Erbe Heinrichs VI. 188, 190– 91, 245 Eduard ‚der Schwarze Prinz‘, Erbe Eduards III. 167–69 Edwin, König von Northumbrien 23– 25, 31, 59 Edwine, earl von Mercia 56–57, 81–83 Egbert, König von Wessex 34–35, 59 Eleonore Cobham, Gemahlin Humphreys von Gloucester 182 Eleonore von Aquitanien, Gemahlin Heinrichs II. 96, 102, 107, 110, 138 Eleonore von der Provence, Gemahlin Heinrichs III. 119, 246 Elisabeth von York, Gemahlin Heinrichs VII. 195 Elisabeth Woodeville, Gemahlin Eduards IV. 189 Emma, Gemahlin Aethelreds II. und Knuts 45, 48–53, 76 Erik ‚Blutaxt‘, Herrscher von York 41– 42 Finan, Bischof von Lindisfarne 25 Friedrich I. Barbarossa, Kaiser 98 Friedrich II., Kaiser 121–22, 134, 172 Geoffrey Chaucer 244 George, Herzog von Clarence 189–90, 192–93 Gilbert von Sempringham, Ordensgründer 135 Godwine, earl von Wessex 51–56, 76 Gottfried ‚Plantagenet‘, Graf von Anjou 87, 93–94 Gottfried, Sohn Heinrichs II., Herzog der Bretagne 97, 104, 108 Gregor I., der Große, Papst 21–23, 26, 28, 63, 65, 67 Guala, päpstlicher Legat 115, 117 Gunnhild, Schwester Sweins 46 Guthrum, dänischer Heerführer 37–38, 40, 70 Gyrth, earl von Ostanglien 56, 61, 81
Personenregister Hadrian, Abt 26, 28, 65 Harald (I.) 52 Harald (II.) 51, 54–57, 79–83 Harald Hardrada, norwegischer König 57 Harthaknut 52–54 Heinrich I. 84, 87–94, 100, 112, 125–30, 132–35, 137–38, 146, 150 Heinrich II. 87, 93–105, 114–16, 125–26, 128, 130–32, 134, 137–38, 140, 142, 147, 149–50 Heinrich III. 115–25, 127–28, 131, 134– 35, 139, 150–51, 155, 173, 207–08, 226, 246 Heinrich IV. 162, 170–76, 196, 212, 220, 223, 243 Heinrich V. 173, 175–80, 193, 199, 201, 238 Heinrich VI. 173, 177, 179–91, 197–202, 220, 224, 245 Heinrich VII. 7, 9, 193, 195, 201, 220 Heinrich VIII. 195, 220, 249 Heinrich der Jüngere, Erbe Heinrichs II. 97, 100–02, 104 Heinrich der Löwe, Herzog von Bayern und Sachsen 98, 107 Hengest, Herrscher von Kent 15–16, 28 Henry Beaufort, Bischof von Winchester, Kardinal 176, 179–80, 182, 220 Henry Despenser, Bischof von Norwich 169 Henry Percy, earl von Northumberland 176, 190 Henry Stafford, Herzog von Buckingham 193–95 Hild, Äbtissin von Whitby 25, 65 Honorius, Erzbischof von Canterbury 24 Hubert de Burgh, Justiziar 114–19, 128 Hubert Walter, Erzbischof von Canterbury, Justiziar, Kanzler 107–08, 110, 128–30, 134 Hugh Despenser (Vater und Sohn) 159–60
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Humphrey, Herzog von Gloucester 179–80, 182–83, 199, 220 Hygeberht, Erzbischof von Lichfield 63 Ine, König von Wessex 32, 39 Innozenz III., Papst 108, 110–12, 115, 134 Isabel Neville, Gemahlin von George, Herzog von Clarence 189, 192 Isabella, Gemahlin Eduards II. 157, 159–60, 162–64 Isabella von Angoulême, Gemahlin Johanns 109, 120 Jaenberht, Erzbischof von Canterbury 34, 63 Jack Cade, Anführer des Aufstands von 1450 183–84, 186, 238, 245 James Butler, earl von Wiltshire 187 Jasper Tudor 189–90 Jeanne d’Arc 181 Johann ‚Ohneland‘ 104–17, 120, 125–26, 131, 134, 138, 141, 149 Johann II., französischer König 167 Johann Balliol, schottischer König 155– 56 Johann von Salisbury 136, 138 John, Herzog von Bedford 178–80, 182, 199 John Ball, geistlicher Anführer des Bauernaufstands 170 John Grey, Elekt von Canterbury 110 John of Gaunt, Herzog von Lancaster, Regent 166, 168–71, 184, 195, 199, 221, 234 John of Northampton, Bürgermeister von London 238 John Oldcastle, Anführer lollardischer Rebellen 176–77, 223–24 John (I.) Paston 186, 215, 244 John Stratford, Erzbischof von Canterbury, Kanzler 164 John Tiptoft, Sprecher der commons im Parlament von 1406 176 John Tiptoft, earl von Worcester 243
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Personenregister
John Wyclif 219, 221–23 Judith, Gemahlin Aethelwulfs 59 Justus, Erzbischof von Canterbury 23 Karl der Große, Kaiser 33, 66, 77, 87 Karl IV., französischer König 160 Karl VI., französischer König 169, 178, 180, 186 Karl VII., französischer König 178, 180– 83 Karl VIII., französischer König 195 Karl der Kühne, Herzog von Burgund 189, 191–92 Katharina, Gemahlin Heinrichs V. 178– 79 Knut 46–54, 59, 61–62, 64, 67 Knut, Sohn Swein Estrithsons, dänischer König 85–86 Konrad II., Kaiser 51 Lanfrank von Bec, Erzbischof von Canterbury 83, 85, 88–89, 132–33, 136 Laurentius, Erzbischof von Canterbury 23 Leofric, earl von Mercia 51–52, 54–56 Leofwine, Sohn Godwines 55, 81 Leopold, Herzog von Österreich 107 Llewelyn ap Gruffydd, Fürst von Snowdonia 121, 155 Llewelyn ap Iorwerth, Fürst von Aberffraw 118, 121 Ludeca, König von Mercia 34–35 Ludwig VII., französischer König 84, 94, 96–98, 102, 104 Ludwig VIII., Gegenkönig, französischer König 109, 111, 114–16, 118, 125 Ludwig IX., französischer König 121, 123 Ludwig XI., französischer König 190– 92 Maelgwn, britischer Herrscher 18 Magnus, norwegischer König 49, 53–54, 57
Malcolm III., schottischer König 83 Margaret, Gemahlin John Pastons 244 Margarethe von Anjou, Gemahlin Heinrichs VI. 183, 186–88, 190–92, 245 Margarethe von York, Gemahlin Karls des Kühnen 189, 192 Maria von Burgund, Erbin Karls des Kühnen 189, 192 Martin V., Papst 222–23 Mathilde, Erbin Heinrichs I. 87, 92–94 Mathilde von Boulogne, Gemahlin Stephans 135 Maximilian, römisch-deutscher König 192 Mellitus, Erzbischof von Canterbury 23 Michael de la Pole, Kanzler 170, 215, 229 Morkere, earl von Northumbrien 57, 81–83 Nigel, Bischof von Ely 97, 128 Nikolaus, Bischof von Tusculum, päpstlicher Legat 138 Oda, Erzbischof von Canterbury 64 Odo, Bischof von Bayeux 82, 85–86, 88, 128 Offa, König von Mercia 32–34, 58–59, 61–63, 77–78 Olaf der Heilige, norwegischer König 49 Olaf (III.), norwegischer König 86 Olaf Guthfrithson, Herrscher von York 41 Oswald, König von Northumbrien 24, 31, 59 Oswald, Erzbischof von York 64, 67 Oswiu, König von Northumbrien 25– 26, 31–32, 59 Otto IV., Kaiser 112 Otto, päpstlicher Legat 120 Owain Glyndwr 174–75 Pandulf, päpstlicher Legat 117 Paulinus, Missionar 23–25
Personenregister Peada, König von Mercia 25, 31 Penda, König von Mercia 23, 30–32 Peter de la Mare, Sprecher der commons im Parlament von 1376 168–69, 215–16 Peter des Rivaux, Ratgeber Heinrichs III. 118–19 Peter des Roches, Justiziar, Bischof von Winchester 114–15, 117–19 Peter von Blois 138 Philipp II. Augustus, französischer König 84, 104, 106–10, 112 Philipp III., französischer König 151 Philipp IV., französischer König 156–57, 164 Philipp VI., französischer König 163– 64, 166 Philipp der Gute, Herzog von Burgund 182 Philipp der Kühne, Herzog von Burgund 169 Philippa, Gemahlin Eduards III. 160, 162 Piers Gaveston 157–58 Raedwald, König von Ostanglien 29– 30, 59 Raegnald, Herrscher von York 40–41 Ralph Neville, Bischof von Chichester, Siegelbewahrer, Kanzler 117–18, 129 Ralph Neville, earl von Westmoreland 175 Ralph von Mantes, earl von Hereford 55–56 Ranulf de Glanvil, Justiziar 128, 130 Ranulf Flambard, Bischof von Durham 90, 128 Reginald Pecok, Bischof von Chichester 224 Richard I. 101–02, 104–09, 114, 116, 125, 127–28, 135, 141 Richard II. 161–62, 169–74, 176, 188, 190, 196, 199, 201, 223, 233 Richard III. 9, 184, 190–95, 197, 200–01, 245
283
Richard, Herzog von Cornwall 118, 120, 122, 135 Richard II., Herzog der Normandie 45, 48 Richard, earl von Cambridge 176–77, 184 Richard de Lucy, Justiziar 97, 128 Richard Fitz Nigel 129, 138 Richard Neville, earl von Warwick 186– 91 Richard von York 177, 180, 183–88, 199 Richard von York, Bruder Eduards V. 193, 195 Robert, earl von Gloucester, illegitimer Sohn Heinrichs I. 94 Robert, earl von Leicester, Justiziar 97, 128 Robert, Graf von Flandern 84, 86 Robert, Herzog der Normandie 51 Robert, Sohn Wilhelms I., Herzog der Normandie 84, 87–90 Robert Bruce, schottischer Thronanwärter 156 Robert Bruce, schottischer König 157– 58, 162–63 Robert de Mowbray, earl von Northumberland 85, 89 Robert Fitz Walter, Anführer der Barone 113 Robert Grosseteste, Bischof von Lincoln 120, 137 Robert von Jumièges, Erzbischof von Canterbury 54–55 Robert Winchelsey, Erzbischof von Canterbury 154, 217–18 Roger Bigod, earl von Norfolk 122 Roger de Montgomery, earl von Shrewsbury 85 Roger Mortimer, earl of March 160–63, 166 Roger (I.) of Mowbray 135 Sihtric, Herrscher von York 40–41 Simon de Montfort, Anführer der Barone 120–24, 208
284
Personenregister
Siward, earl von Northumbrien 51, 54– 56 Stephan 87, 92–95, 125, 128, 134–35, 147 Stephen Langton, Erzbischof von Canterbury 110–13, 117–18, 132 Stigand, Erzbischof von Canterbury 56, 64, 79, 81–83, 132 Swein, dänischer König 46 Swein Estrithson, dänischer König 53– 54, 83, 85 Swein, Erbe Knuts in Norwegen 49, 52 Swein, earl, Sohn Godwines 54–55 Theobald, Erzbischof von Canterbury 94, 98–99 Theodor von Tarsus, Erzbischof von Canterbury 26–28, 65 Thomas, earl von Gloucester 170–71 Thomas, earl von Lancaster 158–59, 162 Thomas Arundel, Erzbischof von Canterbury 171, 176–77, 223 Thomas Becket, Erzbischof von Canterbury 95–102, 128, 132, 134, 136, 148, 196 Thomas Bourchier, Erzbischof von Canterbury 186, 193 Thorkell ‚der Lange‘, dänischer Heerführer 46, 48–49 Tostig, earl von Northumbrien 55, 57 Vortigern, britischer Herrscher 11, 13, 16 Walcher, Bischof von Durham 85 Walcher von Malvern, Gelehrter 137 Walter de Coutances, Erzbischof von Rouen, Justiziar 106
Walter Stapledon, Bischof von Exeter 160, 201 Walter von Albano, päpstlicher Legat 133 Wat Tyler, Anführer des Bauernaufstands 170 Wiglaf, König von Mercia 35 Wilfrid, Bischof von York 21, 25–27 Wilhelm I., der Eroberer (Herzog der Normandie) 56–57, 79–90, 125–27, 130, 133, 154 Wilhelm II. Rufus 84, 87–90, 127–28, 132–33 Wilhelm, Erbe Heinrichs I. 92–93 Wilhelm der Löwe, schottischer König 102, 155 Wilhelm II., der Gute, sizilischer König 101, 138 Wilhelm III., Graf von Hennegau, Holland und Seeland 160 William de la Pole, earl bzw. Herzog von Suffolk 180, 182–83, 185, 215 William Fitz Osbern, earl von Hereford 82, 84 William Hastings 193, 195 William Langland, Dichter 227, 244 William Longchamp, Bischof von Ely, Kanzler, Justiziar 105–06 William Marshal, earl von Pembroke 112–15, 117–20, 125, 128 William of Malmesbury 85, 89–90, 137 William Oldhall, Sprecher der commons im Parlament von 1450 185–86 William Wallace 156 Wine, Bischof von Winchester 24, 26 Wulfhere, König von Mercia 32, 59 Wulfstan, Erzbischof von York 45, 49, 64, 67